Das Kontinuum und das Unendliche: Nach Aristoteles und Kant ein Rätsel 9783495813324, 9783495489192

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Das Kontinuum und das Unendliche: Nach Aristoteles und Kant ein Rätsel
 9783495813324, 9783495489192

Table of contents :
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Inhalt
Vorwort
Einleitung
A. Noch einmal zum Kontinuum
1. Zur Analyse des Kontinuums
2. Zur Synthese des Kontinuums
B. Noch einmal zum Unendlichen
1. Zum analytischen Unendlichen
2. Zum synthetischen Unendlichen
C. Das ursprüngliche Unendliche
1. Das analytische und das synthetische Kontinuum
2. Das ursprüngliche Unendliche als Grund für das synthetische Kontinuum …
a) … seiner Form nach
b) … seinem Inhalt nach
D. Nachwort zum Kontinuum der objektiven Zeit
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Namen
Sachen

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Gerold Prauss

Das Kontinuum und das Unendliche Nach Aristoteles und Kant ein Rätsel

VERLAG KARL ALBER

https://doi.org/10.5771/9783495813324

.

B

Gerold Prauss Das Kontinuum und das Unendliche

VERLAG KARL ALBER

A

https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Gerold Prauss

Das Kontinuum und das Unendliche Nach Aristoteles und Kant ein Rätsel

Verlag Karl Alber Freiburg / München

https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Gerold Prauss Continuum and Infinity A riddle after Aristotle and Kant So far continuum and infinity present an unsolved riddle. – Does it have to stay this way? Isn’t the question even: Can it remain one? – Not even the question whether they are two or one and the same thing has been answered. – It is apparent: The finite differing as regards to content can only occur in the infinite, as only in the formality of the continuum of time and space, that proceeds into infinity. – It is not clear, whether this formality is essentially continuous or rather discrete? – Could this be due to the fact that something goes awry from the moment this continuum or infinite has been questioned? – Is it possible that it is wrong to assume that it can only be solved by means of reduction by way of asking the question about the multiplicity of its »elements« as mathematicians and even philosophers have done so far? – Is success only possible if one also asks »holistically« about the inner unity of this multiplicity, which not even Aristotle and Kant did? – Does it not become significant for us, if the continuum or infinite occurs as the basic form of our world, to which we, the subjects, belong? – Is that possibly not only mathematically or philosophically, but also theologically significant? In any case, it is necessary to explore each of these questions to find a solution to this riddle. The author: Gerold Prauss, born in 1936, after teaching in Yale, Bonn, Heidelberg, Cologne and Munster, professor of philosophy in Freiburg i. Br. Numerous publications. Latest publication with Alber: Morals and Law in the State after Kant and Hegel (Original: Moral und Recht im Staat nach Kant und Hegel, 2008) and The unity of subject and object. Kant’s problems with things themselves (Original: Die Einheit von Subjekt und Objekt. Kants Probleme mit den Sachen selbst, 2015).

https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Gerold Prauss Das Kontinuum und das Unendliche Nach Aristoteles und Kant ein Rätsel Bisher ist das Kontinuum und das Unendliche ein ungelöstes Rätsel. – Muß es dabei bleiben? Ja steht nicht sogar in Frage: Kann es dabei bleiben? – Wo noch nicht einmal geklärt ist, ob sie zwei oder nur eins sind. – Wo doch feststeht: Auftreten kann inhaltlich verschiedenes Endliche nur im Unendlichen, weil auch nur im Formalen des Kontinuums von Zeit und Raum, das ins Unendliche verläuft. – Wo gar nicht klar ist, ob auf seinem Grund dieses Formale in der Tat kontinuierlich ist und nicht vielmehr diskret. – Könnte das daran liegen, daß von Grund auf etwas fehlschlägt, seit dieses Kontinuum als das Unendliche befragt wird? – Wäre möglich, daß man fehlgeht in der Meinung, ihm sei nur »reduktionistisch« beizukommen durch die Frage nach der bloßen Vielheit seiner »Elemente«, wie bisher die Mathematiker und selbst die Philosophen? – Führt zum Ziel vielleicht erst, wenn man auch »holistisch« nach der inneren Einheit dieser Vielheit fragt, wie es nicht einmal Aristoteles und Kant tun? – Wird denn für uns nicht bedeutsam, wenn als Grundgestalt der Welt, zu der wir, die Subjekte, mit hinzu gehören, das Kontinuum als das Unendliche auftritt? – Ist das womöglich nicht nur mathematisch oder philosophisch, sondern auch noch theologisch von Bedeutung? – Jedenfalls gilt es zur Lösung dieser Rätsel jeder solchen Frage weiter nachzugehen. Der Autor: Gerold Prauss, geb. 1936, nach Lehrtätigkeit in Yale, Bonn, Heidelberg, Köln und Münster seit 1985 Lehrstuhl für Philosophie in Freiburg. Zahlreiche Veröffentlichungen, zuletzt bei Alber: Moral und Recht im Staat nach Kant und Hegel (2008), Die Einheit von Subjekt und Objekt. Kants Probleme mit den Sachen selbst (2015).

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Originalausgabe © VERLAG KARL ALBER in der Verlag Herder GmbH, Freiburg / München 2017 Alle Rechte vorbehalten www.verlag-alber.de Satz und PDF-E-Book: SatzWeise GmbH, Trier Herstellung: CPI books GmbH, Leck Printed in Germany ISBN (Buch) 978-3-495-48919-2 ISBN (PDF-E-Book) 978-3-495-81332-4

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Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

10

Einleitung

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11

A. Noch einmal zum Kontinuum . . . . . . . . . . . . .

22 22 46

1. 2.

Zur Analyse des Kontinuums . . . . . . . . . . . . . Zur Synthese des Kontinuums . . . . . . . . . . . . .

B. Noch einmal zum Unendlichen . . . . . . . . . . . . 1. 2.

Zum analytischen Unendlichen . . . . . . . . . . . . Zum synthetischen Unendlichen . . . . . . . . . . . .

C. Das ursprüngliche Unendliche 1. 2.

. . . . . . . . . Das analytische und das synthetische Kontinuum Das ursprüngliche Unendliche als Grund für das synthetische Kontinuum … . . . . . . . . . . . a) … seiner Form nach . . . . . . . . . . . . . b) … seinem Inhalt nach . . . . . . . . . . . .

73 73 92

. . . 110 . . 110 . . . 130 . . . 130 . . . 163

D. Nachwort zum Kontinuum der objektiven Zeit . . . 208 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 Namen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223

7 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Für

Elisabeth Prauss 24. Januar 1942 – 14. Oktober 2016

https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Vorwort

Während der Abfassung des Folgenden starb unerwartet plötzlich meine Frau Elisabeth. – Ihr sei dies Buch gewidmet in Erinnerung an sie und Dank für mehr als fünfzig Jahre des beglückenden Zusammenseins in Höhen und in Tiefen. Danken möchte ich auch allen, die an diesem Tag in Bonn zu einer Tagung sich versammelt hatten zwecks Erörterung kantischer Sachprobleme, der ich fernblieb. Vorgetragen hätte ich das unten S. 200 ff. beschriebene Schaubild, an dem sich das Wesentliche des Kontinuums oder Unendlichen erläutern läßt. Mein Dank gilt auch all denen, die für das Zustandekommen und die Vorbereitung und Begleitung dieser Tagung sorgten: insbesondere Cord Friebe (Bonn) und Thomas Müller (Konstanz). Ferner danke ich besonders den Kollegen, die durch ihre Vorträge den Austausch über diese Sachprobleme förderten: Karl Ameriks (Notre Dame), Cord Friebe (Bonn), Dietmar Heidemann (Luxembourg), Anja Jauernig (New York), Guido Kreis (Aarhus), Thomas Müller (Konstanz), doch auch allen anderen, die sich beteiligten an diesem Austausch. Schließlich danke ich erneut Hans-Ulrich Baumgarten sowie Cord Friebe für das Mitlesen der ersten vollständigen Fassung dieses Buches und die wieder hilfreichen Gespräche dazu. Oberbirken, Ostern 2017

Gerold Prauss

10 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Einleitung

Empirisch kennen wir nur Endliches: in erster Linie die wahrgenommenen oder wahrnehmbaren Dinge und Ereignisse der Außenwelt. Wir kennen sie empirisch aber auch nur soweit, wie sie für uns im Kontinuum der Ausdehnung von Zeit und Raum auftreten, worin sie sich voneinander unterscheiden. Denn das tun sie, weil hier eines anfängt, wo ein anderes endet, oder umgekehrt. Entsprechend sind sie jeweils Endliches in dem Sinn, daß sie ebenso auch jeweils Anfängliches heißen könnten. Dann jedoch ist von Bedeutung, daß sie es nur in diesem Kontinuum sein können. Heißt dies dann doch, daß sie solches Endliche nur im Unendlichen sein können, das sich demgemäß genausogut auch das Unanfängliche nennen ließe. Denn in jeder Dimension von ihm verläuft dieses Kontinuum ja ins Unendliche oder ins Unanfängliche. Seit jeher und bis heute gilt diesem Kontinuum denn auch eine besondere Aufmerksamkeit, die aber nach wie vor es nicht vermag, sich bis zu seiner Aufklärung noch zu verdichten. Ist doch diese Aufmerksamkeit auch geteilt zwischen Philosophie auf einer und Mathematik auf anderer Seite. Beide nämlich sind sie Unternehmen der Nichtempirie, die es mit Nichtempirischem zu tun hat, wozu auch dieses Kontinuum als das Unendliche gehört. Denn das Empirische ist nun einmal nur jenes Endliche, zu dem dieses Unendliche gerade nicht hinzugehören kann, weil es mit ihm verglichen vielmehr etwas Nichtempirisches sein muß. Verhält sich das Unendliche zu dem Empirisch-Endlichen doch auch durchaus nicht wie ein weiteres Empirisch-Endliches. Und dennoch tritt dieses Empirisch-Endliche nur auf in dem Unendlich-Nichtempirischen dieses Kontinuums: wie etwas Inhaltliches in etwas Formalem. Um genau dieses Formale aufzuklären, wetteifern denn auch 11 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Einleitung

seit jeher und bis heute die Philosophie mit der Mathematik, doch ohne ein Ergebnis, das zufriedenstellen könnte. Umso auffälliger ist das nämlich, als sie diese Aufklärung auf zwei verschiedenen Wegen zu gewinnen suchen, so daß man erwarten könnte: Mindest einer dieser Wege sollte doch zum Ziel führen, so daß er den anderen als Abweg ausweist, was jedoch für keinen von den beiden gilt. Könnte das daran liegen, daß der eigentliche Weg zu diesem Ziel bereits von Anbeginn verstellt ist, nämlich seit zum ersten Mal die Frage nach diesem Kontinuum gestellt ist? Fällt doch auf: Wie grundverschieden diese Wege auch verlaufen mögen, so wird diese Frage nach diesem Kontinuum doch erst einmal auf beiden Wegen gleich gestellt. Von vornherein fragt man hier so, daß man sich vorstellt, einzugreifen in dieses Kontinuum, um zu ermitteln, wozu dieses Eingreifen in es denn führe. Schließlich müsse solches Eingreifen als Auseinandernehmen von ihm das zum Vorschein bringen, woraus dieses sich zusammensetze, meint man. Und erst mit den Antworten auf diese Frage führen die durch sie gebahnten Wege auseinander. Auf dem einen nämlich lautet diese Antwort: Wozu solches Auseinandernehmen führen müsse, seien immer wieder Punkte, woraus sich so ein Kontinuum von Ausdehnung bis ins Unendliche zusammensetze, wie etwa eine gerade Linie als einfachstes Beispiel dafür. Und das ist die Antwort, wie man sie vor Aristoteles gegeben hatte und bis heute noch in der Mathematik gibt, nachdem Cantor sie durch seine Mengentheorie begründet hat. Denn eine Ausdehnung sei danach eine bloße Punktmenge, so glaubt man. Auf dem andern Weg dagegen, mit dem Aristoteles von diesem abweicht, lautet seine eigene Antwort: Solches Auseinandernehmen von einem Kontinuum wie einer Linie kann bis ins Unendliche vielmehr nur immer wieder führen zu Linien als Ausdehnungen. Könne eine Linie als ein Kontinuum von Ausdehnung doch immer nur aus Linien als Ausdehnungen sich zusammensetzen, aber nicht aus Punkten, auch nicht aus unendlich vielen. Und das ist die Antwort, wie man sie bis heute noch mit Aristoteles in der Philosophie gibt, wo man der Mathematik vor 12 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Einleitung

Augen hält: Auch so eine unendlich große Menge bloßer Punkte, selbst wenn diese Menge »überabzählbar« unendlich groß ist wie die der »reellen Zahlen«, könne keine Ausdehnung als ein Kontinuum ergeben oder auch nur wiedergeben. Denn nach eigener Voraussetzung der mengentheoretischen Mathematik soll jede solche Zahl doch als ein Punkt von jeder oder jedem anderen sich unterscheiden. Und das sei nur möglich durch die jeweilige Ausdehnung dazwischen, die sich eben deshalb nicht als bloße Punktmenge verstehen lasse. Damit aber laufen diese beiden Wege immer weiter auseinander, da sich zwischen ihnen, wie es scheint, eine Entscheidung nicht herbeiführen läßt. Wie aber, wenn sich diese Unentscheidbarkeit als bloßer Schein erwiese, nämlich wenn sich zeigen ließe: Dieser Schein kommt nur zustande, weil ein jeder dieser Wege nur ein Abweg ist, da jede dieser Antworten verfehlt ist. Denn gemeinsam ist ihnen, daß sie sogleich in fernste Fernen schweifen, nämlich daß bis ins Unendliche ein Auseinandernehmen immer wieder nur zu Punkten führen könne oder immer wieder nur zu Linien als Ausdehnungen. Doch wie müßten diese Antworten denn lauten, bliebe jede von ihnen auf ihrem Weg zunächst einmal in nächster Nähe? Denn auch noch so oftmaliges Auseinandernehmen von einem Kontinuum kann ja entsprechend oftmalig bis ins Unendliche nur wiederholen, was ein erstmaliges Auseinandernehmen von diesem Kontinuum herbeiführt. Wozu also führt denn eigentlich ein Einzelfall des einmaligen Auseinandernehmens von einem Kontinuum wie einer Linie? – Könnte die Antwort auf dem ersten Weg denn etwa lauten, wie sie eigentlich doch lauten müßte: nur zu einem ersten Punkt? Das kann sie nicht! – Und könnte diese Antwort auf dem zweiten Weg denn etwa lauten, wie sie eigentlich doch lauten müßte: nur zu einer ersten Linie als einer Ausdehnung? Das kann sie gleichfalls nicht! – Und beidenfalls aus einem und demselben Grund, weil sie auf jedem dieser Wege vielmehr gleicherweise lauten muß: zu etwas, das ›von jedem etwas‹ ist. Denn so ein Einzelfall führt weder nur zu einem ersten Punkt, sondern auch zu zwei Linien, noch nur zu einer ersten Linie, sondern auch zu 13 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Einleitung

einem Punkt zwischen der einen Linie und der zweiten. Und so gilt danach für jeden dieser Wege: Auch wenn es zu glauben schwerfällt, wird man einsehen müssen, daß man hier seit jeher schon und auch bis heute noch vor lauter Wald den Baum oder vor lauter Stadt das Haus nicht sieht: auch nicht aus nächster Nähe. Wie soll man sich so etwas erklären können, – außer dadurch, daß von vornherein bereits die Art der Fragestellung hier statt in die Nähe vielmehr in die Ferne und so in die Irre führt? Denn unabhängig von den Antworten fragt jene Frage in der Tat von vornherein ausschließlich nach der Vielheit von etwas. Fragt sie doch nicht im mindesten auch nach der Einheit zwischen jedem solchen Etwas und dem anderen oder den anderen von dieser Vielheit. Diese Einheit nämlich stehe dabei außer Frage, weil sie selbstverständlich die von »eins und ›noch so eins‹ und ›noch so eins‹ und weiter so« sei, nämlich die der bloßen »Summe« solcher »Elemente«. Und ob die nun Punkte oder Linien als Ausdehnungen seien, so sind es in jedem Fall doch viele und zuletzt unendlich viele von ihnen. Genau in diesem Sinn sind deshalb, weil es schon die eine Frage ist, auch die zwei Antworten »reduktionistisch« durch und durch. So nämlich sind von vornherein auch alle drei schon festgelegt nicht nur auf eine bloße Vielheit von etwas, sondern vor allem auch bereits auf eine bloße Vielheit von etwas derselben Art. Denn wie auch könnte man sich sonst erklären, daß Aristoteles bei seiner Auffassung, bis ins Unendliche führe ein Auseinandernehmen einer Linie immer wieder nur zu Linien als Ausdehnungen, übersehen hat: Bereits von vornherein führt es vielmehr genausosehr auch noch zu Punkten zwischen solchen Linien. Denn dieses Auseinandernehmen einer Linie faßt Aristoteles als Teilen oder Schneiden einer Linie auf, um zu vertreten, dieses führe immer wieder nur zu Linien als Teilen, welche immer wieder weiter teilbar oder schneidbar seien. Und so hat er dabei eben übersehen, was man mit ihm noch bis heute übersieht: Bereits von vornherein führt es vielmehr genausosehr zu etwas Unteilbarem oder Unschneidbarem: auch zu Punkten. 14 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Einleitung

Denn zu Linien als den Teilen kann es ja nur führen, indem es auch zu Punkten als den Grenzen zwischen solchen Teilen führt. So aber führt es eben nicht einfach zu einer bloßen Vielheit von etwas derselben Art, wie das bereits die Frage stillschweigend voraussetzt. Vielmehr führt es schon von vornherein zu der besonderen Vielheit einer Dreiheit von etwas, das keineswegs etwas derselben Art ist. Denn bloß eins von den drei »Elementen«, die dadurch zum Vorschein kommen, ist ein Punkt, wogegen zwei von ihnen Linien als Ausdehnungen sind. Und das ist eben ein Befund, der dann von vornherein schon alles andere als reduktionistisch ist, wenn man ihn seinem inneren Bestand nach auch zur Kenntnis nimmt. Denn jedes weitere solche »Auseinandernehmen« kann auch seinerseits bis ins Unendliche nur immer wieder zu dieser besonderen Vielheit solcher Dreiheit führen. Und die wirkt bereits bei ihrer ersten Kenntnisnahme nicht nur nicht reduktionistisch, sondern eher durch und durch »holistisch«. Denn als so besondere Dreiheit müßte diese Vielheit auch von einer Einheit sein, die sie zu einer Ganzheit macht, und dieser gilt es nachzugehen. Ist solches »Auseinandernehmen« doch auch immerhin ein Vorstoß in die Tiefe des Kontinuums und damit in die Tiefe des Unendlichen. Als etwas Nichtempirisches liegt dieses nämlich dem Empirisch-Endlichen von unserer Welt zugrunde, weil es das Formale von ihm als dem Inhaltlichen in ihm ist. Denn auch nur aus der Tiefe des Kontinuums und damit aus der Tiefe des Unendlichen als etwas Nichtempirischem kann das EmpirischEndliche hervorgehen, wenn es als das Inhaltliche in diesem Formalen auftritt. Jener Frage, die von vornherein bereits reduktionistisch fragt, gilt es daher vorweg zu fragen: Was kann so ein »Auseinandernehmen« von einem Kontinuum, wenn es zu so einem Ergebnis führt, denn eigentlich bedeuten? Hat auf jedem von den zwei verfehlten Wegen der Reduktionismus doch auch schon allein in eigener Sache seine Schwierigkeiten, wie sich zeigen wird. Entsprechend kann es schwerlich Zufall sein, daß man auf jedem der zwei Wege diese Frage bisher ungestellt läßt. Denn so bleibt bisher auch ungeklärt, was die 15 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Einleitung

Bedeutung von Begriffen ist wie »Schneiden« oder »Teilen« oder »Trennen« oder »Sondern«, wenn dabei zunächst einmal so eine Dreiheit das Ergebnis ist. Muß dann mit so verschiedenen Begriffen doch auch mehr als nur »Erzeugen« einer bloßen »Vielheit« zu begreifen sein, was dem Reduktionismus dann womöglich vorbaut, weil es den entsprechenden Holismus aufdeckt. – Einem Vorhaben wie diesem aber steht eine noch größere Schwierigkeit entgegen als nur jene Blindheit gegenüber dem Holismus jener Dreiheit. Auf dem eigentlichen Weg zu dieser Dreiheit stößt man auf ein Hindernis, das erst einmal unüberwindlich scheinen muß, weil es anscheinend unausweichlich auf den einen oder andern Abweg abdrängt. Ist man doch nur darum derart festgelegt auf den Reduktionismus beider dieser Wege zu der bloßen Vielheit von etwas, weil ihn ein Lehrstück leitet, das man schon seit jeher und bis heute noch für fraglos gültig hält. Und das ist ohne jede Übertreibung ein Verhängnis, wie es tragischer nicht sein kann, weil es mit der Macht des Schicksals die Philosophie sowohl wie die Mathematik auf ihren Abweg jeweils nicht nur drängt, sondern auf ihm auch weiter hält. Wer angesichts ihrer Geschichte und ihrer Ergebnisse dies übertrieben findet, möge einmal überprüfen, wer nicht alles auf dies Lehrstück baut, und was nicht alles auf ihm ruht, so daß es mit ihm steht und fällt. Die Rede ist von jenem Lehrstück, wonach es zu unterscheiden gelte zwischen einem Etwas als einem bloß »potenziellen« oder »möglichen« und diesem Etwas als einem auch »aktualen« oder »wirklichen«, ein Lehrstück, das auf Aristoteles zurückgeht und das man bis heute wiederholt, doch meines Wissens nie in Frage stellt. Und tragisch ist das insbesondere, weil das auch für Kant gilt. Denn samt diesem Lehrstück folgt er, was jenes Kontinuum als das Unendliche betrifft, mit Aristoteles im wesentlichen seinem Abweg in jenen Reduktionismus, obwohl Kant ihn als der einzige vermeiden könnte. Somit gilt es, ihn tatsächlich zu vermeiden und mit Kant statt dessen jenen eigentlichen Weg zu gehen. Zuallererst erfordert dies daher auch die Beseitigung von eben diesem Lehrstück als dem Hindernis, das ihn ver16 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Einleitung

stellt, – wer oder was auch immer dadurch wankt und stürzt, weil auf dies Lehrstück baut. Denn warum sollte man noch weiter aufrechthalten, was nicht haltbar ist? Wird dies doch offenkundig, wenn man einmal geltend macht, in welchem Sinn wir den Begriff für etwas bilden und verwenden, und zwar schon alltäglich in der Umgangssprache. Bilden und verwenden wir etwa einen Begriff wie »Baum« oder wie »Haus«, so hat er den Sinn, daß etwas ein Baum oder ein Haus nur ist, wenn es als Haus oder als Baum auch wirklich ist. Das heißt: Ist es als Haus oder als Baum nicht wirklich, ist es eben auch kein Haus und auch kein Baum. Zum Sinn von »Haus« oder von »Baum« gehört demnach der Sinn von »wirklich« mit hinzu, so daß genau in diesem Sinn es letztlich analytisch-tautologisch ist, von einem Haus oder von einem Baum als einem wirklichen zu sprechen. Und so heißt das weiter, daß es letztlich analytischwidersprüchlich ist, von einem Haus oder von einem Baum als einem möglichen zu sprechen, weil das ja bedeuten soll, von jedem als einem nicht wirklichen zu sprechen. Und tatsächlich ist doch etwas, wenn es als ein Haus oder ein Baum nicht wirklich ist, sondern bloß möglich ist, auch alles nur kein Haus und alles nur kein Baum, als was auch immer es dann wirklich sein mag. Zwischen einem Etwas als einem bloß möglichen und als einem auch wirklichen zu unterscheiden, ist deswegen ohne jeglichen informativen Sinn, weil es zum einen widersprüchlich und zum andern tautologisch ist. Entsprechend gilt das auch nicht nur für »Baum« und »Haus«, sondern genausosehr für »Teil« und »Grenze«. Ist etwas ein Teil bzw. eine Grenze zwischen Teilen, dann als wirklicher oder als wirkliche, wogegen es als möglicher oder als mögliche weder ein Teil noch eine Grenze zwischen Teilen ist. Nicht das geringste an informativem Sinn hat demnach eine solche Unterscheidung, weil sie ja tatsächlich eine zwischen Teilen oder zwischen Grenzen von verschiedenem Sinn sein soll, bei dem es jeweils beidenfalls sich um den Sinn von Teilen oder Grenzen handeln soll. So aber muß sich fragen: Warum fällt das trotzdem schon seit Aristoteles und noch bis heute keinem auf: nicht einmal einem 17 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Einleitung

strengen Mathematiker? Liegt das womöglich daran, daß man dieses Lehrstück viel zu nötig hat, als daß man es in Frage stellen könnte? In der Tat benötigt man es nämlich dringend, um sich für den Zugriff aufs Kontinuum einen Begriff zu sichern: den der »Teile« oder »Grenzen« von ihm. Wäre man doch angesichts dieses Kontinuums sonst in einer Verlegenheit, wie sie nicht größer sein kann. Denn von sich als solchem selbst her weist dieses Kontinuum nun einmal nichts von einem Teil oder von einer Grenze auf und so erst recht auch keine Vielheit davon: weder eine Vielheit solcher Teile noch auch eine Vielheit solcher Grenzen zwischen solchen Teilen. Von sich selbst her, als jenes Formale, muß dieses Kontinuum vielmehr wie eine Einheit oder Ganzheit und sonach holistisch wirken. Ihr zufolge müßte man daher auf eine Vielheit jeder Art auch eigentlich verzichten. Doch dann hätte man auch nichts mehr, worauf das Kontinuum reduktionistisch sich zurückführen ließe. Denn die Vielheit jener Dreiheit, nähme man sie auch zur Kenntnis, legt ja ihrerseits einen Holismus statt Reduktionismus nahe, so daß ersterer diesem Kontinuum als Einheit oder Ganzheit auch entspricht. Und das deckt auf, zu welchem Zweck man dieses Lehrstück dringend braucht, um nämlich wenigstens zum Schein diesem Kontinuum als Einheit oder Ganzheit zu entsprechen: Seien dessen Teile und die Grenzen zwischen ihnen – die in Rede stehen, obwohl es keine aufweist – doch nur »potenzielle« Teile und nur »potenzielle« Grenzen, aber keine »aktualen«. Denn dies zu vertreten, hat man umso nötiger, als jenes Auseinandernehmen von diesem Kontinuum doch auch bis ins Unendliche zu solchen Teilen oder solchen Grenzen führe. Und die seien deshalb auch nur »potenziell« unendlich viele, aber nicht auch »aktual« unendliche viele, wovor man mit Aristoteles vielmehr für lange Zeit zunächst zurückschreckt. Denn wie sollte es auch so etwas wie eine »aktual« unendlich große Menge solcher Teile oder Grenzen geben können, kurz: ein »aktual« Unendliches? Aber zuletzt bedarf es dazu doch auch nur der unerschrockenen Entschlossenheit, von der Gesamtheit aller 18 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Einleitung

solcher Elemente einer solchen Menge auszugehen, weil man ja die Regel oder das Gesetz für deren widerspruchsfreie Beherrschung habe. So entschlossen ist man denn auch insbesondere auf jenem ersten Weg schon spätestens seit Dedekind und Cantor unterwegs, indem man unbekümmert von den »aktual« unendlich großen Mengen jener Punkte spricht. Soll es von solchem »aktual« Unendlichen doch dann sogar auch noch unendlich viele unterschiedlich große geben, etwa weil sich davon immer weitere »Potenzmengen« gewinnen lassen. Mittlerweile fortgeschritten ist man darin denn auch so weit schon, daß die Entschlossenheit dazu wohl nicht einmal mehr durch die Einsicht in die Sinnlosigkeit dieser Unterscheidung zwischen »potenziell« und »aktual« sich legen wird. Sehr wohl jedoch wird diese Einsicht auf die Dauer zu der weiteren Einsicht führen müssen, die entscheidend ist: Das eigentlich Anstößige an solchem »aktual« Unendlichen ist keineswegs, daß es als etwas »Aktuales« etwas »Wirkliches« sein soll, wie man bis heute meint. Vielmehr ist eigentlich anstößig daran nur, daß es dies »aktuale« oder »wirkliche« Unendliche auch noch als etwas Objektives von Objekten sein soll, weil man es natürlich stillschweigend als etwas Platonistisches vertritt. Als dieses Objektive von Objekten aber ist dies Anstößige eben auch nur selbstgemacht, weil auch nur durch die mengentheoretische Mathematik als solche selbst vorausgesetzt. Denn wie gesagt, weist von sich selbst her ein Kontinuum wie das der Ausdehnung von Zeit und Raum doch schlechterdings nichts auf von so etwas wie Punkten. Deshalb weist es auch erst recht nichts auf von »aktual« unendlich vielen Punkten – und ist dennoch etwas, das mit jeder seiner Dimensionen ins Unendliche verläuft. Dies nämlich tut es nicht etwa nur »potenziell«, sondern im vollen Sinne »aktual«, weil es auch nur in diesem Sinne ins Unendliche verlaufen kann. Denn »aktual« tut es dies eben auch durchaus nicht als das Objektive von Objekten, sondern als das Subjektive von Subjekten, deren jedes als ein Aktual-Agieren in der Welt ist, die sich keineswegs erschöpft im Objektiven von Objekten. Solches »Aktuale« ist daher auch überhaupt nichts 19 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Einleitung

Statisches, wie dieses Objektive von Objekten, das es als unendlich große Mengen jener Punkte platonistisch einfach geben soll. Vielmehr ist solches »Aktuale« als Agieren eben das Dynamische dieses Kontinuums, das ins Unendliche verläuft, doch nur in dem Sinn, daß es über jedes Endliche auch immer schon hinausverläuft. Vermag doch etwas Endliches als etwas Inhaltliches auch erst immer innerhalb von ihm als dem Formalen aufzutreten, das durch das Agieren von Subjekten dafür immer schon mit in der Welt sein muß. Und an dem »Aktualen« einer solchen Wirklichkeit der Wirksamkeit, die ins Unendliche verläuft, ist denn auch überhaupt nichts Anstößiges. Denn dann hat zu gelten, daß sie als Dynamik von Subjekten mit zur Welt gehört, und nicht als Statik von Objekten platonistisch aus der Welt fällt, wo sie überflüssig-zusätzlich noch eine »zweite Welt« als »Hinterwelt« zu ihr sein soll. Genau das ist denn auch der Beitrag Kants, der über den von Aristoteles hinausgeht, weil Kant das Kontinuum der Ausdehnung von Zeit und Raum nicht mehr, wie Aristoteles, nur als etwas Gegebenes betrachtet, sondern auch noch nach dessen Erklärung fragt. Und seine Antwort lautet eben: Seinem Wesen nach erklärbar sei dieses Kontinuum nur als etwas ursprünglich Subjektives von Subjekten, deren Subjektivität als Spontaneität eines Agierens in der Welt ist und dieses Kontinuum als das Formale von ihr aus sich selbst heraus erzeugt. Als tragisches Verhängnis, das bis heute anhält, hat daher zu gelten: Diesen eigentlichen Weg bahnt Kant zwar an, doch ohne ihn auch gehen zu können. Denn was dies Kontinuum als das Unendliche betrifft, entgeht auch Kant dem Abweg nicht, den Aristoteles durch dies verfehlte Lehrstück förmlich festigt und so auch den Abweg der Mathematik. Dies Lehrstück im genannten Sinn zurückzunehmen, hat denn auch zur Folge, daß dieses Kontinuum, das ins Unendliche verläuft, als eine »aktuale« Wirklichkeit dann nicht nur nicht mehr anstößig sein kann. Vielmehr kann es dann auch vor allem nicht mehr analytisch-tautologisch sein. Ist es als »aktuale« Wirklichkeit der Wirksamkeit eines dynamischen Agierens doch 20 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Einleitung

recht eigentlich im höchsten Maß informativ-synthetisch. Denn so informiert es dann synthetisch darüber: In der Gestalt dieses Kontinuums, das als dynamisches Erzeugnis durch agierende Subjekte ins Unendliche verläuft, tritt ein beredtes Zeugnis des Unendlichen im Endlichen der Welt mit auf. Und seiner Spur zu folgen wird dann möglich, wenn man jenen eigentlichen Weg, den Kant betrat, doch nicht mehr ging, noch weiter geht. Daß dieser Weg nur weiter führt, wenn man von jedem Abweg abgeht, die in den Reduktionismen sich verlaufen, und dafür den Weg betritt, der dem Holismus folgt, wird so zu einem Wegweiser. Denn der besagt: Naturalismus mathematischer Naturwissenschaft als Theologie der Gegenwart, wonach das EinzigWirkliche nur die Natur als das Empirisch-Endliche sein kann, wird nicht das letzte Wort sein können, wenn doch die Natur dieses Empirisch-Endliche nur sein kann im Unendlich-Nichtempirischen dieses Kontinuums. Das letzte Wort wird vielmehr nur Philosophie sein können, die auch dem Kontinuum als dem Unendlich-Nichtempirischen in der Natur als dem EmpirischEndlichen noch folgt und damit auch einer Theologie der Zukunft noch den Weg bereitet. Darauf dringen nämlich unvermindert die nach Aristoteles und Kant noch immer ungelösten Rätsel des Kontinuums und des Unendlichen, die letztlich eines sind.

21 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

A. Noch einmal zum Kontinuum

1. Zur Analyse des Kontinuums Auch zuletzt ist wieder einiges zu kurz gekommen, 1 das es nachzuholen gilt. Die klassische Kontinuum-Auffassung, wie sie Aristoteles in der Physik vertritt, ist noch bis heute von Bedeutung: nicht nur denen, die sie ohnehin für die ihm einzig angemessene halten, sondern sogar denen, die sie kritisieren und durch eine andere Auffassung ersetzen möchten. Dazu zählen insbesondere die Mathematiker, die ein Kontinuum, wie das der Ausdehnung von Zeit und Raum, als bloße Punktmenge betrachten, eine Auffassung, die seit der Mengentheorie zur herrschenden geworden ist. Und als ein analytisches Modell dieses Kontinuums versucht auch jede solche Auffassung, einen Begriff für es von seinen analytisch aufgedeckten Elementen her zu finden. Wesentlich verschieden voneinander sind die beiden Auffassungen demgemäß schon dadurch, daß sie als die Elemente, die durch Analyse sich ergeben, Unterschiedliches betrachten und zugrundelegen. So fällt schon als erstes auf: Gemäß diesem Modell der Ausdehnung als Punktmenge, dem P-Modell bzw. P-System, sind deren Elemente nur die Punkte, durch die es die Ausdehnungen als die »Größen« der »Geometrie« zuletzt ersetzt. 2 Dagegen geht das klassische Modell des Aristoteles durchaus nicht etwa umgekehrt nur von den Ausdehnungen aus, sondern von beidem, weil die Punkte schon von vornherein dazugehören. Da es die Ausdehnungen aber immerhin berücksichtigt und sie sogar auch als das eigentlich Kontinuierliche betrachtet, modelliert es das Kontinuum anscheinend angemessener als das P-Modell, von dem es 1 2

In Prauss 2015. Vgl. z. B. Bedürftig 2015, S. 227 ff.

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deshalb unterschieden sei als K-Modell bzw. K-System. Und dennoch bleibt auch dieses K-Modell einiges schuldig, dessen Umfang und Erheblichkeit bisher nicht einmal seine Kritiker in der Mathematik bemerken. So gilt als eine Definition für das Kontinuum seit Aristoteles und noch bis heute: Wesentlich für ein Kontinuum sei seine Teilbarkeit in Teile, deren jeder immer wieder teilbar sei, weswegen eine Teilung niemals zu etwas Unteilbar-Einfachem führen könne. Und als eine angemessene Definition wird dies tatsächlich überliefert durch Jahrhunderte hindurch und in der Gegenwart sogar von Mathematikern noch aufgegriffen und geschätzt. 3 Und dennoch: Letztlich unbegreiflich wird all dies, sobald man folgendes noch miterwägt. Wie kann es sein, daß ausgerechnet dies als eine Definition für das Kontinuum gilt, wo doch schon die erste und auch jede weitere Teilung etwas Einfaches und Unteilbares ebenso herbeiführt wie auch etwas weiter Teilbares? Erzeugt sie jeweils doch nicht bloß zwei Teile, sondern auch den einen Punkt als jeweilige Grenze zwischen den zwei Teilen, wenn man sich zunächst beschränkt auf eindimensionale Ausdehnung. Denn solche Teile kann es doch nur geben, wenn es auch die Grenze zwischen ihnen gibt, durch die sie voneinander abgegrenzte Teile sind. Gegeben nämlich sind ja weder diese Teile noch auch diese Grenze zwischen ihnen etwa schon durch ein Kontinuum von Ausdehnung als solches selbst. Gegeben werden alle diese vielmehr erst als ein Ergebnis einer Analyse des Kontinuums. Ergebnis von ihr sind daher nicht bloß die beiden Teile, sondern ist auch noch die eine Grenze zwischen ihnen. Zum Ergebnis also hat die Analyse von ihm jeweils die Gesamtheit dreier Elemente, die eine unmittelbare Einheit miteinander bilden. Liegt doch jeweils zwischen diesem einen Punkt und jeder von diesen zwei Ausdehnungen auch buchstäblich nichts. Doch trotz dieser Unmittelbarkeit ihrer Einheit gilt diese Gesamtheit bloß als Summe von diesen drei Elementen. Im Verhältnis zueinander nämlich 3

Vgl. z. B. Laugwitz 1997, S. 4 ff.; Knerr 1989, S. 201; Heuser 2008, S. 157.

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Noch einmal zum Kontinuum

bilden sie den Ursprungsfall von etwas, das Diskretes zueinander ist. Denn der liegt allen andern Fällen von Diskretem zueinander immer schon zugrunde. Demgemäß führt Teilung des Kontinuums sehr wohl zu etwas Einfachem und Unteilbarem, wenn auch eben nur zusammen mit dem weiter Teilbaren der Ausdehnung von Teilen. Analytisch festgestelltes Element eines Kontinuums muß also dieses Unteilbare eines Punktes ebenso sein wie die eine oder andere Ausdehnung als dieses Teilbare. Und hätte Aristoteles dies hinreichend berücksichtigt, wäre die Teilbarkeit in immer wieder Teilbares als klassische Definition für das Kontinuum wohl nie und nimmer in Betracht gekommen und bis heute übernommen worden. Aber immer noch heißt es in der Mathematik von ihm: »Man kann es teilen, sogar in sehr kleine Stücke, kommt dabei aber nie zu Punkten«. 4 Das Entsprechende gilt von der zweiten Definition für das Kontinuum, die ebenfalls auf Aristoteles zurückgeht 5 und bis heute wiederholt wird. Ihr gemäß gilt eine Ausdehnung als ein Kontinuum, wenn bis hinein in ihre kleinsten Teile zwischen diesen Teilen immer wieder ein ununterbrochener Zusammenhang bestehe. Hier verwundert aber nicht nur, daß auch dies als klassische Definition für das Kontinuum durch die Jahrhunderte hindurch bis heute noch vertreten wird. 6 Erst recht verwundern muß, daß sie als solche auch noch denen gilt, die sie als solche kritisieren, wie etwa Dedekind und Klein. 7 So richtet sich zum Beispiel die Kritik von Dedekind genau auf das, wodurch dieses Kontinuum hier definiert wird, wenn er sagt: »Mit vagen Reden über den ununterbrochenen Zusammenhang in den kleinsten Teilen ist natürlich nichts erreicht; es kommt darauf an, ein präClaus 1996, S. 171. Vgl. z. B. Kategorien 4 b 20 ff.; Metaphysik 1069 a 5 ff. 6 Wolff 1962, § 554; Breidert 1970, S. 10; Laugwitz 1986, S. 21, Z. 6 ff.; Feyerabend 1989, S. 341, vgl. S. 343; Wieland 1992, S. 283 ff.; Thiel 1995, S. 188 ff.; Heuser 2008, S. 92 ff., S. 124 ff., S. 157 ff.; Sonar 2016, S. 48 ff., S. 628 f. 7 Klein 1902, S. 50. 4 5

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zises Merkmal der Stetigkeit anzugeben«, 8 wobei mit »präzises Merkmal« eben ein punktmengentheoretisches gemeint ist. Denn auch nur auf dieses Definierende kann Dedekind sich richten, wenn er zweifelt: »Hat überhaupt der Raum eine reale Existenz, so braucht er doch nicht notwendig stetig zu sein«. 9 Kann der Sinn von diesem Zweifel an dieser Definition doch auch nur lauten: Wie denn will man wissen, ob so ein Zusammenhang von Teilen in der Tat ununterbrochen ist? Von diesem Zweifel abgesehen zweifelt Dedekind jedoch in keiner Weise an dieser Definition als solcher, als der klassischen für das Kontinuum. Das ist sie aber gar nicht. Vielmehr ist sie gleichfalls eines von den Zeugnissen, wie Aristoteles das Wesen des Kontinuums zuletzt verfehlt. Sie nämlich definiert nicht den Zusammenhang eines Kontinuums, sondern im Gegenteil bloß den Zusammenhang von Sich-Berührendem. Denn ein ununterbrochener ist ein Zusammenhang von Teilen dann, wenn zwischen Teil und Teil jeweils nur eine Grenze als ein Punkt liegt, nicht jedoch schon eine Ausdehnung dazwischen als ein Abstand von dem einen zu dem andern Teil. Besteht durch einen Abstand zwischen ihnen doch schon eine Trennung zwischen ihnen als das Gegenteil einer Berührung zwischen ihnen. Diese tritt nur auf, wenn zwischen ihnen bloß die eine Grenze liegt, in der sie sich berühren, während eine Trennung zwischen ihnen aus der einen Grenze schon zwei Grenzen macht, und umgekehrt. Dies jedenfalls ist die Definition, die Aristoteles für beides gibt 10 und die selbst Mathematiker bis heute noch als gültig anerkennen. 11 Ihr gemäß hat jener Zweifel Dedekinds an jener Definition den Sinn: Wer weiß, ob solche Grenzen zwischen Teilen wirklich bloße Grenzen sind und nicht vielmehr schon Abstände dazwischen? Diese Frage ist es, die für Dedekind den Einstieg bildet in die mathematische Punktmengentheorie für das Kontinuum von Dedekind 1872, S. 17 f. A. a. O., S. 18 f. (kursiv von mir). 10 Vgl. Metaphysik 1002 a 34 f. 11 Vgl. Knerr 1989, S. 201. 8 9

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Ausdehnung, wozu die Frage aber nie und nimmer hätte führen können, wäre klar gewesen: Nicht von einer Definition für das Kontinuierliche geht er mit dieser Frage aus, sondern für das Diskrete. Denn das Sich-Berührende, das sie definiert, kann nur Diskretes zueinander sein, weil es dazwischen jeweils eine Grenze geben muß, worin es sich berührt, was immer nur von mehr als einem gelten kann. Dagegen kann, daß es Kontinuum oder kontinuierlich sei, stets nur von einem gelten, nämlich von dem Einen einer Ausdehnung: sei sie nun die von einer Linie oder einer Strecke oder einem Strahl. Und die ist ein ununterbrochener Zusammenhang in dem Sinn, daß sie nicht einmal durch eine Grenze in ihr unterbrochen ist, geschweige denn durch einen Abstand in ihr. Sich-Berührendes ist danach ein Zusammenhang in dem Sinn, daß hier jedes von den zweien mit dem jeweils anderen zusammenhängt. Etwas Kontinuierliches als jeweils ein Kontinuum dagegen ist dann ein Zusammenhang in dem Sinn, daß hier dieses Eine nicht mit etwas Anderem zusammenhängt, das es doch hier noch gar nicht gibt, sondern daß dieses Eine hier mit sich zusammenhängt. Die einzig mögliche Definition für ein Kontinuum, die sich für es ergibt, ist danach, daß es ein Zusammenhang mit sich ist statt mit Anderem als sich, daß es sonach ein Selbstverhältnis ist anstatt ein Fremdverhältnis. Unerfindlich aber bleibt, wie jene Frage Dedekinds sich jemals hätte stellen können für dies eigentlich Kontinuierliche von jeweils einer Ausdehnung als diesem reinen Selbstverhältnis, das heißt, ohne jedes Fremdverhältnis zwischen zueinander anderen Teilen oder Grenzen. Bietet doch so ein Kontinuum von sich her auch nicht die geringste Handhabe, weil sozusagen keinen Anhalts-Punkt für eine solche Frage. Denn worauf auch sollte jene Frage sich beziehen können, ob die Grenzen zwischen Teilen auch tatsächlich bloße Grenzen seien und nicht vielmehr Abstände, wo hier doch nichts dergleichen dafür zur Verfügung stehen kann? Schon Aristoteles mit seinem K-System hat demgemäß die erste grundlegende Handhabe geliefert für das P-System, das dann mit Dedekind in Gang kommt und durch Cantors Mengentheorie befestigt wird. Es kommt in Gang mit dieser grund26 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

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verfehlten Definition für das Kontinuum durch eine Vielheit von Diskretem, sprich: von Teilen oder Grenzen her, wie sie seit Aristoteles vertreten wird. Deswegen muß all dem entgegen sich vielmehr schon hier gerade umgekehrt die Frage stellen: Kann für so etwas wie ein tatsächliches Kontinuum denn überhaupt so etwas wie Mathematik zuständig sein, wenn sie doch wesentlich und grundlegend beruht auf der Diskretisierung und Quantifizierung von etwas und so in diesem Sinn reduktionistisch ist? In Gang kommt nämlich so etwas wie die Mathematik von ihm auch nur für ein Kontinuum als ein diskretisiertes und quantifiziertes und sonach für ein reduktionistisch vollständig beseitigtes Kontinuum. Und damit fragt sich eben: Kann ein unbeseitigtes, tatsächliches Kontinuum nicht vielleicht doch nur zugänglich sein für den rein qualitativen Zugriff durch Philosophie? Der nämlich muß, bloß weil er ein qualitativer ist, durchaus nicht auch sogleich ein »vager« oder ungenauer Zugriff sein. Tritt ein Genauigkeitsproblem doch vielmehr umgekehrt gerade dort auf, wo das einzige Genauigkeitsprinzip der Punkt und sein Verhältnis zu einer PunktMenge sein soll, wie im P-System. Und dies Problem besteht desgleichen schon seit Aristoteles im K-System. Hier nämlich gelte, wie er meint: »Wer eine Linie teile, nehme einen (Teilungs-)Punkt als zwei, nämlich als Grenze von dem einen und als Grenze von dem andern Teil«. 12 Womöglich noch verwunderlicher wird jedoch auch dies bis heute noch vertreten, freilich um sogleich zu kritisieren, wie ungenau doch die anschauliche Beschreibung des Kontinuums seit Aristoteles im KSystem sei. 13 Scheint doch dabei überhaupt nicht aufzufallen, daß innerhalb des K-Systems sich diese seine Auffassung von Punkt als Grenze gar nicht halten läßt. Hier nämlich schwankt er zwischen dieser Auffassung und einer andern, hinreichend belegten, mit der Aristoteles auch noch bis heute überzeugt: Nur dann kann es sich um zwei Punkte handeln, wenn ein Abstand 12 13

Vgl. Physik 263 a 23 f.; 263 b 1. Laugwitz 1997, S. 32; vgl. auch S. 4 und S. 35. Dazu Prauss 2015, S. 596 f.

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zwischen ihnen vorliegt, – der durch eine bloße Teilung aber nicht zustandekommt. Denn geometrisch zweierlei muß sein, das Eine einer Ausdehnung zunächst in zwei Ausdehnungen zu teilen, und sodann die zwei Ausdehnungen zu trennen, auch wenn physikalisch dieses Zweierlei zusammenfallen kann. Nur scheint das Griechische des Aristoteles noch keine hinreichend verschiedenen Ausdrücke dafür zu haben, weshalb er für beides überwiegend das Wort »di-hairein« benutzt, das wörtlich »auseinander-nehmen« heißt. Doch trotzdem hätte früher oder später auffallen müssen, und für Aristoteles schon auffallen können, daß bereits im K-System von diesem einen Punkt als den zwei Punkten keine Rede sein kann, weshalb umso mehr verwundert, daß man erst im P-System dann davon abrückt. Denn erst Riemann geht als erster dazu über, diese zwei als einen Punkt zu nehmen. 14 Diesen Schritt tut er jedoch nicht etwa, weil ihm ersteres als Fehler gälte, den er darin gar nicht sieht. Er tut ihn vielmehr bloß umwillen arithmetischer Genauigkeit des P-Systems im Unterschied zum K-System als geometrisch-ungenauem. Dieser Schritt jedoch, der hier im K-System für einen Fehler die Berichtigung sein könnte, die eine Befestigung für es bedeuten würde, der führt dort im P-System zu einer Folge, die es fragwürdig erscheinen läßt. Dann folgt dort nämlich nicht bloß: Dieser eine Punkt kann nur noch gelten als ein Punkt entweder von dem einen oder von dem andern jener Teile, die dem K-System zufolge Ausdehnungen sind, doch nicht von beiden. Denn es gilt ja jede solche Ausdehnung im P-System nur noch als bloße Punktmenge, so daß man sich entscheiden muß, zu welcher von den beiden Mengen dieser Punkt gehören soll. Und diese eine Menge ist dann ein durch diesen einen Punkt geschlossenes Intervall, während die andere, weil dieser Punkt ihr deshalb fehlt, ein offenes Intervall ist. 15 Nur läßt dies sich allenfalls noch arithmetisch nachvollzieRiemann 1867, S. 27. Vgl. Dirichlet 1837, § 6, S. 170, S. 173. Dazu Spalt 2015, S. 356 f., S. 371. 15 Vgl. a. a. O. 14

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hen, geometrisch aber nicht mehr. Zusätzlich jedoch folgt dort im P-System dann etwas, das noch schwerer wiegt, sobald man mit berücksichtigt: Bei diesem einen Punkt, der diesem offenen Intervall dann fehlen muß und den jenes geschlossene Intervall besitzen muß, soll es sich danach doch um dessen Grenze handeln. Ihren ursprünglichen Sinn hat so etwas wie eine Grenze nämlich erst einmal im K-System. Hier ist sie als ein Punkt eindeutig dadurch definiert, daß er die Grenze dessen ist, das er begrenzt: die Grenze dieser oder jener Ausdehnung. Im K-System gilt solche Ausdehnung jedoch gerade nicht als Punktmenge, sondern als etwas, das grundsätzlich etwas anderes als Punkt oder Punktmenge ist. Entsprechend ist hier solche Ausdehnung auch als etwas verfügbar, von dem sinnvoll gelten kann, dies Etwas sei es, das begrenzt durch eine solche Grenze ist und somit das durch sie Begrenzte. Als genau dieses Verfügbare im K-System jedoch entfällt die Ausdehnung im P-System, weil sie hier nur als Punktmenge noch gilt, so daß hier nichts Vergleichbares mehr dafür zur Verfügung stehen kann. Eine bloße Punktmenge kommt dafür nämlich nicht mehr in Betracht. Vermag doch so etwas wie Punkt oder wie Punkte diese Rolle grundsätzlich nicht mehr zu spielen, weil unerfindlich bleiben muß: Um welchen Punkt von einer bloßen Punktmenge soll es sich dabei handeln, wo es doch im P-System den nächsten Punkt zu einem Grenzpunkt gar nicht geben kann? Die nächste Ausdehnung zu einem Grenzpunkt, die sogar die unmittelbar nächste ist, gibt es im KSystem jedoch sehr wohl: als die durch einen Punkt begrenzte Ausdehnung, die jene unmittelbar an ihn anschließende ist. Und ebenso gibt es im K-System des Aristoteles auch noch den nächsten Punkt zu einem Grenzpunkt. Denn von beidem, Ausdehnung wie Punkt, kann hier auch nur als etwas »Aktualem« überhaupt die Rede sein, und nicht als etwas »Potenziellem«. 16 Das hat einiges zur Folge: Dieser Sinn von einem Punkt als einer Grenze, wie er als der Sinn von Grenze einer Ausdehnung im K-System ein nichttrivial-informativer Sinn ist, läßt als ein 16

Vgl. dazu Prauss 2015, S. 53 ff., S. 65 f., S. 134 ff.

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entsprechender im P-System sich gar nicht wiedergeben. Dort im K-System ist nämlich jeder solche Punkt nur einer zwischen Ausdehnungen. Hier im P-System jedoch ist jeder solche Punkt nur einer zwischen Punkten. Deshalb kann er einen Sinn von Grenze hier nur dadurch noch bekommen, daß man einen solchen Punkt zunächst als Grenze von sich selbst oder als »seinen eigenen Rand« betrachtet, wie ihn etwa die punktmengentheoretische Topologie bezeichnet. 17 So jedoch ist er die Grenze von einem geschlossenen Intervall als einer Punktmenge sodann auch nur noch in dem Sinn, daß er als dieser Punkt zu ihr hinzugehört. Jedoch obwohl das also heißt, daß er zu ihr gehört, bedeutet das gerade nicht, daß er von ihr die Grenze ist, weil er vielmehr von sich die Grenze ist. Dadurch wird somit förmlich ausgeschlossen, daß er in dem Sinn, in dem der Punkt von sich die Grenze ist, von ihr die Grenze sei, das heißt, von etwas Anderem als sich. Ein Sinn der Grenze von ihr wird daher für diesen Grenzpunkt einer Punktmenge durch dessen Zugehörigkeit zu ihr auch nur erschlichen. Und das gilt zuletzt sogar gleich zweifach. Muß doch überdies ein Sinn der Grenze von etwas, das Grenze seiner selbst oder sein eigener Rand sei, als ein Sinn von Grenze unerfindlich bleiben, den es deswegen im K-System auch gar nicht geben kann. Beachtet man daher, von welcher Wichtigkeit ein nichttrivial-informativer Sinn von Grenze ist, wie etwa für die mathematische Physik, so kann nicht fraglich sein: Das einzig angemessene analytische Modell für das Kontinuum kann nicht das P-Modell sein, sondern nur das K-Modell. An allen seinen kritisierten Stellen nämlich läßt es sich berichtigen, auch und vor allem im zuletzt noch kritisierten Punkt als Grenze, der im K-System statt zweier Punkte nur ein Punkt sein kann. Was also ist letztlich fehlgeschlagen und bis heute undurchschaut geblieben, als schon Aristoteles so schwankte, ob es bei dem Punkt der Teilung einer Ausdehnung sich denn nun handele um einen oder mehr als einen Punkt? Was hat verhindert, einzusehen: Schon die geometrische Genauigkeit erfordert es, daß 17

Vgl. z. B. Breidert 1970, S. 11; Thiel 1995, S. 189.

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eine Teilung einer Ausdehnung genau zu einem Punkt anstatt zu zweien führen muß, daß sie sehr wohl jedoch mit diesem einen Punkt zusammen ebenso notwendig zu genau zwei Ausdehnungen führen muß? 18 Denn eine Teilung einer Ausdehnung, und somit jede Teilung von ihr, kann doch jeweils gar nichts anderes herbeiführen als die Dreiheit eben dieser Elemente in jener unmittelbaren Einheit zwischen diesem einen Punkt und jeder von diesen zwei Ausdehnungen. Woran also könnte es gelegen haben und noch immer liegen, daß man sogar innerhalb des K-Systems seit Aristoteles all dies zu Kritisierende und zu Berichtigende übersehen hat, obwohl sich gar nicht übersehen läßt, wie es Verwirrung stiftet? Alles andere als leicht fällt hier die Antwort, weil sie ausgerechnet die Ontologie des Aristoteles betrifft, die ihm für immer seinen Platz in der Geschichte sichern wird. Um das zu sehen, bedarf es lediglich der Überlegung, wie die Grundbegriffe, die beteiligt sind, ihrer Semantik nach sich zueinander eigentlich verhalten, einer auch von mir versäumten Überlegung. 19 Um sie nachzuholen, gilt es lediglich zu überlegen, welches dabei die Semantik ursprünglicher Grundbegriffe wie »… begrenzt« ist, wenn man sie vergleicht mit anderen, die gleichfalls auftreten in einem Urteil wie etwa »Dies ist begrenzt«. Kann doch auch keine Frage sein, wovon darin die Rede ist, nämlich von Ausdehnung, wie etwa, wenn ein »Strahl« als Ausdehnung, die einseitig »… begrenzt« ist, unterschieden wird von einer »Linie« als Ausdehnung, die »… unbegrenzt« ist, oder die, wie eine »Strecke«, zweiseitig »… begrenzt« ist. Denn daß es sich bei »… begrenzt« bzw. »… unbegrenzt« um Geometrisch-Grundlegendes handelt, kann nicht darüber hinMeint man dem entgegen doch bis heute noch, dies eigens annehmen zu müssen; vgl. z. B. Breidert 1970, S. 3: »wenn man der Einfachheit wegen Zweiteilung annimmt«. 19 So etwa in Prauss 2015 im § 13. Dies Versäumnis hinterläßt dort eine Unklarheit, die in der Anmerkung zu S. 64 zur verfehlten Auffassung »Denn diese Zweiheit … von dem andern Teil« geführt hat, und die das hier Folgende berichtigt. 18

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wegtäuschen: Seiner Semantik nach läßt es sich trotzdem von Empirischem nicht unterscheiden. Ohne weiteres vergleichen läßt es sich vielmehr mit einem Fall wie »… rot« im Urteil »Dies ist rot«, nämlich als Prädikat einer Prädikation. Zumal doch, daß etwas »… begrenzt« ist, ebenso etwas Empirisches sein kann wie, daß es »… rot« ist. Schließlich heißt, »… begrenzt« zu sein, zuletzt nichts anderes als, »… geformt« zu sein, was vollends klar wird, wenn man übergeht von eindimensionaler Ausdehnung zu zwei- und dreidimensionaler. Denn als solche ist sie, wenn bestimmt »… begrenzt« oder »… geformt«, die Ausdehnung von diesem oder jenem Ding, wofür Modell bei Aristoteles die Ausdehnung des Materials steht. Dieses nämlich ist dann, wenn bestimmt »… begrenzt« oder »… geformt«, die eine oder andere Statue. Hält man das fest, um davon auszugehen, daß alle solchen Fälle als die Prädikate von Prädikationen sich nicht unterscheiden, so folgt etwas, das semantisch aufdeckt, was bisher verdeckt bleibt: Wozu muß es führen, wenn man von »… geformt« zur »… Form« bzw. von »… begrenzt« zur »… Grenze« übergeht und so zunächst bei eindimensionaler Ausdehnung zur »… Grenze« als dem »… Punkt« gelangt? Läßt sich »… begrenzt« oder »… geformt« mit »… rot« vergleichen, so bedeutet dies bei jedem von den beiden ersten nämlich einen Übergang wie den von »… rot« zu »… Röte«. 20 So ein Übergang führt demgemäß zu nichts geringerem als dazu, eine Eigenschaft, wie sie durch »… rot« bloß prädiziert wird, aber nicht im mindesten etwa thematisiert wird, zu thematisieren. Denn was in Urteilen wie »Dies ist rot« thematisiert wird, ist ausschließlich dieses oder jenes Ding, indem es darin durch das »Dies …« als Indikator indiziert wird und indem ihm darin durch das »… rot« als Prädikator etwas prädiziert wird. Erst durch einen Übergang wie den von »… rot« zu »… Röte« nämlich wird dann zusätzlich zu diesem Ding auch noch die Eigenschaft von ihm thematisiert. Deshalb erfordert dies auch noch 20

Hierzu wie zum folgenden vgl. Prauss 2015, S. 394 ff.

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den Übergang von »… ist …« zu »… hat …«, um »Dies ist rot« und »Dies hat Röte« als formallogisch äquivalente Urteile über dasselbe Ding zu sichern. Auch auf so etwas wie »… Form« und »… Grenze« als den »… Punkt« kann folglich erst durch einen solchen Übergang die Rede kommen. Denn darüber reden läßt sich eben erst durch die Thematisierung dessen, was vor diesem Übergang etwas noch nicht Thematisiertes, sondern durch »… geformt« oder »… begrenzt« etwas bloß Prädiziertes ist. Und dieser Unterschied dazwischen ist auch immerhin so ausgeprägt, daß man mit dem Versuch, ihm auch im Fall von »… Punkt« gerecht zu werden, in Verlegenheit gerät. Denn als Entsprechung zu dem Unterschied zwischen »… geformt« und »… Form« oder »… begrenzt« und »… Grenze« gibt es für den Fall von »… Punkt« noch gar kein Wort, das ihm genügte: Es sei denn, man bildete entsprechend zu »… geformt« oder »… begrenzt« das Wort »… bepunktet«, weil ja »… Punkt« als das den Punkt thematisierende Wort auf keinen Fall dafür in Frage kommen kann. Denn so wie bei »… begrenzt« die Grenze und auch bei »… geformt« die Form bloß prädiziert ist, nicht jedoch thematisiert ist, so ist dabei auch der Punkt als Grenze oder Form gerade nicht thematisiert, sondern bloß prädiziert. Dies aber könnte nur zum Ausdruck kommen durch dergleichen wie »… bepunktet«. Ließe sich entsprechend zu »… begrenzt« doch auch noch für »… geformt« genausogut »… beformt« verwenden, weil ein mehr als sprachlich-zufälliger Unterschied dazwischen schwerlich feststellbar ist. Jedenfalls ist jener Unterschied zwischen thematisiert und prädiziert, um den es geht, semantisch sogar so erheblich, daß man ihn nicht unterschätzen sollte, weil er sich auch ontologisch auswirkt. Hält man nämlich an ihm fest, so läßt sich ferner einsehen: Handelt es bei »… rot« sich um eine bloß einstellige Eigenschaft, so bei »… geformt« oder »… begrenzt« um eine mindest zweistellige Eigenschaft als ein Verhältnis oder eine Relation zwischen zwei Teilen als zwei Ausdehnungen. Aber wohlgemerkt: Nur eine Eigenschaft ist diese, wenn auch eine zweistellige, weil die Zweiheit dabei ausschließlich die Zweiheit der zwei Teile ist. 33 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

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Dazwischen nämlich ist ja nur die eine Form oder die eine Grenze, auch wenn diese als die Grenze von dem einen Teil zugleich die Gegengrenze von dem andern ist. Genauso ist ja auch die Form von etwas gleichzeitig die Gegenform von der Umgebung dieses Etwas. Eben darin nämlich ist als diese eine jeweils jede ein Verhältnis oder eine Relation und damit eine zweistellige Eigenschaft von beiden Teilen. Und so ist im Fall des Hauens einer Statue aus einem Material die Gegenform zu deren Form denn auch zunächst einmal die Form des Abfalls. Über diese sollte man daher auch nicht hinwegsehen, um sogleich nur noch die Form von der Umgebung dieser Statue als fertiger für deren Gegenform zu halten. Denn das gilt nicht schon für Teilen, sondern erst für Trennen zwischen Statue und Abfall, auch wenn dies beim Hauen einer Statue zusammenfällt. Für eine bloße Form als eine bloße Grenze zwischen Teilen also muß es dabei bleiben: Als Verhältnis oder Relation dazwischen ist sie nur die eine, wenn auch zweistellige Eigenschaft von ihnen. Aber gleichfalls wohlgemerkt: Daß dies so ist, das hängt entscheidend davon ab, daß diese Grenze oder Form dabei auch in der Tat bloß prädiziert wird, und gilt deshalb nur, solang sie dabei auch tatsächlich die bloß prädizierte bleibt. Sobald sie nämlich nicht mehr die bloß prädizierte ist, sondern statt dessen zu einer thematisierten wird, hat dadurch sich auf einen Schlag etwas Entscheidendes daran geändert. Dann ist, was zuvor bloß prädiziert war, eine Eigenschaft, jetzt nicht mehr prädiziert, sondern thematisiert und damit zu etwas geworden, über das jetzt zusätzlich die Rede ist. Im ganzen also ist die Rede nun nicht mehr bloß über zwei, sondern jetzt über drei: über die beiden Teile und über die eine Grenze oder Form dazwischen. Wird sie dadurch doch auch ihrerseits jetzt zusätzlich zu ihnen noch zu einem weiteren Gegenstand erhoben, weil auch zusätzlich noch über ihn die Rede ist. Und das geschieht denn auch in jedem solchen Fall, wo nicht mehr von dergleichen wie »… geformt«, sondern von »… Form« die Rede ist, und nicht mehr von dergleichen wie »… begrenzt«, sondern von »… Grenze«. Vollends aber werden sie zu eigenen Gegenständen dann, wenn sie, je 34 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

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nach der Dimension, nur noch als Punkt oder als Linie oder als Fläche angesprochen werden. Was dann droht, ist die Verdinglichung von einer bloßen Eigenschaft zu einem eigenen weiteren Ding, eine Gefahr, die ausgerechnet Aristoteles hier nicht mehr hinreichend berücksichtigt; und das obwohl doch er es war, der nach der Vorarbeit durch Platon kritisch gegen Platon das Ding/ Eigenschaft-Verhältnis als ein ontologisch-eigentümliches entdeckt hat. 21 Um dieses Entdeckte festzuhalten, reicht es eben nicht, die ausgedehnten Teile oder Dinge als das Selbständige zu betrachten und die Formen oder Grenzen zwischen ihnen als etwas bloß Unselbständiges an ihnen, was er tut, 22 wobei es Aristoteles jedoch bewenden läßt. Denn als dieses bloß Unselbständige bestimmt er solche Eigenschaften ontologisch auch bloß negativ, genau wie an den andern Stellen, wo er etwa sagt, die Eigenschaft von einem Teil sei selbst kein Teil, 23 oder sie habe keine eigene Materie. 24 So bleibt nämlich offen, was zu diesem Negativen das entsprechend Positive als das eigentliche Ontologisch-Eigentümliche der Eigenschaften sei. Zu dessen ontologischer Bestimmung aber ist deren Thematisierung eben unerläßlich. Demgemäß muß es gerade darum gehen, festzuhalten, was genau denn aufgedeckt wird dadurch, daß nicht nur das eine oder andere Ding, sondern auch noch die eine oder andere Eigenschaft von ihm thematisiert wird, wodurch sie ihm nicht mehr prädiziert wird. Dann bedeutet nämlich letzteres, daß durch deren Thematisierung nicht nur etwas aufgedeckt wird, sondern auch etwas verdeckt wird, also nicht nur etwas auftaucht, sondern auch etwas verschwindet. Demgemäß wird wichtig, beides festzuhalten, um sein Auftauchen oder Verschwinden abwechseln zu lassen mit dem Wechsel von thematisiert zu prädiziert, und umgekehrt. Vergleichbar ist das daher auch mit der bekannten Wirkung bei den »Kippfiguren«, 21 22 23 24

Vgl. z. B. Prauss 1966, §§ 21–24; Prauss 1968, S. 98 ff. Vgl. z. B. Physik 193 b 23 ff. und 31 ff.; 220 a 22 f. Vgl. Kategorien 1 a 23–25. Vgl. Metaphysik 1044 b 9.

