Das Imperium in Wort und Bild: Römische Darstellungsformen beherrschter Gebiete in Inschriftenmonumenten, Münzprägungen und Literatur 9783515115544

Der Anblick von Personifikationen im Palazzo dei Conservatori in Rom oder im westanatolischen Aphrodisias wirft viele Fr

196 29 9MB

German Pages 374 [378] Year 2016

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Das Imperium in Wort und Bild: Römische Darstellungsformen beherrschter Gebiete in Inschriftenmonumenten, Münzprägungen und Literatur
 9783515115544

Table of contents :
VORWORT
INHALTSVERZEICHNIS
1. EINLEITUNG
1.1 FRAGESTELLUNG
1.2 QUELLENLAGE
1.3 FORSCHUNGSSTAND
1.4 PLAN, AUFBAU UND METHODE
2. QUELLEN RÖMISCHER REICHSDARSTELLUNGEN: DARSTELLUNGSLOGIK
2.1 REICHSDARSTELLUNGEN DER REPUBLIK IM ZEICHEN VON VICTORIA
2.2 REICHSDARSTELLUNGEN DER KAISERZEIT IM ZEICHEN VON UNTERWERFUNG UND INKLUSION
2.3 REICHSDARSTELLUNGEN UNTER DER IULISCH-CLAUDISCHEN DYNASTIE
2.4 BEZEUGUNGEN EXPLIZITER „PROVINZPERSONIFIKATIONEN“
2.5 EXPLIZITE PERSONIFIKATIONEN VON PROVINCIAE IN DER REICHS- UND PROVINZIALPRÄGUNG DES 2. UND 3. JH. N. CHR.
2.6 MARCUS AURELIUS, LUCIUS VERUS UND COMMODUS
2.7 „VICTORIA BRITANNICA“ UNTER DEN SEVERERN
2.8 SIEGERBEINAMEN RÖMISCHER FELDHERREN UND KAISER ALS ERINNERUNGSORTE
2.9 IN IUS PROVINCIAE REDACTA: IURISTISCH-ADMINISTRATIVE DARSTELLUNG TERRITORIALER ZUGEWINNE IN FORM VON ORTSVERZEICHNISSEN
3. GENESE UND ENTWICKLUNG VON PROVINZPERSONIFIKATIONEN
3.1 DIE ENTSTEHUNG VON PROVINZDARSTELLUNGEN AUF MÜNZEN IM 1. JH. V. CHR.
3.2 SYMBOLE, PERSONENDARSTELLUNGEN UND PERSONIFIKATIONEN
3.3 ITALIA ALS „PROVINZ" PERSONIFIKATION?
3.4 VON DEN PROVINCIAE ZUR EINEN PROVINCIA
3.5 RÜCKKEHR ZUR ALTEN KRIEGERPERSPEKTIVE UND VERSCHWINDEN DER PROVINZPERSONIFIKATIONEN
3.6 DIE PROVINZIALEN BILDEN SICH SELBER AB: PROVINZPERSONIFIKATIONEN IN PRÄGUNGEN AUS OSTKILIKIEN UND SYRIEN
3.7 REGNA ADSIGNATA
3.8 DIE AMICITIA MIT ROM AUS SICHT DER PARTHER UND IHRER VERBÜNDETEN ANHAND VON MÜNZPRÄGUNGEN
3.9 DIE RÖMER ALS UNTERWORFENE IN DEN SASANIDISCHEN FELSRELIEFS VON NAQSH-E-RUSTEM, BISHAPUR UND DARAB
SCHLUSSBEFUND
ABBILDUNGSNACHWEIS
LITERATURVERZEICHNIS
SACHINDEX

Citation preview

Marco Vitale

Das Imperium in Wort und Bild Römische Darstellungsformen beherrschter Gebiete in Inschriftenmonumenten, Münzprägungen und Literatur

Alte Geschichte Franz Steiner Verlag

Historia – Einzelschriften 246

Marco Vitale Das Imperium in Wort und Bild

historia

Zeitschrift für Alte Geschichte | Revue d’histoire ancienne |

Journal of Ancient History | Rivista di storia antica

einzelschriften

Herausgegeben von Kai Brodersen, Erfurt |

Mortimer Chambers, Los Angeles | Mischa Meier, Tübingen | Bernhard Linke, Bochum | Walter Scheidel, Stanford Band 246

Marco Vitale

Das Imperium in Wort und Bild Römische Darstellungsformen beherrschter Gebiete in Inschriftenmonumenten, Münzprägungen und Literatur

Franz Steiner Verlag

Umschlagabbildung: Personifikationen mit Basisinschriften aus dem Sebasteion von Aphrodisias (SW-Türkei); Foto: Marco Vitale, September 2013.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2017 Druck: Hubert & Co., Göttingen Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany. ISBN 978-3-515-11554-4 (Print) ISBN 978-3-515-11555-1 (E-Book)

Dedico questo libro a chi amo soprattutto: Daphne, Giuditta, Mamma, Nonna, Papà e Roberto

VORWORT Die vorliegende Monographie stellt eine geringfügig überarbeitete Fassung meiner Habilitationsschrift dar, die mir im Frühjahr 2016 zur venia legendi an der Philosophischen Fakultät der Universität Zürich im Fachbereich Alte Geschichte verholfen hat. An erster Stelle danke ich den Zürcher Kommissionsmitgliedern, A. Kolb, B. Näf, C. Reusser und C. Riedweg, für die stetige Motivation sowie kritische und bereichernde Diskussion der fortschreitenden Untersuchung. Den größten Dank zolle ich von tiefstem Herzen – nicht nur in wissenschaftlicher, sondern auch in menschlicher Hinsicht – meinem akademischen Meister Christian Marek, dessen väterlichen Geleits sich das Buch in all seinen Phasen erfreuen durfte. Ganz besonders dankbar bin ich H. Brandt und A. Lichtenberger sowie den anonymen Gutachtern von Historia für die minutiöse Durchsicht des Manuskripts und wichtigen Optimierungs- und Ergänzungsvorschläge. Für die Aufnahme des Buches in die Reihe Historia sowie die vielen wertvollen Ratschläge bin ich K. Brodersen sehr verbunden. Das Habilitationsprojekt und die daran geknüpften Forschungsreisen wurden dankenswerterweise von der Nachwuchsförderungskommission der Universität Zürich und der Stiefel-Zangger-Stiftung, der Gerda Henkel Stiftung sowie dem Schweizerischen Nationalfonds großzügig gefördert. Hauptforschungsort war die Oxforder Faculty of Classics, wo C. Howgego und R. R. R. Smith den Fortgang des Projektes gewinnbringend begleitet haben. Ihnen gilt größter Dank. Bei der Beschaffung zahlreicher Münzfotografien vom Ashmolean Museum sowie der Materialaufnahme in Rom und Ostia haben mich jeweils V. Heuchert (Heberden Coin Room) und M. Wappner (Direzione dei Musei Capitolini) energisch unterstützt. Freunden und Kollegen bin ich zu tiefem Dank verpflichtet für ihre Inspiration und Hilfestellungen verschiedenster Art. Darin eingeschlossen sind nicht zuletzt R. Ashton, J. Bartels, D. Bonanno, H. Bru, L. Calvo Salgado, A. Chaniotis, T. Corsten, S. Egli, A. Filippini, M. Gander, N. Hächler, B. Hartmann, B. Holler, J. Koller, U. Kunnert, H. Leppin, V. Metz, M. Preda, C. Raschle, M. L. Sarcinella, E. Schwertheim, M. A. Speidel, K. Waldner, U. Werz, J. Wiesehöfer, A. Willi, B. Zäch. Auch bei der Drucklegung durfte ich tatkräftige Unterstützung erfahren. Dafür danke ich dem Team des Franz Steiner Verlags, insbesondere S. Schäfer. Das Buch, meine ganze Arbeit sind den mir liebsten Menschen gewidmet. Como, August 2016

Marco Vitale

INHALTSVERZEICHNIS 1. 1.1 1.2 1.2.1 1.3 1.3.1 1.3.1.1

Einleitung ................................................................................................. 13 Fragestellung ............................................................................................ 13 Quellenlage .............................................................................................. 15 Probleme unserer Quellen ........................................................................ 19 Forschungsstand ....................................................................................... 22 Ausgangslage ........................................................................................... 22 Methodischer Exkurs: Weibliche Personifikationen und Geschlechterforschung ............................................................................. 32 1.3.1.2 Beispiele männlicher Personifizierungen von Provinzen......................... 34 1.3.2 Reflexion der bisherigen Forschungsansätze und modernen Begriffsbildung am Quellenmaterial ........................................................ 37 1.4 Plan, Aufbau und Methode ...................................................................... 42 1.4.1 Plan .......................................................................................................... 42 1.4.2 Aufbau...................................................................................................... 43 1.4.3 Methode ................................................................................................... 44 2. 2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.1.4 2.2

Quellen römischer Reichsdarstellungen: Darstellungslogik .................... 49 Reichsdarstellungen der Republik im Zeichen von Victoria ................... 49 Scipio Asiagenes ...................................................................................... 50 Pompeius Magnus .................................................................................... 50 Tropaeum Pompei in Pyrenaeo ................................................................ 53 Numismatische Überlieferung: Siegesmünzen ........................................ 56 Reichsdarstellungen der Kaiserzeit im Zeichen von Unterwerfung und Inklusion ............................................................. 60 2.2.1 Gentes/nationes vs. provinciae als unterschiedliche Darstellungslogiken 60 2.3 Reichsdarstellungen unter der iulisch-claudischen Dynastie ................... 62 2.3.1 Res Gestae Divi Augusti und breviarium totius imperii .......................... 62 2.3.2 Porticus ad nationes ................................................................................. 71 2.3.3 Triumphparade des Cornelius Balbus ...................................................... 73 2.3.4 Das Tropaeum Augusti bzw. Alpium und das sog. Schwert des Tiberius 73 2.3.5 Der Leichenzug des Augustus und das Forum Augusti ........................... 76 2.3.6 Drei Personifikationen auf einem Becher aus Puteoli (iulisch-claudische Zeit) und Münzprägungen unter Iulius Caesar Germanicus ........................................................................ 85 2.3.7 Iulisch-claudische Reichsdarstellungen aus dem provinzialen Kontext .. 87 2.3.7.1 Theater von Herodes dem Großen in Jerusalem: Die Tropaia der von Augustus besiegten ethne ........................................ 88 2.3.7.2 Die ethne im Sebasteion von Aphrodisias ............................................... 89 2.4 Bezeugungen expliziter „Provinzpersonifikationen“ ............................... 97

10 2.4.1 2.4.2 2.5 2.5.1 2.5.2 2.5.3 2.5.4 2.6 2.6.1 2.6.2 2.6.3 2.6.4 2.7 2.8 2.9 2.9.1 2.9.2 2.9.3 2.9.4 2.9.5 2.9.6 2.9.7 3. 3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.2.1 3.1.2.2 3.1.2.3 3.1.2.4 3.1.3 3.1.4 3.1.5 3.1.5.1 3.1.5.2 3.2 3.2.1

Inhaltsverzeichnis

TRES GALLIAE / CONCORDIA PROVINCIARVM – DACIA AVGVSTA PROVINCIA – P(rovincia) M(oesia) S(uperior) ....... 97

Provinzpersonifikationen unter den Flaviern ........................................... 99 Explizite Personifikationen von provinciae in der Reichs- und Provinzialprägung des 2. und 3. Jh. n. Chr. ....................... 101 Die „Provinzserien“ unter Traian, Hadrian und Antoninus Pius............ 101 Traian ..................................................................................................... 104 Hadrian ................................................................................................... 112 Antoninus Pius ....................................................................................... 118 Marcus Aurelius, Lucius Verus und Commodus .................................... 124 Partherfeldzug ........................................................................................ 124 Germanen- und Sarmatenkriege............................................................. 127 Unruhen in Britannien............................................................................ 132 Die ethne im Leichenzug von Pertinax .................................................. 133 „Victoria Britannica“ unter den Severern .............................................. 135 Siegerbeinamen römischer Feldherren und Kaiser als Erinnerungsorte 140 In ius provinciae redacta: Iuristisch-administrative Darstellung territorialer Zugewinne in Form von Ortsverzeichnissen ...................... 148 Problemstellung: Umwandlung in Provinzterritorium........................... 149 Philologischer Befund zu ΝΟΜΟΣ ....................................................... 151 ΝΟΜΟΣ aufgrund seiner Kontexte ....................................................... 155 ΝΟΜΟΣ als Übertragung römischer juristischer Wendungen .............. 159 Formula provinciae: Unterteilung der Provinzialen in Rechtskategorien durch Ortsverzeichnisse ........................................ 166 Darstellungslogik von formae/formulae provinciae vs. Kartenskizze und Verzeichnisse von Gerichtsbezirken ......................... 171 Indizien für die Verwendung von form(ul)ae provinciae in der epigraphischen und literarischen Überlieferung .......................... 176 Genese und Entwicklung von Provinzpersonifikationen ....................... 183 Die Entstehung von Provinzdarstellungen auf Münzen im 1. Jh. v. Chr. 183 Symbole und Personifikationen für Sicilia, Creta und Libya, Aegypto capta und Asia recepta............................................................. 183 Sicilia ..................................................................................................... 183 Personifikationen Sicilias ohne Triskeles............................................... 183 Triskeles als sizilisches Bildsymbol....................................................... 185 Anthropomorphisierungen der Triskeles................................................ 191 Personifikationen Sicilias mit Triskeles ................................................. 195 Creta et Cyrene ...................................................................................... 199 Aegyptus ................................................................................................ 200 Asia ........................................................................................................ 205 Bildsymbole Asias ................................................................................. 205 Personifikationen Asias .......................................................................... 212 Symbole, Personendarstellungen und Personifikationen ....................... 215 Von Objekt- und Tiersymbolen zu Personendarstellungen .................... 215

Inhaltsverzeichnis

11

3.2.2 3.2.3 3.2.4

Wann Personifikation – wann Kriegsgefangene/r? ................................ 218 Caesars Gallien-Prägungen .................................................................... 221 Iudaea recepta – Iudaea – Iudaea capta – Iudaea devicta: Von der Darstellung des Kriegsgefangenenpaars zur Personifikation ... 225 3.2.5 Devicta: republikanische Formel der Unterwerfung in spätrömischer Zeit .................................................................................. 229 3.3 ITALIA als „Provinz“personifikation? ................................................... 231 3.4 Von den provinciae zur einen provincia................................................. 245 3.4.1 Origo Augusti: Das Personifizieren der Heimatprovinz von Kaisern im 3. Jh. n. Chr. ...................................................................................... 245 3.4.2 Die Severer............................................................................................. 248 3.4.3 Soldatenkaiser ........................................................................................ 252 3.5 Rückkehr zur alten Kriegerperspektive und Verschwinden der Provinzpersonifikationen ................................................................. 257 3.5.1 Gentes Barbarae und ihre Unterwerfung in spätrömischen Quellen..... 257 3.5.2 Erniedrigung des Gegners ...................................................................... 263 3.5.2.1 ‚Calcatio Colli‘....................................................................................... 263 3.5.2.2 ‚Calcatio Serpentis‘ ................................................................................ 266 3.6 Die Provinzialen bilden sich selber ab: Provinzpersonifikationen in Prägungen aus Ostkilikien und Syrien ............................................... 275 3.7 Regna adsignata..................................................................................... 281 3.7.1 Forschungslage zur Darstellung von Klientelherrschaften .................... 281 3.7.2 Darstellungen besiegter Klientelkönige in der Republik (Perseus von Makedonien, Jugurtha von Numidien, König Bocchus I. von Mauretanien) ...................................................... 286 3.7.3 ‚Eroberung‘ eines Königtums ................................................................ 289 3.7.3.1 Darstellungsformen der Klientelkönigtümer Armenia und Parthia von der Republik bis ins 1. Jh. n. Chr. ................................................... 289 3.7.4 Verleihung bzw. Bestätigung eines Königtums...................................... 299 3.7.5 Die Einsetzung zum Klienteldynasten aus der Sicht der Belehnten in Selbstbildnissen ................................................................................. 306 3.8 Die amicitia mit Rom aus Sicht der Parther und ihrer Verbündeten anhand von Münzprägungen .................................................................. 313 3.9 Die Römer als Unterworfene in den sasanidischen Felsreliefs von Naqsh-e-Rustem, Bishapur und Darab............................................ 316 Schlussbefund ..................................................................................................... 324 Abbildungsnachweis ........................................................................................... 335 Literaturverzeichnis ............................................................................................ 343 Sachindex ............................................................................................................ 371

1. EINLEITUNG 1.1 FRAGESTELLUNG Literarische Beschreibungen und epigraphische Vermerke römischer Triumphzüge oder der Anblick der Reliefdarstellungen im Cortile del Palazzo dei Conservatori in Rom werfen bei Historikern viele Fragen auf in Bezug auf die Selbstdarstellung imperialer Herrschaft. Territoriale Zuerwerbe wie etwa neue römische Provinzen wurden in Siegesdenkmälern gegenständlich festgehalten. Hie und da lassen sich teilweise mit Inschriften versehene Reliefdarstellungen finden, die entweder den Unterwerfungsmoment als Bildszene wiedergeben oder das unterworfene Gemeinwesen repräsentieren. Hauptsächlich zum Zelebrieren militärischer Siege geprägte Münzen bieten nahezu unmittelbare Momentaufnahmen der formellen Unterwerfung. Erinnerungsmedien wie etwa Reliefs, Münzbilder oder literarische Berichte zeigen die Unterworfenen in verschiedenen Darstellungsformen: in symbolischer Form, wie etwa als Objekt (z. B. die carnyx für die keltischen Gallier) oder als Tier (z. B. Krokodil und Hippopotamos für den Nil bzw. Ägypten), in metaphorischer Form als literarisch-mythologische Namen (z. B. Leleges für Thessaler) oder – seit der ausgehenden Republik am häufigsten – als Personendarstellungen. Als Personendarstellungen sind zum größten Teil sog. ‚Personifikationen‘ oder Darstellungen von Kriegsgefangenen bezeugt, die allesamt ebenfalls als pars pro toto für das jeweils besiegte bzw. beherrschte Gemeinwesen stehen. Unter ‚Personifikationen‘ können wir für antike Darstellungen allgemein „an abstract or non-human concept in the form of a human body“1 bzw. „die Darstellung eines unbelebten Gegenstands oder abstrakten Begriffes in Form einer belebten Figur, zumeist einer menschlichen Gestalt“2 verstehen. In den von uns behandelten Kontexten ist Messerschmidts breiter gefasste Definition von ‚Personifikation‘ nützlich, nämlich als „Methode, abstrakte Begriffe, politische Institutionen und Körperschaften, Völker, Länder und Städte durch die Verkörperung einer Person in der Bildkunst darzustellen“.3 Insbesondere Personifikationen als Darstellungsformen ethnisch-geographischer Entitäten sind nach der gängigen Forschungsmeinung bereits seit dem 5. Jh. v. Chr. in der klassisch-hellenistischen Kunst vorhanden und von den Römern übernommen worden.4 Als die Römer ihren Machtbereich in den griechischen Osten expandierten, fanden sie dort vom östlichen Mittelmeer bis zum Mittleren Osten größtenteils die Nachfolgestaaten des Alexanderreiches vor, d. h. die Königreiche der Antigoniden, Attaliden, Ptolemäer und Seleukiden. Zumindest anhand der literarisch überlieferten Triumphprozessionen ptolemäischer und seleukidischer 1 2 3 4

Hughes 2009, 1. Borg 2002, 49. Messerschmidt 2003, 1. Für Personifikationen anderer Entitäten vgl. v.a. den Sammelband von Stafford/Herrin 2005. Dazu etwa Ostrowski 1990, 26–29.

