Das Konzept "Mauer in den Köpfen": Der Einfluss der Priming-Methode auf die Sprechprobenverortung und -bewertung 3515120785, 9783515120784

Die Mauer als physische Grenze zwischen den ehemaligen beiden deutschen Staaten besteht nun seit über 27 Jahren nicht me

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Das Konzept "Mauer in den Köpfen": Der Einfluss der Priming-Methode auf die Sprechprobenverortung und -bewertung
 3515120785, 9783515120784

Table of contents :
INHALTSVERZEICHNIS
1 „NIEMAND HAT DIE ABSICHT EINE MAUER ZU ERRICHTEN“
1.1 DIE AUSGANGSLAGE
2 FORSCHUNGSÜBERBLICK UND THEORETISCHER RAHMEN
2.1 WAHRNEHMUNGSDIALEKTOLOGIE
2.2 BEEINFLUSSUNG DER SPRACHWAHRNEHMUNG
2.3 ZUSAMMENFASSUNG
2.4 FORSCHUNGSFRAGEN UND -HYPOTHESEN
3 AUFBAU UND DURCHFÜHRUNG
3.1 DER FRAGEBOGEN
3.2 DIE SPRECHPROBEN
3.3 AUSWAHL DES PRIMES
3.4 PRETEST
3.5 DURCHFÜHRUNG DER UNTERSUCHUNG
4 AUFBEREITUNG UND ERGEBNISSE
4.1 DEMOGRAFISCHE DATEN DER PROBAND*INNEN
4.2 VERORTUNGEN DER SPRECHPROBEN
4.3 INFERENZSTATISTISCHE DATENANALYSE
5 DIE MAUER IN DEN KÖPFEN – INTERPRETATION
5.1 DIE VIER SPRECHPROBEN IN DER WAHRNEHMUNG
5.2 DAS PRIMING DER VIER SPRECHPROBEN
5.3 ZUSAMMENFASSUNG
6 FAZIT UND AUSBLICK
LITERATURVERZEICHNIS
INTERNETQUELLEN
VIDEOTUTORIAL
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
DIAGRAMMVERZEICHNIS
TABELLENVERZEICHNIS
ANHANG A AUFBAU DER UNTERSUCHUNG
A.1 DER FRAGEBOGEN
A.2 DIE SPRECHPROBEN
ANHANG B AUFBEREITUNG & ERGEBNISSE
B.1 VERORTUNGEN DER SPRECHPROBE DINGELSTÄDT
B.2 TEST AUF NORMALVERTEILUNG

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BEIHEFTE

Nicole Palliwoda

Das Konzept Mauer in den Köpfen Der Einfluss der Priming-Methode auf die Sprechprobenverortung und -bewertung

Germanistik

ZDL

Franz Steiner Verlag

zeitschrift für dialektologie und linguistik

beihefte

175

Nicole Palliwoda Das Konzept Mauer in den Köpfen

zeitschrift für dialektologie und linguistik beihefte In Verbindung mit Michael Elmentaler und Jürg Fleischer herausgegeben von Jürgen Erich Schmidt

band 175

Nicole Palliwoda

Das Konzept Mauer in den Köpfen Der Einfluss der Priming-Methode auf die Sprechprobenverortung und -bewertung

Franz Steiner Verlag

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2019 Druck: Hubert & Co., Göttingen Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany. ISBN 978-3-515-12078-4 (Print) ISBN 978-3-515-12081-4 (E-Book)

INHALTSVERZEICHNIS 1 „NIEMAND HAT DIE ABSICHT EINE MAUER ZU ERRICHTEN“ .............. 9 1.1 Die Ausgangslage ....................................................................................... 13 2 FORSCHUNGSÜBERBLICK UND THEORETISCHER RAHMEN .............. 20 2.1 Wahrnehmungsdialektologie ...................................................................... 21 2.2 Beeinflussung der Sprachwahrnehmung ..................................................... 66 2.3 Zusammenfassung ....................................................................................... 78 2.4 Forschungsfragen und -hypothesen ............................................................ 84 3 AUFBAU UND DURCHFÜHRUNG ................................................................ 86 3.1 Der Fragebogen ........................................................................................... 87 3.2 Die Sprechproben ........................................................................................ 91 3.3 Auswahl des Primes .................................................................................... 96 3.4 Pretest .......................................................................................................... 99 3.5 Durchführung der Untersuchung ................................................................ 99 4 AUFBEREITUNG UND ERGEBNISSE ......................................................... 103 4.1 Demografische Daten der Proband*innen ................................................ 104 4.2 Verortungen der Sprechproben ................................................................. 108 4.3 Inferenzstatistische Datenanalyse ............................................................. 155 5 DIE MAUER IN DEN KÖPFEN – INTERPRETATION ................................. 229 5.1 Die vier Sprechproben in der Wahrnehmung ........................................... 229 5.2 Das Priming der vier Sprechproben .......................................................... 232 5.3 Zusammenfassung ..................................................................................... 249 6 FAZIT UND AUSBLICK ................................................................................ 251 LITERATURVERZEICHNIS ............................................................................. 257 Internetquellen ................................................................................................ 267 Videotutorial ................................................................................................... 268 ABBILDUNGSVERZEICHNIS ......................................................................... 269 DIAGRAMMVERZEICHNIS............................................................................. 271

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Inhaltsverzeichnis

TABELLENVERZEICHNIS............................................................................... 272 ANHANG A AUFBAU DER UNTERSUCHUNG ............................................ 275 A.1 Der Fragebogen ........................................................................................ 275 A.2 Die Sprechproben ..................................................................................... 280 ANHANG B AUFBEREITUNG & ERGEBNISSE ........................................... 282 B.1 Verortungen der Sprechprobe Dingelstädt ............................................... 282 B.2 Test auf Normalverteilung........................................................................ 288

DANK Diese Monographie ist die leicht überarbeitete Fassung meiner Dissertationsschrift, die im Februar 2016 von der Philosophischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel angenommen wurde. Mein Dank gilt in erster Linie meinem Doktorvater PROF. DR. MARKUS HUNDT für die Unterstützung, für sein offenes Ohr und für stets konstruktive Kritik sowie meinem Zweitgutachter PROF. DR. JOACHIM GESSINGER (Universität Potsdam), dessen methodische Ratschläge mir entscheidende Impulse für die durchgeführte Untersuchung gegeben haben. Außerdem möchte ich dem Institut für Deutsche Sprache (Mannheim), im Besonderen DR. STEFAN KLEINER und DR. RALF KNÖBL, für die Bereitstellung der Sprechproben sowie PROF. DR. BERND SIMON (CAU Kiel, Sozialpsychologe) für den fachlichen Austausch hinsichtlich der Priming-Methode danken. Da eine empirisch angelegte Arbeit nur von den Personen, die ihr Wissen zu den gestellten Fragen preisgeben, leben kann, gilt mein Dank im Speziellen all den Studierenden, die sich beteiligt haben. Zudem ist den Professor*innen und Kolleg*innen zu danken, die es mir ermöglicht haben, meine Untersuchung in ihren Seminaren und Vorlesungen durchzuführen, namentlich: PROF. DR. MICHAEL BALDZUHN (Universität Hamburg), PROF. DR. ANDREAS BIEBERSTEDT (Universität Rostock), PROF. DR. URSULA GÖTZ (Universität Rostock), DR. KORNELIA POLLMANN (Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg), PROF. DR. MICHAEL SCHILLING (Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg), PROF. DR. INGRID SCHRÖDER (Universität Hamburg), PROF. DR. RENATE SZCZEPANIAK (Universität Hamburg) und NICOLE TEICHLER (Leibniz Universität Hannover). Für den Beistand während dieser sehr spannenden, aufwühlenden, nervenraubenden, teilweise deprimierenden und aber auch freudigen Phase meines Lebens möchte ich mich bei allen bedanken, die mich während dieser Zeit durch aufbauende, kritische oder warme Worte unterstützt haben, im Besonderen bei meinen kritischen und stets konstruktiven Korrekturleser*innen DR. LIV ANDRESEN und DR. GERRIT LUNGERSHAUSEN, meinen Leidesgenossinnen DR. KAREN LEHMANN, Dr. SASKIA SCHRÖDER und Dr. ANGILA VETTER sowie meinen Statistikhelfer*innen ANIKA REDOLFI und RENÉ KÖCKRITZ Besonderer Dank gilt meinem Mann MALTE DEFFERT für das Dasein, In-denArm-nehmen, Gut-zureden, Händchenhalten, Unterstützen, Rücken-freihalten und vieles mehr. Ohne seinen Beistand wäre sicher nicht alles so gekommen, wie es gekommen ist. Des Weiteren möchte ich mich bei der AMPELMANN GMBH bedanken, namentlich bei SUSANNE MORGENTHAL, für die kostenfreie Bereitstellung der Ampelmännchen-Bilder und die Unterstützung bzgl. der Lizenzen.

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Dank

Abschließend bedanke ich mich bei den Herausgebern der Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik (ZDL) PROF. DR. JÜRGEN ERICH SCHMIDT, PROF. DR. MICHAEL ELMENTALER und PROF. DR. JÜRG FLEISCHER für die Aufnahme meiner Dissertation als Beiheft sowie der wissenschaftlichen Redakteurin DR. BRIGITTE GANSWINDT für die Betreuung. Zuletzt gilt mein Dank dem FRANZ STEINER VERLAG für die Hilfe und Unterstützung bei der Drucklegung, namentlich SUSANNE HENKEL und ANDREA HOFFMANN. Siegen, September 2018 Nicole Palliwoda

1 „NIEMAND HAT DIE ABSICHT EINE MAUER ZU ERRICHTEN“ Der wohl bekannteste Satz Walter Ulbrichts, den er auf einer Pressekonferenz im Juni 1961 – zwei Monate bevor die Bauarbeiten in Berlin am sogenannten antifaschistischen Schutzwall einsetzten – aussprach (vgl. u. a. PRESSE- UND INFORMATIONSAMT DER BUNDESREGIERUNG 2016a), prägte nicht nur die Generation der damaligen Zeit. Auch heute markiert der Satz innerhalb der Geschichte der DDR und damit innerhalb der Geschichte Deutschlands einen wichtigen Schlüsselmoment, wie die Aussage Günter Schabowskis zur neuen Reiseregelung des SED-Politbüros am 9. November 1989 auf einer Pressekonferenz. In dieser teilte er mit, dass jeder DDR-Bürger aus der DDR ausreisen dürfte. Auf Nachfragen, wann dieses Gesetz in Kraft trete, antwortete Schabowski: „Das tritt nach meiner Kenntnis … ist das sofort …unverzüglich“ (vgl. u. a. PRESSE- UND INFORMATIONSAMT DER BUNDESREGIERUNG 2016b), und leitete auf diese Weise den historischen Moment des Mauerfalls ein. Obwohl diese Mauer, die physische Grenze, inzwischen seit über 25 Jahren nicht mehr besteht, ist anzunehmen, dass sie sich mental und sprachlich in den Köpfen festgesetzt hat, besonders bei denjenigen, die während der Staatengründung der BRD und DDR sowie während des Bestehens der Mauer sozialisiert wurden. Dabei konnte zum einen festgestellt werden, dass „die sprachliche Vereinigung zwischen Ost und West für im Wesentlichen abgeschlossen“ (HELLMANN 2008, 17) in Bezug auf die Lexik, Syntax sowie die Stilnormen gelten kann. Zum anderen konnten Untersuchungen zeigen, dass sich Tendenzen einer Sprachgrenze entlang der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze feststellen lassen, wobei hier nur von einem eingeschränkten Bereich in Thüringen und Bayern gesprochen werden kann, wo die Untersuchungen durchgeführt wurden (vgl. u. a. HARNISCH 2009, 2010, 2015, Kap. 2.1.2). Anhand des sprachlichen Materials konnte nachgewiesen werden, dass sich die jüngeren Sprecher*innen eher in Richtung ihres entsprechenden Hinterlandes orientieren, d. h. sie orientieren sich eher in Richtung Bayern, wenn sie in Bayern an der Grenze leben bzw. in Richtung Thüringen, wenn sie dort an der Grenze leben. Interessant ist diese Entwicklung, da die untersuchten Gebiete ursprünglich

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einem Dialektgebiet angehörten und durch eine starke wirtschaftliche Position verbunden waren (vgl. u. a. HARNISCH 2009, 2010, 2015, Kap. 2.1.2).1 Es ist anzunehmen, dass die besondere Situation der ehemaligen innerdeutschen Grenze solch eine Verschiebung bzw. Teilung vergleichsweise noch stärker hervorgebracht hat. Die Besonderheit lag in der Undurchlässigkeit dieser Grenze, d. h. besonders von der Ostseite war eine Überquerung fast unmöglich und so mussten sich die Personen auf den unterschiedlichen Seiten dem entsprechenden Hinterland anschließen. Das bezieht sich natürlich nicht nur auf die Sprache, sondern auch auf soziale Bereiche wie Arbeitsstellen, den Freundeskreis oder die Einkaufsmöglichkeiten. Diese Zuwendung zu anderen Zentren und die unterschiedlichen politischen Systeme prägen Individuen und tragen neben der Sprache dazu bei, dass sich eine Gruppe als zusammengehörig ansieht und sich Identitäten herausbilden. ROTH merkt in diesem Zusammenhang an, dass „die Identität […] eng mit dem Selbst, dem Bild, das eine Person oder Gruppe von sich entwickelt, verbunden“ (ROTH, M. 2008, 187) ist. Dieses Selbstbild erweist sich dabei als dynamisch und konstruiert sich durch die Kommunikation. Bezogen auf das Selbstbild einer Gruppe wird dieses zum einen durch die eigene Wahrnehmung der Gruppe, der Ingroup, und zum anderen durch die Wahrnehmung von außen, der Outgroup, bestimmt. Dabei zeigt sich, dass besonders die Sprache als Medium zur Identitätsstiftung beiträgt (vgl. ROTH, M. 2008, 187−188). „Sprache wird geradezu als Gruppen bildendes Moment aufgefasst.“ (LÖFFLER 2005, 21) Bezogen auf den Ost-West-Diskurs zeigen sich dabei Personenzuschreibungen im Zusammenhang mit Politkern als ostdeutsch, Ossi oder dergleichen als besonders produktiv und markiert. Im Gegensatz dazu treten solche Attribuierungen wie Wessi oder Westdeutsche in der öffentlichen Kommunikation kaum bis gar nicht auf. Die „markierte Größe“ (REIHER 2008, 2) Osten, Ostdeutsch bzw. Ostdeutschland wird zumeist als abweichend von einer Norm interpretiert und „als ein vom Normalfall Westen abweichendes Phänomen konzeptualisiert“ (RADEISKI / ANTOS 2008, 55). Den unmarkierten Normalfall bildet dabei die Kategorie Westdeutsch. Mit Blick auf die Attribuierungen der Politiker*innen erscheint so die Zuschreibung ostdeutsch als wichtig und informativ, hingegen die Herkunftszuschreibung westdeutsch als nicht erwähnenswert (vgl. ROTH, K. 2008, 79−87). Dieses Ungleichgewicht wird zudem durch die Tatsache begünstigt und beeinflusst, dass „das andere sprachliche Verhalten der so genannten Neubundesbürger weitgehend mit einem Negativurteil bewertet wird. Den östlichen Sprachvarianten wird gegenüber ihren westlichen Pendants ein Defizit zugeschrieben.“ (REIHER 2008, 15)

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Jedoch muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass andere Untersuchungen unterschiedliche Ergebnisse hervorgebracht haben und dass bei solchen Untersuchungen immer auch die Sprachlage beachtet werden muss. So konnte z. B. SAUER nachweisen, dass für die itzgründische Sprachlandschaft keine neuen dialektalen Isoglossen entlang der politischen Demarkationslinie entstanden sind (vgl. SAUER 2017, 2018), hingegen SAUERMILCH Auswirkungen der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze für den ostfälischen Sprachraum (auf dialektaler und zum Teil regionalsprachlicher Ebene) ausmachen kann (vgl. SAUERMILCH 2016, i. E.).

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Dabei steht besonders die Andersartigkeit der Sprechweise in der Wahrnehmung der Sprecher*innen im Fokus, die dazu zumeist mit den Stereotypen über bestimmte Sprechweisen verknüpft sind. Solche Stereotype über bestimmte Sprechweisen und deren Sprecher*innen erweisen sich dabei als „wirkungsmächtige Konstrukte […], die erstaunlich konsistent in Sprachgemeinschaften verbreitet sind.“ (HOFER 2004, 29) So tragen diese auch zur Gruppenbildung und -identität bei: „Gerade in der Außenperspektive beinhalten Einstellungen zu Sprachen und Sprachvarietäten oft stereotype positive oder negative Vorstellungen von bestimmten charakteristischen Eigenschaften ihrer Sprecher, die in der Sprache zum Ausdruck kämen, so dass sich, gemäß solcher Wahrnehmung, in der Sprache dann auch eine durch Gruppenzugehörigkeit geprägte Identität manifestiert.“ (THIM-MABREY 2003, 2)

Solche negativen Vorstellungen werden ebenfalls in den Benennungen und Beschreibungen der jeweils anderen Gruppe deutlich (besserwessi, jammerossi, vgl. ROTH, M. 2005) und bestehen zum Teil noch bis heute. So lassen sich die Kategorisierungen Wessi und Ossi ebenfalls in heutigen Medien finden (vgl. u. a. BELKE 2010, KOLMER 2010, WEDL 2010). Dies führt zur der Vermutung, dass solche Bezeichnungen auch bei Generationen gefunden werden können, die in einer Zeit sozialisiert wurden, als die beiden Staaten nicht mehr existieren. Diese sozialen Kategorien scheinen somit stark ausgeprägt zu sein und in Bezug auf den Ost-WestDiskurs liegt die Vermutung nahe, dass daher eine Vereinigung noch nicht abgeschlossen ist. In diesen wissenschaftlichen Ost-West-Diskurs reiht sich die vorliegende Arbeit ein und versucht dabei herauszuarbeiten, ob diese Mauer in den Köpfen noch bei Personen vorhanden ist, die sozialisiert wurden, als die beiden deutschen Staaten nicht mehr existierten. Hierfür wurde die draw-a-map-Methode (vgl. Kap. 2.1) verwendet, bei der die Proband*innen auf einer Deutschlandkarte Sprechproben verorten sollten. Des Weiteren kam die Priming-Methode (vgl. Kap. 2.2.1) zur Anwendung, mittels der die Verortungen der gehörten Sprechproben unter Setzung eines Primes/Stimulus analysiert werden und zwar insofern, ob dieser gesetzte Prime, der eine assoziative Beziehung zum Ostdeutsch-Konzept und somit zur Mauer in den Köpfen hat, bei diesen Proband*innen eine Einstellungsveränderung in der Verortung und Bewertung von Sprechproben hervorruft. D. h. es wird erforscht, ob die entsprechenden Sprechproben beim Auftreten des Primes stärker in den Osten bzw. Westen Deutschlands sortiert sowie positiver bzw. negativer bewertet werden. Die vorliegende Arbeit vereint auf diese Weise zwei verschiedene Methoden, um die unbewussten Assoziationen zu bestimmten Sprechproben sichtbar zu machen. Mithilfe dieser beiden Methoden wird in der vorliegenden Untersuchung analysiert, ob der Prime eine Abgrenzung oder Zugehörigkeit bei den Gewährspersonen auslöst und so unbewusst das Konzept der Mauer in den Köpfen durch den Prime aktiviert wird. Die Untersuchung befasst sich somit mit kognitiven Prozessen innerhalb der Sprachwahrnehmung bzw. mit der unbewussten Manipulation bei der Sprechpro-

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benverortung und -bewertung. Die Arbeit kann daher dem relativ jungen Wissenschaftsbereich der Wahrnehmungsdialektologie zugeschrieben werden, der sich mit der kognitiven Verankerung von Dialekten befasst. Innerhalb dieses Wissenschaftsbereichs steht das Wissen des linguistischen Laien über bestimmte Dialekte bzw. Sprechweisen im Mittelpunkt der Analysen. Hierbei ist von besonderem Interesse, wie der Laie seinen eigenen Sprachraum und den gesamten deutschen Sprachraum konzeptualisiert, welche Sprechweisen im Bewusstsein sind und wahrgenommen werden, wie diese bezeichnet werden, was die Laien mit diesen assoziieren und welche sprachlichen Merkmale sie wahrnehmen und als auffällig empfinden (vgl. Kap. 2.1). Im Folgenden werden dabei in einem ersten Schritt Untersuchungen präsentiert, die sich mit dem Großraum Deutschland befassen und herausstellen, welche Sprachraumkonzepte als allgemein bekannt und präsent angesehen werden können. Mittels der Auswahl großräumig angelegter Studien soll zudem gezeigt werden, dass besonders die sozialen Variablen Alter und Herkunft einen Einfluss auf die Sprachraumverortung und -wahrnehmung ausüben (vgl. Kap. 2.1.1.1). In einem zweiten Schritt werden kleinräumige Studien vorgestellt, deren Fokus auf der Wahrnehmung des eigenen Sprachraums und der Abgrenzung zu angrenzenden Sprachräumen liegen (vgl. Kap. 2.1.1.2). Außerdem werden einige Untersuchungen besprochen, die sich mit der Wahrnehmung von Staatsgrenzen als Sprachgrenzen auseinandersetzen (vgl. Kap. 2.1.1.3). Danach werden Untersuchungen präsentiert, die sich mit der ehemaligen innerdeutschen Grenze und im Speziellen mit dem Konzept Mauer in den Köpfen befassen (vgl. Kap. 2.1.2). Anschließend an diese Ausführungen wird die in dieser Arbeit angewendete Priming-Methode vorgestellt und deren Wirkungsweise illustriert (vgl. Kap. 2.2.1), bevor empirische Untersuchungen aus dem angloamerikanischen Raum besprochen werden, die zeigen konnten, dass Priming ebenfalls eine Auswirkung auf die Sprachwahrnehmung linguistischer Laien hat (vgl. Kap. 2.2.2). Im Anschluss an diese Darstellungen werden die Fragestellungen und Hypothesen für die vorliegende Arbeit entwickelt (vgl. Kap. 2.4), die im Rahmen der anschließenden Untersuchung analysiert werden sollen. Der Untersuchungsaufbau wird in Kapitel 3 beschrieben. Bei der Untersuchung wird zum einen mit alltagssprachlichen Sprechproben gearbeitet (vgl. Kap. 3.2), die auf einer Grundkarte verortet werden sollen (vgl. Kap. 3.1.2). Zum anderen sollen diese Sprechproben durch linguistische Laien dahingehend beurteilt werden, wie ihnen das Gehörte gefällt, wie ähnlich sie diese zur eigenen Sprechweise einschätzen und ob die Sprecher*innen aus der Umgebung der Gewährsperson stammen könnten (vgl. Kap. 3.1.3). Hierbei ist von wesentlicher Bedeutung, dass die Sprechprobenpräsentation in unterschiedlichen Settings durchgeführt wurde und zwar insofern, als während der Sprechprobenverortung und -bewertung durch die Proband*innen ein Prime gesetzt wurde – in Form des Ost-Ampelmännchens innerhalb einer Power-Point-Präsentation (vgl. Kap. 3.5). Die Auswertung der Daten erfolgte mithilfe von Geoinformationssystemen (GIS) sowie statistischen Methoden. Im Anschluss an den Untersuchungsaufbau werden die Ergebnisse der Verortung (vgl. Kap. 4.2), der Bewertung (vgl. Kap. 4.3.2), der Einschätzung der sprachlichen Ähnlichkeit (vgl. Kap. 4.3.3) und der Einschätzung der Herkunft der Sprecher*innen

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(vgl. Kap. 4.3.4) präsentiert. Diese Ergebnisse werden in Kapitel 5 zum einen dahingehend diskutiert, wo und wie die Sprechproben ohne Berücksichtigung des Primes verortet sowie beurteilt werden (vgl. Kap. 5.1). Zum anderen wird die Frage geklärt, ob und inwieweit der gesetzte Prime eine Auswirkung auf die Sprechprobenverortung sowie die anderen Variablen hat (vgl. Kap. 5.2). Abschließend wird in Kapitel 6 ein Fazit in Hinblick auf die übergeordnete Fragestellung gezogen und ein Ausblick gegeben. 1.1 DIE AUSGANGSLAGE „Die Überbrückung geistig-kultureller Hemmschwellen und seelischer Barrieren mag schwieriger sein. Aber mit Takt und mit Respekt vor dem Selbstgefühl der bisher von uns getrennten Landsleute wird es möglich sein, daß [sic] […] ohne entstellende Narben zusammenwächst, was zusammengehört.“ Willy Brandt, Deutscher Bundestag 1990, 228. Sitzung

Diese „Überbrückung geistig-kultureller Hemmschwellen und seelischer Barrieren“ scheint sich als schwieriger zu erweisen als evtl. anfangs angenommen. Wie weiter oben dargestellt, scheint die mentale Mauer (Mauer in den Köpfen) teilweise noch präsent zu sein, was sicher auf die unterschiedlichen Ausgangslagen der ehemaligen Ost- und Westbürger*innen sowie Umsetzungsstrategien der Vereinigung der beiden Staaten zurückzuführen ist, bei denen teilweise nicht „mit Respekt vor dem Selbstgefühl“ umgegangen worden war. Dies zeigen auch die Zahlen der letzten Bundestagswahl 2017. Noch immer lassen sich Ost- und Westunterschiede im Wahlverhalten bzw. in der Wahl der Parteien ablesen. So wählten die Bürger*innen aus den neuen Bundesländern öfter die Partei AfD als diejenigen aus den alten Bundesländern (vgl. DER BUNDESWAHLLEITER 2017, 326). Die Wahl dieser Partei lässt sich zudem auf Unzufriedenheit und Enttäuschung zurückführen (vgl. WAHL.TAGESSCHAU.DE, 24.09.2017) und erinnert vielleicht an das Gefühl der Bürger*innen der neuen Bundesländer nach der Vereinigung „Bürger zweiter Klasse“ (vgl. u. a. KAASE 2001, 130; MUMMENDEY / KESSLER 2000, 278) zu sein. An dieser Stelle soll es jedoch nicht um die politischen Einstellungen oder andere Befindlichkeiten gehen, sondern die Ausgangslage, die zu einer Ost-West-Problematik, zu einem Ost-West-Diskurs geführt haben könnte, soll kurz skizziert werden. Auch wenn sich die vorliegende Untersuchung, wie im vorhergehenden Kapitel angemerkt, nicht mit dieser Generation befasst, scheint ein Blick auf die Auswirkungen der Ausgangsituation sinnvoll, da die Erfahrungen, Meinungen und Empfindungen durch die Elterngeneration und durch die Medien an die Folgegenerationen weitergegeben werden (könnten). Zum Zeitpunkt der Vereinigung der beiden deutschen Staaten kann unumstritten von einer asymmetrischen Ausgangslage ausgegangen werden, die sich in der Folgezeit und innerhalb des Prozesses der Vereinigung unterschiedlich auswirkt.

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1 „Niemand hat die Absicht eine Mauer zu errichten“ „Im Jahr 1989 existierten zwei sehr unterschiedliche gesellschaftliche Ordnungen in der Bundesrepublik und in der DDR, die auf fundamental entgegengesetzten Konstruktionsprinzipien und Wertesystemen lagerten: einem kapitalistischen gegenüber einem sozialistischen Wirtschaftssystem; einer föderalistischen gegenüber einer zentralistischen Verfassung; einer pluralistischen Demokratie gegenüber einem gelenkten Arbeiter- und Bauernstaat; einem individualisierenden versus kollektivierenden Wertesystem; an ökonomische Entwicklungsverläufe gekoppelte Leistungen des kapitalistischen Wohlfahrtsstaates gegenüber einer hohen staatlichen Versorgungsdichte; einer auf ‚abgefederter‘ Ungleichheit und Heterogenität basierenden gegenüber einer auf soziale Gleichheit und Homogenität ausgerichteten Sozialpolitik; einem zivilgesellschaftlichen Institutionensystem gegenüber einem System, das zur Lenkung des sozialen Lebens auf riesige Kombinate mit angeschlossenen Kinderhorten, Sportvereinen etc. setzte.“ (HEITMEYER 2009, 13)

Das öffentliche und private Leben jenseits der bestehenden deutsch-deutschen Grenze war in beiden deutschen Staaten unterschiedlich organisiert und angelegt. Mit dem Fall der Mauer mussten die Bürger*innen sich neu organisieren und zum Teil neu aufstellen. Besonders die Personen der nun neuen Bundesländer2 bekamen ein neues politisches und gesellschaftliches System, in dem sie sich zurechtfinden mussten. Die gesellschaftliche Ordnung, wie sie sie gelernt hatten, hatte keinen Bestand mehr. „Für die Westdeutschen hatte sich scheinbar nichts verändert; alle zentralen Rahmenbedingungen ihrer Existenz und ihre Lebensverhältnisse waren unverändert geblieben. Für die Ostdeutschen hingegen war die Vereinigung mit einem Verlust ihrer konstitutionellen, institutionellen, rechtlichen, wirtschaftlichen und damit teilweise auch persönlichen Identität verbunden. Dieser Verlust konnte allein durch den Rekurs auf eine gemeinsame deutsche Kultur und Geschichte angesichts des Umstandes, daß [sic] der Anteil der 1945 und später in der DDR geborenen Menschen 1990 schon rund 60% betrug, nicht hinreichend kompensiert werden.“ (KAASE 2001, 121)

Das Ziel der Vereinigung war es, „die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet“ (Art. 72 Abs. 2 GG) und somit „[d]ie Lebensverhältnisse in Ost und West zu vereinheitlichen“ (BUNDESZENTRALE FÜR POLITISCHE BILDUNG 2015). Dass sich dieses Ziel nicht so schnell verwirklichen ließ – und auch bis heute noch nicht vollständig umgesetzt ist –, wie noch der „BRD-Bundeskanzler HELMUT KOHL (CDU) bei einer Wahlkampfveranstaltung am 7. März 1990 in Erfurt“ (BUNDESZENTRALE FÜR POLITISCHE BILDUNG 2015) versprach, zeigte sich Anfang der 90er Jahre nach dem Abflachen der Euphorie bzgl. der Vereinigung. Nach der anfänglichen Begeisterung über die Vereinigung „macht sich dagegen eher Enttäuschung oder sogar Entrüstung breit. Seit dem Zusammenbruch und der Auflösung des Staates DDR und der totalen politischen und ökonomischen Absorption der Gesellschaft der DDR in die der Bundesrepublik Deutschland befinden wir uns heute in einer bemerkenswerten Situation: Die Erinnerung an 1989 ist verblaßt [sic]; die Gesellschaft lebt zwar in einem Staat und sie wird unter dem Begriff ‚Deutschland‘ zusammengefasst; sie ist aber nach wie vor gespalten in Ost und West. Aus West-Sicht sollte man in Ostdeutschland dankbar sein und anerkennen, welch immense Summen in den Aufbau Ost bisher geflossen 2

„Natürlich haben auch die Bürger der alten Länder vereinigungsbedingt Opfer gebracht, und doch war die deutsche Einheit ein Ereignis und ein Vorgang, der […] die Westdeutschen in ihrem Alltagsleben nur am Rande berührt hat.“ (KAASE 2001, 143)

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sind. Aus Ost-Sicht wiederum wird immer noch viel zu wenig getan. Man empfindet Bevormundung, gar Kolonialisierung durch Westdeutschland.“ (MUMMENDEY / KESSLER 2000, 277)

Die reale, physische Mauer wich einer sozialen und zum Teil ökonomischen, einer „inneren Mauer“ (KAASE 2001, 143). Die Ausgangslage war somit mehr als bedrückend, um eine ‚Deutsche Einheit‘ und auch solch ein Gefühl dauerhaft schaffen zu können. MUMMENDEY / KESSLER bezeichnen die Vereinigung sogar als Fusion und beschreiben diese wie folgt: „Unter einer ‚Fusion‘ versteht man das Zusammenführen von zwei oder mehreren unterschiedenen, bereits existierenden und etablierten Gruppen zu einem übergeordneten diese Gruppe umfassenden Ganzen. Die bei Fusionen auftretenden Konflikte bestimmen wesentlich den Erfolg oder Mißerfolg [sic] von solchen Zusammenschlüssen. Neben ökonomischen und strategischen Gesichtspunkten können insbesondere psychologische Faktoren zu Problemen bei Fusionen führen: Die sozial etablierten und geteilten Normen und Werte der ursprünglichen Gruppe stellen eine wichtige Quelle für Konflikte bei der Entstehung einer neuen und umfassenden Identität dar: Zum einen können Konflikte darüber entstehen, welche Inhalte und Werte wesentlich für die neue Gruppe sein sollen (was soll beispielsweise prototypisch für die gemeinsame Kategorie ‚deutsch‘ sein?), und zum anderen kann Wettbewerb um die bessere Repräsentation dieser neuen Werte durch eine der ursprünglichen Gruppen entstehen (wie schneiden Ost- und Westdeutsche im gegenseitigen Vergleich ab?). Solche Konflikte sind insbesondere beim Zusammenschluß [sic] von Gruppen zu beobachten, die sich durch einen unterschiedlichen Status auszeichnen. Hier zeigen insbesondere unterlegene Gruppen eine deutliche Bevorzugung der eigenen Gruppe (Terry / Callan 1998).“ (MUMMENDEY / KESSLER 2000, 278)

Das Prinzip der Fusion kann für die Vereinigung von Ost- und Westdeutschland angenommen werden. So wurde binnen kürzester Zeit das gesamte System der Bundesrepublik Deutschland auf die ehemalige DDR übertragen, die Werte der Bundesbürger und des politischen Systems waren damit die Grundwerte, auf die es sich nun zu beziehen galt. Dabei sind nicht nur die objektiven Verbesserungen und Werte, die sich durchaus vollzogen haben, ausschlaggebend3, sondern die subjektiven Einschätzungen der betroffenen Personen selbst (vgl. u. a. „wahrgenommene Unterlegenheit“, MUMMENDEY / KESSLER 2000, 278). Hierzu gehört unter anderem das Gefühl der Ostdeutschen, sich als „Bürger zweite Klasse“ (u. a. MUMMENDEY / KESSLER 2000, 278) zu fühlen, und die sich aus der Infragestellung der eigenen Identität erstarkende Ost-Identität zu Beginn der 90er Jahre: „Während sich 1990 bereits 66 Prozent der Ostdeutschen als ‚Deutsche‘ sahen und nur 28 Prozent sich als DDR-Bürger verstanden, hatte sich bereits 1992 dieses Bild fast schon umgekehrt: Nun sahen sich 51 Prozent der Ostdeutschen wieder als Bürger der (nun ehemaligen) DDR und nur 40 Prozent sahen sich als Deutsche. Auch wenn sich nur wenige die DDR zurückwünschen, so gaben 1995 zwei Drittel der Befragten an, sie seien stolz auf ihr Leben in der DDR. Forderungen nach der Herstellung oder Stärkung einer Ostidentität sind nun ebenso zu hören wie die 3

„Die Einschätzung der materiellen Situation der Ostdeutschen und des Statusverhältnisses zwischen Ost- und Westdeutschland ist völlig unabhängig von der Höhe des persönlichen Einkommens […]. Unsere Daten zeigen, daß [sic] sie nichts zu tun hat mit der gewissermaßen objektiven persönlichen materiellen Situation (z. B. Einkommen) und wenig mit der Qualität der subjektiv eingeschätzten persönlichen Situation. Diesselben [sic] Leute, die die eigene Gruppe als benachteiligt einschätzen, schätzen ihre persönliche Situation deutlicher günstiger ein […].“ (MUMMENDEY / KESSLER 2000, 282)

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1 „Niemand hat die Absicht eine Mauer zu errichten“ nach der Unterstützung eines ostdeutschen Wir-Gefühls.“ (MUMMENDEY / KESSLER 2000, 278)

Das Erstarken einer solchen Identität und die damit verbundene Ostalgie ist vor dem Hintergrund der Infragestellung eines Lebens in der ehemaligen DDR nachvollziehbar. Alle erlernten Werte und Normen des eigenen Lebens wurden durch die Vereinigung und durch die Übernahme eines neuen, anderen Systems als schlecht dargestellt und ausgelöscht. Die Infragestellung und Rechtfertigung des eigenen Lebens löst auf diese Weise eine Art Krise der eigenen Persönlichkeit aus, die besonders durch Arbeitslosigkeit, Unsicherheit und neue bisher nicht bekannte Lebensverhältnisse gesteigert wird (vgl. u. a. KAASE 2001, 143). Daher kann auch von einer „Assimilation von ost- an westdeutsche Verhältnisse [gesprochen werden, N. P.]. Westdeutschland stellt in vielen Bereichen, insbesondere in der wirtschaftlichen Entwicklung, den Standard dar, der von Ostdeutschland erreicht werden soll. Diese einseitige Vorgabe markiert den Statusunterschied Ost und West, der nicht zuletzt daher rührt, daß [sic] das ursprüngliche Ziel der Vereinigung die komplette Abschaffung der DDR war. Was aber die leere Stelle, die nach der Abschaffung der DDR übrig blieb, füllen sollte, darüber bestand direkt nach der Vereinigung eine höhere Einigkeit als heute. Die langsame und teilweise erfolglose Angleichung von Ostund Westdeutschland und der Wunsch nach Kontinuität der eigenen Identität führt in den neuen Bundesländern zu einer Rückbesinnung und aktiven Suche nach den verborgenen, aber im nachhinein [sic] positiv zu bewertenden Seiten der DDR.“ (MUMMENDEY / KESSLER 2000, 279)

Auf diese Weise kommt es zur „Wiedergeburt des ostdeutschen ‚Wir-Gefühls‘“ (MUMMENDEY / KESSLER 2000, 279), das „[d]urch die asymmetrische Vereinigungssituation […] insbesondere aus ostdeutscher Perspektive die Kategorisierung in Ost und West immer wieder sichtbar und bedeutsam [werden lässt, N.P].“ (MUMMENDEY / KESSLER 2000, 280) Die Gruppe der Westdeutschen und damit der Vergleich „wird als wichtiger eingeschätzt als der Vergleich mit anderen osteuropäischen Ländern und wichtiger als der mit anderen westeuropäischen Ländern oder den USA […]. Nur der temporale Vergleich, also der Vergleich mit früher, wird als ähnlich wichtig wie der Vergleich mit Westdeutschen eingeschätzt. Zudem nimmt die Wichtigkeit des Vergleichs mit Westdeutschen nicht ab über die Zeit.“ (MUMMENDEY / KESSLER 2000, 282)

Dieser Vergleich und die aus der Sicht der Ostdeutschen wahrgenommene Unterlegenheit4 stellt sich besonders dramatisch dar, denn der Vergleich mit Westdeutschen geht nicht nur negativ aus, sondern Westdeutsche sind auch die wichtigste

4

„Ost- wie Westdeutsche stimmen in dem Urteil überein, daß [sic] sich Ostdeutsche in einer im Verhältnis zu Westdeutschen unterlegenen Statusposition befinden. Gleichzeitig wird der Vergleich mit Westdeutschen als besonders wichtig empfunden. Dieses Ergebnis muß [sic] allerdings noch präzisiert werden: Die soziale Identität von Ostdeutschen ist eine unsichere, bedrohte oder sogar negative, allerdings nur gegenüber den Westdeutschen. In anderen Vergleichen wird die ostdeutsche soziale Identität durchaus als sicher und positiv bewertet.“ (MUMMENDEY / KESSLER 2000, 282)

1 „Niemand hat die Absicht eine Mauer zu errichten“

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Referenzgruppe für die Bewertung der eigenen Position […].“ (MUMMENDEY / KESSLER 2000, 282) Diese neue Identität und die damit verbundenen Vergleiche zwischen ost- und westdeutschen Bürger*innen ist ein Phänomen, dass in der Sozialpsychologie als „Person/Gruppen-Diskrepanz sozialer Diskriminierung“ (Taylor / Wright / Porter 1994 zit. n. MUMMENDEY / KESSLER 2000, 283) gefasst wird: „Der Ost-West-Kontext ist nicht als dauerhafte Repräsentation gespeichert, sondern wird durch entsprechende Reize des Alltags immer wieder angeregt und neu zusammengesetzt. Solange der Ost-West-Kontext nicht salient ist, sind andere Ebenen der Selbstkategorisierung, z. B. die Ebene als einzigartiges Individuum, für das Erleben und Verhalten bestimmend. Das unterstütz die schon erwähnte Diskrepanz zwischen Einschätzung der persönlichen Situation und der der Gruppe: Bedingungen der jeweiligen Situation steuern, welche Einschätzung die relevante und angebrachte ist. So kann jemand beispielsweise sehr zufrieden mit seiner persönlichen Situation sein und sich, sobald eine Identität als Ostdeutscher angeregt wird, durchaus über die Ungerechtigkeit der Benachteiligung von Ostdeutschen ärgern. Die Ebenen der Selbstkategorisierung sind kontextabhängig. Das bedeutet ferner, je häufiger die Unterschiede zwischen Ostund Westdeutschland im Gegensatz zu Gemeinsamkeiten in den Medien präsentiert und in Diskussionen betont werden, desto salienter und bedeutsamer wird der Ost-West-Kontext. Das stärkt die Identifikation als Ostdeutscher, erhöht den Ärger über das Ost-West-Verhältnis und weckt die Bereitschaft zu kollektiven Verhaltensweisen, wie den realistischen und sozialen Wettbewerb und den Protest. Die Wahrscheinlichkeit des Zusammenwachsens von Ost- und Westdeutschland wird dadurch geringer. […] Die Identifikation als Ostdeutscher ist eine problematische Komponente für eine reibungslose Vereinigung und ein Zusammenwachsen, denn sie ist eine zentrale und den Ost-West-Kontext verstärkende Komponente. Durch sie werden bestehende Unterschiede akzentuiert und neue Unterschiede durch Wettbewerb hergestellt oder kreativ kreiert. Auf der anderen Seite ist sie unumgänglich, solange es deutliche Ost-WestUnterschiede gibt wie beispielsweise ein anderes Gehaltsniveau und eine andere Arbeitslosenrate.“ (MUMMENDEY / KESSLER 2000, 303–304)

Solange also die Unterschiede der beiden ehemaligen deutschen Staaten weiterhin im Diskurs betont werden, werden auch die Kategorien Ost und West bestehen bleiben. So kommt HEITMEYER in seinem Fazit zu dem Schluss, dass „[w]ir immer noch in zwei Gesellschaften“ (2009, 45) leben. „Die Gefühle der Desintegration und Benachteiligung der ostdeutschen Bevölkerung gegenüber der westdeutschen existieren auch nach 20 Jahren, insbesondere sehen sie sich ‚als Bürger zweiter Klasse‘. Die Fremdheit zwischen den Menschen in Ost- und Westdeutschland ist geblieben. Das Verhältnis zum demokratischen System ist in Ostdeutschland signifikant negativer. Dies zeigt sich auch daran, daß [sic] die Wahlbeteiligung dort deutlich niedriger ist und daß [sic] antidemokratische, rechtsextreme Parteien wie die NPD in einem höheren Ausmaß als ‚normal‘ gelten. […] Eines soll an dieser Stelle festgehalten werden: 20 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer, der am Beginn eines Prozesses stand, in dessen Rahmen zwei Staaten und zwei sehr unterschiedliche Gesellschaftssysteme zu einer Nation vereint wurden, die es in dieser Form zuvor nie gegeben hatte und deren Geschichte somit erst am 9. November 1989 beginnt, präsentiert sich Deutschland zwar der Welt als staatliche Einheit, wir leben jedoch nach wie vor in zwei Gesellschaften.“ (HEITMEYER 2009, 45)

Ähnliches lässt sich auch heute noch feststellen (siehe die Bundestagswahl 2017, die Ausführungen weiter oben) und wirft die Frage auf, ob diese mentale Mauer auch bei einer jüngeren Generation zu finden ist.

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1 „Niemand hat die Absicht eine Mauer zu errichten“

Nach Aussage der Ostbeauftragten der Bundesregierung IRIS GLEICKE (SPD) scheint sich die Hoffnung WILLY BRANDTS bzgl. des Zusammenwachsens bei der momentanen Schülergeneration nach über 25 Jahren eingestellt zu haben. So kommentierte sie, nachdem der neue Präsident der Kultusministerkonferenz HELMUT HOLTER (Linke) einen Schüleraustausch zwischen ost- und westdeutschen Schüler*innen forderte, da diese zu wenig miteinander redeten (vgl. ZEIT ONLINE 16. Januar 2018, dpa, KNA, fa), dass es Schüler*innen nicht mehr um die geographsche Herkunft gehe und „dass für die jungen Leute aus Ost und West keine deutschdeutschen Besonderheiten und Befindlichkeiten mehr im Vordergrund stehen“ (ZEIT ONLINE, 16. Januar 2018, AFP, dpa, ces). Die Auseinandersetzung mit der Geschichte der Eltern- und Großelterngeneration sei wichtig und notwendig, doch solch ein Austauschprogramm sei „nicht mehr zeitgemäß“ (ZEIT ONLINE, 16. Januar 2018, AFP, dpa, ces).5 Im Zuge des Erstarkens der Ost-Identität und der Ostalgie gewannen ebenfalls verschiedene Produkte und gesellschaftliche Konzepte der ehemaligen DDR wieder an Bedeutung, mit denen die ehemaligen ostdeutschen Bürger*innen ihre Identität verbinden (z. B. Kinderbetreuung, Frauen in der Arbeit, Schokolade etc.), u. a. auch das ehemalige ostdeutsche Verkehrszeichen das Ampelmännchen, das einen besonderen Status im Ost-West-Diskurs einnimmt, da dieses Zeichen mittlerweile als Kultfigur fungiert. Das Verkehrszeichen wurde von KARL PEGLAU entwickelt und mittlerweile hat sich aus dem Verkehrszeichen eine Kultfigur entwickelt (vgl. HECKHAUSEN / KÜHN / PEGLAU 2015), die sich als geschützte Marke etabliert hat (AMPELMANN GmbH) und als Zeichen aufgedruckt auf unterschiedlichen Produkten (z. B. Beutel, Tasche, Tasse etc.) käuflich erworben werden kann (vgl. ). Das ostdeutsche Ampelmännchen-Zeichen hat somit nicht nur einen indexikalischen Charakter, sondern auch einen symbolischen, der auf diese Weise auf die ehemalige DDR verweist und mit dem ehemaligen Osten in Verbindung gesetzt werden kann. Dies zeigt sich auch bei jüngeren Personen, die überwiegend angaben, mit diesem Zeichen den ehemaligen Osten zu verbinden (vgl. Kap. 3.3). Somit steht das Ampelmännchen als Symbol stellvertretend für den ehemaligen Osten, die ehemalige DDR. Die kommerzielle Vermarktung des Ampelmännchens hat auf diese Weise auch zum Erfolg dieses Zeichens geführt und lässt sich mittlerweile nicht nur in ostdeutschen Städten im tatsächlichen Gebrauch finden.6 Deutlich gemacht werden sollte an dieser Stelle, dass zum einen die asymmetrische Ausgangslage der Vereinigung der ehemaligen deutschen Staaten einen OstWest-Diskurs herbeigeführt hat und dass zum anderen das ehemalige ostdeutsche

5 6

Das Alter der entsprechenden Schüler*innen bleibt jedoch in beiden Zeitungsartikeln unbekannt. Wie jedoch das Ost-Ampelmännchen genau wahrgenommen wird, hängt zudem auch von der Sozialisation der Proband*innen, der intergenerationellen Vermittlung der geschichtlichen Verhältnisse, der Übermittlung durch die Medien etc. ab und kann an dieser Stelle nicht weiter erörtert werden.

1 „Niemand hat die Absicht eine Mauer zu errichten“

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Verkehrszeichen auf den ehemaligen Osten verweist und so das Konzept Ostdeutsch anstoßen kann, was wiederum indirekt mit dem Konzept Mauer in den Köpfen in Verbindung steht (vgl. Kap. 2.3). Somit fließen hier auch die unterschiedlichen Sozialisationen, Vorurteile und Stereotype mit ein, die Auswirkungen auf die entsprechende Füllung des Konzepts haben.

2 FORSCHUNGSÜBERBLICK UND THEORETISCHER RAHMEN Konzepte im Allgemeinen und das Konzept Mauer in den Köpfen im Speziellen sind kognitive Konstrukte, die mit weiteren Konzepten verbunden sein können. Sprache spielt dabei eine ebenso wichtige Rolle wie andere Komponenten. Dabei können Sprechweisen und bestimmte sprachliche Merkmale Sprachraumkonzepte bei den Hörer*innen auslösen und Einstellungen und Handlungen hervorrufen. Eine Forschungsrichtung innerhalb der Sprachwissenschaft, die sich mit solchen kognitiven Sprachraumkonzepten und mit deren Strukturierung sowie Zusammensetzung auseinandersetzt, ist die Wahrnehmungsdialektologie, die besonders in den letzten Jahren rapide an Interesse gewann. Die vorliegende Arbeit kann aufgrund des kognitiven Schwerpunkts in diesen wissenschaftlichen Kontext eingeordnet werden. Aufgrund dessen soll im Folgenden auf diese Teildisziplin der Linguistik eingegangen sowie die für diese Arbeit relevanten Ergebnisse herausgestellt werden (vgl. Kap. 2.1). Das Novum der vorliegenden Arbeit liegt in der Nutzung der PrimingMethode in der Wahrnehmungsdialektologie. Diese Methode stammt aus der Kognitiven Psychologie und erleichtert den Zugang zu einem bestimmten Konzept, wenn der vorangegangene Reiz (Prime) in einer gewissen Weise zu diesem Konzept steht, z. B. in einer assoziativen oder semantischen Beziehung zum Konzept. Wenn diese Verknüpfung vorliegt, ist davon auszugehen, dass durch den Prime all die Konzepte aktiviert werden, die mit diesem bei den Proband*innen verknüpft sind. „Eine Aktivierung […] durch die Darbietung des Primes führt dabei zu einer automatischen Aktivierungsausbreitung auf alle damit assoziierten Knoten im Netzwerk, was zu einer Verkürzung der zu ihrer Verarbeitung notwendigen Zeit führt.“ (STAPF / SLAVOVA-REMPFER 2016)

Auf diese Weise wird unbewusst eine Assoziation aktiviert (vgl. Kap. 2.2.1). Dass so eine Beeinflussung oder gar Manipulation ebenfalls in der Sprachwissenschaft bzw. in der Wahrnehmungsdialektologie und somit der Sprachwahrnehmung möglich ist, konnten Studien aus dem angloamerikanischen Raum verdeutlichen (vgl. Kap. 2.2.2). Solche Arbeiten stellen für den deutschsprachigen Raum bisher ein Desideratum dar. Die vorliegende Untersuchung soll diese Lücke schließen.

2 Forschungsüberblick und theoretischer Rahmen

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2.1 WAHRNEHMUNGSDIALEKTOLOGIE Die Dialektologie des Deutschen blickt auf eine lange Tradition zurück.7 Dabei spielt in der traditionellen Dialektologie (vgl. u. a. ANDERS / HUNDT / LASCH 2010, LÖFFLER 2010b, MATHUSSEK 2014) besonders die Erforschung dialektaler Phänomene sowie deren areale Verbreitung und somit die Abgrenzung der Dialekte untereinander eine wichtige Rolle. Bedeutsam für die Dialektologie und damit für die Dialektgeographie sind die Arbeiten WENKERS im 19. Jahrhundert, die durch die Aufbereitung und Weiterbearbeitung des Marburger Forschungszentrums mittlerweile als digitale Version Digitaler Wenker-Atlas (DiWA) zur Verfügung stehen.8 Die Erforschung objektsprachlicher Daten der Sprecher machte dabei den Kern der Arbeiten aus. Der sogenannte NORM9, der überwiegend im Forschungsinteresse der Wissenschaftler*innen stand, wurde zunehmend durch weitere Proband*innenGruppen ersetzt bzw. erweitert. Der idealtypische Sprecher erfuhr besonders durch die Veränderung der Mobilität seine Ablösung. Im Zuge der pragmatischen Wende in den 1980er Jahren wurde Sprache mehr und mehr als soziales Handeln aufgefasst und durch Arbeiten aus dem angloamerikanischen Raum zur Sprachbarrieren-Diskussion maßgeblich beeinflusst (vgl. u. a. LÖFFLER 2010a, 154, MACHA / NIEBAUM 2014, 182). Dabei etablierte sich innerhalb der Dialektologie die Erforschung subjektiver Daten zu regionalen Varietäten, also die Wahrnehmung sprachlicher Varietäten durch linguistische Laien.10 Diese Umorientierung wurde besonders durch die Untersuchungen und Ergebnisse von LABOV ausgelöst. Es wurde nachgewiesen, dass Sprache bzw. bestimmte Varietäten Einstellungen und Stereotype auslösen und somit bestimmtes Handeln von Personen beeinflussen. Dabei lag der Fokus der ersten Arbeiten auf der sozialen Komponente und analysiert, inwieweit sich soziale Faktoren auf das Sprechen auswirken (vgl. u. a. LÖFFLER 2010a). Die Frage nach den Einstellungen der Proband*innen zu bestimmten Varietäten und zu den jeweiligen Sprecher*innen gewinnt zunehmend an Bedeutung (vgl. u. a. BAUSINGER

7

Einen Überblick über die unterschiedlichen Stationen der deutschen Dialektologie sowie ihrer weiteren Entwicklung bietet das Einführungswerk von LÖFFLER 2003 sowie MACHA / NIEBAUM 2014. Weiterführende und ausführliche Darstellungen von Untersuchungen zu dieser Thematik und ihrer Errungenschaften vgl. u. a. BESCH / KNOOP / PUTSCHKE / WIEGAND 1982, 1983, EGGERS / SCHMIDT / STELLMACHER 2005, ERNST / PATOCKA 2008, MATTHEIER / WIESINGER 1994, PUTSCHKE / VEITH / WIESINGER 1989. Eine Übersicht zu den neueren Entwicklungen und Projekten zur regionalen Variation im deutschsprachigen Raum vgl. u. a. KEHREIN / LAMELI / RABANUS 2015. 8 Seit 2009 sind die Daten des DiWAs und die Daten aus dem Projekt regionalsprache.de (REDE) in einem Online-Portal zusammengeführt worden und bieten neben den Wenker-Daten auch Material aus anderen Projekten sowie die Möglichkeiten, sich Sprachdaten anzuhören, selbst Karten zu erstellen und Analysen durchzuführen (vgl. DiWA [Zugriff: 22.02.2016]). 9 Das Akronym NORM bedeutet non-mobile older rural male (vgl. CHAMBERS / TRUDGILL 1980, 33). 10 Zur Problematik der Begrifflichkeiten Laie vs. Experten vgl. HOFFMEISTER i. V.

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1986, HUNDT 1992, 1996, LÖFFLER 2010a, MACHA / NIEBAUM 2014, STICKEL / VOLZ 1999). Die Sprecher*innen rücken somit weiter in den Fokus und offenbaren ihren Einfluss auf Sprachwandelerscheinungen: „Die subjektiven Meinungen, Einstellungen und Bewertungen der Sprachbenutzer […] müssen als prägende Instanzen für das Sprachleben einer Gemeinschaft gewertet werden. Sie steuern in starkem Maße die situative Auswahl zwischen verschiedenen koexistent verfügbaren Sprachvarietäten und Sprachvarianten und wirken sich damit auf die Art der Sprachgebrauchsstrukturen einer Gesellschaft aus. Zugleich bestimmen sie wesentlich die Richtung, in die der Sprachwandel läuft. (MACHA / WEGER 1983, 265)

Die Vermeidung oder Übernahme sprachlicher Merkmale sind somit keine immer bewusst getroffenen Entscheidungen, sondern laufen teilweise unbewusst ab und hängen ebenfalls mit dem Wissen über bestimmte Sprechweisen und Stereotype sowie den Reaktionen anderer auf solche zusammen (vgl. u. a. BARDEN / GROßKOPF 1998, SCHMIDT / HERRGEN 2010). Besonders die Arbeiten aus dem angloamerikanischen Bereich, darunter vor allem die Arbeiten von PRESTON (vgl. u. a. PRESTON 1999, NIEDZIELSKI / PRESTON 2003), gelten als Vorbild für die hiesigen Projekte und legen für den deutschsprachigen Raum den Grundstein für eine neue Ausrichtung innerhalb der Dialektologie: perceptual dialectology – Wahrnehmungsdialektologie.11 „In diesem Kontext hat sich in den letzten Jahren ein Forschungszweig innerhalb der Variationslinguistik entwickelt, der im deutschsprachigen Raum häufig als Wahrnehmungs- oder Ethnodialektologie bezeichnet wird. Das primäre Ziel […] besteht darin, das subjektive Wissen der Sprachbenutzer aufzudecken und auf diese Weise Rückschlüsse auf die Kategorien der alltäglichen Sprachwahrnehmung, -klassifikation und -bewertung zu ziehen. In ‚objektiven‘ dialektologischen Studien wurde u. a. deutlich, dass die subjektiven Vorstellungen und Bewertungen der Sprachbenutzer Erklärungshinweise für Dialektwandel liefern können“ (STOECKLE 2014, 4).

Besonders ANDERS (2010a) prägt die Bezeichnung Wahrnehmungsdialektologie12 und plädiert für eine Unterscheidung zwischen Dialektsoziologie und Wahrnehmungsdialektologie. Ausgehend davon, dass „Mattheier […] Dialektsoziologie als gesellschaftliche Verankerung einer dominant regional eingeschränkten Varietät‘“ definiert (ANDERS 2010a, 17), beschreibt ANDERS die Wahrnehmungsdialektologie „analog dazu als kognitive Verankerung, als kognitive Konzeption einer regionalen 11 Eine zusammenfassende Darstellung der Arbeiten zur Wahrnehmungsdialektologie im Deutschen bietet der Tagungsband Perceptual Dialectology – Neue Wege der Dialektologie. Neben der geschichtlichen Aufarbeitung der Forschungsrichtung werden hier die ersten Schritte der perceptual dialectology sowie deren Methoden aus dem angloamerikanischen Raum aufgezeigt und diskutiert (vgl. ANDERS / HUNDT / LASCH 2010), zum Forschungsstand der perceptual dialectology sowie der Wahrnehmungsdialektologie vgl. u. a. ANDERS 2007, 2008, 2010a, HUNDT 2005, 2010a, 2010b, LÖFFLER 2010b, PRESTON 1999, 2010, PRESTON / LONG 2002, PURSCHKE 2011, STOECKLE 2014. 12 Die Bezeichnung dieser Forschungsrichtung ist nicht unumstritten. Ebenfalls tauchen Bezeichnungen wie Ethnodialektologie (STOECKLE 2014), Perzeptionslinguistik (KLEENE 2015, PURSCHKE 2011) etc. auf. Gleichwohl befassen sich all diese Arbeiten mit kognitiven Strukturen.

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Varietät“ (ANDERS 2010a, 17). Sie etabliert somit die Wahrnehmungsdialektologie als eigenständigen Wissenschaftsbereich der Dialektologie neben der Dialektographie, der Dialektgeographie und der Dialektsoziologie (vgl. ANDERS 2010a, 17).13

Abb. 1: Gegenstandsbestimmung einer deutschsprachigen WD (ANDERS 2010a, 18).

Aufgrund dieser Einteilung ist es möglich, den Dialekt, je nach Interessenlage, spezifisch hinsichtlich der einzelnen Phänomene zu untersuchen. Nach der Definition von ANDERS ist die „Wahrnehmungsdialektologie […] als kognitive Verankerung einer regionalen Varietät beschreibbar“ (ANDERS 2010a, 53−54). Im Gegensatz zur Dialektsoziologie, die eine soziale Perspektive auf die Dialekte hat, befasst sich die Wahrnehmungsdialektologie mit Fragen, „in denen die subjektiven Strukturen des Alltagswissens und der Alltagskategorisierung im Mittelpunkt der Betrachtung stehen.“ (ANDERS 2010a, 17) ANDERS weist des Weiteren auf die ausschließlich theorie- und systembezogene Abgrenzung hin: 13 Dass die Wahrnehmungsdialektologie mittlerweile ein anerkannter Forschungsbereich im deutschsprachigen Raum ist, zeigen zum einen die eigene Sektion innerhalb des Vereins Internationale Gesellschaft für Dialektologie des Deutschen e.V. (vgl. IGDD e.V. [Zugriff: 15.07.2018]) und zum anderen die zahlreichen Publikationen und Projekte, die in den letzten Jahren entstanden sind und sich ganz oder teilweise mit der Wahrnehmungsdialektologie auseinandersetzen (vgl. u. a. ANDERS 2010a, ANDERS / HUNDT / LASCH 2010, CHRISTEN / BUCHELI / GUNTERN / SCHIESSER 2015, ELMENTALER / GESSINGER / LANWER / ROSENBERG / SCHRÖDER / WIRRER 2015, ELMENTALER / HUNDT / SCHMIDT 2015, GESSINGER / BUTTERWORTH 2015, HETTLER 2014, HUNDT / PALLIWODA / SCHRÖDER 2015a, 2015b, KEHREIN 2012b, KLEENE 2015 LAMELI 2012, LAMELI / KEHREIN / RABANUS 2015, PURSCHKE 2011, SCHAUFUß 2015, STOECKLE 2010, 2014).

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2 Forschungsüberblick und theoretischer Rahmen „Es liegt auf der Hand, dass sowohl dialektsoziologische Aspekte in wahrnehmungsdialektologischen Untersuchungen berücksichtigt werden müssen und umgekehrt. Entscheidend sind die unterschiedlichen theoretischen Grundannahmen beider Ausrichtungen: kognitive Spracheinstellungsdaten werden mit potenziellen Handlungsintentionen in ein interdependentes Verhältnis gebracht, wohingegen bei subjektiven Strukturen des Alltagswissens primär die Beschaffenheit und erst sekundär die Funktionen und Auswirkungen dieser Strukturen Gegenstand der Untersuchung sind.“ (ANDERS 2010a, 18)

Dabei sind besonders außersprachliche Faktoren von Interesse, die die Einstellungen, Stereotype und Prestigeansichten von linguistischen Laien zur Sprache und zu Varietäten beeinflussen und steuern. Somit werden in „der Wahrnehmungsdialektologie sowohl die individuellen als auch die sozialen sprachbezogenen Wissensbestände in Form von individuellem Laienwissen und kollektivem sozialen Wissen als laienlinguistisches Alltagswissen untersucht“ (ANDERS 2010a, 114).

Diese Wissensbestände der Proband*innen innerhalb der Erhebungssituation sind jedoch nur als Ausschnitt des Alltagswissens der Befragten zu sehen. Das Alltagswissen linguistischer Laien kann betrachtet werden „als Schnittpunkt sozialen und individuellen Wissens, der als die organisierte interne Struktur von Alltagserfahrungen der Individuen wie der sozialen Gruppe verstanden wird und in diesem Kontext einen konstruierten Teil der sozialen Konstruktion von Wirklichkeit darstellt.“ (ANDERS 2010a, 115)

Zur Aufdeckung solcher kognitiven Strukturen entwickelt ANDERS ein theoretisches Modell, das zum einen die kognitive und zum anderen die soziale Dimension, die eine wesentliche Rolle bei der Repräsentation von Sprachraumkonzepten spielen, integriert (vgl. ANDERS 2010a, 110−116). ANDERS konstatiert, „dass die Rekonstruktion laienlinguistischer Repräsentationen regionaler Varietäten über die Verknüpfung der drei Hauptkomponenten erfolgt, die verkürzt als ‚Wer nimmt Wie Was wahr‘ gekennzeichnet werden können. Das […] entwickelte Modell wird dabei als Beschreibungsformat gesehen, das nicht losgelöst von dem Gefüge ‚Objekt der Wahrnehmung‘ und ‚Alltagswissen‘, sondern nur über die symbolische Realität und deren Repräsentationen beobachtbar ist. (ANDERS 2010b, 76)

Die durch PRESTON entwickelten Techniken zur Erhebung des laienlinguistischen Wissens bzw. der Repräsentation über Dialekte und Varietäten fanden ebenfalls ihren Weg in Studien zum deutschsprachigen Raum. Dabei gelten die Methoden – angepasst an den Untersuchungsraum – mittlerweile als anerkannt und zielführend. Zur umfassenden Erforschung schlägt PRESTON einen aus insgesamt fünf Teilen bestehenden Methoden-Mix vor, wobei bisher nur wenige Arbeiten in einem Pro-

2 Forschungsüberblick und theoretischer Rahmen

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jekt alle Methoden angewandt, sondern nur gewisse Aspekte herausgegriffen haben.14 Diese Methoden sind die folgenden (vgl. u. a. NIEDZIELSKI / PRESTON 2003, 45−96, PRESTON 1999, xxxiv): 1. Draw-a-map: Die Methode, das Konzept der mentalen bzw. kognitiven Karte, stammt ursprünglich aus der kognitiven Psychologie sowie der Kulturgeographie (vgl. u. a. ANDERS 2008, 2010a, DIERCKS 1988, STOECKLE 2014, PALLIWODA 2009, SCHRÖDER 2015):15 „Das zentrale Konzept der Mental Map oder kognitiven Karte wurde zunächst aus der Sozialpsychologie und der Sozialgeographie adaptiert und entsprechend den sprachbezogenen Fragestellungen angepasst. Eine der wichtigsten Feststellungen ist, dass kognitive Karten prinzipiell zweckgebunden sind und verzerrte Abbilder der ‚realen‘ Welt darstellen. […] [Dabei, N. P.] spielen […] stereotype Vorstellungen wie z. B. Ländlichkeit oder geringes soziales Prestige eine wichtige Rolle, denen die Raumvorstellungen angepasst werden.“ (STOECKLE 2014, 87; Hervorhebungen im Original)

2. Degree of difference: Hierbei sollen die Proband*innen einschätzen, wie ähnlich der eigene Dialekt zu Nachbardialekten bzw. Sprechweisen ist. Die Fragestellung bezieht sich damit auf die horizontale Ebene. 3. Correct and pleasant: Eine weitere Fragestellung ist die Einschätzung der Korrektheit einer Sprechweise zu einer Standard-Variante (Bsp. Nachrichtensprecher*in), somit der Bezug zur vertikalen Ebene, sowie die Frage nach dem Gefallen von Sprechproben bzw. -weisen, die auch innerhalb der Attitüden-Untersuchungen/Einstellungsforschung häufig genutzt wird und auf die Bewertung der Sprecher*innen/Sprechproben zielt. 4. Dialect identification: Die Proband*innen hören bei dieser Methode Sprechproben und sollen versuchen, einzuschätzen, wo die Sprecher*innen nach ihrer Meinung herkommen könnten.

14 Projekte, die diese Komponenten umsetzten, sind zum einen das DFG-Projekt Der deutsche Sprachraum aus der Sicht linguistischer Laien (vgl. u. a. HUNDT / PALLIWODA / SCHRÖDER 2017, HUNDT / PALLIWODA / SCHRÖDER 2015a) und zum anderen das DFG-Projekt Sprachvariation in Norddeutschland (SiN) (vgl. u. a. ELMENTALER / ROSENBERG 2015, ELMENTALER / GESSINGER / LANWER / ROSENBERG / SCHRÖDER / WIRRER 2015). 15 Diese Methode wird in vielen Untersuchungen angewandt (vgl. u. a. ANDERS 2008, 2010a, HUNDT / PALLIWODA / SCHRÖDER 2015a, 2015b, KLEENE 2015, Palliwoda 2009, 2011, 2012) und kritisch hinterfragt (LAMELI / PURSCHKE / KEHREIN 2008).

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2 Forschungsüberblick und theoretischer Rahmen

5. Qualitative Data: Zusätzlich zu den vorher erhobenen Daten wird ein qualitatives Interview mit den Proband*innen empfohlen, in dem es um die Sprachbiographie geht, um sprachliche Varietäten und andere Themen, die in Verbindung mit dieser Thematik stehen. Solche Interviews finden sich nicht nur in der Wahrnehmungsdialektologie, sondern auch im Zusammenhang mit anderen Forschungsinteressen (vgl. u. a. KLEINER 2015). Auch in der vorliegenden Untersuchung finden einige dieser Methoden ihre Anwendung: Dies betrifft die draw-a-map-Methode, wobei die Proband*innen auf einer Karte angeben sollen, wo die Sprecher*innen der gehörten Sprechprobe herkommen könnten. Damit wird die mental-map-Methode mit der Dialect identification-Methode verbunden. Zusätzlich werden die Gewährspersonen befragt, wie ihnen die präsentierten Sprachbeispiele gefallen haben.16 Im Zusammenhang mit der Erfragung bekannter Dialekte oder Sprechweisen sowie der Zuordnung von Sprechproben zu bestimmten Regionen ist in den letzten Jahren eine Debatte aufgekommen, die sich mit der Frage nach der Auffälligkeit sprachlicher Merkmale auseinandersetzt. Erste Ansätze, die sich mit diesen Phänomenen befassen, finden sich bei SCHIRMUNSKI (1928), der diese Auffälligkeiten in zwei Klassen teilte: primäre und sekundäre. Die Unterscheidung ist jedoch unscharf und impliziert keine Wertung (vgl. SCHIRMUNSKI 1928, 166). „Primär nennen wir diejenigen Erscheinungen, die in der Mda. [Mundart, N. P.] im Vergleich zur Schriftsprache (oder zu anderen Mdaa.) als Abweichungen besonders auffallen […]. Sekundär nennen wir kleinere Unterschiede von der Schriftsprache (oder von anderen Mdaa.), weniger auffallende Merkmale“ (SCHIRMUNSKI 1928, 166).

Die Auffälligkeit steht in diesen Arbeiten im Zusammenhang mit der Abbautendenz von sprachlichen Merkmalen und stellt eine Abweichung von etwas dar. So führt SCHIRMUNSKI weiter aus, dass „die primären Merkmale am leichtesten der Verdrängung ausgesetzt [sind, N. P.], die sekundären dagegen bleiben am längsten erhalten“ (SCHIRMUNSKI 1928, 166). Diese Annahme wird u. a. von JAKOB und LENZ aufgegriffen und durch eine tertiäre (vgl. JAKOB 1985) bzw. bis zu einer quintären Klasse (vgl. LENZ 2003) erweitert. Dabei geht SCHIRMUNSKI (1928) in seiner Arbeit noch von einer klaren Verbindung zwischen der Auffälligkeit von sprachlichen Merkmalen und deren Abbautendenzen aus. Besonders in den Ausführungen von LENZ wird deutlich, „dass eine Gleichsetzung von Abbau und Auffälligkeit einer Variante nicht per se gerechtfertigt ist.“ (LENZ 2003, 407) Die subjektive Komponente bezogen auf die Bewertung sprachlicher Merkmale wird in diesen Diskurs durch TRUDGILL mittels des Begriffs „salience“ (TRUDGILL 1986, 11) erweitert. Dabei spielen weiterhin Sprachkontakt und Sprachanpassung bzw. -modifikation eine entscheidende Rolle: „[I]n contact with speakers of other language varieties, speakers modify those features of their own varieties of which they are most aware“ (TRUDGILL 1986, 11). TRUDGILL führt hier-

16 Zur ausführlichen Darstellung der genutzten Methode vgl. Kap. 3.

2 Forschungsüberblick und theoretischer Rahmen

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bei „stigmatization, linguistic change, phonetic distance, and phonological contrast“ (TRUDGILL 1986, 11) als Merkmale der Salienz an. Damit geht die sprachliche Auffälligkeit von Merkmalen mit der Bewertung dieser einher, und auf diese Wiese wird es möglich, Sprachwandel zu erklären (vgl. ANDERS / PALLIWODA / SCHRÖDER 2014, 52–53; LENZ 2010, 89–95). Dass solche hörerseitigen Beurteilungen als unabhängige Größen funktionieren, können HERRGEN / SCHMIDT mit ihrem Hörtest nachweisen, bei dem sie Proband*innen Sätze vorgespielt haben, die diese auf einer siebenstufigen Skala von Standard (0) bis Dialekt (6) einschätzen sollten, als wie dialektal sie die Sätze empfinden (vgl. HERRGEN / SCHMIDT 1985). Die Autoren prägen in diesem Zusammenhang die „Hörerurteil-Dialektalität“ (HERRGEN / SCHMIDT 1985, 21). Als wesentliche Ergebnisse können HERRGEN / SCHMIDT herausstellen, dass die „Beurteilung arealsprachlicher Merkmale als dialektal unabhängig von der Systemrelevanz [ist, N. P.]. Interferenzen von Systemrang (Systemrang (Neutralisierungen standardsprachlicher Distinkt) werden von den Hörern sowohl als nicht-dialektal […] als auch als stark dialektal […] beurteilt.“ (HERRGEN / SCHMIDT 1985, 34)

Des Weiteren können „[d]ie unterschiedlichen Dialektbeurteilungen […] nicht mit der arealen Verbreitung der Phänomene erklärt werden.“ (HERRGEN / SCHMIDT 1985, 35) Daraus wird deutlich, dass Dialektalitätsbeurteilungen „weder aus dem Systemkontrast noch aus der Phonetik der Merkmale noch aus der arealen Verbreitung der Merkmale erklärt werden“ können (HERRGEN / SCHMIDT 1985, 35). Das Hörerurteil ist somit eine unabhängige Größe und kann auch durch „[s]ubphonemische Abweichungen“ (HERRGEN / SCHMIDT 1985, 35) ausgelöst werden, da diese für den Hörer als auffälliger gelten können als phonemische. Bei den Proband*innen wird durch das Hören einer bestimmten Sprechprobe also kognitiv ein Prozess in Gang gesetzt, der sich in einer Reaktion äußert. LENZ versteht unter Salienz ebenfalls „die kognitive Auffälligkeit eines sprachlichen Merkmals“ (LENZ 2010, 94), insofern, dass saliente Merkmale „dem Sprachbewusstsein leichter und schneller zugänglich […] als nicht-saliente Varianten“ sind (LENZ 2010, 94) Salienz wird somit nicht mehr mit Sprachabbau gleichgesetzt, sondern zunächst als kognitive Auffälligkeit aufgenommen (vgl. LENZ 2010, 108). Davon ausgehend, dass Salienz die kognitive Auffälligkeit betrifft und auch eine evaluative Komponente beinhalten sowie Abgleichprozesse (vgl. SCHMIDT / HERRGEN 2011) beeinflussen kann, entwickelt PURSCHKE (2011) eine Theorie des Hörerurteils, die auf den Basiskategorien Salienz und Pertinenz aufbaut. PURSCHKE kommt zu dem Schluss, dass die „Salienz regionalsprachlicher Merkmale […] als Eigenschaft von Varianten anzusehen [ist, N. P.], die sich allein aus den individuellen Bewertungsstrukturen der Sprecher/Hörer ableiten lässt. Da diese individuellen Bewertungen nicht nur die Auffälligkeit bestimmter Variablen reflektieren, sondern unter Umständen auch Ausdruck einer situativen Evaluation oder kognitiven Kompetenzgrenze sein können, darf die Auffälligkeit arealer Varianten auch nicht mit ihrem Dynamikpotential gleichgesetzt werden.“ (PURSCHKE 2011, 34)

Dabei wird unter der Basiskategorie Salienz die „kontextuelle Auffälligkeit sprachlicher Phänomene“ (PURSCHKE 2011, 47) verstanden. Die Kategorie Pertinenz be-

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zieht sich dagegen auf die „subjektive Relevanz, die diesen Phänomenen individuell als Ergebnis kognitiver Bewertungsprozesse zugestanden wird“ (PURSCHKE 2011, 47): „Ob ein kommunikatives Ereignis individuell zu einer Reevaluation von Kompetenz und Handeln führt, hängt zunächst davon ab, ob dieses Ereignis für den Hörer saliente Phänomene beinhaltet. Darüber hinaus jedoch ist es notwendig, dass der Hörer diese Phänomene subjektiv als relevant definiert. Relevant heißt in diesem Zusammenhang nicht mehr, als dass der Hörer für ihn auffälligen Merkmalen eine Bedeutung beimisst.“( PURSCHKE 2011, 85)17

PURSCHKE gliedert das Hörerurteil in sechs Teilprozesse, die eine „binäre Struktur“ (2011, 86) aufweisen: 1. „Kategorisierung der perzeptiven Distinktheit (auffällig/unauffällig), 2. Kategorisierung der interaktionellen Akzeptabilität (verständlich/unverständlich, vertraut/fremd), 3. Kategorisierung der situativen Signifikanz (signifikant/nicht signifikant), 4. Beurteilung der Pertinenz (relevant/irrelevant), 5. Stabilisierung/Modifikation der individuellen Kompetenz, 6. Handlungskontinuität/-änderung.“ (PURSCHKE 2011, 86) Die Bewusstwerdung von bestimmten sprachlichen Merkmalen führt demnach erst zu einer evaluativen Zuschreibung, wobei diese kontextbezogen ist. Ein sprachliches Merkmal ist auffällig/salient und erst durch die Situation (Erfahrung, Wissen, Erwartungen etc.) wird dem Merkmal eine Relevanz/Pertinenz zugesprochen, die ein gewisses Handeln nach sich zieht. Sprachliche Merkmale sind demnach nicht per se salient, sondern unterschiedliche Faktoren können dazu beitragen, dass ein Merkmal wahrgenommen wird oder nicht. „Auffällig ist ein sprachliches Variationsphänomen nicht aus sich heraus, sondern nur dann, wenn es – in einem spezifischen Kontext – für jemanden auffällig ist. Zentrales Moment der Salienz ist also eine Differenzwahrnehmung, die in der Regel durch den Gebrauch einer Variante ausgelöst wird. Dabei ist es nicht zwangsläufig erforderlich, dass der Hörer das wahrgenommene Merkmal auch als Merkmal mit einer spezifischen sozio-symbolischen Qualität deutet; […] es reicht, dass es von seinem situativ konstruierten Normhorizont, also seiner konkreten Erwartung in Bezug auf die sprachliche Gestalt einer Äußerung und ihren situativen Rahmen, abweicht.“ (PURSCHKE 2014, 36)

17 „Reevaluation meint dabei die Stabilisierung oder Modifikation der eigenen Kompetenz im Hinblick auf interaktionell auffällige Regionalismen und, daraus folgend, eine Einstellungsund/oder Handlungskontinuität/-änderung.“ (PURSCHKE 2011, 85)

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Somit kann jedes Merkmal/jeder Stimulus „Salienzpotenzial“ (vgl. PURSCHKE 2014, 33) besitzen und in einem zweiten Schritt „als perzeptiv distinkt, also kontextuell auffällig für den Hörer“ (PURSCHKE 2014, 37) eingestuft werden. PURSCHKE bezeichnet diese „hörerseitige Beurteilung der Auffälligkeit sprachlicher Phänomene als Salienzperzeption“ (PURSCHKE 2014, 37). Diese beiden Konstituenten bilden somit nach PURSCHKE die Salienz sprachlicher Phänomene.18 Dabei sind bestimmte Merkmale überregional auffällig, andere wiederum nur regional (vgl. u. a. KIESEWALTER 2014). Gleichfalls sind bestimmte sprachliche Merkmale in bestimmten Kontexten relevant, in anderen aber nicht (vgl. ElMENTALER / GESSINGER / WIRRER 2010). Im Zuge des DFG-Projekts Sprachvariation in Norddeutschland wird zudem deutlich, dass sich Salienz erst interaktional herstellen kann. Dabei wird „Salienz als dynamisch erzeugtes Konstrukt einer auf sprachliche Erscheinungsformen gerichteten kognitiven Aktivität“ (GESSINGER / BUTTERWORTH 2015, 293) verstanden. Salienz ist damit „nicht einfach vorhanden, sondern wird situativ, kontextabhängig und interaktiv hergestellt“ (GESSINGER / BUTTERWORTH 2015, 293). Dieser Auffassung entspricht das Relevanzprinzip der durch PURSCHKE beschriebenen Theorie des Hörerurteils, nach der bestimmte Handlungen/Einstellungen erst ausgelöst werden, wenn die entsprechenden sprachlichen Merkmale innerhalb einer Situation/Interaktion als relevant (pertinent) erachtet werden: „Abschließend kann also Relevanz definiert werden als zentrales Konstituens von Pertinenzurteilen, das Aussagen über die interaktionale Akzeptabilität und situative Signifikanz perzeptiv auffälliger Stimuli transportiert und dabei interaktional eine Fortschreibung von individuellen Handlungsmotiven und kognitiv eine Wissensveränderung abbildet. Im Umkehrschluss kann Pertinenz […] in handlungstheoretischer Hinsicht als das Gesamt situativer subjektiver Relevanzstrukturen bestimmt werden.“ (PURSCHKE 2014, 42)

Zusammenfassend kann konstatiert werden, dass die Wahrnehmungsdialektologie sich mit der kognitiven Verankerung sprachlicher Erscheinungsformen befasst. Dabei ist von besonderem Interesse, wie der linguistische Laie den Sprach- bzw. Varietätenraum strukturiert, wie dieser konzeptualisiert wird, welche Faktoren die Konzeptualisierung beeinflussen und welche Merkmale wann, warum als salient und pertinent erachtet werden. 19

18 PURSCHKE entwickelt in diesem Zusammenhang das Modell der sozio-pragmatischen Indexikalität, das „einerseits die wünschbare Differenzierung unterschiedlicher Aspekte von Salienzbeurteilungen [leistet, N. P.], […] aber gleichzeitig den kategorialen Unterschied zwischen der Auffälligkeit eines Stimulus und seiner sozio-situativen Bewertung bei [behält, N. P.] und […] damit im Gegensatz zu Auer (im selben Themenheft) die problematische Setzung von Salienz als Oberbegriff [vermeidet, N. P.]. Zudem setzt es einen Brückenterminus, mittels dessen nun empirisch untersucht werden kann, wie Salienzbeurteilungen und Pertinenzurteile in Hörerurteilen über die sozio-pragmatische Indexikalität sprachlicher Variationsphänomene zusammenwirken“ (vgl. PURSCHKE 2014, 45). 19 Für eine ausführliche Darstellung der Salienz-Forschung vgl. vor allem PURSCHKE 2011, 2014 sowie ANDERS / PALLIWODA / SCHRÖDER 2014, ELMENTALER / GESSINGER / WIRRER 2010, HETTLER 2014, KIESEWALTER 2014, LENZ 2010.

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2.1.1 Eine Auswahl an Untersuchungen aus dem deutschsprachigen Raum Im Folgenden werden zentrale Studien aus dem Bereich der deutschsprachigen Wahrnehmungsdialektologie exemplarisch vorgestellt und deren Ergebnisse präsentiert.20 Dabei liegt der Fokus auf den Ergebnissen hinsichtlich der sozialen Parameter Alter und Herkunft sowie dem Effekt der genutzten Methode (mental-mapMethode), die ebenfalls in der vorliegenden Untersuchung von Relevanz sind. Die Arbeiten sind hierbei nicht chronologisch, sondern wie folgt gegliedert: – – –

Konzeptualisierung und Wahrnehmung des gesamtdeutschen/deutschsprachigen Raums, kleinräumige Untersuchungen zur Konzeptualisierung und Wahrnehmung von Varietäten und Staatsgrenze als Sprachgrenze in der Wahrnehmung linguistischer Laien.

Durch die Beschreibung großräumig angelegter Untersuchungen bezogen auf die mental-map-Methode soll zum einen verdeutlicht werden, dass durch verschiedene Grundkarten unterschiedliche Sprachraumkonzepte und unterschiedliches Wissen aktiviert werden können. Zum anderen wird durch diese Studien herausgestellt, welche Sprachraumkonzepte als allgemein verbreitet und präsent angesehen werden können. Des Weiteren soll durch die Auswahl der großräumig angelegten Studien gezeigt werden, dass besonders die sozialen Variablen Alter und Herkunft einen Einfluss auf die Sprachraumverortung und -wahrnehmung haben. Der Fokus der kleinräumig angelegten Untersuchungen liegt auf der Wahrnehmung des eigenen Sprachraums und der Abgrenzung zu angrenzenden Sprachräumen somit auch auf dem Wissen über Varietäten des eigenen Nahbereichs sowie auf den Variablen Herkunft und Alter. Das letzte Unterkapitel befasst sich mit der Staatsgrenze als Sprachgrenze und analysiert, inwieweit diese von linguistischen Laien als solche wahrgenommen wird und das Sprachbewusstsein sowie die Verortung beeinflusst bzw. darauf Einfluss nimmt.

20 Die Zusammenstellung der unterschiedlichen Arbeiten aus dem dargestellten Bereich ist dabei nur als Auszug zu verstehen.

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2.1.1.1 Die Konzeptualisierungen und Wahrnehmung des gesamtdeutschen/deutschsprachigen Raums Im Umkreis des Marburger Forschungszentrums Deutscher Sprachatlas21 sind in den letzten Jahren einige Untersuchungen entstanden, die sich mit der Perzeption von Sprache sowie mit Sprachraumkonzepten auseinandersetzen. Eine für den deutschsprachigen Raum wesentliche Untersuchung ist die Studie von LAMELI / PURSCHKE / KEHREIN (2008), in der die Auswirkungen unterschiedlicher Grundkarten mit verschiedenen Stimuli auf die Sprachraumverortung bei 163 Marburger Schüler*innen (17−20 Jahre) getestet wurden.22 Auf verschiedene Grundkarten der Bundesrepublik Deutschland sollten die Proband*innen die ihnen bekannten Sprachräume des Deutschen sowie deren Bezeichnungen verorten. Insgesamt wurden sieben unterschiedliche Karten verwendet, wobei jede Gewährsperson nur eine erhielt. Bei allen sieben Grundkarten war eine Information gleich: die politischen Grenzen der Bundesrepublik. Alle anderen Informationen variierten bezüglich „der Qualität und Dichte der vorgegebenen geografischen Informationen“ (KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010, 354). Die Variation bezog sich dabei auf – – – –

„politische Räume: (Staatsgrenze der Bundesrepublik Deutschland/Bundesländer) Agglomerationspunkte: (15 Großstädte/102 Städte) topografische Informationen: (Flussnetz/Relief) Kombinationskarte aller Stimuli ohne Reliefinformationen“ (KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010, 354)

Unabhängig von der Grundkarte können die Autoren acht Sprachräume ausmachen, die interindividuell signifikant häufig genannt und auch mit einer großen Übereinstimmung verortet wurden. Es handelt sich dabei um die nachfolgenden Sprachräume, wobei sie nach der Nennungshäufigkeit absteigend sortiert sind: Bayerisch, Berlinerisch, Sächsisch, Schwäbisch, Hessisch, Hochdeutsch, Kölsch und Nord-

21 Das Forschungszentrum Deutscher Sprachatlas entstand aus den Arbeiten und Untersuchungen GEORG WENKERS und seinen Nachfolgern, aus denen das Projekt Digitaler Wenkeratlas (DiWA) hervorgegangen ist (vgl. [Zugriff: 15.07.2018]). Das Nachfolge- oder Anschlussprojekt regionalsprache.de (REDE), das neben anderen Projekten am Forschungszentrum angesiedelt ist (Syntax Hessischer Dialekte (SyHD), vgl. [Zugriff: 15.07.2018]), setzt sich zum einen mit den „modernen Regionalsprachen“, d. h. den sprachlichen Variationsräumen, die in der Gegenwart die gesprochene Alltagssprache der meisten Sprachteilhaber darstellen“ auseinander. „Zum Zweiten fehlt eine Informationsstruktur, die es erlaubt, die zahlreichen Forschungsmaterialien und -resultate der Vergangenheit unmittelbar aufeinander und auf die neu zu erhebenden modernen Regionalsprachen zu beziehen und analytisch zu integrieren. Ziel des Projekts ist daher die erstmalige systematische Erschließung der modernen Regionalsprachen des Deutschen.“ ( [Zugriff: 15.07.2018]) 22 Eine ausführliche Beschreibung des Settings sowie der Durchführung, der Aufbereitung und Ergebnisse können in LAMELI / PURSCHKE / KEHREIN 2008 nachgelesen werden.