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wenn man seinen Blick zu teilen versucht, um sie auf einmal zu erblicken. Denn entsprechend ist die eine Eigenschaft, solang sie die bloß prädizierte bleibt, als Form oder als Grenze zwischen beiden Teilen auch nur dieses eine Zwischen einer Grenze oder einer Form. Sobald sie aber zur thematisierten wird, verschwindet sie als dieses eine Zwischen und statt seiner tauchen auf zwei neue Zwischen, nämlich zwischen ihr als dem nunmehr thematisierten Gegenstand und jedem von den beiden Teilen. Hin und her – und somit auch wieder zurück – zu wechseln von dem einen alten Zwischen zu den beiden neuen Zwischen aber hat es in sich, weil es jedesmal in umgekehrter Reihenfolge aufdeckt: Während zwischen den zwei Teilen etwas liegt, die prädizierte eine Grenze oder Form, liegt zwischen der nunmehr zum Gegenstand erhobenen thematisierten Grenze oder Form und jedem von diesen zwei Teilen vielmehr nichts: schlechterdings nichts. Und dennoch ist auch jedes von diesen zwei neuen Zwischen wieder eine Eigenschaft, die sich als eine Relation oder als ein Verhältnis prädizieren läßt, nämlich als die Unmittelbarkeit jener Einheit zwischen jedem der zwei Teile als zwei Ausdehnungen und dem einen Punkt als einer Grenze oder einer Form. Nur umso wichtiger wird dann jedoch, gerade hier noch weiter daran festzuhalten: Auch als die nunmehr zum Gegenstand erhobene Grenze oder Form wird diese nicht zu einem eigenen Ding, sondern bleibt weiter eine bloße Eigenschaft, um jegliche Verdinglichung derselben zu vermeiden. Denn an ihr, als einer bloßen Eigenschaft, vermag eine Thematisierung von ihr doch auch nichts zu ändern. Eben daran aber läßt es Aristoteles gerade fehlen, weil er diesen Unterschied zwischen thematisiert und prädiziert nicht einbringt. Statt die Zweiheit der zwei neuen Zwischen ontologisch als die Zweiheit von zwei weiteren bloßen Eigenschaften zu berücksichtigen, sieht er in ihr gleich die Zweiheit von zwei Punkten: Sei der Punkt, den er sonst nur als einen kennt, doch Grenze von dem einen Teil und Grenze von dem andern Teil. Und so wird dieser Punkt nicht nur zu einem Ding verdinglicht, sondern gleich zu zweien, was die mengentheoreti36 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

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sche Mathematik jedoch, die aus den zweien wieder einen macht, seit Riemann nicht etwa bereinigt, sondern schließlich noch besiegelt. Denn daß hiernach so ein Punkt nur entweder zur einen Punktmenge gehören kann oder zur anderen, dahinter steht die Überlegung: Als ein Ding kann er nur entweder zur einen DingMenge oder zur andern Ding-Menge gehören. So kann etwa ein Apfel auch nur entweder zur Apfel-Menge in dem einen Korb gehören oder zur Apfel-Menge in dem anderen, doch nicht zu beiden, und das treibt diese Verdinglichung am Ende auf die Spitze. Was dadurch erreicht wird, ist denn auch, daß jedes jener beiden Zwischen als ein Nichts vermieden wird, indem statt jedem abermals ein Zwischen als ein Etwas auftritt: Aus dem Leeren dieses Nichts wird dadurch dieses Etwas als das Volle, das geradezu das Unerschöpfliche der Fülle solcher Punkte bildet. Liegen zwischen einem Punkt und einer Punktmenge doch unaufhörlich weitere Punkte, während zwischen einem Punkt und einer Ausdehnung ja weder eine weitere Ausdehnung noch auch ein weiterer Punkt liegt. So jedoch wird die punktmengentheoretische Mathematik zu einem Unternehmen der Verdinglichung, das seinesgleichen sucht, indem es gleichsam flüchtend vor dem horror vacui zum amor pleni seine Zuflucht nimmt. In Wahrheit aber ist die Leere dieses Nichts hier vielmehr Wesenszug der Sache selbst und somit auch kein Grund für einen horror vacui vor ihr. Sie nämlich steht für die Unmittelbarkeit jener Einheit zwischen Punkt und Ausdehnung. Und darin findet jene Einheit zwischen Grenze und Begrenztem als etwas durch eine Form Geformtem ihren allgemeinen Ausdruck, womit sie die ontologische Begründung liefert für jenes Verhältnis zwischen Ding und Eigenschaft. Denn die Ontologie dieses Verhältnisses begründet sie zuletzt gerade dahin, daß die Eigenschaft an einem Ding als etwas Dreidimensionalem grundsätzlich nur etwas weniger als Dreidimensionales an ihm sein kann, einerlei, durch welches Inhaltlich-Besondere dies Allgemein-Formale eines Punktes oder einer Linie oder einer Fläche an ihm je und je besetzt sein mag. 37 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

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Hält man dies schon seit Aristoteles und noch bis heute nicht Durchschaute sich vor Augen, läßt sich einsehen: Eben hierauf ist ein jedes von dem Kritisierten und Berichtigten im K-System zurückzuführen. Daß jenes Verhältnis ungeklärt bleibt, ist der Grund, weshalb sich einerseits jene verfehlte erste Definition für das Kontinuum nur an die Teile als die Dinge hält und nicht zur Kenntnis nimmt: Ein Teilen von ihm führt doch zu den Teilen als den Dingen ebenso wie zu den Grenzen als den Eigenschaften, die daher genauso zu berücksichtigen wären. Nur steht das Selbständige von Teil und Ding eben im Vordergrund und so das Unselbständige von bloßer Grenze oder Eigenschaft im Hintergrund. Sobald jedoch auch letzteres Berücksichtigung findet, führt zum andern diese Unklarheit sogleich zu jener weiteren verfehlten Definition für das Kontinuum, wonach das sich berührende Diskrete ein Kontinuum sein soll. Ja schließlich soll sogar Diskretes als getrenntes ein Kontinuum ausmachen, weil der Punkt als Grenze ja zwei Punkte sei, was auch noch für die Grenze als die Linie oder Fläche gelten müßte. Somit wird durch jedes von diesem Verfehlten letztlich immer wieder nur das Eine-Selbige verfehlt, wonach Ergebnis jedes Einzelfalls von Analyse des Kontinuums vielmehr die jeweilige Dreiheit jener Elemente in jener unmittelbaren Einheit miteinander ist: die eine Grenze zwischen den zwei Teilen als die eine Eigenschaft von ihnen als zwei Dingen. Erst als so berichtigtes ist dieses K-System ein angemessenes analytisches Modell für das Kontinuum, während das P-System gerade das im K-System zunächst Verfehlte bis zum bitteren Ende fortschreibt. Danach nämlich gäbe es im P-System vor lauter Punkten als den Dingen oder Teilen keine Grenzen mehr und damit keine Eigenschaften mehr. Denn alle Grenzen oder Eigenschaften wären danach selbst noch Punkte als die Dinge oder Teile. Gibt es hier doch auch von vornherein schon überhaupt nicht mehr den analytisch-ersten Unterschied von Punkt und Ausdehnung: den Unterschied, der als das Nichts des Zwischen ihnen das Ursprünglich-Grundlegende ist. Daß Aristoteles trotz seines weiten Vordringens zum Wesen 38 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

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des Kontinuums nicht vollends durchdringt, könnte nochmals einen Grund in seiner Sprache haben. Nicht nur hat das Griechische des Aristoteles anscheinend keine hinreichend verschiedenen Wörter für den Unterschied von »Trennen« gegenüber »Teilen«, weshalb Aristoteles für beides »di-hairein« verwendet. Anscheinend hat es vielmehr vor allem auch noch keine solchen Wörter für den Unterschied von »Schneiden« gegenüber »Teilen«, zwischen denen Aristoteles zumindest niemals eigens unterscheidet. Umso mehr verwundert freilich, daß der Unterschied dazwischen meines Wissens noch bis heute nirgends ausdrücklich gemacht wird, nicht einmal in Sprachen, wo die hinreichend verschiedenen Wörter dafür zur Verfügung stehen, wie im Deutschen. 25 Und der Grund dafür könnte bei »Schneiden« gegenüber »Teilen« auch die Sache selbst sein, die es daher aufzudecken gilt. Versucht man nämlich, diesen Unterschied, wenn er nicht schon durch Umgangssprache festliegt, wenigstens für Sprache einer Theorie noch festzulegen, öffnet sich zu dieser Sache selbst ein Zugang. Eine Möglichkeit für diese Festlegung gewinnt man dann, wenn man sich klarmacht: Jedes davon, »Schneiden« ebenso wie »Teilen«, ist ein Wort für einen Vorgang, der sich jeweils von seinem Ergebnis her bestimmen läßt, das jeweils unterschiedlich ist. Denn soll ein jeder solche Vorgang seinem Sinn nach festgelegt sein, so läßt sich ein »Schneiden« auch nur als ein »Herstellen von einem Schnitt« begreifen und ein »Teilen« auch nur als ein »Herstellen von einem Teil«. Dies aber kann dann nicht bereits das letzte Wort sein, weil ja feststeht, daß ein »Teilen« immer zu zwei Teilen führt. Infolgedessen muß zunächst sich weiter fragen: Müßte dies dann nicht auch noch für »Schneiden« gelten, nämlich daß es gleichfalls zu zwei Schnitten führe? Oder müßten, wenn das nicht gilt, diese Vorgänge des »Schneidens« und des »Teilens« sich dann nicht als Vorgänge auch unterscheiden? Und auf diese Fragen meldet sich die Sache selbst, um klarzustellen, daß es sich so gerade nicht verhält. Vgl. z. B. Heuser 2008, S. 63, S. 66 ff., S. 71 f., S. 98 f., wo zwischen beidem wiederholt gewechselt wird, ohne zu klären, in welchem Sinn.

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Denn weder gilt das eine, daß dann auch ein »Schneiden« zu zwei Schnitten führen müßte, noch das andere, daß sich das »Schneiden« und das »Teilen« dann als Vorgänge auch unterscheiden müßten, wenn das nicht gilt, weil die Sache selbst sich anders darstellt. Gilt statt dessen doch: Bei diesen beiden handelt es sich vielmehr je und je um einen und denselben Vorgang; dieser läßt jedoch mit »Schneiden« und mit »Teilen« durch zwei sinnverschiedene Begriffe sich begreifen; ist doch je und je auch sein Ergebnis eines und dasselbe, das als solches selbst jedoch von Grund auf Unterschiedliches umfaßt. Denn ob nun als ein »Schneiden« oder als ein »Teilen« vorgestellt, so führt doch dieser Vorgang als ein und derselbe je und je zu einem Schnitt und zu zwei Teilen mit dem einen Schnitt dazwischen. Und das ist als sein Ergebnis ebenfalls ein und dasselbe, obwohl es doch Grundverschiedenes beinhaltet: den einen Schnitt als einen Punkt und die zwei Teile als zwei Ausdehnungen mit dem einen Punkt dazwischen. Kann es doch kein Teilen geben, das nicht auch ein Schneiden wäre, und kein Schneiden geben, das nicht auch ein Teilen wäre, was als Vorgang also einer und derselbe ist. Doch von seinem Ergebnis als ein und demselben her läßt er sich grund- und damit sinnverschieden als ein »Schneiden« ebenso begreifen wie auch als ein »Teilen«. Denn der Sache selbst nach ist er je und je auch in der Tat beides ineinem. Diese Sache selbst ist daher auch ein weiteres Beispiel für den Fall, den Frege aufdeckt durch jenes berühmte Beispiel der Begriffe »Abendstern« und »Morgenstern« als sinnverschiedener Begriffe für denselben Gegenstand. 26 Nur daß in jenem Fall der Gegenstand ein Ding ist, der Planet mit Namen »Venus«, doch in diesem Fall der Gegenstand ein Vorgang ist, der keinen Eigennamen hat. Behält man das vor Augen, sieht man eine weitere Schwierigkeit, in die das P-System noch zusätzlich geraten muß, und die bisher anscheinend unbekannt ist. Innerhalb des K-Systems muß

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Vgl. Frege 1967, S. 144.

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nämlich gelten: Es erfolge so ein Schneiden oder Teilen als ein Vorgang in genau dem Punkt, der zum Ergebnis dieses Vorgangs mit hinzugehöre: als die eine Grenze zwischen den zwei Teilen, die als eine dann die Grenze jedes dieser Teile sei. Im P-System dagegen kann nur gelten, dieser Punkt gehöre dabei entweder zum einen Teil oder zum andern Teil. Dies aber muß dann auch noch eine schlimme Folge für den Sinn von »Teilen« oder »Schneiden« haben. Innerhalb des P-Systems kann danach nämlich nicht mehr gelten, es sei eben dieser Punkt, in dem ein Schneiden oder Teilen erfolge. Vielmehr muß hier gelten, dieses Schneiden oder Teilen erfolge neben diesem Punkt in dem Sinn, daß es diesen Punkt hier abhalte von diesem Teil und zuschlage zum andern Teil. Dies aber führt zu einer unhaltbaren Zweideutigkeit des doch eindeutigen Sinns von »Teilen« oder »Schneiden«. Diese nämlich sind zwei sinnverschiedene Begriffe für denselben Vorgang und gerade nicht für zwei verschiedene Vorgänge, von denen einer nach der einen Seite und der andere nach der anderen Seite neben diesem Punkt erfolgen könnte. So jedoch wird vollends aufgedeckt, wie notwendig als ein Ergebnis dieses einen Vorgangs doch die Dreiheit dieser Elemente ist, und wie unlöslich auch noch die unmittelbare Einheit zwischen ihnen bleibt: das Nichts des Zwischen jedem der zwei Teile als zwei Ausdehnungen und dem einen Schnitt als einem Punkt. Aus eben diesem Grund heraus muß jeder solche Punkt als Grenze denn auch notwendig ein Schnittpunkt sein, was daher auch für jede weitere Grenze gelten muß wie eine Linie als Schnittlinie und eine Fläche als Schnittfläche. Nur ist jedes solche Zwischen als die Grenze eben noch ein Etwas, und ein Nichts erst jedes der zwei Zwischen ihr und dem durch sie Begrenzten. Demgemäß gilt dies auch für das Zwischen jeder Form und des durch sie Geformten, was zuletzt jenes Verhältnis der unmittelbaren Einheit zwischen weniger als dreidimensionaler Eigenschaft und dreidimensionalem Ding ist. Jene Schwierigkeit, die Aristoteles hier hat, wird offenkundig, wo er ausnahmsweise auch auf dies Verhältnis zwischen Eigenschaft und Ding zu sprechen kommt. Dort nämlich wird geradezu 41 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

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ersichtlich, daß sie letztlich im Kontinuum-Problem besteht, das bei ihm ungelöst bleibt. Hatte er doch aus Verlegenheit vor ihm zuletzt versucht, jenen Zusammenhang von sich berührendem Diskreten aufzufassen als Zusammenhang eines Kontinuums, was letztlich widersinnig ist. Deswegen strebt er an, den Widersinn so zu vermeiden, daß er, was zunächst das Definierende für die Berührung war, nunmehr als das für ein Kontinuum betrachtet, indem er Berührung jetzt auf einmal davon abweichend zu definieren versucht. Daß sich zwei ausgedehnte Teile dann berühren, wenn die Grenzen von ihnen zu einer Grenze werden, in der die zwei Teile sich berühren, davon trachtet er hier abzugehen, weil er dies dem Kontinuum jetzt vorbehalten will. Statt dessen sollen diese Grenzen bei Berührung solcher Teile nicht mehr eine Grenze sein, sondern als zwei nur noch »zusammen« (»hama«) sein. 27 Das steht mit seiner abwegigen Auffassung von einem Grenzpunkt als zwei Punkten zwar im Einklang, wird nun aber vollends unhaltbar, wenn es auch noch der Sinn einer Berührung zwischen solchen Teilen sein soll. Denn solange deren Grenzen zwei statt eine sind, kann zwischen solchen Teilen auch nur Trennung statt Berührung herrschen, was sich durch das angebliche »hama« als »Zusammen« ihrer Grenzen allenfalls verdecken, aber nicht beheben läßt. Die Unklarheit, die das hier für den Sinn einer Berührung hinterläßt, verschlimmert sich jedoch noch vollends zur Verwirrung. Ausgerechnet dieses »hama« nämlich, dessen Wurzel »ham-« dieselbe Herkunft hat wie »sam-« in »samt«, »zusammen« oder »sammeln«, tritt an einer Stelle auf, wo Aristoteles auch noch auf das Verhältnis zwischen Eigenschaft und Ding zu sprechen kommt. Betont er doch, in Fällen von etwas Geformtem als etwas Begrenztem sei die Form oder die Grenze ausschließlich die des durch sie Begrenzten oder des durch sie Geformten: 28 Eben darin ist sie ja jenes bloß Unselbständige an ihm als etwas 27 28

Vgl. Physik 227 a 10 ff. mit 231 a 21 ff.; dazu Prauss 2015, § 2, S. 62 f. Physik 220 a 22 f.

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Selbständigem. Positiv vermag er das jeweilige Verhältnis zwischen beidem aber eben nur noch dadurch zu bestimmen, daß er sagt, mit dem Geformten oder dem Begrenzten sei die Grenze oder Form jeweils »zusammen« (»hama«). 29 Dies jedoch vollendet die Verwirrung derart, daß man ihr sogar bis heute noch erliegt. Denn beide Stellen hält man für einen Beleg, daß Aristoteles vertritt, die Grenze oder Form »berühre« das durch sie Geformte oder das durch sie Begrenzte. 30 Dazu aber dürften Form und Grenze gar nicht Eigenschaften, sondern müßten selber Dinge oder Teile sein, und vollends wären dadurch beide dann bei Aristoteles verdinglicht. Eben das belegt ergänzend noch die dritte Stelle, wo ihm die Verdinglichung zuletzt auch umgekehrt noch unterläuft: Verfehlt er hier doch sogar noch sein eigenes Modell dafür, indem er ohne jegliches Bedenken sagt, das Erz als Material von einer Statue sei ein Teil von ihr. 31 Denn vollends müßte danach jeweils beides von ihr Teil sein: Grenze oder Form und Material, während recht eigentlich doch keines dieser beiden Teil von ihr sein kann: weder die Grenze oder Form noch auch das Material. Vielmehr kann dem entgegen erst die Statue insgesamt, als das begrenzte oder das geformte Ganze, so ein Teil sein, und entsprechend dann der andere Teil zu ihm ursprünglich auch erst jener Abfall. Hinter jeder solchen Unklarheit, die jeweils zur Verdinglichung zu führen droht, steht aber immer wieder nur die ungelöste Problematik des Kontinuums. Voraussetzung für ihre Lösung wäre nämlich, innerhalb von einem analytischen Modell für das Kontinuum erst einmal angemessen das Problem von ihm zu stellen. Gelingen aber kann nicht einmal dies, solang man nicht einmal auf angemessene Art zur Kenntnis nimmt, was eine Analyse von ihm zum Ergebnis hat. Ergibt sie doch als Physik 212 a 29 f. Vgl. Breidert 1970, S. 11. 31 Physik 207 a 27 f. – In der weiteren Überlieferung verfestigt sich diese Verdinglichung sogar noch dazu, das Verhältnis zwischen Form und Material sei eines der »Zusammensetzung« aus den beiden. So z. B. Thomas von Aquin 2013, I, S. 117, S. 129. 29 30

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Elemente von ihm keineswegs nur immer wieder Teile und auch keineswegs nur immer wieder Grenzen zwischen Teilen, wie man selbst im K-Modell dies schon seit Aristoteles und noch bis heute immer wieder meint. Denn damit bleibt man festgelegt auf diese bloße Vielheit von diskreten Teilen oder von diskreten Grenzen. Diese aber sind etwas Diskretes jeweils nur in dem Sinn, daß dazwischen jeweils etwas liegt, das von der Art des jeweils andern ist. Denn zwischen Teilen liegen immer wieder Grenzen so wie umgekehrt auch zwischen Grenzen immer wieder Teile. Und dies eben weil ursprünglich zwischen Ausdehnungen immer wieder Punkte liegen wie auch zwischen Punkten immer wieder Ausdehnungen. Nur ist das in diesem Sinn Diskrete, als das zwischen Punkt und anderem Punkt bzw. zwischen Ausdehnung und anderer Ausdehnung, dabei durchaus nicht etwa das ursprüngliche Diskrete. Muß doch jedem dieser beiden als ursprüngliches Diskretes vielmehr immer schon das zwischen Punkt und Ausdehnung bzw. Ausdehnung und Punkt zugrunde liegen, so daß jedes dieser beiden nur ein von ihm abgeleitetes Diskretes sein kann. Dieses ursprüngliche aber ist etwas Diskretes, ohne daß dazwischen etwas läge, das ein Etwas von der Art des andern wäre, weil dazwischen vielmehr jenes Nichts liegt, das jene unmittelbare Einheit zwischen ihnen ausmacht. Auf das abgeleitete Diskrete festgelegt zu bleiben: auf das zwischen Teilen gegenüber Teilen oder Grenzen gegenüber Grenzen, heißt daher zurück zu bleiben vor der grundlegenden Einsicht: Es hat jeder Vorgang einer Analyse des Kontinuums recht eigentlich etwas von Grund auf anderes zum Ergebnis: nicht einfach nur eine Vielheit von diskreten Teilen oder Grenzen gegenüber anderen diskreten Teilen oder Grenzen, sondern jeweils die unmittelbare Einheit jedes von genau zwei Teilen mit genau der einen Grenze zwischen ihnen. Führt doch jeder Einzelfall von Analyse, wie er als der eine Einzel-Vorgang ja ein Einzel-Schneiden ebenso wie auch ein Einzel-Teilen ist, zum Einheitlich-Gesamten eben dieser Dreiheit, die das eine Einzel- und Gesamtergebnis von ihm ist. All dies jedoch läßt das Wort »Analyse«, wie schon das Wort 44 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

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»di-hairein« bei Aristoteles, noch immer unanalysiert. Nur umso wichtiger wird deswegen jedoch, gerade analytisch festzuhalten: Was genau ergibt sich denn durch Analyse als das eigentliche analytische Modell für das Kontinuum, wenn man dieses Gesamtergebnis von ihr voll berücksichtigt? Kann doch die analytisch-zugespitzte Antwort darauf auch nur lauten: Einzig angemessenes analytisches Modell für das Kontinuum ist letztlich nur das Nichts des Zwischen jeder Grenze und dem Teil, den sie begrenzt. Ist doch das Zwischen einem Teil und einem andern Teil auch immer Etwas, nämlich mindest eine Grenze, wenn sie sich berühren, und sogar ein Abstand als ein eigener Teil, wenn sie getrennt sind; so wie auch das Zwischen einer Grenze und der anderen stets Etwas ist, sprich: stets ein Teil ist. Zwischen einem Teil und seiner Grenze aber liegt statt Etwas eben Nichts, wonach zuletzt nur dieses Nichts das angemessene, weil analytisch aufgewiesene Modell für das Kontinuum sein kann. Erst unter diesem Nichts als dem Modell für es taucht jenes Etwas auf, das ein Kontinuum im ursprünglichen Sinn ist. Denn jene unmittelbare Einheit, für die solches Nichts steht, muß doch, wenn sie sogar noch für das Diskrete zwischen Teil und Grenze gilt, dann auch erst recht schon für das Undiskrete des Kontinuums von jeder Ausdehnung als solcher gelten. Diese nämlich tritt als solche ja nur jeweils diesseits oder jenseits jeder Grenze auf und dem zuvor als ursprüngliche Ausdehnung sogar noch ohne jede Grenze. Liegt doch so etwas wie Ausdehnung ursprünglich nur als das Kontinuum von Zeit und Raum vor, das von sich her als das schlechthin Unbegrenzte-Grenzenlose jeder seiner Dimensionen nach ins Unbestimmt-Unendliche verläuft. Als Definition für ein Kontinuum in diesem eigentlichen Sinn kann deshalb auch nur jene gelten, 32 daß es ein Zusammenhang mit sich ist statt mit Anderem als sich und somit eben Selbstverhältnis ist statt Fremdverhältnis. Denn dies jeweils zweitere muß vielmehr als Definition für jegliches Diskrete gelten: nicht erst 32

Vgl. oben S. 26.

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für das abgeleitete, sondern sogar auch schon für das ursprüngliche Diskrete. Deren jedes nämlich kann ja allenfalls in dem Sinn ein Zusammenhang sein, daß etwas jeweils mit etwas Anderem als sich zusammenhängt und so in einem Fremdverhältnis zu ihm steht. Muß dies doch in der Tat sogar auch schon für das ursprüngliche Diskrete des Verhältnisses von einem Teil zu seiner Grenze gelten, mag es als das Nichts des Zwischen ihnen auch ihre unmittelbare Einheit sein und so schon das diskrete, analytische Modell für das Kontinuum.

2. Zur Synthese des Kontinuums Nur muß nach einem solchen analytischen Befund sich freilich nochmals und noch dringlicher die Frage stellen: Aus welchem Grund denn bleibt man dann trotzdem noch immer darauf festgelegt, einen Begriff für das Kontinuum nur von diskreten Teilen oder Grenzen her zu finden statt von ihm als solchem selbst her, wo doch jegliches Diskrete auch so klar der Gegensatz zu jeglichem Kontinuum sein muß? Dann reicht als Antwort nämlich nicht mehr aus, das liege daran, daß man dazu eben analytisch vorzugehen versuche, weil vielmehr die Analyse, wenn man sie voll durchführt, vom Diskreten solcher Teile oder Grenzen wegführt und gerade hinführt zum Kontinuum. Seine unmittelbare Einheit von jenem Zusammenhang mit sich als einem Selbstverhältnis nämlich ist es dann, was die unmittelbare Einheit zwischen dem ursprünglichen Diskreten analytisch modelliert, das als das ursprüngliche Fremdverhältnis der ursprüngliche Zusammenhang von etwas ist mit etwas Anderem als sich. Denn dann ist das Diskrete als das Analytische gerade das Modell für das Kontinuum als das Nichtanalytische, was positiv nur heißen kann: Es ist dann das Modell für das Kontinuum als das Synthetische, als das es allem Analytischen oder Diskreten immer schon vorausliegt, weil zugrundeliegt. Zu etwas Analytischem oder Diskretem kommen kann es nämlich immer erst in ihm, weil jede Analyse auch erst immer die von ihm sein kann. 46 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

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Was also ist der Grund dafür, daß man sich trotz all dem noch immer nur an dieses Analytische der bloßen Teile oder Grenzen hält, um dann vergeblich zu versuchen, ausschließlich von ihm her ausgerechnet das Synthetische dieses Kontinuums sich einsichtig zu machen? Das liegt daran, daß man stillschweigend vermeint, man brauche es mit dem Diskreten als dem Gegensatz zu ihm nicht so genau zu nehmen. Habe man doch schon seit Aristoteles gewissermaßen die Erlaubnis dafür, und die sei zugleich auch die Bewahrung davor, mit dem Gegensatz dieses Diskreten zu diesem Kontinuum voll ernst machen zu müssen. Für Beruhigung darüber sorge schließlich Aristoteles mit seiner Einsicht, von den Teilen oder Grenzen des Kontinuums könne dabei doch ohnehin bloß als den »potenziellen« oder »möglichen« die Rede sein, nicht aber als den »aktualen« oder »wirklichen«. Denn von sich selbst her weise das Kontinuum ja weder solche Teile auf noch solche Grenzen. Von sich selbst her sei es dazu vielmehr nur die Möglichkeit, die dazu je und je auch allererst verwirklicht werden muß, und die als diese Möglichkeit dazu auch bis ins Unbestimmt-Unendliche dieses Kontinuums verwirklicht werden kann. 33 Bis heute aber scheint nicht aufzufallen: Auch wenn dieses Lehrstück, so als sei es eine Selbstverständlichkeit, bis heute wiederholt wird, – eine Einsicht ins Kontinuum kann diese Überlegung nicht vermitteln, sondern nur vereiteln, weil sie das Entscheidende an ihm vielmehr verschleiert. Denn durch diese Unterscheidung zwischen »möglichen« und »wirklichen« erzeugt sie erst einmal den Schein, als ob die Teile oder Grenzen als die »möglichen« genauso Teile oder Grenzen wären wie als »wirkliche«. Und so verschleiert sie zunächst, daß sie den Sinn von Teil oder von Grenze für die »möglichen« sich damit vielmehr nur erschleicht. Bloß »wirkliche« sind nämlich Teile oder Grenzen, »mögliche« dagegen alles, nur nicht Teile, und auch alles, nur nicht Grenzen. Und tatsächlich sind ja jene Teile oder Grenzen, an die all jene verfehlten Definitionen fürs Kontinuum 33

Vgl z. B. Metaphysik 1048 a 32 ff.; 1048 b 14 ff. Physik 262 a 21–25.

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sich halten, immer wieder wirkliche, weil auch nur immer wieder zwischen wirklichen die Fremdverhältnisse bestehen, die fürs Kontinuum das Definierende sein sollen, doch nicht sind. Durch diesen angeblichen Sinn von Teilen oder Grenzen als den »möglichen« oder der »Möglichkeit« von ihnen, der ja Sinn dieses Kontinuums sein soll, verschleiert aber jene Unterscheidung dann des weiteren: Diese Möglichkeit von all dem ist dieses Kontinuum jedoch auch nur als eine Wirklichkeit, und zwar auch nur als eine, die gerade nicht die Wirklichkeit von all dem ist, sondern allein die Wirklichkeit von ihm, diesem Kontinuum, als solchem selbst. Als diese nämlich ist es nicht das Fremdverhältnis von einem Zusammenhang der Vielheit zueinander anderer Teile oder Grenzen, sondern dem zuvor ein Selbstverhältnis zu sich selbst als dem Zusammenhang von einer Einheit einer Ausdehnung noch diesseits jeder solchen Vielheit. Beim Kontinuum als jener bloßen Möglichkeit von Teilen oder Grenzen gilt es deshalb auch nicht stehenzubleiben, sondern fortzuschreiten zum Kontinuum als dieser vollen Wirklichkeit, die es als solches selbst ist, um nach ihr als solcher selbst zu fragen. Nur läßt diese Frage sich von Aristoteles her zwar noch stellen, doch nicht mehr beantworten. Ergibt sein K-System als kritisiertes und berichtigtes zuletzt doch nur noch, daß für jenes Negative etwas Positives einzusetzen sei. Denn Aristoteles bleibt dabei stehen, Grenzen des durch sie Begrenzten oder Formen des durch sie Geformten seien jeweils bloß das Un-Selbständige der Eigenschaft an einem Ding als etwas Selbständigem. Das Verhältnis dieses Positiven gegenüber jenem Negativen aber läßt sich innerhalb des K-Systems zuletzt noch umkehren, weil es als das kritisierte und berichtigte ergibt: Als dieses Un-Selbständige an einem Ding ist eine solche Eigenschaft recht eigentlich etwas Abhängiges von diesem Ding. Denn als die Grenze oder Form von ihm ist jede solche Eigenschaft an ihm formal ja eine Fläche als Schnitt-Fläche oder eine Linie als Schnitt-Linie oder ein Punkt als Schnitt-Punkt an ihm und in diesem Sinn sonach auch etwas von ihm Abhängiges. Im Verhältnis dazu wäre demnach etwas Un-Abhängiges nunmehr gerade dieses Ding und so48 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

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mit dieses Ding gerade dasjenige, was sich ontologisch nur noch negativ bestimmen ließe. Und das wäre denn auch in der Tat das Äußerste, was Aristoteles in seinem K-System der Sache nach erreichen könnte. Nur ist freilich nicht zu übersehen: Auch dies kann hier noch nicht das letzte Wort sein, weil das K-System als kritisiertes und berichtigtes des weiteren ergibt: Recht eigentlich ist diese UnAbhängigkeit des Dings doch nur ein Schein, weil er verdeckt, daß diese Un-Abhängigkeit zuletzt vielmehr die des Kontinuums der Ausdehnung sein müßte. Letztlich könnte nämlich auch nur diese oder dieses das sein, was dabei geschnitten wird, wodurch es allererst zu beidem kommt: zum Schnitt als Grenze oder Form wie auch infolge davon dann ineinem damit noch zu dem durch sie Begrenzten als durch sie Geformten. Folglich wäre beides, Grenze oder Form genauso wie durch sie Begrenztes und Geformtes, nur etwas (Gestaffelt-)Abhängiges, also keines etwas Un-Abhängiges. Dergleichen vielmehr könnte demnach nur dieses Kontinuum der Ausdehnung als solches selbst sein, so daß etwas ontologisch nur noch negativ Bestimmbares gerade das Kontinuum der Ausdehnung als solches selbst sein müßte. Und so fragt zuletzt sich eben: Gilt es etwa in der Tat, dieses Ergebnis einfach hinzunehmen? Muß tatsächlich gelten, ausgerechnet das Kontinuum der Ausdehnung von Zeit und Raum sei etwas, das sich ontologisch nur noch negativ und nicht mehr positiv, sprich: letztlich überhaupt nicht mehr bestimmen lasse? Sollte jedes einzelne dieser Kontinua wie auch deren Zusammenhang als ein Kontinuum von ihnen in der Tat nur übrigbleiben können als das ontologisch Unbestimmte und auch Unbestimmbare schlechthin? Daß Aristoteles, der Zeit und Raum nur als etwas Gegebenes und Vorgefundenes betrachtet, dabei stehenbleiben mußte, ja nicht einmal solche Fragen stellen konnte, leuchtet ein. Denn dies auch nur zu fragen, heißt zumindest auch schon zu erwägen: Könnte das Kontinuum der Ausdehnung von Zeit und Raum nicht vielmehr umgekehrt auch seinerseits noch etwas Abhängiges sein statt etwas Un-Abhängiges? Nur müßte das sofort auch 49 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

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noch die weitere Erwägung sein, wovon es denn abhängen könnte, wenn es etwas Abhängiges wäre. Und für eine Antwort darauf käme von dem Analytischen wie Grenze oder Teil, das etwas Abhängiges erst von ihm ist, eben nur noch die unmittelbare Einheit zwischen Teil und Grenze in Betracht: als analytisches Modell für das Kontinuum, das eine solche Einheit dann auch noch als die entsprechende synthetische sein müßte. Diese Frage aber stellt der Sache nach erst Kant, der das Synthetische dieses Kontinuums zurückführen möchte auf eine »Synthese« oder »Synthesis« als die Erzeugung von ihm, die es als gegebenes und vorgefundenes auch noch erklärt. Nur ist die Analyse des Kontinuums durch Aristoteles, die Kant im wesentlichen von ihm übernimmt, gerade das, was Kant bei diesem seinem Unternehmen mehr behindert als befördert. Übernimmt er sie von ihm doch auch nur so, daß er das K-System des Aristoteles unkritisiert und unberichtigt läßt. Deshalb versucht auch er, den Zugang zu diesem Kontinuum von dem Diskreten seiner Teile oder Grenzen her zu finden. Ihm jedoch, der diesen neuen, weiteren Weg zu bahnen trachtet, werden sie hier förmlich zu den Bleigewichten, die ihm kein Vorankommen gestatten. Sind doch auch nur sie zuletzt der Grund dafür: Die »Synthesis« oder »Synthese« als eine Erzeugung, die gerade das Synthetisch-Ursprüngliche des Kontinuums erzeugen soll, nimmt Kant als die »Zusammensetzung« immer wieder fälschlich-wörtlich. Denn in deren Wortsinn wäre die »Synthese« bloß die nachträgliche Umkehrung zur Analyse des Kontinuums. So aber wäre erstere bloß die »Synthese« der durch letztere begrenzten Teile, die sie nicht etwa, um das Kontinuum aus ihnen wiederherzustellen, rückgängig machen könnte, sondern die sie vielmehr beibehalten müßte. Wäre doch genau in diesem Sinn so wie die Analyse auch noch die »Synthese« durch und durch reduktionistisch. Denn zu tun hätten es beide gleicherweise ja nur mit diskreten Elementen wie den Teilen oder Grenzen als dem Abgeleitet-Analytischen, bei dem sie beide stehen blieben, das jedoch dieses Synthetisch-Ursprüngliche des Kontinuums bereits voraussetzt statt erzeugt. Und in der Tat kann die »Zusammenset50 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

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zung« von begrenzten Teilen allenfalls einen Zusammenhang von Sich-Berührendem ergeben als ein Fremdverhältnis zwischen zueinander Anderem, nicht aber den Zusammenhang eines Kontinuums von einer Ausdehnung als einem Selbstverhältnis zu sich selbst. Und so verfehlt Kant eben ausgerechnet das, was ihn zu dem führen könnte, das ihm dabei vorschwebt, nämlich das Subjekt, wie es sich zu diesem Kontinuum als Selbstverhältnis selbst erzeugt. Wie also ließe sich vom Analytischen her zur Synthese des Synthetischen von ihm ein Zugang finden, der sie in den Griff bekommt, indem er den Begriff von ihr gewinnt? Was läßt sich aus dem Analytischen des K-Modells, wenn man es als das kritisierte und berichtigte zugrundelegt, für die Synthese des synthetischen Kontinuums doch immerhin noch folgern, so daß man es wenigstens noch für sie fordern kann, ja nicht nur kann, sondern auch muß? Zwar kann das einzig angemessene analytische Modell für das Kontinuum nur jenes Nichts als das Unmittelbare jener Einheit zwischen Teil und seiner Grenze sein; doch heißt das nicht sogleich, daß diese beiden, nur weil sie jenes ursprüngliche Diskrete zueinander sind, für ein Begreifen des Kontinuums von vornherein schon auszuscheiden hätten. Schließlich ist doch diese Einheit die unmittelbare auch gerade zwischen ihnen, so wie dieses Nichts gerade auch das zwischen ihnen ist, was insgesamt bedeutet: jeweils zwischen jedem der zwei Teile und der einen Grenze zwischen ihnen. Demgemäß gehören sie zu dieser Einheit mit hinzu, weswegen diese insgesamt als Einheit ihrer Dreiheit jeweils auch das einheitliche, einzige Gesamtergebnis jeder Analyse ist. Jedoch als Analyse des Kontinuums, die Schneidung oder Teilung von ihm ist, kann sie aus ihm nur das zutage fördern, was dann auch in ihm enthalten sein muß. Und so ist zu folgern und zu fordern: Dann muß alles, was deren Gesamtergebnis jeweils mit sich bringt, in irgendeinem Sinn zum inneren Aufbau des synthetischen Kontinuums auch mit hinzugehören, da letztlich er es ist, aus dem sie es herauslöst, indem sie ihn auflöst. Und so gilt es angesichts der Einheit dieser Dreiheit eben noch einmal zu fra51 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Noch einmal zum Kontinuum

gen: Was genau gehört dann erst zu diesem analytischen Ergebnis einer Analyse des Kontinuums, und was gerade nicht, weil es vielmehr schon zum synthetischen Ergebnis der Synthese des Kontinuums gehört? Liegt doch die Antwort darauf auch nicht einfach auf der Hand, nicht einmal, wenn man dazu ausgeht vom Ursprünglich-Einfachen der eindimensionalen Linie mit einem Punkt als einer Grenze und zwei Ausdehnungen als zwei Teilen. Denn dann kann, daß es jeweils um Ausdehnung sich handelt, dabei nicht erst zu dem Analytischen dieses Kontinuums gehören, weil das vielmehr schon zu dem Synthetischen von ihm gehört. Ist es doch auch die ungeteilte oder ungeschnittene Ausdehnung als das Kontinuum der Linie, die durch Analyse dann geteilt oder geschnitten wird. Und dadurch wird sie eben zu der Ausdehnung des einen Strahls im Unterschied zu der des andern, wie ihn die Geometrie nennt, um ihn von der Linie zu unterscheiden. Nicht, daß es dabei um Ausdehnung sich handelt, kann sonach erst zu dem Analytischen dieses Ergebnisses gehören, denn das muß vielmehr schon zum Synthetischen der Linie gehören. Zu dem Analytischen dieses Ergebnisses kann vielmehr nur gehören, daß es dabei um zwei Ausdehnungen sich handelt, während es bei dieser Linie um eine Ausdehnung sich handelt. Gegenüber dieser Einheit dieser einen Ausdehnung der einen Linie also kann nur jene Zweiheit jener zwei Ausdehnungen jener zwei Strahlen zu dem Analytischen dieses Ergebnisses gehören. Und dennoch muß in irgendeinem Sinn auch eine solche Zweiheit schon zu dem Synthetischen der Einheit jener einen Ausdehnung der einen Linie gehören, weil es ja deren Analyse ist, die jene Zweiheit von zwei Ausdehnungen der zwei Strahlen zum Ergebnis hat. Denn das ist dann zu folgern und zu fordern, mag sich diese Zweiheit angesichts der Einheit dieser einen Ausdehnung der einen Linie zunächst auch noch so sehr verbergen. Fragen muß sich deshalb auch, in welchem Sinn das trotzdem gelten müßte für die Linie als Kontinuum, weil es zu folgern und zu fordern ist, nämlich aus ihm zu folgern und mithin für es zu fordern. Eine Antwort darauf liegt jedoch erst recht nicht auf der 52 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Zur Synthese des Kontinuums

Hand, wenn man in diese Art der Überlegung auch den Punkt noch einbezieht, der als die Grenze zwischen ihnen ja auch in der Tat mit den zwei Ausdehnungen noch mitauftritt. Hat all das, was hinsichtlich von Ausdehnung als jener einen oder diesen zweien gelten muß, entsprechend auch für diesen Punkt zu gelten? Kann auch dies, daß es dabei um einen Punkt sich handelt, nicht erst zu dem analytischen Ergebnis einer Analyse des Kontinuums gehören, weil auch dies vielmehr schon zum synthetischen Ergebnis der Synthese des Kontinuums gehören muß? Davon kann keine Rede sein. Weist das Kontinuum der Linie doch im Unterschied zu jener einen Ausdehnung, die sie ja selber ist, gerade keinen Punkt auf. Dieser eine Punkt, wie er durch Analyse aus der einen Ausdehnung der Linie hervorgeht, kann darum sehr wohl erst zu dem analytischen Ergebnis einer Analyse des Kontinuums gehören: Im analytischen Zusammenhang mit diesem Analytischen ist dann gerade diese Einheit dieses einen Punktes das, was jener Zweiheit jener zwei Ausdehnungen entspricht. Denn im synthetischen Zusammenhang mit dem Synthetischen der Linie entspricht die Einheit dieses einen Punktes ja der Einheit jener einen Ausdehnung, die keinen Punkt aufweist und die zu zwei Ausdehnungen erst wird durch diesen einen Punkt. Zu diesen zweien aber kommt es dadurch immerhin aus einer Ausdehnung heraus, zu diesem einen Punkt dagegen käme es dadurch aus keinem Punkt heraus, was folglich als ein wahres Wunder gelten müßte. Ja sogar noch wunderbarer müßte dieses für sich selbst schon wahre Wunder werden: Nicht nur käme es dadurch aus keinem Punkt heraus zu einem Punkt, sondern sogar auch noch aus einer Ausdehnung heraus zu einem Punkt. Das heißt: Es käme ausgerechnet aus dem Einen einer Ausdehnung heraus, die anscheinend doch das von Grund auf Andere zu einem Punkt ist, zu dem Einen eines Punktes. Und dies alles eben wohlgemerkt durch bloße Analyse des synthetischen Kontinuums, die dann auch nur als Analyse-Wunder gelten könnte. Dem entgegen gilt es daran festzuhalten, daß es doch auch hier, zumal bei bloßer Analyse, nur mit rechten Dingen zugehen 53 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

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kann. Und so wird man erst recht vertreten müssen, daher sei vielmehr aus dem Kontinuum zu folgern und mithin für das Kontinuum zu fordern: Dann muß nicht nur eine solche Zweiheit, die bei seiner Analyse als die Zweiheit von zwei Ausdehnungen auftritt, auch in irgendeinem Sinn schon zum Synthetischen dieses Kontinuums gehören; dann muß vielmehr auch noch eine solche Einheit, die bei seiner Analyse als die Einheit eines Punktes auftritt, auch in irgendeinem Sinn schon zum Synthetischen dieses Kontinuums gehören. Ist man mit diesen Überlegungen hier angelangt, ist man denn auch in einer Lage, wo der Nachdruck solcher Überlegungen den Blick auf das Kontinuum der Linie noch weiter schärft. Entsprechend hält man Ausschau, ob nicht doch noch etwas davon an der Linie sich finden läßt. Und siehe da: Dann fällt an ihr auf einmal auf, was sonst an ihr gerade unauffällig bleibt. So ist zum Beispiel die gesuchte Zweiheit an ihr gar nicht so verborgen, daß sie weiter unauffällig an ihr bleiben müßte, weil man sie vielmehr, wenn man sie an ihr sucht, an ihr auch findet. Förmlich offenkundig nämlich wird dann: So gewiß die Linie das Eine als die Einheit jeweils einer Ausdehnung ist, so gewiß ist sie als diese Einheit doch die Einheit einer Zweiheit von zwei Seiten dieser Ausdehnung, von denen, zählt man sie als zwei, auch jede ihrerseits nur Ausdehnung sein kann. Denn eine Linie verläuft – im Unterschied zu einem Strahl, der einseitig ins Unbestimmt-Unendliche verläuft – ja zweiseitig ins Unbestimmt-Unendliche, so daß auch jede von ihren zwei Seiten nur als Ausdehnung ins UnbestimmtUnendliche verlaufen kann. Daß eine Analyse einer solchen Linie diese Zweiheit von ihren zwei Seiten dadurch aufdeckt, daß sie diese Zweiheit zu der von zwei Strahlen macht, ist denn auch alles andere als ein AnalyseWunder. Denn so fördert sie auch nur zutage, was zum inneren Aufbau einer räumlich-eindimensionalen Linie hinzugehört. So nämlich löst sie, indem sie ihn auflöst, auch tatsächlich nur aus ihm heraus, was an dem inneren Aufbau einer Linie in der Tat beteiligt ist. Jedoch beteiligt ist es an ihm eben nur als dem unaufgelösten Aufbau und mithin auch nur als aus ihm nichther54 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

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ausgelöstes Aufbauglied des Ganzen einer Linie. Bestehen kann er somit nur, solang noch keine Analyse des Synthetischen der Linie erfolgt, solang vielmehr allein Synthese des Synthetischen von ihr erfolgt. Sobald hingegen Analyse des Synthetischen der Linie erfolgt, tritt an der Stelle, wo sie ansetzt, an die Stelle des Synthetischen dann das entsprechend Analytische. Das heißt: Es treten an der Stelle, wo die Analyse ansetzt, an die Stelle einer Linie mit zwei Seiten die zwei Strahlen, die an dieser Stelle diese eine Linie auflösend ersetzen. Was diese zwei Strahlen auflösend ersetzen, ist daher auch nicht nur diese eine Linie, sondern sind auch die zwei Seiten dieser einen Linie. Denn als die zwei Strahlen sind sie jetzt auch nicht mehr bloße Glieder eines Ganzen, die sie vordem waren, sondern nunmehr nur noch Teile einer bloßen Summe, die dann höchstens noch ein Doppel-Strahl sein kann, doch nicht mehr eine Linie mit zwei Seiten. Und so fragt sich demnach erstmals dringlich, wie denn die Synthese des Synthetischen der Linie als Kontinuum erfolgen könnte, wenn die Analyse von ihm ausgerechnet all dies Analytische zu ihm herbeiführt. Denn der Nachdruck dieser Überlegungen, die hierzu führen, verstärkt sich weiter, wenn man auch den Punkt noch einbezieht. Gehört der Punkt zu diesem Analytischen ja mit hinzu, jedoch zu dem entsprechenden Synthetischen gerade nicht, so scheint es. Dann verschärft sich nämlich auch der Blick auf das Kontinuum der einen Linie noch weiter, die so offenkundig doch zwei Seiten hat. Denn mögen sie als zwei auch noch so offenkundig sein, – um sich als solche auch nur zählen zu lassen, müßten sie als solche sich erst einmal unterscheiden lassen. Jeglicher Versuch dazu muß aber kläglich scheitern. Müßte er doch dahin gehen, zum Beispiel aufzuweisen, wo die eine Seite dieser einen Linie anfängt und die andre Seite aufhört, oder umgekehrt, wie das beim einen oder andern der zwei Strahlen ohne weiteres möglich ist. Das ist es aber eben nur, weil es den Punkt, der das ermöglicht, zwischen den zwei Strahlen gibt, den zwischen den zwei Seiten aber nicht, der das mithin auch nicht ermöglicht. Dann jedoch stellt sich nur umso dringlicher die Frage: Was 55 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

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denn sonst soll dies ermöglichen, wo doch die Zweiheit der zwei Seiten innerhalb der Einheit einer Linie derart offenkundig ist? Das ist sie aber eben, ohne daß es zwischen den zwei Seiten diesen Punkt gibt, dessen Fehlen diese Offenkundigkeit ihrer zwei Seiten folglich nicht im mindesten verringert. Hat dann also etwa ausgerechnet hier auch in der Tat zu gelten, daß die Analyse, die aus keinem Punkt heraus zu einem Punkt führt, nur ein Analyse-Wunder sein kann? Ausgerechnet hier, wo diese Analyse, die zugleich aus den zwei Seiten die zwei Strahlen macht, durchaus kein Analyse-Wunder ist, und wo die unlösbare Einheit dieser Dreiheit doch auch jeweils nur ein einziges Gesamtergebnis solcher Analyse ist? Sollte dann ausgerechnet dieser eine Punkt, der innerhalb der Einheit dieser Dreiheit jeweils ihre Mitte ist, von der die Zweiheit dieser Dreiheit jeweils abhängt, nur noch als Ergebnis eines Analyse-Wunders gelten können? Das zu glauben, dürfte schwerfallen. Denn der Nachdruck dieser Überlegungen, der sich zum Druck auf diesen einen Punkt nunmehr verdichtet, zwingt dann vielmehr gleichfalls zu der Folgerung und Forderung: In irgendeinem Sinn muß auch noch so ein Punkt schon zum Synthetischen der Linie als Kontinuum gehören, womit alles wieder beieinander wäre. Danach nämlich müßte das Gesamte dieser Dreiheit aus der Zweiheit von zwei Ausdehnungen und der Einheit eines Punktes als der Mitte zwischen ihnen auch schon zum Synthetischen der Linie als Kontinuum gehören: mitsamt jener Unmittelbarkeit jeder der zwei Ausdehnungen zu dem einen Punkt dazwischen. Denn durch nichts von all dem könnte sich die eine Dreiheit von der andern Dreiheit unterscheiden. Damit aber spitzen diese Überlegungen zuletzt sich dahin zu: Worin denn könnten, wie sie es doch müßten, die Synthese und die Analyse des synthetischen Kontinuums sich überhaupt noch voneinander unterscheiden, wenn doch jede so eine unmittelbare Einheit von drei solchen Elementen zum Ergebnis haben muß? Kann doch für eine Antwort darauf dann auch keines davon mehr als solches selbst in Frage kommen: weder eines dieser Elemente, noch auch deren Dreiheit aus der Zweiheit von zwei Ausdehnun56 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

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gen und der Einheit eines Punktes, noch auch die Unmittelbarkeit jeder der zwei Ausdehnungen zu dem einen Punkt inmitten. Denn in Frage kommen können dafür dann vielmehr auch nur noch die jeweiligen Verhältnisse dazwischen. Nur noch diese nämlich könnten dann den Unterschied erklären, der zwischen der Synthese und der Analyse des synthetischen Kontinuums bestehen müßte. Diesem Unterschied entsprechend könnten dann diese Verhältnisse dazwischen bei Synthese und bei Analyse des synthetischen Kontinuums auch nur noch zueinander umgekehrte sein; und zwar in dem Sinn, daß die Analyse des synthetischen Kontinuums auch nur noch eine Umkehrung dieser Verhältnisse in ihm ergeben könnte. Folglich müßten sie als die ursprünglichen Verhältnisse aus den durch Analyse abgeleiteten, weil umgekehrten, sich durch deren Rückumkehrung einsehen lassen. Dies vorausgesetzt, fragt sich daher als erstes: Was im einzelnen genau ist das, wozu die Analyse umkehrt, so daß faßbar wird, woraus sie dazu umkehrt, letztlich also, was sie dazu umkehrt? Schritt für Schritt betrachtet, kommt hier nämlich einiges zusammen. Auszugehen ist dazu wieder vom synthetischen Kontinuum der Linie, um zu fragen: Was genau erfolgt, wenn deren Ausdehnung, die nichts als Ausdehnung in dem Sinn ist, daß sie noch ungeteilt und ungeschnitten ist, geteilt oder geschnitten wird? Ist doch die Antwort darauf alles andere als einfach, jedenfalls bei weitem nicht so einfach, wie sie in der Regel formuliert wird. Denn selbst wenn man sich dafür beschränkt auf Schneiden, weil es als ein Vorgang ja dasselbe ist wie Teilen, kann die Antwort keineswegs nur einfach lauten: Wozu solches Schneiden führe, seien eben dieser eine Punkt als Schnittpunkt und die zwei Ausdehnungen als die durch ihn geschnittenen. Ist das als Antwort doch auch nicht allein zu einfach, sondern sogar falsch. Ge-schnitten nämlich wird dabei ausschließlich jene eine ungeschnittene Ausdehnung der Linie. Dagegen sind der eine Punkt und die zwei Ausdehnungen vielmehr gleicherweise das, was durch das Schneiden erst er-schnitten wird, das heißt, durch Schneiden erst erzielt wird. Alle drei sind also gleicherweise erst 57 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

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Ergebnis dieses Schneidens, während das, wodurch dieses Ergebnis erst erzielt wird, gleicherweise dieses Schneiden als ein Vorgang ist. Durchaus nicht also ist es dieser eine Punkt, wodurch es zu zwei Ausdehnungen kommt. Denn der ist keineswegs ein Vorgang, sondern seinerseits schon ein Ergebnis eines Vorgangs, auch wenn diesem einen Punkt im Rahmen vom Gesamtergebnis dieses Vorgangs dann ein Vorrang zukommt vor den zwei Ausdehnungen. Ein Schnittpunkt ist ein solcher Punkt daher auch nicht etwa im Sinn von Schneidepunkt, als wäre er der Schneidevorgang, sondern nur im Sinn von Schnittpunkt als Ergebnis eines Schneidevorgangs, das von den zwei anderen Ergebnissen im Rahmen des Gesamtergebnisses sich unterscheidet. Worauf es hier ankommt, ist denn auch die strenge Unterscheidung zwischen einem Vorgang und einem Ergebnis dieses Vorgangs: also zwischen dem, wozu es dabei kommt, und dem, wodurch es dazu kommt. Denn auch nur so läßt das Wozu als das Ergebnis sich genau bestimmen, um dann auch jenes Woraus noch einzusehen, aus dem die Analyse als der Vorgang zu diesem Ergebnis führt, das als Wozu die Umkehrung zu dem Woraus sein soll. Und das ist immerhin der Unterschied zwischen dem Vorgang als etwas Dynamischem und etwas Statischem als dem Ergebnis dieses Vorgangs, was im einzelnen sich überprüfen läßt. So führt etwa bei jener Linie ein Fall von Analyse als Dynamik eines Vorgangs zu der Statik jenes einen Punktes und jener zwei Strahlen mit dem einen Punkt dazwischen. Dadurch ist hier jedes von den dreien etwas Statisches in dem Sinn, daß es etwas FertigAbgeschlossenes ist, das als Ergebnis feststeht. Wohlgemerkt gilt all dies aber eben auch nur hier. Denn darüber hinaus verläuft ja jeder der zwei Strahlen, so wie jede der zwei Seiten jener Linie, ins Unbestimmt-Unendliche. Infolgedessen kann er darüber hinaus gerade nirgends etwas Statisches, weil Fertig-Abgeschlossenes sein, das als Ergebnis feststeht. Ein Verlauf ins UnbestimmtUnendliche muß jeder solche Strahl daher in dem Sinn sein, daß er dies vielmehr als das rein Dynamische von einem reinen Vorgang ist, der nicht in ein Ergebnis mündet und dort endet, sondern eben endlos weitergeht. 58 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

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Entsprechendes gilt aber auch für einen zweiten, zusätzlichen Einzelfall von Analyse, der zur Statik eines zweiten, zusätzlichen Punktes führt. So nämlich führt dies dann zusammen mit dem andern Punkt zur Statik einer Strecke, wodurch die zwei Strahlen, die im ersten Fall sich in dem ersten Punkt berühren, hier im zweiten Fall getrennt sind. Denn statt eines bloßen Punktes liegt hier mit ihren zwei Punkten diese eine Strecke als ein Abstand zwischen diesen beiden Strahlen, deren jeder nunmehr nur noch diese Strecke in dem einen oder andern Punkt berührt. Und jeder neue, zusätzliche Einzelfall von Analyse führt Vergleichbares herbei. In jedem solchen Fall jedoch bleibt es bei den zwei Strahlen, welche den zwei Seiten jener Linie entsprechen, die all dem zugrunde liegt und liegen muß, weil ja nur deren Analyse all dies zum Ergebnis haben kann. Auch jedes von all dem ist daher etwas Statisches in dem Sinn, daß es etwas Fertig-Abgeschlossenes ist, das als Ergebnis feststeht. Wohlgemerkt jedoch gilt das auch hier nur für all dies. Denn darüber hinaus verläuft auch hier ja jeder der zwei Strahlen, so wie jede der zwei Seiten jener Linie, ins Unbestimmt-Unendliche. Deswegen kann er darüber hinaus gerade nirgends etwas Statisches sein, sondern nur das rein Dynamische von reinem Vorgang. Letzteres jedoch muß dann erst recht für das synthetische Kontinuum der Linie gelten, woraus diese Analyse zu dem Statischen von all dem zwischen den zwei Strahlen führt. Muß dann doch nicht erst jeder der zwei Strahlen als ins Unbestimmt-Unendliche verlaufender das rein Dynamische von einem reinen Vorgang sein. Dann kann vielmehr erst recht schon das ins Unbestimmt-Unendliche verlaufende synthetische Kontinuum der einen Linie mit ihren zwei Seiten nur das rein Dynamische von einem reinen Vorgang sein, der nicht in ein Ergebnis mündet und dort endet, sondern eben endlos weitergeht. Gleichwohl jedoch, ja eigentlich gerade darin ist dieses Kontinuum der Linie fortlaufend Synthese von etwas Synthetischem, das dennoch nicht etwa im Unterschied zu ihr ein statisches Ergebnis von ihr sein kann. Vielmehr muß dieses Synthetische in Einheit mit dieser Synthe-

59 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

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se auch wie sie noch selbst ein solches rein Dynamische von einem reinen Vorgang sein. Auf jene Frage nach jenem Woraus der Analyse lautet eine erste Antwort demnach: Das Woraus der Analyse, aus dem sie zu dem Ergebnis jener Dreiheit als Wozu der Analyse führt, muß folglich auch genau von dieser Art reiner Dynamik reinen Vorgangs sein. Gerade dies Dynamische ist somit das, was durch die umkehrende Analyse, die ja ihrerseits Dynamik eines Vorgangs ist, zu jenem nur noch Statischen gemacht wird, das sie zum Ergebnis hat. Infolgedessen ist sie dadurch als Dynamik eines Vorgangs nicht mehr eine reine eines reinen Vorgangs. Doch sehr wohl muß das jene ursprüngliche Synthese des synthetischen Kontinuums der Linie sein, was durch die Rückumkehrung dieses Analytisch-Umgekehrten einsehbar ist. Jenes rein Dynamische von reinem Vorgang aber müßte dann auch noch für jenes Subjekt gelten, das nach Kant sich zu diesem Kontinuum als Selbstverhältnis selbst erzeugt. Dies festzuhalten ist von Wichtigkeit, weil es als einziges eine Verdinglichung des Unbestimmt-Unendlichen verhindern kann, in das all dies Dynamische verläuft. Sie läßt sich nämlich nicht vermeiden, indem man hier abermals mit Aristoteles bloß ausweicht: Etwas Unbestimmt-Unendliches sei dieses ja nur potenziell oder der Möglichkeit nach, doch nicht aktual oder der Wirklichkeit nach. Denn gerade dies Dynamische ist all das sogar insbesondere als eine Wirklichkeit der Wirksamkeit, und so ist es auch als Agieren eines Subjekts etwas Aktuales. Man verdinglicht es daher auch überhaupt nicht dadurch, daß man es als aktuale Wirklichkeit der Wirksamkeit dieses Agierens anerkennt. Vielmehr verdinglicht man es nur, wenn man diese Dynamik von all dem verkennt als eine Statik, so daß man aus dem dynamischen Subjekt ein statisches Objekt macht, als das etwas Unbestimmt-Unendliches nur unverständlich bleiben kann. Denn weder läßt dieses Subjekt sich als das Statische einer Substanz verstehen, wie etwa bei Descartes als die res cogitans; noch läßt sich das, wozu dieses Subjekt sich selbst erzeugt: das Unbestimmt-Unendliche seiner Synthese zum synthetischen Kon60 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

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tinuum, verstehen als das Statische von etwas Fertig-Abgeschlossenem, das als Ergebnis feststeht. Nur hat freilich, all dies auch tatsächlich festzuhalten, seine Schwierigkeit, die sich nicht ohne einiges an Aufwand überwinden läßt. Erfordert es doch einen Zugriff auf dies rein Dynamische, um es als solches zu begreifen durch einen Begriff, und der gleichwohl dessen Dynamik nicht zu einer Statik stillstellt. Erstere im Sinn ihres Begriffes festzuhalten, heißt vielmehr, ihn so zu bilden, daß er das Dynamische dieser Dynamik aufrechthalten und entfalten kann und nicht durch etwas Statisches verfälschen oder gar ersetzen muß. Dann ist die Aufgabe, diesen Begriff zu bilden, nämlich gleichbedeutend mit der weiteren Folgerung und Forderung: Auch das Verhältnis zwischen den drei Elementen, das bei Analyse des synthetischen Kontinuums ein statisches Verhältnis zwischen ihnen ist, kann bei Synthese des synthetischen Kontinuums dann seinerseits nur ein dynamisches Verhältnis zwischen ihnen sein, weil ja auch nur das zu ihm umgekehrte zwischen ihnen. Und so fragt sich eben: Wie denn könnte das Verhältnis zwischen den zwei Ausdehnungen und dem einen Punkt, das analytisch ja das statische Verhältnis zwischen ihnen ist, synthetisch als dynamisches Verhältnis sich begreifen lassen? Um das zu beantworten, gilt es noch einmal beim synthetischen Kontinuum der einen Linie anzusetzen, die als die Dynamik einer reinen Ausdehnung ins Unbestimmt-Unendliche verläuft. Sie nämlich ist es, die der Schritt von der Synthese zu der Analyse des synthetischen Kontinuums der Linie betrifft. Erfolgt er doch auch wie mit einem Schlag, indem aus ihrer einen reinen Ausdehnung heraus durch deren Schneiden jeweils jener eine Punkt als Schnittpunkt sich ergibt, was dann ineinem damit auch noch die zwei Strahlen als zwei Ausdehnungen nach sich zieht. Genau in diesem Sinn muß dieser eine Schnittpunkt als Ergebnis-Punkt des Analyse-Vorgangs somit auch ein solcher sein, der abhängig von dieser einen reinen Ausdehnung ist. Denn zu ihm als einem solchen Schnittpunkt kommen kann es durch die Analyse doch auch nur, weil es zunächst durch die Synthese zu der 61 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