14

1. Einleitung

Herrscher wissen wir, dass, ähnlich wie in römischen Triumphzügen, bereits im 3. Jh. v. Chr. personifizierte Darstellungen von Gemeinwesen, i. e. Ortspersonifikationen, gezeigt wurden.5 Unmittelbar östlich an diese hellenistischen Dynastengebiete stieß das Reich der persischen Parther an, die sich als Nachfolger der Achaimeniden verstanden und sich entsprechend stilisierten. Vor den Eroberungszügen Alexanders d.Gr. hatten die Achaimeniden den gesamten griechischen Osten einschließlich des ausserordentlich städtereichen Kleinasiens in ihrer Gewalt; ihren Herrschaftsbereich bildeten die Achaimeniden in Form von Reliefs und Königsinschriften in ihren Palästen als auch prominent an Hauptverbindungsrouten wie etwa Bisutūn (NW-Iran) an Felswänden ab. Die Parther eiferten ihren Vorgängern nicht nur in den entsprechenden Kunstformen nach, sondern auch in der Wahl der jeweiligen Repräsentationsorte. Die meisten baulichen und figürlichen Hinterlassenschaften der Achaimeniden, insbesondere Fels- und Palastreliefs, übernahmen die Parther unverändert. Im Gegensatz zu letzteren hielten ihre Nachfolger, die Sasaniden, ihre Siege gegen die Römer bildersprachlich und epigraphisch fest. Gegenstand unserer Untersuchung sind nicht in erster Linie die orientalischen und hellenistischen Vorgänger und mögliche historische Traditionslinien von deren Herrschaftsrepräsentation in die römische Darstellungswelt, auch wenn gelegentliche Vergleiche gezogen werden. Vielmehr beschränken wir uns auf die systematische und historische Untersuchung im Kontext der römischen Herrschaft. Der zeitliche Rahmen reicht von der Republik bis in die christliche Spätantike. Die Verwendung der für unsere Fragen zentralen Personendarstellungen als Ortspersonifikationen erlebt in den Reichsprägungen des ausgehenden 3. Jh. vor den Reformen Diocletians eine bemerkenswerte Zäsur. Konkrete Erkenntnisziele zur Deutung und Erklärung bildlicher Repräsentation von Herrschaft sollen sich aus den folgenden Fragen ergeben: In welchen bildlichen und textlichen Formen stellten die Römer die Ausdehnung ihrer direkten Macht- und breiteren Einflusssphäre dar? Was zählten sie überhaupt dazu? Wurden unterworfene und anschließend direkt verwaltete Gebiete etwa anders dargestellt als lediglich besiegte, autonome Völkerschaften oder verbündete Städte und Dynastien? Veranlassten ausschließlich militärische Siege solche Repräsentationen?

5

Es handelt sich um die bei mehreren antiken Autoren dargestellten Triumphprozessionen zweier hellenistischer Könige, Ptolemaios II. Philadelphos (275/4 v. Chr.) und Antiochos IV. Epiphanes (zw. 163–168 v. Chr.). In diesen Triumphprozessionen wurden neben abstrakten und mythologischen Personifikationen (z. B. Tag, Nacht, Vier Jahreszeiten, Dionysos) auch Personifikationen verschiedener Mittelmeerorte, etwa die Städte Korinth und Nysa, sowie verschiedene Inseln, zur Schau gestellt, welche die beiden Könige von der persischen Herrschaft ‚befreit‘ bzw. ihren Machtbereichen einverleibt haben; Ptolemaios II.: Athen. Deipn. 5,197C-203B = FGrH 627 F 2; mit Kommentar Rice 1983; Thompson 2000, 365–388; Antiochos IV.: Pol. 31.3.

1.2 Quellenlage

15

1.2 QUELLENLAGE Überliefert sind mehrere Darstellungsformen von Unterworfenen bzw. Provinzialen. Es handelt sich sowohl um textliche (z. B. Tatenberichte von Herrschenden wie die Res Gestae Divi Augusti, Orts- und Verwaltungslisten wie formulae provinciae oder Konventslisten) als auch bildliche Zeugnisse, zumeist symbolische Darstellungen (Personifikationen von Völkern/Ländern/Städten, Abbildungen von Kriegsgefangenen, Tier- und Objektsymbole), die teilweise eine entsprechende Inschrift oder Münzlegende führen. Als Darstellungsmedien dienten hauptsächlich Münzprägungen und Monumente mit Bilddarstellungen und Inschriften. Neben diesen ‚unmittelbaren‘ Text- und Bildzeugnissen existieren aus römischer Zeit literarische Berichte, etwa von Triumphzügen, aus denen ‚mittelbar‘ hervorzugehen scheint, wie Zeitgenossen Herrschaftsbereiche dargestellt bekamen. So schildert Pomponius Mela anlässlich von Claudius’ Triumphzug nach der Unterwerfung eines Großteils Britanniens die Repräsentationsweise der neuen Eroberung als ‚declaratio‘ (triumpho declaraturus), „Offenbarung“ bzw. „Veranschaulichung“, denn die Insel und deren Bewohner waren den meisten Römern bis dahin noch unbekannt gewesen:6 (Mela 3,41) Britannia qualis sit qualesque progeneret, mox certiora et magis explorata dicentur. Quippe tamdiu clausam aperit ecce principum maximus, nec indomitarum modo ante se verum ignotarum quoque gentium victor, propriarum rerum fidem ut bello affectavit, ita triumpho declaraturus portat.

Für den römischen Kosmo- und Geographen Pomponius Mela bedeutete die ‚declaratio‘ Britannias einen wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn. Mit vergleichbaren Worten, jedoch unterschiedlichem Erfahrungswert und Erkenntnisgewinn, umschreibt Flavius Josephos den Zweck eines solchen Repräsentationsanlasses im Zusammenhang mit dem nach der Eroberung Jerusalems gefeierten Triumph des Titus im Jahre 71 n. Chr. in Griechisch als „Veranschaulichung der Größe der römischen Herrschaft“. Dabei berichtet Josephos ebenfalls als Augenzeuge, jedoch aus der Sicht eines Besiegten. (Ios. bell. Iud. 7.5,132–152; hier 132–133) Ἀμήχανον δὲ κατὰ τὴν ἀξίαν εἰπεῖν τῶν θεαμάτων ἐκείνων τὸ πλῆθος καὶ τὴν μεγαλοπρέπειαν ἐν ἅπασιν οἷς ἄν τις ἐπινοήσειεν ἢ τεχνῶν ἔργοις ἢ πλούτου μέρεσιν ἢ φύσεως σπανιότησιν· σχεδὸν γὰρ ὅσα τοῖς πώποτε ἀνθρώποις εὐδαιμονήσασιν ἐκτήθη κατὰ μέρος ἄλλα παρ‘ ἄλλοις θαυμαστὰ καὶ πολυτελῆ, ταῦτα ἐπὶ τῆς ἡμέρας ἐκείνης ἀθρόα τῆς Ῥωμαίων ἡγεμονίας ἔδειξε τὸ μέγεθος.7 6

7

„Von welcher Art Britannien ist und was für Leute es hervorbringt, wird man bald genauer und nach besserer Erkundung sagen können. Die so lange verschollene (Insel) öffnet der größte Kaiser (Claudius), ein Sieger über vor ihm nicht nur unbezwungene, sondern auch unbekannte Völkerstämme. So wie er seinen Taten durch den Krieg Glaubwürdigkeit verschaffte, bringt er uns jetzt ihre Beweise und wird sie im Triumph deklarieren“ (Übers. Brodersen 1995, 118). „Es ist unmöglich, die Vielzahl jener Schauobjekte und die Pracht aller jener nur erdenklichen Gegenstände angemessen zu schildern, seien es Kunstwerke, Prunksachen oder Seltenheiten der Natur. Denn beinahe alles Staunenswerte und Kostbare, was wohlhabende Menschen nur Stück für Stück in ihren Besitz gebracht hatten und was bei jedem Volk verschiedenartig war, wurde an jenem Tage zusammengetragen, um die Größe der römischen Herrschaft zu veranschaulichen“ (Übers. M.V.); dazu Brodersen 1995, 121–126.

16

1. Einleitung

In Anlehnung an die Formulierungen von Pomponius Mela und Flavius Josephos bietet es sich methodisch an, zunächst jegliche Art sei es unmittelbarer oder dauerhafter Visualisierung imperialer Herrschaft allgemein als Reichs-‚declaratio‘ bzw. ‚Reichs-Veranschaulichung‘ zu bezeichnen. Freilich interessieren uns vornehmlich die ‚unmittelbaren‘ Zeugnisse umfänglicher, serieller – d. h. in thematisch zusammenhängenden Gruppen überlieferter – und öffentlicher Reichs-‚declarationes‘ in Inschriftenmonumenten sowie bildlichen Repräsentationen, zumeist Münzen und Steinreliefs. Als Oberbegriff für den in verschiedenen Medien und Formen sowie in verschiedenen Bedeutungs- bzw. Verwendungskontexten (z. B. fiskalisch, geographisch, administrativ, strategisch-logistisch, triumphal, repräsentativ-monetär) vorkommenden Untersuchungsgegenstand schlagen wir ‚Reichsdarstellung‘ vor. Die am häufigsten bezeugten Darstellungsformen von Beherrschten sind weibliche Personifikationen. Diese sind uns bestenfalls als thematisch zusammenhängende Bildergruppen im selben baulichen Kontext etwa in Mosaiken (das sog. „Mosaico delle Province“ in Ostia, Kap. 3.4.2), als Reliefgruppe (Sebasteion von Aphrodisias oder Reliefs im Cortile del Palazzo dei Conservatori in Rom, Kap. 2.3.7.2 bzw. 2.5.4), auf Trinkbechern (etwa dem sog. Becher aus Puteoli, Kap. 2.3.6) oder in aufeinander bezogenen Prägeserien von Münzen, wie etwa den 30 Personifikationen in den sog. Reiseerinnerungsmünzen von Kaiser Hadrian (Kap. 2.5.3), überliefert. Die Zeugnisse solcher Personifikationengruppen reichen von der ausgehenden Republik bis zu Kaiser Antoninus Pius. Eine besondere Darstellungsform finden wir in Unterwerfungs- und Schlachtszenen. Flavius Josephos zum Beispiel berichtet von Schlachtszenen, die in anschaulichen Nachbildungen, μιμήματα, wiedergegeben wurden.8 Die Unterwerfung wurde hier durch Nachbildung und Schaustellung in einer Triumphprozession einmalig zelebriert; auf Siegesmünzen oder Denkmälern wurde dauerhaft an sie erinnert, um die Größe der Herrschaft zu veranschaulichen. Diese zu Ritualen stilisierten Motive sind alt, sie kommen bereits in der ägyptischen und altorientalischen literarischen und bildlichen Tradition vor, wie etwa im Falle der Prozession von fünf Königen, auf deren Nacken Josua und seine Gefolgsleute ihre Füsse setzten (AT Josua 10,22–24) oder in der in Stein gemeisselten Darstellung der gefesselten ‚Lügenkönige‘ auf dem Felsrelief von Behistun. Römische Repräsentationsprogramme, vor allem Reichsprägungen und Reliefs an Sarkophagen und Ehrenbögen, nahmen das Thema des Unterwerfungs- und Erniedrigungsaktes bildersprachlich und rhetorisch in verschiedenen Spielarten (vgl. etwa calcatio colli, vgl. Kap. 3.5), insbesondere während der Republik und dem frühen Principat sowie erneut in der Spätantike, auf. Darin geben sich bemerkenswerterweise unterschiedliche Traditionslinien, etwa klassisch-griechische, hellenistische oder biblisch-alttestamentarische, der von den Römern selbst unterworfenen und verwalteten Völkerschaften zu erkennen. Auch solche sporadischen, jedoch zeitlich breiter gestreuten Darstellungsformen untersuchen wir in Verbindung mit Reichsdarstellungen. 8

Ios. bell. Iud. 7.5,142): διὰ πολλῶν δὲ μιμημάτων ὁ πόλεμος ἄλλος εἰς ἄλλα μεμερισμένος ἐναργεστάτην ὄψιν αὑτοῦ παρεῖχεν·(„Vom Krieg selbst aber wurde durch viele Nachbildungen ein eindrückliches Bild seiner immer wechselnden Gestalt gegeben“; Übers. M.V.).

1.2 Quellenlage

17

Allein die römischen Reichsdarstellungen lassen sich parallel zu den erwähnten Darstellungsformen teilweise anhand der in Inschriften und Münzen erwähnten kaiserlichen Siegerbeinamen nachvollziehen, die Kneissl hauptsächlich für die ersten beiden Jahrhunderte der Kaiserzeit nach den Suchkriterien der „Siegesideologie“ sowie damit aufs engste verknüpft der „Herrscherauffassung der einzelnen Kaiser“ bzw. dem „Selbstverständnis eines Kaisers“ erforscht hatte.9 Feldherrliche bzw. kaiserliche Siegesbeinamen sind für unsere Fragestellung insofern aufschlussreich, als sie seriell die Völker- bzw. Gebietsnamen der jeweils Besiegten wiedergeben (z. B. Armeniacus, Britannicus, Germanicus, Parthicus) und damit etwa die jeweilige Ausdehnung der römischen Einflusssphäre detailliert veranschaulichen. Bereits die unterschiedlichen Bezeugungs- und Verwendungskontexte solcher bildlichen Reichsdarstellungen legen nahe, dass deren Quellenwert weit über die traditionelle Beurteilung von „Ikonographie, Stil und Format“10 hinausreicht, die Untersuchung sich also nicht lediglich in einer Kategorisierung nach ikonographisch-formalen Kriterien erschöpft, i. e. Physiognomie, Mimik, Gestik, Kleidung sowie allgemein kulturhistorisch und ethnographisch signifikanten Merkmalen. Für die Interpretation des Münzbildes ist die Beziehung zur Münzlegende wichtig. Auch plastische Darstellungen, wie vor allem Reliefs oder Standbilder, sind häufig mit Inschriften versehen, die einen Bedeutungszusammenhang herstellen. Dort, wo Inschriften fehlen, waren diese entweder nicht vorgesehen oder sie sind nicht erhalten, etwa, wenn sie lediglich aufgemalt und mithin für die damaligen Betrachter/ innen zwar lesbar waren, für uns aber verloren sind. Beim numismatischen Material handelt es sich hauptsächlich um römische Reichsprägungen. Die Exemplare führen auf der Münzvorderseite Abbildungen und Namen der jeweils regierenden Kaiser und auf der Münzrückseite die uns interessierenden, zumeist symbolischen Darstellungen. Häufig stehen die rückseitigen Münzumschriften in direktem Bezug zur Abbildung oder sie geben, insbesondere im Falle republikanischer Reichsprägungen, lediglich die Namen der Münzmeister oder der Feldherren und Magistrate wieder, unter deren Oberaufsicht bzw. Oberbefehl die jeweilige Prägung erfolgt war. Bei der Lesung der Quellen gilt besonders zu berücksichtigen, dass die meisten Inschriftentexte, seien sie auf Stein oder Münzen, nach bestimmten Formularen abgefasst sind, die Numismatiker und Epigraphiker fortlaufend identifizieren. Im Falle von Münzlegenden sind zusätzlich platzbedingte Abkürzungszwänge in Rechnung zu stellen, die in der Forschungsliteratur lexikographisch erfasst sind.11 Die meisten von uns befragten Steininschriften sind bereits ediert und in verschiedenen Corpora, wie etwa dem ‚Corpus Inscriptionum Latinarum (CIL)‘ und den ‚Monumenta Asiae Minoris antiqua (MAMA)‘, topographisch zusammengetragen oder erscheinen einzeln in spezialisierten Zeitschriften publiziert und kommentiert, wie etwa im ‚Bulletin épigraphique‘, ‚Chiron‘, ‚Journal of Roman Studies (JRS)‘ und ‚Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik (ZPE)‘. Die uns interessierenden Denkmäler und Fundgegenstände sind ausser in zahlreichen Grabungsberichten und Kongressakten in einschlägigen Reihen, insbe9 10 11

Kneissl 1969, 17–19. Zur Definition Hölscher 1988, 523. Z. B. Leschhorn/Franke 2002; Leschhorn/Franke 2009.

18

1. Einleitung

sondere dem ‚Archäologischer Anzeiger (AA)‘, ‚Journal of Roman Archaeology (JRA)‘, der ‚Rivista dell’Istituto nazionale d’archeologia e storia dell’arte (RIA)’ den ‚Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Römische Abteilung (RM)’ detailliert erfasst und beschrieben. Bisher bekannte Darstellungen von Provinzen und Völker- bzw. Landschaften sind bereits zu einem großen Teil in den zahlreichen Artikeleinträgen des ‚Lexicon Iconographicum Mythologiae Classicae (LIMC)‘ aufgenommen und kommentiert.12 Von den Münzcorpora wurden besonders die folgenden ausgewertet: ‚The Roman Imperial Coinage (RIC)‘, ‚Roman Provincial Coinage (RPC)‘, ‚Roman Republican Coinage (RRC)‘, ‚Catalogue of the Greek Coins in the British Museums (BMC Greek Coins)‘, ‚Coins of the Roman Republic in the British Museum (BMCRR)‘, ‚Coins of the Roman Empire in the British Museum (BMCRE)‘, ‚Corpus Nummorum Siculorum (CNS)‘ sowie die mehrere auch private Münzsammlungen umfassende ‚Sylloge Nummorum Graecorum (SNG)‘. Im Falle von antiken Münzen ist das Erfassen der Quellenlage durch die Umwege des Kunsthandels erschwert. Neben traditionellen Münzcorpora müssen auch regelmäßig verschiedene OnlineAuktionskataloge überprüft werden; bislang weitgehend unbekannte, erst jüngst im Kunsthandel bezeugte Münzexemplare liefern uns nicht nur neue Bildmotive, sondern auch neue Münzlegenden. Relevante Exemplare konnten auch in den teilweise noch unpublizierten Münzbeständen öffentlicher Münzkabinette, wie etwa dem Ashmolean Museum (Oxford), Cabinet des Médailles (Paris) und British Museum (London) identifiziert werden. Für die Autopsie einzelner Denkmäler, Fundorte und Fundgegenstände wurden verschiedene Gebiete und Museen bereist: mehrere Aufenthalte in Rom galten besonders den Reliefs im Palazzo dei Conservatori, dem Forum Augusti, den Triumphbögen auf dem Forum Romanum, dem Museo nazionale della civiltà romana sowie den Mosaiken in Ostia antica; relevante Trouvaillen begegneten uns auch im Museo archeologico regionale di Agrigento auf Sizilien; beim heutigen Monaco wurden die Überreste des Tropaeum Augusti in La Turbie besichtigt und in Südwestanatolien das Sebasteion in Aphrodisias (heut. Geyre) sowie das dortige Museum mehrmals aufgesucht. Eine vollständige Vorstellung von Denkmälern und archäologischen Einzelstücken kann aufgrund der Fülle an häufig homöoformen Zeugnissen nicht angestrebt sein und erscheint für die konsequente, systematische Verfolgung und Beantwortung unserer Fragestellung als methodisch nicht zwingend notwendig. Die für unsere Untersuchung mit zu analysierenden literarischen Zeugnisse stammen von griechischen und römischen Schriftstellern aus einem großen Zeitraum von der ausgehenden Republik bis in die Spätantike. Für die philologische 12

Relevant für unsere Fragestellung v. a. Grunauer-von Hoerschelmann 1981 (s. v. Achaia); Le Glay 1981 (s. v. Africa); Balty 1984a (s. v. Arabia); Balty 1984b (s. v. Armenia); Balty 1984c (s. v. Asia I und II); Grunauer-von Hoerschelmann 1986 (s. v. Bithynia); Henig 1986 (s. v. Britannia); Vollkommer 1988 (s. v. Galatia) ; Künzl 1988c (s. v. Germania); Vian/ Moore 1988 (s. v. Gigantes); Diez 1988 (s. v. Noricum); Cahn 1990 (s. v. Iudaea); Vollkommer 1990 (s. v. Kappadokia); Ganschow 1992 (s. v. Kilikia); Houghtalin 1994 (s. v. Pannonia); Vollkommer 1994 (s. v. Phrygia); Wilson 1994 (s. v. Sikelia); Di Filippo Balestrazzi 1997 (s. v. Roma).