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deutsch. Die Autoren schlussfolgern daraus, dass diese als wesentliche Repräsentanten des regionalsprachlichen Wissens der Schüler*innen angesehen werden können. Des Weiteren wird aus den Verortungen deutlich, dass sie das gesamte bundesdeutsche Gebiet abdecken und jedem Sprachraum ein Kartenausschnitt zugeteilt wird – außer Berlinerisch, das als Insel im sächsischen Sprachraum auftaucht. Nur im westlichen mittleren Deutschland entstehen freie Flecken. Weiterhin lässt sich die höchste Überschneidungsdichte bei der Verortung des Bayerischen feststellen. Der Sprachraum Hessisch wird von den Marburger Schüler*innen dabei nicht weiter differenziert und weist besonders mit dem Hochdeutschen Überschneidungen auf (vgl. KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010, 354−355). Ein weiteres Ergebnis zeigt sich in der Verwendung der verschiedenen Grundkarten. „Grundsätzlich gilt: Je größer und detaillierter die Menge der dargebotenen Information, umso konkreter und differenzierter fallen die Lokalisierungen der Informanten aus, und zwar vor allem im Grad der Detailliertheit der Grenzziehungen und der Fokussierung der Sprachräume.“ (KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010, 355)

Die Ergebnisse bezüglich der Kombinationskarte zeigen jedoch, dass zu viele Informationen die Aktivierung des Wissens auch behindern können, „indem die konsistente Orientierung an einem maßgeblichen Stimulus erschwert wird“ (KEHREI112N / LAMELI / PURSCHKE 2010, 356). Deutlich wird, „dass die verschiedenen Grundkarten [...] den Prozess der Aktivierung unterschiedlicher Aspekte eines komplexen Sprachraumkonzepts abbilden, von groben regionalen Verortungen [Staatsgrenze] über regionalsprachliche Prototypen [Bundesländer] und regionale Prototypen [Großstädte] bis hin zu fein differenzierten Konzeptualisierungen [Städte].“ (KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010, 357)

Weiterhin können die Autoren vier unterschiedliche Konzepttypen mittels der verschiedenen Grundkarten herausarbeiten, die „die verschiedene[n] Typen von raumbezogenen Sprachraumkonzeptualisierungen auf der großregionalen Ebene repräsentieren und anhand derer sich alle Arten von Eintragungen […] erklären lassen“ (KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010, 357). Konzepttyp 1 bezieht sich dabei auf den geographisch-politischen Raum, hier lassen sich Bezeichnungen wie Bayerisch oder Hessisch finden. Der zweite Konzepttyp bezieht sich auf einzelne Städte oder Städteverbunde, so z. B. Berlinerisch oder Kölsch. Eine Mischform stellt der dritte Typ dar. Bei diesem überlagern „sich mehrere, nur teilweise differenzierbare Sprachräume […]. Diese sind an eine spezifische, aber nicht eindeutig abgrenzbare Kartenregion gebunden, wobei sich sowohl konzeptuell (Norddeutsch = Küste) als auch geografisch (Rhein-Ruhr-Raum) motivierte Konzepte nachweisen lassen.“ (KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010, 357)

Der vierte und letzte Konzepttyp bezieht sich auf den Sonderfall Hochdeutsch. Dieser Sprachraum lässt sich schwer fassen, weil er sehr stark von der individuellen Auffassung abhängt. Es ist beobachtbar, dass sich dieser „hinsichtlich seiner Lage nur negativ bestimmen lässt“ (KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010, 357), d. h. Hochdeutsch ist das, was nicht Bayerisch ist (vgl. KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010, 357).

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Aus der Marburger Studie mit den Schüler*innen kann als letztes Ergebnis die Medienprägung festgehalten werden. Die Proband*innen sollten zusätzlich zu den genannten Sprachräumen angeben, welche Vertreter*innen sie mit den entsprechenden Räumen verbinden. Die Ergebnisse zeigen, „dass das regionalsprachliche Wissen der Informanten wesentlich von medial transportierten, standardnahen, regionalen Sprachprototypen beeinflusst wird“ (KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010, 357). Die Gewährspersonen beziehen sich auf Politiker*innen und Komiker*innen, aber auch Schauspieler*innen und Sportler*innen. Aufgrund dessen kann angenommen werden, „dass dieses alltagsweltliche, an stereotypen Sprachkonzepten orientierte Wissen auch die Grundlage für die Konzeptualisierungen der Schüler darstellt.“ (KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010, 358) Zusammenfassend lässt sich als wesentliches Ergebnis festhalten, dass bei der Konzeption von Untersuchungen zur Sprachwahrnehmung und zum Sprachwissen von Laien die jeweilige Grundkarte eine wesentliche Rolle spielt, da sie unterschiedliche Wissensbestände aktivieren kann. Ungeklärt bleibt in diesem Zusammenhang, was die Schüler*innen sich unter den Sprachräumen direkt vorgestellt hatten, denn konkrete akustische Stimuli kamen in dieser Studie nicht zum Einsatz. Außerdem stellt sich die Frage, ob sich solche Phänomene auch bei älteren Proband*innen nachweisen lassen. Die letzte Frage wurde in einer weiteren Studie aufgegriffen, bei der 20 Schüler*innen (zwischen 15 und 17 Jahren) eines Kasseler Gymnasiums sowie 12 Senior*innen (zwischen 61 und 75 Jahren) wie in der Vorgängerstudie gebeten wurden, die ihnen bekannten Sprachräume auf einer Karte zu verorten.23 In diesem Fall wurde jedoch nur eine Grundkarte mit den Staatsgrenzen genutzt. Sowohl bei den Schüler*innen als auch bei den Senior*innen lassen sich ähnliche Ergebnisse bzgl. der prominenten Sprachräume finden, wobei die älteren Proband*innen tendenziell mehr Sprachräume verorten und nennen als die jüngeren.24 Diese Ergebnisse sprechen dafür, „dass jüngere und ältere Informanten des nordhessischen Areals über einen grundsätzlich vergleichbaren spontanen Aktivbestand des regionalsprachlichen Wissens verfügen, der sich interindividuell über den Beleg identischer prominenter Vertreter der deutschen Sprachlandschaft äußert.“ (KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010, 359)

Bei einer weiteren auf den Großraum bezogenen Studie wurden insgesamt 271 Studierende aus dem gesamten Bundesgebiet befragt. Hierbei wurden 16 standardnahe Sprachproben25 genutzt, bei denen die Proband*innen auf einer Skala mit den Polen Dialekt und Hochdeutsch einschätzen sollten, als wie dialektal sie die gehörte Probe 23 Für eine ausführliche Betrachtung der sogenannten Kasselstudie und der Analyse vgl. LAMELI 2009. 24 Ein Unterschied lässt sich hinsichtlich der Rangfolge der Nennungen des Hessischen ausmachen. Alle 20 Schüler*innen nennen Hessisch an erster Stelle, bei den Senior*innen spielt dieser nur eine nebengeordnete Rolle, nur 8 von 12 Proband*innen nennen diesen Sprachraum. In der Verortung selbst gab es zwischen beiden Altersgruppen keine grundsätzlichen Unterschiede (vgl. KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010, 358). 25 Bei den Sprechproben handelt es sich um Vorleseaussprache. Die Personen sollten beim Lesen der Fabel „Nordwind und Sonne“ so standardnah wie möglich vorlesen (vgl. KEHREIN 2009, 2012a, KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010).

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empfunden haben. Zusätzlich konnten die Gewährspersonen auf einer Deutschlandkarte vermerken, wo so gesprochen wird, und dem Gehörten einen Namen geben (vgl. KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010, 368). Mittels dieser Untersuchung wurde gleichfalls der oben gestellten Frage nachgegangen, was sich die Gewährspersonen unter den entsprechenden Sprachraumkonzepten vorstellen. Die genutzte Grundkarte enthielt dabei „die Bundeslandgrenzen und zwei bis sechs größere, möglichst homogen verteilte Städte pro Bundesland.“ (KEHREIN 2009, 23) Wie auch bei der Befragung der Marburger Schüler*innen (vgl. LAMELI / PURSCHKE / KEHREIN 2008, 61) tauchten wieder folgende Sprachraumnennungen auf: Bayerisch, Sächsisch, Hessisch, Fränkisch, Schwäbisch, Norddeutsch, Ostdeutsch, Thüringisch, Oberbayerisch, Berlinerisch (absteigende Reihenfolge bezogen auf die Häufigkeit der Nennungen). Zusätzlich wurden durch die standardnahen Sprechproben ebenfalls die Sprachraumkonzepte Fränkisch, Thüringisch und Oberbayerisch aktiviert. Somit können diese Sprachräume als „allgemein bekannte, aktive Wissensbestandteile dieser Generation der Sprachteilhaber“ (KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010, 368), also der Schüler*innen und Studienanfänger*innen, angenommen werden. Dafür spricht, dass ähnliche Nennungen und Reihungen ebenfalls bei HUNDT (2010) und PALLIWODA (2009) zu finden sind. LAMELI / PURSCHKE / KEHREIN (2008, 61) 1. Bayerisch 2. Berlinerisch 3. Sächsisch 4. Schwäbisch 5. Hessisch 6. Hochdeutsch

PALLIWODA (2009, 72)

LAMELI (2009, 132)

HUNDT (2010, 201)

1. Bayerisch 2. Sächsisch 3. Schwäbisch 4. Berlinerisch 5. Plattdeutsch 6. Hessisch

1. 2. 3. 4. 5. 6.

1. 2. 3. 4. 5. 6.

7. Kölsch 8. Norddeutsch

7. Hochdeutsch 8. Fränkisch 9. Kölsch

7. Kölsch 8. Schwäbisch 9. Friesisch 10. Nordrheinwestfälisch

Hessisch Bayerisch Sächsisch Norddeutsch Berlinerisch Fränkisch

Bayerisch Sächsisch Schwäbisch Berlinerisch Plattdeutsch (Schweizerdeutsch) 7. Hessisch 8. Fränkisch 9. Norddeutsch 10. (Österreichisch) 11. Kölsch

Tab. 1: Prominente mental repräsentierte Sprachräume in Deutschland nach rezenten perzeptionslinguistischen Untersuchungen mit Schüler*innen oder Studienanfänger*innen (KEHREIN 2012b, 224).

Aus der Gegenüberstellung der unterschiedlichen Studien zeigt sich die Prominenz der unterschiedlichen Sprachräume.26 Die Autoren halten fest, 26 Angemerkt sei an dieser Stelle, dass Hessisch bei den Proband*innen aus dem hessischen Raum nachvollziehbarerweise auf dem ersten Platz auftaucht (vgl. LAMELI 2009). Gleichfalls zeigt

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„dass für die Sprachproben aus den Dialektverbänden Nord- und Mittelbairisch, Ostfränkisch, Obersächsisch, Thüringisch, Moselfränkisch, Rheinfränkisch und Schwäbisch sowie für den Nachrichtensprecher Eintragungen mit einer interindividuellen Übereinstimmung von mindestens 41% (meist sogar mindestens 51%) vorgenommen wurden. In der Vorleseaussprache dieser Sprecher sind demnach regionalsprachliche Merkmale vorhanden, die eine regionale Einordnung und Zuordnung zu einem Sprachraum erlauben – zunächst unabhängig von der ‚Korrektheit‘ der Verortung im Vergleich mit der Sprecherherkunft. Bei diesen regionalsprachlichen Merkmalen handelt es sich also – ganz oder teilweise – um Bestandteile der individuellen Konzeptualisierungen der betreffenden Sprachräume.“ (KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010, 369−370)

Des Weiteren werden besonders standardnahe Sprechproben nicht mit dem Bundesland Bayern in Verbindung gebracht. Diese sind überwiegend mit dem Etikett Norddeutsch markiert (nicht mit Hochdeutsch, vgl. KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010, 370). Gleiches lässt sich für die Sprechprobe des Nachrichtensprechers nachweisen. Hier können Überlagerungen mit bis zu 70% auf der Stadt Hannover gefunden werden. „Dies deckt sich mit einem verbreiteten Stereotyp, dass in Norddeutschland allgemein und in Hannover im Besonderen die standardnächste Aussprache zu finden sei.“ (KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010, 370) Weiterhin können innerhalb der Studie proximity-Effekte27 bei der Verortung nachgewiesen werden. So zeigt sich bei der Verortung der Sprechprobe aus dem Zentralhessischen eher eine uneinheitliche Zuordnung. „Eintragungen, die der tatsächlichen Herkunft des Sprechers am nächsten kommen, stammen überwiegend von den Marburger Beurteilern“ (KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010, 369). Beim rheinfränkischen Sprecher scheint es sich zudem um einen typischen Vertreter des Neuhessischen zu handeln, d. h. dieser Sprecher kann als Prototyp für das Hessische aus großregionaler Sicht angenommen bzw. als prototypischer Sprecher des „Hessisch[en] des Frankfurter Raums“ (KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010, 369) bezeichnet werden. Insgesamt finden sich bei der Analyse der Überlagerungen der eingezeichneten Sprachräume 51% bis 60% auf dem Ortspunkt Frankfurt/Main (vgl. KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010, 369).28 Vergleichbares zeigt sich bei den Sprechproben aus dem oberdeutschen Raum (Nord-/Mittelbairisch und Ostfränkisch): Gewährspersonen, die nicht aus diesem Raum stammen, verorten das Sprachbeispiel überwiegend um München bzw. in das gesamte Bundesland Bayern. Proband*innen aus den Regionen der Sprechproben hingegen besitzen ein höheres Diskriminationsvermögen. Sie können aus den standardnäheren Sprechproben regionalsprachliche Merkmale sich aber durch die anderen Erhebungen, dass das Sprachraumkonzept Hessisch im deutschen Bundesgebiet als sehr prominent angesehen werden kann. 27 Die Bezeichnung stammt aus britischen Untersuchungen und beschreibt einen Effekt, der sich aufgrund der Nähe der Gewährsperson zur benachbarten Region ergibt. Aufgrund dieser Nähe und der sprachlichen Erfahrung der Umgebung kommt es dazu, dass Proband*innen den eigenen nahesprachlichen Raum differenzierter beurteilen können als großregionale Räume (vgl. MONTGOMERY 2012). Ähnliches kann auch ANDERS in ihrer Untersuchung feststellen und plädiert aufgrund dessen für die Unterscheidung in Mikro- und Makrokartierungen (vgl. ANDERS 2010a). 28 Zur einer ausführlichen Analyse und Beschreibung des Prototypen des Neuhessischen vgl. u. a. PURSCHKE 2011.

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heraushören, die von anderen nicht wahrgenommen werden und somit das übergeordnete Sprachraumkonzept Bayerisch feiner binnendifferenzieren (vgl. KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010, 371). Ein weiteres wichtiges Ergebnis liefern die Verortungen der obersächsischen, thüringischen, moselfränkischen und schwäbischen Sprecher*innen: Sie werden überwiegend oder teilweise dem Sächsischen zugeschrieben bzw. auf der Karte mit diesem Label versehen. „Das bedeutet, dass in diesen Sprachproben regionalsprachliche Merkmale enthalten sein müssen, die in den Ohren der (bzw. vieler) Beurteiler eindeutig auf einen Sprachraum Sächsisch hinweisen. Ein Vergleich der in den vier Sprachproben enthaltenen regionalsprachlichen Varianten ergibt, dass die lautlichen Merkmale[…] ungerundete (und/oder zentralisierte) Hinterzungenvokale, Verdumpfung von /a/ und der /r/-Vokalisierungen (inklusive ‹-er›) sowie die binnenhochdeutsche Konsonantenschwächung – insbesondere der Plosive – in allen vier Proben enthalten sind und als potenziell prototypisch“ gelten. (KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010, 371)

Interessanterweise wird der Sprecher des Thüringischen als prototypischer Vertreter des Sächsischen angesehen: Bis zu 90% der eingetragenen Verortungen überschneiden sich bei den Städten Leipzig und Dresden. Auch hier zeigen sich wieder proximity-Effekte: Dies wird bei der schwäbischen Sprechprobe deutlich. Bei dieser lässt sich ein zweites Zentrum in Baden-Württemberg mit einem Kern um Stuttgart finden. Die Proband*innen, die das zweite Zentrum verortetet haben, „stammen überwiegend […] aus Karlsruhe, Freiburg im Breisgau, Passau“ (KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010, 371). Jedoch sind unter diesen Gewährspersonen auch welche, die aus Dresden stammen und somit den schwäbischen Sprecher als nicht-sächsischen Sprecher erkannt haben. Die moselfränkische Sprechprobe wird dagegen kaum als solche identifiziert.29 Die Autoren schlussfolgern daraus: „Während die Sprachprobe aus dem Schwäbischen, die für Probanden, die mit diesem Regiolekt ansatzweise vertraut sind, relativ gut identifizierbar ist, enthält die Sprachprobe aus dem moselfränkischen Trier keine regionalsprachlichen Merkmale, die für das Gros der Beurteiler auffällig genug sind, um von den genannten prototypisch sächsischen Merkmalen abzulenken.“( KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010, 371)

Die entsprechenden regionalsprachlichen Merkmale können daher als prototypisch für das Konzept Sächsisch angenommen werden. Diese gelten zwar für die anderen Sprachproben und somit für die Sprecher*innen und die Region als typisch, jedoch sind sie nicht in dem Maße bei anderen Gewährspersonen präsent. Es wird also deutlich, dass zum einen Sprachraumkonzepte gleich benannt werden können, sich dahinter jedoch häufig unterschiedliche Auffassungen und Verortungen verstecken. Zum anderen kann es auch zu Konzeptüberschneidungen kommen bzw. können Komponenten eines Konzepts auch anderen Konzepten zugeschrieben werden (vgl. KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010, 372): „Des Weiteren stehen sie in Abhängigkeit zusätzlicher Konzeptualisierungen (etwa ‚Neue Bundesländer‘), die im Ganzen zu einem Netzwerk aus spezifischen semantischen Komponenten 29 Besonders in diesem Raum (Westmitteldeutschland) entstehen oft weiße Flecken in den mentalen Landkarten der Proband*innen (vgl. u. a. HUNDT 2010a).

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führt, die letztlich dem individuellen Erfahrungsbereich untergeordnet sind.“ (KEHREIN / LA/ PURSCHKE 2010, 372−373) 30

MELI

Ähnlich wie die vorhergehenden Untersuchungen befasst sich das Kieler DFG-Projekt Wahrnehmungsdialektologie – Der deutsche Sprachraum aus der Sicht linguistischer Laien mit dem gesamten deutschsprachigen Raum (Belgien, Deutschland, Italien, Liechtenstein, Luxemburg, Österreich, Schweiz). In Anlehnung an PRESTON wurden leitfadengestützte Interviews mit insgesamt 139 Schüler*innen und Lehrer*innen31 durchgeführt, die sich in fünf Teile gliedern. Neben den Sozialdaten wurden Fragen zur Mikrokartierung/Nahbereich (draw-a-map-Methode)32, zum situationsspezifischen Sprechen, zur Makrokartierung/Fernbereich (Pilesort-Methode33) und zum Gefallen sowie zur Korrektheit bestimmter Sprechproben34 gestellt. Zum Abschluss des Interviews wurden die Proband*innen gefragt, was für sie gutes Deutsch35 sei. Somit werden unterschiedlichste Aspekte und Bereiche des laienlinguistischen Wissens über Sprechweisen und deren Konzepte angesteuert. Im Projekt wird davon ausgegangen, „dass laienlinguistische Konzeptualisierungen von Sprachvarietäten vielschichtig sind und sich diese Vielschichtigkeit in den gegebenen Antworten widerspiegelt.“ (HUNDT / PALLIWODA / SCHRÖDER 2015b, 592) Eher unwahrscheinlich ist dagegen, dass diese Laienkonzepte „einsträngigen, 30 Eine ausführliche Darlegung der Analyse der vier Sprechproben und der Vergleich der Merkmale sowie der Ergebnisse finden sich in KEHREIN 2012b. 31 Die Gewährspersonen verteilen sich auf drei Altersgruppen (AG): AG1 sind Schüler*innen zwischen 16 und 20 Jahren (37), AG 2 sind Lehrer*innen zwischen 30 und 50 Jahren (51) und AG3 sind Lehrer*innen zwischen 51 und 60 Jahren (vgl. HUNDT / PALLIWODA / SCHRÖDER 2015b, 588). 32 Bei der draw-a-map-Aufgabe bekamen die Proband*innen einen Kartenausschnitt der Heimatund Wohnregion (mit einem Radius von 50 km) vorgelegt und sollten markieren, wo bzw. bis wohin so gesprochen wird, wie sie sprechen, und wo anders gesprochen wird. Sollte der 50 kmRadius den Proband*innen zu klein sein, bestand außerdem die Möglichkeit, auf eine Karte mit einem Radius von 100 km auszuweichen (vgl. HUNDT / PALLIWODA / SCHRÖDER 2015a, 300). 33 Eine ausführliche Auseinandersetzung mit dieser Methode und deren Möglichkeiten innerhalb des DFG-Projekts Wahrnehmungsdialektologie findet sich in der Dissertation von SCHRÖDER (vgl. SCHRÖDER i. E.). 34 Gefallen und Korrektheit wurde mittels eines Ratespiels erhoben. Das Ratespiel ist eine modifizierte Offline-Variante des Online-Ratespiels Hör mal, wo der spricht des Instituts für Deutsche Sprache, Mannheim (vgl. [Zugriff: 18.02.2016]). Innerhalb des Spiels hörten die Gewährspersonen insgesamt neun standardnahe Sprechproben, die sie so schnell wie möglich einem Ort auf einer Deutschlandkarte zuweisen sollten. Im Anschluss wurden dann noch Fragen zum Gefallen und zur Korrektheit sowie nach Merkmalen, woran der Sprecher erkannt wurde, gestellt (vgl. zum Aufbau ANDERS / PALLIWODA / SCHRÖDER 2010, HUNDT / PALLIWODA / SCHRÖDER 2015a). 35 Erste Ergebnisse bzgl. des Normkonzepts linguistischer Laien deuten darauf hin, „dass linguistische Laien sich ihr Konzept des ‚guten Deutsch‘ oder ‚Hochdeutsch‘ mit den Merkmalen ‚überregional/nicht landschaftlich zu verorten‘, ‚an der Schriftsprache orientiert in Stil und Ausdrucksweise‘, ‚in der Lautung an der Schrift orientiert‘, ‚grammatisch/morphologisch korrekt‘ konstruieren.“ (HUNDT / PALLIWODA / SCHRÖDER 2015b, 592 sowie BEUGE 2014). Weitere Analysen und Ergebnisse zum Normkonzept innerhalb des DFG-Projekts werden derzeit in einer Dissertation zusammengetragen (vgl. BEUGE i. V).

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klar

definierten und strukturierten Wissensbeständen“ (HUNDT / PALLI/ SCHRÖDER 2015b, 592) folgen. So können sich Aussagen zu Konzepten auf der konativen, evaluativen und der kognitiven Ebene ansiedeln und die Proband*innen haben je nach Stimulus und Methode einen anderen Zugang zu ihren Konzepten. Unterschieden wird hier zwischen einem positiven und einem negativen Varietätenwissen (vgl. HUNDT / PALLIWODA / SCHRÖDER 2015b, 594−595). Ersteres bezieht sich dabei auf Wissen der linguistischen Laien über Varietäten, das ausgeprägt, weniger ausgeprägt, bewusst oder weniger bewusst sein kann. Der Zugang zu diesem Wissen kann dabei holistisch36 oder partikulär37 sein, wobei sich diese aber nicht ausschließen, sondern unterschiedliche Grade der Zugänglichkeit bzw. Differenziertheit aufweisen. Dies wird im Vergleich der unterschiedlichen Methoden im Interview deutlich: WODA

„[D]ie Gewährspersonen [hatten, N. P.] z. B. anfänglich Schwierigkeiten […], auf ihre eigenen Vorstellungen von den Dialekten zuzugreifen, was den Eindruck erweckte, dass hier ein wenig differenziertes positives Varietätenwissen vorliegt. Allerdings konnten einzelne Gewährspersonen dann im Verlauf des Interviews, z.T. unter Rückgriff auf persönliche Erfahrungen, unter Rückgriff auf die Sprechproben im Ratespiel oder unter Rückgriff auf Erinnerungen an prominente Sprecher, doch noch einen klareren Zugang zum eigenen Wissen erhalten, das sich somit auch als stärker differenziert erwies, als es zunächst den Anschein hatte.“ (vgl. HUNDT / PALLIWODA / SCHRÖDER 2015b, 596)

Das negative Varietätenwissen hingegen bezieht sich auf nicht vorhandenes Wissen bzw. auf Annahmen, dass es in bestimmten Regionen, zu denen die Gewährsperson kein weiteres Wissen besitzt, ebenfalls bestimmte Sprechweisen geben muss. Diese werden dann mit einer Bezeichnung versehen (z. B. abgeleitet aus der Bezeichnung der Region) und zugleich steht hinter dieser Benennung nur die Ahnung einer spezifischen Sprechweise und nicht ein konkretes Wissen um diese. So können beispielsweise Sprachräume genannt, jedoch mit keinen weiteren Merkmalen oder anderen Beschreibungen gefüllt werden. Aufgrund dessen entstehen z. B. weiße bzw. leere Flecken auf den mentalen Karten der Gewährspersonen oder es werden Städte zusammensortiert, aber die Proband*innen können nichts weiter zur Sortierung anmerken. Innerhalb der Interviews trat solch ein negatives Wissen jedoch nur sporadisch auf. Keine der Gewährspersonen hatte durchgängig keine Vorstellungen von irgendwelchen Dialektkonzepten. Besonders bei der Pilesort-Methode findet sich 36 „Bei diesen Gewährspersonen scheint es so zu sein, dass sie eher eine gesamtheitliche Vorstellung zu den einzelnen Dialekten haben, die zwar in irgendeiner Weise über sprachliche Merkmale getriggert ist, die jedoch nicht an solchen Einzelmerkmalen festgemacht werden kann. Deutlich wird dies auch bei einzelnen Reaktionen von Gewährspersonen im Dialektratespiel. Hier erkennen einzelne Gewährspersonen die Dialekte z.T. sehr schnell […] können aber dann keine Angaben dazu machen, woran sie die Sprechprobe erkannt haben. Eine typische Antwort in diesem Fall ist dann: ‚das habe ich sofort herausgehört‘, ‚das hört man einfach‘.“ (HUNDT / PALLIWODA / SCHRÖDER 2015b, 595) 37 „Hier können die Gewährspersonen (z.T. mit, z.T. auch ohne Sprechproben) einzelne sprachliche Merkmale benennen, die ihnen als typisch für den jeweiligen Dialekt erscheinen. Diese Merkmale sind i.d.R. wort- oder phrasengebunden, seltener aus diesen Zusammenhängen gelöst, also als Einzelmerkmale (z. B. gerolltes r).“ (HUNDT / PALLIWODA / SCHRÖDER 2015b, 595)

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dieses negative Varietätenwissen (vgl. HUNDT / PALLIWODA / SCHRÖDER 2015b, 592−606). Weiterhin konnten erste Analysen Unterschiede zwischen den Alters-, Geschlechts- und Herkunftsgruppen hinsichtlich der Verortung der sprachlichen Stimuli im Ratespiel herausstellen. Dabei scheinen tendenziell die älteren Proband*innen (zwischen 30 und 60 Jahren) im Vergleich zu den jüngeren (zwischen 16 und 20 Jahren) die gehörten Sprechproben eher korrekt zuzuordnen. Diese Aussage kann aber nicht verallgemeinert werden, denn es gibt „Sprechproben, die von allen Altersgruppen erkannt und zugeordnet werden können (Zürich und Dresden). Gleichfalls gibt es aber Beispiele, die innerhalb der Gruppen variieren. Ein Vergleich der drei Gruppen macht deutlich, dass eine Tendenz abzulesen ist, dass eher die mittlere Altersgruppe die Sprechproben richtig zuordnet, bei der ältesten herrscht die größte Unsicherheit und bei der jüngeren Gruppe scheinen aufgrund von geringer Erfahrung und Bekanntheit die Sprachbeispiele nicht verortet werden zu können.“ (HUNDT / PALLIWODA / SCHRÖDER 2015b, 611)

Hinsichtlich der Variable Geschlecht konnte eine erste Analyse verdeutlichen, dass die männlichen Personen tendenziell die Sprechproben korrekter zuordnen. Damit kann „die Behauptung, dass Frauen sprachaffiner als Männer seien, eher nicht bestätigt [werden, N. P.], da diese [die Männer, N. P.] tendenziell die Sprachbeispiele den richtigen Orten zuwiesen.“ (HUNDT / PALLIWODA / SCHRÖDER 2015b, 613) Der dritte soziale Parameter, der getestet wurde, war die Herkunft der Proband*innen. So wurden die Gewährspersonen in eine Nord- bzw. eine Südgruppe eingeteilt sowie in eine West- und eine Ostgruppe. Bei der Verteilung auf die Nord- und Südgruppe kann bestätigt werden, „dass Personen, die im Süden Deutschlands sozialisiert worden sind, besser Sprachbeispiele verorten können, da Dialekte und regionale Sprechweisen eher noch in der alltäglichen Kommunikation eine Rolle spielen“ (HUNDT / PALLIWODA / SCHRÖDER 2015b, 613) als in Norddeutschland. Auch bei Betrachtung der Zuordnung der konkreten Sprachbeispiele sortiert eher die SüdGruppe die Sprechproben korrekt zu. Des Weiteren wird bei dieser Betrachtung deutlich, dass die Nord-Gruppe die niederdeutschen Sprachbeispiele besser verortet und die Süd-Gruppe eher die hochdeutschen Hörproben (vgl. HUNDT / PALLIWODA / SCHRÖDER 2015b, 615). Bei der Unterteilung der Herkunft in Ost und West (entsprechend den alten und neuen Bundesländern) stellte sich heraus, dass besonders die Westgruppe die Sprechproben korrekt zuordnen kann. Als besonders auffällig scheint innerhalb der Westgruppe das Sprachbeispiel aus Dresden (obersächsisch) zu sein: In allen anderen Analysen zuvor wurde das hochalemannische Hörbeispiel aus Zürich von fast allen Proband*innen immer der richtigen Stadt zugewiesen. Innerhalb der Westgruppe findet sich nun an der ersten Stelle die obersächsische Hörprobe. Eine weitere Analyse unter Einbeziehung der metasprachlichen Aussagen der Proband*innen bei dieser Zuordnung wäre an dieser Stelle wünschenswert, um der Frage nachgehen zu können, ob sich hinter dieser Zuordnung und somit hinter der Sprechprobe aus dem Obersächsischen das Stereotyp des Dresdner bzw. des Ostdeutschen und dessen Sprechweise versteckt (vgl. HUNDT / PALLIWODA / SCHRÖDER 2015b, 617). Darauf weisen auch Untersuchungen hin, die sich mit den entsprechenden sprachlichen Merkmalen auseinandergesetzt haben. Beispielsweise konnten ANDERS / PALLIWODA / SCHRÖDER (2014) nachweisen,

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dass das vokalische Merkmal der Zentralisierung das Konzept Ostdeutsch hervorruft, wohingegen es aber kein Westdeutsch-Konzept gibt. Dass zwischen den Konzepten Sächsisch und Ostdeutsch Überschneidungen bestehen und sie auf ähnliche Bereiche referieren, konnten schon KEHREIN (2012b) und LAMELI (2012) nachweisen. Eine weitere Studie, die als großräumig betrachtet werden kann und sich zum Teil mit wahrnehmungsdialektologischen Fragestellungen auseinandersetzt, ist das DFG-Projekt Sprachvariation in Norddeutschland (SiN). Der Fokus des Verbundprojekts, das aus fünf Teilprojekten an verschiedenen Universitäten (Bielefeld, Frankfurt/Oder, Hamburg, Kiel, Münster, Potsdam) besteht, liegt dabei auf der „Dokumentation und Interpretation der aktuellen Sprachsituation im Norden Deutschlands“ (ELMENTALER / GESSINGER / LANWER / ROSENBERG / SCHRÖDER / WIRRER 2015, 397) und versucht „zuverlässige Einblicke in areale Strukturen und situationsabhängige Sprachgebrauchsmuster auf regionaler Ebene zu gewinnen.“ (ELMENTALER / ROSENBERG 2015, 5) Neben der Erhebung objektsprachlicher Daten werden auch perzeptionsdialektologische Methoden wie die draw-a-mapMethode sowie verschiedene Tests zur Eruierung der Salienz von bestimmten Merkmalen in unterschiedlichen Kontexten angewandt. Somit liegt der Schwerpunkt dieses Projekts zum einen auf der Sprachlagenforschung im norddeutschen Raum (vgl. u. a. ELMENTALER / GESSINGER / LANWER / ROSENBERG / SCHRÖDER / WIRRER 2015, ELMENTALER / ROSENBERG 2015). Zum anderen befasst sich das SIN-PROJEKT mit der Konzeptualisierung von Sprachraumkonzepten des norddeutschen Raums und deren Wahrnehmung (vgl. u. a. DFG-PROJEKT SPRACHVARIATION IN NORDDEUTSCHLAND (SIN) [Zugriff: 13.03.2016]).

2.1.1.2 Kleinräumige Untersuchungen zur Konzeptualisierung und Wahrnehmung von Varietäten Eine der ersten umfangreichen Arbeiten im Bereich der Wahrnehmungsdialektologie bezogen auf den Kleinraum ist die Studie von ANDERS (2010a). ANDERS versucht durch unterschiedliche Methoden, dem Obersächsischen näher zu kommen. Dieser Sprachraum scheint besonders spannend zu sein, da er zum einen bei Befragungen polarisiert (vgl. u. a. ALLENSBACHER STUDIE 2008, ANDERS 2010, HUNDT 2010, 2012).38 Zum anderen gibt es Überschneidungen mit anderen Konzepten (vgl. u. a. KEHREIN 2012b, LAMELI 2012). Insgesamt führte ANDERS mit 180 laienlinguistischen Proband*innen zwischen 2006 und 2007 direkte Befragungen durch, dabei waren die Befragten zum Zeitpunkt der Untersuchung zwischen 18 und 82 Jahre

38 Solche Befragungen zur Beliebtheit bestimmter Dialekte bzw. Sprechweisen ergeben zumeist nur, dass genau diese im Gedächtnis der Proband*innen sind, also dass diese präsent und prominent sind. Problematisch an solchen Untersuchungen ist stets die Frage, von welchen Objekten (Regiolekte, Dialekte etc.) die Proband*innen ausgehen.

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alt.39 Im Interviewteil „wurden sowohl die Angaben der struktur- als auch der inhaltsbezogenen Dimension erhoben.“ (ANDERS 2012, 295)40 ANDERS zieht ebenfalls die angrenzenden Interferenzräume (Thüringisch, Nordbairisch, Fränkisch und Südbrandenburgisch) hinzu und teilt den gesamten Untersuchungsraum in sechs Regionen (Meißnisch, Osterländisch, Lausitzisch, Vogtländisch-erzgebirgisch, Thüringisch und in eine Nordgruppe, vgl. ANDERS 2010a, 2010b, 2012). In der Befragung nutzt ANDERS zum einen die draw-a-map- und zum anderen die PilesortMethode41, um die mentalen Karten zu eruieren. Auf der Grundkarte42 sollten die Gewährspersonen markieren, wo nach ihrer Meinung ähnlich oder gleich gesprochen wird und diese Sprechweisen benennen.43 Beide Methoden stellen somit die strukturbezogene Dimension44 dar. Ein Ergebnis der handgezeichneten Karten ist die Orientierung bei der Sprachraumverortung an der ehemaligen innerdeutschen Grenze sowie am Wohnort (vgl. ANDERS 2010a, 2012).45 Dabei zeigt sich die notwendige Unterscheidung in Mikro- und Makrokartierung: „Das Einschätzungsvermögen der Befragten, dies bestätigen die Ergebnisse immer konstant, verhält sich proportional zum Diskriminationsvermögen, d. h. je näher sich die repräsentierten Dialekte am Wohnort des Befragten befinden, desto differenzierter gestaltet sich auch das Mikrowissen der Informanten.“ (ANDERS 2012, 303)

39 Die entsprechenden Proband*innen erhielten vor dem Interview noch einen Fragebogen, „in dem alle Fragen zur regionalen Identifikation, zur Einstellung gegenüber Dialektalität im Allgemeinen sowie im Besonderen sowie soziale Variablen aufgelistet waren.“ (ANDERS 2012, 295). 40 ANDERS geht dabei von drei verschiedenen Dimensionen aus, die einen Einfluss auf die laienlinguistische Wahrnehmung ausüben bzw. aus diesen Dimensionen bestehen können: strukturbezogene, inhaltsbezogene und evaluativ-identifikatorische Dimension. Die strukturbezogene Dimension fasst die areale Wahrnehmung, die inhaltsbezogene setzt sich mit der inhaltlichen Füllung, wie sprachlichen Merkmalen der Dialektkonzepte, auseinander und die dritte Dimension greift die sozialen Variablen sowie die Bewertungen auf (vgl. ANDERS 2012, 295). 41 Diese Methode stammt ursprünglich aus der Sozialpsychologie. Es handelt sich dabei um ein einfaches Sortierverfahren, bei dem die Proband*innen Karten aufgrund der sprachlichen Ähnlichkeit in Stapeln ordnen sollen. Im vorliegenden Fall bestand die Aufgabe darin, Städte-Karten nach dem Kriterium der sprachlichen Ähnlichkeit zu sortieren (vgl. u. a. ANDERS 2010, HUNDT / PALLIWODA / SCHRÖDER 2015a, 2015b, SCHRÖDER i. E.). 42 Die Grundkarte bildete neben dem obersächsischen Raum auch die angrenzenden Interferenzräume sowie einige geographische Orientierungspunkte (Städte und Flüsse) ab (vgl. ANDERS 2010a, 2012). 43 Zusätzlich sollten die Proband*innen mittels eines Kreuzes verdeutlichen, zu welchem Ort sie sich am meisten zugehörig fühlen. Zudem konnten sie auf der Karte angeben, wo Hochdeutsch gesprochen wird (vgl. ANDERS 2010a). 44 Bei der strukturbezogenen Dimension der handgezeichneten Karten erwies sich eine Unterscheidung in Karten- und Kartierungstypen als sinnvoll. Bei den Kartentypen handelt sich um formale Kriterien, die zur Einteilung herangezogen werden. Bei den Kartierungstypen wird zwischen exhaustiver, selektiver und autozentrischer Kartierung unterschieden (vgl. ausführlich ANDERS 2010a). 45 Eine ausführliche Beschreibung des Vorgehens, der Auswertung und der Ergebnisse findet sich in ANDERS 2010a, 181−267.

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Des Weiteren kann ANDERS beim Vergleich der repräsentierten Dialektregionen aus den handgezeichneten Karten mit den Dialektbezeichnungen aus der PilesortMethode46 acht Sprachraumkonzepte identifizieren, die signifikant häufig von allen Proband*innen wahrgenommen werden. ANDERS stellt dazu fest: „Damit kann das Vorhandensein von unterschiedlichen Sprachraumkonzepten im Alltagswissen linguistischer Laien innerhalb des Untersuchungsraums belegt werden. In Sachsen wird also aus der Sicht der befragten linguistischen Laien nicht überall ein und dasselbe Obersächsisch gesprochen.“ (ANDERS 2012, 304)

Zusätzlich zu den entstandenen Stapeln wurden die Proband*innen gefragt, anhand welcher Merkmale die Gewährspersonen Sprecher*innen aus der jeweiligen Stapelregion erkennen würden. Mittels des zweiten Teils der Pilesort-Methode wurde somit die inhaltsbezogene Dimension47 erhoben (assoziierte Merkmale). Erweitert wurde diese mithilfe von acht kurzen Sprechproben aus dem Untersuchungsgebiet, die regional und lokal identifiziert werden sollten. Von großem Interesse waren hierbei die perzipierten Merkmale, aufgrund welcher die Proband*innen die Sprechproben zuordneten (vgl. ANDERS 2012, 296−297). Hinsichtlich der inhaltsbezogenen Dimension wurden die assoziierten und perzipierten Merkmale inhaltsanalytisch in Merkmals- und Subgruppen kategorisiert (vgl. ANDERS 2010a, 269; 2012, 304−305).48 Dabei wird deutlich, dass es unter den assoziierten Merkmalen spezifische Merkmalsgruppen gibt, die von allen Untersuchungsgruppen gleicher-

46 Für die Analyse der Pilesort-Methode nutzt ANDERS statistische Ähnlichkeitsanalysen. „Je häufiger eine Stadt mit einer anderen Stadt in einen Stapel sortiert wurde, bedeutet dies, dass die jeweiligen Sprechweisen in diesen Städten entsprechend ähnlich wahrgenommen werden. Über die multivariaten Analyseverfahren der nonmetrischen multidimensionalen Skalierung und der Hierarchischen Clusteranalyse wurden die Daten zunächst reduziert, um dann zugrundeliegende Muster, die sich aus der Sortierung ergaben, zu ermitteln. Aus diesen Ergebnissen ließ sich dann im letzten Schritt die areale Struktur der subjektiven Dialekträume ermitteln.“ (ANDERS 2012, 297) 47 Die ausführliche Darstellung der Ergebnisse und die Interpretation findet sich in ANDERS 2010a, 267−354. 48 Die Kategorisierung besteht aus vier Großgruppen: lautliche Besonderheiten, morphosyntaktische Beschreibungen, Wortassoziationen, Aussagen zur regionalen Varietät sowie weitere Unter- und Subgruppen (insgesamt 45 Kategorien) ANDERS erläutert zum Aufbau ihrer Klassifikation, dass „der linguistische Laie jedoch in seinen Ausführungen nicht mehr beschreibt als das, wie sich die eine oder andere lautliche Äußerung anhört, und eben nicht, welche Stellung dieser Laut im linguistischen System hat. Das Ziel dieser Merkmalsklassifikation bestand vor allem auch darin, jedes assoziierte Merkmal monotypisch, d. h. in nur eine der Subgruppen zuzuordnen und Kreuzklassifikationen möglichst zu vermeiden.“ (ANDERS 2012, 306)

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maßen besonders häufig für die laienlinguistische Repräsentation des Untersuchungsraums herangezogen werden.49 Des Weiteren weisen Einzelmerkmale aus diesen häufig assoziierten Subgruppen innerhalb der Befragungsgruppen Prototypikalitätseffekte auf, die außerdem konzeptübergreifend genannt werden.50 ANDERS kann festhalten, „dass für die obersächsischen Kernregionen im Dreieck Leipzig, Dresden und Chemnitz sowie für das Thüringische so gut wie keine konzeptspezifischen Merkmale (d. h. Merkmale, die von den Informanten ausschließlich für die Beschreibung einer Region assoziiert wurden) repräsentiert werden, sondern deutlich mehr übergreifende, d. h. konzeptunspezifische Merkmale, die häufig sogar auch für ganz andere Dialektkonzepte (z. B. das Schwäbische) herangezogen wurden, wie z. B. das Singen und die weiche Aussprache von harten Verschlusslauten.“ (ANDERS 2012, 308)

Konzeptspezifische Merkmale hingegen sind „nur bei Bezeichnungen der geographischen/politischen Orientierung und unter den ausdrucksbezogenen Wortassoziationen als phonetische Konglomerate und kulturelle Schibboleths“ (ANDERS 2012, 309)51 zu finden. Ansonsten lassen sich keine distinkten Merkmale ausmachen, sondern „besonders präsente Merkmale, die konzeptübergreifend zur Beschreibung herangezogen wurden.“ (ANDERS 2012, 309) Dadurch scheinen die Proband*innen „weniger die Dialekte bzw. die Sprecher [zu] bewerten […], sondern wohl eher bereits bekannte, sozial repräsentierte Dialektkonzepte“ (ANDERS 2012, 309) aufzugreifen und zu reproduzieren. Hinsichtlich der inhaltsbezogenen Dimension des Obersächsischen kann ANDERS festhalten, dass sich das Alltagswissen der linguistischen Laien „vor allem durch raumbezogene Parameter sowie durch kulturelle Schibboleths erschließen [lässt], die in lautlichen Konglomeraten reproduziert werden. Bemerkenswert ist auch, dass das 49 Dies betrifft die folgenden Gruppen: Beschreibung der horizontalen Variation (z. B. Dialektbezeichnungen), ausdrucksbezogenen Wortassoziationen (die Klasse „umfasst alle Einzelnennungen von Wörtern und Wortgruppen, die als phonetische Konglomerate mit SchibbolethCharakter fungieren.“ [ANDERS 2010a, 350]), prosodische Assoziationen der Intonation (z. B. „Sing-Sang“), artikulatorische Assoziationen (z. B. „langgezogen“), Aussagen über Konsonantenqualität (z. B. „rollendes r“), Beschreibungen mit Identifikationscharakter (z. B. „erkennt man“), inhaltsbezogene Wortassoziationen (z. B. „nu“), Dialektbewertungen (z. B. „unangenehm“), qualifizierende Beschreibungen (z. B. „weich“), Orientierung an geographischen/politischen Raumparametern (z. B. Sachsen-Anhalt, vgl. ANDERS 2010a, 350). 50 „Beim Vergleich der assoziierten Merkmale in Bezug auf die subjektiven Dialektkonzepte wurde deutlich, dass von den linguistischen Laien vor allem Beschreibungen zur Plosiverweichung, zu Vokalöffnungen, Rundungen, Monophthongierungen, zur Intonation sowie zu Aussagen über die Verständlichkeit in den Subgruppen als besonders charakteristisch für einen Subraum gehalten wurden. Die ohnehin prototypischen Einzelmerkmale werden zudem konzeptübergreifend repräsentiert. In diesem Kontext gelten als distinkte Merkmale lediglich die zahlreich geäußerten phonetischen Konglomerate, in denen zum Teil soziokulturelle Stereotype transportiert werden.“ (ANDERS 2012, 308) 51 Solche konzeptspezifischen Merkmale treten beispielsweise dann auf „wenn z. B. das Sprachraumkonzept Vogtländisch und Erzgebirgisch immer wieder mit dem Schibboleth ‚Wo de Hosʼn Husʼn hasʼn und de Husʼn Hosʼn sei do sei mir drham‘ beschrieben und die Sprecher des Lausitzischen als ‚Edelroller‘ oder die des Sächsischen als ‚Kaffeesachsen‘ bezeichnet werden.“ (ANDERS 2012, 309)

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2 Forschungsüberblick und theoretischer Rahmen zentrale Gebiet des Obersächsischen (Leipzig – Dresden – Chemnitz) konzeptunspezifisch repräsentiert wird, wohingegen die Randregionen des Obersächsischen (Vogtland, Erzgebirge, Lausitz) deutlich spezifischer konzeptualisiert werden.“ (ANDERS 2012, 309)

Ähnliches zeigt sich bei der Auswertung und Analyse der perzipierten Merkmale. Hierbei konnte „der oberlausitzische, der westerzgebirgische, der vogtländische, der nordbairische und der nordosterländische Sprecher von den meisten Befragten übereinstimmend korrekt lokalisiert“ (ANDERS 2010a, 389) werden. Die Sprecher des Ostmeißnischen, Osterländischen und des Vorerzgebirgischen dagegen wurden von den Proband*innen eher mit der eigenen Gruppe verbunden, somit „überwiegend autoreferenziell identifiziert“ (ANDERS 2010a, 389).52 Bei der Identifikation dieser Sprechproben kamen zudem Pseudomerkmale zum Vorschein, die die Sprecher jedoch gar nicht artikuliert hatten (vgl. ANDERS 2010a, 351). ANDERS schlussfolgert zu diesem „scheinbar kontroversen Ergebnis der assoziierten und perzipierten Merkmale im Hinblick auf die Repräsentation des Untersuchungsraums“ (ANDERS 2010a, 389), dass „[d]ie Befragten […] einerseits in ihrer introspektiven Wahrnehmung sehr konkret zwischen unterschiedlichen obersächsischen Sprachraumkonzepten [unterscheiden], andererseits kann bei der unmittelbaren auditiven Wahrnehmung diese Differenzierung nicht mehr aufrecht gehalten werden. Als Erklärung wurde vorgeschlagen, dass sich in der Struktur des laienlinguistischen Alltagswissens die rigide Struktur von Stereotypen zeigt, die sich in der subjektiven Realität der Wahrnehmung immer viel länger als in der objektiven Realität hält.“ (ANDERS 2010a, 389−390)

Bezüglich der Ergebnisse lässt sich abschließend zusammenfassen, dass der linguistische Laie aus dem Obersächsischen auf der strukturbezogenen Ebene zwischen unterschiedlichen Sprachraumkonzepten unterscheiden und diese auch beschreiben kann. Auf der inhaltsbezogenen Ebene wird deutlich, dass der linguistische Laie die Differenzierung der vorhergenannten Sprachraumkonzepte im Zusammenhang mit akustischen Stimuli nicht aufrechterhalten kann. Aufgrund dessen kann davon ausgegangen werden, dass hier eher festgesetzte Stereotype beschrieben werden. Dies zeigt sich ebenfalls in der Beschreibung der unterschiedlichen Sprachraumkonzepte des Sächsischen. Hier lassen sich kaum distinkte Merkmale ausmachen (vgl. ANDERS 2010a, 2010b, 2012). Durch seine Untersuchung zur akustischen Wahrnehmung sowie zur Abgrenzung benachbarter Sprachraumkonzepte durch Proband*innen des mitteldeutschen Raums kann PURSCHKE (2011) genau diese Annahme bestätigen. Für seine Analyse wählt PURSCHKE zum einen das Moselfränkische und das Rheinfränkische und zum anderen das Obersächsische und das Thüringische, da es sich bei diesen Dialektre-

52 „Der ostmeißnische Sprecher wird von den meißnischen Befragten korrekt mit dem Meißnischen identifiziert, gleichzeitig jedoch identifizieren sich die lausitzischen, osterländischen, vogtländisch-erzgebirgischen und thüringischen Befragten sowie die Informanten der Nordgruppe ebenfalls überdurchschnittlich oft mit der Sprechweise des ostmeißnischen Sprechers. Genau der gleiche Effekt lässt sich bei der regionalen Zuordnung des osterländischen und vorerzgebirgischen Sprechers feststellen.“ (ANDERS 2010, 331)

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gionen um „prototypische Vertreter für linguistisch stabile Grenzen/Übergangsräume einerseits (Moselfränkisch/Rheinfränkisch) und linguistisch instabile Grenzen/Übergangsräume […] (Thüringisch/Obersächsisch)“ (PURSCHKE 2011, 216) handelt. Für die Sprachgrenze zwischen dem Moselfränkischen und dem Rheinfränkischen nimmt PURSCHKE an, „dass für diesen ersten Typus einer stabilen Grenze auch die perzeptive Distinktion stabil ist, selbst in den obersten Registern der jeweiligen regionalsprachlichen Systeme, dass es sich also beim Rheinfränkischen und Moselfränkischen um zwei eigenständige, linguistisch wie perzeptiv klar abgrenzbare Regionalsprachen handelt.“ (PURSCHKE 2011, 217)

Beim zweiten Fall, der Sprachgrenze zwischen dem Obersächsischen und dem Thüringischen, hingegen wird eine instabile Grenze angenommen sowohl auf der systemischen als auch der perzeptiven Ebene. PURSCHKE führt an, dass in „einschlägigen Dialekteinteilungen beide Dialektgruppen als eigenständige Entitäten […] (WIESINGER 1983, WREDE 1937, FRINGS 1956, SPANGENBERG 2000) [angenommen werden, N. P.]. [U]nd auch PUTSCHKE (1968) kommt bei seiner Analyse der siedlungsgeschichtlich bedingten Entwicklung des ostmitteldeutschen Sprachraums zu dem Schluss, dass neben einem Kernareal Thüringisch ein eigenständiger obersächsischer Sprachraum anzusetzen sei. Demgegenüber steht allerdings der disparate Verlauf einer Vielzahl an Isoglossen im gesamten Gebiet des Thüringischen und Obersächsischen, […] so dass hier kaum von einem strukturbildenden Zusammenfall vieler Grenzlinien ausgegangen werden kann […].“ (PURSCHKE 2011, 217)

Aufgrund der Siedlungsgeschichte der Region geht PURSCHKE beim Obersächsischen und Thüringischen von einer instabilen Sprachraumgrenze aus und vermutet, „dass für diesen zweiten Typus einer instabilen Grenze auch die perzeptive Distinktion instabil ist, gerade in den obersten Registern der jeweiligen regionalsprachlichen Systeme, dass es sich also beim Thüringischen und Obersächsischen nicht (oder nur bedingt) um eigenständige, linguistisch wie perzeptiv klar abgrenzbare Regionalsprachen handelt, sondern vielmehr um komplexe Teilsysteme einer umfassenden ostmitteldeutschen Regionalsprache.“ (PURSCHKE 2011, 218)

Dass kaum distinkte Merkmale durch die Proband*innen aus dem obersächsischen Raum genannt werden können sowie die sprachliche Differenzierung von Sprechproben aus dem obersächsischen Raum fast gar nicht perzeptiv wahrgenommen wird, konnte ANDERS (s.o.) nachweisen. Somit spielt die Wahrnehmung der Grenze zwischen zwei Dialektgebieten eine wesentliche Rolle innerhalb der Arbeit von PURSCHKE. Dabei ist zu prüfen, „ob es sich z. B. beim Thüringischen und Sächsischen überhaupt um individuell-kognitiv eigenständige Sprachraumkonzepte handelt und inwieweit diese konzeptuelle Distinktheit über konkret sprachliche Repräsentate kodiert ist, und zwar einerseits in der Horizontalen, also im Unterschied zum benachbarten Sprachraum, und andererseits in der Vertikalen, also im Unterschied zur Standardsprache.“ (PURSCHKE 2011, 218−219)

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Zu Beginn wurde den Gewährspersonen ein Kartenausschnitt der entsprechenden Region mit Städten, Flüssen und Bundesländergrenzen vorgelegt.53 Die Proband*innen hatten die Aufgabe, auf dieser Karte ihnen bekannte Regionen und Sprachräume zu vermerken. Neben dem Verorten wichtiger bzw. bekannter Regionen und Sprachräumen auf der Karte sowie dem Hören von 16 Sprachbeispielen54 und deren Einschätzung nach Dialekt/Hochdeutsch sowie der Einschätzung der Herkunft der Sprecher*innen wurden ein Schnelltest zur Dialektkompetenz55 sowie Fragen zum individuellen Normhorizont (situativen Signifikanz), zur Situationsinterpretation und zu den wichtigsten Sozialdaten gestellt. Der Fragebogen bestand somit aus insgesamt sechs Bereichen (vgl. PURSCHKE 2011, 218−224). Zu den Sprechproben sollten die Hörer „für jede Aufnahme im Test angeben, wo sie ihrer Meinung nach auf der Skala „reines Hochdeutsch – tiefster Dialekt/Platt“ liegt (Vertikale). Für die Horizontale sollen die Informanten in einer abgestuften Frage für jeden Sprecher angeben, ob er/sie aus der unmittelbaren Umgebung stammen könnte. Bei einer wahrgenommenen Differenz zur eigenen Sprache soll dann angegeben werden, aus welcher der vorgegebenen Regionen der Sprecher stammen könnte. Es handelt sich dabei um dieselben Orte/Regionen, in denen zuvor die Interviews erhoben wurden. […] Für den Fall, dass eine Zuordnung nicht möglich ist, wird den Probanden zudem die Möglichkeit eingeräumt, die Sprecher pauschal in eine der beiden Untersuchungsregionen einzuordnen oder eine andere Herkunftsregion anzugeben (PURSCHKE 2011, 220−221)

Dabei liefert der Hörtest dahingehend Ergebnisse „ob die untersuchten Sprachräume im Wissen der Sprecher/Hörer selbst als eigenständige regionalsprachliche Entitäten repräsentiert sind oder nicht. Insofern stellt der Hörtest das zentrale Element der Untersuchung dar […].“ (PURSCHKE 2011, 221)

PURSCHKE kann durch seine Analyse, die vorher aufgestellten Vermutungen bestätigen. Bezogen auf das Übergangsgebiet zwischen dem Moselfränkischen und dem Rheinfränkischen handelt sich nicht nur auf der sprachstrukturellen Ebene um zwei voneinander abgrenzbare Dialektregionen, sondern auch in der perzeptiven Wahrnehmung der Proband*innen:

53 In Anlehnung an LAMELI / PURSCHKE / KEHREIN (2008) stellt der Autor heraus, dass sich besonders Städtekarten sehr gut eignen, um kleinräumiges Sprachwissen zu erheben. Die Bundesländergrenzen innerhalb des jeweiligen Kartenausschnitts gelten dabei als Bezugsrahmen (vgl. PURSCHKE 2011, 219). 54 Bei den Hörproben handelt es sich um „standardnahe[] Sprachproben unterhalb der StandardSubstandard-Grenze“ (PURSCHKE 2011, 220), die jeweils ca. 15 Sekunden lang waren (vgl. PURSCHKE 2011, 220). 55 Zum einen wurde über diesen Schnelltest das aktive Dialektwissen durch Übersetzungen in den eigenen Dialekt erhoben, zum anderen das Hörverstehen durch Übersetzungen vom Dialekt ins Hochdeutsche. Damit wurde auch gleich die Verständlichkeit abgefragt (interaktionelle Akzeptabilität, vgl. PURSCHKE 2011, 160−161).

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„Für Moselfranken wie Rheinfranken gilt, dass sie ihr eigenes regionalsprachliches System konzeptuell wie perzeptiv deutlich von der Standardsprache unterscheiden können. Weiterhin belegen die Ergebnisse des Kartentests wie des Hörtests, dass die Hörer eine klare Grenze zwischen ihrem eigenen und dem benachbarten regionalsprachlichen System ziehen. […] Die benachbarten regionalsprachlichen Systeme sind selbst in den obersten Sprechlagen unterhalb der Standard-Substandard-Grenze perzeptiv distinkt sowie Ausdruck einer regionsspezifischen situativ-attitudinalen wie sozial-funktionalen Normativität.“ (PURSCHKE 2011, 268)

Beim Übergangsgebiet zwischen dem Obersächsischen und dem Thüringischen gestalten sich die Ergebnisse bezüglich der perzeptiven Distinktheit anders als bei dem vorhergehenden. Die Thüringer wie auch die Sachsen können ihre regionalsprachliche Sprechweise konzeptuell und perzeptiv von der Standardsprache unterscheiden sowie diese beiden Varietäten (Obersächsisch und Thüringisch) auf der Karte konzeptuell abgrenzen. Jedoch zeigt sich „dass diese Grenze […] perzeptiv nicht distinkt ist […] Die benachbarten regionalsprachlichen Systeme sind selbst in den obersten Sprechlagen unterhalb der Standard-Substandard-Grenze perzeptiv nicht distinkt oder Ausdruck einer regionsspezifischen situativ-attitudinalen wie sozial-funktionalen Normativität. Die in den Sprachaufnahmen enthaltenen Regionalismen sind für die Hörer zwar ausreichend salient, um eine zuverlässige Identifikation mit der eigenen Regionalsprache zu ermöglichen, aber gleichzeitig nicht ausreichend pertinent, um eine zuverlässige Raumdistinktion zu gewährleisten.“ (PURSCHKE 2011, 306−307)

Neben dem Abgleich akustischer Stimuli mit visuellen Verortungen stellt sich ebenso das Alter als wichtiger Einflussfaktor heraus. Dies wird in der Studie von LAMELI (2009) deutlich. Bei dieser wurden die Verortungen von 20 Schüler*innen (zum Zeitpunkt der Erhebung zwischen 15 und 17 Jahre) und 12 Senior*innen (zum Zeitpunkt der Erhebung zwischen 61 und 75 Jahre) aus Kassel verglichen. Für diese Aufgabe erhielten die Gewährspersonen eine detaillierte Grundkarte mit 200 Städten, auf der sie die Sprechproben aus dem Nordhessischen sowie den angrenzenden Dialektregionen des Nordhessischen eintragen sollten.56 Des Weiteren wurde eine rheinfränkische Sprechprobe vorgespielt, die als „überregionale Prestigevariante des Neuhessischen“ (KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010, 359) angesehen werden kann. Bei den Sprechproben selbst handelt es sich um dialektnahe Proben (dialektale Übersetzungen von sieben Wenkersätzen), bei deren Verortung57 Unterschiede zwischen den Altersgruppen sichtbar werden: „Während die Erwachsenen die relative Nähe der Sprachaufnahmen zum eigenen Lebensmittelpunkt allem Anschein nach erkennen, […] gelingt dies den Schülern offenbar nicht.“ (KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010, 359) Dabei verorten die älteren Proband*innen die Hörproben um den Erhebungsort Kassel herum: Die nordhessische Aufnahme wird zumeist korrekt zugeordnet, die ostfälische und westfälische Sprechprobe werden in den niederdeutschen Raum nördlich von Kassel verortet, wobei diese nicht weiter 56 Die Einteilung geht dabei zurück auf WIESINGER (1983) und es handelte sich um folgende Regionen: Ostfälisch, Osthessisch, Thüringisch, Westfälisch, Zentralhessisch (vgl. KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010, 359). 57 Außerdem zeigt sich, dass die Schüler*innen ein Drittel bis die Hälfte der Sprechproben nicht verorten können, bei den Senior*innen sind es ein Viertel bis ein Drittel der Hörbeispiele (vgl. KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010, 359).

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differenziert werden können. Die rheinfränkische Sprechprobe kann fast genau zugeordnet werden und die thüringische wird um Fulda verortet. Die letzte Zuordnung ist interessant, „da Osthessisch [Fulda, N. P.] und Thüringisch sich sprachstrukturell relativ nahe stehen, etwa durch das Vorhandensein ungerundeter Hinterzungenvokale. Die Informanten scheinen also grundsätzlich auf konkrete Sprachphänomene zu reagieren. Wurde Thüringisch zu weit westlich angesetzt, so ist aufschlussreich, dass Osthessisch ebenfalls recht einheitlich zu weit westlich angesetzt wurde und das eigentliche Gebiet des Zentralhessischen einnimmt, womit die tatsächliche räumliche Relation der Sprachregionen erhalten bleibt.“ (KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010, 360)

Die zentralhessische Sprechprobe hingegen kann nicht verortet werden, hier streuen die Zuordnungen sehr. Hinsichtlich der Verortungen der Schüler*innen zeigt sich, dass die „Mehrzahl der Sprachproben in stimmige[r] Relation zum eigenen Lebensmittelpunkt gesetzt werden kann.“ (KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010, 361) Wie bei der älteren Gruppe kann die nordhessische Probe relativ genau zugeordnet werden. Das rheinfränkische Beispiel wird in den Süden von Kassel und das ostfälische in den Norden verortet. Auch hier gestaltet sich die Verortung des Thüringischen als interessant. Es wird von allen in den Osten, um Leipzig herum, sortiert. Dazu merken die Autoren an, dass bei diesem Beispiel „die besondere Beeinflussung der über Medien transportierten Stereotype […], die auch schon in der Marburger Studie beobachtet werden konnte“ (KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010, 361), ersichtlich wird. Ähnliches kann auch bei der Zuordnung des westfälischen Sprachbeispiels angenommen werden, wobei die jüngeren dieses sogar korrekter zuordnen als die älteren. Bezogen auf den Vergleich der älteren und jüngeren Gruppe schlussfolgern die Autoren, „dass die Medien, die ja gerade für den Abbau der Dialekte verantwortlich gemacht werden, gleichzeitig neues regionalsprachliches Wissen hervorgebracht haben.“ (KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010, 361) Mittels der Studie wird zudem die Komplexität des Konzepts Dialekt ersichtlich, das vom jeweiligen Stimulus abhängt. Dabei kann beim Konzept Hessisch von zwei Ebenen ausgegangen werden: Die eine orientiert sich am Bundesland Hessen und ist somit eine großräumige – dieses Konzept entsteht bei hessischen Proband*innen bei der Frage nach bekannten deutschen Sprachräumen. Die andere siedelt sich auf einer kleinräumigen Ebene an und orientiert sich eher am Erfahrungsraum der Gewährspersonen. Das binnendifferenzierte Konzept Hessisch wird besonders bei den älteren Proband*innen hervorgerufen, wenn verschiedene Sprachbeispiele aus dem hessischen Raum auf einer Karte verortet werden sollen (vgl. KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010, 361). Eine weitere Studie aus dem Marburger Umkreis58 analysierte zusätzlich die mittlere Altersstufe (30 bis 55 Jahre) hinsichtlich der Verortung. Eine Gruppe der Gewährspersonen stammte ebenfalls aus dem nordhessischen Raum (Nähe Kassel, 24 Personen) und eine weitere aus dem osthessischen (Nähe Fulda, 25 Personen). Verwendung fand wieder die draw-a-map-Methode, bei der die Proband*innen sowohl standardnahe als auch dialektnahe akustische 58 Detaillierte Informationen zum Aufbau sowie zu den Ergebnissen finden sich in PURSCHKE 2011.

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Stimuli auf einer Karte zuordnen sollten (vgl. KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010, 361−362). Ausgangspunkt war die vorhergehende Untersuchung aus dem Kasseler Raum mit den Schüler*innen und Senior*innen (vgl. LAMELI 2009), bei der „Effekte hinsichtlich der Erhebungsmethode sowie des regionalsprachlichen Wissens der Informanten“ (KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010, 362) nachgewiesen werden konnten. Diese Effekte sollten mit weiteren Untersuchungen zur Wahrnehmung der unterschiedlichen hessischen regionalsprachlichen Varianten analysiert werden. Das Sprachraumwissen wurde dabei in drei Schritten erhoben: Erstens hatten die Proband*innen die Aufgabe, auf einer Großstädte-Deutschlandkarte (in Anlehnung an die Marburger Studie vgl. LAMELI / PURSCHKE / KEHREIN 2008) die ihnen bekannten Sprachräume einzuzeichnen, und zweitens auf einer Karte, die einen regionalen Kartenausschnitt (Bundesland Hessen sowie einige angrenzende Städte und Gebiete) präsentierte, die bekannten hessischen Sprachräume zu vermerken. Abschließend „wurden den Informanten je eine Dialekt- und eine Regionalakzentaufnahme aus allen vier hessischen Sprachräumen vorgespielt, die auf der Regionalkarte verortet werden sollten.“ (KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010, 362) Aufgrund der Annahme, dass die kommunikative Erfahrung Auswirkungen auf die Verortung von Sprachräumen und Sprachproben haben könnte, wurde im Zuge der Untersuchung ein sprachlicher Kompetenztest59 durchgeführt. Im Vergleich zur Marburger Studie konnten ähnliche Verortungen im Großraum ausgemacht werden, wobei hier, wie bei den älteren Proband*innen der Kasselstudie, durchschnittlich mehr Verortungen gefunden wurden. Des Weiteren traten signifikant häufig Sprachräume auf wie Frankfurterisch, Fränkisch, Friesisch, Rheinisch, Thüringisch und Westfälisch. Diese häufigen Verortungen führen die Autoren auf die „größere[] kommunikative[] Erfahrung der Informanten im Vergleich zu den Marburger Schülern“ (KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010, 363) zurück. Ebenfalls lassen sich Effekte ausmachen, die sich aufgrund der unmittelbaren Nachbarschaft ergeben. Dies betrifft zum einen das Westfälische für die nordhessischen Proband*innen und das Thüringische für die osthessischen Gewährspersonen. Diese werden bei den Schüler*innen der Marburger Studie kaum verortet bzw. benannt, deuten hier aber „auf einen klaren Effekt der kommunikativen Nähe auf das regionalsprachliche Wissen“ (KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010, 363) hin. Ebenfalls strukturieren die Probanden aus den zwei Erhebungsgebieten den hessischen Raum unterschiedlich. Dabei verorten die Nordhessen wesentlich mehr kleinräumige Varianten, so beispielsweise Hessisch, Frankfurterisch, Nordhessisch, Südhessisch, Osthessisch etc. Bei den Osthessen sind dagegen nur Hessisch sowie Frankfurterisch und das Rhöner Platt (als eigene Sprechweise) zu finden. Somit kann davon ausgegangen werden, dass eine „größere kommunikative Erfahrung der Informanten“ zu einer besseren „Differenzierungsfähigkeit hinsichtlich arealer Sprachstrukturen“ (KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010, 363) führt. Des Weiteren „scheinen 59 Der sogenannte Kompetenzschnelltest beinhaltet dabei Aufgaben zum Dialektverstehen sowie zum dialektalen Wissen der Proband*innen. Sie sollten zum einen fünf dialektale Wenkersätze ins Hochdeutsche und zum anderen kurze standardsprachliche Syntagmen in den eigenen Dialekt übersetzen (vgl. PURSCHKE 2011, 160−161).

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die Informanten auf andere, eher an kleinräumiger dialektaler Variation orientierte Konzepte zu referieren als die von großregionalen, standardnahen Sprechweisen beeinflussten Schüler.“ (KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010, 363) Es lassen sich demnach unterschiedliche Arten der Konzeptualisierung von Sprachraumstrukturen auf regionaler Ebene nachweisen. Dabei wird deutlich, dass das „Konzept Hessisch bzw. Sprachraum (allgemein) als komplexe mentale Struktur verstanden werden muss, die auf verschiedene Weise und in Abhängigkeit von methodischen und individuellen Faktoren unterschiedlich aktiviert und repräsentiert werden kann.“ (KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010, 363)

Bezüglich der Zuordnung der Sprechproben auf dem Kartenausschnitt60 können die Proband*innen im Allgemeinen die Aufnahmen mit dem Regionalakzent besser verorten als die basisdialektalen. Ebenfalls „orientieren sich die Informanten an größeren Strukturen als kognitiven Prototypen, vorzugsweise an Städten (Frankfurt, Kassel, Fulda) oder Landschaftszügen (Vogelsberg, Odenwald).“ (KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010, 365) Somit richten sich die Proband*innen nach bekannten Elementen im Raum, die ihnen bei der Kategorisierung und Orientierung helfen. Dies sind insbesondere Städte, die „als Repräsentanten für sprachliche und kulturelle Regionen“ (KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010, 366−367) gelten. Diese Kategorien stellen „in der Wahrnehmung der Hörer ideale Repräsentanten für die individuelle Strukturierung des Sprachraumkonzepts Hessisch“ (KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010, 367) dar. Hinsichtlich der Herkunft der Proband*innen können ebenso Effekte festgestellt werden: So verorten die Gewährspersonen benachbarte Sprachräume zum eigenen Erhebungsort signifikant häufiger als die andere Gruppe. Somit bestätigt sich die Annahme, dass das Wissen über die in Nachbarschaft liegenden Räume die Differenzierung des gesamten Sprachraums beeinflusst. Ebenfalls kann bewiesen werden, dass die älteren Proband*innen eher auf dialektnähere Regionalsprachen-Konzepte zurückgreifen und daher auch kleinräumiger strukturieren können. Dieser Effekt wird besonders deutlich, wenn es sich um dialektkompetentere Hörer handelt. So können die Proband*innen aus Nordhessen, die im Kompetenztest besser waren als die osthessischen, wesentlich mehr kleinräumige Sprachräume auf der Großstädtekarte sowie auf der Regionalkarte verorten (vgl. KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010, 367). Abschließend halten die Autoren fest, dass „die Konzeptualisierungen von Sprachräumen und insbesondere des Hessischen als komplexe Strukturen anzusehen [sind, N. P.], die in Abhängigkeit von der verwendeten Methode und Faktoren wie Herkunft, Alter und regional-sprachliche Kompetenz in unterschiedlicher Weise aktivierbar und reproduzierbar sind. Das Konzept Hessisch muss dabei als in besonderer Weise von der Regionalsprache des Frankfurter Raums beeinflusst angesehen werden, […] das sowohl hinsichtlich der überregionalen Präsenz als auch hinsichtlich der Prominenz typischer Merkmale als kognitiver Prototyp und maßgeblicher Repräsentant für das Konzept des Hessischen verstanden werden kann.“ (KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010, 367)

60 Dieser Kartenausschnitt besaß eine hohe Informationsdichte. Neben Städten, Flüssen und dem Relief waren auch die Landesgrenzen abgebildet (vgl. KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010, 365).

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2.1.1.3 Staatsgrenzen als Sprachgrenzen in der Wahrnehmung linguistischer Laien Die Auseinandersetzungen mit der Entwicklung territorialer Grenzen zu Sprachgrenzen ist kein neues Phänomen (vgl. u. a. KREMER / NIEBAUM 1990, PALLIWODA / SAUER / SAUERMILCH i. V., SMITS 2011) und spielt auch innerhalb der Wahrnehmungsdialektologie eine wichtige Rolle – besonders für die Proband*innen zur Strukturierung ihrer Umgebung. Eine wahrnehmungsdialektologische Untersuchung, bei der nicht nur die Ländergrenzen zwischen Deutschland und Frankreich sowie Deutschland und der Schweiz, sondern auch natürlich gesetzte Grenzen im Mittelpunkt der Untersuchung stehen, ist die Studie von STOECKLE (2014) im alemannischen Dreiländereck. Dabei waren die folgenden Gründe ausschlaggebend für die Wahl des Untersuchungsgebiets im Südwesten: „Zum einen finden wir – zumindest auf der Ebene der traditionellen Mundarten – viel dialektale Variation auf kleinem Raum vor. Zum anderen bilden die Isoglossen einen spannenden Kontrast zur politischen Gliederung, da sich die Dialektgrenzen selten mit den politischen Grenzen decken. Und schließlich stellt auch die geographische Gliederung einen interessanten Hintergrund dar, da sich hier einerseits ein Gegensatz zwischen Gebirge (Schwarzwald) und flachem Land (Rheinebene) manifestiert sowie andererseits städtische Ballungszentren (Freiburg, Basel) ländlichen Strukturen (Kaiserstuhl, Schwarzwald) gegenüber stehen.“ (STOECKLE 2014, 107)

Die Grundlage bilden die im Projekt Regionaldialekte im alemannischen Dreiländereck erhobenen Daten, die subjektive sowie objektive Ansätze der Analyse bieten.61 Der Schwerpunkt der Studie STOECKLES liegt dabei, wie bei der vorliegenden, auf den durch die draw-a-map-task erhobenen Karten sowie den Kommentaren und subjektiven Einstellungen zu diesen Karten. Die Erhebung selbst wurde in 32 Orten in Deutschland, drei Orten in Frankreich und zwei Orten in der Schweiz durchgeführt. Daraus wird ersichtlich, dass der Fokus der Untersuchung auf den bundesdeutschen Raum im alemannischen Dreiländerdreieck gelegt wurde und nicht in Frankreich oder der Schweiz. Die Orte außerhalb Deutschlands dienten dabei lediglich als stichprobenartige Vergleichsorte, um herauszuarbeiten, inwieweit die Staatsgrenze auf die mentale Dialektgliederung einwirkt (vgl. STOECKLE 2014, 109). Pro Erhebungsort wurden je sechs Proband*innen (je drei männliche wie weibliche) interviewt, die in der Region aufgewachsen und sozialisiert wurden. Neben der Variable Geschlecht wurden auch das Alter sowie das Berufsmilieu der Teilnehmenden beachtet. Die zwei Altersgruppen verteilen sich auf Proband*innen, die zwischen 25 und 35 Jahren und zwischen 60 und 70 Jahren waren (vgl. STOECKLE 2014, 112). Die Einteilung nach Berufsmilieu orientierte sich an handwerklich ausgerichteten und kommunikationsorientierten Berufen. Die Annahme war, „dass die kommunikativen Anforderungen im Alltag einen maßgeblichen Einfluss auf das Sprachverhalten und den Sprachgebrauch der Informanten ausüben.“ 61 Aus diesem Projekt sind zwei Dissertationen hervorgegangen, die ihre Schwerpunkte zum einen auf die subjektiven Daten (STOECKLE 2014) und zum anderen auf die objektiven Daten (HANSEN-MORATH i. V.) sowie deren Auswertung gesetzt haben.

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(STOECKLE 2014, 113)62 Die leitfadengestützten Interviews waren in insgesamt drei Teile gegliedert, wobei sich STOECKLE mit der „ethnodialektologische[n] Befragung, in der die subjektiven Konzeptualisierungen der regionalen Dialektgliederung auf der Basis selbst gezeichneter Dialektkarten“ (STOECKLE 2014, 115) eine Rolle spielen, auseinandersetzt und diese analysiert.63 Den Proband*innen wurde eine Karte des Untersuchungsgebiets vorgelegt und sie sollten auf dieser Karte vermerken, bis wohin genauso gesprochen wird wie in ihrem Heimatort, wie sie benachbarte Dialekte einteilen und bezeichnen würden. Außerdem wurde nach Merkmalen (Sätzen oder Wörtern) gefragt, die sich von dem eigenen und den angrenzenden Dialekten unterscheiden. Weiterhin wurden Fragen zur Ähnlichkeit des eigenen Dialekts zu den benachbarten sowie zum Gefallen der eingezeichneten Dialekte gestellt (vgl. STOECKLE 2014, 115−116). Nach der Bearbeitung und Beantwortung der ersten Karte wurde den Gewährspersonen eine zweite Karte vorgelegt, die wie die erste aufgebaut war, aber einen größeren Ausschnitt repräsentierte. Auf dieser sollten die Proband*innen markieren, in welchen Gebieten ganz anders gesprochen wird als in ihrem eigenen Ort (vgl. STOECKLE 2014, 118). Zusätzlich wurden Fragen zur sprachlichen Selbsteinschätzung gestellt sowie relevante Sozialdaten erhoben (vgl. STOECKLE 2014, 120). STOECKLE kann feststellen, dass die Staatsgrenze als starke mentale Karte kognitiv verankert ist. Das kann er damit belegen, dass die Proband*innen diese immer mit verorteten bzw. an dieser ihre Dialektgebiete einzeichneten, obwohl die Staatsgrenzen aus der Grundkarte bewusst ausgespart wurden (vgl. STOECKLE 2010, 310; 2014, 413). Des Weiteren erweisen sich neben „der Staatsgrenze […] vor allem landschaftlich-kulturelle Aspekte (Topographie, Kulturlandschaft) als relevant, während sich die Landkreise, deren Grenzen in einigen Fällen mit den mentalen Dialektgrenzen korrelierten, als weniger bedeutsam herausstellten.“ (STOECKLE 2014, 560)

Anhand der zweiten Karte, in der die Proband*innen markieren sollten, wo ganz anders gesprochen wird, stellt sich zum einen die Staatsgrenze bei allen drei Ländern (Deutschland, Frankreich, Schweiz) als wichtige mentale Bezugsgröße heraus. Zum anderen verorten die Proband*innen auch immer innerhalb des eigenen Landes eine Region, die sie als ganz anders charakterisieren. In Deutschland wird besonders der schwäbische Dialektraum als höchst abweichend interpretiert und bestätigt damit die bestehende „Rivalität zwischen Baden und Württemberg […] in der dialektalen Abgrenzung“ (STOECKLE 2014, 560), die „auch in anderen (ethno- )dialektologischen Arbeiten gezeigt“ (STOECKLE 2014, 560) werden

62 Zur Unterscheidung und Erläuterung der Einteilung in handwerkliche und kommunikationsorientierte Berufe vgl. STOECKLE 2014. 63 Der erste Teil der Befragung befasste sich mit Dialektabfragen und wird in HANSEN-MORATH (i. V.) ausgewertet.

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konnte.64 Weiterhin kann STOECKLE in seiner Analyse feststellen, dass die Proband*innen bei der Begründung ihrer Dialektgrenzen häufig auf historische Hintergründe referieren und in diesem Zusammenhang ebenfalls konfessionelle Grenzen deutlich werden. Dieser Effekt ist sogar statistisch höchst signifikant. Der Rückgriff auf dieses Wissen bzw. dieser Effekt trat aber nur bei den Gewährspersonen zu Tage, die in den traditionell protestantischen Gebieten aufgewachsen waren. In den katholischen Regionen wurde hingegen nur selten darauf Bezug genommen (vgl. STOECKLE 2014, 561). „Als Erklärungsansätze wurden der geographische Minderheitenstatus der ehemals zur Markgrafschaft Baden gehörenden protestantischen Gebiete sowie die besondere Rolle der ‚eigenen‘ Sprache im Protestantismus genannt.“ (STOECKLE 2014, 561)

Besonders die Variable Alter zeigt sich als relevanter Faktor in Bezug zu allen getesteten Kategorien. Zwar lassen sich auch einige statistisch signifikante Fälle bzw. Tendenzen bezüglich der Variable Geschlecht und Berufsmilieu finden, jedoch sind diese Variablen nicht für alle Kategorien relevant wie die Variable Alter (vgl. STOECKLE 2014, 563): „Die älteren Sprecher besitzen ein größeres dialektbezogenes Wissen als die jüngeren. Sie identifizieren insgesamt mehr Dialektgebiete, nennen mehr sprachliche Merkmale und können diese […] genauer beschreiben. Zudem äußern sie ein ausgeprägteres Wissen bezüglich der historischen Zusammenhänge und deren Bedeutung für die Dialektgliederung.“ (STOECKLE 2014, 564)

Aus den Ergebnissen schlussfolgert STOECKLE, „dass ein Wandel der sprachbezogenen räumlichen Bezugssysteme stattfindet: Während die älteren Sprecher noch relativ klar ausgeprägte Vorstellungen von der lokalen Dialektgliederung besitzen und diese vergleichsweise gut beschreiben können, haben die lokalen dialektalen Unterschiede für die jüngeren Sprecher an Bedeutung verloren. Die abnehmende Bedeutung der lokalen Dialekte spiegelt sich gleichzeitig in einer zunehmenden Bezugnahme auf den regionalen Kontext. Die Ausnahme bei den jüngeren Sprechern bildet jedoch der Heimatdialekt, der noch in seiner ‚alten‘ Form bekannt ist und kontrastierend zu der nicht mehr genauer differenzierten dialektalen Umgebung wahrgenommen wird.“ (STOECKLE 2014, 568)

Hinsichtlich des Alters lassen sich bei STOECKLE somit ähnliche Tendenzen ausmachen wie bei KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE (2010). Mittels der Analyse der Altersgruppen im hessischen Raum konnte herausgefunden werden, dass jüngere Proband*innen eher auf standardnähere regionale Sprechweisen und teilweise medial repräsentierte Vorstellungen zurückgreifen, wohingegen die älteren Gewährspersonen aufgrund der Erfahrungen auf dialektnähere Sprechproben zurückgreifen und 64 So kann AUER 2004 deutlich machen, dass die Befragten aus dem entsprechenden Raum eine sprachliche Grenze zwischen den Orten Villingen und Schwenningen wahrnehmen, die objektiv/dialektologisch gesehen jedoch nicht besteht. Bei näherer Betrachtung wird deutlich, dass es sich bei dieser Grenze um die ehemalige territoriale Grenze zwischen Baden und Württemberg handelt (vgl. AUER 2004, 162−166). Ähnliche Effekte können auch HUNDT / PALLIWODA / SCHRÖDER zeigen: Linguistische Laien aus dem schwäbischen/alemannischen Raum unterscheiden klar zwischen einem schwäbischen und einem badischen Konzept (vgl. HUNDT / PALLIWODA / SCHRÖDER 2015a).

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diese auch zuordnen können (vgl. KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010). STOECKLE kann demnach in seiner Untersuchung nachweisen, dass neben den Variablen Alter und Herkunft auch politische, historische sowie konfessionelle Grenzen Einflussfaktoren bei der Wahrnehmung von Sprachraumkonzepten darstellen. Eine weitere Untersuchung, die ebenfalls mit der draw-a-map-Methode arbeitet und sich mit politischen Grenzen auseinandersetzt, ist die Studie von KLEENE (2015). Dabei befasst sie „sich mit der (individuellen) Wahrnehmung arealer Sprachstrukturen (Dialektgebiete) durch ‚linguistische Laien‘ […]. Untersuchungsgebiet ist dabei der bairische Sprachraum, der durch sein staatsübergreifendes Areal (u. a. Bundesrepublik Deutschland, Österreich, Italien; vgl. Wiesinger 1983) im Spannungsfeld zwischen deutschen Dialekten einerseits und verschiedenen überdachenden deutschen und nichtdeutschen Standardvarietäten andererseits liegt. Zudem ist er im öffentlichen Bewusstsein sehr präsent.“ (KLEENE 2015, 323)

KLEENE stellt dazu fest, dass der bairische Sprachraum aus wahrnehmungs- bzw. perzeptionsdialektologischer Perspektive noch nicht weiter untersucht wurde, obwohl er zu einem der präsentesten Sprachgebiete gehört.65 Dabei ist von besonderem Interesse, „welche Dialekträume innerhalb des bairischen Sprachraums von den Bewohnern desselben unterschieden werden und wo ebendiese die jeweiligen Grenzen ziehen.“ (KLEENE 2015, 323) Auf der Grundlage der Ergebnisse von LAMELI / PURSCHKE / KEHREIN (2008) wählt KLEENE unterschiedliche Grundkarten aus, um zum einen zu testen, welche dieser Karten sich am besten eignen, um die Strukturen zu eruieren. Zum anderen interessiert sich die Autorin für die Ordnungsstrategien der Gewährspersonen und die Frage, ob sich diese hinsichtlich der unterschiedlichen Karten unterscheiden. Gleichfalls liegt ein Schwerpunkt auf der Wahrnehmung der Staatsgrenze als Sprachgrenze (vgl. KLEENE 2015, 324−325).66 Insgesamt kamen fünf verschiedene Grundkarten zum Einsatz, die alle einen ähnlichen Ausschnitt des Untersuchungsgebietes zeigten – neben dem bairischen Sprachraum wurden auch die angrenzenden Gebiete aufgenommen, wie die Schweiz oder Norditalien. Es handelte sich dabei um eine Städtekarte mit 20 Oberzentren, eine Städte-Flüsse-Seen-Karte, eine Karte mit den Bundesländergrenzen, eine Karte, in der nur die Staatsgrenzen abgebildet waren, sowie eine Karte, die aus einer Kombination aus Staatsgrenzen, Bundesländergrenzen, Städten, Flüssen, Seen und topographischen Informationen bestand (vgl. KLEENE 2015, 325). Zusätzlich zu diesen fünf genannten verwendet Kleene eine „Blankovorlage […], bei der – abgesehen von der Aufgabenstellung – keinerlei Informationen vorgegeben waren“ (KLEENE 2015, 325) und orientiert sich hierbei an der Untersuchung von HOFER

65 Bei Befragungen zur Beliebtheit/Kenntnis von Dialekten/Sprechweisen im deutschen Sprachraum zählt das Bayrische zu den am häufigsten genannten (vgl. u. a. GÄRTIG / PLEWNIA / ROTHE 2010, HUNDT 2010a, 2012, LAMELI / PURSCHKE / KEHREIN 2008, PALLIWODA 2009, STICKEL / VOLZ 1999). 66 Solch eine Sprachgrenze konnte STOECKLE in seinem Untersuchungsgebiet des Dreiländerecks im Alemannischen zur Grenze nach Frankreich und in die Schweiz nachweisen (vgl. STOECKLE 2010; 2014).