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einen reinen Ausdehnung der Linie kommt, die schneidbar ist. Dann aber ist daraus zu folgern und dafür zu fordern: Also müßte so ein Punkt, der auch schon zum Synthetischen der Linie gehören muß, ein Punkt sein, von dem vielmehr umgekehrt die Ausdehnung abhängen müßte, die ja gleichfalls zum synthetischen Kontinuum der Linie gehören muß. Daraus zu folgern und dafür zu fordern ist sonach: Dann muß die Linie entgegen ihrem ersten Anschein, den sie als die eine reine Ausdehnung erweckt, tatsächlich eine innere Gliederung besitzen, worauf die zwei Seiten dieser Linie ohnehin schon hindeuten. Sonst könnte nämlich nicht verständlich werden, was denn eigentlich sich umkehren lassen soll, so daß durch dessen Umkehrung sich jenes statische Verhältnis zwischen den zwei Ausdehnungen und dem einen Punkt ergibt. Denn auf das bloße Äußere der Linie als solches selbst bezogen, das doch als die eine reine Ausdehnung von ihr zunächst einmal den Anschein eines Ungegliederten erweckt, kann das nur unverständlich bleiben. Läßt sich unter deren Umkehrung doch auch nicht dies verstehen, die Linie bloß zu drehen oder bloß ihre zwei Seiten zu vertauschen, weil auch das nicht dieses statische Verhältnis zum Ergebnis haben kann. Und so bleibt auch tatsächlich nur zu folgern und zu fordern: Demnach müßte so ein Punkt, der auch zur inneren Gliederung der einen reinen Ausdehnung als dem synthetischen Kontinuum der Linie schon gehören muß, gerade umgekehrt ein Punkt sein, von dem deren eine reine Ausdehnung abhängig ist. In Umkehrung zu jener statischen Abhängigkeit des Punktes von der Ausdehnung dagegen wäre diese Abhängigkeit dieser Ausdehnung von diesem Punkt nunmehr auch notwendig eine dynamische, die jenen für sie eigentümlichen Begriff erfordert. Könnte sie eine dynamische Abhängigkeit doch dann auch nur noch in dem Sinn einer Gesamtdynamik sein, in deren Einheit die Dynamik dieser Ausdehnung von der Dynamik dieses Punktes abhängig sein müßte. Eben nur noch das Synthetische einer Synthese als einer Erzeugung einer solchen Ausdehnung aus einem solchen Punkt heraus könnte sie sein: Erzeugt die Analyse 62 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

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als Dynamik aus der einen Ausdehnung heraus je einmalig den einen Punkt und die zwei Ausdehnungen als ein analytisch-statisches Ergebnis, so auch nur, weil die Dynamik der Synthese ihr vorweg aus einem Punkt heraus die eine zweiseitige Ausdehnung erzeugt als Vorgang. Und der hält als das Synthetische dieser Synthese das Dynamische ihrer Dynamik immer weiter aufrecht. Der Begriff dafür, der all dieses Dynamische genau erfassen und zugleich als solches selbst auch noch getreu bewahren müßte, wäre somit einer, der dadurch dann das Subjekt erschließen müßte, wie es als diese Dynamik auftritt, wenn es in die Welt tritt. Freilich könnte man bezweifeln wollen, daß es seine Eigentümlichkeit in der Dynamik dieser Abhängigkeit einer Ausdehnung von einem Punkt besitzen müßte, nämlich mit dem Hinweis: Diese Abhängigkeit sei so eigentümlich für das Subjekt doch durchaus nicht, weil sie vielmehr wiederkehre als die Abhängigkeit einer jeden der zwei Ausdehnungen von dem einen Punkt, der Schnittpunkt zwischen ihnen sei. Und als Erwiderung auf diesen Einwand bliebe nur, zu wiederholen: Hier könne es sich nur noch um ein bloßes abgeleitet-statisches Verhältnis zwischen ihnen handeln, während es sich dort schon um ein ursprünglich-dynamisches Verhältnis zwischen ihnen handeln müßte, was als Gegenhinweis dann nicht mehr genügen kann. So aber wird dies zur willkommenen Herausforderung, auf einen Begriff zu bringen, der zuletzt voll zuspitzt: Worin eigentlich genau besteht denn dieses bloße abgeleitet-statische Verhältnis zwischen ihnen, das durch seine Umkehrung dann auch zur letzten eigentlichen Einsicht in das ursprünglich-dynamische Verhältnis zwischen ihnen noch verhilft? Genau betrachtet nämlich ist das abgeleitet-statische Verhältnis von dem ursprünglich-dynamischen noch nicht einmal ein schwacher Abglanz, weil recht eigentlich nur noch der Schein, der vollends es verdeckt. Der einzige Begriff, der dieses abgeleitet-statische Verhältnis zwischen Punkt und Ausdehnung voll trifft, ist denn auch, daß hier Punkt und Ausdehnung gesondert voneinander sind: Ein jeder Fall der Analyse jener einen reinen Ausdehnung der Linie 63 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

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erfolgt sonach als eine Sonderung von Punkt und Ausdehnung, so daß dadurch gesondert wird, was in Gestalt der Linie ungesondert bleibt, sprich: Punkt und Ausdehnung. Daß dieses Wort als der Begriff dafür etwas Besonderes daran hervorhebt, wird verständlich, wenn man festhält: »Sonderung« oder »gesondert« können hier gewiß nicht »Trennung« und »getrennt« bedeuten, denn dies trifft für das Verhältnis zwischen Punkt und Ausdehnung hier gar nicht zu. Nicht einmal eine Grenze nämlich liegt hier zwischen Punkt und Ausdehnung, weshalb hier auch erst recht kein Abstand zwischen ihnen liegen kann, weil zwischen Punkt und Ausdehnung hier vielmehr jenes Nichts ihrer unmittelbaren Einheit miteinander liegt. Doch trotz dieser unmittelbaren Einheit, ja gerade innerhalb von ihr sind Punkt und Ausdehnung hier eben streng gesondert voneinander. Ja sie prangen förmlich in ihrer Gesondertheit, weil sie in ihr jenes ursprüngliche Diskrete zueinander sind, das sich begrifflich auch genau bestimmen läßt. Denn wo hier Punkt auftritt, dort tritt nicht Ausdehnung auf, und wo Ausdehnung auftritt, dort tritt nicht Punkt auf. Umso mehr muß freilich auch zunächst einmal befremden, wenn zuletzt sonach daraus zu folgern und dafür zu fordern ist: Dann müßten Punkt und Ausdehnung in der Gestalt der einen reinen Ausdehnung der Linie also ungesondert voneinander sein, wenn jede Analyse einer solchen Linie eine Sonderung von ihnen aus ihr vornimmt, wodurch jedes von dem anderen gesondert aus ihr auftritt. Müßte so doch nicht nur dieser Punkt von dieser Ausdehnung hier ungesondert sein, der hier denn auch noch gar nicht auftritt; vielmehr müßte umgekehrt auch diese Ausdehnung von diesem Punkt hier ungesondert sein, die hier jedoch sehr wohl schon auftritt. Denn daraus zu folgern und dafür zu fordern wäre dann zuletzt auch noch genau das Umgekehrte zu dem Vorigen, weil hier für jede Stelle dieser einen reinen Ausdehnung der Linie dann gelten müßte: Wo hier Ausdehnung auftritt, dort tritt auch Punkt auf, und wo demgemäß hier Punkt auftritt, dort tritt auch Ausdehnung auf. Doch befremden kann dies nur, solang man hier nicht mit be64 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

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rücksichtigt, daß solches Auftreten hier auch nur das einer Dynamik der Synthese von etwas Synthetischem sein kann, die als Gesamtdynamik die Dynamik dieses Punktes ebenso umfassen muß wie die Dynamik dieser Ausdehnung. Denn auch nur als eine Dynamik muß dann diese Ausdehnung hier abhängig von diesem Punkt sein als einer Dynamik dieses Punktes, die Synthese als Erzeugung solcher Ausdehnung aus solchem Punkt heraus sein muß. Sobald man dies hier voll berücksichtigt, befremdet nämlich ganz und gar nicht mehr, daß solche Ausdehnung dann auch von solchem Punkt noch ungesondert sein muß, sowie umgekehrt, daß solcher Punkt dann auch von solcher Ausdehnung noch ungesondert sein muß. Nie und nimmer nämlich könnte solche Ausdehnung hervorgehen aus solchem Punkt heraus, wenn sie von ihm bzw. er von ihr gesondert wäre. Wo sie analytisch voneinander in der Tat gesondert sind, ist solche Ausdehnung daher auch nicht mehr eine, die aus ihm hervorgeht, sondern eine, aus der er hervorgeht, weil er sie und nicht sie ihn voraussetzt. Statt einer Dynamik zwischen ihnen waltet hier daher auch nur noch jene Statik zwischen ihnen; ist sie dann doch nur noch das Ergebnis der Dynamik einer Analyse und so auch nicht mehr der Vorgang der Dynamik der Synthese von etwas Synthetischem. Welchen Begriff gilt es sonach zu bilden, um diese Gesamtdynamik zu begreifen, aus der all diese dynamischen Verhältnisse in ihr sich nachvollziehen lassen? Geht die allerletzte Folgerung und Forderung, die sich zuletzt noch für diesen Begriff ergibt, doch immerhin bis dahin. Um all dem gerecht zu werden, muß er letztlich sicherstellen: Auch wenn Punkt und Ausdehnung nur voneinander ungesondert aus diesen dynamischen Verhältnissen diese Gesamtdynamik bilden können, müssen sie in deren Rahmen doch auch voneinander unterscheidbar, weil verschieden voneinander bleiben. Denn sonst könnte gar nicht möglich werden, sinnvoll von all dem zu reden. Muß dabei doch grundsätzlich von Punkt und Ausdehnung die Rede sein, wenn gelten soll, daß er es ist, aus dem heraus die Ausdehnung hervorgeht, und nicht etwa umgekehrt, daß sie es ist, aus der heraus der 65 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

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Punkt hervorgeht. Nicht nur innerhalb von jener Statik zwischen ihnen, sondern auch noch innerhalb dieser Dynamik zwischen ihnen herrscht entsprechend eine klare, wenn auch jeweils umgekehrte Asymmetrie zwischen ihnen, die nur bei grundsätzlicher Verschiedenheit und Unterscheidbarkeit von Punkt und Ausdehnung bestehen kann. Und so kommt einiges zusammen, was dieser Begriff als einer auch ineinem zu begreifen hätte. Nur kann dies auch wieder nicht verwundern, wenn es letztlich das Subjekt sein müßte, was durch ihn begriffen würde. Einen Hinweis darauf gibt denn auch schon jenes analytische Ergebnis, wonach das Kontinuum der einen reinen ursprünglichen Ausdehnung sich nur als Selbstverhältnis statt als Fremdverhältnis definieren läßt: Es kann nur ein Zusammenhang mit sich sein statt mit Anderem als sich. Soll das Subjekt nach Kant doch in der Tat ein Selbstverhältnis als ein autonom-spontanes sein, das als Dynamik der Synthese von Synthetischem sich selbst zu dem Kontinuum der Ausdehnung von Zeit und Raum erzeugt. Mit dem Kontinuum als diesem Selbstverhältnis muß es deshalb auch schon die Mathematik zu tun bekommen. Muß sie das doch auch sogar noch innerhalb von ihrem bloßen P-System als bloßem P-Modell für das Kontinuum, wo sie versucht, es als Kontinuum von Ausdehnung am Ende zu verleugnen, um sie zu beseitigen zugunsten einer bloßen Punktmenge. 34 Deshalb vermag sie mit ihm als dem Selbstverhältnis auch nichts anzufangen, so daß sie es dadurch auch bloß abschiebt, doch nicht gänzlich loszuwerden schafft. Und so gerät dies Selbstverhältnis hier auch nur an eine falsche Stelle, wo es weiterhin als Störenfried sich hartnäckig bemerkbar macht. Steht jeder Punkt zu jedem andern Punkt in diesem P-System doch immer wieder nur in einem Fremdverhältnis, – außer in dem einen Fall, in dem er eine »Grenze« von der Punktmenge eines geschlossenen Intervalls sein soll. Als eine solche »Grenze« soll er dann in diesem einen Fall vielmehr auf einmal nicht zu

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Zum folgenden vgl. oben S. 22 ff. und S. 36 ff.

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Zur Synthese des Kontinuums

diesen andern Punkten bloß in einem Fremdverhältnis stehen. Er soll vielmehr in diesem einen Fall nunmehr auch noch in einem Selbstverhältnis zu sich selbst als Punkt stehen, wo er nunmehr »Grenze« von sich selbst als Punkt sein soll. Doch das kann als ein nichttrivial-informativer Sinn von »Grenze« nicht in Frage kommen. Diesen gibt es nämlich nur im K-System, wo jeder solche Punkt nur Grenze einer Ausdehnung sein kann und so auch nur in einem Fremdverhältnis stehen kann zu etwas Anderem als sich: zunächst zu dieser Ausdehnung wie auch sodann zu jedem weiteren Punkt und jeder weiteren Ausdehnung. Als Selbstverhältnis steht ein solcher Punkt denn auch nicht nur im P-System an falscher Stelle, sondern stünde er auch noch im K-System an falscher Stelle, wo es einen solchen Punkt als Selbstverhältnis aber gar nicht geben kann. Als Selbstverhältnis vielmehr kann es einen Punkt hier nicht nur, sondern muß es ihn sogar an gänzlich anderer, nämlich statt an falscher an der wahren Stelle geben. Und als seine wahre ist sie denn auch eine Stelle, wo ein solcher Punkt noch gar nicht Schnittpunkt oder Grenzpunkt einer Ausdehnung sein kann, sondern ein Punkt sein muß, der sich zu Ausdehnung gerade umgekehrt verhält. Und zwar in dem Sinn, daß ein solcher Punkt schon immer ursprünglich-dynamisch sich zu Ausdehnung selbst ausdehnt, statt erst immer abgeleitet-statisch als die Grenze schon erzeugter Ausdehnung bloß festzustehen: Nur ein zu einer Ausdehnung sich selbst erst einmal ausdehnender Punkt kann als eine Dynamik der Synthese von etwas Synthetischem ergehen in ursprüngliche Richtung, so daß dies als das Kontinuum der Ausdehnung von Zeit und Raum ein solches Selbstverhältnis bildet, das ins Unbestimmt-Unendliche verläuft. Diese Gesamtdynamik, die als eine die Dynamik eines solchen Punktes ebenso wie die Dynamik einer solchen Ausdehnung sein müßte, ist denn auch das Eine eines reinen Vorgangs, für den ein Begriff zu bilden wäre, der all dies ineinem zu begreifen hätte. Und dies kann nach allem, was bis hierhin sich ermitteln ließ, nur der Begriff von einem Punkt sein, dessen Selbstverhältnis eben das Verhältnis seiner Selbstausdehnung ist, und der zunächst vielleicht 67 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Noch einmal zum Kontinuum

befremdlich bleibt. 35 Hier bilden dieser Punkt als der zu dieser Ausdehnung sich ausdehnende wie auch diese Ausdehnung als die aus diesem Punkt hervorgehende eben die unmittelbare Einheit miteinander, innerhalb von der sie ungesondert voneinander sind. Und dennoch sind sie innerhalb von dieser Einheit voneinander unterscheidbar, weil verschieden voneinander. Denn dann gilt, daß er hier das ist, was sich ausdehnt, sie jedoch hier das ist, wozu er sich ausdehnt. Insgesamt verläuft das demgemäß als etwas Asymmetrisches, das als Dynamik des Kontinuums ursprünglich-einer und ursprünglich-reiner Ausdehnung der Linie sich nicht umkehren läßt. Doch dem zum Trotz tut eben das die Analyse als die analytische Dynamik, so daß sie es dann entgegen der Synthese als synthetischer Dynamik tut, weshalb sie es auch nur um einen hohen Preis tun kann. Denn als Gegen-Dynamik gegen sie ist diese analytische Dynamik eine, die dort, wo sie an ihr ansetzt, wie auf einen Schlag diese synthetische Dynamik nicht nur stillstellt, so daß sie hier wie auf einen Schlag in eine Statik umschlägt. Vielmehr ist sie als die analytische Dynamik auch noch eine, die dadurch diese synthetische Dynamik von Grund auf entstellt, indem sie deren grundlegende Asymmetrie umkehrt und daher bis zur Unkenntlichkeit verdeckt. Dort nämlich, wo sie an ihr ansetzt, löst sie aus der Ausdehnung der Linie zunächst den Punkt heraus. Das heißt: Als den, von dem die Linie abhängt, weil er als zu ihr sich ausdehnender sie erzeugt, macht ihn die Analyse nunmehr abhängig von dieser Ausdehnung der Linie, weil ja nur ihr sich dieser Punkt entziehen läßt. Und so erweckt die Analyse hier den Schein der umgekehrten Asymmetrie, sprich: den Schein der umgekehrten Abhängigkeit, wonach dieDenn er erklärt all jenes Rätselhafte, das die Mathematiker so umtreibt. Dieser nämlich ist »der ›Punkt‹, dieses tiefste Mysterium der Geometrie« (Heuser 2008, S. 157), weil von ihm gilt: »Der Punkt, ausgerechnet der einfache Punkt, wurde zur Crux der Geometrie.« (Heuser 2008, S. 158). Klärt doch durch ihn auch das Kontinuum als jenes »Mystische« sich auf, es »sei kein Aggregat fester Elemente, sondern ›ein Medium freien Werdens‹.« (Heuser 2008, S. 159).

35

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Zur Synthese des Kontinuums

ser Punkt von dieser Ausdehnung der Linie abhängig sei. Und das erweckt den weiteren Schein, als sei es dieser Punkt, von dem dann jede der zwei Ausdehnungen abhängt, die sodann durch diese Analyse aus der einen reinen Ausdehnung der Linie ja ebenfalls herausgelöst sind. Doch recht eigentlich sind all diese Abhängigkeiten nur gestaffelt-abgeleitete und so gestaffelt-abhängige von jener ursprünglich-umgekehrten Abhängigkeit jener Ausdehnung von jenem Punkt als dem zu ihr sich ausdehnenden. Dieser nämlich ist es, der sie als die eine reine Ausdehnung der Linie erzeugt. Im Rahmen der Dynamik dieser seiner Selbstausdehnung zu ihr können Punkt und Ausdehnung daher auch in der Tat nur in unmittelbarer Einheit miteinander stehen, in der sie aber auch noch voneinander ungesondert sind und dennoch unterscheidbar voneinander bleiben. Als dieses ursprüngliche Kontinuum der einen reinen Ausdehnung der Linie prangen daher Punkt und Ausdehnung in ihrer Ungesondertheit hier auch nicht weniger als dort, wo beide in ihrer Gesondertheit als das ursprüngliche Diskrete prangen. Tun sie das doch jeweils gleicherweise in ihrer unmittelbaren Einheit miteinander, weil sie innerhalb von ihr sich auch nur unterscheiden als das voneinander Ungesonderte oder Gesonderte. In beiden Fällen aber unterscheiden sie sich eben erst einmal als das Verschiedene voneinander, als das sie in jedem der zwei Fälle auch noch voneinander jeweils unterscheidbar bleiben. So jedoch ist auch ihr Prangen in Gesondertheit: als ursprünglich Diskretes, dann noch abhängig vom Prangen ihrer Ungesondertheit: von dem ursprünglichen Kontinuum der Linie als der einen reinen Ausdehnung. Von dieser nämlich gilt dann, daß sie auch noch in Gestalt der Ausdehnung von jedem Strahl und jeder Strecke weiterprangt, sprich: immer weiter sich erhält und wiederkehrt, weil wiederkehren und erhalten bleiben muß. Denn in Gestalt von jeder solchen Ausdehnung muß jede Analyse des ursprünglichen Kontinuums der Linie auch weiterhin dieses Kontinuum kontinuierlich lassen, auch wenn sie dieses Kontinuum an noch so vielen Stellen noch so oft diskret macht. In Gestalt 69 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Noch einmal zum Kontinuum

von jeder solchen Ausdehnung muß sie es somit aber auch dynamisch lassen, mag sie es an noch so vielen Stellen noch so oft diskret und damit statisch machen. Und so läßt sich jede solche Ausdehnung, die dann auch nur noch diesseits oder jenseits solcher Stellen auftritt, immer wieder nur dynamisch von jener ursprünglichen Dynamik einer Ausdehnung durch Selbstausdehnung eines Punktes her begreifen. Muß doch in deren Gestalt jenes ursprüngliche Kontinuum bei all diesem Diskreten weiterhin etwas Mitanwesendes sein und bleiben. Aber auch, wenn ein Begriff wie »Selbstausdehnung« auf den ersten Blick befremden mag, – der Sache selbst, für die er steht, wird man sich nicht entziehen können, um sie etwa abzuweisen. So zum Beispiel mit dem Hinweis, unglaubwürdig sei es, die Synthese von etwas Synthetischem, die zum Kontinuum der einen reinen Ausdehnung der Linie führt, zuletzt als eine Ausdehnung durch Selbstausdehnung eines Punktes aufzufassen. Heiße das doch letztlich, alle jene Analyse-Wunder, die zu glauben schwerfiel, nunmehr aus der Welt zu schaffen durch einen Synthese-Zauber als ein Gegen-Wunder, das zu glauben doch gewiß nicht minder schwerfällt. Denn so wäre diese Selbstausdehnung als die Sache selbst, für die dieser Begriff gebildet wird, bereits von Grund auf mißverstanden. Ihr Begriff dient keinem Zauber oder Wunder, die er wirken sollte, sondern der Eröffnung einer Theorie als einer Annahme, die sich erst noch bewähren soll, weil sie noch mehr erklären muß als das, was sie bisher erklärt. Die Bildung von diesem Begriff für die Synthese solcher Ausdehnung ist schließlich auch nur die Verdichtung von all dem, was Schritt für Schritt aus jener Analyse solcher Ausdehnung für sie zu folgern und zu fordern war. Ihre Bewährung findet diese Theorie denn auch erst dadurch: Sie kann nicht nur über das Kontinuum der einen reinen Ausdehnung der eindimensionalen Linie hinaus auch noch die zweidimensionale Fläche und den dreidimensionalen Körper als etwas Entsprechendes zur eindimensionalen Linie erklären. Vielmehr vermag sie auch an dieser Linie selbst noch zu erklären, weshalb deren Ausdehnung durch solche Selbstausdehnung ausgerechnet 70 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Zur Synthese des Kontinuums

jene zweiseitige Ausdehnung der Linie herbeiführt, was entsprechend dann desgleichen für die Fläche und den Körper gelten muß. Denn jeder solchen Ausdehnung von Raum vorweg kann diese Theorie vor allem schon die Ausdehnung der Zeit erklären, die der Synthese nach dem Raum bereits vorausgeht, weil zugrundeliegt, wie Kant vertritt. Erklären kann sie nämlich, weshalb diese Ausdehnung der Zeit nur eine einseitige sein kann, so daß auch erst diese oder jene Ausdehnung des Raumes eine zweiseitige sein muß. So jedoch vermag sie schließlich das Kontinuum der Ausdehnung von Zeit und Raum als Ganzes zu erklären. 36 Nein, befremden kann und muß dieser Begriff der Selbstausdehnung als Synthese einer Ausdehnung nur, weil er sie als etwas durch und durch Holistisches begreift. Denn dadurch unterscheidet sie sich grundsätzlich von jeder Analyse einer Ausdehnung, die so zugleich als etwas durch und durch Reduktionistisches begriffen wird. Holistisch nämlich ist die Ausdehnung durch Selbstausdehnung eines Punktes schon von vornherein: bereits als Gattung, wovon Ausdehnung der Zeit oder des Raums dann erst die Arten sind. Denn als das Was und das Wozu der Selbstausdehnung bilden Punkt und Ausdehnung ja schon der Gattung nach bloß Glieder eines Ganzen solcher Ausdehnung, was dann auch noch für jede Art von ihr wie Zeit und Raum zu gelten hat. Die bloßen Glieder des Kontinuums von ihr als einem Ganzen bilden sie daher auch schon allein in dem Sinn, daß sie innerhalb des Ganzen voneinander unterscheidbar, weil verschieden voneinander sind, obwohl sie noch nicht Teile oder Grenzen als etwas Diskretes in ihr sind. Zu diesem nämlich werden sie nicht schon durch das Holistische dieser Synthese, sondern erst durch das Reduktionistische der Analyse solcher Ausdehnung, das aus dem Ganzen solcher bloßen Glieder dann auch noch die bloße Summe solcher Teile oder Grenzen macht. Und daß die Herleitung von all dem, als Erklärung für all das, aus dieser Selbstausdehnung schrittweise nach dem Prinzip des lo36

Vgl. dazu Prauss 2015, §§ 4–8.

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Noch einmal zum Kontinuum

gisch-ontologisch Minimalen sich ergibt, weil letztlich aus dem Punkt heraus, trägt zur Bewährung dieser Theorie der Selbstausdehnung bei. Nur noch die eine, 37 doch nicht unwichtige Frage stellt zuletzt sich nochmals an diese Synthese als die Selbstausdehnung dieses Punktes: Kann diese holistische Gestalt der Sache selbst, die dadurch aufgedeckt wird, einem Unternehmen wie dem der Mathematik zugänglich werden? Muß ein Unternehmen wie das der Mathematik nicht vielmehr stehenbleiben bei der Analyse, weil es seinem Wesen nach nur ausgehen kann von der entsprechenden reduktionistischen Struktur, die es zuletzt sogar auch nur noch durch das P-Modell für das Kontinuum zu modellieren vermag? Träfe das zu, so hieße dies, daß einzig zuständig dafür nur noch ein Unternehmen wie das der Philosophie mit seinem KModell für das Kontinuum sein kann. Denn als Modell ist es zwar gleichfalls nur ein analytisches und damit auch nur ein reduktionistisches Modell. Zuletzt jedoch vermag es eben die holistische Struktur dieses Kontinuums zu modellieren, indem es letztlich zum Begriff des Punktes und der Ausdehnung als Selbstausdehnung eines Punktes führt. So nämlich werden beide, deren jedes für sich selbst bisher undefiniert ist, im Verhältnis zueinander definiert: als Was und als Wozu der Selbstausdehnung. 38 Vgl. oben S. 27. Den Begriff »Holismus« und »holistisch« gilt es demgemäß in diesem seinem positiven Sinn zu bilden und zu nutzen. Ein »holistisch« Ganzes ist etwas, wenn es zwar eine innere Struktur hat, deren Elemente aber nur die Glieder einer Gliederung von diesem Ganzen sind, weil zwischen ihnen keine Grenzen auftreten wie Schnittpunkte, Schnittlinien oder Schnittflächen. Treten solche Grenzen zwischen solchen Elementen auf, so sind sie dadurch nicht mehr Glieder einer Gliederung von einem Ganzen, sondern nur noch Teile einer Teilung von etwas, das dann »reduktionistisch« nur noch Summe oder Aggregat von ihnen sein kann. Und das geometrischphilosophisch Grundlegende für den Unterschied dazwischen ist denn auch schon das Kontinuum der Ausdehnung von Zeit und Raum als dasjenige, was es nach seiner Synthese und nach seiner Analyse ist. Daher scheint unser Kosmos auch von Grund auf schon »Holismus« und »holistisch« im gerade positiven Sinn dieses Begriffs zu sein. In diesem Sinn ist er für die37 38

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B. Noch einmal zum Unendlichen

1. Zum analytischen Unendlichen Jedenfalls läßt sich das Unternehmen der Mathematik, das grundsätzlich reduktionistisch ist, im einzelnen genauer klären, wenn man es aus der Sicht des Unternehmens der Philosophie beurteilt, das als ein holistisches diesem Kontinuum und der holistischen Gestalt von ihm gerecht wird. Schließlich muß gerade dann, wenn die Synthese als die Selbstausdehnung sich bewährt, dieser zuvor sich umso dringlicher die Frage nach der Analyse stellen. Denn die Ergebnisse der Analyse sind es, als deren Erklärung die Synthese oder Selbstausdehnung sich bewähren soll. Doch was genau ist eigentlich die Analyse des Kontinuums, die doch dem P-Modell genauso wie dem K-Modell für es zugrundeliegt? Gleichviel sonach, ob diese Analyse nun das P-Modell oder das K-Modell für das Kontinuum erstellt, – was heißt denn eigentlich genau, es zu analysieren? Mag nämlich auch geklärt sein, daß die Analyse die Dynamik eines Vorgangs ist, der jeweils zum Ergebnis jene Statik von dem einen Schnitt als einem Schnittpunkt und zwei Teilen als zwei Ausdehnungen hat, so läßt sich doch nicht übersehen: Zunächst einmal sind »Schneiden« oder »Teilen«, wie auch »Schnitt« und »Teil«, ja nur Begriffe aus der Umgangssprache; und die muß im Sinn von deren Unterschied noch nicht einmal voll ausgebildet sein, so wie etwa das Griechische des Aristoteles. Diese Begriffe trotzdem aus ihr zu

sen Kosmos festzuhalten und nicht abzulehnen, wie in jenem negativen Sinn, in dem er fälschlich für das bloß »Reduktionistische« der bloßen Summe bloßer Teile steht. Vgl. dazu Friebe 2004a, S. 261, S. 272, S. 274, S. 277.

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entnehmen, muß daher durchaus nicht heißen, sie in einer Theorie genauso zu verwenden wie in einer Umgangssprache. So gebraucht etwa ein Geometer, wenn er davon spricht, daß zwei gerade Linien in einem Punkt einander schneiden, das Wort »schneiden« abweichend von dem Sinn, den es in der Umgangssprache hat. Denn daß ein Messer beispielsweise einen Kuchen schneidet, heißt hier keineswegs, daß umgekehrt auch dieser Kuchen dieses Messer schnitte. Vollends aber löst sich davon dann mit dem bekannten »Schnitt« etwa ein Arithmetiker wie Dedekind, der nur noch darauf baut: Der Sinn dieses Begriffs sei klar, weil jeder solche »Schnitt« zu einem Punkt zwischen Punktmengen führt, dem jeweils eine Zahl zwischen Zahlmengen zuzuordnen sei, womit das P-System für das Kontinuum als Linie in Gang kommt. Wie aber greift die Philosophie zurück auf Umgangssprache, aus der sie Begriffe übernimmt, um deren Sinn im Rahmen ihres K-Modells für das Kontinuum genauer zu bestimmen? Worauf kann sich die Philosophie berufen, wenn sie durch ihr K-Modell für das Kontinuum zum Beispiel festlegt: Es sei zwischen »Schnitt« und »Teil« im Sinn von »Grenze« und »Begrenztem« grundsätzlich zu unterscheiden, weil sie sich als »Punkt« und »Ausdehnung« ja wechselseitig ausschließen? Berufen kann sie sich natürlich darauf, daß man schon allein in Umgangssprache zwischen all dem unterscheidet und daher all diese unterschiedlichen Begriffe dafür bildet. Worauf aber könnte man sich hier berufen dafür, daß all dies zu tun sei? Das muß die Philosophie hier weiter fragen, weil sie mit dem K-Modell zugleich vertritt: Grundsätzlich keinen solchen Unterschied und somit keine solche Unterscheidung gibt so ein Kontinuum wie das der Ausdehnung von Zeit und Raum etwa von sich her vor. Dann nämlich kann die eine eigentliche Antwort auf all diese Fragen letztlich auch nur lauten: Ursprünglicher Grund für alle diese Unterschiede wie auch Unterscheidungen ist immer wieder ausschließlich der jeweilige Inhalt, wie er auftritt in der Form dieses Kontinuums der Ausdehnung von Zeit oder von Raum oder von beidem, indem dieser Inhalt es kontinuierlich läßt oder diskret macht. Nur daß es dadurch jetzt 74 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Zum analytischen Unendlichen

nicht mehr bloß formal, sondern auch inhaltlich kontinuierlich bleibt oder diskret wird, indem solcher Inhalt hier die Form dieses Kontinuierlichen oder Diskreten annimmt, weil er sie jeweils besetzt. Doch wie das dieser Inhalt tut, sprich: wo er das Kontinuum besetzt, indem er es da oder dort kontinuierlich läßt oder diskret macht, und ob nun als diese oder jene Art von Inhalt, das gehört zum Faktisch-Kontingenten unserer Welt als Vielfalt des Qualitativ-Empirischen. Denn diese ist es, die zunächst auftritt: und nicht nur als die objektive Außenwelt, sondern auch als die jeweils subjektive Innenwelt. Nur dann, wenn solcher Inhalt hier grundsätzlich als Verhältnis zwischen einer Grenze und etwas durch sie Begrenztem auftritt, kommt es hier zu diesem oder jenem Etwas als dem VielenUnterschiedlichen: vom Subjektiven der verschiedenen »Gefühle« oder »Sinnesdaten« angefangen bis zum Objektiven der verschiedenen Eigenschaften von verschiedenen Dingen. Nichts geringeres als dieser Inhalt ist es folglich, der dieses Kontinuum ursprünglich einer Analyse unterwirft als dem Diskretmachen oder Kontinuierlichlassen von ihm. Nur setzt deren jedes gleicherweise das Kontinuum voraus, so daß die Analyse es diskret zwar machen kann, jeweils daneben aber auch genausosehr kontinuierlich lassen muß. Und so sind es auch nichts als solche Unterschiede, wie wir sie ursprünglich nur als Vielheit von begrenzten Inhalten und Grenzen zwischen ihnen kennen, was zunächst das K-Modell als geometrisch-philosophisches Modell für das Kontinuum zu modellieren versucht, und was zuletzt das P-Modell als nur noch arithmetisch-mathematisches Modell für das Kontinuum zu modellieren trachtet. Und als bloßes P-System ist letzteres denn auch geradezu der Inbegriff eines reduktionistischen Systems oder Modells für das Kontinuum, weil es versucht und auch vermeint, die Ausdehnungen als die »Größen« der Geometrie zugunsten einer bloßen Punkt- oder Zahlmenge loszuwerden, nämlich das Kontinuum zu »arithmetisieren«, um es dadurch zu »präzisieren«. So aber gilt, ob nun im K-System oder im P-System: Was jede solche Analyse und mithin auch jeder solche Analytiker ver75 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

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sucht, ist sonach, es dem Inhalt als dem ursprünglichen Analytiker und seiner ursprünglichen Analyse dann der Form nach gleichzutun. Denn wie gesagt: Von sich her gibt dieses Kontinuum ja nichts dergleichen etwa vor. So tritt, was ursprünglich als inhaltliche Ausdehnung und inhaltliche Grenze von ihr auftritt, dann im K-System nur als formale Ausdehnung und als formale Grenze von ihr auf. Dadurch bleibt offen, welcher Inhalt im Verhältnis von formal-kontinuierlicher Ausdehnung und formaldiskreter Grenze auftritt, indem er dieses Kontinuum kontinuierlich läßt oder diskret macht. Doch durchaus nicht offen bleibt dabei, ob überhaupt ein Inhalt auftritt. Denn dieses Verhältnis zwischen Ausdehnung und ihrer Grenze, das als Form für solchen Inhalt steht, weil für ihn einsteht, wird in jedem Fall erzeugt, auch wenn dies nicht mehr zu einem bestimmten Inhalt führt, sondern jetzt nur noch zu einem beliebigen. Genau in diesem Sinn ist denn auch das Verhältnis zwischen Ausdehnung und ihrer Grenze, wenngleich nur etwas Formales, so doch immer noch etwas Formal-Qualitatives wie ein Inhalt, der von einem andern Inhalt abgegrenzt ist. Und als solches ist es eben auch das geometrisch-philosophisch Grundlegende, dem das KSystem als K-Modell für das Kontinuum gerecht wird, weil es letztlich die holistische Struktur desselben modelliert. Doch was hat dann aus dieser Sicht für jenes P-Modell zu gelten, das jene reduktionistische Struktur für das Kontinuum vertritt, indem es jede solche Ausdehnung als »Größe« der Geometrie zugunsten einer bloßen Punktmenge und deren Arithmetisierung loszuwerden trachtet? So gesehen kann das P-Modell vom K-Modell sich nämlich nicht einfach als Analyse unterscheiden, auf der beide ja beruhen, sondern nur noch dadurch, daß es sie entscheidend weiter führen möchte als das K-System. Entscheidend weiter aber heißt hier nicht nur, daß es sie bis zur Ersetzung solcher Ausdehnung durch Punkte zwischen Punkten führen möchte, sondern sogar bis zu solchen Punkten, die nur noch als Zahlen zwischen Zahlen gelten sollen. Ersetzen soll es somit nicht nur solche Ausdehnungen, die begrenzte durch die Grenzen zwischen ihnen sind. Vielmehr soll es sogar auch solche 76 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Zum analytischen Unendlichen

Grenzen noch ersetzen, denn als Punkte, die nur Zahlen sind, verlieren sie auch ihren Sinn von Grenze noch, den es als nichttrivial-informativen Sinn im P-System denn auch nicht geben kann. Zuletzt bedeutet dies daher: Das P-System sucht damit jeden Inhalt als etwas Qualitatives loszuwerden. Denn zuletzt versucht es dadurch auch die Form, die ihn vertritt: dieses Verhältnis zwischen Grenze und durch sie begrenzter Ausdehnung, noch loszuwerden. Sind doch bloße Punktmengen als bloße Zahlmengen für solchen Inhalt keine Stellvertreter mehr. Nur ist dadurch, was hier im P-System geschieht, vorerst bloß negativ und damit auch bloß anfänglich beschrieben. Um es auch noch positiv und damit vollends zu beschreiben, ist erforderlich, sich weiter klarzumachen: So gewiß man hier im P-System auf diese Weise solchen Inhalt loszuwerden trachtet, so gewiß will man dadurch in diesem P-System doch nicht einfach nur Inhaltsleere hinterlassen. Vielmehr sucht man ihn bloß als jenes Qualitative loszuwerden, nämlich ihn bloß zu ersetzen durch etwas Quantitatives, das auch seinerseits wieder ein Inhalt sein soll. Nur soll er hier eben nicht mehr ein qualitativer sein, sondern jetzt nur noch ein quantitativer, trotzdem aber auch als solcher immer noch ein Inhalt. Jedenfalls läßt sich nur so auch hinreichend verstehen, was aus der Sicht des K-Systems im P-System vollzogen wird, indem hier das Kontinuum der Ausdehnung nicht nur zur bloßen Punktmenge, sondern auch noch zur bloßen Zahlmenge gemacht wird. Das Kontinuum zu bloßen Punkten bloßer Zahlen macht man ja nur, um es zu etwas Quantitativem, das durch sie quantifizierbar sei, zu machen, womit es durch Zahlen zählbar oder meßbar und mithin berechenbar gemacht wird. Möglich werden kann dies dann jedoch auch nur durch das, was solche Zahlen für sich selbst sein sollen, und als das sie dazu dann auch allererst gebildet werden müssen. Denn genausowenig wie bestimmte Punkte sind auch Punkte als bestimmte Zahlen nicht schon im Kontinuum der Ausdehnung als solchem vorfindbar, weil hier auch nicht schon immer vorgegeben. Jedenfalls kann eine platonistische Auffassung von den Zahlen als etwas schon immer Vorgegebenem und Vorgefundenem, auch wenn sie Ma77 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

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thematiker bis heute pflegen mögen, für Philosophie nicht mehr in Frage kommen, sondern letztlich nur noch eine kantische. Entsprechend gilt es, von Grund auf zu klären: Was ermöglicht es, daß so etwas wie Zahlen, die gebildet werden müssen, überhaupt gebildet werden können, weil sie doch auch in der Tat gebildet sind und folglich auch gebildet werden? Was denn muß durch Analyse des Kontinuums im P-System als P-Modell für es mit dem Kontinuum geschehen sein, wenn dieses nicht allein zur bloßen Punktmenge, sondern als bloße Punktmenge auch noch zur bloßen Zahlmenge geworden ist? Um diese Fragen zu beantworten, braucht man sich lediglich an das zu halten, worin Mathematiker und Philosophen der Mathematik sich ausnahmsweise einig sind. Als erstes ist dazu erforderlich, durch eine erste Analyse des Kontinuums erst einmal einen ersten Punkt in ihm als Nullpunkt oder als Zahl Null zu setzen, was beliebig-willkürlich erfolgen muß und auch erfolgen kann. Denn ist durch ein Kontinuum ein Punkt als ein bestimmter noch nicht vorgegeben, so erst recht auch kein bestimmter als ein Nullpunkt oder als Zahl Null. Jedoch so willkürlich-beliebig diese Setzung auch erfolgen möge, so kann sie doch nicht in Nichts hinein, gleichsam ins Blaue, sondern eben nur hinein in Etwas, ins Kontinuum hinein erfolgen. Dieses ist daher von Anbeginn notwendige Voraussetzung dafür, weshalb von Anbeginn auch dieser erste Punkt, der Nullpunkt oder die Zahl Null, als Punkt in ihm bereits ein Schnittpunkt in ihm oder von ihm sein muß. Und so ist es auch durchaus nicht bloß die Sache einer Darstellung, daß Arithmetiker dieses Kontinuum als Linie dafür zugrundelegen, indem sie den Nullpunkt oder die Zahl Null betrachten als den Anfangspunkt oder die Anfangszahl des »Zahlenstrahls« bzw. als den Mittelpunkt oder die Mittelzahl der »Zahlengeraden«, die genauer dann der »Zahlendoppelstrahl« sein muß. Denn schon allein für diesen ersten Punkt als Nullpunkt oder als Zahl Null ist mindestens als Linie das Kontinuum auch in der Tat erforderlich, weil er als Zahl bzw. sie als Punkt auch nur in ihm oder von ihm ein Schnittpunkt sein kann. 78 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Zum analytischen Unendlichen

Noch viel deutlicher wird die notwendige Voraussetzung dieses Kontinuums, wenn man dazu ins Auge faßt, was noch des weiteren erforderlich ist, um nicht nur den ersten Punkt als Nullpunkt oder als Zahl Null zu bilden, sondern auch die andern Punkte als die andern Zahlen noch, mit denen allererst im eigentlichen Sinn etwas gezählt oder gemessen und berechnet werden kann. Als zweites nämlich ist dazu erforderlich, in dem Kontinuum der Linie nicht nur den Nullpunkt oder die Zahl Null zu setzen, sondern darüber hinaus auch noch den Einspunkt oder die Zahl Eins. Und daß auch diese zweite Setzung eine willkürlich-beliebige sein muß und kann, auch darüber herrscht allgemeine Einigkeit. Zusammen mit der ersten Setzung aber ist mit dieser zweiten als der Festsetzung von einer ersten Einheit das Prinzip gebildet, nach dem jeweils durch Hinzu-Setzen von einer weiteren solchen Einheit zu der jeweils vorgängigen Einheit auch die Einheiten von allen weiteren solchen Zahlen sich bilden lassen. Und die sind als die »natürlichen« die Grundzahlen auch noch für alle andern Zahlenarten, die von den »natürlichen« sich unterscheiden: wie etwa die »negativen« von ihnen als »positiven«; oder wie von diesen beiden Arten als den »ganzen« Zahlen sich die Brüche als die »rationalen« Zahlen unterscheiden; und von diesen wieder die »irrationalen« als »reelle« Zahlen, von denen sich zuletzt noch die »imaginären« unterscheiden, die mit ihnen die »komplexen« Zahlen bilden. Für sie alle nämlich ist dieses Kontinuum notwendige Voraussetzung, weil jede von ihnen eine bestimmte Zahl nur dadurch sein kann, daß sie eine ist, die ungleich Null ist, was sie also grundsätzlich gemeinsam haben muß mit jener Eins im Unterschied zu jener Null. Denn diese Eins ist ja als erste eine ungleich Null, weshalb von dieser Null und dieser Eins dann jede andere Zahl als eine je und je bestimmte auch grundsätzlich abhängt. Als eine zu bildende, nämlich zu setzende ist daher jede andere solche Zahl grundsätzlich abhängig von jenen ersten beiden Setzungen der Null und Eins. Zu dieser als der ersten Zahl, die ungleich Null ist, kann es aber auch nur kommen, weil die Setzung jeweils auf bestimmte Art erfolgt: Nur dadurch nämlich, daß die Setzung, 79 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

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die zur einen wie zur andern führt, jenes Kontinuum sowohl in der Gestalt der einen als auch in Gestalt der andern Zahl als Punkt diskret zwar machen kann, es zwischen Zahl als Punkt und anderer Zahl als anderem Punkt in der Gestalt der Ausdehnung jedoch kontinuierlich lassen muß. Denn nur durch diese Ausdehnung dazwischen kann es sich dabei um zueinander andere Punkte oder Zahlen handeln, was auch noch für alle weiteren Zahlenarten gelten muß. So aber ist und bleibt das P-System auf das Kontinuum, das es auf diese Weise sich zunutze machen muß, dann auch notwendig angewiesen, um sich als das P-System erstellen zu können. Doch gerade deshalb stellt sich auch noch einmal und nur umso dringlicher die Frage: Kann das P-System denn überhaupt ein P-Modell für dies Kontinuum sein, weil das P-System zumindest irgendetwas an ihm modelliert und so zumindest irgendetwas von ihm wiedergibt? Dann nämlich fragt sich das im Hinblick auf den Inhalt, den das P-System in der Gestalt von solchen Zahlen erstellt als den quantitativen Inhalt des Kontinuums. Soll der doch an die Stelle des qualitativen Inhalts treten, den das K-Modell zumindest als formal-qualitativen Inhalt des Kontinuums noch wiedergibt. Könnte mithin auch der quantitative Inhalt solcher Zahlen, der auch seinerseits nur ein formal-quantitativer ist, wie der formal-qualitative wenigstens als ein formaler noch ein Inhalt sein? Mit andern Worten: Könnte er ein Inhalt sein, der es auch nur formal vermöchte, einen Inhalt des Kontinuums wiederzugeben? Kann das K-Modell dies doch nur dadurch, daß es das Verhältnis zwischen Ausdehnung und Punkt als das Verhältnis zwischen zueinander Anderem grundsätzlich festhält, weil es Punkte nur als Grenzen solcher Ausdehnungen kennt, die das durch sie Begrenzte sind. Genau als solche aber hält das P-System die Ausdehnung gerade nicht fest, sondern läßt sie fallen, weil es sie auch ihrerseits als bloße Punktmenge betrachtet. Dadurch aber fallen auch die Punkte als die bloßen Grenzen solcher Ausdehnung noch weg. Was damit wegfällt, ist daher auch jegliches Verhältnis zwischen Punkt und Ausdehnung als das Verhältnis zwischen Grenze und 80 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

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Begrenztem, nämlich als Verhältnis zwischen zueinander Anderem. Um einen Inhalt des Kontinuums von solcher Ausdehnung wiederzugeben, sei es auch nur als einen formalen Inhalt, müßte dieses P-System sonach imstande sein, dies auch durch eine bloße Punktmenge zu tun, weil es dieses Kontinuum der Ausdehnung ja nur als eine solche Punktmenge noch zuläßt. Konnten bloße Punkte aus der Sicht des K-Systems doch nicht mehr Stellvertreter sein für den qualitativen Inhalt des Kontinuums von Ausdehnung, weil bloße Punkte solchen Inhalt nicht mehr wiedergeben können. Könnten also bloße Punkte als Punktmengen für quantitativen Inhalt des Kontinuums von Ausdehnung sehr wohl noch Stellvertreter sein, weil Punkte als Punktmengen solchen Inhalt sehr wohl wiedergeben könnten? Kurzum: Läßt das grundsätzlich Kontinuierliche als Qualität von Ausdehnung sich wiedergeben durch das grundsätzlich Diskrete als die bloße Quantität von bloßen Punkten in Punktmengen? Um dies zu beantworten, genügt ein Blick auf ein elementares Beispiel dafür, wozu dieses Unternehmen der Mathematik hier antritt und womit sie es dadurch zu tun bekommt. Die Rede ist von einer Schwierigkeit, der sie begegnen muß, wenn sie auf Fälpffiffi le wie etwa die 2 stößt, eine Schwierigkeit, die in der Regel nicht zur Geltung kommt, weil man sich über sie hinwegtäuscht. pffiffi Tritt doch nach dem Lehrsatz des Pythagoras die 2 als Länge der Hypotenuse auf, wenn die Katheten eines ebenen und rechtwinkligen Dreiecks jeweils von der Länge 1 sind. Nimmt man nun den Punkt des rechten Winkels zwischen den Katheten als Punkt 1 des Zahlenstrahls und als Punkt 0 den andern Endpunkt einer der Katheten, so ist dieser Punkt zugleich der eine von den beiden Endpunkten dieser Hypotenuse. Dann jedoch entspricht dem andern ihrer beiden Endpunkte ein Punkt auf diesem Zahlenstrahl, weil sich ein Kreis mit dem pffiffi Punkt 0 als Mittelpunkt und der Hypotenuse als dem Radius 2 mit diesem Zahlenstrahl in einem Punkt pffiffi ja schneidet, der hier auf dem Zahlenstrahl der Punkt der 2 ist. 39 Und durch diesen Punkt zusammen mit dem 39

Vgl. z. B. Maor 1989, S. 64.

81 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

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Nullpunkt auf dem Zahlenstrahl ist folglich die Hypotenuse ihrer Länge nach genau bestimmt. Ihre Bestimmtheit ist daher auch keineswegs nur eine geometrische, die als bloß »anschauliche« dann bloß eine »ungenaue« wäre. Ebenso wie eine geometrische Bestimmtheit ist sie vielmehr auch noch eine arithmetische. Beruht sie doch als diese p ffiffi 2 genauso wie auf Ausdehnungen auch auf Punkten als den Zahlen 0 und 1, womit sie ihrerseits auf jenem Grundprinzip aller Arithmetik beruht und so ihre Bestimmtheit auch als eine arithmetische besitzt. Genauestens entspricht sie damit nämlich jenem K-System, das ja nicht nur die Ausdehnungen, sondern auch die Punkte kennt, das P-System dagegen nur die Punkte, die als die Punktmengen auch noch für die Ausdehnungen stehen sollen. So jedoch gerät hier die Arithmetik in eine für sie unlösbare Schwierigkeit, die sie sich selber einhandelt, weil sie vertritt: Erst eine volle »Arithmetisierung« als die »Präzisierung« dieses Geometrisch-Unpräzisen sei es, die zu einer Vollbestimmtheit führe, nämlich erst eine volle Ersetzung von etwas noch Qualitativ-Geometrischem durch etwas nur noch Quantitativ-Arithmetisches. Der Anspruch nämlich, den sie so erhebt, läßt so sich gar nicht einlösen. Denn dieses nur noch Quantitativ-Arithmetische, das jenes pffiffi angeblich noch Qualitativ-Geometrische der 2 ersetzen soll, stellt dabei sich heraus als die »irrationale Zahl« 1,414213562…, deren Dezimalentwicklung endlos weitergeht und keinerlei Periode oder Muster aufweist. So jedoch pffiffi genügt ein Blick zurück auf die Hypotenuse von der Länge 2, um die dadurch entstehende unlösbare Schwierigkeit zu sehen. Diesen Blick zurück wirft nämlich die Arithmetik bekanntlich nur in dem Sinn, daß sie einräumt, freilich lasse diese Zahl 1,414213562… sich in Gestalt dieser Hypotenuse geometrisch »konstruieren«. Dies jedoch erweckt den Schein, als sei es die Arithmetik, die in Gestalt von dieser Zahl für die Bestimmtheit sorge, während die Geometrie diese Bestimmtheit in Gestalt der »Konstruktion« dieser Hypo-

82 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

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tenuse nur noch unzulänglich nachbestimme. 40 Doch recht eigentlich gilt hier genau das Umgekehrte dazu, weshalb dies auch nur geeignet ist, um zu verdecken, wo hier die Beweislast liegt. Die nämlich trägt hier die Arithmetik und trägt sie weiter, weil sie den Beweis dafür gar nicht erbringen kann. Denn ihre Vollbestimmtheit hat diese Hypotenuse eben darin, daß sie nicht allein ein linkes Ende, sondern auch ein rechtes Ende hat, und daß sie jedes auch genau als jeweils einen Punkt besitzt, dem arithmetisch jeweils eine Zahl entspricht. Und letzteres gilt freilich auch für jeden Punkt als jede Zahl, die zu der Punkt- oder Zahlmenge der »irrationalen Zahl« 1,414213562… pffiffi gehören, die sich für die Hypotenuse von der Länge 2 ergibt. Und gleich dieser Hypotenuse hat diese »irrationale Zahl« zwar auch ein linkes Ende; doch grundsätzlich anders als diese Hypotenuse hat diese »irrationale Zahl« gerade nicht auch noch ein rechtes Ende, eben weil die Dezimalentwicklung von ihr endlos weitergeht. So aber muß es hier bei einer grundsätzlichen Unbestimmtheit pffiffi bleiben. Hinter der Bestimmtheit der Hypotenuse, die als 2 durchaus auch arithmetische Bestimmtheit ist, muß die nur arithmetische Bestimmtheit der entsprechenden »irrationalen Zahl« deswegen grundsätzlich zurückbleiben. 41 Multipliziert mit sich, bleibt nämlich jede solche Zahl, wie weit auch immer deren Dezimalentwicklung gehen mag, klarerA. a. O., S. 65. pffiffi Dieses Problem von Zahlen wie der 2 pflegt die Mathematik so zu behandeln, als bestünde es bloß darin, daß sie als »irrationale« im Verhältnis zu den »rationalen« Zahlen »inkommensurabel« seien, was jedoch die eigentliche Problematik von ihnen verdeckt. Gibt doch »kommensurabel« oder »inkommensurabel« auch nur ein Verhältnis zwischen Zahlenarten an und damit auch nur zwischen Arten von Diskretem gegenüber anderem Diskreten. Eigentliche Problematik solcher Zahlen ist dagegen, daß sie als Diskretes im Verhältnis stehen zu Kontinuierlichem, vor dem ihre Bestimmtheit grundsätzlich zurückbleibt, so daß es durch sie grundsätzlich unbestimmt bleibt. Dieser Unterschied zwischen bestimmt und unbestimmt jedoch liegt noch grundsätzlich tiefer als der bloße Unterschied zwischen »kommensurabel« oder »inkommensurabel«, hinter dem er deshalb zu verschwinden droht. 40 41

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weise ungleich 2. Und was mithin bestehen bleibt als dieses arithmetisch Unbestimmte sowie arithmetisch Unbestimmbare, ist eben klarerweise eine Ausdehnung als ein Kontinuum, die oder das sich nicht durch Punkte oder Zahlen als etwas Diskretes wiedergeben läßt. Denn keinen Einwand hiergegen bedeutet es, daß so eine »irrationale Zahl« als Zahlenfolge die Zahl 2 zu ihrem »Grenzwert« hat, den sie nicht überschreiten kann und mit dem sich statt dieser Zahl dann rechnen läßt. Beruht doch das entsprechende Verfahren auf der Überlegung: Im Verhältnis zur Bestimmtheit dieses Grenzwerts dieser Zahl wird deren Unbestimmtheit ja hinreichend klein, so daß sie quantitativ sich vernachlässigen lasse. Nur ist jenes arithmetisch Unbestimmte sowie arithmetisch Unbestimmbare gerade das Qualitative des Kontinuums von Ausdehnung, das dadurch quantitativ also auch bloß gleichsam überlistet und umgangen, aber quantitativ keineswegs bewältigt wird. Gerade das jedoch nimmt dieses Unternehmen einer »Arithmetisierung« als der »Präzisierung« des Kontinuums von Ausdehnung für sich in Anspruch, nämlich deren bloß qualitativen Inhalt restlos zu ersetzen durch den rein quantitativen Inhalt von diskreten Punkten oder Zahlen. Diese grundsätzliche, unlösbare Schwierigkeit tritt denn auch immer wieder dort auf, wo es darum geht: Es gelte diese Arithmetisierung als Diskretisierung des Kontinuums von Ausdehnung auch noch zur endgültig-vollständigen zu machen, die auch noch den letzten Rest eines Kontinuums von Ausdehnung durch Punkte oder Zahlen als Diskretes zu ersetzen sucht, wie durch das P-System. Solange nämlich solche Ausdehnung als ein Kontinuum bestehen bleiben kann, weil sie grundsätzlich zugelassen wird, wie durch das K-System, kann diese Schwierigkeit gar nicht entstehen: möge die Diskretisierung des Kontinuums von Ausdehnung durch Punkte hier auch noch so weit vorangetrieben werden. Was im Unterschied zum P-System das K-System hier zuläßt, ist denn auch, daß jegliche Diskretisierung das Kontinuum von Ausdehnung diskret zwar machen kann, es diesseits oder jenseits davon aber auch kontinuierlich lassen muß. Dies zuzulassen nämlich heißt zugleich, daß jegliche Diskretisierung 84 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

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das Kontinuum von Ausdehnung zwar statisch machen kann, es diesseits oder jenseits davon aber auch dynamisch lassen muß. Und dies bedeutet dann zuletzt, daß jegliche Diskretisierung das Kontinuum von Ausdehnung zwar endlich machen kann, es diesseits oder jenseits davon aber auch unendlich lassen muß. Genau dieses Unendliche im Unterschied zu diesem Endlichen ist es sonach, womit es die Arithmetik zu tun bekommen muß, woran sie aber auch nur scheitern kann. Zuletzt versucht sie dadurch nämlich nur, solches Unendliche durch solches Endliche begrifflich zu bewältigen. Sind doch auch solche Zahlen, die das leisten sollen, letztlich nur Begriffe, die auf Punkte sich beziehen, auch wenn deren Inhalt nur noch ein quantitativer, nicht mehr ein qualitativer Inhalt sein soll. Denn ein Platonismus solcher Zahlen oder Punkte kann nun einmal nicht in Frage kommen. Und woran diese Arithmetik hier scheitern muß, ist denn auch: Dies Unendliche will sie gerade nicht unendlich lassen, sondern endlich machen, will es nicht kontinuierlich und dynamisch lassen, sondern es diskret und statisch machen. Denn das zeigt nicht nur der Grenzwert, der das Endlich-Statische von einer Zahl als einem Punkt ist, sondern auch die Punkte- oder Zahlenfolge, die als die Dynamik von etwas Unendlichem die eine Zahl oder den einen Punkt zum Grenzwert hat. Allein mit dieser Zahl als diesem Punkt statt dieser Punkteoder Zahlenfolge, für die diese Zahl als dieser Punkt zur Stellvertreterin genommen wird, läßt sich dann nämlich rechnen. Ist doch auch nur erstere bzw. ersterer dann etwas Statisches und Endliches, nicht aber das Dynamische oder Unendliche der Punkte- oder Zahlenfolge, das bloß unterwegs zu beiden ist, weil es dieselben auch nur »annähern«, doch nie erreichen kann. Sie stellvertretend dafür nehmen, heißt daher, auch dies Dynamische oder Unendliche zuletzt als etwas Quasi-Statisches und QuasiEndliches zu nehmen, weil es ja »gegeben« sei durch sein »Bildungsgesetz« als etwas gleichfalls Statisches und Endliches. Besteht dieses Bildungsgesetz doch auch zum Beispiel in Gestalt der Gleichung p x2ffiffi– 2 = 0. Und diese gibt mit ihrer »Auflösung nach x« gerade 2 als eine »Anweisung zum Ausmultiplizieren« 85 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

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und damit zu einer Dynamik von etwas Unendlichem, die etwas Endliches als etwas Statisches gerade nicht erreicht. Der letzte Grund für diese Schwierigkeit, die durchwegs den Infinitesimalkalkül betrifft, ist eben immer wieder: Das Qualitative des Kontinuierlichen von Ausdehnung läßt keineswegs sich restlos auflösen in das nur noch Quantitative des Diskreten von Punktoder Zahlmengen, wie es das P-System versucht. Vergleicht man es von hier aus nochmals mit dem K-System, so zeigt sich nämlich: Jegliche Diskretisierung des Kontinuums kann zu etwas Diskretem immer nur als etwas Endlichem gelangen; das dafür zugrundeliegende Kontinuum dagegen muß dabei als das Unendliche bestehen bleiben. Muß es das doch nicht allein nach außen bleiben, weil es als Kontinuum auch über jegliche Diskretisierung, die ja stets nur eine in ihm oder von ihm sein kann, schon hinausgehen muß, wie weit auch immer sie nach außen hin vorangetrieben wird. Das muß es vielmehr auch nach innen bleiben, weil es als Kontinuum auch zwischen jeglichen Diskretisierungen bestehen bleiben muß, wie weit auch immer sie nach innen hin vorangetrieben werden. So jedoch muß das Kontinuum nach innen wie nach außen dann im Unterschied zu jeglicher Diskretisierung als dem Endlichen und Statischen auch als Dynamik des Unendlichen bestehen bleiben. Denn als diese ist es durch das Statische als Endliches einer Diskretisierung eben grundsätzlich nicht einzuholen oder gar zu überholen, ganz zu schweigen davon, daß es durch sie einzufangen wäre, um es in sie einzubringen. Vielmehr kann nach innen wie nach außen jegliche Diskretisierung auch nur etwas sein, das als das Statisch-Endliche diesem Kontinuum als der Dynamik des Unendlichen grundsätzlich nachhinkt, weil grundsätzlich hinter ihm zurückbleibt. Und so gilt das auch für alle Zahlenarten: nicht nur für die »ganzen« Zahlen, die als »positive« oder »negative« dem Kontinuum des Unbestimmt-Unendlichen von Ausdehnung nach außen stets nur folgen können; vielmehr gilt es auch für alle anderen, die dem Kontinuum des Unbestimmt-Unendlichen von Ausdehnung nach innen stets nur folgen können. Gilt das doch im Sinne von »nach außen« sogar noch für die »imaginären« 86 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

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Zahlen als die Komponenten der »komplexen« Zahlen. Auch für sie muß nämlich gelten, daß sie das nur, einer weiteren Geraden folgend, in die Ebene hinein tun können, die dann die »komplexe« ist. Und all dem wird im Unterschied zum P-System das KSystem zuletzt auch voll gerecht. Doch für den Inhalt, den das P-System ja wie das K-System besitzen soll, ergibt dies dann als letzte eine herbe Folgerung. Denn dieser Inhalt soll ja ein nur noch quantitativer sein. Und der soll als formal-quantitativer doch zuletzt sogar auch den nur noch formal-qualitativen Inhalt dieses K-Systems ersetzen. Daß das diesem P-System mißlingen muß, weil das weder nach innen noch nach außen ihm gelingen kann, hat seinen letzten, tiefsten Grund daher im Wesen des Kontinuums von Ausdehnung als solchem selbst. Denn dessen Inhalt ist es ja, den dessen Analyse dann zunächst in der Gestalt jenes Qualitativ-Empirischen von unserer Welt in Zeit und Raum zutage fördert. Solcher Inhalt ist es demgemäß, den dieses K-System sodann zumindest noch in der Gestalt jenes Formal-Qualitativen jener Grenzen von etwas Begrenztem aufrechthält, weil wiedergibt. Daß die Ersetzung von diesem qualitativen Inhalt durch jenen quantitativen Inhalt, die das P-System versucht, am Ende scheitern muß, liegt dann zuletzt nur daran, daß durch rein quantitative Analyse des Kontinuums sich rein quantitativer Inhalt aus ihm auch gar nicht zutage fördern läßt. Durch bloße Punktmengen als bloße Zahlmengen läßt sich ein Inhalt des Kontinuums von Ausdehnung nicht wiedergeben; und das hat zu seinem Grund, daß dies Kontinuum von Ausdehnung so einen rein quantitativen Inhalt auch von sich aus gar nicht aufweist und darum auch gar nicht hergibt. Als die herbe Folgerung daraus ergibt sich somit: Den quantitativen Inhalt, der dem P-System ja durchaus eignet, weil es ihn als Zahl-System durchaus erstellt, gewinnt es keineswegs aus dem Kontinuum von Ausdehnung heraus. Das heißt: Kein Inhalt, den das P-System als Zahl-System zu seinem eigenen quantitativen Inhalt haben muß, kann als ein Inhalt gelten, der ein Inhalt des Kontinuums von Ausdehnung sein könnte. Denn das 87 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

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kann er noch nicht einmal so weit, wie das P-System dieses Kontinuum von Ausdehnung tatsächlich durch Diskretisierung zu etwas Diskretem macht, auch wenn dieses System es dadurch nicht erschöpfen kann. Und das obwohl das P-System dabei genauso analytisch vorgeht wie das K-System. Denn dieses P-System ist eine Analyse, die nur Punkte als die analytischen Ergebnisse berücksichtigt, doch Ausdehnungen als die analytischen Ergebnisse, die sie ja gleichfalls sind, vernachlässigt. So aber gibt es dadurch jeden Inhalt aus der Hand, der dem Kontinuum von Ausdehnung entstammt. Den nämlich hat es in Gestalt von bloßen Punkten als den bloßen Zahlen eben nicht, sondern nur in Gestalt von Punkten als den Grenzen des jeweils Begrenzten solcher Ausdehnungen. Und der hohe Preis, um den das P-System diese Diskretisierung als Quantifizierung des Kontinuums der Ausdehnung erkauft, ist somit eben der Verlust des Inhalts, den es hat. Zuletzt und umgekehrt muß dies daher bedeuten, daß von sich aus das Kontinuum der Ausdehnung quantitativen Inhalt überhaupt nicht hat. Das heißt denn auch des weiteren: Der Inhalt, den das P-System als den quantitativen Inhalt solcher Punkte oder Zahlen hat, ist keineswegs von innen her aus dem Kontinuum der Ausdehnung herausgewonnen, sondern umgekehrt vielmehr von außen her an es herangetragen. Und tatsächlich läßt sich das Quantitative solcher Punkte oder Zahlen doch auch nur erstellen durch die ursprüngliche Setzung jener Punkte oder Zahlen 0 und 1 als eine willkürlich-beliebige, die sich zuletzt sonach genau in diesem Sinn als vielsagend erweist. Das gilt daher auch voll noch für das K-System und den formal-qualitativen Inhalt von ihm, den es anders als das P-System sehr wohl aus dem Kontinuum der Ausdehnung heraus besitzt, obwohl es gleich dem P-System nur analytisch vorgeht. Und den hat es eben, weil das K-System nicht nur die Punkte, sondern auch die Ausdehnungen als die analytischen Ergebnisse und damit als die Elemente des Kontinuums berücksichtigt. Mit dem Formal-Qualitativen dieser Elemente, das dieses System aus dem Kontinuum heraus gewinnt, hat durch die Analyse 88 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

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von ihm dieses K-System jedoch nicht etwa auch etwas FormalQuantitatives aus diesem Kontinuum heraus gewonnen. Um auch noch eine Quantifizierung von diesem Formal-Qualitativen vornehmen zu können, kann vielmehr auch dieses K-System so etwas wie die Zahlen nur von jener ursprünglichen Setzung der Zahl 0 und der Zahl 1 her einführen, und die kann und muß auch hier eine beliebig-willkürliche sein. Auch für das K-System gilt somit letztlich, daß von innen her dieses Kontinuum der Ausdehnung durch Analyse zwar solches Formal-Qualitative hergibt, das dies K-System dann wiedergibt, doch nicht im mindesten auch noch solches Formal-Quantitative. Das vielmehr vermag auch dieses K-System nur noch von außen her an das Kontinuum der Ausdehnung von Zeit und Raum heranzutragen. 42 Die Bedeutung dessen ist nicht unerheblich, weil das heißt: Jedes Quantitative der Mathematik ist nicht von innen her aus dem Kontinuum als dem Unendlichen herausgewonnen, sondern nur von außen her an das Kontinuum als das Unendliche herangetragen. Das bedeutet nämlich: Jegliche Quantifikation mit Hilfe der Mathematik vermag daher auch immer nur gleichsam an dessen Oberfläche anzusetzen, um von ihr in dessen Tiefe vorzudringen, so daß spannend zu verfolgen wird, bis wo hin so voranzukommen ist und von wo an sich damit nicht mehr weiterkommen läßt. Entsprechend horcht man eben auf, wenn etwa für den »Welle/Teilchen-Dualismus« gelten muß: Was je nach der Versuchsanordnung entweder als »Teilchen« oder »Welle« mathematisierbar wird, sei etwas, das von sich her weder »Teilchen« sei noch »Welle«. Denn das müßte heißen, daß dies Etwas weder diskret noch kontinuierlich sei. Wenn es sich dabei aber grundsätzlich um so ein Etwas handelt, gälte es, diese zwei negativen Aussagen durch eine positive über dieses Etwas einzulösen. Und die wäre möglich, weil »diskret« oder »kontinuierlich« hier den Sinn von »entweder diskret oder kontinuierlich« haben. Gilt statt dessen nämlich, »es gibt kein Entweder-Oder zwischen diskret und kontinuierlich«, wie ein Quantenphysiker versichert (Pietschmann 2017, S. 7), so negieren die zwei negativen Aussagen gar nicht »diskret« oder »kontinuierlich«, sondern das »EntwederOder« zwischen ihnen. Folglich nehmen »diskret« und »kontinuierlich« dadurch einen neuen positiven Sinn an, sprich: »sowohl diskret als auch kontinuierlich«. Und der gilt denn auch von vornherein für die dynamische holistische Gestalt eines zu Ausdehnung sich ausdehnenden Punktes oder Punktuellen, die das Ganze des Kontinuums von Zeit und Raum hervorbringt. 42

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So jedoch stellt jene schon gestellte Frage sich sogar noch dringlicher. So nämlich tritt hervor, welch ein Experiment im Gange ist, wenn die Mathematik als mathematische Physik inzwischen bis in tiefste Tiefen ebenso wie bis in fernste Fernen unserer Welt in Zeit und Raum vordringt, wie mit der Quantentheorie ins Mikroskopisch-Kleinste und der Allgemeinen Relativitätstheorie als Kosmologie ins Makroskopisch-Größte. Dabei stößt sie nämlich, wie bekannt, auf grundsätzliche und bis heute ungelöste Schwierigkeiten: nicht nur innerhalb von jeder einzelnen der beiden, sondern auch vor allem, was deren Vereinbarkeit betrifft. Denn trotz der vielen Fragen, die ihr dabei jeweils bleiben, setzt sie weiter überwiegend darauf, ohne Frage werde eine Lösung dafür nur durch die Mathematik erfolgen können. Dehnt man, ohne sie zu hinterfragen, deren Geltung doch inzwischen sogar so weit aus, daß sich statt dessen vielmehr schon die Frage stellen muß, wodurch solche Mathematik dann eigentlich noch mathematische Physik sein kann. All dem entgegen nämlich fragt sich angesichts jenes Ergebnisses dann umgekehrt, ob derlei wie Mathematik denn überhaupt geeignet sein kann, so einem Kontinuum gerecht zu werden. Liegt es danach doch im Wesen des Kontinuums der Ausdehnung von Zeit und Raum als solchem selbst, daß jegliche Mathematik, ob nun in seinem P-System oder in seinem K-System, stets nur von außen her an es herangetragen werden kann. So aber steht eben in Frage, ob so ein Kontinuum, sei es nach innen oder auch nach außen, durch dergleichen wie Mathematik sich überhaupt begreifen lassen kann. Denn jegliche Mathematik, ob nun im P-System oder im K-System, muß ja gerade stehenbleiben bei dem Analytischen dieses Kontinuums, weil sie gerade nicht auch noch vordringen kann bis zum Synthetischen desselben. Das vermag vielmehr nur die Philosophie, und auch nur dann, wenn sie anstatt des P-Systems das K-System dafür zugrundelegt, das den qualitativen Inhalt des Kontinuums formal bewahrt. Und sie vermag es auch nur dadurch, daß sie dem Formal-Qualitativen dieses Inhalts dann als solchem selbst noch weiter nach90 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

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geht, nämlich ihm formal-qualitativ auch noch bis auf den Grund geht. Der nämlich erweist sich dann formal-qualitativ als das entsprechende Synthetische zu dem bloß Analytischen des K-Systems. Erst so gelangt diese Philosophie zuletzt noch zum Begriff der inneren Struktur dieses Kontinuums der Ausdehnung von Zeit und Raum, das als synthetisch-ursprüngliche Form für jeden Inhalt, den es von sich selbst her mit sich bringt, zugrundeliegen muß. Vermag er doch nur dadurch in ihr aufzutreten, daß er sie analysierend zu der Form für sich macht, nämlich sie für sich kontinuierlich läßt oder diskret macht. Denn in der Gestalt von Grenze und Begrenztem, Punkt und Ausdehnung, deckt solcher Inhalt auch nur auf, was als die innere Struktur dieses Kontinuums verdeckt schon immer in ihm steckt, und was als Ausdehnung durch Selbstausdehnung eines Punktes auf einen Begriff gebracht ist. Diese innere Struktur jedoch ist als synthetisch-ursprüngliche eben durch und durch holistisch, während sie als abgeleitet-analytische, in der Gestalt von diesem oder jenem Inhalt, schon reduktionistisch ist: sogar schon hier im K-System, wo er noch ein qualitativer Inhalt bleibt. Vollends reduktionistisch aber ist sie dort, wo dieser Inhalt als qualitativer vollständig ersetzt wird durch nur noch quantitativen, wie im P-System. So aber fragt sich eben: Wird denn die Mathematik, die letztlich immer wieder nur das P-System für das Kontinuum zugrundelegen kann, den Kampf um eine endgültige Theorie der Welt in Zeit und Raum als Kampf um dieses Ganze eines Kosmos je gewinnen können? Denn als Suche nach der »Theorie für Alles« oder »Weltformel« setzt die Physik, soweit sie zur Kosmologie wird, auch tatsächlich nur auf die Mathematik. Wird sie aus den genannten Gründen diesen Kampf zuletzt nicht doch verlieren müssen, weil am Ende ihn vielmehr nur die Philosophie gewinnen kann? Gelingen nämlich kann das sogar ihr doch nur, indem sie vom Reduktionistischen des K-Systems zwar ausgeht, doch auch abgeht, nämlich von ihm übergeht hin zum Holistischen der Welt in Form jenes Kontinuums der Ausdehnung von Zeit und Raum. Dies aber ist ein Übergang, der sich durch die Mathematik wohl 91 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

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schwerlich nachvollziehen läßt. Denn auch nicht absehbar ist, wie sich das Holistische von Ausdehnung durch Selbstausdehnung eines Punktes jemals könnte mathematisieren lassen.