1.2 Quellenlage

19

Kritik sind dabei nicht nur die Zeitstellung und literarische Gattung, sondern auch die Mehrsprachigkeit und politische Funktion der entsprechenden Autoren von Bedeutung, insbesondere hinsichtlich der Verwendung rechtlicher Termini. Reichsdarstellungen konnten dementsprechend per translationem, per similitudinem, per transliterationem oder durch Verwendung origineller Neologismen bzw. Latinismen ins Griechische übertragen werden. Die aus solchen soziolinguistischen Phänomenen für den Althistoriker erwachsenden Deutungsprobleme sind unter anderen von Mason, Dubuisson und Freyburger-Galland ausgiebig zur Diskussion gestellt worden.13 1.2.1 Probleme unserer Quellen Im Zusammenhang mit der Diskussion der Quellenlage, gilt es einen wichtigen Aspekt der Bewertung numismatischer Zeugnisse herauszustellen: Münzen wurden in unterschiedlichen Nominalen geprägt (Kupfer-, Silber-, Goldprägung) und diese unterschiedlichen Nominale konnten womöglich unterschiedliche Zielgruppen haben. Dieser potentiellen problematischen Bedeutung der Nominale wird vorwiegend im zweiten Teil der Untersuchung gelegentlich stärker nachgegangen. Die aus medienwissenschaftlicher Sicht wichtige Frage nach den Adressaten bzw. verschiedenen Rezipientengruppen der hier relevanten Repräsentationsprogramme berührt in erster Linie nicht nur das Medium Münze, sondern auch Steininschriften und, auf der Ebene der Bildersprache, Monumente bzw. Reliefs sowie Gegenstände der Kleinkunst.14 Ob überhaupt der Adressat nach vergleichbaren Kriterien wie den unseren aus damaliger Sichtweise so relevant war, lässt sich jedoch nicht nachverfolgen. Dass die Darstellungsformen etwa je nach Sozialstatus, Sprachkompetenz, Bildungsgrad usw. unterschiedlich rezipiert wurden, können wir lediglich aus unserem eigenen Verständnis von intermedialen Bezügen vermuten. Die Tatsache der öffentlichen Zur-Schau-Stellung (Denkmal) bzw. des Umlaufs (Münze) von Bildprogrammen der Unterwerfung zeigt wenigstens, dass tendenziell nicht nur bestimmte Rezipientengruppen angesprochen werden sollten. Sowohl Denkmäler als auch Münzen spielten als Massenkommunikationsmittel die Rolle von „offiziellen staatlichen Informationsorganen“.15 Die verbreitete These jedoch, dass Personifikationen vornehmlich dazu dienten, der Unzulänglichkeit der weniger alphabetisierten Bevölkerungsschichten entgegenzukommen,16 ist spätestens dann nicht glaubwürdig, wenn gar keine Inschriften unmittelbar an den Figuren selber eingemeißelt waren (z. B. Hadrianeum, Kap. 2.5.4). Auch in Münzprägungen waren nicht alle Ortspersonifikationen mit einer sie erklärenden Legende versehen. Allein Analpha13 14 15 16

Vgl. dazu allgemein Mason 1974, 12–14; eingehend Dubuisson 1983, 203–225; Dubuisson 1984, 213–224; Dubuisson 1994, 125–129; besonders im Falle von Cassius Dio vgl. Ullrich 1912; Freyburger-Galland 1997. Dazu jüngst Hughes 2009; anhand der Münzprägungen Wolters 1999, 287–290. Vgl. in Bezug auf Münzen Scheiper 1982, 205. Stafford 2000, 15: „(…) making the substance of the document intelligible to the illiterate, or merely lazy, viewer“; gegen diese Ansicht bereits Hughes 2009, 17.

20

1. Einleitung

betismus scheint also nicht ausschlaggebend gewesen zu sein für die Verwendung von Abbildungen. Aufgrund der Fundorte bzw. vermuteten Aufstellungsorte einzelner Figuren oder ganzer Bildgruppen, des anzunehmenden Umlaufradius von Prägungen sowie des Münzwerts (Gold-, Silber, Kupferprägung?) lässt sich ungefähr vermuten, wer durch das jeweilige Zeugnis in erster Linie angesprochen werden sollte. Im Falle der selteneren und hochwertigen Goldprägungen beispielsweise, könnte man mit Sutherland annehmen,17 dass die darin enthaltene Botschaft bzw. das entsprechende Bildmotiv in erster Linie gebildetere, daher vermögendere Empfängerkreise, etwa die römische oder – je nach Reichsprägestätte – provinziale Elite, erreichen sollte.18 Auf den ersten Blick mag es uns nicht als Zufall erscheinen, dass etwa concordia provinciarum- oder Hispania/Gallia-Prägungen im Namen des Kaiser-Kandidaten Galba hauptsächlich als Denare, also das üblicherweise für Soldzahlungen vorgesehene Silbernominal (jedoch vergleichsweise nur selten als Aurei und Kupferprägungen) zirkulierten (Kap. 2.4.1). Die Nachricht der militärischen Allianzen mehrerer Provinzstatthalter sollte womöglich nicht nur die eigenen Truppen motivieren, sondern auch die Legionäre der jeweiligen Gegenkaiser entmutigen. Waren dann – umgekehrt – Soldaten, die eine relativ große und stets mobile Minderheit der Reichsbevölkerung ausmachten, von der Vermittlung einer Botschaft absichtlich ausgeschlossen, wenn diese bisher nur in Edelmetallprägungen erhalten ist, wie es etwa Crump vermutet?19 Freilich lassen sich solche Überlegungen angesichts der Quellenlage nicht zufriedenstellend verifizieren, sondern stoßen vielmehr auf Gegenfragen: Weshalb sind dann Iudaea recepta-Prägungen unter Vespasian aus dem Jahre 69/70 n. Chr. oder Parthia capta-Prägungen unter Traian bisher ausschließlich als Aurei, Goldmünzen, bezeugt (jeweils Kap. 3.2.4 bzw. Kap. 2.5.2)? – Weil womöglich die jeweilige politische Botschaft nicht ganz korrekt bzw. voraussehbar provisorisch war (der Jüdische Krieg dauerte noch bis mindestens 74/75 n. Chr. – eine provincia Parthia wurde niemals eingerichtet) und darum lediglich in einem für vermögende Adressaten reichsweit umlaufenden Nominal geprägt wurden? Sollte also nur eine eingeschränkte Rezipientengruppe, vorzugsweise Senatoren, höhere Offiziere und die Provinzeliten, lachen bzw. trauern, als nach der Nachricht Vespasians einer „wiedergewonnenen Provinz Iudaea“ (Iudaea recepta) die Niederschlagung der Provinzaufstände noch viele weitere Kriegsjahre, römische Kriegsopfer sowie staatliche Ausgaben beanspruchte oder eine aus der Eroberung des persischen Ktesiphons unter Traian hervorgehende Provinz Parthia entgegen der Legende capta gar nie zustande gekommen war? Wäre es in solchen Fällen politisch und strategisch nicht besser gewesen, gerade prominenten, senatorischen, Empfängerkreisen von Goldprägungen den voreiligen KriegsZwischenstand zu ersparen? – Wollen wir mit unser Bewertung des Verhältnisses zwischen Münznominal und potentiellen Zielgruppen nicht besser warten, bis Legenden wie Iudaea recepta oder Parthia capta auch auf Denaren oder Sesterzen im Kunsthandel oder in einer Grabung als Fundmünzen erscheinen? Im Vergleich zu 17 18 19

Sutherland 1989, 174. Dagegen kritisch bereits Wolters 1999, 287. So etwa Crump 1985, 433–434.

1.2 Quellenlage

21

diesen Beispielen erschiene es nämlich als merkwürdig, dass etwa de Germanisoder de Sarmatis-Prägungen unter Marcus Aurelius und Commodus in nahezu allen möglichen Nominalen bezeugt sind (Kap. 2.6.2). Unsere relativ veränderliche, stets als lückenhaft anzunehmende Quellenlage lässt leider keine eindeutigen Rekonstruktionen zu, weshalb wir die Frage nach Rezipientengruppen nicht in angemessener Länge und Tiefe erörtern konnten und lediglich in einigen Fallbeispielen berücksichtigt haben.20 In Inschriften und literarischen Texten fehlen ausdrückliche Indizien für die bewusste Bevorzugung spezifischer Empfängerkreise in Bildprogrammen. Wenn überhaupt, verweisen einige wenige Texte spezifisch auf die Ästhetik-Normen und Interpretierbarkeit von Personifikationen als Kunstgegenstand.21 Berühmt ist insbesondere ein Epigramm des kunsthistorisch versierten Dichters des 3. Jh. v. Chr. Poseidippos22 über eine Bronzestatue, die sich der Bildhauer und Bronzegießer Lysippos (4. Jh. v. Chr.) selbst anfertigen und im Vorhof seines Hauses in Sikyon aufstellen ließ.23 In einer Frage-Antwort-Abfolge lässt der Dichter jedes Detail des Standbilds des personifizierten Kairos (καιρός, „der richtige Augenblick/das passende Moment“) hinterfragen.24 Dabei handelt es sich nach Aussage des antwortenden Kairos selbst um eine διδασκαλεία, kritische Reflexion über das Zustandekommen der richtigen Proportion, also eine didaktische Notiz für Kunstschaffende (nicht jedoch zwingend für den gemeinen Betrachter). Aus der Sichtweise des jeweiligen Künstlers war also die Kategorie der Personifikationen-Schaffenden primär selbst Zielgruppe seines Produkts. Eine andere Sichtweise vertraten wohl die Auftraggeber. Während im Falle des Darstellungsmediums Münze aufgrund der Faktoren Nominal und Umlaufradius eine Unterscheidung nach Empfängerkreisen teilweise denkbar ist (z. B. Kap. 3.1.4 und 3.7.4), lässt sich abgesehen von didaskalischen Texten wie dem Kairos-Epigramm anhand von Bildanordnungen in Denkmälern und an Gebäuden keine selektive ‚Ansprechbarkeit‘ bestimmter Zielgruppen erkennen. Siegesdenkmäler und deren Inschriften etwa – ob in Rom oder in Provinzstädten aufgestellt – waren wohl allen Bevölkerungsschichten, einem dispersen Publikum unterschiedslos zugänglich. Dasselbe gilt für Triumphprozessionen, die die Stadtbevölkerung in toto ansprechen sollten. 20 21 22 23 24

Vgl. ähnlich Wolters 1999, 289–290. Dazu Hughes 2009, 8–10 mit Beispieltexten. Vgl. Strocka 2007, 332–345. Dazu etwa Stewart 1978, 163–171; Pollitt 1990, 103; Kansteiner 2007, 101–111; zum lysippischen Kairos als Allegorie bzw. „als Erzählung lesbare Darstellung“ Borg 2002, 85–88. Anthologia Graeca 16,275: Τίς, πόθεν ὁ πλάστης; – „Σικυώνιος.“ – Οὔνομα δὴ τίς; – „Λύσιππος.“ – Σὺ δὲ τίς; – „Καιρὸς ὁ πανδαμάτωρ.“ – Τίπτε δ’ ἐπ’ ἄκρα βέβηκας; – „Ἀεὶ τροχάω.“ – Τί δὲ ταρσοὺς ποσσὶν ἔχεις διφυεῖς; – „Ἵπταμ’ ὑπηνέμιος.“ – Χειρὶ δὲ δεξιτερῇ τί φέρεις ξυρόν; – „Ἀνδράσι δεῖγμα, ὡς ἀκμῆς πάσης ὀξύτερος τελέθω.“ – Ἡ δὲ κόμη τί κατ’ ὄψιν; – „Ὑπαντιάσαντι λαβέσθαι, νὴ Δία.“ – Τἀξόπιθεν πρὸς τί φαλακρὰ πέλει; – „Τὸν γὰρ ἅπαξ πτηνοῖσι παραθρέξαντά με ποσσὶν οὔτις ἔθ’ ἱμείρων δράξεται ἐξόπιθεν.“ – Τοὔνεχ’ ὁ τεχνίτης σε διέπλασεν; –„Εἵνεκεν ὑμέων, ξεῖνε, καὶ ἐν προθύροις θῆκε διδασκαλίην.“

22

1. Einleitung

1.3 FORSCHUNGSSTAND 1.3.1 Ausgangslage Die folgende Darstellung der Forschungslage befasst sich in einem ersten Schritt einerseits mit den konventionellen, hauptsächlich typologisierenden und klassifikatorischen ‚Katalog-Modellen‘ und andererseits mit verschiedenen ‚neueren Zugängen‘ wie etwa Ansätzen der Kultur- bzw. Wissensgeschichte, Diskursanalyse oder des Kulturtransfers. In einem zweiten Schritt soll von diesen beiden Hauptgruppen für die ‚Katalog-Modelle‘ ein detailliertes chronologisches Tableau des Forschungsstands wiedergegeben werden, da vornehmlich ‚Katalog-Modelle‘ die bisherige wissenschaftliche Beschäftigung mit einem Großteil des von uns thematisierten Quellenmaterials prägen und damit den wichtigsten Prüfstein unserer Rekonstruktion liefern. ‚Katalog-Modelle‘: In der Forschung sind seit Gardners systematischer Beschäftigung mit Darstellungen geographischer Personifikationen in der antiken, insbesondere der griechischen Kunst25, zahlreiche Untersuchungen erschienen, die den Darstellungsformen der von Rom besiegten bzw. unterworfenen und verwalteten Gemeinwesen nachgehen26. Diese Studien bemühen sich, die figürlichen Darstellungen nach typologischen Kriterien zu klassifizieren.27 Bei den Ortspersonifikationen verwenden sie fast ausschließlich dieselben Typen-Bezeichnungen (wie etwa provincia capta, provincia restituta oder provincia pia/fidelis). Das Hauptaugenmerk typologischer Untersuchungen liegt darin, die nicht mit Beischriften versehenen Ortspersonifikationen zu identifizieren, indem sie aufgrund des Vergleichs mit beschrifteten Exemplaren einer bestimmten Landschaft, Völkerschaft, Stadt oder administrativen Gebietseinheit zugewiesen werden; eine komparatistische Methode, die als „ikonographische vergleichende Deutung“28 bezeichnet wird und noch in der jüngsten Forschung nach verschiedenen, teilweise neuen Kriterien unterteilte Typenkataloge generiert. Tableau Forschungsstand ‚Katalog-Modelle‘: Als einer der ersten Wissenschaftler befasste sich Gardner (1888) am Ende des 19. Jh. systematisch mit der Repräsentation von Countries and Cities in Ancient Art. Der britische Archäologe hatte ein explizit ästhetisches Interesse an den relevanten Darstellungsformen. Dabei sah er die Ästhetik-Modelle der griechischen Klassik und des frühen Hellenismus als Höhepunkt einer rückläufigen Entwicklung von Darstellungsformen, denn gegenüber den hellenistischen seien die römischen Repräsentationsmuster 25 26 27 28

Gardner 1888, 47–81. Vgl. Zusammenstellung der älteren Literatur bei Ostrowski 1990, 15–21; Parisi Presicce 1999, 83–86. Etwa Kuttner 1995, 69 bewertet die Untersuchung von Toynbee als „still useful as an iconographic lexicon“. Vgl. etwa Houghtalin 1997, 7–8; zum Problem des „interpreting personifications“ Hughes 2009, 8–9. Zur ikonographischen vergleichenden Deutung vgl. ferner etwa die Identifizierungsprobleme der 28 Völkerpersonifikationen im Thronträger-Relief am „100-Säulen-Saal“ von Persepolis Walser 1966, 58–67; Koch 1996, 174–184.

