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German Pages [316] Year 1965
Α. Μ. Ritter · Das Konzil von Konstantinopel und sein Symbol
ADOLF MARTIN
RITTER
Das Konzil von Konstantinopel und sein Symbol Studien zur Geschichte und Theologie des II. Ökumenischen Konzils
VANDENHOECK & RUPRECHT IN G Ö T T I N G E N
Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte Band 15
Umschlag: Christel Steigemann Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft © Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, 1965. Printed in Germany. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, das Buch oder Teile daraus auf foto- oder akustomechanischem Wege zu vervielfältigen. Gesamtherstellung: Hubert & Co., Göttingen 8310
VORWORT Die vorliegende Arbeit wurde unter dem Titel „Studien zur Geschichte und Theologie des II. ökumenischen Konzils von Konstantinopel 381" im November 1962 von der Theologischen Fakultät der Ruprecht-KarlUniversität zu Heidelberg als Dissertation angenommen. Wenn sie nun — in wesentlich unveränderter Form1 — im Druck erscheinen kann, so verpflichtet mich dies gegenüber dem Herrn Verleger, der die Drucklegungsarbeiten in großzügiger Weise förderte und die Aufnahme dieser Arbeit in die „Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte" veranlaßte, sowie gegenüber der Deutschen Forschungsgemeinschaft, die für den Druck einen erheblichen Zuschuß gewährte, und nicht zuletzt gegenüber meinem lieben Freund Dr. Dr. Gernot Wießner, der sich mit mir in die Mühen des Korrekturlesens teilte, zu aufrichtigem Dank. Vor allem aber habe ich auch an dieser Stelle meinen verehrten Lehrern auf dem Gebiet der alten Kirchengeschichte herzlich zu danken, insbesondere Herrn Professor Hans Frhr. von Campenhausen, der mir — nicht nur, während diese Arbeit entstand — unendlich viel freundliche Anteilnahme und Förderung zuteil werden ließ, wie auch Herrn Professor 1 Bei den Änderungen gegenüber der ursprünglichen Fassung handelt es sich in der H a u p t s a c h e u m Literaturnachträge. Daß gleichwohl keine Vollständigkeit in der Verwertung der Literatur erreicht worden ist, dessen bin ich mir voll bewußt. E s wäre wohl angesichts der Vielfalt der hier angeschnittenen Probleme auch n u r sehr schwer möglich gewesen. Nur ist jetzt, so hoffe ich, wenigstens das Wichtigste berücksichtigt, was seit d e m Abschluß des Manuskriptes im F r ü h j a h r 1962 im Umkreis meines Themas erschienen oder mir nachträglich zur Kenntnis gelangt ist. Auf eine Auseinandersetzung mit dem Buch v o n P . Görlitz, Außerchristliche Einflüsse auf die Entwicklung des christlichen Trinitätsdogmas, 1963, habe ich freilich b e w u ß t verzichtet, was durchaus im Sinne eines Werturteils gedeutet werden mag. S t a t t mich selbst mit den Thesen des Gerlitzschen Buches auseinanderzusetzen, was sehr viel B a u m in Anspruch genommen, aber k a u m sehr viel ausgetragen h ä t t e , begnüge ich mich mit d e m Hinweis auf die Besprechung v o n Heinrich Dörrie, die schon vor Monaten in der „Theologischen Literaturzeitung" h ä t t e erschienen sein sollen u n d von der ich gütigerweise Kenntnis erhielt. Ebenso, wenn auch aus anderen Gründen, habe ich darauf verzichtet, die Auseinandersetzung m i t Ignacio Ortiz de Urbina, Nizäa u n d Konstantinopel ( = Geschichte der ökumenischen Konzilien, hrsg. von G. Dumeige u n d H . Bacht, B a n d I), 1964, noch in den Anmerkungen einzuarbeiten. S t a t t dessen werde ich von der Möglichkeit Gebrauch machen, in einer Besprechung in der „Zeitschrift f ü r Kirchengeschichte" die Auseinandersetzimg mit Ortiz de Urbina nachzuholen. F ü r diese Möglichkeit b i n ich dem Herausgeber, H e r r n Professor W . Schneemelcher, sehr dankbar.
6
Vorwort
Hermann Dörries, der u. a. auch die Anregung zu einer intensiveren Beschäftigung mit der vielschichtigen Problematik gab, wie sie mit der Geschichte und Theologie des Konstantinopler Konzils von 381 verbunden ist. Daß das Resultat dieser meiner Bemühungen rechtzeitig zu seinem 70. Geburtstage am 17. Juli dieses Jahres erscheinen und ihm als bescheidener Dankesgruß auf den Gabentisch gelegt werden kann, erfüllt mich mit besonderer Freude. Dank schulde ich ferner dem Landeskirchenamt der Evangelischen Landeskirche von Kurhessen-Waldeck für viel Entgegenkommen wie auch den Gemeindegliedern meines ehemaligen hessischen Kirchspiels, deren verständnisvolle Geduld den Abschluß dieser Arbeit wesentlich erleichterte. Schließlich möchte ich das Erscheinen dieser Studien zum II. Ökumenischen Konzil mit einem herzlichen und dankbaren Gruß an die Freunde in Griechenland begleiten. Wenn diese „rein historische" Arbeit gleichwohl als Zeichen dafür verstanden würde, daß mich die Fragen der ökumenischen Zusammenarbeit und speziell der Verständigung zwischen orthodoxer und reformatorischer Theologie seit meiner Stipendiatenzeit in Athen im akademischen Jahr 1958/1959 nicht wieder losgelassen, sondern durchaus als Motor weitergewirkt haben, so wäre das für mich eine große Genugtuung und Ermutigung. Göttingen, im Juni 1965
Adolf Martin Ritter
Inhalt Vorwort
5
Literatur- und Abkürzungsverzeichnis
7
Einleitung
15
E r s t e r H a u p t t e i l : Die Vorgeschichte und Geschichte des Konzils
19
Vorbemerkung
19
I.
Die Vorgeschichte des Konzils
21
II.
Die Berufung des Konzils
33
III.
Eröffnung des Konzils. Erste Verhandlungen
41
IV.
Der Tod des Meletios. Auseinandersetzungen um seine Nachfolge 53
V.
Einigungsverhandlungen mit den „Makedonianern"
68
VI.
Aufstellung der Kanones II und III
85
VII. Neue Krise des Konzils. Rücktritt Gregors von Nazianz
97
VIII. Abschließende Verhandlungen und Beschlüsse. Bestätigung der Konzilsdekrete durch den Kaiser 111 Z w e i t e r H a u p t t e i l : Das Symbol von Konstantinopel
132
Vorbemerkung I. Die Überlieferung über C. Ihre Kritik und ihre Verteidigimg in der neueren Forschung 1. Die Überlieferung über С 2. Die Bestreitung der Echtheit von С durch Hort und Harnack 3. Die Verteidigung der Tradition durch Eduard Schwartz
132 133 133 135 141
II.
AuseinandersetzungmitdenThesenHort-HarnacksundSchwartzens 147 1. Zu den Thesen Horts und Harnacks 148 2. Zu den Thesen von Eduard Schwartz 173
III.
Versuch einer Lösung
182
S c h l u ß : Das Konzil von Konstantinopel als ökumenisches Konzil 209
8
Inhalt
Anhang Exkurs I :
221 Theodosius und das Konstantinopler Konzil von 381 221
Exkurs Π : Der Tomos von Konstantinopel und die arabischen Kanones im Nomokanon Michaels von Damiette 239 Exkurs I I I : Zur Interpretation von Gregor. Naz. carm. hist. X I („Über sich selbst"), V. 1703 —1796 253 Exkurs IV: Zum Homousios von Konstantinopel
270
Exkurs V:
293
Zur Pneumatologie von Konstantinopel
Personen- und Sachregister
309
LITERATUR. UND
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS1
I. Texte und Übersetzungen Barbel Codex Justin. Codex Theodos. Evagrios Scholastikos Gallay, Discours Gallay, Poemes Gregorios Nazianzenos carm. hist. X I Gregorios Nyssenos, Opera Hahn Lebon, Lettres Lietzmann, Symbole Mansi
Gregor von Nazianz, Die fünf theologischen Reden, Text und Übers, m. Einl. u. Komm. hrsg. v. J . Barbel, Testimonia III, 1963. Corpus iuris civilis, hrsg. v. P. Krüger, 15. Aufl. 19282. Theodosiani libri XVI, hrsg. v. Th. Mommsen und P. M. Meyer, 1905. Evagrios Scholastikos, Kirchengeschichte I—VI. MPG 86,2, 2415—18863. Gregoire de Nazianze, Les Discours Thöologiques, trad, par Paul Gallay, Lyon/Paris 1942. Grögoire de Nazianze, Poemes et Lettres, choisis et traduits avec introduction et notes par Paul Gallay, Lyon/Paris 1941. Gregorios Nazianzenos, Autobiographisches Gedicht X I („Über sich selbst": MPG 37, Carmina, lib. II, sect. I) Gregorii Nysseni Opera, ed. W. Jaeger, Leiden 1952ff.5 A. und G. L. Hahn, Bibliothek der Symbole und Glaubensregeln der alten Kirche, 3. Aufl. 1897. Athanase d'Alexandrie, Lettres a Serapion sur la Divinitö du Saint-Esprit, Introduction et Traduction de J . Lebon, SC 15, Paris 1947. H. Lietzmann, Symbole der Alten Kirche, KIT 17/18, 4. Auflage 1935. J . D. Mansi, Sacrorum conciliorum nova et amplissima collectiol—XXXI, Florenz/Venedig, 1757ff.
1 Abkürzungen, die hier nicht eigens aufgeführt und erläutert werden, entsprechen denen, die in der 3. Auflage der R G G benutzt sind. 2 Aus dem Codex Justinianus und dem Codex Theodosianus wird in der üblichen Weise, d.h. nach liber, titulus und lex zitiert. 3 Die Zitate aus Evagrios Scholastikos, Orosius, Philostorgios, Ruflnus und Sokrates werden nur nach Buch- und Kapitelzahl bestimmt, während bei den Zitaten aus Sozomenos und Theodoretos darüber hinaus die Paragraphenzahlen der Ausgaben von Bidez—Hansen und Parmentier—Scheidweiler angegeben werden. 4 Zitate aus dem großen autobiographischen Gedicht des Naziazeners werden nur nach Verszahlen bestimmt. 6 Zitiert wird nach volumen, pars und pagina der Jaegerschen Ausgabe, in der die Bände I und II, hrsg. v. W. Jaeger, Leiden 1960, des Nysseners Werk „Wider Eunomios", Band Π Ι , Teil 1, hrsg. v. F. Mueller, einige kleinere dogmatische Schriften, Band VIII, Teil 1, hrsg. v. W. Jaeger, J . P. Cavarnos und V. Woods Callahan, Leiden 1952, die asketischen Schriften und Band VIII, Teil 2, hrsg. v. G. Pasquali, Leiden 1959, die Briefe enthalten.
10
Literatur- u. Abkürzungsverzeichnis
Opitz, Urkunden
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Orosius Philostorgios Pruche Rufinus Schwartz ACO Shapland Sokrates Sozomenos Theodoretos
Tonneau- Devreesse
Turner EOMIA
I I . Untersuchungen und Altaner Badcock, History Bardenhewer Bardy, Concile Bardy, Didyme Bardy, Macedonius Batiffol Beck, Kirche
Berkhof Bethune-Baker, Introduction
Bethune-Baker, Meaning 1
Darstellungen
B. Altaner, Patrologie, 6. Aufl. 1960. F . J . Badcock, The History of t h e Creeds, London 1930. О. Bardenhewer, Geschichte der altkirchlichen Literatur, 2. Aufl. 1913—1932. G. Bardy, Le concile d'Antioche (379), RBön X L V , 1933, 196—213. G. Bardy, Didyme l'Aveugle, Paris 1910. G. Bardy, Macedonius et les Macedonians, DThC I X , 2, 1927, 1464—-1478. P . Batiffol, Le siege apostolique (359—451), 3. Aufl. Paris 1924. H.-G. Beck, Kirche u n d theologische Literatur im byzantinischen Reich, Byzantinisches H a n d buch im R a h m e n des H A W 11,1, 1959. Hendrik Berkhof, Kirche u n d Kaiser, Zürich 1947. J . F . Bethune-Baker, An Introduction to t h e Early History of Christian Doctrine, London (1903), Neudruck 1954. J . F . Bethune-Baker, The Meaning of Homousios in t h e "Constantinopolitan" Creed, T S t V I I , 1, Cambridge 1901.
Zitiert wird nach tomos, volumen, pars u n d pagina.
L i t e r a t u r - u . Abkürzungsverzeichnis
11
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12
Literatur- u. Abkürzungsverzeichnis
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Literatur- u. Abkürzungsverzeichnis Kunze, Marcus Eremita Kunze, Symbol Lebon R H E XLYII/XLYIII Lebon, Symboles Lietzmann, Apollinaris Lietzmann GAK I/TV Lohse Loofs, Arianismus Loofs, Christologie Loofs, Eustathius Loofs, Leitfaden Loofs, Nestoriana Loofs, Nicänum Loofs, Symbolik Lübeck Meinhold, Konzile Meinhold, Pneumatomachoi Michel Müller
Ostrogorsky Papadopoulos Percival
Prestige Rauschen
13
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14
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Einleitung Als Papst Johannes XXIII. am 25. Januar 1959 die „Feier eines Ökumenischen Konzils für die universale Kirche" ankündigte, erregte diese Nachricht in der katholischen Welt wie unter Orthodoxen, Anglikanern und Protestanten ein überaus starkes Aufsehen. Freilich resultierte dies wohl in der Hauptsache aus dem Mißverständnis, als sei bei dem geplanten Konzil „für die universale Kirche" an eine Versammlung bevollmächtigter Vertreter aller oder doch wenigstens der großen christlichen Kirchen etwa in der Weise des Unionskonzils von FerraraFlorenz 1439 gedacht oder, anders gesagt, als handele es sich hierbei um ein „ökumenisches" Konzil in dem „dynamischen" Sinn von „ökumenisch", „den der Begriff in den letzten Jahrzehnten, nicht zuletzt durch die in der Ökumenischen Bewegung gehegten Hoffnungen und schon erreichten Resultate, gewonnen hatte" 1 . Sobald sich jedoch herausstellte, daß diese Erwartung zu kühn war, und klar wurde, daß das Konzil, das sich Anfang Oktober des Jahres 1962 in Rom konstituiert hat und als II. Vaticanum oder XXI. „ökumenisches" Konzil „gefeiert" wird, eine Angelegenheit nur der römisch-katholischen Kirche sein und nur deren Anliegen — darunter allerdings auch das der „Wiedervereinigung der getrennten Brüder"2 — behandeln werde, hatte das, wie nicht anders zu erwarten stand, allenthalben eine spürbare Ernüchterung zur Folge. Die Entscheidung Johannes XXIII., ein neues „ökumenisches" Konzil einzuberufen, hat aber nicht nur vielfach zu übertriebenen Hoffnungen auf eine baldige Wiedervereinigung der getrennten Kirchen oder doch wenigstens auf einen allmählichen Abbau des Ausschließlichkeitsanspruchs der römischen Kirche als eines der Haupthindernisse auf dem Wege zu dieser Einigung Anlaß gegeben. Vielmehr hat sie innerhalb der katholischen wie der orthodoxen und reformatorischen Theologie auch als Anstoß zu einer bemerkenswerten Neubesinnung über Wesen und Funktion eines allgemeinkirchlichen Konzils für das Leben der Kirche gewirkt. Das aber mußte gleichzeitig zu einer Neubelebung des Interesses an der KonzilsgrescAicAie, speziell der Geschichte der „ökumenischen" 1 So H. J. Marguli im Vorwort zu dem von ihm herausgegebenen Sammelwerk: Die ökumenischen Konzile der Christenheit, 1961, 7. 2 Vgl. etwa das Vorwort von Erzbischof L. Jaeger, Das ökumenische Konzil, die Kirche und die Christenheit, 1960, 7.
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Einleitung
Konzile, führen. Hängen hier doch systematische und historische Besinnung aufs engste zusammen. Jedenfalls gilt das für die orthodoxe und die reformatorische Theologie, die im Unterschied zur römischkatholischen Theologie nicht über eine kirchenrechtlich-verbindliche Definition eines „ökumenischen" Konzils verfügt, sondern für eine theologische Erhebung zum Begriff „ökumenisch" und damit auch für eine Bestimmung von Wesen und Merkmalen eines „ökumenischen" Konzils wesentlich auf die Analyse der historischen Fakten der als „ökumenisch" veranstalteten oder rezipierten Konzile der Christenheit angewiesen ist. Von diesem Aufschwung der Konzilsstudien während der zurückliegenden vier Jahre hat allerdings die Erforschung der einzelnen Konzile, ihres geschichtlichen Rahmens und Verlaufs sowie der authentischen Bedeutung ihrer Glaubens- und Disziplinardekrete, noch nicht übermäßig viel profitiert. Im besten Fall handelt es sich vielmehr bei der in jüngster Zeit erschienenen, kaum noch überschaubaren Literatur zu dem von der Kirchengeschichtsschreibung seit langem vernachlässigten Thema der Konzilsgeschichte1 um fraglos nützliche Bestandsaufnahmen, die zugleich der noch immer beträchtlichen Lücken unserer Kenntnis der geschichtlichen Einzelheiten ansichtig werden lassen. Es wäre daher zu begrüßen, wenn das neuerwachte wissenschaftliche Interesse nicht wieder erlahmte, sobald das II. Vatikanische Konzil seine Beratungen beendet hat und so der aktuelle Anlaß in den Hintergrund getreten ist, ehe nicht wenigstens einige dieser Lücken nach Möglichkeit geschlossen worden sind. Daß unsere Kenntnis der Geschichte und Theologie der einzelnen Konzile der kirchlichen Vergangenheit vielfach noch lückenhaft und 1 Zur älteren Konzilsliteratur s. etwa H. D. Altendorf, Art. Konzile, RGG III, 1803. Aus der Fülle der in jüngster Zeit erschienenen Literatur seien hier nur genannt: H. Jedin, Kleine Konziliengeschichte, Herder-Bücherei 51, 1959; Erzbischof L. Jaeger, Das ökumenische Konzil, die Kirche und die Christenheit. Erbe und Auftrag, 1960; Le concile et les conciles, Chevetogne 1960; H.Fuhrmann, Das Ökumenische Konzil und seine historischen Grundlagen, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht XII, 1961, 672ff.; P. Meinhold, Der evangelische Christ und das Konzil, Herder-Bücherei 98, 1961; Ders., Konzile der Kirche in evangelischer Sicht, 1962; Die ökumenischen Konzile der Christenheit, hrsg. v. H. J. Margull, 1961; F. Dvornik, The Ecumenical Councils, New York 1961; F. Hayward, Les Conciles Oecumeniquos, Paris 1961; J. Μ. A. Salles-Dabadie, Les conciles oscumeniques Jdans l'histoire, Paris 1962; К. E. Skydsgaard (Hrsg.), Konzil und Evangelium, 1962; vgl. auch den Literaturbericht von K. G. Steck, ThLZ 87, 1962, 761—730. Wie sehr das Interesse an der Konzilsgeschichte über den Kreis der Fachtheologen und -historiker hinausgegriffen hat, zeigt etwa das Buch von H. Dallmayr, Die großen vier Konzilien, 1961, das auch ein ausführliches Kapitel über das Konzil von Konstantinopel enthält (71—127). Freilich ist es ohne eigenen wissenschaftlichen Wert. Darum wird es im folgenden nur gelegentlich erwähnt.
Einleitung
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auch durch die in den letzten Jahren mächtig angeschwollene Konzilsliteratur kaum wesentlich bereichert worden ist, gilt nicht zuletzt von der Synode, die im Frühjahr 381 auf Einladung des oströmischen Kaisers Theodosius I. in Konstantinopel zusammentrat, um unter die schwersten Lehrstreitigkeiten, die die Kirche bis dahin erlebt hatte, für des Theodosius Herrschaftsbereich den Schlußstrich zu ziehen, und der einige Zeit später die Auszeichnung widerfuhr, daß sie nach dem ruhmreichen Konzil von Nikaia 325 als zweites unter die „ökumenischen" Konzile der Kirche gerechnet wurde. Und in der Tat dürfte diese Synode von mehr als partikularer und temporärer Bedeutung gewesen sein. Ist doch auf ihr das Bekenntnis zur Einheit des Seins, der „Usie" Gottes in der Dreiheit der göttlichen Hypostasen sanktioniert worden, das bis heute der Trinitätslehre der großen christlichen Kirchen zugrunde liegt. Überdies verdient sie darum besondere Beachtung, weil ihr spätestens seit dem Konzil von Chalkedon 451 das Symbol zugeschrieben wird, das als Nicaeno-Constantinopolitanum bekannt ist und wie kein anderes unter den altkirchlichen Symbolen den Namen eines „ökumenischen" Symbols verdient, da es sowohl in den beiden katholischen Kirchen, der römischen und der orthodoxen, wie in den Kirchen der Reformation bis heute in gottesdienstlichem Gebrauch ist und so „einen der wenigen Fäden" darstellt, „durch die die zerschlissenen Fetzen des zerteilten Rockes der Christenheit zusammengehalten werden"1. Ein mehr als nur pauschales Urteil über die Bedeutung dieses II. ökumenischen Konzils, eine genauere Vorstellung von den Kräften, die seine Entscheidungen vorbereitet und bestimmt haben, ist freilich dadurch sehr erschwert, daß uns von ihm ungleich weniger authentische Nachrichten überkommen sind als beispielsweise von den Konzilen von Ephesos 431 und Chalkedon 451. Wenn im folgenden dennoch der Versuch gemacht wird, die Fülle von Problemen aufzugreifen, die mit der Geschichte und Theologie dieses Konzils verbunden sind, und dabei nach Möglichkeit keinen Zug des Rahmens und Lebens des Konzils zu vernachlässigen, so deshalb, weil zwar kein neues Material beigebracht werden kann, weil es aber bisher an einer umfassenden Aufarbeitung des zur Verfügung stehenden Quellenmaterials fehlte. 1
Kelly, Creeds, 296.
2 8310 Bitter, Konzil
ERSTER
HAUPTTEIL
Die Vorgeschichte und Geschichte des Konzils Vorbemerkung
Ebenso wie die Verhandlungen des Konzils von Nikaia sind die des Konzils von Konstantinopel entweder überhaupt nicht protokolliert worden1 oder diese Sitzungsprotokolle sind verlorengegangen2. Jedenfalls sind uns konstantinopolitanische Konzilsakten weder erhalten noch bezeugt3. Erhalten sind an authentischen Dokumenten vielmehr nur 1 So namentlich Schwartz, Bischofslisten, 86. 88. U n d zwar konnten nach Schwartz die nikäischen Verhandlungen „nicht protokolliert u n d veröffentlicht werden, weil der Kaiser an ihnen teilgenommen h a t t e " , was nach ihm ebenso f ü r die Verhandlungen von Konstantinopel 381 gilt (s. Schwartz a . a . O . 86). Doch ist es nicht nur so gut wie ausgeschlossen, daß Theodosius a n den konstantinopolitanischen Konzilsverhandlungen unmittelbar teilgenommen h a t (s. u. S. 221 ff.). Vielmehr steht dieser Begründung auch entgegen, „daß auf dem Konzil von Chalkedon 461 auch die Verhandlungen der sechsten Sitzung, bei welcher Kaiser Marcianus anwesend war, protokolliert und nachher mit Zustimmung dieses Kaisers u n d auf seine Veranlassung veröffentlicht w u r d e n " (Ensslin, 33). Nach allem, was wir aus der Zeit vor u n d nach Nikaia über die Protokollierung von Synoden wissen, h a t die Annahme, „daß auf der hochbedeutsamen Synode von Nizäa ein genaues Protokoll geführt wurde . . ., a priori gesprochen, die höchste Wahrscheinlichkeit f ü r sich. N u r ein klares, positives, glaubwürdiges Zeugnis f ü r das Gegenteil könnte diese Annahme umstoßen" (A. Wikenhauser, Zur Frage nach der Existenz von nizänischen Synodalprotokollen, in: Kaiser Konstantin u n d seine Zeit, hrsg. v. F . J . Dölger, 1913, 142). Entsprechendes wird von den Verhandlungen von Konstantinopel gelten. Allerdings dürfte Schwartz darin Recht haben, daß es keine publizierten Akten von Nikaia u n d Konstantinopel gab! 2
So etwa Kelly, Creeds, 305 f. Nach Kelly hängt der Verlust der konstantinopolitanischen Akten „ohne Zweifel" damit zusammen, „daß das Konzil erst sehr viel später als ökumenisch angesehen wurde". Das ist möglich, aber keineswegs sicher, j a angesichts der Tatsache, daß sich auch von den Akten von Nikaia jede Spur verloren h a t , nicht einmal besonders einleuchtend. Man wird sich hier wohl mit einem „non liquet" begnügen müssen. 3 Bemerkenswert ist vor allem, daß in den chalkedonischen Akten von offiziellen „υπομνήματα" von Konstantinopel 381 nichts verlautet, wie sie auf den Befehl des Kaisers hin (s. z . B . Schwartz ACO I I , 1,1,148) auf den Konzilen von Ephesos 431, Konstantinopel 448, Ephesos 449 und in Chalkedon selbst angefertigt u n d während der chalkedonischen Verhandlungen verlesen wurden. Auch wenn es in dem Protokoll der Actio X V I I von Chalkedon heißt, der Sekretarios Konstantinos habe aus einer „ihm von dem Archidiakonos Aetios gereichten schriftlichen Vorlage" zuerst K a n o n V I von Nikaia u n d sodann „aus der gleichen schriftlichen Vorlage" das „Synodikon der zweiten Synode (sc. Kanon I — I I I von Konstantinopel 381)" 2*
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Vorgeschichte u. Geschichte des Konzils
vier Kanones samt der wohl dazugehörigen Subskriptionsliste sowie ein Logos Prosphonetikos an den Kaiser1. So sind wir über die Geschichte dieses Konzils ungleich schlechter informiert als über die der späteren Reichskonzile, von denen wir, beginnend mit dem Konzil von Ephesos 431, ausführliche Akten besitzen. Gleichwohl ist die Quellenlage nicht so hoffnungslos, wie man es oft dargestellt hat 2 . Besitzen wir doch neben den genannten primären Quellen namentlich in dem großen autobiographischen Gedicht des Gregorios von Nazianzos3 einen ausführlichen Augenzeugenbericht, der zwar gewiß nicht unkritisch gelesen werden darf4, der aber bisher für die Rekonstruktion der Vorgänge auf dem Konstantinopler Konzil noch längst nicht ausgeschöpft worden ist. Dasselbe gilt für die große Abschiedsrede des Nazianzeners6, die auch einen willkommenen Kommentar zu den „in ihren z.T. giftigen Anspielungen vielfach dunkelen"8 Versen seines autobiographischen Gedichts darstellt. Weitere wertvolle Zeugnisse finden sich im übrigen Schrifttum des Nazianzeners, in dem seines Namensvetters Gregorios von Nyssa, vor allem in dessen Leichenrede auf Meletios7, ferner in dem von Theodoretos überlieferten Synodalverlesen (Schwartz ACO 11,1,3, 95f.), so kann es sich bei dieser „schriftlichen Vorlage" keinesfalls am die konstantinopolitanischen Akten gehandelt haben, ebensowenig wie bei der Vorlage, aus der in Actio I I I auf Anordnung der kaiserlichen Beamten hin С verlesen wurde (Schwartz ACO I I , 1,2, 79). Vielmehr muß es sich im ersten Fall entweder um eine offizielle Kanonessammlung oder um ein eigens für diese Actio zusammengestelltes Florilegium gehandelt haben, während wir wohl bei den Vorlagen, aus denen in der dritten Sitzung N und С verlesen wurden, an Exemplare dieser beiden Symbole zu denken haben, die in den Archiven von Nikaia und Konstantinopel aufbewahrt wurden und deren Echtheit darum als besonders verbürgt galt. 1 Zum nizäno-konstantinopolitanischen Bekenntnis, dessen Echtheit noch immer als umstritten gilt, s. u. S. 132ff. 2 Siehe bes. L. Duchesne, Les eglises зерагёез, Paris 1892, 177ff., und Loofs, Arianismus, 43f. Nach Loofs wissen wir „über diese ,zweite ökumenische Synode' so schlecht Bescheid wie über keine andere". 3 Gregorios Nazianzenos carm. hist. X I , 1509—1949. 1 So mit Recht etwa Palanque und Bardy in Fliche-Martin I I I , 277 A. 1. Für die Grundsätze, nach denen eine Verwertung dieser Hauptquelle für die Geschichte des Konstantinopler Konzils zu verfahren hat, s. bes. B . Wyss, Gregor von Nazianz. Ein griechisch-christlicher Dichter des vierten Jahrhunderts, Museum Helveticum VI, 1949, 177—210, Sonderausgabe Darmstadt 1962, sowie die Vorbemerkung von Hauser-Meury, 15—19. 6 Gregorios Nazianzenos or. 42 (MPG 36, 457—492). β Loofs, Arianismus, 43. 7 MPG 46, 852ff. Diese Rede ist nicht nur „un beau morceau de rhötorique" (Palanque und Bardy in Fliche-Martin I I I , 277 Α. 1), sondern für den Historiker des Konzils jedenfalls ungleich aufschlußreicher als die fünf Jahre später von Chrysostomos in Antiocheia gehaltene Gedenkrede auf Meletios (hrsg. v. de Montfaucon, Venedig 1734, Bd. I I , 518—523); zu deren Datierung s. Rauschen, 252.
Vorgeschichte
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schreiben des Konstantinopler Konzils v o n 382 1 . I h n e n treten verstreute Nachrichten bei den abendländischen Zeitgenossen des Konstantinopler Konzils Ambrosius, Damasus, Hieronymus und R u f i n u s 2 an die Seite. N i m m t m a n schließlich die Berichte der Kirchenhistoriker Sokrates, Sozomenos und Theodoretos 3 sowie die libelli synodici 4 hinzu, so zeigt sich, daß die Bezeugung des Konstantinopler Konzils keineswegs schlecht ist. N u r k o m m t alles darauf an, daß diese disparaten Zeugnisse zusammengehalten werden. D a n n ist es, wie sich zeigen wird, durchaus möglich, ein lebendiges Bild v o m R a h m e n u n d Verlauf dieses Konzils zu gewinnen, w e n n m a n sich auch nicht selten m i t Vermutungen behelfen oder — bestenfalls — m i t wahrscheinlichen Ergebnissen zufriedengeben muß.
I. Die Vorgeschichte des
Konzils
Seit Kaiser Konstantin der Große den christlichen Glauben nicht nur zu tolerieren, sondern auch „als tragendes Gerüst für die Erneuerung des Reiches" mitzuverwenden sich entschlossen h a t t e 5 u n d die Kirche alsbald m i t den Privilegien, freilich auch m i t der drückenden Last u n d 1
Theodoretos V, 9,1—18. Ambrosius ep. 12—14 (MPL 16, 947—955); Damasus ep. 5. 6 (MPL 13,365ff.); Hieronymus, De viris illustribus 127. 128. 133 (hrsg. v. Herding, 1924, 64f.); Rufinus X I , 9. 19—21. Angesichts der Tatsache, daß sich Hieronymus wahrscheinlich bis zum Rücktritt des Nazianzeners in Konstantinopel aufgehalten, also den größten Teil der Konzilsverhandlungen aus nächster Nähe miterlebt hat (s. u. S. 50 A. 4), während Rufinus als Vorlage für die beiden letzten Bücher seiner Kirchengeschichte (Buch X und XI) die verlorene Kirchengeschichte des Gelasios von Kaisareia, also eines Teilnehmers des Konzils, benutzt haben soll (so vor allem A. Glas, Die Kirchengeschichte des Gelasios von Kaisareia, Byzantinisches Archiv 6, 1914; s. ferner die bei Altaner, 213, und F. Scheidweiler, Art. Gelasius von Cäsarea, RGG II, 1309, genannte Literatur), ist die Ausbeute bei diesen beiden abendländischen Zeitgenossen des Konstantinopler Konzils von 381 bemerkenswert dürftig. Hieronymus hat dies Konzil nicht einmal ausdrücklich erwähnt! Das könnte damit zusammenhängen, daß er von den dies Konzil beherrschenden Meletianern keine sehr hohe Meinung hatte (s. u. S. 62 A.l) und überdies über das unrühmliche Ende der Konstantinopler Tätigkeit des von ihm hochgeschätzten Nazianzeners empört war. Aus Rufins Bemerkungen über Gregorios von Nazianzos und seinen Aufenthalt in Konstantinopel hingegen ist nicht mehr zu erfahren als aus dessen eigenem großen autobiographischen Gedicht (s. Rufinus XI, 9), das Rufinus, wie besonders die Vorrede zu seiner Übersetzung ausgewählter Gregorreden (hrsg. v. A. Engelbrecht, CSEL X LVI, 1910, 4f.) lehrt, ohne Zweifel gekannt hat. Auch das Wenige, was er sonst noch über die Vorgänge während des Konstantinopler Konzils zu berichten wußte (Rufinus XI, 20. 21), läßt m . E . nicht darauf schließen, daß er hierbei einen weiteren Augenzeugenbericht, nämlich die Kirchengeschichte des Gelasios von Kaisareia, benutzt hat. 8 Sokrates V,8; Sozomenos VII, 7—10; Theodoretos V,7,2—V,8,9. * Mansi III, 595—600. s Kretschmar, Konzile, 30. 2
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Vorgeschichte u. Geschichte des Konzils
Verantwortung einer „Staatskirche" bedacht worden war, war ihr Geschick aufs engste verknüpft mit dem des römischen Imperiums, war ihre Geschichte zugleich ein Teil der Kaiser- und Reichsgeschichte. Nunmehr waren es oft genug die Kaiser, die der Kirche nicht nur halfen oder doch zu helfen meinten, ihre durch das enge Bündnis mit dem Staat gegebene Weltverantwortung wahrzunehmen, sondern die auch auf ihr inneres Leben, nicht zuletzt auf die Weise, wie sie in ihren Synoden die andringenden Fragen der Lehre und der Disziplin zu entscheiden suchte, von mehr oder minder bestimmendem Einfluß waren. Vor allem Eduard Schwartz gebührt das Verdienst, diesen Sachverhalt mit voller Deutlichkeit erkannt und mit nicht ermüdender Vehemenz eingeschärft zu haben. Seit seinen noch heute vielfach grundlegenden Arbeiten zur alten Kirchen-, Rechts- und Verfassungsgeschichte 1 kann es über die Existenz der machtpolitischen Faktoren in der altkirchlichen Entwicklung eigentlich keine Diskussion mehr geben. Wohl aber ist zu fragen, ob die Geschichte der Kirche im sogenannten „konstantinischen Zeitalter" wirklich so restlos aufging im Wechsel der politisch-kirchenpolitischen Konstellationen, ob die großen theologischen Auseinandersetzungen, unter denen die Ausgestaltung des altkirchlichen Dogmas einherging, tatsächlich so oft nur die Kulisse, den Vorwand für allerlei machtpolitischen Kalkül abgaben, wie Schwartz in genialer Einseitigkeit geurteilt hat. Sind hier wohl schwerwiegende Bedenken gegen seine Sicht der Dinge zu erheben, so handelt es sich dabei keinesfalls einfach um dogmatische Postulate, sondern schlicht um historische Feststellungen. Dies wenigstens an den kirchlichen Verhältnissen unter Theodosius I., dem Kaiser des II. ökumenischen Konzils und wohl einem der Bedeutendsten unter den Nachfolgern Konstantins, aufzuzeigen, wird im folgenden hinreichend Gelegenheit sein. Gleichwohl bleibt Schwartz mit seiner Deutung der alten Kirchengeschichte so weit im Recht, als es keine isolierte Betrachtung der Geschichte der Kirche im „christianisierten" Imperium Romanum geben darf, die die vielfältigen —- z.T. verborgenen, z.T. aber auch offen zutage liegenden — Zusammenhänge mit den Entwicklungen und Kräfteverhältnissen im Reich, anders, die die „außertheologischen", staats- und 1 Von ihnen ist das Wichtigste jetzt wieder leicht zugänglich gemacht worden in den von W. Eltester und H.-D. Altendorf herausgegebenen „Gesammelten Schriften" von Eduard Schwartz, Bd. III/IV, 1959/1960. Gerade auch für die Beschäftigung mit der Überlieferung der altkirchlichen Synodalakten und -kanones sind die Arbeiten von Schwartz nach wie vor grundlegend. Denn die von W. M. Peitz, Dionysius Exiguus-Studien, AKG 33, 1960, vorgeschlagenen „neuen Wege der philologischen und historischen Text- und Quellenkritik" (so der Untertitel des posthum erschienenen Werkes von Peitz) dürften sich als nicht gangbar erwiesen haben; vgl. dazu etwa die ausführliche Besprechung von K. Schäferdiek, ZKG 74, 1963, 353—368.
Vorgeschichte
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machtpolitischen Faktoren nicht gebührend berücksichtigte. Dies gilt namentlich für die Beschäftigung mit der Geschichte der großen Konzile der alten Kirche, da das Institut der „Reichssynode" überhaupt erst von Konstantin geschaffen worden ist und ihm wie seinen Nachfolgern mindestens bis Justinian als eins der wichtigsten Instrumente der staatlichen Kirchenpolitik, des „kaiserlichen Kirchenregiments", diente. Aus diesem Grund soll nun bei dem Versuch, den Weg zu skizzieren, der zur Berufung des Konzils von Konstantinopel 381, der II. ökumenischen Synode, führte, eingesetzt werden mit einer kurzen Orientierung über die außen- und innenpolitische Lage des römischen Imperiums vor Zusammentritt dieses Konzils. Als Binsatzpunkt bietet sich jene bedeutungsvolle Wende an, die im Sommer des Jahres 378 der katastrophale Ausgang des Gotenfeldzugs des oströmischen Kaisers Valens und die wenig später erfolgende Berufung des spanischen Generals Theodosius zum Kaiser des Ostreichs für die Geschicke des Reichs wie für die kaiserliche Kirchenpolitik mit sich brachten. Der Beginn der Völkerwanderung hatte das Reich vor schwere Probleme gestellt. Neben den fast ununterbrochenen Auseinandersetzungen mit den Großreichen an der Ostgrenze war nun auch die Nordgrenze der östlichen Reichshälfte zum Schauplatz dauernder Kämpfe geworden. Über anderthalb Jahrhunderte sollte das Ostreich mit dem immer bedrängender werdenden Germanenproblem schwer zu ringen haben, während das Westreich an ihm schließlich zugrunde gegangen ist. Der Einbruch der Sachsen und Iren in Britannien und die Kämpfe mit den Alemannen an Rhein und Neckar sowie mit den Sarmaten und Quaden im Donaugebiet waren nur Vorboten der großen Krise gewesen, die durch das Auftauchen der Goten an der Donau ausgelöst wurde 1 . Konstantin war es im Jahre 332 gelungen, ihr Vordringen aufzuhalten, mit ihnen Frieden zu schließen und sie als Grenzschutz an der Donaugrenze einzusetzen. Erst ein ziemlich unmotivierter Feldzug des Valens in den Jahren 367—370 machte diesem Frieden ein Ende. Doch war dies kaiserliche Einschreiten nicht nur ohne nachhaltigen Erfolg, sondern gab auch den Anstoß zu blutigen Auseinandersetzungen unter den Goten selbst und leitete somit eine Kette von Aktionen und Bevölkerungsbewegungen ein, die schließlich Anfang 377 zur Explosion führten. Dem über ein Jahr sich hinziehenden Kampf suchte der vom persischen Kriegsschauplatz herbeieilende Kaiser im Sommer 378 ein Ende zu machen, indem er alle verfügbaren Kräfte zur Abwehr zusammenfaßte und auch mit Gratian, dem Sohn und Nachfolger seines 375 gestorbenen Bruders Valentinian, um Hilfe verhandelte. Doch ehe noch das westliche 1 Hierzu wie zum folgenden vgl. bes. Seeck V, 84—121. 461—477 (Quellennachweise!); ferner Ostrogorsky, 42ff., und Lietzmann GAK IV, 21—25.
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Hilfskontingent unter Führung Gratians zu ihm gestoßen war, ließ sich der ungeduldig gewordene Valens am 9. August 379 bei Nike in der Nähe des thrakischen Adrianopel zum Angriff verleiten. Sein Heer wurde von den durch Ostgoten und Alanen unterstützten Westgoten Frithigerns bis zur völligen Vernichtung geschlagen. Er selbst kam ums Leben. Auf die Nachricht von der Katastrophe seines kaiserlichen Onkels hin stellte Gratian seinen Vormarsch sofort ein und zog sich nach Sirmium (Mitrowitz) an der Save zurück. Von hier aus berief er alsbald den jungen Theodosius in sein Hoflager und ernannte ihn zum Heermeister (magister equitum et peditum)Theodosius hatte sich vordem als Dux der Moesia prima bereits ausgezeichnet, jedoch, nachdem sein Vater, ebenfalls hoher Offizier und bei Valentinian in bestem Ansehen stehend, höfischen Intrigen zum Opfer gefallen war, seinen Abschied genommen und sich auf seine väterlichen Besitzungen in Spanien zurückgezogen. Aus der „betriebsamen Tätigkeit eines begüterten Privatmannes"2 in die Welt der Geschichte zurückgerufen, gelang es ihm nun binnen kurzer Zeit, sich in Pannonien gegenüber den Sarmaten durchzusetzen, die, vermutlich durch die Westgoten Athanarichs bedrängt3 und durch die Notlage des Reichs ermutigt, einen neuen Vorstoß über die Donau unternommen hatten. Daraufhin nahm ihn Gratian am 19. Januar 379 in Sirmium zum Mitkaiser an und übertrug ihm den zuvor Valens unterstehenden östlichen Reichsteil zu dauernder Herrschaft und außerdem fürs erste die dakische und makedonische Diözese4. Damit fiel Theodosius also die Hauptlast in der Verteidigung der Reichsgrenzen zu. Im Laufe der nächsten Jahre nun gelang es dem neuen Kaiser zwar nicht mehr, die Donaugrenze wiederherzustellen. Doch konnte er die Goten hinter den Balkan zurückdrängen, mit ihnen einen Vertrag schließen und sie in den nördlichen Grenzdiözesen ansiedeln. Diese Lösung besagte allerdings nicht mehr, als daß nunmehr das feindliche, gewaltsame Eindringen der Germanen in ein friedliches umgewandelt wurde. Die ohnehin ständig steigende Germanisierung des römischen Heeres erreichte durch den Zuzug dieser foederati einen neuen Höhepunkt. Doch war das die einzige Lösung, die unter den obwaltenden Umständen überhaupt noch möglich 1
Das dürfte Ensslin, 7, wahrscheinlich gemacht haben. Ensslin a.a.O. 3 So Stein I, 290. 1 So nimmt seit Tillemont die Mehrzahl der Forscher an: s. die bei Rauschen, 469ff., verzeichnete ältere Literatur; dazu vor allem E. Stein, Untersuchungen zur spätrömischen Verwaltungsgeschichte (I. Die Teilungen von Illyricum in den Jahren 379 und 395), RheinMus 74, 1925, 347ff.; ferner Stein I, 296; Lietzmann GAK IV, 24; Ensslin, 7f. Die Gründe, die Rauschen a.a.O. gegen diese Ansicht angeführt hat, sprechen nur gegen eine definitive, nicht aber gegen eine zeitweilige Abtretimg von Illyricum Orientale ( = Dacia und Macedonia) an den Kaiser des Ostreichs! 2
Vorgeschichte
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war. Zudem wurde so immerhin der großen Völkerwanderung bis zum Tod des Theodosius Halt geboten. Nicht minder schwierig und undankbar als die außenpolitisch-militärische Aufgabe war das innenpolitische Erbe, das Theodosius als Nachfolger des Valens antrat. Stand in den Anfängen seiner Regierung die Sorge um die Verteidigung der Reichsgrenzen durchaus noch im Vordergrund, so waren gleichwohl auch die innenpolitischen Schwierigkeiten im Ostreich derart, daß ihre Lösung keinen übermäßig langen Aufschub vertrug. Theodosius, der zum Zeitpunkt seiner Berufung im 33. Lebensjahr stand, hat sich auch dieser Aufgabe alsbald mit Tatkraft angenommen. Unter Innenpolitik war aber seit Konstantin nicht zuletzt Kirchenpolitik, d.h. die Wahrung der Kircheneinheit zu verstehen, so wie sie Konstantin und seinen Nachfolgern wie auch innerhalb der Kirche selbst als Aufgabe des christlichen Kaisers galt 1 . Von solcher Glaubens- und Kircheneinheit konnte jedoch im Osten, anders als im Westen, am Ende der Regierungszeit des Valens weniger die Rede sein als je zuvor 2 . Im Westreich hatte sich Valentinian I. (364—375) in kirchlichen Fragen betonter Zurückhaltung befleißigt. Er konnte das um so eher tun, als die Kirchen seines Reichsteils nach Aufhebung der Zwangsmaßnahmen des Konstantius weitgehend einig waren in dem Bekenntnis zum nikäischen Glauben. Eine Ausnahme machten nur Auxentius in Mailand und einige ihm gleichgesinnte, also homöische Bischöfe Illyriens sowie die Donatisten in Nordafrika 3 . Hingegen hatte sein Bruder Valens schon wenige Monate nach seinem Regierungsantritt im Osten (Anfang 364) unter dem Einfluß seines Hofbischofs und Vertrauensmannes Eudoxios in Konstantinopel, später des Antiocheners Euzoios, wieder zur Kirchenpolitik des Konstantius zurückgelenkt, zu dem Versuch also, die in Rimini (Sommer 359), Seleukeia (Neujahr 360) und Konstantinopel (Februar 360) aufgezwungenen homöischen Formeln als Grundlage der Kircheneinheit im Osten mit allen Mitteln der Intrige wie der nackten Gewalt durchzusetzen. Wer sich diesen Formeln widersetzte und mit den Hofbischöfen in Kirchengemeinschaft zu treten weigerte, mußte, wenigstens wenn er Bischof war, 1 Aus der fast unübersehbaren. Literatur zu den Themen „Kirche und Kaiser" und „Kaiserliche Synodalgewalt" sei nur verwiesen auf die Beiträge von A. Kartaschow und E. Wolf, Die Entstehung der kaiserlichen Synodalgewalt. Ihre theologische Begründung und ihre kirchliche Rezeption, in: Kirche und Kosmos. Orthodoxes und evangelisches Christentum, Studienheft 2, 1950, 137ff. 153ff., sowie auf Berkhof, passim; Dvornik, passim; Dörries, Konstantin, 146ff. und P. Stockmeier, Leo I. des Großen Beurteilung der kaiserlichen Religionspolitik, MThS I, 14, 1959, 24ff. 75 ff. 2 Siehe dazu Schwartz, GS IV, 54ff.; Lietzmann GAK IV, 4ff.; King, Theodosius, 24ff. 3 Vgl. Ambrosius ep. 12 („Quamlibet"), 3: "Equidem per Occidentals partes duobus in angulis tantum. . . fidei obstrepi videbatur" (MPL 16, 948A).
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mit Absetzung und Exil rechnen. Und dieses Schicksal ereilte einen stetig wachsenden Teil des orientalischen Episkopats. Es betraf nicht nur die Führer der alten Anhänger des Nicaenums, die vor allem im Jurisdiktionsbereich des alexandrinischen „Papstes" Athanasios ihre Bischofssitze hatten; vielmehr wurden auch die Häupter des rechten Flügels der ehemaligen „eusebianischen" Mittelpartei, jetzt nach ihrem zuerst in Ankyra (358) formulierten Bekenntnis „Homoiusianer" genannt, exiliert und durch Gefolgsleute des Eudoxios ersetzt. Ebenso fielen freilich auch die Führer der äußersten Linken, der „Anhomoier", unter das kaiserliche Verdikt. Versuche des orientalischen Episkopats, über die Bischöfe des Westens Valentinian zu einer Intervention bei seinem kaiserlichen Bruder zu bewegen, kamen nicht zum Ziel 1 . Sie scheiterten schon daran, daß die Hilferufe der bedrängten Orientalen in AJexandreia wie bei den maßgeblichen Kirchenführern des Westens auf taube Ohren trafen, was das Ausmaß der Entfremdung zwischen Ost und West nicht nur auf erschütternde Weise anzeigte, sondern ihr auch neue Nahrung gab. Allerdings trat immer deutlicher zutage, daß die Kirchenpolitik des Valens auf die Dauer zum Scheitern verurteilt war. Denn einmal wurde die Front der sogenannten „Arianer", auf die sie sich stützte und die sie zu protegieren suchte, durch die Bildung einer arianischen Sonderkirche unter Führung des Aetios und Eunomios nicht unwesentlich geschwächt 2 . Zum andern war nicht zuletzt wegen dieser Radikalisierungstendenzen auf dem linken Flügel die Reaktion der konservativen Mittelparteiler und erst recht der Nikäer ständig im Steigen begriffen. Freilich war die Folge der — überdies ungeschickten und nichts weniger als konsequenten — kaiserlichen Unterdrückungsversuche eine böse Verwirrung unter den Kirchen des Ostens 3 , die noch verschlimmert wurde, als Valens unter dem Eindruck der Germanengefahr die Bedeutung kirchlichen Friedens erkannte und wohl noch Ende 377 allen Verbannten die Heimkehr gestattete 4 . Nun wiederholten sich nämlich nicht nur die Schwierigkeiten, die schon nach dem Rückberufungsedikt Julians (Anfang 362) aufgetreten waren 5 , sofern die Heimkehrer ihre Bischofssitze bereits 1 Zu den Einigungsbemühungen der Meletianer unter Führung des Basileios s. u. S.59 f.; zu denen der Homoiusianer unter Eustathios von Sebasteia und Silvanos von Tarsos s. u. S. 70f. 2 Siehe dazu bes. M. Albertz, Zur Geschichte der neu-arianischen Kirchengemeinschaft. ThStKr L X X X I I , 1909, 205 ff. 3 Vgl. etwa die Schilderung der Lage am Ende der Ära des Valens durch Basüeios, Über den Hl. Geist, Kap. X X X , § 76f. (ed. Johnston, 151 ff. = MPG 32, 209ff.); ferner Basileios ep. 92,3 (MPG 32, 481); Gregorios Nazianzenos or. 2, 81 f. (MPG 35, 488 A/C). 1 Sokrates IV, 38; Rufinus X I , 13. 5 Hierauf wird Julians Maßnahme auch geradezu abgestellt gewesen sein: Müller, 447!
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mit Kreaturen der herrschenden kirchlichen Partei besetzt fanden und ihre Rückkehr teilweise von tumultuarischen Szenen begleitet wurde. Vielmehr kamen jetzt sehr bald auch die alten und neuen Gegensätze und Rivalitäten zwischen den kirchlichen Parteien, die in der Zeit gemeinsamer Bedrückung mehr im verborgenen geblieben waren, mit voller Wucht und Schärfe zum Austrag. Ebenso trug es eher zur Verschärfung der Gegensätze als zur Beruhigung der Lage bei, wenn Gratian, auf die Nachricht von der Katastrophe bei Adrianopel hin, noch vor des Theodosius Berufung von Sirmium aus ein Reskript erließ, worin erneut alle von Valens gegen opponierende Bischöfe erlassenen Strafen aufgehoben und die Kirchen voller Kultfreiheit versichert wurden, von der nur die Manichäer, Photinianer und Eunomianer ausgenommen sein sollten 1 . Zwar war dies Reskript von Gratian in seiner Funktion als — faktischer — Alleinherrscher, folglich für das ganze Reich erlassen. Doch war es wohl in erster Linie auf den Osten gemünzt. Hier aber hatte es nichts weniger als die vom Kaiser gewünschte Wirkung. Die verschiedenen kirchlichen Parteien nahmen es nämlich als Signal, die verworrene Lage nun schnellstens je auf ihre Weise zu ordnen, durch die Besetzung von Bischofsstühlen — nicht nur der vakanten! — mit eigenen Leuten ihren kirchenpolitischen Einfluß nach Kräften auszubauen und durch synodale Kundgebungen ihren Standpunkt möglichst scharf voneinander abzuheben 8 . Dies also war die kirchliche Lage, der sich Theodosius bei seinem Amtsantritt gegenübersah. Nur wenig Zeit sollte vergehen, bis sich zeigte, welche Wende mit seiner Berufung in der Kirchenpolitik des Ostreichs eingetreten war. Der neue Kaiser war nämlich von seinen Vorfahren her Christ, und zwar nikäisch-orthodoxer Christ 3 . Und wie sehr er aus seinem Christentum auch konkrete Folgerungen zu ziehen gewillt war, geht schon daraus hervor, daß er von vornherein auf den Titel des pontifex maximus verzichtete, der bis dahin ein wesentliches Element der Kaisertitulatur gewesen und auch von Konstantin wie seinen Nachfolgern ohne Skrupel getragen worden war 4 , all dies, obwohl Theodosius zum Zeitpunkt seiner Erhebung zur Herrscherwürde noch nicht einmal getauft war. Vielmehr hat er die Taufe wohl erst anderthalb Jahre später, also im Herbst 380, als er in Thessalonike schwerkrank darniederlag, aus der Hand des dortigen, streng nikäisch gesinnten Bischofs Acholius empfangen 5 . 1
Vgl. Codex Theodos. X V I , 5, 5; Sokrates V, 2; Sozomenos VII, 1, 3; dazu King, Theodosius, 23 A. 2. 2 Siehe dazu unten S. 71. 3 Sozomenos VII, 4, 3: έκ προγόνων γαρ χριστιανίζων κατά το δόγμα της εν Νικαίφ συνόδου (GCS 50, 305); vgl. auch Orosius VII, 33; Sokrates V, 6. 4 Siehe dazu Ensslin, 9ff., sowie Ostrogorsky, 38f., und King, Theodosius, 20f. 5 So Sokrates V, 6; anders Sozomenos VII, 4, der die Taufe des Theodosius vor Februar 380 ansetzt. Doch dürfte die Datierung des Sokrates wahrscheinlich
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Zugleich war der neue oströmische Herrscher zutiefst von der konstantinischen Auffassung der kaiserlichen Pflichten gegenüber der Kirche durchdrungen. Er hat sich deshalb, anders als sein bewußt in den Bahnen Valentinians wandelnder Mitkaiser und auctor imperii Gratian, nachdrücklich in die Neuordnung der Reichskirche eingeschaltet, sobald die vordringliche militärische Aufgabe erledigt war. Ein erstes Anzeichen dafür ist wohl schon in dem Dekret zu erblicken, das Gratian am 3. August 379 von Mailand aus zugleich im Namen seiner Mitkaiser Theodosius und Valentinian II. 1 erließ. Darin wurde Gratians „neulich" (d.h. im Herbst 378) in Sirmium erlassenes Toleranzedikt in aller Form zurückgenommen. Und eine neue Konstitution untersagte sämtliche durch frühere Gesetze verbotenen Häresien von neuem 2 . Inwieweit bei diesem Dekret bereits ein Einfluß des Theodosius anzunehmen ist 3 und nicht vielmehr ausschließlich der des Mailänder Residenzbischofs Ambrosius 4 , läßt sich freilich nicht mehr mit Sicherheit ausmachen. In jedem Falle aber dürfte es auch den Vorstellungen und Absichten des Theodosius vollkommen entsprochen haben, der es darum unverzüglich auch in seinem Reichsteil wird haben verkünden lassen. Mit einer Deutlichkeit, die nichts zu wünschen Übrigheß, kam dann die Zielsetzung der theodosianischen Kirchenpolitik in dem berühmten Religionsedikt vom 28. Februar 3805 zur Sprache, das in Thessalonike gegeben und an den „populus urbis Constantinopolitanae" gerichtet, gleichwohl als Manifest für alle seine Untertanen gedacht gewesen sein wird. Darin erklärte Theodosius: „Wir wünschen, daß alle Völker, über welche unsre Milde regiert, in dem Glauben leben, den der Apostel Gottes, Petrus, wie aus der auf ihn selbst gründenden Lehre bis auf den heutigen Tag erhellt, den Römern überliefert hat und zu dem sich der Pontifex die richtige sein. Dafür plädierten neuerdings vor allem Ensslin, 17 ff.; Piganiol, ByZ X LVI, 1955, 390ff.; King, Theodosius, 30. (Allerdings wäre nach King a.a.O. A. 3, Ensslins Begründung für seine Ansetzung der Taufe Theodosius' in der Zeit zwischen dem 20. Sept. und dem 16. Nov. 380 nicht unbedingt stichhaltig.) Zur vielumstrittenen Frage, wie sich die Taufe, das große Religionsedikt vom 20. Febr. 380 und der Einzug des Theodosius in Konstantinopel zeitlich zueinander verhalten, s. auch Schwartz GS IV, 88 A. 2. 1 Dieser 376 im Alter von vier Jahren zum Augustus ausgerufene jüngere Bruder Gratians gelangte erst nach dessen Tod (August 383) zu einiger Selbständigkeit; s. dazu Rauschen, 23. 171. 2 Codex Theodos. XVI, 5, 5 = Codex Justin. I, 5, 2. 3 So Schwartz GS IV, 88. 1 So von Campenhausen, Ambrosius, 45, mit der Mehrzahl der Forscher. i Codex Theodos. XVI, 1, 2 = Codex Justin. I, 1, 1. Es ist laut Subskription gegeben „III Kai. Mart.", d.h. am 28. Februar; denn 380 war ein Schaltjahr: so schon Rauschen, 68. Schwartz GS IV, 88 A. 2, hat dies überlieferte Datum angezweifelt, doch wohl ohne zwingenden Grund: s. Lietzmann GAK IV, 26, und Ensslin, 21 A. 2.
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Damasus wie auch Bischof Petrus von Alexandria, ein Mann von apostolischer Heiligkeit, offenkundig bekennen, was meint, daß wir gemäß der apostolischen Weisung und der evangelischen Lehre eine Gottheit des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes in gleicher Majestät und heiliger Dreieinigkeit glauben. Wir befehlen nun, daß nur diejenigen, die diesem Gesetz folgen, katholische Christen heißen sollen. Die übrigen aber, die wir für toll und wahnsinnig ansehen, seien als Häretiker mit Infamie belegt. Auch dürfen sich ihre Konventikel nicht als Kirchen bezeichnen. (Schließlich) soll sie vorab die göttliche Rache, dann aber auch unsere Strafgerechtigkeit ereilen, die uns durch himmlisches Urteil übertragen ist." 1 Was war damit gesagt? Zunächst einmal gab Theodosius mit diesem Edikt seiner festen Entschlossenheit Ausdruck, die Neuordnung der Kirche in seinem Reichsteil auf der Grundlage der nikäischen Orthodoxie vorzunehmen und damit die Glaubenseinheit mit dem Westen wiederherzustellen. Dies dürfte fürs erste der Sinn der Berufung auf Damasus von Rom und Petros von Alexandreia als die gegenwärtigen Repräsentanten der wahren „Religion" gewesen sein. Zugleich war damit angekündigt, daß das Schicksal des Arianismus jeglicher Observanz nun auch im Ostreich besiegelt sei. Freilich war dieser durch die Politik des Valens und seiner kirchlichen Vertrauensmänner wie auch durch die schokkierenden Konsequenzen, zu denen Aetios und Eunomios in rationalistischer Weiterbildung des genuin arianischen Erbes gelangten, ohnedies schon weithin gründlich kompromittiert und ohne kaiserliche Protektion kaum mehr lebensfähig, ein wichtiger Beleg dafür, wie reichsamtliche Kirchenpolitik und inneres Leben der Kirche, kaiserliche Religionsgesetzgebung und deren innerkirchliche Rezeption und Geltung wenigstens am Anfang des „konstantinischen Zeitalters" durchaus nicht dasselbe waren2! 1
"Cunctos populos, quos clementiae nostrae regit temperamentum, in tali volumus religione versari, quam divinum Petrum apostolum tradidisse Romanis religio usque ad nunc ab ipso insinuata declarat quamque pontificem Damasum sequi claret et Petrum Alexandriae episcopum virum apostolicae sanctitatis, hoc est, ut secundum apostolicam disciplinam evangelicamque doctrinam patris et filii et spiritus sancti unam deitatem sub parili maiestate et sub pia trinitate credamus. Hanc legem sequentes Christianorum catholicorum nomen iubemus amplecti, reliquos vero dementes versanosque judicantes haeretici dogmatis infamiam sustinere nec conciliabula eorum ecclesiarum nomen accipere, divina primum vindicta, post etiam motus nostri, quem ex caelesti arbitrio sumpserimus, ultione plectendos" (ed. Mommsen, 833). Vgl. auch die am gleichen Tage und wohl im Zusammenhang mit diesem Edikt erlassene kaiserliche Verfügung Codex Theodos. XVT, 2, 25 = Codex Justin. IX, 29, 1, worin der Verstoß gegen das (im Edikt ausgeführte) „göttliche Gesetz" unter den Tatbestand des Sakrilegs gefaßt wurde. Das aber Schloß eine — freilich noch sehr ungefähre — Präzisierung der im Edikt angedrohten weltlichen Strafen ein: Ensslin, 16f. 2 Was besagte es beispielsweise, daß, wie Schwartz betonte (Schwartz GS IV, 52. 96), die homöische „Formel der Konstantinopler Reichssynode von 359" bis zum Konstantinopler Konzil von 381 „rechtlich" noch immer in Kraft war?
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Ähnlich dem Eingreifen Konstantins in die donatistischen und arianischen Streitigkeiten spricht aus diesem Edikt ferner der Anspruch des Kaisers, als der durch „himmlisches Urteil" Bevollmächtigte seinen Untertanen anzuzeigen, welchem Glauben und Gottesdienst zu folgen sich ihnen empfehle, wenn anders sie der Rache Gottes und den angedrohten Strafmaßnahmen der weltlichen Gewalt entgehen wollen. Zwar war es nicht der Glaube des Kaisers als solcher, sondern der von maßgeblichen und namentlich genannten Bischöfen repräsentierte Glaube, der in der Reichskirche gelten sollte. Immerhin war es der Glaube, zu dem sich der Kaiser von sich aus bekannte, ohne daß sich irgendwelche Einflüsse persönlicher Art mit Sicherheit feststellen ließen 1 . Allerdings heißt das wohl nicht, daß Theodosius mit diesem Edikt sein Glaubensbekenntnis „als das einzige im Sinne eines Staatsgesetzes gültige Bekenntnis" erklärte, anders, daß er sich „anschickte, die Spaltung, die seit einem halben Jahrhundert" namentlich die Ostkirchen „beunruhigte, ohne Mitwirkung einer Synode allein mit staatlichen Zwangsmitteln beheben zu wollen" 2 . Vielmehr dürfte es sich bei dem Edikt vom 28. Februar 380 als der ersten grundlegenden kirchenpolitischen Verlautbarung des neuen Herrschers gleichsam nur um das „Grundsatzprogramm" der theodosianischen Kirchenpolitik gehandelt haben. Darin bereits eine zwingende Rechtsnorm, eine die Entscheidung der Kirche vorwegnehmende kaiserliche „Verfügung" zu sehen oder gar daraus „die Sprache eines fast irrsinnigen Glaubensfanatismus auf dem Thron" 3 zu vernehmen, wäre wohl gleichermaßen eine entschiedene Übertreibung. Zu wenig dürfte es dagegen sein, wenn es lediglich als das private Glaubensbekenntnis des Kaisers verstanden und ihm nur „eine gewisse moralische Wirkung" zugeschrieben würde, die davon ausgehen mußte, daß nun neben dem Herrscher des Westreichs auch der des Ostreichs sich so entschieden auf die Seite der nikäischen Orthodoxie schlug 4 . Daran ist vielmehr wohl festzuhalten, daß es mit den durch dies Edikt eingeleiteten kirchenpolitischen Maßnahmen und Verlautbarungen des Kaisers auf die 1
So Ensslin, 17 u.ö. Allerdings ist nicht ausgeschlossen, daß Acholius, der Bischof von Thessalonike, von wo aus das fragliche Edikt erlassen war, schon damals einen Einfluß auf den Kaiser ausübte, der, wie King, Theodosius, 30 A. 4, wohl mit Recht bemerkt, zeit seiner Regierung in starkem Maße von seiner Umgebimg abhängig war. Freilich dürfte das Motiv zu dem Edikt nicht die Dankbarkeit für die durch Acholius empfangene Taufe und die bald darauf erfolgende Genesung des Kaisers im Sinne des „do ut des" gewesen sein, wie Berkhof, 63, meint. Denn wie erwähnt, fielen Krankheit und Taufe des Theodosius wahrscheinlich in den Herbst 380. 2 Ensslin, 23f. 27f. Siehe dazu unten S. 221 ff. 3 So H. Richter, Das weströmische Reich, besonders unter den Kaisern Gratian, Valentinian II. und Maximus (375—388), Berlin 1865, 528. 4 So Seeck V, 138f.
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Zuführung aller Untertanen zum orthodoxen Glauben abgesehen war, daß dies Edikt also die Richtung angab, die der Kaiser bei der in Aussicht genommenen Neuordnung der kirchlichen Verhältnisse im Orient einzuschlagen fest entschlossen war. Aber auf welchem Wege dies erreicht werden sollte und gestützt auf welche Kräfte innerhalb der orientalischen Orthodoxie, darauf legte sich Theodosius klugerweise nicht von vornherein fest; er verstand zuzuwarten! Freilich ist wohl damals aus dem Wortlaut des Edikts, d.h. aus der „abendländischen" Fassung des trinitarischen Glaubens 1 wie vor allem aus der Tatsache, daß neben dem römischen Pontifex aus dem Osten nur der Alexandriner Petros als „Normalbischof" genannt wurde, teilweise der Eindruck entstanden 2 , als habe Theodosius sich damit für die alexandrinisch-„abendländische" Partei unter den Orthodoxen des Ostens entschieden und mit ihrer Hilfe sein Werk der Wiederherstellung der Kircheneinheit unternehmen wollen. Allein, wie die Dinge damals lagen, kam praktisch außer Petros gar kein anderer Orientale als maßgebende Autorität in Frage 3 , da sich Konstantinopel zu Beginn des Jahres 380 noch im Besitz des Arianers Demophilos befand, während die nikäische Gemeinde Antiocheias gleich in drei Parteien aufgespalten war 4 . Zudem war kaum anzunehmen, daß sich Theodosius in dem einen Jahr seit seiner Berufung, das überdies mit anderen Sorgen mehr als ausgefüllt war, schon so sehr mit den kirchlichen Verhältnissen im Osten vertraut gemacht haben sollte, daß er über das rechte Augenmaß für die subtilen Unterschiede innerhalb der orientalischen Orthodoxie verfügt und über Recht oder Unrecht der verschiedenen Positionen und widerstreitenden kirchen- und machtpolitischen Ansprüche hätte befinden können. Daß er — zunächst wenigstens — das orientalische Kirchenproblem mit den Augen des Rom treu ergebenen Spaniers angesehen hat 6 , darf gewiß als sicher gelten. Ebenso sicher ist aber wohl, daß er daraus keine späteren Entscheidungen präjudizierenden Folgerungen gezogen hat! Ist es doch kaum denkbar, daß die große Synode von Antiocheia, zu der sich im Herbst 379 mehr als 150 Bischöfe der „meletianischen" Mehrheit der orientalischen Orthodoxie versammelt hatten, ohne ausdrückliche Billi1 Gemeint ist die starke Betonung der „una deitas patris et filii et spiritus sancti", wogegen auf der Dreiheit der „Personen" , auf deren hypostatischer Selbständigkeit, an der den Orientalen so viel gelegen war, nicht der gleiche Nachdruck gelegen zu haben scheint. Freilich sagt King, Theodosius, 36, völlig mit Recht, daß „der Unterschied zwischen .östlichem' und .westlichem' Denken zu dieser Zeit nicht übertrieben werden darf"; s. dazu auch unten S. 270ff. 2 So wohl bei dem Nachfolger des Athanasios, Petros von Alexandreia; s. dazu unten S. 51. 3 So auch von Campenhausen, Ambrosius, 132; Schwartz GS IV, 89. 4 Über das antiochenische Schisma s. u. S. 57ff. 6 Lietzmann GAK IV, 26; Ensslin, 22.
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gung, wenn nicht gar direkte Unterstützung des neuen Kaisers stattgefunden haben sollte1, eine Synode, von der man nicht nur vermutet hat, daß ihre Beschlüsse ein entscheidendes Präjudiz für die geplante kaiserliche „Unionspolitik auf nicaenisch orthodoxer Basis" bildeten2, sondern die auch in der Vorgeschichte des Konzils von Konstantinopel 381 einen bedeutsamen Platz einnimmt. Ließ also das Religionsedikt — vielleicht sogar bewußt! — die Frage offen, für welche Richtung der orientalischen Orthodoxie der Kaiser Partei zu ergreifen gedächte, so sollte die Zeit der Unsicherheit freilich nicht mehr allzu lange währen. Theodosius erkannte vielmehr wohl schon bald, daß der erstrebte Kirchenfriede gegen die überwiegende Mehrheit der Orthodoxen seines Reiches, die nach dem Tod des großen Kappadokiers Basileios von Kaisareia (1. Januar 379)3 in dem Antiochener Meletios ihren tatkräftigen und mitreißenden Führer hatten, unter keinen Umständen wiederherzustellen war. Jedenfalls stellte er sich mehr und mehr auf diese „Meletianer" als die führende Partei ein. Das erste deutliche Anzeichen dafür war, daß er nach seinem triumphalen Einzug in Konstantinopel am 24. November 3804 den Arianerbischof Demophilos, der sich charaktervollerweise dem kaiserlichen Glaubensdekret zu unterwerfen weigerte, zum Verlassen der Stadt nötigte und die großen Kirchen der östlichen Metropole einem Vertrauten des Meletios, Gregorios von Nazianzos, übergeben ließ8. Allerdings war ein ernsthafter Konkurrent für den Nazianzener zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zur Stelle®. Jeglichen Zweifel an der Entscheidung des Kaisers beseitigte dann ein Reskript vom 10. Januar 3817, das allen Häretikern, namentlich den Photinianern, Arianem und Eunomianern, den Besitz von Kulträumen untersagte und über sie, freilich nur innerhalb der Städte, Versammlungsverbot verhängte. Dagegen sollten alle „katholischen Kirchen auf dem ganzen Erdkreis" den Bischöfen übergeben werden, die dem nikäischen Glauben anhingen. Bemerkenswerterweise ist hier nur noch von der „fides Nicaena" die Rede, nicht mehr von der durch Damasus und Petros repräsentierten „religio". Außerdem tritt in der anschließenden Bestimmung dessen, was als echter, erlaubter Gottesdienst zu 1
Schwartz GS IV, 91; Caspar I, 232; Bardy, Concile, 210. Caspar a.a.O.; vgl auch Ensslin, 15.23; Lietzmann, Apollinaris, 28. Zum überlieferten Todesdatum des Basileios s. Rauschen, 476f.; anders Schwartz GS IV, 84 Α. 1. 4 Sokrates V, 6. 5 Sokrates V, 6.7; Sozomenos VII, 5; Gregorios Nazianzenos carm. hist. XI, 1278ff. 1303ff. 6 Zum Intermezzo des alexandrinischen Gegenkandidaten Maximos s. u. S. 49ff. ' Cod. Theodos. XVI, 5,6. 2 8
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gelten habe, sowie in der beigefügten Glaubensformel, die den Kreis der echten Nikäer und "wahren Katholiken umreißen will, deutlich zutage, daß Theodosius gelernt hatte, die umstrittenen Glaubensfragen mit den Augen des „meletianischen" Ostens zu sehen 1 . II. Die Berufung des Konzils Um die Zeit, da dies Kaiserreskript publiziert wurde, werden auch die Berufungsschreiben für ein orientalisches Reichskonzil in Konstantinopel an die Metropoliten und über sie an die Bischöfe des Ostreichs abgegangen sein. Allerdings datierte der Plan einer Konzilsberufung nicht erst seit Anfang des Jahres 381. Vielmehr sind wir davon unterrichtet, daß schon einige Monate zuvor verschiedenenorts ein derartiger Plan des Kaisers wenigstens gerüchtweise bekannt war. Ja, es ist sogar nicht ausgeschlossen, daß bereits während der Besprechungen zwischen Gratian und Theodosius in den Tagen von Sirmium im Herbst 378, wenn nicht definitiv beschlossen, so doch zumindest ernsthaft erwogen wurde, zur Liquidierung der verworrenen Verhältnisse in den Ostkirchen den orientalischen und okzidentalischen Episkopat zu einem Generalkonzil einzuladen2. Stand doch nicht allein die Wiederherstellung einer dauerhaften Ordnung in den Kirchen des Orients zur Debatte, sondern dürfte auch die weit fortgeschrittene innere Entfremdung zwischen den beiden Reichshälften, die sich auch in einer beträchtlichen Spannung zwischen den orientalischen und okzidentalischen Kirchen äußerte3, von den Kaisern mit Besorgnis zur Kenntnis genommen worden sein. Legte sich da aber nicht der Gedanke nahe, die Bischöfe aus beiden Teilen des Reichs zu einem Generalkonzil als dem gegebenen Forum zusammentreten zu lassen, vor dem der Kampf um die trennenden Fragen der Lehre und der Kirchenordnung ausgetragen werden konnte? Allein, wenn die Kaiser diesen Plan damals wirklich ernsthaft erwogen haben sollten, so haben sie ihn offensichtlich alsbald wieder fallen lassen, und zwar wohl deshalb, weil auch ihnen auf die Dauer nicht verborgen bleiben konnte, daß bei dem Ausmaß der Erbitterung auf beiden Seiten von einem Generalkonzil der Kirche des Gesamtreichs nichts Gutes zu 1 Schwartz GS IV, 96; Lietzmann GAK IV, 31f.; Ensslin, 28f.; King, Theodosius, 35f. Die entscheidende Partie dieser Glaubensformel lautet: "Is autem Nicaenae adsertor fidei, catholicae religionis verus cultor accipiendus est, . . . apud quem intemeratae fidei sensu viget incorruptae trinitatia indivisa substantia., quae Graeci adsertione verbi ουσία recte credentibus dicitur" (ed. Mommsen, 856f.). Daß hier Formulierungen der kappadokischen Theologie aufgenommen sind, unterliegt m. E. keinem Zweifel; s. dazu auch unten S. 305 A. 2. 2 In diesem Sinne äußerte sich — vermutungsweise — Seeck V, 144 f. 3 Zu diesen Spannungen zwischen Orient und Okzident s. u. S. 57£f.
