Das Lager von Bild zu Bild: Narrative Bildserien von Häftlingen aus NS-Zwangslagern 9783412506568, 9783412505813

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Das Lager von Bild zu Bild: Narrative Bildserien von Häftlingen aus NS-Zwangslagern
 9783412506568, 9783412505813

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Jörn Wendland

Das Lager von Bild zu Bild Narrative Bildserien von Häftlingen aus NS-Zwangslagern

Böhlau Verlag Köln Weimar Wien | 2017

Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG Wort.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek  : Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie  ; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abruf bar. Umschlagabbildung  : Pavel Fantl: »Metamorphose«, tschech. Inschrift: VANOCE CLENA AK V TEREZÍNE [Weihnachten eines Mitglieds AK in Theresienstadt]; L.P. [im Jahre]; A – CHRA? B?H [ und – so Gott will –]. © Yad Vashem (2147-A-083). © 2017 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Korrektorat  : Dore Wilken, Freiburg Gesamtherstellung  : Wissenschaftlicher Bücherdienst, Köln Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in the EU ISBN 978-3-412-50581-3

Danksagung

Dieses Buch ist die überarbeitete Fassung meiner Dissertation, mit der ich im Sommer 2013 am Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien promovierte. Bedanken möchte ich mich im Folgenden bei den Menschen, die zum Gelingen der Dissertation und des Buches in ganz erheblichem Maße beigetragen haben. Zunächst danke ich ganz herzlich meiner Betreuerin Prof. Dr. Lioba Theis, die mich ermutigt hat, dieses Projekt in Angriff zu nehmen, es mit ihrer Kompetenz unterstützt und über all die Jahre hervorragend begleitet hat. Ebenso danke ich meinem zweiten Betreuer Prof. Dr. Frank Stern für seine Anmerkungen und Ideen zu dieser Arbeit. Ganz besonders danken möchte ich Walter Bas­ nizki, Thomas Geve, Elsa Lichtblau-Leskly und Helga Weissová sowie deren Angehörigen, die stets geduldig meine Fragen beantwortet haben. Ihr Vertrauen und ihre Offenheit waren ein großes Geschenk und sehr hilfreich, die Bildwerke und die Geschichten dahinter besser zu verstehen. Diese Menschen kennenzulernen war für mich Privileg und Ansporn. Mit Unterstützung des DAAD und der Minerva-Stiftung konnte ich die notwendigen Reisen und Recherchen vor Ort tätigen. Danke hierfür. Stellvertretend für die vielen hilfreichen Geister in den zahlreichen Bibliotheken und Archiven seien an dieser Stelle Annette Haller und Nadine David von der Germania Judaica in Köln genannt, die mir jederzeit mit Rat und Tat zur Seite standen. Vielen Dank auch an Wolfgang Hehner und Guido Reus von der Firma HR-Systems, in deren Räumlichkeiten ich meine Arbeit schreiben durfte. Danken möchte ich auch Brigitte Müller, mit deren wichtiger Unterstützung ich die Zielgrade bewältigen konnte.

Ein großes Dankeschön für tatkräftige Hilfe auf den letzten Metern auch an Katrin und Daniel Reese mit ihrer Tochter Nika sowie Susanne und Tom Cernec. Für die Publikation meiner Arbeit danke ich neben Elena Mohr, Dorothee Rheker-Wunsch und Julia Beenken vom Böhlau Verlag auch der VG Wort, die einen Großteil der Druckkosten übernahm. Mein ganz besonderer Dank gilt meinen Eltern für vielfältige Unterstützung und ihren großartigen Rückhalt. Gar nicht genug danken kann ich meiner Frau Yvonne und meinen Töchtern Pola und Edyta, deren Liebe und Zuneigung mir die Kraft und Zuversicht gaben, die Arbeit zu vollenden. Köln, Januar 2017

Danksagung  |  5

»Zur ergreifenden Abschiedsfeier der deutschen Lagerveteranen in Buchenwald 1945 saß ich eng gedrängt, Schulter an Schulter, mit Menschen, die dreimal mein Leben gerettet hatten. (…) Einem von ihnen habe ich ein Denkmal gesetzt. Der Kamerad, der mit unserem einzigen Maschinengewehr geschossen hatte. Ich habe ihn auf meiner postkartengroßen Szene der Befreiung 3 Zentimeter groß gezeichnet. Auf einer Kinoleinwand erscheint er 1,20 Meter groß. In Wirklichkeit war er wahrscheinlich 1,70 Meter groß. Für mich jedoch wird er immer unendlich groß bleiben.« Thomas Geve, März 2015

Inhaltsverzeichnis

Danksagung

5

1. 1.1 1.2 1.3 1.4

13 Gegenstand und begriffliche Einordnung 13 Forschungsstand und Fragestellungen 15 Quellenlage und Auswahl 17 Ziele und Auf bau der Arbeit 19 Anmerkungen 20

2.

Die NS-Zwangslager und die Möglichkeiten der Bildproduktion

2.1 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.4 2.2.5 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 3. 3.1

Einleitung

23

Das nationalsozialistische Zwangslagersystem Zur Geschichte und Funktion einzelner Lager sowie zu den Existenzbedingungen der Häftlinge Das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz Das »Aufenthalts-« und Konzentrationslager Bergen-Belsen Das Außenlager Schwarzheide Das Ghetto Theresienstadt Das französische Internierungslager Gurs Die Möglichkeiten der Bildproduktion in den Zwangslagern Offizielle Auftragswerke Halblegale Bilder Verbotene Bilder Anmerkungen

33 33 35 36 38

Der Kontext der Bildserien

41

Die Materialität der Werke und ihre Entstehung 3.2 Fragen der Datierung 3.3 Die Funktionen der Lagerbildserien 3.3.1 Die Bildserien als Zeugnis 3.3.2 Die Bildserien als Zeichen der Selbstbehauptung und Mittel der Distanz 3.3.3 Die Bildserien als soziales Medium

23

3.3.4 Die Bildserien als Teil der NS-­ Medienpolitik 3.4 Die Rettung der Bildserien und die Problematik der Rezeption nach 1945 Anmerkungen 4. 4.1 4.1.1 4.1.2 4.2

26 26 27 29 30 31

41 46 49 50 51 54

4.2.1 4.2.2 4.2.3

4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.3 4.3.4 4.4 4.4.1

Die Ästhetik der Bildserien

Zeichenstil und Figurendarstellung in Auschwitz Das Auschwitz-Skizzenbuch  : Realismus und Individualität Waldemar Nowakowski  : Das Leiden der Häftlinge Deskriptive und symbolische Ausdrucksformen Über Abbild und Symbol in den Lagerbildern Helga Weissová  : »Zeichne, was Du siehst«. Die deskriptive Darstellung des Ghettoalltags in Theresienstadt Hilda Zadiková  : Symbole der Vergänglichkeit. Die Tradition der Monatsbilder und ihre Anpassung an die Theresienstädter Verhältnisse Das Lager als politische Karikatur  ? Humor und Satire in Theresienstadt und Gurs Die Merkmale der politischen Karikatur Pavel Fantl  : Parodie auf antisemitische Stereotypen und auf den »SuppenKaspar« von Heinrich Hoffmann Erich Lichtblau-Leskly  : Jüdische Kooperation im Zentrum satirischer Kritik Horst Rosenthal  : Der Einfluss von Walt Disneys Mickey Mouse Zur Bildsprache zweier Auftragsarbeiten aus Theresienstadt und Schwarzheide Zum Zusammenhang von Auftraggeber und Bildsprache

58 62 66 71 71 71 75 78 78

80

82

86 86

88

91 95 99 99

Inhaltsverzeichnis  |  9

4.4.2 Joseph Spier  : Das offizielle Bild. Das Ghetto Theresienstadt als »Jüdisches Siedlungsgebiet« 4.4.3 Alfred Kantor  : Ein Geschenk für den Lagerältesten 4.5 Zur Frage des Autobiografischen in den Bildserien. Die Darstellung des »Ungarnlagers« von Bergen-Belsen 4.5.1 Der autobiografische Pakt von Philipp Lejeune 4.5.2 Zsuzsa Merényi  : Der Lageralltag als Autobiografie 4.5.3 István Irsai  : Verdichtung und Distanz 4.6 Übereinstimmende Bildmotive oder lagerspezifische Darstellung  ? Ausgewählte Schlüsselmomente des Lageralltags im Vergleich 4.6.1 Die Ankunft im Lager 4.6.2 Die Essensausgabe 4.6.3 Das gemeinsame Waschen 4.6.4 Zusammenfassung Anmerkungen 5. 5.1 5.2 5.3 5.3.1 5.3.2 5.4 5.4.1 5.4.2 5.4.3 5.5

Die Narration der Bildserien. Möglichkeiten und Grenzen z­ eitlicher Konstruktionen

Zeitdarstellung im Bildmedium Zur Bedeutung der Zeitlichkeit in den Lagern und über die Zeitwahrnehmungen der Häftlinge Enthistorisierung und die »weite Bildfolge« Ahistorische Darstellung in Schrift und Bild Das Einzelbild im Fokus. Variationen der »weiten Bildfolge« Die unterschiedlichen Zeitordnungen Die unbeständige Chronologie und die narrative Vorausdeutung als »Ausweg« Die Wiederkehr der Lagerzeit im Bildzyklus Achronische Strukturen als Grenze des Erzählbaren Die Darstellung des Bildlosen. Die Vernichtung als narrative Leerstelle

10  | Inhaltsverzeichnis

5.6 100



102

6.

105 106 106 111

115 116 119 121 124 125

133 133

135 137 138 141 143 144 151 157 163

6.1 6.2 6.3

Eine Erzählung des Lagers  ? Zum Einfluss des Ortes auf Narration 168 Anmerkungen 170 Narrative Bildserien in der Nachkriegszeit

Thomas Geve  : Die Bilder eines »Buchenwaldkindes« in den Heimen des Schweizer Roten Kreuzes Simon Wiesenthal  : Der Stacheldraht, das »Gesicht des Faschismus« und das Lagertor. Symbolisierungen nach 1945 Zsuzsa Merényi  : Von der Verfolgung bis zur Rückkehr. Die Gefangenschaft als chronologische Erzählung Anmerkungen

175

175

180

187 190

7.

Zusammenfassung und Ausblick

195 198

8. 8.1 8.2 8.3 8.4 8.5 8.6 8.7 8.8 8.9 8.10 8.11 8.12 8.13 8.14 8.15

Biografien

199 199 199 200 200 201 202 203 203 204 205 205 206 207 207 208

Abkürzungsverzeichnis

211 213 213

Literatur- und Quellenverzeichnis

213 215 233 233

Anmerkungen

Karl Bodek (1905–1942) Pavel Fantl (1903–1945) Liesel Felsenthal (1924–2000) Thomas Geve (geb. 1929) István Irsai (1896–1968) Alfred Kantor (1923–2003) Erich Lichtblau-Leskly (1911–2004) Kurt Loew (1914–1980) Zsuzsa Merényi (1925–1990) Waldemar Nowakowski (1917–1984) Horst Rosenthal (1915–1942) Joseph Spier (1900–1978) Helga Weissová (geb. 1929) Simon Wiesenthal (1908–2005) Hilda Zadiková (1890–1974)

Lexika und Wörterbücher Primär- und Erinnerungsliteratur Sekundärliteratur Quellen Interviews mit dem Verfasser

Schriftliche Mitteilungen an den Verfasser Unveröffentlichte Quellen

234 234

Abbildungen

235

Abbildungen Bildserien

251 251 252 254 260 266 268 276 308

Vorbemerkung Pavel Fantl Liesel Felsenthal Thomas Geve István Irsai Alfred Kantor Erich Lichtblau-Leskly Kurt Loew und Karl Bodek

Zsuzsa Merényi Anonym (»M.M.«) Waldemar Nowakowski Horst Rosenthal Joseph Spier Helga Weissová Simon Wiesenthal Hilda Zadiková Anmerkungen

312 324 330 342 350 360 392 398 403

Abbildungsnachweise

405

Register

407

Inhaltsverzeichnis  |  11

1. Einleitung

1.1 Gegenstand und begriffliche Einordnung Es gibt hier keine »Zeit« mehr. Die Tage gehen vorüber,

doch manchmal scheint es, als kämen sie nicht nachein-

ander, sondern gleichzeitig, als fände das Geschehen von

heute gleichzeitig mit dem von gestern und morgen statt.

Diese Gefangenschaft ist wie ein Buch, das man uns reicht,

ein Buch, dessen Tage Seiten sind. Man muss das Buch nur

durchblättern, das Nacheinander in der Zeit ist unsere Sa-

che, es geschieht und ist alles gleichzeitig – nur wir können

nicht alles gleichzeitig lesen und in uns aufnehmen.1

Der Tagebucheintrag des niederländisch-jüdischen Anwalts und Schriftstellers Abel Jacob Herzberg (1893–1989) aus dem KZ Bergen-Belsen zeigt exemplarisch die großen Schwierigkeiten zahlreicher Häftlinge aus den NS-Zwangslagern2, ihre Erlebnisse in eine zeitlich geordnete Struktur zu bringen. Denn im Gegensatz zur Außenwelt waren ihnen in der Regel das Tragen von Uhren und der Besitz von Kalendern streng untersagt. Auch die Monotonie des Lageralltags sowie der allgegenwärtige Terror, dessen Unberechenbarkeit das Zeitbewusstsein vieler Häftlinge auf die unmittelbare Gegenwart reduzierte,3 trugen wesentlich zur gefühlten Zeitlosigkeit bei. Eine (künstlerische) Möglichkeit, dem chaotischen Strom an wiederkehrenden Ereignissen inmitten einer lebensfeindlichen Umgebung eine gewisse Ordnung zu geben, bestand für die Häftlinge zum einen in der schriftlichen Umsetzung der Erfahrungen (etwa im Tagebuch) und zum anderen in der visuellen Gestaltung des Erlebten in der bildenden Kunst.4 Eine weitere, bislang kaum untersuchte Möglichkeit stellen die sogenannten narrativen Bildserien dar. Die Besonderheit dieser Arbeiten liegt darin, dass sie die Sequentialität der sprachlichen Struktur mit der Simultanität des Bildes verbinden. Aus diesem Grund bezeichnet Dietrich Grünewald sequentielle Bilder auch als »hybride Kunst«, in denen sich »Raum und Zeit, das statische Bild wie der

Prozess, die simultane wie die sukzessive Rezeption«5 vereinen. Wie sahen nun diese Bildserien aus, die von zahl­­ reichen Häftlingen in den ­ unterschiedlichsten Zwangslagern im nationalsozialistischen Herrschafts­ bereich unter schwierigsten Bedingungen angefertigt wurden   ? Gemeinsames Merkmal dieser Arbeiten ist, dass sie aus einer Sequenz bestehen, die mindestens zwei Bilder enthält. Dabei lassen sich anhand des Trägermediums zwei Arten unterscheiden  : Auf der einen Seite existieren Werke, deren Bildsequenzen sich nur auf einem einzigen Bildträger befinden, entweder als Einzelblatt oder als mehrfach gefaltetes Leporello. Die einzelnen Bilder werden durch Rahmen, einfache Striche oder eben die Falze beim Leporello voneinander getrennt. Außerdem steht durch den physischen Zusammenhalt aller Bilder die Reihenfolge fest. Auf der anderen Seite gibt es Werke, deren Bilder sich auf mehrere Blätter verteilen, etwa gebunden als Heft oder als lose Blattreihe. Hier wird die Sequenz hauptsächlich durch die mediale Trennung in einzelne Seiten oder Blätter strukturiert. Ist eine Heftbindung noch vorhanden, kann die genaue Bildabfolge nachvollzogen werden, bei den losen Blattreihen ist dies nur über werkimmanente Hinweise möglich. Angefertigt wurden die narrativen Bildserien sowohl von künstlerisch ausgebildeten Häftlingen als auch von Amateuren sowie von Laien, die nie zuvor (und häufig auch nie mehr danach) gemalt und gezeichnet haben. Entstanden sind sie vermutlich in allen größeren Zwangslagern im nationalsozialistischen Machtbereich, ähnlich den dort produzierten Einzelbildern, wenngleich ihre Anzahl aufgrund der größeren Bildanzahl und des damit verbundenen erhöhten Materialbedarfs wesentlich geringer ausfallen dürfte.6 Ein Problem bei den narrativen Lagerbildserien ist ihre terminologische Einordnung, denn zur Bezeichnung des Phänomens der Reihung inhaltlich zusammengehöriger Bilder aus den NS-ZwangslaGegenstand und begriff liche Einordnung  |  13

gern existiert eine Vielfalt verschiedener Begriffe. So lassen sich die Lagerbildserien mit einiger Berechtigung als sogenannte »Lagerkunst« bezeichnen, d. h. bildende Kunst, die, nach Definition von Thomas Lutz, in der Zeit von 1933 bis 1945 »in Lagern, Ghettos, Konzentrationslagern im Macht- und Einflussbereich des deutschen Reiches«7 geschaffen wurde. Gleichwohl unterscheiden sich die Lagerbildserien grundsätzlich von den Einzelbildern durch ihre Sequentialität, sodass eine andere, abgrenzende Bezeichnung gefunden werden muss. Brauchbarer könnten wegen gewisser formaler Ähnlichkeiten die Begriffe »Comic« oder »Bildgeschichte« sein, als deren konstitutives Element die »narrative statische Bildfolge [gilt], die autonom eine Geschichte erzählt resp. einen zeitlichen Prozess vor Augen stellt«8. Allerdings passt hier der Ausdruck »Comic« nicht richtig, da er eher eine Bezeichnung für die moderne, massenmedial verbreitete Bildgeschichte seit Ende des 19. Jahrhunderts darstellt,9 die zwar hinsichtlich der Ästhetik einige Ähnlichkeiten aufweist, doch bezüglich Produktion, Medium, Distribution und Rezeption kaum etwas mit den Lagerbildserien gemein hat. Doch auch »Bildgeschichte« oder die an anderer Stelle vorkommende »Bilderzählung«10 sind zu verwerfen, da sie einen deutlichen Erzählvorgang implizieren, der in manchen Lagerbildserien  – wie wir in Kapitel 5.4.3 sehen werden  – nur noch minimal vorhanden ist. Angesichts dieser spezifischen Narration könnte der in der Kunstgeschichte gebräuchliche Begriff der »Serie« weiterhelfen. Denn nach Christine Blättler ist charakteristisch für die Serie, »dass sie sich an jeder Stelle unterbrechen und erweitern lässt, dass sie aus einzelnen Gliedern und Zwischenräumen besteht, Kontinuität aus lauter Diskontinuitäten herstellt, weder Peripherie noch Zentrum hat«11. Allerdings wird nach Uwe M. Schneede in der Serie nicht erzählt, auch Beginn und Schluss sind nicht vorhanden.12 Damit fehlt der »Serie« das narrative Element, das, wie bereits erwähnt, zumindest in rudimentären Ansätzen in den Lagerbildserien vorkommt. Auch in der weitverbreiteten Comic-Definition von Scott McCloud, der von »Sequenzen« spricht, kommt der Erzählcharakter nicht vor.13 14  | Einleitung

Um die diskontinuitiven Merkmale nicht gänzlich auszuschließen und auch der Narration zu ihrem Recht zu verhelfen, benutze ich hier den zusammengesetzten Terminus der »narrativen Bildserie« nach Werner Wolf.14 Für Wolf sind die narrativen Bildserien Teil einer intermedialen Erzähltheorie, nach der das Narrative nicht in erster Linie im Text oder Bild zu finden ist, sondern als kulturell erworbenes und mental gespeichertes kognitives Schema des Rezipienten vorkommt.15 Das Narrative ist dabei medienunabhängig, d. h., ein und dieselbe Geschichte kann in den unterschiedlichsten Medien und Gattungen erzählt werden.16 Für unsere Untersuchung von besonderer Bedeutung ist seine Feststellung, dass es genügt, wenn lediglich Teile eines Werkes als narrativ gelten  : Ein narratives Werk liegt dann vor, wenn in ihm insgesamt der Diskursmodus der Narration bzw. das Schema des Narrativen vorherrscht. Ist das nicht der Fall, können allerdings immer noch Werkteile als erzählend angesehen werden, nämlich dort, wo auf mikrotextueller bzw. -kompositioneller Ebene Geschichten erscheinen und damit zugleich das Schema des Narrativen wenigstens in Teilbereichen des betreffenden Werks zum Tragen kommt.17 Wodurch wird dieses »Schema des Narrativen« beim Betrachter ausgelöst   ? Werner Wolf spricht von werksinternen Stimuli, den sogenannten Narremen, die wichtig sind, um die verschiedenen Medien als erzählend zu begreifen. Eingeteilt werden können sie in qualitative (etwa Sinndimension, Darstellungsqualität und Erlebnisqualität), inhaltliche (z. B. Zeit, Ort, anthropomorphe Wesen, Geschehen) und syntaktische Narreme (z. B. formale und thematische Einheitsbildung, Chronologie, Teleologie, Spannung und Kausalität). Diese Narreme treten auch in den narrativen Bildserien auf, wobei die Besonderheiten des visuellen Erzählens näher in Kapitel 5 erläutert werden sollen.

1.2 Forschungsstand und Fragestellungen

Die Forschung interessierte sich erst seit den 1970erund 1980er-Jahren für die Bilder aus den Lagern, wobei zunächst die geografische Katalogisierung der vorhandenen Häftlingsarbeiten sowie die Darstellung der unterschiedlichen Entstehungsbedingungen im Mittelpunkt standen. Als eine der frühesten Arbeiten bildete 1975 Janina Jaworska v. a. die Werke polnischer Künstler in den unterschiedlichen Lagern ab, 1978 folgte in englischer Sprache Nelly Toll sowie 1981 das umfangreiche Werk »Art of the Holocaust« von Janet Blatter und Sybil Milton, das insgesamt 359 Werke von Menschen aus Gefängnissen und Verstecken, von Kriegsgefangenen und aus Transitlagern sowie Konzentrationslagern und Ghettos abbildet.18 Auch auf Deutsch wurden ab den 1980er-Jahren Bücher zu den Lagerbildern veröffentlicht, darunter die Arbeit von Mary S. Constanza, die sich u. a. mit der schwierigen Entstehung und Auf bewahrung der Häftlingszeichnungen beschäftigt, und der Band von Thomas Lutz, Wulff-Eberhard Brebeck und Nicolas Hepp, der einen Überblick über den Bestand an bildender Kunst in den verschiedenen Gedenkstätten versucht.19 Die in jüngster Zeit zahlreichen neu entstandenen Arbeiten erweitern das Wissen um die Häftlingsbilder, indem sie sich verstärkt einzelnen Orten, bestimmten Sammlungen oder spezifischen Fragestellungen widmen.20 Allerdings sind in der Geschichtswissenschaft tiefer gehende und vergleichende Fragestellungen etwa zu den unterschiedlichen Entstehungsbedingungen von Bildwerken in den einzelnen Lagern oder ihr Gebrauch im sozialen Kontext der Häftlingsgesellschaft immer noch ein Desiderat der Forschung. Ebenso fehlt bislang ein aktueller und systematischer Überblick über die vorhandenen Bildwerke, die in unterschiedlichen Museen, Gedenkstätten und Privatsammlungen auf bewahrt werden.21 Aber auch kunstwissenschaftliche Analysen, die sich systematisch mit dem Bildinhalt, der formalen Gestaltung, stilistischen Fragen oder der zeitlichen Einordnung beschäftigen, sind rar gesät. Als Ausnahme kann hier das 1993 erschienene Standardwerk »Depiction & Interpretation. The Influence of

the Holocaust on the Visual Arts« von Ziva Amishai-Maisels gelten, das bis heute als einziges Werk systematisch und umfassend sowohl die Lagerbilder als auch die nach der Befreiung geschaffenen Arbeiten aus einer kunstwissenschaftlichen Perspektive analysiert.22 Andere Untersuchungen mit kunsthistorischer Fragestellung widmen sich lediglich Teilbereichen wie die Studien von Stephen Feinstein und Pnina Rosenberg über den Humor in den Darstellungen oder Glenn Sujos und Daniela Uhers Bücher über die Parallelen der Lagerbilder zu früheren Werken aus der Kunstgeschichte.23 Jürgen Kaumkötter wiederum versucht die Bilder weniger als Zeugnisse und Beweisstücke des Holocaust zu deuten, sondern sie als eigenständige und vielschichtige Kunstwerke zu interpretieren.24 Ein Problem dieser Publikationen ist, dass sie meist die Werke ausgebildeter Künstler heranziehen und die Arbeiten der Laien dabei außer Acht lassen. Ein wichtiger Grund für die geringe kunsthistorische Beschäftigung mit den Häftlingsbildern liegt mit Sicherheit in deren extremen Entstehungsbedingungen begründet, sodass eine ästhetische Bewertung häufig schwerfällt. Diese Schwierigkeit zeigt sich auch in der nach wie vor virulenten kunsttheoretischen Debatte über die Kategorisierung der Bildwerke als eigenständige Kunst oder kontextualisiertes Artefakt. Die erste Position macht sich u. a. Jürgen Kaumkötter zu eigen, der dafür plädiert, die Lagerbilder als »autonome Kunstwerke von einer eigenen verstörenden Schönheit« 25 wahrzunehmen und sie auch in Ausstellungen »unter rein kunstgeschichtlichen Aspekten, ohne formale oder inhaltliche Begrenzung« 26 zu präsentieren. Er spricht sogar von einer »Krise der Kunstgeschichte«  : »Literaturwissenschaftler und Historiker kanonisieren die Kunst der Katastrophe und bestimmen die Leitbilder. Die Krise der Kriegs- und Nachkriegszeit ist auch eine Krise der Interpretatoren.« 27 Ähnlich argumentieren Glenn Sujo und Daniela Uher in ihren Arbeiten, die mit Stileinordnungen aus der Kunstgeschichte die Lagerbilder zum »Kunstwerk« erhöhen möchten. Michaela Haibl dagegen kritisiert eine solche Sichtweise, weil durch kunsthistorische Vergleiche und Analogien die extremen EntstehungsbeForschungsstand und Fragestellungen  |  15

dingungen in den Hintergrund träten.28 Erst durch zusätzliches Wissen, etwa Zeitzeugeninterviews, seien die Lagerbilder wahrnehmbar und begreif bar.29 Zudem würde eine Präsentation im Rahmen einer »Kunstausstellung« diesen »von Menschen in Ex­ trem­situationen geschaffenen[n] Bildern[n]«30 nicht gerecht. Auch stellt sie den Begriff »Kunstwerk« generell in Frage, da er »gerne als positiv besetzte Zuschreibungskategorie eingesetzt wird«31 und diesen »Artefakten«, wie sie die Häftlingsbilder nennt, »wesentliche Aspekte freier Kunst fehlen«32. Ähnlich sieht dies Volkhard Knigge, der angesichts der Entstehungsbedingungen diesen Begriff für nicht ausreichend hält  : Die Arbeiten, die unter diesen Bedingungen entstanden sind, gehen im Begriff des Kunstwerks allein nicht auf. Sie sind zugleich Ausdruck des Selbstbehauptungswillens und der Resistenz. Sie sind Zeugnisse, Beweise, Anklagen. Sie sind Erinnerungsspuren und Totengedächtnis. Sie beharren auf der Würde der Entwürdigten. Sie stehen für haarfeine Risse im Ordnungssystem des Terrors.33 Darüber hinaus ist von einigen Häftlingen bekannt, dass sie ihre Bilder nicht als »Kunstwerke«, sondern vorrangig als bildliche Zeugnisse betrachtet haben, als visuelle Dokumente darüber, was sie gesehen und erlebt haben.34 Aufgrund der geschilderten Problematik und weil der Begriff »Kunst« die Besonderheiten einer künstlerischen Bildproduktion in den Lagern nicht adäquat wiedergibt, soll im Folgenden auf diese Bezeichnung weitgehend verzichtet und stattdessen von »Bildwerken« oder »Lagerbildern« gesprochen werden. Während die Literatur sich also den Lagerbildern zunehmend, wenn auch nicht ausreichend, sowohl unter ästhetischen wie auch historisch-dokumentarischen Fragestellungen nähert, ist der Bereich der narrativen Bildserien aus den Lagern so gut wie gar nicht erforscht. Zwar werden die Bildserien teilweise in den einschlägigen Publikationen über die Lagerbilder erwähnt und gezeigt 35, doch als eigenständige Kategorie innerhalb der Lagerkunst mit der Sequenz als Unterscheidungsmerkmal treten sie in 16  | Einleitung

der Forschung bislang so gut wie gar nicht in Erscheinung.36 Meiner Meinung nach lassen sich für die mangelnde Beachtung der narrativen Bildserie verschiedene Gründe anführen  : Zum einen könnte die Herkunft der Werke aus den Zwangslagern eine Rolle spielen, die eine Abkehr vom tragischen Bildinhalt hin zu Fragen nach Form und Gestalt der Arbeiten erschweren. Aber auch die Fokussierung der Forschung aufs eigene Fach behindert eine tiefer gehende Auseinandersetzung. So etwa führt die formale Ähnlichkeit von Lagerbildserien und Comics zu keiner nennenswerten Untersuchung von Comic­ wissenschaftlern. Einzig die Bildfolge »Mickey au Camp de Gurs« von Horst Rosenthal taucht in verschiedenen Publikationen zum Thema Comic auf, wahrscheinlich hauptsächlich deswegen, weil dort die berühmte Comicfigur Mickey Mouse von Walt Disney als Protagonist verwendet wird.37 Ebenso fällt es der Kunstgeschichte zum Teil immer noch schwer, eine präzise Terminologie und Methoden zur Untersuchung sequentieller Bilder zu finden, wie Werner Wolf konstatiert  : Im Diskurs über bildende Kunst und Musik führt eine analoge Einseitigkeit, verbunden mit einem Defizit an Theoriebewusstsein, häufig dazu, ›narrativ‹ rein intuitiv und entsprechend schwammig zu verwenden.38 Auch in der Geschichtswissenschaft werden die Bilder aus den Lagern meist als dokumentarische Quelle und Illustration der Vergangenheit benutzt, ohne dass, wie Jürgen Kaumkötter bemängelt, der individuelle Inhalt und die künstlerische Eigenständigkeit Berücksichtigung findet.39 Schließlich liegt das geringe Interesse der Forschung auch in der teilweise lückenhaften oder fehlerhaften Publikation der Originalbildfolgen begründet, was eine vollständige Rezeption der Werke erheblich erschwert. Beispielsweise sind von der aus mindestens 42 Blättern bestehenden Bildserie Waldemar Nowakowskis bislang nur 21 Darstellungen in drei verschiedenen Büchern publiziert, die 44-seitige Bildserie Alfred Kantors kommt auf nur fünf veröffentlichte Zeichnungen und Joseph Spiers Werk

»Bilder aus Theresienstadt« ist zwar vollständig, dennoch in der falschen Reihenfolge abgebildet.40 Aber auch die Form und der Inhalt einiger Bildserien tragen dazu bei, dass der narrative Zusammenhang und damit ihre Eigenständigkeit nicht erkannt und deshalb nicht weiter erforscht wird, etwa wenn Nummerierungen der einzelnen Blätter nicht vorhanden sind oder eine durchgängige Handlung fehlt. Ausgehend von der vorliegenden Forschungslage sollen eine Reihe von Fragen beantwortet werden. Ein erster Fragenkomplex muss sich wegen des un­ trennbaren Zusammenhangs von Bildwerk und Entstehungsort dem historischen Kontext der Lagerbildserien widmen   : Wie sahen die konkreten Produktionsbedingungen der jeweiligen Bildserien aus, mit welchem Material arbeiteten die Häftlinge und wie wurden die Bilder im Lageralltag genutzt  ? Gleichzeitig sind die Arbeiten aber auch Werke mit einer wirkmächtigen Bildästhetik. Welche unterschiedlichen künstlerischen Ausdrucksformen lassen sich finden, existieren Einflüsse anderer Bildwerke und wie prägt der Ort die thematische Ausrichtung der Bildserien  ? Des Weiteren muss nach der konstitutiven Eigenschaft der Bildserien, nämlich nach ihrer narrativen Struktur gefragt werden. Wie werden die historischen, stetig wiederkehrenden Ereignisse des Lageralltags in die Form der narrativen Bildserie umgesetzt  ? Auf welche Weise verbinden sich die einzelnen Szenen zu sequentiellen Handlungen  ? Und wie offenbaren sich die Grenzen der Narration, eben die Diskontinuitäten zwischen den Bildern  ? Zu guter Letzt ist auch ein Vergleich mit Bildserien von Überlebenden kurz nach der Befreiung von Interesse. Unter welchen konkreten Bedingungen fertigten die ehemaligen Häftlinge ihre Arbeiten an  ? Inwieweit haben sich Ästhetik und Narration der Arbeiten verändert  ? 1.3 Quellenlage und Auswahl

Umfangreiche Forschungen waren nötig, um die Quellen für diese Arbeit aufzuspüren, zu sichten, zu dokumentieren und auszuwerten. Dabei bildete die Magisterarbeit des Verfassers den Ausgangs-

punkt für weitergehende Nachforschungen.41 Auch die Veröffentlichungen einiger narrativer Bildserien dienten als Grundlage für erste Untersuchungen.42 Ein häufiger Mangel der Publikationen sind jedoch die Unvollständigkeit der Bildserien, die unzureichenden Werksangaben sowie die fehlenden Informationen zu den Entstehungsbedingungen der Arbeiten und zum biografischen Hintergrund der Häftlinge. Um dem Forschungsziel einer möglichst umfassenden historischen, bildwissenschaftlichen und narratologischen Untersuchung Folge zu leisten, waren daher Reisen zu den Auf bewahrungsorten der Bildwerke sowie Gespräche mit den Künstlern oder deren Angehörigen erforderlich. Bei drei größeren Forschungsreisen, 2006 in die USA, 2007 nach Polen, Tschechien und Österreich und 2008 nach Israel, die sich insgesamt über knapp drei Monate erstreckten, konnte das umfangreiche Material untersucht und zahlreiche Interviews geführt werden. Mehrere kürzere Forschungsaufenthalte in Berlin, Chemnitz, Hannover und Wien gaben ergänzende Hinweise. Als Primärquellen dieser Arbeit dienen 15 narrative Bildserien, von denen 13 während der Lagerzeit und zwei nach der Befreiung entstanden. Das sogenannte Auschwitz-Skizzenbuch eines unbekannten Häftlings und die Bildserie von Waldemar Nowakowski (1917–1984) wurden im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz hergestellt. Aus dem Konzentrationslager Bergen-Belsen stammen die Arbeiten von István Irsai (1896–1968) und Zsuzsa Merényi (1925–1990), während im Arbeitslager Schwarzheide (einem Außenlager des KZ Sachenhausen) Alfred Kantor (1923–2003) seine Bilder produzierte. Im Ghetto Theresienstadt entstanden die Bildserien von Pavel Fantl (1903–1945), Erich Lichtblau (1911–2004), Joseph Spier (1900–1978), Helga Weissová (geb. 1929) und Hilda Zadiková (1890–1974). Aus dem französischen Internierungslager Gurs sind die Werke von Liesel Felsenthal (1924–2000), Horst Rosenthal (1915–1942) sowie das Gemeinschaftswerk von Kurt Loew (1914–1984) und Karl Bodek (1905–1942) überliefert. Die beiden nach Kriegsende produzierten Arbeiten stammen von Thomas Geve (geb. 1929), der seine Bilder 1945 im befreiten KZ Buchenwald sowie in der Schweiz Quellenlage und Auswahl  |  17

herstellte, sowie von Simon Wiesenthal (1908–2005), der seine Bildserie 1946 im österreichischen Linz veröffentlichte. Die Werke befinden sich heute in Museen, Gedenkstätten und bei Privatpersonen in den USA, in Israel, Polen, Tschechien, Frankreich und in Deutschland. Die meisten dieser Arbeiten konnte ich im Original einsehen und auswerten, in Einzelfällen war dies in einigen Institutionen aus mir unbekannten Gründen nicht möglich und ich musste auf die dort verfügbaren digitalisierten Bilddateien zurückgreifen. In den USA bewahrt das United States Holocaust Memorial Museum (USHMM) in Washington, D.C., die Arbeit von Alfred Kantor auf, im Los Angeles Museum of the Holocaust (LAMOTH) liegen die Bilder von Erich Lichtblau-Leskly, im Leo Baeck Institute (LBI) in New York die von Liesel Felsenthal und im Museum of Jewish Heritage – A Living Memorial of the Holocaust (MJH), ebenfalls in New York, befinden sich einige Blätter der Bildserie von Helga Weissová. Im israelischen Yad Vashem – The Holocaust Martyrs’ and Remembrance Authority in Jerusalem sind die Bildserien von Thomas Geve und Pavel Fantl sowie eine Ausgabe des Albums von Joseph Spier zu finden. Zudem konnte ich bei Privatpersonen in Israel einige Originalbilder von Simon Wiesenthal und Erich Lichtblau-Leskly einsehen. In Tschechien verfügt das Jüdische Museum in Prag (Židovské muzeum v Praze) über die Arbeit von Hilda Zadiková sowie über einige Zeichnungen von Helga Weissová. Der Großteil von Weissovás Bildern befindet sich allerdings in privaten Sammlungen in Prag, die ich im Original zumindest teilweise einsehen konnte. In der Gedenkstätte Theresienstadt (Památnik Terezín) ist eine weitere Ausgabe des Albums von Joseph Spier zu finden. Das Staatliche Museum Auschwitz-Birkenau (Państwowe Muzeum Auschwitz-Birkenau) in Polen besitzt das Auschwitz-Skizzenbuch sowie den Großteil der Bildserie von Waldemar Nowakowski, während die Gedenkstätte Bergen-Belsen die Bildserie von Zsuzsa Merényi auf bewahrt. Ergänzend zu den Originalbildern wurden lebensgeschichtliche Interviews mit einigen Urhebern der Bildserien sowie Gespräche mit deren Familienangehörigen geführt und teilweise aufgezeichnet, 18  | Einleitung

um mehr über die Entstehungskontexte der Arbeiten sowie über die biografischen Hintergründe zu erfahren. Zu nennen sind Interviews mit Thomas Geve in Deutschland und in Israel, mit Helga Weissová in Prag, Tschechien, mit Jerry Kantor, dem Sohn von Alfred Kantor, in Boston, USA, sowie in Israel mit Walter Basnizki, dem Witwer von Liesel Felsenthal, in Mevaseret Yerushalayim bei Jerusalem, Pauline Kreisberg, Tochter von Simon Wiesenthal, in Herzliya Pituach sowie mit Elsa Leskly, der Witwe von Erich Lichtblau, und deren Kindern Mira und Ramy Oren in Tel Aviv. Darüber hinaus wurde Material aus den folgenden Archiven v. a. für biografische Angaben ausgewertet, darunter in Wien das Simon-­ Wiesenthal-Archiv und das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands, in Polen das Archiv der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau, in Israel das Albert-Einstein-Archiv an der Hebrew University Jerusalem, das Archiv von Beit Theresienstadt und von Yad Vashem, in Deutschland das Archiv in Bergen-Belsen. Ausschlaggebend für diese Auswahl waren die Verfügbarkeit des vorhandenen Materials, der Zugang zu weiterführenden Informationen und die Möglichkeit, mit den Häftlingen selbst oder ihren Angehörigen in Kontakt zu treten. So geht die verhältnismäßig große Anzahl an Bildserien aus Gurs und Theresienstadt darauf zurück, dass in diesen Lagern die Bedingungen für eine künstlerische Bildproduktion vergleichsweise besser als an den anderen Orten waren (vgl. Kapitel 2.3). Auch waren oder sind alle der hier behandelten Häftlinge – mit Ausnahme von Waldemar Nowakowski  – jüdischer Herkunft, was auf ihre besondere Rolle in der nationalsozialistischen Verfolgungs- und Vernichtungspolitik hinweist, möglicherweise aber auch Auswirkungen auf die Sammeltätigkeit der Jüdischen Museen und der großen Gedenkstätten wie Yad Vashem in Israel besitzt. Schließlich waren die ehemaligen Häftlinge Thomas Geve und Helga Weissová bereit, über ihre Bilder und ihre Zeit in den Lagern zu sprechen, sodass ihre Arbeiten hier bevorzugt verwendet wurden. Ein weiterer Grund für diese Auswahl war der Versuch, trotz des begrenzten Materials eine gewisse Ausgewogenheit der Häftlingsbiografien und der

Lagerorte zu erreichen. So sind nicht nur ausgebildete Künstler wie etwa István Irsai, Hilda Zadiková oder Joseph Spier vertreten, sondern auch jüngere Häftlinge, die aufgrund ihres Alters keine künstlerische Ausbildung besaßen, beispielsweise Helga Weissová, oder Laien, die sich kaum vorher und nachher bildnerisch betätigten, wie Thomas Geve oder Zsuzsa Merényi. Ebenso stammen die Häftlinge aus ganz unterschiedlichen nationalen, kulturellen und sozialen Kontexten, wie ein Blick in die Biografien im Anhang verrät. Auch weisen die hier behandelten Zwangslager als Entstehungsorte der Bildserien  – Auschwitz, Bergen-Belsen, Schwarzheide, Theresienstadt und Gurs – verschiedene Charakteristika auf, die vom Vernichtungs- und Konzentrationslager über Arbeits- und Aufenthaltslager bis hin zum Ghetto und zum Internierungslager reichen (mehr zu den Lagern in Kapitel 2). Nicht in die Auswahl kommen dagegen ausschließlich fiktive Bildserien, etwa der von Ivan Polák (1929–1945) als Fortsetzungsgeschichte gezeichnete Comic »Zándlužandó« über die Abenteuer dreier Rennfahrer in der Theresienstädter Jugendzeitschrift »Kamarád« oder die illustrierten Märchen in Auschwitz.43 1.4 Ziele und Aufbau der Arbeit

Das vorrangige Ziel dieser Arbeit ist die Untersuchung der narrativen Bildserien aus einer historischen, kunstwissenschaftlichen und narratologischen Perspektive. Eine solche interdisziplinäre Herangehensweise soll zum einen durch eine Kontextualisierung der Werke in ihrem geschichtlichen und sozialen Umfeld erreicht werden. Zum anderen möchte die Arbeit auch die kunstästhetische Eigenständigkeit der Bildserien würdigen, indem sie die Arbeiten mit bildwissenschaftlichen Methoden analysiert, ohne dabei die extremen Entstehungsbedingungen zu vernachlässigen. Darüber hinaus muss die Narration umfassend untersucht werden, da die Sequentialität der Bilder zur konstitutiven Ausstattung der Lagerserien gehört. Ein weiteres Ziel dieser Arbeit ist auch, die Bildserien nicht isoliert zu zeigen, sondern sie durch Vergleiche – etwa mit ande-

ren Häftlingsarbeiten oder mit Werken aus anderen Zeiten – in einen erweiterten kunsthistorischen Zusammenhang zu stellen. Ausgehend von diesen Zielen behandelt das zweite Kapitel zunächst die unterschiedlichen Existenzbedingungen der ausgewählten Lager Auschwitz, Bergen-­Belsen, Gurs, Schwarzheide und Theresienstadt und zeigt dann die Möglichkeiten der Bildproduktion auf. Das nächste Kapitel geht auf die Bildserien selbst ein, auf ihre Materialität und – sofern bekannt – auf ihren Entstehungskontext. Außerdem spielen neben der Datierung auch die unterschiedlichen Funktionen der Bildwerke sowie ihre Rezeption nach 1945 eine wichtige Rolle. Basierend auf diesem Wissen folgt im vierten Kapitel eine kunstwissenschaftliche Analyse der einzelnen Werke, wobei zwei oder drei Bildserien zu einem spezifischen bildästhetischen Thema untersucht und miteinander verglichen werden. Damit innerhalb eines Vergleichs die Unterschiede zwischen den Entstehungsbedingungen der einzelnen Werke und deren mögliche Einflüsse auf die Bildgestaltung nicht zu groß werden, stammen die jeweiligen Arbeiten aus demselben Ort oder aus zumindest vergleichbaren Zwangslagern. Hierbei sollen zunächst die unterschiedlichen Zeichenstile und die Figurendarstellungen analysiert werden, um anschließend die Differenzen in der deskriptiven und symbolischen Ausdrucksweise zu untersuchen. Die weiteren Unterkapitel widmen sich den Werken mit humoristischen und karikaturistischen Inhalten, legen die Ästhetik der Auftragsarbeiten dar und fragen nach dem autobiografischen Inhalt der Bildserien. Am Ende des vierten Kapitels erfolgt eine lagerübergreifende Untersuchung, die anhand ausgewählter Bildmotive zeigen soll, ob die Lagerbildserien eine gemeinsame Bildsprache aufweisen oder doch visueller Ausdruck des jeweiligen Entstehungsortes sind. Das fünfte Kapitel beschäftigt sich mit den Möglichkeiten und Grenzen in der Narration der Bildserien, wobei v. a. die zeitliche Dimension thematisiert wird, denn andere narrative Elemente wie Perspektive, Figuren oder Seitenlayout haben kaum Einfluss auf die erzählerische Aussage. Neben einführenden Kapiteln zur Zeitdarstellung im visuellen Ziele und Auf bau der Arbeit  |  19

Medium und der Zeitlichkeit im Lager und ihrer Wahrnehmung durch die Häftlinge steht zunächst das Einzelbild im Fokus. Hier soll geklärt werden, wie »Zeit« in den Bildserien dargestellt wird, welchen Anteil die Bild- und Textelemente dabei haben und wie die temporären Bezüge zwischen den einzelnen Darstellungen sind. In einem nächsten Schritt geht es um die Bildserie als Ganzes, wobei an dieser Stelle die unterschiedlichen Zeitordnungen – Chronologie, Zyklus und Achronie als Grenze der Narration  – im Mittelpunkt der Untersuchung stehen. Eine weitere Analyse bezieht sich auf die Ermordung der Häftlinge in den Gaskammern, deren indirekte Darstellung auf der sequentiellen Form der Bildserien beruht. Anschließend soll analog zum Ende von Kapitel 4 der Frage nachgegangen werden, inwieweit das Lager einen prägenden Einfluss auf die Narration der Arbeiten besaß. Schließlich gibt das letzte Kapitel einen exemplarischen Ausblick auf die historischen, bildästhetischen und narratologischen Veränderungen der Nachkriegsbildserien, um auf diese Weise stärker die Eigenständigkeit der Lagerarbeiten, aber auch die vielfältigen Prägungen der Arbeiten von Überlebenden herauszuarbeiten. Anmerkungen 1 Tagebucheintrag von Abel Herzberg in  : Herzberg 1997, 186. Abel Jacob Herzberg, geb. 1893, war Rechtsanwalt in Amsterdam und von 1934 bis 1939 Vorsitzender des niederländischen Zionistenbundes. 1943 wird er verhaftet und über Barneveld und das Durchgangslager Westerbork nach Bergen-Belsen deportiert. Am 1. August 1944 beginnt Herzberg mit dem Schreiben eines Tagebuchs, das über den Alltag im Lager bis zum 7. April 1945 berichtet. Nach dem Krieg kehrt er im Sommer 1945 nach Amsterdam zurück und veröffentlicht mehrere Romane, Erzählungen und Dramen. Im Jahr 1974 erhält er den Niederländischen Staatspreis für Literatur. 1989 stirbt Abel Herzberg in Amsterdam. Biografische Angaben aus  : Laqueur 1991, 108– 111. 2 Nach Wolfgang Benz gehören zu den NS-Zwangslagern neben den Konzentrationslagern, die zum zentralen Bestandteil des Terrorapparates unter Heinrich Himmler ausgebaut wurden, auch die Vernichtungslager und Ghettos sowie Arbeitserziehungslager, Polizeihaftlager, Kriegsgefangenenlager und Zwangsarbeitslager. Vgl. Benz 2005. 3 Vgl. Sofsky 2004, 105. 4 Zum Tagebuchschreiben im KZ vgl. auch Schröder 2008. Als Standardwerk für die Häftlingsbilder gilt immer noch die Pub-

20  | Einleitung

likation von Ziva Amishai-Maisels von 1993  : Amishai-Maisels 1993. 5 Vgl. Grünewald 2010b, 16. 6 Wie viele Werke der bildenden Kunst in den NS-Zwangslagern tatsächlich entstanden, lässt sich aufgrund der extremen Entstehungs- und Auf bewahrungsbedingungen wahrscheinlich nie mehr rekonstruieren. Anfang der 1980er-Jahre schätzten Janet Blatter und Sybil Milton, dass etwa 100.000 verbotene Zeichnungen und Gemälde geschaffen wurden, von denen etwa 30.000 den Krieg überstanden. Vgl. Blatter / Milton 1981, 36. In den letzten Jahren kamen durch Schenkungen und Leihgaben an die verschiedenen Museen und Gedenkstätten etliche neue Werke hinzu, doch da es nach wie vor keinen summarischen Überblick über die vorhandenen Arbeiten gibt, ist auch die oben genannte Zahl schwierig zu verifizieren. 7 Lutz 1992, 8. Lutz bezieht auch die Werke von Überlebenden nach 1945 in seine Definition ein, die sich allerdings stark in ästhetischer und produktionsgeschichtlicher Sicht von den Werken aus den Lagern unterscheiden. Aus diesem Grund verwende ich im Folgenden »Lagerkunst« lediglich zur Bezeichnung der während der Haftzeit entstandenen Bilder. Der ebenfalls in der Forschung gebräuchliche Ausdruck »Holocaust-Kunst« wird zwar häufig synonym mit »Lagerkunst« verwendet, doch eine übereinstimmende Definition fehlt auch hier. Vgl. dazu K aumkötter 2005, S. 21–23 und K aumkötter 2015, 34–35. Zur Problematik des Begriffs »Kunst« für die Lagerbilder sowie die Auseinandersetzung in der Forschung vgl. Kapitel 1.2. 8 Grünewald 2010b, 28. 9 Auch Martin Schüwer und Dietrich Grünewald grenzen den »Comic« in dieser Weise ab. Vgl. Schüwer 2008, 10 und Grünewald 2010b, 13–14. Scott McCloud hingegen bezieht in seiner Definition des Comics auch die präkolumbianischen Bilderhandschriften, den Teppich von Bayeux und die altägyptische Malerei mit ein. Vgl. Mccloud 1994, 18–23. 10 Vgl. etwa Kemp 1989a oder Jäger 1998. 11 Blättler 2010, 12. 12 »[D]ie Serie indes besteht aus gleichwertigen Elementen mit vorherrschenden Motiv- und Formkonstanten, in deren Rahmen Varianten durchgespielt werden. Es wird nichts erzählt, es gibt keinen Anfang und kein Ende.« (Schneede 2001, 6). 13 Für McCloud sind Comics »[z]u räumlichen Sequenzen angeordnete, bildliche oder andere Zeichen, die Informationen vermitteln, und/oder eine ästhetische Wirkung beim Betrachter erzeugen sollen.« (Mccloud 1994, 17). Zum fehlenden Erzählcharakter von Scott McClouds Definition vgl. SCHÜWER 2008, 7, Fußnote 7. 14 Vgl. Wolf 2002, zur narrativen Bildserie vgl. v. a. 53–94. Die von Werner Wolf vorgenommene Unterscheidung zwischen »mehrsträngigen« und »einsträngigen« Bildserien (S. 55–56) ist für die Lagerbildserien problematisch, denn der bildhafte Ausdruck »Strang« läuft dem diskontinuierlichen Charakter mancher Bildserien zuwider. 15 Vgl. ebd., 29. 16 Vgl. ebd., 38. 17 Ebd., 41 [kursiv im Original]. 18 Vgl. Jaworsk a 1975, TOLL 1978 und Blatter / Milton 1981.

19 Vgl. Costanza 1983 (Originalausgabe  : Costanza 1982) und Lutz/Brebeck /Hepp 1992. 20 Zur Kunst aus Theresienstadt, Auschwitz und Gurs vgl. Gedenkstätte Theresienstadt 2002, Boberg/Simon 2005, Laharie 2007. Über die Sammlung der Gedenkstätte Yad Vashem vgl. Moreh-Rosenberg/Smerling 2016. Und Christiane Hess schreibt über die Funktion und Rezeption von Zeichnungen als Selbstzeugnisse (vgl. Hess 2008). 21 Eine aktuelle Übersicht über die Sammlungsbestände zahlreicher Gedenkstätten in Deutschland, Israel, Polen und den USA bietet Sier adzk a 2012. 22 Vgl. Amishai-Maisels 1993. 23 Vgl. Uher 1999, Sujo 2001, Rosenberg 2004 und Feinstein 2008. 24 Vgl. K aumkötter 2005 und K aumkötter 2015. 25 K aumkötter 2005, 53. 26 Ebd. 27 K aumkötter 2015, 372. 28 Vgl. Haibl 2005, 283. Dabei geht sie auch gezielt auf die Ausführungen von Uher 1999 und Sujo 2001 ein (vgl. Haibl 2005, 284–285). 29 Ebd., 292. 30 Ebd., 295. 31 Ebd., 286. 32 Haibl 2002. 33 Stiftung Gedenkstätten Buchenwald Und Mittelbau-Dor a 2003, 7. 34 Haibl 2005, 292. Vgl. dazu auch Kapitel 3.3.1. 35 Beispielsweise die Bildfolge Waldemar Nowakowskis in  : Boberg/ Simon 2005, 180–197, Hilda Zadikovás Arbeit in  : Gedenkstätte Theresienstadt 2002, 144 oder Horst Rosenthals »Mickey au Camp de Gurs« in  : Kotek/Pasamonik 2014. 36 Als Ausnahme ist hier ein Beitrag von Robert Weiner und Lynne Fallwell zu nennen, der allerdings nur eine einzige Lagerbildserie erwähnt, nämlich Horst Rosenthals »Mickey au Camp de Gurs«, und sich ansonsten auf Comics konzentriert. Vgl. Weiner /Fallwell 2011. Die Publikation von Deborah Schultz und Edward Timms wiederum konzentriert sich auf das Verhältnis von Wort und Bild u. a. in den Arbeiten von Arnold Daghani. Vgl. Schultz/Timms 2009, 64–91. Publikationen, die sich eingehender mit den narrativen Eigenschaften der Lagerbildserien beschäftigen, sind zwei Artikel des Verfassers  : Vgl. Wendland 2011 und Wendland 2013. 37 U.a. in  : Mulman 2008 und Frenzel 2011, 219. 38 Wolf 2002, 24. 39 Vgl. K aumkötter 2005, 22. Gleichwohl gibt es immer mehr Historiker, die sich die Individualität der Häftlingszeichnungen für ihre Forschungen zunutze machen wie z. B. einige Vorträge auf dem Workshop »Bilderwelten – Fotografie, Film und künstlerische Bildproduktionen in den nationalsozialistischen Lagern und Ghettos und deren Rezeption« vom 11. bis 13. Februar 2011 in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme. So etwa hob Andreas Ehresmann in seinem Referat »Kognitive KZ-Pläne. Häftlings-Kartierungen als visuelle Quellen zur Baugeschichtsforschung zum Konzentrationslager Neuengamme« gerade die Subjektivität der Zeichnungen als Gewinn für die Geschichtswissenschaft hervor. Vgl. dazu Wienert 2011.

40 Zu Nowakowski vgl. Jaworska 1975, Abb. 282–284, Blatter / Milton 1981, 191, 193 und Boberg/Simon 2005, 181, 183, 185, 187, 189, 191, 193, 195, 197. Zu Kantor vgl. K antor 1971a, gegenüber S. 78, ggü. S. 81, ggü. S. 87 und ggü. S. 90. Zu Spier vgl. Zeitoun/Foucher 1998, 83–85. 41 Vgl. Wendland 2001, v. a. 66–87. 42 Siehe Kapitel 1, Fußnote 35. 43 Alle 22 Ausgaben der von Oktober 1943 bis September 1944 erschienenen Zeitschrift »Kamarád« sind digital einsehbar auf   : http://www.vedem-terezin.cz/kamarad/magazine-en.html (letzter Zugriff  : 30.05.2016). Zu den Märchenillustrationen vgl. Kulasza 2003.

Anmerkungen  |  21

2. Die NS-Zwangslager und die Möglichkeiten der Bildproduktion

2.1 Das nationalsozialistische Zwangslagersystem

Die Forschung über das Zwangslagersystem im nationalsozialistischen Machtbereich hat in den letzten Jahren einen enormen Aufschwung durch eine Vielzahl neuer Gesamt- und Einzeldarstellungen erlebt, wobei der Schwerpunkt auf den Konzentrationslagern liegt.1 Der Begriff Zwangslager umschreibt dabei nach Wolfgang Benz verschiedene Lagertypen, die »der Disziplinierung, Freiheitsberaubung, Unterwerfung, Ausbeutung, Vernichtung von Menschen dienten« 2. Seiner übergeordneten Definition zufolge sind Zwangslager Orte, »in denen Menschen gegen ihren Willen unter Bewachung leben mussten und in denen Tätigkeiten und Verhaltensweisen erzwungen wurden, die nicht vom eigenen Willen und auch nicht von rechtsstaatlichen Normen bestimmt waren«3. Neben den Konzentrationslagern, die unter Heinrich Himmler als »Reichsführer SS« zum zentralen Bestandteil der nationalsozialistischen Terror- und Vernichtungspolitik ausgebaut wurden, existieren noch eine Vielzahl weiterer Lager, deren Haft- und Überlebensbedingungen vielfach denen eines KZ sehr ähnlich waren. Benz zählt dazu u. a. Arbeitserziehungslager, Polizeihaftlager, Kriegsgefangenenlager, Ghettos, Zwangsarbeitslager für Juden, Vernichtungslager und Zigeunerlager.4 Konzentrationslager Als weitverbreitete Terror- und Todeszentren nahmen die Konzentrationslager, die explizit auch sogenannt wurden, einen wichtigen Platz innerhalb des Zwangslagersystems ein. Administrativ waren sie zunächst der »Inspektion der Konzentrationslager« (IKL), ab März 1942 der Amtsgruppe  D des SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamtes (WVHA) unterstellt und somit in letzter Instanz dem »Reichsführer SS« Heinrich Himmler verantwortlich. Kennzeichnend für das KZ-System war ein mehrfacher Funktionswandel, der enorme

Auswirkungen auf Struktur und Größe der Lager, auf die Zusammensetzung der Häftlingsgruppen und schließlich auf die Existenzbedingungen der Insassen hatte.5 Wurden in den ersten Jahren des NS-Regimes v. a. politische Gegner in häufig temporär existierenden Lagern eingesperrt, kamen ab 1936 verstärkt Juden, Sinti und Roma, Homosexuelle und »Asoziale« in neu errichtete Konzentrationslager, darunter Sachsenhausen und Buchenwald, hinzu. Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs erweiterte sich das KZ-System radikal, zahlreiche neue Lager entstanden v. a. in den besetzten Gebieten, die Häftlingszahlen stiegen infolge der Einlieferungen u. a. von Polen, russischen Kriegsgefangenen und inhaftierten Zwangsarbeitern rasant an. Ab 1942 setzte die SS verstärkt Häftlinge in der Rüstungsindustrie ein, gleichzeitig avancierten Auschwitz und Lublin-Majdanek zu Zentren des Massenmordes an den europäischen Juden. Die Schlussphase 1944/45 ist wiederum geprägt von der Überfüllung aufgrund der Räumung bereits aufgelöster Lager, der fehlenden Versorgung und den katastrophalen hygienischen Bedingungen. Auf den sogenannten Todesmärschen verloren weitere Zehn- bis Hunderttausende Häftlinge infolge von Erschöpfung und Ermordung durch die SS und Zivilisten ihr Leben. Wie viele Menschen in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern inhaftiert waren und wie viele ermordet wurden oder infolge der katastrophalen Lebensbedingungen starben, lässt sich nicht exakt feststellen. In die Konzentrationslager der IKL bzw. des WVHA wurden zwischen 1933 und 1945 ungefähr 2,3 Millionen Männer, Frauen und Kinder verschleppt, davon verloren etwa 1,7 Millionen ihr Leben. Fast eine Million Juden starben im größten SS-Konzentrationslager, dem Lagerkomplex Auschwitz. Von diesen Menschen wurden schätzungsweise 870.000 jüdische Männer, Frauen und Kinder unmittelbar nach Ankunft in den Gaskammern ermordet, ohne vorher als Häftling registriert zu sein.6 Das nationalsozialistische Zwangslagersystem  |  23

Ghettos Eine weitere zahlenmäßig große Gruppe der Zwangslager bildeten die Ghettos, die im Zuge der Eroberungen im Zweiten Weltkrieg v. a. in Ost­ europa entstanden, genauer im Generalgouvernement, in Ostpolen und dem Baltikum, während es im besetzten West- und Nordeuropa kaum solche Zwangseinrichtungen gab.7 Von den 1.100 bis 1.200 Ghettos existierten in Polen ungefähr 600, im Baltikum etwa 130, im besetzten Teil der Sowjetunion 250 sowie weitere im besetzten Ungarn und unter rumänischer Kontrolle in Transnistrien.8 Im Unterschied zu den Konzentrationslagern waren die Ghettos fast ausschließlich für Juden bestimmt, sie wurden nicht abseits von Siedlungen, sondern innerhalb von Städten in Wohnvierteln errichtet und unterstanden auch nicht der SS, sondern meist den Besatzungsbehörden vor Ort. Der Ghettoalltag wurde in der Regel von sogenannten »Judenräten« organisiert, Zwangsselbstverwaltungen ohne echten Handlungsspielraum. Neben geschlossenen Ghettos, die von der restlichen Stadt durch Mauern, Zäune und strenge Bewachung isoliert waren, gab es auch »offene Ghettos« ohne eine physische Trennung, deren Grenzen durch Schilder und Strafandrohungen gesichert wurden. Bei der Errichtung von Ghettos spielten neben dem Ziel der Sammlung, Isolierung und Ermordung von Juden auch ökonomische und lokalpolitische Motive eine Rolle wie etwa die Gewinnung von Wohnraum oder die Aneignung des jüdischen Besitzes. Die größten Ghettos existierten in Warschau mit fast einer halben Million Insassen und in Łódź (seit April 1940 offiziell Litzmannstadt) mit ungefähr 150.000 Menschen, weitere große Ghettos gab es auch in Minsk, Lemberg und Białystok. Ab Herbst 1941 wurden zahlreiche Ghettos aufgelöst oder verkleinert, der Großteil der Insassen erschossen oder in die Vernichtungslager deportiert. Die letzten Ghettobewohner wurden 1943 ermordet, lediglich das Ghetto Litzmannstadt existierte als einziges auf polnischem Boden bis August 1944. Schätzungen besagen, dass ohne die Ermordungen bei Erschießungen oder in den Vernichtungslagern ungefähr 600.000 bis eine Million Menschen in den Ghettos ums Leben kamen.9 24  |  Die NS-Zwangslager und die Möglichkeiten der Bildproduktion

Eine Sonderstellung nahm das Ghetto Theresienstadt ein, das ab November 1941 zur Internierung der Juden des Protektorats und ab Juli 1942 als »Altersghetto« für privilegierte deutsche Juden diente.10 Bewacht von der tschechischen Gendarmerie unter dem Kommando eines SS-Offiziers, der dem Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD in Prag unterstellt war, spielte Theresienstadt eine wichtige Rolle in der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik, denn ein Großteil der Insassen wurde nach Auschwitz oder in andere Vernichtungslager deportiert, während weitere Zehntausende Menschen aufgrund der katastrophalen Bedingungen im Ghetto starben. Daneben war das »Altersghetto« aber auch ein wichtiges Mittel der NS-Propaganda zur Täuschung des Auslands. Französische Internierungslager Eine weitere Gruppe von Zwangslagern im nationalsozialistischen Machtbereich sind die Internierungslager in Frankreich, zu denen auch das in dieser Arbeit zu behandelnde Lager Gurs gehörte.11 So gab es sowohl im besetzten wie auch im unbesetzten Teil Frankreichs in den Jahren 1938 bis 1946 schätzungsweise 200 Lager, die der Internierung unterschiedlichster Personengruppen dienten.12 Auch hinsichtlich der Funktionen und der zeitlichen Dauer gab es zwischen den einzelnen Lagertypen gravierende Unterschiede. Ein gemeinsames Element dagegen war die Organisation und die Bewachung, die fast immer von französischen Behörden durchgeführt wurde. Ebenso charakteristisch für die Lager waren die schlechten Lebensbedingungen, sodass hygienische Mängel, ungenügende medizinische Versorgung und die unzureichende Ernährung eine hohe Todesrate unter den Menschen zur Folge hatte. Zusätzlich war das französische Lagersystem eingebunden in die deutsche Politik der »Endlösung«, bei der Tausende von Juden mit Unterstützung französischer Stellen in die Vernichtungslager deportiert wurden. Nach Barbara Distel lässt sich die französische Internierungspolitik in vier Phasen gliedern  :13 Die ersten Lager wurden 1939 für »unerwünschte Ausländer« eingerichtet, v. a. für spanische Republikaner sowie Mitglieder der internationalen Brigaden, die

nach dem Sieg Francos über die französische Grenze flüchteten. Nach der Niederlage Frankreichs und der Teilung des Landes in einen besetzten Norden und einen vom Vichy-Regime kontrollierten Süden erfolgte die nächste Phase. Nun waren in den Lagern, die überwiegend im Süden lagen, rund 60.000 Menschen, darunter ein Drittel französische Staatsbürger, interniert. Ab November 1940 ging die Verwaltung der Lager von den französischen Militärbehörden auf das Innenministerium über, während die Bewachung meist durch lokale Polizeikräfte erfolgte. Die administrative Umstrukturierung sorgte auch für eine Konzentration und Spezialisierung der großen Internierungslager.14 Gab es Ende 1940 noch 27 Internierungslager für Ausländer (»Centres d’hébergement«), existierten im Frühjahr 1941 nur noch elf. Jedes dieser Lager hatte eine besondere Funktion, beispielsweise war das Lager Rives­ altes für Familien und Kinder eingerichtet, die Lager Noé und Le Récébédou für Alte und Kranke oder Le Vernet und Rieucros als Straflager. Neben den großen Internierungslagern existierten auch Arbeits­lager, die sogenannten »Groupes de travailleurs étrangers« (GTE), von denen es im Juli 1941 etwa 50 mit rund 60.000 männlichen Inhaftierten gab, darunter 20.000 jüdische Arbeiter. Die Verwaltung erhoffte sich eine erhöhte Produktivität durch die arbeitsfähigen Häftlinge, während die Gefangenen selbst eine Verbesserung ihrer Lager erwarteten, da sie ihre erzwungene Untätigkeit aufgeben konnten, etwas Geld verdienten und die Möglichkeit besaßen, ihre Familien nachzuholen. Mit dem Frühjahr 1942 begann die dritte Phase der französischen Internierungspolitik, die nun aktiv an der nationalsozialistischen Durchführung der Judenvernichtung in Frankreich mitwirkte. Auf Anweisung deutscher Stellen lieferte die französische Polizei jüdische Internierte, aber auch politische Gegner sowie Sinti und Roma aus, die dann über Sammellager wie Drancy bei Paris in die Vernichtungslager deportiert wurden. Die letzte Phase ist auf den Sommer und Herbst 1944 zu datieren, als die deutschen Truppen aus Frankreich abzogen und Widerstandsgruppen in den Lagern deutsche Kriegsgefangene und Kollaborateure internierten.

Insgesamt durchliefen von 1938 bis 1946 etwa 600.000 Männer, Frauen und Kinder die verschiedenen Lager. Von den inhaftierten 100.000 ­Juden wurden ungefähr 76.000 in 77 Transporten in deutsche Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert. Ebenfalls deportiert wurden 15.000 politische Gefangene sowie einige Hundert Sinti und Roma.15 Zwar unterschieden sich die Bedingungen in den französischen Internierungslagern erheblich von den deutschen Konzentrationslagern, da es weder systematische Zwangsarbeit noch Massenmorde gab. Gleichwohl sind die Lager in Frankreich Teil der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik, wie Christian Eggers abschließend betont  : In jedem Fall gehört das französische Lagersystem in diesen Zusammenhang [gemeint ist der Holo­ caust, d.V.]. Die Deportation seiner jüdischen Insassen vom Sommer 1942 an kann nicht ausgeklammert und allein dem Kapitel der Untaten der deutschen Besatzung zugeschlagen werden. Es handelt sich um die Integration der französischen Internierungslager in das gesamteuropäische Netz der ›Endlösung‹. Zwar geschieht sie völlig unabhängig von den langfristigen Planungen der französischen Behörden, doch haben Regierung wie Verwaltung auch keinerlei Widerstand geleistet, sondern einen Teil der Durchführung aktiv gestaltet. Sie haben den Deutschen ihre Aufgabe unendlich erleichtert. Über die Hälfte der Deportationsopfer aus der Südzone sind vor der deutschen Besetzung am 11. November 1942 deportiert worden.16 Im Folgenden liegt der Schwerpunkt auf der Darstellung derjenigen Zwangslager, aus denen die hier zu untersuchenden narrativen Bildserien stammen, nämlich aus dem Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz, dem Konzentrations- und »Auf­enthaltslager« Bergen-Belsen, dem Arbeitslager Schwarzheide, einem Außenlager des KZ Sachsenhausen, dem Ghetto Theresienstadt und dem unter französischer Verwaltung stehenden Internierungslager Gurs. Neben einer kurzen Einführung in die Geschichte und Funktion der einzelnen Lager stehen insbesondere die Existenzbedingungen der Das nationalsozialistische Zwangslagersystem  |  25

Häftlinge im Mittelpunkt, um so die Entstehungsumstände der Bildwerke besser kontextualisieren zu können. 2.2 Zur Geschichte und Funktion einzelner Lager sowie zu den Existenzbedingungen der Häftlinge 2.2.1 Das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz

Zum Lagerkomplex Auschwitz gehörten neben dem Stammlager Auschwitz (Auschwitz  I) noch das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau (Auschwitz II), das sich zum Zentrum der Ermordung an den europäischen Juden entwickelte, sowie das v. a. für Zwangsarbeit genutzte Auschwitz-Monowitz (Auschwitz III).17 Ursprünglich wurde Auschwitz I als Quarantäne- und Durchgangslager für inhaftierte Polen eingerichtet, doch schon bald nach dem ersten Transport am 20. Mai 1940 änderte sich die Funktion und das Stammlager diente fortan als dauerhafte Terrorstätte. Bereits im März 1941 ordnete Himmler die Erweiterung des Stammlagers an und befahl zugleich die Errichtung eines »Kriegsgefangenenlagers« für 100.000 Gefangene in Birkenau sowie die Bereitstellung von 10.000 Häftlingen für den Bau eines großen Werkes der IG Farben in Monowitz. Ab Ende 1941 erfolgte der Ausbau von Auschwitz-Birkenau, wobei in den unterschiedlichen Lagerabschnitten nacheinander verschiedene Opfergruppen untergebracht wurden. So gab es eigene Bereiche etwa nur für Frauen (B  Ia), für Männer (B Ib, später B IId), für Häftlinge aus dem Ghetto Theresienstadt, das sogenannte »Theresienstädter Familienlager« (B  IIb) sowie für Sinti und Roma im »Zigeunerlager« (B  IIe). Der Lagerkomplex Auschwitz diente aber nicht nur als Arbeitskräftereservoir für SS-Betriebe sowie für die deutsche Rüstungsindustrie, sondern entwickelte sich ab Ende 1941 zur zentralen Stätte für den Massenmord an den europäischen Juden. Waren bis 1941 verhältnismäßig wenig Juden in Auschwitz inhaftiert, stellten sie ab Mitte 1942 die zahlenmäßig größte Gruppe dar.18 In 26  |  Die NS-Zwangslager und die Möglichkeiten der Bildproduktion

zahlreichen Transporten wurden Juden aus fast ganz Europa nach Auschwitz transportiert und ein Großteil davon gleich in den Gaskammern ermordet. Den Höhepunkt der Massenvernichtung bildete das Jahr 1944, als von den über 600.000 deportierten Juden ungefähr 500.000 ermordet wurden.19 Den größten Anteil daran hatten die ungarischen Juden, die im relativ kurzen Zeitraum vom 15. Mai bis 9. Juli 1944 in 147 Transportzügen nach Auschwitz verschleppt wurden.20 Die Endphase des Lagerkomplexes Auschwitz ist gekennzeichnet zum einen durch die Ankunft tausender Gefangener aus bereits geräumten Lagern. Zum anderen erfolgen ab August 1944 erste Evakuierungstransporte in die Konzentrations­lager im Reichsinneren, wo die Häftlinge u. a. in der Rüstungsproduktion eingesetzt wurden. Auf Befehl Himmlers wurden die Vergasungen im November 1944 eingestellt, der Abbruch der Gaskammern und der Ofenhallen folgte, während die SS die Kremato­ rien im Januar 1945 sprengte. Bis zur Befreiung des KZ Auschwitz durch sowjetische Truppen am 27. Januar 1945 trieb die SS noch zehntausende Häftlinge auf Todesmärschen in Richtung Westen. Die Existenzbedingungen waren von Beginn an mörderisch, denn der Tod der Häftlinge war, wie Franciszek Piper schreibt, die Hauptfunktion des KZ Auschwitz  : Der oberste Zweck und das primäre Ziel des KL Auschwitz von seiner Errichtung im Frühjahr 1940 bis zum letzten Tag seines Bestehens im Januar 1945 war Vernichtung. Alle anderen Aufgaben und Ziele, wie etwa die Ausbeutung der Arbeitskraft der Häftlinge, der Raub der Habe der Opfer, die Nutzung der Leichen oder die Durchführung von medizinischen Experimenten, waren demgegenüber von sekundärer Bedeutung.21 Bereits bei der Aufnahme in Auschwitz wurden die Häftlinge gedemütigt, geschlagen, von jeglichem Besitz beraubt und in schmutzige, oftmals unpassende oder beschädigte Häftlingskleidung gesteckt. Die Kleidung enthielt zudem unterschiedliche farbige Kennzeichen, den »Winkel«, der die Gefangenen in verschiedene Kategorien einteilte.22 Um die Identifi-

zierung der vielen Toten zu erleichtern, tätowierte die SS ab Herbst 1941 jedem registrierten Neuankömmling die Häftlingsnummer auf den linken Unterarm. Zudem waren die desolaten Unterkünfte und die katastrophalen hygienischen Verhältnisse Ursache für die grassierenden Epidemien und Infektionskrankheiten in den Lagern. Im Stammlager Auschwitz waren die Häftlinge in gemauerten ehemaligen Kasernenbauten der polnischen Armee untergebracht, die mit ungefähr 1.200 Personen pro Block völlig überbelegt waren. Schlafen mussten die Häftlinge zunächst auf Strohsäcken, ab 1941 in schmalen dreistöckigen Holzbetten, die mit zwei und mehr Personen pro Etage belegt waren. Die Unterkünfte in Auschwitz-Birkenau waren wesentlich primitiver, da sie zum einen aus einfachen Ziegelsteinbaracken bestanden, die auf dem sumpfigen Gelände auf bloßer Erde errichtet wurden, und zum anderen aus hölzernen Pferdestallbaracken, deren Wände aus dünnen, ungenau zugeschnittenen Brettern zusammengenagelt waren. Zwar waren in beiden Lagern Räume und Gebäude mit rudimentären sanitären Einrichtungen vorhanden, die aber von den Häftlingen infolge der großen Menschenmassen am Tag nur für wenige Minuten benutzt werden konnten. Erheblich verschlimmert wurden die Unterkunftsbedingungen durch die immense Anzahl an Ungeziefer und Ratten, die Feuchtigkeit in den Baracken, die Kälte v. a. im Winter, die Verschmutzung der Strohsäcke durch die an Durchfall leidenden Häftlinge und den ständigen Wassermangel, der die Insassen am Waschen hinderte. Ebenso war die Ernährung völlig unzureichend, sodass die Menschen schon nach kurzer Zeit an völliger Erschöpfung litten. Zwar war es ab Herbst 1942 möglich, Lebensmittelpakete von Angehörigen zu erhalten, doch die SS sowie Funktionshäftlinge behielten den größten Teil ein, zudem waren Juden und sowjetische Kriegsgefangene vom Empfang in der Regel ausgeschlossen. Ähnlich wie die Nahrung war auch die medizinische Versorgung in den Lagern katastrophal. Bedingt durch die harte Arbeit und die mangelnden hygienischen Verhältnisse waren schwere Verletzungen und Krankheiten sehr häufig, konnten aber aufgrund der schlechten Ausstattung und fehlenden Medikamente im so-

genannten Häftlingskrankenbau (HKB) kaum behandelt werden, sodass viele der Patienten starben.23 In den Krankenrevieren wurden die Häftlinge aber auch aktiv, häufig mithilfe von Phenolspritzen, von den SS-Ärzten getötet. Daneben gab es auch medizinische Experimente, bei denen die Häftlinge ihr Leben lassen mussten.24 Weitere Opfer forderte auch die erschöpfende Zwangsarbeit, bei der die Häftlinge anfangs für den Ausbau des Lagers eingesetzt wurden. Später waren sie in SS-eigenen Betrieben, etwa in den Werkstätten der DAW (Deutsche Ausrüstungswerke), in Tischlereien, Schlossereien, in der Landwirtschaft oder in Küchen, Latrinen, im Krankenbau, in der Verwaltung und den Büros der SS tätig. Das frühe Aufstehen gegen vier Uhr morgens, der mitunter lange Weg zum Arbeitsort, das hohe Tempo, die willkürlichen Strafen, Misshandlungen und Morde durch die SS sowie der lange Rückweg ins Lager und die anschließenden zeitraubenden Appelle taten ihr Übriges, um die Anzahl der Häftlinge zu dezimieren.25 Nach den Berechnungen von Franciszek Piper wurden etwa 1,3  Millionen Menschen nach Auschwitz deportiert, davon ungefähr 1,1  Millionen Juden, 140.000 bis 150.000 Polen, 23.000 Sinti und Roma, 15.000 sowjetische Kriegsgefangene und 25.000 Gefangene anderer Nationalitäten.26 Etwa 900.000 Juden ermordete die SS unmittelbar nach ihrer Ankunft in den Gaskammern, weitere 100.000 starben aufgrund der katastrophalen Existenzbedingungen. Auch 70.000 bis 75.000 Polen, 21.000 Sinti und Roma, 15.000 sowjetische Kriegsgefangene und 10.000 bis 15.000 der anderen Nationalitäten kamen im Lagerkomplex Auschwitz ums Leben. 2.2.2 Das »Aufenthalts-« und Konzentrationslager Bergen-Belsen

Das Lager Bergen-Belsen nahm innerhalb des KZ-­­ Systems eine Sonderstellung ein  : Obwohl es die ganze Zeit wie die anderen Konzentrationslager unter der Verwaltung des SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamts stand, wurde es zunächst als sogenanntes »Aufenthaltslager« für einige Tausend Geschichte und Funktion einzelner Lager   |  27

jüdische Austauschhäftlinge errichtet, bevor es zum »Erholungslager« für »arbeitsunfähige« Gefangene und schließlich zum Zielort der »Räumungstransporte« aus anderen Lagern wurde.27 Die Entscheidung, in Bergen-Belsen ein »Aufenthaltslager« einzurichten, fußte auf Plänen von Heinrich Himmler und des Auswärtigen Amtes, Juden gegen deutsche inhaftierte Staatsbürger im Ausland auszutauschen. Nach Hitlers Zustimmung zu solchen Planungen wies Himmler im Dezember das Reichssicherheitshauptamt (RSHA) an, dass Juden, (…) die einflussreiche Verwandte in Amerika haben, in einem Sonderlager zusammenzufassen sind. Dort sollen sie zwar arbeiten, jedoch unter Bedingungen, daß sie gesund sind und am Leben bleiben. Diese Art von Juden sind für uns wertvolle Geiseln. Ich stelle mir hierunter eine Zahl von rund 10.000 vor.28 Später wurde der Personenkreis genauer bestimmt, sodass nicht nur jüdische Häftlinge mit Beziehungen zu einflussreichen Personen oder im Austausch gegen inhaftierte Deutsche im Ausland in Frage kamen, sondern auch Juden als Geiseln, um als politische und wirtschaftliche Druckmittel zu dienen, sowie jüdische Funktionäre. Auf diese Weise hofften die SS und das Auswärtige Amt, auch an Devisen oder notwendige Güter heranzukommen oder durch Freilassungen Konflikte mit neutralen oder befreundeten Staaten zu vermeiden. Seit Ende April 1943 wurde mit der Errichtung des »Austauschlagers Bergen-Belsen« begonnen, wobei es in unmittelbarer Nähe zu einem bereits seit 1940 bestehenden Kriegsgefangenenlager lag. Dieses Gefangenenlager, das zunächst belgische und französische, später dann sowjetische Kriegsgefangene unter katastrophalen Bedingungen internierte, existierte parallel zum KZ Bergen-Belsen bis 1945. Nach Thomas Rahe prägte die Sonderfunktion des »Aufenthaltlagers Bergen-Belsen« die Sozialstruktur und die Lebensbedingungen im Unterschied zu den anderen Konzentrationslagern ganz nachhaltig.29 So war Bergen-Belsen ein »Familienlager«, d. h., in der Regel waren ganze Familien statt Einzelpersonen interniert, auch wenn nur ein Mitglied die Auf28  |  Die NS-Zwangslager und die Möglichkeiten der Bildproduktion

nahmebedingungen erfüllte. Zudem waren die Lebensbedingungen zunächst erheblich besser, da sie in den Augen der SS wertvolle Geiseln waren, die am Leben bleiben mussten. So durften die Gefangenen beispielsweise persönliches Gepäck mitbringen. Schließlich wurden in Bergen-Belsen im Gegensatz zu den anderen KZ-Hauptlagern im Reichsgebiet fast ausschließlich Juden inhaftiert, während die nicht-jüdischen Häftlinge in einem als »Häftlingslager« bezeichneten Bereich untergebracht waren. Betrug der Anteil der jüdischen Häftlinge bis Ende 1944 etwa 80 bis 90 Prozent, so sank er im Folgenden aufgrund der »Evakuierungstransporte« stetig, lag bei der Befreiung im April 1945 aber immer noch bei rund 50 Prozent.30 Aufgrund des in den Augen der SS unterschiedlichen rechtlichen Status der Häftlinge war das »Aufenthaltslager« in mehrere voneinander streng getrennte Teillager gegliedert, in denen jeweils unterschiedliche Lebensbedingungen galten. Das größte war das sogenannte »Sternlager«. Dort waren etwa 4.000 Häftlinge größtenteils aus den Niederlanden inhaftiert, die an ihrer Zivilkleidung den Judenstern tragen mussten (daher der Name) und für die Arbeitszwang bestand. Im »Neutralenlager« lebten mehr als 700 Juden, die Pässe neutraler Staaten, v. a. spanische und türkische, besaßen. Sie wurden nur zu kleineren Arbeiten herangezogen und es herrschten im Vergleich zu den anderen Teillagern einigermaßen erträgliche Bedingungen. Im sogenannten »Sonderlager« waren ungefähr 350 aus Polen deportierte Juden mit unterschiedlichen Staatsangehörigkeiten untergebracht, die vermutlich wegen ihrer Kenntnisse der Mordaktionen in Polen von den anderen isoliert und auch keinem Arbeitskommando zugeteilt wurden. Im »Ungarnlager« wiederum lebten fast 1.700 ungarische Juden der sogenannten Kasztner-Gruppe, eine Rettungsaktion zwischen der SS und zionistischen Organisationen in Budapest, vertreten durch den ungarisch-jüdischen Anwalt Rudolf Kasztner.31 Im Vergleich zum »Sternlager« waren die Existenzbedingungen deutlich besser, zumal die Gefangenen erheblich mehr Lebensmittel nach Bergen-Belsen bringen durften und nicht arbeiten mussten. Ebenso erhielt die in-

terne Selbstverwaltung von der SS mehr Autonomie. Eine erste Teilgruppe konnte im August 1944 nach Zahlung von Lösegeld das »Ungarnlager« in Richtung Schweiz verlassen, Anfang Dezember 1944 folgten fast alle übrigen Personen. Kurz danach quartierte die SS 4.100 bis 4.200 ungarische Juden, die ebenfalls als Austauschhäftlinge gedacht waren, in die leer stehenden Baracken ein. Weitaus schlechter erging es von Anfang an den Gefangenen des benachbarten »Häftlingslagers«. Dieser Abschnitt beherbergte zunächst ein aus 500 Personen bestehendes Baukommando, bevor er ab März 1944 für kranke und nicht mehr arbeitsfähige Gefangene aus anderen Lagern diente. Aufgrund der mangelhaften hygienischen und medizinischen Zustände, der völlig unzureichenden Ernährung und den Misshandlungen durch SS und Funktionshäftlinge herrschte hier eine weitaus höhere Sterberate als in den anderen Lagerteilen.32 Ab Dezember 1944, als Bergen-Belsen nun nach einem weiteren Funktionswandel die zahlreichen Häftlinge aus den »Evakuierungstransporten« aufnahm, glich sich die Situation in den verschiedenen Lagerteilen immer mehr an. So wurden die nichtjüdischen Funktionshäftlinge aus dem »Häftlingslager« nun auch im »Sternlager« eingesetzt, die dort die jüdischen Austauschhäftlinge misshandelten. Zusätzlich wurde der bisherige Lagerälteste des »Häftlingslagers« zum Lagerältesten des gesamten Lagers ernannt.33 Die ankommenden Häftlingstransporte führten zu einer völligen Überfüllung des Lagers, das nun auch offiziell als »Konzentrationslager Bergen-Belsen« geführt wurde. Die Existenzbedingungen verschlechterten sich immer mehr, Hunger, Erschöpfung und Krankheit ließen die Häftlinge zu Tausenden sterben. Bergen-Belsen wurde, wie Eberhard Kolb es ausdrückt, »zur Stätte eines langsamen und qualvollen Massensterbens«34. Von den 55.000 Häftlingen, die Mitte April von der britischen Armee befreit wurden, starben noch mehr als 13.000 Menschen an den Folgen der Lagerzeit. Die Gesamtzahl der Todesopfer wird auf ungefähr 50.000 Menschen geschätzt. Von den mindestens 14.600 jüdischen Austauschhäftlingen, die zwischen Juli 1943 und Dezember 1944 ins »Aufenthalts-

lager« gebracht wurden, kamen etwa 2.560 durch Austausch frei, eine ähnlich große Anzahl wurde in die Vernichtungslager geschickt. Kurz vor der Befreiung kamen noch 6.700 Häftlinge dieser Gruppe auf drei Transporte in Richtung Theresienstadt. Nur einer der Transporte kam dort an, die beiden anderen Züge wurden am 13. April bei Farsleben in der Nähe von Magdeburg beziehungsweise am 23. April bei Tröbitz befreit, wobei der letztere Transport insgesamt etwa 550 Opfer zu beklagen hatte.35 2.2.3 Das Außenlager Schwarzheide

Das von Juli bis April 1945 im brandenburgischen Braunkohlegebiet genutzte Zwangslager Schwarzheide war kein eigenständiges Lager, sondern administrativ dem Konzentrationslager Sachsenhausen unterstellt.36 Hauptgrund seiner Errichtung waren Arbeiten am Hydrierwerk der Braunkohle-Benzin AG (Brabag), das synthetisches Benzin aus Braunkohle herstellte. Ein erstes Auf baukommando mit überwiegend deutschen Kommunisten aus dem KZ Sachsenhausen errichtete unmittelbar neben der Autobahn Dresden-Berlin ein kleines Barackenlager.37 Diese Gefangenen nahmen später führende Positionen in der Häftlingshierarchie ein, darunter der Lagerälteste und Leiter des Krankenbaus, Kapo und Koch, Rapportschreiber und Magazinverwalter. Ende Juni 1944 deportierte die SS 1.000 jüdische Männer aus dem aufgelösten Theresienstädter Familienlager von Auschwitz-Birkenau nach Schwarzheide. Die Kleidung der Häftlinge bestand aus der gestreiften KZ-Kleidung und Holzschuhen, im Winter zusätzlich noch aus einem Flanellrock, der aber angesichts der Kälte nicht ausreichte. Als Schutz vor den tiefen Temperaturen stopften sich die Gefangenen Zementsäcke unter ihre Kleidung, was aber von der SS verboten wurde.38 An Nahrung gab es morgens nach dem Wecken um fünf Uhr einen schwarzen Ersatzkaffee, um zehn Uhr zwei dünne Brotscheiben mit Ersatzleberpastete, gegen Mittag eine Steckrübensuppe und am Abend eine Scheibe Brot, Margarine und gelegentlich etwas Käse.39 WeGeschichte und Funktion einzelner Lager   |  29

gen seiner Bedeutung für die Rüstungsindustrie wurde das Werk mehrfach durch alliierte Flugzeuge bombardiert, sodass die Häftlinge neben Aufräumund Reparaturarbeiten auch zur Entschärfung von Blindgängern und dem Bau von Luftschutzbunkern herangezogen wurden. V. a. der Bunkerbau, bei dem die Häftlinge bis zu 50  kg schwere Zementsäcke schleppen und Loren schieben sowie be- und entladen mussten, gehörte zu den anstrengendsten Arbeiten. Zudem wurde in Zwölf-Stunden-Schichten gearbeitet, lediglich unterbrochen von einer halbstündigen Pause pro Schicht. Aufgrund der schweren Arbeit und der mangelnden Ernährung kamen bis zu einem Drittel der Häftlinge in den Krankenbau, wobei es allerdings keine ausreichende medizinische Versorgung gab. Etliche Häftlinge starben bei den Bombenangriffen, die sie ungeschützt in den Baracken über sich ergehen lassen mussten. Auch der Terror einzelner SS-Männer forderte zahlreiche Menschenleben. So wurde ein Häftlingsvorarbeiter erschossen, weil er einem erschöpften Mithäftling helfen wollte. Ein anderer Häftling verlor sein Leben wegen einer Zigarette, die er vom Boden aufgehoben hatte.40 Wegen der herannahenden Front mussten die Häftlinge Anfang 1945 Panzersperren in der Nähe des Werks errichten. Am 16. April 1945 löste die SS das Lager auf und schickte ungefähr 500 Häftlinge auf einen Fußmarsch durch die Sächsische Schweiz in Richtung Theresienstadt. In Varnsdorf wurden jüdische und nichtjüdische Häftlinge voneinander getrennt. Während Letztere bei Langenau befreit wurden, mussten die jüdischen Gefangenen den Todesmarsch bis Theresienstadt durchhalten, wo schließlich 228, nach anderen Angaben 274 Überlebende ankamen.41 2.2.4 Das Ghetto Theresienstadt

Im Vergleich zu den Konzentrationslagern und auch zu den anderen Ghettos hatte Theresienstadt eine besondere Stellung inne, die von Miroslav Kárný auch als »Unikat sui generis«42 bezeichnet wird. Nach Meinung der Forschung waren verschiedene Funktionen für das Ghetto Theresienstadt prägend. Zum 30  |  Die NS-Zwangslager und die Möglichkeiten der Bildproduktion

einen diente es den Nationalsozialisten ab November 1941 als Sammel- und Durchgangslager in erster Linie für Juden aus dem Protektorat, später größtenteils aus Deutschland und Österreich sowie zu einem wesentlich kleineren Teil aus anderen europäischen Ländern. Von den insgesamt etwa 141.000 Häftlingen, die nach Theresienstadt kamen, wurden 88.000 in die Vernichtungslager Treblinka und Auschwitz deportiert, von denen nur rund 3.500 überlebten.43 Eine weitere Funktion von Theresienstadt war die Dezimierung der Insassen. Zwar gab es im Vergleich zu den Konzentrationslagern keine Massentötungen oder -hinrichtungen, allerdings starben aufgrund der schlechten Lebensbedingungen, Krankheiten und Gewalt der SS etwa 33.500 Häftlinge innerhalb des Ghettos. Zusammen mit den in die Vernichtungs­ lager deportierten Menschen kamen insgesamt 118.000 Menschen ums Leben, 23.000 überlebten.44 Schließlich wurde Theresienstadt für Pro­ pa­ gan­ da­­ zwecke eingesetzt, um als vermeintliches »Musterghetto« z. B. im Rahmen des Besuchs des Internationalen Roten Kreuzes am 23.  Juni 1944 die internationale Öffentlichkeit über das wahre Schicksal der Juden zu täuschen.45 Zur nationalsozialistischen Propaganda zählte auch die 1942 auf der Wannseekonferenz beschlossene Einrichtung von Theresienstadt als »Altersghetto« für privilegierte jüdische Personen über 65 Jahren, darunter Invaliden des 1. Weltkrieges, Soldaten mit militärischen Auszeichnungen sowie »Prominente« aus Kunst, Wissenschaft und Politik. Allerdings zählte nur ein geringer Teil aller Theresienstädter Häftlinge zu dieser Kategorie, auch waren die Privilegien in der Regel nur von kurzer Dauer und die meisten von ihnen wurden später deportiert und ermordet. Gerade der propagandistische und außenpolitische Nutzen war die Ursache dafür, dass Theresienstadt als einziges Ghetto im nationalsozialistischen Herrschaftsgebiet nicht aufgelöst wurde, sondern bis Kriegsende fortbestand.46 Auch die Einführung einer »jüdischen Selbstverwaltung« und die Möglichkeiten eines relativ reichhaltigen kulturellen Lebens sind vornehmlich vor diesem propagandistischen Hintergrund zu sehen, ohne dass die betreffenden Personen wirklich autonom agieren konnten.

Die Lebensbedingungen im Ghetto Theresienstadt waren neben der ständigen Angst vor den sogenannten »Osttransporten« in erster Linie geprägt durch Überfüllung, Hunger, Arbeitszwang und die spezielle Altersstruktur der Häftlinge.47 Insbesondere der Platzmangel, der auf dem Höhepunkt der Überfüllung des Ghettos im September 1942 jedem der ungefähr 58.500 Insassen durchschnittlich nur 1,6 Quadratmeter Wohnfläche zu Verfügung stellte, bestimmte den Lageralltag. Damit verbunden waren erhebliche Probleme in der Wasserversorgung und Toilettennutzung, sodass Krankheiten und Ungeziefer sich ungehindert verbreiten konnten. Ebenso war der Hunger allgegenwärtig, da die Lebensmittelrationen für alle Häftlinge nicht ausreichten, zumal Zubereitung und Verteilung des Essens völlig mangelhaft waren. Während Schwerarbeiter und Kinder erhöhte Rationen erhielten, bekamen andere Gruppen wie Kranke und ältere Personen, da die Gesamtmenge gleich blieb, notgedrungen weniger Nahrung zugeteilt. In Theresienstadt herrschte Arbeitszwang, der offiziell für alle Insassen zwischen 16 und 60 Jahren galt, häufig aber auch Personen außerhalb dieser Altersbeschränkung betraf. Gearbeitet wurde vornehmlich für den inneren Gebrauch des Ghettos, z. B. in der Bäckerei, Wäscherei, Metallbearbeitung, Schusterwerkstatt und der Tischlerei, im Gesundheitswesen, bei Reinigungsarbeiten sowie der Wasser- und Stromversorgung. Einzelne Produktionen wie die Glimmspalterei, die Kistenproduktion oder die Schneiderei für die Instandhaltung von Wehrmachtsuniformen waren für die Rüstung oder Privatunternehmer bestimmt, erreichten aber keine höhere Bedeutung. Aufgrund der Funktion von Theresienstadt als »Altersghetto« war der Anteil an älteren Menschen – insbesondere aus Deutschland und Österreich – besonders hoch. Diese Menschen litten besonders stark unter den katastrophalen Lebensbedingungen, sodass die Todesrate unter ihnen außerordentlich hoch war. Um Überbevölkerung und Krankheiten zu reduzieren, führte die SS-Kommandantur im September und Oktober 1942 sogenannte »Alterstransporte« durch, bei denen ältere Personen, insgesamt 18.000 Juden aus Deutschland, Österreich und dem Protek-

torat, in das Vernichtungslager Treblinka deportiert wurden, von denen keiner überlebte.48 Auch für die Kinder und Jugendlichen waren die Verhältnisse in Theresienstadt im besonderen Maße belastend. Daher versuchte die »Selbstverwaltung« im Rahmen ihrer Möglichkeiten halbwegs erträgliche Wohnund Ernährungsbedingungen zu schaffen, organisierte Pädagogen für heimlichen Schulunterricht und bemühte sich um eine sinnvolle Freizeitgestaltung. Von den 10.500 Kindern, die zum Zeitpunkt ihrer Deportation unter 15 Jahre alt waren, starben ungefähr 400, weitere 7.500 kamen in die Vernichtungslager.49 2.2.5 Das französische Internierungslager Gurs

Das Internierungslager Gurs war im Gegensatz zu den Konzentrationslagern und Theresienstadt nicht in nationalsozialistischer Hand, sondern stand im unbesetzten Frankreich unter der Kontrolle der Vichy-­Regierung.50 Gleichwohl wurden auch aus Gurs sowie den anderen Internierungslagern in Südfrankreich die inhaftierten Juden im Rahmen der »Endlösung« in die nationalsozialistischen Vernichtungslager deportiert. Gegründet im April 1939, diente Gurs zunächst als Auffanglager für republikanische Flüchtlinge des Spanischen Bürgerkrieges, dann nach Beginn des Krieges kurzfristig als Internierungslager für »feindliche Ausländer«. Nach dem Waffenstillstand mit Deutschland am 22. Juni 1940 wurden belgische Frauen, Jüdinnen und französische Kommunistinnen sowie jüdische Flüchtlinge aus Deutschland und Österreich in Gurs eingeliefert, sodass dort neben verbliebenen 3.500 Spanienkämpfern rund 10.000 Frauen lebten. Am 22.  Oktober 1940 kamen zusätzlich 6.538 deutsche Juden aus Baden, der Pfalz und dem Saarland nach Gurs, die auf Initiative der beiden Gauleiter Bürckel und Wagner nach Frankreich deportiert wurden. Ähnlich wie in vielen anderen französischen Lagern erfolgte 1942 die Deportation v. a. der jüdischen Internierten. So gingen im August und September 1942 und nochmals im Februar und März 1943 von Gurs mehrere Transporte mit knapp 4.000 überwiegend jüdischen Geschichte und Funktion einzelner Lager   |  31

Insassen über das Sammellager Drancy bei Paris nach Auschwitz, wo der überwiegende Teil gleich ermordet wurde.51 Am 1.  November 1943 wurde Gurs offiziell aufgelöst, im April 1944 jedoch mit der Inhaftierung verschiedener Gegner des Vichy-Regimes wiedereröffnet und nach der Befreiung im August 1944 zum Internierungslager für deutsche Kriegsgefangene und französische Kollaborateure erklärt, bevor im Januar 1946 die endgültige Auflösung erfolgte. Wie bereits oben erwähnt, unterschieden sich die Existenzbedingungen in den französischen Lagern ganz erheblich von den deutschen Konzentrationslagern. Trotzdem litten auch in Gurs die Menschen sehr unter den Verhältnissen. Neben dem Mangel an geeigneten Unterkünften waren v. a. die schlechte Ernährungssituation und die grassierenden Krankheiten verantwortlich für den Tod zahlreicher Inhaftierter. Insbesondere im harten Winter 1940/41, in dem mehr als 600 Menschen starben,52 litten die Häftlinge unter der Kälte in den einfachen Holzbaracken. Zudem existierte keine Kanalisation, sodass sich regelmäßig bei starken Regenfällen der Lehmboden im Lager in Schlamm verwandelte. Daneben sorgte die mangelhafte medizinische Versorgung für das ungehinderte Ausbreiten von Epidemien wie der Ruhr. Aufgrund der fehlenden Nahrungsmittel existierte ein ausgeprägter Schwarzmarkt, der fest in der Hand der Wachmannschaften, von Mitgliedern der Arbeitsbrigaden und Funktionären des Lagers lag. Insbesondere für die Juden aus Baden, der Pfalz und dem Saarland, die im Durchschnitt erheblich älter waren als die anderen Inhaftierten, waren die Ankunft und die Verhältnisse in Gurs ein Schock.53 Im Bericht des in Gurs internierten Arztes Ludwig Mann heißt es dazu  : Die Baracken waren kalt, feucht, zugig und schmutzig, die Strohsäcke lagen auf den schiefen Bretterböden, schlecht gefüllt mit muffigem Stroh. Es gab Wanzen und Läuse, Ratten und Flöhe  ; aber kein Essgeschirr und kein Trinkgefäß. Alles Gepäck, die 20  kg, die pro Person erlaubt waren, war von den Gepäckcamions auf die Lagerstraße geworfen worden und lag in wüstem Durcheinander in Dreck 32  |  Die NS-Zwangslager und die Möglichkeiten der Bildproduktion

und Regen. Nur kleine Dinge hatte jeder bei sich, vielleicht einen Becher, ein Messer, mit denen sich mehrere behelfen mussten. Wir waren vollkommen benommen vom Schock der plötzlichen Deportation aus der Heimat, die trotz der Erbarmungslosigkeit des Hitlertums eben doch die Heimat war, in der wir aufgewachsen waren und viele Generationen vor uns ihr Leben verbracht hatten. Viele begriffen immer noch nicht, was mit ihnen geschehen war. Man saß auf den Strohsäcken herum, hinaus konnte man nicht. Es regnete und regnete. Der Boden war verschlammt, man rutschte aus und sank ein. Die Gräben waren verstopft und das Wasser lief über …54 Auch die getrennte Unterbringung der Männer und Frauen belastete die Familien zusätzlich und gegenseitige Besuche waren nur unter bestimmten Bedingungen möglich. Während in fast allen Konzentrationslagern und auch im Ghetto Theresienstadt Arbeitszwang herrschte, waren die Insassen von Gurs bis auf jene, die kleinere Arbeiten z. B. in der Administration, der Kantine, den Krankenbaracken oder Leihbüchereien erledigen konnten, zur Untätigkeit verurteilt. Um der Eintönigkeit des Lageralltags zu überwinden, wurden zahlreiche kulturelle Aktivitäten wie Vorträge, Theater und Kunstausstellungen angeboten. Ein wesentlicher Unterschied zu den anderen Konzentrationslagern lag auch in der Behandlung der Inhaftierten durch das französische Wachpersonal, das relativ wenig Gewalttätigkeiten kannte und keine Hinrichtungen ausübte.55 Gleichwohl hatten die Wächter keine Skrupel, den Deutschen bei der Deportation der Juden zu helfen. Eine überaus wichtige Rolle in Gurs spielten die zahlreichen Hilfsorganisationen, u. a. die »Young Men’s Christian Association« (YMCA), die amerikanischen Quäker oder das Französische Rote Kreuz, die zusätzliche Lebensmittel und Medikamente, aber auch Bücher und Musikinstrumente lieferten.56 Zudem versteckten Organisationen wie die protestantische Flüchtlingshilfe »Comité intermouvements auprès des évacués« (CIMADE) oder das jüdische Kinderhilfswerk »Œuvre de secours aux enfants« (OSE) zahlreiche Erwachsene und Kinder vor den Deportationen oder schmuggelten sie in die Schweiz.

Insgesamt waren in Gurs über 60.000 Männer, Frauen und Kinder interniert, darunter 27.000 Spanienkämpfer und mehr als 17.000 Juden.57 In der Zeit vom 22. Oktober 1940, der Ankunft der Juden aus Deutschland, und der vorläufigen Auflösung am 1. November 1943 sind in Gurs 1.038 Menschen aufgrund der schlechten Lebensumstände gestorben, 7.200 wurden in andere Lager transportiert, 3.907 über Drancy nach Auschwitz deportiert und dort ermordet und weitere 2.465 wurden freigelassen oder sind geflohen.58 2.3 Die Möglichkeiten der Bildproduktion in den Zwangslagern

Trotz der schwierigen Lebensumstände wurden wahrscheinlich in allen größeren Zwangslagern im nationalsozialistischen Machtbereich von den Häftlingen Bildwerke geschaffen. Wie viele Arbeiten dabei insgesamt entstanden sind, lässt sich heute nicht mehr genau rekonstruieren, da ein großer Teil bereits während der Inhaftierung verloren ging, von der SS vernichtet oder von den Häftlingen selbst aus Furcht vor einer Entdeckung zerstört wurde.59 Ein Problem bei der Darstellung der unterschiedlichen Entstehungsbedingungen von Häftlingsbildwerken liegt darin, dass dazu bislang keine systematischen und vergleichenden Untersuchungen existieren.60 Im Folgenden sollen allgemein die Möglichkeiten der Bildproduktion in den NS-Zwangslagern dargestellt werden, wobei es immer wieder Bezüge zu den speziellen Bedingungen in den ausgewählten Lagern Auschwitz,61 Bergen-Belsen,62 Gurs63 und Theresien­ stadt 64 geben wird. Vom Außenlager Schwarzheide sind bis auf die Arbeit von Alfred Kantor (siehe Kapitel 4.4.3) keine weiteren Häftlingsbilder aus der Lagerzeit bekannt.65 Betrachtet man den Kontext der Entstehungsbedingungen, unter denen eine künstlerische Bildproduktion in den Lagern möglich war, lassen sich drei Kategorien unterscheiden  : Es gab Auftragsarbeiten, die auf offiziellen Befehl der SS entstanden, dann halblegale Bilder, die häufig ohne Wissen der Lagerleitung dem privaten Auftrag der SS oder der

Funktionshäftlinge entstammten und schließlich verbotene Werke, die trotz schwerer Strafen versteckt vor den Bewachern geschaffen wurden.66 Die Kategorien lassen sich allerdings nicht immer scharf voneinander abgrenzen, sondern waren häufig fließend, weil es vielfach personelle und strukturelle Überschneidungen gab. 2.3.1 Offizielle Auftragswerke

In allen größeren Konzentrationslagern mussten künstlerisch talentierte Häftlinge im offiziellen Auftrag der SS die unterschiedlichsten Aufgaben ausführen. So wurden die Künstler v. a. für die Herstellung von Gebrauchsgrafik wie Landkarten, Plakaten, Schildern, Wegweisern, Tabellen und Bauplänen benötigt, aber auch im kunsthandwerklichen Bereich eingesetzt. In sogenannten »Ateliers«, oft engen Häftlingsbaracken, in lagereigenen Druckereien, Malerkommandos, Baubüros, statistischen oder technischen Abteilungen entstanden dabei Bildwerke, die, abgesehen von ihrem praktischen Nutzen, ein im Sinne der NS-Propaganda geschöntes Bild der Lagerrealität zeichneten und gleichzeitig die Effizienz der Lagerverwaltung dokumentieren sollten (vgl. dazu Kapitel 3.3.4 sowie Kapitel 4.4). Allerdings kann im Zusammenhang mit einem Zwangslager nicht von einer normalen Geschäftsbeziehung zwischen Auftraggeber und ausführendem Künstler ausgegangen werden. Denn im günstigsten Fall waren die offiziellen Aufträge mit verbesserten Haftbedingungen verbunden, d. h., die Häftlinge hatten ein festes Dach über dem Kopf, mussten keine körperlich erschöpfende Arbeit verrichten und erhielten zusätzliche Lebensmittel. Auch der Zugang zum Zeichenmaterial war oft leichter und konnte für eigene illegale Bilder verwendet werden. Doch standen die Künstler stets unter erheblichem Druck, ihre Auftraggeber zufriedenstellen zu müssen, andernfalls drohte der Verlust der privilegierten Position und damit im schlimmsten Fall der Tod. Die Möglichkeiten, aber auch die Schwierigkeiten der im offiziellen Auftrag arbeitenden Häftlinge zeigen sich beispielhaft am sogenannten »LagerDie Möglichkeiten der Bildproduktion in den Zwangslagern  |  33

museum« in Auschwitz, das auf Befehl von Rudolf Höß im Herbst 1941 errichtet wurde und unter der Leitung des Häftlings Franciszek Targosz zunächst in Block 6, später in Block 24 bis zur Befreiung existierte.67 Hier wurden nicht nur Kunstgegenstände aus dem geraubten Häftlingsbesitz gesammelt, sondern es entstanden auf offiziellen Befehl auch zahlreiche Bilder für die SS. Targosz nutzte seinen schmalen Handlungsspielraum und rettete einige Künstler vor den Deportationen, indem er ihnen im »Lagermuseum« Arbeit verschaffte. Außerdem versteckte er dort illegale Werke und versorgte etliche Häftlinge mit Papier, Farben, Leinen und Pinsel. Allerdings wurden Ende Februar 1944 zahlreiche Künstler anderen Arbeitskommandos zugeteilt, sodass nur noch wenige Häftlinge die Privilegien des »Lagermuseums« weiter nutzen konnten. Neben dem »Lagermuseum« sind zahlreiche weitere offizielle Auftragsarbeiten in Auschwitz bekannt. So mussten die Häftlinge Wandmalereien in Treppenhäusern, Kellern, Waschräumen und Dachböden anbringen, in der Lagerschnitzerei Wegweiser und Schilder herstellen oder die Opfer medizinischer Experimente sowie Krankheitsverläufe dokumentieren.68 Auf Befehl von Karl Bischof, dem Leiter der SS-Zentralbauabteilung, wurde auch der Lagerausbau in großen Ölgemälden festgehalten, während in der Bildhauerei Modelle und Pläne für die unterschiedlichen Bauvorhaben entstanden. Wieder andere Häftlinge vervielfältigten in der lagereigenen Druckerei Plakate oder SS-Lehrbücher wie z. B. das Lehrbuch »Falsch  – Richtig« für das »ordnungsgemäße« Verhalten des Wachpersonals in Bezug auf die Gefangenen.69 Im Unterschied zu den zahlreichen belegten Auftragsarbeiten in Auschwitz ist über eine offizielle künstlerische Bildproduktion in Bergen-Belsen nichts bekannt. Dies liegt an der schwierigen Quellenlage zu diesem Thema, da die Akten über kulturelle Aktivitäten insgesamt keine Auskunft geben.70 Auch die Selbstzeugnisse der Häftlinge beziehungsweise der Überlebenden enthalten lediglich Informationen zur verbotenen Bildproduktion oder zu den halblegalen Aufträgen seitens der SS (siehe die nächsten beiden Kapitel). 34  |  Die NS-Zwangslager und die Möglichkeiten der Bildproduktion

In Theresienstadt waren spezielle Bedingungen anzutreffen, da seine Propagandafunktion als nationalsozialistisches »Musterghetto« verhältnismäßig umfangreiche kulturelle Aktivitäten erlaubte.71 Der Zeichensaal des technischen Büros war dabei das Zentrum für die Künstler in Theresienstadt. Hier entstand unter der Leitung des tschechischen Grafikers Bedřich Fritta (1906–1944) einerseits eine offizielle künstlerische Produktion, die für die Rechenschaftsberichte der Selbstverwaltung an die SS-­Kommandantur die entsprechenden harmlosen Illustrationen liefern musste. Andererseits bot sich hier die Möglichkeit, in einem relativ geschützten Umfeld Mal- und Zeichenutensilien für eigene Bilder zu besorgen, die das wirkliche Leben im Ghetto zum Inhalt hatten. Gleichwohl waren auch hier die Künstler nicht vor den Deportationen in die Vernichtungslager geschützt. Eine besondere Rolle spielte der Zeichensaal im Rahmen der verordneten »Verschönerungsaktion« beim Besuch des Internationalen Roten Kreuzes am 23. Juni 1944, wo die Künstler genötigt wurden, u. a. Plakate, Wandmalereien, Reklameschilder, Wegweiser sowie Andenkalben herzustellen. Auch im Internierungslager Gurs waren künstlerische Aktivitäten im weitaus höheren Maße als in den Konzentrationslagern zu beobachten. Dies lag einerseits an den bereits oben erwähnten besonderen Lebensbedingungen im Lager, andererseits auch an der administrativen Kontrolle durch die französische Verwaltung, die künstlerische Tätigkeiten im kleinen Umfang sogar unterstützte, um den Insassen wie auch dem Lagerpersonal genügend Abwechslung vom eintönigen Lageralltag zu bieten.72 Obwohl die Möglichkeiten der Kunstproduktion durch die Lebensbedingungen und die Zensur zum Teil erheblich eingeschränkt wurden, existierte eine gewisse künstlerische Freiheit, die etwa Parodien des nationalsozialistischen Deutschlands und öffentliche Kunstausstellungen mit Darstellungen der realen Verhältnisse in Gurs erlaubten.73 Allerdings gab es in Gurs kaum offizielle Aufträge seitens der Lagerverwaltung. Zwar existierten offiziell genehmigte Kunst- und Kunstgewerbeausstellungen, bei denen der Lagerkommandant sogar als eine Art »Schirm-

herr« der Veranstaltung anwesend war.74 Außerdem wurden etliche Künstler bei den Unterkünften und der Lebensmittelverteilung bevorzugt.75 Doch ging die Initiative hauptsächlich von den Kunstschaffenden selbst aus, die sich in selbstorganisierten Ausstellungen zeigte. 2.3.2 Halblegale Bilder

Die Herstellung von halblegalen Bildern, d. h. Arbeiten, die nicht im offiziellen Auftrag entstanden, sondern auf Gefälligkeiten anderen Häftlingen gegenüber oder inoffiziellen Anweisungen seitens der SS oder Funktionshäftlingen beruhten, war in den Konzentrationslagern risikoreich. Zwar konnten die Häftlinge im Gegenzug für ihre Bildwerke zusätzliche Nahrungsmittel, Material für ihre heimlichen Arbeiten oder das Wohlwollen von Vorgesetzten erwerben, andererseits war jede zusätzliche, nicht von der Lagerverwaltung genehmigte Tätigkeit streng verboten und konnte hart bestraft werden. Zu den »Grauzonen der Legalität«76 zählte die Herstellung v. a. von Porträts für SS-Angehörige, allerdings zeigt der Bericht des Häftlings Jan Komski aus Auschwitz, wie schwierig (und gefährlich) das Abhängigkeitsverhältnis zu den Auftraggebern sein konnte  : Als ich noch in der Bauleitung arbeitete, habe ich täglich Porträts gemalt. Diese Tätigkeit wurde von mir erwartet, ja, sie wurde als mein Beruf und fast als meine Pflicht angesehen. Die Arbeiten nahmen die SS-Männer mit … Einmal konnte ich einen SSMann nicht porträtieren, ich weiß nicht mehr, warum. Er fühlte sich daraufhin beleidigt und beklagte sich an höherer Stelle. An einem Sonntag wurde meine Häftlingsnummer aufgerufen, und ich musste am selben Tag eine Strafarbeit machen. Außerdem warf man mich aus der Bauleitung.77 Im KZ Auschwitz war diese Art von privater Ausnutzung der künstlerischen Talente der Häftlinge durch die SS offenbar so verbreitet, dass der Lagerkommandant Rudolf Höß am 8. Juli 1942 einen Befehl herausgab, der den privaten Auftrag dieser

»unsinnige[n] und kitschige[n] Arbeiten« verhindern sollte.78 Neben den SS-Männern wurden aber auch sehr häufig die Mithäftlinge abgebildet, teils als individuelles Porträt eines bestimmten Häftlings, teils als anonymes Porträt, um die Situation aller Häftlinge zu zeigen.79 Eine weitere häufig genutzte Form der halblegalen Kunst war die Illustration von Briefen, die zuweilen vom Schreiber selbst, häufiger aber von ausgebildeten Künstlern angefertigt wurde.80 Allerdings war das Privileg, Briefe zu schreiben, auf einen bestimmten Personenkreis beschränkt (so durften jüdische Häftlinge größtenteils weder Briefe senden noch Pakete empfangen), strengen Regeln und einer strikten Zensur unterworfen und konnte jederzeit bei geringstem Vergehen wieder entzogen werden. Aufgrund der Zensur enthielten die Motive keine offensichtlichen Andeutungen auf die wahren Verhältnisse in den Lagern, sodass Landschaftsdarstellungen, Blumen, Bouquets, Szenen aus Kinder­märchen oder verzierte Initialen dominierten. Ebenso verbreitet waren Glückwunschkarten, die entweder für Mitgefangene bei Geburts- oder Namenstagen  – häufig mit karikierenden Porträts der Empfänger – angefertigt wurden oder im halboffiziellen Auftrag der SS entstanden. In Gurs dagegen kann von halblegalen Bildwerken kaum gesprochen werden, da die Lagerverwaltung künstlerische Arbeiten grundsätzlich erlaubte und, wie oben bereits erwähnt, sogar förderte. So entstand hier ein im Vergleich zu den anderen Lagern reichhaltiges kulturelles Angebot, das ganz auf der Initiative der Insassen beruhte. Gleichwohl tauschten auch hier die Künstler auf dem Schwarzmarkt ihre Werke gegen Geld, Lebensmittel oder Zigaretten, um so ihre Lebensbedingungen zu verbessern.81 Allerdings waren nach Ansicht von Gabriele Mittag Art und Umfang der künstlerischen Aktivitäten in Gurs Schwankungen unterworfen, da sie von den Lebensbedingungen, der Anzahl der inhaftierten Künstler und deren künstlerischer Ausrichtung abhingen.82 So fand ein Aufschwung mit erweitertem reichhaltigen kulturellen Angebot v. a. ab Herbst 1941 statt, als zahlreiche Berufskünstler aus dem Internierungslager St.  Cyprien nach Gurs transportiert wurden und es neben KunstausstelDie Möglichkeiten der Bildproduktion in den Zwangslagern  |  35

lungen, Vorträgen, Leihbüchereien, Sprachkursen und Schulen auch Theater- und Revueaufführungen, Musikkonzerte und Kindertheater gab, die häufig in den sogenannten »Kulturbaracken« stattfanden.83 Weitere künstlerische Tätigkeiten waren die Anfertigungen von Porträts, Glückwunsch- und Einladungskarten, die zum Teil so gefragt waren, dass einzelne Künstler wie z. B. Julius C. Turner kaum mit dem Angebot nachkamen.84 Eine wichtige Rolle bei den kulturellen Darbietungen spielten die oben genannten Hilfsorganisationen, die u.  a. Farben, Papier, Pinsel und Leinwände nach Gurs brachten. Allerdings war auch hier der Mangel an Zeichenmaterial allgegenwärtig, sodass die Gefangenen selbst für Nachschub sorgen mussten. Mit dem Beginn der Deportationen im August 1942 kam das vielfältige Kulturleben zum Erliegen, als zahlreiche Menschen aus Gurs, darunter viele Künstler, in die Vernichtungslager transportiert wurden. 2.3.3 Verbotene Bilder

Alle Bilder, die nicht auf Befehl der SS geschaffen wurden oder zumindest deren Duldung besaßen, waren streng verboten. Das Zeichnen und Malen im Verborgenen konnte für die Künstler eine erhebliche Gefahr bedeuten, insbesondere wenn ihre Arbeiten Hinweise auf die katastrophalen Lebensbedingungen im Lager geben konnten. Die Folgen waren für die Betroffenen meistens fürchterlich, wie Franciszek Jaźwiecki in seinem Lagertagebuch schrieb  : Schauer liefen mir den Rücken herunter, und das Blut stieg mir in den Kopf, als mir gesagt wurde, daß die SS-Männer meine Skizzenhefte mit Lagerzeichnungen im Block entdeckt hatten. (…) Jetzt muss ich dafür bezahlen, dass ich im Lager in meiner Welt, in der Welt der Kunst, leben wollte, daß ich der Kunst und der Geschichte zeigen wollte, was im Lager passiert. (…) Es ist ein Verbrechen, ein Geheimnis, und dafür muss ich büßen (…) Schläge in die Zähne, in den Magen  : Du Hund, Pole, Kunstmaler. Und ich bekomme ein halbes Jahr Päckchen- und Schreibverbot und – damit ich über meine Verbrechen nach36  |  Die NS-Zwangslager und die Möglichkeiten der Bildproduktion

denken kann – drei Monate Strafkompanie. Ob ich das überlebe  ? 85 Die größten Probleme bei der Produktion verbotener Bilder, die in allen Konzentrationslagern auftraten, waren zunächst die schwierige Beschaffung von Zeichen- und Malutensilien, dann die zur Verfügung stehende Zeit und der Ort, an dem man ungestört arbeiten konnte, und schließlich die Suche nach einem geeigneten Versteck.86 Manchmal benutzten die Häftlinge für ihre heimlichen Werke das Material, welches ihnen die Lagerleitung für die offiziellen Auftragsarbeiten zur Verfügung stellte. Doch in den meisten Fällen blieb ihnen keine andere Möglichkeit, als zu versuchen, Papier und Zeichenmaterial bei der Ankunft einzuschmuggeln, gegen einen Teil ihrer spärlichen Lebensmittelrationen einzutauschen, Funktionshäftlinge oder SS-Angehörige zu bestechen, aus Werkstätten und Büros zu stehlen oder  – wenn sie großes Glück hatten – Material aus Hilfspaketen zu bekommen. Gemalt und gezeichnet wurde auf allen verfügbaren Materialien, die sich irgendwie als Bildträger eigneten. Das konnten Papiere aus Zeichenblöcken, Notizbüchern, Schulheften, Buchseiten oder die Rückseiten von Formularen der SS, aber auch Zigarettenpapier, Streichholzschachteln, Paketpappe, Briefumschläge, Briefmarken und Toi­ lettenpapier sein. War kein Papier vorhanden, benutzten die Häftlinge u. a. auch alte Bettlaken, Kartoffel- und Mehlsäcke. Ähnlich vielfältiger Natur waren auch die Werkzeuge. Die Häftlinge zeichneten entweder mit trockenen Zeichenmitteln wie Bleistift, Holzkohle, Kreide, Pastellstiften und Rötel oder mit flüssigen Mitteln, hier in erster Linie mit Tusche. Waren die Möglichkeiten gegeben, benutzten die Künstler auch Wasserfarben und Gouache. Am häufigsten wurde der Bleistift eingesetzt, da er überall im Lager in Gebrauch war und häufig in den verschiedenen Abteilungen der Lagerorganisation zum Anfertigen von Listen, Ausfüllen von Formularen, beim lagerinternen Schriftverkehr und Schreiben von Anordnungen verwendet wurde. Neben dem Material waren die Zeit und der Ort das große Problem bei der Herstellung von verbote-

nen Bildwerken. Bedingt durch den streng geregelten Tagesablauf mit der im wahrsten Sinne erschöpfenden Arbeit konnten die Häftlinge überwiegend erst nach dem Abendappell ab 19 Uhr und Ausgabe der Brotration etwas Zeit für sich erübrigen, bevor um 21 Uhr wieder das Signal zur Nachtruhe ertönte.87 Allerdings erforderte das Warten bei überlangen Zählappellen, bei der Essensausgabe, auf einen Platz in der Latrine oder im Waschraum sowie das Bettenmachen und das Säubern der Bekleidung von Schmutz und Insekten wiederum erhebliche Zeit, die eine künstlerische Betätigung oft nahezu unmöglich machte. Auch der Ort war für die heimliche Kunstproduktion oftmals problematisch, da eine mangelnde Privatsphäre und die drohende Gefahr von Schikanen durch die Funktionshäftlinge allgegenwärtig waren. Häufig wurde in unbeobachteten Momenten in der Baracke oder auf der Arbeit in geeigneten Räumlichkeiten gezeichnet und gemalt, doch eine Geheimhaltung gegenüber den Mithäftlingen war fast unmöglich. Im Gegenteil, die Bilder waren vielmehr »Teil des sozialen Lebens in den Baracken«88 und schufen gerade im Bereich der Porträtzeichnung eine enge Bindung zwischen Künstler und Modell.89 Die Suche nach einem Versteck war ebenfalls ein schwieriges Unterfangen, doch konnten einige Bilder in Dosen, hinter Mauerwerk versteckt, im Erdboden vergraben oder unter Dielenbrettern verborgen werden, wo sie zum Teil nach der Befreiung wieder aufgefunden wurden. Aufgrund der Furcht vor Entdeckung waren viele der in den Lagern entstandenen Zeichnungen ohne Signatur. Zum Teil wurden die Zeichnungen auch wieder vernichtet, wenn eine Durchsuchung der Baracke durch die SS bevorstand. Andere Bilder wurden wiederum durch Wasser oder infolge der schlechten Witterung zerstört. Ebenso gingen viele Werke gegen Ende auf den Todesmärschen verloren, weil etliche Künstler es nicht wagten, ihre Bilder mitzunehmen oder bereits verstorben waren. Andere Kunstwerke wurden auf den verschiedensten Wegen erfolgreich aus den Lagern herausgeschmuggelt, oft mithilfe von Außenstehenden, die in der Nähe wohnten.90 Die genannten Produktionsbedingungen von verbotenen Bildern konnten allerdings von KZ zu KZ

variieren. So hing der Umfang dieser Bildproduktion im Wesentlichen davon ab, welche Lebensbedingungen im Lager herrschten und wie stark die Kontrolle des Lageralltags durch die SS war. Während in Gurs die Herstellung und auch Verbreitung von Bildern, die sich kritisch mit der Lagerrealität auseinandersetzten, offenbar kaum unmittelbare Auswirkungen hatte,91 konnte dies in Theresienstadt mitunter gefährliche Folgen haben. Dies zeigt sich z. B. in der sogenannten »Affäre der Theresienstädter Maler«, bei der die führenden Künstler des Zeichensaals, Ferdinand Bloch (1898–1944), Otto Ungar (1901–1945), Leo Haas (1901–1983) und Bedřich Fritta (1906–1944) wegen mehrerer heimlich entstandener Bilder, die sie mithilfe des ebenfalls inhaftierten Leo Strass aus dem Ghetto schmuggelten, verhaftet und zusammen mit ihren Frauen und Kindern in das Gestapogefängnis »Kleine Festung« eingesperrt wurden.92 Hier ermordete die SS Ferdinand Bloch, Anfang 1945 starb dort auch Bedřich Frittas Ehefrau Hansi, Otto Ungars rechte Hand wurde verstümmelt, damit er nicht mehr malen konnte, die anderen kamen auf Transporte nach Auschwitz, wo schon bald Strass und Fritta, später auch Ungar auf einem Todesmarsch starben. Von den vier Theresienstädter Malern kehrte nur Leo Haas wieder zurück. Aber auch innerhalb eines Lagers waren deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Abschnitten möglich. So stellt Thomas Rahe fest, dass in Bergen-Belsen die meisten Zeichnungen im »Sternlager« und dem »Ungarnlager« entstanden, also aus Teilbereichen des »Aufenthaltslagers«, in denen die Verhältnisse  – zumindest in der Anfangszeit  – etwas besser als etwa im »Häftlingslager« waren.93 Eine Rolle spielte dabei auch die Tatsache, dass im »Aufenthaltslager« die Mitnahme von Gepäck erlaubt und damit die Möglichkeit der Mitnahme von Mal- und Zeichenutensilien gegeben war.94 Außerdem spielte der Zeitfaktor bei den Möglichkeiten der Bildproduktion eine Rolle, da beispielsweise gerade in den letzten Kriegsjahren wegen der Überfüllung der Lager durch den Zustrom von evakuierten Häftlingen es weniger Kontrolle durch die SS gab. Allerdings wirkten sich hier wiederum die härteren Lebensbedingungen kunstfeindlich aus. Entscheidend Die Möglichkeiten der Bildproduktion in den Zwangslagern  |  37

konnte für den Umfang an künstlerischer Tätigkeit auch die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Verfolgtengruppe sein. Gerade die jüdischen Gefangenen hatten kaum Möglichkeiten, sich künstlerisch zu betätigen, da sie nach der rassistischen Häftlingshierarchie der Nationalsozialisten am untersten Ende standen und dadurch am stärksten unter den katastrophalen Lebensbedingungen zu leiden hatten. Hingegen nahmen politische oder »reichsdeutsche« Häftlinge häufig eine privilegierte Position in der Lagerhierarchie ein, die auch einen besseren Zugang zu Zeichenmaterial und Papier ermöglichte und dadurch künstlerische Tätigkeiten erleichterte. Hierzu muss allerdings einschränkend gesagt werden, dass solche Faktoren wie der Einfluss der Häftlingshierarchie auf die Möglichkeiten der Bildproduktion differenziert und am Einzelfall betrachtet werden müssen. Zudem geht die neuere Forschung davon aus, dass die Rassenhierarchie teilweise keine Auswirkung auf die Todesraten der Häftlinge besaß, die als Indiz für die Existenzbedingungen gilt.95 Anmerkungen 1 Wichtige Arbeiten sind u. a. Karin Orths Darstellung der KZ-­ Struktur und -Organisation (Orth 1999) sowie die neun Bände der von Wolfgang Benz und Barbara Distel herausgegebenen Publikation »Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager«. Auch die bislang 15 publizierten Bände der Reihe »Geschichte der Konzentrationslager 1933–1945« des Metropol-Verlags widmen sich unterschiedlichen Aspekten der KZ-Forschung, etwa Band 11 über den Wandel der Existenzbedingungen  : K aienburg 2010. Einen Überblick über die neuere Konzentrationslagerforschung bietet  : Orth 2007. In jüngster Zeit erschien von Nikolaus Wachsmann eine fundierte Gesamtgeschichte der SS-Konzentrationslager, die sich zum einen den konkreten Lagergeschichten mit den Lebensbedingungen, Akteuren und deren Veränderungen widmet, zum anderen die Konzentrationslager in die Kontexte der politischen, wirtschaftlichen und militärischen Entwicklungen einbezieht. (Wachsmann 2016). Als Einzeldarstellungen seien beispielhaft genannt  : Für Theresienstadt Benz 2013, für Bergen-Belsen Wenck 2000 sowie für Auschwitz die 5 Bände der von Wacław Długoborski und Franciszek Piper herausgegebenen Reihe »Ausch­w itz 1940–1945.« (Długoborski/Piper 1999). 2 Benz 2005, 12. 3 Ebd. 4 Vgl. ebd., 11–29. 5 Ein Überblick gibt Königseder 2005. Speziell auf die Existenzbedingungen der Häftlinge bezogen vgl. K aienburg 2010.

38  |  Die NS-Zwangslager und die Möglichkeiten der Bildproduktion

6 Vgl. Wachsmann 2016, 12, 728. Zu den Zahlen über die Todesopfer in den Konzentrationslagern vgl. auch Piper 1993, 167 und Orth 1999, 347. 7 Zu den Ghettos vgl. Pohl 2009 und Michman 2011. 8 Vgl. Pohl 2009, 185. 9 Vgl. ebd., 187. 10 Eine Übersicht bietet Benz 2013. 11 Eine Übersicht in Distel 2009. Eine umfangreiche Gesamtdarstellung, die sich neben der Entstehung und dem Ausbau des Lagersystems auch den Internierten, den deutschen Besatzungsbehörden und den Hilfsorganisationen widmet, bietet Eggers 2002. 12 Vgl. dazu Distel 2009, 273. 13 Vgl. ebd., 273–277. 14 Vgl. dazu und im Folgenden Eggers 2002, 90–145. 15 Zu den Zahlen vgl. Distel 2009, 276. 16 Eggers 2002, 506. 17 Zu Auschwitz existiert mittlerweile eine unüberschaubare Anzahl von wissenschaftlichen Arbeiten. Wichtige Überblicksdarstellungen sind Długoborski/Piper 1999, Steinbacher 2004 und Benz/Bistrović u. a. 2007 18 Vgl. Piper 1999b, 11. 19 Ebd., 9. 20 Mihok 2007, 147. 21 Piper 1999a, 157. 22 Vgl. hierzu Eberle 2005. 23 Zum Häftlingskrankenbau in Auschwitz vgl. Strzeleck a 1999c. 24 Vgl. Strzeleck a 1999b. 25 Vgl. Strzeleck a 1999a. 26 Zu den Zahlen vgl. Piper 1993, 200, 202. 27 Einen Überblick bietet R ahe 2008. Siehe auch Wenck 2000 und Kolb 2002. Neuere Forschungsfragen u. a. zum Aspekt der unterschiedlichen Häftlingsgruppen und den Lebensbedingungen behandelt ein von Habbo Knoch und Thomas Rahe herausgegebener Sammelband  : Knoch/R ahe 2014. 28 Erlass Himmlers an SS-Gruppenführer Müller (RSHA) vom Dezember 1945, zitiert nach  : R ahe 2008, 188. 29 Vgl. ebd., 189–190. 30 Ebd., 190. 31 Zur Geschichte der Kasztner-Gruppe und auch zu den Lebensbedingungen im »Ungarnlager« vgl. Löb 2010 und R ahe 2014. 32 Vgl. R ahe 2008, 200–202. 33 Vgl. dazu Kolb 2002, 41. 34 Ebd., 43. 35 Zum sogenannten »Verlorenen Zug« nach Tröbitz vgl. Arlt 1999, 15. Zu den Räumungstransporten vgl. Kubetzky 2014. 36 Vgl. im Folgenden Tsur 2002 und Irmer 2006. 37 Jakov Tsur nennt als Datum für die Überstellung des Auf baukommandos den 1. Juli 1944 (ebd., 203. Dies ist womöglich eine Verwechslung, denn am 1. Juli kamen schon die 1.000 Häftlinge aus Auschwitz an. Siehe dazu im Fließtext weiter unten. Thomas Irmer erwähnt dagegen Mai 1944 als Ankunft des Auf baukommandos (vgl. Irmer 2006, 268). 38 Zum Folgenden vgl. ebd., 269. 39 Vgl. Tsur 2002, 205. 40 Vgl. dazu Irmer 2006, 268.

41 Vgl. Tsur 2002, 280. Alfred Kantor schreibt von ungefähr 200 Überlebenden. Vgl. K antor 1971b, o.S. 42 K árný 1992, 30. Zu Theresienstadt vgl. K árný 2000b und Benz 2013. Trotz älteren Datums gilt H. G. Adlers Werk von 1960 immer noch als Standardwerk. Vgl. Adler H G 1960. Zur Kritik an diesem Werk vgl. Kosta 2010. 43 Vgl. Benz 2013, 205. 44 Vgl. ebd. 45 Näheres zum Besuch des Roten Kreuzes im Kapitel 3.3.4. 46 Vgl. K árný 1992, 33–34. 47 Einen Überblick gibt BLODIG 2005. Vertiefende Einsichten bietet Adler H G 1960, v. a. Kapitel II. 48 Vgl. Blodig 2005, 44–45. 49 Vgl. ebd., 45–46. 50 Ein kurzer Überblick in  : Distel 2009, 277–280. Ausführlicher in  : Laharie 1985. Zur Geschichte und den Lebensbedingungen der Internierten in den französischen Lagern, darunter immer wieder auch Gurs, vgl. Eggers 2002, v. a. 199–331. 51 Vgl. Laharie 1985, 236. 52 Vgl. Distel 2009, 279. 53 Zur Sozialstruktur und der Herkunft der überwiegend jüdischen Internierten in Gurs von 1940–1943 vgl. Laharie 1985, 183–198. 54 Zitiert nach  : Bullinger 1993, 10. 55 Allerdings gab es in Gurs auch Straf baracken in einem speziell umzäunten Bereich des Lagers, »L’îlot des représailles« genannt, wo Insassen bei Fluchtversuchen, Diebstahl oder sonstigen Vergehen gegen die Lagervorschriften für eine gewisse Zeit eingesperrt wurden und dort auch Schläge und Fußtritte bekamen. Vgl. Laharie 1985, 48 und Mittag 1996, 37. Auch in einer Zeichnung von Kurt Loew und Karl Bodek wird die Straf baracke thematisiert (Loew/Bodek Abb. 5, linkes Bild). 56 Allgemein zur Rolle der Hilfsorganisation in den französischen Internierungslagern vgl. Eggers 2002, 399–491. Speziell auf Gurs bezogen vgl. Laharie 1985, 348–357. 57 Vgl. Distel 2009, 280. Eine genaue Auflistung nach Personengruppen und Zeiten in  : Laharie 1985, 363. 58 Zu den Zahlen vgl. ebd., 219. 59 Zur Dimension der produzierten sowie überlieferten künstlerischen Arbeiten vgl. Kapitel 1, Fußnote 6. 60 Ein erster Versuch waren die Arbeiten von Janina Jaworska, Janet Blatter und Sybil Milton sowie von Thomas Lutz, Wulff-Eberhard Brebeck und Nicolas Hepp, die einen (unvollständigen) geografischen Überblick über die Bildproduktionen in den verschiedenen Zwangslagern gaben. Vgl. Jaworska 1975, Blatter /Milton 1981 und Lutz/Brebeck /Hepp 1992. Auch die neueren Überblicksdarstellungen bieten keine Gesamtgeschichte der Lagerkunst, sondern geben nur eine allgemeine Einführung in die Thematik, etwa Zemel 2004, Endlich 2005, Rosenberg 2007, K aumkötter 2015 und Wendland 2015. 61 Vgl. Szymańsk a 2002, Mickenberg/Gr anof/Hayes 2003 und Boberg/Simon 2005. 62 Vgl. R ahe 1993 und R ahe 1994. 63 Vgl. Laharie 1985, Mittag 1996 und Elsbeth K asser-­ Stiftung 2009. 64 Vgl. Massachusetts College 1991, Zeitoun/Foucher 1998 und Gedenkstätte Theresienstadt 2002

65 Für diesen Hinweis danke ich Monika Knop von der Gedenkstätte Sachsenhausen in ihrer schriftlichen Mitteilung an den Verfasser vom 9. Februar 2012. 66 Diese Einteilung in drei Kategorien, wenn auch unter teilweise anderen Begriffen, erwähnen auch Haibl 2002, 48–49 und Szymańsk a 2002, 77 und Endlich 2005, 275–276. Für die dritte Kategorie bevorzuge ich statt »Kunst im Verborgenen« (Szymańsk a 2002, 92) die Bezeichnung »verboten«, da angesichts der übervollen Baracken und der zahlreichen sozialen Kontakte die Werke nur schwer verheimlicht werden konnten. Außerdem wird das Bedrohungspotenzial beim Begriff »verboten« noch deutlicher. 67 Vgl. dazu ebd., 90–92 oder K aumkötter 2015, 74–78. 68 Zu den Auftragsarbeiten in Auschwitz vgl. Szymańsk a 2002, 81–87 und K aumkötter 2015, 71–73. 69 Das Lehrbuch ist teilweise abgebildet in  : Mickenberg/Gr a­ nof/ ­H ayes 2003, 154–155. 70 Vgl. R ahe 1994, 194. 71 Vgl. Br anson 1991 und Pařík 2002. 72 Vgl. Mittag 1996, 108. 73 Vgl. ebd., 109–112. 74 Siehe die Einladung zu einer Kunstausstellung im Jahr 1941, die laut Bildtext »sous la présidence de Monsieur Le Directeur du Camp Kayser« stattfand. Abgedruckt in  : Laharie 1985, 216. 75 Vgl. Schr amm 1977, 42 und Mittag 1996, 117. 76 Haibl 2002, 52. 77 Erinnerungsbericht des ehemaligen Häftlings Jan Komski, zitiert nach Szymańsk a 2002, 89. 78 Vgl. K aumkötter 2005, 38–39. Allerdings hat sich Höß an sein eigenes Verbot nicht gehalten, sondern selbst von den Arbeiten der Künstler profitiert. Vgl. ebd., 38. 79 Zu den Porträts in Auschwitz vgl. Schollmeyer 2005. Mehr zur Figurenzeichnung vgl. Kapitel 4.1. 80 Zu den Briefillustrationen in Auschwitz vgl. Kupiec 2003. 81 Vgl. Laharie 1985, 22–23. 82 Vgl. Mittag 1996, 103. 83 Vgl. ebd., 106–107. Vgl. dazu auch Bek 2009, 129. 84 Vgl. Schr amm 1977, 126. 85 Erinnerungsbericht Franciszek Jaźwiecki, zitiert nach Szymańsk a 2002, 76–77. 86 Einen Überblick über die unterschiedlichen Materialitäten, die Entstehungsbedingungen und die Verstecke bieten u. a. Blatter 1981, Costanza 1983, 152–185 und, etwas kürzer, auch Moreh-Rosenberg/Smerling 2016, 35–37. Weitere Informationen sind den Publikationen zu den hier näher untersuchten Lagern zu entnehmen. Vgl. Kapitel 2, Fußnoten 61 bis 64. 87 Diese Zeiten stammen aus dem KZ Auschwitz, können aber mit geringen Abweichungen auch auf die anderen Konzentrationslager übertragen werden. Vgl. dazu Strzeleck a 1999a. Auch in Theresienstadt wurde der Tagesablauf durch die Zwangsarbeit und bestimmte Zeiten für die Essensausgabe strikt geregelt. Im Internierungslager Gurs und im »Aufenthaltslager« von Bergen-Belsen dagegen mussten die Inhaftierten abgesehen von kleineren Tätigkeiten nicht arbeiten, sodass die Künstler im Vergleich zu den anderen Lagern mehr Zeit zur Verfügung hatten. 88 R ahe 1993, 8.