1.3 Forschungsstand

23

deren „degenerate derivative“. Aufgrund dieser ästhetischen Bewertung liefert Gardner ein sehr weites Spektrum an Darstellungsformen, das noch stark in den heroisch-mythologischen Repräsentationsweisen klassischer Zeit verhaftet bleibt. Demnach konnten „countries and cities“ in der Antike nach den folgenden Darstellungslogiken wiedergegeben werden: „I By the guardian deity; II By eponymous hero or founder; III By allegorical figure; IV By a Tyche or Fortuna“, womit Gardner eigentliche Personifikationen ethnisch-geographischer Entitäten meinte.29 Nahezu ein Jahrzehnt nach Gardner legte Bienkowski (1900) eine methodisch grundlegende Studie zur Darstellung von Barbaren (Simulacris barbararum gentium) vor. Seine dreiteilige Typisierung der „Verkörperungen“ ist ebenfalls stilbeschreibend, jedoch ausführlicher.30 Schließlich schrumpft bei Bienkowski der dreigliedrige Typenkatalog zu einer auf Personifikationen beschränkten zweiteiligen Kategorisierung in einen Typus provincia capta und einen Typus provincia pia fidelis. Weil „weniger die Körperhaltung“ als vielmehr die „psychische Stimmung“ der Figuren bzw. „die psychologische Individualität des [jeweils dargestellten, M. V.] Volkes“ für die Interpretation der Personendarstellungen ausschlaggebend seien,31 werden beide Typen zusammengenommen und nach heterogenen Kriterien in fünf Untergruppen segmentiert: provincia capta (sitzend; stehend), provincia pia fidelis (griechische Tracht; Amazone; lokale Tracht). Insgesamt also folgt Bienkowskis Beschreibung von Figuren keiner historisch-sachlich relevanten, sondern ausschließlich einer formalen, von „künstlerischer Reflexion“ bedingten Differenzierung. Die von ihm anfänglich vorgeschlagene Darstellungslogik nach provinciae, also eigentlichen „politischen Bezirken“, wird jedoch nicht kohärent auf die Besprechung der einzelnen Fallbeispiele angewendet. So äußert der Forscher zu den Personifikationen in den sog. Reiseerinnerungsmünzen von Kaiser Hadrian: „Offenbar sind hier ethnologische, geographische, eventuell kulturhistorische, nur selten politische Bezirke gemeint“.32 In Analogie zu Bienkowskis Befund – allerdings ohne auf diesen zu verweisen – sieht Mommsen (1905) im Auswahl- und Zusammenstellungsprinzip der Personifikationengruppe hadrianischer Zeit ebenfalls ein „ethnologisches Schema“ bzw. sogar das „Gefühl der factischen Stammverwandtschaft“.33 T. Mommsen ist jedenfalls einer der wenigen Althistori-

29 30

31 32 33

Gardner 1888, 48. Bienkowski 1900, 10: „Ueberwundene Völkerschaften hat die römische Kunst, zum Theile nach dem Vorgang der griechischen auf dreifache Art verkörpert, (…). In den ersten beiden Fällen haben wir Repräsentanten eines von den Römern besiegten Volkes (…). Die an dritter Stelle genannten Figuren dürfen hingegen, als abstracte, auf dem Wege der künstlerischen Reflexion entstandene Verkörperungen aufgefasst werden und verdienen umso mehr eine besondere Besprechung, als dieser Gegenstand bisher stets nur gestreift, nicht erschöpfend behandelt wurde“. Bienkowski 1900, 12. Bienkowski 1900, 56. Mommsen 1905, 51; Mommsen 1910, 50–51: „Offenbar liegt hier ein über das ganze Reich sich erstreckendes ethnologisches Schema zu Grunde (…)“; gefolgt etwa von Toynbee 1934, 128; Parisi Presicce 1999, 94: „Naturalmente non vengono rappresentate le personificazioni di province concrete, secondo la loro ripartizione artificiale di tipo amministrativo, ma le popo-

24

1. Einleitung

ker, der sich bisher eingehender mit der Darstellungslogik beherrschter Gebiete in der römischen Kunst befasst hat.34 Als Gegenmodell zu Bienkowskis Einteilung der Darstellungsformen unter ausschließlich formalen und stilistischen Gesichtspunkten entwickelte erstmals Jatta (1908) einen nach „funktionalen“ Kriterien geordneten fünfgliedrigen Katalog, nämlich nach der jeweiligen Tracht, insbesondere der militärischen Bekleidung und Bewaffnung, der Personifikationen. Dieser Katalog zeige die Funktion der jeweiligen Provinz in der „organizzazione militare dell’impero“ auf. Demnach zu identifizieren seien ein „tipo della provincia capta“, „tipo militare“, „tipo ideale con attributi die pace a vestimento ed armi greco-romane“, „tipo della provincia pia o fidelis con vestimento ed armi nazionali“ sowie ein „tipo legionario“.35 Aufgrund seiner Annahme einer vornehmlich an vestimento ed armi der Personendarstellungen orientierten Darstellungslogik stellt der Forscher kulturgeschichtlich interessante Beobachtungen an, indem etwa an der durch Kleidung und Bewaffnung manifesten militärischen Bedeutung der jeweiligen Provinz auch deren Integrationsstufe bzw. Integrationswille abzulesen sei (z. B. „tipo militare: rappresenta le provincie romanizzate e militarmente organizzate“; „tipo della provincia pia o fidelis con vestimento ed armi nazionali: rappresenta quelle provincie che nell’organizzazione militare dell’impero parteciparono con tutte le loro energie“). Allerdings stösst die von Jatta vermutete Korrelation zwischen Bekleidung bzw. Bewaffnung einerseits und romanizzazione bzw. Partizipationsbereitschaft der Provinzbevölkerung am Reichswohl andererseits auf Widerspruch. Denn der hohe Militarisierungsgrad einer Provinz sagt nichts über deren Integration im Reichsganzen aus.36 Ausserdem berücksichtigt Jattas Typisierung nicht, dass die von ihm analysierten Repräsentationen ausschließlich einer römischen Sichtweise entsprachen, die zudem vom jeweils herrschenden Kaiser bedingt sein konnte. Eine Provinzpersonifikation dagegen spiegelt nicht eine als zeitlos objektivierbare Haltung der Provinzialen selbst wider. Im selben Zuge von Jatta versuchte Strack (1933) in den 1930er Jahren anhand der verschiedenen Trachten und Attribute der Personifikationen den Romanisierungsgrad bzw. „Grad der Pacificierung des Landes“ abzumessen.37 Dabei nimmt er ausschließlich die Münzbilder der Regierungszeit Hadrians als Diskussionsbasis. Im selben Zeitraum wie Strack beschäftigte sich Toynbee (1934) umfänglich mit den Personifikationen klassischer, hellenistischer und römischer Zeit. Der Titel ihrer für heutige Untersuchungen immer noch maßgebenden Monographie,38 Hadrianic School. A Chapter in the History of Greek Art, ist für ihre Argumentation

34 35 36 37 38

lazioni che le abitavano, comprendenti talvolta popoli piuttosto differenti per lingua e per costume“; Witulski 2007, 156–157; Östenberg 2009, 206. Die viel jüngeren Kurzbeiträge der Althistoriker/innen Méthy 1992, Cancik 1997, Boatwright 2000 und Zahrnt 2007 übernehmen weitgehend Mommsens Ansicht durchweg ethnologischer Schemata in römischen Reichsdarstellungen. Jatta 1908, 68–69. Im Gegenteil waren etwa Provinzen wie Britannia oder Syria so ausserordentlich stark militarisiert, weil dort provinzinterne Aufstände immer wieder aufflammten. Strack 1933, 139–166. Vgl. dazu etwa Hughes 2009, 4–5.

1.3 Forschungsstand

25

richtungweisend: „Just as the Roman Empire was far more than ‚the Empire of Rome‘, was, in fact, a world-Empire, so, what we are accustomed to term ‚Roman art‘ is not the art of the Roman people or of the Roman race, or ‚Greek art under the Romans’: it is Greek art in the Imperial phase, or, more concisely, Imperial art.”39 So, wie bereits Gardner, sah die Forscherin in den Personifikationen römischer Zeit zwar eine Weiterführung griechisch-hellenistischer Ästhetik-Modelle, aber die Römer sollen diese vor dem Hintergrund kaiserlicher Herrschaft neu interpretiert und entsprechend anders bzw. „imperial“ wiedergegeben haben (eine ‚Republican art‘ unterscheidet sie allerdings nicht explizit von der „Imperial art“). Neben der Analyse rein formaler Ästhetik-Modelle kommen mit Toynbees geschichtsphilosophischer Frage nach dem „true spiritual content“ der hadrianischen Provinzserien auch ideologische weltgeschichtliche Deutungsmuster zum Zuge. Demnach sei die freie Wahl der römischen „artists who produced the personifications“, sich an hellenistischen Modellen zu orientieren, geradezu „Imperial, oecumenical, Hellenic and hence, however paradoxical it may sound, fundamentally Roman“40 und reflektiere dadurch eine „oecumenical idea of the world as a unity“.41 Vor diesem Hintergrund zeichnet sich eine Typisierung von Provinzpersonifikationen in zwei Hauptkategorien ab, nämlich einer in Rom heimischen naturalistischen bzw. realistischen Darstellungsform und einer idealisierenden bzw. abstrakten Darstellungsform klassisch-hellenistischer Ausprägung, die insbesondere in den Personifikationen der Münzen Hadrians ihren originellen Ausdruck findet.42 Zu Beginn der 1950er Jahre legt Caló Levi (1952) unter dem Titel Barbarians on Roman Imperial Coins and Sculpture eine übersichtsmäßige Studie zur Darstellung von barbarians in Münzprägungen und in Plastiken von Augustus bis Theodosius I. (379/395 n. Chr.) vor. Der Untersuchungszeitraum gliedert sich in drei Perioden (Augustus bis L. Verus/M. Aurelius; M. Aurelius/Commodus bis Constantinus; Constans bis Theodosius). Ausgangspunkt der das Principat sowie (nur) einen Teil der Spätantike umfassenden Untersuchung ist ausdrücklich das Verifizieren einer umstrittenen These von Lehmann-Hartleben,43 „who expressed the theory that new coin types reflect an only slightly earlier work of the official art. Therefore, an origin from a sculpture or painting may be assumed whenever a representation is found on a coin for the first time“.44 Eine interessante intermediale Wechselbe39 40 41

42 43 44

Toynbee 1934, xiii. Toynbee 1934, xiii; ferner Toynbee 1924, 142; Toynbee 1934, 7–23. Durch Toynbees Deutung hellenistisch-römischer Darstellungsformen von Unterworfenen schimmern die gemeinsam mit ihrem Bruder, dem Geschichtsphilosophen Arnold Toynbee, verfochtenen internationalistischen und syndikalistischen Prinzipien (Toynbee 1934, 1): „The Imperial, or oecumenical, idea of the world as a unity was introduced into Greek East by Alexander the Great. Augustus turned that idea into fact by making it, for the first time in Greek history, a historical and organic reality. Hadrian worked out the Imperial idea to its logical conclusions and brought its historical realisation in the living organism of the Empire to full maturity“; vgl. zum „Greek revival“ in den Ästhetik-Modellen unter Hadrian und den Antoninen bereits Toynbee 1924, 142–143. Toynbee 1934, 7–23; bereits Toynbee 1924, 142–143. Lehmann-Hartleben 1926, 17. Caló Levi 1952, 2.

26

1. Einleitung

ziehung zwischen Plastiken in stadtrömischen Monumenten und deren reichsweiter Verbreitung durch den Münzumlauf wird hier angesprochen. Darstellungen in Münzbildern waren demnach Skulpturen oder Reliefs nachempfunden. Methodisch geht es Caló Levi darum, den Nachweis zu erbringen, dass nur das jeweils früheste Münzbild eines neuen Präge-Typus den „official sculptures“ (Münzprägungen waren ebenso official!) nachgeahmt war. Daraus ergibt sich als analytisches Vorgehen „a comparative study of several motifs as they appear both on coins and in sculpture during the whole imperial period“. Aufschlussreich für unsere Fragestellung ist die Beobachtung, dass traditional types regelmäßig wiederverwendet wurden (insbesondere die Darstellungen von Tropaea und Kriegsgefangenen) bis in die Zeit von Constantin I. Nach Kriterien, die insbesondere von Fragen nach der Verhaltenspsychologie und mentalitätsgeschichtlichen Entwicklungen angeregt sind, klassifiziert Brilliant (1963) anfangs der 1960er Jahre die Personifikationen aufgrund ihrer Körperhaltung und Gestik. Dabei verwendet er zumeist noch dieselben TypenBezeichnungen wie Bienkowski und Jatta:45 Brilliants Beobachtungen von Körperhaltungen gehen soweit, bestimmten einzelnen Körperteilen eine ihnen jeweils immanente Bedeutung zuzusprechen. Daraus ergibt sich ein „Roman artistic vocabulary to represent their victories“. Dies kann für die Beschreibung der Selbstinszenierung einzelner Kaiser aufschlussreich sein, es hilft uns jedoch bei der Erfassung verschiedener Darstellungstypen von Unterworfenen nicht weiter, da ausser der Kopfhaltung oder der Position des rechten Armes noch zahlreiche andere Bildelemente, und nicht nur diese, für unsere Problemstellung relevant sind; Inschriften und Münzlegenden finden analytisch keine Beachtung. Unserer Fragestellung näher kommt die Studie von Demougeot (1984).46 Ausschließlich aus der Perspektive de soumission liefert die Forscherin einen dichten Survey von Darstellungen besiegter und annektierter Völkerschaften in kaiserlichen Münzprägungen und Ehrenmonumenten sowie privaten Inschriftenreliefs von der ausgehenden Republik bis Kaiser Theodosius. Hauptsächlich aus römischer Perspektive konzentriert sich die Forscherin darauf, eine „évolution de l’image officielle du barbare“, mithin der „notion de ‚barbare‘“ der ersten vier nachchristlichen Jahrhunderte nachzuzeichnen. Dabei berücksichtigt sie als eine der wenigen Spezialistinnen „la subordination à Rome de rois barbares“47 in der ausgehenden Republik und dem frühen Principat sowie die „fédérés barbares“48 am Ende des 4. Jh. n. Chr. Der Fokus von Demougeots Studie liegt thematisch auf der – ihrer Ansicht nach – vor allem ereignisgeschichtlich bedingten Konzeptualisierung und 45

46 47 48

Brilliant 1963, 10: „The origins of the gestural motif depend on the relation of a dominant Italo-Roman aesthetic to the developed sensitivity for gesticulate address rendered by figures in the public eye. (…) The head, the costume, and the arms, particularly the right arm, were treated as separate motifs possessing an independent symbolic and iconographic value“; vgl. 70–78 (frühes Principat); 135–136 (Hadrians Reiseerinnerungsmünzen); 189–195 (Severer und Spätantike). Demougeot 1984, 123–143. Demougeot 1984, 126. Demougeot 1984, 138–139.

1.3 Forschungsstand

27

Repräsentation von ‚Barbarentum‘. Der zeitliche Rahmen umfasst hauptsächlich das 4./5. Jh. n. Chr. Wertvoll für unsere Diskussion ist die Betonung der Wiederverwendung republikanischer und frühkaiserzeitlicher Bildtypen in der spätrömischen Bildersprache.49 Eine umfassende, chronologisch angeordnete Besprechung von personnifications géographiques findet sich bei Méthy (1992).50 Sie beurteilt die Darstellungsformen geographischer Entitäten vornehmlich nach den intentionalen Beweggründen, der „volonté organisatrice“51 der Reichselite in Rom bzw. „la conception que les empereurs ont élaborée du monde romaine“.52 Gegenüber älteren Typologien von Personendarstellungen liefert die Forscherin eine weniger ausführliche und weniger deskriptive, jedoch sachlich differenziertere Unterteilung: „Les figures incarnant diverses régions du monde romain se distinguent à la fois, par leur statut même, des reproductions de scènes concrètes, des représentations de divinités et de personnifications d’entités abstraites.“53 Dabei spricht zwar die Forscherin mit statut ein wesentliches Kriterium in der Darstellungslogik von Unterworfenen an, nämlich dasjenige des unterschiedlichen politischen und administrativen Status. Die relevante Frage jedoch, ob einem bestimmten politischen Status der Unterworfenen (z. B. civitas libera, Provinz, Unterabteilung einer Provinz, Klientelstaat, Gegner ohne einen von Rom zugewiesenen politischen Status) jeweils nur eine bestimmte Art von Personendarstellung entsprach, beantwortet ihre Studie nicht. Sie unterteilt die Münzdarstellungen der Kaiserzeit aufgrund der jeweiligen Kombination von Personenabbildungen, ihrer Anzahl, ihrer Körperhaltung und weiterer beigefügter Personifikationen oder Gegenständen nach bildszenischen Kriterien in zwei bzw. drei Gruppen.54 Dieses vornehmlich ikonologisch-szenische Deutungsmuster übernimmt Parisi Presicce (1999), indem er es auf zwei „modi di rappresentare le entità territoriali in epoca romana“ reduziert und detaillierter ausformuliert bzw. teilweise uminterpretiert.55 In seiner Typisierung bezieht jedoch Parisi Presicce alle relevanten Personendarstellungen ausschließlich auf Provinzen, obwohl gerade „prigionieri di guerra“ vornehmlich reichsexterne Völkerschaften darstellen. Neben Méthys Interpretationsschema werden viele der älteren Deutungsmuster, so wie etwa die „psychische Stimmung“ (afflitto e sottomesso, ma sereno, fiducioso) der Personenabbildungen gemäß Bienkowski oder die Bedeutung der militärischen Tracht und Bewaffnung in Anlehnung an Jatta und Strack, in eklektischer Weise miteinander vermengt. Auch Salcedo (1996) subsumiert in ihrer umfassenden Studie über die Darstellungsformen der Provinz Africa alle Personendarstellungen unter „Personifika49 50 51 52 53 54 55

Demougeot 1984, 126–133: „cette image [i. e. du barbare, M. V.] reprit les thèmes anciens en les regroupant, comme au temps de la République, autour de deux représentations“. Méthy 1992, 267–295. Méthy 1992, 267–295; hier 267. Méthy 1992, 289. Méthy 1992, 267. Méthy 1992, 268–273; vgl. ihre Kritik an älteren Klassifikationsmodellen (268 Anm. 4): „Plusieurs classifications, complexes et fondées moins sur la signification d’ensemble que sur les détails d’exécution des représentations, ont été proposées ecc.“. Parisi Presicce 1999, 85–86.

28

1. Einleitung

tionen“: in Anlehnung an Ostrowski56 stellten sowohl die Abbildung von Kriegsgefangenen bzw. „Barbaren“ („representaciones de bárbaros cautivos, sumisos, o abatidos“) als auch die ‚eigentliche‘ Provinzpersonifikation nach klassisch-griechischem Modell („personificación de provincia […] llamada ‚clásica!‘“) jeweils Personifikationskonzepte („idea personificada“) dar. Diese Gleichsetzung verschiedener Darstellungsformen erklärt Salcedo auf einer historisch-kulturellen Kontextebene als Ergebnis eines Romanisierungs- bzw. Pazifizierungsprozesses, der auf stilistischer Ebene die anfänglich realistisch als Barbaren dargestellten Unterworfenen in einem „proceso de estandarización“57 graduell zu zivilisierten bzw. idealisierten Provinzen gemacht habe.58 Wie dagegen alle anderen nicht „romanisierten“/ „pazifizierten“, mithin „barbarisch“ bzw. relativ unabhängig von Rom gebliebenen reichsexternen Völkerschaften ikonographisch zu verorten sind, wird nicht thematisiert, obwohl gerade letztere den Großteil der ersten Kategorie („representaciones de bárbaros usw.”) ausmachen. Es fragt sich auch, wie Provinzdarstellungen, die offensichtlich in verschiedenen Mischformen erscheinen,59 in ein graduelles Kontinuum von „barbarisch“ zu „zivilisiert“ hineinpassen. Der Typologie und Ikonographie von Provinzpersonifikationen am Beispiel Africas hat zuletzt auch Domes (2007) eine umfassende Studie gewidmet. In der Einleitung stellt die Forscherin die Darstellungsformen von Völkerschaften und Ländern vor, wobei sie zwischen Darstellungsformen für „unterworfene“ und „gefangene“ Ethnien unterscheidet und solchen, die ein ethnos oder eine natio idealisiert wiedergeben. Dabei erkennt sie eine sozial- und wirtschaftshistorisch relevante Aussagekraft der Personifikationen vor allem darin, dass diese sowohl aus römischer als auch provinzialer Perspektive den jeweiligen Eigenwert der entsprechenden Region innerhalb des Reichsganzen widerspiegeln.60 Mit dieser durch reichsspezifische „Eigenschaften (politisch, wirtschaftlich, religiös)”61 und „Aufgaben“ bedingten Charakterisierung der AfricaPersonifikationen überwindet Domes Méthys Verständnis von Personifikationen als blosse Platzhalter geographischer Entitäten (personnifications géographiques). Nach Domes’ funktionalistischer Sichtweise der Darstellungsformen im Sinne von Jatta und Strack kommen also „Attributen, Symbolen und Beizeichen“ eine besondere Rolle zu, indem diese „die Personifikation und ihren Wirkungsbereich“

56 57 58 59

60 61

Ostrowski 1990, 25–28. So Salcedo 1995/6, 192–193. Salcedo 1996, 30: „En la medida en que un pueblo, considerado bárbaro en un principio y representado como tal, vaya entrando en el proceso de romanización y pacificación, su imagen se irá adaptando al tipo ‚clásico‘“. Etwa die als Britannia beschrifteten Personifikationen in den Münzprägungen von Hadrian bis Commodus erscheinen einerseits nach lokaler Manier bewaffnet und andererseits in Chiton und Himation gekleidet mit griechisch-römischer Frisur; vgl. dazu Toynbee 1924, 146–149, die anhand der verschiedenen Erscheinungsformen von „Britannia“ eine military area of Britain einerseits und civil area of Britain andererseits unterscheidet. Domes 2007, 17: „Sie [i. e. „Personifikationen von Ländern, Nationen und Provinzen“, so Domes 2007, 9] verkörpern nicht die Örtlichkeit, sondern Eigenschaften, Aufgaben und Stellenwert eines Landes innerhalb des römischen Imperiums“. Vgl. in dieser detaillierten Form Domes 2007, 17; 19.