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(2004).67 Die Aufgabenstellung war bei allen fünf Karten dieselbe: Die Proband*innen sollten „(z. B. durch Einkreisen) alle Ihnen bekannten Dialekt-/Mundarträume“ (KLEENE 2015, 327) einzeichnen und diese nach Möglichkeit benennen. Ebenfalls sollten in die Karte Ort und Bezeichnung des Heimatortes vermerkt werden.68 Bezüglich des weißen Blattes gestaltete sich die Fragestellung nur leicht anders: „Bitte denken Sie sich eine Grundkarte von Österreich und seinen angrenzenden Ländern (Sie können diese auch gern aufmalen). Zeichnen Sie darin alle Ihnen bekannten Dialekt-/Mundarträume ein und benennen Sie diese bitte auch! Bitte tragen Sie in einer anderen Farbe Ihren Heimatort ein und benennen Sie diesen ebenfalls. Beachten Sie, dass es kein Richtig oder Falsch gibt, d. h. es kommt nicht darauf an, ob Ihre Eintragungen der realen Geographie entsprechen!“ (KLEENE 2015, 327)69

Die Durchführung fand 2012 mit „136 Studierenden unterschiedlichster Semester an der Universität Wien“ (KLEENE 2015, 327) statt. Die Proband*innen waren zum Zeitpunkt der Erhebung zwischen 20 und 34 Jahre alt. Davon waren 75 weiblich und 61 männlich und stammten aus dem bairischen sowie alemannischen Sprachraum. Durchschnittlich bekamen 22 Proband*innen die gleiche Vorlage (vgl. KLEENE 2015, 328). KLEENE kann bei der Sprachraumverortung folgende Verortungsstrategien bei den unterschiedlichen Grundkarten feststellen: Bei der Städtekarte orientieren sich die Proband*innen eher an den Städten bzw. Zentren, wohingegen die Zwischenräume öfter frei gelassen werden. Hinsichtlich der StädteFlüsse-Seen-Grundkarte wirken die „(Groß-)Städte als Lokalisationskerne“ (KLEENE 2015, 329), gleichzeitig erfolgt eine Orientierung „an den wichtigsten Grenzflüssen (wie dem Inn und dem Rhein)“ (KLEENE 2015, 330). Sie kommt zu dem Fazit, dass „die Grundkarte unterschiedliche Wissensbestände aktiviert“ (KLEENE 2015, 330). Auffallend bei diesen beiden Karten ist, dass die Proband*innen sich innerhalb Österreichs an den Bundeshauptstädten orientieren und diese als Kern der entsprechenden Dialekträume ansehen. Innerhalb Süddeutschlands gestal-

67 In seiner Untersuchung befasst sich HOFER ebenfalls mit politischen und sprachlichen Grenzen aus der Sicht linguistischer Laien, hier aber in der Stadt Basel, somit im dortigen Dreiländereck. Dabei war die Aufgabenstellung, auf einem weißen Blatt Papier den eigenen Sprachraum/die eigene -landschaft zu verzeichnen und zu beschriften. Die Proband*innen sollten ebenfalls deren wichtigsten sprachlichen Grenzen anmerken und verdeutlichen, wann sie diese im Alltag überqueren. Wichtiges Ergebnis der Untersuchung war die Unterscheidung zwischen geographischen und kognitiven Karten. Die geographischen Karten orientieren sich dabei mehr an einer typischen Landkarte und wurden am häufigsten gezeichnet. Die kognitive Karte stellt dabei eine sehr individuelle Darstellungsform dar, wobei hier keine ikonischen Beziehungen zur typischen Landkarte ausgemacht werden können (vgl. HOFER 2004). 68 Als problematisch könnte sich eventuell die Bezeichnungen Dialekt bzw. Mundart erweisen, da aus diesen Bezeichnungen nicht klar wird, was Gewährspersonen unter diesen Begrifflichkeiten verstehen. Auf solche Bezeichnungsschwierigkeiten weisen u. a. LAMELI / PURSCHKE / KEHREIN (2008, 57) hin. KLEENE gibt an, bewusst jene Bezeichnung gewählt zu haben, da es ihr um solche geht und nicht um Sprachräume wie Italienisch oder dergleichen (vgl. KLEENE 2015, 327). 69 Die Fragestellung scheint in Bezug auf die Ergebnisse von HOFER (2004) bei der Blankovorgabe etwas zu eingeengt, da hier bei den Proband*innen schon eine Landkarte imaginiert wird.

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tet sich diese Strategie als problematisch, da hier mehrere Großstädte für einen Dialektraum angenommen werden können und die Proband*innen entscheiden müssen, welche Städte sie zusammenschließen wollen (vgl. KLEENE 2015, 329). Hinsichtlich der Bundesländerkarte zeigt sich ein ähnliches Bild, wie LAMELI / PUR SCHKE / KEHREIN festgestellt hatten (vgl. LAMELI / PURSCHKE / KEHREIN 2008, 72). Sowohl in Süddeutschland als auch in Österreich orientierten sich die Proband*innen an den entsprechenden abgebildeten Bundesländergrenzen und zeichneten diese nach. Ähnlich gestaltet sich das Bild bei der Karte mit den Staatsgrenzen, wobei diese Grenzverläufe eher als Orientierungshilfe dienen (vgl. KLEENE 2015, 330). Bei der Kombinationskarte zeigt sich bei den nicht-österreichischen Städten (wie München, Bozen etc.), dass sie bei den bairischen Proband*innen als Orientierung außerhalb Österreichs gelten und innerhalb Österreichs bieten die Bundesländer den Gewährspersonen ihre Orientierung. Teilweise wird auch die Staatsgrenze zur Abgrenzung besonders des Schweizerischen genutzt (vgl. KLEENE 2015, 330−331). Bezogen auf die Blankovorlage lassen sich ebenfalls eher Bundesländer ausmachen, die die kognitive Karte strukturieren. KLEENE merkt dazu an: „Ganz grob lassen sich innerhalb Österreichs die Bundesländer – abgesehen vom Bundesland Steiermark, von Nordtirol und kleinen Teilen anderer Bundesländer – tatsächlich oft als Ganzes einem traditionellen Dialektraum zuordnen.“ (KLEENE 2015, 331−332)

KLEENE stellt außerdem heraus, dass die Herkunft der Proband*innen eine wichtige Komponente zu sein scheint. Dies begründet sie mit der Präsenz des Wienerischen in ihrer Untersuchung, da der Erhebungsort Wien war und somit sehr präsent bei den Gewährspersonen. Außerdem wirken Stereotype und Auffälligkeiten bzw. die Andersartigkeit anderer Dialekte bzw. Sprechweisen wie Schweizerisch oder Vorarlbergisch (vgl. KLEENE 2015, 337). Zusammenfassend kann konstatiert werden, dass „sich die meisten österreichischen Probanden bei der Einzeichnung von kognitiven Karten sehr stark an den Bundesländergrenzen orientieren, weil ihnen diese politische Gliederung zum einen eine bekannte Grundlage liefert, und zum anderen weil diese Ordnungsstrategie durch die Stimuli evoziert sein mag.“ (KLEENE 2015, 338)70

Dabei sind besonders die Städtekarte und die Städte-Flüsse-Seen-Karte fruchtbringend. Abschließend stellt KLEENE heraus, dass die Proband*innen sich größtenteils an politischen Grenzen orientieren, auch wenn diese nicht abgebildet sind. Gleichfalls bilanziert sie, dass eine eher geringe Erfahrung mit den Sprechweisen außerhalb Österreichs dazu führt, sich eher auf die eigene Region zu beziehen und diese zu verorten. Zu ähnlichen Ergebnisse kommt STOECKLE (2010, 310, vgl. KLEENE 2015, 338).71 70 Dieses Ergebnis ist auf der Grundlage der Untersuchung von LAMELI / PURSCHKE / KEHREIN (2008, 82) nicht verwunderlich – es ist fraglich, warum diese Karte gewählt wurde. 71 Die Ergebnisse sind als vorläufig zu betrachten, weitere Fragestellungen behandelt die Autorin in ihrem Dissertationsprojekt „Attitudinal-perzeptive Variationslinguistik im bairischen Sprachraum“ (Arbeitstitel)und diese beziehen sich auf die Merkmale der entsprechenden Sprachräume. Hierzu werden noch Interviews in Kombination mit Hörertest herangezogen (vgl. KLEENE 2015, 338, i. E.).

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2.1.2 Wahrnehmung der ehemaligen innerdeutschen Grenze Bezogen auf die ehemalige deutsch-deutsche Grenze scheint die Situation eine besondere zu sein, da sie ‚nur‘ vier Jahrzehnte bestand und spätestens seit dem Bau der Mauer (1961) keine durchlässige Grenze war. Diese besonderen Merkmale könnten dazu geführt haben, dass sich hier ebenfalls eine Sprachgrenze herausgebildete hat, sowohl objektsprachlich als auch auf die subjektive Wahrnehmung bezogen. Auf der objektsprachlichen Ebene widmen sich genau dieser Fragestellung das Forschungsvorhaben von FRITZ-SCHEUPLEIN (2001, 2004) und das DFG-Projekt Sprachsituation im Grenzgebiet (u. a. 2009, 2010, 2015). Auf der wahrnehmungsdialektologischen Ebene lassen sich bezüglich der Wahrnehmung der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze ebenso wenige Studien ausmachen. Zum einen befassen sich die Studie von DAILEY-O’CAIN (1999) und zum anderen die Untersuchung von KENNETZ (2010) mit dieser Thematik. Die beiden objektsprachlichen Untersuchungen bzw. deren Ergebnisse werden kurz präsentiert, bevor die zwei perzeptionslinguistischen Projekte vorgestellt werden. FRITZ-SCHEUPLEIN (2004)72 setzt sich mit der innerdeutschen Grenze und deren Auswirkungen auf die Sprachverhältnisse auseinander. Das Untersuchungsgebiet in dieser Arbeit bezieht sich aber nicht auf den gesamtdeutschen Raum, sondern auf einen ursprünglich homogenen Dialektraum entlang der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze. Im Vordergrund der Arbeit standen dabei die Merkmale des dortigen Dialekts. Untersucht wurden 14 benachbarte Orte in Nordunterfranken und Südwestthüringen, die sich 100 Kilometer entlang der ehemaligen Grenzen vom Mittelgebirge Rhön bis zur Hügellandschaft des Grabfeldes erstrecken. Diese Region bildet eine Brücke zwischen den Großlandschaften Hessen, Thüringen und Franken. Der Fokus der Untersuchung liegt darauf, eine Bestandsaufnahme und Betrachtung relevanter Merkmale der Mundart in diesem Gebiet darzustellen (vgl. FRITZ-SCHEUPLEIN 2004, 1). Besonderes Augenmerk hat FRITZ-SCHEUPLEIN auf folgende Aspekte gelegt: „1. Dialektale Phänomene werden in ihrer historischen Veränderung betrachtet: der Basisdialekt der Gruppe der alten Generation wird verglichen mit dem Datenmaterial der zahlreichen Arbeiten zum Dialekt im Henneberger Raum. 2. Dialektale Phänomene zweier unterschiedlicher Generationen werden miteinander verglichen. In diesem Fall unterscheiden sich die zwei Sprechergruppen nicht nur hinsichtlich des Alters, sondern auch hinsichtlich ihrer Lebensumstände und -bedingungen, voneinander. Die alten Gewährspersonen, deren Durchschnittsalter bei 72 Jahren liegt, waren mit den neuen Gelegenheiten und Auswirkungen der Grenzschließung konfrontiert. Die jungen Gewährspersonen, im Durchschnitt 32 Jahre alt, sind geprägt durch die unterschiedlichen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Systeme der beiden deutschen Staaten. 3. Dialektale Phänomene zweier Regionen werden miteinander verglichen, das heißt von benachbarten Grenzdörfern, die bis zur Grenzschließung in engem Kontakt standen.“ (FRITZSCHEUPLEIN 2004, 1−2)

72 Eine ausführliche Beschreibung der Untersuchung sowie der Ergebnisse vgl. FRITZSCHEUPLEIN 2001.

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Bezogen auf den Basisdialekt können die beiden Gruppen, jung wie alt beider Grenzgebiete, nur schwer unterschieden werden (vgl. FRITZ-SCHEUPLEIN 2004, 6−7) und FRITZ-SCHEUPLEIN kommt in ihrer Untersuchung zu dem Fazit, dass die „unterfränkisch-südwestthüringische Grenzregion […] sich auch gegenwärtig – trotz jahrzehntelanger Teilung – noch deutlich durch mehr sprachliche Gemeinsamkeiten als durch Unterschiede“ auszeichnet (FRITZ-SCHEUPLEIN 2004, 7). Die ehemalige innerdeutsche Grenze hatte somit keinen relevanten Einfluss auf die Sprachverhältnisse (bezogen auf den Basisdialekt) und es lassen sich keine bedeutenden Unterschiede der beiden Gebiete nachweisen. Das DFG-Projekt Untersuchungen zur Sprachsituation im thüringisch-bayerischen Grenzgebiet (SPRiG) – Neue Dialektgrenzen an der ehemaligen deutschdeutschen Grenze nach vier Jahrzehnten politischer Spaltung? in der Zeit von 2005 bis 2009 kommt im Gegensatz zur Untersuchung von FRITZ-SCHEUPLEIN zu einem anderen Ergebnis. Dabei war das Ziel, „herauszufinden, welche Spuren die von 1949 bis 1989 währende Spaltung Deutschlands in ursprünglich einheitlichen Dialekträumen entlang der innerdeutschen (hier exemplarisch der thüringisch-bayerischen) Grenze hinterlassen und wie sich das in Sprachwissen und Sprachbewusstsein der betroffenen Bevölkerungen niedergeschlagen hat.“ (HARNISCH 2015, 219)

Das DFG-Projekt ist eine Anschlussuntersuchung an die Erhebungen im thüringisch-bayerischen Grenzgebiet gleich nach der Wende (Thüringisches Wörterbuch Jena und Sprachatlas von Nordbayern Bayreuth). Bei dem Vorgängerprojekt wurden zwischen 1991 und 1994 Sprachdaten in 11 Ortspaaren entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze erhoben (u. a. in Mödlareuth Little Berlin).73 Die Proband*innen leben dort seit früher Kindheit und wurden insgesamt auf vier Altersgruppen verteilt. Der Schwerpunkt des Projekts lag auf der Erforschung der Aussprache, der grammatischen Formen und der Alltagswörter, dabei waren die für die Untersuchung erstellten Fragebögen genau auf die Dialektmerkmale der einzelnen Ortspaare in ehemals Ost und West zugeschnitten. Ergänzt wurden diese Fragebögen durch eine freie Erzählung der Proband*innen über die Grenzeröffnung, womit gleichzeitig der momentane Sprachstand erhoben werden konnte. Die bisher in diesem Forschungsunternehmen zusammengetragenen Ergebnisse erhärten die Ausgangshypothese von der sprachgrenzbildenden Wirkung der befestigten Grenze zwischen der ehemaligen DDR und BRD in diesem Grenzabschnitt (vgl. HARNISCH 2009, 2015): „An vielen Kriterien der dialektalen Lautung, Formenbildung und Wortverwendung konnte dann tatsächlich gezeigt werden, dass die deutsch-deutsche Grenze zu einer neuen Dialektgrenze geworden war. Zum Beispiel wurde der thüringische uvulare R-Laut, der vorher auch in bayerischen Orten gesprochen worden war, an die Grenze zurückgedrängt. Dasselbe geschah in umgekehrter Richtung mit dem ‚bayerischen‘ (eigentlich ostfränkischen) apikalen r, das vorher auch in thüringischen Orten gesprochen worden war, sich nun aber an die Grenze zurückzog.“ (HARNISCH 2015, 235) 73 Der Ort erhielt seinen Namen aufgrund der ähnlichen Situation, wie sie in Berlin durch die Grenzziehung zustande kam: die Spaltung der Stadt in einen Ost- und einen Westteil. Ebenso ist es dem Dorf ergangen (vgl. u. a. HARNISCH 2009, 2015).

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Die Wahrnehmung sprachlicher Räume wird außerdem vom Wissen über den politischen Raum beeinflusst sowie vom Prestige bzw. Stigma bestimmter Varietäten. „Zum Beispiel wurde auf westlicher Seite von den Jüngeren die Vokalartikulation aufgegeben, die man landläufig als ‚Sächseln‘ bezeichnet, weil sie zu stark ‚nach DDR‘ klang.“ (HARNISCH 2015, 235) Harnisch führt abschließend aus, „dass die innerdeutsche politische Grenze in doppelter Weise auch zur sprachlichen Grenzbildung geführt hatte: durch Schaffung neuer faktischer Dialektgrenzen, die kongruent mit der politischen wurden, und durch die Projektion alter mentaler Sprachlandkarten auf die neue politische Grenze zwischen ‚hüben‘ und ‚drüben‘.“ (HARNISCH 2015, 236)

Aus den beiden objektsprachlichen Erhebungen kann somit zum einen festgehalten werden, dass sich kaum Änderungen bezogen auf den Basisdialekt zeigen. Zum anderen wird jedoch deutlich, dass bei jüngeren Generationen Änderungen stattgefunden haben, die als Auswirkung der ehemaligen innerdeutschen Grenze betrachtet werden können. Diese Veränderungen stehen ebenfalls in enger Verbindung mit den Einstellungen zu bestimmten Varietäten. Diese negativen Einstellungen den östlichen Sprechweisen gegenüber zeigen sich auch in den perzeptiv ausgerichteten Arbeiten.74

2.1.2.1 Wahrnehmung der ehemaligen innerdeutschen Grenze – Eine gesamtdeutsche Untersuchung Eine der ersten Untersuchungen, die sich wahrnehmungsdialektologisch mit der ehemaligen innerdeutschen Grenze befasst, ist die 1995 in Gesamtdeutschland in 44 Städten durchgeführte Studie von DAILEY-O’CAIN. Hierbei wurden 218 Probanden zur Korrektheit (Correctness) und zum Gefallen (Pleasantness) der Varietäten im gesamtdeutschen Raum befragt sowie mentale Karten erhoben. Ergänzend zu den quantitativen Daten wurden abschließend Unterhaltungen der Gewährspersonen über deren Spracheinstellungen aufgezeichnet (vgl. DAILEY-O’CAIN 1999, 227−228). Im Zentrum dieser Arbeit liegt die Wahrnehmung und Einstellung zu regionalen Varietäten bzw. Dialekten Deutschlands nach der Wiedervereinigung durch linguistische Laien. Die Autorin geht davon aus, dass die Einstellungen zu den Sprachvarietäten durch die komplexe soziopolitische Situation im derzeitigen Deutschland geprägt sind. Ihr Ziel ist es, zu ergründen, inwieweit geographische und sozialpolitische Faktoren die Spracheinstellung beeinflussen (vgl. DAILEY-

74 In ihrer Untersuchung zum itzgründischen Dialektraum kann auch SAUER (2018) mittels einer Kombination aus traditionellen Methoden der Dialektgeographie und der Wahrnehmungsdialektologie herausarbeiten, dass die Sprecher*innen (Apparent-Time-Vergleich anhand dreier Altersgruppen) keine neue Isoglosse perzipieren, die sich entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze erstreckt. Das ehemals zusammengehörige Dialektgebiet wurde durch die deutsch-deutsche Grenze auf dialektaler Ebene nicht getrennt, jedenfalls können die Sprecher*innen gehörte Sprechproben nicht eindeutig der einen oder anderen Region zu ordnen (vgl. SAUER 2018).

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O’CAIN 1999, 227). Dabei wurden die Gewährspersonen gefragt, was sie über bestimmte Sprachvarietäten denken, die in verschiedenen Regionen gesprochen werden. Hierfür gab die Autorin 36 Regionen vor, die die Proband*innen einschätzen sollten (vgl. Abb. 2).

Abb. 2: Karte der 36 deutschen Regionen (vgl. DAILEY-O’CAIN 1999, 228).

Zum einen wurden die Gewährspersonen gefragt, als wie korrekt auf einer Skala von eins (sehr korrekt) bis sechs (inkorrekt) sie die Sprechweisen dieser Regionen empfinden. Zum anderen sollten sie ebenfalls mittels dieser Skala angeben, wie ihnen die Sprechweisen dieser Regionen gefallen. Im Anschluss erhielten die Gewährspersonen eine ‚Stumme Karte‘ von Deutschland, auf der außer einigen Städte zur Orientierung keine weiteren Informationen abgebildet waren. Die Proband*innen sollten auf dieser Karte vermerken, wo ihrer Meinung nach Dialektgrenzen zu finden seien und wie sie die dortigen Sprechweisen benennen würden (vgl. DAILEYO’CAIN 1999, 228). An dieser Stelle muss angemerkt werden, dass dieses Vorgehen kritisch zu betrachten ist, da die Proband*innen diese Einschätzungen ohne die vorherige Präsentation akustischer Stimuli vornehmen sollten. Dies könnte den Effekt

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gehabt haben, dass die Proband*innen ‚gezwungen‘ waren eine Bewertung für Regionen vorzunehmen, obwohl sie keine wirkliche Vorstellung von den Sprechweisen dieser besitzen. Außerdem wird aus der Beschreibung der Untersuchung nicht eindeutig ersichtlich, ob den Gewährspersonen die Karte mit den 36 Regionen vorgelegt wurde. Diese könnte einen ähnlichen Effekt hervorgebracht haben, insofern, als die Karte die Verortung der Proband*innen beeinflusst hat und sie die vorhergenannten 36 Regionen zum Teil aufgegriffen, verorteten und in Anlehnung an die Region bezeichneten, obwohl über diese Regionen kein weiteres (sprachliches) Wissen bestand (vgl. Kap. 2.1.1 Negatives Varietätenwissen sowie HUNDT / PALLIWODA / SCHRÖDER 2015b). Trotz dessen konnte DAILEY-O’CAIN mit ihrer Untersuchung signifikante Ergebnisse erzielen. Dabei empfinden die westdeutschen Proband*innen im Allgemeinen westdeutsche Varietäten als korrekter als ostdeutsche Varietäten. Diese signifikante Unterscheidung lässt sich bei den ostdeutschen Gewährspersonen nicht finden. Diese schätzen sowohl die ostdeutschen als auch die westdeutschen Varietäten als ähnlich korrekt ein. Die Ergebnisse werden ebenfalls durch die Kommentare der Proband*innen gestützt, aus denen hervorgeht, dass die westdeutschen Befragten die Unterschiede eher auf der sprachlichen Ebene wahrnehmen und die ostdeutschen eher Unterschiede im Verhalten als in der Sprache sehen (vgl. DAILEYO’CAIN 1999, 229−231). Aus den Daten wird zudem deutlich, dass die Varietäten des süddeutschen Raums und besonders von Teilen Bayerns von allen Proband*innen als relativ inkorrekt angesehen wird (vgl. DAILEY-O’CAIN 1999, S. 229−234). Bezogen auf die Variable Gefallen lassen sich ähnliche Ergebnisse feststellen. Den westdeutschen Gewährspersonen gefallen die westdeutschen Varietäten signifikant besser als die ostdeutschen Varietäten. Dies gilt ebenso für die ostdeutschen Befragten, welche die westdeutschen Varietäten als angenehmer als die ostdeutschen Varietäten empfinden. Innerhalb der Interviews können die Ergebnisse durch die Aussagen der westdeutschen Proband*innen gestützt werden, die die ostdeutschen Sprechweisen als ‚ungewohnt‘, ‚anders‘ und teilweise als ‚dumm‘ bezeichnen (vgl. DAILEY-O’CAIN 1999, 232−235). Bei der Auswertung der draw-a-map-Methode kann DAILEY-O’CAIN feststellen: “And when asked to draw dialect boundaries on a map as they perceive them, Westerners and Easterners alike tended to draw a pronounced boundary along the former east-west border, especially between the central west and the central east. It is obvious from this study that the much-discussed ‘wall in the mind’ is still evident not only in terms of economic and social differences but also in terms of perceived language differences.” (DAILEY-O’CAIN 1999, 238−239)

So zeigt sich eine wahrgenommene Dialektgrenze entlang der früheren Ost-WestGrenze, die jedoch besonders stark zwischen dem westmitteldeutschen und ostmitteldeutschen Raum zum Vorschein kommt. Aus ihrer Untersuchung schlussfolgert DAILEY-O’CAIN, dass die „wall in the mind“ (DAILEY-O’CAIN 1999, 239) immer noch vorhanden ist, auch in der Wahrnehmung sprachlicher Unterschiede. In Bezug auf Spracheinstellungen gegenüber ostdeutschen Varietäten war die häufigste Antwort der westdeutschen Proband*innen, dass sie diese als ungewohnt bzw. unver-

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traut empfanden. Daher beschrieben die westdeutschen Gewährspersonen diese Varietäten des Öfteren als inkorrekt, weniger sympathisch oder einfach als anders. Die ostdeutschen Untersuchungspersonen führten hingegen solche Gründe in den Interviews nicht an. DAILEY-O’CAIN merkt dazu an, dass die ostdeutschen Gewährspersonen Wissen über westdeutsche Varietäten durch westdeutsches Fernsehen oder Radio erlangt haben könnten und somit mit den westdeutschen Varietäten schon vertraut waren. Das Interesse an ostdeutschen Fernseh-/Radiosendungen war während der Teilung bei den Westdeutschen nicht so groß wie umgekehrt. Zudem haben die ostdeutschen Befragten eine größere Motivation, westdeutsche Städte und den Westen im Allgemeinen zu besuchen, kennen zu lernen und zu bereisen, da ihnen das zuvor verwehrt wurde. Dies ist umgekehrt bei den Westdeutschen nicht in diesem Maße der Fall. Diese Umstände sowie die Umbruchsituation zu dieser Zeit (fünf Jahre nach der Wiedervereinigung) könnten zu der eher negativen Einschätzung des Westdeutschen geführt haben. DAILEY-O’CAIN geht davon aus, dass solche Bewertungen mit der Zeit weniger werden, wenn sich auch die Westdeutschen mit den ostdeutschen Varietäten vertraut gemacht haben und diese nicht mehr als fremd und ungewohnt eingeschätzt werden (vgl. DAILEY-O’CAIN 1999, 240−241).

2.1.2.2 Wahrnehmung der ehemaligen innerdeutschen Grenze – Zwei Proband*innen-Gruppen im Vergleich Auch die Studie von KENNETZ befasst sich mit dem Konzept der Mauer und wie dieses kognitiv organisiert ist. Dabei nimmt er an: “Because of the time that has elapsed and the increased opportunity of contact between the two peoples since reunification, one could assume that eastern dialects are less stigmatized in western speech communities than they were at the time of Dailey-O’Cain’s study.” (KENNETZ 2010, 318)

In seiner Arbeit untersuchte KENNETZ die Sprachwahrnehmung linguistischer Laien in zwei Sprachgemeinschaften, die an der ehemaligen innerdeutschen Grenze gelegen sind. Hierfür hat er 30 Proband*innen aus Dresden und 31 aus Bamberg im Zeitraum von 2005 bis 2006 befragt, die in den jeweiligen Städten aufgewachsen sind. Für die Erhebung der Daten nutzte KENNETZ die Pilesort-Methode sowie das semantische Differential75. Bei der Pilesort-Methode sollen die Proband*innen insgesamt 55 Karten mit Städtenamen nach der sprachlichen Ähnlichkeit in Stapeln zusammen sortieren. Die genutzten Städte stammten dabei aus dem gesamtdeutschen Sprachraum. Die gebildeten Stapel sollten anschließend mittels des semantischen Differentials, das aus elf Attributpaaren bestand, beschrieben werden.

75 Diese Methode kommt aus der Einstellungsforschung und versucht über Adjektivpaare Einstellungen zu bestimmten Vorstellungen, Dialekten etc. zu gewinnen. Hierbei wird zumeist eine siebenstufige Skala genutzt an deren Pole die jeweiligen Antonyme stehen (bspw. schön – hässlich, vgl. u. a. HUNDT 1992).

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German Terms Employed freundlich unfreundlich angenehm unangenehm arrogant schüchtern fleißig faul gebildet ungebildet sauber schmutzig schnell langsam gemütlich hektisch fein grob hart weich melodisch unmelodisch Tab. 2: Attributes used (KENNETZ 2010, 331).

Diese Gegensatzpaare ordnete KENNETZ für die Auswertung den beiden übergeordneten Kategorien Gefallen (Pleasantness) und Korrektheit (Correctness) zu, sodass am Ende für jede Stadt vier Attributwerte zur Verfügung standen (Bamberg Pleasantness (BP), Bamberg Correctness (BC), Dresden Pleasantness (DP), Dresden Correctness (DC)). Diese Werte konnten im Anschluss in computergenerierte Karten überführt werden (vgl. KENNETZ 2010, 318−319). Hierbei stellt der Autor als ein erstes Ergebnis heraus, dass die beiden Proband*innen-Gruppen unterschiedliche Vorstellungen davon haben, wo das angenehmste und wo das korrekteste Deutsch gesprochen wird (vgl. KENNETZ 2010, 320).

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Abb. 3: Correctness & Pleasantness (KENNETZ 2010, 323).76

76 Die Farbgebung der Karte deutet an, wie angenehm bzw. als wie korrekt die unterschiedlichen Städte und damit Varietäten des deutschen Sprachraums empfunden wurden (Je dunkler eine Region ausgewiesen ist, umso angenehmer bzw. korrekter wurde diese von den meisten Proband*innen empfunden, vgl. KENNETZ 2010, 320).

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Insgesamt kann KENNETZ feststellen, dass die Bamberger Gruppe die ostdeutschen Varietäten negativer bewertet (vgl. Abb. 3, Map 8) und diese als inkorrekter empfindet (vgl. Abb. 3, Map 6). Solch eine klare Zuweisung zwischen Ost und West lässt sich jedoch bei der Dresdner Gruppe nicht finden. Diese schätzen die westdeutschen Varietäten als genauso angenehm ein wie die ostdeutschen. Aufgrund dessen vermutet KENNETZ, dass die Dresdner Proband*innen toleranter gegenüber anderen Varietäten eingestellt sind. Zudem könnte diese eher positivere Haltung ebenso auf linguistische Unsicherheiten verweisen, die dazu führen, andere Varietäten nicht kritisch beurteilen zu können (vgl. KENNETZ 2010, 325). Bei beiden Proband*innen-Gruppen kann KENNETZ herausstellen, dass sie ihre eigene Varietät als angenehm empfinden, obwohl sie diese als inkorrekt einschätzen (vgl. Abb. 3). Bezogen auf die sächsischen Proband*innen lässt sich somit ein wesentlicher Unterschied zur Studie von DAILEY-O’CAIN (1999) ausmachen. Dieser besteht darin, dass diese Gewährspersonen das Negativimage des Sächsischen nicht annehmen, sondern es als genauso angenehm bewerten wie die anderen Varietäten und zum Teil sogar positiver. KENNETZ vermutet, dass hier eine Umkehrung und somit eine Aufwertung der eigenen Sprechweise stattgefunden haben könnte (vgl. KENNETZ 2010, 325). Als am unangenehmsten wird bei der Proband*innen-Gruppe aus Dresden die Berliner Varietät empfunden (vgl. Abb. 3, Map 7). KENNETZ nimmt an, dass diese Zuweisung historisch bedingt sein könnte (Rivalitäten zwischen Preußen/Sachsen und Berlin/Sachsen zu DDR-Zeiten, vgl. KENNETZ 2010, 325). Sowohl die Bamberger als auch die Dresdner verbinden mit Hannover eine Standardvarietät. Diese Stadt taucht bei beiden Gruppen mit den höchsten Korrektheitswerten auf (vgl. Abb. 3, Map 5 u. Map 6), womit sich der Mythos bestätigt, dass aus der Sicht linguistischer Laien in und um Hannover das beste Hochdeutsch gesprochen wird (vgl. u. a. ANDERS / PALLIWODA / SCHRÖDER 2014, KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010). Diese Varietät wird jedoch nicht als angenehmste von den Proband*innen wahrgenommen, interessanterweise gehören bei beiden Gruppen die österreichischen sowie die schweizerischen Sprechweisen zu den angenehmsten. Abschließen lässt sich damit besonders bei den Proband*innen aus Bamberg das Konzept Mauer in den Köpfen feststellen (vgl. Abb. 3). Hierbei wird im Speziellen das Sächsische als inkorrekt und unangenehm empfunden. Zudem scheint eine Aufwertung des Sächsischen durch deren Sprecher*innen stattgefunden zu haben. Wie in anderen Studien zuvor zeigt sich auch bei der Untersuchung von KENNETZ die Auffassung linguistischer Laien von Hannover als Region mit einer sehr korrekten Sprechweise (vgl. KENNETZ 2010, 320−328). Außerdem schlussfolgert er: “Results from this study show that a “linguistic wall” clearly exists in the perceptions of West German respondents as revealed in their negative evaluation of eastern (Saxon) dialects. In contrast, Saxon informants do not maintain a perceptual ‘wall’ based on negative evaluations of western speech varieties; while they are aware of the negative linguistic stereotypes associated with their own dialect, Saxon informants perceive Saxon German to be just as pleasant as other regional varieties. Additional data show that informants’ spatial perceptions of speech are not only significantly influenced by non-speech information such as geographical or cultural knowledge but also by a lack of linguistic knowledge.” (KENNETZ 2008, Abstract)

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Offen bleibt an dieser Stelle, was sich hinter den Stapeln versteckt, d. h. ob die Proband*innen tatsächlich eine Vorstellung von diesen Varietäten haben oder Stapel aufgrund von Analogiebildungen entstanden sind (vgl. Kap. 2.1.1 Negatives Varietätenwissen sowie HUNDT / PALLIWODA / SCHRÖDER 2015b). Es kann zusammenfassend festgehalten werden, dass die ehemalige innerdeutsche Grenze eine Auswirkung auf die Alltagssprache sowie auf die Wahrnehmung der Varietäten dies- und jenseits der Grenze hat. Gleichfalls empfinden die westdeutschen Gewährspersonen die ostdeutschen Sprechweisen als eher negativer, wohingegen die ostdeutschen Proband*innen demgegenüber neutraler eingestellt sind. 2.2 BEEINFLUSSUNG DER SPRACHWAHRNEHMUNG Die vorhergehenden Ergebnisse konnten zeigen, dass die Sprachwahrnehmung und -bewertung immer im Zusammenhang mit der Herkunft und dem Alter der Proband*innen betrachtet werden muss. Weiterhin konnte deutlich gemacht werden, dass Konzepte und deren Inhalte durch verschiedene Stimuli unterschiedlich aktiviert werden können. Neben solchen außersprachlichen Faktoren, die die Wahrnehmung beeinflussen, lösen jedoch weitere Faktoren bestimmte Konzepte aus und beeinträchtigen bzw. manipulieren die Sprachwahrnehmung. Dies konnten Untersuchungen aus dem angloamerikanischen Raum deutlich machen (vgl. Kap. 2.2.2). Das Verfahren, das dem zugrunde liegt, ist die Priming-Methode, die im folgenden Kapitel näher beleuchtet wird, bevor die entsprechenden Untersuchungen vorgestellt werden. 2.2.1 Die Priming-Methode Die Wahrnehmung von Reizen aus unserer Umwelt ist ein sehr komplexes Feld. Das Gehirn nimmt bestimmte Reize wahr, andere werden unbewusst verarbeitet. Diese bewussten und unbewussten Reize wirken auf das Handeln, rufen Reaktionen hervor, helfen dem Gehirn, Informationen schneller zu verarbeiten und zu kategorisieren (vgl. u. a. GUSKI 2000, 9−10). Unser Handeln, unsere Einstellungen werden zudem auch von Erfahrungen, Vorurteilen und Stereotype geleitet. „Tatsächlich wirken Stereotype auch meist sehr subtil, häufig ohne dass Menschen dieser Einfluss richtig bewusst wird.“ (DEMOULIN / TEIXEIRA 2013) Um solche unbewussten Kognitionen (wie Einstellungen, Vorurteile, Assoziationen oder Stereotype), die für die Mauer in den Köpfen eine Rolle spielen, aufzudecken, bietet sich die Priming-Methode an. Diese stammt aus der Kognitiven Psychologie und findet Anwendung in der Sozial-, Wahrnehmungs- und Sprachpsychologie, der Stereotypenforschung etc. (vgl. u. a. BOCK / HARTMANN-TEWS / TISCHER 2011, FRINGS / WEN TURA 2013, GALLIKER 2013; SCHÖNHAMMER 2013), um im Allgemeinen herauszufiltern, ob vorhergehende Reize einen Einfluss auf nachfolgende Ereignisse ausüben:

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„Priming bezeichnet im Allgemeinen die Erleichterung einer Reaktion auf einen Zielreiz (Target) aufgrund der vorhergehenden Darbietung eines Bahnungsreizes (Prime). Dies geschieht durch eine Steigerung der Zugänglichkeit zu bestimmten gespeicherten Informationen im Gedächtnis durch den Prime.“ ( FISCHER / SAUER / FISCHER / FREY 2011, 191)

Durch den vorabgesetzten Prime werden bestimmte Konzepte, kognitive Kategorien aktiviert, bzw. wird der Zugang zu diesen erleichtert, wenn der Bahnungsreiz (Prime) und der Zielreiz (Target) in Beziehung zueinander stehen. Wenn allerdings diese Beziehung zwischen Prime und Target nicht gegeben ist, kann der Prime den Zugriff auf das entsprechende Konzept erschweren und die Reaktionszeit etc. verlängern (vgl. u. a. BERMEITINGER 2010; SCHMIDT / WEBER 2014). Dabei kann der Bahnungsreiz ein Wort, ein Bild, ein Geruch oder auch Musik sein, der unbewusst wahrgenommen wird und eine bestimmte Assoziation oder Handlung auslöst (vgl. PISPERS / DABROWSKI 2012, 96). Priming wird in der Kognitiven Psychologie beschrieben als „Beeinflussung oder Veränderung eines Einstellungssets und global des Denkens, Fühlens und Handelns oder (auf einer mittleren Betrachtungsebene) auch die Voraktivierung eines Konzeptes (für neuronale Netze: Aktivierungsmusters) durch bestimmte (exp.) Induktion.“ (BERMEITINGER 2014a, 1216)

Weiterhin wird beschrieben, dass ein „Reiz oder Ereignis A […] eine Wirkung auf die Verarbeitung der nachfolgenden Ereignisse B oder den Umgang damit [hat, N. P.]. P. bedeutet meist, dass (implizit) Gedächtnisinhalte, Denkoperationen oder Verhaltensweisen aktiviert werden, die im Folgenden erhöht zugänglich sind.“ (BERMEITINGER 2014a, 1216, vgl. u. a. GALLIKER 2013, 271)

Die durch den Prime hervorgerufene Beeinflussung wird als Primingeffekt bezeichnet (vgl. u. a. BERMEITINGER 2010, FISCHER / SAUER / FISCHER / FREY 2011, 189−209, WENDT 2014, 175) und kann auf unterschiedliche Arten erreicht werden (vgl. u. a. BERMEITINGER 2014b, 1216; FISCHER / SAUER / FISCHER / FREY 2011, 191−194). Beispielsweise wird zwischen semantischem und affektivem Priming unterschieden. Semantisches Priming wird dabei wie folgt beschrieben: „Hier besteht eine semantische Beziehung zwischen Prime und Target […]. Prime und Target sind z. B. Synonyme, Antonyme, Teile zusammengesetzter Wörter (z. B. Frucht-Fliege), oder Vertreter der gleichen semantischen Kategorie (z. B. Affe und Kuh aus der Kategorie Tier); Prime und Target teilen perzeptuelle (z. B. Pizza und Knopf haben die gleiche Form) oder funktionale (z. B. Glühbirne und Kerze haben eine ähnliche Funktion) Eigenschaften. Prime und Target sind über ein Skript miteinander assoziiert oder es handelt sich um über- und untergeordnete Begriffe innerhalb eines semantischen Netzwerks (z. B. Tier-Vogel-Rabe etc.). Assoziative Prime-Target-Beziehungen liegen vor, wenn bei der Nennung des einen Begriffs mit hoher Wahrscheinlichkeit der andere Begriff produziert wird, wenn alle Begriffe produziert werden sollen, die zu dem ersten Begriff assoziiert werden (Normlisten; z. B. auf Affe wird häufig Banane produziert). Dies ist meist bei häufiger Kopplung zweier Begriffe im Sprachgebrauch gegeben. Semantische Prime-Target-Beziehungen liegen vor, wenn beide Begriffe nur gering miteinander assoziiert sind (z. B. Affe und Wal sind beides Tiere).“ (BERMEITINGER 2014b)

Diese Art des Primings wird auch in der Sprachpsychologie z. B. bei sogenannten „Lexikalischen Entscheidungsaufgaben“ (MEYER / SCHVANEVELDT 1971; zit. nach

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FISCHER / SAUER / FISCHER / FREY 2011, 192) angewandt oder um inhaltliche Assoziationsfelder hervorzurufen (vgl. GALLIKER 2013, 91−92). Bei solchen und anderen Experimenten hat sich gezeigt, dass die Reaktionsleistung beeinflusst wurde, wenn der Prime vorab in einer semantischen Beziehung zum Targetreiz steht (vgl. u. a. FRINGS / WENTURA 2013, 45; WENDT 2014, 175). Erklärt werden solche Effekte mittels semantischer Netzwerke, bei denen davon ausgegangen wird, „dass unser semantisches Gedächtnis so organisiert ist, dass die Verarbeitung eines Begriffes sofort andere Begriffe evoziert.“ (FRINGS / WENTURA 2013, 46−47)77 „Es wird davon ausgegangen, dass Informationen im Gedächtnis in Form eines Netzwerks abgespeichert sind. Je ähnlicher zwei Informationen dabei sind, desto enger liegen sie im Netzwerk räumlich benachbart und desto stärker sind sie über assoziative Bahnen (Nervenbindungen) miteinander verknüpft. Sobald ein bestimmter Knoten (eine Informationseinheit) im Netzwerk aktiviert wird, breitet sich diese Aktivierung im Netzwerk aus, wodurch der Abruf des gesamten (semantischen, episodischen, affektiven etc.) Bedeutungsgeflechtes vereinfacht wird.“ (FISCHER / SAUER / FISCHER / FREY 2011, S. 194−195)

Wobei aktuellere Ansätze eher von Repräsentationen in unterschiedlichen Netzwerken ausgehen und die Aktivierung solcher Konzepte durch das Priming dahingehend beschreiben, dass sie „in verteilten Netzwerken präsentiert sind (also nicht aus einem einzigen Knoten bestehen) und bei der Präsentation eines Reizes die dazugehörige verteilte Repräsentation aktiviert wird. Ein Konzept kann schneller verarbeitet werden, wenn Teile der verteilten Repräsentation bereits voraktiviert sind, z. B. durch überlappende oder geteilte Eigenschaften von Prime und Target.“ (BERMEITINGER 2014b, S. 1216)

Diese Auffassung ist ebenfalls in der Sprachwissenschaft von Bedeutung (vgl. Kap. 2.2.2 sowie u. a. HAY / NOLAN / DRAGER 2006). Affektives Priming kommt dann zum Einsatz, wenn Handlungen ausgelöst werden sollen. Hierbei werden vorhandene Informationen bzw. Auffassungen automatisch aktiviert (vgl. PISPERS / DABROWSKI 2012, 96). Aus den Experimenten und Studien wird deutlich, dass besonders die impliziten, unbewussten Signale die Entscheidungen beeinflussen. Bereits kleinste Signale genügen, um eine Verhaltensänderung zu aktivieren. Beispielsweise konnten Proband*innen mittels Zitrusduft beeinflusst werden. Hierbei wurden zwei Proband*innen-Gruppen untersucht. Die Untersuchungsanordnung war relativ einfach: Eine Gruppe wurde diesem Duft ausgesetzt, ohne dass sie diesen bemerkte. Die Kontrollgruppe wurde diesem Reiz nicht ausgesetzt. Im Anschluss wurde mit den Teilnehmenden ein Worttest durchgeführt. Die Prime-Gruppe konnte hierbei „signifikant mehr sauberkeitsbezogene Assoziationen“ (HÄUSEL 2012, 61) als die Kontrollgruppe nennen, darüber hinaus verließen diese Personen den Raum ordentlicher. Unterbewusst wurden diese Gewährspersonen geprimt: „Das Gehirn entschlüsselt also automatisch die Bedeutung des Zitrusdufts ‚Saubermachen‘, ‚Reinlichkeit‘ etc. – und setzt Verhaltensprogramme in Gang […]. Der gesamte Prozess – von

77 Weitere Arten des Primings und Erklärungsansätze des Primingeffekts können nachgelesen werden u. a. bei BERMEITINGER 2014b, 1216; FISCHER / SAUER / FISCHER / FREY 2011, 192−195.

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der Wahrnehmung über die Entschlüsselung der Bedeutung bis hin zur Aktivierung des Verhaltens – verläuft am Bewusstsein vorbei, er bleibt implizit.“ (HÄUSEL 2012, 61)

Solche Primingeffekte zeigen sich auch bei Markenlogos. So konnte beispielsweise nachgewiesen werden, dass mehr Proband*innen bereit sind, Geld zu spenden, wenn in ihrer Umgebung das Logo Visa & Co. sichtbar ist. Gleichfalls geben Personen auch mehr Trinkgeld, wenn dieses Logo unbewusst wahrgenommen wird (vgl. HÄUSEL 2012, 61). Diese Verknüpfungen (etwa Zitrusduft als Code für Sauberkeit und Ordnung) werden unbewusst gelernt und unterscheiden sich kulturell (vgl. HÄUSEL 2012, 62): „Es geht also nicht mehr nur um die Emotionen und Triebe, sondern auch um Gedächtnis, Lernen, Wahrnehmung und Entscheidungen – also kognitive Vorgänge, zu denen wir aber auch keinen bewussten Zugang haben. Sie sind implizit.“ (HÄUSEL 2012, 64)

Innerhalb der Psychologie werden dabei zwei Systeme unterschieden, die gemeinsam im Gehirn Entscheidungen steuern. Im Neuromarketing78 werden sie Pilot und Autopilot genannt und beziehen sich auf die Prozesse, die bewusst (Pilot) und unbewusst (Autopilot) im Gehirn ablaufen (vgl. u. a. PISPERS / DABROWSKI 2012, 58−60; SCHEIER / HELD 2012, 57−68). Etwa 95% dieser Prozesse sind unbewusst (vgl. PISPERS / DABROWSKI 2012, 61; SCHEIER / HELD 2012, 70): „Zu den mentalen Prozessen des Autopiloten zählen die Sinneswahrnehmungen, viele Lernvorgänge, Emotionen, unbewusste Markenimages, spontanes Verhalten und intuitive Entscheidungen […]. Der Autopilot, auch „das implizite System“ genannt, enthält also neben den Emotionen eine ganze Reihe kognitiver Prozesse. Unter „implizit“ versteht man, dass ein Vorgang unbewusst, automatisiert und schnell abläuft. Der Autopilot regelt somit die gesamte nonverbale Kommunikation (Häusel 2008). […] Der User nimmt einen Code, das heißt einen Reiz, […] auf. Dieser wird zu 95 Prozent im Autopiloten verarbeitet, in ihm sind auch die Codes von Marken, Produkten, Medien gespeichert – das emotionale und kognitive Arbeiten bleibt unbewusst. Wird eine Kognition durch bestimmte Markensymbole oder Medien hervorgerufen, so beeinflusst der Autopilot den User unbewusst [...]. Der Pilot verarbeitet die kognitiven Prozesse, die bewusst und steuerbar sind. Dieser Vorgang kann auch schlicht als ‚Nachdenken‘ bezeichnet werden.“ (PISPERS / DABROWSKI 2012, 59, vgl. u. a. SCHEIER / HELD 2012, 65−68)

Wie stark bestimmte Entscheidungen unterbewusst getroffen werden, zeigt eine weitere Untersuchung, die getestet hat, welche der beiden Marken (Pepsi oder Cola)

78 Unter Neuromarketing wird in einer erweiterten Definition verstanden „die Nutzung der vielfaltigen Erkenntnisse der Hirnforschung für das Marketing […]. Zwar spielt der Einsatz der […] Hirnforschungsapparate [wie bspw. der Functional Magnetic Resonance Imaging (FMRI), N. P.] zu Marktforschungszwecken auch hier eine Rolle. Von wesentlich größerer Bedeutung für diesen Blickwinkel ist jedoch, dass er die gesamten Erkenntnisse der aktuellen Hirnforschung in die Marketingtheorie und Marketingpraxis zu integrieren versucht. Die Hirnforschung hat in den letzten Jahren nämlich viele spannende Geheimnisse unseres Oberstübchens enthüllt, die für das Marketing von großer Bedeutung sind und sein können.“ (HÄUSEL 2012, 19) Hintergrund ist, dass Proband*innen zumeist nicht in der Lage sind, anzugeben, warum sie sich für oder gegen ein bestimmtes Produkt entschieden haben. Dies ist zunehmend darauf zurückzuführen, dass „viele Signale unbewusst wirken“ (SCHEIER / HELD 2012, 20).

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stärker im Gehirn verankert ist.79 Dabei wurden die Aktivitäten im Gehirn beobachtet. Die Ausgangsfragen an die Proband*innen waren: Welches der Getränke schmeckt Ihnen besser? Welche der beiden Marken bevorzugen Sie? Die Gewährspersonen nahmen in der Studie nacheinander die Getränke Coca- und Pepsi-Cola zu sich, ohne dass sie wussten, welche Marke sich hinter welchem Getränk versteckte. Während der Getränkeaufnahme wurden mittels eines Kernspintomografen die Hirnaktivitäten gemessen. Beim Genuss beider Getränke zeigten sich Gehirnaktivitäten im Bereich des Belohnungszentrums (im Stirnhirn, süßer Geschmack signalisiert dem Gehirn Belohnung, vgl. HÄUSEL 2012, 24). Diese waren bei PepsiCola sogar leicht stärker als bei Coca-Cola. Nach dem Genuss wurden die Gewährspersonen gefragt, welches der beiden Getränke ihnen besser schmecken würde, dabei entschieden sich die meisten für Pepsi-Cola. Dieses Experiment wurde im Anschluss wiederholt, mit dem Unterschied, dass den Proband*innen mitgeteilt wurde, welches Getränk sie zu sich nahmen. Interessanterweise änderte sich die Meinung der Proband*innen, aber auch das Bild des Kernspintomografen: „Solange die Probanden nicht wussten, um welche Marke es sich jeweils handelte, schnitt Pepsi also deutlich besser ab. Erst als die Marke erkennbar gemacht wurde, lag Coca-Cola weit vorn.“ (PISPERS / DABROWSKI 2012, 62) Das Wissen um die Marke Coca-Cola hat somit eine Änderung sowohl in der Gehirnregion als auch in der Präferenz herbeigeführt. Mittels des Kernspintomografen kann nachgewiesen werden, dass beim bewussten Genuss von Coca-Cola zusätzlich weitere Aktivitäten im Mittel- und Großhirn zu beobachten sind, die bei Pepsi-Cola nicht aktiviert werden (vgl. HÄUSEL 2012, 24): „Es scheint sich die Vermutung zu bestätigen, dass die Probanden bei der Darbietung der Marken zusätzlich Erinnerungen, Assoziationen und andere nichtgeschmackliche Eindrücke in die Entscheidung mit einbezogen haben. Diese Faktoren hatten somit die Wirkung des Geschmacks letztlich überlagert. Es wird angenommen, dass mit der Marke Coca-Cola mehr positive Assoziationen und Selbstwertgefühle als mit Pepsi-Cola verbunden werden.“ (PISPERS / DABROWSKI 2012, 63)

Dadurch wird deutlich, „dass einem Produkt dann besondere Eigenschaften und Qualitäten zugeschrieben werden, wenn die dazugehörige Marke ein starkes Image hat und viele Assoziationen im Kopf des Konsumenten hervorruft.“ (PISPERS / DABROWSKI 2012, 63) Diese positiven Assoziationen scheinen daher stärker zu wirken als der Geschmack des Getränks selbst (vgl. PISPERS / DABROWSKI 2012, 63).

79 Die Untersuchung wurde im Jahr 2003 am Baylor College in Houston/Texas durchgeführt (vgl. PISPERS / DABROWSKI 2012, 62).

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Ein anderes Experiment, bei dem bewusst die Priming-Methode eingesetzt wurde, fand in einem amerikanischen Supermarkt statt (vgl. PISPERS / DABROWSKI 2012, 96). Hier konnten Forscher*innen nachweisen, dass Proband*innen „dreimal häufiger französische Weine [kauften, N. P.], wenn in der Weinhandlung französische Hintergrundmusik lief. Der gleiche Effekt trat bei deutscher Hintergrundmusik auf: Hier kauften die Amerikaner dreimal so viele deutsche Weine.“ (SCHEIER / HELD 2012, 20) Bei Nachfragen nahm jedoch keiner der Gewährspersonen die eingespielte Hintergrundmusik bewusst wahr und konnte aufgrund dessen auch nicht den wahren Grund der Kaufentscheidung erklären (vgl. SCHEIER / HELD 2012, 21). Bezogen auf die Sprachwahrnehmung stellt sich die Frage, ob es auch Wörter, Bilder oder andere Faktoren gibt, die unsere Perzeption beeinflussen oder gar manipulieren. Untersuchungen aus dem angloamerikanischen Raum konnten dies nachweisen und werden im Anschluss vorgestellt. 2.2.2 Empirische Ergebnisse zur Sprachwahrnehmung und Priming In ihrer Untersuchung bezieht sich NIEDZIELSKI (1999) auf Untersuchungen aus der Soziolinguistik und Sozialpsychologie, die herausstellen konnten, dass Stereotype unsere Sprachwahrnehmung beeinflussen und dass Sprachwahrnehmung nicht nur die einfache phonetische Verarbeitung von sprachlichen Signalen ist, sondern besonders auch Stereotype bei der Verarbeitung solcher Signale genutzt werden. So arbeiteten vorhergehende Untersuchungen heraus, dass „dialect background information about a speaker had an influence on the perception of his or her speech. Research in both the fields of sociolinguistics and social psychology has suggested that stereotypes about the social groups speakers are members of (or, are believed to be members of) have an influence on how their language varieties are perceived […]. Each of these studies suggests that perception is much more than mere phonetic processing of the speech signal and that other information is used by listeners to process speech signals.“ (NIEDZIELSKI 1999, 62−63)

In ihrer Untersuchung ging sie dabei von drei Hypothesen aus: 1. „Listeners use social information just as they use visual and other information to create or calibrate the phonological space of speakers; 2. stereotypes about given language varieties affect the way in which listeners calibrate the phonological space of speakers of those varieties; and 3. people`s stereotypes about their own variety can be inaccurate, and the phonological space calibrated for members of their own speech communities reflects this inaccuracy.“ (NIEDZIELSKI 1999, 63)

Hintergrund dieser Hypothesen sind Studien, die belegen konnten, dass Detroiter Bewohner*innen Stereotype gegenüber dem kanadischen Englisch haben. Dies bezieht sich besonders auf die Aussprache bestimmter Diphthong-Verbindungen

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(Aussprache des /aw/-Diphthongs).80 Dieses Phänomen wird von den Detroitern besonders mit dem kanadischen Englisch verbunden, obwohl es zur Sprechweise der Detroiter dazugehört, aber von diesen in der eigenen nicht wahrgenommen wird. Somit ist dieses sprachliche Merkmal den Detroitern für ihre eigene Sprechweise nicht bewusst.81 Des Weiteren schätzen Sprecher*innen des Detroiter Dialekts (bezogen auf die weiße Mittelschicht) diesen als Äquivalent zum Standard American English (SAE) ein: Bei Umfragen gaben Detroiter Sprecher*innen bei der Frage, wo man Standard-Englisch spräche, an, dass dies in Detroit gesprochen würde (vgl. NIEDZIELSKI 1999, 63). NIEDZIELSKI (1999) führt weitere Merkmale der Detroiter Sprechweise an, die neben dem CR, nicht dem Standard American English zugesprochen werden können, aber ebenfalls nicht von den Detroitern bemerkt oder wahrgenommen werden (bspw. Northern Cities Chain Shift (NCCS)).82 Aufgrund dieser Ergebnisse kommt die Autorin zu folgender Frage: Sind die Annahmen darüber, wie die Detroiter Sprechweise klingen sollte, stärker als die wirklichen akustischen Informationen? Weiterhin interessiert sich NIEDZIELSKI dafür, ob die Detroiter Bewohner*innen die entsprechenden Merkmale bemerken würden, wenn sie annehmen, es spräche ein/e Sprecher/in, dem/der diese Stereotype zugesprochen werden (vgl. NIEDZIELSKI 1999, 63). Um dies zu testen, hat NIEDZIELSKI mit 41 Detroitern einen Perzeptionstest durchgeführt. Die Proband*innen hörten 50 Sätze, die von einer Detroiterin eingesprochen wurden. Diese Sätze befanden sich ebenfalls auf dem Fragebogen, den jede Gewährsperson bekam, wobei das jeweils relevante Wort im Satz unterstrichen war. In einem zweiten Schritt sollten sie dann angeben, welcher Vokal – sie konnten sich aus einem Kontinuum aus sechs Vokalen entscheiden, die computergestützt erzeugt wurden – den im unterstrichenen Wort am besten ersetzen würde. Dabei nahmen die Proband*innen an, sie würden bei einem Test für eine Computerfirma teilnehmen, welche die Qualität computergenerierter Sprachsamples testen wolle. Während des Untersuchungsablaufs gab es zwei Gruppen, die sich nur in einem kleinen Detail unterschieden: Der einen Hälfte der Proband*innen wurde mitgeteilt, die Sprecherin stamme aus Detroit/Michigan, und der anderen, sie sei aus Windsor/Kanada (vgl. NIEDZIELSKI 1999, 64). Diese soziale Information der Sprecherin wurde jeweils in roter Farbe am oberen Rand des Fragebogens vermerkt: MICHIGAN und CANADIAN (vgl. NIEDZIELSKI 1999, 66). In diesem Zusammenhang vermerkt NIEDZIELSKI: „They each heard the same Detroit speaker, and because this was the only difference in the two sets of respondents, any differences in the answers from these two sets must be attributed to the expectations that the respondents had based on these two labels.“ (NIEDZIELSKI 1999, 64)

80 Dieses Phänomen wird als Canadian Raising (CR) bezeichnet, dabei wird der erste Diphthong dann weiter vorne und steigend artikuliert als dies bei /a/ alleine der Fall wäre (vgl. NIEDZIELSKI 1999, 63). 81 Es tritt wohl insbesondere bei weißen, der Mittelschicht angehörigen Einwohnern auf (vgl. NIEDZIELSKI 1999, 63). 82 Northern Cities Chain Shift (NCCS) ist eine Vokalverschiebung, die besonders in Michigan, Minnesota, Nord Illinois, Nord Ohio und West New York zu finden ist, wobei diese Verschiebung häufig mit Minnesota oder Chicago verbunden wird (vgl. NIEDZIELSKI 1999, 63).

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Tatsächlich kann NIEDZIELSKI signifikante Unterschiede in der Wahrnehmung der Vokale zwischen beiden Gruppen feststellen. Zum einen haben die Proband*innen, die das Label CANADIAN auf ihrem Testbogen hatten und denen gesagt wurde, die Sprecherin käme aus Kanada, signifikant öfter die steigende Diphthong-Variante gewählt und wahrgenommen. Zum anderen waren die Proband*innen, die das Label MICHIGAN auf ihrem Testbogen hatten und denen gesagt wurde, die Sprecherin käme aus Michigan, der Meinung, die standardnahe Variante würde am besten den gehörten Vokal ersetzen (vgl. NIEDZIELSKI 1999, 66−68): „It should be apparent […] that the label the speaker was given did, in fact, influence how the respondents perceived this diphthong in each of these words. These […] reveal that those respondents who thought the speaker was Canadian reported hearing a raised token, which the Detroit speaker did produce. If the respondents were told (correctly) that the speaker was from Michigan, they misidentified the diphthong as one much lower than she actually produced.“ (NIEDZIELSKI 1999, 67)

NIEDZIELSKI konstatiert, dass das Phänomen CR somit als ein kanadisches Stereotyp für Detroiter Bewohner*innen angenommen werden kann, während dieses Feature im eigenen Dialekt nahezu unbemerkt bleibt (vgl. Niedzielski 1999, 69). Die (vermeintliche) Information über die Herkunft der Sprecherin hat also einen Einfluss auf die Sprachwahrnehmung, in diesem Fall auf die Wahrnehmung der Vokale: „[S]ocial information about the speaker does have a significant effect on speech perception, even at the phonetic level. As the language attitudes work shows, Detroit speakers do not hear CR in their own speech and in the speech of their Detroit neighbors. However, it is possible to make the CR in the speech of Detroiters noticed by the speakers themselves – by leading them to think that the speaker is Canadian. Detroiters expect to hear raised /aw/ in the speech of Canadians, and therefore, they do. They do not expect to hear it in the speech of fellow Detroiters, and therefore, they do not.“ (vgl. NIEDZIELSKI 1999, 79)

Bezogen auf die Vokalverschiebung (NCCS) kann NIEDZIELSKI feststellen, Proband*innen mit dem Label CANADIAN wählten unbewusst/ungewollt eine Variante, die in Varietäten des kanadischen Englisch vorkommt, aber durch die Sprecherin gar nicht wiedergegeben wurde. Andersherum haben Gewährspersonen, die das Label MICHIGAN hatten, Varianten bevorzugt, die dem Standard-Englisch nahe kamen, aber ebenfalls nicht durch die Sprecherin produziert wurden (vgl. NIEDZIELSKI 1999, 75−81). Hinsichtlich des Geschlechts zeigt die Untersuchung keinerlei Unterschiede (vgl. NIEDZIELSKI 1999, 69). Abschließend lässt sich also feststellen: „In any case, this […] study, […], has provided evidence that social information is used by listeners to calibrate the phonological space of speakers. In addition, it provides evidence that stereotypes about given language varieties affect the way in which listeners calibrate the phonological space of speakers of those varieties that people’s stereotypes about their own variety can be inaccurate, and that the phonological space calibrated for members of their own speech communities therefore reflects this inaccuracy.“ (NIEDZIELSKI 1999, 83)

Die zu Beginn der Untersuchung gesetzten Hypothesen konnten somit angenommen werden.

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Eine ähnlich angelegte Untersuchung führten HAY / NOLAN / DRAGER (2006) durch, wobei hier Proband*innen aus Neuseeland im Fokus standen. Ein wesentlicher Unterschied zur Studie NIEDZIELSKIS (1999) lag darin, dass die Merkmale, die als auffällig bei den Personen gelten, sich tatsächlich zwischen zwei Sprechergruppen unterscheiden, d. h. bei NIEDZIELSKI (1999) kam der steigende Diphthong (CR) sowohl bei den Kanadiern als auch bei den Detroitern in der Varietät vor, aber die Detroiter haben dieses Merkmal nur den Kanadiern zugesprochen und hörten dieses Merkmal bei sich nicht. Gleiches zeigt sich bei der Vokalveränderung (NCCS). Die Proband*innen wählten die standardnahen, die anerkannten Varianten, wenn sie annahmen, die Sprecherin käme aus Detroit. Dies bezieht sich auf die Tatsache, dass Detroiter Sprecher davon ausgehen, Standard American English zu sprechen (vgl. HAY / NOLAN / DRAGER 2006, 353; NIEDZIELSKI 1999). Bezogen auf Neuseeland können Gemeinsamkeiten zwischen dem neuseeländischen und australischen Englisch gefunden werden, jedoch lassen sich objektsprachliche Unterschiede bei den Vokalen feststellen, die ebenfalls bei den Sprecher*innen als besonders auffällig gelten. Dies betrifft insbesondere die Artikulation des /ɪ/. Dies wird im australischen Englisch steigend und im neuseeländischen Englisch zentralisiert artikuliert (vgl. HAY / NOLAN / DRAGER 2006, 354). In Untersuchungen scheint besonders dieser Vokal „as the most salient perceived feature by New Zealanders and Australians“ (HAY / NOLAN / DRAGER 2006, 354) zu sein.83 Andere Vokale sind nicht so präsent bzw. nicht so sehr im Bewusstsein der Neuseeländer verankert (vgl. HAY / NOLAN / DRAGER 2006, 355). Der Untersuchungsaufbau war der Studie NIEDZIELSKIs (1999) ähnlich, wobei im vorliegenden Fall 40 vorgelesene Sätze vorgespielt wurden, die von einem männlichen Sprecher aus Neuseeland eingesprochen wurden. Auch hier waren die Zielwörter, die die zu untersuchenden Vokale enthielten, unterstrichen.84 20 Sätze enthielten den Zielvokal /ɪ/ und die anderen 20 jeweils gleich verteilt zwei andere Vokale, die aber nicht so auffällig sind wie /ɪ/. Die Sätze waren dabei so angeordnet, dass die Teilnehmenden kein Antwortmuster erkennen konnten (vgl. HAY / NOLAN / DRAGER 2006, 353−355). Insgesamt nahmen 49 Proband*innen (31 weiblich, 18 männlich) an dieser Studie teil, dabei war die Aufgabe:

83 Als prototypisch gilt dabei der Satz fish n chips, wenn es darum geht, über die Unterschiede zwischen den beiden Akzenten/Dialekten zu sprechen (Neuseeland fush and chups vs. Australien Feesh and cheeps) (vgl. HAY / NOLAN / DRAGER 2006, 354). 84 Des Weiteren wurden die entsprechenden Wörter in 20 Sätzen in die Mitte des Satzes gesetzt und bei den anderen 20 ans Ende des Satze. Hierbei sollte getestet werden, ob der Platz, wo das entsprechende Wort mit dem entsprechenden Vokal im Satz auftaucht, ebenfalls eine Auswirkung hat (vgl. HAY / NOLAN / DRAGER 2006, 355).

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„The participants were told that they were participating in an experiment testing the adequacy of synthesized voices. They were asked to both read und listen to the sentence, paying particular attention to the underlined word in each sentence. After each sentence, they were asked to listen to the synthesized vowels and to indicate on the response sheet the token that best matched the vowel in the underlined word. At the top of each response sheet was the word ‘New Zealander’ in one condition, and the word ‘Australian’ in the other. Participants` attention was not overtly drawn to this label. Participants were not explicitly told that the label was the nationality of the speaker, as well hypothesized that the mere presence of the label would bias perception.“ (HAY / NOLAN / DRAGER 2006, 357)

Die 49 Proband*innen verteilten sich dabei relativ gleichmäßig auf die beiden Gruppen: 26 Gewährspersonen waren in der Gruppe NEW ZEALANDER und 23 in der Gruppe AUSTRALIAN. Die Untersuchung lief in zwei Phasen ab, die sich nur geringfügig unterschieden (vgl. HAY / NOLAN / DRAGER 2006, 357−358) und an dieser Stelle keine weitere Rolle spielen. Ausschlaggebend sind die Ergebnisse: „Just as with Niedzielski`s (1999) study, the results of this experiment demonstrate that apparent dialect area influences vowel perception. Participants were more likely to report a high variant of /ɪ/ if included in the experimental condition where the word ‘Australian’ appeared at the top of the response sheet. […] participants in the NZ condition were more likely to respond with a higher token number (or more central vowel) than participants in the Australian condition.“ (HAY / NOLAN / DRAGER 2006, 358)

Die Autor*innen konnten außerdem in dieser Untersuchung feststellen, dass sich Männer und Frauen tendenziell unterscheiden. Dabei scheinen die Frauen im Gesamten mehr australische Varianten zu bevorzugen. Da aber innerhalb dieser Studie mehr Frauen als Männern teilnahmen, wurden die Unterschiede nicht weiter berücksichtigt (vgl. HAY / NOLAN / DRAGER 2006, 360). HAY / NOLAN / DRAGER konstatieren: In beiden Studien hat „a regional label at the top of an answer sheet affected participants’ behavior in a speech perception task. Niedzielski (1997) argues that her results are a reflection of a speech perception strategy involving a ‘filter’. A filter will reflect an individual`s stereotypes and expectations about the person s/he is listening to, and characteristics not matching this filter do not pass through.“ (HAY / NOLAN / DRAGER 2006, 369)

Wobei die Autor*innen argumentieren, dass nicht die Erwartung über das Stereotyp in deren Untersuchung die Veränderung herbeigeführt haben kann, denn zwischen der Studie NIEDZIELSKIS (1999) und der von HAY / NOLAN / DRAGER (2006) gab es zwei grundlegende Unterschiede: Zum einen hat NIEDZIELSKI (1999) den Proband*innen gesagt, die Sprecherin käme aus Kanada bzw. aus Detroit und das entsprechende regionale Label war auf dem Fragebogen verzeichnet. In der Studie von HAY / NOLAN / DRAGER stand das regionale Label (AUSTRALIAN/NEW ZEALANDER) zwar auf dem Bogen, sonst wurde die Herkunft des Sprechers jedoch nicht weiter thematisiert. Zum anderen schienen die Gewährspersonen der NIEDZIELSKI-Studie diese Manipulation bis zum Schluss geglaubt zu haben. Bei der Untersuchung von HAY / NOLAN / DRAGER gaben die meisten Personen zum Schluss der Befragung korrekt an, der Sprecher käme aus Neuseeland. Aufgrund dieser Beobachtung können HAY / NOLAN / DRAGER nicht davon ausgehen, dass

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ein Filter die Sprachwahrnehmung der Gewährspersonen beeinflusste, da die meisten Proband*innen angaben, der Sprecher käme aus Neuseeland, und somit während des Experiments davon ausgingen, es sei ein neuseeländischer Sprecher und kein australischer. Die Autor*innen versuchen dieses Phänomen dahingehend zu erklären, dass Informationen in unserem Gedächtnis komplex sind und unterschiedlich abgespeichert werden sowie unterschiedlich miteinander verknüpft sind (vgl. u. a. Kap. 2.2.1). Dabei beziehen sie sich auf Modelle zur lexikalischen Repräsentation. Diese gehen davon aus, dass individuelle Sprachäußerungen als einzelne Exemplare im Gedächtnis gespeichert und bei der Sprachproduktion und bei der Sprachwahrnehmung aktiviert werden. Solche lexikalischen Repräsentationen bestehen demnach aus einer Vielzahl von unterschiedlichen erinnerten Mustern, die gleichfalls mit phonetischen Details angereichert sind. Zahlreiche Informationen sind mit jedem Muster verknüpft, einschließlich der sozialen Informationen der Person, die diese Sätze/Wörter/Laute von sich gegeben hat. Während der Sprachwahrnehmung werden die Muster aktiviert, die eine gewisse sprachliche Ähnlichkeit zu der eingehenden Äußerung haben. Ebenfalls werden Muster aktiviert, die zu einem dazugehörigen Kontext und zu sozialen Faktoren verschlagwortet sind (vgl. HAY / NOLAN / DRAGER 2006, 370−371). Außerdem werden in der Sprachwahrnehmung die Muster schneller aktiviert bzw. vollständig aktiviert, die auf der Basis von sozialen und akustischen Informationen angeregt werden. Auf diese Weise kann der Zugriff auf ein bestimmtes Muster durch akustische und soziale Signale/Informationen schneller erfolgen: „The automatic activation of socially appropriate exemplars explains these results without the need for assuming that the listener makes overt choices, invokes stereotypes, or utilizes filters. This link between ‘social labels’ and individual, phonetically rich exemplars provides a natural explanation for such effects. The acoustic activation of exemplars will automatically activate the social categories they are associated with.“ (HAY / NOLAN / DRAGER 2006, 371)

Somit wird bei der Aktivierung von sozialen Kategorien ebenfalls die Aktivierungsebene/-bereitschaft von anderen Mustern gesteigert, die mit der Kategorie verbunden sind: „This bias is usually highly beneficial – making us more likely to identify words on the basis of exemplars which are appropriate to the context, and enabling us to identify quite different acoustic signals as being exemplars of the same ‘word’ when spoken by different speakers. Thus, activation of social concepts can effectively ‘prime’ the phonetic memoires which are associated with them. Individual exemplars may have different resting activation levels, depending on the social weight we place on them, as well as their recency. Exemplar memories decay over time. Links between social labels and exemplars may also have differing strengths depending on the importance of the link, and these may also decay, especially if the informativeness of the category is not seen as relevant.“ (HAY / NOLAN / DRAGER 2006, 371)

Eine wichtige Rolle dabei spielt die Stärke der Verbindung zwischen einem bestimmten Muster und der sozialen Kategorie, die das Muster bahnen (primen) soll, also wie stark die Informationen miteinander verknüpft sind (vgl. HAY / NOLAN / DRAGER 2006, 372). Aufgrund der Erfahrung der Detroiter Gewährspersonen mit Kanadiern und deren Aussprache ist besonders die Aussprache des Diphthongs /au/ mit den Kanadiern verknüpft, weswegen die Proband*innen mit dem Label

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CANADIAN eher diese Vokale auswählten. Bezogen auf die Wahl standardnaher Varianten beim Label MICHIGAN ist damit zu erklären, dass bei den Detroiter Gewährspersonen diese Varietät mit Standard American English verknüpft ist (vgl. HAY / NOLAN / DRAGER 2006, 372). Für die Untersuchung von HAY / NOLAN / DRAGER bedeutet das, dass das Label die Aktivierung der entsprechenden Muster erhöht, die damit verbunden sind. Somit wird also die Wahl australischer Varianten begünstigt, wenn zuvor das entsprechende Muster durch das Label AUSTRALIAN vorbereitet (geprimt) wurde (vgl. HAY / NOLAN / DRAGER 2006, 373 sowie Kap. 2.2.1), gleichwohl die Proband*innen im Experiment angaben, der Sprecher käme aus Neuseeland und nicht aus Australien. Daher gehen die Autor*innen davon aus, dass nicht die Erwartung über den Sprecher diesen Effekt herbeiführte, sondern „it appears to be mere exposure to the concept of Australianism that shifts their behavior in this task. […] we predict that we could rerun this experiment in a way in which participants are exposed to the concept, without any implication that this is related to the speaker at all. For example we could run one group with a big stuffed Kiwi on the desk (or even a poster in the background), and a second group with a Kangaroo. If the result was replicated, this would be truly remarkable. Our current interpretation of the result suggests that it should be.“ (HAY / NOLAN / DRAGER 2006, 374)

Abschließend halten HAY / NOLAN / DRAGER fest, dass die neuseeländischen Proband*innen die Vokale unterschiedlich wahrnahmen, je nachdem, welches regionale Label auf ihrem Fragebogen stand (AUSTRALIAN vs. NEW ZEALANDER). Die Frage, die sich die Autor*innen u. a. am Ende stellten, ist, ob solche Effekte auch mit Objekten erzielt werden können, die keinen direkten Bezug zur Sprache bzw. zum Sprecher haben (vgl. HAY / NOLAN / DRAGER 2006, 376). Dies untersuchten HAY / DRAGER (2010) mit einer Folgestudie, bei der die Proband*innen in zwei Gruppen unterteilt wurden, wobei diesmal Kuscheltiere als Stimuli genutzt wurden. Ausgehend von der Annahme, dass die Verschiebung der Wahrnehmung nicht durch einen Filter (Stereotyp) erzeugt wurde (vgl. NIEDZIELSKI 1999), sondern aufgrund der Aktivierung des Konzepts AUSTRALIA (vgl. HAY / NOLAN / DRAGER 2006, HAY / DRAGER 2010, 865−866), vermuten HAY / DRAGER (2010), „that placing a stuffed kangaroo in the room might be expected to have the same effect as the regional label.“ (HAY / DRAGER 2010, 866). Beim Aufbau der Untersuchung hielten sich die Autor*innen an den Aufbau von HAY / NOLAN / DRAGER (2006). Der einzige Unterschied zur Vorgängerstudie waren Kuscheltiere: Während der Untersuchung wurde bei der einen Gruppe ein KoalabärKuscheltier und bei der anderen Gruppe ein Kiwi-Kuscheltier auf den Tisch gesetzt, an dem die Proband*innen den Fragebogen ausfüllten. Die Proband*innen wurden auf das entsprechende Kuscheltier aufmerksam gemacht, indem die Exploratorin die Fragebögen aus einem Schrank holte und auf den Bögen das entsprechende Kuscheltier saß. Sie tat überrascht und setzte das Kuscheltier auf den Tisch, an dem der entsprechende Teilnehmende saß. Somit wurde sichergestellt, dass das Kuscheltier bemerkt wurde, aber auch nicht zu viel Aufmerksamkeit bekam. Es konnte angenommen werden, dass die Proband*innen nicht davon ausgingen, das Kuscheltier stehe in irgendeiner Weise in Beziehung zur Aufgabe. Insgesamt nahmen an dieser

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Studie 26 neuseeländische Gewährspersonen teil, von denen 14 Frauen und 12 Männern waren. Das Alter erstreckte sich von 19 bis 52 Jahre (vgl. HAY / DRAGER 2010, 870−872). „The results for the /Ι/ vowel were remarkably parallel to those we observed in Hay et al. (2006a). The observed shift in perception, then, is largely automatic. It is not an active shift that is based on a listener’s beliefs about who they think they are listening to, but is rather […] the result of activation of the concept ‚Australia‘ and, through spreading activation, of speech exemplars associated with this concept.“ (HAY / DRAGER 2010, 883)

Interessanterweise konnten die Autoren in dieser Studie herausstellen, dass es ebenfalls Unterschiede in der Beeinflussung zwischen Männern und Frauen gibt. Die Frauen tendieren dabei in der Bedingung Koalabär eher in Richtung Australien, also wählten sie eher die Varianten, die dem Australischen näher kamen. Die Männer tendierten dabei in die entgegengesetzte Richtung und wählten in dieser Bedingung eher Varianten, die dem Neuseeländischen näher kamen. HAY / DRAGER (2010) erklären dieses Ergebnis damit, dass es im Sport eine große Rivalität zwischen Neuseeland und Australien gibt, besonders im Rugby, und diese Sportart sei besonders bei den Männern beliebt. Aufgrund dessen kann es möglich sein, dass die männlichen Probanden eher negative Assoziationen zu Australien haben und demnach beim der Koala-Bedingung eher zu neuseeländischen Varianten tendieren. Somit kann dieses Ergebnis auch auf die emotionale Verbindung zu Neuseeland und Australien hinweisen (vgl. HAY / DRAGER 2010, 884−885). HAY / DRAGER (2010) kommen zum dem Fazit: „Regardless of the theoretical explanation for this result, it should be clear that the methodological consequences are nontrivial. All kinds of objects in the ambient environment could potentially exert subtle influences on participants’ behavior.“ (HAY / DRAGER 2010, 889)

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich Personen bei der Sprachwahrnehmung beeinflussen lassen. Sie lassen sich aber nicht nur mit Zuschreibungen zu den Personen, die sie hören, beeinflussen (regionale Zuschreibungen – Herkunft), sondern auch mit Objekten (Kuscheltieren), die keinen Bezug zum Sprecher haben, aber ein bestimmtes Konzept triggern, dass eventuell mit dem Sprecher übereinstimmt. Dabei zeigt sich, dass bestimmte Faktoren dann auch nicht wahrgenommen werden, wenn diese nicht mit dem Konzept in Verbindung stehen. 2.3 ZUSAMMENFASSUNG Durch die Zusammenstellung der Ergebnisse aus den unterschiedlich angelegten Untersuchungen konnte zum einen gezeigt werden, dass das Feld der Wahrnehmungsdialektologie (auch wenn die Begrifflichkeiten teilweise noch variieren) keine terra incognita ist. Eine Vielzahl an Projekten setzt sich mit dieser Thematik auseinander und betrachtet den Sprecher selbst nicht mehr als Störfaktor, sondern als wesentlichen Bestandteil der Dialektologie, der durch seinen Sprachgebrauch aktiv zur Dynamik der Sprache und so auch zum Sprachwandel beitragen kann.

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Aus den vorgestellten Untersuchungen sollte deutlich geworden sein, dass bei der Arbeit mit der draw-a-map-Methode die genutzte Grundkarte unterschiedliche Konzepte und unterschiedliches Wissen aktivieren kann. Ähnliches zeigt sich bei der Nutzung sprachlicher Stimuli: Unterschiede werden hier besonders hinsichtlich des Gebrauchs von standardnahen und dialektnahen Sprechproben bezogen auf die verschiedenen Altersgruppen deutlich. So können eher die älteren Proband*innen dialektnähere Sprachbeispiele auf einer Karte verorten, wohingegen die jüngeren Proband*innen eher standardnähere Hörproben zuordnen können. Bei den dialektnäheren haben die jüngeren eher Probleme, diese zu verorten, sie sind durch ihre Sozialisation an die neu entstandenen Regionalsprachen und Regiolekte gewöhnt. Dies bezieht sich besonders auf die eigene Dialektregion und die verschiedenen regionalsprachlichen Varianten. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass die jüngeren Proband*innen sich eher auf Sprachbeispiele beziehen, die durch Medien vermittelt werden, und sich eher auf Stereotype beziehen, deren sprachliche Merkmale etwa durch die Comedy popularisiert werden. Ältere Proband*innen dagegen können aufgrund ihrer kommunikativen Erfahrung auch auf dialektnähere Sprechproben zurückgreifen. Bei allen Untersuchungen stellte die Herkunft der Proband*innen einen wichtigen Faktor bei der Wahrnehmung von Varietäten dar. Auch dies lässt sich auf die kommunikative Erfahrung des Nahbereichs sowie die Erfahrung und das Sprachwissen zurückführen. Das Wissen über Sprache und deren Wahrnehmung kann sich demnach ganz unterschiedlich gestalten und zusammensetzen. Unter regionalsprachlichem Wissen wird somit nach KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE „die Gesamtheit der aus alltäglichen Handlungs- und Sachzusammenhängen erworbenen, vernetzten und gewichteten impliziten wie expliziten Gedächtnisinhalten über (regional-)sprachliche Variation als Basis (nicht-)sprachlichen Handelns verstanden […]. Dieses Wissen ist als Teil des Sprach- und Weltwissens eines Individuums und demnach als komplexe mentale Struktur zu verstehen, die von allen – sprachlichen wie nichtsprachlichen – Aspekten des alltäglichen (Er-)Lebens beeinflusst wird (Reisen, Kommunikation, Medien, Vorurteile etc.). Insofern ist diese mentale Struktur nicht allein aus sprachlichen Phänomenen ableitbar, sondern konstituiert sich aus der Gesamtheit der möglichen Erfahrungsinhalte individuell und definiert in Form von individuell konstruierten Alltagskategorien (= Konzepte) den Rahmen für (sprachliche) Interaktion.“ (KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010, 352)

Das regionalsprachliche Wissen und in diesem Zusammenhang die Sprachwahrnehmung und die daraus entstehenden Sprachraumkonzepte sind komplexe Felder. Diese Sprachraumkonzepte können mit unterschiedlichen (auditiven, visuellen) Stimuli aktiviert werden und sich je nach Herangehensweise und Methode teilweise unterscheiden oder gar ergänzen bzw. überschneiden. Aus den Ergebnissen fassen KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE dieses komplexe Feld wie folgt zusammen: „(1) Sprachraumkonzepte sind individuell variable und strukturell komplexe mentale Einheiten des regionalsprachlichen Wissens, die als mentale Repräsentationen operationalisierbar sind. […] (2) Sowohl die Variation sozialer Variablen als auch der Einsatz unterschiedlicher akustischer und visueller Stimuli erzielen nachweisbare Effekte hinsichtlich der Aktivierung von Teilstrukturen des Sprachraumwissens.

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2 Forschungsüberblick und theoretischer Rahmen (3) Aus den beobachtbaren methodenabhängigen Effekten lassen sich Rückschlüsse auf psychologische Faktoren der Konzeptualisierung von regionalsprachlichem Wissen ziehen. (4) Anhand von Fehlkategorisierungen bei der Reproduktion von Sprachraumwissen in Perzeptionsexperimenten lassen sich individuelle Konzeptstrukturen für regionalsprachliches Wissen nachweisen. (5) Der Prozess der Konzeptualisierung regionalsprachlicher Wissensbestände lässt sich als Repräsentationsvorgang beschreiben, der Gegenstände und Sachverhalte des individuellen Erfahrungsbereichs in mentale Wissenseinheiten überführt, die in Konzepten organisiert und in Form von situativ bedingten Repräsentanten operationalisiert werden können.“ (KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010, 373)

Abb. 4: Modellierung des Konzeptualisierungsbegriffs, KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010, 381.