Anmerkungen  |  39

89 Ausführlicher zur sozialen Funktion der Kunstwerke in den Lagern vgl. Kapitel 3.3.3. 90 Beispiele finden sich bei Szymańsk a 2005, 81–82. 91 Siehe Kapitel 2, Fußnote 72. 92 Vgl. Pařík 2002, 55–56. 93 Vgl. R ahe 1993, 50. Vergleichbare Untersuchungen etwa für den wesentlich größeren Lagerkomplex Auschwitz mit seinen verschiedenen Teillagern existieren bislang noch nicht. Aufgrund der höheren Fluktuation der Häftlinge sind hier genaue Aussagen über die Verteilung von Häftlingsbildern nach Lagerabschnitten schwieriger zu treffen. 94 Vgl. Kapitel 2.2.2. 95 Vgl. beispielsweise Marc Buggeln über den Zusammenhang von Häftlingshierarchie und Sterblichkeitsrate in den Außenlagen von Neuengamme in  : Buggeln 2009, 328–334.

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3. Der Kontext der Bildserien

3.1 Die Materialität der Werke und ihre Entstehung

Die Beschaffenheit eines Bildes hat Auswirkung auf seine Wahrnehmung. So besitzen nach Hans Dieter Huber »[…] die Materialitäten eines Blattes eine fundamentale und konstitutive Bedeutung für die ästhetische Erfahrung einer solchen Arbeit. Formen und Inhalte einer Zeichnung sind stets über und durch diese Materialitäten vermittelt«1. Materialität meint neben dem Format eines Werkes auch das Trägermaterial, etwa Papier, Karton oder Leinwand, und die benutzte Technik, z. B. Aquarellbild oder Bleistiftzeichnung. V. a. die Werke aus den Konzentrationslagern, darunter auch die Häftlingsbildserien, zeigen dem Betrachter die Bedingungen auf, unter denen sie entstanden sind. Dabei markieren Einflüsse auf das Trägermaterial wie Risse, Löcher, Schnitte, Radierspuren oder Verwischungen sowohl den schwierigen Entstehungsprozess als auch die häufig mangelhafte Lagerung der künstlerischen Arbeiten. Allerdings fehlen oftmals konkrete Informationen über Provenienz und Werkgeschichte, sodass eine präzise zeitliche Bestimmung der Beschädigungen oder Veränderungen schwierig ist. Während der Lagerzeit verwendeten die Künstler der Bildserien unterschiedliche künstlerische Techniken und Materialien.2 Von den insgesamt 13 hier untersuchten Bildserien aus dieser Zeit sind sieben ganz oder teilweise in farbigem Aquarell ausgeführt worden, entweder als reine Pinselzeichnung oder zunächst als Federzeichnung mit Tusche, die dann mit Wasserfarben koloriert wurde. Die Künstler dieser Arbeiten, zu denen Karl Bodek und Kurt Loew, Pavel Fantl, Liesel Felsenthal, Erich Lichtblau, Waldemar Nowakowski, Horst Rosenthal und Helga Weissová zählen, haben zudem oftmals mit Bleistift vorgezeichnet, dessen Spuren zum Teil noch auf dem Papier zu sehen sind. Hilda Zadiková wiederum malte ihre Bilder als kolorierte Federzeichnung. Andere Künstler benutzten ausschließlich Feder und Tusche,

so Alfred Kantor in seinem sogenannten Schwarzheide-Album, oder zeichneten mit dem Bleikopier­ stift, wie bei den ursprünglichen Zeichnungen von Zsuzsa Merényi aus Bergen-Belsen. Weitaus weniger wurden Bleistift- und Buntstiftzeichnungen verwendet, die sich in einigen Bildern von Helga Weissová aus Theresienstadt finden lassen. Auch der unbekannte Hersteller des Auschwitz-Skizzenbuchs benutzt meistens Bleistiftzeichnungen, in manchen Fällen auch Buntstift und Tinte.3 Als Ausnahme können die handkolorierten Lithographien von Joseph Spier gelten, eine Technik, die nur möglich war, weil die Bilder für die nationalsozialistische Medienpolitk benutzt wurden.4 Als Trägermedien der Bildserien vor 1945 dienen Papier oder Karton. Die Bandbreite reicht dabei von einfachen Skizzenblättern mit teilweise noch erkennbarer Lochung (Auschwitz-Skizzenbuch) über das Papier eines Notizbuches mit aufgedrucktem Datum (Zsuzsa Merényi) bis hin zu vergleichsweise hochwertigem Papier aus einem Zeichenblock (Helga Weissová). Andere Arbeiten sind direkt auf Karton gemalt (Waldemar Nowakowski), erst auf Papier gezeichnet und dann auf Karton geklebt (Alfred Kantor und Hilda Zadiková) oder wie bei Joseph Spier mit einem Druckverfahren auf Karton vervielfältigt. Die einzelnen Blätter waren in mindestens fünf Fällen ursprünglich als Heft zusammengebunden, nämlich das Auschwitz-Skizzenbuch sowie die Werke von Alfred Kantor, Horst Rosenthal, Joseph Spier und Liesel Felsenthal. Hinweise darauf sind die Lochung der Blätter und/oder die Existenz eines Einbands.5 In zwei Werken haben sich darüber hinaus Fadenbindungen erhalten (Joseph Spiers »Bilder aus Theresienstadt« in der Version des Jüdischen Museums Prag und teilweise Liesel Felsenthals »Gurs 1941«), die beide vermutlich noch aus der Lagerzeit stammen.6 Die Einbände bestehen meist aus dem gleichen Papier wie die übrigen Seiten und enthalten zudem Titelbilder. Die Materialität der Werke und ihre Entstehung  |  41

Dagegen ist der Einband im Werk von Joseph Spier aus Pappe hergestellt, während im Schwarzheide-Album von Alfred Kantor ein Gewebeeinband verwendet wird, der sehr wahrscheinlich aus dem textilen Material der blauweiß gestreiften Häftlingskleidung besteht (Kantor Abb. 1).7 Als gemeinsame Bildträger existieren neben den Heften auch Leporellos (Kurt Loews und Karl Bodeks »Onkel Joint’s Hütte«) oder die einzelnen Darstellungen sind alle gemeinsam auf einem einzigen Blatt angeordnet (Hilda Zadiková, Pavel Fantl und István Irsai).8 Die Arbeiten von Waldemar Nowakowski, Helga Weissová und Erich Lichtblau-Leskly dagegen bestehen aus einzelnen losen Blättern. Auch die Anzahl der Einzelbilder pro Bildserie ist recht unterschiedlich. Während die Mehrzahl der Werke inklusive der Titelbilder weniger als 20 Einzelbilder aufweisen,9 besteht das Auschwitz-Skizzenbuch aus 32 einzelnen Bildern, die Serie von Alfred Kantor aus 42, die Arbeit von Erich Lichtblau-Leskly aus mindestens 54 und die von Helga Weissová aus mindestens 65 überlieferten Bildern. Die Bildserie von Zsuzsa Merényi ragt hier heraus, da sie auf 31 Seiten insgesamt 193 Einzelzeichnungen enthält,10 davon allein 98 Bilder, die während der Zeit in Bergen-Belsen entstanden. Die Formate der Bildserien sind ebenfalls sehr verschieden. Sie reichen von sehr kleinen Maßstäben (8 cm Höhe und 6,5 cm Breite im Werk von Liesel Felsenthal) über etwa postkartengroße Bilder (z. B. 15,5  x  10,5 cm bei Waldemar Nowakowski) bis hin zu großen Formaten. So betragen die Blattgrößen der beiden bekannten Versionen des Theresienstädter Kalenders von Hilda Zadiková 35,0 x 47,5 cm (Maße des Kartons) beziehungsweise 32,7 x 46,6 cm.11 Die ausgeklappte Arbeit von Kurt Loew und Karl Bodek ist mit 12 x 62,5 cm angegeben (Sammlung Amicale du Camp de Gurs). Bei Erich Lichtblau-Leskly haben sich nur unregelmäßig beschnittene und nachträglich wieder zusammengefügte Fragmente erhalten, sodass die ursprünglichen Maße nicht angegeben werden können. Hingegen war die Bildserie von Helga Weissová als einziges Werk von Anfang an nicht in einem einheitlichen Papierformat gestaltet, da die Bildträger aus verschiedenen Quellen stam42  |  Der Kontext der Bildserien

men und somit auch die Maße erheblich variieren (von 14,5 x 14,5 cm bis zu 22,0 x 30,0 cm). Welchen Einfluss hatten die Bedingungen in den Lagern konkret auf die oben genannte Materialität der Bildserien  ? Wie im vorherigen Kapitel beschrieben, hing die Beschaffenheit eines Kunstwerkes während der Lagerzeit im Wesentlichen vom verfügbaren Material, genügend Zeit und Raum zum Arbeiten und der sicheren Auf bewahrung ab. Dabei spielten neben den unterschiedlichen Lagerbedingungen auch die individuellen Möglichkeiten der einzelnen Künstler, wie z. B. bei der Materialbeschaffung, eine wichtige Rolle.12 Die Zugangsmöglichkeiten zum künstlerischen Material waren für die Hersteller der Bildserien höchst unterschiedlich ausgeprägt, in der Regel aber mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Allerdings hatten einige Häftlinge das Privileg, Papier und Zeichenmaterial aus ihrem eigenen Besitz mit ins Lager zu bringen, was im Wesentlichen von der Funktion des jeweiligen Lagers abhing. Beispielsweise konnte István Irsai als Angehöriger der »Kasztner-Gruppe« in seinem Gepäck Malutensilien aus Budapest nach Bergen-Belsen ins sogenannte »Ungarnlager« mitnehmen. Allerdings stand ihm bis auf einen kleinen Kasten mit Anilin-Wasserfarben, einen Füller und etwas Papier kein weiteres Material zur Verfügung.13 Auch Zsuzsa Merényi, die im Dezember 1944 von Budapest nach Bergen-Belsen ebenfalls ins »Ungarnlager« kam, führte ein kleinformatiges Notizbuch mit aufgedrucktem ungarischen Datum sowie einen Bleikopierstift mit sich, die ihr in Bergen-Belsen bis zur Befreiung im April 1945 als einziges Zeichenmaterial dienten.14 Auch die zwölfjährige Helga Weissová schaffte es, als sie zusammen mit ihrer Familie im Dezember 1941 nach Theresienstadt deportiert wurde, einen Malkasten mit Wasserfarben sowie Farb- und normale Stifte mit ins Ghetto zu bringen.15 Während sie die Farben fast drei Jahre nutzen konnte, ging der Vorrat an hochwertigem Papier aus dem ebenfalls mitgenommenen Zeichenblock dagegen bald zu Ende, sodass sie sich im Ghetto Ersatz besorgen musste. Den meisten anderen Künstlern der Bildserien war dagegen die Mitnahme von persönlichem Besitz streng unter-

sagt. Zudem kam es beim Transport in andere Lager immer wieder vor, dass künstlerisches Material oder bereits angefertigte Bildserien zurückgelassen werden mussten. Alfred Kantor berichtet beispielsweise davon, dass er sein Skizzenheft in Theresienstadt bei einer Freundin, Eva Kohn, zurücklassen musste, bevor er nach Auschwitz deportiert wurde.16 Aufgrund der besonderen Bedingungen waren die Chancen, in Theresienstadt und in Gurs an Material für künstlerische Arbeiten zu kommen, etwas einfacher als in den anderen Lagern. Gleichwohl war auch in diesen beiden Lagern das Angebot begrenzt und wurde häufig von den individuellen Möglichkeiten des jeweiligen Künstlers bestimmt. Hilda Zadiková etwa bemalte in Theresienstadt, u. a. in der sogenannten »Lautscher-Werkstätte«, im Auftrag der SS künstlerische Gebrauchsgegenstände wie Lampenschirme und Bonbonnieren oder fertigte Blumenstillleben an.17 Daneben malte sie aber auch heimlich Bilder des Ghettolebens, darunter die beiden bekannten Versionen ihres Theresienstädter Kalenders.18 Das relativ große Papierformat der beiden Arbeiten, die Qualität der kolorierten Federzeichnung und die Möglichkeit, zwei Versionen desselben Bildmotivs herzustellen, sprechen für einen relativ leichten Zugang zum Zeichenmaterial, der sich sehr wahrscheinlich aus ihrer Position als viel beschäftigte Künstlerin ergibt. Auch Erich Lichtblau-Leskly, der vor seiner Deportation nach Theresienstadt im November 1942 als Schaufensterdekorateur tätig war, besaß verschiedene Möglichkeiten, an Material für seine karikaturistischen Bilder über das Ghettoleben heranzukommen. So arbeitete er u. a. auf dem Bauhof, wo verschiedene Handwerker ihre Arbeitsplätze hatten, und übte die Tätigkeit als Anstreicher und Schildermaler aus. Die Bildfragmente, die sich aus seiner Zeit in Theresienstadt erhalten haben, sind in der Regel mit Bleistift vorgezeichnet und dann mit Aquarell und Tusche ausgemalt. Im Gegensatz zu den beiden oben genannten Künstlern war es für Helga Weissová schwieriger, an Material zu kommen, da sie aufgrund ihrer Jugend – bei ihrer Ankunft in Theresienstadt im Dezember 1941 war sie gerade zwölf Jahre alt – nicht im offiziellen Auftrag als Künstlerin oder in einer vergleichba-

ren Tätigkeit arbeiten konnte. Zwar konnte sie, wie oben geschildert, ausreichend Farben mit ins Ghetto nehmen, doch bezüglich des begrenzten Papiervorrats war sie auf ihren Vater Otto Weiss angewiesen, der ihr gelegentlich Papier von den in der Zeichenstube des Technischen Büros arbeitenden Künstlern mitbrachte.19 Die verschiedenen Formate der Bilder und die unterschiedliche Qualität des Papiers dokumentieren hier den Mangel an verfügbarem Material. Der Einfluss des Ortes auf die Materialwahl, in diesem Fall die Zeichenmittel, zeigt sich bei Helga Weissová auch dadurch, dass sie ihre Farben manchmal mit schmutzigem Pfützenwasser von der Straße mischte, um die Bilder dadurch düsterer und realitätsnäher wirken zu lassen.20 Ähnlich wie in Theresienstadt waren auch im Internierungslager Gurs die Bedingungen für das künstlerische Schaffen leichter als in den Konzentrationslagern. Sehr wahrscheinlich haben die Künstler der Bildserien ebenso wie die anderen Maler und Zeichner in Gurs ihr Material von den Hilfsorganisationen erhalten oder es sich auf dem Schwarzmarkt besorgt.21 Kurt Loew und Karl Bodek gelten zudem nach Hanna Schramm, die ebenfalls in Gurs interniert war, als »die meistbeschäftigten Künstler des Lagers« 22, sodass sie wahrscheinlich genügend Möglichkeiten hatten, Material und Malutensilien einzutauschen oder zu erwerben. Liesel Felsenthal konnte wahrscheinlich ihre Mitgliedschaft in der Gruppe »Menorah« nutzen, die unter dem Lager-Rabbiner Leo Ansbacher verschiedene kulturelle und soziale Aufgaben im Lager wahrnahm, um an Farben und Papier zu kommen.23 Im Vergleich zu Theresienstadt und zu Gurs waren die Entstehungsbedingungen für die Bildserien in den Konzentrations- und Vernichtungslagern wesentlich schwieriger, wenngleich auch hier die Voraussetzungen für den Zugang zum künstlerischen Bedarf ebenfalls recht unterschiedlich sein konnten. Das sogenannte Auschwitz-Skizzenbuch des anonymen Künstlers MM, das vermutlich aufgrund des Fundortes in Auschwitz-Birkenau entstanden ist, besteht meist aus Bleistiftzeichnungen auf einfachem Papier, dessen noch teilweise vorhandene Lochung den Ursprung als Blätter eines SkizzenhefDie Materialität der Werke und ihre Entstehung  |  43

tes verrät. In diesem Fall war die Chance, an besseres Papier oder an Tusche oder Wasserfarben zu kommen, sehr wahrscheinlich stark eingeschränkt. Allerdings sind genauere biografische Informationen, die weiter Aufschluss über den Entstehungskontext geben könnten, nicht bekannt. Etwas bessere Möglichkeiten hatte hier vermutlich Waldemar Nowakowski, der von 1940 bis 1944 im Stammlager Auschwitz und in Auschwitz-Birkenau inhaftiert war. Zunächst arbeitete er als Fuhrmann im Landwirtschaftskommando und im Holzhof, später nach seiner Fleckfiebererkrankung als Schreiber und Blockältester im Häftlingskrankenbau in Birkenau. Diese Posten und seine Stellung als politischer Häftling halfen ihm vermutlich auch bei seinen künstlerischen Aktivitäten und bei der Materialbeschaffung. So konnte er im Gegensatz zum Schöpfer des Auschwitz-Skizzenbuches seine Eindrücke mit Aquarellfarben auf Karton malen. Allerdings ist diese Bildserie, von denen sich 37 Bilder erhalten haben, nur etwa postkartengroß und damit mit ihrem Format von 10,7 x 15,5 cm kleiner als das Auschwitz-Skizzenbuch, das ungefähr 19,5  x  13,5 cm groß war. Im Außenlager Schwarzheide wiederum erhielt Alfred Kantor das Zeichenmaterial für sein Album, also Papier und Tusche, von den Mitgefangenen, da es als gemeinsames Geschenk für einen Funktionshäftling gedacht war. Deutlich erkennbar sind Linien im Papier, die darauf hindeuten, dass die Bilder von einem Schreibblock stammen. Auch die leicht unregelmäßig beschnittenen Ränder einiger Zeichnungen sowie der alleinige Gebrauch von Tusche könnten auf die schwierige Versorgung mit geeignetem Material hinweisen. Deutliche Hinweise auf den Entstehungsort und gleichzeitig der Versuch, ein relativ großzügiges Geschenk für einen einflussreichen Funktionshäftling darzustellen, sind im relativ großen Umfang und im textilen Einband des Werkes zu sehen, der, wie oben bereits erwähnt, sehr wahrscheinlich aus dem Stoff einer blauweißen KZ-Kleidung angefertigt wurde. Neben dem Zugang zum Zeichenmaterial, der die Materialität der Werke prägte, hatten auch Zeit und Raum Einfluss auf die Beschaffenheit der Bildserien. So hatten die Häftlinge erst nach der har44  |  Der Kontext der Bildserien

ten Arbeit und dem Abendappell die Gelegenheit – wenn überhaupt  – sich künstlerisch zu betätigen. Zahlreiche Künstler waren aber aufgrund der besonderen Lebensbedingungen in ihren Lagern davon ausgenommen wie z. B. die Künstler aus Gurs oder aus dem »Ungarnlager« in Bergen-Belsen, die in der Regel nicht arbeiten mussten. Alfred Kantor wiederum wurde für die Dauer der Herstellung seiner Bildserie, die anlässlich des Geburtstages eines Funktionshäftlings entstand, von der normalen Häftlingsarbeit befreit.24 Helga Weissová berichtet, dass sie ihre Aquarellbilder nur mit wenigen Vorskizzen in »einem Schwung« gemalte hat, teilweise waren die Bilder nach zwei Stunden fertig.25 Manchmal hatte sie die Möglichkeit, ihre vor Ort gemachten Skizzen nachträglich in Ruhe in einer anderen, aufwendigeren Technik auszuführen. So existieren von Helga Weissová zwei Versionen der Darstellung einer Krankenschwester in Theresienstadt zur Zeit der Typhusepidemien im Frühjahr 1943 (Weissová Abb. 23A und 23B). Während die erste Bleistiftskizze in schnellen, hastig wirkenden Strichen vor Ort gezeichnet ist, erkennt man in der später ausgearbeiteten farbigen Fassung, die als Federzeichnung mit Wasserfarben ausgeführt wurde, nun detailliert das Gesicht der Krankenschwester, den Judenstern an der weißen Bluse sowie ihre bunte Kleidung.26 In der Regel gehörten Unterbrechungen und Pausen beim Malen und Zeichnen zum Alltag der Künstler. Jederzeit konnten die Kunstwerke entdeckt und zerstört werden, zudem waren die Häftlinge fortwährend von Deportation, Krankheit oder Tod bedroht, sodass ein kontinuierliches Arbeiten fast unmöglich wurde. Zum Teil haben sich diese Brüche im Entstehungsprozess auch in der Materia­ lität einiger Bildserien manifestiert. So befindet sich unter den 22 Zeichnungen des Auschwitz-Skizzenbuchs eine unfertige, lediglich aus Umrisslinien bestehende Skizze, die anders als bei den anderen Bildern auch nicht nummeriert ist. Allerdings bleib unklar, ob diese Skizze, die einen Lkw und mehrere Häftlinge zeigt, aufgrund von Material- oder Zeitmangel unvollendet blieb. Insgesamt ist bei den Bildserien auffallend, dass die Häftlinge häufig

Wasserfarben einsetzten, ein Zeichenmittel, das im Unterschied zu den Mitteln wie Bleistift und Buntstift eine gewisse Zeit zum Trocknen benötigte. Neben der individuellen künstlerischen Entscheidung spielten hier eventuell auch der oben beschriebene leichtere Zugang zum Material und die Möglichkeiten der Auf bewahrung eine Rolle. Die ständige Unruhe in den Lagern führte dazu, dass zahlreiche Künstler der Bildserien bevorzugt allein und an einem ruhigen Ort gearbeitet haben. So hat Helga Weissová die meisten ihrer Bilder sitzend auf ihrer Pritsche im Mädchenheim  410 von Theresienstadt gemalt. Nur selten entstanden einige Skizzen vor Ort.27 Auch Erich Lichtblau-Lesklys karikaturistische Aquarellbilder entstanden hauptsächlich im Schlafsaal der Männerbaracke, in der er in Theresienstadt lebte. Lediglich seine Frau Elsa, die ebenfalls in Theresienstadt inhaftiert war, sowie enge Freunde wussten von seinen künstlerischen Arbeiten.28 Und Elsbeth Kasser, die in Gurs als Rot­k reuzschwester arbeitete, erinnert sich an Karl Bodek  : »Bodek malte oft bei der Totenkammer, der Baracke, in der die Leichen aufgebahrt wurden. Dort konnte er ungestört arbeiten.« 29 Hilda Zadiková erhielt in Theresienstadt sogar ein eigenes Zimmer, was für sie eine enorme Erleichterung bedeutete. Allerdings wird in ihrem Bericht auch deutlich, dass ungestörtes künstlerisches Arbeiten auch in einer solchen privilegierten Position nicht möglich war. Später war es ebenfalls Dr. B.[,] der veranlasste, dass die Maler in einem Blockhaus wohnten und arbeiteten. Die Räume waren hell, die Nerven erholten sich bei nächtlichem Alleinsein. Freilich war man auch in diesem Zimmer, das auch Werkstätte war, vogelfrei. Zu jeder Tages- und Nachtzeit konnten Nazis hereinkommen und sie kamen. Wie oft wurde ich nachts geweckt, ›Schnell aufstehen, Obersturmführer XY fährt ins Reich und will früh um 8 h ein Wappen mitnehmen für seine ›Familienchronik‹.30 Auf der anderen Seite führte eine Entdeckung durch die SS nicht zwangsläufig zu Repressalien. Alfred Kantor schildert in dem Interview mit Mary Susan Parke eine Begegnung mit dem berüchtigten Arzt

Josef Mengele, der ihn in Auschwitz beim Skizzieren entdeckte. He’d [Josef Mengele] come in one day, saw me sketch – I forgot what I was sketching – looked over my shoulder and said in German ›Oh, what have we got here, an artist.‹ And just like I’m repeating it now, he said it praisingly and at that moment although I fully knew what a vicious man he was – I mean he killed millions of people – I felt strangely elevated – ah, he recognized my talents. It was a very brief moment  ; it lasted only a few seconds. It’s only a human fallacy to expect praise even from negative sources.31 Schließlich konnten die Bildserien auch erheblichen Schaden durch die mangelhafte Auf bewahrung im Lager nehmen. So weisen einige Bildserien Flecken, Knicke, Risse oder fehlende Stellen im Papier auf. Das Auschwitz-Skizzenbuch ist beispielsweise v. a. an den seitlichen Rändern stark ausgefranst, was teilweise bis in den Bildbereich hineinreicht. Ursache war vermutlich auch der Auf bewahrungsort, da das Skizzenbuch sich in einer Flasche befand, die eingemauert in den Fundamenten des Häftlingskrankenbaus (HKB) für Männer im Abschnitt BIIf von Auschwitz-Birkenau im Jahr 1947 gefunden wurde. Weitaus stärker in Mitleidenschaft gezogen wurde die Arbeit von Zsuzsa Merényi. So fiel ihr der Taschenkalender mit den in Bergen-Belsen angefertigten Zeichnungen noch im Lager in einen Eimer. In dem Interview mit der Gedenkstätte Bergen-Belsen erzählt sie von der Situation  : Na, dann kam die Tragödie  : Ich wollte das Fenster putzen, weil ich mir etwas ausgedacht hatte und dazu musste ich gut rausgucken können. Ich wollte mit Laban-Tanzschrift den Gang der verschiedenen Leute, die ich auf dem Lagerhof sehe (…) wiedergeben. (…) Und wie ich das Fenster gewaschen habe, fiel mir das Notizbuch aus der Tasche rein in den Eimer. [Es] trocknete schrecklich schwer und nach der Befreiung habe ich dieses Heft aus einer ruinierten deutschen Schule geholt, um die Zeichnungen aus dem Notizbuch zu retten und reinzuDie Materialität der Werke und ihre Entstehung  |  45

kleben. Also, das Heft ist deutsch, das Notizbuch, ist ungarisch.32 Einige Skizzen aus Bergen-Belsen zeichnete sie zudem mit Tinte nach.33 Weil Zsuzsa Merényi kurze Zeit später sich auch Buntstifte besorgte, sind die meisten der Bilder, die ihren Rückweg nach Budapest thematisieren, farbig gestaltet. Auch Erich Lichtblau-Lesklys Originalbilder aus Theresienstadt sind stark beschädigt und nur als zerschnittene Fragmente vorhanden. Aus Angst vor einer Entdeckung durch die SS zerschnitt Erich Lichtblau-­ Leskly seine Aquarellbilder in mehrere Teile und zerstörte die Bildtexte und seine Signaturen.34 Die Bildfragmente versteckte er im Schlafsaal seiner Ehefrau Elsa Lichtblau unter den Holzdielen ihres Bettes sowie an anderen Plätzen, wo sie nach der Befreiung von beiden wieder hervorgeholt wurden. Andere Bildserien sind dagegen gar nicht beschädigt oder weisen lediglich kleinere Schäden wie Flecken auf (z. B. in den Werken von Alfred Kantor und Liesel Felsenthal), wobei unklar bleibt, ob dies durch die Bedingungen des Lagers erfolgte oder infolge der Auf bewahrung nach der Befreiung passierte. 3.2 Fragen der Datierung

Fragen nach der Datierung eines Bildwerkes gehören seit Langem zu den Methoden der Kunstgeschichte. Neben werkimmanenten Untersuchungen beispielsweise des Materials, der Jahresangaben oder des Stils werden auch außerhalb des Werkes existierende Quellen herangezogen.35 Bei den Lagerbildserien kommt allerdings erschwerend hinzu, dass sich die Arbeiten teilweise nicht mehr im Originalzustand befinden oder ganz verschollen sind und es auch mitunter keine Quellen gibt, die bei der Datierung der Werke helfen könnten. In anderen Fällen sind Erinnerungsberichte, Zeitzeugeninterviews oder andere Dokumente zum historischen Entstehungskontext heranzuziehen, um den ungefähren Zeitpunkt zu bestimmen, wann die Häftlingsarbeit entstanden ist. Bedeutung erhält die Frage nach der Datierung auch, da sich – wie gesehen – die Bedingungen für 46  |  Der Kontext der Bildserien

die künstlerische Bildproduktion in den verschiedenen Zeitphasen eines Lagers erheblich ändern konnten. Vergleichsweise einfach erscheint die zeitliche Zuordnung bei den datierten Werken, zu denen zusätzliche Quellen existieren. Ein Beispiel dafür stellt die Bildserie von Alfred Kantor dar, da sich hier relativ viele Angaben zur Entstehungszeit erhalten haben. So enthält das Werk eine Signatur Alfred Kantors mit Jahresangabe (»A. Kantor 1944«) (Kantors Schwarzheide-Album, S. 18, recto), zudem steht als Überschrift auf dem Titelblatt »2 Wochen Schwarzheide« geschrieben (Kantor Abb.  2). Zum anderen wissen wir, dass Alfred Kantor zu den 1.000 männlichen tschechischen Juden gehörte, die von der SS Ende Juni 1944 nach Schwarzheide transportiert wurden, wo sie Anfang Juli 1944 eintrafen.36 Dort hat Kantor nach einigen Wochen (er spricht selbst von zwei, an anderer Stelle von drei bis vier Wochen37) angefangen, die Bilder für das Album zu zeichnen. Und da der Adressat dieses Werkes, der Lagerälteste Reinold Sliwka am 31.  August zurück ins Hauptlager Sachsenhausen geschickt wurde,38 ist die Entstehungszeit von Alfred Kantors Bildserie aus Schwarzheide folglich auf die Zeit etwa von Mitte Juli bis Ende August 1944 zu datieren. Auch Merényis Zeichnungen, die in Bergen-Belsen entstanden,39 lassen sich recht deutlich in die Zeit zwischen der Ankunft in Bergen-Belsen im Dezember 1944 und kurz vor der Befreiung bei Tröbitz am 23.  April 1945 einordnen. Hinweise zumindest für den Beginn der Bildproduktion bieten hier die (nachträglich) angebrachten Zeitangaben auf dem Titelblatt »1944 dec. 4 – 1945 jun. 29.« des Schulhefts (Merényi Abb. 1), in das sie nach der Befreiung ihre infolge eines Wasserschadens beschädigten Bilder aus Bergen-Belsen einfügte. Ebenso gibt die Materialität der Arbeit Auskunft über den Entstehungszeitpunkt, denn die im Lager produzierten Szenen besitzen einen anderen Bildträger als das Schulheft und sind zudem deutlich durch die eingeklebten braunen Papierstreifen markiert. Folglich können die anderen Bilder des Schulhefts erst nach der Befreiung entstanden sein. Vertiefende Informationen über die fortlaufende Produktion der Zeichnungen,

ihre Beschädigung im Lager und den Veränderungen nach der Befreiung bietet außerdem das bereits erwähnte, mit der Gedenkstätte Bergen-Belsen im April 1990 geführte Interview.40 Ebenso gibt es zu Helga Weissovás Bildserie ausreichend Interviews, Selbstzeugnisse und Literatur, die besagen, dass sie ihre Zeichentätigkeit in den ersten Wochen nach ihrer Ankunft im Dezember 1941 in Theresienstadt aufnahm und etwa drei Jahre lang bis zu ihrer Deportation im Oktober 1944 nach Auschwitz beibehielt.41 Eine Besonderheit ist hier allerdings, dass sie als einzige Künstlerin in vielen Fällen ihre Blätter mit einem konkreten Datum versehen hat, etwa »24. II. 42« (Weissová Bild 31), »4. IV. 43« (Weissová Bild 32) oder »7. I. 44« (Weissová Bild 35). Ob es sich hierbei um den Zeitpunkt des abgebildeten Ereignisses, um das Datum der Fertigstellung der Zeichnung oder vielleicht doch um eine nachträglich angebrachte Datierung handelt, muss offenbleiben.42 Außerdem enthalten in der Regel die datierten (wie auch die meisten der undatierten Bilder) ahistorische Szenen, die nicht ausschließlich auf das angegebene Datum beschränkt waren, sondern sich durchaus wiederholen konnten (vgl. dazu Kapitel 5.3.1). Nicht ganz so einfach ist Hilda Zadikovás Bildserie zeitlich einzuordnen, denn beide Versionen weisen Beschriftungen auf, die erst nach der Befreiung angefertigt sein können.43 So enthält der tschechische Kalender die Angaben »Terezíný Kalendář 1942–1945«, darunter »v  Terezíě  – H.  Zadiková«, die deutschsprachige Version den Text »Theresienstadt 1944« und unten rechts »Hilda Zadikow K.Z. Terezín 1942–1945.« (siehe Zadiková Abb. 1 und 2). Die Zeitangaben »1942–1945« in beiden Werken signalisieren, dass der Endpunkt der Gefangenschaft in Theresienstadt bekannt war, was ja nur aus der Rückschau möglich ist. Für eine retrospektive Beschriftung sprich auch die Tatsache, dass der Text nicht auf die Zeichnung selbst geschrieben wurde, sondern auf den darunter geklebten Karton. Die Tochter von Hilda Zadiková, Marianka Zadikow-­ May, grenzt in einem Telefongespräch mit dem Verfasser diesen Zeitraum noch weiter ein. Ihren Angaben zufolge hat ihre Mutter einen ursprünglichen Theresienstädter Kalender aus Furcht vor einer

Entdeckung zerschnitten und in Einzelteilen aufbewahrt. Erst nach den letzten Transporten nach Auschwitz im Oktober 1944 fühlte sich Hilda Zadiková sicher genug und fertigte zwei neue Versionen dieses Kalenders an.44 Hilda Zadiková erwähnt in ihrem Brief vom 27. Januar 1947 an Albert Einstein in Princeton, dass sie den Kalender in Theresienstadt herstellte. »Mit dieser Post geht Ihnen das Original dieses hier abgebildeten Theresienstädter Kalenders zu. Es wäre für mich die größte Freude und Ehre, wenn ich Ihnen diese heimlich und mit Lebensgefahr hergestellte K.Z. Arbeit widmen dürfte.«45 Damit begrenzt sie den Zeitraum der Entstehung dieser Version deutlich auf die Dauer ihres Aufenthaltes in Theresienstadt von 1942 bis 1945. Aus diesen Angaben der Tochter und der Mutter lässt sich schließen, dass beide Versionen des Kalenders zwischen Oktober 1944 und Mai 1945, dem Monat der Befreiung, entstanden sein müssen. Der Karton zusammen mit der Beschriftung stammt sehr wahrscheinlich aus der Zeit nach der Befreiung. Aufgrund der schlechteren Quellenlage sind die ebenfalls datierten Bildserien von Pavel Fantl, Horst Rosenthal, Liesel Felsenthal und István Irsai weniger genau einzuordnen. Gleichwohl lässt sich auch hier mithilfe der biografischen Daten der Entstehungszeitraum zumindest einengen. So sind in Pavel Fantls karikaturistischer vierteiligen Bildserie, die einen stetig dünner werdenden Häftling in Theresienstadt zeigen, verschiedene Jahreszahlen von 1941 bis 1944 angebracht (Fantl Abb., Bild  1). Im Zusammenhang mit der tschechischen Überschrift »VANOCE CLENA AK V TEREZÍNE« [Weihnachten eines Mitglieds AK in Theresienstadt] und dem unter dem letzten Bild stehenden Ausspruch »A  – CHRAŇ BŮH – L.P. 1944« [und – so Gott will – im Jahr 1944] erscheint das Jahr 1944 als Entstehungszeitraum wahrscheinlich. Diese Einschätzung wird durch die Tatsache unterstützt, dass Fantl am 16. Oktober mit dem Transport Er  172 nach Auschwitz deportiert und dann auf einem Todesmarsch am 7. Januar 1945 im niederschlesischen Hirschberg von der SS erschossen wird. Horst Rosenthal wiederum kam von St. Cyprien im Oktober 1940 zum ersten Mal nach Gurs, wurde im August 1941 in ein Fragen der Datierung  |  47

Arbeitslager transportiert und dann zu einem unbekannten Zeitpunkt 1942 erneut in Gurs eingewiesen. Aus diesem Grund ist auch seine Datierung in seiner Arbeit »Mickey au Camp de Gurs« auf das Jahr 1942 (Rosenthal Abb.  1 und 16) plausibel, denn im gleichen Jahr, genauer am 11.  September 1942, wurde er vom Sammellager Drancy bei Paris nach Auschwitz deportiert. Von Liesel Felsenthal, die auf ihrem Werk die Entstehungszeit mit »1941« (Felsenthal Abb. 1) angibt, wissen wir zwar nicht genau, wann sie Gurs verließ, doch ihr Ehemann Walter Basnizki gibt im Gespräch mit dem Verfasser an, dass sie mithilfe des jüdischen Kinderhilfswerks »Œuvre de secours aux enfants« (OSE) ab 1942 an verschiedenen Orten in Frankreich versteckt wurde.46 Bei István Irsai ist die Datierung etwas komplizierter, da das Original verschollen ist und nur als Reproduktion auftaucht.47 Allerdings enthält die Arbeit als Bildunterschrift die Angabe »Bergen-Belsen 1944. Július  9.-  ?« (Irsai Abb.). Während der 9.  Juli 1944 die Ankunft der Kasztner-Gruppe im »Ungarnlager« von Bergen-Belsen darstellt, deutet das Fragezeichen darauf hin, dass Irsai das genaue Datum seiner Ausreise nicht kannte und die Bildserie folglich noch während der Lagerzeit entstanden sein muss, bevor Irsai am 4.  Dezember 1944 in die Schweiz ausreisen konnte.48 Bei den undatierten Werken besteht das Problem, dass sie nicht sofort auf ein bestimmtes Datum oder einen konkreten Zeitraum festzulegen sind. Allerdings helfen auch hier biografische Angaben der Bildproduzenten, um zumindest indirekt die Werke zeitlich einzuordnen. Im Fall der Gemeinschaftsarbeit von Kurt Loew und Karl Bodek, die eine von beiden häufig genutzte Doppelsignatur »L + B« enthält (Loew/Bodek Abb.  1), ist der Zeitraum zwischen Oktober 1940 und April 1941 für die Entstehung der Bildserie wahrscheinlich. Denn beide Künstler kamen mit knapp 4.000 anderen Internierten aus dem Lager St.  Cyprien, das wegen Überschwemmungen aufgegeben wurde,49 im Oktober 1940 nach Gurs. Während Karl Bodek bereits Ende April 1941 nach Les Milles und von dort im August 1942 über Drancy nach Auschwitz transportiert wurde, kam Kurt Loew erst Ende Oktober 1942 aufgrund einer 48  |  Der Kontext der Bildserien

ministeriellen Entscheidung aus dem Lager Gurs frei. Auch Joseph Spiers Werk kann nur indirekt datiert werden. Die Bilder, die im Zusammenhang mit dem Besuch des Roten Kreuzes am 23 Juni 1944 in Theresienstadt stehen, müssen vor diesem Datum hergestellt worden sein, denn der Delegationsleiter Maurice Rossel hatte eine Ausgabe dieser Arbeit mit in die Schweiz genommen, wo sie heute in Genf im Archiv des Internationalen Roten Kreuzes liegt. Außerdem zeigen die Bilder Einrichtungen wie das »Kaffeehaus« am Hauptplatz (Spier Abb.  4 und 5) oder die »Bank der Jüdischen Selbstverwaltung« (Spier  9), die im Rahmen der »Verschönerungsaktion« erst 1944 fertiggestellt wurden, sodass dieses Jahr als Entstehungszeitraum gelten kann. Ähnlich indirekt lässt sich Erich Lichtblau-Lesklys Bildserie datieren. Denn die überlieferten beschädigten Blätter enthalten keine Jahresangaben, sodass eine präzise zeitliche Einordnung nicht möglich ist. Auch eine inhaltliche Analyse hilft hier nicht weiter, denn bis auf das Bild der Zählung im Bohušovicer Kessel am 11. November 1943 (Lichtblau-Leskly Abb. 32) sind die anderen Szenen, wie schon oben bei Helga Weissová angesprochen, ahistorisch. Eine weitere Möglichkeit der Datierung besteht in den Vergleichen mit den Nachkriegsreplika, da Lichtblau-Leskly dort neben seiner Unterschrift auch jeweils Jahreszahlen aus der Ghettozeit hinzugefügt hat.50 Allerdings ist diese nachträgliche Datierung naturgemäß mit einigen Unsicherheiten behaftet. Wahrscheinlich hat Erich Lichtblau-Leskly irgendwann nach seiner Ankunft im November 1942 angefangen, seine Bilder zu produzieren. Sehr wahrscheinlich beendete er seine Arbeit im Sommer 1944, denn im Zuge der bereits oben erwähnten »Affäre der Theresienstädter Maler«, die im Juni/Juli 1944 stattfand, zerschnitt Erich Lichtblau-Leskly aus Angst vor einer Entdeckung seine Bilder, zerstörte die Inschriften und versteckte die Fragmente.51 Ende August 1944 wurde er schon ins Arbeitslager Wulkow bei Berlin deportiert, aus dem er erst im Februar 1945 zurückkehrte. Hingegen ist über das sogenannte Auschwitz-­ Skizzenbuch, das 1947 versteckt in einer Flache in den Fundamenten einer Baracke im Abschnitt BIIf von Auschwitz-Birkenau gefunden wurde, so

gut wie nichts bekannt. Weder konnte bislang der Produzent dieser Bildserie ausfindig gemacht werden, der die meisten seiner Bilder mit den Initialen »MM« unterzeichnete, noch sind andere Quellen zu diesem Werk bekannt. Einzig über eine inhaltliche Analyse lässt sich ungefähr der Zeitrahmen abstecken, in dem das Skizzenbuch entstanden sein könnte. So stellt das Gebäude auf Blatt acht sehr wahrscheinlich das Krematorium  IV oder V in Ausch­w itz-­Birkenau dar, das am 22.  März 1943 beziehungsweise am 4.  April 1943 in Betrieb ging (MM Abb.  5). Zudem ist auf den Blättern 14 und 15 sehr detailliert die sogenannte »Alte Judenrampe« zu sehen, die bis Mitte Mai 1944 hauptsächlich zum Ausladen für die ankommenden Transporte genutzt wurde (siehe MM Abb. 7–8). Schließlich ist auf dem Blatt 14 der Zustand des Haupttores von Birkenau vor seiner Erweiterung Ende 1943, Anfang 1944 abgebildet (MM Abb.  7). Aufgrund dieser Tatsachen ist zu vermuten, dass als Entstehungszeit sehr wahrscheinlich das Jahr 1943 gelten kann.52 Wann genau der unbekannte Zeichner sein Werk herstellte, ob er einen langen Zeitraum des Jahres 1943 dafür wählte oder doch innerhalb einer kurzen Zeitspanne die Bilder relativ schnell hintereinander produzierte, muss wahrscheinlich für immer offenbleiben. Als Letztes soll hier die Bildserie von Waldemar Nowakowski besprochen werden, deren zeitliche Einordnung auf den ersten Blick recht einfach erscheint. So kam Nowakowski bereits im April 1940 nach Auschwitz, bevor er im Oktober 1944 nach Sachsenhausen deportiert wurde. Seine Position als Schreiber und später als Blockältester im Häftlingskrankenbau lassen vermuten, dass er während der ganzen Zeit in Auschwitz neben anderen Tätigkeiten wie die Gründung eines illegalen Theaters oder die Wandbemalungen in einigen Häftlingsbaracken auch seine Bildserie produzierte. Die Datierung der Bildserie auf die Zeit zwischen 1940 und 1944 in Auschwitz findet sich auch in sämtlichen Literaturangaben.53 Allerdings lässt eine stilkritische Analyse daran zweifeln, denn es tauchen hier bereits viele Symbole auf, die fast ausschließlich in der Nachkriegszeit verwendet wurden. So ist eine spätere Datierung dieser Bildserie womöglich auf

die Nachkriegszeit nicht unwahrscheinlich (vgl. zu den Zweifeln Kapitel 4.2.1). 3.3 Die Funktionen der Lagerbildserien

Künstlerische Bildproduktionen sind nicht nur ästhetischer Selbstzweck, sondern erfüllen eingebettet in den jeweiligen historischen Kontext immer auch religiöse, ästhetische, politische oder abbildende Funktionen.54 Dabei ist die Bestimmung der Funktion eines Werkes, wie Werner Busch betont, keineswegs einfach und auch nicht eindeutig.55 Er geht von einem dynamischen Funktionsbegriff aus, da nach seiner Meinung die Funktionen eines Werkes historischen Veränderungen unterworfen sind.56 Diese Veränderungen beeinflussen wiederum Form und Inhalt der Kunstwerke. Auch kann ein Kunstwerk verschiedene Funktionen gleichzeitig haben. Im Folgenden soll allerdings weniger der Funktionswandel eine Rolle spielen, als vielmehr überhaupt die verschiedenen Funktionsarten der Bildserien in den NS-Zwangslagern aufgezeigt werden sollen. Die Veränderungen im Gebrauch der Bildwerke in der Nachkriegszeit werden dann exemplarisch dargestellt in Kapitel 6.1. Die Lagerbildserien wie überhaupt die gesamte künstlerische Bildproduktion der Häftlinge der unterschiedlichen NS-Zwangslager standen in ganz verschiedenen Funktionszusammenhängen, die eng mit den Entstehungsbedingungen verknüpft waren. Dabei konnten die Funktionen zum Teil auch deutlichen Einfluss auf Thema und Gestaltung der Bildwerke haben, wie hier und an anderer Stelle gezeigt werden soll.57 In der Literatur lassen sich bezüglich der Funktionsvielfalt der Häftlingsbilder verschiedene Kategorisierungen finden, die hier teilweise aufgegriffen werden sollen. Zu nennen sind Bildwerke als dokumentarisches Zeugnis sowie als Mittel der Selbstbehauptung und Distanzierung.58 Demgegenüber sind andere Funktionen wie die Lagerbilder als soziales Medium oder als Mittel der NS-Medienpolitk in der Literatur deutlich unterrepräsentiert, obgleich sie meiner Meinung nach unbedingt dazugehören, um den vielfältigen Gebrauch Die Funktionen der Lagerbildserien  |  49

der Häftlingsbildserien in den verschiedenen Lagern zu verstehen.59 Hingewiesen werden muss an dieser Stelle auf die schwierige Quellenlage bei den Lagerbildserien, da Selbstzeugnisse oder Literatur über die Funktionen dieser Werke nur spärlich vorhanden sind. 3.3.1 Die Bildserien als Zeugnis

Für wahrscheinlich die große Mehrheit der Häftlinge war visuelles Zeugnis von den Ereignissen abzulegen, der Hauptgrund für ihre Bildproduktion.60 Allerdings bedeutet Zeugnis hier nicht die objektive Wiedergabe der historischen Ereignisse in den Lagern, da ein Zeugnis nach James E. Young notwendigerweise subjektiv-gestaltende Momente enthält, also von Anfang an eine Interpretation der realen Geschehnisse darstellt. So sind die Zeugnisse bereits während des Holocaust und auch danach beeinflusst von den unterschiedlichen »sprachlichen, kulturellen und religiösen Denk- und Ausdrucksmuster[n]«61. Auch Ursula Ossenberg benennt die Grenzen eines solchen Zeugnisses, wenn sie schreibt  : Als Zeitzeugen machen sie für den Betrachter das individuelle Leid sichtbar – nicht aber die Dimension der Industriellen Massenvernichtung. Bildliche Wahrnehmung darf also nicht an die Stelle von Analyse und Information treten, sondern gehört neben sie im Sinne gegenseitiger Ergänzung.62 Trotz dieser Einschränkungen war und ist der historische Zeugnischarakter der Häftlingsbilder von großer Bedeutung. So wurden beispielsweise die Zeichnungen von Violette Lecoq im ersten Hamburger Ravensbrück-Prozess 1946/47 als Beweismittel genutzt, genau wie die Bilder Yehuda Bacons im Eichmann-Prozess in Jerusalem 1961.63 Allerdings gibt es nur wenige Selbstaussagen von Häftlingen der Bildserien, die ihre Werke als Zeugnis begreifen und beschreiben. Eine der wenigen ist Helga Weissová, die darüber berichtet, wie sie sich aufgrund einer Äußerung ihres Vaters verpflichtet fühlte, Zeugnis vom Geschehen in Theresienstadt abzulegen. Ihr Vater Otto Weiss sagte nämlich kurz nach der Ankunft in Theresienstadt im Dezember 50  |  Der Kontext der Bildserien

1941 zu ihr  : »Zeichne, was Du siehst.«64 Und so begann die zwölfjährige Helga trotz der Gefahren, die sie wahrscheinlich aufgrund ihrer Jugend anders einschätzte, den Alltag im Ghetto Theresienstadt zeichnerisch festzuhalten. Alfred Kantor wiederum erzählt in seinem Interview mit Mary Parke, dass er seine Bilder als eine Art Aufzeichnung betrachtet, denn er fürchtete, die Deutschen würden alle Spuren ihrer Verbrechen vernichten, sodass niemand etwas davon erfahren würde  : (…) I may have felt even if I didn’t survive as long as the paintings survived for some kind of record – sounds very noble but it may well be that we were frightened that should they gas us and burn the bodies and just wipe the camp clean[.] [W]e were sure of one thing, if the Allies ever come liberate that camp, the Germans would do their dam best to just erase all the traces of their atrocities and there would be nothing left and this was the most frightening aspect – that the world would never know.65

Ähnlich äußert sich auch Simon Wiesenthal in einem Interview über seine Skizzen, die er noch vor der Befreiung im sogenannten Todesblock von Mauthausen anfertigte  : Damals hatt´ ich gesagt, es soll etwas nach mir bleiben. Ich hab´ ja gewußt, es ist ein Wettlauf  : Wir waren vielleicht eine Stunde zur Befreiung, aber 15 Minuten zum Tod […] Und ich habe mir in den schlaflosen Nächten in diesem Todesblock gesagt  : Wenn sie nun alle umbringen werden, wenn nichts bestehen bleibt, dann werden sie’s einfach leugnen, und wenn die Welt ihnen glaubt, dann kann es sich nach einiger Zeit wiederholen.66 Eine wichtige Rolle spielt auch der (potenzielle) Adressat, vor dem das Zeugnis abgelegt wird. Gerade hierbei lassen sich deutliche Unterschiede zwischen den Bildserien ausmachen, da der gedachte Empfänger zuweilen auch Einfluss auf die Gestaltung der Werke besaß. So war z. B. das in Bergen-Belsen angefangene Bildtagebuch von Zsuzsa Merényi, das sie über die Befreiung hinaus bis nur Rückkehr in

ihre Heimatstadt Budapest weiterführte, nach eigener Aussage für ihre Mutter gedacht, sodass Themen wie Tod und Misshandlung in diesem Zeugnis aus Rücksichtnahme fehlen. So erzählt sie, dass nichts Tragisches enthalten sein solle.67 Andererseits stellt das sogenannte Auschwitz-Skizzenbuch eines anonymen Künstlers aus Auschwitz-Birkenau ausdrücklich den Vorgang der Massenvernichtung dar, indem es in zwei Sequenzen die Ankunft eines Transports an der sogenannten alten Judenrampe in Auschwitz-Birkenau mit anschließender Selektion sowie den Weg der Menschen zur Gaskammer abbildet (MM Abb. 3–5 und 6–8). Das sorgfältige Versteck – das Zeugnis wurde 1947 in einer Flasche in den Fundamenten einer Baracke im Abschnitt BIIf nahe der Krematorien IV und V gefunden – verdeutlicht, dass der Künstler sein Zeugnis für die Nachwelt bewahren wollte. Die Zeugnisfunktion war nicht auf eine bestimmte Darstellungsweise beschränkt. Neben realistischen Abbildungen existierten auch karikaturistische und symbolisierende Darstellungen, die auf ihre spezielle Art Zeugnis von den Ereignissen ablegen wollen (vgl. dazu die Kapitel  4.2 und 4.3). Während eine naturalistische Wiedergabe versucht, das Geschehen in den Lagern so authentisch wie möglich abzubilden, möchten karikaturistische oder expressive Darstellungen auch den emotionalen Aspekt der Lagererfahrung ausdrücken.68 Einer der Häftlinge, die eine realistische Wiedergabe während der Lagerzeit bevorzugten, war der anonyme Künstler des sogenannten Auschwitz-Skizzenbuchs. In seinen Zeichnungen gibt er z. B. detailliert die verschiedenen Uniformen der SS, die häufig aus Zivil- und gestreifter KZ-Kleidung kombinierten Anzüge der Häftlinge sowie die unterschiedlichen Gebäude und Fahrzeuge wieder. Außerdem zeichnet er präzise in zwei Sequenzen den Vernichtungsvorgang nach, indem er die Ankunft eines Transports an der sogenannten alten Judenrampe und den Gang der Häftlinge zur Gaskammer darstellt. Dagegen bezeugen etwa die karikaturistischen Bilder von Horst Rosenthal, der mithilfe der bekannten Comicfigur Mickey Mouse den Alltag im Internierungslager Gurs persifliert, die groteske und komische Seite der Inhaftierung.

3.3.2 Die Bildserien als Zeichen der Selbstbehauptung und Mittel der Distanz

Die Bildserien dienten nicht nur als Zeugnis der erlittenen Ereignisse, sondern sie besaßen auch eine wichtige Funktion als Zeichen der Selbstbehauptung und als Mittel der Distanzierung von den Schrecken des Lageralltags. Von der SS ihrer Persönlichkeit beraubt und zu Nummern degradiert, die unterschiedslos in der Masse untergehen sollten, war für die Häftlinge in den Lagern kein Raum für Individualität. Schon das Einlieferungsritual in das Konzentrationslager, bei dem die Neuankömmlinge ihrer Kleidung entledigt wurden, sie sich nackt ausziehen mussten, ihre Haare abrasiert wurden, eine Nummer eintätowiert bekamen und anschließend einheitliche KZ-Kleidung anziehen mussten, zeigt das Bestreben der SS, jegliche kulturellen und persönlichen Unterschiede aufzuheben. Als Bestandteil allgemeiner kultureller Aktivitäten konnte die künstlerische Bildproduktion  – und hier in diesem Fall die Bildserien – sich gegen diese Dehumanisierung durch den Rückgriff auf die kulturelle Identität der Häftlinge behaupten. Denn obgleich ihnen im Lager alles Materielle weggenommen wurde, waren die Häftlinge immer noch im Besitz ihrer kulturellen Herkunft. Der dabei verwendete Kulturbegriff umfasst nach Christoph Daxelmüller die »Gesamtheit des kulturgeprägten Verhaltens«, das »sich aus der Sozialisation« ergibt und (…) zugleich ein verbindliches Kommunikationsund Wertesystem [formuliert], das sich in alltäglichen Kulturtechniken äußert. Sie aber enthalten das gesamte Repertoire der Umgangs- und Bildungs­ mechanismen vom Abputzen des Hinterns über die Körperhygiene bis hin zu kommunikativen Umgangsformen wie den Gesten und Gebärden, der Sprache und der Essensnormen. Sie bilden den ›cultural behaviour‹, der jedoch im KZ zwangsläufig andere Ausdruckformen annehmen musste.69 Indem der Häftling nun auf sein »inkorporierte[s] kulturelle[s] Kapital«70 zugriff, schuf er eine Verbindung zu seiner früheren sozialen und kulturellen Die Funktionen der Lagerbildserien  |  51

Identität. Im Lager halfen ihm eine Vielzahl von kulturellen Handlungen – das Malen und Zeichnen war eine davon, andere waren z. B. das Rezitieren von Gedichten und literarischen Texten, das Singen von Liedern, das Wiedererzählen von Filmen und Büchern oder ein wissenschaftlicher Disput  – sich dieser kulturellen Vergangenheit zu erinnern. Allerdings mussten die vertrauten kulturellen Muster nun in die neue unbekannte Umgebung integriert werden. Dabei waren sie nicht nur lebensnotwendige Unterbrechung der ständigen Bedrohung, sondern besaßen auch Potenzial als geistiger Widerstand gegen die inhumane Behandlung durch die SS, wie Christoph Daxelmüller in seinem Beitrag betont  : Kulturelle Aktivitäten versprachen nicht nur Ablenkung vom Lageralltag, von Krankheit, Schmerz, Todesangst und dem stets präsenten süßlichen Geruch verbrannten Menschenfleisches, galten nicht nur als Sedidativ, sondern als Aufputschmittel und zugleich als gewaltlose, innere Rebellion gegen die Täter.71 Allerdings diente nicht jede im Lager ausgeübte kulturelle Aktivität der Selbstbehauptung der Häftlinge. So wurden kulturelle Handlungen auch bewusst von den Tätern eingesetzt. Diese Kultur auf Befehl hatte sowohl interne als auch externe Funktionen.72 Innerhalb des Lagers dienten beispielsweise die Lagerkapellen der Unterhaltung der SS, während sie von den Häftlingen häufig als Quälerei empfunden wurden. Nach außen hin werden kulturelle Aktivitäten von den Machthabern v. a. wegen ihrer propagandistischen Wirkung eingesetzt, was sich besonders deutlich am Beispiel Theresienstadt feststellen lässt, wo Künstler an der Rolle eines vorgeblichen Musterghettos mitwirken mussten (vgl. Kapitel 3.3.4). Auch für die Künstler der Bildserien war das Malen und Zeichnen im Lager eine Bestätigung ihrer früheren kulturellen Identität und eine wichtige Strategie des Überlebens. Gerade für die ausgebildeten Künstler bedeuteten ihre bildnerischen Werke eine Rückbesinnung auf ihre beruflichen und künstlerischen Erfolge. So war für Erich Lichtblau-Leskly als ehemaligem Schaufensterdekorateur die künstlerische Tätigkeit ein zentraler Punkt, die Zeit im 52  |  Der Kontext der Bildserien

Ghetto zu überleben. So schreibt Mira Oren, die Tochter Lichtblau-Lesklys über ihren Vater  : He painted in Terezín out of a survival instinct […] [H]e did not feel complete if he did not paint. More than once I heard him say, »For me not to paint would be not to live«, and in Terezín it seems that painting helped him keep his sanity in that valley of darkness.73 Warum sich Erich Lichtblau-Leskly in Theresienstadt allerdings bei der Ankunft und wahrscheinlich auch während seiner gesamten Ghettozeit bei den offiziellen Stellen nicht als ausgebildeter Dekorateur zu erkennen gab, sondern sich als Arbeiter registrieren ließ, hatte wahrscheinlich mit seiner Hoffnung zu tun, dass eine solche Profession im Ghetto eher von Nutzen war.74 Eine interessante Variante der vorweggenommenen Bestätigung einer künstlerischen Identität ist bei Helga Weissová festzustellen. So veränderte sie ihre alte Unterschrift »Helga Weiss 12 Jahre Dresdner Kaserne« (z. B. Weissová Abb. 6) nach mehrfachem Üben im Skizzenheft zu einem schlichten »hw« (z. B. Weissová Abb.  40, 44 oder 49), damit diese, so Weissová später, mehr nach einer »echten Künstlersignatur« aussähe.75 Allerdings war nicht nur der Rückgriff auf die frühere kulturelle Identität ein Zeichen der Selbstbehauptung, sondern auch der Akt des Malens oder Zeichnens selbst, die selbstbestimmende Auswahl des Bildthemas, der Komposition und des Zeichenstils. Denn der gesamte kreative Prozess des künstlerischen Schaffens bewirkte für einen kurzen Moment eine Kontrolle über das eigene Leben, die der Häftling normalerweise nicht mehr besaß. Dabei war nicht ein bestimmtes Bildthema oder eine konkrete Darstellungsweise ausschlaggebend. Entscheidend für viele Häftlinge in den Lagern war allein die Tatsache, dass sie sich künstlerisch betätigen konnten. Dies versprach Ablenkung vom grausamen Lageralltag und das Eintauchen in ihre frühere Identität als freie Persönlichkeit. Die Funktion der Selbstbehauptung erklärt auch die große Anzahl an Porträts in der gesamten Lagerkunst, die als Zeichen der Individualität gedeutet werden kann.76 Al-

lerdings lassen sich Porträts von Mithäftlingen in den Bildserien weniger finden, da der Schwerpunkt bei ihnen – bis auf die Ausnahme der Arbeit Zsuzsa Merényis  – nicht auf der Widergabe autobiografischer Ereignisse lag (vgl. Kapitel 4.5.2). Neben der Funktion als Selbstbehauptung war die künstlerische Produktion für die Häftlinge ein wichtiges psychologisches Mittel, sich von der lebensgefährlichen Realität des Lagerlebens zu distanzieren. Dieser Selbstschutz durch Distanzbildung war z. B. für Alfred Kantor ein starker Antrieb, Bilder im Lager zu produzieren. In der Rolle eines distanzierten Beobachters war es ihm möglich, die Schrecken im Lager zu ertragen  : [M]y commitment to drawing came out of a deep instinct of self-preservation and undoubtedly helped me to deny the unimaginable horrors of life at that time. By taking on the role of an ›observer‹ I could at least for a few moments detach myself from what was going on in Auschwitz and was therefore better able to hold together the threads of sanity.77 Auch im Interview mit Mary Parke betont Kantor die Wichtigkeit, sich als Reporter zu fühlen, der von den Ereignissen im Lager nicht tangiert ist  : I often detached myself from the reality. (…) You do it by kind of saying – this isn’t me. I’m not here. I’m just watching it. Making believe that you are a reporter, but in doing so you are actually gathering material to be a witness. Eventually, if you survived this, it would be published. And I like to believe it’s a very important aspect.78 Abstand von der unerträglichen Realität zu gewinnen, war auch für viele andere Künstler der Bildserien während der Lagerzeit ein wichtiges Anliegen. Dieser Wunsch nach Distanzierung manifestiert sich in den Werken in zahlreichen unterschiedlichen Darstellungsvarianten. So war für es für Erich Lichtblau-Leskly unabdingbar, sich bei seinen Bildern für das Genre des Humors entschieden zu haben. Seine Ehefrau Elsa Lichtblau erinnert sich später dazu  :

In all things Erich saw a tragicomic side. (…) So much grief was around that drawing this as it really was would be self-destructive. Certainly, it was not a conscious choice of a genre, he simply couldn’t do otherwise. Probably, it was a means of defense.79 Direkter visueller Ausdruck des distanzierten Beobachters findet sich in der Bildserie von István Irsai, der seine Erfahrungen in Bergen-Belsen in einem gezeichneten Fotonegativstreifen umsetzt. Das Geschehen wird gleichsam mit dem Auge eines (Foto-) Reporters betrachtet. Eine andere Möglichkeit der Distanzbildung sind Darstellungen, die kaum oder keine Hinweise auf die Lagerwirklichkeit geben. Für die Häftlinge waren solche Bilder wichtig, da sie  – zumindest geistig – eine Flucht jenseits des Stacheldrahtzaunes ermöglichten. Aus diesem Grund sind in den Bildserien auch häufig Traumdarstellungen zu finden, die auf den Wunsch nach Freiheit und Normalität verweisen. Zsuzsa Merényi etwa zeichnet in ihrem Bildtagebuch eine Blume, um sich so von der grauen Wirklichkeit zu distanzieren (Merényis Schulheft, S. 13, Bild 7). Da sie im Lager Bergen-Belsen nur über eingeschränkte Mittel verfügte, waren für sie Farben ein unerfüllter Traum, wie sie es auch im ungarischen Titel »Egy vágyálom« (Ein Wunschtraum) ausdrückt. Zsuzsa Merényi selbst bemerkt zu diesem Bild  : Am meisten haben mir die Farben gefehlt. […] Ganz Bergen-Belsen war grau  : das Wetter grau, die deutschen Uniformen grau, wir waren grau, die Haut von jedem Menschen war grau. Und da hab ich mir eine Gladiole gezeichnet, aber einen bunten Stift hatte ich nicht, das hab ich mir dazu gedacht.80 Auch Helga Weissová malte in Theresienstadt zahlreiche Wunschbilder, die mit der Wirklichkeit des Ghettoalltags nichts zu tun haben. So bildet sie eine Gruppe von fröhlichen Kindern auf einer bunten Blumenwiese ab, die in ihren Händen Unmengen von Lebensmitteln transportieren (Weissová Abb. 41). Als einzige Reminiszenz an die Wirklichkeit im Ghetto sind die gelben Judensterne an der Kleidung zu sehen. Der Wunsch nach Normalität Die Funktionen der Lagerbildserien  |  53

erklärt auch das Werk von Liesel Felsenthal, das einen Tagesablauf des Jahres 1941 im Internierungslager Gurs abbildet. Die bunten Aquarelldarstellungen zeigen Frauengruppen, die sich waschen, Brot besorgen, Wäsche aufhängen, Wasser holen, nähen oder im Gespräch vertieft sind. Allerdings finden sich keine Hinweise auf die schlechte Ernährungssituation, den Mangel an geeigneten Unterkünften oder die grassierenden Krankheiten und der daraus folgenden hohen Sterblichkeitsrate. Stattdessen erinnern die zeltartigen Baracken, die Arbeits- und Freizeitszenen mit den dazugehörigen Bildunterschriften eher an einen harmlosen Aufenthalt im Zeltlager. Eine weitere Möglichkeit der zeichnerischen Distanzierung von der Lagerrealität stellen die karikaturistischen und humoristischen Abbildungen in einigen Werken dar. Mithilfe von Humor und Ironie konnte die vielfach als absurd und grotesk empfundene Situation in den Lagern leichter ertragen werden. Nach John Morreall hatte der Humor für die Häftlinge in den Lagern drei verschiedene Funktionen, wobei neben Kritik und Zusammenhalt hier v. a. die Funktion des Humors als Bewältigungsstrategie (»coping funtion«) interessiert. Dabei dient der Humor als »a spiritual shield against the indignities and horrors of daily life«81. Ein beeindruckendes Beispiel einer humoristischen Beschäftigung mit den Lagerverhältnissen bildet das Werk von Horst Rosenthal. Während seiner Inhaftierung in Gurs schuf er drei kleine illustrierte Hefte, deren Zeichnungen an den humorvollen und bunten Zeichenstil von zeitgenössischen Cartoons erinnern, während der Text im scharfen sarkastischen Ton die schwierigen Lebensbedingungen aufs Korn nimmt. Eines dieser Hefte ist die hier untersuchte Bildserie »Mickey au camp de Gurs – Publié sans autorisation de Walt Disney«, in der die bekannte Comicfigur Mickey Mouse die Absurditäten des Lageralltags erlebt, bevor sie am Ende der Geschichte sich selbst aus der Geschichte herausradiert und nach Amerika ins Land der Freiheit geht.82 Auch Erich Lichtblau-Leskly kommentierte in seinen karikaturhaften Bildern die unterschiedlichen Alltagssituationen in Theresienstadt und versah sie mit ironischen Sprüchen.83 So wird 54  |  Der Kontext der Bildserien

in der Darstellung der Begegnung eines »jüdischen« Fuhrwerks, das vom Besitzer selbst gezogen werden muss, mit einem »arischen« Fuhrwerk, vor das zwei Pferde gespannt sind, die nationalsozialistische Rassentrennung satirisch auf die Spitze getrieben (Lichtblau-Leskly Abb.  22). In einem anderen Bild wird ein kranker Koch vor allen anderen wartenden Patienten vom Arzt ins Behandlungszimmer gebeten (Lichtblau-Leskly Abb.  23). Der Sack mit Lebensmitteln in der Hand des Kochs macht auf ironische Weise die Bestechlichkeit der Ärzte in Theresienstadt, die ja ebenfalls Häftlinge waren, deutlich. 3.3.3 Die Bildserien als soziales Medium

Ein Bild entsteht und wirkt nicht im luftleeren Raum, sondern ist eingebettet in einen gesellschaftlichen Kontext. Es kann Anlass und Auslöser von Kommunikation sein und wird dadurch zu einem »öffentlichen, sozialen Kommunikationsmedium«84. Auch die Bildserien waren als soziale Medien in einen gesellschaftlichen Kontext eingebunden, wobei sich die sozialen Strukturen der Häftlinge fundamental von den Strukturen außerhalb der Zwangslager unterscheiden. So war die Gesellschaft im Lager geprägt von einem System extremer Unterschiede und Ungleichheit, in der eine Minderheit aus SS-Leuten und Funktionshäftlingen über die Masse der Gefangenen herrschte.85 Außerdem war angesichts der mangelnden Privatsphäre in den überfüllten Baracken und Behausungen eine völlige Geheimhaltung kaum möglich, sodass auch die Bildwerke in vielen Fällen gezwungenermaßen Teil des sozialen Lebens der Häftlinge waren. In dieser Zwangsgemeinschaft konnten die künstlerischen Arbeiten der Häftlinge verschiedene soziale Funktionen haben  : Neben dem wirtschaftlichen Tauschhandel, bei dem es um den Austausch von lebensnotwendigen Gütern ging, gab es noch den sozialen Austausch, bei dem Zeichen der Anerkennung oder Ablehnung gewechselt wurden.86 Eine weitere soziale Funktion der Lagerbilder ist in der Stärkung der Gruppenidentität zu sehen, wo das Werk selbst beispielsweise durch Porträts zum Träger der Kommunikation wurde.87

In der Lagerzeit wurde besonders der ökonomische Aspekt des Handels, also Bilder gegen Lebensmittel oder andere Vergünstigungen einzutauschen, von vielen Häftlingen genutzt. Denn angesichts der unzureichenden Lebensmittelrationen waren die ausgehungerten Gefangenen auf zusätzliche Nahrung dringend angewiesen, um die Strapazen und körperliche Arbeit überhaupt zu überstehen. Die künstlerische Bildproduktion hatte somit die Funktion als Überlebensmittel. Allerdings konnte es angesichts der sozialen Hierarchisierung im Lager ein gleichwertiges Tauschen nicht geben, sodass der normale Häftling beim Handeln immer von Verrat oder Strafe bedroht war.88 Allerdings ist nur von wenigen Häftlingen überliefert, dass sie möglicherweise während der Inhaftierung ihre Bildserien gehandelt bzw. gezielt für einen Tausch produziert haben. Vielfach wurden andere Werke, häufig Auftragsarbeiten, eingetauscht, während sie die heimlich hergestellten Bildserien bei sich behielten. Ein Problem dürfte aber auch die serielle Struktur der Werke sein, die durch einen Verkauf einzelner Teile zerstört worden wäre. Auch als Tauschobjekt eignen sich Einzelblätter oder kleinere Arbeiten besser, da sie einfacher zu transportieren und zu verstecken waren. Die Bildserie des ungarischen Grafikers Irsai István, der im Dezember 1944 aus dem Ungarnlager in Bergen-Belsen mit dem »Kasztner-Transport« in die Schweiz ausreisen konnte, ist eines der Werke, von denen vermutet wird, dass es im Lager eingetauscht wurde. So habe er, wie Nelly Toll in ihrem Buch berichtet, für seine Bildserie und für eine weitere Zeichnung aus Bergen-Belsen von einem Mithäftling mehrere Zigaretten erhalten, die in vielen Lagern neben der Brotration als wertvolles »Lagergeld« dienten.89 Ein weiteres Beispiel für den Tauschhandel mit Zeichnungen und Gemälden liefern Kurt Loew und Karl Bodek aus dem Internierungslager Gurs. Ähnlich wie andere Künstler im Lager versuchten beide, ihre gemeinsam produzierten und signierten Werke häufig gegen Geld, Lebensmittel oder eben Zigaretten einzutauschen, um dafür die dringend benötigte zusätzliche Nahrung oder andere Vergünstigungen zu erhalten.90 Wie sehr sie dabei mit ihrem künst-

lerischen Schaffen einen regelrechten Kunsthandel im Lager etablierten, zeigt der Bericht von Hanna Schramm, die ebenfalls in Gurs inhaftiert war  : Loew und Bodek waren wohl die meistbeschäftigten Künstler des Lagers  ; sie malten Plakate und Einladungen und fertigten Lampenschirme für die keineswegs erlaubten Tischlampen, die mit Übersteckern an der Deckenbeleuchtung der Baracken angeschlossen wurden. Sie machten auch reizende Glückwunschadressen, die man wochenlang vorher bestellen musste, um sie rechtzeitig zu bekommen.91 Die Rotkreuzschwester Elsbeth Kasser, die viele künstlerische Arbeiten aus Gurs geschenkt bekam oder den Gefangenen abkaufte, sodass diese Geld oder Lebensmittel erhielten, spricht sogar von einer gewissen Arbeitsteilung bei der Verteilung der Werke  : Ich hatte jedoch den Eindruck, daß Bodek die treibende Kraft oder die führende Hand war, außer bei zwei Bildern, die nur Löws Unterschrift tragen. […] Löw kümmerte sich um den Verkauf der Bilder oder darum, dass sie wenigstens in die Hände der Hilfsorganisationen gelangten.92 Adressaten waren neben den Mitgefangenen auch die Wachmannschaft und das französische Personal in der Lagerverwaltung.93 Etliche Kunstwerke wurden außerdem von Mitarbeitern der verschiedenen Hilfsorganisationen teils für Geld, teils als Geschenk erworben. So sammelte die oben erwähnte Elsbeth Kasser zahlreiche Kunstwerke, darunter auch die Bildserien von Loew und Bodek sowie von Horst Rosenthal, die sie erfolgreich aus dem Lager in die Schweiz schmuggeln konnte.94 Die starke Nachfrage hatte zudem erheblichen Einfluss auf den Produktionsprozess der Künstler in Gurs. So war die Herstellung von mehreren Versionen eines Bildes durchaus üblich, wie auch Elsbeth Kasser in ihren Erinnerungen betont  : Die Künstler versuchten, durch den Verkauf ihrer Bilder Geld zu verdienen und wollten, daß ihre Botschaft so viele Menschen wie möglich erreichte. Die Funktionen der Lagerbildserien  |  55

Überdies hatten sie ja reichlich Zeit, Wiederholungen anzufertigen.95 Auch von Kurt Loew und Karl Bodek existieren einige Arbeiten, die sie in verschiedenen, fast identischen Versionen erstellten, darunter auch die hier zu behandelnde Bildserie »Onkel Joint’s Hütte«, von der sich zwei nur leicht unterschiedliche Varianten erhalten haben.96 Vermutlich als zusätzliches Verkaufsargument sind beide Versionen jeweils als zusammenhängende Leporellos gestaltet, die sich bequem zusammenklappen lassen und somit weniger Platz beanspruchen. Ob und an wen die beiden Versionen von »Onkel Joint’s Hütte« verkauft oder getauscht wurden, ist allerdings nicht bekannt. Als Beispiel für einen sozialen Tauschhandel gilt die Bildserie von Alfred Kantor, die er im Sommer 1944 in Schwarzheide, einem Außenlager des KZ Sachsenhausen, hergestellt hat. Die 42 auf schwarzem Karton aufgeklebten Tuschezeichnungen, die noch im Lager als Buch gebunden wurden, zeigen das Lagerleben in Schwarzheide, darunter Gefangene bei der Arbeit, das Anstellen bei der Suppenausgabe oder Appellsituationen. Begleitet werden die Bilder von ironischen Kommentaren. Die Bildserie entstand im Auftrag mehrerer Mithäftlinge Kantors, die es dem ersten Lagerältesten von Schwarzheide, Reinhold Sliwka, einem deutschen Gefangenen, als Geburtstagsgeschenk geben wollten.97 In seinem »Book of Alfred Kantor« von 1971 beschreibt er die Situation wie folgt  : Two weeks after our arrival in Schwarzheide I was asked by some fellow prisoners to draw a few scenes describing life in our new camp. Later the sketches were bound into a little book, which was to be given to the Lageraeltesten the camp elder. He was a prisoner also but, as a German, he was sent from another camp to Schwarzheide to take over the post of prisoner-in-charge. The gift plan was abandoned, after the men found out that the Lageraelteste was not worthy of their attention.98 Warum genau seine Mitgefangenen dem Lagerältesten ein Geschenk überreichen wollten, deutet Alfred Kantor 1983 in dem Interview mit Mary Parke an  : 56  |  Der Kontext der Bildserien

[H]e [Reinhold Sliwka] seemed reasonable and fair and in gratitude or I should say because they wanted to butter him up, they wanted to give him something for his birthday so they picked on me to draw a little booklet.99 Das Album sollte also nicht gegen Lebensmittel oder andere Güter eingetauscht werden, sondern diente dazu, sich die Gunst eines einflussreichen Funktionshäftlings zu sichern. Als Lohn für seine Tätigkeit wurde Kantor von der anstrengenden Lagerarbeit befreit und erhielt zudem Papier und Zeichenmaterial.100 Das fertige Werk wurde Reinhold Sliwka allerdings nicht mehr übergeben, da nach Meinung der Häftlinge sein tatsächlicher Charakter zum Vorschein kam, der sich nach Kantor als »very brutal« und »very mean«101 herausstellte. Das Album ist deutlich durch seine Funktion als Geschenk geprägt, was sich an der vergleichsweise aufwendigen Gestaltung des Werkes ablesen lässt. So ist der Bucheinband aus Stoff (Kantor Abb. 1) und zu jedem Bild ist ein humorvoller Vierzeiler beigefügt. Außerdem sind die Zeichnungen recht harmlos, da Kantor, um kein Risiko einzugehen, weder ausgezehrte Häftlinge und prügelnde Kapos noch Krankheit und Tod thematisiert. An einigen Stellen richten sich die Text- und Bildbeiträge direkt an den Adressaten des Werkes (Näheres siehe Kapitel  4.4.3). Das Album war also weniger als Zeugnis der Lagerwirklichkeit gedacht, sondern diente in erster Linie als Tauschobjekt in der sozialen Kommunikation unter den Häftlingen. Auch einige Bilder aus Helga Weissová Serie besaßen ursprünglich die Funktion als Geschenk für Freunde und Familie. So war das Bild, das mehrere Kinder beim Tragen eines opulenten Mahls zeigt, als Karte zum Geburtstag gedacht (Weissová Abb. 41).102 Eine andere Zeichnung schenkte Weissová ihren Eltern zum 15.  Hochzeitstag. Zu sehen ist das Ehepaar einmal im Geburtsjahr von Helga Weissová im Jahr 1929 auf den Straßen Prags und zum anderen in einer Theresienstädter Behausung des Jahres 1944 (Weissová Abb. 37). Im Gegensatz zu den meisten anderen Bildern, die sie mit »Helga Weiss« oder später mit »hw« unterschrieb, signierte sie hier nur mit »Helga«.103

Eine besondere Form des sozialen Tauschhandels stellten die lagereigenen Ausstellungen dar, denn hier waren die Möglichkeiten, künstlerische Arbeiten zu zeigen und sie gegebenenfalls gegen Lebensmittel, Zeichenmaterial oder andere Sachen einzutauschen, ungleich größer als im persönlichen Handel von Häftling zu Häftling. Allerdings war diese Möglichkeit auf ganz bestimmte Häftlingsgruppen beschränkt und konnte nur in solchen Lagern oder Lagerteilen einigermaßen gefahrlos durchgeführt werden, in denen künstlerische Tätigkeiten zumindest geduldet wurden. Aufgrund des Mangels an vorhandenen Quellen ist wenig über solche Ausstellungen bekannt. Weder können präzise Angaben über Organisation und Ablauf noch über beteiligte Künstler und ihre Werke gemacht werden. Auch die Frage nach der Rezeption und Wirkung dieser Präsentationen muss aufgrund fehlender Berichte meist offenbleiben. Im Fall des ungarischen Grafikers István Irsai erinnert sich der Mithäftling Hermann Adler an eine von Irsai im »Ungarnlager« von Bergen-Belsen organisierte Ausstellung. Dabei wird auch der besondere Status dieses Lagerteils deutlich, der für die dort inhaftierten ungarischen Juden vergleichsweise erträgliche Lebensbedingungen mit sich brachte sowie religiöse und kulturelle Aktivitäten begünstigte. Er [Irsai] veranstaltete in Bergen-Belsen eine recht gute Ausstellung mit Darstellungen aus dem Leben im Lager. Ich sagte ihm, das sei gefährlich und blödsinnig. Der Kommandant kam, erklärte mit ruhiger Stimme, das sei verboten, und gebot die Ausstellung zu räumen. Mir ist nicht bekannt, daß Material beschlagnahmt worden wäre. Wer es gewagt hätte, im Wilnaer oder im Bialystoker Ghetto eine solche Ausstellung zu veranstalten, wäre ziemlich bald erschossen worden.104 Wann und wo genau die Ausstellung stattfand und welche Künstler eventuell noch daran teilnahmen, ist nicht bekannt. Auch ist nicht sicher, inwieweit István Irsai seine eigenen im Lager entstandenen Arbeiten, von denen sich mehrere Zeichnungen erhalten haben, bei dieser Gelegenheit ebenfalls gezeigt hat.105

Im Internierungslager Gurs war es aufgrund der besonderen Bedingungen möglich, Kulturveranstaltungen durchzuführen, zu denen regelmäßig der französische Lagerkommandant Georges Kayser und gelegentlich auch der Präfekt, der letztendlich für die Genehmigung solcher Aktivitäten zuständig war106, eingeladen wurden. Bei der zweiten offiziellen Kunst- und Kunstgewerbeausstellung im Lager, die vom 20. bis zum 29. Juni 1941 stattfand, amtierte der Lagerkommandant wie oben bereits erwähnt sogar als eine Art Schirmherr der Veranstaltung.107 Die Bilder dieser Ausstellung, die in drei Baracken gezeigt wurde, fanden auch Käufer aus den umliegenden Ortschaften.108 Eine erste Kunstausstellung fand bereits im April 1941 in einer Männerbaracke statt, auf der von einer Jury ausgewählte Künstler wie Karl Schwesig, Max Linger, Hans Reichel oder Leo Breuer ihre Werke präsentierten, die zum Teil offen die schwierigen Lagerbedingungen dokumentierten.109 Vermutlich haben sich auch die drei Künstler der Bildserien, Kurt Loew, Karl Bodek und Horst Rosenthal an diesen Ausstellungen beteiligt, zumal solche Veranstaltungen auch dem Verkauf der künstlerischen Arbeiten dienten. Inwieweit dabei auch ihre in Gurs hergestellten Bildserien gezeigt und verkauft wurden, ist allerdings ungewiss, zumal Karl Bodeks und Kurt Loews Werk vor April 1941 und Horst Rosenthals Mickey erst im Jahr 1942 entstand (vgl. Kapitel 3.2). Neben der Funktion als Tauschobjekt in direkter Form zwischen den Häftlingen oder (seltener) auf Ausstellungen trugen die Bildserien auch zur Stärkung der Gruppenidentität bei. Das solidarische Verhalten der Häftlinge untereinander war wichtig für das Überleben des Einzelnen, wenngleich sich dauerhafte Verbindungen aufgrund der hohen Fluktuation kaum ausbilden konnten.110 Ohne die Hilfe von Mitgefangenen waren die Künstler häufig hilflos den Schikanen und dem Terror des Lageralltags ausgesetzt. Ein Beispiel für diese Funktion ist das Werk von Zsuzsa Merényi, das unter den weiblichen Häftlingen ihrer Baracke im Ungarnlager von Bergen-Belsen ein Bestandteil der täglichen Kommunikation war. Zsuzsa Merényi erinnert sich  :

Die Funktionen der Lagerbildserien  |  57

tenden Wirkung von Walt Disneys berühmter Comicfigur. So wurden einige Kinder in Gurs von den Rotkreuzschwestern Elsbeth Kasser und Emma Ott auch als »Mickeys« bezeichnet.113

Dieses Notizbuch, das hatte einen Ruf in der Baracke, das war die Zeitung. Jeden Morgen kamen sie zu mir  : Zsuzsa, was hast du gezeichnet  ? Und haben mir die Themen angeboten, die ich zeichnen soll und dann kamen sie später und haben sich angeguckt, wie es gelungen ist. Ich kann ja nicht zeichnen, das sieht man ja.111

3.3.4 Die Bildserien als Teil der NS-Medienpolitik

Die Bildserie von Zsuzsa Merényi wirkte dabei nicht nur als visueller Kommentar des Geschehens in der Baracke, sondern konnte durch das gemeinschaftliche Arbeiten am Kunstwerk die Identität und das Zusammengehörigkeitsgefühl der sozialen Gruppe stärken. Der Kern dieser Gruppe bestand aus der Künstlerin selbst, ihrer Schwester Lea sowie drei Freundinnen aus Budapest, die in Bergen-Belsen einander bis zur Befreiung halfen und auch danach gemeinsam den Rückweg nach Budapest antraten. Bildlicher Ausdruck dieses engen Zusammenhaltes sind die häufigen Darstellungen von Mitgliedern dieser Gruppe, die in verschiedenen Alltagssituationen im Lager dargestellt werden. So zeigt Zsuzsa Merényi ihre Freundin Böce beim Haarkämmen (Merényis Schulheft, S.  15, Bild  4), bildet das Essgeschirr ihrer Freundin Edit ab (Merényi Abb.  4, Bild 1) oder zeichnet sich selbst beim Fegen des Barackeninneren (Merényi Abb.  3, Bild 12). Diese stark autobiografische Darstellungsweise ist einzigartig unter den Bildserien (vgl. dazu Kapitel  4.5.2) und macht ihre besondere Bedeutung für die Betonung der Gruppenidentität deutlich. Auch István Irsais Bildserie aus Bergen-Belsen ist als Ausdruck des Zusammengehörigkeitsgefühls einer unter dem gleichen Schicksal stehenden Gruppe zu sehen. Als Angehöriger der sogenannten Kasztner-Gruppe  – ungarische Juden, die gegen Geld oder Waren von der SS freigelassen werden sollten – thematisiert er ihre Hoffnungen und Ängste in seinen Darstellungen. So ist neben Güterwaggons, Stacheldraht und Wachturm mit Baracke als letztes Bild auch ein abfahrender Zug zu erkennen, der sich auf die mögliche Freilassung der zweiten Teilgruppe aus dem Lager bezieht.112 Auch Horst Rosenthals Mickey au Camp de Gus ist möglicherweise der Ausdruck einer identitätsstif-

Häftlingsbilder wurden von den nationalsozialistischen Machthabern in den Konzentrationslagern aus verschiedenen Gründen eingesetzt  : Zum einen sollten die Werke nach außen hin eine Öffentlichkeit über die wahren Lebensbedingungen täuschen, indem in den künstlerischen Arbeiten ein Bild des Lagers wiedergegeben wurde, das den Vorstellungen der Auftraggeber entsprach. Zum anderen wurden die Bilder auch innerhalb des nationalsozialistischen Machtapparats eingesetzt, um die vorgesetzten Stel­ len von der Produktivität der Lager zu über­z eugen.114 In Baubüros, Malerkommandos oder technischen Abteilungen in der Lagerverwaltung mussten die Häftlinge Bauprojekte porträtieren, Landkarten, Plakate und Schilder entwerfen oder Berichte mit Illustrationen versehen. In Auschwitz wurde etwa der Lagerausbau in den großformatigen Ölgemälden von Władysław Siwek und Kurt Preipler dokumentiert.115 In Theresienstadt zeichneten Künstler wie Bedřich Fritta und Petr Kien offizielle Pläne des Ghettos oder die »Fortschritte« beim Baracken- und Bahnbau.116 Zur Kategorie der außenpolitischen Nutzung gehört Joseph Spiers gezeichnetes Album mit dem Titel »Bilder aus Theresienstadt«, das v. a. im Kontext des Besuchs einer Delegation des Roten Kreuzes am 23. Juni 1944 im Theresienstädter Ghetto zu sehen ist. Im Folgenden soll der Versuch unternommen werden, den wahrscheinlichen Nutzen dieses Albums für die NS-Medienpolitk herauszuarbeiten. Bevor kurz auf den historischen Kontext dieses Besuchs eingegangen werden soll, muss vorher noch eine Klärung des in diesem Zusammenhang viel zitierten Begriffs »Propaganda« erfolgen, der in der Regel unreflektiert gebraucht wird.117 So kritisiert Daniel Mühlenfeld, dass dieser Begriff mit inhaltlichen und terminologischen Unklarheiten behaftet sei und zu-

58  |  Der Kontext der Bildserien

dem als Quellenbegriff ausscheide, da er zwar heute generell negativ besetzt sei, in der damaligen Zeit aber als wertfreiere Bezeichnung für kommerzielle und politische Werbung gebräuchlich war.118 Außerdem weise die Bezeichnung »Propaganda« keine herrschaftssystematischen Spezifika auf, denn auch Demokratien haben zuweilen eine staatliche Öffentlichkeitsarbeit betrieben, die sich nur hinsichtlich der Ziele, nicht aber der Form von einer Diktatur unterscheiden würden.119 Aus diesen Gründen soll auch hier im Folgenden der von Mühlenfeld bevorzugte Begriff »Medien- oder Kommunikationspolitik«120 verwendet werden. In der Geschichte der außenpolitischen Nutzung des Ghettos Theresienstadt nimmt der Besuch einer Delegation des Roten Kreuzes am 23. Juni 1944 eine besondere Stellung ein.121 Nach den militärischen Niederlagen 1942–1943 von Stalingrad und in Nordafrika sowie nach der Erklärung der alliierten Staaten vom 18. Dezember 1942, die den deutschen Plan zur Vernichtung der europäischen Juden anprangerten, versuchte Heinrich Himmler Theresienstadt in der internationalen Öffentlichkeit gezielt als eine autonome jüdische Mustersiedlung zu präsentieren, um von den nationalsozialistischen Plänen zur Ermordung der Juden abzulenken. Dabei sollte auch die tatsächliche Bestimmung von Theresienstadt als Durchgangslager für die Massentransporte in die Vernichtungsstätten und als Sterbelager für Zehntausende Juden verschleiert werden. Damit das Ghetto als Beweis gegen die angebliche »Gräuelpropaganda« über nationalsozialistische Verbrechen benutzt werden konnte, wurden erst sogenannte »Verschönerungsaktionen« durchgeführt, bevor das Rote Kreuz die Stadt zu Gesicht bekam. Neben sprachlichen Veränderungen wie die Umbenennung von »Ghetto« in »Jüdisches Siedlungsgebiet« oder die Einführung von Straßennamen anstelle der vorher üblichen Bezeichnung durch Buchstaben und Ziffern, wurden u. a. die Häuser angestrichen, Straßen neu gepflastert, Grünanlagen mit Rasen und Blumenbeeten errichtet, Sportplätze gebaut, ein Kaffeehaus und eine Bank eröffnet sowie zahlreiche kulturelle Aktivitäten, darunter Konzerte, Theater, Revuen und Vorträge, erlaubt.122 Auch die Künstler

mussten sich an der »Verschönerung« des Ghettos beteiligen. So wurden sie gezwungen, beispielsweise die Wände des neueingerichteten Kinderpavillons mit exotischen Landschaften und Tieren zu schmücken sowie die Kinderheime und Unterkünfte der Erwachsenen mit humoristischen Szenen und Darstellungen aus Prag zu versehen. Andere Künstler wiederum fertigten Plakate und Schilder mit Reklamesprüchen an. Damit das extrem überfüllte Theresienstadt überhaupt den internationalen Besuchern gezeigt werden konnte, wurden in mehreren Transporten seit September 1943 insgesamt 17.500 Ghettoinsassen nach Auschwitz-Birkenau deportiert, wo sie zunächst zusammen in das sogenannte »Theresienstädter Familienlager« gebracht wurden.123 Dieser Lagerabschnitt wurde kurz nach dem Besuch des Roten Kreuzes in Theresienstadt im Juni 1944 aufgelöst, die Menschen in den Gaskammern ermordet oder zur Zwangsarbeit in andere Lager gebracht, wo die meisten an deren Folgen starben. In diesem Zusammenhang der »Verschönerungsaktionen« ist auch das Album von Joseph Spier zu sehen, das sehr wahrscheinlich im Jahr 1944 produziert wurde (siehe Kapitel 3.2).124 Ob Spier dabei das Album eindeutig auf Befehl von der SS angefertigte, wie Johanna Branson annimmt,125 oder nicht vielleicht doch Eigeninitiative von Spier im Spiel war und dann die einzelnen Blätter von der SS zusammengestellt wurden, ist nicht endgültig geklärt.126 Für die Wichtigkeit des Albums spricht die Tatsache, dass die aus 18 Ansichten von Theresienstadt bestehende Bildserie in den lagereigenen Druckereien vervielfältigt, die einzelnen Blätter nachträglich von Hand mit Aquarell koloriert und dann gebunden wurden.127 Abnehmer dieses Albums waren neben nationalsozialistischen Repräsentanten auch ausländische Besucher.128 Eine besondere Bedeutung für die nationalsozialistische Medienpolitik erhielt das Album dadurch, dass es beim Besuch am 23.  Juni 1944 Maurice Rossel, dem Delegierten des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, mitgegeben wurde, sodass es sich heute auch im Archiv des Internationalen Roten Kreuzes in Genf befindet (s. o.). Die Teilnehmer dieser Delegation, die neben Rossel aus zwei dänischen Vertretern des Roten Kreuzes Die Funktionen der Lagerbildserien  |  59

bestanden, wurden auf eigens vorbereiteten Wegen nach einem strengen Zeitplan durch das Ghetto geführt. Der Inszenierungscharakter war dabei vielen Ghettobewohnern so offenkundig, dass sie Einflussnahmen oder heimliche Nachrichten an die Mitglieder der Delegation für unnötig erachteten. So führt Käthe Starke aus  : Es gab im Lager niemanden, der daran gezweifelt hätte, oberstes Gesetz der Mitglieder dieser Kommission sei das Misstrauen. Ausnahmslos waren wir alle davon überzeugt, das Gestellte der Szenerie müsse den Blick hinter die schöne Kulisse schärfen. Es gab keine Zweifel für uns, daß jeder Mensch mit common sense durch die Plumpheit der Vorkehrungen darauf hingewiesen würde, hier wohne er der Einstudierung einer Farce bei.129 Trotzdem oder gerade deswegen schickte Rossel im Anschluss an seinen Besuch eine positive Einschätzung der Zustände in Theresienstadt an die Zentrale nach Genf.130 Wir möchten sagen, daß unser Erstaunen ungeheuer groß war, im Ghetto eine Stadt zu finden, die ein fast normales Leben lebt, wir haben es schlimmer erwartet. […] Diese jüdische Stadt ist wirklich erstaunlich.131 Für das Deutsche Reich war dieser Bericht ein außenpolitischer Erfolg, den es auch versuchte auszunutzen. So z. B. gebrauchte der stellvertretende Reichspressechef Helmut Sündermann auf einer Pressekonferenz für ausländische Journalisten am 19. Juli 1944 den Bericht von Rossel, um seiner Aussage nach gegen »die feindliche Propaganda über die angeblich schweren Missstände bei der Behandlung der jüdischen Bevölkerung«132 vorzugehen. Welchen Anteil besaß nun das Album von Joseph Spier an dieser Inszenierung des Roten-Kreuz-Besuchs vom 23.  Juni 1944  ? Die Tatsache, dass Maurice Rossel Spiers Zeichnungen seinem für die NS-Medienpolitk so wichtigen Bericht beifügt, lässt einen großen Nutzen des Albums erwarten. Zudem kann man eine enge inhaltliche Verbindung von Al60  |  Der Kontext der Bildserien

bum und propagandistischer Inszenierung feststellen, da zahlreiche im Album gezeigten Gebäude und Einrichtungen wie der »Marktplatz« (Spier Abb. 1), das »Kaffeehaus« (Spier Abb.  4 und 5), die »Metzgerei« (Spier Abb. 7), die »Bank« (Spier Abb. 9), die »Schreinerei« (Spier Abb. 11) oder das »Kinderheim« (Spier Abb.  16), die im Rahmen der »Verschönerungsaktion« entstanden, auch am 23. Juni 1944 von der Delegation besucht wurden, wie der erhalten gebliebene Zeitplan sowie eine zeitgenössische Karte von Theresienstadt mit eingezeichneter Wegstrecke beweisen.133 Tatsächlich scheint das Album bei der nachträglichen medienpolitischen Verwendung des Berichtes von Maurice Rossel keine wesentliche Rolle zu spielen. Ein Grund war sicherlich, dass Rossel selbst dem Album nur wenig Bedeutung beimaß. So erwähnt er die Zeichnungen in seinem Bericht nur an einer einzigen Stelle  : »Repräsentant der Holländer  : der Kunstmaler SPIER (?), Maler der Aquarelle, die diesem Bericht beigefügt sind«134. Auch in einem 1979 geführten Gespräch mit Claude Lanzmann über den Besuch des Roten Kreuzes in Theresienstadt werden die Bilder von Joseph Spier nicht erwähnt.135 Ebenso erscheint ein direkter Einfluss des Albums auf Rossels Bericht nur begrenzt wahrscheinlich, auch wenn Johanna Branson bemerkt, dass der Bericht in Kategorien erstellt wurde, die häufig mit dem Inhalt der Bilder korrespondieren.136 Dem ist entgegenzuhalten, dass zahlreiche Zwischentitel im Bericht wie »Verwaltung«, »Sammelsendungen«, »Wasser – sanitäre Anlagen«, »Polizei-Gerichte« oder »Die Familie in Theresienstadt« keine visuellen und schriftlichen Entsprechungen im Album haben.137 Zudem dürfte der inszenatorische Charakter des Besuchs und die dabei erhaltenen Alibi-Informationen den Bericht Rossels weitaus stärker beeinflusst haben als Spiers Zeichnungen, auch wenn hierzu keine genauen Untersuchungen vorliegen.138 Ein weiterer Grund, warum das Album bei allen Beteiligten eine eher untergeordnete Rolle spielte, lag vermutlich dem Medium Zeichnung zugrunde. Denn im Vergleich zum künstlerischen Bild scheinen die Medien Fotografie oder Film  – ungeachtet ihres tatsächlichen Ausmaßes  – in der Regel einen

größeren Anspruch auf »Wahrhaftigkeit« zu besitzen. Ihnen schreibt André Bazin im Bezug auf die »Realität« mehr Überzeugungskraft zu als allen anderen Bildwerken  : Photographie und Film hingegen sind Erfindungen, die das Verlangen nach Realismus ihrem Wesen nach endgültig befriedigen. (…) Die Objektivität der Photographie verleiht ihr eine Überzeugungsmacht, die allen anderen Bildwerken fehlt. Welche kritischen Einwände wir auch haben mögen, wir sind gezwungen, an die Existenz des wiedergegebenen Gegenstands zu glauben, der ja tatsächlich wiedergegeben, d. h. in Raum und Zeit wieder gegenwärtig gemacht wird.139 Diese Wirkung wird deutlich, wenn man sich die medienpolitische Nutzung der dem Bericht ebenfalls beigefügten 38 Fotos ansieht, die Maurice Rossel bei seinem Besuch am 23. Juni 1944 aus eigener Hand machte.140 Diese Fotos zeigen verschiedene Einrichtungen und Personen des Ghettos, darunter spielende Kinder, ein Mitglied der Ghettowache, ein Fußballspiel oder den Musikpavillon auf dem zentralen Platz vor der Kirche.141 Die Fotos sind sachlich gehalten und wirken gelegentlich wie Bilder eines Touristen, lassen aber die Realitäten des Ghettolebens wie Enge und Schmutz, Krankheit und Hunger, Tod und Deportation natürlich außen vor. An mehreren Stellen im Bericht verweist Rossel zudem auf seine Aufnahmen, wenn er z. B. sagt  : Überall kann man sich davon überzeugen, daß die Bevölkerung ausreichend ernährt ist, und zu diesem Zweck genügt es, die photographischen Dokumente, besonders die Kindergruppen, zu betrachten.142 Eine Woche nach dem Besuch, am 1. Juli 1944, schickte Rossel Abzüge der Bilder an Eberhard von Thadden, Referatsleiter im Auswärtigen Amt, der ebenfalls am 23. Juni in Theresienstadt war. In einem Begleitschreiben schrieb Rossel an von Thadden  : Wir gestatten uns, Ihnen anliegend je zwei Exemplare der in Theresienstadt gemachten Aufnahmen zu

überreichen und wären Ihnen sehr verbunden, wenn Sie eine Serie davon Ihren Mitarbeitern in Prag zustellen können (…) Die Reise nach Prag wird uns in bester Erinnerung bleiben, und es freut uns, Ihnen nochmals versichern zu dürfen, daß unser Bericht über den Besuch in Theresienstadt für viele eine Beruhigung bedeuten wird, da die Lebensbedingungen zufriedenstellend sind.143 Eberhard von Thadden antwortete  : Ich freue mich, daß Ihnen die Aufnahmen so gut gelungen sind, und werde sie auch meinerseits gelegentlich verwenden, wenn mich Ausländer erneut auf angebliche Gräuel in Theresienstadt ansprechen.144 Tatsächlich wurden die Bilder z. B. an die schwedi­ sche Botschaft in Berlin gesandt, um sie bei Verhandlungen mit dem dortigen Diplomaten über eine mögliche Freilassung schwedischer Staatsangehöriger in Theresienstadt zu gebrauchen.145 Auch von Heydekampf, ein Mitglied des Deutschen Roten Kreuzes, der ebenfalls Teilnehmer der Delegation am 23. Juni in Theresienstadt war, betont im Anhang eines Briefes, den er am 13. September 1944 an den stellvertretenden Leiter des Außenamtes des Deutschen Roten Kreuzes, Heinrich Niehaus, sandte, die Bedeutung der Fotos  : Sehr wichtig waren die von ihm [Maurice Rossel, d. Verf.] mit Genehmigung des Lagerkommandanten aufgenommenen Bilder. Viele interessierte Kreise in der Schweiz würden dem Bericht nicht Glauben geschenkt haben, wenn nicht die Bilder (insbesondere die Kindergärten mit spielenden Kindern) hätten vorgelegt werden können.146 Ein weiteres Argument, das für die Fotografien und gegen Spiers Album spricht, liegt auch darin, dass die Fotos von Maurice Rossel selbst stammen. Denn angefertigt von einem Vertreter einer weltweit bekannten und zur Neutralität verpflichteten Hilfsorganisation, besaßen die Aufnahmen in den Augen der SS, aber auch der potenziellen Betrachter mit Sicherheit eine höhere Legitimation als »Beweismittel« Die Funktionen der Lagerbildserien  |  61

als das von der SS verbreitete Album eines Theresienstädter Häftlings. Die obigen Ausführungen haben gezeigt, dass für die NS-Medienpolitk die Fotografien im Bericht von Maurice Rossel einen höheren Stellenwert besaßen als die Bilder von Joseph Spier, die, soweit bekannt, von den verantwortlichen Personen kaum erwähnt werden. Im Vergleich zu den Zeichnungen wurde dem Medium Fotografie anscheinend ein größeres Maß an Authentizität und Überzeugungskraft zugesprochen. Gleichwohl sind die Bilder von Spier ähnlich wie die anderen künstlerischen Arbeiten, die im offiziellen Auftrag entstanden, ebenso ein Mittel der NS-Medienpolitk gewesen, um die vorgebliche Effektivität der Lagerverwaltung zu zeigen und ein geschöntes Bild von Theresienstadt zu entwerfen. 3.4 Die Rettung der Bildserien und die Problematik der Rezeption nach 1945

Auf welche Weise die Bildserien die Lagerzeit überstanden und gerettet wurden, soll im Folgenden genauer ausgeführt werden. In vielen Fällen wurden die Werke anderen Personen zur sicheren Verwahrung gegeben, manche Überlebende erhielten nach der Befreiung ihre Arbeiten wieder zurück. So gab Helga Weissová, kurz bevor sie im Oktober 1944 mit ihrer Mutter nach Auschwitz deportiert wurde, ihre in Theresienstadt gefertigten Zeichnungen und Aquarelle ihrem Onkel Josef Polák, der in der »Zentralevidenz« der Ghettoverwaltung arbeitete. Dieser versteckte sie hinter einer Mauer in der Magdeburger Kaserne und gab sie nach der Befreiung an Helga zurück.147 Teile dieser Serie vermachte sie später dem Museum of Jewish Heritage in New York und dem Jüdischen Museum Prag, den Großteil ihrer Bilder aber behielt sie für sich. Auch die Arbeit Kurt Loews und Karl Bodeks wurde durch fremde Hilfe gerettet. So befindet sich ihre Bildserie (Variante der Sammlung Elsbeth Kasser) eingeklebt im Tagebuch des ebenfalls in Gurs internierten Arztes Jakob Bachrach, das dieser wiederum an Elsbeth Kasser weitergab  :

62  |  Der Kontext der Bildserien

Viele der kleinen Zeichnungen habe ich von dem lettischen Arzt DOKTOR BACHRACH, auch KUBA genannt. Er war schon im spanischen Bürgerkrieg dabei gewesen, und wir arbeiteten in Gurs Hand in Hand. Er führte ein illustriertes Tagebuch, das er mir überreichte, als er weg mußte. Dieses Journal enthielt unglücklicherweise Aufzeichnungen, die aufzubewahren mir zu gefährlich schien, und ich vernichtete sie. Doktor Bachrach stand auf einer Deportationsliste und wurde auch abgeholt.148 Ihre fast 200 in Gurs gesammelten Aquarelle, Zeichnungen und Fotografien, darunter auch Dr.  Bachrachs Tagebuch, schmuggelte ein Mitarbeiter des Roten Kreuzes verbotenerweise in die Schweiz, indem er dafür den diplomatischen Kurier benutzte.149 Danach lagen die Arbeiten jahrelang in einer Schachtel unter Elsbeth Kassers Bett, bis sie 1989 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden. Heute befindet sich die Sammlung Elsbeth Kasser im Archiv für Zeitgeschichte in Zürich. Die andere Variante der Bildserie aus der Sammlung Amicale du Camp de Gurs wurde 1945 zusammen mit weiteren Bildern aus Gurs zufällig von Robert Trellu, Stabschef beim Präfekten des Departements Basses-Pyrénées, in einer Abstellkammer entdeckt und dann später vergessen. Fünfzig Jahre später fand seine Tochter die Bilder und übergab sie zur weiteren Recherche an Loïc Wauquier-Dusart, der die Bilder dann 2005 an die Amicale du Camp de Gurs weiterreichte.150 Auf ähnliche Weise überstanden auch einige von Pavel Fantls Bildern, darunter seine hier gezeigte Arbeit, den Krieg. Sie gelangten noch während der Lagerzeit in die Sammlung von Zeev Shek, einem Mithäftling aus Theresienstadt, der versuchte, möglichst viel Material über das Ghettoleben in Theresienstadt aufzubewahren. Kurz vor Sheks Deportation nach Auschwitz im Oktober 1944 übergab er den Koffer mit den Dokumenten an seine spätere Frau Alisa  : It was a large suitcase, which I hid in a tunnel leading out of the ghetto, close to the barred outer gate. I hoped that it could be found there, even if I did

not survive. After the liberation, in May 1945, I retrieved the suitcase from its hiding place and took it with me to Prague in July. Zeev came to Prague after his liberation from Dachau and established a documentation center for Terezín material. In 1946 he brought the collection with him to Palestine and deposited it in the Central Zionist Archive.151 Nach Zeev Sheks Tod im Jahr 1978 vermachte Alisa Shek die Sammlung der Gedenkstätte Yad Vashem. Alfred Kantors Album aus Schwarzheide gelangte über seinen Mithäftling Julius Rabl, der es unter den Dielen seiner Baracke versteckte und später auf dem Todesmarsch mitnahm, in die Freiheit.152 Die Bildserie blieb im Besitz der Familie Rabl, bis sie die Ehefrau, Trude Rabl, im Jahr 2002 dem United States Holocaust Memorial Museum in Washington, D.C. stiftete.153 Nachdem Erich Lichtblau-Leskly seine Bildserie aus Furcht vor einer Entdeckung zerschnitt, versteckte seine Ehefrau Elsa die Fragmente unter den Holzdielen ihrer Baracke, in der sie lebte.154 Nach dem Krieg holte Lichtblau-Leskly seine Bilder aus dem Versteck hervor und fügte die einzelnen Fragmente zu einem späteren Zeitpunkt wieder zusammen. Dabei befestigte er die Originale auf weißem Karton, auf den er auch die neuen Bildtexte schrieb. Darüber klebte er einen zweiten Karton, diesmal mit einem aufgemalten braunen Backsteinmuster, der Löcher in der Größe der Fragmente und Texte enthielt, um so beides sehen zu können.155 Im Jahr 1984 gab er die Mehrzahl der Originale sowie die in den 1970er- und 1980er-Jahren gemalten größeren Varianten seiner Ghettobilder an das Los Angeles Museum of the Holocaust. Einzelne Originalfragmente sind in Privatsammlungen und in Beit Theresienstadt, Givat Haim Ihud in Israel zu finden. Während die obigen Häftlinge ihre Bildserien zeitweise oder ganz zurücklassen mussten, konnte Zsuzsa Merényi ihre Arbeit während der Zeit im »Ungarnlager« und über die Befreiung hinaus bei sich behalten. Über den Wasserschaden in Bergen-Belsen und das Einfügen der brauchbaren Zeichnungen in ein Schulheft unmittelbar nach der Befreiung ist bereits weiter oben gesprochen worden. Lange Zeit

wurde die Arbeit nur im Familienkreis herumgereicht, erst in den 1990er-Jahren wuchs das Interesse an ihrer Geschichte und ihren Bildern. 1993 wurden Teile aus der Bildserie von Thomas Rahe veröffentlicht, 2005 erschien in Ungarn erstmals eine vollständige Herausgabe ihres Heftes.156 Von Horst Rosenthal wiederum ist bekannt, dass er seine Arbeit noch in Gurs den Brüdern Ansbacher übergab.157 Der Rabbiner Leo Ansbacher und sein Bruder Max waren ebenfalls inhaftiert und bauten im Lager Gurs ein Hilfskomitee auf, das gegenüber der Lagerverwaltung als Vertretung fungierte und u. a. die Verteilung von Lebensmitteln und Medikamenten übernahm. Beide entgingen der Deportation und emigrierten nach dem Krieg nach Israel. Im Jahr 1978 übergab die Familie Ansbacher Rosenthals Werk dem Centre de documentation juive contemporaine in Paris. Etwas unklarer sind die Überlieferungsgeschichten der übrigen Werke. So gibt es über den Verbleib des Heftes von Liesel Felsenthal nicht viele Angaben. Vermutlich wurde die Arbeit von ihrer Mutter Irma Felsenthal bei deren Immigration in die USA mitgenommen.158 Heute befindet sich das Werk im Leo Baeck Institute von New York. Das Auschwitz-­ Skizzenbuch wiederum wurde 1947 vom ehemaligen Häftling Jósef Odi, der als Wachmann auf dem ehemaligen Lagergelände arbeitete, in einer Flasche in den Fundamenten einer Baracke im Abschnitt BIIf in Birkenau gefunden, nicht weit von den Krematorien  IV und V entfernt.159 Wie die Blätter in das Versteck gelangten und von wem, ist unbekannt. Die letzte unfertige Skizze deutet darauf hin, dass der unbekannte Zeichner sein Werk vielleicht schnell verstecken musste. Möglicherweise ist er aber auch gestorben oder in ein anderes Lager deportiert worden und eine andere Person hat dann das Werk versteckt. Seit dem Fund 1947 befindet sich das Skizzenbuch in den Sammlungen des Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau. Auf welche Weise Hilda Zadiková konkret die beiden Versionen ihres Theresienstädter Kalenders im Ghetto und in der Nachkriegszeit rettete, ist ebenfalls bislang nicht überliefert worden. Von der Variante, die im Albert-Einstein-Archiv in Jerusalem

Die Rettung der Bildserien und die Problematik der Rezeption nach 1945  |  63

liegt, wissen wir zumindest, dass Hilda Zadiková diese Arbeit persönlich am 27.  Januar 1947 an Albert Einstein nach Princeton in die USA schickte.160 Das Blatt befand sich gefaltet auf der Rückseite des Buches »Extermination of Polish Jews. Album of Pictures«, das, 1945 in Łódź von der Zentralen Jüdischen Historischen Kommission in Polen herausgegeben in 252 Fotografien, als eine der frühesten Publikationen die Verfolgung und Vernichtung der polnischen Juden dokumentiert.161 Auch wie Waldemar Nowakowski seine in Ausch­ witz produzierten Arbeiten vor Beschädigung und Zerstörung bewahrte und welchen Weg sie nach der Befreiung einnahmen, ist nicht überliefert. Möglicherweise hat er sie in Auschwitz versteckt, denn im Oktober 1944 kam Nowakowski nach Sachsenhausen, wo er in verschiedenen Arbeitskommandos eingesetzt wurde  ; die Mitnahme der mindestens 41 Blätter umfassenden Bildserie erscheint somit schwer vorstellbar. Allerdings könnten die Bilder auch nach der Befreiung entstanden sein, da sich, wie oben bereits erwähnt, Zweifel an der Datierung ergeben haben. Am wenigsten Informationen gibt es zur Bildserie István Irsais. Lediglich in der Publikation »Without Surrender. Art of the Holocaust« von Nelly Toll existiert eine Abbildung dieses Werkes und die Angabe, Irsai habe sie gegen Zigaretten an einen weiteren Häftling weiterverkauft.162 Dies klingt zumindest plausibel, zumal von Irsai bekannt ist, dass er einige seiner Arbeiten wie oben erwähnt im »Ungarnlager« ausgestellt hat und auch nach der Befreiung gelegentlich künstlerische Arbeiten verkaufte, um etwas Geld zu verdienen.163 Die weitere Geschichte der Arbeit liegt leider völlig im Dunkeln. So konnten, wie oben bereits erwähnt, auch durch intensive Nachforschungen und Anfragen bei Irsais Tochter Miryam Sommerfeld-Irsai, der Gedenkstätte Bergen-Belsen und Nelly Toll keine weiteren Angaben gefunden werden, sodass das Werk als verschollen gilt. Wie wurden die geretteten Bildserien nun von der Öffentlichkeit rezipiert  ? Die einzigen Möglich­ keiten für ein interessiertes Publikum waren Ausstellungen, Buchpublikationen sowie Zeitzeugen64  |  Der Kontext der Bildserien

gespräche mit den beteiligten Künstlern. Allerdings sind die Gelegenheiten einer breiten Rezeption einzelner Bildwerke oftmals begrenzt durch die Tatsache, dass es häufig Gruppenausstellungen mit zahlreichen Bildern von anderen Künstlern gab. Außerdem wurde und wird häufig, sobald die Serie aus losen Blättern besteht, nur ein kleiner Ausschnitt aus der gesamten Folge gezeigt.164 Schließlich waren und sind gerade die kleineren Ausstellungen häufig nur mit kurzen Anmerkungen in der Presse vertreten, die wenig Aussagewert über die Rezeptionshaltung der Betrachter zulassen. Um überhaupt aussagekräftige Quellen über die betreffenden Bildwerke zu finden – das Auffinden von privaten Äußerungen in Egodokumenten von Besuchern dürfte hier ungleich schwieriger sein –, müsste also eine intensive Quellen- und Archivrecherche in den verschiedenen an den jeweiligen Ausstellungen beteiligten Städten und Ländern erfolgen, die zusätzlich mit dem Problem der Mehrsprachigkeit konfrontiert wäre. Ebenfalls offenbleiben muss wegen der schwierigen Quellenlage der mögliche Einfluss gesellschaftlicher Gruppierungen, Ideologien oder landesspezifischer kultureller Normen auf die Rezeption der Bildserien. Neben der Rolle der kommunistischen Machthaber, die etwa in der Tschechoslowakei direkt oder indirekt eine größere Auseinandersetzung mit dem Schaffen Helga Weissovás verhinderten,165 wäre z. B. auch die Rolle jüdischer Organisationen zu untersuchen, die nach dem Krieg dabei halfen, das jüdische kulturelle und künstlerische Leben wiederaufzubauen.166 Angesichts dieser Probleme wird hier auf eine umfangreiche und systematische Rezeptionsgeschichte zu den hier untersuchten Lagerbildserien verzichtet. Stattdessen soll an dieser Stelle ein kurzer exemplarischer Überblick über die Ausstellungsgeschichte einzelner Werke geboten werden. Über frühe Ausstellungen der Bildserien ­liegen kaum Informationen vor. Lediglich von Erich Licht­blau-­L eskly ist bekannt, dass eine Einzelausstellung seiner nach Kriegsende wieder zusammengefügten Lagerbildserie 1976 und nochmals 1980 in Beit Theresienstadt, Givat Haim-Ihut, Israel stattfand. Weitere Einzelausstellungen sowohl seiner Ghetto­

arbeiten als auch der Nachkriegsreplikate folgten 1984 und 2011 im Los Angeles Museum of the Holocaust. Erst seit Ende der 1980er-Jahre sind die Bildserien in Form von Ausstellungen und den dazugehörigen, meist umfangreichen und mit vielen Beiträgen versehenen Katalogen in der Öffentlichkeit deutlich präsenter. Beispielsweise wurden Teile des Auschwitz-Skizzenbuchs sowie Teile der Bildserie von Waldemar Nowakowski 1989 in Ulm, später dann in Innsbruck, Dachau, Frankfurt/M., Köln und Essen gezeigt.167 In den Jahren 1991 und 1992 war die vom Massachusetts College of Art in Boston zusammengestellte Ausstellung »Seeing Through »Paradise«. Artists and the Terezín Concentration Camp« zunächst in den USA u. a. in Boston, Houston, New York und Berkeley zu sehen.168 Unter den mehr als 170 Bildern aus Theresienstadt wurden auch die Arbeiten von Hilda Zadiková und Joseph Spier sowie einige Bilder aus der Serie von Helga Weissová gezeigt. In der Nationalgalerie Tschechiens in Prag wurde die gleiche Ausstellung leicht verändert unter dem Titel »Umění v terezínském ghettu [Kunst aus dem Ghetto Theresienstadt]« gezeigt, diesmal aber ohne die Arbeiten von Weissová und Spier.169 Ende 1998 und Anfang 1999 fand in Lyon eine große Ausstellung mit dem Titel »Le Masque de la Barbarie. Le ghetto de Theresienstadt 1941–1945« statt, wo u. a. die Bildserien von Joseph Spier und der Kalender von Hilda Zadiková präsentiert wurden.170 In den Jahren 2002 und 2003 richtete das Mary and Leigh Block Museum of Art an der Northwestern University in Evanston, USA, die Ausstellung »Last Expression. Art and Auschwitz« aus, die u. a. einige Bilder von Waldemar Nowakowski und die komplette Serie von Horst Rosenthal in den USA in den Städten Evanston, New York und Wellesley zeigte. Der dazugehörige Katalog mit über 200 Bildern enthielt zudem einen Artikel über das Auschwitz-Skizzenbuch und publizierte daraus einige Bilder.171 Die von Jürgen Kaumkötter kuratierte Wanderausstellung »Kunst in Auschwitz 1940–1945«, die 2005 in Berlin und Osnabrück sowie 2006 in Łódź in Polen Halt machte, enthielt mit 17 präsentierten Bildern aus der Serie Waldemar Nowakowskis seine meines Wissens bislang umfangreichste publizistische und öffentli-

che Darbietung.172 Ebenfalls von Jürgen Kaumkötter stammt die Ausstellung »Der Tod hat nicht das letzte Wort«, die von Januar bis Februar 2015 im Deutschen Bundestag im Paul-Löbe-Haus gezeigt wurde, darunter auch wieder einige Abbildungen von Waldemar Nowakowski.173 Eine lange Ausstellungsgeschichte kann die Sammlung Elsbeth Kasser aufweisen, die seit 1989 zunächst in Viborg in Dänemark und dann in zahlreichen anderen europäischen Städten, darunter Mannheim, Hamburg, Karlsruhe, Genf, Berlin, Osnabrück, Toulouse, Neu-Ulm und ab 2009 mit neuem Katalog und Ausstellung u. a. in Luzern, Offenburg und Baden-Baden gezeigt wurde.174 Unter den präsentierten Werken aus dem Internierungslager Gurs ist auch die Bildserie von Kurt Loew und Karl Bodek zu sehen. Zusätzlich zu diesen großen Ausstellungen kommen noch kleinere Präsentationen, z. B. »Art and Medicine in Ghetto Theresienstadt (Terezín)«, die in Israel und den USA rund 40 künstlerische Arbeiten über und von Ärzten aus Theresienstadt präsentierte, u. a. auch die hier untersuchte Arbeit von Pavel Fantl. Bereits 1993 erfolgte in der Gedenkstätte Bergen-Belsen eine Sonderausstellung zu den Häftlingszeichnungen, die an diesem Ort entstanden waren, darunter die hier vorgestellten Werke von Zsuzsa Merényi und István Irsai. Zu sehen war die Ausstellung auch in Unna und in der Gedenkstätte Theresienstadt. Eine herausragende Rolle in der Ausstellungsgeschichte der Lagerbildserien nimmt das Werk von Helga Weissová ein, da es seit 1990 wie kaum eine zweite künstlerische Häftlingsarbeit in Gruppen- und Einzelausstellungen präsentiert wurde. Gemeinsam mit anderen Künstlern wurden Teile ihres Werks 1991 und 1992 in der bereits erwähnten Ausstellung »Seeing Through »Paradise« oder im Jahr 2000 in der Ausstellung »The Arts as a Strategy for Survival, Theresienstadt 1941–45« in Bethlehem, USA, gezeigt. Eine erste große Einzelausstellung ihrer Arbeiten, darunter auch die Zeichnungen aus Theresienstadt, erfolgte 1991 in der Klausen-Synagoge in Prag. Seit 1998 im Zusammenhang mit dem im selben Jahr publizierten Katalog »Zeichne, was Du siehst. Zeichnungen eines Kindes aus Theresi-

Die Rettung der Bildserien und die Problematik der Rezeption nach 1945  |  65

enstadt/Terezín« fand die gleichnamige Einzelausstellung in zahlreichen Gedenkstätten, Museen, Schulen und anderen öffentlichen Einrichtungen in Europa und den USA statt. In vielen Fällen tritt Helga Weissová dabei als Zeitzeugin auf und gibt Auskunft über ihre Zeichnungen und die Zeit in Theresienstadt. Im Jahr 2009 wurde im Jüdischen Museum in Prag aus Anlass ihres 80.  Geburtstags eine weitere große Ausstellung ihrer künstlerischen Arbeiten von den Anfängen in Theresienstadt bis zu den jüngsten Werken gezeigt.175 In letzter Zeit erfahren die Häftlingsbilder aus den NS-Zwangslagern gerade in Deutschland eine breitere Rezeption. Das liegt sicherlich an zwei Ausstellungen, die wie kaum andere zuvor in den Medien präsent waren und zugleich von der Politik beachtet wurden. Die erste Ausstellung ist die bereits erwähnte, von Jürgen Kaumkötter kuratierte Ausstellung im Deutschen Bundestag, die vom 28.  Januar bis zum 27. Februar 2015 im Paul-Löbe-Haus Werke aus dem Staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau in Oświęcim, der Gedenkstätte Theresienstadt und dem Zentrum für verfolgte Künste im Kunstmuseum Solingen zeigte.176 Die zweite Ausstellung hieß »Kunst aus dem Holocaust« und präsentierte vom 26. Januar bis 3. April 2016 im Deutschen Historischen Museum in Berlin 100 Arbeiten aus der Gedenkstätte Yad Vashem, darunter auch das Originalbild »Metamorphose« von Pavel Fantl.177 Diese bislang außerhalb Israels umfangreichste Ausstellung aus der Sammlung von Yad Vashem wurde von Bundeskanzlerin Angela Merkel eröffnet und später auch vom israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu besucht. Initiiert haben diese Präsentation der Vorstandsvorsitzende des Medienunternehmens Axel Springer, Mathias Döpfner, und der Vorstandsvorsitzende Walter Smerling der Stiftung Kunst und Kultur e.V. V. a. durch die Kooperation mit der Tageszeitung »Bild« waren die Kunstwerke von Häftlingen aus den NS-Zwangslagern in einem hohen Maß medial präsent.

66  |  Der Kontext der Bildserien

Anmerkungen 1 Huber 1996, 10. Huber bezieht sich zwar auf die künstlerische Handzeichnung, seine Ausführungen lassen sich aber durchaus auch auf andere künstlerische Medien wie Druckgrafik, Aquarellzeichnung oder Ölbild übertragen. 2 Zur Technik und Materialität der einzelnen Werke vgl. das Werksverzeichnis im Anhang. Im Fall der Bildserie von István Irsai sind Informationen zum Material nicht verfügbar, da das Originalwerk als verschollen gilt und lediglich als Reproduktion in einer Publikation von Nelly Toll von 1978 auftaucht (Toll 1978, 73). Intensive Recherchen und mehrfache Nachfragen u. a. bei Irsais Tochter Miryam Sommerfeld-Irsai, der Gedenkstätte Bergen-Belsen und Nelly Toll führten zu keinem Ergebnis. 3 Sämtliche Blätter des Auschwitz-Skizzenbuchs sind laminiert (nach Agnieszka Sieradzka seit Anfang der 1960er-Jahre, vgl. Sier adzk a 2011, 8), doch um das empfindliche Papier nicht zu schädigen, bleibt der Plastiküberzug weiter bestehen. 4 Vgl. dazu Kapitel 3.3.4. 5 Auch wenn das Auschwitz-Skizzenbuch aus den gelochten Blättern eines Skizzenbuchs besteht, ist ein ursprünglicher Zusammenhang als zusammengehöriges Heft wenig wahrscheinlich, zumal hier die narrativen Verbindungen zwischen den einzelnen Bildern kaum ausgeprägt sind. Vgl. dazu Kapitel 5.4.3. 6 Laut Michaela Hajkova vom Jüdischen Museum Prag ist die Fadenbindung im Originalzustand. Vgl. persönliches Gespräch mit dem Verfasser am 28. März 2007 in Prag, Tschechien. Bei den anderen Versionen des Albums in der Gedenkstätte Theresienstadt und in Yad Vashem war es mir leider nicht möglich, die Alben persönlich einzusehen und ihre Bindungen zu überprüfen. Bei Liesel Felsenthal liegt eine solche Einschätzung nicht vor, allerdings könnte es sich aufgrund des guten Erhaltungszustandes des Werkes auch hier um das Original handeln. 7 Nach der Restauratorin Jane Klinger des United States Holocaust Museum in Washington, D.C., USA, sind die Deckel zu »90 Prozent« aus der Originalhäftlingskleidung hergestellt (Persönliche Auskunft von Suzy Goldstein-Synder am 28.  November 2006 in Washington, D.C., USA). Dies schließt natürlich nicht aus, dass die Deckel erst nach der Befreiung aus einer alten Häftlingskleidung entstanden sind. 8 Die Tochter von Hilda Zadiková, Marianka Zadikow-May, spricht in einem Telefon-Interview mit dem Verfasser davon, dass ihre Mutter den ursprünglichen Theresienstadt-Kalender aus Furcht vor einer Entdeckung zerschnitten hat und die einzelnen Teile stets bei sich trug (vgl. dazu auch Wonschik 2014, 13). Erst nach dem letzten Transport nach Auschwitz im Oktober 1944 habe sich den Mut gehabt, nach der Vorlage der einzelnen Blätter die beiden erhaltenen Versionen des Kalenders noch vor der Befreiung Theresienstadts im Mai 1945 zur erstelle (vgl. Zadikow 2016). Wann die Blätter auf Karton geklebt worden sind ist unklar, vielleicht auch erst nach der Befreiung. 9 Pavel Fantls Arbeit enthält vier Einzelbilder, István Irsais acht Bilder, Hilda Zadikovás zwölf, Horst Rosenthals 16, Joseph Spiers 18 und Liesel Felsenthals 19 einzelne Bilder. 10 Manche Bildrahmen, v. a. auf den letzten Seiten, enthalten keine Zeichnungen und werden deshalb nicht mitgezählt.

11 Die erste Version befindet sich im Jüdischen Museum Prag und die zweite im Albert-Einstein-Archiv in Jerusalem. 12 Soweit nicht anders angemerkt, sind im Folgenden als Quellen die Biografien der einzelnen Künstler im Anhang ausgewiesen. 13 Vgl. Sommerfeld-Irsai 2014, 66. 14 Nach Zsuzsa Merényis Erinnerung wurden kurz vor der Deportation aus Budapest die Gepäckstücke von ungarischen Pfeilkreuzlern durchsucht. Während diese aus dem ordentlich zusammengepackten Koffer von Zsuzsas Schwester Lea die ganze Wäsche entwendeten, nahmen sie von den hastig in einen Sack gestopften Habseligkeiten von Zsuzsa nur die Zahnbürste und die Bibel, sodass die Malutensilien mitkommen konnten. Informationen dazu stammen aus einem Interview, das Zsuzsa Merényi am 20. April 1990 u. a. mit Thomas Rahe von der Gedenkstätte Bergen-Belsen in Hannover führte. Vgl. Archiv der Gedenkstätte Bergen-Belsen (AGB), Sammlung der Augenzeugenberichte (AZB), Audiokassette Nr. 34 und 35, Interview mit Zsuzsa Merényi am 20. April 1990 in Hannover, hier Kassette Nr.  34. Nach Erkenntnissen der Oral History sind Interviews mit Überlebenden allerdings kritisch zu hinterfragen, da die Perspektive der Gegenwart (das Interview mit Zsuzsa Merényi fand vier Monate vor ihrem Tod im August 1990 statt) die Deutung der Vergangenheit strukturieren und verändern kann. Vgl. dazu Spitta /R athenow 2009, 40. 15 Vgl. Interviews des Verfassers mit Helga Weissová (Weissová 2007). 16 Nach der Befreiung erhielt er einige dieser Skizzenblätter, die Bunt- und Bleistiftzeichnungen über den Ghettoalltag enthalten (zwei davon publiziert in  : K antor 1971a, gegenüber S. 9) von der gleichen Person wieder zurück. Informationen dazu sowie zu seinem Leben in den Lagern Theresienstadt, Auschwitz und Schwarzheide stammen aus zwei persönlichen Interviews, die Mary Susan Parke mit Alfred Kantor am 11. und 12. Mai 1983 in Yarmouth in Maine führte. Zwei weitere Telefoninterviews am 18. August und am 2. September 1984 folgten. Transkriptionen dieser Interviews befinden sich in  : Parke 1984, 159–229. Zur oben genannten Episode vgl. Interview Kantor in ebd., 163–165. 17 Vgl. Archiv Beit Theresienstadt (Abt), Givat Chaim Ichud, Israel, Sammlung Terezín, Nr. 343, »Terezín 1942–1945«, Erinnerungsbericht Hilda Zadiková, Bl.  1. Vgl. dazu auch Br anson 1991, 54. 18 Eine Auswahl dieser verbotenen Arbeiten inklusive des Kalenders in der Version des Jüdischen Museums Prag sind veröffentlicht in  : Gedenkstätte Theresienstadt 2002, 142–145. 19 Vgl. das Interview des Verfassers mit Helga Weissová (Weissová 2007). 20 Vgl. ebd. 21 Zur Rolle der Kunst als Tauschobjekt vgl. Kapitel 3.3.3. 22 Schr amm 1977, 119. 23 Zu dieser Gruppe vgl. Guttermann/Morgenstern 2003, 29. Genauere Angaben, woher Liesel Felsenthal ihr Material konkret bekam, sind mir allerdings nicht bekannt. 24 Vgl. Interview Kantor in  : Parke 1984, 180–181. 25 Vgl. das Interview des Verfassers mit Helga Weissová (Weissová 2007). 26 Ebenso gibt es von der Essensausgabe (Weissová Abb. 15 und ein ähnliches Bild in der Sammlung des Museums of Jewish Heritage

in New York mit der Signatur MJH 215.88) sowie von der Läusekontrolle (Weissová Abb. 31A und 31B) jeweils zwei Varianten. 27 Vgl. das Interview des Verfassers mit Helga Weissová (Weissová 2007). 28 Vgl. das Interview des Verfassers mit Mira Oren (Oren 2008). 29 K asser 1993, 13. 30 ABT, Erinnerungsbericht Hilda Zadiková, Bl. 2. 31 Interview Kantor in  : Parke 1984, 199. 32 Vgl. AGB, AZB, Interview Merényi, Kassette 34. Die Laban-­ Tanzschrift war ein von Rudolf von Laban entwickeltes System zur Aufzeichnung menschlicher Bewegung. 33 Zu den späteren Veränderungen vgl. auch Kapitel 6.3. 34 Vgl. das Interview des Verfassers mit Mira Oren (Oren 2008). Vgl. dazu auch Melamed 2010b, 9. 35 Zur Archiv- und Quellenforschung in der Kunstgeschichte vgl. Pfisterer 2003, 15–18. 36 Zu den biografischen Daten hier und im Folgenden vgl. die Biografien der jeweiligen Häftlinge im Anhang. 37 Vgl. K antor 1971a, Anm. »Facing Page 78« (o.S.) bzw. das Interview Kantor in  : Parke 1984, 180. 38 Vgl. Tsur 2002, 203. Mehr zur Schenkungssituation vgl. Kapitel 3.3.3. 39 Zu den nach der Befreiung entstandenen Skizzen und den Veränderungen des Materials vgl. Kapitel 6.3. 40 Vgl. AGB, AZB, Interview Merényi, Kassette 34. 41 Vgl. u. a. Weissová 1998b und das Interview des Verfassers mit Helga Weissová (Weissová 2007). 42 Dass Helga Weissová ihre Bilder bereits während der Ghettozeit zu einem späteren Zeitpunkt mit zusätzlichen Beschriftungen versah, ist daran zu erkennen, dass neben der alten Unterschrift auch ihre jüngere Signatur »hw« zu lesen ist (z. B. Weissová Abb. 3, 4, 7, 9, 10). 43 Die Literatur ist sich beim tschechischen Kalender uneins und gibt verschiedene Jahreszahlen an. So etwa das Jahr »1945« in  : Massachusetts College 1991, 88, »1944« in   : Gedenkstätte Theresienstadt 2002, 144 sowie »1944« in  : Wonschik 2014, 102. Der Ausstellungskatalog »Umění v terezínském ghettu [Kunst aus dem Ghetto Theresienstadt]« dagegen ist sich unsicher und setzt hinter das Jahr »1944« ein Fragezeichen. Vgl. Nationalgalerie Pr ag 1992, Abb. 18, o.S. 44 Vgl. Zadikow 2016. 45 Albert-Einstein-Archives (AEA), The Hebrew University of Jerusalem, Israel, Bestand B.2, Nr. 67–23.1, Brief Hilda Zadikovás an Albert Einstein vom 27. Januar 1947. Der Brief ist auch als Kopie angefügt in einem unpublizierten Manuskript von David und Yael Oberman (Oberman & Oberman 1989). Das Manuskript befindet sich in  : Abt, Sammlung Terezín, Nr. 343 (Hilda Zadiková). Danach kannten sich Albert Einstein und Hilda Zadikovás Familie aus den 1930er-Jahren, weil Hilda Zadikovás Mann, Arnold Zadikov, ein bekannter Bildhauer, beauftragt wurde, einen Grabstein für Einsteins verstorbene Stieftochter Ilse herzustellen. Im Herbst 1938 versuchte Einstein mit einem Affidavit der Familie Zadikov bei der Einreise in die USA zu helfen, was aber aufgrund fehlender finanzieller Mittel scheiterte. Ab 1946 wandte sich Hilda Zadiková erneut an Einstein, damit dieser ihr und ihrer Tochter Marianne  – Arnold Zadikov war im Ghetto Theresienstadt gestorben  – bei der Ausreise in die USA helfen möge.