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erwarten war. Vielmehr empfahl es sich, dem „Brauch früherer Zeiten" zufolge, d.h. nach dem Vorbild der Doppelsynoden von Serdika-Philippoupolis (342) und vor allem von Rimini-Seleukeia (359), „die Orientalen in den östlichen Teilen (des Reichs)", „die Okzidentalen" aber „im Okzident" zusammentreten1 und so für die beiden Reichsteile getrennt den Schlußstrich unter die arianischen Streitigkeiten ziehen zu lassen. Diese Richtung war es denn auch, in der sich die theodosianischen Konzilspläne weiterhin bewegten. Und zwar müssen diese bis zum Frühsommer des Jahres 380 bereits recht bestimmte Formen angenommen haben. Zu dieser Zeit wußte man nämlich schon in Rom davon, daß demnächst ein östliches Reichskonzil zusammentreten werde. Auch war bereits der Tagungsort bekannt, nämlich Konstantinopel. Des weiteren wurde in Rom mit Bestimmtheit damit gerechnet, daß auch Bischof AchoUus von Thessalonike samt einigen andern makedonischen Bischöfen an der geplanten orientalischen Synode teilnehmen werde2. Das aber dürfte auf die Zeit vor dem Treffen Gratians mit Theodosius in Sirmium Anfang September dieses Jahres führen, bei dem neben anderem höchstwahrscheinlich auch die Wiedervereinigung der Diözesen Dacia und Macedonia mit der illyrischen Präfektur, also deren Rückgliederung in das Westreich, beschlossen wurde3. Einen weiteren Anhaltspunkt zur Datierung ergibt die Erwägung, daß die Römer ihre Informationen über die kaiserlichen Konzilspläne am wahrscheinlichsten von Acholius selbst bezogen haben werden, Acholius aber die bevorstehende Berufung eines Konzils aus erster Hand, nämlich vom Kaiser selbst erfuhr, der sich in diesem Jahr des öfteren in Thessalonike aufgehalten hat. Nun wissen wir aber, daß der Kaiser bald nach dem 14. Juli von Thessalonike aus zu einem Feldzug gegen die in Makedonien eingefallenen Goten des Frithigern aufgebrochen ist, von dem er erst Mitte September wieder in sein Hoflager in der makedonischen Hauptstadt zurückkehrte4. Aus all dem ergibt sich als Zeitpunkt, da zuerst die bestimmte Absicht des Kaisers5 bekannt wurde, die Bischöfe seines Reichsteils zu einem Konzil nach Konstantinopel zu berufen, die Zeit zwischen dem 4. April und dem 14. Juli 380, für die die Anwesenheit des Kaisers in Thessalonike durch die Subskriptionen verschiedener Gesetze bezeugt ist®. Das heißt: wir 1 So Ambrosius auf dem Konzil von Aquileja (September 381): s. die unter seinen Briefen überlieferten Gesta concilii Aquileiensis, 7 (MPL 16, 918 A/B). 2 Vgl. Damasus, ep. 5 („Decursis litteris": M P L 13, 368A). 3 Über diese Rückgliederung, durch die also Acholius wieder zum Untertan Gratians wurde, s.Ambrosius, ep. 13 („Sanctum"), 7 (MPL 16,953B); dazu Ensslin, 21; Schwartz GS I I I , 51 A . 2; King, Theodosius, 38 A . 3. 4 Rauschen, 61; Ensslin, 20f. 5 Siehe Damasus, ep. 5 (a.a.O.): "(cognovi) dispositum esse . . . concilium"! • Codex Theodos. I, 15, И ; X , 3, 3; X I V , 17, 8; s. dazu O. Seeck, Regesten der Kaiser und Päpste für die Jahre 311 bis 416, 1919, 255, sowie Ensslin, 20.
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befinden uns in einer Zeit wenige Monate, vielleicht sogar nur wenige Wochen nach der Verkündung des Religionsediktes vom Februar dieses J ahresx. Liegt also ausreichender Grund zu der Annahme vor, daß der kaiserliche Konzilsplan mindestens seit dem Sommer des Jahres 380 datierte und auch alsbald publik geworden ist, so sind freilich die offiziellen Einladungen zu dem in Aussicht genommenen Reichskonzil in Konstantinopel aller Wahrscheinlichkeit nach erst mehrere Monate später ausgesprochen worden2, wenn wir auch davon hören, daß man in Konstantinopel schon vor dem Einzug des Theodosius am 24. November die „Ankunft der Bischöfe" zu dem geplanten Konzil für die allernächste Zeit erwartete3. Gleichwohl wird die offizielle Einladung zu dem Konzil selbst dann noch nicht erfolgt gewesen sein, als Meletios von Antiocheia wohl Ende Januar des neuen Jahres, jedenfalls längst vor den übrigen Teilnehmern des Konzils in der Hauptstadt eintraf4. Vielmehr wird sich 1
F ü r diese Allsetzung d ü r f t e auch sprechen, d a ß d e n H a u p t g e g e n s t a n d des Damasusschreibens die Maximosaffäre, die F r a g e der Gültigkeit seiner W a h l z u m Bischof v o n Konstantinopel, bildet (s. dazu u n t e n S. 49ff.). N u n wird Acholius v o n dieser A f f ä r e K e n n t n i s b e k o m m e n h a b e n , n a c h d e m Maximos n a c h seiner Schlappe in K o n s t a n t i n o p e l wohl i m April oder Mai dieses J a h r e s a n das kaiserliche H o f l a g e r in Thessalonike geeilt war, u m sich die U n t e r s t ü t z u n g des Kaisers zu sichern, w a s i h m freilich mißlang. D a r a u f h i n wird Acholius u m g e h e n d n a c h R o m berichtet u n d D a m a s u s u m Anweisungen gebeten h a b e n , wie er sich in dieser F r a g e v e r h a l t e n solle. E i n e solche päpstliche Order m u ß t e i h m als u m so dringlicher erscheinen, falls eben zu dieser Zeit, wie wir v e r m u t e n , die A n k ü n d i g u n g der B e r u f u n g eines östlichen Reichskonzils n a c h K o n s t a n t i n o p e l erfolgte, die möglicherweise m i t d e m A u f t a u c h e n des Maximos a m kaiserlichen H o f l a g e r in ursächlichem Zusammenh a n g s t a n d (s. u . S. 52. 233)! I s t das richtig, h a b e n wir also das P u b l i k w e r d e n der kaiserlichen Konzilspläne auf den F r ü h s o m m e r 380 anzusetzen, so d ü r f t e schon a u s diesem G r u n d Ensslins These wenig Wahrscheinlichkeit besitzen, w o n a c h Theodosius d a s orientalische Kirchenproblem ursprünglich einfach auf d e m Verordnungswege, „ o h n e Mitwirkimg einer Synode allein m i t staatlichen Zwangsm i t t e l n " h a b e lösen wollen u n d erst s p ä t e r „ i n die herkömmliche B a h n der (synodalen) Regelung kirchlicher F r a g e n " eingelenkt sei (Ensslin, 28). D e n n was sollten die Gründe gewesen sein, die Theodosius so k u r z n a c h der V e r k ü n d u n g seines Religionsedikts v o m F e b r u a r dieses J a h r e s zu einer radikalen K u r s - u n d Meinungsä n d e r u n g bewogen? 2 Jedenfalls k a n n die E i n l a d u n g a n Acholius erst sehr viel später ergangen sein; s. d a z u u n t e n S. 98 ff. 3 Gregorios Nazianzenos, carm. hist. X I , 1106f. 4 Sokrates V , 8 : „Melitios (sie!) a u s Antiocheia w a r schon lange vorher (sc. vor d e n a n d e r e n Konzilsteilnehmern) eingetroffen" (πάλαι παρήν: M P G 67, 576С); Sozomenos V I I , 7, 3: „Meletios, der Bischof v o n Antiocheia, w a r schon f r ü h e r (ήδη πρώην) in K o n s t a n t i n o p e l eingetroffen" (GCS 50, 308). Dies wird zumeist so v e r s t a n d e n , als sei Meletios schon E n d e 380, spätestens a b e r in d e n ersten T a g e n des n e u e n J a h r e s in K o n s t a n t i n o p e l eingetroffen, weil m a n meint, der deutliche Kurswechsel, den das Kaiserreskript v o m 10. J a n u a r 381 i m Vergleich z u m R e ligionserlaß v o m F e b r u a r des voraufgehenden J a h r e s anzeigt (s. o. S. 32f.), lasse
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dessen vorzeitiges Eintreffen so verstehen, daß die Kunde vom Einzug des Theodosius in Konstantinopel, mit dem der neue Herrscher allererst endgültig von seinem Imperium Besitz ergriff, als Signal verstandet), wurde, daß nun die Zeit wichtiger Entscheidungen gekommen sei und es jetzt wahrscheinlich auch ernst werde mit des Kaisers Absicht, eine Synode der Bischöfe seines Reichsteils nach Konstantinopel einzuberufen. Sicherlich hatte sich diese Absicht inzwischen auch in Antiocheia sowie im übrigen Orient längst herumgesprochen. Meletios aber, der mit seinen östlichen Bischofskollegen auf diesen Zeitpunkt voll ungeduldiger Spannung gewartet haben wird, war der letzte, der dem allen aus der Ferne hätte zuschauen mögen! Spätestens zu Beginn des Jahres 381 sollte sich die Lage allerdings noch einmal komplizieren und der Plan der Berufung eines östlichen Reichskonzils nach Konstantinopel durch ein anderes Projekt, so schien es wenigstens, durchkreuzt werden. Denn es war wohl dies der Zeitpunkt, da sich Gratian dazu bewegen ließ, dem Drängen zweier illyrischer Bischöfe, die sich von dem herrschgewaltigen Mailänder Metropoliten Ambrosius nicht einfach als Arianer verketzern lassen wollten, endlich nachzugeben und von sich aus zu einer Synode bischöflicher Vertreter aus beiden Reichsteilen einzuladen, vor der sich die beiden Illyrer gegensich k a u m anders erklären als so, daß Theodosius zu diesem Zeitpunkt bereits u n t e r dem bestimmenden Einfluß des Antiocheners gestanden habe; so etwa Schwartz GS IV, 96; Lietzmann GAK XV, 31f.; Ensslin, 30. Dagegen spricht jedoch, daß sich die Aktion des kaiserlichen Kommissars Sapor in Antiocheia, über die wir durch Theodoretos V, 2, 3 informiert sind u n d in deren Verlauf die Hauptkirchen der Stadt der Meletianergemeinde übergeben wurden, doch wohl a m besten als Durchführung eben jenes Kaiserreskriptes vom 10. J a n u a r 381 erklären läßt, das wie erwähnt die Restituierung „aller katholischen Kirchen auf dem Erdkreis" anordnete. So scheint es jedenfalls Theodoretos selbst aufgefaßt zu haben (gegen King, Theodosius, 23 A. 3). I h m folgten Rauschen, 89; Cavallera, 215f.; A. J . Festugiere, Antioche Pa'ienne et Chrötierme, Paris 1959, 258 A. 4; Batiffol, 115; anders Stein I, 305; von Campenhausen, Ambrosius, 133; Lietzmann GAK IV, 27; Schwartz GS IV, 91; Ensslin, 30. (Daß Caspar I, 232 A. 5, die Aktion Sapors als Ausführung des Kaiseredikts v o m 30. J u l i 381 bezeichnet, wird wohl nur ein Versehen sein. King a . a . O . hält dagegen die ganze Mission des Sapor f ü r eine „Fabrik a t i o n " des Theodoretos, „basierend auf Basargeschwätz", m . E . aber ohne zureichende Begründung.) I s t das richtig, so wird k a u m anzunehmen sein, Meletios habe seine Bischofsstadt verlassen, bevor mit dieser Übergabe der Kirchen eine wenigstens vorläufige Klärung der Lage in Antiocheia zu seinen Gunsten erreicht war. Zum andern ist nicht einzusehen, w a r u m der Tatbestand, daß Theodosius m i t dem fraglichen Reskript eindeutiger als je zuvor auf die Linie der außerägyptischen Orthodoxie des Orients einschwenkte, nicht ebensogut dem Einfluß des Nazianzeners zugeschrieben werden darf, der sich wenigstens in den ersten Monaten nach der A n k u n f t des neuen Herrschers in Konstantinopel eines überaus guten Verhältnisses zum Hof erfreute (s. sein großes autobiographisches Gedicht carm. hist. X I , bes. 1305—1395) u n d es mit Meletios zwar nicht an kirchenpolitischer Begabung aufnehmen konnte, wohl aber von beiden der größere Theologe war.
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über den ambrosianischen Beschuldigungen rechtfertigen zu können hofften1. Allein, mit der Verwirklichung dieses in Wahrheit schon einige Jahre alten Projektes war es auch diesmal nicht so ernst, wie es zunächst aussah. Vielmehr hat wohl Ambrosius sofort alle Hebel in Bewegung gesetzt, um die Teilnahme von Orientalen, deren Rechtgläubigkeit ihm noch immer durchaus nicht feststand2 und die ihm möglicherweise gefährlich werden konnten, zu vereiteln3. Und wenn der Osten auf Anordnung Gratians hin wirklich über das geplante Generalkonzil auch nur informiert wurde — um eine förmliche Einladung, zu der ja auch das Einverständnis des Theodosius erforderlich gewesen wäre, wird es sich in keinem Fall gehandelt haben —, so muß das auf Betreiben des Ambrosius in einer Form geschehen sein, durch die sich ernstlich kein Orientale aufgefordert fühlte, sich in den Westen zu begeben. Aber auch Theodosius wird zu dieser Zeit an einem Entgegenkommen gegenüber den Illyrern wie auch an einem gemeinsamen Konzil von Ost und West nicht mehr interessiert gewesen sein und darum der „Einladung" seines Mitkaisers keinerlei empfehlenden Nachdruck verliehen haben. So war das Ergebnis, daß an dem von Ambrosius sogenannten „Generalkonzil" — in Wirklichkeit handelte es sich um nicht mehr als eine mäßig besuchte oberitalische Provinzialsynode —, das schließlich im September 381 in Aquileja nach jahrelangem Tauziehen zwischen Ambrosius und seinen illyrischen Gegnern zustande kam, kein einziger Orientale teilgenommen hat 4 . Wahrscheinlich hat dieser westliche Vorstoß aber mit dazu beigetragen, daß nun endlich die lange angekündigte östliche Reichssynode offiziell zum Mai dieses Jahres nach Konstantinopel einberufen wurde. Wie so vieles von dieser Synode ist uns das kaiserliche Konvokationsschreiben nicht erhalten. Gleichwohl verfügen wir über genügend Zeugnisse, die daran jedenfalls keinen Zweifel lassen, daß die Berufung dieser Synode nicht anders als die der übrigen großen altkirchlichen Konzilien ausschließlich vom Kaiser ausging6. Damit wird auch in diesem Fall ver1
Siehe dazu im einzelnen von Campenhausen, Ambrosius, 39ff., bes. 55ff. So noch in ep. 12,4 (MPL 16, 948B), wo von den meletianischen „Dissidenten" in Antiocheia als von denen die Rede ist, „quorum fides superioribus temporibus haesitabat". Auch heißt es hier, man wolle sie westlicherseits in die Kirchengemeinschaft aufnehmen, „si fieri potest, et fides plena commendat"! 3 Vgl. Seeck У, 144f.; J.-R. Palanque, Saint Ambroise et l'Empire romain, 1933, 79ff. 4 Vgl. Ambrosius, ep. 13 („Sanctum"), 4, geschrieben nach dem Konzil von Aquileja (MPL 16, 951B): "Adeo (sic!) ipso tempore qui generale concilium (sc. dae conciliabulum von Aquileja!) declinaverunt, Constantinopolique gessisse dicuntur". Zu diesem Ambrosiusbrief s. vor allem von Campenhausen, Ambrosius, 141 ff. 153 ff. * Es genügt der Hinweis auf den Logos prosphonetikos der Synode (Mansi III, 557; s. dazu unten S. 125ff.); vgl. auch die Gedächtnisrede des Chrysostomos auf 2
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bunden gewesen sein, daß der Kaiser für die Reise- und Aufenthaltskosten der Konzilsteilnehmer aufkam. Über den genauen Zeitpunkt dieser Berufung aber lassen uns die Quellen einigermaßen im unklaren1. Sie muß jedoch spätestens Ende Februar / Anfang März erfolgt sein, wenn anders den eingeladenen Bischöfen genügend Zeit für die teilweise recht lange und beschwerliche Anreise bleiben sollte. Daß sich Theodosius jetzt endlich zur offiziellen Einberufung des Konzils entschloß, könnte freilich auch damit zusammenhängen, daß Meletios, seit dem Tod des großen Athanasios (3. Mai 373) die kirchenpolitische Zentralfigur und in den letzten beiden Jahren fraglos auch der mächtigste Kirchenmann im ganzen Orient, wohl noch im Januar dieses Jahres in Konstantinopel eingetroffen und an den kaiserlichen Hof geeilt war. Jedenfalls läßt die Auswahl derer, die zur Teilnahme an dem geplanten Konzil nach Konstantinopel eingeladen wurden, wie man längst gesehen hat 2 , mit großer Wahrscheinlichkeit darauf schließen, daß der Antiochener bei dieser Konzilsberufung seine Hand kräftig im Spiel hatte3. Denn unter denen, die durch die erhaltenen Konstantinopler Bischofslisten4 als Teilnehmer dieses Konzils ausgewiesen sind, finden sich fast ausschließlich Vertreter der meletianischen Partei. Das Fehlen des übrigen Episkopats aber wird sich — zumindest generell — Meletios (ed. Montfaucon I I , Venedig 1734, 521 B.C). Zur B e r u f u n g des K o n s t a n tinopler Konzils s. des weiteren A. Mozillo, L a convocazione del concilio di Costantinopoli, L A B E O . Rassegna di diritto r o m a n o , I I I , Neapel 1957, 60—71; zu d e m kirchlicherseits u n b e s t r i t t e n e n K o n v o k a t i o n s r e c h t des Kaisers s. vor allem Dvornik, passim, sowie dessen Artikel, T h e a u t h o r i t y of t h e s t a t e in t h e ecumenical councils, T h e Christian E a s t X I V , 1934, 95—108. Weitere L i t e r a t u r bei Michel, 56ff., u n d Beck, Kirche, 38ff., bes. 41 Α. 1. 1 Aus d e m großen autobiographischen Gedicht des Nazianzeners ist ü b e r h a u p t keine Zeitangabe zu e n t n e h m e n , aus den Berichten der Kirchenhistoriker n u r eine so u n b e s t i m m t e wie die, d a ß die Konzilsberufung „ s o f o r t " (εύΰύς) n a c h der Regier u n g s ü b e m a h m e des Theodosius (!) erfolgt sei (so Theodoretos V, 6, 3) oder „ k u r z " (εν τάχει) n a c h d e m E i n z u g des Kaisers in K o n s t a n t i n o p e l (so Sozomenos V I I , 7, 1; ähnlich Sokrates V, 8). 2 Schwartz GS IV, 96; L i e t z m a n n G A K IV, 32; Ensslin, 31. 3 D e r Nazianzenor h ä t t e , n a c h seiner E i n s c h ä t z u n g der Mehrzahl der Synodalen von 381 (s. bes. das Gedicht: Ü b e r sich selbst u n d wider die Bischöfe, M P G 37, 1166A—1227Α) zu urteilen, vielleicht eine e t w a s a n d e r e Auswahl getroffen. Vor allem h ä t t e er sich schwerlich so sehr gegen die E i n l a d u n g der Alexandriner u n d ihres A n h a n g s i m übrigen Orient g e s t e m m t wie Meletios. 4 Zu den griechischen u n d lateinischen Listen s. T u r n e r E O M I A I I , I I I , hrsg. v. E . Schwartz u n d H . G. Opitz, Oxford 1939, 433—463; zu den syrischen Listen s. F . Schulthess, Die syrischen K a n o n e s der Synoden v o n Nicaea bis Chalcedon, A G G N F X , 2 , 1908, 113ff., sowie J . B . Chabot, Chronique de Michel le Syrien, P a r i s 1904, IV, 158ff.; vgl. a u c h O. B r a u n , Syrische T e x t e ü b e r die erste allgemeine Synode v o n Konstantinopel, Orientalische Studien f ü r T h . Nöldeke I , 1906, 467 ff. Z u m Ganzen der "Überlieferung der K o n s t a n t i n o p l e r Listen s. K i n g , F a t h e r s , 635ff., u n d die d o r t g e n a n n t e L i t e r a t u r .
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kaum auf schlechte Listenführung oder auf zufällige Verhinderungen zurückführen lassen. Vielmehr dürften solche Bischöfe, die von vornherein als Gegner des Meletios feststanden, gar nicht erst eingeladen worden sein, sondern die Einladungen scheinen sich — zunächst wenigstens1 — auf die Kirchengebiete beschränkt zu haben, die mit dem umstrittenen Antiochener in Kirchengemeinschaft standen2. Im einzelnen ergibt sich aus den Listen folgendes Bild: Gänzlich ohne Vertretung auf diesem Konzil war nicht nur der Okzident3, zu dem seit einem knappen Jahr auch wieder die ganze illyrische Präfektur gehörte. Vielmehr fehlten — zunächst — auch die ganze ägyptische Kirchenprovinz sowie aus der asiatischen Diözese die Provinzen Asia, Hellespontus, Lydia und die Inseln. Nach alten Berichten waren dies zur Zeit des Konstantinopler Konzils die Domänen des Homoiusianismus4! Endlich suchen wir auch vergeblich nach Vertretern aus den pontischen Provinzen Galatia, Honorias und Paphlagonia, während aus der thrakischen Diözese nach Ausweis der Listen ganze vier Bischöfe erschienen sind5. Mithin bleiben als die Gebiete, aus denen sich die Konzilsteilnehmer im wesentlichen rekrutierten, die Diözesen Oriens und Pontus sowie Teile der Asiana. Starke Delegationen kamen besonders aus der unmittelbaren antiochenischen Einflußsphäre, d.h. aus den verschiedenen Syrien sowie aus Palästina und Phönikien, ferner aus der kleinasiatischen Heimat des Basileios, seines Freundes Gregorios von Nazianzos, seines 1
Zur nachträglichen Einladung einer „makedonianischen" Delegation s. u. S. 68ff.; zu der der „Makedonen und Ägypter" s. u. S. 97ff. 2 Schwartz, Bischofslisten, 83. 3 Siehe hierzu wie zum folgenden auch King, Theodosius, 37 f. 98 f. (hier auch eine sehr nützliche Karte, auf der die in Konstantinopel vertretenen Bischofssitze verzeichnet sind). Daß der Westen zunächst überhaupt nicht vertreten war, gilt allerdings möglicherweise nur mit einer Ausnahme, und zwar der eines spanischen Bischofs namens Agrius, dessen Name — ohne Angabe seines Bischofssitzes — ziemlich verloren am Ende der syrischen und lateinischen Listen erscheint. Daß mit dem spanischen Herrscher auch ein spanischer Bischof, allerdings kaum in offizieller Funktion, bei dem Konstantinopler Konzil zugegen gewesen sein sollte, ist, wie King, Fathers, 640, mit Recht sagt, so undenkbar nicht, wie es in der Literatur gelegentlich dargestellt wird. Ebensogut kann es sich freilich einfach um eine Korruptele in der handschriftlichen Überlieferung der genannten Listen handeln, die allerdings immer „noch auf eine einleuchtende Verbesserung" wartet (Schwartz, Bischofslisten, 85); vgl. zu diesem Problem auch Rauschen, 97; Turner, Canons, 177ff.; King, Fathers, 639f. Daß „ein paar Westler" in Konstantinopel zugegen gewesen wären, wie King, Theodosius, 37, meint, dürfte jedoch in keinem Fall richtig sein, jedenfalls nicht, was die ursprüngliche Zusammensetzung des Konzils betrifft. 4 Sokrates V, 8; Sozomenos VII, 7, 2 (zu vergleichen mit Sokrates II, 45; Sozomenos VII, 2); s. dazu Loofs, Christologie, 76; Holl, Amphilochius, 28. 121. 5 Siehe die Rekonstruktion des verderbten Listenendes bei Turner, Canons, 177f.; Schwartz, Bischofslisten, 84f.; King, Fathers, 638ff.
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Bruders Gregorios von Nyssa sowie seines Schülers Amphilochios von Ikonion, also neben Kappadokien und Lykaonien aus den Provinzen Isauria, Cilicia, Lycia, Pamphylia und Pisidia. Insgesamt sind etwa 150 Bischöfe als Teilnehmer dieses Konzils ausgewiesen1. Unter ihnen finden wir fast alle die Namen wieder, die schon auf der allerdings nur fragmentarisch erhaltenen Teilnehmerliste der Synode von Antiocheia 379 wie auch in der Beschreibung erscheinen, die Theodoretos von der meletianischen Partei im Gebiet von Antiocheia aus der Zeit um 379/80 gibt2. Das zeigt, daß es sich bei den Meletianern um eine wohlorganisierte Partei gehandelt haben muß, die auch mit einem einigermaßen festen Programm nach Konstantinopel gekommen sein wird, wie es wohl auch als erneutes Indiz für die Wichtigkeit der antiochenischen Synode von 379 innerhalb der Vorgeschichte des Konstantinopler Konzils zu deuten ist 3 . Negativ ausgedrückt heißt das aber: Durch die Art seiner Berufung ist das Konzil von Konstantinopel nicht nur als rein orientalische Synode, sondern — anfänglich wenigstens — auch als Angelegenheit fast nur einer einzigen kirchlichen Partei des Ostens charakterisiert! Was dieser Tatbestand für seine überlieferte Geltung als das II. „ökumenische" Konzil der Kirche zu besagen hat, wird in anderem Zusammenhang zu überlegen sein4. 1 Die — mit Ausnahme der syrischen — a m E n d e stark korrumpierten Listen weisen 146 (147) N a m e n auf. E s fehlen in diesen Listen aber die N a m e n der „Makedonen u n d Ägypter", die später eingetroffen sind als die anderen Konzilsteilnehmer u n d von denen nur zwei ägyptische Bischöfe aufgeführt werden. E s fehlt ferner der N a m e des Petros von Sebasteia, eines Bruders des Basileios von Kaisareia, den Theodoretos ausdrücklich als Teilnehmer des Konzils nannte (s. Theodoretos V, 8, 4 ; dazu allerdings Turner, Canons, 170); endlich fehlt in den Listen der N a m e des Theodoulos von Apameia — wohl des bithynischen oder phrygischen; denn f ü r das pisidische Apameia unterschrieb ein Presbyter, während das syrische n a c h Ausweis der Listen durch seinen Bischof Joannes vertreten war (s. dazu auch Hauser-Meury, 171 A. 364). Die Anwesenheit des Theodoulos ist aber durch seine Unterschrift unter das während des Konzils, nämlich a m 31. Mai 381, erneuerte Testament Gregors von Nazianz (MPG 37, 389—396) erwiesen (zu diesem Testament β. F . Martroye, Le testament de Saint Grögoire de Nazianze, Memoires de la Sociöte des Antiquaires de France L X X Y I , Paris 1924, 219—263; Gallay, Vie, 205f.). Zieht m a n n u n die Zahl der Presbyter ab, die wohl in Vertretung ihrer verhinderten Bischöfe unterschrieben haben, so ergibt sich, daß die spätere Überlieferung (s. bereits Sokrates V, 8; Sozomenos V I I , 7; Theodoretos V, 7), der dies Konzil als Synode der „150 V ä t e r " galt, im ganzen durchaus das Richtige getroffen h a t . 2 Zur antiochenischen Subskriptionsliste, die in Nr. I I I des Codex Veronensis L X (58) erhalten ist, s. Turner Е О Ш А I, 625f., u n d Schwartz, Über die Sammlung des Codex Veronensis L X , Z N W 1936, 19ff. ' King, Fathers, 637, vermutet deshalb mit Recht, " t h a t what t h e council of Antioch in t h e winter of 324/325 was t o Nicea 325, Antioch 379 was t o Constantinople". Vgl. auch Dörries DSS, 173 Α. 2. * Siehe u. S. 209 ff.
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III. Eröffnung des Konzils — Erste Verhandlungsphase Nach dem Bericht des Kirchenhistorikers Sokrates trat das Konzil zu dem vorgesehenen Termin, nämlich „im Konsulat(sjahr) des Eucharios (sie!) und des Euagrios (sie!), im Monat Mai", zusammen1. Und zwar ist der Tagungsbeginn wahrscheinlich auf den Anfang dieses Monats oder doch wenigstens in dessen erste Hälfte anzusetzen2. Vor der eigentlichen Konzilseröffnung wurden die erschienenen Synodalen vom Kaiser in einer feierlichen Audienz, vermutlich in der „Magnaura", dem prunkvollen Thronsaal des großen Konstantinpalastes, empfangen3. Bei dieser Gelegenheit hieß sie Theodosius aufs freundlichste willkommen, überschüttete sie mit aller Art von Ehrenbezeigungen und „ermahnte sie, als (wahrhafte) Väter über die anstehenden Fragen zu beraten". Außerdem kam in dieser Audienz die außerordentliche Hochschätzung, die sich Meletios mittlerweile beim Kaiser erworben hatte, in freilich seltsam anmutender Weise zum Ausdruck. Ziemlich unvermittelt eilte nämlich der Kaiser „an allen vorbei geradewegs auf den großen Meletios zu, umarmte ihn und küßte ihn auf Augen, Lippen und Brust sowie auf sein Haupt und . . . seine Rechte". Zur Erklärung hörten die erstaunten Bischöfe, längst vor seiner Berufung durch Gratian sei ihm eines Nachts Meletios im Traum erschienen und habe ihm die Insignien der Kaiserwürde überreicht. Und ohne diesem heiligen Mann je vorher begegnet zu sein, habe er ihn unter den Versammelten sofort wiedererkannt! So jedenfalls weiß Theodoretos zu berichten, an dessen im ganzen problematischer Darstellung4 immerhin so viel richtig 1 Sokrates V , 8 (MPG 67, 577 A). Die Namen der Konsuln des Jahres 381 werden sonst einhellig als „Eucherius" und „Syagrius" überliefert: s. die Nachweise bei Rauschen, 85. Was den Zeitpunkt des Konzilszusammentritts betrifft, so verzeichnet das Synaxarion der koptischen Monophysiten abweichend von der Zeitangabe des Sokrates zum 1. Amschir (Februar): „An diesem Tag feiern wir ein Fest zum Andenken an die 150 Väter, welche unter der Regierung Theodosius d. Gr. zu Konstantinopel sich versammelten" (zit. bei С. H. Kneller, ZkTh 27, 1903, 793). Doch ist dem wohl kaum irgendwelches Gewicht beizumessen. 2 Siehe dazu unten S. 85 A. 2. 8 Zum Thronsaal wie überhaupt zu der grandiosen Anlage des Konstantinopler Kaiserpalastes s. Schultze, 213f.; Schneider, 84 (hier auch weitere Literatur); Dörries, Konstantin, 56f.; Janin, 107—122 (zum Thronsaal s. 117ff.). 4 Theodoretos V, 7, 2. 3 (GCS 44, 286f.); vgl. auch V, 6, 1. 2. Darin war Theodoretos sicher im Irrtum, daß er annahm, Meletios habe erst gemeinsam mit den übrigen Konzilsteilnehmern dem Kaiser seine erste Aufwartung gemacht (s. o. S. 38f.). Außerdem ist seine Darstellung unverkennbar von der Tendenz bestimmt, die Konstantinopler Synode mit ihrer großen nikäischen Vorgängerin zu parallelisieren und damit Theodosius als „zweiten Konstantin" zu präsentieren: s. Parmentier in seiner Einleitung der Ausgabe von Theodorets KG, GCS 44 (19), 1954 (1911), X X I X , wo zum Vergleich auf Theodorets Schilderung der Eröffnung des nikäischen Konzils (Theodoretos I, 7, 13) hingewiesen wird. Gleichwohl braucht
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sein wird, daß der Kaiser die Bischöfe nach ihrem Eintreffen in Konstantinopel und vor der Aufnahme ihrer Beratungen, in welchem Rahmen auch immer, begrüßt, daß er es ihnen gegenüber an schuldiger Ehrerbietung des frommen Laien ebensowenig wie an bestimmter Willensäußerung des kaiserlichen Schutzherrn der Kirche hat fehlen lassen. Und sollte er des weiteren seiner Hochschätzung des Meletios Ausdruck verliehen und damit vielleicht zu verstehen gegeben haben, daß er in ihm ihren Führer sehe, dem auch nach seinem Willen der Synodalvorsitz zukomme, so konnte das nur eine Bestätigung dessen sein, was sich für die Synodalen in ihrer Mehrzahl ohnehin von selbst verstand. Wenn es aber damit seine Richtigkeit hat, daß am Tagungsbeginn eine feierliche Begrüßung durch Theodosius im Thronsaal des Kaiserpalastes stand, so hat das Konzil selbst, im Unterschied etwa zum Konzil von Nikaia, mit Sicherheit nicht innerhalb des kaiserlichen Palastes getagt. Positiv läßt sich sagen, daß wenigstens eine Zusammenkunft 1 in der großen, durch Konstantin erbauten und aufs prunkvollste ausgestatteten Apostelkirche stattgefunden hat, die zu dieser Zeit auch die Bischofskirche von Konstantinopel gewesen sein dürfte 2 . Die übrigen Sitzungen werden jedoch nicht hier, sondern in einer der vielen kleineren Basiliken abgehalten worden sein, an denen die östliche Metropole schon damals reich war. Wir können sogar noch genauer sagen: In einer Basilika in der unmittelbaren Umgebung des bischöflichen Palastes 3 . Und zwar soll es sich hierbei nach Konstantinopler Überlieferung um die Basilika mit den Reliquien der hl. Pantaleon und Marinos gehandelt haben, die daraufhin den Namen „Homonoia" erhielt, „daß sich dort die 150 Bischöfe unter dem Basileus Theodosios dem Großen versammelten" 4 . Doch läßt sich bisher weder über die Lage der HomonoiaTheodorets Bericht über die Eröffnung des Konstantinopler Konzils nicht jeder historischen Grundlage zu entbehren, wie anscheinend King, Theodosius, 36, meint, für den diese Geschichte "may indicate the extent to which Theodoret was amazed by the change in the Emperor's policy towards the easterners". 1 Nämlich die Sitzung, in der sich der Nazianzener von den Teilnehmern des Konzils und von seiner Konstantinopler Gemeinde verabschiedete (s. u. S. 108ff.). Außerdem fanden hier wohl die Trauerfeierlichkeiten für Meletios statt (s. u. S. 54). 2 Siehe dazu unten S. 48 А. 6. 3 Wie schon Tillemont I X , 477, gesehen hat, geht dies aus Gregorios Nazianzenos, carm. hist. XI, 1777ff. hervor, wo von den schweren Unstimmigkeiten zwischen Gregorios und der Konzilsmehrheit die Rede ist, die einen Bruch unvermeidlich machten, und es anschließend heißt: Έντενϋεν έξέκλεπτον έκ μέσου πόδα. Αήλον δέ· και γαρ οίκον άντηλλαξάμην, Έλκων έμαντόν έκ βυ&ών έκκλησίας, Πόρρω κακών τε και λόγων και συλλόγων. 1
So das bei Joannes Damaskenos erhaltene Fragment der Kirchengeschichte des Theodoras Anagnostes, abgedruckt unter den übrigen Theodorosfragmenten
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kirche noch über die des konstantinopolitanischen Episkopeion etwas Genaueres sagen. Jedenfalls sind die literarischen Bezeugungen archäologisch noch nicht bestätigt worden1. Und noch eine zweite wichtige Peststellung bezüglich der äußeren Bedingungen, unter denen die Konzilsarbeit vonstatten gehen sollte, läßt sich mit ausreichender Sicherheit treffen: Abgesehen von jener Eröffnungsaudienz war der Kaiser nach allem, was wir über den Ablauf dieses Konzils wissen, bei keiner Sitzung persönlich zugegen. Schon gar nicht hat er die Leitung der Verhandlungen „selbst in höchsteigener Person" übernommen2. Vielmehr wird er sich zwar stets haben auf dem laufenden halten lassen. Auch hat er wahrscheinlich hinter den Kulissen versucht, auf den Gang der Verhandlungen Einfluß zu nehmen. Fest steht, daß er sich während der ganzen Dauer des Konzils in der östlichen Hauptstadt aufgehalten hat 3 . Das wird auf die Bedeutung schließen lassen, die er diesem Konzil beimaß, wie auch darauf, daß er sich schwerlich mit einer bloßen Zuschauerrolle begnügte. Doch daß er sich so massiv in die Beratungen eingeschaltet haben sollte wie etwa Konstantin auf dem nikäischen Konzil, ist so gut wie ausgeschlossen4. Darüber hinaus deutet auch nichts darauf hin, daß sich der Kaiser wie Theodosius II. in Ephesos oder das kaiserliche Paar Markian und bei Migne (MPG 86, 225A). R . Janin, L a geographie ecclesiastique de l'empire byzantin, Teil I : Le siege de Constantinople et le patriarcat oecumenique, Bd. I I I : Les 6glises et les monasteres, Paris 1953, 108f. 396, macht auf eine noch spätere, gleichwohl von ihm f ü r wahrscheinlicher gehaltene Überlieferung aufmerksam, wie sie in der Vita Stephanos' des Jüngeren begegnet (MPG 100, 1144C). Danach h ä t t e sich das Konzil von 381 nicht in der Homonoiakirche, sondern in der bek a n n t e n Irenenkirche nahe der Hagia Sophia versammelt. Allein, ob diese Nachricht mehr Vertrauen verdient als die — ohne Frage irrige — Mitteilung, die im gleichen Zusammenhang über den Tagungsort des nikäischen Konzils gemacht wird? 1 Beide Bauwerke sind deshalb bei Schneider wie auch im Bildatlas von v a n der Meer-Mohrmann, 1959, K a r t e 37, nicht aufgeführt. Schultze meinte freilich, die Homonoiakirche habe westlich des Hafens Julians (Schultze, 73), das Episkopeion hingegen in unmittelbarer Nähe der Sophienkirche gelegen (Schultze, 187). Doch brachte er keinerlei Belege bei. Bei seiner Bestimmung der Lage des Konstantinopler Episkopeion wird es sich vermutlich u m eine Kombination gehandelt haben, die von der — wohl irrigen — Voraussetzung ausging, daß auch zu dieser Zeit die „Sophia" die „eigentlich bischöfliche Kirche" gewesen sei. Janin, 333 (vgl. auch 61), f ü h r t zwei weitere Nachrichten über die Homonoiakirche an, einmal Evagrios Scholastikos I I , 13 (MPG 86, 2540C—2541A), wonach sich die Homonoia südlich des F o r u m Tauri befunden hätte, zum andern die Notitia dignitatum (ed. Seeck, 1875, 236f.), die diese Kirche in der neunten Region, also im modernen Stadtteil Vlanga, lokalisierte, was allerdings mit der Angabe des Evagrios k a u m zu vereinen ist. 2 Schwartz, Bischofslisten, 1; vgl. auch Bischofslisten, 85. 3 Die Nachweise s. bei Rauschen, 90ff., sowie bei Ensslin, 30f. 33. 36. 4 Siehe dazu unten S. 230£f.
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Pulcheria in Chalkedon durch Beamte habe vertreten lassen, daß er also wenigstens indirekt die Leitung der Verhandlungen in der Hand gehabt hätte. Sondern es geht aus den Quellen eindeutig hervor, daß die Leitung der Synode bei den Bischöfen selbst lag. Und zwar war es, wie nicht anders zu erwarten, zunächst Meletios, der als der unbestrittene Führer der das Konzil tragenden Partei auch formell als Konzilspräsident fungierte1. Freilich werden die Synodalen über das Konzilspräsidium vom Kaiser bestimmte Instruktionen erhalten haben. Anders gesagt, ist die Tagesordnung wohl vorher mit Theodosius abgesprochen worden2. Daß er sie ihnen jedoch förmlich „vorgeschrieben" habe3, dürfte um so unwahrscheinlicher sein, als es in Fragen des Themas der Verhandlungen ebensowenig eines kaiserlichen „Diktats" oder auch nur Nachdrucks bedurft haben wird wie bei der Frage der Bestellung des Meletios zum Konzilspräsidenten 4. Daß dem so war, daß also das Konzil in seinen Beratungen und Entscheidungen weniger einem kaiserlichen Diktat als einfach dringenden kirchlichen Erfordernissen entsprach, zeigte sich sofort bei der ersten Frage, die es zu entscheiden hatte und die in den Quellen unter die Hauptgründe seiner Einberufung wie auch der vorzeitigen Ankunft des Meletios in Konstantinopel gerechnet wird5, nämlich der Regelung der Konstantinopler Bischofsfrage. Was es damit auf sich hatte und inwiefern diese Frage dringend einer Entscheidung bedurfte, erfordert eine etwas weiter ausgreifende Erklärung. 1 Gregorios Nazianzenos, carm. hist. X I , 1514ff.; Gregorios Nyssenos, „Leichenrede auf den großen Meletios" (MPG 46, 852C. 856B и.о.). Die Nachfolger des Meletios im A m t des Konzilspräsidenten waren der Nazianzener u n d nach dessen Demission Nektarios (s. u. S. 56. 113). Bei Sozomenos V I I , 7, 3, werden die „führenden Gestalten" auf dem Konzil genannt, u n d zwar Timotheos von Alexandreia, Meletios, Kyrillos von Jerusalem u . a . m . Das gleiche wird gemeint sein, wenn es in den Akten von Chalkedon von der Konstantinopler Synode der „150 V ä t e r " gelegentlich heißt, auf ihr seien „ f ü h r e n d " gewesen Nektarios, Timotheos, Meletios, Helladios von Kaisareia, Kyrillos „ u n d die übrigen" (Schwartz ACO 11,1,2, 53). Daraus wird in den — auch sonst voller I r r t ü m e r steckenden — „Libelli synodici" (bei Mansi I I I , 595—600) der blanke Unsinn, daß die genannten Bischöfe, nach einem libellus sogar im Verein mit dem Kaiser, die „ E x a r c h e n " bzw. die „Vorsitzenden" des Konzils gewesen seien, d a ß sie sich also in dessen Leitung geteilt h ä t t e n ! Diesen I r r t u m scheint auch die — im übrigen über die Synode von 381 völlig zutreffend berichtende — Chronik des Georgios Monachos geteilt zu h a b e n (ed. de Boor, I I I , 1904, 574—576). 2 Auf eine solche Absprache zwischen dem Kaiser u n d den maßgeblichen Konzilsteilnehmern deutet neben anderem die nachträgliche Einladung der „Ägypter u n d Makedonen" hin (s. u. S. 97ff.). 3 So von Campenhausen, Ambrosius, 59. 1 Zum Problem der Beteiligung des Kaisers a n der Durchführung des Konzils s. u. S. 230ff. 6 Sokrates V, 8; Sozomenos V I I , 7, 1; vgl. auch Sozomenos V I I , 3, 5. 6.
Die Konstantinopler Bischofsfrage
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Man hat mit Recht gesagt, daß das Schicksal der Kirche von Konstantinopel in einzigartiger Weise die kirchliche Situation im Ostreich widerspiegele1. Hier war es, wo sich schon zu Konstantins Zeiten, vor allem aber seit dem Herrschaftsantritt des Konstantius, der kirchenpolitische Kurs der Kaiser zuerst und so gründlich auswirkte wie kaum irgendwo sonst. Seitdem sich kurz nach dem Tode Konstantins der damals führende Bischof der Ostkirchen und Hauptgewährsmann des Kaisers, Eusebios von Nikomedeia, an Stelle des Nikäers Paulos auf den Thronos der östlichen Hauptstadt hatte wählen lassen, war die Leitung der Konstantinopler Kirche, von kurzen Unterbrechungen abgesehen, fest in der Hand der arianisierenden Hofpartei. Vollends während des Episkopats des Eudoxios (360—369) und seines Nachfolgers Demophilos (369—379/80) konnte der Sieg des staatlicherseits allein anerkannten homöischen Bekenntnisses in Konstantinopel als nahezu vollständig gelten. Die Zahl der Nikäer, die seit der endgültigen Vertreibung des Paulos ohne Bischof, bald sogar auch ohne eine einzige Kirche waren, nahm fast von Tag zu Tag ab. Bis zum Ende der Ära des Valens war diese Gemeinde auf einen kümmerlichen Rest zusammengeschrumpft. Nach der Schilderung eines Zeitgenossen2 ,,war es eigentlich kaum mehr eine Herde, sondern nur noch eine kümmerliche Spur, ein (armseliges) Überbleibsel einer Herde, das ohne Ordnung, ohne Bischof und ohne Zusammenhalt war und weder über freie Weide noch über einen Stall verfügte, . . . hierhin und dorthin verstreut und verschlagen, wo man gerade ein Dach sowie eine Weide fand und froh sein mußte, sich einigermaßen durchstehlen zu können". Erst die Katastrophe des Valens sowie das Toleranzedikt Gratians eröffneten auch dieser Gemeinde freundlichere Perspektiven und gaben ihr die Möglichkeit, sich neu zu konstituieren. Diese Möglichkeit scheint sie auch umgehend wahrgenommen zu haben. Wohl schon Ende 378 sah sie sich nach einem fähigen Mann um, der imstande wäre, den Neuaufbau zu leiten und an ihrer Spitze den Anspruch auf den Konstantinopler Thronos anzumelden, von dem in sicherer Aussicht stand, daß er die längste Zeit mit einem „Arianer" besetzt war. Die Wahl „einer stattlichen Schar von Hirten und Schafen"3 — wohl auch aus der näheren und ferneren Umgebung Konstantinopels — fiel auf den besten Theologen und Redner und überhaupt den wohl repräsentivsten Mann, der aus den Reihen der „Jungnizäner" genannten Orthodoxen des außerägyptischen Orients im Augenblick zur Verfügung stand, Gregorios von 1
Hefele-Leclereq II, 1, 1. Gregorios Nazianzenos, or. 42, 2 (MPG 36, 460A); vgl. auch carm. hist. XI, 573ff. 583ff. 3 Gregorios Nazianzenos, carm. hist. XI, 596; vgl. auch dessen autobiographisches Gedicht „An sich selbst und über die Bischöfe", 8iff. (MPG 37, 1172A). 2
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Nazianzos. Dieser erhielt damit die schwierigste, aber auch ehrenvollste Aufgabe seines Lebens, obwohl er schon vorher bewiesen hatte, daß er eigentlich für die große Kirchenpolitik so wenig Begabung wie Neigung besaß. Vor Jahren nämlich hatte ihn Basileios in den Kampf um die Durchsetzung seiner Metropolitangewalt in Kappadokien einsetzen wollen und ihn zu diesem Zweck zum Bischof des unbedeutenden Nestes Sasima geweiht (372). Darüber wäre es zwischen den beiden Freunden fast zum Bruch gekommen. Jedenfalls vermied Gregorios, empört über diesen Akt der „Herrschsucht" seines Freundes, jede Berührung mit der ihm „zudiktierten" Kirche 1 und zog sich schwer verstimmt nach dieser „unfreiwilligen" Bischofsweihe in die Einsamkeit zurück. Später ließ er sich nur widerwillig dazu bewegen, seinem Vater in der Verwaltung des kleinen nazianzenischen Bistums zu helfen, indem er dort gleichsam als Koadjutor fungierte, ohne daß ihn jedoch „eine offizielle Bestallung band" 2 . Durch des Vaters baldigen Tod von diesen Verpflichtungen entbunden, verstand er es zu verhindern, daß er mit dessen Nachfolge betraut wurde, und entwich erneut in die geliebte Einsamkeit, diesmal in die Nähe des kilikischen Seleukeia 3 . Hier erreichte ihn der Hilferuf aus Konstantinopel. Es ist ihm wohl zu glauben, wenn er sagt, er habe lange gezaudert, ehe er sich entschloß, diesem Ruf zu folgen. Dabei wird eine nicht unbedeutende Rolle gespielt haben, daß sein Entschluß die ausdrückliche Billigung des Freundes Basileios erfuhr 4 , der gerade noch die ersten Zeichen der langerwarteten Wende in der Kirchenpolitik des Reiches miterlebte, ehe er, kurz vor dem Sieg seiner Sache, starb. Gregors Zaudern war diesmal um so berechtigter und die Bestärkung durch den Freund daher um so willkommener, als die neue Aufgabe schier Übermenschliches zu verlangen schien. Galt es 1
Er hat dort nach seinen eigenen Aussagen „Gott nicht ein einziges Opfer gebracht, nicht ein einziges Mal mit dem Volk gebetet und nicht einem einzigen Kleriker die Hände aufgelegt" (carm. hist. X I , 530—532; s. dazu Gallay, Vie, 115f.). Noch Jahre nach dem Tod des Basileios hat er diesem seine „Treulosigkeit", in der er rückschauend — übrigens nicht ganz ohne Recht! •— die Ursache für die ganze „Anomalie" und „Verworrenheit" seines weiteren Lebens erkannte, nicht vergessen können: so selbst in der einige Jahre später, wahrscheinlich am 1. Januar 382 gehaltenen Gedächtnisrede auf Basileios (or. 43, 58—60, MPG 36, 569C—576 A, bes. 573 A); zu dieser Bede s. F. Boulenger, Gregoire de Nazianze, Discours funebres en l'honneur de son fröre Cesaire et de s. Basile de Сёзагёе, Paris 1908, sowie Gallay, Vie, 214ff.; zu Sasima s. St. Giet, Sasimes. Une meprise de saint Basile, Paris 1941. 2 Gregorios Nazianzenos, carm. hist. X I , 541 f. 3 Ibidem 526—549. 4 Es heißt in der erwähnten Gedächtnisrede auf den toten Freund unzweideutig, sein Entschluß, nach Konstantinopel zu gehen, sei ούδ' από γνώμης εκείνφ τφ γενναίφ της άληΰείας άγωνιστή erfolgt (or. 43,2: MPG 36, 497 Α) Danach ist Schwartz GS IV, 94 Α. 2, zu korrigieren.
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doch nicht nur, eine nikäische Gemeinde in Konstantinopel überhaupt erst wieder ins Leben zu rufen, und das unter denkbar ungünstigen Bedingungen. Vielmehr wird es auch zu ihm in die Einsamkeit Kilikiens gedrungen sein, daß sein künftiger Hauptwiderpart, der „Arianer"Bischof Demophilos, auch nach dem Tod seines kaiserlichen Protektors einstweilen nicht gesonnen war, das Feld zu räumen, sondern noch immer uneingeschränkt Herr der Lage und durchaus imstande war, die Massen an sich zu fesseln und notfalls zu Gewalttätigkeiten gegen etwaige Konkurrenten zu mobilisieren. Das zeigt, daß Demophilos nicht einfach eine willfährige Kreatur des Valens gewesen war, sondern daß es ihm an eigener Überzeugung wie auch an entschiedener Überzeugungskraft durchaus nicht fehlte. Und bis zu seiner unfreiwilligen Abdankung und der Ausweisung aus Konstantinopel im November 380 hören wir nichts davon, daß seinen Wirkungsmöglichkeiten etwa seitens der kaiserlichen Beamten Grenzen gesetzt worden wären. Im Gegenteil scheint es ihm selbst nach dem Einzug des Theodosias in der Hauptstadt noch an zahlund einflußreichem Anhang in den Hofkreisen Konstantinopels nicht gefehlt zu haben 1 . Erst nach dem Tod des Basileios wird Gregorios in der Hauptstadt eingetroffen sein 2 , wo er fürs erste im Haus von Verwandten Unterkunft fand 3 . In einem als Hauskapelle eingerichteten Raum dieses Hauses sammelte er auch — in aller Heimlichkeit zunächst — die Reste der alten Nikäergemeinde 4 . Denn wie erwähnt, stand für die erste Zeit eine Kirche nicht zur Verfügung. Doch die bescheidenen Verhältnisse, die er antraf, und die widrigen Umstände, unter denen er seine Arbeit aufnahm, vermochten ihn nicht in seiner Entschlossenheit zu beirren, diesmal wirklich sein Bestes zu geben, um die in ihn gesetzten Erwartungen nicht zu enttäuschen. Der Erfolg ließ auch nicht lange auf sich warten. Denn der ungünstige Eindruck, den seine äußerlich wenig imposante und von seinen Gegnern auch weidlich verspottete Erscheinung hervorrief 5 , wurde bald wettgemacht durch seine überragende Redekunst, die auch Widerwillige in ihren Bann zog und seine Predigthörerschaft ständig vergrößerte®. Zahlreiche Predigten sind uns aus jener Zeit erhalten, 1
Dies geht m.E. eindeutig aus or. 42,26 (MPG 36, 492A) hervor, wo es vom περί τον βασιλέα Φεραπευτικόν καΐ οΐκίδιον heißt: „ob es dem Basileus treu ist, weiß ich nicht; Gott jedenfalls ist es weithin ungehorsam" (Θεώ δέ τό πλείον απιοτον)! Vgl. auch or. 42,23 (485B/C). Zum Fortleben des Arianismus in Konstantinopel s. etwa Schultze, 76f. 2 So Gallay, Vie, 136 Α. 2. 3 1 Gregorios Nazianzenos, or. 27, 17 (MPG 35, 1249B/C). Ibidem. 5 Gregorios Nazianzenos, carm. hist. XI, 696—702; vgl. or. 33, 8 (MPG 36, 224 С—225A). β Gregorios Nazianzenos, carm. hist. XI, 1113—1145. Hiernach fanden sich unter Gregors Kanzel selbst „Glaubensfremde", also Heiden ein.
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darunter vor allem die berühmten fünf „Theologischen Reden", die, im Sommer und Herbst des Jahres 380 gehalten dem Nazianzener bekanntlich den Ehrennamen des „Theologen" eingetragen haben. Allein, wenn es Gregorios auch gelang, sich gegenüber teilweise äußerst massiven Anfeindungen seitens fanatisierter Mönchshaufen, des großstädtischen Pöbels und — öffentlicher Damen zu behaupten, die „sich handgreiflich für die Gewerbeschädigung durch den Frömmler" rächten2, wie auch mancherlei Schwierigkeiten in der eigenen Gemeinde, die vielfach späteren Auseinandersetzungen auf dem Konstantinopler Konzil präludierten3, einigermaßen Herr zu werden, so wird doch die Vorherrschaft der Antinikäer noch keineswegs gebrochen gewesen sein, als Theodosius in der Hauptstadt eintraf4. Allerdings mindert das nichts an seiner Leistung, die der Kaiser denn auch gebührend honorierte. Gregorios wurde als Anwärter auf den Konstantinopler Thronos unbedenklich anerkannt und erhielt die Kathedrale der Stadt, die Apostelkirche6, zugesprochen, in die ihn Theodosius einen Tag nach der unfreiwilligen Abdankung des Demophilos unter starkem militärischem Geleit selber einführtee. 1
Zum Text dieser Reden or. 27—31 nach Mignescher Zählung s. A. J . Mason, T h e five Theological Orations of Gregory of Nazianzus, Cambridge 1899; zu deren Datierung s. vor allem Thaddäus Sinko, De traditione orationum Gregorii Nazianzeni I / I I , Meletemata Patristica I I / I I I , K r a k a u 1917—1923, sowie Gallay, Vie, 181 ff. 2 Dallmayr, 107. Zu diesen Anfeindungen s. vor allem Gregorios Nazianzenos, carm. hist. X I , 652—678; or. 33, 5 (MPG 36, 220C—221 В ) ; or. 23, 5 (MPG 35, 1156B bis 1157A); vgl. ferner carm. hist. X I , 1442—1474. 3 Gregorios Nazianzenos, carm. hist. X I , 679ff., u n d or. 22, bes. 13 (MPG 35, 1145BC); s. dazu unten S. 62. 4 Noch immer war er nämlich auf jene Hauskapelle angewiesen, die auch schon seine Anfänge in Konstantinopel erlebt h a t t e u n d die den symbolisch gemeinten N a m e n „Anastasia" trug. Seine Gemeinde m u ß also dort noch immer Platz gefunden haben. Zur „Anastasia" s. neben carm. hist. X I , 1079f., u n d or. 42, 26 (MPG 36, 489 B) vor allem das schöne Gedicht „ T r a u m von der Anastasiakirche" (MPG 37, 1254—1261). 5 Das d ü r f t e Ullmann, 153 ff., zur Gewißheit gemacht haben. Noch immer wird freilich die irrige Ansicht Tillemonts wiederholt, nach der es sich u m die Sophienkirche handelte: s. Schultze, 72; G. Misch, Geschichte der Autobiographie I, 2, 1950 3 , 620. 627; Hauser-Meury, 168, A. 359. Zur Apostelkirche s. Eusebs „Leben Konstantins", IV, 58—60 (MPG 20, 1209A—1212B = GCS 7, 141 f.; A. Heisenberg, Grabeskirche u n d Apostelkirche 2, 1908; Schneider, 52f.; Schultze, 13ff.; R . Janin, L a geographic ecclesiastique de l'empire byzantine, I l e partie, tome I I I , Paris 1953, 46ff., und R . Krautheimer, Zu Konstantins Apostelkirche in Konstantinopel, Mullus. Festschrift Th. Klauser ( = J A C Erg. Bd. 1), 1964, 224ff. " Zum D a t u m (27. November 380) s. Rauschen, 76. Die Schilderung des Einzugs in die Apostelkirche a n der Seite des Kaisers ist der H ö h e p u n k t im autobiographischen Gedicht des Nazianzeners (carm. hist. X I , 1305—1395) u n d zugleich ein großartiges Zeugnis f ü r dessen Darstellungskunst.
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Von dieser plötzlichen Wendung der Dinge zwar aufs innerste bewegt, doch nicht geblendet, widerstand Gregorios der Versuchung, den mittels manifester Unterstützung des Kaisers errungenen Sieg dadurch zu besiegeln, daß er sich, dem Drängen seiner begeisterten Anhänger folgend, nun auch sogleich zum Bischof installieren ließ. Sondern er bestand darauf, daß die endgültige Entscheidung der Bischofsfrage dem für die allernächste Zeit erwarteten Konzil vorbehalten blieb. Auch der Kaiser1 wie der einige Wochen später eingetroffene Meletios werden sich diesem Wunsch haben beugen müssen, der ja auch um so begreiflicher war, als Gregorios bereits zum Bischof von Sasima geweiht war und seiner Inthronisation in Konstantinopel somit die nach wie vor gültige, wenn auch in den Wirren der zurückliegenden Jahrzehnte oft übergangene Bestimmung des Konzils von Nikaia entgegenstand, die die „Translationen" von Bischöfen, Presbytern und sogar von Diakonen „aus einer Stadt in eine andere" strikt untersagte2. Dies also war die Frage, die Meletios wohl sofort nach Eröffnung des Konzils zur Diskussion gestellt und ohne Umschweife in dem Sinne hat erledigt wissen wollen, daß der um die Wiederherstellung der Orthodoxie in der Hauptstadt in hohem Maße verdiente Nazianzener, der für sich sogar Konfessorenruhm in Anspruch nehmen konnte, den freigewordenen Bischofsstuhl erhielt. Sollten einige Synodale insgeheim Bedenken gehabt haben, ob Gregorios wirklich der geeignete Mann für dies verantwortungsvolle Amt sei, das ihn in den Brennpunkt der hohen und „allerhöchsten" Kirchenpolitik stellte, so werden sie sich gehütet haben, dem öffentlichen Ausdruck zu geben. Denn die Stunde gehörte dem Nazianzener und seinem allgewaltigen Fürsprecher, Meletios3. Ehe das Konzil aber zur Entscheidung schreiten und die Wahl und feierliche Inthronisation des Nazianzeners vornehmen konnte, mußte eine Affäre endgültig aus der Welt geschafft werden, die sich im Frühjahr 1 Daß dem Kaiser seit der Gründung Konstantinopels das Recht zugestanden hätte, den Bischof seiner Reichshauptstadt selbst zu bestimmen, wie Schwartz verschiedentlich behauptet (GS IV, 94. 106. 123 и.о.), jedoch, soviel ich sehe, nirgends belegt hat, davon war damals also allem Anschein nach nichts bekannt! 2 Kanon XV von Nikaia. Dieser Kanon sollte wirklich noch einmal gegen den Nazianzener gekehrt werden (s. u. S. 104). Es scheint, als sei sich Gregorios auch von vornherein bewußt gewesen, daß seinen Ambitionen auf den Konstantinopler Thronos von daher Gefahr drohe. Denn nach der Ende November oder Anfang Dezember 380 gehaltenen or. 36 (MPG 36, bes. 272 D—273 B) hat er sich gegen das Drängen seiner Anhänger, die ihn unverzüglich als Bischof der Hauptstadt installiert sehen wollten, mit dem Hinweis gewehrt, er sei bereits zum Bischof von Sasima geweiht. 3 Daß Meletios entschieden hinter der Kandidatur des Nazianzeners stand, behauptet nicht erst Theodoretos V, 8, 2, sondern das geht neben Gregorios Nazianzenos, carm. hist. XI, 1525ff., aus der Leichenrede Gregors von Nyssa auf Meletios (MPG 46, 860A) klar hervor.
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des voraufgehenden Jahres in Konstantinopel zugetragen und erneut Öl in das Feuer der Animosität gegen den ägyptischen „Papst" Petros gegossen hatte 1 . Wohl zu Beginn des Jahres 380 war nämlich aus Alexandria ein christlicher „Philosoph" namens Maximos eingetroffen2 und sofort zur Nikäergemeinde gestoßen. Das war an sich durchaus nichts Ungewöhnliches und gab zu keinerlei Argwohn Anlaß. Denn wie wir hören, war bereits zu dieser Zeit des Gregorios Ruhm weit über die Grenzen der östlichen Hauptstadt hinausgedrungen3 und fanden sich immer mehr auswärtige Besucher bei ihm ein4. Maximos konnte um so eher auf freundliche Aufnahme rechnen, als man sich von ihm erzählte, er habe sich in Alexandreia gegen den Arianer Lukios rühmlich hervorgetan und sei dafür während der Unruhen nach dem Tod des Athanasios sogar ausgepeitscht worden6. Um so peinlicher war die Überraschung, als mit einem Male alexandrinische Kleriker in Konstantinopel erschienen und eines Nachts, als Gregorios krank darniederlag, in die „Anastasia", die kleine Kapelle der Nikäergemeinde, eindrangen, um dort den heuchlerischen Gregorfreund Maximos an seiner Statt zum Bischof zu weihen. Freilich wurde das Komplott bald entdeckt, so daß Maximos samt seinen Konsekra1
Dazu, daß Alexandreia zwar politisch zum Ostreich gehörte, kirchlich aber zum „Westen" gerechnet wurde, s. die Belege bei von Campenhausen, Ambrosius, 129 Α. 1. 2 Gregorios Nazianzenos, carm. hist. X I , 721—1029; s. dazu Ullmann, 137—142; Gallay, Vie, 159ff.; Hauser-Meury, 119ff.; Ensslin, Art. Maximus (109), P W Suppl. V, 676f.; C.Lübeck, Die Weihe des Kynikers Maximus, 1907; J . Sajdak, Quae ratio inter Gregorium Nazianzenum et Maximum Cynicum intercedat. Eos X V , 1909, 18ff. 3 Vgl. Rufins Vorrede zu seiner Übersetzung ausgewählter Gregorpredigten (ed. Engelbrecht, CSEL 46, 4f.) sowie seine Kirchengeschichte X I , 9 (ed. Mommsen, GCS I X , 2 , 1014ff.); ferner Ambrosius, De Spiritu Sancto I, Prologus, § 17f. (MPL 16, 708f.). 4 Darunter Hieronymus u n d Evagrios Pontikos. W a n n Hieronymus in Konstantinopel eintraf, ob schon 379 oder erst 380, läßt sich nicht mehr mit Bestimmtheit sagen. E r blieb dort wahrscheinlich bis zum E n d e des Aufenthalts Gregors von Nazianz, d . h . etwa bis E n d e J u n i 381: s. F . Cavallera, Saint Jerome. Sa vie et son oeuvre I . I I , 1922, 20. Zum Urteil des Hieronymus über den Nazianzener s. bes. I n Jesaiam lib. I I I (MPL 24, 9 1 D ) ; De vir. ill. 117 (ed. Herding, 1924,61); ep. 60, 1 (CSEL 54, 389); ep. 62, 8 (ibid. 428f.). Dafür, daß sich Hieronymus in Begleitung seines antiochenischen Bischofs Paulinos nach Konstantinopel begeben habe, wie J . Steinmann, Hieronymus. Ausleger der Bibel, 1961, 91, will, gibt es keinen Beleg. Zum Aufenthalt des Evagrios in Konstantinopel s. seine Vita bei Palladius, Historie Lausiaca 86, 2.3 (ed. Preuschen, Palladius u n d Rufinus, 1897, 106f.). 5 Der Nazianzener h a t seinem neuen Gesinnungsgenossen denn auch eine schwungvolle Laudatio gehalten: or. 25 (MPG 35, 1197A—1225B); s. dazu Gallay, Vie, 161 ff.
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toren 1 schleunigst das Weite suchen mußte. Doch tat er dies nur, um alsbald an das kaiserliche Hoflager in Thessalonike zu eilen und sich bei Theodosius als Anwärter auf den Bischofssitz des Demophilos einzuführen, womit er freilich ebenfalls kläglich scheiterte2. Hinter dieser tückischen Aktion stand zweifellos kein anderer als Bischof Petros von Alexandreia selbst 3 . Zwar berichtet der Nazianzener, Petros habe ihn zunächst brieflich seiner Unterstützung versichert und ihn als präsumptiven Leiter der Konstantinopler Gemeinde anerkannt4. Und das ist im ersten Jahr der theodosianischen Ära, als noch nicht feststand, welche Richtung im Orient auf die Unterstützung des neuen Kaisers werde rechnen können, auch durchaus verständlich. Doch wird dann das Religionsedikt vom Februar 380, das für den Osten Petros als „Normalbischof" benannte, in Ägypten als Entscheidung des Theodosius für die „westlich"-alexandrinische Linie verstanden worden sein und als Signal zu dem Versuch gedient haben, den wichtigen Thronos der Hauptstadt unter direkte alexandrinische Kontrolle zu bringen, d.h. ihn mit einer dem Petros ergebenen Kreatur zu besetzen5. Als freilich das Werkzeug der ehrgeizigen Pläne des Alexandriners nach seiner Schlappe am Kaiserhof sich nach Ägypten zurückbegab und seinem bischöflichen Auftraggeber Szenen machte6, sagte der sich von ihm los und veranlaßte den kaiserlichen Präfekten, ihn als Unruhestifter aus Ägypten auszuweisen. Und nicht nur das, vielmehr scheinen diese bösen Erfahrungen mit Maximos den Petros auch dazu bewogen zu haben, 1 Nach Theodoretos hätte sich darunter auch Timotheos, der Nachfolger des Petros, befunden (Theodoretos V, 8, 3). Doch wird das ebensowenig zutreffen wie, daß Maximos zu allem Uberfluß auch noch Apollinarist gewesen ist (ibidem). Von beidem hören wir beim Nazianzener nichts, der es sich in seiner beißenden Polemik gegen Maximos wie auch in seinem Bericht über das Eintreffen der „Ägypter" unter Führung des Timotheos auf dem Konzil (carm. hist. X I , 1797ff.) sicher nicht untersagt hätte, davon Gebrauch zu machen. 2 Siehe Damasus, ep. 5: "Recte igitur factum est, ut quod male coeptum erat, auctoritate publica destrueretur" (MPL 13, 367A). Vgl. auch Gregorios Nazianzenos, carm. hist. X I , 1005—1014. 3 Petros hatte auch schon im Zusammenhang der von Basileios von Kasareia geführten Einigungsverhandlungen der Meletianer mit dem Westen eine höchst unrühmliche Rolle gespielt: s. Basileios, ep.266 (MPG 32, 992B—996A) und dazu unten S. 60. * Gregorios Nazianzenos, carm. hist. X I , 858—862. 5 Daß die Wendung in der Politik des Petros mit dem großen Religionsedikt des Theodosius zusammenhängt, ist schon von Seeck V, 139f., vermutet worden; vgl. auch von Campenhausen, Ambrosius, 132f., und Ensslin, Art. Maximus (109), PW Suppl. V, 67 6 f. • Nach dem Nazianzener (carm. hist. X I , 1019ff.) hat er von Petros gefordert, „ihm entweder das Bistum (sc. von Konstantinopel) zu verschaffen, auf das ihm Hoffnung gemacht sei, oder aber ihm sein eigenes abzutreten"! Doch ist das schwerlich wörtlich zu nehmen.