Die Autoren entwickeln im Anschluss an ihre Ergebnisse ein Modell (vgl. Abb. 4), mit dem sie den Prozess der Konzeptualisierung beschreiben, und das sich auch auf die vorliegende Untersuchung übertragen lässt. „Unter Konzeptualisierung wird […] der Prozess der Bildung von Konzepten verstanden. Dieser ist grundsätzlich als Perzeptionsphänomen beschreibbar und unterliegt damit, als Interaktionsroutine zwischen dem Selbst und der Welt, dem spezifischen Erfahrungsbereich des Individuums. Gleichzeitig definiert er damit die wesentliche Voraussetzung für die Entstehung von Wissen […]. Wissen bedeutet demnach einerseits das Ergebnis eines Wahrnehmungsprozesses und andererseits die Verfügbarkeit des Wahrgenommenen im Sinne eines mentalen Abbildes von Gegenständen oder Sachverhalten der Umwelt.“ (KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010, 380; Hervorhebungen im Original)

Aus dem Modell wird die Bildung von Konzepten sehr gut deutlich. Hiernach bestehen Konzepte aus Inhalten, Repräsentaten, die sich aus der Wirklichkeit, aus Elementen der Umwelt (Repräsentanda) über Perzeptionsprozesse (Repräsentation/Perzeption) bilden. Es sind somit mentale Abbilder, die jedoch nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmen müssen. Diese Repräsentate können auch zu unter-

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schiedlichen Konzepten gehören und es kann somit zu Überschneidungen verschiedener Konzepte kommen. Diese Konzepte können über den Prozess der Projektion bzw. mentalen Repräsentation operationalisierbar gemacht werden, womit als Ergebnis Repräsentanten entstehen. „[D]ie Operationalisierung von Repräsentaten als Elemente der Interaktion zwischen Selbst und Welt, soll demgegenüber als mentale Repräsentation oder Projektion bezeichnet werden. Das Ergebnis dieses Prozesses besteht in einem Repräsentanten, der zwar auf die zugrunde liegenden Konzepte (und, im Falle von Konkreta, die darin abgebildeten Erfahrungsinhalte) verweist, mit ihnen aber nicht identisch ist, da er den spezifischen Bedingungen der Interaktionssituation unterliegt. Darüber hinaus sind die zugrunde liegenden Repräsentate und Konzepte insofern nicht als exakte Abbilder von Elementen der Umwelt zu verstehen, als sie das Produkt einer subjektiv verzerrten Wahrnehmung darstellen (etwa durch den Einfluss sensorischer oder emotionaler Faktoren). Dabei besteht zwar die grundsätzliche Möglichkeit der Deckung von Repräsentat und Konzept (und sogar Repräsentant). Normalerweise jedoch ist davon auszugehen, dass sich ein Konzept aus verschiedenen Repräsentaten zusammensetzt, ebenso wie einzelne Repräsentate Elemente von verschiedenen Konzepten sein können. (KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010, 380; Hervorhebungen im Original)

Eine geeignete Methode, um Repräsentate und somit Inhalte von Konzepten abzubilden, erscheint im Zusammenhang mit regionalsprachlichen Wissen und Sprachraumkonzepten u. a. die draw-a-map-Methode. Konzepte werden dabei verstanden als „Grundvorstellung oder Idee, i.S. einer Sammlung versch. Gedanken“ (DÖRNER 2018). Konzepte sind somit wie bei KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE (2010) „Bündelungen von Repräsentaten, die gegebenenfalls einer spezifischen Hierarchisierung unterliegen.“ (KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010, 380) Ähnlich der Prototypensemantik lassen sich Repräsentate ausmachen, die besonders gute Vertreter bestimmter Konzepte sind bzw. auch welche, die evtl. nur am Rande zu bestimmten Konzepten gehören, dennoch mit diesen in Verbindung stehen. Somit ist eine scharfe Abgrenzung eher nicht möglich. Bezogen auf die vorliegende Untersuchung und das Ziel, herauszufinden, ob sich die sogenannte Mauer in den Köpfen bei den Proband*innen, die sozialisiert wurden, als die beiden deutschen Staaten nicht mehr existierten, noch nachweisen lässt, kann das von KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE entwickelte Modell als theoretischer Rahmen genutzt werden. Die Metapher Mauer in den Köpfen referiert dabei auf eine mentale Mauer, die sich aus der physischen Mauer, die Ost- und Westdeutschland trennte, aufgrund der unterschiedlichen, asymmetrischen Ausgangslage entwickelte (vgl. Kap. 1.1). Die mentale Mauer bzw. das Konzept Mauer in den Köpfen bezieht sich im Allgemeinen darauf, dass Ost- und Westkategorien bzw. Ost- und Westkonzepte unterschieden werden (vgl. Kap. 1). Die mentale Mauer speist sich also aus einer wie auch immer gearteten Unterscheidung der Menschen, Bedingungen, Sachverhalte etc. in Ost und West. Zudem wird bei dieser Mauer auf die Andersartigkeit des Gegenübers aufgrund der unterschiedlichen Systeme (was aus der Sicht der Betroffenen sowohl gesellschaftliche als auch sprachliche Systeme einschließt) referiert. Aus den vorhergehenden Untersuchungen hat sich gezeigt, dass es jedoch scheinbar nur eine markierte Größe Ostdeutsch bzw. ein Ostdeutsch-Konzept gibt. Besonders sichtbar wurde dies bei der Attribuierung von Politiker*innen (vgl.

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Kap. 1), bei denen eine Herkunftsbeschreibung wie ostdeutsch wichtig erscheint, jedoch das westdeutsche Pendant nicht. Des Weiteren konnten herausgearbeitet werden, dass es in der Sprachraum- und Sprechprobenverortung ein OstdeutschKonzept gibt, das in einer gewissen Relation zum Sächsischen nach der Auffassung der Befragten steht (durch sprachliche Merkmale wie Zentralisierung etc.), aber kein Westdeutsch-Konzept (vgl. u. a. ANDERS / PALLIWODA / SCHRÖDER 2014, KEHREIN 2012b, LAMELI 2012). Zudem kommt es zwischen dem Ostdeutsch- und dem Sächsisch-Konzept aus westdeutscher Sicht zu Überschneidungen, diese Konzepte werden zumeist auch als negativer eingeschätzt als andere Konzepte (vgl. DAILEY-O’CAIN 1999, KENNETZ 2010, LAMELI 2012, HUNDT / PALLIWODA / SCHRÖDER 2015b). Deutlich gemacht werden konnte außerdem, dass Grenzen als mentale Orientierungslinien eine wichtige Rolle für die Befragten spielen. Sie helfen dabei, Informationen zu strukturieren und zu kategorisieren. Dies ist in den Studien ersichtlich, die sich auf den Kleinraum beziehen: So werden Grenzen ebenfalls wahrgenommen und auf Grundkarten verzeichnet, wenn diese gar nicht (mehr) existieren oder zuvor gar nicht abgebildet wurden. Dies wird zum einen bei ANDERS (2010a) erkennbar: Bei der draw-a-map-Methode zeichneten viele der Proband*innen die ehemalige innerdeutsche Grenze als Orientierungshilfe ein. Zum anderen konnte STOECKLE (2014) zeigen, dass die deutsch-französische sowie die ehemalige politische Grenze in Baden-Württemberg als Orientierung und Abgrenzung zwischen Sprachräumen dienen. Dass solche Grenzen bezogen auf das obersächsische Gebiet zwischen Sprachräumen konzeptuell stark präsent sind und somit auch der Identifikation dienen, jedoch die jeweiligen Sprechproben aus diesen scheinbar unterschiedlichen Regionen perzeptiv nicht unterscheidbar sind, konnten die Arbeiten von ANDERS (2010a) und PURSCHKE (2011) veranschaulichen. Das heißt, es werden Grenzen zwischen Sprachräumen wahrgenommen, die sich objektsprachlich kaum noch trennen lassen. Dies zeigt sich auch in den Verortungen der Proband*innen, die die thüringische Sprechprobe mit Leipzig verbinden (vgl. KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010). Bezogen auf die ehemalige innerdeutsche Grenze konnten besonders DAILEY-O’CAIN (1999) und KENNETZ (2010) nachweisen, dass diese durch die Proband*innen wahrgenommen wird. HARNISCH (2015) kann zusätzlich herausstellen, dass sich Veränderungen auf der regionalsprachlichen Ebene dies- und jenseits der Grenze herausgebildet haben und sich die Personen an dem entsprechenden Hinterland orientiert haben bzw. auch bewusst Varianten vermeiden, wobei sich basisdialektal keine Änderungen feststellen lassen (vgl. FRITZ-SCHEUPLEIN 2004). So scheint die Mauer in den Köpfen auch nach mehr als 25 Jahren nicht eingerissen zu sein, was sich aus der Zusammensetzung dieses Konzepts ergibt: „Diese [die Mauer, N. P.] aber ist nicht zuletzt eine ‚Diskursmauer‘. Ihr Fundament ist ein Set aus wahrnehmungssteuernden und semantischen Konzepten und aus diesen zugeordneten sprachlichen Ausdrucksformen, mit denen ‚der Osten‘ gegen ‚den Westen‘ gestellt und in einer ganz bestimmten Weise charakterisiert wird.“ (ROTH, K. 2011, 117)

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2 Forschungsüberblick und theoretischer Rahmen

Mit Blick auf das von KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE entwickelte Konzeptualisierungsmodell (vgl. Abb. 4) kann dieses als theoretischer Unterbau für die vorliegende Untersuchung genutzt werden (vgl. Abb. 5). Mentale Repräsentation/Projektion (z. B. Draw-a-map-Methode)

Konzept Mauer in den Köpfen •Sprechproben •Bilder (z.B. OstAmpelmännchen) •...

Repräsentanda

•Gegenüberstellung von Ost- & Westdeutsch •Sprache (OstdeutschKonzept) •Verhalten •Kleidung •...

•Verortung des Gehörten •Bewertung des Gehörten •...

Repräsentanten

Repräsentation/Perzeption (Sprechproben hören) Abb. 5: Versuch der Konzeptualisierung der mentalen Mauer.

Das Konzept Mauer in den Köpfen setzt sich somit aus unterschiedlichen Inhalten (Repräsentaten) zusammen (z. B. auch aus dem Konzept Ostdeutsch), die mentale Abbilder der Wirklichkeit (Repräsentanda) darstellen, mit dieser jedoch nicht übereinstimmen müssen. Durch die Wahrnehmung/Perzeption solcher Repräsentanda (wie Sprache, Kleidung, Bilder etc.) entsteht ein Konzept bzw. wird ein entsprechendes Konzept angestoßen/getriggert. Da Konzepte aus unterschiedlichen Inhalten/Repräsentate bestehen, kann es somit auch zur Überschneidung mit anderen Konzepten (wie z. B. mit dem Ostdeutsch-Konzept) kommen oder gar zu Fehleinschätzung (wie beispielsweise die Zuordnung einer thüringischen Sprechprobe zum sächsischen Raum). Die Zuordnung und Verortung der Sprechproben und somit das Kartieren (draw-a-map-Methode) scheint als eine Methode der mentalen Repräsentation/Projektion die entsprechenden Konzepte sichtbar und somit operationalisierbar zu machen. Dass die Wahrnehmung solcher Sprachraumkonzepte ebenfalls durch andere Faktoren beeinflusst oder sogar manipuliert werden kann, wurde aus den Arbeiten aus dem angloamerikanischen Raum deutlich. Es konnte gezeigt werden, dass diese Faktoren mit der Sprache bzw. den Sprecher*innen nicht in direktem Zusammenhang stehen müssen, sondern der Zusammenhang über die Verbindung mit anderen Konzepten hergestellt werden kann. Dieses Ergebnis stützt vorhergehende Untersuchungen, in denen festgestellt wurde, dass es zu Konzeptüberschneidungen kommen kann und Komponenten zu mehreren Konzepten gezählt werden können (vgl.

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2 Forschungsüberblick und theoretischer Rahmen

u. a. ANDERS 2010a, KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010). Dies konnten HAY / DRAGER (2010) mittels der Kuscheltiere und deren Beeinflussung der Sprachwahrnehmung verdeutlichen. Die genutzten Kuscheltiere stehen hierbei nicht in direkter Verbindung zu den Sprecher*innen, sondern repräsentieren eine bestimmte Region, die das entsprechende Konzept aktiviert hat. Solche Untersuchungen stehen bisher für den deutschsprachigen Raum noch aus und die vorliegende Untersuchung versucht, dieses Desiderat zu schließen. 2.4 FORSCHUNGSFRAGEN UND -HYPOTHESEN Welche wahrnehmungssteuernden und semantischen Konzepte ruft jedoch die Mauer in den Köpfen hervor? Können auch wahrgenommene Bilder ein solches Konzept anstoßen und ist diese Mauer auch bei jüngeren Proband*innen präsent? In der vorliegenden Arbeit wird diesen Fragen nachgegangen, dabei ist folgende übergeordnete Fragestellung von Bedeutung: Lassen sich die Proband*innen in der Verortung und Bewertung von regionalsprachlichen Sprechweisen beeinflussen? Ausgangspunkt ist dabei, dass es sich bei der Mauer in den Köpfen um eine Diskursmauer handelt (s.o.), die durch unterschiedliche Konzepte getriggert werden kann, die nicht immer sprachlich gefüllt sein müssen, aber in irgendeiner Weise mit dem Konzept in Verbindung stehen (vgl. HAY / DRAGER 2010). Um herauszustellen, ob dieses Konzept präsent ist und einen Einfluss auf die Verortung hat, wurde die Priming-Methode verwendet. Als geeigneter Prime, der in einer assoziativen Beziehung zum Konzept Ostdeutsch und somit in gewisser Weise mit dem Konzept Mauer in den Köpfen in Verbindung steht, stellte sich das Ost-Ampelmännchen heraus (vgl. Kap. 3.3). Des Weiteren sollten Proband*innen ausgewählt werden, die aus autobiographischer Sicht keine unmittelbare Verbindung mit den beiden ehemaligen deutschen Staaten aufweisen (vgl. Kap. 3.1.1) und somit zum einen bei diesen davon ausgegangen werden könnte, dass keine Beeinflussung stattfindet. Zum anderen, sollte eine Beeinflussung stattfinden, würde dies demonstrieren, dass kein persönlicher Erfahrungshintergrund für solch ein Konzept nötig ist und dieses Konzept sehr stark im kulturellen Gedächtnis verankert ist. Bei der Wahl der Sprechproben wurde dabei auf die oben skizzierten Ergebnisse zurückgegriffen und alltagssprachliche (keine dialektnahen) Sprechproben zur Verortung und Bewertung ausgewählt (vgl. Kap. 3.2). Auf der Grundlage von LAMELI / PURSCHKE / KEHREIN (2008) wurde als Grundkarte zur Verortung der gehörten Sprechproben eine Karte gewählt, die neben der bundesdeutschen Grenze und Städten, die sich gleichmäßig über den deutschen Raum verteilen, auch Flüsse zur Orientierung enthielt (vgl. Kap. 3.1.2). Ausgehend von der Annahme, dass das Ost-Ampelmännchen das Konzept Ostdeutsch und somit auch Identitätszuschreibungen auslösen kann, wird erwartet, dass Proband*innen aus den alten Bundesländern die entsprechenden Sprechproben eher von sich weg verorten, da das Ost-Ampelmännchen bei dieser Proband*innen-Gruppe eine Abgrenzung zum Osten hervorruft. Besonders stark sollte dieser Effekt beim verstärkten Prime sein, bei dem das Ost- und das West-Ampelmännchen sich quasi gegenüberstehen (vgl. Kap. 3.3). Im Gegensatz

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dazu wird erwartet, dass das Ost-Ampelmännchen bei der Proband*innen-Gruppe der neuen Bundesländer Verortungen im eigenen Raum hervorbringt, da das OstAmpelmännchen bei diesen Gewährspersonen identitätsstiftend wirken könnte. Dieser Effekt sollte demnach durch die Gegenüberstellung beim verstärkten Prime noch deutlicher werden. Bezogen auf die Bewertung der Sprechproben ist davon auszugehen, dass die regionalsprachlichen Sprachbeispiele in der Priming-Bedingung von den Gewährspersonen der alten Bundesländer negativer eingeschätzt werden als von denjenigen der neuen Bundesländer. Diese Annahme stützt sich auf vorhergehende Untersuchungen, die herausstellen konnten, dass besonders westdeutsche Proband*innen die ostdeutschen Varietäten negativ beurteilen (vgl. Kap. 2.1). Ähnliches wird für die Einschätzung der sprachlichen Ähnlichkeit der Sprechproben zur eigenen Sprechweise angenommen sowie zur Einschätzung der Herkunft der Sprecher*innen. Besonders die westdeutschen Gewährspersonen könnten in der Priming-Bedingung die sprachliche Ähnlichkeit negativer beurteilen und die Herkunft der Sprecher*innen nicht mit ihrer Region verbinden. Gegenteilige Beurteilungen sind bei den Proband*innen der neuen Bundesländer zu erwarten, da durch den gesetzten Prime eine Identifikation mit dem Gehörten ausgelöst werden könnte. Die aufgestellten Annahmen sollen im Folgenden geprüft werden. Bevor die Ergebnisse präsentiert und interpretiert werden, befasst sich das anschließende Kapitel mit dem Aufbau und der Durchführung der Untersuchung.

3 AUFBAU UND DURCHFÜHRUNG „Die Wahrnehmungsdialektologie kann […] als kognitive Verankerung, als kognitive Konzeption einer regionalen Varietät verstanden werden“ (ANDERS 2010, 17). Genau solche kognitiven Konzepte stehen im Fokus der vorliegenden Arbeit, die bewusst oder unbewusst durch unterschiedlichste Faktoren beeinflusst werden können (vgl. Kap. 2). Im Speziellen setzt sich die Untersuchung mit dem Konzept Mauer in den Köpfen85 auseinander und versucht, die Komplexität des Untersuchungsgegenstandes zu fassen. Dies scheint durch die Triangulation86 der unterschiedlichen Methoden sowie der verschiedenen Fachbereiche möglich zu sein. Dies betrifft zum einen die Priming-Methoden aus der Kognitiven Psychologie (vgl. Kap. 2.2.1) und zum anderen die draw-a-map-Methode aus der Geographie und Wahrnehmungsdialektologie (vgl. Kap. 2.1). Die Herangehensweise ist demnach eine quantitative.87 Die folgenden Abschnitte erläutern den Aufbau der vorliegenden Studie. Zunächst wird die Struktur des Fragebogens beschrieben (vgl. Kap. 3.1). Im Anschluss werden die Grundkarte, auf der die Sprechproben verortet werden sollten, und deren Wahl beschrieben (vgl. Kap. 3.1.2) sowie die genutzten Sprechproben vorgestellt (vgl. Kap. 3.2). Des Weiteren wird die Auswahl des Primes erläutert und deren Anwendung vorgestellt (vgl. Kap. 3.3). Abschließend werden die Durchführung und das Ergebnis des Vortests beschrieben (vgl. Kap. 3.4), bevor sich das Kapitel 4 mit der Aufbereitung der Daten und der Beschreibung der Ergebnisse auseinandersetzt.

85 Die mentale Mauer bezogen auf die Ost-West-Kategorisierung lässt sich mit Repräsentanda untersuchen, die mit dem Ostdeutsch-Konzept in Verbindung stehen (vgl. Kap. 2.3). 86 Zur Triangulation vgl. u. a. FLICK 2011 und zum Methoden-Mix vgl. u. a. KUCKARTZ 2014a. 87 Die erhobenen Daten bieten ebenfalls einen qualitativen Ansatz, der in weiteren Forschungsvorhaben analysiert und mit weiteren quantitativen Daten in Verbindung gebracht werden soll. Dass sich quantitative und qualitative Forschung mittlerweile ergänzen und nicht mehr als konkurrierende Arbeitsweisen betrachtet werden, ist in der Empirischen Sozialforschung längst unumstritten (vgl. u. a. DIEKMANN 2002, 17−19; FLICK 2009, 21−27; FLICK 2010, 39−52; KUCKARTZ 2014b, 13−16; MAYRING 2010, 8; MEINDL 2011, 25−28). Beide Herangehensweisen haben ihre Vor- wie auch Nachteile und ergänzen sich gegenseitig.

3 Aufbau und Durchführung

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3.1 DER FRAGEBOGEN Mithilfe des Fragebogens88 sollen zum einen die Sprechprobenverortungen durch die draw-a-map-Methode festgehalten werden und zum anderen wird den Proband*innen die Möglichkeit gegeben, die entsprechenden Sprechproben zu bewerten. Diese Daten werden im Anschluss in der Auswertung dahingehend untersucht, inwieweit der Prime Auswirkungen auf die Verortung und Bewertung der Sprechproben hat. Der Fragebogen besteht aus drei Teilen: Er umfasst erstens die Sozialdaten, die als relevant für die Untersuchung angesehen wurden, zweitens die Grundkarte, auf der die jeweiligen Sprachbeispiele eingezeichnet werden sollten, und drittens Fragen zur gehörten Sprechprobe. Vor den jeweiligen Blöcken erklärt ein kurzer Text die Aufgabenstellung, welche zu Beginn der Untersuchungsdurchführung den Proband*innen stets erläutert wurde. Bei dieser kurzen Einweisung in die Aufgabenstellung wurde auch mehrfach mündlich angemerkt, dass es sich hierbei nicht um einen Test handle und es insofern auch keine ‚richtigen‘ oder ‚falschen‘ Antworten gebe, sondern allein die Meinung der Teilnehmenden entscheidend sei. Außerdem wurde sowohl schriftlich auch als mündlich darauf hingewiesen, dass die Daten streng vertraulich und anonym behandelt sowie nur für Studienzwecke verwendet werden. 3.1.1 Auswahl der Sozialdaten Die Auswahl der Sozialdaten bezieht sich im Wesentlichen auf die klassischen Variablen Alter, Geschlecht, Herkunft und Wohnort. Zudem wurde auch die Herkunft der Eltern abgefragt, da nur Gewährspersonen zur Auswertung herangezogen wurden, deren Eltern ursprünglich aus Deutschland stammen. Es wird davon ausgegangen, dass Personen mit Migrationshintergrund einen anderen Bezug zur ehemaligen innerdeutschen Grenze haben. Außerdem wurde den Proband*innen die Möglichkeit gegeben – falls sie nicht bei den Eltern aufgewachsen sind – die entsprechende Bezugspersonen bzw. deren Herkunft anzugeben.89 Die Auswahl der Variable Alter sollte sicherstellen, dass die teilnehmenden Personen erst nach der (Wieder-)Vereinigung sozialisiert worden sind. Dies hat den Hintergrund, dass mittels der Erhebung analysiert werden soll, ob bei jüngeren Gewährspersonen, die nach der Vereinigung aufgewachsen sind, sich Tendenzen aufzeigen lassen, die das Konzept Mauer in den Köpfen belegen. Das heißt im Speziellen, ob die Befragten sich durch den Prime bei der Verortung der Sprechproben

88 Der Fragebogen kann im Anhang eingesehen werden (vgl. Anhang A.1 Der Fragebogen). 89 Diese Auswahl erfolgte aufgrund der Vorannahme, dass besonders die Herkunft der Gewährsperson in Bezug auf die Wahrnehmung, Einstellungen und Auffassungen zu bestimmten Varietäten (Dialekten, Regiolekten etc.) bei der Verortung und Beschreibung der Sprechproben eine große Rolle spielt (vgl. Kap. 2.1).

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3 Aufbau und Durchführung

beeinflussen lassen. Daher war eine Auswahlbedingung, dass sich das Geburtsdatum zwischen 1986 und 1994 befinden sollte, sodass alle Proband*innen beim Fall der Mauer nicht älter als vier Jahre waren und demnach keine eigenen und unmittelbaren Erfahrungen (bezogen auf die Biographie) zu den beiden ehemaligen Staaten Deutschlands aufweisen. Das Alter bezieht sich dabei auf Forschungen zum autobiographischen Gedächtnis, das „erst nach den ersten drei Lebensjahren entsteht und nach dem sechsten Lebensjahr zu einer relativ stabilen Verarbeitungsform findet.“ (MARKOWITSCH / WELZER 2005, 229) Da die Untersuchung an Universitäten durchgeführt wurde und die Gewährspersonen Student*innen waren, kann von einem homogenen Bildungsstand ausgegangen werden, d. h. alle Gewährspersonen besaßen zum Zeitpunkt der Untersuchung als höchsten Bildungsabschluss das Abitur. Des Weiteren sollten die Gewährspersonen bei den demographischen Angaben auf einer Skala (5: sehr zugehörig bis 1: nicht zugehörig) angeben, welcher Gruppe (Europäer, Bundesbürger, Westdeutscher, Ostdeutscher, Schleswig-Holsteiner, Mecklenburg-Vorpommeraner etc.) sie sich zugehörig fühlen und dies entsprechend mit einem Kreuz markieren. Zusätzlich sollten die Studierenden durch einen Kreis verdeutlichen, welcher dieser Gruppen sie sich am meisten zugehörig fühlen (vgl. ANDERS 2010a, 165).90 Gleichfalls wurden zu den Sozialdaten Fragen hinzugezogen, ob sich die teilnehmenden Personen mit der Region, in der sie leben, verbunden fühlen und ob ihnen ihre Sprechweise/Sprache als Teil ihrer Identität wichtig ist (PURSCHKE 2011, 369 u. 381 Fragen zu den Regionen).91 3.1.2 Auswahl der Grundkarte Dass die Wahl der Grundkarte bzw. das Erscheinungsbild der Karte sich ebenfalls auf die Verortung der Sprechproben auswirkt und unterschiedliche Wissenstypen aktivieren kann, haben KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE (2008) deutlich gezeigt (vgl. dazu Kap. 2.1.1). Diese Ergebnisse sind daher auch entscheidend für die Wahl der Grundkarte der hier beschriebenen Untersuchung gewesen. Für die Auswahl waren zwei Überlegungen wesentlich: Auf der einen Seite sollten die Gewährspersonen bei der Verortung der Sprechproben nicht durch zu viele vorgegebene Stimuli auf der Karte abgelenkt oder beeinflusst werden; auf der anderen Seite sollten die gesetzten Stimuli aber auch eine Art räumlicher Orientierung bieten und das Wissen zu unterschiedlichen Sprachräumen aktivieren. In der Studie von KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE (2008) wurde u. a. herausgestellt, dass der Stimulus beliebiger Städte 90 Leider haben nur wenige Personen diese Tabelle richtig ausgefüllt. Sie vergaßen den Kreis um die Gruppe zu ziehen, der sie sich am meisten zugehörig fühlen. Aufgrund dessen kann auf diese Frage in der Auswertung nicht weiter eingegangen werden. 91 Anhand dieser könnte in weiterführenden Analysen geprüft werden, ob sich eine positive oder negative Einstellung zur Region oder Sprechweise auf die Verortung der Sprechproben sowie deren Beschreibung im Zusammenhang mit dem gesetzten Prime auswirkt.

3 Aufbau und Durchführung

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„in besonderem Maße den Ausweis konzeptuell fassbarer Sprachlandschaften [ermöglicht]. Es werden keine Prototypen, sondern individuell definierte Sprachlandschaften ausgewiesen. Die Aktivierung von Wissen unterschiedlichen Spontaneitätsgrades wird ermöglicht. Die Ergebnisse sind vergleichbar und interpretierbar.“ (KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2008, 81)

Des Weiteren konnten die Autoren mittels der Studie nachweisen, dass Flüsse auf einer Karte keinen signifikanten Einfluss auf die Verortung der Sprachräume ausüben (vgl. KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2008, 81). Aufgrund dieser Ergebnisse wurde als Grundkarte eine Deutschlandkarte gewählt, die neben den Nationalgrenzen auch Städte und Flüsse aufweist (vgl. Abb. 6).

Abb. 6: Grundkarte für die Verortung der Sprechproben.

90

3 Aufbau und Durchführung

Die Flüsse wurden aufgenommen, um zu eruieren, ob die Gewährspersonen diese Markierung als Sprachgrenzen interpretieren, insbesondere die Elbe als Grenzfluss zwischen den neuen und alten Bundesländern. Mit dieser Art von Karte konnten die Vorüberlegungen aufgegriffen und berücksichtigt werden. 3.1.3 Auswahl der Fragen zu den Sprechproben Die Verortung der Sprechproben auf jeweils einer Deutschlandkarte gibt Aufschluss über das Wissen über Sprachräume und die Strukturierung von Sprachräumen der Gewährspersonen (vgl. Kap. 2.1). Da in dieser Untersuchung aber nicht nur das Sprachraumwissen und die mentale Karte der Teilnehmenden von Interesse waren, sondern im Vordergrund stand, ob ein Prime das Handeln beeinflusst, hatten die Proband*innen die Möglichkeit, das Gehörte näher zu beschreiben. Bei diesen Aussagen und Fragen handelt es sich zum einem um geschlossene numerische, zum anderen um offene qualitative Daten.92 Für die vorliegende Analyse sind die geschlossenen Fragen von Bedeutung: 2.1.5. 2.1.6. 2.1.7.

Die Sprecher*innen könnten aus meinem Ort oder der unmittelbaren Umgebung stammen: ja/nein Wie gefällt Ihnen diese Sprechprobe auf einer Skala von -3 bis +3? Wie ähnlich ist diese Sprechprobe im Vergleich zu Ihrer eigenen Sprechweise auf einer Skala von -3 bis +3?

Mit diesen Fragen sollte ermittelt werden, inwieweit sich die Gewährspersonen mit der entsprechenden Sprechprobe identifizieren, und ob ein Zusammenhang zwischen diesen Variablen, der Herkunft und Verortung, besteht. Des Weiteren sollte ebenfalls erhoben werden, ob der Prime Auswirkungen auf diese Variablen ausübt. Die Fragen selbst sind aus vorhergehenden Untersuchungen zusammengestellt und haben sich bisher als sehr brauchbar erwiesen (vgl. u. a. ANDERS 2010; NIEDZIELSKI/PRESTON 2003; PURSCHKE 2011; HUNDT / PALLIWODA / SCHRÖDER 2015a).93

92 Bei den qualitativen Daten handelt es sich um Angaben zu folgenden Fragen und Aussagen: Schreiben Sie bitte kurz auf, was Ihnen spontan zu dieser Sprechprobe einfällt! Woher kennen Sie diese Art zu sprechen? Welche sprachlichen Besonderheiten sind Ihnen aufgefallen? Woran haben Sie diese Sprechprobe erkannt? Wie nennen Sie diese Sprechweise? Von besonderem Interesse könnten dabei die Aussagen der Gewährspersonen, das Spontanwissen zu den Sprechproben sowie die Benennungen sein. Mittels dieser Aussagen sowie qualitativer Interviews können weitere Aussagen über das Konzept Mauer in den Köpfen getroffen werden. 93 Typisch in diesem Zusammenhang sind ebenfalls Fragen zur Korrektheit des Gehörten, was jedoch für die vorliegende Arbeit nicht abgefragt wurde.

3 Aufbau und Durchführung

91

3.2 DIE SPRECHPROBEN Aufgrund vorhergehender Untersuchungen, die nachweisen konnten, dass leicht gefärbte Standardsprache Einstellungen bei den Hörern über die Sprachbeispiele und deren Sprecher*innen hervorruft (vgl. Kap. 2.1 sowie u. a. HUNDT 1992, KEHREIN / LAMILE / PURSCHKE 2010, PURSCHKE 2008, 2011), wurden für die vorliegende Studie alltagssprachliche Aufnahmen gewählt, die somit eher dem Regiolekt zuzuordnen sind.94 Solche Sprachbeispiele bietet z. B. das Projekt Deutsch heute.95 Dabei wurden von 2006 bis 2009 Interviews u. a. mit Schüler*innen im gesamten deutschen Sprachgebiet durchgeführt.96 Ein Bereich dieses groß angelegten Projekts sind die sogenannten Map tasks97. Bei dieser spielerischen Erhebungssituation sollen sich zwei Schüler*innen gegenseitig einen Weg erklären: „Aufgrund dieser Art Spielsituation und der Verwirrung durch die teils unterschiedlichen Bilder ist eine Konstellation gegeben, bei der die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass die Probanden die scheinbare ‚Interviewsituation‘ vergessen – da der Explorator sich nicht mit im Raum befindet – und sich so nicht mehr auf ihre Sprache und Sprechweise konzentrieren, sondern in ihrer Alltagssprache die alltagsungewöhnliche Situation meistern. Auf diesem Weg ist es möglich, Alltagssprachaufnahmen bzw. Regionalsprache zu erhalten.“ (PALLIWODA 2011, 424).

94 Terminologische Ausführungen finden sich u. a. in KEHREIN 2012a, PURSCHKE 2011, SCHMIDT / HERRGEN 2011. 95 Das Projekt läuft seit 2006 am INSTITUT FÜR DEUTSCHE SPRACHE in Mannheim und erforscht den gesamten deutschen Sprachraum hinsichtlich der Variation und der Standardsprache. Die für das Projekt relevanten Aufnahmen „wurde in ca. 189 Städten des deutschsprachigen Raums durchgeführt und es kamen zwei unterschiedliche Probandengruppen für diese Untersuchung infrage: zum einen Jugendliche zwischen 17 und 20 und zum anderen Erwachsene zwischen 50 und 60 Jahren. Auf diese Weise war es möglich, Wissen über den momentanen Sprachstand zu erlangen und gleichzeitig Sprachwandelphänomene festzuhalten.“ (PALLIWODA 2009, 50; vgl. dazu zudem KLEINER 2015) 96 Mit dem ‚gesamten deutschen Sprachraum‘ ist das Gebiet gemeint, in dem Deutsch als Amtssprache gilt. 97 „Bei diesen arbeiten jeweils zwei Personen zusammen und müssen sich gegenseitig eine Wegbeschreibung erklären. Beide haben jeweils eine Karte vor sich liegen, auf der bestimmte Motive abgebildet sind. Einige dieser Motive sind aber auf der Karte des jeweils anderen unterschiedlich. Der Erklärende hat zusätzlich auf seiner Karte den zu beschreibenden Weg abgebildet und muss diesen so genau wie möglich seinem Gegenüber beschreiben, der diesen Weg dann in seiner Karte einzeichnet. Nach der erfolgreichen Wegbeschreibung werden die Positionen gewechselt und die Probanden erhalten neue Karten und der jeweils andere muss nun den Weg erklären.“ (PALLIWODA 2009, 49−50; vgl. dazu zudem KLEINER 2015).

92

3 Aufbau und Durchführung

Insgesamt wurden vier Sprachbeispiele der Schüler*innen (17 bis 20 Jahre zum Zeitpunkt der Erhebung) aus dem Deutsch heute-Projekt98 für die vorliegende Analyse ausgewählt (vgl. Tab. 3), die die Teilnehmenden auf der Grundkarte (vgl. Kap. 3.1.2.) verorten und bewerten sollten.99 Dialektregion

Ortspunkt (West) Ortspunkt (Ost) Dialektregion

Nordniederdeutsch Lübeck

Schwerin

Mecklenburgisch-Vorpommersch

Nordhessisch

Dingelstädt

Thüringisch

Schwalmstadt

Tab. 3: Gewählte Sprechproben.

Die Auswahl dieser vier Sprechproben erscheint aus folgenden Gründen interessant: Zum einen konnte KEHREIN (2012a, 2015) herausarbeiten, dass das Nordniederdeutsche und das Mecklenburgisch-Vorpommersche ähnliche sprachliche Merkmale in der standardnächsten Sprechweise aufweisen. Zum anderen wird der gesamte norddeutsche Bereich aus der Sicht perzeptiv ausgerichteter Untersuchungen als ein Konzept wahrgenommen (vgl. u. a. ANDERS / PALLIWODA / SCHRÖDER 2014, LAMELI / PURSCHKE / KEHREIN 2008, KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010). Somit scheinen diese beiden in der Verortung besonders spannend, besonders im Zusammenhang mit dem gesetzten Prime. Bezogen auf die Wahl der thüringischen Sprechprobe konnten vorhergehende Untersuchungen verdeutlichen, dass perzeptiv die Proband*innen zwischen dem Obersächsischen und dem Thüringischen nicht unterscheiden können (vgl. ANDERS 2010a, PURSCHKE 2011) und thüringische Sprechproben als prototypisch für das Sächsische angesehen werden (vgl. KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010). Aufgrund dessen scheint die Verortung unter Beeinflussung des Primes besonders interessant. Wie das Norddeutsche und das Sächsische gehört auch das Hessische zu den prominentesten deutschen Sprachräumen (vgl. HUNDT 2010, LAMELI 2009, KEHREIN 2012, KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010). Zwar stellt sich als prototypische hessische Sprechprobe bei den linguistischen Laien eine aus dem rheinfränkischen Sprachraum heraus (vgl. KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010, PURSCHKE 2011), jedoch ist der nordhessische Sprachraum besonders spannend in der Wahrnehmung der Proband*innen, da er strukturelle Ähnlichkeit zum Niederdeutschen und zum Thüringischen aufweist (LAMELI 2009). Hierbei scheint interessant zu sein, welches Konzept mittels des Primes hervorgerufen wird. Zudem konnten Untersuchungen herausstellen, dass nordhessische Proband*innen die eigene Sprechweise auch in ihre Region verorten und diese von anderen unterscheiden können, jedoch konnten auch Ausreißer in den

98 An dieser Stelle sei STEFAN KLEINER und RALF KNÖBL vom Deutsch heute-Projekt des INSTITUTS FÜR DEUTSCHE SPRACHE herzlich für die Bereitstellung der Sprechproben gedankt. 99 Den Proband*innen wurden während der Untersuchung zehn Sprachbeispiele, die alle aus dem Deutsch heute-Projekt stammen, vorgespielt (vgl. Anhang A: Tab. 56). Als fruchtbringend erwiesen sich jedoch diese vier. Die weiteren Sprachbeispiele werden evtl. in einem anderen Zusammenhang analysiert.

3 Aufbau und Durchführung

93

niederdeutschen und den thüringischen Raum festgestellt werden (vgl. LAMELI 2009, KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010). Die genutzten Sprachbeispiele haben eine Dauer zwischen zehn und zwanzig Sekunden und deren Sprecher*innen sind in den jeweiligen Orten aufgewachsen und sozialisiert. In jedem Sprachbeispiel unterhalten sich jeweils zwei Sprecher*innen. Der Inhalt der Gespräche war aufgrund derselben Situation und Aufgabestellung – eine Wegbeschreibung mithilfe der Map-task-Methode – neutral, sodass nicht die Möglichkeit bestand, die Teilnehmenden durch inhaltliche Aspekte zu beeinflussen. Die Auswahl der Sprechproben selbst erfolgte aufgrund vorhergehender Ergebnisse (s.o. sowie Kap. 2.1) und nach der Zugehörigkeit des Aufnahmeorts zum jeweiligen Dialektgebiet100 (vgl. Abb. 7) sowie nach einigen regionalsprachlichen Merkmalen. Für den niederdeutschen Raum können bspw. die Hebung und Vorverlagerung von /er/ in Nebensilben sowie die Konsonantenschwächung (z. B. Lenisierung inlautender Plosive) als regionalsprachliche Merkmale angenommen werden. So kann KEHREIN in seiner Untersuchung verdeutlichen, dass diese beiden Merkmale sowohl für den nordniederdeutschen als auch den mecklenburgisch-vorpommerschen Raum in standardnächster Aussprache nachzuweisen sind; die Sprechweisen lassen sich kaum noch voneinander unterscheiden (vgl. KEHREIN 2012a, 294−297 sowie 309−313; 2015, 460). Zudem konnte die Lenisierung in rezenten Studien „in den nördlichen Untersuchungsregionen Holstein […], Nordhannover […] und Mecklenburg-Vorpommern als gängiges Merkmal der jeweiligen Regiolekte“ (vgl. ELMENTALER / ROSENBERG 2015, 220) herausgestellt werden, das sich dazu als sehr salient erweist (vgl. ELMENTALER / GESSINGER / WIRRER 2010, ELMENTALER / ROSENBERG 2015, 223, HETTLER 2014). Bezogen auf die Realisierung der Vokalisierung von /-er/ scheint es sich „um einen regionalen Marker“ zu handeln, der dagegen einen „Schwerpunkt im Nordosten“ (ELMENTALER / ROSENBERG 2015, 174) hat. Sowohl die Vokalisierung als auch die Lenisierung können in der Sprechprobe aus Lübeck sowie in der aus Schwerin festgestellt werden (vgl. Tab. 4). Für das Thüringische gelten u. a. die Zentralisierung hinterer gerundeter Vokale und die Lenisierung von Plosiven als regionalsprachliche Varianten (vgl. u. a. KEHREIN 2012b, 244). MIHM merkt für das Thüringische an, dieses habe sprachliche Ähnlichkeiten zum Obersächsischen (vgl. MIHM 2000, 2118). In weiteren Studien wurden diese Aussagen bestätigt, weswegen dafür plädiert wird, von einer „ostmitteldeutschen Regionalsprache“ (ROCHOLL 2015, 492) zu sprechen und nicht mehr von dem Thüringischen oder dem Obersächsischen (vgl. u. a. PURSCHKE 2011). In rezenten wahrnehmungsdialektologischen Untersuchungen konnte zudem herausgestellt werden, dass Proband*innen aus dem Obersächsischen und dem Thüringischen keine perzeptive Trennung zwischen Sprechproben aus den beiden Gebieten vornehmen können (vgl. KEHREIN 2012b, LAMELI 2009, PURSCHKE 2011) und die Zentralisierung als ein auffälliges Merkmal das Konzept Sächsisch sowie das Konzept Ostdeutsch aktiviert (vgl. ANDERS / PALLIWODA / SCHRÖDER 2014,

100 Die Einteilung des Deutschen geht hier zurück auf die Einteilung WIESINGERS (1983).

94

3 Aufbau und Durchführung

KEHREIN 2012b). Die Sprecher*innen realisieren ebenfalls solche regionalsprachlichen Merkmale (vgl. Tab. 4).

Abb. 7: Orte der Sprechproben. 101

Die Merkmale der nordhessischen Sprechprobe gestalten sich etwas anders: Schon MIHM merkt an, dass die nordhessische Umgangssprache eine relativ standardnahe Varietät ist (vgl. MIHM 2000, 2119) und LAMELI verweist auf die „strukturelle Verwandtschaft zwischen dem Nordhessischen und dem Niederdeutschen“ sowie „zwischen dem Nordhessischen und dem Thüringischen“ (LAMELI 2009, 146). Trotz dessen können als regionalsprachliche Varianten die Lenisierung von inlautenden Plosiven sowie die r-Vokalisierung im Auslaut angenommen werden (vgl.

101 Die Karte wurde mit der Online-Anwendung SprachGIS des Projekts regionalsprache.de (REDE) (vgl. REDE [Zugriff: 21.11.2016]) erstellt.

95

3 Aufbau und Durchführung

PURSCHKE 2008, 195). Tab. 4 stellt die regionalsprachlichen Merkmale der Sprechproben zusammen. 102 Sprechprobe LBK (Lübeck) SWE (Schwerin) SWA (Schwalmstadt) DST (Dingelstädt)

Regionale Variante [la͡ɘd̥ɜ] [ʃla̠xt̬ ɜ] [ʔʊnɐn] [ʁ̥ʊ̙nt̬ ɒ̟]

Standardsprachliche Variante [la͡ ̠ ɪtɐ] [ʃla̠χtɐ] [ʔʊntəʁən] [ʁʊntɐ]

D-Wert103 0,52 0,55 0,67 0,94

Anzahl der Wörter 47 38 51 50

Tab. 4: Regionalsprachliche Merkmale/Varianten aus den Sprechproben.

Aufgrund der gewählten Aufgabenstellung (Map-task-Methode) sowie der relativ geringen D-Werte der Sprechproben, die zum einen „unterhalb der perzeptiven Grenze der Standardsprachlichkeit“ (KEHREIN 2012a, 340) liegen und zum anderen zu gering für dialektale Proben sind, kann davon ausgegangen werden, dass es sich bei den ausgewählten Sprechproben um regionalsprachliche Aufnahmen handelt.104

102 Die Transkriptionen der Sprechproben können im Anhang eingesehen werden (vgl. Anhang A: Tab. 57). Die Transkription der Sprechproben wurde mithilfe von SASKIA SCHRÖDER durchgeführt. An dieser Stelle möchte ich mich herzlichst für die Hilfe und Unterstützung bedanken. 103 Die Ermittlung des Dialektalitätswertes (D-Wert) wurde mit dem Programm PAM– PHONETISCHE ABSTANDSMESSUNG (LÜDERS 2015) durchgeführt, welches auf den Kriterien nach HERRGEN / SCHMIDT (1989) und HERRGEN / LAMELI / RABANUS / SCHMIDT (2001) aufbaut. Aufgrund der Kürze der Sprachbeispiele und der realisationsphonetischen Gegebenheiten, wie „Assimilations-, Reduktions- und Tilgungsprozesse, wie sie in freier standardsprachlicher Rede v.a. durch Einfluss des Sprechtempos auftreten, [diese dürfen, N. P.] nicht in die Messung eingehen“ (HERRGEN / LAMELI / RABANUS / SCHMIDT 2001, 6), ist eine exakte Messung nicht möglich, hier können nur Tendenzen aufgezeigt werden. „Um verlässliche Durchschnittswerte zu erhalten, hat sich in der Praxis eine Anzahl von 100 (= Lemmalisten) bis 150 Wörtern (= freie Rede) als notwendig herausgestellt. Um potenzielle Verzerrungen des Dialektalitätswertes zu vermeiden, ist es darüber hinaus bei der Messung freier Rede notwendig, dialektale und regionalsprachliche Realisationen von standardsprachlichen realisationsphonetischen Reduktionsphänomenen zu unterscheiden, die typisch für die spontan artikulierte und nicht bewusst kontrollierte Standardsprache sind. Solche Phänomene gehen nicht in die Messung ein.“ (HERRGEN / LAMELI / RABANUS / SCHMIDT 2001, 2) 104 In seiner Untersuchung vergleicht KEHREIN (2012a) die Hörerurteil-Dialektalität standardnaher Sprechproben mit den D-Werten der entsprechenden Sprachproben und kann feststellen, dass alle Sprechproben, die „unterhalb der perzeptiven Grenze der Standardsprachlichkeit, die von LAMELI (2004) bei ca. 0,2 angesetzt wird“ (KEHREIN 2012a, 340), von den Proband*innen eher als Standardsprache aufgefasst werden. „[B]ei allen anderen Sprechproben, „die noch dialektaler bewertet werden und deren objektsprachliche Dialektalität ebenfalls höher liegt, [handelt es sich, N. P.] definitiv auch um regionalsprachliche Sprechweisen.“ (KEHREIN 2012a, 341, vgl. KEHREIN 2012a, 315−341).

96

3 Aufbau und Durchführung

3.3 AUSWAHL DES PRIMES Für die Wahl des Primes, der in Verbindung stehen muss mit dem Konzept Ostdeutsch und somit mit der Mauer in den Köpfen, wurden – vor der Hauptuntersuchung – 2011 eine Online-Befragung105 sowie eine Fragebogenerhebung106 in einer Einführungsvorlesung zur Sprachwissenschaft an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel durchgeführt. Mittels der Online-Studie wurden unterschiedliche Bilder mit Fabrikaten, Produkten etc. aus ehemals Ost und West daraufhin getestet, inwieweit diese mit den ehemaligen beiden deutschen Staaten verbunden wurden. Die Fragebogenerhebung, bei der Abbildungen von Politiker*innen genutzt wurden, wurde im Nachhinein durchgeführt, da bei der Online-Umfrage kaum Assoziationen zu den alten Bundesländern vorkamen. Mithilfe dieser Abbildungen sollte ebenfalls geprüft werden, ob Assoziationen zur ehemaligen BRD bei Politiker*innen stärker hervortreten. Diese Umfrage bestätigte jedoch das zuvor bei der OnlineErhebung aufgetretene Phänomen. Allerdings wurden im Gegensatz zur OnlineBefragung häufiger die Namen der ehemaligen West-Politiker notiert. Es scheint sich hier abzubilden, dass besonders Konrad Adenauer „im historischen Wissen der Probanden gut verankert ist“ (PALLIWODA 2013, 196). Eine Verbindung zum ehemaligen Westen wurde jedoch nicht hergestellt. Insgesamt waren die Ost- bzw. West-Zuschreibungen bei den Politiker*innen geringer, so dass auf die Online-Befragung zurückgegriffen wurde. Die Auswertung ergab, dass sich das Ost-Ampelmännchen für das Vorhaben der Priming-Methode am besten eignet, da es prozentual (51,6%) am häufigsten mit der ehemaligen DDR von den jüngeren Teilnehmer*innen107 verbunden wurde (vgl. PALLIWODA 2013, 194−196). „Gleichfalls scheinen die Verbindungen zu West-Produkten oder -Politikern eher marginal auszufallen. Die eher häufigen […] Assoziationen zu den neuen Bundesländern der Ost-Produkte und -Fabrikate könnten […] mit der Auffassung des […] Normalfall des Westens gesehen werden. Demnach sind die westdeutschen Produkte unmarkiert, was sie als Primes problematisch erscheinen lässt.“ (PALLIWODA 2013, 196)

Die starke Ost-Assoziation bei bestimmten Produkten wird sicher auch durch die Ostalgie-Vermarktung dieser Produkte hervorgerufen oder begünstigt. Somit werden solche Assoziationen hergestellt, reaktiviert und sind auf jeden Fall auch im öffentlichen Diskurs vorhanden.108 Aufgrund der marginalen Verbindungen der 105 An der Online-Befragung haben insgesamt 133 Proband*innen teilgenommen, für die weiteren Ausführungen wurden aber nur die Informant*innen berücksichtigt, die zwischen 1985 und 1996 geboren waren (N = 62), da diese Altersgruppe innerhalb der Hauptuntersuchung befragt wurde (vgl. PALLIWODA 2013, 194). 106 An dieser Befragung nahmen insgesamt 144 Proband*innen teil, die zwischen 1985 und 1993 geboren wurden (vgl. PALLIWODA 2013, 195). 107 Es wurden nur die jüngeren Teilnehmenden ausgewertet, da die Hauptuntersuchung mit Studierenden dieser Altersgruppe durchgeführt werden sollte und daher die entsprechenden Assoziationen auch vorhanden sein mussten. 108 Es sei an dieser Stelle auf die Shops hingewiesen, die Taschen, Beutel, Tassen etc. mit dem Ost-Ampelmännchen anbieten, oder auch westdeutsche Städte, die das Ost-Ampelmännchen als Ampelfigur übernommen haben (vgl. dazu Kap. 1.1).

3 Aufbau und Durchführung

97

West-Produkte zur ehemaligen BRD wird das Ost-Ampelmännchen gleichzeitig als Ost- und als West-Prime genutzt. Damit schließe ich mich den Ausführungen ABELs an, der konstatiert, dass das „Individuum […] sich seiner Identität erst bewusst [wird], wenn es sich mit den Augen des anderen sieht.“ (ABEL 2001, 24; zit. nach FIX 2003, 111). FIX führt dazu an, dass das Identitätsbewusstsein besonders stark ist, wenn die Identität in Frage gestellt wird (vgl. FIX 2003, 111). Somit wird mittels des Primes eventuell auch eine Identitätszuschreibung ausgelöst, d. h. „dass das Ost-Ampelmännchen bei den Probanden aus den alten Bundesländern die Abgrenzung zu Ost hervorruft und bei denen aus den neuen Bundesländern Verbindung“ (PALLIWODA 2013, 197) schafft. Abschließend kann die Prime-Wahl ebenfalls damit begründen werden, „dass schon ein einziges Wort wie z. B. Broiler, […], oder eine einzige typische Wendung wie dreiviertel drei zur Identifikation und im Gefolge damit manchmal zur Stigmatisierung ausreichen. Diese Mittel wirken, obwohl sie statistisch nicht signifikant sind, ganz offensichtlich prototypisch und signalhaft. Es scheinen wenige Mittel zu genügen, um die eigene Identität zu verdeutlichen.“ (FIX 2003, 109)

Um die eventuelle Identitätszuschreibung stärker in Frage zu stellen und das Priming zu verstärken, wurde außerdem ein Prime hinzugezogen, der neben dem OstAmpelmännchen auch das europäische bzw. West-Ampelmännchen zeigt: „Mittels dieser Gegenüberstellung des jeweils anderen kann davon ausgegangen werden, dass der Primingeffekt am stärksten sein wird.“ (PALLIWODA 2013, 198)109 Aufgrund der beschriebenen Überlegungen und Untersuchungen wurden für die Hauptuntersuchung zwei Primes verwendet: ein Bild mit dem Ost-Ampelmännchen110 (vgl. Abb. 8) und eins mit dem Ost- und West-Ampelmännchen (vgl. Abb. 9), die mittels der Kontrollgruppe geprüft werden können. 111

109 An dieser Stelle möchte ich Herrn PROF. DR. BERND SIMON (Professur für Sozialpsychologie und Politische Psychologie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel) für seine Beratung hinsichtlich der Auswahl der Primes danken. 110 Mit freundlicher Unterstützung und Genehmigung der AMPELMANN GmbH, . 111 Eine ausführliche Beschreibung der Ermittlung des Primes für die Hauptuntersuchung befindet sich in PALLIWODA 2013, 194−199.

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3 Aufbau und Durchführung

Abb. 8: Ost-Ampelmännchen (grün, gehend) – © AMPELMANN GmbH.

Abb. 9: West- und Ost-Ampelmännchen (grün, gehend) – © AMPELMANN GmbH.

3 Aufbau und Durchführung

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3.4 PRETEST Bevor die Fragebogen-Untersuchung an den Universitäten durchgeführt werden konnte, wurde ein Vortest in Schulklassen durchgeführt. Dieser Pretest fand im März 2012 in drei unterschiedlichen Schulklassen (insgesamt mit 46 Schüler*innen) des Regionalen Berufsbildungszentrums Wirtschaft der Landeshauptstadt Kiel statt.112 Dabei sollte geprüft werden, ob die Fragegestellungen verständlich gestellt waren. Der Vortest bestätigte die Tauglichkeit des Fragebogens insgesamt: Es konnten keine gravierenden Unstimmigkeiten oder Unklarheiten innerhalb des Fragebogens festgestellt werden. Es wurden zwar manche Fragestellungen präzisiert, insgesamt erschlossen sich aber die Fragen bzw. Aufgaben den Schüler*innen. Die Grundkarte für die Sprechprobenverortung stellte sich als geeignet heraus, da sie den Proband*innen durch die Städte und Orte die räumliche Orientierung erleichterte (vgl. Kap. 3.1.2). Nach der Ausbesserung und Überarbeitung des Fragebogens konnte die Hauptuntersuchung ab April 2012 an den Universitäten durchgeführt werden. 3.5 DURCHFÜHRUNG DER UNTERSUCHUNG Die Befragungen wurden im Jahr 2012 an den Universitäten in Hamburg, Hannover, Magdeburg und Rostock113 von mir selbst durchgeführt.114 Die Präsentation der Sprechproben konnte mithilfe einer Power-Point-Präsentation vorgenommen werden. Dabei war im Hintergrund als Wasserzeichen der entsprechende Prime abgebildet (vgl. Abb. 10, Abb. 11, Abb. 12).

112 An dieser Stelle möchte ich Ina THOMSEN-LEMSTER und HAUKE JESSEN für die Organisation und den Schüler*innen für Ihre Hilfe und Tipps danken. 113 In einer Vorlesung in Rostock konnte ich aus terminlichen Gründen die Erhebung nicht selbst durchführen. Für die Organisation und Durchführung danke ich sehr herzlich PROF. DR. ANDREAS BIEBERSTEDT und PROF. DR. URSULA GÖTZ. 114 Herzlich bedanken möchte ich mich an dieser Stelle für die Unterstützung und die Möglichkeit, meine Befragung in ihren Seminaren und Vorlesungen durchzuführen, bei PROF. DR. MICHAEL BALDZUHN (Universität Hamburg), PROF. DR. ANDREAS BIEBERSTEDT (Universität Rostock), PROF. DR. URSULA GÖTZ (Universität Rostock), DR. KORNELIA POLLMANN (Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg), PROF. DR. MICHAEL SCHILLING (Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg), PROF. DR. INGRID SCHRÖDER (Universität Hamburg), PROF. DR. RENATE SZCZEPANIAK (Universität Hamburg) und NICOLE TEICHLER (Leibniz Universität Hannover).

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3 Aufbau und Durchführung

Abb. 10: Präsentationsauszug ohne Prime.

3 Aufbau und Durchführung

Abb. 11: Präsentationsauszug mit Prime.

Abb. 12: Präsentationsauszug mit verstärktem Prime.

101

102

3 Aufbau und Durchführung

Um zu eruieren, inwieweit der gesetzte Prime einen Einfluss auf die Sprechprobenverortung hat, wurde versucht, pro Erhebungsort mindestens zwei Gruppen zu befragen. Somit wurde der einen Gruppe bei der Präsentation der Sprechproben das Ost-Ampelmännchen (einfacher Prime) und einer weiteren Gruppe kein Hintergrundbild (Kontrollgruppe) gezeigt. An drei Universitäten war es möglich, auch den verstärkten Prime (Ost- und West-Ampelmännchen) zu nutzen, da sich vor Ort drei Seminare bzw. Vorlesungen finden ließen.115 Insgesamt konnten 464 Fragebögen von Proband*innen der Altersgruppe zwischen 1986 und 1995 für die Auswertung herangezogen werden. Diese verteilen sich auf die unterschiedlichen Settings wie folgt: Setting Kontrollgruppe Einfacher Prime Doppelter/verstärkter Prime Gesamt

Anzahl (Erhebungsort) 142 (Hamburg, Rostock) 196 (Hamburg, Hannover, Magdeburg, Rostock) 126 (Hamburg, Rostock, Magdeburg) 464

Tab. 5: Anzahl der Fragebögen.

An dieser Stelle muss noch erwähnt werden, dass nicht jede Person zu jeder Sprechprobe eine Verortung auf der Grundkarte vorgenommen hat, sondern einige die Grundkarte auch leer ließen. Ebenfalls konnten Grundkarten, auf denen ein Kreuz, eine Linie oder mehrere Kreise für die Verortung des jeweiligen Sprachbeispiels gezeichnet wurden, nicht zur Auswertung genutzt werden, da eine eindeutige Zuweisung nicht möglich war. Somit wurden für die Auswertung mindestens 100 Verortungen je Sprechprobe und Setting herangezogen (vgl. Tab. 5). Die Aufbereitung und Auswertung dieser Daten wird im nachstehenden Kapitel beschrieben und erläutert.

115 Die Informant*innen-Akquise gestaltete sich an einigen Universitäten sehr schwierig, weswegen es mir leider nicht möglich war, an allen Universitäten jedes Setting durchzuführen. Zum einen klagten die Lehrpersonen über zu viel Stoff und zu wenig Zeit – besonders an Universitäten, bei denen keine Einführungsvorlesung parallel angeboten wird, sondern alles über die Seminare abgefangen wird. Zum anderen ist es aufgetreten, dass ich gar keine Rückmeldungen auf meine Anfragen erhalten habe, oder dass nach vorhergehenden Zusagen und Absprachen bei der konkreten Terminvereinbarung nicht mehr geantwortet wurde. Einige boten mir auch an, die Untersuchung zu einem anderen Zeitpunkt (das nächste oder übernächste Semester) durchzuführen.

4 AUFBEREITUNG UND ERGEBNISSE Die nachfolgenden Unterkapitel präsentieren die Datenaufbereitung116 und die Ergebnisse der unterschiedlichen methodischen Zugänge. Zunächst werden die demografischen Daten der Befragten vorgestellt, da diese die Grundlage für alle weiteren Analysen bilden (vgl. Kap. 4.1). In Kapitel 4.2 werden die Verortungen der Sprechproben beschrieben. Hierbei wird in einem ersten Schritt die Gesamtverortung der jeweiligen Sprechprobe präsentiert, in einem zweiten Schritt werden die mentalen Karten hinsichtlich der Prime-Gruppe analysiert und in einem dritten Schritt werden diese Gruppen noch bezüglich der Herkunft (Geburtsbundesland) der Proband*innen verglichen, da diese eine wesentliche Komponente in der Biografie und der Sozialisation des Individuums darstellt und einen wesentlichen Einfluss auf die Verortung und Bewertung von Sprechproben ausübt (vgl. Kap. 2.1). Es handelt sich dabei ausschließlich um deskriptive Analysen, die im Kapitel 4.2.6 zusammengefasst werden. Das darauffolgende Kapitel 4.3 stellt die Ergebnisse der inferenzstatistischen (quantitativen) Datenanalyse vor. Dabei liegt der Fokus auf der Frage, inwiefern sich u. a. der Prime (unabhängige Variable: UV) auf die Bewertung und Einschätzung der jeweiligen Sprechprobe (abhängige Variablen (AV): Gefallen, Ähnlichkeit der Sprechprobe zur eigenen Sprechweise, Einschätzung der Herkunft der Sprecher*innen) auswirkt. Daneben wird der Faktor Geburtsbundesland der Befragten berücksichtigt. Abschließend werden diese Ergebnisse im Abschnitt 4.3.5 zusammengefasst. Das Kapitel 4 widmet sich somit der Auswertung sowie Beschreibung der Ergebnisse, die Interpretation der Ergebnisse wird im Kapitel 5 vorgenommen.

116 Alle Daten, die die Grundlage dieser Arbeit bilden, können bei der Autorin erfragt werden ([email protected]). Es handelt sich dabei um die relevanten Sozialdaten und die Antworten zur Bewertung, Einschätzung der sprachlichen Ähnlichkeit und Einschätzung der Herkunft der Sprecher*innen (01_Daten_GP_Antworten) sowie um die handgezeichneten Karten der Proband*innen (02_Mentale_Karten).

104

4 Aufbereitung und Ergebnisse

4.1 DEMOGRAFISCHE DATEN DER PROBAND*INNEN Insgesamt haben 366 Proband*innen Verortungen zu den Sprechproben vorgenommen. Dabei lokalisierten einige Studierende alle, andere drei, zwei oder nur eine der vier Sprechproben auf der jeweiligen Karte. Sie bilden die Grundlage für die folgenden Analysen. Für die Hauptuntersuchung liegen mindestens 100 Verortungen pro Sprechprobe und Setting vor (vgl. Tab. 9). Aufgrund der Untersuchungsdurchführung an Universitäten setzt sich die Gruppe der Teilnehmenden ausschließlich aus Studierenden zusammen, sodass ein relativ homogener Bildungsstand vorausgesetzt werden kann. Die Befragung selbst wurde in Vorlesungen und Seminaren für Studierende der deutschen Sprachwissenschaft im Jahr 2012 (1. und 2. Semester) durchgeführt, sodass alle Proband*innen zwischen 1986 und 1994 geboren worden sind (vgl. Diagramm 1). 30,00% 25,00% 20,00% 15,00% 10,00% 5,00% 0,00% 1986

1987

1988

1989

1990

1991

1992

1993

1994

Diagramm 1: Verteilung der Studierenden auf die Geburtsjahre.

Dadurch, dass der Großteil der Befragten dem Jahrgang 1990 angehört (über 25%) und die Mehrheit zwischen 1988 und 1992 geboren wurde (vgl. Diagramm 1), ist das Kriterium Alter (Geburtsdatum zwischen 1986 und 1994) für die vorliegende Untersuchung erfüllt.117 So sollte sichergestellt werden, dass die Gewährspersonen keine eigenen unmittelbaren Erfahrungen mit den beiden ehemaligen Staaten Deutschlands aufweisen (vgl. Kap. 3.1.1). Die ungleiche Verteilung der Variable Geschlecht ist in diesem Untersuchungsdesign nicht verwunderlich, da der Anteil weiblicher Studierender in germanistischen Vorlesungen und Seminaren bzw. germanistischen/geisteswissenschaftlichen Studiengängen generell höher ist (vgl. Tab. 6).

117 Gewährspersonen, die vor 1986 geboren worden, wurden in der vorliegenden Analyse nicht berücksichtigt.

4 Aufbereitung und Ergebnisse

105

Geschlecht absolut % weiblich männlich gesamt

281 85 366

76,78 23,22 100

Tab. 6: Geschlecht der Proband*innen.

Das Geschlecht der Proband*innen soll aber in den weiteren Analysen nicht weiter berücksichtigt werden, da der Fokus der Arbeit in erster Linie auf dem Einfluss des Primes sowie der Herkunft der Gewährspersonen liegt.118 Ein Faktor, der auf die Entwicklung, die Bewertung und das Urteilsvermögen der Befragten einwirkt, könnte die Herkunft der Proband*innen sein (vgl. Kap. 2.1). Daher werden die Ergebnisse nicht nur zu den einzelnen Prime-Gruppen dargestellt, sondern ebenfalls zur Herkunft der Befragten in Beziehung gesetzt. Die Tab. 7 verdeutlicht die Herkunft der Gewährsperson bezogen auf das Bundesland des Geburtsortes.119

118 Hinsichtlich des Einflusses des Geschlechts lassen sich kontroverse Meinungen finden (vgl. KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010), wobei HUNDT / PALLIWODA / SCHRÖDER einen signifikanten Zusammenhang zwischen der Zuordnung von Sprechproben zu bestimmten Orten und dem Geschlecht herausstellen konnten (bezogen auf die quantitative Daten). Es kann daher davon ausgegangen werden, dass männliche Probanden sprachaffiner sind als weibliche. Ob sich solche Effekte auch bei den qualitativen Daten zeigen, bleibt jedoch momentan noch offen (vgl. HUNDT / PALLIWODA / SCHRÖDER 2015b). 119 Aufgrund der Vielzahl unterschiedlicher Geburtsorte der Proband*innen wurde aus Darstellungsgründen nur das Bundesland des Geburtsortes berücksichtigt.

106 Bundesland Alte Bundesländer Baden-Württemberg Bayern Bremen Hamburg Hessen Niedersachsen Nordrhein-Westfalen Rheinland-Pfalz Schleswig-Holstein gesamt Neue Bundesländer Brandenburg Mecklenburg-Vorpommern Sachsen Sachsen-Anhalt Thüringen gesamt

4 Aufbereitung und Ergebnisse

absolut

%

7 5 2 40 4 43 18 2 23 144

1,91 1,37 0,55 10,93 1,09 11,75 4,92 0,55 6,28 39,35

26 138 9 31 2 206

7,10 37,70 2,46 8,47 0,55 56,28

Berlin

16

4,37

gesamt

366

100

Tab. 7: Verteilung der Proband*innen auf das Geburtsbundesland.

Die meisten Gewährspersonen konnten in Mecklenburg-Vorpommern gewonnen werden (38%), gefolgt von Niedersachsen (12%), Hamburg (11%) und SachsenAnhalt (9%). Ersichtlich wird, dass alle Bundesländer – mit Ausnahme des Saarlands – mit mindestens zwei Proband*innen vertreten sind. Von den 366 Befragten sind 39% in den alten und 56% in den neuen Bundesländern geboren worden (vgl. Tab. 7). An dieser Stelle muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass die Ergebnisse der Herkunftsgruppen alte und neue Bundesländer nicht für den gesamten ehemaligen ostdeutschen und westdeutschen Raum angenommen werden können, da die meisten Proband*innen aus dem Norden Deutschlands stammen. Die ungleiche Verteilung auf die Bundesländer hängt mit den Erhebungsorten zusammen. Es konnten Professor*innen und Dozent*innen in Hamburg, Hannover, Magdeburg und Rostock gewonnen werden, bei denen die Untersuchung durchgeführt wurde. Die Herkunftsverteilung auf die einzelnen Bundesländer ist somit nicht repräsentativ für die Herkunftsgruppen alte und neue Bundesländer, sondern muss bei der Interpretation der Ergebnisse berücksichtigt werden (z. B. ist das Saarland gar nicht

4 Aufbereitung und Ergebnisse

107

vertreten, während Mecklenburg-Vorpommern proportional überrepräsentiert ist).120 Bezogen auf das Bundesland des Wohnortes121 werden die Durchführungsgegebenheiten noch deutlicher (vgl. Tab. 8). Bundesland Alte Bundesländer Hamburg Niedersachsen Schleswig-Holstein gesamt Neue Bundesländer Brandenburg Mecklenburg-Vorpommern Sachsen-Anhalt gesamt Berlin gesamt

absolut

%

83 24 13 120

22,68 6,56 3,55 32,79

2 197 46 245

0,55 53,83 12,57 66,95

1 366

0,27 100

Tab. 8: Verteilung der Proband*innen auf das Bundesland des Wohnortes.

Über 50% der Teilnehmenden wohnten zum Zeitpunkt der Untersuchung in Mecklenburg-Vorpommern, gefolgt von Hamburg (23%), Sachsen-Anhalt (13%) und Niedersachsen (7%). Die Verteilung auf die alten bzw. neuen Bundesländer gestaltet sich etwas anders als bei der Variable Geburtsbundesland: 33% (Geburt: 39%) der Befragten wohnten während der Untersuchung in den alten und mehr als 67% (Geburt: 56%) in den neuen Bundesländern (vgl. Tab. 8). Aufgrund der Annahme, dass die Herkunft Beurteilungen und Bewertungen stärker beeinflusst als der aktuelle Wohnort (vgl. Kap. 2.1), wird der Wohnort in den folgenden Analysen nicht weiter betrachtet.122 Eine Sonderstellung nimmt Berlin als Geburts- und Wohnort ein. Da aus dieser Angabe nicht erkennbar wird, ob die betreffenden Personen im Osten oder im Westen Berlins geboren wurden, werden diese Gewährspersonen bei der Betrachtung der Prime-Gruppen bezogen auf die Herkunft ausgeschlossen.

120 Ebenfalls resultiert die Teilnehmendenanzahl aus den unterschiedlichen Studienformaten: In Rostock konnten Vorlesungen mit vielen Studierenden genutzt werden, in Magdeburg z. B. nur Seminare mit höchstens 30 Personen. Aufgrund des Zeitmangels der Dozierenden war es auch nicht immer möglich jedes Setting zu testen. 121 Wie schon beim Geburtsort wurde hier nur das Bundesland des Wohnortes betrachtet, um die Übersichtlichkeit zu gewährleisten. 122 Sicher kann der aktuelle Wohnort sich ebenfalls auf die Verortung und Bewertung auswirken, dies soll aber in der vorliegenden Arbeit nicht betrachtet werden, da die Mehrzahl der Proband*innen die meiste Zeit ihres bisherigen Lebens in dem Herkunftsbundesland verbracht haben und dort sozialisiert worden sind.

108

4 Aufbereitung und Ergebnisse

4.2 VERORTUNGEN DER SPRECHPROBEN Im Folgenden werden die Verortungen der Sprachbeispiele Lübeck (vgl. Kap. 4.2.2), Schwerin (vgl. Kap. 4.2.3), Dingelstädt (vgl. Kap. 4.2.4) und Schwalmstadt (vgl. Kap. 4.2.5) vorgestellt. Der Präsentation dieser Ergebnisse ist die Aufbereitung der mentalen Karten (vgl. Kap. 4.2.1) vorangestellt. 4.2.1 Aufbereitung der mentalen Karten mittels GIS Bevor die erhobenen Daten genutzt werden konnten, mussten alle 464 Fragebögen (à 12 Seiten) digitalisiert und die handgezeichneten Karten in ein Geoinformationssystem (GIS) übertragen werden. Die erhobenen mentalen Karten wurden mithilfe des Geoinformationssystems QUANTUM GIS 2.8 (QGIS)123 georeferenziert und mit dem Geoinformationssystem ARCGIS 10.3124 bearbeitet. Durch die Überführung der handgezeichneten Karten in derartige GIS-Programme ist es möglich, diese in einen geographischen Raum zu projizieren und die Kern- und Randzonen der laienlinguistischen Sprachräume zu eruieren. Ebenfalls lassen sich die Karten zu den verschiedenen Sozialdaten (z. B. Herkunft) und Gruppen (Prime-Gruppe) hinsichtlich der Verortung der Sprechproben aufteilen und vergleichen. Sowohl ARCGIS als auch QGIS benötigen Bilddateien (jpeg, png, etc.), um die entsprechenden Informationen zu georeferenzieren. Daher mussten die PDF-Dateien mit den Verortungen in Bilddateien für das GIS-Programm umgewandelt werden. Danach konnten die handgezeichneten Karten in das Programm geladen, die Karten georeferenziert und die entsprechende handgezeichnete Verortung als Polygon nachgezeichnet und somit in den tatsächlichen Raum projiziert werden. Es besteht zusätzlich die Möglichkeit, jedes Polygon mit Attributen zu versehen. Diese Möglichkeit ist für das vorliegende Projekt zwingend notwendig, damit die Zugehörigkeit der Werte zu den einzelnen Proband*innen gewahrt bleibt. In diesem Fall wurden die Attribute Informant-ID125, Prime-Gruppe, gehörte Sprechprobe, Geburtsjahr, Geschlecht, Herkunftsbundesland, Bundesland des Wohnortes, Ähnlichkeit der Sprechprobe zur eigenen Sprechweise und Gefallen der Sprechprobe ausgewählt. Aufgrund dieser Attribuierung lassen sich die Polygone mit den dazugehörigen Daten verknüpfen

123 Quantum GIS (QGIS) ist ein Open-Source-Geographisches-Informationssystem (vgl. QGIS [Zugriff: 31.08.2015]). 124 ArcQIS ist ein kostenpflichtiges Geoinformationssystem, welches über die Gruppe Esri Deutschland vertrieben wird (vgl. Esri Deutschland GmbH [Zugriff: 31.08.2015]). 125 Jedem Fragebogen (damit jeder Gewährsperson) wurde eine Sigle zugewiesen, die nur auf diesen bestimmten Fragebogen (somit auf diese bestimmte Person) referierte.

4 Aufbereitung und Ergebnisse

109

Abb. 13: Polygone und Attribute in ArcGIS.

In Abb. 13 sind alle Polygone (als Vektor-Layer126) zu sehen, die zur Sprechprobe Lübeck gezeichnet wurden (N = 308). Zusätzlich ist die Attributtabelle127 geöffnet. Durch die Markierung einer Zeile in dieser Tabelle (beispielsweise der InformantID 536) wird automatisch das zum Datensatz zugehörige Polygon angezeigt (hellgrau gefärbte Hervorhebung, vgl. Abb. 13). ArcGIS berechnet zusätzlich beim Zeichnen des Polygons die Fläche und vergibt automatisch jedem Polygon eine eigenständige ID in der Attributtabelle. Wie weiter oben erwähnt (vgl. Kap. 3.5), hat nicht jede Person zu jeder Sprechprobe eine Verortung auf der Grundkarte vorgenommen. Andere Proband*innen wiederum haben die Lokalisation mittels eines Kreuzes, einer Linie oder mehrerer Kreise gekennzeichnet, derartige Markierungen gingen nicht in die Auswertung ein, da nicht eindeutig geklärt werden kann, auf welche Bereiche sich diese Markierungen genau beziehen. Für die Auswertung der vier Sprechproben liegen insgesamt 1238 Polygone vor (vgl. Tab. 9).

126 „Vektordaten werden […] als Vektordaten gespeichert und bestehen üblicherweise aus Punkten, Linien oder geschlossenen Linienzügen (Polygonen). […] Polygone (Flächen) sind geschlossene Linienzüge, deren Anfangs- und Endpunkte identisch sind.“ (GI Geoinformatik GmbH 2011, 69) 127 „Vektor- und Rasterdaten gemein ist das Vorhandensein von Attributdaten, die als Sachdatentabellen in ArcGIS angezeigt und bearbeitet werden können.“ (GI Geoinformatik GmbH 2011, 70)

110

Sprechprobe Lübeck (LBK) Schwerin (SWE) Dingelstädt (DST) Schwalmstadt (SWA) gesamt

4 Aufbereitung und Ergebnisse Setting (Prime-Gruppe) OHN EINF DOP Gesamt 100 103 105 308 110 100 100 310 109 100 108 317 103 100 100 303 422 403 413 1238

Tab. 9: Verteilung der Polygone auf die vier Sprechproben und jeweiligen Settings.

Tab. 9 zeigt die vier ausgewählten Sprechproben sowie die Verteilung der gezeichneten Polygone zu den Sprechproben und die Verteilung auf die einzelnen Settings (Prime-Gruppen). Von den 1238 Polygonen haben 308 Studierende Lübeck (LBK), 310 Schwerin (SWE), 317 das Sprachbeispiel Dingelstädt (DST) und 303 Personen haben eine Verortung für die Sprechprobe Schwalmstadt (SWA) vorgenommen. Hinsichtlich der Verteilung auf die einzelnen Settings (Prime-Gruppen) liegen 422 Proband*innen als Kontrollgruppe (OHN) vor, 403 Studierende, die bei der Verortung als Wasserzeichen das Ost-Ampelmännchen abgebildet sahen (EINF), und 413, deren Präsentationshintergrund sowohl das Ost- als auch das West-Ampelmännchen zeigte (DOP) (vgl. Tab. 9). Für die weitere Analyse wurden die PolygonGeflechte wie in Abb. 13 nach den zu untersuchenden Variablen sortiert, d. h. die Polygone wurden zum einen in die einzelnen Prime-Gruppen aufgeteilt und zum anderen in Heat maps128 umgewandelt. Die so entstandenen Karten bilden die Grundlage der Auswertung. Bei der Erstellung von Heat maps in ArcGIS wurde die Anleitung von CHRISTOPHER MONTGOMERY (vgl. MONTGOMERY 2014) sowie die von PHILIPP STOECKLE (STOECKLE 2014, 114−123.) herangezogen. Dabei sind zwei Schritte grundlegend: Erstens müssen die Shapefiles129 (hier Polygone in einem Vektor-Layer) in Rasterdaten130 umgewandelt werden. Die Transformation ist in

128 „A Heat map represents the geographic density of features on a map.“ (Esri-Support 2015) [Zugriff: 27.08.2015]). 129 „Das Shape-Format kennt keine Topologie und enthält nur sog. Simple-Feature-Klassen: Punkte, Linien und Flächen. […] Das Shapefile-Format besteht aus mindestens drei Dateien, die zusammen als Shapefile von ArcGIS erkannt werden. Die Dateierweiterung *.shp enthält die Geometriedaten, die Dateierweiterung *.dbf enthält die Sachdaten in Form einer dBaseTabelle und die Dateierweiterung *shx verknüpft Geometrie- und Sachdaten.“ (GI Geoinformatik GmbH 2011, 71) 130 „Dieser Datentyp verwendet keine Vektoren, sondern wird durch eine Matrix von Zellen aufgebaut (Gitterstruktur oder Pixel).“ (GI Geoinformatik GmbH 2011, 70)

4 Aufbereitung und Ergebnisse

111

ArcGIS mithilfe des Tools Vector Grid131 (ET GeoWizards) möglich. Zweitens wurde diese Raster-Datei mit dem vorhergehenden Vektor-Layer verbunden. Der auf diese Weise neu entstandene Layer bietet nun die Möglichkeit, die Polygone (Raster) zu zählen, die übereinanderliegen (vgl. MONTGOMERY 2014, MONTGOMERY / STOECKLE 2013). Der Vorteil solcher Karten besteht darin, dass sie abbilden, wo sich die Kerngebiete einer Sprechprobe aus der Sicht der linguistischen Laien befinden und wie viele Polygone sich dort überlagern. Dabei markiert die Farbgebung in der vorliegenden Arbeit die Häufigkeit der Überschneidungen: Je dunkler der Ton, desto mehr Polygone überschneiden sich an dieser Stelle. Die Aufbereitung der Daten auf diese Weise ermöglicht es, die Verortungen der Sprechproben mit/ohne Prime bzw. mit anderen Variablen (z. B. Herkunft) zu vergleichen und übersichtlich darzustellen. Die Ergebnisse sind in den folgenden Unterkapiteln aufgeführt. 4.2.2 Verortung der Sprechprobe Lübeck (LBK) Insgesamt haben 308 Personen das Sprachbeispiel Lübeck (LBK)/Schleswig-Holstein auf der Grundkarte mittels eines Kreises verortet. Die Tab. 10 zeigt die Verteilung der Proband*innen auf die drei unterschiedlichen Prime-Gruppen. Prime-Gruppe Kontrollgruppe (OHN) einfacher Prime (EINF) verstärkter Prime (DOP) gesamt

Anzahl der Polygone 100 103 105 308

Tab. 10: Polygone zur Sprechprobe Lübeck.

Um einigermaßen repräsentative und vergleichbare Ergebnisse zu enthalten, wurden einheitlich pro Setting und Hörbeispiel mindestens 100 Polygone aufgenommen. Somit konnte auch eine ähnliche Verteilung in den Gruppen erzielt werden (vgl. Tab. 10).

131 „Eine besondere Form von Rasterdaten stellt das ESRI GRID Format dar. GRIDs werden zur Darstellung geographischer Phänomene verwendet, die sich über einen Raum hinweg kontinuierlich verändern, sowie zur räumlichen Modellierung und Analyse von Fließrichtungen, Trends und Oberflächen, z. B. in der Hydrologie. Ein wesentlicher Vorteil des Rastermodells ist die einfache Datenstruktur, die bei räumlichen und statistischen Analysen ein leistungsfähiges Format darstellt. Überlagerungen und Berechnungen können so schnell realisiert werden. Durch die Fähigkeit, Daten kontinuierlich darzustellen (z. B. Höhenverläufe), werden Oberflächenanalysen ermöglicht. Die Nachteile sind der zum Teil sehr hohe Speicherplatzbedarf und die relativ schlechte Skalierbarkeit durch die statische Auflösung.“ (GI Geoinformatik GmbH 2011, 70)

112

4 Aufbereitung und Ergebnisse

Eine aus den 308 Polygonen erstellte Heat map verdeutlicht, wo das Sprachbeispiel Lübeck am häufigsten verortet wurde, d. h. wo sich die meisten Polygone der 308 Gewährspersonen überschneiden (vgl. Abb. 14).

Abb. 14: Heat map zur Sprechprobe Lübeck (N = 308).

Neben der Grundkarte und den Polygonen zeigt die Karte auch die ehemalige innerdeutsche Grenze, die nicht auf der Grundkarte für die Proband*innen enthalten war und nun der Orientierung dient, ob das Hörbeispiel überwiegend in der ehemaligen BRD oder der ehemaligen DDR verortet wurde.132 Aus der Abb. 14 wird deutlich, dass sich die meisten Überlappungen in der Mitte Nord- und Nordostdeutschlands befinden. Somit liegt das Kerngebiet der Lübecker Sprechprobe nach der Auffassung der Gewährspersonen zwischen Rostock, Pritzwalk, Lüchow, Walsrode, Hamburg, Lübeck und Schwerin, in diesem Bereich überlagern zwischen 60 und 79 Polygone. Erkennbar wird außerdem, dass sich die Randgebiete bis nach Stuttgart ausbreiten und das Sprachbeispiel von einzelnen Gewährspersonen mit der Stadt Freiburg verbunden wird. Trotz dieser südlichen Ausreißer zeigt sich aber eine starke Verortung der Lübecker Sprechprobe in den Norden Deutschlands.

132 Der Aufbau der Karten wiederholt sich bei den folgenden Darstellungen.

4 Aufbereitung und Ergebnisse

113

Die folgenden Abbildungen stellen nun die Lokalisation dieser Sprechprobe hinsichtlich der drei unterschiedlichen Prime-Gruppen dar. Allen Gruppen ist gemein, dass das Hörbeispiel Lübeck überwiegend in den Norden sortiert wurde, jedoch lassen sich auch Unterschiede feststellen. Die Abb. 15 zeigt die Verortungen der Kontrollgruppe (OHN), also die Polygone derer, denen keines der beiden Primes als Wasserzeichen präsentiert wurde.

Abb. 15: Heat map zur Sprechprobe Lübeck (OHN) (N = 100).

Im Unterschied zur Gesamtverortung zeigt sich bei der Kontrollgruppe kein eindeutiges Zentrum, vielmehr ballen sich die Ergebnisse um Rostock, Schwerin, Waren, Pritzwalk, Lüneburg und Hamburg, wo sich zwischen 20 und 27 Polygone überschneiden. Das Sprachbeispiel wurde in der Kontrollgruppe sowohl in den Nordwesten als auch in den Nordosten lokalisiert (vgl. Abb. 15). Etwas anders gestaltet sich die Verortung dieses Sprachbeispiels bei der einfachen Prime-Gruppe (EINF), die das Ost-Ampelmännchen als Wasserzeichen präsentiert bekamen (vgl. Abb. 16).

114

4 Aufbereitung und Ergebnisse

Abb. 16: Heat map zur Sprechprobe Lübeck (EINF) (N = 103).

Wie zuvor wird das Lübecker Sprachbeispiel tendenziell in den Norden lokalisiert, doch wird es in dieser Gruppe stärker in die Mitte des Norddeutschen Raums verortet, mit einem deutlichen Zentrum um Schwerin, Lüchow, Helmstedt bis Walsrode. Im Vergleich zur Kontrollgruppe lässt sich ebenfalls erkennen, dass die Randgebiete mehr streuen (Überschneidungen von einem bis vier Polygonen). Die Verortungen zentrieren sich hier also auf die Mitte Norddeutschlands mit einer leichten Tendenz in den nordostdeutschen Raum (vgl. Abb. 16). Die dritte und letzte Gruppe der 308 Proband*innen hatte als Wasserzeichen das Ost- und West-Ampelmännchen (verstärkte Prime-Gruppe (DOP)) innerhalb der Präsentation der Sprechproben. Die Karte dieser Probandengruppe zeigt deutlich, dass sich bei dieser Konstellation die Lokalisation des Sprachbeispiels im nordostdeutschen Raum zentriert (vgl. Abb. 17).

4 Aufbereitung und Ergebnisse

115

Abb. 17: Heat map zur Sprechprobe Lübeck (DOP) (N = 105).

Der Fokus der Verortung wird in den Osten des norddeutschen Raums gesetzt, besonders Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg. In diesem Bereich überschneiden sich um Rostock, Schwerin, Waren, Pritzwalk und Neuruppin zwischen 21 und 28 Polygone (vgl. Abb. 17).

4.2.2.1 Verortung der Sprechprobe Lübeck hinsichtlich des Herkunftsbundeslandes und der Prime-Gruppe Im Folgenden wird die Herkunft der Proband*innen in den einzelnen Prime-Gruppen hinzugezogen. So soll herausgestellt werden, ob die Herkunft der Proband*innen die Verortung hinsichtlich des Primes beeinflusst. Die folgende Tabelle schlüsselt die Herkunft der Gewährspersonen nach dem Bundesland auf, in dem sie geboren worden sind – ausgenommen sind 15 Personen, die als Geburtsort Berlin angaben (vgl. Tab. 11).133

133 Diese Einschränkung wird bei den folgenden Analysen bzgl. der Herkunft bei den drei anderen Sprechproben ebenfalls vorgenommen.

116 Herkunft alte Bundesländer neue Bundesländer Berlin gesamt

4 Aufbereitung und Ergebnisse

absolut 122 171 15 308

% 39,61 55,52 4,87 100

Tab. 11: Herkunft aus alten/neuen BL (N = 308) (Sprechprobe LBK).

Somit stehen 122 Proband*innen bzw. Polygone aus den alten Bundesländern und 171 aus den neuen Bundesländern zur Verfügung (vgl. Tab. 11). Die nachstehenden Abbildungen zeigen die Verortungen der Sprechprobe Lübeck, diesmal aber unterteilt in die zwei Gruppen Herkunft alte Bundesländer (Abb. 18) und Herkunft neue Bundesländer (Abb. 19):134

Abb. 18: Heat map zur SP LBK nach der Herkunft (alte BL, N = 122).

134 Bei der Erstellung dieser beiden Karten wurde nicht unterschieden, welchen Prime-Gruppen die Proband*innen angehören.

4 Aufbereitung und Ergebnisse

117

Abb. 19: Heat map zur SP LBK nach der Herkunft (neue BL, N = 171).

Der Vergleich zeigt, dass die Personen, die in den alten Bundesländern geboren worden sind, die Lübecker Sprechprobe überwiegend in den Nordosten Deutschlands verortet haben. In den Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg lassen sich Überschneidungen von 24 und 31 Polygonen finden (vgl. Abb. 18). Die Proband*innen, die in den neuen Bundesländern geboren worden sind, verorteten das Sprachbeispiel aus Lübeck mehrheitlich in die Mitte Norddeutschlands, wo 37 bis 47 gezeichnete Kreise der Gewährspersonen überlagern. Es lässt sich innerhalb dieser Gruppe noch keine Tendenz Richtung Osten oder Westen ausmachen (vgl. Abb. 19). Die Verortung der Herkunftsgruppe alte Bundesländer entspricht ungefähr derjenigen bei der Gruppe mit dem verstärkten Prime (DOP) (vgl. Abb. 17 u. Abb. 18). Diese Ähnlichkeit ist aber nicht dadurch zu begründen, dass die Proband*innen aus den alten Bundesländern überproportional den verstärkten Prime hatten, wie sich anschließend zeigen wird. Im Folgenden werden die Verortungen der beiden Herkunftsgruppen hinsichtlich der Prime-Gruppen dargestellt. Die Tab. 12 zeigt die Verteilung der Herkunft auf die drei unterschiedlichen PrimeGruppen.