Anmerkungen  |  67

Doch trotz Einsatzes von Einstein scheiterte auch dieser Versuch. Vgl. dazu auch den überlieferten Briefwechsel der Nachkriegsjahre zwischen Einstein und Zadiková in AEA, Bestand B.2, z. B. Nr. 57-582, 67-022 oder 59-046. Für die Bereitstellung der Briefe und des Theresienstädter Kalenders danke ich ganz herzlich Frau Barbara Wolf vom Albert-Einstein-Archiv, Jerusalem, Israel. 46 Vgl. das Interview des Verfassers mit Walter Basnizki (Bas­ nizki 2008). 47 Vgl. Toll 1978, 73. 48 Zum Datum der Ankunft der Kasztner-Gruppe in Bergen-Belsen bzw. der Ausreise in die Schweiz vgl. Wenck 2000, 298, 334 und R ahe 2014, 63. Dass die Arbeit während der Lagerzeit in Bergen-Belsen entstanden ist, vermutet auch Miryam Sommerfeld-Irsai, die zusammen mit ihrem Vater als Achtjährige im »Ungarnlager« inhaftiert war. Vgl. schriftliche Mitteilung von Miryam Sommerfeld-Irsai an den Verfasser (Sommerfeld-Irsai 2009b). 49 Eggers 2002, 262. 50 Die Nachkriegsreplika sind zusammen mit den Originalen aus der Ghettozeit abgebildet in  : Melamed 2010a, 24–153. 51 Diesen zeitlichen und kausalen Zusammenhang von der »Affäre« zum Verstecken der Bilder nennen auch Mira Oren in ihrer schriftlichen Mitteilung an den Verfasser (Oren 2007) und Vladimir Melamed in  : Melamed 2010b, 9. 52 Zu dieser Einschätzung kommt auch Agnieszka Sieradzka (vgl. Sier adzk a 2011, 17–18). 53 Z.B. Janina Jaworska und Janet Blatter/Sybil Milton datieren die abgebildeten Blätter auf das Jahr 1943. Vgl. Jaworsk a, zwischen 120 und 121 sowie Abb.  282–284, o.S. und Blatter / Milton 1981, 190, 192. Der Katalog »Kunst in Auschwitz 1940–1945« benennt dagegen als Entstehungszeitraum die Jahre 1940–1945. Boberg/Simon 2005, 181–197. 54 Vgl. Busch 1997a. Auch Jutta Held und Norbert Schneider betonen in ihrem Buch die wichtige Rolle des sozialen Systems der Kunst, wobei sie die Rolle der Produktion, Distribution und Rezeption beschreiben (vgl. Held/Schneider 2007, 165–249). 55 Vgl. Busch 1997b, 16. 56 Vgl. hierzu und im Folgenden ebd., 23–24. 57 Vgl. Kapitel 4.4. 58 Während Stefanie Endlich das Dokument und die Selbstvergewisserung der eigenen kulturellen Identität in den Vordergrund stellt (vgl. Endlich 2005, 179) und Mary Costanza den Zeugnischarakter hervorhebt (Costanza 1983, 90–92), sieht Ziva Amishai-Maisels fünf verschiedene Kategorien  : Neben »official art« sind dies «spiritual resistance through the assertation of individuality«, »affirmation and commemoration of life«, »the function of art as witness« und »art as catharsis« (vgl. Amishai-Maisels 1993, 3–6). 59 Zwar schwingt der Aspekt der Häftlingsbilder als soziales Medium in vielen Veröffentlichungen zu diesem Thema mit, doch genauere Untersuchungen dazu fehlen bislang. Auch Publikationen über die Häftlingswerke, die von der SS genutzt oder in Auftrag gegeben wurden, um ein regimefreundliches Bild der Lager zu zeichnen, sind rar gesät. Ausnahmen zu beiden Bereichen – soziales Medium und Auftragswerk – sind die Arbeiten z. B. von Br anson 1991, Hess 2008 und Schäfer, K 2015. 60 Vgl. Amishai-Maisels 1993, 6.

68  |  Der Kontext der Bildserien

61 Young 1997, 49. 62 Ossenberg 1998, 9. 63 Vgl. Seidel/Knellessen 2008. Welche Rolle die Bilder im konkreten Prozessverlauf tatsächlich gespielt haben, ob sie auch als eigenständiges Zeugnis ohne die Verbindung zum Künstler verwendet wurden, ist noch nicht untersucht worden. Auf die wichtige Rolle von Häftlingszeichnungen als subjektives Zeugnis für die Geschichtswissenschaft hat bereits Andreas Ehresmann hingewiesen. Siehe Kapitel 1, Fußnote 39. 64 Vgl. Weissová 1998, 13–14. Vgl. dazu das Interview des Verfassers mit Helga Weissová (Weissová 2007). 65 Interview Kantor in  : Parke 1984, 178. 66 Shelliem 1995. 67 Vgl. AGB, AZB, Interview Merényi, Kassette 34. 68 Vgl. dazu Amishai-Maisels 1993, 6–13. 69 Da xelmüller 2002, 993. Zur kulturellen Identität vgl. auch Suderland 2004. 70 Ebd., 20. 71 Da xelmüller 2002, 989. 72 Vgl. ebd., 996. 73 Oren 2010, x. 74 In der Deportationsliste nach Theresienstadt steht bei Erich Lichtblau-Leskly als Beruf »Waldarbeiter«. Vgl. Bild 8 in  : Melamed 2010c, 8. 75 Vgl. das Interview des Verfassers mit Helga Weissová (Weissová 2007). 76 Vgl. Amishai-Maisels 1993, 4–5 und Schollmeyer 2005, 115–117. 77 K antor 1971b. 78 Parke 1984, 224. 79 Elsa Leskly im Video-Interview mit Elena Makarova im April 2010. Zitiert nach Mak arova 2012, 35. 80 Vgl. AGB, AZB, Interview Merényi, Kassette 34. 81 Morreall 1997. 82 Die Titel der anderen in Gurs entstandenen Arbeiten heißen »La journée d’un hébergé  : Camp de Gurs 1942« und »Petit guide à travers le camp de Gurs«, die sich in den Sammlungen des Centre de Documentation Juive Contemporaine in Paris befinden. Mehr zu Horst Rosenthal und seinen Arbeiten in Gurs vgl. Kapitel 4.3. Zu Rosenthals Biografie siehe Rosenberg 2013. 83 Die ursprünglichen Texte wurden kurz vor der Befreiung zerstört, sodass die hier zitierten Texte sich auf die Rekonstruktionen dieser Texte in den Bildvarianten aus den 1970er- und 1980er-Jahren beziehen. 84 Huber 1996, 20. 85 Zu den sozialen Strukturen in den Lagern vgl. Sofsky 2004, 115–190 und Wachsmann 2016, 573–590. 86 Vgl. ebd., 185–188. 87 Zur sozialen Bedeutung von Porträts vgl. R ahe 1993, 8 und Hess 2008, 135, 139–143. 88 Vgl. Sofsky 2004, 188. 89 Vgl. Toll 1998, 14. Woher sie diese Information hat, teil Nelly Toll aber nicht mit. 90 Vgl. Laharie 1985, 23. 91 Schr amm 1977, 119. 92 K asser 1993, 13. 93 Vgl. Laharie 1985, 23.

94 Zur Person Elsbeth Kassers und ihrer Sammlung vgl. Schmid-­­ Ackeret 2009 und Bullinger 2009. 95 K asser 1993, 12. 96 Eine Version befindet sich in der Sammlung der Amicale du Camp de Gurs, Bestand Wauquier-Dusart in Pau, Frankreich, und wurde veröffentlicht in Laharie 1985, 129–133, eine andere in der Sammlung Elsbeth Kasser im Archiv für Zeitgeschichte in Zürich, publiziert in  : Elsbeth K asser-Stiftung 2009, 44–45. Die beiden Varianten unterschieden sich lediglich in einigen Details voneinander, so z. B. in einer leicht unterschiedlichen Farbgestaltung und durch leichte Differenzen im Format. Vgl. dazu den Katalog im Anhang. 97 Reinold Sliwka wurde am 17.  November 1902 in Helbra im Südharz geboren, ins KZ Sachenhausen kam er am 7. September 1939 als »Schutzhäftling«. Er gehörte ab dem 1. Juli 1944 zu den sieben Häftlingen aus Sachenhausen, die in führenden Positionen der »Häftlingsselbstverwaltung« die Errichtung des Außenlagers Schwarzheide vorbereiten sollten. Am 31. August 1944 wurde er wieder zurück ins Hauptlager Sachsenhausen geschickt und am 20.  Oktober 1944 ins KZ Mauthausen deportiert. Angaben dazu von Tsur 2002, 203 sowie Archiv der Gedenkstätte Sachenhausen (AGS), D 1 A/1024, Sonderliste, Bl.  272, 273  ; R  31/M  5, Nummernliste, Bl. o.Z. sowie D  10 A/01, Zugangsliste, Bl. 44. 98 K antor 197a, Anm. »Facing page 78« (o.S.). 99 Parke 1984, 180. 100 Vgl. ebd. 101 Beide Zitate aus ebd., 180–181. 102 So bezeichnet Helga Weissová sie in den retrospektiven Anmerkungen als »Geburtstagskarte« Vgl. Weissová 1998a, 100. 103 Weitere Bilder, die als Geschenke dienten, sind abgebildet in  : Weissová Abb. 36–38 und 41. 104 Brief Hermann Adlers an die Gedenkstätte Bergen-Belsen, zitiert nach R ahe 1993, 31. 105 Neben den bekannten drei Arbeiten aus Bergen-Belsen, die sich mit den Bedingungen im »Ungarnlager« beschäftigen, darunter die hier untersuchte Bildserie (alle drei Zeichnungen sind abgebildet in  : ebd., 29 und 30 sowie Stiftung Niedersächsische Gedenkstätten 2014, 51, 53 und 55), sind in seinem Nachlass in Tel Aviv weitere Skizzen aus Bergen-Belsen aufgetaucht, die sich Irsais Projekt eines zionistisch inspirierten Denkmalensembles widmen. Vgl. R ahe 2009 und Stiftung Niedersächsische Gedenkstätten 2014, 56–61. 106 Vgl. Mittag 1996, 108. 107 Vgl. Einladung zu einer Kunstausstellung im Jahr 1941, die laut Bildtext »sous la présidence de Monsieur Le Directeur du Camp Kayser« stattfand. Abgedruckt in  : Laharie 1985, 216. 108 Schr amm 1977, 129. 109 Ebd., 124–126. 110 Vgl. Sofsky 2004, 184. 111 AGB, AZB, Interview Merényi, Kassette 34. 112 Tatsächlich ist István Irsai im Dezember 1944 in die Schweiz freigelassen worden. Mehr zum Bildinhalt in Kapitel 4.5.3. 113 Vgl. Kotek /Pasamonik 2014, 97. Es existiert sogar die Seite eines Albums von Emma Ott, wo sie über den Fotos von Kindern aus Gurs die Bezeichnung »Les Mickeys« geschrieben hat. Die Seite ist abgebildet in ebd., 98.

114 Vgl. Br anson 1991, 40 und Gedenkstätte Theresienstadt 2002, 52. 115 Einige Bilder sind abgedruckt in  : Boberg/Simon 2005, 163, 165 und 167. 116 Die entsprechenden Bilder sind zu sehen in  : Zeitoun/Foucher 1998, 33, 36 und 39. 117 So etwa bei Johanna Branson und Dominique Foucher, die bereits im Titel die Bezeichnung »Propaganda« verwenden, ohne sie im Text kritisch zu hinterfragen. Vgl. Br anson 1991 und Foucher 1998, 61–75. 118 Vgl. Mühlenfeld 2009. 119 Vgl. ebd., 529–533. 120 Ebd., 528. 121 Vgl. K árný 2000b, 28–35 und Benz 2013, 471–475. Ausführlicher, jedoch noch ohne vollständige Kenntnis des Berichts von Maurice Rossel siehe K árný 1983, 72–98. 122 Zur Verschönerungsaktion vgl. auch den Erinnerungsbericht von Käthe Starke in  : Starke 1975, 118–125. 123 Zu den Deportationen und zum »Familienlager« vgl. K árný 2000b, 30–31 und Jahn 2005. 124 Mir sind sechs erhaltene Alben bekannt  ; zwei davon befinden sich in den Sammlungen des Jüdischen Museums Prag, je eine in der Gedenkstätte Theresienstadt, in Yad Vashem, Jerusalem, im Archiv des Internationalen Roten Kreuzes in Genf und im King’s College London. 125 Vgl. Br anson 1991, 42. 126 Vgl. die schriftliche Mitteilung von Vojtěch Blodig, dem stellvertretenden Leiter der Gedenkstätte Theresienstadt, an den Verfasser vom 4. Juni 2007. 127 Mit welchem Druckverfahren die Blätter vervielfältigt wurden, wie hoch die Auflage war und wer alles an der Vervielfältigung und Kolorierung beteiligt war, ist nicht bekannt. Auf den Titelblättern der einzelnen Ausgaben befinden sich verschiedene Exemplarnummern, darunter als höchste Zahl die Ziffer »49« des Albums in Yad Vashem, sodass von mindestens 49 gedruckten Alben ausgegangen werden kann. Für die Handkoloration sprechen die Unterschiede in der Farbgestaltung, die von Ausgabe zu Ausgabe leicht variiert. 128 Vgl. Gedenkstätte Theresienstadt 2002, 53. Weitergehende Information, wer die Alben erhielt, wann und zu welchem Anlass sie verteilt wurden und wie die Rezeption war, entzieht sich leider meiner Kenntnis. 129 Starke 1975, 131. 130 Eine Transkription des fünfzehnseitigen frz. Originals ist abgedruckt in  : Zeitoun/Foucher 1998, 68–71. Eine deutsche Übersetzung des Berichts findet sich in  : Rossel 1996. Ein Kommentar dazu im selben Band von  : Blodig 1996. Zum Kontext des Berichts vgl. auch  : K árný 1996b, 276–284. 131 Rossel 1996, 296. 132 Zitiert nach K árný 2000b, 34. 133 Der Zeitplan sowie die Karten befinden sich im Archiv des Jüdischen Museums in Prag. Beide sind publiziert in  : Zeitoun/ Foucher 1998, 81. 134 Rossel 1996, 286. 135 Eine deutsche Übersetzung dieses Gesprächs in   : K árný 2000a, 164–191. 136 Als Beispiel schreibt sie  : »He [Rossel, d. Verf.] finds the streets

Anmerkungen  |  69

open and full of well-dressed inhabitants  ; there is the aforementioned illustration of a street with blossoming trees and well-dressed shoppers in front of an elegant clothing store and the Kaffeehaus.« (Branson 1991, 42). Auch Dominique Foucher sieht eine Übereinstimmung der Titel von Spiers Album und den Zwischenüberschriften von Rossels Bericht. Vgl. Foucher 1998, Fußnote 26. 137 Zitiert nach der dt. Übersetzung des Berichts in  : Rossel 1996. 138 Hier wäre eventuell ein genauer Blick in die betreffenden Dokumente von Maurice Rossel (Privatkorrespondenz u.ä.) im Archiv des Internationalen Roten Kreuzes in Genf sinnvoll, um die tatsächliche Wirkung dieser Inszenierung aufzuspüren. 139 Bazin 2004, 36–37. 140 Vgl. Farre/Schubert 2009. Auch Rossel selbst benennt im Gespräch mit Claude Lanzmann die Vorzüge der Fotografie, die er in Theresienstadt gemacht hatte  : »Ich fotografierte, was immer ich wollte, ich habe von dort eine Menge Fotografien mitgebracht. Man sagt, dass eine Fotografie oft mehr aussagt als tausend Worte, nicht wahr  ?« (K árný 2000, 178). 141 Einige publiziert in  : Zeitoun/Foucher 1998, Rossel 1996, 298–299 und Farre/Schubert 2009, 77–78, 81. 142 Rossel 1996, 288. Weitere Stellen im Text mit Hinweisen auf Rossels Fotografien in  : ebd., 285, 287, 288, 289, 295 und 296. 143 Vgl. K árný 1996b, 279. 144 Brief von Thaddens an Rossel, zitiert nach ebd., Fußnote  15 (S. 283). 145 Vgl. ebd., 283 146 Der Anhang ist betitelt mit »Judensiedlung Theresienstadt. Auszug aus dem Bericht Dr. Rossel, Del. IK, Wannsee«. Hier zitiert nach ebd., 280–281. 147 Vgl. das Interview des Verfassers mit Helga Weissová (Weissová 2007). Siehe dazu auch Weissová 1998b, 14. 148 K asser 1993, 12 [Großbuchstaben im Original]. 149 Vgl. Schmid 2009, 9 und Schmid-Ackeret 2009, 16. 150 Vgl. dazu Laharie 1985, 97. 151 Tarsi 2001. 152 K antor 1971a, Anm. »Facing Page 78« (o.S.). 153 Für die Reproduktion seines Buchs »The Book of Alfred Kantor« aus dem Jahr 1971 konnte sich Kantor fünf Zeichnungen aus dieser Serie von Julius Rabl ausleihen, die er später wieder zurückgab. Vgl. Interview Kantor, in  : Parke 1984, 181. 154 Vgl. die schriftliche Mitteilung von Mira Oren an den Verfasser (Oren 2007). 155 Im Archiv von Beit Theresienstadt existieren 71 Fotografien von Lichtblau-Lesklys Werken aus der Ghettozeit, die auf diese Weise bearbeitet wurden. ABT, Sammlung Terezín, Nr. 268 (Eli Leskly). Später wurden die meisten der Originale wieder aus dem Karton entfernt. In der Sammlung des Los Angeles Museum of the Holocaust ist nur noch eines dieser bearbeitenden Bilder vorhanden (vgl. Melamed 2010a, Abb.  29 (S. 57). Weitere befinden sich zusammen mit noch unpublizierten Originalfragmenten in Privatsammlungen in Israel. Eine Abbildung befindet sich auch in  : Mak arova 2012, 3. 156 Vgl. R ahe 1993 und Varnai 2005. 157 Vgl. dazu Rosenberg 2013, 379. 158 Vgl. das Interview des Verfassers mit Walter Basnizki (Basnizki 2008). 159 Sier adzk a 2011, 7–8.

70  |  Der Kontext der Bildserien

160 Siehe Kapitel 3, Fußnote 45. 161 Zur Fundsituation vgl. Oberman & Oberman 1989. 162 Vgl. Toll 1998, 14. 163 Vgl. R ahe 1993, 32. 164 Allerdings fehlt oftmals die Information, welche Bilder dann tatsächlich zu sehen waren. Gerade hier ist noch Bedarf für weitere Forschungen, die sich mit den Auswahlkriterien der Ausstellungsmacher beschäftigen müssten, da diese Entscheidungen auch ganz erheblich das Rezeptionsverhalten der Besucher prägen. 165 So wurde 1968 eine geplante Ausstellung in West-Berlin aufgrund des sowjetischen Einmarsches in die Tschechoslowakei abgesagt. In der Folgezeit zog sich Helga Weissová aus der Öffentlichkeit zurück und unterrichtete an einer Kunstschule. Erst nach der Wende 1989 fanden wieder Ausstellungen mit ihren Bildern in der Tschechoslowakei und später in den USA und Europa statt. Vgl. Wiegand 2002, 7–8. 166 Vgl. dazu Piatkowsk a 2008. 167 Der dazugehörige Katalog lautet   : Verband Bildender Künstler 1989. 168 Katalog  : Massachusetts College 1991. 169 Vgl. den Katalog  : Nationalgalerie Pr ag 1992. 170 Katalog  : Zeitoun/Foucher 1998. 171 Vgl. Uhl 2003. Abb. ebd., 96, 98–100. 172 Katalog  : Boberg/Simon 2005. 173 Katalog  : K aumkötter 2015. 174 Kataloge  : Bullinger 1993 und Elsbeth K asser-Stiftung 2009. 175 Katalog  : Pařík 2009. 176 Katalog und zugleich eigenständige Publikation  : K aumkötter 2015. 177 Abgebildet im Ausstellungskatalog  : Moreh-Rosenberg/ Smerling 2016, 153.

4. Die Ästhetik der Bildserien

4.1 Zeichenstil und Figurendarstellung in Auschwitz

Das folgende Kapitel beschäftigt sich neben der Betrachtung der Bildmotive v. a. mit der Frage, welche Rolle der Zeichenstil und die Figurendarstellung in der Ästhetik zweier Bildserien aus Auschwitz besitzen. Nach Ziva Amishai-Maisels war das Problem des Zeichenstils für die Lagerkünstler essenziell  : Being a witness is not, however, as simple as it sounds. Even after the artist has performed the impossible and located his materials, he must still choose not only what to depict, but how to depict it. Here the problem of style is critical  : is he to be a »camera« – an objective realist giving every detail  ? Or is he to be an expressionist, heightening reality with his own subjective feelings in order to convey not only what life in the camps looked like, but also what it felt like, and thus to make the spectator respond emotionally with pity, identification or revulsion.1 Auch wenn neben diesen Polen  – Realismus und Expressionismus – noch zahlreiche weitere Stilrichtungen in den Lagerbildern vorkommen können, benennt Amishai-Maisels deutlich die Schwierigkeit der Häftlinge, einen passenden Zeichenstil für ihre Lagerbilder zu wählen. Bezüglich der Figurendarstellung in den Lagern kann zwischen Individualporträts und anonymen Porträts unterschieden werden.2 Individualporträts versuchen die Persönlichkeit eines ganz bestimmten Menschen abzubilden und können daher als Erinnerungsbilder für die Nachwelt aufgefasst werden. Bei den anonymen Porträts sind die Figuren durch ähnliche Physiognomie und Kleidung austauschbar, individuelle Gesichtszüge treten hinter einer kollektiven Darstellung zurück. Hier soll gezeigt werden, dass die dargestellte Szene sich auch auf die Situation anderer Häftlinge übertragen lässt.

Ausgewählt werden die Arbeiten zweier Künstler, die beide in Auschwitz inhaftiert waren und bei denen der Zeichenstil und die Figurendarstellung eine prägende Rolle spielen. Das erste Werk, das sogenannte Auschwitz-Skizzenbuch, zeichnete ein unbekannter Künstler im Jahr 1943 in Auschwitz-Birkenau. Die zweite Bildserie stammt von Waldemar Nowakowski, die bei aller Vorsicht bezüglich der Datierung wahrscheinlich zwischen 1940 bis 1944 in Auschwitz oder aber in der unmittelbaren Nachkriegszeit entstanden ist. 4.1.1 Das Auschwitz-Skizzenbuch  : Realismus und Individualität

Das Auschwitz-Skizzenbuch wurde, wie oben beschrieben, 1947 in einer Flasche in den Fundamenten einer Baracke im Abschnitt  BIIf von Ausch­ witz-Birkenau unweit der KrematorienIV und V entdeckt. Seitdem befindet es sich in den Sammlungen des Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau in Oświęcim.3 Die Bildserie besteht aus insgesamt 32 Blei- und Buntstiftzeichnungen (in einigen Fällen zusätzlich auch mit Tinte), die auf 22 losen Skizzenblätter verteilt sind. Die Blätter sind bis auf eine Ausnahme von eins bis 21 nummeriert, außerdem enthält jedes Bild (sofern nicht beschädigt) die Initialen »MM« als Signatur.4 Ein großer Themenkomplex beschäftigt sich mit Misshandlungen, Folter und Hinrichtungen durch Funktionshäftlinge oder durch die SS. Andere Bildmotive zeigen verschiedene Formen der Arbeit, der Nahrungsaufnahme oder auch eine Art »Freizeit« wie das gemeinsame Kartenspielen. Eine Besonderheit des Auschwitz-Skizzenbuchs bildet die differenzierte Darstellung des komplexen Machtverhältnisses zwischen der SS, den Funktionshäftlingen und der Masse der Gefangenen.5 Einerseits werden die Funktionshäftlinge als gewalttätige UnterdrüZeichenstil und Figurendarstellung in Auschwitz  |  71

cker und als Nutznießer von Privilegien präsentiert. So bildet eine Seite sie als brutale Schläger an den Mitgefangenen ab (Auschwitz-Skizzenbuch, S.  12), während eine andere Darstellung einen Funktionshäftling inmitten zahlreicher Lebensmittel zeigt, die seine privilegierte Position bei der Nahrungsbeschaffung widerspiegelt (Auschwitz-Skizzenbuch, S. 16). Anderseits war seine Befehlsgewalt stets von der SS abhängig, die ihn kontrollierte und beaufsichtigte. Dies lässt sich gut am Beispiel von Blatt 9 zeigen. Hier ist eine Wiese außerhalb des Lagers abgebildet, auf der ein Funktionshäftling mit einem Stock zwei Häftlinge dazu zwingt, vor ihm bäuchlings durch Pfützen zu kriechen (Auschwitz-Skizzenbuch, S. 9). Im Bildvordergrund mit dem Rücken zum Betrachter steht ein SS-Mann mit Pfeife, der die Szene beobachtet, ohne in das Geschehen einzugreifen. Damit spiegelt das Auschwitz-Skizzenbuch die Delegation der Macht wider, die unerlässlich war für das Herrschaftssystem der SS aus Disziplin und Überwachung.6 Im Mittelpunkt des Werkes stehen zwei Bildsequenzen, die auf einzigartige Weise den Vernichtungsvorgang zweier unterschiedlicher Häftlingsgruppen in Auschwitz-Birkenau visualisieren (beide Bildsequenzen im Überblick in MM Abb. 9).7 Die erste Sequenz besteht aus vier Zeichnungen auf drei Blättern, die zusätzlich mit den Buchstaben von A bis D markiert sind (MM Abb. 3–5). Zu sehen ist der Weg zur Gaskammer sowohl von jüdischen Deportierten als auch von kranken Häftlingen aus der Isolierstation des Häftlingskrankenbaus in Birkenau, Abschnitt BIb. Die zweite Sequenz (diesmal mit den Buchstaben von A bis C zusätzlich gekennzeichnet) ist vom zeitlichen Ablauf vor der ersten anzusiedeln und visualisiert in drei Bildern die Ankunft derselben jüdischen Deportierten an der sogenannten »alten Judenrampe«, die ab Juli 1942 bis zum Bau der neuen Rampe im Frühjahr 1944 in Gebrauch war (MM Abb. 6–8).8 Zeichenstil Wie weiter oben bereits erläutert, war das Problem des Zeichenstils in der Lagerkunst wesentlich und konnte zwischen einem »objektiven« realitätsnahen Stil und einem emotionalen expressiven Stil variie72  |  Die Ästhetik der Bildserien

ren. Welchen Stil wählte also der Künstler des Auschwitz-Skizzenbuchs, um die Ereignisse in Birkenau festzuhalten  ? Betrachten wir zu diesem Zweck ein Bild, das den Abtransport von kranken Häftlingen aus einem ummauerten Hof zwischen zwei gemauerten Baracken zeigt (MM Abb.  3). Eine Tafel mit der Aufschrift »ISOLIER STATION« sowie die beiden an den Gebäuden angebrachten Schilder »Bl.[ock]  7« und »Bl.[ock]  8« geben den Hinweis, dass es sich hier um die sogenannte Isolierstation des ersten Häftlingskrankenbaus (HKB) für Männer in Birkenau handelt, der von Mai 1942 bis Juli 1943 im Abschnitt  BIb existierte, bevor er in den Abschnitt BIIf verlegt wurde.9 Dieser »Krankenbau« bestand aus den Blöcken 7 und 8, später kam noch Block 12 hinzu. In der Isolierstation, die im Block 7 untergebracht war, fanden ab Mai 1942 Selektionen unter den schwerkranken und erschöpften Gefangenen statt, die auch durch Gas umgebracht wurden. Dieser Bereich, der von den Häftlingen auch als »Todesblock« bezeichnet wurde, wurde wie abgebildet nach der ersten Selektion im Mai 1942 von einer Mauer umschlossen. Dargestellt ist der Moment, in dem die geschwächten Gefangenen, die sich zum Teil gegenseitig stützen oder auf Tragen liegen, unter der Aufsicht von Funktionshäftlingen und SS-Männern zu einem wartenden Lastwagen gebracht werden. Auf dessen Ladefläche befinden sich bereits Häftlinge, die in einem ähnlichen Zustand wie die anderen Gefangenen sind. Der Künstler des Auschwitz-Skizzenbuchs wählte für diese Szene einen naturalistischen Zeichenstil, der detailliert die Figuren, ihre Kleidung, das Fahrzeug und die Architektur der Umgebung erfasst. Die Gebäude etwa sind mit zahlreichen architektonischen Einzelheiten wie den gemauerten Schornsteinen, geöffneten Dachluken, Strommasten und den Belüftungs-Dachreitern versehen. Der dokumentarische Charakter der Zeichnung wird noch durch die Vogelperspektive und die Bildaufteilung verstärkt. So ist das eigentliche Ereignis, der Abtransport der kranken Häftlinge, auf der unteren Bildhälfte zu sehen, während die obere Hälfte präzise den Ort des Geschehens, eben die Isolierstation, den ummauerten Innenhof und die angrenzenden

Durcheinander schaffen konnten. Aber Koffer und Rucksäcke musste man alsbald liegenlassen. Die Soldaten sagten, die Gepäckstücke würden nachgeschickt. In dem Moment ist mir klargeworden, dass dort, wo wir hinkommen, kein Gepäck mehr benötigt wird.11

Nebengebäude abbildet. Trotz des präzisen und genauen Zeichenstils stellt diese Szene keine realistische Wiedergabe der abgebildeten Gebäude und Gegenstände dar wie bei einer technischen Zeichnung, sondern ist als authentisch wirkende Interpretation zu verstehen. Deutlich wird dies z. B. an der detail­ lierten Darstellung des Lastwagens, die mit der zweigeteilten Frontscheibe, der sich verjüngenden Motorhaube, dem Nummernschild mit SS-Kennzeichen und dem Anhängerdreieck auf dem Dach wie die realistische Abbildung eines tatsächlich benutzten Lastwagens in Birkenau zur Zeit der Judenvernichtung aussieht. Doch nach Ansicht von Holger Erdmann ist in diesem Bild kein bestimmter Lastwagentyp abgebildet, sondern es scheinen hier verschiedene Elemente unterschiedlicher Lastwagentypen, v. a. französischer und amerikanischer Modelle, miteinander kombiniert worden zu sein.10 Neben der detailreichen realitätsnahen Ausgestaltung sind die Zeichnungen des Auschwitz-Skizzenbuchs auch von einer Sachlichkeit und Distanz geprägt, die wenig Raum für Emotionalisierung lässt. Deutlich wird dies am Beispiel der Ankunft der jüdischen Deportierten (MM. Abb.  6). In der Regel waren die Menschen gezeichnet von der tagelangen Fahrt in geschlossenen Waggons ohne ausreichend Wasser, Nahrung oder sanitäre Einrichtungen. Bei der Ankunft an der Rampe in Auschwitz herrschten häufig ein großes Durcheinander, Schreie und Misshandlungen seitens der SS. Ladislaus Ervin-Deutsch, der 1944 in Klausenburg verhaftet und nach Auschwitz-Birkenau deportiert wurde, erinnert sich  :

In der Darstellung des Skizzenbuchs ist davon wenig zu sehen  ; die Menschen stehen in mehreren Reihen mit ihrem Gepäck ruhig und geordnet auf dem Bahnsteig, sie tragen saubere, »bürgerlich« anmutende Kleidung und werden von SS-Männern mit Gewehren bewacht. Der Judenstern auf der Kleidung macht ihren Verfolgungsgrund sichtbar. Die Strapazen des Transports, die Ängste der Ankommenden und ihre Sorgen vor der ungewissen Zukunft sind dagegen nicht in den Bildern abzulesen. Dem unbekannten Zeichner war vielmehr die nüchterne Darstellung der Ankunft eines Transportes wichtig, die geschlossenen Güterwaggons, Juden als Verfolgte und die Bewachung durch die SS. Diese sachliche Visualisierung der Ereignisse ohne Emotionalisierung wird auch in der Literatur als prägendes Element des Skizzenbuchs gewertet. Detlef Hoffmann schreibt dazu  :

Der Zug stand still. Die Waggontür wurde dröhnend aufgerissen. Hastige, grobe Leute drangen nun in den Waggon  : ›Aussteigen  ! Schneller, schneller  !‹ (…) Im Halbdunkel hörte man dumpfe Schläge  – entsetzte Frauenschreie, entrüstete Proteste (…) Die Leute mussten sich links und rechts der Schienen in Zweierreihen aufstellen  – Männer und Frauen getrennt. Angezogen mit Stiefeln, Windjacken, andere mit Hausschuhen, in Hemdsärmeln, im Schlafanzug oder nur in einem Nachthemd. Einige mit einem Rucksack oder mit einem kleinen Koffer, andere mit leeren Händen. Jeweils so, wie sie es in dem wirren

Schließlich ist neben dem Detailreichtum und der sachlichen Darstellung auch das Medium der Handzeichnung prägend für den realistischen Stil des Auschwitz-Skizzenbuchs. Denn im Gegensatz zur Malerei, die mit Tonwerten und Farben ein Motiv abbildet, stellt die Zeichnung einen Gegenstand nur mit Linien und Strichen dar, wobei mithilfe von Schraffuren ein räumlicher Eindruck erzeugt werden kann. Gerade ihre Fähigkeiten, die Wirklichkeit auf das Wesentliche zu reduzieren und auch komplizierte Szenen klar und einfach wiederzugeben, machen den Vorteil der Zeichnung aus.13 Ungeachtet

Sie [die Zeichnungen] registrieren kühl und distanziert, was sich ereignet. Es scheint dem notierenden Zeichenstift nicht nötig, die Schwere des Verbrechens noch zu deuten oder zu denunzieren  – die Zeichnungen des Skizzenbuchs scheinen davon auszugehen, dass der Bericht allein den Täter richtet.12

Zeichenstil und Figurendarstellung in Auschwitz  |  73

seiner Bezeichnung fehlt dem Auschwitz-Skizzenbuch allerdings das Flüchtige und Skizzenhafte, das oftmals die im Verborgenden hergestellten Zeichnungen charakterisiert.14 Die Bilder im Auschwitz-­ Skizzenbuch sind dagegen trotz aller Einfachheit präzise und sorgfältig ausgearbeitet. Neben dem Bleistift werden auch gelegentlich Farben verwendet, um Bildaussagen zu verstärken. So wird in einem Bild die Brutalität eines schlagenden Funktionshäftlings dadurch intensiviert, indem das Blut, das aus der Kopfwunde des verletzten Häftlings herausquillt, rot eingefärbt ist (Auschwitz-Skizzenbuch, S. 12, linkes Bild). Individualität in der Figurendarstellung Der nächste Punkt, die Figurendarstellung, geht der Frage nach, inwieweit die Häftlinge als Individuen oder als austauschbare, anonyme Personen abgebildet werden. Zunächst lässt sich feststellen, dass die meisten Szenen eine relativ kleine Anzahl von Personen aufweisen und Massenszenen wie die Abbildung eines Appells (MM Abb.  1) eher die Ausnahme sind.15 Doch gerade hier zeigt sich deutlich, dass das Auschwitz-Skizzenbuch meistens den einzelnen Häftling durch eine individuelle Figurendarstellung aus der Masse hervorhebt. Stattgefunden hat dieser Appell vermutlich im Männerlager von Birkenau, Abschnitt BIId, vor einer hölzernen Baracke, die wegen ihrer früheren Funktion auch »Pferdestallbaracke« genannt wurde und in Birkenau als Unterkunft für 800 bis 1.000 Häftlinge diente.16 Die Gefangenen, die im Bildhintergrund in drei Reihen vor der Baracke stehen, sind als eine Ansammlung von Individuen porträtiert. Die Gesichter v. a. der vorderen Häftlinge besitzen individuelle Züge und auch die Größen der Personen variieren. Außerdem tragen die Häftlinge neben der gestreiften Häftlingskleidung auch Zivilkleidung. Am deutlichsten als Individuum ist ein einzelner Gefangener im Bildvordergrund porträtiert, der gerade einem SS-Mann das Buch mit der offiziellen Belegungsliste der Baracke überreicht, die bei jedem Morgen- und Abendappell kontrolliert wurde. Zunächst weist ihn seine Armbinde mit dem Aufdruck »Block« als sogenannten »Blockältesten« aus, der als 74  |  Die Ästhetik der Bildserien

Funktionshäftling gegenüber der SS für seine Baracke verantwortlich war. Ein klares Zeichen seiner privilegierten Position ist die Armbanduhr, die er trägt. Das aufgenähte umgedrehte Dreieck am Revers macht wiederum deutlich, dass die dargestellte Person zur Kategorie entweder eines »politischen« oder eines »kriminellen« Häftlings gehörte. Außerdem sind die Gesichtsmerkmale des Funktionshäftlings deutlich ausgeprägt, sogar eine Narbe auf der linken Wange ist zu sehen, sodass man die gleiche Person auf der nächsten Seite des Skizzenbuchs wiedererkennen kann (MM Abb.  2, rechtes Bild). Schließlich trägt in beiden Bildern der Funktionshäftling an der Kleidung eine aufgenähte Häftlingsnummer, die jedoch unterschiedlich ist und somit keine eindeutige Identifizierung der Figur bietet.17 Individualisierende Figurendarstellungen sind auch an anderen Stellen im Skizzenbuch zu finden.18 Eine Besonderheit bildet dabei die individuelle Gestaltung gleich mehrerer jüdischer Deportierter, deren Weg von der Ankunft in Auschwitz über die Selektion bis zur Gaskammer sich über mehrere Seiten hinweg verfolgen lässt (MM Abb.  6, 7 und 4). Inhaltlich und kompositorisch in den Mittelpunkt gerückt werden dabei ein kleiner Junge im Matrosenanzug, ein Mann mit Krawatte, der seinen Mantel über den Arm gelegt hat, und eine ältere Person mit Schnauzbart und Fliege. In der ersten Zeichnung stehen die drei Personen an der Spitze der Deportierten, die sich neben dem gerade ankommenden Güterzug auf der Rampe versammeln, während sie im nächsten Bild die Selektionsszene dominieren, bei der sie gewaltsam von der SS getrennt werden. Im letzten Bild sind von den drei Figuren nur der Junge und der ältere Mann inmitten der Gruppe zu sehen, die zusammen in Richtung Krematorium gehen. Blickrichtung, Körperhaltung und Gestik des Jungen sowie des Mannes mit dem Mantel deuten darauf hin, dass es sich hier um Mitglieder einer Familie, wahrscheinlich Vater und Sohn handelt. Auch der ältere Mann mit Schnauzbart, möglicherweise der Großvater des Jungen, scheint zur gleichen Familie zu gehören, denn auf dem letzten Bild wird er von einer Frau untergehakt, die auch den Jungen im Matrosenanzug an der Hand hält.19 Zudem wirkt der

Kleidungsstil der Figuren eher bürgerlich, ein möglicher Hinweis darauf, dass die dargestellte Familie aus einer Stadt stammen könnte. Ob dies allerdings Köln ist, wie die Aufschrift »Deutsche Reichsbahn Köln« auf dem Waggon auf der linken Seite suggeriert, ist ungewiss.20 Trotz der hier aufgezeigten individuellen Darstellung können die abgebildeten Figuren  – selbst wenn reale Personen den Figuren ihre Gesichtszüge geliehen haben  – auch als anonyme Porträts aufgefasst werden, deren Schicksale stellvertretend für die unzähligen nach Auschwitz deportierten jüdischen Menschen stehen. Denn anders als beim Individualporträt, bei dem in erster Linie das charakteristische Gesicht eines bestimmten Menschen den Mittelpunkt der Darstellung bildet, sind die Figuren im Auschwitz-Skizzenbuch stets in einen Ereigniskon­ text integriert. So z. B. steht in der Selektionsszene die gewaltsame Trennung der drei Personen im Vordergrund (MM. Abb. 7). Dabei verkörpern auf der linken Seite der ältere Mann mit dem Schnauzbart und der Junge im Matrosenanzug die vermeintlich »lebensunwerten« Juden, die aufgrund ihres Alters sogleich in den Gaskammern ermordet werden sollen, während auf der rechten Seite der Mann mit dem Mantel die »arbeitsfähigen« Menschen personifiziert, die zur Zwangsarbeit eingeteilt wurden. Auch die weniger ausgeprägten Gesichtszüge der Figuren machen hier die Übertragbarkeit der Situation auf andere Deportierte deutlich. Nicht das persönliche Schicksal einer bestimmten jüdischen Familie ist hier abgebildet, sondern vielmehr wird das gemeinsam erlittene Gruppenschicksal in den Vordergrund gerückt. Gleichwohl versucht der Zeichner des Auschwitz-Skizzenbuchs im Hinblick auf ihren massenhaften Tod den jüdischen Opfern durch Individualisierung der Figuren ein persönliches Gesicht zu geben. Als Ausnahme dieser individualisierenden Figurendarstellung können die kranken Häftlinge aus der Isolierstation gelten, die sich kaum voneinander unterscheiden (MM. Abb. 6–8 und 11). Sie tragen entweder ein kurzes, helles Gewand oder sind nackt, ihre Körper sind alle ausgemergelt mit extrem dünnen Armen und Beinen, die auf ihren starken

körperlichen Verfall hinweisen. Der Verlust der Individualität zeigt sich in einer reduzierten Körperlichkeit, die von fehlenden Gesichtsmerkmalen wie Augen, Nase und Mund bis zu einer nur aus Umrisslinien bestehenden Figur reichen. 4.1.2 Waldemar Nowakowski  : Das Leiden der Häftlinge

Waldemar Nowakowski fertigte vermutlich zwischen 1940 und 1944 in Auschwitz zahlreiche Aquarelle auf Karton im Postkartenformat an. Davon befinden sich 37 Bilder in den Beständen des Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau in Oświęcim. Fünf weitere Bilder sind in zwei Büchern publiziert, der Verbleib dieser Originale ist allerdings unbekannt.21 Die einzelnen Blätter enthalten die Häftlingsnummer »2805« von Waldemar Nowakowski sowie  – zumindest in den einsehbaren Bildern des Auschwitz-­ Museums  – auf der Rückseite handschriftliche Titel.22 Vergleicht man die Motive und Themen in den Darstellungen mit dem Auschwitz-Skizzenbuch, sind Analogien unübersehbar. So spielen bei Waldemar Nowakowski ebenfalls die Misshandlungen und Morde durch Kapos und SS-Männer (z. B. Nowakowski Abb. 1, 8, 12, 35), das Verteilen und Einnehmen von Mahlzeiten (Nowakowski Abb.  7, 13, 15) und die harte körperliche Arbeit (Nowakowski Abb. 2, 3, 6, 20) eine wichtige Rolle. Auch der Vernichtungsvorgang wird in beiden Arbeiten auf ähnliche Art und Weise thematisiert. So tauchen in Nowakowskis Serie nicht nur vergleichbare Stationen des Massenmordes auf, sondern auch die Auswahl der Opfergruppen ist übereinstimmend. So zeigen Nowakowskis Bilder zum einen die Selektion eines gerade ankommenden Transportes (Nowakowski Abb. 36) und das Warten der Menschen vor der Gaskammer des Krematoriums (Nowakowski Abb. 37), zum anderen den Abtransport von abgemagerten und kranken Häftlingen auf Lastwagen (Nowakowski Abb.  39–41) sowie deren Tod (Nowakowski Abb.  42). Lediglich das Ausplündern der toten Häftlinge, hier in diesem Fall das Herausbrechen der Zeichenstil und Figurendarstellung in Auschwitz  |  75

Goldzähne durch Sonderkommandohäftlinge sowie das Stapeln der Leichen auf Holzscheiten (Nowakowski Abb. 38), taucht ausschließlich in Nowakowskis Bildserie auf. Auch die Darstellung der Funktionshäftlinge ist in beiden Werken auf den ersten Blick identisch. So bildet Waldemar Nowakowski vergleichbar dem Auschwitz-Skizzenbuch die Kapos als brutale Unterdrücker ab, die ihre Mithäftlinge misshandeln, gleichzeitig aber unter der Beobachtung der SS stehen.23 Beispielsweise zeigt ein Bild einen Funktionshäftling, der einen blutenden Häftling abführt (Nowakowski Abb.  8). In der Hand hält er einen blutverschmierten Schlagstock, während ein SS-Mann mit Wachhund den beiden folgt und ein weiterer SS-Mann vom Bildrand aus zuschaut. Auch die besonderen Vergünstigungen der Funktionshäftlinge stellt Nowakowski in mehreren Bildern dar, allerdings nicht wie im Skizzenbuch durch die Anhäufung von Lebensmitteln, sondern durch eine korpulente Körperform der Kapos, die auf eine bessere Nahrungszuteilung schließen lässt (z.  B. Nowakowski Abb.  22). Trotz dieser Gemeinsamkeiten ist im Auschwitz-Skizzenbuch die Figur des Kapos sowohl als privilegierter Handlanger der SS als auch als Teil der Häftlingsgemeinschaft differenzierter dargestellt, wie sich deutlich am Beispiel des Häftlingsappells veranschaulichen lässt. In beiden Werken ist jeweils ein Funktionshäftling abgebildet, der einem neben ihm stehenden SS-Mann beim Lagerappell behilflich ist (MM Abb.  1 und Nowakowski Abb.  17). In der Appellszene von Nowakowski deutet der (sehr wahrscheinlich nachträglich hinzugefügte) Titel »Wybiórka  – co dziesiąty [Auswahl – jeder Zehnte]« 24 auf eine Selektion hin, bei der jeder zehnte Häftling entweder zu einer bestimmten Zwangsarbeit oder in den Tod geschickt wurde. Durch den Fingerzeig des SS-Manns wird ein Häftling ausgewählt, der Kapo schreibt sich den Namen des Opfers auf. Allerdings gibt hier die Darstellung des Kapos keine Anhaltspunkte auf seine Machtposition oder seinen Rang in der Häftlingshierarchie. Im Gegenteil, Kleidung, Körperhaltung und die fehlenden Gesichtsmerkmale sind identisch mit den anderen Gefangenen, der Funktionshäftling 76  |  Die Ästhetik der Bildserien

ist also einer von ihnen. In dieser Abbildung werden alle Gefangenen einschließlich des Funktionshäftlings als homogene Gruppe präsentiert, die im Gegensatz zur SS steht. Dagegen ist in der Version des Skizzenbuchs der Funktionshäftling wie oben beschrieben mit einer Armbanduhr als Zeichen seiner privilegierten Position ausgestattet. Auch das angenähte Dreieck auf der Kleidung als Markierung für einen »politischen« oder »kriminellen« Häftling macht deutlich, dass andere Gefangene, insbesondere Juden, kaum Chancen auf einen solchen Posten besaßen. Ein Bildthema, das im Auschwitz-Skizzenbuch dagegen völlig fehlt, ist die Darstellung religiöser Aspekte. Waldemar Nowakowski visualisiert mehrfach christliche Motive in seinem Werk, etwa die Darstellung eines betenden Häftlings, der hinter einer Schubkarre kniet, während im Hintergrund Flammen aus einem Schornstein schlagen (Nowakowski Abb.  4). Andere Bilder thematisieren eine Beichtszene zweier Häftlinge (Nowakowski Abb. 9) oder zeigen Christus mit Dornenkrone, der von einer Teufelsgestalt an den Armen festgehalten wird, während ein Häftling davor kniend betet (Nowakowski Abb. 18). Während über den religiösen Hintergrund des unbekannten Zeichners aufgrund fehlender biografischer Information nichts bekannt ist, kann im Fall von Waldemar Nowakowski als polnischem Katholiken von einer christlichen Prägung ausgegangen werden. Für die aus Polen stammenden politischen Gefangenen war ihr Glaube eng mit dem Staat verbunden. Der Katholizismus in Polen war ein, wie Thomas Rahe schreibt, »integrale[r] Bestandteil national-polnischer Selbstbehauptung« 25. Innerhalb dieser Häftlingsgruppe nahmen christliche Themen daher einen verhältnismäßig breiten Raum ein. Zeichenstil Im Gegensatz zu den präzise ausgeführten Zeichnungen des Auschwitz-Skizzenbuchs fertigte Waldemar Nowakowski seine Bilder mit Aquarell und Tusche an. Für ihn waren nicht Sachlichkeit und Detailreichtum bei der Wiedergabe wichtig, sondern er versuchte, durch einen reduzierten Stil und den Einsatz von Farben die emotionale Seite der Ereig-

nisse zu betonen. Dieser Unterschied lässt sich gut am Beispiel des Bildes mit dem vermutlich nachträglich angebrachten Titel »Ostatnia droga Zydow« [Die letzte Reise der Juden]« ausmachen, das den weiter oben besprochenen Abtransport abgemagerter Häftlinge aus dem Auschwitz-Skizzenbuch thematisch aufgreift (Nowakowski Abb.  39 und MM Abb.  3). Während das Skizzenbuch das Ereignis aus der Distanz beobachtet, wird der Betrachter bei Nowakowski durch eine Perspektive in Augenhöhe unmittelbar ins Geschehen hineingeführt. Dies hat hier den Effekt, dass sich der Betrachter emotional mit den Figuren verbindet.26 Zusätzlich ist in Nowakowskis Aquarellen eine Reduzierung der Bildelemente festzustellen, die den Fokus auf den Inhalt lenken. Die Figuren sind häufig ohne Kontext dargestellt, die bildlichen Verweise auf das Konzentrationslager reduzieren sich auf schematisch abgebildete Baracken oder Stacheldrahtzäune. Zum Teil fehlt der Bildhintergrund völlig, sodass eine Verortung der Szenen meist nicht möglich ist. Hier im Bildbeispiel wird die Pferdestallbaracke im Hintergrund von Nowakowskis Bild in wesentlich schlichterer Form wiedergegeben als die detaillierten Gebäudedarstellungen in der vergleichbaren Zeichnung im Skizzenbuch. Auch die Uniformen der SS-Männer, die Darstellung des Motorrades und des Lastwagens sind viel schematischer, als im Skizzenbuch visualisiert. Ein weiterer wichtiger Aspekt der Emotionalisierung bei Nowakowski ist die Verwendung von Helldunkel-Kontrasten und der Einsatz von Farben. So werden die Gefangenen in der besagten Nachtszene von einer Lampe oberhalb der Barackentür sowie vom Scheinwerfer des Motorrades beleuchtet, während die SS-Leute und die Ladefläche des Lastwagens im Schatten liegen. Die Dramatik wird noch durch den schwarzen Himmel im Hintergrund verstärkt, der, durchsetzt mit roten Farben, auf die Flammen der Krematorien hinweist. Auch an anderen Stellen spielen dramatisierende Helldunkel-Effekte und Farben eine wichtige Rolle, etwa wenn eine Mutter mit Kind aus einer Baracke herausläuft, die als bedrohliche schwarze Silhouette vor einem orangeroten Himmel abgebildet ist (Nowakowski Abb. 28).

Eine Besonderheit des Zeichenstils von Nowakowski bilden die Kreissegmente, die in mehreren Bildern als grafische Elemente eingefügt wurden. Sie bestehen aus einem bis vier sich überschneidenden Kreisen und kommen in zwei verschiedenen Varianten vor  : Entweder erhellen sie eine ansonsten dunkle Umgebung und erinnern somit an den Lichtkegel eines Scheinwerfers, so in der Darstellung der Mutter mit ihren zwei Kindern vor der Gaskammer (Nowakowski Abb.  37). Andererseits akzentuieren sie als farbig oder dunkel gefüllte Flächen das Bildmotiv. In der Beichtszene etwa markieren sie die Dunkelheit, welche die beiden Figuren umhüllt und vor der sich deutlich der Stacheldraht hell abhebt (Nowakowski Abb. 9). Figurendarstellung Ähnlich wie im Auschwitz-Skizzenbuch konzen­ triert sich die Figurendarstellung im Werk von Nowakowski entweder auf einige wenige Personen oder auf kleine Gruppen. In manchen Szenen deuten allerdings die in den Bildhintergrund verschwindenden Figuren eine wesentlich größere Anzahl von Häftlingen an, als tatsächlich abgebildet ist. Dies zeigt sich etwa in der Darstellung einer Essensausgabe, wo sich die Reihe der Gefangenen allmählich in der Tiefe des Raumes verliert, bis nur noch die Umrisse der Köpfe zu sehen sind (Nowakowski Abb. 7). Damit entspricht die Szene einer ähnlichen Darstellung im Skizzenbuch, die ebenfalls das Anstellen bei einer Nahrungsverteilung zum Thema hat (MM Abb.  2, linkes Bild). In beiden Arbeiten sind Häftlinge in einer scheinbar endlosen Warteschlange abgebildet, während ein Mitgefangener aus einem Metallfass die Lagersuppe verteilt. Der grundsätzliche Unterschied zwischen den Werken offenbart sich hier in der Figurenzeichnung. Während wie oben beschrieben das Skizzenbuch vielfach eine individualisierende Darstellung verwendet, sind die Figuren bei Nowakowski weitaus stärker als anonyme Porträts konzipiert. Bei ihm tragen die Häftlinge alle den gleichen blauen Sträflingsanzug und haben – bis auf wenige Ausnahmen – eine ähnliche Körperhaltung. Zudem besitzen ihre Gesichter keine individuellen Züge, sondern sind mit wenigen StriZeichenstil und Figurendarstellung in Auschwitz  |  77

chen lediglich angedeutet oder fehlen ganz. Die Gefangenen werden hier als gesichtslose und anonyme Masse abgebildet, ihre Kleidung und Physiognomie machen deutlich, dass sie alle das gleiche Schicksal erleiden. Analog zu dieser Austauschbarkeit und Gleichförmigkeit der Figuren sind auf der rechten Bildseite sorgfältig aufgereihte Schaufeln und Spitzhacken zu sehen. Dagegen werden im Auschwitz-­ Skizzenbuch die Gesichter und Körper der einzelnen Figuren differenziert dargestellt und auch die Kleidungen der Häftlinge unterscheiden sich deutlich voneinander. Beispielsweise ist der Häftling, der die Suppe austeilt, von eher kräftiger Statur und lediglich mit einem Unterhemd bekleidet, während die Person im Vordergrund etwas schmaler im Hemd mit aufgekrempelten Ärmeln dargestellt wird. Ebenso variieren Größen und die Körperhaltungen der Personen, sodass hier von einer Ansammlung von Individuen gesprochen werden kann. Die Figurendarstellungen in den Bildern von Waldemar Nowakowski zeigen aber nicht nur die Anonymität des einzelnen Häftlings, der in der Masse untergeht, sondern machen gleichzeitig auch seine Hilflosigkeit und sein Leiden sichtbar. So sind in zahlreichen Bildern die Figuren mit nach vorne gebeugten Oberkörpern, eingezogenen Schultern und gesenkten Köpfen abgebildet, etwa im obigen Beispiel der Essensausgabe, wo ein Häftling sich über das Fass beugt, während eine andere Person anscheinend gelangweilt mit einer Hand in der Hose die Suppe austeilt. Ein anderes Beispiel ist die Figur des blutenden Häftlings (Nowakowski Abb. 8), dessen Schmerzen und Machtlosigkeit sich in der gebeugten Körperhaltung ausdrücken. Eine weitere Möglichkeit, das Leiden der Häftlinge abzubilden, ist in den expressionistisch verzerrten Darstellungen zu sehen. So sind im Bild (Nowakowski Abb.  10) die Häftlinge extrem dünn gezeichnet und mit zum Teil durch Ödeme grotesk aufgedunsenen Extremitäten versehen. Diese expressive Figurendarstellung ist auch in einigen Zeichnungen von Bedřich Fritta wiederzufinden, etwa in seiner Tuschezeichnung »Ankunft der Alten im Kavalier«, angefertigt zwischen 1942 und 1944 im Ghetto Theresienstadt (Abb. 1). Auch hier werden die Häftlinge als skelet78  |  Die Ästhetik der Bildserien

tartige Figuren mit totenkopfähnlichen Schädeln und entstellten Armen und Beinen dargestellt. 4.2 Deskriptive und symbolische Ausdrucksformen 4.2.1 Über Abbild und Symbol in den Lagerbildern

In ihrer systematischen Untersuchung über die Holocaust-Kunst unterscheidet Ziva Amishai-Maisels grundsätzlich zwischen Arbeiten, die das Lagerleben abbilden, und solchen, die das Geschehen in eine symbolische Bildsprache übersetzen. Through depiction, they [die Künstler, d. V.] had tried to arrive at an understanding of the events themselves. Through symbolism, on the other hand, the artists (…) tried to come to grips with the meaning of the events, the framework in which they should be regarded, and the lessons the spectator must learn from them.27 Als gemeinsames Merkmal der ersten Gruppe ist die deskriptive Ausdrucksweise zu sehen, die das Ereignis selbst, die historische Situation in den Mittelpunkt rückt. Amishai-Maisels verwendet für diese Arbeiten auch den Begriff »documents« 28, betont aber, dass die Bilder keine objektive Wiedergabe der Ereignisse darstellen, da die Häftlinge keine Kameras seien.29 Vielmehr seien die Bildwerke stets von der Persönlichkeit und den individuellen Empfindungen des Gefangenen auf die Ereignisse beeinflusst  : The result of all the artist’s endeavors is that they furnished us not only with documents in how the camps looked but, equally important, on how they felt about being in the camps and undergoing the experience of the Holocaust.30 Auch Maike Bruhns benutzt die Metapher der Kamera, indem sie anmerkt, dass die Lagerbilder »von der Persönlichkeit der Zeichnenden bestimmt sind, die nicht selten andere Absichten haben, als die einer fotorealistischen Wiedergabe der Verhältnisse«31. Ebenso sieht Pnina Rosenberg in den Lagerarbeiten Dokumente,

die von den unterschiedlichen Persönlichkeiten und Stimmungen der Häftlinge geprägt worden sind  : Most of the paintings have documentary value, as the artists were aware of the necessity of recording for posterity the world in which they were imprisoned. Art, of course, does not merely portray an objective reflection of reality, but rather shows it through the personal prism of the artist. In other words, the works of art reflect the changing moods and feelings of the inmates/artists/witnesses.32 Nach Meinung von Amishai-Maisels ist die deskriptive Darstellungsweise hauptsächlich bei den Lagerinsassen zu finden, da sich diese in erster Linie als direkte Zeugen der Ereignisse betätigten.33 Dagegen würden Symbole ihrer Meinung nach v. a. bei den Künstlern auftauchen, die nicht in den Lagern inhaftiert waren.34 Zu diesen Symbolen zählt sie z. B. die »Primary Holocaust Symbols«, zu denen etwa Darstellungen des Stacheldrahts und Krematoriumsschornsteins gehören, aber auch biblische und mythologische Symbole, darunter Teufelsdarstellungen, der gekreuzigte Jesus oder die Figur des Nazis als Monster.35 Die Ursachen für diese Symbolisierungen liegen nach Ziva Amishai-Maisels in der fehlenden direkten visuellen Erfahrung und der Notwendigkeit, für den Betrachter eine allgemein verständliche Bildsprache zu entwickeln. (C)amp artists did a great number of works on all aspects of the subject in several different styles, artists who had not experienced the camp fastened on one central easily understood image which could be rendered in a pathetic fashion.36 Allerdings lässt sich meiner Meinung nach die von Amishai-Maisels getroffene Unterscheidung zwischen Insassen und Nichtinsassen nur bedingt aufrechterhalten, da auch die überlebenden Häftlinge nach der Befreiung in ihren Arbeiten vielfach eine symbolische Darstellungsweise verwendeten.37 Auf der anderen Seite kam es auch vor, dass bereits während der Lagerzeit einzelne Häftlinge von der allgemein üblichen deskriptiven Darstellung abwichen

und, wie wir hier im Folgenden noch sehen werden, eine eher symbolisierende Bildsprache gebrauchten, die sich allerdings von der Symbolik der Nachkriegszeit deutlich unterscheidet. Im Folgenden möchte ich mich mit zwei Werken näher beschäftigen, deren Bildsprachen sich den beiden unterschiedlichen Darstellungsweisen  – deskriptiv und symbolisch  – zuordnen lassen. Zunächst soll am Beispiel von Helga Weissovás Arbeit die deskriptive Darstellungsweise aufgezeigt werden, die sich auch in den meisten anderen Lagerbildfolgen wiederfinden lässt. Ihre Bilder eignen sich für eine Untersuchung besonders gut, weil sie in einem verhältnismäßig langen Zeitraum (von 1941 bis 1944) entstanden sind und dabei eine Vielzahl von unterschiedlichen Themen und Stilen beinhalten. Anschließend ist die Arbeit von Hilda Zadiková zu analysieren, die eine eher symbolische Ausdrucksweise benutzt, was sie innerhalb der Lagerbildserien, aber auch der Häftlingsbilder insgesamt, als seltene Ausnahme erscheinen lässt. Dabei orientiert sich Zadiková weniger an den Symbolen der Nachkriegszeit, sondern entwickelt, wie wir sehen werden, eigene Formen, die sie den besonderen Bedingungen in Theresienstadt anpasst. An dieser Stelle muss noch kurz auf die Bilder Waldemar Nowakowskis eingegangen werden, von denen einige ebenfalls Symbole aufweisen. So sind neben biblischen Sinnbildern wie Christus im Lager (Nowakowski Abb. 18) oder Teufelsfiguren und apokalyptischen Reitern (Nowakowski Abb.  29) auch Symbole wie der Krematoriumsschornstein (Nowakowski Abb.  4 und 29) und der Stacheldrahtzaun (z. B. Nowakowski Abb.  9, 34, 36, 40 und 42) zu finden. Da sich diese Symbole allerdings meist erst in der Nachkriegszeit etablierten und in dieser Häufung in keinem anderen mir bekannten Bildwerk aus der Lagerzeit auftauchen, gehe ich davon aus, dass Nowakowskis Werk zumindest in Teilen erst nach der Befreiung entstanden ist.38 Aufgrund dieser Zweifel an der Datierung unterbleibt auch eine detaillierte Analyse der Symbolik dieses Werkes, wenngleich andere Quellen, die diesen möglichen späteren Entstehungszeitpunkt bestätigen könnten, bislang nicht bekannt sind. Deskriptive und symbolische Ausdrucksformen  |  79

4.2.2 Helga Weissová  : »Zeichne, was Du siehst«. Die deskriptive Darstellung des Ghettoalltags in Theresienstadt

Helga Weissová hat in Theresienstadt zwischen 1941 und 1945 mehr als 100 Bilder angefertigt, von denen die meisten heute in Privatbesitz sind. Neun Bilder liegen in den Sammlungen des Jüdischen Museums in Prag, 15 weitere befinden sich im Museum of Jewish Heritage in New York. Die Arbeit vereint unterschiedliche Bildformate, Bildträger und Zeichentechniken. So sind neben Farb- und Bleistiftzeichnungen auch aquarellierte Federzeichnungen vorhanden. Die einzelnen Bilder enthalten verschiedene Szenen aus dem Theresienstädter Ghettoleben. Etliche Zeichnungen beschäftigen sich mit dem Essen (z. B. Weissová Abb.  10, 12–15, 18, 27, 41), andere bilden die ankommenden und abgehenden Deportationen ab (Weissová Abb. 3, 54, 55) und weitere Bilder zeigen die Träume und Wünsche der jugendlichen Helga Weissová (Weissová Abb. 36, 39–41). Die unterschiedlichen Beweggründe für Helga Weissová, den Theresienstädter Ghettoalltag in Bildern festzuhalten, ist bereits an verschiedenen Stellen in Kapitel 3.3 nachgegangen worden. So spielten die Bilder eine Rolle als Geschenk für Familie und Freunde, waren aber auch ein Zeichen der Selbstbehauptung, indem sie sich eine »Künstlerunterschrift« zulegte, die aus einem kindlichen »Helga Weiss, 12  Jahre, Dresdner Kaserne« ein selbstbewusst erscheinendes »hw« machte. Das zentrale Motiv allerdings war nach Helga Weissová die Funktion als Zeugnis, zu dem sie ihr Vater Otto Weiss durch seine Worte »Zeichne, was Du siehst« ermuntert hatte. Diese Worte des Vaters waren aber nicht nur Anlass für Helga Weissová, ein Bildzeugnis abzulegen, sondern beschreiben auch die deskriptive Darstellungsweise der Zeichnungen. Denn »Zeichne, was Du siehst« bedeutet, dass Helga das Geschehen im Ghetto so abbilden sollte, wie es sich ihrem Auge präsentierte. Statt einer wertenden oder stark interpretierenden Darstellung sollte also die sachliche Auseinandersetzung mit der Lagerrealität stehen. Im Folgenden möchte ich aufzeigen, wie sich diese deskriptive Ausdrucksweise konkret im Bild mani80  |  Die Ästhetik der Bildserien

festiert und welche Rolle die sich verändernde stilistische Entwicklung spielt. Ein Beispiel der frühen Schaffensperiode aus dem Jahr 1942 mit dem retrospektiven Titel »Konzert in der Unterkunft« zeigt eine aus drei Streichern bestehende Musikdarbietung, die in einem mit verschiedenartigen Möbeln, Kleidung und Geschirr vollgestellten Raum stattfindet (Weissová Abb.  8). Ein sich umarmendes Paar sowie ein Mann und ein kleines Mädchen, beide mit dem Judenstern auf der Kleidung, hören zu. Die Musikinstrumente selbst sind nicht zu erkennen, da sie entweder vom Körper der Figuren verdeckt oder hinter den Notenständern verborgen sind. Die Zeichnung enthält die sachliche Abbildung eines kleinen privaten Kammerkonzertes im Ghetto Theresienstadt. Die Darstellung weist keine Wertung durch Pathos oder Symbolik auf. So ist die Perspektive wie in den meisten Zeichnungen Weissovás neutral in Augenhöhe gehalten und die Gegenstände und Figuren sind in einem noch relativ kindlichen Zeichenstil realitätsnah gezeichnet. Auch die Unsichtbarkeit der Musikinstrumente ist nicht als symbolische Aussage über die erzwungene Heimlichkeit musikalischer Darbietungen in Theresienstadt zu werten, zumal Helga Weissová später angibt, dass sie nicht wusste, wie sie eine Geige zeichnen sollte und sie deshalb hinter Gegenständen versteckte.39 Ein anderes Beispiel macht den zurückgenommenen Gebrauch von Gestik und Mimik in der deskriptiven Ausdrucksweise deutlich. Das Bild, datiert auf den 13.  Dezember 1942 und mit dem späteren Titel »Durchsuchung von Abfällen« versehen, zeigt eine Straßenszene aus dem Ghetto, in der eine Frau im schwarzen Mantel einen großen Abfallhaufen nach etwas Verwertbarem, vermutlich Nahrung, durchwühlt (Weissová Abb.  18). Neben ihr steht ein Mann mit braunem Mantel und Hut, der seine Arme hinter seinem Rücken verschränkt hat. Auffällig ist nun, dass Helga Weissová die Sorgen der Frau, ihren mutmaßlichen Hunger nicht visualisiert  ; der Gesichtsausdruck ist nicht akzentuiert und auch die Körperhaltung der Figur verrät nichts über ihren inneren Zustand. Hier wird eine häufig vorkommende Situation in Theresienstadt abgebildet, deren Alltäglichkeit durch die unbeteiligt wirkende

Körperhaltung des Mannes noch verstärkt wird. Helga Weissová zeigt nur, was sie gesehen hat, sie wertet und sie deutet nicht. Einen Gegensatz dazu bilden die Figuren in einer ähnlichen Szene von Leo Haas (1901–1983), der sie 1947 als Teil eines Grafikzyklus veröffentlichte (Abb.  2).40 Auch hier suchen Häftlinge in einem großen Haufen nach verwertbaren Abfällen. Anders als in Weissovás Darstellung drückt hier die Mimik der Figuren mit den aufgerissenen Augen und den verzerrten Gesichtszügen das quälende Hungergefühl der Häftlinge aus. Auch die Körperhaltung der Figuren, mal liegend, kniend oder extrem gebeugt, unterstreicht die große Verzweiflung der Gefangenen auf der Suche nach etwas Essbarem. In Leo Haas’ Nachkriegsbild findet also die von Ziva Amishai-Maisels beobachtete Interpretation der Ereignisse statt, dem Betrachter wird unmissverständlich deutlich gemacht, was es bedeutet, in den NS-Zwangslagern Hunger zu leiden. Zur deskriptiven Darstellungsweise gehört nach Amishai-Maisels neben der reinen Abbildung aber auch die persönliche Reaktion des Künstlers auf die Ereignisse. Dabei spielt neben der persönlichen Auswahl an Themen auch der individuelle Zeichenstil eine prägende Rolle.41 Das Besondere bei Helga Weissová ist, dass sich in den Bildern die Veränderungen im Zeichenstil über einen längeren Zeitraum beobachten lassen, denn zum Zeitpunkt der ersten Zeichnungen war sie erst zwölf Jahre alt, während sie ihre letzten Bilder in Theresienstadt im Alter von 15 Jahren anfertigte. In den frühen Zeichnungen bis Ende 1942 ist der Stil noch kindlich geprägt, teilweise wirken die Anatomie der Figuren und die Perspektiven noch unsicher und schematisch (z. B. Weissová Abb. 9, 10, 14). Weitere Kennzeichen der Bilder aus der Anfangszeit sind die durchgängigen Konturen, sodass Details gut zu erkennen sind. Zudem weisen die Bilder meist eine einfarbige, flächige Kolorierung auf, wobei Helga Weissová den Farben teilweise Schmutzwasser aus den Pfützen beimischte, um die Zeichnungen an die »dunkle« Wirklichkeit anzupassen (z. B. Weissová Abb. 4, 5, 7–9, 14).42 Die weitgehende Klarheit im frühen Zeichenstil war eine Reaktion von Helga Weissová, um dem gerade für Kinder und Jugendliche undurchsichtigen und un-

gewohnten Lageralltag etwas Vertrautes entgegenzusetzen. In den späteren Jahren verdunkeln sich die Bilder zunehmend, entweder durch Schraffuren auf den Farbflächen oder durch das Fehlen der Farbe in den Bleistift- und Federzeichnungen (z. B. Weissová Abb.  43–44, 46–48, 50–51, 55–56). Zudem ist der Stil wesentlich skizzenhafter als früher, die Figuren werden auf das Wesentliche reduziert, sodass sie teilweise in der Masse aufgehen (z. B. Weissová Abb. 19, 50–51 oder 56). Mit der zunehmenden Dunkelheit in den Bildern wollte Helga Weissová die wachsende Hoffnungslosigkeit der Situation im Ghetto ausdrücken. Die schwierige Unterscheidbarkeit der einzelnen Figuren wiederum spiegelt das Gruppenschicksal der Gefangenen im Ghetto wider, da sie alle gemeinsam unter den Entbehrungen und Nöten des Lageralltags leiden. Der Zeichenstil in den Bildern zeigt also nicht nur, wie Helga Weissová die Ereignisse im Ghetto empfindet, sondern transportiert auch ihre sich verändernde Stimmung. Allerdings waren nicht nur das Alter und die Haftdauer von Helga Weissová prägend für den Zeichenstil, sondern auch die verwendete Zeichentechnik besaß mitunter einen wichtigen Einfluss. Deutlich wird dies z. B. in der bereits weiter oben beschriebenen Szene einer vorbeieilenden Krankenschwester, die einmal als Buntstiftzeichnung und zum anderen als aquarellierte Federzeichnung existiert (Weissová Abb. 23A und 23B). Im ersten Bild ist die Szene als schnelle Skizze vor Ort ausgeführt, Details wie das Gesicht oder die Zimmernummer »38« an der rechten Tür sind kaum zu erkennen. Dominiert wird die Skizze von einer allgegenwärtigen Schraffur, die das Bild in eine bedrohliche Dunkelheit taucht, wobei das in roter Schrift und mit Ausrufezeichen versehene Wort »Typhus  !  !« auf der linken Tür die Gefährlichkeit der Epidemie noch betont. In der ausgearbeiteten Fassung hingegen sind die Details wie die Zimmernummer, der Stern auf der Brust, die rote Bluse, der grüne Rock und individuelle Gesichtszüge zu erkennen. Die feinen Tuschestriche und die hellen Aquarellfarben nehmen viel von der bedrohlichen Atmosphäre der früheren Fassung, gleichwohl ist immer noch durch die Schraffuren und die angespannte KörperhalDeskriptive und symbolische Ausdrucksformen  |  81

tung der Krankenschwester eine gewisse Dramatik zu spüren.43 Wie anhand der Bilder Helga Weissovás zu sehen ist, drückt der Zeichenstil die Individualität und die wechselnden Empfindungen des Künstlers aus. Gleichzeitig sind die Darstellungen aber immer noch beschreibendes Abbild des Lageralltags, da sie darauf abzielen, das Geschehen selbst und das Verstehen um die Vorgänge im Lager in den Vordergrund zu rücken. Lediglich an einer Stelle in Helga Weissovás Arbeit lässt sich auch eine symbolische Interpretation eines Lagerereignisses finden. So zeigt das 1944 entstandene Bild mit dem retrospektiven Titel »Letzter Abschied« mehrere Figuren im Vordergrund, die einem mit mehreren Särgen beladenen Wagen hinterherblicken, der gerade durch eine halb geöffnete Schranke das Ghetto verlässt (Weissová Abb.  56). Hier wird auf die Begräbnisse in Theresienstadt angespielt, bei denen die Toten nach einer kurzen Zeremonie zunächst in Särgen in das außerhalb des Ghettos liegende Krematorium gebracht wurden. Dort fand die Verbrennung der Asche statt, die dann in Urnen gefüllt im sogenannten Kolumbarium aufgestellt wurden (hier auf der linken Bildseite zu sehen).44 Auffällig an dieser Darstellung ist der große und das Bildformat sprengende Baum. Während die Bäume in den anderen Bildern Weissovás wesentlich kleiner sind und häufig im Hintergrund als deskriptiver Teil der Szenen agieren (etwa Weissová Abb. 2, Abb. 33 und Abb. 55), lässt sich hier der Baum auch symbolisch deuten. So sind der gekrümmte Stamm, die knorrigen und blattlosen Äste, aber auch die dunkle Farbe Zeichen des Alters, der Trauer und des Todes. Die mächtige Krone überragt das Geschehen und verbindet gleichzeitig die verschiedenen Bild­ elemente untereinander, also die Figuren, den Wagen mit den Särgen und das Kolumbarium. Dadurch wird die Allgegenwärtigkeit des Todes symbolisiert, dem nicht nur bereits die toten Häftlinge zum Opfer gefallen sind, sondern der auch die noch lebenden Ghettoinsassen bedroht. Gleichwohl ist der Baum immer noch Teil der beschreibenden Darstellung einer Beerdigungsszene in Theresienstadt, das Symbol des Baumes ist also in die insgesamt deskriptive Darstellungsweise dieser Szene integriert. Eine ver82  |  Die Ästhetik der Bildserien

gleichbare Beerdigungsszene mit einem Baum findet sich auch in einer Darstellung Bedřich Frittas (Abb.  3).45 Auch bei Fritta ist der Baum kahl, dunkel und scheint gemeinsam mit den Ghettoinsassen den Särgen hinterher zu trauern, die sich jenseits der Schranke befinden. Gleichwohl ist hier der Baum kleiner, weniger dominierend und ähnelt in seiner Haltung den anderen Figuren, die ebenso wie er den sicheren Stand verloren haben. 4.2.3 Hilda Zadiková  : Symbole der Vergänglichkeit. Die Tradition der Monatsbilder und ihre Anpassung an die Theresienstädter Verhältnisse

Hilda Zadikovás Kalender entstand während ihrer Haftzeit in Theresienstadt 1944–1945 (vgl. dazu Kapitel 3.2). Es gibt zwei überlieferte Varianten dieses Kalenders, eine befindet sich in den Sammlungen des Jüdischen Museums in Prag (Zadiková Abb. 1), die andere liegt im Albert-Einstein-Archiv (AEA) an der Hebrew University in Jerusalem (Zadiková Abb.  2). Die beiden Fassungen sind mit Aquarell und Tusche gemalt und weisen mit 35,0  x  47,5 cm (JMP) beziehungsweise 32,7  x  46,6 cm (AEA) ein ähnliches Format auf. Bis auf kleinere Farbunterschiede sowie kleinere inhaltliche Änderungen sind sich beide Versionen sehr ähnlich.46 Der Hauptunterschied liegt in der Sprache, da der Prager Kalender einen tschechischen Bildtext aufweist, während das Jerusalemer Bild deutsche Inschriften hat. Der Kalender enthält zwölf kleine Szenen, von denen sich sechs in der linken und sechs in der rechten Bildhälfte befinden (siehe Zadiková Abb.  3–14). Beide Hälften werden durch den Magen David aus Stacheldraht verbunden, über dem das Wappen von Theresienstadt angebracht ist. Die einzelnen Bilder enthalten meist Außenansichten der Gebäude und Hinterhöfe in Theresienstadt. Neben verschneiten Häusern sind auch musizierende Geigenspieler in der Dachkammer, Liebespaare im Frühling, alte Menschen im Rollstuhl, Menschenschlangen bei der Essensausgabe und das Innere einer Behausung zu sehen.

Auf den ersten Blick scheinen die einzelnen Bilder typische Alltagsszenen aus dem Theresienstädter Alltag zu dokumentieren. Allerdings offenbaren die Szenen auch eine symbolische Ebene, wie im Folgenden gezeigt werden soll. So erinnern die zyklischen Wechsel von Vegetation und Witterung, die Einteilung des Werkes in zwölf unterschiedliche Szenen sowie die Beschriftung der Arbeit als »Kalendář« (in der tschechischen Version) deutlich an die Tradition der Monatsbilder.47 Die Monatsbilder stellen einen agrarwirtschaftlichen Bildkalender dar und waren seit der Antike in der europäischen Kunst weitverbreitet. Einen wichtigen Impuls für diese Kunstgattung besaß die Julianische Kalenderreform 46 vor Christus, bei der sich das Jahr nun nach dem Sonnenstand und nicht mehr nach den Mondphasen richtete.48 Seitdem tauchen die Monatsbilder in der Kunst immer wieder auf, wobei sie ihre größte Verbreitung in den mittelalterlichen Handschriften, den Glasfenstern und Portalen gotischer Kathedra­ len und später im neuzeitlichen Buchdruck hatten. Im Mittelpunkt der Kalenderbilder standen im weiten Sinne agrarwirtschaftliche Szenen, die sich nach den monatstypischen Tätigkeiten im Jahreslauf richteten. Die besondere Betonung der Arbeit bezieht sich auf den mittelalterlichen Glauben, dass Gott die Menschen nach ihrer Vertreibung aus dem Paradies zu endloser körperlicher Tätigkeit zwang  : Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis du wieder zu Erde werdest, davon du genommen bist. Denn du bist Erde und sollst zu Erde werden. (1. Buch Moses, 3, 19).49 Das allgemeine Schema der Monatsbilder, das natürlich im Detail variieren konnte, bildet in den Wintermonaten die häusliche Arbeit, das Feiern sowie das Wärmen am Feuer ab, während die nachfolgenden Frühlingsszenen das Erblühen der Natur sowie das erste Pflügen für das Sommergetreide darstellen.50 Später im Sommer folgen Darstellungen der Getreideernte, des Aufstellens der Strohhaufen sowie des Korndreschens. Im Herbst werden erneut die Äcker gepflügt sowie die Wintersaat auf den Feldern für die Nahrungsvorräte des nächsten Jah-

res ausgebracht, bevor sich die Menschen im Winter wieder im Haus um das Feuer versammeln. Wurden die einzelnen Tätigkeiten in den früheren Monatsdarstellungen meist durch Personifikationen mit Attributen verkörpert, entwickelten sie sich im Laufe des Spätmittelalters zu kleinen Genreszenen, in denen die landwirtschaftlichen Arbeitsvorgänge häufig mit Landschaftsdarstellungen im Hintergrund verknüpft wurden. Betrachten wir nun Hilda Zadikovás Theresienstädter Kalender genauer, können wir verschiedene Elemente der Monatsbilder von deutlichen Übereinstimmungen bis hin zu eher versteckten Hinweisen entdecken. Eine oben schon angesprochene und relativ leicht zu erkennende Gemeinsamkeit offenbart sich in den Darstellungen des Vegetationszyklus. So biegen sich in Zadikovás Kalender die Äste im Monat Januar schwer unter der Last des Schnees (Zadiková Abb. 3), während die noch kahlen Bäume im März allmählich kleine Knospen entwickeln (Zadiková Abb.  5). In den Monaten Juni, Juli und August ist die Vegetation vollständig ergrünt (Zadiková Abb. 8–10). Im September dagegen sind die Laubbäume bereits gelb eingefärbt, während im November nur noch einzelne gelbrote Blätter auf den Boden fallen, bevor im Dezember wieder der Schnee die – hier allerdings vegetationslose – Szene bedeckt (Zadiková Abb. 11, 13 u. 14). Diese Veränderungen in der Vegetation und der Jahreszeit sind als deutlich sichtbarer Bestandteil auch in den Monatsbildern zu finden (Abb. 4, Abb. 5, Abb. 6). Allerdings tauchen solche Szenen in der Regel erst ab dem 15. Jahrhundert auf, als die Landschaften in den Szenen sich aus ihrer schematischen Darstellung lösen und einen eigenständigen Charakter entwickeln.51 Dabei hat das Erblühen der Natur gerade im Monat März nicht nur pflanzliche Gründe, sondern verweist auch auf die Besonderheiten des mittelalterlichen Kalenders, der zwei Jahresanfänge besitzt.52 Der eine beginnt am 1. Januar und wird häufig in den Monatsdarstellungen durch den zweiköpfigen Janus ausgedrückt, dessen eines Gesicht ins alte Jahr zurückblickt, während das andere ins neue Jahr schaut. Der andere Jahresbeginn ist der 25. März, der Tag, an dem Mariä Verkündigung gefeiert wird. Hilda Zadiková entDeskriptive und symbolische Ausdrucksformen  |  83

schließt sich hier für die zweite Variante, die in den Monatsbildern in ähnlicher Weise abgebildet wird, nämlich im Januar und Februar Szenen mit Schnee, Kälte und Aktivitäten im warmen Haus einzufügen, die noch das alte Jahr symbolisieren, während das neue Jahr sich im März durch Blätter und Blüten ankündigt (Zadiková Abb. 3-5). Eine weitere ästhetische Tradition der Monatsbilder zeigt sich in der Kombination von Jahreszyklus und Lebensspanne des Menschen. So bildet Hilda Zadiková in der Märzszene neben dem erwähnten erblühenden Baum und dem Vogel als Bote des Frühlings auch Kinderwagen mit Kleinkindern ab (Zadiková Abb. 5). Im Monat Mai folgen dann zwei sich umarmende Liebespaare, von denen eines deutlich als Krankenschwester und Angehöriger der jüdischen Ghettopolizei gekennzeichnet ist (Zadiková Abb. 7). Im September sind alte Menschen abgebildet, die auf Bank und Rollstuhl inmitten einer Herbstlandschaft mit gelben Laubbäumen sitzen (Zadiková Abb. 11). Die Verbindung des Vegetationszyklus mit dem Lebenslauf des Menschen wird im oben erwähnten Brief von Hilda Zadiková an Albert Einstein explizit erwähnt, in dem das obige Septemberbild den Titel »Toter Baum – sterbende Menschen« erhält.53 In den Monatsdarstellungen verbreitet sich diese Gleichsetzung des Kalenderzyklus mit dem menschlichen Lebenslauf ab dem Spätmittelalter und war bis weit ins siebzehnte Jahrhundert sehr beliebt.54 Allerdings ist dort im Unterschied zu Zadikovás Kalender neben den offensichtlichen Verweisen auf modernere Zeiten wie Kinderwagen und Rollstuhl die zeitliche Abfolge etwas anders positioniert. Denn das mittelalterliche Schema geht davon aus, dass jeder Monat jeweils sechs Jahre repräsentiert und somit das »Kalenderleben« mit 72 Jahren zu Ende geht. Sofern kleine Kinder in den Monatsbildern überhaupt auftauchen, werden sie, anders als in Zadikovás Werk, meist dem Jahreswechsel und den ersten Monaten des neuen Jahres zugeordnet (hier der kleine Junge an der Hand der Mutter, Abb.  7), wohingegen der Frühling eher die Jugend vertritt.55 Der Mai mit der Darstellung der zwei Liebespaare folgt wieder der Tradition der Kalenderbilder v. a. im Spätmittelalter, in der die Monate April und Mai für neues Leben 84  |  Die Ästhetik der Bildserien

und die Brautwerbung stehen, eine Idee, die auch in modernen Augen verstanden werden kann (Abb. 8).56 Dagegen ist die Septemberdarstellung in Zadikovás Kalender mit den alten Menschen im Rollstuhl eine moderne Vorstellung, denn im Mittelalter waren September und Oktober die wichtigsten Monate der Erntezeit. Dementsprechend wurden bevorzugt Menschen auf dem Höhepunkt ihres Lebens abgebildet, etwa ein gut gekleidetes Ehepaar mit ihren Kindern an einem reich gedeckten Tisch, die, wie es Henisch ausdrückt, »ready to enjoy the bounty that their own hard work und prudence have provided, a well-earned fest«57. Neben diesen relativ deutlichen Anlehnungen an die Tradition der Monatsbilder gibt es in Zadikovás Kalender auch Darstellungen, die eine solche Verbindung eher am Rande und häufig erst auf den zweiten Blick offenbaren. Ein Beispiel ist die Februarszene, wo vier Musiker mit Streichinstrumenten im Inneren eines Hauses auf Stühlen unter hellen Lampen ein kleines Konzert geben (Zadiková Abb. 4). Hier könnte man an die Winterdarstellungen der Bildkalender denken, in der die Arbeit ruhte und sich die Menschen drinnen um ein wärmendes Feuer – hier angedeutet durch die Lampen  – versammelten und ein kleines Fest gaben. Statt musikalischer Darbietungen standen allerdings in den Monatsbildern das Wärmen am Feuer und das Essen im Vordergrund (Abb. 9).58 Ein anderes Beispiel stellt die Juniszene dar, deren ikonografischer Bezug zu den Monatsbildern sich allerdings nur auf einer indirekten Ebene erschließt. Denn abgebildet ist lediglich eine verfallende Toreinfahrt innerhalb der Theresienstädter Festungsanlagen, in deren Vordergrund sich eine alte Frau auf einem Hocker und ein lesender Mann befinden (Zadiková Abb. 8). Erst der Titel »Bäckerei« in der deutschen bzw. »Pekárna« in der tschechischen Version gibt einen Hinweis auf das Backen von Brot und damit auch auf die Getreideernte im Hochsommer. Aufgrund ihres Wertes als Nahrung nehmen das Schneiden des Getreides und das Dreschen des Korns einen herausragenden Platz in den Kalenderbildern ein. Interessanterweise  – und dies steht im Gegensatz zur Darstellung in Zadikovás Kalender –

wird die Tätigkeit des Brotbackens in den Monatsbildern aufgrund der Nähe zum Feuermachen und den traditionellen Festivitäten fast ausschließlich in den Wintermonaten dargestellt.59 Andere Bilder haben dagegen keine erkennbaren Verbindungen zu den Monatsbildern, sondern sind auf die besonderen Verhältnisse in Theresienstadt bezogen. So etwa zeigt das Julibild statt der häufig dargestellten Heuund Getreideernte die Verbrennung von Matratzen und Kleidern, da sie, wie der im Brief erwähnte Kommentar verrät, wegen Typhusgefahr verbrannt werden mussten (Zadiková Abb. 9).60 Auch der Oktober bildet nicht wie in den Kalenderbildern sonst üblich die Ernte ab, sondern gibt das Innere einer beengten Theresienstädter Behausung wieder (Zadiková Abb. 12). Trotz der geschilderten mehr oder weniger deutlichen Ähnlichkeiten zwischen Hilda Zadikovás Kalender und den Monatsbildern ist auch ein grundsätzlicher Unterschied zu beobachten. Denn während die mittelalterlichen Kalender stets eine prosperierende und wohlgeordnete Idylle präsentieren, sind in Zadikovás Werk deutlich die Zeichen der Vergänglichkeit vorherrschend. Wie Bridget Henisch in ihrem Buch präzise herausarbeitet, war es eine Herausforderung für den mittelalterlichen Künstler der Monatsbilder, die tatsächlichen Mühen der landwirtschaftlichen Tätigkeiten in eine ästhetisch ansprechende Form zu bringen. Im Gegensatz zu vielen anderen Darstellungen mittelalterlicher Kunst steht weniger das Leiden der Menschen als vielmehr eine heitere Gelassenheit im Vordergrund.61 Darstellungen des Todes oder der Sünde tauchen nicht auf. Die Arbeiten sind stets effektiv, keine Streitigkeiten störten und alles ist immer rechtzeitig fertig. In späteren Darstellungen werden häufig die Freuden der Arbeit sowie die Pausen betont. Zudem haben die Menschen in den Darstellungen immer genug zu essen und sie kleiden sich nicht in Lumpen, sondern in angemessener Kleidung, also warm im Winter und leicht im Sommer. Außerdem herrscht fortwährend gutes Wetter und auch die Werkzeuge sind stets im perfekten Zustand. Sämtliche sozialen, ökonomischen oder logistischen Probleme der mittelalterlichen Agrargesellschaft werden ausgeblendet.

Im Gegensatz zu diesem harmonischen Ideal der Monatsbilder ist Hilda Zadikovás Kalender mit sichtbaren Zeichen der Vergänglichkeit angelegt. Zwar werden auch hier die konkreten Nöte der Theresienstädter Zwangsgemeinschaft, eben Hunger, Krankheit und Tod, weitgehend ausgeblendet. Dennoch ist in den Bildern aus dem Ghetto deutlich eine bedrohliche und düstere Atmosphäre spürbar. Auffällig auf den ersten Blick ist zunächst die allumfassende Dunkelheit in den Bildern. Sie stellt nicht nur den Himmel in jeder Szene dar, egal ob Frühling, Sommer, Herbst oder Winter, sondern umhüllt auch die einzelnen Bilder selbst. Somit sind die Szenen eingebettet in eine düster und bedrohlich wirkende Finsternis, die sich deutlich von der Helligkeit und Farbenpracht der Monatsarbeiten abhebt. Ähnlich wie in der düsteren Darstellung von István Irsais Fotostreifen erscheint hier das Geschehen wie ein nächtlicher Albtraum. So ist selbst im Sommer der Himmel schwarz eingefärbt, wobei lediglich die weißen Wolken in der Juliszene als kleine Reminiszenz an die hellen Sonnentage dienen (Zadiková Abb.  9). Ein weiteres Symbol für den Verfall in Theresienstadt sind die Ruinendarstellungen in einigen Bildern. Hier ist zunächst die schon weiter oben genannte Juniszene zu erwähnen, in der ein altes, mit Pflanzen bewachsenes Tor zu sehen ist, dessen baufällige Tür aus windschiefen Holzlatten besteht. Der Monat November wiederum stellt die Ruine eines Hauses in den Mittelpunkt der Komposition (Zadiková Abb.  13). Das Haus besitzt schon kein Dach mehr und es stehen nur noch die Reste zweier Wände, deutlich hervorgehoben durch die rote Bruchkante der Backsteinwand. Die Zeichen der Vergänglichkeit drücken sich hier nicht nur in der Ruine aus, sondern zeigen sich auch in der Darstellung der alten Frau, die gestützt auf einen Stock in einer Ecke des Hauses sitzt, sowie im symbolischen Bild des kahlen Baumes, der gerade seine letzten Blätter verliert. Im Gegensatz dazu stehen die stets soliden Häuser in den Monatsbildern, die Beständigkeit und Prosperität widerspiegeln.62 Dass das Leben in Theresienstadt leidvoll und vielfach sehr kurz war, zeigt sich auch in der Figuren­ darstellung. So enthalten fünf von den zwölf Szenen Deskriptive und symbolische Ausdrucksformen  |  85

alte und/oder kranke Menschen. Als Zeichen ihrer Hinfälligkeit gelten ihre gebeugte Haltung, Stöcke oder auch Rollstühle. In den Monatsarbeiten hingegen altern die Figuren kaum bzw. weisen auch keine schwindenden Kräfte auf. Stattdessen wird dort das Alter meist mit Erfahrung gleichgesetzt.63 Aber auch die Jugend in Zadikovás Kalender kann sich nicht unbeschwert ihrer Vitalität erfreuen. So wirkt der Baum in der Märzszene, in der die Kleinkinder in ihren Wagen liegen, trotz einiger Knospen doch ziemlich kahl (Zadiková Abb.  5). Dies lässt sich eventuell als Zeichen für die schlechten Entfaltungsmöglichkeiten der Kinder in Theresienstadt interpretieren. Zudem verstärkt das fehlende Grün die Unwirtlichkeit der Umgebung, deren Enge durch das große Gebäude im Bildhintergrund angedeutet wird. Auch die Puppe, die im Dreck zwischen den Kinderwagen liegt, kann als Zeichen für eine freudlose Zukunft gelesen werden. Auffällig ist auch, dass die Figuren bei Hilda Zadiková im Vergleich mit den Figuren der Monatsbilder keinerlei produktive Tätigkeit ausüben. Während das Wesen der mittelalterlichen Werke gerade die Arbeit ausmacht, deren Erträge die Menschen stets ausreichend ernähren, verharren die Figuren im Theresienstädter Kalender in einer erzwungenen Untätigkeit. Beispielsweise lesen sie (Juni- und Oktoberszene, Zadiková Abb. 8 u. 12), stellen sich an der Essensausgabe an (Dezember, Zadiková Abb. 14) oder scheinen wie die alten Leute teilnahmslos auf den Tod zu warten (besonders deutlich in der Septemberszene, (Zadiková Abb. 11). Auch vermeintliche Arbeiten wie das Verbrennen der Matratzen und Kleidung in der Julidarstellung oder das Musizieren im Februar sind keine produktiven Tätigkeiten im eigentlichen Sinn, da sie nicht unmittelbar der Versorgung der Menschen dienen, sondern vielmehr aus der Not geborene Beschäftigungen darstellen (Zadiková Abb.  9 u. 4). Die logische Folge dieser erzwungenen Untätigkeit ist die Abhängigkeit von den Machthabern des Ghettos, die Insassen können sich nicht selbst versorgen und sind somit, was hier durch die Figurendarstellung deutlich hervorgehoben wird, dem Untergang geweiht. Damit steht Zadikovás Darstellung der Arbeit im Gegensatz zur offiziellen Propaganda wie 86  |  Die Ästhetik der Bildserien

in Joseph Spiers Bildserie, die ein produktives, sich selbst versorgendes Ghetto vortäuscht. Wie gezeigt weist Hilda Zadikovás Arbeit im Unterschied zur deskriptiven Darstellung von Helga Weissová eine symbolisierende Bildsprache auf, die sich teilweise auf die Tradition der Monatsbilder zurückverfolgen lässt.64 Dabei werden weniger die vielfältigen Aspekte des Ghettos, etwa Hunger und Überbevölkerung, Krankheit und Tod präsentiert, als vielmehr die düstere Stimmung aufgegriffen, indem sie Symbole der Vergänglichkeit wie Dunkelheit, Vegetationszyklus, Ruinen, Darstellung alter Menschen sowie die Untätigkeit verwendet. Hier lässt sich zunächst durchaus im Sinne Amishai-Maisels sagen, dass Hilda Zadiková versucht, durch ihre Symbole die Bedeutung der Ereignisse aufzuzeigen und weniger ein deskriptives Abbild zu liefern. Allerdings sind die Symbole nicht vollständig aus dem historischen Kontext herausgelöst, sondern noch an den konkreten Ort Theresienstadt gebunden. 4.3 Das Lager als politische Karikatur  ? Humor und Satire in Theresienstadt und Gurs 4.3.1 Die Merkmale der politischen Karikatur

Obwohl die Zustände im nationalsozialistischen Deutschland und insbesondere in den Konzentrationslagern alles andere als amüsant waren, wurden weiterhin Witze erzählt und es wurde in den verschiedensten Situationen gelacht.65 Doch der H ­ umor in den Lagern äußerte sich nicht nur mündlich, sondern er drückte sich auch in visueller Form auf dem Papier aus. Damit hinterließ der Künstler ein bleibendes Zeichen seiner humoristischen Auseinandersetzung mit der Lagerwirklichkeit oder, wie es Stephen Feinstein beschreibt, »(…) a trail of physical evidence«66. Eine weitverbreitete Form des Humors in den Lagerdarstellungen ist die Karikatur. Der Begriff ist allerdings mit verschiedenen Bedeutungen unterlegt.67 Im deutschen Sprachraum ist Karikatur zum einen ein Sammelbegriff für politische und sozialkritische Zeichnungen. Zum anderen dient er als Terminus für Karikaturen im ursprünglichen Sinn,

also Porträts von Individuen oder Typen, deren charakteristische Eigenarten durch Verzerrung und Übertreibung betont werden. Diese Art der Porträtkarikatur kann aber als Darstellungsform auch Teil einer politischen Karikatur sein. Schließlich wird Karikatur ganz allgemein als Oberbegriff für jede Form humoristischer grafischer Darstellung benutzt. Im englischen Sprachraum beschränkt sich die Bezeichnung caricature meist auf die Porträt- oder Personenkarikatur, während als Oberbegriff das Wort cartoon verwendet wird. Die politische Karikatur wird dort political oder editorial cartoon genannt, die im Gegensatz zur reinen Witzzeichnung, dem gag cartoon, steht. In den folgenden Ausführungen soll der Begriff der politischen Karikatur, wie ihn Thomas Knieper versteht, weiter verfolgt werden.68 Nach seiner Definition bezieht sich die politische Karikatur auf ein zeitnahes bzw. aktuelles politisches Ereignis, das beim Betrachter zumindest in seinen Grundzügen bereits bekannt sein muss. Die Kontraste und Widersprüche der bestehenden politischen oder sozialen Verhältnisse bringt sie durch die Darstellungsmittel der Verfremdung auf den Punkt, die sie mit bildrhetorischen Mitteln und der Anwendung von Humortechniken erzielt. Bei dieser Zuspitzung nimmt die politische Karikatur eine parteiische Position ein. Schließlich erfüllt sie eine wichtige Kritikund Kontrollfunktion und dient auf Seiten des Rezipienten der Meinungs- und Willensbildung sowie der Unterhaltung. Die bei Knieper genannten Humortechniken beruhen im Wesentlichen auf der sogenannten Inkongruenztheorie, die in der Humorforschung weitverbreitet ist.69 Nach dieser Theorie wird Humor durch eine nicht eingehaltene Erwartungshaltung des Rezipienten erzeugt. Durch das Zusammenbringen von zwei normalerweise nicht zusammenpassenden Ideen oder Situationen entsteht eine überraschende Wendung, die vom Betrachter als Witz bzw. Humor wahrgenommen werden kann. Um Inkongruenz und damit Humor in der visuellen Kunst zu erreichen, bedient sich der Künstler verschiedener Techniken. Diese treten in der Regel nicht einzeln, sondern meist in Kombination auf. Für den Bereich der

Kunst unterscheidet Nicholas Roukes elf verschiedene Techniken.70 Im Folgenden sollen einige davon vorgestellt werden, die bevorzugt in den narrativen Bildserien auftauchen. Diese sind das Stilmittel der Übertreibung (exaggeration), der Vertauschung (transposition), der Verfremdung (transformation), des Gegensatzes (contradiction), der Parodie (parody), der Erzählung (narration) und der Aneignung (appropriation). Bei der weitverbreiteten Technik der Übertreibung geht es um die grafische Über- oder Unterdimensionierung, die bis ins Lächerliche oder Bombastische gesteigert werden kann. Dazu gehört v. a. das Verkleinern oder das Vergrößern von Dingen, Personen oder Sachverhalten. Bei der Vertauschung wird ein Subjekt außerhalb seines gewohnten Kontextes gezeigt, etwa in einer neuen Situation, innerhalb einer anderen Zeit oder einem anderen Ort. Unter dem Stilmittel der Verfremdung versteht man die Verwandlung, Veränderung oder Metamorphose von Formen, Zuständen oder Figuren. Typisch sind Veränderungen der Erscheinungsform durch die Porträtkarikatur. Auch das Stilmittel der Kontradiktion wird häufig in humoristischen Bildern angewendet. Gemeint ist die Visualisierung von Gegensätzen, Widersprüchen oder Doppeldeutigkeiten. Zur Witztechnik der Parodie zählen Nachahmung, Persiflage, Scherz, Spott und Hohn. Sie spielt auf Verhaltensweisen, Sitten, Bräuche, Gewohnheiten und Einstellungen an. Die Technik der Erzählung meint die Wiedergabe von Geschichten, Mythen, Handlungen oder Ereignissen. Sie kann aber auch als sequenzielle Erzählform verstanden werden, bei der die Karikatur aus einer Abfolge mehrerer Bilder besteht und die erst verständlich wird, wenn alle Bilder zusammen betrachtet werden.71 Schließlich meint das Stilmittel der Aneignung die Adaption oder Verfremdung eines bekannten Werkes. Zwar sind laut Knieper die oben genannten Humortechniken immanente Merkmale einer politischen Karikatur, sie erzeugen allerdings nicht zwangsläufig Komik.72 So sind viele Karikaturen weit davon entfernt, amüsieren zu wollen, sondern sind im Gegenteil voller Ernst oder gar Tragik. Auch Franz Schneider schreibt dazu  : »Lachen bzw. Das Lager als politische Karikatur  ?  |  87

Erzeugung von Lachen ist nicht letztes Ziel oder Zweck und nicht Wesenskern der Karikatur-Kommunikation, es ist vielmehr ein Mittel – ein häufiges, aber nicht stetiges.«73 Dies trifft besonders auf die Arbeiten aus den Lagern zu, wo einem angesichts der tragischen Vorkommnisse häufig das Lachen im Halse stecken bleibt. Außerdem diente hier der Humor nicht ausschließlich der Unterhaltung, sondern besaß darüber hinaus mehrere wichtige psychologische Funktionen für die Häftlinge. Wie im Kapitel  3.3.2 bereits ausgeführt, hatte der Humor nach John Morreall zunächst den Zweck des Selbstschutzes, um das Leiden im Lager besser zu ertragen. Daneben diente Humor auch als Kritik an den herrschenden Verhältnissen und konnte schließlich Solidarität unter den Gefangenen erzeugen.74 In den verschiedenen NS-Lagern wurden trotz der katastrophalen Lebensbedingungen, der großen Schwierigkeiten, an geeignetes Zeichenmaterial zu kommen, sowie ständig bedroht vom Terror der SS und der Kapos zahlreiche Karikaturen und satirische Zeichnungen hergestellt.75 Eine häufig genutzte Form war dabei die Porträtkarikatur von Mitgefangenen oder SS-Leuten. Beispielsweise zeichnete Wincenty Gawron (1908–1991) in Auschwitz eine Karikatur des stellvertretenden Lagerkommandanten Karl Fritzsch, der durch das Stilmittel der Verfremdung mit verzerrten Gesichtszügen und einer großen Hakennase versehen, die Grausamkeit der SS repräsentiert.76 Ebenso besaßen einige Glückwunschkarten humoristische Elemente, indem die Beschenkten oder eine Situation aus dem Lageralltag karikiert wurden.77 Auch im französischen Internierungslager Gurs und im Ghetto Theresienstadt sind zahlreiche humorvolle Bilder und Karikaturen überliefert. Einer der einflussreichsten Karikaturisten in Theresienstadt war der schon häufiger erwähnte Bedřich Fritta, der die Absurdität des Ghettolebens in einem umfangreichen Zyklus aus expressionistischen Zeichnungen darstellte, in denen die Insassen als groteske Figuren mit karikaturhaft verzerrten Gesichtern und deformierten Körpern gezeigt werden.78 Ein anderer wichtiger Karikaturist war Max Plaček (1902–1944), der für seine Individualkarikaturen bedeutender Persönlichkeiten, Wissenschaft88  |  Die Ästhetik der Bildserien

ler, Schriftsteller und Künstler bekannt ist.79 In Gurs wiederum fertigte etwa Karl Schwesig (1898–1955) im Jahr 1941 selbstgemachte Briefmarken an, die auf sarkastische Weise die Realität des Lagers mit den Prinzipien der französischen Revolution  – Liberté, Egalité und Fraternité – verknüpften.80 Auch die narrativen Bildserien der Häftlinge stehen in dieser Tradition der humoristischen Ausei­ nan­ dersetzung mit der Lagerwirklichkeit. Im Folgenden soll daher genauer untersucht werden, inwiefern diese Arbeiten als politische Karikaturen im Sinne Thomas Kniepers bezeichnet werden können. So bezeichnet Stephen Feinstein die Bilder von Pavel Fantl und Erich Lichtblau-Leskly als »close to editorial cartoons as if they were being created for a newspaper«, ohne allerdings näher auf die Spezifika der politischen Karikatur einzugehen.81 Dabei steht v. a. die Untersuchung der Humortechniken im Vordergrund, um aufzuzeigen, wie sich Witz und Satire in den Bildserien aus den Lagern konkret ausdrückt. Denn bislang wurde über die bildimmanenten Mechanismen, die verantwortlich für die Erzeugung des Humors sind, in der Literatur über die Häftlingsbilder nicht geschrieben. Hier ist also zu fragen, welche Techniken in den Lagerbildserien auftauchen. Auf welche Situationen oder Ereignisse aus dem Lageralltag wird dabei hingewiesen  ? Ebenso ist wichtig zu erfahren, auf welche künstlerischen Traditionen oder humoristischen Vorbilder die Häftlinge zurückgreifen. Denn häufig benutzt die politische Karikatur Stereotypen und Bilder von historischen Ereignissen, aus der Literatur, der antiken und christlichen Ikonografie oder aus dem Bereich der Populärkultur, um den Humor für die Betrachter verständlich zu machen.82 4.3.2 Pavel Fantl  : Parodie auf antisemitische Stereotypen und auf den »Suppen-Kaspar« von Heinrich Hoffmann

Von Pavel Fantl (1903–1945), der in Theresienstadt als Arzt in der Infektionsabteilung tätig war, sind etwa 80 satirische Bilder überliefert.83 Eine davon ist die unter dem Titel »Metamorphosis« bekannte

Arbeit von 1944, die sich heute in den Sammlungen von Yad Vashem befindet. Das Werk besteht aus vier Einzelbildern, auf denen jeweils als Hauptmotiv eine Person zu sehen ist, die von Bild zu Bild immer dünner wird, bis sie schließlich in der letzten Darstellung fast einem Skelett ähnelt (Fantl Abb.). Auch die Haare der Figur gehen allmählich aus und die Kleidung zerfällt zu Lumpen. Ebenso reduzieren sich die anderen im Bild befindlichen Gegenstände, wie der am Anfang noch gut gefüllte Rucksack an der Wand, der erst zum leeren Beutel wird und zum Schluss dann ganz verschwindet, oder die zunächst stattliche Bettwäsche auf dem Etagenbett, die auf dem letzten Bild kaum noch zu sehen ist. Direkt neben der Person sind außerdem noch Tannenzweige mit anfangs drei brennenden Kerzen abgebildet, deren Anzahl sich immer weiter verringert, bis nur noch ein kümmerlicher Zweig übrig bleibt. Die einzigen Dinge, die sich nicht verändern, sind die Gesichtszüge der Figur, also Nase, Ohren, Mund und Augen, sowie der an der Kleidung befestigte Judenstern. Die tschechische Überschrift »VANOCÉ ČLENA AK V TEREZÍNE« [Weihnachten eines Mitglieds AK in Theresienstadt] sowie die Bildunterschriften »L.P.« [im Jahre] versehen mit den Jahreszahlen von 1941 bis 1944 geben Hinweise auf Herkunft der Figur sowie auf den Ort und die Zeit des Geschehens.84 Abgebildet sind also die unterschiedlichen körperlichen Zustände eines jüdischen Häftlings aus There­ sienstadt jeweils zu Weihnachten der Jahre 1941 bis 1943 und – nach Aussage des Textes unter dem letzten Bild »A – CHRAŇ BŮH« [und – Gott bewahre] – hoffentlich auch im Jahr 1944. Mit welchen Humortechniken arbeitet nun Pavel Fantl, um die Lebensbedingungen in Theresienstadt satirisch auf den Punkt zu bringen  ? Zunächst lässt sich die Technik der Erzählung bzw. der Abfolgekarikatur feststellen. So ermöglicht das Nebeneinander der Bilder den Vergleich der verschiedenen Zustände der Figur bzw. ihrer Umgebung. Damit wird der schleichende Prozess des körperlichen wie auch des materiellen Verlustes sichtbar. Am Anfang der Inhaftierung ist der Häftling noch gut genährt und verfügt über ausreichend Mittel, um für einen gefüllten Rucksack, brennende Kerzen und eine di-

cke Bettdecke zu sorgen. Erst die nächsten Bilder offenbaren die katastrophalen Umstände in Theresienstadt, die eine schrittweise Verschlechterung seiner Lebenssituation zur Folge haben, bis ihm fast nichts mehr bleibt als buchstäblich das nackte Leben. Das letzte Bild ist als vorläufige Schlusspointe dieser negativen Entwicklung anzusehen, denn es bietet, ähnlich wie im weiter oben besprochenen Werk von István Irsai, einen Ausblick auf die Zukunft. Bei Pavel Fantl dominiert allerdings die pessimistische Sichtweise, denn der körperliche Verfall und der fatalistische Ausruf im letzten Bild deuten den möglichen Tod der Figur an.85 Die zweite Humortechnik, die Pavel Fantl in diesem Werk verwendet, ist die Technik der Parodie. So zitiert die Figur des Häftlings antisemitische Stereotypen, wie sie sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts v. a. in Karikaturen aus illustrierten Zeitschriften, Witzblättern und Bilderbögen herausbildeten und später dann in NS-Publikationen wie der Wochenzeitung »Der Stürmer« fortsetzten. Ein Beispiel aus dieser Zeitschrift macht deutlich, dass große Nasen, abstehende Ohren und ausgeprägte Lippen als Zerrbilder des jüdischen Körpers auch von Fantl in seiner parodistischen Darstellung benutzt werden (Abb. 10).86 Weitere Attribute sind insbesondere der im ersten Bild zu beobachtende beleibte Körper sowie die bürgerliche, gleichzeitig schlecht sitzende Kleidung, die Anleihen an den Typus des jüdischen Kaufmanns oder Bankiers besitzen (Abb. 11).87 Gerade weil Fantl das »Jüdische« in der Figur auf groteske Weise so überdeutlich akzentuiert – so scheint das Gesicht der Figur im letzten Bild fast nur noch aus Nase, Mund und Ohren zu bestehen  –, macht er sich über die antisemitischen Stereotypen lustig. Gleichzeitig werden im Leiden des Häftlings die grausamen Folgen einer solchen Stigmatisierung sichtbar. Als dritte Humortechnik wählte Pavel Fantl die Methode der Aneignung, also das Verweisen auf ein anderes bekanntes Werk. Insbesondere die stetig dünner werdende Figur, die in vier aufeinanderfolgenden Bildern bedrohlich abmagert, erinnert an die Bilderzählung »Die Geschichte vom Suppen-Kaspar« von Heinrich Hoffmann in der Ausgabe ab Das Lager als politische Karikatur  ?  |  89

1858 (Abb. 12).88 Diese Geschichte eines Jungen, der aufgrund seiner Weigerung, seine Suppe zu essen, innerhalb weniger Tag verhungert, ist Teil des Kinderbuchs »Der Struwwelpeter«, das seit dem ersten Erscheinen 1845 in zahlreiche Sprachen übersetzt wurde und damit zu den erfolgreichsten deutschen Kinderbüchern zählt. Auch in der Bildserie von Hoffmann wird der körperliche Verfall dargestellt. Allerdings ist dort die Ursache der selbstgewählte Verzicht auf Nahrung, während dies in Fantls Version ein von außen erzwungener Verzicht war. Damit ist Fantls Bildzitat als sarkastischer Kommentar der tatsächlichen Ernährungssituation in Theresienstadt zu sehen, dem Tausende Menschen zum Opfer fielen. Vergleicht man Pavel Fantls Zitat mit anderen zeitgenössischen Struwwelpeter-Satiren, fällt die veränderte Täter-Opfer-Perspektive und das Fehlen einzelner Bestandteile der Geschichte auf. So zeigen die Suppenkasper-Episoden etwa in »Struwwelhitler« (1941) von Robert und Philip Spence sowie in »Schickelgrüber« (1943) von Robert Colling-Pyper und Margaret Stavridi jeweils Hermann Göring als Täter.89 Im ersten Werk spielt das Abmagern der ursprünglich korpulenten Göring-Figur auf die Entbehrungen für die deutsche Aufrüstung an, sodass folgerichtig auf dem Tisch statt Nahrung nur Kanonen zu sehen sind (Abb.  13). In der zweiten Suppenkasper-Parodie steht der dünner werdende Göring als visuelle Metapher für die Verluste seiner Luftwaffe durch die alliierten Flugzeuge. Der Tod der Figur in den beiden Suppen-Kaspar-Persiflagen erscheint somit als logische Konsequenz ihrer politischen Taten. Bei Fantl dagegen repräsentiert die namenlose Figur die Opfer in Theresienstadt, die aufgrund der Lebensumstände schuldlos zugrunde gehen. Außerdem fehlen in Fantls Karikatur die (satirische) Adaption des gereimten Originaltextes sowie das fünfte Bild mit der Darstellung des Grabes. Durch den Verweis auf Hoffmanns »Suppenkasper« ist in Fantls Version dieses letzte Bild und somit der Tod gleichwohl präsent. Verstärkt wird dies noch durch Fantls pessimistischen Ausspruch »A – CHRAŇ BŮH« [und  – Gott bewahre] sowie durch die Technik der Bildfolge, die ein weiteres, sehr wahrscheinlich tödliches Abnehmen impliziert. Retrospektiv 90  |  Die Ästhetik der Bildserien

betrachtet hat diese Todesahnung im Werk Fantls eine tragische Pointe. Denn überträgt man die Figur des Häftlings auf den Künstler selbst, dann tritt der Tod tatsächlich ein. Zwar überlebte Pavel Fantl die Weihnachtstage 1944, allerdings nicht in Theresienstadt, sondern in Auschwitz.90 Anfang Januar 1945 wurde er dann auf einem Todesmarsch in der Nähe des schlesischen Ortes Hirschberg, dem heutigen polnischen Jelenia Góra, von der SS erschossen. Lässt sich nun die Arbeit Fantls als politische Karikatur im Sinne Thomas Kniepers bezeichnen  ? Ein wichtiger Punkt, der Einsatz verschiedener Humortechniken, ist weiter oben bereits ausführlich belegt. Ein weiteres wichtiges Merkmal der politischen Karikatur ist der Bezug zu einem aktuellen bzw. zeitnahen Thema, das beim Rezipienten bereits bekannt sein muss.91 Betrachtet man das Bild von Fantl ohne jeden Aktualitätsbezug, wäre es lediglich komisch bis verwirrend  : Ein Mann verliert von Jahr zu Jahr an Körperumfang und analog dazu verkleinern sich auch die Gegenstände aus seiner Umgebung. Hier helfen der schriftliche Verweis auf Theresienstadt und zusätzlich der bildliche Hinweis auf Hoffmanns »Suppenkasper«, um aus einer einfachen Witzzeichnung eine sarkastische Karikatur der katastrophalen Lebensbedingungen im Ghetto zu machen. Allerdings ist diese Darstellung weniger auf ein konkretes tagesaktuelles Ereignis bezogen als z. B. Fantls Karikatur »Nejnovější bonke terezínská [Letzte Meldungen aus Theresienstadt]« über den Besuch einer Delegation des Roten Kreuzes in Theresienstadt.92 Dennoch hat das Bild »Metamorphosis« durchaus einen Bezug zur damaligen Politik und Gegenwart, da die thematisierten Entbehrungen letztendlich die meisten Juden in Theresienstadt betreffen und die stets präsente Auswirkung der NS-Rassenpolitik darstellen. Ebenso nimmt Pavel Fantl in seiner Arbeit den für die poltische Karikatur geforderten parteilichen Standpunkt ein, indem er mit Hilfe der satirischen Zuspitzung deutlich die katastrophalen Lebensumstände in Theresienstadt kritisiert und anprangert. Dabei bedient er sich einer klaren Bildsprache, die sich im präzisen Zeichenstil, einer flächigen einfarbigen Kolorierung sowie den auf das Wesentliche reduzierten Bildelementen ausdrückt.

Einzig die Kritik- und Kontrollfunktion dieser Karikatur und die seitens der Rezipienten festzustellende Meinungs- und Willensbildung müssen hinterfragt werden. Denn angesichts des Entstehungskontextes der Arbeit in Theresienstadt ist eine Berichterstattung durch frei zugängliche Massenmedien nicht gegeben. In der Regel wurden die Bilder nicht reproduziert und standen als einzelnes Original nur wenigen Personen, etwa Mithäftlingen, Familienangehörigen oder Freunden zur Verfügung. Inwieweit die Karikatur »Metamorphosis« in Theresienstadt konkret verbreitet und benutzt wurde, lässt sich angesichts der Quellenlage bislang nicht beantworten. Dennoch kann die Arbeit Fantls mit Einschränkungen hinsichtlich der Verbreitung und der Rezeption durchaus als politische Karikatur im Sinne Thomas Kniepers bezeichnet werden. Dabei zeigen die angewandten Humortechniken nicht nur die vielseitigen karikaturistischen Ausdrucksmöglichkeiten dieser Arbeit. Sie spiegeln auch die parodistische Verwendung verschiedener bildnerischer Traditionen aus dem Bereich der antijüdischen Karikatur sowie der Kinderliteratur wider. 4.3.3 Erich Lichtblau-Leskly  : Jüdische Kooperation im Zentrum satirischer Kritik

Im Unterschied zu Pavel Fantls »Metamorphosis«, das aus einer einzigen (Abfolge-) Karikatur besteht, setzt sich Erich Lichtblau-Lesklys Bildserie aus mehreren einzelnen Blättern zusammen, die jeweils eine eigenständige Karikatur bilden.93 Entstanden ist dieses Werk in Theresienstadt wahrscheinlich von 1942 bis 1944. Die meisten dieser Arbeiten haben sich lediglich als Fragmente erhalten, da Leskly aus Furcht vor einer Entdeckung durch die SS gegen Ende seiner Inhaftierung im Frühjahr 1945 die Bilder in mehrere Teile zerschnitt und dabei sowohl die Bildinschriften als auch seine Signatur zerstörte. Nach dem Krieg fügte er die Bildfragmente wieder zusammen und setzte in Anlehnung an die ursprüngliche Fassung neue Bildtexte und seine Unterschrift hinzu. Zusätzlich fertigte Leskly nach 1945 verschiedene Replikate seiner ursprünglichen Serie aus dem

Ghetto an. Eine erste Replik seiner Serie entstand vermutlich in der Tschechoslowakei noch vor seiner Emigration nach Israel im Oktober 1949. Davon haben sich einige Blätter im Los Angeles Museum of the Holocaust erhalten (siehe Lichtblau-Leskly Abb. 18). Die zweite Serie malte Erich Lichtblau-Leskly in den 1970er- und 1980er-Jahren in Israel, die sich ebenfalls größtenteils im Los Angeles Museum of the Holocaust befindet (siehe Lichtblau-Leskly Abb. 2).94 Eine dritte Serie, die Lichtblau-Leskly im Jahr 1994 anfertigte, wird in Privatsammlungen auf bewahrt.95 Im Folgenden stehen die Originalfragmente aus Theresienstadt im Mittelpunkt der Untersuchung. In manchen Fällen sind die rekonstruierten Inschriften angegeben, die sich aus den Bildtexten der Nachkriegsrepliken herleiten lassen. In seinen Bildern thematisiert Lichtblau-Leskly u. a. die schlechten Lebensbedingungen, z. B. die häufigen Durchfallerkrankungen (Lichtblau-Leskly Abb. 19), das Thema Essen und Hunger (z. B. Lichtblau-Leskly Abb.  23, 29, 42, 44–48, 59) oder den Wassermangel (Lichtblau-Leskly Abb.  36). Andere Bilder zeigen das Eintreffen neuer Häftlinge (etwa in Lichtblau-Leskly Abb. 16), kulturelle Aktivitäten (Lichtblau-Leskly Abb. 33, 40, 56) oder historische Ereignisse wie die Massenzählung im Bohušovicer Kessel am 11.  November 1943 (Lichtblau-Leskly Abb. 32). Eine eigene Geschichte innerhalb der Serie bilden die Sequenzen über den Besuch des Roten Kreuzes im Juni 1944, in denen verschiedene »Verschönerungsmaßnahmen« gezeigt werden wie etwa das Säubern der Gehwege (Lichtblau-Leskly Abb.  52, 53) oder ein »Speiseraum« für die älteren Bewohner, der allerdings zum Leidwesen der Insassen ohne Essen auskommen muss (Lichtblau-Leskly Abb. 54). Ebenso wie Pavel Fantl bedient sich auch Erich Lichtblau-Leskly einer karikaturistischen Bildsprache  – ursprünglich kombiniert mit satirischen Texten  –, um auch die humorvollen und absurden Momente im Alltag eines jüdischen Zwangslagers zu zeigen  : Dazu erklärt er nach dem Krieg in einer seiner wenigen autobiografischen Äußerungen  : »I felt obligated to express the indescribable horror in the language of the absurd I knew well.«96 Dabei Das Lager als politische Karikatur  ?  |  91

benutzt Erich Lichtblau-Leskly in seinen Bildern eine Ästhetik, die an Werbegrafiken erinnert. So setzt er die Figuren meist mit nur wenigen Strichen in Szene, während der Hintergrund häufig nur angedeutet ist oder ganz fehlt, um nicht von der zentralen Botschaft abzulenken. Ebenso verwendet er in der Regel eine flächige Malweise mit kräftigen Farben, sodass die Szenen deutlich hervorgehoben werden. In den Nachkriegsvarianten aus den 1970erund 1980er-Jahren wird dieser Bezug zu Reklame­ anzeigen noch deutlicher, da neben dem relativ großen Format der Arbeiten nun die Bildtexte wie Werbeslogans mit großen Buchstaben gestaltet sind, wobei Leskly einzelne Wörter durch Veränderungen in Format und Farbe hervorhebt.97 Auch schriftlich markiert Erich Lichtblau-Leskly diesen Zusammenhang, indem er seine Karikaturen auf einem aus der Nachkriegszeit stammenden Titelbild als »Plakate aus dem Ghetto Theresienstadt« bezeichnet (Lichtblau-Leskly Abb.  2). Die Verwendung werbeästhetischer Elemente kommt nicht von ungefähr, denn Leskly war vor seiner Deportation nach Theresienstadt 1942 ein ausgebildeter Schaufensterdekorateur, der in mehreren Warenhäusern im tschechoslowakischen Mährisch-Ostrau arbeitete.98 Eine Besonderheit in Erich Lichtblau-Lesklys Bildserie ist die Darstellung jüdischer »Mittäterschaft« in Theresienstadt in Form von Kooperation, Korruption und Diebstahl.99 In den meisten anderen Lagerbildserien findet dieses Thema wenig Beachtung und die Mithäftlinge werden in der Regel als Opfer nationalsozialistischer Unterdrückung gezeigt. Eine Ausnahme bildet neben Lichtblau-Lesklys Werk noch das Auschwitz-Skizzenbuch, das den (nicht-jüdischen) Funktionshäftling zum einen als brutalen Unterdrücker, zum anderen als Befehlsempfänger der SS, also als Täter und Opfer zugleich, präsentiert.100 Diese Komplexität im Machtgefüge einer Lagergesellschaft blendet Erich Lichtblau-Leskly in seiner satirischen Zuspitzung allerdings aus. Zwar werden auch bei ihm korrupte oder gewalttätige Mithäftlinge durch das Tragen des Judensterns zu Opfern nationalsozialistischer Rassepolitik. Gleichwohl steht die satirische Kritik an ihrem Verhalten im Vordergrund. Nicht die 92  |  Die Ästhetik der Bildserien

Brutalität der SS wollte Lichtblau-Leskly darstellen, sondern vielmehr das »normale« Ghettoleben seiner Mitmenschen präsentieren  : »I didn’t waste time crying about the monstrous behavior of the Nazi Regime. We knew that. I didn’t waste my precious material on the heroes of the ghetto. I just wanted to record the everyday, even banal.«101 Jüdische Kooperation mit den nationalsozialistischen Machthabern zeigt sich in Lesklys Serie etwa in der Darstellung der Ghettowache, die von der »jüdischen Selbstverwaltung« sowohl als allgemeiner Wachdienst als auch zur Bewachung der Ghettogrenzen und als Hilfe bei an- und abgehenden Transporten eingesetzt wurde. Ein Bild zeigt mehrere Mitglieder dieser unbewaffneten uniformierten Gruppe, die in Habachtstellung vor einem Mann stehen, der in der späteren Version im Bildtext als Karl Loewenstein (1887–1976) bezeichnet wird, dem Leiter der Ghettowache bis zu seiner Ablösung im August 1943 (Lichtblau-Leskly Abb.  12).102 Erich Lichtblau-Leskly macht sich hier über das militärische Gehabe dieser Truppe lustig, die sich zum einen in der überspitzten Betonung des Zeremoniells ausdrückt. Zum anderen setzt er das Humormittel der Übertreibung ein, indem er Karl Loewenstein durch die geringe Größe der Figur sowie die überdimensionalen Schuhe und die zu große Mütze als machtlosen und auch eitlen Befehlshaber der Ghettowache charakterisiert.103 Einen breiten Raum beim Thema der jüdischen »Mittäterschaft« nehmen auch die Darstellungen zum Thema Diebstahl ein. So zeigt das Bild mit dem nachträglichen Titel »Der eine schleusst  – und dieser stiehlt« dabei die grundsätzliche Problematik der moralischen Bewertung einer solchen Handlung in Theresienstadt auf (Lichtblau-Leskly Abb.  38). Abgebildet sind ein Häftling und dessen Spiegelbild, die beide Kartoffeln stehlen. Durch das Mittel der Kontradiktion, das verstärkt wird durch einen diagonalen Strich, der beide Figuren voneinander trennt, werden die zwei unterschiedlichen Aspekte des Stehlens im Ghetto deutlich  : Auf der linken Seite nimmt die Figur einige wenige Kartoffeln aus einem großen Haufen heraus, der vermutlich der Lagerküche als Vorrat dient. Der Verlust an Kartoffeln durch

die große Menge erscheint hier überschaubar. Auf der rechten Seite entwendet der Häftling die Kartoffeln aus dem Topf eines Mithäftlings, der durch Stock, schwarze Brille und eine Armbinde mit drei Punkten als Blinder zu identifizieren ist. Hier wird durch das Mittel der Satire die unterschiedliche moralische Beurteilung beim Entwenden fremden Eigentums auf den Punkt gebracht  : Das Stehlen von Eigentum der SS oder der Lagerverwaltung war aus der Sichtweise der Inhaftieren »Gemeinschaftsdiebstahl« und damit durchaus vertretbar, während der Diebstahl privaten Eigentums der Mithäftlinge als »Kameradschaftsdiebstahl« galt und verpönt war.104 Noch deutlicher wird dieser Gegensatz, wenn man sich die rekonstruierte Bildinschrift »Der eine schleusst – und dieser stiehlt« der Nachkriegsreplik ansieht.105 Denn »schleussen« oder »schleusen« war in Theresienstadt ein Euphemismus für »stehlen« und bezeichnet den ethisch noch akzeptablen »Gemeinschaftsdiebstahl«.106 Auch andere Darstellungen thematisieren das »Schleusen«, etwa als scheinbare »Vererbung« auf die nächste Generation in einem Bild, das in der Nachkriegsversion den Text »Es schleusste der Vater  – es schleusste das Kind« (Lichtblau-Leskly Abb.  45) enthält, oder als moralisch zu verurteilenden »Kameradschaftsdiebstahl« mit der späteren Inschrift »Oft sind Zimmerälteste gemeine Diebe« (Lichtblau-Leskly Abb. 46). Am drastischsten spitzt das Bild mit dem retrospektiven Titel »›Jüdische‹ Antisemiten im Ghetto« das Problem der jüdischen Kooperation mit den Machthabern und damit den möglichen Verrat an den eigenen Leuten zu (Lichtblau-Leskly Abb.  41). Abgebildet ist ein Vogel mit menschlichem Kopf, der gerade in sein eigenes Nest kotet. Im Nest, das mit einem Stacheldrahtzaun umgeben ist, befinden sich vier Eier, von denen zwei gerade geschlüpft sind. Sowohl Vogel als auch die vier Eier sind mit dem gelben Judenstern markiert. Als ein klassisches Beispiel für die Humortechnik der Verfremdung kann hier das groteske Hybridwesen aus Vogel und Mensch angesehen werden, das mit schwarzem Gefieder und scharfem Schnabel den in Lesklys Augen schlechten Charakter des Kollaborateurs widerspiegelt. Die gesamte dargestellte Szenerie weist zudem auf das

Humormerkmal der Vertauschung hin, da der Vogel und das umzäunte Nest außerhalb ihres gewohnten Kontextes aus der Tierwelt gezeigt werden. Damit ist Lichtblau-Lesklys Karikatur gewissermaßen die Verbildlichung des sprichwörtlichen Terminus des Nestbeschmutzers. In einer retrospektiven Erläuterung schreibt Lichtblau-Leskly zu diesem Bild  : »The stupid Gelbstern (yellow star) bird fouls its own nest … We had police spies in the ghetto, as everywhere, who watched their own people.«107 Auch andere Künstler in Theresienstadt kritisieren in ihren Bildern den Status privilegierter Juden, so etwa Bedřich Frittas »Das Leben der Prominenten« von 1943–1944 (Abb.  14).108 Der Gebrauch von Erich Lichtblau-Lesklys Vogel als karikaturistische Figur scheint unter den Theresienstädter Künstlern aber die Ausnahme zu sein. Zwar steht das Verhalten seiner Mithäftlinge im Mittelpunkt von Lichtblau-Lesklys Karikaturen, allerdings benutzt er dabei kaum Individual- oder Porträtkarikaturen, die eine bestimmte Person aus dem Lagerleben erkennbar darstellen, sondern verwendet vielmehr Typenkarikaturen.109 In einer Typenkarikatur werden bestimmte gesellschaftliche, berufliche oder politische Gruppen durch einzelne Figuren repräsentiert. Die Typisierung richtet sich oftmals nach stereotypen Vorstellungen über Charakter und/oder äußeres Erscheinungsbild dieser Gruppen, wobei häufig auch Attribute als Erkennungszeichen dienen.110 Leskly greift dabei in einigen Fällen auf bekannte Typen zurück, wie etwa die Figur des Arztes, der im weißen Arztkittel auftritt, teilweise mit einem Rezeptblock als weiteres Erkennungszeichen versehen (siehe Lichtblau-Leskly Abb. 4, 23). Andere Typen sind etwa die Figur des Blinden, den Leskly mit den allgemein bekannten Attributen weißer Stock, schwarze Brille und gelbe Armbinde mit drei Punkten darstellt (Lichtblau-Leskly Abb. 38, 51 und 51). Köche wiederum werden stets mit weißer Mütze abgebildet, die weiblichen Mitglieder des Reinigungsdienstes, genannt die »Putzkolonne«, dementsprechend mit Besen bzw. Bürste und Eimer visualisiert (etwa Lichtblau-Leskly Abb. 23, 24, 52, 53 und 55). Auch bei den Frauenfiguren greift Leskly auf bekannte Typisierungen zurück. So repräsentiert die Das Lager als politische Karikatur  ?  |  93

Figur der blonden Frau mit modischer Frisur und Lippenstift den Typus einer attraktiven Frau, die Wert auf ihr Äußeres legt (Lichtblau-Leskly Abb. 26, 43, 48 und 51). Ihr typologischer Gegenpart ist die alte Frau im langen schwarzen Mantel und spitzer schwarzer Pelzmütze, die an der Essensausgabe auf ihre Suppe wartet, um Brot bettelt oder Holz aus der Sargproduktion fürs Heizen nimmt und damit das Elend der älteren Menschen in Theresienstadt versinnbildlicht (Lichtblau-Leskly Abb.  31, 44 u. 51). Eine ähnliche Frauenfigur mit schwarzer Kleidung und altmodisch wirkendem Hut ist auch in einer Zeichnung von Helga Weissová zu finden (Weissová Abb.  27). In einem retrospektiven Kommentar zu diesem Bild gibt sie eine Beschreibung dieser Figuren an  : Tragikomische Gestalten alter Menschen aus Deutschland, die naiv den Versprechen geglaubt haben, daß sie in einen Kurort geschickt würden. (…) Die Damen kamen mit Handtaschen und Hüten an, sie hatten nichts Praktisches mit, weder einen Löffel noch ein Gefäß für das Essen. Die Hüte auf den Köpfen der alten Frauen erinnerten uns traurig an vergangene Zeiten. Sie wirkten komisch, obwohl die Wirklichkeit sehr schlimm war.111 Andere Typisierungen sind dagegen weniger geläufig, erschließen sich aber vielfach durch die beigefügten Attribute. So tauchen an mehreren Stellen in Lesklys Werk Figuren mit Kontroll- und Ordnerfunktionen auf, die hinsichtlich Kleidung und Physiognomie sich zum Teil erheblich voneinander unterscheiden (vgl. Lichtblau-Leskly Abb.  16, 30, 31, 32 u. 36). Ein verbindendes Attribut sind zum einen die Armbinden, die entweder mit Abkürzungen »O.D.« für »Ordnungsdienst« oder mit »T.H.« für »Transporthilfe« versehen sind.112 Ein anderes gemeinsames Merkmal dieser Figuren sind ihre schwarzen Handschuhe. Zwar tragen auch andere Personen in Lesklys Werk solche Handschuhe, doch beim Typus der Ordner sind sie häufig überdimensioniert gestaltet und verstärken somit die Bedrohungsgeste, etwa wenn sich der Ordner mit erhobenen Fäusten und gefletschten Zähnen gegen 94  |  Die Ästhetik der Bildserien

eine wartende Menschenmenge stemmt (Lichtblau-Leskly Abb. 30). Gerade durch den häufigen Einsatz der Typenkarikatur wird deutlich, dass Erich Lichtblau-Leskly weniger die politischen Entscheidungsträger in Theresienstadt und ihr individuelles Verhalten im Visier hatte. Vielmehr wollte er ein allgemeines Bild der Zustände im Ghetto geben und die grotesken Situationen im Lageralltag satirisch auf die Spitze treiben. Dies deckt sich mit Franz Schneiders allgemeiner Feststellung, dass »[d]ie Typenkarikatur eine anonyme Karikatur [ist], die Typen zielen stärker auf die allgemeine gesellschaftliche Kritik, auf generelle Missstände. Die Individualkarikatur zielt stärker auf die Politik im engeren und konkreteren Sinn. Denn durch sie werden die Machthaber und die Verantwortlichen namentlich angesprochen.«113 Erich Lichtblau-Lesklys Serie besitzt also wesentliche Elemente der politischen Karikatur, wie etwa die Benutzung verschiedener Humortechniken, den Aktualitätsbezug sowie den parteiischen Standpunkt. Allerdings beziehen sich diese Kriterien auf die einzelne Karikatur, nicht auf die Serie als Ganzes. Denn die einzelnen Bilder stehen thematisch für sich allein, sodass man hier eher von einer karikaturistischen Serie sprechen kann, die mehrere Karikaturen bündelt.114 Einzig das Kriterium der allgemeinen politischen Meinungs- und Willensbildung konnte ähnlich wie bei Pavel Fantl von Leskly kaum eingelöst werden, denn vielen Künstlern war es schlicht zu gefährlich, ihre Arbeiten einer größeren Öffentlichkeit zu zeigen, da sie Strafen durch die SS fürchteten, wie die »Affäre der Theresienstädter Maler« gezeigt hat. In Erich Lichtblau-Lesklys Werk ist diese Angst quasi eingeschrieben, denn, wie bereits oben erwähnt, schnitt er aus den Bildern seine Unterschriften sowie die Bildtexte heraus und versteckte die Fragmente. Um nicht aufzufallen, waren die Bilder auch nur seiner Ehefrau sowie wenigen Menschen in seiner Unterkunft bekannt.115 Ein anderer Grund war sicherlich auch die Sorge vor den Reaktionen seiner Mithäftlinge, über die er sich in seinen Bildern lustig machte.