2. Zum synthetischen Unendlichen Für das Kontinuum als das Unendliche ergibt sich aber aus der Sicht von seinem Inhalt auch noch weiteres Wesentliche, unterzieht man P-System und K-System noch einem weiteren Vergleich. Nach allem, was diese Vergleiche schon ergeben haben, dürfte nämlich eines deutlich sein: Der Gegensatz, in dem das K-System zum P-System steht, ist nur ein kontradiktorischer und kein konträrer. In einem konträren Gegensatz zum P-System, das nur von Punkten ausgeht, stünde vielmehr ein System, das nur von Ausdehnungen ausgeht, was vom K-System jedoch nicht gilt. Denn weder geht es nur von Punkten aus, noch geht es nur von Ausdehnungen aus, weil es vielmehr von Punkten ebenso wie auch von Ausdehnungen ausgeht. Dementsprechend schwierig wäre es, so ein zum P-System konträres A-System, wie es dann heißen könnte, auch nur zu erwägen. Müßte hier sich doch sogleich die Frage stellen, aus welchem Grund oder in welchem Sinn man dabei überhaupt von einer Vielheit solcher Ausdehnungen sprechen könnte, wozu diese zueinander doch auch wechselseitig andere sein müßten. Denn im K-System ist das gewährleistet, weil hier zwischen der einen und der andern Ausdehnung jeweils ein Punkt liegt, der als Grenze zwischen ihnen jede zu einer durch ihn begrenzten macht. In einem reinen A-System dagegen müßten solche Punkte eben fehlen, und so könnte hier die Vielheit solcher Ausdehnungen auch nur unverständlich bleiben. Daher ist, soweit bekannt, ein solches reines A-System denn auch bisher noch nicht erwogen worden. Es der Vollständigkeit einer Systematik halber dennoch zu erwägen, ist jedoch nicht unerheblich, weil daraus erhellt: Genau dieselbe Frage muß sich dann auch noch in umgekehrter Richtung stellen, nämlich auch noch an das 92 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

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P-System, das nur von Punkten ausgeht. Fraglich also ist: Aus welchem Grund oder in welchem Sinn läßt sich hier überhaupt von einer Vielheit solcher Punkte sprechen, wozu diese zueinander doch desgleichen wechselseitig andere sein müssen? Denn auch das ist innerhalb des K-Systems gewährleistet, weil hier zwischen dem einen und dem andern Punkt ja jeweils eine Ausdehnung liegt, die als das durch sie Begrenzte jeweils einen Abstand zwischen ihnen als den Grenzen bildet. Solche Ausdehnungen aber müßten wiederum im P-System gerade fehlen, wie in einem A-System die Punkte fehlen müßten. Und dann könnte, wie in einem A-System die Vielheit solcher Ausdehnungen, so in diesem P-System die Vielheit solcher Punkte auch nur unverständlich bleiben. Anders als ein solches A-System, das man daher auch gar nicht erst erwägt, wird dieses P-System jedoch nicht nur erwogen, sondern nachdrücklich sogar als einzig angemessene Mathematik vertreten und zuletzt mit der Punktmengentheorie geradezu besiegelt. So jedoch muß mit demselben Nachdruck sich auch noch die Frage stellen: Aus welchem Grund oder in welchem Sinn ist dann in diesem P-System gewährleistet, daß es sich hier um eine Vielheit solcher Punkte handelt, welche wechselseitig andere zueinander sind? Da solche Punkte hier als Zahlen gelten sollen, kann das nämlich auch nur noch einmal und nunmehr endgültig die Frage nach dem Inhalt dieses P-Systems bedeuten, weil sie damit schließlich nach dem Inhalt solcher Punkte als der Zahlen fragt. So aber spitzt sich diese Frage nach dem Inhalt nur noch weiter zu. Denn schon allein im K-System ist es durchaus die Frage, welchen Sinn die Rede von dem Inhalt eines Punktes haben könnte. Kann ein Punkt hier einen inhaltlichen Sinn doch immer nur mit einer Ausdehnung zusammen haben, nämlich den der Grenze von ihr als durch ihn Begrenztem, der dann ein qualitativer Sinn ist: ein zunächst qualitativ-empirischer bzw. ein zuletzt formalqualitativer. Denn auch nur durch solche Ausdehnung ist jeder solche Punkt, seinem qualitativen Inhalt nach, von jedem andern solchen Punkt verschieden. Diesen Sinn jedoch muß so ein Punkt dann auch sofort verlieren, sobald er nicht mehr Grenze von so 93 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

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einer Ausdehnung als dem durch ihn Begrenzten sein soll, sondern jeweils nur noch für sich selbst stehen soll als ein Punkt unter andern solchen Punkten, wie im P-System. So aber fragt sich dann auch weiter: Was soll es ermöglichen, daß solche Punkte ihren Inhalt als qualitativen nicht allein verlieren, sondern statt dieses verlorenen qualitativen Inhalts einen neuen als einen quantitativen auch gewinnen? Und zwar einen, der als der quantitative dann auch seinerseits noch als ein Inhalt gelten kann, durch den auch jeder solche Punkt verschieden ist von jedem andern solchen Punkt? Soll eben dies doch in der Tat für jeden solchen Punkt noch weiter gelten, nämlich auch für jede Zahl, wenn jeder Punkt nur eine solche Zahl noch sein soll, wie zuletzt im P-System als Zahl-System. Denn jede solche Zahl soll sich doch nach wie vor von jeder andern solchen unterscheiden, so wie jeder solche Punkt von jedem andern solchen Punkt. Genau das letztere ist nämlich auch der Grund dafür, daß diese Frage, was denn das ermögliche, auch nur die Frage nach dem Inhalt solcher Zahlen sein kann. Denn daß jeder solche Punkt nur eine solche Zahl noch sein soll und so umgekehrt auch jede solche Zahl nur noch ein solcher Punkt, bedeutet dann, daß ihrer Form nach, nämlich als ein solcher Punkt, gerade keine solche Zahl sich unterscheiden kann von einer andern solchen Zahl. Sind ihrer Form nach doch sie alle eben nichts als solche Punkte, worin sie doch alle auch nur wiederholen, was bereits die ersten zwei beliebig-willkürlich gesetzten Zahlen 0 und 1 als ihr Prinzip sind, nämlich ihrer Form nach Punkte. Unterscheiden kann sich daher jede einzelne von jeder andern einzelnen der Zahlen aus dieser Sicht auch nur durch ihren jeweiligen Inhalt, weil ja ihrer Form als Punkt nach keine einzelne von keiner andern einzelnen der Zahlen sich unterscheiden kann. Da dieser Inhalt aber nur noch rein quantitativer Inhalt sein soll, so bedeutet das des weiteren: Jede solche Zahl, die nur noch etwas rein Quantitatives sein soll, kann auch dieses rein Quantitative nicht der Form als Punkt nach sein, sondern desgleichen nur durch ihren jeweiligen Inhalt. Was das allgemein bedeutet, zeichnet sich denn auch erst ab, 94 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

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pffiffi wenn man als Beispiel dafür noch einmal die 2 heranzieht. Wie die Mathematiker es auszudrücken pflegen, lasse sich das ihr entsprechende rein Arithmetische, das als entsprechend reine Zahl jene »irrationale Zahl« 1,414213562… ist, nur bestimmen durch ein »Näherungsverfahren«, das zu jenem »Grenzwert« von ihm führe. Und das könnte nahelegen, es sei diese Zahl, sprich: dieser Punkt als deren Form, was durch das »Näherungsverfahren« zu bestimmen sei. Wie nahe dies jedoch auch immer liegen mag, so kann es doch nicht zutreffen. Denn was es dabei zu bestimmen gilt, ist eben nicht, was jede Zahl mit jeder andern Zahl gemeinsam hat, nämlich der Form nach Punkt zu sein, sondern was jede solche Zahl von jeder andern solchen Zahl gerade unterscheidet. Nicht die Form als Punkt von einer Zahl ist es sonach, was dabei zu bestimmen ist, sondern der Inhalt dieser Zahl, nämlich der Inhaltpffidieser Form als Punkt. Gerade dieser Inhalt einer Zahl ffi wie 2 ist es mithin, der sich nur als »irrationale Zahl« 1,414213562… bestimmen läßt, weil ihrer Form nach diese Zahl als Punkt dafür bereits vorausgesetzt wird. Erst und nur durch solchen Inhalt also unterscheidet jede Zahl, die ihrer Form nach Punkt ist, sich von jeder andern Zahl; sie alle bilden demgemäß auch erst und nur durch ihren jeweiligen Inhalt eine Vielheit von verschiedenen Zahlen, während diese ohne ihren jeweiligen Inhalt als die bloßen Formen bloßer Punkte nur zu einem Punkt als einer Form zusammenfallen könnten. Folglich kann es auch nur dieser jeweilige Inhalt solcher Zahlen sein, der das verhindert, und so fragt sich demgemäß auch nur noch dringlicher: Wie können solche Punkte, die sie ihrer Form nach sind, denn einen Inhalt haben? Umso dringlicher wird diese Frage nämlich, weil es sich bei diesem Inhalt jetzt auch nicht mehr um einen qualitativen, sondern nur noch um einen quantitativen Inhalt handeln soll. Denn dies zu fragen heißt nunmehr: In welchem Sinn denn soll hier an die Stelle von einem qualitativen Inhalt ein quantitativer treten? Steht doch hinter dieser Frage die noch weiter gehende: Kann denn ein qualitativer Inhalt sich durch einen rein quantitativen überhaupt ersetzen lassen, wenn es auch bei letzterem noch immer sich um einen 95 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

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Inhalt handeln soll, der jede solche Zahl von jeder andern solchen unterscheide? Eine Antwort darauf stellt sich ein, sofern man einmal überlegt, weshalb man stutzt, wenn man bemerkt, wie unbekümmert Mathematiker bisweilen darauf bauen, daß etwas selbstverständlich sei, das alles andere als selbstverständlich pffiffi ist. Als Beispiel dafür dienen kann desgleichen jener Fall der 2 als Stellvertreter einer Vielzahl solcher Fälle. So führt eine Darstellung zum Beispiel vor, wie von jener Hypotenuse pffiffi her, wenn man sie als den Radius eines Kreises nutzt, die 2 sich dann als eine von den Zahlen auf dem Zahlenstrahl erweisen läßt. 43 Bekümmert es den Mathematiker doch wenig oder pffiffi gar nicht, wenn in einer solchen Darstellung der Ausdruck » 2« zum einen als Bezeichnung für jene Hypotenuse auftritt und zum andern als Bezeichnung für die durch sie festgelegte Zahl des Zahlenstrahls, was dann schon stutzig macht. Denn alspBezeichnung für jene Hypotenuse ffiffi steht dann dieser Ausdruck » 2« für eine Ausdehnung, weshalb man ihn auch säuberlich über die Mitte zwischen ihren beiden Grenzen setzt. Doch als Bezeichnung für die auf jenem ZahpffiZahl ffi lenstrahl steht dann derselbe Ausdruck » 2« für einen Punkt, weshalb man ihn genauso säuberlich auch über diesen Punkt setzt, den die eine von den beiden Grenzen der Hypotenuse festlegt. Und so stutzt man dabei eben in dem Sinn, daß man zunächst sich fragt, wie das denn sein kann, wo doch zwischen einer Ausdehnung und einem Punkt ein grundsätzlicher Unterschied bestehen muß, und zwar auch dann, wenn eine Ausdehnung nur eine Punktmenge noch sein soll. Zwischen einem ganz bestimmten Punkt und einer (sogar »überabzählbar« unendlich großen) Punktmenge muß nämlich weiterhin ein Unterschied bestehen, auch wenn er nur noch der von unterschiedlich großen Punktmengen sein soll. Dies Stutzen aber läßt auch dann nicht nach, wenn man zuletzt sich klarmacht: Dem zum Trotz erscheint p dem ffiffi Mathematiker das zweimalige Auftreten des Ausdrucks » 2« 43

Vgl. dazu etwa Maor 1989, S. 65.

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für so Verschiedenes als selbstverständlich, weil gleichwohl ja jedesmal dieselbe Zahl mit ihm bezeichnet wird. Nur wird sie es das eine Mal ihrer Form als Punkt nach, nämlich wenn der pbloß ffiffi Ausdruck » 2« für jenen Punkt steht, und das andere Mal bloß ihrem Inhalt nach, wenn dieser Ausdruck nämlich für die Ausdehnung jener Hypotenuse steht. Denn so wird deutlich, wie der Mathematiker sich diesen Inhalt aller Zahlen jeweils denkt, der als nur noch quantitativer an die Stelle von qualitativem Inhalt treten soll, was weiterstutzen läßt. Wird dann doch fraglich, ob und wie denn die Ersetzung von diesem qualitativen durch jenen quantitativen Inhalt überhaupt gelingen kann. Denn jene Frage, wie ein Punkt denn überhaupt zu so etwas wie einem Inhalt kommen kann, stellt sich dann auch geradezu dramatisch, nämlich ob und wie ein Inhalt überhaupt hineingelangen kann in so etwas wie einen Punkt. Nimmt man dies wörtlich, gilt es nämlich nicht einmal für einen Punkt im K-System, wo er als Grenze einer Ausdehnung seinen qualitativen Inhalt durchaus hat. Besitzt er hier doch auch nicht einmal diesen etwa dadurch, daß in irgendeinem Sinn ein Inhalt in den Punkt hineingelangte. Daß er diesen Sinn der Grenze einer Ausdehnung hier hat, heißt keineswegs, daß er als Grenze einer Ausdehnung, die beispielsweise Grüngehalt besitzt, indem sie grün ist, etwa eine »grüne Grenze« sei, auch wenn man umgangssprachlich-sinnvoll eine »grüne Grenze« durchaus kennt. Vielmehr besitzt er ihn nur in dem Sinn, daß er als deren Grenze eben Ende dieser grünen Ausdehnung und damit Anfang von einer nichtgrünen ist, bzw. umgekehrt. Und das gilt ebenso für Inhalte wie den von einem Baum oder von einem Haus. Denn auch »… ein Baum« oder »… ein Haus« ist stets nur eine Ausdehnung und nicht etwa die Grenze oder Form derselben. Diese nämlich hat sie nur als »… Hausform« oder »… Baumform«, die dann nicht mehr prädiziert, sondern statt dessen zusätzlich thematisiert ist, was es nach wie vor zu unterscheiden gilt. 44 Vgl. oben S. 30 ff. Das alles gilt hier auch nur vorläufig unter ausschließlich-analytischer Betrachtung. Wie es zu einem qualitativen Inhalt kom-

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Erst recht jedoch kann Inhalt nicht in so etwas wie einen Punkt hineingelangen, wo ein solcher Punkt nicht einmal eine solche Grenze mehr sein kann, wie dann im P-System. Kann er das hier doch weder sein von einer Ausdehnung, die es hier nicht mehr geben soll, noch auch von einer Punktmenge, die sie ersetzen soll. Denn Grenze von einer Punktmenge als einem durch ihn »geschlossenen Intervall« kann so ein Punkt hier auch nur noch in dem Sinn sein, daß er als Punkt zu dieser Punktmenge hinzugehört. Zu ihr hinzugehören kann er somit auch nur noch als Grenze, die er nur noch von sich selbst sein soll. 45 Lag aber schon im K-System die Ausdehnung als etwas Anderes zum Punkt grundsätzlich außerhalb vom Punkt, so liegt im P-System die Punktmenge, die sie ersetzen soll, als etwas Anderes zu diesem Punkt sogar noch grundsätzlicher außerhalb von diesem Punkt. Denn jene Ausdehnung tut das dort auch nur wie ein Ding im Unterschied zu jenem Punkt als dessen Eigenschaft. Doch diese Punktmenge tut das hier noch grundsätzlich weitergehend, nämlich wie ein Ding im Unterschied zu diesem Punkt als einem andern Ding. Und das ist nicht mehr, wie die Eigenschaft von einem Ding, bloß etwas Anderes als dieses Ding, die trotzdem noch die Eigenschaft von ihm ist. Vielmehr ist das als ein zweites Ding im Unterschied zu ihm als einem ersten Ding dann auch noch etwas zu ihm Äußerliches, das nicht mehr, wie eine Eigenschaft, etwas von ihm sein kann. Daher ist das Entscheidende an diesem Unterschied das Folgende. Damit im K-System ein Ding als eine Ausdehnung von einer andern Ausdehnung als einem andern Ding sich unterscheide, reicht der bloße Punkt als bloße Grenze zwischen ihnen, die bzw. der dann eine zweistellige Eigenschaft von ihnen ist. Im P-System dagegen reicht das nicht, weil jeder solche Punkt hier nicht mehr bloße Eigenschaft von einem Ding sein soll, sondern men kann, ob nun in so etwas wie Ausdehnung oder wie Punkt, wird vollends einsichtig erst unter zusätzlich-synthetischer Betrachtung. Dazu vgl. unten S. 169 ff. 45 Vgl. dazu oben S. 29 f., S. 38 f., S. 66 ff.

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auch seinerseits bereits ein Ding. Damit im P-System ein Ding als so ein Punkt von einem andern Ding als einem andern solchen Punkt sich unterscheide, könnte darum eine bloße Grenze zwischen ihnen, die als Punkt ja ohnehin auch selbst ein Ding sein soll, jetzt nicht mehr reichen, weshalb hier nun erst und nur ein Abstand zwischen ihnen reichen kann. Diese Systeme zu vergleichen, lehrt entsprechend: Während zwischen einem Punkt und einer Ausdehnung, durch die er einen Inhalt hat, im K-System nicht nur kein Abstand liegt, sondern nicht einmal eine Grenze, liegt im P-System zwischen dem einen und dem andern Punkt einer Punktmenge grundsätzlich ein Abstand. Dieser ist daher zu jedem so grundsätzlich etwas Äußerliches, wie das keine Ausdehnung jemals zu einem Punkt als ihrer Grenze ist. Und dennoch kann es hier im P-System nur so ein Abstand sein, wodurch sich jeder Punkt von jedem andern Punkt einer Punktmenge unterscheidet, weil ein jeder auch nur durch so einen Abstand seinen Inhalt haben kann. Wie also kann etwas so Äußerliches wie ein Abstand zwischen Punkt und Punkt oder Punktmenge jemals für den Inhalt jedes solchen Punktes sorgen, wodurch sie zu inhaltlich verschiedenen Punkten werden? Diese Frage läßt sich nämlich nicht entschärfen durch den Hinweis: Eigentlich sei deren Unterschied doch gar nicht mehr ein Abstand. Denn als einer zwischen Punkten setze dieser Abstand zwischen ihnen immer noch die Ausdehnung voraus. Die aber bilde hier auch ihrerseits als eine bloße Menge bloßer Punkte nur noch eine bloße Menge bloßer Zahlen, zwischen denen nicht mehr Abstände bestünden, sondern nur noch Differenzen. Ganz im Gegenteil verschärft sich nämlich diese Frage dadurch noch, weil das verdeutlicht, wie der Mathematiker sich die Ersetzung von jenem qualitativen Inhalt durch diesen quantitativen denkt. Wird so doch sichtbar, daß er damit eine wörtliche Ersetzung gar nicht meint, weil gar nicht einen vollständigen Austausch zwischen beidem. Vielmehr meint er nur so etwas wie eine Verwandlung von qualitativem in quantitativen Inhalt, die in letzterem etwas Entscheidendes von ersterem bewahrt, das als etwas Gemeinsames von ihnen auch nach einer eigenen Bezeich99 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

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nung ruft. Beiden gemeinsam nämlich ist, daß jedes eben Grund der Vielheit von Verschiedenem sein soll. Was dies betrifft, ist denn auch nur noch zweitrangig, ob man sich darunter nun einen Abstand denkt, der eine Ausdehnung voraussetzt, oder eine bloße Differenz von bloßen Punkten bloßer Zahlen einer bloßen Menge solcher Punkte oder Zahlen. Wohl aber fragt sich dann noch immer, welches davon denn der ursprüngliche Grund der Vielheit von Verschiedenem ist, und welches erst ein von ihm abgeleiteter. Und das ist schwerlich anders zu entscheiden als für ersteren, weil unerfindlich bleiben muß: Woher denn könnte ein Subjekt einen Begriff der Vielheit von Verschiedenem ursprünglich haben, wenn nicht vom Diskreten im Kontinuum der Ausdehnung von Zeit und Raum her, wie das K-System es modelliert? Denn auch, wenn Mathematiker es nur noch gelten lassen wollen als das »Mannigfaltige« der »Mengen« bloßer Punkte oder Zahlen und deren »Differenzen«, können sie es ursprünglich doch stets nur einführen an Hand von Beispielen aus diesem K-System wie Zahlen-Strahl oder -Gerade oder -Ebene. Wie also kommen dann im bloßen P-System die bloßen Punkte als die bloßen Zahlen jeweils zu dem Inhalt, der auch sie noch zu der Vielheit von Verschiedenem machen soll, wenngleich nur noch als ihr quantitativer Inhalt? Daß die Antwort darauf sich nunmehr von selbst versteht, kann nämlich nicht verdecken, daß auch sie es in sich hat, obwohl dem Mathematiker dies unauffällig bleibt. Denn selbstverständlich lautet sie: Nach dem Prinzip, das durch die ursprüngliche und beliebig-willkürliche Setzung jener Punkte oder Zahlen 0 und 1 zugrundeliegt, kommt wie schon die Zahl 1 auch jede weitere solche Zahl als Punkt zu ihrem jeweiligen Inhalt durch den Abstand oder durch die Differenz, den er zum Nullpunkt oder die sie zur Zahl 0 hat. Denn nur dadurch, daß für jede einzelne von solchen Zahlen diese Differenz, oder für jeden einzelnen von solchen Punkten dieser Abstand, jeweils unterschiedlich wird, bekommt dann und besitzt dann jeder oder jede einzelne von ihnen einenpInhalt als nur noch ffiffi quantitativen. Und so kann der Ausdruck » 2« auch in der Tat 100 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

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sowohl für jene Differenz oder für jenen Abstand stehen als auch für jene Zahl als jenen Punkt, die diese Differenz hat zur Zahl 0 oder der diesen Abstand hat zum Nullpunkt, nämlich als quantitativen Inhalt von sich. Und das gilt denn auch für jede einzelne der Zahlen, einerlei, von welcher Zahlenart sie sein mag. Wie also kann dann denn ausgerechnet so etwas wie Abstand oder Differenz, das doch zu jeder Zahl und jedem Punkt etwas grundsätzlich Äußerliches ist, gleichwohl für jede solche Zahl und jeden solchen Punkt zu so etwas wie Inhalt führen? Wo erst recht doch solches Äußerliche nicht in eine Zahl als einen Punkt hineingelangen kann, um dort dann so den Inhalt auszumachen? Nur noch dadurch, daß der Mathematiker dies Äußerliche jedem Punkt und jeder Zahl als deren Inhalt einfach zuordnet, um so das Willkürlich-Beliebige des ganzen Unternehmens zu vollenden. Willkürlich-beliebig nämlich ist bereits die ursprüngliche Setzung der Zahl 0 oder des Nullpunkts, und nur als das jeweils Unterschiedliche von Abstand oder Differenz zu ihm oder zu ihr bekommen dann die weiteren Zahlen oder Punkte jeweils ihren Inhalt zugeordnet. So jedoch ist der gesamte Inhalt dieses P-Systems als ein nur noch quantitativer auch ein nur noch willkürlich-beliebig in die Welt gesetzter Inhalt, mag das P-System ihn auch als einen, der vollkommen in sich stimmig ist, erstellen. Wie sich schon ergab, wird ohnehin ein solcher Inhalt als nur noch quantitativer nicht von innen her aus dieser Welt als dem synthetischen Kontinuum der Ausdehnung von Zeit und Raum herausgewonnen, sondern bloß von außen her an es herangetragen. Zudem aber wird er, wie sich jetzt noch zusätzlich ergibt, als ein im P-System beliebig-willkürlich-erfundener an das synthetische Kontinuum der Ausdehnung von Zeit und Raum herangetragen. Denn als ein nur noch quantitativer Inhalt ist er auch vom Anfang bis zum Ende dieses P-Systems ein nur noch mathematisch-selbstgemachter Inhalt. Und wie grundsätzlich das gelten muß, erhellt denn auch, wenn man verfolgt, was dann im einzelnen daraus zu folgern ist. Als Analyse des synthetischen Kontinuums der Ausdehnung 101 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

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von Zeit und Raum ist nämlich dieses P-System dann eine, die im Unterschied zu der des K-Systems, die zum synthetischen Kontinuum gerade hinführt, vom synthetischen Kontinuum gerade wegführt. Und verfolgen läßt sich das denn auch an der Gestalt, die das synthetische Kontinuum als das synthetische Unendliche annehmen muß, wenn es zum analytischen Unendlichen in der Mathematik des P-Systems gemacht wird. Von sich selbst her nämlich ist dieses synthetische Kontinuum der Ausdehnung von Zeit und Raum etwas Unendliches gerade darin, daß es jeder seiner Dimensionen nach, die bloße Glieder in ihm als dem Einen-Ganzen sind, ins Unbestimmt-Unendliche verläuft. Zu etwas Endlichem in ihm kommt es ursprünglich denn auch immer erst durch diesen oder jenen Inhalt in ihm, die hier als qualitative auftreten, indem sie Glieder oder Teile in ihm bilden, die sich voneinander unterscheiden lassen, etwa wie das K-System dies modelliert. Verglichen damit aber tritt im P-System durch den nur noch quantitativen Inhalt solcher Punkte oder Zahlen etwas Endliches in dem Sinn auf, daß diese jeweils mit verschiedener Differenz oder verschiedenem Abstand zur Zahl 0 oder zum Nullpunkt auftreten. So aber bilden sie auch ihrerseits ein Unbestimmt-Unendliches von Punkten oder Zahlen, das als Gegenüber zur Zahl 0 oder zum Nullpunkt mathematisch mit dem Zeichen »1« versehen wird, und das im Fall des Zahlenstrahls nur einseitig als »+ 1« auftritt und im Fall der Zahlengeraden zweiseitig als »+ 1« und »– 1«. Und so könnte naheliegen, solche Zahlen oder Punkte, die ja jeweils etwas Endliches nur ihrem jeweiligen Inhalt nach sind, als den Inbegriff des Endlichen so zu verstehen, daß sie zwischen 0 auf einer Seite liegen und 1 auf der andern Seite: was auch noch für + 1 und – 1 mit � 0 zu gelten habe. Damit aber wäre dieses P-System von Grund auf mißverstanden, weil in ihm als Zahl-System zwar die Zahl 0 oder der Nullpunkt eine ganz bestimmte Zahl oder ein ganz bestimmter Punkt ist, nicht jedoch 1. Dieses ist vielmehr bloß jenes Unbestimmt-Unendliche des bloßen Immer-weiter-Gehens einer solchen Punkte- oder Zah102 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

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lenfolge, nicht jedoch auch selbst noch eine ganz bestimmte Zahl oder ein ganz bestimmter Punkt wie die Zahl 0 oder der Nullpunkt. Deshalb kann auch keine Rede sein von einem Zwischen dieses Inbegriffs von Zahlen oder Punkten als dem Endlichen, weil es durchaus nicht ebenso wie in Bezug auf die Zahl 0 oder den Nullpunkt auch bezüglich auf 1 so ein Zwischen sein kann, was es dazu aber müßte. Und dies auch wenn Mathematiker des öfteren so sprechen, wie zum Beispiel von dem »Intervall« zwischen »(– 1 … + 1)« 46 oder zwischen »[20,1)« oder »(– 1,34]«. 47 Denn im Gegensatz zur eckigen bedeutet ja die runde Klammer: bis zu diesem Punkt oder zu dieser Zahl, doch ohne Einbeziehung dieses Punktes oder dieser Zahl, was aber mindest irreführt. Denn bei 1 handelt es sich eben nicht um etwas, das wie ein bestimmter Punkt oder eine bestimmte Zahl sich »einbeziehen« oder auch »nicht einbeziehen« ließe. 48 Dann jedoch folgt einiges, wenn man auch weiterhin beachtet: Ausschließlich durch ihren jeweiligen Inhalt bilden alle diese Zahlen oder Punkte endliche oder den Inbegriff des Endlichen. Denn diesen Inhalt können sie dann auch nur einseitig durch ihren jeweiligen Abstand oder ihre jeweilige Differenz zum Nullpunkt oder zur Zahl 0 besitzen; und nicht etwa können sie ihn zweiseitig auch noch durch eine Differenz oder durch einen Abstand zu 1 haben, weil 1 dafür gar nicht als bestimmter Punkt oder bestimmte Zahl verfügbar sein kann: weder + 1 noch – 1. Und so steht 1 auch nicht zur Verfügung, um vergleichbar, wie von der Zahl 0 oder dem Nullpunkt her, auch von 1 her all diesen Zahlen oder Punkten einen Inhalt zu verschaffen: eben einen Inhalt zuzuordnen. Für den Inhalt als nur noch quantitativen aber heißt dies dann, daß er tatsächlich nur ein mathematischselbstgemachter Inhalt sein kann. Denn bekommen können ihn dann alle diese Zahlen in der Tat nur durch die Zuordnung der Cantor 2013, S. 241. Beck 2008, S. 162. 48 Vgl. dazu auch z. B. Dirichlet 1894, S. 205. Hier sagt er von zwei Zahlen, daß »die eine zwischen 1 und + 1, die andere zwischen – 1 und 0 liegt« (kursiv von mir). 46 47

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Differenz oder des Abstands, die sie zur Zahl 0 oder zum Nullpunkt haben. Quelle oder Ursprung für den Inhalt soll dann also ausgerechnet und ausschließlich die Zahl 0 oder der Nullpunkt sein, weil nur die Differenz zu ihm oder zu ihr durch jeweilige Zuordnung den Inhalt überhaupt erst schaffen soll, um allen jenen Zahlen oder Punkten jeweils einen Inhalt zu verschaffen. Also ausgerechnet und ausschließlich als beliebig-willkürlich-gesetzte Quelle oder als beliebig-willkürlich-gesetzter Ursprung soll der Nullpunkt oder die Zahl 0 das sein. Denn was das wirklich heißt, erschließt sich erst, wenn man sich zudem klarmacht: Abgesehen von ihrem Inhalt, also ihrer bloßen Form als bloßem Punkt nach, ist doch jede solche Zahl und jeder solche Punkt auch überhaupt nichts anderes als noch einmal so etwas wie der Nullpunkt oder die Zahl 0. Denn etwas von ihnen Verschiedenes sind sie ja jeweils nur durch ihren Inhalt, und nicht etwa auch durch ihre Form, weshalb sie es nur durch die jeweilige Zuordnung der Differenz oder des Abstands sind. Dann nämlich folgt etwas, das schlagend aufdeckt: In der Tat ist das Quantitative dieses Inhalts auch nur etwas Mathematisch-Selbstgemachtes, was Mathematik als bloßes P-System verdeckt läßt. Denn daß jeder solche Inhalt letztlich nur im Abstand oder in der Differenz von jeder solchen Zahl und jedem solchen Punkt zum Nullpunkt oder zur Zahl 0 bestehen kann, bedeutet dann, daß er durch seine jeweilige Zuordnung auch nur als ein Verhältnis oder eine Relation zum Nullpunkt oder zur Zahl 0 besteht. Als Abstand oder Differenz jedoch sind diese Relationen als diese Verhältnisse jeweils symmetrische. Denn steht zum Beispiel b zu a in einer Differenz oder in einem Abstand, so steht umgekehrt auch a zu b in dieser Differenz oder in diesem Abstand. Folglich heißt das: Nicht nur jede dieser Zahlen oder jeder dieser Punkte hat zum Nullpunkt oder zur Zahl 0 dann jeweils diesen Abstand oder diese Differenz; es hat vielmehr auch umgekehrt der Nullpunkt oder die Zahl 0 zu jedem solchen Punkt oder zu jeder solchen Zahl dann jede dieser Differenzen oder jeden dieser Abstände. Und da in diesen Abständen oder in 104 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

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diesen Differenzen ja die jeweiligen Inhalte all jener Punkte oder Zahlen bestehen sollen, hieße dies, daß jeden dieser Inhalte auch umgekehrt der Nullpunkt oder die Zahl 0 besitzen müßte. Nur bedeutet, jeden dieser Inhalte zu haben, freilich, keinen dieser Inhalte zu haben, weil dann, einen von ihnen zu haben, ja bedeutet, keinen andern von ihnen zu haben. Hat dann jede solche Zahl und jeder solche Punkt doch diesen jeweiligen Inhalt auch nur in dem Sinn, daß dieser Inhalt ein bestimmter ist im Unterschied zu jedem anderen bestimmten, als der solcher Inhalt sich auf jede dieser Zahlen oder jeden dieser Punkte also streng verteilt. Und so geht jeder als bestimmter Inhalt auch verloren, wenn im Nullpunkt der Zahl 0 jeder mit jedem anderen zusammenfällt. Genau in diesem Sinn hat somit die Zahl 0 oder der Nullpunkt innerhalb des P-Systems gerade keinen Inhalt, so daß in der Tat auch ausgerechnet und ausschließlich sie als solche selbst die Quelle und der Ursprung allen Inhalts sind. Zurück geht dieser als nur noch quantitativer also, wie der Mathematiker vermeint, am Ende auf »das Nichts, das Alles gebiert«, 49 weil es ja aus keinem Inhalt jeweils einen Inhalt und so jeden Inhalt schaffe. Nur ist dieses angebliche Tun des Nichts vielmehr das Tun des Mathematikers, das denn auch das synthetische Kontinuum als das synthetische Unendliche betrifft, dem er dadurch im vollen Sinn des Wortes etwas antut. Doch vermag der Mathematiker, solange er nur der ist, der Mathematik vollzieht, noch nicht zu sehen, wie weitgehend es davon in der Tat betroffen wird. Vielmehr vermag das erst der Philosoph, der die Mathematik auch noch thematisiert, um auch noch zu bedenken, was da wie vollzogen wird. Dann nämlich folgt aus dem Gesichtspunkt dieses Inhalts, der entscheidend ist, noch einiges für das synthetische Unendliche, das ursprünglich als das synthetische Kontinuum zugrundeliegt. Daß demnach die Zahl 0 oder der Nullpunkt, die der Mathematiker zum Einstieg in sein P-System nur willkürlich-beliebig setzt, noch keinen Inhalt haben können, daraus 49

Kuba 2004, S. 18 ff., S. 27 f.

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nämlich folgt des weiteren: Als dieser eine Punkt kann die Zahl 0 dann auch noch nicht als eine, sprich: noch nicht als erste der endlichen Zahlen gelten. Denn das Einzige im P-System, was eine Festlegung des Sinns von etwas Endlichem erlaubt, das von Unendlichem sich unterscheidet, ist der jeweilige Inhalt. Durch den aber müssen alle jene Punkte oder Zahlen auch bereits vom Nullpunkt oder der Zahl 0 sich unterscheiden. Und so scheidet eben aus, es könnte die Zahl 0 als dieser Punkt auch selbst schon eine von den Zahlen sein, die jeweils nur durch ihren Inhalt endliche sein können. So jedoch wird die Zahl 0 in jener Sonderstellung, die ihr ohnehin schon aus verschiedenen Gründen zukommt, unter dem entscheidenden Gesichtspunkt dieses Inhalts, der ihr fehlt, dann auch nur endgültig befestigt. Daß sie sich von allem Endlichen als Unterschiedlich-Inhaltlichem unterscheiden muß, kann dann jedoch nur heißen: Innerhalb des P-Systems hat die Zahl 0 oder der Nullpunkt selbst schon als etwas Unendliches zu gelten, dem als weiteres dann das Unendliche der endlich-inhaltlichen Zahlen oder Punkte gegenübersteht. Und so ist dieses analytische Unendliche dann auch das Gegenüber zwischen dem Unendlichen von vielen endlich-inhaltlichen Punkten oder Zahlen und dem Unendlichen von einer Zahl oder von einem Punkt als der Zahl 0 oder dem Nullpunkt. So jedoch kann mengentheoretisch, innerhalb des P-Systems, dieses Unendliche der Menge endlich-inhaltlicher Zahlen oder Punkte nur als das Unendlich-Große gelten. Und so kann hier das Unendliche von einer Zahl oder von einem Punkt als Nullpunkt oder als Zahl 0, die mengentheoretisch ja die eine »leere Menge« als die erste sein soll, dann auch nur als das Unendlich-Kleine gelten. Der entscheidende Gesichtspunkt dieses Inhalts also, der dem Einen der Zahl 0 oder des Nullpunkts fehlt und den das Viele jener Punkte oder Zahlen jeweils hat, begründet schließlich auch noch diesen grundsätzlichen Unterschied zwischen Unendlich-Kleinem und Unendlich-Großem innerhalb des analytischen Unendlichen. So aber wird am Ende deutlich, was der Mathematiker da wie vollzieht, wenn er als das Modell für das synthetische Unendliche 106 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

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jenes synthetischen Kontinuums sein P-System als analytisches Unendliches erstellt. Denn als synthetisches Kontinuum der Ausdehnung von Zeit und Raum ist dies synthetische Unendliche das Eine-Ganze der verschiedenen Dimensionen von ihm, deren jede als ein bloßes Glied von ihm ins Unbestimmt-Unendliche verläuft. Dies Eine-Ganze ist es demgemäß, in das der Mathematiker den Nullpunkt oder die Zahl 0 setzt und bezüglich dessen dieses Setzen ein beliebig-willkürliches ist. Und das gilt auch für jedes weitere solche Setzen aller weiteren solchen Punkte oder Zahlen. Ist jede weitere solche Zahl und jeder weitere solche Punkt doch auch nur noch einmal so etwas wie der Nullpunkt oder die Zahl 0 als erste solche oder erster solcher. Denn sie alle unterscheiden sich ja jeweils nur durch das Geregelte von ihrem Abstand oder ihrer Differenz dazu als ihrem Inhalt. Und so kann nicht gelten, daß dies Eine-Ganze des synthetischen Kontinuums als des synthetischen Unendlichen etwa von sich her in all diese Punkte oder Zahlen zerfiele. Gelten muß vielmehr, daß erst der Mathematiker es in all diese Punkte oder Zahlen zerfällt, nämlich zerfallen macht, indem er aus ihm etwas macht, das es von sich her gar nicht ist. Von sich her nämlich ist dies Eine-Ganze nicht nur keine bloße Menge solcher Punkte oder Zahlen, sondern eben Ausdehnung und nichts als Ausdehnung; als dieses Eine-Ganze von synthetischem Unendlichen ist es vor allem auch kein Gegenüber zwischen sich als dem Unendlich-Kleinen und als dem Unendlich-Großen, wie als jenes Eine der Zahl 0 oder des Nullpunkts einerseits und jenes Viele aller weiteren Punkte oder Zahlen anderseits. Wie es der Mathematiker im P-System entstellt, zeigt denn auch erst die innere Ungereimtheit mit sich selbst, zu der dann das Unendliche mißrät, wenn aus ihm als jenem synthetischen hier dieses analytische gemacht wird. Nicht nur nämlich wird es dadurch innerhalb von sich zu einem Gegenüber zwischen sich als dem Unendlich-Kleinen und Unendlich-Großen. Als dies Gegenüber zwischen beidem wird es dadurch vielmehr in sich selbst auch noch zu etwas mit sich selbst grundsätzlich Unvergleichbarem. 107 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

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Denn wie etwa die Mengenlehre Cantors zeigt, ist das Unendlich-Große all der Mengen endlich-inhaltlicher Punkte oder Zahlen als Unendliches das Viele-Relative von verschiedenen Mengen. Diese nämlich sind jeweils nicht einfach nur unendlich große, sondern als unendlich große jeweils unterschiedlich große, die als solche somit größer oder kleiner sind. So ist zum Beispiel die unendlich große Menge der »natürlichen Zahlen«, die Cantor als die »abzählbar« unendlich große Menge festsetzt, kleiner als die »überabzählbar« unendlich große Menge der »reellen Zahlen«, die größer ist als jene. Und so geht es weiter, da zu solchen Mengen stets »Potenzmengen«, die größer sind, sich bilden lassen, was auf keine Grenze stoßen kann. – Als das Unendlich-Kleine der Zahl 0 oder des Nullpunkts aber ist dieses Unendliche durchaus nicht etwa gleichfalls Vieles-Relative, welches als Unendlich-Kleines unterschiedlich Kleines wäre, weil das eine von ihm kleiner oder größer als das andere UnendlichKleine wäre. Vielmehr ganz im Gegenteil: Als das UnendlichKleine der Zahl 0 oder des Nullpunkts ist dieses Unendliche das Eine-Absolute von Unendlich-Kleinem als dem Einzigen. So aber wird dieses Unendliche durch dieses P-System dann buchstäblich in sich zersetzt, indem es als ein Selbiges auch buchstäblich zerfällt wird in das Viele-Relative von Unendlich-Großem und das Eine-Absolute von Unendlich-Kleinem. Und so ist dieses Unendliche, indem es beides ist, in sich zu etwas mit sich Unvergleichbarem zerfallen. Im Unterschied zur Wohlgestalt des Einen-Ganzen von synthetischem Unendlichen, wie es als das synthetische Kontinuum der Ausdehnung von Zeit und Raum auftritt, gilt deshalb: Diese Mißgestalt von ihm als etwas mit sich Unvergleichbarem, die es im P-System durch seine Analyse annimmt, hat am Ende nur den einen Grund. Bloß als das Eine-Absolute von Unendlich-Kleinem der Zahl 0 oder des Nullpunkts hat es hier noch etwas von sich selbst als dem Unendlichen. Dagegen kann das Viele-Relative von unendlich großen Mengen jener weiteren Punkte oder Zahlen nur das Immer-weiter-Gehen sein von Immer-weiter-Endlichem, das zu Unendlichem auch niemals hinführen, sondern immer nur noch weiter 108 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Zum synthetischen Unendlichen

von ihm wegführen kann. Denn eine bloße Illusion, die sich der Mathematiker als Mengentheoretiker selbst macht, ist es, zu meinen, daß es möglich sei, auf diesem Wege jemals zu so etwas wie Unendlichem zu kommen. Kann von Mengen solcher Punkte oder Zahlen doch auch immer nur die Rede sein als den durch ein Subjekt gesetzten, die nur endlich viele sind, auch wenn die Regel oder das Gesetz der Setzung für unendlich viele gilt. Denn eine platonistische Ontologie für Mengen solcher Punkte oder Zahlen kann nun einmal nicht in Frage kommen. Und mit solchem Endlichen in sich kann das Unendliche dann auch tatsächlich nur noch etwas Unvergleichbares in sich sein. Nur ist eben dies der Preis, den zur Erstellung seines P-Systems der Mathematiker zu zahlen hat. Denn auch nur dadurch, daß der Mathematiker aus dem synthetischen Unendlichen das alles macht, indem er dieses analytische Unendliche als dieses in sich Unvergleichbare erstellt und aufrechthält, macht und erhält der Mathematiker sich dieses P-System mit seinem Inhalt als nur noch quantitativem. Braucht man sich doch auch nur vorzustellen, er würde dies nicht aufrechthalten, sondern dies rückgängigmachen, und es müßte für das P-System und seinen Inhalt als nur noch quantitativen sofort gelten: wie gewonnen, so zerronnen. Für das K-System und seinen Inhalt als qualitativen aber gilt durchaus nicht etwa das Entsprechende. Es nicht mehr aufrechtzuerhalten, sondern rückgängigzumachen, hieße zwar, jenes Formal-Qualitative seines Inhalts zu verlieren, den das KSystem als K-Modell für das synthetische Kontinuum durch dessen Analyse sich erstellt. Nicht aber wäre damit auch noch das Qualitativ-Empirische verloren, für das dieses K-System das KModell ist, und das doch dieses synthetische Kontinuum von sich her mitbringt. Denn sein eigener Inhalt ist es, der als ursprünglicher Analytiker von ihm die ursprüngliche Analyse vornimmt und dadurch dieses Qualitativ-Empirische in ihm hervorbringt.

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C. Das ursprüngliche Unendliche

1. Das analytische und das synthetische Kontinuum Der Vergleich von P-System und K-System führt unter dem entscheidenden Gesichtspunkt ihres jeweiligen Inhalts dann jedoch noch weiter. Denn er weist zuletzt auch noch den Weg hin zum ursprünglichen Unendlichen, wie es zu dem synthetischen Kontinuum der Ausdehnung von Zeit und Raum wird. Muß sich doch nach den bisherigen Vergleichen zwischen ihnen schließlich noch die Frage stellen: Was genau geschieht denn jeweils mit dem Inhalt, den dieses synthetische Kontinuum von sich her mitbringt, wenn es modelliert wird durch das P-System zum einen oder durch das K-System zum andern? Wie es scheint, ist für das P-System die Antwort darauf schon gegeben, nämlich daß es diesen Inhalt als qualitativen vollständig ersetzt durch Inhalt als nur noch quantitativen. Und entsprechend ist, so scheint es, diese Antwort auch schon für das K-System gegeben, nämlich daß es ihn als den qualitativen Inhalt nicht ersetzt, sondern bewahrt, indem es ihn bloß zu formal-qualitativem macht, weil es nur absieht von ihm als qualitativ-empirischem. Doch keine dieser Antworten auf sie kann schon das letzte Wort zu dieser Frage sein. Dann nämlich muß der Grund dafür in jedem Fall die Form sein, unter der es dazu kommt, den Inhalt als qualitativen zu bewahren, wie im K-System, oder ihn als qualitativen zu ersetzen durch quantitativen Inhalt, wie im P-System. So aber fragt sich eben weiter, was genau dann eigentlich als Form zugrundeliegt, wenn mit dem Inhalt auf Grund solcher Form all dies jeweils geschieht. Liegt es doch in der Tat nur an der Form, daß solcher Inhalt, den dieses Kontinuum als den qualitativ-empirischen von sich her mitbringt, innerhalb des K-Systems zumindest als formal110 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das analytische und das synthetische Kontinuum

qualitativer modelliert und so bewahrt wird. Denn tatsächlich stellt das K-System dies auch nur dadurch sicher, daß es zu seinen formalen Elementen nicht nur das Formale jener Punkte nimmt, sondern auch das Formale jener Ausdehnungen. Im jeweiligen Verhältnis beider zueinander nämlich bleibt formalqualitativ erhalten, was qualitativ-empirisch als die Grenze von etwas durch sie Begrenztem jeweils inhaltlich so oder so besetzt wird. 50 Dann jedoch muß erst einmal verwundern, weshalb das nicht auch im P-System der Fall sein soll. Denn zu seinen formalen Elementen nimmt es zwar nur das Formale jener Punkte, weil es das Formale jener Ausdehnungen ebenfalls nur als Formales von Punktmengen auffaßt. Als Erklärung dafür aber kann das nicht genügen. Denn bloß dadurch, daß dies P-System bloß von den Punkten und Punktmengen ausgeht, ist jener qualitative Inhalt – ob nun als qualitativ-empirischer oder formal-qualitativer – längst noch nicht ersetzt durch den nur noch quantitativen Inhalt dieses P-Systems. Verschafft es den sich doch erst dadurch, daß es einen dieser Punkte willkürlich-beliebig als den Nullpunkt der Zahl 0 setzt, um durch Abstände oder durch Differenzen hierzu dann die andern Punkte als die andern Zahlen zu gewinnen. Durch das bloße Ausgehen von bloßen Punkten und Punktmengen also ist durchaus noch nicht erklärt, daß es hier zur Ersetzung von qualitativem durch quantitativen Inhalt kommt, wodurch das Mathematisch-Selbstgemachte dieses Unternehmens seine volle Deutlichkeit erreicht. Durchaus nicht zwingend ist es nämlich, bloße Punkte und Punktmengen nur noch als die Punkte und Punktmengen solcher Zahlen zu verstehen, auch wenn der Zweck des Mathematikers dabei ausschließlich dies ist. Müßte also, bloß von Punkten und Punktmengen auszugehen, ohne sie sogleich als Zahlen aufzufassen, nicht genauso dazu führen, den qualitativen Inhalt zu bewahren, wenn auch gleichfalls nur als den formal-qualitativen? Denn die Punkte werden doch im KSystem genauso wie im P-System nur als die Analysepunkte oder Schnittpunkte begriffen. Warum also sollten solche Punkte 50

Vgl. dazu oben S. 98 ff.

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Das ursprüngliche Unendliche

nicht auch hier im P-System den Inhalt mindest als formal-qualitativen aufrechthalten können, jedenfalls solange sie noch nicht als bloße Zahlen aufgefaßt sind? Daß sie es gleichwohl auch dann nicht können, schärft daher noch gründlicher den Blick für das, wodurch vom P-System das K-System sich unterscheidet: für die Ausdehnungen, die es zusätzlich zu solchen Punkten als die Elemente mitberücksichtigt. Nur diese Ausdehnungen sind es somit, durch deren Berücksichtigung dieses K-System den Inhalt des synthetischen Kontinuums, der ursprünglich qualitativ-empirischer ist, als formal-qualitativen aufrechthält. Dann also kann dies auch nur an dem unterschiedlichen Formalen liegen, das dies K-System und das dies P-System jeweils zugrundelegt. Und das muß heißen, daß dies K-System diesem synthetischen Kontinuum als dem synthetischen Unendlichen dadurch in einem Sinn gerecht wird, in dem ihm das P-System gerade nicht gerecht wird. Gelten nämlich muß dies dann, obwohl doch jedes von den beiden das Synthetische desselben überführt in etwas Analytisches von ihm. In welchem Sinn wird also dieses K-System diesem synthetischen Kontinuum als dem synthetischen Unendlichen gerecht, indem es diese Ausdehnungen mitberücksichtigt, während das P-System ihm nicht gerecht wird, weil es sie vernachlässigt? Die Antwort nämlich scheint nur auf den ersten Blick trivial zu sein: Das liege daran, daß dieses synthetische Kontinuum als das synthetische Unendliche der Form nach eben Ausdehnung und nichts als Ausdehnung sei, und die werde ja im K-System auch grundsätzlich berücksichtigt, im P-System jedoch vernachlässigt. Werden im K-System berücksichtigt doch keineswegs nur solche Ausdehnungen, sondern auch noch solche Punkte, nämlich jeweils das Verhältnis zwischen ihnen. Deshalb ist es auch recht eigentlich dieses Verhältnis, das im P-System verloren geht, weil jede solche Ausdehnung im P-System zugunsten einer bloßen Punktmenge vernachlässigt wird. Zwischen bloßen Punkten und Punktmengen als den bloßen Überbleibseln nämlich kann so ein Verhältnis grundsätzlich nicht mehr bestehen. Denn wie bereits ermittelt, ist dieses Verhältnis jeweils das einer unmittelbaren 112 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das analytische und das synthetische Kontinuum

Einheit zwischen Ausdehnung und Punkt als Grenze und Begrenztem. Dies jedoch ist eine Einheit, die es zwischen einem Punkt und einem andern Punkt bzw. einer Menge anderer Punkte grundsätzlich nicht geben kann, weil jeweils zwischen ihnen immer weiter und so immer wieder andere Punkte liegen. Durch den Unterschied dieses Formalen einer Einheit, die im K-System besteht, im P-System dagegen nicht, wird dann das KSystem diesem synthetischen Unendlichen gerecht, das P-System dagegen nicht, was sich denn auch zuletzt an dessen Inhalt zeigt. Daß solche bloßen Punkte und Punktmengen hier im PSystem dann nur als solche bloßen Überbleibsel von ihm noch bestehen, heißt zunächst für das synthetische Unendliche: Es bleibt hier in Gestalt von jedem solchen bloßen Punkt zuletzt auch jeweils nur noch gleichsam als Fossil von sich zurück, sprich: nur noch als etwas Unendlich-Kleines, das dann als die »leere Menge« der Zahl 0 oder des Nullpunkts gilt. Denn in der Tat ist das synthetische Unendliche in der Gestalt von jedem solchen Punkt nur so etwas wie inhaltsloser Nullpunkt der Zahl 0, weil es als jeder solche Punkt zu einem Inhalt erst und nur kommt durch die Zuordnung der Differenz oder des Abstands zu einem beliebig-willkürlich bestimmten solchen Punkt. Und so ist jede solche Differenz und jeder solche Abstand zwischen ihnen jeweils auch nur gleichsam das Fossil dieses synthetischen Unendlichen als jener Ausdehnung, als die es hier im P-System jetzt aber nur unendlich-große Menge solcher Punkte ist und damit nur Fossil unter Fossilien von sich: das Immer-weiter-Gehen von Immer-weiter-Endlichem. Weil aber unter lauter solchen Punkten jeder solche Punkt etwas Unendlich-Kleines ist, läßt jeder solche Punkt sich willkürlich-beliebig wählen zur Zahl 0 oder zum Nullpunkt. Folglich werden alle andern solchen Punkte oder Zahlen jeweils zur unendlich-großen Menge endlich-inhaltlicher Punkte oder Zahlen als dem Immer-weiter-Gehen von Immer-weiter-Endlichem. Und dadurch ist das Eine-Ganze von synthetischem Kontinuum als dem synthetischen Unendlichen nicht nur in sich zersetzt-entstellt zu diesem in sich Unvergleichbaren zwischen Unendlichem 113 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche

und Endlichem. So hat dies Eine-Ganze hier im P-System auch jeden Inhalt, den es als qualitativ-empirischen wie auch qualitativ-formalen von sich selbst her mitbringt, vollständig verloren. Und daß dies in der Tat nur an dem unterschiedlichen Formalen liegt, das P-System und K-System jeweils zugrundelegen, gibt dann weiteren Aufschluß, was dadurch mit dem synthetischen Kontinuum als dem synthetischen Unendlichen geschieht. Daß jeder solche Inhalt von ihm innerhalb des P-Systems verloren geht, das könnte man sich auf den ersten Blick wie folgt erklären wollen. Jeder solche Punkt einer Punktmenge lasse solchen Inhalt hier gleichsam links liegen, nämlich sogar links und rechts von sich, weil jede Ausdehnung, die solchen Inhalt mit sich bringen könnte, zwischen solchen Punkten ja ersetzt durch andere solche Punkte sei. Dies aber kann nicht die Erklärung dafür sein. Denn das gilt auch für jeden Punkt im K-System. Läßt doch auch jeder solche Punkt im K-System den Inhalt, der in Form von dieser Ausdehnung als hier berücksichtigter auftritt, mitsamt dieser Ausdehnung gleichsam links liegen, nämlich gleichfalls sogar links und rechts von sich. Zumal ja jeder solche Punkt im P-System genauso wie im K-System als Schnittpunkt oder Analysepunkt gedacht wird. Zu erklären ist das deswegen auch in der Tat nur dadurch, daß trotzdem die Ausdehnung im KSystem jeweils bewahrt wird, während sie im P-System durch eine Punktmenge ersetzt wird. Und so fragt sich eben weiter: Was bedeutet es für das synthetische Kontinuum als das synthetische Unendliche, wenn dadurch das Verhältnis zwischen Punkt und Ausdehnung im K-System erhalten bleibt, im P-System jedoch verloren geht, wo hier die Punkte selbst doch nicht noch mit verloren gehen? Bleibt nämlich dies Verhältnis als unmittelbare Einheit zwischen Punkt und Ausdehnung im K-System erhalten, so bedeutet dies, daß hier im K-System an jeder Stelle, wo dieses Verhältnis auftritt, die unmittelbare Einheit zwischen Punkt und Ausdehnung erhalten bleibt. Gilt das doch dann entsprechend auch im zwei- und dreidimensionalen Fall für das Verhältnis zwischen Grenze und Begrenztem, wofür dieser eindimensionale 114 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das analytische und das synthetische Kontinuum