118 PrimeGruppe OHN EINF DOP gesamt

4 Aufbereitung und Ergebnisse Alte Bundesländer absolut % 41 33,61 44 36,07 37 30,33 122 100

Neue Bundesländer absolut % 57 33,33 54 31,58 60 35,09 171 100

Tab. 12: Verteilung der Gewährspersonen auf die Settings (Sprechprobe LBK).

Die Proband*innen sind innerhalb der Herkunftsgruppen auf die einzelnen Settings relativ gleichmäßig verteilt (vgl. Tab. 12). In einem ersten Schritt werden die Karten der Kontrollgruppe (OHN), in einem zweiten die der Prime-Gruppe mit dem Ost-Ampelmännchen (EINF) und in einem dritten Schritt die Polygone der Gruppe mit dem Ost- und West-Ampelmännchen (DOP) gegenübergestellt. Der Vergleich der Kontrollgruppe (OHN) hinsichtlich des Herkunftsbundeslandes macht erste Gemeinsamkeiten und Unterschiede deutlich (vgl. Abb. 20, Abb. 21).

Abb. 20: Heat map zur SP LBK nach der Herkunft (OHN, alte BL, N = 41).

4 Aufbereitung und Ergebnisse

119

Abb. 21: Heat map zur SP LBK nach der Herkunft (OHN, neue BL, N = 57).

Gemeinsam ist beiden Gruppen (alte/neue Bundesländer) die Tendenz, die Lübecker Sprecher*innen in den Norden/Nordosten Deutschlands zu verorten. Im Detail aber ergeben sich Unterschiede: Während die Gewährspersonen aus den alten Bundesländern das Lübecker Sprachbeispiel mehrheitlich in die Mitte Norddeutschlands mit einer Tendenz Richtung Osten verorteten (vgl. Abb. 20), konzentriert sich die Verortung bei den Proband*innen aus den neuen Bundesländern deutlich in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg (vgl. Abb. 21). Somit zeigt die Kontrollgruppe, unterteilt nach alten und neuen Bundesländern, ähnliche Tendenzen mit unterschiedlich starken Zentren der Verortung (vgl. Abb. 20, Abb. 21). Ein etwas anderes Bild bietet die Verortung der einfachen Prime-Gruppe (EINF) hinsichtlich der Einteilung der Gewährspersonen nach dem Herkunftsbundesland (vgl. Abb. 22, Abb. 23).

120

4 Aufbereitung und Ergebnisse

Abb. 22: Heat map zur SP LBK nach der Herkunft (EINF, alte BL, N = 44).

4 Aufbereitung und Ergebnisse

121

Abb. 23: Heat map zur SP LBK nach der Herkunft (EINF, neue BL, N = 54).

Deutlich erkennbar ist bei der Westgruppe (vgl. Abb. 22) die Zentrierung auf den Raum der ehemaligen DDR (außer Sachsen und Teile Thüringens), aber mit mehreren Zentren um Rostock, Schwerin, Waren, Pritzwalk, Genthin und Wernigerode. Um diese Städte lassen sich 8 bis 12 Polygonüberschneidungen finden. Die Abb. 23 zeigt dagegen eine Verschiebung Richtung Mitte Norddeutschlands. Die Ostgruppe, die in der Präsentation der Sprechprobe ein Ost-Ampelmännchen abgebildet hatte, hat damit – im Vergleich zur Kontrollgruppe – vermutet, die Sprecher stammen eher aus dem Raum Lüchow, Hannover und Helmstedt. Es überlappen in dieser Region zwischen 14 und 18 Polygone der Gewährspersonen (vgl. Abb. 22, Abb. 23). Beim Vergleich der beiden Karten der Herkunftsgruppen bezogen auf den verstärkten Prime (DOP) tritt wiederum ein anderes Phänomen auf (vgl. Abb. 24, Abb. 25).

122

4 Aufbereitung und Ergebnisse

Abb. 24: Heat map zur SP LBK nach der Herkunft (DOP, alte BL, N = 37).

4 Aufbereitung und Ergebnisse

123

Abb. 25: Heat map zur SP LBK nach der Herkunft (DOP, neue BL, N = 60).

Die beiden Karten zeigen die Verortung der Gewährspersonen, denen während der Sprechprobenverortung das Ost- und West-Ampelmännchen präsentiert wurde und die in den alten (vgl. Abb. 24) bzw. die in den neuen Bundesländern (vgl. Abb. 25) geboren worden sind. Auffallend ist, dass die Westgruppe die Verortung mehrheitlich in Mecklenburg-Vorpommern vornimmt, besonders um Rostock und Waren (14 bis 16 Überschneidungen, vgl. Abb. 24). Die Ostgruppe lokalisiert das Sprachbeispiel überwiegend in den Raum um Hamburg (17 bis 20 Überlagerungen, vgl. Abb. 25). Im Vergleich zu den anderen Prime-Gruppen hinsichtlich des Herkunftsbundeslandes kann konstatiert werden, dass die Proband*innen aus den neuen Bundesländern besonders beim verstärkten Prime (DOP) eine Verortung Richtung Westen vornehmen (vgl. Abb. 25). Auch bei den Proband*innen aus den alten Bundesländern zeigt der Effekt beim verstärkten Prime eine stärkerer Tendenz in Richtung Osten (vgl. Abb. 24) und entspricht somit den vorhergehenden Beobachtungen, dass die Proband*innen aus den alten Bundesländern die Sprechprobe Lübeck (LBK) mehrheitlich nach Ostdeutschland verorten.

124

4 Aufbereitung und Ergebnisse

4.2.3 Verortung der Sprechprobe Schwerin (SWE) Ähnlich wie für die Lübecker Sprechprobe haben insgesamt 310 Gewährspersonen das Sprachbeispiel aus Schwerin (SWE)/Mecklenburg-Vorpommern verortet. Es wurde wieder darauf geachtet, dass mindestens 100 Polygone in jedem Setting aufgenommen werden (vgl. Tab. 13). Prime-Gruppe Kontrollgruppe (OHN) einfacher Prime (EINF) verstärkter Prime (DOP) gesamt

Anzahl der Polygone 110 100 100 310

Tab. 13: Polygone zur Sprechprobe Schwerin.

Wie auch das Lübecker Sprachbeispiel wurde die Hörprobe aus Schwerin mehrheitlich in den Norden Deutschlands lokalisiert, wobei bei dieser Sprechprobe die Streuung bis in den mitteldeutschen Raum größer ist (vgl. Abb. 26).

Abb. 26: Heat map zur Sprechprobe Schwerin (N = 310).

4 Aufbereitung und Ergebnisse

125

Das Kerngebiet erstreckt sich von Rostock über Schwerin, Lüneburg und Walsrode bis nach Hannover. In diesem Bereich lassen sich Überschneidungen von 56 und 76 Polygonen finden (vgl. Abb. 26). In Bezug auf die unterschiedlichen PrimeGruppen können, wie schon bei der Sprechprobe aus Lübeck und deren Verortung durch die Befragten, ebenfalls Unterschiede festgestellt werden.

Abb. 27: Heat map zur Sprechprobe Schwerin (OHN) (N = 110).

Die Kontrollgruppe (OHN) verortet das Schweriner Sprachbeispiel überwiegend in Mecklenburg-Vorpommern mit einem Zentrum um Schwerin (27 bis 35 Überschneidungen), wobei aber Verortungen in Baden-Württemberg vorgenommen werden. Das Hörbeispiel wird bei dieser Gruppe tatsächlich überwiegend dort lokalisiert, wo die Sprecher*innen herkommen: nach Schwerin (vgl. Abb. 27). Etwas anders sieht es bei der einfachen Prime-Gruppe (EINF) aus, wie die Abb. 28 zeigt:

126

4 Aufbereitung und Ergebnisse

Abb. 28: Heat map zur Sprechprobe Schwerin (EINF) (N = 100).

Das Sprachbeispiel aus Schwerin wird nach wie vor in den Norden sortiert, doch streut die Verortung stärker als bei der Kontrollgruppe (OHN, vgl. Abb. 27). Es ist ersichtlich, dass sich das Kerngebiet von Rostock über Schwerin Waren, Lüneburg, Hamburg bis Hannover erstreckt. In diesem Bereich finden sich Überlagerungen von 22 bis 28 Polygonen (vgl. Abb. 28). Bei der dritten Gruppe (DOP) verschieben sich die Verortungen der Proband*innen erneut (vgl. Abb. 29):

4 Aufbereitung und Ergebnisse

127

Abb. 29: Heat map zur Sprechprobe Schwerin (DOP) (N = 100).

Die Abbildung verdeutlicht eine größere Streuung über das gesamte deutsche Bundesgebiet, wobei das Kerngebiet in Niedersachsen liegt und sich ein Zentrum um Hannover (17 bis 23 Überschneidungen) gebildet hat (vgl. Abb. 29).

4.2.3.1 Verortung der Sprechprobe Schwerin hinsichtlich des Herkunftsbundeslandes und der Prime-Gruppe Ebenso wie bei der Lübecker Sprechprobe sollen die Lokalisationen des Schweriner Hörbeispiels hinsichtlich des Herkunftsbundeslandes in Zusammenhang mit dem jeweiligen Setting verglichen werden. Herkunft alte Bundesländer neue Bundesländer Berlin gesamt

absolut 113 185 12 310

% 36,45 59,68 3,87 100

Tab. 14: Herkunft aus alten/neuen BL (N = 310) – Sprechprobe SWE.

128

4 Aufbereitung und Ergebnisse

Die Tab. 14 schlüsselt die Gewährspersonen auf, die in den alten bzw. den neuen Bundesländern geboren worden sind. Die folgenden Abbildungen zeigen die Verortungen der Personen, die in den alten (vgl. Abb. 30) bzw. neuen Bundesländern (vgl. Abb. 31) geboren worden sind.

Abb. 30: Heat map zur SP SWE nach der Herkunft (alte BL, N = 113).

4 Aufbereitung und Ergebnisse

129

Abb. 31: Heat map zur SP SWE nach der Herkunft (neue BL, N = 185).

Es ist ersichtlich, dass die Gruppe aus den alten Bundesländern das Schweriner Sprachbeispiel überwiegend in das Gebiet des ehemaligen Westens verortet, mit einem Zentrum von Hamburg über Hannover bis Hameln (21 bis 30 Überlappungen, vgl. Abb. 30). Hingegen lokalisieren die Proband*innen aus den neuen Bundesländern die Hörprobe in den Osten, besonders in Mecklenburg-Vorpommern. Bei dieser Gruppe lässt sich das Zentrum um Schwerin mit einer Überschneidung von 41 bis 57 Polygonen ausmachen (vgl. Abb. 31). Bei diesem Sprachbeispiel soll ebenfalls analysiert werden, ob sich die PrimeGruppen bezogen auf das Herkunftsbundesland in der Verortung unterscheiden. Die Tab. 15 verdeutlicht die Verteilung der Befragten auf die einzelnen Gruppen in den beiden Herkunftsgruppen.

Prime-Gruppe OHN EINF DOP gesamt

Alte Bundesländer absolut % 38 33,63 36 31,86 39 34,51 113 100

Neue Bundesländer absolut % 71 38,38 61 32,97 53 28,65 185 100

Tab. 15: Verteilung der Gewährspersonen auf die Settings – Sprechprobe SWE.

130

4 Aufbereitung und Ergebnisse

Die Verteilung auf die unterschiedlichen Prime-Gruppen innerhalb der Bundesländer, in denen die Gewährspersonen geboren worden sind, ist sehr ausgeglichen, besonders bei der Herkunftsgruppe alte Bundesländer (vgl. Tab. 15). Bei beiden Kontrollgruppen (OHN) lassen sich ähnliche Tendenzen ablesen, wie bei den Verortungen aller Personen der alten Bundesländer (vgl. Abb. 30): Die Schweriner Sprechprobe wird mehrheitlich in das Gebiet des ehemaligen Westens verortet (vgl. Abb. 32, Abb. 33).

Abb. 32: Heat map zur SP SWE nach der Herkunft (OHN, alte BL, N = 38).

4 Aufbereitung und Ergebnisse

131

Abb. 33: Heat map zur SP SWE nach der Herkunft (OHN, neue BL, N = 71).

Erkennbar ist aber, dass bei der Westgruppe (vgl. Abb. 32) eine größere Variation in der Verortung vorherrscht bzw. bei der Ostgruppe (vgl. Abb. 33) eine größere Einheitlichkeit besteht. Dies zeigt sich bei den einzelnen Verortungen und besonders beim Kerngebiet: So bildet sich bei der Gruppe der alten Bundesländer das Zentrum von Hannover bis Hamburg mit Überschneidungen von 10 bis 12 Polygonen (vgl. Abb. 32) und bei der Gruppe der neuen Bundesländer lässt sich ein Zentrum um Hannover ausmachen (Überlagerungen von 19 bis 25 Polygonen, vgl. Abb. 33). Wie bei vorhergehenden Analysen kann auch bei diesem Sprachbeispiel bezogen auf das Herkunftsbundesland und die Prime-Gruppe eine Verschiebung der Verortung konstatiert werden.

132

4 Aufbereitung und Ergebnisse

Abb. 34: Heat map zur SP SWE nach der Herkunft (EINF, alte BL, N = 36).

Im Vergleich zur Kontrollgruppe (OHN, vgl. Abb. 32) verschiebt sich das Kerngebiet der Verortung innerhalb Westgruppe (vgl. Abb. 34) bei der einfachen PrimeGruppe (EINF) weiter Richtung Westen, wobei nun das Zentrum um Bremen erkennbar ist (9 Polygon-Überschneidungen). Außerdem lässt sich ein schwächeres Kerngebiet in Mecklenburg-Vorpommern finden (4 bis 6 Überlagerungen, vgl. Abb. 34).

4 Aufbereitung und Ergebnisse

133

Abb. 35: Heat map zur SP SWE nach der Herkunft (EINF, neue BL, N = 61).

Innerhalb der Ostgruppe der einfachen Prime-Gruppe (EINF, vgl. Abb. 35) verschiebt sich die Verortung Richtung Osten. Das Kerngebiet dieser Gruppe ist Mecklenburg-Vorpommern mit einem Zentrum um Schwerin (19 bis 23 Überlappungen, vgl. Abb. 35). Im Vergleich zur Kontrollgruppe verlagert sich die Lokalisation somit von Westen nach Osten (vgl. Abb. 33, Abb. 35). Diese Verschiebung zeigt sich auch in der Gruppe, die das Ost- und West-Ampelmännchen (DOP) präsentiert bekamen (vgl. Abb. 36, Abb. 37).

134

4 Aufbereitung und Ergebnisse

Abb. 36: Heat map zur SP SWE nach der Herkunft (DOP, alte BL, N = 39).

4 Aufbereitung und Ergebnisse

135

Abb. 37: Heat map zur SP SWE nach der Herkunft (DOP, neue BL, N = 53).

Innerhalb der Westgruppe (vgl. Abb. 36) verschiebt sich das Zentrum bei der verstärkten Prime-Gruppe Richtung Hannover und Hameln (Überschneidungen von 11 bis 13 Polygonen, vgl. Abb. 36). Bei der Ostgruppe (vgl. Abb. 37) hingegen bleibt das Kerngebiet um Schwerin herum bestehen (15 bis 21 Überschneidungen, vgl. Abb. 37).

136

4 Aufbereitung und Ergebnisse

4.2.4 Verortung der Sprechprobe Dingelstädt (DST) Die dritte Sprechprobe, die in der Verortung näher betrachtet werden soll, stammt aus Dingelstädt (DST)/Thüringen. Die Tab. 16 gibt dabei wieder Aufschluss über die Polygone, die in den einzelnen Settings aufgenommen werden konnten. Prime-Gruppe Kontrollgruppe (OHN) einfacher Prime (EINF) verstärkter Prime (DOP) gesamt

Anzahl der Polygone 109 100 108 317

Tab. 16: Alle Polygone zur Sprechprobe Dingelstädt.

Insgesamt liegen bei dieser Sprechprobe 317 Polygone von ebenso vielen Gewährspersonen vor. Im Gegensatz zu den vorhergehenden Hörproben, die von den Proband*innen in den norddeutschen Raum verortet wurden, wird dieses Beispiel mehrheitlich im ostmitteldeutschen Raum lokalisiert (vgl. Abb. 38).

Abb. 38: Heat map zur Sprechprobe Dingelstädt (N = 317).

4 Aufbereitung und Ergebnisse

137

Das Kerngebiet der Sprechprobe Dingelstädt wird von den Proband*innen in den Raum Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen verortet. In diesem Gebiet lässt sich das Zentrum um Leipzig herum mit 93 bis 134 Überschneidungen ausmachen. Ebenfalls ersichtlich ist, dass diese Sprechprobe überwiegend in den ostdeutschen Raum sortiert wird und nur einige Verortungen sich im westlichen oder gesamten deutschen Raum finden lassen (vgl. Abb. 38). Interessanterweise bleibt dieses Bild auch bei der Kontrollgruppe (OHN, vgl. Abb. 39) und bei den Prime-Gruppen (EINF, vgl. Abb. 40; DOP, Abb. 41) erhalten.

Abb. 39: Heat map zur Sprechprobe Dingelstädt (OHN) (N = 109).

Die Sprechprobe aus Dingelstädt wird in der Kontrollgruppe (OHN) überwiegend nach Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen verortet und das Zentrum formiert sich um Leipzig (34 bis 47 Überlagerungen, vgl. Abb. 39). Ähnliches zeigt sich bei den Proband*innen der einfachen Prime-Gruppe (EINF), wobei die Verortung bei der Kontrollgruppe (OHN) noch mehr streut als die der Gruppe mit dem Ost-Ampelmännchen. Bei diesen Befragten zentriert sich die Verortung noch stärker auf den Osten (außer Mecklenburg-Vorpommern). Das Zentrum bildet sich ebenfalls um Leipzig mit 39 bis 52 Überlappungen (vgl. Abb. 40).

138

4 Aufbereitung und Ergebnisse

Abb. 40: Heat map zur Sprechprobe Dingelstädt (EINF) (N = 100).

Die Gewährspersonen mit dem verstärkten Prime (DOP) lokalisieren das Hörbeispiel aus Dingelstädt, wie die Gruppen zuvor auch, in den ehemaligen ostdeutschen Raum. Erkennbar wird bei dieser Gruppe allerdings wieder eine größere Streuung der Verortungen, wobei Leipzig als Zentrum (25 bis 38 Überlagerungen) erhalten bleibt (vgl. Abb. 41).

4 Aufbereitung und Ergebnisse

139

Abb. 41: Heat map zur Sprechprobe Dingelstädt (DOP) (N = 108).

4.2.4.1 Verortung der Sprechprobe Dingelstädt hinsichtlich des Herkunftsbundeslandes und der Prime-Gruppen Hinsichtlich des Herkunftsbundeslandes der Proband*innen ist davon auszugehen, dass sich in Herkunftsgruppen bezogen auf das Setting keine Unterschiede feststellen lassen. Tab. 17 schlüsselt die Gewährspersonen auf, die entweder in den alten oder in den neuen Bundesländern geboren worden sind. Herkunft alte Bundesländer neue Bundesländer Berlin Gesamt

absolut 132 169 16 317

% 41,64 53,31 5,05 100

Tab. 17: Herkunft aus alten/neuen BL (N = 317) – Sprechprobe DST.

140

4 Aufbereitung und Ergebnisse

Aus Abb. 42 und Abb. 43 wird ersichtlich, dass die Proband*innen beider Herkunftsgruppen das gehörte Sprachbeispiel wie zuvor in den ostdeutschen Raum verorten.

Abb. 42: Heat map zur SP DST nach der Herkunft (alte BL, N = 132).

4 Aufbereitung und Ergebnisse

141

Abb. 43: Heat map zur SP DST nach der Herkunft (neue BL, N = 169).

Sowohl die West- (vgl. Abb. 42) als auch die Ostgruppe (vgl. Abb. 43) verorten die Dingelstädter Hörprobe in den ostdeutschen Raum. Wie bei den Verortungen zuvor (vgl. Abb. 38, Abb. 39, Abb. 41) liegt das Kerngebiet in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen und wiederum befindet sich das Zentrum mit 46 bis 60 Überlappungen bei der Westgruppe und 48 bis 69 bei der Ostgruppe bei Leipzig (vgl. Abb. 42, Abb. 43). Aufgrund dieser Ergebnisse wird die Verortung der einzelnen Herkunftsgruppen hinsichtlich der unterschiedlichen Prime-Gruppen nicht vorgenommen. Die starke Zentrierung auf den ostmitteldeutschen Raum mit nur wenigen Verortungen im westdeutschen und gesamtdeutschen Raum lassen erkennen, dass es keine Unterschiede in den Prime-Gruppen gibt.135

135 Die Verortungen der einzelnen Herkunftsgruppen hinsichtlich der unterschiedlichen PrimeGruppen können im Anhang eingesehen werden (vgl. B.1 Verortungen der Sprechprobe Dingelstädt).

142

4 Aufbereitung und Ergebnisse

4.2.5 Verortung der Sprechprobe Schwalmstadt (SWA) Die letzte Sprechprobe, deren Verortung näher betrachtet werden soll, ist das Hörbeispiel aus Schwalmstadt (SWA)/Hessen. Die Polygone verteilen sich wie bei den vorhergehenden Beispielen ähnlich auf die unterschiedlichen Settings (vgl. Tab. 18). Prime-Gruppe Kontrollgruppe (OHN) einfacher Prime (EINF) verstärkter Prime (DOP) gesamt

Anzahl der Polygone 104 100 100 304

Tab. 18: Polygone zur Sprechprobe Schwalmstadt.

Zu diesem Sprachbeispiel haben insgesamt 304 Gewährspersonen eine Verortung vorgenommen, so dass 304 Polygone für das Hörbeispiel aus Schwalmstadt zur Verfügung stehen. Abb. 44 zeigt die Lokalisation des Sprachbeispiels aller Proband*innen:

Abb. 44: Heat map zur Sprechprobe Schwalmstadt (N = 304).

4 Aufbereitung und Ergebnisse

143

Das Kerngebiet liegt hier zwischen Magdeburg, Walsrode, Hannover und Helmstedt, also in den Bundesländern Niedersachen und Sachsen-Anhalt. In diesem Bereich lassen sich 53 bis 71 Überlappungen der Polygone finden. Außerdem wird ersichtlich, dass sich die Verortung wellenförmig über das gesamte Bundesgebiet ausbreitet, wobei die wenigsten Verortungen im Süden Deutschlands erkennbar sind (vgl. Abb. 44). Die Verortung der Kontrollgruppe (OHN) zeigt ein uneinheitlicheres Bild (vgl. Abb. 45):

Abb. 45: Heat map zur Sprechprobe Schwalmstadt (OHN) (N = 104).

Die Gewährspersonen innerhalb dieser Gruppe verorteten das Sprachbeispiel aus Schwalmstadt sehr unterschiedlich, es sind drei verschiedene Zentren erkennbar: Eines erstreckt sich um Hamburg, Lüchow und Hannover, das andere um Magdeburg, Helmstedt und Osterode und das dritte um Gera, Weimar und Schmalkalden. Innerhalb dieser Zentren lassen sich Überschneidungen von 15 bis 19 Polygonen finden. Die Verortung dieser Hörprobe erstreckt sich somit wie eine Diagonale vom westnorddeutschen in den ostmitteldeutschen Raum (vgl. Abb. 45). Anders gestaltet sich die Verortung bei der Gruppe mit dem einfachen Prime (EINF). Bei dieser zentriert sich das Kerngebiet um Hannover, dabei sind in diesem Bereich Überlagerungen von 27 bis 34 Polygonen zu finden (vgl. Abb. 46):

144

4 Aufbereitung und Ergebnisse

Abb. 46: Heat map zur Sprechprobe Schwalmstadt (EINF) (N = 100).

Die Verortung breitet sich wie bei der Lokalisation aller Gewährspersonen wellenförmig über das gesamte deutsche Bundesgebiet aus, wobei auch hier die Verortungen im Süden am schwächsten ausgeprägt sind (vgl. Abb. 46). Bei der Gruppe mit dem verstärkten Prime (DOP) lassen sich zwei Zentren finden, die Verortung erstreckt sich eher diagonal vom ostnord- in den westmitteldeutschen Raum: Die beiden Kerngebiete bilden sich bei dieser Gruppe von Schwerin bis Lüchow und von Magdeburg über Wernigerode bis Hannover. Innerhalb dieser Bereiche lassen sich Überlappungen von 17 bis 22 Polygonen ausmachen. Wie auch bei der Kontrollgruppe (OHN) ist die Verortung eher uneinheitlich, wobei eine Lokalisation verstärkt in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg, also im ehemaligen Osten, feststellbar ist (vgl. Abb. 47).

4 Aufbereitung und Ergebnisse

145

Abb. 47: Heat map zur Sprechprobe Schwalmstadt (DOP) (N = 100).

4.2.5.1 Verortung der Sprechprobe Schwalmstadt hinsichtlich des Herkunftsbundeslandes und der Prime-Gruppen Aus den vorhergehenden Abbildungen (vgl. Abb. 45, Abb. 46, Abb. 47) wurde ersichtlich, dass sich die Verortung mehrheitlich über den mitteldeutschen Raum, aber auch von Norden nach Süden erstreckt. Wie zuvor bei den anderen Sprechproben wird analysiert, ob die Lokalisation dieser Sprechprobe sich in den Herkunftsgruppen unterscheiden oder ähneln.

146 Herkunft alte Bundesländer neue Bundesländer Berlin gesamt

4 Aufbereitung und Ergebnisse

absolut 119 171 14 304

% 39,14 56,25 4,61 100

Tab. 19: Herkunft aus alten/neuen BL (N = 304) – Sprechprobe SWA.

Die Verteilung der Proband*innen auf die alten und neuen Bundesländer ist wie bei den Sprechproben zuvor nicht ganz ausgeglichen: 40% sind in den alten und 56% in den neuen Bundesländern geboren. Somit stehen für die nachfolgende Analyse 119 Polygone für die Westgruppe und 171 für die Ostgruppe zur Verfügung (vgl. Tab. 19). Auf den ersten Blick scheinen die Lokalisationen der Sprechprobe Schwalmstadt in der Herkunftsgruppe alte Bundesländer (vgl. Abb. 48) den Verortungen in der Herkunftsgruppe neue Bundesländer (vgl. Abb. 49) ähnlich.

Abb. 48: Heat map zur SP SWA nach der Herkunft (alte BL, N = 119).

4 Aufbereitung und Ergebnisse

147

Abb. 49: Heat map zur SP SWA nach der Herkunft (neue BL, N = 171).

Aus Abb. 48 und Abb. 49 wird jedoch deutlich, dass die Kerngebiete etwas anders gelagert sind: Bei der Gruppe alte Bundesländer breitet sich die Verortung eher horizontal über Deutschland (von Hannover auf den mittel- und niederdeutschen Raum) aus. Dabei erstreckt sich das Zentrum von Bielefeld über Hannover nach Magdeburg (26 bis 33 Überlagerungen, vgl. Abb. 48). Bei der Gruppe neue Bundesländer verschiebt sich die Verortung eher in die Vertikale. Das Zentrum erstreckt sich bei dieser Gruppe von Lüchow über Hannover bis Wernigerode (27 bis 38 Überlappungen, vgl. Abb. 49). Tab. 20 gibt Aufschluss über die Verteilung der Proband*innen/Polygone innerhalb der beiden Herkunftsgruppen bezogen auf die einzelnen Prime-Gruppen.

Prime-Gruppe OHN EINF DOP gesamt

Alte Bundesländer absolut % 38 31,93 43 36,13 38 31,93 119 100

Neue Bundesländer absolut % 64 37,43 53 30,99 54 31,58 171 100

Tab. 20: Verteilung der Gewährspersonen auf die Settings – Sprechprobe SWA.

148

4 Aufbereitung und Ergebnisse

Auch bei der Sprechprobe aus Schwalmstadt ist die Anzahl der Polygone ähnlich innerhalb der beiden Herkunftsgruppen auf die Prime-Gruppen verteilt (vgl. Tab. 20). Die folgenden Abbildungen zeigen die Verortungen der Kontrollgruppe (OHN) in der Herkunftsgruppe alte Bundesländer (Abb. 50) und der Herkunftsgruppe neue Bundesländer (Abb. 51).

Abb. 50: Heat map zur SP SWA nach der Herkunft (OHN, alte BL, N = 38).

4 Aufbereitung und Ergebnisse

149

Abb. 51: Heat map zur SP SWA nach der Herkunft (OHN, neue BL, N = 64).

Beide Kontrollgruppen (OHN), sowohl die der Westgruppe als auch die der Ostgruppe, verortet dieses Sprachbeispiel tendenziell in den Westen Deutschlands, wobei die Verortung in der Westgruppe sich leicht in den mitteldeutschen Raum verschiebt und sich das Zentrum innerhalb dieser Gruppe von Helmstedt über Hannover bis Bielefeld erstreckt (Überlappungen von 12 bis 14 Polygone, vgl. Abb. 50). Bei der Ostgruppe breitet sich die Verortung eher Richtung Norddeutschland aus, wobei aber auch bei dieser Gruppe eher der westdeutsche Raum zugeordnet wird. Das Zentrum der Verortung liegt hier zwischen Lüneburg und Hannover (Überschneidungen von 13 bis 16 Polygonen, vgl. Abb. 51). Im Vergleich zur Kontrollgruppe (OHN) zeigt sich bei den Proband*innen mit dem einfachen Prime (EINF) eine etwas anders gelagerte Verortung.

150

4 Aufbereitung und Ergebnisse

Abb. 52: Heat map zur SP SWA nach der Herkunft (EINF, alte BL, N = 43).

4 Aufbereitung und Ergebnisse

151

Abb. 53: Heat map zur SP SWA nach der Herkunft (EINF, neue BL, N = 53).

Die Abb. 52 zeigt die Lokalisationen der Gewährspersonen aus den alten Bundesländern, die Abb. 53 diejenigen aus den neuen Bundesländern. Bei beiden Gruppen lässt sich ein deutlicher Unterschied in der Verortung ausmachen. Bei der Westgruppe wird dieses Sprachbeispiel überwiegend in den nordwestdeutschen Raum sortiert. In diesem Bereich lassen sich im Zentrum um Hamburg und Lüneburg 11 bis 13 Polygonüberlagerungen finden (vgl. Abb. 52). Bei der Ostgruppe verschiebt sich die Verortung in den ostmitteldeutschen Raum, wobei sich hier das Kerngebiet von Hannover über Osterode, Wernigerode, Dingelstädt und Schmalkalden bis nach Coburg erstreckt. In diesem Bereich lassen sich 10 bis 12 Polygonüberschneidungen ausmachen (vgl. Abb. 53).

152

4 Aufbereitung und Ergebnisse

Die Verortung der Gruppe mit dem verstärkten Prime (DOP) offenbart wiederum ein anderes Bild:

Abb. 54: Heat map zur SP SWA nach der Herkunft (DOP, alte BL, N = 38).

4 Aufbereitung und Ergebnisse

153

Abb. 55: Heat map zur SP SWA nach der Herkunft (DOP, neue BL, N = 54).

Bei dieser Gruppe verschiebt sich die Verortung bei der Westgruppe in den ostdeutschen Raum, mit einem Zentrum um Magdeburg (10 bis 12 Überlagerungen, vgl. Abb. 54). Bei der Ostgruppe hingegen lässt sich erkennen, dass sich die Verortung in den nordwestdeutschen Raum verschiebt. Hier befindet sich das Kerngebiet eher um Wernigerode und Helmstedt (12 bis 16 Überlappungen, vgl. Abb. 55).

154

4 Aufbereitung und Ergebnisse

4.2.6 Zusammenfassung der Verortungen Mittels der Heat maps, die aus den mentalen Karten der Befragten erstellt wurden, konnten Unterschiede in den Verortungen der vier Sprechproben in den verschiedenen Prime- und Herkunftsgruppen gezeigt werden. Die Lübecker Sprechprobe (LBK) wurde von den meisten Proband*innen in den Norden Deutschlands sortiert, mit einer nordöstlichen Tendenz (vgl. Abb. 14). Innerhalb der einzelnen Prime-Gruppen der Sprechprobe Lübeck konnte deutlich gemacht werden, dass besonders der verstärkte Prime (DOP) die Verortung in Richtung Nordostdeutschland bewirkt (vgl. Abb. 17), hingegen die Kontrollgruppe (OHN) eher eine ausgeglichene Lokalisation in Nordwesten und Nordosten vornimmt (vgl. Abb. 15). Unter Berücksichtigung der Herkunft der Proband*innen zeigen sich innerhalb der Prime-Gruppen besonders bei der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) deutliche Unterschiede in der Verortung: Die Befragten der Herkunftsgruppe alte Bundesländer sortierten dieses Sprachbeispiel in den Nordosten und diejenigen der Herkunftsgruppe neue Bundesländer in den Nordwesten (vgl. Abb. 24, Abb. 25). Verschiedene Verortungen bzw. Zentren lassen sich auch bei der Sprechprobe Schwerin (SWE) ausmachen. Sie wird überwiegend in den Norden Deutschlands lokalisiert (vgl. Abb. 26). Bei den Proband*innen der Kontrollgruppe (OHN) konnte ein Zentrum in Mecklenburg-Vorpommern (vgl. Abb. 27) identifiziert werden, bei denen der einfachen Prime-Gruppe (EINF) eines zwischen Rostock und Hamburg (vgl. Abb. 28). Die Proband*innen der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) verorteten das Sprachbeispiel dagegen in den Raum um Hannover (vgl. Abb. 29). Unterschiede in der Verortung zeigen sich bei dieser Hörprobe auch unter Berücksichtigung der Herkunft der Befragten. Ein Effekt konnte besonders im Vergleich der Kontrollgruppe (OHN) zur einfachen Prime-Gruppe (EINF) bei den Proband*innen ausgemacht werden, die in den neuen Bundesländern geboren wurden. Die Befragten der Kontrollgruppe hatten mehrheitlich das Hörbeispiel aus Schwerin (SWE) innerhalb dieser Herkunftsgruppe in den Westen Deutschlands sortiert (vgl. Abb. 33). Diejenigen, die einen Prime hatten, sortierten diese Sprechprobe jedoch in den Osten Norddeutschlands (vgl. Abb. 35, Abb. 37). Innerhalb der Westgruppe hingegen wird das Schweriner Sprachbeispiel sowohl in der Kontrollgruppe (OHN) als auch den Prime-Gruppen (EINF, DOP) überwiegend in den Westen sortiert (vgl. Abb. 32, Abb. 34, Abb. 36). Bei der Verortung der Sprechprobe Dingelstädt (DST) können keine prime-bedingten Unterschiede in der Verortung ausgemacht werden. Sowohl bei der Kontrollgruppe (OHN) als auch bei den Prime-Gruppen (EINF, DOP) wird das Sprachbeispiel überwiegend in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen mit einem Zentrum um Leipzig lokalisiert (vgl. Abb. 38, Abb. 39, Abb. 40, Abb. 41, Abb. 42, Abb. 43). Bei der Sprechprobe Schwalmstadt (SWA) lassen sich wieder unterschiedliche Verortungen innerhalb der verschiedenen Gruppen feststellen. Während die Lokalisation bei der Kontrollgruppe (OHN) sich eher uneinheitlich vom westnorddeutschen in den ostmitteldeutschen Raum erstreckt (vgl. Abb. 45), zentriert sich die

4 Aufbereitung und Ergebnisse

155

Verortung bei der einfachen Prime-Gruppe (EINF) in Niedersachsen um Hannover (vgl. Abb. 46) und bei der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) breitet sich die Verortung vom ostnord- zum westmitteldeutschen Raum aus, wobei eine stärkere Verortung in Mecklenburg-Vorpommern zu finden ist (vgl. Abb. 47). Unter Berücksichtigung der Herkunft der Proband*innen lassen sich wiederum Unterschiede ausmachen. Die Kontrollgruppen (OHN) beider Herkunftsgruppen zeigen noch ein relativ ähnliches Bild mit einem Zentrum im Nordwesten bzw. westmitteldeutschen Raum (vgl. Abb. 50, Abb. 51). Innerhalb der Prime-Gruppe verschiebt sich die Verortung jedoch: Die Proband*innen der Westgruppe der einfachen Prime-Gruppe (EINF) verorten das Sprachbeispiel Schwalmstadt in Richtung Westnorddeutschland (vgl. Abb. 52) und diejenigen der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) Richtung Ostmitteldeutschland (vgl. Abb. 54). Bei der Ostgruppe verhält es sich etwas anders: Bei dieser verschiebt sich die Verortung beim einfachen Prime (EINF) Richtung Ostmitteldeutschland (vgl. Abb. 53) und beim verstärkten (DOP) Richtung Westnorddeutschland (vgl. Abb. 55). Die Interpretation der Daten erfolgt in Kapitel 5. 4.3 INFERENZSTATISTISCHE DATENANALYSE Das folgende Kapitel befasst sich mit der quantitativen statistischen Analyse der Fragen 2.1.5. bis 2.1.7. des Fragebogens (vgl. Kap. 3.1.3). Dabei werden ausschließlich Gruppenunterschiede mithilfe nichtparametrischer Verfahren zum Vergleich von zwei oder mehr Stichproben geprüft (vgl. Kap. 4.3.1). In den folgenden Analysen wird getestet, ob es Unterschiede in der Bewertung (Variable Gefallen Kap. 4.3.2), der Einschätzung der Ähnlichkeit (Variable Ähnlichkeit vgl. Kap. 4.3.3) und der Einschätzung der Herkunft der Sprecher*innen (Variable Einschätzung der Herkunft der Sprecher*innen Kap. 1.4.3.4) zwischen den unterschiedlichen Gruppen (Prime, Herkunft, Sprechprobe) gibt. Abschließend werden die Ergebnisse aus den Teilanalysen im Kapitel 4.3.5 zusammengefasst und in Kapitel 5 diskutiert. Zuvor wird jedoch die Aufbereitung der quantitativ erhobenen Daten im Kapitel 4.3.1 näher erläutert. 4.3.1 Aufbereitung der quantitativen Daten Neben der Verortung der gehörten Sprechprobe hatten die Proband*innen u. a. die Möglichkeit, diese zu bewerten (vgl. Kap. 3.1.3). Diese quantitativen Daten wurden mittels des Statistikprogramms SPSS 21 aufbereitet und analysiert. Dieses Programm dient der computergestützten statistischen Auswertung, wodurch Gruppenvergleiche einer zufallskritischen Überprüfung unterzogen werden können. In der

156

4 Aufbereitung und Ergebnisse

vorliegenden Untersuchung wurde getestet, ob es signifikante Unterschiede zwischen den Prime-Gruppen (unabhängige Variable (UV): Prime136), den Sprechproben (unabhängige Variable (UV): Sprechprobe137) und den Herkunftsgruppen (unabhängige Variable (UV): Herkunft138) in der Bewertung der Sprechproben (abhängige Variable (AV1): Gefallen), in der Einschätzung der Ähnlichkeit der gehörten Sprechprobe zur eigenen Sprechweise (abhängige Variable (AV2): Ähnlichkeit) und der Einschätzung, wo die Sprecher*innen der Sprechproben herkommen könnten, (abhängige Variable (AV3): Einschätzung der Herkunft der Sprecher*innen), gibt. Es handelt sich bei der Variable Gefallen um die Frage 2.1.6. des Fragebogens (Wie gefällt Ihnen diese Sprechprobe auf einer Skala von −3 bis +3? vgl. Kap. 3.1.3). Die Variable kann als intervallskaliert angenommen werden (zum Skalenniveau vgl. u. a. BÜHL 2008, 115−118, BÜHNER / ZIEGLER 2009, 16−25). Die Variable Ähnlichkeit bezieht sich auf die Frage 2.1.7. des Fragebogens (Wie ähnlich ist diese Sprechprobe im Vergleich zu Ihrer eigenen Sprechweise auf einer Skala von −3 bis +3? vgl. Kap. 3.1.3). Auch diese Variable ist intervallskaliert. Bei der Variable Einschätzung der Herkunft der Sprecher*innen handelt es sich um eine Entscheidungsfrage (Frage 2.1.5. des Fragebogens: Die Sprecher*innen könnten aus meinem Ort oder der unmittelbaren Umgebung stammen: ja/nein; vgl. Kap. 3.1.3), aufgrund dessen ist diese Variable nominalskaliert. Für die Analyse der ersten beiden Variablen Gefallen und Ähnlichkeit wurden der Mann-Whitney-Test (U-Test) und der Kruskal-Wallis-Test angewandt. Die genannten Verfahren sind für unabhängige Stichproben im nichtparametrischen (verteilungsfreien) Bereich geeignet (vgl. u. a. BÜHL 2008, 317; BÜHNER / ZIEGLER 2009, 268−269; FRIESE / HOFMANN / NAUMANN / RASCH 2014b, 94) und kommen zum Einsatz, wenn die Voraussetzung der Normalverteilung der Daten, wie in der vorliegenden Untersuchung, nicht erfüllt ist. Die Normalverteilung wurde bei allen drei Variablen Gefallen, Ähnlichkeit und Einschätzung der Herkunft der Sprecher*innen mit dem Kolmogorov-Smirnov-Test sowie mit dem Shapiro-Wilk-Test geprüft (vgl. zum Kolmogorov-Smirnov-Test u. a. BÜHL 2008, 119 sowie 337−338 u. zum Shapiro-Wilk-Test u. a. BÜHL 2008, 240). Beide Tests haben nachgewiesen, dass diese Variablen dieser Stichprobe statistisch nicht normalverteilt sind, aufgrund dessen muss auf non- bzw. nichtparametrische Verfahren zurückgegriffen werden (vgl. Anhang B: Tab. 58, Tab. 59). Außerdem sind nichtparametrische Tests „auch unempfindlich gegen Ausreißer. Schließlich sind sie auch dort anzuwenden, wo kein Intervall-, sondern nur ein Ordinalskalenniveau gegeben ist.“ (BÜHL 2008, 317) Mittels der Mann-Whitney- und des Kruskal-Wallis-Tests wird anhand der abhängigen Variablen die Auswirkung der Manipulation der unabhängigen Variable gemessen. Manipulation meint hierbei die unterschiedlichen Priming-Bedingungen 136 Die unabhängige Variable gliedert sich dabei in folgende UV-Stufen: OHN = kein Prime, EINF = einfacher Prime, DOP = doppelter/verstärkter Prime. 137 Es handelt sich hierbei um die Sprechproben aus Lübeck (LBK), Schwerin (SWE), Dingelstädt (DST) und Schwalmstadt (SWA). 138 Die Herkunft bezieht sich auf das Geburtsbundesland der Proband*innen und wurde unterteilt in eine Herkunftsgruppe alte Bundesländer und in eine Herkunftsgruppe neue Bundesländer.

4 Aufbereitung und Ergebnisse

157

(kein Prime, einfacher Prime, verstärkter Prime), die durch die Ratings (Gefallen (AV1), Ähnlichkeit (AV2)) gemessen werden. Bei diesen beiden Verfahren werden Unterschiede zwischen zwei und mehr Gruppen auf der Basis von Rangplätzen (d. h. nicht die Messwerte direkt, die Mittelwerte, sondern die Rangplätze bzw. die mittleren Ränge) auf statistische Signifikanz überprüft (vgl. u. a. BÜHNER / ZIEGLER 2009, 382−383, FRIESE / HOFMANN / NAUMANN / RASCH 2014b, 111). „Jeder Versuchsperson wird aufgrund ihres erzielten Werts auf der abhängigen Variable ein Rangplatz zugeordnet. Dabei spielt die Gruppenzugehörigkeit zunächst keine Rolle, sodass eine Rangreihe für alle Versuchspersonen entsteht. Das bedeutet, dass z. B. die Versuchsperson mit dem niedrigsten Messwert den Rangplatz 1 zugeordnet bekommt, die nächste Versuchsperson erhält den Rangplatz 2 usw. […] [Dabei, N. P.] ist es zuerst notwendig, alle Messwerte in eine gemeinsame Rangreihe zu bringen. Danach wird für jede Gruppe die Summe der Rangplätze sowie der durchschnittliche Rangplatz der Gruppe berechnet.“ (FRIESE / HOFMANN / NAUMANN / RASCH 2014b, 95).

Die Zuordnung der Rangplätze wird in SPSS automatisch bei der Prüfung der Gruppenunterschiede mittels des Mann-Whitney- sowie Kruskal-Wallis-Test, die ebenfalls automatisch in SPSS ausgeführt werden, erstellt (vgl. BÜHL 2008, 201, 318−319, 330−332). Der Mann-Whitney-Test „dient dem Vergleich zweier unabhängiger Stichproben auf Rangplatzunterschiede in der abhängigen Variablen.“ (BÜHNER / ZIEGLER 2009, 281). Bei diesem Verfahren können somit immer nur zwei Gruppen auf Unterschiede getestet werden, so beispielsweise zwischen den einzelnen Stufen der unabhängigen Variable Prime. Mittels dieses Verfahrens kann analysiert werden, ob zwischen der Kontrollgruppe und der einfachen Prime-Gruppe in der Bewertung einer Sprechprobe signifikante Unterschiede zu finden sind. Da in der vorliegenden Untersuchung jedoch auch alle drei Stufen (bspw. Kontrollgruppe (OHN), einfache- (EINF) und verstärkte Prime-Gruppe (DOP)) der unabhängigen Variable Prime miteinander auf Unterschiede geprüft werden sollen, bietet es sich an, vorab den Kruskal-Wallis-Test durchzuführen. Mithilfe dieses Verfahrens können mehr als zwei unabhängige Stichproben auf signifikante Unterschiede getestet werden, wobei mit dieser Methode noch nicht angegeben werden kann, zwischen welchen Gruppen genau Unterschiede bestehen (vgl. BÜHNER / ZIEGLER 2009, 382−383). In der vorliegenden Untersuchung wurde daher bei einem Vergleich von mehr als zwei Stichproben bzw. Gruppen zuerst der Kruskal-Wallis-Test durchgeführt, um herauszustellen, ob es überhaupt signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen gibt. Wenn ein signifikantes Ergebnis auftrat, wurde mithilfe des Mann-WhitneyTests ermittelt, zwischen welchen Gruppen dieser Unterschied zu finden ist.

158

4 Aufbereitung und Ergebnisse

Sowohl bei dem Mann-Whitney- als auch bei dem Kruskal-Wallis-Test wird die Alternativhypothese139 (H1) getestet. Beispielsweise lautet die Alternativhypothese (H1) für den Mann-Whitney-Test: Es GIBT einen Unterschied zwischen den beiden Herkunftsgruppen alte/neue Bundesländer in der Bewertung der Sprechproben. Die Nullhypothese140 (H0) ist demnach das Gegenteil: Es gibt KEINEN Unterschied zwischen den beiden Herkunftsgruppen in der Bewertung der Sprechproben. Bezogen auf den Kruskal-Wallis-Test wären beispielsweise die drei Stufen der unabhängigen Variable Prime die drei unabhängigen Stichproben, bei denen getestet werden soll, ob es zwischen diesen dreien Unterschiede in der Bewertung der Sprechproben gibt. Die Alternativhypothese (H1) lautet beispielsweise: Es GIBT einen Unterschied zwischen den drei Prime-Gruppen in der Bewertung der Sprechproben. Auch hier ist die Nullhypothese (H0): Es gibt KEINEN Unterschied zwischen den drei Prime-Gruppen in der Bewertung der Sprechproben. Wenn sich bei diesem Test ein signifikantes Ergebnis abbildet, werden mit dem Mann-WhitneyTest die Prime-Gruppen paarweise getestet. Da es mithilfe des Kruskal-WallisTests noch nicht möglich ist, anzugeben, zwischen welchen der Prime-Gruppen der signifikante Unterschied besteht. Auf diese Weise kann nicht nur festgestellt werden, ob ein Unterschied zwischen den Gruppen besteht, sondern auch zwischen welchen Gruppen genau. Für die Analyse der dritten Variable Einschätzung der Herkunft der Sprecher*innen (AV3) wurde aufgrund des Skalenniveaus (nominalskaliert) der ChiQuadrat-Test (χ²-Test) verwendet. Nominale Messwerte können nur Häufigkeiten angeben (vgl. u. a. FRIESE / HOFMANN / NAUMANN / RASCH 2014b, 112). Bezogen auf die dritte abhängige Variable Einschätzung der Herkunft der Sprecher*innen bedeutet dies, es kann nur mittels des Chi-Quadrat-Tests überprüft werden, ob die Verteilungen der Gruppen ähnlich sind oder sich signifikant unterscheiden. Dabei werden die Proband*innen durch die Zuordnung zu einer bestimmten Kategorie gruppiert, in der vorliegenden Untersuchung beispielsweise die Einschätzung, dass die Sprecher*innen aus dem eigenen Ort kommen könnten oder nicht. Also klassifizieren sich die Studierenden in diesem Fall zu einer Ja- und zu einer Nein-Gruppe zugehörig. Durch diese einfache Verteilung auf die eine oder die andere Gruppe können aber keine Aussagen zu Rangfolgen getätigt werden, angegeben werden kann nur die Häufigkeitsverteilung auf die beiden Kategorien/Gruppen (ja/nein).

139 „Die Alternativhypothese ist das Gegenstück zur Nullhypothese. Sie nimmt an, dass ein systematischer Unterschied zwischen den beiden zu vergleichenden Gruppen besteht. Anders gesagt geht sie davon aus, dass die Populationen, aus denen die Stichproben gezogen werden, einen unterschiedlichen Populationsmittelwert haben. In ihrer allgemeinen Form umfasst sie alle möglichen Hypothesen, die nicht der Nullhypothese entsprechen.“ (FRIESE / HOFMANN / NAUMANN / RASCH 2014a, 44) 140 Die Nullhypothese geht davon aus, dass zwischen den geprüften Gruppen kein Unterschied besteht und die Unterschiede eher zufällig zustande gekommen sind (vgl. FRIESE / HOFMANN / NAUMANN / RASCH 2014a, 35). „Die Differenz zwischen den Gruppen sollte demzufolge null betragen. Diese Annahme heißt deshalb Nullhypothese oder H0.“ (FRIESE / HOFMANN / NAUMANN / RASCH 2014a, 35)

4 Aufbereitung und Ergebnisse

159

Der Chi-Quadrat-Test kann nun solche Häufigkeitsverteilungen auf Signifikanz prüfen (vgl. u. a. FRIESE / HOFMANN / NAUMANN / RASCH 2014b, 112). „Für diese Analyse ist eine Annahme über eine theoretisch zu erwartende Verteilung der Häufigkeiten nötig. Diese Annahme entspricht der Nullhypothese des statistischen Tests. Die unter dieser Nullhypothese erwarteten Häufigkeiten werden mit den empirisch beobachteten Häufigkeiten verglichen. Dies geschieht mittels des χ²-Kennwerts. Ist der empirische χ²-Wert unter der angenommenen Nullhypothese hinreichend unwahrscheinlich, so kann die Nullhypothese verworfen und die Alternativhypothese angenommen werden.“ (FRIESE / HOFMANN / NAUMANN / RASCH 2014b, 112)

Im Gegensatz zu den zuvor vorgestellten Tests für die Variablen Gefallen und Ähnlichkeit prüft dieses Verfahren nicht die Alternativhypothese, sondern die Nullhypothese. Hierbei lautet eine Nullhypothese (H0) beispielsweise, dass die PrimeGruppen sich untereinander in der Einschätzung der Herkunft der Sprecher*innen NICHT unterscheiden. Die gegensätzliche Aussage bildet dann die Alternativhypothese (H1): Die Prime-Gruppen unterscheiden sich in der Einschätzung. Die Ergebnisse der statistischen Tests, in diesem Fall der Testung der Unterschiedshypothesen, sind in den folgenden Kapiteln dargestellt. Dabei wurde für alle Verfahren ein Signifikanzniveau von 5% (α = 0,05) festgelegt, was in Fragestellungen wie den hier vorliegenden üblich ist.141 4.3.2 Variable Gefallen der Sprechprobe Auf einer Skala von -3 (gar nicht) bis +3 (sehr gut) konnten die Teilnehmenden die gehörte Sprechprobe dahingehend bewerten, wie ihnen das Gehörte gefallen hat (Frage 2.1.6. des Fragebogens, vgl. Kap. 3.1.3). Ziel dieser Fragestellung ist, zu analysieren, ob der einfache und/oder verstärkte Prime einen Einfluss auf die Bewertung der Sprechprobe hat, d. h. ob sich zwischen diesen Gruppen Unterschiede in den Gefallen-Werten feststellen lassen. Daher werden in den folgenden Abschnitten Unterschiedshypothesen formuliert: 1. Es gibt einen Unterschied in der Bewertung der Sprechproben (Gefallen) zwischen den Prime-Gruppen (/-Stufen: Kontrollgruppe, einfache Prime- und verstärkte Prime-Gruppe). 2. Es gibt einen Unterschied in der Bewertung der Sprechproben (Gefallen) zwischen der Herkunftsgruppe alte Bundesländer und der Herkunftsgruppe neue Bundesländer.

141 „Die Wahl des Signifikanzniveaus ist willkürlich und von inhaltlichen Überlegungen abhängig. Je nach Fragestellung kann ein hohes (liberales) oder ein strenges (konservatives) Signifikanzniveau sinnvoll sein. Per Konvention liegt es meist bei α = 0,05 bzw. 5%. Ein auf dem 5%-Niveau signifikantes Ergebnis wird in der Literatur in der Regel mit einem Stern (*) gekennzeichnet, ein auf dem 1%-Niveau signifikantes Ergebnis mit zwei Sternen (**). Obwohl die 5%Konvention der Signifikanz wichtig und verbreitet ist, bleibt es eine willkürliche Setzung.“ (FRIESE / HOFMANN / NAUMANN / RASCH 2014a, 42).

160

4 Aufbereitung und Ergebnisse

3. Es gibt einen Unterschied in der Bewertung (Gefallen) zwischen den einzelnen Sprechproben. Da davon ausgegangen werden kann, dass die Sprechproben unterschiedlich bewertet werden, d. h. den Proband*innen diese unterschiedlich gefallen (vgl. Kap. 2.1), werden im Anschluss die Sprechproben einzeln getestet: 4. Es gibt einen Unterschied in der Bewertung der einzelnen Sprechprobe (Gefallen) zwischen den Prime-Gruppen (/-Stufen: Kontrollgruppe, einfache Primeund verstärkte Prime-Gruppe). In einem weiteren Analyseschritt werden die Sprechproben nicht nur einzeln auf die Annahme bzw. das Verwerfen der Alternativhypothese geprüft, sondern die Prime-Gruppen zusätzlich in die Herkunftsgruppe alte Bundesländer und die Herkunftsgruppe neue Bundesländer aufgeteilt und dahingehend getestet, ob zwischen diesen Gruppen bezogen auf die einzelne Sprechprobe Unterschiede in der Bewertung in den einzelnen Prime-Gruppen auszumachen sind: 5. Es gibt einen Unterschied in der Bewertung der Sprechprobe (Gefallen) zwischen der Herkunftsgruppe alte Bundesländer und der Herkunftsgruppe neue Bundesländer innerhalb der Prime-Gruppen. 6. Es gibt einen Unterschied in der Bewertung der Sprechproben (Gefallen) zwischen den Prime-Gruppen innerhalb der Herkunftsgruppe alte Bundesländer und der Herkunftsgruppe neue Bundesländer. Die entsprechenden Nullhypothesen sind jeweils das Gegenteil der Alternativhypothese und werden daher hier nicht eigens aufgeführt. Insgesamt konnten von den 350 Proband*innen142 1133 Antworten auf die Frage zum Gefallen der vier Sprechproben aus Lübeck, Schwerin, Dingelstädt und Schwalmstadt zur Analyse herangezogen werden (vgl. Tab. 21).

142 Insgesamt bilden 366 Proband*innen die Grundlage der Untersuchung, aber aufgrund der Herkunftsstadt Berlin wurden diese 16 – bei denen nicht unterschieden werden kann, ob Ost- oder Westberlin – in der statistischen Analyse nicht berücksichtigt (vgl. Kap. 4.1).

4 Aufbereitung und Ergebnisse

161

Wie gefällt Ihnen die gehörte Sprechprobe? absolut % gültige% gültig

fehlend gesamt

-3 -2 -1 0 1 2 3 gesamt

36 83 161 257 246 256 94 1133 45 1178

3,1 7,0 13,7 21,8 20,9 21,7 8,0 96,2 3,8 100,0

3,2 7,3 14,2 22,7 21,7 22,6 8,3 100,0

Tab. 21: Häufigkeitsverteilung zur Frage 2.1.6.

Wie zuvor bei der Verortung hat nicht jede/r Teilnehmende alle vier Sprachbeispiele bewertet. Aufgrund dessen fehlen Werte/Antworten, bezogen auf die Gesamtanzahl sind die fehlenden Werte (3,8%) sehr gering und können vernachlässigt werden. 67% der Proband*innen bewerten die vier Sprechproben neutral bis positiv, d. h. sie haben auf der Skala die Werte 0 bis 2 angekreuzt (vgl. Tab. 21).

4.3.2.1 Vergleich der Bewertung der Sprechproben zwischen den Prime-Gruppen Die anschließende Analyse betrachtet die drei Prime-Gruppen bzw. die drei Gruppen in unterschiedlichen Priming-Bedingungen und prüft die Bewertungen in den verschiedenen Bedingungen auf Unterschiede. Somit liegen drei unabhängige Stichproben vor: eine Kontrollgruppe (OHN), eine Gruppe mit dem einfachen Prime (EINF) und eine Gruppe mit dem verstärkten Prime (DOP). Die Alternativhypothese lautet dabei: Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Bewertung der Sprechproben (Gefallen) zwischen den einzelnen Priming-Bedingungen, also zwischen den drei Gruppen. Die Nullhypothese bildet demnach das Gegenteil: Es gibt keinen signifikanten Unterschied in der Bewertung der Sprechproben (Gefallen) zwischen den einzelnen Prime-Gruppen. Der Kruskal-Wallis-Test zeigt keine signifikanten Gruppenunterschiede in der Bewertung der Sprechproben zwischen den Prime-Gruppen (p = 0,058). Der Vergleich der Werte der mittleren Ränge der Prime-Gruppen bezogen auf die Sprechprobenbewertung lässt jedoch einen deutlichen Unterschied zwischen der einfachen (EINF) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) erkennen. Dieser Unterschied ist größer als zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der einfachen Prime-Gruppe (EINF) sowie zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der verstärkten PrimeGruppe (DOP) (vgl. Tab. 22).

162

4 Aufbereitung und Ergebnisse

Prime-Gruppe OHN EINF DOP

N 398 379 356

Mittlerer Rang 572,16 591,21 535,46

Asymptotische Signifikanz (2-seitig) p = 0,058

Tab. 22: Kruskal-Wallis-Test zw. den Prime-Gruppen bzgl. der Gefallen-Werte (α = 0,05).

Dabei bedeutet, je größerer der Wert des mittleren Rangs, desto positiver wurden in diesem Fall die Sprechproben bewertet. Aus den Werten kann also geschlossen werden, dass die Proband*innen der einfachen Prime-Gruppe alle gehörten Sprechproben positiver bewerten als diejenigen der anderen Prime-Gruppen (vgl. Tab. 22). Aufgrund dieses Unterschieds wurde anschließend der Mann-Whitney-Test für zwei unabhängige Stichproben angeführt, d. h. die Gruppen wurden paarweise verglichen. In diesem Fall werden demnach drei Alternativhypothesen getestet: 1. Es gibt einen Unterschied in der Bewertung der Sprechproben (Gefallen) zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der einfachen Prime-Gruppe (EINF). 2. Es gibt einen Unterschied in der Bewertung der Sprechproben (Gefallen) zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP). 3. Es gibt einen Unterschied in der Bewertung der Sprechproben (Gefallen) zwischen der einfachen (EINF) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP).

1. 2. 3.

Prime-Gruppe OHN EINF OHN DOP EINF DOP

N 398 379 398 356 379 356

Mittlerer Rang 382,95 395,35 388,70 364,97 385,86 348,99

Asymptotische Signifikanz (2-seitig) p = 0,433 p = 0,128 p = 0,016*

Tab. 23: Mann-Whitney-Test zw. den Prime-Gruppen bzgl. der Gefallen-Werte (α = 0,05).

Der vermutete Unterschied zwischen der EINF- und der DOP-Gruppe konnte mit diesem Verfahren bestätigt werden: Zwischen diesen beiden Gruppen besteht ein signifikanter Unterschied (p = 0,016). Daher kann in diesem Fall die dritte Alternativhypothese, dass ein Unterschied in der Bewertung der Sprechproben (Gefallen) zwischen der einfachen (EINF) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) besteht, angenommen werden. Es konnte jedoch kein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen OHN und EINF (p = 0,433) sowie OHN und DOP (p = 0,128) festgestellt werden, weswegen die Nullhypothese gilt, dass kein signifikanter Unterschied besteht. Aus den Werten der mittleren Ränge kann außerdem geschlossen werden, dass die Gruppe mit dem einfachen Prime (EINF) die Sprechproben positiver als die anderen Gruppen bewertet, da bei dieser der Wert des mittleren Rangs am höchsten ist (vgl. Tab. 23).

4 Aufbereitung und Ergebnisse

163

4.3.2.2 Vergleich der Bewertung der Sprechproben zwischen den Herkunfts gruppen alte und neue Bundesländer Anhand der Verortung der Sprechproben konnte gezeigt werden, dass die Herkunft der Proband*innen einen Einfluss auf die Lokalisation hat (vgl. Kap. 4.2). Daher soll getestet werden, ob es einen Unterschied in der Bewertung der Sprechproben zwischen den beiden Herkunftsgruppen143 gibt. Da es sich dabei um zwei unabhängige Stichproben handelt, wurde der Mann-Whitney-Test angewandt. Somit lautet die Alternativhypothese: Es gibt einen Unterschied in der Bewertung der Sprechproben (Gefallen) zwischen der Herkunftsgruppe alte Bundesländer und der Herkunftsgruppe neue Bundesländer. Die Nullhypothese sagt demnach das Gegenteil aus. Mithilfe des Mann-Whitney-Tests kann ein signifikanter Unterschied in der Bewertung zwischen diesen beiden Gruppen belegt werden (p = 0,019). Dieses Ergebnis stützt die Hypothese, dass die Herkunft der Proband*innen Einfluss auf die Bewertung, Einschätzung und Wahrnehmung von Sprache hat (vgl. 0). Die Unterschiede werden im Vergleich der mittleren Ränge deutlich (vgl. Tab. 24). Herkunftsbundesland alte Bundesländer neue Bundesländer

N Mittlerer Rang 466 540,24 667 585,70

Asymptotische Signifikanz (2-seitig) p = 0,019*

Tab. 24: Mann-Whitney-Test zw. den Herkunftsgruppen bzgl. der Gefallen-Werte (α = 0,05).

Tendenziell bewerten die Proband*innen der neuen Bundesländer die Sprechproben positiver als diejenigen der alten – die Werte der mittleren Ränge sind bei dieser Gruppe höher als bei der anderen (vgl. Tab. 24). Damit ist die Alternativhypothese anzunehmen.

4.3.2.3 Vergleich der Bewertung der einzelnen Sprechproben HUNDT (vgl. Kap. 2. sowie u. a. HUNDT 1992, KEHREIN / LAMILE / PURSCHKE 2010, PURSCHKE 2008, 2011) stellte fest, dass Sprechproben, auch wenn es sich um standardnahe Hörbeispiele handelt, unterschiedlich bewertet werden. Daher wird im Folgenden mittels des Kruskal-Wallis-Tests (vier Sprechproben = vier unabhängige Stichproben) die Alternativhypothese geprüft, ob es signifikante Unterschiede in der Bewertung (Gefallen) zwischen den unterschiedlichen Sprechproben gibt.

143 Die Herkunftsgruppen beziehen sich auf das Geburtsbundesland, aufgrund dessen Teilnehmende, die in Berlin geboren worden sind, herausgenommen wurden.

164 Sprechprobe LBK SWE SWA DST

4 Aufbereitung und Ergebnisse N 280 289 276 288

Mittlerer Rang Asymptotische Signifikanz (2-seitig) 718,75 575,92 549,10 427,68 p ≤ 0,001*

Tab. 25: Kruskal-Wallis-Test zw. den Sprechproben bzgl. der Gefallen-Werte (α = 0,05).

Die Alternativhypothese kann auch in diesem Fall wieder angenommen werden: Der Unterschied in der Bewertung zwischen den einzelnen Sprechproben ist signifikant (p ≤ 0,001). Aus Tab. 25 wird ersichtlich, dass sich die mittleren Ränge der Gefallen-Werte der einzelnen Sprechproben gravierend unterscheiden. Die Ergebnisse vorhergehender Studien werden hier also bestätigt, d. h. bestimmte Sprechproben werden signifikant als angenehmer empfunden als andere. Beim Vergleich der Werte der mittleren Ränge wird dabei das Sprachbeispiel Lübeck (LBK) am positivsten (mittlerer Rang: 718,75) und jenes aus Dingelstädt (DST) am negativsten (mittlerer Rang: 427,68) bewertet. Die Sprechproben aus Schwerin (SWE) und Schwalmstadt (SWA) nehmen eine Mittelposition ein, wobei die Hörprobe aus Schwerin (SWE) tendenziell positiver wahrgenommen wird (vgl. Tab. 25). Durch die paarweisen Vergleiche der gehörten Sprechproben bezüglich der Bewertung dieser wird wiederum getestet, zwischen welchen Sprechproben signifikante Unterschiede gefunden werden können. Die zu prüfenden Alternativhypothesen lauten: 1. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Bewertung (Gefallen) zwischen der Lübecker (LBK) und der Schweriner (SWE) Sprechprobe. 2. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Bewertung (Gefallen) zwischen der Lübecker (LBK) und der Dingelstädter (DST) Sprechprobe. 3. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Bewertung (Gefallen) zwischen der Lübecker (LBK) und der Schwalmstädter (SWA) Sprechprobe. 4. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Bewertung (Gefallen) zwischen der Schweriner (SWE) und der Dingelstädter (DST) Sprechprobe. 5. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Bewertung (Gefallen) zwischen der Schweriner (SWE) und der Schwalmstädter (SWA) Sprechprobe. 6. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Bewertung (Gefallen) zwischen der Dingelstädter (DST) und der Schwalmstädter (SWA) Sprechprobe. Die Nullhypothesen stellen die gegenteiligen Aussagen dar und werden daher nicht eigens aufgenommen.

4 Aufbereitung und Ergebnisse

1. 2. 3. 4. 5. 6.

Sprechprobe LBK SWE LBK DST LBK SWA SWE DST SWE SWA DST SWA

N 280 289 280 288 280 276 289 288 289 276 288 276

Mittlerer Rang 321,00 250,12 358,00 213,05 320,75 235,64 326,19 251,68 289,61 276,08 251,95 314,38

165

Asymptotische Signifikanz (2-seitig) p ≤ 0,001* p ≤ 0,001* p ≤ 0,001* p ≤ 0,001* p = 0,315 p ≤ 0,001*

Tab. 26: Mann-Whitney-Test zw. den Sprechproben bzgl. der Gefallen-Werte (α = 0,05).

Das Hörbeispiel Dingelstädt (DST) unterscheidet sich signifikant in der Bewertung von den anderen Sprechproben: Ein signifikanter Unterschied in der Bewertung besteht zwischen der Sprechprobe Lübeck (LBK) und Dingelstädt (DST), Schwerin (SWE) und Dingelstädt (DST) sowie Schwalmstadt (SWA) und Dingelstädt (DST) (p ≤. 0,001). Beim Vergleich der mittleren Ränge fällt auf, dass der Wert bei dem Hörbeispiel Dingelstädt immer kleiner ist, somit die Sprechprobe aus Dingelstädt die geringsten Gefallen-Werte erhalten hat. Dies konnte schon in der Tab. 25 gezeigt werden. Durch den Kruskal-Wallis-Test konnte ermittelt werden, dass die Sprechproben Schwerin (SWE) und Schwalmstadt (SWA) tendenziell ähnlich bewertet werden und eine Mittelposition einnehmen. Der Mann-Whitney-Test kann diese Vermutung bestätigen: Zwischen diesen beiden gibt es keinen signifikanten Unterschied (p = 0,315) (vgl. Tab. 26). An dieser Stelle kann festgehalten werden, dass der Prime, die Herkunft und die Sprechprobe selbst eine Auswirkung auf die Bewertung (Gefallen) ausüben. Somit ist diese Variable kontextsensitiv. Aufgrund dieser Ergebnisse werden in einem ersten Schritt die Sprechproben einzeln dahingehend analysiert, inwieweit der Prime die Bewertung der Sprechproben beeinflusst, und einem zweiten Schritt geprüft, inwieweit die Herkunft der Proband*innen eine Auswirkung auf die Bewertung der einzelnen Sprechproben hat.

4.3.2.4 Vergleich der Bewertung bezogen auf die einzelnen Sprechproben und Prime-Gruppen Um die Auswirkungen der unterschiedlichen Priming-Bedingungen prüfen zu können, wurden die Daten nach den Sprechproben gruppiert und anschließend der Kruskal-Wallis-Test angewandt. Dabei wurden folgende Alternativhypothesen getestet:

166

4 Aufbereitung und Ergebnisse

1. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Bewertung der Sprechprobe Lübeck (LBK) zwischen den einzelnen Priming-Bedingungen (OHN, EINF, DOP). 2. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Bewertung der Sprechprobe Schwerin (SWE) zwischen den einzelnen Priming-Bedingungen (OHN, EINF, DOP). 3. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Bewertung der Sprechprobe Dingelstädt (DST) zwischen den einzelnen Priming-Bedingungen (OHN, EINF, DOP). 4. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Bewertung der Sprechprobe Schwalmstadt (SWA) zwischen den einzelnen Priming-Bedingungen (OHN, EINF, DOP). Die Nullhypothesen stellen dabei das Gegenteil der Aussagen der Alternativhypothese dar und werden hier nicht eigens ausformuliert. Sprechprobe 1. LBK 2. SWE 3. DST 4. SWA

Prime-Gruppe N

Mittlerer Rang

OHN EINF DOP OHN EINF DOP OHN EINF DOP OHN EINF DOP

159,10 137,96 123,86 158,22 159,56 114,36 130,52 151,23 152,90 129,78 143,43 143,31

93 98 89 105 94 90 101 95 92 99 92 85

Asymptotische Signifikanz (2-seitig) p = 0,009* p ≤ 0,001* p = 0,102 p = 0,381

Tab. 27: Kruskal-Wallis-Test zw. den Prime-Gruppen bzgl. der Gefallen-Werte zu den SP (α = 0,05).

Signifikante Unterschiede zwischen den Priming-Bedingungen lassen sich bei den Hörbeispielen aus Lübeck (LBK) (p = 0,009) und Schwerin (SWE) (p ≤ 0,001) feststellen. Bei diesen beiden Sprachbeispielen kann jeweils die Alternativhypothese angenommen werden. Die Werte der mittleren Ränge des Sprachbeispiels Lübeck (LBK) weisen auf einen deutlichen Unterschied zwischen der Kontrollgruppe (OHN; mittlerer Rang: 159,10) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP; mittlerer Rang: 123,86) hin. Ähnlich verhält es sich bei der Schweriner Sprechprobe, wobei die Werte bei der Kontrollgruppe (OHN; mittlerer Rang: 158,22) und bei der einfachen Prime-Gruppe (EINF; mittlerer Rang: 159,56) annähernd gleich sind und ein großer Unterschied dieser beiden Gruppen zur verstärkten PrimeGruppe (DOP; mittlerer Rang: 114,36) besteht (vgl. Tab. 27).

4 Aufbereitung und Ergebnisse

167

Die Sprechproben Dingelstädt (DST, p = 0,102) und Schwalmstadt (SWA, p = 0,381) weisen dagegen keine signifikanten Unterschiede in der Bewertung zwischen den Priming-Bedingungen auf. Daher wird die Nullhypothese angenommen, dass keine signifikanten Unterschiede in der Bewertung der Sprechprobe Dingelstädt (DST) und der Sprechprobe Schwalmstadt (SWA) zwischen den einzelnen Priming-Bedingungen (OHN, EINF, DOP) bestehen. Ersichtlich wird aber aus der Tab. 27, dass die einfache Prime-Gruppe (EINF) und die verstärkte Prime-Gruppe (DOP) tendenziell sowohl die Hörprobe aus Dingelstädt (DST) als auch diejenige aus Schwalmstadt (SWA) positiver bewerten als die Kontrollgruppe (OHN). Die Werte der mittleren Ränge sind bei den Gruppen mit einem Prime bei diesen beiden Sprechproben höher als die der Kontrollgruppe (OHN) (vgl. Tab. 27). Aufgrund der signifikanten Unterschiede zwischen den Priming-Bedingungen bei den Sprachbeispielen Lübeck (LBK) und Schwerin (SWE) (vgl. Tab. 27) wurde zusätzlich der Mann-Whitney-Test angewandt, um zu ermitteln, zwischen welchen Bedingungen/Gruppen diese signifikanten Unterschiede bestehen. Die Alternativhypothesen lauten: 1. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Bewertung der Sprechprobe Lübeck (LBK) zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der einfachen PrimeGruppe (EINF). 2. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Bewertung der Sprechprobe Lübeck (LBK) zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der verstärkten PrimeGruppe (DOP). 3. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Bewertung der Sprechprobe Lübeck (LBK) zwischen der einfachen Prime-Gruppe (EINF) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP). 4. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Bewertung der Sprechprobe Schwerin (SWE) zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der einfachen Prime-Gruppe (EINF). 5. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Bewertung der Sprechprobe Schwerin (SWE) zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP). 6. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Bewertung der Sprechprobe Schwerin (SWE) zwischen der einfachen Prime-Gruppe (EINF) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP). In diesem Fall entsprechen die gegenteiligen Aussagen der Alternativhypothesen den Nullhypothesen.

168 Sprechprobe

LBK

SWE

4 Aufbereitung und Ergebnisse Prime-Gruppe 1. OHN EINF 2. OHN DOP 3. EINF DOP 4. OHN EINF 5. OHN DOP 6. EINF DOP

N

Mittlerer Rang

93 98 93 89 98 89 105 94 105 90 94

103,28 89,09 102,82 79,67 98,37 89,19 99,71 100,32 111,51 82,23 106,74

90

77,63

Asymptotische Signifikanz (2-seitig) p = 0,066 p = 0,002* p = 0,233 p = 0,939 p ≤ 0,001* p ≤ 0,001*

Tab. 28: Mann-Whitney-Test zw. den Prime-Gruppen bzgl. der Gefallen-Werte zu den SP (α = 0,05).

Die Vermutungen, die mittels des Kruskal-Wallis-Test (vgl. Tab. 27) aufgestellt wurden, können durch den Mann-Whitney-Test bestätigt werden: Ein signifikanter Unterschied in der Bewertung des Sprachbeispiels Lübeck (LBK) besteht zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) (p = 0,002). Die Kontrollgruppe (OHN; mittlerer Rang: 102,82) bewertet das Sprachbeispiel Lübeck (LBK) in der Tendenz positiver als die Gruppe mit dem verstärkten Prime (DOP; mittlerer Rang: 79,67). Bei den anderen beiden Paaren besteht kein signifikanter Unterschied in der Bewertung des Lübecker Sprachbeispiels, obwohl die Werte der mittleren Ränge derartiges andeuten. Tendenziell bewertet die Kontrollgruppe positiver als die Gruppen mit einem Prime (vgl. Tab. 28). Somit kann die 2. Alternativhypothese angenommen werden, im Fall von 1. und 3. gilt die Nullhypothese. Bei der Sprechprobe Schwerin (SWE) kann ein ähnliches Ergebnis festgestellt werden. Die paarweisen Vergleiche bestätigen dabei nur teilweise die oben aufgestellten Vermutungen: Ein signifikanter Unterschied in der Bewertung der Sprechprobe Schwerin (SWE) besteht zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) (p ≤ 0,001), nicht aber zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der einfachen Prime-Gruppe (EINF) (p = 0,939). Die Kontrollgruppe (OHN; mittlerer Rang: 111,51) bewertet im Gegensatz zur verstärkten PrimeGruppe (DOP; mittlerer Rang: 82,23) diese Hörprobe positiver. Die Bewertung ist bei der Kontrollgruppe (OHN; mittlerer Rang: 99,71) und der einfachen PrimeGruppe (EINF; mittlerer Rang: 100,32) annähernd gleich (vgl. Tab. 28). Entgegen der Vermutung lässt sich jedoch ein signifikanter Unterschied in der Bewertung des Sprachbeispiels Schwerin (SWE) zwischen der einfachen Prime-Gruppe (EINF) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) ausmachen (p ≤ 0,001). In diesem Fall bewertet die einfache Prime-Gruppe (EINF; mittlerer Rang: 106,74) das Sprachbeispiel Schwerin (SWE) tendenziell positiver als die verstärkte Prime-Gruppe (DOP;

4 Aufbereitung und Ergebnisse

169

mittlerer Rang: 77,63) (vgl. Tab. 28). Aufgrund dessen können die 5. und 6. Alternativhypothese angenommen werden, wohingegen die 4. verworfen werden muss.

4.3.2.5 Vergleich der Bewertung der einzelnen Sprechproben bezogen auf Herkunfts- und Prime-Gruppe In einem weiteren Schritt soll nun getestet werden, wie sich die Bewertung der einzelnen Sprechproben verhält, wenn die Herkunft der Proband*innen (bezogen auf das Geburtsbundesland) sowie die Prime-Gruppen berücksichtigt werden. Es hat sich in den Verortungen der einzelnen Hörproben gezeigt, dass diese beiden Faktoren unterschiedliche Lokalisationen hervorrufen können (vgl. Kap. 4.2). Daher wurden die Daten der Proband*innen im Folgenden in eine Herkunftsgruppe alte Bundesländer und eine Herkunftsgruppe neue Bundesländer gruppiert und zum einen dahingehend getestet, ob es innerhalb dieser Gruppen Unterschiede in der Bewertung der einzelnen Sprechproben gibt und zum anderen wurde geprüft, ob zwischen den Herkunftsgruppen bezogen auf die Prime-Gruppen bzw. die Priming-Bedingungen Unterschiede in der Bewertung der einzelnen Sprechproben bestehen. Zum Schluss wurde analysiert, ob sich die Bewertung der einzelnen Sprechproben zwischen den einzelnen Priming-Bedingungen bezogen auf die Herkunft unterscheidet. 4.3.2.5.1 Vergleich der Bewertung der einzelnen Sprechproben zwischen den Herkunftsgruppen Dass ein signifikanter Unterschied in der Bewertung der Sprechproben (Gefallen) zwischen der Herkunftsgruppe alte Bundesländer und der Herkunftsgruppe neue Bundesländer besteht, konnte mittels des Mann-Whitney-Tests herausgestellt werden (p = 0,019, vgl. Tab. 24). Aufgrund der signifikant unterschiedlichen Bewertungen der einzelnen Sprechproben (vgl. Tab. 25, Tab. 26), wird jeweils mit dem Mann-Whitney-Test geprüft, bei welchen Sprechproben die Proband*innen aus den neuen und den alten Bundesländern unterschiedliche Bewertungen vornehmen. Hierbei lauten die Alternativhypothesen: 1. Es besteht ein signifikanter Unterschied in der Bewertung der Sprechprobe Lübeck (LBK) zwischen der Herkunftsgruppe alte Bundesländer und der Herkunftsgruppe neue Bundesländer. 2. Es besteht ein signifikanter Unterschied in der Bewertung der Sprechprobe Schwerin (SWE) zwischen der Herkunftsgruppe alte Bundesländer und der Herkunftsgruppe neue Bundesländer. 3. Es besteht ein signifikanter Unterschied in der Bewertung der Sprechprobe Dingelstädt (DST) zwischen der Herkunftsgruppe alte Bundesländer und der Herkunftsgruppe neue Bundesländer.

170

4 Aufbereitung und Ergebnisse

4. Es besteht ein signifikanter Unterschied in der Bewertung der Sprechprobe Schwalmstadt (SWA) zwischen der Herkunftsgruppe alte Bundesländer und der Herkunftsgruppe neue Bundesländer. Die gegenteilige Aussage der Alternativhypothesen stellt dabei wieder die Nullhypothese dar und wird daher nicht eigens ausformuliert. Sprechprobe LBK SWE DST SWA

1. 2. 3. 4.

Herkunftsbundes

N

Mittlerer Rang

alte Bundesländer neue Bundesländer alte Bundesländer neue Bundesländer alte Bundesländer neue Bundesländer alte Bundesländer neue Bundesländer

117 163 110 179 126 162 113 163

144,58 137,57 143,72 145,79 124,19 160,30 132,54 142,63

Asymptotische Signifikanz (2-seitig) p = 0,460 p = 0,835 p ≤ 0,001* p = 0,290

Tab. 29: Mann-Whitney-Test zw. den Herkunftsgruppen bzgl. der Gefallen-Werte zu den SP (α = 0,05).

Signifikante Unterschiede zwischen den beiden Herkunftsgruppen lassen sich nur bei der Sprechprobe Dingelstädt (DST) ausmachen (p ≤ 0,001). Demnach kann nur die 3. Alternativhypothese angenommen werden, in allen anderen Fällen ist die Nullhypothese anzunehmen. Aus der Tab. 29 wird deutlich, dass die Herkunftsgruppe neue Bundesländer (mittlerer Rang: 160,30) das Hörbeispiel Dingelstädt (DST) tendenziell positiver bewertet als die Herkunftsgruppe alte Bundesländer (mittlerer Rang: 124,19) (vgl. Tab. 29). 4.3.2.5.2 Vergleich der Bewertung der einzelnen Sprechproben zwischen den Herkunftsgruppen bezogen auf die Priming-Bedingungen Da vorhergehend signifikante Unterschiede in der Bewertung der einzelnen Sprechproben zwischen den Prime-Gruppen ausgemacht werden konnten (vgl. Tab. 27, Tab. 28), wird im Folgenden geprüft, ob es signifikante Unterschied in der Bewertung einer Sprechprobe zwischen den Herkunftsgruppen innerhalb der jeweiligen Prime-Gruppe (OHN, EINF, DOP) gibt. Dabei lauten die Alternativhypothesen: 1. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Bewertung der Sprechprobe Lübeck (LBK) zwischen der Herkunftsgruppe alte Bundesländer und der Herkunftsgruppe neue Bundesländer innerhalb der Kontrollgruppe (OHN).

4 Aufbereitung und Ergebnisse

171

2. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Bewertung der Sprechprobe Lübeck (LBK) zwischen der Herkunftsgruppe alte Bundesländer und der Herkunftsgruppe neue Bundesländer innerhalb der einfachen Prime-Gruppe (EINF). 3. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Bewertung der Sprechprobe Lübeck (LBK) zwischen der Herkunftsgruppe alte Bundesländer und der Herkunftsgruppe neue Bundesländer innerhalb der verstärkten Prime-Gruppe (DOP). 4. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Bewertung der Sprechprobe Schwerin (SWE) zwischen der Herkunftsgruppe alte Bundesländer und der Herkunftsgruppe neue Bundesländer innerhalb der Kontrollgruppe (OHN). 5. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Bewertung der Sprechprobe Schwerin (SWE) zwischen der Herkunftsgruppe alte Bundesländer und der Herkunftsgruppe neue Bundesländer innerhalb der einfachen Prime-Gruppe (EINF). 6. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Bewertung der Sprechprobe Schwerin (SWE) zwischen der Herkunftsgruppe alte Bundesländer und der Herkunftsgruppe neue Bundesländer innerhalb der verstärkten Prime-Gruppe (DOP). 7. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Bewertung der Sprechprobe Dingelstädt (DST) zwischen der Herkunftsgruppe alte Bundesländer und der Herkunftsgruppe neue Bundesländer innerhalb der Kontrollgruppe (OHN). 8. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Bewertung der Sprechprobe Dingelstädt (DST) zwischen der Herkunftsgruppe alte Bundesländer und der Herkunftsgruppe neue Bundesländer innerhalb der einfachen Prime-Gruppe (EINF). 9. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Bewertung der Sprechprobe Dingelstädt (DST) zwischen der Herkunftsgruppe alte Bundesländer und der Herkunftsgruppe neue Bundesländer innerhalb der verstärkten Prime-Gruppe (DOP). 10. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Bewertung der Sprechprobe Schwalmstadt (SWA) zwischen der Herkunftsgruppe alte Bundesländer und der Herkunftsgruppe neue Bundesländer innerhalb der Kontrollgruppe (OHN). 11. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Bewertung der Sprechprobe Schwalmstadt (SWA) zwischen der Herkunftsgruppe alte Bundesländer und der Herkunftsgruppe neue Bundesländer innerhalb der einfachen PrimeGruppe (EINF). 12. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Bewertung der Sprechprobe Schwalmstadt (SWA) zwischen der Herkunftsgruppe alte Bundesländer und der Herkunftsgruppe neue Bundesländer innerhalb der verstärkten PrimeGruppe (DOP). Dabei nimmt auch hier die gegenteilige Aussage der Alternativhypothese die Nullhypothese ein und wird nicht gesondert aufgeführt.

172 Sprechprobe

4 Aufbereitung und Ergebnisse PrimeGruppe

OHN LBK

EINF DOP OHN

SWE

EINF DOP OHN

DST

EINF DOP OHN

SWA

EINF DOP

Herkunftsbundesland N

1.

alte Bundesländer neue Bundesländer 2. alte Bundesländer neue Bundesländer 3. alte Bundesländer neue Bundesländer 4. alte Bundesländer neue Bundesländer 5. alte Bundesländer neue Bundesländer 6. alte Bundesländer neue Bundesländer 7. alte Bundesländer neue Bundesländer 8. alte Bundesländer neue Bundesländer 9. alte Bundesländer neue Bundesländer 10. alte Bundesländer neue Bundesländer 11. alte Bundesländer neue Bundesländer 12. alte Bundesländer neue Bundesländer

39 54 44 54 34 55 36 69 36 58 38 52 46 55 42 53 38 54 36 63 43 49 34 51

Mittlerer Rang Asymptotische Signifikanz (2-seitig) 53,29 42,45 p = 0,045* 47,88 50,82 p = 0,599 44,29 45,44 p = 0,834 56,68 51,08 p = 0,362 48,67 46,78 p = 0,737 41,51 48,41 p = 0,207 45,87 55,29 p = 0,100 39,20 54,97 p = 0,005* 40,00 51,07 p = 0,046* 42,31 54,40 p = 0,040* 50,14 43,31 p = 0,208 39,56 45,29 p = 0,279

Tab. 30: Mann-Whitney-Test zw. Herkunftsgruppen bzgl. der Prime-Gr. zu den SP (Gefallen) (α = 0,05).