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dem schwer gekränkten Gregorios, der über die „Doppelzüngigkeit" des Alexandriners mit Recht empört war und unter dem Eindruck seines Mißgeschicks sogar daran dachte, sein Amt niederzulegen, die Versöhnungshand zu reichen 1 . Damit war also der Friede — wenigstens zwischen Gregorios und seinem alexandrinischen Gegenspieler persönlich — wiederhergestellt. Doch sah man sich im Orient durch dies Intermezzo in Konstantinopel erneut vor Übergriffen von ägyptischer Seite gewarnt. Außerdem war das Faktum der — wenn auch regelwidrigen — Ordination des Maximos durch Versöhnungsgesten allein nicht aus der Welt zu schaffen. Vielmehr bedurfte dieser ganze unerfreuliche Zwischenfall, der im Westen noch ein Nachspiel haben sollte 2 , der Klärung durch ein größeres kirchliches Gremium. Das wird auch die Meinung des Kaisers gewesen sein. Denn es ist schwerlich ein Zufall, wenn wir von seiner bestimmten Absicht, ein östliches Reichskonzil nach Konstantinopel einzuberufen, zum erstenmal in Verbindung mit der Maximosaffäre hören 3 . Die Synode unter Meletios hat diese Entscheidung denn auch unverzüglich getroffen und damit die Maximosaffäre für den Osten endgültig liquidiert. In einem ihrer Kanones, der wohl schon jetzt beschlossen, wenn auch erst später zusammen mit den übrigen Synodalkanones ratifiziert und dem Kaiser zur Bestätigung vorgelegt wurde, erließ sie „betreffs Maximos des Kynikers sowie der um seinetwillen (oder: unter ihm) in Konstantinopel eingetretenen Unordnung" die Bestimmung: „Weder war Maximos (selbst) je Bischof, noch ist er es jetzt; auch sind (alle), die er in den Klerus, welches (hierarchischen) Grades auch immer, aufnahm, nicht (wirklich) geweiht. Vielmehr ist alles, was mit ihm oder von ihm vorgenommen wurde, ungültig" 4 . 1
Gregorios Nazianzenos, or. 34 (MPG 36, 241—256) wird der Besuch ägyptischer Seeleute in der Anastasienkirche von Gregorios begrüßt und mit einer Rede gefeiert. Daß dieser Besuch mit Wissen und Willen des Petros geschah, wird zwar nicht direkt gesagt, ist aber wohl daraus zu erschließen, daß der Nazianzener diesen Besuch nach allem, was vorgefallen war, als Friedenszeichen willkommen hieß und mit einer sehr versöhnlichen Rede feierte, in der er auch den alexandrinischen Bischof als „neuen Petros", als dem Tode zustrebenden, kaum mehr auf Erden weilenden Greis und als dem Athanasios gleiches „Wunder Ägyptens" bezeichnete (or. 34,3. 4: MPG 36, 244A/C). Wahrscheinlich ist diese Rede einige Zeit nach der Rückkehr des Maximos nach Alexandreia, jedenfalls noch vor November 380 zu datieren; früher datiert Gallay, Vie, 17Iff. 2 S.Ambrosius, ер. 13, 3—6 (MPL 16, 950C—953 A); vgl. dazu von Campenhausen, Ambrosius, 139ff. 3 S. o. S. 35 Α. 1; vgl. auch unten S. 233. 4 Mansi III, 560: „Περί Μαξίμου τοΰ Κυνικον, και της κατ' αυτόν αταξίας της εν Κωνσταντινουπόλει γιγνομένης' ωστε μήτε τον Μάξιμον έπίακοπον η γενέσ&αι η είναι, μήτε τους παρ' αύτοΰ χειροτονηΰέντας εν οίωδήποτε βα&μω κλήρου, πάντων και των περι αυτόν και των παρ' αύτοΰ γιγνομένων άκυρω&έντων." Danach wäre freilich
Tod des Meletios
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Somit war endlich der Weg frei zur Wahl und feierlichen Inthronisation des Nazianzeners, die man auch mit gebührendem Prunk gefeiert haben wird 1 . Die Schwierigkeit mit der erwähnten Bestimmung des Konzils von Nikaia aber wäre, wenn man Theodoretos glauben dürfte, dadurch beseitigt worden, daß Meletios ausdrücklich erklärte, mit dieser Bestimmung habe man in Nikaia lediglich herrschsüchtigen Absichten vorbeugen wollen. Da der Nazianzener von solchem Verdacht jedoch frei sei, treffe auf ihn jener Kanon gar nicht zu a . Wahrscheinlicher aber ist, daß sich das Konzil über diesen Kanon entweder stillschweigend hinwegsetzte, wußte doch jedermann, daß Gregorios sein Bischofsamt in Sasima nie angetreten hatte, oder aber sich berechtigt fühlte, den Nazianzener von dieser kanonischen Bestimmung zu dispensieren 3 .
IV. Der Tod des Meletios — Auseinandersetzungen um seine Nachfolge Diese erste Phase der Konzilsverhandlungen, in der es also, wie es scheint, zu einer allseits befriedigenden Regelung der Konstantinopler Bischofsfrage kam und die durch die feierliche Inthronisation des Nazianzeners ihr glanzvolles Gepräge erhielt, wird in der Tat „der ruhigste und heiterste Zeitpunct der Synode" gewesen sein 4 . Doch fand dieser hoffnungsvolle Beginn nur zu bald ein jähes Ende. Denn es kann nur kurze Zeit nach dem Zusammentritt des Konzils gewesen sein — vielleicht handelte es sich gar nur um einige Tage 6 —, als plötzlich sein Präsident, Meletios, starb, zur großen Bestürzung nicht nur der Synodalen, sondern auch des Volkes von Konstantinopel und nicht zuletzt des Kaisers 6 . im Zusammenhang mit dem Auftauchen des Kynikers in Konstantinopel mehr passiert, als der Nazianzener nachträglich wahrhaben wollte! 1 Allerdings geht Gregorios in seinem ausführlichen Bericht über die Ereignisse in Konstantinopel über den Tag seiner Inthronisation, der doch den Höhepunkt seiner Laufbahn brachte, mit wenigen Worten hinweg (carm. hist. XI, 1525ff.; vgl aber die Leichenrede des Nysseners auf Meletios: MPG 46, 860A). Die folgenden Ereignisse hatten ihm offensichtlich die Freude an diesem Triumph gründlich vergällt. 2 Theodoretos V, 8, 2. 3 Vermutlich ist eher das erstere der Fall gewesen (so auch King, Theodosius, 36). Denn hätte sich das Konzil oder sein Präsident ausdrücklich zu dieser Frage erklärt, so wäre zu erwarten, daß sich der Nazianzener später, als man auf Grund von Kanon X V von Nikaia die Gültigkeit seiner Wahl anfocht, hierauf berufen hätte. Doch ist dies, soviel aus Gregors Bericht hervorgeht, nicht geschehen. 4 Ullmann, 167. 5 Vgl. Theodoretos V, 8, 2: ολίγου δε διελθόντος χρόνου..." (GCS 44, 287). Dasselbe ergibt sich aus Gregorios Nazianzenos, carm. hist. XI, 1573ff., und des Nysseners Leichenrede auf Meletios (MPG 46, 852C—853). 6 Gregorius Nyssenos а. а. O. (861D—864A).
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Daraufhin wurden die Sitzungen für einige Zeit unterbrochen. Denn nun verlangte die Trauer um den großen Toten nach gebührendem Ausdruck. Wie wir hören, wurde der Sarg mit den sterblichen Überresten des Meletios durch Konstantinopel geleitet, wobei die Bevölkerung der Stadt zu Zehntausenden zusammenströmte und schweigend Spalier bildete Anschließend hat man ihn wohl in der Apostelkirche aufgebahrt2, wo auch die großen Trauerfeierlichkeiten stattgefunden haben werden. Jedenfalls dürften an dieser Stätte die drei Gedächtnisreden gehalten worden sein, von denen wir hören und von denen die — zuletzt gehaltene — Leichenrede des Gregorios von Nyssa auch erhalten ist 3 . Schließlich wurde der Sarg nach Antiocheia überführt, um dort an der Stätte beigesetzt zu werden, die sich Meletios noch selbst, einer gerade damals sich verbreitenden Sitte folgend, bestimmt hatte, nämlich in dem Martyrion des hl. Babylas, zu dem nach der Rückkehr aus seinem letzten Exil im Herbst 380 von ihm selbst noch der Grundstein gelegt worden war4, Wenn wir der sehr würdigen und eindrucksvollen6 Gedächtnisrede des Nysseners Glauben schenken dürfen, so herrschte auf dem Konzil das Gefühl vor, durch den Tod des Meletios „mitten im Hafen der Hoffnung", was meint, mitten auf dem Konzil, das den langdauernden Auseinandersetzungen ein Ende machen und das Fundament zu einem dauerhaften Frieden legen sollte, „Schiffbruch erlitten" zu haben. Gerade jetzt, da man seiner am dringendsten bedurft, da es galt, des Rats zu pflegen, sei man des „Ratgebers" und „Feldherrn", des „verläßlichen Steuerruders", des „unerschütterlichen Ankers" und „guten Steuermanns" beraubt worden und treibe nun hilf- und hoffnungslos auf tobendem Meer®. 1
Ibidem (861 CD). Dies geht m . E . aus folgender Stelle der Leichenrede des Nysseners Idar hervor: „Είπατε (sc. der Gemeinde in Antiocheia zum Trost) . . . των αποστόλων τήν σνσκηνίαν . . ." (861 D); vgl. auch bereits den Anfang der Rede: ,,Ηϋξησεν ήμίν τον άρν&μον των αποστόλων ό νέος απόστολος, ο σνγκαταψηφια&εις μετά των αποστόλων . . . μακαριστός μεν ο Πατήρ ήμών, της τε αποστολικής συσκηνίας και της πρός τον Χριστόν άναλύσεως . . ." (852Α). 3 Vor dem Nyssener hatten bereits „Ephraim" und „Manasse" gesprochen und die „Wundertaten" des großen Toten erzählt (856A). Wohl zu Recht dachte Cavallera, 223, hierbei an die beiden Presbyter Flavian und Elpidios, die Meletios nach Konstantinopel begleitet hatten und die neben ihm auch in den Konstantinopler Listen erscheinen. Sie sind es wohl auch, die wenig später v o m Nyssener direkt angeredet wurden als „diese guten Jünger" (ol δε καλοί οϋτοι μα&ηταί) des Meletios (860A). * Sozomenos VII, 10, 5; s. dazu W . Eltester, Z N W 1937, 282; vgl. auch Gregorios Nazianzenos, carm. hist. X I , 1579ff., und Chrysostomos (de Montfaucon II, 518D). 6 Daß es sich hierbei u m eine „geradezu abschreckende Leistung der Predigtrhetorik jener Zeit" handele, wie Loofs, Art. Meletius, R E X I I I , 552, meinte, kann ich nicht finden. • Gregorios Nyssenos a . a . O . (852A—853B). 2
Tod des Meletios
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Wieviel daran auch immer rhetorischer Überschwang sein mag, so spiegelt sich doch in diesen Wendungen auf jeden Fall auch etwas von der einzigartigen Autorität wider, deren sich Meletios, zumal seit er, vom Konfessorenruhm umstrahlt, aus seinem dritten 1 Exil in Armenien nach Antiocheia zurückgekehrt war, unter den orientalischen Orthodoxen erfreute. Ebensowenig wird es einfach auf das Konto der bei solchen Anlässen zumal in der Antike obligatorischen Schönfärberei gehen, wenn der Redner im weiteren ein strahlendes Bild von den Tugenden des Verstorbenen entwarf, von seiner aufrechten Gesinnung, von seinem freundlichen, gewinnenden Wesen, und dabei besonders den „milden Frieden seiner Augen", das „strahlende Lächeln seiner Lippen" sowie die stets „zu freundlichem Gruß bereite Rechte" der Trauergemeinde ins Gedächtnis rief 2 . Denn daß Meletios nicht lediglich ein von der Kirchenpolitik kanonisierter Heiliger war 3 , steht wohl außer Zweifel4. Wichtiger als das Charakterbild des „unter den Kirchenfürsten jener Zeit am wenigsten durchsichtigen" Hierarchen, als der Meletios gelegentlich bezeichnet wurde 6 , ist hier indessen des Redners Urteil über die Rechtgläubigkeit des großen Antiocheners. Haben wir eben gesehen, daß die Darstellung des Gregorios von Nyssa im ganzen durchaus Vertrauen verdient, so wird der Redner gerade darin nichts als die herrschende Meinung unter den Konzilsvätern zum Ausdruck gebracht haben, daß ihm die Orthodoxie des Meletios über jeden Zweifel erhaben dünkte. All die Schwierigkeiten, die Meletios zu bestehen hatte, all die böswilligen Anzweifelungen seiner theologischen Standfestigkeit waren nach des Nysseners Urteil nichts als Ausgeburten puren Neids®. In 1 Daß Meletios seit seinem Amtsantritt in Antiocheia dreimal exiliert wurde, wird vom Nyssener ausdrücklich gesagt (857B); vgl. auch die Gedenkrede des Chrysostomos (de Montfaucon II, 519 D—521A). Wie sich dies Zeugnis vollkommen in die übrige Meletiosüberlieferung einfügt, haben Loofs, Art. Meletius, RE XII, 554—557; Ensslin, Art. Meletius, PW XV, 1, 501f., und Devreesse, 15ff., gezeigt; anders Schwartz GS IV, 54 A. 2. 2 3 Gregorios Nyssenos a.a.O. (856 A/B). So etwa Schwartz GS IV, 43f. * Wie sonst nämlich wäre die in langen Jahren der erzwungenen Trennung von ihrem Bischof glänzend bewährte Anhänglichkeit und Festigkeit seiner antiochenischen Gemeinde zu erklären ? Wie sonst auch die nach anfänglich bedeutenden Widerständen erworbene Freundschaft des Basileios, des Eusebios von Samosata u.a. oder gar die ehrliche Anerkennung, die ein ihm sowohl kirchenpolitisch wie dogmatisch durchaus fernstehender Mann wie der „Ketzerhammer" Epiphanios dem Ruf des Meletios zollte (vgl. Epiphanios, Panarion, haer. 73, 35: GCS 37, 309f.)? Siehe auch Loofs, RE 3 XII, 552f. 8 Schwartz GS IV, 43f. • Gregorios Nyssenos, Leichenrede auf Meletios (MPG 46, 856A/B); vgl. Gregorios Nazianzenos, carm. hist. XI, 1522—1524:
"Ος πόλλ' άνέτλη Πνεύματος &είου χάριν (Ei καϊ ξένη τι μικρόν έκλάπη χερί), Άγώαι λαμπροϊς την χάριν άποξέων.
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Wahrheit war der Tote in seiner Milde geradezu ein zweiter David, in seinem klug abwägenden Wesen ein zweiter Salomo, in seiner Rechtlichkeit ein zweiter Mose. Seine glaubensmäßige und sittliche Strenge machten ihn zum Jünger des Samuel, sein verzehrender Glaubenseifer zu dem des großen Elia 1 . Dies war auch der Grund, weshalb er dreimal — „selbst in der Zahl seiner Kämpfe die heilige Trinität ehrend"2 — für lange Zeit in das Exil gehen mußte, währenddessen ihm seine Gemeinde wie ein treues Weib anhing. Dies der Grund, weshalb „sich die Jungfrau nicht entehren ließ", als man sich während der Abwesenheit ihres „Bräutigams" „ehebrecherisch des unbefleckten Ehebettes zu bemächtigen" suchte3. Und schließlich sind ja die Konzilsväter selbst ein lebendiger Beweis der „Frömmigkeit" und Rechtgläubigkeit ihres „Vaters". Sie alle sind nämlich „Kinder unsres Jakob. Sie alle stammen von der Freien ab. Keiner ist illegitim, keiner untergeschoben. Denn es war nicht sein Brauch, die Kinder von knechtischer Abstammung unter die Zahl derer von edler Glaubensabkunft aufzunehmen"4! Als man nach den ausgedehnten Trauerfeierlichkeiten für Meletios zur Fortsetzung der Beratungen wieder zusammenkam, wurde Gregorius von Nazianzos als der Bischof der gastgebenden Kirche mit dem Vorsitz bei den Konzilsverhandlungen betraut6. Gegen seinen erklärten Willen 1
Gregorios Nyssenos, Leichenrede auf Meletios (MPG 46, 857C). 3 Ibidem (857B). Ibidem (857 D). 4 Ibidem (853 D). Wenn m a n dies zusammennimmt mit der betonten ehrenden E r w ä h n u n g der beiden auf dem Konzil anwesenden „guten J ü n g e r " u n d getreuen Sachwalter des Meletios während dessen langer Abwesenheit von seiner Gemeinde, nämlich der Presbyter Flavian u n d Elpidios (860A), sowie mit dem Hinweis auf den „Ehebrecher", der sich in Abwesenheit des Meletios dessen antiochenischer Gemeinde bemächtigen wollte (857 D), womit kein anderer als der Eustathianerbischof Paulinos gemeint gewesen sein dürfte, so war eigentlich von Anfang a n klar, welchen Weg der Nyssener u n d mit ihm die Mehrzahl der Synodalen beschreiten werde, sobald m a n die Verhandlungen wieder a u f n a h m . Zur Deutung des μοιχός auf Paulinos s. Cavallera, 225 Α. 1; Batiffol, 120; Bardy u n d Palanque in Fliche-Martin I I I , 288 A. 3; anders Schwartz GS IV, 54 A. 2. 6 Dies wird zwar von unsrem Hauptgewährsmann f ü r diese Phase des Konzils, dem Nazianzener selbst, nirgends ausdrücklich gesagt, wohl deshalb, weil er seine Verantwortimg f ü r die folgenden Ereignisse, die zu seiner K a t a s t r o p h e f ü h r t e n , möglichst zu verschweigen suchte. Doch fehlt es nicht a n deutlichen Hinweisen, die daran keinen Zweifel lassen, daß er der Nachfolger des Meletios im A m t des Konzilspräsidenten gewesen ist: s. Gregorios Nazianzenos, carm. hist. X I , 1739— 1744. 1766—1768, bes. aber or. X L I I , 20 (MPG 36, 481C). Zur Zeit der K r a n k h e i t u n d des Todes des Meletios scheint der Nazianzener wieder einmal k r a n k gewesen zu sein. Denn er berichtet über diese Ereignisse nur vom Hörensagen (carm. hist. X I , 1573—1582). Dies ist wohl auch der Grund, weshalb der Nyssener u n d nicht er die große Gedächtnisrede auf Meletios gehalten h a t . Von 374 a n bis zu seinem Tod ist er immer wieder, gelegentlich sogar ernstlich erkrankt (s. dazu HauserMeury, 17 A. 7). Vermutlich war er wie Basileios u n d so viele andere Asketen leberleidend. Doch m u ß er sich diesmal wieder rasch erholt haben. 2
Antiochenisches Schisma
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stellte man nun „eine Frage zur Diskussion", „die" nach seiner Meinung „am besten nicht behandelt worden wäre" 1 , was zeigt, wieviel geringer von Anfang an sein Binfluß auf die Synodalen gewesen sein muß als der seines Vorgängers. Und zwar stellte man den Antrag, daß auf dem Konzil unverzüglich über die Nachfolge des Meletios in Antiocheia beraten werden möge. Damit tauchte die leidige antiochenische Frage, an der sich in den letzten beiden Jahrzehnten in zunehmendem Maße „die ganze Oikumene" zerstritten hatte 2 und die seit langem die Hauptbelastung für das Verhältnis zwischen Ost und West bildete, auch in den Verhandlungen dieses Konzils auf, und zwar, wie sich bald zeigte, bedrohlicher denn je! Worum ging es hierbei 3 ? In der Zeit kurz nach dem nikäischen Konzil, als im Zuge der Neuorientierung der Konstantinischen Kirchenpolitik unter anderen Nikäern auch Eustathios von Antiocheia das Feld räumen mußte und nach Thrakien verbannt ward, hatten sich einige G-etreue von der „reichskirchlichen" Gemeinde abgespalten und unter Leitung eines eustathianischen Presbyters namens Paulinos eine Sonderkirche gebildet, die im wesentlichen davon lebte, daß sie mit Alexandreia und dem Westen in Kirchengemeinschaft stand. Im übrigen aber müssen diese schismatischen Eustathianer den „arianischen" Inhabern des antiochenischen Thronos wie auch den staatlichen Behörden als so harmlos erschienen sein, daß sie in dem einzigen Kirchlein, das sie in Antiocheia besaßen, stets völlig unbehelligt blieben. Anders stand es mit der „meletianischen" Gemeinde der syrischen Hauptstadt, deren Anfänge auf das Spätjahr 360 fallen 4 . Damals war der Armenier Meletios nach der Translation des Eudoxios nach Konstantinopel zu dessen Nachfolger gewählt worden. Meletios wurde bis dahin unter die Freunde des Akakios von Kaisareia, d.h. unter die Vertreter der herrschenden homöischen Partei gerechnet, und Akakios dürfte auch 1
Gregorios Nazianzenos, carm. hist. XI, 1583ff. Ibidem У. 1558. 3 Die Geschichte des antiochenischen Schismas ist auch nach der umfangreichen und in den Hauptpunkten m.E. bis heute nicht überholten Monographie Ferdinand Cavalleras, Le schisme d'Antioche, Paris 1905, noch häufig geschrieben worden. Aus der Fülle der Literatur sei nur genannt: Loofs, Art. Meletius, RE XII, 552ff.; E. Amann, Art. Melece, DThC X , l , 520—531; Schwartz GS IV, 39ff.; Bardy, Concile, passim; Ders., Antioche, Alexandrie, Constantinople (325—451), in: 1054—1954. L'ßglise et les figlises, Chevetogne 1954, I, 183ff.; A. de Mendieta, Damase, Athanase, Pierre, Melece et Basile, ibidem 261—277; Batiffol, 87—108; von Campenhausen, Ambrosius, 130ff. 155ff.; Devreesse, 17—38. Das hinderte freilich nicht, daß sich in der Literatur manche Fehlurteile fortgeschleppt haben, die durch Cavallera längst erledigt sein sollten. Hier aber kann darauf nicht eingegangen werden, sondern muß ein kurzer Bericht genügen, der die zum Verständnis der Vorgänge in Konstantinopel notwendigsten Züge herausgreift. 4 Siehe aber unten S. 66 A. 3. 2
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seine Hand bei dessen Installation in Antiocheia maßgeblich im Spiel gehabt haben. Damit ist jedoch nicht gesagt, daß Meletios je ernsthafte Neigung zu den theologischen Konzeptionen seines Freundes gefaßt und an dessen Intrigen teilgenommen haben müßte1. Das ist sogar sehr unwahrscheinlich. Zumindest hat er bald nach seiner Erhebung zum antiochenischen Bischof Schritte zugunsten der von Eudoxios unterdrückten Nikäer unternommen und seinen Anhängern einen deutlichen antiarianischen Impuls gegeben2, und das schwerlich allein aus taktischen Erwägungen, etwa aus der Absicht heraus, „einmal im Sattel", nicht gar zu sehr ins Schlepptau der herrschenden kirchlichen Partei zu geraten3! Dies aber kostete ihn seinen Bischofsthron. Nach knapp einem Monat nur 4 wurde er abgesetzt und nach Armenien abgeschoben. An seine Stelle trat der alte Gefährte des Areios, Eudoxios, dem allerdings ein großer Teil der Gemeinde den Gehorsam verweigerte. Unter Leitung der Presbyter Flavian und Diodoros, des späteren Bischofs von Tarsos, bildete sich vielmehr eine zweite Sonderkirche, die ihr Zentrum in der „Alten Kirche" Antiocheias hatte und sich immer deutlicher vom Arianismus jeglicher Observanz los- und dem Bekenntnis des nikäischen Homousios zukehrte, eine Entwicklung, die von Meletios nach seiner Rückkehr unter Julian und Jovian sanktioniert und zum Abschluß gebracht wurde. Gab es jetzt also in der syrischen Hauptstadt zwei nikäische Gemeinden nebeneinander, so zeigte sich der Weg einer Einigung, als eine alexandrinische Synode unter Athanasios das Bekenntnis beider Parteien für rechtguläbig erklärte und den Zusammenschluß der Gemeinden empfahl5. Doch wurde diese Einigung dadurch vereitelt, daß noch vor Eintreffen des Bescheids der Athanasiossynode in Antiocheia Paulinos wider alle kanonische Ordnung zum Bischof geweiht und so ein fait accompli geschaffen wurde, das für die vor allem wohl von den Meletianern gewünschte Einigung nur noch die Möglichkeit der Unterwerfung unter 1
Devreesse, 15. Vgl. vor allem das aufschlußreiche Urteil Julians Apostata über die Christologie eines der führenden Glieder der meletianischen Gemeinde Antiocheias, des späteren Bischofs von Tarsos Diodoros, wie es Facundus von Hermiane (MPL 67, 631A/B) überliefert hat, und dazu Grillmeier, 136f.: „Man wird dies Zeugnis . . . als einen Hinweis auf die Rechtgläubigkeit Diodors werten dürfen". 3 So Schwartz GS IV, 44. Schwartzens Beurteilung des Meletios als eines puren Opportunisten scheint auch Dallmayr inspiriert zu haben, wenn er schreibt: „Was seinen (sc. des Meletios) Glauben betraf, so hängte er ihn eine Zeit lang wie ein Mäntelchen nach dem Wind bei Hof, ehe er das Einschwenken auf das Bekenntnis von Nicaea für opportun erachtete" (Dallmayr, 96). 4 So die Gedenkrede des Chrysostomos (ed. Montfaucon II, 620A). 5 Athanasios, Tomos an die Antiochener (MPG 26, 796ff.); s. dazu bes. C . B . Armstrong, The synod of Alexandria and the schism at Antioch in A. D. 362, JThS X X I I , 1921, 206ff. 347 ff. 2
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Paulinos offenließ 4 Diese Möglichkeit schied jedoch schon aus Prestigegründen aus; hätte sie doch bedeutet, daß sich die Mehrheit einer verschwindenden Minderheit fügte! Vollends versteiften sich die Fronten und fühlten sich die Meletianer desavouiert, als wenig später Athanasios, der alte Vorkämpfer der nikäischen Orthodoxie im Osten, nach Antiocheia kam und nur mit Paulin Gemeinschaft pflegte. Welches die Hintergründe dieses Schrittes waren, liegt für uns im dunkeln 2 . Jedenfalls bedeutete das, da Alexandreia seit langem zum „Vikariat" Roms, zu seiner Hauptverbindungsstelle mit den übrigen Ostkirchen geworden war, zugleich die Entscheidung des Westens für Paulinos und gegen Meletios. Außerdem trat im Osten namentlich noch Zypern in Kirchengemeinschaft mit Paulinos, während es der ganze übrige orthodoxe Osten mit Meletios hielt. Sicher waren bei diesen Parteigruppierungen allerlei vordergründige, machtpolitische Rücksichten mit im Spiel. Gleichwohl werden die theologischen Gegensätze, mit denen man operierte, nicht bloß vorgeschoben worden sein. So nährte sich das Mißtrauen des Westens einschließlich Alexandreias gegen Meletios hauptsächlich aus der Tatsache, daß dieser seine Wahl zum antiochenischen Bischof Kaiser Kons t a n t i a und dessen „arianischen" Gefolgsleuten zu verdanken hatte 3 . Und dieser Makel blieb auf Meletios sitzen, auch als der Hauptakteur bei dieser Wahl, Akakios, ebenso wie Meletios selbst, längst die Wendung zum nikäischen Bekenntnis vollzogen hatte. Andrerseits war Paulinos den Meletianern eines häretischen, und zwar „sabellianisierenden" oder auch „markellianischen" Verständnisses des nikäischen Homousios verdächtig 4 . Nun war es Basileios, seit 370 Metropolit des kappadokischen Kaisareia, der sich weigerte, mit dieser verfahrenen Situation sich einfach abzu1
Nach Armstrong a.a.O. wäre die von Lucifer von Cagliari durchgeführte Ordination des Paulinos freilich nicht nur vorher mit maßgeblichen alexandrinischen Synodalen wie Eusebius von Vercelli abgesprochen, sondern auch bereits vor Abfassung des „Tomos" in Alexandreia bekannt gewesen! Zu den Gründen der Aktion Lucifers s. Harnack DG II, 262 A. 3: Lucifer war „zu ungebildet, um die sachliche Frage", die zwischen Eustathianern und Meletianern stand, „zu würdigen". Er wollte den zur Orthodoxie übergehenden Meletianern „die venia ex poenitentia nicht gewährt wissen. Es ist also ein novatianisch-donatistisches Element, das ihn bestimmt h a t . . ."! 2 Diese Entwicklung war freilich längst angelegt. Nicht nur stand Alexandreia von Anfang an mit den Eustathianern in Kirchengemeinschaft. Vielmehr hatte auch der alexandrinische „Tomos" von 362 Meletios völlig ignoriert und von seinen Anhängern als „denen in der Alten (sc. Kirche)" gesprochen, während von den Eustathianern als „unsern Geliebten um Paulinos" die Rede war (Tomos 3: MPG 26, 797 B—800A). 8 Später operierte man außerdem mit Kanon XV von Nikaia gegen die „Translation" des Meletios von Sebasteia nach Antiocheia (s. etwa den 9. Anathematismus des „Tomus Damasi": Turner EOMIA I, II, 1, 284fF.). * Siehe bes. Basileios, ep. 69, 2 (MPG 32, 432Bff.) und ep. 263,6 (ibid. 981A/B).
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finden. Während die Bedrückung der Ostkirchen durch das Zwangsregiment des Valens ihrem Höhepunkt zueilte, war es ihm zur Gewißheit geworden, daß eine Besserung der Lage nur zu erhoffen war, wenn es gelang, die Unterstützung der im ganzen „intakt" gebliebenen Kirchen des Westens zu erhalten und durch sie Kaiser Yalentinian zu einer Intervention zu bewegen. Die unumgängliche Voraussetzung dazu war aber, daß das, wie ihm schien, so unnötige wie verhängnisvolle antiochenische Schisma beseitigt wurde. Dazu gab es für ihn nur einen Weg, nämlich den, daß die ganze Nikäergemeinde in Antiocheia dem Führer der überwiegenden Mehrheit, Meletios, unterstellt wurde, dessen Rechtgläubigkeit für ihn, Basileios, der sich genauso wie Athanasios und der „stolze" römische Bischof Damasus einer untadeligen orthodoxen Vergangenheit rühmen konnte 1 , außer Frage stand. Allein, mit beiden Vorhaben traf Basileios -in Alexandreia wie im Westen auf taube Ohren. Es nützte nichts, daß er eine Delegation nach der anderen mit von Meletios und den Seinen unterschriebenen dogmatischen Erklärungen über Athanasios zu Damasus schickte. Noch im Jahre 377 scheute sich der in den Westen verbannte Bruder und Nachfolger des Athanasios, Petros, nicht, im Beisein des Damasus einem Abgesandten des kappadokischen Metropoliten gegenüber Meletios mit dürren Worten des „Arianismus" zu bezichtigen 2 . So endete der groß angelegte und durch Jahre hindurch zäh verfolgte Befriedungsversuch des Basileios mit einem totalen Mißerfolg. Und nicht nur ihn selbst hat die „Hybris" des Westens mitunter bis an den Rand der Verbitterung und Menschenverachtung getrieben. Vielmehr hat man auch im ganzen meletianischen Lager diese bösen Erfahrungen noch lange in Erinnerung behalten! Mittlerweile hatte sich die Lage in Antiocheia weiter kompliziert. Denn ein ehemaliger Kleriker der Meletianergemeinde namens Vitalis, der sich unter dem Einfluß der Lehren des Apollinarios von Laodikeia für einige Zeit dem Paulinos angeschlossen hatte, hatte sich von dieser Bindung wieder gelöst 3 und sich zum Bischof einer selbständigen apollinaristischen Kirche einsetzen lassen, der dritten also, die sich unter den antiochenischen Nikäern auftat und die zudem den Eustathianern für einige Zeit das Privileg streitig machte, von Rom anerkannt zu sein 4 . Eine Änderung trat erst ein, als Ende 378 auch Meletios aus dem Exil zurückkehren konnte und sich alsbald an das Werk machte, um durch 1 Vgl. dazu besonders das berühmte Selbstzeugnis des Basileios, ep. 223, 3 (MPG 32, 824 D—828 A). 2 Basileios, ep. 266, 2 (MPG 32, 993B/C). 3 Die Eustathianer waren entschiedene Gegner der arianisch-apollinaristischen Christologie vom Typos Logos—Sarx. Vielleicht stand dies im Hintergrund der Trennung des Vitalis von den Eustathianern. Zur Christologie des Eustathios s. Grillmeier, 124ff. 4 Dazu siehe bes. Lietzmann, Apollinaris, 9f. 16ff.
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die Neubesetzung von Bischofssitzen in Syrien wie in den angrenzenden Provinzen seine Position nach Kräften auszubauen. Danach berief er jene schon mehrfach erwähnte Synode von 153 Bischöfen nach Antiocheia und ließ sie die Übereinstimmung mit der ägyptisch-abendländischen Orthodoxie durch die Unterschrift unter eine Reihe von römischen Schreiben, die in den letzten Jahren im Osten eingegangen waren, dokumentieren. Vermutlich wollte er auf diese Weise die Aufnahme in die römische Kirchengemeinschaft geradezu erzwingen 1 ! Durch diese Demonstration der Macht und Entschlossenheit des Meletios scheint sich dann auch Paulinos veranlaßt gesehen zu haben, sich mit seinem großen Rivalen zu arrangieren und zu einem modus vivendi zu gelängen, der ihm freilich nur das konzedierte, was er schon besaß, nämlich den Bischofstitel und das ihm von Euzoios gelassene Kirchlein 2 . Daß es sich hierbei um einen „Pakt", um eine eidlich bekräftigte Abmachung gehandelt habe, wie die alten Karchenhistoriker wollen 3 , dergestalt, daß der Überlebende der beiden rivalisierenden nikäischen Bischöfe die Leitung der Gesamtgemeinde übernehmen solle, ist völlig undenkbar 4 . Diesen Lösungsvorschlag enthielt vielmehr erst ein späteres, jedenfalls wohl erst später im Orient publiziertes Schreiben der Okzidentalen an die Kaiser 5 , mit dem sich der Westen also wenigstens zu einer halben Anerkennung des Meletios durchrang. Ratifiziert worden ist dieser westliche Vorschlag allerdings vor der Abreise des Meletios nach Konstantinopel wohl nicht mehr. Nach dem, was wir über die vor seinem Tode mehrfach geäußerte irenische Gesinnung des Meletios hören®, 1
Ausgewählte Abschnitte der römischen Schreiben „Confidimus", „Ea gratia", „Illud sane miramur" und „Non nobis quidquam" samt einer nicht ganz leicht verständlichen Schlußformel und den Unterschriften der Synodalen von 379 sind erhalten in Nr. III des Codex Veronensis L X (58): s. Turner EOMIA I, 625ff., und dazu besonders Bardy, Concile; vgl. ferner Lietzmann, Apollinaris, 63ff.; Schwartz GS IV, 91ff. im Vergleich mit 67f. 71. 75f. 78f. 2 Schwartz GS IV, 91. 3 Sokrates V, 5; Sozomenos VII, 3, 4ff.; Theodoretos V, 3, 13ff. 4 Dies dürfte Cavallera nachgewiesen haben (s. Cavallera, 232fF.; anders etwa wieder Salles-Dabadie, 72). Über den Charakter der Abmachung zwischen Meletios und Paulinos sowie über deren Motiv und Zeitpunkt gehen die Meinungen der Forscher nach wie vor am weitesten auseinander. Mir scheint die oben gegebene Begründung und Datierung des sogenannten „Paktes von Antiocheia" die größte Wahrscheinlichkeit zu besitzen, ohne daß das hier in der erforderlichen Ausführlichkeit begründet werden könnte. 5 Siehe Ambrosius, ep. 12, 5 (MPL 16,949A), wo auf eine frühere westliche Intervention bei den Kaisern verwiesen wird; dazu Cavallera, 234ff.; von Campenhausen, Ambrosius, 131 A. 3; Schwartz GS IV, 91 Α. 1; vgl.auch Ambrosius, ep. 13,2 (MPL 16, 950B/C). Der westliche Vorschlag deckte sich mit Kanon VIII von Nikaia, der für die Rückkehr von „Katharern", (Novatianern) eine ähnliche Lösung vorgesehen hatte. * Gregorios Nazianzenos, carm. hist. X I , 1576f.
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war das schwerlich seine Schuld. Allerdings ist es auch nicht eben sehr wahrscheinlich, daß er sich für diesen Vergleich, der von ihm das wesentlich größere Zugeständnis erforderte, mit besonderem Nachdruck eingesetzt haben sollte! Bahnte sich mit alle dem wiederum ein Ausgleich an, so trat diese Entwicklung durch den plötzlichen Tod des Meletios erneut in ein höchst kritisches Stadium. Nun galt es nämlich zu entscheiden, ob sein Bischofsstuhl bis zum Tod auch des Paulinos unbesetzt bleiben und erst dann eine Neuwahl, diesmal aber für die Gesamtgemeinde, abgehalten werden solle, oder ob man durch die Bestimmung eines Nachfolgers für Meletios die Fortsetzung, ja Vertiefung des leidigen Schismas zu riskieren wage. Gregorios von Nazianzos war es wohl vor allem, der sich vor dem Konstantinopler Konzil mit Nachdruck und unter Aufbietung all seines Einflusses für die erste Lösung einsetzte. Wenn die Darstellung in seinem großen autobiographischen Gedicht zutrifft, so war diese seine Entscheidung längst vorbereitet1 und lag im wesentlichen fest, als die antiochenische Frage durch des Meletios Tod erneut akut wurde und gegen seinen Willen auf die Tagesordnung des Konzils kam. Danach wäre es also nicht einfach ein „unglücklicher Einfall"2, sondern die Frucht reiflicher 1 Gregorios berichtet nämlich, daß schon zu Beginn seiner Tätigkeit in Konstantinopel der Streit u m die beiden Rivalen in Antiocheia auch auf seine Gemeinde übergegriffen h a b e : s. carm. hist. X I , 679ff.; or. 22, 13: MPG 35, 1145B/C. Vermutlich gab es dort noch Reste der Gemeinde des „Altnizäners" Paulos (zu diesem s. bes. W . Telfer, P a u l of Constantinople, H T h R 43, 1950, 30ff., bes. 45ff.), deren Sympathien eher bei dem Eustathianer u n d langjährigen Schicksalsgefährten Paulinos gelegen haben werden. Die Mehrzahl der Nikäer Konstantinopels wird dagegen entschieden die Partei des Meletios ergriffen haben. Zu ihrer Enttäuschung lehnte Gregorios jedoch eine endgültige Stellungnahme in dieser Kontroverse ab. N u r mühsam gelang es ihm, d a f ü r Verständnis zu finden (s. or. 23, bes. 4: MPG 35, 1156A/B. Der hier berichtete Streit in Gregors Gemeinde, dessen Beilegung m i t dieser „Friedens"-rede gefeiert wurde, ist von Hauser-Meury, 122 A. 234, m . E . zu Recht auf das antiochenische Schisma u n d Gregors vermittelnde H a l t u n g bezogen worden; anders Gallay, Vie, 174ff.). E r meinte nämlich, daß n u r durch strikte Zurückhaltung u n d Neutralität der „Herrschbegierde" derer, die m i t der Parteinahme in diesem „Streit u m fremde Throne" sehr persönliche Absichten verbanden, der Boden entzogen werden könne. Vielleicht h a t ihn der Umgang mit Hieronymus in dieser Zurückhaltung bestärkt. Hieronymus nämlich h a t t e vor seiner Reise nach Konstantinopel aus den H ä n d e n Paulins die Priesterweihe empfangen (s. dazu Rauschen, 56) u n d war ein offener Gegner des Meletios, dessen Anhänger, die „campenses", ihm als „proles Arrianorum" galten (s. seinen Brief a n Damasus, ep. 15, 2.3; CSEL 54, 63ff.). Doch ist das eine reine Vermutung. Denn es fehlen auf seiten des Nazianzeners jegliche Äußerungen, die den Grad der I n t i m i t ä t seines Verhältnisses zu Hieronymus erkennen ließen. Daß er als Folge seines Umgangs mit Hieronymus „trotz seiner offiziellen Bindung a n Meletius mit Paulinus zu sympathisieren" begonnen habe (so J . Steinmann, Hieronymus. Ausleger der Bibel, 1961, 92), dürfte in keinem Fall richtig sein. 2
So von Campenhausen GK, 110.
Streit um die Meletiosnachfolge
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Überlegung gewesen, wenn er nun unverzüglich seine Stimme erhob und dem Vorschlag einiger Synodaler, für Meletios einen Nachfolger zu bestimmen, mit Leidenschaft entgegentrat1. Und zwar bat er seine bischöflichen Kollegen zu bedenken, daß nicht bloß das Schicksal einer Stadt, nämlich Antiocheias, auf dem Spiel stehe, sondern auch das des „ganzen großen Erdenrunds". Zugegebenermaßen gehe der Streit um zwei „Engel", d.h. um zwei Bischöfe. „Doch verdienen diese . . . nicht so viel der Ehre. Denn sie sind um so mehr Engel, je weniger sie Anlaß zum Streit geben"2. Solange der Westen einer Anerkennung des Meletios aus dem Wege gegangen sei, sei es vertretbar gewesen, hartnäckig auf der eigenen Position zu verharren und die vorgeblichen Schildwächter von Recht und Ordnung, nämlich die stolzen Westler3, ein wenig zu ärgern. Jetzt aber sei durch den Tod des Meletios die Lage völlig anders geworden. Jetzt gebe es nur eins: die vorgeschriebene Trauerzeit für den großen Toten, d.h. die Vakanz seines Thronos, bis zum Tod auch des Paulinos zu verlängern, der ja überdies selbst mit einem Bein bereits im Grab stehe. Nach dessen bald zu erwartendem Tod aber lösten sich alle Schwierigkeiten von selbst und sei der Weg frei zu einer Neubesetzung des antiochenischen Thronos unter Zustimmung des ganzen orthodoxen Volkes der Stadt. Und nicht nur dies. Vielmehr könne es auf diese Weise auch gelingen, die Einheit mit den „Fremden" wiederherzustellen. Denn wie er sehen müsse, gelte „hier der Westen als Fremde"4. In jedem Fall werde aber der schwergeprüften Stadt Antiocheia der lang ersehnte Friede geschenkt. So das Votum des Nazianzeners. Wie auf den ersten Blick zu erkennen ist, berührte es sich aufs engste mit dem Vorschlag, den mehr als ein Jahr zuvor bereits die Bischöfe des Westens in einer Eingabe an die Kaiser gemacht hatten. Und das wird kein Zufall sein. Vielmehr dürfte Gregorios von diesem Schritt der Okzidentalen Kenntnis gehabt haben. Wie sonst nämlich hätte er mit solcher Bestimmtheit voraussagen können, daß man mit dem Verzicht auf die Neubesetzung des meletianischen Bischofsstuhls „die Fremden", also die Okzidentalen, „gewinnen" werde? Doch wird er es absichtlich vermieden haben, sich darauf ausdrücklich zu berufen. Denn wie die Dinge damals lagen, hätte das schwer1
Die Rede, über die in Gregorios Nazianzenos, carm. hist. X I , 1591—1679, ausführlich berichtet wird, könnte i.w. во vor den Synodalen gehalten worden sein, wenn auch natürlich nicht in jambischen Trimetern! 8 Gregorios Nazianzenos, carm. hist. X I , 1606—1609. Zu „Engel" = Bischof s. Apc. 1.20; 2 f. und dazu E. Lohmeyer, Η N T 16, 19532, 20 (Exkurs); Kittel, ThW I, 85f.; Bauer, WB 6 , 234 (β.ν.άατήρ). 3 Damit ist sicherlich gemeint, daß sie das Verbot der „Translationen" durch Kanon X V von Nikaia als wichtiges kirchenpolitisches Kampfmittel benutzten, wovon nach Meletios vor allem auch Gregorios selbst betroffen wurde (s. u. S. 104-ff.)! 4 Gregorios Nazianzenos, carm. hist. X I , 1611—1615. 1636f.
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lieh eine Empfehlung für seinen Vorschlag bedeutet. Nun wird es ihm aber auf die „Gewinnung der Fremden", auf die Bereinigung des Verhältnisses zum Westen und die Wiederherstellung der vollen Glaubenseinheit, die er hier bezeichnenderweise nur als Nebenfrucht der Beseitigung des antiochenischen Schismas nennt, kaum weniger angekommen sein als auf die Befriedung der streitenden Parteien in der syrischen Hauptstadt selbst1. Denn seine Hochschätzung Roms und Alexandreias als der Hüter einer unverfälschten Orthodoxie war nahezu vorbehaltlos2. Trotz der achtbaren Gründe und der reichentfalteten Beredsamkeit, mit der sein Votum einherging, fand es ein für ihn niederschmetterndes Echo, nämlich eine nahezu einhellige Ablehnung! Dabei ist schwer zu entscheiden, was ihn härter traf: die „Streitsucht" und mangelnde Versöhnlichkeit der Synodalen, denen die Erhaltung der Kircheneinheit wenig zu bedeuten schien, oder der eklatante Mißerfolg, den er als Rhetor — in dieser Schwere gewiß zum erstenmal — einstecken mußte. 1 Schon die W a h l zum Bischof von Konstantinopel will Gregorios nur angenommen haben, weil er gehofft habe, so besser der Versöhnung zwischen Ost u n d West dienen zu können (s. carm. hist. X I , 1529ff.). 2 Siehe seine Gedächtnisrede auf Athanasios, gehalten a m 2. Mai 379 (or. 21: MPG 36, 1081ff.; zum D a t u m s. Th. Sinko, Meletemata Patristica I I , K r a k a u 1917, 79f.; Gallay, Vie, 149). An Rom, das „den Okzident erleuchtet", d . h . das die H a u p t s t a d t des Westreichs ist wie Konstantinopel, das „andere R o m " , die des Ostens, r ü h m t e Gregorios gelegentlich, daß es, „was den Glauben angeht, sich seit langem . . . auf dem rechten Wege befindet, den ganzen Westen in der heilsamen Lehre einigend u n d verbindend, wie es auch der Kirche ziemt, die den Vorrang vor allen h a t u n d die in Gott eine vollkommene Symphonie e h r t " (carm. hist. X I , 568—572):
Τούτων δέ πίστις, ή μεν ήν εκ πλείονος, Kai νυν ετ' εστίν εϋδρομος, την έσπέραν Πάσαν δέουσα τω σωτηρίφ λόγω, Κα&ώς δίκαιον την πρόεδρον των δλων, Όλην σέβουσαν την Θεοΰ σνμφωνίαν.
Das bedeutete n u n gewiß nicht die Anerkennung kirchenregimentlicher Prärogativen R o m s (gegen Plagnieux, St. Gregoire de Nazianze Theologien, Paris 1952, Excursus D, 407—422). Denn einmal begrenzte Gregorios den — lehrmäßig, nicht aber jurisdiktioneil gefaßten! — P r i m a t Roms auf den Westen; zum andern wird der „Vorrang" Roms „über alle (Kirchen)" nicht mit irgendwelchen römischen Traditionen begründet, sondern m i t der von R o m vertretenen vorbildlichen Trinitätslehre. Man könnte d a r u m geradezu übersetzen: „ . . . w i e es auch der Kirche ziemt, die darin allen Kirchen vorangeht, daß sie in Gott eine vollkommene E i n t r a c h t " , d . h . die volle Gleichheit der trinitarischen Personen, „ e h r t " ! Immerhin ist des Nazianzeners Hochschätzung Roms u n d Alexandreias bemerkenswert, zumal, wenn m a n sie zusammennimmt mit der Beobachtung, d a ß er in die dogmatische Standfestigkeit eines Teils seiner orientalischen bischöflichen Kollegen, auch seiner meletianischen Parteifreunde, ein nicht ebenso rückhaltloses Vertrauen gehabt zu haben scheint. U n d das vermutlich nicht erst seit seinem u n t e r dramatischen Umständen erfolgenden Bruch mit dem Konstantinopler Konzil von 381 (s. dazu u n t e n S. 253ff.).
Streit um die Meletiosnachfolge
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Seine Enttäuschung war um so größer, als er sein Votum damit bekräftigt hatte, daß er — angeblich zum Erweis der völligen Selbstlosigkeit seines Vorschlags, in Wirklichkeit aber wohl, um damit einen Druck auszuüben! — seine Demission anbot 1 . Dies Scheitern des Nazianzeners ist nicht selten als Beispiel dafür genommen worden, wie wenig in einer von Parteigeist und Selbstsucht erfüllten Welt die Stimme der selbstlosen Vernunft auszurichten vermöge 8 . Doch wird man kaum so einseitig für Gregorios und gegen das Konzil Partei ergreifen dürfen. Zumindest, wird man finden, hätte sich der Nazianzener bei nüchterner Einschätzung der Lage von vornherein über die Aussichtslosigkeit seines Vorschlags im klaren sein müssen. War doch kaum zu erwarten, daß das Konzil für einen Plan zu gewinnen sein werde, der an dem jahrelang zäh verteidigten Anspruch der Meletianer auf den antiochenischen Thronos rüttelte und außerdem den alten Quertreiber Paulinos, der schon so manchen Einigungsversuch vereitelt und die Meletianer mehr als einmal schwer brüskiert hatte, gleichsam noch belohnte 3 ! Ferner hören wir den Nazianzener sich darüber beklagen, daß für die Konzilsmehrheit die Unterscheidung in „Orient" und „Okzident" nicht bloß eine geographische, sondern — immer noch — auch eine glaubensmäßige 4 war. Damit wird gemeint sein, daß für die Meletianer in ihrer Mehrzahl — anders als für Gregorios, der das alles nur für einen Vorwand hielt 6 — die alten Bedenken gegen die „sabellianischen" oder „markellianischen" Tendenzen des Paulinos noch immer nicht ausgeräumt waren und sich auch auf die übertrugen, die mit ihm unbedenklich in Kirchengemeinschaft getreten waren, also vor allem auf die Bischöfe des „Westens". Zumindest wird sich das Selbstgefühl der Meletianer dagegen gesträubt haben, den alten kirchlichen Großmächten Rom und Alexandreia irgendein Privileg in der Orthodoxie einzuräumen. Daher wird für sie gegen den „Friedensvorschlag" des neuen Konzilspräsidenten nicht zuletzt dies gesprochen haben, daß er sich mit der sicher auch ihnen inzwischen bekanntgewordenen westlichen Petition vom Vorjahre deckte 1
Gregorios Nazianzenos, carm. hist. XI, 1661—1679. So z.B. Ulimann, 168f. 3 Wenn Gregor in seiner Abschiedsrede im Zusammenhang seiner Klagen über das antiochenische Schisma beschwörend ausrief: „Wie lange (soll man sich das eigentlich noch mit anhören:) ,der Meine und der Deine', ,der Alte und der Neue', ,der Beredtere' oder ,der Pneumatischere', . . . ,der mit dem größeren' oder ,der mit dem kleineren Anhang' . . . ?" (or. 42,21: MPG 36, 484A), so ist das gewiß auch ein Echo auf die Debatten während des Konzils gewesen. 1 Gregorios Nazianzenos, carm. hist. XI, 1660f.: Λήξις δ'έφα και δναις λόγου πλέον Τομή νομίζετ', ή τόπων και κλιμάτων. 5 Gregorios Nazianzenos, carm. hist. XI, 1564f., sowie or. 42, 16 (MPG 36, 477 A/B); carm. hist. XIII, 161 (MPG 37, 1240); ep. 136 (ibidem 232 A). 2
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und seine Annahme mithin die „Unterwerfung" unter den Westen bedeutet hätte. Diese „Zumutung" aber scheint die latente Animosität gegen die Römer und Alexandriner zum offenen Ausbruch gebracht zu haben. In dieser Erregung, so hören wir, trat das Konzil den „westlichen" Ansprüchen mit nicht minder massiven östlichen Prärogativen entgegen. Und zwar insistierten die Sprecher der Konzilsmehrheit darauf, „es müsse sich (sc. in der Kirche) alles nach der Sonne richten, d.h. dem Erdteil komme die Führung zu, in dem uns Gott in Fleischgestalt erschienen ist" 1 . Freilich suchte der Nazianzener die Unsinnigkeit dieses sogenannten „argumentum climatum" damit zu erweisen, daß „Christi Fleisch" doch wohl „die Erstlingsfrucht unsres ganzen (Menschen-) Geschlechtes" sei. Zudem sei der Erlöser ja nicht nur im „Osten" geboren, sondern ebendort auch zu Tode gebracht worden 2 . Doch was diesem gewiß problematischen Argument zugrunde gelegen haben wird, nämlich das lange Zeit schwer beleidigte, nun aber um so ungehemmter sich äußernde Selbstbewußtsein der orthodoxen Orientalen samt der leidenschaftlichen Erbitterung über die vom Westen jahrelang verfolgte Politik hochmütiger Ablehnung, war damit kaum zu treffen. Der, den die überwiegende Mehrheit der Synodalen zum Nachfolger des Meletios ausersehen hatte und den man schon gar nicht zugunsten des Paulinos um den wohlverdienten Lohn seiner mehr als zwanzigjährigen Wirksamkeit in Antiocheia 3 zu bringen gesonnen war, der Presbyter Flavian, war vermutlich als offizieller Stellvertreter seines verstorbenen Bischofs oder wenigstens als Beobachter bei diesen Verband1
Gregorios Nazianzenos, carm. hist. X I , 1691—1693: Δεϊν γαρ σννάλλεσϋ·' ήλίφ τα. πράγματα, Έντεϋϋ·εν αρχήν λαμβάνονιΤ, δ&εν &εός 'Έλαμψεν ήμίν σαρκικφ προβλήματι.
Zu solchen östlichen Prärogativen s. bereits das Schreiben der Eusebianer an Julius von Rom (339) bei Sozomenos III, 8, 4—8 (vgl. dazu Schwartz, NGG 1911, 494ff.). Femer hatte auch Meletios dies Argument in der Petition an die italischen und gallischen Bischöfe vom Jahre 372 berührt (s. Basileios, ep. 92, 3: MPG 32, 482 В ; vgl. auch ep. 243,3: ibidem, 908 B). Und „das Konstantinopler Konzil von 382 verlieh ihm offizielle Dignität" (Schwartz GS IV, 98), allerdings nur mit Bezug auf die „älteste und wahrhaft apostolische (!) Kirche von Antiocheia . . ., in der zuerst der teure Christenname gebraucht wurde", und auf die „Mutter aller (!) Kirchen, nämlich die Kirche von Jerusalem" (Theodoretos V, 9, 16. 17: GCS 44, 293f.). 2 Gregorios Nazianzenos, carm. hist. X I , 1694—1699. s Flavians Anfänge in Antiocheia fielen noch in die Ära des Bischofs Leontios (gest. 357). Auf ihn zusammen mit Diodoros gingen auch die ersten Spuren einer Spaltung in der „reichskirchlichen" Gemeinde Antiocheias zurück (s. Theodoretos II, 24, 8ff.; vgl. Sozomenos III, 20, 8. 9, und Philostorgios III, 13, und dazu Schwartz GS IV, 42f.).
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hingen persönlich zugegen. In jedem Fall wird er sich in Konstantinopel aufgehalten haben1. Außerdem waren aus dem syrischen Metropolitansprengel genügend bischöfliche Vertreter zur Stelle, so daß die Neuwahl in aller Form hätte stattfinden können. Sie nicht in Antiocheia selbst und allein von den dafür zuständigen Gremien, sondern in Konstantinopel, in Gegenwart und mit Billigung des dort versammelten Reichskonzils vornehmen zu lassen, mußte um so geratener erscheinen, als von vornherein mit lebhaften Protesten des Westens, Alexandreias wie auch der Eustathianer Antiocheias zu rechnen war. Verfuhr man aber ähnlich wie bei der Wahl des Nazianzeners, so mußte das die größtmögliche Rückendeckung für Flavian bedeuten. Und darum wird es dem Konzil zu tun gewesen sein. Demnach ist anzunehmen, daß man sich schon unmittelbar im Anschluß an die Trauerfeierlichkeiten für Meletios auf dies Verfahren einigte und Flavian bedeutete, sich in Konstantinopel zur Verfügung des Konzils bereitzuhalten, statt selbst die Überführung der Gebeine seines verstorbenen Bischofs zu übernehmen. Gleichwohl ist es — zu diesem Zeitpunkt der Konzilsverhandlungen wenigstens — nicht zu der geplanten Entscheidung gekommen. Über die Gründe sind wir nicht orientiert, sondern wiederum auf Vermutungen 1 So lehren auch die Konstantinopler Subskriptionslisten, auf die allerdings kein restloser Verlaß ist (s. u. S. 127 A. 2). Schwartz dagegen meinte, Flavian habe zusammen mit Elpidios die Überführung der Gebeine des Meletios nach Syrien geleitet (Schwartz GS IV, 54 A. 2; anders freilich Bischofslisten, 83!). Anscheinend meinte er dies der Leichenrede des Nysseners entnehmen zu müssen. Ich sehe jedoch in dieser Rede nichts, was diese Annahme nahelegte oder gar notwendig machte. D a ß sich Flavian während dieser Verhandlungen in Konstantinopel aufhielt, ist auch deshalb anzunehmen, weil andernfalls die antiochenische Frage schwerlich auf die Tagesordnung des Konzils gekommen wäre. Aus dem Bericht des Nazianzeners scheint jedenfalls hervorzugehen, daß m a n die Nachfolgefrage des Meletios auf dem Konzil zur Sprache brachte in der Absicht, es nicht bei bloßen Diskussionen sein Bewenden haben zu lassen, sondern einen definitiven Entscheid zu treffen, d . h . zur W a h l des in Aussicht genommenen Kandidaten zu schreiten. Dazu war aber selbstverständlich die Anwesenheit u n d Zustimmung Flavians erforderlich. Seine Weihe u n d Inthronisation dagegen konnte nach kanonischem Recht (s. K a n o n I V von Nikaia; K a n o n X X X von Arelate; K a n o n X I I von Laodikeia; K a n o n X I X von Antiocheia u n d K a n o n V I von Serdika) nur in Antiocheia selbst, in Gegenwart u n d mit Zustimmung der Gemeinde vorgenommen werden. Wurden auf diese Weise die ursprünglich zusammengehörigen Akte der „ W a h l " des Bischofs, d . h . der Feststellung seiner glaubensmäßigen und sittlichen Eignung, u n d seiner Weihe voneinander getrennt, so war das durchaus nichts Ungewöhnliches (s. Hinschius I I , 515). Zur Bischofswahl überhaupt s. neben Hinschius I I , 512ff., W . M. Plöchl, Geschichte des Kirchenrechts, I, 1953, 173ff., sowie die Artikel von A . A d a m , Bischof (I), RGG 3 I, 1 3 0 1 f f . ; H . Barion, Bischof (II), ibidem 1303f.; H . Urner, Bischofsweihe, ibidem 1311 f.; A. Adam, Kirchenverfassung, RGG 3 I I I ,
1533ff., bes. 1539, sowie S. L. Greenslade, Sede Vacante Procedure in t h e Early Church, J T h S NS X I I , 1961, 210—226. 5*
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angewiesen. Und zwar kann es sein, daß der Kaiser an einer Verschärfung der Spannungen mit dem Westen keineswegs interessiert war und deshalb mit dem Vermittlungsvorschlag des Residenzbischofs und neuen Konzilsvorsitzenden Gregorios sympathisierte, ohne freilich auch diesmal direkt in die Verhandlungen einzugreifen oder das Konzil unter Druck zu setzen. Denn daß der Nazianzener in dieser für ihn so wichtigen Frage die offene, fühlbare Unterstützung des Kaisers gehabt hätte, dafür lassen sich in seinem autobiographischen Gedicht keinerlei Hinweise entdecken, ohne daß ein Grund erkennbar wäre, weshalb er dies verschwiegen haben sollte1. Allein, was immer die Gründe gewesen sind, über das Ergebnis gibt es jedenfalls keinen Zweifel, darüber nämlich, daß es auf dem Konzil zunächst bei der Diskussion über die Frage der Meletiosnachfolge sein Bewenden hatte, in deren Verlauf sich allerdings bereits eine klare Mehrheit für Flavian und gegen das Votum des Nazianzeners herausgebildet hatte. Eine Entscheidung ist jedoch noch nicht getroffen worden2. V. Einigungsverhandlungen mit den „Makedonianern" Für Gregorios von Nazianzos endete der Streit um die Meletiosnachfolge, der, nach seiner Darstellung zu urteilen, von seiner wie auch von Seiten der opponierenden Konzilsmehrheit mit großer Leidenschaft ausgetragen und zeitweilig sogar von tumultuarischen Szenen begleitet wurde3, nicht nur mit einem kränkenden Mißerfolg. Vielmehr hat er dieser Kontroverse anscheinend auch eine alles andere fast überschattende Bedeutung beigemessen4, darin gefolgt von nicht wenigen modernen Historikern! Gleichwohl dürften schon die Verhandlungen, die sich wohl ohne größere Zäsur an diese Streitigkeiten über die antiochenische Frage anschlossen, keineswegs von geringerer Bedeutung gewesen sein. Zu diesem Zeitpunkt werden wir nämlich den Unionsversuch des Konstantinopler Konzils mit einer Abordnung der sogenannten „Makedonianer" anzusetzen haben 5 . 2 Zur Begründung s. u. S. 102 A. 7. Siehe dazu auch u. S. 230ff. Siehe Gregorios Nazianzenos, carm. hist. X I , 1680£f. 1 Jedenfalls ist ihr in seinem Bericht über das Konstantinopler Konzil der relativ breiteste Raum, nämlich fast ein Drittel, gewidmet. Überdies war sie ihm wichtig genug, um auch in seiner Abschiedsrede vor dem gemeinsam mit dem Hof und Gliedern der Konstantinopler Gemeinde in der Apostelkirche versammelten Konzil noch einmal ausführlich zur Sprache gebracht zu werden (s. or. 42, 20—22: MPG 36, 481С—485Α; vgl. auch Gregorios Nazianzenos, carm.hist. X I I I , 27ff. 151 ff.; XIV, 7ff.: MPG 37, 1229f. 1239f. 1245f.). 6 Über diese Einigungsverhandlungen sind wir vor allem durch Sokrates V, 8 (MPG 67, 576B—577B) und Sozomenos VII, 7, 2—5, unterrichtet. Shapland sagt mit Recht, die Bewegimg der „Makedonianer" habe „etwas von einem Mysterium 1
3
Homousianer und Homoiusianer
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Bevor wir diese Einigungsverhandlungen nach ihrem Anlaß, ihrem Verlauf und ihrem Ergebnis zu rekonstruieren versuchen, ist es jedoch erforderlich, sie in ihren geschichtlichen Rahmen zu stellen. Dazu diene ein kurzer Rückblick auf das Endstadium der trinitätstheologischen Streitigkeiten des vierten Jahrhunderts, also auf den Lehrstreit und die Lehrentwicklung in den beiden dem Konzil von Konstantinopel vorausgehenden Jahrzehnten1. Diese Endphase der arianischen Streitigkeiten ist, kurz gesagt, durch zweierlei charakterisiert: einmal durch den rasch fortschreitenden Zerfall der sogenannten „arianischen Front" in Homoiusianer, Homoier und Anhomoier und die schrittweise Annäherung der Homoiusianer an das nikäische Bekenntnis, beginnend mit der bedeutsamen Synode von Ankyra (358), auf der und mit der diese Partei zuerst hervorgetreten war2. Im Verlauf dieses Prozesses, dessen einzelne Phasen hier nicht zu verfolgen sind, fand sich bereits um 363 ein größerer Kreis um Eusebios von Samosata und den kirchenpolitisch wendigen Akakios von an sich" (Shapland, 21). Mit das Rätselhafteste an dieser „Bewegung" scheint mir zu sein, daß wir davon hören, man habe mit einer „makedonianischen" Abordnung in Konstantinopel über eine Union verhandelt. Seltsamerweise scheint man das bisher nie empfunden zu haben. Denn wo in der Literatur dieser Verhandlungen des Konstantinopler Konzils mit den „Makedonianern" gedacht wird, begnügt man sich zumeist damit, den Bericht der beiden Kirchenhistoriker zu paraphrasieren so, als bereite es nicht die geringsten Schwierigkeiten, diesen Bericht mit der übrigen Überlieferung über das Konstantinopler Konzil in Einklang zu bringen und die Konstantinopler Verhandlungen mit den „Makedonianern" in ihren geschichtlichen Zusammenhang, also in die Geschichte der Beziehungen zwischen Homousianern und „Makedonianern" einzuordnen, soweit sie uns bekannt ist: Vgl. etwa Rauschen, 99; Hefele-Leclercq II, 5. 10; Swete, 185; Batiffol, 118f.; Bardy, Macödonius, 1474; Gallay, Vie, 199; Lietzmann GAKIV, 32; Meinhold, Pneumatomachoi, 1086; Bardy und Palanque in Fliche-Martin III, 286f.; Kelly, Creeds, 341; King, Theodosius, 37. Jedenfalls stellen diese Einigungsverhandlungen für den Historiker des Konstantinopler Konzils mit das schwierigste Problem dar. Man müßte vor ihm wohl kapitulieren, wäre man tatsächlich, wie allgemein angenommen wird, allein auf die Nachrichten des Sokrates und des Sozomenos angewiesen. I n Wirklichkeit aber findet sich in dem großen autobiographischen Gedicht des Nazianzeners ein bisher kaum beachteter Passus, der sich schwerlich anders denn als Echo auf eben diese Verhandlungen mit den „Makedonianern" deuten läßt (s. u. S. 253ff.). Zwar beschränkt sich der Autor hier stärker als sonst, namentlich als im voraufgehenden Bericht über die Kontroverse um die antiochenische Frage, auf dunkle Anspielungen. Das hatte wahrscheinlich seine guten Gründe! Doch sind seine Anspielungen zum Glück nicht so dunkel und unverständlich, daß ihnen nicht manch wertvolle Ergänzung und Korrektur des Berichts der beiden Kirchenhistoriker zu entnehmen wäre, ohne daß es freilich gelänge, das über diesen Verhandlungen liegende Dunkel mit ihrer Hilfe restlos aufzuhellen. 1 Vgl. dazu neben den Dogmengeschichten die Artikel von Bardy, Macödonius, 1472ff., und МеМюИ, Pneumatomachoi, 1078ff., sowie Shapland, 21 ff. 2 Siehe das Synodalschreiben von Ankyra bei Epiphanios, Panarion 73, 2—11 (GCS 37, 268—284).
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Vorgeschichte u. Geschichte des Konzils
Kaisareia nach dem Vorbild des Meletios zur Anerkennung des nikäischen Glaubens bereit, unter Einschluß des strittigen Homousios 1 . Der Kern der Homoiusianer aber, der sich nach dem Regierungsantritt Yalentinians I. (364) unter Führung des Basileios von Ankyra neu formiert hatte, sagte sich von diesen als gesinnungslose Opportunisten betrachteten „Akakianern" 2 los und beharrte auf seinem ursprünglichen, zwischen Arianismus und Homousianismus vermittelnden Standpunkt. Freilich ließ diesen Konservativen die unter Valens einsetzende, gegen sie ebenso wie gegen die Homousianer gerichtete Bedrückung alsbald ebenfalls an einer Verständigung mit den Nikäern, besonders denen des Westens, gelegen sein. So versteht es sich, daß sich schon bald verschiedene homoiusianische Synoden, darunter die für die Entwicklung dieser Partei offenbar besonders wichtige Synode von Lampsakos (365)3, günstiger über das Nicaenum zu äußern begannen. Damit war einer Gesandtschaft vorgearbeitet, die im nächsten Jahr unter Leitung des Eustathios von Sebasteia in den Westen zog, zunächst zu dem Zweck, um Valentinian über die unerträglichen Zustände im Reich seines Bruders aufzuklären und ihn möglichst für eine Intervention bei Valens zu gewinnen, dann aber auch, um eine Verständigung mit Liberius von Rom herbeizuführen. Doch kam man nur mit letzterem zum Ziel und erreichte, daß Liberius nach Vorlage einer Lehrformel, in der die Anerkennung des nikäischen Glaubens samt dem Homousios 4 ausgesprochen war, die Homoiusianer in die römische Kirchengemeinschaft aufnahm (366) s . 1 Vgl. das Schreiben dieser Synode bei Sokrates III, 25. Wenn man hier das nikäische Homousios als gleichbedeutend mit δμοιος κατ' ούσίαν und έκ της ούσίας interpretierte, so hielt man sich genau an die Deutung, die Athanasios in seiner Schrift ,,Über die Synoden usw." diesem Terminus gegeben hatte (s. dazu unten S. 292 Α. 1). Überdies könnte Schwartz im Recht gewesen sein mit der Vermutung, die „Pointe der ausdrücklich ausgesprochenen Gleichung ομοούσιος = δμοιος κατ' ούσίαν" ziele „gegen Eustathius von1 Sebasteia, Meletius' persönlichen Feind, und dessen von der Dogmengeschichte Homoeusianer genannte Parteigenossen, die behaupteten, mit δμοιος κατ' ούσίαν die richtige Mitte zwischen όμοούσιος und ανόμοιος zu halten" (Schwartz GS IV, 51)! 2 Siehe Sokrates III, 25 (MPG 67, 452B). 3 Sokrates IV, 12, im Vergleich mit IV, 4; Sozomenos VI, 11, 1. 2. 4 Nach Sozomenos VI, 10, 6, akzeptierte man das Homousios allerdings „als gleichbedeutend mit dem ομοιος κατ' ούσίαν". Der bei Sokrates IV, 12 (vgl. Sozomenos VI, 11, 1—3) überlieferte Text des Liberius vorgelegten Dokuments enthält jedoch keine derartige Limitation. Ob Sozomenos an der erstgenannten Stelle die Sammlung des „Makedonianers" Sabinos benutzte (zu dieser Quelle, aus der sowohl Sozomenos und Sokrates als auch Theodoretos geschöpft haben, s. u. S. 78 A. 2), dem die „Union von Rom" nicht in sein Konzept paßte und der darum das Resultat der in Rom geführten Verhandlungen frisierte? 6 Liberius teilte diesen Beschluß in einem ausführlichen Schreiben den Häuptern der Homoiusianer „samt dem ganzen orthodoxen Episkopat des Ostens(!)" mit (s. Sokrates IV, 12).