1.3 Forschungsstand

29

kennzeichnen.62 Demgegenüber treten jedoch andere Kontexte, so wie etwa der bildszenische oder historisch-politische, in den Hintergrund. Die Untersuchung eröffnet interessante Fragestellungen wie etwa, wann Personendarstellungen mit wirtschaftlich signifikanten Attributen anstatt militärischen oder kultischen abgebildet wurden (vgl. z.B. die Arabia adquisita-Prägungen in Kap. 2.5.2). Insbesondere die Suche nach ethnologischen Charakteristika in der Ikonographie von Personendarstellungen Unterworfener beschäftigt das von Borchhardt begründete Wiener Archiv der antiken Fremdvölkerdarstellungen.63 Es bietet ausdrücklich bildrelevante Untersuchungen unter der Betrachtung mimischer und physiognomischer Phänomene zu einzelnen Völkern, „die nur mit Hilfe der Ethnologie, Ethologie und Soziologie neben den traditionellen Fächern der Altertumswissenschaften zu lösen sind“. Das seit Mitte der 1980er Jahre am Wiener Institut für Klassische Archäologie laufende Großprojekt hat ausdrücklich zum Ziel, aus dem Blickwinkel der antiken Macht- und Kulturzentren Mykene, Athen und Rom, anhand aller Belege der bildenden Künste „einen Einblick in antike Fremdenbilder zu gewinnen“, um auf einer Metaebene etwa interessante „Fragen der Vorurteils- und Stereotypenbildung und Xenophobie ebenso untersuchen zu können wie Probleme eines antiken Rassismus“.64 Methodisch gilt es dann, die „Ergebnisse dieser ikonographischen Untersuchungen innerhalb der Gattungen der bildenden Kunst mit den literarischen Quellen“ und den Zeugnissen der Kunst zu vergleichen, „die der eigenen autochthonen Kultur entstammen“.65 Es sollen also Fremd- und Selbstbilder möglichst jeder antiken Ethnie zu einem stimmigen Gesamtbild kombiniert werden. Die Gegenüberstellung von Fremd- und Selbstbildern wird uns insbesondere im Zusammenhang mit Provinzpersonifikationen in städtischen Münzprägungen der Provinzialen in Kleinasien und Syrien sowie der Selbstdarstellung von Klienteldynasten beschäftigen. Zusammenfassend lässt sich im Hinblick auf die Gruppe der ‚Katalog-Modelle‘ urteilen, dass in der älteren Forschung (Bienkowski, Jatta, Mommsen, Strack) der Fokus einseitig auf den Personifikationen und Darstellungen von Kriegsgefangenen liegt. Deren Tracht, Attribute, Haltung und Gebärde (gesture, poses, dress, attributes) liefern relevante Unterteilungskriterien. Andere Arten von Personendarstellungen (Gottheiten, Klienteldynasten) werden nicht bzw. nur am Rande berücksichtigt, Objekt- und Tiersymbole fallen als Untersuchungsgegenstand fast gänzlich weg. Auch in der jüngeren Forschung beschäftigt sich Ostrowski in seinem ‚Katalog-Modell‘ hauptsächlich mit der Frage, „quelles sont les différences entre les personifications grecques et les romaines?“66 In der systematischen Auswertung

62 63 64 65 66

Domes 2007, 15–16. Hier auszugsweise zitiert wird die auf der Homepage des Instituts veröffentlichte Projektbeschreibung (Stand vom 28.03.2014: http://klass-archaeologie.univie.ac.at/einrichtungen/ fremdvoelkerarchiv/). Vgl. ähnlich die Fragestellung im Werk von Isaac 2004 mit dem Titel The Invention of Racism in Classical Antiquity. Inschriften und Münzlegenden werden zumindest nicht angesprochen. Ostrowski 1990, 31–33.

30

1. Einleitung

bleibt die sprachliche Ebene: Inschriften im Kontext bildlicher Darstellungen und Münzlegenden aussen vor (dazu ausführlich unten, Kap. 1.3.2). ‚Neuere Zugänge‘: Neben solchen ‚Katalog-Modellen‘, die sich hauptsächlich mit Personifikationen als der prominentesten Darstellungsform für beherrschte Gebiete beschäftigen, bieten neuere Zugänge Perspektiven, die über die ausschließliche Klassifikation der einzelnen Darstellungsformen hinausgehen: Einen breiteren Fundus an ‚Reichs-Veranschaulichungen‘ umschreibt etwa Nicolet mit „inventaire du monde“.67 Er fasst darunter alle literarischen, politisch/fiskalisch-administrativen listen-förmigen, kartographischen und symbolischen représentations der römischen Oikumene zusammen. Ausgehend von den Res Gestae Divi Augusti geht er der Grundannahme nach, dass sich im Zuge der römischen Expansion ein kartographisches Denken entwickelt hätte (vgl. Kap. 2.9.6). Auch Brodersen interessieren ‚Reichs-Veranschaulichungen‘ insbesondere in Bezug auf den geographischen Kenntnisstand der Römer. Er untersucht, mit welchem geographischen und technischen Erkenntniszugewinn sich ‚Reichs-Veranschaulichungen‘ auf die „mentale Erfassung des Raumes“ der Römer auswirkten. Wie erklärt sich der offenbare „Erfolg der Römer in der Erfassung des Raumes“? Daher verwendet Brodersen einen von der Frage nach dem ‚Begreifen‘, der damaligen ‚Methodologie‘, angeregten Begriff und spricht von „Raumerfassung“. Dabei fokussiert er auf kartographische Formen der Raumerfassung im Gegensatz zu nichtkartographischen Raumerfassungen. Aufgrund des nachweislichen Fehlens eines Konzepts „des Maßstabs“, so wie ein solches in der Moderne ausgeprägt ist, hinterfragt der Forscher zu Recht die noch bei zahlreichen Althistorikern dominierende Vorstellung, dass das römische Reich „stets ein ‚Ganzes‘ mit einer klar bestimmten territorialen Ausdehnung gewesen“ sei.68 Dieser kritischen Haltung werden wir aufgrund unserer Untersuchung sowohl textlicher als auch bildlicher Reichsdarstellungen zum Großteil zustimmen, da diese beispielsweise auch auswärtige amici et socii, sog. Klientelgebiete, zumeist miteinbezogen (vgl. Kap. 2.5.4 und 3.7.3.1). Die uns interessierenden Darstellungsformen begegnen uns auch im Zusammenhang mit dem unmittelbaren Zelebrieren der Sieghaftigkeit über das Beherrschte, dem Phänomen römischer Triumphzüge. Im Gegensatz zu einer Vielzahl neuerer Studien zu römischen Triumphprozessionen,69 analysiert Östenberg den Triumph nicht unter politischen und religiösen Aspekten, sondern hauptsächlich in seiner performativen Dimension, als „procession and performance“.70 Es geht um den konkreten und detaillierten Ablauf des Rituals („the syntax of the parade“), so wie dieser nach Ausweis mehrerer Quellengattungen in Erscheinung trete.71 Im Vordergrund steht dabei die Diskussion der Wahrnehmungen bzw. Reaktionen seitens der stadtrömischen Bevölkerung sowie deren Bedeutung auf identitätsbildende 67 68 69 70 71

Nicolet 1988 und 1994. Vgl. Brodersen 1995, 24–25; 289–290. Vgl. Auliard 2004; Itgenshorst 2005; Beard 2007; Bastien 2007; Krasser 2008; Pelikan 2008. Östenberg 2009, 5. Östenberg 2009, 11.

1.3 Forschungsstand

31

Prozesse,72 womit die Forscherin Zugänge der ANT aufnimmt.73 Ähnlich betrachtet Itgenshorst Triumphprozessionen als identitätsstiftende Momente für alle Teilnehmenden im Sinne historischer ‚lieux de mémoire‘. In Anlehnung an den Weberschen „Idealtyp“ gibt sie zu bedenken, dass sich die literarische Überlieferung tendenziell an eine idealtypische Charakterisierung des römischen Triumphes als zeitlosem Ritual anlehnte.74 Aus den literarischen Darstellungen lasse sich nämlich eine einheitliche und harmonische „Roman experience“ ermitteln, die auf den „emotions caused by the encounter with the subjugated on parade“ gründete.75 Dagegen vermutet Hölkeskamp aufgrund eingehender literarischer Textvergleiche, dass dem römischen Triumphzug – wenn überhaupt – eine die Jahrhunderte überdauernde normative Choreographie und Stereotypie zugrunde lag.76 Dabei könne man eine auf Konsens beruhende „Syntax der Ordnung und der Regeln des Rituals über die Semantik oder Symbolik“ voraussetzen. In einer anderen Richtung fragt Wiemer im Zusammenhang mit den penteterischen (alle vier Jahre auszutragenden) Festspielen der Ptolemaieia bzw. der bei Athenaios erinnerten Triumphprozession des Ptolemaios II. Philadelphos im ägyptischen Alexandreia im Jahre 280/279 v. Chr. nach dem „Wirkungsradius“ und „Identifikationsangebot“ eines solchen Anlasses. Nach Ausweis eines zeitgleichen Dekrets auf der Insel Nikouria nämlich sollte dieses Spektakel nicht nur auf den von den Ptolemäern patronierten Nesiotenbund, d. h. die um das Zentrum Delos zu einem κοινόν organisierten Poleis der Ägäis, wirken, sondern auf „alle Hellenen“.77 Der Blick des Ptolemaios II. Philadelphos erfasst hier Gebiete weit über das eigene Hoheitsgebiet hinaus, nämlich den gesamten griechischen Kulturbereich. In diesen Studien geht es nicht in erster Linie um Reichsdarstellungen als „Erfassung“ oder „Inventarisierung“ eines Herrschaftsbereichs, sondern als „Inszenierung“ aller durch Siege erworbenen Besitztümer (in Form von Kriegsgefangenen und Kriegsbeute). Im Unterschied zu den meisten ‚neueren Zugängen‘ fokussiert unsere Untersuchung sowohl der Triumphbeschreibungen aus der Zeit der Republik und des frühen Principats als auch der ‚mittelbaren‘ Zeugnisse in Münzprägungen und Inschriftenmonumenten auf die Grundfragen, welche Beherrschten überhaupt und in welcher Form, Zusammensetzung und Anordnung wiedergegeben wurden.

72 73

74 75 76 77

Östenberg 2009, 14: „Roman identity, perceptions of the world, and processional interplay“. Gemäß der Akteur-Netzwerk-Theorie (Actor–Network Theory, abk. ANT) wirken materielle Dinge/Objekte aktiv auf unser Denken und Sozialverhalten ein und gestalten diese mit. Darum sind auch sie integrale Bestandteile unserer sozialen Netzwerke. Ausführlich Latour 2007; für die Alte Geschichte und Archäologie insbes. Eggert 2013, 37–39 mit Forschungslit. Itgenshorst 2005, 14–30. Östenberg 2009, 16. Hölkeskamp 2008, 92–97. Syll.3 390 = IG XII 7, 506, Z. 24–26: καὶ παρακαλεῖ εἰς ταῦτ[α] / [τού]ς τε νησιώτας καὶ τοὺς ἄλλους Ἕλληνας ψ[η]/[φίσα]σθαι τὸν ἀγῶνα ὑπάρχειν ἰσολύμπιον; dazu Wiemer 2009, 119–123; Tully 2013, 177–181.

32

1. Einleitung

1.3.1.1 Methodischer Exkurs: Weibliche Personifikationen und Geschlechterforschung Im Zusammenhang mit Personendarstellungen von Unterworfenen beobachtete Lopez, dass „the Romans used visual communication, including symbols and allegory, to portray conquered lands and were especially innovative in this regard. Moreover, Roman visual representations of ἔθνη was usually accomplished using gendered personifications. While personifications were also used in more ‚positive‘ ways (e. g., for Roma or Tellus), the Roman consistently represented conquered territories and provinces in the form of woman’s bodies, often displaying several women together in order to depict a collective of conquered territories“.78 Es geht hauptsächlich darum, dass weibliche Körper, und zwar gruppenweise zur Schau gestellt waren. Damit wird auf die Korrelation von Gewalt und Sexualität in Bezug auf die gesellschaftlich ungleichen Machtverhältnisse zwischen Frau und Mann angespielt.79 Ohne auf das Motiv gewaltvoller Sexualität einzugehen, schließt auch Isaac in seinem Buch über antiken Proto-Rassismus, dass „ultimately femininity became the characteristic of any people vanquished by a masculine victor“.80 Hauptargument ist, dass dem Personifizieren unterworfener Gebiete und Völker durch weibliche Personendarstellungen – insbesondere und auf innovativer Weise bei den Römern – eine geschlechter-unterscheidende Sichtweise von Machtasymmetrien in der Gesellschaft unterliege:81 „Visual imagery is one of the principal routes to an understanding of the perception and construction of gender in Roman society“.82 Der römischen Konzeption von Eroberung fremder Territorien soll demnach eine geschlechtlich ‚binär‘ verlaufende Diskursformation zugrunde gelegen haben nach männlichem Sieger einerseits und weiblicher Unterworfenen andererseits: „land is to conqueror, as nation is to Roman, as female is to male; such analogies appear crystallized in Roman visual representation“.83 Diese These eines nach unterschiedlichen Geschlechtern dargestellten Verhältnisses römische Sieger vs. Besiegte erscheint bei näherem Hinsehen auf den Quellenbestand als problematisch. Dass nämlich Ortspersonifikationen in der hellenistisch-römischen Kunst grundsätzlich weiblich sind, könnte vor allem folgende Gründe gehabt haben, die bereits Toynbee, Ostrowski, Stafford und Meyer ansatzweise angesprochen haben: 78 79

80 81 82 83

Lopez 2007, 117. Die antiken Darstellungen von unterworfenen Fremdvölkern seien gemäß Scott 1988, 28–50 und Henry 1992, 252–253 – in Anlehnung an den Titel von S. Kappelers Studie – sogar vor dem Hintergrund einer sog. „pornography of representation“ zu verstehen, wobei der hier m E. unangemessen verwendete Begriff „pornography“ wohl auf die Unterdrückung der Frau durch einen Akt der Vergewaltigung verweisen soll; vgl. Kappeler 1986, 2. Isaac 2004, 308 mit Verweis auf die Abb. 7–8 auf S. 252. Etwa Henry 1992, 251–254 wirft einem der Vorreiter der Diskursanalyse, Foucault, in seiner Untersuchung zur Histoire de la sexualité (Vol. 2: L’usage des plaisirs, Paris 1984) vor, Geschlechterspezifisches zu ignorieren. Rodgers 2003, 69. Lopez 2007, 117; ähnlich Isaac 2004, 252: „entirely Roman is the view of the Roman victor as man and the vanquished enemy as a woman“. Ebenso spricht Rodgers 2003, 69–70 von der „utilisation of provincial women to express Otherness“.

1.3 Forschungsstand

33

1. Bereits in der spätklassischen Kunst lassen sich weibliche Personifikationen von ‚Poleis’, Städten, nachweisen. ‚Polis‘ ist im Griechischen feminin.84 Ortspersonifikationen sind also nicht etwa ein Charakteristikum der Darstellung von Unterworfenen allein, sondern sie stehen vorab für die Heimatorte der Repräsentierenden selbst. Daher erscheinen etwa die weiblichen Personifikationen von Italia und Roma in gleichen Bildszenen anstelle der siegreichen Kaiser. 2. Die Namen von Ortspersonifikationen sind im Altgriechischen grammatikalisch zumeist weiblich – mit wenigen die Regel bestätigenden Ausnahmen wie etwa Korinthos, das in einem Bronzespiegel des 4. Jh. v. Chr. als bärtiger Stadtrepräsentant (bzw. eponymer Heros) erscheint, neben ihm steht die weibliche Personifikation der Stadt Leucas.85 Nach dieser grammatikalischen Norm scheint sich im Laufe des Hellenismus die Darstellungskonvention etabliert zu haben, dass alle topographischen Entitäten vorzugsweise weiblich personifiziert wurden. Dabei entschied das semantisch übergeordnete Konzept, Hyperonym, über das Genus der Personifikation.86 Nach diesem Muster sind auch im Lateinischen die grammatikalisch weiblichen topographischen Oberkategorien civitas, gens, natio und provincia weiblich personifiziert. Auf dieser Grundlage wird interessant, weshalb die im Neutrum lautende Stadt Londinium, London, in einem Medaillon des Kaisers Constantius I. aus dem Jahr 296 n. Chr. nicht als männliche, sondern als weibliche Stadtpersonifikation erscheint.87 Rezeptionshistorisch plausibel ist, dass Londinium spätestens in Silberprägungen des frühen 7. Jh. die weibliche Form LVNDONIA aufweist,88 also grammatikalisch offenbar der antiken Repräsentation angepasst wurde.89 Grammatikalisch bedingt erscheinen ausser Ortspersonifikationen etwa auch die Allegorien des römischen Sieges nach unterschiedlichen Geschlechtern, indem Victoria stets als weibliche Personifikation bezeugt ist, während die viel selteneren Darstellungen von Triumphus einen Jüngling zeigen;90 auch in der römischen Darstellungslogik scheint die Grammatik für die unterschiedliche Darstellung nach weiblichen und männlichen Personifikationen verantwortlich gewesen zu sein. 84 85

86 87 88 89 90

Dazu Toynbee 1934, 7–8; Ostrowski 1990, 15–16; 24–29; Stafford 1998, 43–56; dies., 2000, 27–29; Meyer 2006, 7–8. Meyer 2006, 7–8: „Eine ‚Stadtpersonifikation‘ ist die Verkörperung der Stadt selbst. Sie trägt den Namen der Stadt und ist stets weiblich, nach dem natürlichen Geschlecht von Städten im Griechischen“; zusammenfassend 27–28; zur Darstellung von Korinthos: Toynbee 1934, Taf. XX, 1; vgl. Vitruv 2.8,51–52 über die imago Rhodiorum civitatis aus dem 4. Jh. v. Chr. Gemäß Kallixeinos von Rhodos begleitete unter anderen weiblichen Standbildern Κόρινθος ἡ πόλις, also eine weibliche Figur Korinths, den Festzug von Ptolemaios II. Philadelphos im Jahre 279 v. Chr.; Callix. FGr Hist 627 F2; Ath. 5,201d. Vgl. dazu eingehend Toynbee 1924, 155–157 mit Abb. 23; dies. 1934, 65 mit Taf. XII 9, 10. Unter einem der Fürsten der angelsächsischen Heptarchie, Æthelbald von Mercia; dazu Metcalf 1976, 64–74; Metcalf 1994, 435–436. Dagegen lässt sich für das äquivalente Lundenwic (811, vico Lundonie) im Angelsächsisch kein eindeutiges Genus festlegen. Zum Genus von -wīc im Altenglischen Ekwall 1964, 1–13; insbes. Lundenwic 16. RRC 1, 481 Nr. 472. 2: L. Papius Celsus IIIvir (45 v. Chr.); Vs: TRIVMP(H)VS / Büste des personifizierten Triumphus belorbeert n. r. mit Tropaion über Schulter.