Fall zur Stellvertretung dienen kann. So aber bleibt im K-System, das heißt: im analytischen Kontinuum als analytischem Unendlichen, genau jene unmittelbare Einheit zwischen Punkt und Ausdehnung bestehen, die zwischen ihnen auch schon im synthetischen Kontinuum als dem synthetischen Unendlichen besteht. Sind diese Einheiten verschieden voneinander doch auch nur durch die je umgekehrte Abhängigkeit zwischen Punkt und Ausdehnung. Denn abhängig ist im synthetischen Kontinuum als dem synthetischen Unendlichen die Ausdehnung vom Punkt; im analytischen Kontinuum als analytischem Unendlichen dagegen ist der Punkt abhängig von der Ausdehnung. Als Schnittpunkt nämlich hängt der Punkt hier von der Ausdehnung ab; dort dagegen hängt von ihm als dem sich ausdehnenden Punkt die Ausdehnung ab. Gleichwohl aber ist die jeweilige Einheit zwischen ihnen jedesmal eine unmittelbare. Und die bleibt sonach an jeder Stelle, wo sie dort schon im synthetischen Kontinuum als dem synthetischen Unendlichen besteht, dann auch noch hier im analytischen Kontinuum als analytischem Unendlichen bestehen. Zuletzt bedeutet dies daher: An jeder solchen Stelle – ob nun im synthetischen Kontinuum als dem synthetischen Unendlichen oder im analytischen Kontinuum als analytischem Unendlichen des K-Systems – tritt das Kontinuum als das Unendliche in beiderlei Gestalt auf, sprich: in Punktgestalt genauso wie in Ausdehnungsgestalt. Es unterscheidet sich im einen wie im andern Fall doch auch nur dadurch: Im synthetischen Kontinuum als dem synthetischen Unendlichen ist es als Punkt von sich als Ausdehnung noch ungesondert, und im analytischen Kontinuum als analytischem Unendlichen ist es als Punkt von sich als Ausdehnung bereits gesondert. Doch in jedem Fall ist es dann das Kontinuum als das Unendliche, das von sich selbst gesondert oder ungesondert ist, wenn es als Punkt und Ausdehnung gesondert oder ungesondert ist. Und so erweist zuletzt sich eben unverkennbar, daß dieses Kontinuum als das Unendliche selbst noch in seiner Analyse, wie im K-System, sowohl als Punkt wie auch als Ausdehnung auftritt, weil ursprünglich erst recht schon 115 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche

in seiner Synthese. Daraus aber folgt: Es tritt dieses Kontinuum als das Unendliche im P-System, wo es nur noch als Punkt auftritt, weil es hier auch als Ausdehnung nur noch Punktmenge ist, auch nur noch als halbiertes auf. Hier nämlich kann es dann auch nur noch als jeweiliges Unendlich-Kleines solcher Punkte gelten, während es hier als entsprechendes Unendlich-Großes auch nur fehlen kann, weil es hier durch das Endlos-Endliche dieses Unendlich-Kleinen unerreichbar bleiben muß. Von Grund auf zu erklären ist daher, daß von seinem qualitativen Inhalt, den dieses Kontinuum als das Unendliche von sich her mitbringt, hier im P-System auch nichts mehr übrig bleiben kann: nicht einmal das Formal-Qualitative, wie im K-System. Denn die Erklärung dafür lautet nunmehr: Auch wenn das Kontinuum als das Unendliche hier gleichfalls nur als analytisches auftritt, so doch nicht auch gleich als halbiertes, sondern eben als gesamtes, zu dem jeweils nicht nur Punkt, sondern auch Ausdehnung gehört. Denn was dies K-System dann analytisch voneinander sondert, sind ja auch gerade diejenige Ausdehnung und derjenige Punkt, die voneinander ungesondert das synthetische Kontinuum als das synthetische Unendliche ausmachen. Nur als Ausdehnung und nichts wie Ausdehnung von Zeit und Raum ist dieses nämlich das, was dem sich ausdehnenden Punkt entspringt und jeder seiner Dimensionen nach ins Unbestimmt-Unendliche verläuft. Und nur als solche Ausdehnung ist es auch das, was allen solchen Inhalt von sich selbst her mitbringt. Wird doch dieser Inhalt auch erst dadurch zum qualitativ-empirischen in ihm, daß er zum ursprünglichen Analytiker von ihm wird, der die ursprüngliche Analyse von ihm vornimmt, indem er dieses Kontinuum kontinuierlich läßt oder diskret macht. Und daß er im K-System zumindest als formal-qualitativer Inhalt auch erhalten bleibt, liegt somit daran, daß hier das Unendliche dieses Kontinuums als das gesamte auch erhalten bleibt: als das Verhältnis der unmittelbaren Einheit zwischen Punkt und Ausdehnung. Nur dem Kontinuum als dem Unendlichen in der Gesamtgestalt von Punkt und Ausdehnung ist also zu verdanken, daß es hier in der Gestalt von Ausdehnung wie auch in der Gestalt 116 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das analytische und das synthetische Kontinuum

von Punkt dann einen Inhalt als qualitativen haben kann: einen qualitativ-empirischen wie auch einen formal-qualitativen. Und daß er im P-System verloren gehen muß, liegt wiederum nur daran, daß hier das Unendliche dieses Kontinuums auch höchstens in der Halbgestalt von Punkt in Punktmengen erhalten bleibt, worin es sich zersetzt ins Unvergleichbare zwischen Unendlichem als einem einzelnen Unendlich-Kleinen und dem Endlos-Endlichen der Vielheit von Unendlich-Kleinem. Und so bleibt von dem synthetischen Kontinuum als dem synthetischen Unendlichen der Ausdehnung von Zeit und Raum, das ursprünglich das Eine-Ganze ist, zuletzt nur noch die bloße Summe übrig von nur noch diskreten Punkten unter anderen diskreten Punkten, die nur lauter solche Halbgestalten von ihm sind. Und davon unterscheiden sich die Punkte und die Ausdehnungen, die im KSystem nach Analyse ebenfalls Diskretes zueinander sind, grundsätzlich. Bilden doch auch sie dann als dieses Diskrete zwar nur eine bloße Summe, die sich aber von der Summe bloßer Punkte unterscheidet, weil sie eben nicht nur Summe solcher Punkte ist, sondern auch Summe solcher Ausdehnungen. Denn recht eigentlich ist sie dadurch die Summe all der jeweiligen Einzelfälle des Verhältnisses von Ausdehnung und Punkt, wie sie zuletzt doch auch die Einzelfälle dreidimensionaler Einzeldinge sind mit jeweils weniger als dreidimensionalen Einzeleigenschaften. Und als solche sind sie eben Einzelfälle von etwas Qualitativem, das durch Einzelfälle bloßer Punkte in Punktmengen sich schlechthin nicht wiedergeben läßt: nicht einmal als Formal-Qualitatives. Denn so sehr auch solche Punkte noch als Einzeldinge gelten sollen mit Einzeleigenschaften, so sind diese als nur noch quantitative eben keine, die zur Wiedergabe von etwas Qualitativem taugen könnten, das jenes Unendliche jenes Kontinuums von sich her mitbringt. Solche Einzelfälle des Verhältnisses von Ding und Eigenschaft als Grenze von etwas durch sie Begrenztem unterscheiden sich daher als Inbegriff des Endlichen in unserer Welt grundsätzlich von dem Inbegriff des Endlichen im P-System der Zahlen oder Punkte. Und das ist ein Unterschied, der am jeweiligen Verhältnis deutlich wird, das zwischen 117 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche

solchem Endlichen und dem Unendlichen besteht, zu dem es jeweils in einem Verhältnis steht. Ist dies Unendliche im Fall von bloß Quantitativem wie den Punkten oder Zahlen innerhalb des P-Systems doch auch nur jenes einfache Unendliche als das Unendlich-Kleine eines Punktes. Denn zu diesem stehen alle andern solchen Punkte im Verhältnis eines Inbegriffs von Endlichem nur dadurch, daß er willkürlich-beliebig als der Nullpunkt oder die Zahl 0 gesetzt wird. Und so steht dieses Unendliche hier eben auch nur im Verhältnis zu dem Endlos-Endlichen von diesen Punkten oder Zahlen und mithin recht eigentlich in einem Mißverhältnis einer Unvergleichbarkeit mit sich. Im Fall jenes Qualitativen innerhalb des K-Systems jedoch ist es das zweifache Unendliche von Punkt wie auch von Ausdehnung, das als jeweiliges Verhältnis zwischen beiden jeweils in einem Verhältnis zu sich selbst steht und sonach in einem Wohlverhältnis der Vergleichbarkeit mit sich. Und so tritt jedes Endliche, indem es hier in der Gestalt dieses Verhältnisses von Punkt und Ausdehnung auftritt, jeweils auch in der Wohlgestalt dieses Unendlichen auf, das in diesem Sinn sonach zu jedem Endlichen als solchem selbst auch noch hinzugehört. Dagegen tritt das Endliche im P-System der bloßen Punkte oder Zahlen, wo es nur in jenem Mißverhältnis zu Unendlichem als dem Unendlich-Kleinen steht, auch nur noch auf in jener Mißgestalt der bloßen Summe von Diskretem gegen anderes Diskrete. Ist doch hier auch das Unendliche als das Unendlich-Kleine nur noch ein Diskretes unter anderem Diskreten. Freilich gilt das auch für das Diskrete innerhalb des K-Systems: Als Inbegriff des Endlichen ist es genausosehr nur Summe von Diskretem unter anderem Diskreten, ob nun als diskrete Punkte unter anderen diskreten Punkten oder als diskrete Ausdehnungen unter anderen diskreten Ausdehnungen. Das jedoch gilt hier auch nur, solang man dies Diskrete bloß betrachtet als dasjenige von Punkten gegen andere Punkte oder als dasjenige von Ausdehnungen gegen andere Ausdehnungen. Denn sobald man auch noch in Betracht zieht, was all dem zuvor jeweils jenes ursprüngliche Diskrete sein muß, weil all das sodann auch nur 118 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das analytische und das synthetische Kontinuum

das von ihm abgeleitete Diskrete sein kann, ändert sich daran etwas Entscheidendes. Erhellt doch dann: Bevor ein jeder solche Punkt zu einem andern solchen Punkt und eine jede solche Ausdehnung zu einer andern solchen Ausdehnung etwas Diskretes sein kann, muß zuvor erst einmal so ein Punkt etwas Diskretes sein zu einer solchen Ausdehnung und somit eine solche Ausdehnung etwas Diskretes zu so einem Punkt sein. Denn das sind sie jeweils in dem ursprünglichen Sinn, daß sie hier voneinander zwar gesondert sind, jedoch nicht einmal voneinander abgegrenzt durch eine Grenze sind, geschweige auch noch abgetrennt durch einen Abstand voneinander. So liegt nämlich all dem abgeleiteten Diskreten als dem Inbegriff des Endlichen hier das ursprüngliche Diskrete als der Inbegriff jenes Unendlichen zugrunde. Bildet dies ursprüngliche Diskrete doch gerade das jeweilige Verhältnis der unmittelbaren Einheit zwischen Punkt und Ausdehnung als Wohlgestalt dieses Unendlichen, in der es jeweils ebenso die Mitte zwischen Endlichem ist wie auch die Umgebung um dies Endliche. Denn umgekehrt ist all dies abgeleitete Diskrete etwas Endliches auch stets nur gegen anderes solches Endliche von abgeleitetem Diskreten, sei es nun als Punkte gegen andere Punkte oder Ausdehnungen gegen andere Ausdehnungen. Niemals aber ist es das etwa auch gegen das Unendliche, als sei auch dieses nur so etwas wie ein weiteres abgeleitetes Diskretes oder Endliches. Dergleichen nämlich ist dieses ursprüngliche Diskrete des Unendlichen zum Endlichen weder nach innen hin noch auch nach außen hin. Denn jeweils zwischen Punkt und Ausdehnung bzw. Ausdehnung und Punkt steht das Unendliche, obwohl in Punkt und Ausdehnung gesondert, doch als die unmittelbare Einheit beider auch nur in einem Verhältnis zu sich selbst. Und das gilt deshalb für das Endliche sowohl nach innen hin wie auch nach außen hin, nämlich für jedes der Verhältnisse von Punkt zu Ausdehnung oder von Ausdehnung zu Punkt. Zuletzt ist daher auch in jedem Fall von Endlichem als dem Verhältnis zwischen einem dreidimensionalen Ding und seiner weniger als dreidimensionalen Eigenschaft dieses Unendliche 119 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche

mitanwesend, in Form von dem es auftritt als Verhältnis von »Substanz und Akzidens«. 51 Denn seiner Sonderung in Punkt und Ausdehnung zum Trotz ist dies Unendliche doch als unmittelbare Einheit beider von sich selbst hier weder abgegrenzt durch eine Grenze noch gar abgetrennt durch einen Abstand. Und so geht es hier mit dem Unendlichen von Punkt zu Ausdehnung oder von Ausdehnung zu Punkt als dem Unendlichen auch immer weiter. Denn so ist es hier in der Gestalt von beidem eben auch nur immer wieder von sich selbst her ebenso wie zu sich selbst hin unterwegs. Auf diese Weise von sich zu sich übergehend nämlich ist es auch gerade das, was durch seine Bewegung innerhalb von sich als dem Unendlichen das Endliche ermöglicht und verwirklicht. Demgemäß ist eben dies denn auch der Sinn, in dem der Inbegriff als die Gesamtheit dieses Endlichen nicht etwa Teil von dem Unendlichen sein kann, sondern nur Glied in dem Unendlichen als jenem Einen-Ganzen. Gilt es doch auch in der Tat das grundsätzlich Dynamische von all dem zu begreifen. Denn schon das synthetische Kontinuum als das synthetische Unendliche ergeht ja als eine Dynamik des Sich-Ausdehnens von einem Punkt zu einer Ausdehnung, die als etwas Formales jeder ihrer Dimensionen nach ins UnbestimmtUnendliche verläuft. Begreifen läßt sich das mit Kant daher auch nur als das spontan-ursprüngliche Agieren einer Subjektivität, weswegen es in diesem Sinn auch durchwegs aktual ins Unbestimmt-Unendliche verläuft, was keine platonistische Ontologie dieses Unendlichen bedeutet. Dann jedoch muß nicht nur die Synthese, sondern auch die Analyse des Kontinuums als des Unendlichen eine Dynamik sein, nämlich die gegenläufige, wie sie ursprünglich durch den Inhalt in ihm als der Form erfolgt. Und so gewiß es dadurch zu dem Statisch-Endlichen jener diskreten Punkte gegen andere diskrete Punkte und jener diskreten Ausdehnungen gegen andere diskrete Ausdehnungen kommt, so Dies also lüftet das Geheimnis, das dies ungelöste Rätsel schon seit jeher und bis heute noch umgibt: daß nämlich hinter diesem Grundverhältnis jedes Einzelfalls von Endlichem sich letztlich das Unendliche verbirgt.

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Das analytische und das synthetische Kontinuum

bleibt doch im jeweiligen Verhältnis der unmittelbaren Einheit zwischen Punkt und Ausdehnung dieses Unendliche als die Dynamik zwischen Punkt und Ausdehnung erhalten. Denn was solche Analyse dann vermag, ist eben nur, die einseitige Abhängigkeit zwischen beiden umzukehren. Nicht jedoch vermag sie auch, die wechselseitige unmittelbare Einheit als Dynamik zwischen beiden anzutasten, als die das Unendliche sich vielmehr auch noch hier nur innerhalb von sich bewegt: In der Gestalt von ihr ist es auch hier noch, nämlich auch durch seine Sonderung in Punkt und Ausdehnung hindurch noch die Bewegung, durch die es in sich als dem Unendlichen das Endliche ermöglicht und verwirklicht. Deshalb gilt: Blickt man im K-System vom einen Fall zum andern Fall dieser unmittelbaren Einheit zwischen Punkt und Ausdehnung bzw. Ausdehnung und Punkt, das heißt: von Punkt zu Ausdehnung oder von Ausdehnung zu Punkt, blickt man kontinuierlich dann von dem Unendlichen auf das Unendliche im Endlichen. Blickt man im K-System jedoch vom einen Fall von Punkt zum andern Fall von Punkt oder vom einen Fall von Ausdehnung zum andern Fall von Ausdehnung, blickt man diskret vom einen Endlichen aufs andere Endliche in dem Unendlichen. Das ist denn auch der Grundzug aller bloßen Empirie, die es jedoch gleichwohl nur geben kann, weil das Unendliche und Endliche hier jeweils auch tatsächlich dieses Miteinander eines unlösbaren Ineinander bilden. Die Philosophie, die als Nichtempirie auch zusätzlich noch das Unendliche im Endlichen mit in den Blick zu fassen sucht, setzt sich daher der Wirkung jenes »Kippens« zwischen ihnen als Erblicktem aus: wie bei den »Kippfiguren«. 52 Denn bedingt ist diese Wirkung eben dadurch, daß in solchen Fällen beide der beteiligten »… figuren« von Bedeutung sind, und nicht nur eine, weil die andere bloß unbedeutende »Umgebung« ist. Und dies kann doch im Fall der Einheit von Unendlichem in Endlichem, und umgekehrt, wohl kaum in Frage stehen. 53 52 53

Vgl. oben S. 35 f. Vgl. dazu unten S. 200 ff.

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Das ursprüngliche Unendliche

Daraus aber ist dann für das P-System entscheidend mehr zu folgern als nur das zuletzt Gefolgerte, es bleibe dies Unendliche in der Gestalt von bloßen Punkten oder Zahlen jeweils immerhin als Halbgestalt eines Fossils unter Fossilien erhalten: als Unendlich-Kleines. Gelten kann das nämlich nur, solang man als die andere Halbgestalt dieses Unendlichen auch noch die Ausdehnung als solche selbst berücksichtigt, was man im P-System jedoch nicht tut. Denn hier will man die Ausdehnung genau als das, als was man sie voraussetzt, nämlich als den ursprünglichen Grund der Vielheit von Verschiedenem, nicht gelten lassen, weil man meint, man könne sie als diesen Grund durch eine bloße Punktmenge ersetzen. Nur erinnert dies sogleich an jenes merkwürdige Selbstgefühl, 54 man könne eine Leiter, auf der man hinaufgelangt sei, schließlich wegwerfen, ein Selbstgefühl, das dort schon von beklemmender Bedeutung ist. Ja hier wird es womöglich noch beklemmender, denn hier will man es offenbar noch überbieten, nämlich hoch von oben rufen: Schaut nur, wo wir sind, – und ohne Leiter! Jedenfalls kann ohne Ausdehnung als diese zweite Halbgestalt auch jene erste Halbgestalt von Punkt oder von Punkten nicht mehr gelten als eine Gestalt dieses Unendlichen: auch nicht als die Gestalt eines Fossils von ihm. Denn nur in der Gesamtgestalt von Punkt und Ausdehnung als dem Verhältnis der unmittelbaren Einheit zwischen beiden kann im Endlichen dieses Unendliche anwesend sein. Es kann daher im Endlichen von bloßen Punkten als dieses Unendliche nur abwesend sein. Zwischen keinen solchen bloßen Punkten nämlich kann es jemals ein Verhältnis der unmittelbaren Einheit zwischen ihnen geben, und die muß daher als das Unendliche im Endlichen hier immer wieder fehlen. Zwischen allen solchen bloßen Punkten kann es vielmehr immer wieder nur noch weitere solche Punkte geben. Und so bilden sie, indem sie übrigbleiben, dann ein Endliches, das als das Endlos-Endliche auch immer wieder nur das Einsam-Endliche sein kann, weil es – wohin auch immer man hier blickt – 54

Wittgenstein 1960, Nr. 6.53–Nr. 7.

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Das analytische und das synthetische Kontinuum

von jeglichem Unendlichen verlassen ist. Denn keineswegs kann Endliches bloß dadurch, daß es Endlos-Endliches ist, auch nur irgendeinen Sinn dieses Unendlichen, das es verlassen hat, zurückbehalten. Also nicht einmal als das angebliche UnendlichKleine in Gestalt von jedem solchen Punkt kann das Unendliche hier anwesend sein: auch nicht dadurch, daß man jeden solchen Punkt zum Nullpunkt der Zahl 0 erklären kann. Statt der omnipraesentia dieses Unendlichen im Endlichen des K-Systems waltet im Endlichen des P-Systems daher auch nur noch die omniabsentia dieses Unendlichen. Vermag man hier im P-System doch auch grundsätzlich nur von einem Punkt zu einem andern Punkt zu blicken, weil auch jedes Zwischen einem Punkt und einem andern Punkt hier immer wieder nur ein Zwischen weiterer Punkte sein kann. Man vermag hier also zwischen Punkten dann grundsätzlich nie auch noch auf etwas Anderes zu blicken als auf Punkte, wie im K-System auf Ausdehnungen. Und so gilt: Blickt man im P-System stets nur von einem Punkt zu einem andern Punkt, blickt man zwar gleichfalls nur von einem Endlichen zu einem andern Endlichen, jedoch durchaus nicht in dem Sinn des Endlichen im K-System. Denn sogar dann, wenn man auch hier im K-System stets nur von einem Punkt auf einen andern Punkt blickt, so blickt man hier doch von einem Etwas auf ein anderes Etwas, sprich: von einer Grenze einer Ausdehnung auf eine andere Grenze einer Ausdehnung. Als die von einer Ausdehnung ist nämlich jede solche Grenze hier genausosehr ein Etwas wie auch jede solche Ausdehnung. Und nur im Sinn von einem solchen Etwas sind sie alle dann auch je und je das Endliche von Grenze oder Ausdehnung, weshalb man dann im K-System – wohin auch immer man hier blickt – in jedem Fall auf so ein Etwas blickt. Im P-System dagegen heißt, vom einen Endlichen aufs andere Endliche zu blicken, keineswegs, daß man hier ebenfalls von einem Etwas auf ein anders Etwas blickt. Denn hier blickt man, wohin auch immer man hier blickt, stets nur vom einen Punkt als einem Einsam-Endlichen zum andern Punkt als einem andern Einsam-Endlichen und damit immer nur von einem Nichts zu 123 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche

einem andern Nichts. Was nämlich solches Endliche von einem Punkt zu einem Etwas macht, zu einer Grenze, ist ja auch nur das Unendliche seiner unmittelbaren Einheit mit der Ausdehnung, die er begrenzt, das hier jedoch beseitigt ist. Und so führt die omniabsentia dieses Unendlichen im P-System denn auch unmittelbar zu der omniabsentia von jedem Endlichen als einem Etwas gegenüber einem andern Endlichen als einem andern Etwas, die statt seiner hier nur jeweils Nichts zurückläßt. Mag das jeweilige Nichts von jedem solchen Punkt als bloßer Zahl daher auch noch so reich an Quantität sein, je nach dem, wie groß oder wie klein die Differenz oder der Abstand zur Zahl 0 oder zum Nullpunkt ist: an Qualität des Etwas ist es doch das Ärmste, das sich denken läßt. Denn was durch das Unendliche ermöglicht und verwirklicht wird, ist eben dieses Endliche von einem Etwas gegenüber einem andern Endlichen als einem andern Etwas. Es ermöglicht und verwirklicht solches Endliche als Etwas doch auch nur, indem dieses Unendliche als das Kontinuum der Ausdehnung von Zeit und Raum sich dafür zur Verfügung stellt, daß Inhalt in ihm es diskret macht oder es kontinuierlich läßt. Für beides nämlich ist es die notwendige Voraussetzung, und damit ist es in Gestalt von beidem hier im K-System denn auch omnipraesent. Im P-System dagegen, wo jeweils nur eins von beidem übrig bleibt: nur jeweils die diskreten Punkte in Punktmengen, ist es in Gestalt von ihnen dann omniabsent. Denn schon allein aus dem Grund muß es hier vielmehr abwesend sein, daß keiner dieser Punkte ohne Ausdehnung dazwischen hier ein Punkt sein kann, der sich durch Analyse von jenem synthetischen Kontinuum als dem synthetischen Unendlichen aus ihm heraus gewinnen ließe. Eine Analyse des synthetischen Kontinuums als des synthetischen Unendlichen, die angeblich zu bloßen Punkten ohne Ausdehnung dazwischen führt, kann deswegen auch keine wahre Analyse von ihm sein, sondern nur eine falsche. Sie nämlich verfälscht das Wesen des Kontinuums als des Unendlichen, indem sie es verdeckt statt aufdeckt. So jedoch erweist das P-System sich vollends als etwas, das nur 124 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das analytische und das synthetische Kontinuum

von außen her an das synthetische Kontinuum als das synthetische Unendliche herangetragen wird und nicht etwa von innen her aus ihm herausgewonnen ist. Das nämlich gilt dann für das P-System auch schon von seinem Anfang an und auch noch bis zu seinem Ende hin: schon für den ersten solchen Punkt sowie für jeden weiteren und auch noch für den letzten solchen Punkt. Muß jeder solche Punkt doch grundsätzlich – das heißt: sowohl nach innen hin als auch nach außen hin – vor dem synthetischen Kontinuum als dem synthetischen Unendlichen zurückbleiben, weil es ihm grundsätzlich – das heißt: sowohl nach innen hin als auch nach außen hin – vorausgehen muß und damit auch nur unerreichbar für ihn bleiben kann. Denn daran ändert sich auch dadurch nichts, daß je nach dem Gesetz oder der Regel für sie auch die Setzung von unendlich vielen solchen Punkten oder Zahlen möglich ist und deren Mengen nicht nur »abzählbar«, sondern auch »überabzählbar« unendlich groß sein können, womit es nach oben auch kein Ende haben kann. Ist es doch auch nur eine Illusion der Mathematiker als Mengentheoretiker, es müsse alles, was sich danach widerspruchsfrei setzen läßt und somit möglich ist, auch platonistisch wirklich sein. 55 Denn wäre, derlei zu vertreten, davon abhängig, auch die entsprechende Ontologie noch hieb- und stichfest mitzuliefern, ginge die Zahl derer, die das in der Tat vertreten könnten, schwerlich über 0 hinaus. Dann wüchse vielmehr eher die Bereitschaft, sich mit Kant zu überlegen, eine Setzung solcher Punkte oder Zahlen sei doch wohl nur als die Bildung des Bewußtseins von etwas dadurch Bewußtem zu begreifen, was nur ein spontan-agierendes Subjekt zustandebringt. Doch führt das Analytische dieses Bewußtseins und Bewußten im Synthetischen jenes Kontinuums oder Unendlichen stets nur zu Endlichem und immer wieder Endlichem. Und zwar gleichviel, ob nun im Sinn des P-Systems von Mathematikern als bloßen Arithmetikern dies Endliche nur das der bloßen Punkte oder Hat man doch, wenn man zum Beispiel einen Stempel hat, nicht auch schon alle Abdrücke von ihm.

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Das ursprüngliche Unendliche

Zahlen sei, oder ob es im Sinn des K-Systems von Mathematikern als Geometern auch noch das der Punkte im Zusammenhang mit Ausdehnungen sei. Ist es doch auch in jedem Fall nur Endliches und immer wieder Endliches, was dabei zum Bewußten für Bewußtsein werden kann, auch wenn es dann mit solchem Endlichen als Endlos-Endlichem noch immer weiter gehen kann. Genau in diesem Sinn läßt nämlich in der Tat auch nur ein strenger Finitismus durch ein Subjekt sich vertreten, und das kann genau in diesem Sinn auch nur ein strenger Finitist sein: mögen jene Mathematiker und Mengentheoretiker, die als Infinitisten den Infinitismus zu vertreten meinen, sich darüber auch erhaben dünken. Bringt sie damit doch allein schon dies zu Fall, daß Finitisten und Infinitisten oder Finitismus und Infinitismus sich durchaus nicht so verteilen, wie es für sie scheinen muß. Denn die Infinitisten sind im eigentlichen Sinn gerade die, die auch im eigentlichen Sinn die Finitisten sind, wie die des K-Systems. Das P-System dagegen läßt im eigentlichen Sinn ja weder einen Finitismus zu noch auch einen Infinitismus, weil es das Unendliche so wenig wie das Endliche im eigentlichen Sinn enthält. Gehören doch im eigentlichen Sinn der Finitismus und Infinitismus auch zusammen, wie im KSystem, das dem Unendlichen sowohl wie auch dem Endlichen genügt, die es im eigentlichen Sinn auch nur zusammen geben kann. Um nicht allein dem Endlichen, sondern auch dem Unendlichen im eigentlichen Sinn gerecht zu werden, ist doch hier im K-System auch nur die Bildung eines weiteren Bewußtseins nötig, für das zusätzlich noch weiteres Bewußtes auftritt. Denn erforderlich ist dazu lediglich, zu dem Bewußten für Bewußtsein nicht nur das Verhältnis zwischen einem Punkt und einem andern Punkt zu machen, oder das Verhältnis zwischen einer Ausdehnung und einer andern Ausdehnung, sondern auch das Verhältnis zwischen einem Punkt und einer Ausdehnung bzw. zwischen einer Ausdehnung und einem Punkt. Erfolgt doch eben damit dann der Schritt, der zusätzlich zum Endlichen auch das Unendliche im Endlichen noch in den Blick nimmt, wenn auch 126 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das analytische und das synthetische Kontinuum

nur um jenen Preis des »Kippens« zwischen beidem. Denn nur miteinander sind sie jeweils das, was wir als Einzelfälle von Qualitativem oder Inhaltlichem kennen. Tritt doch dieses auch nur auf in Form der Ausdehnung von Zeit und Raum als dem synthetischen Kontinuum oder synthetischen Unendlichen, indem es dieses dann kontinuierlich läßt oder diskret macht. Um auch dies Unendliche noch zum Bewußten für Bewußtsein zu erheben, reicht als erster ja schon jener Schritt, der zu etwas Begrenztem zusätzlich auch dessen Grenze zum Bewußten für Bewußtsein macht, indem er die zunächst nur prädizierte Grenze auch noch zur thematisierten macht. 56 Das nämlich ist eine Bewußtseinsbildung, die es in sich hat, weil sie zum einen zwar noch klar zur Empirie von Endlichem gehört, zum andern aber schon genauso klar bei bloßer Empirie von Endlichem nicht stehenbleibt, sondern noch weiterführt zu dem Unendlichen im Endlichen. Denn nicht nur Fälle wie »Dies ist begrenzt« und »Dies ist rot« sind Beispiele für Empirie von Endlichem, sondern auch die jeweils entsprechenden wie »Dies hat (eine) Grenze« oder »Dies hat Röte«, weil sie jeweils ja formallogisch äquivalent sind. Nur verweist, daß sie semantisch keineswegs äquivalent sind, eben darauf, daß sie solche Fälle sind, in denen Empirie von Endlichem dann nicht mehr einfach nur vollzogen wird, wie in den Fällen ihrer jeweiligen Vorgänger. Im Unterschied zu denen nämlich wird in diesen Fällen solche Empirie von Endlichem vielmehr in einem ersten Schritt noch zusätzlich bereits zum Thema, wenn auch erst einmal nur so weit, daß nicht bloß ein Ding, sondern noch zusätzlich auch eine Eigenschaft von ihm zum Thema wird. Und so gewiß auch eine solche Eigenschaft von ihm noch mit zu dem gehört, was Empirie von Endlichem ermittelt, so gewiß ist damit doch der erste Schritt zur Aufdeckung eines Verhältnisses getan von Endlichem zu Endlichem in Endlichem, eines Verhältnisses, als das jenes Unendliche im Endlichen der Empirie zum Vorschein kommt. Nimmt man sie so noch weitergehend in den Blick, ist folglich diese Empirie als solche selbst es, was in diesem 56

Vgl. dazu oben S. 30 ff.

127 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche

Endlichen jenes Unendliche aufweist. Bedarf es doch, um diesen Aufweis dann noch weiter zu verfolgen, auch nur noch der angemessenen Begriffsbildung für das, was man mit offenen Augen förmlich sehen kann. Und das ist eben das Verhältnis von etwas Begrenztem zu der Grenze, durch die es begrenzt wird, als Verhältnis eines Dings zu seiner Eigenschaft, wie es ursprünglich auftritt als das einer Ausdehnung zu einem Punkt. Der weitere Weg, auf dem man dies mit Hilfe weiterer Begriffsbildung verfolgen kann, führt nämlich keineswegs über das Endliche der Empirie etwa hinaus, sondern nur tiefer in das Endliche der Empirie hinein. Denn auf dem Weg, der damit angebahnt wird, kommt es dann zu keinem Halten mehr, bis er in diesem Endlichen zuletzt bei dem Unendlichen als Tiefe von ihm angelangt ist. Deshalb gibt es auch nicht den geringsten Grund für jenes merkwürdige Selbstgefühl, es gelte hier zu »schweigen«, sprich, die Sprache wegzuwerfen wie die Leiter, weil sich darüber »nicht sprechen« lasse. 57 Daß die überlieferte Philosophie seit jeher und noch immer daran scheitert, dies Verhältnis wirklich zu begreifen, liegt durchaus nicht daran, daß sie über etwas spricht, worüber sich nur schweigen läßt, weil dies das Sinnvoll-Sagbare der Empirie von Endlichem sonst überschritte. Denn dieses Unendliche im Endlichen der Empirie noch mit zur Sprache bringen, heißt mitnichten, dieses Endliche der Empirie zu überschreiten, sondern heißt nur, vollständig zur Kenntnis nehmen, was zum Endlichen der Empirie als solchem selbst hinzugehört. Etwas Begrenztes wahrzunehmen, wie ein Ding im Unterschied zu einem andern Ding, heißt nämlich, auch die Grenze als die Eigenschaft von dem jeweils Begrenzten wahrzunehmen. Denn daß dabei solches Wahrnehmungsbewußtsein als Bewußtsein von der Grenze ein zunächst nur prädizierendes Bewußtsein ist, doch als Bewußtsein vom Begrenzten ein thematisierendes Bewußtsein ist, bedeutet keinen Einwand, weil es je und je das unlösbare Eine-Ganze von ihnen als seinen inneren Gliedern ist. So sehr daher die weitere Begriffsbildung für sol57

Vgl. oben S. 122 Anm. 54.

128 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das analytische und das synthetische Kontinuum

ches Endliche mit bloß empirischen Begriffen bloßer Empirie nicht auskommt, sondern zusätzlich auch nichtempirische Begriffe der Philosophie als Reflexion auf Empirie erfordert, so ist es doch nach wie vor nur dieses Endliche der Empirie, von dem dabei die Rede ist. Denn auch nur dieses Endliche ist es, mit dem dieses Unendliche zusammenhängt, weil dieses Endliche auf ihm als seinem tiefliegenden Grund beruht. Daraus erhellt, daß es recht eigentlich auch dieser Grund ist, an dem jenes merkwürdige Selbstgefühl zuletzt verzweifelt, diese seine eigene Verzweiflung sich jedoch nicht eingestehen will, weil es sich über diesen Grund erhaben dünkt. Und das zutiefst Beklemmende daran ist eben, daß es damit letztlich die Allgegenwart dieses Unendlichen im Endlichen verleugnet, die im Licht dieser Begriffsbildung doch offenkundig wird. Zur Sprache kommen kann denn auch sehr wohl: Was auftritt in Gestalt dieses Verhältnisses unmittelbarer Einheit zwischen so etwas wie Punkt und Ausdehnung bzw. Ausdehnung und Punkt, ist durchwegs das Unendliche im Endlichen. Denn schon vom Anfang her und auch noch bis zum Ende hin gilt das nicht nur für einen Punkt als Grenze einer eindimensionalen Ausdehnung, sondern auch für das Punktuelle einer Linie als Grenze einer zweidimensionalen Ausdehnung wie schließlich auch noch für das Punktuelle einer Fläche als der Grenze einer dreidimensionalen Ausdehnung. Hat damit doch am Ende das Verhältnis zwischen einem Ding und seinen Eigenschaften sich formal gebildet. Und mit ihm ist dann das Eine-Ganze des Unendlichen als das Kontinuum von Zeit und Raum, als das es dieses Endliche der Welt in sich enthält, zuletzt auch etwas ebenso in sich Geschlossenes wie in sich Vollständiges. Keineswegs muß also diesem gegenüber die Philosophie etwa im Schweigen enden, sondern kann vielmehr zur Sprache kommen und zur Sprache bringen, was sogar noch weiter, nämlich auch noch über sie hinaus führt. Zeigt doch die Begriffsbildung, die nötig wird, damit all dies zu Wort kommt, daß es dabei ausgeschlossen ist, Begriffe zu vermeiden, die ins Theologische verweisen. Denn so führt das K-System, das unsere Welt in Form 129 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche

von Ausdehnung als dem Kontinuum der Zeit oder des Raums zu vollem Ausdruck bringt, ganz ungesucht zu einem Argument für das Unendliche im Endlichen, worauf sich auch Theologie noch stützen könnte.

2. Das ursprüngliche Unendliche als Grund für das synthetische Kontinuum … a) … seiner Form nach So weit nun also der Vergleich zwischen synthetischem und analytischem Kontinuum, wie letzteres gemäß dem P-System oder dem K-System sich unterscheidet, obwohl beidem das Kontinuum als das synthetische zugrundeliegt. Und dem synthetischen Kontinuum entspricht danach im Unterschied zum P-System auch nur das K-System, weil es ihm als Unendlichem gerecht wird und dadurch auch noch dem Endlichen, das es ermöglicht und verwirklicht. Als das einzig angemessene analytische Modell für das synthetische Kontinuum gilt es das K-System daher auch weiter festzuhalten. Modelliert es das synthetische Kontinuum doch analytisch dann sogar noch so weit, daß aus ihm sich auch noch Weiteres an Folgerung aus dem Unendlichen und Forderung für das Unendliche ergibt. Denn dann muß sich auch noch die Frage stellen: Wie ermöglicht und verwirklicht das Unendliche in sich als dem Unendlichen das Endliche, indem es selbst sich zum Unendlichen dieses synthetischen Kontinuums der Ausdehnung von Zeit und Raum macht, so daß Inhalt in der Form von ihm zum Endlichen von einem Etwas gegenüber einem andern Etwas wird? Sie nämlich fragt auch noch in das Unendliche dieses synthetischen Kontinuums der Ausdehnung von Zeit und Raum hinein nach dem Unendlichen als dem ursprünglichen, das als der Grund für es auch diesem schon zugrundeliegen muß, so daß schon dieses nur ein aus ihm abgeleitetes sein kann. Was also läßt sich folgern aus diesem Unendlichen als diesem abgeleiteten und somit fordern 130 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche als Grund für das synthetische Kontinuum …

für es als ursprüngliches Unendliches, wenn es dabei in jedem Fall doch um das Eine-Ganze des Unendlichen sich handelt, für das dieses K-System Modell steht? Denn von ihm her gilt es innerhalb von diesem Einen-Ganzen des Unendlichen dann Dreierlei zu unterscheiden: Erst einmal zuunterst das Unendliche des analytischen Kontinuums, wie es das K-System als solches selbst ausmacht; sodann darüber das Unendliche, das als synthetisches Kontinuum fürs analytische Kontinuum der Grund ist, auf dem letzteres beruht und so für ersteres im K-System das K-Modell ist; und zuoberst schließlich das Unendliche, wie es als das ursprüngliche bereits der Grund ist, auf dem das Unendliche dieses synthetischen Kontinuums bereits beruht. Das nämlich muß als das ursprüngliche Unendliche danach zunächst diesem synthetischen Kontinuum, hernach jedoch auch jenem analytischen Kontinuum zugrundeliegen. Und das alles eben innerhalb von sich als diesem EinenGanzen des Unendlichen. Denn daß dem allen dieses analytische Kontinuum des K-Systems als K-Modell dient, stellt tatsächlich sicher, daß dem allen dies Unendliche als ein Kontinuum zugrundeliegt und so sehr wohl das Eine-Ganze ist und bleibt. Dies nämlich könnte man hier auf den ersten Blick bezweifeln wollen, und zwar sogar gleich zweifach: Einerseits, ob dies Unendliche tatsächlich als Kontinuum sich durchhält, nämlich bis hinab in dieses analytische Kontinuum des K-Systems einschließlich; und zum andern umgekehrt, ob in der Tat aus diesem analytischen Kontinuum als analytischem Unendlichen des KSystems sich folgern und für das Unendliche sich fordern läßt, daß dieses bis hinauf in das ursprüngliche Unendliche einschließlich als Kontinuum auftritt. Nur müßte dies zuletzt bedeuten, zu bezweifeln, daß dieses Kontinuum auch dann noch eines sei, wenn es nach Analyse nur das Analytische zu dem synthetischen Kontinuum noch ist, das ihm zugrundeliegt. Denn muß es dann mit diesem als einem Kontinuum nicht vielmehr ein für alle Mal vorbei sein, weil nach Analyse von ihm doch an Stelle von ihm auch nur noch die bloße Summe von Diskretem auftritt als der Inbegriff des Endlichen? 131 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche

Erst diese Frage nämlich zeigt in vollem Umfang, wie entscheidend wichtig das im vorigen gewonnene Ergebnis ist. Denn danach gilt das eben nur, solang man bloß das abgeleitete Diskrete des Verhältnisses von Punkten gegenüber andern Punkten in den Blick nimmt und von Ausdehnungen gegenüber andern Ausdehnungen, wie die bloße Empirie zu tun pflegt. Denn sobald man zusätzlich dazu auch das ursprüngliche Diskrete des Verhältnisses von Punkt zu Ausdehnung oder von Ausdehnung zu Punkt noch in den Blick faßt, gilt dann wie auf einen Schlag vielmehr genau das Umgekehrte. Wird doch dann auch offenkundig, daß sich dabei am Kontinuum als solchem selbst gerade überhaupt nichts ändert, wenn durch Analyse von ihm als synthetischem Kontinuum dann aus ihm auch das analytische Kontinuum noch wird. Denn so gewiß die Analyse von ihm dahin geht, das Ungesonderte von Punkt und Ausdehnung, wie es dieses synthetische Kontinuum ausmacht, zu dem Gesonderten von Punkt und Ausdehnung zu machen, wie es dann das analytische Kontinuum ergibt, so ist und bleibt es dabei ebenso gewiß doch ein Kontinuum. Darf man sich davon, daß dieses ursprüngliche Diskrete des Gesonderten von Punkt und Ausdehnung tatsächlich schon Diskretes ist, doch auch nicht täuschen lassen. Unbeschadet dessen nämlich ist dieses ursprüngliche Diskrete ja auch nur das abgeleitete Kontinuierliche des analytischen Kontinuums. Denn im synthetischen Kontinuum entspricht ihm das ursprüngliche Kontinuierliche des Ungesonderten von Punkt und Ausdehnung, von dem es durch die Sonderung als Analyse abgeleitet ist. Und dieses abgeleitete Kontinuierliche des analytischen Kontinuums läßt sich daher kontinuierlich an ihm auch verfolgen, eben weil es doch von Punkt zu Ausdehnung wie auch von Ausdehnung zu Punkt nun einmal weder eine Grenze noch gar einen Abstand gibt. Und so führt hier kontinuierlich eben Punkt zu Ausdehnung und Ausdehnung zu Punkt, weil in Gestalt von jedem oder jeder auch nur das Kontinuum dynamisch übergeht in das Kontinuum. Kann doch die Analyse als Dynamik an jener Synthese als Dynamik des synthetischen Kontinuums auch überhaupt 132 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche als Grund für das synthetische Kontinuum …

nichts ändern. An ihr etwas ändern kann sie vielmehr nur als Umkehrung der inneren Gestalt von ihr, indem sie jene Ausdehnung, die dort von einem Punkt abhängt, zu einer Ausdehnung macht, von der hier ein Punkt abhängt. Ergeht jeweils dazwischen doch auch hier wie dort nur das Kontinuum einer Dynamik eines Übergehens von dem einen zu dem andern, einerlei, ob darin beides nun gesondert oder ungesondert voneinander ist. Und erst der Blick der bloßen Empirie, der sich verengt auf das Verhältnis zwischen Punkt und anderem Punkt bzw. zwischen Ausdehnung und anderer Ausdehnung, verkürzt diese Dynamik des Kontinuums als des Unendlichen zur bloßen Statik des Diskreten als des nur noch Endlichen. Beeinträchtigt wird das Kontinuum als das Unendliche im Endlichen doch auch nicht dadurch, daß bei seinem Übergehen von Punkt zu Ausdehnung oder von Ausdehnung zu Punkt ja immer wieder diese Ausdehnung im Spiel ist, die als eine durch die Punkte je und je bestimmt-begrenzte dann formal das Endliche begründet. Denn bekanntlich kann dies dem Kontinuum als dem Unendlichen auch keinen Abbruch tun: Kann es für das Kontinuierliche in seinem Übergehen von Punkt zu Ausdehnung oder von Ausdehnung zu Punkt doch auch nicht die geringste Rolle spielen, wie groß oder wie klein dabei die Ausdehnung in ihren Grenzen ist, das heißt, wie nah oder wie fern die Grenzen von ihr zueinander sind. Denn wie bekannt, vermag das Endliche als Endlich-Großes oder Endlich-Kleines das Unendliche als solches selbst auch weder zu vermindern noch auch zu vermehren, diesem also grundsätzlich nichts anzuhaben. Denn als Übergehen von Punkt zu Ausdehnung oder von Ausdehnung zu Punkt braucht das Kontinuum als das Unendliche danach grundsätzlich keinen Weg zurückzulegen, weil es dabei auch unmittelbar nur übergeht von sich zu sich, nämlich von sich als Punkt zu sich als Ausdehnung, und umgekehrt, auch wenn es hier in beides schon gesondert ist. Und doch ermöglicht und verwirklicht das Kontinuum als das Unendliche dadurch das Endliche gerade so, daß dieses Endliche dann im Unendlichen genauso ist wie auch dieses Unendliche im Endlichen. Und damit 133 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche

ist dieses Unendliche als analytisches Kontinuum genauso wie auch als synthetisches Kontinuum das Eine-Ganze eines einzigen Kontinuums, das reines Selbstverhältnis zu sich selbst ist und gerade dadurch jedes Fremdverhältnis von dem einen Etwas zu dem andern Etwas als dem Endlichen in sich ermöglicht und verwirklicht. Nach diesem Gesamtbefund kann jedenfalls nicht mehr in Frage stehen, daß das synthetische Kontinuum sowohl wie auch das analytische im Vollsinn als Kontinuum zu gelten hat, weil »analytisch« und »synthetisch« auch im Vollsinn jeweils Spezifikationen von »Kontinuum« sein müssen. Und so können das synthetische und analytische Kontinuum dann auch nur zwei verschiedene Arten des ursprünglichen Kontinuums als Gattung bilden, unter welcher das synthetische Kontinuum die ursprüngliche Art ist und das analytische die von ihr abgeleitete. So aber müßte, wenn das Eine-Ganze des Kontinuums in sich von dieser Gliederung in Glieder ist, dann auch das Eine-Ganze des Unendlichen in sich von solcher Gliederung in Glieder sein. Denn in der Welt und uns bekannt ist das Unendliche doch auch tatsächlich nur als das Kontinuum, das ursprünglich jenes synthetische der Ausdehnung von Zeit und Raum ist, und das abgeleitet jenes analytische Kontinuum des Endlichen in Form der Ausdehnung von Zeit und Raum ist, modelliert im K-System. Und damit fragt sich eben auch noch weiter, wie sich das nicht einfach nur für das Kontinuum verständlich machen ließe, sondern zusätzlich auch noch für das Kontinuum als das Unendliche. Dann nämlich läßt sich unsere Welt, wie wir sie kennen, nicht mehr einfach nur als Inbegriff des Endlichen in Form von Zeit und Raum verstehen, wie das die bloße Empirie vertritt. Denn dieses Endliche in Form von Zeit und Raum kann diese Welt dann auch nur sein, indem sie es in unlösbarer Einheit mit diesem Unendlichen ist. Und wenn dieses nur als das zunächst synthetische wie auch sodann noch analytische Kontinuum der Ausdehnung von Zeit und Raum zu dieser Welt des Endlichen hinzugehören kann, ist demgemäß zu folgern und zu fordern, daß aus eben diesem Grund auch das Subjekt zu dieser Welt als dem Objekt hinzugehören muß. 134 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche als Grund für das synthetische Kontinuum …

Dann nämlich kann jenes synthetische Kontinuum der Ausdehnung von Zeit und Raum als das Sich-Ausdehnen von einem Punkt zu einer Ausdehnung auch nur spontan-agierendes Subjekt sein, das zur Welt als Außenwelt die Innenwelt ist, für die sie in Form der Ausdehnung von Zeit und Raum bewußt wird. Und tatsächlich ist doch auch von Anbeginn schon jede bloße Empirie so ein Bewußtwerden von Welt als Außenwelt für Welt als Innenwelt, die sonach in der Tat nur unlösbar mit Außenwelt zusammen diese unsere Welt ausmachen kann. Und damit ist das Subjekt gleichsam Abgesandter und mithin auch Stellvertreter des Unendlichen im Endlichen, weil das Subjekt dieses Kontinuum der Ausdehnung von Zeit und Raum aus sich heraus hervorbringt, um in Form von ihm das Endliche als diesen oder jenen Inhalt in ihm überhaupt erst zu gewinnen. Denn die Art und Weise, wie das Endliche durch das Unendliche ermöglicht und verwirklicht wird, ist dann genau dieses Subjekt als das SichAusdehnen von einem Punkt zu dieser oder jener Ausdehnung, die es sich dabei auch bewußt macht. Und auch nur in das Unendliche dieses Kontinuums von so bewußter Ausdehnung hinein kann es dann kommen zu dem Endlichen von einem Etwas gegenüber einem andern Etwas als dem Inhalt in der Form von ihm, wie auch zu dem Bewußtsein, das ein Subjekt von all dem gewinnt. Zuletzt ist es daher auch in der Tat dieses Unendliche als das ursprüngliche, aus dem all dies hervorgeht und das in Gestalt dieses Subjekts als seines Abgesandten oder Stellvertreters zum Bewußtsein von all dem gelangt. Und somit ist zu folgern und zu fordern: All dies müßte sich dann aufwärts auch noch bis hinein in das ursprüngliche Unendliche verfolgen lassen sowie abwärts dann auch noch aus ihm heraus begreifen lassen, wenn das KSystem im Unterschied zum P-System das angemessene Modell dafür ist. Müßte dann doch aus diesem ursprünglichen Unendlichen heraus verständlich werden können: Letztlich ist es dieses selbst, das sich in diesem Sinn synthetisch zum synthetischen Unendlichen als dem synthetischen Kontinuum erstellt; und so ist es am Ende auch dieses ursprüngliche Unendliche, das durch 135 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche

die Analyse von sich als dieser Synthese dann sich selbst auch noch zum analytischen Unendlichen als analytischem Kontinuum erstellt und so auch noch zum Endlichen in sich als dem Unendlichen. Wie also ließe sich vom K-System her auch noch bis hinauf und bis hinein in das ursprüngliche Unendliche ein Zugang finden, nämlich ein Begriff von ihm sich bilden, unter dem zunächst diese Synthese und sodann auch diese Analyse von ihm sich begreifen lassen könnte? Und das heißt: Was läßt sich auf Begriffe von ihm bringen, die rechtfertigen, von ihm als »dem« ursprünglichen Unendlichen zu sprechen, nämlich von ihm als dem Einen, das durch seine Gliederung in sich zu Gliedern von sich dann das Eine-Ganze ist? Was seine Form betrifft, ist das vom K-System her die unmittelbare Einheit zwischen Ausdehnung und Punkt, die das Unendliche selbst dort noch zwischen ihnen ist, wo es zuletzt als analytisches Kontinuum schon das Gesonderte von beiden ist. Die nämlich ist es dann erst recht schon dort, wo es zunächst noch als synthetisches Kontinuum das Ungesonderte von beiden ist. Und in der Tat kann es als ein Sich-Ausdehnen von einem Punkt zu einer Ausdehnung auch nur eine unmittelbare Einheit zwischen beiden sein. So aber läßt von unten aufwärts sich tatsächlich daraus folgern und für das ursprüngliche Unendliche dann fordern: Dieses kann sich zu den beiden Arten von unmittelbarer Einheit zwischen Punkt und Ausdehnung nur dann erstellen, wenn es als Gattung dieser Arten seinerseits das Eine ist, das sich zu ihnen in sich gliedert und so auch zum Einen-Ganzen dieser Glieder wird. Jedoch nicht folgern und nicht fordern läßt sich für dieses ursprüngliche Unendliche, auch dieses selbst als Gattung dazu müsse demgemäß noch so eine unmittelbare Einheit sein. Denn hier kann gar nicht mehr verständlich sein, wozwischen diese Einheit denn eine unmittelbare bildet, weil das hier sich gar nicht mehr begründen läßt. War sie doch auch nur dort als die unmittelbare Einheit noch verständlich, wo sich das begründen ließ, wonach die beiden Arten des Unendlichen als Einheit zwischen Punkt und Ausdehnung jeweils eine unmittelbare sind. Dies aber läßt auf das ursprüngliche Unendliche als Gattung zu 136 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche als Grund für das synthetische Kontinuum …

ihnen sich nicht mehr ohne weiteres übertragen, weil hier nicht mehr ohne weiteres verständlich werden kann: Welches Verhältnis zueinander könnten Punkt und Ausdehnung hier bilden, durch das sie hier in unmittelbarer Einheit miteinander stehen müßten? Ja es kann noch nicht einmal mehr ohne weiteres verständlich werden, ob sich hier denn überhaupt von Punkt und Ausdehnung noch sinnvoll sprechen läßt und somit auch noch von einem entsprechenden Verhältnis zwischen beiden. Welchen Sinn denn sollten Punkt und Ausdehnung und damit ein Verhältnis zwischen ihnen hier noch haben können, wo doch dieser Sinn auch nur ein weiterer, weil ein noch höher liegender sein könnte? Denn daß er der Sinn der Gattung zu dem Sinn der Arten von all dem sein müßte, gibt darauf noch keine Antwort, sondern stellt die Frage nach ihm nur noch dringlicher. Verfehlt war es daher, sich einfach nur zurückzuziehen auf Ausdehnung und Punkt, wie sie als bloße Elemente ja Beteiligte an jeder von den beiden Arten sind und damit ein Verhältnis zueinander bilden, das noch keines der Verhältnisse von ihnen ist, in denen sie die beiden Arten darstellen. 58 Bilden Punkt und Ausdehnung doch auch in jedem von diesen Verhältnissen jene unmittelbare Einheit miteinander; widerspruchsfrei zueinander sind sie daher innerhalb von dieser Einheit jeweils nur, weil sie hier jeweils ungleichrangig zueinander sind, da jeweils umgekehrt das eine von dem andern abhängig ist. Und so bildet diese jeweils umgekehrte Abhängigkeit zwischen ihnen dann auch jeweils eine unumkehrbare Asymmetrie derselben. Doch als etwas bloß daran Beteiligtes von bloßen Elementen müßten Punkt und Ausdehnung gleichrangig zueinander sein und könnten daher innerhalb der Einheit einer Gattung dazu auch nur widersprüchlich zueinander sein, was also auszuscheiden hat. Denn nur ein widerspruchsfreier Begriff der Gattung dieser Arten könnte als ein tragfähiger Zugang zu ihr das ursprüngliche Unendliche erschließen. Ihn zu finden, müßte somit dahin gehen, zu fragen: Wie denn 58

Vgl. dazu Prauss 2015, S. 558 ff., S. 604 ff.

137 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche

könnte das ursprüngliche Unendliche sich trotzdem denken lassen, weil es dem zum Trotz mit Punkt und Ausdehnung sehr wohl in irgendeinem Sinn zusammenhängen müßte? Treten doch in jeder von den beiden Arten des Unendlichen, wie sie als das synthetische und analytische Kontinuum auftreten, Punkt und Ausdehnung als Abgesandte oder Stellvertreter von ihm auf und müßten somit auch in irgendeinem Sinn diesem ursprünglichen Unendlichen entstammen. Daher kann die Frage auch nur lauten, wie sie ihm entstammen könnten. Denn gleichwohl kann weiter nicht einfach nur gelten, daß dieses Unendliche sie in sich selbst bereits umfasse und sie daher aus sich selbst heraus auch gleichsam nur verschiebe: so als träten sie nur dadurch als die beiden Elemente einer Gattung auf, als die sie die Beteiligten an jeder von den beiden Arten sind. Verfehlt war dort zusammen mit dem anderen Verfehlten nämlich auch, die Gattung des ursprünglichen Unendlichen als eine Symmetrie zwischen den beiden aufzufassen, während die Asymmetrie zwischen den beiden jede der zwei Arten von ihm als der Gattung bildet. Denn selbst wenn man absehen wollte von der Widersprüchlichkeit, die es als Gleichrangigkeit beider wäre und die sich durch deren Symmetrie nur noch verschärfen könnte, müßte diese Symmetrie verstoßen gegen diese Asymmetrie des Unendlichen. Die nämlich ist es nicht allein als jede seiner beiden Arten, sondern insbesondere auch von vornherein schon als die ursprüngliche Art jenes synthetischen Kontinuums. Dann aber müßte sich gerade dieses asymmetrische und somit ungleichrangige Verhältnis zwischen Punkt und Ausdehnung bereits aus dem ursprünglichen Unendlichen heraus erklären lassen. Tritt es doch auch überhaupt nur als ein solches asymmetrisch-ungleichrangiges Verhältnis zwischen beiden auf: bereits von vornherein als das synthetisch-ursprüngliche und auch weiterhin noch als das abgeleitet-analytische Kontinuum. Denn auch noch dafür muß dann das ursprüngliche Unendliche der Grund sein, nämlich daß es überhaupt nur als ein solches asymmetrisch-ungleichrangiges Verhältnis zwischen ihnen widerspruchsfrei-möglich und in jeder der zwei Arten wirklich ist. 138 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche als Grund für das synthetische Kontinuum …

An dieser Überlegung festzuhalten, schärft daher auch nur den Blick für etwas, das schon längst im Spiel ist: Tritt dieses ursprüngliche Unendliche zunächst synthetisch als synthetisches Kontinuum von Ausdehnung durch Selbstausdehnung eines Punktes auf, nicht umgekehrt, so tritt es eben auch zunächst als dieser Punkt auf. Denn als diese Ausdehnung tritt es sodann ja auch erst dadurch auf, daß es in der Gestalt von ihm als ein sich ausdehnender Punkt auftritt. Entsprechend ist die Abfolge dazwischen zwar noch keine zeitliche, sehr wohl jedoch schon eine logisch-ontologische; und die erstellt dieses ursprüngliche Unendliche sonach in sich als dem Unendlichen, nämlich indem es sich zum Punkt als dem Wovon wie auch zur Ausdehnung als dem Wozu dieses Sich-Ausdehnens erstellt. Und was in diesem Sinn zunächst aus dem ursprünglichen Unendlichen hervorgeht, ist sonach auch nur der Punkt, weil ja die Ausdehnung sonach nur das ist, was in diesem Sinn sodann auch erst aus ihm als dem sich ausdehnenden Punkt hervorgeht. Daß dabei das eine jeweils auch nur in unmittelbarer Einheit mit dem andern aus diesem ursprünglichen Unendlichen hervorgeht, ändert nämlich an der Abfolge von ihnen innerhalb von dieser Einheit überhaupt nichts. Ist es dann doch auch diese unmittelbare Einheit, welche sich sogar bis in das analytische Unendliche des analytischen Kontinuums noch durchhält, wo sogar die Umkehrung der Abfolge von Punkt und Ausdehnung noch innerhalb von dieser Einheit bleibt. Gleichwohl ist es im Sinn der ursprünglichen Abfolge von ihnen aber eben nur der Punkt, was dem ursprünglichen Unendlichen zunächst entspringt, die Ausdehnung jedoch nur das, was dem ursprünglichen Unendlichen sodann entspringt, indem sie ihm erst als sich ausdehnendem Punkt entspringt. Und so ist es gerade die Asymmetrie ihres Verhältnisses in jeder von den beiden Arten des Unendlichen als des Kontinuums, die schon begründet ist in dem ursprünglichen Unendlichen als Gattung beider Arten. Aber wenn auch nur in diesem asymmetrischen Verhältnis zueinander, so sind es doch beide, Punkt und Ausdehnung, die damit im ursprünglichen Unendlichen als Gattung schon begründet sind. 139 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche

Nur ist es dieser Grund für beide eben nicht als eine Symmetrie von beiden. Denn verfehlt war diese dort auch deshalb, weil es eine Symmetrie, wenn überhaupt, nicht erst von Punkt und Ausdehnung ist, sondern schon von Punkt allein, der ihm zunächst entspringt. Ist das Symmetrischste, das geometrisch denkbar ist, doch nur der Punkt, der aber dem ursprünglichen Unendlichen, wenngleich zunächst, ja bloß entspringt und somit allenfalls der Zeuge seiner ursprünglichen Symmetrie sein kann. Beginnt doch auch bereits mit diesem Punkt als dem sich ausdehnenden dann vielmehr die Asymmetrie zwischen ihm und der aus ihm hervorgehenden Ausdehnung. Das vorerst bloße Bild für Punkt und Ausdehnung als bloße »Abgesandte« oder »Stellvertreter« des ursprünglichen Unendlichen läßt dann sich nämlich einlösen in den entsprechenden Begriff von ihm. Denn danach können Punkt und Ausdehnung auch in der Tat nicht etwas sein, das es schon immer von sich selbst her ist, sondern nur etwas, das dieses ursprüngliche Unendliche erst immer von sich selbst her wird, indem es selbst sich dazu macht. So aber macht es sich zu beidem eben auch nur asymmetrisch, weil es sich zunächst auch nur zum Punkt macht, und sodann zur Ausdehnung auch nur macht, indem es sich zum sich ausdehnenden Punkt macht: folglich beides eben auch nur in unmittelbarer Einheit miteinander. Daß es sich zu beidem demgemäß synthetisch macht, hat dann jedoch nicht erst den Sinn, daß es sich damit eben zum synthetischen Unendlichen jenes synthetischen Kontinuums erstellt. Denn dem vorweg vielmehr hat dies bereits den Sinn, daß schon bezüglich seiner selbst sich das ursprüngliche Unendliche synthetisch dazu macht. Das heißt: Nicht etwa analytisch macht es sich dazu: nicht so als ob es seinem Wesen nach sich dazu machen müßte. Gelten würde das nur dann, wenn Punkt und Ausdehnung tatsächlich etwas wären, das dieses ursprüngliche Unendliche schon immer von sich selbst her ist, und nicht etwas, das es erst immer von sich selbst her wird, als das es aber gar nicht widerspruchsfrei wäre. Was von unten aufwärts für dieses ursprüngliche Unendliche sich folgern und sich fordern ließ, führt danach nämlich zu einem Begriff von ihm, der dann von oben 140 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche als Grund für das synthetische Kontinuum …

abwärts eine Folgerung für es erzwingt, deren Bedeutung sich kaum überschätzen läßt, und die sie auch für die Theologie noch hat. Denn daß es sich von vornherein synthetisch dazu macht und damit eben zum synthetischen Unendlichen jenes synthetischen Kontinuums, bedeutet dann, daß es, wenn es das tut, dies auch nur faktisch-kontingent tun kann, nicht etwa notwendig tun muß. Ist doch, daß es das tut, von unten aufwärts auch gesichert, weil das analytische Kontinuum des K-Systems sich nur auf dem durchlaufenen Aufwärts-Weg erklären läßt. So aber ist, daß es das tut, zuletzt auch dadurch erst erklärt, wie es das tut. Daß nämlich das ursprüngliche Unendliche allein schon seiner Form nach dies nur faktisch-kontingent tut, weil auch schon von vornherein nur faktisch-kontingent tun kann, erklärt dann auch allein schon seiner Form nach das gesamte Faktisch-Kontingente unserer Welt des Endlichen. Denn so ist es auch dies ursprüngliche Unendliche als solches selbst, das schon allein der Form nach dann von vornherein zu diesem Endlichen sich selbst verendlicht. Gilt dies alles dann doch auch tatsächlich noch bis einschließlich des analytischen Unendlichen im K-System des analytischen Kontinuums, wie es formal das Endliche der Welt umfaßt. Ob nämlich seine Analyse es formal jeweils kontinuierlich läßt oder diskret macht, ist dann ebenfalls nur faktisch-kontingent, wenn doch schon die Synthese des synthetischen Kontinuums als die Ermöglichung des einen wie des andern selbst nur faktisch-kontingent sein kann. Die noch bis heute nicht beantwortete Frage der Theologie, wie das Unendliche sich selbst zum faktisch-kontingenten Endlichen in sich soll machen können, fände damit philosophisch-geometrisch ihre Antwort. Daß dies alles in der Tat für das ursprüngliche Unendliche allein schon seiner Form nach folgt, begründet vollends die Dynamik von all dem, die dabei mit ihm mitzudenken ist. Denn die liegt dem Gesamtzusammenhang von all dem auch tatsächlich schon von vornherein zugrunde. Erst mit ihr zusammen nämlich führt all dies dann insgesamt zu einer Folgerung für das ursprüngliche Unendliche, die unterscheidet zwischen dem, was es 141 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche

schon immer von sich selbst her sein muß, und was es erst immer von sich selbst her werden kann. War ebenso wie die Synthese von ihm zum synthetischen Unendlichen jenes synthetischen Kontinuums doch auch noch dessen Analyse zu dem analytischen Unendlichen des analytischen Kontinuums nur zu begreifen als Dynamik, die für das ursprüngliche Unendliche dann auch erst recht noch gelten muß. Nur als dessen Dynamik nämlich kann begreiflich sein, daß es zu etwas wird, indem es sich zu etwas macht, wodurch es über das hinausgeht, was es von sich selbst her ist. Nur als Dynamik läßt sich schließlich auch begreifen, daß dieses synthetische wie analytische Kontinuum der Ausdehnung von Zeit und Raum doch jeder seiner Dimensionen nach ins Unbestimmt-Unendliche verläuft. Und in der Tat ist das ursprüngliche Unendliche, indem es Punkt und Ausdehnung gerade nicht schon immer von sich selbst her ist, sondern zu Punkt und Ausdehnung erst immer von sich selbst her wird, eine Dynamik, als die es schon immer über das hinausgeht, was es von sich selbst her ist. Und das ist eben die Dynamik einer Spontaneität, die sich nur denken läßt als Selbstbewegung einer Selbstverwirklichung, wie sie als Selbstverhältnis des synthetischen Kontinuums von Ausdehnung durch Selbstausdehnung eines Punktes sich ja auch bezeugt. Nur muß es sich im Fall jenes ursprünglichen Unendlichen bei dieser Spontaneität dann handeln um die Selbstbewegung einer Selbstverwirklichung, die zum synthetischen Kontinuum der Ausdehnung durch Selbstausdehnung eines Punktes auch nur werden kann, nicht werden muß. Als die ursprüngliche Dynamik des ursprünglichen Unendlichen dagegen muß sie solche Spontaneität der Selbstbewegung einer Selbstverwirklichung schon von sich selbst dann sehr wohl sein, das heißt, noch ohne sie dann auch bereits als Selbstausdehnung eines Punktes sein zu müssen. Zwischen dem, was dies ursprüngliche Unendliche schon immer von sich selbst her notwendig sein muß, und dem, wozu es sich erst immer von sich selbst her faktisch-kontingenterweise machen kann, muß daher auch ein Unterschied bestehen, der sich bestimmen lassen müßte. 142 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche als Grund für das synthetische Kontinuum …

Eine Möglichkeit dafür ergibt sich durch die Überlegung: Wie vollzieht denn das Sich-Ausdehnen von einem Punkt zu dem synthetischen Unendlichen als dem synthetischen Kontinuum der Ausdehnung von Zeit und Raum, dem das ursprüngliche Unendliche zugrundeliegt, sich eigentlich im einzelnen? Im ganzen nämlich wird die Spontaneität der Selbstbewegung einer Selbstverwirklichung, als die es ihm zugrundeliegt, dabei zuletzt zur Subjektivität als der Intentionalität. Denn in der Tat wird sie zu ihr auch erst am Ende mit dem letzten Schritt der vollständigen Selbstausdehnung eines Punktes in Gestalt von Raum als schließlich dreidimensionalem. 59 Insbesondere diesbezüglich gilt es daher auch genauestens zu unterscheiden zwischen diesem letzten Schritt und jedem der vorausgehenden Schritte jener Selbstausdehnung eines Punktes, auch wenn alle diese Schritte als die bloßen Glieder innerhalb des Ganzen jener Selbstausdehnung immer schon in einem Zug erfolgen. Dennoch nämlich läßt sich jeder einzelne der Reihenfolge nach von jedem andern dieser Einzelschritte unterscheiden, als die sie nur Aufbauglieder innerhalb des Ganzen sind, das erst durch jenes letzte seiner inneren Aufbauglieder dann zum vollständigen Ganzen einer Intention eines Subjekts wird. So gewiß daher auch jedes Einzelglied schon etwas Subjektives ist, dem ein Subjekt zugrundeliegt, so kann bloß deshalb doch gewiß nicht jedes einzelne von diesen Gliedern auch schon selbst ein Einzel-Subjekt sein als eine Einzel-Intention. Dies aber ist bemerkenswert, weil aufschlußreich. Gilt trotzdem doch, daß jeder einzelne von diesen Schritten – und mithin auch jedes einzelne von diesen inneren Aufbaugliedern innerhalb des Ganzen eines Subjekts oder einer Intention – sehr wohl ein Fall von etwas ist, das über das hinausgeht, was es von sich selbst her ist, und somit etwas, das zu etwas wird. Denn jeder oder jedes ist ein Fall jenes Sich-Ausdehnens von einem Punkt zu einer Ausdehnung, der mehrfach sich ausdehnen muß, bis er zuletzt sich vollständig zu Raum als dreidimensionalem ausdehnt. Jeder oder jedes ein59

Vgl. dazu Prauss 2015, §§ 12–13.