Pneumatomatischer Streit
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Nach Rückkehr des Eustathios und seiner Begleiter in den Osten wurden die Vereinbarungen von Rom von einer Synode in Tyana (367) lebhaft begrüßt. Ja, man dachte jetzt sogar daran, die Führer der orientalischen Homousianer zu einer Unionssynode nach Tarsos einzuladen, auf der das Nicaenum feierlich bestätigt und unter die seit Nikaia aufgebrochenen Fragen gemeinsam der Schlußstrich gemacht werden s o l l t e V a l e n s aber durchkreuzte diese Pläne und verbot die in Aussicht genommene Synode, und zwar, wie Sokrates bemerkt, auf Anraten seines „damals schier allmächtigen" Hofbischofs Eudoxios 2 . Hinter diesem steckte jedoch möglicherweise eine Gruppe renitenter Homoiusianer, die wohl von Anfang an gegen eine Verbindung mit den Nikäern waren 3 . Jedenfalls hören wir, daß diese gleich nach der Synode von Tyana, während schon die Vorbereitungen für die Unionssynode von Tarsos im Gange waren, auf einer Zusammenkunft im karischen Antiocheia (367) sich entschieden gegen das nikäische Bekenntnis aussprachen und zum sogenannten „Bekenntnis Lukians des Märtyrers", d.h. zu der in Ankyra und Seleukeia (359) bestätigten sogen, zweiten Formel der antiochenischen Kirchweihsynode von 341, zurücklenkten 4 . Doch wird diese antinikäisch gesinnte Gruppe, zu deren treibenden Kräften vermutlich schon damals Eleusios von Kyzikos gehörte 5 , zunächst nur eine Minderheit unter den Homoiusianern repräsentiert haben. Die Mehrheit scheint dagegen in den folgenden Jahren eine immer engere Verbindung mit den Homousianern angestrebt zu haben, die vielerorts bis zur vollen Kirchengemeinschaft gereicht haben soll®. Neben diesem in erster Linie wohl in kirchenpolitisch-taktischen Erwägungen begründeten Zusammenrücken zwischen Homoiusianern und Nikäern ist das zweite Hauptmerkmal der kirchlich-theologischen Lage im Orient in den Jahren zwischen 360 und 380 die Einbeziehung der Pneumatologie in die bis dahin fast ausschließlich um die zweite Person der Trinität gehenden trinitätstheologischen Streitigkeiten. Wie das Auftauchen dieser neuen Lehrfrage zu erklären ist, ist ein noch immer 1
Sozomenos VI, 12, 1—3; Sokrates IV, 12. Zu Tyana s.auch Basileios, ep. 226, 3 (MPG 32, 848B); ep. 244, 7 (MPG 32, 921A/B). 2 Sokrates IV, 12; vgl. Sozomenos VI, 12, 5. 3 So eine einleuchtende Vermutung von Loofs, Christologie, 75. 4 Sozomenos VI, 12, 4. 8 Shapland, 25 A. 46, hat es mit Recht auffällig gefunden, daß unter den Verhandlungspartnern des Liborius der Name des Eleusios fehle, obwohl dieser längst unter die anerkannten Führer der homoiusianischen Partei gerechnet wurde (vgl. Sokrates IV, 4. 6). Das aber legt die Annahme nahe, daß Eleusios von Anfang an gegen eine Verbindung mit den Homousianern opponierte. Jedenfalls hören wir nirgends davon, daß er je das Nicaenum akzeptiert hätte. Vgl. auch Loofs, Christologie, 73f. β So Sozomenos VII, 2, 2.
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nicht völlig gelöstes P r o b l e m H i e r genügt jedoch die Feststellung, daß diese Frage bereits vor 360 in Ägypten, vermutlich in Kreisen ägyptischer Pfarrkleriker und Laien, aufbrach und es Didymos 2 und sein Bischof Athanasios 3 waren, die deren weitreichende Bedeutung sofort erkannten und die ersten Schritte zu ihrer Beantwortung unternahmen. Wichtig war sodann, daß auf der Synode von Alexandreia (362) im Zusammenhang der athanasianischen Bemühungen um die Bildung einer gemeinsamen Front aller Antiarianer auch die pneumatologische Frage zum erstenmal vor einem größeren Forum zur Sprache kam. Man erklärte nämlich, nur diejenigen in die alexandrinische Karchengemeinschaft aufnehmen zu können, die sich neben der Anerkennung des nikäischen Glaubens und der Verurteilung des Arianismus jeglicher Observanz auch zur Verdammung derer bereitfänden, „die den Hl. Geist ein Geschöpf nennen und ihn von der Usie Christi trennen". Erst wo auch diese Bedingung erfüllt sei, sei der Glaube von Nikaia wahrhaft bekannt und die Abwehr vom Arianismus glaubhaft vollzogen.4 Von nun an begann man sich auch im außerägyptischen Orient ausdrücklich mit der pneumatologischen Frage zu beschäftigen Б , provoziert wohl vor allem durch die radikalen Thesen des Arianers Eunomios von Kyzikos, der in seiner „Apologie"® auch eine ausgeführte Geistlehre vorgelegt hatte und auf dessen Einfluß zusammen mit dem seines Lehrers Aefcios wahrscheinlich auch schon jene ägyptische „Bewegung" des sogenannten „Tropizismus" zurückging, die Athanasios Ende der fünfziger Jahre zur Stellungnahme gezwungen hatte 7 . Doch scheint noch bis in die Mitte der sechziger Jahre hinein die Frage der innertrinitarischen Stellung Christi nach wie vor im Mittelpunkt des Interesses und des Streits gestanden zu haben 8 . Dann aber muß sich die Lage binnen 1
Vgl. auch unten S. 293 A. 2. In seiner nur lateinisch, in der Übersetzung des Hieronymus erhaltenen Schrift „De Spiritu Sancto" (MPG 39, 1033—1086), die, wie Edeltraut Staimer sehr wahrscheinlich gemacht hat, ca. 355/358 geschrieben sein wird (vgl. Staimer, 117ff.). 3 Siehe vor allem seine Briefe an Serapion von Thmuis, geschrieben ca. 359/360 (MPG 26, 529A bis 676B; zum Datum s. Shapland, 16ff.; Lebon, Lettres, 49f.), als das „die weitere Entwicklung bestimmende Werk" (Dörries DSS, S. 5, А. 1). 1 Athanasios, „Tomos an die Antiochener", 3 (MPG 26, 797B—800A). 5 Siehe etwa die Erstlingsschrift des Basileios, „Gegen Eunomios", Buch III, geschrieben ca. 364 (MPG 29, 653—669). β Eunomios, Apologetikos (MPG 30, 836—868). Daß diese Schrift nicht ganz unversehrt erhalten ist, lehrt der Vergleich mit Basileios, „Gegen Eunomios" (MPG 29, 497ff.). 7 Über die „Tropiker" und ihr Verhältnis zu Aetios und Eunomios auf der einen, den späteren „Pneumatomachen" oder „Makedonianern" auf der anderen Seite s. bes. Shapland, 18ff., und — weniger klar und ausführlich — Lebon, Lettres, 39ff. 53ff. 8 Das lehren besonders die erwähnten Verhandlungen der homoiusianischen Delegation mit Liborius von Rom, bei denen die Pneumatologie noch nicht zur 2
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weniger Jahre geändert haben. Nicht länger blieb die Auseinandersetzung auf einzelne homousianische und anhomöische Theologen beschränkt. Vielmehr wurden ständig wachsende Kreise in den neuen Lehrstreit hineingezogen, der nun vor allem auch in die Beziehungen zwischen Orthodoxie und Homoiusianismus entscheidend hineinspielte. Namentlich Kleinasien wurde jetzt zum Schauplatz erbitterter Auseinandersetzungen über das pneumatologische Problem, die mit unverminderter Leidenschaft bis zum Zusammentritt des Konstantinopler Konzils andauerten. Das Ergebnis dieser ganzen, im einzelnen oft schwer durchschaubaren Entwicklung war, daß man vornehmlich im Umkreis der Theologie des großen Basileios mit steigender Entschiedenheit auf die Linie des Athanasios einschwenkte, d.h. mit zunehmender Deutlichkeit in der Anerkennung der Gottheit und Homousie auch des Ш. Geistes den entscheidenden Prüfstein sah, an dem sich die Hinneigung zum „Arianismus" bzw. die Abkehr von ihm erweisen mußte. Das aber brachte vor allem für die Homoiusianer, die seit der Synode von Lampsakos im mittleren Kleinasien stark verbreitet gewesen sein müssen \ eine schwere Krise mit sich, die mit dem raschen Zerfall dieser ehemals bedeutenden Partei endete. Denn selbst unter denen, die wie der langjährige Basileiosfreund Eustathios von Sebasteia anscheinend an einer Verbindung mit den Homousianern interessiert waren und sich, mit der Homousie des Sohnes leidlich ausgesöhnt, seit der „Union von Rom" durchaus meinten als Nikäer fühlen zu können, war man nur zum Teil geneigt, nun auch den weiteren Schritt zu tun und die Homousie auch des Hl. Geistes anzuerkennen. Wieviel weniger jene antinikäischen Homoiusianer um Eleusios von Kyzikos, die ihren Widerspruch gegen das nikäische Homousios selbstverständlich auch auf den Geist übertrugen. Die zeitgenössische Polemik hat diese Gegner der alexandrinischkappadokischen Pneumatologie und Trinitätslehre mit dem Schimpfwort „Pneumatomachen" belegt 2 . Nach 383 setzte sich für sie allgemein auch der Parteiname der „Makedonianer" durch 3 , ein mißverständlicher und häufig genug auch mißverstandener Name freilich. Denn Makedonios von Konstantinopel, von dem er hergeleitet ist, war zwar zur Zeit Debatte gestanden zu haben scheint, offenbar deshalb, weil von einer pneumatologischen Häresie der Homoiusianer in Rom nichts bekannt war (so Shapland, 25; Meinhold, Pneumatomachoi, 1081; anders Swete, 177). 1 Sokrates IV, 4; vgl. auch Holl, Amphilochius, 121 u.ö. 2 Der Name begegnet zuerst in der Form ,,πνενματομαχοΰντες" bei Athanasios, An Serapion I, 32; IV, 1 (MPG 26, 605 B. 637 B); s. ferner Epiphanios, Panarion 74 (GCS 37, 313ff.); Basileios, ep. 140 (MPG 32, 589A); ep. 263 (MPG 32, 980B) и.о.; Amphiloehios, „Tomos von Ikonion" (MPG 39, 96C). 8 Er wurde einige Jahrzehnte später anscheinend sogar zu deren Selbstbezeichnung (s. Meinhold, Pneumatomachoi, 1070).
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der Synode von Ankyra bis zu seinem vermutlich bald nach 360 erfolgten Tod 1 eine der führenden Gestalten unter den älteren Homoiusianern. Doch mit den spezifisch „pneumatomachischen" Anschauungen hatte er schwerlich etwas zu tun. Keinesfalls kann er der „pneumatomachische Häresiarch"2 gewesen sein, zu dem ihn die spätere Tradition in Unkenntnis der geschichtlichen Zusammenhänge hat avancieren lassen3. Eher hätte schon Eustathios der pneumatomachischen Bewegung seinen Namen zu geben verdient. Denn nach seinem unter dramatischen Umständen erfolgten Bruch mit Basileios (373/375)4 war er bis zu seinem Tode (um 377) zusammen mit Eleusios wohl der eigentliche Initiator des homoiusianischen Widerstandes gegen die Homousianer und deren „Neuerungen" hinsichtlich der Lehre vom HL Geist. Viele Anzeichen deuten darauf hin, daß es unter diesen homoiusianischen Pneumatomachen oder „Makedonianern" einen rechten Flügel gab, der jedenfalls während der Ära des Valens an der Kirchengemeinschaft mit den Nikäern festhalten wollte, jedoch die „neue Lehre" von der Gottheit. und Homousie des Hl. Geistes mit der Begründung ablehnte, diese Lehre sei weder in der Schrift noch im nikäischen Bekenntnis begründet5. Statt dessen werden es diese „Rechtsmakedonianer" mit dem Eustathios der Zeit vor 373 gehalten und den Geist „weder als Gott zu bezeichnen, noch Geschöpf zu nennen" gewagt haben®. Wie stark dieser Flügel war 1
2 Sozomenos IV, 26, 1. So Theodoretos V, 40, 8. Dazu im einzelnen Bardy, Mac6donius, 1464—1472; Shapland, 22ff.; Meinhold, Pneumatomachoi, 1066—1078; anders u . a . Kretschmar, Studien, 10f., u n d L o h s e , 68. 1 Siehe Loofs, Eustathius, 67ff. (in wichtigen P u n k t e n allerdings von Loofs selbst korrigiert: s. Loofs, Christologie, bes. 73); Schwartz GS IV, 43ff. 54ff.; Dörries DSS, bes. 28ff. 86ff. l l l f f . 5 Siehe die ausführliche Auseinandersetzung mit dem pneumatomachischen Argument des „Schweigens der Schrift" etwa in Gregorios Nazianzenos, or. 31, 1.3. 25—27 (MPG 36, 133B—137A. 160D—164C) sowie den schwerlich bloß fiktiven Einwand, den Epiphanios, Panarion haer. 74, 14, 4 (GCS 37, 332) aufgenommen h a t : „ D e n in Nikaia aufgestellten Glauben bekennen auch wir. Zeige mir doch aus ihm, daß der Hl. Geist zugleich (mit Vater u n d Sohn) zur Gottheit gerechnet wird (. . . δτι το αγιον πνενμα εν r f j ϋεότητι συναρι&μεΐταή". Die Existenz solcher „Rechtsmakedonianer" ist von Loofs, Christologie, 68f., bestritten worden, doch wohl ohne zureichenden G r u n d : Sie ist neben Epiphanios, Panarion 74, 1, 3 (GCS 37, 313) u. ö. auch vom Nazianzener (s. u. S. 77 Α. 1) sowie v o n Gregorios Nyssenos, Über die hl. Trinität (Opera 111,1, 7), u n d den neuarianischen „Sermones Arianorum" (fr. 6: M P L 13, 610C. 611A) klar bezeugt. Auch hören wir, h a t t e sich noch im J a h r e 392 Theodoras von Mopsuestia in Anazarbos, der Metropole von Cilicia I I , neben Radikalen vom Schlage des Eleusios auch m i t solchen konservativ gesinnten Pneumatomachen auseinanderzusetzen (s. P O I X , 635— 667, bes. 639ff.; vgl. auch Theodors „Katechetische Homilien", I X , 14: TonneauDevreesse, 235). 8 Siehe Sokrates I I , 45 (MPG 67, 360A/B). D a ß dies in der T a t die Auskunft der konservativen Pneumatomachen war, geht u . a . aus Gregorios Nazianzenos, or. 31,5 (MPG 36, 137 C), hervor. 3
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und wo er sein Hauptverbreitungsgebiet hatte, läßt sich kaum mehr ausmachen 1 . Doch scheint es, als habe er zugunsten jenes linken, antinikäischen Flügels unter Eleusios ständig an Einfluß verloren. Auf dessen Linie war auch Eustathios spätestens 376 offiziell eingeschwenkt. In diesem Jahr hielt er nämlich gemeinsam mit Eleusios eine Synode in Kyzikos ab, auf der er nach Basileios2 nicht nur deutlich vom Nicaenum abrückte, sondern sich auch die „Lästerungen" des Eunomios gegen den Hl. Geist zu eigen machte, also den Geist als ein dem Sohn subordiniertes Geschöpf bezeichnete. Inwiefern es sich hierbei nur um eine polemische Verunglimpfung seitens des Basileios handelt, wie man verschiedentlich angenommen hat 3 , ist nicht mehr mit Sicherheit auszumachen, da uns die Formel von Kyzikos ebenso wenig bekannt ist, wie sie Basileios selbst zu Gesicht bekommen hat 4 . Unwahrscheinlich ist dessen Darstellung keineswegs5. Zum mindesten wird man sich in Kyzikos erneut hinter dem „Bekenntnis Lukians des Märtyrers" verschanzt haben, dessen vage Formulierungen selbst Eunomios hätte unterschreiben können, während sie für die Annahme der vollen Gottheit des Geistes schlechterdings keinen Anhalt boten 6 . Schließlich trat der wachsende Einfluß der Kreise um Eleusios auf der Synode im karischen Antiocheia (378) zutage, die wohl als die entscheidende Sammlung der Homoiusianer nach dem Toleranzedikt Gratians anzusehen ist. Hier sprach man sich nämlich erneut für das „lukianische" und gegen das nikäische Bekenntnis aus, was freilich auch den 1 Allem Anschein nach gehörten die Pneumatomachen Konstantinopels, mit denen sich der Nazianzener auseinanderzusetzen hatte, mindestens zum Teil dem „rechten" Flügel der „Makedonianer" an (s. Gregorios Nazianzenos, or. 41,8: MPG 36, 4 4 0 В ; vgl. auch or. 31,1. 2. 5. 13. 24: MPG 36, 133B/C. 137C. 148B/C. 160C). 2 Basileios, ep. 244,9 (MPG 32, 924B). 3 So früher Loofs, Eustathius, 77 A. 2; 78 A. 2 (anders Christologie, 73); jetzt wieder Meinhold, Pneumatomachoi, 1084. 4 Siehe Basileios a.a.O. 6 Einmal scheint nämlich erwiesen zu sein, daß die Homoiusianer u m Eleusios während der ganzen Regierungszeit des Valens lebhafte Beziehungen zu der homöischen Hofpartei unterhielten (s. Loofs, Christologie, passim). Zum andern lernen wir beispielsweise in dem Werk des Didymos „Über den Hl. Geist" Pneumatomachen kennen, deren Beeinflussung durch die Anhomöer unbezweifelbar ist (s. etwa Didymos, Über den Hl. Geist, 6 . 7 . 1 3 . 6 2 : MPG 39, 1037C—1039B. 1045 B — 1 0 4 6 В . 1084B — 1 0 8 5 A ; vgl. dazu Shapland, 33f.). Vgl. auch die Charakterisierung der Pneumatomachen („Moabiter und Ammoniter") bei Gregorios Nazianzenos, or. 42,18 (MPG 36, 480 A)! β Der „III. Artikel" dieser Formel lautet ( s . H a h n §154, S. 185; Lietzmann, Symbole, 28f.; Kelly, Creeds, 268ff.): „Kai εις τό πνεύμα τό αγιον, τό εις παράκλησιν και άγιασμόν και τελείωσιν . . . διδόμενον". Des weiteren wird die eigene Hypostase und τάξις (!) und δόξα (!) des Hl. Geistes ausgesagt und betont, daß Vater, Sohn und Geist „rfj μέν νποατάσει τρία, Tfj δέ συμφωνίφ εν" seien.
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definitiven Zerfall der homoiusianischen Partei besiegelt haben wird. Denn wir hören davon, daß sich ein Teil der Synodalen weigerte, diese Radikalisierung — und darum, handelte es sich unter den obwaltenden Umständen bei der Rückkehr zum ursprünglichen homoiusianischen Standpunkt in der T a t ! — mitzumachen, und sich in noch engere Gemeinschaft mit den Homousianern begab. Dagegen sagten die auf dieser Synode offenbar in der Mehrheit befindlichen „Linksmakedonianer" die seit 366 formell noch immer bestehende Union mit den Homousianern auf und schlossen sich zur eigenen Kirchengemeinschaft zusammen 1 . Die Homousianer blieben die Antwort auf diese Entwicklung nicht schuldig. Vielmehr erkannte beispielsweise Basileios in seinem langjährigen Freund Eustathios nun, da sich dieser immer unverhüllter auf die Seite der Antinikäer schlug, einen der gefährlichsten Feinde der Kirche und forderte in einem Sendschreiben des orientalischen Episkopats an die Bischöfe des Westens dessen Ausschluß aus der römischen Kirchengemeinschaft und seine namentliche Verurteilung als des „Protagonisten der pneumatomachischen Häresie" 2 . I m gleichen Sinne stellte eine Synode im lykaonischen Ikonion (376) unter Leitung des Basileiosschülers Amphilochios die Pneumatomachen mit Anhomoiern und „Arianern" zusammen und drohte ihnen an, sie würden zusammen mit den Arianern verdammt werden 3 . Ebenfalls wird sich die große Meletianersynode von Antiocheia (379) in ihrem verlorengegangenen Tomos zur Homousie des Hl. Geistes bekannt und die Pneumatomachen anathematisiert haben 4 , wie überhaupt Meletios — schon wegen seiner persönlichen Feindschaft gegen den ehemaligen Rivalen in Sebasteia, Eustathios — einer der schärfsten „Antimakedonianer" gewesen sein dürfte 5 . Nicht anders galten aber auch etwa dem Nazianzener die An1
Sokrates "V, 4; Sozomenos VII, 2, 4. Mit eigenen Ordinationen sind die „Makedonianer" freilich erst, soviel wir wissen, u m 387 hervorgetreten (s. Gregorios Nazianzenos, ep. 202; MPG 37, 332 A). Doch scheint sich diese Entwicklung bereits zu Lebzeiten des Eustathios angebahnt zu haben (s. Basileios, ep. 130: MPG 32, 664B/C, und dazu Dörries DSS, 106f.). 2 Basileios, ep. 263, 3 (MPG 32, 977B—980B). 3 Siehe Amphilochios, „Tomos von Ikonion" (MPG 39, 93 B—97 C). Zum Datum dieser Synode s. Holl, Amphilochius, 25 A. 2. 4 Das ist einmal aus den Angaben des Synodalschreibens v o n Konstantinopel 382 über diesen Tomos (Theodoretos V, 9, 13: GCS 44, 293), zum andern aus einem Kanon zu erschließen, der im „Kanonikon" des Palladios von Amasia als Dekret der „150 Väter" von Konstantinopel (s. dazu auch unten S. 123 Α. 1) erhalten ist und folgenden Wortlaut hat: ,,Πάντας τους μη ΰεολογοΰντας την όμοούσιον τριάδα κατά τον έν Άντιοχείφ έκτε&έντα τόμον, πνευματομάχους χρήναι καλείν" (Text bei Turner, Canons, 167). 5 Diese Feindschaft datierte seit dem Ende der fünfziger Jahre, als Meletios v o n einer vermutlich homöischen Synode in Melitene an Stelle des abgesetzten Eustathios zum Bischof von Sebasteia, der Metropole v o n Armenia I, gewählt
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schauungen selbst der gemäßigten Pneumatomachen, die für ihn den „zweiten Rang (sc. nach den Arianern) in der Gottlosigkeit einnehmen"1, als unerträgliche „Blasphemie"2, und lehnte er schließlich mit ihnen jede Gemeinschaft ab3. Auf seinen Einfluß oder auf den des Meletios wird es endlich auch zurückgegangen sein, wenn Kaiser Theodosius in dem Reskript vom 10. Januar 381, über die Bestimmungen des großen Religionsedikts vom Februar des Vorjahres hinausgehend, ausdrücklich auch die Leugnung (der Gottheit und Homousie) des Hl. Geistes für antinikäisch und damit für häretisch erklärte4. wurde (s. dazu Schwartz GS IV, 43ff.). Sie wird auch bei dem Bruch zwischen Basileios und Eustathios eine Rolle gespielt haben. Doch verband sich mit dieser persönlichen Feindschaft wohl schon früh auch ein sachlicher Gegensatz. Denn indem sich Meletios zur Anerkennung des „Tomos" der Synode von Alexandreia (362) bereitfand, bekannte er sich ausdrücklich zur Unkreatürlichkeit des Geistes und seiner „Untrennbarkeit" von Vater und Sohn. Später wird ihm das volle Bekenntnis zur Gottheit und Homousie des Hl. Geistes etwa von Epiphanios bescheinigt (s. Epiphanios, Panarion, haer. 73, 34, 2—4: GCS 37, 309). Und wenn er zusammen mit Theodotos von Nikopolis bei Basileios auf den Bruch mit Eustathios drängte (s.Basileios, ep. 95. 99: MPG 32, 489C. 501A), so vermutlich (s. das Eustathios vorgelegte Bekenntnis, die „Friedensurkunde von Nikopolis" =Basileios, ep. 125, 3: MPG 32, 549A—552Α) auch wegen dessen pneumatologischer Häresie. 1 Gregorios Nazianzenos, or. 31, 13 (MPG 36, 148C). 2 Gregorios Nazianzenos, or. 34, 11 (MPG 36, 252B). 3 Gregorios Nazianzenos, or. 31, 28 (MPG 36,164C). Freilich klangen in Gregors Pfingstpredigt (or. 41) gegenüber den Pneumatomachen ganz andere Töne auf (s. bes. or. 41,6—8: MPG 36, 437A—441A). Doch stammte diese Predigt sicher aus den Anfängen Gregors in Konstantinopel (s. Rauschen, 54f. und Gallay, Vie, 146ff., mit völlig überzeugenden Argumenten), nicht aber, wie man noch immer lesen kann, von Pfingsten 381, also aus der Zeit des Konstantinopler Konzils (so etwa Bardy und Palanque in Fliche-Martin III, 287; Dörries DSS, 27: or. 41 später als or. 31!). Vielleicht erklärt sich der deutliche Wandel in Gregors Stellung zu den Pneumatomachen von or. 41 zu or. 34 und vor allem zu or. 31 so, daß sich auch unter den Pneumatomachen Konstantinopels ein verstärkter Einfluß des Eleusios und seiner „linksmakedonianischen" Richtung geltend machte (s. Gregorios Nazianzenos, or. 31, 1: MPG 36, 133B: Bei den Pneumatomachen ist schwer zu sagen, wo sie mit den Arianern einsgehen und wo nicht! Vgl. damit or. 41,6—8) und sich unter diesem Einfluß auch hier die ursprünglich engen Bande mit der Nikäergemeinde (s. Sozomenos VII, 2, 2) lösten (Zur Zeit von or. 41 haben allem Anschein nach noch Pneumatomachen unter Gregors Kanzel gesessen, zu der von or. 31 aber offenbar nicht mehr). Freilich wäre auch ohne dies von Gregorios aus sicher eine Trennung erfolgt, da er schwerlich gewillt war, den „verirrten Brüdern" (or. 41, 8: MPG 36, 441A) auf die Dauer das Bekenntnis zur vollen Gottheit und Homousie des Hl. Geistes zu erlassen. * Codex Theodos. XVI, 5, 6 = Codex Justin. I, 1, 2: " . . . Is autem Nicaenae adsertor fldei . . . accipiendus est, qui . . . spiritum sanctum, quem ex вшито parente rerum speramus et accipimus, negando non viclat"! Nimmt man dies zusammen mit dem Bekenntnis zur "incorruptae trinitatis indivisa substantia, quae Graecis adsertione verbi ουσία recte credentibus dicitur" (ibidem), so bedeutete das positiv die Anerkennung der Homousie des Geistes (gegen King, Theodosius, 35,
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Hält man sich diesen Hintergrund vor Augen, so nimmt sich die Nachricht von Einigungsverhandlungen des Konstantinopler Konzils mit einer Abordnung der „Makedonianer" zunächst vollkommen rätselhaft aus. Bestanden doch nach allem auf Seiten der das Konzil tragenden meletianischen Partei nicht anders als auf der der „Makedonianer" um Eleusios wenig Voraussetzungen zu einem aussichtsreichen „Unionsgespräch". Überdies fügt sich diese Nachricht nur schwer in das Bild ein, das sich bisher über die kirchenpolitischen Absichten des Kaisers wie auch über die Vorgeschichte des Konstantinopler Konzils, seine Zusammensetzung und Bestimmung gewinnen ließ. Denn es deutete bisher alles darauf hin, daß es auch im Sinne des Kaisers die Aufgabe dieses Konzils sei, den Sieg der orientalischen Orthodoxie machtvoll zu demonstrieren, über die nachnikäischen Häresien das Anathem zu verhängen und so die Grundlage zu schaffen für die von Theodosius in Angriff genommene Neuordnung der kirchlichen Verhältnisse im Orient. Dagegen gab es bislang keinerlei Anzeichen dafür, daß auch an solche Einigungsverhandlungen gedacht sei, in denen also die lang umstrittenen Lehrfragen noch einmal zur Diskussion gestellt werden sollten1. Gleichwohl müssen diese Einigungsverhandlungen in Konstantinopel tatsächlich stattgefunden haben, wie immer es dazu kam und was auch ihr Rahmen und Verlauf gewesen sein mag2. Und zwar dürften sie nicht, der es bemerkenswert findet, d a ß hier weder das nikäische Homousios a u f g e n o m m e n , noch die L e u g n u n g der G o t t h e i t des Geistes als der Nicaena fides widersprechend g e b r a n d m a r k t sei. Beides ist sehr wohl der Fall). 1 Anders H a r n a c k D G I I , 273 A. 2, w o n a c h т а л „ n a c h der Art, wie die Synode z u s a m m e n b e r u f e n w a r " , „ n i c h t zweifeln" könne, „ d a ß es ursprünglich auf eine E i n t r a c h t s f o r m e l m i t d e n Macedonianern abgesehen w a r " . Ähnlich urteilt a u c h Kelly, Creeds, 305. Doch k a n n dies Urteil n u r a u s einer isolierten B e n u t z u n g der Berichte des Sokrates u n d des Sozomenos gewonnen sein. A n den übrigen Quellen hingegen d ü r f t e es schwerlich einen R ü c k h a l t h a b e n . 2 Zwar l ä ß t sich n i c h t m e h r ausmachen, woher Sokrates u n d Sozomenos ihre diesbezüglichen I n f o r m a t i o n e n bezogen h a b e n , ob aus K o n s t a n t i n o p l e r Lokalüberlieferungen, wie sie auch sonst i m W e r k dieser beiden in der östlichen H a u p t s t a d t lebenden u n d schreibenden Kirchenhistoriker reichlich herangezogen worden sind, oder a u s ihrer H a u p t q u e l l e f ü r die Geschichte des „Makedonianismus", der Συναγωγή των συνοδικών des „Makedonianer"-Bischofs Sabinos v o n H e r a k l e i a (s. d a z u L i e t z m a n n , A r t . Sabinos, P W 2. R . , 2. H b d . , 1599f.; zur R e k o n s t r u k t i o n der verlorenen S a m m l u n g Sabins s. die — „nicht i m m e r geglückten" [Lietzmann а . а . O.] — Versuche v o n Geppert, Die Quellen des Kirchenhistorikers Socrates Scholasticus, Studien zur Geschichte der Theologie u n d der K i r c h e I I I , 4, 1898, 82—111; P . Batiffol, Sozomene et Sabinos, B y Z V I I , 265—284; G. Schoo, Die Quellen des Kirchenhistorikers Sozomenos, 1911, bes. 109—134), was n u r d a n n ausgeschlossen wäre, wenn es tatsächlich als erwiesen gelten k ö n n t e , d a ß das W e r k des Sabinos u m 378 v e r f a ß t wurde, wie m a n seit Batiffol allgemein a n n i m m t . Doch h ä n g t Batiffols D a t i e r u n g aufs engste z u s a m m e n m i t der sicher irrigen Voraussetzung, d u r c h die auch sein ganzer R e k o n s t r u k t i o n s v e r s u c h belastet ist, d a ß es sich nämlich bei Sabins S a m m l u n g u m ein „dossier a r i e n " handele (Batiffol, B y Z V I I , 273).
.Makedonianer" in Konstantinopel
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wie man nach dem Vorgang des Sokrates und des Sozomenos allgemein annimmt, den Auftakt des Konzils gebildet haben, sondern in die Zeit gefallen sein, als G-regorios von Nazianzos den Konzilsvorsitz innehatte, genauer, als ihm über die Kontroverse um die Frage der Meletiosnachfolge die Zügel bereits merklich aus der Hand geglitten waren1. Ferner ist die Initiative beim Zustandekommen und bei der Durchführung dieser Verhandlungen ohne Zweifel dem Kaiser zuzuschreiben. Schließlich h a t es nach Sokrates in Konstantinopel noch bis 428 eine „makedo" manische" Gemeinde mit eigenen Kirchen gegeben (s. Sokrates V I I , 31), so d a ß die beiden Kirchenhistoriker ihre Informationen über die Einigungsverhandlungen in Konstantinopel 381 auch aus mündlicher Überlieferung der konstantinopolitanischen „Makedonianer" bezogen haben könnten, was zur Dürftigkeit u n d Fehlerhaftigkeit ihres Berichts sehr gut p a ß t e ! Doch wie dem auch sein m a g : was die Faktizität der von ihnen berichteten Verhandlungen anlangt, so unterliegt ihre Vertrauenswürdigkeit wohl keinem Zweifel, zumal ihr Bericht in diesem P u n k t im großen autobiographischen Gedicht des Nazianzeners eine Bestätigung zu finden scheint (s. Gregorios Nazianzenos, carm. hist. X I , bes. 1708f. 1710f. 1737f. [im Vergleich mit or. 42, 18] 1762f., u n d dazu im einzelnen unten S. 253ff.). 1 Gregorios Nazianzenos, carm. hist. X I , 1739—1744. Nach Sokrates u n d Sozomenos fanden diese Verhandlungen s t a t t , bevor das Konzil mit der Wahl Gregors z u m Bischof f ü r Konstantinopel in seine eigentliche Tagesordnung eintrat. Darin folgt ihnen die Mehrzahl der Forscher: s. u . a . Loofs, Art. Arianismus, R E II 3 , 43; Batiffol, 119; Lietzmann GAK IV, 32; B a r d y u n d Palanque in Fliche-Martin I I I , 287; Meinhold, Pneumatomachoi, 1086; Kelly, Creeds, 341; King, Theodosius, 37; Stürmer, 37. Rauschen dagegen setzte sie zwischen der Wahl des Nazianzeners u n d dem Tod des Meletios an (Rauschen, 99), ohne diese Datierung freilich näher zu begründen. Ebenso Hefele-Leclercq I I , 10, nach denen diese Verhandlungen später, nämlich nach der Demission Gregors u n d vor der Wahl seines Nachfolgers stattgefunden h ä t t e n . Gegen die übliche Ansetzung dieser Verhandlungen vor dem eigentlichen Konzilsbeginn spricht m . E . folgendes: Wenn es, wie m a n m i t Recht allgemein annimmt, Meletios zuzuschreiben ist, daß ursprünglich nur seine Anhänger zum Konstantinopler Konzil eingeladen wurden (s. o. S. 38f.), während m a n die Ägypter und ihren Anhang im Orient überging, so ist es k a u m vorstellbar, d a ß sich der Antiochener mit der Zulassimg auch von „Makedonianern" einverstanden erklärt haben sollte. K a n n doch gar keine Rede davon sein, daß ihm diese „wenigstens früher e i n m a l . . . nahegestanden h a t t e n " (so Lietzmann GAK IV, 32). Zumindest trifft das auf Eustathios u n d dessen engsten Vertrauten während der letzten J a h r e , Eleusios von Kyzikos, nicht zu. Wahrscheinlich wird aber auch die Mehrzahl der Homoiusianer mit dem „Akakianer" (s. Sokrates I I I , 25) u n d grimmigen Gegner des Eustathios Meletios nie auf gutem F u ß gestanden haben. Außerdem gibt es in der Leichenrede des Nysseners ebensowenig wie in dem Bericht Gregors von Nazianz auch nur den geringsten Hinweis darauf, daß die fraglichen Verhandlungen unter der Ägide des Meletios stattgefunden hätten, ohne daß m a n zu sagen wüßte, w a r u m die beiden Gregore dies verschwiegen haben sollten. Folglich d ü r f t e es so gut wie ausgeschlossen sein, daß die von Sokrates u n d Sozomenos angenommene Chronologie stimmt, während f ü r die Ansetzung der Unionsverhandlungen mit den „Makedonianern" nach den Streitigkeiten auf dem Konzil über die Frage der Meletiosnachfolge wohl ein hoher Grad von Wahrscheinlichkeit in Anspruch genommen werden k a n n (s. dazu auch unten S. 82 Α. 1), zumal sie m . E . a n Gregorios Nazianzenos, carm. hist. X I , 1739ff., einen Rückhalt h a t .
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Zumindest hatte Theodosius hierbei allem Anschein nach seine Hand fühlbarer im Spiel als bei den übrigen Konzilsberatungen1. Was freilich Theodosius zu dieser Einladung bewogen hat, darüber erfahren wir so gut wie nichts, nämlich lediglich dies, er sei der Hoffnung gewesen, die „Makedonianer" mit den „Seinen", d.h. mit der „katholischen Kirche" vereinigen zu können2. Woraus er aber diese Hoffnung schöpfte, bleibt im dunkeln. War sie nicht durch die ganze, dem Konstantinopler Konzil voraufgegangene Entwicklung von vornherein als illusorisch erwiesen? Kam der Plan einer Union mit den „Makedonianern" nicht rund zehn Jahre zu spät? Freilich wird es, wahrscheinlich auch in Konstantinopel selbst, noch immer nikäisch gesinnte Pneumatomachen gegeben haben. Und es kann sehr wohl sein, daß sich diese für die noch ungeübten Augen des Kaisers „in dem anstehenden Lehrstreit nur unbedeutend (von den homousianischen Nikäern) unterscheiden"3 und bei ihm den Eindruck erweckten, als bedürfe es nur weniger Zugeständnisse auf beiden Seiten, um die unter Liberius von Rom zustande gekommene, in den pneumatologischen Streitigkeiten aber weithin wieder zerbrochene 1
Siehe Sokrates V, 8 (MPG 67, 576 B ) ; Sozomenos V I I , 7, 2; Gregorios Nazianzenos, carm. hist. X I , bes. 1709. Überdies scheint sich so auch die „Dunkelheit" der Anspielungen in dem ganzen Passus Gregorios Nazianzenos, carm. hist. X I , 1703ff., zu erklären, die nach der Ausführlichkeit u n d Unverblümtheit, mit der Gregorios unmittelbar vorher über die Kontroversen auf dem Konzil über die antiochenische Frage berichtet, u m so auffälliger ist u n d daher einen besonderen Grund gehabt haben m u ß . Zudem: auf wen sonst sollte die Entscheidung, zu den Konzilsberatungen auch „Makedonianer" hinzuzuziehen, zurückgegangen sein, wenn nicht auf den Kaiser? Gewiß nicht auf den Nazianzener! Denn der h a t t e sich von der Nutzlosigkeit von Verständigungsversuchen mit den Pneumatomachen inzwischen selbst überzeugen können. F ü r ihn wird zu dieser Zeit nur noch ein entschlossenes Vorgehen der Staatsgewalt gegen diese Häretiker in Frage gekommen sein. Bezeichnend ist sein zwei J a h r e später an den Prätorianerpräfekten Postumianus gerichteter Brief, in dem er unter Bezugnahme auf das geplante „Religionsgespräch" von Konstantinopel (Juni 383) schreibt, es müsse staatlicherseits alles getan werden, u m die Kirchen zu befrieden, ,,κ&ν dir] σφοδρότερον έπιτιμήσαι τοις ατασιάζουαιν" (ер. 173: MPG 37, 284В)! Scheiden aber Meletios u n d der Nazianzener u n d mit ihnen wohl auch Gregorios von Nyssa, Amphilochios u n d die anderen maßgeblichen Synodalen aus, so fragt m a n sich vergebens, wer die „kirchlichen R a t g e b e r " gewesen sein sollen, die nach Bardy, Macedonius, 1474, den kaiserlichen Unionsplan konzipieren u n d verwirklichen halfen. Freilich hören wir noch u m 376, also während die pneumatomachischen K ä m p f e bereits ihren H ö h e p u n k t erreicht h a t t e n , von kleinasiatischen Homousianern, die den Lehrgegensatz zu den „Makedonianern" oder doch wenigstens zu deren nikäischem Flügel nicht f ü r kirchentrennend u n d unüberwindlich hielten (s. Basileios, ep. 244. 245. 250: MPG 32, 913 A. 924A—С. 932A—C). Doch daß es auch unter den Konstantinopler Synodalen von 381 solche wohlmeinenden Vermittler gab, dafür fehlen m . Б . jegliche Anzeichen. 2
Sokrates V, 8 (MPG 67, 576 B); Sozomenos V I I , 7, 2; vgl. auch King, Theodosius, 27: " . . . there was good hope of reconciling t h e m " . 8 Sozomenos a . a . O .
.Makedonianer" in Konstan.tin.opel
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Kirchengemeinschaft zwischen Homousianern und „Makedonianern" wiederherzustellen und dadurch die Basis für die angestrebte Neuordnung der orientalischen Reichskirche auf der Grundlage des nikäischen Glaubens nicht unbedeutend zu erweitern. Es ist sogar nicht ausgeschlossen, daß der Anstoß zu einer Verständigung überhaupt von solchen ,, Rechts makedonianern" ausging, die, aufgeschreckt durch das Kaiserreskript vom 10. Januar dieses Jahres, bei Theodosius vorstellig geworden sein könnten, entschlossen, sich von der neuen kirchenpolitischen Entwicklung nicht kampflos auf die Seite der Verlierer drängen zu lassen. Sollte das der Fall gewesen sein, so dürften sie beim Kaiser für ihren Vorschlag offene Ohren gefunden haben, unter der einen Bedingung freilich, daß bei dem vorgeschlagenen Einigungsversuch an den Grundlagen seiner Kirchenpolitik, d.h. an der Wiederherstellung der orientalischen Kircheneinheit auf nikäischer Basis, nicht gerüttelt werde. Wird Theodosius doch vom Nazianzener — vielleicht gerade im Bück auf sein Verhalten gegenüber den „Makedonianern" — bescheinigt, daß er nicht willens war, „die Gegenwart der jüngst vergangenen Zeit anzugleichen und die Schäden der Zeit mit (Mitteln) der Zeit zu beheben", was wohl meint, daß der Kaiser nicht gedachte, in die Bahnen seines Vorgängers Valens zurückzulenken und sich zur Durchsetzimg seiner kirchenpolitischen Absichten auf die Wirkung staatlicher Machtmittel zu verlassen1. Völlig rätselhaft bleibt dann freilich, daß uns als Vertreter der pneumatomachischen Seite bei den Konstantinopler Verhandlungen ausgerechnet Eleusios von Kyzikos und der sonst nicht weiter bekannte Markianos von Lampsakos zusammen mit über dreißig Bischöfen vornehmlich aus den Städten am Hellespont genannt werden2, bei denen es sich vermutlich ausschließlich um Vertreter des linken, antinikäischen Flügels der „Makedonianer" handelte3. So war eigentlich von Anfang an zu erwarten, daß es mit ihnen — selbst unter kaiserlichem Druck — kaum zu einer Verständigung kommen werde, zumal dem Wortführer der pneumatomachischen Delegation, Eleusios, eine „durch eine einmalige erzwungene Zustimmung zu einer arianischen . . . Formel . . . nur gesteigerte Überzeugungstreue" nachgesagt wurde4. Das läßt wohl darauf schließen, daß es sich bei der Einladung dieser „makedonianischen" Delegierten nach Konstantinopel um einen „einsamen Entschluß" des Kaisers handelte, der auch nicht einmal nachträglich den Rat theolo1
Gregorios Nazianzenos, carm. hist. XI, 1288f.; s. dazu unten S. 225f. Sokrates a.a.O.; Sozomenos a.a.O. Dafür spricht ihr Verhalten während der Verhandlungen wie auch ihre Charakterisierung durch den Nazianzener (or. 42, 18: MPG 36, 480A; s. dazu unten S. 262). * Loofs, Christologie, 74, unter Berufung auf Sokrates IV, 6; Sozomenos VI, 8, 5—8. 2
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gischer Sachverständiger eingeholt zu haben scheint, als er sich bereits definitiv entschieden hatte, einen friedlichen Ausgleich mit den Pneumatomachen anzustreben, und es darum ging, die „makedonianischen" Teilnehmer für das geplante Unionsgespräch zu benennen1. Sind also die Umstände, unter denen es während des Konstantinopler Konzils zu einem Unionsversuch mit den „Makedonianern" kam, nicht mehr restlos aufzuhellen, so sehen wir hinsichtlich des Verlaufs dieser Unionsverhandlungen erheblich klarer. Und zwar scheint Theodosius mit dem Zustandekommen dieser Verhandlungen seine Aufgabe keineswegs als erfüllt betrachtet zu haben. Vielmehr hat er höchstwahrscheinlich auch über deren Verlauf gewacht, ohne sich freilich direkt einzuschalten2, und veranlaßt, daß die Verhandlungskommission des Konzile3 „nichts unversucht" ließ, „um die Leute um Eleusios zu gewinnen". So hören wir4, habe man sie an die Gesandtschaft erinnert, die sie seinerzeit unter Eustathios zum römischen Bischof Liberius geschickt hatten, und ihnen vorgehalten, daß sie noch vor nicht allzulanger Zeit von sich aus mit den Nikäern in Kirchengemeinschaft getreten seien. Es sei doch nicht recht, wenn sie sich einmal mit den Orthodoxen in einmütigem Glauben zusammenfänden, dann aber diese Gemeinschaft, zu der sie ja niemand gezwungen habe, wieder aufkündigten und von dem, was sie einst selber als richtig erkannten, plötzlich nichts mehr wissen wollten. 1 Anders war sein Verhalten bei dem „Religionsgespräch" von Konstantinopel 383 (Sokrates V, 10; Sozomenos V I I , 12, 1—12; s. dazu u n t e n S. 227), das zwar ebenfalls auf seine Initiative zurückgegangen zu sein scheint, bei dessen Vorbereitung u n d Durchführung er jedoch in ständiger Fühlung mit Nektarios von Konstantinopel u n d dessen Ratgeber, dem Novatianerbischof Agelios, stand. Ist das aber richtig, handelte es sich also bei der Einladung der „Makedonianer" u m einen „Alleingang" des Kaisers, so dürfte unsre Ansetzung dieser Unionsverhandlungen im Anschluß an die Streitigkeiten auf dem Konzil über die Frage der Meletiosnachfolge weiterhin an Wahrscheinlichkeit gewinnen. Denn in diesem Stadium m u ß t e es dem Kaiser verhältnismäßig leicht sein, seinen Unionsplan auch gegen etwaige Widerstände seitens der Konzilsleitung durchzusetzen u n d die Synodalen zu Verhandlungen mit den vermutlich kurzfristig herbeizitierten „Makedonianern" zu bewegen, was ihm u n t e r der Ägide des Meletios vermutlich erheblich schwerer gefallen wäre. 2 Anders Sokrates V, 8 (MPG 67, 577A), nach dem diese Verhandlungen in Gegenwart u n d unter lebhafter Beteiligung des Kaisers stattfanden, wovon aber unsre beiden anderen Gewährsmänner, Sozomenos u n d Gregorios Nazianzenos, nichts wissen. 3 Sokrates a . a . O . u n d Sozomenos V I I , 7, 4 zufolge war das ganze Konzil a n den Debatten m i t den „Makedonianern" beteiligt. Doch k a n n m a n aus dem Bericht des Nazianzeners den Eindruck gewinnen, als h ä t t e das Konzilsplenum unter Gregors Vorsitz nur über Richtlinien u n d Basis der vom Kaiser gewünschten Einigung mit den „Leuten u m Eleusios" zu beraten u n d entscheiden gehabt, während die Verhandlungen selbst von einer Synodalkommission geführt wurden, der Gregorios anscheinend nicht angehörte (s. u. S. 263 Α. 1). * Siehe Sokrates u n d Sozomenos a . a . O .
.Makedonianer" in Konstantinopel
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Demnach wollte man die „makedonianische" Delegation dazu bewegen, sich von der Entwicklung, die ihre Partei im letzten Jahrzehnt genommen hatte, zu distanzieren und wieder auf den Boden zu begeben, auf dem es seinerzeit zur Union von Rom gekommen war. Das aber heißt, daß ihnen nur die Anerkennung des nikäischen Homousios abverlangt werden sollte, unter Ausklammerung des pneumatologischen Problems. Dies jedenfall scheint aus dem Bericht der Kirchenhistoriker Sokrates und Sozomenos hervorzugehen. Ihnen zufolge wären die Einigungsversuche auch an der alten „christologischen" Streitfrage gescheitert. Denn während die Sprecher des Konzils — wohl im Sinne kaiserlicher Direktiven — auf der Anerkennung des Homousios, d.h. dem Bekenntnis zur Homousie des Sohnes, bestanden, sollen die „Leute um Eleusios" noch weniger zu einem Kompromiß bereit gewesen sein, sondern rundheraus erklärt haben, sie wollten sich lieber zu den Arianern halten als das Homousios zugestehen. Allein, auch in diesem Punkt hat es mit der Darstellung der beiden Kirchenhistoriker schwerlich seine Richtigkeit. Denn es ist zwar nicht undenkbar, daß mit den „Makedonianern" auch über das Nicaenum, speziell über die Anerkennung seines Homousios, verhandelt wurde. Das war angesichts der Entwicklung, welche die durch Eleusios repräsentierte homoiusianische Richtimg seit den Verhandlungen mit Liberius von Rom genommen hatte, keineswegs überflüssig. Ob es auch aussichtsreich war, steht freilich auf einem andern Blatt! Doch so weit kann die Verständigungsbereitschaft des Kaisers und schon gar der führenden Vertreter des Konzils unmöglich gegangen sein, daß man den Pneumatomachen um Eleusios den großen Gefallen getan und den Hauptstreitpunkt während der letzten Jahre, nämlich die Frage nach Wesen und innertrinitarischer Stellung des Hl. Geistes, übergangen hätte. Es muß also bei den Verhandlungen mit der pneumatomachischen Gesandtschaft um mehr gegangen sein, als Sokrates und Sozomenos zu berichten wußten Wenn wir die Andeutungen im autobiographischen Gedicht des Gregorios von Nazianzos richtig verstehen, so ist auch mehr passiert. Danach hat nämlich das Konzil eine trinitätstheologische Lehrformel aufgestellt, die den nikäischen Glauben auf den neuesten Stand brachte, also vor 1 Daß der Bericht des Sokrates und des Sozomenos an diesem Punkt der Ergänzung und Korrektur bedarf, haben auch Hefele-Leclercq II, 10, Meinhold, Pneumatomachoi, 1086, sowie Kelly, Creeds, 341, bemerkt. Doch dürfte es nicht damit getan sein, daß die beiden Kirchenhistoriker dahingehend korrigiert werden, daß es in den Verhandlungen mit den „Makedonianern" natürlich um das Homousios „in dem durch die kaiserlichen Erlasse als orthodox festgestellten Sinne" (Meinhold), also nicht nur um die Anerkennung der Homousie des Sohnes, sondern selbstverständlich (so Kelly!) auch der des Hl. Geistes gegangen sei. Denn das ist, sofern wir den Nazianzener richtig verstehen, gerade nicht der Fall gewesen!
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allem um einen pneumatologischen Zusatz erweiterteг. In dieser Formel, die wohl den „Makedonianern" als Verhandlungsgrundlage präsentiert wurde, bestand nun das Konzil zwar kompromißlos auf der Homousie des Sohnes, nicht ebenso kompromißlos und ausdrücklich aber auf der des Hl. Geistes. Vielmehr war man in der Pneumatologie — wohl auf Drängen des Kaisers—bemüht, den eigenen Standpunkt nicht gerade in der für die Gegenseite anstößigsten Form durchzusetzen, um so die von Theodosius angestrebte Einigung nicht von vornherein unmöglich zu machen. Außerdem scheint es über die Frage, ob und wieweit man den Pneumatomachen entgegenkommen solle und könne, unter den Synodalen selbst zu einer lebhaften Auseinandersetzung gekommen zu sein. Und zwar war es wohl namentlich der Präsident des Konzils, Gregorios, der sich gegen jede Konzession aussprach und unerbittlich auf dem expliziten Bekenntnis zur Gottheit und Homousie des Ш. Geistes insistierte2. M t dieser Forderung wird er zwar nicht ganz allein gestanden haben3. Doch hatte er anscheinend auch in dieser Kontroverse die überwiegende Mehrheit des Konzils gegen sich. Schwerlich dachte auch nur einer unter seinen Kontrahenten daran, den Pneumatomachen goldene Brücken zu bauen und somit ihnen gegenüber das Gesicht zu verlieren. Im Unterschied zu ihrem Präsidenten glaubte aber wohl die Mehrheit, sich ernstlich nichts zu vergeben, wenn sie dem Drängen des Kaisers nachgab und in der Formulierung der umstrittenen Lehrfrage Zurückhaltung übte, in der Sache jedoch festblieb. 1 Siehe u n t e n S. 155f. 190. 253ff. Bei dieser Einigungsformel handelte es sich höchstwahrscheinlich u m daa vielumstrittene Nicaeno-Constantinopolitanum! 2 Siehe bes. Gregorios Nazianzenos, carm.hist. X I , 1774—1777, u n d dazu u n t e n S. 266f. 3 Siehe Gregorios Nazianzenos, carm. hist. X I , 1750ff. An wen wir bei denen, „die noch wenigstens über einen Anflug von Parrhesie verfügten", zu denken haben, darüber könnten die Unterschriften unter das a m 31. Mai 381 erneuerte Testament des Nazianzeners (MPG 37, 389ff.; vgl. dazu unten S. 85 A. 2) Aufschluß geben. Ist es doch sehr auffällig u n d bedarf einer Erklärung, daß sich u n t e r den Mitunterzeichnern dieses Testaments, von Amphilochios von Ikonion abgesehen, kein prominenter Konzilsteilnehmer findet. Zudem h a t Gregorios mit keinem der Mitunterzeichner außer Amphilochios u n d dem Presbyter Kledonios weder vor noch nach 381 engere persönliche Beziehungen unterhalten, wenn m a n d a f ü r seine erhaltene Korrespondenz als Maßstab nehmen darf. Endlich fehlt der N a m e eines der unterzeichnenden Bischöfe, Theodulos' von Apameia, in den Konstantinopler Subskriptionslisten, möglicherweise aus dem Grund, weil er aus Protest gegen die Annahme des Demissionsgesuchs Gregors das Konzil verlassen h a t t e (s. u. S. 108 A. 3). Daher vermute ich, daß es sich bei den Mitunterzeichnern des Testaments Gregors — von dem Presbyter Kledonios u n d vielleicht auch von Amphilochios abgesehen, der als Verwandter Gregors u m seine Unterschrift gebeten worden sein könnte — u m solche Bischöfe handelte, die in den Kontroversen u m die Frage der Meletiosnachfolge sowie u m die Möglichkeit eines Entgegenkommens gegenüber den „Makedonianern" auf seiner Seite gestanden h a t t e n .
Disziplinarkanon.es
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Freilich war dieser Streit, der den Nazianzener der Mehrzahl der Synodalen vollends innerlich entfremdet zu haben scheint, eigentlich ganz umsont. Denn es sind keine irgendwie noch vertretbaren Konzessionen auf orthodoxer Seite denkbar, die das Scheitern dieses Unionsversuchs hätten verhindern können. War doch, wie wir sahen, die Kluft, die Meletianer und „Makedonianer", namentlich die vom Schlage des Eleusios, trennte, so breit und tief, daß sie nicht ohne Selbstaufgabe der einen oder anderen Seite hätte überbrückt werden können. Dazu aber scheint selbst unter kaiserlichem Druck niemand bereit gewesen zu sein. So kam es, wie es kommen mußte: Die „Makedonianer" unter dem Bischof von Kyzikos lehnten die Unionsvorschläge und Verhandlungsangebote des Konzils anscheinend diskussionslos ab, weil sie für sie völlig unzureichend sein mußten, und entfernten sich nach diesem Bescheid schleunigst vom Konzil. Ja, sie sollen noch ein übriges getan und beim Verlassen Konstantinopels ihre Anhänger in den umliegenden Städten und Provinzen schriftlich instruiert haben, „unter gar keinen Umständen dem Glauben der Synode von Nikaia beizustimmen"1, was meint, ja nicht mit den Nikäern in Kirchengemeinschaft zu treten oder, wo sie noch immer bestand, darin zu verbleiben. VI. Aufstellung der Kanones II und III Der Tod des Meletios und das plötzliche Erscheinen der vom Kaiser allem Anschein nach ohne Wissen des Konzils kurzfristig herbeizitierten „Makedonianer" hatten dem Gang der Konstantinopler Verhandlungen eine unerwartete Wendung gegeben. So konnte das Konzil erst nach dem Fehlschlag des Unionsversuchs mit den „Leuten um Eleusios" wieder zu seiner vorgesehenen Tagesordnung zurückkehren, zunächst freilich ohne seinen Präsidenten. Denn der war, anscheinend schon bevor Eleusios mit seinen Begleitern unter Protest Konstantinopel verlassen hatte, vermutlich auch unter dem Eindruck seines erneuten schweren Mißerfolgs, den er als Vorsitzender des Konzils einstecken mußte, wieder einmal erkrankt2, mußte zu Hause bleiben und die Synodalen „öfter 1
Sokrates V, 8 (MPG 67, 577B); Sozomenos VII, 7, 5. So jedenfalls stellt es der Nazianzener in carm. hist. X I , 1745—1748, dar. Gallay, Vie, 205 f., vermutet, daß es diese Krankheit war, die Gregorios zur Neufassung seines Testaments (MPG 37, 389ff.) veranlaßte, das vom 31. Mai 381 datiert (Wie schon Rauschen, U l f . , bemerkt hat, ist die Angabe der einzigen HS, die ein Tagesdatum enthält: [προ μιας Καλ.] Ίανοναρ. in Ιουνίων zu ändern.) Träfe diese Vermutung zu, so besäßen wir in diesem Datum einen wichtigen Anhaltspunkt für die Chronologie der Konstantinopler Konzilsverhandlungen. Dann wäre der Beginn dieser Verhandlungen auf die ersten Maitage 381 anzusetzen, wenn all das untergebracht werden soll, was nach Gregors Darstellung zwischen der Konzilseröffnung und seiner Erkrankung (wohl noch vor dem Ende der Verhandlungen 2
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und für längere Zeit"1 sich selbst überlassen. Die aber sahen sich dadurch anscheinend keineswegs zur Untätigkeit verdammt, sondern machten sich umgehend ans Werk, um Entscheidungen unter Dach und Fach zu bringen, die zu den Hauptpunkten des Programms gehört haben werden, mit dem sie nach Konstantinopel gekommen waren2. Gemeint sind die beiden wichtigen Disziplinardekrete, durch die das Konstantinopler Konzil ,,in der Geschichte der kirchlichen Verfassung . . . Epoche machte"3, die Kanones II und III nach überlieferter Zählung. Sie lauten 4 : m i t d e n P n e u m a t o m a c h e n ) sich ereignet h a t . Freilich scheint Gallay übersehen zu h a b e n , d a ß es k u r z n a c h der oben zitierten Stelle h e i ß t , Gregorios h a b e A n s t a l t e n gemacht, sich ganz v o m Konzil zurückzuziehen (1763—1765). A u c h h a b e er dem o n s t r a t i v seinen Wohnsitz (sc. im K o n s t a n t i n o p l e r Bischofspalais) gewechselt, u m sich a u s d e n „ A b g r ü n d e n der K i r c h e (sc. aus d e n „ A b g r ü n d e n " des in einer d e m Episkopeion nahegelegenen Kirche t a g e n d e n Konzils)" zu r e t t e n (1777-—-1779). Die Synodalen aber (1760ff.) u n d n a m e n t l i c h das Volk v o n K o n s t a n t i n o p e l h a b e n i h n beschworen, doch j a zu bleiben. D a s alles m a c h t n i c h t gerade d e n E i n d r u c k , als sei er d a m a l s t o d k r a n k gewesen! Mithin bleibt Gallays D e u t u n g ungewiß, w e n n a u c h d u r c h a u s möglich. Mit Sicherheit ist d e m T e s t a m e n t n u r zu e n t n e h m e n , d a ß sich die eingeladenen Bischöfe schon in K o n s t a n t i n o p e l eingefunden h a t t e n . D e n n f ü n f Mitunterzeichner des T e s t a m e n t s gehörten erwiesenermaßen, ein weiterer sehr wahrscheinlich zu d e n Teilnehmern dieses Konzils, nämlich Bischof Theodulos v o n A p a m e i a (s.o. S. 40, Α. 1). F e r n e r m u ß diesem T e s t a m e n t zufolge a m 31. Mai 381 Gregors Ordination z u m Bischof v o n K o n s t a n t i n o p e l bereits erfolgt u n d noch u n a n g e f o c h t e n gewesen sein. U n t e r s c h r e i b t er doch noch als „Bischof der k a t h o lischen K i r c h e in der S t a d t K o n s t a n t i n s " . 1
Gregorios Nazianzenos, c a r m . hist. X I , 1746: Πολλά και πολλάκις. Dies w i r d schwerlich wörtlich zu n e h m e n sein, e t w a in d e m Sinne, als sei Gregorios „ m e h r e r e W o c h e n " d e n Konzilsberatungen ferngeblieben (s. E . F l e u r y , Н е И ё т з т е e t Christianisme. Saint Grigoire de Nazianze et son t e m p s , P a r i s 1930, 326). Vielmehr w i r d hierin die a u c h sonst in Gregors Bericht zu b e o b a c h t e n d e Tendenz z u m Vorschein k o m m e n , seine Beteiligung a n d e n Ereignissen auf d e m Konzil möglichst einzuschränken (s. d a z u a u c h oben S. 56 A. 5). 2 Siehe oben S. 40. Von den P u n k t e n , die wahrscheinlich auf d e r v o n Meletios aufgestellten u n d m i t d e m Kaiser abgesprochenen T a g e s o r d n u n g des Konzils s t a n d e n (s. d a z u u n t e n S. 233f.), w a r bisher n u r die K o n s t a n t i n o p l e r Bischofsfrage in d e m vorgesehenen Sinn geregelt worden. Zur D a t i e r u n g der Aufstellung der K a n o n e s I I u n d I I I s. u . S. 96 A. 1. 3 U l l m a n n , 179. 4 Mansi I I I , 560: „Τούς υπέρ διοίκησιν έπισκόπους, ταις ύπερορίοις έκκλησίαις μη επιέναι, μηδέ συγχέειν τάς εκκλησίας· άλλά κατά τ ους κανόνας, τον μεν Αλεξανδρείας έπίσκοπον τά έν ΑΙγύπτφ μόνον οικονομεΐν τους δε της ανατολής επισκόπους την άνατολήν μόνην διοικεϊν φυλαττομένων των έν τοϊς κανόσι τοις κατά Νίκαιαν πρεσβειών τή Άντιοχέων έκκλησίγ και τούς της Άαιανής διοικήσεως έπισκόπους τά κατά την Άσίαν μόνην οικονομεΐν και τους της Ποντικής, τά της Ποντικής μόνον καΐ τούς τής Θρφκης, τά της Θρφκικής μόνον οικονομεΐν. Άκλήτονς δέ επισκόπους υπέρ διοίκησιν μη έπιβαίνειν έπί χειροτονίαις, ή τισιν αλλαις οίκονομίαις εκκλησιαστικάϊς. φνλαττομένον δέ τον προγεγραμμένου περί των διοικήσεων κανόνος εΰδηλον ώς τά κα&' έκάστην έπαρχίαν ή τής επαρχίας σύνοδος διοικήσει, κατά τά έν Νικαίφ ώριαμένα. Τάς δέ έν τοις βαρβαρικοϊς εϋνεσι τοΰ &εοϋ εκκλησίας ο'ικονομεϊσ&αι χρή κατά την κρατήσασαν συνή&ειαν παρά των . πατέρων."
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„Außerhalb einer bestimmten (sc. ihrer eigenen) Diözese1 haben sich die Bischöfe in die jenseits der Grenzen (ihrer Diözese) gelegenen Kirchen nicht einzumischen und die (Ordnung der) Kirchen nicht anzutasten. Vielmehr hat sich gemäß den Kanones der Bischof von Alexandreia ausschließlich mit den Angelegenheiten in Ägypten zu befassen, während die Kompetenz der Bischöfe des Orients (sc. der Diözese Oriens) strikt auf den Orient beschränkt ist, wobei freilich der Kirche der Antiochener die in den Kanones von Nikaia (festgelegten) Privilegien erhalten bleiben sollen. (Entsprechend) haben sich die Bischöfe der asiatischen Diözese nur mit den Angelegenheiten der Asia, die pontischen Bischöfe nur mit denen der pontischen und die Bischöfe Thrakiens nur mit denen der thrakischen Diözese zu befassen. Ohne besondere Einladung haben Bischöfe die Grenzen ihrer Diözese nicht zu überschreiten, um (außerhalb) Ordinationen vorzunehmen oder in andere kirchliche Verwaltungsdinge einzugreifen. Von der Befolgung des vorangehenden Kanons betreffs der (Kompetenzscheidung nach) Diözesen bleibt selbstverständlich unberührt, daß die Angelegenheiten der einzelnen Provinz entsprechend den Bestimmungen von Nikaia von der Provinzialsynode zu regeln sind. Schließlich sind die Kirchen Gottes unter den Barbarenvölkern nach dem von den Vätern überkommenen herrschenden Brauch zu verwalten" (Kanon II). Ferner: „Der Bischof von Konstantinopel soll (gleich) nach dem Bischof von Rom den Ehrenprimat haben, weil es (sc. Konstantinopel) das Neue Rom ist" (Kanon III). Was war der Anlaß für diese Bestimmungen? Zunächst einmal war es wohl der, daß über den Wirren des zurückliegenden halben Jahrhunderts die in Nikaia grundgelegte Ordnung der Reichskirche aus den Fugen geraten war. Wohl unter dem bestimmenden Einfluß Konstantins hatte das nikäische Konzil mit der kirchlichen Neuordnung in enger Anlehnung an die diokletianische Gliederung des römischen Reiches begonnen, indem es als Einheit über den einzelnen bischöflichen Paroikien den Provinzialverband schuf2. Damit trat der bis dahin herrschenden „patriarchalischen", auf der Autonomie des Stadtbischofs aufgebauten Ordnung ein neues „politisch-geographisches"3 Ordnungssystem zur Seite und schränkte sie wesentlich ein, ohne sie freilich ganz aufzuheben. Dieser „Töv μέν τοι Κωνσταντινουπόλεως επίσκοπον εχειν τά πρεσβεία της τιμής μετά τον της 'Ρώμης επίσκοπον, δια τό είναι αντήν νέαν 'Ρώμην." 1 Zu ,,τούς υπέρ διοίκησιν επισκόπους" s. die trefflichen Bemerkungen, von Valesius bei Migne (MPG 67, 579C—580B). Es kann nicht heißen: „die Bischöfe, die einer Diözese angehören" (so Batiffol, 126 A. 2), schon gar nicht: „die Diözesesanvorsteher" (so Lübeck, 176 A. 2); vgl. Liddell-Scott II, 1858, s. ν.ύπέρ (В). 2 Kanon I V — V I I v o n Nikaia. 8 Die Formulierungen von Müller, 556.
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neue, zumindest als feste Norm, als kirchenrechtlich „kanonische" Größe neugeschaffene Kirchenverband erhielt in der Provinzialsynode als — vorläufig — oberster kirchlicher Berufungsinstanz und als dem Gremium, dem die Bischofswahlen in den einzelnen, den staatlichen kongruenten kirchlichen Provinzen oblag, sowie in dem mit besonderen Vollmachten ausgestatteten Amt des „Metropoliten", also des Bischofs der Provinzialhauptstadt, zwei feste Stützen. Wohl nur wenige Jahre später hatte eine Synode im syrischen Antiocheia an dem Ausbau der nikäischen Provinzialordnung weitergearbeitet und dabei vor allem die Stellung des Metropoliten gefestigt, ohne ihn allerdings gegenüber der Provinzialsynode als der entscheidenden Instanz über den einzelnen Bischöfen zu verselbständigenx. Freilich blieben die Bestimmungen von Nikaia und Antiocheia weitgehend ohne Auswirkung, und zwar keineswegs nur im Westen, für den sie vorerst überhaupt nicht in Betracht gekommen zu sein scheinen2. Vielmehr hatte man in Nikaia die großägyptische Einflußsphäre Alexandreias ausdrücklich von der neuen Provinzialordnung ausgenommen3, während das andere große östliche Missionszentrum, Antiocheia, weit weniger geschont worden war4, von Jerusalem, dem lediglich seine traditionelle Ehrenstellung belassen blieb5, ganz zu schweigen. Doch kam die neue Ordnung auch im außerägyptischen Orient über den bald nach 325 einsetzenden Parteikämpfen nicht wirklich zur Geltung. Nicht nur setzten sich die Nachfolger Konstantins in zunehmendem Maße über die Rechte der Provinzialsynoden und Metropoliten hinweg. Vielmehr machten sich in demselben Maße auch die verschiedenen kirchlichen Parteien in der Zeit bis zum Konstantinopler Konzil schlimmer Kompetenzüberschreitungen schuldig. Überregionale Synoden aller kirchlichen Richtungen nahmen mehr und mehr überhand, die nach freiem Belieben Bischöfe bestellten oder absetzten, ohne die zuständigen Instanzen, also die Provinzialsynoden im Verein mit den Metropoliten, ohne auch die Gemeinden zu befragen. Aber auch einzelne Bischöfe, keineswegs nur die Inhaber der großen Thronoi, nahmen sich das Recht, mit Ordinationen und Absetzungen auf andere Paroikien überzugreifen. Diese grassierende Rechtsunsicherheit, der es auch zum guten Teil zuzuschreiben war, daß die Homoier, unterstützt von den staatlichen 1
Siehe vor allem Kanon IX von Antiocheia; ferner die Kanones IV. XII—XX des gleichen Konzils. Zur Bedeutimg dieser antiochenischen Kanones s. bes. Müller, 560f.; zu ihrer Datierung (329?) Schwartz GS IV, 163 Α. 1; 189f. 192f. 197. 241f. 2 Siehe Müller, 561. 565ff.; Schwartz GS IV, 203. 3 Siehe Kanon VI von Nikaia und dazu H. Chadwick, Faith and Order at the Council of Nicaea: A note on the background of the sixth canon, HThR LIII, 1960, 171—195. * Kanon VI von Nikaia; s. dazu Müller, 558f. 623ff. 5 Kanon VII von Nikaia.
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Organen, jahrzehntelang mehr oder minder die ganze östliche Kirche terrorisieren konnten, dürfte zunächst im Blick gestanden haben, als man nun in Konstantinopel den Versuch machte, eine neue, dauerhafte Ordnung zu schaffen. Ein erster Schritt dazu war, daß die nikäische Provinzialverfassung wiederhergestellt und die Kompetenz der Provinzialsynode für alle Angelegenheiten der Provinz erneut eingeschärft wurde. Außerdem wurden der antiochenischen Kirche ihre alten Privilegien erneuert und die bisherige Übung in der Beaufsichtigung der außerhalb der Reichsgrenzen gelegenen Missionskirchen bestätigt. Danach sollten sie also in der Abhängigkeit von den kirchlichen Zentren innerhalb des Reiches verbleiben, von denen aus sie missioniert worden waren und ihren Episkopat erhalten hatten 1 . Freilich war es jetzt mit der Wiederherstellung der nikäisch-antiochenischen Ordnung und der erneuten Sanktionierung alter „patriarchalischer" Rechte allein nicht mehr getan. War doch die Entwicklung inzwischen weitergeschritten und hatte sich die nikäische Lösung längst als nicht mehr ausreichend erwiesen. Schon die Synode von Antiocheia (329?) hatte die Notwendigkeit einer Instanz über den Provinzen erkannt und darum die Möglichkeit vorgesehen, daß eine Provinzialsynode durch Hinzuziehung von Bischöfen aus einer Nachbarprovinz zu einer „größeren Synode", wie es noch unbestimmt hieß, erweitert wurde. Und zwar war diese Möglichkeit für den Fall vorgesehen, daß die Absetzung eines Klerikers bei seinen Konprovinzialen nicht die erforderliche Einstimmigkeit fand 2 . Wie unzureichend aber auch diese Lösung war, lehrt etwa der Fall des Kyrillos von Jerusalem 3 , der von seinem Metropoliten Akakios von Kaisareia widerrechtlich, weil ohne vorherigen Beschluß der palästinischen Provinzialsynode, abgesetzt und aus seinem Bistum vertrieben worden war. Darauf wandte er sich an das östliche Reichskonzil von Seleukeia (359), das seiner Beschwerde stattgab. Akakios aber brachte seinen Fall in Konstantinopel (360) erneut zur Sprache und ließ die Absetzung Kyrills bestätigen. Welches Konzil war nun kompetent: Seleukeia oder Konstantinopel? Weder die nikäischen noch die antiochenischen Kanones gaben darauf eine Antwort, es sei denn die: Keines! Doch konnte man sich damit auf die Dauer nicht zufriedengeben. Um solche Kompetenzfragen zu entscheiden und den in Nikaia und Antiocheia vorgesehenen Instanzenweg weiter auszubauen, führte man 1 Es handelte sich dabei um die Kirchen von Äthiopien, Persien und Großarmenien sowie um die gotische Missionskirche, die den Thronoi von Alexandreia, Antiocheia, Kaisareia in Kappadokien und Konstantinopel unterstellt waren. Zu diesen Missionskirchen s. Palanque in Fliche-Martin III, 489ff. und die dort (489 Α. 1) angegebene Literatur. 2 Kanon XII und XIV von Antiocheia. 3 Vgl. Batiffol, 132.