34

1. Einleitung

Die dem Vorzug weiblicher Figuren zugrundeliegende Idee für die Darstellung von Orten und Ländern waren die im spätklassischen 5. Jh. v. Chr. literarisch und bildlich greifbaren mythischen Ortsrepräsentantinnen, wie etwa die vom Stier entführte Europa. Das Konzept von ‚Ortsnymphen‘ oder ‚Stadttychen‘ (Τύχη τῆς πόλεως), d. h. Glücksgöttinnen als Repräsentantinnen des Kollektivs einer Bürgerschaft,91 ist in Inschriften spätestens im zweiten Jahrzehnt n. Chr. im Zusammenhang mit dem provinzialen Kaiserkult in Lakonien in Griechenland explizit fassbar. In einer mindestens 42-zeiligen Inschrift über den genauen Ablauf der Festlichkeiten zu Ehren des Kaiserhauses personifiziert die von der Kaiserin Iulia repräsentierte Tyche sowohl den Organisator, nämlich den lakonischen Bund, als auch den Austragungsort, nämlich die Polis Gytheion.92 3. Zudem konnten in einigen Fällen auch männliche Repräsentanten alternativ zu der zu erwartenden weiblichen Ortspesonifikation erscheinen (s. fogendes Kap.). 1.3.1.2 Beispiele männlicher Personifizierungen von Provinzen Neben weiblichen Ortspersonifikationen konnten vergleichsweise seltener auch mythologisch-idealtypische Repräsentanten die Provinz in römischen Reichsprägungen darstellen.93 Etwa die beiden Flussgötter Euphrates und Tigris stehen allegorisch für das unter Traian erstmals als Provinz annektierte Mesopotamien auf entsprechenden Reichsmünzen (Kap. 2.5.2 mit Abb. 26). Bemerkenswerterweise sind weibliche Provinzpersonifikationen und männliche Personifizierungen auf den sog. Reiseerinnerungsmünzen Hadrians im Falle von Mauretania, Moesia, Noricum und Thracia alternierend bezeugt.94 Die fünf relevanten Prägeserien sind gegenüber den anderen über 37 hadrianischen Prägeserien, die ausschließlich Provinz-Repräsentantinnen zeigen, auffällig in der Minderzahl. Die Frage nach den Hintergründen dieser besonderen Auswahl bleibt freilich offen. Nach Ansicht von Toynbee und Ostrowski lasse sich die Wahl männlicher Personifizierungen für diese wenigen Provinzen als „image symbolique des régions moins civilisées“ verstehen.95 Der kulturdifferenzierende Erklärungsansatz befriedigt jedoch nicht gänzlich, denn die Personifizierungen auch zahlreicher anderer, erst lange nach ihrer Annexion latinisierter bzw. gräzisierter Provinzen sind bei relativ gesättigter Quellenlage bisher ausschließlich als weibliche Figuren – zumeist in griechischem Chiton und Himation gekleidet – auf den hadrianischen Münzen bezeugt.96 Zudem dürfte 91 92 93 94 95 96

Dazu Meyer 2006, 8; 133–134 mit Belegen. SEG 11, 923 Z. 9–10. Darstellungen von Kriegern, Kriegsgefangenen bzw. Klienteldynasten mit ‚realistischen‘ Zügen sind hier ausgenommen. Zu den Reiseerinnerungsmünzen Hadrians eingehend Kap. 2.5.3. Toynbee 1934, 124; 130 („semi-barbaric state“); Ostrowski 1990, 188. Z. B. Africa, Arabia, Britannia, Dacia, Delematia, Gallia, Germania, Hispania, Pannonia, Raetia usw.

1.3 Forschungsstand

35

etwa gerade Moesia inferior in den Augen der Römer ziemlich ‚griechisch‘ gewirkt haben aufgrund des ab dem 2. Jh. n. Chr. epigraphisch nachweisbaren, aus den sechs griechischen Küstenpoleis, ionischen Koloniegründungen, formierten sog. links- bzw. westpontischen koinon.97 Auch Ostrowskis andere, historisch kontextorientiertere Begründung, wonach es sich gerade bei Mauretania, Moesia, Noricum und Thracia um Reichsgebiete mit inneren Unruhen bzw. Aufständen handle,98 ist zu wenig stichhaltig, solange in den hadrianischen Prägeserien nicht auch Britannia- und Iudaea-Exemplare auftauchen, die neben den weiblichen Personifikationen auch entsprechende männliche Figuren als Provinzrepräsentanten aufweisen.99 Andere Auswahlkriterien könnten aus Sicht der römischen Münzmeister und Auftraggeber relevanter bzw. inspirierend gewesen sein, die womöglich gar nicht in den aktuellen historischen Ereignissen, sondern vielmehr in der lokalen ikonographischen und mythischen Tradition zu suchen sind. Dabei könnten etwa Flussgötter (im Falle der am Danubius gelegenen Provinzen)100 oder historisch-legendäre Gründerheroen (im Falle Mauretanias) als Vorbild gedient haben. Immerhin scheint in allen Fällen das unterschiedliche grammatikalische Genus der jeweiligen Provinzbezeichnung für das Geschlecht der Personendarstellung keine Rolle gespielt zu haben: Das Genus von Mauretania, Moesia und Thracia ist weiblich, das von Noricum hingegen sachlich. – Mauretania: In den MAVRETANIA SC-Prägungen Hadrians schreitet die Repräsentantin Mauretanias in kurzem Chiton n. l., ein Reitpferd mit der Linken bei den Zügeln fassend;101 auf einigen Exemplaren ist sie barbusig dargestellt. In der Rechten hält sie zwei Wurfspeere. Eine entsprechende Szene zeigt den bärtigen Repräsentanten mit dem Pferd n. r. gehend. Bemerkenswerterweise trägt einzig der Provinz-Repräsentant Mauretanias einen Bart in Hadrians Reiseerinnerungsmünzen. Der Bart scheint hier nicht schlechtweg dem ikonographischen Stereotyp des bärtigen „Barbaren“ nachempfunden worden (Kap. 3.7.3.1 mit Abb. 166–169), sondern ein Spezifikum der Darstellung Mauretanias zu sein: Bärtig war etwa Atlas, der überaus mächtige, von Perseus in Stein 97

Zum moesischen κοινὸν τῶν Ἑλλήνων bzw. κοινὸν τῆς Ἑξαπόλεως Nawotka 1997, 216–236; Vitale 2014d. 98 Ostrowski 1990, 190: „Le recours parfois à une figure masculine au lieu de la femme témoigne (comme en d’autres cas: Maurétanie, Norique, Thrace) de troubles intérieurs, confirmé par les sources littéraires (SHA, Hadrien, 6,6)“. 99 Auffällig ist zwar auch, dass für alle vier relevanten Provinznamen in den hadrianischen Prägungen ein entsprechender Exercitus-Typus bezeugt ist (exercitus Mauretanicus, exercitus Moesiacus, exercitus Noricus, exercitus Thracicus). Aber nach dieser Darstellungslogik müssten ebenso für alle anderen im Exercitus-Typus vertretenen Provinzen (Britannia, Cappadocia, Dacia, Delmatia, Germania, Hispania, Raetia, Syria) auf den Reiseerinnerungsmünzen männliche Personifizierungen nachweisbar sein. 100 Vgl. den stierähnlichen Flussgott Istros in der vorrömischen, moesisch-thrakischen Münzprägung; z. B. die Exemplare SNG BM 260 und AMNG 468, 2 der Polis Istros bzw. ΙΣΤΡΙΗ aus dem 4./3. Jh. v. Chr. 101 MAVRETANIA SC: RIC 2, 448–449 Nr. 854–860; Ostrowski 1990, 186 Nr. 1; Toynbee 1934, 123–125 mit Taf. 5,10–15; Ganschow 1997, 816–818 Nr. 3–7. Zu den berühmten maurischen Kavalleristen etwa Strab. 17.3,7; Paus. 8.43,3.

36

1. Einleitung

verwandelte mythische König Mauretanias.102 Der gleichnamige Gebirgszug steht im Maskulinum (griech. ὄρος). Anders präsentieren sich die weibliche und die männliche Figur im Typus ADVENTVI AVG MAVRETANIAE:103 In kurzem Chiton (bzw. langem Chiton und Himation) stehen sie, aus der Patera opfernd, vor einem brennenden Altar, halten eine Heeresstandarte und tragen auf dem Haupt jeweils die Elefantenkopfhaut (Frau) oder einen Helm (Mann). – Moesia: In den Prägungen mit der Rückseitenlegende ADVENTVI AVG MOESIAE SC erscheinen die weibliche und die männliche Personifizierung Moesias jeweils in kurzer Tunika und langem Mantel gehüllt und sind mit Bogen und Köcher bewaffnet.104 – Thracia: Auch in den Adventus-Prägungen für Thracia trägt die jeweilige Personifizierung eine kurze Tunika und den langen Mantel.105 Zwischen dem opfernden Kaiser und der Provinzpersonifizierung sitzt ein Opferstier neben dem Altar.106 – Noricum: Interessanterweise erscheint in den Adventus-Prägungen Hadrians die Darstellung einer weiblichen Provinzpersonifikation oder seltener eines männlichen Repräsentanten im Zusammenhang mit der offiziellen Benennung der Provinz im Neutrum: Noricum.107 Die Provinz entstand auf der territorialen Grundlage des keltischen „regnum Noricum“.108 Offenbar wurde das toponomastische Adjektiv Noricum für die Provinzbezeichnung beibehalten, indem man es nominalisierte. Noricum stellt daher die einzige Annexion dar, die nicht gemäß dem konventionellen genus naturale bzw. als provincia auch grammatikalisch als Femininum verwendet wird.109 Vor diesem Hintergrund formuliert Scherrer die verlockende These, dass die aus mehreren Inschriften bekannte, etwa im Heiligtum von Hohenstein prominent verehrte Schutzgottheit bzw. Personifikation der gleichnamigen Ortschaft, Noreia, von römischen Reichsbeamten und Militärs darüber hinaus als Personifikation der Provinz angesehen worden sei.110 Die Übernahme Noreias als Provinzpersonifikation 102 Z. B. Diod. 3.60, 1–5; 4.27, Ov. met. 4,628–662. Stets bärtig erscheint auch der den Stadtrömern seit C. Sullas Sieg über Jugurtha (Kap. 3.7.2) bekannte Gründer der letzten Königsdynastie Mauretanias, Bocchus I., in der lokalen Münzprägung. 103 RIC 2, 455 Nr. 897–902; Ostrowski 1990, 186 Nr. 2. 104 RIC 2, 455 Nr. 903; Ostrowski 1990, 190 Nr. 2; Toynbee 1934, 125 mit Taf. 5,20; PoPović 1992, 635 Nr. 4. 105 Außer im Militär war das amazonenhafte Tragen des Chitoniskos bzw. der kurzen Tunika z. B. in der Agonistik, vor allem den Pferdesportarten (z. B. Keles und Kalpe), gebräuchlich; dazu etwa Ebert 1989, 89–107; für die Pferderennen s. Petermandl 2012, 133–140; Wacker 2012, 125–131. Besonders die hier relevanten Mauretanier und Thraker waren als Reitervölker bekannt. 106 ADVENTVI AVG THRACIAE SC: RIC 2, 456 Nr. 907; Toynbee 1934, 130 mit Taf. 5,27; Ostrowski 1990, 204 Nr. 1; Houghtalin 1997, 16–17 Nr. 1. 107 ADVENTVI AVG NORICI SC; RIC 2, 456 Nr. 904; Strack 1933 Nr. 763; Toynbee 1934, 126 mit Taf. 5,22; vgl. Diez 1988, 933–934 Nr. 1; Ostrowski 1990, 191–192 Nr. 1. 108 Die exakte Bezeichnung regnum Noricum etwa bei Suet. Tib. 16,2 und Vell. 2.109,5. 109 Dagegen stehen etwa die maskulinen Formen Aegyptus, Cyprus oder Epirus als provinciae gemäß ihrem genus naturale stets im Femininum. 110 Scherrer 2007, 225; 228–229; ähnlich bereits Petrikovits 1936, 964; Spickermann 1997, 156; Šašel Kos 1999, 37–39.

1.3 Forschungsstand

37

erklärt Scherrer aufgrund der erwähnten Ambivalenz zwischen der grammatikalischen Form Noricums (Neutr.) und der üblichen ikonographischen Form von Ortspersonifikationen (Fem.).111 Indizien für eine Verehrung Noreias als eigentlicher Provinzgottheit sowie ihre Verwendung als Provinzpersonifikation lassen sich bislang – wenn überhaupt – vorwiegend auf der lokalen Ebene finden: Eine Benefiziarierinschrift aus Celeia (heut. Celje) ist der Reihe nach I(ovi) O(ptimo) M(aximo) et Cel(eiae) et Noreiae sanctae geweiht (2./3. Jh. n. Chr.).112 Aus der besonderen Zusammenstellung und genauen Reihenfolge der Gottheiten sei gemäß Scherrer ablesbar, dass Noreia die Provinz Noricum insgesamt personifizierte.113 Demnach stünde Iuppiter als oberster römischer Staatsgott für das Imperium, Noreia als Regionalgöttin für die Provinz, Celeia als Stadtgöttin für den Stationsort. Allerdings kann die Abfolge der Nennung der Götternamen im Inschriftentext nicht als stützendes Argument herangezogen werden, denn die korrekte Reihenfolge ergibt nicht „Iuppiter – Imperium, Noreia – Provinz, Celeia – Stadt“, sondern ‚Iuppiter – Celeia – Noreia‘ und reflektiert damit nicht die erwünschte, absteigende Hierarchisierung der durch die Gottheiten symbolisierten territorial-administrativen Einheiten. Interessanter für die Argumentation könnte vielmehr der häufig im 1.–2. Jh. anzutreffende Beiname Noreias sein: Augusta.114 Das Führen der Titulatur Augusta drückt formelhaft Loyalität und eine besondere Nähe gegenüber dem Kaiserhaus aus.115 Die Provinz Noricum war seit Claudius einem kaiserlichen Procurator als Gouverneur, mithin ausschließlich der Autorität des jeweiligen Augustus, im Namen des römischen Volkes, unterstellt. 1.3.2 Reflexion der bisherigen Forschungsansätze und modernen Begriffsbildung am Quellenmaterial Ein Problem, das durch den Rückgriff auf Hypothesen und durch generalisierende, den Quellenbestand nicht umfänglich, differenzierend und kritisch erfassende Analysen bedingt ist, behaftet die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem unmittelbaren Quellenmaterial, nämlich den für uns relevanten, in Münzprägungen und Reliefs erhaltenen Darstellungsformen von Unterworfenen, sowie den literarischen Einzelberichten. Die Schwierigkeit bedingt v. a. der Umstand, dass neben den von der Spezialforschung methodisch als maßgebend deklarierten traditionellen Kriterien der Bildanalyse, „Ikonographie, Stil und Format“, der präzisen Beschriftung des jeweiligen Bildträgers (Steininschrift, Münze) oder der literarischen Beschreibung etwa von Reliefgruppen analytisch nur sekundäre Bedeutung zukommt. Insbesondere die Frage nach den intermedialen Bezügen,116 also dem möglichen Zu111 Scherrer 2007, 228. 112 CIL 3, 5188 (S. 1830): I(ovi) O(ptimo) M(aximo) et Cel(eiae) / et Noreiae / Sanct(a)e Rufi(us) / Senilis b(ene)f(iciarius) co(n)s(ularis) / pro se et suis / v(otum) s(olvit) l(ibens) m(erito). 113 Scherrer 2007, 225. 114 CIL 3, 4806–4807; ILLPRON 149; CIL 3, 14362; CIL 3, 5123; CIL 3, 5613. 115 Vgl. ähnlich die Bezeichnung Dacia Augusta provincia unter Traian (Kap. 2.5.1 mit Abb. 19). 116 Zur Definition von „intermedial“ etwa Wolf 2008, 327–328; Rajewsky 2002.

38

1. Einleitung

sammenwirken von Schrift und Bild im selben Kontext bzw. im selben Bild- und Textträger, wurde in den bisherigen einschlägigen Untersuchungen mit wenigen Ausnahmen nirgends direkt aufgeworfen. Das Versäumnis jedoch, im selben Kontext Schrift und Bild in Kombination zu deuten, kann etwa zur Folge haben, dass in Bildinterpretationen an falschen und überholten Deutungen festgehalten wird, wie etwa im Falle der Interpretation weiblicher Figuren, die eine Mauerkrone auf dem Haupt tragen. Zwar versinnbildlicht die Mauerkrone ursprünglich griechische Stadtstaaten. Aber in der griechisch-römischen Münzprägung und Reliefkunst der Kaiserzeit tragen sie nicht ausschließlich Personifikationen einzelner Poleis, wie etwa Messerschmidt und Meyer vermuten.117 Die Mauerkrone findet sich nämlich auch als Kopfbedeckung von Personifikationen ganzer Provinzen (etwa in Hadrians Reiseerinnerungsmünzen), ganzer Städtebünde (Koina) in Selbstdarstellungen der Provinzialen selbst oder autonomer Stammesverbände im severischen Nordbritannien, die archäologisch gar keine städtischen Siedlungen aufweisen.118 Als Fazit lässt sich festhalten: Die meisten erwähnten Studien entwickeln Kategorien der Darstellungsformen nach hauptsächlich stil- und bildbeschreibenden Kriterien ohne eingehende Berücksichtigung der entsprechenden Inschriften/ Münzlegenden und Entstehungs- bzw. Darstellungskontexte. Die relevanten Darstellungsformen werden – abgesehen von wichtigen Ausnahmen –119 lediglich beiläufig nach einer historischen chronologischen Perspektive betrachtet. In erster Linie sind die Kategorisierungen rein thematischer Natur. Von allen relevanten Darstellungsformen steht fast ausschließlich die Personifikation in ihrem ikonographischen Erscheinungsbild im Zentrum bzw. am Ausgangspunkt der Betrachtungen. Personifikationen werden entweder in alphabetischer Reihenfolge, nach dem auf den Darstellungsträgern bezeugten bzw. ihnen von der Forschung zugewiesenen Provinznamen,120 oder nach ihrem Vorkommen in einzelnen Monumenten bzw. Repräsentationsgruppen121 oder unterschiedlichen Darstellungsträgern (Münze, Relief, Statue usw.),122 oder nach ihrem stilistisch-ikonographischen Format (Attribute, Frisur, Tracht usw.) thematisiert.123 Der Verzicht auf historisch-chronologische Betrachtungen der Darstellungsformen bringt methodisch den Nachteil mit sich, dass je verschiedene Bedeutungen derselben Darstellungsform in unterschiedlichen zeitlichen und politischen Kontexten nicht erkannt werden, so etwa im Falle von Personendarstellungen mit Elefantenkopfhaut oder Darstellungen niedergetrampelter Schlangen bzw. schlangenähnlicher Kreaturen: Abgesehen davon, dass das Tragen der exuviae Elephantis in Feldherren-Münzen der Republik wohl als Anklang an Alexander d.Gr. gemeint war, konnte diese Darstellungsform ausser117 Etwa Messerschmidt 2003, 83–90; Meyer 2006, 15–27 (Forschungsgeschichte); 111. 118 Eingehend Vitale 2014a; vgl. auch Ziegler 1999. 119 Vgl. Méthy 1992; Parisi Presicce 1999; bereits Toynbee 1934 präsentiert die Personifikationen zwar in alphabetischer Ordnung nach dem Provinznamen. Dabei liefert sie aber stets chronologische Querschnitte aller bekannten Bezeugungen. 120 So etwa bei Jatta 1908; Ostrowski 1990; Houghtalin 1997; ansatzweise Toynbee 1934. 121 Etwa Bienkowski 1900; Liverani 1995. 122 Brilliant 1963. 123 Etwa Domes 2007.