4.3.4 Horst Rosenthal  : Der Einfluss von Walt Disneys Mickey Mouse

Von Horst Rosenthal (1915–1942) sind mehrere Werke aus dem Internierungslager Gurs bekannt, darunter die 1942 entstandene Arbeit »Mickey au Camp de Gurs«.116 Dieses aus 16 Einzelblättern inklusive der Titelseite bestehende illustrierte Heft konfrontiert die bekannte Comicfigur Mickey Mouse von Walt Disney mit den Lebensbedingungen in Gurs. Zu sehen sind u. a. die Verhaftung von Mickey durch einen französischen Gendarmen und seine Auseinandersetzung mit der Lagerbürokratie, die heruntergekommenen Unterkünfte und die unzureichende Ernährung, der Schwarzmarkt und die Zensur (siehe Rosenthal Abb. 3, 6, 8, 9, 13, 14). Am Ende der Geschichte »radiert« sich Mickey selbst aus dem Lager Gurs und geht nach Amerika (Rosenthal Abb. 16). Genau wie bei Pavel Fantl und Erich Lichtblau-­ Leskly zeigt Horst Rosenthal die Entbehrungen des Lagerlebens nicht direkt, sondern in Form der satirischen Darstellung. So etwa karikiert er die tägliche Verteilung des Essens, indem er Mickey abbildet, der durch ein Vergrößerungsglas auf seinen winzigen Brotanteil blickt (Rosenthal Abb. 9). Rosenthal arbeitet hier mit der Humortechnik der Übertreibung, die analog zur Darstellung der Suppenverteilung durch eine Miniaturkelle in Erich Lichtblau-Lesklys Bildserie (Lichtblau-Leskly Abb.  29) die unzureichende Essensration überspitzt auf den Punkt bringt. Wie Pnina Rosenberg ausführt, weist diese Szene auch auf die Spannungen zwischen den Häftlingen hin, die argwöhnisch die Verteilung des Brotes beobachteten  : The ritual of bread slicing caused considerable tension in the camps  ; it was indicative not only the minute portions that were allotted, but also of the hostility and suspicion towards fellow inmates that were aroused  ; it was difficult to maintain a sense of solidarity when every morsel was scrutinized in case someone else got more.117 Das Bild von Mickey mit der Lupe in der Hand ist gleichzeitig auch ein Verweis auf den in der Literatur und Populärkultur weitverbreiteten Typus des De-

tektivs, eine Figur, die auch Mickey Mouse in einigen Zeitungsstrips von Disney-Zeichner Floyd Gottfredson spielt.118 Die Technik der Übertreibung lässt sich auch in weiteren Bildern finden. So z. B. auf der Seite fünf, wo Rosenthal die bürokratische Willkür der Lagerverwaltung durch die Darstellung eines übergroßen Papierstapels, aus dem der Kopf eines Lageroffiziellen herausragt, anprangert (Rosenthal Abb. 6). Oder er bildet auf Seite sieben eine Baracke als windschiefe Hütte ab, deren beschädigte Tür von einem Flicken zusammengehalten wird (Rosenthal Abb. 8). Andere Szenen dagegen sind weniger deutlich als Karikaturen konzipiert und beziehen ihren Humor eher aus dem dazugehörigen Bildtext. Beispielsweise ist auf S.  13 ein Briefe lesender Mann an seinem Schreibtisch zu sehen, über dessen Kopf spiralförmige Linien als comicspezifische Zeichen der Überforderung und Verwirrtheit angebracht sind (Rosenthal Abb.  14). Im Text empört sich Mickey nun über diesen Mann, einen gewissen »Monsieur Censure«, der sogar Briefe liest, die überhaupt nicht an ihn adressiert sind und der mitunter vor der Auslieferung unliebsame Passagen entfernt. Durch die entlarvende Naivität des Textes werden die in Mickeys Augen absurden Verhaltensweisen in Gurs, hier die Tätigkeit der Zensur, karikiert. Pnina Rosenberg sieht dabei zu Recht eine Spannung zwischen den humorvollen Bildern im Stil eines Comics und den ironischen Texten, die den harten Alltag der Insassen widerspiegeln.119 Die humorvolle Wirkung von Rosenthals Arbeit resultiert aber nicht nur allein aus der Anwendung der Humortechniken und der Bildtexte, sondern beruht zu einem großen Teil auch auf der satirischen Verwendung von Walt Disneys Zeichentrickfigur Mickey Mouse. Dass Rosenthal diese Figur v. a. aus satirischen Gründen einsetzte, zeigt bereits die Titelseite mit dem ironischen Titelzusatz »Publié sans autorisation de Walt Disney« (Rosenthal Abb. 1). Angesichts der fast vollständigen Beseitigung jeglicher Rechte für die Insassen in Gurs erscheint diese Entschuldigung, nicht die Urheberrechte zu berücksichtigen, geradezu grotesk. Horst Rosenthal spielt in seinem Werk v. a. mit der Wirkung von Mickey Mouse als Symbol des demokratischen und kapitalistischen Amerikas, das Das Lager als politische Karikatur  ?  |  95

im Gegensatz zum Frankreich des Vichy-Regimes steht.120 Die Universalität amerikanischer Werte findet auch in Rosenthals Arbeit Aufnahme, etwa wenn Mickey von einem französischen Gendarmen nach seinen Papieren gefragt wird. Als Mickey antwortet, er habe keine, denn er sei »international«, verhaftet ihn der Gendarm sofort (Rosenthal Abb. 3 und 4). Damit verweist Rosenthal zum einen auf den Export amerikanischer Werte in Gestalt von Mickey Mouse, was u. a. auch am grenzüberschreitenden Medium des Zeichentrickfilms liegt  : Significantly, Disney’s animated visions not only thrive in the U.S., they predominate in international entertainment, in part, because more than any other global communication form, animation crosses borders. Unlike non-animated television and film, animation does not need to be dubbed or fitted with subtitles  : cartoon characters are multi-lingual.121 Zum anderen war diese Idee grenzüberschreitender, freiheitlicher Werte unvereinbar mit dem damaligen nationalistischen Denken in weiten Teilen Europas. Trotzdem wurden die Abenteuer von Mickey Mouse, darunter auch im nationalsozialistischen Deutschland, bis in die Kriegsjahre hinein als Zeichentrickfilm, Cartoon oder Comicbuch publiziert.122 Gleichzeitig ist Disneys Figur Mickey Mouse eine gewisse Unschuld und Naivität zu eigen.123 Getragen von einem unerschütterlichen (amerikanischen) Optimismus durchlebt Mickey in seinen Comics wie auch in Rosenthals Werk seine Abenteuer, immer mit der Gewissheit, sich aus jeder Situation befreien zu können. Bei Rosenthal wird diese kindliche Unschuld auch durch die vielen Fragezeichen in den Sprechblasen und die erstaunten Gesichter von Mickey ausgedrückt (z. B. Rosenthal Abb.  6, 8, 10, 12, 14). Darüber hinaus wird in Rosenthals »Mickey au Camp de Gurs« die Französische Revolution von 1789 ironisch kontrastiert. Bereits auf der ersten Seite spielt Rosenthal darauf an, indem er in Mickeys Anfangssatz »C’était un jour de l’an II de la révolution nationale …« die Terminologie des französischen Revolutionskalenders benutzt. Damit spiegelt Rosenthal 96  |  Die Ästhetik der Bildserien

die gegenwärtige Situation des Vichy-Frankreichs mit dem revolutionären Frankreich von 1789, das als eines der wichtigsten Ziele die Umsetzung universeller Menschenrechte propagierte. Auf der letzten Seite, als Mickey genug von Gurs gesehen hat und seinen Weggang nach Amerika erklärt, greift er dieses Thema wieder auf  : Mai, l’air des Pyrénées ne me convenait plus du tout. Alors, comme je ne suis qu’un dessin animé, je m’effaçais d’un coup de gomme … Et … hopp …  !  ! Les gendarmes peuvent toujours venir pour me chercher, du pays de la L…..é, de l’E….é et de la F….é. (Je parle de l’Amérique  !) Mickey (Rosenthal Abb. 16). Hier wird deutlich, dass die Ideale der Französischen Revolution – Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit – in Frankreich selbst nicht mehr gelten. Stattdessen dominieren Willkür und die Missachtung der Menschenrechte. In Mickeys Augen befindet sich das »neue« Frankreich nun in Amerika, ironischerweise ausgerechnet artikuliert von einer Figur aus dem Bereich der amerikanischen Comickultur, die in der europäischen Öffentlichkeit häufig negativ beurteilt wurde.124 Die Selbstwahrnehmung von Mickey als Comicfigur, die sich selbst ausradieren kann, zeigt aber auch, dass Mickey keine reale Person bzw. Maus ist. Wie Lisa Naomi Mulman in ihrem Artikel betont, stellt Mickey eher ein übertragbares Ideal bzw. eine Mausidentität dar, denn »ideals and identities – unlike bodies – are both transferable and recoverable, appearing and disapperaring as needed«125. Damit ist Rosenthals »Mickey au Camp de Gurs« auch eine satirische Kritik an der zwangsweisen Klassifizierung von Menschen in bestimmte Identitäten, eine Klassifizierung, die in der Missachtung jeglicher Menschenrechte und letztendlich in den Holocaust mündete. Horst Rosenthals »Mickey au Camp de Gurs« zeichnet sich nicht nur durch die satirische Verwendung der Ikonografie und Ideale von Disneys Mickey Mouse aus, sondern besitzt auch einige formale Ähnlichkeiten mit dem Medium Comic, insbesondere der damaligen US-amerikanischen und europäischen Comichefte.126 Der moderne Comic wurde in den Anfangsjahren hauptsächlich als täglicher Zeitungsstrip

veröffentlicht. Erst in den 1930er-Jahren etablierte sich das Comicheft als eigenständiges Medium v. a. in den USA, wo es als comic book überwiegend dem Bereich des Abenteuer- und Superheldengenres zuzuordnen ist. Im Unterschied zum kürzeren daily strip der Zeitungen besaßen die Comichefte durch ihren größeren Umfang und der erweiterten Layoutgestaltung mehr narrative Möglichkeiten. Auch Walt Disney produzierte Comichefte, in denen u. a. seine aus den Zeichentrickfilmen bekannte Figur Mickey Mouse auftrat. Eines der ersten Hefte war das Mickey Mouse Magazine, das von 1935 bis 1940 erschien. In Europa hingegen dominierte das Comicalbum, das im Unterschied zum comic book ein größeres Format besaß und in der Regel mehr Seiten aufwies.127 Zu den erfolgreichsten Comicserien, die auch als Album herauskamen, gehörte seit Anfang der 1930er-Jahre Les Aventures de Tintin (Tim und Struppi) von Hergé (eigentlich Georges Remi, 1907–1983). Gleichzeitig war der europäische Comicmarkt bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs auch stark von den amerikanischen comic books geprägt. So wurde etwa das Mickey Mouse Magazine mit ähnlichem Inhalt in mehreren europäischen Ländern herausgegeben, darunter Spanien (Mickey, 1935), Portugal (O Mickey, 1935), England (Mickey Mouse Weekly, 1936) und die Schweiz (Micky Maus Zeitung, 1937).128 In Frankreich kam Le Journal de Mickey bereits 1934 heraus und war mit 450.000 Exemplaren pro Woche äußerst populär und trug als »Stimme Amerikas« erheblich zur Verbreitung amerikanischer Kultur und Lebensart bei.129 Wie der kurze Überblick zeigt, war der Comic als Medium in Europa sowohl durch die amerikanischen Importe als auch durch eigene Werke bekannt. Rosenthals Arbeit ahmt nun einige formale Merkmale der Comics nach, wenngleich es auch wesentliche Unterschiede gibt. Eine grundsätzliche Übereinstimmung betrifft das Medium Heft, dessen wesentliche Eigenschaft, die sequenzielle Anordnung der Bilder auf mehreren Seiten durch einen gemeinsamen Bildträger, sich auch in »Mickey au Camp de Gurs« wiederfindet. Damit bietet Rosenthals Heft andere narrative Möglichkeiten als etwa die kürzere Abfolgekarikatur Pavel Fantls oder die durch kein Trägermedium verbundene Serie Erich Lichtblau-Lesklys.130

Auch das Prinzip der sogenannten »stehenden Figur« übernimmt Rosenthal von den amerikanischen und europäischen Comics. »Stehende Figur« meint einen Akteur im Comic, dessen äußeres Erscheinungsbild, Persönlichkeit und Verhalten in allen Episoden unveränderlich bleibt und somit für den Betrachter einen hohen Wiedererkennungswert (und Kaufanreiz) besitzt.131 Ähnlich wie in den Vorbildern aus den USA und Europa (neben Disneys Mickey Mouse z. B. auch Superman oder Hergés Tintin) ist auch Rosenthals Mickey von Bild zu Bild konstant in Aussehen und Charakter. Eine körperliche Veränderung, wie sie bei Pavel Fantls Figur zu beobachten ist, findet in Rosenthals Arbeit nicht statt. Der Einfluss amerikanischer Vorbilder macht sich auch beim Titelbild bemerkbar, wo Rosenthal sich möglicherweise Anregungen von den Titelseiten der unterschiedlichen comic books über Mickey Mouse holte. Betrachtet man z. B. das Cover des Mickey Mouse Magazine vom August 1936, dann fällt auf, dass auch Rosenthal seine Seite mit einer auffälligen Primarfarbe versieht und seinen Protagonisten Mickey wirkungsvoll in einem Kreiselement als Blickfang in Szene setzt.132 Der Kreis lässt sich auch als Scheinwerferlicht deuten, da Mickey als fiktiver Gefangener von Gurs unter starker Beobachtung steht. Ebenso wenig fehlt der Name der populären Comicfigur, den Rosenthal neben die Figur platziert und durch Fettschrift besonders betont. Gleichwohl parodiert Rosenthal die unbeschwerte Fröhlichkeit auf den Titelbildern der comic books, denn er zeigt Mickey Mouse nicht als Akteur abenteuerlicher oder humoristischer Ereignisse, sondern bildet ihn als Gefangenen ab, zwar mit heiterer Miene, dennoch eingeschlossen in einer typischen Baracke aus Gurs und umgeben von einem Stacheldrahtzaun. Schließlich greift Rosenthals Arbeit auch typische grafische Symbole der Comics auf, wie z. B. etwa den Strahlenkranz um den Kopf als Zeichen der Freude (Rosenthal Abb. 2 und 17) oder auch des Erstaunens (Rosenthal Abb. 5, 11, 12), die Spirallinien über dem Kopf einer Figur als Symbol für Verwirrtheit (Rosenthal Abb. 13 u. 14) sowie der Gebrauch von Sprech- und Denkblasen (Rosenthal Abb. 6, 8, 10, 11, 14, 17). Gerade Sprechblasen werden als comicspezifische Ausdrucksmittel bevorzugt in amerikanischen Comics Das Lager als politische Karikatur  ?  |  97

verwendet, während in den europäischen Bildserien meist die Tradition der Textunterschriften aufrechterhalten wurde.133 Allerdings tauchen in Rosenthals »Mickey au Camp de Gurs« die Sprechblasen nicht in allen Bildern auf, während die ausführlichen Bildunterschriften auf jeder Seite zu finden sind. Trotz der genannten Ähnlichkeiten existieren auch Unterschiede zwischen Rosenthals Werk und den Comicheften, in erster Linie im Bezug auf Ent­ stehungskontext und Verbreitung. Während die amerikanischen und europäischen Comichefte meist in einem arbeitsteiligen Prozess von mehreren Personen für ein Massenpublikum entworfen, gezeichnet und in vielfacher Auflage reproduziert und vertrieben wurden, entstand »Mickey au Camp de Gurs« als handgezeichnetes Original eines gefangenen Künstlers unter den restriktiven Bedingungen und den limitierten Möglichkeiten eines Internierungslagers. Doch auch das Format von Rosenthals Heft unterschied sich deutlich von den Comicheften aus den USA und Europa. So ist Rosenthals Arbeit mit 7,5  x  13,7 cm nicht nur wesentlich kleiner als die Standardgröße der US-Comics (26 x 17 cm) bzw. der europäischen Alben (30 x 22,5 cm), sondern enthält auch deutlich weniger Seiten, nämlich nur 15 anstelle der 32 bis 64 Seiten der Comichefte.134 Auch die bei den Comicheften eher unüblichen Merkmale wie das Querformat oder das Seitenlayout mit einem Bild pro Blatt zeigen deutlich, dass Rosenthal das Medium der kommerziellen Bildserien zwar zitiert, dennoch eigene Akzente setzte. Kommen wir zurück zur Ausgangsfrage  : Kann Rosenthals »Mickey au Camp de Gurs« vergleichbar den Werken Pavel Fantls und Erich Lichtblau-Lesklys als politische Karikatur im Sinne Kniepers bezeichnet werden  ? Betrachtet man die Kriterien wie politisches Thema, persönlicher Standpunkt, Humortechniken sowie Kritik- und Kontrollfunktion lässt sich diese Frage zunächst bejahen. Denn Rosenthal greift die sozialen Missstände wie etwa den Nahrungsmangel, den Zustand der Unterkünfte oder die ausufernde Bürokratie mithilfe der Humortechniken aus einer parteilichen Perspektive kritisch auf. Allerdings war auch hier wie bei den anderen beiden Karikaturen die Funktion der politischen Willens- und Meinungs98  |  Die Ästhetik der Bildserien

bildung angesichts der in den Lagern herrschenden Bedingungen nur eingeschränkt möglich. So ist auch im Fall Horst Rosenthals nicht bekannt, aus welchem Anlass er seine Karikaturen herstellte und welche Personengruppen Zugang zum Werk hatten. In den reduzierten bis fehlenden Rezeptionsmöglichkeiten sowie den schwierigen Entstehungsbedingungen liegen auch die wesentlichen Unterschiede zu den außerhalb der Lager produzierten politischen Karikaturen, die mitunter einen hohen Verbreitungsgrad durch die Veröffentlichung in Zeitungen und Zeitschriften erreicht haben.135 Es scheint also, als könnte »Mickey au Camp de Gurs« genau wie die Werke Fantls und Lichtblau-­ Lesklys – mit den genannten Einschränkungen – als politische Karikatur im Sinne Kniepers bezeichnet werden. Betrachtet man allerdings den Aspekt der Sequentialität, dann ist diese Aussage nicht ganz zu halten. Denn die Definition der politischen Karikatur bezieht sich in der Regel auf das Einzelbild, lediglich die Abfolgekarikatur enthält mehrere Bilder, die sich allerdings nur einem einzigen Thema zuordnen und erst aus der Zusammenschau aller Darstellungen verstehen lassen.136 Auch die Literatur sieht Rosenthals Arbeit eher in der Tradition des (sequenziellen) Comics als in der politischen Karikatur. Dies drückt sich bereits in der Bezeichnung des Werkes aus, wenngleich sich die Autoren über eine präzise Bestimmung uneins sind. Ole Frahm nennt die Arbeit einen »Comic«,137 Lisa Naomi Mulman wählt anscheinend unterschiedslos und ohne nähere Erläuterungen die Begriffe »graphic novel«, »comic satire« und »mickey mouse graphic pamphlet«138, während Pnina Rosenberg die Bildserie schlicht als »booklet«139 oder als »Comic-Heftchen«140 bezeichnet. Auch Joël Kotek und Didier Pasamonik schreiben von »carnets de dessins«141, also Bilderheften. Lediglich Martin Frenzel weist auf einen politischen Bezug hin, indem er Rosenthals Bildserie einen »Holocaust-Comic« nennt, ein Genre, das dem politischen Comic zuzuordnen sei.142 Das Politische am Holocaust-Comic sieht er allerdings weniger in einer speziellen Bildästhetik oder einem aktuellen politischen Bezug, sondern vielmehr »notgedrungen« in einer »politischen Stellung« gegenüber der Judenvernichtung«143. Abschließend lässt sich sagen,

dass Rosenthals Arbeit weder wie bei Pavel Fantl eine monothematische Abfolgekarikatur mit abschließender Pointe darstellt, noch als eine Aneinanderreihung verschiedener, kaum verbundener Karikaturen betrachtet werden kann, die Lichtblau-Lesklys Werk auszeichnet. Vielmehr ist Rosenthals Arbeit eher als eine satirische Bilderzählung aufzufassen, die mit den Mitteln der politischen Karikatur arbeitet.144 4.4 Zur Bildsprache zweier Auftragsarbeiten aus Theresienstadt und Schwarzheide 4.4.1 Zum Zusammenhang von Auftraggeber und Bildsprache

Der Einfluss des Auftraggebers auf den Künstler und dessen Bildwerk ist ein altes Phänomen.145 So waren im Mittelalter die Kirchen in der Regel die einzigen Auftraggeber, die dann auch die bildästhetischen Vorgaben festlegten. Seit der Reformationszeit erweiterten sich die Bereiche, sodass nun auch weltliche Herrscher und später dann Wissenschaftler Künstler für die unterschiedlichsten Aufgaben engagierten. Seit dem 18. Jahrhundert entwickelte sich die Idee des autonomen Bildwerks, das scheinbar unabhängig von allen gesellschaftlichen Einflüssen nur vom Künstler in eigener Verantwortung produziert wird. Allerdings begibt sich der Künstler in neue Abhängigkeiten, denn nun war er den Gesetzen des Marktes unterworfen, der in Form des ökonomischen Drucks, von Kunstkritik und Kunsthandel wiederum Einflüsse auf das Werk besaß. Eine Extremform der Abhängigkeit erlebten nun die künstlerisch tätigen Häftlinge in den verschiedenen NS-Zwangslagern. So waren die Künstler, die auf Befehl der SS oder der Funktionshäftlinge handeln mussten, der Willkür ihrer Auftraggeber ausgeliefert. Bilder auf Befehl konnten, wie weiter oben bereits erörtert wurde, eine leichte Verbesserung der Existenzbedingungen bedeuten, etwa durch zusätzliche Lebensmittel oder durch die Befreiung von der Zwangsarbeit. Sie bargen aber auch die Gefahr, bei Nichtgefallen die Privilegien wieder zu verlieren, was im schlimmsten Fall zum Tod führte. Welchen

Einfluss dabei unter diesen schwierigen Bedingungen die Auftraggeber auf die Häftlingsarbeiten nahmen und welche Bildsprachen dabei entwickelt wurden, ist bislang in der Literatur noch nicht systematisch untersucht worden. Ziva Amishai-Maisels weist immerhin darauf hin, dass viele Häftlinge in ihren offiziellen Arbeiten einen ganz anderen Zeichenstil verwendeten als in ihren heimlich entstandenen Werken.146 So wurden für die Auftragsbilder der SS meist idealisierende Darstellungen des Lageralltags verwendet, während die verbotenen Zeichnungen die Realität des Ghettos in teilweise drastisch überzeichneten Bildern ausdrückten. Ein deutliches Beispiel dafür sind die Arbeiten von Bedřich Fritta, dessen beschönigende Drucke über das offizielle Theresienstadt mit seinen expressionistisch stark verzerrenden Zeichnungen seiner heimlichen Bilder kontrastieren.147 Auf der anderen Seite gab es aber auch etliche Künstler, deren private Arbeiten, z. B. die Aquarelle und Zeichnungen von Eduard Neugebauer mit Ansichten über die Theresienstädter Straßen und Hinterhöfe oder die Bilder von Louis Asscher mit Porträts und Lagerszenen aus Bergen-Belsen, kaum etwas über die tatsächlichen Verhältnisse der Lager verraten.148 D.h. nicht, dass die betreffenden Künstler bewusst ein geschöntes Bild der Lagerrealität geben wollten. Vielmehr wählten sie einfach solche Szenen aus dem Lageralltag aus, die fast schon »normal« aussahen. Hier klingt auch schon das grundsätzliche Problem in der Bewertung der Bildästhetik von Auftragsarbeiten durch. Denn einen eindeutigen Zusammenhang von Auftraggeber und Bildsprache gibt es nicht. Vielmehr müssen neben der Bildanalyse auch der Entstehungskontext und die Motivationen der jeweiligen Auftraggeber berücksichtigt werden. In diesen Zusammenhang sind auch die beiden Arbeiten von Joseph Spier und Alfred Kantor einzuordnen. Im Folgenden soll es in erster Linie darum gehen, wie das jeweilige Lager in den beiden Auftragsarbeiten dargestellt wird, wo Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu finden sind und welche Rolle dabei der Auftraggeber spielte.

Zur Bildsprache zweier Auftragsarbeiten aus Theresienstadt und Schwarzheide  |  99

4.4.2 Joseph Spier  : Das offizielle Bild. Das Ghetto Theresienstadt als »Jüdisches Siedlungsgebiet«

Nachdem wir in Kapitel  3.3.4 den Nutzen von Joseph Spiers Album für die nationalsozialistische Politik untersucht haben, wollen wir nun uns den Inhalt der Bilder näher ansehen. Dabei geht es u. a. um die Frage, welches Bild von Theresienstadt in den Darstellungen ausgedrückt wird, das laut offi­ zieller Sprachreglung seit 1.  Mai 1943 »Jüdisches Siedlungsgebiet« genannt werden musste.149 Um das Album besser in den Kontext der Bildproduktion aus Theresienstadt einzufügen, sollen auch Vergleiche mit anderen Häftlingsarbeiten sowohl aus offizieller als auch »verbotener« Produktion erfolgen. Einen Großteil der 18 handkolorierten Drucke des Albums machen Arbeitsszenen aus. So finden sich zahlreiche Szenen von Menschen, die in großen und geräumigen Werkstätten an modernen Maschinen als Metzger, Schmied, Schreiner, Bäcker oder Koch arbeiten (Spier Abb. 7, 10, 11, 13, 14). Andere Darstellungen bilden die Tätigkeit in der Gärtnerei, den Zahnarztbesuch, das geschäftige Treiben in einer Bank und arbeitende Menschen beim Gleisbau ab (Spier Abb.  6, 8, 9, 12). Neben dem Aspekt der Arbeit wird in den Darstellungen auch ein scheinbar reichhaltiges kulturelles Freizeitangebot in Theresienstadt abgebildet, das von Musikkonzerten im Freien und Besuchen im Kaffeehaus über Puppentheater für Kinder bis hin zu großen Theateraufführungen reicht (Spier Abb. 2, 5, 16, 17). Darüber hinaus gibt es noch idyllisch anmutende Ansichten der Stadt, Straßenszenen und das Parkgelände eines Krankenhauses zu sehen (Spier Abb. 1, 3, 4, 15, 18). Unter den Bildern befinden sich Texte, die im Sinne der NS-Medienpolitik die Rezeption der Bilder lenken, indem den abgebildeten Einrichtungen euphemistische Begriffe wie z. B. »Ein malerischer Hof in Theresienstadt«, »Eine Zahnambulanz« oder »In der Bank der Jüdischen Selbstverwaltung« gegeben werden (Spier Abb. 3, 8, 9). Als Beispiel für eine Arbeitsszene aus Joseph Spiers Album dient die Darstellung des Baus der Anschlussbahn aus Bohušovice, was als größtes Bauprojekt der »Selbstverwaltung« galt und bei dem 100  |  Die Ästhetik der Bildserien

die Häftlinge v. a. Erdarbeiten leisten mussten (Spier Abb.  12).150 Die Arbeiten wurden im August 1942 aufgenommen, am 1. Juni 1943 fuhr der erste Zug in Theresienstadt ein. Der kolorierte Druck zeigt nun zahlreiche Figuren, die mit Spitzhacken und Schaufeln an der Bahntrasse arbeiten, während andere den Aushub zu den durch eine Dampflokomotive angetriebenen Loren bringen. Im Vordergrund befinden sich eine einzelne mit Erde gefüllte Lore, mehrere Holzschwellen sowie ein weißroter Messbalken. Auf der rechten Bildseite stehen auf einer Anhöhe zwei Personen, von denen einer eine Karte, vermutlich den Bauplan, in den Händen hält, während im Bildhintergrund die Stadtsilhouette von Theresienstadt zu erkennen ist. Das Bauvorhaben präsentiert sich in diesem Bild als technische Ingenieursleitung und erfolgreiche Arbeitsbeschaffung für die Ghettobewohner, die unter Anleitung effektiv ihren Auftrag ausführen. Wie in zahlreichen anderen Zeichnungen aus dem Album (z. B. Spier Abb. 7, 8, 10, 13, 14) rückt auch hier die helfende Technik in Gestalt der Lokomotive, des Messbalkens, aber auch der Strommasten in den Vordergrund. Der offizielle Bahnbau wurde auch von anderen Künstlern im Zeichensaal des Technischen Büros dokumentiert, darunter ein Ozaliddruck aus dem Jahr 1943 (nach einer Vorlage von Petr Kein), der ebenfalls die technische Seite sowie die Arbeitskraft der Insassen in den Vordergrund rückt (Abb. 15).151 Dagegen existiert von Leo Haas (1901–1983), der wie Petr Kien (1919–1944) ebenfalls im Zeichensaal beschäftigt war, eine auf den 16. Mai 1943 datierte Federzeichnung, die ein gänzlich anderes Bild der Gleisbauarbeiten abgibt (Abb.  16).152 Auffällig an diesem Bild ist das Fehlen jeglicher Aktivität, die Szene erscheint menschenleer und die Baustelle liegt wie verlassen da. Erst bei genauem Hinsehen lassen sich drei unbeteiligt wirkende Figuren am vorderen Festungsbauwerk erkennen. Im Gegensatz zu Spiers Bild liegen die Holzschwellen ungeordnet am Boden, die Strommasten weisen keine Kabel auf und die gerade noch am rechten Bildrand zu sehende Lore befindet sich im gekippten Zustand. Das Bauvorhaben wird hier als unproduktive, unkoordinierte und durch ihre bisher erbrachte Leistung wenig ein-

drucksvolle Maßnahme dargestellt. Wie beschwerlich der Bahnbau für den einzelnen Häftling war, wird aber auch in diesem Bild nicht deutlich. Die Mühsal dieser Arbeiten zeigt dagegen eine Szene aus Erich Lichtblau-Lesklys Bildfolge, in der drei Häftlinge im dichten Schneetreiben frierend  – erkennbar an den roten Nasen – ihre Arbeit erledigen müssen (Lichtblau-Leskly Abb. 39). Ein weiterer Druck aus dem Album trägt den Titel »Im Stadtzentrum« und zeigt eine breite Geschäftsstraße, auf der gut gekleidete Männer, Frauen und Kinder flanieren (Spier Abb.  4). Ein Bekleidungsgeschäft und ein Kaffeehaus dienen dem Einkaufen und der Entspannung, im Hintergrund vervollständigt ein Pferdegespann das geschäftige Treiben auf der Straße. Mit diesem Bild wird suggeriert, dass die Ghettobewohner über die Annehmlichkeiten einer normalen Kleinstadt mit ausreichenden Einkaufsmöglichkeiten inklusive eines Kaffehausbesuchs verfügen. Zudem können sie sich frei innerhalb »ihrer« Stadt bewegen. Diese Darstellung eines scheinbar normalen und ungezwungenen urbanen Lebens wird in anderen Häftlingsbildern, aber auch Spiers eigenem Werk als Inszenierung der SS entlarvt. So enthüllt eine Tusche- und Aquarellzeichnung von Joseph Spier aus dem Jahr 1943 den eingeschränkten Bewegungsradius der Ghettobewohner (Abb.  17).153 In dieser Darstellung ist die Straße durch einen Bretterzaun geteilt  ; auf der rechten Seite drängen sich die Menschen zwischen Zaun und Hauswand, auf der linken Seite marschiert ein einzelner Offizier die leere Straße entlang zur Kommandantur. Die Menschen scheinen alle in eine Richtung zu strömen, ihre Kleidung wirkt einfach bis abgenutzt, zum Teil tragen sie Gepäck oder Gebrauchsgegenstände in ihren Händen, manche haben gelbe Blindenabzeichen an ihren Ärmeln. Der repressive und ausschließende Charakter von Theresienstadt wird in dieser Darstellung deutlich, denn tatsächlich war die ganze Platzanlage von hohen Bretterzäunen umstellt und durfte nur von den SS-Angehörigen betreten werden.154 Erst im Zug der »Verschönerungsmaßnahmen« wurde der Zaun im Dezember 1943 entfernt.155 Eine dritte Darstellung, diesmal aus dem Bereich der »Freizeitgestaltung«, zeigt laut Titel das »Theater

in Theresienstadt« (Spier Abb. 17). Zu sehen ist ein geräumiger Saal, der eine große Bühne, auf der zwei Sänger stehen, spielende Musiker sowie einen voll besetzten Zuschauerraum enthält. Die Großzügigkeit des Raumes, das aufwendig gestaltete Bühnenbild, die Existenz eines Orchestergrabens und die bequem sitzenden Zuschauer zeigen einen scheinbar »normalen« Theaterbesuch innerhalb eines freien und funktionierenden Kulturbetriebs. Tatsächlich waren in der Realität die Bedingungen für Konzertund Theateraufführungen im Ghetto Theresienstadt denkbar schlecht, sodass im überfüllten Ghetto häufig auf unbewohnten Dachböden, in den Sälen und Innenhöfen verschiedener Kasernen und später in der Turnhalle einer ehemaligen Schule gespielt werden musste.156 Die realen Bedingungen des Theaters mit seinen beengten Verhältnissen zeigt z. B. recht deutlich das Bild von Helga Weissová (Weissová Abb. 51). Bei ihr wird Theater in einem kleinen und für solche Darbietungen offenbar ungeeigneten Raum gespielt, der außerdem unter einer mangelhaften Ausstattung litt. So ist die Bühne durch einen störenden Pfeiler in der Mitte geteilt, der Beleuchter muss auf einer Leiter sitzen und das Stück begleitet lediglich ein einzelner Klavierspieler, der zudem direkt vor die Zuschauer platziert wurde.157 Dagegen sind andere Aspekte des Theresienstädter Theaterlebens, wie z. B. die Tatsache, dass wegen der zahlreichen Deportationen in die Vernichtungslager immer wieder Schauspieler, Sänger und Regisseure für die Aufführungen fehlten, in den Darstellungen nicht präsent. Neben diesen »verbotenen« Arbeiten der Häftlinge, deren Bilder als deutliche Kritik und Korrektur am offiziellen Bild von Theresienstadt funktionieren, gab es noch Bilder, die kaum etwas über die tatsächlichen Verhältnisse im Ghetto verraten. Hier ist z. B. Leo Heilbrunn (1891–1944) zu nennen, dessen Bild der Tischlerwerkstatt ein vergleichbares Motiv aus Spiers Album aufgreift (Abb. 18 und Spier Abb. 11).158 Beide Künstler rücken in ihren Bildern die Architektur und die Dimension des Raumes in den Vordergrund, die Menschen erscheinen im Vergleich dazu winzig klein bzw. sind kaum wahrnehmbar. Ein anderes Bild stammt von Otto Kaufmann

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(1896–1944), der einen ähnlichen Stil wie Jo Spier verwendet (Abb.  19).159 Auch Kaufmann zeigt Theresienstadt hier als winterliche Idylle, ohne einen Hinweis auf die tatsächlichen Verhältnisse zu geben. Die SS wollte mithilfe des Albums (und anderer Werke) die Kontrolle darüber erhalten, wie die Außenwelt Theresienstadt wahrnahm. Wie an den Beispielen deutlich wurde, versuchten die Machthaber das Bild einer produktiven und mit einem hohen Freizeitwert versehenen »Jüdischen Mustersiedlung« zu erzeugen. Gerade die vielen Arbeitsdarstellungen in Spiers Album sollten zum einen die angebliche ökonomische Effizienz und Autonomie der »Selbstverwaltung« belegen, zum anderen auch die Alibi-Funktion von Theresienstadt als wichtiges »Arbeitsghetto« aufzeigen, das auf die Arbeitskraft der Juden dringend angewiesen war.160 Diesem offiziellen Blick auf das Ghetto versuchten die Insassen teilweise mit ihren heimlich hergestellten Bildern etwas entgegenzusetzen. Gleichzeitig existieren Häftlingsarbeiten, deren Bildsprache den beschönigenden Auftragsarbeiten recht nahe kam. Anhand der Ästhetik eines Häftlingsbildwerks lässt sich also nicht entscheiden, ob es der NS-Medienpolitk diente oder nicht, sodass letztendlich hier nur ein Blick auf den konkreten Entstehungs- und Nutzungskontext hilft. 4.4.3 Alfred Kantor  : Ein Geschenk für den Lagerältesten

Auch das sogenannte Schwarzheide-Album von Alfred Kantor kann als Auftragsarbeit charakterisiert werden.161 Im Unterschied zu Joseph Spiers Album wurde es allerdings nicht von offiziellen Stellen benutzt, sondern diente innerhalb der Häftlingsgemeinschaft als Geschenk für den Funktionshäftling Reinold Sliwka, der vom 1. Juli bis zum 31. August 1944 in Schwarzheide die Position des Lagerältesten innehatte.162 Die 22 kartonierten Blätter des Albums sind bis auf wenige Ausnahmen jeweils auf der Vorder- und Rückseite mit Papier beklebt.163 Die einzelnen Papiere weisen sowohl Bilder als auch Texte auf. Die bestimmende Struktur des Albums ist die 102  |  Die Ästhetik der Bildserien

Doppelseite, wobei sich auf der linken Seite der Text meist in Form eines gereimten Vierzeilers befindet, der die Zeichnung auf der rechten Seite satirisch kommentiert. Dieser humorvolle Ton des Albums wird gleich zu Beginn im Vorwort deutlich (Kantor Abb. 3)  : In diesem Buch, zur Augenweide / zeigen wir Bilder aus Schwarzheide, / wohin nach langer Irrfahrt Tagen / das Schicksal endlich uns verschlagen  : / Wir stiegen aus  ; verbeult, verbogen – / da kamen Worte schon geflogen  : / ›Ihr Säcke  !‹ ›Riff kabilen  !‹ ›Los  !‹ / ›Staubwolke  !‹  – Und wir staunten bloß. / Doch daran sind wir nun gewöhnt / mit ›Sack‹ und ›Staubwolke‹ versöhnt / nach vierzehn Tagen fühlen wir / wir sind schon fast zu Hause hier. Zusätzlich zum Text greift das linke Blatt die zentralen Elemente aus der dazugehörigen rechten Bildszene in vereinfachter Form wieder auf, beispielsweise eine einzelne Lore, die in der Arbeitsszene wieder auftaucht (Kantor Abb.  7 und 8), dann Suppenteller, Löffel und Kelle, die für die Essensausgabe stehen (S.  2 verso des Albums164 und Kantor Abb.  9) oder mehrere Fieberthermometer, die den Arztbesuch vorwegnehmen (Kantors Schwarzheide-Album, S. 15 verso, S. 16 recto). Ebenso wie in Joseph Spiers Album wird auch in der Bildfolge Alfred Kantors der Aspekt der Arbeit stark betont. In zahlreichen Szenen sieht man u. a. Häftlinge Loren schieben (Kantor Abb.  8), Zementsäcke zu Eisenbahnwaggons schleppen (S. 6 recto), Rohre reparieren (Kantors Schwarzheide-Album, S.  7 recto) und Zäune errichten (Kantors Schwarzheide-Album, S. 9 recto). Hierzu zählen auch mehrere Szenen, die sich mit der Zubereitung und der Ausgabe der Häftlingssuppe beschäftigen (Kantors Schwarzheide-Album, S. 11 recto, S. 12 recto und Kantor Abb. 9). Andere Darstellungen zeigen tägliche Ereignisse wie das morgendliche Wecken, den Zählappell, die Arbeit des Häftlingsarztes oder – für Lagerbilder eher ungewöhnlich  – die Rasur eines Gefangenen (Kantor Abb. 4, 6 und Kantors Schwarzheide-Album, S. 16 recto und S. 17 recto). Zusätzlich geben Innen- und Außenansichten der Holzbaracken einen Einblick in

die Architektur des Häftlingslagers (Kantor Abb. 10 und Kantors Schwarzheide-Album, S. 19 recto und S. 21 recto). Dass es sich bei Kantors Album um ein Geschenk für den Schwarzheider Lagerältesten Reinhold ­Sliwka handelt, machen v. a. zwei Bilder am Ende des Buches deutlich. Auf der Vorderseite von Blatt 20 entladen mehrere Häftlinge einen Lastwagen mit Anhänger, der einige Gegenstände, darunter Säcke, Pakete und sogar ein Möbelstück enthält (Kantors Schwarzheide-Album, S.  20 recto). Der dazugehörige Text »Nicht Weihnachtsmann noch Nikolaus / Reinhold bringt uns alles ins Haus  !« preist den Adressaten des Albums als vermeintlichen Wohltäter an, der die Häftlinge großzügig mit den abgebildeten Waren versorgt (Kantors Schwarzheide-Album, S. 19 verso). Das nächste Blatt zeigt ein einfach möbliertes Zimmer (Kantor Abb.  10), das laut nebenstehendem Bildtext Ausdruck des scheinbar selbstlosen Charakters von Reinhold Sliwka ist  : »Kein Prunkgemach, nein einfach, schlicht / so wie der Mann ist auch sein Zimmer. / Wir sehen Dich als Tyrannen nicht, / doch sehen Dich als Vorbild immer  !«. Hinter dem Bildtext ist zudem ein nur aus Umrisslinien bestehendes Porträt zu erkennen, das durch ein markantes Profil des Porträtierten auffällt. Die in Text und Bild ausgedrückten Eigenschaften Großzügigkeit und Einfachheit wirken für heutige Betrachter so, als würden die Häftlinge unterschwellig Kritik üben – wenn auch humorvoll verpackt. Ob dies tatsächlich auch so beabsichtigt war und wie das Album damals wirkte, lässt sich heute nicht mehr rekonstruieren, zumal Reinold Sliwka sein Geschenk überhaupt nicht erhielt.165 Im Folgenden ist nun zu fragen, welches Bild vom Lageralltag das Album entwirft und welchen Einfluss dabei seine Funktion als Auftragsarbeit hat. Ein Vergleich mit anderen Häftlingszeichnungen aus der gleichen Zeit ist allerdings schwierig, da sich keine anderen Bildwerke mit Szenen über Schwarzheide erhalten haben.166 Von Alfred Kantor ist immerhin bekannt, dass er neben dem Album auch einige Skizzen aus dem übrig gebliebenen Zeichenmaterial und Papier anfertigte, von denen er allerdings die meisten nach eigener Aussage wieder zerstörte.167 Eine

dieser Skizzen, eine Bleistiftzeichnung, die mehrere Häftlinge während eines alliierten Bombenangriffs abbildet, hat Kantor in seinem 1945 im bayrischen DP  Camp Deggendorf entstandenen illustrierten Buch eingefügt, das 1971 unter dem Titel »The Book of Alfred Kantor« veröffentlicht wurde (Abb. 20).168 Aus diesem Buch sollen aus Ermangelung an Darstellungen aus der Lagerzeit zum Vergleich einige der Nachkriegsdarstellungen hinzugenommen werden. Betrachten wir zunächst eine Arbeitsszene aus dem Schwarzheide-Album (Kantor Abb.  8). Abgebildet sind mehrere Häftlinge, die eine voll beladene Lore schieben, im Vordergrund ist ein weiterer Gefangener mit einem Gegenstand in der Hand, wahrscheinlich eine Spitzhacke, zu sehen. Wie in zahlreichen anderen Szenen des Albums weisen die Holzbaracken und die Nadelbäume im Hintergrund auf das Häftlingslager als den Ort der Handlung hin. Dass die Arbeit mit den Loren eine anstrengende Tätigkeit bedeutet, spiegelt sich durchaus in der gebeugten Körperhaltung der Figuren wider. Gleichwohl scheint die Arbeit in dieser Darstellung einigermaßen erträglich zu sein, denn ausgemergelte Körper sind nicht zu sehen und auch die SS taucht als Machtfaktor nicht auf. Ebenso fehlt hier wie auch bei den meisten anderen Bildern (Ausnahme Kantor Abb.  2 und Kantors Schwarzheide-Album, S.  7 recto) ein Hinweis darauf, dass die Häftlinge hauptsächlich in einem Industriegebiet arbeiten mussten. Stattdessen wirken die Arbeitsszenen so, als würden sie in erster Linie auf dem mit Nadelbäumen gesäumten Lagergelände stattfinden. Die schwere Häftlingsarbeit an den Loren bildet auch eine Aquarell- und Tuschezeichnung Kantors aus der Nachkriegszeit ab (Abb. 20).169 Im Unterschied zu Kantors erstem Bild sind hier die Körper der Gefangenen dünner und länger, zudem werden sie von einem uniformierten Wächter mit Fußtritten angetrieben. Der Hintergrund zeigt statt Baracken und Bäumen nun Fabrikgebäude und -schlote. Mit diesem Bild rückt Kantor den Zwangscharakter und die Brutalität der Arbeit ebenso in den Fokus wie die Funktion von Schwarzheide als Arbeitslager für die Industrie.

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Eine andere Szene aus dem Schwarzheide-Album zeigt die Essensausgabe zur Mittagszeit (Kantor Abb.  9). Wieder bilden Baracken und Bäume den Hintergrund, während im Vordergrund ein Häftling seinen Mitgefangenen aus einem großen Fass die Suppe ausschenkt. Die Nachkriegsdarstellung dagegen betont die Macht und die Gewalttätigkeit der Funktionshäftlinge, was sich durch einen prügelnden Kapo, aber auch den »Suppenverteiler« ausdrückt, der sich physisch mit seiner Größe, nacktem Oberkörper und Gesichtsausdruck deutlich von den anderen Figuren abhebt (Abb. 22).170 Auffällig an Kantors Werk sind allerdings auch die Aspekte, die fehlen. Neben dem Ausblenden von Gewalt, Tod und der Fabrik als Ort der schweren Häftlingsarbeit werden auch die alliierten Bombenangriffe, die ja den Hauptgrund für die Beschäftigung der Häftlinge bildeten (so sollten die Gefangenen Trümmer beseitigen, Bombenschäden reparieren, Blindgänger entschärfen und Luftschutzbunker bauen171), im Album völlig ausgeklammert. Wie stark diese Angriffe und ihre Folgen die Existenz der Häftlinge in Schwarzheide bestimmte, zeigen die zahlreichen Darstellungen zu diesem Thema in Kantors Nachkriegsbuch vom Sommer 1945, die nicht nur die Vorbereitungen auf die Angriffe wie den künstlichen Nebel oder den Luftalarm thematisieren, sondern auch brennende Fabrikgebäude, getroffene Häftlingsbaracken und umfangreiche Wiederauf bauarbeiten zeigen.172 Auch die oben erwähnte Bleistiftzeichnung, die Kantor neben dem Album heimlich in Schwarzheide anfertigte, entstand unmittelbar nach einem Bombenangriff. Abgebildet sind mehrere Gefangene in einem Schutzraum, in dem sie sich nach Kantors Aussage zum ersten Mal aufhalten durften (Abb. 20).173 Warum Alfred Kantor eine solche idealisierende Sicht wählte, liegt meiner Meinung nach v. a. an der Funktion des Albums als Auftragsarbeit. Denn zum einen war die Weitergabe eines Bildwerkes an einen Funktionshäftling nicht ungefährlich, da ja die Möglichkeit bestand, dass die SS davon Kenntnis erlangte. Aus der Retrospektive betrachtet, räumt Alfred Kantor deshalb auch ein, dass seine Bilder 104  |  Die Ästhetik der Bildserien

ihn (und seine Mithäftlinge) nicht in Schwierigkeiten gebracht hätten  : The sketches in the book were actually sketches about camp life – prisoners working, prisoners going to the barber, prisoners waiting in line for their food, but as I look at them today there was nothing propagandistic about it that could’ve gotten me into trouble because contrary to the truth, the prisoners in my drawings were well fed.174 Zum anderen spielte auch der Wunsch der Auftraggeber eine Rolle, den Beschenkten im guten Licht erschienen zu lassen. So wird nicht nur die angebliche Großzügigkeit und Einfachheit von Reinold Sliwka direkt gelobt, die ihn in den Augen der Häftlinge vermeintlich zum Vorbild hatte werden lassen (siehe oben). Auch die Darstellungen der selbstständig arbeitenden Gefangenen, der ordentlich aufgereihten Häftlingsreihen beim Appell oder bei der Essensausgabe und der stets akkuraten Kleidung drücken die scheinbar erfolgreiche Arbeit des Lagerältesten aus, der im Sinne der SS für Ordnung und Effektivität innerhalb der Häftlingsgemeinschaft zu sorgen hatte.175 Abschließend lässt sich sagen, dass beide Werke ein geschöntes Bild des jeweiligen Lagers zeigen, das scheinbar ohne Terror und Tod, unzureichende Ernährung und mangelhafte Unterbringung, erschöpfende Arbeit, Krankheit und Deportationen auskommt. Stattdessen präsentieren die Darstellungen funktionierende Lager, in denen sich normal genährte Menschen in einer erträglichen (Kantor) bis lebenswerten (Spier) Umgebung aufhalten. Auffällig an den Bildern ist auch die weitgehende Abwesenheit einer Macht- und Kontrollinstanz. Während es zumindest bei Alfred Kantor in zwei Szenen uniformierte Wächter gibt (Kantor Abb. 3 und Kantors Schwarzheide-Album, S.  20 recto), die allerdings kaum auffallen, sind derartige Figuren in Spiers Album überhaupt nicht zu finden. Damit wird die Illusion einer selbstorganisierenden »Häftlingsselbst­ verwaltung« aufrechterhalten, die vermeintlich ohne Befehle und Terror der SS auskommt. Ein zweiter Aspekt der Alben ist die starke Betonung der Häft-

lingsarbeit. Dadurch wird dem Betrachter suggeriert, dass in den beiden Lagern sich die Häftlinge bevorzugt wegen ihres ökonomischen Nutzens aufhielten. Diese Annahme stand allerdings in einem eklatanten Widerspruch zur Realität, in der die Gefangenen nicht nur aufgrund der schlechten Existenzbedingungen starben, sondern auch in die Vernichtungszentren nach Auschwitz und Treblinka oder auf den Todesmarsch (Schwarzheide) geschickt wurden. Trotz der genannten Ähnlichkeiten tauchen zwischen den beiden Werken Differenzen in der Bildsprache auf, die auf den unterschiedlichen Entstehungskontext hindeuten. So waren die sorgfältig gemalten Aquarellbilder, ihre Vervielfältigung in der lagereigenen Druckerei sowie die nachträg­ liche Kolorierung der Drucke nur möglich, weil die SS dafür Material, Zeit und wahrscheinlich auch zusätzliche Häftlinge bereitstellte. Dagegen weisen die monochromen und skizzenhaften Tuschezeichnungen von Kantor auf die Schwierigkeiten hin, als Gefangener inmitten einer mörderischen Umgebung ein Geschenk für den Lagerältesten zu machen. Eine andere Differenz ist in der unterschiedlichen Thematisierung der Gefangenschaft festzustellen. In Spiers Album sind keine Zäune oder Teile der Festungsanlagen zu sehen, sodass Theresienstadt als »normale« Stadt erscheint, deren »Bewohner« sich frei bewegen können. In Kantors Album dagegen wird das Thema Gefangenschaft weitaus stärker betont, nicht zuletzt, weil die beiden Buchdeckel aus dem Stoff der gestreiften KZ-Kleidung bestehen (Kantor Abb. 1). Darüber hinaus tragen in den einzelnen Bildern auch fast alle Figuren den gestreiften Häftlingsanzug und es sind in zwei Szenen Stacheldrahtzäune zu sehen (Kantor Abb. 3 und Kantors Schwarzheide-Album, S.  8 verso und S.  9 recto). Anders als bei Spiers Album ist hier eine Verheimlichung der Gefangenschaft unnötig, da Kantors Werk ja nur innerhalb der Häftlingsgemeinschaft verwendet werden sollte. Schließlich besitzt Kantors Werk eine humorvolle Komponente, die sich v. a. im Bildtext widerspiegelt, ein Element, das in Spiers Werk völlig fehlt. Warum Joseph Spier und Alfred Kantor trotz der unterschiedlichen Auftraggeber zumindest in

Teilen ähnliche Bildlösungen anbieten  – die Betonung der Arbeit und die Ausblendung von Gewalt und Tod  – lag wahrscheinlich am ähnlichen potenziellen Nutzen dieser Arbeiten. Denn sowohl die SS als auch Kantors Mithäftlinge wollten die Gunst der ausländischen Öffentlichkeit bzw. eines Funktionshäftlings erhalten. Dieses Ziel konnten beide nur erreichen, wenn sie ein idealisiertes Bild des jeweiligen Lagers zeichneten, denn die Darstellung der realen Verhältnisse hätte den medienpolitischen Nutzen zunichte gemacht bzw. den Lagerältesten in ein schlechtes Licht gerückt. 4.5 Zur Frage des Autobiografischen in den Bildserien. Die Darstellung des »Ungarnlagers« von Bergen-Belsen

Wie bereits oben erwähnt, besaß das sogenannte »Ungarnlager« von Bergen-Belsen einen Sonderstatus, der den Häftlingen im Vergleich zu den anderen Lagerteilen bessere Lebensbedingungen ermöglichte. Zwei Häftlinge dieses Lagerteils, Zsuzsa Merényi und István Irsai, thematisieren in ihren Werken das spezielle Erleben dieser Gruppe.176 István Irsai kam als Mitglied der Kasztner-Gruppe am 9.  Juli 1944 nach Bergen-Belsen und konnte mit seiner Familie am 4.  Dezember 1944 in die Schweiz ausreisen. Zsuzsa Merényi dagegen wurde zusammen mit ihrer Schwester Lea erst am 4.  Dezember 1944 in Budapest verhaftet und von dort nach Bergen-Belsen deportiert, wo sie am 14. Dezember 1944 eintrafen.177 Dort bekamen die beiden Schwestern die gleichen Baracken zugewiesen, in denen wenige Tage zuvor noch die Gruppe um István Irsai untergebracht war. Im Gegensatz zu Irsai und seiner Familie verblieben Zsuzsa und Lea Merényi bis zum Schluss im »Ungarnlager«, wo sie sich mit anderen Frauen aus der Baracke zusammenschlossen. Erst im April 1945 wurde diese Gruppe um Zsuzsa Merényi bei Tröbitz befreit. Im Folgenden soll untersucht werden, ob es sich bei Zsuzsa Merényis und István Irsais Darstellungen der Kasztner-Gruppe im »Ungarnlager« um Autobiografien handelt oder nicht. Wichtig dabei ist auch die Frage, wie sich die möglichen autobiografiZur Frage des Autobiografischen in den Bildserien  |  105

schen Elemente sowohl auf der Text- als auch auf der Bildebene manifestieren. 4.5.1 Der autobiografische Pakt von Philipp Lejeune

Wann ist ein Text autobiografisch  ? Und können sequenzielle Bilder mit Textanteil ebenfalls als Autobiografie bezeichnet werden  ? Nach Philipp Lejeune kommt dem Leser bei der Beantwortung dieser Frage eine zentrale Bedeutung zu, da er als Rezipient letztlich darüber entscheidet, wann ein Text eine Autobiografie ist.178 Als wichtigstes Kriterium nennt Lejeune die Namensidentität zwischen Autor, Erzähler und Protagonist. Entscheidend dabei ist die Identität des Autors, dessen tatsächliche Existenz für den Leser unzweifelhaft feststehen muss. In den gedruckten Texten wird jede Äußerung von einer Person getragen, die gewöhnlich ihren Namen auf den Umschlag des Buches, auf das Vorsatzblatt oder über oder unter den Titel setzt. In diesem Namen ist die ganze Existenz des sogenannten Autors enthalten. Er ist im Text die einzige unzweifelhaft außertextuelle Markierung, die auf eine tatsächliche Person verweist, die dadurch verlangt, man möge ihr in letzter Instanz die Verantwortung für die Äußerung des gesamten geschriebenen Textes zuweisen.179 Die Behauptung der Namensidentität von Autor, Erzähler und Protagonist bezeichnet Lejeune auch als autobiografischen Pakt.180 Diese Identität lässt sich nach Ansicht Lejeunes auf zwei Arten herstellen  : Zum einen offenkundig, wenn sich der Ich-Erzähler einen Namen gibt, der identisch ist mit dem Namen des Autors.181 Zum anderen implizit durch die Verbindung Autor und Erzähler – etwa wenn Titel wie »Die Geschichte meines Lebens, Autobiografie etc.« auftauchen oder wenn der Erzähler in den einleitenden Worten als Autor auftritt  –, sodass die grammatische Person »Ich« (seltener die Personalpronomen »Du« und »Er«) deutlich auf den Namen des Autors auf dem Umschlag verweist.182 Pseudonyme sind zwar keine »amtlichen« Namen, deren Existenz nachprüf bar ist, dennoch sieht sie Lejeune immer 106  |  Die Ästhetik der Bildserien

noch als Autorennamen an, die lediglich eine Verdopplung des Namens bewirken, aber kein Wechsel der Identität sind.183 Dagegen ist eine anonyme Autobiografie nach Lejeune nicht möglich.184 Allerdings gibt es auch Kritik an Lejeunes Darstellung des autobiografischen Paktes. So bemängelt Paul de Man in Lejeunes Ausführungen die »transzendentale Autorität«185 des Lesers, die versuche, die »Struktur der wechselseitigen Spiegelungen«186 der drei autobiografischen Instanzen – Leser, Autor im Text und Autor des Textes – zu verdrängen. Zudem riefen diese Spiegelungen die Unmöglichkeit einer Entscheidung zwischen Fiktion und Autobiografie hervor.187 Lejeune selbst hat auf die Kritik hingewiesen, er wolle mit seinem Definitionsversuch keinesfalls »ein klares, kohärentes und vollständiges System« erläutern, da die Autobiografie doch »in Wirklichkeit nach zahlreichen, je nach Epoche und Individuen schwankenden und untereinander oft inkohärenten Kriterien entsteht«.188 Abschließend lässt sich mit Michaela Holdenried sagen, dass Lejeunes »Instrument eines vertrauensgebundenen Vertragsabkommens […] zu grob« ist, doch einen grundsätzlichen Nutzen bei der Aufschlüsselung der »rezeptionsästhetischen Struktur« hat.189. Auch im Bild sind autobiografische Elemente möglich, etwa in Form von Selbstporträts. Allerdings benötigt der Betrachter auch hier eindeutige Hinweise auf die Person des Künstlers, etwa in Form von Bildüber- oder -unterschriften sowie Titelblättern. So ist nach Omar Cala­brese eine der Bedingungen für ein Selbstporträt, dass »Verweise auf die grammatischen Kategorien ›Ich  – hier  – jetzt‹ enthalten sein [müssen]«.190 4.5.2 Zsuzsa Merényi  : Der Lageralltag als Autobiografie

Zsuzsa Merényi zeigt in über 200 Einzelbildern auf 32 Seiten nicht nur ihre Erlebnisse im »Ungarnlager«, sondern hält darüber hinaus auch die Zeit nach der Befreiung im April 1945 bei Tröbitz südlich von Berlin bis zu ihrer Rückkehr nach Budapest im Juni 1945 fest.191 Im Lager selbst zeichnete sie mit einem

Tintenbleistift in einen kleinen, aus Budapest mitgebrachten Taschenkalender, den sie zusätzlich mit kurzen ungarischen Kommentaren versah. Wie bereits weiter oben erwähnt, fiel ihr noch in Bergen-­ Belsen dieses Buch in einen Wassereimer, sodass sie nach der Befreiung die brauchbaren Bilder in ein leeres Schulheft klebte und dabei einige Szene neu zeichnete und Bildtexte ergänzte.192 Im Folgenden stehen die in Bergen-Belsen entstandenen Bilder im Vordergrund, die sich auf den ersten 18 Seiten ihrer Bildserie befinden. Sieht man sich den Inhalt der Zeichnungen an, fallen einem schon auf den ersten Blick Unterschiede zu den Bildern Waldemar Nowakowskis und des Auschwitz-­ Skizzenbuchs auf. Zwar existieren auch bei Merényi sogenannte »Schlüsselmomente«193 des Lageralltags, auf denen deutlich erkennbar z. B. die Verteilung der Nahrung (Merényi Abb. 3, Bild 5 und Merényis Schulheft, S. 18, Bild 7, S. 19, Bild 2), marschierende Häftlinge (Merényi Abb. 6, Bild 2), das Aufsuchen der Toiletten und Waschräume (Merényi Abb.  5, Bild 2, Abb. 6, Bild 10 und Abb. 8, Bild 5) sowie typische Lagerarchitektur wie Wachtürme (Merényis Schulheft, S.  6, Bild  3 und S.  12, Bild  1), Stacheldraht (Merényis Schulheft, S.  15, Bild  3) und das Barackeninnere (Merényis Schulheft, S.  17, Bild  1) zu sehen sind.194 Doch auffällig ist in diesem Werk die Betonung einer persönlichen Perspektive, die sich in den dazugehörigen ungarischen Bildunterschriften ausdrückt. So deuten Beschriftungen wie »Ebédelünk« [Wir essen zu Mittag] (Merényi Abb. 3, Bild 2), »Megyek a mosdóba« [Ich gehe in den Waschraum] (Merényi Abb. 3, Bild 6), »Éhezünk« [Wir hungern] (Merényi Abb. 6, Bild 5) oder »Álmodom« [Ich träume] (Merényis Schulheft, S. 13, Bild 2) in Verbindung mit den entsprechenden Darstellungen einen autobiografischen Hintergrund der Szenen an.195 Handelt es sich beim Werk von Zsuzsa Merényi also um eine visuelle Autobiografie  ? Und wie offenbart sich dies in der Bildsprache des Werkes  ? Zuvor muss allerdings der Unterscheid zwischen einer Autobiografie und einem Tagebuch geklärt werden, denn Merényis Werk wird nicht als »Autobiografie«, sondern als »Tagebuch in Bildern«, »Bildertagebuch« oder schlicht als »Tagebuch« bezeichnet.196

In der Literatur wird grundsätzlich zwischen einem Tagebuch und einer Autobiografie unterschieden.197 Allerdings irrt Lejeune, wenn er als Unterscheidungsmerkmal die »rückblickende Erzählperspektive«198 der Autobiografie nennt, denn auch das Tagebuch zeichnet sich durch eine nachträgliche Bestandsaufnahme aus (etwa am Ende eines Tages).199 Vielmehr liegt der Unterschied zwischen beiden im Zeitbezug  : Während der Tagebuchschreiber nur eine Momentaufnahme des Geschehens liefern kann und zwischen Erleben und künstlerischem Schaffen relativ wenig Zeit vergeht, entwirft der Autobiograf aus einem größeren zeitlichen Abstand und in Kenntnis der Ereignisse eine zusammenhängende Erzählung.200 Das Werk von Zsuzsa Merényi enthält sowohl Elemente des Tagebuchs als auch der Autobiografie, da es neben den zahlreichen (weitgehend) unveränderten Originalbildern aus Bergen-Belsen auch retrospektive Veränderungen und Erweiterungen aufweist. Auch wenn aufgrund der zeitlichen Unmittelbarkeit der meisten Zeichnungen der Begriff »Tagebuch« durchaus seine Berechtigung hat, ist das Werk durch die nachträgliche Transformation v. a. der narrativen Struktur insgesamt eher als retrospektive Autobiografie aufzufassen.201 Im Fall von Zsuzsa Merényi taucht der Eigenname der Künstlerin im Werk selbst nicht auf. Erst auf dem Umschlag des nach der Befreiung verwendeten Schulheftes ist der Name angegeben  : »Merényi Schuller Zsuzsa« 202 (Merényi Abb.  1). Dieser Name verweist auf die real existierende Person Zsuzsa Merényi, die unter dem Familiennamen Schuller als Kind ungarischer Eltern 1925 in Barmen geboren, 1944 nach Bergen-Belsen deportiert und nach ihrer Rückkehr 1945 zu einer bedeutenden Persönlichkeit des ungarischen Ballettunterrichts wurde.203 Ihren Geburtsnamen Schuller änderte sie nach dem Krieg in den Familiennamen ihrer Großmutter mütterlicherseits, wahrscheinlich um einerseits »ungarischer« zu klingen, andererseits um ihre jüdische Identität ein Stück weit vergessen zu machen.204 Der Name ist daher nicht nur als referenzieller Eigenname der Autorin im Sinne Lejeunes zu betrachten, sondern unterstreicht durch Zur Frage des Autobiografischen in den Bildserien  |  107

die gleichzeitige Nennung von Geburts- und später geändertem Nachnamen die wechselhafte Biografie der Künstlerin. Innerhalb des Werkes ist an zahlreichen Stellen das Personalpronomen »Ich« (in deutscher Übersetzung) zu finden, etwa wenn die Erzählerin über ihre Tätigkeiten in der Baracke berichtet (»Ich kehre«, Merényi Abb.  3, Bild  12), die Folgen der mangelhaften hygienischen Bedingungen schildert (»Ich kratze mich«, Merényi Abb.  6, Bild  7) oder auf ironische Weise den Weg zur Lagerlatrine wiedergibt (»Ich reite Richtung Toilette«, Merényis Schulheft, S. 12, Bild 4). Die Identität von Erzähler und Protagonist entspricht damit der klassischen Autobiografie, die in der ersten Person erzählt.205 Aufgrund des autobiografischen Paktes bezieht der Betrachter die im Bildtext vorkommenden Personalpronomen nun auf den Namen, der auf dem Umschlag steht, und bringt ihn auf diese Weise mit der Person Zsuzsa Merényi in Verbindung. Die Namensidentität von Autor, Erzähler und Protagonist ist also zumindest auf der Textebene gegeben, sodass man hier nach Lejeune durchaus von einer Autobiografie sprechen kann.206 Allerdings ergibt sich hinsichtlich der Erzählerfigur auf visueller Ebene eine gewisse Problematik, die nach Martin Schüwer auf der unterschiedlichen medialen Wahrnehmung beruht  : Wer einen Roman liest, hat die Illusion, einem Erzähler im Prozess des Erzählens beizuwohnen. Wer eine Zeichnung betrachtet, hat hingegen nicht die Illusion, einen Zeichner im Prozess des Zeichnens zu erleben.207 So vermag allein der verbale Anteil eine Erzählillusion erzeugen, eine reine grafische Erzählfigur ist nur in Ausnahmen möglich.208 Auch die Figuren, in denen sich Zsuzsa Merényi selbst darstellt (z. B. Merényi Abb.  3, Bild  12, Abb.  4, Bild  1, Abb.  6, Bild 7 oder Merényis Schulheft, S. 12, Bild 4), können nicht allein als visuelle Erzählfiguren gelten, zumal erst durch den dazugehörigen Bildtext mit dem Personalpronomen »Ich« die Identität zwischen gezeichneter Figur und Erzähler hergestellt wird. 108  |  Die Ästhetik der Bildserien

Die Arbeit von Zsuzsa Merényi kann wie eben gezeigt mit einiger Berechtigung als Autobiografie bezeichnet werden. Doch trifft dies auch auf die anderen Bildserien zu  ? Zunächst fallen die Arbeiten etwa von Pavel Fantl oder Jo Spier heraus, da sie keine Unterschrift und also auch keinen Autorennamen aufweisen. Sie sind also schon auf den ersten Blick deutlich nicht als Autobiografie gestaltet. Aber auch die Bildserien von Helga Weissová, Hilda Zadiková, Waldemar Nowakowski sowie von Kurt Loew und Karl Bodek sind keine Autobiografien. Zwar lässt sich jeweils die Identität des Künstlers durch Unterschriften (Weissová und Zadiková), durch bekannte Initialen (»L + B« für Kurt Loew und Karl Bodek, Loew/Bodek Abb.  1) oder wie im Fall von Waldemar Nowakowski durch die Angabe der Häftlingsnummer bestätigen. Doch da kein Protagonist zu erkennen ist und auch kein Erzähler im Bildtext auftaucht, ist die Namensidentität nicht gegeben. Dagegen ist bei der signierten Bildserie von Horst Rosenthal der angegebene Autorenname nicht mit dem Namen des Protagonisten identisch. So lässt Rosenthal seine Hauptfigur, die bekannte Comicfigur Mickey Mouse von Walt Disney, mit »Mickey« unterschreiben, während er selbst darunter mit seinem eigenen Namen »Horst Rosenthal« signiert (Rosenthal Abb. 16). Bei Liesel Felsenthal und Alfred Kantor wiederum existieren zwar die Autorennamen ebenfalls als Unterschrift (Kantors Schwarzheide-Album, S. 18 recto) oder als Name auf dem Titelbild (Felsenthal Abb. 1). Doch die Erzähler in den Bildtexten verwenden ein kollektives »Wir« beziehungsweise ein »Uns«, was nicht zum Autorennamen passt, der eine einzige Person darstellt.209 Diese Werke sind also eher als Biografie einer bestimmten Gruppe als als Autobiografie einer einzelnen Person zu sehen. Schließlich kann auch das Auschwitz-Skizzenbuch nicht als Autobiografie bezeichnet werden, da lediglich die Initialen eines Namens vorhanden sind und somit die Person nicht näher identifizierbar ist. Darüber hinaus existieren ebenfalls kein Erzähler und kein erkennbarer Protagonist. Ob die Arbeit von István Irsai als Autobiografie bezeichnet werden kann, soll weiter unten geklärt werden.

Autobiografische Bildmotive Wie wirkt sich nun das autobiografische Element im Werk von Zsuzsa Merényi auf den Inhalt der Zeichnungen aus  ? Sind die Bilder also nur aus der Biografie der Künstlerin heraus zu verstehen oder benutzt sie ein allgemein verständliches Bildrepertoire, das nur mit autobiografischen Texten versehen ist  ? Zunächst einmal ist festzustellen, dass Zsuzsa Merényi ihre Darstellungen eng mit der spezifischen Geschichte ihres Transportes verknüpft. Schon gleich auf den ersten Seiten ihres Werkes ist eine Zeichnung zu sehen, auf der mehrere mit Koffern und Rucksäcken beladene Menschen von bewaffneten Figuren abgeführt werden. Im Hintergrund ist ein Haus abgebildet, an dessen Wand ein Kreuz und ein Davidstern befestigt sind (Merényi Abb. 2, Bild 4). Mit diesem Bild weist Zsuzsa Merényi auf die Aktionen ungarischer Pfeilkreuzler hin, die Ende 1944 in Budapest zahlreiche Juden, darunter auch Merényi selbst sowie ihre Schwester Lea, aus sogenannten »Schutzhäusern« abholten, deren Bewohner formell unter Obhut des Vatikans standen.210 In der nächsten Zeichnung (Merényi Abb. 2, Bild 5) sehen wir ebenfalls eine Gruppe Menschen, deren Gepäck gerade von einer Frau mit Mantel und Armbinde durchsucht wird. Die Bildüberschrift »Teleki tér 5 [Teleki-Platz]« bezeichnet den Ort des Pfeilkreuzlerhauses in Budapest, wo die zur Deportation vorgesehenen Menschen kurz vor ihrem Transport nach Bergen-Belsen zusammengetrieben wurden. Auch zahlreiche andere Bilder geben konkrete historische Ereignisse oder Tatsachen des »Ungarnlagers« wieder. So zeigt Zsuzsa Merényi etwa die Zugfahrt durch die zerstörte ungarische Stadt Győr (Merényis Schulheft, S. 3, Bild 2), die Bewachung im Lager durch ukrainische Aufseherinnen (Merényis Schulheft, S. 13, Bilder 4 und 5, Merényis Schulheft, S. 19, Bild 2), den Empfang von Lebensmittelpakten des Roten Kreuzes (Merényi Abb.  8, Bild  1), die Existenz eines Gebärzimmers (Merényis Schulheft, S.  19, Bild  2) oder am Ende der Lagerzeit die Evakuierung mit dem Zug (Merényis Schulheft, S. 21, Bilder 3, 5 und 7), die mit der Befreiung im April 1945 bei Tröbitz endet (Merényi Abb. 9, Bilder 1–5).

Anhand dieser Bilder lässt sich bereits die enge Verbindung der Darstellungen mit der Biografie von Zsuzsa Merényi ausmachen. Denn die Darstellungen zeigen hier deutlich die Deportation und den Lageraufenthalt einer bestimmten Häftlingsgruppe in einen speziellen Abschnitt von Bergen-Belsen. Im Vergleich dazu visualisieren die Bilder von Waldemar Nowakowski und des Zeichners des Auschwitz-Skizzenbuchs die allgemeinen Erfahrungen einer unbestimmten Häftlingsgemeinschaft, deren konkrete Herkunft nur angedeutet, aber nicht näher ausgeführt wird. Der Großteil des Werkes von Zsuzsa Merényis besteht allerdings weniger aus der Wiedergabe geschichtlicher Einzelereignisse als vielmehr aus der Darstellung der alltäglichen Probleme und Lebensbedingungen der Häftlinge des »Ungarnlagers« in Bergen-Belsen. Abgebildet sind beispielsweise die täglichen Essenrationen, die aus einer dünnen Suppe mit Dörrgemüse sowie Brot und Wurst für mehrere Personen bestanden (Merényi Abb.  2, Bilder  2 und 3), der weite und beschwerliche Weg zu den Latrinen und Waschräumen (Merényi Abb. 3, Bild 6, Abb. 6, Bild  1 und Merényis Schulheft, S.  12, Bild  4), die von Männern und Frauen gemeinsam genutzt werden mussten (Merényi Abb.  5, Bild  2 und Abb.  21, Bild 5) sowie die verschiedenen Ungezieferarten, die die Häftlinge quälten (Merényi Abb.  3, Abb.  13). Dabei sind die Bildmotive häufig schlicht gehalten, Figuren und Gebäude mit wenigen Strichen wiedergegeben und der Hintergrund oft nur angedeutet. Auch der einfache und spontan wirkende Zeichenstil, der stark an Kinderbilder erinnert, ebnet individuelle Unterschiede v. a. in der Figurendarstellung ein. Dem ungarischen Bildtext kommt dabei eine besondere Bedeutung zu, da er durch die häufig humorvolle Gegenüberstellung von Bild und Text die ironische bis sarkastische Sichtweise der Künstlerin auf die Bedingungen der Gefangennahme und des Lagers wiedergibt. Beispielsweise bildet sie den Beginn der Deportation durch die Darstellung bewaffneter Figuren ab, die von Etage zu Etage des Pfeilkreuzlerhauses gehen und Personen aus ihren Zimmern holen, während der dazugehörige Bildtext den Vorgang ironisch mit den Worten »Wir Zur Frage des Autobiografischen in den Bildserien  |  109

werden zu einem Ausflug eingeladen«, kommentiert (Merényi Abb. 2, Bild 6). An anderer Stelle betitelt sie die Zeichnung eines Wachturms, vor dem ein undurchdringlicher Stacheldraht gespannt ist, satirisch mit »Der Ausgang« (Merényis Schulheft, S. 6, Bild 3) oder sie bezeichnet die Darstellung einer von zahlreichen Häftlingen benutzten Latrine ironisch als »Der Treffpunkt der vornehmen Gesellschaft« (Merényi Abb. 6, Bild 10). Während die vorgegangenen Beispiele sich meist durch das Bildmotiv ableiten oder durch den Bildtext verstehen lassen, existieren bei Zsuzsa Merényi auch eine Reihe von Zeichnungen, deren eigenständige Bildsprache zunächst fremd erscheint. Vielfach gibt erst das im April 1990 zwischen der Gedenkstätte Bergen-Belsen und Zsuzsa Merényi geführte Interview genaueren Aufschluss über den häufig autobiografischen Inhalt einer Darstellung. Beispielsweise ist auf der S. 11 ihres Werkes die Darstellung eines uniformierten Mannes und eines weiblichen Häftlings zu sehen, die auf einem Bett sitzen und sich zärtlich aneinander schmiegen, während am linken Bildrand zwei singende Figuren und im oberen Bildteil eine große Wurst zu erkennen sind (Merényi Abb. 7, Bild 2). Auch mit der ungarischen Bildunterschrift »Látogatónk van« (Wir bekommen Besuch) werden nicht alle Fragen beantwortet. Denn welche Person kommt zu Besuch und wie ist die Verbindung zwischen den Frauen und dem Paar auf dem Bett zu verstehen  ? Und welche Bedeutung hat die abgebildete Wurst  ? Erst das Interview mit Zsuzsa Merényi klärt darüber auf, dass es sich hier um die Darstellung eines Ereignisses handelt, das die Künstlerin selbst erlebt hat. Abgebildet ist ein Ereignis, in dem das wahrscheinlich intime Verhältnis zwischen einem SS-Mann und einer Bekannten von Zsuzsa Merényi eine Rolle spielt, das zu Weihnachten in der Frauenbaracke stattgefunden hat. Auf Anweisung des SS-Mannes mussten die Merényi-Schwestern dabei deutsche Weihnachtslieder singen, als Gegenleistung erhielten sie eine Wurst.211 Die Besonderheiten einer autobiografischen Bilderzählung drücken sich auch in den zahlreichen Darstellungen des persönlichen Umfeldes von Zsuzsa Merényi aus. So bildet sie das soziale Leben in 110  |  Die Ästhetik der Bildserien

den Häftlingsbaracken ab, zeigt, wie sie und ihre Mitgefangenen Karten spielen (Merényis Schulheft, S. 6, Bild 1), Geschichten erzählen (Merényi Abb. 6, Bild  3), Tauschhandel betreiben (Merényi Abb.  6, Bild 8), etwas vorführen (Merényis Schulheft, S. 12, Bild  2), die tägliche Brotration mit dem Maßband gerecht aufteilen (Merényis Schulheft, S. 13, Bild 5) oder singen (Merényis Schulheft, S. 18, Bild 4). Allerdings spart sie auch die Probleme des Zusammenlebens auf engstem Raum und unter großen Entbehrungen nicht aus. Beispielsweise thematisiert Zsuzsa Merényi in mehreren Bildern den Diebstahl von Brot (Merényi Abb. 6, Bilder  6, 11–13 und Merényis Schulheft, S. 13, Bild 3), zeigt die Konflikte mit den Mithäftlingen aus den oberen Etagenbetten, die Unruhe und Schmutz verbreiteten (Merényis Schulheft, S.  12, Bild  5), oder veranschaulicht das Misstrauen beim Teilen der Wurst (Merényi Abb. 8, Bild 3). Einen eigenen Bereich der autobiografischen Bildmotive bilden Zsuzsa Merényis Selbstbildnisse sowie die Porträts ihrer Mitgefangenen. Neben Meré­nyi selbst sind v. a. ihre Schwester Lea sowie ihre Freundinnen aus Budapest, Edit und Böce und eine frühere Bekannte, Kata Ligeti, in zahlreichen Bildern präsent. Dies lässt sich aus dem historischen Kontext erklären, da diese Frauen nicht nur in derselben Baracke in Bergen-Belsen zusammenlebten, sondern auch den Rückweg nach Budapest gemeinsam bestritten.212 Zsuzsa Merényi zeigt die Mitglieder dieser Gruppe häufig bei verschiedenen Tätigkeiten im Lager. So kämmt ihre Freundin Böce sich die Haare gegen Läusebefall (Merényis Schulheft, S. 14, Bild 4), Kata Ligeti bezieht ihr Bett (Merényi Abb.  5, Bild  1) oder Merényi selbst wäscht bei minus 20 Grad ihre Wäsche in einer Schüssel (Merényi Abb. 3, Bild 15). Allerdings sind etliche Figuren infolge des einfachen Zeichenstils sehr schematisch, oft in Umrisslinien und ohne Gesicht dargestellt, sodass die abgebildeten Personen in der Regel nur durch den Bildtext oder das Interview identifiziert werden können. Zsuzsa Merényi zeigt aber nicht nur die Personen bei diversen Aktivitäten, sondern betont in ihren Porträts auch die individuellen Eigenarten einer Person. Dies lässt sich besonders gut auf der Seite

acht ihres Werkes beobachten, das sich ausschließlich den Porträts ihrer Mitgefangenen widmet und folgerichtig auch mit »Arcképek« (Porträts) betitelt ist (Merényi Abb.  4). Unter den Bildnissen stehen jeweils die Namen der betreffenden Personen, zum Teil mit zusätzlichen Charakterisierungen versehen. So beschriftet Zsuzsa Merényi ein Bild ihrer Freundin Edit mit den Worten »Edit aki itt is rendes [Edit, die auch hier sehr nett ist]« (Merényi Abb. 4, Bild 2). Andere Porträts können als Karikaturen bezeichnet werden, da sie die körperlichen Besonderheiten einer Person, hier z. B. die sehr ausgeprägten dunklen Augenbrauen und der schwarze Schnurbart beim »kleinen Izsák« und beim »großen Izsák«, wiedergeben (Merényi Abb. 4, Bilder 4 und 5). Das Porträt Kata Ligetis wiederum zeigt eine Person mit einer modern wirkenden Frisur- und Hutmode aus den 1920er-Jahren und spielt damit auf die (mögliche) Vergangenheit der Person als modebewusste und emanzipierte Frau an (Merényi Abb. 4, Bild 3). Dieses Porträt von Kata Ligeti klammert den Bezug zu den Lebensbedingungen des »Ungarnlagers« bewusst aus. Ganz im Gegensatz dazu steht Zsuzsa Merényis Selbstporträt auf derselben Seite (Merényi Abb.  4, Bild  1), das sie zusätzlich mit »ÉN« (Ich) betitelt. Hier spielt sie durch ihre betont abgenutzt wirkende Kleidung deutlich auf die Verhältnisse in Bergen-Belsen an. Der Kommentar im Interview zu diesem Bild gibt weitere Informationen auf die Herkunft der Kleidung und veranschaulicht zudem den Humor der Künstlerin  : Das bin ich (…) in meinem fleckigen ausgewaschenen Mantel, in den Fechthosen von meinem Bruder und in den Schuhen, die ich vom Arbeitsdienst bekommen habe, die löchrig waren, und wie ich dem Pfeilkreuzler gesagt habe ›Können Sie die nicht tauschen, die haben ein Loch  ?‹ – ›Machen Sie noch ein zweites, dann geht das Wasser auch raus.‹ War eine kluge Antwort …213 Wie gesehen sind die Zeichnungen Zsuzsa Merényis stark autobiografisch geprägt. Häufig visualisieren sie spezifische Ereignisse aus der Lagerbiografie der Künstlerin oder bilden persönliche Erlebnisse durch

eine zum Teil fremd erscheinende Bildsprache ab. Auch die auf den ersten Blick verständlichen Darstellungen weisen oft einen zusätzlichen autobiografischen Hintergrund auf, der sich meist nur durch außertextuelle Bezüge herstellen lässt. Das Autobiografische in den Bildmotiven führt allerdings nicht dazu, dass alle Themen abgebildet werden. Wie bereits weiter oben über die Funktion der Bildserien als Zeugnis angesprochen, zeigt Zsuzsa Merényi in ihrem Werk keine Darstellungen über das Sterben und den Tod im Lager, um ihre Mutter zu schonen, die das Werk nach der Befreiung erhalten sollte. Somit ist das Werk trotz der weitgehenden autobiografischen Perspektive auch als bewusste Interpretation und Auslassung der Ereignisse im »Ungarnlager« von Bergen-Belsen zu sehen. 4.5.3 István Irsai  : Verdichtung und Distanz

Auch István Irsai hat die spezielle Geschichte der ungarischen Juden in Bergen-Belsen in der Form einer Bildserie künstlerisch umgesetzt. Entstanden ist das Werk zwischen 9. Juli und 4. Dezember 1944 im »Ungarnlager«. Die benutzte Technik und das Format sind allerdings unbekannt, da die Arbeit verschollen ist. Bevor wir uns nun der Bildsprache Irsais zuwenden, wollen wir erst klären, ob es sich hier ebenfalls um eine Autobiografie im Sinne Lejeunes handelt. Zunächst ist festzustellen, dass ähnlich wie bei zahlreichen anderen Bilderzählungen, der Eigenname des Künstlers als Signatur, hier »irsai«, auf dem Blatt am rechten Bildrand vorhanden ist. Damit ist eine Verbindung mit der real existierenden Person István Irsai vollzogen, der mit dieser Unterschrift auch andere Werke signierte.214 Im zweiten Schritt müssen wir uns die Bildtexte ansehen, da, wie oben bereits erörtert, nur der Textanteil eines Werks eine Erzählerfigur erzeugen kann. Doch weder der Titel »FILMNEGATIV EGY NEGATIV ALIJÁRÓL [Ein Filmnegativ über eine negative Alija]«, noch die Bildunterschrift »Bergen-Belsen 1944. JÚLIUS 9.-  ?« oder die in Spiegelschrift geschriebenen Buchstaben »TOR« 215 sind als Personalpronomen zu identifizieren. Es existiert also in Irsais Werk kein Protagonist Zur Frage des Autobiografischen in den Bildserien  |  111

und kein Erzähler, sodass die für eine Autobiografie erforderliche Namensidentität von Autor, Figur und Erzähler – anders als im Werk von Zsuzsa Merényi – hier nicht gegeben ist und die Arbeit folglich auch nicht als Autobiografie gelten kann. Im Folgenden ist nun zu fragen, welche Bildsprache Irsai wählt, um das Schicksal der Menschen im »Ungarnlager« von Bergen-Belsen darzustellen. Was sind dabei die Unterschiede zu Zsuzsa Merényis Zeichnungen  ? Auffällig ist zunächst der im Vergleich zu Zsuzsa Merényi deutlich geringere Umfang der Arbeit. Während Merényi ihre persönliche Sicht auf die Geschichte der Menschen im »Ungarnlager« in über 200 Einzelbildern ausbreitet, ist die Bildserie von István Irsai mit lediglich acht Einzelbildern auf einem einzigen Blatt konzentriert. Gleichwohl bildet auch Irsai den Weg ungarischer Juden von der Deportation aus Budapest über die Gefangenschaft im »Ungarnlager« von Bergen-Belsen bis hin zur möglichen Befreiung ab. Die Geschichte dieser Gruppe ist als gezeichneter Negativfilm dargestellt, wobei die einzelnen »Negative« in weitgehender chronologischer Reihenfolge die verschiedenen Ereignisse abbilden.216 Bereits die Darstellung der Gefangennahme der Budapester Juden und ihre Deportation nach Bergen-Belsen offenbart die unterschiedliche künstlerische Herangehensweise. Während Zsuzsa Merényi diesen Zeitraum auf 13 autobiografisch geprägte Zeichnungen ausdehnt (Merényis Schulheft, S. 1–5), benutzt Irsai dafür lediglich zwei Bilder. So zeigt das erste Bild ein großes repräsentatives Gebäude, darüber den Davidstern (Irsai Abb., Bild 1). Um welches Gebäude es sich dabei genau handelt, ist unklar. Wegen der markanten Kuppel und den beiden Seitenflügeln mit Türmchen könnte es eine vereinfachte Ansicht des Budapester Parlamentes sein (erbaut von Imre Steindl zwischen 1885 und 1904).217 Wahrscheinlicher ist allerdings, dass es sich um eine der Synagogen handelt, die einem Teil der Kasztner-Gruppe als Aufnahmelager dienten, bevor sie nach Bergen-Belsen transportiert wurden.218 Eine andere Möglichkeit ist das Altgebäude des Technion in Haifa, errichtet von Alex Baerwald von 1912 bis 1924, das ebenfalls eine große Ähnlichkeit mit Irsais Darstellung hat.219 112  |  Die Ästhetik der Bildserien

Um welches Gebäude es sich dabei tatsächlich handelt, muss wegen der stark stilisierenden Darstellung wohl offen bleiben.220 Im zweiten Negativ ist dann ein Güterwaggon zu erkennen, in dem Menschen eingepfercht sind. Die beiden Szenen drücken nicht wie bei Merényi die individuelle Verfolgungsgeschichte einer bestimmten Person aus, sondern stellen durch die Reduzierung auf grafische Zeichen die Verdichtung einer kollektiven Erfahrung dar. Dabei kann das erste Bild je nach Deutung des Gebäudes auf zweierlei Art interpretiert werden  : Als Parlamentsgebäude gesehen lässt sich der Magen David als Stigmatisierungszeichen der Budapester jüdischen Gemeinde lesen, die unter der zunehmenden Verfolgung, auch unterstützt von einer antijüdischen Gesetzgebung des ungarischen Parlaments, zu leiden hatte.221 Als Universitätsgebäude eines neuen jüdischen Palästinas lässt sich das Bild auch als Symbol der zionistischen Hoffnung deuten.222 Die Darstellung der einzelnen Waggons mit der eingesperrten Menschenmenge ist wiederum als bildliches Zeichen der Deportation zu sehen und steht in seiner Singularität im Gegensatz zu den zahlreichen autobiografischen Abbildungen von Merényis Deportation. Die Verdichtung von Ereignissen zu symbolischen Szenen charakterisieren auch die weiteren Bilder. Irsai veranschaulicht beispielsweise die Gefangenschaft in Bergen-Belsen durch die Darstellung eines Stacheldrahtzauns, entweder als einziger Bildgegenstand (Irsai Abb., Bild 3) oder in Kombination mit einer Häftlingsbaracke und einem Wachturm (Irsai Abb., Bild 4). Als Zeichen des Freiheitsentzuges und Symbol für die Lager wird der Stacheldrahtzaun auch von zahlreichen anderen Häftlingen in ihren Lagerbildern benutzt.223 So ist bei einigen Künstlern der Stacheldrahtzaun noch Bestandteil der Lagerarchitektur, etwa im Hintergrund der Appellszene des Auschwitz-Skizzenbuchs (MM Abb. 1) oder bei Zsuzsa Merényi in der Darstellung des Wachturms (Merényis Schulheft, S. 6, Bild 3 und S. 12, Bild 1). Bei István Irsai ist der Stacheldrahtzaun dagegen schon weitgehend aus dem historischen Kontext herausgelöst und dient als alleiniges Zeichen der Gefangenschaft (zum Symbol des Stacheldrahts in der Nachkriegszeit vgl. Kapitel 6.2).

Eine besondere Verdichtung der speziellen Geschichte des »Ungarnlagers« stellen die beiden Abbildungen dar, in denen in weißer Spiegelschrift die Wörter »TOR« bzw. »tor« vor schwarzem Hintergrund zu erkennen sind (Irsai Abb., Bilder  5 und  7). Im ersten Bild ist der Begriff als alleiniges Bildmotiv in mehrfacher Ausführung dargestellt, im zweiten ist das Wort vorne auf einer angedeuteten Liste oder einem Buch zu sehen. Der Begriff kann dabei mehrere Bedeutungen haben  : Als ungarisches Wort gelesen lässt er sich mit »Schmaus« oder »Mahl« übersetzen.224 Er kann aber auch als »Leichenschmaus« oder »Totenmahl« verstanden werden.225 Damit spielt Irsai möglicherweise auf die paradoxe Situation im »Ungarnlager« an, dass sich die Freigelassenen des ersten Transportes im August 1944 zwar freuen konnten, doch gleichzeitig die Zurückgelassenen regelrecht betrauert wurden, denen im schlimmsten Fall der Tod drohte. Einer der Zurückgelassenen, Yehuda Blum, berichtet später, dass diese Begebenheit »eines der traumatischsten Erlebnisse meines Lebens« war, der Verbleib in Bergen-Belsen hinterließ ein »Gefühl, irgendwie zum Tode verurteilt worden zu sein«.226 Als Transliteration aus dem Hebräischen lässt sich »tor« auch mit »Schlange« oder »Reihe« im Sinne von »in der Reihe (Schlange) stehen« oder »an der Reihe sein« übersetzen.227 Gerade in Verbindung mit der angedeuteten Namensliste könnte dieser Begriff als Hinweis auf die historische Situation im »Ungarnlager« verstanden werden, wo sich wegen der Ausreise in die Schweiz häufig lange Warteschlangen bildeten.228 Betrachtet man die Namensliste hingegen als Buch, ist auch eine religiöse Bedeutung möglich, indem hier die »Tor(a)«, der erste Teil der hebräischen Bibel, gemeint sein könnte.229 Schließlich kann der Begriff als deutsches Substantiv »Tor« verstanden werden, ein Ausgang in die Freiheit, der sich allerdings nur für die ausgewählte Gruppe öffnete. Neben seinen inhaltlichen Bedeutungen besitzen die Wörter v. a. in der ersten Abbildung (Irsai Abb., Bild 5) auch eine Bedeutung als grafisches Zeichen. Denn sowohl die unterschiedliche Typografie in Groß- und Kleinschreibung bzw. in Druck- und Schreibschrift als auch die ungleiche Ausrichtung der Wörter könn-

ten Ausdruck der Heterogenität der Menschen im »Ungarnlager« sein.230 Gleichwohl weist der identische Begriff für alle Mitglieder dieser Gruppe darauf hin, dass trotz der sozialen und persönlichen Unterschiede die Menschen im »Ungarnlager« das gleiche Schicksal teilten. Damit steht Irsais Darstellung im direkten Gegensatz zu Zsuzsa Merényis, die durch ihre Porträts die Individualität und die Eigenarten der jeweiligen Personen betont. Auch das letzte Bild der Sequenz gibt in verdichteter Form die Freilassung der Kasztner-Gruppe mit dem Zug in Richtung Schweiz wieder. Dargestellt sind Gleise sowie der letzte Waggon eines abfahrenden Zuges (Irsai Abb., Bild 8). Links im Bild ist ein Haltesignal zu erkennen, während rechts die Zahl 316 zu lesen ist. Diese Zahl spielt auf den ersten Zugtransport an, bei dem tatsächlich 318 ungarische Juden am 18. August 1944 in die Schweiz ausreisen konnten.231 Irsai gehörte zur zweiten Gruppe, die erst am 4.  Dezember 1944 ebenfalls mit dem Zug in die Schweiz fuhren. Das Bild zeigt also in verdichteter Form die spezifische Geschichte einer Teilgruppe des Kasztner-Transportes. Auf der grafischen Ebene erfolgt die Freilassung vor taghellem Hintergrund, während die Szenen der Gefangenschaft alle mit dunklem Hintergrund versehen sind, die wie »Bilder eines nächtlichen Traums, wie Segmente einer (alp-)traumhaften Geschichte«232 erscheinen. Dass sich diese Geschichte des Transportes in die Schweiz auch für die restlichen Häftlinge des Kasztner-Transportes erfüllt, war keineswegs sicher, denn die Verhandlungen über die Freilassung der zweiten Teilgruppe zogen sich über Monate hin und ließen die Zuversicht auf ein glückliches Ende zusehends schwinden.233 Symbolisches Zeichen dieser Unsicherheit ist die Darstellung des Signalmastes neben dem Gleis. Denn entgegen unserer Erwartung zeigt der Signalflügel angesichts des gerade abgefahrenen Zuges nicht schräg nach rechts oben, was »Fahrt« bedeutet, sondern er ist in waagerechter Position, dem Zeichen für »Halt« abgebildet. Somit ist in der Vorstellung Irsais auch ein Scheitern der Verhandlungen und folglich keine Ausreise in die Schweiz möglich.234 Neben der Verdichtung von Lagererfahrung zu symbolhaften Szenen ist die Distanzierung zum GeZur Frage des Autobiografischen in den Bildserien  |  113

schehen ein weiterer Aspekt des Werkes von István Irsai. Über die Funktion der Lagerkunst als psychologisches Mittel des Selbstschutzes durch Distanzbildung ist bereits in Kapitel  3.3.2 gesprochen worden. Hier soll es um die künstlerische Entscheidung Irsais gehen, die Erlebnisse im »Ungarnlager« aus der distanzierenden Perspektive eines Negativstreifens zu porträtieren. Der Negativfilm verweist auf Kameras und Fotoapparate, die als Bildmetapher Film bzw. Foto immer wieder in Häftlingstagebüchern vorkommen. Häufig wird die Metapher eingesetzt, um die Unwirklichkeit der Lagerwelt hervorzuheben, die im Kontrast zum »normalen« Leben steht. So bemerkt Heinrich Eduard vom Holt (1913–1947) in seinem Tagebuch, das er 1944 in Dachau schrieb  : Das Geschehen um mich herum erscheint mir oft wie ein vorüberrasender Film, den man nur mit halben Sinnen wahrnimmt. Auch die bizarre Folge der Bilder, ihre Hast und Überraschung ist filmisch. Wehe, wenn man selbst zum Akteur der Handlung wird, die von Regisseuren aus einer Welt außerhalb aller sittlichen Werte erklügelt wurde.235 Philip Mechanicus, ein Häftling aus dem Zwangslager Westerbork, sieht sich ebenfalls als unfreiwilliger Darsteller eines Films  : Heute genau ein Jahr von zu Hause weg. […] Und trotzdem ist die Zeit wie in einem Film, wie in einem grässlichen, aber fesselnden Film vergangen […] Den Film habe ich nicht als Zuschauer erlebt, in einem bequemen Sessel, sondern als Darsteller, der beim Spielen die Zähne zusammenbeißen musste. Das ist, wenn man es jeden einzelnen Tag des Jahres tun muss, erschöpfend, und es zerrt an den Nerven.236 Der Film als Synonym für eine unwirkliche Parallelwelt, in der man als Schauspieler agieren muss, das betont auch Renata Laqueur in ihrem Buch über die Tagebücher aus den Konzentrationslagern  : Vokabeln wie ›Leinwand‹ oder ›Kamera‹ finden sich in den Tagebüchern häufig. Viele Autoren beobach114  |  Die Ästhetik der Bildserien

ten gleichsam aus filmischer Perspektive. Alles wie in einem Film zu sehen, hob die unwirklichen und bizarren Erscheinungen dieser Welt noch hervor. […] Vielleicht haben die Tagebuchschreiber im KZ die ›filmische Perspektive‹ deshalb so oft erwähnt, weil man einen Film nach Belieben ›anhalten‹ kann, während das wirkliche Leben weitergeht. Diese Art des Erlebens schuf Abstand zur unerträglichen Wirklichkeit.237 In den visuellen Darstellungen der Häftlinge sind die Bildmetapher Film oder Foto ebenfalls zu finden, wenngleich weniger zahlreich. Eine häufig publizierte Arbeit zu diesem Thema stellt die Zeichnung »Film und Wirklichkeit« von Bedřich Fritta dar, die er 1943/44 in Theresienstadt anfertigte (Abb. 24).238 Gezeigt wird ein alter Mann, der im hellen Scheinwerferlicht vor einem Vorhang sitzt und von einer Kamera gefilmt wird, während eine Maskenbildnerin ihm das Gesicht macht. Als Kontrast zur gefilmten Fassade sieht der Betrachter hinter dem Vorhang ein Skelett sowie eine Mauer mit Stacheldraht, ein Hinweis auf die reale Situation im Ghetto. Neben der metaphorischen Aussage des Bildes, dem Verhältnis von Illusion und Realität, ist diese Zeichnung auch Abbild der historischen Situation, denn in Theresienstadt wurde im Rahmen der »Verschönerungsmaßnahmen« anlässlich des Besuchs des Roten Kreuzes am 23. Juni 1944 auch ein Propagandafilm gedreht.239 Nach der Befreiung tauchen ebenfalls Kameras in den Bildern der Überlebenden auf, etwa bei Alfred Kantor, der die SS-Filmaufnahmen in Theresienstadt darstellt (Abb. 23).240 Thomas Geve wiederum bildet amerikanische Soldaten ab, die nach der Befreiung des Konzentrationslagers Buchenwald Gebäude und ehemalige Häftlinge filmen (Geve Abb.  5).241 Das Besondere bei István Irsais Darstellung ist, dass er gerade nicht den Moment der Filmaufnahme zeigt wie bei Fritta, Kantor oder Geve (mit einer Kamera im Bild) oder den Blick durch die Sucherlinse eines Objektivs wiedergibt. Stattdessen bildet er das Speichermedium selbst ab, den Negativstreifen, der die visuellen Informationen zu den Ereignissen im »Ungarnlager« enthält. Diese Art der Darstellung ist mir nur noch von Andrzej Janiszek (1905–1998) be-

kannt, der unmittelbar nach seiner Flucht aus dem Konzentrationslager Majdanek, die im August 1944 stattfand, einen Filmstreifen zeichnete (Abb. 25).242 Das in Kraśnik bei Lublin gefertigte Werk war für Krysia, die Tochter eines Mitgefangenen bestimmt, und enthält v. a. karikaturistische Szenen aus dem Lager (darunter SS-Männer als Kakerlaken). Die Darstellung des Negativstreifens konstruiert bei István Irsai ähnlich wie bei Andrzej Janiszek eine Distanz zum Geschehen sowohl auf der zeitlichen Ebene als auch auf der räumlichen Ebene. Die zeitliche Distanz ergibt sich aus der Tatsache, dass das Medium Negativstreifen, unabhängig ob Film- und Fotonegativ, die nachträgliche Darstellung eines vorangegangenen Ereignisses ist. Denn entsprechend des technischen Ablaufs sowohl beim (Analog-) Film als auch der (Analog-) Fotografie gelangen die Aufnahmen mithilfe einer Kamera bzw. eines Fotoapparates zunächst auf die lichtempfindliche Schicht eines Films. Zu einem späteren Zeitpunkt wird durch das Entwickeln auf chemischem Weg das latente Bild sichtbar gemacht und anschließend fixiert. Vom Negativfilm werden dann Abzüge hergestellt, die beliebig oft reproduziert werden können. Indem Irsai also bewusst den Negativstreifen als Darstellungsform wählt, bezieht er die zeitliche Dimension seines Herstellungsprozesses mit ein. Damit schafft er einen zeitlichen Abstand zum Geschehen und schlüpft so in die Rolle eines Beobachters, der eine bereits vergangene Erzählung in verdichteten und symbolischen »Fotografien« darstellt. Die räumliche Distanz, die der Negativstreifen hervorruft, zeigt sich in der indirekten Darstellung des Geschehens. Indem der Streifen sich zwischen die »Wirklichkeit« und den Betrachter schiebt, werden verschiedene Wahrnehmungsebenen im Bild­ raum erzeugt. Die erste Ebene besteht aus dem Titel, der Bildunterschrift und eben dem Negativstreifen selbst, der sich durch seine realitätsnahe und räumliche Darstellung gewissermaßen vom Blatt abhebt und sich damit auch von den Ereignissen distanziert. Gleichzeitig ist er aber immer noch ein zweidimensionales Abbild eines echten fotografischen Films. Die zweite Ebene stellen die einzelnen »Negative« dar, die im Kontrast zur gezeichneten Mehrdimen-

sionalität des Negativstreifens durch ihre stilisierte und symbolische Bildsprache kaum Tiefenraum besitzen und damit sehr flach wirken. Zudem ist das einzelne Bild nicht als ein Fenster auf ein dahinter liegendes Geschehen, eben die dritte Wahrnehmungsebene, zu verstehen. Denn ein Blick auf die Rückseite des Streifens (sichtbar im fünften »Negativ«) offenbart, dass sich dahinter kein tatsächliches Ereignis verbirgt. Das Geschehen existiert bei Irsai also nur im Negativstreifen selbst. Damit macht Irsai deutlich, dass die Bilder über die Lager immer nur subjektive Abbildungen der Realität sind und keine objektiven Darstellungen der »Wirklichkeit« sein können. Wie wir gesehen haben, sind Verdichtung und Distanz die beiden prägenden Aspekte in der Bildserie von István Irsai. Während Zsuzsa Merényi die Ereignisse im »Ungarnlager« durch die Abbildung autobiografischer Szenen wiedergibt, zeigt Irsai die Geschichte des Kasztner-Transportes in einer stark verkürzten und verdichteten Darstellung. Die einzelnen Ereignisse werden zu symbolischen Zeichen reduziert. Auch stellt Irsais Bild im Gegensatz zur Unmittelbarkeit und Direktheit der Zeichnungen Merényis keinen unmittelbaren Blick auf das Geschehen dar, sondern schafft eine Distanz zu den Ereignissen. Insbesondere in der Darstellung des Fotonegativstreifens spielt Irsai bewusst mit den Fragen nach Illusion und Realität. 4.6 Übereinstimmende Bildmotive oder lagerspezifische Darstellung  ? Ausgewählte Schlüsselmomente des Lageralltags im Vergleich

In den vorherigen Kapiteln haben wir die ästhetische Vielfalt der Lagerbildfolgen untersucht, die sich in divergierenden Zeichenstilen und Figurendarstellungen, in autobiografischen und distanzierenden Bildern, in politischen Karikaturen, im abwechselnden Gebrauch von realitätsnahen Bildern und Symbolen sowie in den Bildsprachen der Auftragsarbeiten ausdrückt. Dabei griffen die Häftlinge in ihren Werken teilweise auf ältere Bildtraditionen zurück

Übereinstimmende Bildmotive oder lagerspezifische Darstellung  ?  |  115

und passten sie den neuen Bedingungen an. Trotz dieser Mannigfaltigkeit in der Bildästhetik tauchen bestimmte Bildmotive immer wieder in den Lagerbildern auf. Nach Ansicht von Pnina Rosenberg passierte dies trotz des fehlenden künstlerischen Austauschs der Lager untereinander und der für die Gefangenen unvorstellbaren und unvorhersehbaren Ereignisse  : Although the ghettos and the camps were isolated from each other certain themes were prevalent in these works of art. They include depictions of the barbed wire fences and the watchtowers, views of the camps, the daily routine, such as searching for food, attempts at personal hygiene, sickness and death, as well as landscapes and portraits. The common element in all these works is the need to portray and document in the closest detail the tragic and absurd circumstances in which the inmates found themselves. Such a situation was completely unforeseeable and the inmates were in no way prepared for this unimaginable nightmare which recurred in all the various ghettos and camps.243 Auch Stefanie Endlich benennt sogenannte »Schlüsselmomente« des Lageralltags wie »Einlieferungsprozedur, Barackensituationen und Essensausgabe, Zählappelle und Zwangsarbeit, Augenblicke des extremen Ausgeliefertseins, aber auch des Rückzugs und der Kommunikation« 244, die in der künstlerischen Bildproduktion aus den Lagern eine wichtige (und folglich wiederkehrende) Rolle spielen. In diesem abschließenden Kapitel wollen wir uns nun mit der Frage beschäftigen, ob in den Lagerbildfolgen zu bestimmten Themen eine lagerübergreifende Bildsprache existiert oder doch der jeweilige Ort einen Einfluss auf die Wahl und Ausgestaltung eines Bildmotivs besitzt. Um zu einer aussagekräftigen Antwort zu kommen, wähle ich im Folgenden drei Bildmotive aus, die in vergleichbarer Form in den Bildfolgen verschiedener Lager auftauchen, nämlich die Ankunft im Lager, die Essensausgabe und das gemeinsame Waschen.

116  |  Die Ästhetik der Bildserien

4.6.1 Die Ankunft im Lager

Für die Häftlinge war die Ankunft und die Einlieferung ins Zwangslager ein Schock. Denn die Aufnahmeprozedur war nicht nur eine demütigende Erfahrung für den einzelnen Gefangenen, sondern bedeutete auch die Verwandlung des Individuums in einen anonymen Lagerhäftling. Wolfgang Sofsky schreibt dazu  : Wie in vielen totalen Organisationen musste der Ankömmling einen Übergangsritus durchlaufen, der ihn brutal von seiner Lebensgeschichte abtrennte und zum Lagerinsassen programmierte. Eine ausgeklügelte Abfolge von Erniedrigung, Gewalt und Verstümmelung stieß ihn in eine Situation, nach der er nicht mehr derselbe war wie zuvor.245 Obwohl sich der Ablauf bei der Ankunft der Häftlinge in vielerlei Hinsicht ähnelte  – zunächst die Deportation mit dem Zug und der Ausstieg an den Eisenbahnrampen, dann der Fußmarsch ins Lager und schließlich die Aufnahmeprozedur  –, konnte sich die konkrete Gestaltung der einzelnen Phasen teilweise erheblich zwischen den einzelnen Lagern unterscheiden. In Auschwitz wurden viele Juden, die im Rahmen der »Endlösung« ab 1942 in großer Zahl eintrafen, direkt an den Eisenbahnrampen selektiert und ein Teil von ihnen dann sofort in den Gaskammern ermordet.246 Die zur Zwangsarbeit eingesetzten Gefangenen dagegen durchliefen die Aufnahmeprozedur in speziellen Gebäuden mit Badeeinrichtungen (auch »Sauna« genannt), wo sie sich erst ausziehen mussten, dann rasiert und geduscht wurden, Häftlingskleidung erhielten und zum Schluss nach der Registrierung ihre Häftlingsnummer auf ihrem linken Unterarm eintätowiert bekamen. Im Unterschied dazu mussten sich die Häftlinge der anderen Lager bei ihrer Ankunft keiner Selektion unterziehen und wurden auch nicht tätowiert. Die Transporte nach Schwarzheide kamen entweder aus dem Stammlager Sachenhausen oder aus dem »Theresienstädter Familienlager« in Auschwitz-­Birkenau.247 Letztere Gruppe umfasste 1.000 jüdische Häftlinge, die in Güterwaggons und von älteren Wehrmachts-

soldaten bewacht am 1.  Juli 1944 in Schwarzheide eintrafen. Die Insassen des »Ungarnlagers« von Bergen-Belsen gelangten zunächst mit dem Zug bis zur Rampe in Bergen-Hohne, von wo sie zu Fuß in Begleitung der SS die etwa sieben Kilometer bis zum Lager marschieren mussten.248 Aufgrund der besonderen Funktion dieses Lagerteils wurden die Häftlinge bei der anschließenden Aufnahme nicht rasiert und konnten auch ihre Kleidung behalten. Die Transporte nach Theresienstadt kamen in Personen- oder Güterwaggons zunächst am Bahnhof in Bohušovice an.249 Von dort mussten die meisten Menschen zu Fuß ins Ghetto marschierten, während Kranke und Ältere mit dem Lastwagen transportiert wurden. Erst ab Juni 1943 trafen die Transporte nach Verlängerung der Bahnstrecke innerhalb des Ghettos ein. Nach ihrer Ankunft mussten die Neuzugänge unter Bewachung von SS-Leuten, tschechischen Gendarmen sowie Mitgliedern der Ghettowache und der sogenannten »Transporthilfe« zunächst in die sogenannte »Schleuse« gehen, wechselnde Räumlichkeiten, in denen die Kontrolle und Abgabe des Gepäcks, die Registrierung und die Zuweisung in die Unterkünfte erfolgte. Nach Gurs wiederum gelangten die meisten Deportierten zunächst mit dem Zug, der im nahegelegenen Bahnhof Oloron hielt, um dann mit offenen Lastwagen und bewacht von französischen Soldaten ins Lager transportiert zu werden. Dort wurden die Menschen registriert und in die entsprechenden Baracken aufgeteilt.250 Zwar waren die Ankunft und der erste Kontakt mit der Realität des Lagers für die meisten Häftlinge ein einprägsames Erlebnis, doch wurde dies nicht in allen Lagerbildfolgen thematisiert. Zum Teil sind nur einzelne Aspekte des gesamten Ablaufs abgebildet wie etwa die Selektion bei Waldemar Nowakowski (Nowakowski Abb.  36) oder die Registrierung bei Horst Rosenthal (Rosenthal Abb.  6). Das Auschwitz-Skizzenbuch hingegen präsentiert die verschiedenen Phasen von der Ankunft an der Rampe über die Selektion und den Raub der zurückgelassenen Gepäckstücke in einer zusammenhängenden dreiteiligen Sequenz (MM Abb. 6–8). Auch der Schock der plötzlichen Begegnung mit der Lagerwirklich-

keit wird lediglich in einer Darstellung von Rosenthal umgesetzt, als die Comicfigur Mickey Mouse beim Anblick einer realen Fotografie des Lagers Gurs zurückschreckt, wobei zusätzlich die comicspezifischen Ausdrucksmittel des Erstaunens und des Erschreckens zu sehen sind (Rosenthal Abb. 6). Als einziges lagerübergreifendes Bildmotiv ist hier die ankommende Häftlingskolonne zu nennen, die in den Werken von Helga Weissová (Theresienstadt) (Weissová Abb.  3), Alfred Kantor (Schwarzheide) (Kantor Abb.  2) und dem Auschwitz-Skizzenbuch (Auschwitz-Birkenau) (MM Abb. 6) vorkommt. Im Folgenden soll dieses Bildmotiv auf Gemeinsamkeiten, aber auch mögliche lagerspezifische Unterschiede untersucht werden. Als wiederkehrender Bestandteil taucht in allen drei untersuchten Szenen die Bewachung der Gefangenen auf. Im Auschwitz-Skizzenbuch befinden sich auf beiden Seiten der Deportierten bewaffnete Männer, die allein durch ihre Größe und ihre erhöhte Position auf den Waggons die Gruppe der Häftlinge überragen. Zusätzlich einschüchternd wirkt die Figur auf der linken Seite, die mit Gewehr im Anschlag die ankommenden Juden bedroht, während ein dahinter stehender Offizier mit ausgestrecktem Arm die Kommandos gibt. Auch die schwarzen Figuren in Kantors Bild, die mit ihren Gewehren und Helmen an Soldaten erinnern,251 drücken das Bedrohungspotenzial der Bewachung aus. In Helga Weissovás Bild begleitet ebenfalls eine bewaffnete Person den Transport, wobei ihre Uniform sie als Mitglied der tschechischen Gendarmerie ausweist.252 Hier wirkt der Wächter allerdings weniger beunruhigend, was eventuell mit der überwiegend positiven Beurteilung der Gendarmen durch die Theresienstädter Häftlinge zusammenhängt.253 Trotzdem machen in allen drei Bildern die bewaffneten Soldaten die Hilflosigkeit der Deportierten deutlich. An Flucht ist angesichts der Bewachung nicht zu denken, entsprechend ist die Situation für die Menschen unausweichlich. Die Figur des Soldaten als bedeutendes Element der Deportationsszenen fand auch in zahlreichen anderen Häftlingsbildern eine große Verbreitung.254 Im Unterschied dazu verzichteten die Künstler, die nicht inhaftiert waren, auf diese zent-

Übereinstimmende Bildmotive oder lagerspezifische Darstellung  ?  |  117

rale Figur und orientierten sich eher an den traditionellen Flüchtlingsdarstellungen.255 Ein weiterer gemeinsamer Aspekt der Lagerankunft ist die Darstellung der »endlosen« Häftlingsreihe. Im Allgemeinen standen die Lagerhäftlinge vor dem Problem, die große Anzahl an deportierten Personen bildlich auszudrücken.256 Denn Helga Weissová, Alfred Kantor und der unbekannte Zeichner des Auschwitz-Albums konnten nicht alle Menschen eines Transportes gleichzeitig abbilden, da dies auf Kosten der Übersichtlichkeit gegangen wäre. Aus diesem Grund verwendeten sie die Technik der Perspektive oder schnitten die Figuren an, um eine größere Personenzahl anzudeuten, als auf dem Blatt tatsächlich vorhanden ist. Im Auschwitz-Skizzenbuch ist die Gruppe der Häftlinge zentralperspektivisch ausgerichtet, sodass die Figuren immer kleiner werden und weniger Details besitzen, bis sie sich im Bildhintergrund verlieren. Der Rauch der Lokomotive am Horizont verstärkt die scheinbare Endlosigkeit des Transportzuges. Alfred Kantor verwendet in seinem Bild ein ähnliches Prinzip, indem er die Häftlingskolonne von hinten zeigt, die sich dann perspektivisch auf das Lagertor fokussiert. Helga Weissová hingegen bildet die Häftlingsgruppe von der Seite ab. So ist von einer Person nur noch der Rucksack zu sehen, bei anderen Figuren fehlen aufgrund des gewählten Bildausschnittes die Beine. Die Figuren drängen gewissermaßen über den Bildrand hinaus, dem Betrachter wird somit suggeriert, dass er nur einen kleinen Ausschnitt aus einem viel größeren Geschehen sieht. Neben den erwähnten lagerübergreifenden Aspekten sind auch deutliche Unterschiede zu beobachten, die auch ortsspezifische Gründe haben. V. a. die architektonischen Details im Bildhintergrund drücken die örtlichen Besonderheiten des jeweiligen Lagers aus. Besonders offensichtlich wird dies etwa bei Alfred Kantor, wo im Bildhintergrund ein Fabrikgelände mit Schloten, großen Werksgebäuden und Stahlkonstruktion zu sehen ist, ein Hinweis auf die Funktion von Schwarzheide als Arbeitslager. Der Stacheldraht, der das Lager mit den Fabrikanlagen umschließt, zeigt aber auch den Zwangscharakter dieses Ortes auf. Das über dem Lagertor 118  |  Die Ästhetik der Bildserien

angebrachte Schild mit den Buchstaben »BRABAG« (Braunkohle-Benzin AG) und der Ortsname »Schwarzheide« im Banner am unteren Bildrand markieren den genauen Ort des Lagers. In Helga Weissovás Bild dagegen ist im Bildhintergrund ein Gebäude mit vergitterten Fenstern und geschlossenem Tor zu erkennen. Hier wird auf die Steinbauten der ehemaligen österreichischen Festung Theresienstadt angespielt, die nun als Unterkünfte dienen. Die Gitterstäbe vor den Fenstern, hinter denen sich stilisierte Köpfe befinden, sowie die geschlossene Hausfront am oberen Bildrand betonen auch hier die Bestimmung des Ortes, nämlich ein riesiges Gefängnis für deportierte Juden zu sein. Demgegenüber ist im Auschwitz-Skizzenbuch das Bild der ankommenden Deportierten völlig frei von Gebäuden, ein Hinweis auf die Spezifika des Ortes wird dadurch erschwert. Erst das letzte Bild aus der oben genannten dreiteiligen Sequenz (MM Abb. 8) enthält bauliche Details, die helfen, den Ort näher zu bestimmen. Dargestellt ist ein Häftlingskommando, das die zurückgelassenen Gepäckstücke der Deportierten aus den Waggons holt, während die gerade zur Zwangsarbeit selektierten Juden zu Fuß in Richtung mehrerer Gebäude marschieren, die am Horizont als Silhouette auftauchen. Der relativ weite Marsch ins Lager sowie die Beschaffenheit der hölzernen Plattform weist deutlich auf die sogenannte »alte Judenrampe« als Ankunftsort der jüdischen Transporte hin. Diese Rampe wurde im Juli 1942 eigens für die Ausladungen der jüdischen Massendeportationen eingerichtet und befand sich an einem Nebengleis des Güterbahnhofs Auschwitz zwischen dem Stammlager und Birkenau. Erst ab Mitte Mai 1944 ersetzte die SS sie dann durch eine neue Rampenanlage, die sie innerhalb des Lagers Auschwitz-Birkenau zwischen den Abschnitten BI und BII errichten ließ.257 Weitere lagerspezifische Besonderheiten lassen sich auch bei der Darstellung der Figuren beobachten. So sind die mitgeführten Gepäckstücke in den Szenen von Helga Weissová und im Auschwitz-Skizzenbuch zunächst ein gemeinsames Zeichen für die gerade erfolgte Ankunft der Personen. Auch die gebeugte Haltung der Figuren in Weissovás Bild bzw. der fragende Blick des Jungen im Matrosen-

anzug aus dem Skizzenbuch scheinen die übergreifende Ungewissheit und Sorgen der ankommenden Menschen auszudrücken. Gleichwohl ist die Individualität der Figuren im Skizzenbuch, die sich auch durch ihre Kleidung und die Frisuren mitteilt, ein deutliches Indiz dafür, dass sie die Aufnahmeprozedur noch nicht durchlaufen haben oder, wie hier, gerade auf dem Weg zu den Gaskammern sind. In Theresienstadt dagegen konnten die Menschen ihre Kleidung behalten und wurden auch nicht rasiert. Auf die Besonderheit des Ghettos weist zudem die Transportnummer hin, die von den deportierten Juden aus dem »Protektorat« vor dem Abtransport auf der Kleidung und den Gepäckstücken angebracht werden musste.258 In Kantors Bild dagegen sind die Figuren nur als anonymisierte Häftlingskolonne in der »typischen« gestreiften KZ-Kleidung gezeichnet, die ohne Gepäck und in perfekter Marschordnung durch das Tor gehen. Hier ist der Prozess der »Umwandlung des Individuum zum Massenmenschen« 259 schon abgeschlossen, die Figuren haben ihren Status als Neuankömmlinge offensichtlich schon hinter sich. Damit spielt die Zeichnung auf die besondere Funktion von Schwarzheide als Arbeitslager an, das nur Häftlinge aufnahm, die vorher aus anderen Konzentrationslagern kamen. Während eine Minderheit der Gefangenen aus dem Stammlager Sachenhausen kam, stammte der Großteil, nämlich die 1.000 jüdischen Gefangenen, darunter auch Alfred Kantor, aus dem »Theresienstädter Familienlager« in Auschwitz-Birkenau. Diese waren bei der Ankunft, wie auch die Zeichnung Kantors wiedergibt, kahlgeschoren und trugen gestreifte Häftlingskleidung.260 4.6.2 Die Essensausgabe

Für die Häftlinge in den unterschiedlichen Lagern waren der Hunger und der tägliche Kampf um die Nahrung ein existenzielles Problem.261 Die große Bedeutung der Nahrung zeigt sich auch in den zahlreichen Darstellungen der Lagerbildserien, die sich mit den verschiedenen Aspekten zum Thema Essen beschäftigen. Dies reicht von der Suche nach etwas Essbarem (z. B. Weissová Abb.  18, 22   ; Merényis

Schulheft, S. 18, Bild 2), der Zubereitung der Mahlzeiten (Spier Abb.  14  ; Kantor Abb.  9  ; Rosenthal Abb.  10), dem Transport der Lebensmittel (Merényis Schulheft, S.  19, Bild  2  ; MM Abb.  2, rechtes Bild), über das Stehlen von Brot (Leskly Abb. 38, 45, 46) und abgemagerten Häftlingen (MM Abb.  3–5, Auschwitz-Skizzenbuch, S.  11 und 21  ; Nowakowski Abb. 10, 27, 30, 38–42) bis hin zu Träumen über reichhaltiges Essen (Merényi Abb.  7, Bild  1  ; Weissová Abb. 41). Um die einzelnen Darstellungen besser vergleichen zu können, wähle ich im Folgenden einen in den Lagerbildfolgen häufig visualisierten Teilaspekt aus, nämlich die Essensausgabe. Dieses Motiv taucht bei Alfred Kantor (Kantor Abb.  9), Waldemar Nowakowski (Nowakowski Abb.  7) und im Auschwitz-Skizzenbuch (MM Abb.  2, linkes Bild) sowie mehrfach bei Erich Lichtblau-Leskly (Lichtblau-Leskly Abb.  29–31) und Helga Weissová auf (Weissová Abb. 10, 12, 13, 27). Da die gemeinsamen Bildelemente fast aller Szenen ein großer Kessel, ein Austeiler mit Kelle sowie die wartenden Häftlinge sind, gehe ich davon aus, dass es sich hier um die Verteilung der Mittagsration handelt, die meist aus einer Suppe bestand. In den Konzentrationslagern des SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamts wurde die Suppe in Kesseln aus den Lagerküchen und Magazinen abgeholt und durch Funktionshäftlinge ausgegeben.262 Die wässrige Suppe enthielt in der Regel Steckrüben, Kartoffeln und gelegentlich auch etwas Fleisch, wobei ihr Nährwert völlig unzureichend war und viele Häftlinge hungerten.263 Im »Ungarnlager« von Bergen-Belsen erfolgte die Verteilung der Suppe durch einen Küchendienst der internen Häftlingsverwaltung, der die Kessel aus dem Küchengebäude holte und in den einzelnen Baracken an die verschiedenen Familien und Gruppen ausgab.264 Anfangs konnte das Essen mithilfe mitgenommener Lebensmittel und Vorräte zunächst ergänzt werden, doch im Lauf der Zeit wurde die Verpflegung immer mehr rationiert und ihre Verteilung geschah nur noch sehr unregelmäßig.265 Auch in Theresienstadt waren die Essensrationen völlig unzureichend und unausgewogen. Das Mittagessen bestand aus einer Suppe aus Extrakt, die in unregelmäßigen Abständen zusätzlich Kartoffeln, etwas Fleisch oder Graupen enthielt.266

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Im Unterschied zu den anderen Lagern erfolgte hier die Verteilung unter Verwendung sogenannter »Essenkarten« an eigens mit hölzernen Schutzdächern versehenen Küchenschaltern und, als diese nicht mehr ausreichten, auch an den Straßenecken und in den Kasernenhöfen.267 Der Vollständigkeit halber sei noch auf die Essensausgabe in Gurs hingewiesen, obwohl sich in den Lagerbildfolgen keine explizite Darstellung einer solchen Szene befindet. Gekocht wurde dort in offenen Feldküchen mit Kesseln aus Gusseisen, die Verteilung übernahm die interne Häftlingsverwaltung, wobei auch hier die Rationen bei Weitem nicht ausreichten.268 Wo offenbaren sich nun in den Lagerbildfolgen die Gemeinsamkeiten dieses Bildmotivs, wo finden sich mögliche lagerspezifische Unterschiede   ? Zunächst sollen die übergreifenden Bildelemente betrachtet werden. Ein erster Aspekt ist die Darstellung des ungleichen Machtverhältnisses von Suppenausteiler und Gefangenen, was sich v. a. in der unterschiedlichen Körperhaltung und Kleidung offenbart. So drückt in den Arbeiten von Kantor, Lichtblau-Leskly, Nowakowski, Weissová und des Auschwitz-Skizzenbuchs die lässige Handhaltung des Suppenausteilers  – mal in die Hüfte gestemmt (Kantor Abb. 9, MM 2, Weissová Abb. 12), mal in der Hosentasche (Nowakowski Abb.  7)  – bereits auf der körperlichen Ebene eine deutliche Überlegenheit aus. Im Kontrast dazu spiegelt die gebückte Haltung des ersten Häftlings in der Reihe die Unterwürfigkeit und Machtlosigkeit der meisten Gefangenen wider. Auch bezüglich ihrer Kleidung ragt die Figur des Suppenausteilers heraus, indem sie im Unterschied zu ihren Mitgefangenen eine Mütze trägt (Nowakowski), ohne Streifen auf ihrer Kleidung auskommt (Kantor), mit einem weißen Kittel (Lichtblau-Leskly Abb. 29), einem rotweiß gestreiftem (Weissová Abb. 12) oder einem ärmellosen, körperbetonten Hemd bekleidet ist (Auschwitz-Skizzenbuch). Indem sich in diesen Szenen die Figur des Suppenausteilers so deutlich von der Massen abhebt, wird dessen besondere Machtstellung deutlich, die er auch häufig ausnutzte, um z. B. Lebensmittel für sich abzuzweigen, was auf Kosten der anderen Gefangenen passierte.269 120  |  Die Ästhetik der Bildserien

Ein anderer lagerübergreifender Aspekt ist die Darstellung der Häftlingsreihe, die in fast allen Szenen der Essensausgabe auftaucht.270 Nicht die Verteilung der Suppe an den einzelnen Häftling steht im Fokus, sondern die Gruppensituation des erzwungenen gemeinsamen Anstehens soll in den Vordergrund gerückt werden. Um die große Masse der Häftlinge adäquat anzudeuten, sind wie bei den Bildern der Lagerankunft (s.o.) die Figuren teilweise angeschnitten (siehe Weissová Abb.  10, 12, 13) oder die Häftlingsreihe verliert sich perspektivisch im Bildhintergrund (bei Nowakowski, Kantor und dem Auschwitz-Skizzenbuch). Gleichzeitig sind die Häftlingsreihen als Sinnbild des Wartens zu verstehen. Denn die Mehrzahl der mitgebrachten Schüsseln, Tassen und Töpfe ist noch leer, lediglich einzelne Häftlinge haben die Suppe bereits erhalten (siehe Auschwitz-Skizzenbuch, Kantor und Weissová Abb. 13), der Rest wartet ungeduldig darauf, endlich an die Reihe zu kommen. Ganz entscheidend bei der Essensausgabe war auch die Position in der Schlange. So konnte es passieren, dass die Menge der Suppe nicht mehr für alle reichte und die letzten Häftlinge deshalb leer ausgingen. Andererseits erhielten die Personen am Ende der Reihe häufiger die begehrten Beilagen, die aufgrund ihres Gewichts eher am Boden des Kessels blieben.271 Andere, ebenfalls lagerübergreifende Gesichtspunkte, wie etwa die unzureichenden Essensrationen, sind in den Lagerbildserien kaum vertreten. Lediglich Erich Lichtblau-Leskly karikiert in einer Szene die geringen Zusatzportionen für die »Schwerarbeiter«, indem er die Kelle und die darin enthaltende Suppenmenge miniaturisiert (Lichtblau-Leskly Abb. 29). Trotz der genannten Ähnlichkeiten existieren auch Unterschiede in den Motiven, die auf die speziellen Bedingungen in den jeweiligen Lagern hinweisen. So findet in Zsuzsa Merényis Zeichnung die Ausgabe der Suppe im Gegensatz zu allen anderen Szenen an einem Tisch und damit in Inneren einer Baracke statt (Merényi Abb. 3, Bild 5).272 Mit dieser Darstellung spielt Merényi auf die spezielle Essensverteilung im »Ungarnlager« von Bergen-­ Belsen an, bei der ein Häftlingsküchendienst die

Kessel abholte und in den einzelnen Baracken verteilte, wo die Suppe auch meist eingenommen wurde (s.o.). Ebenso weisen die Szenen von Erich Lichtblau-Leskly und Helga Weissová auf die zahlreichen Besonderheiten der Essensausgabe in Theresienstadt hin. So bilden zwei Darstellungen von Helga Weissová die eigens für die Verteilung der Suppen gebauten hölzernen Küchenschalter ab (Weissová Abb.  10, 12). Andere Darstellungen zeigen die Ausgabestellen, die aufgrund des großen Andrangs an den Straßenecken und in den Durchgängen zu den Innenhöfen errichtet wurden (Weissová Abb.  13, 27). Eine weitere Theresienstädter Besonderheit war der sogenannte Ordnungsdienst (O.D.), dessen Mitglie­der, erkennbar an ihren Armbinden, für Ruhe und einen geregelten Ablauf bei der Essensausgabe sorgen sollten (Lichtblau-Leskly Abb. 30–31  ; Weissová Abb. 10). Auch die Tatsache, dass Männer und Frauen gemeinsam bei der Verteilung zu sehen sind (Leskly Abb. 29, 31), war den speziellen Bedingungen in Theresienstadt geschuldet, da in anderen Lagern  – bis auf das »Ungarnlager« von Bergen-­Belsen – die Geschlechter meist räumlich voneinander getrennt waren. Demgegenüber stehen die Szenen von Alfred Kantor, Nowakowski und dem Auschwitz-Skizzenbuch, die sich hinsichtlich des Motivs vergleichsweise wenig voneinander unterscheiden. So findet in allen drei Werken die Essensausgabe im Freien statt, wo ein Funktionshäftling die Suppe aus einem Metallkessel an die mit Schüsseln wartenden Häftlinge ausschenkt. Einzig die Bildhintergründe sind unterschiedlich gestaltet, wobei sie kaum Rückschlüsse auf den konkreten Ort geben können. So sind die Bäume in Alfred Kantors Bild oder der Lagerzaun im Auschwitz-Skizzenbuch, der aus dem nach innen abgewinkelten Betonpfeiler mit den Isolatoren, dem Stacheldraht und den Lampen besteht, keinesfalls als ein Alleinstellungsmerkmal von Schwarzheide bzw. Auschwitz zu sehen, da sie durchaus auch in anderen Lagern auftauchen.273 Bei Nowakowski dagegen weist nichts auf einen konkreten Ort hin, zumal ähnliche Kessel auch in den anderen Lagern benutzt wurden (z. B. Merényis Schulheft, S.  18, Bild  2  ; Kantor Abb.  9). Ebenso wenig kann

die Kleidung der Gefangenen Rückschlüsse auf ein bestimmtes Lager geben, denn neben der gestreiften KZ-Kleidung (Kantor, Nowakowski) war es in vielen Lagern durchaus üblich, den Häftlingen auch Zivilkleidung zu geben (siehe MM Abb. 1). 4.6.3 Das gemeinsame Waschen

Ein letztes hier zu untersuchendes Bildmotiv stellt das gemeinsame Waschen in den sanitären Einrichtungen des Lagers dar. Mit jeweils einem Bild beschäftigen sich Liesel Felsenthal, Helga Weissová und Zsuzsa Merényi mit diesem Thema (Felsenthal Abb. 3, Weissová Abb. 6 und Merényi Abb. 5, Bild 2), während Waldemar Nowakowski zwei Szenen dazu beisteuert (Nowakowski Abb. 27 und 30). Damit beschäftigen sich in den Lagerbildfolgen deutlich mehr Frauen als Männer mit diesem Thema. Eine mögliche Erklärung dieses Ungleichgewichts könnte der Hygieneaspekt sein, der v. a. für Frauen ein wichtiges Thema darstellte. Denn Waschen war bei Frauen in den Lagern nicht nur mit der (lebensnotwendigen) Gesundheit verbunden, sondern bedeutete für sie auch Attraktivität und Weiblichkeit.274 Gleichwohl stellte das Waschen für beide Geschlechter ein elementares Ereignis im Tagesablauf dar. So mussten in allen Konzentrationslagern die Gefangenen gleich nach dem morgendlichen Wecken, häufig brutal angetrieben durch die Funktionshäftlinge, die Waschräume aufsuchen oder zu speziellen Waschbaracken rennen, wobei angesichts der unzureichenden Anzahl und der knapp bemessenen Zeit die Benutzung der sanitären Anlagen außerordentlich schwierig war.275 Im Stammlager Auschwitz waren die Waschräume mit trogförmigen Waschrinnen im Erdgeschoss der doppelstöckigen Unterkunftsblöcke untergebracht, während in Auschwitz-Birkenau erst 1943 die sanitären Anlagen in gemauerten Baracken (Abschnitt  BI) oder Holzbaracken (Abschnitt  BII) fertiggestellt wurden.276 Im »Ungarnlager« von Bergen-Belsen besaß jede Baracke einen eigenen Raum, wo sich die Menschen an langgestreckten Rinnen waschen konnten, wobei auch hier Zeit und Platz knapp waren.277 In Theresienstadt waren in den

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größeren Häusern Waschräume vorhanden, die aber aufgrund des allgemeinen Wassermangels und der Überbevölkerung nicht immer benutzt werden konnten.278 Dagegen existierten in den kleineren Häusern und Unterkünften häufig keine sanitären Anlagen, sodass die Ghettobewohner kleine Becken benutzten oder das Wasser in die Unterkünfte tragen mussten. In Gurs befanden sich am Eingang eines jeden Ilots (Block) hölzerne Becken mit Wasserhähnen, die bis auf ein kleines Dach nach allen Seiten offen waren.279 In den genannten Lagern waren die Waschräume in der Regel nach Geschlechtern getrennt, im »Ungarnlager« konnte es allerdings vorkommen, dass sich Männer und Frauen gemeinsam im selben Waschraum aufhielten, wie die Zeichnung von Zsuzsa Merényi verrät. Wie wird nun das gemeinsame Waschen in den Lagerbildfolgen dargestellt  ? Zu sehen sind meist nackte oder halbnackte, aber auch einige vollständig bekleidete Personen, die an länglichen Waschrinnen (Felsenthal Abb.  3, Weissová Abb.  6 und Merényi Abb. 5, Bild 2) oder wie im Fall von Waldemar Nowakowski unter der Dusche stehen (Nowakowski Abb. 27 und 30). In den meisten Szenen strömt Wasser aus den Armaturen, bei Nowakowski wärmt in einer Szene ein Ofen das Duschwasser auf und in den Szenen von Helga Weissová und Zsuzsa Merényi befinden sich zusätzlich noch Handtücher, Seifen und Becher im Raum. Vergleicht man die Szenen untereinander, sind deutliche Unterschiede zwischen Felsenthal, Weissová und Merényi einerseits und Waldemar Nowakowski anderseits zu erkennen. Hier spielen neben lagerspezifischen Gründen auch Genderaspekte eine wichtige Rolle. Die Einflüsse des Ortes drücken sich bei Felsen­ thal, Merényi und Weissová dahingehend aus, dass z. B. ihre Figuren alle noch mit Haaren versehen sind, sie »normale« Kleidung tragen und  – wie bei Weissová zu sehen – auch Kinder vorkommen. Diese Indizien weisen auf die besonderen Bedingungen der Lager Gurs, Theresienstadt und des »Ungarnlagers« in Bergen-Belsen hin, ohne dass sich damit das jeweilige Lager eindeutig identifizieren ließe. Im Gegensatz dazu zeigt Nowakowskis Bild aus Auschwitz keinen Wasch-, sondern einen Duschraum. Warum 122  |  Die Ästhetik der Bildserien

Nowakowski in seinem Werk statt der täglichen Waschprozedur das wesentlich seltener vorkommende Duschen der Häftlinge bevorzugt, liegt vermutlich auch darin, dass in den Konzentrationslagern das Duschen gerade im Kontext des entwürdigenden Einlieferungsrituals mit Ausziehen, Rasieren und Tätowierung der Häftlingsnummer eine besonders demütigende Rolle spielte.280 Ein weiterer Unterschied von Nowakowskis Bild zu den anderen Darstellungen ist in den hageren und ausgezehrten Figuren zu sehen, die an die sogenannten »Muselmänner« erinnern, ein in den Konzentrationslagern geprägter Begriff für ausgemergelte, häufig apathische Häftlinge, die dem Tod nahe waren.281 Gerade für solche Häftlinge bedeutete das Duschen häufig eine Tortur. So wird in einem Erinnerungsbericht des ehemaligen Häftlings Wojciech Kawecki dieses Verhalten beim Duschen kommentiert  : Endlich dürfen die Häftlinge unter die Dusche. Das ist zweifelslos gut und sogar notwendig, denn man hat nur sehr selten Gelegenheit, sich richtig zu waschen, und obendrein im warmen Wasser. Daher muß man die überwältigende Mehrheit der Häftlinge auch nicht dazu zwingen. Es sind nur wenige, nur echte ›Muselmänner‹, denen schon alles egal ist, was mit ihnen geschieht, und die sich bemühen, das Bad unter der Dusche möglichst abzukürzen. Das löst Witze und sogar den Zorn der ›Kulturträger‹ aus, die ›diese stinkenden Häftlinge‹ zur Sauberkeit zwingen müssen. Doch wie beschränkt müssen diejenigen sein, die sich als Menschen einer höheren Rasse betrachten, wenn sie nicht imstande sind, die wahren Gründe der vollständigen Resignation dieser am Rande des Lebens stehenden Menschen zu begreifen.282 Neben diesen lagerspezifischen Differenzen gibt es aber auch geschlechtsspezifische Unterschiede, was sich v. a. an der Darstellung der Nacktheit ausmachen lässt. Vergleicht man die Szenen von Weissová und Felsenthal, sind die Figuren ganz oder teilweise bekleidet oder auch völlig nackt. Einigen der dargestellten Frauen  – bei Weissová sind auch zwei Kin-

der zu sehen  – scheint die eigene Nacktheit nichts auszumachen, andere wiederum waschen sich nur vollkommen angezogen. Diesen unterschiedlichen Umgang mit Nacktheit kommentiert auch Hannah Schramm in ihrem Bericht über das Waschen in Gurs  : Waschen wollte man sich gern. Aber wie sollte man das an der offenen Wassereinrichtung, die frei vor aller Blicken lag, auch nur halbwegs gründlich bewerkstelligen  ? In kleinen Gruppen zogen wir hin. An jedem der acht Wasserhähne stand eine Schlange von sechs bis acht Personen. Also anstellen. Die halbwegs präsentablen Busen hatten keine falsche Scham, entblößten sich frank und frei und scheuerten sich zunächst bis zur Taille, und dann kam der Rest. Die Garden genossen das Schauspiel von Weitem. Die älteren Frauen wirkten unter Tüchern und Bademänteln versteckt vorsichtig und stückchenweise, aber ordentlich wuschen sich alle.283 Dennoch ist auffällig, dass die Frauen in den Bildern von Felsenthal und Weissová nur von hinten gezeigt werden, so als würden die beiden Künstlerinnen sich scheuen, die Figuren mit weiblicher Brust und Geschlecht zu zeichnen. Damit ist der Blick des Betrachters gleichzeitig ein voyeuristischer, vor dem sich die dargestellten Frauen versuchen zu entziehen, indem nur die Rückenpartie gezeigt wird. Diese Zurückhaltung hatte wahrscheinlich auch mit ihrem jugendlichen Alter zu tun, denn zur Entstehungszeit der Bilder waren Helga Weissová und Liesel Felsenthal zwölf bzw. 17 Jahre alt und ihnen eine Darstellung des nackten weiblichen Körpers womöglich unangenehm. Überhaupt war Nacktheit für die Frauen in den NS-Zwangslagern häufig mit Scham und Schutzlosigkeit verbunden.284 Auf das Gefühl der Scham reagierten die Frauen häufig wie Maja Suderland betont mit »Rückzugsstrategien oder Versuche[n], sich unsichtbar zu machen« 285, indem sie etwa ihren rasierten Kopf mit Tüchern bedeckten oder ihre Blößen mit Kleidung bedeckten. Gerade Kleidung stellte nicht nur einen Schutz vor Nacktheit dar, sondern war auch eine zivilisatorische Errungenschaft, die den Menschen vom »nackten« Tier

unterschied.286 Übertragen auf die Bilder von Helga Weissová und Liesel Felsenthal könnte hier das »Umdrehen« der nackten Frauen ein solcher Rückzug sein, um sie vor den Blicken des Betrachters zu schützen. Während der Blick des Betrachters also bei Weissová und Felsenthal die Schamhaftigkeit der nackten Frauen im Waschraum impliziert, steht bei Merényi die Gewöhnung an die Nacktheit im Mittelpunk ihrer Zeichnung. Im Gegensatz zu den beiden anderen Werken sind Frauen hier auch von vorn gezeichnet, sodass ihre Brüste zu sehen sind. Dieser Betonung des weiblichen Körpers stehen die Figuren der männlichen Häftlinge gegenüber, von denen eine Person mit ihrem ausgeprägten Vollbart und Haupthaar als Zeichen der Männlichkeit besonders herausragt. Trotz der ungewohnten Situation, sich gemeinsam in einem Waschraum aufzuhalten, scheint die Nacktheit für die Männer und Frauen kein Problem zu sein. Dies wird v. a. an den zwei Figuren im Vordergrund deutlich. Zu sehen ist eine nackte Frau, die gerade ihr Bein in der Waschrinne wäscht, während neben ihr ein vollständig bekleideter Mann mit Hut auf dem Kopf ein Handtuch in der Hand hält. Diese Situation im Waschraum stellt die Verbildlichung einer durchaus humorvollen autobiografischen Episode von Zsuzsa Merényi dar, die sie im Interview mit der Gedenkstätte Bergen-Belsen im Jahr 1990 wie folgt erzählt  : Hier ist ein Herr aus Makó mir gegenüber, und wir unterhalten uns, jeder nackt natürlich. Und dieser Herr war aus Szeged, und der hat mich angesprochen und hat gefragt  : »Können Sie mir erklären, wie man ein Hemd wäscht  ?«, »Na bitte, geben Sie her das Hemd, ich werde es waschen.« Und als Rekompensation hat er mir mein Handtuch gehalten, bis ich mich wasche, hinter meinem nackten Podex. Das ist ulkig, nicht  ? Und wir unterhielten uns so, das war so selbstverständlich im Krieg, dass Frauen und Männer sich … ganz nackt …287 Im Unterschied zu den Darstellungen von Liesel Felsenthal, Helga Weissová und Zsuzsa Merényi, die Nacktheit mit Scham bzw. mit ihrer Gewöh-

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nung verbinden, verknüpft Waldemar Nowakowski Nacktheit mit Sterben und Tod. So sind seine nackten Figuren in den beiden Duschszenen deutlich abgemagert und erinnern mit ihren kahl geschorenen Schädeln, den hervorstehenden Rippen und den knochigen Gliedmaßen eher an Skelete als an menschliche Figuren. Die Häftlinge wirken zudem erschöpft bis völlig entkräftet  ; in einer Szene hockt ein Häftling apathisch am Boden und lässt das Wasser der Dusche auf sich herabregnen, während eine weitere Figur schon ausgestreckt auf dem Boden liegt, unfähig sich zu regen oder bereits schon tot (Nowakowski Abb.  30). Die Männer wenden sich auch nicht schamhaft vom Betrachter weg, sodass ihre Geschlechtsteile teilweise zu sehen sind. Die Assoziationen dieser abgemagerten, kraftlosen und mit dem Tod ringenden Personen mit der Figur des »Muselmannes« ist bereits weiter oben angedeutet worden.288 Dass Nowakowski die Nacktheit fast immer mit Krankheit und Tod in Verbindung bringt, zeigen aber auch weitere Bilder seiner Folge, wie beispielsweise beim Abtransport nackter Häftlinge zu den Krematorien (Nowakowski Abb. 39–42), das Aufschichten unbekleideter Leichen (Nowakowski Abb.  38) oder die Darstellung der »Muselmänner« am Bretterzaun (Nowakowski Abb.  10). In zwei Szenen sind auch Frauen nackt zu sehen, doch wird hier weibliche Nacktheit weniger mit dem Tod assoziiert. Vielmehr stellt Nowakowski die Frauen als nackte Verführerin im Lagerbordell (Nowakowski Abb. 26) oder als Objekt der Begierde zweier männlicher Häftlinge dar (Nowakowski Abb. 31). Die Unterschiede in den Bildmotiven zwischen Helga Weissová, Zsuzsa Merényi und Liesel Felsen­ thal auf der einen Seite und Waldemar Nowakowski auf der anderen Seite könnten neben kleineren lagerspezifischen Besonderheiten auch geschlechtsspezifische Ursachen haben. Zwar berichteten nach Maja Suderland auch männliche Häftlinge vom Gefühl der Scham, wenn sie nackt waren, doch kam bei den Frauen noch die sexualisierte Ebene hinzu, wenn sie von den Männern in den Lagern taxiert wurden.289 In welcher Quantität und Qualität spezifische weibliche oder männliche Perspektiven über diesen Vergleich hinaus auch in den anderen Lagerbildern 124  |  Die Ästhetik der Bildserien

vorkommen, ist angesichts fehlender systematischer Untersuchungen nach wie vor völlig ungeklärt.290 4.6.4 Zusammenfassung

Die eingangs gestellte Frage, inwieweit die Lagerbildfolgen übergreifende Bildmotive verwenden oder sich doch lagertypische Differenzen offenbaren, kann nach der obigen Untersuchung nicht eindeutig beantwortet werden. Zunächst ist deutlich geworden, dass die verschiedenen historischen Ereignisse wie die Lagerankunft, die Essensausgabe und das gemeinsame Waschen sich teilweise erheblich von Lager zu Lager unterscheiden konnten. Dabei spielte v. a. die Funktion des Lagers eine wichtige Rolle. So kamen Selektionen bei der Ankunft der jüdischen Deportierten nur im Arbeits- und Vernichtungslager Auschwitz vor und die umfangreiche Verteilung der Suppe mit Essensmarken erfolgte von den hier vorgestellten Lagern lediglich im Ghetto Theresienstadt. Trotz der unterschiedlichen Lagerkontexte ließen sich zahlreiche Übereinstimmungen in den Bildmotiven wiederfinden. Zu nennen sind hierbei die Darstellung der Überwachung bei der Lagerankunft, das Machtgefälle von Austeiler und Empfänger während der Essensausgabe oder die Nacktheit beim Waschen. Gleichzeitig sind in den Bildern teilweise aber auch die Besonderheiten der jeweiligen Lager eingeschrieben, beispielsweise die ortsspezifische Lagerarchitektur bei der Ankunft, die unterschiedliche Organisation der Essensausgabe oder die Differenzen in der Darstellung des gemeinsamen Waschens. Gerade die Waschszenen beinhalten wie gesehen neben den lagerspezifischen Differenzen auch geschlechtsspezifische Unterschiede. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass in den ausgesuchten Schlüsselmomenten der Lagerbildserien das Grundmuster des jeweiligen Bildmotivs vielfach übereinstimmt, gleichwohl die unterschiedlichen Lagerkontexte für spezifische bildnerische Anpassungen sorgen.