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jetzt in Konstantinopel die „Diözese" als — freilich noch wenig konturierte — Einheit über den Provinzen ein. Außerdem hatte man wohl mit diesem neuen Kirchenverband1, mit der Bildung von fünf gleichen autonomen kirchlichen Diözesen im Anschluß an die östlichen Reichsdiözesen Aegyptus, Oriens, Pontus, Asia und Thracia, im Sinne, in der theodosianischen Reichskirche ein gewisses Gleichgewicht zu schaffen und durch dies Gleichgewicht den Frieden zu garantieren2. Denn wurde 1
Nach Lübeck, 172ff., wäre der Diözesanverband bereits vornikäisch gewesen u n d in K a n o n V I von Nikaia sanktioniert worden (so auch schon Hefele, Conciliengeschichte I, 18732, 344ff.). Diese These ist in der Forschung zu Recht weitgehend auf Ablehnung gestoßen. Doch h a t sie neuerdings wieder Beck, Kirche, 28ff., aufgegriffen. Beck meint die Auffassung, daß es sich bei dem im I I . Konstantinopler K a n o n ins Auge gefaßten Diözesanverband nicht u m eine Neuschöpfung gehandelt habe, damit belegen zu können, daß sich das Konstantinopler Konzil „dabei", also bei der „Kanonisierung" der Diözesanordnung, auf die nikäischen Kanones berufen habe (Beck, 30). Allein wofür sich das Konstantinopler Konzil in seinem I I . K a n o n auf die nikäischen Kanones berufen h a t , waren einmal die in Nikaia bestätigte u n d jetzt in Konstantinopel nicht angetastete „patriarchalische" Stellung des alexandrinischen Bischofs innerhalb Großägyptens, zum andern die ebenfalls schon in Nikaia anerkannten u n d n u n vom Konstantinopler Konzil ausdrücklich bestätigten „Privilegien" Antiocheias, schließlich die erneut eingeschärfte Kompetenz der Provinzialsynode f ü r alle Angelegenheiten der einzelnen Provinzen! Ebenfalls d ü r f t e nichts Auffälliges darin liegen, daß in K a n o n I I von Konstantinopel die Diözesen Pontus, Asiana u n d Thracia „eigens erwähnt werden". Erscheinen sie doch in einer Aufzählung der fünf mit den Reichsdiözesen kongruenten kirchlichen Diözesen des Ostens. Schon gar nicht ist darin eine „Bestätigung" dafür zu sehen, daß diese Diözesen „schon 325", d . h . in K a n o n "VT von Nikaia, „ u n t e r den ,anderen Eparchien' gemeint waren" (Beck, 30). Bedeutet doch „Eparchie" nach staatlichem und kirchlichem Sprachgebrauch die Provinz. Was im übrigen dagegen spricht, daß vor 381 bereits die Diözese eine „Zelle hierarchischer Ordnung" (Schwartz, Bischofslisten, 87) war, soll hier nicht wiederholt werden. N u r auf eins sei aufmerksam gemacht: I n Lübecks Argumentation spielt Basileios eine wichtige Rolle, sofern nach Lübeck die Tatsache, daß Basileios mit Ordinationen über den Bereich seines kappadokischen Metropolitansprengeis weit hinausgriff, ein Beweis d a f ü r ist, daß Basileios die Obermetropolitangewalt über die pontische Diözese innehatte. Doch scheint Lübeck dabei zweierlei entgangen zu sein, einmal, daß sich Basileios mit seinen Übergriffen auf andere Kirchen keineswegs auf den Bereich der pontischen Diözese beschränkte (s. die Nachweise bei Schwartz GS IV, 86f.), zum andern, daß sich Basileios nicht nur im stillen bewußt war, sondern auch etwa Eusebios von Samosata gegenüber offen eingestand, daß die Ordinationen außerhalb seiner eigenen Eparchie unkanonisch waren (s. Basileios, ep. 138, 2: MPG 32, 581А)! 2 So Batiffol, 133. D a ß freilich diese Regelung erhebliche Gefahrenmomente in sich barg u n d die Entwicklung deshalb hier nicht stehenbleiben konnte, h a t neben Batiffol a . a . O . mit Recht King b e t o n t : " I t m a y be said t h a t it is a tragedy t h a t t h e Council did not set u p some machinery for t h e regular calling of Oecumenial Councils. This would have provided a supreme court of appeal, so preventing ecclesiastical t y r a n n y within t h e dioceses; it might have prevented t h e great bishops f r o m competing with one another for primacy, b u t this is t o ask too much of t h e Fathers of 381" (King, Theodosius, 42).
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der neue Rechtsgrundsatz der Kompetenzscheidung nach Reichsdiözesen festgehalten, so waren damit den kirchenpolitischen Ambitionen vor allem der großen Thronoi des Ostens, aber auch Roms und des Westens, die in der Vergangenheit oft genug zur „Verwirrung der Kirchen" geführt hatten, feste Grenzen gezogen. Daß also mit dem II. Konstantinopler Kanon nach der Reichsprovinz nun auch die Reichsdiözese „kanonisiert" "wurde, bedeutete nicht nur einen weiteren Schritt in Richtung auf die organisatorische Einordnung der Kirche in das Gefüge des römischen Imperiums. Vielmehr bahnte sich damit auch eine Entwicklung an, die in der justinianischen „Patriarchalverfassung" ihren Abschluß fand. Freilich: diese Entwicklung bahnte sich eben erst an 1 . Denn die in diesem Kanon vorgesehene neue kirchenrechtliche Einheit der Diözese ist noch so wenig entwickelt, daß sie unmöglich bereits als „Obermetropolitanverband" angesprochen werden kann 2 . Zwar kamen die in Nikaia bestätigten und in Konstantinopel erneut anerkannten 3 Privilegien des Bischofs von Alexandreia den Funktionen eines späteren „Patriarchen" oder Obermetropoliten sehr nahe. Für Antiocheia aber begnügte sich das Konstantinopler Konzil mit der Erneuerung alter Vorrechte, die wiederum wie schon in Nikaia nicht näher definiert wurden, von denen jedoch feststehen dürfte, daß sie den fast „papalen" Machtbefugnissen des alexandrinischen Bischofs auch nicht annähernd gleichkamen 4 . Und was noch stärker ins Gewicht fällt: Für die Diözesen Pontus, Asia und Thracia benannte das Konzil überhaupt keine einzelnen Thronoi, ließ also die Frage offen, wem unter den Metropoliten dieser Diözesen der Vorrang, die Obermetropolitangewalt zukomme. Schließlich vermißt man in diesem Kanon nicht nur die Erwähnung von Obermetropoliten, sondern es ist darin auch von Diözesansynoden als dem zweiten konstituierenden Element einer Ober1
Die anderslautende Darstellung des Sokrates V, 8 (MPG 67, 577 С—581 А), nach der man in Konstantinopel mit diesem Kanon „Patriarchen eingesetzt" hätte, beruht auf einer Konfusion dieses Kanons mit dem Kaiseredikt vom 30. Juli 381, das freilich ebenfalls nicht an die Einsetzung von „Patriarchen" dachte, sondern lediglich für die einzelnen Diözesen „Normalbischöfe" benannte (s. dazu unten S. 128ff.). Zur Darstellung des Sokrates, den Sozomenos VII, 9,1—2, stillschweigend korrigiert hat, s. bes. Hinschius I, 526f., und Rauschen, 479ff. („Hat das Konzil zu Konstantinopel in seinem zweiten Canon neue Patriarchalsitze schaffen wollen ?"). 2 Gegen Lübeck, 172 ff. und Beck, Kirche, 28 ff. 3 Diese Privilegien bestanden in den fast „papalen" Machtvollkommenheiten des alexandrinischen Bischofs innerhalb Großägyptens, die Kanon I I von Konstantinopel anerkannte, indem er unter den ägyptischen Thronoi nur den von Alexandreia nannte und dessen Kompetenz, nicht, wie es den Bestimmungen betreffs der anderen Diözesen entsprochen hätte, die der ägyptischen Bischöfe, auf Ägypten beschränkte. 1 Siehe Müller, 558f. 623ff.; ferner Palanque in Fliche-Martin III, 448ff.; Beck, Kirche, 95.
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metropolitanverfassung jedenfalls nicht ausdrücklich die Rede. Zumindest wird man sie also in Konstantinopel noch nicht als feste Institution mit ebenso präzisen Rechten und Aufgaben ins Auge gefaßt haben wie die Provinzialsynode. Mithin handelte es sich bei den Bestimmungen des Konstantinopler Konzils weniger um die Schaffung neuer hierarchischer Instanzen als um die Festlegung neuer Kompetenzbereiche in Gestalt autonomer kirchlicher Diözesen Nun ist, wie gesagt, mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß die Synodalen von Konstantinopel, die ja berufen worden waren, um die nachnikäischen Streitigkeiten abzuschließen, bei der Aufstellung ihres zweiten Kanons all jene zahlreichen Kompetenzüberschreitungen im Auge hatten, die in den vergangenen Jahrzehnten die Ordnung der Reichskirche mehr und mehr korrumpiert hatten 2 . Darüber hinaus dürfte dieser Kanon jedoch, mehr noch aber Kanon III, speziell eine Repressalie gegen Alexandreia dargestellt haben, das gerade jüngst wieder mit der unkanonischen Ordination des Maximos durch alexandrinische Sendlinge ein eklatantes Beispiel für seine hegemonialen Ansprüche geliefert hatte. Wie sehr die Animosität gegen die Alexandriner bei den Beratungen und Beschlüssen des Konstantinopler Konzils eine Rolle spielte und woraus sie sich nährte, davon ist bereits die Rede gewesen3. In den Kanones I I und I I I fand diese antialexandrinische Tendenz nun ihren deutlichsten und folgenreichsten Niederschlag. Wenn nämlich Kanon I I I dekretierte, daß der Bischof von Konstantinopel gleich nach dem Bischof Altroms den Ehrenprimat haben solle, so traf das in erster Linie den alexandrinischen „Papst"; stellte es doch einen bewußten Bruch mit dem kirchlichen Herkommen dar, nach dem Alexandreia dieser zweite Platz nach Rom und damit der Vorrang im ganzen Osten zukam 4 . Für die Erhebung des traditionslosen Konstantinopel, das bis dahin ein einfaches Suffraganbistum von Herakleia gewesen zu sein scheint 6 1 So mit Recht Gaudemet, 392. Erst im sogenannten Kanon VI von Konstantinopel, der heute gemeinhin der Konstantinopler Synode von 382 zugeschrieben wird (s. auch unten S. 123 Α. 1), ist von bestimmten Funktionen der Diözesansynode als einer zweiten Instanz zwischen Provinzial- und „ökumenischer" Synode die Rede, wobei freilich weniger an die Vollsynode einer Diözese als vielmehr an eine um Bischöfe der Nachbarprovinzen erweiterte Provinzialsynode gedacht sein wird (s. K. Müller, Kanon II und VI von Konstantinopel 381 und 382, Festgabe für A. Jülicher z. 26. Jan. 1927, 1927, 202). 2 K. Müller, a.a.O., 192. Ähnlich legte Batiffol, 129f., darauf Wert, daß Kanon I I von Konstantinopel allgemeinere Bedeutung habe. 3 Siehe oben S. 56ff. * Diese Rangordnung Rom-Alexandreia-Antiocheia-Jerusalem wird schon im 3. Jahrhundert gewohnheitsrechtlich festgestanden und auch Kanon VI. VII von Nikaia zugrunde gelegen haben (so Caspar I, 94. 248f.). 8 Nach Philostorgios I X , 10, jedenfalls war noch der Vorgänger des Nazianzeners, der Homoierbischof Demophilos, von Herakleia aus inthronisiert worden.
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und seine kirchliche Bedeutung allein seinem politischen Rang als Hauptstadt des Ostreichs verdankte, über die alte kirchliche Großmacht und „apostolische" Gründung Alexandreia waren vermutlich mehrere Erwägungen maßgebend. Einmal wird man sich dessen im voraus versichert haben, daß bei der Verdrängung Alexandreias aus seiner traditionellen Führerrolle und der Schaffung eines neuen kirchlichen Zentrums für den Osten am Sitz der Reichsregierung die Wünsche des Konzils denen des Kaisers begegneten 1 . Zum andern lag die kirchliche Aufwertung Konstantinopels in der Linie des schon Kanon I X von Antiocheia zugrunde liegenden orientalischen Prinzips, wonach sich die kirchliche Bedeutung einer Stadt nach ihrem politischen Rang richtete 2 . Ebenso wurde damit die in Nikaia bereits zum Rechtsgrundsatz gewordene Anpassung des kirchlichen Organismus an den des Reiches konsequent weitergeführt, lag also für orientalisches Denken in der Bestimmung des III. Konstantinopler Kanons keine prinzipielle Neuerung und war deshalb — im Osten jedenfalls — mit ernsthaften Protesten nicht zu rechnen. Schließlich dürfte auch die Erwägung eine Rolle gespielt haben, daß Antiocheia auf die Dauer kaum imstande gewesen wäre, es mit der ägyptischen Metropole ernstlich aufzunehmen, von den anderen Thronoi des außerägyptischen Orients ganz zu schweigen. Konstantinopel dagegen war „ausbaufähig"! Nicht nur waren nämlich die umliegenden Diözesen Pontus, Thracia und die Asiana ohne eigenen kirchlichen Mittelpunkt, so daß sie zu allmählicher Machtausweitung Konstantinopels geradezu einluden. Vielmehr stand auch zu erwarten, daß die Nähe des Hofes das Ihre tun werde, um den Ansprüchen des hauptstädtischen Bischofs Geltung zu verschaffen. Anscheinend hat man in Konstantinopel so sicher auf die Zukunft des hauptstädtischen Thronos gesetzt, daß man nichts tat, um über die Übertragung des Ehrenprimats hinaus seine rechtliche Stellung irgendwie zu verändern, also die Jurisdiktion Konstantinopels zu erweitern oder auch nur seine Exemption aus der Provinz Europa zu verfügen. Von alle dem ist in Kanon I I I nicht die Rede 3 . 1 Siehe auch Lübeck, 202f.; Stein I, 306; Müller, 563. 626f.; Ensslin, 35f. Daß freilich die „neue Stellung des Bischofs von Konstantinopel. . . das unmittelbare Werk des Kaisers" gewesen sei (so Müller, 626), ist eine m.E. durch nichts gerechtfertigte Behauptung. Jedenfalls bietet diese Annahme, wie oben gezeigt wird, nicht die einzig mögliche Erklärung! 2 Vgl. aus späterer Zeit bes. Kanon XVII von Chalkedon. 3 Sokrates V, 8 (MPG 67, 580A) und Hefele-Leclercq II, 1, 26, meinten freilich, Konstantinopel sei schon 381 die Jurisdiktion über die thrakische Diözese übertragen worden. Doch ist eine Erweiterung der Konstantinopler Jurisdiktion erst im sogenannten „Kanon XXVIII" von Chalkedon (s. dazu Schwartz, SAB 1930, 612) verfügt worden; vgl auch Kanon IX und XVII von Chalkedon und dazu Müller, 655 ff.
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Uber der antialexandrinischen Tendenz dieser Kanones 1 wird man jedoch nicht übersehen dürfen, daß auch Rom, wenn auch nur indirekt, von den neuen konstantinopolitanischen Bestimmungen betroffen wurde 2 . Schon wenn Kanon I I zur Wahrung der Autonomie der orientalischen Kirchen die Diözesangrenzen als zweiten Schutzwall aufrichtete, so ging das auch Rom und den Westen an. Damit sicherte man sich nämlich nicht nur gegen Übergriffe auch der Okzidentalen, sondern erschwerte auch die inzwischen zum Gewohnheitsrecht gewordenen Appellationen aus dem Osten an den westlichen Episkopat 3 . Erst recht wurden durch Kanon I I I auch römische Interessen berührt. Gewiß konzedierte man darin Altrom den Ehrenvorrang in der Hierarchie der Gesamtkirche. Doch wird das den Westen kaum mit der beabsichtigten Verdrängung Alexandreias aus seiner traditionellen Führerstellung innerhalb der Ostkirche versöhnt haben. Hatte Alexandreia doch namentlich unter Athanasios und dessen Bruder und Nachfolger Petros die Rolle des römischen „Vikariats" für den Osten übernommen 4 . Noch direkter war Rom durch die Begründung betroffen, mit der das Konstantinopler Konzil die kirchliche Aufwertung der östlichen Metropole versah: Konstantinopel sei das „Neue Rom". Wohlbemerkt redete man nicht mehr vom „zweiten Rom", wie es bisher auch im Osten üblich gewesen war 5 , sondern vom „Neuen Rom". Ob darin neben der unverkennbaren Betonung der politischen Gleichstellung Neuroms mit Altrom auch bereits der spätere byzantinische Romgedanke anklang, nach dem Konstantinopel, das Neue Rom, zum Erben Altroms berufen sei e , mit all den darin enthaltenen staats- und kirchenpolitischen Konsequenzen oder nicht, in jedem Fall Schloß diese Begründung die Überzeugung ein, daß auch 1 Soviel ich sehe, ist diese antialexandrinische Tendenz der beiden Kanones in der Forschung so gut wie unbestritten. Nur Batiffol, 134ff. im Vergleich mit 129, hat sie in Abrede gestellt, doch ohne durchschlagenden Grund. 2 Anders Caspar I, 233: Die in den Kanones zum Ausdruck kommende „Politik des Konzils berücksichtigte Rom und den Westen überhaupt nicht"; ähnlich bereits Percival, 178. 3 Schon nach der Synode von Serdika hatten die Orientalen dagegen protestiert, daß ein „neues Recht" eingeführt werde, indem die orientalischen Bischöfe von den Okzidentalen gerichtet würden (s. Hilarius, CSEL 65, 57). Dieser Protest wurde nun zu kanonischem Recht. Verboten wurden die Appellationen an den Westen freilich nicht (gegen Hefele, Conciliengeschichte II, 18732, 17, und Bright, 91). Ließ doch Kanon II von Konstantinopel auch den Bischöfen des Westens die Möglichkeit, sich von den zuständigen Metropoliten zu schiedsrichterlichem Eingreifen in den Ostkirchen „einladen" zu lassen. 4 Siehe auch oben S. 59. 5 Siehe die Belege bei F. Dölger, Rom in der Gedankenwelt des Byzantiner, ZKG 56, 1937, 16fT. 6 Zu diesem Romgedanken und seiner staats- und kirchenpolitischen Verwendung in Byzanz siehe vor allem F. Dölger, a.a.O. 1—42; zu dessen Fortleben in der slawischen Welt H. Schäder, Moskau — das dritte Rom, 19572, bes. 12ff.
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der — unbestrittene — kirchliche Vorrang Altroms lediglich politisch, d.h. in seiner Stellung als Zentrum des Imperium Romanum begründet sei. Schließlich war in der Übertragung des Ehrenprimats an den Konstantinopler Bischof ,,gleich nach dem Bischof von Rom" impliziert, daß auch der Primat des römischen „apostolischen Stuhls" ein für allemal nur ein „Vorrang der Ehre" sei. Das wird auch dem damaligen Stand des römischen Primatsdenkens 1 einigermaßen entsprochen haben, enthielt jedoch ebenso wie der östliche Romgedanke für die Zukunft beträchtlichen Konfliktstoff. Schon jetzt aber mußten sich Rom und der Westen durch die Umstürzung der gewohnheitsrechtlichen Rangordnung der apostolisch„petrinischen" Stühle Rom-Alexandreia-Antiocheia zugunsten des kirchlichen Neulings Konstantinopel mitbetroffen und auf den Plan gerufen fühlen 2 , ohne daß das in der unmittelbaren Absicht des Konstantinopler 1 Siehe dazu das Kapitel über D a m a s u s : „.Apostolischer Stuhl' von R o m u n d Reichskirche" bei Caspar I, 196ff., bes. 242ff.; zum Primatsdenken des Ambrosius s. bes. von Campenhausen, Ambrosius, 125£f.: „Die Stellung des Apostels P e t r u s bei Ambrosius". Es ist freilich auffällig u n d stellt vielleicht eine Reaktion auf die neuen konstantinopolitanischen Ansprüche dar, wenn „gerade mit Hieronymus i . J . 392 zuerst f ü r den Apostel P e t r u s die Bezeichnung ,princeps apostolorum' a u f k o m m t , welche entgegen der früheren Auffassung des Apostels als primus inter pares n u n seine Ausnahmestellung auch auf Grund seiner früheren Berufung s t a r k b e t o n t : die Formel wird von da an von den Päpsten, insbesondere von Leo I . u n d Gregor I., mit Vorliebe gebraucht" (Dölger, Z K G 56, 1937, 19 A. 33, unter Ber u f u n g auch auf Batiffol, RechSR X V I I I , 1928, 51 ff.). 2 R o m u n d der Westen sind wohl auch umgehend auf den Plan getreten. Vielleicht stellt schon das Schreiben der Synode von Aquileja einen Protest gegen die Kanones I I u n d I I I von Konstantinopel dar (Ambrosius, ep. 12 [„ Quamlibet"]: M P L 16, 987—990), worin u. a. darüber Beschwerde geführt wird, d a ß Timotheos von Alexandreia den Schikanen derer ausgesetzt sei, „quorum fides superioribus temporibus h a e s i t a b a t " (ep. 12, 4 : M P L 16, 988C—989A). D a ß damit zumindest nicht nur das Fiasko des Maximos in Konstantinopel gemeint sein kann, sondern wohl auch a n Kanon I I I von Konstantinopel mit seiner A u f h e b u n g der überkommenen Rangordnung der großen Thronoi der Reichskirche gedacht ist, lehrt die Betonung, mit der die Ambrosiussynode feststellt: " N a m etsi Alexandrinae Ecclesiae semper dispositionem ordinemque tenuerimus, et iuxta morem consuetudinemque maiorum, eius communionem indissolubili societate a d haec usque tempore servemus; tarnen ne a u t aliqui videantur esse p o s t h a b i t i . . (ep. 12,6: M P L 16, 989В)! Doch wurde der Westen alsbald noch deutlicher. Denn wenn die heute vorherrschende Meinung im Recht ist, wonach die ersten drei Kapitel des Decretum Gelasianum dem römischen Konzil von 382 angehören (so vor allem E . Schwartz, Zum Decretum Gelasianum, Z N W 1930, 161—168; Caspar I, 247ff. 598f.; Hilaire Marot, Les conciles romains des IVe et Ve siöcles, in: 1054—1954. L ' i g l i s e et les figlises I, Chevetogne 1954, 235f.; anders E . von Dobschütz, Das decretum gelasianum, T U 38,3, 1912, u n d Batiffol, 146—150), so wird das f ü r die Papstgeschichte höchst bedeutsame dritte Kapitel in der Tat „als Gegenkundgebung gegen die hierarchische Theorie des Reichskonzils d . J . 381, insbesondere gegen den dritten K a n o n desselben" (Caspar I, 248), anzusehen sein. Darin heißt
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Konzils wie auch des Kaisers gelegen haben wird. Unmittelbar wird es vielmehr bei den beiden Kanones nur um die Liquidierung der kirchenpolitischen Wirren der Vergangenheit, um die Wiederherstellung der Ordnung und des Friedens in der östlich-orthodoxen Reichskirche gegangen sein, auf Kosten der hegemonialen Ansprüche des auch zu sehr außer Reichweite des Hofes gelegenen Alexandreia \ es nämlich (III, 1): „. . . quamvis universae per orbem catholicae diffusae Ecclesiae unus thalamus Christi sit, sancta tarnen R o m a n a Ecclesia nuUia synodicis constitutis ceteris Ecclesiis praelata est, sed euangelica voce Domini et salvatoris nostri p r i m a t u m o b t i n u i t " ! Überdies wird wenig später (III, 3) f ü r die in Konstantinopel umgestoßene alte Rangordnung durch die Theorie von den „drei petrinischen Stühlen" R o m , Alexandria, Antiochia, erneut Geltung beansprucht. 1 E b e n wegen dieser antialexandrinischen, anti-„westlichen" Tendenz, in der sich mit großer Wahrscheinlichkeit die Interessen der das Konzil tragenden Partei mit denen des Kaisers trafen, ist m . E . auch anzunehmen, daß die beiden Kanones im Einverständnis mit dem Kaiser aufgestellt wurden, bevor die „Ägypter" u n d „Makedonen" in Konstantinopel eintrafen, obgleich sie erst a m 9. J u l i 381, zusammen mit den anderen Konzilsdekreten, endgültig ratifiziert u n d dem Kaiser zur Bestätigung vorgelegt wurden (s. u. S. 123). D a n n wäre nämlich ein fait accompli geschaffen gewesen, mit dem sich Timotheos u n d Acholius samt ihren Begleitern abfinden mußten. H ä t t e m a n sie aber, wie allgemein angenommen wird, erst in der Schlußphase des Konzils, also in ihrer Gegenwart aufgestellt, so wäre das ein unerhörter Affront gewesen, den sie sicherlich damit quittiert h ä t t e n , daß sie unter Protest das Konzil verließen, woran sie Theodosius ebensowenig h ä t t e hindern können wie einige Zeit zuvor die renitenten „Makedonianer". Doch hören wir von einer Sezession nichts. I m Gegenteil versichert der Logos prosphonetikos der Synode, daß es gelang, die „Eintracht zu erneuern", womit sicher auch das Verhältnis zur „westlichen" Minderheit auf dem Konzil gemeint war (s. u. S. 119f.)! F ü r die Ansetzung der Aufstellung der beiden Kanones unmittelbar vor dem Eintreffen der „Ägypter" u n d „Makedonen", f ü r die auch bereits Lübeck, 202 A. 2, plädierte, läßt sich weiterhin anführen, d a ß der Nazianzener berichtet (s. carm. hist. X I , 1807ff.), die „Westler" h ä t t e n unmittelbar nach ihrem Eintreffen auf dem Konzil „mit mehr Ingrimm als V e r n u n f t " „viele (sc. vorher auf dem Konzil verhandelte) F r a g e n " neu zur Diskussion gestellt, darunter auch die Frage der Rechtmäßigkeit von Gregors Ordination. Darin aber habe ihnen „das Volk der Orientalen" entschiedenen Widerstand geleistet (ibidem 1803). Auch berichtet Gregorios, die aufgebrachten „Westler" h ä t t e n ihn zur Erklärung u n d Entschuldigung ihres Vorgehens gegen ihn wissen lassen, die „ H y b r i s " der Mehrheit der Synodalen sei ihnen unerträglich gewesen, ,,δση παλαιά, και νίοις εν πράγμασιν". Demnach k a n n es sich bei dem Streit zwischen dem Konzil u n d den Neuankömmlingen aus Ägypten u n d Makedonien nicht, wie m a n allgemein annimmt, lediglich u m die antiochenische Frage sowie u m die Rechtmäßigkeit der Ordination Gregors gehandelt haben, sondern werden sich unter den „vielen Fragen", die nach der A n k u n f t des Timotheos u n d Acholius auf ihr Verlangen hin neu aufgerollt wurden, auch die Kanones I I u n d I I I befunden haben, die m a n aus gutem Grund schon vorher unter Dach u n d F a c h gebracht h a t t e u n d an denen m a n jetzt nicht mehr rütteln ließ. Ist das richtig, so läßt sich die Aufstellung dieser Kanones noch genauer datieren. U n d zwar lassen sie sich d a n n in der Zeit ansetzen, in der Gregorios krankheitshalber oder aus Protest (s. carm. hist. X I , 1745ff. im Vergleich mit V. 1763ff. u n d 1777ff.; vgl. oben S. 85 A. 2) einigen Konzilssitzungen
97 VII. Neue Krise des Konzils. Rücktritt Gregors von Nazianz Diese beiden wichtigen Disziplinardekrete werden soeben — in Abwesenheit des Nazianzeners und darum in um so größerer Ungestörtheit und Einmütigkeit — beraten und beschlossen worden sein. Da trat in den Verhandlungen des Konzils erneut eine Zäsur ein, die kaum weniger einschneidend war als der unerwartete Tod des Meletios, welcher das Konzil schon wenige Tage nach seiner Eröffnung in eine erste ernstliche Krise gestürzt hatte. Während nämlich wohl auf Betreiben des Meletios fürs erste i.w. nur seine Parteifreunde zur Teilnahme an der Konstantinopler Reichssynode eingeladen worden waren, erschienen jetzt, wahrscheinlich nur wenige Tage, nachdem die „makedonianische" Delegation die Hauptstadt wieder verlassen hatte 1 , „plötzlich" auch einige Repräsentanten der alexandrinisch-,,abendländischen" Richtung, um an den weiteren Konzilsberatungen teilzunehmen. Namentlich bekannt und als Teilnehmer an den Abschlußverhandlungen des Konzils ausgewiesen sind nur drei Bischöfe, und zwar aus Ägypten Timotheos von Alexandreia, der Bruder und Nachfolger des wohl erst kürzlich verstorbenen Petros2, und Dorotheos von Oxyrhynchos, ferner der Illyrer Acholius von Thessalonike, dessen Bistum seit einem knappen Jahr politisch wieder zum Westen gehörte 3. Doch kann es sein, daß sieh in ihrer Begleitung weitere ägyptische und makedonische Bischöfe befanden4. Sicher ist dies jedoch nicht6. fernblieb, nicht nur, weil man sonst nicht zu sagen wüßte, was in dieser Zeit von dem Konzil verhandelt worden sein sollte, sondern weil sich dann auch erklärt, warum Gregorios in seinem Bericht auf die Aufstellung dieser Kanones nicht eingegangen ist, es sei denn, er habe sie mit im Blick gehabt, als er carm. hist. XI, 1702, aus dem Verhalten der Konzilsmehrheit in dem Streit um die Meletiosnachfolge den Schluß zog, es erhelle daraus, daß die gegnerischen Synodalen „auch sonst (bei den übrigen Konzilsverhandlungen und -beschlossen?) hochmütig waren"! 1
Vgl. Gregorios Nazianzenos, carm. hist. XI, 1797ff.: Μικρόν τ ι και δίδωσι τήν λύσιν Θεός. ΤΗλ&ον γαρ, ήλ&ον έξαπίνης κεκλημένοι, Ώς δή τι συνοίσοντες εΙρήνης σκοπώ, ΑίγύπτιοΙ те και Μακεδόνες, έργάται Των τοϋ Θεοϋ νόμων те και μυστηρίων . . .
2 Zum Todesdatum des Petros, über das die Meinungen erheblich auseinandergingen und -gehen, s. bes. Bauschen, 116 A. 8 (vgl. auch unten S. 98 A. 2). 3 Siehe dazu oben S. 34. Timotheos und Dorotheos haben die Konzilsbeschlüsse unterschrieben (s. u. S. 124), während Acholius von Ambrosius, ep. 13, 7, als Teilnehmer des Konzils genannt wird (MPG 16, 953B). * So etwa von Campenhausen, Ambrosius, 133; Lietzmann GAK IV, 3; King, Fathers, 636. 6 Gregorios Nazianzenos spricht freilich carm. hist. XI, 1800, von „Ägyptern und Makedonen", wonach also Acholius nicht der einzige Okzidentale in Konstantinopel gewesen wäre, wie Ambrosius (ep. 13, 7) will. Außerdem hatte an-
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Zweifellos sind auch diese Neuankömmlinge nicht von sich aus, etwa auf Grund beunruhigender Nachrichten über die Vorgänge auf dem Konzil, in Konstantinopel erschienen, sondern vom Kaiser formell berufen worden1. Ebenso dürfte außer Frage stehen, daß ihr verspätetes Eintreffen in Konstantinopel sich allein daraus erklärt, daß sie erst wesentlich später als die übrigen Konzilsteilnehmer eingeladen wurden2. Aber was hat Theodosius zu dieser nachträglichen Einladung bewogen? Man hat in der Forschung an dieser Frage viel herumgerätselt, ohne zu einem befriedigenden Ergebnis zu kommen3. Beispielsweise ist die Verscheinend D a m a s u s n i c h t n u r bei Acholius, sondern a u c h bei den anderen in der Adresse v o n ер. V („Decursis l i t t e r i s " : M P L 13, 365ff.) g e n a n n t e n makedonischen Bischöfen m i t der Teilnahme a n d e m geplanten K o n s t a n t i n o p l e r Konzil gerechnet (so v o n Campenhausen, Ambrosius, 133 A. 4), was sich freilich einfach d a r a u s erklären k ö n n t e , d a ß Illyricum Orientale zur Zeit v o n ер. V wohl noch z u m H e r r schaftsbereich des Theodosius gehörte. 1 Siehe Gregorios Nazianzenos, c a r m . hist. X I , 1798, u n d Ambrosius, ep. 13,7 (MPL 16, 953B). Allein d e m Kaiser s t a n d j a das K o n v o k a t i o n s r e c h t zu. D a h e r ist Lübecks E r k l ä r u n g ausgeschlossen, d a ß die „ W e s t l e r " , d u r c h H i e r o n y m u s ü b e r den Konzilsverlauf u n d von der drohenden Verabschiedung der K a n o n e s I I u n d I I I unterrichtet, v o n sich aus n a c h K o n s t a n t i n o p e l gekommen seien (Lübeck, 202 A. 2). 2 Anders Hefele-Leclercq I I , 1 , 5 A. 3. D a n a c h w ä r e n die Ä g y p t e r u n d Makedonen gleichzeitig m i t d e n übrigen Konzilsteilnehmern eingeladen worden. U n d als sie der E i n l a d u n g n i c h t sofort Folge leisteten — w a r u m , wird n i c h t gesagt! — , h a b e m a n sie erneut u n d dringend gebeten, ihre A n k u n f t nicht länger hinauszuzögern. Dagegen spricht jedoch, d a ß es beim Nazianzener ausdrücklich h e i ß t , es seien ursprünglich n u r Bischöfe aus d e m Orient, u n d zwar d e m außerägyptischen Orient, eingeladen worden u n d in K o n s t a n t i n o p e l eingetroffen, w ä h r e n d die „ Ä g y p t e r u n d M a k e d o n e n " erst später, u n d zwar völlig überraschend, b e r u f e n worden seien (Gregorios Nazianzenos, c a r m . hist. X I , 1509ff. 1798). Z u d e m ist n i c h t einzusehen, wie es Acholius seinem römischen Auftraggeber gegenüber h ä t t e rechtfertigen wollen, w e n n er nicht sofort der E i n l a d u n g des Kaisers gefolgt wäre. H a t t e er doch v o n D a m a s u s den präzisen A u f t r a g erhalten, d a f ü r Sorge zu tragen, d a ß m a n sich bei der N e u w a h l des Konstantinopler Bischofs ε η die „ s t a t u t a maior u m n o s t r o r u m " , d . h . a n d e n K a n o n X V v o n Nikaia, h a l t e (Damasus ер. V : M P L 13, 367-—369). Ebensowenig k a n n m . E . die verspätete A n k u n f t der „westlichen" Bischöfe m i t d e m Tod des Alexandriners P e t r o s zusammenhängen, wie K i n g , F a t h e r s , 636, m e i n t (vgl. auch King, Theodosius, 39). D e n n selbst wenn das Chronica minora I, ed. Mommsen, 1891, 297, angegebene D a t u m als gesichert gelten k ö n n t e , wonach Timotheos a m 14. F e b r u a r 381 die Nachfolge seines verstorbenen B r u d e r s P e t r o s a n t r a t , wäre k a u m a n z u n e h m e n , d a ß sich Timotheos d u r c h die Notwendigkeit, seine Position in Alexandreia zu festigen, d a v o n h ä t t e a b h a l t e n lassen, der kaiserlichen E i n l a d u n g Folge zu leisten. W a r doch m i t Sicherheit zu erwarten, d a ß auf diesem ersten Reichskonzil der theodosianischen Ä r a so wichtige F r a g e n zur Diskussion stehen würden, d a ß seine Anwesenheit als dringend geraten erscheinen m u ß t e . Vor allem wäre f ü r Acholius u n d Dorotheos der Wechsel auf d e m alexandrinischen Thronos kein G r u n d gewesen, der sie a m rechtzeitigen Erscheinen in K o n s t a n t i n o p e l h ä t t e h i n d e r n k ö n n e n . 3 Siehe B a r d y u n d P a l a n q u e in Fliche-Martin I I I , 289 A . 2: „L'arrivöe de ces retardaires demeure m a l expliquee"; so a u c h Batiffol, 121, u n d Gallay, Vie, 207 Α . 2.
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mutung ausgesprochen worden, der Kaiser habe bestimmte Entwicklungen auf dem Konzil, auf das er so große Hoffnungen setzte, mit Besorgnis verfolgt. Statt sich aber wie Konstantin und Konstantius direkt in die Konzilsverhandlungen einzuschalten, habe er zu dem legitimeren, gleichwohl nicht weniger wirksamen Mittel neuer Konvokationen gegriffen, um auf diese Weise einen ihm genehmen Verhandlungsverlauf zu garantieren 1 . Allein, was sollte an den bisherigen Konzilsverhandlungen und -beschlüssen besonders besorgniserregend gewesen sein und Theodosius zur Änderung seiner Absicht bewogen haben, die kirchliche Neuordnung in seinem Reichsteil allein mit Hilfe der Meletianer durchzuführen und dementsprechend nur sie zu der entscheidenden Reichssynode nach Konstantinopel einzuladen, wenn das wirklich seine Absicht war? Gewiß wird das Verhalten der Konzilsmehrheit in der Frage der Meletiosnachfolge, also die Absicht, Meletios in Flavian einen Nachfolger zu geben und damit das antiochenische Schisma zu verlängern, seinen Wünschen kaum entsprochen haben, da die Durchführung dieser Absicht eine Verschärfung der Spannungen mit Alexandreia und dem Westen zur Folge haben mußte. Doch hatten sich die Synodalen bisher, wie wir sahen, mit der Erörterung der antiochenischen Bischofsfrage begnügt und wenigstens zunächst, aus welchen Gründen auch immer, von einer endgültigen Entscheidung Abstand genommen 2 . Hätten sie aber auf ihrer ursprünglichen Absicht bestanden, Flavian, den in Aussicht genommenen Kandidaten für den Antiochener Thronos, nun auch unverzüglich ordinieren zu lassen, so hätte das nur durch eine Intervention des Kaisers vereitelt werden können, nicht aber durch diese neuen Konvokationen, da wenigstens die Ägypter unmöglich noch rechtzeitig hätten erscheinen können. Überdies dürfte dem Kaiser so gut wie den „Ägyptern und Makedonen" bekannt gewesen sein, daß nach kanonischem Recht die Wahl des antiochenischen Bischofs ausschließlich in die Kompetenz der bischöflichen Vertreter der Syria prima fiel sowie — nach der neuen Konstantinopler Regelung — in zweiter Linie in die der Bischöfe der Diözese Oriens. Folglich hätten Timotheos, Dorotheos und Acholius zwar zu dieser Wahl hinzugezogen werden können. Allein, einen Anspruch auf diese Teilnahme, ein MitspracherecAi, hatten sie nicht. Mithin ist die verbreitete Ansicht nicht sonderlich gut begründet, nach der die nachträgliche Einladung der „westlichen" Bischöfe mit den Streitigkeiten über die Frage der Meletiosnachfolge in Verbindung stand, und zwar insofern, als der Kaiser durch diese neuen Konvokationen die Position des Antiocheners Paulinos und seines Fürsprechers auf dem Konzil, Gregorios von Nazianzos, habe stärken wollen 3 . Und noch 1
2 Fleury, 325. Siehe oben S. 67f. So Rauschen, 96; Seeck V, 155; Fleury, 325; Lietzmann GAK IV, 33; Bardy und Palanque in Fliche-Martin III, 289 A. 2. Freilich heißt es beim Nazianzener, 3
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weniger kann sie mit dem Verlauf der Einigungsverhandlungen mit den „Makedonianern" in Zusammenhang gebracht •werden. War doch von Timotheos und Acholius unmöglich eine größere Kompromißbereitschaft zu erwarten als von den führenden Meletianern. Im übrigen aber dürfte der Konzilsverlauf ganz den Wünschen des Kaisers entsprochen haben. Läßt sich also ein besonderer Grund für diese nachträglichen Konvokationen nicht entdecken, so wird der Schluß kaum zu umgehen sein, daß sie von Anfang an in der Absicht des Kaisers lagen. Und zwar werden sie sich aus dem Interesse verstehen, möglichst den orthodoxen Episkopat des ganzen östlichen Reichsteils auf der Konstantinopler Reichssynode vertreten zu sehen, deren hohe Bestimmung es war, den Sieg des nikäischen Glaubens auch im Osten des Imperium Romanum zu besiegeln1. Allerdings wäre damit nur die Einladung der beiden Ägypter Timotheos und Dorotheos erklärt, durch die — angesichts der besonderen Struktur der ägyptischen Kirche — Alexandreia und sein Hinterland als ausreichend repräsentiert gelten konnten, nicht aber die des AchoUus, der ja seit September des voraufgegangenen Jahres wieder Untertan Gratians war. Dessen Berufung wird sich vielmehr so verstehen, daß er schon im Frühsommer 380, als Maximos am Heerlager des Kaisers in Thessalonike auftauchte und wohl im Zusammenhang damit die kaiserlichen Konzilspläne konkretere Formen annahmen, die feste Zusage einer Einladung zu dem geplanten Konstantinopler Reichskonzil erhalten hatte 2 , von der Theodosius von sich aus um so weniger wird haben zurücktreten wollen, als durch die Teilnahme dieses Halbabendländers das östliche Generalkonzil gleichsam einen „ökumenischen" Anstrich erhielt3. die „Ägypter und Makedonen" seien berufen worden, ,,ώς δή τι συνοίσοντες ειρήνης σκοπφ" (carm. hist. X I , 1799). Doch scheint dies ebenso ironisch gemeint zu sein, wie wenn Gregorios carm. hist. X I , 1512f., über die Berufung des Konzils sagt: Κινη&έν, ουκ old' οϊς τισι Θεοΰ λόγοις, Συνέοχεϋ·', ώς πήξοντες ευσεβή λόγον. Zudem verlautet in seinem Bericht nichts davon, daß etwa nach der Ankunft der „westlichen" Bischöfe die Diskussion über die Frage der Meletiosnachfolge wieder aufgenommen worden wäre, was man doch erwarten müßte, wäre es tatsächlich der Zweck ihrer Berufung gewesen, die Position des Nazianzeners in dieser Kontroverse zu verstärken. Schwerlich hätte es dieser verschwiegen, wenn die Neuankömmlinge in der antiochenischen Frage „etwas zum Frieden beigetragen" und ihm so eine nachträgliche Genugtuung verschafft hätten. 1 So auch Batiffol, 121. 2 Siehe oben S. 34. 3 Vgl. С. A. Kneller, Papst und Konzil im ersten Jahrtausend, ZkTh 27, 1903, 422: „ D a ß wir die Anwesenheit des Acholius in Beziehung zum .ökumenischen' Charakter der Synode von 381 bringen dürfen, sagt uns Ambrosius in dem Schreiben Sanctum (sc. ep. 13,7)". Eine geringere Wahrscheinlichkeit dürfte die Vermutung Caspars und Kings besitzen (Caspar I, 235 A. 3; King, Theodosius, 38), nach der sich die Berufung des Acholius daher erklärte, daß er den Kaiser im Herbst 380
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Daß sich aber die neuen Konvokationen, selbst wenn Acholius und Timotheos in Begleitung weiterer ägyptischer und makedonischer Bischöfe erschienen sein sollten, in bescheidenen Grenzen hielten und die Kräfteverhältnisse auf dem Konzil kaum wesentlich veränderten, deutet wohl daraufhin, daß diese Konvokationen keineswegs zur „Überraschung des Konzils" 1 erfolgten, sondern mit maßgeblichen Vertretern des Konzils, vielleicht sogar noch mit Meletios selbst, abgesprochen waren. Erst recht wird es kein Zufall sein, sondern auf eine Absprache zwischen dem Kaiser und dem Konzil schließen lassen, daß die herrschende Konzilspartei mit der Regelung der Konstantinopler Bischofsfrage und, wenn unsere Datierung zutrifft, mit der Verabschiedung der Kanones I I und I I I wichtige Programmpunkte ungestört erledigen konnte, bevor die Vertreter der Gegenpartei in Konstantinopel eintrafen, mit deren erbitterter Opposition besonders bei der Aufstellung der beiden Kanones sicher zu rechnen war 2 . Gleichwohl dürften die kaiserlichen Interessen und die Wünsche der Meletianer darin einander entgegengekommen sein, daß die Ägypter und ihr Anhang im übrigen Orient bei der Neuordnung der östlichen Reichskirche nicht völlig übergangen und damit in die Opposition getrieben, sondern wenigstens nachträglich an der Verantwortung für die Beschlüsse der Konstantinopler Reichssynode beteiligt wurden. Das muß dem Kaiser wie auch der herrschenden Konzilspartei als so wünschenswert erschienen sein, daß um dieses Vorteils willen die mit dem Erscheinen der „westlichen" Bischöfe für die Konzilsarbeit zu erwartenden Komplikationen in Kauf genommen wurden. Handelte es sich demnach bei der nachträglichen Berufung der „Ägypter und Makedonen" um einen wohlüberlegten und wahrscheinlich mit maßgeblichen Synodalen abgesprochenen Schachzug des Kaisers, so werden Timotheos, Dorotheos und Acholius schon reichlich aufgebracht das kaiserliche Berufungsschreiben entgegengenommen und sich auf die Reise gemacht haben. Sobald sie aber, in Konstantinopel angekommen, Genaueres über den bisherigen Konzilsverlauf erfuhren, mußte sich ihre Gereiztheit zur wütenden Entrüstung steigern. So nimmt es nicht wunder, wenn wir davon hören, daß ihr Erscheinen auf dem Konzil unter stürmischen Szenen einherging. Und zwar „bliesen sie", wie es bei Gregcrios von Nazianzos heißt, der gegnerischen Konzilsmehrheit „rauhen westlichen Wind ins Gesicht, . . . wetzten, wilden Ebern gleich, ihre schaugetauft hatte und ihm seither besonders nahe stand. Das ist deshalb nicht sehr wahrscheinlich oder reicht wenigstens als Erklärung nicht zu, weil sich die Bande zwischen Theodosius und Acholius gelockert haben dürften, sobald der Kaiser Anfang des Jahres 381 unter den bestimmenden Einfluß des Meletios trat. Wäre zudem Acholius noch immer der Vertraute des Kaisers gewesen, wie er es das ganze Jahr 380 hindurch gewesen zu sein scheint, so wäre er sicherlich früher eingeladen worden! 1 2 Schwartz GS ГУ, 98. Ähnlich bereits Lübeck, 201.
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rigen Zähne, . . . warfen aus wutflammenden Augen heimtückische Blicke und forderten (ihre Gegner) zum Kampf heraus"1. Damit wird gemeint sein, daß sie gegen ihre Zurücksetzung bei der Konzilsberufung energisch protestierten in der berechtigten Annahme, daß die Meletianer daran nicht unschuldig seien. Doch damit nicht genug, gedachten sie sich auch zu revanchieren, indem sie darauf bestanden, daß alle bisherigen Konzilsentscheidungen erneut zur Diskussion gestellt würden2. Schwerlich kam es ihnen dabei auf eine Revision der scharfen Maßregelung des Maximos an 3 ; war dieser Abenteurer doch auch in Alexandreia inzwischen fallen gelassen worden4, während sich Rom bereits vor Jahresfrist in scharfer Form gegen ihn wie gegen seine alexandrinischen Konsekratoren ausgesprochen hatte 6 . Vielmehr dürfte es ihnen speziell darum gegangen sein, daß die beiden antialexandrinischen Kanones kassiert wurden. Mit diesem Vorhaben scheinen sie freilich auf den entschiedenen Widerstand der Meletianer gestoßen zu sein®, die jetzt bestenfalls, um ihnen ein wenig entgegenzukommen und ihnen den in Kanon II dekretierten Grundsatz der Kompetenzscheidung nach Reichsdiözesen etwas schmackhafter zu machen, endgültig darauf verzichteten, die Wahl Flavians noch in Konstantinopel selbst perfekt zu machen7. 1
Gregorios Nazianzenos, carm. hist. X I , 1802. 1804. 1806f. Darüber hinaus sollen sie sich geweigert haben, an den vom Nazianzener unter Teilnahme des Konzils zelebrierten Liturgien teilzunehmen. Dies jedenfalls ist nach Harnack D G I I , 274 A. 2; Batiffol, 121, und Bardy u n d Palanque (FlicheMartin I I I , 289) dem Bericht des Theodoretos zu entnehmen (s. Theodoretos V, 8, 6). Dort aber heißt es: „Damals sagten sich diese alle (sc. die vorher namentlich genannten führenden Meletianer) von den Ägyptern los u n d begingen zusammen mit dem großen Gregorios die göttlichen Liturgien", was wohl meint, daß sie die unkanonische Ordination des Maximos, von der Theodoretos zuvor berichtet h a t , scharf mißbilligten u n d mit Gregorios als dem rechtmäßigen Konstantinopler Bischof in Kirchengemeinschaft traten. Freilich scheint Theodoretos der irrigen Meinung gewesen zu sein, die Ägypter h ä t t e n noch bis zum Konstantinopler Konzil an Maximos festgehalten. 3 Gegen H a r n a c k DG I I , 274 A. 3; Schwartz, Nicaenum, 83; Badcock, History, 175. 4 Siehe oben S. 51. 5 Damasus, ер. У : "Decursis litteris dilectionis vestrae, fratres charissimi, satis sum contristatus; eo tempore, quo Deo praestante haeretici iverant abiecti, nescio quos ex Aegypto venientes in postulatione contra regulam ecclesiasticae disciplinae alienum a nostra professione in Constantinopolitana civitate Cynicum a d sacerdotium vocare voluisse. Qui igitur is fuerit ardor animi, quam foeda praesumptio, scire non possumus . . . Recte igitur f a c t u m est, u t id quod male coeptum erat, auctoritate publica destrueretur" (MPL 13, 365A. 367 A)! Vgl. auch Damasus, ep. V I (MPL 13, 370A). • Siehe Gregorios Nazianzenos, carm. hist. X I , 1803. ' Schon Batiffol, 140, sah eine Auswirkung von K a n o n I I darin, daß m a n in Konstantinopel darauf verzichtete, Flavian zu ordinieren, und dessen Wahl u n d 2
A n k u n f t der „Ägypter" u n d „Makedonen"
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Das kostete nicht übermäßig viel, da diese Wahl nach den zurückliegenden Diskussionen auf dem Konzil als so gut wie gesichert gelten konnte. Immerhin ließ es sich als versöhnliche Geste deuten und war überdies der sicherste Weg, um eine Wiederaufnahme der Debatten über das leidige antiochenische Problem zu vermeiden. Zu größeren Zugeständnissen aber scheint die meletianische Konzilsmehrheit nicht bereit gewesen zu sein, weder hier noch in den anderen von den aufgebrachten ,,Westlern'', ,mit mehr Ingrimm als Vernunft"1 erneut aufgerollten Fragen. Allerdings war darunter eine Frage, bei der sich ein Einspruch der Neuankömmlinge auf dem Konzil nur schwer abweisen ließ, und das war W e i h e den zuständigen Gremien in Antiocheia überließ. Daß dieser Verzicht überdies mit der A n k u n f t der „Ägypter u n d Makedonen" zu t u n hatte, scheint sich mir aus folgenden Erwägungen heraus zu ergeben: Einmal ist allem Anschein nach die Diskussion über die Frage der Meletiosnachfolge nach A n k u n f t des Acholius u n d des Timotheos u n d ihrer Begleiter nicht wieder aufgenommen worden (s. o. S. 99 A. 3). Zum andern scheint es gelungen zu sein, a m Schluß der Konstantinopler Verhandlungen Timotheos und Dorotheos zur Unterschrift unter die Konzilsdekrete, darunter auch K a n o n I I u n d I I I , zu bewegen (s. dazu u n t e n S. 124). Denn es besteht kein Anlaß zu der Annahme, ihre Unterschrift sei etwa unter kaiserlichem Druck erfolgt. I m Gegenteil versichert das Konzil in seinem Logos prosphonetikos an den Kaiser, m a n habe „die Eintracht untereinander erneuert" (Mansi I I I , 657; s. dazu unten S. 119f.), womit auch, wenn nicht gar in erster Linie, die Bereinigimg des Verhältnisses zur „westlichen" Minderheit auf dem Konzil gemeint sein dürfte. Was aber könnte den Ägyptern die Annahme der beiden Kanones erleichtert haben, wenn nicht der endgültige Verzicht der Konzilsmehrheit auf eine definitive Entscheidung f ü r Flavian und gegen den alexandrinischen Protegö Paulinos? Denn von weiteren Konzessionen hören wir nichts. Doch wie dem auch sei: Fest steht, daß Flavian weder jetzt noch zu einem späteren Zeitpunkt in Konstantinopel selbst ordiniert wurde. Die gegenteilige Ansicht, wie sie u . a . von Loofs, Arianismus, 44; Seeck V, 163. 156 и.о.; Rauschen, 95. 101; Hefele-Leclercq I I , 1, 9; Lietzmann GAK IV, 34; Ensslin, 32. 79, u n d neuerdings wieder von King, Theodosius, 39, vertreten worden ist, steht im Widerspruch zu den Konstantinopler Listen, in denen Flavian als Presbyter unterzeichnete, ferner zum Kaiseredikt vom 30. Juli 381, das keinen Antiochener als „Normalbischof" benannte, offenbar deshalb, weil der Antiochener Thronos noch als v a k a n t galt (anders King, Theodosius, 45), u n d schließlich zum Synodalschreiben von Konstantinopel 382. Hier heißt es nämlich über den inzwischen ordinierten Flavian, er sei den Kanones gemäß von der Versammlung der Bischöfe der (syrischen) Eparchie und der Diözese Oriens (Kanon I I von 381!) gewählt worden, „wobei die ganze Kirche (sc. von Antiocheia) einmütig ihre Zustimmung g a b " . Überdies habe „die ganze Synode" (sc. die von 382, nicht die „ökumenische Synode des Vorjahres"!) diese Ordination als rechtmäßig a n e r k a n n t : so auch die Mehrzahl der Forscher, darunter Cavallera, 254 A. 2; Schwartz GS IV, 99. 102. 106f.; Batiffol, 139; von Campenhausen, Ambrosius, 136; Devreesse, 36 A. 3; Bardy u n d Palanque in Fliche-Martin I I I , 291 f.; Gaudemet, 462 A. 7. Zum Einfluß der Wahl Flavians auf die Beziehungen zwischen Orient und Okzident u n d zur weiteren Geschichte des antiochenischen Schismas s. bes. von Campenhausen, Ambrosius, 134ff. 166ff. 1
Gregorios Nazianzenos, carm. hist. X I , 1808.
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die Frage der Rechtmäßigkeit der Ordination Gregors von Nazianz zum Bischof von Konstantinopel. Unter den bisherigen Konzilsentscheidungen war dies die einzige, die sich mit Grund anfechten ließ, ja die zumindest von Acholius angefochten werden mußte. Denn schon im Sommer des voraufgegangenen Jahres hatte ihn der römische Bischof Damasus angewiesen, darauf zu achten, daß auf dem geplanten Reichskonzil in Konstantinopel jener nikäische Kanon nicht übergangen werde, der die Translationen von Klerikern aus einer Stadt in eine andere untersagte, daß also der neu zu wählende Bischof für Konstantinopel ein „Mann ohne Tadel" sei, mit dem man in Rom ,,mit Gottes Hilfe in dauerndem Frieden leben könne"1. Dies war so deutlich auf den Nazianzener gemünzt, daß Damasus nicht einmal dessen Namen zu erwähnen brauchte. Nun hatte Acholius zwar wegen seiner verspäteten Einladung auf die Neuwahl des Konstantinopler Bischofs selbst keinen Einfluß mehr nehmen können. Es blieb ihm aber die Möglichkeit, dem Auftrag des Damasus in der Weise nachzukommen, daß er nachträglich Protest einlegte und die Rechtmäßigkeit der Ordination Gregors unter Berufung auf Kanon XV von Nikaia anfocht. Das tat er denn auch, sekundiert von den Ägyptern, die diese Gelegenheit nur zu gern ergriffen, um an der gegnerischen Konzilsmehrheit Revanche zu nehmen. Darin allein, so ließen sie den Nazianzener insgeheim wissen2, und nicht in persönlicher Feindschaft gegen ihn, den ehemaligen Rivalen des Maximos3, zu der ja nach der Bereinigung der Maximosaffäre zwischen Gregorios und Petros und vor allem nach dem mutigen Plädoyer des Nazianzeners für Paulinos von Antiocheia auch kein Anlaß mehr bestand, war es begründet, daß sie sich dem Protest des Acholius anschlossen, Gregors Fall „unter die Lupe nahmen"4 und gegen ihn jene „Gesetze" ins Feld führten, die nach Meinung des Betroffenen „längst antiquiert waren", d. h. an die sich kein Mensch mehr hielt und die auch auf seinen Fall gar nicht wirklich zutrafen6. Hatte er doch sein Amt 1
Damasus, ер. V. VI (MPL 13, bes. 368A—369A. 370A). Gregorios Nazianzenos, carm. hist. XI, 1812ff. 3 Gegen Rauschen, 100 A. 2; Bardy und Palanque in Fliche-Martin III, 289, und Salles-Dabadie, 72, die das Vorgehen gegen Gregorios mit dem Groll der Ägypter gegen den „Rivalen des Maximos" erklären. Noch weniger hatten die Instruktionen, die Acholius aus Rom erhalten hatte, mit Maximos zu tun, etwa in dem Sinne: „Man war in Rom bereit, den Strohmann Maximus fallen zu lassen — wenn auch Gregor fiel!" (Dallmayr, 117). 4 Gregorios Nazianzenos, carm. hist. XI, 1809. 5 Ibidem 1810f.: 2
Νόμους στρέφοντες τους πάλαι Ων πλείστον ήμεν και σαφώς
Τ
τε&νηκότας, έλεύ&εροι.
Vgl. Rufinus XI, 9: " . . . obniti quidam et praescriptionibus minus sanis uti coepere". Offenbar hatte er Gregors großes autobiographisches Gedicht vor Augen.
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in dem „Nest" Sasima nie angetreten und die Leitung des väterlichen Bistums Nazianzos nur vertretungsweise und „ohne offizielle Bestallung"1 versehen. Gleichwohl hatten die „Westler" den Buchstaben des nikäischen „Gesetzes" für sich, und das scheint diesen „Schildwächtern der göttlichen Gesetze und Mysterien"2 genügt zu haben. Allein, sie hätten mit ihrem Protest schwerlich etwas ausgerichtet, wäre es etwa Meletios gewesen, der mit jenem im Osten in der Tat „antiquierten" nikäischen Kanon zu Fall gebracht werden sollte. Ihrem Vorgehen gegen den Nazianzener aber kam der Umstand entgegen, daß dessen Verhältnis zur Mehrheit der Synodalen in den zurückliegenden Kontroversen über die antiochenische Frage sowie über die Basis der vom Kaiser gewünschten Einigung mit den „Makedonianern" bereits schweren Belastungsproben ausgesetzt gewesen war. Ebenso werden auch große Teile der Meletianer, die in diesen Auseinandersetzungen von ihrem Präsidenten allem Anschein nach keineswegs glimpflich behandelt worden waren, über ihn verärgert gewesen sein. Ja, seine zunehmende Hilflosigkeit hatte wohl selbst seine besten Freunde allmählich an seiner Eignung zum Bischof der Reichshauptstadt und zum Konzilspräsidenten irre werden lassen. Dennoch wäre der Stein wohl noch immer nicht ins Rollen gekommen, hätte Gregorios nicht von sich aus, ohne einen Beschluß des Konzils abzuwarten3, erneut seinen Rücktritt angeboten. Und zwar erklärte er, seiner eigenen Darstellung zufolge, die Fragen um seine Person seien doch höchst sekundär. Gott habe diese große Bischofsversammlung gewiß zu Wichtigerem berufen. Wichtig und vordringlich sei allein die Einigkeit der Kirchen. Um ihr für sein Teil den Weg zu bahnen, wolle er sich, wiewohl unschuldig, dem Propheten Jona gleich zum allgemeinen Besten ins Meer stürzen, stelle er also den Konstantinopler Thronos, auf den er sich bekanntlich auch nur widerstrebend habe erheben lassen, bereitwilligst zur Verfügung4. Scheinbar war es ihm also mit der Absicht zurückzutreten diesmal Ernst5. Zudem stellt er es nachträglich so dar, als habe er auf diesen Moment nur gewartet, um sich endlich aus dem kirchenpolitischen Leben zurückzuziehen und die verhaßte „Raserei der Theologen" mit der geliebten Einsamkeit zu vertauschen®. In Wirklichkeit aber wird er sich darüber hinweggetäuscht haben, daß sein Kredit bei den meletianischen 1
Gregorios Nazianzenos, carm. hist. XI, 542. Ibidem 1800f.: 3 Vgl. Sozomenos VII, 7, 6, und vor allem Rufinus XI, 9: " Quod ille (sc. Gregorios Nazianzenos) susurrari tantum et sub dente sentiens ruminari ipse profert, quod dicere et nullus audebat" (GCS IX, 2, 1017). 1 Gregorios Nazianzenos, carm. hist. XI, 1828—1865. 5 So etwa Ullmaim, 171, und von Campenhausen GK, 110. • Gregorios Nazianzenos, carm. hist. XI, 1818—1826. 2
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Parteifreunden weitgehend verspielt war, und war sein Schritt wohl von der Hoffnung diktiert, man werde wenigstens seine „Mühen" um die Wiederaufrichtung der Orthodoxie in Konstantinopel „ehren"1 und deshalb nicht die Stirn haben, sein Rücktrittsangebot anzunehmena. Zu seiner maßlosen Enttäuschung fielen jedoch die Synodalen diesmal nicht auf seine schon öfter erprobte Taktik herein, sondern „erwiesen" ihm „die Ehre", sein Demissionsgesuch anzunehmen, und das noch „mit größerer Unbedenklichkeit, als es sich gehört hätte" 3 ! Daraufhin verließ er auf der Stelle die Konzilssitzung und begab sich zum Kaiser, nicht etwa, wie er bezeichnenderweise meint, ausdrücklich versichern zu müssen, um diesen zu bestürmen, er möge für ihn eintreten und das ihm widerfahrene Unrecht ungeschehen machen. Vielmehr habe er Theodosius nur um die Gnade gebeten, sich „ein wenig dem Neid entziehen zu dürfen". Er wolle gern „die Bischofsthrone ehren, doch aus der Ferne", sei er es doch müde, „von allen gehaßt zu werden", selbst von seinen Freunden! Der Kaiser möge die Bischöfe zum Frieden anhalten und sich auf diese Weise eine unblutige Trophäe erwerben, nachdem er so glänzende Siege gegen die Barbaren errungen habe. Er, Gregorios, aber wünsche zum Entgelt für seine „Mühen" nichts als die Möglichkeit, sich zum Besten aller zu opfern. Daraufhin habe ihn der Kaiser seiner Bewunderung für diesen großherzigen Entschluß versichert und ihm, „freilich nicht ohne Zögern", die erbetene „Gnade" gewährt4. 1
Vgl. ibidem 1855, m i t der geradezu peinlichen Ausführlichkeit, m i t der er in seiner Abschiedsrede vor d e m Konzil bei der Schilderung seiner „ M ü h e n " in K o n stantinopel verweilt u n d seine Verdienste in ein helles Licht r ü c k t (or. 42, 1—13. 19. 23—24: M P G 36, 4 5 7 A — 4 7 3 B . 480C—481A. 4 8 5 D — 4 8 8 A ) , so als seien sie nicht vor aller Augen u n d als h a b e m a n sie vergessen, indem m a n sein R ü c k trittsangebot annahm! 2 Offenbar sind schon damals a n der E r n s t h a f t i g k e i t seines R ü c k t r i t t s a n g e b o t e s u n d a n der Freiwilligkeit seiner A b d a n k u n g Zweifel l a u t geworden (vgl. e t w a Gregorios Nazianzenos, carm. hist. X I , 1825f., u n d vor allem 1923ff., wo der Nazianzener seine Gegner a u f f o r d e r t , ihrer Schadenfreude n u r j a die Zügel schießen zu lassen u n d ihren „ T r i u m p h " t ü c h t i g auszukosten. E i n sonderbarer Sieg! H a b e n sie doch alle gegen einen gefochten. Z u d e m ist er freiwillig gegangen. Aber ach, auch diese G e n u g t u u n g wollen sie i h m r a u b e n , indem sie die Freiwilligkeit seines R ü c k t r i t t s anzweifeln!). A u ß e r d e m spricht Gregorios v o n seinem R ü c k t r i t t s p ä t e r selber als von seiner „Verfolgung" (carm. hist. X I , 1933), als einer „ S t r a f e G o t t e s " (carm. hist. X I I , 79f.), als seiner „ V e r s t o ß i m g " (carm. hist. X I I , 146f.; vgl. a u c h ep. 88: M P G 37, 161C, wonach ihn K o n s t a n t i n o p e l „ausgeschieden", „weggeworfen" h a t „wie U n r a t , weggespült wie Schaum, wie eine Meereswoge") etc. Mehr u n d m e h r h a t sich bei ihm d a r a u s so etwas wie ein „Verfolgungswahn" entwickelt! 3
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Gregorios Nazianzenos, carm. hist. X I , 1868f.: . . . πλεϊον, ή καλώς εχει, Άφνω τετίμημ' εΰκόλφ συναινέσει. I b i d e m 1871—1904.
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Gleichwohl werden wir auch hier das Gegenteil anzunehmen haben, daß er sich nämlich in der Hoffnung an den Hof begab, Theodosius werde ihn in seiner Stellung halten1. Der aber war wohl inzwischen ebenso wie die Konzilsmehrheit zur Überzeugung gelangt, daß Gregorios bei all seiner bewundernswerten Beredsamkeit, unantastbaren Orthodoxie und charakterlichen Integrität weder über die physische Kraft noch über das erforderliche Maß an Umsicht und Entschlossenheit verfüge, das man von dem Bischof der ersten Stadt des Orients und dem Präsidenten des Konzils zumal im gegenwärtigen Augenblick erwarten mußte, da die Ankunft der „westlichen" Bischöfe allerlei Komplikationen mit sich gebracht hatte. Aus diesem Grund wird Theodosius dem Demissionsgesuch des Nazianzeners zwar etwas taktvoller, aber kaum weniger gern entsprochen haben als das Konzil2. Nein, trotz seiner angegriffenen Gesundheit und trotz der mannigfachen Enttäuschungen, die ihm das „zänkische" Konzil bescherte, hätte Gregorios schwerlich daran gedacht, von sich aus auf sein Konstantinopler Bischofsamt zu verzichten. Konnte er sich doch ein Leben ohne die „Predigten . . . und festlichen Liturgien", ohne die „Beifallsstürme" während seiner Vortrage, die seiner Beredsamkeit „Schwingen verliehen", ohne auch die „Vertrauten, Freunde, Ehren", ohne „die Schönheit und Größe der Stadt und den Glanz, der allenthalben die umstrahlt, die hier heraufschauen"3, kaum mehr vorstellen. Weniger wird ihm dagegen die „Ehre" 4 des Konzilsvorsitzes bedeutet haben, obwohl er wahrscheinlich auch die Rolle eines „Friedensstifters"6 und Mahners auf dem Konzil nicht ungern noch ein wenig weitergespielt hätte. So war der unfreiwillige Abschied von der Stadt Konstantins, dem „Auge der Welt", der „Verbindungsstelle zwischen Orient und Okzident, zu der alles hinströmt und von der alles ausgeht wie von einem gemeinsamen Umschlagplatz des Glaubens"6, für ihn schwer, ja, voller 1 Das wird mit Hauser-Meury, 169, auch dem klagenden Ausruf in Gregorios Nazianzenos, carm. hist. X , 3, zu entnehmen sein: ΎΩ νόμοι, ώ βασιλήες in' εύσεβίτ] κομόωντες . . . a Wahrscheinlich hat auch Gregors Verhalten bei den Verhandlungen mit den „Makedonianern" eine Rolle gespielt (s. o. S. 84f.). Daß ihn die Entscheidung des Kaisers jedenfalls enttäuscht und verbittert hat und ihn argwöhnen ließ, das ursprünglich wohlwollende Verhalten des Theodosius ihm gegenüber habe sich infolge von Intrigen gewandelt, lehrt eine Stelle wie carm. hist. X I , 101 Iff., wo es über Theodosius kurz nach dessen Ankunft in Konstantinopel heißt: Οΰπω γάρ ήν τά ωτα διατε&είς κακώς ΟύδεΙζ κα&' ημών, άλλ' είτ εϊχον νγιώς . . . 3 Gregorios Nazianzenos, or. 42, 24 (MPG 36, 488A). 1 Gregorios Nazianzenos, carm. hist. X I , 1768. 5 Vgl. ibidem 1525—1571. • Gregorios Nazianzenos, or. 42, 10 (MPG 36, 469C).