Signifikante Unterschiede zwischen den Herkunftsgruppen bezogen auf die Priming-Bedingungen lassen sich bei den Sprechproben Lübeck (LBK), Dingelstädt (DST) und Schwalmstadt (SWA) belegen. Bei dem Sprachbeispiel Lübeck (LBK) können signifikante Unterschiede zwischen der Herkunftsgruppe alte Bundesländer und der Herkunftsgruppe neue Bundesländer bei der Kontrollgruppe (OHN) festgestellt werden (p = 0,045). Bei dieser Konstellation bewertet die Gruppe der alten Bundesländer (mittlerer Rang: 53,29) diese Sprechprobe tendenziell positiver als die der neuen (mittlerer Rang: 42,45). Bezogen auf den einfachen (EINF) und den verstärkten Prime (DOP) lassen sich bei den Herkunftsgruppen in der Bewertung der Sprechprobe Lübeck keine weiteren signifikanten Unterschiede feststellen (vgl. Tab. 30). Aufgrund dessen kann die 1. Alternativhypothese angenommen werden, für die 2. und 3. gilt hingegen die Nullhypothese, d. h. es bestehen keine signifikanten Unterschiede. Bezogen auf die Hörprobe Schwerin (SWE) kann keine der Alternativhypothesen (4.−6.) angenommen werden. Bei dieser hat der Mann-Whitney-Test für alle

4 Aufbereitung und Ergebnisse

173

drei Priming-Bedingungen keine signifikanten Unterschiede zwischen den Herkunftsgruppen ergeben (vgl. Tab. 30). Somit gelten bei dieser Konstellation die entsprechenden Nullhypothesen. Bei der Sprechprobe Dingelstädt (DST) sind die signifikanten Unterschiede in der Bewertung zwischen den Herkunftsgruppen zum einen beim einfachen Prime (EINF, p = 0,005) und zum anderen beim verstärkten Prime (DOP, p = 0,046) feststellbar. Dabei bewerten die Proband*innen aus den neuen Bundesländern (mittlerer Rang: 54,97) die Dingelstädter Sprechprobe tendenziell positiver als die aus den alten Bundesländern (mittlerer Rang: 39,20) innerhalb der einfachen Prime-Gruppe (EINF). Gleiches lässt sich bei der Gruppe mit dem verstärkten Prime (DOP) ausmachen: Die Herkunftsgruppe neue Bundesländer (mittlerer Rang: 51,07) bewertet diese Sprechprobe positiver als die Herkunftsgruppe alte Bundesländer (mittlerer Rang: 40,00) (vgl. Tab. 30). Daher können bei dem Sprachbeispiel Dingelstädt die Alternativhypothesen 8 und 9 angenommen werden. Die 7. muss jedoch verworfen werden, hier gilt die Nullhypothese. Die Hörprobe Schwalmstadt (SWA) gestaltet sich ähnlich wie die Schweriner (SWE): Signifikante Unterschiede zwischen den Herkunftsgruppen lassen sich nur bei der Kontrollgruppe (OHN, p = 0,040) finden. Im Gegensatz zum Sprachbeispiel Schwerin (SWE) bewertet die Herkunftsgruppe neue Bundesländer (mittlerer Rang: 54,40) die Schwalmstädter Sprechprobe tendenziell positiver als die Herkunftsgruppe alte Bundesländer (mittlerer Rang: 42,31) (vgl. Tab. 30). Aufgrund dessen kann für diese Konstellation die 10. Alternativhypothese angenommen werden, wohingegen die 11. und 12. verworfen werden müssen, hier gelten die Nullhypothesen, dass es keine signifikanten Unterschiede zwischen den Herkunftsgruppen bezogen auf den einfachen (EINF) und den verstärkten Prime (DOP) gibt. 4.3.2.5.3 Vergleich der Bewertung der einzelnen Sprechproben zwischen den Priming-Bedingungen bezogen auf die Herkunftsgruppe Es konnte gezeigt werden, dass ein signifikanter Unterschied in der Bewertung der Sprechproben zwischen der einfachen (EINF) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) besteht (vgl. Tab. 23). Ebenfalls wurden signifikante Unterschiede zwischen den Priming-Bedingungen bei einzelnen Sprechproben ausgemacht (vgl. Tab. 27, Tab. 28). Aufgrund dessen wird im Folgenden bei den einzelnen Hörbeispielen geprüft, ob sich signifikante Unterschiede zwischen den Priming-Bedingungen innerhalb der Herkunftsgruppen finden lassen.

174

4 Aufbereitung und Ergebnisse

Sprechprobe Lübeck Bezogen auf die Prime-Gruppen konnten signifikante Unterschiede in der Bewertung der Sprechprobe Lübeck (LBK) festgestellt werden, wobei diese Unterschiede die Kontrollgruppe (OHN) und die verstärkte Prime-Gruppe (DOP) betreffen (vgl. Tab. 28). Ebenfalls lassen sich signifikante Unterschiede zwischen den Herkunftsgruppen innerhalb der Kontrollgruppe ausmachen (vgl. Tab. 30). Daher wird in den folgenden Analysen geprüft, ob es Unterschiede in der Bewertung zwischen den Priming-Bedingungen innerhalb der Herkunftsgruppen gibt. Die Alternativhypothesen, die hierbei getestet werden, lauten folgendermaßen: 1. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Bewertung der Sprechprobe Lübeck (LBK) zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der einfachen PrimeGruppe (EINF) innerhalb der Herkunftsgruppe alte Bundesländer. 2. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Bewertung der Sprechprobe Lübeck (LBK) zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der verstärkten PrimeGruppe (DOP) innerhalb der Herkunftsgruppe alte Bundesländer. 3. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Bewertung der Sprechprobe Lübeck (LBK) zwischen der einfachen Prime-Gruppe (EINF) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) innerhalb der Herkunftsgruppe alte Bundesländer. 4. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Bewertung der Sprechprobe Lübeck (LBK) zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der einfachen PrimeGruppe (EINF) innerhalb der Herkunftsgruppe neue Bundesländer. 5. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Bewertung der Sprechprobe Lübeck (LBK) zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der verstärkten PrimeGruppe (DOP) innerhalb der Herkunftsgruppe neue Bundesländer. 6. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Bewertung der Sprechprobe Lübeck (LBK) zwischen der vereinfachten Prime-Gruppe (EINF) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) innerhalb der Herkunftsgruppe neue Bundesländer. Die gegenteiligen Aussagen der Alternativhypothesen bilden die jeweiligen Nullhypothesen.

175

4 Aufbereitung und Ergebnisse

Sprechprobe

Herkunftsbundesland 1. alte Bundesländer

2. 3.

LBK

4. neue Bundesländer

5. 6.

PrimeGruppe

N

OHN EINF OHN DOP EINF DOP OHN EINF OHN DOP EINF DOP

39 44 39 34 44 34 54 54 54 55 54 55

Mittlerer Rang 48,88 35,90 43,23 29,85 40,60 38,07 55,40 53,60 59,56 50,53 58,24 51,82

Asymptotische Signifikanz (2-seitig) p = 0,010* p = 0,005* p = 0,612 p = 0,758 p = 0,122 p = 0,274

Tab. 31: Mann-Whitney-Test zw. den Prime-Gruppen zu LBK bzgl. der Herkunft (Gefallen) (α = 0,05).

Ein signifikanter Unterschied in der Bewertung des Lübecker (LBK) Sprachbeispiels besteht bei der Herkunftsgruppe alte Bundesländer zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der einfachen Prime-Gruppe (EINF) (p = 0,010) sowie zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) (p = 0,005). Dabei wird die Sprechprobe Lübeck von der Kontrollgruppe (OHN) sowohl im Vergleich zur einfachen Prime-Gruppen (EINF) als auch im Vergleich zur verstärkten Prime-Gruppe (DOP) tendenziell positiver bewertet. Der verstärkte Prime bewirkt hingegen bei dieser Konstellation, dass die Sprechprobe Lübeck tendenziell negativer bewertet wird (vgl. Tab. 31). Somit werden die Alternativhypothesen 1 und 2 bezüglich der Sprechprobe Lübeck innerhalb der Herkunftsgruppe alte Bundesländer angenommen und die 3. verworfen. Die Daten der Herkunftsgruppe neue Bundesländer lassen im Vergleich der Priming-Bedingungen keine signifikanten Unterschiede in der Bewertung des Lübecker Sprachbeispiels erkennen (vgl. Tab. 31). Daher werden die Alternativhypothesen 4 bis 6 verworfen. Sprechprobe Schwerin Bei der Sprechprobe Schwerin (SWE) konnten signifikante Unterschiede in der Bewertung zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) sowie zwischen einfacher Prime-Gruppe (EINF) und der verstärkten PrimeGruppe (DOP) ausgemacht werden (vgl. Tab. 28). Bezogen auf die einzelnen Prime-Gruppen wurden keine signifikanten Unterschiede zwischen den Herkunftsgruppen festgestellt (vgl. Tab. 30). Im Folgenden wird jedoch mittels des MannWhitney-Tests geprüft, ob signifikante Unterschiede zwischen den Prime-Gruppe bezogen auf die Herkunftsgruppe bestehen, da belegt werden konnte, dass signifi-

176

4 Aufbereitung und Ergebnisse

kante Unterschiede zwischen der Herkunftsgruppe alte Bundesländer und der Herkunftsgruppe neue Bundesländer in der Bewertung der Sprechproben bestehen (vgl. Tab. 24). Dabei lauten die Alternativhypothesen wie folgt: 1. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Bewertung der Sprechprobe Schwerin (SWE) zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der einfachen Prime-Gruppe (EINF) innerhalb der Herkunftsgruppe alte Bundesländer. 2. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Bewertung der Sprechprobe Schwerin (SWE) zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) innerhalb der Herkunftsgruppe alte Bundesländer. 3. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Bewertung der Sprechprobe Schwerin (SWE) zwischen der einfachen Prime-Gruppe (EINF) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) innerhalb der Herkunftsgruppe alte Bundesländer. 4. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Bewertung der Sprechprobe Schwerin (SWE) zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der einfachen Prime-Gruppe (EINF) innerhalb der Herkunftsgruppe neue Bundesländer. 5. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Bewertung der Sprechprobe Schwerin (SWE) zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) innerhalb der Herkunftsgruppe neue Bundesländer. 6. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Bewertung der Sprechprobe Schwerin (SWE) zwischen der vereinfachten Prime-Gruppe (EINF) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) innerhalb der Herkunftsgruppe neue Bundesländer. Die entsprechenden Nullhypothesen setzen sich wieder aus den gegenteiligen Aussagen der Alternativhypothesen zusammen und werden nicht gesondert aufgenommen.

177

4 Aufbereitung und Ergebnisse

Sprechprobe

Herkunftsbundesland 1. alte Bundesländer

2. 3.

SWE

4. neue Bundesländer

5. 6.

PrimeGruppe

N

Mittlerer Rang

OHN EINF OHN DOP EINF DOP OHN EINF OHN DOP EINF DOP

36 36 36 38 36 38 69 58 69 52 58 52

37,21 35,79 46,38 29,09 46,00 29,45 63,28 64,85 66,03 54,33 61,42 48,89

Asymptotische Signifikanz (2-seitig) p = 0,768 p ≤ 0,001* p = 0,001* p = 0,807 p = 0,064 p = 0,035*

Tab. 32: Mann-Whitney-Test zw. den Prime-Gruppen zu SWE bzgl. der Herkunft (Gefallen) (α = 0,05).

Signifikante Unterschiede lassen sich in der Bewertung der Sprechprobe Schwerin (SWE) bei der Herkunftsgruppe alte Bundesländer zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) (p ≤ 0,001) sowie der einfachen Prime-Gruppe (EINF) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) (p = 0,001) feststellen. Dabei bewerten die Proband*innen der Kontrollgruppe (OHN; mittlerer Rang: 46,38) die Sprechprobe Schwerin (SWE) tendenziell positiver als diejenigen der verstärkten Prime-Gruppe (DOP; mittlerer Rang: 29,09). Ähnlich verhält es sich zwischen der einfachen Prime-Gruppe (EINF; mittlerer Rang: 46,00) und der verstärkten Prime-gruppe (DOP; mittlerer Rang: 29,45) (vgl. Tab. 32). Aufgrund dieser Ergebnisse können die Alternativhypothesen 2 und 3 angenommen werden, wohingegen die 1. Alternativhypothese verworfen werden muss bzw. hier die Nullhypothese gilt. Bezogen auf die Herkunftsgruppe neue Bundesländer lässt sich ein signifikanter Unterschied zwischen der einfachen Prime-Gruppe (EINF) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) ausmachen (p = 0,035). Die Proband*innen der einfachen Prime-Gruppe (EINF; mittlerer Rang: 61,42) bewerten das Schweriner Sprachbeispiel tendenziell positiver als die Gruppe mit dem verstärkten Prime (DOP; mittlerer Rang: 48,89). Ähnliches deutet sich beim Vergleich der Kontrollgruppe (OHN; mittlerer Rang: 66,03) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP; mittlerer Rang: 54,33) an, wobei dieser Unterschied jedoch nicht signifikant ist (vgl. Tab. 32). In diesem Fall kann die 6. Alternativhypothese angenommen werden, wohingegen die Alternativhypothesen 4 und 5 verworfen werden müssen.

178

4 Aufbereitung und Ergebnisse

Sprechprobe Dingelstädt Bei dem Hörbeispiel aus Dingelstädt (DST) wurden zwischen der Herkunftsgruppe alte Bundesländer und der Herkunftsgruppe neue Bundesländer signifikante Unterschiede in der Bewertung ausgemacht (vgl. Tab. 29). Diese signifikanten Unterschiede konnten innerhalb der einfachen Prime-Gruppe (EINF) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) gefunden werden, wobei die Proband*innen der neuen Bundesländer in den jeweiligen Priming-Bedingungen die Dingelstädter Sprechprobe positiver bewerten als diejenigen der alten Bundesländer. In einem weiteren Schritt soll daher geprüft werden, ob es innerhalb der Herkunftsgruppe zwischen den einzelnen Prime-Gruppen Unterschiede in der Bewertung des Sprachbeispiels Dingelstädt (DST) gibt. Im Folgenden werden somit als Alternativhypothesen getestet: 1. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Bewertung der Sprechprobe Dingelstädt (DST) zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der einfachen PrimeGruppe (EINF) innerhalb der Herkunftsgruppe alte Bundesländer. 2. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Bewertung der Sprechprobe Dingelstädt (DST) zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der verstärkten PrimeGruppe (DOP) innerhalb der Herkunftsgruppe alte Bundesländer. 3. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Bewertung der Sprechprobe Dingelstädt (DST) zwischen der einfachen Prime-Gruppe (EINF) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) innerhalb der Herkunftsgruppe alte Bundesländer. 4. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Bewertung der Sprechprobe Dingelstädt (DST) zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der einfachen PrimeGruppe (EINF) innerhalb der Herkunftsgruppe neue Bundesländer. 5. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Bewertung der Sprechprobe Dingelstädt (DST) zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der verstärkten PrimeGruppe (DOP) innerhalb der Herkunftsgruppe neue Bundesländer. 6. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Bewertung der Sprechprobe Dingelstädt (DST) zwischen der vereinfachten Prime-Gruppe (EINF) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) innerhalb der Herkunftsgruppe neue Bundesländer. Die Nullhypothesen werden nicht gesondert aufgeführt, sie stellen die gegenteilige Aussage der Alternativhypothese dar.

179

4 Aufbereitung und Ergebnisse

Sprechprobe

Herkunftsbundesland 1. alte Bundesländer

2. 3.

DST

4. neue Bundesländer

5. 6.

PrimeGruppe

N

Mittlerer Rang

OHN EINF OHN DOP EINF DOP OHN EINF OHN DOP EINF DOP

46 42 46 38 42 38 55 53 55 54 53 54

42,64 46,54 40,73 44,64 39,89 41,17 48,68 60,54 49,89 60,20 54,84 53,18

Asymptotische Signifikanz (2-seitig) 0,463 0,454 0,801 0,044* 0,082 0,777

Tab. 33: Mann-Whitney-Test zw. den Prime-Gruppen zu DST bzgl. der Herkunft (Gefallen) (α = 0,05).

Der Vergleich der Prime-Gruppen bezogen auf die Herkunftsgruppe alte Bundesländer zeigt keine signifikanten Unterschiede in der Bewertung der Sprechprobe Dingelstädt auf (vgl. Tab. 33.). Im Vergleich der Priming-Bedingungen bezogen auf die Herkunftsgruppe neue Bundesländer zeigt sich dagegen ein signifikanter Unterschied zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der einfachen Prime-Gruppe (EINF) (p = 0,044). Dabei bewerten die Proband*innen in der einfachen PrimeGruppe (EINF; mittlerer Rang: 60,54) diese Hörprobe tendenziell positiver als diejenigen der Kontrollgruppe (OHN; mittlerer Rang: 48,68). Eine ähnliche Tendenz zeigt sich auch beim Vergleich der Kontrollgruppe (OHN; mittlerer Rang: 49,89) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP; mittlerer Rang: 60,20), wobei dieser Unterschied nicht signifikant ist (vgl. Tab. 33). Aufgrund dieser Ergebnisse kann die 4. Alternativhypothese bestätigt werden. In sämtlichen anderen Fällen wird die Nullhypothese angenommen. Sprechprobe Schwalmstadt Bei der Sprechprobe Schwalmstadt (SWA) konnten weder zwischen den PrimeGruppen (vgl. Tab. 27) noch zwischen den Herkunftsgruppen (vgl. Tab. 29) signifikante Unterschiede festgestellt werden. Zwischen der Herkunftsgruppe alte Bundesländer und der Herkunftsgruppe neue Bundesländer bezogen auf die Kontrollgruppe (OHN) besteht jedoch ein signifikanter Unterschied (vgl. Tab. 30). Daher werden folgende Alternativhypothesen geprüft: 1. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Bewertung der Sprechprobe Schwalmstadt (SWA) zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der einfachen Prime-Gruppe (EINF) innerhalb der Herkunftsgruppe alte Bundesländer.

180

4 Aufbereitung und Ergebnisse

2. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Bewertung der Sprechprobe Schwalmstadt (SWA) zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) innerhalb der Herkunftsgruppe alte Bundesländer. 3. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Bewertung der Sprechprobe Schwalmstadt (SWA) zwischen der einfachen Prime-Gruppe (EINF) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) innerhalb der Herkunftsgruppe alte Bundesländer. 4. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Bewertung der Sprechprobe Schwalmstadt (SWA) zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der einfachen Prime-Gruppe (EINF) innerhalb der Herkunftsgruppe neue Bundesländer. 5. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Bewertung der Sprechprobe Schwalmstadt (SWA) zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) innerhalb der Herkunftsgruppe neue Bundesländer. 6. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Bewertung der Sprechprobe Schwalmstadt (SWA) zwischen der vereinfachten Prime-Gruppe (EINF) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) innerhalb der Herkunftsgruppe neue Bundesländer. Die gegenteiligen Aussagen der Alternativhypothesen stellen hierbei wieder die Nullhypothesen dar und werden nicht eigens ausformuliert. Sprechprobe

Herkunftsbundesland 1. alte Bundesländer

2. 3.

SWA

4. neue Bundesländer

5. 6.

PrimeGruppe

N

Mittlerer Rang

OHN EINF OHN DOP EINF DOP OHN EINF OHN DOP EINF DOP

36 43 36 34 43 34 63 49 63 51 49 51

32,69 46,12 31,94 39,26 41,76 35,51 57,80 54,83 56,65 58,55 47,48 53,40

Asymptotische Signifikanz (2-seitig) 0,008* 0,123 0,209 0,623 0,754 0,295

Tab. 34: Mann-Whitney-Test zw. den Prime-Gruppen zu SWA bzgl. der Herkunft (Gefallen) (α = 0,05).

Aus der Tab. 34 wird deutlich, dass nur ein signifikanter Unterschied zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der einfachen Prime-Gruppe (EINF) innerhalb der Herkunftsgruppe alte Bundesländer besteht (p = 0,008). Hierbei bewertet die Gruppe mit dem einfachen Prime (EINF) diese Sprachbeispiel tendenziell positiver als die

4 Aufbereitung und Ergebnisse

181

Kontrollgruppe (OHN). Zwischen den anderen Gruppen lassen sich keine signifikanten Unterschiede ausmachen (vgl. Tab. 34). Aufgrund dessen wird die 1. Alternativhypothese angenommen, in den anderen Fällen bleiben dagegen die Nullhypothesen bestehen. Ersichtlich wird jedoch, dass die Wirkung bei dieser Sprachprobe gemischt ist (vgl. Tab. 34). 4.3.3 Variable Ähnlichkeit der gehörten Sprechprobe zur eigenen Sprechweise Die Variable Ähnlichkeit wurde mittels der Frage 2.17. des Fragebogens erfasst (vgl. Kap. 3.1.3). Die Teilnehmenden konnten wie bei der Variable Gefallen auf einer Skala von -3 (absolut unähnlich) bis +3 (sehr ähnlich) die gehörte Sprechprobe dahingehend einschätzen, wie ähnliche sie das Gehörte zu ihrer eigenen Sprechweise empfinden. Bei dieser Variable hängen die Einschätzungen stark davon ab, wo sich die Heimat der Proband*innen selbst befindet. Aufgrund der Herkunftsverteilung der Gewährspersonen überwiegend auf den norddeutschen Raum kann davon ausgegangen werden, dass besonders bei den Sprechproben Lübeck (LBK) und Schwerin (SWE) Ähnlichkeit zur eigenen Sprechweise angenommen werden. Im Folgenden werden ebenfalls die nichtparametrischen Verfahren des Mann-Whitney- und des Kruskal-Wallis-Tests angewandt, um herauszufinden, ob es signifikante Gruppenunterschiede gibt. Die Nutzung dieser Tests ist darauf zurückzuführen, dass auch die Variable Ähnlichkeit nicht normalverteilt ist (vgl. Kap. 4.3.1). Wie bei der Variable Gefallen stehen dabei folgende Alternativhypothesen (vgl. Kap. 4.3.2) im Vordergrund: 1. Es gibt einen Unterschied in der Einschätzung der Ähnlichkeit der Sprechprobe zur eigenen Sprechweise (Ähnlichkeit) zwischen den Prime-Gruppen (Kontrollgruppe, einfache Prime- und verstärkte Prime-Gruppe). 2. Es gibt einen Unterschied in der Einschätzung der Ähnlichkeit der Sprechprobe zur eigenen Sprechweise (Ähnlichkeit) zwischen der Herkunftsgruppe alte Bundesländer und der Herkunftsgruppe neue Bundesländer. 3. Es gibt einen Unterschied in der Einschätzung der Ähnlichkeit der Sprechprobe zur eigenen Sprechweise (Ähnlichkeit) zwischen den einzelnen Sprechproben. Bei der Variable Ähnlichkeit kann ebenfalls davon ausgegangen werden, dass diese Einschätzung von der einzelnen Sprechprobe abhängt. Aufgrund dessen werden die Sprechproben einzeln getestet: 4. Es gibt einen Unterschied in der Einschätzung der Ähnlichkeit der Sprechprobe zur eigenen Sprechweise (Ähnlichkeit) zwischen den Prime-Gruppen (Kontrollgruppe, einfache Prime- und verstärkte Prime-Gruppe).

182

4 Aufbereitung und Ergebnisse

Abschließend wird bei dieser Variable geprüft, ob die Herkunft der Proband*innen in den einzelnen Prime-Gruppen unterschiedliche Einschätzungen bei den einzelnen Sprechproben hervorrufen und vice versa: 5. Es gibt einen Unterschied in der Einschätzung der Ähnlichkeit der Sprechprobe zur eigenen Sprechweise (Ähnlichkeit) zwischen der Herkunftsgruppe alte Bundesländer und der Herkunftsgruppe neue Bundesländer innerhalb der PrimeGruppen. 6. Es gibt einen Unterschied in der Einschätzung der Ähnlichkeit der Sprechprobe zur eigenen Sprechweise (Ähnlichkeit) zwischen den Prime-Gruppen innerhalb der Herkunftsgruppe alte Bundesländer und der Herkunftsgruppe neue Bundesländer. Die Nullhypothesen bilden hierbei das Gegenteil der Alternativhypothesen ab und werden daher nicht eigens formuliert. Zur Analyse der Variable Ähnlichkeit standen insgesamt 1129 Antworten der 350 Proband*innen144 zur Verfügung (vgl. Tab. 35). Wie ähnlich ist die gehörte Sprechprobe im Vergleich zu Ihrer eigenen Sprechweise? absolut % gültige% gültig

fehlend gesamt

-3 -2 -1 0 1 2 3 gesamt

83 141 173 166 212 223 131 1129 49 1178

7,0 12,0 14,7 14,1 18,0 18,9 11,1 95,8 4,2 100,0

7,4 12,5 15,3 14,7 18,8 19,8 11,6 100,0

Tab. 35: Häufigkeitsverteilung zur Frage 2.1.7.

Da nicht alle Proband*innen alle vier Sprechproben (Lübeck, Schwerin, Dingelstädt, Schwalmstadt) hinsichtlich der Ähnlichkeit zu ihrer eigenen Sprechweise eingeschätzt haben, treten auch hier 49 fehlende Werte auf. Bezogen auf das Gesamtergebnis sind das 4,2% der Proband*innen und damit ein so geringer Wert, der vernachlässigt werden kann. Ersichtlich wird aus der Tab. 35, dass sich die Werte annähernd gleich auf die einzelnen Antwortmöglichkeiten verteilen, was sicher mit den einzelnen Sprachbeispielen zusammenhängt und in den weiteren Analysen zu prüfen sein wird (vgl. Tab. 35).

144 Auch in diesem Fall wurden die Proband*innen, deren Herkunftsort Berlin ist, nicht berücksichtigt.

4 Aufbereitung und Ergebnisse

183

4.3.3.1 Vergleich der Ähnlichkeitseinschätzung zwischen den Prime-Gruppen Die drei unabhängigen Stichproben bilden die drei Prime-Gruppen bzw. die unterschiedlichen Priming-Bedingungen (kein Prime = Kontrollgruppe (OHN), einfacher Prime = einfache Prime-Gruppe (EINF), verstärkter Prime = verstärkte PrimeGruppe (DOP)), die mittels des Kruskal-Wallis-Test auf signifikante Unterschiede in der Einschätzung der Ähnlichkeit der Sprechprobe zur eigenen Sprechweise geprüft werden. Demnach lautet die Alternativhypothese: 1. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Einschätzung der Ähnlichkeit der Sprechproben zur eigenen Sprechweise (Ähnlichkeit) zwischen den drei Prime-Gruppen. Die gegenteilige Aussage bildet die Nullhypothese: 2. Es gibt keinen signifikanten Unterschied in der Einschätzung der Ähnlichkeit der Sprechproben zur eigenen Sprechweise (Ähnlichkeit) zwischen den drei Prime-Gruppen. Prime-Gruppe OHN EINF DOP

N 401 376 352

Mittlerer Rang 576,03 578,65 537,85

Asymptotische Signifikant (2-seitig) p = 0,161

Tab. 36: Kruskal-Wallis-Test zw. den Prime-Gruppen bzgl. der Ähnlichkeitswerte (α = 0,05).

Signifikante Unterschiede zwischen den unterschiedlichen Priming-Bedingungen können nicht festgestellt werden (p = 0,161). Die mittleren Ränge sind bei der Kontrollgruppe (OHN) und bei der einfachen Prime-Gruppe (EINF) ähnlich hoch, nur bei der verstärkten Gruppe ist dieser Wert etwas niedriger. Dieser Unterschied ist aber nicht signifikant (vgl. Tab. 36). Daher wird die Alternativhypothese verworfen und die Nullhypothese angenommen.

4.3.3.2 Vergleich der Ähnlichkeitseinschätzung zwischen den Herkunftsgruppen alte und neue Bundesländer Die Herkunft zeigt sich sowohl bei der Verortung (vgl. Kap. 4.2) als auch bei der Variable Gefallen (vgl. Kap. 4.3.2) als signifikanter Einflussfaktor in bestimmten Konstellationen. Aufgrund dessen wird getestet, ob die Herkunft auch einen Einfluss auf die Variable Ähnlichkeit hat. Mit dem Mann-Whitney-Test wird die folgende Alternativhypothese geprüft: Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Einschätzung der Ähnlichkeit der Sprechproben zur eigenen Sprachweise (Ähnlichkeit) zwischen der Herkunftsgruppe alte Bundesländer und der Herkunftsgruppe

184

4 Aufbereitung und Ergebnisse

neue Bundesländer. Die Nullhypothese lautet im Umkehrschluss, dass es keinen signifikanten Unterschied zwischen diesen beiden Gruppen gibt. Herkunftsbundesland alte Bundesländer neue Bundesländer

N 465 664

Mittlerer Rang 525,15 592,91

Asymptotische Signifikant (2-seitig) p ≤ 0,001*

Tab. 37: Mann-Whitney-Test zw. den Herkunftsgruppen bzgl. der Ähnlichkeitswerte (α = 0,05).

Zwischen den Herkunftsgruppen gibt es einen signifikanten Unterschied (p ≤ 0,001) dahingehend, dass die Herkunftsgruppe neue Bundesländer die Sprechproben ähnlicher zu ihrer eigenen Sprechweise einschätzt (mittlerer Rang: 592,91) als die Herkunftsgruppe alte Bundesländer (mittlerer Rang: 525,15) (vgl. Tab. 37). Somit kann die Nullhypothese verworfen und die Alternativhypothese angenommen werden.

4.3.3.3 Vergleich der Ähnlichkeitseinschätzung der einzelnen Sprechproben Bei der Variable Gefallen konnten signifikante Unterschiede in den Bewertungen zwischen den Sprechproben ausgemacht werden (vgl. Kap. 4.3.2). Somit hängt die Einschätzung, ob jemandem ein Sprachbeispiel gefällt oder nicht, von der jeweiligen Sprechprobe ab. Bei der Einschätzung der Ähnlichkeit des Hörbeispiels im Vergleich zur eigenen Sprechweise ist ebenfalls davon auszugehen, dass diese Einschätzung von der jeweiligen Sprechprobe abhängt. Aufgrund dieser Vermutung wird die Alternativhypothese getestet: 1. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Einschätzung der Ähnlichkeit der Sprechproben zur eigenen Sprechweise. Die gegenteilige Aussage bildet hierbei wieder die Nullhypothese. Sprechprobe LBK SWE SWA DST

N 277 288 275 289

Mittlerer Rang Asymptotische Signifikant (2-seitig) 760,28 622,07 509,66 373,62 p ≤ 0,001*

Tab. 38: Kruskal-Wallis-Test zw. den Sprechproben bzgl. der Ähnlichkeitswerte (α = 0,05).

Der Kruskal-Wallis-Test ergibt einen signifikanten Unterschied in der Ähnlichkeitseinschätzung zwischen den einzelnen Sprechproben (p ≤ 0,001). Dabei verdeutlichen die mittleren Ränge, welche Sprachbeispiele als besonders ähnlich bzw. als unähnlich zur eigenen Sprechweise bei diesen Proband*innen empfunden werden. Die Hörprobe Lübeck (LBK) wird demnach als besonders ähnlich eingeschätzt (mittlerer Rang: 760,28), gefolgt von Schwerin (SWE; mittlerer Rang: 622,07) und Schwalmstadt (SWA; mittlerer Rang: 509,66). Am unähnlichsten zur eigenen

4 Aufbereitung und Ergebnisse

185

Sprechweise wird das Sprachbeispiel Dingelstädt (DST; mittlerer Rang: 373,62) empfunden (vgl. Tab. 38). Zudem wird ersichtlich, dass die Sprechproben als ähnlicher zur eigenen Sprechweise eingeschätzt werden auch bei der Bewertung dieser (Gefallen) als angenehmer wahrgenommen werden (vgl. Tab. 25) Somit kann die Alternativhypothese angenommen werden, d. h. es besteht ein signifikanter Unterschied zwischen den Sprechproben. In einem weiteren Schritt wird getestet, zwischen welchen Sprechproben dieser signifikante Unterschied ausgemacht werden kann. Mittels des Mann-Whitney-Tests werden folgende Alternativhypothesen geprüft: 1. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Ähnlichkeitseinschätzung zwischen der Lübecker (LBK) und der Schweriner (SWE) Sprechprobe im Vergleich zu eigenen Sprechweise. 2. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Ähnlichkeitseinschätzung zwischen der Lübecker (LBK) und der Dingelstädter (DST) Sprechprobe im Vergleich zu eigenen Sprechweise. 3. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Ähnlichkeitseinschätzung zwischen der Lübecker (LBK) und der Schwalmstädter (SWA) Sprechprobe im Vergleich zu eigenen Sprechweise. 4. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Ähnlichkeitseinschätzung zwischen der Schweriner (SWE) und der Dingelstädter (DST) Sprechprobe im Vergleich zu eigenen Sprechweise. 5. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Ähnlichkeitseinschätzung zwischen der Schweriner (SWE) und der Schwalmstädter (SWA) Sprechprobe im Vergleich zu eigenen Sprechweise. 6. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Ähnlichkeitseinschätzung der Dingelstädter (DST) und der Schwalmstädter (SWA) Sprechprobe im Vergleich zu eigenen Sprechweise. Die einzelnen Nullhypothesen werden nicht eigens aufgeführt, da sie die gegenteilige Aussage darstellen.

186

4 Aufbereitung und Ergebnisse Sprechprobe N

1. 2. 3. 4. 5. 6.

LBK SWE LBK DST LBK SWA SWE DST SWE SWA DST SWA

277 288 277 289 277 275 288 289 288 275 289 275

Mittlerer Rang 319,48 247,91 379,97 191,03 338,82 213,72 352,91 225,31 310,25 252,41 247,27 319,52

Asymptotische Signifikanz (2-seitig) p ≤ 0,001* p ≤ 0,001* p ≤ 0,001* p ≤ 0,001* p ≤ 0,001* p ≤ 0,001*

Tab. 39: Mann-Whitney-Test zw. den Sprechproben bzgl. der Ähnlichkeitswerte (α = 0,05).

Die Testung der Gruppenunterschiede zwischen den einzelnen Sprechproben mittels des Mann-Whitney-Tests ergibt für jede Paarung bzw. für jeden einzelnen Gruppenvergleich ein signifikantes Ergebnis (vgl. Tab. 39). Aufgrund dessen können alle Alternativhypothesen angenommen werden. Im Vergleich wird deutlich, dass die Vermutungen aus der Tab. 38 bestätigt werden: Das Sprachbeispiel Lübeck (LBK) wird in jedem Vergleich als ähnlicher zur eigenen Sprechweise als die anderen Sprechproben empfunden, das Hörbeispiel Dingelstädt (DST) hingegen immer als unähnlicher (vgl. Tab. 39).

4.3.3.4 Vergleich der Ähnlichkeitseinschätzung bezogen auf die einzelnen Sprechproben und Prime-Gruppen Da die Ähnlichkeitseinschätzung der gehörten Sprechprobe im Vergleich zur eigenen Sprechweise von dem jeweiligen Sprachbeispiel abhängt (vgl. Tab. 38, Tab. 39), werden im Folgenden die Hörprobe einzeln dahingehend getestet, ob signifikante Unterschiede in der Einschätzung der Ähnlichkeit zwischen den einzelnen Priming-Bedingungen bestehen. Hierbei bilden die nachstehenden Alternativhypothesen die Grundlage der Tests: 1. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Ähnlichkeitseinschätzung der Sprechprobe Lübeck (LBK) im Vergleich zur eigenen Sprechweise zwischen den einzelnen Priming-Bedingungen (OHN, EINF, DOP). 2. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Ähnlichkeitseinschätzung der Sprechprobe Schwerin (SWE) im Vergleich zur eigenen Sprechweise zwischen den einzelnen Priming-Bedingungen (OHN, EINF, DOP). 3. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Ähnlichkeitseinschätzung der Sprechprobe Dingelstädt (DST) im Vergleich zur eigenen Sprechweise zwischen den einzelnen Priming-Bedingungen (OHN, EINF, DOP).

4 Aufbereitung und Ergebnisse

187

4. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Ähnlichkeitseinschätzung der Sprechprobe Schwalmstadt (SWA) im Vergleich zur eigenen Sprechweise zwischen den einzelnen Priming-Bedingungen (OHN, EINF, DOP). Die gegenteiligen Aussagen der Nullhypothesen werden hier nicht eigens ausformuliert. Sprechprobe 1. LBK 2. SWE 3. DST 4. SWA

PrimeGruppe OHN EINF DOP OHN EINF DOP OHN EINF DOP OHN EINF DOP

N 93 97 87 106 93 89 103 94 92 99 92 84

Mittlerer Rang 155,94 132,45 128,20 156,17 165,82 108,31 139,34 136,44 160,08 130,25 143,17 141,47

Asymptotische Signifikant (2-seitig) p = 0,034*

p < 0,001*

p = 0,100

p = 0,466

Tab. 40: Kruskal-Wallis-Test zwischen den Prime-Gruppen bezogen auf die Sprechproben (α = 0,05).

Beim Vergleich der Ähnlichkeitseinschätzung zwischen den einzelnen Priming-Bedingungen bezogen auf die jeweilige Sprechprobe zeigt sich ein ähnliches Bild wie bei der Variable Gefallen (vgl. Tab. 27, Tab. 28): Signifikante Unterschiede lassen sich bei der Sprechprobe Lübeck (LBK, p = 0,034) und Schwerin (SWE, p < 0,001) zwischen den Prime-Gruppen ausmachen, die Unterschiede bei den anderen beiden Sprachbeispielen sind dagegen nicht signifikant (DST, p = 0,100; SWA, p = 0,466) (vgl. Tab. 40). Aus den Werten der mittleren Ränge kann bei der Sprechprobe Lübeck (LBK) abgelesen werden, dass die Kontrollgruppe (OHN; mittlerer Rang: 155,94) diese Hörprobe tendenziell ähnlicher zu ihrer eigenen einschätzt als die einfache Prime-Gruppe (EINF; mittlerer Rang: 132,45) und die verstärkte PrimeGruppe (DOP, mittlerer Rang: 128,20). Ähnlich verhält es sich bei dem Sprachbeispiel Schwerin (SWE), wobei in diesem Fall die einfache Prime-Gruppe (EINF; mittlerer Rang: 165,82) diese Sprechprobe tendenziell ähnlicher zu ihrer eigenen Sprechweise einschätzt als die anderen beiden Gruppen (OHN, DOP) (vgl. Tab. 40). Im Vergleich zu den ersten zeigt sich bei den letztgenannten Proben eine gegenläufige Tendenz. Aufgrund dieser Ergebnisse können die ersten beiden Alternativhypothesen angenommen und die letzten beiden verworfen werden. Es stellt sich in diesem Fall wieder die Frage, zwischen welchen Gruppen die signifikanten Unterschiede nun zu finden sind. Anhand der Werte der mittleren Ränge lässt sich vermuten, dass bei der Sprechprobe Lübeck (LBK) ein signifikanter Unterschied zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der verstärkten PrimeGruppe (DOP) besteht. Bezogen auf das Sprachbeispiel Schwerin (SWE) könnten

188

4 Aufbereitung und Ergebnisse

signifikante Unterschiede zum einen zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der einfachen Prime-Gruppe (EINF) und zum anderen zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) zu finden sein (vgl. Tab. 40). Somit werden folgende Alternativhypothesen mittels des Mann-Whitney-Tests geprüft: 1. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Ähnlichkeitseinschätzung der Sprechprobe Lübeck (LBK) im Vergleich zur eigenen Sprechweise zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der einfachen Prime-Gruppe (EINF). 2. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Ähnlichkeitseinschätzung der Sprechprobe Lübeck (LBK) im Vergleich zur eigenen Sprechweise zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP). 3. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Ähnlichkeitseinschätzung der Sprechprobe Lübeck (LBK) im Vergleich zur eigenen Sprechweise zwischen der einfachen Prime-Gruppe (EINF) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP). 4. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Ähnlichkeitseinschätzung der Sprechprobe Schwerin (SWE) im Vergleich zur eigenen Sprechweise zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der einfachen Prime-Gruppe (EINF). 5. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Ähnlichkeitseinschätzung der Sprechprobe Schwerin (SWE) im Vergleich zur eigenen Sprechweise zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP). 6. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Ähnlichkeitseinschätzung der Sprechprobe Schwerin (SWE) im Vergleich zur eigenen Sprechweise zwischen der einfachen Prime-Gruppe (EINF) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP). Auch hier werden die Nullhypothesen nicht eigens aufgeführt. Sprechprobe 1. LBK

2. 3. 4.

SWE

5. 6.

PrimeGruppe OHN EINF OHN DOP EINF DOP OHN EINF OHN DOP EINF DOP

N 93 97 93 87 97 87 106 93 106 89 93 84

Mittlerer Rang 103,69 87,65 99,25 81,15 93,80 91,05 96,47 104,03 113,21 79,89 108,80 87,94

Asymptotische Signifikanz (2-seitig) p = 0,038* p = 0,016* p = 0,720 p = 0,344 p < 0,001* p < 0,001*

Tab. 41: Mann-Whitney-Test zw. den Prime-Gruppen bzgl. der Ähnlichkeitswerte zu den SP (α = 0,05).

4 Aufbereitung und Ergebnisse

189

Einige der zuvor aufgestellten Vermutungen (vgl. Tab. 40) können bestätigt werden: Ein signifikanter Unterschied in der Ähnlichkeitseinschätzung besteht zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der einfachen Prime-Gruppe (EINF) bei der Sprechprobe Lübeck (LBK) (p = 0,038) sowie zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) (p = 0,016). Dabei wird deutlich, dass die Kontrollgruppe (OHN) tendenziell dieses Hörbeispiel ähnlicher zur eigenen Sprechweise einschätzt als die anderen beiden Gruppen (EINF, DOP) (vgl. Tab. 41). Hinsichtlich des Schweriner Sprachbeispiels (SWE) lassen sich signifikante Unterschiede zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der verstärkten PrimeGruppe (DOP) (p < 0,001) sowie zwischen der einfachen Prime-Gruppe und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) (p < 0,001) ausmachen. Hierbei empfinden die Proband*innen der Kontrollgruppe (OHN) und der einfachen Prime-Gruppe (EINF) das Gehörte tendenziell ähnlicher zu ihrer eigenen Sprechweise als diejenigen der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) (vgl. Tab. 41). Somit können die Alternativhypothesen 1, 2 und 5, 6 angenommen werden, die 3. und 4. Alternativhypothese hingegen müssen verworfen werden.

4.3.3.5 Vergleich der Ähnlichkeitseinschätzung der einzelnen Sprechproben bezogen auf Herkunfts- und Prime-Gruppen Eingangs konnte kein signifikanter Unterschied in der Einschätzung der Ähnlichkeit der Sprechproben zur eigenen Sprechweise (Ähnlichkeit) zwischen den drei Prime-Gruppen festgestellt werden (vgl. Tab. 36). Bezogen auf die einzelnen Sprechproben lassen sich jedoch signifikante Unterschiede zwischen den PrimeGruppen finden (vgl. Tab. 40, Tab. 41). Somit hängt die Einschätzung der Ähnlichkeit einer gehörten Sprechprobe von der jeweiligen Sprechprobe ab (vgl. Tab. 38, Tab. 39). Die Wirkung des Primes scheint damit sprechprobensensitiv zu sein. Gleichfalls konnte gezeigt werden, dass die Herkunft der Proband*innen die Ähnlichkeitseinschätzung beeinflusst (vgl. Tab. 37). Aufgrund dieser Erkenntnisse wird in einem weiteren Schritt zunächst analysiert, ob es – bezogen auf die einzelnen Sprechproben – signifikante Unterschiede in der Ähnlichkeitseinschätzung zwischen der Herkunftsgruppe alte Bundesländer und der Herkunftsgruppe neue Bundesländer gibt. Anschließend soll geprüft werden, ob zwischen den Herkunftsgruppen in den einzelnen Priming-Bedingungen signifikante Unterschiede in der Ähnlichkeitseinschätzung bestehen. Abschließend wird geprüft, ob sich signifikante Unterschiede in der Ähnlichkeitseinschätzung zwischen den einzelnen Priming-Bedingungen in den Herkunftsgruppen finden lassen.

190

4 Aufbereitung und Ergebnisse

4.3.3.5.1 Vergleich der Ähnlichkeitseinschätzung der einzelnen Sprechproben zwischen den Herkunftsgruppen Der Mann-Whitney-Test konnte herausstellen, dass signifikante Unterschiede in der Ähnlichkeitseinschätzung zwischen der Herkunftsgruppe alte Bundesländer und der Herkunftsgruppe neue Bundesländer bestehen (p < 0,001). Dabei empfinden die Proband*innen der Herkunftsgruppe neue Bundesländer die Sprechproben ähnlicher zu ihrer eigenen als diejenigen der alten (vgl. Tab. 37). Aus diesem Ergebnis geht noch nicht hervor, auf welche Sprechproben sich diese Unterschiede beziehen. Dies soll mit den folgenden Alternativhypothesen getestet werden: 1. Es besteht ein signifikanter Unterschied in der Ähnlichkeitseinschätzung der Sprechprobe Lübeck (LBK) zwischen der Herkunftsgruppe alte Bundesländer und der Herkunftsgruppe neue Bundesländer. 2. Es besteht ein signifikanter Unterschied in der Ähnlichkeitseinschätzung der Sprechprobe Schwerin (SWE) zwischen der Herkunftsgruppe alte Bundesländer und der Herkunftsgruppe neue Bundesländer. 3. Es besteht ein signifikanter Unterschied in der Ähnlichkeitseinschätzung der Sprechprobe Dingelstädt (DST) zwischen der Herkunftsgruppe alte Bundesländer und der Herkunftsgruppe neue Bundesländer. 4. Es besteht ein signifikanter Unterschied in der Ähnlichkeitseinschätzung der Sprechprobe Schwalmstadt (SWA) zwischen der Herkunftsgruppe alte Bundesländer und der Herkunftsgruppe neue Bundesländer. Die Nullhypothesen beinhalten die gegenteilige Aussage der Alternativhypothesen und werden daher nicht eigens aufgenommen. Sprechprobe LBK SWE DST SWA

1. 2. 3. 4.

Herkunftsbundesland

N

alte Bundesländer neue Bundesländer alte Bundesländer neue Bundesländer alte Bundesländer neue Bundesländer alte Bundesländer neue Bundesländer

116 161 109 179 128 161 112 163

Mittlerer Rang 133,03 143,30 140,33 147,04 125,17 160,77 128,31 144,66

Asymptotische Signifikant (2-seitig) p = 0,279 p = 0,500 p < 0,001* p = 0,089

Tab. 42: Mann-Whitney-Test zw. den Herkunftsgruppen bzgl. der Ähnlichkeitswerte zu den SP (α = 0,05).

Ein signifikanter Unterschied in der Ähnlichkeitseinschätzung zwischen der Herkunftsgruppe alte Bundesländer und der Herkunftsgruppe neue Bundesländer lässt sich nur bei der Sprechprobe Dingelstädt (DST) ausmachen (p < 0,001). Aus den

4 Aufbereitung und Ergebnisse

191

Werten der mittleren Ränge wird deutlich, dass die Proband*innen der Herkunftsgruppe neue Bundesländer (mittlerer Rang: 160,77) dieses Sprachbeispiel deutlich ähnlicher zu ihrer eigenen Sprechweise einschätzen als diejenigen der alten (mittlerer Rang: 125,17). Leichte Tendenzen lassen sich auch bei den anderen Gruppenvergleichen feststellen, wobei diese aber nicht signifikant sind (vgl. Tab. 42). Somit kann die dritte Alternativhypothese angenommen und die anderen drei müssen verworfen werden. 4.3.3.5.2 Vergleich der Ähnlichkeitseinschätzung der einzelnen Sprechproben zwischen den Herkunftsgruppen bezogen auf die Priming-Bedingungen Bezogen auf die Herkunft konnte nur ein signifikanter Unterschied bei der Sprechprobe Dingelstädt (DST) festgestellt werden (vgl. Tab. 42). Fraglich an dieser Stelle ist, ob sich ein ähnliches Bild abzeichnet, wenn die Priming-Bedingungen hinzugezogen werden und geprüft wird, ob signifikante Unterschiede zwischen den Herkunftsgruppen in den jeweiligen Priming-Bedingungen bestehen. Dies wird anhand folgender Alternativhypothesen überprüft: 1. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Ähnlichkeitseinschätzung der Sprechprobe Lübeck (LBK) zwischen der Herkunftsgruppe alte Bundesländer und der Herkunftsgruppe neue Bundesländer innerhalb der Kontrollgruppe (OHN). 2. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Ähnlichkeitseinschätzung der Sprechprobe Lübeck (LBK) zwischen der Herkunftsgruppe alte Bundesländer und der Herkunftsgruppe neue Bundesländer innerhalb der einfachen PrimeGruppe (EINF). 3. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Ähnlichkeitseinschätzung der Sprechprobe Lübeck (LBK) zwischen der Herkunftsgruppe alte Bundesländer und der Herkunftsgruppe neue Bundesländer innerhalb der verstärkten PrimeGruppe (DOP). 4. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Ähnlichkeitseinschätzung der Sprechprobe Schwerin (SWE) zwischen der Herkunftsgruppe alte Bundesländer und der Herkunftsgruppe neue Bundesländer innerhalb der Kontrollgruppe (OHN). 5. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Ähnlichkeitseinschätzung der Sprechprobe Schwerin (SWE) zwischen der Herkunftsgruppe alte Bundesländer und der Herkunftsgruppe neue Bundesländer innerhalb der einfachen Prime-Gruppe (EINF). 6. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Ähnlichkeitseinschätzung der Sprechprobe Schwerin (SWE) zwischen der Herkunftsgruppe alte Bundesländer und der Herkunftsgruppe neue Bundesländer innerhalb der verstärkten Prime-Gruppe (DOP).

192

4 Aufbereitung und Ergebnisse

7. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Ähnlichkeitseinschätzung der Sprechprobe Dingelstädt (DST) zwischen der Herkunftsgruppe alte Bundesländer und der Herkunftsgruppe neue Bundesländer innerhalb der Kontrollgruppe (OHN). 8. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Ähnlichkeitseinschätzung der Sprechprobe Dingelstädt (DST) zwischen der Herkunftsgruppe alte Bundesländer und der Herkunftsgruppe neue Bundesländer innerhalb der einfachen Prime-Gruppe (EINF). 9. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Ähnlichkeitseinschätzung der Sprechprobe Dingelstädt (DST) zwischen der Herkunftsgruppe alte Bundesländer und der Herkunftsgruppe neue Bundesländer innerhalb der verstärkten Prime-Gruppe (DOP). 10. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Ähnlichkeitseinschätzung der Sprechprobe Schwalmstadt (SWA) zwischen der Herkunftsgruppe alte Bundesländer und der Herkunftsgruppe neue Bundesländer innerhalb der Kontrollgruppe (OHN). 11. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Ähnlichkeitseinschätzung der Sprechprobe Schwalmstadt (SWA) zwischen der Herkunftsgruppe alte Bundesländer und der Herkunftsgruppe neue Bundesländer innerhalb der einfachen Prime-Gruppe (EINF). 12. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Ähnlichkeitseinschätzung der Sprechprobe Schwalmstadt (SWA) zwischen der Herkunftsgruppe alte Bundesländer und der Herkunftsgruppe neue Bundesländer innerhalb der verstärkten Prime-Gruppe (DOP).

193

4 Aufbereitung und Ergebnisse

Wie zuvor werden die Nullhypothesen aufgrund der gegenteiligen Aussage der Alternativhypothese nicht eigens ausformuliert. Sprechprobe

PrimeGruppe OHN

LBK

EINF DOP OHN

SWE

EINF DOP OHN

DST

EINF DOP OHN

SWA

EINF DOP

Herkunftsbundesland

N Mittlerer Rang 1. alte Bundesländer 40 48,26 neue Bundesländer 53 46,05 2. alte Bundesländer 43 44,69 neue Bundesländer 54 52,44 3. alte Bundesländer 33 40,47 neue Bundesländer 54 46,16 4. alte Bundesländer 37 53,28 neue Bundesländer 69 53,62 5. alte Bundesländer 35 47,19 neue Bundesländer 58 46,89 6. alte Bundesländer 37 43,51 neue Bundesländer 52 46,06 7. alte Bundesländer 48 48,70 neue Bundesländer 55 54,88 8. alte Bundesländer 42 39,73 neue Bundesländer 52 53,78 9. alte Bundesländer 38 37,89 neue Bundesländer 54 52,56 10. alte Bundesländer 36 42,83 neue Bundesländer 63 54,10 11. alte Bundesländer 42 44,99 neue Bundesländer 50 47,77 12. alte Bundesländer 34 40,21 neue Bundesländer 50 44,06

Asymptotische Signifikanz (2-seitig) p = 0,682 p = 0,167 p = 0,298 p = 0,957 p = 0,958 p = 0,642 p = 0,283 p = 0,011* p = 0,008* p = 0,058 p = 0,613 p = 0,469

Tab. 43: Mann-Whitney-Test zw. der Herkunft bzgl. der Prime-Gruppen zu den SP (Ähnlichkeit) (α = 0,05).

194

4 Aufbereitung und Ergebnisse

Signifikante Unterschiede zwischen den Herkunftsgruppen innerhalb der PrimeGruppen lassen sich nur bei der Sprechprobe Dingelstädt (DST) ausmachen: So zeigt sich ein signifikanter Unterschied zwischen der Herkunftsgruppe alte Bundesländer und der Herkunftsgruppe neue Bundesländer innerhalb der einfachen PrimeGruppe (EINF, p = 0,011) sowie innerhalb der verstärkten Prime-Gruppe (DOP, p = 0,008). Bei beiden Vergleichen empfinden die Proband*innen aus den neuen Bundesländern die gehörte Sprechprobe als tendenziell ähnlicher zu ihrer eigenen Sprechweise als diejenigen der alten (vgl. Tab. 43). Somit werden die 8. und die 9. Alternativhypothese angenommen, in allen anderen Fällen gilt die Nullhypothese (keine signifikanten Unterschiede in der Ähnlichkeitseinschätzung zwischen den Herkunftsgruppen). Es zeigt sich aber bei fast allen Vergleichen (außer bei LBKOHN, SWE-OHN, SWE-EINF), dass die Proband*innen aus den neuen Bundesländern die jeweilige Sprechprobe leicht ähnlicher einschätzen als diejenigen der alten (vgl. Tab. 43). 4.3.3.5.3 Vergleich der Ähnlichkeitseinschätzung der einzelnen Sprechproben zwischen den Priming-Bedingungen bezogen auf die Herkunftsgruppe Vorhergehend konnte gezeigt werden, dass hinsichtlich der einzelnen Sprechprobe signifikante Unterschiede zwischen den Herkunftsgruppen bei der einfachen PrimeGruppe (EINF) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) des Sprachbeispiels Dingelstädt (DST) bestehen. Im Folgenden soll nun geprüft werden, ob signifikante Unterschiede zwischen den Priming-Bedingungen innerhalb der Herkunftsgruppen bei den einzelnen Sprechproben bestehen. Aufgrund der Übersichtlichkeit werden die Sprechproben einzeln analysiert und beschrieben. Sprechprobe Lübeck Bei der Sprechprobe Lübeck (LBK) konnten signifikante Unterschiede zwischen den Priming-Bedingungen herausgestellt werden, wobei diese zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der einfachen Prime-Gruppe (EINF) sowie zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) bestehen (vgl. Tab. 40, Tab. 41). Die Herkunft der Proband*innen zeigt innerhalb der einzelnen Prime-Gruppen keinen Effekt (vgl. Tab. 42, Tab. 43). Wie sieht es aber innerhalb der Herkunftsgruppen zwischen den einzelnen Prime-Gruppen aus, lassen sich bei dieser Konstellation signifikante Unterschiede in der Ähnlichkeitseinschätzung zwischen den Priming-Bedingungen ausmachen? Für die weiteren Analysen lauten daher die Alternativhypothesen – deren Inhalte sich im Folgenden nur bezüglich der jeweiligen Sprechprobe unterscheiden: 1. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Ähnlichkeitseinschätzung der Sprechprobe Lübeck (LBK) zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der einfachen Prime-Gruppe (EINF) innerhalb der Herkunftsgruppe alte Bundesländer.

195

4 Aufbereitung und Ergebnisse

2. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Ähnlichkeitseinschätzung der Sprechprobe Lübeck (LBK) zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) innerhalb der Herkunftsgruppe alte Bundesländer. 3. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Ähnlichkeitseinschätzung der Sprechprobe Lübeck (LBK) zwischen der einfachen Prime-Gruppe (EINF) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) innerhalb der Herkunftsgruppe alte Bundesländer. 4. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Ähnlichkeitseinschätzung der Sprechprobe Lübeck (LBK) zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der einfachen Prime-Gruppe (EINF) innerhalb der Herkunftsgruppe neue Bundesländer. 5. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Ähnlichkeitseinschätzung der Sprechprobe Lübeck (LBK) zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) innerhalb der Herkunftsgruppe neue Bundesländer. 6. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Ähnlichkeitseinschätzung der Sprechprobe Lübeck (LBK) zwischen der vereinfachten Prime-Gruppe (EINF) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) innerhalb der Herkunftsgruppe neue Bundesländer. Bei diesen Analysen werden die Nullhypothesen ebenfalls nicht aufgeführt, sie stellen die gegenteiligen Aussagen der Alternativhypothesen dar. Sprechprobe

Herkunftsbundesland 1. alte Bundesländer

2. 3.

LBK

4. neue Bundesländer

5. 6.

PrimeGruppe

N

OHN EINF OHN DOP EINF DOP OHN EINF OHN DOP EINF DOP

40 43 40 33 43 33 53 54 53 54 54 54

Mittlerer Rang 47,81 36,59 41,53 31,52 38,69 38,26 56,30 51,74 58,11 49,96 56,19 52,81

Asymptotische Signifikanz (2-seitig) p = 0,029* p = 0,039* p = 0,932 p = 0,430 p = 0,160 p = 0,563

Tab. 44: Mann-Whitney-Test zw. den Prime-Gruppen zu LBK bzgl. der Herkunft (Ähnlichkeit) (α = 0,05).

196

4 Aufbereitung und Ergebnisse

Signifikante Unterschiede lassen sich in diesem Fall nur bei der Herkunftsgruppe alte Bundesländer feststellen: Innerhalb dieser Gruppe bestehen signifikante Unterschiede in der Ähnlichkeitseinschätzung zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der einfachen Prime-Gruppe (EINF) (p = 0,029) sowie der Kontrollgruppe (OHN) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) (p = 0,039). Bei diesen beiden Gruppenvergleichen schätzt die Kontrollgruppe (OHN) der Herkunftsgruppe alte Bundesländer die Lübecker Sprechprobe (LBK) ähnlicher zu ihrer eigenen Sprechweise ein als diejenigen der einfachen Prime-Gruppe (EINF) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP). Ein ähnliches Bild zeigt sich im Vergleich der Werte der mittleren Ränge bei der Herkunftsgruppe neue Bundesländer, diese leichten Unterschiede sind aber nicht signifikant (vgl. Tab. 44). Somit werden die 1. und 2. Alternativhypothese angenommen, die anderen müssen verworfen werden. Sprechprobe Schwerin Bei der Analyse der Sprechprobe Schwerin (SWE) hat sich gezeigt, dass sich signifikante Unterschiede zwischen den Priming-Bedingungen finden lassen (vgl. Tab. 40). Diese Unterschiede bestehen zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der einfachen Prime-Gruppe (EINF) sowie zwischen der einfachen Prime-Gruppe (DOP) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP), wobei die Kontrollgruppe (OHN) sowie die einfache Prime-Gruppe (EINF) die Schweriner Hörprobe tendenziell ähnlicher zu ihrer eigenen einschätzen als diejenigen der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) (vgl. Tab. 41). Wie auch beim Sprachbeispiel Lübeck (LBK) zeigen sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den Herkunftsgruppen innerhalb der PrimeGruppen (vgl. Tab. 42, Tab. 43). Es soll nun getestet werden, ob es zwischen den Priming-Bedingungen signifikante Unterschiede in der Ähnlichkeitseinschätzung innerhalb der Herkunftsgruppen gibt. Die Alternativhypothesen lauten (die Nullhypothesen sind nicht eigens aufgeführt, sie beinhalten die gegenteiligen Aussagen der Alternativhypothesen): 1. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Ähnlichkeitseinschätzung der Sprechprobe Schwerin (SWE) zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der einfachen Prime-Gruppe (EINF) innerhalb der Herkunftsgruppe alte Bundesländer. 2. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Ähnlichkeitseinschätzung der Sprechprobe Schwerin (SWE) zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) innerhalb der Herkunftsgruppe alte Bundesländer. 3. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Ähnlichkeitseinschätzung der Sprechprobe Schwerin (SWE) zwischen der einfachen Prime-Gruppe (EINF) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) innerhalb der Herkunftsgruppe alte Bundesländer. 4. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Ähnlichkeitseinschätzung der Sprechprobe Schwerin (SWE) zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der einfachen Prime-Gruppe (EINF) innerhalb der Herkunftsgruppe neue Bundesländer.

197

4 Aufbereitung und Ergebnisse

5. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Ähnlichkeitseinschätzung der Sprechprobe Schwerin (SWE) zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) innerhalb der Herkunftsgruppe neue Bundesländer. 6. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Ähnlichkeitseinschätzung der Sprechprobe Schwerin (SWE) zwischen der vereinfachten Prime-Gruppe (EINF) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) innerhalb der Herkunftsgruppe neue Bundesländer. Sprechprobe

Herkunftsbundesland 1. alte Bundesländer

2. 3.

SWE

4. neue Bundesländer

5. 6.

PrimeGruppe

N

Mittlerer Rang

OHN EINF OHN DOP EINF DOP OHN EINF OHN DOP EINF DOP

37 35 37 37 35 37 69 58 69 52 58 52

35,11 37,97 45,49 29,51 44,57 28,86 61,93 66,47 68,43 51,13 64,51 45,45

Asymptotische Signifikanz (2-seitig) p = 0,553 p = 0,001* p = 0,001* p = 0,478 p = 0,006* p = 0,001*

Tab. 45: Mann-Whitney-Test zw. den Prime-Gruppen zu SWE bzgl. der Herkunft (Ähnlichkeit) (α = 0,05).

Bei der Sprechprobe Schwerin (SWE) lassen sich signifikante Unterschiede zwischen den Priming-Bedingungen innerhalb beider Herkunftsgruppen finden: Es bestehen signifikante Unterschiede zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) sowie der einfachen Prime-Gruppe (EINF) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP). Bei beiden Herkunftsgruppen empfinden die Proband*innen der Kontrollgruppen (OHN) sowie der einfachen Prime-Gruppen (EINF) die Sprechprobe Schwerin (SWE) tendenziell ähnlicher zu ihrer eigenen Sprechweise als diejenigen der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) (vgl. Tab. 45). Somit können die 2., 3. und die 5., 6. Alternativhypothese angenommen, die 1. und die 4. müssen hingegen verworfen werden. Insgesamt zeigen sich jedoch keine Unterschiede zwischen den Herkunftsgruppen (vgl. Tab. 42). Sprechprobe Dingelstädt Die vorhergehenden Analysen konnten keine signifikanten Unterschiede zwischen den einzelnen Priming-Bedingungen bei der Sprechprobe Dingelstädt (DST) herausstellen (vgl. Tab. 40). Es zeigten sich jedoch signifikante Unterschiede in der Ähnlichkeitseinschätzung zwischen den Herkunftsgruppen (vgl. Tab. 42). Diese

198

4 Aufbereitung und Ergebnisse

wurden dabei zwischen der Herkunftsgruppe alte Bundesländer und der Herkunftsgruppe neue Bundesländer innerhalb der einfachen Prime-Gruppe (EINF) sowie der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) gefunden. Innerhalb dieser Prime-Gruppen empfanden die Proband*innen der neuen Bundesländer diese Sprechprobe ähnlicher zu ihrer eigenen als diejenigen der alten Bundesländer (vgl. Tab. 43). Daher soll auch bei diesem Sprachbeispiel getestet werden, ob es signifikante Unterschiede in der Ähnlichkeitseinschätzung zwischen den Priming-Bedingungen innerhalb der Herkunftsgruppen gibt. Folgende Alternativhypothesen werden geprüft: 1. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Ähnlichkeitseinschätzung der Sprechprobe Dingelstädt (DST) zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der einfachen Prime-Gruppe (EINF) innerhalb der Herkunftsgruppe alte Bundesländer. 2. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Ähnlichkeitseinschätzung der Sprechprobe Dingelstädt (DST) zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) innerhalb der Herkunftsgruppe alte Bundesländer. 3. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Ähnlichkeitseinschätzung der Sprechprobe Dingelstädt (DST) zwischen der einfachen Prime-Gruppe (EINF) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) innerhalb der Herkunftsgruppe alte Bundesländer. 4. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Ähnlichkeitseinschätzung der Sprechprobe Dingelstädt (DST) zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der einfachen Prime-Gruppe (EINF) innerhalb der Herkunftsgruppe neue Bundesländer. 5. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Ähnlichkeitseinschätzung der Sprechprobe Dingelstädt (DST) zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) innerhalb der Herkunftsgruppe neue Bundesländer. 6. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Ähnlichkeitseinschätzung der Sprechprobe Dingelstädt (DST) zwischen der vereinfachten Prime-Gruppe (EINF) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) innerhalb der Herkunftsgruppe neue Bundesländer.

199

4 Aufbereitung und Ergebnisse

Die jeweiligen Nullhypothesen werden nicht einzeln aufgeführt, sie beinhalten die gegenteilige Aussage der jeweiligen Alternativhypothese. Sprechprobe

Herkunftsbundesland 1. alte Bundesländer

2. 3.

DST

4. neue Bundesländer

5. 6.

PrimeGruppe

N

Mittlerer Rang

OHN EINF OHN DOP EINF DOP OHN EINF OHN DOP EINF DOP

48 42 48 38 42 38 55 52 55 54 52 54

48,42 42,17 43,61 43,36 38,13 43,12 52,09 56,02 47,56 62,57 48,75 58,07

Asymptotische Signifikanz (2-seitig) p = 0,243 p = 0,961 p = 0,324 p = 0,504 p = 0,012* p = 0,113

Tab. 46: Mann-Whitney-Test zw. den Prime-Gruppen zu DST bzgl. der Herkunft (Ähnlichkeit) (α = 0,05).

Mittels des Mann-Whitney-Tests können signifikante Unterschiede in der Ähnlichkeitseinschätzung der Sprechprobe Dingelstädt (DST) innerhalb der Herkunftsgruppe neue Bundesländer zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) festgestellt werden (p = 0,012). Innerhalb dieser Gruppe schätzen die Proband*innen der verstärkten Prime-Gruppe (DOP; mittlerer Rang: 62,57) das Sprachbeispiel Dingelstädt tendenziell ähnlicher zu ihrer eigenen Sprechweise ein als diejenigen der Kontrollgruppe (OHN; mittlerer Rang: 47,56) (vgl. Tab. 46). Auf der Grundlage dieser Ergebnisse kann die 5. Alternativhypothese angenommen, die anderen müssen verworfen werden. Sprechprobe Schwalmstadt Wie bei der Sprechprobe Dingelstädt (DST) konnten bei dem Sprachbeispiel Schwalmstadt (SWA) zwischen den Priming-Bedingungen keine signifikanten Unterschiede in der Ähnlichkeitseinschätzung festgestellt werden (vgl. Tab. 40). Ebenfalls lassen sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den Herkunftsgruppen bei dieser Sprechprobe ausmachen (vgl. Tab. 42, Tab. 43). Es stellt sich aufgrund der vorhergehenden Ergebnisse die Frage, ob sich zwischen den Priming-Bedingungen innerhalb der Herkunftsgruppen signifikante Unterschiede in der Ähnlichkeitseinschätzung finden lassen, obwohl zuvor zwischen den Herkunftsgruppen bei dieser Sprechprobe keine festzustellen waren. Somit ergeben sich für die anschließenden Analysen folgende Alternativhypothesen (da die jeweiligen Nullhypothesen die gegenteiligen Aussagen der Alternativhypothesen wiedergeben, werden diese nicht einzeln aufgenommen):

200

4 Aufbereitung und Ergebnisse

1. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Ähnlichkeitseinschätzung der Sprechprobe Schwalmstadt (SWA) zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der einfachen Prime-Gruppe (EINF) innerhalb der Herkunftsgruppe alte Bundesländer. 2. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Ähnlichkeitseinschätzung der Sprechprobe Schwalmstadt (SWA) zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) innerhalb der Herkunftsgruppe alte Bundesländer. 3. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Ähnlichkeitseinschätzung der Sprechprobe Schwalmstadt (SWA) zwischen der einfachen Prime-Gruppe (EINF) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) innerhalb der Herkunftsgruppe alte Bundesländer. 4. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Ähnlichkeitseinschätzung der Sprechprobe Schwalmstadt (SWA) zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der einfachen Prime-Gruppe (EINF) innerhalb der Herkunftsgruppe neue Bundesländer. 5. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Ähnlichkeitseinschätzung der Sprechprobe Schwalmstadt (SWA) zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) innerhalb der Herkunftsgruppe neue Bundesländer. 6. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Ähnlichkeitseinschätzung der Sprechprobe Schwalmstadt (SWA) zwischen der vereinfachten Prime-Gruppe (EINF) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) innerhalb der Herkunftsgruppe neue Bundesländer. Sprechprobe

Herkunftsbundesland 1. alte Bundesländer

2. 3.

SWA

4. neue Bundesländer

5. 6.

PrimeGruppe

N

Mittlerer Rang

OHN EINF OHN DOP EINF DOP OHN EINF OHN DOP EINF DOP

36 42 36 34 42 34 63 50 63 50 50 50

34,50 43,79 32,21 38,99 39,14 37,71 56,59 57,52 56,36 57,81 50,14 50,86

Asymptotische Signifikanz (2-seitig) p = 0,067 p = 0,158 p = 0,774 p = 0,878 p = 0,812 p = 0,900

Tab. 47: Mann-Whitney-Test zw. den Prime-Gruppen zu SWA bzgl. der Herkunft (Ähnlichkeit) (α = 0,05).

4 Aufbereitung und Ergebnisse

201

Für das Sprachbeispiel Schwalmstadt (SWA) kann keine der aufgestellten sechs Alternativhypothesen angenommen werden, es gelten daher die Nullhypothesen (keine signifikanten Unterschiede in der Ähnlichkeitseinschätzung zwischen den Prime-Gruppen innerhalb der Herkunftsgruppen) (vgl. Tab. 47). Somit zeigen sich bei dieser Sprechprobe in keiner Konstellation signifikante Unterschiede in der Ähnlichkeitseinschätzung. 4.3.4 Variable Einschätzung der Herkunft der Sprecher*innen Da die vorhergehenden Ergebnisse gezeigt haben, dass Unterschiede in bestimmten Konstellationen bezüglich des Primes und der Herkunft bestehen, soll ebenfalls bei der Variable Einschätzung der Herkunft der Sprecher*innen getestet werden, ob sich Unterschiede in den verschiedenen Gruppen finden lassen. Es handelt sich dabei um die Entscheidungsfrage 2.1.5 des Fragebogens „Die Sprecher*innen könnten aus meinem Ort oder aus meiner unmittelbaren Umgebung stammen.“ (vgl. Kap. 3.1.3). Da es sich bei dieser Variable sowie bei den Gruppenvariablen um nominalskalierte Variable handelt, wird mit dem Chi-Quadrat-Test geprüft, ob bestimmte Variablen/Faktoren zusammenhängen oder nicht. Im Gegensatz zu den vorher genutzten Tests bei der Variable Gefallen und Ähnlichkeit prüft dieses Verfahren die Nullhypothese (vgl. Kap. 4.3.1). Der Test ist außerdem kritisch zu betrachten, da die herausgestellten signifikanten Zusammenhänge keine „genauere[n] Aussagen über die Häufigkeitsunterschiede in den einzelnen Stufen“ (FRIESE / HOFMANN / NAUMANN / RASCH 2014b, 125) erlauben. Dieses Verfahren kann nur herausstellen, „ob signifikante Unterschiede zu den erwarteten Häufigkeiten vorliegen. Aus welchen Einzelunterschieden sich dieses globale Ergebnis zusammensetzt, darüber macht der χ²-Wert keine Aussagen. […] Die einzige statistisch korrekte Aussage lautet aber: es existiert ein Zusammenhang zwischen den Merkmalen A und B.“ (FRIESE / HOFMANN / NAUMANN / RASCH 2014b , 125)

Dem kann jedoch mit einer deskriptiven Analyse entgegengewirkt werden (vgl. FRIESE / HOFMANN / NAUMANN / RASCH 2014b, 125). Daher wurde neben der Häufigkeitsverteilung auch die grafische Darstellung des Balkendiagramms zur Illustration der Ergebnisse aus dem Chi-Quadrat-Test hinzugezogen. Ausgangspunkt sind bei diesem Verfahren die folgenden Nullhypothesen: 1. Es gibt keinen Unterschied in der Einschätzung der Herkunft der Sprecher*innen zwischen den Prime-Gruppen (Kontrollgruppe, einfache Primeund verstärkte Prime-Gruppe). 2. Es gibt keinen Unterschied in der Einschätzung der Herkunft der Sprecher*innen zwischen der Herkunftsgruppe alte Bundesländer und der Herkunftsgruppe neue Bundesländer. 3. Es gibt keinen Unterschied in der Einschätzung der Herkunft der Sprecher*innen zwischen den einzelnen Sprechproben.

202

4 Aufbereitung und Ergebnisse

Dass die Einschätzung der Herkunft der Sprecher*innen von der jeweiligen Sprechprobe abhängt, kann aufgrund der vorhergehenden Ergebnisse der Variable Gefallen und Ähnlichkeit angenommen werden. Daher werden die Sprechproben ebenfalls einzeln geprüft: 4. Es gibt keinen Unterschied in der Einschätzung der Herkunft der Sprecher*innen zwischen den Prime-Gruppen (Kontrollgruppe, einfache Primeund verstärkte Prime-Gruppe). Abschließend wird bei der Variable Einschätzung der Herkunft der Sprecher*innen geprüft, ob die Herkunft der Proband*innen in den einzelnen Prime-Gruppen unterschiedliche Einschätzungen bei den einzelnen Sprechproben hervorruft: 5. Es gibt keinen Unterschied in der Einschätzung der Herkunft der Sprecher*innen zwischen der Herkunftsgruppe alte Bundesländer und der Herkunftsgruppe neue Bundesländer innerhalb der Prime-Gruppen. 6. Es gibt keinen Unterschied in der Einschätzung der Herkunft der Sprecher*innen zwischen den Prime-Gruppen innerhalb der Herkunftsgruppe alte Bundesländer und der Herkunftsgruppe neue Bundesländer. Wenn die Nullhypothesen verworfen werden können, gilt die jeweilige Alternativhypothese. Diese werden hier nicht eigens ausformuliert, da sie die gegenteilige Aussage der jeweiligen Nullhypothese abbilden. Insgesamt bilden 1063 Antworten von 350 Proband*innen die Grundlage der weiteren Analysen (vgl. Tab. 48). Die Sprecher*innen könnten aus meinem Ort oder der unmittelbaren Umgebung stammen. absolut % gültige% gültig fehlend gesamt

ja nein gesamt

551 512 1063 115 1178

46,8 43,5 90,2 9,8 100,0

51,8 48,2 100,0

Tab. 48: Häufigkeitsverteilung zur Frage 2.1.5.

Hinsichtlich der gesamten Häufigkeitsverteilung auf die Antwortkategorien ja und nein besteht eine relativ gleiche Verteilung: 52% der Antworten wurden der Kategorie ja und 48% der Kategorie nein, die gehörte Sprechprobe könnte nicht aus meinem Ort oder der unmittelbaren Umgebung stammen. Insgesamt fehlen bei dieser Frage 115 Antworten. Diese Differenz resultiert daraus, dass nicht alle Proband*innen auch sämtliche Sprechproben bearbeitet haben und zudem nicht in jedem Fall alle Fragen beantwortet worden sind. Bezogen auf die Gesamtverteilung kann diese Zahl (9,8%) als gering eingeschätzt und vernachlässigt werden (vgl. Tab. 48).

4 Aufbereitung und Ergebnisse

203

4.3.4.1 Vergleich der Herkunftseinschätzung zwischen den Prime-Gruppen Signifikante Unterschiede zwischen den Prime-Gruppen wurden bei der Variable Gefallen (vgl. Tab. 23), jedoch nicht bei der Variable Ähnlichkeit (vgl. Tab. 36) gefunden. Daher soll bei der Variable Einschätzung der Herkunft der Sprecher*innen geprüft werden, ob zwischen den Prime-Gruppen und den Herkunftseinschätzungen Zusammenhänge bestehen. Die Nullhypothese lautet: 1. Es gibt keinen Zusammenhang zwischen der Einschätzung der Herkunft der Sprecher*innen und den Priming-Bedingungen. Chi-Quadrat nach Pearson Anzahl der gültigen Fälle

Wert df 10,691 2 1063

Asymptotische Signifikanz (2-seitig) p = 0,005*

Tab. 49: Chi-Quadrat-Test zur Verteilung der Herkunftseinschätzung auf die Prime-Gruppen.

Mittels des Chi-Quadrat-Tests kann ein signifikanter Zusammenhang zwischen diesen beiden Variablen festgestellt werden (p = 0,005) (vgl. Tab. 49). Somit kann die Alternativhypothese, dass es einen Zusammenhang zwischen der Variable Einschätzung der Herkunft der Sprecher*innen und den Priming-Bedingungen gibt, angenommen und die Nullhypothese verworfen werden. Es kann aber mithilfe dieses Tests nicht analysiert werden, zwischen welchen Gruppen solche Unterschiede/Zusammenhänge bestehen. Hierbei hilft ein Blick in die Daten selbst:

JA

52,56%

NEIN

47,44%

ja nein gesamt

45,51%

54,49%

58,04%

41,96%

OHN (%)

EINF (%)

DOP (%)

205 (52,56) 185 (47,44)

162 (45,51) 194 (54,49)

184 (58,04) 133 (41,96)

390 (100,0)

356 (100,0)

317 (100,0)

Diagramm 2: Verteilung der Herkunftseinschätzung auf die Prime-Gruppen.

Insgesamt ist die Verteilung bei den einzelnen Priming-Bedingungen ähnlich ausgeprägt, wenngleich zwischen den einzelnen Gruppen leichte Unterschiede in der Einschätzung der Herkunft der Sprecher*innen ausgemacht werden können, sind diese signifikant: So sind mehr als die Hälfte der Proband*innen der Kontrollgruppe

204

4 Aufbereitung und Ergebnisse

(OHN, 52,56%) sowie der verstärkten Prime-Gruppe (DOP, 58,04%) der Auffassung, die Sprecher*innen der Sprechproben könnten aus dem eigenen Ort oder der unmittelbaren Umgebung stammen. Die Zustimmung zu dieser Aussage ist bei der verstärkten Prime-Gruppe sogar leicht höher als bei der Kontrollgruppe. Die Proband*innen der einfachen Prime-Gruppen bewerten diese Aussage anders. Bei dieser Gruppe sind mehr als die Hälfte der Meinung, die Sprecher*innen stammen nicht aus deren Ort oder unmittelbaren Umgebung (EINF, 54,49%). Die größte Zustimmung zu dieser Aussage besteht somit bei der verstärkten Prime-Gruppe (DOP), wohingegen die einfache Prime-Gruppe (EINF) diese am stärksten ablehnt (vgl. Diagramm 2). Zwar ist das Ergebnis signifikant (vgl. Diagramm 2), jedoch lässt es sich kaum sinnvoll deuten, da hier unterschiedliche Prime-Wirkungen zusammengefasst werden. Je nachdem, welche Sprechprobe zu hören war, wirkt der Prime anders.

4.3.4.2 Vergleich der Herkunftseinschätzung zwischen den Herkunftsgruppe alte und neue Bundesländer Bei den Variablen Gefallen und Ähnlichkeit konnten Unterschiede in den einzelnen Gruppe festgestellt werden (vgl. Tab. 24, Tab. 37), daher wird auch bei der Variable Einschätzung der Herkunft der Sprecher*innen geprüft, ob es zwischen den Herkunftsgruppen und der Herkunftseinschätzung einen Zusammenhang gibt. Die Nullhypothese lautet: 1. Es gibt keinen Zusammenhang zwischen der Einschätzung der Herkunft der Sprecher*innen und den Herkunftsgruppen alte und neue Bundesländer. Chi-Quadrat nach Pearson Anzahl der gültigen Fälle

Wert 1,253 1063

df 1

Asymptotische Signifikanz (2-seitig) p = 0,263

Tab. 50: Chi-Quadrat-Test zur Verteilung der Herkunftseinschätzung auf die Herkunftsgruppen.

Im Gegensatz zu den anderen beiden Variablen muss hier die Nullhypothese angenommen werden (p = 0,263): Es besteht kein Zusammenhang zwischen der Einschätzung der Herkunft der Sprecher*innen und der Herkunft (bezogen auf die alten bzw. neuen Bundesländer) der Proband*innen (vgl. Tab. 50). Dieses Ergebnis wird auch durch das Diagramm 3 verdeutlicht. Die Verteilung auf die einzelnen Gruppen verhält sich ähnlich.

4 Aufbereitung und Ergebnisse

JA

NEIN

ja nein gesamt

49,77%

53,26%

50,23%

46,74%

Alte BL (%) 216 (49,77) 218 (50,23) 434 (100,0)

205

Neue BL (%) 335 (53,26) 294 (46,74) 629 (100,0)

Diagramm 3: Verteilung der Herkunftseinschätzung auf die Herkunftsgruppen.

Innerhalb der Herkunftsgruppe alte Bundesländer verteilen sich die Angaben annähernd gleich auf die beiden Antwortoptionen: Ca. 50% sind der Meinung, dass die Sprecher*innen aus deren eigenen Ort oder deren Umgebung stammen könnten, während 50% der gegenteiligen Auffassung sind. Ähnlich verhält es sich in der Herkunftsgruppe neue Bundesländer: Ca. 53% können sich vorstellen, dass die Sprecher*innen aus deren Ort oder Umgebung kommen könnten, 47% sind nicht dieser Ansicht. Somit scheint die Herkunft (alte/neue Bundesländer) der Befragten in Bezug auf diese Variable keine Rolle zu spielen (vgl. Diagramm 3).

4.3.4.3 Vergleich der Herkunftseinschätzung bezogen auf die einzelnen Sprechproben Wie bei den Bewertungen (Gefallen, vgl. Tab. 25, Tab. 26) und Einschätzungen (Ähnlichkeit, vgl. Tab. 38, Tab. 39) zuvor wird, bezogen auf die Sprechproben selbst, ein signifikantes Ergebnis erwartet. In diesem Fall lautet die zu testende Nullhypothese: 1. Es gibt keinen Zusammenhang zwischen der Einschätzung der Herkunft der Sprecher*innen und den Sprechproben. Die zuvor aufgestellte Vermutung kann bestätigt und die Nullhypothese verworfen werden. Chi-Quadrat nach Pearson Anzahl der gültigen Fälle

Wert df 223,944a 3 1063

Asymptotische Signifikanz (2-seitig) p < 0,001*

Tab. 51: Chi-Quadrat-Test zur Verteilung der Herkunftseinschätzung auf die Sprechproben.

206

4 Aufbereitung und Ergebnisse

Somit wird die Alternativhypothese angenommen, dass ein Zusammenhang zwischen diesen beiden Variablen besteht. Da die meisten Proband*innen aus dem norddeutschen Raum stammen, ist es nicht verwunderlich, dass besonders zu den Sprechproben Lübeck und Schwerin die meisten Einschätzungen darüber getroffen wurden, dass die Sprecher*innen aus deren Ort oder der unmittelbaren Umgebung kommen könnten (vgl. Diagramm 4).

JA

76,28%

NEIN

23,72% 30,48%

ja nein gesamt

69,52%

19,32% 40,63%

80,68%

59,38%

LBK (%)

SWE (%)

DST (%)

SWA (%)

209 (76,28) 65 (23,72) 274 (100,0)

187 (69,52) 82 (30,48) 269 (100,0)

51 (19,32) 213 (80,68) 264 (100,0)

104 (40,63) 152 (59,38) 256 (100,0)

Diagramm 4: Verteilung der Herkunftseinschätzung auf die Sprechproben.

Die Verteilung zeigt deutlich, dass die Sprechprobe selbst und die Herkunft der Proband*innen sich bezüglich dieser Fragestellung bedingen. Dies konnte auch bei den vorhergehenden Variablen Gefallen und Ähnlichkeit herausgestellt werden. Die Sprechproben Lübeck (LBK) und Schwerin (SWE) werden mehrheitlich dem Gebiet der Proband*innen zugeordnet, hingegen wird besonders das Sprachbeispiel Dingelstädt (DST) nicht der eigenen Region zugerechnet. Bei Schwalmstadt (SWA) scheint die Zuordnung sich schwierig zu gestalten, jedoch sind mehr als die Hälfte der Proband*innen der Auffassung, die Sprecher*innen kommen nicht aus der eigenen Region (vgl. Diagramm 4). Aufgrund dieser Unterschiede werden im Anschluss die weiteren Analysen für jede einzelne Sprechprobe durchgeführt.

4.3.4.4 Vergleich der Herkunftseinschätzung auf die Prime-Gruppe der einzelnen Sprechproben Es konnten bei den vorhergehenden Variablen Gefallen und Ähnlichkeit Unterschiede zwischen den Priming-Bedingungen bei den Sprechproben Lübeck (LBK) und Schwerin (SWE) gefunden werden (vgl. Tab. 28, Tab. 41). Im Folgenden soll geprüft werden, ob ein Zusammenhang zwischen der Variable Einschätzung der Herkunft der Sprecher*innen und den Prime-Gruppen besteht. Die zu testenden Nullhypothesen lauten:

4 Aufbereitung und Ergebnisse

207

1. Es gibt keinen Zusammenhang zwischen der Einschätzung der Herkunft Sprecher*innen und den Priming-Bedingungen (OHN, EINF, DOP) bei Sprechprobe Lübeck (LBK). 2. Es gibt keinen Zusammenhang zwischen der Einschätzung der Herkunft Sprecher*innen und den Priming-Bedingungen (OHN, EINF, DOP) bei Sprechprobe Schwerin (SWE). 3. Es gibt keinen Zusammenhang zwischen der Einschätzung der Herkunft Sprecher*innen und den Priming-Bedingungen (OHN, EINF, DOP) bei Sprechprobe Dingelstädt (DST). 4. Es gibt keinen Zusammenhang zwischen der Einschätzung der Herkunft Sprecher*innen und den Priming-Bedingungen (OHN, EINF, DOP) bei Sprechprobe Schwalmstadt (SWA).

der der der der der der der der

Die Alternativhypothesen sind die gegenteiligen Aussagen und werden daher nicht einzeln aufgenommen. Sprechprobe LBK

1.