Anmerkungen 1 Amishai-Maisels 1993, 6 [kursiv im Original]. 2 Vgl. Schollmeyer 2005, 115–119. 3 Alle 22 Zeichnungen aus dem Skizzenbuch sind als Faksimile reproduziert in  : Sier adzk a 2011. 4 Zusätzlich existiert eine zweite, vermutlich nachträglich angebrachte Nummerierung in einer anderen Schrift, die von der ersten leicht abweicht. 5 Vgl. dazu auch Uhl 2003, 97–98. 6 Vgl. Sofsky 2004, 31. 7 Zu den narrativen Möglichkeiten und Grenzen dieser Sequenzen vgl. Kapitel 5.4.3 und 5.5. 8 Diese Rampe befand sich zwischen dem Stammlager Auschwitz und Birkenau und wurde v. a. für die Massentransporte jüdischer Deportierter genutzt. Vgl. Wrocklage 1998, 286. 9 Zum Häftlingskrankenbau in Birkenau vgl. Strzeleck a 1999c. 10 Für diese Einschätzung danke ich ganz herzlich dem Betreiber der Website www.kfzderwehrmacht.de, Holger Erdmann, in seiner Mitteilung an den Verfasser vom 23. März 2010. Dass in Birkenau neben deutschen Lastwagen auch umgebaute Fahrzeuge aus ehemals amerikanischer und französischer Produktion in Gebrauch waren, zeigt ein Foto aus dem Auschwitz-Album, wo nach Holger Erdmann links ein amerikanischer Ford V8 Modell 1939 mit dem offenen Einheitsführerhaus der Wehrmacht, in der Mitte ehemals ein französischer Berliet VDCA und rechts ein französischer Delahaye (vermutlich Typ 103) zu sehen sind. Das Foto befindet sich in  : Gutman/Guttermann 2005, 226. 11 Ervin-Deutsch 2006, 208–213. 12 Hoffmann D 2003a, 183–184. Auch Karsten Uhl bemerkt die »stoic illustration of the prisoner’s suffering« (Uhl 2003, 101). 13 Vgl. Koschatzky 1999, 194–243. 14 So schreibt Udo Schmode über die Bilder italienischer Künstler in Mauthausen  : »In der Art der Darstellung fällt allgemein die Flüchtigkeit der Aufzeichnung auf, das Skizzenhafte, die Konzentration auf Wesentliches. (…) [I]m Stil sind die Zeichnungen zumeist konsequent, nämlich schroff und roh, brüchig und nackt, teils auch heftig und zittrig, fragmentarisch und sperrig gegen falsche Kulissenhaftigkeit.« (Schmode 1987, 10–11). 15 Damit ähnelt das Auschwitz-Skizzenbuch den meisten anderen Häftlingsbildern aus den Lagern, die sich ebenfalls auf kleine Gruppen konzentrieren. Vgl. Amishai-Maisels 1993, 13. 16 So geben die spezielle Form der Holzbaracke und das Aussehen der Gefangenen den Hinweis, dass es sich hier wahrscheinlich um das Männerlager in Auschwitz-Birkenau Abschnitt  BIId handelt. Denn hierhin wurden ab dem 10. Juli 1943 die in den Augen der SS noch gesunden und arbeitsfähigen Männer verlegt, nachdem der ursprüngliche Standort im Abschnitt BIb, der aus gemauerten Steinbaracken bestand, für die Vergrößerung des Frauenlagers benutzt wurde. Folglich ist für die Darstellung dieser Appellszene ein Datum nach dem Juli 1943 wahrscheinlich. Zum Männerlager vgl. Strzeleck a 2002. 17 Die erste Nummer lautet »4701« und ist Jan Adamkiewicz zugeordnet, der allerdings schon 1941 starb. Die zweite Nummer »4107« gehörte zu Józef Kanciala, der Juli 1942 nach Mauthausen deportiert wurde. Vgl. Uhl 2003, Fußnote 17 (S. 259).

18 So z. B. scheinen der Funktionshäftling mit dem Stock auf Blatt 16 (linkes Bild) und der rauchende Häftling auf Blatt 17 (linkes Bild) beide als Individualporträts ausgeführt worden zu sein. 19 Die weibliche Person ist wahrscheinlich mit der Frau identisch, die auf der Seite 13 (MM Abb. 6) ein kleines Mädchen an der Hand hält. Ob sie auch im Hintergrund der Selektionsszene auf Blatt 14 (MM Abb. 7) zu erkennen ist, wie Ole Frahm in seinem Beitrag annimmt, scheint zweifelhaft, zumal der Gehstock und die Farbigkeit des blauen Kleides dieser Figur eher auf eine andere, ältere Person hindeuten. Vgl. Fr ahm 2005, 279. 20 Zwar gab es keine direkten Deportationen von Köln nach Auschwitz, doch existierten zwei Transporte im Januar 1943, die von Köln zunächst nach Berlin gingen und von dort ein Teil nach Auschwitz, ein anderer nach Theresienstadt fuhr. Vgl. Matzerath 2009, 415. Aber ob der Zeichner des Auschwitz-Skizzenbuchs mit dieser Beschriftung ausdrücken wollte, die Personen dieses Transportes kämen aus Köln und Umgebung, erscheint wenig wahrscheinlich. Vermutlich wollte er damit, ähnlich wie bei der Angabe der Häftlingsnummern (MM Abb. 1 und 2), seine Glaubwürdigkeit als genauer Zeuge der Vorkommnisse in Auschwitz erhöhen. 21 Publiziert in  : Jaworsk a 1975, Abb.  282–284, und Blatter / Milton 1981, 193. 22 Die Herkunft der auf der Kartonrückseite angebrachten Titel ist nach Auskunft des Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau unklar, da weder über ihre Entstehungszeit etwas bekannt ist, noch, ob sie überhaupt vom Künstler selbst stammen. 23 Zur komplexen Rolle der Kapos als Funktionshäftlinge in den Lagern vgl. Wachsmann 2016, 591–607. 24 Für die Übersetzung der Titel danke ich ganz herzlich Wojtek Friedek. 25 R ahe 2002, 1018. 26 Zur emotionalen Wirkung der Perspektive auf den Betrachter etwa im Comic vgl. Grünewald 2000, 40. 27 Amishai-Maisels 1993, 123–124 [kursiv im Original]. 28 Ebd., 13, 14. 29 Vgl. ebd., 13. 30 Ebd. 31 Bruhns 2007, 15. 32 Rosenberg 2007, 517. 33 Amishai-Maisels 1993, 123. 34 Allerdings wird in Amishai-Maisels Arbeit der Begriff »Symbol« nicht näher definiert. Deshalb hier eine Definition von Hildegard Kretschmer, nach der ein Symbol »ein Sinnbild [ist], das auf einen höheren, abstrakten Inhalt verweist, also für etwas anderes steht« (Kretschmer 2009, 7). 35 Vgl. Amishai-Maisels 1993, 131–242. 36 Ebd., 18. 37 Vgl. Kapitel 6.2 sowie Wendland 2011, 151–157. 38 Auch Agnieszka Sieradzka, Kunsthistorikerin am Staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau, äußerte im Gespräch mit dem Verfasser im Rahmen der Europäischen Sommeruniversität 2010 am 31. August 2010 in der Gedenkstätte Ravensbrück die Vermutung, dass die Bilder Nowakowskis aus der Nachkriegszeit stammen könnten. In der Literatur hingegen wird übereinstimmend die Haftzeit Nowakowskis in Auschwitz als Entstehungszeit genannt. Vgl. Kapitel 3, Fußnote 53. 39 Vgl. den Vortrag von Helga Weissová am 1. September 2010 in

Anmerkungen  |  125

der Gedenkstätte Ravensbrück im Rahmen der Europäischen Sommeruniversität Ravensbrück. 40 Abb. in  : Jessewitsch/Schneider 1999, Abb. 58 (S. 108). 41 Vgl. Amishai-Maisels 1993, 13. 42 Vgl. das Interview des Verfassers mit Helga Weissová ( Weissová 2007). 43 Inwieweit die bunten Farben tatsächlich Ausdruck einer »kindlichen Wahrnehmung« sind, bei der die »Wirklichkeit (…) geschönt« wird, wie Heidrun Charlotte Kowollik in ihrem Kommentar zu diesem Bild angibt, ist allerdings fraglich, zumal sich der Zeichenstil in diesem aus dem Jahr 1943 stammenden Bild doch deutlich von den Zeichnungen aus der Anfangszeit unterscheidet (vgl. Kowollik 1998, 159). 44 Zum Krematorium in Theresienstadt vgl. Blodig 2005, 48. 45 Abb. in  : Gedenkstätte Theresienstadt 2002, Abb.  16 (S. 67). 46 Beispielsweise sind im Prager Kalender in der Juniszene Menschen oben auf der Bastion zu sehen, während diese in der Jerusalemer Variante fehlen. 47 Einen Überblick der Monatsbildzyklen bietet Strohmaier-­ Wieder anders 1999. Einen tieferen Einblick v. a. der mittelalterlichen Bildkalender gibt Bridget Ann Henisch in  : Henisch 2002. 48 Vgl. Strohmaier-Wieder anders 1999, 7. 49 Deutsche Bibelgesellschaft 1985, 6. 50 Zum Schema vgl. Henisch 2002, 2. 51 Vgl. Strohmaier-Wieder anders 1999, 67. 52 Vgl. Henisch 2002, 137. 53 Neben dem Anschreiben enthält der Brief auch kurze Erklärungen zu den einzelnen Bildern. AEA, Nr. 67–23.1, Brief Hilda Zadikovás an Albert Einstein vom 27. Janur 1947. 54 Vgl. Henisch 2002, 137. 55 Vgl. ebd. 56 Vgl. ebd., 156, 181–184. 57 Ebd., 145. 58 Vgl. ebd., 29–49. 59 Vgl. ebd., 34–36. 60 »Juli  : Typhus Matratzen und Kleider wurden hinter der Kavalierkaserne verbrannt«, AEA, Nr. 67–23.1, Brief Hilda Zadikovás an Albert Einstein vom 27. Januar 1947. 61 Vgl. dazu im Folgenden Henisch 2002, 10–13 und ebd., »Chapter 8 Pain Into Pleasure« (S. 197–214). 62 Vgl. ebd., 65. 63 Vgl. ebd., 11. 64 Aufgrund ihrer künstlerischen Ausbildung war Hilda Zadiková sehr wahrscheinlich mit der Tradition der Monatsbilder vertraut. Auf welche konkreten Bildquellen sich der Theresienstädter Kalender dabei stützt, ist leider unbekannt. 65 Zum Humor im Dritten Reich sowie in den NS-Lagern und Ghettos vgl. Lipman 1991. 66 Feinstein 2008, 54. 67 Vgl. dazu im Folgenden die ausführliche Beschäftigung mit den unterschiedlichen Definitionen und Wesensmerkmalen der Karikatur im deutschen und englischen Sprachraum in  : Knieper 2002, insbesondere 27–62. 68 Zur Definition der politischen Karikatur vgl. ebd., 96–98. 69 Vgl. ebd., 74–75 und Berger 1998, 3.

126  |  Die Ästhetik der Bildserien

70 Vgl. Roukes 1997, 12–16. Darauf auf bauend und mit zahlreichen Beispielen versehen vgl. Knieper 2002, 75–92. 71 Franz Schneider bezeichnet eine solche sequenzielle Karikatur auch als Abfolgekarikatur, die »(…) theoretisch aus beliebig vielen Teilen bestehen [kann]. Die Praxis bevorzugt zwei bis drei Folgen. (…) Die Abfolgekarikatur kann ein chronologisches Hintereinander oder ein vergleichendes Nebeneinander beinhalten, gelegentlich auch beides. Ihre Teile können aber nicht wie bei einem Fortsetzungsroman zeitlich in verschiedenen aufeinander folgenden Zeitungsausgaben oder örtlich versetzt auf verschiedene Zeitungsseiten abgedruckt werden, sondern nur das unmittelbare Nebeneinander gibt ihnen die Möglichkeit, als das verstanden zu werden, was sie sind  : eine aus essenziellen Teilen bestehende Einheit.« (Schneider 1988, 76–78). 72 Vgl. Knieper 2002, 72. 73 Schneider 1988, 25–26 [kursiv im Original]. 74 Vgl. Morreall 1997. 75 In der Literatur fehlt bislang eine umfassende und systematische Auseinandersetzung mit dem Thema Humor und Karikatur in den Häftlingsbildern der NS-Lager. Erste Ansätze sind in dem Beitrag von Stephen Feinstein zu finden (vgl. Feinstein 2008). Andere befassen sich eher mit einzelnen Aspekten wie dem karikaturistischen Porträt (Schollmeyer 2005, 143–146, einem bestimmten Künstler (Rosenberg 2002, Rosenberg 2004 und Rosenberg 2013) oder dem expressiven Zeichenstil in Theresienstadt (Amishai-Maisels 1993, 11–13). 76 Abb. in  : Boberg/Simon 2005, 205. 77 Zwei Beispiele in  : Mickenberg/Granof/Hayes 2003, 152, 153. 78 Einige Abb. in  : Gedenkstätte Theresienstadt 2002, 61– 69. 79 Karikaturen von Plaček gibt es u. a. in  : Gedenkstätte Theresienstadt 2002, 150–153, Mickenberg/Gr anof/Hayes 2003, 225 und Moreh-Rosenberg/Smerling 2016, 177, 179. 80 Publiziert in  : Mickenberg/Gr anof/Hayes 2003, 28. 81 Feinstein 2008, 71. 82 Vgl. Schneider 1988, 38–46. 83 Einige davon publiziert in   : Mickenberg/Gr anof/Hayes 2003, 166–169. Zur Biografie vgl. den Anhang. 84 AK bedeutet in diesem Zusammenhang »Auf baukommando« und bezeichnete die ersten Häftlinge, die das Ghetto Theresien­ stadt für die nachfolgenden Deportierten nutzbar machen mussten. Vgl. Adler H G 1960, Wörterverzeichnis, S. XXX. 85 Vgl. dazu auch Kapitel 5.4.1. 86 Zur Konstruktion des jüdischen Körpers vgl. Gilman 1999 und Schäfer J 2005. 87 Nach Michaela Haibl gehören zum Typus des jüdischen Bankiers eine »wohlstandsbedingte Korpulenz« sowie eine bürgerliche Kleidung, die allerdings häufig grotesk überzeichnet dargestellt wird (vgl. HAIBL 1997, 54). 88 Abb. in  : Matt 2009, 39. 89 Abb. in  : Gohrbandt 2010, 194 und 196. 90 Vgl. Biografie Pavel Fantls in Kapitel 8.2. 91 Zum notwendigen Aktualitätsbezug vgl. auch Schneider 1988, 16–20. 92 Abb. in  : Mickenberg/Gr anof/Hayes 2003, 167. 93 Zur Narration dieser Serie vgl. Kapitel 5.4.3.

94 Zu den verschiedenen Repliken vgl. den Katalog in  : Melamed 2010a, 23–207. 95 Diese meist monochrom gehaltene und gelegentlich mit gelben Flecken versehene Serie wurde 2011/2012 auf der Ausstellung »Closest to the Truth  : Terezin Cartoonist Erich Lichtblau-­ Leskly« im Ghetto Fighters’ House Museum gezeigt. Zahleiche Abbildungen sind zu sehen in  : Mak arova 2012. 96 Dieses Zitat stammt aus einer Sammlung von Interviews und Gesprächen, die 1984 im Los Angeles Museum of the Holocaust (Lamoth) geführt wurden. Ich danke Vladimir Melamed, Archivar am Lamoth, für diesen Hinweis. 97 Zu diesen Besonderheiten von Erich Lichtblau-Lesklys Nachkriegsserie vgl. Wendland 2010, 18–19. 98 Vgl. Biografie Erich Lichtblau-Leskly in Kapitel 8.7. 99 Stephen Feinstein spricht mehrfach von der Darstellung der »Jewish collaboration« in Lichtblau-Lesklys Serie, allerdings ohne den Begriff »Kollaboration« näher zu erläutern oder zu differenzieren. Vgl. Feinstein 2008, 62, 63 und 66. Isaiah Trunk verwendet hierfür den Terminus der »cooperation«, da die »Judenräte«  – abgesehen von Ausnahmen  – nicht aus ideologischen oder opportunistischen Motiven mit der SS kollaborierten, sondern unter Zwang kooperierten, um so nach ihrer Meinung der Vernichtung zu entgehen. Vgl. Trunk 1972, 570–575. Zum moralischen Dilemma der »Judenräte« vgl. Diner 1992. 100 Vgl. Kapitel 4.1.1. 101 Siehe Kapitel 4, Fußnote 96. 102 Zu Loewenstein und seinen Konflikten mit dem »Judenrat« vgl. Adler H G 1960, 138–142. Weitere Bilder mit der Figur der Ghettowache in  : Lichtblau-Leskly Abb. 10, 12, 13, 14, 56. 103 Leskly übernimmt hier eine im Ghetto populäre Meinung von Loewensteins Versagen. Vgl. Melamed 2010a, 59. 104 Zur Unterscheidung vgl. auch die Erläuterung zum Begriff »Kameradschaftsdiebstahl« in  : Adler H G 1960, Wörterverzeichnis, S. XLII. 105 Abb. in  : Melamed 2010a, 131. 106 Zum Begriff »Schleuse« bzw. »schleusen« vgl. Adler H G 1960, Wörterverzeichnis, S. L. 107 Zitiert nach Melamed 2010a, 103. 108 Publiziert in  : Zeitoun/Foucher 1998, 111 (oberes Bild). 109 Ausnahmen sind z. B. die oben gezeigte Karikatur über Karl Loewenstein. 110 Zur Typenkarikatur vgl. Schneider 1988, 82–88. 111 Weissová 1998a, 72. 112 Während die »Transporthilfe« den Deportierten beim Packen und Tragen half, sollte der »Ordnungsdienst« u. a. die Essensausgabe überwachen. Vgl. dazu Adler H G 1960, Wörterverzeichnis, S. LV bzw. S. 227. 113 Schneider 1988, 84–85. 114 Zur Narration dieser Serie vgl. Kapitel 5.4.3. 115 Vgl. die schriftliche Mitteilung von Mira Oren an den Verfasser (Oren 2007). 116 Die anderen Arbeiten heißen »La journée d’un hébergé. Camp de Gurs 1942« und »Petit guide à travers le camp de Gurs«, beide datiert auf das Jahr 1942. Das erste Werk befindet sich in den Sammlungen des Centre de Documentation Juive Contemporaine in Paris und das zweite in der Sammlung Elsbeth

Kasser, Archiv für Zeitgeschichte in Zürich. Alle drei Werke sind vollständig abgebildet in  : Kotek /Pasamonik 2014. Vgl. zu den Werken auch Rosenberg 2002, Rosenberg 2004 und Rosenberg 2013. 117 Rosenberg 2004, 9. 118 Vgl. Fr ahm 2008, 47. 119 Vgl. Rosenberg 2004, 4, 13. 120 Zu Mickey Mouse als amerikanische Ikone vgl. Inge 2006. 121 Vgl. Artz 2002. 122 Vgl. Laqua 1992 und Sistig 2011. 123 Zur Figur der Unschuld in Rosenthals »Mickey au Camp de Gurs« vgl. Kotek /Pasamonik 2014, 148–150. 124 Nach Meinung von Eckart Sackmann und Harald Kiehn spielte hierbei ein kulturelles Überlegenheitsgefühl der Europäer eine wesentliche Rolle, da den v. a. durch die amerikanische Sensationspresse transportierten Comics u. a. Oberflächlichkeit und »Massengeschmack« vorgeworfen wurde. Daneben sahen die Europäer in den USA zunehmend auch einen politischen und wirtschaftlichen Konkurrenten, sodass eine Übernahme »typisch« amerikanischer Erzeugnisse ungünstig war (vgl. Sackmann/Kiehn 2009, 36–38). 125 Mulman 2008, 87. Zur Identität von Mickey vgl. auch Kotek /Pasamonik 2014, 100–103. 126 Zu den Comicheften aus den USA und Eurpa vgl. Harvey 2001, Knigge A 2004 und Lopes 2009. 127 Zu den unterschiedlichen Comicformaten vgl. Lefèvre 2000. 128 Vgl. Laqua 1992, 79, Knigge A 1996, 131. 129 Vgl. Kotek /Pasamonik 2014, 143–146. 130 Vgl. dazu auch Kapitel 5.4. 131 Vgl. Grünewald 2000, 8. 132 Mehrere Cover sind abgebildet in  : http://www.mickeymousemagazine.com/mickey-mouse-magazine-covers-volume-1 (Letzter Zugriff  :30.05.2016). Darunter ist das erwähnte Cover vom August 1936, das Mickey zusammen mit seinem Hund Pluto bei einer Zirkusnummer zeigt. Ähnlich wie bei Horst Rosenthal werden Mickey und Pluto durch einen Kreis besonders betont, diesmal stehen sie aber im (harmlosen) Licht eines Zirkusscheinwerfers. 133 Für Eckart Sackmann und Harald Kiehn ist die Beibehaltung der Bildunterschriften in Europa wie oben bereits erwähnt Ausdruck eines kulturellen Überlegenheitsgefühls und zugleich Hinweis auf ein politisches Konkurrenzdenken. Vgl. Sackmann/Kiehn 2009, 44–45. 134 Vgl. Lefèvre 2000, 100. Hierbei ist aber zu berücksichtigen, dass die amerikanischen comic books meist mehrere Erzählungen unterschiedlicher Comichelden enthalten, von denen jede eine Durchschnittslänge von etwa zehn Seiten aufweist. Vgl. Lopes 2009, 10. 135 Z.B. die bekannten Fotocollagen John Heartfields, die er in der »Arbeiter Illustrierte Zeitung« (AIZ) veröffentlichte. Mehr zu Heartfield und seinen Einfluss auf die Bildserien der Nachkriegszeit in Kapitel 6.2. 136 Vgl. Schneider 1988, 76–82. 137 Fr ahm 2008, 47. 138 Mulman 2008, 86, 87. 139 Rosenberg 2004, 3. 140 Rosenberg 2013, 368.

Anmerkungen  |  127

141 So der Untertitel »Mickey à Gurs. Les carnets de dessins de Horst Rosenthal« in  : Kotek /Pasamonik 2014. 142 Vgl. Frenzel 2011, 209, 219. Andererseits nennt er die Arbeit an anderer Stelle auch eine »Funny-Animal-Satire« (ebd., 219). 143 Ebd., 209. 144 Zur Narration dieser Arbeit vgl. Kapitel 5.4.1. 145 Vgl. im Folgenden Held/Schneider 2007, 191–203. 146 Amishai-Maisels 1993, 4. 147 Beispiele seiner Arbeiten in  : Gedenkstätte Theresienstadt 2002, 53, 61–69. 148 Einige Bilder Neugebauers sind zu sehen in  : ebd., 158–161. Die Zeichnungen Aschers in  : R ahe 1993, 16–21. 149 Vgl. K árný 2000b, 29. 150 Vgl. dazu Adler H G 1960, 133–134. 151 Abb. in  : Zeitoun/Foucher 1998, 39. 152 Abb. in  : Gedenkstätte Theresienstadt 2002, 78. 153 Abb. in  : Zeitoun/Foucher 1998, 118. 154 Vgl. Adler H G 1960, 103. 155 Vgl. ebd., 166. 156 Vgl. Šormová 2002, 219. 157 Ähnliche Bilder von Theater- und Kabarettvorführungen in Theresienstadt stammen u. a. von Bedřich Fritta und Petr Kien in  : Gedenkstätte Theresienstadt 2002, 223, 230 oder von Karel Fleischmann in  : Zeitoun/Foucher 1998, 191. 158 Abb. in  : Gedenkstätte Theresienstadt 2002, Abb. 119 (S. 114). 159 Abb. in  : ebd., Abb. 203 (S. 149). 160 Tatsächlich wurden fast 90 Prozent der arbeitenden Insassen für die interne Lagerfunktion gebraucht. Die für den Export gedachte Herstellung kriegswichtiger Produkte war wenig bedeutend. Vgl. K árný 2000b, 27. Auch dass Theresienstadt nicht wie andere Ghettos aufgelöst wurde, sondern bis zur Befreiung im Mai 1945 weiter existierte, hatte weniger mit seiner Produktionsleistung zu tun, sondern vielmehr mit seinem politischen Nutzen. Vgl. dazu K árný 1992, 33–34. 161 Neben seinem Album, das 1944 in Schwarzheide entstand, existieren von Alfred Kantor noch Aquarell- und Tuschebilder, die er nach der Befreiung im Sommer 1945 im bayrischen DP Camp Deggendorf in ein leeres, gebundenes Buch hineinzeichnete. In das Buch fügte er auch fünf Bilder des Schwarzheide-Albums ein (K antor 1971a, gegenüber S.  78, ggü. S.  81, ggü. S.  87 und ggü. S.  90). Veröffentlich wurde dieses Buch 1971 als »The Book of Alfred Kantor« (K antor 1971a). 1972 erfolge eine deutsche Ausgabe, wobei Kantor deutschsprachige Übersetzungen neben die englischen Bildtexte hinzufügte (K antor 1972). Eine Neuausgabe inklusive der nachträglich hinzugefügten deutschsprachigen Anmerkungen wurde 1987 im Jüdischen Verlag publiziert (K antor 1987). 162 Zur Biografie von Reinhold Sliwka siehe Kapitel 3, Fußnote 97. 163 So sind Blatt  1 und Blatt  22 jeweils auf der Rückseite nicht beklebt. 164 Im Folgenden werden die 22 kartonierten Blätter des Schwarzheide-Albums nummieriert und in Vorder- (recto) und Rückseite (verso) unterschieden. 165 Vgl. Interview Kantor, in  : Parke 1984, 181. 166 Vgl. dazu Kapitel 2, Fußnote 65. 167 Diese Zeichnungen, die laut Kantor die Häftlingsbaracken,

128  |  Die Ästhetik der Bildserien

Fabrikanklagen, Arbeitsszenen und die von den Häftlingen gebauten Luftschutzbunker zeigten, entstanden nachts in den Baracken nach der abendlichen Essenausgabe sowie an den arbeitsfreien Sonntagen. Vgl. K antor 1971b, o.S. 168 Abb. in  : Kantor 1971a, gegenüber S.  95. Im gleichen Buch finden sich auch Buntstiftskizzen mit Darstellungen der Wiederaufbauarbeiten an der Fabrik (gegenüber S. 86) sowie Szenen nach einem alliierten Bombenangriff (gegenüber S. 96 und 97). Diese Zeichnungen sind sehr wahrscheinlich erst nach 1945 entstanden, da sie starke Ähnlichkeiten bezüglich ihrer Technik und ihres Stils mit mehreren Buntstiftskizzen aus der Nachkriegszeit aufweisen (z. B. gegenüber den Seiten 125 und 127). 169 Abb. in  : ebd., 87. 170 Abb. in  : ebd., 90. 171 Vgl. ebd., 202. 172 Vgl. hierzu ebd., 91–101. 173 Vgl. ebd., Anm. »Facing Page 95« (o.S.). 174 Vgl. Interview Kantor in  : Parke 1984, 181. 175 Inwieweit diese Rolle des bescheidenen, hilfsbereiten und effektiven Lagerältesten Sliwka tatsächlich ausfüllte, ist mehr als zweifelhaft, denn Alfred Kantor bezeichnete ihn im Interview als »very brutal« und »mean« (ebd., 180–181). 176 Zum Folgenden vgl. die Biografien im Anhang. 177 Vgl. Wenck 2000, 336 und Billib 2014, 96. 178 Vgl. Lejeune 1994, 13–51. 179 Ebd., 23–24. 180 Vgl. ebd., 27. 181 Vgl. ebd., 29. 182 Vgl. ebd., 28. 183 Vgl. ebd., 25. 184 Vgl. ebd., 35–36. 185 Man 1993, 136. 186 Ebd. 187 Vgl. ebd., 133. 188 Lejeune 1994, 50. 189 Holdenried 2000, 28, 42. 190 Calabrese 2006, 30. 191 Als Faksimile publiziert in  : Varnai 2005. Zur Herkunft Me­ ré­ nyis, ihren Erlebnissen in Bergen-Belsen und zu den Zeichnungen vgl. das Vorwort von László Lőrinc in  : Lőrinc L 2005, o.S. Für die Übersetzung des ungarischen Vorworts danke ich ganz herzlich Katalin Tomcsik aus Wien. 192 Zu den Veränderungen vgl. auch Kapitel 6.3. 193 Der Begriff stammt von Stefanie Endlich in  : Endlich 2005, 279. 194 Die einzelnen Bilder einer Seite werden von links nach rechts und von oben nach unten durchnummeriert. 195 Für die Übersetzung der Titel bedanke ich mich bei Dora Solti aus Wien. 196 R ahe 1993, 34, 36, R ahe 1994, 202 und Lőrinc L 2005, o.S. 197 Vgl. Lejeune 1994, 14 und Dusini 2005, 72–77. 198 Lejeune 1994, 14. 199 Zur Kritik an Lejeunes Position vgl. Dusini 2005, 72–74. 200 Zum Unterschied von Tagebüchern und Autobiografien von KZ-Häftlingen bzw. Überlebenden vgl. Young 1997, 58 und Schröder 2008, 96–97. 201 Zu den retrospektiven Veränderungen vgl. Kapitel 6.3.

202 Im Ungarischen werden üblicherweise zuerst der Nachname und dann der Vorname genannt. 203 Vgl. die Biografie im Anhang. 204 Vgl. die schriftliche Mitteilung von Katalin Lőrinc an den Verfasser (Lőrinc K 2007). 205 Vgl. Lejeune 1994, 16–19. 206 Im Gegensatz zum heutigen Betrachter war für Zsuzsa Merényis Mithäftlinge die Identität der Künstlerin mit der Figur in den Bildern auch ohne den nachträglich hinzugefügten Titel klar ersichtlich. Die Identität von Autor und Werk musste also nicht extra betont werden, erst nach der Befreiung war dies nötig, um auch Personen außerhalb des Lagers die Aufzeichnungen zeigen zu können. 207 Schüwer 2008, 390. 208 Nach Schüwer ist dies der Fall, wenn etwa ein Zeichner bei der Herstellung einer Bildgeschichte abgebildet wird und derselbe Zeichner in der Binnenerzählung dieses Werkes wieder auftaucht. Vgl. ebd., 390–391. 209 Z.B. »von 11h–12h waschen wir die Wäsche« (Felsenthal Abb. 6) oder das sarkastische »Du fühlst Dich frisch, wie neugeboren / nach der Gymnastik bei den Loren.« (Kantor Abb. 7). 210 Vgl. Lőrinc L 2005, o.S. 211 Vgl. AGB, AZB, Interview Merényi, Kassette 34. 212 Vgl. auch ebd., o.S. 213 GGB, AZB, Interview Merényi, Kassette 34. 214 Vgl. ein weiteres von Irsai in Bergen-Belsen hergestelltes Bild sowie seine Serie aus neun Grafiken, die er nach der Freilassung in der Schweiz herstellte. Diese Bilder sind teilweise abgedruckt in  : R ahe 1993, 29, 33. 215 Der Begriff hat mehrere Bedeutungen, die weiter unten erklärt werden. 216 Der Titel (Filmnegativ) sowie die Perforation am oberen und unteren Bildrand machen deutlich, dass es sich hier um die Darstellung eines fotografischen Negativfilms handelt, da beim Kinofilm sich die Lochung links und rechts des Bildfensters befindet. Die Buchstaben »AGFA« am unteren Rand des Streifens verweisen auf den damals europaweit führenden Hersteller für Film- und Fotobedarf, die Agfa Photo GmbH unter dem Dach der IG Farbenindustrie AG. Vgl. zu AGFA Fengler 2009, insbesondere 50–63 und K adlubek / Hillebrand 1997. Irsais Bild zeigt wahrscheinlich einen 35mm-Kleinbild-Negativfilm für die Schwarzweißfotografie, denn Negativstreifen für die Farbfotografie stellte AGFA in größerem Umfang erst ab 1949 in Leverkusen her (vgl. K adlubek /Hillebr and 1997, 78, Fengler 2009, 80). Bei farbiger Gestaltung des Originalbildes wäre auch ein Zitat der ähnlich aussehenden Diapositivfilme denkbar, die AGFA seit 1934 auch in Farbe herstellte (vgl. Fengler 2009, 45). Noch zu bemerken ist, dass Diafilme die Farben in einer natürlichen Ansicht zeigen, während der Negativfilm die Grauwerte oder Farben in den komplementären Tonwerten wiedergibt. 217 Vgl. Aufrisszeichnung der Hauptfassade sowie Foto in   : Csorba /Sisa 1993, 39 bzw. im Bildteil, o.S. 218 Vgl. Stiftung Niedersächsische Gedenkstätten 2014, 54. Für Miryam Sommerfeld-Irsai, die Tochter von István Irsai, die mit ihrem Vater in Bergen-Belsen inhaftiert war, stellt das Gebäude die Große Synagoge in der Dohány-Straße

dar. Vgl. das Interview des Verfassers mit Miryam Sommerfeld-Irsai (Sommerfeld-Irsai 2009a). Dies erscheint allerdings weniger wahrscheinlich, da sowohl die Große Synagoge als auch eine kleinere aus der Rumbachstraße keine Kuppeln wie in Irsais Darstellung besitzen. Abbildungen beider Synagogen in  : Komoroczy u. a. 1999, Abb.  126 (S.  109) bzw. Abb. 154 und 155 (S. 126). 219 Ich danke ganz herzlich Ulrich Knufinke von »Bet Tfila – Forschungsstelle für jüdische Architektur in Europa« für diesen Hinweis. Ein Foto dieses Gebäudes befindet sich in  : Warhaftig 2007, 31. 220 Allerdings bewirken die unterschiedlichen Interpretationen auch eine andere Narration der Serie. Vgl. dazu Kapitel 5.4.1. 221 Vgl. Frojimovics 2011. 222 Für eine zionistische Interpretation spricht neben dem im Titel verwendeten Begriff der Alija (wörtl. »Aufstieg«, bezeichnet die jüdische Einwanderung nach Palästina bzw. Israel) auch die Biografie Irsais, der bereits 1925 nach Palästina auswanderte (1929 kehrte er nach Budapest zurück), eine moderne Typographie des hebräischen Alphabets entwarf und auch in Bergen-Belsen mehrere Entwürfe für zionistisch geprägte Denkmale anfertigte Vgl. R ahe 2009 und Sommerfeld-Irsai 2014, 63, 66–67. 223 Vgl. dazu Amishai-Maisels 1993, 131–134. 224 Vgl. Hessky 2002, 1117. 225 Vgl. schriftliche Mitteilung von Johanna Domokos an den Verfasser vom 7. August 2010. 226 Zitiert nach Löb 2010, 135. 227 Vgl. Lav y 1975, 600. Vgl. dazu auch Stiftung Niedersächsische Gedenkstätten 2014, 54. Hier werden die Begriff »Kolonne«, »Reihenfolge« und »Menschenschlange« genannt. 228 Vgl. die schriftliche Mitteilung von Miryam Sommerfeld-Irsai an den Verfasser (Sommerfeld-Irsai 2009b). Vgl. auch Stiftung Niedersächsische Gedenkstätten 2014, 54. 229 Ich danke ganz herzlich Johanna Domokos von der Universität Bielefeld für diesen Hinweis. 230 Neben ungarischen Juden gehörten zur Kasztner-Gruppe auch Flüchtlinge etwa aus Polen, der Tschechoslowakei, Rumänien, Italien und Jugoslawien. In der Gruppe waren neben Ärzten, Anwälten und Geschäftsleuten auch Angestellte, Studenten, Tagelöhner, Hausfrauen, Rabbiner und Waisenkinder. Auf der religiösen Ebene waren außer den Zionisten und der Mehrheit der Gemäßigten auch ultra-orthodoxe Gruppierungen zu finden. Vgl. Wenck 2000, 324, Löb 2010, 99–101. Zu den Schwierigkeiten der Zuordnungen v. a. bezüglich der Nationalität vgl. R ahe 2014, 60–62. 231 Wenck 2000, 307, R ahe 2014, 89. 232 R ahe 1993, 31. 233 Vgl. Wenck 2000, 331–332, Löb 2010, 159–163 und R ahe 2014, 89 234 Eine narratologische Interpretation dieses letzten Bildes ist in Kapitel 5.4.1 zu lesen. 235 Tagebucheintrag vom 28. November 1944, publiziert in  : Vom Holt 1947, 165. 236 Mechanicus 1993, 226–227. 237 Laqueur 1991, 81.

Anmerkungen  |  129

238 Abb. in  : Br anson 1991, 23. 239 Vgl. Margry 1996. 240 Abb. in  : K antor 1971a, 19 (unteres Bild). 241 Abb. in  : Geve 1997, 132. 242 Die Zeichnung mit dem Titel Krysia musi mieć braciszka [Krysia muss einen kleinen Bruder haben] befindet sich in den Sammlungen des Staatlichen Museums Majdanek in Polen. Für die Informationen und die Übermittlung der Bilddatei danke ich ganz herzlich Wiesława Zlot, Leiterin der Sammlungsabteilung. Biografische Angaben zum Künstler sowie eine Abbildung der Zeichnung befinden sich in  : Jaworsk a 1975, 76–77 bzw. Abb. 172 (o.S.) und Zlot 2012, 124–125 und Abb. S. 131. 243 Rosenberg 2007, 516–517. 244 Endlich 2005, 279. 245 Sofsky 2004, 98. Vgl. dazu auch Suderland 2009, 168–177. 246 Zur Ankunft in Auschwitz vgl. Iwaszko 1999b und Świebock a 2001. 247 Vgl. Tsur 2002, 203–204. 248 Wenck 2000, 298, Löb 2010, 92, 97–103, R ahe 2014, 63. 249 Zur Ankunft in Theresienstadt vgl. Adler H G 1960, 266– 282. 250 Vgl. Schr amm 1977, 4–7 und zur Ankunft der badischen und saarpfälzischen Juden am 24. Oktober 1940 vgl. ebd., 61–71. 251 Tatsächlich wurden die jüdischen Häftlinge beim Transport aus Auschwitz von Wehrmachtsangehörigen bewacht. Vgl. Tsur 2002, 203. 252 Die tschechische Gendarmerie bestand aus 150–200 Mann und war v. a. für die Bewachung der Transporte, Begleitung der Arbeitskolonnen außerhalb des Ghettos und die Durchsuchung des Gepäcks von Neuankömmlingen zuständig. Vgl. K árný 1996a, 136–152. 253 Vgl. ebd., 150–152. 254 Vgl. Amishai-Maisels 1993, 32. 255 Zum traditionellen Bildmotiv des Flüchtlings, das u. a. in den Werken von Marc Chagall und Felix Nussbaum auftaucht, vgl. ebd., 19–31. 256 Ein ähnliches Problem, wenngleich weitaus umfassender, war (und ist) die Darstellung der Millionen Opfer des Holocaust, deren Zahl die Möglichkeiten der Vorstellung und der figürlichen Darstellung bei Weitem übersteigt. Vgl. dazu die unterschiedlichen künstlerischen Lösungen im Kapitel »The Six Million« in  : ebd., 50–98. 257 Zur Geschichte und Funktion der beiden Rampen und deren Transformation zum Denkmal und Symbol vgl. Wrocklage 1998. Darin erwähnt sie auch die hölzerne Konstruktion der alten Rampe, die allerdings zu einem späteren Zeitpunkt durch eine stabilere Betonrampe ersetzt wurde. Vgl. ebd., 286. 258 Vgl. Adler H G 1960, Wörterverzeichnis, S.  LV–LVI und S. 266–267. 259 Sofsky 2004, 101. 260 Vgl. Tsur 2002, 203. 261 Vgl. Obenaus 2002. 262 Vgl. Iwaszko 1999a, 69. 263 Vgl. dazu ebd., 69–70. Für Schwarzheide vgl. Tsur 2002, 205– 206. 264 Vgl. Wenck 2000, 327. Über die Suppe im »Ungarnlager« und

130  |  Die Ästhetik der Bildserien

die häufig vorkommenden Streitigkeiten bei der Verteilung vgl. Löb 2010, 108–109. 265 Vgl. Wenck 2000, 327, 337. Nach Ansicht von Zsuzsa Merényi war gerade diese Unregelmäßigkeit problematisch für die Häftlinge  : »Das Schlimme war die Unregelmäßigkeit. Also, es konnte vorkommen, dass morgens dieser Kaffee [ausgeteilt wurde], gleich danach die Suppe und das Brot und dann anderthalb Tage nichts. Und hungrige Leute teilen nicht ein.« AGB, AZB, Interview Merényi, Kassette 34. 266 Vgl. Adler H G 1960, 363–364. Zur Ernährungslage in Theresienstadt vgl. auch Blodig 2005, 43. 267 Vgl. Adler H G 1960, 372–373. 268 Vgl. Schr amm 1977, 6, 12. Zur Ernährungssituation in Gurs vgl. auch Laharie 1985, 301–323. 269 Vgl. dazu Obenaus 2002, 845–849. 270 Die Ausnahme stellt das Bild von Erich Lichtblau-Leskly dar, auf dem nur ein einzelner Häftling die Suppe bekommt. Möglicherweise waren ursprünglich mehr Figuren auf der Zeichnung enthalten, da die Replik aus den 1970/80er-Jahren drei wartende Figuren zeigt. Vgl. die Abb. in  : Melamed 2010a, 103. 271 Für Bergen-Belsen vgl. dazu Löb 2010, 108–109 und Wenck 2000, 327. Um solche Ungerechtigkeiten bei der Verteilung auszuschließen, wechselte im »Ungarnlager« von Bergen-Belsen häufiger die Verteilungsreihenfolge. Vgl. ebd. 272 Dass es sich hier um die Verteilung der Suppe und nicht um den Vorgang des Essens handelt, ist aufgrund des kleinen Bildformats und des einfachen Zeichenstils nicht sofort ersichtlich. Allerdings bezeichnet Zsuzsa Merényi selbst diese Szene als das »Essenverteilen«. Vgl. GGB, AZB, Interview Merényi, Kassette 34. Zudem könnten die heruntertropfende Suppe (dargestellt durch die Striche vor dem Tisch) und der im Befehlston gehaltene Text »Csajka le [Essnapf herunter  !]« auf die Streitigkeiten und den harschen Umgangston zurückzuführen sein, die bei der Essensausgabe im »Ungarnlager« regelmäßig vorkamen. Vgl. Löb 2010, 108–109. 273 So lässt sich der Stacheldrahtzaun in ähnlicher Ausführung auch in zahlreichen anderen Konzentrationslagern wiederfinden. Ebenso spielen Bäume in der Wahrnehmung der Häftlinge eine wichtige Rolle und werden u. a. aus diesem Grund als »stumme Zeugen der Ereignisse« z. B. in Auschwitz gezielt bewahrt. Vgl. Zając 2004. 274 Vgl. Suderland 2009, 299–303. 275 Für Auschwitz vgl. Strzeleck a 1999a, 76. 276 Vgl. Iwaszko 1999a, 60–61, 63–64. 277 Vgl. Wenck 2000, 327. 278 Vgl. Adler H G 1960, 331. 279 Vgl. Schr amm 1977, 6. Vgl. dazu auch Laharie 1985, 41. Auf dieser Seite befindet sich auch eine Zeichnung des Spanienkämpfers Nicomedes Gomez, die eine solche Wascheinrichtung zeigt. 280 Zur Rolle der sogenannten Bade- und Desinfektionsanlagen in Auschwitz bei der Aufnahmeprozedur ins Lager vgl. Świebock a 2001. 281 Zum »Muselmann« vgl. Sofsky 2004, 229–236. 282 Świebock a 2001, 163. 283 Schr amm 1977, 8.

284 Vgl. Suderland 2009, 295–299. 285 Ebd., 330 [Kursiv im Original]. 286 Ebd., 298. 287 AGB, AZB, Interview Merényi, Kassette 34. 288 Nach Wolfgang Sofsky war der Muselmann »der zerstörte Mensch zwischen Leben und Tod« (Sofsky 2004, 229). 289 Vgl. Suderland 2009, 298–299. 290 So beklagt Thomas Rahe bereits 1993 fehlende »systematisch vergleichende Untersuchungen über den Zusammenhang zwischen Stilistik und Motivwahl (…) einerseits und der sozialen Herkunft bzw. Situation der Häftlinge anderseits« und bezieht darin ausdrücklich die Kategorie des Geschlechts mit ein. R ahe 1993, 10. Eine der wenigen Arbeiten über geschlechtsspezifische Bildmotive und Ikonografie in den Lagerbildern, allerdings ohne systematische Vergleiche, stellt eine Arbeit von Pnina Rosenberg dar (Rosenberg 2003b).

Anmerkungen  |  131

5. Die Narration der Bildserien. Möglichkeiten und Grenzen ­zeitlicher Konstruktionen 5.1 Zeitdarstellung im Bildmedium

In der Einleitung wurde bereits darauf hingewiesen, dass der Fokus hier im Folgenden auf der Untersuchung zeitlicher Konstruktionen in den Bildserien liegen soll. Grund für diese Entscheidung liegt zum einen in der schwächeren Ausprägung der anderen Elemente einer Erzählung, zu denen neben der Zeit auch das Figurenpersonal, Handlungen und Geschehnisse sowie der Ort gehören.1 So lassen sich in den Lagerbildserien, wie schon im vorherigen Kapitel deutlich geworden ist, die verschiedenen Figuren in den einzelnen Bildern kaum als Protagonisten einer Geschichte (bis auf Rosenthals Mickey) ausmachen. Aufgrund des Fehlens einer oder mehrerer solcher Erzählerfiguren ist es zudem schwierig für den Betrachter, eine durchgängige Handlung zu erkennen. Auch der Bildtext funktioniert nur in wenigen Fällen als Träger einer erzählerischen Handlung (etwa bei Rosenthal, Fantl und teilweise noch bei Merényi). In den anderen Werken fehlt er ganz (Lichtblau-Leskly), ist nur als Signatur und Datierung (Weissová), Häftlingsnummer (Nowakowski), Nummerierung (Auschwitz-Skizzenbuch) und Ortshinweis (Zadiková) vorhanden oder funktioniert als humoristische Beschreibung des Einzelbildes (Kantor, Loew/Bodek). Auf der anderen Seite ist der Fokus auf die Untersuchung der Zeitkonstruktionen auch deshalb sinnvoll, weil gerade die mediale Besonderheit der Bildserien, nämlich eine Sequenz aus mehreren Bildern herzustellen, zeitliche Dauer und Ordnung in vielerlei Variationen ausdrücken kann.2 Zudem spielte, wie wir in Kapitel  5.2 noch sehen werden, gerade die Zeit für die Häftlinge in den Lagern eine ganz wesentliche Rolle. Die folgenden Kapitel beschäftigen sich mit den Zeitkonstruktionen im statischen Medium Bild. Wie wird Zeit im Einzelbild dargestellt  ? Welche Zeitbezüge zwischen den einzelnen Bildern einer Sequenz gibt es  ? Welche Rolle spielt dabei der Bild-

text  ? Theoretische Grundlagen meiner Ausführungen bilden Beiträge der intermedialen Erzähltheorie und der Comicforschung, die sich dem Phänomen der Zeit im Medium Bild auf mehreren Ebenen nähern. Werner Wolf steuert grundsätzliche Erläuterungen zu einer intermedialen Erzähltheorie bei, während Nicole Mahne einen Überblick über die verschiedenen narrativen Medien bietet.3 Als eine der wichtigsten theoretischen Auseinandersetzungen zu diesem Thema ist auch das Buch »Understanding Comics« von Scott McCloud zu nennen, das selbst als Comic gestaltet, die wesentlichen Strukturen dieser sequenziellen Kunst erklärt.4 Martin Schüwer wiederum versucht den Comic mit der intermedialen Erzähltheorie zu verknüpfen, wobei auch hier die unterschiedlichen Ebenen der Zeitkonstruktion breiten Raum im Buch einnehmen.5 Eine erste Ebene ist die Zeitdarstellung im Einzelbild. Im Unterschied zur Fotografie bildet das gezeichnete oder gemalte Bild nicht notwendigerweise nur einen einzigen Moment ab.6 Vielmehr kann die Illusion eines einzigen Zeitpunktes durch verschiedene grafische Möglichkeiten aufgehoben werden  : So erzeugen z. B. Sprech- oder Gedankenblasen von Figuren allein durch die sequenzielle Rezeption des Textes einen zeitlichen Prozess.7 Darüber hinaus können Bildtexte entweder als Erzählerkommentare oder als Figurenrede auch temporäre Angaben wie Datum oder Uhrzeit enthalten, die auf einen bestimmten Zeitpunkt oder einen Zeitverlauf hinweisen. Die Visualisierung von Bewegung ist eine weitere Möglichkeit, Zeit im statischen Medium Bild darzustellen. Hier sind zunächst die im Comic weitverbreiteten Bewegungslinien gemeint, die als tradierte grafische Zeichen zeitliche Bewegungsabläufe wie etwa Sprünge oder Fausthiebe ausdrücken.8 Bewegung im Einzelbild lässt sich aber auch durch die Zerlegung eines Objektes in einzelne Bewegungsphasen sichtbar machen. Dieses Ausdrucksmittel wird nicht nur im Comic, sondern auch in der Zeitdarstellung im Bildmedium  |  133

Malerei verwendet, so etwa bei den Futuristen oder in Marcel Duchamps berühmtem »Nu descendant un escalier no.  2« von 1912, wo durch die Vervielfältigung der Figuren, einzelner Körperteile oder Gegenstände Bewegungsabläufe simuliert werden.9 Darüber hinaus wird als weiteres Mittel der Zeitdarstellung in der Malerei wie auch im Comic die Körperpose einer Figur verwendet. Denn die Körperpose impliziert ein zeitliches Vorher und Nachher im Bewegungsablauf und kann als zufälliger Momentschnitt oder als überzeitlicher Bewegungswechsel interpretiert werden.10 Schließlich vermag auch der Bildrahmen bzw. der Panel im Comic das Zeitempfinden des Betrachters zu beeinflussen. So scheinen langestreckte Panel die Zeit zu verlängern, während ein randloses Panel Zeitlosigkeit suggerieren kann.11 Eine weitere Zeitebene stellen die temporären Bezüge innerhalb einer Sequenz dar. Hier muss zunächst der Betrachter durch seine eigene Rezeptionsleistung die Lücke zwischen den einzelnen Bildern füllen. Diese Leerstelle zerlegt innerhalb einer Bildsequenz … Zeit und Raum zu einem abgehackten, stakkatohaften Rhythmus getrennter Augenblicke. Aber die Induktion ermöglicht uns, diese Augenblicke zu verbinden und gedanklich eine in sich zusammenhängende, geschlossene Wirklichkeit zu konstruieren.12 Allerdings ist das Bildmedium im Gegensatz zum verbalen Medium bei der Darstellung zeitlicher Progression wesentlich ungenauer, da es ihm an der Eindeutigkeit schriftlicher Zeitzeichen fehlt und sich die temporären Abstände zwischen den Bildern häufig nur indirekt erschließen.13 Bei der unterschiedlichen zeitlichen Dauer in der Bildfolge ist es zudem problematisch, das Konzept der Zeitdehnung und Zeitraffung aus Film und Literatur auf die statischen Bildserien zu übertragen, wie es teilweise immer noch geschieht.14 Martin Schüwer argumentiert zu Recht, dass die Rezeptionsdauer von Bildserien im Wesentlichen von den individuellen Sehgewohnheiten des Betrachters beeinflusst ist und daher sehr unterschiedlich sein kann.15 Außerdem ist die 134  |  Die Narration der Bildserien

Erzählzeit weitaus stärker von den Textelementen abhängig als von der Anzahl der Bilder. Schüwer spricht statt Zeitdehnung und -raffung lieber von einem erhöhten oder einem niedrigen »Rhythmus der Dauer«. Ein hoher Rhythmus existiert, wenn in großer Dichte viele Bilder detailliert ein Geschehen wiedergeben, ein niedriger, wenn ein Ereignis auf wenige Handlungsmomente reduziert ist.16 Wie lassen sich die Zeitbezüge zwischen den einzelnen Bildern einer Sequenz differenzieren  ? Scott McCloud benennt in seiner Arbeit sechs verschiedene Arten des Übergangs.17 Hier genügt es, die einfachere Unterscheidung von Dietrich Grünewald zu nehmen, der drei Möglichkeiten der zeitlichen Abfolge anführt  :18 Zum einen die »weite Bildfolge«, bei der die Szenen zeitlich relativ weit auseinander liegen und somit die Leerstelle größere temporäre Sprünge überbrückt. Folglich bildet das Einzelbild jeweils den prägnanten, relativ autonomen Moment eines Geschehens und muss genau rezipiert werden. Zum Zweiten die »enge Bildfolge«, bei der zwischen den einzelnen Bildern relativ wenig Zeit vergeht, sodass kausale und chronologische Zusammenhänge vom Betrachter leichter nachzuvollziehen sind. Der Fokus liegt hier eher auf der Sequenz als auf dem Einzelbild. Und schließlich als dritte Möglichkeit die Verbindung aus beiden Formen, die v. a. in längeren Bilderzählungen auftaucht und die den unterschiedlichen Rhythmus einer Geschichte bestimmt. Eine letzte hier zu behandelnde Zeitebene besteht in der Erzählordnung, die sich mit der Reihenfolge der Ereignisse befasst. Werner Wolf nennt einige sogenannte visuelle und verbale »Lesehilfen«, die beim Betrachter für die nötige erzählerische Kohärenz sorgen.19 Neben dem Konzept der wiederkehrenden Figurendarstellung listet er auch indexikalische Zeitangaben wie die Darstellung von Uhren oder heruntergebrannten Kerzen auf. Ebenso sind Gesten, Mimik und Blicke visuelle Mittel, die auf vorherige Ereignisse oder zukünftiges Geschehen hinweisen können. Eine der wichtigsten Lesehilfen sieht Wolf im verbalen Medium, das in Form von Titeln oder längeren Bildtexten wesentlich zur narrativen Rezeption einer Bildsequenz beiträgt. Auch wiederkehrende schriftliche Äußerungen wie Da-

tum oder Uhrzeit können Hinweise auf eine temporäre Chronologie geben. Nicole Mahne erwähnt hierzu auch Erzählerkommentare oder Figurenreden, die als overlapping dialogue auf mehrere Bilder verteilt, eine fließende chronologische Erzählabfolge bewirken.20 Zahlreiche Erzählungen benutzen eine chrono­ logische Ordnung, bei der die Bilder nach dem zeitlichen Auftreten der Ereignisse sortiert sind. Unterstützt wird die lineare Narration durch ein gemeinsames Trägermedium, etwa ein g­ ebundenes Heft, oder Nummerierungen, die den einzelnen Darstellungen eine unverrückbare Position in der räumlichen Bildabfolge zuweisen und eine, zumindest im westlichen Kulturkreis, übliche Rezeption der Bilder von links nach rechts ermöglichen. Abweichungen vom chronologischen Verlauf einer Erzählung heißen Anachronien. Eine Form ist die sogenannte Vorausdeutung oder Prolepse, bei der ein in der Zukunft liegendes Geschehen vorwegnehmend erzählt wird. Demgegenüber berichtet die Rückwendung oder die Analepse nachträglich über ein in der Vergangenheit stattgefundenes Ereignis.21 Weitere Arten des nichtlinearen Erzählens, die auch in den Bildsequenzen vorkommen können, sind Leerstellen und Gleichzeitigkeiten.22 Eine besondere Form der Leerstelle, die Wolfgang Kemp auch »äußere Leerstelle« oder »Ellipse« nennt, ist die signifikante Auslassung zwischen zwei Bildern, deren Sinnhaftigkeit erst durch den Betrachter erschlossen werden muss.23 Gleichzeitigkeit ist v. a. bei Werken möglich, in denen mehrere Bilder auf einer Seite arrangiert sind und so die verschiedenen Zeitebenen – Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft – simultan betrachtet werden können  : Anders als in den anderen Medien ist im Comic die Vergangenheit für den Leser mehr als nur eine Erinnerung und die Zukunft mehr als die Summe der Möglichkeiten   ! Vergangenheit und Zukunft sind real, sichtbar und allgegenwärtig. Was immer deine Augen fixieren, das ist Gegenwart. Aber zugleich nehmen sie auch das angrenzende Areal von Vergangenheit und Zukunft auf.24

Eine Sonderform bildet die Achronie, bei der sich eine zeitlich geordnete Abfolge der einzelnen Ereignisse nicht mehr rekonstruieren lässt.25 Auch in Scott McClouds Einteilung der Zeitbezüge zwischen den einzelnen Bildern ist ein Bezug zur Achronie gegeben. So übergeht der fünfte Typ des Übergangs – er nennt ihn »von Gesichtspunkt zu Gesichtspunkt«  – »größtenteils den Aspekt der Zeit und lässt stattdessen den Blick über verschiedene Aspekte eines Ortes, einer Idee oder einer Stimmung schweifen«.26 5.2 Zur Bedeutung der Zeitlichkeit in den Lagern und über die Zeitwahrnehmungen der Häftlinge

Folgt man Wolfgang Sofskys einflussreichem und viel zitiertem Werk »Die Ordnung des Terrors«, war neben der Raumordnung die Kontrolle der Zeit ein weiteres wichtiges Instrument der »absoluten Macht« in den Lagern.27 »Absolute Macht« definiert er als soziale Machtform, die sich erheblich von den üblichen Macht- und Herrschaftstypen unterscheide und auf Terror, Organisation und exzessiver Tötungsgewalt beruhe.28 »Absolute Macht« zwang nach seiner Meinung nicht nur das Handeln eines jeden Häftlings in bestimmte temporäre Abläufe, sondern zerstörte auch das innere Zeitempfinden und schnitt den Menschen von seiner Vergangenheit und Zukunft ab. Für viele Häftlinge bedeutete der Terror des Lagers eine Reduzierung der Zeit auf die unmittelbare Gegenwart.29 V. a. Zeitpläne sind dabei nach Sofsky ein bewährtes Mittel sozialer Macht zur Kontrolle von Zeit. Denn sie … bezeichnen Anfangs- und Endpunkte, Phasen und Übergänge, lineare Folgen und zyklische Kehren. Zeitpläne sind Programme des Nacheinander. Sie schreiben vor, wann etwas getan werden soll, sie definieren Handlungszeiten und Pausen, lenken zukünftige Ereignisse in vorgezeichnete Bahnen.30 Allerdings folgen die Zeitpläne nach Ansicht von Sofsky keinem starren Muster, sondern konnten durch den Terror der Machthaber jederzeit aufgeZur Bedeutung der Zeitlichkeit  |  135

hoben werden. Gerade durch die Unregelmäßigkeit und Unvorhersehbarkeit der Übergriffe befand sich der Häftling im ständigen Wechsel zwischen relativer Ruhe und plötzlicher Hast, sodass ihm längerfristiges Planen unmöglich wurde. Dieser Wechsel von »Dauer und Plötzlichkeit, von Hetze und Warten, Ruhe und Schock«31 fand sich auch im Tagesablauf wieder. So folgte nach dem morgendlichen Wecken um 4 oder 4.30 Uhr das hektische Gedränge in der Baracke, dann das Warten beim Morgenappell, der Marsch zur Arbeit, die verschiedenen Arbeitskommandos, die Rückkehr ins Lager, die Dauer des Abendappells, die Eile bei der Verteilung der Essensrationen und schließlich »Freizeit« bis zur Bettruhe gegen 21 Uhr.32 Obwohl der Terror jederzeit hereinbrechen konnte, wiederholte sich dieser Ablauf vom Wecken bis zur Nachtruhe Tag für Tag. Sofsky spricht hier von einer zyklischen Zeit ohne Anfang und ohne Hoffnung auf ein Ende, in der die »Unterschiede (…) zusehends gleichgültig«33 wurden. Die regelmäßige Wiederkehr von Zeit führt allerdings nicht zu einem Gefühl der Gewissheit und Sicherheit bei den Gefangenen, da, wie Sofsky weiter ausführt, die »absolute Macht« jegliche Zeitstrukturen durch »Dehnung und Beschleunigung, durch plötzliche Überfälle und die Tortur der Dauer«34 manipuliert. So erhellend Sofskys Untersuchungen über die Zeit des Lagers auch sind, so muss man berücksichtigen, dass er kein reales, sondern ein fiktives Lager beschreibt, das ungefähr dem Typus eines KZ-Hauptlagers des Jahres 1943 entspricht. Der historische Kontext mitsamt den konkreten Entwicklungsgeschichten der Lager und ihrer unterschiedlichen Typologie wird bei Sofsky zu einem zeit- und ortslosen Lager reduziert.35 Außerdem betrafen die geschilderten Zeitstrukturen nur diejenigen Häftlinge, die nicht sofort nach der Ankunft ermordet wurden, sondern erst noch Zwangsarbeit leisten mussten. Die Tagesabläufe in den Konzentrationslagern, die der Inspektion der Konzentrationslager bzw. ab 1942 dem SS-Wirtschaftshauptamt unterstanden, unterlagen zwar alle wie oben von Sofsky geschildert einer festgelegten Ordnung, allerdings konnte es im Verlauf der Lagergeschichte aufgrund veränderter politischer Vorgaben durchaus zu Modifikationen etwa 136  |  Die Narration der Bildserien

der Arbeitszeiten oder der Sonntagsarbeit kommen.36 Ebenso war die Häftlingsarbeitszeit abhängig von den unterschiedlichen klimatischen Verhältnissen, von der Jahreszeit oder der Bereitstellung von vorhandenem Wachpersonal.37 Zudem herrschten insbesondere in der letzten Kriegsphase 1944/45 häufig chaotische Zustände in den Lagern, ausgelöst durch Evakuierungstransporte und Überfüllung, sodass an einen geregelten Tagesablauf nicht mehr zu denken war. Aber auch zwischen den einzelnen Lagern oder Lagerteilen gab es Unterschiede, die sich aus deren Funktion herleiten lassen. So mussten die Insassen des »Ungarnlagers« aufgrund ihres besonderen Status als Austauschhäftlinge bis auf kleinere, interne Lagerarbeiten sich keiner erschöpfenden und lang andauernden Zwangsarbeit unterziehen, genauso wenig wie die Gefangenen des Internierungslagers Gurs auch. Trotz der geschilderten Heterogenität zeitlicher Strukturen in den verschiedenen Zwangslagern war ein Merkmal gleich  : So einte die Gefangenen sämtlicher Lager die Ungewissheit ihrer Haftdauer.38 Philipp Mechanicus (1889–1944) bemerkte dazu in seinem Tagebuch, das er im Durchgangslager Westerbork führte  : Die erste Hälfte des Jahres ist um. Verwunderlich. Obwohl ich hier ohne Ziel und ohne Sinn, scheinbar jedenfalls, herumliege und warte und warte, flog das halbe Jahr vorbei. Jeden Tag frage ich mich  : Wie lange noch  ? 39 Wie haben nun die Häftlinge selbst die Zeit wahrgenommen  ? Hinweise auf die Bedeutung der Lagerzeit finden wir am ehesten in den Tagebüchern der Häftlinge. Hier lassen sich zahleiche Äußerungen entdecken, die auf eine gestörte Zeitwahrnehmung anspielen.40 Beispielsweise schrieb der im Konzentrationslager Herzogenbusch gefangene David Koker (1921–1945)  : »Gestern war ich den ganzen Tag der Meinung, es sei Dienstag. Ich fürchte, bald weiß ich gar nicht mehr, was für einen Wochentag wir haben und welches Datum wir schreiben«41. Bei Mechanicus heißt es wiederum  : »In meinem Bewusstsein haben die Ereignisse keine Tiefenschärfe mehr, sondern sie stehen alle nebeneinander, in einer

Reihe, außerhalb von Raum und Zeit.«42 Viele der Gefangenen vermochten innerhalb des Lagers keine chronologische Ordnung der Ereignisse mehr herzustellen, sie verloren wie Renata Laqueur in ihrer Untersuchung über die KZ-Tagebücher schreibt, ihr »›lineares‹ Zeitgefühl«43. Abel Herzberg empfand in Bergen-Belsen kein Nacheinander, sondern eher eine Simultanität in der Ereignisabfolge  : Es gibt hier keine ›Zeit‹ mehr. Die Tage gehen vorüber, doch manchmal scheint es, als kämen sie nicht nacheinander, sondern gleichzeitig, als fände das Geschehen von heute gleichzeitig mit dem von gestern und morgen statt.44

Nach Ansicht des Psychoanalytikers Jossi Hadar sind solche Formulierungen Ausdruck einer traumatischen Erfahrung, die auf eine Störung der notwendigen kontinuierlichen inneren Zeitachse hinweist. Störungen kommen nämlich dann zustande, wenn sich die objektive chronologische Zeit und die subjektive mentale Zeit aufgrund traumatischer Ereignisse nicht mehr synchronisieren lassen.45 Der mentale Schmerz bewirkt beim Häftling ein verändertes Zeitempfinden, das zur Verlangsamung bis hin zum Stillstand der Zeit führen kann. Dies drücken Aussagen aus wie z. B. von Edgar Kupfer-Koberwitz (1906–1991), der in seinen Aufzeichnungen aus Dachau schreibt  : Und kein Tag wollte je ein Ende nehmen. Dreitausendsechshundert volle, lange, bange Sekunden, das war eine Stunde, dreitausendsechshundert Sekunden bleischwer und langsam dahinkriechend.46 Dagegen empfanden andere Häftlinge eine starke Beschleunigung der Zeit. Hierzu nochmal Philip Mechanicus  : Heute genau ein Jahr von zu Hause weg. Es kommt mir vor, als wäre die Zeit wie im Flug vergangen, aber ich weiß genau, dass es nicht so ist. Wenn ich zurückblicke, ist in diesem Jahr mit mir so viel geschehen, dass die Zeit gar nicht verflogen sein kann. Ich weiß, dass jeder Zeitabschnitt dieses Jahres,

mein Aufenthalt im Gefängnis, mein Aufenthalt im Konzentrationslager von Amersfoort, mein Aufenthalt in den verschiedenen Krankenbracken, in meiner Erinnerung lange gedauert hat, manchmal endlos lange. Und trotzdem ist die Zeit wie in einem Film, wie in einem grässlichen, aber fesselnden Film vergangen.47 Allerdings sind diese Äußerungen nicht repräsentativ für alle Häftlinge, da sie nur einen kleinen Teil der Gefangenen aus ganz bestimmten Lagern betreffen. Außerdem verläuft im Allgemeinen die Wahrnehmung zeitlicher Vorgänge je nach Individuum sehr unterschiedlich und ist abhängig von verschiedenen inneren und äußeren Faktoren. Beispielsweise lassen Trauer und Depression das Zeiterleben dehnen, dagegen führen Freude und Euphorie zu einer Verkürzung der Zeitwahrnehmung. Äußere Faktoren wiederum wie Reizüberflutung bewirken häufig Zeitdauerüberschätzungen, während bei Reizarmut die Menschen eher zu Zeitdauerunterschätzungen neigen.48 Auch wenn sich keine endgültigen Aussagen zur Zeitwahrnehmung der Häftlinge in den NS-Zwangslagern machen lassen, sind die oben genannten Berichte ein Indiz dafür, dass die Häftlinge die Zeit im Lager anders erlebten als außerhalb in Freiheit. Ein weiteres Indiz für die Zeitwahrnehmung der Gefangenen stellen die Lagerbildserien dar, deren Zeitkonstruktionen deshalb im Folgenden näher untersucht werden sollen. 5.3 Enthistorisierung und die »weite Bildfolge«

Im vorherigen Abschnitt wurde deutlich, welche starke Bedeutung Zeit für die Häftlinge in den verschiedenen Zwangslagern haben kann. In den folgenden Kapiteln geht es um die künstlerische Umsetzung der Zeiterfahrungen in die Form der narrativen Lagerbildserie. Hier soll zunächst der Fokus auf den Einzelbildern liegen. Inwieweit wird »Zeit« in den jeweiligen Szenen thematisiert  ? Welche Bezüge zur Zeitgeschichte des Lagers bzw. des Häftlings gibt es  ? Und welche Darstellungstechniken werden dabei benutzt  ? In einem weiteren Schritt sollen die ZeitEnthistorisierung und die »weite Bildfolge«  |  137

bezüge zwischen den einzelnen Bildern untersucht werden. Hier ist zu fragen, ob die Bildserien eher dem Zeitempfinden von Edgar Kupfer-Koberwitz entsprechen, die Zeit also »kriecht«, oder ob nicht vielleicht doch die Zeit wie im »Flug vergeht« und die Handlung auf wenige Bilder reduziert wird. 5.3.1 Ahistorische Darstellung in Schrift und Bild

Auf den ersten Blick scheinen die Lagerbildserien zeitliche Ereignisse aus dem jeweiligen Lager abzubilden. Dafür sprechen die schriftlichen Zeitangaben wie etwa Jahreszahlen, die scheinbar den Zeitpunkt des dargestellten Geschehens anzeigen. So ist auf Liesel Felsenthals Titelseite ihres Heftes neben dem Ort »Gurs« auch das Jahr »1941« vermerkt (Felsenthal Abb.  1), Horst Rosenthal gibt für sein »Mickey au Camp de Gurs« das Jahr 1942 an (Rosenthal Abb. 1) und István Irsai benennt auf seinem Bild sogar das konkrete Ankunftsdatum des Deportationszuges, nämlich »1944 Július  9« (Irsai Abb.). Da viele der Ereignisse aber sich jeden Tag wiederholen, wie z. B. die Essensausgabe, der Appell oder die Arbeit, weiß der Betrachter nicht, welches Ereignis genau gemeint ist. Ist es eine Szene aus der Anfangszeit der Inhaftierung oder doch eine kurz vor der Deportation bzw. Befreiung  ? Da solche Angaben fehlen, lässt sich auch keine zeitliche Entwicklung ausmachen, die etwa Veränderungen in der Lagergeschichte visualisieren könnte. Eine Ausnahme bildet das Werk Pavel Fantls, das in vier Bildern die fortschreitende Verschlechterung der Lebensumstände in Theresienstadt von 1941 bis 1944 zum Thema hat. Meine These ist daher, dass die narrativen Bildserien eine ahistorische Darstellung des jeweiligen Zwangslagers zeigen. Ahistorisch bedeutet hier nicht, dass die abgebildeten Ereignisse und Szenen nicht authentisch sind, da sie durchaus auf die geschichtliche Realität der Lager verweisen. Allerdings wird bei dieser Darstellung der Faktor Zeit weitgehend ausgeblendet. Erreicht wird dies zum einen durch eine Uneindeutigkeit der Zeitzeichen auf der schriftlichen Ebene, zum anderen durch eine iterative Darstellung auf der visuellen Ebene.49 138  |  Die Narration der Bildserien

Schriftliche Zeitzeichen werden nicht in allen hier zu untersuchenden narrativen Bildserien verwendet. So kommen Erich Lichtblau-Leskly, Waldemar Nowakowski, Joseph Spier und der unbekannte Zeichner des Auschwitz-Skizzenbuchs ohne solche Zeitangaben aus. Alfred Kantor wiederum gibt auf der Titelseite mit »2  Wochen Schwarzheide« lediglich den Zeitverlauf und den Ort der abgebildeten Ereignisse an, ohne ein konkretes Jahr zu nennen (Kantor Abb. 2). Wann die abgebildeten Szenen genau passiert sind, bleibt für den Betrachter also unklar. Aber auch bei den Werken, die wie oben beschrieben schriftliche Zeitangaben in Form von Jahreszahlen besitzen, ist eine Ungewissheit der zeitlichen Zuordnung zu beobachten. Denn abgesehen von der Titelseite enthalten die einzelnen Szenen in den meisten Fällen kein Datum. Folglich können sie auch keinem historischen Zeitpunkt präzise zugeordnet werden, allein der durch die Jahreszahl vorgegebene ungefähre Zeitrahmen ist für den Rezipienten gesichert. Eine Ausnahme scheint hierbei das Werk von Helga Weissová zu bilden, deren Bilder häufig mit einem bestimmten Datum versehen sind. Allerdings kann es sich bei dieser Angabe sowohl um die Zeit des Ereignisses als auch um die Entstehungszeit des Bildes handeln, eine Zweideutigkeit, die allgemein in vielen Häftlingsbildern festzustellen ist.50 Diese Unbestimmtheit der textlichen Zeitzeichen ist ebenso in Zsuzsa Merényis Arbeit zu beobachten. Zwar ist auf den Blättern des ungarischen Tageskalenders, die Merényi in Bergen-Belsen anfangs für ihre Zeichnungen benutzte, teilweise noch das aufgedruckte Datum bestehend aus Tag, Wochentag und Monat sichtbar. Ein Blick auf den Kalender der Jahre 1944 und 1945 zeigt jedoch, dass zahlreiche dieser Kombinationen nur zu Zeitpunkten möglich waren, an denen Zsuzsa Merényi gar nicht in Bergen-Belsen sein konnte.51 Daraus ergibt sich, dass Merényi ihren ursprünglichen Kalender nicht zur Datierung ihrer einzelnen Szenen benutzte, sondern ihn lediglich als Papiervorrat verwendete. Neben der Nennung eines Datums können natürlich auch Titel oder längere Kommentare Aufschluss über ein konkretes zeitliches Ereignis geben. Gleichwohl wird in den Lagerbildserien hiervon

kaum Gebrauch gemacht. Ein Beispiel für eine Ausnahme ist Zsuzsa Merényis Kommentar »Kiűzetés a Vatikánból« [Vertreibung aus dem Vatikan], der auf der ersten Seite ihres Heftes zu finden ist (Merényi Abb. 2, Bild 4). Hier spielt der Bildtext auf die sogenannten »Schutzhäuser« der päpstlichen Nuntiatur an, in die zahlreiche Budapester Juden 1944, darunter auch Zsuzsa Merényi selbst, flüchteten und dann von ungarischen Pfeilkreuzlern verhaftet wurden.52 Analog zur schriftlichen Ebene existieren auch auf der visuellen Ebene in manchen Bildern Hinweise auf bestimmte historische Ereignisse. Allerdings sind diese weitaus stärker als bei Bildtexten erst durch kontextualisiertes Wissen lesbar. Beispielsweise zeigt ein Bild von Waldemar Nowakowski zwei Figuren in Häftlingskleidung, von denen die erste ein Waschbecken auf dem Kopf trägt, während die zweite mit einem Zettel in der Hand vor einem uniformierten Mann steht (Nowakowski Abb.  14). Erst durch Kenntnisse der Historiographie von Auschwitz wird ersichtlich, dass es sich hier um einen Ausschnitt aus der schon in der Lagerzeit bekannten Geschichte über die in Belgien aufgewachsene Jüdin Mala Zimetbaum und den Polen Edward »Edek« Galinski handelt, die am 24. Juni 1944 gemeinsam aus dem Lager flohen.53 In einem anderen Beispiel von Erich Lichtblau-Leskly ist eine große Menschenmenge abgebildet, in deren Mitte abgeschirmt von Ordnern Kinder und ältere Menschen den Ort verlassen (Lichtblau-Leskly Abb.  32). Auch hier ist zunächst unklar, worauf sich diese Darstellung bezieht, zumal Teile des Bildes und der dazugehörige Text fehlen. Erst ein Vergleich mit der Nachkriegskopie, die Erich Lichtblau-Leskly in den 1970er-und 1980er-Jahren in Israel anfertigte, macht deutlich, dass es sich hier um die Zählung im Bohušovicer Kessel vom 11. November 1943 handelt, bei der die Anzahl aller 40.000 Insassen von Theresienstadt auf einem Feld außerhalb der Ghettomauern überprüft werden sollte, die erst abends zurück durften.54 Solche Darstellungen mit Bezügen zu konkreten zeitlichen Geschehen sind in den narrativen Bildserien jedoch die Ausnahme. In den meisten Fällen verwenden die Häftlinge stattdessen eine überzeitliche, iterative Erzählweise. Iteratives Erzählen

bedeutet nach Gerard Genette, dass mehrere sich ähnelnde Ereignisse zu einer einzigen narrativen Aussage zusammengefasst werden.55 Wichtig dabei ist, dass, wie Genette schreibt, »die Fälle tatsächlich zusammen, synthetisch erfasst werden. Wenn nur ein einziger erzählt wird, der alle anderen vertritt, handelt es sich um einen paradigmatischen Gebrauch der singulativen Erzählung«.56 Auf die narrativen Bildserien übertragen, drückt sich die iterative Erzählweise dadurch aus, dass die verschiedenen sich wiederholenden Ereignisse aus dem Lageralltag wie die Zählappelle oder die Essensausgaben meist nur ein einziges Mal abgebildet werden. Dies geschieht im bewussten Gegensatz zur Historizität der Ereignisse, denn trotz aller Wiederholbarkeit gab es durchaus Unterschiede in den Tagesabläufen  ; mal regnete es beim Appell, ein andermal fand sich unverhofft ein Stück Fleisch in der Suppe. Diese Individualität des einzelnen historischen Geschehens wird in den Lagerbildserien zugunsten einer weitgehend überzeitlichen, ahistorischen Darstellung aufgehoben. Die einzelnen Bilder sind prägnante Zusammenfassungen vergleichbarer Situationen, die zudem eine konkrete Aussage enthalten. Beispielsweise zeigt Alfred Kantor in seinem Album aus Schwarzheide neben anderen Ereignissen auch den täglichen Zählappell nur ein einziges Mal. Zu sehen sind schemenhaft die Häftlinge, wie sie in Reih und Glied vor den Baracken stehen (Kantor Abb.  6). Schriftliche oder visuelle Zeitzeichen, die auf ein bestimmtes Geschehen hindeuten, lassen sich nicht finden. Hier wird kein einzelner, historisch zu benennender Appell unter vielen dargestellt, der dann exemplarisch für alle anderen ähnlichen Situationen steht. Vielmehr fasst Alfred Kantor die in Schwarzheide erlebten Appelle zusammen und stellt dabei die Anonymität und Uniformität der Häftlinge in den Mittelpunkt. Auch Helga Weissová zeigt in ihrer Bildserie aus Theresienstadt die häufig vorkommenden Ereignisse in einer aussagekräftigen Zusammenfassung. So thematisiert sie den Wassermangel in Theresienstadt, indem sie eine Frau zeichnet, die mit leerer Schüssel von einer öffentlichen Wasserpumpe kommt, während im Bildhintergrund an einer Wand der Warnhinweis »Nie Enthistorisierung und die »weite Bildfolge«  |  139

vergessen, Hände waschen  !« zu lesen ist (Weissová Abb.  29). Obwohl datiert, ist dies kein Abbild eines einmaligen Ereignisses, sondern die synthetisierende Darstellung einer häufig wiederkehrenden Realität in Theresienstadt, wo Wassermangel an der Tagesordnung war. Neben der grundsätzlichen Problematik, ausreichend Wasser zu erhalten, wird auch das zynische Verhalten der SS kritisiert, Hygiene von den Ghettoinsassen einzufordern, ohne dafür ausreichend Wasser zur Verfügung zu stellen. Besonders deutlich lässt sich das Konzept der ahistorischen, iterativen Erzählweise anhand eines Vergleichs der Selektionsszenen aus dem Auschwitz-Skizzenbuch und dem von Lilli Jacob überlieferten sogenannten Auschwitz-Album ausmachen.57 Dieses Album, das betitelt ist mit »Umsiedlung der Juden aus Ungarn«, enthält 193 Fotografien auf 56 Seiten, die den Ablauf des Vernichtungsprozesses an jüdischen Deportierten in Auschwitz-Birkenau von der Ankunft des Transportzuges und der Selektion an der Rampe über den Weg zu den Gaskammern bis hin zur Plünderung des Gepäcks der Ermordeten zeigen – allerdings ohne den Tötungsvorgang selbst abzubilden. Die Fotos stammen vermutlich entweder vom Leiter des Erkennungsdienstes der Politischen Abteilung, Bernhard Walter, oder dessen Mitarbeiter Ernst Hoffmann und wurden im Mai/Juni 1944 angefertigt.58 Anschließend stellte wahrscheinlich ein Häftling das Album zusammen und fügte die Inschriften hinzu.59 Während im Auschwitz-Skizzenbuch die Selektion in Auschwitz-Birkenau nur auf einer Seite dargestellt wird (MM Abb. 7), sind im Auschwitz-Album unter der Überschrift »Aussortierung« 16 verschiedene Fotografien auf fünf Seiten zu finden (als erste Seite dieser Serie vgl. Abb. 26). Diese Bilder zeigen Aufnahmen der Rampe aus der Vogelperspektive vom Dach eines der Waggons wie auch Nahaufnahmen einzelner Gruppen und Personen. Eine Fotografie bildet z. B. die Selektion der nach Männern und Frauen getrennten Menschen ab, während im Hintergrund die ersten Personen bereits in Richtung Krematorien gehen (Abb.  27). Eine andere stellt in Nahaufnahme die »Untersuchung« eines SS-Arztes dar (Abb.  28). Auch wenn sich nicht exakt feststel140  |  Die Narration der Bildserien

len lässt, welcher Transport hier abgebildet ist, und das Album eine im Sinne der SS bestimmte Struktur aufweist,60 bilden die einzelnen Fotografien jeweils für sich genommen ganz konkrete historische Ereignisse ab, die zu einer bestimmten Uhrzeit an einem bestimmten Tag passiert sind. Sie sind zeitliche Momentschnitte aus der großen Anzahl weiterer Selektionen, die im Lager Auschwitz-Birkenau des Jahres 1944 im Rahmen der Ungarntransporte stattgefunden haben.61 Zudem lassen sich anhand der Aufnahmen einzelne Menschen identifizieren, was die historische Existenz der dargestellten Ereignisse beweist.62 Erst in der Nachkriegsrezeption wurden die Bilder häufig aus dem Zusammenhang des Albums gerissen und in einen anderen Kontext gestellt, wo sie zu zeitlosen Symbolen der Ermordung, eben zu »Ikonen« wurden.63 Gegen die singulative Zeitlichkeit des Auschwitz-­ Albums steht die iterative, enthistorisierende Darstellung des Skizzenbuchs. Statt die Selektion in mehreren Bildern und aus unterschiedlichen Perspektiven zu zeigen, wird hier das Ereignis in einem einzigen Bild visualisiert. Im Unterschied zum Auschwitz-Album bildet die Zeichnung eine Selektion an der alten »Judenrampe« am Bahnhof Auschwitz ab, erkennbar im Bildhintergrund am realen Bauzustand der Hauptwache vor ihrer Erweiterung Ende 1943. Somit ist eine ungefähre zeitliche Einordnung der Darstellung zwischen Frühjahr 1942, dem Beginn der Massendeportation europäischer Juden nach Auschwitz, und Ende 1943 denkbar. Dennoch ist hier keine konkrete Selektion ganz bestimmter Menschen gemeint, sondern es soll eine allgemein gültige Aussage über das Ereignis getroffen werden. So bildet die Figurendarstellung keinen zufälligen Zeitschnitt wie im Auschwitz-Album ab, wo die Personen wie in einem Schnappschuss spontan in ihrer Bewegung festgehalten werden, sondern offenbaren den von Martin Schüwer sogenannten »überzeitlichen Bewegungswechsel«, der auf bestimmte stereotype Körperposen verweist.64 V. a. die Gestik des ausgestreckten Arms des Jungen im Matrosenanzug, die von der Vaterfigur erwidert wird, ist in der Kunstgeschichte ein häufig eingesetztes Zeichen der Verzweiflung und Furcht, zusätzlich verstärkt

hier durch den Aspekt der Trennung.65 Ebenso ist die Körpersprache der beiden SS-Männer, die den Jungen und den alten Mann mit Gewalt am Arm packen, auch häufig als Sinnbild gewaltsamer Machtausübung zu interpretieren.66 Beide Gesten drücken zudem das Auseinanderreißen der Familien und die häufig vorkommende Brutalität bei einer Selektion aus. Die Darstellung der Gewalt ist auch einer der wesentlichen Unterschiede zum Auschwitz-Album, das dieses Thema in den Fotografien gänzlich ausgeblendet und nur den scheinbar gewaltlosen und effektiven Vorgang einer Selektion abbildet. 5.3.2 Das Einzelbild im Fokus. Variationen der »weiten Bildfolge«

Nachdem wir in den Lagerbildserien eine enthistorisierende Darstellung im Einzelbild festgestellt haben, wollen wir nun untersuchen, welche Zeitbezüge zwischen den einzelnen Bildern existieren. Folgen die Werke also einem eher langsamen Zeitempfinden, wie es im obigen Beispiel der Dachauer Häftling Edgar Kupfer-Koberwitz ausdrückt, der die Sekunden des Tages als »bleischwer und langsam dahinkriechend« bezeichnet  ? Oder visualisieren die Bildserien eine zeitliche Beschleunigung der Ereignisse, die nach Philipp Mercator »wie im Flug« vergangen sind  ? Wie das vorherige Kapitel verdeutlich hat, werden in den narrativen Bildserien die unterschiedlichen Aspekte des Lagerlebens in einer einzigen Darstellung gezeigt, die den prägnanten Moment eines Geschehens bilden. Im Folgenden soll nun aufgezeigt werden, dass zwischen diesen einzelnen Momenten verhältnismäßig große Zeitspannen liegen. Dietrich Grünewald bezeichnet diese Erzählweise, wie oben erwähnt, als »weite Bildfolge«. Die Erzählung vollzieht sich in relativ größeren zeitlichen Sprüngen, wodurch auch längere Zeiträume, z. B. die Ereignisse eines ganzen Tages oder die häufig jahrelange Gefangenschaft, in wenigen Bildern wiedergegeben werden. Somit erhält das Einzelbild in der Gesamtsequenz einen autonomen Stellenwert, was sich abhebt vom Modus der »engen Bildfolge«,

die den Rezipienten weniger zum Betrachten als zum schnellen Lesen der Seiten anregt. Wie die »weite Bildfolge« in den Lagerserien funktioniert, lässt sich exemplarisch anhand e­iner kurzen Sequenz im Schwarzheide-Album von Alfred Kantor verdeutlichen (Kantor Abb.  4, 6, 8). So zeigt das erste Bild der Sequenz einen Häftling, der seine Kameraden mit einem an zwei Bäumen befestigten Gong weckt. Die nächste Zeichnung bildet den bereits oben erwähnten Appell vor den Barackenreihen in Schwarzheide ab, während im darauffolgenden Bild mehrere Häftlinge eine vollbeladene Lore schieben. Auf der visuellen Ebene drückt sich Zeit hier in erster Linie durch die sequenzielle Anordnung der Bilder aus, die der Rezipient als einen temporären Ablauf wahrnimmt. Auch die Veränderung des Bildinhaltes (eben von der Darstellung des Weckens über die Appellszene bis zur Zwangsarbeit) sowie der Wechsel des Ortes lassen sich als zeitliche Progression deuten. Wie viel Zeit dabei genau von Bild zu Bild vergeht, ist nicht ohne Weiteres ersichtlich, da die Wahrnehmung des zeitlichen Ablaufs im Bildmedium eher implizit geschieht und abhängig ist von der Induktionsleistung des Betrachters (siehe Kapitel 5). Der zeitliche Abstand kann aber vom Rezipienten aufgrund allgemeiner Vermutungen sowie historischen Wissens über den Tagesablauf in einem Zwangslager ungefähr einschätzt werden. So weist das Wecken mit dem Gong auf die frühen Morgenstunden hin, während der Appel und die Zwangsarbeit wahrscheinlich kurz darauf erfolgten.67 Dabei markiert der Bildtext einen engen zeitlichen Zusammenhang der ersten beiden Bilder, indem er auf die Müdigkeit der gerade geweckten Häftlinge hinweist  : »Noch bist Du nicht ganz bei Verstand / ruft schon – Wer  ? – ›Das Ganze, Stiiilstand  ! [sic]‹«. (Kantor Abb. 5). Die bei Alfred Kantor gemachten Beobachtungen lassen sich auf die anderen narrativen Bildserien übertragen. Die relativ großen Zeitsprünge zwischen den Bildern erfolgen in erster Linie durch einen Wechsel der Szene und des Handlungsraumes. Dabei sind die Zeitabstände zwischen den Bildern nicht genau definiert, lassen sich aber vom Rezipienten mithilfe allgemeiner Lebenserfahrungen sowie Enthistorisierung und die »weite Bildfolge«  |  141

geschichtlicher Kenntnisse näher präzisieren. Nach Martin Schüwer kann man hier von einem niedrigen Rhythmus der Dauer sprechen, da das jeweilige Ereignis nur mit wenigen Szenen, häufig nur einer einzigen wiedergegeben wird.68 Die relativ autonome Stellung des Einzelbildes der »weiten Bildfolge« wird zusätzlich durch die besondere Gestaltung der Bildserien unterstützt, denn bis auf wenige Ausnahmen weisen die meisten Werke nur ein bis zwei Bilder pro Seite bzw. Blatt auf.69 Im Unterschied zur »engen Bildfolge« ist also von Seiten des Betrachters eine größere Rezeptionsleistung erforderlich, um die Leerstellen zwischen den Bildern zu schließen und einen narrativen Sinn herzustellen.70 Wie wir bereits an der Beispielssequenz von Alfred Kantor gesehen haben, sind die Zeitabstände der »weiten Bildfolge« nicht zwangsläufig von Bild zu Bild identisch, sondern können abhängig von visuellen und textlichen Elementen durchaus variabel sein. Auch zwischen den anderen Werken existieren verschiedene Varianten des temporären Übergangs, die von großen Zeitsprüngen über mehrere Monate und Tage bis hin zu einem scheinbaren zeitlichen Stillstand reichen. Eine Reihe von Arbeiten gibt dabei konkrete visuelle und verbale Hinweise auf die Dauer der Zeitabstände an. Im Werk Pavel Fantls etwa beträgt die Zeitspanne von Bild zu Bild exakt zwölf Monate, was sich durch die wiederholte Darstellung des Weihnachtsfestes und die unter den Bildern angebrachten Jahreszahlen ausdrückt. Auch die Arbeit von Hilda Zadiková signalisiert dem Betrachter durch ihre besondere Form eines illustrierten Kalenders, dass zwischen den zwölf Darstellungen jeweils ein ganzer Monat liegt. Unterstützt wird diese Annahme durch bildliche Hinweise auf die Jahreszeit wie den Schneefall in den Monaten Januar und Dezember oder die Laubfärbung im Monat September. Und in der Arbeit von Liesel Felsenthal macht der Bildtext auf fast schon ironische Weise deutlich, dass die Tätigkeiten pro Bild immer genau eine Stunde dauern. Beim überwiegenden Anteil der Bildserien werden schriftliche wie visuelle Zeitindikatoren weitaus zurückhaltender eingesetzt. So ist in der Bildserie »Onkel Joint’s Hütte« von Kurt Loew und Karl Bo142  |  Die Narration der Bildserien

dek eine zeitliche Progression durchaus erkennbar, die sich v. a. durch den Szenenwechsel und teilweise die Darstellung unterschiedlicher Tageszeiten (etwa in der Nachtdarstellung in Loew/Bodek Abb.  4, rechtes Bild) ergibt. Dennoch ist nicht ersichtlich, ob es sich hier um den zeitlichen Ablauf eines einzigen Tages handelt, also von Bild zu Bild nur wenige Stunden vergehen, oder ob es sich nicht doch eher um eine die gesamte Lagerzeit umfassende Darstellung handelt und somit die einzelnen Bilder jeweils mehrere Wochen oder sogar Monate überspringen. Auch die Zeitabstände in der Bildserie von István Irsai, die den Weg der Kasztner-Gruppe von der Deportation bis zur möglichen Befreiung in acht prägnanten Bildern nachzeichnet, lassen sich nicht immer genau abschätzen. Zwar sind zwischen einigen »Negativen« die ungefähren Zeitabstände zu erahnen  ; so ist für den historisch interessierten Betrachter erkennbar, dass zwischen der Darstellung des Waggons als Beginn der Deportation aus Budapest und den nachfolgenden Szenen mit Stacheldraht und Wachturm als Zeichen der Ankunft in Bergen-Belsen mehrere Tage vergangen sein müssen (Irsai Abb., Bilder 1–4).71 Allerdings sind die Abstände der anderen Bilder weniger deutlich berechenbar, können aber aufgrund des historischen Wissens nicht mehr als einige Monate betragen, da Irsai von Juli bis Dezember 1944 inhaftiert war. Die Bildserie von Joseph Spier verzichtet im Unterschied zu den oben genannten Beispielen vollständig auf visuelle und verbale Zeitzeichen, sodass der Eindruck einer durchgängigen zeitlosen Darstellung entsteht. Zwar ist auch hier durch die Sequenzialität der Bilder eine mögliche zeitliche Progression lesbar. Sie scheint allerdings für die Wahrnehmung der Übergänge kaum eine Rolle zu spielen. Beispielsweise zeigt das Aquarell auf der dritten Seite eine idyllisch anmutende, fast menschenleere Szene eines Theresienstädter Hinterhofes, die im nächsten Bild mit der fiktiven Darstellung einer mit Familien und Flaneuren bevölkerten Geschäftsstraße im Stadtzentrum kontrastiert wird (Spier Abb. 3 und 4). Eine andere Sequenz bildet auf S. 14 zunächst das Innere einer modern wirkenden Dampfküche ab, während das nächste Bild den unter großen Bäumen liegen-

den Patientengarten eines Krankenhauses, gefolgt von der Darstellung eines, wie es in der Bildunterschrift heißt, »Kasperltheater[s] im Kinderheim« (Spier Abb.  14–16). Zwischen den Bildern scheint keine Zeit zu vergehen, der Betrachter hat vielmehr den Eindruck, als würden die dargestellten Szenen fast alle zur gleichen Zeit passieren. Scott McCloud hat in seiner Kategorisierung der Zeitabstände den Begriff »von Gesichtspunkt zu Gesichtspunkt« eingeführt, der die Besonderheit dieser zeitlosen Übergänge recht anschaulich beschreibt  : Diese ruhigen, besinnlichen Kombinationen, die meist verwendet werden, um eine Stimmung oder die Atmosphäre eines Ortes zu vermitteln, scheinen den Lauf der Zeit anzuhalten. Selbst die sequentielle Form scheint hier – obwohl noch vorhanden – weit weniger Bedeutung zu haben als bei anderen Übergängen. Anstatt praktisch als Brücke zwischen verschiedenen Augenblicken zu agieren, muss der Leser hier einen einzigen Augenblick aus verstreuten Fragmenten zusammenfügen.72 Wie gesehen verwenden die Häftlinge in ihren Lagerbildserien fast ausschließlich die »weite Bildfolge«, die das einzelne Bild in den Fokus nimmt. Nur in wenigen Ausnahmefällen taucht auch die »enge Bildfolge« auf, um in mehreren, zeitlich eng gefassten Einzelbildern die verschiedenen Phasen eines einzigen Geschehens abzubilden. Der zeitliche Ablauf ist hier weniger sprunghaft als vielmehr fließend, sodass die einzelnen Bilder vom Betrachter deutlicher als zusammengehörend gesehen werden. So zeigt der anonyme Zeichner des Auschwitz-Skizzenbuchs in zwei inhaltlich miteinander verschränkten Sequenzen den zeitlichen Ablauf der Massenvernichtung (MM Abb. 3–5 und Abb. 6–8). Eine Sequenz bildet die Ankunft und die Selektion jüdischer Deportierter ab, während die andere den Abtransport kranker Häftlinge aus dem Häftlingskrankenbau und dann den Weg beider Gruppen in die Gaskammer visualisiert. Ein visuelles Indiz für die enge temporäre Beziehung bildet hier der Handlungszusammenhang, der die zeitliche Abfolge der Selektion und Ermordung anhand wiedererkennbarer Figuren ausdrückt.

Somit lässt sich die Lücke zwischen den Bildern schneller schließen, die einzelnen Szenen sind zeitlich eng miteinander verknüpft. Ein anderes Beispiel ist in einer kleinen Sequenz auf der Seite 20 im Werk Zsuzsa Merényis zu finden (Merényi Abb.  8, Bild 1–4). Dargestellt sind – zumindest auf den ersten Blick  – der Empfang und die Verteilung eines Paketes des Roten Kreuzes in vier aufeinanderfolgenden Zeichnungen. Während im ersten Bild eine einzige Person zusammen mit dem Paket abgebildet ist, verdoppelt sich von Zeichnung zu Zeichnung die Anzahl der Figuren, bis zum Schluss sich acht Personen ein Paket teilen. Die Bilder verbleiben in derselben Szene, als verbindendes Element fungiert das Paket, das von Bild zu Bild immer kleiner wird. Die Bildunterschrift »Hírtől a valóságig« [Von der Nachricht zur Wirklichkeit] sowie eine Erläuterung von Zsuzsa Merényi machen allerdings deutlich, dass hier keine tatsächliche Handlung abgebildet ist, sondern die ersten drei Darstellungen Wunschvorstellungen der Gefangenen wiedergeben, während das letzte Bild die letztendlich beglückende Tatsache ausdrückt, überhaupt etwas zu erhalten.73 In beiden Fällen wird die »enge Bildfolge« also verwendet, um außergewöhnliche, aus der Routine des Lageralltags fallende Ereignisse darzustellen. Wie wir gesehen haben, sind die Zeitbezüge zwischen den Bildern eher weit, die Szenen scheinen von Bild zu Bild zeitlich zu springen. Der »Rhythmus der Dauer« ist in den meisten Bildserien also meist als niedrig einzustufen, da durch die »weite Bildfolge« ein Ereignis auf wenige Handlungsmomente, hier meist einen einzigen, reduziert wird.74 Das langsame Dahinkriechen der Zeit (Edgar Kupfer-Koberwitz) ist in den Bildserien nicht festzustellen, wenngleich in manchen Bildserien deutliche Zeitindikatoren stark reduziert sind und dort eher der Eindruck der Zeitlosigkeit vorherrscht. 5.4 Die unterschiedlichen Zeitordnungen

Während im letzten Kapitel die Zeitstrukturen im Einzelbild sowie die temporären Bezüge zwischen den einzelnen Darstellungen untersucht wurden, Die unterschiedlichen Zeitordnungen  |  143

soll es im Folgenden um die zeitliche Ordnung gehen, die sich in der Reihenfolge der Ereignisse ausdrückt. Denn die einzelnen Bilder wurden nicht beliebig aneinandergereiht, sondern nahmen durchaus konkrete narrative Funktionen an. Hier ist zu fragen, welche unterschiedlichen Zeitordnungen in den narrativen Bildserien existieren und wie deren spezifische Umsetzung aussieht. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Verknüpfung der Zeitordnung mit dem Inhalt der Bilder. Welche narrative Aussage wird durch die Erzählreihenfolge unterstützt  ? Neben den erzählerischen Möglichkeiten der Zeitordnungen muss aber auch nach deren Grenzen gefragt werden, da es in den Bildserien auch Zeitformen gibt, die sich einer eindeutigen Zuordnung in narrative Muster entziehen. Nach meiner Auffassung lassen sich in den Werken chronologische, zyklische sowie achronische Zeitstrukturen ausmachen. Wie bereits in Kapitel 5.1 beschrieben, wird die Kohärenz zwischen den Bildern in der Regel durch visuelle »Lesehilfen« wie ein wiederkehrender Protagonist, gleichbleibende Handlungsräume, Blicke und Gesten der Figuren zwischen den Bildern oder durch Textelemente hergestellt. Unterstützt wird dies durch ein gemeinsames Trägermedium, etwa ein gebundenes Heft, das den einzelnen Darstellungen eine unverrückbare Position in der räumlichen Bildabfolge zuweist und eine zumindest im westlichen Kulturkreis übliche Rezeption der Bilder von links nach rechts ermöglicht. In manchen Serien existieren aber auch Diskontinuitäten zwischen den einzelnen Bildern, die eine Kohärenz der Bildsequenz erschweren oder sogar ganz unmöglich machen. 5.4.1 Die unbeständige Chronologie und die narrative Vorausdeutung als »Ausweg«

Die erste hier zu besprechende Kategorie stellen die Arbeiten mit einer  – zumindest auf den ersten Blick  – durchgängigen chronologischen Ordnung dar. Chronologische Ordnung wird hier so verstanden, dass die abgebildeten Ereignisse in einer zeitlich linearen Reihenfolge sortiert sind. Das erste 144  |  Die Narration der Bildserien

Bild stellt folglich das zeitlich erste Ereignis dar, das letzte Bild setzt den temporären Endpunkt und dazwischen vollzieht sich die Erzählung auf einer fortschreitenden Zeitachse. Dieser Idealtypus einer zeitlich kontinuierlichen Geschichte kann allerdings aufgebrochen werden. Über Rückblenden und Vorausdeutungen schert die Erzählung dann aus der zeitlichen Chronologie aus, springt hin und her, ohne dass allerdings das Gesamtverständnis gestört würde Die Form der chronologischen Narration hat in den sequenziellen Bilderzählungen eine lange Tradition. Wann die ersten chronologisch angelegten Bildsequenzen aufkamen, ist in der Forschung allerdings nicht eindeutig geklärt, da sie abhängig ist von der Definition des Untersuchungsgegenstandes. So zählt Scott McCloud zur sequenziellen Kunst bereits die altägyptische Malerei, präkolumbianische Bilderhandschriften oder den Teppich von Bayeux mit ihrer teilweise streng chronologischen Reihung der Ereignisse.75 Für David Kunzle hingegen sind die comic strips eng mit der Erfindung des Massenmediums Buchdruck ab dem 15.  Jahrhundert verknüpft.76 Unter diesen frühen narrativen Bildserien sind auch etliche Werke mit chronologischer Reihung zu finden, vielfach Darstellungen politischer oder religiöser Ereignisse, deren zeitliche Sortierung häufig durch Buchstaben oder Zahlen unterstützt wird. Eine weitere Variante chronologischen Erzählens stellen die moralischen Bilderfolgen im England des 18.  Jahrhunderts dar, in denen die sittlichen Verfehlungen und sozialen Verhältnisse der damaligen Gesellschaft satirisch kommentiert wurden. Einer der bekanntesten Vertreter dieser Richtung war William Hogarth (1697– 1764), dessen Arbeiten häufig Titel trugen, die den zeitlichen Ablauf bereits andeuten.77 So schildert er in »A Harlots Progress« (1731/32) in sechs Bildern das Leben einer Prostituierten, in »A Rake’s Progress« (1733/35) in acht Bildern den Werdegang eines »Wüstlings« und in »Marriage A-la-Mode« (1743–45) in sechs Bildern die unglückliche Ehe eines verarmten Adligen mit einer reichen Bürgerstochter.78 Weitere Formen der Chronologie werden in den Lebensalterdarstellungen thematisiert, die

den Lebensweg des Menschen von der Jugend bis ins hohe Alter in gleichen Abschnitten – häufig mit Auf- und Abstieg in Treppenform – abbilden, wobei die zeitliche Progression meist am fortschreitenden Alter der Figuren abzulesen ist.79 Mit der Erfindung der »stehenden Figur« gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde in den modernen Comics eine wesentliche Voraussetzung für chronologisches Erzählen geschaffen. Mithilfe solcher Identifikationsfiguren – neben dem Yellow Kid von Richard F. Outcault (1863–1928) als Beginn dieser Entwicklung 80 sind bekannte Comicfiguren wie etwa Tintin, Mickey Mouse oder Superman zu nennen – erweitern sich die einzelnen Episoden zu einer im Prinzip endlosen Serie, die sich nach dem chronologischen Erscheinungsmodus der Zeitung richtet.81 Dabei sind die Episoden entweder als abgeschlossene Geschichten meist mit einer Pointe am Ende gestaltet oder sie sind Teil einer längeren Erzählung, die am Ende die Spannung bis zur Fortsetzung in der nächsten Ausgabe aufrechthält. Als eine der ersten chronologischen Bilderzählungen über den Zweiten Weltkrieg kam mit »La Bête est morte  !« noch während der deutschen Besatzung ein von Edmond-François Calvo unter Mithilfe der Szenaristen Victor Dancette und Jaques Zimmermann in Paris entworfenes und in zwei Bänden 1944 und 1945 veröffentlichtes Comicalbum heraus.82 Darin erzählt Calvo die Ereignisse des Zweiten Weltkriegs chronologisch vom Einmarsch in Polen bis zur Befreiung von Paris in Form einer Tierfabel, wobei in einigen Bildern auch die Judenverfolgung und die Konzentrationslager thematisiert werden.83 Kontinuitäten und Diskontinuitäten Für viele Lagerbildserien lassen sich zahlreiche Anzeichen für chronologische Verbindungen sowohl auf der bildlichen als auch auf der schriftlichen und medialen Ebene finden. So ist der Beginn dieser Werke chronologisch gestaltet, indem zuerst der Weg zu Fuß oder mit dem Zug ins jeweilige Lager abgebildet wird, bevor die Schilderung des eigentlichen Lagerlebens beginnt   : Rosenthals Mickey streift irgendwo im Frankreich der Kriegszeit umher (Blatt 2), als ihn plötzlich ein Gendarm verhaftet

(Blatt 3) und Mickey nach Gurs gelangt (Blatt 4), wo er von einem Lageroffiziellen befragt wird (Blatt 5) (siehe Rosenthal Abb.  2–5). Auch Irsais Negativfilm bildet  – wenn man das erste Bild als Ansicht des Parlaments in Budapest interpretiert (zur Problematik vgl.  4.5.3)  – zunächst den Ausgangspunkt der Verfolgung ab, während im zweiten Bild die Deportation in der Darstellung zweier Eisenbahnwaggons zu sehen ist (Irsai Abb., Bilder 1–2). Kurt Loew und Karl Bodek wiederum zeigen als Erstes einen Zug, der die »Passagiere« zum Bahnhof Oloron bei Gurs bringt (als Schrift erkennbar im Dampf der Lokomotive), bevor das nächste Bild eine Szene aus dem Lager zeigt (Loew/Bodek Abb.  2). Alfred Kantor präsentiert eine bewachte Häftlingskolonne, die gerade durch ein Tor mit der Aufschrift »Brabag« (Braunkohle-Benzin  AG) in das umzäunte Lager Schwarzheide einmarschiert (Kantor Abb. 2). Lediglich Pavel Fantls Häftling befindet sich schon mit dem ersten Bild bereits innerhalb von Theresienstadt (Fantl Abb.). Für eine Kohärenz kann auch das Trägermedium sorgen. So benutzen die chronologischen Lagerbildserien als gemeinsamen Bildträger entweder ein einzelnes Blatt mit mehreren, durch Rahmen getrennte Szenen (Pavel Fantl und István Irsai), ein zusammengeklapptes Leporello (Kurt Loew und Karl Bodek) oder ein aus mehreren Blättern bestehendes, ursprünglich zusammengebundenes Heft (Alfred Kantor und Horst Rosenthal). Damit besitzen die einzelnen Szenen eine unverrückbare Position in der räumlichen Anordnung auf dem Papier, wobei sie – zumindest im europäischen Kulturkreis – in der Regel von links nach rechts betrachtet werden. Die sequenzielle Anordnung der Bilder kann dabei, wie schon erwähnt wurde, als eine zeitliche Progression interpretiert werden. Somit wird hier dem Betrachter bereits auf der medialen Ebene ein chronologisches Erzählen suggeriert. In Irsais Werk verstärkt sich diese narrative Funktion noch durch den gezeichneten Fotostreifen, da in der analogen Fotografie die Negative ebenfalls stets nacheinander belichtet werden. Der zeitliche Ablauf der Geschichte ist somit bereits durch die sequenzielle Anordnung der einzelnen Negative festgelegt. Die unterschiedlichen Zeitordnungen  |  145

Hilfreich im Sinn einer chronologischen Erzäh­ lung kann neben dem Trägermedium auch der Bildtext sein. In Pavel Fantls Arbeit sorgen etwa die Jahreszahlen in den jeweiligen Bildunterschriften für eine zeitlich lineare Anordnung der einzelnen Szenen. In Rosenthals »Mickey au Camp de Gurs« wiederum wird häufig ein angefangener Satz im Blocktext erst auf der nächsten Seite zusammen mit einer neuen Darstellung vollendet. So beginnt auf dem zweiten Blatt Mickeys letzter Satz mit spannungssteigernden »Mais tout à coup …«, um ihn auf der nächsten Seite mit der Auflösung »… un gendarm m’interpella« abzuschließen (Rosenthal Abb. 2 und 3). Ein anderes Beispiel ist Mickeys Satz auf der 4.  Seite, »C’est comme cela que j’arrivais à  …«, der auf der nächsten Seite mit einem überraschten »…  GURS  !  !  !« vollendet wird, einhergehend mit einer sichtlich geschockten Comicfigur, die auf eine eingefügte Fotografie des Internierungslagers schaut (Rosenthal Abb. 4–5). Auch bei Alfred Kantor findet zum Teil eine solche chronologische Kohärenz mit Hilfe des Bildtextes statt. So weist der zur Appellszene gehörende Reim »Noch bist Du nicht ganz bei Verstand / ruft schon  – Wer  ?  – ›Das Ganze, Stiiilstand   ! [sic]‹« (Kantor Abb.  5) auf die Müdigkeit der Häftlinge hin, die im vorherigen Bild ja erst geweckt wurden (Kantor Abb.  4). In manchen Fällen tauchen auch fortlaufende Nummerierungen der einzelnen Blätter auf, doch ob sie als beabsichtigter Ausdruck einer zeitlichen Reihenfolge gelten können, ist unklar. So sind auf der Vorderseite der einzelnen Kartons sowohl von Kantors als auch von Rosenthals Bildserie Nummerierungen in Bleistift (bei Kantor teilweise auch in Buntstift) zu finden. Hier ist allerdings eine spätere Datierung zu vermuten, zumal die ursprünglich vorhandene Bindung eine solche schriftliche Fixierung der Blattreihenfolge unnötig erscheinen lässt. Das Auschwitz-Skizzenbuch enthält sogar zwei leicht voneinander abweichende Nummerierungen der einzelnen Blätter, wobei die dunkleren und kräftigeren Ziffern vermutlich vom Künstler selbst stammen, da sie im Schriftbild der Signatur ähneln. Warum der unbekannte Zeichner das Skizzenbuch auf diese Weise nummerierte, ist ungewiss, 146  |  Die Narration der Bildserien

zumal die Arbeit insgesamt eher als achronische Bildserie gestaltet ist (vgl. dazu 5.4.3). Trotz der zahlreichen kontinuierlichen Elemente ist die Chronologie in den Lagerbildserien nicht beständig, da neben der erzählerischen Kohärenz auch etliche Diskontinuitäten zwischen den einzelnen Bildern auftauchen. Auf der inhaltlichen Ebene ist beispielsweise in der Arbeit von Kurt Loew und Karl Bodek der zeitliche Zusammenhang zwischen den einzelnen Bildern häufig unklar. So zeigen die ersten vier Bilder zunächst den bereits oben erwähnten Zug, dann folgt eine Szene des Schwarzmarktes in Gurs, anschließend eine Zeichnung des morastigen Bodens und im vierten Bild ein Lagerarzt mit seinen Patienten (Loew/Bodek Abb.  2–3). Die letzten Szenen fünf bis acht enthalten zunächst die Darstellung einer sogenannten Kantinenbaracke,84 darauf eine nächtliche Szene über die Rattenplage, später die Repressionen in der Straf baracke und schließlich ein erhängter Häftling am Baum (Loew/ Bodek Abb.  4–5). Bis auf das erste und das letzte Bild, eben die Deportation ins Lager sowie der Tod als »Ausweg« (zur narrativen Funktion des letzten Bildes siehe weiter unten), ist hier kein durchgängig chronologisches Erzählen erkennbar. Weder handelt es sich um die Chronologie eines Tagesablaufs von morgens bis abends wie in der Arbeit von Liesel Felsenthal (siehe nächstes Kapitel), denn dann wäre die Nachtszene an der »falschen« Position, die statt wie jetzt in der Mitte der Bildserie an ihrem Ende sein müsste. Noch ist hier der kontinuierliche Niedergang einer bestimmten Figur gemeint wie bei Pavel Fantl, da hier die einzelnen Szenen jeweils unterschiedliche Typenkarikaturen abbilden. Stattdessen wirken die Bilder wie zeitlich unabhängige Karikaturen verschiedener Ereignisse im Internierungslager Gurs, die durch die chronologische Klammer der Ankunft und des »Abschiedes« durch den Tod zusammengehalten werden. Dagegen ist bei Horst Rosenthal die inhaltliche Chronologie wesentlich ausgeprägter, was sich v. a. durch die Figur der Mickey Mouse und der blattübergreifenden Bildtexte ausdrückt (siehe oben). Doch so klar wie die Chronologie scheint, ist sie nicht an allen Stellen. So könnte z. B. die Reihenfolge der Blätter 10 bis 12 ausgetauscht werden, ohne

dass sich am erzählerischen Verständnis sowohl auf Bild- wie auch auf Textebene etwas ändern würde (Rosenthal Abb.  10–12). In Alfred Kantors Bildserie wiederum findet sich eine erkennbare inhaltliche Chronologie nur in der erwähnten Anfangssequenz, die in sechs Bildern von der Darstellung des Weckens über die Appellszene bis zur Zwangsarbeit mit den Loren reicht (Kantors Schwarzheide-Album, S. 2 verso bis S. 5 recto, darunter Kantor Abb. 4–8). Die anderen Szenen dagegen sind weniger zeitlich als thematisch miteinander verbunden. Zu nennen sind hier u. a. die Themen Arbeit (Kantors Schwarzheide-Album, S.  4 verso bis S.  10 recto), die Zubereitung und Verteilung der täglichen Suppe (Kantors Schwarzheide-Album, S.  10 verso bis S.  13 recto) sowie Außen- und Innenansichten der Baracken (Kantors Schwarzheide-Album, S. 18 recto bis S. 19 recto sowie S. 20 verso bis S. 21 recto). Aber auch der räumliche Bildzusammenhang der einzelnen Szenen ist nicht zwangsläufig Zeichen einer chronologischen Erzählweise. So besitzt das Werk von Joseph Spier (zumindest die Version im Jüdischen Museum Prag) zwar immer noch die Originalbindung, weist aber insgesamt eine achronische Struktur auf (siehe Kapitel 5.4.3). Eine besondere Form der Diskontinuität ist bei Kurt Loew und Karl Bodek sowie bei István Irsai anzutreffen. Denn zwei ihrer Bilder besitzen eine bewusste inhaltliche Doppeldeutigkeit, was sich unverkennbar auf die chronologische Zeitfolge auswirkt. So lässt sich das erste Bild von Kurt Loew und Karl Bodek, wie oben bereits erwähnt, als Darstellung jenes Transportzuges sehen, der die Juden aus Baden und aus der Pfalz zum Bahnhof Oloron bei Gurs brachte. Zugleich könnte es aber auch ein Abbild des Zuges aus dem Lagerinnern sein, mit dessen Hilfe die vollen Kübel aus den Latrinen transportiert wurden.85 Der Hinweis auf die Latrine drückt sich v. a. in den Äußerungen der Insassen aus, die »HARRET AUS  ! «, »OH JE, ES GEHT IN DIE HOSE  ! « oder »LASSEZ PISSER  !« (Loew/Bodek Abb. 2, linkes Bild) rufen. So interpretiert ist das Bild bereits Teil des Lageralltags, die anfängliche Chronologie wäre damit aufgehoben. Auch István Irsais erstes »Negativ« lässt sich einerseits als Beginn einer Chronolo-

gie, andererseits als erzählerischer Blick in die Zukunft interpretieren. Stellt das abgebildete Gebäude das Parlament von Budapest dar, ist das erste Bild der Anfang einer chronologischen Erzählung der Kasztner-Gruppe. Ist der Bau dagegen ein Abbild des Technion in Haifa, weist die Szene bereits zu Beginn der Erzählung auf Palästina als zionistisches Ziel des Kasztner-Transportes hin (vgl. dazu Kapitel  4.5.3). So gedeutet nimmt diese Szene ähnlich dem letzten Bild ein zukünftiges Ereignis vorweg. Der Blick in die Zukunft ist allerdings ein ungewisser, da zum Entstehungszeitpunkt des Bildes das Schicksal der Kasztner-Gruppe noch im Dunklen lag. Lediglich Pavel Fantls Arbeit kann als echte Chronologie ohne Diskontinuitäten bezeichnet werden, da der lineare Zeitablauf deutlich in jedem Bild wahrnehmbar ist. So drückt sich die temporäre Chronologie nicht nur schriftlich durch die fortlaufende Jahreszahl aus, sondern offenbart sich auch visuell in der abnehmenden Körperfülle der Häftlingsfigur, die von Bild zu Bild immer dünner wird, bis sie schließlich in der letzten Darstellung fast einem Skelett ähnelt. Aber auch andere im Bild befindliche Gegenstände wie etwa der anfangs noch gut gefüllte Rucksack an der Wand, der erst zum leeren Beutel wird und zum Schluss dann ganz verschwindet oder die Tannenzweige mit den drei brennenden Kerzen, deren Anzahl sich immer weiter verringert, bis nur noch ein kümmerlicher Zweig übrig bleibt, dienen als visuelle Zeichen einer durchgängigen chronologischen Erzählung. Das letzte Bild als »Ausweg« Die besondere narratologische Gestaltung des Endes ist der Binnenperspektive der Inhaftierten geschul­ det. Denn die Werke der chronologischen Lagerbildserien enden alle mit einem Bild, das einen Ausblick in eine Zukunft bietet. In der Narratologie werden Zeitsprünge in die Zukunft allgemein als »Prolepsen« (Gerard Genette) oder »Vorausdeutungen« (Eberhard Lämmert) bezeichnet.86 Für unsere Untersuchung ist das Modell von Lämmert passender, da er grundsätzlich unterscheidet zwischen einer zukunftsgewissen Vorausdeutung, bei der der Die unterschiedlichen Zeitordnungen  |  147

Er­zähler sichere Angaben über das zukünftige Geschehen macht, und einer zukunftsungewissen Vorausdeutung, bei der sich die Unsicherheit über die noch zu erwartenden Ereignisse in Wünschen und Ängsten ausdrückt.87 Gerade die Anwendung der zukunftsungewissen Vorausdeutung erscheint für die Lagerbildserien plausibel, da es den allermeisten Häftlingen in keiner Weise möglich war, eine sichere Aussage zu ihrer Zukunft zu treffen. V. a. der Fall der abschließenden Vorausdeutung am Ende einer Erzählung beinhaltet eine besondere Spannung, da ja von dieser Zukunft im Werk selbst nicht mehr berichtet wird.88 Gleichwohl sieht Lämmert einen Unterschied zwischen einer Erzählung und der Realität  : »Tatsächlich gibt es Erzählungen, die auf kunstvolle Weise dem Leser die Wahl zwischen mehreren möglichen Lösungen lassen. Aber schon darin liegt ein Unterschied zur realen Unverbindlichkeit der Zukunft, die eine unbegrenzte Zahl von Lösungen jederzeit bereithält.«89 Für ihn sind sogar Werke nur mit einer einzigen Zukunftsaussicht möglich  : »Weit bedeutsamer aber ist, dass mit abschließenden Wünschen oder Erwartungen der handelnden Personen auch eine ganz bestimmte Lösung herbeigeführt werden kann. Wieder begegnen wir hier einem poetischen Gesetz, das die reale Zukunftsungewissheit überspielt.«90 Wie wird die zukunftsungewisse Vorausdeutung nun in den chronologischen Lagerbildserien umgesetzt  ? Vorwegnehmend lässt sich sagen, dass die letzte Szene stets als »Ausweg« aus dem jeweiligen Lager visualisiert wird, eine im Bild eingeschriebene Fluchtmöglichkeit für die Gefangenen. Der Begriff »Ausweg« ist auch deshalb in Anführungszeichen gesetzt, da er mit vielen Risiken bis hin zum Tod verbunden ist. Ein erster »Ausweg« ist die Darstellung eines abfahrenden Zuges, wie er in den Bildserien von István Irsai und Alfred Kantor zu sehen ist. So zeigt Irsais letztes Bild neben Gleis und Haltesignal den Waggon eines Zuges, der gerade aus dem Bild herausfährt (Irsai Abb., Bild 8). Dieser Zug bezieht sich zunächst auf die Freilassung der ersten Kasztner-Gruppe im August 1944, die Irsai noch selbst erlebt hat. Da Irsai dieses Ereignis »fotografisch« im Negativ festgehalten hat, ist es also 148  |  Die Narration der Bildserien

bereits vergangen, sodass das letzte Bild scheinbar den glücklichen Endpunkt der Geschichte des ersten Kasztner-Transportes wiedergibt. Gleichzeitig ist diese Szene aber auch als narrative Vorausdeutung zu verstehen, ein erhoffter »Ausweg« auch für die zweite Kasztner-Gruppe im »Ungarnlager« von Bergen-Belsen. Sinnbild dieser Hoffnung auf eine Zukunft außerhalb des Lagers stellt der Bildhintergrund dar, der hier im Unterschied zu den anderen dunklen Szenen hell erscheint. Die Szenen der Gefangenschaft sieht Thomas Rahe daher zu Recht als Bilder einer »(alp-) traumhaften Geschichte«91, deren nächtliche Schwärze nun der Helligkeit des Tages weicht. Somit lässt sich das letzte Bild als Wunschvorstellung der wartenden Menschen im Lager sehen, die in Hoffnung auf einen baldigen Ausweg aus der Gefangenschaft ihre Zukunft im hellen Licht wahrnahmen. Auch die Tatsache, dass der Negativstreifen nicht vollständig zu sehen ist, lässt sich als Zeichen der Hoffnung interpretieren. Auf diese Weise wird suggeriert, dass hier nur ein Abschnitt aus einem längeren Negativstreifen abgebildet ist, die Geschichte der Kasztner-Gruppe also durchaus weitergehen kann und neben einer Vorgeschichte auch eine Zukunft hat. Der Glaube bei den Angehörigen der Kasztner-Gruppe an ein positives Ende der Gefangenschaft war allerdings immer begleitet von Ängsten und Zweifeln, was sich auch an zahlreichen Stellen in Irsais Arbeit widerspiegelt. Neben dem schon erwähnten Symbol des Haltesignals, das auf »Stopp« steht, drückt sich die Unsicherheit auch in der Bildmetapher des Negativstreifens aus. Denn gemäß den Prinzipien eines Fotonegativs sind die dunklen Tonwerte in der abfotografierten Realität hell und umgekehrt. Dies bedeutet, dass das letzte Negativ tatsächlich eine dunkle Szene abbildet, die wartenden Häftlinge ihre Zukunft also auch als düster und unsicher wahrgenommen haben. Diese Ambivalenz in der Aussage zwischen Hoffnung und Zweifel drückt sich ganz deutlich im Fragezeichen neben dem Datum der Ankunft in der Bildunterschrift »BERGEN-BELSEN 1944, JÚLIUS 9-  ?« aus. Eine ironische Variante des abfahrenden Zuges als »Ausweg« wählt Alfred Kantor in seinem letz-

ten Bild (Kantor Abb. 12). Zu sehen ist ein Zug, der, angetrieben von einer Dampflok, gerade aus einem Bahnhof mit dem Ortsschild »Schwarzheide« abfährt. Auf der linken Seite spielt ein Häftlingsorchester, dahinter befindet sich ein Schild mit der Aufschrift »Brabag«, während zwei Häftlinge im letzten Waggon des Zuges zum Abschied mit ihren Taschentüchern winken. Erst der dazugehörige Text macht deutlich, dass der Abschied hier nicht in der Gegenwart zu suchen ist, sondern vielmehr in der Zukunft liegt. Eine unsichere Zukunft freilich, über deren Inhalt der Erzähler auch nichts weiß  : »Alles geht einmal zu Ende allhier / Feder, Tinte, Tabak und auch wir. / Wenn wir einmal nicht erscheinen [,] / dann wird die Brabag um uns weinen. / Werden auch wir die Brabag vermissen  ? / Tut uns der Abschied weh  ? / Wer kann das wissen, / Adieu  !« (Kantor Abb. 11). Das Unwissen über die Zukunft manifestiert sich auch auf der bildlichen Ebene. So steuert der Zug kein erkennbares Ziel an, sondern verschwindet einfach im diffusen, schraffierten Hintergrund, dessen Unbestimmtheit durch die fehlende Horizontlinie noch verstärkt wird. Damit ähnelt Kantors Endpunkt demjenigen von Irsai, da auch dort der Zug kein klares Ziel hat, sondern einfach aus dem Bild fährt. Während Irsai seine Unsicherheiten und Zweifel über die ungewisse Zukunft in einer symbolischen Bildsprache ausdrückt, wählt Kantor hierfür eher das Ausdrucksmittel der Ironie. So wird die Ausreise mit dem Zug als freundliche Verabschiedung gezeigt, bei der sogar eine Häftlingskapelle spielt, während zwei der ehemaligen Gefangenen als Gruß ihre großen weißen Taschentücher schwenken. Einer davon sitzt übermütig auf dem Dach des Waggons, ein satirisches Zeichen der individuellen Freiheit, die in der Realität für die Deportierten in keinster Weise galt. Der groteske Gegensatz zur Realität wird hier noch durch die Darstellung des in Schwarzheide gar nicht existierenden Bahnhofsgebäudes verstärkt, die vorgibt, eine festliche Verabschiedung auf einem ganz normalen Bahnhof abzubilden. Einzig die gestreifte Häftlingskleidung der Kapelle erinnert daran, dass es sich hier um ein Zwangslager handeln könnte. Die satirische Dar-

stellung des letzten Bildes wirkt umso stärker, als sie im Kontrast zu den anderen Zeichnungen von Kantors Serie steht, die wesentlich sachlicher die Ereignisse im Lager abbilden. V. a. das erste Bild des Albums, wo Häftlinge im Formationsschritt von Männern mit Gewehren bewacht in ein umzäuntes Lager einmarschieren, kann als sachlich wirkendes Pendant zum fröhlichen Abschied des letzten Bildes gelten. Anders als bei den Bildern aus der Lagergegenwart versucht Kantor hier seinen Zukunftssorgen mit Humor zu begegnen. Einen eher ungewöhnlichen »Ausweg« aus dem Lager bietet Horst Rosenthal im letzten Bild seiner Serie. Nach mehreren Erlebnissen im Internierungslager Gurs ist Mickey Mouse sich seiner Existenz als Comicfigur bewusst und radiert sich selbst aus der Geschichte heraus, nach Amerika ins Land der Freiheit  : Alors, comme je ne suis qu’un dessin animé, je m’effaçais d’un coup de gomme … Et … hopp …  !  ! Les gendarmes peuvent toujours venir pour me chercher, du pays de la L…..é, de l’E….é et de la F….é. (Je parle de l’Amérique  !), Mickey Während der Text den Moment des Ausradierens beschriebt (»Et hopp …  !  !«) und Mickey sich bereits in Amerika befindet, ist im Bild diese Tatsache erst noch als Zukunftsvision vorhanden. Ein visuelles Zeichen dieser Vorausdeutung ist die wolkenähnliche Denkblase, die v. a. in Comics für Gedankengänge einer Figur steht.92 Statt eines Textes wie allgemein üblich sind hier mehrere Hochhäuser als Sinnbild des urbanen Amerikas zu sehen, eine Wunschvorstellung von Mickey, die sich zumindest im Bild noch nicht realisiert hat. Ein anderes Zeichen stellt die Comicfigur selbst dar, da Mickey hier noch mitten in der Bewegung gezeigt wird, er sich also noch auf dem Weg in Richtung Amerika befindet. Dabei scheint Mickey entgegen der Leserichtung zurück zum Anfang der Geschichte zu laufen, zurück zur ersten Szene, die zeigt, wie Mickey vor seiner Verhaftung unbehelligt durch Frankreich streift (Rosenthal Abb. 2). Das erste und das letzte Bild enthalten im Übrigen auch die einzigen DarDie unterschiedlichen Zeitordnungen  |  149

stellungen von Mickey, in denen er sich bewegt und ein fröhliches Gesicht macht. In den anderen Bildern bleibt er stehen und sieht sich, meist mit erstaunter Miene, die verschiedenen Situationen in Gurs an. Dieser Verweis auf den Anfang der Bildserie deutet die Möglichkeit einer weiteren »Abenteuergeschichte« mit Mickey an, die dann einen anderen Verlauf nimmt. Der Ausflug nach Gurs wäre dann also eine einzelne Episode einer theoretisch unendlich fortlaufenden Serie aus dem tatsächlich existierenden Comic-Universum Walt Disneys. Allerding ist diese Aussicht auf die Zukunft von Mickey gleichzeitig eine gefährdete. Denn angesichts der liberalen Werte, die Mickey vertritt, ist seine künftige Rolle als Held weiterer Abenteuer zumindest im nationalsozialistischen Europa unsicher. Schließlich muss hier noch auf die Ambivalenz des Verbs »effacer« aus Mickeys Satz »je m’effaçais d’un coup de gomme« eingegangen werden, der in Verbindung mit »gomme«, also dem Radiergummi, zunächst mit »ausradieren« übersetzt werden kann.93 Damit gibt Horst Rosenthal in seiner Bildserie einen narrativen »Ausweg« vor, den nur eine Comicfigur äußern kann. Die Gefangenen in Gurs hatten selbstverständlich diese Möglichkeit nicht, denn im Gegensatz zu Mickey Mouse existierten sie tatsächlich und nicht nur als materialisierte Idee auf dem Papier. Für sich allein kann das Verb »effacer« aber auch »auslöschen« heißen94, womit hier im übertragenen Sinn auch das sehr reale Auslöschen und Vernichten einer tatsächlichen Person gemeint ist. In diesem Fall trifft diese dunkle Vorausdeutung den Autor selbst, dessen letztes papierenes Lebenszeichen die Transportliste von Drancy nach Auschwitz ist, wo er anschließend im wahrsten Sinn des Wortes spurlos verschwindet. Einen ultimativen »Ausweg« aus dem Lager präsentieren Pavel Fantl sowie Kurt Loew und Karl Bodek in ihren Werken. Sie weisen beide auf den Tod am Ende ihrer Bildserien hin, allerdings auf unterschiedliche Art und Weise. Bei Pavel Fantl zeigt das letzte Bild einen abgemagerten Häftling in Lumpenkleidung, der nur noch aus Haut und Knochen besteht. Erst der dazugehörige tschechische Bildtext »A  – CHRAŇ BŮH  – L.P. 1944« [Und  – Gott 150  |  Die Narration der Bildserien

bewahre  – im Jahr 1944] macht deutlich, dass sich hier die Hoffnung des Erzählers ausdrückt, die Figur möge das abgebildete Weihnachtsfest des Jahres 1944 erleben. Der Ausspruch spiegelt die Angst vor dem Tod wider, die allerdings sowohl im Text als auch im Bild nicht explizit dargestellt wird. Vielmehr ist der Tod als Angstvorstellung in Fantls Werk eher indirekt präsent. Wie schon in Kapitel  4.3.2 angesprochen, geschieht dies zum einen durch den sequenziellen Charakter des Werkes, der von Bild zu Bild den körperlichen Verfall der Figur dokumentiert. Eine logische Konsequenz für den Betrachter ist das komplette Verschwinden und damit der Tod der Figur. Zum anderen ist der Tod durch den Verweis auf die Geschichte des Suppenkaspers anwesend. Denn auch dort wird die Figur stetig dünner, bis sie schließlich stirbt, wobei ihr Grab im fünften und letzten Bild zu sehen ist (Abb. 12). Ein Betrachter, der diese Erzählung von Heinrich Hoffmann kennt, weiß um den Tod der Figur und kann dies auf die Bildserie von Pavel Fantl übertragen. Dagegen ist im Werk von Kurt Loew und Karl Bodek eher eine sarkastische Variante des Todes als »Ausweg« aus dem Lager abgebildet (Loew/Bodek Abb.  5, rechtes Bild). Zu sehen ist eine im geflickten Kittel gekleidete Figur, die sich gerade mit ihrem Hosenträger am Baum erhängt hat. Über der Figur befinden sich Wurst, Käse und ein Brot im Strahlenkranz, am linken Bildrand ist eine Blume, am rechten Rand ein kleiner zwitschernder Vogel dargestellt. Die dazugehörige Bildunterschrift präzisiert die Gründe für Tod durch Erhängen, indem sie diesen zynisch als »Lösung« für den Hunger im Lager empfiehlt  : Wenn du grossen Hunger hast[,] hänge dich auf einen Ast und du merkst, in 10 Sekunden ist der Hunger überwunden. Leider ist an Holz man karg hier und begräbt Dich ohne Sarg hier  ! Anders als bei Pavel Fantl, wo der Tod lediglich angedeutet, aber nicht dargestellt wird, ist hier der Tod zumindest auf der Bildebene zu sehen. Der karikaturistische Zeichenstil sowie der betonte Gegensatz von Tod und der vorgeblichen »Idylle« des Ortes (re-

präsentiert durch Blume und singenden Vogel), unterstreichen den satirischen Ton der Szene. Zugleich ist hier das Sterben selbstgewählt, ein Umstand, der durchaus unter den Häftlingen in Gurs vorkam, wenngleich das Motiv weniger der Hunger als vielmehr die Angst vor den Folgen der Deportationen war.95 Im Text dagegen ist der Tod als eine sarkastische »Empfehlung« beschrieben (»Wenn du grossen Hunger hast  …«), die erst noch vollzogen werden muss und somit in der Zukunft liegt. Aber aufgrund seiner Position am Ende des Heftes scheint der Tod auch für die anderen abgebildeten Probleme in Gurs, etwa den schlammigen Boden, Krankheiten oder die Straf backe, die ultimative »Lösung« zu sein. Der »Ausweg« im letzten Bild der Bildserien mit der unbeständigen Chronologie verweist auf etwas, was außerhalb der begrenzten und bedrohlichen Welt der Lager liegt. Die Züge fahren aus der Gefangenschaft einem mehr oder weniger unbekannten Ziel entgegen, die Comicfigur Mickey lebt in ihrer flüchtigen Materialität an einem anderen Ort weiter und mit dem Tod entkommt der Häftling dem Ort seines Leidens endgültig. Die dabei angewandte narrative Technik der »zukunftsungewissen Vorausdeutungen« ist hier aufs Engste mit den Lagerbildserien verbunden. Denn zukunftsungewisser als eine Gefangenschaft in einem Internierungs-, und mehr noch in einem Konzentrations- oder Vernichtungslager lässt sich kaum etwas anderes vorstellen. Allerdings trifft der von Lämmert vermutete Gegensatz von Erzählung und Realität für die Bildserien nicht zu. Denn ein Unterschied der Werke »zur realen Unverbindlichkeit der Zukunft, die eine unbegrenzte Zahl von Lösungen jederzeit bereithält«96, ist gerade für die Bildserien nicht gegeben, da sie die ungewisse Aussicht auf eine häufig tödliche Zukunft mit den Realitäten in den Zwangslagern teilten. In diesem Punkt unterscheiden sich die Bildserien aus den NS-Zwangslagern auch von den anderen chronologischen Bilderzählungen. So besitzen sie weder die Gewissheit des Sterbens in den Lebensalterdarstellungen noch den vorherbestimmten moralischen Abstieg und Fall in den Bildfolgen eines William Hogarth. Auch teilen sie nicht den seriellen Charakter moderner comic strips, in denen der Betrach-

ter trotz eines möglichen Spannungsauf baus am Ende der einzelnen Episode stets vom Überleben der Heldenfigur überzeugt ist. Den chronologischen Lagerbildserien ist gemein, dass sie  – vielleicht bis auf István Irsais – keine echten Lösungswege für die Häftlinge darstellen, sondern zwischen Hoffnung, Angst und Sarkasmus wechselnde Zukunftsaussichten sind. 5.4.2 Die Wiederkehr der Lagerzeit im Bildzyklus