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Bitterkeit. Allerdings wurde diese Bitterkeit dadurch etwas gelindert, daß er jetzt aus seiner Konstantinopler Gemeinde zahlreiche Beweise der Anhänglichkeit sowie der Empörung über das „schändliche" Verhalten des Konzils erhielt1. Außerdem blieb seiner Darstellung zufolge der „Anschlag" gegen ihn 2 auch unter den Synodalen selbst nicht ganz ohne Widerspruch, ja haben einige Bischöfe sogar das Konzil unter Protest verlassen, weil sie nicht mit ansehen wollten, wie ein anderer auf seinen Thron erhoben wurde3. Ein wenig mag es ihn schließlich auch versöhnt haben, daß man ihm die Gelegenheit gab, sich mit einer glanzvollen Rede 4 in der Kathedrale der Stadt, der Apostelkirche5, von dem dort gemeinsam mit dem Kaiser, Vertretern des Hofes® und der Kirche Konstantinopels7 versammelten Konzil8 zu verabschieden. Diese Abschiedsrede, wohl eine seiner bedeutendsten rhetorischen Leistungen, war — wenigstens weithin — „würdig und wahrte das Gesicht"9. Das gilt namentlich von ihrem Anfang, wo Gregorios ausführlich Rechenschaft ablegte von seiner mehr als zweijährigen Tätigkeit in Konstantinopel10, freilich wohl ein wenig zu ausführlich und zu bemüht, seine Verdienste um die Konstantinopler 1
Gregorios Nazianzenos, carm. hist. X I , 1905—1912. Ibidem 1914. Ibidem 1913—1918. Vielleicht liegt hier die Erklärung dafür, daß wir in den Konstantinopler Listen vergeblich nach dem Namen des Bischofs Theodulos von Apameia (in Bithynien oder Phrygien) suchen, der durch seine Unterschrift u n t e r das Testament Gregors (s. o. S. 85 A. 2) als Teilnehmer a n dem Konzil ausgewiesen sein dürfte. Wenn die Vermutung zutrifft, daß Theodulos ebenso wie die anderen uns sonst nicht weiter bekannten Mitunterzeichner v o m Nazianzener deshalb u m seine Unterschrift unter dies Testament gebeten wurde, weil er ihm in den Kontroversen über die antiochenische Frage sowie über die den „Makedonia n e r n " präsentierte „Unionsformel" die Stange gehalten h a t t e (s. o. S. 84 A. 3), so ist es gut denkbar, daß er mit dem Nazianzener aus Protest gegen dessen Abdankung das Konzil verließ. D a n n enthielte also die Nachricht a m Schluß von Gregors großem autobiographischen Gedicht wenigstens einen wahren Kern. Doch sind das alles selbstverständlich reine Hypothesen. * Gregorios Nazianzenos, or. 42 (Συντακτήριος, είς την των ρν' επισκόπων παρονσίαν: MPG 36, 457Α—492C). 6 Siehe oben S. 48 Α. 5; vgl. auch or. 42, 26, wo Gregorios von „diesem großen u n d berühmten Tempel" sowie von der „καλή μετοικία" der Apostel u n d sogleich danach von seinem „beneideten und gefahrvollen" Bischofsthron Abschied n i m m t (MPG 36, 489 B/C). « Ibidem (MPG 36, 492A). 7 Gregorios Nazianzenos, or. 42, 14. 19 u.ö. (MPG 36, 473B. 480C—481A). 8 Die „werten Hirten und Mitbischöfe" (or. 42,1: MPG 36, 457 A) werden im Verlauf der Rede wiederholt angeredet; an sie ist diese Rede in erster Linie gerichtet. 8 Von Campenhausen GK, 110. 10 Gregorios Nazianzenos, or. 42,1—13. 19. 23f. (MPG 36, 457A—473B. 480C— 481A. 485 B—488 A). a
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Kirche in das rechte Licht zu rücken, als daß ein grollender Unterton ganz hätte überhört werden können. Auch in der anschließenden kurzen Darlegung seiner Trinitätslehre \ die ihn, was die formale Geschlossenheit angeht, noch einmal auf der Höhe der antiarianischen und anti„makedonianischen" Polemik zeigte, gelang es ihm, das Gesicht zu wahren, wiewohl er keineswegs unterließ, sich erneut zum Grundsatz der vollen „Parrhesie" in der „Bezeugung der Wahrheit" zu bekennen2 und leidenschaftlich vor der Zulassung der „Moabiter und Ammoniter" zur Kirche zu warnen3, was nicht nur jedermann unter seinen bischöflichen Zuhörern, sondern auch der Kaiser als Anspielung auf jene erbitterte Kontroverse über die den „Makedonianern" zu präsentierende Einigungsformel verstanden haben4 wird. Außerdem übernahm er bei dieser Gelegenheit ein letztes Mal die Rolle des „Friedensstifters", indem er, auf die Unterschiede zwischen kappadokischer und ägyptisch-,,abendländischer" Trinitätstheologie eingehend, die Gemeinsamkeit der Intention bei aller Verschiedenheit der Terminologie aufzeigte und „vom Buchstaben auf den Geist" hinlenkte, „so wie man das Alte mit dem Neuen Testament miteinander in Einklang bringt"6. Versöhnlich klang es ferner, wenn er jetzt erneut, mit Rücksicht auf sein Alter und seine angegriffene Gesundheit, um seine „Entlassung" bat®. Nur möge man ihm einen ehrenvollen Abschied bereiten7. Das meint, daß er nun wenigstens die Genugtuung haben wollte, freiwillig demissioniert zu haben, und die Annahme seines Rücktrittsangebotes vorgeblich begrüßte, nur, daß er sich ein wenig mehr Takt seitens des Konzils gewünscht hätte. Würdig und ergreifend war es endlich, wie er zum Schluß8 Abschied nahm von den einzelnen Stätten seines Wirkens in Konstantinopel sowie von den Aposteln als den Schutzpatronen seiner Kathedralkirche, von seinem „beneideten und gefahrvollen" Bischofsthron, von den Klerikern, Mönchen, Chören, von den Nonnen, Witwen, Waisen und Armen Konstantinopels, nicht zu vergessen die Scharen seiner Hörer und die eifrigen Stenographen seiner Reden, und auch dem Kaiser samt seinem ganzen Hof, der „großen und christusliebenden Stadt" Konstantins, dem Orient und Okzident, „für die und von denen" er „bekämpft" werde, den Schutzengeln der Kirche Konstantinopels und vor allem „seiner" Trinität, die stets sein „einziger Gedanke" und seine „Zier" gewesen sei, ein letztes Lebewohl zurief. 1
Ibidem 14—18 (MPG 36, 473/480B). 3 Ibidem 14 (MPG 36, 473B). Ibidem 18 (MPG 36, 480A). 4 Siehe oben S. 84f. 5 Gregorios Nazianzenos, or. 42, 16 (MPG 36, 477A/B). • Gregorios Nazianzenos, or. 42, 20 (MPG 36, 481B). 7 Ibidem 25 (488C/D). 8 Ibidem 26. 27 (489B—492C). 2
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Allein, obwohl ihn die bevorstehende Trennung angeblich milder stimmte 1 , konnte er weder, noch mochte er mit seiner Bitterkeit über dies unerwartete Ende seines Konstantinopler Aufenthalts völlig hinter dem Berge halten. Waren vielmehr schon die Schilderung der redlichen, uneigennützigen Verwaltung seines Hirtenamts 3 sowie seiner asketischen Lebensführung inmitten all des höfischen, großstädtischen Prunks und Glanzes 3 und erst recht seine zwischendurch eingestreuten Ratschläge für die Wahl eines Nachfolgers 4 nicht ohne boshafte Seitenhiebe gegen seine bischöflichen Kollegen, so fiel im Zusammenhang seiner Klagen über das unselige antiochenische Schisma, das alle Welt in einen „heiligen", nein vielmehr einen „barbarischen Krieg" hineingezogen habe, sowie über die „Wechselhaftigkeit" der hohen und höchsten Geistlichkeit der verräterische Satz: „Heute sind wir Genossen im Amt und im Glauben, wenn es von oben her so bestimmt wird, morgen aber Gegner im Amt und im Glauben, sofern der Wind aus einer anderen Ecke bläst" 5 . Damit strafte er also seine Beteuerungen, er scheide freiwillig und nur zu gern, selber Lügen und stellte sich als das Opfer der Streitsucht und des Opportunismus der auf dem Konzil vertretenen Bischöfe hin. Noch unverhohlener kamen seine wahren Gefühle zum Ausdruck, wenn er gegen Ende seiner Rede ausrief: „Klatscht nun in die Hände, schreit (triumphierend) auf, erhebt euren Prunkredner (an meiner Statt) auf den Thron! Denn die euch so lästige und geschwätzige Zunge verstummt jetzt. Allein, sie wird nicht allezeit schweigen, sondern im Bund mit der Hand und mit der Tinte kämpfen! Für den Augenblick freilich verstummt sie." 5 Und um dem Ganzen gleichsam die Krone aufzusetzen, ließ er wenig später die Bemerkung fallen, es werde der Befriedung der Kirchen, der Befriedung zwischen Orient und Okzident zweifellos im höchsten Maße dienlich sein, wenn einige seiner bischöflichen Kollegen seinen Rücktritt „nachahmten" 7 ! Nach dieser Rede, die die vielköpfige Zuhörerschaft in der Apostelkirche mehr und mehr mit betretenem Schweigen aufgenommen haben 1
2 Ibidem 27 (492B). Ibidem 19 (480C—481A). Ibidem 24 (488A). 4 Ibidem 20. 24f. (481 В. 488B. 489A). 6 Ibidem 22 (484B/C). Wie es sich in Wahrheit mit seinem Rücktritt verhielt, kam auch in dem Klageruf zum Ausdruck: „Ich bin müde geworden im Kampf mit der Rede und mit dem Neid, mit den Feinden und mit den Unsern. Die einen (sc. die Feinde) führen ihre Schläge gegen die Brust und richten wenig aus. Denn vor offener Feindschaft kann man sich leicht in acht nehmen. Die andern (sc. die Unsern) aber lauern uns im Rücken und bringen darum um so größere Kränkung bei. Denn der unerwartete Angriff schlägt leicht lebensgefährliche Wunden" (Ibidem 20: 481C). Als eine solch schwere Kränkung, als einen „Angriff aus dem Hinterhalt" empfand er demnach die unerwartete Annahme seines Rücktrittsangebotes durch das Konzil! 7 • Ibidem 26 (492A). Ibidem 27 (492B). 3
Abschluß der Verhandlungen
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wird 1 , hielt sich Gregorios sicher nicht mehr lange in Konstantinopel auf 2 . Und schon beim Verlassen des Konzils begann er, die in der Abschiedsrede ausgesprochene Drohung wahrzumachen und seiner Bitterkeit und Enttäuschung in einer Reihe von Briefen und Gedichten ungehemmt die Zügel schießen zu lassen 3 .
VIII. Abschließende Verhandlungen und Beschlüsse. Bestätigung der Konzilsdekrete durch den Kaiser Über die Ereignisse bis zum unfreiwilligen Verzicht des Nazianzeners auf sein Konstantinopler Bischofsamt und seine weitere Teilnahme an dem Konzil hat er uns selbst „mit solcher Eloquenz und Leidenschaft berichtet . . ., daß man sich angewöhnt hat, im Konzil von Konstantinopel 381 nicht mehr zu sehen als den Bischof von Sasima und sein Mißgeschick"4. Sehr zu Unrecht! Denn wie wir sahen, waren jene Vorgänge auf dem Konzil, die in Gregors Bericht nur in mehr oder minder dunklen Anspielungen ihren Niederschlag gefunden haben, wie die Einigungsverhandlungen mit den „Makedonianern" oder die Aufstellung der Kanones II und III, fraglos viel wichtiger und folgenreicher als seine mit großer Ausführlichkeit und stark apologetischer Tendenz 5 geschil1 Keineswegs nur die Teilnehmer des Konzils. Hatten doch auch die Vertreter der Konstantinopler Kirche ebenso ihr Teil abbekommen (s. or. 42, 24: MPG 36, 488 B/C) wie die Vertreter des Hofes, über die Gregorios in Gegenwart des Kaisers sich nicht zu sagen scheute: „Lebe wohl, . . . du ganze Dienerschaft und Umgebung des Kaisers. Ob du dem Kaiser treu bist, weiß ich nicht. Gott jedenfalls bist du fast ausnahmslos untreu "(ibidem 26; 492). 2 Die Wahl seines Nachfolgers hat er jedenfalls dort nicht mehr miterlebt. Vielmehr hat er später brieflich seine „etwas sauersüße" (Hauser-Meury, 127) Gratulation ausgesprochen (s. ep. 88: MPG 37, 101В—104A). Zunächst kehrte Gregorios nach Nazianzos zurück, das seit dem Tod seines Vaters noch immer ohne eigenen Bischof war, und versah dort noch einmal vertretungsweise die bischöflichen Funktionen, bis es ihm endlich gelang, die vakante Stelle wieder ordnungsgemäß besetzen zu lassen. Dann erst konnte er sich auf das nahegelegene väterliche Landgut Arianzos zurückziehen, um dort die letzten Jahre bis zu seinem wohl 389/390 erfolgten Tod in der gewünschten Muße und Zurückgezogenheit zu verbringen (s. dazu Ullmann, 181ff., und Gallay, Vie, 211ff.). 3 Siehe vor allem Gregorios Nazianzenos, carm. hist. IV—X (geschrieben beim Verlassen Konstantinopels, also Juni/Juli 381: s. Gallay, Vie, 211). XI—XVIII (geschrieben wohl Anfang 382: Gallay, Vie, 216f.). Es brauchte Jahre, bis diese Wunde geheilt war und er „der wiedergewonnenen Freiheit tatsächlich froh wurde" (von Campenhausen GK, 110). 4 Batiffol, 123. 5 Vgl. Gregorios Nazianzenos, carm. hist. XI, 557 ff. Danach ist es der Zweck seines großen autobiographischen Gedichts gewesen, „daß Ihr (angeredet sind seine ehemaligen Konstantinopler Gemeindeglieder), die Ihr mich nicht mehr habt, doch wenigstens dies Werk besitzt als des Kummers Arzenei, den Feinden zur
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derten persönlichen Widerfahrnisse. Das gleiche gilt von den abschließenden Verhandlungen und Beschlüssen des Konzils im Anschluß an die wohl Mitte bis Ende Juni 381 erfolgte Resignation Gregors1, von denen er überhaupt keine Notiz mehr genommen hat 2 . Offenbar war er der Meinung, daß von diesem „zänkischen" Konzil nichts Gutes mehr zu erwarten sei3. Doch sollte er sich darin gründlich täuschen. Bevor das Konzil die durch das Erscheinen der „Ägypter und Makedonen" heraufbeschworene Krise beenden und seine Verhandlungen zu dem vorgesehenen Abschluß bringen konnte, mußte allerdings für Gregorios ein Nachfolger auf dem Konstantinopler Bischofsstuhl und im Vorsitz des Konzils gefunden werden. Nach Lage der Dinge war das alles andere als einfach. Denn nicht nur die meletianische Konzilsmehrheit war auf diese plötzlich notwendig gewordene Neuwahl naturgemäß völlig unvorbereitet. Vielmehr hatten auch die „Westler" Acholius und Timotheos, wie wir hören4, keinen anderen Kandidaten im Rückhalt, als sie die Rechtmäßigkeit der Ordination Gregors anfochten. Erschwerend kam hinzu, daß sich keiner der offiziellen Konzilsteilnehmer, unter denen sich eine Reihe prominenter und für das neu zu vergebende Amt sehr wohl geeigneter Bichöfe befand, zur Wahl stellen konnte5. Stand ihnen allen doch der gerade eben bei der Demission Gregors neu zu Ehren und Geltung gekommene Kanon XV von Nikaia im Wege. Die Genesis dieser Neuwahl liegt für uns weithin im dunkeln6. Nur so viel läßt sich mit einiger Sicherheit sagen, daß dem Wahlakt selbst Schmach, den Freunden aber zum Zeugnis, daß uns Unrecht widerfahren ist, ohne daß wir selbst je Unrecht getan hätten"! 1 Nach Ausweis seines Testaments (s. o. S. 85 A. 2) war Gregorios am 31. Mai 381 noch im Amt. Andererseits wird das Konzil zumindest nicht lange über den 9. Juli, d.h. den Tag der Verabschiedung der Konzilskanones, hinaus getagt haben (s. u. S. 131). Da nun der Wahl seines Nachfolgers schwierige und langwierige Verhandlungen vorausgegangen zu sein scheinen und auch die Erledigung der restlichen Tagesordnung ihre Zeit gebraucht haben wird, muß Gregorios spätestens Ende Juni aus Konstantinopel abgereist sein. 2 Ausgenommen die Wahl seines Nachfolgers, die er, abgesehen von seinem Gratulationsschreiben (ep. 88: MPG 37, 161 f.) mit teilweise unglaublichen Ausfällen kommentierte (s. bes. carm. hist. X I I : Uber sich selbst und wider die Bischöfe, bes. 550ff.). 8 Vgl. seine ablehnende Antwort auf die ihm durch den Konstantinopler Stadtpräfekten Prokopios übermittelte kaiserliche Einladung zur Teilnahme an der Konstantinopler Synode von 382 (ep. 130: MPG 37, 225A/B): „Wenn Du die Wahrheit wissen willst, so muß ich Dir gestehen, daß ich gewillt bin, in Zukunft jede Bischofsversammlung zu meiden, da ich keine Synode bisher ein gutes Ende nehmen sah, wodurch die Übelstände behoben, statt verschlimmert worden wären"! * Vgl. Gregorios Nazianzenos, carm. hist. XI, 1812f. s So m . E . richtig Seeck V, 156. • Die Berichte der Kirchenhistoriker Theodoretos V, 8, 8 (zu vergleichen mit V, 9, 15) und Sokrates V, 8 (MPG 67, 577B) sind unergiebig, während die ausführliche
Wahl des Nektarios
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wohl schwierige und langwierige Verhandlungen vorausgingen1, in denen man sich offenbar auf keinen der in Betracht kommenden Kleriker einigen konnte. Vielmehr stellte man schließlich — sicherlich nicht ohne Not — einen Laien zur Wahl, und zwar Nektarios aus Tarsos2, einen Mann im besten Alter3 und von vornehmer Herkunft4, der in Konstantinopel zu jener Zeit ein höheres Staatsamt, und zwar das Amt des praetor urbanus s, bekleidet haben und bei der hauptstädtischen Bevölkerung sehr beliebt gewesen sein soll6, hauptsächlich wohl deswegen, weil die in damaliger Zeit „mit obligater Liberalität" verwaltete Prätur populär zu machen pflegte7. Theologisch und kirchenpolitisch scheint Nektarios jedoch ein völlig unbeschriebenes Blatt und eigentlich durch nichts für die Nachfolge des Nazianzeners besonders prädestiniert gewesen zu sein. Überdies ist er zum Zeitpunkt, da seine Kandidatur vorgeschlagen wurde, möglicherweise noch nicht einmal getauft gewesen8. Mithin hätte man mit seiner Darstellung des Sozomenos V I I , 7, 9; V I I , 8, 1-—8; V I I , 10, 1—3, von der auch die des Marcellinus Comes sowie des Libellus Photii de Synodis (Marcellinus Comes a d a n n u m 381: ed. Mommsen, Chronica minora saec. IV—VII, Bd. I I , 1894, 61; Libellus Photii: Mansi I I I , 596) abhängig sein wird, schon bei Tillemont auf erhebliche Bedenken gestoßen ist; s. dazu besonders Loofs, Art. Nektarius von Konstantinopel, R E 3 X I I I , 707; Rauschen, 101. 1 Siehe bes. Sozomenos V I I , 7, 9. 2 Die tarsische H e r k u n f t des Nektarios ist zwar nur von Sozomenos überliefert, braucht aber mit dessen problematischer Darstellung (VII, 8, Iff.) nicht zu fallen: Loofs, R E 3 X I I I , 707. 3 Sozomenos V I I , 8, 2. 6, f ü h r t Nektarios freilich als würdigen Greis ein, was aber schon wegen dessen langem Episkopat (381—397) nicht sehr wahrscheinlich ist. Vor allem verträgt es sich schlecht mit der Tatsache, daß der Nazianzener gelegentlich das Verhältnis des Nektarios zu ihm mit dem eines Kindes seinem alten Vater gegenüber verglichen h a t (s. ep. 185: MPG 37, 304A), was darauf schließen lassen dürfte, daß Nektarios beträchtlich jünger war als der damals (Ende 383) etwa dreiundfünfzigjährige Gregorios; so auch Loofs a . a . O . ; HauserMeury, 127 A. 245; anders etwa Palanque u n d Bardy in Fliche-Martin I I I , 290; King, Theodosius, 40. 4 Nach Theodoretos V, 8, 8, war er „Patrizier" (ευπατρίδης), nach Sozomenos V I I , 8, 1, u n d Sokrates V, 8, gehörte er dem Konstantinopler Senat an. Auch aus Gregorios Nazianzenos, ep. 88 (MPG 37, 161C) geht die vornehme H e r k u n f t des Nektarios hervor, heißt es doch hier, mit ihm habe sich die Kaiserstadt als einem ,,βασίλειον άγαλμα" „in gebührender Weise geziert". 6 Sokrates V, 8; Rufinus X I , 21. Freilich war zu jener Zeit die P r ä t u r politisch „zur absoluten Bedeutungslosigkeit herabgesunken" (G. Wesenberg, Art. Praetor, V. Die Praetur unter dem Dominat, P W X X I I , 2 , 1602ff.). 6 Sokrates V, 8. 7 Loofs, Art. Nektarius von Konstantinopel, R E 3 X I I I , 707. 8 Rufinus X I , 21: "Nectarius . . . nuper baptismo consecutus sacerdotium susc e p i t " ; vgl. auch Sozomenos V I I , 8, 6. 7, Marcellinus Comes u n d den Libellus Photii (s.o. S. 112 A. 6). Auch unter den Ausfällen des Nazianzeners gegen seine bischöflichen Kollegen, die z.T. wenigstens auch als K o m m e n t a r zu der Wahl des Nektarios zu verstehen sein werden, finden sich zwei Stellen, die die in ihrer Richtigkeit umstrittene Nachricht vom Neophytentum des Nektarios zu bestätigen 8
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Ritter, Konzil
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Wahl zwar dem Kanon XV von Nikaia Genüge getan, doch nur, um mit einem anderen nikäischen Kanon, nämlich Kanon II, in Konflikt zu geraten. Nach diesem Kanon war es nämlich verboten, daß ein Neophyt ohne ausreichende Vorbereitungs- und Prüfungszeit mit dem Bischofsoder Presbyteramt betraut wurde1. Gleichwohl versichern die im Sommer des folgenden Jahres erneut nach Konstantinopel berufenen Teilnehmer des Konzils von 381 in ihrem Schreiben an den in Rom versammelten okzidentalischen Episkopat, sie hätten den „verehrungswürdigsten und gottgeliebtesten Nektarios auf der ökumenischen Synode" des Vorjahres schließlich „mit großer Einmütigkeit unter den Augen des gottgeliebtesten Kaisers Theodosios sowie mit Zustimmung des ganzen (sc. konstantinopolitanischen) Klerus und der ganzen Stadt(gemeinde)" gewählt2. Gewiß hat es zunächst den Anschein, als verdiene diese Versicherung wenig Vertrauen3. Doch wer auch immer für die Kandidatur des Nektarios die Verantwortung trug, ob sie, wie Sokrates will, vom Volk von Konstantinopel ausging oder — so die Darstellung des Sozomenos — vom Heimatbischof des Nektarios, Diodoros von Tareos, betrieben und mit kräftiger Unterstützung des Kaisers durchgesetzt wurde4, schließlich konnten in der Tat alle Beteiligten mit dieser vermutlich erst nach lebhaften AuseinandersetzungenБ scheinen. E i n m a l beklagt sich Gregorios d a r ü b e r , d a ß j e t z t a u c h „geistlichen I g n o r a n t e n u n d frisch G e t a u f t e n " (νήϊδες ουρανίων, νεολαμπέες) der Zugang z u m Bischofsamt offenstehe (carm. hist. X I I I , 87: M P G 37, 1234A). Z u m a n d e r n bem e r k t er in seiner wohl a m 1. J a n u a r 382 gehaltenen Gedenkrede auf Basileios (or. 43; z u m D a t u m s. Gallay, Vie, 2i4ff.), dessen E r h e b u n g z u m Metropoliten v o n K a p p a d o k i e n sei seinerzeit „nicht improvisiert" erfolgt, nicht „zugleich m i t der Abwaschung u n d E r l e u c h t u n g (sc. der T a u f e ) " wie bei der Mehrzahl derer, die h e u t z u t a g e z u m Bischofsamt d r ä n g e n ! Vielmehr sei Basileios „ n a c h der O r d n u n g u n d d e m Gesetz des geistlichen Aufstiegs" dieses ehrenvollen A m t e s gewürdigt worden (or. 43, 25: M P G 36, 532 A / B ) . Loofs scheint diese Anspielungen ebenso übersehen zu h a b e n wie das Zeugnis Rufins, wenn er ( R E 3 X I I I , 707) v o n d e m „ a n sich n i c h t unmöglichen, aber a u c h n u r d u r c h Sozomenos . . . v e r b ü r g t e n u n d in die Situation schlecht passenden N e o p h y t e n t u m des N e k t a r i u s " sprach. 1 Vgl. a u c h Can. Apostol. L X X X ; K a n o n I I I v o n Laodikeia; K a n o n X v o n Serdika; K a n o n X I I v o n Neokaisareia. 2 Theodoretos V, 9, 15 (GCS 44, 293): „ . . . τον αΐδεσιμώτατον και &εοφιλέστατον Νεκτάριον επίσκοπον κεχειροτονήκαμεν επι της οικουμενικής συνόδου μετά κοινής ομονοίας, ύπ' δψεσι και τον ϋεοψιλεστάτον βασιλέως Θεοδοσίου παντός τε τον κλήρου και πάσης επιψηφιζομένης τής πόλεως". 3 Siehe Loofs, R E 3 X I I I , 707: „ D i e .allgemeine Zustimmimg' wird m a n in Zweifel ziehen m ü s s e n " . Zumindest, f a n d Loofs, werden die ägyptischen Bischöfe ihre Z u s t i m m u n g verweigert h a b e n u n d „gedacht h a b e n wie ihre occidentalischen Gesinnungsgenossen, die . . . in d e m Briefe , S a n c t u m ' . . . die R e c h t m ä ß i g k e i t der W a h l b e m ä n g e l t e n " . Siehe dazu aber u n t e n S. 115 A. 4. 4 Sokrates V, 8 (MPG 67, 577 B ) ; Sozomenos V I I , 8, 1—8; V I I , 10. s Siehe neben Sozomenos V I I , 8, Iff., auch A m b r o s i u s , e p . 13, 3 (MPL 16, 991A) u n d dazu Schwartz GS I V , 104.
Wahl des Nektarios
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zustande gekommenen Verlegenheitslösung zufrieden sein: der Kaiser, weil Nektarios als ehemaliger Staatsbeamter ein loyalerer Hofbischof zu werden versprach als der doch recht eigenwillige und unberechenbare Nazianzener1; die meletianische Konzilsmehrheit, weil er sich ihr durch die Umstände seiner Wahl verpflichtet fühlen mußte und ohnedies als Protege Diodors2 zu den Ihren zu rechnen war; Klerus und Volk von Konstantinopel, weil ihnen Nektarios kein Unbekannter war; die „westliche" Minderheit auf dem Konzil endlich, weil es sie mit Genugtuung erfüllen mußte, daß bei dieser Neuwahl wenigstens Kanon XV von Nikaia eingehalten worden war, vor allem aber, weil kaum zu befürchten stand, daß sich der neue Bischof von Konstantinopel als ein zweiter Ambrosius entpuppen werde! Jedenfalls bot der gänzlich unerfahrene Nektarios wohl eher als einer der führenden Meletianer die Gewähr dafür, daß aus dem III. Konstantinopler Kanon keine für Alexandreia und den Westen gefährlichen machtpolicischen Konsequenzen gezogen wurden, eine Erwartung, die sich auch als vollkommen berechtigt erweisen sollte3. Daß seine Wahl zu Kanon II von Nikaia in Widerspruch stand, werden Acholius und Timotheos dagegen ebenso wie die Meletianer lediglich als Schönheitsfehler betrachtet haben. Zumindest hatten sie keinen Grund, davon viel Aufhebens zu machen, da der damals führende Kirchenmann des Westens, Ambrosius von Mailand, auf die gleiche unkanonische Weise zu bischöflichen Ehren gelangt war4. 1 Was den Kaiser weiterhin bewogen haben könnte, die Wahl des Nektarios zu unterstützen, dazu s. King, Theodosius, 40: ". . . probably he (so. Theodosius) had enough of genius in St. Gregory. Above all, he had in Nectarius someone who had no eeelesiastieal past"! Zur umstrittenen Frage, wie weit Theodosius an der Durchsetzung der Kandidatur des Nektarios beteiligt war, s.u. S. 234f. 2 Nach Sozomenos VII, 10, 1—3, hätte Diodoros dem Nektarios auch weiterhin seine Protektion angedeihen lassen, indem er ihm einen seiner kilikischen Suffragane, nämlich Kyriakos von Adana, zur Seite gab, um ihn in seine Aufgaben als Bischof einzuführen. 8 Zum unbedeutenden Episkopat des Nektarios s. Loofs, R E 3 X I I I , 707 f. 4 Aus diesem Grund wird auch der Westen von Kanon I I von Nikaia keinen Gebrauch gemacht haben, um die Rechtmäßigkeit der Wahl des Nektarios anzugreifen. Ambrosius beschwerte sich zwar in dem an Theodosius gerichteten Schreiben „Sanctum" darüber, daß „consensione et consilio Nectarii" mit der Wahl Flavians zum Nachfolger des Meletios das antiochenische Schisma zementiert worden sei, und bemerkte in diesem Zusammenhang zur Ordination des also Angegriffenen: "cuius ordinatio quem ordinem habuerit, non videmus" (ep. 13,3; MPL 16, 950 О—951A). Doch begründete Ambrosius diesen seinen Zweifel an der Regelmäßigkeit der Ordination des Nektarios nicht etwa mit Kanon I I von Nikaia — wie hätte gerade er sich hierin zum Anwalt des „ecclesiasticus ordo" (ep. 13, 2: 950B) machen dürfen!—, sondern damit, daß für ihn wie für das Konzil von Aquileja nach eingehender Prüfung noch immer Maximos der rechtmäßige Bischof von Konstantinopel sei. Ebenso scheint auch sein römischer Kollege Damasus, dem wohl im Sommer 382 die Wahl des Nektarios durch Theodosius offiziell angezeigt wurde, Kanon I I nicht zum Anlaß genommen zu haben, um diese Wahl anzu8*
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Vorgeschichte u. Geschichte des Konzils
Aber nicht nur als Bischof von Konstantinopel trat Nektarios die Nachfolge Gregors von Nazianz an. Vielmehr wurde ihm nach seiner Weihe, bei der ihm neben Kyrillos von Jerusalem auch Timotheos von Alexandreia die Hand aufgelegt haben soll1, für die Schlußverhandlungen auch der Konzilsvorsitz übertragen2. Nachdem das Konzil in Kanon III dem Bischof der östlichen Metropole als des „Neuen Rom" den „Vorrang der Ehre" in der Hierarchie der Ostkirchen zugesprochen hatte, blieb jetzt auch kaum eine andere Wahl. Allein, wenn mit Nektarios auch nicht gerade der repräsentativste Mann des Konzils zum Präsidenten bestellt und gewiß kein ebenbürtiger Nachfolger für den Nazianzener oder gar für Meletios gefunden worden war, so scheint doch seine Wahl zum Residenzbischof und zum Leiter der Konzilsverhandlungen dazu beigetragen zu haben, daß die durch das Erscheinen der aufgebrachten „westlichen" Bischöfe heraufbeschworene und durch den dramatischen Abgang Gregors von Nazianz eher noch verschärfte Krise beigelegt wurde und damit den abschließenden Verhandlungen ein geregelter und erfolgreicher Verlauf gesichert war. Unter seiner Leitung muß es zunächst zur Beratung und Verabschiedung zweier wichtiger Lehrdekrete gekommen sein, um derentwillen die Konstantinopler Reichssynode wohl mit Recht als das die trinitätstheologischen Streitigkeiten des vierten Jahrhunderts abschließende Konzil gilt 3 . In dieser Schlußphase der Konzilsberatungen muß nämlich einmal ein ausführliches Lehrschreiben, ein Tomos, abgefaßt worden sein, der uns zwar nicht erhalten, wohl aber sicher bezeugt und wenigstens noch in seinen Grundzügen zu rekonstruieren ist 4 . Zum andern wird jetzt wohl im Zusammenhang mit diesem Tomos der in den Kanonessammfechten, sondern ohne Umschweife Nektarios als rechtmäßigen Inhaber des Konstantinopler Thronos anerkannt zu haben (s. das Schreiben Papst Bonifatius' I., Jaffe, 365, und dazu Ensslin, 42). 1 So Marcellinus Comes ad annum 381 (ed. Mommsen, Chronica minora saec. IV—VII, Bd. II, 1894, 61). Allerdings nennt der Illyrer unter den Konsekratoren des Nektarios auch den Meletios. Damit scheint seine Nachricht über diese Bischofsweihe insgesamt diskreditiert zu sein (so Rauschen, 101). Doch bestanden, wie wir sahen, seitens der Ägypter und Okzidentalen wohl keine unüberwindlichen Bedenken gegen die Kandidatur des Nektarios. Daher hat die Annahme, daß auch Timotheos an dessen Weihe teilgenommen hat, nichts Unwahrscheinliches an sich (so auch Lietzmann GAK IV, 34). 2 Sozomenos VII, 9, 1. Daß Nektarios den Schlußverhandlungen des Konzils präsidiert hat, wird nach Rauschen, 98, auch durch die Tatsache nahegelegt, daß er als erster die Konzilsbeschlüsse unterschrieben hat (s. u. S. 123f.). Freilich ist daraus kein zwingender Schluß erlaubt. 3 Siehe unten S. 270ff. 293ff. 4 Siehe die Rekapitulation der „fides Orientalium" im Synodalschreiben von Konstantinopel 382 bei Theodoretos V, 9, 10—12 (GCS 44, 292f.) und dazu unten S. 244 f.
Der Tomos
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lungen überlieferte dogmatische Kanon des Konzils (Kanon I) aufgestellt und gemeinsam mit den übrigen Konzilskanones verabschiedet worden sein1. Neben der Regelung der Konstantinopler Bischofsfrage und der Aufstellung von Disziplinarkanones zur Wiederherstellung einer dauerhaften Ordnung in den Ostkirchen wird eine Stellungnahme zu den umstrittenen Lehrfragen von Anfang an auf dem Tagungsprogramm des Konzils gestanden haben. Denn wir hören davon, daß zwei namhafte Theologen der das Konzil beherrschenden Partei, nämlich G-regorios von Nyssa und Amphilochios von Ikonion, mit einigen ihrer dogmatischpolemischen Schriften nach Konstantinopel gekommen waren2, und das schwerlich nur zu dem Zweck, um ihren Parteifreunden eine Kostprobe ihrer jüngsten schriftstellerischen Produktion zu geben, sondern wohl auch deshalb, weil sie sich auf die Abfassung eines ausführlichen Lehrdekrets seitens des Konzils eingestellt hatten. Doch auch nach dem Willen des Kaisers sollte sich wohl die Tätigkeit des Konzils nicht auf die Regelung von Personalfragen sowie auf die Aufstellung einiger fälliggewordener Disziplinardekrete beschränken. Jedenfalls hatte Theodosius 1 D a ß die Aufstellung des Tomos und des Kanons I auf die Schlußphase des Konzils, d . h . auf die Zeit nach der Abreise des Nazianzeners aus Konstantinopel anzusetzen ist, haben auch schon Ulimann, 179, Bardy und Palanque in FlicheMartin I I I , 287, u n d King, Theodosius, 41, angenommen. Zur Begründung wird m a n etwa darauf verweisen können, daß im großen autobiographischen Gedicht des Nazianzeners wie auch in seiner Abschiedsrede nichts darauf schließen läßt, d a ß diese beiden Glaubensdekrete noch in seiner Gegenwart beraten und verabschiedet worden wären. Eine Stelle in seiner Abschiedsrede scheint dies sogar auszuschließen. Wenn er dort (or. 42, 16: MPG 36, 477 A/B) nämlich — wohl unter Bezugnahme auf die Differenzen zwischen abendländisch-alexandrinischer u n d morgenländisch-kappadokischer Trinitätstheologie — einen kräftigen Friedensappell a n das Konzil richtete u n d mahnte, den grundlosen Streit u m „ N a m e n " endlich zu begraben u n d zu erkennen, daß m a n beiderseits das gleiche meine, ob m a n n u n von drei „Hypostasen" oder drei „Personen" rede, so wäre dieser Appell nach der Aufstellung des Tomos überflüssig gewesen. Denn den Angaben im Synodalschreiben von 382 zufolge (s. den Text des dogmatischen Abrisses u n t e n S. 303 A. 4) h a t m a n darin νπόστασις u n d πρόσωπον ausdrücklich identifiziert. 2 Siehe Hieronymus, De viris illustribus 128 (ed. Herding, 1924, 64: "Gregorius, Nyssenus episcopus, . . . ante annos paucos mihi et Gregorio Nazianzeno contra E u n o m i u m legit libros . . ."). 133 (65: "Amphilochius Iconii episcopus nuper mihi librum legit 'de spiritu sancto', quod deus, et quod adorandus, quodque omnipotens sit"), u n d dazu Holl, Amphilochius, 27. Nach W. Jaeger wäre überdies des Nysseners Schrift „ Ü b e r den Hl. Geist" (Opera I I I , 1, 89—115) eigens „ad usum concilii Constantinopolitani anno 381" verfaßt worden (s. Jaegers Vorwort zu Opera Ι Ι Ι , Ι , VI), während nach R . Abramowski Amphilochius neben der von Hieronymus erwähnten pneumatologischen Schrift noch mit einem Symbolentwurf nach Konstantinopel gekommen wäre (s. R . Abramowski, Das Symbol des Amphilochius, Z N W X X I X , 1930, 129ff., bes. 134f.). Doch sind das schwerlich mehr als Vermutungen.
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bisher in seiner Ketzergesetzgebung sowohl von einer Festsetzung von Strafen als auch von einer endgültigen Fixierung des Kreises der Häretiker Abstand genommen1. Mit beidem hatte er wahrscheinlich gewartet, „bis das von ihm geplante Konzil im Rahmen der kirchlichen Zuständigkeit die Religionsfrage geregelt"2 hätte. Allerdings war er dieser Regelung der Religionsfrage durch das Konstantinopler Reichskonzil in gewisser Weise bereits zuvorgekommen, indem er im Religionsedikt vom 28. Februar 380 von sich aus zu den umstrittenen Lehrfragen Stellung genommen hatte, und zwar ganz im Sinne der in Alexandreia und im Westen vertretenen nikäischen Orthodoxie3. Später war er dann, wie wir sahen4, auf die Linie der durch Meletios repräsentierten orientalischen Orthodoxie eingeschwenkt und hatte sich im Reskript vom 10. Januar 381 wenigstens in den Grundzügen die von den drei großen Kappadokiern erarbeitete Trinitätstheologie offiziell zu eigen gemacht, wie sie wohl auch in dem verlorengegangenen Tomos der Meletianersynode von Antiocheia 379 ihren Ausdruck gefunden hatte 6 . Wenn er nun trotzdem veranlaßte oder sich doch wenigstens damit einverstanden erklärte, daß sich das Konstantinopler Konzil, ohne auf die voraufgegangenen kaiserlichen Religionserlasse Bezug zu nehmen, erneut mit dem schwebenden Lehrstreit beschäftigte, so wird man daraus schließen können, daß auch nach seiner Meinung die Regelung der Glaubensfragen in die Zuständigkeit der Kirche fiel. 1
I m E d i k t vom 28. Februar 380 h a t t e er den — namentlich nicht genannten — Häretikern lediglich weltliche Strafen angedroht, während er im Reskript v o m 10. J a n u a r 381 einen Schritt weiterging, indem er „allen Häretikern", speziell den Photinianern, Arianern u n d Eunomianem, den Besitz von Kulträumen untersagte u n d über sie innerhalb der Städte Veraammlungsverbot verhängte. Eine eigentliche Strafbestimmung fehlte jedoch in diesem „Generalerlaß gegen alle H ä r e t i k e r " (Ensslin, 28) ebenso wie in dem E d i k t „Cunctos populos". Sie erfolgte erst in dem Ketzergesetz vom 19. Juli 381 (Codex Theodos. X V I , 5, 8), welches E u n o m i a n e m , Arianern u n d Aötianern jeden Kirchenbau innerhalb wie außerhalb der Städte untersagte unter Androhung der Konfiszierung solcher Bauten wie auch des Baugrundes. Außerdem h a t t e es der Kaiser bisher in seinen Religionsedikten unterlassen, die Hauptgegner der Orthodoxie in der Schlußphase der arianischen Streitigkeiten, nämlich Pneumatomachen und Apollinaristen, namentlich als Häretiker zu brandmarken, weil er entweder ihrer Anathematisierung durch das Konstantinopler Konzil nicht vorgreifen wollte oder hoffte, sie doch noch in die von ihm angestrebte „Unionspolitik auf nicaenisch-orthodoxer Basis" (Caspar I, 232) einbeziehen zu können! Das könnte zumindest von den Apollinaristen gelten, d a Theodosius sich in seiner Religionsgesetzgebung bislang jeder Stellungnahme zu den von A p o l l i n a r i s aufgeworfenen Fragen enthalten hatte. Dagegen m u ß t e n sich die Pneumatomachen nach den kaiserlichen Erklärungen zu den trinitätstheologischen Fragen praktisch als abgeschrieben betrachten, sofern der Kaiser selbst an diesen seinen Erklärungen festhielt! 2 1
Ensslin, 33. Siehe oben S. 32f.
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Siehe oben 28ff. Vgl. Theodoretos V, 9, 10—13.
Der Tomos
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Daß sich das Konzil aber erst gegen Ende seiner Beratungen dieser wichtigen Aufgabe zuwandte, wird seinen Grund darin gehabt haben, daß dem Kaiser wie den maßgeblichen Vertretern des Konzils die Regelung der Personal- und Disziplinarfragen wegen der geplanten nachträglichen Konvokation der „Ägypter und Makedonen" als vordringlich erschien, während man mit der Beratung und Entscheidung der anstehenden Lehrfragen wohl eher ihr Eintreffen in Konstantinopel abwarten zu können meinte. War doch in diesen Fragen mit ernstlichem Widerstand ihrerseits kaum mehr zu rechnen, ja war vielleicht sogar zu hoffen, daß sie die in ihrem Beisein aufgestellten Glaubensdekrete der Synode ein wenig mit ihrer Benachteiligung bei der Konzilsberufung aussöhnen würden. Man könnte jedoch die Aufstellung der Glaubensdekrete auch aus dem Grund an den Schluß der Tagesordnung gesetzt haben, weil bei dieser Gelegenheit in Gegenwart der nachträglich eingeladenen „westlichen" Bischöfe auch die immer noch mindestens latent vorhandenen Mißverständnisse zur Sprache gebracht und nach Möglichkeit ausgeräumt werden sollten, denen die Trinitätstheologie der Meletianer mit ihrer Drei-Hypostasen-Lehre im Abendland wie in Alexandreia als der Vorhut der westlich orientierten Kreise innerhalb der Orthodoxie des Ostens lange genug ausgesetzt gewesen war 1 . Wie es scheint, ist es auch anläßlich der Aufstellung des Tomos tatsächlich zu einer Annäherung zwischen der herrschenden Konzilspartei und der „westlichen" Minderheit gekommen. Denn wenn die Synodalen wenig später dem Kaiser mitteilten, es sei gelungen, „die Eintracht untereinander zu erneuern" 2 , so wird das weder pure „Phrase" sein noch, wie man etwa gemeint hat, sich nur „auf die gemeinsame Abweisung der Pneumatomachen" beziehen 3 . Vielmehr dürfte damit vor allem die „Aussöhnung" zwischen den Meletianern und den nachträglich eingeladenen ägyptischen und makedonischen Bischöfen gemeint sein. Was aber könnte dazu eher beigetragen haben als die „schönen Glaubensdekrete der Synode" 4 , namentlich der Tomos? Denn darin wurde die Religionsfrage in einem Sinne geregelt, der der Auffassung des Acholius und des Timotheos weitgehend entsprochen haben wird. Und zwar be1
Diese Mißverständnisse hatten ihre Wurzel vor allem darin, daß die Okzidentalen ούσία und ύπόστασις gleichermaßen als Entsprechung für substantia verstanden und ihnen daher die Rede von drei göttlichen Hypostasen des Tritheismus verdächtig war, während in Alexandreia die origenistische Drei-HypostasenLehre wohl als durch die Arianer diskreditiert galt und man hier zwar einräumte, daß diese Lehre auch einer orthodoxen Deutung fähig sei, selbst aber an der nikäischen „Identifizierung" von ούσία und νπόστασις festhielt und demgemäß wie von einer ουσία, so auch von einer νπόστασις der Gottheit redete (s. dazu unten S. 270ff.). 2 Siehe den Logos Prosphonetikos der Synode (Mansi III, 557). 3 4 Loofs, Arianismus, 44. Lietzmann GAK IV, 35.
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kannte man sich nachdrücklich zum Palladium der Orthodoxie, zum Nicaenum, und übertrug anders als in der den „Makedonianern" präsentierten Einigungsformel das nikäische Homousios ausdrücklich auch auf den Hl. Geist, indem man von der einen Gottheit, Wesenheit und Ehre Vaters, Sohnes und Hl. Geistes sprach und die Trinität als „wesenseins" prädizierte. Ferner grenzte man sich scharf von den verschiedenen trinitätstheologischen Häresien ab, darunter namentlich auch von der „Blasphemie" der mit Eunomianern und Arianern auf eine Stufe gestellten Pneumatomachen. Schließlich gab man der eigenen Trinitätslehre einen Ausdruck, der zu irgendwelchen Mißverständnissen kaum mehr Anlaß geben konnte Doch berührte der Tomos wohl nicht nur das trinitätstheologische und pneumatologische Problem, das im Endstadium der arianischen Streitigkeiten im Mittelpunkt der Auseinandersetzung gestanden hatte, sondern er scheint auch eine kurze Stellungnahme zu den durch Apollinarios von Laodikeia aufgeworfenen christologischen Fragen enthalten zu haben. Freilich fiel diese Stellungnahme der noch immer weitverbreiteten Unsicherheit gegenüber dieser neuen Fragestellung entsprechend in der Negation überzeugender aus als in der Position, sofern man darin anscheinend die apollinaristische Lehre zwar scharf ablehnte und über Apollinarios samt seinen Anhängern das Anathem verhängte, positiv aber nicht über die reichlich vagen Beschlüsse der Synode von Alexandreia 362 hinausging2. Allem Anschein nach bestand zur Zeit des Konstantinopler Konzils unter den Orthodoxen des Orients noch immer wenig Neigung, nach den langen arianischen Streitigkeiten „einen neuen Kampf, dessen Größe man ahnte, aufzunehmen"3. So kam der Streit 1 Wichtig war, daß man sich nicht nur unmißverständlich zur Einheit der göttlichen ουσία bekannte und den Gedanken ausdrücklich abwehrte, als dürfe der „ungeschaffenen", „wesenseinen" Trinität irgendetwas von „wesensverschiedener N a t u r " (έτεροσύσιος φύσις) „beigefügt" werden, sondern auch durch die Identifizierung von ύπόατασις und πρόσωπον deutlich machte, daß man bei der Rede von drei göttlichen Hypostasen ΰπόστασις in einem eingegrenzteren Sinne gebrauchte, als es bisher üblicherweise der Fall war, nämlich in dem Sinn von „Realisierung", „Manifestation", nicht aber „Realität", „Substanz" (s. den Text der in Betracht kommenden Partie aus dem Synodalachreiben von 382 unten S. 303 A . 4). 2 I n unsrer Quelle zur Rekonstruktion des Tomos, dem Synodalschreiben von 382 (Theodoretos V , 9, 12), wird die Meinung schroff abgewehrt, als sei der inkarnierte Logos άψυχος oder ανονς oder als sei seine Fleischwerdung „unvollständig". Vielmehr sei der Logos am Ende der Tage „ u m unseretwillen ein vollkommener Mensch geworden" (s. den Text unten S. 193 A . 2). Vgl. damit den „ T o m o s " von Alexandreia 362 ( M P G 26, 8 0 4 A — 8 0 5 A ) sowie Lietzmann, Apollinaris, 6f. 29ff. 3 So Grillmeier, 120, unter Berufung auf den Tomos der alexandrinischen Synode von 362 (Athanasios, Tomos an die Antiochener, 8: M P G 26, 805B), deren offensichtliche Abneigung gegen „eine Wiederholung der so unfruchtbaren und weithin schädlichen theologischen Wortstreitigkeiten der vergangenen Jahrzehnte" (Grillmeier a . a . O . ) später namentlich von Basileios geteilt wurde (s. bes. Basileios,
Kanon I
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um die apollinaristische Inkarnationslehre, deren Bedenklichkeit man freilich schon früh erkannt hatte, erst in der Folgezeit zu vollem Austrag. Gleichsam als Resümee dieses Tomos stellte das Konzil wohl im unmittelbaren Anschluß an dessen Beratung und Verabschiedung noch folgenden Kanon a u f 1 : „Der Glaube der 318 Väter, die in Nikaia in Bithynien versammelt waren, soll nicht abgeschafft werden, sondern in Geltung bleiben. Und es wird jede Häresie verdammt, speziell die der Eunomianer oder Anhomöer, die der Arianer oder Eudoxianer 2 , die der Semiarianer oder Pneumatomachen, (schließep. 258, 2: MPG 32, 949B/C). Aber auch der Nyssener hielt noch um 381/382 die von den Apollinaristen aufgeworfenen Fragen für eine „müßige Sophisterei" (Gregorios Nyssenos, ep. III, 8ff.; hrsg. v. Pasquali, Opera VIII,2, 22) und ließ sich — ebenso wie Diodoros von Tarsos (s. Grillmeier, 121 f. 135ff.) — erst sehr viel später auf den neuen Lehrstreit ein. Anders Gregorios von Nazianzenos! Zwar hielt auch er den Streit mit Apollinarios ursprünglich für einen „Bruderzwist" (s. or. 22, 13: MPG, 35, 1145B). Doch war er offensichtlich schon zur Zeit des Konstantinopler Konzils ernstlich gewillt, den Kampf mit dem Apollinarismus aufzunehmen (s. u. S. 194 Α. 1). 1 Mansi III, 557E—560A: „Μη άΰετεϊσ&αι την πίστιν των πατέρων των τριακοσίων δεκαοκτώ, των εν Νικαίφ της Βιθυνίας συνελ&όντων αλλά μένειν έκείνην κυρίαν, καΐ άνα&εματισ&ήναι πάσαν αιρεαιν καΐ ειδικώς την των Εύνομιανών, εϊτονν άνομοίων και την των Άρειανών, εϊτονν Εύδοξιανών και την των Ήμιαρειανών, ήγουν Πνευματομάχων και την των Σαβελλιανων, Μαρκελλιανών, και την των Φωτεινιανών και την των Άπολλιναριστών." Nicht selten ist in der Forschung die Meinung vertreten worden, Kanon I müsse ursprünglich ein Teil des Konstantinopler Tomos gewesen sein. Denn „im christlichen Altertum" seien „die Anathematismen niemals (!) in die Zahl der unter dem Namen von Disziplinarkanones bekannten Kanones einbegriffen" worden (HefeleLeclercq II, 1, 21; vgl. auch ibidem 11 sowie Tillemont IX, art. 78, S. 221, und Bright, 79). Diese Begründung ist aber, wie etwa Kanon VII von Ephesos 431 und der erste Kanon des Quinisextum zeigen (vgl. auch Kanon I von Nikaia 787, worin die „apostolischen Kanones" sowie die Dekrete der voraufgegangenen ökumenischen und topischen Synoden rezipiert wurden mit der Erklärung: „Kai οϋς μεν τω άνα&έματι παραπέμπουσι, και ημείς άνα&εματίζομεν . . ."!), nichts weniger als stichhaltig. Daß es sich bei Kanon I von 381 um ein selbständiges Dekret neben dem Tomos dieser Synode handelt, kann m.E. auf Grund der Tatsache keinen Augenblick zweifelhaft sein, daß er wohl schon vor 400 zusammen mit den drei anderen echten Kanones von 381 in das aus einer syrischen sowie aus der in der Collectio Isidoriana älterer Fassung vorliegenden lateinischen Übersetzung zu rekonstruierende erweiterte griechische Corpus canonum Eingang fand (s. dazu bes. Schwartz, Die Kanonessammlungen der alten Reichskirche, ZSavRG 66, 1936, 13 = Schwartz GS IV, 171). Außerdem hat er offensichtlich bereits dem Kirchenhistoriker Sozomenos (VII, 9, 1; vgl. auch Theodoretos V, 8, 9 sowie Sokrates V, 8) wie auch dem Konzil von Chalkedon in seiner heutigen Gestalt vorgelegen (s. Schwartz ACO II, 1, 3, 96). Dazu, wie sich dies Nebeneinander von Kanon I und Tomos von 381 vermutlich versteht, s. unten S. 126 Α. 1. 2 Die Häretikerliste in diesem Kanon ist verschieden überliefert. Neben der am besten bezeugten Lesart „Eunomianer oder Anhomoier, Arianer oder Eudoxianer" findet sich auch die andere: „Eunomianer oder Eudoxianer", die u . a . auch von
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Vorgeschichte u. Geschichte des Konzils
lieh) die der Sabellianer, Markellianer, Photinianer und Apollinaristen." Damit erklärten also die Konstantinopler Synodalen den jahrzehntelangen, erbitterten Streit um die Geltung des nikäischen Glaubens und seines Homousios, der auch noch in die Verhandlungen des Konzils mit der „makedonianischen" Delegation unter Führung des Eleusios von Kyzikos hineingespielt hatte \ definitiv für beendet2. Zugleich gaben sie deutlicher noch als in ihrem Tomos der Überzeugung von der grundsätzlichen Suffizienz dieses Palladiums der Orthodoxie Ausdruck, indem sie hier von jeglicher Explikation und Aktualisierung des nikäischen Glaubens im Blick auf die seither aufgebrochenen Lehrfragen Abstand nahmen3 und sich mit einer Abgrenzung gegenüber „jeder Häresie" begnügten. Im besonderen anathematisierten sie die „ultraarianischen" Anhänger des Bischofs Eunomios von Kyzikos sowie die unter Konstantius und Valens herrschend gewesenen, hier nach einem ihrer einstigen Führer, dem Hofbischof Eudoxios, als „Eudoxianer" bezeichneten Homoier („Arianer") auf der „Linken", ferner die des „Sabellianismus" verdächtigen und deshalb im vierten Jahrhundert schon wiederholt verurteilten Anhänger Markells von Ankyra und seines Schülers Photin von Sirmium auf der „Rechten"4 und schließlich die Hauptgegner aus der Schlußphase der arianischen Streitigkeiten, nämlich die Pneumatomachen aller Schattierungen, sowie die Apollinaristen6. Mit diesen AbAlivisatos, Die heiligen Kanones u n d kirchlichen Gesetze (griech.), Athen 19492, 35, aufgenommen worden ist, obwohl sie keinen Sinn gibt. Ferner liest Dionysius Exiguus „Macedoniani" s t a t t „Semiariani" (s. dazu Percival, 172). Doch d ü r f t e der im Text befolgten Lesart der Vorzug zu geben sein, nicht zuletzt deshalb, weil sie der F o r m entspricht, in der K a n o n I in Chalkedon zitiert wurde (s. Schwartz 1 ACO I I , 1, 3, 96). Siehe oben S. 82f. 2 Daß N u n d sein Homousios in Konstantinopel keineswegs nur einen Scheinsieg errangen, wie m a n im Gefolge Theodor Zahns u n d Harnacks oft gemeint h a t , dazu s. u. S. 270ff. 3 Mit Recht folgert King aus den Formulierungen dieses Kanons: "The Council of 381 did not think itself as innovating: it was establishing t h e faith of Nicea" (Theodosius, 41). Daß dies freilich nicht exklusiv, sondern regulativ zu verstehen ist, dürfte in Anbetracht der Tatsache, daß der Formulierung dieses Kanons die Aufstellung des Tomos vorausgegangen sein wird, ebenso klar sein (vgl. auch unten S. 149f.). Wie allerdings Ensslins Auskunft zu verstehen ist, daß K a n o n I das Glaubensbekenntnis „enthielt", „das unter dem N a m e n Nicaeno-Constantinopolitanum bekannt ist" (Ensslin, 34), vermag ich nicht zu sagen. 4 Gleichwohl bemerkt Kelly mit R e c h t : " T h e ban on Marcellus's doctrine has seemed to some scholars, not altogether justly (!), as a mere pro forma reenactment of anathemas which h a d become conventional" (Creeds, 339). Vielmehr wurde dieser B a n n wohl erneuert, weil die Markellianer z.T. unter zu leichten Bedingungen wieder in die Großkirche aufgenommen worden waren, etwa von dem Eustathianer Paulinos in Antiocheia (s. dazu Basileios, ep. 263, 5 u n d 265, 3: MPG 32, 981. 988f., u n d Schwartz GS IV, 77f.)! 6 Zur Verurteiluug der Pneumatomachen als „Semiarianer" s. Loofs, Christologie, passim; zu der der Apollinaristen Lietzmann, Apollinaris, 31. 41 f.
Verabschiedung der Kanones
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grenzungen war der Kreis der nachnikäischen Häretiker endgültig umschrieben und der kaiserlichen Ketzergesetzgebung, die bisher unter den hier verurteilten Häresien nur die der Eunomianer und „Arianer" (d.h. Homoier) unter staatliches Verdikt gestellt hatte, die Richtung gewiesen! Positiv aber ergab sich aus diesen Abgrenzungen als orthodoxe Lehre das Bekenntnis zur Homousie der trinitarischen Personen und zur „vollkommenen Menschheit" des inkarnierten Logos, so wie es im Tomos entfaltet worden war. Wie aus der handschriftlichen Überlieferung hervorgeht, ist dieser Kanon sodann gemeinsam mit den früher beschlossenen Disziplinardekreten des Konzils, also den Bestimmungen über Maximos sowie über die Kompetenzscheidung nach Reichsdiözesen und die Privilegien des Konstantinopler Bischofs, verabschiedet1 und unterschrieben worden2. Und zwar ist als Datum dieses Ratifizierungsaktes der 9. Juli 381 überliefert3. Den erhaltenen Subskriptionslisten zufolge unterschrieb gemäß 1
Zu den Kanones II—IV s. oben S. 52. 85ff. Daß die Konstantinopler Kanones allem Anschein nach als einheitliches Dekret verabschiedet worden sind (jedenfalls sind sie als solches wohl in die alten Kanonessammlungen gelangt: s. Schwartz GS ГУ, 171. Die Zählung datiert freilich nicht erst seit dem 6. Jahrhundert, wie Schwartz GS IV, 163, meinte. Vielmehr wurde Kanon I bereits 457 als „prima regula" von 381 gezählt: s. Schwartz ACO II, 5, 68), schließt unsre — hier nicht noch einmal zu begründende — Annahme keineswegs aus, daß sie zu verschiedenen Zeiten aufgestellt wurden (s. o. S. 52; S. 96 Α. 1). — Später wurden dem Konzil der „150 Väter" noch eine Reihe weiterer Kanones zugeschrieben, nämlich einmal die sogenannten Kanones ,,V—VTI", deren Unechtheit heute so gut wie unbestritten ist (Ausnahmen machen nur orthodoxe Forscher wie Alivisatos, Die heiligen Kanones etc., Athen 19492, 34, und Karmiris I, 135f.) und von denen Kanon V und VI heute allgemein dem Konzil von 382 zugeschrieben werden (Vgl. bes. Kanon V I : „ . . . Häretiker aber heißen wir die, die früher exkommuniziert, wie auch die, die danach von uns anathematisiert worden sind" mit der Tatsache, daß 382 i.w. dieselben Bischöfe versammelt waren, die an dem Konzil des Vorjahres teilgenommen und dessen Kanon I aufgestellt und unterschrieben hatten!), während Kanon VII gar kein Kanon ist, sondern wohl das Exzerpt eines Briefs des Patriarchen Gennadios I. von Konstantinopel an Martyrios von Antiocheia (so u.a. Beck, Kirche, 45; anders Schwartz GS IV, 165f.). Zum andern sind dem Konzil von 381 von einer in zwei Patmoshandschriften aus dem 9. Jahrhundert vorliegenden Tradition 21 zumeist die Bußdisziplin betreffende Kanones zugeschrieben worden, die sich aber mit Ausnahme der Kanones X V I I I und X X I allesamt bereits im 3. „kanonischen Brief" des Basileios an Amphilochios (MPG 32, 797ff.) finden und daher in Konstantinopel höchstens „bestätigt" und um die beiden genannten Kanones erweitert worden sind, was mir aber wegen Kanon X V I I I (dessen Text s. o. S. 76 A. 4) nicht wahrscheinlich ist (Warum sollte man sich 381 auf den antiochenischen und nicht auf den eigenen Tomos berufen haben?). Vgl. zu diesen Kanones auch Turner, Canons, 161ff.; Schwartz GS IV, 181 ff.; King, Theodosius, 100 f. 2 Zu den Subskriptionslisten s. o. S. 40 Α. 1, und unten S. 127 A. 2. Dazu, daß sie wohl zu den Kanones gehören, s. unten S. 126 Α. 1. 3 Siehe Mansi III, 557.
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Kanon I I I als erster unter den Konzilsteilnehmern Nektarios von Konstantinopel, gefolgt von den Ägyptern Timotheos von Alexandreia und Dorotheos von Oxyrhynchos. Acholius hingegen unterschrieb nicht. Jedenfalls fehlt sein Name in den Konstantinopler Listen1. Wohl in der gleichen Sitzung richtete das Konzil auch zum Abschluß seiner Beratungen an den Kaiser ein Schreiben folgenden Inhalts2: „Die heilige Synode der aus verschiedenen Eparchien in Konstantinopel versammelten Bischöfe an den allerfrömmsten und gottgeliebtesten Kaiser Theodosius. Zu Beginn unsres Schreibens an Deine Frömmigkeit sagen wir Gott Dank, der Eurer Frömmigkeit zur Herrschaft verholfen hat zum gemeinen Frieden der Kirchen und zur Bestärkung des gesunden Glaubens. Nachdem wir aber Gott den schuldigen Dank gebracht haben, ziemt es sich, daß wir nun auch Deiner Frömmigkeit über die Tätigkeit der heiligen Synode berichten. Und zwar haben wir, als wir auf das (Berufungs-) Schreiben Deiner Frömmigkeit hin in Konstantinopel zusammentraten, zuerst die Eintracht untereinander erneuert. Dann aber haben wir auch kurze Bestimmungen erlassen (des Inhalts), daß wir den Glauben der nikäischen Väter bestätigten und über die dawider aufgetretenen Häresien das Anathem verhängten. Darüber hinaus haben wir auch zum Zweck der (Wiederherstellung einer) dauerhaften Ordnung der Kirchen bestimmte Kanones aufgestellt. All das haben wir diesem unsrem Schreiben beigefügt. Nun bitten wir Deine Milde, durch ein Schreiben Deiner 1 Acholius könnte wegen Kanon I I und I I I seine Unterschrift verweigert haben (so etwa Schwartz, Bischofslisten, 83). M . E . könnte es jedoch auch sein, daß man ihn als Abendländer gar nicht um seine Unterschrift gebeten hat, weil es in den zu unterschreibenden Konzilsdekreten vor allem um die Neuregelung der Verhältnisse im Ostreich ging und weil Theodosius (vgl. dazu bes. Seeck V, 166ff., und King, Theodosius, 24 Α. 1) nicht minder als die das Konzil beherrschenden Meletianer (s. bes. oben S. 65f.) auf die Autonomie des Ostens bedacht war! 2 M a n s i I I I , 557: ,,Άρχή μεν ήμϊν τον πρός τήν σήν ευσέβειαν γράμματος, ευχαριστία προς τον ©εόν τον άναδείξαντα της υμετέρας ενσεβείας την βασιλείαν, έπι κοινή τών εκκλησιών ειρήνη καΐ της υγιούς πίστεως στηριγμψ" άποδιδόντες δε τω Θεώ την όφειλομένην ευχαριστίαν, άναγκαίως και τα γεγενημένα κατά την άγίαν σύνοδον προς την σήν ευσέβειαν άναφέρομεν. και οτε συνελ&όντες εις τήν Κωνσταντινούπολιν κατά τό γράμμα της σης εύσεβείας, πρώτον άνενεωσάμε&α τήν πρός αλλήλους όμάνοιαν επειτα δέ και συντόμους δρους έξεφωνήσαμεν, τήν τε τών πατέρων πίστιν τών εν Νικαίη. κνρώσαντες, και τάς κατ' αύτής εκφυείσας αιρέσεις άνα&εματίσαντες. Πρός δέ τούτοις, και υπέρ της ευταξίας τών εκκλησιών ρητούς κανόνας ώρίσαμεν. απερ απάντα τφδε ήμών τ ω γράμματι ύπετάξαμεν. δεόμε&α τοίνυν της σης ήμερότητος γράμματι της σης εύσεβείας επικυρω&ήναι της συνόδου τον ψήφον Ιν' ώσπερ τοις της κλήσεως γράμμασι τήν έκκλησίαν τετίμηκας, οϋτω και τών δοξάντων επισφράγισης τό τέλος, δ δε κύριος στηρίξη σου τήν βασιλείαν έν ειρήνη και δικαιοσύνη, καΐ παραπέμψη γενεαϊς γενεών, και προσ&είη τω επιγείφ κράτει και της βασιλείας της επουρανίου τήν άπόλαυσιν. έρρώμένον σε, και έν πάσι τοίς καλοϊς διαπρέποντα ό ϋεος χαρίσαιτο τή οικουμένη, ενχαϊς τών άγιων, τον ώς άλη&ώς ευσεβέστατον και ΰεοφιλέστατον βασιλέα."
Logos Prosphonetikos
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Frömmigkeit die Beschlüsse der Synode zu bestätigen, damit Du, wie Du die Kirche durch Deine Konvokationsschreiben geehrt hast, nun auch das Beschlossene besiegeln wollest. Der Herr aber festige Deine Herrschaft in Frieden und Gerechtigkeit und erhalte sie noch vielen Geschlechtem und lasse auf die irdische Herrschaft den Genuß des himmlischen Reiches folgen. Gott schenke der Ökumene auf Grund der Gebete der Heiligen, daß Du ihr in Gesundheit und Kraft erhalten bleibst und sie Dich in allem Guten hervorragen sieht, Dich, den wahrhaft frömmsten und gottgeliebtesten Kaiser." Vergleicht man diesen Logos Prosphonetikos etwa mit den Huldigungen, mit denen Kaiser Konstantin der Große in und nach Nikaia von Vertretern der Reichskirche wie Eusebios von Kaisareia begrüßt und gefeiert worden war, oder auch mit den Akklamationen des Konzils von Chalkedon 1 , so wird man die Wendungen, deren sich die Synodalen von Konstantinopel in ihrer Anrede an Kaiser Theodosius bedienten, kaum übermäßig devot und enkomiastisch nennen können. Denn wohl brachten sie ihre Dankbarkeit dafür zum Ausdruck, daß Gott nach dem Regime des Konstantius und des Valens einen Kaiser habe zur Herrschaft kommen lassen, der „zum gemeinen Frieden der Kirchen und zur Bestärkung des gesunden Glaubens" beizutragen gesonnen war, und versicherten Theodosius ihrer Fürbitte sowie ihrer besten Wünsche für den Fortbestand seiner Dynastie. Doch davon, daß dem Kaiser — entsprechend der von der Kirche unter Konstantin weithin bedenkenlos rezipierten hellenistisch-römischen Kaiseridee 2 — als irdischem Abbild der Herrschaft des himmlischen Pambasileus, als Priesterkönig und damit auch als „Lehrer" und „Licht des rechten Glaubens" zu huldigen sei, schienen sie nichts zu wissen oder wissen zu wollen. Offenbar hatten sie die Erfahrungen mit Konstantius und Valens über die „Segnungen" eines „christlichen Kaisertums" etwas anders denken gelehrt als einen Eusebios von Kaisareia und sie auch auf die Gefahren aufmerksam ge1 Vgl. besonders Eusebs Trioennatsrede, hrsg. v. I. Heikel, GCS 7, 193—259, und die Akklamationen des Konzils von Chalkedon: Schwartz ACO II, 1, 2, 155if. ( = 351 ff.). Darin heißt es u.a.: „Markian dem neuen Konstantin, dem neuen Paulos, dem neuen David . . . Ihr seid der Friede der Oikumene . . . Ihr seid die Lichter der Orthodoxie. Darum ist allenthalben Frieden. Herr, schütze die Lichter des Friedens. Herr, schütze die Lichter der Oikumene . . . Gott wird Euer Reich schützen. Gott wird Eurer Herrschaft den Frieden schenken . . . Euer Leben ist die Sicherheit aller. Euer Glaube ist der Ruhm der Kirchen . . .". „Viele Jahre den Königen . . . Christus, den Du verehrst, wird Dich beschützen . . . (Markian) dem Priester und König. Du hast die Kirchen geordnet, Sieger in Schlachten, Lehrer des Glaubens. Viele Jahre der Kaiserin, der frommen, der christusliebenden . . . Die Häretiker habt Ihr vernichtet. Den Glauben habt Ihr geschützt . . . Ewig daure Eure Herrschaft. . ."! a Siehe dazu die unten S. 222 Α. 1 angegebene Literatur.