SWE

2.

DST

3.

SWA

4.

Chi-Quadrat nach Pearson Anzahl der gültigen Fälle Chi-Quadrat nach Pearson Anzahl der gültigen Fälle Chi-Quadrat nach Pearson Anzahl der gültigen Fälle Chi-Quadrat nach Pearson Anzahl der gültigen Fälle

Wert 21,745a 274 5,263b 269 16,513c 264 6,963d 256

d Asymptotische Signifikanz f (2-seitig) 2 p < 0,001* 2 p = 0,072 2 p < 0,001* 2 p = 0,031*

Tab. 52: Chi-Quadrat-Test zur Verteilung der Herkunftseinschätzung auf die Prime-Gruppe der SP.

Außer bei der Sprechprobe Schwerin (SWE) besteht bei allen anderen Sprachbeispielen (LBK, DST, SWA) ein Zusammenhang zwischen der Einschätzung der Herkunft der Sprecher*innen und der Priming-Bedingung (vgl. Tab. 52). Somit können alle (bis auf die zweite) Nullhypothesen verworfen und die Alternativhypothesen angenommen werden. Da der Chi-Quadrat-Test nicht angeben kann, bei welchen Gruppen genau diese Unterschiede bestehen, wird im Anschluss bei jeder Sprechprobe die Verteilung auf die einzelnen Gruppen betrachtet.

208

4 Aufbereitung und Ergebnisse

4.3.4.4.1 Sprechprobe Lübeck Der Chi-Quadrat-Test hat signifikante Zusammenhänge zwischen der Einschätzung der Herkunft der Sprecher*innen der Sprechprobe Lübeck (LBK) und den PrimingBedingungen herausgestellt (p < 0,001). Bei diesem Sprachbeispiel können diese Unterschiede zwischen den Prime-Gruppen aus dem Diagramm 5 abgelesen werden.

JA

88,17%

N E I N 11,83%

ja nein gesamt

60,42%

39,58%

81,18%

18,82%

OHN (%)

EINF (%)

DOP (%)

82(88,17) 11 (11,83) 93 (100,0)

58 (60,42) 38 (39,58) 96 (100,0)

69 (81,18) 16 (18,82) 85 (100,0)

Diagramm 5: Verteilung der Herkunftseinschätzung auf die Prime-Gruppen zur Sprechprobe Lübeck.

Die Unterschiede bestehen zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der einfachen Prime-Gruppe (EINF) sowie zwischen der einfachen Prime-Gruppe (EINF) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP). Sowohl die Proband*innen der Kontrollgruppe (OHN, 88,17%) als auch diejenigen der verstärkten Prime-Gruppe (DOP, 81,18%) sind der Auffassung, die Sprecher*innen des Lübecker Sprachbeispiels könnten aus deren Region stammen. Besonders bei der einfachen Prime-Gruppe (EINF) erhöhen sich die Nein-Stimmen. In dieser Gruppe sind 60% der Proband*innen der Meinung, die Sprecher*innen der Sprechprobe Lübeck könnten aus deren Umgebung kommen, 40% sind der gegenteiligen Auffassung. Dieser Unterschied beträgt zwischen diesen Gruppen mehr als 20% (vgl. Diagramm 5).

4 Aufbereitung und Ergebnisse

209

4.3.4.4.2 Sprechprobe Schwerin Das Sprachbeispiel Schwerin (SWE) war das einzige, bei dem keine signifikanten Zusammenhänge zwischen der Einschätzung der Herkunft und den Prime-Gruppen gefunden werden konnten (p = 0,072). Das Diagramm 6 verdeutlicht dieses Ergebnis.

JA

NEIN

ja nein gesamt

77,00%

23,00%

68,54%

31,46%

61,25%

38,75%

OHN (%)

EINF (%)

DOP (%)

77 (77,00) 23 (23,00) 100 (100,0)

61 (68,54) 28 (31,46) 89 (100,0)

49 (61,25) 31 (38,75) 80 (100,0)

Diagramm 6: Verteilung der Herkunftseinschätzung auf die Prime-Gruppen zur Sprechprobe Schwerin.

Der Vergleich der Prozentwerte präsentiert ähnliche Verteilungen auf die Antwortoptionen: Mehrheitlich waren die Proband*innen der Auffassung, die Sprecher*innen des Sprachbeispiels Schwerin (SWE) würden aus deren eigener Region stammen. Diese Werte sinken leicht (ca. 10%) bei den Gruppen mit einem Prime, wobei diese Zusammenhänge nicht signifikant sind (vgl. Diagramm 6).

210

4 Aufbereitung und Ergebnisse

4.3.4.4.3 Sprechprobe Dingelstädt Ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Einschätzung der Herkunft und den Priming-Bedingungen konnte ebenfalls bei dem Sprachbeispiel Dingelstädt mittels des Chi-Quadrat-Tests festgestellt werden (p < 0,001). Das Diagramm 7 verdeutlicht die Unterschiede im Antwortverhalten.

JA

11,00% 15,29%

NEIN

ja nein gesamt

89,00%

34,18%

84,71%

65,82%

OHN (%)

EINF (%)

DOP (%)

11 (11,00) 89 (89,00) 100 (100,0)

13 (15,29) 72 (84,71) 85 (100,0)

27 (34,18) 52 (65,82) 79 (100,0)

Diagramm 7: Verteilung der Herkunftseinschätzung auf die Prime-Gruppen zur Sprechprobe Dingelstädt.

Die Sprechprobe wird mehrheitlich von den Proband*innen nicht in die eigene Region sortiert, doch nehmen die Ja-Stimmen von der Kontrollgruppe (OHN) über die einfache Prime-Gruppe (EINF) zur verstärkten Prime-Gruppe (DOP) zu. Bei der Kontrollgruppe (OHN) waren 11% der Meinung, die Sprecher*innen könnten aus deren Region stammen, bei der einfachen Prime-Gruppe schon 15% und bei der verstärkten Prime-Gruppe meinten 34%, die Sprecher*innen könnten aus deren Umgebung kommen. Zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) besteht somit ein Unterschied von über 20% (vgl. Diagramm 7).

4 Aufbereitung und Ergebnisse

211

4.3.4.4.4 Sprechprobe Schwalmstadt Auch bei dem letzten Sprachbeispiel Schwalmstadt (SWA) konnte ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Einschätzung der Herkunft der Sprecher*innen und der Prime-Gruppen ausgemacht werden (p = 0,031).

JA

NEIN

ja nein gesamt

36,08%

34,88%

53,42%

63,92%

65,12%

46,58%

OHN (%)

EINF (%)

DOP (%)

35 (36,08) 62 (63,92)

30 (34,88) 56 (65,12)

39 (53,42) 34 (46,58)

97 (100,0)

86 (100,0)

73 (100,0)

Diagramm 8: Verteilung der Herkunftseinschätzung auf die Prime-Gruppen zur Sprechprobe SWA.

Im Vergleich der Prozentwerte zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) sowie zwischen der einfachen Prime-Gruppe (EINF) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP). Die Werte der Kontrollgruppe (OHN) und der einfachen Prime-Gruppe (EINF) sind annähernd gleich (OHN: JA 36,08% u. NEIN 63,92%; EINF: JA 34,88% u. NEIN 65,12%). Bei diesen beiden Gruppen waren die Proband*innen mehrheitlich der Meinung, die Sprecher*innen kämen nicht aus deren Umgebung. Dies kehrt sich bei der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) um. Etwas mehr als die Hälfte sind der Auffassung, die Sprecher*innen der Schwalmstädter Sprechprobe könnten auch aus deren Region stammen (vgl. Diagramm 8).

4.3.4.5 Vergleich der Herkunftseinschätzung auf die Herkunftsgruppen der einzelnen Sprechproben Zwar konnte mittels des Chi-Quadrat-Tests herausgestellt werden, dass es keinen signifikanten Zusammenhang zwischen der Einschätzung der Herkunft der Sprecher*innen und der Herkunft der Proband*innen gibt (vgl. Tab. 50), jedoch hat die Testung der einzelnen Sprechproben die Abhängigkeit der Einschätzung von den Sprechproben selbst gezeigt. Daher werden im Folgenden diese Nullhypothesen geprüft:

212

4 Aufbereitung und Ergebnisse

1. Es gibt keinen Zusammenhang zwischen der Einschätzung der Herkunft der Sprecher*innen und den Herkunftsgruppen bei der Sprechprobe Lübeck (LBK). 2. Es gibt keinen Zusammenhang zwischen der Einschätzung der Herkunft der Sprecher*innen und den Herkunftsgruppen bei der Sprechprobe Schwerin (SWE). 3. Es gibt keinen Zusammenhang zwischen der Einschätzung der Herkunft der Sprecher*innen und den Herkunftsgruppen bei der Sprechprobe Dingelstädt (DST). 4. Es gibt keinen Zusammenhang zwischen der Einschätzung der Herkunft der Sprecher*innen und den Herkunftsgruppen bei der Sprechprobe Schwalmstadt (SWA). Die Alternativhypothesen sind die gegenteiligen Aussagen der Nullhypothesen und werden daher nicht einzeln aufgeführt. Sprechprobe LBK 1. SWE

2.

DST

3.

SWA

4.

Chi-Quadrat nach Pearson Anzahl der gültigen Fälle Chi-Quadrat nach Pearson Anzahl der gültigen Fälle Chi-Quadrat nach Pearson Anzahl der gültigen Fälle Chi-Quadrat nach Pearson Anzahl der gültigen Fälle

Wert 2,245a 274 ,027c 269 ,692d 264 ,251e 256

df 1

Asymptotische Signifikanz (2-seitig) p = 0,134

1

p = 0,870

1

p = 0,406

1

p = 0,617

Tab. 53: Chi-Quadrat-Test zur Verteilung der Herkunftseinschätzung auf die Herkunftsgruppe der SP.

Auch hinsichtlich der einzelnen Sprechproben können keine signifikanten Zusammenhänge zwischen der Einschätzung der Herkunft und der Herkunftsgruppen gefunden werden (vgl. Tab. 53). Somit werden sämtliche Nullhypothesen angenommen.

4.3.4.6 Vergleich der Herkunftseinschätzung auf die Prime-Gruppen innerhalb der Herkunftsgruppe der Sprechproben Ein signifikanter Zusammenhang konnte zwischen der Herkunftseinschätzung und den Prime-Gruppen herausgestellt werden (vgl. Tab. 49, Diagramm 2) sowie zwischen den Priming-Bedingungen und der Herkunftseinschätzung innerhalb der einzelnen Sprechproben (vgl. Tab. 52). Aufgrund dieser Ergebnisse soll geprüft werden, ob es signifikante Zusammenhänge zwischen der Herkunftseinschätzung und den Prime-Gruppen innerhalb der einzelnen Herkunftsgruppe der Proband*innen gibt. Die Nullhypothesen lauten hierbei wie folgt:

4 Aufbereitung und Ergebnisse

213

1. Es gibt keinen Zusammenhang zwischen der Herkunftseinschätzung und den Prime-Gruppen innerhalb der Herkunftsgruppe alte Bundesländer der Sprechprobe Lübeck (LBK). 2. Es gibt keinen Zusammenhang zwischen der Herkunftseinschätzung und den Prime-Gruppen innerhalb der Herkunftsgruppe neue Bundesländer der Sprechprobe Lübeck (LBK). 3. Es gibt keinen Zusammenhang zwischen der Herkunftseinschätzung und den Prime-Gruppen innerhalb der Herkunftsgruppe alte Bundesländer der Sprechprobe Schwerin (SWE). 4. Es gibt keinen Zusammenhang zwischen der Herkunftseinschätzung und den Prime-Gruppen innerhalb der Herkunftsgruppe neue Bundesländer der Sprechprobe Schwerin (SWE). 1. Es gibt keinen Zusammenhang zwischen der Herkunftseinschätzung und den Prime-Gruppen innerhalb der Herkunftsgruppe alte Bundesländer der Sprechprobe Dingelstädt (DST). 2. Es gibt keinen Zusammenhang zwischen der Herkunftseinschätzung und den Prime-Gruppen innerhalb der Herkunftsgruppe neue Bundesländer der Sprechprobe Dingelstädt (DST). 3. Es gibt keinen Zusammenhang zwischen der Herkunftseinschätzung und den Prime-Gruppen innerhalb der Herkunftsgruppe alte Bundesländer der Sprechprobe Schwalmstadt (SWA). 4. Es gibt keinen Zusammenhang zwischen der Herkunftseinschätzung und den Prime-Gruppen innerhalb der Herkunftsgruppe neue Bundesländer der Sprechprobe Schwalmstadt (SWA). Da die Alternativhypothesen die gegenteiligen Aussagen der Nullhypothesen sind, werden sie nicht eigens ausformuliert.

214

4 Aufbereitung und Ergebnisse

Sprec hprob

Asymptotische

e LBK

SWE

DST

SWA

1.

Bundesland des Geburtsortes

Wert

alte BL

Chi-Quadrat nach Pearson

13,376 2

Anzahl der gültigen Fälle

113

2.

neue BL Chi-Quadrat nach Pearson

3.

alte BL

161

Chi-Quadrat nach Pearson

1,421c

Anzahl der gültigen Fälle

103

neue BL Chi-Quadrat nach Pearson

5.

alte BL

6.

neue BL Chi-Quadrat nach Pearson

7.

8.

alte BL

8,848b 2

Anzahl der gültigen Fälle

4.

df

p = 0,012* p = 0,491

5,344d 2

p = 0,069

166

Chi-Quadrat nach Pearson

4,541e

Anzahl der gültigen Fälle

112

2

11,876 2

Anzahl der gültigen Fälle

152

Chi-Quadrat nach Pearson

7,358g 2

Anzahl der gültigen Fälle

106

Anzahl der gültigen Fälle

p = 0,001*

2

Anzahl der gültigen Fälle

neue BL Chi-Quadrat nach Pearson

Signifikanz (2-seitig)

6,837h 2

p = 0,103 p = 0,003* p = 0,025*

p = 0,033*

150

Tab. 54: Chi-Quadrat-Test zur Verteilung der Herkunftseinschätzung auf die Prime-Gr. in d. Herkunfts-Gr.

Innerhalb der einzelnen Herkunftsgruppen der Prime-Gruppen der Sprechproben können signifikante Zusammenhänge festgestellt werden (vgl. Tab. 54). Somit werden die 1., die 2., die 6., die 7. und die 8. Alternativhypothesen angenommen und in den Fällen 3, 4 und 5 die Nullhypothesen angenommen. Aufgrund dieser Ergebnisse werden im Folgenden die Häufigkeitsverteilungen der einzelnen Sprechproben und Gruppen aufgeschlüsselt.

4 Aufbereitung und Ergebnisse

215

4.3.4.6.1 Sprechprobe Lübeck

NEUE BL

ALTE BL

Signifikante Unterschiede konnten bei der Sprechprobe Lübeck (LBK) zwischen der Herkunftseinschätzung und den Prime-Gruppen in beiden Herkunftsgruppen festgestellt werden (alte Bundesländer: p = 0,001; neue Bundesländer: p = 0,012, vgl. Tab. 54). Die Unterschiede werden im Diagramm 9 deutlich.

JA NEIN JA NEIN

89,74% 10,26%

53,49% 46,51%

87,04% 12,96%

66,04%

74,19% 25,81% 85,19%

33,96%

14,81%

OHN (%) EINF (%) DOP (%) Alte BL

ja 35 (89,74) nein 4 (10,26)

Neue BL

23 (53,49)

23 (74,19)

20 (46,51)

8 (25,81)

gesamt 39 (100,0)

43 (100,0)

31 (100,0)

ja 47 (87,04)

35 (66,04)

46 (85,19)

18 (33,96)

8 (14,81)

53 (100,0)

54 (100,0)

nein 7 (12,96) gesamt 54 (100,0)

Diagramm 9: Verteilung der Herkunftseinschätzung auf die Prime-Gruppen in den Herkunftsgr. (LBK).

Innerhalb der Herkunftsgruppe alte Bundesländer (Alte BL) sind diese Unterschiede besonders in der einfachen Prime-Gruppe (EINF) im Vergleich zu den anderen beiden erkennbar. 90% der Proband*innen aus den alten Bundesländern der Kontrollgruppe (OHN) sind der Meinung, die Sprecher*innen der Sprechprobe Lübeck könnten aus deren Region stammen. Dieser Auffassung sind auch 74% der verstärkten Prime-Gruppe (DOP). Bei der einfachen Prime-Gruppe (EINF) können Unsicherheiten bezüglich dieser Einschätzung abgelesen werden, da nur eine knappe Mehrheit der Befragten dieser Meinung ist (JA: 53%; NEIN: 47%, vgl. Diagramm 9). Bezüglich der Herkunftsgruppe neue Bundesländer (Neue BL) sehen die Ergebnisse ähnlich aus. Auch hier lassen sich Unterschiede zwischen der einfachen Prime-Gruppe (EINF) und der Kontrollgruppe (OHN) sowie zwischen der einfachen Prime-Gruppe (EINF) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) finden. Die Proband*innen der einfachen Prime-Gruppe (EINF) sind zwar mehrheitlich (wie diejenigen der anderen beiden Gruppen) der Auffassung, dass die Sprecher*innen der Lübecker Sprechprobe aus deren eigener Region stammen könnten, doch lassen sich bei dieser Gruppe mehr Nein-Stimmen (34%) ausmachen als bei den anderen beiden Gruppen (vgl. Diagramm 9).

216

4 Aufbereitung und Ergebnisse

4.3.4.6.2 Sprechprobe Schwerin

NEUE BL

ALTE BL

Der Chi-Quadrat-Test konnte bei der Sprechprobe Schwerin (SWE) innerhalb der Herkunftsgruppen zwischen den Priming-Bedingungen und der Herkunftseinschätzung keine signifikanten Zusammenhänge herausstellen (alte Bundesländer: p = 0,491; neue Bundesländer: p = 0,069, vgl. Tab. 54). Ein Blick in die Häufigkeitsverteilung bestätigt dieses Ergebnis (vgl. Diagramm 10).

JA NEIN JA NEIN

76,47%

63,64%

23,53%

36,36%

77,27% 22,73%

71,43% 28,57%

66,67% 33,33% 56,82% 43,18%

OHN (%) EINF (%) DOP (%) Alte BL

ja 26 (76,47)

21 (63,64)

24 (66,67)

12 (36,36)

12 (33,33)

gesamt 34 (100,0)

33 (100,0)

36 (100,0)

nein 8 (23,53) Neue BL

ja 51 (77,27)

40 (71,43)

25 (56,82)

nein 15 (22,73)

16 (28,57)

19 (43,18)

gesamt 66 (100,0)

56 (100,0)

44 (100,0)

Diagramm 10: Verteilung der Herkunftseinschätzung auf die Prime-Gruppen in den Herkunftsgr. (SWE).

Innerhalb der Herkunftsgruppe neue Bundesländer (Neue BL) sind besonders deutliche Unterschiede zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der verstärkten PrimeGruppe (DOP) festzustellen. 77% der Befragten der Kontrollgruppe (OHN) können sich vorstellen, dass die Sprecher*innen der Sprechprobe Schwerin aus deren eigener Region stammen. Bei der verstärkten Prime-Gruppe hingegen sind es nur 57%. Bei dieser Gruppe scheint die Zuordnung der Sprecher*innen größere Unsicherheit hervorzurufen (vgl. Diagramm 10).

4 Aufbereitung und Ergebnisse

217

4.3.4.6.3 Sprechprobe Dingelstädt

NEUE BL

ALTE BL

Bei der Sprechprobe Dingelstädt konnten nur innerhalb der Herkunftsgruppe neue Bundesländer signifikante Zusammenhänge zwischen der Herkunftseinschätzung und den Prime-Gruppen ausgemacht werden (alte Bundesländer: p = 0,103; neue Bundesländer: p = 0,003, vgl. Tab. 54). JA NEIN JA NEIN

11,11%

13,89%

88,89% 10,91%

29,03% 86,11%

16,33%

89,09%

70,97% 37,50%

83,67%

62,50%

OHN (%) EINF (%) DOP (%) Alte BL

Neue BL

ja 5 (11,11)

5 (13,89)

9 (29,03)

nein 40 (88,89)

31 (86,11)

22 (70,97)

gesamt 45 (100,0)

36 (100,0)

31 (100,0)

ja 6 (10,91)

8 (16,33)

18 (37,50)

nein 49 (89,09)

41 (83,67)

30 (62,50)

gesamt 55 (100,0)

49 (100,0)

48 (100,0)

Diagramm 11: Verteilung der Herkunftseinschätzung auf die Prime-Gruppen in den Herkunftsgr. (DST).

Alle Befragten beider Herkunftsgruppen sind der Auffassung, die Sprecher*innen der Dingelstädter Sprechprobe stammen nicht aus deren eigener Umgebung. Interessant an dieser Stelle ist, dass die Ja-Stimmen im Zusammenhang mit einem gesetzten Prime ansteigen. Besonders deutlich wird dies bei der Herkunftsgruppe neue Bundesländer: 11% der Proband*innen der Kontrollgruppe sind der Meinung, die Sprecher*innen könnten aus ihrer Region kommen, bei der einfachen PrimeGruppe sind es schon 16% und bei der verstärkten Prime-Gruppe lassen sich 38% Ja-Stimmen finden (vgl. Diagramm 11).

218

4 Aufbereitung und Ergebnisse

4.3.4.6.4 Sprechprobe Schwalmstadt

NEUE BL

ALTE BL

Bezüglich des Sprachbeispiels Schwalmstadt (SWA) konnten mittels des ChiQuadrat-Test wieder in beiden Herkunftsgruppen signifikante Zusammenhänge zwischen der Herkunftseinschätzung und der Prime-Gruppen festgestellt werden (alte Bundesländer: p = 0,025; neue Bundesländer: p = 0,033, vgl. Tab. 54). Durch das Diagramm 12 wird deutlich, wo diese Zusammenhänge bzw. Unterschiede zu finden sind. JA NEIN JA NEIN

25,00%

47,37%

56,25%

75,00% 42,62% 57,38%

52,63% 25,00%

43,75% 51,22%

75,00%

48,78%

OHN (%) EINF (%) DOP (%) Alte BL

ja 9 (25,00)

18 (47,37)

18 (56,25)

nein 27 (75,00) 20 (52,63)

14 (43,75)

gesamt 36 (100,0) 38 (100,0) Neue BL

42 (100,0

ja 26 (42,62) 12 (25,00)

21 (51,22)

nein 35 (57,38) 36 (75,00)

20 (48,78)

gesamt 61 (100,0) 48 (100,0)

41 (100,0)

Diagramm 12: Verteilung der Herkunftseinschätzung auf die Prime-Gruppen in den Herkunftsgr. (SWA).

Somit können besonders zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der einfachen Prime-Gruppe (EINF) sowie zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) innerhalb der Herkunftsgruppe alte Bundesländer (Alte BL) Unterschiede ausgemacht werden. 75% der Proband*innen der Kontrollgruppe (OHN) können sich nicht vorstellen, dass die Sprecher*innen dieses Sprachbeispiels aus deren Region stammen. Die Nein-Stimmen nehmen jedoch durch das Setzen eines Primes ab. So sind nur noch 44% der Proband*innen der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) der Auffassung, die Sprecher*innen der Sprechprobe Dingelstädt kommen nicht aus deren Umgebung. Etwas mehr als die Hälfte können sich vorstellen, sie könnten aus der eigenen Region stammen (vgl. Diagramm 12). Etwas anders verhält es sich innerhalb der Herkunftsgruppe neue Bundesländer (Neue BL): Hier bestehen die Unterschiede besonders zwischen der einfachen Prime-Gruppe (EINF) und der Kontrollgruppe (OHN) sowie zwischen der einfachen Prime-Gruppe (EINF) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP). Die Proband*innen der Kontrollgruppe (OHN) sind mehrheitlich der Meinung, die Sprecher*innen könnten nicht aus deren Region stammen (57%). Die Nein-Stimmen

4 Aufbereitung und Ergebnisse

219

nehmen bei der einfachen Prime-Gruppe (EINF) deutlich zu: Innerhalb dieser Gruppe sind 75% dieser Auffassung. Interessanterweise fallen die Nein-Stimmen in der verstärkten Prime-Gruppe bis unter die Hälfte. Hier sind nur noch 49% der Proband*innen der Auffassung, die Sprecher*innen der Sprechprobe Schwalmstadt könnten aus deren eigener Region stammen (vgl. Diagramm 12).

4.3.4.7 Vergleich der Herkunftseinschätzung auf Herkunftsgruppe innerhalb der Prime-Gruppen der Sprechproben Vorhergehend konnte gezeigt werden, dass Unterschiede zwischen den Herkunftseinschätzungen und den Prime-Gruppen innerhalb der Herkunftsgruppen zu finden sind (vgl. Tab. 54). Aufgrund dessen soll abschließend geprüft werden, ob derartige Unterschiede ebenfalls zwischen der Herkunftseinschätzung und den Herkunftsgruppen innerhalb der Prime-Gruppen auszumachen sind. Die im Folgenden zu testenden Nullhypothesen lauten daher: 1. Es gibt keinen Zusammenhang zwischen der Herkunftseinschätzung und den Herkunftsgruppen innerhalb der Kontrollgruppen (OHN) der Sprechprobe Lübeck (LBK). 2. Es gibt keinen Zusammenhang zwischen der Herkunftseinschätzung und den Herkunftsgruppen innerhalb der einfachen Prime-Gruppen (EINF) der Sprechprobe Lübeck (LBK). 3. Es gibt keinen Zusammenhang zwischen der Herkunftseinschätzung und den Herkunftsgruppen innerhalb der verstärkten Prime-Gruppen (DOP) der Sprechprobe Lübeck (LBK). 4. Es gibt keinen Zusammenhang zwischen der Herkunftseinschätzung und den Herkunftsgruppen innerhalb der Kontrollgruppen (OHN) der Sprechprobe Schwerin (SWE). 5. Es gibt keinen Zusammenhang zwischen der Herkunftseinschätzung und den Herkunftsgruppen innerhalb der einfachen Prime-Gruppen (EINF) der Sprechprobe Schwerin (SWE). 6. Es gibt keinen Zusammenhang zwischen der Herkunftseinschätzung und den Herkunftsgruppen innerhalb der verstärkten Prime-Gruppen (DOP) der Sprechprobe Schwerin (SWE). 7. Es gibt keinen Zusammenhang zwischen der Herkunftseinschätzung und den Herkunftsgruppen innerhalb der Kontrollgruppen (OHN) der Sprechprobe Dingelstädt (DST). 8. Es gibt keinen Zusammenhang zwischen der Herkunftseinschätzung und den Herkunftsgruppen innerhalb der einfachen Prime-Gruppen (EINF) der Sprechprobe Dingelstädt (DST). 9. Es gibt keinen Zusammenhang zwischen der Herkunftseinschätzung und den Herkunftsgruppen innerhalb der verstärkten Prime-Gruppen (DOP) der Sprechprobe Dingelstädt (DST).

220

4 Aufbereitung und Ergebnisse

10. Es gibt keinen Zusammenhang zwischen der Herkunftseinschätzung und den Herkunftsgruppen innerhalb der Kontrollgruppen (OHN) der Sprechprobe Schwalmstadt (SWA). 11. Es gibt keinen Zusammenhang zwischen der Herkunftseinschätzung und den Herkunftsgruppen innerhalb der einfachen Prime-Gruppen (EINF) der Sprechprobe Schwalmstadt (SWA). 12. Es gibt keinen Zusammenhang zwischen der Herkunftseinschätzung und den Herkunftsgruppen innerhalb der verstärkten Prime-Gruppen (DOP) der Sprechprobe Schwalmstadt (SWA). Die Alternativhypothesen beinhalten die gegenteilige Aussage der Nullhypothesen und werden daher nicht eigens ausformuliert.

221

4 Aufbereitung und Ergebnisse

Sprech-

Asymptotische Prime-Gruppe

Wert

df

Signifikanz (2-seitig)

1.

OHN

Chi-Quadrat nach Pearson

,159a

1

p = 0,690

Anzahl der gültigen Fälle

93

2.

EINF

Chi-Quadrat nach Pearson

1,563c

1

p = 0,211

Anzahl der gültigen Fälle

96

Chi-Quadrat nach Pearson

1,557d 1

p = 0,212

Anzahl der gültigen Fälle

85

Chi-Quadrat nach Pearson

,008e

Anzahl der gültigen Fälle

100

Chi-Quadrat nach Pearson

,585f

Anzahl der gültigen Fälle

89

Chi-Quadrat nach Pearson

,809g

Anzahl der gültigen Fälle

80

Chi-Quadrat nach Pearson

,001h

Anzahl der gültigen Fälle

100

Chi-Quadrat nach Pearson

,095i

Anzahl der gültigen Fälle

85

Chi-Quadrat nach Pearson

,600j

probe LBK

SWE

DST

SWA

3.

DOP

4.

OHN

5.

EINF

6.

DOP

7.

OHN

8.

EINF

9.

DOP

10.

OHN

11.

EINF

12.

DOP

1

p = 0,928

1

p = 0,444

1

p = 0,368

1

p = 0,974

1

p = 0,758

1

p = 0,438

Anzahl der gültigen Fälle

79

Chi-Quadrat nach Pearson

3,049k 1

p = 0,081

Anzahl der gültigen Fälle

97

Chi-Quadrat nach Pearson

4,672l

Anzahl der gültigen Fälle

86

Chi-Quadrat nach Pearson

,183m

Anzahl der gültigen Fälle

73

1

p = 0,031*

1

p = 0,669

Tab. 55: Chi-Quadrat-Test zur Verteilung der Herkunftseinschätzung auf die Herkunfts-Gr. in d. Prime-Gr.

Bezüglich der Prime-Gruppen lässt sich bei der Sprechprobe Schwalmstadt innerhalb der einfachen Prime-Gruppe ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Herkunftseinschätzung und den Herkunftsgruppen finden (p = 0,031), nur bei dieser Sprechprobe kann die Nullhypothese verworfen und die Alternativhypothese angenommen werden. Bei den anderen Gruppenvergleichen müssen die Nullhypothesen angenommen werden. Es lassen sich keine Zusammenhänge zwischen der Herkunftseinschätzung und den Herkunftsgruppen innerhalb der Prime-Gruppen der Sprechproben ausmachen. Dieses Ergebnis verwundert jedoch nicht, da bisher

222

4 Aufbereitung und Ergebnisse

keine Zusammenhänge zwischen der Herkunftseinschätzung und den Herkunftsgruppen gefunden wurden konnten (vgl. Tab. 50, Tab. 53). 4.3.4.7.1 Sprechprobe Schwalmstadt Der Chi-Quadrat-Test konnte nur bei der Sprechprobe Schwalmstadt (SWA) signifikante Zusammenhänge zwischen der Herkunftseinschätzung und den Herkunftsgruppen innerhalb der einfachen Prime-Gruppe (EINF) herausstellen (p = 0,031) (vgl. Tab. 55).

47,37%

25,00%

EINF

JA

NEIN

EINF

52,63%

75,00%

Alte BL

Neue BL

(%)

(%)

ja 18 (47,37) 12 (25,00) nein 20 (52,63) 36 (75,00) gesamt 38 (100,0) 48 (100,0)

Diagramm 13: Verteilung der Herkunftseinschätzung auf die Herkunftsgruppen in den Prime-Gr. (SWA).

Aus dem Diagramm wird auf der einen Seite deutlich, dass sowohl die Proband*innen aus den alten als auch diejenigen aus den neuen Bundesländern mehrheitlich dieses Sprachbeispiel innerhalb der einfachen Prime-Gruppe nicht ihrer Region zuordnen. Auf der anderen Seite ist die Unsicherheit der Zugehörigkeit der Sprechprobe bei den Proband*innen der alten Bundesländer größer, denn 47% sind der Auffassung, die Sprecher*innen könnte aus ihrer Umgebung stammen. Bei der Gruppe der neuen Bundesländer sind dies nur 25%. Es besteht somit ein Unterschied zwischen diesen beiden von mehr als 20% (vgl. Diagramm 13).

4 Aufbereitung und Ergebnisse

223

4.3.5 Zusammenfassung der Ergebnisse aus der inferenzstatistischen Datenanalyse 4.3.5.1 Ergebnisse zur Variable Gefallen Mithilfe des Kruskal-Wallis- und des Mann-Whitney-Tests war es möglich, im verteilungsfreien Bereich zu analysieren, ob es signifikante Gruppenunterschiede in den spezifischen Konstellationen gibt. Dabei konnte herausgestellt werden, dass Proband*innen der einfachen PrimeGruppe (EINF) die Sprechproben tendenziell positiver bewerten als diejenigen der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) (p = 0,016, vgl. Tab. 23). Zudem gefallen den Proband*innen der neuen Bundesländer die Sprechproben besser als denjenigen der alten Bundesländer (p = 0,019, vgl. Tab. 24). Außerdem unterscheiden sich die Sprechproben selbst signifikant in der Bewertung untereinander (vgl. Tab. 25, Tab. 26), weswegen die Sprechproben einzeln getestet wurden. Die Analyse der einzelnen Sprechproben führte zu folgenden Ergebnissen: Bei den Sprechproben Lübeck (LBK) und Schwerin (SWE) lassen sich zwischen den Prime-Gruppen signifikante Unterschiede finden (vgl. Tab. 27). Hierbei bewertet die Kontrollgruppe (OHN) das Lübecker Sprachbeispiel tendenziell positiver als die verstärkte Prime-Gruppe (DOP) (p = 0,002). Ähnliches wird beim Schweriner Sprachbeispiel deutlich (p ≤ 0,001), wobei bei dieser Hörprobe auch die Proband*innen der einfachen Prime-Gruppe (EINF) dieses Sprachbeispiel positiver bewerten als diejenigen der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) (p ≤ 0,001, vgl. Tab. 28). Beim Vergleich der Bewertung zwischen der Herkunftsgruppe alte Bundesländer und der Herkunftsgruppe neue Bundesländer bezogen auf die einzelnen Sprechproben kann ein signifikanter Unterschied in Bezug auf das Hörbeispiel Dingelstädt (DST) festgestellt werden (p ≤ 0,001). Die Proband*innen der neuen Bundesländer bewerten dieses Sprachbeispiel somit tendenziell positiver als diejenigen der alten Bundesländer (vgl. Tab. 29). Weiterhin konnten signifikante Unterschiede in der Bewertung zwischen den Herkunftsgruppen innerhalb der Prime-Gruppen bei den einzelnen Sprechproben gefunden werden: Bei der Sprechprobe Lübeck (LBK) bewerten die Proband*innen der Kontrollgruppe (OHN) der alten Bundesländer dieses Sprachbeispiel tendenziell positiver als diejenigen der neuen (p = 0,045, vgl. Tab. 30). Ähnliches zeigt sich bei der Sprechprobe Schwalmstadt (SWA) (p = 0,040), wobei die Proband*innen der neuen Bundesländer diese Sprechproben tendenziell positiver bewerten als diejenigen der alten (vgl. Tab. 30). Nur bei der Sprechprobe Dingelstädt (DST) lassen sich signifikante Unterschiede in der Bewertung zwischen den Herkunftsgruppen in der einfachen Prime-Gruppe (EINF) (p = 0,005) und der verstärkten PrimeGruppe (DOP) (p = 0,046) finden. Innerhalb dieser beiden Prime-Gruppen bewerten die Proband*innen der neuen Bundesländer das Sprachbeispiel Dingelstädt tendenziell positiver als diejenigen der alten Bundesländer (vgl. Tab. 30).

224

4 Aufbereitung und Ergebnisse

Weiter konnte verdeutlicht werden, dass es signifikante Unterschiede in der Bewertung des jeweiligen Sprachbeispiels innerhalb der Herkunftsgruppen zwischen den Prime-Gruppen gibt. So bewerten die Proband*innen der Kontrollgruppe (OHN) innerhalb der Herkunftsgruppe alte Bundesländer die Sprechprobe Lübeck (LBK) tendenziell positiver als diejenigen der einfachen (EINF) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) (vgl. Tab. 31). Bezogen auf das Sprachbeispiel Schwerin (SWE) wird dieses innerhalb der Herkunftsgruppe alte Bundesländer von den Proband*innen der Kontrollgruppe (OHN) und denjenigen der einfachen PrimeGruppe (EINF) tendenziell positiver bewertet als von denjenigen der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) (vgl. Tab. 32). Außerdem kann ein signifikanter Unterschied innerhalb der Herkunftsgruppe neue Bundesländer zwischen der einfachen (EINF) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) festgestellt werden (p = 0,035). Hierbei bewerten die Proband*innen der einfachen Prime-Gruppe (EINF) das Sprachbeispiel Schwerin (SWE) tendenziell positiver als diejenigen der verstärkten PrimeGruppe (DOP) (vgl. Tab. 32). Beim Sprachbeispiel Dingelstädt (DST) lassen sich innerhalb der Herkunftsgruppe neue Bundesländer zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der einfachen Prime-Gruppe (EINF) signifikante Unterschiede (p = 0,044) finden. Hierbei bewerten die Proband*innen der einfachen Prime-Gruppe (EINF) dieses Sprachbeispiel tendenziell positiver als diejenigen der Kontrollgruppe (OHN) (vgl. Tab. 33). Bei der Bewertung des Sprachbeispiels Schwalmstadt (SWA) lässt sich ein signifikanter Unterschied zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der einfachen Prime-Gruppe (EINF) innerhalb der Herkunftsgruppe alte Bundesländer feststellen (p = 0,008). Dabei bewerten die Proband*innen der einfachen Prime-Gruppe (EINF) diese Sprechprobe tendenziell positiver als diejenigen der alten Bundesländer (vgl. Tab. 34). Es kann abschließend konstatiert werden, dass die Bewertung – d. h. ob ein Sprachbeispiel gefällt oder nicht – von der Sprechprobe selbst, der eigenen Herkunft und auch vom gesetzten Prime abhängt. Dabei konnte nicht eindeutig geklärt werden, ob die unterschiedlichen Primes eher positive oder negative Bewertungen hervorrufen. Die Primes wirken demnach nicht vorhersagbar positiv oder negativ. Dies steht immer im engen Zusammenhang mit den anderen Faktoren der Untersuchung (Sprechprobe, Herkunft).

4.3.5.2 Ergebnisse zur Variable Ähnlichkeit Bezüglich der Variable Ähnlichkeit können in bestimmten Konstellationen ebenso wie bei der Variable Gefallen signifikante Unterschiede zwischen bestimmten Gruppen festgestellt werden. Zwischen den Prime-Gruppen zeigen sich dagegen keine signifikanten Unterschiede (p = 0,161, vgl. Tab. 36). Signifikante Unterschiede bestehen jedoch zwischen den Herkunftsgruppen (p < 0,001). Proband*innen der neuen Bundesländer empfanden die Sprechproben ähnlicher zu ihrer eigenen Sprechweise als diejenigen der alten Bundesländer (vgl. Tab. 37). Ebenfalls konnten signifikante Unterschiede zwischen den einzelnen Sprechproben in der Ähnlichkeitseinschätzung ausgemacht

4 Aufbereitung und Ergebnisse

225

werden (vgl. Tab. 38), wobei die Sprechprobe Dingelstädt (DST) tendenziell am unähnlichsten und die Sprechprobe Lübeck (LBK) tendenziell am ähnlichsten zur eigenen Sprechweise eingeschätzt wurde (vgl. Tab. 39). Aufgrund der unterschiedlichen Ähnlichkeitseinschätzungen der einzelnen Sprechproben wurden diese in den nachfolgenden Untersuchungen separat betrachtet. Hierbei ließen sich bei den Sprechproben Lübeck (LBK) und Schwerin (SWE) signifikante Unterschiede in der Ähnlichkeitseinschätzung zwischen den PrimingBedingungen finden (vgl. Tab. 40). Diese Unterschiede konnten bei der Sprechprobe Lübeck (LBK) zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der einfachen Prime-Gruppe (EINF) sowie zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) gefunden werden. Bei der Sprechprobe Schwerin (SWE) wurden diese signifikanten Unterschiede zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) sowie zwischen der einfachen Prime-Gruppe (EINF) und der verstärkten Prime-Gruppe ausgemacht (vgl. Tab. 41). Der Faktor Herkunft beeinflusst die Ähnlichkeitseinschätzung (vgl. Tab. 37), sodass zu vermuten war, dass diese signifikanten Unterschiede innerhalb der einzelnen Sprechproben zwischen den Herkunftsgruppen ebenfalls zu finden sind. Es hat sich jedoch gezeigt, dass es nur bei der Sprechprobe Dingelstädt (DST) signifikante Unterschiede zwischen der Herkunftsgruppe alte Bundesländer und der Herkunftsgruppe neue Bundesländer gibt (vgl. Tab. 42). Diese Unterschiede treten bei diesem Sprachbeispiel zwischen den Herkunftsgruppen innerhalb der einfachen Prime-Gruppe (EINF) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) auf (vgl. Tab. 43). Vorhergehend konnten bei den Sprechproben Lübeck (LBK) und Schwerin (SWE) Unterschiede zwischen den Priming-Bedingungen in der Ähnlichkeitseinschätzung ausgemacht werden (vgl. Tab. 40, Tab. 41), aufgrund dessen wurde analysiert, ob derartige Unterschiede ebenfalls innerhalb der Herkunftsgruppen zu finden sind. Bei der Sprechprobe Lübeck (LBK) wurden signifikante Unterschiede innerhalb der Herkunftsgruppe alte Bundesländer zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der einfachen Prime-Gruppe (EINF) sowie zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) analysiert (vgl. Tab. 44). Bezogen auf das Sprachbeispiel Schwerin (SWE) konnten innerhalb beider Herkunftsgruppen gleiche Tendenzen gefunden werden: Signifikante Unterschiede bestehen zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) sowie zwischen der einfachen Prime-Gruppe (EINF) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) (vgl. Tab. 45). Somit lassen sich bei den beiden Herkunftsgruppen keine Unterschiede in der Ähnlichkeitseinschätzung des Schweriner Sprachbeispiels zur eigenen Sprechweise ausmachen. Bei der Sprechprobe Dingelstädt (DST) wurden nur bei der Herkunftsgruppe neue Bundesländer zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) signifikante Unterschiede gefunden, hierbei schätzen die Proband*innen der verstärkten PrimeGruppe (DOP) dieses Sprachbeispiel tendenziell ähnlicher zu ihrer eigenen Sprechweise ein als diejenigen der Kontrollgruppe (OHN) (vgl. Tab. 46). Bei der Hörprobe Schwalmstadt (SWA) konnten abschließend keine signifikanten Unterschiede zwischen den Priming-Bedingungen innerhalb der Herkunftsgruppen ausgemacht werden (vgl. Tab. 47).

226

4 Aufbereitung und Ergebnisse

Somit kann abschließend festgehalten werden, dass bei der Variable Ähnlichkeit eine geringere Beeinflussung durch die Faktoren Prime und Herkunft hervorgerufen wird als bei der Variable Gefallen.

4.3.5.3 Ergebnisse zur Variable Einschätzung der Herkunft der Sprecher*innen Mittels des Chi-Quadrat-Tests und der Häufigkeitsverteilung auf die einzelnen Antwortmöglichkeiten innerhalb der Gruppen konnten signifikante Zusammenhänge zwischen bestimmten Variablen herausgearbeitet werden. Dabei konnte ermittelt werden, dass ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Einschätzung der Herkunft der Sprecher*innen und den Prime-Gruppen besteht (vgl. Tab. 49). Proband*innen der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) waren öfter der Meinung, die gehörten Sprechproben könnten aus ihrer Umgebung stammen (vgl. Diagramm 2). Kein signifikanter Zusammenhang wurde zwischen der Einschätzung der Herkunft der Sprecher*innen und den Herkunftsgruppen der Befragten festgestellt (vgl. Tab. 50). Des Weiteren wurden signifikante Zusammenhänge zwischen der Einschätzung der Herkunft der Sprecher und den Sprechproben ermittelt (vgl. Tab. 51). Dabei konnte herausgestellt werden, dass die Sprecher*innen der Sprechproben aus dem norddeutschen Raum (Lübeck und Schwerin) von den meisten Proband*innen mit der eigenen Region verbunden wurden. Hierbei muss erwähnt werden, dass die meisten Befragten selbst aus dem norddeutschen Raum stammten und daher diese beiden Sprechproben als eher vertraut wahrgenommen haben (vgl. Diagramm 4). Bei den weiteren Analysen wurden die Sprechproben aufgrund der vorhergehenden Ergebnisse wieder einzeln betrachtet und durch den Chi-Quadrat-Test stellten sich signifikante Unterschiede zwischen der Herkunftseinschätzung und den Priming-Bedingungen innerhalb der Sprechproben heraus (vgl. Tab. 52). Hierbei sind die Unterschiede bei der Sprechprobe Lübeck (LBK) besonders zwischen der einfachen Prime-Gruppe (EINF) und der Kontrollgruppe (OHN) sowie zwischen der einfachen Prime-Gruppe (EINF) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) sichtbar. Innerhalb der einfachen Prime-Gruppe (EINF) waren prozentual die meisten Nein-Stimmen zu finden (vgl. Diagramm 5). Bei der Sprechprobe Schwerin (SWE) konnten keine signifikanten Zusammenhänge ausgemacht werden, die Verteilung auf die beiden Antwortoptionen ist ähnlich ausgeprägt, wobei die Ja-Stimmen bei einem gesetzten Prime leicht abnehmen (vgl. Diagramm 6). Bei der Sprechprobe Dingelstädt (DST) konnten Unterschiede zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) sowie zwischen der einfachen Prime-Gruppe (EINF) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) gefunden werden. Innerhalb der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) waren mehr Ja-Stimmen zu finden als bei den anderen beiden Gruppen (vgl. Diagramm 7). Ähnlich verhält es sich bei der Sprechprobe aus Schwalmstadt (SWA), wobei hier mehr als die Hälfte der Proband*innen aus der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) der Auffassung

4 Aufbereitung und Ergebnisse

227

waren, die Sprecher*innen könnten aus deren Umgebung stammen. Bei der Kontrollgruppe (OHN) und der einfachen Prime-Gruppe waren mehr als die Hälfte der Meinung, sie könnten nicht aus deren Region kommen (vgl. Diagramm 8). Weiterhin konnten bezogen auf die einzelnen Sprechproben keine signifikanten Zusammenhänge zwischen der Herkunftseinschätzung und den Herkunftsgruppen festgestellt werden (vgl. Tab. 53), wobei jedoch innerhalb der einzelnen Herkunftsgruppen zwischen der Herkunftseinschätzung und der Prime-Gruppe signifikante Zusammenhänge gefunden werden konnten (vgl. Tab. 54). Bei der Lübecker Sprechprobe (LBK) konnten innerhalb der Herkunftsgruppe alte und neue Bundesländer ähnliche Ergebnisse festgestellt werden: Bei beiden Gruppen wurden die meisten Nein-Stimmen bei der einfachen Prime-Gruppe (EINF) gefunden, wobei aber die Mehrheit der Proband*innen der Auffassung sind, die Sprecher*innen könnten aus deren Umgebung kommen. Somit sind zwischen den Herkunftsgruppen selbst keine Unterschiede in dieser Einschätzung erkennbar (vgl. Diagramm 9). Bezüglich der Sprechprobe Schwerin (SWE) konnten innerhalb der Herkunftsgruppen zwischen der Herkunftseinschätzung und den Prime-Gruppen keine signifikanten Zusammenhänge ausgemacht werden (vgl. Diagramm 10). Hinsichtlich des Dingelstädter Sprachbeispiels (DST) zeigen sich ähnliche Ergebnisse wie bei der Lübecker Sprechprobe (LBK), wobei die meisten Ja-Stimmen bei der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) zu finden sind. Die Mehrheit der Proband*innen ist jedoch der Meinung, die Sprecher*innen dieser Hörprobe komme nicht aus der Region der Befragten. Somit können zwischen den Herkunftsgruppen bezogen auf die PrimeGruppen keine Unterschiede in der Einschätzung festgestellt werden, da die PrimeGruppen der Herkunftsgruppe die Herkunft der Sprecher*innen ähnlich einschätzen (vgl. Diagramm 11). Nur bei der Sprechprobe Schwalmstadt (SWA) lassen sich in der Einschätzung der Herkunft der Sprecher*innen dieser Sprechprobe und den Prime-Gruppen innerhalb der einzelnen Herkunftsgruppen Unterschiede finden. 75% der Befragten der Kontrollgruppe der Herkunftsgruppe alte Bundesländer sind der Auffassung, dieses Sprachbeispiel stamme nicht aus deren Umgebung. Bei der einfachen Prime-Gruppe (EINF) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) lassen sich dagegen Unsicherheiten erkennen. Die Mehrheit (53%) der einfachen PrimeGruppe (EINF) stimmen hier mit Nein und bei der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) mit Ja (56%). Innerhalb der Herkunftsgruppe neue Bundesländer gestaltet sich diese Verteilung etwas anders: Die meisten Nein-Stimmen (75%) finden sich in der einfachen Prime-Gruppe (EINF). Unsicherheiten zeigen dagegen bei den anderen beiden Gruppen: Die Kontrollgruppe ist mehrheitlich der Meinung, die Sprecher*innen kommen nicht aus deren Umgebung (57%). Bei der verstärkten PrimeGruppe (DOP) ist diese Einschätzung gegenteilig: Mehr als die Hälfte (51%) sind der Meinung, die Sprecher*innen der Sprechprobe Schwalmstadt können aus deren eigener Region stammen (vgl. Diagramm 12). Wie die vorhergehenden Analysen schon verdeutlichten, gibt es keinen Zusammenhang zwischen der Herkunftseinschätzung und den Herkunftsgruppen. Dies konnte innerhalb der Prime-Gruppen der einzelnen Sprechproben bestätigt werden (vgl. Tab. 55). Bei der Sprechprobe Schwalmstadt (SWA) konnten jedoch innerhalb

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4 Aufbereitung und Ergebnisse

der einfachen Prime-Gruppe (EINF) Unterschiede zwischen der Herkunftseinschätzung und den Herkunftsgruppen gefunden werden: Innerhalb der einfachen PrimeGruppe sind die Befragten der Herkunftsgruppe mehrheitlich (53%) der Auffassung, die Sprecher*innen könnten nicht aus deren Umgebung stammen. Die Proband*innen der Herkunftsgruppe neue Bundesländer empfinden dies noch stärker. Hier sind 75% der Meinung, die Sprecher*innen seien nicht aus deren Region (vgl. Diagramm 13).

5 DIE MAUER IN DEN KÖPFEN – INTERPRETATION Zuallererst kann aus den Ergebnissen festgehalten werden, dass der gesetzte Prime eine Auswirkung auf die Verortung (vgl. Kap. 4.2), die Bewertung (vgl. Kap. 4.3.2), die Einschätzung der sprachlichen Ähnlichkeit (vgl. Kap. 4.3.3) sowie auf die Herkunftseinschätzung (vgl. Kap. 4.3.4) der Sprechproben ausübt. Weder bei der Lokalisation der einzelnen Sprechproben noch bei den anderen Variablen wurden immer gleiche Ergebnisse erzielt, sondern diese variierten zum Teil signifikant (vgl. Kap. 4). An dieser Stelle soll jedoch daraufhin gewiesen werden, dass der Prime nicht immer in eine Richtung wirkt, sondern je nach Sprechprobe und/oder Variable unterschiedliche Auswirkungen hat und damit unterschiedliche Einstellungsveränderungen bewirkt. Was heißt das jedoch für die vorliegende Untersuchung? Zur Beantwortung dieser Frage werden die Ergebnisse der Analyse der einzelnen Sprechproben im Folgenden zusammengeführt. Hierfür werden zuerst die Verortungen, die Bewertungen und Einschätzungen zu den vier Sprechproben allgemein vorgestellt, ohne dass auf die Prime-Gruppen eingegangen wird (vgl. Kap. 5.1). Danach stellt das Kapitel 5.2 die Sprechprobenlokalisationen, -bewertungen und -einschätzungen innerhalb der Prime-Gruppen dar, wobei die vier Sprechproben in diesem Abschnitt zusammengefasst betrachtet werden und allgemein diskutiert wird, inwieweit der Prime einen Einfluss auf die Variablen ausübt. Die anschließenden Unterkapitel setzen sich mit den einzelnen Sprechproben im Hinblick auf die Beeinflussung durch den gesetzten Prime auseinander. Hierfür werden in einem ersten Schritt die Daten der jeweiligen Sprechprobe und deren Beurteilung im Zusammenhang mit dem genutzten Prime diskutiert und in einem zweiten Schritt wird diese Betrachtung unter Berücksichtigung der Herkunftsgruppen (alte und neue Bundesländer) vervollständigt (Sprechprobe Lübeck, vgl. 5.2.6, Schwerin, vgl. Kap. 5.2.7, Dingelstädt, vgl. Kap. 5.2.8 und Schwalmstadt, vgl. Kap. 5.2.9). Abschließend werden die Ergebnisse in Kapitel 5.3 zusammengefasst. 5.1 DIE VIER SPRECHPROBEN IN DER WAHRNEHMUNG Insgesamt waren die sprachlichen Merkmale innerhalb der vier Sprechproben für die Proband*innen (geboren zwischen 1986 und 1994) ausreichend, um eine differenzierte Verortung vornehmen zu können. Zudem konnte nachgewiesen werden, dass sowohl die Bewertung der Sprechproben als auch die Einschätzung der sprachlichen Ähnlichkeit und die Herkunftseinschätzung der Sprecher*innen von der jeweiligen Sprechprobe abhängen. So lassen sich hinsichtlich dieser drei Variablen (Gefallen, Ähnlichkeit der Sprechprobe und Einschätzung der Herkunft) signifikante Unterschiede zwischen den vier Sprechproben (Lübeck, Schwerin, Schwalmstadt und Dingelstädt) belegen (vgl. Tab. 26, Tab. 39, Tab. 51). Deswegen

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5 Die Mauer in den Köpfen – Interpretation

werden in den folgenden Kapiteln die Sprechproben einzeln hinsichtlich der verschiedenen Variablen diskutiert. Hierbei werden die Proband*innen nicht in die einzelnen Gruppen (Prime-Gruppen sowie Herkunftsgruppen) unterteilt, sondern die Verortung und Beurteilungen zu jeder Sprechprobe im Gesamten betrachtet. 5.1.1 Die Sprechprobe Lübeck Insgesamt haben die meisten Proband*innen die Lübecker Sprechprobe am positivsten bewertet (vgl. Tab. 26). Gleiches zeigt sich bei der Variable Ähnlichkeit: Bei der Frage nach der sprachlichen Ähnlichkeit des Hörbeispiels zur eigenen Sprechweise empfanden die Proband*innen das Lübecker Sprachbeispiel am ähnlichsten zur eigenen Sprechweise (vgl. Tab. 39). Aufgrund dieser Ergebnisse kann davon ausgegangen werden, dass sich die Proband*innen mit der Sprechprobe Lübeck identifizieren. Diese Vermutung wird durch die Ergebnisse der Herkunftseinschätzung der Sprecher*innen des Sprachbeispiels sowie durch die Verortungen gestützt: 76% der Proband*innen sind der Auffassung, die Sprecher*innen der Sprechprobe Lübeck könnten aus deren Region stammen (vgl. Diagramm 4), und das Sprachbeispiel wird überwiegend in den norddeutschen Raum verortet (vgl. Abb. 14). Diese Ergebnisse bezüglich des Lübecker Sprachbeispiels sind nicht verwunderlich, da die meisten Proband*innen aus dem Norden Deutschlands stammen (vgl. Tab. 7). Somit wird der Einfluss der Herkunft der Proband*innen ersichtlich, der ebenfalls in anderen Studien gezeigt werden konnte (vgl. u. a. HUNDT / PALLIWODA / SCHRÖDER 2015b, KLEENE 2015, KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010, PURSCHKE 2011). 5.1.2 Die Sprechprobe Schwerin Die Einschätzung der Sprechprobe Schwerin ist grundsätzlich ähnlich der Lübecker, wobei letztere signifikant positiver und ähnlicher eingeschätzt wird (vgl. Tab. 26, Tab. 39). Auch diese Sprechprobe wird eher mit der eigenen Sprechweise in Verbindung gebracht. Ca. 70% der Proband*innen sind der Auffassung, das Sprachbeispiel könnte aus deren Region stammen (vgl. Diagramm 4). Die Befragten bewerten die Sprachprobe auch signifikant positiver und empfinden sie als ähnlicher zur ihrer Sprechweise als die Dingelstädter und Schwalmstädter Probe (vgl. Tab. 26, Tab. 39). Auch dies spiegelt sich in der überwiegend norddeutschen Verortung wider (vgl. Abb. 26). Ersichtlich aus den Verortungen sowie den Einschätzungen zu den Sprechproben Lübeck und Schwerin ist die Verbindung zum norddeutschen Raum. Somit können die Aussagen unterstützt werden, dass die regionalsprachlichen Merkmale für das Nordniederdeutsche und das Mecklenburgisch-Vorpommersche ähnlich ausgeprägt sind und als Norddeutsch-Konzept von linguistischen Laien wahrgenommen werden (vgl. u. a. ANDERS / PALLIWODA / SCHRÖDER 2014, HANNEMANN

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2015, KEHREIN 2012a, 2015 LAMELI / PURSCHKE / KEHREIN 2008, KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010). 5.1.3 Die Sprechprobe Dingelstädt Genau das Gegenteil stellt sich bei der Sprechprobe aus Dingelstädt ein: Diese wird am unähnlichsten zur eigenen Sprechweise eingeschätzt (vgl. Tab. 39) und die Sprecher*innen werden nicht mit der eigenen Region verbunden. Nur 19% der Gewährspersonen gaben an, die Sprecher*innen könnten aus der eigenen Region stammen (vgl. Diagramm 4). Des Weiteren wird die Sprechprobe im Vergleich zu den anderen signifikant negativer bewertet (vgl. Tab. 26) und nicht mit der eigenen Sprechweise in Verbindung gesetzt. Dies spiegelt sich auch in der Verortung wider: Überwiegend verorten die Proband*innen das Sprachbeispiel aus Dingelstädt nach Leipzig, also weg von der eigenen Region (vgl. Abb. 38). Des Weiteren zeigen sich bei der thüringischen Sprechprobe gleiche Ergebnisse wie bei vorhergehenden Untersuchungen (vgl. u. a. KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010): Von den Proband*innen wird dieses Sprachbeispiel als Sächsisch wahrgenommen und sogar überwiegend mit Leipzig gleichgesetzt. Diese Befunde bestätigen, dass die perzeptive Unterscheidung zwischen dem Obersächsischen und dem Thüringischen den linguistischen Laien nicht möglich ist, wie zuvor u. a. ANDERS oder PURSCHKE festgestellt hatten (vgl. u. a. ANDERS 2010a, PURSCHKE 2011). Zudem kann aufgrund der signifikant negativeren Bewertung angenommen werden, dass das Negativimage des Sächsischen auf diese Sprechprobe projiziert wurde. Dies deckt sich mit vorhergehenden Untersuchungen, in denen festgestellt wurde, dass dem Sächsischen eher geringe Gefallen-Werte zugeschrieben werden (u. a. vgl. ANDERS / PALLIWODA / SCHRÖDER 2014, GÄRTIG / PLEWNIA / ROTHE 2010). 5.1.4 Die Sprechprobe Schwalmstadt Das Sprachbeispiel Schwalmstadt nimmt hinsichtlich der Bewertung und der Einschätzung der sprachlichen Ähnlichkeit eine mittlere Position ein: Zum einen wird es signifikant positiver als die Sprechprobe Dingelstädt bewertet, aber signifikant negativer als die Hörprobe Lübeck (vgl. Tab. 26). Zum anderen wird das Sprachbeispiel Schwalmstadt ähnlicher zur eigenen Sprechweise empfunden als die Sprechprobe Dingelstädt, aber signifikant unähnlicher als die Hörproben aus Lübeck und Schwerin (vgl. Tab. 39). Zudem wird aus der Verortung deutlich, dass diese Sprechprobe nicht mehr mit Norddeutschland assoziiert wird, sondern mit dem Umkreis von Hannover, Hameln, Magdeburg und Wernigerode (vgl. Abb. 44). Dies wird auch bei der Frage nach der Herkunft der Sprecher*innen deutlich: 60% sind der Auffassung, diese könnten nicht aus der eigenen Region stammen, wobei 40% diese Frage bejahen (vgl. Diagramm 4). Somit kann zum einen festgehalten werden, dass die dort realisierten sprachlichen Merkmale nicht mehr in dem Maße das Norddeutsch-Konzept angestoßen haben wie die Sprechproben Lübeck und

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5 Die Mauer in den Köpfen – Interpretation

Schwerin. Zum anderen scheint diese Sprechprobe jedoch für die größte Verunsicherung gesorgt zu haben, da die Proband*innen bei der Einschätzung der Herkunft der Sprecher*innen nicht so eindeutig wie bei den anderen Sprechproben eine Zuordnung vorgenommen haben. Dieses Ergebnis könnte einerseits mit der strukturellen Ähnlichkeit des Nordhessischen zum Niederdeutschen bzw. Thüringischen zusammenhängen (vgl. u. a. LAMELI 2009). Andererseits könnten die Merkmale so unauffällig für die Proband*innen gewesen sein, dass sie das Sprachbeispiel Schwalmstadt mit einer standardnahen Variante verbunden haben, was die Verortungen um Hannover stützen würden. In rezenten Untersuchungen wurde herausgestellt, dass besonders der Raum um Hannover als prototypisch für Standardsprecher*innen aus der Sicht linguistischer Laien angenommen wird (vgl. u. a. KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010). In diesem Zusammenhang könnte die negativere Bewertung dieser Sprechprobe im Vergleich zur Lübecker, die am positivsten und am ähnlichsten zur eigenen Sprechweise eingeschätzt wurde, zu der Vermutung führen, dass das Norddeutsch-Konzept (Lübeck) positiver wahrgenommen wird als das mutmaßliche Hochdeutsch-Konzept (Schwalmstadt), da es nicht mit der eigenen Herkunft verbunden wird. 5.2 DAS PRIMING DER VIER SPRECHPROBEN Wie eingangs angemerkt, konnten in der vorliegenden Arbeit Unterschiede hinsichtlich der einzelnen Variablen im Zusammenhang mit dem jeweiligen Prime herausgestellt werden. Daher befassen sich die folgenden Unterkapitel mit den verschiedenen Variablen dahingehend, inwieweit der Prime eine Auswirkung auf diese ausübte. 5.2.1 Die Verortung Aus der Ergebnisdarstellung geht hervor, dass sich die Verortungen im Vergleich zur Kontrollgruppe (OHN) unterschieden, wenn das Ost-Ampelmännchen als Prime (einfacher Prime, EINF) während der Präsentation der Sprechproben gesetzt wurde. Dieser Unterschied wird in besonders hohem Maße deutlich, wenn das Ostund West-Ampelmännchen gleichzeitig als Wasserzeichen präsentiert wurden (verstärkter Prime, DOP, vgl. Kap. 4.2). Eine Besonderheit stellt dabei die Sprechprobe Dingelstädt dar, die in jeder Priming-Bedingung nach Sachsen und speziell um Leipzig verortet wurde (vgl. Kap. 4.2.4). Ansonsten lassen sich jedes Mal andere Lokalisationen innerhalb der drei unterschiedlichen Gruppen (Kontrollgruppe (OHN), einfache Prime- (EINF) und verstärkte Prime-Gruppe (DOP)) finden. Somit kann bestätigt werden, dass der gesetzte Prime die Verortung und somit auch die Sprachwahrnehmung der Proband*innen beeinflussen kann. Jedoch scheint diese Beeinflussung nicht einheitlich und auch nicht vorhersagbar zu sein.

5 Die Mauer in den Köpfen – Interpretation

233

5.2.2 Die Bewertung (Gefallen) Ähnliches zeigt sich bei der Bewertung der Sprechproben. Insgesamt haben die Proband*innen der einfachen Prime-Gruppe (EINF) die Sprechproben positiver bewertet als diejenigen der verstärkten Prime-Gruppe (DOP, vgl. Tab. 23). Dies könnte darauf zurückgeführt werden, dass das „Individuum […] sich seiner Identität erst bewusst [wird], wenn es sich mit den Augen des anderen sieht.“ (ABEL 2001, 24; zit. nach FIX 2003, 111). Durch die Gegenüberstellung des Ost- und des WestAmpelmännchens könnte hier besonders bei der Gruppe der alten Bundesländer die Bewusstwerdung des anderen, der Ostgruppe, hervorgerufen worden sein. Somit bewirkt der gesetzte Prime eine Einstellungsänderung insofern, dass die Proband*innen der verstärkten Gruppe (DOP) im Allgemeinen alle vier Sprechproben negativer bewerten. Damit scheint das genutzte Ost-Ampelmännchen eine Identifizierung auszulösen, wohingegen die Gegenüberstellung des Ost- und West-Ampelmännchens eine Abgrenzung herbeiführt und daher die vier Sprechproben im Allgemeinen von allen Proband*innen der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) negativer bewertet werden. 5.2.3 Die sprachliche Ähnlichkeit Bei der Einschätzung der sprachlichen Ähnlichkeit konnten keine signifikanten Unterschiede zwischen den Prime-Gruppen herausgestellt werden. Somit haben die Proband*innen der drei Gruppen (OHN, EINF, DOP) die vier Sprechproben im Allgemeinen ähnlich eingeschätzt, wobei die Gewährspersonen der verstärkten Gruppe (DOP) die Sprechproben leicht unähnlicher einschätzen als diejenigen der anderen beiden Gruppen (vgl. Tab. 36). Somit wirkt der gesetzte Prime in Bezug auf die sprachliche Ähnlichkeit im Zusammenhang mit allen vier Sprechproben nicht. Diese Einschätzung könnte darauf zurückgeführt werden, dass die sprachlichen Merkmale weitestgehend als ähnlich zur eigenen Sprechweise der Proband*innen empfunden wurden. Dagegen spricht jedoch, dass bei der Analyse der einzelnen Sprechproben signifikante Unterschiede zwischen den Prime-Gruppen in der Beurteilung der sprachlichen Ähnlichkeit bestehen (vgl. Tab. 40, Tab. 41). Somit lässt sich das vorhergehende Ergebnis darauf zurückführen, dass hier unterschiedliche Bedingungen zusammengefasst wurden, denn auch bei dieser Variable spielt die zugrundeliegende Sprechprobe eine Rolle. 5.2.4 Einschätzung der Herkunft der Sprecher*innen Bei der Einschätzung der Herkunft der Sprecher*innen der Sprechproben können wiederum zwischen den drei Prime-Gruppen signifikante Unterschiede festgestellt werden (vgl. Tab. 49 ). Im Gegensatz zur Kontrollgruppe (OHN) sind dabei mehr Proband*innen aus der einfachen Prime-Gruppe (EINF) der Meinung, die Sprecher*innen könnten nicht aus der eigenen Region kommen. Bei der verstärkten

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Prime-Gruppe (DOP) hingegen dreht sich die Einschätzung um: Bei dieser Gruppe sind mehr Proband*innen der Auffassung, die Sprecher*innen könnten aus der eigenen Region kommen (vgl. Diagramm 2). Auch hier bewirkt der Prime eine Einstellungs- bzw. Verhaltensänderung insofern, dass mehr Proband*innen aus der einfachen Prime-Gruppe (EINF) die Frage zur Herkunft der Sprecher*innen verneinten und diejenigen aus der verstärkten Gruppe (DOP) diese bejahten. Die meisten Nein-Stimmen beim einfachen Prime könnten damit zusammenhängen, dass die Mehrheit der Proband*innen zwar aus den neuen Bundesländern, hier aber aus Norddeutschland stammen (vgl. Tab. 7), und dass durch das Ost-Ampelmännchen ein Ostdeutsch-Konzept ausgelöst wird. Dies wird jedoch nicht mit der eigenen Region verbunden und somit von sich weg geschoben. Die Gegenüberstellung von Ost- und West-Ampelmännchen dagegen könnte dazu führen, dass sich die meisten Proband*innen eher dem Ost- als dem Westdeutsch-Konzept zugehörig fühlen, da die Mehrheit der Gewährspersonen aus den neuen Bundesländern stammen (vgl. Tab. 7). Der verstärkte Prime könnte somit kognitiv Zugehörigkeit zum Osten ausgelöst haben. An dieser Stelle muss aber eingeräumt werden, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen der Herkunftseinschätzung aller Sprechproben und der Herkunft der Proband*innen festgestellt werden konnte (vgl. Tab. 50). Somit heißt das, bezogen auf alle vier Sprechproben, die Proband*innen der alten sowie der neuen Bundesländern schätzen die Herkunft der Sprecher*innen ähnlich ein. Es sind ähnlich viele Proband*innen der alten und neuen Bundesländer der Meinung, die Sprecher*innen könnten aus der gleichen Region kommen wie sie selbst, wobei aus dem Diagramm 3 ersichtlich wird, dass die Anzahl der Ja-Stimmen bei den neuen Bundesländern leicht höher ist als bei den alten. Der Prime wirkt nicht in Bezug auf diese Variable, weswegen die Sprechproben einzeln betrachtet werden sollen, um herauszustellen, warum es zu den unterschiedlichen Herkunftseinschätzungen kommt. 5.2.5 Herkunftsgruppe alte und neue Bundesländer Dass jedoch die regionale Herkunft und das kommunikative Umfeld eine wichtige Rolle innerhalb der Sprachwahrnehmung spielen, wird beim Vergleich der Bewertung und Einschätzungen der sprachlichen Ähnlichkeit der Sprechproben zwischen den Gruppen alte und neue Bundesländer sichtbar. Dabei haben die Proband*innen der neuen Bundesländer die vier Sprechproben signifikant positiver bewertet (vgl. Tab. 24) und sie auch signifikant ähnlicher zur eigenen Sprechweise eingeschätzt (vgl. Tab. 37). Dies bestätigt somit die Ergebnisse von DAILEY-O’CAIN und KENNETZ, die feststellten, dass die ostdeutschen Gewährspersonen Sprechproben eher positiver bewerten als ihre westdeutschen Nachbarn (vgl. u. a. DAILEY-O’CAIN 1999, KENNETZ 2010) und lässt sich eventuell darauf zurückführen, dass Personen der alten Bundesländer aufgrund eigener negativer Erfahrungen sprachsensibler und toleranter sind, wobei diese These mithilfe der vorhandenen Daten nicht weiter analysiert werden kann. KENNETZ konnte mittels seiner Untersuchung ebenfalls

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eine Aufwertung der ostdeutschen Varietäten (besonders Sächsisch) durch deren Sprecher*innen feststellen, was eventuell mit einem neuen Sprachbewusstsein zusammenhängen könnte (vgl. KENNETZ 2010). Aufgrund der unterschiedlichen Ergebnisse hinsichtlich der vier Sprechproben sowie der signifikanten Unterschiede zwischen den Prime-Gruppen bezüglich der verschiedenen Variablen werden die Ergebnisse nachfolgend zu jeder Sprechprobe einzeln hinsichtlich des Primings präsentiert und besprochen. 5.2.6 Die Sprechprobe Lübeck Das Lübecker Sprachbeispiel präsentiert sich in den Ergebnissen als ein sehr interessantes, sowohl in der Verortung als auch der Bewertung durch die Proband*innen. Insgesamt wird diese Hörprobe von der Mehrheit in den Norden verortet. Dies spiegelt sich auch in der Einschätzung der Herkunft der Sprecher*innen des Sprechprobe wider: Hier sind 76% der Auffassung, die Sprecher*innen könnten aus deren unmittelbaren Umgebung stammen (vgl. Diagramm 4). Somit kann angenommen werden, dass die vorhandenen regionalsprachlichen Merkmale ausreichend waren, um diese Zuordnung auszulösen. Bezogen auf die unterschiedlichen Priming-Bedingungen lassen sich hinsichtlich der Zuordnung zu einer bestimmten Region jedoch Unterschiede feststellen, wobei die Verortung allgemein im Norden bleibt. Besonders beim verstärkten Prime sortieren die Probanden dieses Sprachbeispiel nach Mecklenburg-Vorpommern (vgl. Abb. 17). Somit könnte angenommen werden, dass durch den verstärkten Prime, durch die Gegenüberstellung des Ost- und des West-Ampelmännchens, eher Konzepte angestoßen/angebahnt wurden, die mit dem Osten in Verbindung stehen, und diese Sprechprobe daher auch dort verortet wurde. Dies wird im Vergleich mit der Kontrollgruppe besonders deutlich: Hier erstreckt sich die Zuordnung des Sprachbeispiels Lübeck über den gesamten norddeutschen Raum und zentriert sich um verschiedene norddeutsche Städte (vgl. Abb. 15). Besonders der verstärkte Prime bewirkt hier eine Veränderung in der Verortung und somit eine Veränderung in der Wahrnehmung. Dies spiegelt sich auch in der Bewertung dieser Sprechprobe wider: Die Kontrollgruppe (OHN), die das Beispiel über den ganzen Norden verortet, bewertet es auch signifikant positiver als die Gruppe mit dem verstärkten Prime (DOP, vgl. Tab. 28). Bezogen auf die sprachliche Ähnlichkeit des Hörbeispiels zeigt sich Ähnliches: Die Kontrollgruppe (OHN) schätzt das Gehörte signifikant ähnlicher zur eigenen Sprechweise ein als die einfache (EINF) und die verstärkte Prime-Gruppe (DOP, vgl. Tab. 41). Der Prime bewirkt hier eine negativere sprachliche Einschätzung zur eigenen Sprechweise. Das Ost-Ampelmännchen bzw. das Ost-/West-Ampelmännchen führen dazu, dass die Lübecker Sprechprobe signifikant negativer und unähnlicher zur eigenen Sprechweise eingeschätzt wird. Bezogen auf die Ausführungen von FIX (2003) kann durch das Ampelmännchen zum einen eine Identitätszuschreibung oder eine Abgrenzung zur anderen Gruppe stattgefunden haben, die sich in der Bewertung des Sprachbeispiels niederschlägt. Gestützt wird diese Auffassung dadurch, dass ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Herkunftseinschätzung und der Priming-Bedingung

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besteht (vgl. Tab. 52). Dabei scheint besonders das einfache Ost-Ampelmännchen (EINF) bei einigen Proband*innen eine Ablehnung bzw. Abgrenzung hervorzurufen. Fast 40% der Gewährspersonen sind der Auffassung, die Lübecker Sprechprobe komme nicht aus der eigenen Region, wohingegen 88% der Proband*innen der Kontrollgruppe (OHN) und 81% der verstärkten Gruppe (DOP) der Meinung sind, das Gehörte komme aus deren Umgebung (vgl. Diagramm 5). Beim einfachen Prime (EINF) streuen die Verortungen auch weiter Richtung Mittel- und Mittelostdeutschland (vgl. Abb. 16). Aufgrund dessen könnte angenommen werden, dass mehr Proband*innen der alten Bundesländer in der Gruppe des einfachen Primes (EINF) zu finden sind und daher die Abgrenzungen in der Verortung und der Einschätzung der Herkunft der Sprecher*innen zustande gekommen sind, da der einfache Prime (EINF) bei dieser Gruppe eher zu einer Identitätsabgrenzung führt. Ähnliches könnte für die verstärkte Prime-Gruppe (DOP) angenommen werden, da besonders diese Gruppe das Sprachbeispiel Lübeck signifikant negativer und unähnlicher zu ihrer eigenen Sprechweise einschätzen. Diese Vermutung könnte damit gestützt werden, das Untersuchungen herausstellen konnten, dass besonders die westdeutschen Befragten ostdeutsche Varietäten negativer bewerten als die ostdeutschen selber (vgl. DAILEY-O’CAIN 1999, Kennetz 2010). Diese Einschätzung würde auch mit der Verortung dieser Gruppe einhergehen, da innerhalb der verstärkten Gruppe (DOP) überwiegend Lokalisationen im Mecklenburg-Vorpommern zu finden sind (vgl. Abb. 17). Diese Vermutung lässt sich aber innerhalb dieser Studie nicht bestätigen, da in den Prime-Gruppen innerhalb der Herkunftsgruppen eine ähnlich hohe Anzahl an Proband*innen vorhanden war (vgl. Tab. 12). Aufgrund dessen ist die Unterteilung in die einzelnen Herkunftsgruppen sowie die Diskussion der Ergebnisse zu den Herkunftsgruppen aufschlussreich und soll im Folgenden übernommen werden.

5.2.6.1 Die Sprechprobe Lübeck unter Berücksichtigung der Herkunft der Proband*innen Dass sich Unterschiede hinsichtlich der unterschiedlichen Variablen durch die Nutzung eines Primes ergeben, konnte vorhergehend erläutert werden. Gleichfalls wurde deutlich, dass diese Ergebnisse nur hinreichend erläutert werden können, wenn die Herkunft der Proband*innen berücksichtigt wird. Aufgrund dessen diskutiert der folgende Abschnitt solche Einstellungsveränderungen unter Berücksichtigung der Herkunft der Probanden. Dabei ist auch hier wieder der stärkste Effekt bei der verstärkten Gruppe (DOP) zu finden. Innerhalb der Kontrollgruppe (OHN) verorten die Proband*innen der alten Bundesländer das Lübecker Sprachbeispiel eher mittig im Norden Deutschlands mit einer starken Tendenz nach Hamburg (vgl. Abb. 20). Bei der Kontrollgruppe (OHN) der neuen Bundesländer wird hingegen diese Sprechprobe in den eigenen Raum (nach Mecklenburg-Vorpommern) verortet (vgl. Abb. 21). Im Zusammenhang mit dem einfachen Prime (EINF) tendiert die Verortung der Gewährspersonen der alten Bundesländer in den Osten und erstreckt sich von Mecklenburg-

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Vorpommern über Brandenburg nach Sachsen-Anhalt bis nach Sachsen (vgl. Abb. 22). Bei der anderen Herkunftsgruppe wird bei diesem Prime die Verortung weiterhin überwiegend im Osten vorgenommen, doch eher mittig (vgl. Abb. 23). Interessant ist dabei die Verortung beider Herkunftsgruppen beim verstärkten Prime (DOP): Die Proband*innen der alten Bundesländer lokalisieren die Hörprobe Lübeck in den Osten (nach Mecklenburg-Vorpommern, vgl. Abb. 24), wohingegen die Personen der neuen Bundesländer das Sprachbeispiel in dieser Bedingung nach Hamburg verorten und damit in den Westen (vgl. Abb. 25). Vergleicht man die Kontrollgruppen (OHN) mit der verstärkten Prime-Gruppen (DOP), so hat hier eine Umkehrung der Verortung stattgefunden. Ohne Prime haben die Proband*innen der alten Bundesländer die Lübecker Sprechprobe eher Richtung Hamburg sortiert und sich mit dieser Sprechprobe identifiziert. Beim verstärkten Prime (DOP) kehrt sich das Bild um und die Gewährspersonen lokalisieren die Hörprobe Lübeck in den Osten nach Mecklenburg-Vorpommern. Bei der Gruppe der neuen Bundesländer ist hier ein ähnlicher Effekt festzustellen: Ohne Prime wird das Sprachbeispiel in die eigene Region verortet (Mecklenburg-Vorpommern), aber mit dem verstärkten Prime sind die Lokalisationen überwiegend im Westen um Hamburg zu finden. An dieser Stelle könnte die Vermutung aufgestellt werden, dass besonders bei den Gewährspersonen, die in der Präsentation ein Ost- und West-Ampelmännchen wahrnahmen, das Sprachbeispiel nicht mit dem eignen gleich gesetzt, sondern von sich weggeschoben wird. Ähnliche Tendenzen zeigen sich bei Befragung von linguistischen Laien, die aus Dresden, Chemnitz oder Leipzig stammen, wo das beste Sächsisch gesprochen wird. Aufgrund der Vorannahme der Befragten, dass Sächsisch bzw. Obersächsisch eher als unangenehm durch Außenstehende betrachtet wird (vermutetes Auto-Heterostereotyp), wird die Zuweisung meistens dem anderen zugeschrieben – in diesem Fall würde ein Dresdner den Leipzigern das beste Sächsisch und umgekehrt nachsagen (vgl. ANDERS 2007). Das Von-Sich-Wegschieben, Dem-Anderen-Zuschreiben, scheint auch hier im Zusammenhang mit dem verstärkten Prime eine Rolle zu spielen und zeigt sich in der Analyse der anderen Variablen. So lassen sich signifikante Unterschiede in der Bewertung zwischen den Proband*innen der alten und der neuen Bundesländer in der Kontrollgruppe finden und zwar dahingehend, dass die Proband*innen der alten dieses Sprachbeispiel positiver einschätzen (vgl. Tab. 30). So könnten die Proband*innen der alten Bundesländer (ohne Prime) dieses Sprachbeispiel mit ihrer eigenen Region verbunden haben und aufgrund dessen positiver bewerten. Dies deckt sich mit den Ergebnissen aus dieser Gruppe, da fast 90% der Meinung sind, die Sprechprobe könnte aus der eigenen Region stammen (vgl. Diagramm 9). Dass besonders die Proband*innen der alten Bundesländer durch den Prime beeinflusst werden und somit eine Einstellungsänderung herbeigeführt wird, zeigt sich auch im Vergleich der Bewertungen in den Prime-Gruppen der alten Bundesländer. Nur innerhalb dieser Herkunftsgruppe lassen sich signifikante Unterschiede feststellen und zwar dahingehend, dass die Kontrollgruppe (OHN) die Sprechprobe Lübeck immer signifikant positiver bewertet als die Gruppe mit dem einfachen (EINF) und die mit dem verstärkten Prime (DOP, vgl. Tab. 31). Ähnliches zeigt sich bei der Einschätzung der sprachlichen Ähnlichkeit: Innerhalb der Herkunftsgruppe alte

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Bundesländer lassen sich signifikante Unterschiede zwischen den Prime-Gruppen ausmachen. Dabei schätzen die Personen der Kontrollgruppe (OHN) das Sprachbeispiel auch immer ähnlicher ein als diejenigen der einfachen (EINF) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP, vgl. Tab. 44). Damit stützen diese Ergebnisse die Hypothese, dass die Proband*innen dieses Sprachbeispiel in den Priming-Bedingungen (EINF, DOP) eher ablehnen und von sich wegschieben. Dies wird besonders bei den Proband*innen der alten Bundesländer hervorgerufen. Bei der Betrachtung der Herkunftseinschätzung zeigt sich das Wegschieben bzw. Zuschreiben dieser Sprechprobe zur anderen und nicht der eigenen Gruppe ebenfalls besonders stark bei den Proband*innen der alten Bundesländer der einfachen Prime-Gruppe (EINF). Auf die Frage, ob die Sprecher*innen aus der unmittelbaren Nachbarschaft kommen könnten, sind ca. 53% dieser Gruppe der Auffassung, dass dies der Fall sein könnte. Dagegen waren es bei der Kontrollgruppe noch ca. 90%. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Herkunftsgruppe neue Bundesländer innerhalb der einfachen Prime-Gruppe (EINF), wobei diese Unterschiede nicht ganz so stark sind (vgl. Diagramm 9). Interessant ist dabei, dass sowohl die Proband*innen der alten als auch der neuen Bundesländer innerhalb der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) mehrheitlich der Auffassung sind, das Beispiel könnte aus der eigenen Region stammen, obwohl sie es auf der Grundkarte der jeweils anderen Region zuschreiben. Dies könnte damit zusammenhängen, dass durch den Prime eine gewisse Abgrenzung hervorgerufen wird und diese auf der Karte durch die Verortungen in der nicht eigenen Region auch ausgedrückt wird. Eventuell scheinen jedoch die sprachlichen Merkmale zu gering, als dass die Sprecher*innen nicht auch aus der eigenen Region kommen könnten. Diese Vermutung wird zum einen durch die ähnlichen Einschätzungen hinsichtlich der Variable Ähnlichkeit gestützt (vgl. Tab. 42). Hier lassen sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den Herkunftsgruppen in den verstärkten Prime-Gruppe (DOP) finden, d. h. die alten und die neuen Bundesländer schätzen in dieser Bedingung die Ähnlichkeit annähernd gleich ein. Zum anderen können durch die diese Ergebnisse die oben genannten Aussagen unterstützt werden, insofern, dass die sprachlichen Merkmale im norddeutschen Raum ähnlich ausgeprägt sind und die unterschiedliche Verortung allein durch den verstärkten Prime (DOP) hervorgerufen wird. 5.2.7 Die Sprechprobe Schwerin Wie auch die Sprechprobe Lübeck wird das Sprachbeispiel Schwerin in den Norden sortiert, wobei sich die Erstreckung in diesem Fall eher diagonal von Hannover nach Rostock vollzieht und nicht vertikal. Außerdem ist die Streuung der Verortung beim Schweriner größer als beim Lübecker Sprachbeispiel (vgl. Abb. 26). Die Kontrollgruppe (OHN) hat dieses Beispiel ähnlich der Gesamtverortung lokalisiert, wobei hier ein größeres Zentrum um Schwerin, der tatsächlichen Herkunft der Sprecher*innen, zu finden ist (vgl. Abb. 27). Beim einfachen Prime (EINF) rücken die Verortungen stärker in den Osten von Mecklenburg-Vorpommern, zudem werden

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Hamburg und Hannover als Zentren präferiert (vgl. Abb. 28). Interessant ist wiederum die Verortung beim verstärkten Prime (DOP): Hier verlagert sich die Lokalisation vom Osten nach Hannover (vgl. Abb. 29). Diese Verschiebung könnte damit zusammenhängen, dass die Sprechprobe Schwerin allgemein als sehr standardnah im Gegensatz zur Lübecker empfunden wurde – bei dieser Sprechprobe lassen sich in allen Priming-Bedingungen Verortungen um Hannover ausmachen und besonders beim verstärkten Prime (DOP). Die Gegenüberstellung von Ost- und WestAmpelmännchen könnte ein Ost- und ein Westdeutsch-Konzept angestoßen haben, wobei mit dem Ostdeutsch-Konzept eher keine standardnahen Sprechweisen verbunden werden und somit die Sprechprobe aufgrund der empfunden Standardnähe als Hochdeutsch wahrgenommen wurde. Diese lassen sich nach der Auffassung der Proband*innen um Hannover finden (vgl. u. a. KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010). Es könnte somit geschlussfolgert werden, dass diese Sprechprobe von den Proband*innen in der verstärkten Bedingung (DOP) als Standard wahrgenommen wird, das deuten die Verortungen an. Zudem würde es die Annahme bestätigen, dass norddeutsche Sprechproben teilweise als relativ standardnah wahrgenommen werden und dass im Norden und um Hannover in der Wahrnehmung linguistischer Laien besonders standardnah gesprochen wird (vgl. u. a. KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010). Somit könnte der verstärkte Prime (DOP) bei einigen Proband*innen in diesem Fall eine Abgrenzung hervorgerufen haben. Durch die Gegenüberstellung von Ost- und West-Ampelmännchen könnte sowohl ein Ost- als auch ein WestKonzept ausgelöst worden sein, dass zu der Einschätzung führt, dass nicht im Osten, sondern um Hannover Standarddeutsch (Hochdeutsch) gesprochen wird. Dies wird im Vergleich zur Kontrollgruppe (OHN) deutlicher, die das Beispiel um Schwerin sortiert hat. Bezogen auf die Bewertung lassen sich auch hier wieder signifikante Unterschiede zwischen den Prime-Gruppen ausmachen, wobei die Kontrollgruppe (OHN) zum einen diese Sprechprobe positiver bewertet als die verstärkte Gruppe (DOP), und zum anderen bewertet auch die einfache Prime-Gruppe (EINF) dieses Beispiel positiver (vgl. Tab. 28). Dies könnte damit zusammenhängen, dass der einfache Prime bei den Proband*innen der ostdeutschen Bundesländer das Konzept Ostdeutsch bahnt und dieses mit der eigenen Identität verbunden und somit auch positiver bewertet wird. Unterstützt wird diese Annahme dadurch, dass die Proband*innen der einfachen Prime-Gruppe (EINF) dieses Sprachbeispiel signifikant ähnlicher zu ihrer eigenen Sprechweise einschätzen als die Proband*innen der verstärkten Gruppe (DOP, vgl. Tab. 41) und 69% angeben, die Sprecher*innen könnten aus der eigenen Region kommen (vgl. Diagramm 6). Gleichfalls finden sich signifikante Unterschiede in der Bewertung und der Einschätzung der sprachlichen Ähnlichkeit zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der verstärkten PrimeGruppe (DOP, vgl. Tab. 28, Tab. 41). Das würde die These dahingehend unterstützen, dass besonders durch den verstärkten Prime (DOP) das Hochdeutsch-Konzept ausgelöst wird, insofern, dass die Proband*innen annehmen, sie selbst sprächen kein Hochdeutsch, daher ist die eigene Sprechweise unähnlicher zu dieser Sprechprobe. Ebenfalls könnten die Ergebnisse die Vermutung bestätigen, dass das Norddeutsch-Konzept ein positiveres Image als das Hochdeutsch-Konzept hat, was eventuell durch den verstärkten Prime angestoßen wird, und deswegen als negativer

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und unähnlicher empfunden und um Hannover verortet wird. Dies zeigt sich ebenfalls in der Verortung: In der Kontrollgruppe (OHN) verorten die meisten Proband*innen das Sprachbeispiel Schwerin um Schwerin, bei der einfachen PrimeGruppe (EINF) rückt die Verortung stärker gen Osten, es finden sich aber auch Verortungen im Westen. Jedoch bei der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) ist ein klares Zentrum um Hannover zu finden, somit nicht in der eigenen Region (die meisten Probanden sind aus dem Norden).