Neben den Bildserien mit einer chronologischen Zeitstruktur existieren noch Werke mit einer zyklischen Narration. Bildwerke mit dieser Erzählweise sind als eine Reihung einzelner, abgeschlossener Arbeiten zu verstehen, die auf ein übergeordnetes Thema verweisen, wobei die Anfangs- und Endpunkte sich aufeinander beziehen und dadurch eine Kreisform bilden.97 Zyklen beziehen sich entweder auf eine übergeordnete Zeitstruktur (etwa die Jahreszeiten in den Monatsbildern) oder ordnen sich inhaltlich einem bestimmten Leitthema unter (etwa die Darstellungen des Totentanzes). Gerade durch diese Anbindung der einzelnen Teile zu einem übergreifenden Ganzen lässt sich der Zyklus nicht ohne Weiteres reduzieren oder erweitern. Oder um es mit Christoph Heinrich pointiert auszudrücken  : »Der Zyklus baut auf allen Teilen gleichermaßen auf  : fehlt eins, so bricht das Gebäude zusammen, wer will schon etwas von einem Jahr mit elf Monaten wissen  ?«98 Damit steht der Zyklus in Opposition zum Begriff »Serie« aus der Kunst, die sich durch ein offenes, jederzeit erweiterbares Prinzip auszeichnet.99 Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen  : Der hier verwendete Begriff »narrative Bildserie« zeichnet sich dadurch aus, dass er im Unterschied zur einfachen »Serie« mindestens in Teilbereichen narrative Elemente vorweisen kann (siehe Einleitung). Ebenso wie die chronologische hat auch die zyklische Narration eine lange bildnerische Tradition. Eine sehr verbreitete Form zyklischen Erzählens stellen die bereits in Kapitel 4.2.3 vorgestellten Monatsbilder dar, die sich in der mittelalterlichen Die unterschiedlichen Zeitordnungen  |  151

Buchmalerei, an den Glasfenstern gotischer Kathedralen oder im neuzeitlichen Buchdruck wiederfinden. Die zyklische Narration ergibt sich hier aus der im Prinzip endlosen Wiederkehr jahreszeitlicher Aktivitäten, die nach den einzelnen Monaten geordnet werden wie etwa das Pflügen im Frühjahr, die Ernte im Sommer, das Säen im Herbst und die häusliche Arbeit im Winter. Dieses zyklische Schema ist visueller Ausdruck mittelalterlicher Zeitvorstellungen, die ihren Ursprung in der göttlichen Ordnung der Welt hatten. So sprach Gott am Ende der Sintflut zu Noah  : »Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht« (1.  Buch Moses, 8, 22).100 Waren die Monatsbilder zunächst noch gemeinsam auf einer einzigen Seite angeordnet, gliederten sie sich ab dem 15.  Jahrhundert in mehrteilige Zyklen auf. Der Kalenderzyklus des Stundenbuchs Très Riches Heures (vor 1415), angefertigt für den Herzog von Berry, zählt zu den ersten Werken, in denen jede einzelne Monatsdarstellung eine eigene, komplette Seite besaß.101 Durch die Aneinanderreihung der Einzelseiten veränderte sich auch die Narration, da der Gesamtzyklus nun nicht mehr unmittelbar simultan erfassbar war und die Monatsbilder in der Sequenz gelesen werden mussten. Andere Monatsbilder wiederum verwenden die geometrische Form des Kreises, die dem geschlossenen, im Prinzip endlosen narrativen Zyklus, der kein Anfang und kein Ende besitzt, am ehesten entspricht. Dies wurde v. a. in den Bildprogrammen der gotischen Glasmalerei verwirklicht, wo die Monatsbilder als Teil des göttlichen Kosmos den ewigen Kreislauf der Zeit ausdrücken.102 Eine weitere Form zyklischer Zeit lässt sich in den mittelalterlichen Stundenbüchern ausmachen, die sich seit dem Spätmittelalter zunächst in Flandern und Frankreich und dann in Deutschland stark verbreiteten.103 Das Kernstück dieser zum Teil sehr aufwendig illustrierten Andachts- und Gebetsbücher bilden die namensgebenden Stundengebete, auch als Marienoffizium bezeichnet, die an sieben verschiedenen Zeiten des Tages gesprochen oder gesungen werden sollten. Die zyklische Einteilung des Tages lässt sich auch in der Tradition der soge152  |  Die Narration der Bildserien

nannten points du jour wiederfinden, die den Tag in die vier Zeiten »Morgen«, »Mittag«, »Abend« und »Nacht« gliedern.104 Erste Darstellungen der points du jour reichen bis in die Antike zurück, wobei sie die größte Popularität in der Grafik, Malerei und Zeichnung des 16. und 17.  Jahrhunderts mit allegorischen und mythologischen Motiven besaßen. In späterer Zeit griffen die points du jour vermehrt zeitgenössische Themen auf, wie es beispielswiese im Zyklus »Four Times of the Day« von William Hogarth (1697–1764) zu beobachten ist, wo er das urbane London auf satirische Weise abbildet.105 Hilda Zadiková Das erste Werk mit zyklischer Narration, das ich hier vorstellen möchte, stellt Hilda Zadikovás Arbeit dar, die, wie bereits in Kapitel 4.2.3 gezeigt, die Bildsprache der traditionellen Monatsbilder aufgreift und den Verhältnissen im Ghetto anpasst. Im Folgenden ist nun zu fragen, wie zyklisches Erzählen in Zadikovás Arbeit funktioniert und inwieweit diese möglicherweise von der Narration der Monatsbilder beeinflusst ist. Betrachten wir zunächst den formalen Auf bau der Arbeit  : Entsprechend den Monaten des Kalenderjahres existieren zwölf unterschiedliche Szenen, wobei sechs Darstellungen auf der linken und sechs auf der rechten Bildhälfte angeordnet sind (Zadiková 1 und 2). Beide Hälften sind durch einen breiten weißen Streifen sowie im oberen Teil durch das Wappen von Theresienstadt mit dem Davidstern aus Stacheldraht getrennt. Ein verbindendes Element ist im schwarzen Hintergrund zu sehen, der jedes einzelne Bild umschließt und gleichzeitig in den Außenszenen auch den dunklen Himmel darstellt. Ähnlich den meisten Werken mit chronologischer Narration ist auch der Kalender von Hilda Zadiková auf einem gemeinsamen Bildträger, hier das einzelne Blatt, angeordnet, sodass die abgebildeten Szenen als Einheit wahrgenommen werden. Allerdings erschließt sich die Leserichtung trotz der vorgebenden räumlichen Bildordnung nicht sofort, da weder Monatsnamen noch andere schriftliche Zeichen existieren, die einen Hinweis auf eine konkrete zeitliche Reihenfolge geben könnten. Gleichwohl machen die Teilung des Kalenders in zwei Hälften sowie einige

inhaltliche Anhaltspunkte wie etwa die Winterdarstellung in der ersten und letzten Szene sowie das Herbstbild im dritten Bild des rechten Teils deutlich, dass die einzelnen Monatsdarstellungen  – getrennt in zwei Jahreshälften – von links nach rechts sowie von oben nach unten zu betrachten sind.106 Neben der formalen Gestaltung drückt sich die zyklische Narration in Zadikovás Werk auch durch den Inhalt aus. Auf den ersten Blick fällt hier zunächst der Wechsel der Jahreszeiten auf, der vom schneebedeckten Hinterhof im Monat Dezember und dem kahlen Baum mit dem Vogel als Vorbote des Frühlings im März über die grüne Vegetation im Mai, Juni und Juli bis hin zu den gelben Laubbäumen im Herbst und dem erneuten Schneefall im Dezember reicht. Gerade die beiden Schneeszenen im ersten und letzten Bild beziehen sich inhaltlich aufeinander und unterstützen damit die sich wiederholende, kreisförmige Zeitstruktur in Zadikovás Kalender. Neben diesem Gesamtzyklus existieren noch weitere kleinere Zyklen, die sich aus der paarweisen Gegenüberstellung einiger Szenen ergeben. So nimmt die Darstellung des Monates März mit der kreisförmigen Anordnung mehrerer Kinderwagen um einen knospenden Baum auf die Szene im September Bezug, auf der alte Menschen im Rollstuhl und gelbe Blätter am Baum abgebildet sind. Auf Geburt und Erblühen folgt unweigerlich das Sterben von Mensch und Natur, bevor im nächsten Jahr der Kreislauf des Lebens wieder neu beginnt. Einen anderen Zyklus im Zyklus stellen die beiden sich umarmenden und küssenden Liebenspaare im Monat Mai dar, die mit der November-Szene einer alten, einsamen Frau korrespondieren, ein Zeichen für den steten Kreislauf von Liebe und Verlust, von Zweisamkeit und Alleinsein. Vergleicht man die zyklische Narration von Hilda Zadikovás Kalender mit den Monatsbildern, sind einige Gemeinsamkeiten, aber auch wesentliche Unterschiede festzustellen. Zunächst einmal verwenden beide Bildzyklen ein ähnliches übergeordnetes Zeitschema, das entsprechend den Monaten im Jahr aus zwölf einzelnen Szenen besteht. Auf der formalen Ebene orientiert sich hier Zadikovás Arbeit an den früheren Monatsbildern, deren Szenen alle

zusammen auf einer Darstellung bzw. einem Blatt angeordnet sind. Allerdings verwendet das Theresienstädter Werk keine kreisförmige Struktur wie in den Glasfenstern gotischer Kathedralen oder eine sequenzielle Anordnung wie in den Jahresblättern illustrierter Handschriften, sondern übernimmt eine in den Monatsbildern weniger häufig genutzte kompositorische Teilung der einzelnen Szenen in zwei gegenüberliegende Jahreshälften. Eine solche Gliederung zeigt beispielsweise das Kalenderblatt einer verlorengegangen Sakramentarhandschrift, die um 965–975 in Fulda entstanden ist (Abb. 29).107 In der Bildmitte abgebildet ist die Allegorie des Jahres, Annus, um sie herum die vier Jahreszeiten sowie in den Medaillons die Personifikation von Tag und Nacht. In den Kolumnen stehen sich dann die Monatsarbeiten in zwei Reihen gegenüber, die jeweils von oben nach unten angeordnet sind. Diese kompositorische Dualität der beiden Jahreshälften wird in beiden Werken durch das Medaillon in der Bildmitte bzw. am oberen Rand – hier Annus, dort der Davidstern – miteinander verknüpft. Sieht man sich die zeitliche Progression im Jahreszyklus an, sind dagegen deutliche Unterschiede wahrnehmbar. So folgt das Fuldaer Kalenderblatt dem fortschreitenden Zyklus jahreszeitlich typischer Monatsarbeiten, etwa im März das Pflanzen der Rebstöcke, im Juli die Getreideernte mit der Sense und im Oktober das Verteilen der Wintersaat. In Hilda Zadikovás Arbeit dagegen markiert v. a. der Vegetationszyklus den zeitlichen Kreislauf, also Schnee und kahle Bäume in den Winterszenen, grüne Landschaften im Frühling und Sommer sowie gelbe Blätter im Herbst. Diese Hinwendung auf die sich verändernde Natur taucht in den Monatsbildern erstmals im Spätmittelalter auf, vorher wurde die Landschaft eher schematisch abgebildet.108 Grundsätzlich ist das zyklische Potenzial von Zadikovás Werk weniger deutlich ausgeprägt als in den Monatsbildern. Zwar wird in beiden Fällen die erzählerische Kohärenz in erster Linie durch das übergeordnete Zeitschema hergestellt, weniger durch eine narrative Verbindung zwischen den einzelnen Bildern. So fehlen weitgehend zusätzliche kohärenzstiftende Lesehilfen wie etwa die in allen Die unterschiedlichen Zeitordnungen  |  153

Bildern wiederkehrenden Protagonisten, gleichbleibende Handlungsräume, Blicke und Gesten der Figuren zwischen den Bildern oder verbindende schriftliche Elemente (abgesehen von den Monatsnamen, die bei Zadiková jedoch nicht auftauchen). Allerdings sind im Gegensatz zu den Monatsarbeiten einige der Szenen in Zadikovás Kalender keinem bestimmen Zeitraum bzw. Monat zuzuordnen, da sie, wie in Kapitel 4.2.3 bereits beschrieben, eben keine monatstypischen, landwirtschaftlichen Arbeiten zeigen. Stattdessen weisen die Abbildungen häufig spezielle Theresienstädter Bezüge auf, die zu jeder Jahreszeit stattfinden können, wie z. B. die Juliszene, in der Matratzen und Kleidung von Typhuspatienten verbrannt werden, oder die Oktoberdarstellung, die das Innere einer typischen Theresienstädter Behausung zeigt. Der größte Unterschied zwischen Hilda Zadikovás Arbeit und den Monatsbildern besteht allerdings in der narrativen Aussage. So symbolisiert in den Monatsarbeiten das kreisförmige Erzählen den von Gott gegebenen irdischen Jahreslauf des Menschen, wobei die einzelnen Bilder, wie bereits weiter oben ausgeführt, idealisierte Arbeitsabläufe in idyllischer Landschaft darstellen. Der Zyklus besitzt hier einen universellen, weil göttlichen Anspruch und gilt für jeden Menschen bis ans Ende aller Tage. In Zadikovás Kalender dagegen spiegeln die düsteren Bilder den Kreislauf des Lebens und Sterbens im begrenzten Rahmen des Theresienstädter Ghettos wider, was sich an mehreren Stellen im Werk ablesen lässt. Denn im Unterschied zum allumfassenden Zyklus der Monatsbilder ist Zadikovás Arbeit örtlich und zeitlich auf das Ghetto beschränkt. Dies drückt sich zum einen bereits im Titel »Theresienstadt 1944« bzw. »Terezínský Kalendář« aus oder in den Ortsangaben in den Bildunterschriften, die bestimmte Plätze und Straßen im Ghetto bezeichnen, z. B. »Q 506« in der Februarszene oder »Gässchen hinter L408« im Mai (jeweils in der deutschen Variante). Die zyklische Darstellung des Ghettolebens in Theresienstadt, aus der es auf den ersten Blick kein Entrinnen gibt, ist begrenzt, die vermeintlich ewige Wiederholung der Lagerzeit entpuppt sich  – zumindest in der Retrospektive  – als kurzer, gleichwohl lebensbedrohlicher 154  |  Die Narration der Bildserien

Zeitabschnitt. Zu guter Letzt zeigt der Davidstern aus Stacheldraht, der sich hinter dem Wappen von Theresienstadt befindet, dass Zadikovás Zyklus im Gegensatz zur universellen Bestimmung der Monatsbilder nur einen bestimmten Kreis an Menschen, nämlich die Juden in Theresienstadt, betrifft. Liesel Felsenthal Ein weiteres Werk mit zyklischer Erzählweise stellt eine Arbeit von Liesel Felsenthal (1924–2000) dar, die sie 1941 im Internierungslager Gurs im nichtbesetzten Südfrankreich anfertigte.109 Die kleinformatige Arbeit (6,5 x 8 cm) besteht aus 18 farbigen Aquarell- und Tuschebildern sowie einer schwarzweißen Tuschezeichnung als Titelbild, die zu einem Heft zusammengebunden sind. Wie in Kapitel  2.2.5 bereits näher ausgeführt, wurden aus dem unter französischer Verwaltung stehenden Gurs viele Insassen, in der Mehrzahl Juden aus der Pfalz und dem Saarland, nach Auschwitz deportiert, wo die meisten von ihnen starben. Im Lager selbst waren eingeschränkt kulturelle Veranstaltungen erlaubt. Auch Malutensilien gelangten durch die Hilfsorganisationen, wie z. B. das Schweizer Rote Kreuz, zu den Gefangenen. Trotzdem waren die Lebensbedingungen wegen der mangelhaften Unterkunft, schlechten Ernährungslage und der unzureichenden medizinischen Versorgung so katastrophal, dass zahlreiche Menschen den Tod fanden. Die Bilder Liesel Felsenthals geben ein geschöntes Bild dieser Verhältnisse wieder. So zeigen viele der Bilder Figuren bei leichter Arbeit  ; sie holen Kaffee in großen Kannen, waschen sich im Waschraum, stellen die Betten aus den Baracken heraus, waschen ihre Wäsche, holen Brot und holen die abendliche Suppe in Kesseln ab (Felsenthal Abb.  2, 3, 4, 6, 8, 13). Aber auch die Freizeit in den Abendstunden nach getaner Arbeit kommt nicht zu kurz, denn es werden ein »kleines Schätzchen« unter Frauen, der Zeitvertreib mit »Nähen [  ?] u. Spielen« sowie ein sich umarmendes Paar beim »Liebesgeflüster« gezeigt (Felsenthal Abb. 14, 15, 16). Allerdings fehlen in den Bildern Felsenthals Themen wie Krankheit und Tod, Hunger und fehlende Medizin, morastiger Boden und zugige Baracken sowie die Deportatio-

nen. Zudem wirken die meisten Frauenfiguren relativ jung. Hinweise auf das vielfach hohe Alter der Gurser Insassen gibt es lediglich in einer Szene, in der eine alte Frau mit Stock abgebildet ist, die gerade zu den auf Holzgerüsten angebrachten Toiletten geht (Felsenthal Abb. 17). Schließlich verstärkt der schlichte Zeichenstil, der mit seiner Farbigkeit und der häufig unproportionalen Figurendarstellung an Kinderbilder erinnert, die Distanz der Szenen zum eigentlichen Lagergeschehen. Das Fehlen der negativen Seiten von Gurs, die Jugendlichkeit der Figuren, aber auch das zeltartige Aussehen der Baracken110 erinnern fast an einen Aufenthalt in einem Ferienlager, in dem lediglich leichtere Tätigkeiten verrichtet werden mussten, aber immer noch Zeit für Freizeit und Flirts übrig blieb. Über die Funktion solcher Bilder, die einen Teil der Realität ausblenden und damit als psychologisches Mittel der Distanz dienen, ist bereits weiter oben in Kapitel  3.3.2 geschrieben worden. Hier soll dagegen gefragt werden, welche Rolle die »schönen« Bilder für die zyklische Narration spielten. Im Unterschied zu Hilda Zadikovás Jahreszyklus präsentiert Felsenthal hier die 24 Stunden eines ganzen Tages, wobei die einzelnen Szenen meist Tätigkeiten von einer Stunde abdecken. In den Bildunterschriften gibt sie die entsprechende Uhrzeit an und benennt die abgebildete Szene. So heißt es in der ersten Zeichnung nach dem Titelbild »von 7h–8h Uhr heisst’s KAFFEE holen« (Felsenthal Abb. 2). Weitere Beschriftungen sind z. B. »von 11h–12h waschen wir die Wäsche« oder »von 18h–19h Das Essen kommt – Hurra  !« (Felsenthal Abb. 6, 13).111 Allerdings verteilen sich die 18 Bilder des Zyklus unregelmäßig auf die Stunden des Tages. So wird die Zeit von Mitternacht bis sieben Uhr morgens durch eine einzige Darstellung mit dem Text »von 24 h–7h Ruhe überall [,] nur die Ratten treiben ihr Spiel« ausgedrückt (Felsenthal Abb. 19). Die zeitliche Progression zeigt sich aber nicht nur durch die fortschreitende Uhrzeit, sondern zum Teil auch durch den Bildinhalt selbst. So werden manche Szenen wie das Kaffeeholen oder die Waschraumdarstellung in der Regel mit den Morgenstunden in Verbindung gebracht, das Aufhängen der Wäsche

erfolgt logischerweise zeitlich nach der Reinigung und die im Bett liegenden Figuren werden üblicherweise mit der Schlafenszeit verknüpft. Dagegen lassen sich andere Szenen inhaltlich auf keine bestimmte Tageszeit festlegen, dazu gehören z. B. das »kleine Schwätzchen« zwischendurch oder der Gang zur Toilette, bei denen durchaus auch andere als in dem Bildtext angegebene Uhrzeiten vorstellbar sind. Ebenso wenig hilft die Darstellung des Himmels bei der zeitlichen Bestimmung weiter, da dieser bis auf die zusätzlich mit dunkleren Farben versehene Nachtszene recht ähnliche Blautöne aufweist. Auch Anfang und Ende des Zyklus sind bei Liesel Felsenthal in erster Linie auf der textlichen Ebene durch die Uhrzeit  – »von 24 h–7h« im letzten und »von 7h–8h« im ersten Bild (nach dem Titelbild)  – miteinander verknüpft (Felsenthal Abb.  19 und 2). Auf der Bildebene hingegen ist eine solche Verbindung weniger deutlich zu erkennen, denn warum der Morgen mit der Waschszene beginnt und nicht mit der Darstellung des Kaffeetransportes, erschließt sich dem Betrachter nicht sofort. Eventuell hatte die von Liesel Felsenthal vorgenommene Reihenfolge ihre Ursache darin, dass in Gurs das morgendliche Waschen wegen der Menschenmengen und des Mangels an Wasser sehr lange dauern konnte, sodass in der Regel vorher der Kaffee geholt wurde.112 Wie ist der formale Auf bau des Zyklus von Liesel Felsenthal im Vergleich zu anderen Werken zu sehen, die ebenfalls den Tag als übergeordnetes Zeitschema anwenden  ? An dieser Stelle ist zunächst das Verhältnis zu den mittelalterlichen Stundenbüchern zu untersuchen, da die Forschung Liesel Felsenthals Werk ausdrücklich als »Stundenbuch«113 bezeichnet, allerdings ohne diese Verbindung näher zu erläutern. Das Stundenbuch des Mittelalter war ein Gebetsund Andachtsbuch für die Laien, das neben den titelgebenden Stundengebeten u. a. noch einen Kalender, Lesungsabschnitte aus den vier Evangelien, zwei Mariengebete, Bußpsalmen, die Allerheiligenlitanei sowie als Hauptbestandteil das Marienoffizium enthielt.114 Meist mit Miniaturen aufwendig illustriert und später durch den Buchdruck vervielfältigt, war das Stundenbuch bis ins 16.  Jahrhundert weit verbreitet. Doch abgesehen vom kleinen Die unterschiedlichen Zeitordnungen  |  155

handlichen Format und der Einteilung des Tages in Stunden hat das Werk Felsenthals wenig mit den Stundenbüchern des Mittelalters zu tun. Noch weniger Ähnlichkeiten weist die zyklische Erzählweise der points du jour mit Felsenthals Arbeit auf. Weder übernimmt sie die Einteilung des Tages in die vier Zeiten »Morgen«, »Mittag«, »Abend« und »Nacht« noch lassen sich textliche Hinweise auf diese Tageszeiten finden. Anders als Hilda Zadiková orientiert sich Liesel Felsenthal also nicht am Format traditioneller Zyklen, sondern entwickelt ein individuelles Muster, das sich bei ihr vermutlich auch aus der spezifischen Gestaltung des Hefts speist. So besteht ihre Arbeit aus zehn Blättern im Querformat, die in der Mitte jeweils gefaltet und mit einer noch teilweise vorhandenen Fadenbindung zusammengehalten werden. Geht man davon aus, dass Liesel Felsenthal das Titelbild und die letzte (leere) Seite als Vorder- und Rückseite ihres Hefts verwenden wollte, bleiben 18 Seiten übrig, die zeitlich so aufgeteilt werden mussten, dass keine unnötigen Leerflächen entstehen. Und da die Nacht in Gurs aus Felsenthals Sicht nur sehr wenig erinnerungswürdige Ereignisse hervorbrachte und folglich nur eine Darstellung benötigte, macht somit die asymmetrisch erscheinende Aufteilung ihres Tageszyklus in 18 Szenen durchaus Sinn. Welche narrative Aussage wird nun durch die Gestaltung der Arbeit als Zyklus unterstützt  ? Und welchen Einfluss haben dabei die »schönen« Bilder von Felsenthal, die eben nur einen Teil der Realität von Gurs abbilden  ? Bei Hilda Zadiková war es, wie gesehen, der für die Dauer der Gefangenschaft wiederkehrende Jahreslauf aus Dunkelheit und Vergänglichkeit, der die Zeit in Theresienstadt prägt. In Liesel Felsenthals Zyklus ist der Ablauf eines ganzen Tages im Internierungslager Gurs im Fokus, der sich  – zumindest laut Titelblatt für das Jahr 1942 – stetig wiederholt. Die zyklische Erzählweise deutet an, dass sich für die Gefangenen die Tage alle gleichen  : Kaffeeholen und Körperpflege in den Morgenstunden, dann Reinigung der Kleidung und das Verteilen des Essens, bevor der Abend mit Gesprächen, Spielen und schließlich Ins-NettGehen sich zu Ende neigt. Aus diesem Schema 156  |  Die Narration der Bildserien

der Wiederholung scheint es auch narrativ keinen Ausweg zu geben. Alle Stunden des Tages sind mit Aktivitäten bzw. Ruhe abgedeckt   ; eine Veränderung dieses Zeitplans ist nicht vorgesehen. Allerdings wird in Liesel Felsenthals Werk das Gefühl der Monotonie und der scheinbaren Ausweglosigkeit abgemildert durch die ironische Distanz der Bilder zum tatsächlichen Lagergeschehen. Dieses leicht spöttische Spiel mit der Realität des Internierungslagers ist charakteristisch für Felsenthals Werk und begegnet dem Betrachter an zahlreichen Stellen. So etwa in der Bezeichnung des Toilettengangs in Gurs, der angesichts der auf einem hohen Holzgerüst angebrachten Latrine von Felsenthal mit dem ironischen Ausspruch »Die Hochburg ruft« bezeichnet wird (Felsenthal Abb. 17).115 Tatsächlich war das Aufsuchen der Latrine wegen des häufig matschigen und unebenen Bodens v. a. für ältere Leute sehr beschwerlich. An anderer Stelle wird die Gesprächssituation zweier Frauen vor der Baracke satirisch überzeichnet (Felsenthal Abb.  14). Dies geschieht zum einen durch die ironische Benennung der Szene als »kleines Schwätzchen«, zum anderen durch die überspitzte Darstellung der beiden Figuren, die mit Sonnenschirm und farbig aufeinander abgestimmten Kleidern und Hüten eher an vornehme, bürgerliche Damen bei einem Plausch auf einer Geschäftsstraße erinnern.116 Ein drittes Beispiel stellt die Nachtszene mit den Barackenreihen dar, vor denen sich mehrere schwarze Tiere tummeln, die allerdings erst durch den Bildtext »Ruhe überall[,] nur die Ratten treiben ihr Spiel« zu identifizieren sind (Felsenthal Abb. 19). Die Ironie entsteht dadurch, dass hier in diesem Werk nur die Nagetiere ein echtes Problem darstellen, weil sie die Ruhe der schlafenden Gefangenen stören.117 Alle anderen Tätigkeiten, die Versorgung mit Essen, Körperpflege, Kleiderwäsche sowie Freizeitaktivitäten funktionieren bei Liesel Felsenthal angesichts der tatsächlichen Verhältnisse in Gurs erstaunlicherweise effizient und ohne Schwierigkeiten. Anders als die Bildserien mit einer chronologischen Narration, in denen am Ende ein Ausblick in eine ungewisse Zukunft stattfindet, sind die Werke mit zyklischer Narration auf die stetige Wiederholung der Gegenwart ausgelegt. Sowohl Hilda Zadi-

ková als auch Liesel Felsenthal wählen die Form des Bildzyklus, um das Empfinden einer sich monoton wiederholenden Lagerzeit  – hier ein Jahr, dort ein Tag  – auszudrücken. Zusätzlich zur Lagermonotonie suggeriert das kreisförmige Erzählen eine nicht enden wollende Gefangenschaft  ; ein »Ausstieg« aus der Zeit  – und damit der Inhaftierung  – erscheint somit nicht möglich. Aus diesem Grund zeigen die zyklischen Bildwerke im Gegensatz zu den chronologischen Arbeiten ausschließlich Bilder aus dem Lager. Darstellungen der Vorgeschichte, etwa von der Deportation, fehlen, da sie ja nur ein einmaliges Ereignis ausdrücken und sich nicht zyklisch wiederholen lassen. Ein anderer Punkt betrifft Wolfgang Sofskys These zur zyklischen Zeit des Lagers, die nach seinen Angaben »die Menschen in eine ewige Gegenwart der Ungewissheit und des Schreckens«118 zwingt. In der bildlichen Umsetzung ist diese Vorstelllung allerdings nur bedingt vorhanden. Zwar wirkt in Hilda Zadiková Zyklus die Gefangenschaft durchaus düster und bedrohlich, doch bereits in Liesel Felsenthals Arbeit ist von einer »Gegenwart des Schreckens« aufgrund der ironischen Darstellungen wenig zu sehen. Zudem wird in beiden Arbeiten die Ungewissheit der Haftdauer durch die konkreten Zeitzeichen »Gurs 1941« (bei Liesel Felsenthal) bzw. »Theresienstadt 1944« (in der deutschen Version von Zadikovás Kalender) abgemildert. Denn angesichts dieser genauen Zeitangaben bestand für den zeitgenössischen Betrachter zumindest theoretisch die Hoffnung, dass sich seine Lage für das darauffolgende Jahr verbessert. 5.4.3 Achronische Strukturen als Grenze des Erzählbaren

Neben den chronologischen und zyklischen Zeitstrukturen existieren in den Häftlings-Bildfolgen noch Zeitformen, die sich einer eindeutigen Zuordnung in narrative Muster entziehen. Für diese Werke verwende ich den Begriff der achronischen Bildserie, die sich eng an die Bezeichnung »Serie« aus der Kunst anlehnt, ohne jedoch, wie noch zu sehen sein wird, mit ihr identisch zu sein. Die

»Serie« besitzt, wie in der Einleitung bereits aufgeführt, kein Anfang und kein Ende, stellt Kontinuität aus lauter Diskontinuitäten her und hat weder Peripherie noch Zentrum. Auch ihre potenzielle Unvollständigkeit ist ein wesentliches Charakteristikum der »Serie«, denn mit jedem Bild scheint die Geschichte abbrechen zu können, zudem sind jederzeit Erweiterungen oder Herausnahme einzelner Bilder möglich. Tauglicher erscheint mir hier der Begriff der »Achronie« von Mieke Bal zu sein, auch wenn er Elemente der »Serie« übernimmt. »Achronie« bezeichnet nach Mieke Bal eine Abweichung in der zeitlichen Chronologie einer Erzählung, die aufgrund schwierig zu bestimmender oder ungenügender Information sich nicht weiter konkretisieren lässt.119 Dies passiert dann, wenn die Ereignisse »undatiert« sind, also keine Hinweise auf eine Verbindung zur Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft haben, oder wenn die einzelnen Ereignisse nicht nach chronologischen, sondern nach räumlichen oder assoziativen Kriterien sortiert sind.120 Besteht ein Werk vollständig aus achronischen Elementen, ist es für Bal schwierig, noch von einer Narration zu sprechen, denn dafür müsste es zumindest teilweise eine Chronologie aufweisen.121 Die achronische Bildserie, so wie ich sie hier verstehe, kann sich ähnlich wie die Bildserien mit zyklischer und chronologischer Erzählweise auf eine lange Tradition berufen. Hier wären zunächst die Bildfriese an Kirchen oder Profanbauten zu nennen, deren Reihung der einzelnen Bildelemente oftmals keine oder kaum chronologische Strukturen aufweisen. Auch die Bildserien des Mittelalters und der frühen Neuzeit besitzen nach David Kunzle häufig einen rein sequenziellen Charakter ohne eine deutliche narrative Verbindung  : »The narrative element is often rather tenuous, especially in the earlier centuries  ; in many instances, the episodes are loosely connected, the succession appears fortuitous, there is a lack of introduction, climax and conclusion.«122 Ebenso besitzen zahlreiche Grafikfolgen aus späterer Zeit oftmals achronische Elemente. Als Beispiel lässt sich die zwischen 1793 und 1799 entstandene Grafikfolge »Los Caprichos« von Francisco de Goya (1746–1828) heranziehen, die in 80 Blättern die Die unterschiedlichen Zeitordnungen  |  157

Missstände der damaligen spanischen Gesellschaft satirisch aufgreift. Statt einer zeitlich linearen Geschichte wählt Goya einen thematischen Zugang, der den Zyklus in sozialkritische Aspekte, erotische und Traumbilder gliedert.123 Schließlich wählten auch zahlreiche Bildserien des 20. Jahrhunderts diese Form des Erzählens, in denen die Bilder eher assoziativ als chronologisch miteinander verbunden sind, so etwa im Collagenroman »Une semaine de bonté« von Max Ernst aus dem Jahr 1934, der in fünf Hefte gegliedert unterschiedliche Themen wie die Schöpfungsgeschichte, Gewalt, Mord, das Verhältnis der Geschlechter, bürgerliche Dramen und die Ödipus-Sage aufgreift.124 Wie offenbart sich die Achronie nun in den Lagerbildserien  ? Und sind nicht vielleicht doch bestimmte Formen der Chronologie  – wenn auch reduziert  – enthalten  ? Betrachten wir zunächst die Bildserie von Erich Lichtblau-Leskly. Die mindestens 57 überlieferten und nach Kriegsende aus den zerschnittenen Originalen wieder zusammengefügten Rekonstruktionen sind als lose Blattfolge gestaltet, ohne dass sie durch einen gemeinsamen Bildträger miteinander verbunden sind. Auch hat sich auf den Originalbildern weder ein Datum erhalten, noch sind Nummerierungen zu sehen, die auf eine chronologische oder eine sonstige Sortierung der Bilder hinweisen könnten. Auf der inhaltlichen Ebene setzt sich diese ungeordnete Darstellung der Ereignisse weitgehend fort. So bilden die meisten Darstellungen keine konkreten historischen Ereignisse ab (zur ahistorischen Darstellung der Lagerbildfolgen vgl. Kapitel  5.3.1), sodass eine inhaltliche chronologische Sortierung der Bilder kaum möglich ist. Ebenso ist ein kausaler Bezug zwischen den Bildern schwierig herzustellen, da die einzelnen Szenen für sich allein stehen und keine bildübergreifende Handlung ausdrücken. Möglich ist dagegen eine Sortierung der Bildserie nach thematischen Gesichtspunkten. So bildet eine Reihe von Darstellungen die unterschiedlichen Vorbereitungen der Inhaftierten bei ihrer Deportation »in den Osten« ab (etwa Lichtblau-Leskly Abb. 7, 8, 11), während andere Szenen den Aspekt des Diebstahls (Lichtblau-Leskly Abb. 38, 45, 46 und 55) betonen. Wieder andere Szenen thematisieren die man158  |  Die Narration der Bildserien

gelhafte Ernährung im Ghetto (Lichtblau-Leskly Abb. 29, 42, 44) oder zeigen die schwierigen hygienischen Verhältnisse auf (Lichtblau-Leskly Abb. 19, 36). Zudem sind in Lichtblau-Lesklys Bildserie kein eindeutiger Anfang und Ende auszumachen wie in den chronologischen Bildserien, noch folgen die einzelnen Bilder einem übergeordneten Zeitschema wie in den Bildern mit zyklischer Erzählweise. Des Weiteren kann die Bildserie problemlos erweitert werden, ohne dass sich an der Gesamtstruktur viel ändern würde. Dass die ursprüngliche Bildserie vermutlich mehr Bilder beinhaltete, machen die nicht wieder zusammengesetzten Bildfragmente deutlich, die zum einen im Los Angeles Museum of the Holocaust auf bewahrt werden und zum anderen in Privatsammlungen in Israel liegen.125 Gleichwohl kann man in Lichtblau-Lesklys Werk nicht von einer vollständigen Achronie sprechen, da sich an wenigen Stellen die Möglichkeit der inhaltlichen chronologischen Sortierung einzelner Elemente ergibt. So findet die Darstellung der Zählung im Bohušovicer Kessel vom 11.  November 1943 (Lichtblau-Leskly Abb.  32) zeitlich vor den »Verschönerungsszenen« im Vorfeld des Roten-Kreuz-Besuchs am 23. Juni 1944 statt (Lichtblau-Leskly Abb.  52–54). Ebenso weisen die zwei ursprünglich zusammengehörigen Bildfragmente, die einmal die Silhouette von Prag mit der Karlsbrücke, zum anderen einen fahrenden Zug als Symbol für eine Deportation zeigen (Lichtblau-Leskly Abb.  3), auf einen Ort hin, der zeitlich und kausal vor der Gefangenschaft im Ghetto liegt. Wie sieht es nun mit den achronischen Strukturen in den anderen Bildserien aus  ? Im Gegensatz zu Erich Lichtblau-Leskly, aber auch zu den anderen Werken sind Helga Weissovás Bilder häufig datiert, sodass hier durchaus eine zeitliche Sortierung möglich wäre. So ist beispielsweise die Vorladung für einen Transport auf den »24.  I.  42.« (Weissová Abb.  30) datiert, während die Szene einer Chanukka-Feier fast genau zwei Jahre später am »16.  I.  44.« (Weissová Abb. 50) stattfindet. Allerdings ist fraglich, inwieweit es sich bei diesen Datierungen um den Zeitpunkt bestimmter Ereignisse oder vielleicht doch um das Datum der Fertigstellung einer Zeichnung

handelt. Außerdem enthalten die datierten (wie auch die undatierten) Bilder in der Regel ahistorische Szenen, die nicht ausschließlich auf das angegebene Datum beschränkt waren, sondern sich durchaus wiederholen konnten. Eine weitere, eher indirekte Form der Chronologie lässt sich am Zeichenstil von Helga Weissová ausmachen, der sich im Laufe ihrer Gefangenschaft merklich ändert. So zeigt sie in den frühen Bildern Ereignisse wie die Ankunft in Theresienstadt in kindlichen, farbenfrohen Aquarellzeichnungen (Weissová Abb.  3), während sie zwei Jahre später beispielsweise den Abschied der Gefangenen von ihren Toten in einer düsteren, mit vielen Schraffuren versehenen Federzeichnung versieht, deren Farbigkeit weitgehend verloren gegangen ist (Weissová Abb.  56). Hier beobachtet man nicht nur die Entwicklung einer noch jungen Künstlerin, sondern kann aufgrund der sich verändernden Stilistik – wenn auch sehr eingeschränkt – die Entstehungszeit der Bilder nachvollziehen. Darüber hinaus ist eine zeitliche Sortierung der einzelnen Bilder, die aber ähnlich ungenau ist, anhand der Unterschrift möglich, die sich von einer kindlichen Handschrift, »Helga Weiss 12 Jahre Dresdner Kaserne« zu einer künstlerisch anmutenden Signatur »hw« wandelt. Eine sehr eingeschränkte chronologische Sortierung bestimmter Teile von Helga Weissovás Bildserie erscheint also durchaus möglich. Gleichwohl ist die Gesamtstruktur eher achronischer Natur, weil sich weitergehende chronologische oder kausale Verbindungen zwischen den einzelnen Bildern nicht einstellen. Ebenso ist kein eindeutiger Beginn oder Schluss von Helga Weissovás Serie festzustellen, denn hierfür kommen mehrere Bilder in Betracht. Geht man von der Entstehungszeit aus, muss die Darstellung einer Winterlandschaft mit Schneemann und spielenden Kindern als Beginn der Serie angesehen werden, da Helga Weissová dieses Bild als erste in Theresienstadt angefertigte Zeichnung bezeichnet (Weissová Abb.  2).126 Inhaltlich könnte dagegen eine Darstellung von Helga Weissovás Eltern als Anfangsbild dienen, das beide bei der Inventarisierung ihrer Besitztümer vor der Deportation nach Theresienstadt zeigt (Weissová Abb. 1). Laut der Datierung ist diese Zeichnung allerdings

erst lange nach diesem Ereignis, nämlich am 7.  Januar 1943, entstanden. Ebenso unsicher ist die Wahl eines möglichen letzten Bildes. Inhaltlich macht die Szene Sinn, bei der ein Transport »in den Osten« von den zurückgelassenen Ghettobewohnern beobachtet wird (Weissová Abb.  55). Denn auch Helga Weissová musste bald einen ähnlichen Weg gehen. Doch auch die Szene der Verabschiedung von den Toten mit dem Baum als Symbol des Todes könnte als Abschluss von Weissovás Bildserie gelten, zumal sie es selbst in der Publikation »Zeichne, was Du siehst« als letztes Bild ihrer Theresienstädter Bilder eingefügt hat (Weissová Abb. 56). Allerdings gibt es noch zwei weitere Zeichnungen, die im Sinne einer zukunftsungewissen Vorausdeutung einen Blick in die Zukunft werfen. Die erste Zeichnung war womöglich ursprünglich als Geburtstagskarte gedacht 127 und zeigt ein Mädchen, das mit einem Rucksack auf dem Rücken in Richtung Prag marschiert, während Theresienstadt laut Wegweiser bereits hinter ihm liegt (Weissová Abb.  40). In diesem Wunschtraum ist die Figur mit Lippenstift geschminkt sowie mit Halstuch und Latzhose bekleidet, ein auffälliger Kontrast zur Realität im Ghetto. Das zweite Bild stellt in den Lagerbildserien eine Besonderheit dar, weil es drei Zeit- und drei Ortsebenen in einem einzigen Blatt vereint (Weissová Abb. 36). Im Ghetto fertigte Helga Weissová dieses Bild für ihre Freundin Franzi zum 14. Geburtstag.128 In der Bildmitte ist die Gegenwart des Jahres 1944 zu sehen  ; ein Mädchen sitzt verträumt auf einem Etagenbett, der Judenstern am Mantel gibt einen Hinweis auf die Gefangenschaft im Ghetto. Das Etagenbett ist außerdem ein Zeichen der Freundschaft von Helga und Franzi, die sich in Theresienstadt dasselbe Bettgestell teilten. Die Szene links wirft einen Blick in die Vergangenheit auf den gemeinsamen Geburtsort zurück, da die Freundinnen in demselben Krankenhaus in Prag des Jahres 1929 zur Welt kamen. Die rechte Seite zeigt die von beiden Mädchen erträumte Zukunft in vierzehn Jahren, wie sie als junge Mütter mit ihren Kindern durch ein freies Prag spazieren gehen. Anders als bei den chronologischen Werken sind hier in der Bildserie von Helga Weissová also verschiedene Die unterschiedlichen Zeitordnungen  |  159

Enden möglich, die zwischen Verzweiflung und Tod sowie dem Wunsch nach einer besseren Zukunft wechseln. Die Form der achronischen Gesamtstruktur mit einigen wenigen chronologischen Verbindungen ist neben Erich Lichtblau-Lesklys und Helga Weissovás Werken auch in Waldemar Nowakowskis Arbeit enthalten. Hier besitzen die einzelnen Blätter kein Datum oder eine durchgängige Nummerierung, die auf eine lineare Erzählweise schließen lassen könnten. Auch inhaltlich stehen die meisten Szenen unverbunden nebeneinander. Eine gewisse Ausnahme stellen die Sequenzen von den Abläufen der Massenvernichtung dar, die ähnlich wie im Auschwitz-Skizzenbuch ebenfalls zwei unterschiedliche Opfergruppen zeigen. Allerdings sind diese Bilder nicht eindeutig markiert, sodass ihre Zusammengehörigkeit erst rekonstruiert werden muss. Eine erste mögliche Sequenz (Nowakowski Abb.  36–38) zeigt die Selektion jüdischer Deportierter auf der Rampe, dann eine Frau mit zwei Kindern vor einer verschlossenen Eisentür, hinter der sich laut dem nachträglich hinzugefügten euphemistischen Titel »To nasze królestwo [Vor dem Königreich]« die Gaskammer verbirgt. Anschließend sind die nackten Leichen von Männern und Frauen zu sehen, denen zuerst die Zähne herausgebrochen werden, um dann die Toten auf einen großen Holzhaufen zu stapeln.129 Die noch nicht abrasierten Haare der Toten weisen darauf hin, dass sie zu den deportierten Menschen der vorherigen Szenen gehören. Eine zweite potenzielle Sequenz (Nowakowski Abb. 39–42) bildet die Gruppe der rasierten, abgemagerten und nackten Häftlinge ab, die zunächst aus einer Baracke zum Lastwagen gehen müssen, dort auf die Ladefläche steigen und anschließend zur Gaskammer gefahren werden. Anschließend sind die Toten aufeinandergestapelt vor einer Baracke zu sehen.130 Beide Gruppen kreuzen sich bildlich in den Darstellungen des feuerspeienden Krematoriumsschornsteins als gemeinsamem Ort des Todes (Nowakowski Abb.  4). Kennzeichnend für beide Sequenzen wie auch für den Rest der Bildserie ist ihre potenzielle Unvollständigkeit. Denn neben den 37 überlieferten des Auschwitz-Museums und den fünf verschollenen 160  |  Die Narration der Bildserien

Bildern (vgl. Katalog) existieren eventuell noch weitere Aquarelle, die sich zwischen die vorhandenen Teile einfügen lassen.131 Im Unterschied zu den anderen achronischen Bildserien sind die einzelnen Blätter des Auschwitz-Skizzenbuchs, bis auf den unvollständig gebliebenen Entwurf, am rechten unteren Rand von 1 bis 21 durchnummeriert. Gleich links neben der ersten Nummerierung existiert eine weitere Ziffernfolge, die um den Wert  »1« erhöht und nun beginnend mit der unfertigen Skizze (Auschwitz-Skizzenbuch, S. 22) die Zahlen von 1 bis 22 enthält. Diese zweite Nummerierung ist sehr wahrscheinlich nachträglich angebracht worden, zumal sich deren Schriftbild sehr von der ersten unterscheidet. Dass die Nummerierungen keine chronologische Sortierung der Ereignisse sein können, ergibt sich schon aus der Tatsache, dass z. B. der Gang der deportierten Juden zum Krematorium (MM Abb.  4, rechtes Bild) bereits auf Seite 7 erfolgt, während ihre Ankunft und Selektion erst auf den Seiten 13 und 14 zu sehen sind (MM Abb.  5, 6). Vielleicht handelt es sich bei der ersten Nummerierung um die Reihenfolge, in der der unbekannte Zeichner seine Zeichnungen anfertigte. Warum er aber dann die Ziffern so sorgfältig anfertigte, muss offenbleiben. Neben der Nummerierung lassen sich aber auch zwischen den meisten Bildern keine eindeutigen zeitlichen Folgen oder Handlungen ausmachen. Die Szenen wechseln sich ohne erkennbare narrative Verbindung ab. Selbst auf den Blättern, die zwei Szenen enthalten, ist keine Chronologie zu erkennen, vielmehr sind sie weitgehend nach thematischen Ähnlichkeiten zusammengestellt. Auf Blatt  3 etwa zeigt das linke Bild eine Essensausgabe, bei der ein Häftling aus einem Metallfass Suppe an seine wartenden Kameraden ausschenkt (MM Abb. 2, linkes Bild). Auf der rechten Seite tragen zwei Gefangene ein schweres Holzfass, während im Hintergrund drei weitere Personen einen Suppenwagen ziehen und schieben. Beide Bilder thematisieren die Verteilung der Häftlingsnahrung, doch hier eine zeitliche oder kausale Reihenfolge herzustellen, erscheint schwierig, zumal das unterschiedliche Aussehen der beiden Fässer und auch des Bildhintergrunds – links

ein Zaun, rechts eine Baracke  – auf zwei räumlich voneinander getrennte Ereignisse hinweist. Andere thematisch, aber nicht narrativ verbundene Szenen sind beispielsweise die Darstellungen des »Lagersports«, der als Mittel der Gewalt von der SS und den Kapos angeordnet wurde (Auschwitz-Skizzenbuch, S.  9) oder die Privilegien der Funktionshäftlinge, die sich in Brutalitäten gegenüber den Gefangenen und dem leichteren Zugang zu Lebensmitteln ausdrücken (Auschwitz-Skizzenbuch, S. 16). Deutlich erkennbare chronologische Sequenzen lassen sich nur bei den zwei Sequenzen feststellen, die den Vernichtungsvorgang an jüdischen Deportierten bzw. an kranken Häftlingen thematisieren (MM Abb.  3–5 und Abb.  6–8). Anders als bei Waldemar Nowakowskis Darstellungen des Massenmordes sind diese Sequenzen zusätzlich zu den Ziffern noch mit einer aufsteigenden Buchstabenfolge A–C bzw. A–D gekennzeichnet. Damit sind ihre Bildreihenfolge und ihre Bildanzahl genau festgelegt. Gleichzeitig sind aber auch dort Diskontinuitäten zu beobachten, die eine durchgängige chronologische Rezeption zwar nicht ausschließen, dennoch teilweise erschweren (siehe Kapitel  5.5). Trotzdem machen diese beiden weitgehend chronologischen Sequenzen deutlich, dass dem Hersteller des Skizzenbuchs die verschiedenen Möglichkeiten der zeitlichen Strukturierung bewusst waren. Denn die Chronologie dieser beiden Bildreihen hebt sie aus der achronischen Gesamtstruktur hervor und betont ihre große Bedeutung innerhalb des Skizzenbuchs. Dass der unbekannte Zeichner jedoch nicht alle Bilder zeitlich ordnete, zeigt, dass er weniger an einer Chronologie der Ereignisse interessiert war, als vielmehr eine Gesamtdarstellung des Lagersystems Auschwitz-Birkenau schaffen wollte. Eine andere Variante der Achronie ist in der Arbeit von Zsuzsa Merényi zu finden. Während die anderen Lagerbildserien weitgehend im Originalzustand der Lagerzeit geblieben sind, nahm Zsuzsa Merényi wie beschrieben, bedingt durch einen Wasserschaden an ihrem Werk, erhebliche Eingriffe vor. So klebte sie nach der Befreiung die brauchbaren Zeichnungen zusammen mit neuen Bildern in ein leeres Schulheft. Damit ging der ursprüngliche Zusammenhang der

Originalbilder größtenteils verloren und machte einer chronologisch angelegten Erzählung Platz (siehe dazu Kapitel  6.3). Nach welchen Kriterien Zsuzsa Merényi den ursprünglichen Taschenkalender sortierte, in dem sie ihre Bilder anfänglich zeichnete, ist unbekannt. Entweder füllte sie die Seiten hintereinander nach dem Auftreten der Ereignisse oder sie gruppierte die Seiten nach thematischen Aspekten. Aber auch die Möglichkeit einer Sammlung loser Blätter ist nicht auszuschließen. Gleichwohl finden sich in der veränderten Nachkriegsversion noch einige unveränderte Originalstellen wieder, die einen Eindruck vom früheren narrativen Bildzusammenhang geben können. Unser Beispiel auf der Seite zehn (oberes Bild) besteht aus zwei Blättern des ungarischen Taschenkalenders und enthält sieben Einzelzeichnungen, die von den nach der Befreiung angebrachten braunen Papierstreifen am Rand begrenzt werden (Merényi Abb. 6). Das Kapitel 4.5.2 hat gezeigt, dass das Werk inhaltlich eine Besonderheit darstellt, weil es im Vergleich zu den anderen Lagerbildserien eine starke autobiografische Perspektive enthält. Vielfach befassen sich die Zeichnungen mit persönlichen Ereignissen aus dem unmittelbaren sozialen Umfeld von Zsuzsa Merényi und lassen sich häufig erst durch die Kontextualisierung mit dem Selbstzeugnis der Künstlerin und der ungarischen Titel entschlüsseln.132 Mit ihrer Hilfe muss also zunächst der Bildinhalt entziffert werden, bevor wir die zeitliche Struktur der einzelnen Bilder darlegen können. Das oberste Bild unseres Beispiels stellt den beschwerlichen Fußweg zu den weit entfernten Toiletten dar, den Merényi ironisch als »WC sétány [Toilettenpromenade])« bezeichnet.133 Unmittelbar darauf folgt die Darstellung eines Strafmarsches, von Merényi sarkastisch »Ló sétáltatás [Auslauf der Pferde]« genannt. Das dritte Bild zeigt im Inneren der Häftlingsbaracke eine Frau, die eine längere Geschichte erzählt »Lifike mesél [Lifike erzählt]«, während in der nächsten Zeichnung mit dem Titel »Ébredünk [Wir werden wach]« Zsuzsa Merényis morgendliche Ballettübungen zu sehen sind, die sie zusammen mit ihrer Schwester Lea im Lichtschein einer Lampe absolvierte. Die nächsten Bilder thematisieren die Die unterschiedlichen Zeitordnungen  |  161

schlechte körperliche Verfassung der Häftlinge »Éhezünk [Wir hungern]«, den Brotdiebstahl einer Bekannten »Ági haja égnek mered  – ellopták a kenyerüket [Ágis Haare stehen zu Berge, ihr Brot fiel in Diebes Hände]« (Original in Reimform) sowie in einem Selbstporträt den Juckreiz der Künstlerin, »Vakaródzom [Ich kratze mich]«. Betrachtet man nun das Bild als Ganzes, ist festzustellen, dass die einzelnen Szenen weder durch eine zeitliche Abfolge noch durch eine erzählerische Handlung miteinander verbunden sind. Dabei suggeriert der räumliche Zusammenhalt der einzelnen Bilder auf einem Blatt zunächst eine zeitliche Simultanität der Ereignisse, was an Abel Herzbergs bereits erwähnte Aussage der Gleichzeitigkeit erinnert  : Es gibt hier keine ›Zeit‹ mehr. Die Tage gehen vorüber, doch manchmal scheint es, als kämen sie nicht nacheinander, sondern gleichzeitig, als fände das Geschehen von heute gleichzeitig mit dem von gestern und morgen statt.134 Dennoch kann man bei diesem Bild nicht von einer Simultanität der abgebildeten Ereignisse sprechen. Denn der Wechsel von Innen- und Außenszenen, die Aufteilung in Tag und Nacht sowie die Darstellung von Wetterveränderungen (etwa der Regen im ersten Bild) verweisen auf zeitlich nicht zueinander passende Ereignisse. Die einzelnen Bilder stellen jeweils ein in sich geschlossenes Geschehen dar und sind höchstens thematisch miteinander verbunden, wie etwa die beiden Bilder über den Hunger und den Brotdiebstahl (Bilder 5 und 6). Die hier präsentierte Bildreihenfolge von Merényi ist dabei eine Möglichkeit, die Bilder zu sortieren, andere Ordnungen sind ebenso vorstellbar, ohne dass sich der Sinnzusammenhang ändern würde. Das letzte Beispiel, die Arbeit »Bilder aus Theresienstadt« von Joseph Spier, nimmt unter den achronischen Bildserien eine Sonderstellung ein, da sie durch die Originalfadenbindung einen zusammenhängenden Bildträger aufweist.135 Dadurch sind die Anzahl (18 Seiten plus das Titelblatt) sowie die Reihenfolge der Blätter genau festgelegt. Die Serie beginnt mit einer Darstellung des zentralen »Marktplatzes« mit 162  |  Die Narration der Bildserien

der Kirche, dann folgen Ansichten vom »Musikpavillion«, einem Hinterhof, einer »Geschäftsstraße« sowie dem Inneren des »Kaffeehauses«. Anschließend sind eine »Gärtnerei«, eine »Metzgerei«, eine »Zahnarztpraxis« die »Bank«, eine »Schmiede«, eine »Schreinerei«, der Bahnbau, eine »Bäckerei« und eine »Dampfküche« zu sehen. Im weiteren Verlauf sind noch ein »Krankenhausgarten«, ein Puppenspiel für Kinder, ein Theater und als letztes Bild eine Landschaftsdarstellung mit Theresienstadt im Hintergrund abgebildet. Trotz dieser festgelegten Anordnung sind zwischen den einzelnen Bildern kaum visuelle oder schriftliche Informationen über eine chronologische Abfolge auszumachen.136 Wie schon in Kapitel 5.3.2 ausgeführt, scheint der Übergang von Bild zu Bild ohne eine wahrnehmbare zeitliche Progression abzulaufen. Die dargestellten Szenen könnten alle zu einer ähnlichen Tageszeit stattfinden  ; die Arbeiten in den verschiedenen Werkstätten ebenso wie der Zahnarztbesuch, der Stadtbummel auf der Geschäftsstraße oder die Bankgeschäfte. Zudem existieren keine Nachtdarstellungen oder Anzeichen für ein sich veränderndes Wetter, die Aufschluss über eine zeitliche Reihenfolge geben könnten. Lediglich die Hinterhofszene und die Landschaftsdarstellung (Spier Abb.  3 und Abb.  18) enthalten blühende Bäume, die einen Hinweis auf den Frühling als Jahreszeit geben.137 Zur achronischen Struktur trägt auch der »fehlende« Anfang und Schluss bei. Statt einer Vorgeschichte wie in den chronologischen Bildfolgen »springt« der Blick gleich zu Beginn zum zentralen Marktplatz von Theresienstadt. Ebenso ist das letzte Bild nicht als narrativer Ausblick in die Zukunft gestaltet, sondern bildet die scheinbar idyllische Gegenwart eines normalen Städtchens ab, das ohne Gräben, Wälle und Zäune inmitten einer blühenden Landschaft existiert. Die achronische Struktur des Albums unterstützt die politische Absicht der SS. Denn Fragen nach der Herkunft oder gar der Zukunft der abgebildeten Figuren waren nicht erwünscht, die Bilder sollten allein die permanente Gegenwart eines effektiven und lebenswerten Ghettos zeigen. Geht der Betrachter jedoch mit einer »filmischen« Perspektive an die Bildserie heran, dann lässt sich dennoch eine zeitliche Progression

ausmachen. Der Blick im ersten Bild wäre als Totale auf den zentralen Platz in Theresienstadt zu interpretieren, dann folgen aneinander montiert die verschiedenen idealisierten Ansichten Theresienstädter »Errungenschaften«, um dann im letzten Bild erneut mit einer Totalen aus der Stadt herauszugehen. Verbindendes Element wäre die Kirche, die sowohl in der Anfangs- als auch in der Schlussszene auftaucht (Spier Abb. 1 und 18). Dass Jo Spier sich mit filmischen Ausdrucksmitteln auskannte, ist durch seine Teilnahme bei der Produktion des von der SS zwischen 1944 und 1945 produzierten Films »Theresienstadt  – Ein Dokumentarfilm aus dem jüdischen Siedlungsgebiet« belegt. Hier fertigte Spier während der Dreharbeiten Hunderte von kleinen Skizzen an, die den Einstellungen der Kameraleute glich.138 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass in den achronischen Bildserien im Sinne einer zeitlichen Progression tatsächlich kaum erzählt wird. Das Lagerleben wird nicht als chronologische oder zyklische Sequenz, sondern als weitgehend unverbundene szenische Reihung einzelner Ereignisse dargeboten. In den meisten Fällen wird die achronische Struktur durch den fehlenden physischen Zusammenhalt der einzelnen Bilder verstärkt. Lediglich Joseph Spiers Werk »Bilder aus Theresienstadt« weist ein gemeinsames Trägermedium auf, lässt sich aber wegen seiner Gesamtstruktur trotzdem den achronischen Bildserien zuordnen. Schließlich zeichnen sich die achronischen Bildserien – bis eben auf Jo Spiers Album  – durch ihre potenzielle oder tatsächliche Unvollständigkeit aus. Während von Waldemar Nowakowski vermutlich noch weitere Bilder existieren, von denen es keine Aufnahmen gibt oder die verschollen sind139, wissen wir von Helga Weissová genau, dass ihre überlieferte Serie nur eine Auswahl einer größeren, bislang nicht publizierten Sammlung darstellt. Bei Erich Lichtblau-Leskly und Zsuzsa Merényi machen wiederum die Zerstörungen deutlich, dass die ursprüngliche Serie mehr Bilder enthielt, als heute existieren. Die Grenzen der Narration werden von den achronischen Bildserien also durchaus berührt, doch überschritten werden sie meines Erachtens nicht, denn es lassen sich wie gesehen zumindest in Teilen noch chronologische Verbindungen finden.

5.5 Die Darstellung des Bildlosen. Die Vernichtung als narrative Leerstelle

Während von den Abläufen rund um den nationalsozialistischen Massenmord durchaus zeitgenössische Fotografien140 und Zeichnungen existieren (nicht zuletzt die Darstellungen im Auschwitz-Skizzenbuch und von Waldemar Nowakowski sind dafür ein Beleg), wird die Ermordung in den Gaskammern selbst, von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, nicht gezeigt.141 Für die Bildlosigkeit dieser Massenvernichtung in den Häftlingsdarstellungen aus der Lagerzeit gab es verschiedene Gründe. Einer davon war sicherlich die Schwierigkeit der meisten Häftlinge, v. a. wenn sie weit weg von den großen Konzentrations- und Vernichtungslagern im Osten waren, etwas über den genauen Ablauf der Massenmorde zu wissen.142 Aber auch innerhalb dieser »Todeslager« versuchte die SS die genauen Vorgänge geheim zu halten. In Auschwitz-Birkenau etwa wurden die Krematorien mit eigenen Stacheldrahtzäunen abgegrenzt, ab Frühjahr 1944 versperrten Laubbäume und Sträucher die Sicht, das Krematorium V erhielt zusätzlich einen hohen Flechtzaun aus Zweigen.143 Darüber hinaus wurden Mitwisser wie die Häftlinge der sogenannten Sonderkommandos, die für den reibungslosen Betrieb der Krematorien zuständig waren, in regelmäßigen Abständen ermordet.144 Eng verbunden mit dem mangelhaften Wissensstand war auch das psychologische Motiv, angesichts des Grauens die Fakten zu leugnen.145 Für Ziva Amishai-Maisels war dies auch einer der Gründe, dass sich die Lagerinsassen nicht mit dem Massenmord künstlerisch auseinandersetzten. Sie zitiert dazu Alfred Kantor, der in der Einleitung zu seiner Nachkriegsbildserie dieses Problem aus der Perspektive eines ehemaligen Häftlings wiedergibt  : Many of us refused to acknowledge what was going on, and false hope was a form of self-protection, a means of preserving one’s sanity. For months I was unable to accept the fact that my mother and almost everyone on her transport had been gassed, and I continued to believe the myth that they had been shipped to Heydebreck. The SS, of course, worked Die Darstellung des Bildlosen  |  163

hard at fostering such beliefs and were particularly efficient in making the extermination of the Jews a confusing, secretive, step-by-step process. Denial came easily in such an atmosphere, where none of the victims ever had access to the complete plan for the »final solution« (…). The majority of the prisoners in the camps were face to face with an enemy whose evil intentions they could not fathom, since the Nazis cloaked their designs in promises, ruses and lies.146 Eine weitere Ursache dieser Bildlosigkeit war nach Amishai-Maisels, dass die Häftlinge angesichts der Einzigartigkeit der massenhaften Ermordung (eben mittels stationärer Gaskammern) auf keine bildnerischen Traditionen zurückgreifen konnten.147 Darüber hinaus waren die wenigen schriftlichen und visuellen Zeugnisse von Mithäftlingen, die detailliert Auskunft über Funktion und Aussehen einer Gaskammer zu geben vermochten, erst nach Kriegsende allgemein zugänglich.148 Auch in den Lagerbildserien wird der Mord in den Gaskammern nicht unmittelbar dargestellt. Eine Arbeit benutzt allerdings ihre speziellen narrativen Eigenschaften als sequenzielles Bildmedium, um den Moment der Vernichtung auf indirekte Weise zu betonen. Die Rede ist vom Auschwitz-Skizzenbuch, dessen schon öfters erwähnte Sequenz den Weg kranker Häftlinge sowie jüdischer Deportierter zum Krematorium von Auschwitz-Birkenau und deren anschließende Verbrennung zeigt, wobei der Tod in der Gaskammer nicht zu sehen ist und somit als Leerstelle in dieser Sequenz verbleibt.149 Im Folgenden geht es um die Frage, wo die Lücke in dieser Sequenz des Auschwitz-Skizzenbuchs nun genau zu lokalisieren ist und mit welcher narrativen Eigenschaft sie wieder »aufgefüllt« wird, d. h., wie wird die Ermordung in der Gaskammer auf narrative Weise dargestellt  ? Betrachten wir zunächst die gesamte Sequenz, in der vier Bilder sich auf drei Blätter verteilen (MM Abb.  3–5). Die einzelnen Bilder sind zudem mit den Buchstaben A bis D markiert. Das Bild  A zeigt den Abtransport mehrerer selektierter Häftlinge von Block 7, dem sogenannten Isolierblock des Häftlingskrankenbaus für Männer im 164  |  Die Narration der Bildserien

Abschnitt  BIb, die gerade auf die Ladefläche eines Lastwagens klettern müssen.150 Einer der Gefangenen ist schon so schwach, dass er mit einer Bahre zum Lastwagen getragen werden muss. Ein Funktionshäftling gibt Anweisungen an die beiden Träger, während ein SS-Mann mit Gewehr und ein SS-Offizier mit Stock die Szene überwachen. Das Bild B stellt denselben Lkw (erkennbar am identischen Kennzeichen »SS  1071«) fahrend auf einer Lagerstraße dar. Auf der Ladefläche sitzen und liegen die geschwächten Häftlinge aus der Isolierstation sowie zwei bewaffnete SS-Männer. Das auf dem gleichen Blatt existierende Bild  C präsentiert eine Gruppe Gefangener mit dem Judenstern auf ihrer Kleidung, die von zwei SS-Männern bewacht zu einem im Hintergrund befindlichen Krematorium gehen. Das letzte Bild D der Sequenz zeigt das gleiche Krematorium, diesmal in einer Frontalansicht. Wegen der identischen Bauweise könnte es sich sowohl um das Krematorium  IV als auch um das Krematorium  V handeln, die sich getrennt durch eine Straße spiegelbildlich gegenüberstanden.151 Karsten Uhl vermutet zu Recht, dass wegen des dichten Baumbestandes, der bis an das Gebäude heranreichte, hier sehr wahrscheinlich das Krematorium V gemeint ist.152 Dabei deuten der aus den beiden Schornsteinen kommende Rauch und das Feuer die letzte Phase im Ablauf der Vernichtung, nämlich die Verbrennung der Leichen, an. Vor dem Gebäude sind drei Leichen zu sehen, die stark an die Häftlinge aus der Isolierstation erinnern. Ein weiterer toter Gefangener wird gerade von einem Funktionshäftling von der Ladefläche eines Lkw heruntergelassen, während im Vordergrund ein SS-Offizier eine Zigarette raucht. Zwischen den Blättern 7 und 8 ist nun eine narrative Lücke festzustellen, da sowohl die mutmaßliche Ermordung der Häftlinge aus der Isolierstation (angedeutet durch die Leichen vor dem Krematorium) als auch das Verschwinden der deportierten Juden bildlich nicht erklärt wird. Die zeitliche Situation kurz vorher und kurz nachher ist zwar zu sehen, das Eigentliche in der Mitte wird jedoch bewusst ausgelassen. Diese Auslassung ist signifikant für die Sequenz und gleichzeitig für das Skizzenbuch als Ganzes. Denn auf die nicht dargestellte Ermordung

laufen die beiden inhaltlich miteinander verbundenen Bildsequenzen des Auschwitz-Skizzenbuchs hinaus, da sie den Ablauf der Massenvernichtung anhand zweier unterschiedlicher Opfergruppen  – zum einen die deportierten Juden, zum anderen die kranken Häftlinge aus der Isolierstation  – von der Ankunft über die Selektion und dem Weg zu den Krematorien bis hin zur Verbrennung der Leichen dokumentieren (MM Abb.  3–5 und 6–8). Die besondere Bedeutung der beiden Bildfolgen wird zudem durch ihren Umfang (so befassen sich sieben von insgesamt 22  Bildern des Skizzenbuchs, also knapp ein Drittel, nur mit diesem Thema) und durch ihre spezielle Kennzeichnung mit Buchstaben noch zusätzlich akzentuiert. Wolfgang Kemp bezeichnet die besondere Betonung der leeren Mitte innerhalb einer Bildsequenz auch als äußere Leerstelle oder Ellipse. Er versteht darunter »(…) die besondere Art von Intervall zwischen zwei Bildern, die als Auslassung signifikant ist«153. Sie ist nach Kemp vom Betrachter als »Phantasma«154 zu ergänzen. Auch andere Forscher betonen die wichtige Rolle des Rezipienten beim »Füllen« einer narrativen Lücke. Scott McCloud schreibt zur Funktion der Lücke, die er »Rinnstein« nennt, Folgendes  : »Hier, in der Grauzone des Rinnsteins, greift sich die menschliche Phantasie zwei separate Bilder und verwandelt sie zu einem einzigen Gedanken.«155 Ebenso argumentiert Andreas Knigge, fordert beim Betrachter aber gewisse Erfahrungen im Umgang mit Bildsequenzen  : Zunächst einmal bedeutet der weiße Steg eine Auslassung zwischen zwei Bildszenen und schafft einen Leerraum, den wir in unserer Phantasie ergänzen müssen. Wie wir diese Ergänzung vornehmen, ist auch von individuellen Erfahrungen abhängig. […] [D]ie Bildsprünge (…) setzen die Vertrautheit mit bestimmten Strukturen visueller Kommunikation voraus und verlangen dem Leser ab, ästhetische Zeichen zu deuten und aus entsprechenden Hinweisen die richtigen Schlüsse zu ziehen.156 Dietrich Grünewald wird hier noch konkreter, indem der Rezipient durch Wiederholungen und Ver-

änderungen, die sich im Vergleich der einzelnen Bilder einer Sequenz ergeben, die Lücke zwischen den Szenen füllen kann. Dafür sind aber nach Grünewald genau wie bei Knigge Wissen und Erfahrung nötig  : Das Rezipieren von Bildgeschichten fordert also aktive fantasiereiche Lesearbeit, verlangt (im Einzel­ panel) die Deutung von Bild- und Schriftzeichen (ikonische Zeichen, Symbole), im Vergleich das Erkennen und Deuten narrativer Symptome, d. h. im schlussfolgernden Erfassen des Verhältnisses von redundanten und innovativen Informationen der Bildfolge die Leerstellen zwischen den Paneln (Szenen) zu füllen. Das setzt Vorwissen (je nach Geschichte Alltagserfahrung oder spezielles Wissen) und Leseübung voraus, fordert (und aktiviert) ein mitempfundenes, miterlebendes, mithandelndes Sehen.157 Was passiert nun konkret zwischen den Blättern  7 und 8  ? Wenden wir uns zunächst den »innovativen Informationen« zu, also den Veränderungen im Übergang der beiden Szenen. Ein Anhaltspunkt für eine Ermordung der Personen ergibt sich aus der Tatsache, dass die vorher noch lebendigen, wenngleich bereits stark abgemagerten Häftlinge aus der Isolierstation nun offenkundig tot vor dem Krematorium liegen. Zwar wird die Ermordung dieser Figuren nicht explizit gezeigt, doch die räumliche Verbindung mit dem Krematorium legt einen letztendlich tödlichen Zusammenhang mit diesem Ort nahe. Ebenso fällt das plötzliche Verschwinden der Personen mit dem Judenstern auf, deren Bedeutung durch die Häufigkeit ihrer Darstellung, u. a. auch in der Ankunftsszene und der Selektionsszene der zweiten Sequenz des Skizzenbuchs (MM Abb.  6 und 7), ausgedrückt wird. Dass das Krematorium hierbei eine besondere Rolle spielt, macht der wechselnde Blick auf das Gebäude selbst deutlich, das als Ziel der deportierten Juden in Bild C zunächst klein im Bildhintergrund zu sehen ist, um anschließend in Bild D fast das ganze Bild auszufüllen. Auch die Tatsache, dass der Schornstein des Krematoriums erst nach Eintreffen der Personen beginnt, dicke Die Darstellung des Bildlosen  |  165

Rauchwolken und Flammen auszustoßen, deutet eine Verbrennung dieser Gruppe an. Auf der anderen Seite sind zahlreiche »redundante Informationen«, also Übereinstimmungen zwischen den Bildern zu beobachten, die eine inhaltliche und formale Kohärenz erzeugen. So tauchen in allen Bildern dieser Sequenz SS-Männer auf, die zum einen für die ständige Bewachung und Bedrohung der Gefangenen stehen und zum anderen die Organisatoren des Massenmords verkörpern. Diese Analogie zwischen Täter und Tat findet sich auch im Rauch des Krematoriumsschornsteins in Blatt 8  wieder, der mit dem Zigarettenrauch des SS-Mannes im gleichen Bild korrespondiert. Gleichzeitig ist der Rauch aus dem Krematorium auch als weiteres Element der narrativen Kohärenz zu interpretieren, da er als Zeichen des Todes bereits im Rauch aus den Schornsteinen des Häftlingskrankenbaus (Bild  A) sowie im Rauch der Lokomotive bei der Ankunft (MM Abb.  6) vorweggenommen wird. Schließlich ist der Richtungssinn in allen Szenen der Sequenz von links nach rechts auf das Krematorium als Ziel ausgerichtet   : Neben den Rauchwolken aus den Schornsteinen, die alle nach rechts wehen, ist hier der Funktionshäftling im ersten Bild A zu nennen, der mit ausgestrecktem Arm die Richtung des Abtransports der Häftlinge aus der Isolierstation vorgibt, die im nächsten Blatt mit der doppelten nach rechts geneigten Bilddiagonale von Lastwagen und deportierten Juden seine Fortsetzung findet. Auch die Perspektive, die sich von einer Überschauansicht in Bild A über eine leicht erhöhte Ansicht in Bild B und C zu einer Perspektive in Augenhöhe in Bild D verändert, markiert eine zielgerichtete Bewegung hin zum Ort der Ermordung. Die eben gezeigten Veränderungen und Kontinuitäten der Sequenz bewirken zunächst eine deutliche Kohärenz der Bilder untereinander. Der Betrachter folgt dem Ablauf der Vernichtung zum einen zeitlich, indem erst der Gang zum Krematorium und dann die Verbrennung abgebildet werden, zum anderen logisch-kausal, da das Verschwinden und der Tod der Figuren mit der besonderen Betonung des Krematoriums als Ort der Ermordung zu erklären ist. Allerdings wird diese Kohärenz an einigen Stel166  |  Die Narration der Bildserien

len wieder aufgebrochen. Dabei sorgt gerade das von Dietrich Grünewald eingeforderte Wissen für Unsicherheiten und Diskontinuitäten in der Sequenz. Eine erste Diskontinuität besteht darin, dass trotz aller visuellen Andeutungen letztendlich nicht deutlich wird, wer eigentlich im Inneren des Krematoriums umkommt. Nach den Flammen zu urteilen, die aus dem Schornstein schlagen, ist die Verbrennung der Leichen gerade im Gange, der Mord mit Giftgas also schon passiert. Die toten Häftlinge vor der Tür des Krematoriums weisen zwar durch ihr Aussehen auf die abgemagerten Gefangenen aus der Isolierstation hin, doch normalerweise wurden die Häftlinge nach der Ermordung in der Gaskammer direkt in den Öfen verbrannt, ohne nach draußen zu gelangen.158 Bei den Leichen könnte es sich daher um eine dritte Gruppe handeln, eventuell ermordete Personen aus einem Häftlingskrankenbau, die zuvor mit einer Phenolspritze umgebracht wurden und nun in den Krematorien verbrannt werden sollen.159 Auch die beiden in den Bildern  B und C dargestellten Gruppen  – einmal die Häftlinge aus der Isolierstation als auch die geraden ankommenden Juden  – kommen beide als Opfer der in D gezeigten Verbrennung in Betracht, zumal durch die besondere kompositorische Gestaltung der Szenen beide Gruppen scheinbar zur gleichen Zeit auf das Krematorium zusteuern. Dieser Effekt wird durch die narrative Technik des geteilten Bildschirms, den split screen, erzielt, der eine visuelle Simultanität erzeugt.160 Da eine gemeinsame Ermordung von gerade ankommenden Deportierten mit den bereits länger inhaftierten kranken Gefangenen u. a. auch wegen der Geheimhaltung als unwahrscheinlich anzusehen ist, muss die Frage nach den Opfern der im Bild D angezeigten Verbrennung offenbleiben. Neben der Uneindeutigkeit in Bezug auf die Opfer ist auch die zeitliche Zuordnung der einzelnen Bilder problematisch. Denn betrachtet man die Sequenz als Abfolge zeitlich und kausal verbundener Ereignisse, reduziert sich der tatsächlich dargestellte Zeitraum auf den April 1943. So fanden Selektionen von kranken Häftlingen in den verschiedenen Häftlingsrevieren – so auch in den Blöcken 7 und 8 des Krankenbaus im Abschnitt  BId (dargestellt im

ersten Blatt der Sequenz) – bis Ende April 1943 statt, bevor sie auf Befehl von Himmler für kurze Zeit ausgesetzt wurden.161 Im Juli 1943 wurde der alte Krankenbau in Abschnitt BId aufgelöst und die Gefangenen kamen in den neuen Häftlingskrankenbau im Abschnitt BIIf. Dort sowie in den anderen Revieren wurde die Selektion an jüdischen Häftlingen im August 1944 wiederaufgenommen.162 Die Krematorien  IV und V wiederum waren seit dem 22.  März bzw. dem 4. April 1943 in Betrieb.163 Die vier Bilder der Sequenz scheinen also die kurze Zeit der Überschneidung beider Ereignisse zu zeigen, in der die Selektionen im alten Häftlingskrankenbau noch stattfanden und gleichzeitig die Krematorien IV und V bereits ihre Arbeit aufnahmen. Allerdings ist noch eine weitere Interpretation der zeitlichen Zuordnung der Sequenz möglich. Nach Karsten Uhl konnte man von dem neu errichteten Häftlingskrankenbau in Abschnitt  BIIf die beiden Krematorien  IV und V sehen.164 Und da dieser Krankenbau erst ab Juli 1943 existierte (siehe oben), wäre dann die Sequenz nicht die Darstellung eines zusammenhängenden historischen Geschehens, sondern die Abbildung einzelner, zeitlich voneinander unabhängiger Ereignisse.165 Diese Möglichkeit erscheint umso plausibler, als dass das Auschwitz-Skizzenbuch im gleichen Abschnitt  BIIf in der Nähe der Krematorien und der Baracken des Häftlingskrankenbaus gefunden wurde, ein Indiz dafür, dass sich der unbekannte Zeichner tatsächlich dort aufgehalten hatte. Ebenso ist anzunehmen, dass der anonym gebliebene Künstler weniger Interesse haben dürfte, die zeitliche Parallelität zweier Ereignisse zu dokumentieren, als vielmehr den vielfältigen Ablauf der Vernichtung überhaupt zu betonen, die eben nicht nur die gerade ankommenden Deportierten, sondern auch die bereits inhaftierten kranken Häftlinge betraf. Somit ist die Sequenz mit der narrativen Leerstelle in der Mitte bereits eine Interpretation des Geschehens, eine Zusammenfassung und Verdichtung der Ereignisse rund um die Massenvernichtung in Auschwitz-Birkenau. Schließlich trägt auch der Perspektivenwechsel zwischen Blatt  7 und 8 zur Schwierigkeit des Betrachters bei, den Mord an den beiden Gruppen in

seiner Fantasie zu ergänzen. Zunächst blickt der Rezipient in den Bildern  B und C den Opfern gewissenmaßen über ihre Schulter, während er im Augenblick der Ermordung in Bild D zu einem außenstehenden Beobachter wird. Der Blick des Betrachters geht nun ins Leere, die Fenster des Krematoriums sind blind und können keinen Einblick in die Funktionsweise des Gebäudes liefern. Damit enthält die Sequenz neben der narrativen auch eine bildliche Leerstelle, da die Ermordung nicht nur auf der Zeitachse »übersprungen« wird, sondern auch hinter den undurchsichtigen Mauern des Gebäudes verschwindet. Visuelle Hinweise, wie und wo genau die Ermordung innerhalb des Gebäudes passierte, sind nicht zu finden. Nur durch spezielles Wissen oder aus der Retrospektive hat der Betrachter die Gewissheit, dass die Menschen mit Giftgas in einer eigens dafür gebauten Gaskammer, die bei den Krematorien IV und V im kleineren Anbau des Gebäudes zu lokalisieren ist, ermordet wurden.166 Die genaue Analyse dieser Sequenz hat gezeigt, dass es neben einer Kohärenz der Bilder auch einige Unstimmigkeiten gibt, die einem logisch-kausalen oder zeitlichen Bildzusammenhang widersprechen. Diese Uneindeutigkeiten machen es für den Betrachter schwer bis unmöglich, die Lücke zwischen den Bildern in seiner Fantasie zu füllen. Auch das vorhandene erweiterte Wissen des Rezipienten erzeugt diverse Unsicherheiten und fordert und aktiviert keineswegs zwangsläufig, wie Dietrich Grünewald behauptet, »ein mitempfundenes, miterlebendes, mithandelndes Sehen«167. Die Mehrdeutigkeiten sind aber auch kein Spiel mit den Erwartungen des Betrachters, wie sie häufig in den amerikanischen comic strips zu finden sind. Dort wird meist am Schluss von einzelnen Episoden eine Leerstelle als Spanungselement eingesetzt, wobei der vom Leser in seiner Fantasie vollzogene Schluss sich im Nachhinein als Irrtum erweist.168 Die Leerstellenfüllung ist in solchen Bilderzählungen letztendlich eindeutig, der Betrachter wird nicht wie beim Auschwitz-Skizzenbuch mit einer Reihe von verschiedenen Möglichkeiten konfrontiert. Diese Interpretationsvielfalt ist allerdings kein Spezifikum des Auschwitz-Skizzenbuchs, sondern nach Ole Frahm ein prinzipielles Merkmal Die Darstellung des Bildlosen  |  167

sequenzieller Werke.169 In seinem Buch »Die Sprache der Comics« kritisiert er am Beispiel von Scott McCloud die gängige Meinung vieler Comictheorien, die besagt, dass sich zwei separate Bilder in der Fantasie des Betrachters »zu einem einzigen Gedanken«170 verwandeln. Auch die anderen Forscher wie Wolfgang Kemp, Andreas Knigge oder Dietrich Grünewald betonen die wichtige Rolle des Rezipienten, der die Leerstelle zwischen zwei Szenen in seinen Gedanken füllen könne (siehe oben). Für Frahm geht es beim Betrachten von Comics gerade nicht darum, »eine Einheit herzustellen, sondern vielmehr darum, ihre heterogenen Zeichen, Schrift und Bild, in ihrer Besonderheit, in ihrer Materialität zu genießen, die sich in keiner abschließenden Einheit bündeln lässt«171. An anderer Stelle spricht er davon, dass jeder Übergang zwischen zwei Panels eine Trennung bedeutet, die sich durch keine Projektion aufheben lässt.172 Auch der Mord, der zwischen den Bildern des Auschwitz-Skizzenbuchs stattfindet, lässt sich vom Betrachter, wie wir gesehen haben, nicht ohne Weiteres bildlich oder gedanklich vorstellen. Zwar suggeriert die Sequentialität der Bilder hinsichtlich der Leerstelle eine Eindeutigkeit, die sich allerdings beim näheren Hinsehen als problematisch herausstellt. Die Sequenz erzeugt mihilfe der Fantasie des Betrachters eben keine sinnstiftende Einheit, sondern bewirkt eine Mehrdeutigkeit, die sich letztendlich nicht auflösen lässt. Somit bleibt der Massenmord in den Gaskammern auch hier in der besonderen Darstellung als narrative Leerstelle bildlos. 5.6 Eine Erzählung des Lagers  ? Zum Einfluss des Ortes auf Narration

Zum Schluss des Kapitels über die Möglichkeiten und Grenzen der Narration in den Lagerbildfolgen ist zu fragen, ob es einen Einfluss des Entstehungsortes auf die Zeitkonstruktion gibt. Diese Frage ist analog zur Analyse des Kapitels  4.6 zu sehen, wo es um die Wirkung des Ortes auf die inhaltliche Darstellung ging. Bevor wir aber versuchen, eine Antwort zu finden, müssen wir nochmal kurz den Einfluss der Lagerzeit auf den Häftling selbst reka168  |  Die Narration der Bildserien

pitulieren. Wie in Kapitel 5.2 festgestellt wurde, hatten etliche Gefangene Schwierigkeiten bei der Wiedergabe der zeitlichen Dauer und Ordnung, was sich sowohl in einer verlangsamten als auch schnelleren Zeitwahrnehmung sowie einer gefühlten Gleichzeitigkeit ausdrückte. Gründe für diese Desorientierung in der Zeitwahrnehmung sehen Wolfgang Sofsky und Jossi Hadar im Terror, der die Zeit des Häftlings auf die Gegenwart reduziert (Sofsky) oder zum Stillstand bringt (Hadar). Aufgrund der fehlenden Quellenlage lassen sich über die unterschiedlichen Zeitwahrnehmungen der hier vorgestellten Häftlinge nur Vermutungen anstellen. Inwieweit ihre Werke dabei als Indiz eines lagerspezifischen Zeitempfindens dienen, soll nun im Folgenden geklärt werden. Betrachten wir die in Kapitel 5.3.1 vorgenommene Untersuchung zeitlicher Strukturen im Einzelbild, ist zunächst eine lagerübergreifende ahistorische Darstellung festzustellen. Bis auf wenige Ausnahmen bilden die einzelnen Szenen sämtlicher Bildserien keine konkreten geschichtlichen Ereignisse ab, sondern zeigen den Häftlingsalltag aus einer überzeitlichen Perspektive. Ebenso bieten die schriftlichen Zeitangaben auf den Bildern in den meisten Fällen nur eine grobe zeitliche Orientierung an. Im Einzelbild ist also kein Einfluss des Ortes auf die zeitliche Struktur sichtbar geworden. Erst die unterschiedliche Verteilung der chronologischen, zyklischen und achronischen Zeitstrukturen lassen gewisse Auswirkungen des Ortes auf die Lagerbildfolgen vermuten. So ist auffällig, dass sowohl in Gurs und Theresienstadt wie auch im »Ungarnlager« von Bergen-Belsen und in Schwarzheide mit den Arbeiten von Kurt Loew und Karl Bodek, Horst Rosenthal, Liesel Felsenthal, Hilda Zadiková, Pavel Fantl, István Irsai und Alfred Kantor relativ viele chronologische und zyklische Arbeiten existieren. Dagegen stammen aus Auschwitz nur Arbeiten mit einer achronischen Erzählweise. Die These könnte nun lauten, dass gerade die ungleichen Existenzbedingungen die unterschiedlichen Erzählweisen in den Bildserien begünstigten. So war in den Lagern Gurs, Theresienstadt, Bergen-­ Belsen  – und mit Einschränkungen auch Schwarz-

heide – der Zugang zu Mal- und Zeichenutensilien in den meisten Fällen erheblich leichter und auch die Möglichkeiten der Auf bewahrung häufig größer. Ein weiterer Hinweis auf die bessere materielle Situation spiegelt sich auch in der Auflage mancher Bildfolgen wider. So sind von Kurt Loews und Karl Bodeks wie auch Hilda Zadikovás Werken jeweils zwei Exemplare überliefert. Alfred Kantors chronologische Arbeit in Schwarzheide war wiederum nur möglich, weil er Unterstützung von seinen Mithäftlingen bekam. Solche Faktoren begünstigten, so die Vermutung, die als narrative und auch physische Einheit konzipierten chronologischen Bildsequenzen. Im Gegensatz dazu stehen die in Auschwitz hergestellten achronischen Werke von Waldemar Nowakowski und dem unbekannten Zeichner, die in Auschwitz im Vergleich zu den anderen erwähnten Lagern einem viel stärkeren Vernichtungsdruck ausgesetzt waren. V. a. das Skizzenbuch mit seinen Beschädigungen und der unvollständig gebliebenen Skizze zeigt die limitierten Möglichkeiten der künstlerischen Produktion in einem Vernichtungslager auf. Zudem schien es angesichts der extremen Bedingungen einfacher zu sein, eine achronische Bildserie zu produzieren, wo der Verlust einzelner Teile nicht so gravierend ausfiel wie in den chronologischen und zyklischen Werken, die doch größeren künstlerischen Aufwand bedeuteten. Lässt sich also sagen, dass die »besseren« Lebensbedingungen eher chronologische Lagerbildserien hervorriefen, während die »schlechteren« nur achronische Zeitstrukturen zuließen  ? Diese auf den ersten Blick einleuchtende Erklärung bedarf bei näherem Hinsehen einer Korrektur. Auch wenn der lagerspezifische Einfluss auf die Zeitstrukturen der Lagerbildserien eine nicht unbedeutende Rolle besaß, dürfen andere Faktoren nicht vernachlässigt werden. Im Folgenden werde ich drei weitere Aspekte aufzeigen, die ebenfalls Auswirkungen auf die zeitliche Ordnung der Lagerbildserien gehabt haben. 1. Der erste Aspekt sind die individuellen Bedingungen der Häftlinge bei der Bildproduktion und -auf bewahrung. Denn die Beispiele von Erich Lichtblau-Leskly und Zsuzsa Merényi zeigen, dass auch

in den »besser« gestellten Lagern Theresienstadt und dem »Ungarnlager« in Bergen-Belsen die Werke erhebliche Schäden aufweisen konnten, die eine vielleicht ursprünglich vorhandene narrative Ordnung zerstörten. Während Erich Lichtblau-Leskly seine Arbeiten mit Absicht zerteilte und einige Teile herausschnitt, um einer möglichen Entdeckung durch die SS vorzubeugen, fiel Merényis Arbeit aus Versehen in einen Wassereimer, sodass sie nur noch die brauchbaren Bilder weiter nutzen konnte. Auch die unterschiedlichen Maße und Materialitäten sprechen für den Einfluss der individuellen Entstehungsbedingungen. So sind Hilda Zadikovás Arbeiten aus Theresienstadt mit 35,0 x 47,5 cm (Jüdisches Museum Prag) beziehungsweise 32,7 x 46,6 cm (Albert-Einstein-Archiv) um ein Vielfaches größer als Liesel Felsenthals Heft aus Gurs, das mit 7,8  x  6,3 cm leicht in eine Hand passt.173 Ursache könnte hier u. a. auch der leichtere Zugang zum Bildmaterial sein, der für Zadiková, die als ausgebildete Künstlerin im Auftrag der SS arbeitete, vermutlich selbstverständlicher und leichter war, als für Liesel Felsenthal, die als Jugendliche gerade erst anfing, sich künstlerisch zu beschäftigen. 2. Einen weiteren Einfluss bei der Wahl der jeweiligen Zeitordnung stellt die künstlerische Entscheidung des jeweiligen Häftlings dar. Ein Beleg dafür ist das Auschwitz-Skizzenbuch, das den Massenmord als das zentrale Ereignis aus Auschwitz-Birkenau in zwei extra gekennzeichneten mehr oder weniger chronologischen Sequenzen wiedergibt. Für den unbekannten Zeichner war der mehrteilige Vorgang der Massenvernichtung eben nur in Form einer Sequenz vor- und darstellbar. Bei den anderen Szenen »reichte« die achronische Szenenabfolge, um dem Betrachter in Einzelbildern den Lageralltag näherzubringen. Auch die achronische Bildserie Helga Weissovás war ihre eigene Entscheidung, die vielfältigen Geschehnisse in Theresienstadt über einen längeren Zeitraum in weitgehend unverbundenen Einzeldarstellungen zu dokumentieren. Dass eine Darstellung der Theresienstädter Verhältnisse auch wesentlich kürzer und komprimierter möglich war, zeigt die Bildsequenz von Pavel Fantl. Eine Erzählung des Lagers  ?  |  169

3. Und schließlich muss noch die Möglichkeit in Betracht gezogen werden, dass außerhalb des Lagers liegende Faktoren die Wahl der Erzählweise beeinflussten. Beispielsweise lässt die große Verbreitung in Gurs von chronologischen Bilderzählungen mit humoristischen Elementen – neben Rosenthals »Mickey au Camp de Gurs« und Loews und Bodeks »Onkel Joint’s Hütte« sind noch weitere zu nennen174 – eine Prägung durch die zeitgenössische, v. a. im französischen Sprachgebiet weitverbreitete Comicpublizistik, vermuten. So wurden nicht nur zunehmend amerikanische Produktionen wie Mickey Mouse rezipiert, sondern es gab auch zahlreiche Eigenproduktionen, darunter Jugendmagazine wie Pierrot  – Le Journal des Jeunes, die Abenteuer- wie auch humoristische Bildgeschichten enthielten.175 Eine Geschichte aus Pierrot vom 8.  September 1940 über die mit antisemitischen Zügen ausgestattete Hauptfigur Professeur Picrate macht aber auch deutlich, wie die Zeichner während der deutschen Besatzung antijüdische Stereotype reproduzierten (Abb. 30). Wie wir gesehen haben, ist ein Einfluss des Ortes auf die Zeitstrukturen durchaus gegeben, doch nicht alleinige Ursache. Vielmehr sind auch zusätzliche Aspekte wie die individuellen Existenzbedingungen, die künstlerische Intention des einzelnen Häftlings sowie Einflüsse anderer Bildwerke maßgeblich. Anmerkungen 1 Vgl. dazu Mahne 2007, 51. 2 Vgl. ebd., 23. 3 Vgl. Wolf 2002 und Mahne 2007. 4 Vgl. Mccloud 1993, in der deutschen Übersetzung vgl. Mccloud 1994. Vgl. auch Grünewald 2010b.. 5 Vgl. Schüwer 2008, 209–302. Einen kompakten Überblick bietet hier u. a. Marianne Krichel in  : Krichel 2010. 6 Hier z. B. ist Christian Doelker zu widersprechen, der Bilder »per se als zeitindifferent« bezeichnet (Doelker 1989, 177). 7 Vgl. Mccloud 1994, 102–105, Mahne 2007, 51–52. 8 Vgl. Mccloud 1994, 118–122, Mahne 2007, 53–54, Schüwer 2008, 66–75. 9 Vgl. Mccloud 1994, 116–118. Siehe auch Holländer 2002, 110–111. 10 Martin Schüwer sieht im Momentschnitt die »Erfassung eines Bewegungsablaufes in einem beliebigen Moment«, während der Bewegungswechsel auf stereotype Körperposen verweist, die ei-

170  |  Die Narration der Bildserien

nen »Ewigkeitswert« besitzen (Schüwer 2008, 46 u. 47). Auch Hans Holländer spricht der unabgeschlossenen Bewegung eine »überzeitliche Gültigkeit« zu, die sich v. a. in der Historienmalerei ausdrückt (Holländer 2002, 117–121). 11 Zum »Zeitrahmen« der Panels vgl. Mccloud 1994, 102–125. 12 Ebd., 75. 13 Vgl. Wolf 2002, 65. 14 U.a. bei Mahne 2007, 57–59. In Anlehnung an Gerard Genette wird von Zeitdehnung gesprochen, wenn die Erzählzeit, also die Lektüre eines Textes, länger als die erzählte Zeit einer Handlung dauert. Demgegenüber ist bei der Zeitraffung die Erzählzeit kürzer als der erzählte Zeitraum eines Geschehens. Vgl. dazu Schüwer 2008, 52–53. 15 Vgl. ebd., 53. Ähnlich argumentiert auch Günter Dammann in  : Dammann 2002. 16 Vgl. Schüwer 2008, 63. 17 Vgl. Mccloud 1994, 78–80. 18 Vgl. Grünewald 2000, 31–33 und Grünewald 2010b, 26. 19 Vgl. dazu im Folgenden Wolf 2002, 66–70. 20 Beim Darstellungsmittel des overlapping dialogue verweisen Text und Bild auf unterschiedliche Zeiträume, Orte oder Kommunikationsebenen. Vgl. Mahne 2007, 56. 21 Zu Prolepse und Analepse vgl. Genette 1998, 32–54, zu Vorausdeutung und Rückwendung vgl. Lämmert 1993, 100–194. 22 Vgl. Kemp 1989b. 23 Vgl. ebd., 67. 24 Mccloud 1994, 112. 25 Vgl. Genette 1998, 54–59 und Bal 2009, 96–98. 26 Mccloud 1994, 80. 27 Sofsky 2004, 88–97. 28 Vgl. ebd., 22–23. 29 Vgl. ebd., 105. Ähnlich sieht dies Jossi Hadar. Vgl. Hadar 1992, 120. 30 Sofsky 2004, 88. 31 Ebd., 89. 32 Vgl. ebd., 90. Zum Tagesablauf in Auschwitz vgl. Strzeleck a 1999a. 33 Sofsky 2004, 97. 34 Ebd. 35 Zur Kritik an Sofsky vgl. Orth/ Wildt 1995, 51–56. Auch Nikolaus Wachsmann spricht von einer anregenden Untersuchung, die aber darunter leide, dass sie das Lager in ein »ahistorisches Konstrukt« verwandelt und damit das Hauptmerkmal des KZ-Systems, die »dynamische Natur«, ausblendet (Wachsmann 2016, 24). 36 So wurde in Folge der erhöhten Anforderungen der deutschen Rüstungsproduktion die Arbeitszeit der Häftlinge häufig verlängert. Allerdings standen diese Anordnungen der höheren SS-Behörden gelegentlich im Widerspruch zu den Verfügungen der örtlichen Lagerkommandanten. Auch musste ein Teil der Arbeitskommandos länger arbeiten, als es die Vorgaben vorsahen. Vgl. dazu Piper 1995, 313–320. 37 Vgl. ebd., 314. 38 Vgl. Sofsky 2004, 103. 39 Mechanicus 1993, 79. 40 Zum Aspekt der Zeitwahrnehmung in den Häftlingstagebüchern vgl. Laqueur 1991, 87–91.

41 Zitiert nach  : ebd., 88. 42 Mechanicus 1993, 227. 43 Laqueur 1991, 88. 44 Eintrag vom 9. November 1944, in  : Herzberg 1997, 186. 45 Hadar 1992, 119. 46 Zitiert nach Laqueur 1991, 89. 47 Mechanicus 1993, 226. 48 Vgl. K asten 2001, 40, 41–42. 49 Iterativ meint im Sinne Genettes, dass sich wiederholende Ereignisse nur einmal erzählt werden. Vgl. Genette 1998, 83. 50 Vgl. Hoffmann D 2003b, 33. 51 Beispielsweise fielen »Péntek, 18, Február [Freitag, 18. Februar]« (Merényi Abb. 2, Bild 4) ebenso wie »Szerda, 12. Január [Mittwoch, 12. Januar]« (Merényi Abb. 7, Bild 1) im fraglichen Zeitraum nur auf das Jahr 1944. 52 Vgl. Lőrinc L 2005, o.S. 53 Zur Geschichte vgl. Sichelschmidt 1995. Allerdings vari­ iert Nowakowski in seiner Darstellung einige Elemente der Geschichte, vermutlich, weil er es zu diesem Zeitpunkt nicht besser wusste. So wird in den Nachkriegsberichten erzählt, dass Mala Zimetbaum sich statt der Häftlingskleidung einen Arbeitsoverall der Installateure anzog und Edek sich als SS-Mann verkleidete, sodass es so aussah, als würde dieser offiziell einen Installateur mit seinem Arbeitsmaterial auf dem Weg zur Arbeit begleiten. Das Waschbecken am Kopf von Mala diente dazu, nicht erkannt zu werden. Vgl. dazu ebd., 128. 54 Zur Zählung vgl. Adler H G 1960, 159–161. Die Nachkriegsversion ist abgebildet in  : Melamed 2010a, 111. 55 Genette 1998, 83. 56 Ebd., Fußnote 6 (S. 83) [Kursiv im Original]. 57 Eine Reproduktion des Albums ist publiziert in  : Gutman/ Guttermann 2005. Zur Überlieferungsgeschichte des Albums vgl. Świebock a /Boguslawsk a-Świebock a 1993, 37–39 und Greif 2005. 58 Zu den Urhebern der Fotografien vgl. ebd., 39–40. 59 Vgl. Świebock a 1993, 40. 60 Möglicherweise handelt es sich um zwei Transporte, da auf einer Fotografie auf Seite 2 zwei Güterzüge zu sehen sind. Siehe Gutman/Guttermann 2005, 17. Strukturiert ist das Album durch Überschriften wie z. B. »Nach der Aussortierung. Noch einsatzfähige Männer« sowie »Nicht mehr einsatzfähige Männer«, die dem rassistischen Weltbild der SS entsprechen und zugleich die Effektivität der SS dokumentieren sollen. Zur Struktur vgl. auch Doosry 1995, 95–98. 61 Vom 15. Mai bis 9. Juli 1944 wurden etwa 438.000 Juden aus Ungarn in 147 Deportationszügen nach Auschwitz gebracht, von denen ungefähr drei Viertel als nicht arbeitsfähig selektiert und in den Gaskammern ermordet wurden. Vgl. Mihok 2007. 62 So werden in der Publikation von Israel Gutman und Bella Gutterman zahlreiche Menschen auf den Fotos mit ihren Namen identifiziert (Gutman/Guttermann 2005, z. B. 109, 110, 113–115120 und 122). 63 Zur Nachkriegsrezeption vgl. Doosry 1995, 99–103. 64 Schüwer 2008, 46 und 47. Vgl. dazu auch Kapitel  5, Fußnote 10. 65 Zur Gestik der erhobenen und ausgestreckten Arme vgl. Pasquinelli 2007, 177–182.

66 Vgl. ebd., 75–82. 67 Nach Aussagen des ehemaligen Schwarzheider Häftlings Jakov Tsur geschah das Wecken um 5 Uhr morgens, um 6 Uhr fand der Morgenappell statt und im Anschluss daran wurden die Häftlinge zur Arbeit getrieben. Vgl. Tsur 2002, 205. 68 Vgl. Schüwer 2008, 63. 69 Ausnahmen sind die Arbeiten von Hilda Zadiková, István Irsai und Zsuzsa Merényi. 70 Zu den Grenzen einer narrativen Ordnung in den Bildfolgen vgl. Kapitel 5.4.3. 71 Ladislaus Löb gibt für den Transport von Budapest bis Bergen-Belsen die Zeit vom 30. Juni 1944 bis zum 9. Juli 1944 an, was zehn Tagen entspricht. Vgl. Löb 2010, 85, 92. 72 Mccloud 1994, 87. 73 »Hier ist das Rote-Kreuz-Paket. Man sagt  : Wir bekommen jeder eins  ! Man sagt  : Wir bekommen zu zweit eins  ! Man sagt  : Wir bekommen zu viert eins  ! Und zuletzt haben wir uns sehr gefreut  – wir lachen alle  !  – dass wir zu acht ein Paket bekommen  ! Das kam zweimal vor.« AGB, AZB, Interview Merényi, Kassette 34. 74 Zum »Rhythmus der Dauer« von Martin Schüwer siehe Kapitel 5. 75 Vgl. ebd., 18–23. 76 Vgl. Kunzle 1973. 77 Zu den moralischen Bilderfolgen um William Hogarth vgl. ebd., 298–339. 78 Abbildungen dieser Werke in  : ebd., 305–317. 79 Vgl. Joerissen/ Will 1983. Bildbeispiele finden sich auch bei David Kunzle in  : Kunzle 1973, 205, 207, 289. 80 Balzer / Wiesing 2010, 17–25. 81 Als längste Serie gilt der von Rudolf Dirks erschaffene comic strip »The Katzenjammer Kids«, der seit seiner ersten Veröffentlichung am 12.  Dezember 1897 im American Humorist, einem sonntäglichen Beiblatt des New York Journal, bis heute erscheint. 82 Calvo 1997. Vgl. dazu Sistig 2011, 116–118. Zum Inhalt vgl. auch Wendland 2001, 46–51. 83 Vgl. Calvo 1997, Bd.  1, S.  25 (Bilder  3–5) und Bd.  2, S.  25 (Bild 2). 84 Die Kantinenbaracken wurden 1941 eingerichtet, damit die Lagerinsassen zusätzliche Lebensmittel kaufen konnten, allerdings waren die Regale häufig leer. Vgl. Laharie 1985, 132. 85 Vgl. den Hinweis von Claude Laharie in  : ebd., 130. 86 Vgl. Genette 1998, 45–53 und Lämmert 1993, 139–194. 87 Vgl. ebd. 88 Ebd., 190. 89 Ebd. 90 Ebd. [kursiv im Original]. 91 R ahe 1993, 31. 92 Über die Möglichkeiten der Sprech- und Denkblasen vgl. Mccloud 1994, 142, Mahne 2007, 50. 93 Vgl. Eschmann/Krüger 2009, 254. 94 Ebd. 95 Die ehemaligen Häftlinge Louis Degen und Heini Walfisch berichten von zahlreichen Selbstmordversuchen, als die Deportationen 1942 und 1943 von Gurs nach Auschwitz einsetzten. Vgl. Schr amm 1977, 140, 141.

Anmerkungen  |  171

96 Lämmert 1993, 190. 97 Zum Zyklus in der Kunst vgl. Eintrag »Zyklus« in  : Olbrich 1994, 955. 98 Heinrich 2001, 8. 99 Ausführlich zum Unterschied zwischen zyklischer und serieller Erzählung vgl. Mielke 2006, 40–49. 100 Deutsche Bibelgesellschaft 1985, 10. 101 Vgl. Adler S 1998, 626. 102 Vgl. dazu Strohmaier-Wieder anders 1999, 56–61. 103 Zum Stundenbuch vgl. Eintrag »Livres d’heures« in  : Wieck 1988 und Olbrich 1992, 369–370. 104 Vgl. dazu Shesgreen 1983. 105 Abb. in  : ebd., 97–104. 106 Diese Deutung wird zusätzlich bestätigt durch den Brief Zadikovás, den sie zusammen mit der deutschen Version des Kalenders an Albert Einstein nach Princeton schickte. Darin setzt Zadiková neben kurzen inhaltlichen Beschreibungen der einzelnen Szenen auch jeweils den konkreten Monat. Vgl. AEA, Bestand B.2, Nr.  67–23.1, Brief Hilda Zadikovás an Albert Einstein vom 27. Januar 1947. 107 Das als Berliner Sakramentarfragment bezeichnete Blatt befindet sich in der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz. Abb. in  : Winterer 2009, Abb. 122 (S. 119). 108 Vgl. Strohmaier-Wieder anders 1999, 67. 109 Zur Biografie vgl. Anhang. Eine Abbildung der gesamten Arbeit, allerdings nur in Schwarzweiß, existiert in  : Toll 1978, 29, 31, 33, 35 u. 37. Auch in  : Toll 1998, 21–25. 110 Die besondere Form der Gurser Baracken taucht in zahlreichen anderen Bildern aus Gurs auf, darunter auch bei Kurt Loew und Karl Bodek (Loew/Bodek Abb. 4, linkes Bild) sowie bei Horst Rosenthal (Rosenthal Abb. 5, 8, 10, 12). 111 Auch die nächste Szene mit der Inschrift »von 18h–19h Ein kleines Schwätzchen« (Felsenthal Abb.  14) enthält dieselbe Uhrzeit, was vermutlich ein Versehen Liesel Felsenthals darstellt, da die hier logisch erscheinende Zeitangabe »von 19h–20h« in der gesamten Serie nicht mehr auftaucht. 112 Vgl. Schr amm 1977, 8. 113 »Stundenbuch (Mittag 1996, 280), »Book of Hours« (Hoffmann D 2003b, 25, 27) und »Livre d’heures« (Rosenberg 2003a, 76, 194). 114 Vgl. Eintrag »Livres d’heures« in  : Olbrich 1992, 369–370. 115 Der Begriff »Hochburg« für die Latrinen in Gurs wird neben Liesel Felsenthal auch von anderen Insassen wie etwa Hanna Schramm verwendet Vgl. dazu Schr amm 1977, 8. 116 Bei Hanna Schramm findet sich in ihren Erinnerungen eine Stelle, die eine solche Situation beschreibt  : »[Es] entwickelte sich abends am Außenrand der Ilots längs der Schmalspurgleise, auf denen morgens die Aborttonnen abgefahren wurden, ein wahrer Korso, wo elegant angezogene Frauen prominierten und taten, als ob sie in Biarritz wären. Das war zwar lächerlich, zeigte aber auch, dass man sich durchaus nicht unterkriegen ließ.« ebd., 18. 117 Tatsächlich waren in Gurs die Ratten eine häufige Plage, die v. a. des Nachts die Vorräte der Insassen auffraßen (vgl. Schramm 1977, 97, Laharie 2007, 132). Auch in Kurt Loews und Karl Bodeks Bildserie gibt es eine Darstellung, in der Ratten einen Häftling in den Hintern beißen, was auf ironische Weise

172  |  Die Narration der Bildserien

die »Gefährlichkeit« des nächtlichen Toilettengangs ausdrückt (Loew/Bodek Abb. 4, rechtes Bild). 118 Sofsky 2004, 97. 119 Vgl. Bal 2009, 96. 120 Vgl. ebd., 97–98. Der Begriff »Achronie« wird in vergleichbarer Weise auch von Gérard Genette verwendet. Sie tritt seiner Meinung nach dann ein, wenn die Ereignisse, »jeder Zeitbestimmung entbehren und sich in bezug auf die sie umgebenden Ereignisse in keiner Weise situieren lassen.« (Genette 1998, 57). 121 Vgl. Bal, 2009, 98. Damit ähnelt Bals Auffassung der Feststellung Werner Wolfs, dass ein Werk auch dann als narrativ gilt, wenn das Schema des Narrativen wenigstens in Teilen des Werkes vorkommt. Vgl. Wolf 2002, 41. 122 Kunzle 1973, 5. 123 Vgl. dazu auch ebd., 419. Einige Grafiken sind abgebildet in  : ebd., 420–421. 124 Vgl. dazu auch Lund 2000. 125 Abbildungen dieser Bildfragmente in  : Melamed 2010a, 190– 191. 126 Vgl. Weissová 1998a, 20. 127 Darauf deutet der retrospektive Titel »Geburtstagswunsch II« hin. ebd., 98. 128 Vgl. Weissová 1998a, 90 129 Der abgebildete Zaun deutet auf das Krematorium  V hin, da dort ab März 1944 ein hoher Flechtzaun aus Zweigen als Sichtschutz installiert wurde. Auch wurden beim Krematorium V die Leichen zusätzlich unter freiem Himmel verbrannt. Vgl. Piper 1999c, 183. 130 Da die in den Gaskammern ermordeten Häftlinge üblicherweise gleich im Krematorium verbrannt und nicht vor einer Baracke gelagert wurden, könnte hier auch ein sogenannter »Todesblock« gemeint sein, wohin die erschöpften und kranken Gefangenen verlegt wurden. Die Leichen derjenigen, die im Laufe des Tages starben, wurden dann außerhalb der Gebäude platziert. Einen solchen Todesblock bildet das Auschwitz-Skizzenbuch ab (Blatt  21). Vgl. dazu auch Sie­r adzk a 2011, 107. 131 Darauf deutet die in der Literatur genannte Zahl von 300 Aquarellen hin, die von Waldemar Nowakowski in Auschwitz produziert worden sein sollen. Vgl. u. a. Blatter / Milton 1981, 260 und Boberg/Simon 2005, 378. Angesicht der Möglichkeit, dass die Arbeiten ganz oder teilweise erst nach 1945 entstanden sind (siehe Kapitel 3.2), ist diese Zahl der in Auschwitz produzierten Bilder wahrscheinlich zu hoch. 132 Erläuterungen von Merényi zu den einzelnen Bildern in  : AGB, AZB, Interview Merényi, Kassette 34. 133 Für die Übersetzung dieser Seite danke ich Katalin Tomcsik aus Wien. 134 Eintrag vom 9. November 1944, in  : Herzberg 1997, 186. 135 Vgl. dazu Kapitel 3.1. 136 Aufgrund dieser Schwierigkeiten ist wahrscheinlich auch die Reihenfolge im Buch »Le Masque de la Barbarie«, das das gesamte Album reproduziert, fehlerhaft. Vgl. Zeitoun/Foucher 1998, 83–85. 137 In Spier Abb.  18 wird dies noch zusätzlich durch den Titel »Frühlingstimmung bei Theresienstadt« betont.

138 Vgl. Margry 1996, 332–333. Viele dieser Skizzen befinden sich heute im NIOD Instituut voor Oorlogs-, Holocaust- en Geno­cidestudies in Amsterdam. Einige davon sind abgebildet in  : Zeitoun/Foucher 1998, 88–89. 139 Siehe Kapitel 5, Fußnote 131. 140 Neben den SS-Bildern des Auschwitz-Albums, das die Ankunft und Selektion ungarischer Juden im Mai 1944 zeigt (siehe Kapitel  5.3.2), existieren Fotos von der Zentralbauleitung, die u. a. den Bau der Krematorien dokumentieren. Die Fotos sind abgebildet in  : Świebock a 2001, Abb.  66 (S.  86), Abb.  72 (S.  89), Abb.  73–75 (S.  90–91). Zusätzlich gibt es Luftaufnahmen der Alliierten, die im Jahr 1944 und im Januar 1945 den Lagerkomplex Auschwitz mehrfach fotografierten, wobei auf einigen dieser Abbildungen auch die Krematorien von Birkenau zu erkennen sind. Die Luftaufnahmen sind abgebildet in  : ebd., Abb. 8 (S. 52) und Abb. 35 (S. 68). Darüber hinaus gibt es vier von einem Häftling des Sonderkommandos heimlich gemachte Aufnahmen am Krematorium  V, die entkleidete Frauen auf dem Weg in die Gaskammern und die Einäscherung vergaster Häftlinge in Verbrennungsgruben zeigen. Untersuchungen zur Entstehung dieser Fotografien und eine umfassende Bildanalyse liefert Didi-Huberman 2007. 141 Die Ausnahmen sind u. a. die Bilder von Wiktor Siminski, der im KZ Sachsenhausen inhaftiert war und von Lea Grundig, die 1940 nach Palästina ging. Vgl. Amishai-Maisels 1993, Abb. 141 (o.S.) bzw. 142 (o.S.). Während Siminski den Horror der Vergasung mit der Darstellung nackter, schöner Frauen kontrastiert, versucht Grundig die von Amishai-Maisels hier kritisierte Verbindung von Schönheit und Grauen zu vermeiden und betont stärker das Leiden der Figuren. Vgl. dazu ebd., 45. 142 Angesichts der Heterogenität der Ereignisse (so fand der Massenmord an verschiedenen Orten, zu verschiedenen Zeiten statt und wurde an verschiedenen Menschen mit unterschiedlichen Tötungsmethoden begangen) sowie der Heterogenität der zugänglichen Nachrichten blieb das Wissen der Gefangenen stets fragmentarisch. Inwieweit die Häftlinge aus Westeuropa von der Massenvernichtung im Osten Kenntnisse hatten und wie dabei die Täuschung der Täter eine Rolle spielten, zeigt Ahlrich Meyer in seiner Untersuchung auf. Vgl. Meyer 2010. 143 Vgl. Piper 1999c, 183. Dieser Zaun wird auch in einer Szene aus Waldemar Nowakowski Bildserie gezeigt (Nowakowski Abb. 38). 144 Zum Sonderkommando vgl. ebd., 213–236. Zusätzlich gibt es noch die Zeichnungen von David Olère, einem ehemaligen Sonderkommandohäftling, der ab 1945 u. a. in detaillierten Plänen und Skizzen das Innere der Krematorien darstellte. Einige Abb. publiziert in  : Beate Klarsfeld Foundation 1989, 45–47. 145 Vgl. Amishai-Maisels 1993, 44. Meyer 2010, 151–160. 146 K antor 1971b, o.S. 147 Vgl. Amishai-Maisels 1993, 44. 148 So wurden in den Jahren 1945, 1952, 1962 und 1980 in der Nähe der Krematorien mehrere Handschriften von Angehörigen des Sonderkommandos entdeckt, die Auskunft über das Geschehen in den Krematorien geben. Vgl. Świebocki 1999. 149 Zwar bildet auch Waldemar Nowakowski in seiner Serie zahl-

reiche Aspekte der Massenvernichtung ab, etwa die Selektion an der Rampe, die Verladung geschwächter Häftlinge auf Lastwagen oder das Herausbrechen von Zähnen ermordeter Gefangener durch Mitglieder des Sonderkommandos (Nowakowski Abb.  36, 39, 40 bzw. 38). Allerdings ist der narrative Zusammenhalt dieser Bilder wegen der fehlenden Markierung und der Möglichkeit der Hinzunahme weiterer Bilder weitaus weniger deutlich als beim Auschwitz-Skizzenbuch. 150 Zur historischen Verortung vgl. Kapitel 4.1.1. 151 SS-Fotografien beider Krematorien aus dem Jahr 1943 sind publiziert in  : Świebock a 2001, Abb. 38 (S. 69) und Abb. 39 (S. 70). 152 Vgl. Uhl 2003, 100. Auf den oben genannten SS-Fotografien von 1943 lässt sich gut erkennen, dass die Bäume beim Krematorium IV im Unterschied zu Krematorium V nicht in unmittelbarer Nachbarschaft des Bauwerks liegen. 153 Kemp 1989b, 67. 154 Ebd. 155 Mccloud 1994, 75. 156 Knigge A 2009, 23–24. 157 Grünewald 2000, 45. 158 Zum Ablauf der Vergasung und Verbrennung in Auschwitz-Birkenau vgl. Piper 1999c, 198–206. 159 Zur Tötung von kranken Häftlingen u. a. mit Phenolspritzen vgl. Strzeleck a 1999c, 394–401. 160 Zu diesem aus dem Film übernommenen Begriff vgl. Mahne 2007, 85. 161 Vgl. Strzeleck a 1999c, 362, 368–369. 162 Vgl. ebd., 362, 369. 163 Vgl. Piper 1999c, 180. 164 Vgl. Uhl 2003, Fußnote 33 (S. 259). Inwieweit die Häftlinge von diesen Krankenbaubaracken tatsächlich zu den beiden Krematorien blicken konnten und was sie von den Abläufen dort mitbekamen, bleibt offen. Allerdings wurde der zusätzliche Sichtschutz aus Laubbäumen, Sträuchern und Flechtzaun erst im Frühjahr 1944 errichtet (Piper 1999c, 183). Eine andere Möglichkeit der Beobachtung ergab sich vielleicht bei der Arbeit im benachbarten Effektenlager, in der das Hab und Gut der ermordeten Menschen sortiert und gelagert wurde. Die ebenfalls nahegelegene »Zentrale Desinfektions- und Entwesungsanlage«, in die die Häftlinge in unregelmäßigen Abständen zur Entlausung geschickt wurden, nahm im Dezember 1943 den Betrieb auf. 165 Auch Karten Uhl interpretiert die Sequenz in diese Richtung. Vgl. Uhl 2003, Fußnote 33 (S. 259). 166 Vgl. Grund- und Aufriss von Krematorium  IV, das fast baugleich mit dem Krematorium V ist, in  : Piper 1999c, 192– 195. 167 Vgl. Grünewald 2000, 45. 168 Vgl. Schüwer 2008, 276–277. 169 Vgl. Fr ahm 2010, 31–33, 114–143. 170 Mccloud 1994, 74. 171 Vgl. Fr ahm 2010, 32. 172 Vgl. ebd., 141. 173 Anschaulich demonstriert dies ein Foto, wo Felsenthals Werk auf einer offenen Hand liegt. Das Foto ist abgebildet in   : Costanza 1983, 165.

Anmerkungen  |  173

174 So sind von Horst Rosenthal noch die karikaturistischen Werke »La journée d’un hébergé. Camp de Gurs 1942« und »Petit guide à travers le camp de Gurs« bekannt (vollz. Abb. aller drei Werke von Horst Rosenthal in  : Kotek /Pasamonik 2014). Darüber hinaus nimmt Erwin Götzl in seinem satirischen »Kleine[n] Liederbuch nach bekannten Melodien« mit fünf Karikaturen das Lagerleben in Gurs aufs Korn (Abb. in. ebd., 90–91), während in Sigismund Kolos-Varis 14seitigem Heft ein kleiner Gärtner mit viel Arbeit einen großen Blumenstrauß entstehen lässt (Abb. in  : Laharie 2007, 144–151). 175 Frenzel 2011, 101.

174  |  Die Narration der Bildserien

6. Narrative Bildserien in der Nachkriegszeit

Die Veränderungen der Nachkriegszeit hatten auch Auswirkungen auf die Bildproduktion, denn die Künstler waren nicht mehr Teil einer unter ständigem Verfolgungs- und Vernichtungsdruck stehenden Zwangsgemeinschaft, sondern sie konnten nun vergleichsweise frei ihre Arbeiten entwerfen, ausführen und präsentieren. Außerdem war die soziale Kommunikation nicht mehr auf das unmittelbare Umfeld in der Häftlingsbaracke beschränkt, sondern richtete sich nun neben den ehemaligen Mitgefangenen auch an eine  – wenn auch häufig begrenzte  – Öffentlichkeit. Die skizzierten Veränderungen betrafen natürlich auch die neu entstandenen narrativen Bildfolgen der Nachkriegszeit, wie im Folgenden anhand von drei Überlebenden, nämlich Thomas Geve (geb. 1929), Simon Wiesenthal (1908–2005) und die bereits erwähnte Zsuzsa Merényi, gezeigt werden soll. Da der Fokus dieser Arbeit auf der Lagerzeit liegt, bieten die folgenden Kapitel keinen systematischen, sondern lediglich einen exemplarischen, wenn auch vertieften Einblick in die Situation der Bildfolgen in den Zeitraum kurz nach der Befreiung.1 Dabei ist von vorrangigem Interesse, in welchem sozialen Kontext die Werke entstanden, wie die Veränderungen in der Bildsprache aussahen und welche narrativen Strukturen sich aus der retrospektiven Perspektive bildeten. Bei Thomas Geve stehen also die Wechselwirkungen des sozialen Umfelds bei der Entstehung und Bearbeitung seiner Bildfolge im Vordergrund, die er kurz nach der Befreiung noch in Buchenwald anfing und als sogenanntes »Buchenwaldkind« in verschiedenen Heimen des Roten Kreuzes in der Schweiz beendete. In Simon Wiesenthals Publikation »KZ. Mauthausen« von 1946 soll die symbolische Bildsprache und deren Einflüsse aus der Vorkriegszeit untersucht werden. Und bei Zsuzsa Merényi sind die veränderten narrativen Strukturen von Interesse, die sich aus der Bearbeitung ihrer ursprünglichen Bilder aus Bergen-Belsen ergeben.