143 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche

zelne ist sonach als ein Fall von Selbstausdehnung auch ein Fall von Selbstbewegung einer Selbstverwirklichung, der deshalb aber dennoch nicht auch selbst bereits ein Fall von einer Intention eines Subjekts ist. So jedoch wird dieser Unterschied zu einem Grund für eine Unterscheidung, die dann auch vergleichbar noch zu treffen ist für das ursprüngliche Unendliche, das dem synthetischen Unendlichen dieses Kontinuums von Ausdehnung durch Selbstausdehnung eines Punktes schon zugrundeliegt. Wozwischen sogar hier noch unterschieden werden muß, dazwischen ist dann vordem auch erst recht schon dort zu unterscheiden, wo das alles seinen ursprünglichen Grund hat: im ursprünglichen Unendlichen. Wenn Selbstbewegung einer Selbstverwirklichung nicht einmal hier von vornherein schon eine Intention eines Subjekts sein muß, wo sie als Selbstausdehnung eines Punktes grundsätzlich bereits im Gange ist, muß nämlich gelten: Dann muß sie das auch erst recht nicht dort schon sein, wo sie von vornherein noch gar nicht Selbstausdehnung eines Punktes sein kann: im ursprünglichen Unendlichen, wo sie vielmehr zunächst nur Selbstbewegung einer Selbstverwirklichung als solche selbst sein muß. Und von Bedeutung ist das eben, weil auf diese Weise jede Art von Animismus für dieses ursprüngliche Unendliche sich durch ein Argument von vornherein verbietet: Ein Subjekt als eine Intention muß das ursprüngliche Unendliche gerade nicht etwa schon immer von sich selbst her sein, kann es vielmehr erst immer von sich selbst her werden. Denn selbst dort, wo es dahin schon unterwegs ist: im SichAusdehnen von einem Punkt zur Ausdehnung von Zeit und Raum, wird es dazu nicht schon mit seinem ersten Schritt dieses Sich-Ausdehnens, sondern mit seinem letzten erst. Und jeder einzelne von diesen seinen Schritten ist nur ein synthetischer als faktisch-kontingenter: nicht allein der erste, sondern auch noch jeder weitere als Nachfolger zum Vorgänger. Denn nicht nur mit dem ersten, sondern jeweils auch mit jedem weiteren Schritt ist das ursprüngliche Unendliche als der sich ausdehnende Punkt von neuem etwas, als das es hinausgeht über das, was es 144 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche als Grund für das synthetische Kontinuum …

schon ist, indem es zusätzlich auch noch zu etwas wird, das es noch nicht ist. So jedoch ist es durchaus nicht etwas, das, weil es den ersten Schritt tut als den Vorgänger, dann auch nur einen von den weiteren Schritten als den Nachfolgern tun müßte, sprich: bis einschließlich des letzten. Denn bloß nachträglich, das heißt: wenn man den letzten schon voraussetzt, gilt dann analytisch, daß es in der Reihenfolge dieser Schritte jeden machen muß, bis es zu einer Intention eines Subjekts wird. Umgekehrt dagegen gilt synthetisch vom ursprünglichen Unendlichen, daß jeder dieser Schritte ihrer Reihenfolge nach nur einer ist, den es, wenn es ihn macht, nur faktisch-kontingent macht, weil es ihn nur machen kann, nicht machen muß. Noch weiter stützen läßt sich das, wenn man berücksichtigt: Mit jedem solchen Schritt zu einer Ausdehnung durch Selbstausdehnung eines Punktes bildet dieses so sich in sich gliedernde Subjekt auch jeweils ein Bewußtsein dieser Ausdehnung. Daß jede solche Ausdehnung schon etwas Subjektives ist, dem ein Subjekt zugrundeliegt, schließt somit ein, daß dabei jede auch schon zu etwas Bewußtem für dieses Bewußtsein wird: Indem ein Punkt sich nicht nur zu ihr ausdehnt, sondern sie als solche sich dabei auch noch bewußt macht, geht sie aus dem Punkt als dem bewußt-begleitenden auch nur hervor als die durch ihn bewußt-begleitete. So nämlich bilden diese beiden jeweils nur die Glieder innerhalb des Ganzen von Bewußtem für Bewußtsein. Und das wird zu einer weiteren Stütze für das Vorige. Denn der Besonderheit von jenem letzten Schritt zur Ausdehnung von dreidimensionalem Raum entspricht auch die Besonderheit von einem eigentümlichen Bewußtsein. Erst das diesem letzten Schritt entsprechende Bewußtsein nämlich ist dann ein thematisierendes Bewußtsein, das etwas zum Thema macht, so daß es dadurch zum thematisiert Bewußten wird, indem es für etwas in Form von räumlich-dreidimensionaler Ausdehnung gehalten wird. Dagegen ist das jedem Schritt zuvor entsprechende Bewußtsein vorerst nur ein nichtthematisierendes Bewußtsein, für das etwas in der Form von weniger als dreidimensionaler Ausdeh145 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche

nung zunächst auch nur etwas noch unthematisiert Bewußtes ist. Und sogar bis hinein in das zuletzt thematisiert Bewußte, nämlich bis hinein ins Räumlich-Dreidimensionale läßt sich dies zunächst nur unthematisiert Bewußte auch verfolgen. Denn sogar noch jedes dreidimensionale Ding, das durch ein Urteil wie zum Beispiel »Dies ist rot« oder »Dies ist (ein) Haus« thematisiert wird, hat die weniger als dreidimensionale Eigenschaft, die ihm durch »… rot« oder durch »… Haus« zunächst nur prädiziert wird, auch zunächst nur als etwas noch unthematisiert Bewußtes. 60 Auch als die nur prädizierte aber ist sie dennoch etwas (eben unthematisiert) Bewußtes. Und das gilt denn auch für alles weniger als Dreidimensionale, das zunächst in Form von nulldimensionaler Ausdehnung der Zeit und dann in Form von einoder von zweidimensionaler Ausdehnung des Raumes auftritt und zuletzt dem Räumlich-Dreidimensionalen schon zugrundeliegt. Und so ergibt sich eben noch ein Argument, das auch noch weiter stützt, daß jede Art von Animismus sich für das ursprüngliche Unendliche verbietet: Nicht nur ein Subjekt als eine Intention, sondern auch ein Bewußtsein ist etwas, das dies ursprüngliche Unendliche erst immer von sich selbst her werden kann und nicht etwa schon immer von sich selbst her sein muß. Denn vergleichen läßt sich dann: Nicht einmal dort, wo das ursprüngliche Unendliche schon ein Sich-Ausdehnen von einem Punkt zu einer Ausdehnung für ein Bewußtsein ist, muß es dann auch sogleich schon ein thematisierendes Bewußtsein bilden. Zu dem kann es dann vielmehr nur werden aus einem zunächst nur nichtthematisierenden heraus, so daß vergleichbar wird: Dann muß dieses Unendliche erst recht nicht dort, wo es Sich-Ausdehnen von einem Punkt zu einer Ausdehnung noch gar nicht ist und somit auch noch nicht einmal ein nichtthematisierendes Bewußtsein von ihr ist, etwa von sich als dem ursprünglichen Unendlichen der Selbstbewegung einer Selbstverwirklichung schon immer ein Bewußtsein bilden. Denn auch dieses ist dann viel-

60

Vgl. dazu oben S. 30 ff., S. 127.

146 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche als Grund für das synthetische Kontinuum …

mehr etwas, das es nicht schon immer von sich bilden muß, sondern erst immer von sich bilden kann. Gilt ohnehin doch: Erstmals zu einem Bewußtsein bildet es sich erst, indem es sich zu dem Sich-Ausdehnen von einem Punkt zu einer Ausdehnung für ein Bewußtsein macht. Und da es sich zu beidem auch nur machen kann, nicht machen muß, gilt somit, daß dieses ursprüngliche Unendliche, wenn es sich dazu macht, dies auch nur faktisch-kontingent tut. Und so ist denn auch tatsächlich das gesamte Endliche der Welt allein schon seiner Form nach etwas, das nur etwas Faktisch-Kontingentes sein kann. Denn das gilt dann nicht bloß für die Welt als Außenwelt von diesem oder jenem Objekt, sondern auch noch für die Welt als Innenwelt von diesem oder jenem Subjekt, das als Intention dann das thematisierende Bewußtsein ist von diesem oder jenem Objekt als thematisiert Bewußtem. Und so liegt dieses ursprüngliche Unendliche dann auch tatsächlich der Gesamtheit dieses Endlichen zugrunde, sprich: von dem Subjekt her, das als der sich ausdehnende Punkt synthetisch das Kontinuum der Ausdehnung von Zeit und Raum als Form für diese Innenwelt und Außenwelt erzeugt und zum Bewußten für sich als Bewußtsein macht. Von weiterer Bedeutung ist das nämlich, wenn man miterwägt: Woran liegt es denn eigentlich genau, daß dies Unendliche als der sich ausdehnende Punkt erst mit dem letzten Schritt der Selbstausdehnung und entsprechenden Bewußtseinsbildung zu einem Subjekt als einer Intention wird? Was genau ist das Besondere daran, daß der sich ausdehnende Punkt erst in Gestalt von Raum als dreidimensionalem seine vollständige Ausdehnung erreicht und auch mit dem entsprechenden Bewußtsein erst zu dem thematisierenden Bewußtsein einer Intention eines Subjekts gelangt? Ist doch von Anbeginn schon jeder einzelne der Schritte solcher Selbstausdehnung und entsprechender Bewußtseinsbildung etwas, womit dies Unendliche schon über das hinausgeht, was es von sich selbst her ist, indem es zusätzlich zu etwas wird, das es noch nicht ist. Und so fragt sich: Wodurch ist denn erst der letzte dieser Schritte das Besondere, das dann im Unterschied zu jedem seiner Vorgänger erst ihn zu dem thema147 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche

tisierenden Bewußtsein von etwas thematisiert Bewußtem einer Intention eines Subjekts macht? Kann die Antwort darauf doch nur lauten: So gewiß auch dieser letzte Schritt wie jeder seiner Vorgänger nur etwas ist, womit dieses Unendliche jeweils hinausgeht über das, was es schon ist, und so zu etwas wird, das es noch nicht ist, so gewiß hat er auf Grund von ihnen, die ihm alle schon zugrundeliegen, doch zuletzt als ein besonders ausgezeichneter zu gelten. Denn als dieser letzte Schritt ist er zugleich der erste, mit dem dies Unendliche nicht mehr nur einfach über sich hinausgeht, indem es zu etwas wird, sondern zum ersten Mal vielmehr so über sich hinausgeht, daß es durch sich selbst auf etwas Anderes als sich selbst noch ausgeht, indem es sich selbst zu einer Intention eines Subjekts macht. Heißt doch, aus sich selbst heraus etwas zu intendieren, in der Tat soviel wie, aus sich selbst heraus sowohl wie auch über sich selbst hinaus gerade auszugehen auf etwas Anderes als sich selbst, um dieses dadurch zu verwirklichen. Und das erfolgt auch in der Tat als Bildung von Bewußtsein bis hin zum thematisierenden Bewußtsein eines Urteils. Denn als Urteil geht dieses Unendliche zuletzt ja dahin, etwas zu behaupten, und das heißt: etwas als wirklich hinzustellen, sprich: als etwas in der Form von schließlich dreidimensionalem Raum, in den hinein es dies als wirklich hinstellt. Ist doch auch erst er, dem jede andere Ausdehnung durch Selbstausdehnung jenes Punktes schon vorausgeht und zugrundeliegt, dann diejenige Ausdehnung, zu der sich jener Punkt zuletzt noch ausdehnt als derjenigen, die er »nur außerhalb von sich« besitzt. Die ihr vorausgehenden nämlich hat er ja noch mindestens »auch innerhalb von sich«, wie die des ein- und zweidimensionalen Raumes, oder auch sogar »nur innerhalb von sich«, wie die der nulldimensionalen Zeit. Entsprechend ist die Ausdehnung des schließlich dreidimensionalen Raumes, die der Punkt »nur außerhalb von sich« besitzt, denn auch eine besonders ausgezeichnete: In sie hinein etwas als wirklich hinzustellen, geht ihr zufolge dahin, es als etwas Wirklich-Anderes von einer Außenwelt für eine Innenwelt dieses Bewußtseins hinzustellen. 148 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche als Grund für das synthetische Kontinuum …

Nur wird dergleichen wie die Wirklichkeit von etwas auch sofort zu einer problematischen, sobald es sich bei ihr um die von etwas Wirklich-Anderem handeln soll. Solang dies nämlich nicht gilt, weil es vorerst nur um Wirklichkeit durch Selbstbewegung einer Selbstverwirklichung sich handelt, ist an dieser Wirklichkeit auch noch nichts Problematisches: Der Fall ist das, genau solang es bei der Selbstbewegung einer Selbstverwirklichung als Selbstausdehnung eines Punktes noch nicht um die Wirklichkeit von etwas Anderem geht, wie bei der Wirklichkeit von all dem, das der Wirklichkeit von diesem Anderen schon vorausgeht und zugrundeliegt. Wird solche Selbstbewegung einer Selbstverwirklichung doch auch nur faktisch-kontingent zur Selbstausdehnung eines Punktes und führt somit auch nur faktisch-kontingent zur Wirklichkeit von dieser oder jener Ausdehnung, so daß es dann, wenn sie erfolgt, zur Wirklichkeit von dem, zu dem sie führt, auch kommen muß. Und das gilt eben auch für jeden Schritt von solcher Selbstausdehnung, der dem letzten Schritt von ihr vorausgeht und zugrundeliegt. Ja dies gilt auch sogar noch für den letzten Schritt, soweit er Schritt zum Intendieren ist im Unterschied zum Intendierten, weil das Intendieren selber doch auch dem noch, das es intendiert, als eine Wirklichkeit vorausgehen und zugrundeliegen muß: der Wirklichkeit von etwas Anderem. Nur kann es sich, sobald es sich auch noch um diese Wirklichkeit von etwas Anderem handeln soll, bei solcher Selbstausdehnung eines Punktes dann auch nicht mehr handeln um die bloße Selbstbewegung einer bloßen Selbstverwirklichung, wie noch bei der zum Intendieren als solchem selbst. Denn dann muß es bei dieser vielmehr zusätzlich auch noch um Fremdverwirklichung durch Selbstbewegung einer Selbstverwirklichung zu einer Intention sich handeln, die allein zuletzt noch zusätzlich zu einer Wirklichkeit von Anderem führen kann. Die aber wird, sobald sie im genannten Sinn thematisch wird, sofort auch problematisch. Denn dann gilt nicht mehr, daß es auch noch durch solche Fremdverwirklichung zur Wirklichkeit von Anderem kommen muß. Dann gilt vielmehr nur noch, daß es durch solche Fremdverwirk149 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche

lichung zur Wirklichkeit von Anderem bloß kommen kann. Und so ergibt sich, was auch in der Tat das Wesen jeder Intention ausmacht, nämlich daß sie erfolgreich werden oder auch erfolglos bleiben kann: Die Wirklichkeit von etwas Anderem, dessen Verwirklichung sie intendiert, kann sie als den Erfolg durch sich erzielen, so daß es durch sie verwirklicht wird; jedoch obwohl sie diese intendiert, kann sie Verwirklichung der Wirklichkeit von etwas Anderem auch als den Mißerfolg durch sich verfehlen, so daß es durch sie dann unverwirklicht bleibt. Die Intention als solche selbst dagegen muß in jedem Fall, im Mißerfolgsfall ebenso wie im Erfolgsfall, schon verwirklicht und mithin auch wirklich sein. Denn auch erst in Bezug auf sie als wirkliche kann auch noch etwas Anderes als sie dann wirklich werden und so zu einem Erfolg für sie, oder unwirklich bleiben als ein Mißerfolg für sie. Genau in diesem Sinn ist denn auch jedes ursprüngliche Urteil, als die Form der ursprünglichen Wahrnehmung von diesem oder jenem Objekt einer Außenwelt, die Intention einer Verwirklichung von etwas Anderem, indem sie es als wirklich hinstellt, so daß sie es bei Erfolg auch herstellt. Jedes solche Objekt ist daher durchaus nicht etwas, das schon immer von sich selbst her wirklich ist, sondern das umgekehrt erst immer von der Intention her wirklich wird, oder auch nicht. Und wenn ein solches Urteil nicht zu dem Erfolg führt, den es intendiert, sondern zu einem Mißerfolg, den es nicht intendiert, so heißt dies demnach, daß es das, was es als wirklich hinstellt, dadurch nicht auch herstellt. Dabei handelt es sich dann um etwas, das dadurch nicht wirklich wird, sondern unwirklich bleibt, und das in diesem Sinn sonach nicht wirklich ist. An jedem Fall von einem solchen Urteil, wenn es ein elementares ist, wird dies daher auch offenkundig, wie etwa an »Dies ist rot« oder »Dies ist (ein) Haus«. Führt es zu einem Mißerfolg, so kann er auch nur das betreffen, das allein darin thematisiert, nämlich als wirklich hingestellt wird. Und daher kann er auch nur bedeuten, daß dies letztere als wirklich hingestellte Andere nicht wirklich ist. Für die verschiedenen Schritte jener Selbstausdehnung und 150 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche als Grund für das synthetische Kontinuum …

entsprechenden Bewußtseinsbildung, die zuletzt zu einer Intention führen, gilt daher: Noch zusätzlich zu dem Sinn, in dem jeder dieser Schritte etwas Faktisch-Kontingentes ist, gilt dann für diesen letzten Schritt zu einer Intention, daß er auch noch in einem weiteren Sinn zu etwas Faktisch-Kontingentem führt, wenn er auch zu einem Erfolg von dieser Intention noch führt. Dann nämlich kommt zu all dem Faktisch-Kontingenten noch hinzu das Faktisch-Kontingente einer Wirklichkeit von etwas Wirklich-Anderem, wenn jenes Faktisch-Kontingente, das zu einer Intention führt, auch noch zu einem Erfolg für diese Intention führt. Und das ist ein neuer Sinn von Faktisch-Kontingentem, der mit diesem letzten Schritt erst auftritt, da kein Schritt zuvor schon ein Erfolg ist, weil auch noch nicht eine Intention eines Erfolges. So jedoch ist dieses Faktisch-Kontingente des Erfolges im Zusammenhang mit jenem Faktisch-Kontingenten einer Intention dieses Erfolges auch geradezu der Inbegriff des Faktisch-Kontingenten, das Subjekte durch empirische Erkenntnis von Objekten einer Außenwelt zustandebringen. Und dies auch bereits von Anbeginn der ursprünglichen Wahrnehmung von etwas Wahrgenommenem der Außenwelt: Wie weit auch immer unsere Erkenntnis in die Außenwelt vordringen mag, wie etwa als die mathematische Naturwissenschaft, so ist sie empirische Erkenntnis doch auch nur, indem sie rückbezogen bleibt auf das, was wahrgenommen oder wahrnehmbar ist. Denn als solche haltbar ist sie auch nur im Zusammenhang mit anderen empirischen Erkenntnissen, der einen in sich stimmigen Zusammenhang empirischer Erkenntnis von Objekten bildet, die grundsätzlich mit Objekten solcher Wahrnehmung zusammenhängen. Insgesamt ist dies daher auch nur ein einziger Zusammenhang eines dynamischen Verwirklichungsgeschehens, der mit jener Selbstbewegung einer Selbstverwirklichung jenes ursprünglichen Unendlichen beginnt, und der mit dieser Fremdverwirklichung von Endlichem durch dies Unendliche so endet, daß dies Endliche dann im Unendlichen genauso ist wie dies Unendliche im Endlichen. Beginnt er doch, weil dies Unendliche als das 151 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche

ursprüngliche sich faktisch-kontingent zu dem sich ausdehnenden Punkt macht, als der es jenes Kontinuum der Ausdehnung von Zeit und Raum erzeugt. Denn vollständig dehnt dieser Punkt sich auch erst aus zur Ausdehnung von Raum als dreidimensionalem, mit der seine Selbstausdehnung endet. Demgemäß tritt alles Endliche als Faktisch-Kontingentes, das in Form von irgendeiner solchen Ausdehnung auftritt, tatsächlich im Unendlichen auf. Denn als das Kontinuum von solcher Ausdehnung verläuft es doch auch jeder seiner Dimensionen nach ins UnbestimmtUnendliche, als das es somit jedem Endlichen bereits vorausgeht und zugrundeliegt. Gleichwohl jedoch führt dann dieses Unendliche als der Zusammenhang dieses Verwirklichungsgeschehens dazu, daß es innerhalb von ihm zu einem Gegenüber kommt von einer Außenwelt für eine Innenwelt. Tritt bei Erfolg jener bewußten Intention das Wirklich-Andere von Außenwelt doch auch tatsächlich gegenüber diesem Wirklich-Anderen von Innenwelt, für das es das thematisiert Bewußte ist, und das thematisierendes Bewußtsein von ihm ist. Und so ist dieses Gegenüber auch ein klarer Fall der Zweiheit dieser Außenwelt und dieser Innenwelt, der dennoch aber auch genauso klar kein Fall von ihnen als zwei Welten ist, sondern nur von zwei Gliedern innerhalb des Ganzen dieser einen Welt. Sind beide doch das Endliche von diesem oder jenem Objekt gegenüber diesem oder jenem Subjekt dann auch klarerweise nur, weil sie es im Unendlichen dieses Kontinuums als Einem-Ganzen sind. Und in der Tat gilt das doch auch für dieses oder jenes Subjekt noch. Denn jeweils etwas Endliches kann es nur durch den Körper sein, an den es unlösbar gebunden ist. Der nämlich ist wie jeder andere Körper jeweils Außenwelt für es als Innenwelt, während es selbst, als Subjekt, ja gerade das Unendliche im Endlichen ist. Dieses hängt daher von ersterem auch ab, und so reicht ersteres sogar auch noch bis ans Objekt als bloßes Endliches heran, sprich: in Gestalt der weniger als dreidimensionalen Eigenschaft am Ding als dreidimensionalem. Wohl aber besteht statt einer Zweiheit von zwei Welten zwischen ihnen dann ein klarer Vorrang solcher Innenwelt vor sol152 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche als Grund für das synthetische Kontinuum …

cher Außenwelt und damit also auch ein klarer Nachrang solcher Außenwelt nach solcher Innenwelt. Denn klar besteht dann diese Abhängigkeit solcher Außenwelt von solcher Innenwelt. Ist Wirklichkeit von Innenwelt als Intention doch auch schon immer das Ergebnis einer Selbstverwirklichung jenes ursprünglichen Unendlichen zu einem Subjekt; Wirklichkeit von Außenwelt dagegen ist als ein Erfolg der Intention erst immer das Ergebnis einer zusätzlichen Fremdverwirklichung durch solche Selbstverwirklichung jenes Unendlichen zu einem Objekt; so jedoch ist Wirklichkeit des letzteren auch klarerweise abhängig von Wirklichkeit des ersteren: Dann ist das Faktisch-Kontingente von einem Subjekt auch immer schon eine unmittelbare Folge aus dem Grund dieses ursprünglichen Unendlichen, jedoch das Faktisch-Kontingente von einem Objekt erst immer eine mittelbare Folge aus dem Grund dieses Unendlichen. Als der zu Ausdehnung sich ausdehnende Punkt ist ein Subjekt dann nämlich etwas weniger als Dreidimensionales, als das es dann auch grundsätzlich diesseits bleibt zu jedem dreidimensionalen Objekt. Und so ist ein Subjekt – mag es auch gebunden sein an einen Körper – eben etwas, das unmittelbar ist zu diesem Unendlichen, indem ein Subjekt als das abgeleitete Unendliche der Abgesandte oder Stellvertreter des ursprünglichen Unendlichen im Endlichen ist. Doch ein Objekt als ein bloßes solches, das als etwas Dreidimensionales dann das Jenseits zu dem Diesseits dieses weniger als Dreidimensionalen ist, kann als das schlechthin Endliche nur mittelbar sein zu diesem Unendlichen, von dem es aber dennoch abhängt. Denn die Dreiheit seiner Dimensionen kann es danach nur aus dem Subjekt, das heißt: nur von dem weniger als Dreidimensionalen her besitzen. Und so handelt es bei dieser Abhängigkeit sich zuletzt auch um die des Objekts als des Bewußten vom Subjekt als dem Bewußtsein, die einen unlösbaren Zusammenhang zwischen Bewußtem und Bewußtsein herstellt. Denn er bildet gleichsam einen Kreis, der als geschlossener sich nicht durchdringen läßt, um etwa außerhalb desselben dieses oder jenes Wirkliche als solches zu erfassen, wie das insbesondere die Empiristen und Naturalisten als Naive Realisten meinen. Halten 153 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche

sie doch auch für unerschütterlich: Das Einzige, das als das EineGanze wirklich ist, sei die Natur, von der die mathematisch-geometrische Naturwissenschaft handle. Denn nicht nur die Außenwelt von diesem oder jenem Objekt, sondern auch die Innenwelt von diesem oder jenem Subjekt könne nur Natur sein, von der nur empirische Naturwissenschaft angemessen handeln könne: Zumal so etwas wie ein Bewußtsein von etwas für es Bewußtem doch empirisch-nachweislich erst irgendwann aus der Natur heraus entstehe, während sie schon längst vor ihm bestehe und daher auch unabhängig von ihm, wie sie meinen. Diese Auffassung jedoch wird von Grund auf erschüttert und daher unhaltbar, wenn man mit in Rechnung stellt, was sich bislang ergeben hat. Denn keineswegs ist auch die Innenwelt eines Subjekts nur etwas Dreidimensionales unter all dem vielen Dreidimensionalen. Sie ist vielmehr etwas weniger als Dreidimensionales und als solches auch etwas grundsätzlich Anderes als alles Dreidimensionale, das gerade umgekehrt von diesem weniger als Dreidimensionalen abhängt, weil es nur von ihm her etwas Dreidimensionales sein kann. Deshalb ist das auch kein schlechter Dualismus von zwei Welten, und schon gar nicht ein »Substanzen-Dualismus«, sondern nur die Zweiheit von zwei inneren Gliedern innerhalb des Ganzen unserer einen Welt. Die aber ist Natur auch nur als Außenwelt, als Innenwelt dagegen Nicht-Natur. Und die muß als Bewußtsein dem Bewußten der Natur auch immer schon vorausgehen und zugrundeliegen. Denn wie weit auch immer das Empirische dieser Natur sich im Zusammenhang seiner Entwicklung bis ins Makro- oder Mikroskopische erschließen lassen mag, so handelt es sich dabei doch um eine Wirklichkeit, die als empirische nur gelten kann, wenn sie zusammenhängt mit solchem, das ursprünglich etwas Wahrgenommenes oder Wahrnehmbares für die Wahrnehmung als das Bewußtsein eines Subjekts ist. Das letztere ist denn auch eine Wirklichkeit durch ein Verwirklichungsgeschehen, dessen Gesamtzusammenhang noch nichts Empirisches und noch nichts Naturales sein kann, weil er vielmehr jeglichem Empirischen und Naturalen immer schon 154 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche als Grund für das synthetische Kontinuum …

vorausgehen und zugrundeliegen muß. Denn immer erst hinein in das synthetische Kontinuum von Zeit und Raum als das Bewußte für Bewußtsein dieses oder jenes Subjekts kann es kommen zu etwas Empirisch-Naturalem. Und so muß bei aller Empirie dann dieser Umkreis von Bewußtem für Bewußtsein immer schon geschlossen sein und undurchdringlich bleiben. Kann es doch erst immer innerhalb von ihm dann zu einer empirischen Erkenntnis kommen, wonach ein Bewußtsein sich erst spät im Laufe der empirischen Naturentwicklung ausgebildet habe, und muß daher zur Erklärung von sich selbst als dem geschlossenen Umkreis von Bewußtem für Bewußtsein immer schon zu spät gekommen sein. Entsprechend muß das Nichtempirische oder Nichtnaturale dieser Wirklichkeit durch ein Verwirklichungsgeschehen, wie es auf das ursprüngliche Unendliche zurückgeht, jeglicher empirischen Naturwissenschaft auch entzogen bleiben. Vorbehalten ist es vielmehr nach wie vor der nichtempirischen Philosophie, deren ureigenes Gebiet es schon seit jeher ist und weiter bleibt. Und sie als eine eigene strenge Wissenschaft durch Argumentation wird die empirische Naturwissenschaft demgemäß zur Kenntnis nehmen und auch gelten lassen müssen: Ihren Empirismus und Naturalismus nämlich wird sie nach dessen Erschütterung durch die Philosophie auch nicht mehr aufrechthalten können. Insbesondere zu denken geben müßte ihr daher, daß sie sogar auch schon in ihrem eigenen Bereich, wie etwa dem der Quantentheorie, gar nicht umhin kann, eine Abhängigkeit des Objekts vom Subjekt mindest zu erwägen. Denn gerade nach der Quantentheorie kann nicht verständlich werden, wie allein von seiten der Objekte her es jemals zur Bestimmtheit des Ergebnisses einer empirischen Erkenntnis über ein empirisches Objekt soll kommen können. Dazu aber wäre dann auch wenigstens ein Mindestmaß an Wissen von der Eigenart des Subjekts nötig, wenn das Objekt von ihm abhängt, wovon vorerst aber keine Rede sein kann. Denn durchaus nicht kann ein Subjekt als Bewußtsein etwas sein, das immer erst empirisch irgendwann aus der Natur heraus 155 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche

entstehe, auch wenn es für bloße Empirie so scheinen muß. Vielmehr kann es nur etwas sein, das ihr vorweg schon immer nichtempirisch aufgetreten sein muß, weil so etwas wie Natur für Empirie von ihr erst immer als Bewußtes für Bewußtsein von ihm ihren Ursprung haben kann. Und das liegt eben immer schon zugrunde, was auch immer solche Empirie von der Natur im einzelnen ermitteln mag, wie etwa, welchen Weg in Zeit und Raum ihre Entwicklung nahm und nimmt und nehmen wird, und was im Lauf dieser Entwicklung wo und wann erst auftritt. Denn all dies kann immer erst gewonnen sein aus immer schon Bewußtem für Bewußtsein, wie es ursprünglich als Wahrgenommenes für Wahrnehmung von ihm Erfolg für eine Intention eines Subjekts ist. Von dieser Natur als Inbegriff des Endlichen gilt es daher zu unterscheiden das Unendliche als Nicht-Natur, das diesem Endlichen vorausgeht und zugrundeliegt: zunächst das abgeleitete Unendliche als das Subjekt dem Objekt, doch zuvor auch das ursprüngliche Unendliche schon dem Subjekt als abgeleitetem Unendlichen. Denn danach macht das Endliche dieser Natur auch keineswegs das Eine-Ganze aus, von dem als Einzigem wir nur empirisch wissen könnten. Mit hinzu gehört zu ihm als Kosmos nämlich außer diesem Endlichen auch das Unendliche, von dem wir nichtempirisch gleichfalls wissen können, wenn auch zusätzlich nur durch Philosophie. Von grundlegender Wichtigkeit ist es daher, im einzelnen zu klären: Worin genau bestehen eigentlich die Schritte dieses nichtempirischen Verwirklichungsgeschehens, das vom ursprünglichen Unendlichen her seinen Weg zum Subjekt und vom Subjekt zum Objekt nimmt, so daß innerhalb dieses Unendlichen das Gegenüber zwischen Endlichem als Subjekt und Objekt entspringt? Schärft man den Blick auf jeden einzelnen von diesen Schritten, stößt man denn auch auf etwas Bemerkenswertes. Insgesamt ist jeder nämlich einer der vier Schritte, die als Ganzes schließlich das Kontinuum der Ausdehnung von Zeit und Raum herbeiführen. Aber auch als Einzelschritt bringt jeder dieses Ganze des Kontinuums gerade so hervor, daß er auch jede einzelne der Dimensionen des Kontinuums, wie die der nulldimensio156 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche als Grund für das synthetische Kontinuum …

nalen Zeit und die des ein- und zwei- und dreidimensionalen Raumes, jeweils als das Ganze von einem Kontinuum herbeiführt. Und so handelt es sich dabei auch um ein Kontinuum von vier Kontinua und damit um ein Ganzes von vier Ganzen, die es deshalb auch kontinuierlich-ganzheitlich zu seinen Gliedern hat, obwohl sie innerhalb von ihm sich unterscheiden und daher auch zählen lassen. Trotzdem hat es diese nämlich nicht etwa diskret zu seinen bloßen Teilen, deren bloße Summe es dann wäre, weil sie weder von einander noch von diesem Ganzen sich etwa durch Diskretionen unterscheiden. Daß es sich bei diesem Ganzen um ein Ganzes von vier Ganzen als seinen vier Gliedern handelt, heißt dann vielmehr: Nicht nur jeweils zwischen diesen Gliedern, sondern auch noch zwischen ihnen und dem Ganzen waltet eitel Kontinuität und innerhalb von ihr gleichwohl vom ersten bis zum letzten ihrer Glieder das Gefälle einer zunehmenden inneren Gliederung von ihr. Denn jedes weitere dieser Glieder setzt das jeweils vorige oder die jeweils vorigen bereits voraus. Wozu das führt, ist somit eine einzigartige Gesamtgestalt von innerer Gesamtstruktur, für die als Beispiel sich empirisch-biologisch dann das Ganze eines »Organismus« mit den inneren Gliedern seiner »Zellen« förmlich aufdrängt. Diese Einzigartigkeit der inneren Gliederung von einem Ganzen ist es nämlich, die formal und nichtempirisch schon von Anbeginn als das Kontinuum der Ausdehnung von Zeit und Raum der Welt zugrundeliegt. Sowohl dies Ganze wie auch jedes seiner Glieder aber geht vom Anfang her bis hin zum Ende immer wieder neu auf einen und denselben Grund zurück, wie jeder einzelne jener vier Schritte zeigt: auf den zu Ausdehnung sich ausdehnenden Punkt. Denn jedesmal ist dieser Punkt es, der zu dieser oder jener Ausdehnung sich ausdehnt und mithin zu mehr als einer Art von Ausdehnung, so daß dieser zu Ausdehnung sich ausdehnende Punkt dadurch zur Gattung dieser Arten wird, die er sich unterstellt. Und damit wird er auch zum Ganzen dieser Arten, so daß jede auch nur innerhalb von ihm sich bilden kann als Glied von ihm: wie eine »Zelle« auch nur innerhalb des Ganzen eines »Organismus«. 157 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche

Nur ist dieser eben erst ein bloßes Beispiel aus empirischer Biologie. Ist ihm vorweg doch der zu Ausdehnung sich ausdehnende Punkt sogar noch in einem besonderen und zusätzlichen Sinn so etwas wie ein Organismus als ein Ganzes. Denn im Unterschied zu einem Organismus der Biologie, der ja ein »offenes« und »unvollständiges« System ist, bildet dieser Punkt ein vollständiges und geschlossenes System. Und dies durch die vier Schritte, deren jeder als zu Ausdehnung sich ausdehnender Punkt ein schlechthin unteilbares Ganzes seiner Glieder ist: wie eine »Zelle«. Denn vergleichbar, wie die »Teilung« einer »Zelle« deren »Tod« bedeuten müßte, 61 könnte auch die »Teilung« dieses Ganzen von einem zu Ausdehnung sich ausdehnenden Punkt in seine Glieder, Punkt und Ausdehnung, nur heißen: Auch die Bildung jeder Art von Ausdehnung, wie wir sie kennen, müßte dadurch unterbleiben: die von nulldimensionaler Ausdehnung der Zeit wie die von ein- und zwei- und dreidimensionaler Ausdehnung des Raums. Und umgekehrt bedeutet dies daher: Nur dann, wenn schon vom Anfang her und noch bis hin zum Ende immer wieder neu dies Ganze von einem zu Ausdehnung sich ausdehnenden Punkt entspringt, kann sich zuletzt das Ganze dieser Ganzen bilden als das Ganze dieser Glieder, das wir kennen als Kontinuum der Ausdehnung von Zeit und Raum. Und erst, wenn es das grundsätzlich schon gibt, kann es dann kommen zu der Teilung, die aus ihm als dem synthetischen Kontinuum das analytische noch macht. Ist doch die Weise, wie dieses Sich-Ausdehnen jeweils erfolgt, dann auch geradezu die Bürgin dafür, daß es ein Kontinuum von

Ein Text, in dem kein Fall der Rede von der Zellteilung mehr vorkommt, ist anscheinend Al-Khalili 2015. Vermutlich deswegen, weil der Begriff der Zellteilung für das, was er bezeichnen soll, nur als von Grund auf falsch gebildet gelten kann, spricht man hier vielmehr nur noch von der Zellverdopplung (als der »Selbstverdopplung«, vgl. z. B. S. 247, S. 332), die allein der angemessene Begriff ist für lebendige Entwicklung zwischen Zellen als lebendigen zu einem Organismus als lebendigem. Dazu Prauss 2002, dort vgl. S. 22 ff.

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158 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche als Grund für das synthetische Kontinuum …

vier Kontinua herbeiführt als ein Ganzes von vier Ganzen, die es zu vier Gliedern von sich hat, so daß tatsächlich zwischen all dem eitel Kontinuität herrscht. Ist doch jedesmal, und somit viermal, dieser Punkt es, der zu Ausdehnung sich ausdehnt, so daß nach dem ersten jedes weitere Mal von Selbstausdehnung auch nur Ausdehnung an Ausdehnung sich anschließt und zu dem Kontinuum erstellt, in dem sie sich nur ihrer Dimension nach unterscheiden. Denn als dasjenige, was sich dabei jeweils ausdehnt, tritt der Punkt hier jeweils hinter dieser Ausdehnung als demjenigen, wozu er sich ausdehnt, ja zurück, und sie allein mithin aus ihm hervor, weil er als der zu ihr sich ausdehnende ihr auch nur zugrundeliegt. So ist es, nachdem dieser Punkt das erste Mal zu nulldimensionaler Ausdehnung der Zeit sich ausdehnt, denn auch dieser Punkt (der solcher Ausdehnung der Zeit zugrundeliegt), welcher das zweite Mal zu nunmehr eindimensionaler Ausdehnung des Raums sich ausdehnt. Und so ist es, nachdem dieser Punkt zu eindimensionaler Ausdehnung des Raums sich ausdehnt, denn auch dieser Punkt (der solcher Ausdehnung des Raums zugrundeliegt), welcher das dritte Mal zu nunmehr zweidimensionaler Ausdehnung des Raums sich ausdehnt. Und so ist es schließlich, nachdem dieser Punkt zu zweidimensionaler Ausdehnung des Raums sich ausdehnt, denn auch dieser Punkt (der solcher Ausdehnung des Raums zugrundeliegt), welcher das vierte Mal zu nunmehr dreidimensionaler Ausdehnung von Raum sich ausdehnt. Ihr zuvor ist nämlich jede solche Ausdehnung noch eine punktuelle, wodurch jede auch bezeugt, daß dieser Punkt als der zu ihr sich ausdehnende ihr zugrundeliegt. Daher ist es auch dieses jeweils Punktuelle solcher Ausdehnung, als das sich dieser Punkt jeweils noch weiter ausdehnt, bis er sich zuletzt auch noch zu dieser dreidimensionalen Ausdehnung des Raumes ausdehnt. Und die letzte solche Ausdehnung ist diese eben als die erste, welche keine punktuelle Ausdehnung mehr ist. Vielmehr ist sie eine nichtpunktuelle und in diesem Sinn sonach als erste eine reine Ausdehnung, obwohl auch sie Ergebnis 159 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche

des zu ihr sich ausdehnenden Punktes ist. 62 In diesem Sinn ist sie das aber nicht allein als erste, sondern auch als einzige. Denn ihr als der nichtpunktuellen Ausdehnung fehlt eben jedes Punktuelle, als das dieser Punkt noch einmal und noch weiter sich ausdehnen könnte oder müßte, weil er in Gestalt von ihr dann auch schon vollständig sich ausdehnt. Und so muß es auch von vornherein bereits im Wesen dieses Punktes liegen, daß er Vollständigkeit solcher Ausdehnung durch seine Selbstausdehnung nur in dieser Reihenfolge von vier Selbstausdehnungen zuletzt erst in Gestalt von dreidimensionaler Ausdehnung des Raums gewinnen kann. Mag also das Verhältnis zwischen Punkt und Ausdehnung als dem zu ihr sich ausdehnenden vom ursprünglichen Unendlichen her auch nur etwas sein, wozu es faktisch-kontingent wird, – innerhalb von sich als dieser Reihenfolge von genau vier Selbstausdehnungen wird dies Verhältnis doch zu einem notwendigen: Setzt man den zu Ausdehnung sich ausdehnenden Punkt voraus, so kann er gar nicht anders als sich auszudehnen zu dem abgeleiteten Unendlichen dieses synthetischen Kontinuums von nulldimensionaler Zeit bis dreidimensionalem Raum, um vollständig sich auszudehnen. Und so bildet er in diesem Sinn dann nicht allein ein in sich vollständiges, sondern auch noch ein in sich geschlossenes System. Genau in diesem Sinn ist jedes einzelne Subjekt dann gleichsam Spiegelbild des Kosmos insgesamt, der als das Eine-Ganze gar nichts anderes sein kann als ein in sich vollständiges und in sich geschlossenes System. Das ist denn auch der Grund dafür, daß jede von diesen vier Dimensionen, nämlich jede Art von Ausdehnung unter der Gattung solcher Ausdehnung gebildet wird nach dem Prinzip des logisch-ontologisch Minimalen. Denn auch immer wieder neu ist das Prinzip dafür nur der zu Ausdehnung sich ausdehnende

Für das Nichtpunktuelle dieser Ausdehnung von dreidimensionalem Raum gibt es auch eine strenge mathematische Beschreibung. Gilt doch, »daß der dreidimensionale Raum der erste Raum ist, bei dem die Umgebungen seiner Elemente (der Punkte) nicht mehr topologisch flach sind.« (Friebe 2012, S. 112, Anm. 118).

62

160 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche als Grund für das synthetische Kontinuum …

Punkt. Darum erfolgt nach dem Prinzip des logisch-ontologisch Minimalen jede Spezifikation der Gattung solcher Ausdehnung zu den vier Arten von ihr auch in einer Reihenfolge; und die führt vom ersten logisch-ontologisch Minimalen her zum letzten logisch-ontologisch Minimalen hin, so daß zuletzt das Ganze dieser Glieder dann zugleich das logisch-ontologisch Maximale davon ist. Denn jene Zweiheit jenes Gegenüber zwischen Außenwelt und Innenwelt ist doch auch ihrerseits nur Zweiheit von zwei Gliedern innerhalb von diesem Ganzen unserer Welt als einer einzigen. Dies jeweils logisch-ontologisch Minimale zeigt sich denn auch klar an den Begriffsbildungen, die zu einer angemessenen Wiedergabe dieser Spezifikationen nötig werden. Jede nämlich bildet die Begriffe für eine Spezifizierung dieses Gattung/Art-Verhältnisses, die Art für Art erfolgt nach dem Prinzip des jeweils logisch-ontologisch Minimalen. 63 So zum Beispiel die nach den Begriffen von Entstehen und Vergehen und Bestehen, die zunächst sich auf die Grundarten der Ausdehnung von Zeit und Raum beschränkt: Unter der Gattung des Entstehens von Ausdehnung vollzieht sie sich in klarer Reihenfolge von zunächst anschließendem Vergehen von Ausdehnung als Zeit und von sodann anschließendem Bestehen von Ausdehnung als Raum, das ja für jede seiner Dimensionen gilt. Und das geschieht genau in dieser Reihenfolge eben deshalb, weil im Anschluß an Entstehen von Ausdehnung nur das Vergehen von ihr das erste logisch-ontologisch Minimale ist, zu dem es dabei kommen muß. Dagegen ist im Anschluß an Entstehen von Ausdehnung dann das Bestehen von ihr auch nur das zweite logisch-ontologisch Minimale, zu dem es erst kommen kann im Anschluß an dieses Vergehen von ihr. Erst recht jedoch gilt das auch für die Bildung der Begriffe von »… nur innerhalb …« oder »… auch außerhalb …« oder »… nur außerhalb …«, die zusätzlich noch das Verhältnis zwischen solchen Ausdehnungen und dem Punkt berücksichtigt, der sich zu ihnen jeweils ausdehnt: Auch die Spezifikationen »Punkt mit Ausdehnung nur innerhalb 63

Zum folgenden vgl. Prauss 2015, §§ 5–8.

161 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche

von sich« und »Punkt mit Ausdehnung auch außerhalb von sich« und »Punkt mit Ausdehnung nur außerhalb von sich« spezifizieren in dieser Reihenfolge streng nach dem Prinzip des jeweils logisch-ontologisch Minimalen. Und die sichern dann sogar auch noch die Mittelstellung jenes Zeit-Raums zwischen reiner Zeit und reinem Raum, der als der dreidimensionale dann die Sonderstellung der nichtpunktuellen reinen Ausdehnung nur außerhalb von Punkt besitzt. Zusammen bringt das alles schließlich auf Begriffe: Wozu das ursprüngliche Unendliche dann wird, wenn es sich faktisch-kontingent zum abgeleiteten Unendlichen dieses Kontinuums der Ausdehnung von Zeit und Raum macht, ist ein in sich vollständiges und in sich geschlossenes System. Das liegt denn auch von vornherein nur daran, daß dieses Unendliche sich faktisch-kontingent zum Punkt als dem zur Ausdehnung sich ausdehnenden macht, und diesem logisch-ontologischen Prinzip gemäß sich dazu auch so oft macht, daß es auch als abgeleitetes Unendliches noch vollständig es selbst bleibt und in sich geschlossen: das Unendliche. Denn dieser Punkt sowohl wie diese Ausdehnung, wozu jenes ursprüngliche Unendliche sich macht, indem es sich zu ihm als dem zu ihr sich ausdehnenden macht, ist ja nichts anderes als dies Unendliche, wie es sich als ursprüngliches zu sich als abgeleitetem selbst macht. Entsprechend handelt es sich bei diesem Zusammenspiel von Punkt mit Ausdehnung auch nur um ein Zusammenspiel von sich als dem Unendlichen mit sich als dem Unendlichen, das dabei innerhalb von sich verbleibt. Aus diesem als dem Einen-Ganzen von Unendlichem wird dadurch denn auch nur das Eine-Ganze des Unendlichen, das als Kontinuum der Ausdehnung von Zeit und Raum dann abgeleitet-asymmetrisch ist im Unterschied zu sich als ursprünglich-symmetrischem. Und als dieses synthetische Kontinuum der Ausdehnung von Zeit und Raum, zu dem es faktisch-kontingent sich macht, erfüllt dieses Unendliche dann auch formal noch eine notwendige Vorbedingung. Ist es dann doch die Bedingung dafür, daß es faktisch-kontingent in sich als dem synthetischen auch zu sich als dem analytischen Kontinuum der Ausdehnung von Zeit und 162 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche als Grund für das synthetische Kontinuum …

Raum noch führt: zum Inbegriff des Endlichen als einem Gegenüber zwischen Subjekt und Objekt in sich als dem Unendlichen.

b) … seinem Inhalt nach Als dieses dynamische Verwirklichungsgeschehen erschließt dieses ursprüngliche Unendliche sich aber noch entscheidend weiter, wenn man es auch seinem Inhalt nach erwägt, und nicht nur seiner Form nach, wie zunächst im vorigen. Zwar ist es die Dynamik seiner Form als das Spontan-Agieren der Selbstbewegung seiner Selbstverwirklichung, wodurch dieses Unendliche als ursprünglich-symmetrisches zum abgeleitet-asymmetrischen sich macht. Auf seinen Inhalt aber, dessen Form sie ist, kann dann deren Spontan-Agieren auch nicht ohne Wirkung bleiben. Einen Inhalt nämlich muß dieses ursprüngliche Unendliche desgleichen schon besitzen. Denn sonst könnte gar nicht sinnvoll werden, es zunächst von seiner Form her zu begreifen. Diese nämlich muß es haben, weil sie vom synthetischen Kontinuum her sich begreifen läßt und dieses wiederum vom analytischen Kontinuum her. Schließlich ist es doch gerade dieser Inhalt, der als ursprünglicher Analytiker dieses synthetische zum analytischen Kontinuum gestaltet: Diesem ursprünglichen Analytiker versucht es ja der Geometer oder Philosoph im K-System oder der Arithmetiker im P-System formal erst immer gleichzutun. 64 Bei einem Inhalt aber, der in analytischem Kontinuum nur auftritt, indem er durch Analyse von synthetischem Kontinuum aus ihm hervortritt, muß es sich dann um den Inhalt handeln,

Daß der ursprüngliche Analytiker der Inhalt sein muß, ist von einiger Bedeutung. Denn es sichert, daß die ursprüngliche Analyse als das ursprüngliche Schneiden oder Teilen durch den Inhalt von einem Kontinuum stets nur erfolgen kann von innerhalb desselben. Schon allein in dieser Hinsicht muß – ob nun im K-System oder im P-System – die nachträgliche Wiedergabe solcher Analyse unvollkommen bleiben, weil sie nur erfolgen kann von außerhalb eines Kontinuums.

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163 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche

den dieses synthetische Kontinuum schon mit sich führt. Vermag er analytisch aus ihm doch auch nur hervorzugehen, wenn er zunächst einmal synthetisch in es eingeht, indem er zum Inhalt des synthetischen Kontinuums erst wird. Und damit fragt sich eben: Wie kann dieser Inhalt des ursprünglichen Unendlichen denn werden zu dem Inhalt dieses abgeleiteten Unendlichen, das als zu Ausdehnung sich ausdehnender Punkt auftritt und damit als dieses synthetische Kontinuum der Ausdehnung von Zeit und Raum? Denn dieser Inhalt ist es schließlich, dessen Form als ursprünglich-symmetrische spontan zur abgeleitet-asymmetrischen wird, wenn dieses Unendliche sich faktisch-kontingent zum Punkt als dem zur Ausdehnung sich ausdehnenden macht. Und wenn es dazu faktisch-kontingent durch das Spontan-Agieren seiner Form sich macht, so kann die Antwort darauf auch nur lauten: Dann muß mit diesem Spontan-Agieren seiner Form auch noch ein gleich spontanes Reagieren seines Inhalts miteinhergehen, der zu dem ursprünglichen Unendlichen als EinemGanzen ebenso gehören muß wie seine Form. Jedoch obwohl dies Reagieren dann auch seinerseits spontanes sein muß, kann es als das Reagieren auf dieses Agieren nur als ein heteronomes gelten, weil der Inhalt dieses Einen-Ganzen sich von seiner Form ja unterscheiden muß. So sehr es demnach aber ein heteronomes Reagieren sein muß, kann es das gerade nicht im Sinne einer Einwirkung von außen her sein, sondern nur von innen her, weil dies Unendliche doch auch das Eine-Ganze ist, zu dem es etwas Anderes außerhalb von ihm nicht geben kann. Im Unterschied zu diesem Reagieren als heteronomem seines Inhalts muß jenes Spontan-Agieren seiner Form jedoch ein autonomes sein, weil es als das, was solche Heteronomie von Reagieren auf sich als Agieren ja erst auslöst, schon aus jener Selbstbewegung einer Selbstverwirklichung jenes ursprünglichen Unendlichen hervorgeht. Insgesamt ist daher auch all dies nur etwas, das sich abspielt innerhalb des Einen-Ganzen von Unendlichem, wenn es als das ursprüngliche sich faktisch-kontingent zum abgeleiteten Unendlichen der Ausdehnung durch Selbstausdehnung eines Punktes macht: Dann ist es eben seine eigene Au164 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche als Grund für das synthetische Kontinuum …

tonomie, die als Spontan-Agieren seiner Form das Reagieren seines Inhalts auf sich auslöst. Und so ist dies Reagieren denn auch diejenige Heteronomie, durch die es als Autonomie sich einen Inhalt selber zuziehen muß, so daß es einen Inhalt, den es als ursprüngliches Unendliches schon hat, dann auch als abgeleitetes Unendliches noch haben muß: Nur mit dem einen, aber wesentlichen Unterschied, daß es als abgeleitetes Unendliches dann diesen Inhalt auch nur noch als faktisch-kontingenten haben kann, weil es doch schon von vornherein die Form von ihm auch nur noch faktisch-kontingent hat. Denn zum Punkt als dem zur Ausdehnung sich ausdehnenden, oder zum Kontinuum der Ausdehnung von Zeit und Raum, macht es sich nun einmal nur faktischkontingent. Das Faktisch-Kontingente seines Inhalts läßt sich denn auch Schritt für Schritt verfolgen. Muß doch gelten, daß im Zug der Selbstausdehnungen von diesem Punkt es eben immer wieder neu nur faktisch-kontingent ist, welcher Inhalt denn in welche Ausdehnung dann eingeht oder nicht, indem er dieser oder jener Ausdehnung als Form sich unterwirft oder verweigert. Denn tatsächlich ist die Art und Weise, wie das ursprünglich-symmetrische Unendliche zum abgeleitet-asymmetrischen sich macht, ein Unternehmen der Formierung seines Inhalts. Und derselben fügt sich dieser Inhalt – wenn er ihr sich fügt, und falls ja, wie er ihr sich fügt – denn auch nur faktisch-kontingent. So aber heißt das insgesamt, daß er sich diesem Unternehmen fügen kann, nicht fügen muß. Was dies im einzelnen bedeutet, wird entsprechend aufschlußreich, wenn man im Blick behält: Wozu es führt, wenn das ursprüngliche zum abgeleiteten Unendlichen als dem Kontinuum der Ausdehnung von Zeit und Raum wird, ist zuletzt ja jenes Gegenüber von Subjekt und Objekt: von Bewußtsein und Bewußtem einer Außenwelt für eine Innenwelt. Das nämlich kann zum Wirklich-Anderen von Außenwelt für Innenwelt erst immer werden als das Faktisch-Kontingente von Erfolg für sie als die bewußte Intention. Sie selber muß dagegen umgekehrt zum Wirklichen von Innenwelt gerade immer schon geworden sein. Denn auch erst dadurch kann sie dann auch noch zum Wirklich165 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche

Anderen von Außenwelt als dem Erfolg für sich als die bewußte Intention gelangen. Bei Berücksichtigung ihres Inhalts aber sind die Einzelschritte der Formierung von ihm bis hin zum Erfolg für eine Intention dann eine Abfolge der Steigerung von Faktisch-Kontingentem, die zuletzt zum Höchstergebnis von ihm führt. Verfolgt man sie vom ersten bis zum letzten Schritt, so zeigt bereits der erste nämlich, daß schon hier nicht bloß die Form, sondern auch noch der Inhalt dieses Schrittes nur als etwas Faktisch-Kontingentes gelten kann. Denn so gewiß der Punkt, zu dem dieses ursprüngliche Unendliche zunächst sich macht, der Zeuge seiner ursprünglichen Symmetrie ist, so bleibt doch die Frage: Muß denn deshalb etwa der gesamte Inhalt dieses ursprünglich-symmetrischen Unendlichen in diesen Punkt eingehen? Macht es sich zu ihm, wenn auch zunächst, doch nur als dem sodann zu Ausdehnung sich ausdehnenden Punkt, wodurch dieses Unendliche zunächst zur Zeit wird, die jedoch bereits die erste Asymmetrie seiner Selbstausdehnung ist. Und damit fragt sich eben: Muß der Inhalt des ursprünglichen Unendlichen – selbst wenn er als gesamter in den Punkt eingehen muß, zu dem es sich zunächst macht – als gesamter auch noch in die Ausdehnung eingehen, zu der es sich sodann macht, indem es sich zu ihm als einem sich ausdehnenden Punkt macht? Denn zunächst dehnt der sich doch zur Zeit aus, und so muß auch mindest offenbleiben, ob aus jener Symmetrie jenes ursprünglichen Unendlichen heraus tatsächlich der gesamte Inhalt eingehen muß in diese Zeit als diese erste Asymmetrie dieses ersten abgeleiteten Unendlichen. Vielmehr kann dann auch höchstens gelten, daß er in sie eingehen kann, nicht eingehen muß, und daß mithin der Inhalt, der tatsächlich in sie eingeht, auch nur als ein faktisch-kontingenter Inhalt in sie eingeht. Jeweils noch in einem zusätzlichen Sinn muß dies dann nämlich auch für jeden weiteren dieser Schritte gelten. Denn bei jedem Inhalt, der in einen weiteren Schritt von solcher Ausdehnung durch Selbstausdehnung jenes Punktes eingeht, kann es sich dann nur um einen Inhalt handeln, der zunächst in diese 166 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche als Grund für das synthetische Kontinuum …

Ausdehnung der Zeit eingeht: Kann es doch nur aus dieser nulldimensionalen Ausdehnung der Zeit heraus zu der noch weiteren Ausdehnung des eindimensionalen Raumes kommen, weshalb auch in sie ein Inhalt nur aus dieser Ausdehnung der Zeit heraus eingehen kann. Das heißt jedoch in keiner Weise, daß ein Inhalt, wenn er in die Ausdehnung der Zeit eingeht, dann auch aus ihr heraus in diese eindimensionale Ausdehnung des Raumes noch eingehen müßte. Vielmehr heißt das nur, daß er dann auch in sie noch eingehen kann, weil er in Ausdehnung der Zeit schon eingeht, was notwendige Voraussetzung dafür ist. Und das gilt entsprechend auch noch für die Ausdehnung des zweidimensionalen und zuletzt auch noch für die des dreidimensionalen Raumes. Damit aber steigert sich mit jedem solchen Schritt jeweils das Faktisch-Kontingente dieses Inhalts, bis es gipfelt in dem Faktisch-Kontingenten solchen Inhalts, wenn er schließlich auch noch in die Ausdehnung des dreidimensionalen Raumes eingeht. Denn zuletzt bekommt das Faktisch-Kontingente dieses Inhalts doch auch noch den neuen, zusätzlichen Sinn des FaktischKontingenten von einem Erfolg für eine Intention, wenn er sich faktisch-kontingent zu ihr auch einstellt. Und so ist das schließlich auch der Gipfel-Sinn von Faktisch-Kontingentem eines Inhalts, wenn er als Erfolg für eine Intention zu einer weniger als dreidimensionalen Eigenschaft an einem dreidimensionalen Ding geworden ist, weil er in der Gestalt von ihr dann jedes Faktisch-Kontingente der vier Schritte in sich selbst vereinigt. Dies jedoch nicht in dem Sinn, daß solcher Inhalt jede von den Formen, die entspringen als die Ausdehnungen durch die viermalige Selbstausdehnung jenes Punktes, dann etwa »durchlaufen« hätte, bis er schließlich »angekommen« wäre in der letzten Form als dreidimensionaler Ausdehnung des Raumes: So als ob es sich dabei um die vorübergehende »Befüllung« von »Behältern« handelte, die jener Punkt durch seine Selbstausdehnung dafür zu Verfügung stellte, und die solcher Inhalt so »durchliefe«, daß er, wenn er in dem einen wäre, dann in keinem andern wäre. Denn in jedem solchen Fall ist so ein Inhalt doch durchaus nicht nur der Inhalt dieses Dreidimensionalen, sondern auch 167 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche

noch der von jedem weniger als Dreidimensionalen und mithin sogar auch schon von jenem Nulldimensionalen des zur Ausdehnung der Zeit sich ausdehnenden Punktes. Ist er solcher Inhalt dann in jedem solchen Fall doch nicht erst von dem Dreidimensionalen als thematisiert Bewußtem, sondern auch schon der von dem thematisierenden Bewußtsein, das als Urteil über dieses Dreidimensionale auftritt. Dieses Urteil wiederum ist ein Bewußtseinsganzes aus Bewußtseinsgliedern eines Anschauungsbewußtseins und eines Begriffsbewußtseins, die zunächst bloß nichtthematisierendes Bewußtsein von bloß unthematisiert Bewußtem sind. Jedoch auch jedes einzelne solche Bewußtsein wie auch jedes einzelne für es Bewußte muß als Glied im Ganzen von Bewußtem für Bewußtsein schon von diesem Inhalt sein, wenn er zuletzt zum Inhalt dessen wird, das dann als etwas Dreidimensionales das thematisiert Bewußte für thematisierendes Bewußtsein ist. Verständlich werden und auch bleiben kann dies alles freilich nur, wenn man beachtet: Dabei handelt es sich eben nicht um einen Inhalt innerhalb von (einer oder mehr als einer oder allen) statisch-starren Formen; vielmehr geht es dabei um eine Formierung dieses Inhalts als eine Dynamik, die er mitmacht oder nicht, weil er im Zug der Ausdehnungen des sich ausdehnenden Punktes mitzieht oder nicht, indem er eine oder mehr als eine oder alle von den Formen durch diese Formierung annimmt oder nicht. Entscheidend wesentlich für diese Einsicht ist denn auch, daß es sich dabei um den Inhalt handelt, der ursprünglich der jenes ursprünglichen Unendlichen ist. Und der bleibt daher auch weiterhin und damit durchwegs der dieses Unendlichen, auch wenn es sich als das ursprüngliche dabei zum abgeleiteten Unendlichen dieses synthetischen Kontinuums von Zeit und Raum macht, wo er dann auch noch zum Inhalt dieses oder jenes Endlichen wird im Unendlichen. Denn hier wird er dazu doch auch nur als der ursprüngliche Analytiker dieses synthetischen Kontinuums, wie er durch diese oder jene Analyse aus diesem synthetischen Kontinuum heraus zum Inhalt wird von diesem oder jenem Endlichen in ihm. Und als der Inhalt von synthetischem Kontinuum 168 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche als Grund für das synthetische Kontinuum …

als abgeleitetem Unendlichen geht er nun einmal aus dem Inhalt des ursprünglichen Unendlichen hervor, wenn es sich selbst zum Punkt als dem zur Ausdehnung sich ausdehnenden macht. Um all das einzusehen, bedarf es denn auch lediglich einer Berichtigung des Fehlers, der zunächst wohl unvermeidlich unterläuft: Verfehlt ist es, sich unter einer Ausdehnung sogleich das Ausgedehnte dieser Ausdehnung im Unterschied zum Punktuellen von ihr vorzustellen. 65 Denn im Fall der nulldimensionalen Zeit zum Beispiel kann es zu dem Unterschied zwischen dem Ausgedehnten und dem Punktuellen einer Ausdehnung noch gar nicht kommen, sondern ausschließlich zum Punktuellen von ihr. Doch verfehlt ist das selbst dort, wo es dann, wie im Fall des ein- und zweidimensionalen Raums, zu diesem Unterschied tatsächlich kommt. Vermag doch für den Punkt als den zu jeder solchen Ausdehnung sich ausdehnenden dieses Ausgedehnte einer Ausdehnung in diesen Fällen auch noch gar nicht aufzutreten, sondern vorerst nur das Punktuelle von ihr, hinter dem es als der Hintergrund zu ihm als Vordergrund zurückbleibt. Ja selbst dort noch, wo von einer Ausdehnung für diesen Punkt zum ersten Mal das Ausgedehnte statt des Punktuellen auftritt, wie im Fall des dreidimensionalen Raums, kann davon keine Rede sein. Ist dieses Ausgedehnte doch nicht etwa das entsprechende zu dem des ein- und zweidimensionalen Raums beim dreidimensionalen Raum. Denn es ist nicht das Ausgedehnte seiner dritten Dimension, das vielmehr auch in seinem Fall als Hintergrund zurückbleibt. Als der Vordergrund vor solchem Hintergrund ist jenes vielmehr nur das Ausgedehnte jener Ausdehnung von einer zweiten Fläche. Denn im Unterschied zur ersten Fläche des nur zweidimensionalen Raums ist diese eine zweite dadurch, daß von ihr als einer »Oberfläche« dieses nunmehr dreidimensionalen Raums nur noch das Ausgedehnte, und nicht mehr das Punktuelle, ihrer Ausdehnung für diesen Punkt auftreten kann. Zumal sie eine punktuelle Ausdehnung dann ohnehin erst abgeleitet-analytisch sein kann, sprich: wenn sie durch diese oder 65

Zum folgenden vgl. Prauss 2015, § 9.