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macht, welche in dem kaiserlichen Kirchenregiment als der logischen Folgerung aus der hellenistischen Kaiseridee beschlossen lagen. Allerdings hatten diese Erfahrungen unter den Orthodoxen des Orients nicht zu einem grundsätzlichen Wandel, sondern nur zu einer zeitweiligen Ernüchterung im Verhältnis zum christlichen Staat geführt. Jedenfalls wurde eins der wesentlichen Rechte des Kaisers gegenüber der Kirche auch jetzt noch bedingungslos anerkannt, nämlich die kaiserliche „Synodalgewalt", d.h. das exklusive Recht des Kaisers, Reichssynoden einzuberufen, an ihren Verhandlungen in irgendeiner Form teilzunehmen und ihre Beschlüsse zu „bestätigen". Denn so versteht es sich, daß die Konstantinopler Synodalen dem Kaiser für ihre ehrenvolle Berufung dankten, daß sie es ferner für angebracht hielten, einen freilich nur sehr knappen Tätigkeitsbericht zu geben, und daß sie schließlich ihre Kanones1 Theo1 Daß hier n u r von den Kanones des Konzils die Rede sei, war anscheinend auch Lietzmanns Meinung, der diesen Logos Prosphonetikos als „Begleitschreiben" zu den Kanones bezeichnete (Lietzmann GAK IV, 36; vgl. auch Ensslin, 34). Feststehen dürfte, daß mit den „zum Zweck der (Wiederherstellung einer) dauerhaften Ordnung in den Kirchen" aufgestellten Kanones die Kanones I I bis I V gemeint sind. Zweifelhaft ist nur, woran die Synodalen bei den „kurzen Bestimmungen" gedacht haben, in denen der Glaube der nikäischen Väter „bestätigt" u n d über die dawider aufgetretenen Häresien das Anathem verhängt worden sei. Diese Beschreibung p a ß t nämlich sowohl auf den Konstantinopler Tomos (s. Theodoretos V, 9, 13) als auch auf K a n o n I. N u n h a t m a n aber gefunden, es sei hier mit Bedacht zwischen δροι und κανόνες „scharf unterschieden" worden (Riedel, 182; vgl. auch Karmiris I, 131), u n d zwar wohl im Sinne der Unterscheidung zwischen δρος = Glaubensdekret u n d κανών = Disziplinardekret (s. dazu Nikodim Milaä, Das Kirchenrecht der Morgenländischen Kirche, deutsch von A. R . von Pessiö, Zara 1897, 397, u n d H . Alivisatos, Die heiligen Kanones etc., Athen 19492, 21). Folglich könne mit den σύντομοι δροι k a u m Kanon I gemeint gewesen sein, ganz davon abgesehen, daß es schon „wegen des Plurals . . .unmöglich (!)" sei, hierbei a n Kanon I zu denken (Riedel, 303). Vielmehr werde es sich dabei aller Wahrscheinlichkeit nach u m den verlorenen Tomos gehandelt haben (so auch Loofs, Arianismus, 44). Allein, es gibt zwar in der in Betracht kommenden Literatur ohne Zweifel Ansätze zu einer begrifflichen Differenzierung zwischen δρος u n d κανών (s. dazu etwa Schwartz ACO 11,1, 1, 91). Überwiegend scheint m a n aber in alter Zeit beide Begriffe promiscue, u n d zwar sowohl zur Bezeichnung von Glaubens- als auch von Disziplinardekreten gebraucht zu haben, wofür die Belege Legion sind (Es sei nur verwiesen auf K a non XV. X V I I . X V I I I von Nikaia; Gregorios Nazianzenos,ep. 102: MPG 37, 193B bis 196A; Sokrates V, 8: MPG 67, 577B; ferner auf den Eingang des chalkedonischen Dekretes über den Konstantinopler Thronos: Schwartz ACO 11,1, 3, 88ff., sowie die Stellungnahme des päpstlichen Legaten Lucinsius: ibidem 94f., u n d schließlich auf das Schreiben des Anatolios von Konstantinopel an P a p s t Leo, in dem er u m dessen Zustimmung zu den chalkedonischen Konzilsbeschlüssen
b a t : Schwartz ACO I I , 1, 2, 62ff.). Freilich bedürfte diese Frage einer neuen Prüfung, da in der wertvollen Untersuchimg von H . Oppel, ΚΑΝΩΝ. Zur Bedeutungsgeschichte des Worts u n d seiner lateinischen Entsprechungen (regula — norma), Philologus, Suppl. X X X , 1937, der kirchliche Sprachgebrauch ganz übergangen ist, während L. Wenger, Canon in den römischen Rechtsquellen u n d in
Theodosius bestätigt die Kanones
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dosius mit der Bitte um „Bestätigung" vorlegten, womit sie ihm nicht etwa ein Revisionsrecht einräumten, sondern lediglich seine Mithilfe bei der Durchführung dieser Kanones erbaten 1 . Theodosius kam dieser Bitte vermutlich in der Weise nach, daß er die Kanones des Konzils zusammen mit den Unterschriften der Bischöfe umgehend in seinem Reichsteil publizierte2. Er wählte damit wohl die den Papyri, SAW 220, 2, 1942, sich auf die Untersuchung der eioatekirchenrechtlichen Quellen beschränkt hat. Aber selbst wenn die Konstantinopler Synodalen bewußt zwischen δροι und κανόνες unterschieden hätten, so wäre damit die Deutung der σύντομοι δροι auf Kanon I durchaus nicht ausgeschlossen, da es sich bei diesem Kanon ja um ein Glaubensdekret handelt. Und auch der Plural macht diese Deutung keineswegs unmöglich. Denn wenn etwa 70 Jahre später Theodoretos von Kyros (oder Domnos von Antiocheia? Siehe dazu unten S. 213 A. 2) in einem Schreiben an Flavian von Konstantinopel den Alexandriner Dioskoros deshalb rügte, weil er sich über Kanon II von 381 und die darin verfügte Kompetenzscheidung nach Reichsdiözesen hinweggesetzt habe, indem er ihn, Theodoretos, absetzte, und ihm vorwarf: „τούτοις τοις δροις έμμέναι ον βούλεται. . ." (Theodoretos, ер. 86: MPG 83, 1280C), so konnte man mit dem gleichen Recht von den einzelnen Bestimmungen des Kanons I als von δροι reden. Mit alle dem ist freilich erst die Möglichkeit erwiesen, daß die Konstantinopler Synodalen mit den σύντομοι όροι Kanon I meinten, was bedeutet, daß sie in ihrem Tätigkeitsbericht an den Kaiser nur von der Aufstellung der Kanones sowie von der Wiederherstellung des Friedens zwischen der meletianischen Konzilsmehrheit und der „westlichen" Minderheit berichtet und nur die Kanones Theodosius zur „Bestätigung" vorgelegt hätten. Notwendig oder zumindest wahrscheinlich wird diese Annahme aber auf Grund folgender Erwägung: Man hat sich bisher noch nie darüber Gedanken gemacht, wie es zu verstehen ist, daß das Konzil von 381 nach und neben seinem Tomos noch Kanon I aufstellte. Soviel ich sehe, ist dies in der altkirchlichen Konzilsgeschichte ohne Parallele. Sollte der Grand der gewesen sein, daß der Tomos im Unterschied etwa zum Nicaenum sowie zur chalkedonischen Definition nicht zur Veröffentlichung bestimmt war, sondern nur gleichsam zum „internen Gebrauch" des Konzils (etwa zur Klärung der zwischen Meletianern und Ägyptern bestehenden Mißverständnisse) dienen sollte und man stattdessen in Gestalt von Kanon I einen Auszug aus ihm machte, der zusammen mit den übrigen Kanones durch den Kaiser publiziert werden sollte? Dann erklärte sich auch am ehesten, warum der Konstantinopler Tomos offenbar schon sehr bald verlorenging (s. u. S. 244 A. 4). Waren aber nur die Kanones zur Veröffentlichung durch den Kaiser bestimmt, so werden auch die Konstantinopler Subskriptionslisten von Anfang an zu ihnen gehört haben (gegen Schwartz, Bischofslisten, 1.83.88, und Grumel, 3f.; zum Sinn dieser Subskriptionen s. Schwartz, Bischofslisten, 86). Siehe dazu im einzelnen unten S. 236. So namentlich Schwartz, Bischofslisten, 86. Für diese Annahme spricht vor allem der Zustand, in dem uns die Konstantinopler Bischofslisten überliefert sind. Und zwar enthalten sie in ihrer überlieferten Gestalt nicht nur offensichtliche Fehler wie den, daß in ihnen auch der Name des schon zu Beginn des Konzils verstorbenen Meletios erscheint und daß Gregorios als Bischof von Nazianzos aufgeführt wird, der er nie gewesen ist, ganz davon abgesehen, daß er zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der Kanones sicher längst nicht mehr in Konstantinopel weilte. Vielmehr sind in ihnen auch die Unterschriften nach Provinzen geordnet. Beides spricht dafür, daß wir in ihnen das Werk einer zweiten Hand zu sehen 1
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gleiche F o r m der „ B e s t ä t i g u n g " wie später das Kaiserpaar Markian und Pulcheria hinsichtlich der Beschlüsse des Konzils von Chalkedon 1 . Doch t a t er noch ein übriges und erließ a m 30. J u l i 381 ein E d i k t folgenden I n h a l t s 2 : „ W i r befehlen, daß umgehend alle Kirchen den Bischöfen übergeben werden, die Vater, Sohn und Hl. Geist als von einer Majestät und K r a f t , von gleicher E h r e und einer Herrlichkeit bekennen und nicht dadurch einen Mißklang (in das Bekenntnis zu Vater, Sohn und Hl. Geist) bringen, daß sie sie in gotteslästerlicher Weise voneinander scheiden, sondern die Ordnung der Trinität wahren, indem sie an den Personen (in ihrer realen Unterschiedenheit) festhalten und (zugleich) sich zur Einheit der Gottheit bekennen." Gemeint sind die Bischöfe, die mit Nektarios von K o n stantinopel und, soweit es sich u m Ägypter handelt, mit Timotheos von Alexandreia in Kirchengemeinschaft stehen. F ü r den Bereich der Diözese Oriens aber heißen die Normalbischöfe Pelagios von Laodikeia und Diodoros von Tarsos; f ü r die Asia proconsularis und die asiatische Diözese Amphilochios von Ikonion und Optimos von Antiocheia (in Pisidien); f ü r die pontische Diözese Helladios von Kaisareia, Otreios von Melitene, Gregorios von Nyssa, Terennios, „Bischof von Skythien", und Marmarios haben (so u.a. auch Bardy und Palanque in Fliche-Martin I I I , 286 A. 2). Und zwar dürften diese Listen in Zusammenhang mit der Publikation der Konstantinopler Kanones von kaiserlichen Notaren geordnet und „ergänzt" worden sein, wie das beispielsweise auch bei der Publikation der Dekrete von Chalkedon geschehen sollte (s. dazu Schwartz, Bischofslisten, 67). Daß Theodosius die Kanones von 381 mitsamt den Unterschriften der Bischöfe zunächst nur im Osten publizierte, geht aus Ambrosius, ep. 12,6 (MPL 16, 949B) klar hervor (vgl. dazu Ensslin, 38). 1 Siehe dazu Schwartz, Bischofslisten, 57. Danach wurden zunächst das Credo und die Kanones von Chalkedon samt der Subskriptionsliste publiziert. Die offizielle Publikation der chalkedonischen Akten erfolgte dagegen erst drei Jahre später. 2 Codex Theodosianus X V I , 1, 3: „Episcopis tradi omnes ecclesias mox iubemus, qui unius maiestatis adque virtutis patrem et filium et spiritum sanctum confitentur eiusdem gloriae, claritatis unius, nihil dissonum profana divisione facientes, sed trinitatis ordinem personarum adsertione et divinitatis unitate, quos constabit communioni Nectari episc(opi) Constantinopolitanae ecclesiae nec non Timothei intra Aegyptum Alexandrinae urbis episcopi esse sociatos; quos etiam in Orientis partibus Pelagio episcopo Laodicensi et Diodoro episcopo Tarsensi; (et) in Aaia nec non proconsulari adque Asiana dioecesi Amphilochio episcopo Iconiensi et Optimo episcopo Antiocheno; in Pontica dioecesi Helladio episc(opo) Caesareensi et Otreio Meliteno et Gregorio episc(opo) Nysseno, Terennio episc(opo) Scythiae, Marmario episc(opo) Marcianop(olitano) communicare constiterit. Hos ad optinendas catholicas ecclesias ex communione et consortio probabilium sacerdotum oportebit admitti: omnes autem, qui ab eorum, quos commemoratio specialis expressit, fidei communione dissentiunt, ut manifestos haereticos ab ecclesiis expelli neque his penitus posthac obtinendarum ecclesiarum pontificium facultatemque permitti, ut verae ac Nicaenae fidei sacerdotia casta permaneant nec post evidentem praecepti nostri formam malignae locus detur astutiae."
Theodosiue bestätigt die Kanones
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von Markianupolis. Hingegen sollen alle, die sich mit den genannten „•würdigen Priestern" nicht in glaubensmäßiger Übereinstimmung befinden, als der Häresie überführt gelten und aus den Kirchen vertrieben werden, „damit der Bestand eines reinen Priestertums des wahren und nikäischen Glaubens gewährleistet und böswilligem Betrug nach der Veröffentlichung dieser unsrer Anordnung kein Raum mehr gegeben wird". Unverkennbar stellte dies Edikt einen Ausfluß der kaiserlichen Anerkennung und „Bestätigung" der Konzilskanones dar1, mit denen es sich in fast allen Einzelheiten in Übereinstimmung befindet. Denn die theologische Erklärung, mit der es einsetzt, ist nichts anderes als der ins Positive gewendete Gehalt der Anathematismen von Kanon I a . Nur fand hier die Verurteilung der Apollinaristen keine ausdrückliche Aufnahme, wohl weil sich der Kaiser ihnen gegenüber die Hände frei halten wollte3. Ferner setzte die Benennung von „Normalbischöfen" für die einzelnen Diözesen die in Kanon II verfügte Kompetenzscheidung nach Reichsdiözesen in ihrer Gültigkeit voraus. Schließlich entsprach es Kanon III und IV, wenn in der Liste dieser „Normalbischöfe" der Bischof von Konstantinopel vorangestellt und Nektarios als rechtmäßiger Inhaber des Thronos der Reichshauptstadt anerkannt wurde. Mit der Bestimmung von „Normalbischöfen"4 selbst, die dem Wortlaut des Gesetzes zufolge den Häretikern nunmehr jede Unterschlupf1
Ensslin, 37. * King findet es auffällig, daß hier die drei Personen nicht als eines Wesens bezeichnet worden seien, und meint: "it is with reference to the Holy Spirit that the law is being cautious. This is thoroughly in keeping with the official theology of the Cappadocians and the dominant party at the Council" (Theodosius, 45). Allein, wäre hier das Bekenntnis zur einen Usie der trinitarischen Gottheit bewußt vermieden worden, so stünde das keineswegs im Einklang mit der Theologie der Kappadokier und der herrschenden Konzilspartei (s. unten 270ff. 293ff.)! Doch lehrt der Schluß dieses Gesetzes, wonach nur diejenigen zum „reinen Priestertum des wahren und nikäischen Glaubens" zu rechnen seien, die sich mit den genannten „Normalbischöfen", darunter so entschiedene Vertreter der Homousie des Hl. Geistes wie Amphilochios und Gregorios Nyssenos, in glaubensmäßiger und kirchlicher Gemeinschaft befänden, daß Theodosius mit der einleitenden Erklärung zur Trinitätstheologie nicht im Sinn gehabt haben kann, an den Glaubensdekreten des Konstantinopler Konzils irgendwelche Abstriche zu machen, sondern daß sein Bekenntnis zur einen „Majestät und Kraft, Ehre und Herrlichkeit", zur „Einheit der Gottheit" Vaters, Sohnes und HL Geistes als implizites Bekenntnis zur Homousie der trinitarischen Personen zu verstehen ist. 3 Freilich waren von der Bestimmung, daß alle die, die mit Nektarios und den anderen Bischöfen nicht in Glaubens- und Kirchengemeinschaft stehen, als der Häresie überführt gelten und aus den Kirchen vertrieben werden sollten, auch die schismalischen Apollinaristen betroffen! 4 Daß Theodosius damit keine „Patriarchen" einsetzte, wie Sokrates in Verwechslung dieses Gesetzes mit Kanon I I des Konstantinopler Konzils berichtete (Sokrates V, 8; s. dazu auch oben S. 91 Α. 1), geht schon aus der Benennung mehrerer Bischöfe für die einzelnen außerägyptischen Diözesen hervor. 9 8310 Bitter, Konzil
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Vorgeschichte u. Geschichte des Konzils
möglichkeit unter zu vage Glaubensbestimmungen nehmen sollte, ging Theodosius allerdings über die bloße „Bestätigung" der Konstantinopler Kanones hinaus. Sie stellte in der Tat „eine neuerliche kaiserliche Verwaltungsmaßregel zum Schutz der Rechte der katholischen Kirche" dar 1 , wenngleich sie, was meist übersehen wird, allem Anschein nach zwischen Kaiser und Konzil abgesprochen war oder sogar auf einen ausdrücklichen Konzilsbeschluß zurückging 2 . Dem eigenen Antrieb des Kaisers wird es hingegen entsprungen sein, wenn in diesem Gesetz der Bischof von Konstantinopel nicht nur als „Normalbischof" für die ganze östliche Reichskirche hingestellt wurde, sofern Theodosius dessen Kompetenz im Unterschied zu der des an zweiter Stelle genannten Ägypters Timotheos und der anderen Bischöfe nicht auf eine bestimmte Diözese beschränkte. Vielmehr zeigt auch die Art, wie erst am Ende der Bischofsliste noch zwei Namen aus der — nicht einmal ausdrücklich genannten 3 ! — thrakischen Diözese erscheinen, „die deutliche Absicht, die politische Autonomie der Hauptstadt nun auch für die kirchlichen Belange zu unterstreichen" 4 und dem Bischof von Konstantinopel über den ihm in Kanon I I I verliehenen Ehrenprimat innerhalb der Hierarchie der Ostkirchen hinaus die Obermetropolitangewalt über die thrakische Diözese zu übertragen, die in der Tat von den Konstantinopler Hierarchen seit dieser Zeit ausgeübt wurde, wenngleich dafür bis zum Konzil von Chalkedon die kanonische Legitimation fehlte 6 . Wie die Unterschrift lehrt, ist das Edikt „Episcopis tradi" von Herakleia aus erlassen. M t ziemlicher Sicherheit ist daher anzunehmen, daß sich die Konstantinopler Synodalen längst vor dessen Erlaß bereits auf die Heimreise begeben hatten 6 . Denn schwerlich hat der Kaiser Kon1
Ensslin, 37. Gregorios Nyssenos beschwerte sich nämlich in seinem zwischen 381 und 394 geschriebenen Brief an Bischof Flavian über das Verhalten seines Metropoliten Helladios von Kaisareia, das um so beleidigender sei, als ihnen beiden ja „von der Synode (!) ein und dasselbe Vorrecht oder vielmehr die (gleiche) Sorge um die Wiederherstellung der allgemeinen (kirchlichen) Ordnung übertragen worden" sei, so daß sie nun hierin die gleiche Würde besäßen (Gregorios Nyssenos ер. I, hrsg. v. Pasquali, Opera VIII, 2, 11—12). Daraus dürfte hervorgehen, daß das Gesetz „Episcopis tradi", das Gregorios zusammen mit Helladios und Otreios zu „Normalbischöfen" für die pontische Diözese bestellte, auf einen Beschluß des Konstantinopler Konzils von 381 zurückging. 3 Es ist nicht nötig, deswegen hier eine Lücke im Text anzunehmen (gegen King, Theodosius, 44 A. 5), wofür es auch in der handschriftlichen Überlieferung dieses Gesetzestextes keine Anhaltspunkte gibt. 1 Ensslin, 37. 8 Siehe Schwartz, Bischofslisten, 43. 6 Anders Sozomenos VII, 9, 7, nach dem das Konzil erst nach dem Erlaß dieses Edikts auseinanderging. Wäre Ensslin im Recht, der bereits das von Konstantinopel aus erlassene theodosianische Ketzergesetz vom 19. Juli 381 (Codex Theodos. XVI, 5, 8) als „erste Folge der Bestätigung der Konzilsbeschlüsse" durch den Kaiser 2
Ende des Konzils
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stantinopel verlassen, ohne das Ende der Konzilsberatungen abzuwarten. Und zwar wird das Konzil kurz nach dem 9. Juli, dem Tag der Verabschiedung und Unterzeichnung seiner Kanones, seine Beratungen beendet haben und auseinandergegangen sein. ansieht (Ensslin, 36), so wäre also der 19. Juli der terminus post quem non für das Konzilsende. Doch weist dieses Gesetz im Unterschied zu dem Edikt vom 30. Juli keinen spezifischen Zusammenhang mit den Beschlüssen des Konstantinopler Konzils auf. Enthält es doch lediglich verschärfte Strafbestimmungen gegen die schon mehrfach mit weltlichen Strafen bedrohten Eunomianer, Arianer und die Anhänger des Aetios.
9·
ZWEITER
HAUPTTEIL
Das Symbol von Konstantinopel Vorbemerkung „Das Bekenntnis, das die ganze Christenheit eint wie kein zweites und das sie doch zugleich in seinem dritten Artikel gespalten hat, das Nicaeno-Constantinopolitanum, ist nach Ursprung und Sinn weit von einer sicheren Deutung entfernt. Zwar beherrschen die kritischen Stimmen, die es dem II. oekumenischen Konzil von Konstantinopel (381) absprechen wollten, nicht mehr das Feld; aber wie sie keineswegs verstummt sind und beachtliche Gründe für sich geltend machen können, so besteht erst recht keine Einmütigkeit über das richtige Verständnis der bedeutungsschweren Worte, die doch in jeder griechischen und lateinischen Messe . . . und bei uns an den hohen Feiertagen laut werden."1 So ist vor mehreren Jahren die Lage der Erforschung des dem Konzil von Konstantinopel zugeschriebenen Symbols2 und die Bedeutung der noch längst nicht erledigten Aufgabe einer „kritischen Historie" des Nicaeno-Constantinopolitanum3 vollkommen zutreffend charakterisiert worden. Wie wenig sich an dieser Forschungslage bis zur Stunde geändert hat, lehrt ein Blick auf die in letzter Zeit erschienene einschlägige Literatur4. Deshalb schien es angezeigt, diese vielverhandelte Frage bei der Darstellung der Geschichte des Konstantinopler Konzils zu übergehen und sie zum selbständigen Thema zu machen. 1 H. Dörries, Basilius und das Dogma vom Heiligen Geist, Lutherische Rundschau 1956/1957, 247. 2 Im folgenden halte ich mich an die üblichen Abkürzungen für das nikäische und das konstantinopolitanische Symbol, nämlich N und C. 8 Vgl. J. Lebon, R H E XLVIII, 1953, 679 Α. 1. 4 Seit Kelly, Creeds, 296ff., ist zwar die Frage nach Ursprung, Geschichte und authentischer Bedeutung von С nicht mehr thematisch behandelt worden, auch nicht in dem ausführlichen Kommentar, den jüngst H. Vogel zu diesem Bekenntnis vorgelegt hat unter dem Titel „Das nicaenische Glaubensbekenntnis. Eine Doxologie" (1963). Denn darin ist ähnlich wie bei W. Stählin, Zusage ал die Wahrheit, 1952, ganz auf die Erörterung der uns hier vor allem interessierenden historischen Fragen verzichtet zugunsten des Versuchs, „das Bekenntnis heute hörend nachsprechen, im Glauben mitsprechen zu können" (S. 5). Das heißt jedoch nicht, daß Kellys Votum etwa die Diskussion über diese vielverhandelten Fragen zum Abschluß gebracht hätte. Im Gegenteil gehen, wie ein Blick auf die jüngst erschienene Literatur (s. Meinhold, Konzile, 60f.; Kretschmar, Konzile, 55f.; Lohse, 70;
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I. Die Uberlieferung über С. Ihre Kritik und ihre Verteidigung in der neueren Forschung 1. Die Uberlieferung über С Mindestens seit den Tagen des IV. ökumenischen Konzils setzte sich in den Kirchen des Ostens und Westens die Überlieferung durch, daß auf der Synode der ,,150 Väter" von Konstantinopel (381) eine „Ekthesis", nämlich C, aufgestellt worden sei. Und zwar habe diese konstantinopolitanische Ekthesis zum Ziel gehabt, den nikäischen Glauben zu bestätigen und zu erläutern und damit den seit Nikaia neu aufgetretenen Häresien, namentlich des Apollinaris und des Makedonios, wirksam zu begegnen. Nur wenige frühe Zeugnisse mögen diese Tradition belegen. Im Vorwort zur Glaubensdefinition von Chalkedon etwa heißt es, man habe in Übereinstimmung mit den Bestimmungen der Synode von Ephesos beschlossen, es solle die „Ekthesis der 318" nikäischen Väter der eigenen Formel des Konzils „voranleuchten". Doch solle auch in Kraft bleiben, „was von den 150 hl. Vätern in Konstantinopel zur Überwindung der damals aufgetauchten Häresien wie zur Bestätigung unsres gemeinsamen katholischen und apostolischen Glaubens dekretiert wurde". Des weiteren wird in der chalkedonischen Formel erklärt, daß der nikäische Glaube unangetastet bleiben solle. Es werde aber auch bestätigt, was die 150 Väter von Konstantinopel über das Wesen des Hl. Geistes lehrten, die damit dem Nicaenum „nicht etwa gleichsam einen Anhang beifügten", sondern lediglich, was von den nikäischen Vätern bereits intendiert war, „durch Zeugnisse der Schrift klärten und näher bestimmten gegenüber denen, die die Herrenwürde des Hl. Geistes aufzuheben trachteten" 1 . Wohl im Anschluß an die fünfte Sitzung, in der das Glaubensdekret verabschiedet wurde, ließen die Synodalen von Chalkedon dem Kaiser ein Memorandum zukommen. Darin rechtfertigten sie die Aufstellung eines neuen Glaubensdekrets und die Kanonisierung des Tomos Papst Leos unter Hinweis darauf, daß man in der Vergangenheit immer wieder um der Irrlehren willen den Glauben habe näher bestirümen müssen, ohne ihn doch damit aufheben oder auch nur verbessern zu wollen. Als Beispiel führen sie das nikäische „Und an den Hl. Geist" an, eine Bekenntnisaussage, die klar die Gottheit des Geistes intendierte und daher King, Theodosius, 43.98; Th.-P. Camelot in: Le Concile et les conciles, Chevetogne 1960, 73; R. Stählin, Art. Nicäno-Konstantinopolitanum, E K L II, 1586f.; Stürmer, 36ff.; P.-P. Joannou in: Conciliorum Oeeumenicorum Decreta, 1962, 17f.) zeigt, die Meinungen über С heute nicht minder weit auseinander als je zuvor! 1 Schwartz ACO 11,1,2, 127. 129.
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Das Nicaeno-Constantinopolitanum
hätte genügen können und müssen. Weil aber in späterer Zeit Angriffe gegen den Hl. Geist erfolgten, gegen die man mit Hilfe der nikäischen Formel allein nichts ausrichten konnte, haben sich „die, welche nachher kamen"1, veranlaßt gesehen, im Einklang mit dem Sinn des nikäischen Glaubens „den Hl. Geist ausdrücklich als Herrn und Gott und als aus dem Vater hervorgegangen" zu bekennen. Ferner seien auch die Worte des Nicaenums „Der herabkam, Fleisch annahm und Mensch wurde" vielfach mißdeutet worden. Deshalb habe sie unter anderem auch die Synode erläutert, die in Konstantinopel unter dem gemeinsamen Vorsitz des Nektarios und des Gregorios abgehalten wurde2. Etwa ein Jahrhundert später begegnen wir in Kundgebungen Kaiser Justinians der gleichen Ansicht über die Herkunft von C. So erklärte der Kaiser in einem Rundschreiben, daß er als Glaubensnorm festgehalten wünsche „die heilige Lehre oder das Symbol. . ., das von den 318 hl. Vätern aufgestellt wurde und das die in dieser Kaiserstadt (versammelten) 150 hl. Väter erläuterten und näherbestimmten, nicht als ob dies Symbol Mängel aufgewiesen hätte, sondern deshalb, weil die Feinde der Wahrheit teils die Gottheit des Hl. Geistes, teils die wahre Menschwerdung des göttlichen Logos aus der ewig jungfräulichen Gottesgebärerin Maria leugneten. Aus diesem Grund haben die erwähnten 150 Väter die gleiche heilige Lehre durch Zeugnisse der Schrift erläutert und bestätigt"3. In gleichem Sinne äußerten sich auch die Synode von Konstantinopel vom Jahre 5364 sowie das V. ökumenische Konzil®. Von da an stand es überall, selbst in den von der Reichskirche abgespaltenen monophysitischen Sonderkirchen des Orients e, fest, daß С ein antihäretisch erläutertes Nicaenum sei. In der Regel unterschied man in der Alten Kirche mindestens bis zum Ende des 6. Jahrhunderts noch zwischen С und dem ursprünglichen Nicaenum (N) 7 . Im Mittelalter dagegen, als N durch С nahezu völlig aus dem liturgischen Gebrauch verdrängt worden war und so die Unter1 „Ol μετά ταΰτα": so werden die Synodalen von 381 in den chalkedonischen Akten zumeist bezeichnet. 2 Schwartz ACO II, 1, 3, l l l f . 8 Codex Justin. I, 1, 7, ed. Krüger, 13. Bei Justinian wird С gelegentlich kurzweg als das „Symbol der 318 Väter" bezeichnet; vgl. bes. Mansi IX, 632. 4 Mansi VIII, 1051. 1059. 1063. 5 Mansi IX, 179. ' С ist sogar von einem monophysitischen Hierarchen, Petros Phulon von Адйocheia, zuerst als Meßsymbol verwendet worden. So berichtet jedenfalls Theodoros Anagnostes (fr. 48: MPG 86, 208f.); vgl. dazu neuerdings vor allem Kelly, Creeds, 348ff., und Jungmann I, 598 A. 33. 7 Vgl. dazu etwa die Bemerkungen der spanischen Synode von Toledo 589 über С (Mansi IX, 981 ff.). Auch in der Chronik des Georgios Monachos über die Synode von 381 (ed. de Boor II, 1904, 575f.) ist der wahre Sachverhalt noch leidlich festgehalten.
Bestreitung seiner Echtheit: Hort, Harnack
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schiede zwischen beiden Symbolen leicht in Vergessenheit geraten konnten, setzte sich allgemein der schon längst vor Justinian nachweisbare Sprachgebrauch durch und figurierte nunmehr С ohne weiteres als das „nikäische Symbol". Als solches ist es dann auch in die Bekenntnisschriften der reformatorischen Kirchen aufgenommen worden. Im 17. Jahrhundert aber müssen die Unterschiede zwischen С und dem wirklichen nikäischen Symbol wieder zu Bewußtsein gekommen sein. Denn es wurde nun üblich, zur Unterscheidung beider Formeln С als „Nicaeno-Constantinopolitanum" zu bezeichnen 1 . Doch darüber blieb die überlieferte Herleitung von С als dem antihäretisch ergänzten nikäischen Symbol von der Synode von Konstantinopel bis in das vorige Jahrhundert hinein im allgemeinen unangefochten in Geltung. 2. Die Bestreitung
der Echtheit von С durch Hort und
Harnack
Nachdem um die Mitte des vorigen Jahrhunderts С. P. Caspari innerhalb der europäischen Kirchengeschichtsschreibung eine Epoche intensiver Bemühungen um die Geschichte der altkirchlichen Symbole eingeleitet hatte und durch ihn auch die Frage nach dem Ursprung des Nicaeno-Constantinopolitanums neu in Gang gekommen war 2 , legte im Jahre 1876 der Cambridger Patristiker F. J. A. Hort in der zweiten seiner „Two Dissertations" eine eingehende Untersuchung über „Das 'Konstantinopolitanische' Symbol und andere östliche Symbole des 4. Jahrhunderts" 3 vor, die auf Jahrzehnte hinaus den maßgeblichen Beitrag zur Erforschung der Ursprungsgeschichte von С darstellen sollte. Darin trug Hort eine Fülle von Argumenten gegen die traditionelle Ansicht über das sogen. „Constantinopolitanum" zusammen und suchte zu erweisen, daß С älter sei als das Konzil von Konstantinopel. In Deutschland machte sich wenige Jahre darauf vor allem Adolf Harnack zum Fürsprecher der Hortschen Thesen. Er hat sie jedoch noch wesentlich ausgebaut und ihnen in seinem Artikel „Konstantinopolitanisches Symbol" in Herzog-Haucks „Realenzyklopädie" eine Form gegeben, die an 1 Nach Kelly, Creeds, 296, scheint es J. B. Carpzovius gewesen zu sein, auf den diese Bezeichnung zurückgeht (s. dessen Isagoge in libros ecclesiarum Lutheranarum symbolicos, Leipzig 1690, 57). 2 Vor allem ist zu nennen sein Aufsatz: „Aus historischen und kritischen Studien über das Taufbekenntnis, I. Zur Geschichte des Taufbekenntnisses in der orientalischen Kirche in den beiden ersten Jahrhunderten nach der Abfassung des Nicaeno-Constantinopolitanischen Symbols", Zeitschrift für lutherische Kirche und Theologie, 1857, 604ff.; vgl. auch seine „ Quellen zur Geschichte des Taufsymbols und der Glaubensregel I—IV", 1866ff. 8 Hort, 73ff. In England übernahmen seine Thesen beispielsweise С. H. Turner, History and Use of Creeds and Anathemas, London (1906) 19102, 4Iff.; Swete, 186. 362 u. ö.; Bethune-Baker, Introduction, 188 A. 1.
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Das Nicaeno-Constantinopolitanum
Prägnanz und Überzeugungskraft kaum zu übertreffen ist 1 . Es dürfte nicht zum wenigsten dieser glänzenden Vermittlung durch Harnack zuzuschreiben sein, wenn die Hortsche Theorie über den Ursprung von С namentlich in Deutschland zu breitester Wirkung kam 2 . Denn es ist eine schier lückenlose Kette von Argumenten, die hier der traditionellen Annahme entgegengestellt werden, daß С von der Synode von Konstantinopel ebenso als Lehrentscheidung aufgestellt sei wie seinerzeit das Nicaenum vom Konzil von Nikaia. Diese Beweiskette sieht etwa folgendermaßen aus: In den wenigen authentischen Dokumenten, die wir von der Synode von 381 besitzen, nämlich den vier echten Kanones und dem kurzen „Synodalschreiben" an den Kaiser, ist С weder enthalten noch auch nur erwähnt. Es erscheint erst in späteren Sammlungen von Konzilsakten, ist aber dort leicht als Interpolation erkennbar. Hingegen wissen wir durch Kanon I und den Logos Prosphonetikos der Synode mit Sicherheit, daß man sich in Konstantinopel darauf beschränkte, den nikäischen Glauben feierlich zu sanktionieren. Von der Aufstellung eines neuen Symbols durch das Konzil von 381 ist auch in dem bei Theodoretos erhaltenen Schreiben der Konstantinopler Synode von 382 an die Bischöfe des Westens ebensowenig die Rede wie in den Berichten der Kirchenhistoriker Theodoretos, Sokrates und Sozomenos, die übereinstimmend anzugeben wissen, daß 381 (lediglich) der nikäische Glaube bestätigt worden sei. Das Synodalschreiben von 382 dagegen erwähnt nur einen uns nicht erhaltenen „Tomos" der Synode des Vorjahres, bei dem es sich aber offenkundig nicht um eine Symbolformel, sondern um ein trinitarisch-christologisches Manifest mit beigefügten Anathematismen handelte. Noch gravierender ist, daß Gregor von Nazianz, ein prominenter Teilnehmer der Synode von 381 also, in seinem wenig später geschriebenen Brief an Kledonios (ep. 102) lediglich vom Nicaenum spricht, nichts aber von einer Ergänzung desselben oder gar der Aufstellung eines neuen Symbols weiß. „Dies argumentum e silentio ist aber deshalb für 1 BE 2 VIII, 1881, 212ff., und i.w. unverändert RE 3 XI, 1902, 12—28, wonach hier zitiert wird. 2 Es sei nur verwiesen auf Kattenbusch, Confessionskunde, 252ff.; Ders., AS (s. die Zusammenstellung in Band II, 995); Loofs, Symbolik I, 32ff.; Ders., Leitfaden I, 204ff.; Seeberg DG II, 142; G. Krüger, Das Dogma von der Dreieinigkeit und der Gottmenschheit, 1905, 205ff. Auch die wichtige Monographie von J. Kunze, Das nicänisch-konstantinopolitanische Symbol, Studien zur Geschichte der Theologie und der Kirche III, 3, 1898, basiert ganz auf den Thesen Horts und Harnacks, die Kunze als i.w. gesichert ansah (Kunze, Symbol, 4). In wichtigen Einzelfragen ging Kunze jedoch eigene Wege, so daß sein Beitrag neben denen Horts und Harnacks zweifellos selbständigen Wert besitzt. Es wird des öfteren Gelegenheit sein, auf Kunzes Arbeit zurückzukommen.
Bestreitung seiner Echtheit: Hort, Harnack
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die traditionelle Ansicht tödlich, weil Gregor in demselben Brief konstatiert, daß das Nicänum in bezug auf den Hl. Geist unvollständig sei. Gregor hätte unmöglich schweigen können, wenn eben die Synode von Konstantinopel das Nicänum in jener Hinsicht ergänzt hätte." 1 Überhaupt gibt es bis zum Konzil von Chalkedon im Orient wie im Okzident in keiner Synodalakte und bei keinem Kirchenvater oder heterodoxen Theologen irgendein sicheres Indiz für die Bekanntschaft mit einem Symbol von Konstantinopel, geschweige, daß es irgendwo als „Symbol der 150 Väter" zitiert oder als das offizielle Taufsymbol benutzt wäre. Nicht einmal in der Kirche von Konstantinopel selbst findet sich in der Zeit vor 451 die geringste Spur von C. Vielmehr stellen bis zum Beginn des 6. Jahrhunderts die Akten des Konzils von Chalkedon 2 den einzigen zuverlässigen Beleg für die Herkunft von С von der Synode von 381 dar. Ist schon durch den Hinweis auf die höchst mangelhafte äußere Bezeugung die Tradition über С stark in Frage gestellt, so sind mancherlei innere Gründe der Annahme der Echtheit von С noch wesentlich ungünstiger. Einmal erweist ein sorgfältiger Vergleich zwischen С und N eindeutig, daß die traditionelle Behauptung nicht aufrechtzuerhalten ist, nach der С als ein lediglich um bestimmte antihäretische Zusätze erweitertes nikäisches Symbol zu gelten hätte. Hort hat den Sachverhalt auf einen kurzen Nenner gebracht: Von den 178 Wörtern von С sind nur 33, d.h. gerade etwa ein Fünftel, sicher als nikäische Bestandteile zu erweisen. Danach haben also С und N nicht mehr gemeinsam als alle damals gebräuchlichen Symbole der orientalischen Kirchen. Gerade die kleineren, rein stilistischen Abweichungen, die С gegenüber N in großer Zahl aufweist, fallen hierbei ins Gewicht, da sie unmöglich auf eine bewußte Überarbeitung von N zurückgehen können. Die Synode von 381 kann aber auch aus dem Grund С nicht als ihr Symbol aufgestellt haben, weil sie sich in ihrem Kanon I feierlich zum nikäischen Glauben bekennt, während die „christologischen" Aussagen in С fast homoiusianischen Charakters sind. Fehlen hier doch gerade die wichtigsten nikäischen Stichworte, nämlich „das ist, aus dem Wesen des Vaters" und „Gott von Gott". Dagegen ist die nicht unbedenkliche Zeitbestimmung „vor allen Zeiten" der Aussage von der Zeugung des Logos wieder beigefügt, die man in Nikaia bewußt unterdrückt hatte. 1
Harnack, Symbol, 18. Harnack hatte RE 2 VIII, 228, noch mit der Möglichkeit gerechnet, daß es sich auch bei den Bezeugungen von С in den chalkedonischen Akten um Interpolationen handle. Kunzes gründliche Besprechung dieser Zeugnisse (Symbol, 12ff.) scheint ihn jedoch davon überzeugt zu haben, daß die Annahme einer Interpolation völlig aufzugeben ist und С in Chalkedon ganz ohne Frage als Ekthesis von Konstantinopel verlesen und rezipiert worden ist (s. RE 3 XI, 19; vgl. aber ibidem 28!). 2
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Das Nicaono-Constantinopolitanum
Wenn ferner von der Tradition behauptet wird, С sei namentlich zur pneumatologischen Erläuterung und Ergänzung von N durch die Synode von 381 aufgestellt worden, so steht dem die Tatsache entgegen, daß in dem dritten Artikel dieses Symbols die wichtigsten antipneumatomachischen Stichworte fehlen und vom Hl. Geist Aussagen gemacht werden, die ohne weiteres auch ein Makedonianer hätte unterschreiben können. Harnack vor allem fand, daß die Pneumatologie von С in keiner Weise dem Stand entspreche, der um 381 beispielsweise bei Gregor von Nazianz erreicht war. Er sah darin einen wichtigen Beleg dafür, daß С einer älteren Zeit angehört und wohl ein lokales Taufsymbol ist, welches in der Zeit nach der Synode von Alexandreia (362) und vor 381 nikäisch und antimakedonianisch redigiert wurde 1 . Daß С älter ist als die Synode von 381, läßt sich nach Hort und Harnack sogar zwingend beweisen. Denn das Symbol, das Epiphanios in seinem 374 geschriebenen Traktat „Ankyrotos" den Presbytern von Suedra in Pamphylien als Taufbekenntnis empfiehlt, ist, wie schon Tillemont und Caspari bemerkt haben, nichts anderes als C, von dem es sich lediglich durch zwei nikäische Zusätze und die ebenfalls aus N entnommenen Anathematismen unterscheidet. Doch bleibt davon die wesenhafte Identität dieses (ersten!) Symbols im „Ankyrotos" mit С unberührt. Mithin bestehen nur zwei Möglichkeiten: Entweder ist С bei Epiphanios später eingetragen und darum zu streichen. Oder es ist hier ursprünglich und kann darum nicht gut sieben Jahre später in Konstantinopel verfaßt sein, wie die Tradition will. Da nun Hort und Harnack für die Annahme einer Interpolation im „Ankyrotos" nicht den geringsten Anlaß sahen, blieb für sie nur der Schluß, daß С der Synode von Konstantinopel abzusprechen sei. Denn daß diese Synode das fragliche Symbol von Epiphanios übernommen und gegen die Pneumatomachen als ihr eigenes Bekenntnis proklamiert haben sollte, erschien ihnen als ganz undenkbar, erforderte es doch einen so komplizierten Bau von Hypothesen, daß sich gerade dadurch wieder die traditionelle Anschauung als unmöglich erweise. Sind damit im wesentlichen die Gründe wiedergegeben, die für Hort und Harnack die traditionelle Herleitung von С von der Synode von Konstantinopel als unhaltbar erweisen, so ist nun zu fragen, als was С in Wirklichkeit zu gelten hat und wie das Aufkommen der Überlieferung zu erklären ist, die dieses Symbol mit der „Synode der 150 Väter" in Verbindung bringt. Offenbar kann ja auch Epiphanios, bei dem С zuerst begegnet, nicht als sein Verfasser gelten. Denn wie die Bemerkung lehrt, mit der er die Wiedergabe des ersten der beiden Symbole im „Ankyrotos" abschließt 2 , hat er dieses bereits vorgefunden und teilt es mit als 1
Hamack, Symbol, 21.
2
Epiphanios, Ankyrotos 118, 14 (GCS 25, 147).
Bestreitung seiner Echtheit: Hort, Hamaek
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das apostolisch-nikäische Glaubensbekenntnis, das nach ihm. von der ganzen katholischen Kirche bekannt wird1. Vielmehr hat Hort nachzuweisen gesucht, daß uns im ersten Symbol bei Epiphanios, also in C, das alte Taufsymbol der Kirche von Jerusalem vorliegt. Nur, daß das Hierosolymitanum (HS) hier mit den wichtigsten nikäischen Formeln und einer pneumatologischen regula fidei ausgestattet ist. Entfernt man nämlich, so argumentierte Hort, die charakteristischen nikäischen Wendungen aus C, so erweist es sich im ersten und im Anfang des zweiten Artikels als wörtlich identisch mit dem jerusalemischen Symbol, das uns aus den um 350 gehaltenen Katechesen Kyrills von Jerusalem bekannt oder wenigstens mit einiger Sicherheit zu rekonstruieren ist 2 . Auch sonst vertritt С nach Meinung Horts wenigstens in seiner Grundstruktur ganz den Jerusalemer Symboltypos, während seine pneumatologischen Aussagen, die das eigentliche Novum dieses Symbols bilden, bereits in den wenige Jahre nach den Kyrillschen Katechesen geschriebenen Briefen des Athanasios an Serapion von Thmuis vorgebildet sind. Die Revision des Hierosolymitanums, deren Ergebnis wir also in С vorliegen haben, muß nach Hort und Harnack in der Zeit unmittelbar nach 362 vorgenommen worden sein, da sie die Anfänge des pneumatomachischen Streites bereits voraussetzt. Zur Zeit der Abfassung des „Ankyrotos" aber wird das revidierte HS nicht nur in Jerusalem, sondern auch in ganz Palästina, in Zypern und vielleicht auch in Pamphylien benutzt worden sein. Damit wäre sowohl sein Auftauchen bei Epiphanios erklärt als auch einigermaßen verständlich, daß ihm der Bischof von Salamis allgemeinkirchliche Geltung zuschrieb. Darüber hinaus hat Hort auch den Urheber dieser Revision ausfindig zu machen versucht; er meinte, daß man wohl in Kyrill selbst den Autor des nikäisch redigierten HS zu sehen habe. Denn nach Sokrates und Sozomenos3 hat sich Kyrill in der Zeit seines Jerusalemer Episkopats (351—386) von einem „unentschiedenen" zu einem dezidiert nikäisch-orthodoxen Theologen entwickelt. „Damit bildet seine persönliche Geschichte in gewisser Weise eine Parallele zu der Entwicklung des Jerusalemer Symbols zum sogenannten Constantinopolitanum"4. Wie aber hat es zu der Anschauung kommen können, daß С das Symbol der Synode von Konstantinopel sei? Zweifellos muß irgendeine Beziehung dieses Symbols zu dem Konzil von 381 bestanden haben. Sonst wäre schwer vorstellbar, daß man in Chalkedon das revidierte Jerusalemer Symbol als Ekthesis der 150 Väter hätte proklamieren können. 1
Ibidem 7 (146). Rekonstruktionsversuche des Textes von HS bei Hort, 142; Hahn § 124, S. 132ff.; Lietzmann, Symbole, 19; vgl. auch J. G. Davies, An Addition to the reconstituted Creed of Jerusalem, VigChr IX, 1955, 218ff. 3 4 Sokrates V, 8; Sozomenos VII, 7,3. Hort, 85. 2
140
Das Nicaeno-Constantinopolitanum
Über diese Frage gibt es nach Hort und Harnack nur Vermutungen. Und zwar hat Hort einen Lösungsvorschlag gemacht, bei dem er von der Tatsache ausging, daß die Rechtgläubigkeit Kyrills, der nachweislich in Konstantinopel zugegen war, vor allem von seiten westlicher Theologen angefochten wurde. Bekanntlich beruhte die Ablehnung weiter Kreise des Westens gegenüber der Synode von 381 vor allem darauf, daß auf ihr Bischöfe eine führende Rolle spielten, die für westliche Begriffe halbe Arianer waren. Das gilt in erster Linie von Meletios; es gilt aber auch von Kyrill. An diesem Tatbestand nun Schloß Hort die Vermutung an, daß man in Konstantinopel um des Friedens mit dem Westen willen Kyrill aufforderte, durch Vorlage eines Bekenntnisses seine Orthodoxie unter Beweis zu stellen. Natürlich hat Kyrill in diesem Fall kein andres als sein revidiertes HS, d.h. C, benutzt. Dieses wird dann von der Synode gebilligt und in die Akten aufgenommen worden sein, so wie man seinerzeit das Bekenntnis Eusebs in die Akten von Nikaia und das des Hosius in die Akten von Serdika aufgenommen hatte 1 . Und als einige Zeit später die wirklichen Vorgänge in Vergessenheit geraten waren, wurde das in den Konstantinopler Akten enthaltene Privatbekenntnis Kyrills als das Synodalsymbol der 150 Väter betrachtet und ausgegeben. Oder man hat sich nach Harnack in Konstantinopel während der dogmatischen Wirren der Zeit nach 381 danach umgesehen, aus den 1
Hort, 102ff. Kunze, Symbol, 32ff., hat einen anderen Lösungsvorschlag gemacht. Und zwar muß nach ihm auf Grund der chalkedonischen Akten eine wesentlich engere und ursprünglichere Verbindung zwischen С und der Synode von 381 postuliert werden, als sie nach der Hort-Harnackschen Hypothese gewährleistet ist. Kunze vermutete nun, daß С bei der Taufe und Bischofskonsekration des Nektarios benutzt wurde, der bekanntlich während des Konzils von 381 als Nachfolger Gregors von Nazianz zum Bischof der Hauptstadt des Ostreichs und zum Vorsitzenden des Konzils bestellt wurde, obwohl er zum Zeitpunkt seiner Wahl noch nicht getauft war (s. o. S. 113f.). Es ist wahrscheinlich, so argumentierte Kunze, daß Nektarios durch Diodoros von Tarsos, der seine Kandidatur vorgeschlagen hatte, Taufunterricht und Taufe empfing. Und die Tatsache, daß С zuerst in Zypern (sc. in den Schriften des Epiphanios) begegnet, legt die Vermutung nahe, daß es über das pamphylische Suedra in das nahegelegene Tarsos in Kilikien gelangte und dort gleichfalls als offizielles Taufsymbol übernommen wurde. Wenn es nun Diodoros war, der Nektarios taufte, so ist es nur natürlich anzunehmen, daß er bei dieser Taufe das ihm vertraute tarsische Symbol, nämlich C, benutzte. Dies Bekenntnis wird aber Nektarios nicht nur bei seiner Taufe, sondern auch bei der Bischofsweihe abgelegt haben. Und es wird sodann als Bestandteil der Protokolle der Wahlsitzung den Konstantinopler Akten einverleibt worden sein. „Denken wir uns noch dazu die üblichen Beifallsbezeugungen der Bischöfe wie: Das ist der wahre Glaube o.a., so war damit in der Tat eine Anerkennung jenes Symbols seitens der Synodalen gegeben" (Kunze, Symbol, 34). Ist das richtig, so ist das Aufkommen der Tradition über С als das Synodalsymbol von 381 ohne weiteres verständlich, um so mehr, als Nektarios, wie Kunze annimmt, bald nach 381С als das offizielle Taufsymbol in seinem Konstantinopler Bistum einführte.
Verteidigung seiner Echtheit: Schwartz
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Konzilakten der Synode der „150 Väter" eine das Nicaenum ergänzende pneumatologische Lehrnorm zu gewinnen. Dabei bot sich das Symbol Kyrills an, da es eine wenigstens homousianisch deutbare Ausführung des III. Artikels sowie wertvolle, gegen Apollinarios verwendbare Glieder im II. Artikel enthielt. „Mit der Proklamierung der Synode von 381 als einer ökumenischen verkündigte man auch vermittelst eines quid pro quo ihr angebliches Symbol" und suchte diesem durch Gesetzbuch (Codex Justinianeus) und Liturgie Eingang zu verschaffen, was nach anfänglichen Schwierigkeiten auch gelang1. Freilich sind das, wie Hort und Harnack selbst betonten, lediglich Hypothesen. Dagegen galt ihnen als sicher, und damit läßt sich die Darstellung ihrer Position abschließend zusammenfassen, daß С das ca. 363, vermutlich von Kyrill, nikäisch und antimakedonianisch redigierte Jerusalemer Taufsymbol ist, daß man 381 lediglich das Nicaenum repetiert hat und erst kurz vor dem Konzil von Chalkedon von Konstantinopel aus die Unterschiebung von С als dem „Symbol der 150 Väter" ins Werk gesetzt wurde, die dann in Chalkedon tatsächlich zum Erfolg führte. 3. Die Verteidigung
der Tradition
durch Eduard
Schwartz
Um die Jahrhundertwende und auch noch während der beiden folgenden Jahrzehnte beherrschte das Votum Hort-Harnacks innerhalb der protestantischen Theologie nahezu unbestritten die Diskussion über С und schien es definitiv erwiesen zu sein, daß С ebenso wie die beiden anderen sogen, „ökumenischen" Symbole, das Apostolicum und das Athanasianum, als „apokryph" zu gelten habe. Zwar wurden noch vereinzelte Versuche unternommen, die Echtheit von С zu „retten"2. Doch fanden diese — wie mir scheint zu Recht — kaum Beachtung. Auch unter katholischen Forschern trafen die Thesen Horts und Harnacks nicht selten auf ungeteilte Zustimmung3. Im allgemeinen blieb hier jedoch entweder die herkömmliche Ansicht über С in Geltung, oder man war bestrebt, Horts Theorie irgendwie mit der Tradition in Einklang zu bringen, zumeist in der Weise, daß man wie schon Tillemont4 1
Harnack, Symbol, 27. Neben Caspari, der bis zuletzt, wenn auch in einem die Überlieferung modifizierenden Sinne (s. u. S. 160f.), an der Echtheit von С festhielt, obwohl seine Forschungen der Kritik an der Tradition über С wesentlich vorgearbeitet hatten, ist m.W. nur noch von W. Schmidt, Zur Echtheitsfrage des Nicaeno-Constantinopolitanums, NKZ X, 1899, 935—985, und dem Altkatholiken J. Langen, RITh V, 1897, 480ff., der Versuch gemacht worden, die Echtheit von С zu „retten". 3 Siehe Rauschen, 477—479; L. Duchesne, Autonomies ecclesiastiques. figlises вёрагёев, Paris 1905, 77ff.; Ders., Histoire ancienne de l'figlise III, Paris 1911, 400; Batiffol, 125f.; Bardy und Palanque in Fliche-Martin III, 287 A. 5. 4 Tillemont IX, art. 78 (Gr. de Nazianze), S. 495. 2
142
Das Nicaeno-Constantinopolitanum
annahm, die Synode von 381 habe С nicht neu aufgestellt, sondern einfach von Epiphanios übernommen und als ihr Symbol proklamiert1, eine Annahme, die freilich schon mehrfach als schwer denkbar abgelehnt worden war und in der Tat, wie wir sehen werden, als Lösungsversuch kaum in Betracht kommt2. Eine Wende bahnte sich an, als in dem russischen Kirchenhistoriker A.P. Lebedev 3 und dem gelehrten griechischen Erzbischof und Honorarprofessor an der Athener Fakultät, Chrysostomos Papadopoulos4, zwei namhafte orthodoxe Theologen auf den Plan traten, um die Echtheit „ihres" Symbols zu verteidigen, wobei namentlich die Arbeit von Papadopoulos verdiente, der Vergessenheit entrissen zu werden. Denn hier ist das ganze Problem der Herkunft und Geschichte von С in einer Breite und Gründlichkeit neu aufgerollt worden wie seither nicht mehr, ohne daß freilich die oft recht temperamentvolle Kritik an den verschiedenen Bestreitern der Echtheit von С in jedem Fall als geglückt gelten könnte. Allein, diese beiden Arbeiten, die später von dem Engländer F. J. Badcock aufgenommen und weitergeführt wurden6, sind schon zur Zeit ihres Erscheinens kaum zu allgemeinerer Kenntnis gelangt. Dagegen erfolgte eine äußerst wirksame Infragestellung der zur Herrschaft gelangten Hortschen Theorie durch den deutschen Klassischen Philologen Eduard Schwartz, der in seinem Aufsatz „Das Nicaenum und das Constantinopolitanum auf der Synode von Chalkedon"® — offenbar ohne die Arbeiten von Lebedev, Papadopoulos und Badcock zu kennen, jedenfalls ohne auf sie Bezug zu nehmen — mit Entschiedenheit für die Überlieferung über С plädierte, und zwar in ihrer kompromißlosesten Form. Und seinem bedeutenden Einfluß ist es wohl vor allem zuzuschreiben, daß heute die altkirchliche Tradition über das „Symbol der 150 Väter von Konstantinopel" mehr und mehr auch von protestantischen Forschern wieder wenigstens in Erwägung gezogen wird. Μ. E. stellt dieser Aufsatz von Schwartz bislang den profiliertesten, jedenfalls aber den radikalsten Versuch einer Verteidigung der Echtheit von С dar. Darum soll er allein hier ausführlicher referiert werden, freilich nur so weit, als er die Frage der Herkunft von С unmittelbar berührt7. 2 Siehe unten S. 161 f. Siehe dazu unten S. 160 A . 5. A . P . Lebedev, Über unser Glaubensbekenntnis (russ.), Theologischer Kurier I X , Moskau 1902, Heft Januar/Februar; eine-Zusammenfassung dieses mir nicht zugänglichen Artikels gibt N . Orloff, A Russian view of the Creed of Constantinople, JTS IV, 1903, 285ff. * Chr. Papadopoulos, Das Symbol der zweiten ökumenischen Synode (griech.), Athen 1924. » F. J. Badcock, JTS X V I , 1915, 205£f.; Ders., History, 186ff. • Ζ N W X X V , 1926, 38—88. 7 Der Hauptteil dieses Aufsatzes (S. 52—81) ist neben der Frage der authentischen Texte von N und С der Erklärung des Tatbestandes gewidmet, daß die Texte 1
8
Verteidigung seiner Echtheit: Schwartz
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Schwartz ging aus von einer Untersuchung der Bezeugungen von С in den Akten des Konzils von Chalkedon. Nach ihm ergibt sich dort folgendes Bild: In den Sitzungen vom 8. und 10. Oktober 451 werden die Bischöfe von den die Verhandlungen leitenden kaiserlichen Kommissaren aufgefordert, eine neue Glaubensdefinition aufzustellen. Sie sollen dabei wissen, daß sich der Glaube des Kaisers wie der seiner Beamten orientiere an „der Ekthesis der 318 Väter und der nachher verfaßten Ekthesis der 150 Väter"1 sowie nach einigen anderen allgemein approbierten Väterschriften. Daß hier der Synode von 381 ebenso eine Ekthesis zugeschrieben wird wie der nikäischen, ist von keinem der Bischöfe beanstandet worden. In der gleichen Sitzung vom 10. Oktober, in der die Grundlagen für die neu aufzusetzende chalkedonische Definition festgelegt werden sollen, verlangen die kaiserlichen Kommissare neben der Verlesung von N auch die von C, „was rechtlich die Gleichstellung mit N bedeutete"2. Dagegen erhebt sich nicht der geringste Widerspruch. Im Gregenteil: die Bischöfe akklamieren nach der Verlesung von C: „Das ist der Glaube der Orthodoxen. So glauben wir alle"3. Ferner erklären in der Sitzung vom 17. Oktober die römischen Legaten, die Normen des Glaubens seien N, С sowie der Lehrbrief Papst Leos an Flavian von Konstantinopel, wobei sie N und С als eine Einheit hinstellen und С als ein ihnen ebenso bekanntes Dokument behandeln wie N. Und in der gleichen Sitzung wird von jedem einzelnen Bischof die Übereinstimmung von N und С mit dem Lehrschreiben Leos bestätigt. Niemand äußert einen Zweifel an der Authentie und rechtlichen Gleichheit von С mit N. Schließlich sind in der Glaubensdefinition selbst, die unter stärkstem kaiserlichem Druck in der Sitzung vom 22. Oktober zustande kam, N und von N und С als Bestandteilen der chalkedonischen Definition in einer Reihe von alten HSS nicht in ihren reinen Formen geboten werden. Nach Schwartz zwingt dieser Tatbestand zu der Annahme, daß die in die Formel von Chalkedon ursprünglich einander angeglichene Formen der beiden alten Symbole eingefügt wurden und daß bei dieser Angleichung von N und С die Absicht waltete, „sowohl die Identität von N und С in dem, was längst der Debatte entrückt war, als auch das Plus von С in dem, worüber noch gestritten wurde", deutlich erkennbar zu machen; vgl. auch A. d'Ales, RechSR XXVI, 1936, 582. J. Lebon, Symboles, 809—876, hat sich eingehend mit dieser erstaunlichen Konstruktion Schwartzens auseinandergesetzt und sie m.E. zwingend widerlegt. Diese Frage kann hier jedoch auf sich beruhen. Genügt doch für unseren Zusammenhang die Feststellung, daß der authentische Text von С in Chalkedon bekannt war und in der Sitzung vom 10. Oktober 451 von dem Konstantinopler Archidiakon Aetios aus einem vermutlich im Konstantinopler Archiv aufbewahrten Exemplar verlesen wurde. Zum Text von С s. Schwartz ACO 11,1,2, 80. 1 Schwartz ACO II, 1,1, 195f.; vgl. auch II, 1,2, 78. 2 8 Schwartz, Nicaenum, 39. Schwartz ACO 11,1,2, 80.
144
Das Nicaeno-Constantinopolitanum
С als die Normen vorangestellt, welche durch die eigene Formel des Konzils nicht außer Kraft gesetzt, sondern im Gegenteil nachdrücklich bestätigt werden sollen. Nach all dem steht für Schwartz außer Frage, „daß dem kaiserlichen Paare Marcian und Pulcheria, den hohen Reichsbeamten, den Bischöfen der Reichskirche С als das von der Konstantinopler Synode 381 aufgestellte, von Kaiser Theodosius I. bestätigte, zur Norm des Glaubens mit und neben dem Nicaenum erhobene und zur allgemeinen Kenntnis gebrachte Credo längst bekannt war, ehe die Synode von Chalkedon gezwungen wurde, eine besondere Glaubensdefinition zu dekretieren"1. Dies Zeugnis der chalkedonischen Akten für die Authentie von С findet seine Bestätigung in dem Synodalbrief der Konstantinopler Synode vom Jahre 382, den Theodoretos vermutlich im bischöflichen Archiv zu Antiocheia gefunden und in seine Kirchengeschichte aufgenommen hat. Denn wenn dort2 neben dem „in Antiocheia von der dort versammelten Synode aufgestellten Tomos" auf „das im vorigen Jahr in Konstantinopel von der ökumenischen Synode Aufgestellte" verwiesen wird, so ist damit nach Schwartz nichts anderes gemeint als C! „Daß der antiochenische, erheblich ausführlichere Tomos verloren ist, ist um so mehr zu bedauern, als er offenbar die Vorlage für С gewesen ist, die, vermutlich unter dem Einfluß des Kaisers, der darauf aus war, die Makedonianer zu gewinnen (Socrates h. е. V, 8), umgestaltet ist." 3 Schwartz galt es damit als erwiesen, daß die „Reichssynode" von Konstantinopel in С ein eigenes Symbol aufgestellt habe. Gleichwohl dekretierte sie in ihrem ersten Kanon, daß N in Geltung bleiben solle. Dies keineswegs ungewöhnliche Verfahren erklärt sich nach Schwartz daraus, daß der Synode einerseits eine Abgrenzung gegen die im Nicaenum noch nicht berücksichtigten Irrlehren des Makedonios und des Apollinarios notwendig erschien, daß es andererseits aber nicht anging, durch direkte Zusätze zu N zu manifestieren, daß dies Palladium der Orthodoxie unvollkommen sei. „Damit wäre eine Position geräumt worden, die in langen und schweren Kämpfen errungen war. So blieb nur der Ausweg, ein andres Symbol daneben zu stellen, das ihm rechtlich gleichwertig sein sollte"4. Nicht anders verfuhren ja auch, von Ephesos abgesehen, die späteren Generalsynoden. Daß С nicht einfach ein erweitertes Nicaenum ist, besagt für Schwartz nicht das Geringste gegen seine Authentie. Denn ebensowenig ist die chalkedonische Formel gradlinig aus den ihr „voranleuchtenden" Symbolen N und С entwickelt. Es kam der Synode von 381 lediglich darauf an, beide Symbole rechtlich gleichzustellen. „Das war die Norm, die in 1 Schwartz, Nicaenum, 41. ' Schwartz, Nicaenum, 43.
2 Theodoretos V, 9, 13. * Ibidem 81.
Verteidigung seiner Echtheit: Schwartz
145
Zukunft gelten sollte und auch gegolten hat. Hält man diesen Rechtssatz als Rechtssatz fest, so lösen sich alle Schwierigkeiten auf, die man in den Erwähnungen und Nichterwähnungen von С in der Zeit zwischen 381 und 451 hat finden wollen" 1 . Dieser „Rechtssatz", die rechtliche Gleichstellung von N und C, erlaubte nämlich verschiedene Verfahrensweisen. Einmal war es gestattet, in den theologischen Auseinandersetzungen Wendungen aus С für solche aus N eintreten zu lassen und ihnen die Autorität des „nikäischen Glaubens" zu vindizieren. So verfuhr vor allem Nestorios, der in seinen Briefen und Predigten z.B. die für ihn so wichtige Formel aus С: „fleischgeworden aus dem Hl. Geist und Maria, der Jungfrau" als nikäisch ausgab, was Kyrill vom Text des reinen N aus entschieden zurückwies. Zum andern war man bei der rechtlichen Gleichstellung von N und С unangreifbar, wenn man ausschließlich mit N operierte und С völlig überging. So verhielt sich namentlich die alexandrinische Hierarchie, die auf dem Konstantinopler Konzil so schwere kirchenpolitische Niederlagen erlitten hatte, daß es verständlich ist, wenn sie das Andenken dieser Synode nicht besonders pflegte! In diesem Sinn führte Kyrill in seiner Publizistik stets das reine N an, und die von ihm beherrschte Synode von Ephesos deklarierte ausdrücklich die alleinige Geltung des Glaubens von Nikaia. Kyrills Gegenspieler Johannes von Antiocheia hielt es für geraten, auf dem gleichen Boden zu bleiben. Und Kyrills Nachfolger Dioskoros ließ von der „Räubersynode" den Beschluß des ersten Ephesinums über N als alleinige Glaubensnorm bestätigen, was freilich nicht so sehr gegen С als vielmehr gegen die „Unionsformel" von 433 gerichtet war. Schließlich ließ sich die Rechtsgleichheit von N und С in einer Weise ausdeuten, die der alexandrinischen Praxis genau entgegengesetzt war und nach der С als notwendige Ergänzung von N zu gelten hatte. Diese neue Ausdeutung hat sich nach Meinung Schwartzens im Anschluß an den Frontwechsel des Kaiserpaares Markian und Pulcheria und den damit zusammenhängenden Zusammenbruch der alexandrinischen Vorherrschaft über den Orient mehr und mehr durchgesetzt und in der neuen Glaubensformel von Chalkedon ihren präzisen Ausdruck gefunden. Glaubte Schwartz, damit einen der Haupteinwände gegen die Echtheit von C, nämlich den Hinweis auf dessen mangelhafte Bezeugung, seiner Beweiskraft beraubt zu haben, so sah er aus der Zeit nach Chalkedon vor allem in der Tatsache einen überzeugenden Beweis für die tatsächliche Herkunft von С von der „Synode der 150 Väter", daß auch den monophysitischen Gegnern des Chalcedonense alsbald С neben N als maßgebende Norm feststand. Dies geht aus dem „Enkyklion" des Basiliskos sowie aus dem „Henotikon" des ebenfalls monophysitisch gesinnten 1
Schwartz, Nicaenum, 82.
10 8310 Bitter, Konzil
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Das Nicaeno-Constantinopolitanum
Kaisers Zenon hervor, besonders aber daraus, daß der liturgische Gebrauch von С in die monophysitische Sonderkirche überging, die Jakob Burdeana unter Justinian II. errichtete. Dem ist nach Meinung Schwartzens um so größere Bedeutung beizumessen, als diese Gegner der Formel von Chalkedon, hätten sie С die Autorität eines auf einer ökumenischen Synode verfaßten Symbols streitig machen können, „von diesem schwer gegen das Chalcedonense ins Gewicht fallenden Argument" sicher Gebrauch gemacht hätten 1 . Bleibt noch die Frage zu beantworten, die weithin als die Hauptschwierigkeit für die Annahme der Echtheit von С gilt, nämlich der Tatbestand, daß С — nahezu! — wörtlich übereinstimmt mit der ersten der beiden Formeln im „Ankyrotos" des Epiphanios. Wenn С wirklich das 381 aufgestellte Synodalcredo ist, so kann es unmöglich bereits sieben Jahre zuvor von Epiphanios zitiert werden! Es sprechen nun aber für Schwartz verschiedene Gründe dafür, daß im „Ankyrotos" (118,9-12) irgendwann einmal der Wortlaut von N durch den von С ersetzt wurde: Einmal ist verdächtig, daß bei Epiphanios С mit den Anathematismen von N verbunden ist. Zum anderen paßt die Wendung, mit der der Bischof von Salamis die Wiedergabe des ersten Symbols in seinem Traktat abschließt, nicht zu C, sondern nur zu N; heißt es doch hier von dem voraufgehenden Symbol: „Dieser Glaube wurde von den heiligen Aposteln überliefert und in der Kirche als der heiligen Stadt von allen damals versammelten heiligen Bischöfen, über 310 an der Zahl, (verfaßt)"2. Ferner haben Caspari und Kattenbusch3 unwiderleglich gezeigt, daß das zweite, längere Symbol im „Ankyrotos" (119,3—12) ein eigenes Fabrikat des Epiphanios ist und daß es nicht die erste Formel, wie der textus receptus sie bietet, sondern N, das reine N kommentiert. Gleichwohl sagt Epiphanios, diese Formel schließe sich „an das oben angeführte Glaubensbekenntnis jener heiligen Väter" an 4 . Schließlich konnte sich Epiphanios nur dann, wenn N voranging, überhaupt bemüßigt fühlen, dessen nacktes „Fleischgeworden" zu erläutern mit: „das ist, vollkommen geboren aus der Hl. Maria, der ewig Jungfräulichen, durch den Hl. Geist"5. Hätte er dagegen selber С als erste Formel angeführt, so würde er entweder auf eine Erklärung verzichtet oder aber sie anders gefaßt haben. Aus allen diesen Gründen muß einmal da, wo Epiphanios das reine N als Tauf1
Schwartz, Nicaenum, 85. Epiphanios, Ankyrotos 118, 14 (GCS 25, 147). 3 С. P. Caspari, Ungedruckte, unbeachtete und wenig beachtete Quellen zur Geschichte des Taufsymbols und der Glaubensregel I, 1866, 8ff.; Kattenbusch AS I, 290ff. 4 Epiphanios, Ankyrotos 119,2 (GCS 25, 147f.). 6 Ibidem 119,5 (148). 2
147
Verteidigung seiner Echtheit: Schwartz
formel ausgeschrieben hatte, das eingesetzt worden sein, was in späterer Zeit als das offizielle Nicaenum galt, nämlich C1. Und was schließlich das „Phantom eines revidierten Hierosolymitanums" betrifft, das Hort in dem bei Epiphanios interpolierten С entdecken wollte, so ist nach Schwartz keineswegs zu bestreiten, daß С eine gewisse Ähnlichkeit aufweist mit dem „aus Kyrills Katechesen herausdestillierten Taufbekenntnis". Allein, wenn auch die Sätze von С größtenteils älteren Taufsymbolen, darunter möglicherweise auch dem von Jerusalem, entlehnt sind, so kommt es doch entscheidend darauf an zu wissen, „wer das Mosaik zusammensetzte und welche Zwecke er verfolgte, unter welchen Notwendigkeiten er stand. Auf dem Konstantinopler Konzil herrschten die Meletianer, gab den Ausschlag der Kaiser". Zwei Jahre vorher hatten die Meletianer ohne jeglichen Zwang einen Tomos aufstellen können. Wäre er erhalten, ließe sich ein Einblick in die Motive des Meletius und der Seinen gewinnen, indem С an ihm gemessen werden könnte, ließe sich vielleicht sogar abgrenzen, was der kaiserliche Wille hinzutat oder wegnahm2. So aber ist man auf bloße Vermutungen angewiesen und tut nach Schwartz am besten daran, ganz auf sie zu verzichten.
II. Auseinandersetzung
mit den Thesen Hort-Harnacks
und
Schwartzens
M t dem Bericht über die altkirchliche „Legende" über das „Symbol der 150 Väter von Konstantinopel" sowie über die Geschichte der Erforschung seines Ursprungs von Caspari bis Eduard Schwartz haben wir im wesentlichen den Umkreis von Fragen abgeschritten, die mit Herkunft und Geschichte dieses Symbols verbunden sind. Zugleich sind mit dem Referat über die Beiträge von Hort und Harnack auf der einen sowie von Eduard Schwartz auf der anderen Seite die beiden wichtigsten, in jedem Fall aber die einander am weitesten entgegengesetzten Auffassungen über С vorgeführt und einander zum Vergleich gegenübergestellt worden, von denen noch immer die wissenschaftliche Diskussion über den Ursprung von С bestimmt wird. Nun zeigt, denke ich, allein schon die Gegenüberstellung dieser beiden Voten, daß Hans Lietzmann schwerlich im Recht war, wenn er meinte, es seien nach der Schwartzschen Arbeit alle neuerlichen Zweifel an der 1
Eine Spur dieser Ersetzung glaubte Schwartz im Codex Laurentianus VI, 12 zu entdecken. Dort findet sich nämlich bei der ersten Formel die Randbemerkung: „Ekthesis des Glaubens der in Nikaia (versammelten) hl. Väter und zweitens der Väter von Konstantinopel", sowie „das heilige Symbol" (s. Schwartz, Nicaenum, 86). 2 Schwartz, Nicaenum, 88. 10·
148
Das Nicaeno-Constantinopolitanum
Authentie von С als erledigt zu betrachten und es könne als erwiesen gelten, daß С wirklich von der Synode von 381 „amtlich aufgestellt worden" ist 1 . Ebenso läßt sich freilich schon jetzt mit Bestimmtheit sagen, daß es nicht angehen dürfte, wenn man noch heute in der Literatur nicht selten einfach die Auskunft Horts und Harnacks über das „sog. Nicaeno-Constantinopolitanum" wiederholt findet2, ohne daß z.T. die Gregenthesen von Schwartz auch nur erwähnt werden. Denn so viel ist auf den ersten Blick klar, daß die von Schwartz aufgeworfenen Fragen so schwerwiegend sind, daß man sich nicht gut die Hort-Harnacksche Theorie über С zueigen machen kann, ohne diesen Fragen gebührend Rechnung getragen zu haben. Andererseits läßt sich selbst unter der Voraussetzung, daß die Resultate Schwartzens als gesichert gelten könnten, kaum behaupten, er habe alle Schwierigkeiten aus dem Wege geräumt oder auch nur berührt, die nach Hort und Harnack der traditionellen Herleitung von С von der „Synode der 150 Väter" im Wege stehen. Somit dürfte die vielverhandelte Frage nach der Herkunft und Authentie von С nach wie vor offen sein3. Ehe wir selbst in dieser Frage nach einer Lösung suchen, ist es jedoch zunächst erforderlich, die von beiden Seiten vorgebrachten Argumente eingehender als bisher zumeist geschehen auf ihre Stichhaltigkeit hin zu überprüfen und im Verfolg dieser Auseinandersetzung auch, soweit es möglich und notwendig ist, auf die Fülle der übrigen Literatur zu С einzugehen. 1. Zu den Thesen Horts und
Harnacks
Wie wir gesehen haben, sind es zunächst mehrere äußere Gründe, die Hort und Harnack gegen die Herkunft von С von der Synode von Konstantinopel ins Feld führten, nämlich 1., daß unter den von dieser Synode erhaltenen originalen Urkunden С weder überliefert noch auch nur erwähnt sei. 2. sei von der Aufstellung eines Symbols auch in den Berichten der Kirchenhistoriker über das Konzil ebenso wie in dem Synodalschreiben der Konstantinopler Synode von 382 keine Rede. Und 3. finde sich bis zum Beginn des 6. Jahrhunderts mit der einen Ausnahme 1
Lietzmann GAK IV, 35 f. In ähnlichem Sinne äußerten sich A. d'Ales, RechSR XXVI, 1936, 679ff.; E. Krebs, LThK2 VII, 1935, 540; Meinhold, Pneumatomachoi, 1086f.; Ders., Konzile, 60f. 2 Bs sei nur verwiesen auf Heussis, Kompendium der Kirchengeschichte, 194910, 103; Mulert-Schott, Konfessionskunde, 19563, 63f. (s. dazu die Besprechung von F. Lau, ThLZ 1961, 51 Iff.); Beck, Kirche, 45; Ders., Art. Konstantinopel, RGG3 III, 1789). 3 Vgl. auch Harnack, DLZ 1927, 843, wo er gegen Schwartzens Thesen „die schwersten Bedenken" anmeldete; femer Müller, 454 A. 1; Caspar I, 233 A. 2; Dörries DSS, 174 A. 2.