6.1 Thomas Geve  : Die Bilder eines »Buchenwaldkindes« in den Heimen des Schweizer Roten Kreuzes

Entstehung der Bilder und die »Buchenwald-Aktion« in der Schweiz Als der fünfzehnjährige Thomas Geve2 kurz nach der Befreiung im KZ Buchenwald begann, seine Lagererlebnisse in einer narrativen Bildfolge festzuhalten, hatte er bereits mehrere Jahre der Verfolgung und der Aufenthalte in verschiedenen Konzentrationslagern hinter sich.3 Geboren in Züllchow bei Stettin, musste Geve mit seiner Familie nach Hitlers Machtübernahme zunächst ins oberschlesische Beuthen und dann nach Berlin ziehen. 1939 emigrierte der Vater nach England, konnte seine Familie aber nicht mehr nachholen, sodass Thomas Geve und seine Mutter Ende Juni 1943 auf einen Transport ins Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz gelangten, das die Mutter nicht überlebte. In Auschwitz arbeitete Geve zunächst mit anderen Jugendlichen in der Maurerschule, später in verschiedenen Arbeitskommandos. Im Januar 1945 wurde er im offenen Güterwaggon erst nach Groß-Rosen und dann nach Buchenwald deportiert, wo er im sogenannten »Kleinen Lager« in den Kinderblock  66 kam und schließlich am 11.  April 1945 von amerikanischen Soldaten befreit wurde. Kurz danach zeichnete Thomas Geve seine Erinnerungen mit Bleistift, Farbstiften und Wasserfarben auf hellbläulich farbigem Papier, das aus der Lagerverwaltung stammte. Über die Entstehung seiner Bilder schreibt er rückblickend  : Nach der Befreiung von Buchenwald wurde ich zu Block 29 im Hauptlager überwiesen, wo ich wohl der einzige Jugendliche und Jude unter deutschen Antifaschisten war. Dort zeichnete ich von April bis Juni meine Lebenserfahrungen auf, ich wollte sie eines Tages meinen Eltern zeigen. Freunde brachten mir Thomas Geve  |  175

sieben verschiedenfarbige Bleistiftstummel für mein Unternehmen, keiner war länger als drei Zentimeter. Graue Farbe gab es nicht, darum erschienen die Wächter nicht in grauer SS-Kleidung, sondern in der gelben SA [sic]-Uniform. Später, als ich merkte, wie bleich meine Bilder wirkten, borgte mir jemand Wasserfarben, um stärkere Eindrücke hervorzurufen.4 Die Bilder dokumentieren die Ankunft, die Desinfektion, Registrierung und Nummerierung, sie zeigen die stundenlangen Appelle, die beengten Unterkünfte, die unterschiedlichen Formen der Zwangsarbeit und stellen die tödlichen Gefahren wie Hunger und Krankheiten dar. Außerdem zeichnete Thomas Geve die Mordinstrumente der SS, nämlich Galgen, Gaskammer und Genickschussanlage, und bildet die Qualen bei den »Evakuierungen« und der Deportation nach Groß-Rosen ab. Schließlich sind auf den Zeichnungen das Ende der Lagerzeit in Buchenwald, der Sieg über die Bewacher und die Freude über die neu gewonnene Freiheit zu sehen. Seine Bilder nahm Thomas Geve in die Schweiz mit, wo er im Rahmen der sogenannten »Buchenwald-Aktion« den Sommer 1945 verbrachte. Der Begriff »Buchenwald-Aktion« bezeichnet eine Hilfsaktion der Schweizer Spende und der Kinderhilfe des Schweizer Roten Kreuzes, die 374 Jugendliche aus dem KZ Buchenwald aufnahm und eine Zeit lang in verschiedenen Schweizer Heimen betreute.5 Obwohl das Aufnahmeangebot gerade an jugendliche Flüchtlinge in gewisser Weise in der Tradition Schweizer humanitärer Politik stand, war die Hilfsaktion auch Ausdruck einer außenpolitischen Neuorientierung, um das Ansehen der Schweiz bei den Alliierten zu verbessern, das angesichts der restriktiven Schweizer Flüchtlingspolitik in den Kriegsjahren gelitten hatte.6 Thomas Geve kam zusammen mit den anderen »Buchenwaldkindern«7 am 23. Juni 1945 in Basel an. Die ersten Wochen verbrachten die Jugendlichen in den sogenannten Quarantänelagern, die in Rheinfelden bei Basel sowie im ehemaligen Grand-Hotel Gurnigel-Bad im Kanton Bern eingerichtet wurden. Geve blieb mehrere Wochen in Rheinfelden, wo er wegen seines schlechten Gesundheitszustands zunächst im Krankenhaus be176  |  Narrative Bildserien in der Nachkriegszeit

handelt wurde. Anschließend zogen er und einige andere Jugendliche nach Gurnigel-Bad und nach drei Tagen weiter ins Heim Felsenegg auf dem Zugerberg, wo die männlichen Jugendlichen aus der Buchenwald-Gruppe untergebracht wurden.8 Dort erhielten sie u. a. Schulunterricht und übernahmen Reinigungs- und Hausarbeiten, unternahmen Ausflüge, spielten Musik oder zeichneten. Anfang September 1945 löste das Schweizer Rote Kreuz seine Heime auf und ein Großteil der Jugendlichen wurde in Alijah-Heimen untergebracht, die sich um eine Ausreise nach Palästina bemühten. Thomas Geve kam wie einige andere »Buchenwaldkinder« privat bei einer Schweizer Familie unter, bevor er im Herbst 1945 zu seinem Vater nach England ausreisen konnte. Noch in der Schweiz klebte der Sohn der Pflegeeltern Geves Bilder in ein graues in Leinen gebundenes Buch und übergab es diesem zum 16. Geburtstag. Bis 1971 blieb das Buch in Birmingham in einem Safe eingeschlossen, seit 1985 befinden sich die 79 überlieferten Zeichnungen in den Sammlungen von Yad Vashem in Israel, 1997 wurden sie schließlich veröffentlicht.9 Die Nachkriegsbilder als Erinnerungsmedium Welche Bedeutung die Lagerbilderserien als soziales Medium innerhalb der Häftlingsgesellschaft besaßen, ist in Kapitel 3.3.3 erörtert worden. Neben dem sozialen und wirtschaftlichen Tauschhandel spielte auch die Stärkung der Gruppenidentität eine wesentliche Rolle. Nach der Befreiung dienten die Nachkriegsbilder weniger dem unmittelbaren Überleben des Künstlers oder dem lebensnotwendigen Zusammenhalt der sozialen Gruppe. Vielmehr wurden sie von den ehemaligen Gefangenen als Erinnerungsmedien benutzt, als Andenken an die Zeit in den Lagern. Christiane Holm unterscheidet beim Andenken im Kontext der Holocaust-Erinnerung grundsätzlich zwischen Überbleibsel und Souvenir.10 Während das Überbleibsel ursprünglich nicht zum Zweck der Erinnerung angefertigt wurde, eher »ein Zeitzeugnis (…) mit eine[r] eigene[n] Ästhetik«11 darstellt, ist das Souvenir zielgerichtet als Erinnerungsmedium angefertigt. Gemeinsam ist beiden Formen aber, »dass sie nicht aus sich heraus eine Erinnerungsfunk-

tion haben, sondern diese ihnen in einem kommunikativen Akt erst zugewiesen wird«.12 Somit könnte es sich bei den Nachkriegsbildern der Überlebenden durchaus um Souvenirs handeln, denn sie stammen nicht aus der Zeit der Lager, sind also keine zufällig gefundenen Überbleibsel, sondern intentional angefertigte Artefakte in Erinnerung an die vergangenen Erlebnisse. Zudem standen die Bilder im Allgemeinen häufig in einem regen wechselseitigen kommunikativen Austausch mit ihrem sozialen Umfeld. Akteure dieser Kommunikation konnten neben dem Künstler etwa ehemalige Mitgefangene, die Befreier oder eine interessierte Öffentlichkeit sein. So gibt es beispielsweise von István Irsai mehrere auf Packpapier gedruckte neunteilige Grafikfolgen mit Themen aus Bergen-Belsen, die er nach der Freilassung im schweizerischen Caux bei Montreux anfertigte. Um sich etwas Geld für sein neues Leben in Palästina zu verdienen, reproduzierte er diese Grafiken auch als Postkarten und wollte sie an andere Flüchtlinge verkaufen.13 Allerdings sind sie wohl nie dafür verwendet worden.14 In diesem Zusammenhang lässt sich auch die Nachkriegsbildfolge von Thomas Geve als Erinnerungsmedium, als visuelles Andenken an die Lagerzeit deuten. Dabei war ihm, wie bei vielen anderen Überlebenden auch, die emotionale Bindung zu seinem Erinnerungsobjekt wichtig  :15 Denn für mich waren es nicht nur Bilder, sondern die Zusammenfassung meiner Erfahrungen, ein Bloßstellen der Unmenschlichkeiten, die zu vergessen ich mir nie erlauben würde. (…) Das bedeutete, dass auch diese Zeichnungen ein Teil von mir waren und nicht leichtfertig behandelt werden durften, sondern ihnen die Bedeutung beigemessen werden musste, die der Ungeheuerlichkeit der NS-Verbrechen entsprach.16 Im Folgenden habe ich auch deshalb die Nachkriegsbildfolge von Thomas Geve ausgewählt, weil über sein Werk sowie über die Arbeiten weiterer Jugendlicher im Kontext der »Buchenwald-Aktion« zumindest in Ansätzen Literatur und andere Quellen existieren.17 Zu fragen ist dabei, welche Rolle Geves Bildfolge in den Heimen des Schweizer Roten Kreu-

zes spielte und mit welchen Akteuren der kommunikative Austausch über sein Erinnerungsmedium stattfand. In einem ersten Schritt wollen wir uns zunächst der Gruppe der Jugendlichen zuwenden, von denen sich einige ebenfalls in Zeichnungen mit ihrer Lagervergangenheit auseinandersetzten, in einem zweiten Schritt mit der Gruppe der Betreuer befassen und fragen, wie diese auf die Zeichnungen und speziell Geves Bilder reagierten. Geves Bilder im Austausch mit anderen Jugendlichen der »Buchenwald-Aktion« Bereits im Quarantänelager Rheinfelden, in das Thomas Geve kurz nach Ankunft in der Schweiz kann, wurden die Bilder von Hans, einem dort angestellten Krankenpfleger, mit dem sich Geve angefreundet hatte, herumgereicht. Allerdings war für Thomas Geve die Präsentation der Bilder aufgrund seiner Lagererfahrungen unangenehm  : Ohne mein Wissen zeigte Hans die Zeichnungen im Lager herum, und alle schienen von ihnen beeindruckt zu sein, weniger wegen ihrer künstlerischen Qualität, sondern vielmehr wegen ihrer Genauigkeit. Nachdem ich sie zurückerhalten hatte, kamen immer mehr und mehr Lagerbewohner und Besucher an mein Bett und wollten die Bilder sehen. Aber ich reagierte sehr ablehnend. Im KZ bedeutete Eigenwerbung den sicheren Tod, und ich war immer noch bedacht, keinerlei Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. Diese Angst war ein weiteres Erbe von Buchenwald, wo für viele Gefangene Diebstahl und Erpressung einfach eine alltägliche Gewohnheit geworden war. Als Reaktion auf diese bestehenden Ängste machte ich es mir zum Grundsatz, immer nur einige Zeichnungen, aber nie alle zusammen hervorzuholen. Trotzdem war es mir auch noch lange Zeit später unwohl dabei, sie Fremden zu zeigen oder gar zusehen zu müssen, wie sie von Hand zu Hand weitergereicht wurden.18 Die Sorgen Geves bezüglich seiner Zeichnungen waren nicht gänzlich unbegründet, denn wie er später angibt, gingen einige der in Buchenwald angefertigten Bilder später in der Schweiz verloren oder Thomas Geve  |  177

wurden gestohlen.19 Die soziale Interaktion mit den anderen Jugendlichen hatte also direkte Auswirkungen auf Geves Werk. Um die Verluste auszugleichen, fertigte er in den Schweizer Heimen neue Bilder an, die sich hinsichtlich Papierart und teilweise auch im Format von den in Buchenwald entstandenen Arbeiten unterscheiden.20 Die Bildfolge Geves ist also teilweise in Buchenwald und teilweise in der Schweiz entstanden.21 Die Auseinandersetzung der Jugendlichen aus Buchenwald mit Thomas Geves Bildfolge hatte aber nicht nur Auswirkung auf den Bestand seiner Arbeiten, sondern offenbart auch einen inhaltlichen Austausch. So mutmaßt Thomas Geve, dass seine Bilder andere Jugendliche zum Anlass genommen haben, ebenfalls ihre Erinnerungen an die Lagerzeit durch Zeichnungen auszudrücken.22 Besonders mit Kalman Landau, einem siebzehnjährigen jüdischen Flüchtling aus Polen, der ebenfalls in Auschwitz, Groß-Rosen und Buchenwald inhaftiert war, erfolgte ein intensiver künstlerischer Austausch.23 Thomas Geve erinnert sich später, dass beide Jugendliche miteinander über ihre Zeichnungen gesprochen haben, wobei ein Thema auch die authentische Darstellung der Ereignisse war, die besonders für Geve eine wichtige Rolle spielte.24 Von Kalman Landau sind mehrere Zeichnungen aus den Schweizer Heimen überliefert, darunter eine aus zwölf Zeichnungen bestehende narrative Bildserie, die, unterstützt von Charlotte Weber, 1946 im Schweizer Magazin »Du. Zeitschrift für Kultur« veröffentlicht wurde.25 Die nummerierten Bilder zeigen in weitgehender chronologischer Reihenfolge die Lagergeschichte von Kalman Landau von Auschwitz über Groß-Rosen bis nach Buchenwald. Die letzten beiden Zeichnungen veranschaulichen die Verhaftung der Buchenwalder SS durch Häftlinge und die Ankunft in der Schweiz mit der Eisenbahn. Obwohl ursprünglich in Polen geboren, verwendete Kalman Landau Deutsch für seine Inschriften, die teilweise mit Fehlern behaftet die Kommandos der SS wiedergeben (»Aufgehn. Tempo« in Bild 1), die dargestellte Situation erklären (»3 Heftlinge ferurteilt zum Galgen« in Bild 6),) oder auf Hinweisschildern angebracht sind (»Zum Krimatorium« in Bild 8). 178  |  Narrative Bildserien in der Nachkriegszeit

Einige von Kalman Landaus Zeichnungen weisen nun starke inhaltliche Ähnlichkeiten mit Darstellungen aus Geves Bildfolge auf. Am deutlichsten ist die Übereinstimmung in der Abbildung eines Appells in Geves Serie (Geve Abb. 2) und in Landaus Serie (Abb. 31), die beide in der Schweiz zeichneten. Hier verwenden die Jugendlichen neben der analogen Darstellung des nächtlichen Sternenhimmels, des SS-Manns und des Kapos sowie der Häftlingsreihen auch fast identische Beschriftungen.26 Auch in den Szenen des Todesmarsches in Richtung Groß-Rosen wird man fündig, die ebenfalls in der Schweiz entstanden (Geve Abb. 4 und Abb. 32). In diesen Bildern sind v. a. Ähnlichkeiten bei den mit Gewehren bewaffneten SS-Männern in grünlichen Uniformen, den blauen Häftlingsfiguren mit ihren Habseligkeiten und den Schlitten zu sehen. Doch nicht nur inhaltlich sind beide Werke vergleichsweise ähnlich gestaltet. Auch der Zeichenstil weist Übereinstimmungen auf, was sich v. a. in der kindlich wirkenden Zeichentechnik ausdrückt. So verteilen sich die einzelnen Bildelemente ohne Regeln der Perspektive oder der richtigen Proportion auf dem Papier, sie scheinen gewissermaßen in der Luft zu »schweben«. Wer wen bei den genannten Bildern und Techniken beeinflusst hat, ist nicht mehr zu klären und im Nachhinein wahrscheinlich auch unerheblich. Vermutlich haben sich beide Jugendliche gegenseitig Anregungen vom jeweils anderen geholt, auch wenn Geves Bilder zum großen Teil bereits in Buchenwald entstanden sind. Insgesamt wirken Landaus Zeichnungen technisch ausgereifter, was sich etwa in der detaillierteren Figurendarstellung ausdrückt. Auf der anderen Seite ist bei Geve stärker der Wille spürbar, das System KZ aus einer technischen und organisatorischen Perspektive zu erklären. Am Beispiel der Darstellung der Gaskammer lässt sich der Unterschied zwischen den beiden Arbeiten herausarbeiten, wobei Geves Bild bereits in Buchenwald angefertigt wurde. Obwohl weder Landau noch Geve die Gaskammern jemals gesehen hatten, fügten beide dieses Gebäude als zentralen Ort des nationalsozialistischen Massenmordes in ihren Erinnerungen ein. Landau zeigt diesen Ort als einfaches

Viereck, in dem sich fallende und bereits am Boden liegende Häftlinge befinden, während von den Duschköpfen an der Decke eine gelbe Farbe herabströmt (Abb.  33). Der Totenkopf auf dem Schornstein des nebenstehenden Krematoriums symbolisiert sofort erkennbar die Funktion des Gebäudes, nämlich die Ermordung der Gefangenen. Geve dagegen wagte es nach eigenen Angaben nicht, Menschen innerhalb der Gaskammer abzubilden.27 Stattdessen zeichnet er das Gebäude als Auf- und Grundriss, wobei die eingezeichneten Buchstaben in einer darunter stehenden Legende erklärt werden (Geve Abb. 3). Erst durch den in Rot geschriebenen Titel »Auschwitz Mordkammer« wird der Zweck des Gebäudes als Ort des Massenmordes deutlich. Während Landau also die Ermordung als szenisches Ereignis innerhalb seiner Lagerchronologie darstellt, versucht Geve über den Umweg der technischen Bauzeichnung die Vergasung zu erklären. Es scheint, als fand Geve mit seiner distanzierten Darstellungsweise – so bezeichnet Nicolas Stargardt Geves Werk als eine »visuelle Enzyklopädie der Lager« 28 – ein Mittel der Kontrolle, um die Schrecken seiner Erlebnisse auszuhalten. Die Bilder der Jugendlichen in den Augen der Betreuer Welche Rolle spielten die Zeichnungen der Jugendlichen nun bei den Betreuern  ? Nach Thomas Geve sahen viele Betreuer die Bilder v. a. als therapeutisches Mittel, damit die Jugendlichen besser ihre Lagererlebnisse verarbeiten konnten.29 Aus diesem Grund wurden die Bilder auch im Schulunterricht eingesetzt, wie ein Bericht von Alfred Ledermann belegt, ein zur damaligen Zeit 26-jähriger Jurist aus Basel, der als Betreuer im Quarantänelager Gurnigel-Bad und später im Heim Felsenegg auf dem Zugerberg arbeitete  :30 Ich lasse meine Schüler v. a. viel zeichnen. Aus diesen Zeichnungen bekomme ich Einblick in ihr Seelenleben und die durchlittenen Jahre. (…) Es sind Zeichnungen wie von Kindergartenkindern, nicht von jungen Erwachsenen. Sie zeigen ihre inneren Wünsche  : einen Garten mit Blumen, ein kleines Haus von leuchtenden Blumen umgeben, aber die

Fenster des Hauses sind vergittert wie in einem Gefängnis …31 Allerdings beruhte der Unterricht hauptsächlich auf dem Engagement der jeweiligen Betreuer und weniger auf den Vorgaben des Roten Kreuzes, zumal es häufig an geeignetem Schulmaterial und auch Verständnis der Vorgesetzten fehlte.32 In manchen Fällen ging die Initiative vermutlich auch von den Jugendlichen selbst aus, da sich einige bereits im Deutschunterricht wünschten, ihre Biografie als Aufsatz schreiben zu können.33 Doch nicht nur im Schulunterricht war das Zeichnen ihrer KZ-Erfahrungen ein Thema, denn auch in ihrer Freizeit fertigten etliche Kinder visuelle Erinnerungsberichte an, die nachhaltig Eindruck auf die Betreuer machten. So schreibt Charlotte Weber über Kalman Landau, er könne »[s]tundenlang (…) an seinen Zeichnungen über Auschwitz sitzen, die in ihrer Sinnbildhaftigkeit erschüttern«34. Allerdings war das Interesse der Betreuer an den Erinnerungsarbeiten nicht einseitig. So zeugen zahlreiche Widmungen auf den Zeichnungen, die an die Betreuer gerichtet waren,35 von einer wechselseitigen Wertschätzung und Kommunikation. Die Bildserie von Thomas Geve spielt bei den Betreuern eine ganz besondere Rolle. So haben mindestens drei Betreuer der Schweizer Heime, nämlich Liselotte Walz, Eli Forrer (später Eli Ledermann) und Harro Däniker Kopien von seinen Zeichnungen angefertigt.36 Dabei wurden Geves Originalzeichnungen auf Transparentpapier durchgepaust und auch die Farben originalgetreu koloriert. Liselotte Walz schrieb dazu in ihrem Erinnerungsbuch, das neben eingeklebten Kopien auch ein Tagebuch, Briefe und Gedichte und Zeitungsausschnitte von Fotos über die Lager enthält und das heute in Yad Vashem auf bewahrt wird  : Die Eindrücke der vergangenen Zeit standen immer wieder in furchtbaren Bildern vor ihren Seelen. Die künstlerisch begabteren konnten schreiben oder zeichnen – und fanden so Erleichterung. Den anderen dagegen mußte man immer wieder darüber hinweg helfen. Der St.  C. [gemeint ist Thomas Geve] Thomas Geve  |  179

hat alle Erlebnisse aufgezeichnet. Er gab mir sein Heft mit der Erlaubnis alles zu kopieren. Ich habe alles kopiert. Auch die Farben stimmen.37 Die Mühe, die sich die Betreuer beim Übertragen der Originalzeichnungen Geves gemacht haben, lässt sich am besten bei Eli Forrer sehen, deren Kopien bislang als einzige publiziert wurden. So sind in Rainer Horbelts Buch »Die Kinder von Buchenwald« 59 ihrer Kopien überliefert, zwei davon werden hier publiziert (Geve Abb.  7 und Geve Abb.  8).38 Ein Bildvergleich zeigt, wie sorgfältig Eli Forrer bei der Übertragung auf das Transparentpapier den kindlichen Zeichenstil Geves, die meisten Farben sowie die Bildinschriften beibehielt (vgl. Geve Abb. 4 und Geve Abb. 8). Welche Motive stehen hinter dem großen Interesse einiger Betreuer an den Jugendlichen und ihren Erlebnissen  ? Aus den überlieferten Äußerungen der Mitarbeiter des Roten Kreuzes geht hervor, dass viele von ihnen ein Vertrauensverhältnis zu den Jugendlichen auf bauen wollten, das auch Verständnis für ihre Leidensgeschichte zeigt. Alfred Ledermann schreibt dazu in seinem Bericht  : Wir wollen ihnen Zeit lassen, die grauenvolle Vergangenheit in ihren Seelen zu verarbeiten. Wir wollen zuerst ihr Vertrauen gewinnen und warten, wollen aber jederzeit bereit sein, wenn sie von sich aus ihr schweres Herz erleichtern wollen.39 Ähnlich äußert sich Liselotte Walz in ihrem Praktikumsbericht, wie sich die Betreuer gegenüber den Jugendlichen verhalten sollten  : Die Behandlung wird allein darin bestehen, sie gern zu haben, ihnen zu zeigen, dass man sie versteht, dass man ihnen helfen möchte. Sie mit unendlicher Geduld wieder zurück führen, und v. a. nicht strafen. Denn in den meisten Fällen schadet Strafe mehr als sie nützt. (…) Und dann noch eines, sie nicht einsperren. Sie, die jede Mauer als unerträglichen Zwang empfinden, werden sich gegen jedes Schloss auflehnen, und alles versuchen auszubrechen. Sobald man aber ihnen ein Vertrauen entgegen bringt, so 180  |  Narrative Bildserien in der Nachkriegszeit

werden sie ganz sicher alles tun, um demselben gerecht zu werden. Man muss bei ihnen das Experiment des Vertrauens machen, sogar auf die Gefahr hin, dass es misslingt.40 Allerdings stand dieses pädagogische Verhalten der Betreuer, das auf Vertrauen und einer gewissen Mitbestimmung der Jugendlichen beruhte, in Oppo­sition zum traditionell hierarchischen Fürsorgesystem des Schweizer Roten Kreuzes. Als Folge brachen Konflikte der Betreuer mit den offiziellen Stellen sowie dem Heimleiter auf Zugerberg aus, die zu schweren Zerwürfnissen bis hin zu Entlassungen führten.41 Allerdings traten diese internen Probleme in den letzten Wochen vor der Auflösung der Heime und der Übergabe der Jugendlichen an jüdische Organisationen etwas zurück.42 Am Beispiel von Thomas Geves Bildfolge haben wir gesehen, wie stark das unmittelbare soziale Umfeld der Nachkriegszeit auf diese und andere Zeichnungen von Überlebenden reagierte. Denn die Bilder waren nicht nur Teil der Kommunikation zwischen den ehemaligen Häftlingen, sondern auch mit der interessierten Umgebung, hier den Betreuern der »Buchenwaldkinder«, fand ein intensiver Austausch statt. Dieser Austausch reicht dabei vom bloßen Betrachten der Bilder über die Verwendung der Zeichnungen im Schulunterricht bis hin zur umfassenden Kopie sowie der thematischen und stilistischen Aneignung in eigenen künstlerischen Arbeiten. 6.2 Simon Wiesenthal  : Der Stacheldraht, das »Gesicht des Faschismus« und das Lagertor. Symbolisierungen nach 1945

Symbole in der Holocaust-Kunst In Kapitel  4.2.1 ist bereits kurz über die Symbolisierungsbestrebungen hinsichtlich der Bilder über den Holocaust gesprochen worden. Darin wurde die Ansicht von Ziva Amishai-Maisels wiedergegeben, dass v. a. die Künstler ohne Lagererfahrung Schwierigkeiten hatten, eine adäquate Bildsprache für die Vorgänge in den Lagern zu finden.43 Denn aufgrund des Mangels an direkten visuellen Ein-

drücken griffen diese Künstler häufig auf Fotografien zurück, verwendeten ältere Bildtraditionen oder klammerten ein Thema ganz aus wie etwa die Darstellung der Vergasung. Zudem waren die Bildthemen begrenzt, denn um überhaupt vom Betrachter verstanden zu werden, benutzten die Nichtinsassen leicht lesbare Darstellungen wie Flüchtlinge, Personen hinter Stacheldraht, Transportzüge, Leichen oder Überlebende. Der Mangel an Bildquellen und die begrenzte Bildauswahl führten nach Meinung Amishai-Maisels zu der Entwicklung einer allgemein verständlichen Holocaust-Ikonografie, die übergreifend und gleichzeitig von verschiedenen Künstlern in zahlreichen Ländern aufgegriffen wurde. Die Verwendung von Symbolen besaß zudem erhebliche Vorteile für die Künstler bei ihrem Versuch, die Ereignisse des Holocaust in die visuelle Form zu übersetzen  : The most obvious benefits from this approach were that the artists were no longer limited by the difficult visual materials and – more important – they no longer needed to solve the aesthetic and moral problems raised by the artistic depiction of atrocities. On the personal level, there were also clear advantages. Artists could utilize their own individual style and iconography to cope with the subject, making their interpretation more personal from the outset.44 Unter Symbolen versteht Amishai-Maisels zunächst die direkt aus den Ereignissen der Lager herzuleitenden sogenannten »Primary Holocaust Symbols«, darunter Stacheldraht, Krematoriumsschornstein oder Relikte (gemeint sind Besitztümer der Häftlinge, beispielsweise Schuhe, Haare oder Ringe).45 Darüber hinaus existieren biblische und mythologische Symbole oder Darstellungen der Täter als Monster.46 Diesen Symbolen ist gemeinsam, dass sie nicht das Ereignis selbst darstellen, sondern vielmehr die Bedeutung dieser Ereignisse ausdrücken, gleichzeitig aber auch als (moralische) Belehrung für den Betrachter dienen  : Through symbolism, on the other hand, the artists (…) tried to come to grips with the meaning of the

events, the framework in which they should be regarded, and the lessons the spectator must learn from them.47 Anders ausgedrückt, verweisen Symbole, wie Hildegard Kretschmer schreibt, »auf einen höheren, abstrakten Inhalt«, stehen »also für etwas anderes«.48 Wie diese Symbole, dieses »Für-etwas-anderes-­ Stehen«, aussehen und wie sie sich in Abgrenzung zu den Darstellungen der Lagerzeit entwickelt haben, wollen wir nun im Folgenden am Beispiel von Simon Wiesenthals Bildserie von 1946 analysieren. Denn anders als Ziva Amishai-Maisels annimmt, benutzten nicht nur die Menschen ohne Lagererfahrung oder Überlebende, die zur Kriegszeit noch Kinder waren, eine symbolische Ausdrucksweise, sondern auch ehemalige Häftlinge in ihren Bildern unmittelbar nach der Befreiung.49 Hier eignet sich die unter dem Titel »KZ. Mauthausen« veröffentlichte Arbeit Wiesenthals besonders gut, da dort der Stacheldrahtzaun, das von Ziva Amishai-Maisels sogenannte Face of Fascism sowie das Lagertor als Symbole in einem Großteil der Bilder auftauchen. Gleichzeitig stellt Wiesenthals Gebrauch der Fotomontage, genauer der Fotokarikatur als Kombination aus Zeichnung und Fotografie,50 eine für die Holocaust-Kunst nach 1945 ungewöhnliche Ausnahme dar. Zwar verwendeten bekannte Künstler wie John Heartfield (1891–1968) oder der lange Zeit vergessene Jacob Kjeldgaard (1884–1964), genannt Marinus, bereits in den 1930er-Jahren die politische Karikatur als künstlerische Waffe gegen den Nationalsozialismus.51 Doch in den Bildwerken der Überlebenden finden sich kaum Beispiele für den Gebrauch der Fotomontage.52 Inhalt und Materialität von Wiesenthals »KZ. Mauthausen« (1946) Im Jahr 1946 veröffentlichte Simon Wiesenthal (1908–2005) im Ibis-Verlag in Linz das Buch »KZ. Mauthausen«.53 Für ihn war die Publikation, wie er im Vorwort schreibt, sowohl Ausdruck seiner leidvollen Erfahrung in den Konzentrationslagern als auch Warnung für zukünftige Generationen  :

Simon Wiesenthal  |  181

Dieses Buch ist keine Geschichte eines Lagers, auch nicht der Versuch einer Analyse des Regimes. Es ist nur ein Ausdruck des Wehs, des elementaren Leidens eines KZ-Insassen. Die Geschichte des Lagers ist mit dem Blute unserer Herzen und die Todesstatistik mit den Rauchwolken des Krematoriums geschrieben, ihre Sprache sind die Seufzer der Vergasten. Dieses Buch ist nicht für die bestimmt, welche heute gemütlich erklären  : ›Wir wußten es nicht  !‹ Es soll aber eine Warnung sein, wie weit Haß führen kann, wenn er als Programm von einer Nation angenommen wird.54 Die Publikation umfasst insgesamt 57 mit Texten und Bildern versehende Seiten. Neben dem Titelblatt (Wiesenthal Abb. 1), Impressum, Vorwort und Widmung sind noch die Fotografie eines Modells des Lagers Mauthausen sowie unter der Überschrift »Totenbettgeständnisse des Kommandanten von Mauthausen« Auszüge aus dem Verhör des ehemaligen Lagerkommandanten Franz Ziereis mit amerikanischen Soldaten, ein Brief von Ziereis an seine Frau sowie wahrscheinlich von Wiesenthal stammende Kommentare enthalten. Das Kernstück der Publikation bilden allerdings die insgesamt 26 Reproduktionen (inklusive des Titelbildes) von sogenannten Fotokarikaturen, also eine Variante der Fotomontage als Kombination aus Zeichnung und Fotografien. Fast alle dieser Bilder sind mit »S.  Wiesenthal 45« oder »S.  Wiesenthal 45 Mauthausen« signiert, lediglich das letzte Bild enthält ein schlichtes »SW.«. Bis auf das erste und letzte Bild enthalten die den Reproduktionen gegenüberliegenden Seiten schriftliche Erläuterungen Wiesenthals. Die jeweiligen Bildtitel sind auf einer Extraseite vorangestellt. Zu sehen sind Szenen wie der Appell und die Arbeit in den Steinbrüchen, die Transporte ins Lager und der Terror der SS-Männer sowie die Selektion, das Krematorium und die Verwertung der Leichen. Daneben tauchen wiederholt Elemente der Lagerarchitektur wie Stacheldraht, Wachtürme und die massiven Steinmauern von Mauthausen oder Täter wie der Lagerkommandant Franz Ziereis oder Adolf Hitler auf. Die Bildfolge schließt mit einer Darstellung eines zum 182  |  Narrative Bildserien in der Nachkriegszeit

Fragezeichen gekrümmten KZ-Häftlings mit einer Weltkugel als Punkt. Während von allen im Buch reproduzierten Bildern sich die Metallklischees erhalten haben, existie­ ren von den ihnen zugrunde liegenden Original-­ Fotokarikaturen lediglich fünf Exemplare.55 Für seine Fotokarikaturen verwendete Wiesenthal in den meisten Fällen eine Kombination aus fotografischen Vorlagen und eigenen Tusche- und Bleistiftzeichnungen. Häufig schnitt er die verschiedenen Materialien in passsende Formen und befestigte sie als Klebecollage nebeneinander auf Karton, in manchen Fällen wurden einzelne Teile auch übereinander geklebt (Wiesenthal Abb. 5). Nach eigenen Angaben benutzte Simon Wiesenthal für seine Montagen Fotos aus weggeworfenen Illustrierten, die ihm aus Papierkörben gebracht wurden.56 Ein Blick in die zeitgenössische Publizistik belegt, dass viele der verwendeten Fotografien aus nationalsozialistischen Bildbänden stammen, die meist hohe Auflagen erreichten. So lassen sich z. B. der Wolkenhimmel im Bild »Der Lagerarzt« und die Felsenlandschaft in »Steinbruch« jeweils im Bildband »Oberdonau. Die Heimat des Führers« aus dem Jahr 1941 wiederfinden, während der lachende Hitler in der Montage »Das Bad« in dem von Hitlers Fotografen Heinrich Hoffmann stammenden populären Band »Hitler abseits vom Alltag. 100 Bilddokumente aus der Umgebung des Führers« von 1937 auftaucht.57 Welchen Bildband genau Wiesenthal für seine fotografischen Vorlagen benutzte, ist häufig schwierig zu bestimmen, denn viele der Fotografien wurden mehrfach und in verschiedenen Printmedien publiziert. Beispielsweise wurde das Porträt aus Wiesenthals Montage »Ohne Maske«, das ursprünglich Hitler 1938 bei seiner Rede zum »Anschluss« Österreichs auf dem Linzer Rathaus zeigt, in mindestens zwei Bildbänden und als Postkarte veröffentlicht (Abb. 34).58 Stacheldraht Im Folgenden wollen wir uns mit der Darstellung des Stacheldrahts als Symbol beschäftigen. Ursprünglich in Amerika als kostengünstige Alternative zu den herkömmlichen Umgrenzungen von

Weideland eingesetzt, diente der Stacheldraht dann im Stellungskampf des Ersten Weltkriegs als Sicherung der Schützengräben und wurde schließlich in den verschiedenen Internierungslagern als Mittel der Gefangenschaft und Überwachung verwendet.59 Gerade in den nationalsozialistischen Konzentrations- und Vernichtungslagern waren Stacheldrahtzäune in Verbindung mit der Bewachung eine effektive und einfache Maßnahme, eine große Anzahl von Häftlingen einzusperren und an der Flucht zu hindern. In diesen Lagern besaß der Stacheldrahtzaun mehrere Funktionen  : Zunächst diente er als Grenze zur Außenwelt, als Trennlinie zwischen Leben und Tod, wodurch das Lager zu »jenem geschlossenen Ort [wird], wo sich die absolute Macht unbegrenzt entfalten kann«60. Innerhalb des Lagers strukturierte der Stacheldraht dann die Räume, die Personal und Häftlinge, Männer und Frauen sowie die Angehörigen verschiedener Nationalitäten voneinander trennten und deren unerlaubte Überschreitung tödliche Folgen hatte. Daneben existieren besondere, durch Stacheldraht geschützte Zonen, etwa Quarantäneblocks und Häftlingskrankenbauten, Isolierbaracken und Straf bunker, Gaskammern und Krematorien.61 Schließlich ist noch auf die unabdingbare Verbindung von Stacheldraht und Überwachung hinzuweisen, denn ohne Wachposten lassen sich auch die stärksten Drähte durchschneiden oder überwinden. »Stacheldraht und Überwachung bilden ein einzigartiges Dispositiv der räumlichen Anwendung der Macht (…) Der Blick wacht über den Stacheldraht und der Stacheldraht schützt das forschende Auge.«62 Den Künstlern war die Symbolik des Stacheldrahts schon früh bewusst.63 So wird er etwa in der Grafik »Essenholen bei Pilkem« aus der Mappe »Der Krieg« von Otto Dix (1891–1969) bereits mit Zerstörung und Tod in Verbindung gebracht (Abb. 35). In den 1930er-Jahren etabliert sich der Stacheldraht als Sinnbild für die nationalsozialistischen Lager.64 Auch in den Lagerbildserien sind Darstellungen des Stacheldrahts zu finden. Allerdings taucht er dort meist als deskriptiver Teil der Lagerarchitektur im Bildhintergrund auf, so etwa im Auschwitz-Skizzenbuch, wo der elektrisch geladene Stacheldraht

von abgewinkelten Betonpfeilern gehalten wird (z. B. MM Abb. 1). Bei Horst Rosenthal und Kurt Loew und Karl Bodek hingegen ist er zwischen halbhohen Holzpfählen gespannt (Rosenthal Abb. 1, 8, 15 und Loew/Bodek, Abb.  2, rechtes Bild), in Erich Lichtblau-Lesklys Bildfragmenten ist er als stilisierter Zaun zu sehen (Lichtblau-Leskly Abb.  14, 41), in Hilda Zadikovás tschechischer Version ihres Kalenders steht er windschief oben auf Theresienstädter Festungsanlagen (Zadiková Abb. 2 [Vers. JMP], Bild  6) und in Alfred Kantors Werk müssen Häftlinge den Stacheldrahtzaun selbst bauen (Schwarzheide-Album, S.  8 verso und S.  9 recto). Lediglich bei István Irsai wird der Stacheldraht auch als Symbol der Gefangenschaft eingesetzt, indem er ihn in einer Szene als einziges Bildmotiv präsentiert (Irsai Abb., Bild 3). Trotz dieser Symbolisierung ist diese Darstellung des Stacheldrahts immer noch eingebunden in den Kontext der Geschichte um die Kasztner-Gruppe, deren Deportation, Gefangenschaft und mögliche Freilassung Irsai schildert. Wie die ehemaligen Häftlinge in ihren Nachkriegsarbeiten den Stacheldraht einsetzten, soll nun an einigen Beispielen aus Wiesenthals Werk näher erläutert werden. Zunächst ist festzustellen, dass in 17 von insgesamt 26 Bildern inklusive des Titelbildes Darstellungen von Stacheldrahtzäunen zu finden sind. Sie tauchen entweder allein als stilisierte Zaunkonstruktion auf, werden zusammen mit Wachtürmen und/oder Bogenlampen kombiniert oder sind oberhalb von Mauern angebracht. Die letzte Variante weist auf die besondere bauliche Situation von Mauthausen hin, da hier massive Granitsteinmauern das Schutzhaftlager umgaben, auf denen dann der elektrisch geladene Stacheldrahtzaun befestigt wurde.65 Obwohl der Stacheldraht meist im Hintergrund der Szenen auftaucht, ist er bei Wiesenthal weniger beschreibender Teil der Lagerarchitektur wie bei den Bildern aus der Lagerzeit, sondern eher als Sinnbild von Gefangenschaft und Gewalt zu verstehen. Welche große Bedeutung Wiesenthal dem Symbolgehalt des Stacheldrahts zuschreibt, lässt sich bereits am Titelbild sehen (Wiesenthal Abb. 1). Denn hier ist der Stacheldrahtzaun Teil einer gezeichneten Ansicht von Mauthausen, die der Simon Wiesenthal  |  183

Betrachter als Riss durch eine aus NS-Schriften gebildete Collage wahrnimmt. Hinter dem Zaun führt ein roter Pfad zum Lager Mauthausen, das anhand der Mauern und des Haupttores zu erkennen ist, zudem entweicht roter Rauch aus dem Schornstein eines Gebäudes im Lagerinneren. Indem er die Außenansicht des KZs mit der bereits bekannten und weitverbreiteten Symbolik des Stacheldrahtzauns verknüpft, wird Mauthausen als Ort der Gefangenschaft gekennzeichnet. Die deutlich wahrnehmbaren Isolatoren am Zaun, die auf den potenziell tödlichen elektrischen Strom hinweisen, sowie das an Blut erinnernde Rot des Lagerweges und des Rauches, das sich auch in der Signatur Wiesenthals, dem Häftlingswinkel und dem Titel »KZ. Mauthausen« wiederfindet, weisen zusätzlich auf die Brutalität und die Gewalt hin, die an diesem Ort herrschte. Der Stacheldrahtzaun drückt als Symbol nicht nur Gefangenschaft und Terror aus, sondern markiert auch die Grenze zwischen innen und außen, die Trennlinie von Leben und Tod. Welche Perspektive Wiesenthal dabei einnimmt, macht die Platzierung des Stacheldrahts in der Komposition der Bilder deutlich. So befindet sich in vielen Montagen der Stacheldraht hinter den Lagerszenen, sodass sich der Betrachter mit den Häftlingen zusammen innerhalb der Umzäunung aufhält und somit mehr Teilnehmer als Beobachter wird.66 Ein bedrückendes Beispiel stellt das Bild »Der Kriegsverbrecher« dar, wo ein Soldat mit Gewehr ein ängstlich dreinblickendes Kind bedroht. Hinter den beiden Figuren türmt sich eine riesige Mauer mit Stacheldraht auf, lediglich ein kleines Stück Himmel bringt etwas Licht in die dunkle Szene. Allerdings ist das einfallende Sonnenlicht ein trügerisches Zeichen der Hoffnung aus der Außenwelt, denn gleich hinter der Mauer befindet sich ein alles überragender und mit bewaffneten Posten versehener Wachturm. Das »Gesicht des Faschismus« Das zweite Sinnbild, das hier näher beleuchtet werden soll, sind die symbolisch verfremdeten Täterdarstellungen, von Amishai-Maisels übergreifend auch »The Face of Fascism«, das »Gesicht des Faschismus« genannt.67 Solche Symbolisierungen tauchten über184  |  Narrative Bildserien in der Nachkriegszeit

wiegend in Darstellungen nach der Befreiung oder bei Künstlern auf, die nicht in den Lagern inhaftiert waren. Grundsätzlich existierte bei der Täterdarstellung das Problem, dass auf den publizierten Fotografien die Organisatoren und Ausführenden der nationalsozialistischen Verfolgung und Vernichtung wie »normale« Menschen aus der Mitte der Gesellschaft aussahen, die sich schlecht mit den Grausamkeiten in den NS-Zwangslagern in Verbindung bringen ließen.68 Dieser Kontrast zwischen Täter und Tat wurde besonders nach der Befreiung augenfällig, als in der Berichterstattung über die Kriegsverbrecherprozesse das Aussehen und Verhalten der Angeklagten im Prozessverlauf im starken Gegensatz zu den ihnen vorgeworfenen Verbrechen erschienen.69 Josef Maier, ein Beobachter des Nürnberger Prozesses, schrieb im Januar 1946 dazu  : Da sitzen der personifizierte Krieg, der Pogrom, der Menschenraub und die Folter. Der Teufel sieht nicht aus wie der Teufel, sondern ganz ordinär. Wie ein biederes Geschäftsunternehmen schaut er aus. Völlig unsensationell …70 Die Künstler standen also vor der schwierigen Aufgabe, ein Bild zu konstruieren, das die Wahrheit hinter den harmlosen Fassaden aufdeckte. Bereits in der Anfangsphase der nationalsozialistischen Bewegung versuchten zahlreiche Künstler diesen Widerspruch zwischen harmlosem Äußeren und brutalem Handeln in Einklang zu bringen, indem sie den Täterfiguren Attribute beifügten, die symbolisch die Brutalität und Grausamkeit der dargestellten Personen ausdrücken sollten. Beispielsweise zeigt John Heartfield Hitler als Affen mit Stahlhelm, der mit blutigem Schwert und einem Menschen in der Hand auf der Weltkugel hockt (Abb. 36).71 Im Gegensatz dazu verzichteten die meisten Häftlinge während der Lagerzeit auf eine Darstellung der Täter, und wenn doch, dann existieren meist deskriptive Abbildungen, in denen die SS-Männer an den Attributen Uniform und Gewehr zu erkennen waren. Nur in Ausnahmefällen werden die Machthaber bei Gewalttaten gezeigt wie etwa im Auschwitz-­ Skizzenbuch (z. B. Auschwitz-Skizzenbuch, S.  10

und 20). Lediglich bei Erich Lichtblau-Leskly sind einige Täterfiguren symbolisch aufgeladen, wie z. B. die Mitglieder des »Ordnungsdienstes«, die raubtierhafte Zähne besitzen, oder die Mithäftlinge, die zum Zeichen der jüdischen Kooperation mit den Machthabern als Hybridwesen aus Mensch und Vogel verkörpert werden (Lichtblau-Leskly Abb.  30 bzw. 41) Nach der Befreiung griffen neben den Nichtinsassen auch viele Überlebende wie Simon Wiesen­ thal auf symbolische Täterdarstellungen zurück, um die Brutalität der Lagerwachen, aber auch die politische Verantwortung der Führungselite allgemein verständlich auszudrücken. Den Widerspruch in der Darstellung von Täter und Tat macht v. a. die Montage mit dem Titel »Der Lagerkommandant« deutlich. Abgebildet ist ein betont freundlich und jugendlich wirkendes Porträt des Mauthausener Kommandanten Franz Ziereis, das mit der geballten Faust und dem Morgenstern in der Hand sowie den Darstellungen von schlagenden und schießenden Wächtern im Hintergrund kontrastiert (Wiesenthal Abb. 2). Die Brutalität des Lagerkommandanten verdeutlicht zudem ein gewaltverherrlichender Spruch, der laut nebenstehendem Bildtext »eingerahmt« über dem Schreibtisch hing  : »Ein Pfui dem Mann, der nicht schlagen kann. Noch lebt das Gebot  : schlag tot, schlag tot  !« Wesentlich häufiger benutzt Wiesenthal in seinen Montagen die symbolische Variante des »menschlichen Monsters«, um »das Böse« der nationalsozialistischen Täter zu verdeutlichen.72 Amishai-Maisels unterscheidet hier zwischen humoristischen Darstellungen, die den Nazi ins Lächerliche ziehen, und solchen, die bevorzugt groteske und furchteinflößende Bilder erzeugen wollen.73 Simon Wiesenthals Täterdarstellungen gehören eindeutig zur zweiten Kategorie, da er deren Gesichter häufig zu Fratzen verfremdet, so in den Bildern »Das Regime«, »Der Lagerarzt«, »Die SS-Männer«, »Arbeitskommando«, »Der Kriegsverbrecher«, »Das wahre Gesicht«, »Die Symphonie« und die »Die SS-Männer«. Eine weitere Variation der symbolischen Täterdarstellung ist das Gesicht als Maske, hinter der sich der Tod verbirgt.74 Eine frühe und einflussreiche Fassung

dieses Themas zeigt John Heartfield bereits 1928 in seiner Fotomontage »Das Gesicht des Faschismus«, wo er den Kopf Mussolinis mit einem Totenkopf hinterlegt.75 Eine Variante dieses Vanitassymbols veröffentlichte Jacob Kjeldgaard, genannt Marinus, am 6.  März in der französischen Zeitschrift Marianne. Zu sehen ist ein von zwei Händen gehaltener Totenkopf, der mit Seitenscheitel und Bart die typischen Gesichtsattribute Hitlers aufweist (Abb. 37).76 Deutlicher als Maske konzipiert ist eine Karikatur aus der amerikanischen Wochenzeitschrift The Nation, die am 5.  April 1933 veröffentlicht wurde.77 Hier lauert hinter der Maske Hitlers der Tod, der mit seiner wie ein Hakenkreuz geformten Sense sein mörderisches Werk verrichtet (Abb. 38). Simon Wiesenthal greift nun diese Tradition des demaskierten Hitlers in einer eindrucksvollen Collage auf, die den Titel »Ohne Maske« trägt. Abgebildet ist ein Skelett in Uniform, das sich vor sein Gesicht eine Maske Adolf Hitlers hält (Wiesenthal Abb. 3). Das »wahre« Gesicht Hitlers ist also das des Todes, sein menschliches Antlitz folglich nur eine Verkleidung. Allerdings wählt Wiesenthal für die Darstellung der Maske keine Reproduktion eines lachenden Hitlers wie etwa im Bild »Das Bad« oder verfremdet seinen Kopf auch nicht wie in »Das Regime« zu einem grotesken Globus, sondern greift stattdessen auf ein eher nachdenklich wirkendes fotografisches Porträt Hitlers zurück (Abb.  34.).78 Möglicherweise wollte Wiesenthal klarstellen, dass sich hinter sämtlichen Porträts Hitlers, auch hinter solchen mit eher ernsthaften Gesichtsausdrücken, die eine vermeintliche Erhabenheit angesichts der Ereignisse anzeigen,79 stets nur der Tod lauert. Das Lagertor als Symbol Im Folgenden wenden wir uns der Darstellung des Lagertors zu, wobei v. a. das Tor der Hauptwache in Auschwitz-Birkenau als Ausgangspunkt einer Symbolisierung dient, die, wie ich zeigen möchte, ihren Abschluss in Wiesenthals Bild findet. Im Auschwitz-­ Skizzenbuch beispielsweise, das ja noch während der Lagerzeit entstand, ist die Hauptwache im Hintergrund der Selektionsszene zu sehen, wobei der Blick durch die Figurenanordnung perspektivisch auf das Simon Wiesenthal  |  185

Tor ausgerichtet ist (MM Abb. 7). So bilden die Personen im vorderen Teil des Bildes sowie die Figuren an den Rändern ein Dreieck, dessen Spitze genau auf das Torhaus hinweist. Damit wird das Gebäude zusammen mit dem dahinter liegenden, hier nicht zu sehenden Lager, als Ziel der Selektion gedeutet. Gleichwohl ist das Gebäude immer noch faktisches, wenn auch stilisiertes Abbild des historischen Ortes, da es den realen Bauzustand vor der Erweiterung Ende 1943 wiedergibt. Dagegen löst sich in Alfred Kantors Bild, das er im Sommer 1945 im DP  Camp Deggendorf zeichnete, die Darstellung des Tores zunehmend vom Ort (Abb.  39). Das Gebäude ist nun als alleiniges Bildmotiv zentral in der Mitte platziert. Zwei Gleise führen durch den hier im Vergleich zu den beiden Seitenflügeln stark vergrößerten Wachturm, über dessen Toröffnung die eigentlich vom Lagertor des Stammlagers Auschwitz stammende Inschrift »Arbeit macht frei« zu lesen ist.80 Außerdem sind als »typische« Lagerarchitektur noch Stacheldrahtzäune und Schornsteine, Baracken und Strommasten zu erkennen. Die Szene selbst ist menschenleer, ohne Hinweise auf die tatsächliche Funktion des Gebäudes oder auf den genauen Ort. Durch die Bildkomposition, aber auch durch Alfred Kantors mehrsprachige Bildunterschrift »Birkenau (Auschwitz II) Main Entrance« bzw. »Birkenau Einfahrtsturm« sowie die Platzierung von Schornstein, Strommasten und Baracken hinter dem Stacheldrahtzaun wird dem Betrachter suggeriert, er würde von außen in das Lager hineinsehen. Tatsächlich fächert sich die Gleisanlage erst im Inneren des Lagers auf, während außerhalb lediglich ein eingleisiger Schienenstrang als Nebengleis des Güterbahnhofs nach Birkenau führte. Durch diesen »kontrafaktischen Perspektivwechsel«81 wird das Tor nun als Sammelpunkt der scheinbar von überall her kommenden Eisenbahnschienen und letztlich als tödlicher Endpunkt der zahllosen Deportationen gedeutet. Die Symbolik dieses Perspektivwechsels war (und ist) offenbar so anschaulich, dass er sich nach Kriegsende nicht nur bei den ehemaligen Häftlingen wie bei Thomas Geve, sondern auch in der Fotografie und im Comic etablierte und bis heute in der Bildpublizistik eingesetzt wird.82 186  |  Narrative Bildserien in der Nachkriegszeit

Auch Simon Wiesenthal verwendet im Bild »Die Transporte« das Sinnbild des mehrgleisigen Schienennetzes, das auf den Eingang des Lagers zuläuft. Zu sehen ist in der Bildmitte ein Totenkopf mit SS-Dienstmütze, der mit seinen knochigen Händen die Menschen in den endlos erscheinenden Eisenbahnzügen gierig in sich hinein schaufelt (Wiesenthal Abb. 4). Im Hintergrund sind vor dunklen Wolken eine schwarze Fahne mit SS-Runen und eine Mauer mit Stacheldraht abgebildet. Anders als beim Auschwitz-Skizzenbuch und bei Alfred Kantor ist seine Darstellung nun vollständig losgelöst vom historischen Ort. So ersetzt im Vergleich zu den vorherigen Werken das Symbol des Totenschädels das Lagertor von Birkenau und die zuvor wahrnehmbare Lagerarchitektur aus Stacheldrahtzaun und Stromleitungen, Häftlingsbaracken und Hauptwache wird auf die Abbildung einer Mauer mit Stacheldraht reduziert. Das Symbol des gefräßigen Riesenkopfes, das hier als Sinnbild dient für die alles verschlingenden nationalsozialistischen Lager, ist nicht neu, sondern wurde schon früher – allerdings in ganz anderen Zusammenhängen – verwendet. Zu nennen ist die Karikatur »Gate To Stalingrad« von Daniel Fitzpatrick (1891–1969), die am 25. November 1942 im St. Louis Post-Dispatch veröffentlicht wurde (Abb.  400).83 Allerdings sind dort keine Deportationen abgebildet, sondern deutsche Wehrmachtssoldaten marschieren als symbolischer Ausdruck der verheerenden Niederlage von Stalingrad zu Fuß und mit einer Hakenkreuzfahne in den aufgesperrten Rachen eines Totenschädels. Die Verbindung von gefräßigem Kopf und Eisenbahnen ist noch deutlicher in der Karikatur »Design for a Union Station« von Luther Daniels Bradley (1853–1917) zu erkennen, die, am 18. Oktober 1907 in der Chicago Daily News publiziert, die skrupellose Einkaufspolitik des amerikanischen Eisenbahnunternehmers Edward Henry Harriman aufs Korn nimmt (Abb.  41).84 Harriman erscheint hier als ein nimmersatter Riesenkopf, der sich die verschiedenen Eisenbahnlinien seiner Konkurrenten einverleibt. Anders als in Bradleys Darstellung fahren bei Wiesenthal allerdings keine leeren Eisenbahnzüge in ihr Verderben, sondern der Schwer-

punkt liegt auf dem Schicksal der Menschen, die eingepfercht in offene Güterwaggons und bewacht von bewaffneten Soldaten in den Tod fahren. Die Untersuchung über die Symbolisierung in Simon Wiesenthals Arbeit hat beispielhaft gezeigt, wie sehr sich die Bildsprache der Nachkriegswerke von den Ausdrucksformen der Lagerarbeiten unterscheidet. Statt einer meist deskriptiven Beschreibung tauchen nun verstärkt Symbole auf, die bestimmte Aspekte aus der Lagerzeit nun aus dem historischen Kontext herausnehmen und zu allgemein verständlichen Symbolen zusammenfassen. Dabei greift Wiesenthal auf verschiedene Bildtraditionen zurück, die bereits in der Vorkriegszeit verwendet wurden, und fügt ihnen neue Bedeutungsebenen hinzu. Als Besonderheit von Wiesenthals Werk kann außerdem das verwendete Medium der Fotokarikatur genannt werden, die starke Anleihen bei der Fotomontage eines John Heartfields macht, dennoch inhaltlich durch die Verwendung von Themen aus dem Konzentrationslager eine Ausnahme nicht nur unter den Bildwerken ehemaliger Häftlinge darstellt. 6.3 Zsuzsa Merényi  : Von der Verfolgung bis zur Rückkehr. Die Gefangenschaft als chronologische Erzählung

Nach der Befreiung bei Tröbitz im April 1945 nahm Zsuzsa Merényi erhebliche Eingriffe an den in Bergen-Belsen entstandenen Zeichnungen vor. Da die kleinformatigen Bilder, die Merényi mit Tintenbleistift auf den Seiten eines ungarischen Taschenkalenders zeichnete, ins Wasser fielen, fügte sie unmittelbar nach der Befreiung die brauchbaren Zeichnungen mit braunen Klebestreifen in ein leeres Schulheft, das sie in den Räumen einer deutschen Schule fand. Zusätzlich hat sie einige der verlorengegangenen Szenen aus Bergen-Belsen im Schulheft noch einmal neu gezeichnet sowie etliche der Bildtexte ergänzt oder neu geschrieben. Kurze Zeit später benutzte Zsuzsa Merényi auch Buntstifte, sodass die meisten der Bilder, die ihren Rückweg nach Budapest thematisieren, farbig gestaltet sind. Zu einem späteren Zeitpunkt zeichnete sie einige der

Bilder nach.85 Zsuzsa Merényi nahm aber nicht nur Eingriffe in die Materialität ihrer Bilder vor, sondern gab den ursprünglichen Zeichnungen aus Bergen-Belsen durch die Einsortierung in das Schulheft eine neue narrative Struktur, die sie mit den nach der Befreiung entstandenen Bildern verband. Wie diese Neustrukturierung aussieht, soll nun am Beispiel der Arbeit Merényis näher erläutert werden. Betrachten wir nun zunächst die ersten Seiten, die sich der Verhaftung Merényis, ihrer Deportation nach Bergen-Belsen und den Ereignissen im »Ungarnlager« widmen. Da diese Seiten bereits in Kapitel  4.5.2 ausführlich besprochen wurden, kann hier auf eine erneute inhaltliche Zusammenfassung verzichtet werden. Zsuzsa Merényi gliedert diese Ereignisse nach den Monaten der Deportation und Gefangenschaft, die von Dezember 1944 bis März 1945 dauerte. So ist oben rechts auf der Heftseite 1 das ungarische »DECEMBER«, auf S.  11 »JANUÁR«, auf S.  15 »FEBRUÀR« und auf S.  16 »MÁRCIUS« zu lesen (Merényi Abb.  2, 12, 16 und 17). Durch die Platzierung der Monatsnamen oben auf der Seite und durch den doppelten Unterstrich wird die Wichtigkeit dieser Einteilungen betont. Die Monate dienen hier also als eine Art Kapitelüberschriften, hinter denen sich die die jeweils dazugehörigen Bilder sortieren. Die Seiten  21 bis 31 zeigen nun die autobiografischen Erlebnisse Zsuzsa Merényis, die sie bei der Abfahrt und der Befreiung des sogenannten »Verlorenen Zuges« in Tröbitz, der beschwerlichen Weiterreise und in Spremberg nahe der polnischen Grenze erlebte.86 Da bislang von diesem Teil des Werkes noch nicht die Rede war, soll an dieser Stelle neben der narrativen Struktur auch etwas ausführlicher auf den Inhalt eingegangen werden.87 So sind auf der S. 21 Ereignisse des Abtransports aus Bergen-Belsen und der Zugfahrt zu sehen, etwa wie die Häftlinge zunächst die Leichen aus den Waggons ausladen mussten, bevor sie selbst hineinklettern, die Verwunderung darüber, dass die Lokomotive mit den Wachen verschwunden war sowie schlafende Mitgefangene im überfüllten Abteil (Merényi 22, Bilder 3, 5 und 7). Als Überschrift dienen sowohl die noch aus der Lagerzeit übliche Zeitangabe »ÁPRILIS« Zsuzsa Merényi  |  187

als auch die mit gewelltem Unterstrich versehenen Worte »ÚJRA UTAZUNK« [Wir reisen wieder], die bereits auf das Verlassen des Ortes Bergen-Belsen hinweisen. Auf der S.  22 ist statt des Monats nun am oberen Bildrand der Ort der Befreiung, nämlich »TRÖBITZ« angegeben, wobei das Wort diesmal mit zwei gewellten Unterstrichen besonders betont wird (Merényi Abb.  9). Hier und auf der nächsten Seite sind u. a. Häftlinge zu sehen, die zu Fuß, mit Pferdewagen und Fahrrädern sich aus dem nahegelegenen Tröbitz mit Lebensmitteln und Kleidern versorgen (Merényi Abb.  9, Bilder  1–2 und 4–5). Daneben zeigt Merényi das Eintreffen der ersten russischen Soldaten (Merényi Abb.  9, Bild  3), das Chaos bei den Plünderungen in Tröbitz (Merényi Abb.  24, Bild  3) oder den Streit bei der Verteilung der Nahrungsmittel (Merényis Schulheft, S. 23, Bilder 4–5). Die S. 24 dagegen bildet die Situation der Einquartierungen in Tröbitz ab, etwa im Haus der Wirsings, einem älteren deutschen Ehepaar, das den Merényi-Schwestern eine Zeit lang Unterkunft bot (Merényis Schulheft, S.  24, Bilder  1–3). Nachdem das Ehepaar von den Grausamkeiten in den Lagern erfuhr, nahm die Frau ein unter der Kommode verstecktes Hitlerporträt und verbrannte es im Kachelofen (Merényis Schulheft, S.  24, Bilder  4–5). Auf den nächsten Seiten befinden sich Zsuzsa Merényi und ihre Gruppe auf einer beschwerlichen Reise, die sie mit viel Gepäck durch Regen, über Flüsse und durch zerstörte Dörfer führt (Merényis Schulheft, S. 25, Bilder 1, 3, 5 und Abb. 27, Bild 4). Ähnlich der Überschrift auf S.  21 (Merényi Abb.  8) wird auch hier das Weiterkommen durch eine kommentierte Zeitangabe, diesmal das ebenfalls zweifach wellig unterstrichene »MÁJUS« für den Monat Mai und die Worte »A GYALOG ÚT« [Die Reise zu Fuß] angekündigt. In der Mitte der S. 26 signalisiert das doppelt unterstrichende Wort »Spremberg« nun einen neuen narrativen Abschnitt (Merényi Abb. 10). Hier bildet Merényi nun die Ereignisse in Spremberg ab, einer Kleinstadt nahe der heutigen polnischen Grenze, in der neben den ehemaligen KZ-Häftlingen auch frühere italienische, tschechische, englische, französische und jugoslawische Kriegsgefangene unter188  |  Narrative Bildserien in der Nachkriegszeit

gebracht wurden.88 Die Bilder zeigen verschiedene Erlebnisse, darunter die Verhaftung eines Mithäftlings durch russische Soldaten (Merényi Abb.  10, Bild 8), die Freude der Einwohner über das Kriegsende (Merényis Schulheft, S. 27, Bilder 3 und 4), das Nähen von Kleidern aus den Vorhängen einer Schule oder ein Selbstporträt der an Typhus erkrankten Zeichnerin, an deren Bett ein jugoslawischer Partisan saß (Merényis Schulheft, S. 28, Bilder 1 bzw. 3). Andere Szenen präsentieren ein Fest der ehemaligen italienischen Kriegsgefangenen (Merényis Schulheft, S.  28, Bild  5) sowie den russischen Friedhof in Spremberg, auf den Zsuzsa Merényi und ihre Schwester Lea öfters zum Lesen hingingen. (Merényis Schulheft, S. 29, Bilder 1–2). Die letzten Seiten (Merényis Schulheft, S.  29–31) sind teilweise nur als Bleistiftzeichnungen ausgeführt oder enthalten bis auf die Beschriftungen und Rahmen überhaupt keine Darstellungen mehr. Gezeigt werden u. a. ein schwer beladener Handkarren (Merényis Schulheft, S.  31, Bild  3) oder eine Abschiedsszene mit winkendem Taschentuch an der deutsch-technischen Grenze (Merényis Schulheft, S. 31, Bild 4), was auf die Weiterreise der in Spremberg einquartierten ehemaligen Lagerinsassen hinweist. Zsuzsa Merényis Werk endet mit einem bildlosen Rahmen, wobei die Inschrift »A vonatban« [Im Zug] auf die Fahrt der Heimkehrer mit der Eisenbahn anspielt (Merényi Abb. 8, Bild 6).89 Wie ist nun die narrative Ordnung des Schulhefts zu interpretieren und welche Rolle spielt dabei der Wechsel von den Lagerbildern zu den Szenen der Befreiung und Rückkehr nach Budapest  ? Bemerkenswert ist zunächst, dass die Zeichnungen der ersten 20  Seiten, die die Gefangenschaft in Bergen-Belsen thematisieren, ausschließlich nach Monaten sortiert sind. Hier spielt also die Zeit als strukturgebende Anordnung der Lagerdarstellungen eine wichtige Rolle. Welche Bedeutung die Zeit im Alltag der Häftlinge hatte, macht Ladislaus Löb deutlich, der ebenfalls im »Ungarnlager« inhaftiert war. Für ihn wie auch für viele andere war neben den schlechten Lebensbedingungen auch die zeitliche Ungewissheit, das Warten auf die Befreiung, eine enorme Belastung, v. a. nachdem die erste Gruppe

der 318 Personen in die Schweiz ausreisen konnten.90 Auch Merényi selbst spricht davon, wie sehr die zeitliche Unbeständigkeit v. a. bei der Nahrungsverteilung den Häftlingen das Leben schwer machte. Das Schlimme war die Unregelmäßigkeit. Also, es konnte vorkommen, dass morgens dieser Kaffee [ausgeteilt wurde], gleich danach die Suppe und das Brot und dann anderthalb Tage nichts. Und hungrige Leute teilen nicht ein.91 Indem Merényi nun ihre Bilder aus und über Bergen-Belsen retrospektiv in bestimmte Zeiträume sortierte, gibt sie ihrer Erinnerung nachträglich eine feste zeitliche Struktur, eine messbare Dauer also, die im Gegensatz zur unstet empfundenen Zeit des Lageraufenthalts steht. Im Gegensatz dazu sind die Bilder der Befreiung und der Rückkehr abwechselnd nach Zeiten und Orten gegliedert. Dabei fällt auf, dass die Seiten über die Erlebnisse im Zug (Merényis Schulheft, S.  21) oder auf dem Fußmarsch (Merényis Schulheft, S.  25–26) mit Monatsnamen versehen sind, während die Szenen über den Aufenthalt in Tröbitz (Merényis Schulheft, S. 22–24) und Spremberg (Merényis Schulheft, S.  25-31) die entsprechenden Ortsnamen aufweisen. Zsuzsa Merényi stellt beim Reisen also die Zeit in den Vordergrund, was einerseits ein Hinweis auf die lange Dauer der Reise ist, andererseits die Wichtigkeit einer schnellen Rückkehr nach Ungarn betont, um mehr über das Schicksal der Mutter und des Bruders zu erfahren.92 Hingegen rückt bei der Bezeichnung nach Orten weniger die Zeit als der Raum und die mit ihm verknüpften Ereignisse in den Fokus. Dieser Wechsel der narrativen Struktur wird auf der visuellen Ebene durch eine Veränderung der Bildfarben begleitet. Während die Darstellungen über das »Ungarnlager« – auch die nachträglich eingefügten wie z. B. unten auf der S. 10 – durchweg in Grau oder Blau gehalten sind – gestaltetet Merényi die meisten Zeichnungen ab S. 21 in bunten Farbtönen. Die Buntstiftzeichnungen sind nicht nur Ausdruck der veränderten Bedingungen, an geeignetes Material zu kommen, sondern auch als bewusster Kontrast zu den grauen Bildern aus der Lagerzeit

zu sehen. Die Farbe ist zugleich eine künstlerische Entscheidung, die den Neubeginn, die Hoffnung auf eine Rückkehr zur Normalität symbolisiert. Zusätzlich tritt auch in der Struktur des Seitenlayouts ein erkennbarer Wechsel ein. Sind die Seiten über Bergen-Belsen durch die Kombination von eingefügten Zeichnungen, neu entstandenen Bildern und braune Klebestreifen häufig sehr unruhig (z. B. Merényi Abb.  6, 7 und Merényis Schulheft, S.  13), besitzen die Seiten nach der Befreiung meist einen regelmäßigen drei- bis vierzeiligen Seitenauf bau (z. B. Merényis Schulheft, S. 24–26). Die Zweiteilung des Werkes in die Bilder der Gefangenschaft und Bilder der Rückkehr wird allerdings durch verschiedene übergeordnete Elemente teilweise wieder aufgehoben. Eine eher chronologische Erzählung wird durch das Medium des gebundenen Heftes und durch die durchgängige Seitennummerierung unterstützt. Aber auch die Zeitangabe »1944 dec.  4.-1945 jun.  29.« auf dem Titelblatt, die dem Betrachter eine zusammenhängende Erzählung über fast sieben Monate suggeriert, sowie die beigefügte Inhaltsangabe, die sämtliche Titel der einzelnen Bilder bis einschließlich S. 24, Bild 3 aneinanderreiht, betonen den chronologischen Auf bau der Arbeit.93 Schließlich lassen sich logisch-kausale und zeitliche Kontinuitäten teilweise auch innerhalb der Zeit- und Ortseinteilungen von Bild zu Bild feststellen, etwa wenn auf das Verladen der deportierten Menschen der Blick ins volle Waggoninnere (Merényis Schulheft, S.  2, Bilder  1–2) folgt, die Rotekreuzpakte verteilt werden (Merényi Abb.  8, Bilder  1–4) oder auf der Heimkehr nach Budapest der mitgeführte Handkarren (Merényis Schulheft, S.  26, Bild  1) in der übernächsten Zeichnung (Merényis Schulheft, S. 26, Bild 3) in die Brüche gegangen ist. Wesentlich häufiger kommen allerdings achronische Strukturen vor, wie sie sich zum Teil schon in den ursprünglichen Blättern des ungarischen Taschenkalenders ergeben haben (siehe Kapitel 5.4.3). So stehen viele der meist autobiografischen Szenen narrativ kaum verbunden nebeneinander. So z. B. auf der S. 28 (Merényi Abb. 10), wo so unterschiedliche Ereignisse wie das Nähen von Röcken und Kleidern, der Erhalt von Kinderbekleidung, die kranke Zsuzsa Merényi, ihre Zsuzsa Merényi  |  189

Schwester Lea auf der Toilette sowie das Fest der italienischen Kriegsgefangenen festgehalten werden. Zwar lassen sich diese Bilder noch unter das »Kapitel« Spremberg einordnen, doch zwischen den einzelnen Szenen ist nur schwer eine Chronologie herzustellen. Gleichwohl völlig unmöglich ist dies nicht, denn die Positionen der einzelnen Darstellungen auf der Seite sowie die Größe der Rahmen ergeben eine mögliche Erzählung. So kann der Betrachter die vier kleineren Bilder oben auf der Seite als die eventuell simultan stattfindenden Ereignisse eines bestimmten Tages sehen, der dann am Abend in der untergehenden Sonne seinen Abschluss findet. Merényis Werk ist nicht die einzige Bildfolge, die aus der zeitlichen Retrospektive die Erinnerungen an die Lagerereignisse in eine mehr oder weniger chronologische Ordnung bringt. Auch in vielen anderen kurz nach der Befreiung entstandenen Bildserien – neben den Werken Thomas Geves und Kalman Landaus z. B. auch die Arbeiten von Alfred Kantor, Ella Liebermann-Shiber und Violette Lecoq – wird eine übergeordnete chronologische Gesamtstruktur verwendet.94 Hier gehören im Wesentlichen die Deportation, die Einlieferung ins Konzentrationslager, verschiedene Lagerszenen und die Befreiung zum konstitutiven Kern einer visuellen Lagererzählung. So präsentieren manche Werke erst eine längere (z. B. Ella Liebermann-Shiber) oder kurze Vorgeschichte (Kantor) der zunehmenden Verfolgung, andere Arbeiten setzen erst mit der Deportation (Landau) bzw. der Einlieferungsprozedur im Lager (Lecoq) ein oder benutzen symbolträchtige Bilder als Beginn (Thomas Geve). Als übergreifendes chronologisches Gerüst dienen mehr oder weniger deutliche Einteilungen, meist schriftliche Ortsangaben, die den verschiedenen Stationen der Lagerbiografie entsprechen. Beispielsweise hat Alfred Kantor sein Werk chronologisch nach den Orten seiner Inhaftierung (Theresienstadt, Auschwitz und Schwarzheide) in einzelne Kapitel aufgeteilt. Die Kapitelanfänge sind zusätzlich durch symbolisierende Darstellungen akzentuiert. Ferner wird die Chronologie zwischen den einzelnen Bildern durch die aufsteigende Nummerierung oder schriftliche Zeitindikatoren angezeigt, etwa Datumsangaben oder Erzählerkommentare wie 190  |  Narrative Bildserien in der Nachkriegszeit

»Immediately after arrival« oder »The Death March begins«.95 Viele achronische Sequenzen v. a. innerhalb der jeweiligen Lagereinteilungen machen aber auch hier wie in den anderen Arbeiten die Grenzen der Narration deutlich. Das Ende setzt in den Nachkriegswerken meist einen deutlichen Schlusspunkt unter die Geschichten, entweder in Form der Abfahrt aus dem befreiten Buchenwald (Geve Abb. 6), der Ankunft in der Schweiz (Landau)96, eines symbolischen Grabsteins für die ermordeten 6  Millionen Juden (Liebermann-­Shiber)97, des flammenspeienden Krematoriumsschorn­steins (Lecoq)98 oder als sprichwörtliches »Happy End«, das den ehemaligen Häftling noch in KZ-­K leidung zurück im Leben zeigt (Abb. 42).99 Merényis Arbeit besitzt in gewisser Weise ähnliche chronologische Strukturen wie die beispielhaft vorgestellten anderen Werke. Gleichwohl sticht ihre Arbeit durch die Kombination aus Lagerbildern und Nachkriegszeichnungen und durch die Zweiteilung des Werkes (verursacht durch die Änderungen in der Narration und Farbgebung) deutlich heraus. Ebenso sind die umfangreiche Darstellung der Befreiung und der unmittelbaren Nachkriegsgeschichte sowie die Unvollständigkeit der Arbeit eher ungewöhnlich. Warum Zsuzsa Merényi ihre Bildfolge nicht mehr beendete, ist nicht bekannt.100 Vielleicht war ihr im Nachhinein die Darstellung der Gefangenschaft im »Ungarnlager« von Bergen-Belsen wichtiger als die vollständige Dokumentation der Rückreise. Vielleicht hatte aber auch die Nachricht über den Tod ihrer Mutter sie an der Weiterarbeit gehindert, zumal Merényi ihr die Bilder ursprünglich als Zeugnis über die Zeit in Bergen-Belsen schenken wollte. Anmerkungen 1 Angesichts der mangelhaften Forschungslage zu den Bildserien der Nachkriegszeit sind weitere Untersuchungen wünschenswert. Einen allgemeinen Überblick bieten Robert Weiner und Lynne Fallwell, wobei ihr Fokus auf den Comics liegt und die Werke der Lagerhäftlinge  – bis auf Horst Rosenthals Arbeit »Mickey au Camp de Gurs«  – übergeht. Vgl. Weiner /Fallwell 2011. Erste Untersuchungen zu den Bildserien und ihren Veränderungen nach 1945 bietet mein eigener Beitrag  : Wendland 2011.

2 Der Name ist ein Pseudonym, das sich Thomas Geve bei der Veröffentlichung seiner Erinnerungsberichte zugelegt hat. 3 Vgl. die Biografie im Anhang. 4 Geve 1997, 10. 5 Vgl. dazu im Folgenden v. a. die erste umfassende Darstellung der »Buchenwald-Aktion« von Madeleine Lerf in  : Lerf 2010. Weitere Veröffentlichungen sind meist autobiografischer Natur, darunter eine von Rainer Horbelt vorbereitete Publikation, die aus den Erinnerungsalben von zwei früheren Mitarbeitern des Schweizer Roten Kreuzes zitiert (Horbelt 2005), dann ein Buch von Charlotte Weber über ihre Tätigkeit als Betreuerin während der Buchenwald-Aktion (Weber 1994) und die Autobiografie von Thomas Geve, der sich u. a. auch zu seinem Aufenthalt in den Schweizer Heimen äußert (Geve 2000a, v. a. 19–36). 6 Lerf 2010 45–48, 413–416. 7 In der Literatur ist häufig von den »Buchenwaldkindern« die Rede, eine Bezeichnung, die hier und im Folgenden allerdings in Anführungszeichen gesetzt wird, da es sich in fast allen Fällen nicht um Kinder, sondern um junge Erwachsene handelte. Zur Problematik der Bezeichnung vgl. auch ebd., 26, zum Alter vgl. ebd., 104–108. 8 Warum Thomas Geve den Umweg über das Quarantänelager Gurnigel-Bad machte, bevor er ins Heim Felsenegg gelangte, ist aus der Literatur nicht ersichtlich. Geve selbst vermutet, dass sein schlechter Gesundheitszustand eine Rolle spielte (vgl. Geve 2000a, 28). Auch das Datum seiner Ankunft im Heim Felsenegg ist unklar, weil Geve in seinen Erinnerungen kein Datum nennt. Charlotte Weber bezeichnet den 14. oder 15. Juli als den Tag der Ankunft der Jugendlichen (Weber 1994, 187), während Alfred Ledermann dagegen den 25.  Juli nennt (nach Horbelt 2005, 155). Lerf dagegen erwähnt kein genaues Datum, schreibt nur ungenau nach »Ablauf der Quarantäne« erfolgte der Umzug der (männlichen) Jugendlichen ins Heim auf dem Zugerberg (vgl. Lerf 2010, 150). Frühestens ab dem 14. Juli 1945 wird also Thomas Geve auf den Zugerberg gekommen sein. 9 Vgl. Geve 1997. 10 Vgl. Holm 2005, 15–19. 11 Ebd., 16. 12 Ebd. 13 Vgl. R ahe 1993, 31–32, R ahe 2009, 162, 165 und Stiftung Niedersächsische Gedenkstätten 2014, 12–49. Eine Grafikfolge aus der Schweiz befindet sich im Archiv der Gedenkstätte Bergen-Belsen. Alle Grafiken sind abgebildet in  : Stiftung Niedersächsische Gedenkstätten 2014, 16, 21, 25, 27, 31, 35, 39, 43 und 49. 14 Vgl. Stiftung Niedersächsische Gedenkstätten 2014, 13. 15 Holm 2005, 18. 16 Geve 2000a, 24. 17 Informationen zu den Zeichnungen der Jugendlichen und den Reaktionen der Betreuer vgl. v. a. in  : Horbelt, Kinder, weniger umfangreich auch in  : Weber 1994, 222–231, Knigge V 1997, 12–18, Geve 2000a, 23–24 und Lerf 2010, 176–179. Ergänzende Informationen zur Entstehung seiner Bildfolge lieferten die Interviews mit Thomas Geve, die der Verfasser März 2006 in Chemnitz, Mai 2007 in St. Augustin und Bonn sowie März 2008 in Haifa, Israel geführt hat (vgl. Geve 2006–2008). Auf-

grund der Kürze des Kapitels und des Fokus dieser Arbeit auf den Bildserien aus der Lagerzeit habe ich auf eine weiterführende Quellenrecherche in den Schweizer Archiven verzichtet. Allgemein zur Quellensituation der »Buchenwaldaktion« vgl. Lerf 2010, 18–20. 18 Geve 2000a, 24. 19 Vgl. die Interviews des Verfassers mit Thomas Geve (Geve 2006–2008). 20 Da es mir während meiner Archivreise im März 2008 trotz der Erlaubnis von Thomas Geve leider nicht gestattet war, die Originalzeichnungen in den Sammlungen von Yad Vashem einzusehen, stammen die folgenden Angaben von Niv Goldberg, dem Leiter der Kunstsammlungen in Yad Vashem. Nach seiner Ansicht und in Rücksprache mit Thomas Geve weisen 14 der insgesamt 79 überlieferten Bilder gelbliches Papier auf und sind in den Schweizer Heimen angefertigt worden, während die übrigen Bilder auf blauem Papier aus Buchenwald stammen. Die 14 Schweizer Bilder sind in Geves Buch »Es gibt hier keine Kinder« unter der folgenden Nummerierung zu finden  : 1, 6, 19, 20, 21, 22, 23, 24, 25, 26, 27, 52, 64 und 70. Vgl. Mitteilung von Niv Goldberg an den Verfasser vom 14. Juli 2008. 21 Hier ist also Horbelt zu widersprechen, nach dessen Auffassung Geves Bilder aus nicht näher erwähnten Gründen zwischen dem 26. Mai und 5. Juni 1945 in Buchenwald entstanden sein sollen (Horbelt 2005, 57). Aber auch Volkhard Knigges Anmerkung, Geve habe seine Zeichenarbeit in Zugerberg »noch einmal von vorn begonnen« und am 7. Juli auch dort beendet (vgl. Knigge V 1997, 15, 18), trifft aufgrund der oben genannten Mitteilung von Niv Goldberg nicht zu, zumal Geve frühestens ab dem 14. Juli 1945 in Zugerberg eintraf. Vgl. dazu Kapitel 6, Fußnote 8. 22 Vgl. die Interviews des Verfassers mit Thomas Geve (Geve 2006–2008). Zahlreiche Bilder publiziert in  : Horbelt 2005, in geringerem Umfang auch in  : Lerf 2010, 177–178 und Weber 1994, 224–231. Die Bilder befinden sich heute im Archiv für Zeitgeschichte, Zürich, in den Nachlässen der ehemaligen Betreuer Alfred Ledermann und Charlotte Weber. 23 Kalman Landau, geb. am 10. April 1928 im polnischen Nivoko im Landkreis Będzin, wurde am 19.  Mai 1943 in Modrzejów verhaftet, kam zunächst ins Arbeitslager Blechhammer, dann am 1.  April 1944 nach Auschwitz, wo er die Häftlingsnummer 177887 erhielt. Später wurde er nach Groß-Rosen und am 10. Februar 1945 nach Buchenwald deportiert. Im Zuge der »Buchenwald-­A ktion« gelangte er in die Schweiz, wo er u. a. im Heim auf dem Zugerberg auf Thomas Geve traf. Im Juni 1949 reiste Kalman Landau nach Israel aus. Biografische Angaben aus   : Archiv des Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau, Polen (APMO), Häftlingspersonalbogen Kalman Landau, D-­ AuI-­2/3114, Inv.-Nr.  3174  ; Mitteilung von Szymon Kowalski, Leiter des Archivs an den Verfasser vom 22. November 2012. 24 Vgl. die Interviews des Verfassers mit Thomas Geve (Geve 2006–2008). 25 Weber 1946. Nach Angaben des Archivs für Zeitgeschichte in Zürich ist der Verbleib der Originale unbekannt. 26 »Apell [sic] bis in die Nacht« und »Es stimmt nicht« bei Thomas Geve und »Appell bis spät in der Nacht« und »Es stimt [sic] nicht« bei Landau.

Anmerkungen  |  191

27 Vgl. die Interviews des Verfassers mit Thomas Geve (Geve 2006–2008). 28 Stargardt 2006b, 424. 29 Vgl. die Interviews des Verfassers mit Thomas Geve (Geve 2006–2008). Vgl. auch Stargardt 2006a, 35. 30 Zu Alfred Ledermann vgl. Lerf 2010, 128. 31 Archiv für Zeitgeschichte Zürich (AfZ), Schweiz, NL Alfred Ledermann, Erinnerungsalbum, zitiert nach Horbelt 2005, 140. 32 So wurde etwa für Zugerberg niemand offiziell als Lehrer angestellt. Vgl. Lerf 2010, 302. Zur Organisation des Schulunterrichts in den Heimen, den Schwierigkeiten, aber auch der Begeisterung der Schüler siehe ebd., 301–307. 33 AfZ, NL Ledermann, Erinnerungsalbum. Zitiert nach Horbelt 2005, 147. Auszüge von einigen dieser Aufsätze in  : ebd., 147–154. 34 Weber 1994, 222. 35 Vgl. ebd., 223. 36 Diese Kopien sind in den Erinnerungsalben von Liselotte Walz, Yad Vashem Art Museum  ; Eli Ledermann, AfZ, NL Alfred Ledermann und Harro Däniker, Afz NL Harro Däniker zu finden. Eli Forrer stammte aus dem schweizerischen Flawil und absolvierte im Januar 1945 mit 26 Jahren einen dreimonatigen »Schulungskurs für fürsorgliche Hilfskräfte in der Nachkriegszeit«, danach ein zweimonatiges Praktikum in einem jüdischen Kinderheim. Den gleichen Kurs belegte auch die 23-jährige Liselotte Walz, die aus Baden im Kanton Aargau kam. Informationen dazu in  : Lerf 2010, 128. Zu Walz vgl. Knigge V 1997, 12–13. 37 Das Erinnerungsalbum von Liselotte Walz hat keine eigene Signatur, sondern ist den Zeichnungen Geves (Sign. 2489/1 bis 79) beigefügt. 38 Publiziert in  : Horbelt 2005. Die Kopien sind über das ganze Buch verteilt. Zwei Bilder zeigen dabei verlorengegangene Szenen, die nicht im Original in Yad Vashem auf bewahrt werden und auch nicht in Geves 1997 veröffentlichtem Buch »Es gibt hier keine Kinder« auftauchen. Abbildungen in ebd., 56, 57. Eine davon ist hier veröffentlicht, siehe Geve Abb. 1. 39 Aus Alfred Ledermanns Bericht, zitiert nach  : ebd., 135. 40 Maschinengeschriebener Praktikumsbericht von Liselotte Walz, zitiert nach Knigge V 1997, 17–18. 41 So wurden sowohl der vielfach kritisierte Heimleiter von Zugerberg, Jakob Schlegel, als auch Charlotte Weber entlassen, was im letzteren Fall später aber wieder zurückgenommen wurde. Zu den Problemen und Konflikten vgl. Lerf 2010, 154–168. 42 Vgl. ebd., 163. 43 Dazu und im Folgenden vgl. Amishai-Maisels 1993, 123. 44 Ebd. 45 Ebd., 131–154. 46 Ebd., 155–242. 47 Ebd., 123–124 [kursiv im Original]. 48 Kretschmer 2009, 7. 49 Vgl. Amishai-Maisels 1993, 123. Erste Untersuchungen zum Wandel von der deskriptiven zur symbolischen Darstellungsweise in den Bildserien vgl. Wendland 2011, 155–164. 50 Vgl. Dewitz 2008, 11–12. 51 Zu den beiden genannten Künstlern vgl. Byskov/Dewitz 2008.

192  |  Narrative Bildserien in der Nachkriegszeit

52 Für die unmittelbare Nachkriegszeit sind mir lediglich die Fotomontagen bekannt, die 1945 im Album der Centralna Żydowska Komisja Historyczna w Polsce [Zentrale Jüdische Historische Kommission in Polen] zusammen mit anderen Fotografien über die Verfolgung und Ermordung der polnischen Juden veröffentlicht wurden. Laut Bildunterschriften stammen die darin enthaltenen Fotografien von den verfolgten Juden aus dem Ghetto in Łódź. Ob sie allerdings dort auch in die Form der Fotomontage gebracht wurden, bleibt unklar. Vgl. Jüdische Kommission 1945, z. B. Abb. 30 (S. 11), Abb. 109 (S. 40) und Abb. 246 (S. 102). 53 Wiesenthal 1946. Eine zweite, veränderte Ausgabe erschien 1995 im Deuticke-Verlag  : Wiesenthal 1995. 54 Wiesenthal 1946, o.S. 55 Und zwar zu den Titeln »Transporte …«, »Die SS-Männer«, »Der Galgen«, »Ständige Bedrohung« und »Welt, Gib Antwort  !«. Die fünf Original-Fotokarikaturen sowie die Metallklischees befinden sich in einer Privatsammlung in Israel. Ich danke ganz herzlich Pauline Kreisberg für diese Information. 56 Vgl. Shelliem 1995. 57 Vgl. Hoffmann H 1937, o.S. und Lent 1941, 55 bzw. 120. 58 Dieses Porträt findet sich in  : Hoffmann H 1937, o.S. und in  : Lent 1941, 99 und als Postkarte. Eine Reproduktion einer solchen Postkarte in  : Herz 1994, 280. 59 Vgl. R azac 2003. 60 Sofsky 2004, 70. 61 Zu den inneren Trennungen vgl. R azac 2003, 42–46. Vgl. dazu auch Sofsky 2004, 61–69. 62 R azac 2003, 57. 63 Zum Stacheldraht als Symbol vgl. Amishai-Maisels 1993, 131–134. 64 Vgl. Körner 2001. 65 Vgl. Freund/Perz 2006, 299. 66 Diese Binnenperspektive wird häufig in den Bildwerken der Lagerinsassen und Überlebenden verwendet, während etwa bei den Fotografien der Alliierten häufig eine Außenansicht vorherrscht, wo sich zwischen Betrachter und Häftling der Stacheldraht schiebt. Vgl. dazu Amishai-Maisels 1993, 16. 67 Vgl. ebd., 207–224. 68 Vgl. ebd., 207–208. 69 Einschränkend muss gesagt werden, dass dieser Gegensatz von »normalem« Aussehen und verbrecherischem Handeln nur für die männlichen Täter galt, da in der öffentlichen Wahrnehmung die NS-Täterinnen schon äußerlich von »normalen« Frauen unterschieden wurden. Vgl. dazu Br aun 2003, 250. 70 Zitiert nach  : Rudder 2003, 48. 71 Abgedruckt auf dem Umschlag des Buches »›Und sie bewegt sich doch  !‹. Freie deutsche Dichtung«, publiziert in London 1943. Abb. in  : Byskov/Dewitz 2008, 225. 72 Nach Amishai-Maisels »The Human Monster«, vgl. Amishai-Maisels 1993, 221–224. 73 Ebd., 221. 74 Vgl. Amishai-Maisels 1993, 211–215. 75 Abb. in  : Byskov/Dewitz 2008, 198. 76 Abb. in  : ebd., 199. 77 Abgebildet in  : Zeman 1984, 6. 78 Die Aufnahme entstand am 13. März 1938 auf dem Balkon des

Rathauses in Linz, wo Hitler im Rahmen des österreichischen »Anschlusses« an das Deutsche Reich eine Rede hielt, bevor er am Abend das »Gesetz über die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Reich« unterzeichnete. Zum »Anschluss« Österreichs und seiner fotopublizistischen Begleitung vgl. Herz 1994, 278– 289. 79 So schreibt Rudolf Herz zu diesem Bild  : »Hitlers ernstes, von der Bedeutung des geschichtlichen Augenblicks geprägtes Gesicht sollte in späteren Publikationen dann zum symbolischen Bild der ›Geburtsstunde des großdeutschen Reiches‹ werden und Anlass zu vielfältigen Projektionen geben.« ebd., Fußnote 21 (S. 363). Herz ist hier zuzustimmen, wenn er von den »vielfältigen Projektionen« des Linzer Hitlerporträts spricht, für die ja auch Wiesenthals Fotomontage ein Beleg ist. Ob sich in Hitlers ernstem Gesicht tatsächlich die »Bedeutung des geschichtlichen Augenblicks« zeigt, wie Herz meint, ist allerdings spekulativ. 80 Zum Tor und seiner Symbolik vgl. Rensinghoff 1998. 81 Hamann 2006, 291. 82 So zeichnete 1945 auch Thomas Geve mehrere Gleise, die durch das Tor ins Lager führen. Die Abb. ist publiziert in  : Geve 1997, 59. Zum Gebrauch in Fotografie und Comic mit Bildbeispielen vgl. Wrocklage 1998, 295–305. Zur aktuellen Verwendung z. B. in der Presse und der Karikatur vgl. Hamann 2006, 291– 293. 83 Abb. in  : Zeman 1984, 200. 84 Abb. in  : Amon Carter Museum 1975, 99. 85 Wann genau Zsuzsa Merényi die Bilder nachzeichnete, ist nicht bekannt. 86 Als der »Verlorene Zug« wird in der Literatur der dritte und letzte Abtransport von etwa 2.400 Häftlingen bezeichnet, der am 9. April 1945 den Lagerbahnhof bei Bergen-Belsen verließ und nach tagelanger Irrfahrt am 23.  April 1945 in der Nähe von Tröbitz von sowjetischen Truppen gefunden wurde. Mit Erlaubnis der Armee plünderten die verhungernden Häftlinge den Ort, erst nach einer Woche kehrte wieder Ruhe ein. Waren bereits während der Fahrt 198 Häftlinge gestorben, verloren in den nächsten Wochen weitere 320 Personen infolge einer Typhus-Epidemie ihr Leben, darunter auch 26 Tröbitzer, die sich angesteckt hatten. Vgl. dazu Arlt 1999, 5–6 und Wenck 2000, 370–371. Bei Erika Arlt existiert zudem eine Liste mit den mutmaßlich 550 Todesopfern des »verlorenen Transports«, vgl. dazu ebd., 17–39. 87 Zum Inhalt der Nachkriegszeichnungen vgl. auch AGB, AZB, Interview Merényi, Kassette 34 und Kassette 35 sowie Lőrinc L 2005, o.S. 88 Vgl. dazu auch ebd., o.S. 89 Vgl. dazu AGB, AZB, Interview Merényi, Kassette 35. 90 Vgl. Löb 2010, 129, 133–136. 91 AGB, AZB, Interview Merényi, Kassette 34. 92 Die Mutter starb bereits vor der Befreiung des Budapester Ghettos im Januar 1945 an Typhus, der Bruder Stefan erlag im KZ Buchenwald der gleichen Krankheit. 93 Ein maschinenschriftlicher Abdruck der handschriftlichen Titel befindet sich im Anschluss an Merényis Reproduktion ihres Werkes in  : Varnai 2005, o.S. 94 Zu den Arbeiten Lecoqs und Liebermann-Shibers vgl. Rougier-Lecoq 1975 sowie Liebermann-Shiber 1997.

95 K antor 1971a, 39, 114. 96 Abbildung in  : Weber 1946, Bild 12. 97 Liebermann-Shiber 1997, 191. 98 Rougier-Lecoq 1975, Abb. 36 (o.S.). 99 Abb. in  : K antor 1971a, 127. 100 Im Interview mit der Gedenkstätte Bergen-Belsen erwähnt Zsuzsa Merényi diesen Umstand nicht.

Anmerkungen  |  193

7. Zusammenfassung und Ausblick

Das vorrangige Ziel dieser Arbeit war die Untersuchung der narrativen Bildserien aus einer historischen, kunstwissenschaftlichen und narratologischen Perspektive. Im ersten Teil ging es um die Fragen nach den konkreten Produktionsbedingungen der jeweiligen Bildserie, mit welchem Material die Häftlinge arbeiteten und welche unterschiedlichen Funktionen die Bilder besaßen. Dazu war zunächst ein geschichtlicher Überblick über die verschiedenen Zwangslager erforderlich, da sich die Existenzbedingungen und damit auch die Möglichkeiten der Bildproduktion von Lager zu Lager ganz erheblich voneinander unterscheiden konnten. So machte es für die Häftlinge einen Unterschied, ob sie im französischen Internierungslager Gurs, im Ghetto Theresienstadt, im »Austauschlager« Bergen-­ Belsen, im Arbeitslager Schwarzheide oder im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz ihre Bildwerke produzierten. Ein deutliches Zeichen dieses Unterschieds ist zunächst im Material der Bildserien zu sehen, das sich etwa von den in mehreren Versionen überlieferten Aquarell- und Tuschearbeiten Kurt Loews und Karl Bodeks über die Tintenbleistiftbilder Zsuzsa Merényis bis hin zu den Bleistift- und Buntstiftzeichnungen des Auschwitz-Skizzenbuchs spannt. Gerade letztere Arbeit spiegelt mit den Beschädigungen, der unvollendet gebliebenen Skizze und der Verwendung einfacher Zeichenmaterialien die schwierigen Entstehungsmöglichkeiten in Auschwitz wider. Neben den Einflüssen des Ortes spielten auch die individuellen Produktionsbedingungen eine wichtige Rolle. So galten z. B. für Hilda Zadiková, die als ausgebildete Künstlerin im offiziellen Auftrag Bildwerke produzierte und dafür eigene Räumlichkeiten erhielt, andere Rahmenbedingungen als etwa für Helga Weissová, deren Handlungsspielräume als Jugendliche ohne offizielle Anweisung stärker eingeschränkt waren. Andererseits war für Zadiková

der Druck erheblich größer, bei der Entdeckung der heimlichen Arbeiten ihre Privilegien zu verlieren. Im weiteren Verlauf des ersten Kapitels wurden auch die unterschiedlichen Gebrauchsweisen der Bild­ serien besprochen, die nicht nur als Zeugnisse oder als Mittel der Selbstbehauptung und Distanzierung, sondern auch als ökonomische und soziale Tauschobjekte innerhalb der Häftlingsgemeinschaft benutzt wurden. Aufgrund fehlender Quellen konnte allerdings nur vermutet werden, in welchem Umfang die Bildserien tatsächlich als soziales Medium dienten. So wurden eventuell die Arbeiten von Kurt Loew und Karl Bodek sowie von Istvan Irsai eingetauscht, doch konkrete Belege sind bislang nicht aufgetaucht. Dagegen waren die Bildserien von Alfred Kantor und Helga Weissová eindeutig ganz oder zumindest teilweise als Geschenk für Mithäftlinge bestimmt gewesen. Bei der Arbeit von Jo Spier konnte ihre Verwendung als Teil der nationalsozialistischen Medienpolitk für das »Musterghetto« Theresienstadt aufgezeigt werden, wenngleich sie im Vergleich zu anderen genutzten Bildwerken eine eher untergeordnete Rolle spielte. Der zweite Teil der Arbeit hat sich mit der Ästhetik der Bildserien beschäftigt. Dabei standen Fragen nach den unterschiedlichen künstlerischen Ausdrucksformen, die Prägung bildlicher Traditionen und der Einfluss des Ortes auf die thematische Ausrichtung im Mittelpunkt. Hier offenbarten die Bildserien eine große Bandbreite an visuellen Ausdrucksmöglichkeiten  : So ist etwa der realitätsnahe Zeichenstil im Auschwitz-Skizzenbuch Ausdruck einer sachlichen Wiedergabe der Ereignisse, während der expressive Stil in Nowakowskis Bildern das Leiden der Häftlinge in den Vordergrund rückt. Auch in Bezug auf die Darstellungsweise zeigten sich Unterschiede. So stellt Helga Weissovás deskriptive Bildsprache eine zurückgenommene, sachliche AusZusammenfassung und Ausblick  |  195

einandersetzung mit der Lagerrealität dar, während Hilda Zadikovás Kalender die Symbolik der mittelalterlichen Monatsbilder aufgreift und sie an die Theresienstädter Verhältnisse anpasst. Die Verwendung älterer oder auch zeitgenössischer Bildmotive als Vorbilder und deren Angleichung an die Lagersituation zeigt sich in der Adaption von Walt Disneys Mickey Mouse in Horst Rosenthals Werk oder in der ironischen Übernahme antijüdischer Stereotypen in den Bildern Pavel Fantls. Welchen Einfluss die Funktion eines Werkes auf die Bildsprache haben konnte, wurde am Beispiel der Arbeiten von Joseph Spier und Alfred Kantor deutlich. Denn obwohl sich die Adressaten unterscheiden – hier die ausländische Öffentlichkeit, dort der Funktionshäftling – war das Ziel ähnlich, nämlich das Lager als einen gut organisierten und gewaltlosen Ort zu zeigen. Ein weiteres wichtiges Ergebnis dieser Arbeit war die Feststellung, dass in den Lagerbildserien  – bis auf Zsuzsa Merényis Werk  – kaum autobiografische Elemente auftauchen. Statt die eigene Biografie zu visualisieren, rückt die Darstellung des Lagers aus einer gemeinsamen Häftlingsperspektive in den Mittelpunkt. Die abschließende Frage nach einer lagerübergreifenden oder einer lagerspezifischen Darstellungsweise hat ein differenziertes Ergebnis gebracht. Zwar haben sich trotz unterschiedlicher historischer Voraussetzungen vielfach ähnliche Grundmuster in den Bildmotiven herausgebildet. Gleichwohl sind in Teilbereichen auch Anpassungen an den jeweiligen Ort festzustellen. Im dritten Teil der Arbeit ging es um die Untersuchung der narrativen Elemente in den Bildserien. Hier war von Interesse, wie die wiederkehrenden historischen Ereignisse des Lageralltags in die Form des Einzelbildes umgesetzt wurden, auf welche Weise sich die einzelnen Szenen zu sequentiellen Handlungen verbinden und wie sich die Grenzen der Narration offenbaren. Zunächst war wichtig, die verschiedenen Möglichkeiten der Zeitdarstellungen in Bildmedium darzulegen, die sich auf der Ebene des Einzelbildes, zwischen den Bildern einer Sequenz und in der zeitlichen Reihenfolge vollziehen. Im nachfolgenden Kapitel wurde die gestörte Zeit196  |  Zusammenfassung und Ausblick

wahrnehmung der Häftlinge in den Lagern deutlich. Für die narrativen Bildserien konnten bezüglich der Narration folgende Ergebnisse festgestellt werden  : So bevorzugten die Häftlinge im Einzelbild vielfach eine ahistorische Darstellungsweise, in der weniger die Individualität eines konkreten Ereignisses eine Rolle spielt, als vielmehr die synthetisierende Darstellung eines bestimmten Themas. Dagegen offenbarten sich in der Bildsequenz verschiedene chronologische, zyklische und achronische Zeitstrukturen. Während die chronologischen Bildserien mit e­iner zukunftsungewissen Vorausdeutung (im Sinne Eberhard Lämmerts) ausgestattet sind und damit die eingeschränkte Binnenperspektive der Häftlinge offenbaren, spiegeln sich in den zyklischen Bildserien die Monotonie und Wiederholbarkeit des Lageralltags wider. Mit den achronischen Strukturen stößt die Narration in den Bildserien an ihre Grenzen. Als Ursachen für achronische Darstellungsweisen lassen sich neben der schwierigen Zeitwahrnehmung auch die extremen Bedingungen in den Zwangslagern anführen, die den narrativen Zusammenhalt beeinträchtigen oder zerstören. Darüber hinaus können achronische Strukturen natürlich auch als Ausdruck einer künstlerischen Strategie verstanden werden, die eben keine in sich geschlossene Geschichte erzählen, sondern eine achronische, multiszenische Darstellung des Lebens und Sterbens in einem Zwangslager entwerfen wollten. Gleichwohl gelten die achronischen Bildserien immer noch als narrativ, da sich zumindest in Teilen chronologische Verbindungen finden lassen. Die Untersuchung über die Vernichtung als narrative Leerstelle im Auschwitz-Skizzenbuch hat das Potenzial und gleichzeitig die Grenzen der Bildserie offenbart, die Ermordung der Juden in den Gaskammern bildlos darzustellen. Denn obwohl der sequenzielle Charakter der Bildserie den Massenmord durch logisch-kausale und zeitliche Bildzusammenhänge auf dem ersten Blick indirekt zeigt, heben zahlreiche Diskontinuitäten zwischen den Bildern die Eindeutigkeit einer solchen Aussage wieder auf. Zum Schluss des Kapitels wurde nochmal nach dem Einfluss des Orts auf die Narration gefragt. Festzustellen war, dass die Spezifik des Ortes durchaus die

Zeitstrukturen der Bildserien prägen konnte, dass aber andere Aspekte wie die individuellen Existenz­ bedingungen, die Intention des Künstlers und der Einfluss anderer Bildtraditionen ebenfalls eine wichtige Rolle spielten. Das letzte Kapitel der Arbeit beschäftigte sich mit den Bildserien der Nachkriegszeit und fragte, in welchem Kontext die ehemaligen Häftlinge ihre Bilder anfertigten und wie sich Ästhetik und Narration gestalteten. Am Beispiel von Thomas Geve als »Buchenwaldkind« in der Schweiz war zu sehen, dass seine retrospektive Bildserie als Erinnerungsmedium aufzufassen ist, die sowohl von ehemaligen Häftlingen als auch seitens der sie betreuenden Pädagogen breit rezipiert wurde. Bei Simon Wiesenthal wiederum ließ sich eine symbolische Bildsprache finden, die auf verschiedene Bildtraditionen aus der Vorkriegszeit zurückgreift, gleichzeitig aber auch neue Bedeutungsebenen hinzufügt. Und in der Neuordnung von Zsuzsa Merényis Bildserie war exemplarisch zu beobachten, wie die Arbeiten aus der Retrospektive in der Regel in eine chronologische Reihenfolge gebracht wurden. Die vorliegende Arbeit konnte also aus verschiedenen Blickwinkeln sowohl Kontexte und Funktionen als auch die Ästhetik und Narration der Lagerbildserien aus Zwangslagern im nationalsozialistischen Machtbereich näher beleuchten. Da es sich hier um die erste umfangreiche Auseinandersetzung mit dieser besonderen Gattung der Lagerbilder handelt, möchte die Arbeit mit einem kurzen Ausblick auf einige Forschungsdesiderate schließen. Interessant könnten z. B. die Vergleiche und Kontrastierungen mit den Bildserien von NS-Tätern sein. Hier sind Fragen nach der unterschiedlichen Perspektivität und der Selbstwahrnehmung wichtig, die auch die verschiedenen medialen Bedingungen berücksichtigen. Neben dem hier bereits erwähnten Auschwitz-Album mit den Fotos aus Auschwitz-Birkenau gibt es noch eine Reihe weiterer Bildserien von Angehörigen der SS, meist Fotoalben wie das von Karl Otto Koch, dem Kommandanten des KZ Sachsenhausen.1 Kaum bekannt sind hingegen gezeichnete Bildserien von NS-Tätern wie von Erich Wasicky,

der als Lagerapotkeker für die Morde mit Giftgas im KZ Mauthausen verantwortlich war und vor seiner Hinrichtung 1947 im Kriegsverbrechergefängnis Landsberg mehre Bleistift- und Buntstiftbilder über seine Haftzeit anfertigte.2 Ein wichtiges Desiderat der Forschung bleibt aber auch die Beschäftigung mit der Werkgeschichte v. a. ausgebildeter Künstler. Denn allzu häufig bleibt der Untersuchungszeitraum auf die Häftlingsbiografie des Künstlers beschränkt und spannende Fragestellungen nach Brüchen und Kontinuitäten in der bildlichen Ausdruckweise eines Künstlers bleiben unbeantwortet. Jürgen Kaumkötter spricht zu Recht von einer »Krise der Kunstgeschichte«, da die Interpretationshoheit bezüglich der »Kunst der Katastrophe« eher bei den Literaturwissenschaftlern und Historikern als bei den Kunstwissenschaftlern liege.3 Der Fokus sei auf das »Primat der Biografie« gerichtet, die Interpretation zudem geprägt durch eine rückwärtsgerichtete Prophetie, einer allwissenden Retrospektive und der Täterperspektive. Die Anwendung klassischer kunstgeschichtlicher Ordnungsschemata sowie eine Systematik nach Bildgattungen, Interpretationen und Analysen sind für ihn der richtige Weg, die »meist vergessenen Künstler wieder zurück in den Kanon der Kunst zu bringen.«4 Ein lohnenswertes Beispiel für eine solche kunstwissenschaftliche Interpretation stellt meiner Meinung nach die Interpretation der Werkgeschichte István Irsais dar, dessen außergewöhnlich grafischer und minimalistischer Zeichenstil sich von den ersten Arbeiten in Palästina der 1920er-Jahre über die Bilder aus Bergen-Belsen bis hin zu den in Israel geschaffenen Grafiken der Nachkriegszeit durchzieht.5 Schließlich könnten die Bildserien aus den NS-­ Zwangslagern auch mit anderen Lagerbildserien verglichen werden, die etwa in den Gefangenenlagern des Ersten Weltkriegs, in den sowjetischen Speziallagern der Nachkriegszeit oder in den japanischen Lagern aus dem besetzten Niederländisch-Indien entstanden. Gerade zu letzeren Lagern existieren Tausende von Zeichnungen, die in den Sammlungen des NIOD Instituut voor Oorlogs-, Holocaust- en Genocidestudies in Amsterdam sowie des Museon in Den Haag liegen (Abb. 43). Hier wäre zu fragen, ob Zusammenfassung und Ausblick  |  197

es eine übergreifende Gattung »Lagerbildserie« mit ähnlichen Bildmotiven und vergleichbaren narrativen Strukturen gibt. Anmerkungen 1 Vgl. Morsch 2007. 2 Zum Fotoalbum von Koch vgl. ebd. Für den Hinweis auf die Zeichnungen von Wascicky danke ich Tomaz Jardim. Eine dieser Zeichnungen wurde publiziert in  : Jardim 2012, 114. 3 Vgl. dazu und im Folgenden K aumkötter 2015, 372–373. 4 Ebd., 373. 5 Beispiele von Arbeiten aus Palästina sowie der Nachkriegszeit sind abgebildet in  : Levitte Harten/Zalmona /Bexte 2005, 203, 243, 350 und 360. Weitere Werke in  : Stiftung Niedersächsische Gedenkstätten 2014, 65–68.

198  |  Zusammenfassung und Ausblick

8. Biografien

8.1 Karl Bodek (1905–1942)

Karl Robert Bodek wurde am 13.  April 1905 Czernowitz, damals Österreich-Ungarn, als Sohn von Moses Bodek und seiner Frau Friederike Anna geboren. Über seine Jugend und die Zeit vor seiner Inhaftierung in Frankreich ist wenig bekannt, außer, dass er in Wien die Schule beendete und an der Graphischen Anstalt studierte. Neben seiner Tätigkeit als bildender Künstler arbeitete er auch als Fotograf. Eventuell war er auch Mitglied in der Sozialdemokratischen Partei Österreichs. Wahrscheinlich wegen seiner politischen Aktivitäten flüchtete Karl Bodek im November 1938 nach Belgien. Dort nahm er an einem Wettbewerb der Königlichen Akademie in Brüssel teil und gewann den zweiten Preis. Anschließend erhielt er zahlreiche Aufträge in Antwerpen und anderen belgischen Städten, um dort Fresken zu malen. Nach dem Einmarsch deutscher Truppen in Belgien flüchtete er nach Frankreich, wo er festgenommen und im Lager St.  Cyprien interniert wurde. Am 28.  Oktober 1940 musste er, ähnlich wie Kurt Loew und Horst Rosenthal, wegen Überflutungen das Lager in Richtung Gurs verlassen. Dort entstanden in Zusammenarbeit mit Kurt Loew zahlreiche Bilder, die vielfach mit »L + B« signiert sind. Beide fertigten zudem die Bühnendekoration für die Theaterrevuen an und malten Plakate sowie Glückwunschkarten. Außerdem stellte Bodek Bilder in Briefmarkengröße her, die dann tatsächlich für Briefe verwendet wurden. Am 25. April 1941 kam Bodek nach Les Milles, wo er u. a. Jugendliche unterrichtete, Mitgefangene porträtierte und auch an der Entstehung der Wandmalereien mitwirkte. Am 1. August 1942 wurde Bodek zunächst ins Sammellager Drancy geschickt, drei Tage später befand er sich auf dem Transport Nr.  19 nach Auschwitz, von dem kaum einer überlebte.

Quellen  : DOEW, Slg. Buttinger, Nr. 18888/17, Lebenslauf Bodek verfasst von James Loeb am 11. November 1940,1 Mittag 1996, 278–279, Rosenberg 2003a, 186, Gausmann 2009, Moreh-Rosenberg/Smerling 2016, 288. 8.2 Pavel Fantl (1903–1945)

Pavel Fantl wurde am 7. Januar 1903 in eine traditionelle jüdische Familie in Prag geboren. Der Vater, erfolgreicher Besitzer eines Geschäfts für Herrenmoden, sorgte dafür, dass Pavel Fantl und sein jüngerer Bruder Ernst zweimal die Woche Besuch von einem Rabbi bekamen, der ihnen Hebräisch beibrachte und für die religiöse Erziehung zuständig war. Als die Brüder 16 und 15 Jahre alt waren, schickte sie der Vater für drei Monate nach Italien, um ihre Bildung zu fördern und damit sie eine andere Sprache erlernen. Zudem erhielt Pavel, dessen künstlerisches Talent schon früh auffiel, privaten Unterricht in Malen und Zeichnen. Später studierte Fantl Medizin an der Karls-Universität in Prag. Im Jahr 1935 heiratete er Manka Saxlova aus Kolín, zwei Jahre später kann ihr Sohn Tomáš zur Welt. Fantl trat in die Armee ein und wurde leitender Sanitätsoffizier der Slowakei, später der gesamten Tschechoslowakei. Wegen seiner jüdischen Herkunft wurde er 1939 aus der Armee entlassen und Fantl zog mit seiner Familie zu seinen Schwiegereltern und später mit Frau, Kind sowie seiner Mutter in eine kleine Wohnung, bis sie alle zusammen am 3. Juni 1942 mit dem Transport Aad nach Theresienstadt deportiert wurden. Dort hatte Fantl aufgrund seiner fachlichen Eignung bald die Leitung der Infektionsabteilung inne, die sich v. a. um die Typhuspatienten kümmerte. Hier konnte er auch relativ unbehelligt Kontakte außerhalb des Ghettos knüpfen und Nachrichten übermitteln, weil die SS diesen Ort aus Angst vor Infektionen selten betrat. Gleichzeitig schuf er eine Reihe von Pavel Fantl  |  199

etwa 80 satirischen Zeichnungen und Karikaturen, die er zum Teil mit Hilfe von Alisa und Zeev Shek nach draußen schmuggelte. Im Oktober 1944 wurde Fantl mit seiner Familie nach Auschwitz deportiert. Während seine Frau und sein Sohn dort vergast wurden, kam Fantl auf einen Transport zur Zwangsarbeit nach Deutschland. An seinem Geburtstag am 7. Januar wurde Fantl während eines Todesmarsches bei Hirschberg in Schlesien von der SS erschossen. Zahlreiche seiner Bilder befinden sich heute in den Sammlungen von Yad Vashem. Quellen  : »Biography of Dr. Pavel Fantl«, unveröffentl. Manuskript von Hana Greenfield, ABT, Slg. Terezín, ohne Inv.-Nr. Mickenberg/Granof/Hayes 2003, 166, Greenfield 2006, 119–121, 122–123, Moreh-Rosenberg/Smerling 2016, 298. 8.3 Liesel Felsenthal (1924–2000)

Elisabeth Felsenthal, genannt Liesel, wurde am 23. April 1924 in Kaiserslautern als ältestes Kind des Ehepaars Alexander und Irma Felsenthal, geb. Lippmann, geboren. Nach dem Pogrom vom 9.  November 1938 musste sie die Schule verlassen und eine Zeit lang im Altersheim arbeiten, bevor sie zusammen mit ihren Eltern und den jüngeren Geschwistern Gertrude (geb.  1926) und Heinz (geb.  1928) am 22.  Oktober 1940 ins Internierungslager Gurs deportiert wurde. In Gurs schloss sie sich mit anderen jungen Frauen der Gruppe »Menorah« an, die vom Lager-Rabbiner Leo Ansbacher und Pinhas Rothschild betreut, verschiedene kulturelle und soziale Aufgaben im Lager wahrnahm.2 Während die Mutter ins Internierungslager Rivesaltes kam und der Vater Ende August nach Auschwitz deportiert wurde und dort am 18. März 1944 starb, wurden die Geschwister mit Hilfe des jüdischen Kinderhilfswerks »Œuvre de secours aux enfants« (OSE) in verschiedene Orte in Südfrankreich gebracht. Liesel Felsenthal lebte zunächst unter falschem Namen in einem Kloster und kam 1942 nach Vic-sur-Cère, wo sie als Haushaltshilfe sowie im OSE-Kinderheim vermutlich bis Kriegsende arbeitete. 200  | Biografien

Nach dem Krieg war Liesel Felsenthal kurze Zeit als Lehrerin in Kinderheimen der OSE u. a. in Marseille tätig. Anfang 1946 emigrierte sie nach Israel und lernte im Kibbuz Neve Ilan bei Jerusalem ihren späteren Ehemann Yehuda (Walter) Basnizki kennen, der ebenfalls in Gurs interniert war. Im November 1948 heirateten sie in Jerusalem und zogen 1952, ein Jahr nach der Geburt ihrer Tochter Irith, in den Moschav Beit Nakofa, wo sie lange Zeit u. a. eine Hühnerfarm bewirtschafteten und Walter Basnizki zudem als Agrarökonom arbeitete. Am 26. November 2000 ist Liesel Felsenthal in ihrem Haus in Beit Nakofa an den Folgen einer langjährigen Parkinsonerkrankung gestorben. Ihr kleines Heft aus Gurs ist heute im Leo Baeck Institute in New York zu finden. Quellen  : Interview des Verfassers mit Walter Basnizki (Basnizki 2008), Mittag 1996, 280, Rosenberg 2003a, 194. 8.4 Thomas Geve (geb. 1929)

Thomas Geve3 wurde im Herbst 1929 in Züllchow bei Stettin geboren. Als die Nationalsozialisten 1933 an die Macht kamen, verlor der Vater als Chirurg seine Praxis und er zog mit Frau und Kind in seine Heimatstadt, ins oberschlesische Beuthen. Nach den Pogromen vom November 1938 ging die Familie nach Berlin, um von dort über England nach Palästina zu emigrieren. Doch nur der Vater schaffte es, nach London zu fliehen, Geve und seine Mutter wollten nachkommen, mussten aber wegen des beginnenden Krieges in Berlin bleiben. Als die jüdischen Schulen 1942 schlossen, gelang es Geve, sich Arbeit auf dem jüdischen Friedhof in Weißensee zu besorgen, um so zunächst der Deportation zu entgehen. Nach mehreren Wohnungswechseln, ohne Ersparnisse und ständig bedroht von Razzien, beschlossen Geve und seine Mutter im Sommer 1943 das Sammellager an der Großen Hamburger Straße aufzusuchen. Von dort wurden sie mit dem 39. Transport am 28. Juni 1943 von Berlin nach Auschwitz deportiert. Dort kam Geve zunächst im Stammlager Auschwitz in die sogenannte Maurerschule in Block 7a, wo jugendli-

che Häftlinge das Maurerhandwerk erlernten, um bei verschiedenen Arbeitskommandos eingesetzt zu werden. Später arbeitete Geve u. a. im Baustofflager sowie bei den Union Munitionswerken und errichtete ab Herbst 1944 Luftschutzbunker für SS-Offiziere. Am 18. Januar 1945 erfolgte der Transport zu Fuß und im offenen Güterwaggon nach Groß-Rosen, Ende Januar dann weiter nach Buchenwald, wo Geve zunächst im Block  62 und dann in dem sogenannten »Kinderblock«  66 untergebracht wurde. Während Thomas Geve seine Befreiung am 11. April 1945 in Buchenwald erlebte, ist seine Mutter in Auschwitz umgekommen. Nach der Befreiung wurde Geve im Rahmen der »Buchenwald-Aktion« , einer Hilfsaktion der Schweizer Spende und der Kinderhilfe des Schweizer Roten Kreuzes, ab Ende Juni 1945 mehrere Wochen in verschiedenen Schweizer Heimen untergebracht. Seiner schlechten Gesundheit wegen blieb Geve zunächst eine Zeitlang im Krankenhaus des Quarantänelagers Rheinfelden, bevor er mit anderen Jugendlichen nach Gurnigel-Bad und dann weiter ins Heim Felsenegg auf dem Zugerberg kam. Dort erhielten sie u. a. Schulunterricht, unternahmen Ausflüge und schrieben und zeichneten ihre Erinnerungen aus den Lagern auf. Anfang September 1945 kam Thomas Geve bei einer Schweizer Familie unter, bevor er im Herbst 1945 zu seinem Vater nach England ausreisen konnte. In England holte er seine Schulausbildung nach und machte am Norwood Technical College sein Abitur, später schrieb er sich am Willesden Technical College ein, um den Beruf des Ingenieurs zu erlernen. Kurz nach Abschluss seiner Prüfung ging Geve nach Israel und arbeitete dort lange Jahre als Bauingenieur. Heute ist Thomas Geve mehrfacher Vater und Großvater und lebt in Haifa. Seit 1995, als seine Nachkriegsbilder in einer Ausstellung in der Gedenkstätte Buchenwald gezeigt wurden, reist Geve mehrmals im Jahr nach Deutschland und in andere europäische Länder, um als Zeitzeuge von seinen Erlebnissen in den verschiedenen Konzentrationslagern zu erzählen. Bei diesen Gelegenheiten werden häufig seine Bilder gezeigt, die in Ausstellungen nicht nur in Deutschland, sondern auch schon in Großbritannien, in der Schweiz,

Frankreich und Italien zu sehen waren. Im Jahr 1997 wurden erstmals alle überlieferten Zeichnungen in der Publikation »›Es gibt hier keine Kinder  …‹. Ausch­w itz. Groß-Rosen. Buchenwald. Zeichnungen eines kindlichen Historikers« veröffentlicht, 2009 folgte eine französische und 2011 eine italienische Ausgabe.4 Auch sein zuerst 1958 in Jerusalem publizierter Erinnerungsbericht über seine Lagerzeit wurde in verschiedene Sprache übersetzt und mehrfach neu aufgelegt.5 Quellen   : Interviews des Verfassers mit Thomas Geve (Geve 2006–2008), Geve 2000a, Geve 2013, Rösing 2013. 8.5 István Irsai (1896–1968)

Geboren am 6.  Oktober 1896 in Budapest, nahm István Irsai zwischen 1914 und 1918 als Soldat der österreichisch-ungarischen Armee am Ersten Weltkrieg teil und wurde dabei schwer verwundet. Anschließend studierte er von 1918 bis 1925 Violine und Musikpädagogik an der Königlich-Ungarischen Musikakademie und gleichzeitig Architektur an der Technischen Universität Budapest. Außerdem war er Bratschist in einem Budapester Streichquartett, das in mehreren europäischen Ländern auftrat. 1925 zog Irsai nach Palästina, um dort zunächst als Architekt zu arbeiten, etwa bei der Gründung des ersten Theaters des Landes in Tel Aviv. Später entwarf er die ersten modernen Schrifttypen des hebräischen Alphabets und schuf Illustrationen für Buchumschläge und Zeitungen sowie Werbeplakate für verschiedene Unternehmen. 1925 heiratete er Arany Levkovitsch, kehrte jedoch mit ihr Ende 1929 wegen des frühen Todes ihres ersten Kindes und vermutlich auch wegen finanzieller Sorgen nach Budapest zurück. Dort war Irsai erfolgreich als Werbegrafiker und Betreiber einer Druckerei tätig, entwarf Plakate in dem für ihn typischen minimalistischen Stil und wurde noch während des Zweiten Weltkriegs Berater für Öffentlichkeitsarbeit im Büro des ungarischen Premierministers. Trotzdem kamen er und seine Frau sowie ihre beiden Kinder im Alter von 8 und 13 JahIstván Irsai  |  201

ren im Juli 1944 mit auf dem Kasztner-Transport nach Bergen-Belsen. Dort entstanden neben den drei bekannten stilisierten Bildern über den Lager­ alltag  – eines davon ist die hier besprochene Bildserie  – auch Skizzen für ein zionistisch geprägtes Denkmalensemble.6 Nach der Freilassung Ende 1944 in die Schweiz lebte die Familie noch eine Zeitlang in einem Auffanglager im schweizerischen Caux bei Montreux. Hier stellte Irsai weitere Denkmal-Skizzen her und schuf eine neunteilige Grafikserie mit Themen aus Bergen-Belsen, die er auf Packpapier druckte.7 Im September 1945 emigrierte die Familie nach Palästina, wo Irsai zunächst als Architekt, dann als Grafiker und Designer arbeitete. Neben Briefmarken, Plakaten für Unternehmen, Ministerien und zionistische Organisationen entwarf er auch Möbel und fertigte Metallskulpturen an. Zusätzlich veröffentlichte Irsai Artikel und Bücher, die sich v. a. künstlerischen Fragestellungen widmeten. Am 31. Juli 1968 ist Irsai in Tel Aviv gestorben. Quellen  : AGB, Konvolut Istvan Irsai, schriftliche Mitteilung von Miryam Sommerfeld-Irsai an den Verfasser (Sommerfeld-Irsai 2009b), R ahe 1993, 28–32, R ahe 2009, Sommerfeld-Irsai 2014. 8.6 Alfred Kantor (1923–2003)

Alfred Kantor wurde am 7. November 1923 in Prag als jüngstes von drei Kindern geboren. Sein Zeichentalent wurde schon früh in der Familie gefördert, v. a. durch seinen Onkel Henry, einen Bankangestellten in Prag, dessen künstlerische Ambitionen Kantor damals stark beeindruckten. Angesichts der Besetzung Tschechiens im März 1938 und des zunehmenden Antisemitismus wollte die Familie das Land verlassen, doch der Vater wurde schwer krank, sodass die Pläne fallen gelassen wurden. Gerade als sich Kantor an der Rotter-Schule für Werbegrafik eingeschrieben hatte, brach der Zweite Weltkrieg aus und Kantor musste nach einem Jahr im Juni 1940 die Schule wieder verlassen.

202  | Biografien

Am 1.  Dezember 1941, kurz nachdem der Vater gestorben war, wurde Kantor als einer von 1.000 Männern nach Theresienstadt deportiert, um dem Auf baukommando bei der Umwandlung der tschechischen Stadt in ein Ghetto für Juden zu helfen. Im Mai 1942 folgte seine Mutter, während Kantors Bruder und Schwester in Prag bleiben konnten, weil sie mit Nichtjuden verheiratet waren. In Theresienstadt war Kantor u. a. als Heizer in den Großküchen zuständig und konnte so zusätzliche Nahrung für sich, seine Mutter und seine Freundin Eva Glauber abzweigen, die er aus Prag kannte. Zusätzlich erhielt er von seiner Schwester Lebensmittelpakete. Im September 1943 kam seine Mutter auf einen Transport nach Auschwitz und als Eva Glauber im Dezember 1943 ebenfalls den Deportationsbefehl erhielt, ließ sich Kantor freiwillig auf die Liste setzen. Während seine Mutter und Eva in Auschwitz starben, überlebte Kantor, u. a. wegen der Pakete seiner Schwester, die er auch in Auschwitz erhielt. Im Juli 1944 wurde Kantor nach Schwarzheide, einem Außenlager des KZ Sachsenhausen, deportiert, wo die Häftlinge die durch alliierte Bombentreffer beschädigten Fabrikanlagen der Braun-Kohle-Benzin AG (Brabag) reparierten, die Trümmer beseitigten, Blindgänger entschärften und Luftschutzbunker bauten. Hier erhielt er auch den Auftrag seiner Mithäftlinge, für den Lagerältesten die Bildserie anzufertigen. Mitte April wurde das Lager Schwarzheide wegen der heranrückenden russischen Front aufgelöst und die etwa 500 gehfähigen Häftlinge, darunter auch Kantor, auf einen Marsch in Richtung Theresienstadt geschickt, welches sie am 7.  Mai 1945 als freie Menschen erreichten. Nach wenigen Tagen kehrte Kantor zurück nach Prag, wo er seine Schwester wiedersah. Anschließend fuhr er weiter in ein DP Camp im bayrischen Deggendorf und fertigte dort von Juli bis September 1945 ein Buch mit Aquarell- und Tuscheszenen über seine Zeit in den verschiedenen Lagern an. Im März 1947 emigrierte Kantor in die USA, wo er am Pratt Institute, einer Kunsthochschule in Brooklyn, New York, Abendkurse belegte und nach einem Jahr den Abschluss machte. 1950 heiratete er Inge Nattmann, ebenfalls Überlebende der Lager, die er auf dem

Schiff nach Amerika kennengelernt hatte. Ab 1952 war Kantor als Grafiker für die McAdams Advertising Agency tätig, für die er medizinische Reklamebilder herstellte. 1980 zog er sich aus der Werbebranche zurück und ließ sich in Yarmouth in Maine nieder, wo er wieder mit dem Malen anfing. Am 16. Januar 2003 ist Alfred Kantor an den Folgen einer langjährigen Parkinsonerkrankung gestorben. Quellen  : Interview des Verfassers mit Jerry Kantor (K antor 2006), Parke 1984, 93–117, K antor 1971a, K antor 1971b. 8.7 Erich Lichtblau-Leskly (1911–2004)

Erich Lichtblau-Leskly 8 wurde am 16.  Juni 1911 als Erich Lichtblau im österreichisch-ungarischen Hruschau (heute Hrušov) nahe Mährisch Ostrau geboren. Schon früh begeisterte er sich für die zio­ nistische Idee und wurde Mitglied des jüdischen Sportverbands Maccabi. Nach der Schule absolvierte er von 1925 bis 1928 eine Ausbildung in einem Elektrogeschäft, entschied sich dann aber, Schaufensterdekorateur zu werden. 1930 studierte er an der »Hamburger Decorationsfachschule« (HaDe-­Co) und arbeitete anschließend in verschiedenen Kaufhäusern in Ostrau. Im Mai 1937 heiratete er in Ostrau Elsa Silbinger. Mit der Errichtung des »Reichsprotektorats Böhmen und Mähren« im Jahr 1939 durch das nationalsozialistische Deutschland setzte die Verfolgung der tschechischen Juden ein. Erich Lichtblau und seine Frau flohen zunächst nach Prag, um von dort weiter in Richtung Palästina zu emigrieren. Der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs machte den Plan zunichte, beide zogen Anfang 1940 in das Dorf Dobešice in der Nähe von Písek im südlichen Böhmen. Dort arbeiteten sie auf einem landwirtschaftlichen Betrieb, wo sie in Hachschara-Kursen (hebr. für »Vorbereitung«) für die Auswanderung nach Palästina lernten. Am 26.  November 1942 wurden Erich und Elsa Lichtblau mit dem Transport  Cd von Klatau (Klatovy) nach Theresienstadt deportiert. Dort war Erich Lichtblau u. a. als Hilfsarbeiter und vermutlich auch

als Plakat- und Schildermaler tätig, während Elsa in der sogenannten Putzkolonne die Kinder- und Jugendheime reinigen musste. Von Ende August 1944 bis Anfang Februar 1945 errichtete Erich Lichtblau im Außenlager Wulkow bei Berlin zusammen mit anderen Häftlingen aus Theresienstadt geheime, teils unterirdische Gebäude, die als Ausweichquartier für das Reichssicherheitshauptamt (RSHA) in Berlin dienen sollten.9 Nach der Befreiung des Ghettos im Mai 1945 blieben Erich und Elsa Lichtblau zunächst noch einige Zeit in Prag, bevor sie wieder zurück nach Písek zogen. Dort stellte Erich Lichtblau Puppen und Holzspielzeug für die Zelinka-Spielzeugfabrik her. Später fand er Arbeit in Teplitz Schönau im Kaufhaus Jepa als Schaufensterdekorateur. Im Oktober 1949 emigrierte Erich Lichtblau, der bereits 1945 seinen Nachnamen in Leskly umändern ließ, zusammen mit seiner Frau und seinen 1946 und 1948 geborenen Kindern nach Israel, wo er zunächst als Maler und später in einem Kaufhaus als Grafiker und Fensterdekorateur beschäftigt war. Erich Lichtblau-Leskly starb am 2.  Oktober 2004 in Tel Aviv. Die künstlerischen Arbeiten von Lichtblau-Leskly werden in den USA im Los Angeles Museum of the Holocaust und in Israel in Beit Theresienstadt, Givat Haim Ihud, im Ghetto Fighters Museum, Lohamei Hagetaot, und in verschiedenen Privatsammlungen auf bewahrt. Quellen  : Interviews des Verfassers mit Elsa Lichtblau-Leskly und Mira Oren (Lichtblau-Leskly 2008, Oren 2008), Schriftliche Mitteilung von Mira Oren an den Verfasser (Oren 2007), Transportliste in  : Theresienstädter Gedenkbuch 1995, 1046, Melamed 2010b, Makarova 2012. 8.8 Kurt Loew (1914–1980)

Geboren am 6. Januar 1914 in Wien, arbeitete Kurt Loew zunächst als Entwurfszeichner in einer Stickereifabrik und besuchte 1932 einen Abendkurs für Gebrauchsgrafik an der Wiener Kunstgewerbeschule. Wegen seiner politischen Aktivitäten wurde Kurt Loew  |  203

er 1938 verhaftet, konnte dann nach Belgien fliehen, wo er sich von 1939 bis 1940 an der Akademie der schönen Künste in Antwerpen einschrieb. Im Mai 1940 wurde er ins Internierungslager St.  Cyprien deportiert, im Oktober 1940 kam er, wie Horst Rosenthal und Karl Bodek, nach Gurs. Dort fertigte er zusammen mit Karl Bodek zahleiche Zeichnungen und Aquarelle an, darunter viele Karten für Feiertage und Geburtstage. Außerdem stellten die beiden Bühnenbilder für die Theateraufführungen in Gurs her. Während seiner Haftzeit in den französischen Lagern unterstützte ihn der Schweizer Fonds Européen de Secours aux étudiants aus Genf. In einem Brief vom 5.  September 1942 verpflichtete sich der Fonds, Kurt Loew finanziell zu helfen, wahrscheinlich um seine Freilassung voranzutreiben.10 Er kam nach Rivesaltes, wo er aufgrund einer Entscheidung des französischen Innenministeriums am 30.  Oktober 1942 entlassen wurde.11 Er ging in die Schweiz, wo er von 1943 bis 1945 an der École des Beaux-Arts in Genf studierte.12 Mehrere Ausstellungen in der Schweiz folgten, im Jahr 1952 kehrte Kurt Loew nach Wien zurück. Neben Landschaftsdarstellungen und Straßenszenen malte er Ende der 1950erJahre surrealistische Bilder, in den 1960er-Jahren v. a. abstrakte Gemälde. Daneben betätigte er sich auch als Schriftsteller und Moritatensänger. Am 27.  November 1980 ist Kurt Loew in Wien gestorben. Seine Bilder aus Gurs sind v. a. in der Sammlung Elsbeth Kasser im Archiv für Zeitgeschichte in Zürich und in der Sammlung der Amicale du Camp de Gurs in Pau, Frankreich zu finden. Quellen  : Doew, 16635/1 Diverse Materialien über Kurt Loew, Fuchs 1986, 39, Mittag 1996, 286, Rosenberg 2003a, 210, Moreh-Rosenberg/ Smerling 2016, 289. 8.9 Zsuzsa Merényi (1925–1990)

Zsuzsa Merényi kam als Susanne Schuller am 24. Juni 1925 in Barmen bei Wuppertal als Kind ungarischer Eltern zur Welt. Der Vater Húgo Schuller emigrierte nach seiner Entlassung aus dem Militär204  | Biografien

dienst 1916 zusammen mit seiner Frau Klárá Rabi­ novszky und Zsuzsas älterer Schwester Lea nach Deutschland. 1917 wurde in Wuppertal der Bruder Stefan geboren. Später zog die Familie nach Hannover, wo der Vater als Ingenieur bei der Firma Hanomag arbeitete. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten kehrte die Familie 1934 zurück nach Budapest, wenig später, im Jahr 1939, starb der Vater plötzlich an einer Herzattacke. In Budapest besuchte die getaufte Zsuzsa ein evangelisches Gymnasium. Gleichzeitig nahm sie Ballettunterricht an der Tanzschule ihrer Tante Olga Szentpál und erwarb später an der Nationalen Ballettschule ein Diplom in Tanzpädagogik. Erst kurz vor dem Einmarsch deutscher Truppen in Budapest im März 1944 informierte die Mutter ihre drei Kinder über die jüdische Herkunft der Familie. Im Oktober 1944 müssen die Schwestern zusammen mit der Mutter in ein Haus nahe der Margaretenbrücke ziehen, das nominell unter dem Schutz des Vatikans stand. Ungeachtet solcher Zusagen wurden Zsuzsa und Lea Merényi am 4.  Dezember 1944 von ungarischen Pfeilkreuzlern verhaftet und nach Bergen-Belsen deportiert, wo sie etwa am 11. Dezember 1944 ankamen. Dort wurden sie in den gleichen Baracken des »Ungarnlagers« untergebracht, in denen noch kurz zuvor die Kasztner-Gruppe, darunter auch István Irsai, lebte und die am 4. Dezember in die Schweiz ausreisen konnte. In Bergen-Belsen fing Merényi an, in ihren mitbrachten Taschenkalender Szenen aus dem Lageralltag zu zeichnen. Kurz vor der Befreiung gelangten Zsuzsa und ihre Schwester noch auf einen Zugtransport, aus dem sie nach tagelanger Irrfahrt am 23. April bei Tröbitz von russischen Truppen befreit wurden. Anschließend kehrten die beiden Geschwister zu Fuß und mit dem Zug nach Budapest zurück, das sie am 29. Juni 1945 erreichten. Dort erfuhren sie, dass ihre Mutter bereits im April im Budapester Ghetto an Typhus gestorben war. Erst 1990 fand die Familie heraus, dass der Bruder Stefan, ebenfalls im April 1945, in Buchenwald starb. Nach dem Krieg nahmen die Schwestern den Familiennamen ihrer Großmutter mütterlicherseits an. Zwischen 1949 und 1952 studierte Zsuzsa Merényi klassisches Ballett am Leningrader Staatlichen

Choreographischen Institut, danach arbeitete sie als Lehrerin an der staatlichen Ballettschule in Budapest, wo sie zahlreiche ungarische und internationale Tänzer ausbildete. 1952 heiratete sie György Lőrinc, den Leiter und Mitbegründer der Schule. Später wurden die gemeinsamen Kinder Júlia (1953), Katalin (1957) und László (1961) geboren. Ab 1963 arbeitete sie in der ungarischen Ballettlehrerausbildung, deren Leitung sie später übernahm. Zusätzlich schrieb sie zahlreiche Artikel, hielt Vorträge, veröffentlichte Bücher über die Methodik des Tanzes und fertigte Beiträge fürs ungarische Fernsehen und Radio an. Am 15. August 1990 ist Zsuzsa Merényi wenige Monate nach dem Besuch der Gedenkstätte Bergen-Belsen gestorben. Heute befindet sich das Schulheft mit den Zeichnungen aus Bergen-Belsen in den Sammlungen der Gedenkstätte Bergen-Belsen. Quellen   : »Lebenslauf Zsuzsa Merényi« von der Tochter Katalin Lőrinc, übersetzt von Stephanie Billib13, R ahe 1993, 34, Eby 1998, 143–152, Lőrinc L 2005, o.S. 8.10 Waldemar Nowakowski (1917–1984)

Waldemar Nowakowski kam am 10. November 1917 im damals russischen Białogród zur Welt. In Warschau studierte er Geodäsie an der Polytechnischen Universität und war Mitglied bei den polnischen Pfadfindern. Weil Nowakowski Ende der 1930erJahre im Widerstand gegen die Nationalsozialisten tätig war, wurde er im Mai 1940 von der Gestapo verhaftet und zum Tode verurteilt. Die Strafe wurde allerdings später in eine lebenslange Zuchthausstrafe umgewandelt, die er zunächst im Pawiak-Gefängnis in Warschau absitzen musste. Am 15.  August 1940 wurde er dann als politischer Häftling ins KZ Ausch­w itz eingeliefert. Dort arbeitete er u. a. im Holzhof und als Fuhrmann in einem Landwirtschaftskommando. Für seine Mithäftlinge schmuggelte er heimlich Lebensmittel ins Lager, wurde jedoch entdeckt und musste für zwei Monate in die Strafkompanie nach Auschwitz-Birkenau. An-

schließend erkrankte er an Fleckfieber und wurde in den Häftlingskrankenbau verlegt. Später erhielt er dort die Position des Schreibers und danach die des Blockältesten. Von Waldemar Nowakowski sind zahlreiche künstlerische Aktivitäten während seiner vierjährigen Haftzeit in Auschwitz bekannt. So bemalte er im offiziellen Auftrag die Wände einiger Häftlingsbaracken in Birkenau mit Landschaftsbildern. Daneben führte er zusammen mit dem polnischen Schriftsteller Tadeusz Borowksi im Krankenbau illegale Sketche, Lesungen und Theaterspiele auf. Die Gegenstände für die Aufführungen versteckte er im Krankenbau in den Zwischenräumen zwischen Decke und Dach. Außerdem bastelte er zu Weihnachten 1943 eine Krippe mit Figuren aus Lappen. Zusätzlich soll er etwa 300 Aquarelle auf Karton im Postkartenformat hergestellt haben.14 Im Oktober 1940 kam Nowakowski nach Sachsenhausen, wo er in der Flugzeugfabrik der »Heinkel-Werke« arbeiten musste. Im Januar 1945 wurde er zur »8.  SS-Eisenbahnbaubrigade« versetzt, die zerstörte Gleise und Bahnhofsanlagen reparierte. Die Befreiung erlebte Nowakowski am 3. Mai 1945 in der Nähe von München. Im September 1945 ging Nowakowski nach Polen zurück und studierte an der Akademie der schönen Künste. Danach arbeitete er als Lehrer und grafischer Künstler in Polen. Am 30.  Januar 1984 starb Waldemar Nowakowski in Krakau. Quellen  : Blatter/Milton 1981, 260, Heubner/ Meyer/Pieplow 1987, 132, Boberg/Simon 2005, 378–379. 8.11 Horst Rosenthal (1915–1942)

Horst Rosenthal wurde zusammen mit seinem Zwillingsbruder Alfred am 19.  August 1915 in Breslau geboren. Seine Eltern Ernst Nathan und Frieda Rosenthal (geb. Zöllner) waren Kaufleute, nach dem frühen Tod des Vaters zog die Mutter die Zwillinge und den 1920 geborenen Bruder allein auf. Wahrscheinlich aus politischen Gründen verließ RosentHorst Rosenthal  |  205

hal seine Heimatstadt und erreichte Anfang Juli 1933 Paris. Dort beantragte er die Anerkennung als politischer Flüchtling, die er 1937 schließlich erhielt. In einfachen Verhältnissen lebend arbeitete er in Paris vermutlich als Zeichner, wenngleich sich keine Werke aus dieser Zeit nachweisen lassen. Wahrscheinlich war Rosenthal wie viele andere Flüchtige auch ohne Arbeitserlaubnis beschäftigt. Mit dem Beginn des Zweiten Weltkrieges im September 1939 wurde Rosenthal als »unerwünschter Ausländer« verhaftet und in verschiedene Sammellager interniert. Nach drei Monaten wurde er entlassen und kehrte nach Paris zurück. Kurz nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht im Mai 1940 erfolgte die erneute Internierung in unterschiedliche Lager, ab dem 28.  Oktober die Überstellung ins Lager Gurs. Fast ein Jahr später, im August 1941, wurde Rosenthal in die 182. Fremdarbeitergruppe, Groupement de travailleurs étrangers (GTE), aufgenommen, die für den Unterhalt des Lagers sorgen musste. Ende Juli 1942 wurde Rosenthal in eine andere Fremdarbeitergruppe ins Lager Barcarès verlegt. Im Zuge einer Verhaftungswelle, die das Vichy-Regime für den NS-Staat durchführte, gelangte er über das Lager Rivesaltes ins Durchgangslager Drancy bei Paris. Von dort wurde Horst Rosenthal am 11. September 1942 mit dem Transport Nr. 31 in Richtung Auschwitz deportiert, wo ihn die SS wahrscheinlich kurz nach der Ankunft ermordete. In Gurs fertigte Rosenthal neben Mickey au camp de Gurs noch zwei weitere kleine illustrierte Hefte an, La Journée d’un hébergé  : Camp de Gurs 1942 und Petite guide à travers le camp de Gurs, die auf satirische Weise und mit den Mitteln des Comics den schwierigen Lageralltag der Internierten kritisieren. Die ersten beiden Werke befinden sich im Centre de documentation juive contemporaine in Paris, während die letzte Arbeit in der Sammlung Elsbeth Kasser im Archiv für Zeitgeschichte in Zürich auf bewahrt wird. Quellen  : Mittag 1996, 291, Rosenberg 2004, Rosenberg 2013, 368–383, Kotek/Pasamonik 2014, 71–93.