1.3 Forschungsstand

39

dem für die Polis Alexandreia, das Königreich der Numidier, den ganzen Kontinent oder die Provinz Africa proconsularis stehen.124 Die jeweilige Deutung hängt von der individuellen Darstellungsabsicht des Feldherren oder Kaisers, der Prägestätte, dem historischen Ereignis bzw. Repräsentationsanlass und, nicht zuletzt, von der damit verknüpften sprachlichen Formel in den entsprechenden Münzlegenden und Inschriftentexten ab. Der Umstand, dass dieselbe formelhafte Variante der Münzlegende bzw. Beischrift (z. B. capta, recepta oder Gebietsname im Nominativ) in Kombination mit verschiedenen Darstellungsformen erscheinen konnte, wie etwa im Falle von Armenia capta, weist darauf hin, dass der entsprechende Text – wenn vorhanden – (be)deutungsbestimmend für die Abbildung war, und nicht umgekehrt: die Abbildung bestimmt ihre Interpretation nicht per se. Das Problem lässt sich etwa anhand der Münzlegende capta skizzieren: Unter dem sog. „capta-Typus“, der nach der entsprechenden Münzlegende capta benannt ist, versteht man in Anlehnung an Bienkowskis und Jattas Typisierungen – unabhängig von der Inschrift der jeweiligen Darstellungsform bzw. Bildszene – ausschließlich Personendarstellungen, vornehmlich Personifikationen, mit bestimmter Körperhaltung und Mimik, die Trauer ausdrücken.125 Da sich solche Indikatoren für „psychische Stimmung“126 bei Personendarstellungen vor der erstmaligen Bezeugung der Münzlegende capta bereits in republikanischen Prägungen und dann noch bis in der Spätantike beobachten lassen, wird für diesen gesamten Zeitraum ein „Typus capta“ festgelegt, dem dann alle entsprechenden Personendarstellungen – ungeachtet ihrer tatsächlichen Münzlegende – zugewiesen werden. Im Gegensatz zu dieser ausschließlich ikonographisch bedingten Zuweisung lassen sich jedoch aufgrund der für die Definition eines sog. capta-Typus entscheidenden Beischrift capta nicht nur Personifikationen, sondern mindestens drei verschiedene Darstellungsformen identifizieren (Personifikation, Darstellung von Kriegsgefangenen, Tiersymbol), die in Kombination mit der Beischrift capta bereits unter Traian zum letzten Mal bezeugt sind;127 für die Folgezeit lässt sich keine Münzlegende capta bzw. kein capta-Typus mehr nachweisen. Neben den in Inschriften und Münzlegenden bezeugten Formeln der Unterwerfung ist auch ein weiteres sprachliches Detail für unsere Problemstellung aussagekräftig, nämlich die Differenzierung der Darstellungen von Unterworfenen nach Ethnika und Toponymen. Sie entspricht größtenteils unterschiedlichen Darstellungslogiken nach entweder ethnographischen oder juristisch-administrativen Schemata. Dadurch sind auch unterschiedliche Dimensionen der Unterwerfung ausgedrückt im Sinne einer Unterwerfungs-Perspektive einerseits und juristischadministrativen Perspektive andererseits. Diese Korrelationen wurden in der bishe124 125 126 127

Vgl. etwa Perassi 2004, 202–206. Parisi Presicce 1999, 85–86: „afflitto e sottomesso“. Bienkowski 1900, 12. Vgl. Aegypto capta (Krokodil/Hippopotamos), Armenia capta (stehender bewaffneter armenischer/parthischer Krieger), Iudaea capta (Palme beidseitig flankiert von stehendem und sitzender Kriegsgefangenen), Dacia capta (sitzende Personifikation in Trauerhaltung), Parthia capta (zwei Rücken an Rücken an Tropaeum sitzende bärtige Kriegsgefangene).

40

1. Einleitung

rigen Forschung – abgesehen von wenigen Ausnahmen (s. u. Christ) – entweder noch nicht erkannt oder noch nicht systematisch auf die Zuweisung und Benennung der relevanten Darstellungsformen übertragen. Im Gegenteil scheint das Nebeneinander mehrerer, unterschiedlicher Darstellungslogiken offenbar Verwirrung zu stiften. Dies schlägt sich insbesondere in der Bildung neuer Bezeichnungen für die relevanten Darstellungsformen nieder, die nicht dem Quellenbefund entsprechen. Obwohl nämlich die literarischen Darstellungen von Triumphzügen und Siegesdenkmälern der Republik und des frühen Principats die besiegten und unterworfenen Gebiete ausdrücklich als „Völkerschaften“ oder „Stämme“ präsentieren (Kap. 2.1–2) und, in Anlehnung daran, etwa auch die Zusammenstellung der mit Gebietsnamen beschrifteten Personifikationen in den hadrianischen Prägeserien von den meisten Forschern nach einem ethnographischen Deutungsmuster als nationes/gentes („Völkerschaften/Stämme“) eingeordnet werden (Kap. 2.5.3), sind die entsprechenden Darstellungsformen in der Wissenschaftssprache nicht konsequenterweise etwa als ‚Völkerpersonifikationen‘ angesprochen, sondern werden in den meisten Untersuchungen undifferenziert als ‚Provinzpersonifikationen‘ nach dem Vorbild der von Bienkowski und Jatta ikonographisch ermittelten „provincia“-Typen klassifiziert.128 Aber die gängigen Bezeichnungen dieser Typen sind häufig von den Forschenden selbst aus antiken Begriffen hergeleitet, die dann entweder nicht auf alle so genannten Darstellungsformen zutreffen, wie etwa „provincia capta“, oder quellenmäßig nicht nachgewiesen sind, wie etwa „provincia pia fidelis“.129 Mangels präziserer, differenzierter Bezeichnungen für ethnisch-geographische Personifikationen, die nicht ausschließlich Poleis repräsentieren, wird an einheitlichen, pauschalisierenden Bezeichnungen festgehalten („province representations“ usw.). So etwa legitimiert Ostrowski den Titel seines Buches, Les personnifications des provinces dans l’art romain, obwohl er in den personnifications des provinces sachlich „personnifications des ‚peuples‘ et des ‚nations‘“ sieht.130 Indes homogenisiert Ferris die Personifikationen sogar zu „provincial personifications of peoples and provinces“.131 Ähnlich setzen auch Alföldy und Nicolet „Provinzen“ und „Völker“ 128 Vgl. etwa Hannestad 1988; Holliday 2002, 118 spricht von „provinces brought under Roman domination“, obschon das betreffende Unterkapitel (a. O., 104) den Titel trägt „Conquered Lands and Nations“; Rodgers 2003, 85 versteht aufgrund seiner „post-colonial theoretical approaches“ jede geographische Personifikation als „depiction of conquered Roman provinces“; demgegenüber antizipiert zwar Cody 2003, 103 im Zusammenhang mit der Klassifizierung nach provincia-Typen flavischer Siegesmünzen, „representations of foreign peoples and places“ zu besprechen, fällt aber dennoch abschließend in terminologische Widersprüche (a. O., 119): „The last group of coin types are those that portray conquered land as a faithful partner of Rome. Oh these types a figure that personifies the province stands erect (…)”. 129 Bezeichnend für diesen unpräzisen Umgang mit der antiken Begrifflichkeit ist das Wortspiel von Méthy 1992, 273: „La captive est plus qu’une simple prisonnière, la province elle-même, la provincia capta“. 130 Ostrowski 1990, 19–21: „En présence de ce problème, J. M. C. Toynbee utilisait le terme province entre guillements. Une fois présenté ces problèmes et ayant signalé les difficultés pour trouver un terme adéquat il semble qu’on peut parler, quoique, de manière peu précise, de personnifications des provinces“. 131 Ferris 2000, 81; vgl. Martin 1974, 43 spricht trotz ausdrücklicher Münzumschrift PROVIN-

1.3 Forschungsstand

41

gleich.132 Im Kontrast zum undifferenzierten Umgang mit der antiken und modernen Begrifflichkeit wird infolge der kritischen Äußerungen von Strack133 in der neuesten Forschung, insbesondere bei Ostrowski,134 Liverani,135 Salcedo,136 Domes137 sowie Östenberg,138 gerade im Bewusstsein konzeptioneller Unterschiede zwischen der Darstellungslogik nach provinciae einerseits und gentes/ nationes andererseits, der diametral entgegengesetzte Standpunkt vertreten. Demnach existierten gar keine Provinzpersonifikationen, sondern „only representations of gentes and nationes“,139 weil lateinische Autoren niemals den Begriff ‚provincia‘ auf Personifikationen anwenden.140 Der Terminus ‚provincia‘ könne in diesem Zusammenhang bestenfalls aus wissenschaftlicher Konvention heraus weiterverwendet werden.141 Da jedoch zumindest in Münzprägungen unter Galba und Traian Personifikationen mit den entsprechenden Münzlegenden concordia Hispaniarum et Galliarum/concordia provinciarum bzw. Dacia Augusta provincia erscheinen, können wir in diesen Fällen vorbehaltlos von ‚Provinzpersonifikationen‘ reden.142 Allerdings lassen sich insbesondere für die frührömische Zeit auch Reichsdarstellungen nach kleineren Teilgebieten des Imperiums nachweisen, die womöglich noch an die ursprüngliche Verwendung von Orts- bzw. Stadtpersonifikationen der griechischen spätklassischen und hellenistischen Zeit anknüpfen (Kap. 1.3.1.1). Abgesehen nämlich von Darstellungsschemata nach gentes bzw. ethne oder provinciae ist auch die ausschließliche Darstellung bzw. Aufzählung von eroberten Städten bzw. Siedlungen, oppida, sowohl für die Eroberungen in Kleinasien als auch Eroberungen in Hispanien bezeugt.

CIARVM von „Personifikationen der geographischen Regionen“; vgl. hingegen differenziert

„personificazioni di province o nationes“ bei Sapelli 1999, 13. 132 Alföldy 1989, 226–234; Nicolet 1988, 66–68; vgl. ferner Hölscher 1988, 527. 133 Strack 1933, 140 mit Anm. 306; vgl. im Widerspruch dazu die „erste Darstellung einer provincia, einer terra pacata auf römischen Münzen“ in Strack 1931, 69. 134 Ostrowski 1990, 19–21. 135 Liverani 1995, passim. 136 Salcedo 1996, passim. 137 Domes 2007, passim. 138 Östenberg 2009, 229. 139 Ebd. 140 Östenberg 2009, 229; ebenso Domes 2007, 12. 141 Vgl. die Kompromisslösung in Salcedo 1996, 208: „La denominación ‚provincia‘, utilizada por toda la historiografía, no se ajusta totalmente a la realidad iconográfica. (…) Considero admisible la denominación ‚provincia‘ siempre y cuando se tenga presente sus limitaciones y que se utiliza como convención“. 142 Solche Provinzpersonifikationen stellen innerhalb der kaiserzeitlichen Reichsprägung keine isolierten Fälle dar. In Kombination mit Gebietsnamen muss der genaue Wortlaut provincia nicht zwingend mit erwähnt sein. Dass die Münzlegende Pannoniae unter Traianus Decius (249–251 n. Chr.) in Verbindung mit zwei sich die Hände schüttelnden Personifikationen die provinciae Pannoniae meint, also Pannonia inferior einerseits und Pannonia superior andererseits, wird niemand bezweifeln wollen (Kap. 3.4.3).

42

1. Einleitung

1.4 PLAN, AUFBAU UND METHODE 1.4.1 Plan Wir fragen zuerst, nach welchem Auswahl- und Zusammenstellungsprinzip, welchem Schema Darstellungsformen von Unterworfenen präsentiert wurden, und unterscheiden demgemäß nach der Darstellungslogik. In römischen Reichsdarstellungen aus einem Zeitraum von über drei Jahrhunderten kommen ethne/nationes/gentes, provinciae, Städte sowie amici et socii populi Romani vor. Wann und in welchen Kontexten oder in welchen Zeiträumen etwa Völkernamen, Landschaftsnamen, Städtenamen oder offizielle Bezeichnungen der römischen administrativen Geographie verwendet wurden, hängt von mehreren Faktoren ab. Eine Rolle spielten gewiss der jeweilige konkrete Repräsentationskontext bzw. Prägeanlass (z. B. Herrscherkult, Triumphzug/Siegesdenkmal, Leichenzug für Feldherren/Kaiser, Erinnerung an einen Sieg, kaiserliche Inspektionsreisen), der breitere historische Hintergrund (Sieg, Bürgerkrieg, Feldzugsvorbereitungen, Hungersnöte), die politisch bzw. propagandistisch motivierten Repräsentationsabsichten des jeweiligen Kaisers sowie, vor allem, der politisch-rechtliche Status der ‚Unterworfenen‘ vor bzw. nach deren Niederlage. Der Frage nach den Darstellungslogiken römischer Reichsdarstellungen wird in der heutigen Forschung – wenn überhaupt – anhand der hadrianischen Reiseerinnerungsmünzen sowie den bloß teilweise mit Beischriften versehenen Reliefdarstellungen von ethne (Völkerschaften/Stämme) im Sebasteion von Aphrodisias aus claudisch-neronischer Zeit nachgegangen. Diese beiden Beispiele von Reichsdarstellungen stellen die vergleichsweise größten bzw. am vollständigsten und besten erhaltenen Personifikationengruppen römischer Zeit dar. Ausgehend von diesen zeitlich sowie geographisch weit auseinanderliegenden Einzelfällen wurden aber auch Analogieschlüsse zu Darstellungslogiken aus anderen Epochen der Kaiserzeit gezogen. So wurde vermutet, dass Abbildungen von eroberten Völkerschaften, victae gentes, sowohl den Leichenzug von Augustus als auch den von Pertinax zwei Jahrhunderte später begleitet haben. Unsere Quellenanalyse wird aufzeigen, dass nicht nur eine einzige, kontinuierliche Darstellungslogik, sondern mehrere Darstellungslogiken nacheinander, teilweise auch nebeneinander, römische Reichsdeclarationes strukturierten. Dabei kamen die eingangs erwähnten Faktoren zum Zuge: Die ethne des Sebasteion im Zusammenhang mit dem Kaiserkult, die in den entsprechenden Relief-Inschriften mit Ethnika gekennzeichnet sind, stellen etwas ganz anderes bzw. eine politisch-rechtlich unterschiedliche Kategorie von Besiegten dar als die anlässlich der reichsweiten administrativen und militärischen Inspektionsreisen des Kaisers geprägte Serie von Personifikationen unter Hadrian, die in den entsprechenden Münzlegenden stets mit Toponymen gekennzeichnet sind. Im Falle des Sebasteion interessierte die detaillierte und vollständige Darstellung aller von Augustus annektierten oder besiegten Völkerschaften, im Falle der Reiseerinnerungsmünzen interessierte die summarische ‚declaratio‘ der unter Hadrians Regierung verwalteten Reichsgebiete. Diese beiden Reichsdarstellungen lassen sich nicht ohne weiteres nebeneinanderstellen. Es sind jeweils unterschied-

1.4 Plan, Aufbau und Methode

43

liche Gesichtspunkte, nach denen teilweise dieselben Völkerschaften eingeordnet und dargestellt wurden. Unsere Untersuchungsstrategie wird methodisch stärker auf die Einbettung der Einzelquelle in ihren jeweiligen Kontexten eingehen. Für das Erfassen der jeweiligen Darstellungslogik muss der gesamte Kontext berücksichtigt werden, der für die Darstellungsform auf unterschiedlichen Ebenen, sog. ‚Kontextebenen‘, relevant sein kann (dazu s. u. Kap. 1.4.3). Nach diesem, an relevanten Kontextebenen orientierten Analyseraster untersuchen wir, wie die Römer die von ihnen eroberten und beherrschten Teile des ‚Reiches‘ begriffen, darstellten und dargestellt sehen wollten in einem Zeitraum vom 3./.2. Jh. v. Chr. – 4. Jh. n. Chr. Aufschlussreich kann auch die Umkehr der Perspektive sein. Denn auch die Besiegten bzw. Beherrschten, so wie etwa Klienteldynasten oder Provinzstädte, eigneten sich römische ‚ReichsVeranschaulichungen‘ an und interpretierten sie neu bzw. aus ihrer Perspektive, wie etwa im Falle des Jerusalemer Theaters von Herodes dem Großen, der Reliefgruppe der Kaiserkultanlage in Aphrodisias oder der Münzprägungen von Agrippa I. Herodes. Im diachronen Vergleich lassen sich dann mit historischen Ereignissen in erkennbarer Beziehung stehende Veränderungen römischer ‚Reichsdarstellungen‘ beobachten, die parallel verliefen. 1.4.2 Aufbau Unsere kontextorientierte kleinteilige Betrachtung der Darstellungsformen soll zugleich eine kulturhistorische Narration des Verhältnisses von Rom zu seiner Umgebung und einen Beitrag zur römischen Raumerfassung bieten. Es liegt hier keine erschöpfende Abhandlung zu den Themen ‚Reichsdarstellung‘ bzw. ‚Personifikation‘ von Provinzen, Gebieten sowie Land- und Völkerschaften in der römischen Republik und Kaiserzeit vor, sondern vielmehr eine methodisch kritische Auswahl relevanter Fallbeispiele. Freilich sind wir auf vielen verschiedenen Einzelgebieten der Altertumswissenschaften unterwegs. Gemäß unserem Plan gliedert sich die Untersuchung folgendermaßen: Kapitel 2 und 3 beinhalten eine systematische Inventarisierung und Analyse der römischen Darstellungsformen von Unterworfenen bzw. Provinzialen. Dabei gehen wir möglichst chronologisch vor. Zuerst werden in Kapitel 2 Bezeugungen von Reichs-Veranschaulichungen in verschiedenen Text- und Materialgattungen beispielhalber jeweils nach der Abfolge der entsprechenden Feldherren und Kaiser von ihrem frühesten Vorkommen bis zum späten 4. Jh. n. Chr. präsentiert. Wir unterscheiden hauptsächlich zwischen Darstellungen reichsinterner Völker bzw. provinciae einerseits und externer Völker andererseits (Kap. 2.2). In Anknüpfung an unseren Nachweis von eigentlichen ‚Provinzpersonifikationen‘ (Kap. 2.4–5) werden diese verschiedenen Formen von Reichsdarstellungen anhand der ethnophoren Siegerbeinamen römischer Feldherren und Kaiser überprüft (2.8). Parallel zu den bildlichen und textlichen Veranschaulichungen römischer Herrschaftsausdehnung soll die gleichzeitige juristisch-administrative Darstellung territorialer Zugewinne in Form von Ortsverzeichnissen (formula provinciae) und Konventslisten erörtert