Auseinandersetzung mit Hort und Harnack
149
der chalkedonischen Akten kein sicheres Zeugnis für C. Bezeugt sei lediglich, daß man in Konstantinopel den nikäischen Glauben bestätigt habe. Ad 1: Daß sich unter den mit Sicherheit authentischen Dokumenten, nämlich den vier Kanones und dem Logos Prosphonetikos der Konstantinopler Synode, nicht auch ein „Symbol der 150 Väter" findet, ist unbestreitbar. Es ist jedoch zu fragen, ob sich daraus irgend etwas beweisen läßt. Denn die „Sammlung der 14 Titel" als die älteste erhaltene griechische Kanonessammlung1, in der auch die genannten Konstantinopler Dokumente überliefert sind, ist ein Rechtsbuch und enthält nur Rechtsurkunden, wogegen überhaupt keine Glaubensformeln und -dekrete aufgenommen sind2. Daher suchen wir dort auch vergeblich nach dem — sicher bezeugten — Konstantinopler Tomos. Nur in wirklichen „Akten" mit ausführlichen Sitzungsprotokollen, wie wir sie seit Ephesos von den späteren Reichskonzilien besitzen, müßte auch ein Symbol überliefert sein. Doch sind in Konstantinopel solche Protokolle entweder überhaupt nicht angefertigt worden oder aber verlorengegangen. Jedenfalls sind sie uns nicht erhalten3. Ebenso ist aus der Bestimmung dieses Konzils (Kanon I), daß der Glaube von Nikaia „nicht abgeschafft werde, sondern in Kraft bleibe", nicht ohne weiteres der Schluß erlaubt, also könne es nicht gleichzeitig ein eigenes Symbol aufgestellt haben4. Daß diese Bestimmung „auf die Formel" gehe 5 und somit die strikte Herrschaft der einen nikäischen Symbolformel aufrichten wolle, ist eine schwer zu begründende Behauptung. Denn in diesem rigoristischen Sinne ist wohl nicht einmal das wesentlich bestimmter gefaßte berühmte Dekret des Ephesinums zu verstehen, welches „einen anderen Glauben" als den der nikäischen Väter aufzustellen verbot®. So viel steht jedenfalls fest, daß man in Chalkedon sowohl dies ephesinische Dekret als auch den dort ebenfalls zitierten Kanon I von Konstantinopel' in dem Sinn verstand, daß damit der 1 Siehe dazu Wl. Beneschewitsch, Die Kanoneesammlung der XIV Titel, St. Petersburg 1905. 2 3 So Schwartz, Nicaenum, 45f. Siehe dazu oben S. 19. 4 So etwa Batiffol, 125. 5 Kattenbuseh, Confessionskunde, 255. • Kanon VII von Ephesos 431; vgl. dazu vor allem Hubert du Manoir, Le Symbole de Nicee au concile d'fiphese, Gregorianum XII, Rom 1931, 104—137, bes. 130£f.; ferner Kunze, Symbol, 8. 42f.; J. Langen, RITh V, 1897, 483; Percival, 232; M. Jugie, Le dёcrθt du concile d'lSphese Sur les formules de foi et la polemique anticatholique en Orient, Echo d'Orient XXIX, 1930, 257ff.; anders z.B. Bright, 115ff.; Badcock, History, 176. 7 Kanon I von Konstantinopel ist in Chalkedon zusammen mit den Kanones II und III als „Synodikon der zweiten Synode" zitiert worden: Schwartz ACO II, 1, 2, 96. Zum Verständnis des in Chalkedon sehr häufig erwähnten Kanons VII von
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„nikäische Glaube" als oberste Norm festgelegt werde, an dem alles zu messen sei, nicht aber so, als werde dadurch jede weitere, das Nicaenum ergänzende Symbolbildung ausgeschlossen. Demgemäß ist wenigstens die Möglichkeit anzuerkennen, daß die Väter von Konstantinopel trotz ihres ersten Kanons sehr wohl ein eigenes Symbol aufgestellt haben in der Meinung, damit den nikäischen Glauben nicht „aufzuheben", sondern zu „bestätigen". Daß femer in dem neben den Kanones noch erhaltenen sog. „Synodalschreiben" С nicht erwähnt sei, was in der Tat nicht der Fall ist kann gleichfalls nicht als stichhaltiges Argument gegen die Echtheit von С gelten. Zwar scheidet m.E. die von Schwartz erwogene Möglichkeit völlig aus, daß С noch nach der Verabschiedung der Kanones und der synodalen allocutio an den Kaiser aufgestellt und dem Kaiser gesondert übermittelt worden sei2. Denn wie wir oben gesehen haben, hat das Konzil höchstwahrscheinlich nicht über den 9. Juli 381, den Tag der Verabschiedung der Kanones, hinaus getagt 3 . Doch erfährt man aus diesem Schreiben über die Tätigkeit der Synode nicht mehr als dies: man sei gemäß dem Konvokationsschreiben des Kaisers zusammengekommen und habe die Eintracht untereinander erneuert. Ansonsten wird — jedenfalls nach der mir wahrscheinlichsten Deutung — nur auf die Kanones Bezug genommen, die dem Kaiser mit der Bitte um Bestätigung zugeleitet werden. Also handelt es sich bei diesem Dokument nicht wirklich um einen Rechenschaftsbericht der Synode, sondern lediglich um einen Begleitbrief zu den Kanones 4. Ad 2: Wenn Hort und Harnack des weiteren auf die Berichte der Kirchenhistoriker sowie auf den von Theodoretos überlieferten Synodalbrief der Konstantinopler Synode von 382 verwiesen und meinten, diese Ephesos vgl. neben dessen Aufnahme zu Anfang und Ende der chalkedonischen Definition vor allem die zahlreichen Stellen, wo zum Ausdruck kommt, daß für die Mehrzahl der Väter von Chalkedon in Nikaia, Konstantinopel und Ephesos der gleiche Glaube bekannt wurde (bes. Schwartz ACO 11,1,2, 93ff.; 11,1,3, UOf.). Auch ein Antichalkedonenser wie Philoxenos von Mabbug dürfte den genuinen Sinn jenes ephesinischen Kanons getroffen haben, wenn er von den 150 Vätern von Konstantinopel sagte: „nec sub anathemate subiunguntur eo quod verba addiderunt (sc. zu dem nikäischen Glauben), quia verba sua ad fidem illam priorem conveniunt eamque stabiliunt" (Philoxenos Mabbug., De uno e sancta Trinitate incorporato et passo, dissert. I, ed. M. Briere, PO XV,4, 489f.). 1 Gegen Papadopoulos, 39f., und Karmiris I, 82. 131. Wenn man schon den Satz in der Allocutio der „150 Väter": „Auch haben wir kurze Bestimmungen erlassen, des Inhalts, daß wir den Glauben der nikäischen Väter bestätigen und die dawider aufgetretenen Häresien verdammen" (Mansi III, 557), nicht als Beschreibung von Kanon I gelten lassen will, so dürfte hier auf keinen Fall С gemeint sein, da es keine Anathematismen enthält! 2 Schwartz, Nicaenum, 46. 1 » Siehe oben S. 130f. Siehe oben S. 126f.
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Zeugnisse redeten klar gegen die Tradition über die Aufstellung eines Symbols seitens der „150 Väter", so wollten sie wohl auch hier zu viel beweisen. Denn daß die drei Kirchenhistoriker Sokrates, Sozomenos und Theodoret nur von einer Bestätigung des nikäischen Glaubens durch die Synode von 381 gewußt zu haben scheinen, schließt ebensowenig wie der Wortlaut des Kanons I aus, „daß doch die ergänzende Bestätigung von N in der Form eines neuen Symbols, eben C, erfolgt sei"1. So redet ja auch die spätere kirchliche Legende von С als dem „bestätigten Glauben der 318 Väter von Nikaia". Zudem steht zum mindesten von Theodoretos fest, daß er nicht hat sagen wollen, die Synode von 381 habe lediglich N bestätigt. Wußte er doch aus dem von ihm im Wortlaut mitgeteilten Synodalschreiben von 382 von einer weitergehenden dogmatischen Tätigkeit der „ökumenischen Synode vom Vorjahr", ganz davon zu schweigen, daß er aller Wahrscheinlichkeit nach zur Zeit der Abfassung seiner Kirchengeschichte С längst gekannt hat. Freilich zitiert er es vor 451 nicht als eigenes „Symbol von Konstantinopel" o.a., sondern als „nikäischen Glauben"2. Ebenfalls beweist die Tatsache, daß die Synode von 382 in ihrem Schreiben an die in Rom versammelten Bischöfe des Westens nur einen „Tomos" ihrer Vorgängerin erwähnt, weder etwas für noch gegen C, ist doch mindestens denkbar, daß diesem Tomos auch ein Symbol eingefügt war, so wie Markell von Ankyra seinem Lehrschreiben an Julius von Rom das alte römische Credo inkorporiert hatte s . Ad 3: Die Behauptung Harnacks, daß bis zum Beginn des 6. Jahrhunderts, von den chalkedonischen Akten abgesehen, kein zuverlässiges Zeugnis für С existiere, ist in dieser uneingeschränkten Form zweifellos nicht aufrechtzuerhalten. Zunächst ist es irreführend, wenn Harnack von der einen Ausnahme der Akten von Chalkedon sprach, so, als handele es sich hier um ein einmaliges Vorkommen. In Wirklichkeit aber liegt in diesen Akten „in einer großen Anzahl von Kundgebungen nicht nur der Synode, sondern auch einzelner genaue Bekanntschaft mit С und 1
Kunze, Symbol, 6. Daß Theodoretos schon vor 451 neben der reinen Form von N auch С gekannt hat, wird besonders durch seinen Brief an Dioskoros von Alexandreia (ep. 83) wahrscheinlich gemacht, wo in einer Rekapitulation des „nikäischen Glaubens" eine Fülle von С eigentümlichen Wendungen begegnet (MPG 83, 1269B/C; vgl. auch seinen Eranistes, bes. Dialogos III: ibidem 280—281, wo mehrfach „gekreuzigt" als Bestandteil seines „nikäischen Glaubens" angeführt wird. Allerdings ist dies die einzige Abweichung von der reinen Form von N. Es könnte sich deshalb hier auch um ein freies Zitat von N handeln). In Chalkedon dagegen kannte er ein besonderes „in Konstantinopel von den 150 diktiertes (ύπαγορεν&έν) Symbol" (s. Schwartz ACO 11,1,2, 98). Lebons Feststellung gilt also nicht uneingeschränkt, daß in Chalkedon nur N, „niemals" jedoch С als die Formel von Konstantinopel „als Symbol bezeichnet worden" sei (Lebon, Symboles, 861 А. 1). ' Epiphanios, Panarion 72,2. 3 (GCS 37, 256ff.). 2
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Anerkennung desselben" vor 1 . Und unmittelbar nach Chalkedon, nicht erst seit Beginn des 6. Jahrhunderts, fließen die Zeugnisse über С allenthalben reichlich2. Doch auch für die Zeit vor Chalkedon "wird die Harnacksche Behauptung den Tatsachen schwerlich ganz gerecht. Denn einmal ist auf ein Schreiben Flavians von Konstantinopel hinzuweisen, das aus dem Jahre 449 datiert und an Kaiser Theodosius II. gerichtet ist. Darin nimmt Flavian Bezug auf die „Ektheseis der hl. Väter, die in Nikaia und in Konstantinopel zusammenkamen", sowie auf das Dekret von Ephesos und setzt augenscheinlich auch bei dem eutychianisch gesinnten Kaiser die Billigung oder doch wenigstens die Kenntnis einer Ekthesis von Konstantinopel voraus 3 . Zwar hat man gefunden, daß hier die Worte „und in Konstantinopel" als Interpolation verdächtig seien, weil sie nicht von allen Handschriften geboten werden4. Doch spricht m.E. neben der Anzahl und Qualität der Textzeugen auch die Tatsache für deren Ursprünglichkeit, daß der dogmatische Abriß, den Flavian im folgenden — wie er versichert, „im steten Anschluß an die Hl. Schriften und die Ektheseis" von Nikaia (Konstantinopel) und Ephesos — gibt, nicht die in Nikaia aufgestellte und in Ephesos bestätigte Ekthesis, nämlich das reine N, vorauszusetzen scheint, sondern ein „Nicaenum", das mehrere an С erinnernde Wendungen enthält 8 . Weiterhin gibt es eine Reihe von patristischen Stellen aus vorchalkedonischer Zeit, die eine Kenntnis davon verraten, daß man in Konstantinopel den nikäischen Glauben ergänzt hat. So machte schon Hort auf eine Stelle im dritten der pseudo-athanasianischen Dialoge „Über die Trinität" aufmerksam6, der ohne weiteres als Überarbeitung eines pneumatomachischen Dialogs erkennbar ist 7 und sicher der Zeit vor Ausbruch des nestorianischen Streits angehört, während seine pneumatomachische Quelle natürlich älter ist und wohl der Zeit unmittelbar nach 381 angehört. Darin wird von den beiden Gesprächspartnern, einem „Orthodoxos" und einem „Makedonios" (d.h. einem Anhänger der nach M. benannten Häresie), übereinstimmend festgestellt, daß man neuerdings seitens „der (orthodoxen) Väter" „Zusätze zum nikäischen Glauben" gemacht habe, wobei freilich der „Orthodoxe" betont, diese Zusätze befänden sich nicht im Widerspruch zum Nicaenum und beträfen 1
Kunze, Symbol, 20. Siehe bes. die Voten des okzidentalischen und orientalischen Episkopats anläßlioh des Referendums Kaiser Leos vom Jahre 457 (Schwartz ACO II, δ, 9ff.). 8 Schwartz ACO 11,1,1, 35; s. dazu Kunze, Symbol, 30f. 4 Siehe den Apparat bei Schwartz a.a.O. und dazu Lebon, Symboles, 852 Α. 1. 5 Z.B. „προ αιώνων μεν εκ θεοϋ πατρός... γεννηθέντα... δι' ημάς και διά τήν ήμετέραν σωτηρίαν (γεννηθέντα) εκ Μαρίας της παρθένου . . ." (Schwartz a.a.O.). « MPG 28, 1204; dazu Hort, 112. 7 So auch Meinhold, Pneumätomachoi, 1091. 2
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zudem Fragen, die zur Zeit der Synode von Nikaia noch nicht zur Diskussion gestanden hätten. Das geht vermutlich auf die Pneumatologie1. Nun ist zwar die genaue Datierung und die Verfasserschaft dieser Dialoge noch immer umstritten und ihre mehrfach vorgeschlagene Zuweisung an Didymos den Blinden keineswegs sicher2. Doch unabhängig davon, wie man sich in dieser schwierigen Frage entscheiden mag, spricht m.E. viel dafür, daß an der angegebenen Stelle im dritten Dialog mit der einem Makedonianer gegenüber zugegebenen (!), neuerlichen (!), offenbar autoritativen Ergänzung des nikäischen Glaubens auf die Tätigkeit der Synode von 381 Bezug genommen wird. Deutlicher reden die katechetischen Homilien Theodors von Mopsuestia, die wohl während dessen Episkopat, also zwischen 392 und 428, gehalten sind3. Darin sagt Theodor über die Herkunft des von ihm in 1
Die entscheidende Stelle lautet: Όρ&. Tt γάρ κατέγνως της υπό των τιη πατέρων άγιων έν Νικαίφ της Βι&ννίας έκτε&είσης, ίνα καΐ αλλην περιβλέψη; Max. Σύ γάρ τι κατέγνως της τοΰ Λονκιανον; Όρ&. Κατέγνων της προσθήκης, ής προσε&ήκατε, και έχω δείξαι, ότι προσε&ήκατε εναντία απτής. Max. Ύμεϊς γάρ ού προσε&ήκατε τη έν Νικαίφ; Όρ&. Άλλ' ουκ εναντία αύτής. Max. Όλως προσε&ήκατε. Όρ&. Τά τότε μή ζητη&έντα, ä xal νυν ήρμήνευααν οί Πατέρες ευσεβως . . . Daß die hier von dem „Makedonianer" erwähnten und dann von dem „Orthodoxen" ohne Umschweife zugegebenen neuerlichen (vvv\), offenbar durch eine Synode erfolgten (of Πατέρες!) „Zusätze" zum „nikäischen Glauben" die Pneumatologie betrafen, wird schon durch die diesen III. Dialog einleitende Frage des „Makedonios" nahegelegt: „Wo steht geschrieben, daß der Hl. Geist Gott sei?", mit der das Thema des ganzen Dialogs bezeichnet sein dürfte. Was für andere, die „Makedonianer" tangierenden Fragen und „Zusätze" kämen zudem in Betracht ? 2 Dafür plädierten nach E. Stolz, ThQ 87, 1905, 395f., Anselm Günthör, Die sieben pseudo-athanasianischen Dialoge, ein Werk des Didymus, Studia Anselmiana XI, Rom 1941, und W. Dietsche, RSPhTh II, Paris 1941/1942, 380—414. Dagegen erklärte sich vor allem H. Rahner, ZkTh 65, 1941, l l l f . , mit m.E. durchschlagenden Gründen. Die Zuweisung dieser Dialoge an Didymos wird noch schwerer zu begründen sein, wenn L. Doutreleau Recht hätte mit der Bestreitung der Echtheit des bisher als Hauptwerk des Alexandriners geltenden „Über die Trinität", das auch die Basis für alle Didymosstudien einschließlich der Versuche von Günthör und Dietsche abgegeben hat (s. L. Doutreleau, Le ,De Trinitate' est-il l'oeuvre de Didyme l'Aveugle?, RechSR 45, 1957, 514 bis 557). 3 Siehe A. Mingana, Commentary of Theodore of Mopsuestia on the Nicene Creed, Woodbrooke Studies V, 1932. Maßgebliche Ausgabe: Tonneau-Devreesse, Les homälies catechetiques de Theodore de Mopsueste, Studi e Testi 145, 1949, nach der auch im folgenden zitiert wird. Zum Symbol Theodors s. R. Abramowski, Neue Schriften Theodors von Mopsuestia, ZNW X X X I I I , 1934, 66ff., bes. 7 Iff.; Lebon, Symboles, 835ff.; J . de Ghellinck, Patristique et Moyenäge III, Paris 1948, 333f. Zur Datierung der Homilien s. Tonneau-Devreesse, Introduction, XVI, wonach
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Нот. I bis X fortlaufend erläuterten und ihm als „Glaubensbekenntnis der 318 (Väter von Nikaia)" geltenden Symbols an einer Stelle, die „seligen Väter" von Nikaia hätten sich bezüglich der dritten Person der Trinität mit der Aussage begnügt „Und an den Hl. Geist", in der berechtigten Meinung, darin sei alles Wesentliche enthalten1. Doch sei es später unumgänglich geworden, „daß die Lehrer der Kirche, die sich aus der ganzen Schöpfung versammelt hatten und Erben waren jener ersten seligen Väter", das in Nikaia Gemeinte klar, öffentlich und verbindlich explizierten2. Läßt sich dies zur Not auch dahingehend verstehen, als sei diese „Entfaltung" des nikäischen „Und an den Ш. Geist" in einem Glaubensdekret ähnlich dem von Theodor zuvor erwähnten westlichen Synodalschreiben erfolgt, das nach ihm später auch vom Episkopat des Ostens freudig angenommen und unterschrieben worden ist — gemeint ist ohne Frage die große Meletianersynode von Antiocheia 3793 —, so wird im folgenden jeder Zweifel daran beseitigt, daß es sich hierbei tatsächlich um eine Erweiterung des Nicaenums in Form eines Symbols handelte. Denn es ist davon die Rede, daß die oben erwähnten, hier aber gleichfalls als „unsere seligen Väter" bezeichneten „Lehrer der Kirche" „in ihrem Credo mit Recht verkündeten, daß der Hl. Geist mit Vater und Sohn göttlicher Natur sei; und die Zufügung kurzer Worte bestätigte die wahre Lehre der Kirche"4. Diese symbolartige Ergänzung wird sodann zitiert und ausgelegt. Damit steht fest, daß Theodor den Teil seines Symbols, der sich mit der Lehre vom Hl. Geist beschäftigt — ob auch die übrigen Aussagen des „III. Artikels" über die Kirche, die Sündenvergebung in der Taufe, über Totenauferstehung und ewiges Leben, ist nicht sicher —, jenen „Erben" der nikäischen Väter zuschreibt. Nun ist aber nur von der Synode von 381, nicht jedoch von den gleichfalls in Frage kommenden Synoden von Antiocheia und Rom eine Symbolerweiterung bezeugt. Ferner konnte zweifellos von den „150 Vätern" von Konstantinopel zumindest mit größerem Recht als den Synodalen von Antiocheia und von Rom als von den autorisierten „Lehrern der Kirche" gesprochen werden, „die aus der ganzen Schöpfung sie in Antiocheia, also zwischen 381 und 392, gehalten wären. Dagegen spricht jedoch, daß Theodoros in seiner Symbolerklärung aller Wahrscheinlichkeit nach einen absolut genauen und vollständigen Text des in seiner Kirche benutzten und als „nikäisch" geltenden Taufsymbols bietet (s. auch Lebon, Symboles, 836f.), daß aber das aus seinen Zitaten rekonstruierbare Symbol in bemerkenswerter Weise von dem Wortlaut des Antiochenums abweicht, soweit er uns bekannt ist (s. Hahn § 130, S. 141 ff.): Text des Symbols Theodors s. unten S. 201 A. 3. 1 Homilie I X , 1: Tonneau-Devreesse, 215. 2 Homilie I X , 14: ibidem 235. s Homilie I X , 1: ibidem 215; vgl. auch Tonneau-Devreesse, Introduction, X V I Α. 2. 1 Homilie I X , 16: Tonneau-Devreesse, 237—239.
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(d.h. aus der ganzen Oikumene) zusammenkamen (zu einem ökumenischen Konzil)", ganz davon abgesehen, daß Theodoros zwischen den beiden vorher erwähnten Partikularsynoden des Westens (Rom) und des Ostens (Antiocheia) und dem ökumenischen Konzil als dem Urheber der fraglichen Symbolerweiterung klar unterscheidet. Folglich dürften wir in seinen Homilien einen unzweideutigen Beleg dafür besitzen, daß die Synode von 381 den nikäischen Glauben bezüglich der Lehre vom Hl. Geist ergänzte, und dieser Schluß wird um so eher erlaubt sein, als man im Bereich der antiochenischen Kirche allen Anlaß hatte, das Andenken der Synode von 381 zu ehren! Schließlich ist vor allem auf einen Passus in dem Bericht Gregors von Nazianz über die Ereignisse auf dem Konstantinopler Konzil hinzuweisen in dem Gregorios die schweren Unstimmigkeiten schildert, die unter den Synodalen über die Frage der Nachfolge des Meletios aufbrachen. Sodann spielt er merkwürdig dunkel auf einen anderen Verhandlungsgegenstand an, über den es heißt: „Wie aber steht es hiermit? Die süße und lautere Quelle des alten Glaubens, welcher die anzubetende Natur der Trinität als Einheit begriff und einst von der Synode von Nikaia formuliert worden war, die sah ich nun durch salzige Zugüsse der Unentschiedenen elendiglich getrübt, (Zusätze) derer, die meinen und lehren, was der Macht (gemeint ist wohl: dem Kaier!) gefällt etc." Diese bisher kaum beachteten Verse aus dem autobiographischen Gedicht des Nazianzeners lassen sich m.E. nur als Anspielung auf eine Konzilsentscheidung verstehen, die in das überlieferte nikäische Symbol eingriff und es durch Zusätze umgestaltete, Zusätze freilich, mit denen der Nazianzener nichts weniger als zufrieden war 2 . Da nun Gregor selbst in der maßgeblichen Funktion eines Bischofs der Reichshauptstadt an dem Konzil von 381 teilgenommen und ihm wahrscheinlich sogar zum Zeitpunkt der fraglichen dogmatischen Entscheidung selber präsidiert hat, kommt diesem seinem Zeugnis über die „Ergänzung" des nikäischen Glaubens durch das Konstantinopler Konzil erstrangige Bedeutung zu. Zugleich fällt damit ein neues Licht auf sein „Schweigen" über die Ergänzung von N und schon gar die Aufstellung eines neuen Symbols durch die Synode von 381 in dem zweiten Kledoniosbrief, das Hort und Harnack für die Annahme der Echtheit von С geradezu tödlich zu sein schien. Sicherlich ist dieser Einwand nicht einfach damit entkräftet, daß man finden könnte, Gregor beklage gegenüber Kledonios nicht so sehr die „Inadäquatheit von N", als er vielmehr „der Lehre der Synode von 381 praktisch Ausdruck" gebe 3 . Denn warum tut er's nicht auch faktisch und ausdrücklich und verweist seinen Korrespondenten einfach 1 a
Gregorios Nazianzenos, carm. hist. XI, 1703ff. 3 Siehe unten S. 253ff. Kelly, Creeds, 327.
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an diese „Lehre des Konzils von 381"? Das war ja Horts und Harnacks Frage! Wohl aber ist klar, daß, wenn unsre Interpretation jener Verse aus Gregors autobiographischem Gedicht richtig ist, sein „Schweigen" in dem Kledoniosbrief über С — wie ja übrigens auch über den „Tomos" von Konstantinopel! — einer anderen Erklärung als der Horts und Harnacks bedarf und somit als Argument gegen die Echtheit von С ausscheidet Es zeigt sich also, daß Harnacks Behauptung erheblich einzuschränken ist in dem Sinne, daß zwar in der Zeit zwischen 381 und 451, von dem Brief Flavians abgesehen, von der Aufstellung eines neuen, eigenen Symbols durch die Konstantinopler Synode nirgends etwas verlautet, hingegen eine „Ergänzung" des nikäischen Glaubens durch diese Synode mehrfach bezeugt wird. Das aber dürfte sich ohne Not auf С beziehen lassen als auf das von den „150 Vätern von Konstantinopel" „erläuterte" und „bestätigte" Symbol von Nikaia, als welches es in den Konzilsakten von Chalkedon erscheint. Nun haben aber Hort und Harnack gerade diese traditionelle Anschauung, daß С ein antihäretisch ergänztes Nicaenum sei, aus inneren Gründen bestritten. Nach ihrer Meinung weichen N und С so erheblich voneinander ab, daß im Ernst keine Rede davon sein könne, С sei, von einigen Zusätzen abgesehen, identisch mit dem Nicaenum. In der Tat: wenn man die traditionelle Behauptung der Übereinstimmung von N und С wörtlich zu nehmen hat, so sind sie mit diesem Einwand unbestreitbar im Recht. Denn wohl kann gefragt werden, ob Horts wortstatistischer Vergleich zwischen N und С ganz fair war. Billigerweise sollten bei diesem Vergleich nur die wirklich vergleichbaren Partien, nämlich N ohne Anathematismen und С ohne den „III. Artikel", berücksichtigt werden. Es käme dann ein wesentlich günstigeres Zahlenverhältnis als das von Hort errechnete heraus2. Gleichwohl bleiben die Differenzen groß genug, was freilich an sich noch nicht viel bedeuten würde, „wenn das Plus bei С den Charakter von Einschüben oder Interpretationen trüge"3. Das aber ist gerade nicht der Fall. Vielmehr sind die Abweichungen zwischen С und N zum guten Teil rein formaler Natur und daher unmöglich als Ergebnis einer bewußten antihäretischen Redaktion von N zu begreifen 4. 1 Schon Bischof Hefele vermutete, daß Gregors „Schweigen" wohl mit der „eigenthümliche(n) Stellung Gregors von Nazianz zu unserer Synode (sc. der von 381)" zusammenhängt (Conciliengeschichte, 1873ff. 2 , II, 11). Das dürfte in der Tat fürs erste als Erklärung ausreichen. Wie sich Gregors „Schweigen" vermutlich genauer erklärt, darüber s. u. S. 197. 2 So mit Recht Papadopoulos, 43 f. 3 Kattenbusch, Confessionskunde, 264. * Mit Kelly, Creeds, 301 ff., gegen Schmidt, NKZ X, 1899, 935ff.; Papadopoulos, 48ff.; Badcock, History, 168 и.о.; Karmiris I, 78ff. Zwar bemerkte Papadopoulos, 47, mit Recht, daß sich mit Hilfe des gleichen wortstatistischen Kriteriums ebenso
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Mithin ist С als Erweiterung von N — im strikten Sinne jedenfalls — nicht verständlich1. Doch nun kann man Hort und Harnack mit ihren eigenen Waffen schlagen. Denn es waren neben Caspari gerade sie, die darauf aufmerksam machten, daß in der Zeit nach 362 im Orient verschiedene provinzialkirchüche Taufsymbole überarbeitet und mit den wichtigsten nikäischen Stichworten ausgestattet worden sind. N selber war ja ursprünglich als christologische Glaubensregel gedacht und vor allem wegen der Kürze des III. Artikels sowie wegen seiner Anathematismen als Taufcredo kaum verwendbar. Um nun die sachliche Übereinstimmung dieser revidierten lokalen Taufsymbole mit dem Glauben von Nikaia zum Ausdruck zu bringen, hat man sie kurzweg als „nikäische" Symbole bezeichnet. Zum Beleg ist etwa auf das in dieser Zeit entstandene, im Urtext nur in Bruchstücken erhaltene revidierte Antiochenum2 zu verweisen, das vermutlich auch die lange Zeit fast als Dogma geltende u n d auch von H a r n a c k geteilte Annahme bestreiten lasse, daß N das Caesareense zur Vorlage gehabt habe. Allein, da diese A n n a h m e schwerlich stimmt (s. dazu neben der Kontroverse zwischen H a r n a c k u n d Lietzmann in Z N W X X I V , 1926, 193ff., den m . E . völlig einleuchtenden Versuch einer Rekonstruktion des wahren Sachverhaltes bei H . K r a f t , Kaiser Konstantins religiöse Entwicklung, 1955, 104f. A. 3), s t i m m t auch diese Folgerung nicht. Wie wenig N die Vorlage von С gewesen sein kann, mag folgende Gegenüberstellung zeigen: N С Πιστεύομεν είς 2να θεόν, πατέρα παντοκράΠιστεύομεν είς ένα θεόν πατέρα παντοκράτορα, πάντων ορατών τε καί άοράτων τορα, ποιητήν συρανοΰ καί γης, ορατών τε ποιητήν. ΚαΙ είς ίνα κύριον Ίησοϋν Χρισπάντων καί άοράτων. ΚαΙ είς ένα κύριον τόν, τον υίόν του &εοΰ, γεννηθέντα έκ τοΰ Ίησοϋν Χριστών, τον εκ τοΰ πατρός γεν· πατρός μονογενή, τουτέστιν εκ της ουσίας νη&έντα προ πάντων των αιώνων, φως έκ τοΰ πατρός, &εον έκ &εοϋ, φως έκ φωτός, φωτός, θεόν άληθινόν έκ θεοϋ άληθινοϋ, θεόν άληθινόν έκ θεοϋ άληθινοϋ, γεννηθέντα γεννηθέντα ού ποιηθέντα, όμοούσιον τω ού ποιηθέντα, όμοούσιον τω πατρί, St' οδ πατρί, δί' ού τά πάντα έγένετο, τόν δι' ή μας τά πάντα έγένετο, τά τε ίν τφ ούρανω και τούς άνθρώπους καί διά τήν ήμετέραν σωτά έν τη γη, τόν δι' ή μας τούς άνθρώπους τηρίαν κατελθόντα έκ των ουρανών καί καί διά τήν ήμετέραν σωτηρίαν κατελθόντα σαρκωθέντα έκ πνεύματος άγιου και Μαρίας καί σαρκωθέντα, ένανθρωπησαντα, παθόντα της παρ&ένον καί ένανθρωπήσαντα, στανκαΐ άναστάντα τη τρίτοι ήμέρα, άνελθόντα ρω&έντα τε νπέρ ημών έπι Ποντίου Πιλάείς ούρανούς, καί έρχόμενον κρΐναι ζώντας του, καί παθόντα καί ταφέντα, καί άνακαΐ νεκρούς. στάντα τη τρίτη ήμέρρ κατά τάς γραφάς, Και είς τό αγιον πνεύμα . . .
καί άνελθόντα είς τοΰς ούρανούς, καί κα&εζόμενον έν δεξιά τοΰ πατρός, καί πάλιν έρχόμενον μετά δόξης κρΐναι ζώντας καί νεκρούς· ού της βασιλείας ουκ εσται τέλος. Καί εις τό πνεΰμα τό αγιον . . . 1 Gegen Ε . Kahler, Art. Nicäno-Konstantinopolitanum, RGG 3 IV, 1454, wonach С „freilich stark erweitert, fast wörtlich die Formel von Nicäa in sich" birgt, sowie gegen F . Lau, ThLZ 1961, 512, der es als unbewiesene Behauptung bezeichnet, daß С „nicht ein . . . erweitertes N i c ä n u m " ist. 2 Harnack, Symbol, 15.
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ebenso wie seine Weiterbildung, das Nestorianum\ betitelt war: „Glaube der 318 Väter (und) Bischöfe, die in der Stadt Nikaia in Bithynien in den Tagen Konstantins, des siegreichen Königs, versammelt waren". Auch aus späterer Zeit gibt es eine Fülle von Beispielen für diesen Sprachgebrauch. So ist etwa das von Theodor von Mopsuestia als „nikäischer Glaube" zitierte und ausgelegte Symbol nichts weniger als das reine N, sondern fast durchweg identisch mit dem eben erwähnten Nestorianum. Sollte man nun diesen freieren Sprachgebrauch nicht auch bei der Tradition über С als das in Konstantinopel erläuterte und ergänzte Nicaenum in Anschlag bringen dürfen? Dann würde von der Tradition lediglich die sachliche Identität, nicht jedoch die wörtliche Übereinstimmung von N und С behauptet. Doch hat Harnack noch weitere innere Gründe gegen die Tradition über С geltend gemacht. Einmal fehlten in С ,,die wichtigsten nizänischen Formeln", während sich die Synode von 381 in ihrem ersten Kanon doch feierlich zum nikäischen Glauben bekannt habe. Zum andern seien die unpräzisen und deutlich auf eine ältere Zeit weisenden Aussagen von С über den Hl. Geist nicht mit der Überlieferung vereinbar, nach der dies Symbol gerade zur pneumatologischen Erläuterung des Nicaenums in Konstantinopel aufgestellt wurde. Dazu ist zu sagen, daß in С tatsächlich die beiden nikäischen Phrasen „das ist, aus dem Wesen des Vaters" und „Gott von Gott" fehlen. Doch kann die letztere ausgelassen sein, weil sie neben dem gewichtigeren „wahrer Gott vom wahren Gott" mit Recht entbehrlich schien. Fehlt demnach im Grunde lediglich der bloß erläuternde Zusatz „das ist aus dem Wesen des Vaters", so kann man das schwerlich übermäßig gravierend finden, da doch das entscheidende Stichwort, das „Homousios", in С festgehalten ist, dessen Sinn nach etwa fünfzigjähriger Diskussion auch ohne jene erläuternde Glosse klar sein mußte2 und, wie wir sehen werden, tatsächlich auch klar gewesen ist 3 ! Hier mag jedoch die Feststellung genügen, daß sich jedenfalls Athanasios nicht als Bürge für die Behauptung Harnacks anführen läßt, „Homousios" ohne den besagten Zusatz sei gleich „Homoiusios", Siehe dazu vor allem Kattenbusch AS I, 245ff. So auch Cavallera, 306; auch Loofs, Leitfaden I, 205 A. 4, war der Meinung, daß das Fehlen dieser Phrase in С kaum auf dogmatischer Absicht beruhte; vgl. auch Roland H. Bainton, Early Christianity, New York 1960, 166; Kelly, Creeds, 333; Lebon, R H E XLVIII, 679 A. 1. Anders Papadopoulos 50f., der meinte, jener Zusatz sei in С ausgelassen nicht nur, weil das Homousios genügte, sondern weil er auch für die Meletianer zu sehr einem sabellianischen Mißverständnis ausgesetzt war, während Karmiris I, 78f., das Fehlen dieser nikäischen Wendung in С offenbar nicht unter die „bedeutungsvolleren" Abweichungen, „Zusätze und Änderungen" rechnet, die С im Vergleich zu N aufweist. Denn er würdigt es keiner Erwähnung! 8 Siehe unten 270ff. 1
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weshalb allein schon wegen des Fehlens dieses Zusatzes in С dessen genuin nikäischer Charakter zu bestreiten und С als „Unionsformel" zwischen Orthodoxen und Homoiusianern zu bezeichnen sei1. Nicht minder problematisch aber ist, daß die Form, welche der „III. Artikel" von С erhalten hat, gegen dessen Zuweisung an die Konstantinopler Synode sprechen soll. Denn daß hier das explizite Bekenntnis zur Gottheit und Homousie des Hl. Geistes vermieden ist, läßt sich sehr wohl aus der damaligen Situation erklären. Und zwar könnte diese Zurückhaltung einmal als Entgegenkommen gegen die sog. „Makedonianer" verstanden werden, mit denen man sich im Verlauf des Konstantinopler Konzils auf Drängen des Kaisers um eine Verständigung bemüht hat 8 . Es könnte sich darin allerdings auch ein Einfluß der Geisttheologie des Basileios von Kaisareia, eines der geistigen Väter dieses Konzils, geltend gemacht haben. Denn Basileios hat stets die Prädizierung des Hl. Geistes als „Gott" vermieden und trotzdem mit seinen zurückhaltenden Formulierungen den entschiedensten Gegensatz gegen die Pneumatomachen zu verbinden gewußt3. Welcher von beiden Deutungsmöglichkeiten die größere Wahrscheinlichkeit zuzusprechen ist, kann zunächst offenbleiben. Denn hier kommt es allein darauf an, zu zeigen, daß auch dem dritten der von Harnack vorgebrachten inneren Gründe gegen die Echtheit von C, für sich genommen wenigstens, keinerlei Beweiskraft zu konzedieren ist. Was ferner das Auftreten von С im „Ankyrotos" des Epiphanios betrifft, so haben wir hier zweifellos das gewichtigste in der Kette der gegen С vorgebrachten Argumente vor uns, bei dem es daher etwas länger zu verweilen gilt. Zunächst ist leider nicht überflüssig, noch einmal mit Nachdruck festzustellen, daß das fragliche erste Symbol des Epiphanios (Ер. I) zwar nicht „ohne Abweichung" mit С übereinstimmt, wie Schwartz gelegentlich äußerte4. Gleichwohl gibt es keine Möglichkeit, daran zu 1
Harnack DG II, 275f. Vgl. dagegen Bethune-Baker, Introduction, 168 Α. 5; 188 Α. 1; 193f.; Oers., Meaning, 48f. 59—62; Hefele-Leclercq 11,1, 16ff.; s. auch unten S. 291 ff. 2 Siehe oben S. 68ff.; vgl. auch Meinhold, Pneumatomachoi, 1087. * Siehe dazu Kunze, Symbol, l l f . , und vor allem Dörries DSS, 174ff. 4 Schwartz, Nicaenum, 86: die „einzige" Abweichung, die sich zu finden scheint, daß nämlich Ер. I im Unterschied zu С das nikäische „das ist, aus der Usie des Vaters" enthält, ist nur durch eine der beiden ältesten HSS belegt. Das spricht sicher gegen die Echtheit dieser Wendung in Ер. I oder macht wenigstens gegen sie bedenklich. Doch handelt es sich dabei keineswegs um die einzige Abweichung zwischen beiden Symbolen. Vielmehr unterscheidet sich Ер. I von С im „ersten Artikel" durch ein ,,τε" hinter ,,ονρανοΰ", im „zweiten Artikel" ist hinter „δι ού τά πάντα έγένετο"
zugefügt ,,τά εν τοις οϋρανοϊς και τά ίν τfj γι;"; ferner heißt
es hier „(κα&εζόμενον) έκ δεξιών" statt ,,έν δεξιξ." (C); schließlich sind in Ер. I am Ende (hinter ,,άμήν'Ί) die nikäischen Anathematismen angehängt.
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Dae Nicaeno-Constantinopolitanum
zweifeln, daß Ер. I und С praktisch miteinander identisch sind1, wobei in diesem Zusammenhang ihre restlose Übereinstimmung im „III. Artikel" besonders ins Gewicht fällt. Ferner steht als Abfassungszeit des „Ankyrotos" das Jahr 374 mit völliger Sicherheit fest 2 . So muß die von Papadopoulos 3 gelegentlich erwogene Möglichkeit, daß dieser Traktat nach 381 verfaßt und Ер. I folglich dem Epiphanios von der Synode von Konstantinopel überkommen sei, ganz aus der Diskussion ausscheiden, ganz davon abgesehen, daß diese Erwägung, denkt man an das gespannte Verhältnis des zyprischen Bischofs zu den Meletianern, ohnehin nicht die geringste Wahrscheinlichkeit für sich in Anspruch nehmen könnte. Mithin bleibt das Problem in unverminderter Schärfe bestehen, daß das der Synode von 381 zugeschriebene Symbol bereits sieben Jahre zuvor von Epiphanios zitiert wird, ein Problem, das nach Hort und Harnack, und darin geht auch Schwartz mit ihnen völlig einig, keine andere Lösung erlaubt, als daß man С entweder dem Epiphanios oder aber der Konstantinopler Synode abspricht; tertium non datur. Freilich ist schon immer gefragt worden, ob diese Alternative wirklich unausweichlich sei. Statt dessen wird auf eine Möglichkeit verwiesen, die — so scheint es — sowohl den überlieferten Bestand des „Ankyrotos" unangetastet zu lassen als auch der altkirchlichen Tradition über С Rechnung zu tragen erlaubt4. Gemeint ist die zuerst von Tillemont und Caspari geäußerte und seither namentlich von katholischen Forschern oft wiederholte Annahme 6 , daß die 150 Väter von Konstantinopel С nicht neu 1
So neben Hort, Harnaek, Kattenbusch u.a.m. auch Kelly, Creeds, 310. Dagegen ist die Identität von Ер. I mit С zuerst von Rauschen, 478 — freilich auf Grund einer versehentlichen Verwechslung des 1. mit dem 2. Symbol im Ankyrotos — und später von Badcock, JThS 1915, 205, Papadopoulos, 16ff., und Karmins I, 88f., bestritten worden. Statt einer Begründung haben Papadopoulos und Karmiris den Text von Ер. I abgedruckt und dabei nur die Partien, die Ер. I und C, nicht aber auch die, die beide Symbole mit N gemeinsam haben, durch Unterstreichung hervorgehoben. So ergibt sich ein völlig falscher Eindruck. Mehr als die oben genannten Abweichungen zwischen Ер. I und С lassen sich nun einmal nicht feststellen! Und zwar werden diese — aufs ganze gesehen geringfügigen — Abweichungen mit Kattenbusch AS I, 235 A. 3, — allerdings von den nikäischen Anathematismen abgesehen! — einfach als Abschreibefehler oder Interpolationen zu erklären sein. 2 Siehe Holls Anmerkung zu Ankyrotos 60, 5 (GCS 25, 72). 3 Papadopoulos, 17. 4 So neuerdings wieder Kelly, Creeds, 318. 5 Tillemont, Mömoires IX, art. 78; Caspari, Quellen etc. I, 1866, l f . ; Hefele, Conciliengeschichte II, 18732, lOff.; Bright, 69ff.; J . Bois, Art. Constantinople, DThC III, 1229f.; Ignacio Ortiz de Urbina, OrChrP X I I , 1946, 276ff.; Ders., Das Symbol von Chalkedon, Grillmeier-Bacht I, 413 A. 65; J . P . K i r s c h , Die Kirche in der antiken griechisch-römischen Kulturwelt I, 416 A. 125; Altaner, 282. Bois führte diese Annahme freilich als eine mögliche Hypothese neben anderen auf, während sie Brinktrine, 49, als communis opinio der katholischen Forscher ausgibt.
Auseinandersetzung mit Hort und Harnack
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geschaffen, sondern einfach von Epiphanios übernommen haben, um es entweder — so Caspari — als offizielles Taufsymbol zu proklamieren oder aber als gutes Beispiel eines den neuen Erfordernissen angepaßten nikäischen Glaubens ihrem Synodaltomos einzuverleiben. Allerdings ist dieser höchst verlockende Vorschlag, sooft er propagiert "wurde, ebensooft bereits abgelehnt worden. Und zwar hat man speziell gegen Caspari wohl zu Recht geltend gemacht, es sei nicht das Geringste darüber bekannt, daß 381 ein offizielles Taufcredo verkündet und allgemein verbindlich gemacht worden sei, obwohl man denken sollte, „eine solche Action hätte . . . tiefen Eindruck gemacht" 1 . Gegen die Tillemontsche Vermutung aber, daß 381 das Symbol des Epiphanios unverändert rezipiert und dem Tomos der Synode einverleibt wurde, haben u.a. Harnack und Papadopoulos 2 eingewendet, es sei völlig ungewiß, ob Epiphanios überhaupt in Konstantinopel zugegen war und eine Rolle spielte, die den von Tillemont angenommenen Vorgang einigermaßen zu erklären vermöchte. Dies ist m.E. sogar mit Bestimmtheit zu verneinen! Nicht nur fehlt nämlich der Name dss zyprischen Metropoliten in den Konstantinopler Subskriptionslisten. Vielmehr finden wir den Epiphanios bezeichnenderweise auch Seite an Seite mit Paulinos von Antiocheia unter den Teilnehmern an der schroff antimeletianisch orientierten römischen Synode vom Jahre 382 erwähnt 3 . Doch selbst wenn er gleichfalls an der Konstantinopler Synode des Vorjahres teilgenommen haben sollte, so wäre es vollkommen unbegreiflich, hätten die das Konzil beherrschenden Meletianer ausgerechnet ihn, den unbelehrbaren Opponenten des Meletios, zum Lehrmeister genommen und durch die Übernahme des von ihm empfohlenen Taufbekenntnisses noch besonders honoriert! Demnach läßt sich die Hypothese Tillemonts, wenn überhaupt, dann nur in der modifizierten Form festhalten, daß man annimmt, in Konstantinopel sei ein damals verbreitetes orthodox-nikäisches Taufsymbol unverändert übernommen worden, ohne daß dabei an eine irgendwie geartete Vermittlung durch Epiphanios gedacht wird. Dann freilich kann diese Hypothese nicht mehr im Ernst als Gegenposition zu der Hort-Harnackschen Theorie ausgegeben werden, da man auch im Umkreis Harnacks nicht bestritten hat, daß С in Konstantinopel irgendwie zur Sprache gekommen sei und Billigung gefunden habe 4 . Ein Unterschied besteht nur noch darin, daß hier anders als bei Hort und vor allem bei Kunze die 1
Kattenbusch, Confessionskunde, 258. Harnack, Symbol, 17; Papadopoulos, 2. 3 Hieronymus, ep. 108, 6 (MPL 22, 881). Zur römischen Synode von 382 s. neben Rauschen, 134f., vor allem von Campenhausen, Ambrosius, 148ff.; ferner Caspar I, 240f. 248ff., und Schwartz GS IV, 103ff. 4 So neben Kunze (s. o. S. 140 A. 1) vor allem Kattenbusch, Confessionskunde, 258. 2
11 8310 Kitter, Konzil
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Das Nicaeno-Constantinopolitamim
Frage völlig unbeantwortet bleibt, warum und bei welcher Gelegenheit die Rezeption von С seitens der Synode von 381 erfolgte. Doch dies nur am Rande. Wichtig ist hier allein die Frage, ob sich diese Hypothese selbst in der angegebenen Modifizierung halten läßt, anders, ob sie sich wirklich als der Ausweg bewährt, als der sie ausgegeben zu werden pflegt. Der kritische Punkt dabei ist das „unverändert". Denn nimmt man an, daß in Konstantinopel an dem von Epiphanios bezeugten und empfohlenen älteren Symbol auch nur die geringste sachliche Veränderung vorgenommen wurde, so kann das heutige, mit С praktisch identische Ер. I nicht mehr als im „Ankyrotos" ursprünglich festgehalten werden. Nun aber wird, wie wir sahen, von der bereits mit Gregorios von Nazianzos unmittelbar nach 381 anhebenden Überlieferung mit Bestimmtheit gesagt, daß in Konstantinopel das „Nicaenum" (bezüglich der Lehre vom Hl. Geist) erweitert wurde, und wird in Chalkedon С als eben dies von den 150 Vätern antihäretisch ergänzte „nikäische Symbol" bezeichnet. Also ist die Annahme, daß С von der Synode von 381 lediglich rezipiert worden sei, mit der Überlieferung über С kaum vereinbar und bleibt es wohl bei der Alternative, daß entweder die handschriftliche Überlieferung des „Ankyrotos" oder aber die altkirchliche Überlieferung über С im Recht ist Damit kommen wir zur entscheidenden Frage, ob nämlich die handschriftliche Überlieferung des „Ankyrotos" als intakt, und speziell, ob der textus receptus von Ankyr. 118 als ursprünglich gelten kann. Diese Frage ist m. W. zuerst von dem römisch-katholischen Polemiker A. Vincenzi und danach von Lebedev, Papadopoulos, Badcock und vor allem von Eduard Schwartz mit verschiedener und verschieden gewichtiger Begründung verneint worden 2 . Erstaunlicherweise hat man dagegen im Gefolge Horts und Harnacks gefunden, es liege keinerlei Grund zu der Annahme vor, daß das heutige 1. Symbol im „Ankyrotos" nicht ursprünglich sei; ja, man hat dieser Annahme sogar „schreiende Unwahrscheinlichkeit" bescheinigt 3 ! Indessen ist unter Verfechtern der Ur1 Dies ist nicht nur Kelly, Creeds, 327, entgangen. Sondern auch Lebon, der sich zur Frage der Echtheit von С im „Ankyrotos" nicht weiter äußerte, vermutlich aber an dem überlieferten Bestand von Ankyr. 118, 9ff., festhielt und der Tillemontschen Hypothese zuneigte, scheint die Unvereinbarkeit dieser Hypothese mit der von ihm ausführlich besprochenen chalkedonischen Tradition über С nicht bemerkt zu haben (vgl. Symboles, 876 А. 1). 2 A. Vincenzi, De processione Spiritus Sancti ex Patre Filioque adv. Graecos, Rom 1878, 104ff.; Lebedev (s. JThS IV, 1903, 285); Papadopoulos, 16ff.; Badcock, History, 159ff. (vgl. auch Ders., JThS XVI, 1915, 206ff.); Schwartz, Nicaenum, 87 (vgl. auch Ders., HZ 112, 1914, 242 A. 2); Stephanides, Kirchengeschichte, 184, und Karmiris I, 88. 3 So Capelle, Symbole, 69; vgl. auch Harnack DG II, 276 A. 1; Kattenbusch AS I, 233 A. 1; Seeberg DG II, 142 A. 2; Hefele-Leclercq II, 1, 12; auch Holl
Auseinandersetzung mit Hort und Harnack
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sprünglichkeit von С im „Ankyrotos", soviel ich sehe, nur Dom B. Capelle überhaupt näher auf das Problem eingegangen, während man sich ansonsten mit der Versicherung begnügte, der heutige Text von Ankyr. 118,9ff. unterliege keiner Beanstandung 1 . Daß davon aber schlechterdings keine Rede sein kann, ist m.E. das mindeste, worüber man sich auf Grund einer sorgfältigen Analyse der beiden Schlußkapitel des „Ankyrotos" müßte verständigen können. Darüberhinaus, finde ich, lassen sich die Beobachtungen Schwartzens zu diesen beiden Kapiteln wenigstens aufs Ganze gesehen nur bestätigen und sogar noch erhärten. Folglich ist m.E. auch seinem Resultat beizustimmen, daß in Ankyr. 118,9 ff. ursprünglich das reine N gestanden hat. Dies soll nun im folgenden noch kurz begründet werden. Wie wir gesehen haben, ist nach Schwartz an dem heutigen Text von Ankyr. 118 zunächst zu beanstanden, daß hier Ер. I = С mit dem Anathematismen von N kombiniert ist. Daß dies nicht auch schon Hort und Harnack auffiel, ist um so verwunderlicher, als diese Kombination nicht nur bei den orientalischen Taufsymbolen, mit denen sie С als angeblich nikäisch redigiertes Hierosolymitanum auf eine Stufe stellten, sondern überhaupt in der ganzen Symbolgeschichte ohne Parallele zu sein scheint2. Nun können diese Anathematismen aber schwerlich später (s. GCS 25, 146, Anmerkung) hielt eine Interpolation in Ankyr. 118, 9ff., für „unwahrscheinlich' '. 1 Capelle, Symbole, 68 f. Kattenbusch hatte (AS I, 233 А. 1) auf diese Frage näher einzugehen versprochen. Doch sehe ich nicht, wo er dies Versprechen eingelöst hätte. Oder sollten die Bemerkungen AS I, 288f., in diesem Sinne zu verstehen sein? 2 Die beiden Parallelen, die Badcock, J T h S XVI, 1915, 206, namhaft machte, verfangen jedenfalls nicht. Denn das sogenannte „Symbol des Damasus", womit wohl die von einigen HSS zu Beginn des „Tomus Damaei" (s. Turner, EOMIA I, 1904, 283 ff.) ausgeschriebene Formel gemeint ist, ist nichts anderes als N. Allerdings weichen zwei HSS vom Text des reinen N ab, sofern sie nach „et Spiritum Sanctum" den Zusatz enthalten: „neque facturam neque creaturam sed de substantia deitatis" (s. Text und Apparat bei Turner EOMIA I, 283). Doch handelt es sich hierbei ohne Frage um eine Interpolation. Und was die andere angebliche Parallele angeht, das von Badcock sogenannte „ E " , d.h. die von einigen alten HSS von N als Bestandteil der chalkedonischen Definition gebotene Mischform (s. zu diesem Problem oben S. 142 A. 7), so hat dies sagenhafte „ E " , das überhaupt bei Badcock eine wichtige Bolle spielte, schwerlich je als selbständige Symbolform existiert. Vielmehr wird es einfach als Produkt der z.T. stark verwilderten handschriftlichen Überlieferung der Formel von Chalkedon anzusprechen sein. Jedenfalls dürfte Lebon gezeigt haben, daß es sicher nicht die authentische Form des in Chalkedon der eigenen Formel des Konzils vorangestellten nikäischen Glaubens ist (Lebon, Symboles, passim). Dagegen könnte man auf das in Theodorets „Eranistes" (Dial. I I I : MPG 83, 280f.) anklingende Symbol verweisen, das offenbar am Schluß die nikäischen Anathematismen von N enthielt, wenn es sich hierbei nicht, wie mir wahrscheinlich ist, um N handelt; weichen doch Theodorets Zitate vom Text des reinen N nur durch das „Gekreuzigt" ab (s. zu diesem Symbol auch Lebon, Sym11*
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Das Nicaeno-Constantinopolitanum
eingetragen sein und zusammen mit den übrigen Differenzen zwischen С und Ер. I auf das Konto von Abschreibern gehen, wie Kattenbusch wollte 1 . Das geht vor allem deshalb nicht, weil sie in dem zweiten Symbol des Epiphanios, mit dem nach dessen ausdrücklicher Versicherung nur der voraufgehende apostolisch-nikäische Glaube erläutert und den neuen Erfordernissen angepaßt werden soll, gleichfalls aufgenommen und paraphrasiert sind. Haben sie demnach wohl als ursprünglich zu gelten, so wäre zu erklären, inwiefern dies mit dem überlieferten Bestand dieses Epiphaniostextes vereinbar ist. Eine solche Erklärung liegt jedoch bisher nicht vor. Sie dürfte auch äußerst schwierig sein, während sich die Schwierigkeiten ohne weiteres lösen, wenn man mit Schwartz und den anderen oben genannten Forschern С hier als Interpolation auffaßt. Dann wird nämlich die fragliche Kombination in der Tat auf das Konto eines Abschreibers gehen, aber so, daß bei der angenommenen späteren Ersetzung von N durch die damals allgemein gültige Form des „nikäischen Glaubens", nämlich C, die nikäischen Anathematismen stehengelassen wurden, weil sie, wie einem auch nur halbwegs verständigen Schreiber nicht entgehen konnte, wenig später in Ер. I I erläutert sind und daher hier unentbehrlich waren. Ferner hat Schwartz darauf hingewiesen, daß Epiphanios sein erstes Symbol als den „Glauben" bezeichnet, der „von den hl. Aposteln überkommen und . . . von der Gesamtheit der damaligen hl. Bischöfe, über 310 an der Zahl, (bestätigt oder: verfaßt worden 2 ) ist", eine Beschreibung, die doch wohl nur von N gelten könne. Allerdings ist diesem Hinweis, der auch bei Lebedev, Badcock und Papadopoulos 3 eine, z.T. sogar die entscheidende Rolle spielt, mit Recht entgegengehalten worden 4 , daß mit dem apostolisch-nikäischen Glauben durchaus nicht das reine N gemeint sein müsse. Vielmehr konnte, dem von uns bereits besprochenen boles, 852 Α. 2). Ebenso wird es sich bei dem aus dem pseudo-nestorianischen „Liber Heraclidis" zu rekonstruierenden Symbol u m ein geringfügig erweitertes oder frei zitiertes N gehandelt haben (zum Text s. Lebon, Symboles, 843). Ähnliches gilt schließlich von dem rätselhaften Symbol i m Brief des armenischen Katholikos Sahak an Proklos von Konstantinopel (s. Lebon, Symboles, 849f.), das mit dem bekannten Armeniacum (s. dazu Kattenbusch AS I, 303; Hahn § 137, S. 161 ff.) keine spezifischen Übereinstimmungen aufweist, sondern stärker N ähnelt, obwohl es sich auch davon durch einige Änderungen, Streichungen und Umstellungen unterscheidet. 1 Kattenbusch AS I, 235 A. 3. 2 Epiphanios, Ankyrotos 118, 14 (GCS 25, 147). Daß in diesem — nach Holls trefflicher Erklärung (GCS 25, 147, Anmerkung) im übrigen keiner Emendation mehr bedürftigen — Text hier eine Textlücke anzunehmen ist, dürfte als sicher gelten und ist auch von Holl im Text angezeigt. Lietzmann hat als Ergänzung ,,έβεβαιώΰη", Schwartz ,,έξετέϋη" vorgeschlagen (s. den Apparat GCS 25, 147). 3 Siehe oben S. 142 A. 3—5. 4 Kelly, Creeds, 327.
Auseinandersetzung m i t Hort und Harnack
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und belegten Sprachgebrauch jener Zeit gemäß, sehr wohl auch ein Symbol wie С als „nikäischer Glaube" betitelt werden. Ob es freilich denkbar ist, daß Epiphanios von einem anderen als dem wirklichen nikäischen Symbol verlangen konnte \ es sollten die Täuflinge in Suedra — offenbar in Ergänzung zu dem dort gebräuchlichen lokalen Taufsymbol oder gar an dessen Stelle! — darin als dem „heiligen Glauben der katholischen Kirche" „Wort für Wort "(ρητώς) unterrichtet werden, ist eine andere Frage, die hier nicht entschieden werden soll. Gewichtiger ist in jedem Falle das dritte Argument von Schwartz, daß nämlich das sog. „zweite" Symbol des Epiphanios (Ер. I I = Ankyr. 119, 3ff.) ebenso unbestreitbar dessen eigenes Fabrikat sei wie es das reine N, nicht aber das heute vorausgehende Ер. I zur Grundlage habe. Andererseits werde von Epiphanios ausdrücklich versichert, es sei „im Anschluß an den zuvor mitgeteilten Glauben" formuliert zum Schutz gegen die in seiner Generation aufgetauchten Irrlehren. Folglich müsse an Stelle des heutigen Ер. I = С ursprünglich N ausgeschrieben gewesen sein. Dem hat freilich Dom Capelle entschieden widersprochen. Und zwar kann es nach ihm keineswegs als erwiesen gelten, daß Ер. I I wirklich das reine N kommentiere, sondern es könne ebensogut auch С dessen Vorlage gewesen sein 2 . Ist dieser Einwand berechtigt? Kattenbusch erklärte in seinem großen Werk über das „Apostolische Symbol" kategorisch: Ер. I I „ist ein überarbeitetes N " und im Unterschied beispielsweise zum „revidierten Antiochenum" stellt es „seiner Grundlage nach" nicht ein Lokalsymbol dar, „sondern es ,ist' N" 3 . Allerdings hat er diese Feststellung nicht durch einen Einzelnachweis erhärtet. Doch sollte es m.E. eines solchen Nachweises auch gar nicht bedürfen, da man sich selbst leicht durch einen Vergleich zwischen Ер. II, N und С von der Richtigkeit dieser Feststellung überzeugen kann, davon, daß N in Ер. I I — von ganz wenigen, unbedeutenden Ausnahmen abgesehen— wörtlich und in strikt eingehaltener Reihenfolge enthalten 4 ist. Ер. I I ist 1
Epiphanios, Ankyrotos 118, 7f. (GCS 25, 146); vgl. dazu Badcock, JThS X V I , 1915, 206f.; Ders., History, 169ff. 2 Capelle, Symbole, 68f. 3 Kattenbusch AS I, 290. 4 Siehe den Text v o n Ер. II, wobei der nikäische Grundstock durch steile Schrifttypen hervorgehoben sei: Πιστεύομεν είς ίνα θεόν, πατέρα παντοκράτορα, πάντων αοράτων τε και ορατών ποιητήν. καΐ είς ένα κύριο ν Ίησοϋν Χριστόν, τόν υίόν τοϋ θεοϋ, γεννηθέντα έκ #εου πατρός μονογενή, τουτέστιν έκ της ούσίας τοϋ πατρός, θεόν έκ θεοϋ, φως έκ φωτός, θεόν άληθινόν έκ θεοϋ άληθινοϋ, γεννηθέντα ού ποιηθέντα, όμοούσιον τω πατρί, St' οδ τά πάντα έγένετο, τά τε έν τοις ονρανοις και τά έν τη γη, όρατά τε και αόρατα, τόν δι' ήμας τούς άνθρώπους καΐ δια τήν ήμετέραν σωτηρίαν κατελθόντα καΐ σαρκωθέντα τουτέστι γεννηθέντα τελείως έκ της άγιας Μαρίας της άειπαρΦένου δια πνεύματος άγιου, ένανθρωπήσαντα, τουτέστιν τέλειον άν&ρωπον λαβόντα . . . παθόντα δέ τόν αυτόν έν σαρκι καΐ άναστάντα καΐ
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Das Nicaeno-Constantinopolitanum
also schon deshalb nicht als Weiterbildung von С verständlich. Aber auch in den Ер. II eigentümlichen und großenteils als „Erläuterungen" des vorgegebenen Symboltextes deutlich markierten Wendungen finden sich charakteristische Abweichungen von C, während m.E. kein einziger der epiphanianischen „Zusätze" als Übernahme aus С zu erweisen ist 1 . — Nicht viel besser begründet ist auch der weitere Einwand Capelles, wonach in des Epiphanios Versicherung, daß das zweite von ihm mitgeteilte Symbol „im Anschluß an den zuvor mitgeteilten Glauben jener hl. Väter" aufgestellt sei, ,,πίστις" nicht im Sinne von „formula", sondern wie meist bei Epiphanios im Sinne von „doctrina" zu verstehen und bei den „hl. Vätern" nicht an die nikäischen Bischöfe, sondern an die Apostel gedacht wäre. Epiphanios habe mit dieser Versicherung einfach sagen wollen, daß sein eigenes Symbol ebenso wie der zuvor mitgeteilte „nikäische Glaube" auf die „apostolische Lehre" gegründet sei2. Doch wirkt diese Deutung, scheint mir, höchst gezwungen, nachdem im unmittelbaren Kontext dieser Stelle ,,πίστις" mehrfach im Sinne von „Formel" gebraucht ist 3 . Außerdem scheint Capelle in dieser Bemerkung des Epiphanios das Pronomen ,,jene(r)" nicht beachtet zu haben, das sich nur auf die kurz zuvor erwähnten nikäischen Väter in Einheit freilich mit den „hl. Aposteln" rückbeziehen kann4. Und wie schließlich von der άνελθόντα εις τούς ούρανούς εν αντφ τω σώματι, ενδόξως κα&ίσαντα εν δεξщ τον πατρός, έρχόμενον εν αντφ τω σώματι εν δόξΐ) κρΐναι ζώντας καΐ νεκρούς· οϋ της βασιλείας ουκ εσται τέλος · καΐ εις τί> δγιον πνεϋμα . . . E s fehlt also in Е р . I I nur das nikäische „rfj τρίτη ήμέρς" nach ,,άναστάντα". Ferner heißt es hier „πάντων αοράτων τε και ορατών ποιητήν" s t a t t „πάντων ορατών τε και αοράτων . . ." u n d „(γεννηθέντα) εκ &εον πατρός" s t a t t „εκ τον πατρός". Schließlich steht hier ,,τά έν τοις ονρανοϊς" s t a t t . . . „εν τω ονρανώ". Das sind alle Unterschiede zwischen N und dem deutlich erkennbaren Grundstock von Е р . I I ! 1 Kattenbusch AS I, 290f., f a n d dagegen, es berührten sich in Е р . I I „bestimmte Wendungen in spezifischer Weise" mit C, „besonders im letzten Passus die P r ä dikate der Kirche" wie auch „die dogmatischen Prädikate des hl. Geistes". Doch ist die einzige spezifische Übereinstimmung in den pneumatologischen Aussagen der beiden Symbole das ,,ίκ τοϋ πατρός έκπορενόμενον", das jedoch hier wie o f t im Ankyrotos (vgl. 6,9; 7,1; 8,4: GCS 25, 13.15) direkt aus J o h . 15,26 gewonnen sein wird. I m übrigen finden sich im „dritten Artikel" von Е р . I I u n d С nur noch zwei Berührungen, nämlich ,,άνάστασιν νεκρών" u n d „εις μίαν (άγίαν fehlt in Е р . I I ! ) κα&ολικήν και άποστολικην έκκλησίαν", die jedoch, wie aus Lietzmann Z N W 1922, 20f., bequem zu ersehen ist, auch in anderen orientalischen Symbolen ihre Parallelen haben und daher nicht als spezifische Übereinstimmungen gelten können. Richtig ist dagegen, daß Kattenbusch sich „gerade in diesen Stücken wiederholt" an das „ältere Hierosolymitanum" (sc. an HS) erinnert fühlte. Denn hier wie auch im „zweiten Artikel" bestehen tatsächlich mehrere charakteristische Anklänge a n HS, u n d das heißt zugleich: Abweichungen von С! Doch k a n n wohl darauf verzichtet werden, sie hier im einzelnen aufzuführen. a Capelle, Symbole, 68 f. 3 Epiphanios, Ankyrotos 118, 7f. 14 (GCS 25, 146f.); 119; 13 (ibidem 149). 4 Sc. auf Ankyrotos 118, 14.
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„apostolischen Lehre", die letztlich zweifellos die Grundlage des epiphanianischen Symbols ist und sein soll, gesagt werden kann, sie sei diesem Symbol „vorangestellt" (προτεταγμένη) — was doch wohl heißen soll: „zuvor im Wortlaut mitgeteilt" —, bleibt bei Capelle völlig ungeklärt. Kurzum: es scheint mir keine Möglichkeit zu bestehen, die Schwartzschen Prämissen ernstlich anzugreifen. Ist das aber richtig, so muß auch seine Konklusion stimmen! Schließlich hat Schwartz argumentiert, daß nur, wenn Epiphanios N als den nikäisch-apostolischen Glauben „vorangestellt" habe, sein eigenes Symbol überhaupt erforderlich gewesen sei. Nur dann nämlich habe er sich bemüßigt fühlen können, das nackte nikäische „fleischgeworden" näher zu erklären. Hätte er dagegen selber С vorangestellt, so hätte er nach Schwartzens Meinung entweder auf eine Erklärung verzichtet, oder aber er hätte sie anders gefaßt, als sie tatsächlich lautet. Allerdings vermag dies Argument, meine ich, nicht zu überzeugen. Denn vergleicht man den konstantinopolitanischen „Zusatz" zu dem nikäischen „fleischgeworden" mit dessen antiapollinaristischer Erläuterung in Ер. II, so nimmt er sich recht dürftig aus, und wird man in der Tat mit Kattenbusch 1 sagen müssen, С habe dem Apollinarismus „nicht weiter vorgebaut", „als durch das Nicaenum geschehen". Demnach erscheint es von hier aus als sehr wohl denkbar, daß Epiphanios С als antihäretische Erläuterung des „nikäischen Glaubens" zu präzisieren „sich bemüßigt fühlte". Hingegen zeigt ein Vergleich der pneumatologischen Aussagen, wie wenig man Ер. I I im Ernst als Überbietung der antihäretischen Näherbestimmung des nikäischen Glaubens durch С bezeichnen kann 2 . Denn hätte Epiphanios die Pneumatologie von С für unzureichend und zu unpräzis gehalten, was durchaus möglich wäre, so hätte er sie nur durch das ausdrückliche Bekenntnis zur Gottheit und Homousie des Hl. Geistes überbieten können. Doch ist dies Bekenntnis in seinem Symbol ebenso vermieden wie in C, zwischen denen an diesem Punkt nicht der geringste sachliche Unterschied besteht, wenn nicht die Aussagen von С sogar noch um eine Spur entschiedener sind. Dies verdient um so größere 1 Kattenbusch AS I, 288f. Die „Erläuterung" des nikäischen ,,σαρκω&έντα" lautet in C: ,,έκ πνεύματος άγιου και Μαρίας της παρ&ένου", in Ер. I I dagegen: ,,τοντέστι γεννη&έντα τελείως εκ της άγιας Μαρίας της άειπαρ&ένου δια πνεύματος άγιου". Noch deutlicher wird der Unterschied, wenn man die ausführliche Erläuterung des nikäischen ,,έναν&ρωπήσαντα" in Ер. I I hinzunimmt: „(εναν&ρωπήσαντα), τουτέστι τέλειον αν&ρωπον λαβόντα, ψυχήν και σώμα και νουν καΐ πάντα εϊ τι εστίν Άνθρωπος χωρίς αμαρτίας' ουκ από σπέρματος άνδρός ουδέ εν άνϋ-ρώπω (γεγονότα), αλλ' εις έαυτόν σάρκα άναπλάσαντα είς μίαν άγίαν ενότητα · οΰ καϋ-άττερ εν προφήταις ενέπνευσε τε και έλάλησε και ένήργησεν, άλλά τελείως έναν&ρωπήοαντα· ,6 γάρ Λόγος σαρξ έγένετο', ου τροπήν ύποστάς ούδε μεταβαλών την έαυτοΰ &εύτητα είς ανθρωπότητα, εις μίαν [