206  | Biografien

8.12 Joseph Spier (1900–1978)

Am 26. Juni 1900 wurde Joseph Eduard Adolf Spier als Sohn von Isedore Spier und seiner Frau Seline im niederländischen Zutphen geboren. Spier, dessen zeichnerisches Talent schon früh auffiel, zog 1919 nach Amsterdam, nahm dort privaten Zeichenunterricht und schrieb sich nach Beendigung seines Militärdienstes an der Reichsakademie der Bildenden Künste ein. Im Jahr 1923 ging er nach Paris, um sich dort u. a. an der privaten Kunstschule Atelier Cormon weiterzubilden. Ende 1924 kam er zur Tageszeitung De Telegraph, wo er zunächst als Pressezeichner arbeitete und später als Cartoonist mit seinen humoristischen Zeichnungen großen Erfolg hatte. Daneben produzierte er Reklamebilder für verschiedene niederländische Unternehmen und veröffentlichte diverse Bücher mit seinen Zeichnungen. Nach dem Einmarsch der Deutschen im Mai 1940 änderte sich die Situation für Spier. So kam er u. a. wegen einiger kritischer Zeichnungen mehrfach in Haft, später wurde er mit seiner Frau, seinen drei Kindern und seinen Eltern ins Durchgangslager Westerbork und dann am 22.  April 1943 nach Theresienstadt deportiert. In Theresienstadt war er wahrscheinlich in den Lautscher-Werkstätten und im Zeichensaal des Technischen Büros beschäftigt. Dort schuf er zahlreiche Zeichnungen, die ein eher idyllisches Alltagsleben im Ghetto Theresienstadt darstellten und mit der Wirklichkeit nur wenig gemeinsam hatten. Einige dieser Zeichnungen wurden für das offizielle Andenkalbum »Bilder aus Theresienstadt« benutzt. Außerdem fertigte Spier für den Film »Theresienstadt. Ein Dokumentarfilm aus dem jüdischen Siedlungsgebiet«, der 1944 bis 1945 auf Befehl der SS entstand, Hunderte von Drehskizzen an, die sich heute im NIOD Instituut voor Oorlogs-, Holocaust- en Genocidestudies in Amsterdam befinden.15 Nach der Befreiung Theresienstadts kehrte Spier mit seiner Familie zunächst nach Holland zurück. Wegen seiner Tätigkeiten für die SS in Theresienstadt wurde Spier in der niederländischen Öffentlichkeit stark kritisiert, sodass er 1951 in die USA auswanderte, wo er mit Reklamebildern und Illustrationen sein Geld verdiente. In den folgenden Jahren veröffent-

liche er zahlreiche Bücher mit seinen Zeichnungen. Am 21. Mai 1978 ist Joseph Spier in Santa Fé in den USA gestorben. Quellen  : Massachusetts College 1991, 40, 85, Schöffer 1994, Gedenkstätte Theresienstadt 2002, 142. 8.13 Helga Weissová (geb. 1929)

Helga Weissová wurde am 10.  November 1929 in Prag geboren. Der Vater Otto Weiss war Angestellter bei der Länderbank am Platz der Republik in Prag, die Mutter Irena, geborene Fuchserová, war gelernte Näherin. Nach der Annexion der Tschechoslowakei durch das Deutsche Reich im Jahr 1939 wurden nach und nach jüdische Kinder aus der Schule ausgeschlossen, so auch Helga Weissová, die nun in kleinen, von der jüdischen Gemeinde organisierten Gruppen weiterlernen konnte. Zusätzlich förderte der Vater ihr Talent zum Schreiben und Malen. Am 10.  Dezember 1941 wurde die Familie nach Theresienstadt deportiert. Mitnehmen konnte Helga Weissová u. a. ihre Buntstifte, Wasserfarben und einen Zeichenblock. In Theresienstadt kam Helga Weissová mit ihrer Mutter zu den anderen Frauen in die Dresdner Kaserne, ihr Vater lebte zunächst in der Sudeten-, später in der Magdeburger Kaserne. 1942 musste Helga Weissová in das Mädchenheim L410 ziehen, das sich direkt am Hauptplatz neben der Kirche befand. Hier lebte sie mit anderen Mädchen in Raum 24, wo auch die meisten ihrer Bilder entstanden. Neben den Zeichnungen führte sie auch ein Tagebuch, in das sie ihre Eindrücke vom Lageralltag niederschrieb.16 Am 1. Oktober 1944 wurde ihr Vater deportiert, drei Tage später folgten auch Helga Weissová und ihre Mutter nach Auschwitz. Während ihr Vater dort umkam, wurden Helga und ihre Mutter nach wenigen Tagen für die Zwangsarbeit in Freiberg, einem Außenlager des KZ Flossenbürg, ausgewählt. Dort mussten sie zusammen mit etwa 1.000 anderen Frauen Metallarbeiten an Flugzeugteilen für die Firma Arado durchführen. Am 15. April 1945 löste die SS das Lager wegen der her-

anrückenden Front auf und die überlebenden Häftlinge kamen nach Mauthausen, wo sie nach langer und qualvoller Fahrt im offenen Güterwaggon am 29. April ankamen. Wenige Tage später, am 5. Mai 1945, wurde das KZ Mauthausen von den Amerikanern befreit. Nach der Befreiung kehrten Mutter und Tochter in ihre alte Wohnung in Prag zurück, wo Helga Weissová bis heute lebt. Helga Weissová holte in Prag ihre schulische Ausbildung am Gymnasium nach und schrieb sich gleichzeitig an der staatlichen Grafikschule ein. Nach Abschluss beider Schulen im Jahr 1950 studierte sie an der Kunstgewerbehoch­ schule Monumentalmalerei bei den Professoren Emil Filla und Alois Fišárek. 1954 heiratete sie den Musiker Jirí Hošek, ein Jahr später kam ihr Sohn, 1960 ihre Tochter zur Welt. Anfang der 1960er-Jahre setzte sie sich in ihrer Kunst mit den Erfahrungen aus Theresienstadt auseinander. Mehrere Ausstellungen, u. a. in der Tschechoslowakei, Österreich, Italien und den USA folgten. Nach dem Einmarsch der Sowjetunion 1968 in die Tschechoslowakei zog sich Helga Weissová aus der Öffentlichkeit zurück, unterrichtete an einer Kunstschule und arbeitete an Grafiken. Erst Ende der 1970er-Jahre nahm sie die Malerei wieder auf. Seit 1989 sind ihre Werke in zahlreichen Einzelausstellungen in Europa und den USA zu sehen, darunter auch ihre Kinderzeichnungen aus Theresienstadt. Dabei ist oftmals Helga Weissová anwesend, um in Gesprächsrunden von ihren Erlebnissen in Ghetto zu berichten. Quellen  : Interviews des Verfassers mit Helga Weissová (Weissová 2007), Düsing 2002, 58–71, Weissová 2002, Baumgartner/Girstmair/ K aselitz 2007, 107–109, Weiss 2013, Wonschik 2014, 186–203. 8.14 Simon Wiesenthal (1908–2005)

Am 31.  Dezember 1908 kam Simon Wiesenthal in Buczacz im damaligen österreichisch-ungarischen Ostgalizien, heute in der Ukraine, zur Welt. Der Vater, Vertreter einer Zuckerraffinerie, fiel im ErsSimon Wiesenthal  |  207

ten Weltkrieg als Soldat, sodass die Mutter und zeitweise auch die Großmutter Wiesenthal ihn und seinen jüngeren Bruder großzogen. Nach Abschluss des Gymnasiums studierte Wiesenthal in Prag und Lemberg Architektur. Im September 1936 heiratete er Cyla Müller, die er bereits auf dem Gymnasium in Buczacz kennenlernte. Nach dem Einmarsch deutscher Truppen in Lemberg im Juni 1941 musste Wiesenthal in einem Ausbesserungswerk der Ostbahn arbeiten, Ende 1941 zogen er, seine Mutter und Cyla ins dortige Ghetto. Während Wiesenthals Mutter deportiert wurde und Cyla in Warschau untertauchen konnte, kam Wiesenthal ins Zwangsarbeitslager Lemberg-Janowska, konnte im September 1943 von dort fliehen und versteckte sich mehrere Monate lang bei Bekannten. Im Juni 1944 wurde er entdeckt und später nach Plaszow und Groß-Rosen gebracht und im Januar 1945 schließlich nach Mauthausen deportiert, wo er die Häftlingsnummer 127371 erhielt. Nach der Befreiung im Mai 1945 arbeitete Wiesenthal mit dem amerikanischen Militär zusammen, später gründete er in Linz das »Zentrum für Jüdische Historische Dokumentation«, wo er Zeugenaussagen und Beweismittel über NS-Täter zusammentrug. Daneben arbeitete er für zwei jüdische Hilfsorganisationen, nämlich die Organisation for Rehabilitation and Training (ORT) und das American Jewish Joint Distribution Committee (Joint). Infolge des nachlassenden Interesses an der Verfolgung der Täter schloss Wiesenthal 1954 sein Dokumentationszentrum. Seine Mitwirkung bei der Suche nach Adolf Eichmann machte Wiesenthal in der Öffentlichkeit bekannt, was ihn ermutigte, in Wien das »Dokumentationszentrum des Bundes jüdischer Verfolgter des Naziregimes« zu gründen, um weiter seine Suche nach NS-Kriegsverbrechern fortzuführen. Daneben schrieb er zahlreiche autobiografisch geprägte Bücher, hielt Vorträge in aller Welt und wirkte an mehreren Filmen mit. In den folgenden Jahren avancierte Wiesenthal zu einer weithin bekannten, engagierten, aber auch streitbaren prominenten Persönlichkeit, die sich mit großer Leidenschaft der Erinnerung an die NS-Zeit widmete. Simon Wiesenthal starb am 20. September 2005 in Wien im Alter von 96 Jahren. 208  | Biografien

Quelle  : Segev 2010. 8.15 Hilda Zadiková (1890–1974)

Hilda Zadiková wurde am 23.  Juni 1890 als Hilda Löwy geboren. Später änderte ihre Familie den Namen in Lohsing. Ihre künstlerische Ausbildung erhielt sie zunächst in Prag bei Hermine Laukota. Anschließend studierte sie in München an der Frauenakademie und an der privaten Malschule von Heinrich Knirr. In München lernte sie den Bildhauer Arnold Zadikow kennen, den sie 1920 heiratete. In den nächsten Jahren arbeitete sie u. a. als Illustratorin und beschäftigte sich gemeinsam mit ihrem Mann mit Glasgravuren. Als Arnold Zadikow seinen Posten als künstlerischer Leiter der Glasfabrik Moser in Karlsbad verlor, gab Hilda Zadiková Malunterricht und verkaufte handgemalte Lampenschirme, um die Familie zu ernähren. Am 15. Mai 1942 wurde sie mit ihrem Mann und ihrer Tochter Marianka mit dem Transport Au  1 nach Theresienstadt deportiert. Wegen ihrer künstlerischen Kenntnisse arbeitete Hilda Zadiková in den sogenannten »Lautscher Werkstätten«, in denen im offiziellen Auftrag Souvenirs und dekorative Gegenstände angefertigt wurden. Dort stellte sie u. a. Blumenbilder und Lesezeichen her und fertigte Entwürfe für Lampenschirme und Bonbonieren an. Anfang März 1943 starb Arnold Zadikow an den Folgen einer Blinddarmoperation. Im gleichen Jahr wurden die »Lautscher Werkstätten« aufgelöst und zahlreiche Künstler, darunter Hilda Zadiková und Joseph Spier, arbeiteten in einem neuen, von der SS kontrollierten Maleratelier. Hier schuf Hilda Zadiková zahlreiche Auftragsbilder für die SS und deren Angehörige. Gemeinsam mit ihrer Tochter erlebte sie die Befreiung im Mai 1945. Anschließend kehrte Hilda Zadiková nach Prag zurück, wo sie sich erneut künstlerisch betätigte. Nach einem kurzen Aufenthalt in Israel emigrierte sie 1948 in die USA. Am 25. Dezember 1974 ist Hilda Zadiková in den USA gestorben.

Quellen  : ABT, Erinnerungsbericht Hilda Zadiková, Bl.  1 und 2, Gedenkstätte Theresienstadt 2002, 146, Wonschik 2014, 81–101, Moreh-Rosenberg/Smerling 2016, 336.

Hilda Zadiková  |  209

Abkürzungsverzeichnis

ABT Archiv Beit Theresienstadt, Givat Haim Ihud, Israel ACG Amicale du Camp de Gurs, Pau, Frankreich AEA Albert Einstein Archives, Hebrew University of Jerusalem, Israel AfZ Archiv für Zeitgeschichte, Zürich, Schweiz AGB Archiv der Gedenkstätte Bergen-Belsen CDJC Centre de Documentation Juive Contemporaine, Paris, Frankreich DOEW Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands, Wien, Österreich JMP Jüdisches Museum Prag, Tschechien LAMOTH Los Angeles Museum of the Holocaust, Los Angeles, USA LBI Leo Baeck Institute New York, USA MJH A Living Memorial – Museum of Jewish Heritage, New York, USA PMO Państwowe Muzeum Auschwitz-Birkenau (Staatliches Museum Auschwitz-Birkenau), Oświęcim, Polen PT Památník Terezín (Gedenkstätte Theresienstadt), Terezín, Tschechien USHMM United States Holocaust Memorial Museum, Washington, D.C., USA

Abkürzungsverzeichnis  |  211

Literatur- und Quellenverzeichnis

Lexika und Wörterbücher

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214  |  Literatur- und Quellenverzeichnis

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Sekundärliteratur  |  231

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Quellen  |  233

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D  1  A/1024, Sonderliste, Bl.  272, 273  ; R  31/M  5, Nummernliste, Bl. o.Z. sowie D 10 A/01, Zugangsliste, Bl. 44.

Sommerfeld-Irsai 2009a Telefoninterview mit Miryam Sommerfeld-Irsai, Tochter von István Irsai, am 1. November 2009.

Sammlung Terezín, Nr.  343 (Hilda Zadiková), Nr.  268 (Eli Leskly) und »Biography of Dr. Pavel Fantl«, unveröffentl. Manuskript von Hana Greenfield, ohne Inv.-Nr.

Weissová 2007 Interviews mit Helga Weissová am 21. und 24. April 2007 in Prag, Tschechien. Schriftliche Mitteilungen an den Verfasser

Lőrinc K 2007 Katalin Lőrinc, Tochter von Zsuzsa Merényi, vom 3. Juni 2007. Oren 2007 Mira Oren, Tochter, von Erich Lichtblau-Leskly, vom 30. Oktober 2007. Sommerfeld-Irsai 2009b Miryam Sommerfeld-Irsai, Tochter von István Irsai, vom 19. Oktober 2009. Zadiková 2016 Telefoninterview mit Marianka Zadikow-May am 23. Oktober 2016. Unveröffentlichte Quellen

Deutschland, Archiv der Gedenkstätte Bergen-Belsen, Lohheide Bestand Augenzeugenberichte, Audiokassette Nr. 34 und 35, Interview mit Zsuzsa Merényi am 20. April 1990 in Hannover Deutschland, Archiv der Gedenkstätte Sachenhausen, Oranienburg 234  |  Literatur- und Quellenverzeichnis

Israel, Archiv Beit Theresienstadt, Givat Haim Ihud

Israel, Albert Einstein Archives, Hebrew University of Jerusalem Bestand  B.2, Korrespondenz zwischen Hilda Zadiková und Albert Einstein Inv.-Nrn. 59-046, 57-582, 67-022 und 67-23.1. Österreich, Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands, Wien Slg. Buttinger, Lebenslauf Karl Bodeks verfasst von James Loeb am 11.  November 1940, Inv.-­ ­Nr.  18888/17, Diverse Materialien über Kurt Loew, Inv.-Nr. 16635/1 Polen, Staatliches Museum Auschwitz-Birkenau, Oświęcim Häftlingspersonalbogen Kalman Landau, D-AuI­2/3114, Inv.-­Nr. 3174.

Abbildungen

Abb. 1 Bedřich Fritta, »Unterkunft der Alten im Kavalier«, 1942–1944, Tusche auf Karton, 47 x 35,9 cm, Jüdisches Museum Prag.

Abbildungen  |  235

Abb. 2 Leo Haas, »Hunger«, 1947, Lithografie auf Karton, 29 x 44 cm, Blatt 4 des Grafikzyklus »Konzentrationslager«.

Abb. 3 Bedřich Fritta, »Begräbnis«, 1941–1944, lavierte Pinselzeichnung, Tusche auf Karton, 43,9 x 60 cm, Jüdisches Museum Prag.

236  | Abbildungen

Abb. 4 Simon Bening, »Dezember«, aus dem »Da Costa Stundenbuch«, ca. 1515, 17,2 x 12,5 cm, The Pierpont Morgan Library, New York.

Abb. 6 Simon Bening, »Juni«, aus dem »Da Costa Stundenbuch«, ca. 1515, 17,2 x 12,5 cm, The Pierpont Morgan Library, New York.

Abb. 5 Simon Bening, »März«, aus dem »Da Costa Stundenbuch«, ca. 1515, 17,2 x 12,5 cm, The Pierpont Morgan Library, New York.

Abb. 7 Flämisches Stundenbuch, »Dezember«, ca. 1500, 19,6 x 13,2 cm, The Fitzwilliam Museum, Cambridge.

Abbildungen  |  237

Abb. 8 Werkstatt des Simon Bening, »April«, aus dem »Golf-Buch« (Stundenbuch), Brügge ca. 1540, 11,0 x 8,0 cm, The British Library, London.

Abb. 9 Simon Bening, »Januar«, aus dem »Da Costa Stundenbuch«, ca. 1515, 17,2 x 12,5 cm, The Pierpont Morgan Library, New York.

Abb. 10 Antisemitische Zeichnungen von Philipp Rupprecht (Fips) aus  : »Juden stellen sich vor. 24 Zeichnungen vom Stürmerzeichner«, Nürnberg 1934.

Abb. 11 Antisemitische Karikatur eines jüdischen Kaufmanns anlässlich des Börsenkrachs 1873 aus der Satirezeitschrift »Kikeriki«, Nr. 40, vom 18. Mai 1873.

238  | Abbildungen

Abb. 12 »Die Geschichte vom Suppen-Kaspar« aus  : Heinrich Hoffmann, Der Struwwelpeter oder lustige Geschichten und drollige Bilder, Fassung von 1858.

Abb. 13 Hermann Göring als Suppen-Kaspar aus  : Robert und Philip Spence, Struwwelhitler. A Nazi Story Book by Doktor Schrecklichkeit, London 1941.

Abb. 14 Bedřich Fritta, »Das Leben der Prominenten«, 1943–1944, Federzeichnung, Tusche auf Papier, 57 x 74 cm, Jüdisches Museum Prag.

Abbildungen  |  239

Abb. 15 Anonym, »Bahnbau« (Vorlage František Petr Kien), 1943, Ozaliddruck auf Papier, 25,5 x 80 cm, Gedenkstätte Theresienstadt.

Abb. 16 Leo Haas, »Baustelle der Anschlussbahn von Bohušovice«, 16. Mai 1943, Federzeichnung, Tusche auf Papier, 48,4 x 65,7 cm, Gedenkstätte Theresienstadt.

240  | Abbildungen

Abb. 17 Joseph Spier, »The Obersturmführer«, 1943, Federzeichnung, Tusche, Aquarell auf Papier, 20,4 x 20,5 cm, Joods Historisch Museum, Amsterdam.

Abb. 18 Leo Heilbrunn, »Die Tischlerwerkstatt in der ehemaligen Reitschule«, Bleistiftzeichnung, Aquarell auf Karton, 28,5 x 43,5 cm, Jüdisches Museum Prag.

Abbildungen  |  241

Abb. 19 Otto Kaufmann (Karas), »Theresienstadt im Winter«, kolorierte Federzeichnung, Tusche auf Papier, 15,0 x 20,5 cm, Gedenkstätte Theresienstadt.

Abb. 20 Alfred Kantor, Ohne Titel [Häftlinge während eines Bombenangriffs in Schwarzheide], 1944/45, Bleistift auf Papier, Maße unbek., eingefügt in Alfred Kantors Bilderbuch von 1945, Privatsammlung.

242  | Abbildungen

Abb. 21 Alfred Kantor, »Hurry up. Gentlemen, will you  !«, 1945, Federzeichnung, Tusche, Aquarell auf Papier, S. 87 aus Alfred Kantors Bilderbuch von 1945, Privatsammlung.

Abb. 22 Alfred Kantor, »›Dinner‹ is served by prisoner-›superman‹ in the courtyard of factory«, 1945, Federzeichnung, Tusche, Aquarell auf Papier, S. 90 aus Alfred Kantors Bilderbuch von 1945, Privatsammlung.

Abb. 23 Alfred Kantor, »Uncle SS-Sturmführer« distributing candies in front of swiss news-reporter«, 1945, Federzeichnung, Tusche, Aquarell auf Papier, S. 19 aus Alfred Kantors Bilderbuch von 1945, Privatsammlung.

Abb. 24 Bedřich Fritta, »Film und Wirklichkeit«, 1944, Federzeichnung, Tusche auf Karton, 32 x 60 cm, Gedenkstätte Theresienstadt.

Abbildungen  |  243

Abb. 25 Andrzej Janiszek, »Krysia musi mieć braciszka [Krysia muss einen kleinen Bruder haben]«, 1944, Bleistift und Buntstift auf Papier, 110,5 x 12,5 cm, Staatliches Museum Majdanek.

Abb. 26 Auschwitz-Album, 1944, S. 7, Yad Vashem, Jerusalem.

244  | Abbildungen

Abb. 27 Auschwitz-Album, 1944, Fotografie von S. 8, Yad Vashem, Jerusalem.

Abb. 28 Auschwitz-Album, 1944, Fotografie von S. 9, Yad Vashem, Jerusalem.

Abbildungen  |  245

Abb. 31 Kalman Landau, »Appell bis spät in der Nacht«, 1945, Bild 5, Bleistift und Buntstift auf Papier, Format und Standort unbek. Publiziert in »Du. Schweizerische Monatsschrift«, Heft 3, März 1946.

Abb. 29 Kalenderblatt aus dem Fragment eines Sakramentars (Fulda, um 980), 28 x 20,4 cm, Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Berlin.

Abb. 30 Raoul Thomen, »Les mirifiques découvertes du Professeur Picrate«, aus der französischen Jugendzeitschrift Pierrot vom 8. September 1940, S. 5.

246  | Abbildungen

Abb. 32 Kalman Landau, »So gehen wir kaputt«, 1945, Bild 7, Bleistift, Buntstift auf Papier, Format und Standort unbek. Publiziert in »Du. Schweizerische Monatsschrift«, Heft 3, März 1946.

Abb. 33 Kalman Landau, »Gaskammer«, 1945, Bild 8, Bleistift, Buntstift auf Papier, Format und Standort unbek. Publiziert in »Du. Schweizerische Monatsschrift«, Heft 3, März 1946.

Abbildungen  |  247

Abb. 34 Heinrich Hoffmann, Fotografie von Adolf Hitler am 13. März 1938 auf dem Balkon des Rathauses in Linz, publiziert 1938 im Fotobildband »Hitler in seiner Heimat«. Abb. 35 Otto Dix, »Essenholen bei Pilkem«, 1924, Radierung auf Papier, 24,5 x 29,8 cm, aus dem Grafikzyklus »Der Krieg«. Abb. 36 John Heartfield, Buchumschlag für Publikation »Und sie bewegt sich doch  !«. Freie deutsche Dichtung«, London 1943.

248  | Abbildungen

Abb. 37 Jacob Kjeldgaard (Marinus), »L’épouvantai des neutres [Der Schrecken der Neutralen]«, publiziert in der frz. Zeitschrift Marianne, Nr. 385, vom 6. März 1940. Abb. 38 Ohne Titel [Hitler als Sensenmann], Karikatur aus The Nation vom 5. April 1933.

Abb. 39 Alfred Kantor, »Birkenau Main entrance (Auschwitz II)«, 1945, Federzeichnung, Tusche, Aquarell auf Papier, S. 34 aus Alfred Kantors Bilderbuch von 1945, Privatsammlung.

Abb. 40 Daniel Fitzpatrick, »Gate to Stalingrad«, Karikatur aus St. Louis Post-Dispatch vom 25. November 1942, Daniel R. Fitzpatrick Collection, The State Historical Society of Missouri.

Abbildungen  |  249

Abb. 41 Luther Bradley, »Design for a Union Station«, 1907, Federzeichnung, Tusche auf Papier, 43,2 x 35,3 cm, The Swann Collection of Caricature and Cartoon, Library of Congress, Washington, D.C. Abb. 42 Alfred Kantor, »Happy End«, 1945, Federzeichnung, Tusche, Aquarell auf Papier, S. 127 aus Alfred Kantors Bilderbuch von 1945, Privatsammlung. Abb. 43 Künstler unbek., »Kamp Makassar«, Titelbild eines Albums aus vier Zeichnungen, 1945, Buntstift auf Papier, 28 x 18,4 cm, Lagerzeichnung aus dem besetzten Niederländisch-Indien (1942– 1945), Museon, Den Haag.

250  | Abbildungen

Abbildungen Bildserien

Vorbemerkung

Der Katalog bezüglich der 15 hier analysierten Bildserien enthält Informationen zu Titel, Entstehungsort und -zeit, Medium inklusive der Blatt- bzw. Seitenanzahl, Technik, Maße (Höhe  x  Breite in cm), Standort mit Inventarnummer und Quelle. Stehen der oder die Titel in Kursivschrift, sind sie dem Werk selbst entnommen. Sind sie in Anführungszeichen, stellen sie die retrospektiven Titel der Künstler dar, stammen aus Katalogen oder wurden von den Museen und Archiven vergeben. In allen anderen Fällen entfällt der Titel. In der Regel wurden die oben genannten Angaben durch die Begutachtung des Originals gewonnen. War kein Zugang zum Originalwerk möglich, stammen die Angaben von den Museen, Archiven

oder aus der Literatur. Des Weiteren bietet der Katalog Literatur- und Ausstellungsangaben zu den jeweiligen Bildserien, wobei kein Anspruch auf Vollständigkeit besteht. Häufig sind mehrteilige Bildserien in der Literatur nur mit einigen wenigen Abbildungen vertreten, bei einer vollzähligen Publikation aller Blätter aus der Serie wird dies zusätzlich vermerkt. Bei der Ausstellungsgeschichte wurde auf diese Angabe verzichtet, da oftmals keine Informationen vorlagen, welche Bilder aus der Serie konkret gezeigt wurden und welche nicht. Die Bildserien der Künstler sind in Regel vollständig abgebildet. In manchen Fällen musste darauf verzichtet werden, weil kein geeignetes Bildmaterial einzelner Teile der Bildserie zur Verfügung stand oder es Einschränkungen im Urheberrecht gab.

Vorbemerkung  |  251

Pavel Fantl

Titel  : Entstehungsort und -zeit  : Medium  : Technik  : Maße  : Standort (Inv.-Nr.)  :

»Metamorphose«17 Theresienstadt 1944 Einzelblatt, 4 Darstellungen Wasserfarben, Bleistift und Tusche auf Papier 22,8 x 29,7 cm Yad Vashem (2147-A-083)

Literatur Moreh-Rosenberg/Smerling 2016, 152 (Abb. S. 153), Wendland 2013, 467–468 (Abb. S. 467), Feinstein 2008, 59, 60, 71 (Abb. S. 60), Greenfield 2006, 117, 119, 120–123 (Abb. S. 120), Mickenberg/Granof/Hayes 2003, 166, Tarsi 2001, 53, 55 (Abb. S. 18). Gruppenausstellungen Deutschland »Kunst aus dem Holocaust. 100 Werke aus der Gedenkstätte Yad Vashem«, Deutsches Historisches Museum, Berlin (2016). USA »Art and Medicine in Ghetto Theresienstadt (Terezín)«, University School of Medicine, New York, USA (2009), Holocaust Museum and Study Center, Spring Valley (2007). Israel »Art and Medicine in Ghetto Theresienstadt (Terezín), Bruce Rappaport Faculty of Medicine, Haifa (2000).

252  |  Abbildungen Bildserien

Pavel Fantl  : »Metamorphose«, tschech. Inschrift  : VANOCE CLENA AK V TEREZÍNE [Weihnachten eines Mitglieds AK in Theresienstadt]  ; L.P. [im Jahre]  ; A – CHRAŇ BŮH [ und – so Gott will –].

Pavel Fantl  |  253

Liesel Felsenthal

Titel  : Entstehungsort und -zeit  : Medium  : Technik  : Maße  : Standort (Inv.-Nr.)  :

Gurs 1941 Gurs 1941 Gebundenes Heft, fünf gefaltete und beidseitig illustrierte Blätter, 19 Darstellungen Wasserfarben, Tusche auf Papier 8 x 6,5 cm LBI AR 2273, 91a bis 91j

Literatur Wendland 2013, 469–471 (Abb. 470), Mickenberg/Granof/Hayes 2003, 25, 27 (Abb. S. 27), Rosenberg 2003a, 76, 142, 194), 280, Toll 1998 (Abb. vollz. S. 21–25), Mittag 1996, Vormeier 1980, o.S., Dawidowicz/Altshuler 1978 (Abb. S. 171, 173, 175), Toll 1978 (Abb. vollz. S. 29, 31, 33, 35 u. 37). Gruppenausstellung Deutschland »Gurs – deutsche Emigrantinnen im französischen Exil«, Martin-Gropius-Bau (1991).

254  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 1 Liesel Felsenthal  : Gurs, S. 1.

Abb. 2 Liesel Felsenthal  : Gurs, S. 2  : von 7h–8h heisst’s KAFFEE holen.

Abb. 3 Liesel Felsenthal  : Gurs, S. 3  : von 8h–9h Im Waschraum bei der Körperpflege.

Abb. 4 Liesel Felsenthal  : Gurs, Seite 4  : von 9h–10h Kommen die Betten raus.

Liesel Felsenthal  |  255

Abb. 5 Liesel Felsenthal  : Gurs, S. 5  : von 10h–11h An der Cantine.

Abb. 6 Liesel Felsenthal  : Gurs, S. 6  : von 11h–12h Waschen wir die Wäsche.

Abb. 7 Liesel Felsenthal  : Gurs, S. 7  : von 12h–13h Um Öfchen.

Abb. 8 Liesel Felsenthal  : Gurs, S. 8  : von 13h–14h Brot holen.

256  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 9 Liesel Felsenthal  : Gurs, S. 9  : von 14h–15h Am Ticketschaltar [sic].

Abb. 10 Liesel Felsenthal  : Gurs, S. 10  : von 15h–16h Quäcker18 holen.

Abb. 11 Liesel Felsenthal  : Gurs, S. 11  : von 16h–17h Wird die Wäsche aufgehängt.

Abb. 12 Liesel Felsenthal  : Gurs, S. 12  : von 17h–18h Wasser holen.

Liesel Felsenthal  |  257

Abb. 13 Liesel Felsenthal  : Gurs, S. 13  : von 18h–19h Das Essen kommt  – HURRA  !

Abb. 14 Liesel Felsenthal  : Gurs, S. 14  : von 18h–19h [sic] Ein kleines Schwätzchen.

Abb. 15 Liesel Felsenthal  : Gurs, S. 15  : von 20h–21h Sind wir mit Nähen u. Spielen beschäftigt.

Abb. 16 Liesel Felsenthal  : Gurs, S. 16  : von 21h–22h Liebesgeflüster.

258  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 17 Liesel Felsenthal  : Gurs, S. 17  : von 22h–23h Die Hochburg ruft.

Abb. 18 Liesel Felsenthal  : Gurs, S. 18  : von 23h–24h wir legen uns zu Bett.

Abb. 19 Liesel Felsenthal  : Gurs, S. 19  : von 24h–7h Ruhe überall[,] nur die Ratten treiben ihr Spiel.

Abb. 20 Liesel Felsenthal  : Gurs, S. 20  : Leerseite.

Liesel Felsenthal  |  259

Thomas Geve

Titel  : Entstehungsort und -zeit  : Medium  : Technik  : Maße  : Standort (Inv.-Nr.)  :

Es war einmal 19 Buchenwald und Schweiz 1945 Lose Blattreihe, mindestens 79 Blätter 20 unterschiedlich, siehe einzelne Abbildungen unterschiedlich, siehe einzelne Abbildungen Yad Vashem 2489

Literatur (Auswahl) Geve 2013, 220, 233, Wendland 2013, 471–472 (Abb. S. 471), Geve 2011 (Abb. vollz.), Geve 2009 (Abb. vollz.), Stargardt 2006a, 25, 31, 34–36 (Abb. S. 32–33), Horbelt 2005, Hoffmann D 2004, 383–384, Hoffmann D 2003a, 185–186 (Abb. S. 185), Geve 2000a, 23–24, 48, Brink 1998, 34–35 (Abb. S. 34), Geve 1997 (Abb. vollz.). Einzelausstellungen (Auswahl) Deutschland ›Es gibt hier keine Kinder‹ Auschwitz – Groß-Rosen – Buchenwald. Thomas Geve  : Zeichnungen eines kindlichen Historikers«, Tourist Information Weimar (2015), NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln (2014), St. Petri-Pauli Kirche, Eisleben (2013), Haus der Bürgerschaft, Bremen (2012), Landtag Sachsen-Anhalt, Magdeburg (2010), Rathaus Düren (2009), Jacobikirche, Chemnitz (2006), Stadtbücherei Ahlen (2004), Universität Bonn (1996), Rathaus Marburg (1997), Gedenkstätte Buchenwald, Weimar (1995). Schweiz ›Es gibt hier keine Kinder‹ Auschwitz – Groß-Rosen – Buchenwald. Thomas Geve  : Zeichnungen eines kindlichen Historikers«, Fluhmattschulhaus, Luzern (2005). Italien ›Qui non ci sono bambini. Infanzia e deportazione. I disegni di Thomas Geve‹, Museo Diffuso della Resistenza, della Deportazione, della Guerra, dei Diritti e della Libertà, Turin (2012). Frankreich ›Il n’y a pas d’enfants ici. Auschwitz – Gross-Rosen-Buchenwald‹, Rathaus Saint-Sébastien-sur-Loire (2012), Rathaus Orly (2009), Musée du général Leclerc de Hauteclocque et de 260  |  Abbildungen Bildserien

la Libération de Paris (2008), Rathaus Montreuil (2007/2008). Großbritannien ›There Are No Children Here‹. Drawings of a Child Historian«, University of Southampton, Parkes Institute (2004). Gruppenausstellungen Israel »The Anguish of Liberation as Reflected in Art 1945–1947«, Yad Vashem Art Museum, Jerusalem (2015).

Abb. 1 Thomas Geve  : K.L. Birkenau, Nr. 3, Bleistift, Buntstift auf Papier, 10 x 15 cm, Buchenwald 1945, Yad Vashem 2489/28.

Abb. 2 Thomas Geve  : Apell [sic], Nr. 22, Bleistift, Buntstift, Wasserfarben auf Papier, 10 x 15 cm, Schweiz 1945, Yad Vashem 2489/75.

Thomas Geve  |  261

Abb. 3 Thomas Geve  : Auschwitzer Mordkammer, Nr. 35, Bleistift, Buntstift, Wasserfarben auf Papier, z.T. in Tusche nachgezeichnet, 10 x 15 cm, Buchenwald 1945, Yad Vashem 2489/54.

Abb. 4 Thomas Geve  : Abmarsch nach Westen, Nr. 61, Bleistift, Buntstift, Wasserfarben auf Papier 10 x 15 cm, Buchenwald 1945, Yad Vashem 2489/70.

262  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 5 Thomas Geve  : Amerikanische Freunde, Nr. 76, Bleistift, Buntstift, Wasserfarben auf Papier, 10 x 15 cm, Buchenwald 1945, Yad Vashem 2489/62.

Abb. 6 Thomas Geve  : Wir fahren heim  !, Nr. 79, Bleistift, Buntstift, Wasserfarben auf Papier, 10 x 15 cm, Buchenwald 1945, Yad Vashem 2489/36.

Thomas Geve  |  263

Abb. 7 Eli Forrer  : Es war einmal (nach Thomas Geve), vermutl. Bleistift, Buntstift, Wasserfarben auf Transparentpapier, Maße unbek., Schweiz 1945, AfZ, NL Alfred Ledermann, Erinnerungsalbum Elly (Eli) Ledermann-Forrer.

264  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 8 Eli Forrer  : Abmarsch nach Westen (nach Thomas Geve), vermutl. Bleistift, Buntstift, Wasserfarben auf Transparentpapier, Maße unbekannt, Schweiz 1945, AfZ, NL Alfred Ledermann, Erinnerungsalbum Elly (Eli) Ledermann-Forrer.

Thomas Geve  |  265

István Irsai

Titel  : Entstehungsort und -zeit  : Medium  : Technik  : Maße  : Standort (Inv.-Nr.)  :

Filmnegativ egy negativ alijáról [ungar., dt. Übers.: Ein Filmnegativ über eine negative Alija] Bergen-Belsen 1944 Einzelblatt, 8 Darstellungen unbekannt unbekannt unbekannt

Literatur R ahe 2014, 76–78, Stiftung Niedersächsische Gedenkstätten 2014, v. a. S. 54–55, 62–71 (Abb. S. 55), Wendland 2013, 464–466 (Abb. S. 465), R ahe 2009, 160–169, R ahe 1994, 203, Toll 1998, 14 (Abb. S. 14), R ahe 1993, 28, 30–32, 52 (Abb. S. 30), Toll 1978, 70 (Abb. S. 73). Gruppenausstellungen Deutschland »Häftlingszeichnungen aus Bergen-Belsen«, Unna, Gedenkstätte Bergen-Belsen (1993).

266  |  Abbildungen Bildserien

István Irsai  : Filmnegativ egy negativ alijáról [Ein Filmnegativ über eine negative Alija].

István Irsai  |  267

Alfred Kantor

Titel  : Entstehungsort und -zeit  : Medium  : Technik  : Maße  : Standort (Inv.-Nr.)  :

Brabag – 2 Wochen Schwarzheide Schwarzheide 1944 Gebundene Blattreihe, 22 Kartonseiten, beidseitig beklebt mit 42 Darstellungen auf liniertem Papier Tusche auf Papier, Stoff (vermutlich blauweiß gestreifte KZ-Kleidung) Karton 7,9 x 12,3 cm, unterschiedliche Maße der einzelnen Darstellungen auf Papier, siehe Abbildungen USHMM 2002.314.1

Literatur K antor 1971a, Anm. »Facing page 78« (Abb. ggü. S. 78, ggü. S. 83, ggü. S. 87, ggü S. 90), Parke 1984, 180–181, 218–219 (Abb. 117, 120, 123, 126, 130, 131). Ausstellungen keine bekannt

268  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 1 Alfred Kantor  : Frontdeckel, Stoff, Karton.

Abb. 2 Alfred Kantor  : ­Kartonseite 1 ­(recto)  : Titelbild, Papier  : 6,1 x 8,9 cm.

Alfred Kantor  |  269

Abb. 3 Alfred Kantor  : ­Kartonseite 2 (recto), Papier  : 6,2 x 9,1 cm.

Abb. 4 Alfred Kantor  : ­Kartonseite 3 (recto), Papier  : 6,2 x 9,2 cm.

270  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 5 Alfred Kantor  : Kartonseite 3, (verso), Papier  : 2,9 x 9,2 cm.

Abb. 6 Alfred Kantor  : ­Kartonseite 4 (recto), Papier  : 5,3 x 8,7 cm.

Alfred Kantor  |  271

Abb. 7 Alfred Kantor  : ­Kartonseite 4 (verso), Papier  : 3,9 x 9,3 cm. Abb. 8

Alfred Kantor  : ­Kartonseite 5 (recto), Papier  : 5,5 x 8,9 cm.

272  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 9 Alfred Kantor  : ­Kartonseite 13 (recto), Papier  : 6 x 8,9 cm.

Abb. 10 Alfred Kantor  : Kartonseite 21 (recto), Papier  : 6,2 x 9,1 cm.

Alfred Kantor  |  273

Abb. 11 Alfred Kantor  : Kartonseite 21 (verso), Papier  : 4 x 8,8 cm.

274  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 12 Alfred Kantor  : Kartonseite 22 (recto), Papier  : 6,2 x 9,1 cm.

Alfred Kantor  |  275

Erich Lichtblau-Leskly

Titel  : Entstehungsort und -zeit  : Medium  : Technik  : Maße  : Standort (Inv.-Nr.)  :

kein Originaltitel bekannt (Titel der Nachkriegsreplikate »Hinter der Ghettomauer »Terezín« und »ghettoisiert…«. Plakate aus Theresienstadt«) 21 Theresienstadt 1942–1944, einige Blätter auch Tschechoslowakei 1945–1949 oder Israel nach 1949 sowie Israel 1970er–1984 Lose Blattreihe, mindestens 57 Blätter mit 57 Darstellungen.22 Wasserfarben, Tusche auf Papier unterschiedlich, siehe einzelne Abbildungen unterschiedlich, siehe einzelne Abbildungen

Literatur Makarova 2012, Melamed 2010b (Abb. vollz. S. 24-193), Wendland 2010, Feinstein 2008. Einzelausstellungen Israel »Closest tot he Truth…« – Terezin Cartoonist Erich Lichtblau-Leskly«, Ghetto Fighters’ House Museum (2011–2012), Titel unbek., Beit Theresienstadt, Givat Haim Ihud (1980 und 1976). USA »The Art of Erich Lichtblau-Leskly«, Los Angeles Museum of the Holocaust (2011), »Holocaust Diary. Watercolors of Terezín Ghetto Life by Eli Leskly«, Los Angeles Museum of the Holocaust (1984).

276  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 1  Erich Lichtblau-­ Leskly  : »Hinte­r der Ghettomauer »Terezín«, 29,2 x 41,5 cm, Tschechoslowakei 1945–1949 oder Israel nach 1949, L amoth 84-1A.

Abb. 2  Erich Lichtblau-­ Leskly  : »ghettoisiert …«. Plakate aus dem Ghetto Theresienstadt«, 49,5 x 69,5 cm, Israel 1970er–1984, L amoth 84-1.

Erich Lichtblau-Leskly  |  277

Abb. 3 Erich Lichtblau­-Leskly  : »Prag ist »judenrein«23, zwei Fragmente, Fragment links  : 6 x 13 cm, Fragment rechts  : 12 x 5 cm, beide Theresienstadt 1942–1944, L amoth 84-3A bzw. L amoth 84-3B.

Abb. 4 Erich Lichtblau-­Leskly  : »Überbelag«, 21,4 x 22 cm, Theresienstadt 1942–1944, L a­ moth 84-4B.

278  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 5 Erich Lichtblau-­ Leskly  : »Transportleiter Mandler wird ghettoisiert und von Ghettoinsassen verprügelt«, 14,6 x 20 cm, Theresienstadt 1942–1944, L a­ moth 84-5A.

Abb. 6 Erich Lichtblau-­ Leskly  : »Getaufte Juden kommen«, 17,6 x 28 cm, Theresienstadt 1942–1944, L a­ moth 84-6A.

Erich Lichtblau-Leskly  |  279

Abb.  7 Erich Lichtblau-­Leskly  : »Transportni ­Starosti [Transportsorgen]«, 22,5 x 29,5 cm, Theresienstadt 1942–1944, ­L amoth 84-8A. Abb.  8 Erich Lichtblau-Leskly  : »Im Goles [Diaspora] sollst du nicht bauen«, 21 x 21,5 cm, Theresienstadt 1942–1944, L amoth 84-9A.

280  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 9 Erich Lichtblau-Leskly  : »Riskantes Apfelschleussen«, 9,5 x 14,8 cm, Theresienstadt 1942–1944, L amoth 84-11A.

Abb. 10 Erich Lichtblau-Leskly  : »Der Pflichtgruss und die verbotenen Zigaretten«, 14,6 x 16 cm, Theresienstadt 1942–1944, L amoth 84-12A.

Erich Lichtblau-Leskly  |  281

Abb. 11 Erich Lichtblau-Leskly  : »Ein Abschiedsgruss«, 20,5 x 21 cm, Theresienstadt 1942–1944, L amoth 84-13A.

Abb. 12 Erich Lichtblau-Leskly  : »Guten Morgen, Herr Doktor«, 17 x 28,5 cm, Theresienstadt 1942–1944, L amoth 84-15A.

282  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 13 Erich Lichtblau-Leskly  : »Polenschutz ist kein Geschenk«, 12,2 x 29,4 cm, Theresienstadt 1942–1944, L amoth 84-16A.

Abb. 14 Erich Lichtblau-Leskly  : »Bretter für den Kumbal«24, 12,5 x 20,5 cm, Theresienstadt 1942–1944, L amoth 84-17A.

Erich Lichtblau-Leskly  |  283

Abb. 15 Erich Lichtblau-Leskly  : »Oft warf er grosse Zigarettenstümmel weg«, 18 x 28,9 cm, Theresienstadt 1942–1944, L amoth 84-18A.

Abb. 16 Erich Lichtblau-Leskly  : »Die Ankunft der Juden aus Dänemark in Theresienbad«, 17 x 21 cm, Theresienstadt 1942–1944, L amoth 84-19A.

284  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 17 Erich Lichtblau-­ Leskly  : »Konkurrenten«, Maße unbek., Theresienstadt 1942–1944. Quelle  : Privatsammlung.

Abb. 18 Erich Lichtblau-­ Leskly  : »Konkurrenti«, 28,5 x 40 cm, vermutl. Tschechoslowakei 1945–1949, L amoth 84-20A.

Erich Lichtblau-Leskly  |  285

Abb. 19 Erich Lichtblau-Leskly  : »Terezinka [Darmerkrankung]«, zusätzl. auf schw. Karton befestigt, 16 x 26 cm, Theresienstadt 1942–1944, L amoth 84-21B. Abb. 20 Erich Lichtblau-Leskly  : »Sterbeziffer  : 150 täglich«, 16,2 x 19,5 cm, Theresienstadt 1942–1944, L amoth 84-22A.

286  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 21 Erich Lichtblau-Leskly  : »Der Ordnungsdienst vom holländischen Transport aus Westerbork«, 14,7 x 24 cm, Theresienstadt 1942–1944, L amoth 84-23A.

Abb. 22 Erich Lichtblau-Leskly  : »Jüdisches Fuhrwerk & Arisches«, 11 x 28,5 cm, Theresienstadt 1942–1944, L amoth 84-24A.

Erich Lichtblau-Leskly  |  287

Abb. 23 Erich Lichtblau-­Leskly  : »Weil Ärzte auch Hunger haben«, 12,5 x 28,8 cm, Theresienstadt 1942–1944, ­L amoth 84-26A.

Abb. 24 Erich Lichtblau-­ Leskly  : »Drei Könige im Ghetto«, zusätzl. auf schw. Karton befestigt, 28 x 40,2 cm, Theresienstadt 1942–1944, ­L amoth 84-28A.

288  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 25 Erich Lichtblau-Leskly  : »Zurück von der Entlausung. Nur ein Cvok25 zahlt mit dem Ghettogeld«, 18,5 x 20,7 cm, Theresienstadt 1942–1944, L amoth 84-29A.

Abb. 26 Erich Lichtblau-Leskly  : »Mittagspause«, 1942– 1944 20,5 x 28,9 cm, Theresienstadt 1942–1944, L amoth 84-30A.

Erich Lichtblau-Leskly  |  289

Abb. 27 Erich Lichtblau-­ Leskly  : »Eine Zigarette von Mund zu Mund«, 14 x 32,5 cm, Theresienstadt 1942–1944, ­L amoth 84-31A.

Abb. 28 Erich Lichtblau-­ Leskly  : »Die Bonke26 oder letzte Neuigkeiten über die Frontlinie von Latrine B IV«, 20,7 x 29 cm, Theresienstadt 1942–1944, ­L amoth 84-32A.

290  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 29 Erich Lichtblau-Leskly  : »Zusatzportiönchen«, 21,5 x 28 cm, Theresienstadt 1942–1944, L amoth 84-33A. Abb. 30 Erich Lichtblau-Leskly  : »Der neue Ordnungsdienst – Bitte höflichst nicht drängen«, 18 x 18,2 cm, Theresienstadt 1942–1944, L amoth 84-34A.

Erich Lichtblau-Leskly  |  291

Abb. 31 Erich Lichtblau-­ Leskly  : »Der neue Ordnungsdienst – Ich bitte höflichst nicht drängen«, 17,4 x 27 cm, Theresienstadt 1942–1944, ­L amoth 84-64A.

Abb. 32 Erich Lichtblau-­ Leskly  : »Gezählt sollst du werden«, 21 x 29 cm, Theresienstadt 1942–1944, L amoth 84-35A.

292  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 33 Erich Lichtblau-­Leskly  : »Schlagersänger Hambo«, 20,8 x 28,8 cm, Theresienstadt 1942–1944, L amoth 84-38A. Abb. 34 Erich Lichtblau-­Leskly  : »Impetigo27 im Ghetto«, 15,2 x 21,2 cm, Theresienstadt 1942–1944, L amoth 84-40A.

Erich Lichtblau-Leskly  |  293

Abb. 35 Erich Lichtblau-Leskly  : »Die Bonke vom Kriegsschauplatz«, 19 x 20,8 cm, Theresienstadt 1942–1944, L amoth 84-41A.

Abb. 36 Erich Lichtblau-Leskly  : »Zu wenig Wasser für zu viele Ghetto-Insassen«, 17,2 x 24 cm, Theresienstadt 1942–1944, L amoth 84-42A.

294  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 37 Erich Lichtblau-­ Leskly  : »Jedermanns Wunsch­ traum  : Alleinsein im eigenen Kumbal«, 21 x 29,5 cm, Theresienstadt 1942–1944, ­L amoth 84-44A.

Abb. 38 Erich Lichtblau-Leskly  : »Der eine schleusst und dieser stiehlt«, 15,5 x 27,8 cm, Theresienstadt 1942–1944, L amoth 84-45A.

Erich Lichtblau-Leskly  |  295

Abb. 39 Erich Lichtblau-­ Leskly  : »Beim Bahnbau im Ghetto«, 21,2 x 28,6 cm, Theresienstadt 1942–1944, ­L amoth 84-46A.

Abb. 40 Erich Lichtblau-­ Leskly  : »Freizeitgestaltung«, 20,7 x 29,2 cm, Theresienstadt 1942–1944, ­L amoth 84-47A.

296  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 41 Erich Lichtblau-­Leskly  : »Jüdische Antisemiten im Ghetto«, 16 x 24,9 cm, Theresienstadt 1942–1944, L amoth 84-48A. Abb. 42 Erich Lichtblau-­Leskly  : »Ihre Geschäfte mit Suppe«, 19 x 20,5 cm, Theresienstadt 1942–1944, ­L amoth 84-49A.

Erich Lichtblau-Leskly  |  297

Abb. 43 Erich Lichtblau-Leskly  : »Verbotenes Grün«, 15,8 x 17,8 cm, Theresienstadt 1942–1944, L amoth 8450A.

Abb. 44 Erich Lichtblau-Leskly  : »Eine Wollweste für ein halbes Brot«, 17,4 x 21,4 cm, Theresienstadt 1942–1944, L amoth 84-51A.

298  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 45 Erich Lichtblau-Leskly  : »Es schleusste der Vater, es schleusste das Kind«, 20 x 21 cm, Theresienstadt 1942–1944, L amoth 84-52A.

Abb. 46 Erich Lichtblau-Leskly  : »Oft sind Zimmerälteste gemeine Diebe«, 20,5 x 30 cm, Theresienstadt 1942–1944, L amoth 84-53A.

Erich Lichtblau-Leskly  |  299

Abb. 47 Erich Lichtblau-­Leskly  : »Man sieht sich bis in den Magen«, 16,5 x 23,5 cm, Theresienstadt 1942–1944, L amoth 84-54A. Abb. 48 Erich Lichtblau-Leskly  : »Er nimmt ab, sie nimmt zu«, Wasserfarben, Bleistift, Tusche auf Papier, 20 x 20,4 cm, Theresienstadt 1942–1944, L amoth 84-55A.

300  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 49 Erich Lichtblau-Leskly  : »Die Zulassungsmarke«, Wasserfarben, Bleistift, Tusche auf Papier, 18,2 x 19,6 cm, Theresienstadt 1942–1944, L amoth 84-56A.

Abb. 50 Erich Lichtblau-Leskly  : »Encephalitis28 im Ghetto«, Wasserfarben, Bleistift, Tusche auf Papier, 20,7 x 24,8 cm, Theresienstadt 1942–1944, L amoth 84-57A.

Erich Lichtblau-Leskly  |  301

Abb. 51 Erich Lichtblau-Leskly  : »Von der Sargproduktion«, 21 x 29 cm, Theresienstadt 1942–1944, L amoth 84-69A.

Abb. 52 Erich Lichtblau-Leskly  : »Es werden alle Gehsteige gescheuert«, 21,2 x 29,5 cm, Theresienstadt 1942–1944, L amoth 84-58A.

302  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 53 Erich Lichtblau-­ Leskly  : »Ein fröhliches Ghetto«, Wasserfarben, Bleistift, Tusche auf Papier, 20,8 x 29,2 cm, Theresienstadt 1942–1944, ­L amoth 84-59A.

Abb. 54 Erich Lichtblau-­ Leskly  : »Die Speisehalle in der Baracke – Das Ghetto wird verschönert«, Wasserfarben, Bleistift, Tusche auf Papier, 17,2 x 25,2 cm, Theresienstadt 1942–1944, ­L amoth 84-62A.

Erich Lichtblau-Leskly  |  303

Abb. 55 Erich Lichtblau-­Leskly  : »Das Leitwort des Wirtschaftsamtes – Wir sind für alle da  !«, 20,2 x 28,8 cm, Theresienstadt 1942–1944, ­L amoth 84-61A.

Abb. 56 Erich Lichtblau-­Leskly  : »Das Ghettomädel – Die Operette in 3 Akten«, 18 x 28,5 cm, Theresienstadt 1942–1944, ­L amoth 84-66A.

304  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 57 Erich Lichtblau-­ Leskly  : »6 Freunde vom Barackenbad Zossen in Wulkow«, Wulkow 1944–1945, 17,4 x 22,4 cm, L amoth 84-71A.

Abb. 58 Erich Lichtblau-Leskly  : Titel unbek., mehrere Fragmente, Theresienstadt 1942–1944, L amoth 84-85A bis C.

Erich Lichtblau-Leskly  |  305

Abb. 59 Erich Lichtblau-Leskly  : »Ein Lebensmittelgeschäft«, Maße unbek., Theresienstadt 1942–1944, Privatsammlung.

Abb. 60 Erich Lichtblau-Leskly  : »Physische Arbeit – Geistige Arbeit«, Maße unbek., Theresienstadt 1942–1944, Privatsammlung.

306  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 61 Erich Lichtblau-Leskly  : »Zwei im Kumbal träumen von der Liebe«, Maße unbek., Theresienstadt 1942–1944, Privatsammlung.

Erich Lichtblau-Leskly  |  307

Kurt Loew und Karl Bodek

Version  : Titel  : Entstehungsort und -zeit  : Medium  : Technik  : Maße  : Standort (Inv.-Nr.)  :

Archiv für Zeitgeschichte (siehe Abbildungen) Onkel Joint’s Hütte oder  : Die rosa Brille Gurs 1941 Leporello, 9 Darstellungen, eingeklebt in ein Tagebuch29 Tusche, Wasserfarben auf Papier 15 x 9,6 cm (geschlossen) AfZ BA Elsbeth Kasser/78

Version  : Titel  : Entstehungsort und -zeit  : Medium  : Technik  : Maße  : Standort (Inv.-Nr.)  :

Amicale du Camp de Gurs Onkel Joint’s Hütte oder  : Die rosa Brille Gurs 1941 Leporello, 9 Darstellungen Tusche, Wasserfarben auf Papier 12 x 8 cm (geschlossen) ACG (Slg. Wauquier-Dusart)

Literatur Bullinger 2009, 23, 128, 129 (Abb. Vers. AfZ vollz. S. 44–45), Laharie 2007, 23, 27, 33, 96–97, 129 (Abb. ACG vollz. S. 129–133), Rosenberg 2003a, 47, 69, 90–91, 118, 123, 130, 133, 135, 186, 210, Mittag 1996, 278–279, 286, Bullinger1993, 13 (Abb. AfZ vollz. S. 96–97), Blatter/Milton 1981, 30, 256. Gruppenausstellungen (alle Vers. Afz) (Auswahl) Deutschland »Gurs. Ein Internierungslager in Südfrankreich 1939–1943. Aquarelle, Zeichnungen und Fotografien. Sammlung Elsbeth Kasser« u. a. Rathaus Baden-Baden (2011), Museum im Ritterhaus, Offenburg (2010/2011), Edwin Scharff Museum, Neu-Ulm (2001), Kulturgeschichtliches Museum Osnabrück (1994), Akademie der Künste Berlin (1993), Stadtarchiv Karlsruhe (1992), Hamburger Institut für Sozialforschung (1991), Jüdisches Gemeindezentrum Mannheim (1990). Schweiz »›Die von Gurs‹ – Kunst aus dem Internierungslager der Sammlung Elsbeth Kasser«, Museum im Lagerhaus, St. Gallen (2016), »Gurs. Ein Internierungslager in Südfrankreich 1939– 1943. Aquarelle, Zeichnungen und Fotografien. 308  |  Abbildungen Bildserien

Sammlung Elsbeth Kasser«, Historisches Museum Luzern (2009), Musée International de la Croix-Rouge Genève, Genf (1992). Frankreich »Gurs. Un camp d’internement en France – dessins, aquarelles, photographies«, u. a. Musée Départemental de la Résistance et de la Déportation, Toulouse (2000), Centre Jean Moulin Bordeaux (1994), Mairie du 4 e arrondissement, Paris (1993). Dänemark »Gurs. En interneringslejr i Sydfrankrig, 1939–1942. Tegninger, akvareller, fotografier. Samling Elsbeth Kasser, u. a. Thisted Museum, Thisted (1990), Skovgaard Museum, Viborg (1989).

Abb. 1 Kurt Loew/Karl Bodek  : S. 1 (Titelbild).

Kurt Loew und Karl Bodek  |  309

Abb. 2 Kurt Loew/ Karl Bodek  : S. 2 und 3.

Abb. 3 Kurt Loew/ Karl Bodek  : S. 4 und 5.

310  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 4 Kurt Loew/ Karl Bodek  : S. 6 und 7.

Abb. 5 Kurt Loew/ Karl Bodek  : S. 8 und 9.

Kurt Loew und Karl Bodek  |  311

Zsuzsa Merényi

Titel  : Entstehungsort und -zeit  : Medium  : Technik  : Maße  : Standort (Inv.-Nr.)  :

Útirajzok 1944 dec. 4–1945 jun. 29 [Ungar., dt. Übers.: Reisezeichnungen Dez. 1944 – 29. Jun. 1945] Bergen-Belsen 1944 – Budapest 1945 Gebundenes Schulheft, 34 Seiten, davon 31 Seiten mit 193 Darstellungen sowie 2 Seiten mit Inhaltsverzeichnis unterschiedlich, siehe einzelne Seiten 21 x 14,5 cm GBB BO 488

Literatur Billib 2014 (Abb. S. 105), Wendland 2013, 473–475 (Abb. S. 474), Wendland 2011, 144, 147–149, 151–155, 157–158, 162–163 (Abb. S. 154), Varnai 2005 (Abb vollz.), EBY 1998, 143–152, R ahe 1994, 202, 203 (Abb. S. 199, 200, 204), R ahe 1993, 34–39, 52, 53 (Abb. S. 35–39). Gruppenausstellungen Deutschland »Häftlingszeichnungen aus Bergen-Belsen«, Unna, Gedenkstätte Bergen-Belsen (1993).

312  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 1 Zsuzsa Merényi  : Umschlag mit Titel, Bleistift oder Tinte auf Papier.

Zsuzsa Merényi  |  313

Abb. 2 Zsuzsa Merényi  : S. 1, Tintenbleistift auf Papier, z.T. mit Tinte nachgezeichnet.

314  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 3 Zsuzsa Merényi  : S. 7, Tintenbleistift auf Papier, z.T. mit Tinte nachgezeichnet.

Zsuzsa Merényi  |  315

Abb. 4 Zsuzsa Merényi  : S. 8, Tintenbleistift auf Papier, z.T. mit Tinte nachgezeichnet.

316  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 5 Zsuzsa Merényi  : S. 9, Tintenbleistift auf Papier, z.T. mit Tinte nachgezeichnet.

Zsuzsa Merényi  |  317

Abb. 6 Zsuzsa Merényi  : S. 10, Tintenbleistift auf Papier, z.T. mit Tinte nachgezeichnet.

318  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 7 Zsuzsa Merényi  : S. 11, Tintenbleistift auf Papier, z.T. mit Tinte nachgezeichnet.

Zsuzsa Merényi  |  319

Abb. 8 Zsuzsa Merényi  : S. 20, Tintenbleistift auf Papier.

320  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 9 Zsuzsa Merényi  : S. 22, Tintenbleistift, Buntstift auf Papier.

Zsuzsa Merényi  |  321

Abb. 10 Zsuzsa Merényi  : S. 26, Tintenbleistift, Buntstift auf Papier.

322  |  Abbildungen Bildserien

Anonym (»M.M.«)30

Titel  : Entstehungsort und -zeit  : Medium  : Technik  : Maße  : Standort (Inv.-Nr.)  :

Kein Titel bekannt, Titel der Einzelblätter nachträglich vom Staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau hinzugefügt Auschwitz-Birkenau 1943 Lose Blattreihe31, 22 Blätter mit 32 Darstellungen unterschiedlich, siehe einzelne Abbildungen unterschiedlich, siehe einzelne Abbildungen PMO-I-2417/1 bis 22

Literatur Wendland 2013, 462–464 (Abb. S. 463), Sieradzka 2012, 89–90 (Abb. S. 99), Sieradzka 2011 (Abb. vollz.), Wendland 2011, 143–144, 146–147, 151–153, 155–156, 158, 160– 161, 163 (Abb. S. 155), Frahm 2005, 277–279 (Abb. S. 278), Hoffmann D 2003a, 183, 184, 186 (Abb. S. 184), Uhl 2003, 95, 97– 98, 100–101 (Abb. S. 96, 98–100), Hoffmann D 1996, 240, 242 (Abb. S. 241, 244), Dałek/Świebocka 1989 (Abb. 13–15, 17, 42–44, 46–47, 52, 56), Verband Bildender Künstler 1989 (Abb. S. 21, 24), Blatter/Milton 1981 (Abb. 289). Gruppenausstellungen (Auswahl) Deutschland »Representations of Auschwitz – Fifty Years of Photographs, Paintings, and Graphics«, Staatliches Museum für Naturkunde und Vorgeschichte, Oldenburg (1995/96), Weimar, Gauforum (1995), »Kunst zum Überleben – gezeichnet in Auschwitz«, Alte Synagoge Essen (1990), Köln, Frankfurt/M., Dachau, Innsbruck, Künstlerhaus Ulm (1989). Polen »Forbidden Art. To capture unimaginable«, Staatliches Museum Auschwitz-Birkenau (2011), »Representations of Auschwitz – Fifty Years of Photographs, Paintings, and Graphics«, Pałac Sztuki, Krakau (1995). USA »Forbidden Art. An exhibition of photographs of camp art«, UN-Hauptquartier, New York (2015), University of California, Los Angeles (2013), Beth Sholom Synagogue, Las Vegas

324  |  Abbildungen Bildserien

(2013), Northeastern Illinois University, Chicago (2012), Polish Mission in Orchard Lake, Michigan (2012).

Abb. 1 Anonym  : »Roll Call«, Bleistift auf Papier, 13,5 x 20 cm, PMO-I-2417/2.

Abb. 2 Anonym  : »Distributing Meals«, Bleistift auf Papier, 13,5 x 20,1 cm, PMO-I-2417/3.

Anonym (»M.M.«)  |  325

Abb. 3 Anonym  : »The Camp Hospital«, Bleistift, Buntstift, Tusche auf Papier, 13,5 x 20,3 cm, PMO-I-2417/6.

Abb. 4 Anonym  : »To the Gas«, Bleistift auf Papier, 13,5 x 20,3 cm, PMO-I-2417/7.

326  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 5 Anonym  : »The Krematorium«, Bleistift auf Papier, 13,5 x 20,3 cm, PMO-I-2417/8.

Abb. 6 Anonym  : »Arrival of a Transport at the Ramp«, Bleistift, Buntstift auf Papier, 13,5 x 20,7 cm, PMO-I-2417/13.

Anonym (»M.M.«)  |  327

Abb. 7 Anonym  : »The Separating of Families«, Bleistift, Buntstift auf Papier, 13,5 x 20,8 cm, PMO-I-2417/14.

Abb. 8 Anonym  : »On the Ramp«, Bleistift, Buntstift auf Papier, 13,5 x 20,6 cm, PMO-I-2417/15.

328  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 9  Ansicht der beiden Sequenzen über den Vorgang der Massenvernichtung in Auschwitz-Birkenau, 6 Blätter (siehe Abb. 3–7 u. 6–8).

Anonym (»M.M.«)  |  329

Waldemar Nowakowski

Titel  : Entstehungsort und -zeit  : Medium  : Technik  : Maße  : Standort (Inv.-Nr.)  :

Kein Gesamttitel bekannt, für die Bildtitel siehe die einzelnen Abbildungen 32 vermutl. Auschwitz 1940–194433 Lose Blattreihe, mindestens 42 Blätter mit 42 Darstellungen34 Aquarell, Tusche auf Papier unterschiedlich, siehe einzelne Abbildungen unterschiedlich, siehe einzelne Abbildungen

Literatur K aumkötter 2015, 96–103, 300 (Abb. S. 97–100, 102–103), Boberg/Simon 2005, 180, 182, 184, 186, 188, 190, 192, 194, 196, 378–379 (Abb. S. 181, 183, 185, 187, 189, 191, 193, 195, 197), Mickenberg/Granof/Hayes 2003, 61, 64, 73, 97, 112, 216 (Abb. S. 7, 97, 216–217), Dałek/Świebocka 1989, 145 (Abb. 5, 28, 41, 57, 63), Verband Bildender Künstler 1989, 25, 62–63 (Abb. S. 63), Blatter/Milton 1981, 24, 260 (Abb. S. 91–193). Ausstellungen Deutschland »Der Tod hat nicht das letzte Wort«, Paul-Löbe-Haus, Deutscher Bundestag, Berlin (2015), »Kunst in Auschwitz 1940–1945«, Stiftung Neue Synagoge Berlin/Centrum Judaicum, Berlin (2005), Kulturgeschichtliches Museum Osnabrück/Felix-Nussbaum-Haus, Osnabrück (2005), »Kunst zum Überleben – gezeichnet in Auschwitz«, Alte Synagoge Essen (1990), Köln, Frankfurt/M., Dachau, Innsbruck, Künstlerhaus Ulm (1989). Polen »Kunst in Auschwitz 1940–1945«, Museum der polnischen Unabhängigkeit, Łódź (2006). USA »Last Expression. Art and Auschwitz«, Brooklyn Museum of Art, New York (2003), Davis Museum and Cultural Center, Wellesley (2003), Mary and Leigh Museum of Art, Evanston (2002).

330  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 1 Waldemar Nowakowski  : »Sport [Sport]«, Aquarell, Tusche auf Papier, 15,5 x 10,7 cm, PMO-I-1-540.

Abb. 2 Waldemar Nowakowski  : »Budowa Oświçima [Der Bau von Auschwitz]«, 16 x 11,2 cm, PMO-I-1-541.

Abb. 3 Waldemar Nowakowski  : »Walce Krankemanna [Krankemannwalze]«, 15,5 x 10,5 cm, PMO-I-1-542.

Abb. 4 Waldemar Nowakowski  : »Modlitwa czy bluźnierstwo [Gebet oder Lästerung]«, 15,5 x 10,5 cm, PMO-I-1-543.

Waldemar Nowakowski  |  331

Abb. 5 Waldemar Nowakowski  : »Powrót Rosjan z pracy [Die Rückkehr der Russen von der Arbeit]«, 15,5 x 10,5 cm, PMO-I-1-544.

Abb. 6 Waldemar Nowakowski  : »Tragarze obiadu [Träger des Mittagessens]«, 16 x 11 cm, PMO-I-1-545.

Abb. 7 Waldemar Nowakowski  : »Obiad [Mittagessen]«, 15,5 x 10,7 cm, PMO-I-1-546.

Abb. 8 Waldemar Nowakowski  : »Nieudana ucieczka Czecha [Die misslungene Flucht eines Tschechen]«, 16 x 11,2 cm, PMO-I-1-547.

332  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 9 Waldemar Nowakowski  : »Spowiedź [Die Beichte]«, 15,5 x 10,7 cm, PMO-I-1-551.

Abb. 10 Waldemar Nowakowski  : »Chorzy [Die Kranken]«, 16 x 11,2 cm, PMO-I-1-549.

Abb. 11 Waldemar Nowakowski  : »Powrót z pracy [Rückkehr von der Arbeit]«, 15,3 x 10,4 cm, PMO-I-1-692.

Abb. 12 Waldemar Nowakowski  : »Słupek [Der Pfahl]«, 15,2 x 10,3 cm, PMO-I-1-691.

Waldemar Nowakowski  |  333

Abb. 13 Waldemar Nowakowski  : »Obiad [Mittagessen]«, 15,2 x 10,5 cm, PMO-I-1-693.

Abb. 14 Waldemar Nowakowski  : »Ucieczka Mali i Edka [Flucht von Mala und Edek]«, 15,5 x 11 cm, PMO-I-1-694.

Abb. 15 Waldemar Nowakowski  : »Giełda [Börse]«, 15,6 x 11 cm, PMO-I-1-695.

Abb. 16 Waldemar Nowakowski  : »Ucieczka z HWL [Flucht aus dem HWL]«35, 15,5 x 11 cm, PMO-I-1-698.

334  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 17 Waldemar Nowakowski  : »Wybiórka – co 10ty [Auswahl – jeder 10te]«, 15,5 x 11 cm, PMO-I-1-699.

Abb. 18 Waldemar Nowakowski  : »Patrz, on ciebie wzywa [Schau, er ruft dich aus]«, Tusche auf Papier, 15,1 x 10,4 cm, PMO-I-1-700.

Abb. 19 Waldemar Nowakowski  : »Kartoteka śmierci [Kartei des Todes]«, 15,6 x 11 cm, PMO-I-1-703.

Abb. 20 Waldemar Nowakowski  : »Czy to kupa gnoja, czy dziewczyna moja [Ob das ein Haufen Mist oder mein Mädchen ist  ?]«, 15,3 x 10,3 cm, PMO-I-1-704.

Waldemar Nowakowski  |  335

Abb. 21 Waldemar Nowakowski  : »Powrót z pracy [Rückkehr von der Arbeit]«, 15,3 x 10,4 cm, PMO-I-1-705.

Abb. 22 Waldemar Nowakowski  : »W nowym świecie [In der neuen Welt]«, 15,3 x 10,5 cm, PMO-I-1-707.

Abb. 23 Waldemar Nowakowski  : »Gonokok [Die Gonokoke]«, 15,6 x 11 cm, PMO-I-1-708.

Abb. 24 Waldemar Nowakowski  : »Szpital [Krankenhaus]«, 15,3 x 10,4 cm, PMO-I-1-709.

336  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 25 Waldemar Nowakowski  : »W szpitalu [Im Krankenhaus]«, 15,5 x 11 cm, PMO-I-1-710.

Abb. 26 Waldemar Nowakowski  : »Orgie na cygańskim [Orgie nach Zigeuner-Art]«, 15,2 x 10,5 cm, PMO-I-1-711.

Abb. 27 Waldemar Nowakowski  : »Kąpiel [Das Bad]«, 15,5 x 10,8 cm, PMO-I-1-712.

Abb. 28 Waldemar Nowakowski  : »Matka [Mutter]«, 15,3 x 10,4 cm, PMO-I-1-713.

Waldemar Nowakowski  |  337

Abb. 29 Waldemar Nowakowski  : »To nasze królestwo [Das ist unser Königreich]«, 15,3 x 10,3 cm, PMO-I-1-715.

Abb. 30 Waldemar Nowakowski  : Titel unbek., 15,3 x 10,5 cm, PMO-I-1-716.

Abb. 31 Waldemar Nowakowski  : Titel unbek., 15,3 x 10,5 cm, PMO-I-1-717.

Abb. 32 Waldemar Nowakowski  : »Szpital [Krankenhaus]«, 15,5 x 11 cm, Standort unbek.

338  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 33 Waldemar Nowakowski  : »Barak Brzezinka [Die Baracke Birkenau]«, 15 x 10 cm, Standort unbek.

Abb. 34 Waldemar Nowakowski  : »Arbeit macht frei«, 15 x 10,5 cm, Standort unbek.

Abb. 35 Waldemar Nowakowski  : Titel unbek., Maße unbek., Standort unbek.

Abb. 36 Waldemar Nowakowski  : »W lewo – w prawo [Nach links – nach rechts]«, 15,5 x 11 cm, PMO-I-1-696.

Waldemar Nowakowski  |  339

Abb. 37 Waldemar Nowakowski  : »Przed komorą [Vor der Gaskammer]«, 15,3 x 10,2 cm, PMO-I-1-714.

Abb. 38 Waldemar Nowakowski  : »Złoto dla Hitlera [Gold für Hitler]«, 15,5 x 11 cm, PMO-I-1-697.

Abb. 39 Waldemar Nowakowski  : »Ostatnia droga Zydow [Der letzte Weg der Juden]«, 15,5 x 11 cm, Standort unbek.

Abb. 40 Waldemar Nowakowski  : »Droga do wolności [Der Weg zur Freiheit]«, Tusche auf Papier, 15,3 x 10,5 cm, PMO-I-1-706.

340  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 41 Waldemar Nowakowski  : »Zum Gas [dt. im Original]«, Tusche auf Papier, 15,5 x 10,7 cm, PMO-I-1-548.

Abb. 42 Waldemar Nowakowski  : »Sztaple w kostnicy [Die Stapel in der Leichenhalle]«, vermutl. 16 x 11,5 cm, PMO-I-1-550.

Waldemar Nowakowski  |  341

Horst Rosenthal

Titel  : Entstehungsort u. -zeit  : Medium  : Technik  : Maße  : Standort (Inv.-Nr.)  :

Mickey au Camp de Gurs. Publié sans autorisation de Walt Disney Gurs 1942 Gebundene Blattreihe, 16 einseitig illustrierte Blätter mit 16 Darstellungen unterschiedlich, siehe einzelne Abbildungen 7,5 x 13,7 cm CDJC DS-O.377 001 bis 016

Literatur Kotek/Pasamonik 2014 (Abb. vollz. unpag. [S. 8–23]). Rosenberg 2013, 364–383 (Abb. S. 364–366), Palandt 2011, 56, 219 (Abb. S. 155, 219), Rosenberg 2003a, 69–70, 130, 141–156, 162, 220 (Abb. S. 143, 145), Mickenberg/Granof/Hayes 2003, 226 (Abb. vollz. S. 226–229), Mittag 1996, 291. Gruppenausstellungen Deutschland »Helden – Freaks und Superrabbis. Die jüdische Farbe des Comics«, Jüdisches Museum, Berlin (2010), »Superman und Golem – Der Comic als Medium jüdischer Erinnerung«, Jüdisches Museum Frankfurt/M. (2009). Schweiz »›Die von Gurs‹  – Kunst aus dem Internierungslager der Sammlung Elsbeth Kasser«, Museum im Lagerhaus, St. Gallen (2016) Niederlande »Superheros and Schlemiels. Jewish Memory in Comic Strip Art«, Joods Historisch Museum, Amsterdam (2008). Frankreich »De Superman au Chat du rabbin«, Musée d’Art et d’Histoire du Judaïsme, Paris (2007/2008). USA »Last Expression. Art and Auschwitz«, Brooklyn Museum of Art, New York (2003), Davis Museum and Cultural Center, Wellesley (2003), Mary and Leigh Museum of Art, Evanston (2002).

342  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 1 Horst Rosenthal  : Titelbild, Aquarell, Tusche auf Karton.

Abb. 2 Horst Rosenthal  : Blatt 2, Tusche auf Karton.

Horst Rosenthal  |  343

Abb. 3 Horst Rosenthal  : Blatt 3, Aquarell, Tusche auf Karton.

Abb. 4 Horst Rosenthal  : Blatt 4, Aquarell, Tusche auf Karton.

Abb. 5 Horst Rosenthal  : Blatt 5, Aquarell, Tusche auf Karton.

344  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 6 Horst Rosenthal  : Blatt 6, Aquarell, Tusche auf Karton.

Abb. 7 Horst Rosenthal  : Blatt 7, Tusche auf Karton.

Abb. 8 Horst Rosenthal  : Blatt 8, Aquarell, Tusche auf Karton.

Horst Rosenthal  |  345

Abb. 9 Horst Rosenthal  : Blatt 9, Aquarell, Tusche auf Karton.

Abb. 10 Horst Rosenthal  : Blatt 10, Aquarell, Tusche auf Karton.

Abb. 11 Horst Rosenthal  : Blatt 11, Aquarell, Tusche auf Karton.

346  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 12 Horst Rosenthal  : Blatt 12, Aquarell, Tusche auf Karton.

Abb. 13 Horst Rosenthal  : Blatt 13, Aquarell, Tusche auf Karton.

Abb. 14 Horst Rosenthal  : Blatt 14, Aquarell, Tusche auf Karton.

Horst Rosenthal  |  347

Abb. 15 Horst Rosenthal  : Blatt 15, Aquarell, Tusche auf Karton.

348  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 16 Horst Rosenthal  : Blatt 16, Aquarell, Tusche auf Karton.

Horst Rosenthal  |  349

Joseph Spier

Titel  : Entstehungsort und -zeit  : Medium  : Technik  : Maße  : Standort (Inv.-Nr.)  :

Bilder aus Theresienstadt 36 Theresienstadt 1944 Gebundene Blattreihe, 19 einseitig bedruckte Blätter mit 18 Darstellungen kolorierte Lithografie auf Karton 17,4 x 24 cm PT 2696/1 bis 18

Literatur Gedenkstätte Theresienstadt 2002, 53, 146 (Abb. S. 147), Sujo 2001, 51, 60, 111, Zeitoun/ Foucher 1998, 93–94, 104 (Abb. vollz. Vers. Yad Vashem, allerdings in falscher Reihenfolge), Massachusetts College 1991, 37–38, 40, 42, 85 (Abb. S. 37–38). Gruppenausstellungen Frankreich »Le Masque de la Barbarie. Le ghetto de Theresienstadt 1941–1945« (Vers. Yad Vashem), Centre d’histoire de la résistance et de la déportation, Lyon (1998/99). Großbritannien »Legacies of Silence« (Vers. Yad Vashem), Imperial War Museum, London (2001). USA »Seeing Through »Paradise«  : Artists and the Terezín Concentration Camp« (Vers. JMP), University Art Museum, Berkeley (1992), Jewish Community Center, Houston (1991), North Dakota Museum of Art, Grand Forks (1991), Drawing Center, New York (1991), Massachusetts College of Art, Boston (1991).

350  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 1 Joseph Spier  : Am Marktplatz.

Abb. 2 Joseph Spier  : Die Stadtkapelle.

Joseph Spier  |  351

Abb. 3 Joseph Spier  : Ein malerischer Hof in Theresienstadt.

Abb. 4 Joseph Spier  : Im Stadtzentrum.

352  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 5 Joseph Spier  : Im Kaffeehaus.

Abb. 6 Joseph Spier  : Jugendgärtnerei.

Joseph Spier  |  353

Abb. 7 Joseph Spier  : Metzgerei in Theresienstadt.

Abb. 8 Joseph Spier  : Eine Zahnambulanz.

354  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 9 Joseph Spier  : In der Bank der Jüdischen Selbstverwaltung.

Abb. 10 Joseph Spier  : Eine Schmiede in There­ sienstadt.

Joseph Spier  |  355

Abb. 11 Joseph Spier  : Holzbearbeitung.

Abb. 12 Joseph Spier  : Bahnbau.

356  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 13 Joseph Spier  : Blick in die Zentralbäckerei.

Abb. 14 Joseph Spier  : In einer Dampfküche.

Joseph Spier  |  357

Abb. 15 Joseph Spier  : Ein Krankenhausgarten.

Abb. 16 Joseph Spier  : Kasperltheater im Kinderheim.

358  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 17 Joseph Spier  : Theater in Theresienstadt.

Abb. 18 Joseph Spier  : Frühlingsstimmung bei Theresienstadt.

Joseph Spier  |  359

Helga Weissová

Titel  : Entstehungsort und -zeit  : Medium  : Technik  : Maße  : Standort (Inv.-Nr.)  :

Zeichne, was Du siehst 37 Theresienstadt 1942–1944 Lose Blattreihe, mindestens 65 Blätter 38 unterschiedlich, siehe einzelne Abbildungen unterschiedlich, siehe einzelne Abbildungen unterschiedliche, siehe einzelne Abbildungen

Literatur (Auswahl) Wonschik 2014, 186–205 (Abb. S. 205), Weiss 2013, 185, 195 (Abb. S. 39, 53, 57, 61, 65, 73, 76, 79, 88, 92, 94, 105, 111, 117) und Farbseiten, unpag., Baumgartner/Girstmair/ K aselitz 2007, 107–109, Düsing 2002, 58–71 (Abb. S. 59), Zeitoun/Foucher 1998, 104 (Abb. S. 80), Weissová 1998a, 13–163 (Abb. S. 19–131), Holliday 1995, 73–78, Massachusetts College 1991, 32, 34, 44, 84 (Abb. S. 33, 41), Blatter/Milton 1981, 29, 90, 267–268 (Abb. S. 91), Council Of Jewish Communities 1965, 105–109 (Abb. 29). Einzelausstellungen (Auswahl)  : Deutschland/Österreich »Zeichne was Du siehst« – Zeichnungen eines Kindes aus Theresienstadt/ Terezín«, u. a. Medizinische Zentralbibliothek des Universitätsklinikums Magdeburg (2015), Viktoria-Luise-Gymnasium, Hameln (2012), Bibliothek der Leuphana Universität, Lüneburg (2010), Stadtmuseum Bocholt (2010), Stadthaus Klagenfurt, Österreich (2010), Dominikanerhaus Steyr, Österreich (2008), IGS Hannover-Linden (2002), Overather Rathaus (2001), forum Kirche, Bremen (2000), Rathaus Schöneberg, Berlin (1999). Tschechien »Helga Weissová-Hošková – Paintings and Drawings. An exhibition for the artist’s 80th birthday, Jüdisches Museum Prag, Tschechien (2009), »Helga Hošková-Weissová – Exhibition for 50th Anniversary of the first Transports to Terezín«, Klausen-Synagoge, Prag, Tschechien (1991).

360  |  Abbildungen Bildserien

Großbritannien »A Child Artist in Terezín  : Witness to the Holocaust«, Birmingham International Center, Birmingham, USA (2007), Seton Hill University, Greensburg, USA (2007), College of the Holy Cross, Worcester, USA (2005). Polen »Maluj, co widzisz. Rysunki z Terezina – Helga Hošková-Weissova«, Jüdisches Museum Galizien, Krakau (2016). Italien »Disegna ciò che vedi. Helga Weissova  : da Terezin i disegni di una bambina«, Sinagoga di Reggio Emilia (2016). USA »A Young Girl at Ghetto Terezín  : 1941–1944. Drawings by Helga Weissová-Hošková«, Temple Israel, Great Neck (2013), Burlington Arts Center, Burlington (2010), Institute for Holocaust Education, Omaha (2009). Gruppenausstellungen (Auswahl) USA »The Arts as a Strategy for Survival, Theresienstadt 1941–45«, Moravian College, Bethlehem (2000), »Seeing Through »Paradise«  : Artists and the Terezín Concentration Camp«, University Art Museum, Berkeley (1992), Jewish Community Center, Houston (1991), North Dakota Museum of Art, Grand Forks (1991), Drawing Center, New York (1991), Massachusetts College of Art, Boston (1991).

Abb. 1 Helga Weissová  : »Verzeichnis der Habseligkeiten«, Wasserfarben auf Papier, 15,5 x 21,5 cm, Theresienstadt 1943, Privatsammlung.

Abb. 2 Helga Weissová  : »Schneemann«, Tusche, Wasserfarben auf Papier, 13,7 x 21,5 cm, Theresienstadt 1941, Privatsammlung.

Helga Weissová  |  361

Abb. 3 Helga Weissová  : »Ankunft in Theresienstadt«, Tusche, Wasserfarben auf Papier, 15 x 22 cm, Theresienstadt 1942, Privatsammlung.

Abb. 4 Helga Weissová  : »Unterkunft in der Kaserne«, Tusche, Wasserfarben auf Papier, 16,2 x 19,7 cm, Theresienstadt 1942, Privatsammlung.

362  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 5 Helga Weissová  : »Auf der Tragbahre zum Transport«, Tusche, Wasserfarben auf Papier, 16,5 x 19,7 cm, Theresienstadt 1942, Privatsammlung.

Abb. 6 Helga Weissová  : »Waschraum«, Tusche, Wasserfarben auf Papier. 13,7 x 21,5 cm, Theresienstadt 1942, Privatsammlung.

Helga Weissová  |  363

Abb. 7 Helga Weissová  : »Lüften der Federbetten«, Tusche, Wasserfarben auf Papier, 16,5 x 19,7 cm, Theresienstadt 1942, Privatsammlung.

Abb. 8 Helga Weissová  : »Konzert in der Unterkunft«, Tusche, Wasserfarben auf Papier, 16,5 x 19,7 cm, Theresienstadt 1942, Privatsammlung.

364  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 9 Helga Weissová  : »Kinder gehen zum Unterricht«, Tusche, Wasserfarben auf Papier, 16,5 x 19,7 cm, Theresienstadt 1942, Privatsammlung.

Abb. 10 Helga Weissová  : »Schlange stehen vor der Küche«, Tusche, Wasserfarben auf Papier, 16,5 x 19,7 cm, Theresienstadt 1942, Privatsammlung.

Helga Weissová  |  365

Abb. 11 Helga Weissová  : »Im Flur der Dresdner Kaserne«, Tusche, Wasserfarben auf Papier, 16,5 x 19,7 cm, Theresienstadt 1942, MJH 217.88.

Abb. 12 Helga Weissová  : »Essensausgabe in der Männerkaserne«, Tusche, Wasserfarben auf Papier, 14,3 x 21 cm, Theresienstadt 1943, MJH 216.88.

366  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 13 Helga Weissová  : »Essensausgabe auf dem Kasernenhof«, Tusche, Wasserfarben auf Papier, 15,8 x 22,7 cm, Theresienstadt 1943, Privatsammlung.

Abb. 14 Helga Weissová  : »Brot auf einem Leichenwagen«, Wasserfarben auf Papier, 16,5 x 19,7 cm, Theresienstadt 1942, Privatsammlung.

Helga Weissová  |  367

Abb. 15 Helga Weissová  : »Das Essen wird ausgefahren«, Tusche, Wasserfarben auf Papier, 14,7 x 21 cm, Theresienstadt 1943, Privatsammlung.

Abb. 16 Helga Weissová  : »Krankenhaus«, Tusche, Wasserfarben auf Papier, 17 x 24 cm, There­ sienstadt 1943, MJH 219.88.

368  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 17 Helga Weissová  : »Flöhe fangen«, Tusche, Wasserfarben auf Papier, 14,5 x 14,5 cm, There­ sienstadt 1943, Privatsammlung.

Abb. 18 Helga Weissová  : »Durchsuchung von Abfällen«, Wasserfarben auf Papier, 15,5 x 21,5 cm, Theresienstadt 1942, Privatsammlung.

Helga Weissová  |  369

Abb. 19 Helga Weissová  : »Arische Straße«, Bleistift auf Papier, 14,7 x 21,7 cm, Theresienstadt 1943, Privatsammlung.

Abb. 20 Helga Weissová  : »Putzkolonne«, Bleistift auf Papier, 15,5 x 21,7 cm, Theresienstadt 1943, Privatsammlung.

370  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 21 Helga Weissová  : »Auf dem Hof«, Buntstifte auf Papier, 15,5 x 21,7 cm, Theresienstadt 1943, Privatsammlung. Abb. 22 Helga Weissová  : »Auskratzen des Kessels«, Bleistift auf Papier 21,7 x 15,5 cm, Theresienstadt 1943, Privatsammlung.

Helga Weissová  |  371

Abb. 23A Helga Weissová  : »Typhus«, Buntstifte auf Papier, 21 x 14,3 cm, Theresienstadt 1943, Privatsammlung.

372  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 23B Helga Weissová  : »Typhus«, Tusche, Wasserfarben auf Papier, 21,2 x 14,8 cm, Theresienstadt 1943, Privatsammlung.

Abb. 24 Helga Weissová  : »Auf der Toilette«, Tusche, Wasserfarben auf Papier, 19,7 x 16,5 cm, Theresienstadt 1942, Privatsammlung.

Abb. 25 Helga Weissová  : »Unterkunft in L 410«, Buntstifte auf Papier, 16,3 x 22,5 cm, Theresienstadt 1943, MJH 222.88.

Helga Weissová  |  373

Abb. 26 Helga Weissová  : »Ein Transport verlässt Theresienstadt«, Buntstifte auf Papier, 16,2 x 24,5 cm, Theresienstadt 1943, MJH 2269.90.

Abb. 27 Helga Weissová  : »Alte Menschen stehen Schlange für die Essensausgabe«, Buntstifte auf Papier, 14,7 x 20,3 cm, Theresienstadt 1943, Privatsammlung.

374  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 28 Helga Weissová  : »Bei der Pumpe«, Tusche, Wasserfarben auf Papier, 17 x 23,5 cm, Theresienstadt 1943, Privatsammlung.

Abb. 29 Helga Weissová  : »Wasser holen«, Buntstifte auf Papier, 14,7 x 21,7 cm, Theresienstadt 1943, Privatsammlung.

Helga Weissová  |  375

Abb. 30 Helga Weissová  : »Vorladung für den Transport«, Bleistift auf Papier, 15 x 11,6 cm, Theresienstadt 1942, Privatsammlung. Abb. 31A Helga Weissová  : »Läuse suchen«, Bleistift auf Papier, 21 x 14,5 cm, Theresienstadt 1943, Privatsammlung.

376  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 31B Helga Weissová  : »Läuse suchen« [Variante zu Abb. 32A], Tusche, Wasserfarben auf Papier, Maße unbek., Theresienstadt 1943, JMP 131978.

Abb. 32 Helga Weissová  : »Absägen der Bettgestelle«, Tusche auf Papier, 16,3 x 24 cm, Theresienstadt 1944, MJH 221.88.

Helga Weissová  |  377

Abb. 33 Helga Weissová  : »Ankunft der internationalen Kommission des Roten Kreuzes«, Tusche, Wasserfarben auf Papier, 16,4 x 24 cm, Theresienstadt 1944, MJH 2272.90.

Abb. 34 Helga Weissová  : »Besuch im Krankenhaus«, Tusche, Wasserfarben auf Papier, 15 x 21,8 cm, Theresienstadt 1944, Privatsammlung.

378  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 35 Helga Weissová  : »Wartezimmer in der Ambulanz«, Tusche, Wasserfarben auf Papier, 14,7 x 21,7 cm, Theresienstadt 1943, MJH 2270.90.

Abb. 36 Helga Weissová  : »Zum 14. Geburtstag«, Tusche, Wasserfarben auf Papier, 22 x 30 cm, Theresienstadt 1943, Privatsammlung.

Helga Weissová  |  379

Abb. 37 Helga Weissová  : »Der Hochzeitstag meiner Eltern«, Tusche, Wasserfarben auf Papier, 20,5 x 29,5 cm, Theresienstadt 1944, Privatsammlung.

Abb. 38 Helga Weissová  : »Geburtstagswunsch I«, Wasserfarben auf Papier, 14,8 x 21,7 cm, Theresienstadt 1943, Privatsammlung.

380  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 39 Helga Weissová  : »Traum«, Tusche, Wasserfarben auf Papier, 15 x 22 cm, Theresienstadt 1943, Privatsammlung. Abb. 40 Helga Weissová  : »Geburtstagswunsch II«, Wasserfarben auf Papier, 15 x 22 cm, Theresienstadt 1943, Privatsammlung.

Helga Weissová  |  381

Abb. 41 Helga Weissová  : »Eine Geburtstagskarte«, Tusche, Wasserfarben auf Papier, 10 x 15 cm, Theresienstadt 1943, Privatsammlung.

Abb. 42 Helga Weissová  : »Blinde gehen zur Arbeit«, Tusche, Wasserfarben auf Papier, 15 x 22 cm, Theresienstadt 1943, Privatsammlung.

382  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 43 Helga Weissová  : »Frauen am Herd in der Unterkunft«, Bleistift auf Papier, 14,5 x 21,5 cm, Theresienstadt 1943, Privatsammlung. Abb. 44 Helga Weissová  : »Das Paket«, Tusche auf Papier, 24 x 16,2 cm, Theresienstadt 1944, MJH 220.88.

Helga Weissová  |  383

Abb. 45 Helga Weissová  : »Fußball«, Tusche, Wasserfarben auf Papier, 14,3 x 20,7 cm, Theresienstadt 1943, Privatsammlung.

Abb. 46 Helga Weissová  : »Blick auf den Kasernenhof«, Bleistift auf Papier, 16,5 x 24 cm, Theresienstadt 1943, MJH 2273.90.

384  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 47 Helga Weissová  : »Ausgabe der Matratzen«, Buntstifte auf Papier, 16,2 x 21,5 cm, Theresienstadt 1943, Privatsammlung.

Abb. 48 Helga Weissová  : »Arbeit in der Landwirtschaft«, Bleistift auf Papier, 15,7 x 21,7 cm, Theresienstadt 1943, Privatsammlung.

Helga Weissová  |  385

Abb. 49 Helga Weissová  : »Ein Paket kam an«, Tusche, Wasserfarben auf Papier, 14,7 x 21 cm, Theresienstadt 1943, Privatsammlung.

Abb. 50 Helga Weissová  : »Chanukka auf dem Dachboden«, Tusche auf Papier, 14,4 x 24 cm, Theresienstadt 1944, MJH 2217.90.

386  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 51 Helga Weissová  : »Eine Oper auf dem Dachboden«, Theresienstadt 1943, Bleistift auf Papier, 14 x 21,7 cm, Theresienstadt 1943, Privatsammlung.

Abb. 52 Helga Weissová  : »Die Schleuse im Hof I«, Tusche, Wasserfarben auf Papier, 16,7 x 24 cm, Theresienstadt 1943, Privatsammlung.

Helga Weissová  |  387

Abb. 53 Helga Weissová  : »Die Schleuse im Hof II«, Tusche, Wasserfarben auf Papier, 14,5 x 20 cm, Theresienstadt 1943, Privatsammlung.

Abb. 54 Helga Weissová  : »Transport der polnischen Kinder«, Tusche, Wasserfarben auf Papier, 15 x 22 cm, Theresienstadt 1943, Privatsammlung.

388  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 55 Helga Weissová  : »Abfahrt eines Transportes«, Tusche, Wasserfarben auf Papier, 16 x 24 cm, There­ sienstadt 1944, MJH 214.88.

Abb. 56 Helga Weissová  : »Letzter Abschied«, Tusche, Wasserfarben auf Papier, 16,2 x 24 cm, Theresienstadt 1944, MJH 213.88.

Helga Weissová  |  389

Abb. 57 Helga Weissová  : Ohne Titel, Buntstifte auf Papier, Maße unbek., Theresienstadt 1941–1944, Privatsammlung.

390  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 58 Helga Weissová  : Ohne Titel, Buntstifte auf Papier, Maße unbek., Theresienstadt 1941–1944, Privatsammlung.

Helga Weissová  |  391

Simon Wiesenthal

Titel  : Entstehungsort und -zeit  : Medium  : Technik  : Maße  : Standort (Inv.-Nr.)  :

KZ. Mauthausen. Bild und Wort Linz 1946 Gebundenes Buch, 57 Seiten, davon 26 Reproduktionen von Fotocollagen Buchdruck nach Fotocollagen auf Papier Buch  : 29,5 x 21 cm, Darstellung siehe einzelne Abbildungen Originalzeichnungen verschollen, Druckklischees in Privatsammlung

Literatur Segev 2010, zu den Bildern vgl. S. 492–493, Endlich 2005, 287 (Abb. S. 288), Wiesenthal 1995 (Abb. vollz.), Costanza 1983, 66, 68, 78–79 (Abb. 65, 75, 163),Wiesenthal 1946 (Abb. vollz.). Ausstellungen keine bekannt

392  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 1 Simon Wiesenthal  : Titelseite, Darstellung  : 23 x 18 cm.39

Simon Wiesenthal  |  393

Abb. 2 Simon Wiesenthal  : Der Lagerkommandant, Darstellung  : 22,1 x 16,2 cm.

394  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 3 Simon Wiesenthal  : Ohne Maske, Darstellung  : 15,9 x 19,9 cm.

Abb. 4 Simon Wiesenthal  : Transporte, Darstellung  : 16 x 19,8 cm.

Simon Wiesenthal  |  395

Abb. 5 Simon Wiesenthal  : Originalfotocollage zu Die Bedrohung40, Fotoausschnitte, Tusche, Bleistift auf Papier, Blatt  : 20,8 x 32,8 cm, Darstellung  : 15,4 x 22,2 cm.

396  |  Abbildungen Bildserien

Hilda Zadiková

Version  : Titel  : Entstehungsort und -zeit  : Medium  : Technik  : Maße  : Standort (Inv.-Nr.)  :

JMP (siehe Zadiková Abb. 1) Terezínký Kalendář 1942–1945 Theresienstadt 1944–1945 Einzelblatt, 12 Darstellungen Aquarell, Tusche auf Papier, Blatt auf Karton geklebt Karton  : 35,0 x 47,5 x cm, Bild  : 23,8 x 35,6 cm JMP 103333

Version  : Titel  : Entstehungsort und -zeit  : Medium  : Technik  : Maße  : Standort (Inv.-Nr.)  :

AEA (siehe Zadiková Abb. 2) Theresienstadt 1944 Theresienstadt 1944–45 Einzelblatt, 12 Darstellungen Aquarell, Tusche auf Papier, Blatt auf Karton geklebt Karton  : 32,7 x 42,6 cm, Bild  : 26,5 x 38 cm AEA (Inv.-Nr. nicht bekannt)

Literatur (meist Vers. JMP) Wonschik 2014, 81–103 (Abb. S. 102), Gedenkstätte Theresienstadt 2002, 58, 142 (Abb. S. 144), Zeitoun/Foucher 1998, 93, 104 (Abb. S. 116–117), Nationalgalerie Prag 1992, o.S. (Abb. 18), Massachusetts College 1991, 40, 85, Oberman & Oberman 1989 (Vers. AEA), Blatter/Milton 1981, 268. Gruppenausstellungen (nur Vers. JMP) Tschechien »Umění v terezínském ghettu [Kunst im Ghetto Theresienstadt]«, Nationalgalerie Prag (1992). USA »Seeing Through »Paradise«  : Artists and the Terezín Concentration Camp«, University Art Museum, Berkeley (1992), Jewish Community Center, Houston (1991), North Dakota Museum of Art, Grand Forks (1991), Drawing Center, New York (1991), Massachusetts College of Art, Boston (1991).

398  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 1 Hilda Zadiková  : Terezínký Kalendář 1944–1945.

Abb. 2 Hilda Zadiková  : Theresienstadt 1944–1945.

Hilda Zadiková  |  399

Abb. 3 Hilda Zadiková  : Bild 1 (Januar), Detail aus Terezínký Kalendář. Abb. 4 �ilda Zadiková  : Bild 2 (Februar), Detail aus Terezínký Kalendář.

Abb. 5 Hilda Zadiková  : Bild 3 (März), Detail aus Terezínký Kalendář. Abb. 6 Hilda Zadiková  : Bild 4 (April), Detail aus Terezínký Kalendář.

400  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 8 Hilda Zadiková  : Bild 6 (Juni), Detail aus Terezínký Kalendář. Abb. 7 Hilda Zadiková  : Bild 5 (Mai), Detail aus Terezínký Kalendář.

Abb. 9 Hilda Zadiková  : Bild 7 (Juli), Detail aus Terezínký Kalendář.

Abb. 10 Hilda Zadiková  : Bild 8 (August), Detail aus Terezínký Kalendář.

Hilda Zadiková  |  401

�bb. 11 Hilda Zadiková  : Bild 9 (September), Detail aus Terezínký Kalendář.

Abb. 13 Hilda Zadiková  : Bild 11 (November), Detail aus Terezínký Kalendář.

402  |  Abbildungen Bildserien

Abb. 12 Hilda Zadiková  : Bild 10 (Oktober), Detail aus Terezínký Kalendář.

Abb. 14 Hilda Zadiková  : Bild 12 (Dezember), Detail aus Terezínký Kalendář.

Anmerkungen 1 Dieser Lebenslauf vom 11. November 1940, unterzeichnet von James Loeb, gehört zu einem Brief, den die Verlobte Karl Bodeks, Edith Buchwald, die bereits in New York lebte, einen Tag später an Muriel Gardiner Buttinger schickte. Muriel Buttinger, verheiratet mit dem österreichischen Politiker Joseph Buttinger, engagierte sich seit den 1930er-Jahren im politischen Widerstand in Österreich und seit den Kriegsjahren in der Flüchtlingshilfe in den USA. 2 Mehr zu dieser Gruppe und zu den Aktivitäten von Leo Ansbacher in Gurs vgl. Guttermann/Morgenstern 2003. Dort ist auch eine Fotografie der Gruppe veröffentlicht, auf der Liesel Felsenthal zu sehen ist (Links unten sitzend mit Brille in  : ebd., 42). 3 Der Name Geve ist ein Pseudonym, das sich Thomas Geve bei der Veröffentlichung seiner Bücher zugelegt hat. Aus Respekt vor dieser Entscheidung soll der Name weiterhin genutzt werden. 4 Geve 1997, Geve 2009 und Geve 2011. 5 Geve 1958, Geve 1993, Geve 2000b und Geve 2013. Über seine Zeit nach der Befreiung hat Thomas Geve das Buch »Auf brüche. Weiterleben nach Auschwitz« veröffentlicht (Geve 2000a). 6 Einige dieser Denkmalskizzen, die Irsai während der Zeit in Bergen-Belsen als auch nachher in der Schweiz anfertigte, sind abgebildet in  : R ahe 2009, 161, 166–168. Abbildungen der Bilder über den Lageralltag sind zu finden in  : R ahe 1993, 29–39. 7 Eine Originalserie der Drucke wird im Archiv der Gedenkstätte Bergen-Belsen (Konvolut Istvan Irsai) auf bewahrt. Drei Bilder aus dieser Serie sind publiziert in  : ebd., 33. 8 In manchen Publikationen wird er auch Eli Leskly genannt, denn mit »eli« hat er die meisten seiner Nachkriegsarbeiten signiert. Ich folge dem Namen, der auf seinem Grabstein steht. 9 Vgl. dazu Fr anc 1998. 10 Vgl. Doew, 16635/1, Brief des Generalsekretärs André de Blonay vom 5. September 1942. 11 Vgl. Doew, 16635/1, Schreiben von Pierre Ludmann, Commissaire Principal de Renseignements Généraux. 12 Vgl. Doew, 16635/1, Studentenausweis von Kurt Loew. 13 Diese Unterlagen hat mir freundlicherweise Elke von Meding zur Verfügung gestellt. 14 Zu den Zweifeln an der Datierung vgl. Kapitel 3.2. 15 Einige dieser Skizzen sind abgedruckt in  : Zeitoun/Foucher 1998, 88–89. 16 Das Tagebuch ist veröffentlicht in  : Weiss 2013. 17 Möglicherweise ist der Titel erst nach dem Tod von Pavel Fantl entstanden. 18 Gemeint sind Mitglieder der religiösen Gemeinschaft der Quäker, die sich in Gurs als Hilfsorganisation engagierten und Lebensmittel, warme Decken und Kleidung verteilten. 19 Möglicher Titel nach einer Zeichnung, die in der Schweiz verloren gegangen ist, aber als Kopie von Elly Forrer noch existiert (vgl. Geve Abb. 7). 20 Einige Blätter sind verschollen (vgl. dazu Kapitel 6.1). 21 Vgl. Lichtblau-Leskly Abb. 1 und Lichtblau-Leskly Abb. 2. Die (wahrscheinlichen) Titel der einzelnen Bilder sind den Varianten entnommen, die zwischen den 1970er-Jahren und 1984 entstanden sind, da die Originaltitel zerstört wurden.

22 Von Lichtblau-Lesklys Originalen aus Theresienstadt haben sich aus meiner Sicht 54 Bilder in der Sammlung des Lamoth erhalten, wobei die Abgrenzung zwischen den Ghettobildern und den Nachkriegsreplikaten aus der Zeit in der Tschechoslowakei 1945–1949 teilweise schwierig ist. Der Katalog des Lamoth kommt auf 60 in Theresienstadt angefertigte Bilder. Allerdings sind dort in einigen Fällen meines Erachtens die Datierungen fehlerhaft, so z. B. in Lichtblau-Leskly Abb.  18 (abgebildet in Melamed 2010a, 72), wo der unzerstörte Blattzustand und der tschechische Text eher auf die Zeit in der Tschechoslowakei 1945–1949 hindeuten. Als Original aus der Ghettozeit ist stattdessen eine Variante dieses Bildes zu bezeichnen, das sich in einer Privatsammlung in Israel befindet (siehe Lichtblau-Leskly Abb.  17). Auch die Zeichnungen Nr.  7, Nr.  18 und Nr.  20 in Melamed 2010a, 32, 44 und 46 sind aus den genannten Gründen eher Nachkriegsbilder aus der Tschechoslowakei als Bilder aus Theresienstadt. Weitere rekonstruierte, allerdings nicht katalogisierte Originalbilder befinden sich in privaten Sammlungen in Israel (siehe Lichtblau-Leskly Abb.  60–62) Zusätzlich gibt es noch einzelne Teile sowie Skizzen und Porträts, die sich nicht eindeutig einer bestimmten Karikatur zuordnen lassen und daher hier auch nicht als Teil der karikaturistischen Serie angesehen werden (z. B. Lichtblau-Leskly Abb. 58). Einige davon befinden sich im Lamoth, siehe ebd., Abb. 148–151 (S. 190–193), eine Zeichnung in Beit Theresienstadt, Givat Haim Ihud, Israel, Abb. in ebd., Abb. 152 (S. 193) sowie weitere in Privatsammlungen in Israel. 23 Zur besseren Orientierung erhalten die einzelnen Abbildungen Titel, die sich von den deutschsprachigen Inschriften der Repliken aus den 1970er- und 1980er-Jahren ableiten lassen. Auch wenn sie von Lichtblau-Leskly stammen und den Originalbeschriftungen wahrscheinlich recht nahe kommen, sind es dennoch Rekonstruktionen aus der Nachkriegszeit. 24 Der Begriff für einen kleinen abgeteilten Platz etwa auf dem Dachboden, der meist verbotenerweise eingerichtet wurden. Vgl. Adler H G 1960, Wörterverzeichnis, S. XLIV. 25 Der Begriff »Cvok« wurde in Theresienstadt als Schimpfwort für Sonderlinge und Geisteskranke gebraucht. Vgl. ebd., Wörterverzeichnis, S. XXXV. 26 Mit »Bonke« (plural  : Bonken o. Bonkes) wurde in Theresienstadt eine unseriöse Meldung bezeichnet. Vgl. ebd., Wörterverzeichnis, S. XXXV. 27 »Impetigo« ist eine infektiöse Hautkrankheit, die durch die unhygienischen Bedingungen, den Schmutz und die Ungeziefer in Theresienstadt begünstig wurde. Vgl. Melamed 2010a, 120. 28 »Encephalitis« ist eine Entzündung des Gehirns, die zu leichtem Fieber, Kopfschmerzen, Gleichgewichtsstörungen und doppeltem Sehen führen kann. In Theresienstadt verlief die Epidemie relativ glimpflich, bis zur Befreiung wurden lediglich 1.000 Fälle verzeichnet. Vgl. Adler H G 1960, 516. 29 Das Tagebuch stammt von Dr. Bachrach, einem lettischen Arzt, der in Spanien gegen das Franco-Regime gekämpft hatte. Später in Gurs übergab er das Tagebuch der Rot-Kreuz-Krankenschwester Elsbeth Kasser. Sieh dazu auch Kapitel  3, Fußnote 148. Über das Leporello von Löw und Bodek schrieb Dr. Bachrach den Satz  : »Lacht  ! Auch wenn es Galgenhumor ist.« 30 Wer die Zeichnungen angefertigt hat, ist bislang unbekannt.

Anmerkungen  |  403

Lediglich die Buchstaben »MM« sind auf fast jeder Darstellung in der linken oder rechten unteren Ecke zu sehen und stellen wahrscheinlich die Initialen des Künstlers dar. 31 Die Blätter sind bis auf eine Ausnahme (Blatt 22) von 1 bis 21 handschriftlich durchnummeriert. Zusätzlich existiert eine zweite, vermutlich nachträglich angebrachte Nummerierung in einer anderen Handschrift, die von der ersten leicht abweicht. 32 Die handschriftlichen polnischen Titel stehen auf der Rückseite der Bilder. Nach Angaben des Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau entstanden sie sehr wahrscheinlich nach dem Krieg und stammen möglicherweise nicht von Nowakowski selbst. Für die Übersetzung der Titel aus dem Polnischen ins Deutsche danke ich sehr herzlich Wojtek Friedek. 33 Zur problematischen Datierung siehe Kapitel 3.2. Eventuell sind Teile oder die ganze Bildserie erst nach der Befreiung Nowakowskis entstanden. 34 37 Bilder befinden sich in den Sammlungen des Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau, von fünf weiteren existieren vermutlich nur noch die Abbildungen, der Standort der Originale ist unbekannt. 35 Mit »HWL« sind die Hauptwirtschaftslager in Auschwitz gemeint, in denen Lebensmittel, militärische Ausrüstungsgegenstände, Uniformen und Transportmittel für die SS gelagert wurden. 36 Von diesem Album sind mir noch zwei weitere Exemplare im Jüdischen Museum Prag (Inv.-Nr. JMP 101.762 und JMP 176.164), eines in Yad Vashem (Ya Inv.-Nr. Vad Vashem 5643), eines im Archiv des Internationalen Roten Kreuzes in Genf (Inv.-Nr. ICRC 2768) und eines im King’s College London, HG Adler Collection (Inv.-Nr. D805.5.T54 SPI) bekannt. 37 Der Titel ist retrospektiv von Helga Weissová gewählt. Die Titel der Einzelblätter sind ebenfalls nach dem Krieg entstanden und sind der Publikation »Zeichne, was Du siehst  !« von 1998 entnommen (WEISSOVÁ 1998a). 38 Von den 58 hier gezeigten Bildern stammen 43 aus einer Privatsammlung und 15 aus dem Museum of Jewish Heritage (MJH). Weitere neun Zeichnungen von Helga Weissová befinden sich im Jüdischen Museum Prag (JMP). Zusätzlich existieren noch eine unbekannte Anzahl zusätzlicher Zeichnungen, die in Privatsammlungen auf bewahrt werden. Helga Weissová spricht von etwa 100 Bildern, die den Krieg überstanden haben. Vgl. die Interviews des Verfassers mit Helga Weissová (WEISSOVÁ 2007). 39 Aufgrund der schlechten Qualität des Originals von 1946 wurden bis auf das Titelblatt die Abbildungen der Neuauflage von 1995 entnommen. 40 Weitere 4 Originalcollagen existieren in einer Privatsammlung in Israel.

404  |  Abbildungen Bildserien

Abbildungsnachweise

Abb. 1 © Mit freundlicher Genehmigung von David Haas, Daniel Haas, Michal Foell (Haas), Ronny Haas, Abb. 2 © VG Bild-Kunst, Bonn 2016, Abb.  3 © Mit freundlicher Genehmigung von David Haas, Daniel Haas, Michal Foell (Haas), Ronny Haas, Abb.  4 Wieck 1997, 32, Abb. 5 Henisch 2002, o.S. (Farbbilder), Abb. 6 Henisch 2002, o.S. (Farbbilder), Abb.  7 © The Fitzwilliam Museum, Cambridge, Abb. 8 © The British Library Board, Abb. 9 Henisch 2002, o.S. (Farbbilder), Abb.  10 Schoeps/Schlör 2005, 185, Abb. 11 © Anno/Österreichische Nationalbibliothek, Abb. 12 Matt 2009, 39, Abb.  13 Spence & Spence 2005, 16, Abb.  14 © Mit freundlicher Genehmigung von David Haas, Daniel Haas, Michal Foell (Haas), Ronny Haas, Abb.  15 © Anonym  : Illustration for working report – Bahnbau (author of proposal Petr Kien), PT  10131, Terezín Memorial, Abb.  16 © VG  Bild-Kunst, Bonn 2016, Abb.  17 Collection Jewish Historical Museum, Amsterdam, Abb. 18 Leo Heilbrunn  : Die Tischlerwerkstatt in der ehemaligen Reitschule, JMP  102314, © Jewish Museum in Prague, Photo Archive, Abb. 19 © Otto Kaufmann (Karas)  : Theresienstadt im Winter, PT  6304, Terezín Memorial, Abb.  20 © Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag, Abb. 21 © Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag, Abb.  22 © Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag, Abb.  23 © Mit freundlicher Genehmigung von David Haas, Daniel Haas, Michal Foell (Haas), Ronny Haas, Abb.  24 © Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag, Abb. 25 © Sammlung des Staatlichen Museums Majdanek, Polen, Abb. 26 Yad Vashem (Public Domain), Abb. 27 Yad Vashem (Public Domain), Abb.  28 Yad Vashem (Public Domain), Abb. 29 Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Berlin, Abb. 30 Palandt 2001, 105, Abb. 31 Du. Schweizerische Monatsschrift, Heft 3, März 1946, o.S., Abb. 32 Du. Schweizerische Monatsschrift, Heft  3, März 1946, o.S., Abb.  33 Du. Schweizerische Monatsschrift, Heft  3, März 1946, o.S., Abb.  34 Bayerische Staatsbibliothek München/Bildarchiv, Abb.  35 © VG  Bild-Kunst, Bonn 2016, Abb.  36 © The Heartfield Community of Heirs/ VG Bild-Kunst, Bonn 2016, Abb. 37 © Mit freundlicher Genehmigung von Gunner Byskov, Abb. 38 © ullstein bild/Röhnert, Abb. 39 © Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag, Abb. 40 © Daniel R. Fitzpatrick Collection, State Historical Society of Missouri, Abb. 41 © The Swann Collection of Caricature and Cartoon, Library of Congress, Washington, D.C., Abb. 42 © Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag, Abb. 43 © Museon, Den Haag.

Kantor, Alfred (Abb. 1–12)  : © Mit freundlicher Genehmigung von Jerry Kantor, Boston. Lichtblau-Leskly, Erich (Abb. 1–61)  : Collection Los Angeles Museum of the Holocaust, © Mit freundlicher Genehmigung von Mira Oren. Loew, Kurt/Bodek, Karl (Abb. 1–5)  : © Archiv für Zeitgeschichte (AfZ), Zürich. Merényi, Zsuzsa (Abb. 1)  : Varnai 2005, o.S., (Abb. 2–10)  : © Gedenkstätte Bergen-Belsen. M.M. (Auschwitz-Skizzenbuch) (Abb.  1–8)   : © Sammlung des Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau, Oświęcim. Nowakowski, Waldemar (Abb.  1–31, 36–38, 40–42)  : © Sammlung des Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau, Oświęcim, (Abb. 32–34, 39)  : Jaworsk a 1975, Abb. 283, 284, zwischen 120 und 121, (Abb. 35)  : Blatter /Milton 1981, 193. Rosenthal, Horst (Abb. 1–16)  : © Mémorial de la Shoah, Paris. Spier, Joseph (Abb. 1–18)  : Bilder aus Theresienstadt, PT 2696/1-18, Terezín Memorial, © Mit freundlicher Genehmigung von Thomas Spier, Celine Spier Polak, Peter E. Spier. Weissová, Helga (Abb.  1–31A, 32–56)  : Zeichne was Du siehst / Draw what you see – Zeichnungen eines Kindes aus Theresienstadt / Terezín. Hg. von Niedersächsischer Verein zur Förderung von Theresienstadt / Terezín, © Wallenstein Verlag, Göttingen 1998, (Abb. 31B, 57–58)  : © Mit freundlicher Genehmigung von Helga Weissová. Wiesenthal, Simon (Abb. 1–5)  : Mit freundlicher Genehmigung von Pauline Kreisberg, Israel. Zadiková, Hilda (Abb. 1–14)  : Mit freundlicher Genehmigung von Mariánka Zadikow May, USA. Ich habe mich bemüht, sämtliche Inhaber der Bildrechte ausfindig zu machen und ihre Zustimmung zur Verwendung der Bilder in dieser Arbeit eingeholt. Sollte dennoch eine Urheberrechtsverletzung bekannt werden, ersuche ich um Meldung bei mir oder beim Böhlau-Verlag Köln.

Fantl, Pavel (Abb.)  : © Collection of the Yad Vashem Art Museum, Jerusalem, Gift of Ida Fantlová, the artist’s mother, courtesy of Ze’ev and Alisa Shek, Caesarea, Israel. Felsenthal, Liesel (Abb. 1–20)  : © Courtesy of the Leo Baeck Intitute, New York. Geve, Thomas (Abb.  1–6)  : © Collection of the Yad Vashem Art Museum, Jerusalem, mit freundlicher Genehmigung von Thomas Geve, Israel, (Abb.  7  –8)  : Eli Forrer, Erinnerungsalbum im NL Alfred Ledermann, © Archiv für Zeitgeschichte (AfZ), Zürich.

Abbildungsnachweise  |  405

Register

A Ansbacher, Leo 43, 63, 200, 403 Autobiografie 105 – 108, 111, 112, 128, 191 B Basnizki, Walter 5, 18, 48, 68, 70, 200 Bildgattung Film 60, 61, 96, 114, 115, 129, 134, 137, 162, 163, 173, 206 Fotografie 53, 60 – 62, 64, 70, 78, 85, 114, 115, 117, 125, 129, 133, 140, 141, 145, 146, 148, 163, 171, 173, 181, 182, 184 – 187, 192, 193, 197, 199 Monatsbilder 82 – 86, 126, 151 – 154, 196 Porträt 35 – 37, 39, 52, 54, 68, 71, 74, 75, 77, 87, 99, 103, 106, 110, 111, 113, 125, 126, 162, 182, 185, 188, 193, 403 Bischof, Karl 34 Bloch, Ferdinand 37 Bodek, Karl 17, 39, 41 – 43, 45, 48, 55, 57, 62, 65, 108, 133, 142, 145 – 147, 150, 168 – 170, 172, 183, 195, 199, 204, 403 Bohušovice 48, 91, 100, 117, 139, 158 Bradley, Luther Daniels 186 Braun-Kohle-Benzin AG (Brabag) 29, 118, 145, 149, 202 Breuer, Leo 57 Buczacz (Butschatsch) 207, 208 C Czernowitz 199 D Datierung 19, 46 – 49, 64, 71, 79, 133, 138, 146, 158, 159, 403, 404 Deggendorf 103, 128, 186, 202 Disney, Walt 16, 54, 58, 95 – 97, 108, 150, 196 Distanz ästhetische 54, 73, 77, 111, 113 – 115, 155, 156, 179 psychologische 49, 51, 53, 114, 195 Dix, Otto 183 Duchamps, Marcel 134 E Existenzbedingungen 19, 23, 25 – 29, 32, 38, 99, 105, 168, 170, 195, 197 F Fantl, Pavel 17, 18, 41, 42, 47, 62, 65, 66, 88 – 91, 94, 95, 97 – 99, 108, 126, 133, 138, 142, 145 – 147, 150, 168, 169, 196, 199, 200, 403 Felsenegg 176, 179, 191, 201 Felsenthal, Liesel 17, 18, 41 – 43, 46, 47, 53, 63, 66, 67, 108, 121 – 123, 129, 138, 142, 146, 154 – 157, 168, 169, 172, 173, 200 Fitzpatrick, Daniel 186 Forrer, Eli 179, 180, 192 Fritta, Bedřich 34, 37, 58, 78, 82, 88, 93, 99, 114, 128

G Gaskammer 20, 23, 26, 27, 51, 59, 72, 74, 75, 77, 116, 119, 140, 143, 160, 163, 164, 166 – 168, 171 – 173, 176, 178, 179, 183, 196 Geve, Thomas 5, 17 – 19, 114, 175 – 180, 186, 190 – 193, 197, 200, 201, 403 Ghettos siehe Zwangslager Göring, Hermann 90 Groupes de travailleurs étrangers (GTE) 25, 206 Grundig, Lea 173 Gurnigel-Bad 176, 179, 191, 201 H Haas, Leo 37, 81, 100 Heartfield, John 127, 181, 184, 185, 187 Heilbrunn, Leo 101 Herzberg, Abel 13, 20, 137, 162 Hilfsorganisationen Comité intermouvements auprès des évacués (CIMADE) 32 Œuvre de secours aux enfants (OSE) 32, 48, 200 Quäker 32, 403 Rotes Kreuz 32, 39, 63, 84 – 86, 88, 90, 91, 139, 141, 176, 187, 228, 283, 285, 288, 293 – 295, 328 Young Men’s Christian Association (YMCA) 32 Himmler, Heinrich 20, 23, 26, 28, 38, 59, 167 Hitler, Adolf 28, 90, 175, 182, 184, 185, 188, 193 Hoffmann, Heinrich (Fotograf) 182 Hoffmann, Heinrich (Schriftsteller) 88 – 90, 150 Höß, Rudolf 34, 35, 39 Hruschau (Hrušov) 203 Humor 15, 19, 53, 54, 56, 59, 86 – 95, 97, 98, 102, 103, 105, 109, 111, 123, 126, 133, 149, 170, 185, 206 siehe auch Parodie, Satire I Irsai, István 17, 19, 42, 47, 48, 53, 55, 57, 58, 64 – 66, 68, 69, 85, 89, 105, 108, 111 – 115, 129, 138, 142, 145, 147 – 149, 151, 168, 171, 177, 183, 195, 197, 201, 202, 204, 403 J Jahreszeiten siehe Bildgattung/Monatsbilder K Kalender 13, 42, 43, 45, 47, 63, 65 – 67, 82 – 86, 107, 126, 138, 142, 152 – 155, 157, 161, 172, 183, 187, 189, 196, 204 Kalenderbilder siehe Bildgattung/Monatsbilder Kantor, Alfred 16 – 18, 21, 33, 39, 41 – 46, 50, 53, 56, 63, 67, 70, 99, 102 – 105, 108, 114, 117 – 121, 128, 133, 138, 139, 141, 142, 145 – 149, 163, 168, 169, 183, 186, 190, 195, 196, 202, 203 Karikatur Fotokarikatur 181, 182, 187, 192 Individualkarikatur 88, 94 Karikatur 19, 43, 45, 47, 51, 54, 86 – 95, 98, 99, 111, 115, 126, 127, 146, 150, 174, 181, 185, 186, 193, 200, 403

Register  |  407

politische Karikatur 86 – 88, 90, 91, 98, 181 Porträtkarikatur 87, 88, 93 Typenkarikatur 93, 94, 127, 146 Kasser, Elsbeth 45, 55, 58, 62, 65, 68, 69, 127, 204, 206, 308, 342, 403 Kasztner, Rudolf 28 Kasztner-Gruppe 28, 38, 42, 48, 55, 58, 68, 105, 112, 113, 115, 129, 142, 147, 148, 183, 202, 204 Kaufmann, Otto 101, 102 Kien, Petr 58, 100, 128 Kjeldgaard, Jacob (Marinus) 181, 185 Koker, David 136 Konzentrationslager siehe Zwangslager Krematorium 49, 74, 75, 82, 126, 160, 163 – 167, 172, 173, 179, 182 Kupfer-Koberwitz, Edgar 137, 138, 141, 143 L Landau, Kalman 178, 179, 190, 191 Lebensbedingungen 23, 24, 28, 30, 31, 34 – 39, 44, 54, 57, 58, 61, 88 – 91, 95, 105, 109, 111, 154, 169, 188 siehe auch Existenzbedingungen Lecoq, Violette 50, 190, 193 Ledermann, Alfred 179, 180, 191, 192 Lichtblau-Leskly, Elsa 5, 18, 45, 46, 53, 63, , 68, 203 Lichtblau-Leskly, Erich 17, 18, 41 – 43, 45, 46, 48, 52 – 54, 63, 64, 68, 70, 88, 91 – 95, 97 – 99, 101, 119 – 121, 127, 130, 133, 138, 139, 158, 160, 163, 169, 183, 185, 203, 403 Liebermann-Shiber, Ella 190 Linger, Max 57 Loew, Kurt 17, 39, 41 – 43, 48, 55, 57, 62, 65, 108, 133, 142, 145 – 147, 150, 168 – 170, 172, 183, 195, 199, 203, 204 Loewenstein, Karl 92, 127 M Maurerschule (Auschwitz) 175, 200 Mechanicus, Philipp 114, 136, 137 Mengele, Josef 45 Merényi, Zsuzsa (Susanne Schuller) 17 – 19, 41, 42, 45, 46, 50, 52, 53, 57, 58, 63, 65 – 67, 105 – 113, 115, 119 – 124, 129, 130, 133, 138, 139, 143, 161 – 163, 169, 171, 172, 175, 187 – 190, 193, 195 – 197, 204, 205 Metapher siehe Symbolik Montreux 177, 202 Mouse, Mickey 16, 51, 54, 95 – 98, 108, 117, 127, 145, 146, 149, 150, 170, 196 N Nowakowski, Waldemar 16 – 18, 21, 41, 42, 44, 49, 64, 65, 71, 75 – 79, 107 – 109, 117, 119 – 122, 124, 125, 133, 138, 139, 160, 161, 163, 169, 171 – 173, 195, 205, 404 NS-Medienpolitik 58, 59, 100 O Olère, David 173 P Pakt, autobiografischer (Philippe Lejeune) 106, 108 Parodie 34, 87 – 90, 97, siehe auch Humor, Satire Plaček, Max 88, 126

408  | Register

Propaganda 24, 30, 33, 34, 58 – 60, 69, 86, 114, R Reichel, Hans 57 Rheinfelden 176, 177, 201 Rosenthal, Horst 16, 17, 21, 41, 47, 51, 54, 55, 57, 58, 63, 65, 66, 68, 95 – 99, 108, 117, 119, 127, 128, 133, 138, 145 – 147, 149, 150, 168, 170, 172, 174, 183, 190, 196, 199, 204 – 206 Rossel, Maurice 48, 59 – 62, 69, 70 S Satire 86, 88, 90, 93, 98, 128 siehe auch Humor, Parodie Schuller, Susanne siehe Merényi, Zsuzsa Schwesig, Karl 57, 88 Selbstbehauptung 16, 49, 51 – 53, 76, 80, 195 Siminski, Wiktor 173 Siwek, Władysław 58 Sliwka, Reinhold 46, 56, 69, 102 – 104, 128 soziales Medium 49, 54, 68, 176, 195 Spier, Joseph 16 – 19, 21, 41, 42, 48, 58 – 62, 65, 66, 69, 86, 99 – 102, 104, 105, 108, 138, 142, 147, 162, 163, 195, 196, 206 – 208 Spremberg 187 – 190 St. Cyprien 35, 47, 48, 199, 204 Stettin 175, 200 Stundenbuch siehe Bildgattung/Monatsbilder Symbole Holocaust Symbols 79, 181 Krematoriumsschornstein 79, 160, 166, 181, 190 Lagertor 118, 180, 181, 185, 186 Maske 182, 185 Stacheldraht 79, 82, 93, 112, 114, 118, 142, 152, 154, 180 – 184, 186, 192 Totenkopf 179, 185, 186 Symbolik 19, 49, 51, 78 – 80, 82 – 86, 95, 97, 112, 113, 115, 125, 130, 140, 148, 149, 154, 158, 159, 165, 175, 179 – 187, 189, 190, 192, 193, 196, 197 T Targosz, Franciszek 34 Thadden, Eberhard von 61 Tröbitz 29, 38, 46, 105, 106, 109, 187 – 189, 193, 204 U Ungar, Otto 37 V Verfolgungsstätten siehe Zwangslager Visuelle Narration Abfolgekarikatur 89, 97 – 99, 126 Achronie 20, 135, 157, 158, 161, 172 Bildfolge, enge 134 Bildfolge, weite 134, 137, 141 – 143 Bildgeschichte 14, 129, 165, 170 (Bild-) Sequenz 13, 14, 16, 20, 51, 72, 87, 91, 97, 106, 113, 117, 118, 125, 126, 133 – 135, 141 – 145, 147, 150, 152, 153, 157, 160, 161, 163 – 169, 173, 190, 196

Chronologie 14, 20, 112, 126, 134, 135,137, 144 – 148, 151, 152, 156 – 163, 168 – 170, 178, 179, 187, 189, 190, 196, 197 Comic 14, 16, 19 – 21, 51, 54, 58, 95 – 98, 108, 117, 125, 127, 133 – 135, 144 – 146, 149 – 151, 167, 168, 170, 171, 186, 190, 193, 206 comic book 97, 127 narrative Leerstelle 134, 135, 142, 163 – 165, 167, 168, 196 Zyklus 20, 83, 84, 86, 151 – 158, 172 W Weber, Charlotte 178, 179, 191, 192 Weissová, Helga 17 – 19, 41 – 45, 47, 48, 50, 52, 53, 56, 62, 64 – 66, , 68 – 70, 79 – 82, 86, 94, 101, 108, 117 – 124, 126, 133, 138, 139, 158 – 160, 163, 169, 195, 207, 404 Wiesenthal, Simon 18, 50, 175, 180 – 187, 192, 193, 197, 207, 208

Schwarzheide 17, 19, 25, 29, 33, 41, 42, 44, 46, 56, 63, 67, 69, 99, 102 – 105, 108, 116 – 119, 121, 128, 130, 138, 139, 141, 145, 149, 168, 169, 171, 190, 195, 202 Theresienstadt 17 – 19, 21, 24 – 26, 29 – 34, 37 – 39, 41 – 48, 50, 52 – 54, 58 – 70, 78 – 82, 85, 86, 88 – 94, 99 – 102, 105, 114, 117 – 119, 121, 122, 124 – 126, 128, 130, 138 – 140, 145, 152, 154, 156, 157, 159, 162, 163, 168, 169, 172, 190, 195, 199, 202, 203, 206 – 208, 403 Treblinka 30, 31, 105 Wulkow 48, 20

Z Zadiková, Hilda 17 – 19, 21, 41 – 43, 45, 47, 63, 65 – 67, 79, 82 – 86, 108, 126, 133, 142, 152 – 157, 168, 169, 171, 172, 183, 195, 196, 208 Zeichenstil deskriptiv 19, 78 – 82, 85, 86, 183, 184, 187, 192, 195 expressionistisch 71, 78, 88, 99 realistisch 43, 51, 71, 73, 78 Zeitdarstellung 19, 133, 134, 196 Zeitwahrnehmung 135 – 137, 168, 170, 196 Zeugnis 15, 16, 21, 34, 47, 49 – 51, 56, 68, 80, 111, 161, 164, 176, 190, 195 Ziereis, Franz 182, 185 Zossen siehe Zwangslager/Wulkow Zugerberg siehe Felsenegg Zutphen 206 Zwangslager Auschwitz 17 – 19, 21, 23 – 27, 29, 30, 32 – 35, 37 – 40, 43 – 45, 47 – 49, 53, 58, 62, 64, 65, 67, 71, 73 – 75, 88, 90, 105, 116, 118, 121, 122, 124, 125, 130, 139, 140, 150, 154, 168 – 173, 175, 178, 179, 186, 190, 191, 195, 199 – 202, 205 – 207, 403, 404 Auschwitz-Birkenau 26, 27, 29, 43 – 45, 48 – 51, 59, 63, 66, 71 – 75, 116 – 119, 121, 125, 140, 161, 163, 164, 167, 169, 173, 185, 186, 197, 205 Bergen-Belsen 13, 17 – 20, 25, 27 – 29, 33, 34, 37 – 39, 41, 42, 44 – 48, 50, 53, 55, 57, 58, 63 – 69, 99, 105, 107, 109 – 113, 117, 119, 121 – 123, 128 – 130, 137, 138, 142, 148, 168, 169, 171, 175, 177, 187 – 191, 193, 195, 197, 202, 204, 205, 403 Buchenwald 17, 23, 114, 175 – 178, 180, 190, 191, 193, 197, 201, 204 Dachau 63, 114, 137, 141 Drancy 25, 32, 33, 47, 48, 150, 199, 206 Groß-Rosen 175, 176, 178, 191, 201, 208 Gurs 17 – 19, 21, 24, 25, 31 – 37, 39, 41 – 45, 47, 48, 51, 53 – 55, 57, 58, 62, 63, 65, 68, 69, 86, 88, 95 – 98, 117, 120, 122, 123, 127, 128, 130, 136, 138, 145 – 147, 149 – 151, 154 – 157, 168 – 172, 174, 195, 199, 200, 204, 206, 403 Majdanek 23, 115, 130 Mauthausen 50, 69, 125, 175, 181 – 185, 197, 207, 208 Plaszow 208 Rivesaltes 25, 200, 204, 206

Register  |  409

ANTONIA BARBORIC

DER HOLOCAUST IN DER LITERARISCHEN ERINNERUNG AUTOBIOGRAFISCHE AUFZEICHNUNGEN VON UDO DIETMAR UND ELIE WIESEL (LITERATUR UND LEBEN. NEUE FOLGE, BAND 86)

Aus Erlebtem Erzähltes machen: Antonia Barboric vergleicht zwei Bücher, die die Gräuel in Konzentrationslagern autobiografisch schildern. Das Ziel ihrer Analyse ist es, die Erzählqualität von zwei in den Produktionsbedingungen sehr unterschiedlichen Werken der Holocaust-Literatur zu zeigen und damit die Heterogenität der literarischen Gattung Holocaust-Literatur deutlich zu machen. Die Erinnerung an etwas länger Vergangenes beeinflusst den Erzählstil, Fiktion und Fakten vermischen sich. „Häftling…X…In der Hölle auf Erden!“, verfasst von einem unbekannten politischen Häftling und publiziert unter dem Pseudonym Udo Dietmar, ist ein Beispiel für früh (1946) auf Deutsch erschienene HolocaustLiteratur; „Nacht“ von Elie Wiesel (1963) gilt als bedeutendes Beispiel für ein Werk über den Holocaust von einem jüdischen Autor. 2014. 332 S. FRANZ. BR. 155 X 235 MM | ISBN 978-3-205-79524-7

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ANTHONY COLES

JOHN HEARTFIELD EIN POLITISCHES LEBEN

John Heartfield (1891–1968) schuf einige der bekanntesten Propagandabilder des 20. Jahrhunderts. Neben graphischen Werken für die KPD waren es vor allem die über zweihundert politischen Fotomontagen, mit denen er die Grausamkeiten des Naziregimes anprangerte, die ihn bekannt machten. Der als Helmuth Herzfeld in Schmargendorf geborene Künstler hat sein Werk schon früh in den Dienst seiner politischen Überzeugung gestellt. Als KPD-Mitglied galt sein Interesse der Arbeiterschaft, seine künstlerische Arbeit widmete er ihrer Bildung und Auf klärung. Das Gesamtwerk von John Heartfield ist beeindruckend: neben politischen Karikaturen gestaltete er hunderte von Büchern, Buchumschlägen und Zeitungen. Er war Verleger, unterrichtete und kuratierte Ausstellungen, sogar im Film versuchte er sich. 1933 floh Heartfield vor den Nationalsozialisten zunächst nach Prag, dann nach London. 1950 kehrte er in die DDR zurück. Heartfields Leben war selbst eine Montage. Sein Gesamtwerk ist bisher noch nicht zu seinem Leben und den politischen Ereignissen in Bezug gesetzt worden. Das Buch des Kunsthistorikers Anthony Coles schließt diese Lücke. 2014. 402 S. 505 S/W-ABB. GB. 170 X 240 MM | ISBN 978-3-412-20999-5

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MARCO BÜCHL

DOGFACE SOLDIERS DIE FRONTSOLDATEN DER US-INFANTERIE UND DER KRIEG GEGEN HITLERS WEHRMACHT IM MITTELMEERRAUM UND IN NORDWESTEUROPA

Als der Zweite Weltkrieg in Europa zu Ende war, hatten US Infanteriedivisionen dort ohne Ausnahmen hohe Verluste erlitten. Mehr als 90 Prozent dieser Verluste verteilten sich auf eine Gruppe von weniger als 20 Prozent der Soldaten im Register einer Division, ihre Infantry Riflemen. Dogface Soldiers fokussiert auf die Geschichte dieser gemeinen Gewehrschützen der US Infanterie im Kontext verschiedener Wechselwirkungen zwischen Krieg und US-amerikanischer Kultur. Als Methode adaptiert Marco Büchl das anthropologische Konzept der Dichten Beschreibung, um entlang von 13 zeitgenössischen Cartoons von Bill Mauldin eine Kulturgeschichte der Dogface Soldiers zu entwickeln. 2016. 302 S. 19 S/W-ABB. FRANZ. BR. 155 X 235 MM | ISBN 978-3-205-20217-2

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ESTHER KILCHMANN (HG.)

ARTEFRAKTE HOLOCAUST UND ZWEITER WELTKRIEG IN EXPERIMENTELLEN DARSTELLUNGSFORMEN IN LITERATUR UND KUNST (LITERATUR-KULTUR-GESCHLECHT, STUDIEN ZUR LITERATUR- UND KULTURGESCHICHTE, BAND 70)

Der Band fragt nach dem Stellenwert experimenteller Darstellungsverfahren in der künstlerischen Auseinandersetzung mit Holocaust und Zweitem Weltkrieg. An Beispielen aus Literatur, Theaterschaffen, Musik und neuen Medien wird untersucht, wie – in der Thematisierung des Zivilisationsbruchs – Darstellungsnormen und Gattungskonventionen gebrochen oder neue Materialien und Medien erprobt werden, um so die Auseinandersetzung mit den nationalsozialistischen Verbrechen und der Erinnerung daran erneut anzustoßen. Diskutiert werden vornehmlich zeitgenössische Werke; die aktuellen Entwicklungen in der Gedenkkultur werden aber auch zum Anlass genommen, ältere Zeugnisse in Hinblick auf experimentelle Verfahrensweisen erneut zu lesen. 2016. 304 S. BR. 155 X 230 MM | ISBN 978-3-412-50345-1

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