5.2.7.1 Die Sprechprobe Schwerin unter Berücksichtigung der Herkunft der Proband*innen Im Folgenden werden die Ergebnisse ebenfalls wieder unter Berücksichtigung der Herkunft der Proband*innen betrachtet und dahingehend diskutiert, inwieweit der Prime Beeinflussungen zu den Variablen innerhalb der Herkunftsgruppen bewirkt hat. Die Kontrollgruppe (OHN) der alten Bundesländer sortiert das Schweriner Sprachbeispiel um Hamburg und Hannover und somit überwiegend in den Westen (vgl. Abb. 32). Die Proband*innen der alten Bundesländer könnten diese Sprechprobe mit der eigenen Sprechweise verbinden, was dadurch gestützt wird, dass die Kontrollgruppe (OHN) dieses auch signifikant positiver bewertet als diejenigen der verstärkten Prime-Gruppe (DOP, vgl. Tab. 32). Zudem empfinden sie das Sprachbeispiel Schwerin ähnlicher zu ihrer eigenen Sprechweise als die Proband*innen der verstärkten Prime-Gruppe (DOP, vgl. Tab. 45) und 77% dieser Gruppe geben an, dass Gehörte können aus der eigenen Region stammen (vgl. Diagramm 10). Bei der Verortung der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) der alten Bundesländer zentrieren sich die Lokalisationen dabei um Hannover (vgl. Abb. 36). Sowohl die Verortungen als auch die Bewertung und die Einschätzung der sprachlichen Ähnlichkeit stützen die These, dass die Proband*innen der alten Bundesländer diese Hörprobe als Hochdeutsch wahrgenommen haben, zumal hier nur noch 67% der Auffassung sind, die Sprechprobe käme aus der eigenen Region (vgl. Diagramm 10). Bezogen auf die neuen Bundesländer lässt sich Ähnliches finden, wobei die Proband*innen der Kontrollgruppe (OHN) das Sprachbeispiel um Hannover verorten (vgl. Abb. 33). Interessant sind bei dieser Gruppe die Verortungen beim einfachen Prime (EINF) und beim verstärkten Prime (DOP): Die Proband*innen lokalisieren dieses Sprachbeispiel in diesen Bedingungen nach Mecklenburg-Vorpommern um Schwerin (vgl. Abb. 35, Abb. 37). Der Prime könnte in diesem Fall durch den OstBezug zu einem das Konzept Ostdeutsch ausgelöst haben und zum anderen aber gleichzeitig eine Abgrenzung. Denn bei der Bewertung des Sprachbeispiels durch diese Gruppe bewertet die einfache Prime-Gruppe (EINF) die Sprechprobe signifikant positiver als die verstärkte Prime-Gruppe (DOP, vgl. Tab. 32). Ähnliches zeigt sich bei der Einschätzung der sprachlichen Ähnlichkeit zur eigenen Sprechweise. Bei dieser Frage schätzen die Proband*innen der Kontrollgruppe (OHN) die Schweriner Probe ähnlicher zur eigenen Sprechweise ein als diejenigen der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) und die einfache Prime-Gruppe (EINF) empfindet

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das Sprachbeispiel auch ähnlicher zur eigenen Sprechweise als diejenigen der verstärkten Prime-Gruppe (DOP, vgl. Tab. 45). Somit könnte besonders der verstärkte Prime bei den Proband*innen der neuen Bundesländer das Konzept Ostdeutsch gebahnt haben, wie die Verortungen zeigen. Jedoch scheinen die Proband*innen dieses Konzept nicht für sich anzunehmen, da die verstärkte Prime-Gruppe dieses Sprachbeispiel als signifikant negativer und unähnlicher bewertet. Diese Annahme wird dadurch gestützt, dass die Zustimmung, die Sprecher*innen könnten aus der eigenen Region kommen, mit der Stärke des Primes abnimmt (vgl. Diagramm 10). Das bedeutet, die Gewährspersonen grenzen sich eher von der Schweriner Sprechprobe ab, wenn der verstärkte Prime (DOP) genutzt wird. 5.2.8 Die Sprechprobe Dingelstädt Einen Sonderfall innerhalb der Untersuchung stellt das Sprachbeispiel Dingelstädt dar und zwar insofern, dass sich hinsichtlich der Verortungen zwischen den PrimeGruppen keine Unterschiede feststellen lassen. Das Sprachbeispiel wird von den Proband*innen überwiegend in Sachsen verortet, dessen Zentrum Leipzig darstellt (vgl. Abb. 38). Diese Lokalisation bleibt ebenfalls bei der Aufteilung der Daten der Proband*innen in die Kontrollgruppe (OHN, vgl. Abb. 39), die einfache Prime (EINF, vgl. Abb. 40) und die verstärkte Prime-Gruppe (DOP, vgl. Abb. 41) bestehen. Gleichfalls treten keine Veränderungen hinsichtlich der Verortung bei der Unterteilung in die Herkunftsgruppen alte und neue Bundesländer (vgl. Abb. 42, Abb. 43) auf. Dieses Ergebnis bestätigt vorhergehende Untersuchungen, da die thüringische Sprechprobe als Sächsisch wahrgenommen wird und die regionalsprachlichen Merkmale sowie die Verortung um die Stadt Leipzig somit als prototypisch angesehen werden können (vgl. ANDERS 2010a, KEHREIN 2012, KEHREIN / LAMELI / PURSCHKE 2010). Die Sprechprobe wirkt aufgrund der regionalsprachlichen Merkmale selbst schon als wahrnehmungsdominant und scheint an dieser Stelle den Prime zu überlagern. Die Zuordnung des Sprachbeispiels hängt im vorliegenden Fall nicht von der Herkunft der Proband*innen ab, wobei an dieser Stelle eingeräumt werden muss, dass die Teilnehmenden überwiegend aus dem Norden Deutschlands stammen (vgl. Tab. 7) und somit eventuell nicht die kommunikative Erfahrung aufweisen wie sächsische oder thüringische Proband*innen. Hier wären weitere Untersuchungen wünschenswert, die Proband*innen aus der gesamtdeutschen Region einbeziehen. Dass diese Sprechprobe am wenigsten mit der eigenen Region verbunden wird, ist aufgrund der Herkunft der Proband*innen nicht verwunderlich und zeigt sich ebenfalls in der Einschätzung der Herkunft der Sprecher*innen. 81% der Befragten sind der Meinung, das Gehörte könnte nicht aus der unmittelbaren Umgebung stammen (vgl. Diagramm 4). Neben der eindeutigen Zuordnung der Sprechprobe in den sächsischen Raum wird dieses Hörbeispiel im Vergleich zu den anderen signifikant negativer bewertet (vgl. Tab. 26). Auch hinsichtlich der Bewertung lassen sich zwischen den Priming-Bedingungen keine Unterschiede feststellen (vgl. Tab. 27), wobei aus der Tab. 27 deutlich wird, dass bei Auftreten eines Primes die Sprechprobe

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tendenziell positiver beurteilt wird als bei denjenigen, die sich in der Kontrollgruppe (OHN) befanden. Zudem wird diese Hörprobe von allen Proband*innen am unähnlichsten zur eigenen Sprechweise der Befragten eingeschätzt (vgl. Tab. 39). Auch hier lassen sich Tendenzen zwischen den Priming-Bedingungen feststellen und zwar insofern, als die Sprechprobe bei der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) ähnlicher zu eigenen Sprechweise eingeschätzt wird als bei der einfachen PrimeGruppe (EINF) und als bei der Kontrollgruppe (OHN, vgl. Tab. 40).

5.2.8.1 Die Sprechprobe Dingelstädt unter Berücksichtigung der Herkunft der Proband*innen Vorhergehend konnte festgestellt werden, dass es zwar keine Unterschiede in den Prime-Gruppen hinsichtlich der Verortung bei der Sprechprobe Dingelstädt zu finden sind. Doch wurde deutlich, dass diese Sprechprobe unterschiedlich beurteilt wurde, wenn der Prime während der Präsentation genutzt wurde. Diese Ergebnisse werden im Folgenden hinsichtlich der beiden Herkunftsgruppen diskutiert. Interessant ist die signifikant unterschiedliche Bewertung der Dingelstädter Sprachprobe zwischen den alten und den neuen Bundesländern: Dabei bewertet die Gruppe der neuen Bundesländer die Hörprobe signifikant positiver als die Gruppe der alten Bundesländer (vgl. Tab. 29). Dieser Effekt tritt nur bei dem Sprachbeispiel Dingelstädt in diesem Maße auf. Mit diesem Ergebnis können somit vorhergehende Studien bestätigt werden, in denen angenommen wurde, dass die Proband*innen der alten Bundesländer die ostdeutschen Varietäten und im speziellen Sächsisch negativer bewerten als diejenigen der neuen Bundesländer (vgl. DAILEY-O’CAIN 1999, KENNETZ 2010). Bezogen auf die Prime-Gruppen wird dies besonders deutlich. Innerhalb der Kontrollgruppe bewerten die beiden Herkunftsgruppen relativ ähnlich, wobei sich hier schon eine leichte Tendenz bei den neuen Bundesländern in den positiveren Bereich ablesen lässt. Signifikante Unterschiede in der Bewertung zeigen sich jedoch in der einfachen Prime-Gruppe (EINF) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP). Dabei bewerten die Proband*innen der neuen Bundesländer in beiden Priming-Bedingungen die Sprechprobe Dingelstädt signifikant positiver als diejenigen der alten Bundesländer (vgl. Tab. 30). Dass die Befragten der neuen Bundesländer eine positivere Bewertung vornehmen, zeigt sich ebenfalls innerhalb dieser Gruppe zwischen der Kontrollgruppe (OHN) und der einfachen PrimeGruppe (EINF): Die Gewährspersonen der einfachen Prime-Gruppe (EINF) bewerten das Sprachbeispiel signifikant positiver als die Kontrollgruppe (OHN, vgl. Tab. 33). Eine tendenziell positivere Einschätzung wird ebenfalls bei der Kontrollgruppe (OHN) im Vergleich zur verstärkten Prime-Gruppe (DOP) deutlich. Somit bewirkt der gesetzte Prime eine positivere Beurteilung der Sprechprobe bei den Proband*innen der neuen Bundesländer. Eine ähnliche Einstellungsveränderung zeigt sich bei der Einschätzung der sprachlichen Ähnlichkeit des Sprachbeispiels zur eigenen Sprechweise. Auch in diesem Fall können wieder signifikante Unterschiede zwischen den Herkunftsgrup-

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pen gefunden werden: Ebenfalls schätzen die Proband*innen der neuen Bundesländer die Dingelstädter Sprechprobe signifikant ähnlicher zu ihrer eigenen ein als diejenigen der alten Bundesländer (vgl. Tab. 42). Dies wird innerhalb der PrimingBedingungen sichtbar: Sowohl die Gewährspersonen der einfachen Prime-Gruppe (EINF) als auch diejenigen der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) innerhalb der Herkunftsgruppe neue Bundesländer schätzen die Sprechprobe ähnlicher zu ihrer eigenen Sprechweise ein als die Proband*innen der alten Bundesländer (vgl. Tab. 43). Solche Ergebnisse lassen sich wiederum nicht bei den anderen Sprechproben finden. Dass besonders die Befragten der neuen Bundesländer durch den gesetzten Prime eine veränderte Einschätzung vornehmen, zeigt sich innerhalb dieser Gruppe beim Vergleich der Kontrollgruppe (OHN) und der verstärkten Prime-Gruppe (DOP): Die Proband*innen der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) empfinden die Dingelstädter Hörprobe signifikant ähnlicher zur ihrer eigenen Sprechweise als diejenigen der Kontrollgruppe (OHN, vgl. Tab. 46). Diese Ergebnisse könnten damit in Verbindung stehen, dass die Proband*innen der neuen Bundesländer um deren Negativeinschätzung bzw. der Negativeinschätzung des Sächsischen wissen und durch den Prime das Konzept Ostdeutsch und somit die Zugehörigkeit zu dieser Gruppe ausgelöst wurde. Damit erfährt die Sprechprobe Dingelstädt durch die Proband*innen der neuen Bundesländer besonders durch den gesetzten Prime eine Aufwertung. Diese gewisse Solidarisierung wird besonders durch die Gegenüberstellung des Ost- und des West-Ampelmännchen verstärkt. Diese Annahme wird zudem durch die Einschätzung der Herkunft der Sprecher*innen durch Proband*innen gestützt. Hier zeigen sich signifikante Unterschiede zwischen den Priming-Bedingungen: Sowohl bei der Kontrollgruppe (OHN) als auch bei der einfachen Prime-Gruppe (EINF) sind 89% bzw. 85% der Auffassung, die Sprecher*innen könnten nicht aus deren Umgebung kommen. Bei der verstärkten Gruppe (DOP) hingegen sind nur noch 67% und 34% der Meinung, die Sprecher*innen könnten aus der eigenen Region kommen (vgl. Diagramm 7). Auch hier sind wieder signifikante Ergebnisse innerhalb der Herkunftsgruppen zwischen den Priming-Bedingungen zu finden (vgl. Tab. 54), wobei hier deutlich wird, dass der verstärkte Prime (DOP) in beiden Herkunftsgruppen zu mehr Ja-Stimmen führt als die anderen beiden Prime-Bedingungen, jedoch scheint es bei den neuen Bundesländern tendenziell mehr zu sein (vgl. Diagramm 11). Somit bestätigen die Ergebnisse die Annahmen, dass sich die Proband*innen der neuen Bundesländer besonders durch den verstärkten Prime mit dieser Sprechprobe solidarisieren. Das heißt, dass besonders bei dieser Gruppe durch den verstärkten Prime eine Einstellungsänderung ausgelöst wird, insofern, dass sie der Varietät eine Aufwertung zukommen lassen. Ähnliche Ergebnisse kann KENNETZ in seiner Untersuchung feststellen: Die sächsischen Proband*innen haben ihre eigene Sprechweise als genauso angenehm empfunden wie die anderen deutschen Varietäten, zum Teil wurde die eigene sogar besser bewertet. Somit scheint eine Umkehrung in der Wahrnehmung der eigenen Sprechweise stattgefunden und sich eventuell ein neues Sprachbewusstsein herausgebildet zu haben (vgl. KENNETZ 2010).

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5.2.9 Die Sprechprobe Schwalmstadt Insgesamt wird die nordhessische Sprechprobe eher mittig von Hannover über Magdeburg nach Wernigerode bis nach Osterode verortet und die Lokalisationen breiten sich weiter wellenförmig aus (vgl. Abb. 44). Aus der Verortung wird deutlich, dass die Sprechprobe Schwalmstadt nicht mehr mit dem Norden verbunden wurde, sondern eher mit Mitteldeutschland. Das machen auch die Zuordnungen zur Frage, ob die Sprecher*innen aus der eigenen unmittelbaren Umgebung stammen könnten, deutlich: Dabei sind 60% der Auffassung, das Gehörte könne nicht aus der eigenen Region stammen, wohingegen 40% diese Frage bejahten (vgl. Diagramm 4). Zum einen wird bei dieser Verteilung eine gewisse Unsicherheit in der Zugehörigkeit der Sprechprobe ersichtlich – bei den anderen drei Sprachbeispielen waren die Zuordnungen deutlicher. Zum anderen verwundern die 60% Nein-Stimmen nicht, da die Teilnehmenden überwiegen aus Norddeutschland stammen und somit das Schwalmstädter Sprachbeispiel als nicht so stark ihrem eigenen Umfeld zugehörig empfinden wie beispielsweise das Sprachbeispiel aus Lübeck oder Schwerin, was ebenfalls in den Verortungen sichtbar wird. Bei der Aufteilung der Daten der Proband*innen hinsichtlich der Verortung lassen sich bei diesem Hörbeispiel wieder Unterschiede feststellen. So können bei der Kontrollgruppe (OHN) Verortungen bis nach Sachsen gefunden werden, d. h. bis in den ostdeutschen Raum, jedoch auch Lokalisationen, die sich bis nach Westnorddeutschland erstrecken (vgl. Abb. 45). Die einfache Prime-Gruppe (EINF) dagegen nimmt Verortungen um Hannover über Magdeburg bis Kassel vor und damit überwiegend in den Westen Deutschlands (vgl. Abb. 46). Im Gegensatz zur Kontrollgruppe (OHN) könnte hier also durch das Ost-Ampelmännchen eine ähnliche Einstellungsveränderung wie bei der Schweriner Sprechprobe hervorgetreten sein, sodass das Ost-Ampelmännchen das Konzept Ostdeutsch angestoßen hat und diese Region nicht mit Hochdeutsch verbunden wird. Aufgrund dessen könnten die Verortungen um Hannover entstanden sein. Interessanterweise streuen die Verortungen beim verstärkten Prime (DOP) wieder stärker gen Osten. Innerhalb dieser Gruppe lässt sich auch ein Zentrum in Mecklenburg-Vorpommern bei Schwerin finden. Zudem reichen die Verortungen stärker nach Sachsen-Anhalt und Sachsen hinein (vgl. Abb. 47). Diese Zuordnungen könnten durch die Gegenüberstellung des Ost- und des West-Ampelmännchen hervorgerufen werden, insofern, dass der Prime das Konzept Ostdeutsch gebahnt hat und die Proband*innen entsprechende sprachliche Merkmale wahrgenommen haben, die mit diesem Konzept und somit mit dieser Region in Verbindung stehen. So verweist u. a. LAMELI auf Ähnlichkeiten des Nordhessischen auf der objektsprachlichen Ebene sowohl zum Niederdeutschen als auch zum Thüringischen (vgl. u. a. LAMELI 2009, WIESINGER 1983). In der Bewertung der Sprechproben nimmt Schwalmstadt eher eine mittlere Position ein, es wird zwar signifikant negativer als Lübeck und Schwerin bewertet, doch signifikant positiver als Dingelstädt (vgl. Tab. 25). Ähnliches zeigt sich in der Einschätzung der sprachlichen Ähnlichkeit dieses Sprachbeispiels zur eigenen Sprechweise (vgl. Tab. 38). Bezogen auf die Priming-Bedingungen lassen sich weder bei der Bewer-

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tung noch bei der Einschätzung der sprachlichen Ähnlichkeit signifikante Unterschiede zwischen den Prime-Gruppen festmachen (vgl. Tab. 27, Tab. 40).145 Dagegen lassen sich signifikante Unterschiede bei der Herkunftseinschätzung zwischen den Prime-Gruppen finden und somit ein ähnlicher Effekt wie bei der Dingelstädter Sprechprobe (vgl. Tab. 51). Bei der Kontrollgruppe (OHN) und bei der einfachen Prime-Gruppe (EINF) sind noch 64% bzw. 65% der Proband*innen der Auffassung, die Sprecher*innen könnten nicht aus der eigenen Region stammen. Wie bei der Sprechprobe Dingelstädt bewirkt der verstärkte Prime (DOP) eine Veränderung und in diesem Fall findet eine Umkehrung der Herkunftseinschätzung statt. 53% Proband*innen der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) sind der Meinung, das Gehörte könnte aus der eigenen Umgebung stammen, wohingegen 47% der Gewährspersonen dies verneinen (vgl. Diagramm 8). Das Ergebnis zeigt zum einen sehr deutlich, dass die Verortung der Sprecher*innen eher unsicher ist, zum anderen zeigt sich hier durch den verstärkten Prime eine Einstellungsänderung, die dazu führt, dass sich die Proband*innen dieser Gruppe diesem zugehörig fühlen oder sich mit dem Gehörten solidarisieren, ähnlich wie bei der Sprechprobe Dingelstädt. Für die Zugehörigkeit spricht jedoch die Verortung der Sprechprobe bei Auftreten des verstärkten Primes (DOP, vgl. Abb. 47).

5.2.9.1 Die Sprechprobe Schwalmstadt unter Berücksichtigung der Herkunft der Proband*innen Wie bei den Sprechproben Lübeck, Schwerin und Dingelstädt zeigen sich unter Berücksichtigung der Herkunft der Proband*innen Unterschiede zwischen den PrimeGruppen. Somit werden im folgenden Abschnitt die Ergebnisse zur Sprechprobe Schwalmstadt zu den einzelnen Variablen unter Berücksichtigung der Herkunftsgruppe alte und neue Bundesländer diskutiert werden. Dabei steht der Einfluss des Primes auf die verschiedenen Variablen im Fokus. Bei der Kontrollgruppe (OHN) der Herkunftsgruppe alte Bundesländer werden Verortungen eher in den westdeutschen/westmitteldeutschen Raum vorgenommen. Dabei erstrecken sich die Zuordnungen von Hannover über Hameln nach Bielefeld bis Kassel. Die nordhessische Sprechprobe wird von den Proband*innen der alten Bundesländer tendenziell dort verortet, wo die Sprecher*innen herkommen (vgl. Abb. 50). Die Kontrollgruppe (OHN) der neuen Bundesländer ordnet dieses Beispiel mehr gen Norden mit einem westdeutschen Schwerpunkt sowie teilweise nach Sachsen (vgl. Abb. 51). Im Zusammenhang mit dem einfachen Prime (EINF) lassen sich bei den alten Bundesländern mehr Verortungen im Norden mit einem Zentrum

145 Aus den Daten lassen sich leichte Unterschiede erkennen: Zum einen bewerten die PrimeGruppen (EINF, DOP) das Sprachbeispiel leicht positiver als die Kontrollgruppe (OHN, vgl. Tab. 27) und zum anderen schätzen die Prime-Gruppen (EINF, DOP) dieses auch leicht ähnlicher zur eigenen Sprechweise ein (vgl. Tab. 40). Da diese Ergebnisse jedoch nicht signifikant sind, werden sie nicht weiter betrachtet.

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um Hamburg finden (vgl. Abb. 52). Dabei könnte in diesem Fall das Ost-Ampelmännchen eine gewisse Abgrenzung hervorgerufen haben. Die Proband*innen der neuen Bundesländer ordnen das Sprachbeispiel überwiegend in den Osten von Wernigerode nach Schmalkalden (vgl. Abb. 53). An dieser Stelle lässt sich vermuten, dass durch den Prime Ost-Ampelmännchen das Ostdeutsch-Konzept angestoßen und somit eher sprachliche Merkmale wahrgenommen wurden, die mit diesem in Verbindung stehen, was die Verortung in den ostdeutschen Raum erklären würde. Gleichzeitig scheint hier eine Abgrenzung statt zu finden, da diese Sprechprobe in dieser Bedingung nicht in die eigene Region verortet wurde. Die Verortungen auf dieser Karte wirken im Allgemeinen sehr durcheinander und verdeutlichen eher eine gewisse Uneinigkeit und Unsicherheit in der Zuordnung. Der verstärkte Prime (DOP) verursacht bei der Gruppe der alten Bundesländer bei diesem Hörbeispiel wieder eine stärkere Veränderung: Diese Gruppe verortet das Gehörte nun überwiegend in den Osten um Magdeburg und die Nähe von Dingelstädt sowie zum Teil in Sachsen (vgl. Abb. 54). Bei der Gruppe neue Bundesländer finden sich unter dieser Bedingung Zuordnungen von Wernigerode bis nach Walsrode, somit eher mittig (vgl. Abb. 55). Es könnte bei diesem Sprachbeispiel und bei den Verortungen der Proband*innen der alten Bundesländer angenommen werden, dass sie durch den verstärkten Prime (DOP), durch die Gegenüberstellung des Ost- und des West-Ampelmännchens, eher Merkmale wahrnahmen, die sie mit den neuen Bundesländern verbinden. Somit könnte der Prime hier das Konzept Ostdeutsch angestoßen haben. Ähnliches kann für die Proband*innen der neuen Bundesländer im Zusammenhang mit dem einfachen Prime (EINF) angenommen werden, bei denen sich die Verortungen über den gesamten ostdeutschen Raum erstrecken. Bei der verstärkten Bedingung (DOP) können bei der Gruppe neue Bundesländer eher ähnliche Verortungen wie bei der Kontrollgruppe (OHN) gefunden werden, wobei sie sich in der verstärkten Gruppe leicht südlicher erstrecken. Die Verstärkung könnte hier durch die Gegenüberstellung des Ost- und West-Ampelmännchen eine Abgrenzung hervorgerufen haben, die sich in der teilweisen Verortung der Hörprobe in den westdeutschen Raum zeigt. Aus allen Verortungen, die sich sowohl in den Norden als auch nach Sachsen erstrecken, wird die problematische Stellung des Nordhessischen bzw. die Überschneidungen mit anderen Dialektregionen in der Wahrnehmung der Proband*innen ersichtlich. Zudem kann angenommen werden, dass, je nachdem, welcher Prime gesetzt wurde und welche Gruppe betrachtet wird, bestimmte Merkmale mehr ins Bewusstsein treten als andere bzw. diese dann mit den entsprechenden Regionen verbunden werden. Hinsichtlich der Bewertungen und der Einschätzung der sprachlichen Ähnlichkeit können diese Annahmen bestätigt werden. Innerhalb der Kontrollgruppe (OHN) bewerten dabei die Proband*innen der neuen Bundesländer dieses Sprachbeispiel signifikant positiver als diejenigen der alten Bundesländer (vgl. Tab. 30). Bezogen auf die Verortung wird diese positivere Bewertung durch die nähere Zuordnung der Proband*innen der neuen Bundesländer in den nördlichen Raum deutlich, wenn auch mit einem Schwerpunkt in Westen und um Hannover. Diejenigen der alten Bundesländer hingegen sortierten in dieser Gruppe die Schwalmstädter Sprechprobe eher weiter südlich. Das heißt, die Pro-

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band*innen der neuen Bundesländer empfanden mehr Ähnlichkeiten zum nördlichen Raum.146 Innerhalb der einfachen Prime-Gruppe (EINF) bewerten jedoch die Proband*innen der alten Bundesländer die Sprechprobe Schwalmstadt leicht positiver als diejenigen der neuen, was damit zusammenhängen könnte, dass die Sprechprobe durch diese Gruppe in dieser Bedingung mehr nördlich sortiert wird und somit die Sprechprobe eher mit dem Eigenen verbunden wird. Dies bestätigt die Einschätzung der Herkunft der Sprecher*innen dieser Sprechprobe: Innerhalb der Gruppe der alten Bundesländer sind mehrheitlich diejenigen der Kontrollgruppe (OHN) der Meinung, die Sprechprobe stamme nicht aus der eigenen Region (75%). Diese Einschätzung nimmt aber beim einfachen Prime (EINF) ab: Unter dieser Priming-Bedingung sind dieser Auffassung nur noch 53% der Proband*innen (vgl. Diagramm 12). Bestätigt wird die Annahme durch die signifikant positivere Bewertung des Sprachbeispiels durch die Proband*innen der neuen Bundesländer in der einfachen Priming-Bedingung (vgl. Tab. 34). Das Ost-Ampelmännchen könnte in diesem Fall das Konzept Ostdeutsch angestoßen haben, wobei die Proband*innen der alten Bundesländer hier nicht an ihre Zugehörigkeit erinnert werden, sondern eher Abgrenzung hervorgerufen wird und somit das Sprachbeispiel nicht mit dem Osten verbunden wird, sondern eher mit Varietäten im Westen, was sich ebenfalls in den Verortungen widerspiegelt. Die Verbindung zum Eigenen wird unterstützt durch das Ergebnis aus dem Vergleich der Herkunftsgruppen in der Herkunftseinschätzung der Sprecher*innen innerhalb der einfachen Priming-Bedingung (vgl. Tab. 55). Die Proband*innen der neuen Bundesländer sind innerhalb dieser Priming-Bedingung mehrheitlich der Auffassung, die Sprecher*innen stammen nicht aus der eigenen Region (75%), dies wird in den Verortungen ebenfalls deutlich. Die Proband*innen sortieren das Sprachbeispiel zwar in den Osten Deutschlands, aber weg von der eigenen Region (vgl. Abb. 53). Bei der Gruppe der alten Bundesländer hingegen sind fast die Hälfte (47%) der Meinung, die Sprecher*innen des Schwalmstädter Sprachbeispiels könnten aus deren Region kommen (vgl. Diagramm 13). Dies wird auch hier in der Verortung sichtbar: Mehrheitlich finden sich Zuordnungen im norddeutschen Raum von Hamburg bis Lübeck (vgl. Abb. 52). Das Ost-Ampelmännchen als Prime könnte in diesem Fall bei den Proband*innen der alten Bundesländer den Zugriff auf das eigene Konzept erleichtert haben und eventuell den Zugang zu den sprachlichen Merkmalen, insofern, dass eher regionalsprachliche Merkmale wahrgenommen wurden, die mit dem Norden assoziiert werden. Bezogen auf die Gruppe der neuen Bundesländer zeigt sich hier eher eine Abgrenzung durch den Prime als Ost-Ampelmännchen. In diesem Fall wurden durch den Prime ebenfalls das Konzept Ostdeutsch angestoßen, aber dahingehend, dass der Zugriff zu diesem und den entsprechenden sprachlichen Merkmalen er146 Eine leichte Tendenz bezogen auf die Einschätzung der sprachlichen Ähnlichkeit lässt erkennen, dass die Gruppe der neuen Bundesländer das Sprachbeispiel in der Kontrollgruppe (OHN) ähnlicher zu ihrer eigenen Sprechweise eingeschätzt hat als die Gruppe der alten (vgl. Tab. 43). Ähnliche Auffassungen lassen sich bei den anderen Prime-Gruppen (OHN, DOP) bezogen auf die Herkunftsgruppen finden. Jedoch sind diese Ergebnisse nicht signifikant und werden daher nicht weiter aufgegriffen.

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leichtert wurde. Zwar wird dieses Sprachbeispiel nicht in die eigenen Region verortet, jedoch lassen sich in der Bewertung und der sprachlichen Ähnlichkeit Tendenzen nachweisen, dass die Proband*innen der neuen Bundesländer die Sprechprobe leicht positiver bewerten und ähnlicher zur eigenen Sprechweise einschätzen. Somit grenzen sie sich auf der Karte von dem Gehörten ab, solidarisieren sich aber unbewusst bei der Bewertung und der sprachlichen Ähnlichkeit. Auch dies könnte wieder damit in Verbindung stehen, dass die Proband*innen der neuen Bundesländer um das Negativprestige ostdeutscher Varietäten wissen und unbewusst diese Sprechproben aufwerten. Das interessante an diesem Fall ist, dass es sich hier um eine westdeutsche Varietät handelt und der gesetzte Prime das Konzept Ostdeutsch angestoßen haben könnte. Weiterhin zeigen sich interessante Ergebnisse bei der Verortung und der Einschätzung der Herkunft der Sprecher*innen des Schwalmstädter Sprachbeispiels innerhalb der Gruppe der alten Bundesländer bei der verstärkten Bedingung (DOP): Die Verortungen werden überwiegend im Osten Deutschlands vorgenommen, hauptsächlich um Magdeburg und Dingelstädt (vgl. Abb. 54). Jedoch sind 56% dieser Proband*innen der Auffassung, das Gehörte könnte aus der eigenen Umgebung stammen bzw. deren Sprecher*innen. In der Kontrollgruppe (OHN) war die Mehrheit der Gewährspersonen der Meinung, die Sprecher*innen kämen nicht aus der eigenen Region (vgl. Diagramm 12). Der Prime hat bei dieser Gruppe bewirkt, dass das Sprachbeispiel in den Osten verortet wird, bei der Kontrollgruppe wurde es um Hannover in den Westen verortet, auf der Grundkarte wird somit eine Abgrenzung vorgenommen, insofern, als die Sprechprobe weg vom eigenen Raum sortiert wird. Die Gegenüberstellung des Ost- und des West-Ampelmännchens als Prime hat hier zum einen das Ostdeutsch-Konzept vorbereitet. Zum anderen verursacht es eine gewisse Zugehörigkeit bei denjenigen, die der Auffassungen waren, dass das Sprachbeispiel aus deren Region stammen könnte.

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5.3 ZUSAMMENFASSUNG Es konnte deutlich gemacht werden, dass die Nutzung der Priming-Methode bei der Sprachwahrnehmung Veränderungen hinsichtlich der Verortung, der Bewertung des Sprachbeispiels, der Einschätzung der sprachlichen Ähnlichkeit zur eigenen Sprechweise sowie der Einschätzung der Herkunft der Sprecher*innen hervorruft. Bezogen auf die Variablen Gefallen, Ähnlichkeit und Herkunftseinschätzungen konnten in der vorliegenden Arbeit sogar signifikante Veränderungen nachgewiesen werden. Somit bewirkt das als Prime genutzte Ampelmännchen unbewusst eine Einstellungsänderung, die sich in einer Zugehörigkeit oder in einer Abgrenzung zu dem jeweiligen Sprachbeispiel äußert. Diese Wirkung ist, wie vorhergehend gezeigt wurde, jedoch nicht immer eindeutig und durchgängig. Die vermutete Verstärkung dieser Zugehörigkeit oder Abgrenzung zu der einen oder zu der anderen Gruppe konnte teilweise mittels der Gegenüberstellung von Ost- und West-Ampelmännchen bestätigt werden. Zudem zeigt sich das Phänomen des Von-Sich-Wegschiebens, d. h. es ist davon auszugehen, dass die Proband*innen um das Negativprestige wissen und dieses für sich aber nicht annehmen. Dies wird besonders in der Gegenüberstellung des Ost- und West-Ampelmännchens deutlich, bei dem die Unterschiedlichkeit der beiden Gruppen suggeriert wird und die Proband*innen das Hörbeispiel jeweils in den Raum des Gegenübers verorten sowie dieses negativer bewerten und unähnlicher zur eigenen Sprechweise einschätzen (vgl. Sprechprobe Lübeck). Die Ergebnisse können ebenfalls verdeutlichen, dass gewisse Konzepte nicht mit der ostdeutschen Region verbunden werden. Deutlich wird dies bei der Auffassung des Konzepts Hochdeutsch, das nicht mit dem Osten Deutschlands verbunden wird (vgl. Sprechprobe Schwerin). Das Wissen um das Negativprestige der ostdeutschen Varietäten kann unbewusst durch den Prime jedoch zu einer gewissen Aufwertung der Sprechprobe führen, auch wenn die Verortung des Sprachbeispiels prinzipiell von sich weg getätigt wird (vgl. Sprechprobe Dingelstädt). Der genutzte Prime hat ebenso unterschiedliche Konzepte angestoßen und somit eine unterschiedliche Wirkung, was eventuell mit den enthaltenen sprachlichen Merkmalen in Verbindung stehen könnte. So werden zum einen eher ostdeutsche Merkmale wahrgenommen, wenn der Prime das Konzept Ostdeutsch vorbereitet. Zum anderen eher norddeutsche und westdeutsche, wenn der Prime eher die Abgrenzung zu diesem Konzept hervorruft (vgl. Sprechrobe Schwalmstadt). Nicht nur hinsichtlich der unterschiedlichen Sprechproben lassen sich verschiedene Auswirkungen des Primes verdeutlichen, bezüglich der untersuchten Variablen wirkt der Prime nicht immer in die gleiche Richtung und manchmal auch gar nicht. So scheint besonders die Variable Gefallen durch den Prime beeinflussbar zu sein, hingegen er bei der Variable Einschätzung der sprachlichen Ähnlichkeit geringer wirkt. Außer bei der Dingelstädter Sprechprobe lassen sich sonst innerhalb der Verortung Veränderungen ausmachen, die auf den Prime zurückzuführen sind, weshalb auch diese Variable als anfällig für den Prime gelten kann. Es ist jedoch zu vermuten, dass der Prime nicht bei protypischen Vertretern bestimmter Sprechweisen auf die Verortung wirkt, wie es bspw. bei der thüringischen Sprechprobe der Fall war. Es konnte deutlich gemacht werden, dass diese als Prototyp für das

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Sächsische wahrgenommen wurde und der Prime keine Auswirkung auf der Verortung ausübte. Es ist somit deutlich geworden, dass die auftretenden Veränderungen bei Setzung eines Primes stark von der genutzten Sprechprobe sowie den unterschiedlichen Variablen abhängen. Ebenfalls spielt die Herkunft der Proband*innen eine wesentliche Rolle bei der Priming-Methode. Im vorliegenden Fall wurden die meisten Proband*innen im norddeutschen Raum sozialisiert, was sich auch in den Daten widerspiegelt (vgl. Einschätzung der Herkunft der Sprecher*innen, Verortung der Sprechprobe Dingelstädt). Die Ergebnisse würden sich sicher anders gestalten, wenn Proband*innen aus dem gesamtdeutschen Raum teilgenommen hätten. In diesem Fall wäre zu vermuten, dass die Verortung bei der Dingelstädter Sprechprobe bei sächsischen und thüringischen Proband*innen im Zusammenhang mit einem Prime eher das Phänomen des Von-Sich-Wegschiebens auslöst. Die unterschiedliche und teilweise uneinheitliche sogar gegenläufige Wirkung des Primes bzw. der Primes macht somit deutlich, dass die Mauer in den Köpfen zum Teil bei der hier untersuchten Proband*innen-Gruppe zu finden ist. Diese Annahme lässt sich darauf zurückführen, dass das Konzept von der mentalen Mauer in Verbindung steht mit einer Ost-West-Kategorisierung und somit mit dem Konzept Ostdeutsch (vgl. Kap. 2.3). Auch wenn hier keine qualitativen Aussagen analysiert wurden, so lassen jedoch die Reaktionen der Teilnehmenden, deren Verortungen und Bewertungen, die Ergebnisse der Analysen den Schluss zu, dass bei den Studierenden zum Teil ein Ostdeutsch-Konzept angestoßen wurde und somit eine bröckelnde Mauer zu finden ist.

6 FAZIT UND AUSBLICK Ausgehend von der Fragestellung, ob ein gesetzter Prime Auswirkungen auf die Verortung von Sprechproben, die Bewertung, die Einschätzung der sprachlichen Ähnlichkeit sowie die Herkunftseinschätzung und somit auf die Sprachwahrnehmung insgesamt hat, wie es bereits in den Studien aus dem angloamerikanischen Raum nachgewiesen wurde (vgl. HAY / DRAGER 2010, HAY / NOLAN / DRAGER 2006, NIEDZIELSKI 1999), kann die übergeordnete These eindeutig bestätigt werden: Obwohl die Proband*innen aus autobiographischer Sicht (zwischen 1986 und 1994 geboren) keine Verbindung mit den beiden ehemaligen deutschen Staaten aufweisen, lässt sich bei diesen eine Beeinflussung durch das Ost- bzw. durch die Gegenüberstellung von Ost- und West-Ampelmännchen ausmachen. Dies könnte somit die zu Beginn der Untersuchung angeführte Vermutung stützen, dass das Konzept Mauer in den Köpfen noch bei der jüngeren Generation vorhanden ist. Die Annahme, dass der gesetzte Prime als Ost-Ampelmännchen bei den alten Bundesländern eine Abgrenzung und bei den neuen eine Identitätszuschreibung auslöst, die durch den verstärkten Prime (Ost- und West-Ampelmännchen) noch deutlicher zum Vorschein kommt, kann nur teilweise bestätigt werden. Der Prime erweist sich als mehrschichtig, d. h. sowohl der einfache als auch der verstärkte Prime können bei beiden Herkunftsgruppen unterschiedliche Konzepte anstoßen und ebenfalls bei beiden Herkunftsgruppen Zugehörigkeit oder Abgrenzung auslösen. Dabei wurde deutlich, dass sich die Proband*innen der neuen Bundesländer nicht immer mit dem gesetzten Prime identifizierten, sondern sich teilweise auch abgrenzten, indem sie die Sprechproben nicht in die eigene Region verorteten sowie diese entsprechend negativer bewerteten. Dabei tritt diese Abgrenzung häufig im Zusammenhang mit dem verstärkten Prime (DOP), in der Gegenüberstellung von Ost- und West-Ampelmännchen, auf. Dies konnte bei der Verortung der Sprechprobe Lübeck beobachtet werden: Die Proband*innen der neuen Bundesländer in der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) haben dieses Sprachbeispiel nicht in die eigene Region, sondern von sich weg verortet, obwohl die Gewährspersonen der neuen Bundesländer in der Kontrollgruppe (OHN) die Sprechprobe Lübeck in den eigenen Raum sortiert haben. Ähnliches konnte bei der Sprechprobe Schwerin festgestellt werden: Die Verortungen der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) der neuen Bundesländer zentrierten sich überwiegend im Nordwesten Deutschlands um Hannover, wobei die einfache Prime-Gruppe (EINF) dieses Sprachbeispiel um Schwerin lokalisierte. Zudem bewerteten die Proband*innen der neuen Bundesländer in der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) das Hörbeispiel negativer und unähnlicher zu ihrer eigenen Sprechweise als diejenigen der einfachen Prime-Gruppe (EINF). Bei den Sprechproben Lübeck und Schwerin wurde zum einen in der einfachen PrimeGruppe (EINF) der neuen Bundesländer durch das Ost-Ampelmännchen Zugehö-

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6 Fazit und Ausblick

rigkeit, zum anderen jedoch in der verstärkten Prime-Gruppe (DOP) der neuen Bundesländer durch die Gegenüberstellung von Ost- und West-Ampelmännchen Abgrenzung ausgelöst. Bei den Proband*innen der alten Bundesländer wirkt der Prime überwiegend abgrenzend, wobei wieder entscheidend ist, welche Sprechprobe präsentiert wurde. So lassen sich besonders bei dem nordhessischen Sprachbeispiel (Schwalmstadt) im Zusammenhang mit dem verstärkten Prime (DOP) bei den Proband*innen der alten Bundesländer Verortungen in den neuen Bundesländern finden, obwohl die Kontrollgruppe (OHN) diese Hörprobe überwiegend um Hannover verortet hat. Es wurde hier vermutet, dass der verstärkte Prime das Ostdeutsch-Konzept gebahnt hat und somit die Proband*innen eher sprachliche Merkmale der Sprechprobe wahrgenommen haben, die mit diesem Konzept in Verbindung stehen. Aus den Analysen wurde ebenfalls deutlich, dass gewisse Konzepte nicht mit der ostdeutschen Region verbunden werden. So verorteten die Proband*innen der alten Bundesländer das Sprachbeispiel Schwerin besonders beim verstärkten Prime um Hannover. Bei der Sprechprobe kann davon ausgegangen werden, dass diese überwiegend als standardnah wahrgenommen wurde, da sich in allen Bedingungen Verortungen um Hannover finden lassen. Aus vorhergehenden Untersuchungen konnte herausgestellt werden, dass aus laienlinguistischer Sicht im Norden und besonders um Hannover standardnah gesprochen wird (vgl. LAMELI / KEHREIN / PURSCHKE 2010). Die Gegenüberstellung von Ost- und West-Ampelmännchen könnte hier also gleichzeitig ein Ost- und ein Westdeutsch-Konzept ausgelöst haben, wobei die eher standardnahe Sprechprobe (Schwerin) nicht mit dem Osten, sondern mit dem Westen verbunden wird und zwar insofern, dass im Westen bzw. in Hannover Hochdeutsch gesprochen wird (nicht im Osten). Außerdem konnte herausgestellt werden, dass das Norddeutsch-Konzept ein positiveres Image als das HochdeutschKonzept hat, was eventuell durch den verstärkten Prime (DOP) angestoßen wurde. Die verstärkte Prime-Gruppe (DOP) bewertete die Schweriner Sprechprobe zum einen negativer und zum anderen unähnlicher zur eigenen Sprechweise als die Proband*innen der Kontrollgruppe (OHN), die dieses Sprachbeispiel überwiegend in den Norden um Schwerin sortiert hat. Somit wird deutlich, dass der gesetzte Prime nicht nur in eine Richtung wirkt, sondern zum einen stark von den genutzten Sprechproben und zum anderen von den Variablen Gefallen, Ähnlichkeit und Einschätzung der Herkunft der Sprecher*innen abhängt. Hierbei wurde deutlich, dass der Prime nicht auf die Verortung von Sprechproben wirkt, wenn es sich bei diesen um prototypische Sprechproben aus laienlinguistischer Perspektive handelt. Dies wurde bei dem thüringischen Sprachbeispiel (Dingelstädt) deutlich: Bei den Lokalisationen konnten keine Unterschiede zwischen den Herkunfts- und den Prime-Gruppen gefunden werden. Diese Hörprobe wurde von der Mehrheit nach Sachsen mit einem Zentrum um Leipzig verortet. Somit wird zum einen die These bestätigt, dass Proband*innen perzeptiv nicht zwischen thüringischen und obersächsischen regionalsprachlichen Hörproben unterscheiden können (vgl. u. a. ANDERS 2010a, PURSCHKE 2011). Zum anderen werden die genutzten sprachlichen Merkmale als prototypisch für das Sächsische wahrgenommen (vgl. u. a. LAMELI / KEHREIN / PURSCHKE 2010). Bei

6 Fazit und Ausblick

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der Sprechprobe Dingelstädt konnte zudem eine Aufwertung festgestellt werden und zwar insofern, dass die Proband*innen der neuen Bundesländer besonders im Zusammenhang mit dem verstärkten Prime (DOP) das Gehörte signifikant positiver als diejenigen der Kontrollgruppe (OHN) bewerteten, obwohl sie es nach Sachsen und somit von sich weg verorteten. Es wurde angenommen, dass sich die Proband*innen der neuen Bundesländer mit dieser Sprechprobe unbewusst solidarisierten und deswegen positiver bewerteten. Ähnliche Ergebnisse kann KENNETZ in seiner Untersuchung feststellen, bei der die sächsischen Proband*innen ihre eigene Sprechweise als genauso angenehm wie die anderen deutschen Varietäten empfunden haben. Zum Teil wurde die eigene sogar besser bewertet. Somit scheint eine Umkehrung in der Wahrnehmung der eigenen Sprechweise stattgefunden und sich eventuell ein neues Sprachbewusstsein herausgebildet zu haben (vgl. KENNETZ 2010). Aus der Analyse ist somit hervorgegangen, dass nicht vorausgesagt werden kann, in welche Richtung der Prime wirkt. Hierbei erwies sich die Zusammenschau aller Ergebnisse zu einer bestimmten Sprechprobe und Herkunftsgruppe als besonders aufschlussreich in Bezug auf die Frage, welche Mechanismen bzw. Konzepte der Prime angestoßen haben könnte. Zudem hat der Prime einen größeren Einfluss auf die Variable Gefallen als auf die Variable Einschätzung der sprachlichen Ähnlichkeit und auf die Herkunftseinschätzung. Ebenfalls hängen die Ergebnisse von der gewählten Sprechprobe und von der Herkunft der Proband*innen ab. Erst durch die Betrachtung unterschiedlicher Sprachbeispiele unter Nutzung des Primes zeigt sich die Komplexität solcher Konzepte und deren eventuelle Verknüpfung mit anderen. Zudem kann durch die Nutzung der Priming-Methode verdeutlicht werden, wie stark unbewusste Reize auf unser (Sprach-)Handeln einwirken können. Dieser Primingeffekt kann dabei nur auftreten, wenn der gesetzte Prime und das entsprechende Konzept im neuronalen Netzwerk der Proband*innen miteinander verknüpft sind. In der vorliegenden Arbeit sind solche Primingeffekte eingetreten, weswegen die Behauptung aufgestellt werden kann, dass das Konzept Mauer in den Köpfen bei den Proband*innen, die zwischen 1986 und 1994 geboren wurden, zum Teil noch besteht. In diesem Zusammenhang wären weiteren Untersuchungen aufschlussreich, um zu eruieren, womit bzw. wie genau dieses Konzept gefüllt ist (mit welchen Assoziationen und Bezeichnungen). Zudem wäre es interessant zu untersuchen, ob der Prime sich in solchen Bedingungen auch auf die Benennungen und Beschreibung der Sprechproben auswirkt, d. h. ob sich Unterschiede bei der Bezeichnung und bei der Nennung sprachlicher Merkmale finden lassen. Solche Untersuchungen stehen bisher aber noch aus. Ebenfalls wäre eine Durchführung mit Proband*innen anderer Regionen sinnvoll. In der vorliegenden Arbeit konnten überwiegend Daten von norddeutschen Proband*innen erfasst werden, somit können die getroffenen Aussagen nicht für den gesamtdeutschen Raum gelten. Zudem ist anzunehmen, dass Proband*innen anderer Regionen durch ihre sprachliche Situation die Sprechproben anders wahrnehmen als die Norddeutschen hinsichtlich des Primes. Analysen zu Primingeffekten wären daher besonders bei Proband*innen aus dem Obersächsischen interessant und zwar dahingehend, ob bei diesen bei dem Sprachbeispiel Dingelstädt eher das Phänomen des Wegschiebens eintritt, wie

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dies ohne Prime der Fall bei der Untersuchung von ANDERS (2007) war. In dieser Studie schoben die Proband*innen bei der Frage nach dem besten Sächsisch dieses immer anderen sächsischen Städten bzw. deren Sprecher*innen zu, aber nie sich selbst. Bezogen auf das Alter wären weitere Untersuchungen mit älteren Proband*innen sinnvoll. Es ist zu vermuten, dass die hier festgestellten Effekte bei den Proband*innen, die in den deutsch-deutschen Systemen sozialisiert wurden, vergleichsweise noch stärker sind. Dass der Forschungsgegenstand der ehemaligen innerdeutschen Grenze sowohl aus wahrnehmungsdialektologischer als auch dialektgeographischer Sicht nach wie vor von Interesse ist, wird ebenfalls anhand laufender Dissertationsprojekte (vgl. SAUER 2018, SAUERMILCH i. V.) deutlich. Dabei befasst sich das Projekt von SAUER mit der Rekonstruktion der Dialektstrukturen während und nach der Teilung Deutschlands im thüringischen und bayerischen Dialektgebiet und versucht, die Ausbildung und Dynamik von Isoglossen in diesem Raum nachzuzeichnen. Sie schließt damit an die Untersuchungen von HARNISCH (vgl. Kap. 2.1.2 sowie HARNISCH 2010, 2015) an und befasst sich in ihrer kleinräumig angelegten empirischen Untersuchung mit dem Zusammenhang von Sprachveränderungen und dem Einfluss der Grenzsituation. Hierfür wurden objektsprachliche Daten von 1960, 1990 und 2014 von Bewohnern der ehemaligen innerdeutschen Grenze hinsichtlich diachroner, diatopischer und diaphasischer Gesichtspunkte verglichen. Somit stehen die dialektalen Varietäten der Personen sowie deren phonetische Besonderheiten im Fokus der Untersuchung. Ergänzt wurden diese Daten um einen perzeptionslinguistischen Teil, bei dem Proband*innen Sprechproben der Region und angrenzender Gebiete zuordnen und diese Zuordnung begründen sollen. Auf diese Weise können objektsprachliche und wahrnehmungsdialektologische Daten miteinander verglichen werden und geben Aufschluss über den tatsächlichen und den wahrgenommenen Sprachgebrauch der Proband*innen an der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze. Mittels dieser Kombination kann SAUER herausarbeiten, dass die Sprecher*innen (Apparent-Time-Vergleich anhand dreier Altersgruppen) keine neue Isoglosse perzipieren, die sich entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze erstreckt. Das ehemals zusammengehörige Dialektgebiet wurde durch die deutschdeutsche Grenze auf dialektaler Ebene nicht getrennt, jedenfalls können die Sprecher*innen gehörte Sprechproben nicht eindeutig der einen oder anderen Region zu ordnen (vgl. SAUER 2018). Das Dissertationsprojekt von SAUERMLICH befasst sich ebenfalls mit dem Einfluss der ehemaligen innerdeutschen Grenze auf die sprachliche Situation der Personen, die an dieser sozialisiert wurden. Hierbei stehen ausgewählte Regionen Norddeutschlands im Fokus der Untersuchung. Ziel der Arbeit ist es, herauszufinden, ob und welchen Einfluss die ehemalige innerdeutsche Grenze auf die aktuelle Sprachsituation sowie die Wahrnehmung der dort geborenen Personen hat. Hierfür werden Interviews mit männlichen Probanden unterschiedlicher Altersgruppen (zwischen 1940−1995) sowie verschiedener Berufsgruppen durchgeführt. Kombiniert werden abermals wahrnehmungsdialektologische (wie die draw-a-map-Methode) sowie objektsprachliche Methoden (bspw. Übersetzung der Wenkersätze),

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um den Einfluss und die sprachlichen Auswirkungen der besonderen Grenzsituation zu eruieren. Mithilfe der Aufnahmen unterschiedlicher Situationen soll ebenfalls eine Aussage über die verschiedenen sprachlichen Repertoires der Sprecher getroffen werden (vgl. SAUERMILCH i. V.). Jedoch bleibt damit offen, was hinter dem Konzept Mauer in den Köpfen steckt. Hierfür wären ebenfalls qualitative Studien mit Personen aufschlussreich, die an der ehemaligen Grenze aufgewachsen sind. So konnten andere Untersuchungen deutlich herausstellen, dass politische Grenzen einen Einfluss auf die Wahrnehmung der Sprache haben (vgl. u. a. STOECKLE 2010, 2014). An dieser Stelle wäre zu fragen, ob diese besondere Grenze zu unterschiedlichen Konzeptualisierungen führt. Des Weiteren scheint das Reden über die Grenze als Forschungsgegenstand besonders aufschlussreich zu sein. So kann HARNISCH anhand von Erzählungen über Erfahrungen des Mauerfalls belegen: „Das Wissen über die politische Grenze bestimmt die Vorstellung von Sprachgrenzen.“ (HARNISCH 2010, 26) Dies bestätigt die Ausführungen AUERS, „dass der Raum ein mentales Konstrukt ist“ (vgl. AUER 2004, 160). Hierbei schafft nicht „die Struktur des Raums […] sprachliche Unterschiede, sondern unsere dialektalen kognitiven Landkarten sind Ordnungsstrategien, mit denen wir das ‚Chaos‘ der Heteroglossie bewältigen.“ (AUER 2004, 160) Somit ist es eher „der Raum als mentales Konstrukt, der die Wahrnehmung sprachlicher Variabilität steuert und gegebenenfalls auch in der sprachlichen Produktion sprachliche Grenzen (Isoglossen) bewahrt oder sogar aufbaut. Allenfalls können natürliche oder politische Grenzen für diese mentalen Raumkonzepte auslösend sein, nicht aber für die sprachlichen Divergenzen im Raum selbst.“ (AUER 2004, 162)

HARNISCH kommt zu der Feststellung, dass sich die Sprache an der politischen Grenze beim Sprechen über diese Grenze ausrichtet, d. h. das Reden über die Grenze offenbart „die auf beiden Seiten dieser Grenze entstandenen unterschiedlichen Mentalitätsgeschichten“ (HARNISCH 2010, 26). Die Berichte über das persönliche Erfahren halten fest, dass „im sprachlich abgegebenen Zeugnis […] auch tieferliegende Bewusstseinsschichten der betroffenen Menschen zum Vorschein“ (HARNISCH 2010, 26) kommen, wobei diese noch nicht umfassend ausgewertet werden konnten (vgl. HARNISCH 2010, 26). Solche Analysen über das Reden über die Grenze und somit ein diskursiver Umgang mit dieser Mauer steht für den gesamtdeutschen Raum noch aus. „Dies nachzuholen, wäre eine wichtige Aufgabe der germanistischen Sprachforschung für die Zukunft, eine mit hoher gesellschaftspolitischer Bedeutung dazu.“ (HARNISCH 2010, 26) Abschließend kann festgestellt werden, dass es sich bei der Mauer in den Köpfen um eine Diskursmauer handelt (vgl. Kap. 2.3), die durch unterschiedliche Konzepte getriggert werden kann, die nicht immer sprachlich gefüllt sein müssen, aber in irgendeiner Weise mit dem Konzept in Verbindung stehen (vgl. HAY / DRAGER 2010). Es konnte verdeutlicht werden, dass dieses Konzept präsent ist und durch einen Prime (Ost-/Ost- und West-Ampelmännchen) Einfluss auf die Verortung und Bewertung von Sprechproben ausübt. Obwohl die physische Mauer seit über 25 Jahren nicht mehr besteht, wirkt diese als mentale Mauer, mit der unterschiedliche

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6 Fazit und Ausblick

Konzepte verknüpft sind, auch in der heutigen Zeit bei den Personen nach, die während der Vereinigung sozialisiert wurden. Mit Rückgriff auf HOFER kann somit bestätigt werden, dass sich solche Stereotype über bestimmte Sprechweisen und deren Sprecher als „wirkungsmächtige Konstrukte“ erweisen, „die erstaunlich konsistent in Sprachgemeinschaften verbreitet sind.“ (HOFER 2004, 29)

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ABBILDUNGSVERZEICHNIS Abb. 1: Gegenstandsbestimmung einer deutschsprachigen WD (ANDERS 2010a, 18).................... 23 Abb. 2: Karte der 36 deutschen Regionen (vgl. DAILEY-O’CAIN 1999, 228).................................. 60 Abb. 3: Correctness & Pleasantness (KENNETZ 2010, 323)............................................................. 64 Abb. 4: Modellierung des Konzeptualisierungsbegriffs, KEHREIN/LAMELI/PUR SCHKE 2010, 381. .................................................................................................................. 80 Abb. 5: Versuch der Konzeptualisierung der mentalen Mauer. ....................................................... 83 Abb. 6: Grundkarte für die Verortung der Sprechproben. ............................................................... 89 Abb. 7: Orte der Sprechproben. ....................................................................................................... 94 Abb. 8: Ost-Ampelmännchen (grün, gehend) – © AMPELMANN GmbH. ................................... 98 Abb. 9: West- und Ost-Ampelmännchen (grün, gehend) – © AMPELMANN GmbH. .................. 98 Abb. 10: Präsentationsauszug ohne Prime. .................................................................................... 100 Abb. 11: Präsentationsauszug mit Prime. ...................................................................................... 101 Abb. 12: Präsentationsauszug mit verstärktem Prime.................................................................... 101 Abb. 13: Polygone und Attribute in ArcGIS. ................................................................................. 109 Abb. 14: Heat map zur Sprechprobe Lübeck (N = 308). ............................................................... 112 Abb. 15: Heat map zur Sprechprobe Lübeck (OHN) (N = 100). ................................................... 113 Abb. 16: Heat map zur Sprechprobe Lübeck (EINF) (N = 103). ................................................... 114 Abb. 17: Heat map zur Sprechprobe Lübeck (DOP) (N = 105)..................................................... 115 Abb. 18: Heat map zur SP LBK nach der Herkunft (alte BL, N = 122). ....................................... 116 Abb. 19: Heat map zur SP LBK nach der Herkunft (neue BL, N = 171). ..................................... 117 Abb. 20: Heat map zur SP LBK nach der Herkunft (OHN, alte BL, N = 41). .............................. 118 Abb. 21: Heat map zur SP LBK nach der Herkunft (OHN, neue BL, N = 57).............................. 119 Abb. 22: Heat map zur SP LBK nach der Herkunft (EINF, alte BL, N = 44). .............................. 120 Abb. 23: Heat map zur SP LBK nach der Herkunft (EINF, neue BL, N = 54). ............................ 121 Abb. 24: Heat map zur SP LBK nach der Herkunft (DOP, alte BL, N = 37). ............................... 122 Abb. 25: Heat map zur SP LBK nach der Herkunft (DOP, neue BL, N = 60). ............................. 123 Abb. 26: Heat map zur Sprechprobe Schwerin (N = 310). ............................................................ 124 Abb. 27: Heat map zur Sprechprobe Schwerin (OHN) (N = 110). ................................................ 125 Abb. 28: Heat map zur Sprechprobe Schwerin (EINF) (N = 100)................................................. 126 Abb. 29: Heat map zur Sprechprobe Schwerin (DOP) (N = 100). ................................................ 127 Abb. 30: Heat map zur SP SWE nach der Herkunft (alte BL, N = 113)........................................ 128

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Abbildungsverzeichnis

Abb. 31: Heat map zur SP SWE nach der Herkunft (neue BL, N = 185). ..................................... 129 Abb. 32: Heat map zur SP SWE nach der Herkunft (OHN, alte BL, N = 38). .............................. 130 Abb. 33: Heat map zur SP SWE nach der Herkunft (OHN, neue BL, N = 71). ............................ 131 Abb. 34: Heat map zur SP SWE nach der Herkunft (EINF, alte BL, N = 36). .............................. 132 Abb. 35: Heat map zur SP SWE nach der Herkunft (EINF, neue BL, N = 61). ............................ 133 Abb. 36: Heat map zur SP SWE nach der Herkunft (DOP, alte BL, N = 39)................................ 134 Abb. 37: Heat map zur SP SWE nach der Herkunft (DOP, neue BL, N = 53). ............................. 135 Abb. 38: Heat map zur Sprechprobe Dingelstädt (N = 317). ......................................................... 136 Abb. 39: Heat map zur Sprechprobe Dingelstädt (OHN) (N = 109). ............................................ 137 Abb. 40: Heat map zur Sprechprobe Dingelstädt (EINF) (N = 100). ............................................ 138 Abb. 41: Heat map zur Sprechprobe Dingelstädt (DOP) (N = 108). ............................................. 139 Abb. 42: Heat map zur SP DST nach der Herkunft (alte BL, N = 132). ....................................... 140 Abb. 43: Heat map zur SP DST nach der Herkunft (neue BL, N = 169). ...................................... 141 Abb. 44: Heat map zur Sprechprobe Schwalmstadt (N = 304). ..................................................... 142 Abb. 45: Heat map zur Sprechprobe Schwalmstadt (OHN) (N = 104). ........................................ 143 Abb. 46: Heat map zur Sprechprobe Schwalmstadt (EINF) (N = 100). ........................................ 144 Abb. 47: Heat map zur Sprechprobe Schwalmstadt (DOP) (N = 100). ......................................... 145 Abb. 48: Heat map zur SP SWA nach der Herkunft (alte BL, N = 119). ...................................... 146 Abb. 49: Heat map zur SP SWA nach der Herkunft (neue BL, N = 171). .................................... 147 Abb. 50: Heat map zur SP SWA nach der Herkunft (OHN, alte BL, N = 38). ............................. 148 Abb. 51: Heat map zur SP SWA nach der Herkunft (OHN, neue BL, N = 64). ............................ 149 Abb. 52: Heat map zur SP SWA nach der Herkunft (EINF, alte BL, N = 43). ............................. 150 Abb. 53: Heat map zur SP SWA nach der Herkunft (EINF, neue BL, N = 53). ........................... 151 Abb. 54: Heat map zur SP SWA nach der Herkunft (DOP, alte BL, N = 38). .............................. 152 Abb. 55: Heat map zur SP SWA nach der Herkunft (DOP, neue BL, N = 54). ............................ 153 Abb. 56: Fragebogen, Seite 1. ........................................................................................................ 276 Abb. 57: Fragebogen, Seite 2. ........................................................................................................ 277 Abb. 58: Fragebogen, Seite 3. ........................................................................................................ 278 Abb. 59: Fragebogen, Seite 4. ........................................................................................................ 279 Abb. 60: Heat map zur SP DST nach der Herkunft (OHN, alte BL, N = 49). ............................... 282 Abb. 61: Heat map zur SP DST nach der Herkunft (OHN, neue BL, N = 58). ............................. 283 Abb. 62: Heat map zur SP DST nach der Herkunft (EINF, alte BL, N = 42)................................ 284 Abb. 63: Heat map zur SP DST nach der Herkunft (EINF, neue BL, N = 53). ............................. 285 Abb. 64: Heat map zur SP DST nach der Herkunft (DOP, alte BL, N = 41). ............................... 286 Abb. 65: Heat map zur SP DST nach der Herkunft (DOP, neue BL, N = 58). .............................. 287

DIAGRAMMVERZEICHNIS Diagramm 1: Verteilung der Studierenden auf die Geburtsjahre................................................... 104 Diagramm 2: Verteilung der Herkunftseinschätzung auf die Prime-Gruppen. .............................. 203 Diagramm 3: Verteilung der Herkunftseinschätzung auf die Herkunftsgruppen. ......................... 205 Diagramm 4: Verteilung der Herkunftseinschätzung auf die Sprechproben. ................................ 206 Diagramm 5: Verteilung der Herkunftseinschätzung auf die Prime-Gruppen zur Sprechprobe Lübeck. .................................................................................................... 208 Diagramm 6: Verteilung der Herkunftseinschätzung auf die Prime-Gruppen zur Sprechprobe Schwerin. ................................................................................................. 209 Diagramm 7: Verteilung der Herkunftseinschätzung auf die Prime-Gruppen zur Sprechprobe Dingelstädt. .............................................................................................. 210 Diagramm 8: Verteilung der Herkunftseinschätzung auf die Prime-Gruppen zur Sprechprobe SWA. ....................................................................................................... 211 Diagramm 9: Verteilung der Herkunftseinschätzung auf die Prime-Gruppen in den Herkunftsgr. (LBK).................................................................................................. 215 Diagramm 10: Verteilung der Herkunftseinschätzung auf die Prime-Gruppen in den Herkunftsgr. (SWE). ................................................................................................ 216 Diagramm 11: Verteilung der Herkunftseinschätzung auf die Prime-Gruppen in den Herkunftsgr. (DST). ................................................................................................. 217 Diagramm 12: Verteilung der Herkunftseinschätzung auf die Prime-Gruppen in den Herkunftsgr. (SWA). ................................................................................................ 218 Diagramm 13: Verteilung der Herkunftseinschätzung auf die Herkunftsgruppen in den Prime-Gr. (SWA). .................................................................................................... 222

TABELLENVERZEICHNIS Tab. 1: Prominente mental repräsentierte Sprachräume in Deutschland nach rezenten perzeptionslinguistischen Untersuchungen mit Schüler*innen oder Studienanfänger*innen (KEHREIN 2012b, 224). ........................................................... 34 Tab. 2: Attributes used (KENNETZ 2010, 331). ................................................................................ 63 Tab. 3: Gewählte Sprechproben. ...................................................................................................... 92 Tab. 4: Regionalsprachliche Merkmale/Varianten aus den Sprechproben. ..................................... 95 Tab. 5: Anzahl der Fragebögen. ..................................................................................................... 102 Tab. 6: Geschlecht der Proband*innen. ......................................................................................... 105 Tab. 7: Verteilung der Proband*innen auf das Geburtsbundesland. .............................................. 106 Tab. 8: Verteilung der Proband*innen auf das Bundesland des Wohnortes. ................................. 107 Tab. 9: Verteilung der Polygone auf die vier Sprechproben und jeweiligen Settings. .................. 110 Tab. 10: Polygone zur Sprechprobe Lübeck. ................................................................................. 111 Tab. 11: Herkunft aus alten/neuen BL (N = 308) (Sprechprobe LBK). ........................................ 116 Tab. 12: Verteilung der Gewährspersonen auf die Settings (Sprechprobe LBK). ......................... 118 Tab. 13: Polygone zur Sprechprobe Schwerin. .............................................................................. 124 Tab. 14: Herkunft aus alten/neuen BL (N = 310) – Sprechprobe SWE. ........................................ 127 Tab. 15: Verteilung der Gewährspersonen auf die Settings – Sprechprobe SWE. ........................ 129 Tab. 16: Alle Polygone zur Sprechprobe Dingelstädt. ................................................................... 136 Tab. 17: Herkunft aus alten/neuen BL (N = 317) – Sprechprobe DST.......................................... 139 Tab. 18: Polygone zur Sprechprobe Schwalmstadt........................................................................ 142 Tab. 19: Herkunft aus alten/neuen BL (N = 304) – Sprechprobe SWA. ....................................... 146 Tab. 20: Verteilung der Gewährspersonen auf die Settings – Sprechprobe SWA......................... 147 Tab. 21: Häufigkeitsverteilung zur Frage 2.1.6. ............................................................................ 161 Tab. 22: Kruskal-Wallis-Test zw. den Prime-Gruppen bzgl. der Gefallen-Werte (α = 0,05). ........................................................................................... 162 Tab. 23: Mann-Whitney-Test zw. den Prime-Gruppen bzgl. der Gefallen-Werte (α = 0,05). ........................................................................................... 162 Tab. 24: Mann-Whitney-Test zw. den Herkunftsgruppen bzgl. der Gefallen-Werte (α = 0,05). ........................................................................................... 163 Tab. 25: Kruskal-Wallis-Test zw. den Sprechproben bzgl. der Gefallen-Werte (α = 0,05). ........................................................................................... 164 Tab. 26: Mann-Whitney-Test zw. den Sprechproben bzgl. der Gefallen-Werte (α = 0,05). ........................................................................................... 165

Tabellenverzeichnis

273

Tab. 27: Kruskal-Wallis-Test zw. den Prime-Gruppen bzgl. der Gefallen-Werte zu den SP (α = 0,05). .......................................................................... 166 Tab. 28: Mann-Whitney-Test zw. den Prime-Gruppen bzgl. der Gefallen-Werte zu den SP (α = 0,05). .......................................................................... 168 Tab. 29: Mann-Whitney-Test zw. den Herkunftsgruppen bzgl. der Gefallen-Werte zu den SP (α = 0,05). .......................................................................... 170 Tab. 30: Mann-Whitney-Test zw. Herkunftsgruppen bzgl. der Prime-Gr. zu den SP (Gefallen) (α = 0,05). .................................................................. 172 Tab. 31: Mann-Whitney-Test zw. den Prime-Gruppen zu LBK bzgl. der Herkunft (Gefallen) (α = 0,05). .................................................................................... 175 Tab. 32: Mann-Whitney-Test zw. den Prime-Gruppen zu SWE bzgl. der Herkunft (Gefallen) (α = 0,05). .................................................................................... 177 Tab. 33: Mann-Whitney-Test zw. den Prime-Gruppen zu DST bzgl. der Herkunft (Gefallen) (α = 0,05). .................................................................................... 179 Tab. 34: Mann-Whitney-Test zw. den Prime-Gruppen zu SWA bzgl. der Herkunft (Gefallen) (α = 0,05). .................................................................................... 180 Tab. 35: Häufigkeitsverteilung zur Frage 2.1.7. ............................................................................ 182 Tab. 36: Kruskal-Wallis-Test zw. den Prime-Gruppen bzgl. der Ähnlichkeitswerte (α = 0,05). ....................................................................................... 183 Tab. 37: Mann-Whitney-Test zw. den Herkunftsgruppen bzgl. der Ähnlichkeitswerte (α = 0,05). ....................................................................................... 184 Tab. 38: Kruskal-Wallis-Test zw. den Sprechproben bzgl. der Ähnlichkeitswerte (α = 0,05). ....................................................................................... 184 Tab. 39: Mann-Whitney-Test zw. den Sprechproben bzgl. der Ähnlichkeitswerte (α = 0,05). ....................................................................................... 186 Tab. 40: Kruskal-Wallis-Test zwischen den Prime-Gruppen bezogen auf die Sprechproben (α = 0,05). ........................................................................................ 187 Tab. 41: Mann-Whitney-Test zw. den Prime-Gruppen bzgl. der Ähnlichkeitswerte zu den SP (α = 0,05). ...................................................................... 188 Tab. 42: Mann-Whitney-Test zw. den Herkunftsgruppen bzgl. der Ähnlichkeitswerte zu den SP (α = 0,05). ...................................................................... 190 Tab. 43: Mann-Whitney-Test zw. der Herkunft bzgl. der Prime-Gruppen zu den SP (Ähnlichkeit) (α = 0,05). .................................................... 193 Tab. 44: Mann-Whitney-Test zw. den Prime-Gruppen zu LBK bzgl. der Herkunft (Ähnlichkeit) (α = 0,05). ............................................................................... 195 Tab. 45: Mann-Whitney-Test zw. den Prime-Gruppen zu SWE bzgl. der Herkunft (Ähnlichkeit) (α = 0,05). ............................................................................... 197 Tab. 46: Mann-Whitney-Test zw. den Prime-Gruppen zu DST bzgl. der Herkunft (Ähnlichkeit) (α = 0,05). ............................................................................... 199

274

Tabellenverzeichnis

Tab. 47: Mann-Whitney-Test zw. den Prime-Gruppen zu SWA bzgl. der Herkunft (Ähnlichkeit) (α = 0,05). ............................................................................... 200 Tab. 48: Häufigkeitsverteilung zur Frage 2.1.5. ............................................................................ 202 Tab. 49: Chi-Quadrat-Test zur Verteilung der Herkunftseinschätzung auf die Prime-Gruppen........................................................................................................ 203 Tab. 50: Chi-Quadrat-Test zur Verteilung der Herkunftseinschätzung auf die Herkunftsgruppen. .................................................................................................. 204 Tab. 51: Chi-Quadrat-Test zur Verteilung der Herkunftseinschätzung auf die Sprechproben. ......................................................................................................... 205 Tab. 52: Chi-Quadrat-Test zur Verteilung der Herkunftseinschätzung auf die Prime-Gruppe der SP. ............................................................................................. 207 Tab. 53: Chi-Quadrat-Test zur Verteilung der Herkunftseinschätzung auf die Herkunftsgruppe der SP. ......................................................................................... 212 Tab. 54: Chi-Quadrat-Test zur Verteilung der Herkunftseinschätzung auf die Prime-Gr. in d. Herkunfts-Gr. ................................................................................. 214 Tab. 55: Chi-Quadrat-Test zur Verteilung der Herkunftseinschätzung auf die Herkunfts-Gr. in d. Prime-Gr. ................................................................................. 221 Tab. 56: Sprechproben. .................................................................................................................. 280 Tab. 57: Transkripte der vier gewählten Sprechproben. ................................................................ 281 Tab. 58: Kolmogorov-Smirnov-Test zur Überprüfung auf Normalverteilung. ............................. 288 Tab. 59: Shapiro-Wilks-Test zur Überprüfung auf Normalverteilung........................................... 288

ANHANG A AUFBAU DER UNTERSUCHUNG A.1 DER FRAGEBOGEN

276

Abb. 56: Fragebogen, Seite 1.

Anhang A Aufbau der Untersuchung

Anhang A Aufbau der Untersuchung

Abb. 57: Fragebogen, Seite 2.

277

278

Abb. 58: Fragebogen, Seite 3.

Anhang A Aufbau der Untersuchung

Anhang A Aufbau der Untersuchung

Abb. 59: Fragebogen, Seite 4.

279

280

Anhang A Aufbau der Untersuchung

A.2 DIE SPRECHPROBEN Dialektregion

Ortspunkt (West)

Ortspunkt Dialektregion (Ost)

Nordniederdeutsch

Lübeck

Schwerin

Mecklenburgisch-Vorpommersch

Übergangsgebiet (Nordniederdeutsch/Brandenburgisch)

Lüchow

Pritzwalk

Übergangsgebiet (Nordniederdeutsch/Brandenburgisch)

Ostfälisch

Osterode

Wernigerode

Ostfälisch

Übergangsgebiet (Niederhessisch/Thüringisch)

Schwalmstadt

Dingelstädt Übergangsgebiet (Niederhessisch/Thüringisch)

Ostfränkisch

Coburg

Sonneberg

Tab. 56: Sprechproben.

Ostfränkisch

Anhang A Aufbau der Untersuchung

Sprechprobe Lübeck (LBK)

Schwerin (SWE)

Schwalmstadt (SWA)

Dingelstädt (DST)

Orthografische Umschrift: also jetzt bist du praktisch bei der rechten unteren ecke von dem bild und dann nach oben nach oben und also bei mir ist das bild so sodass ich die durch die leiter durch ach nein da ist ja gar keine leiter ja okay nach oben bis wohin dann gehst du nach links schräg hoch zu dem koch der da so ein stück fleisch hält das ist ein schlachter ja oder so ja dann unter dem (schloch) schlachter links vorbei gut also praktisch den schlachter einmal umrahmen ja sind die mit relativ (in der) mitte ja ja habich okay bis zur unteren kante von diesem bild ja auf der höhe ja und dann nach rechts wieder parallel zur unteren kante vom blatt ja bis zur rechten unteren ecke von diesem wohnwagen jawohl dann gehts wieder senkrecht nach oben ja bis nein also (von dem) startpunkt einfach rechts zu dem bild hin ja ja genau so ja habich dann gehste runter runter nach unten ja bis bis das bild aufhört ja dann gehste nach rechts (an dem) bild vorbei ja gut (wenn du) ein stück dran vorbei bist gehst du hoch ja bis zu dem anderen bild

Tab. 57: Transkripte der vier gewählten Sprechproben.

281

Phonetische Transkription: ʔa̠lz̥o̜ jɛ̝͡ts b̥ɪsd̥ə p̤x̬a̠k̚tɪ̆ ʃ b̤a͡ɘ̆ d̥æ̝ˑ ʁˤɛçʔn ʊnt̬ əʁən ʔɛkə fɔn d̥ɘm b̥ɪltʰ ʔʊn d̠̊ a̠n nax ʔ̆o̜bm̩ʰ na̠x̆ obm̩ ʊnt ælz̥ɵ b̥a͡ɘ̆ mi̹ ɐ ɪs d̥a̠s b̥ɪ̜ ld̥̚ z̪̊ o̜ zo̜da̠s̬ ɪç d̥ɪ d̥ʏ͡ ̹ ɪ̆ ç di̹ la͡ɘ̆d̥ɜ dʊɪ̜ ç ʔa̠x̘ neˑ də̞ ɪs ȷ̆ ɐ̝̆ ɡ̆ă̝ kɐ͡ə̆n la͡ɘd̥ɜ ja̠ o̜kɘˑ na̠x oˑb̚m bɪ̹ s v̥ohɪ̹ n d̥a̠n ɡ̊ɪst̬ tʊː na̠x lɪŋk̬s ʃʁ̥e̞k hoˑx ͡tsʊ d̥ɜm kɔxˑ d̥ɛ̝ d̆a̠ z̥o̜n ʃtʏk fla͡ɘʃ ha̝lt̬ ʰ da̠s ɪs a͡ ̠ ɘn ʃla̠xt̬ ɜ jɞʰ o̜d̥ɜ z̥oˑ ja̠ˑ d̥a̠n ʊnt̬ ɜ d̥ɘm ʃla̠xt̬ ɘ lɪŋk̬̆ s fɔ̹βa͡ ̠ e ɡ̤ʊ̤tʰ ʔa̠lz̥o̹ pʁa̠k̚tɪʃ dɪn ʃla̠xt̬ ɜ a͡ɘnma̠ˑl ʔʊmʁa̠ˑm̯ ja̠ˑ zɪn d̥i̹ ˑ mɪt̬ ʁɛ̝la̠d̥ɪf mɪt̬ ə jɞ jɞ hab̥ɪç ʔɔ̹ke̞ bɪs ͡tsʊɐ̆ ʔʊnɐn ka̠nd̥ə fɔn dɪ̜ z̥m b̥ɪlt̬ ja̠ˑ ʔa͡ ̠ ɔf d̥ɛɐ̆ hœ̹ə ȷ̆ a̠ ʊn da̠n na̠x ʁɛ̝çt͡s v̥̆ɪd̥ɐ pa̠ʁ̆a̠lel ͡tsɔɐ̆ ʊn_əʁ̆ən ka̠nd̥ə fɔm bla̠tʰ jã̠ b̥ɪs ͡tsɔ̹ə̆ ʁɛçtn̩ ʊnəʁən ɛ̝kə fɔn d̥ɪ̜ z̥m̩ ʋoˑnv̥̆a̠ˑŋ ja̠ʋoˑl da̠n ɡe̝ˑt̆s v̥ɪd̥̆ ɐ z̥e̞ŋkʁɛ̝çt na̠ oˑb̥m̩ ja̠ˑ bɪz̥ na͡ ̠ en ʔa̠lz̥ʊ ʃta̠ˑt̚pʊŋt a͡ ̠ ɘnfa̠x ʁ̥ɛçt͡s ʊ d̥ɪm b̥ɪ̽ lt̬ hɪn ə̆ʲa̠ ja̠ˑ ɡ̊əna͡ ̠ ɔ̹ s̬ o̜ˑ ja̠ ha̠ʋɪɕ d̪̆ a̠n ɡɪsd̥ɞ ʁ̥ʊ̙nt̬ ɒ̟ x̬ʊ̙nt̬ ɒ̟ na̠x ʊ̽nʔn ja̙̠ b̥ɪ̜ s b̥ɪs d̥a̠s ʋɪld̥ a͡ ̠ ɔfhœ̽ɐ̆tʰ ja̠ˑʰ d̪a̠n ɡeˑsd̥ə na̠x x̬ɛ̝çt͡s p̬ɪ̹ ld̥ fɔ̙p̬a͡ ̠ ɘ ja̠ˑ ɡ̊ud̥ n ʃtʏk̚ t̬ ʁ̥a̙̠ n fɔ̙p̬ʔ̆a͡ə b̥ɪst ɡ̊eˑs d̥ʊ ho̜ˑxʰ ja̠ʰ bɪ̙ s ͡tsʊ̽ d̥ɘˑm a̙̠ nɐn p̬ɪ̙ ltʰ

ANHANG B AUFBEREITUNG & ERGEBNISSE B.1 VERORTUNGEN DER SPRECHPROBE DINGELSTÄDT

Abb. 60: Heat map zur SP DST nach der Herkunft (OHN, alte BL, N = 49).

Anhang B Aufbereitung & Ergebnisse

Abb. 61: Heat map zur SP DST nach der Herkunft (OHN, neue BL, N = 58).

283

284

Anhang B Aufbereitung & Ergebnisse

Abb. 62: Heat map zur SP DST nach der Herkunft (EINF, alte BL, N = 42).

Anhang B Aufbereitung & Ergebnisse

Abb. 63: Heat map zur SP DST nach der Herkunft (EINF, neue BL, N = 53).

285

286

Anhang B Aufbereitung & Ergebnisse

Abb. 64: Heat map zur SP DST nach der Herkunft (DOP, alte BL, N = 41).

Anhang B Aufbereitung & Ergebnisse

Abb. 65: Heat map zur SP DST nach der Herkunft (DOP, neue BL, N = 58).

287

288

Anhang B Aufbereitung & Ergebnisse

B.2 TEST AUF NORMALVERTEILUNG Kolmogorov-Smirnov-Test Kolmogorov-Smirnov-Anpassungstest Gefallen N Mittelwert Parameter der NormalverteiStandardabweia,b lung chung Kolmogorov-Smirnov-Z Asymptotische Signifikanz (2-seitig)

1133 4,53 1,518

Ähnlichkeit Herkunft der Sprecher*innen 1129 1063 4,31 1,48 1,801 0,500

4,934 0,000

5,075 0,000

11,434 0,000

Tab. 58: Kolmogorov-Smirnov-Test zur Überprüfung auf Normalverteilung.

„Eine signifikante Abweichung von der Normalverteilung besteht bei p < 0,05; in diesem Fall sind gegebenenfalls für die betreffenden Variablen nichtparametrische Tests zu benutzen.“ (BÜHL 2008, 338) Da in diesem Test Fall p < 0,001 bei allen drei Variablen vorliegt (vgl. Tab. 58), kann nicht von einer Normalverteilung ausgegangen werden. Shapiro-Wilks-Test Dass keine Normalverteilung vorliegt, wird ebenfalls durch den Shapiro-WilksTest bestätigt, auch hier ist p < 0,001 bei allen drei Variablen (vgl. Tab. 59).

Herkunft der Sprecher*innen Gefallen Ähnlichkeit

Shapiro-Wilk Statistik df 0,636 1040 0,939 1040 0,930 1040

Signifikanz 0,000 0,000 0,000

Tab. 59: Shapiro-Wilks-Test zur Überprüfung auf Normalverteilung.

Die Mauer als physische Grenze zwischen den ehemaligen beiden deutschen Staaten besteht nun seit über 27 Jahren nicht mehr. Und obwohl von einer „sprachlichen Vereinigung“ auszugehen ist, kann angenommen werden, dass sie sich dennoch mental und sprachlich als diskursive Mauer in den Köpfen festgesetzt hat. Nicole Palliwoda stellt die Frage, ob sich eine solche Mauer auch in den Köpfen jüngerer Personen finden lässt, die sozialisiert wurden, als die beiden deutschen Staaten nicht mehr existierten. Um das herauszufinden zieht Palliwoda neben

ISBN 978-3-515-12078-4

9

7835 1 5 1 20784

der „draw-a-map-Methode“ auch die Priming-Methode der kognitiven Psychologie heran: Innerhalb einer Fragebogenerhebung zur Verortung alltagssprachlicher Sprechproben wurde den Probandinnen und Probanden dabei zusätzlich unbewusst ein visueller Stimulus (Prime) präsentiert, der mit dem Konzept Mauer in den Köpfen in Verbindung steht. Die Auswertung zeigt, ob und wie sich die Teilnehmenden bei der Verortung und Bewertung der Sprechproben durch den Prime beeinflussen ließen.

www.steiner-verlag.de Franz Steiner Verlag