169 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche

jene Analyse solchen dreidimensionalen Raums dann eine Schnittfläche zwischen dem einen und dem andern Dreidimensionalen ist. Von dieser seiner Analyse abgesehen nämlich ist das ursprünglich-synthetisch Dreidimensionale des Objekts das reine Gegenüber zu dem weniger als Dreidimensionalen des Subjekts, wozwischen keine Diskretion ist, sondern reine Kontinuität, wie zwischen Wahrgenommenem und Wahrnehmen. Dies aber hat entscheidende Bedeutung für den Inhalt als den ursprünglichen Analytiker von diesem Dreidimensionalen, in Form von dem er auftritt. Nahe läge nämlich, zu vertreten: Hier nun aber spätestens tritt er für diesen Punkt zuletzt dann auch tatsächlich nur noch in dem Ausgedehnten dieser Ausdehnung des dreidimensionalen Raumes auf. Zumal am Dreidimensionalen dieser Ausdehnung ja schlechterdings nichts Punktuelles mehr sein kann. In Wirklichkeit jedoch tritt solcher Inhalt hier gerade immer erst und immer nur als das Ergebnis seiner Analyse dieses Dreidimensionalen auf, nämlich in Form des Punktuellen einer Schnittfläche als »Oberfläche« dieses oder jenes Dreidimensionalen. Ist das Dreidimensionale doch im ganzen wie im einzelnen genau in diesem Sinn jeweils ein »Hologramm«, worüber sich die Physiker als Kosmologen, die darauf gestoßen sind, so wundern, weil die Herkunft dieses Dreidimensionalen ihnen unbekannt ist. 66 Demgemäß kann kein Versuch, in dieses Dreidimensionale weiter einzudringen, ob nun makroskopisch oder mikroskopisch, etwa dazu führen, in die dritte Dimension als »Tiefe« dieses Dreidimensionalen vorzudringen, um in ihr als solcher etwas Inhaltliches über dieses Dreidimensionale zu ermitteln. Vielmehr kann er immer wieder neu nur so ein »Hologramm« zum Vorschein bringen, welches jegliche »Information« als Inhalt von sich immer wieder neu nur innerhalb von seiner zweidimensionalen »Oberfläche« hat als einer Schnittfläche durch dieses Dreidimensionale. Denn im Unterschied zu ihr ist dessen

Vgl. dazu Prauss 2015, S. 381 ff. Neuestes Beispiel dafür ist Rovelli 2016, S. 206, S. 275.

66

170 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche als Grund für das synthetische Kontinuum …

dritte Dimension als solche eben nur die rein formale Dimension der Wirklichkeit von ihm. Das Punktuelle einer solchen Fläche aber ist ja nur das Analytisch-Punktuelle, das erst diese oder jene Analyse der nichtpunktuellen Ausdehnung des dreidimensionalen Raums in ihm zum Vorschein bringt. Dann aber ist es eben auch der Inhalt als der Analytiker von ihm, der so in ihm zum Vorschein kommt. Und das ist förmlich der Beweis dafür, daß dieser Inhalt auch schon vordem immer wieder neu nur Inhalt innerhalb des jeweils Punktuellen aller Ausdehnungen ist. Denn was formal als dieses Analytisch-Punktuelle dieser zweiten Fläche auftritt, ist ja auch nur das Synthetisch-Punktuelle jener ersten Fläche, dessen Selbstausdehnung zu der dreidimensionalen Ausdehnung des Raums führt. Deckt die Analyse dieser Ausdehnung doch auch nur das auf, was durch die Synthese dieser Ausdehnung verdeckt schon in ihr steckt. Und das ist eben das Synthetisch-Punktuelle jener zweidimensionalen Ausdehnung der ersten Fläche, das als letztes Punktuelles einer Ausdehnung durch seine letzte Selbstausdehnung zu der letzten Ausdehnung des dreidimensionalen Raumes führt, die keine punktuelle Ausdehnung mehr ist. Und das ist dann genauso förmlich der Beweis dafür, daß schon vom Anfang her und auch noch bis zum Ende hin der Inhalt des ursprünglichen Unendlichen es ist, der faktisch-kontingent auch noch zum Inhalt wird des abgeleiteten Unendlichen, indem er dadurch auch noch als der Inhalt dieses dreidimensionalen Raums in ihm zum Vorschein kommt. So nämlich ist das Punktuelle dieses Inhalts als die Form von ihm auch hier noch immer Zeuge jener ursprünglichen Symmetrie jenes ursprünglichen Unendlichen. Denn ursprünglicher Zeuge für sie ist ja auch schon immer jener ursprüngliche Punkt als der zu Ausdehnung sich ausdehnende, aus dem all dies Bleibend-Punktuelle denn auch herstammt. Wird doch eben dieser Punkt dabei auch noch zu dem Bewußtseins-Punkt, der all das jeweils Schritt für Schritt bewußt-begleitet. Denn das tut er, bis es als Bewußt-Begleitetes zuletzt zu dem thematisiert Bewußten für thematisierendes Bewußtsein von ihm wird, das als ein Urteil 171 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche

auf Grund von einem Begriff und einer Anschauung denselben Inhalt hat wie das, was es thematisiert. Bei all dem Inhalt kann es sich denn auch nur handeln um den ursprünglichen Inhalt des ursprünglichen Unendlichen, der ursprünglich in den zu Ausdehnung sich ausdehnenden Punkt eingeht. So aber kann es auch nur dessen Inhalt sein, der schließlich in der Schnittfläche als »Oberfläche« eines Dreidimensionalen auftritt, wodurch er zuletzt zu einer Eigenschaft an einem Ding geworden ist und damit zu ihr als jenem Unendlichen in diesem Endlichen. Genau bis einschließlich von einer Eigenschaft an einem Ding reicht nämlich auch ein Subjekt an einem Objekt. Von einigem Erklärungswert ist deshalb der dynamische Zusammenhang all dessen, weil er einer zwischen bloßen Gliedern innerhalb des Einen-Ganzen ist, wie es Unendliches und Endliches in sich umfaßt. Erklärt er doch, warum der Inhalt, der zunächst, wenn überhaupt, nur in der ersten Form der ersten Ausdehnung von Zeit auftreten kann, in einem Subjekt nur als das auftritt, was wir als sein Bewußtsein des Bewußten der »Gefühle« in ihm zu bezeichnen pflegen. Denn was ihn betrifft, so ist allein schon irreführend, ihn als eine Mehrzahl wie die der »Gefühle« anzusprechen. Das legt nämlich nahe, solchen Inhalt anzusehen wie eine Vielheit von Verschiedenem als einem inhaltlichen Etwas, das sich unterscheiden läßt von einem andern inhaltlichen Etwas: So als gliche er dem Inhalt, der zuletzt zu »einem Haus« im Unterschied zu »einem Baum« oder zu »etwas Rotem« gegenüber »etwas Grünem« wird, indem er zum Erfolg für eine Intention wird. Davon kann jedoch noch keine Rede sein bei diesem Inhalt angeblicher Vielheit von »Gefühlen«. Denn verglichen damit kann hier statt ein solcher Plural vielmehr vorerst nur ein Kollektivum passen; handelt es bei diesem Inhalt sich doch allenfalls um ein Gefühle statt um »einzelne Gefühle«, die sich inhaltlich wie so ein Etwas von dem andern unterscheiden ließen. Und das liegt im wesentlichen daran, daß ein Inhalt als dieses Gefühle auch nur auftritt in der Ausdehnung ursprünglich-subjektiver Zeit und damit auch nur in der Form von stetigneuem Punkt. 172 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche als Grund für das synthetische Kontinuum …

Hier nämlich kann ein Inhalt das Kontinuum der Ausdehnung von solcher Zeit auch nur kontinuierlich lassen, und nicht etwa auch diskret machen. Denn innerhalb von einem Punkt, der auch als stetig-neuer Punkt ein unteilbarer ist, kann solcher Inhalt dann noch nicht zu einer Diskretion führen zwischen sich als einem inhaltlichen Etwas und als einem andern inhaltlichen Etwas. Dazu führen kann er vielmehr erst, wenn er nicht nur in Ausdehnung der Zeit, sondern aus ihr heraus auch noch in Ausdehnung des Raumes eingeht. Denn erst das Kontinuum der Ausdehnung von Raum kann solcher Inhalt nicht mehr nur kontinuierlich lassen, sondern grundsätzlich auch noch diskret machen, weil grundsätzlich erst solche Ausdehnung des Raumes teilbar ist. Selbst hier jedoch führt dies zu einem inhaltlichen Etwas gegenüber einem andern inhaltlichen Etwas – wie zum »Haus«-Inhalt im Unterschied zum »Baum«-Inhalt – nicht etwa schon in Ausdehnung von ein- und zweidimensionalem Raum. Denn jeder solche Raum tritt für den Punkt, der sich zu ihnen ausdehnt, ja zunächst nur als das Punktuelle seiner Ausdehnung auf, wie gezeigt. Tritt danach als das Ausgedehnte einer Ausdehnung für ihn doch erst der dreidimensionale Raum auf, der als erster keine punktuelle Ausdehnung mehr ist. Und deshalb kann er auch nur noch als jene Fläche für ihn auftreten, die als die zweite Fläche erstmals eine Ausdehnung darstellt, die nur noch als das Ausgedehnte ihrer Ausdehnung für diesen Punkt auftreten kann. Und erst hinein in dieses kann ein Inhalt erstmals auch zu einer Diskretion führen zwischen sich als einem inhaltlichen Etwas und als einem andern inhaltlichen Etwas. Denn erst das Kontinuum von diesem Ausgedehnten einer Ausdehnung kann solcher Inhalt nicht mehr nur kontinuierlich lassen, sondern auch diskret machen, wie als ein »Haus«-Inhalt im Unterschied zu einem »Baum«-Inhalt. Erst hier kann er daher zu einem Inhalt werden, der zum ersten Mal als ein bestimmter Inhalt auftritt gegenüber einem anderen bestimmten Inhalt, weil er erstmals ein bestimmtes Etwas gegenüber einem anderen bestimmten Etwas wird. Und erst als das Bewußtsein von Bewußtem dieser Art, das mindest hingestellt wird als »ein Haus« oder 173 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche

als »etwas Rotes« innerhalb von dreidimensionalem Raum, kann auch das Urteil darüber jeweils von diesem Inhalt sein wie auch die Anschauung und der Begriff in ihm. Erfolgt die Selbstausdehnung jenes Punktes doch in einem Zug bis hin zur Vollständigkeit solcher Ausdehnung als dreidimensionalem Raum. Entsprechend könnte auch nur müßige Spekulation der Frage nachgehen: Wie denn tritt ein solcher Inhalt auf, bevor er in die letzte dieser Ausdehnungen eingeht, weil er dann ja jede einzelne von diesen Formen durch solche Formierung mitmacht? Denn im Ganzen dieses vierdimensionalen Ausdehnungskontinuums tritt ja kein einziges seiner vier Glieder als seiner vier Dimensionen etwa einzeln auf, so daß hier auch allein schon diese Frage keinen Anhalt für sich finden kann. Nur jenes eine läßt sich sagen, daß er nur im Punktuellen jeder solchen Ausdehnung auftreten kann. Die nämlich ist jeweils genau so weit wie Ausdehnung auch punktuelle Ausdehnung. Sehr wohl jedoch läßt sich aus solchem Inhalt etwas folgern, das für das ursprüngliche Unendliche sich dann auch fordern läßt. Reicht zur Erklärung für das Faktisch-Kontingente dieses Inhalts doch nicht aus, nur die Formierung in den Blick zu fassen, die er innerhalb des abgeleitet-asymmetrischen Unendlichen gewinnt oder auch nicht. Denn trotz der Steigerung von seinem FaktischKontingenten, die hier bis zu jenem Höchstergebnis führt, bleibt es ja nach wie vor dabei, daß er hier schon allein der Form nach etwas Faktisch-Kontingentes ist: Kann das Unendliche als ursprünglich-symmetrisches doch auch nur faktisch-kontingent zum abgeleitet-asymmetrischen sich machen. Dann jedoch muß sich noch einmal, nämlich auch für diesen Inhalt noch die Frage stellen: Was bedeutet es für diesen, der ursprünglich doch der Inhalt dieses ursprünglich-symmetrischen Unendlichen sein muß, wenn es zum abgeleitet-asymmetrischen sich macht? Tut es dies doch durch das Spontan- und Autonom-Agieren seiner Form, das dann das Reagieren seines Inhalts auf sich auslöst, wodurch es heteronom sich einen Inhalt selber zuziehen muß. Den aber muß es dann hinein in das sich zuziehen, zu dem es sich dabei macht: in den zu Ausdehnung sich ausdehnenden Punkt. 174 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche als Grund für das synthetische Kontinuum …

Hier aber ist zu unterscheiden zwischen Punkt und Ausdehnung, weil er hier das ist, was sich ausdehnt, und sie das, wozu sich dieser ausdehnt. Dann jedoch muß fraglich werden: Was bedeutet es für diesen ursprünglichen Inhalt von Unendlichem als ursprünglich-symmetrischem, wenn es zum abgeleitet-asymmetrischen sich dadurch macht, daß es sich faktisch-kontingent zum Punkt als dem zur Ausdehnung sich ausdehnenden macht? Denn jede Art von Ausdehnung im Zeit- und Raum-Kontinuum muß dann ja Art der Gattung des zu Ausdehnung sich ausdehnenden Punktes sein. Und das muß eben vor die Frage stellen, was es bedeuten kann, wenn gilt: Zunächst muß demnach dieser ursprüngliche Inhalt von Unendlichem als ursprünglich-symmetrischem in diesen Punkt eingehen und sodann in diese Ausdehnung, zu der sich dieser ausdehnt. Denn zu unterscheiden zwischen dem Zunächst von diesem Punkt und dem Sodann von dieser Ausdehnung ist folglich ebenso erforderlich wie zwischen ihm als dem Wovon und ihr als dem Wozu der Selbstausdehnung. Und die Antwort darauf kann sich somit nur ergeben, wenn zuvor geklärt wird: Was denn muß es für das ursprünglichsymmetrische Unendliche bedeuten, sich zu Punkt und Ausdehnung zu machen, nämlich sich zu ihm als dem zu ihr sich ausdehnenden? Denn gesichert ist ja schon von unten aufwärts, nämlich schon vom analytischen Kontinuum her: Dieser Punkt sowohl wie diese Ausdehnung ist jeweils das Unendliche als Punkt und das Unendliche als Ausdehnung, das als ursprüngliches sonach sich selbst zum Punkt wie auch zur Ausdehnung macht, weil es selbst zu ihm als dem zu ihr sich ausdehnenden wird. Und damit fragt sich eben: Was bedeutet dies von oben abwärts? Was denn wird dieses ursprüngliche Unendliche, wenn es zunächst zum Punkt wird, und zwar so, daß es sodann zur Ausdehnung wird, die heraus aus diesem Punkt hervorgeht? Denn mag dann auch schwierig werden, hier noch weitergehend zu begreifen, was dieses Unendliche als ursprünglich-symmetrisches im einzelnen genauer ist, so wird auf diese Frage doch zumindest eine Antwort möglich. Was auch immer es im einzelnen genauer sein mag, so muß 175 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche

gelten: Wird das ursprünglich-symmetrische Unendliche zunächst zum Punkt, so wird dieses Unendliche zunächst zu dem formalen Minimum von sich, als das es seine ursprüngliche Symmetrie zunächst bewahrt. Und wird dieses Unendliche sodann zur Ausdehnung, nämlich zu diesem Punkt als dem sodann zu ihr sich ausdehnenden, so gilt demgemäß: Zunächst zu dem formalen Minimum von sich wird es gerade so, daß es aus ihm heraus sodann zu dem formalen Maximum von sich wird, als das es aus seiner Symmetrie sodann zu seiner Asymmetrie übergeht. Und in der Tat führt es als dieses Maximum von sich aus diesem Minimum von sich in einem Zug zur Vollständigkeit von sich als der Ausdehnung des dreidimensionalen Raumes. Dieser Übergang ist denn auch einer, den es nicht nur aus sich selbst heraus, sondern auch in sich selbst hinein vollzieht, indem es dabei nicht nur ausgeht von sich selbst, sondern auch ankommt bei sich selbst. Denn das ist eben ein Vollzug dieses Unendlichen, den es her von sich selbst hin zu sich selbst vollbringt. Vollzieht es dies doch auch von sich als dem symmetrischen Unendlichen zu sich als diesem asymmetrischen, so daß jenes Unendliche es selbst hier nicht nur ist, sondern auch bleibt, weil auch nur wird zu etwas, wozu es sich macht. Und so gewiß noch weiter gelten muß, daß es dazu bloß faktisch-kontingent sich machen kann, so muß doch unerfindlich bleiben, wozu sonst dieses Unendliche sich machen könnte, so daß es sich dadurch seinen Inhalt zu Bewußtsein brächte. Wird dieses Unendliche doch zum Bewußtsein eines Subjekts, wenn es sich zum abgeleitet-asymmetrischen Unendlichen des Zeit- und Raum-Kontinuums macht. Denn als dieses wird es zum Bewußten für dieses Bewußtsein, bis dieses Unendliche zuletzt als dreidimensionaler Raum die Form des Gegenübers einer Außenwelt für eine Innenwelt erreicht. Und als Zusammenspiel dieses Unendlichen zwischen formalem Minimum und Maximum von sich hat es dann auch noch aufschlußreiche Folgen für den Inhalt innerhalb von sich als diesen Formen durch Formierung von ihm. Denn für ihn wird dann erst recht erforderlich, zu unterscheiden zwischen dem Zunächst von jenem Punkt als dem formalen 176 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche als Grund für das synthetische Kontinuum …

Minimum und dem Sodann von jener Ausdehnung als dem formalen Maximum. Geht danach doch das abgeleitet-asymmetrische Unendliche als dieses Maximum aus sich als diesem Minimum hervor, indem es als das ursprünglich-symmetrische Unendliche sich selbst in dieser Abfolge zu beidem macht: zum Punkt als dem zur Ausdehnung sich ausdehnenden. Für den Inhalt dieses ursprünglich-symmetrischen Unendlichen, der dadurch zu dem Inhalt dieses abgeleitet-asymmetrischen wird, folgt dann nämlich im Vergleich zu seinen Formen durch seine Formierung auch genau das Umgekehrte. Wird dieses Unendliche der Form nach nämlich zum formalen Minimum von sich, wenn es zunächst zum Punkt wird, so wird es dadurch dem Inhalt nach zugleich zum inhaltlichen Maximum von sich. Denn zwar muß offenbleiben, ob tatsächlich der gesamte Inhalt jenes ursprünglich-symmetrischen Unendlichen in diesen Punkt eingehen muß, zu dem es sich zunächst macht. Doch gleichwohl hat dann zu gelten, daß zumindest in den Punkt, zu dem es sich sodann macht, nämlich in den stetig neuen Punkt der Ausdehnung von Zeit, das Maximum von diesem Inhalt eingehen muß. Ist doch dieses Unendliche auch als der stetig neue Punkt der Ausdehnung von Zeit dann eben nur ein Punkt und somit als dieses formale Minimum von sich das inhaltliche Maximum von sich. So aber folgt dies Umgekehrte auch noch weitergehend. Denn der Form nach wird dieses Unendliche dann immer weiter zum formalen Maximum von sich, wenn es aus sich als dem formalen Minimum von diesem Punkt heraus sodann zu weiteren Ausdehnungen wird. Zwar setzt sein Übergang aus seinem Minimum zu seinem Maximum schon ein mit dieser ersten Ausdehnung der Zeit: wie schon sein Übergang aus seiner Symmetrie zu seiner Asymmetrie. Gleichwohl wird ein erster Unterschied zwischen dem Minimum und Maximum von ihm erst greifbar an der nächsten Ausdehnung von eindimensionalem Raum aus nulldimensionaler Zeit heraus; und das ist dann ein Unterschied, der mit der Ausdehnung von zweidimensionalem Raum noch zunimmt und sich mit der Ausdehnung von dreidimensionalem Raum zuletzt vollendet. Und einher mit jedem Glied der inneren 177 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche

Gliederung des Übergangs vom Minimum zum Maximum der Form von ihm geht so der umgekehrte Übergang vom Maximum zum Minimum des Inhalts von ihm. Denn daß es mit jedem solchen Glied erneut bloß faktisch-kontingent sein kann, ob dieser Inhalt es als Form seiner Formierung annimmt oder nicht, bedeutet dann: Tut er das nicht, so geht von diesem Inhalt, der ursprünglich der des ursprünglich-symmetrischen Unendlichen ist, für solche Formierung immer mehr verloren, weil dann immer mehr von ihm jeweils vor ihr zurückbleibt. Demgemäß entspricht zuletzt dem Maximum der Form als Maximum des Faktisch-Kontingenten nur ein Minimum an Inhalt innerhalb des abgeleitet-asymmetrischen Unendlichen, worin das FaktischKontingente seiner Form sich auch durch seinen Inhalt noch erfüllt. Geradezu der Inbegriff an Faktisch-Kontingentem als formalem wie auch inhaltlichem ist daher am Ende ein empirisches Objekt für ein Subjekt, wenn es als Intention empirisch-faktischkontingent Erfolg hat. Bis hierhin im Blick behalten sollte man daher: All dies, was sich zunächst von unten aufwärts und sodann von oben abwärts folgern oder fordern läßt, hängt einzig und allein vom angemessen aufgefaßten analytischen Kontinuum ab, wie im Unterschied zum P-System das K-System es angemessen modelliert. Denn was auf diesem Doppelweg erfolgt, ist letztlich nur das Geltendmachen der »Bedingungen der Möglichkeit für« das, was wir zuletzt als eine Außenwelt für uns als eine Innenwelt gewinnen, nämlich als das Wahrnehmbare oder Wahrgenommene für eine Wahrnehmung. Und jede von diesen Bedingungen ist danach eben eine, die erfüllt sein muß, wenn es dazwischen dieses Gegenüber gibt: das zwischen den Objekten für uns als Subjekte. Denn erst hier und auch nur hier kann jeder Inhalt, der als ein »empirischer« soll gelten können, seinen Grund und Ursprung haben: mag sich dieser Inhalt auch noch weiter bis ins Mikrooder Makroskopische hinein verfolgen lassen, wie durch mathematisch-geometrische Naturwissenschaft als Physik oder Kosmologie. Und das kann denn auch nur ein Inhalt in der Form sein, die der ursprüngliche Inhalt des ursprünglichen Unendlichen 178 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche als Grund für das synthetische Kontinuum …

dann faktisch-kontingent, sprich: jeweils hier und jetzt gerade annimmt. Denn vom Anfang bis zum Ende kann dies nur das Eine-Ganze sein, das als ein einziger dynamischer Zusammenhang mit sich die innere Gliederung von sich vollzieht, die innerhalb von ihm als dem Unendlichen das Endliche herbeiführt. Nichts von all dem aber kann für uns gewonnen werden, jedes davon muß vielmehr für uns verloren gehen und verloren bleiben, wenn von Grund auf schon allein die Analyse des Kontinuums unangemessen vorgenommen wird. Genau dies unterläuft jedoch dem P-System, auf das die heutige Mathematik ausschließlich baut. So aber hängt von ihm dann immerhin auch die gesamte mathematisch-geometrische Physik oder Kosmologie noch ab. Dadurch verstellt wird somit schon allein der Weg von unten aufwärts und so auch erst recht der Weg von oben abwärts. Diesen Doppelweg zu bahnen, ist daher allein das K-System imstande, das zunächst von unten aufwärts all dies Folgern und sodann von oben abwärts all dies Fordern als berechtigtes begründet. Dessen sich zu vergewissern, ist behilflich, wenn es um das letzte Folgern und das letzte Fordern geht. Kann das ursprüngliche Unendliche von oben abwärts nur dynamisch zu diesem Zusammenhang der inneren Gliederung von sich als EinemGanzen werden, muß es auch zugrundeliegen als etwas Erstes Bewegendes. Als dieses aber kann es für sich selbst nicht etwas Unbewegtes sein, sondern nur etwas durch und durch Bewegtes: eben Selbstbewegung seiner Selbstverwirklichung zu all dem. Denn als etwas Unbewegtes hatte es für Aristoteles vermutlich nur gegolten, weil ihm relative-äußere Ortsbewegung als ursprüngliche Bewegung galt: Als das, was alles andere erst in Bewegung setze, konnte ursprünglich Bewegendes entsprechend für sich selbst nur etwas Unbewegtes sein. 67 Und so ergab für Aristoteles sich auch ein schlechter Dualismus zwischen diesem Unbewegt Bewegenden und dem durch es Bewegten. Ist dieses ursprüngliche Unendliche jedoch das durch und durch Bewegte 67

Vgl. z. B. Metaphysik 1073 a 24 ff.

179 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche

dieser Selbstbewegung seiner Selbstverwirklichung zu all dem, so ergibt sich nicht das mindeste von einem schlechten Dualismus. Denn dann zeigt sich, daß ursprüngliche Bewegung keineswegs die relative-äußere Ortsbewegung sein kann, sondern nur die absolute-innere Bewegung, die als Selbstbewegung einer Selbstverwirklichung zugrundeliegt. Und diese wird sogar auch noch in der Gestalt von Zeit als stetig-neuem Punkt eines Subjekts begreiflich. Kann doch bis hinab zur Bildung einer ursprünglichen Intention einschließlich dann auch alles nur als Selbstbewegung einer Selbstverwirklichung von sich begriffen werden, die zu einer ursprünglichen Fremdverwirklichung von etwas Anderem als sich erst immer bei Erfolg im dreidimensionalen Raum führen kann. Und immer erst in diesem dreidimensionalen Raum kann es dann frühestens auch noch zu einer relativen-äußeren Bewegung kommen zwischen Dreidimensionalem gegen Dreidimensionales. Solche relative-äußere Bewegung aber kann es hier auch immer nur in Form der ursprünglichen Zeit als absoluter-innerer Bewegung geben. Denn als subjektive Zeit, die dafür dann zur objektiven wird, muß sie dafür auch immer schon zugrundeliegen. 68 Doch nicht einmal zwischen diesem Dreidimensionalen und dem weniger als Dreidimensionalen, aus dem es hervorgeht, kann ein schlechter Dualismus sich ergeben. Denn obwohl dies Dreidimensionale und dies weniger als Dreidimensionale im Erfolgsfall jeweils sogar etwas Wirklich-Anderes zueinander bilden, ist nicht einmal zwischen solchem Wirklich-Anderen zueinander etwa eine Diskretion, sondern die reine Kontinuität. Etwas Diskretes voneinander kann ein WirklichAnderes zueinander vielmehr auch erst frühestens als etwas Dreidimensionales gegenüber etwas anderem Dreidimensionalen sein, wozwischen dann ein Dualismus auch kein schlechter mehr sein kann. Auch dies jedoch ist von entscheidender Bedeutung für den Inhalt, der zuletzt hier auftritt. Nimmt er doch erst hier die Form 68

Dazu im einzelnen vgl. unten S. 208 ff.

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von etwas Dreidimensionalem an, während er vordem in der Form von etwas weniger als Dreidimensionalem auftritt, wie etwa in Form von Anschauung, Begriff und Urteil als Bewußtsein von etwas für es Bewußtem. Daß erst hier im dreidimensionalen Raum ein Inhalt diese Form von etwas Dreidimensionalem annimmt, heißt dann aber, daß er auch erst hier als dieses Dreidimensionale etwas ist, das sich als selbiges auch erstmals noch bewegen kann von irgendwo her und nach irgendwo hin, indem es in Ortsbewegung ist. Dies einzusehen und festzuhalten, läßt dann nämlich auch noch die Erklärung zu, weshalb es ohne Sinn sein muß, auch dem zuvor schon von einer Bewegung solchen Inhalts auszugehen. Aus eben diesem Grund kann es nur sinnlos sein, zu meinen: Solcher Inhalt, der zuletzt als etwas Dreidimensionales auftritt, habe folglich von den Formen, die der Form des Dreidimensionalen schon vorausgehen und zugrundeliegen, jede einzelne »durchlaufen«, bis er schließlich »angekommen« sei in dieser letzten. Und so muß erst recht noch sinnlos sein, zu meinen: Solcher Inhalt könne nicht nur, sondern müsse sogar auch den umgekehrten Weg »durchlaufen«, nämlich »übergehen« aus der Form von Dreidimensionalem in die Form von weniger als Dreidimensionalem, wie etwa in die von Anschauung, Begriff und Urteil. Lasse sich doch auch nur dadurch, daß er hier vorstellig werde, sicherstellen, daß er als etwas Dreidimensionales hier in etwas weniger als Dreidimensionalem auch entsprechend vorgestellt wird. Denn auf keinem dieser Wege kann ein Inhalt sich als selbiger bewegen. Ist die einzige Bewegung, die der relativen-äußeren Bewegung eines Dreidimensionalen schon vorausgeht und zugrundeliegt, doch jene absolute-innere Bewegung der Formierung solchen Inhalts, die er mitmacht oder nicht, indem er in den Formen durch diese Formierung auftritt oder nicht. Doch nichts von all dem tut er etwa dadurch, daß er sich als selbiger aus einer in die andere bewegt. Nur so ist schließlich zu erklären, daß solcher Inhalt dann, wenn er als etwas Dreidimensionales auftritt, auch als etwas weniger denn Dreidimensionales auftritt, wie als Anschauung, Begriff und Urteil. Auch nur so läßt nämlich sich er181 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche

klären, daß beides sich dann auch entspreche. So etwas wie »Wahrheit« muß daher durchaus als die »Korrespondenz« zwischen dem einen und dem andern gelten, nur gerade in der umgekehrten Richtung, als bisher vertreten: Nicht etwa entspricht dem Inhalt, der schon immer als ein dreidimensionaler wirklich sei, ein Inhalt, der als weniger denn dreidimensionaler dann erst immer wirklich werde, sondern umgekehrt: Dem Inhalt, der schon immer als ein weniger denn dreidimensionaler wirklich ist, entspricht ein Inhalt, der dann immer erst als dreidimensionaler wirklich wird. Dann nämlich wird er das, wenn Inhalt einer weniger als dreidimensionalen Intention zu einem dreidimensionalen Inhalt als einem Erfolg für sie wird. Hat doch dann auch allgemein zu gelten, daß aus etwas Dreidimensionalem, durch Synthese, grundsätzlich nicht etwas weniger als Dreidimensionales werden kann: weder der Form nach noch dem Inhalt nach. Vielmehr kann durch Synthese nur aus weniger als Dreidimensionalem umgekehrt gerade Dreidimensionales werden: sowohl seiner Form nach wie auch seinem Inhalt nach. Und das erklärt denn auch, weshalb Versuche, das Entstehen von Mentalem aus Somatischem heraus empirisch zu verfolgen, scheitern müssen. Denn das sind Versuche, etwas zu ermitteln, das nie stattfindet und auch nie stattgefunden hat. 69 Auch wenn an etwas Dreidimensionalem etwas weniger als Dreidimensionales aufzutreten anfängt, heißt das nicht, daß es empirisch feststellbar entsteht aus diesem Dreidimensionalen. Und auch wenn an etwas Dreidimensionalem etwas weniger als Dreidimensionales aufzutreten aufhört, heißt das nicht, daß es empirisch feststellbar vergeht in dieses Dreidimensionale. Denn empirisch feststellbar vergehen in etwas Dreidimensionales oder auch entstehen aus etwas Dreidimensionalem kann auch stets nur etwas gleichfalls Dreidimensionales. Tritt das weniger als Dreidimensionale des Mentalen doch auch immer auf an etwas Dreidimensionalem. Und zwar einerlei, ob letzteres nun etwas ist, das es unmittelbar bewegen kann: als seinen eigenen Körper, oder ob es etwas ist, das es nur mittelbar bewegen kann: vermittelt durch den eigenen Körper, wie das andere Dreidimensionale. Denn an beides reicht es als das weniger denn Dreidimensionale auch nur hin, wo deshalb dieser Unterschied von beidem sich auch stets erst innerhalb des grundsätzlichen Gegenübers dazu nachträglich herausstellen

69

182 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche als Grund für das synthetische Kontinuum …

Das ist und bleibt vielmehr nur fester Glaube jener Gläubigen, die als Dogmatiker des Empirismus und Naturalismus schon seit jeher und auch weiterhin die schlechtesten von allen schlechten Metaphysikern sein wollen. Nur stößt solcher Wille eben auf den Widerstand der Sache selbst, die als Dynamik jener Gliederung jenes ursprünglichen Unendlichen zum Einen-Ganzen sich erweist, das dadurch aus sich selbst als dem Unendlichen heraus das Endliche hervorbringt, dem es dann zugrundeliegt. Als das Unendliche im Endlichen ist das Subjekt am Ende in der Tat bis ins Objekt hinein noch nachweisbar: als weniger denn dreidimensionale Eigenschaft am dreidimensionalen Ding. Die einzig mögliche Erklärung für die Inhalte in Form von solchen Eigenschaften, die geradezu den Inbegriff des Faktisch-KontingentEmpirischen ausmachen, ist deswegen deren Herkunft aus dem Inhalt des ursprünglichen Unendlichen, nicht etwa deren Herkunft aus dem Inhalt des zuletzt dann Endlichen. Als Inhalt dreidimensionaler Dinge kann sich dieser vielmehr umgekehrt gerade immer erst aus dem ursprünglichen Unendlichen ergeben. Und das wird dann auf die Dauer jenen Willen zum Naturalismus oder Empirismus, wenn nicht brechen, so doch lähmen müssen. Nur erfordert das, noch etwas Weiteres einzusehen, das einhergeht mit der Einsicht in jene Unmöglichkeit einer Bewegung solchen Inhalts, der als selbiger angeblich aus der einen in die andere jener Formen durch Formierung sich bewege. Wirklich einsichtig wird dies erst dann, wenn man sich ferner klarmacht: Daß am Ende solcher Inhalt nur noch jener Inbegriff des Faktisch-Kontingent-Empirischen sein kann, bedeutet keineswegs, daß er dann etwa als ein »rezeptiver« Inhalt auch zurückgehen muß auf eine »Rezeption« von solchem Inhalt und zuletzt mithin auf das Vermögen einer »Rezeptivität« im Unterschied zu jener kann. Erst immer faktisch-kontingent-empirisch nämlich kann sich dann ergeben, daß nicht das gesamte Dreidimensionale, sondern nur ein dreidimensionaler Teil von ihm jeweils der eigene Körper von etwas Mentalem ist, den es unmittelbar bewegen kann.

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Das ursprüngliche Unendliche

»Spontaneität«. Dies als erforderlich dafür zu halten, führt vielmehr auf einen Abweg, weil es immer noch voraussetzt, als derselbe könne solcher Inhalt übergehen aus einer Form in eine andere Form, da dies zum Sinn von »rezipieren« mithinzugehören muß. Entsprechend ist auch systematisch unvereinbar, wenn selbst Kant dies noch vertritt, obwohl er klar zum Ausdruck bringt, es könne solcher Inhalt nicht von irgendwo nach irgendwo »hinüber wandern«. 70 Solche »Rezeptivität« im Unterschied zur autonomen Spontaneität hält Kant denn auch nur für erforderlich, um die »Aposteriorität« von solchem Inhalt abzusichern gegenüber seiner Form als einer »Apriorität«. Und so ist eben von entscheidender Bedeutung, einzusehen, daß die »Aposteriorität« von solchem Inhalt keineswegs die »Rezeptivität« von diesem Inhalt zur Voraussetzung hat, und zwar schon vom Anfang her und auch noch bis zum Ende hin. Daß es der Inhalt des ursprünglichen Unendlichen sein muß, der eingeht in das abgeleitete Unendliche, wenn jenes sich zu diesem macht, bedeutet nicht, daß dieser Inhalt dadurch etwa den Besitzer wechselt, wie beim »Rezipieren« von etwas. Denn das müßte heißen, daß jenes ursprüngliche Unendliche, wenn dieses abgeleitete ihn hat, ihn nicht mehr hätte, weil er aus der Form des einen in die Form des anderen gewechselt wäre. Doch recht eigentlich nimmt dieser Inhalt des ursprünglichen Unendlichen, der er auch bleibt, nur eine weitere Formierung an, wenn er auch noch zu dem des abgeleiteten Unendlichen wird. Dann ist solcher Inhalt nämlich einer, den sie vielmehr »teilen«. Und das ist vergleichbar mit einer »Information«, die ja nicht den Besitzer wechselt, wenn sie einem andern »mitgeteilt« wird, sondern die von den Besitzern dann »geteilt« wird, so daß jeder sie besitzt. Und so ist das ein Sinn von »teilen« und »geteilt«, der auch noch nicht im mindesten »diskretmachen« bedeutet, weil eine »Information« sich ja als ganze »mitteilen« und »teilen« läßt. Vielmehr wird diesem Sinn gemäß begreiflich, daß dann bis zuletzt sogar so Unterschiedliches wie etwas Dreidimensionales einerseits und 70

Bd. 4, S. 282, Z. 20. Vgl. dazu Prauss 2015, S. 537 f., S. 541 f., S. 547.

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etwas weniger als Dreidimensionales anderseits denselben Inhalt »teilen« können. Unterschiedlich sind sie schließlich wie ein Ding und Anschauung, Begriff bzw. Urteil über dieses Ding, wozwischen bis zuletzt auch keine Diskretion besteht, sondern die reine Kontinuität. Dies aber gilt für solchen Inhalt eben auch bereits von Anfang an, wenn er als Inhalt des ursprünglichen Unendlichen auch noch zum Inhalt wird des abgeleiteten Unendlichen, weil jenes sich zu diesem selbst macht. Hält der Inhalt dies auch bis zum Ende durch, so heißt das nämlich nur, daß er dann sämtliche Formierungen, die das ursprüngliche Unendliche durch seinen Übergang zum abgeleiteten vollzieht, bis hin zum dreidimensionalen Raum einschließlich mitvollzieht. Und so ist dieses Mitmachen dieser Formierung dann vom ersten bis zum letzten Schritt auch jenes zunehmende Faktisch-Kontingente dieses Inhalts, das zuletzt zum Faktisch-Kontingent-Empirischen als dessen Höchstergebnis wird. Denn schon den allerersten Schritt des Übergangs zum abgeleiteten Unendlichen dieser Formierungen tut das ursprüngliche Unendliche nur faktisch-kontingent, weil es ihn nicht tun muß, sondern nur kann. Bereits für diesen allerersten Schritt des Übergangs bedeutet dies entsprechend: Um ihn vollends zu begreifen, gilt es grundsätzlich zu unterscheiden zwischen dem, was dieses abgeleitete Unendliche der Gattung nach ist, und was es der Arten dieser Gattung nach ist. Innerhalb von jedem Gattung/Art-Verhältnis nämlich muß ein Unterschied zwischen dem Sinn der Gattung und dem Sinn der einen oder andern Art bestehen. Denn dieser letztere umfaßt dann auch den Sinn der differentia specifica noch mit, weshalb dieses Verhältnis ein synthetisches sein muß. So aber ist das hier dann auch der Unterschied zwischen dem Sinn der Gattung des zu Ausdehnung sich ausdehnenden Punktes und dem Sinn der Arten solcher Ausdehnung durch solchen Punkt. Und diese Unterscheidung ist auch umso nötiger, als es sich dabei um eine synthetische Dynamik handelt, wonach der zu Ausdehnung sich ausdehnende Punkt als Gattung deren Arten allererst erzeugt. Denn da er das auch allererst synthetisch tut, bedeutet 185 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

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dies, daß er die Gattung solcher Arten nicht von vornherein schon ist, sondern zur Gattung dieser Arten überhaupt erst wird, sprich: rückläufig erst dadurch, daß er sie erzeugt. 71 Zu unterscheiden gilt es also nicht nur, daß dieses ursprüngliche Unendliche sich demgemäß zunächst zum Punkt als dem sodann zur Ausdehnung sich ausdehnenden macht. Zu unterscheiden gilt es vielmehr ferner, daß dieses ursprüngliche Unendliche sich damit insgesamt zunächst zu dieser Gattung als einer sodann auch ihre Arten noch erzeugenden macht. Und so ist das ein Geglieder mit Gefälle, innerhalb von dem die Abfolge der Glieder auch nur eine logisch-ontologische sein kann, doch keine zeitliche. Dann aber heißt das für den Inhalt innerhalb dieses Geglieders schon vom Anfang her und auch noch bis zum Ende hin, daß er im Zug dieser Formierung mitzieht oder nicht, indem er die Formierung annimmt oder nicht. Doch nirgends wird er etwa »rezipiert«, indem er als ein selbiger aus einem dieser Glieder in ein anderes wechselt. Letzteres gilt denn auch insbesondere schon für den allerersten Schritt jenes ursprünglichen Unendlichen zu diesem abgeleiteten. Kann dieser nur als das Spontane von Agieren durch die Form jenes Unendlichen erfolgen, muß er das nicht weniger spontane Reagieren durch den Inhalt dieser Form auslösen. So gewiß jedoch dieses Agieren nicht nur ein spontanes, sondern auch ein autonomes sein muß, kann das ebenso spontane Reagieren auf dieses Agieren dann bloß ein heteronomes sein, weil sich der Inhalt in der Form jenes ursprünglichen Unendlichen von ihr auch unterscheiden muß. Und so bedeutet diese Heteronomie des Reagierens auf die Autonomie des Agierens auch durchaus, daß letzteres als die Autonomie der Form sich diese Heteronomie durch Inhalt dann selbst zuzieht. Doch nicht einmal das bedeutet, daß dieses Agieren als die

Vergleichbar ist auch ein Begriff wie »Eiche« nicht von vornherein schon »Allgemeinbegriff«, sondern erst dadurch, daß es faktisch-kontingent-empirisch mehr als eine Eiche gibt. Denn gäbe es nur eine, was sich ja herausstellen könnte, wäre »Eiche« faktisch-kontingent-empirisch statt ein »Allgemeinbegriff« auch nur ein »Name« als ein »Individualbegriff«.

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Form dann Inhalt etwa »rezipiere«. Daß es selbst, als die agierende Form, sich Inhalt zuzieht, heißt vielmehr nur, daß im Zug solcher Formierung solcher Inhalt eben mitzieht oder nicht. Muß dieser Inhalt, wenn er eingeht in das Minimum dieses Unendlichen als Punkt, doch auch noch in das Maximum dieses Unendlichen als Ausdehnung zumindest eingehen können. Denn als dieses Maximum geht es ja auch hervor aus sich als diesem Minimum. Und so ist die »Aposteriorität« von solchem Inhalt voll und ganz gesichert, ohne daß dazu auch nur im mindesten die »Rezeptivität« von diesem Inhalt nötig wäre. Ja das FaktischKontingente dieses Inhalts, das ab diesem allerersten GattungsSchritt zum abgeleiteten Unendlichen dann seinen Lauf nimmt, nämlich zunimmt, prägt als solches selbst sich auch noch bis zum Faktisch-Kontingent-Empirischen besonders aus. Hebt es als solches selbst sich doch auch noch besonders ab von der Notwendigkeit der Formen durch diese Formierungen, einer Notwendigkeit, die das ursprüngliche Unendliche mit diesem ersten GattungsSchritt zum abgeleiteten Unendlichen sich selber auferlegt. Denn zwar muß gelten, daß es diesen Gattungs-Schritt zu dem zur Ausdehnung sich ausdehnenden Punkt bloß faktischkontingent tut, weil es ihn nicht machen muß, sondern nur machen kann. Gleichwohl jedoch ist nach dem ersten jeder weitere Schritt zu Arten dieser Gattung dann doch einer, den es machen muß, um auch als abgeleitetes Unendliches noch vollständig es selbst zu bleiben und in sich geschlossen: das Unendliche. Dann nämlich muß es jeden einzelnen von diesen Schritten auch genau nach dem Prinzip des logisch-ontologisch Minimalen tun, weil das Prinzip dafür vom Anfang her und bis zum Ende hin es selbst als Punkt ist. Und gerade das Notwendige von allen diesen Formen durch diese Formierungen ist es sonach, in Form von dem das Faktisch-Kontingente dieses Inhalts auftritt und zuletzt sein Maximum gewinnt als Faktisch-Kontingent-Empirisches. Und nichts von all dieser »Aposteriorität« erfordert irgendwelche »Rezeptivität« des Inhalts, der vielmehr solche Formierung annimmt oder nicht. Kann solcher Inhalt folglich nicht zurückgehen auf ein »Rezi187 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche

pieren« von etwas, so auch erst recht nicht auf ein »Affizieren« durch etwas, das Grund für solches »Rezipieren« sei. Und so verschwindet einfach jenes »Affektionsproblem« bei Kant, das als ein ungelöstes nach wie vor verhindert, einzusehen, wie weit die Überlegungen von Kant zur Grundlegung einer Philosophie sich durchführen und am Ende halten lassen. Denn so kann die unbeantwortete und auch unbeantwortbare Frage, was genau denn eigentlich ein Subjekt »affiziere«, sich auch schon von vornherein nicht einmal stellen. Und zwar nicht nur nicht für das, wozwischen Kant stets unentschieden schwankte, nämlich ob es sich dabei um eine »Affektion« eines Subjekts durch das Empirische der »Dinge« handle, oder durch das Nichtempirische der »Dinge, – an sich selbst betrachtet«. Vielmehr auch für das nicht, was Kant zusätzlich erwogen hat, weil er aus diesem Schwanken nicht herauskommt. Ist doch diese Frage auch von vornherein schon falsch gestellt und dadurch irreführend, weil sie nahelegt, es müsse eins von beidem gelten, während vielmehr keins von beidem gilt. Kant selbst dagegen ist so überzeugt, es müsse »Rezipieren« von etwas und so auch »Affizieren« durch etwas beteiligt sein, daß er davon nicht loskommt. Und das führt dazu, daß Kant sogar noch dort von »Affektion« oder von »Affizieren« eines Subjekts spricht, wo es nicht um den Inhalt, sondern um die Form des Inhalts geht. Nicht erst zu einem Inhalt nämlich muß es hier ja kommen, sondern ihm zuvor auch schon zu einer Form für einen Inhalt, zu der ein Subjekt sich selbst erzeugt. So aber zwingt ihn das dazu, von jenen beiden Fällen eines »Affizierens«, zwischen denen er so schwankt, dann diesen Fall zu unterscheiden. Könnten jene doch nur Fälle eines »Affizierens« sein durch etwas Anderes als die Form, in der dann solcher Inhalt auftritt. Dieser Fall dagegen kann nur der von einem »Affizieren« sein, in dem etwas »durch sich selbst affiziert wird«, sprich: »durch eigene Tätigkeit«, das heißt, durch »Selbsttätigkeit« oder »selbsttätig«. 72 72

B 67–69 (kursiv von mir). Das ist wieder einmal einer von den zahlrei-

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Mit solchen Ausdrücken pflegt Kant jedoch jenes spontan und autonom Agieren als die Selbstbewegung einer Selbstverwirklichung zu kennzeichnen, die ja zunächst zur Ausdehnung der Zeit führt und entsprechend zum Bewußtsein solcher Ausdehnung, wie es als Zeitbewußtsein eben Selbstbewußtsein eines Subjekts ist. Und weil Kant das Bewußtsein solcher Ausdehnung als »Anschauung« bezeichnet, 73 nennt er dieses hier auch »Selbstanschauung« eines Subjekts. 74 Folgerichtig könnte diese dann jedoch auch nur noch das Bewußtsein von der Selbstausdehnung dieses Subjekts bilden, die als Selbstausdehnung jenes Punktes zu der Gattung wird, die Ausdehnung der Zeit als erste Art von sich herbeiführt. Da Kant bis zur Einsicht dieser Selbstausdehnung aber nicht mehr vordringt, setzt er gleichsam als Ersatz hier an die Stelle dieser Selbstausdehnung die »Selbstaffektion«. Das heißt: Auf das angeblich notwendige »Rezipieren« und »Affizieren« bleibt Kant so festgelegt, daß er vermeint, sogar auch solche Ausdehnung als Form, und nicht bloß deren Inhalt, könne ein Subjekt nur durch ein »Rezipieren« und somit auch nur durch ein »Affizieren« erhalten, so daß dieses nur ein »Affizieren« von und durch »sich selbst« sein kann. Doch zu ersetzen gilt es vielmehr umgekehrt diesen Ersatz durch das, was er ersetzen soll, doch nicht ersetzen kann: durch diese Selbstausdehnung. Dann verschwindet nämlich auch die unlösbare Schwierigkeit dieser »Selbstaffektion«, die Kant noch bis ins opus postumum beschäftigt 75 und die Kant-Forschung bis heute. 76 So chen Belegen dafür, daß Kant »eigen« nicht nur possessiv, sondern auch reflexiv verwendet, was es zu beachten gilt. Vgl. Prauss 1989, S. 253 f. 73 Vgl. B 66, dazu Prauss 2015, § 1. 74 B 69, vgl. auch B 68: »Anschauung seiner selbst« oder »sich selbst […] anschauen«. 75 Vgl. z. B. Bd. 22, S. 320, Z. 5; S. 321, Z. 17 ff.; S. 358, Z. 19; S. 392, Z. 4 f.; S. 401, Z. 30; S. 405, Z. 14 ff., Z. 26 ff. 76 Auch dort, wo sie unerwähnt bleibt, wo es aber um die anhaltende Frage nach der Herkunft und der Stellung der verschiedenen Inhalte in unserer empirischen Erkenntnis von empirischen Objekten geht. Vgl. z. B. Sommerlatte 2016, S. 437 ff.

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unlösbar ist sie nämlich nur, weil schwierig an ihr nicht etwa das »Selbst …«, sondern die »… affektion« ist. Denn wie könnte, was als Selbstvollzug jener »Selbsttätigkeit« erfolgt, jemals ein »Affizieren« zustandebringen, das zu einem »Rezipieren« einer Ausdehnung wie Zeit und Raum als Form führt? Umgekehrt führt solche Selbstausdehnung nämlich keineswegs zu dem, was Kant auf jeden Fall vermeiden wollte: das Subjekt zum »Urwesen« zu machen, sprich: zum Schöpfer aller Dinge, wie nach Überlieferung des Christentums. 77 Dies eigens zu betonen, ist nicht überflüssig. Denn die »Anschauung« von Ausdehnung durch Selbstausdehnung eines Punktes könnte Kant tatsächlich nur als »intellektuelle Anschauung« betrachten, weil ihm dieser Punkt als »absolute Einheit« des »Verstandes« (intellectus) gelten müßte. 78 Vorbehalten will er solche »intellektuelle Anschauung« jedoch dem »Urwesen«, das eben dadurch Schöpfer aller Dinge sei. 79 Die Anschauung von Ausdehnung durch Selbstausdehnung dieses Punktes als ein Subjekt zu begreifen, heißt gleichwohl nicht, es zum »Urwesen« zu machen. Trotzdem nämlich wird ein Subjekt dadurch keineswegs zum Schöpfer aller Dinge, weil zuletzt entscheidend dafür keineswegs die Ausdehnung als Form ist, sondern ausschließlich der Inhalt innerhalb von ihr. Denn auch erst dadurch, daß zuletzt an diesem oder jenem Inhalt sich die Form des dreidimensionalen Raumes gleichsam niederschlägt und damit selber zur empirisch-inhaltlichen Form von diesem oder jenem Inhalt wird, kommt es zu jenem Gegenüber einer Außenwelt für eine Innenwelt. Ist doch entscheidend dafür auch ausschließlich der Erfolgsfall. Und das ist der Fall, wo Inhalt, der zuletzt bis in die zweite Fläche eingeht, hier nicht nur zu dem von diesem weniger als Dreidimensionalen wird, sondern als solcher auch zu dem von etwas Dreidimensionalem, sprich: zu einer Eigenschaft an ihm als einem Ding. 80 77 78 79 80

Vgl. B 72. Vgl. z. B. A 67 B 92, ferner Bd. 20, S. 271. Vgl. B 68 mit B 72. Vgl. dazu Prauss 2015, § 12, bes. S. 374 ff.

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Dann aber handelt es sich dabei eben um den ursprünglichen Inhalt des ursprünglichen Unendlichen, so weit er auch als abgeleiteter im abgeleiteten Unendlichen von Zeit und Raum sich bis zuletzt noch durchhält und dadurch zum Inbegriff des FaktischKontingent-Empirischen wird. Ein Subjekt als dieses abgeleitete Unendliche ist danach also keineswegs etwa das »Urwesen« und so auch keineswegs etwa der Schöpfer aller Dinge. Denn als dieses abgeleitete Unendliche ist ein Subjekt vielmehr gerade das geschöpfliche Unendliche, weil das entsprechend schöpferliche als das »Urwesen« vielmehr gerade das ursprüngliche Unendliche sein muß. Das schöpferliche kann es nämlich auch nur dadurch sein, daß es sich faktisch-kontingent zum abgeleiteten Unendlichen selbst macht, indem es sich zum Punkt als dem zu Ausdehnung sich ausdehnenden macht. So aber wird es nicht allein zum Schöpfer von geschöpflichem Unendlichen als Subjekt, sondern eben dadurch auch zum Schöpfer von Geschöpflich-Endlichem als Objekt. Schließlich ist es doch gerade letzteres, als das dieses ursprüngliche Unendliche den ursprünglichen Inhalt von sich faktisch-kontingent-empirisch vor sich bringt, sprich: vor sich als das abgeleitete Unendliche eines Subjekts. Und damit ist es nicht nur, sondern bleibt es auch das Eine-Ganze; denn so wird es auch nur innerhalb von sich als Einem-Ganzen zu einem in sich Gegliederten, worin die Glieder sich entsprechend unterscheiden lassen: das Unendliche im Endlichen und im Unendlichen das Endliche. Sogar auch noch für all dies aber ist der Bürge das Kontinuum und dessen angemessene Analyse durch das K-System im Unterschied zu der unangemessenen im P-System. Verbürgt der angemessene Weg von unten aufwärts doch auch noch den angemessenen Weg von oben abwärts. Demgemäß gesichert ist daher auch, was sich als das Eigentümlichste bei Kant ergibt, wenn sein Versuch zur Grundlegung einer Philosophie sich so tatsächlich durchführen und halten läßt. Ist ja von allem Eigentümlich-Kantischen das Eigentümlichste der Unterschied zwischen »Ansichsein« und »Erscheinung«. Doch der Einsicht, daß dieser Versuch auch in der Tat bis einschließlich von diesem Unterschied gelingen kann, steht nach 191 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

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wie vor entgegen, daß er gleich einer »Zweiweltentheorie« den Eindruck eines schlechten Dualismus macht. Daß sich im Zuge solcher Durchführung jedoch statt dessen vielmehr dieses EineGanze als ein in sich selbst gegliedertes ergibt, beseitigt diesen falschen Eindruck von Grund auf. Denn letztlich ohne jede Schwierigkeit läßt dieser Unterschied sich eingliedern in diese innere Gliederung von diesem Einen-Ganzen. Um das einzusehen, bedarf es auch nur der Berücksichtigung, daß Kant zwischen beidem nicht nur diesen Unterschied, sondern auch noch einen Zusammenhang behauptet. Wiederholt drückt er ihn nämlich dahin aus, es folge »auch natürlicherweise aus dem Begriffe einer Erscheinung […]: daß ihr etwas entsprechen müsse«, was erscheine und aus diesem Grund daher von ihr zu unterscheiden sei, wenn »nicht ein beständiger Zirkel herauskommen soll«. 81 Und noch deutlicher womöglich sagt er letzteres dann auch in aller Kürze: »Denn sonst würde der ungereimte Satz daraus folgen, daß Erscheinung ohne etwas wäre, das da erscheint.« 82 Will man jedoch auch wörtlich nehmen, was Kant hier behauptet, kann man freilich in Verlegenheit geraten: Was genau soll es dann also sein, »das da erscheint«? Die Antwort darauf kann doch wohl nicht lauten: das »Ansichsein«. Denn wo bliebe dann der Unterschied zwischen »Erscheinung« und »Ansichsein«, wenn doch das »Ansichsein« selbst schon die »Erscheinung« wäre, weil es selbst bereits »erschiene«? Was nach Kant »erscheint«, kann doch allein der Inhalt im Zusammenhang von Zeit und Raum als das zuletzt Empirische der Dinge sein, die Kant zufolge eben deshalb als »Erscheinungen« oder »Phänomena« zu gelten haben. – Doch dann hätte eben auch zu gelten, daß »Erscheinungen erscheinen«, was genau der »ungereimte […] Zirkel« ist, den Kant von Anbeginn schon kritisiert. Gleichwohl jedoch bewegen sich in diesem Zirkel wie in einem Hamsterrad bis heute alle, denen dieser Unterschied sogleich als schlechter Dualismus von »zwei Welten« gilt. 81 82

A 251 f. B XXVI f.

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Mag Kant jedoch auch noch so oft in diesem Sinn verfänglich formulieren, so ist doch das, was eine Durchführung seines Versuchs zur Grundlegung einer Philosophie zuletzt ergibt, etwas grundsätzlich anderes. Der Unterschied dazwischen gliedert sich tatsächlich bruchlos ein in jene innere Gliederung des EinenGanzen, weil durch sie das Eine-Ganze sich auch in der Tat erweist als das »erscheinende Ansichsein«, wenn man dafür die Begrifflichkeit von diesem Unterschied benutzt. Denn daß etwas »erscheint«, heißt zweifellos, daß es erscheint für ein Bewußtsein, daß es also zu etwas Bewußtem für dieses Bewußtsein wird. Und dennoch heißt das nicht, daß dieser Unterschied dadurch hinfällig würde, weil »Ansichsein« dadurch selbst bereits »Erscheinung« wäre. Derlei nämlich kann auch gar nicht unterlaufen, wenn doch gilt, daß dabei etwas zu etwas Bewußtem für Bewußtsein überhaupt erst wird und damit zum Erscheinen für es überhaupt erst kommt. Denn das, was es erst immer wird, kann es dann eben deshalb nicht schon immer sein, was vielmehr abermals der »ungereimte […] Zirkel« wäre: nunmehr auch noch für »Ansichsein«. Wodurch aber kommt es zum Erscheinen von etwas für etwas, so daß es für ein Bewußtsein zu etwas Bewußtem wird? Nur dadurch, daß ein Subjekt dieses Etwas zum Erscheinen bringt und damit zum Bewußten für sich als Bewußtsein macht. Wodurch jedoch kommt es im Einen-Ganzen zu einem Subjekt? Nur dadurch, daß sich das ursprüngliche Unendliche zu ihm als abgeleitetem Unendlichen selbst macht. So aber macht es sich zu einem Subjekt nur als einem Glied der inneren Gliederung von sich, dem Einen-Ganzen, innerhalb von der sich jedes solche bloße Glied gleichwohl von jedem andern unterscheidet und daher auch noch begrifflich unterscheiden läßt. Und so ist auch der Unterschied zwischen »Ansichsein« und »Erscheinung« nur ein Unterschied von bloßen Gliedern innerhalb der Gliederung des Einen-Ganzen. Eben dadurch nämlich, daß dieses ursprüngliche Unendliche zum abgeleiteten Unendlichen eines Subjekts wird, kommt es innerhalb von diesem Einen-Ganzen zu etwas Bewußtem für dieses Subjekt als ein Bewußtsein und so zum »Erschei193 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche

nen« von »Ansichsein« für solches Bewußtsein. Und was Kant auf den Begriff »Ansichsein« bringt, ist somit das ursprüngliche Unendliche als Form für seinen unendlichen Inhalt, der zu diesem oder jenem endlichen erst immer auf dem Weg seines »Erscheinens« werden kann oder auch nicht. Denn macht dieses ursprüngliche Unendliche sich seiner Form nach zu all dem, so kommt es dadurch auch zu einem Inhalt in all dem, so weit er in das Faktisch-Kontingente von all dem als selber faktisch-kontingenter Inhalt eingeht oder nicht. Nur eben keineswegs durch »Affizieren« und »Rezipieren«, sondern ausschließlich durch spontan und autonom Agieren der Form wie auch spontan und heteronom Reagieren des Inhalts von diesem ursprünglichen Unendlichen. Denn was »erscheint« für ein Subjekt, ist ja sowohl der Inhalt im Subjekt wie auch der Inhalt im Objekt, wo er allein durch seine Form sich jeweils unterscheidet, während Grund für beiderlei »Erscheinen« das »Ansichsein« als dasselbe ist. Was solchen Inhalt anbetrifft, kann deshalb auch gar keine Rede davon sein, zwischen »Erscheinung« und »Ansichsein« müsse solchem Inhalt nach eine Entsprechung gelten oder sogar eine Eins zu Eins-Entsprechung, wie der schlechte Dualismus von »zwei Welten« es zumindest nahelegt. Und der verfehlt denn auch, was dadurch sich erklärt: das letztlich Faktisch-Kontingent-Empirische des Inhalts unserer Welt als Außenwelt für Innenwelt, das doch wohl außer Zweifel steht. Was bis zur Einsicht in den Ursprung dieser inneren Gliederung des Einen-Ganzen führt, ist denn auch nur das bis zum letzten durchgeführte Geltendmachen der »Bedingungen der Möglichkeit für« dieses Außer-Zweifel-Stehende, die auf Grund von ihm erfüllt sein müssen. Dieses ist daher der Grund für jenen Weg von unten aufwärts, der zuletzt jenes ursprüngliche Unendliche erreicht, das umgekehrt dann auch zum Grund für jenen Weg von oben abwärts wird, wenn dieser Doppelweg als Argumentationsgang schlüssig ist. Entscheidend dafür ist denn auch, nicht stehenzubleiben beim Subjekt, sondern hinauszugehen über das Subjekt, um auch noch nach dem Grund für dessen einzigartige innere Gliederung zu fragen. Denn auch nur, wenn man 194 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

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beim Subjekt stehenbleibt, muß es zu all der ungelösten und auch unlösbaren Problematik kommen, woher denn der Inhalt stamme, der dann als gegebener einfach vorgefunden werde, und auf welchem Weg er denn in jenes Gegenüber zwischen Außenwelt und Innenwelt gelange. Nur daß dieses Einzigartige der inneren Gliederung eines Subjekts auch förmlich vorzeichnet, aus welchem Grund es mitsamt seinem Inhalt herstammt. Ist es dann doch der formale Ursprung einer Asymmetrie, welche selbst noch auf die Symmetrie voraus verweist, die ihr zugrundeliegen muß. Denn förmlich zu verfolgen ist, wie diese Symmetrie zu dieser Asymmetrie wird, indem die erstere zunächst zum Punkt wie auch sodann zur Ausdehnung durch den sich ausdehnenden Punkt wird. 83 Und so ist die Asymmetrie des zu Ausdehnung sich ausdehnenden Punktes und die Asymmetrie des mit ihr entspringenden Bewußtseins von ihr als das asymmetrische Unendliche auch schwerlich anders zu erklären als aus dem symmetrischen Unendlichen, das als ursprüngliches zu ihm als abgeleitetem sich selbst erst immer macht. Daß ein Subjekt selbst dann, wenn man verkürzend bei ihm stehenbleibt, nur als spontan und autonom Agieren begreiflich werden kann, hat seinen Grund daher nur darin: Seine Subjektivität ist danach auch nur die sich fortsetzende autonome Spontaneität, die ausgeht vom ursprünglichen Unendlichen und übergeht zum abgeleiteten Unendlichen eines Subjekts. Und bis hinauf in das ursprüngliche Unendliche hinein bürgt das Kontinuum denn auch für dessen absolute Einheit. Denn selbst bis hinab ins analytische Kontinuum des Faktisch-Kontingent-Empirischen von unserer Welt hinein bleibt sie gewahrt als die jeweils unmittelbare Einheit zwischen Punkt und Ausdehnung, weil sie hier außer Zweifel steht. Daß die Natur als Inbegriff des Endlichen der Außenwelt das erste ist, das wir empirisch kennenlernen, kann daher auch nicht Gilt der Übergang von einer Symmetrie zu einer Asymmetrie doch sogar für strengste mathematische Betrachtung als der Ursprung jeder »Ordnung und Struktur«. Vgl. z. B. Freiberger 2016, S. 131 ff.

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verdecken, daß der Sache nach solche Natur das letzte ist, wozu es innerhalb von diesem Einen-Ganzen kommt. Das erste nämlich, wozu es der Sache nach hier kommt, ist die gesamte NichtNatur von Innenwelt als dem Unendlichen, die der Natur ja immer schon vorausgeht, weil zugrundeliegt, weshalb wir jene auch erst immer nichtempirisch kennenlernen. Ist das doch auch immer erst die Sache der Philosophie, und die erfolgt erst immer als das Geltendmachen der »Bedingungen der Möglichkeit für« die Natur und die Empirik von ihr. So gewiß es daher auch zu unterscheiden gilt zwischen verschiedenen »Bedingungen der Möglichkeit für« etwas, so gewiß heißt dies doch nicht etwa, zu unterscheiden zwischen ihnen als verschiedenen Welten, wie im Sinn des schlechten Dualismus von »zwei Welten«. Denn sonst wäre dieses Geltendmachen nicht nur schlechter Dualismus von »zwei Welten«, sondern sogar schlechter Trialismus von »drei Welten«. Mindest dreierlei muß nämlich unterschieden werden auf dem Doppel-Weg von unten aufwärts und von oben abwärts, wenn er als das Geltendmachen von »Bedingungen der Möglichkeit für« etwas schlüssig sein soll. So von unten her zunächst zwischen dem analytischen Kontinuum der Inhalte von Außenwelt für Innenwelt und dem synthetischen Kontinuum von Zeit und Raum, in Form von dem sie auftreten. Denn letzteres ist klarerweise eine der »Bedingungen der Möglichkeit für« ersteres, weil nur dieses synthetische Kontinuum es sein kann, das durch seine Inhalte analysiert wird, so daß sie in ihm als dadurch analytischem Kontinuum »erscheinen«. Und gleichwohl heißt, so zu unterscheiden, keineswegs, dann wie »zwei Welten« zwei Kontinua zu unterscheiden: von dem ersten als dem analytischen Kontinuum als zweites das synthetische Kontinuum. Denn auch der ungeteilte oder ungeschnittene Kuchen, der geteilt oder geschnitten wird, bleibt ja nicht übrig, so daß es dadurch etwa zwei Kuchen gäbe. Dennoch aber muß es einen ungeteilten oder ungeschnittenen Kuchen geben, soll sich einer teilen oder schneiden lassen, sprich: als eine der »Bedingungen der Möglichkeit für« das, die dann erfüllt sein muß. Genau als diese geht der ungeteilte oder ungeschnittene 196 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche als Grund für das synthetische Kontinuum …

denn auch ein in den geschnittenen oder geteilten Kuchen, dem er dann genau in diesem Sinn zugrundeliegt. Vergleichbar liegt daher dem analytischen Kontinuum auch das synthetische Kontinuum zugrunde, zwischen denen unterschieden werden muß, doch ohne daß sie deshalb zu »zwei Welten« auseinanderfallen müßten. Das Entsprechende hat dann jedoch für das zu gelten, was in diesem Sinn auf diesem Weg auch vom synthetischen Kontinuum noch unterschieden werden muß. Infolgedessen ist im Einen-Ganzen dreierlei zu unterscheiden, ohne daß es deshalb in »drei Welten« eines schlechten Trialismus auseinanderfallen müßte. Nur ist dieser zweite Schritt des Geltendmachens von »Bedingungen der Möglichkeit für« etwas hin zu einem Dritten eben einer, der es in sich hat. Denn anders als das Analytische des abgeleiteten Kontinuums kann das Synthetische dieses ursprünglichen Kontinuums von Zeit und Raum als Form für Inhalt nicht auch seinerseits etwa hervorgehen durch eine Analyse, sondern seinerseits nur durch eine Synthese. Diese müßte demgemäß eine Synthese sein, auf der sogar auch die Synthese, in der das synthetische Kontinuum bereits besteht, selbst noch beruht. Und das wird zur Gewißheit, wenn man mitberücksichtigt, worin denn das Synthetische des ursprünglichen und das Analytische des abgeleiteten Kontinuums recht eigentlich bestehen muß, nämlich seiner jeweiligen inneren Gliederung nach. Um sie einzusehen, gilt es nämlich, ein für alle Male damit aufzuhören, für etwas Selbstverständliches zu halten, was durch eine »Analyse« wie durch Schneiden oder Teilen von etwas zustandekomme, möge dies auch noch so selbstverständlich scheinen. Denn was schiene selbstverständlicher, als daß man dadurch eben etwas »auseinandernehme« in das, woraus dieses sich »zusammensetze«? Diese nämlich ist auch bloß die falsche Selbstverständlichkeit, mit der jener Reduktionismus noch bis heute fälschlich meint, in diesem Sinn von »Analyse« ausgehen zu können, ohne ihn auch definieren zu müssen. Denn die nachzuholende Definition für ihn, wenn sie auch geometrisch streng formal erfolgt, erweist die Falschheit von diesem Reduktionismus, weil sie aufdeckt, 197 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche

was durch ihn verdeckt wird, nämlich daß statt seiner ein Holismus gilt. Der nämlich gilt sogar noch für das analytische Kontinuum, wo Punkt und Ausdehnung bereits gesondert voneinander sind, weil sie sogar auch hier als die gesonderten noch in unmittelbarer Einheit miteinander stehen. Erst recht jedoch gilt ein Holismus schon für das synthetische Kontinuum, wo Punkt und Ausdehnung noch ungesondert voneinander sind und so erst recht schon in unmittelbarer Einheit miteinander stehen. Was dadurch definiert wird, ist denn auch, daß Analyse keineswegs nur einfach »auseinandernimmt«, was angeblich »zusammengesetzt« sei, sondern ein Ganzes vielmehr umkehrt zu dem umgekehrten Ganzen, es als Ganzes also auch bestehen lassen muß. Denn umzukehren vermag sie auch nur seine innere Gliederung: Das Ungesonderte von Punkt und Ausdehnung kehrt sie zu dem Gesonderten von ihnen um, und das Ursprüngliche der Abhängigkeit dieser Ausdehnung vom Punkt kehrt sie entsprechend um zum Abgeleiteten der Abhängigkeit dieses Punktes von der Ausdehnung. Beim Einen-Ganzen der jeweils unmittelbaren Einheit zwischen Punkt und Ausdehnung dagegen muß sie es belassen. Woher aber soll es kommen zu dem Einen-Ganzen der jeweils unmittelbaren Einheit zwischen Punkt und Ausdehnung, wenn nicht aus dem ursprünglichen Unendlichen heraus? Im Hinblick darauf nämlich läßt sich das Unendliche dieses synthetischen Kontinuums nur als das erste abgeleitete Unendliche begreifen und so das Unendliche des analytischen Kontinuums dann auch nur als das zweite abgeleitete. Wie aber sollte es zu einem zweifach sogar abgeleiteten Unendlichen denn anders kommen können als aus dem ursprünglichen Unendlichen heraus? Und das stellt eben vor die weitere Frage: Wie vermag dieses ursprüngliche Unendliche denn aus sich selbst heraus zu der unmittelbaren Einheit zwischen Punkt und Ausdehnung zu werden, so daß sie jeweils zur inneren Gliederung von ihm wird als dem zweifach abgeleiteten Unendlichen? Der Schritt zu einer Antwort nämlich muß dann immerhin der letzte Schritt in einem Argumentationsgang sein, der ausdrücklich Gebrauch macht 198 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche als Grund für das synthetische Kontinuum …

von dem einzig-sicheren Prinzip dafür: vom Widerspruch als zu vermeidendem. Dann hat von unten aufwärts zwar zu gelten, daß es dazu werden muß, weil sonst von oben abwärts nicht erklärbar wäre, was von unten aufwärts außer Zweifel steht. Zugleich jedoch hat dann von oben abwärts auch zu gelten, daß es, wenn es dazu werden muß, nicht etwa analytisch dazu werden muß, weil es von sich aus etwa Punkt und Ausdehnung schon immer wäre, was zu einem Widerspruch führen müßte. Jeweils widerspruchsfrei ist jene unmittelbare Einheit zwischen Punkt und Ausdehnung ja nur, weil Ausdehnung und Punkt in ihr dort jeweils asymmetrisch-ungleichrangig zueinander stehen: in jeweils umgekehrter Abhängigkeit voneinander. Hier dagegen, im Unendlichen als ursprünglichem, könnten sie nur gleichrangigsymmetrisch miteinander stehen und damit auch nur widersprüchlich zueinander sein. Vermeiden läßt sich dieser Widerspruch für das ursprüngliche Unendliche daher auch nur noch durch die Folgerung und Forderung für es: Muß auch von unten aufwärts gelten, daß es dazu werden muß, kann doch von oben abwärts dann nur gelten, daß es dazu eben ursprünglich-synthetisch werden muß statt abgeleitet-analytisch, indem das ursprüngliche Unendliche sich faktisch-kontingent zu der unmittelbaren Einheit zwischen Punkt und Ausdehnung selbst macht. So aber macht es sich vom Anfang her und bis zum Ende hin auch noch zu dem gesamten Faktisch-Kontingenten, das zuletzt das Faktisch-Kontingent-Empirische des Endlichen für Empirie ist. Und wie ausgeprägt dieses Unendliche sich dadurch bis hinab in jedes Endliche hinein bemerkbar macht, läßt sich daran zuletzt noch förmlich schlagend überprüfen. So gewiß dieses ursprüngliche Unendliche als etwas Drittes innerhalb des Einen-Ganzen nämlich unterschieden werden muß, so kann es dadurch doch gleichwohl nicht zu dem Dritten von »drei Welten« eines schlechten Trialismus werden. Denn von oben bis nach unten ist dieses ursprüngliche Unendliche erfüllt als eine der »Bedingungen der Möglichkeit für« beides aus ihm abgeleitete Unendliche, so daß sie alle drei nur Glieder innerhalb von ihm als Einem199 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche

Ganzen sind. Und damit ist dieses ursprüngliche Unendliche als eine der »Bedingungen der Möglichkeit für« etwas dann auch noch erfüllt für jedes Einzelne dieses Empirisch-Endlichen in ihm. So aber mündet das in eine philosophisch-theologische Kosmologie als Theorie des Einen-Ganzen, die als eigentümlich-kantische von jeder andern vor Kant oder nach Kant grundverschieden ist. Zur Überprüfung dessen stelle man sich nochmals die gerade Linie mit Punkten vor, an denen diese Linie als Ausdehnung beliebig-willkürlich geteilt oder geschnitten sei, was nach dem KSystem das einfachste Modell ist für dieses Empirisch-Endliche. Um zwischen ihm und dem beteiligten Unendlichen als Nichtempirischem auch klar zu unterscheiden, seien die verschiedenen Verhältnisse zwischen den Ausdehnungen (A) und Punkten (P) von dieser Linie wie folgt bezeichnet. Die Verhältnisse von einer Ausdehnung zur nächsten und von einem Punkt zum nächsten 84 mögen unterhalb der Linie bezeichnet sein durch Bögen, die gewölbt nach unten sind, und deren Enden von der Mitte einer Ausdehnung zur nächsten zeigen und von einem Punkt zum nächsten. Unterscheidbar sind sie demgemäß als abwechselnde A/A-Bögen oder P/P-Bögen, woran förmlich augenfällig wird, daß jeder A/A-Bogen dann geteilt oder geschnitten werden muß durch mindest einen P/P-Bogen und auch jeder P/P-Bogen dann geteilt oder geschnitten werden muß durch mindest einen A/ABogen. Und was dadurch augenfällig wird, ist denn auch jenes abgeleitete Diskrete des Empirisch-Endlichen. Ist es ein abgeleitetes doch in genau dem Sinn, daß dabei zwischen einem und dem nächsten A immer ein P liegt wie auch zwischen einem und dem nächsten P immer ein A liegt. Nichts dergleichen aber liegt hier jeweils zwischen einem A und einem an es anschließenden P bzw. zwischen einem P und einem an es anschließenden A. Deren Verhältnis gilt es deshalb Den es abweichend vom P-System im K-System tatsächlich gibt, weil hier nur »aktuale« Punkte zählen, zumal »aktuale Punkte« letztlich tautologisch ist. Vgl. oben S. 29.

84

200 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche als Grund für das synthetische Kontinuum …

vom Verhältnis dieses abgeleiteten Diskreten auch zu unterscheiden als jenes ursprüngliche Diskrete des Gesonderten von P und A bzw. A und P, das ja zugleich das abgeleitete Kontinuierliche des analytischen Kontinuums ist. 85 Und als dieses ist es eben das Unendliche im Endlichen, von dem es aber gleichwohl klar zu unterscheiden ist. Um das zu sichern, möge dieses als jeweiliges Verhältnis zwischen solchem Punkt und solcher Ausdehnung bzw. zwischen solcher Ausdehnung und solchem Punkt dann oberhalb der Linie bezeichnet sein durch Bögen, die gewölbt nach oben und genügend voneinander abgehalten sind. Verschieden voneinander sind sie demgemäß als A/P-Bögen oder P/A-Bögen, die genauso abwechselnd auftreten wie die A/A-Bögen oder P/P-Bögen unterhalb der Linie. Von ihnen aber müssen diese Bögen oberhalb der Linie sich gleichwohl in mehr als einer Hinsicht unterscheiden. Nicht nur müßte keiner auch nur einen von den andern teilen oder schneiden. Vielmehr könnte jeder auch nur wie ein übertrieben-überbogenes Hufeisen verlaufen, dessen Enden schließlich aufeinandertreffen. Denn bezeichnen müßte jeder solche A/P-Bogen oder P/A-Bogen mittels seiner Enden auch genau die Stelle, wo ein A sich anschließt an ein P oder ein P sich anschließt an ein A. Und das ist eben eine Stelle, wo es jeweils weder so ein P als Grenze zwischen beidem noch gar so ein A als Abstand zwischen beidem gibt, wogegen es die Stelle selbst als Stelle des Gesonderten von P und A bzw. A und P sehr wohl gibt. Trotz ihrer Verschiedenheit jedoch kann keine Frage sein, daß beide diese Arten von Verhältnissen in einer solchen Linie bestehen. Und so wird nur noch klarer, wie entscheidend wichtig dafür ist: Schon innerhalb von Empirie sind Urteile wie »Dies hat (eine) Grenze« und »Dies ist begrenzt« formallogisch äquivalent, so daß schon innerhalb von Empirie dazwischen hin und her gewechselt werden kann: Nicht nur etwas Begrenztes, sprich: ein A, läßt sich thematisieren, sondern zusätzlich auch noch die Grenze von ihm, sprich: ein P. Kann alle Empirie doch auch nur hier und so ent85

Vgl. dazu oben S. 132 ff.

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Das ursprüngliche Unendliche

springen, weshalb sie mit allem, was sie insbesondere als mathematische Naturwissenschaft darüber noch zusätzlich ermitteln mag, auch weiterhin darauf bezogen bleiben muß. Und wie auch immer sie dabei dann wechseln mag von einem A zu einem andern A oder von einem P zu einem andern P oder von einem P zu einem A oder von einem A zu einem P: Als solche selbst, als Empirie, bleibt sie dabei auch immer festgelegt auf die Verhältnisse, in denen all dies abgeleitete Diskrete steht, denn auch nur dieses ist etwas Empirisches unter Empirischem für Empirie: das Endliche. Und die bewegt sich eben auch ausschließlich zwischen den Verhältnissen, die unterhalb der Linie bezeichnet sind. Das Nichtempirische jenes Unendlichen im Endlichen dagegen, wie es als A/P- oder P/A-Verhältnis oberhalb der Linie bezeichnet ist, kann dann grundsätzlich nichts Empirisches für Empirie sein. Umso auffälliger aber ist das, weil ja jedes A und jedes P als solches sich thematisieren läßt und so als solches auch durchaus etwas Empirisches unter Empirischem für Empirie wird. Denn hinein ins Nichtempirische dieses Unendlichen im Endlichen als dem Empirischen führt erst der Schritt, der zusätzlich auch eigens das Verhältnis noch thematisiert, das dann auch zusätzlich noch jeweils zwischen A und P bzw. P und A bestehen muß. Und dieser ist denn auch der Schritt zur nichtempirischen Philosophie, die am Empirischen als Endlichem auch das Unendliche als Nichtempirisches noch aufdeckt. Demgemäß bewegt sich diese dann auch oberhalb, doch keineswegs nur oberhalb der Linie. Denn sie berücksichtigt bloß zusätzlich zu den Verhältnissen, die unterhalb der Linie bezeichnet sind, auch die Verhältnisse noch mit, die oberhalb von ihr bezeichnet sind. Und wie bekannt, sind es der späte Platon und der frühe Aristoteles, die das als erste tun, indem sie erstmals das Verhältnis zwischen »Ding und Eigenschaft« oder »Substanz und Akzidens« thematisieren, 86 dessen Eigentümlichkeit man immer noch verkennt, 87 Vgl. oben S. 35, Anm. 21. Das vorerst letzte Beispiel dafür liefert die Ontologie der »Tropen«, dargestellt und kritisiert etwa in Friebe 2004 b.

86 87

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Das ursprüngliche Unendliche als Grund für das synthetische Kontinuum …

weil nicht durchschaut: Im Grunde ist es das Verhältnis zwischen dem Kontinuierlichen als dem Unendlichen und dem Diskreten als dem Endlichen, das als etwas Empirisches von ihm als etwas Nichtempirischem abhängig ist. Als etwas abgeleitetes Diskretes nämlich hängt es ab von dem ursprünglichen Diskreten des Gesonderten von P und A bzw. A und P. Und dieses ist zugleich das abgeleitete Kontinuierliche, das wiederum von dem ursprünglichen Kontinuierlichen abhängig ist, so daß von all dem jedes einzelne vom Anfang bis zum Ende abhängt vom ursprünglichen Unendlichen. Wie grundsätzlich, vor allem aber auch, wie einseitig sich diese Abhängigkeit vom ursprünglichen Unendlichen tatsächlich durchhält bis hinein in jedes Endliche, erweist denn auch geradezu dramatisch eine Überlegung, die bereits begonnen wurde und nun auch beendet werde. Weiter oben 88 wurde schon darauf verwiesen: Blickt man auf diese Verhältnisse mit einem Blick von oben abwärts, so erblickt man das Unendliche im Endlichen, wogegen man mit einem Blick von unten aufwärts im Unendlichen das Endliche erblickt. Versucht man dabei aber, seinen Blick gleichsam zu teilen, um ineinem jeweils beides zu erblicken, kann dies eine Wirkung haben wie bei den bekannten »Kippfiguren«: Zum Erblickten wird das eine dann jeweils auf Kosten von dem andern, indem jedes als Erblicktes dann zugunsten von dem andern »kippt«, obwohl ja beides jeweils vorliegt. Wesentlich für solche »Kippfiguren« im Normalsinn ist denn auch, daß jede von den beiden etwas Endliches ist gegenüber etwas Endlichem, wogegen hier ja nur die eine etwas Endliches ist, denn die andere ist das Unendliche. Im Ausgang hiervon aber läßt sich etwas Zusätzliches einsehen, nämlich daß sich hier noch etwas Weiteres abspielen könnte. Auf der einen Seite läßt sich dann begreifen, worin Empirie besteht, die mindest dazu neigt, als Wissenschaft dieses Empirisch-Endlichen sich für die einzig-mögliche zu halten, wodurch sie zum Empirismus und Naturalismus als der schlechte88

S. 132 ff.

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Das ursprüngliche Unendliche

sten Metaphysik wird. Wenn sie derart vorgeht, ist das so, als ob die Empirie, sobald sie das Empirisch-Endliche erblickt, sich auf dieses Empirisch-Endliche allein gleichsam versteift, so daß es eigens einer Maßnahme bedürfte, um auch noch dem anderen Beteiligten zu seiner Geltung zu verhelfen. Und so läge nahe, diese Maßnahme könnte darin bestehen, sich auf genau das Umgekehrte zu versteifen, um die Empirie dadurch zu zwingen, zusätzlich auch das beteiligte Unendliche und Nichtempirische noch zu berücksichtigen. Denn an Hand von jener Linie könne diese Maßnahme ja dahin gehen, der Empirie aufzuerlegen, daß sie auch noch folgendes zur Kenntnis nehme. Jeder Übergang von einem abgeleiteten Diskreten hin zu einem andern abgeleiteten Diskreten, als Empirisch-Endlichem, müsse doch erst einmal ein Übergang sein von einem ursprünglichen Diskreten hin zu einem anderen ursprünglichen Diskreten. Denn ersichtlich muß ein Übergang von einem A zum nächsten A doch erst einmal ein Übergang von einem A zum nächsten P und auch ein Übergang von diesem P zu diesem nächsten A sein. Und genau entsprechend muß ein Übergang von einem P zum nächsten P doch auch zunächst einmal ein Übergang von einem P zum nächsten A und auch ein Übergang von diesem A zu diesem nächsten P sein. Kurz gesprochen: Jeweils vor der Kenntnisnahme dessen, was bei einem Übergang gemäß den Bögen unterhalb der Linie auftaucht, gilt es erst einmal die Kenntnisnahme dessen, was bei einem Übergang gemäß den Bögen oberhalb der Linie auftaucht. Nur erweist sich freilich, daß mit dieser Maßnahme – gesetzt, daß Empirie ihr überhaupt entsprechen könnte – keineswegs erreichbar würde, wozu diese Maßnahme getroffen wurde. Was durch sie geschähe, wäre keineswegs, daß zusätzlich zu dem Empirisch-Endlichen als dem Erblickten auch noch das Unendliche als Nichtempirisches dann zum Erblickten würde. Es geschähe vielmehr etwas anderes: Zum Erblickten würde ausschließlich dieses Unendliche als Nichtempirisches, weil jegliches Empirisch-Endliche dadurch verschwinden müßte, so daß es nicht einmal mehr durch »Kippen« zum Erblickten werden könnte. Denn bei keinem Übergang ge204 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche als Grund für das synthetische Kontinuum …

mäß den Bögen oberhalb der Linie kann jemals auch etwas Empirisch-Endliches noch auftauchen und somit jemals auch etwas Empirisch-Endliches noch zum Erblickten werden. Ist ein Übergang von einem A zu einem an es anschließenden P oder von einem P zu einem an es anschließenden A doch jedesmal nur einer des Unendlichen von sich zu sich als dem Unendlichen. Denn dabei tut ja dem Unendlichen als solchem selbst das faktisch-kontingente Endliche von einem A bekanntlich keinen Abbruch. Daher hat dieses Unendliche bei diesem Übergang von sich zu sich auch keinen Weg zurückgelegt, weil es dadurch dann ebenso wie von sich ausgegangen ist auch bei sich angekommen ist. Und das bedeutet: Sich im Gegenzug zu Empirie als Empirismus und Naturalismus zu versteifen auf dieses Unendliche und Nichtempirische, führt dazu, daß durch sein Dazwischentreten nicht einmal mehr mittels »Kippen« auch etwas Empirisch-Endliches noch in den Blick gelangen könnte. Ganz im Gegenteil: Auf diese Weise das Unendliche zur Geltung bringen, läuft auf ein Beseitigen des Endlichen hinaus, das dieses Endliche als solches selbst von Grund auf zum Verschwinden bringt: So abhängig ist jedes Endliche von dem Unendlichen in ihm, dem somit letztlich oder anfänglich sogar jenes ursprüngliche Unendliche zugrundeliegt. Wie schlagend das ersichtlich wird, erweist sich ferner nämlich daran: Nicht etwa kann auch das Ungekehrte gelten; nicht etwa vermag dann eine Empirie, die sich bis hin zum Empirismus und Naturalismus aufs Empirisch-Endliche versteift, auch umgekehrt dieses Unendliche noch zu beseitigen, so daß sie es auf diese Weise gleichfalls zum Verschwinden bringen könnte. Sie vielmehr vermag es bloß zu überspringen und ihm dadurch die Zurkenntnisnahme zu verweigern, was jedoch nur umso auffälliger macht, wie es als das Verhältnis zwischen P und A bzw. A und P für jegliches Empirisch-Endliche grundlegend ist und damit auch für jede Empirie von ihm: So abhängig ist jedes Endliche von dem Unendlichen in ihm, dem somit letztlich oder anfänglich sogar jenes ursprüngliche Unendliche zugrundeliegt. In keiner Weise aber ist dieses Unendliche dann etwa umgekehrt auch seinerseits 205 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche

noch abhängig von diesem Endlichen: So einseitig gilt vielmehr die Ausschließlichkeit der Abhängigkeit dieses Endlichen von dem ursprünglichen Unendlichen. Dies alles einzusehen vermag Philosophie denn auch nur auf dem Weg, auf dem sie dieser Empirie zwar folgt, doch nicht auch noch auf ihrem Abweg in den Empirismus und Naturalismus. Vielmehr folgt sie ihr nur zwecks einer Ergänzung dieser Empirie durch eine ihr entsprechende Nichtempirie als eigentümliche Philosophie der Ontologie und Bewußtseinstheorie. Und das erreicht sie eben dadurch, daß sie zusätzlich zu dem EmpirischEndlichen auch das Unendliche und Nichtempirische, von dem es abhängt, noch mit in den Blick nimmt. Ist doch das Inkaufnehmen des wiederholten »Kippens« zwischen beidem auch ersichtlich eine nachhaltige Quelle dessen, was Philosophie als solche selbst zu suchen und zu finden und zu sagen hat. Zumindest wird eine empirische Kosmologie, wie sie als mathematische Physik schon unterwegs ist, erst und nur genügen können, wenn auch eine nichtempirisch–philosophische Kosmologie mit ihr noch miteinhergeht. Was die Empirie auf ihrem Abweg in den Empirismus und Naturalismus nämlich nur noch weiter unterstützt, ist insbesondere die Mathematik, auf die allein sie denn auch baut. Denn durch das wesentlich Reduktionistische von ihr wird Empirie mit ihrem Sich-Versteifen auf das Naturale als Empirisch-Endliches und Einzig-Wirkliches geradezu besiegelt. Vorbauen könnte dem eine von vornherein mit solcher Empirie einhergehende nichtempirische Philosophie, die am Empirisch-Endlichen als solchem selbst erweist: Das Einzig-Wirkliche kann es nicht sein, weil das Empirisch-Endliche als solches selbst das Nichtempirische jenes Unendlichen voraussetzt, da es bis in das Empirisch-Endliche hinein als eine der »Bedingungen der Möglichkeit für« es erfüllt sein muß. Und damit würde aufgedeckt, wie wenig das Reduktionistische des Mathematischen das letzte Wort der Empirie sein kann, weil vielmehr das Holistische der nichtempirischen Philosophie als strenger Wissenschaft das letzte Wort sein muß, das sie allein zuletzt noch dazu beizusteuern hat. Nicht zufällig stößt nämlich auch schon die empi206 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Das ursprüngliche Unendliche als Grund für das synthetische Kontinuum …

risch-mathematische Physik, je weiter sie dem Kosmos auf den Grund geht, auf dieses Holistische an ihm, auch wenn sie es reduktionistisch-mathematisch nicht mehr in den Griff bekommen kann. Sehr wohl jedoch vermag eine noch zusätzliche nichtempirisch-philosophische Kosmologie dieses Holistische an unserem Kosmos zu begreifen, die auch einer philosophisch-theologischen Kosmologie den Weg noch ebnet.

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D. Nachwort zum Kontinuum der objektiven Zeit

Nachdem ich die erste vollständige Fassung dieses Buches abgeschlossen hatte, hörte ich den Vortrag, den Cord Friebe auf der Bonner Tagung zum Problem der objektiven Zeit hielt. 89 Das veranlaßt mich zu einem Hinweis, den ich wohl auch dort gegeben hätte, wenn ich mit dabei gewesen wäre. Unter objektiver Zeit versteht Cord Friebe diejenige objektive Zeit, die nicht nur, wie die subjektive, eine einseitige Richtung hat. Vielmehr hat sie auch eine Ordnung, unter der sie sich quantifizieren läßt, wie unter der von »nacheinander« oder »früher als« bzw. »später als«. Denn diese Ordnung sei es, unter der wir objektive Zeit bereits im Alltag und erst recht dann in den Wissenschaften mathematisch zählen, messen und berechnen können. Dazu aber muß die objektive Zeit vor allem teilbar sein, während die subjektive Zeit als nulldimensionale Ausdehnung von stetig-neuem Punkt unteilbar ist. Als solche aber sei die objektive Zeit im Zuge jener Herleitungen aus jenem Prinzip eines sich ausdehnenden Punktes nicht mit hergeleitet, bleibe also ungelöst als ein Problem bestehen. Dem jedoch kann man auch so entschieden zustimmen, daß man es sogar noch verstärken kann: Als solche ist die objektive Zeit nicht nur nicht hergeleitet, sondern auch nicht herleitbar, und bleibt als ein Problem entsprechend nicht nur ungelöst, sondern auch unlösbar. 90 Dies aber gilt Cord Friebe als ein Einwand gegen diese TheoIm Internetz unter https://www.youtube.com/watch?v=csWjE86ebr0. Leider ist die zweite Hälfte dieses Vortrags ohne Ton, so daß mir deren Inhalt nur bekannt ist durch die kurzen Einzeltexte an der Tafel. 90 In Prauss 2015, § 15; vgl. auch §§ 5–6. 89

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Nachwort zum Kontinuum der objektiven Zeit

rie, wo dies in Wahrheit doch ein Prüfstein für sie ist, der sie bestätigt. Denn als solche wird die objektive Zeit zum augenfälligen Beweis dafür, daß jegliche Quantifizierung oder Mathematisierung von einem Kontinuum nicht als von innen her aus ihm herausgewonnen gelten kann, sondern nur als von außen her an es herangetragen. Ist doch alles, was im Zuge jener Herleitungen herleitbar und hergeleitet ist, von innen her aus dem Kontinuum als dem ursprünglichen Unendlichen herausgewonnen: bis hin zur Geschlossenheit und Vollständigkeit von ihm in Gestalt des objektiven dreidimensionalen Raums. Und nichts von all dem ist etwa von außen her an es herangetragen. Um die Zeit in dem genannten Sinn zu einer objektiven Zeit zu machen, muß jedoch sehr wohl von außen her etwas an sie herangetragen werden, nämlich eindimensionaler Raum, zu dem verfälscht sie allererst quantifizierbar oder mathematisierbar werden kann. Denn was dadurch zur objektiven Zeit wird, indem es zu ihr objektiviert wird, ist die subjektive Zeit. Die aber ist und bleibt als nulldimensionale Ausdehnung ein stetig-neuer Punkt und wird gerade nicht zu einem eindimensionalen Raum: auch nicht, wenn sie zu objektiver Zeit objektiviert wird. Die ihr eigentümliche Objektivierung nämlich, die tatsächlich nur von innen her aus dem Kontinuum als dem ursprünglichen Unendlichen herausgewonnen wird, gestaltet sich von Grund auf anders. Was verfälscht wird, wenn ein eindimensionaler Raum von außen her an sie herangetragen wird, ist daher nicht allein die eigentümlichsubjektive, sondern auch die eigentümlich-objektive Zeit. Und darin offenbart sich eben anschaulich-konkret, was im Verlauf der Herleitung vielleicht abstrakt-gedanklich blieb. 91 Eine beliebig-willkürliche Setzung eines Null- und eines EinsPunkts nämlich ist im Fall des Raumes ohne weiteres möglich, um seine Quantifizierung oder Mathematisierung durchzuführen, im Fall der Zeit dagegen nicht. In ihrem Fall bedarf es dazu vielmehr erst einmal ihrer Verfälschung zu einem zumindest

91

Vgl. auch oben B 1, S. 73 ff. und S. 180.

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Nachwort zum Kontinuum der objektiven Zeit

eindimensionalen Raum, weil an ihr als der nulldimensionalen Ausdehnung von einem stetig-neuen Punkt sich schlechterdings noch nichts quantifizieren oder mathematisieren läßt. Und das gilt eben nicht nur für die eigentümlich-subjektive, sondern auch noch für die eigentümlich-objektive Zeit, die auch als eigentümlich-objektive nur ein stetig-neuer Punkt von Ausdehnung als nulldimensionaler ist und bleibt. Auf Grund dieses Gemeinsamen von beiden unterscheidet sie sich von der subjektiven Zeit, die ihr bereits zugrundeliegt, erst dadurch, daß sie als ein stetigneuer Punkt noch zusätzlich zum stetig-neuen Jetzt-Punkt werden muß. Das muß sie nämlich deshalb, weil die innere Gliederung von ihr, die sie als nulldimensionale Ausdehnung von stetig-neuem Punkt schon hat, sich zusätzlich noch weiter gliedern muß zu der von Zukunft und Vergangenheit mit Gegenwart dazwischen. Ist das doch desgleichen eine innere Gliederung von stetig-neuem Punkt, der so zum stetig-neuen Gegenwarts-Punkt wird. Denn Zeit als Zukunft oder als Vergangenheit, was folglich nur den Sinn von zukünftiger Zeit oder vergangener Zeit hat, ist genauso wie als Gegenwart oder als gegenwärtige ja eine stetig-neue. Und das kann daher als zusätzliche Gliederung von ihr, der Ausdehnung von Zeit, nur innerhalb von ihr als stetig-neuem Punkt verständlich werden, den sie schon als subjektive bildet. Denn der ist in keinem Fall etwa ein Schnittpunkt zwischen Ausdehnungen. Deshalb kann es jede einzelne von diesen dreien ihrem Sinn nach nur mit jeder oder jedem anderen zusammen geben: nur als eine Dreifachgliederung des einen stetig-neuen Punktes. Und so muß, wenn ihrem Sinn nach auch nur eine einzelne der drei erstellt wird, ihrem Sinn nach auch noch jede andere der drei erstellt sein. Denn die zukünftige Zeit ist jeweils jetzt zukünftig und auch die vergangene Zeit ist jeweils jetzt vergangen. Und so sind sie auch nur Glieder innerhalb der inneren Gliederung des stetig-neuen Punktes, der dadurch zum Punkt von stetig-neuer Gegenwart als stetig-neuem Jetzt-Punkt werden muß. Was demgemäß im Zuge jener Herleitungen aus jenem Prinzip eines zu 210 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Nachwort zum Kontinuum der objektiven Zeit

Ausdehnung sich ausdehnenden Punktes herleitbar und hergeleitet sein muß, ist denn auch nur diese eigentümlich-objektive Zeit, wie sie aus jener eigentümlich-subjektiven Zeit entspringen muß durch deren zusätzliche innere Gliederung in Zukunft, Gegenwart, Vergangenheit. Als zusätzliche Gliederung von ihr als stetig-neuem Punkt ist die Objektivierung von ihr folglich nicht im mindesten eine Verfälschung durch Verräumlichung von ihr, wodurch eine Quantifizierung oder Mathematisierung von ihr möglich würde. Eine Herleitung von dieser eigentümlichen Objektivierung subjektiver Zeit zu objektiver kann daher auch nur erfolgen als der Nachweis, daß und wie es zu ihr kommen muß, und auch nur den versucht jener § 15. Ihn zu wiederholen, ist hier nicht möglich. Hingewiesen sei nur auf das eine oder andere, das Cord Friebe, wie mir scheint, nicht hinreichend berücksichtigt. Und das erschwert den Nachvollzug von dieser Herleitung, der ihr nur folgen kann mit jedem Einzelschritt von ihr. Der ursprüngliche Grund, der diese zusätzliche Gliederung notwendig macht, ist jenes Stetig-Neue: Tritt es doch nicht nur als stetig-neuer Punkt der nulldimensionalen Ausdehnung von subjektiver Zeit auf, sondern auch als stetig-neues Punktuelles ein- und zweidimensionaler Ausdehnung von subjektivem ZeitRaum. Denn in Form von diesem Stetig-Neuen kann es faktischkontingent nicht nur zu solchem Inhalt kommen, der hier widerspruchsfrei wird, sondern auch solchem, der hier widersprüchlich wird. Das erstere ist dann der Fall, wenn es dabei zu Inhalt von derselben Art kommt, indem er nur einfach auftritt; wogegen das letztere der Fall ist, wenn er nicht einfach nur auftritt, sondern aufzutreten anfängt oder aufzutreten aufhört, weil dann Inhalt von verschiedener Art auftreten muß. Denn wohlgemerkt muß er dies ja in Form von Stetig-Neuem eines solchen Punktes oder Punktuellen, so daß er als zwei verschiedene Inhalte hier widersprüchlich werden muß. In einem solchen Fall steht ein Subjekt als dieses Stetig-Neue aber vor einem dramatischen Problem, dessen Dramatik zu Beginn des § 15 ausführlich entwickelt ist. Im andern Fall, wo dieser 211 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Nachwort zum Kontinuum der objektiven Zeit

Inhalt widerspruchsfrei ist, kann ein Subjekt ihn nämlich ohne weiteres für Urteile wie »Dies ist rot« oder »Dies ist (ein) Haus« benutzen, um auf diese Weise einen Ruhefall als wirklich hinzustellen. Mit der Objektivierung subjektiven Raums zu objektivem dreidimensionalem Raum, die hier formal zugrundeliegen muß, geht daher ohne weiteres auch die Objektivierung subjektiver Zeit zu objektiver noch einher, sprich: ohne daß sie inhaltlich auch eigens noch zum Ausdruck kommen müßte. Denn formal muß die Objektivierung beider ja auch miteinander vor sich gehen, da mit dem subjektiven Raum als Zeit-Raum, der objektiviert wird, auch die subjektive Zeit, die ihm zugrundeliegen muß, noch mitobjektiviert wird. In dem andern Fall dagegen, wo der Inhalt widersprüchlich ist, vermag ein Subjekt keinen solchen Ruhefall, sondern nur den entsprechenden Bewegungsfall als wirklich hinzustellen, wie durch »Dies wird rot« oder »Dies wird (ein) Haus«. Ein solches Urteil aber muß beruhen auf dem Drama der Entscheidung, die ein Subjekt treffen muß zwischen den beiden Inhalten, die dabei widersprüchlich sind. Hier nämlich hat es sich für einen zu entscheiden und so gegen den entsprechend anderen. Dann aber muß sich fragen, wie es die Entscheidung treffen kann: Sind diese Inhalte als widersprüchliche doch gleichberechtigt, können also von sich selbst her keinerlei Entscheidungshilfe dafür geben. Eine Antwort darauf wird jedoch, wenn nicht verhindert, so doch mindestens erschwert, wenn man ein solches »… ist …«-Urteil und »… wird …«-Urteil sogleich als ein »… ist jetzt …«-Urteil oder »… wird jetzt …«-Urteil verstehen will, wie Cord Friebe. Zwar kann es nicht falsch sein, diesen Jetzt-Sinn hier mit auszudrücken, weil ihn diese Urteile tatsächlich haben. Dieser Sinn jedoch kann eben deshalb hier nur analytisch aus ihnen gewonnen sein. So aber wird verdeckt, was hier die eigentliche Frage ist: Woher denn können diese Urteile den Jetzt-Sinn eigentlich synthetisch haben? Denn den können sie ja keinesfalls aus jenem stetig-neuen Punkt der subjektiven Zeit her haben, der ihnen zugrundeliegt. Der nämlich kann auf keinen Fall bereits ein Jetzt-Punkt mit dem 212 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Nachwort zum Kontinuum der objektiven Zeit

Jetzt-Sinn sein, was die entscheidende Voraussetzung dieser gesamten Herleitung ist, weshalb es auf S. 450 ausdrücklich betont wird. Denn sonst müßte die gesamte Gliederung in Zukunft, Gegenwart, Vergangenheit bereits für subjektive Zeit als stetigneuen Punkt allein bestehen und hergeleitet werden. Doch das trifft nicht zu und läßt sich daher auch nicht herleiten. Tritt diese Gliederung doch auch erst auf unter Voraussetzung des stetigneuen Punktes subjektiver Zeit für objektive Zeit mit objektivem Raum zusammen und ist deshalb auch nur dafür herleitbar. Entsprechend habe ich den Eindruck, daß Cord Friebe dennoch diesen Jetzt-Sinn mit dem stetig-neuen Punkt der subjektiven Zeit bereits verbindet, weil die Herkunft dieses Sinns bei ihm sonst unerklärlich bleibt. Ihre Erklärung nämlich findet sie erst mit der Herleitung: Vermag ein Subjekt, wenn ein Inhalt widersprüchlich ist, statt eines Ruhefalls nur noch einen Bewegungsfall als wirklich hinzustellen, so vermag es dies auch nur, indem es für ihn so ein Urteil von der »… wird …«-Form bildet. Nicht etwa vermag es dies genausogut auch durch ein Urteil von der Gegen-Form zu dieser »… wird …«-Form, denn die kann es gar nicht geben. Ist doch ein Bewegungsfall der Fall einer Veränderung von etwas, wobei dieses Etwas seine Eigenschaften wechselt, nämlich jeweils eine Eigenschaft bekommt und dafür eine andere Eigenschaft verliert. Für einen und denselben Fall einer Veränderung ist somit dies Bekommen einer Eigenschaft genauso wesentlich wie dies Verlieren einer anderen Eigenschaft. Und dennoch kann ein Subjekt so eine Veränderung nur durch ein Urteil ausdrücken, das ursprünglich so ein Bekommen ausdrückt, und nicht auch genausogut durch eines, das ursprünglich das entsprechende Verlieren ausdrückt, obwohl dieses jeweils mit im Spiel sein muß, wie eben ausgeführt. Der Grund, warum es das nicht kann, ist denn auch aufschlußreich: Was ursprünglich so ein Bekommen ausdrückt, ist genau dies Urteil von der »… wird …«-Form. Denn im Unterschied zu »Dies ist rot«, was soviel heißt wie »Dies hat Röte«, heißt »Dies wird rot« ja »Dies bekommt Röte«. Und so ist ein Urteil wie 213 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Nachwort zum Kontinuum der objektiven Zeit

»Dies wird rot« eben eines, das so ein Bekommen ursprünglich zum Ausdruck bringt. Ist doch »Dies bekommt Röte« auch erst die Thematisierung zu »Dies wird rot«, so wie »Dies hat Röte« auch erst die Thematisierung zu »Dies ist rot« bildet. Doch die Suche nach der Gegen-Form zu dieser »… wird …«-Form ist und bleibt vergeblich: Deren Gegen-Form, die gleich ursprünglich, wie sie das Bekommen einer Eigenschaft zum Ausdruck bringt, auch das Verlieren einer Eigenschaft zum Ausdruck brächte, gibt es nicht und kann es wohl auch gar nicht geben. Und der Grund dafür gibt eben Aufschluß darüber, warum, was hier entscheidend ist. Verlieren nämlich kann man nur das, was man hat, jedoch bekommen kann man nur das, was man nicht hat. Dieses hat, das zum verlieren also mit hinzu gehört, bedeutet aber jenes ist, nur als thematisiertes, und das kann für Inhalt, wenn er widersprüchlich wird, nun einmal nicht in Frage kommen. Was hier als das Einzige in Frage kommen kann, ist somit das bekommen, zu dem dieses hat im Sinn von ist gerade nicht hinzu gehören kann. Und das kommt eben ursprünglich zum Ausdruck durch das wird, zu dem es deshalb nicht auch noch den Gegen-Ausdruck geben kann. Was durch das wird zum Ausdruck kommt, ist somit ursprünglicher, reiner Sinn von Zukunft, die von Gegenwart und von Vergangenheit dann unterschieden sein muß. Dessen Gegen-Ausdruck aber, der für das entsprechende verlieren stände, wenn es ihn denn gäbe, könnte nur den Sinn entsprechender Vergangenheit zum Ausdruck bringen. Könnte man doch innerhalb desselben Falls einer Veränderung auch bloß in die Vergangenheit hinein verlieren, was man dazu haben müßte. Nur daß wegen seiner Widersprüchlichkeit allein schon dieses haben gar nicht möglich wäre und so auch erst recht dieses verlieren nicht, das deshalb auch zu keinem (Gegen-)Ausdruck kommen kann. Vom Sinn des haben ist der Sinn des wird jedoch gerade frei. Und damit ist er eben reiner, ursprünglicher Sinn von Zukunft, zu dem dann genauso rein und ursprünglich auch jeweils noch ein Sinn von Gegenwart und von Vergangenheit gebildet sein 214 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Nachwort zum Kontinuum der objektiven Zeit

muß. Denn so wird ineinem die gesamte Dreifachgliederung erstellt von stetig-neuem Punkt der subjektiven Zeit zu dem der objektiven Zeit als die Objektivierung von ihr. Und wie ursprünglich sie auch tatsächlich ein Objektivieren ist, erweist sich eben daran: Diesen Unterschied zwischen Bewegungsfall und Ruhefall, den sie dadurch erstellt, kann es auch erst und nur in Form von Zeit als objektiver geben, nicht etwa auch schon in Form von Zeit als bloßer subjektiver. 92 Denn der Vollsinn dieses wird ist dann durchaus nicht einfach nur der Sinn von Richtung, weil den jener stetig-neue Punkt der bloßen subjektiven Zeit bereits besitzt. Der Vollsinn dieses wird ist dann vielmehr der Sinn von Richtung in die Zukunft, den erst dieser stetig-neue Punkt der auch noch objektiven Zeit besitzt, zu der die subjektive Zeit auch noch objektiviert wird. Innerhalb von stetig-neuem Punkt jedoch muß dieser Sinn von Richtung in die Zukunft sich, sobald erstellt, sofort auch unterscheiden von dem Sinn der Gegenwart und der Vergangenheit: Auch wenn der Sinn von Richtung in diese Vergangenheit, den jene nichtvorhandene Gegen-Form zur »… wird …«-Form für jenes verlieren haben müßte, hier nicht mit zum Ausdruck kommen kann. Doch sehr wohl mit zum Ausdruck kommen muß dabei der Sinn der Gegenwart dazwischen, von dem sich als erstem dieser Sinn der Richtung in die Zukunft unterscheiden muß. Und mit zum Ausdruck kommt er denn auch mindest soweit, daß er analytisch sich aus einem »… wird …«-Urteil ermitteln läßt, weil er synthetisch in ihm steckt. Denn in der Tat heißt »Dies wird rot« soviel wie »Dies wird jetzt rot«. Nur bedeutet dies dann eben auch, daß es das, was es wird, als Eigenschaft erst haben wird, und nicht schon hat. Das heißt daher, daß es die Eigenschaft erst in der Zukunft haben wird, sie also nicht schon in der Gegenwart hat. Doch synthetisch steckt der Sinn der

Kann es hier im Subjekt doch auch noch gar kein Verhältnis zwischen einem Ding und seinen Eigenschaften geben, worauf Ruhe- wie Bewegungsfall bereits beruht.

92

215 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

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Gegenwart in ihm auch nur von diesem ursprünglichen Sinn der Zukunft her, mit dem zusammen die gesamte Dreifachgliederung in Zukunft, Gegenwart, Vergangenheit sich bilden muß: Um nämlich innerhalb von so erstellter objektiver Zeit einen ursprünglichen Bewegungsfall von einem ursprünglichen Ruhefall zu unterscheiden. Möglich aber ist das nur, weil dieser ursprüngliche Sinn von Zukunft grundsätzlich in jedem solchen Fall synthetisch schon enthalten sein muß: auch bereits im Ruhefall, wie er zum Ausdruck kommt in einem Urteil wie »Dies ist rot«. Denn in jedem Fall geht so ein Urteil wie »Dies ist rot« und »Dies wird rot« auch bloß dahin, einen Ruhefall oder Bewegungsfall als wirklich hinzustellen, als etwas also, das zu etwas Wirklichem erst immer werden kann: erst immer als Erfolg für es als Intention eines Erfolges. Eben dieser grundsätzliche Sinn von Werden in die Zukunft ist es deshalb, der bei Inhalt, wenn er widersprüchlich wird, auch inhaltlich zum Ausdruck kommen muß, der inhaltlich dagegen unausdrücklich bleiben kann bei Inhalt, wenn er widerspruchsfrei wird. Nur dieser Sinn von Werden in die Zukunft, der synthetisch also auch in Urteilen wie »Dies ist rot« schon unausdrücklich drinsteckt, ist daher der Grund dafür, daß sie synthetisch auch den Sinn von Gegenwart bereits enthalten, der sich auch nur deshalb analytisch aus ihnen gewinnen läßt. Denn insgesamt bedeutet »Werden in die Zukunft« dann ineinem auch noch »Werden in der Gegenwart«, weil es dann Werden in die zukünftige Zeit genauso ist wie in der gegenwärtigen, von denen solche Zeit sich dann auch als vergangene noch unterscheidet. Eine solche Art der inneren Gliederung jedoch kann eben auch nur innerhalb von einem stetig-neuen Punkt erfolgen und begreiflich sein als eine zusätzliche Gliederung von ihm. Zur Unterscheidung zwischen Ruhe- und Bewegungsfall ist objektive Zeit durch zusätzliche Gliederung von subjektiver Zeit in Zukunft, Gegenwart, Vergangenheit sonach für jeden solchen Fall gesichert. Und das ist sie eben, ohne daß dazu eine Verfälschung durch Verräumlichung von ihr vonnöten wäre, deren Herleitung dann fehlen müßte. Diese Art der inneren Gliederung von Zeit 216 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

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als objektiver ist daher auch selbst noch durch und durch holistisch: wie schon die der subjektiven. Denn formal sowohl wie inhaltlich ist sie auch in der Tat von innen her aus dem Kontinuum als dem ursprünglichen Unendlichen herausgewonnen und gerade nicht etwa von außen her an es herangetragen. Letzteres gilt vielmehr erst für jenen eindimensionalen Raum. Der nämlich wird zum Zweck ihrer Quantifizierung oder Mathematisierung dann sehr wohl von außen her an sie herangetragen, wodurch sie verfälscht wird. Denn in ihrem vollen Umfang sichtbar wird diese Verfälschung erst, wenn man den Aufwand mitberücksichtigt, der nötig wird, um solchen eindimensionalen Raum an Zeit heranzutragen. Steht nach Herleitung des objektiven dreidimensionalen Raumes eindimensionaler Raum dafür doch auch noch gar nicht zur Verfügung. Denn der eindimensionale Raum, der diesem dreidimensionalen Raum zugrundeliegt, ist ja nur der synthetisch-eindimensionale Raum, der dafür aber nicht in Frage kommen kann. Als solcher nämlich ist er Zeit-Raum, dessen Form sonach in diesem Sinn die Zeit ist, weil er wie sie stetigneue auch nur stetig-neuer ist. Als derjenige eindimensionale Raum jedoch, als der er an die Zeit herangetragen wird, soll umgekehrt ja er von ihr die Form sein und mithin gerade nicht mehr sie von ihm. Als dieser also muß er dazu erst einmal durch rückläufige Analyse aus dem dreidimensionalen Raum zurückgewonnen werden, so daß er auch nur als analytisch-eindimensionaler Raum an Zeit herangetragen werden kann und somit auch nur als reduktionistisch-eindimensionaler Raum. Und so wird dessen Teilbarkeit, die doch die Zeit von sich her gar nicht hat, an sie nicht nur herangetragen, sondern ihr sogar als etwas für sie Wesensfremdes förmlich aufgezwungen. Folglich wird durch ihn als den in diesem vollen Zweifach-Sinn reduktionistisch-eindimensionalen Raum dann mit Gewalt auch aus der nulldimensionalen Zeit eine reduktionistisch-eindimensionale Zeit gemacht. Der also ist es, unter dem sie denn auch in genau dem Sinn verfälscht wird, daß aus dem Holistischen von ihr etwas Reduktionistisches 217 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

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gemacht wird. Und so fragt sich eben insbesondere für (subjektive oder objektive) Zeit noch einmal: Kann die Tiefe des Kontinuums oder Unendlichen in unserem Kosmos durch Reduktionismus mathematischer Physik sich bis auf ihren Grund denn überhaupt erschließen lassen?

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Namen A Al-Khalili, J. 158 Ameriks, K. 10 Aristoteles 12, 14, 16 ff., 20–50, 60, 73, 179, 202 B Baumgarten, H.-U. 10 Beck, M. 103 Bedürftig, Th. 22 Breidert, W. 24, 30 f., 43 C Cantor, G. 12, 19, 26, 103, 108 Claus, H.-J. 24 D Dedekind, R. 19, 24 ff., 74 Descartes, R. 60 Dirichlet, G. L. 28, 103

J Jauernig, A. 10 K Kant, I. 16, 20 f., 50 ff., 60, 66, 78, 120, 125, 184 ff., 187–195, 200 Klein, F. 24 Knerr, R. 23, 25 Kreis, G. 10 Kuba, G. 105 L Laugwitz, D. 23 f., 27 M Maor, E. 81, 83, 96 Müller, Th. 10

F Feyerabend, P. 24 Frege, G. 40 Freiberger, M. 195 Friebe, C. 10, 73, 160, 202, 208–218

P Pietschmann, H. 89 Platon 19 f., 35, 77, 85, 109, 120, 125, 202 Prauss, G. 22, 27, 29, 31 f., 35, 42, 71, 137, 143, 158, 161, 169 f., 184, 189 f., 208 Pythagoras 81

H Heidemann, D. 10 Heuser, H. 23 f., 39, 68

R Riemann, B. 28, 37 Rovelli, C. 170

222 https://doi.org/10.5771/9783495813324 .

Register

Thomas von Aquin 43

S Sommerlatte, C. 189 Sonar, Th. 24 Spalt, D. 28

W Wieland, W. 24 Wittgenstein, L. 122, 128 f. Wolff, Ch. 24

T Thiel, Ch. 24, 30 Sachen A Abstand 98 ff., 104 f. –, A./Differenz 98 ff. –, A./Grenze 25 ff. Affektion, Affizieren 187 ff. –, A.sproblem 188 ff. –, als Selbst-A. 188 ff. aktual/potenziell 16–21, 29, 47 ff., 60, 200 Akzidens/Substanz 120, 202 Allgemeinbegriff 186 Anschauung 189 ff. –, Selbst-A. 189 ff. –, »intellektuelle A.« 190 ff. Allgemeine Relativitätstheorie 90 Animismus 144–153 Ansichsein 191 ff. –, A./Erscheinung 191 ff. –, »erscheinendes A.« 191 ff. Aposteriorität 184–207 Apriorität 184–207 Ausdehnung –, durch Selbstausdehnung eines Punktes 67–72, 91 f., 143 ff., 158–162 –, Ausgedehntes/Punktuelles einer A. 169 ff. Ausdehnung/Punkt –, als gesondert/ungesondert 63– 72, 115 ff., 119 ff., 132 f., 198 ff., 201 ff.

–, Abhängigkeit zwischen A./P. 53 ff., 114 ff. B Bedingungen der Möglichkeit für etwas 178–207 Bekommen/Verlieren (einer Eigenschaft) 213–218 Berührung/Trennung 24 ff., 42 f. Beweger –, Erster Beweger 179 ff. –, Unbewegter Beweger 179 ff. Bewegung –, als äußere/innere 179–187 –, als relative/absolute 179–187 –, B. als Formierung eines Inhalts 179–187 –, Selbst-B. 142–207 –, B./Ruhe 212–218 C Christentum 190 ff. D Ding/Eigenschaft 31–46, 97 ff., 117 ff., 127–130, 190, 202 f., 215 »Dinge, – an sich selbst betrachtet« 188 ff. Diskretes –, als ursprünglich/abgeleitet 44 ff., 118 ff., 131 ff., 200 ff.

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–, Diskretisierung d. Kontinuums 73–92 Dualismus 154, 179 f., 192, 194, 196 E Eigenschaft –, E./Ding 31–46, 97 ff., 117 ff., 127–130, 190, 202 f., 215 –, E./Teil 35 f. Empirie 121–130, 132, 134, 151– 156, 201–207 Empirismus 21, 153 ff., 183–207 Endliches –, E./Unendliches 11 ff., 15 ff., 20 f., 110–130, 132 ff., 141–207 –, als Empirisches 11 ff., 15 ff., 20 f. –, als Endlos-E. 113 ff., 122 ff., 126 f. –, als Einsam-E. 122 ff. Ergebnis/Vorgang 39 ff., 58 ff. Erscheinung 191 ff. –, E./Ansichsein 191 ff. –, »erscheinendes Ansichsein« 191 ff. –, E. für Bewußtsein 193 ff. F Faktisch-Kontingentes 75 ff., 141– 207 Finitist, Finitismus 126 ff. Form –, F./Geformtes 31 ff., 42 f. –, F./Material 31 ff., 42 f. –, F. des ursprünglichen Unendlichen 130–207 –, F. als Formierung 165–207 G Ganzes/Summe 71 ff. Gefühle 172 ff.

Geschöpf 190 ff. –, G./Schöpfer 190 ff. Glied/Teil 71 ff. Grenze –, G./Teil 14 f., 17 f., 23 ff., 31 ff. –, G./Begrenztes 31 ff., 74 ff., 80 ff., 133 –, als potenziell/aktual 16 ff. –, G./Abstand 25 ff. Grenzwert 84 f. H »... hat ...«/»... ist ...« 212–218 Holismus 15–21, 71–73, 89–92, 198 ff., 206 f., 217 f. Hologramm 170 ff. IJ Individualbegriff 186 Infinitesimalkalkül 86 Infinitist, Infinitismus 126 ff. Information 170 ff. –, »Teilen«/»Mitteilen« einer I. 184 ff. Inhalt –, I. des Kontinuums 73–92 –, als qualitativ/quantitativ 73–92 –, als empirischer 178 –, I. des ursprünglichen Unendlichen 163–207 –, als Faktisch-Kontingentes 163– 207 –, Minimum/Maximum von I. 177 ff. –, Formierung von I. 165–207 –, »Hinüberwandern« von I. 184 –, als widersprüchlicher 211–218 »Intellektuelle Anschauung« 190 ff. Intervall 102 f. –, als offenes/geschlossenes 28 ff., 66 ff., 98

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»... ist ...«/»... hat ...« 212–218 »... ist ...«/»... wird ...« 212–218 K Kippfiguren 35 f., 121, 127, 203 ff. Kontinuum –, als Ausdehnung/Punktmenge 12 ff., 22–46, 73–92, 95–109 –, als Einheit/Vielheit 11 ff. –, als Ganzheit 11 ff., 15–21, 45– 72, 74–92, 120 ff., 141–207 –, als Dynamik 19 ff., 46–72, 74– 92, 120 ff., 141–207 –, als Subjekt 19 ff., 66 ff., 134– 207 –, als analytisches/synthetisches K. 110–207 –, als teilbar/unteilbar 23 ff., 208– 218 –, als Selbstverhältnis 26, 45, 47 ff., 66–72, 134 –, Analyse des K.s 22–46, 52 ff., 74 ff. –, Synthese des K.s 46–72 –, Inhalt des K.s 74 ff., 92 ff., 163– 207 –, Diskretisierung des K.s 73–92 Kosmos 72 f., 89–92, 156, 160–207 Kosmologie 90, 156, 160, 178 ff., 200 ff., 206 f. L Leib/Seele-Problematik 182 ff. Linie (Gerade) 31, 53–72, 200–207 M Mathematik 12 ff., 179, 206 f. –, als Mengentheorie 12 ff., 18 ff., 24 ff., 27–37, 66 ff., 93, 110–130, 206 f. –, M./Philosophie 11 ff., 21, 27, 73–92, 105, 125 ff.

–, als Arithmetik 28 ff., 73–92, 125 f. –, als Geometrie 28 ff., 73–92, 125 f. –, als Topologie 30, 160 –, M/Physik 90 Mentales 182 ff. –, M./Somatisches 182 ff. –, Entstehen von M. aus Somatischem 182 ff. Metaphysik(er) 183, 203 ff. N Naiver Realismus 153 Natur 21, 153 ff., 156, 195–207 –, N./Nichtnatur 154 ff., 195 ff. Naturalismus 21, 153 ff., 156, 183– 207 Naturwissenschaft 21, 151, 154 ff., 178 ff., 202 O Objekt 147–155 –, Subjektabhängigkeit des O.s 153 ff. Organismus 157 ff. P Philosophie 125 ff., 155 f., 196– 207 –, Ph./Mathematik 11 ff., 21, 27, 73–92, 105, 125 ff. –, als Ontologie 31 ff., 35–46, 125, 202–206 –, als Bewußtseinstheorie 206 –, als Kosmologie 90, 156, 160, 178 ff., 200 ff., 206 f. –, Ph./Physik 20 f., 91 f. –, als Nichtempirie 11 ff., 121 ff., 126–130, 155, 196–207 –, Ph./Theologie 19 ff., 120–124, 129 f., 200–207

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Physik 20 f. –, Ph./Mathematik 90 –, Ph./Philosophie 20 f., 91 f. Platonismus 19 f., 77–92, 109, 120, 125 potenziell/aktual 16–21, 29, 47 ff., 60, 200 prädiziert –, p./thematisiert 31–37, 97, 127, 146 ff., 201 ff. Punkt –, als Schnittpunkt 11–46, 52–72, 210 –, als sich ausdehnender P. 67–72, 91 f., 143 ff., 158–162, 195 ff. –, als Null-P. 78–92 –, als Grenze von sich/von anderem als sich 28 ff., 66 ff., 98 –, Symmetrie des P.s 140, 171 –, als Jetzt-P. 210–218 Punkt/Ausdehnung –, als gesondert/ungesondert 63– 72, 115 ff., 119 ff., 132 f., 198 ff. –, Abhängigkeit zwischen P./A. 53 ff., 114 ff. Pythagoräischer Lehrsatz 81–85, 95 ff., 100 Q Quantentheorie 90, 155 R Raum –, als teilbar/unteilbar 208 f., 217 –, als analytisch/synthetisch 169– 174, 217 f. –. Dimensionen des R.s 169–174 –, als subjektiv/objektiv 169–174, 208–218 Reduktionismus 11–21, 50, 71–73, 75 ff., 89–92, 197 ff., 206 f., 217 f. Rezeptivität, rezeptiv 183–207

Ruhe –, R./Bewegung 212–218 S Selbstausdehnung (eines Punktes) 67–72, 91 f., 142–153, 158–162, 189 ff., 195 ff. –, Einzelschritte der S. 156 ff., 166 ff. –, Gattung/Arten von S. 185 ff. Selbstkritik 22 ff., 31 ff., 137 ff. Somatisches 182 ff. –, S./Mentales 182 ff. Sondern 16, 64, 121, 198 ff. –, gesondert/ungesondert 63–72, 115 ff., 119 ff., 132 f., 198 ff. Subjekt –, als Agieren 19 ff., 60 ff., 134– 207 –, als abgeleitetes Unendliches 134–207 –, als geschöpfliches Unendliches 191 ff. –, als Intention 143–152, 216 –, als Nichtnaturales 154 –, S.-Abhängigkeit des Objekts 153 ff. –, als Spiegelbild des Kosmos 160 –, als Unendliches im Endlichen 183–207 –, als Stetig-Neues 211–218 Substanz/Akzidens 120, 202 Summe/Ganzes 71 ff. Synthese, Synthesis 46–72 –, als Zusammensetzung 50 f. Sch Schneiden 57 f., 73 ff., 196 ff. –, S./Teilen 14 ff., 23 ff., 39 ff. Schöpfer 190 ff. –, Sch./Geschöpf 190 ff.

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St Stempel 125 –, Abdrücke eines St.s 125 Strahl 31, 53 ff., 69 Strecke 31, 53 ff., 69 T Teil –, T./Grenze 14 f., 17 f., 23 ff., 31 ff. –, als potenziell/aktual 16 ff. –, T./Glied 71 ff. –, T./Eigenschaft 35 f. Teilen 27 ff., 30 ff., 38–46, 73 ff., 196 ff. –, T./Schneiden 14 ff., 23 ff., 39 ff. –, T./Trennen 15 f., 24 ff., 27 f., 34, 39 –, »Teilen« einer Information 184 ff. –, »Mitteilen« einer Information 184 ff. thematisiert 145 ff., 148 ff., 201 ff. –, th./prädiziert 31–37, 97, 127, 146, 201 ff. –, th./nichtthematisiert 31–37, 145 ff. Theologie 20 f., 120–124, 129 f., 141 ff., 200, 206 f. –, Th. der Gegenwart 20 –, Th. der Zukunft 21, 207 –, Th./Philosophie 20 f., 120–124, 129 f., 200–207 Theorie für Alles 91 Trennen –, T./Teilen 15 f., 24 ff., 27 f., 34, 39 Trennung/Berührung 24 ff., 42 f. Trialismus 131, 196 ff., 199 »Tropen« 202 –, Ontologie der »T.« 202

U Unendliches –, abzählbar/überabzählbar 13, 96, 108, 125 –, potenziell/aktual 18–21 –, als analytisch/synthetisch 73– 92, 115 ff., 131 ff., 198–207 –, Symmetrie/Asymmetrie des U.n 137 ff., 171–176 –, als unterschiedlich groß 19, 108 –, Agieren/Reagieren des U.n 164 f., 174 ff., 186 ff., 194 ff. –, U./Endliches 11 ff., 15 ff., 20 f., 110–130, 132 ff., 141–207 –, als Nichtempirisches 11 ff., 15 ff., 20 f. –, U.-Kleines/Großes 106 ff. –, Autonomie/Heteronomie des U.n 164 f., 186 ff., 194 ff., –, ursprüngliches/abgeleitetes U. 110–207 –, Minimum/Maximum des U.n 176 ff. –, als Endlos-Endliches 113 ff. –, als Punkt und Ausdehnung 115–130, 133, 136 –, omnipraesentia/omniabsentia des U.n 120–124, 129 f. –, als Selbstbewegung einer Selbstverwirklichung 142–207 Urwesen 190 ff. V Veränderung 213 ff. Verlieren/Bekommen (einer Eigenschaft) 213–218 Vorgang/Ergebnis 39 ff., 58 ff. W Wahrheit 182 –, W. als Korrespondenz 182 Welle/Teilchen-Dualismus 89

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Welt 135, 147–155, 161, 165 ff., 190 ff. –, als Außen-/Innenwelt 135, 147–155, 161, 165 ff., 190 ff. Weltformel 91 Widerspruchsprinzip 198 f. »... pffiffi wird ...«/»... ist ...« 212–218 2 81–85, 95 ff., 100 XYZ Zahlen 77–92 –, reelle Z. 13, 108 –, Z.-Arten 79, 86 f. –, irrationale Z. 82–92 –, als kommensurabel/inkommensurabel 83 –, komplexe Z. 79, 86 f. –, quantitativer Inhalt der Z. 73 ff., 92 ff., 100 ff. –, Platonismus der Z. 19 f., 77–92 –, als Punkte 78–92, 110 ff.

–, Form/Inhalt der Z. 92 ff. –, als endlich/unendlich 102 ff., 105 ff. –, Zahl Null 106 Zeit –, als subjektive/objektive 73 ff., 180, 208–218 –, als teilbar/unteilbar 208 f., 217 f. –, als Nacheinander 208 –, Verräumlichung der Z. 209 ff., 216 ff. –, als Zukunft, Gegenwart, Vergangenheit 210–218 Zelle(n) 157 ff. –, Zellteilung 158 –, Zellverdopplung 158 –, Selbstverdopplung von Z. 158 Zweiweltentheorie 19 f., 152, 154, 192 ff., 195 ff.

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Zum Kontinuum von Zeit und Raum

Gerold Prauss Die Einheit von Subjekt und Objekt Kants Probleme mit den Sachen selbst 640 Seiten | Gebunden ISBN 978-3-495-48773-0 Kann »Spaltung« oder »Abgrund« zwischen Subjekt und Objekt das letzte Wort sein? Nicht, wenn beides doch von dieser, einen Welt ist. Und auch nicht, wenn jene Sachen selbst, mit denen Kant gerungen hatte, wie mit Zeit und Raum oder Bewusstsein, immer undurchschaubarer werden, auch für Mathematiker und Physiker. Anhand von Kants Überlegungen zur Logik und Ontologie von Zeit und Raum, zum Zeit- und Raum-Bewusstsein sowie zum Endlichen als Glied im Ganzen des Unendlichen geht Gerold Prauss diesen rätselhaften Sachen selbst mit Kant noch einmal auf den Grund.

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