44

1. Einleitung

werden (Kap. 2.9). Insbesondere die philologische und historische Analyse der entsprechenden Formulierungen bedarf einer kombinierten Untersuchung sowohl der lateinischen als auch griechischen Bezeugungen anhand von literarischen und epigraphischen Texten. Der Personendarstellung, insbesondere der Personifikation, wird mit Kap. 3 eine eigene Besprechung gewidmet, da sie in unseren Quellen als die relevanteste und meist verwendete Darstellungsform für beherrschte Gebiete erscheint. Das Kapitel fokussiert auf die Genese und Entwicklung sowie die besonderen Verwendungskontexte der Personendarstellung bzw. Personifikation. Wichtige Fallbeispiele bieten vor allem der Vergleich der unterschiedlichen Verwendung von Personendarstellungen mit Tier- und Objektsymbolen und die Entwicklung der eigentlichen Provinz-Personifikation bereits in der spätrepublikanischen und augusteischen Reichsprägung (Kap. 3.1–2). Dabei wird die in der Forschung kontrovers diskutierte Unterscheidung nach stereotypen Darstellungen von Kriegsgefangenen, weiblichen Personifikationen oder ‚realistischen‘ Abbildungen besiegter Dynasten erörtert. In Bezug auf Provinzpersonifikationen gilt ein besonderes Augenmerk den juristisch-administrativen Sonderfällen wie etwa den Darstellungsformen Italias (Kap. 3.3) und der damit eng verknüpften, erst im ausgehenden 2. Jh. n. Chr. aufkommenden, ausschließlichen Darstellung von Heimatprovinzen der Kaiser, origo Augusti (Kap. 3.4). In spätrömischer Zeit fielen dann Provinzpersonifikationen gänzlich weg, während andere Darstellungselemente des Principats in Münzlegenden und Bildszenen weiterhin Verwendung fanden. Der Schwerpunkt verlagerte sich auf einzelne Darstellungstypen ritualisierter Unterwerfungsszenen, so wie etwa der calcatio colli bzw. serpentis (Kap. 3.5). Gleichzeitig kamen auch neue Münzlegenden auf, welche die Besiegten nicht mehr im Einzelnen beim jeweiligen Völker- bzw. Gebietsnamen, sondern pauschal als gentes barbarae, bezeichneten. Die abschließenden Kapitel 3.6–9 widmen sich den vergleichsweise weniger häufigen Selbstdarstellungen der Provinzialen in Reliefs, Münzbildern und Inschriften sowie den verschiedenen Darstellungen von Klientelgebieten und ewigen Gegnern (Parther/Sasaniden) sowohl aus römischer Sicht als auch aus Sicht der Klienteldynasten. Bemerkenswert ist die vergleichende Untersuchung der königlichen Münzprägung der mit den Römern verfeindeten bzw. verbündeten Parther (Kap. 3.8) sowie der Felsreliefs Shapurs I. mit Unterwerfungsszenen, die bildersprachlich römischem Darstellungsgut nachempfunden waren (Kap. 3.9). 1.4.3 Methode Häufig stellt sich dem modernen Forscher das Problem, dass die Figuren nicht beschriftet bzw. die entsprechenden Inschriften nicht erhalten sind. Die Schwierigkeit der genauen Deutung von Figuren, insbesondere Personifikationen, besteht auch unabhängig von einer Denkmalsetzung. Auch antike Betrachter/innen konnten nach Ausweis von Ovid während der Triumphzüge von Augustus bzw. Tiberius die genaue Identität nicht beschrifteter Figuren bzw. Personifikationen häufig nur erraten, bestenfalls assoziativ bestimmen.

1.4 Plan, Aufbau und Methode

45

(Ovid ars. 1,219–228): Spectabunt laeti iuvenes mixtaeque puellae, diffundetque animos omnibus ista dies. Atque aliqua ex illis cum regum nomina quaeret, quae loca, qui montes, quaeve ferantur aquae, omnia responde, nec tantum siqua rogabit; Et quae nescieris, ut bene nota refer. Hic est Euphrates, praecinctus harundine frontem: Cui coma dependet caerula, Tigris erit. Hos facito Armenios; haec est Danaeia Persis: Urbs in Achaemeniis vallibus ista fuit. Ille vel ille, duces; et erunt quae nomina dicas, si poteris, vere, si minus, apta tamen. („Fröhlich schauen Jünglinge gemeinsam mit den Mädchen zu. Dieser Tag erfreut die Gemüter aller. Wenn eine Dich nach den Namen der Könige fragt, und was für Gebiete, Gebirge und Gewässer es sind, die [im Triumph] dort getragen werden, beantworte alles – nicht nur, wenn eine Dich danach fragt. Und wenn Du etwas nicht weisst, so rede darüber, als wäre es Dir wohl bekannt: ‚Dies ist Euphrat, die Stirn mit Röhricht bekränzt, und der mit dem bläulich wallenden Haar müsste Tigris sein. Das hier dürften Armenier sein, die hier stellt Danaës Persis dar. Die Stadt dort lag in den achaimenischen Tälern. Dieser und jener sind Fürsten‘. Und nenne dabei immer Namen, die richtigen, wenn Du es kannst, andernfalls passende, wenn Du es nicht kannst“; Übers. M.V.).

Um die Fragen ihrer Begleiterinnen während Triumphzügen zu beantworten und sie damit zu beeindrucken, sollen junge Männer – auch wenn sie die vorgeführten Darstellungen und Kriegsgefangenen nicht alle kennen, wenigstens so tun, als wären sie ihnen bekannt (et quae nescieris, ut bene nota refer). Dabei sollen sie möglichst die präzisen Namen, andernfalls nur passende (apta tamen), nennen. Die Textpassage aus Ovids Ars amatoria legt nahe, dass damalige spectatores eines Triumphzugs nicht alle Darstellungen von Besiegten zu interpretieren vermochten, da offenbar häufig die entsprechenden Beischriften mit den erklärenden vocabula/ tituli bzw. γράμματα fehlten, die etwa in den Triumph- bzw. Leichenzügen von Pompeius Magnus und Augustus nach Aussagen von Plinius d. Ä., Plutarch oder Appian die Darstellungen begleiteten (Kap. 2.1.2; 2.3.5). Wenn vorhanden, halfen vocabula/tituli dem/r Betrachtenden, die noch unklaren Darstellungsformen zumindest per exclusionem zu deuten. Das Problem einer korrekten Identifikation anlässlich der von Siegen abgebildeten Figuren betrifft also sowohl antike als auch moderne Betrachter/innen in gleicher Weise.143 Ein solcher Befund legitimiert jedoch moderne Forschende keineswegs zur ausschließlichen Verwendung einer Methode der „ikonographischen vergleichenden Deutung“, wie dies etwa Hinks nahelegt,144 denn nomina apta entsprechen auch im Falle antiker Betrachter/innen nicht zwangsläufig den „korrekten“ Namen der zu identifizierenden Darstellungsform.145 143 Ähnlich Hughes 2009, 8–11 mit der älteren Lit. Anm. 33–34; bereits Liverani 1995, 242 in Bezug auf die textlosen Personendarstellungen auf den Reliefplatten der Schlacht- und Personifikationserie des sog. Partherdenkmals in Ephesos aus antoninischer Zeit: „Dubito, infatti che lo spettatore efesino di media cultura potesse riconoscere a colpo d’occhio tutte le personificazioni presenti su questi rilievi“; allerdings relativiert der Forscher sein Urteil: „Le figure erano globalmente riconoscibili come personificazioni“; zum Partherdenkmal Landskron 1999 sowie 2006; Oberleitner 2008 und 2009. 144 Hinks 1939, 74 in Bezug auf die Reliefs des Hadrianeum: „It is true that they have not all been successfully identified, but this difficulty is due rather to our ignorance than to any lack of care on the artist’s part“. 145 Contra Hughes 2009, 10: „Identifying the personifications correctly meant that the viewer had the cultural resources to recognize their attributes, and the mental agility to put them together to tell a coherent story“.

46

1. Einleitung

Gerade im Falle von Figuren bzw. ganzen Bildgruppen, die keine erklärenden Beischriften aufweisen – weil häufig keine Beischriften eingemeisselt bzw. vorgesehen waren (diese waren bestenfalls nur aufgemalt) –, müssen wir von unseren erkenntnisleitenden Ansprüchen auf unbedingte und restlose Identifizierung bzw. Typisierung der Figuren Abstand nehmen. Es geht nicht so sehr darum, nach dem Wahrnehmungshorizont antiker Betrachter/innen auszuschauen, sondern vielmehr darum, nach der Absicht des jeweiligen Repräsentationsprogramms zu fragen, so wie etwa im Falle der Reliefgruppe des sog. Hadrianeum. Dagegen sind methodische Zugänge, die auf der „ikonographischen vergleichenden Deutung“ aufbauen, insofern ‚typisierend‘, als sie die Bedeutung einer jeden bildlichen symbolischen Figur (Ikone), insbesondere Personifikationen, von vornherein und als zeitlose Konstante voraussetzen, wobei der jeweilige historische Kontext einer gegebenen Abbildung nicht erheblich ist. Nirgends lässt sich nachverfolgen, dass Personifikationen geographischer sowie ethnischer Entitäten ausgehend von ihrer Erstbezeugung dann über Jahrhunderte hinweg nach feststehenden ikonographischen Konventionen dargestellt worden wären; dem widerspricht etwa die Untersuchung von Personifikationen, die die explizite Beischrift Britannia führen (Kap. 2.7). Vorbehalte gegenüber fixen Typisierungen von Personifikationen formuliert Hölscher etwa in Verbindung mit den sieben weiblichen Figuren auf dem sog. Augustus-Becher von Boscoreale: „Auf dem Silberbecher von Boscoreale ist unter den Personifikationen, die Mars Augustus zuführt, zwar Ägypten herausgehoben; aber die Gruppe der übrigen sechs Figuren ist nicht sehr deutlich differenziert, ihre Zahl kann kaum eine konkrete Größe, weder die vom Kaiser verwalteten noch die politisch besonders aktuellen Provinzen meinen, sondern nur die Gesamtheit der Reichsteile“.146

Abb. 1: Sieben Personifikationen auf dem „Silberbecher von Boscoreale“.

In dieselbe Richtung weist die Kritik von Liverani. An der hauptsächlich stilbeschreibenden und zuweisenden Methode („di dare un nome alle entità raffigurate“) bemängelt er insbesondere die „comprensione dei loro rapporti con l’insieme monumentale di cui fanno parte“.147 Hölscher und Liverani schlagen demnach eine Interpretation vor, die nicht allein auf der Identifizierung der einzelnen Darstel146 Hölscher 1988, 525; 527; im Gegensatz dazu will Kuttner 1995, 70–73 unter dem Schlagwort Identification in den Figuren zumindest die Provinzen Gallia, Hispania, Africa und Asia erkennen. 147 Liverani 1995, 219.

1.4 Plan, Aufbau und Methode

47

lungsformen gründet, sondern auch deren Einbettung in der jeweiligen Bildszene oder dem jeweiligen baulichen Gesamtkontext mit berücksichtigt.148 Darüber hinaus wird unsere Analyse den für die Interpretation der einzelnen Darstellungsform jeweils mit ein zu beziehenden Gesamtkontext noch breiter fassen, auch den jeweiligen historisch-politischen Repräsentationsanlass und das Zusammenwirken von Bildern und Texten überprüfen (s. u. ‚Kontextebenen‘). Entgegen einer kohärenten „ikonographischen vergleichenden Deutung“ sind für unsere Untersuchung nicht Fragen relevant, wie und in welchen Variationen Figuren abgebildet wurden, sondern vielmehr die Frage, welche Ereignisse bzw. verschiedenen Versionen dieser Ereignisse die Figuren im jeweiligen Kontext genau wiedergegeben haben könnten.149 Die einzelne Darstellung bzw. Bildszene hat also – vor dem Hintergrund unserer untersuchungsleitenden Fragestellung – nicht eine ihr selbst, d. h. ihrem ikonographischen Erscheinungsbild, immanente, sondern eine von äußeren Kontextbedingungen verliehene Bedeutung. Sie erhält ihre Bedeutung nicht nur direkt, etwa aufgrund der entsprechenden Beischrift, sondern auch aufgrund ihrer Einbettung in einem breiteren Repräsentationskontext.150 Da die traditionellen, deskriptiven Typenkataloge, insbesondere die alphabetisch nach Ländernamen (z. B. Jatta 1908; Ostrowski 1990; Houghtalin 1997) oder nach ikonographischen Merkmalen (z. B. Salcedo 1996; Domes 2007) angeordneten Typenkataloge, für eine umfassende Analyse der relevanten Darstellungsformen unter dem Aspekt der jeweiligen Darstellungslogik keinen problemorientiert weiterführenden Befund liefern, ist eine für unsere Fragestellung quellenhermeneutisch adäquatere Suche erforderlich. Ausser dem Bildmedium erfasst diese Suche auch das Schriftmedium und den jeweils zugrundeliegenden historischen Kontext sowie den unmittelbaren baulichen Repräsentationskontext/Prägeanlass gleicherweise. Das neue Analyseraster nach sog. ‚Kontextebenen‘ halten wir tabellarisch fest: 1. Bauliche bzw. ‚bildszenische‘ Kontextebene: in welche Bildszene bzw. welchen baulichen Gesamtkontext ist die relevante Figur bzw. die entsprechende Inschrift eingebettet? 148 Insbesondere bei der vergleichenden Untersuchung verschiedener Darstellungsformen und ihrer Bezeugungskontexte müsse gemäß Hölscher methodisch stets dem Umstand Rechnung getragen werden, dass archäologische Denkmäler, Münzprägungen, Inschriften sowie literarische Darstellunge eine jeweils unterschiedliche Bildersprache aufweisen; dazu grundlegend Hölscher 1987 und 1999. 149 Eine ähnliche Problemstellung beschäftigt etwa auch die Morphosyntax in der linguistischen Forschung, insbesondere die grammatica relazionale bzw. relational grammar (in welcher bedeutungsstiftenden Relation stehen Wörter in einem Satz zueinander?), in Bezug auf die Bedeutung von Wörtern in einer Sprache: Wortbedeutungen ergeben sich dynamisch und erneuern sich aufgrund der jeweiligen Satz-Kontexte bzw. der jeweiligen syntaktischen Funktion eines Wortes – nicht aber weil die Bedeutung eines Wortes in einem Wörterbuch festgeschrieben ist; vgl. dazu als Referenzwerke Perlmutter 1990; Mannori 1984; La Fauci 1984; La Fauci 1988; Blake 1990; Toth 1997. 150 Ein Gebiets- bzw. Völkername oder Feldherrenname oder Siegerbeinamen verweist lediglich auf den näheren Repräsentationsanlass, sagt uns aber nicht viel über die Darstellungslogik, d. h. wir wissen noch nicht, ob hinter den Bezeichnungen etwa eine Klienteldynastie, eine neue Provinz oder ein autonomer Stamm steckt.

48

1. Einleitung

2. Historisch-politische Kontextebene (Repräsentationsanlass): Welcher Sieg bzw. welche Annexion wird deklariert? Welcher Gegner (Völkerschaft – Region – König – Stadt) wird genau repräsentiert? Welchen administrativen bzw. politischen Status hat der Gegner vor und nach der Niederlage? Wer hat die Darstellungsform(en) jeweils veranlasst? Selbstinszenierung des Kaisers, propagandistische Absicht, Selbstdarstellung der Provinzialen? 3. Historisch-intermediale Kontextebene:151 Welches Ereignis wird in der das Bildmedium begleitenden Münzlegende/Inschrift angesprochen? (Wie) Wirken Text und Bild zusammen? Wird dasselbe Ereignis in anderen Text- und Bildquellen parallel überliefert? 4. Topisch-diachrone Kontextebene: Wann und wie werden einzelne Darstellungsformen oder ganze Bildszenen wiederverwendet, mit derselben oder einer anderen Bedeutung? Aufs engste verknüpft mit diesen Kontextebenen sind dingliche und formale Gesichtspunkte, unter denen wir Reichsdarstellungen erkennen und betrachten, so wie etwa die jeweils spezifische Form der Darstellung von Unterworfenen, die unterschiedlichen Quellengattungen (Inschriften, literarische Texte, Münzaufschriften, Münzbilder, Reliefbilder), in denen die Darstellungsformen bezeugt sind, sowie das Prinzip ihrer Auswahl und Anordnung. Von den aufgelisteten „Gesichtspunkten“ steht besonders der zuletzt genannte, die Darstellungslogik, d. h. die Frage, nach welchen konstitutiven Elementen (Städte, Völkerschaften, Provinzen usw.) Herrschaftsgebiete vorzugsweise dargestellt wurden, im Vordergrund unserer Analyse: 1. Darstellungsform: Text, Symbol, Kriegsgefangener, Personifikation. 2. Darstellungs- bzw. Erinnerungsmedium: figürlich, literarisch, epigraphisch, numismatisch. 3. Darstellungslogik: Auswahl- und Anordnungs- bzw. Zusammenstellungsprinzip der Darstellungsformen innerhalb einer Bildgruppe bzw. eines kohärenten Repräsentationsprogramms.

151 Wir nennen diese Kontextebene „historisch-intermedial“, weil die relevanten Münzlegenden bzw. Inschriften in allen bekannten Fällen entweder ausdrücklich auf das relevante historische Ereignis verweisen (etwa Victoria Britannica) oder indirekt durch die Erwähnung des Gebietsbzw. Völkernamens oder den Vermerk einer Imperator-Akklamation sowie des kaiserlichen Siegesbeinamens die entsprechende Annexion bzw. den entsprechenden Sieg anzeigen.

2. QUELLEN RÖMISCHER REICHSDARSTELLUNGEN: DARSTELLUNGSLOGIK Im folgenden Kapitel werden allgemein und im Vergleich verschiedene Text- und Materialgattungen in chronologischer Abfolge auf die Darstellungslogik der darin erwähnten bzw. abgebildeten Unterworfenen hin befragt. Dabei interessieren vor allem die Fragen, ob und wann ethnologische bzw. juristisch-administrative Kriterien Auswahl- und Anordnungsprinzip der beherrschten Gebiete bestimmten, die entweder lediglich den Aspekt der Unterwerfung oder den der rechtlichen und politischen Inklusion im Reichsgewebe hervorheben, und wie sich diese Unterschiede sprachlich genau manifestieren. Einen wesentlichen Erkenntnisgewinn bieten die expliziten Nachweise von Personifikationen, die Provinzen darstellen. Dabei lassen sich interessante Parallelentwicklungen in Bildprogrammen und juristischer Sprache herausarbeiten. Indes werden in Kapitel 3 im Besonderen Fragen nach der Genese und Entwicklung weiblicher Personifikationen als der prominentesten Darstellungsformen beherrschter Gebiete vertieft. Dort soll vor allem der Frage nach Unterschieden zwischen den Darstellungen von Kriegsgefangenen und den Darstellungen von Personifikationen für teilweise dieselben beherrschten Gebiete nachgegangen werden. 2.1 REICHSDARSTELLUNGEN DER REPUBLIK IM ZEICHEN VON VICTORIA Siegesfeiern bieten geradezu spektakuläre Rahmenbedingungen für die Darstellung von Unterworfenen in Bild- und Textform. Beschreibungen von Triumphzügen insbesondere aus der Zeit der Republik und des frühen Principats finden sich in der literarischen Überlieferung von Livius bis Cassius Dio zumeist in derselben Formelhaftigkeit als ausgereifte Rituale wieder.1 Detailinformationen in den Beschreibungen vor allem zur gegenständlichen Vergegenwärtigung der Triumphe verweisen darauf, dass die antiken Autoren ihre Versionen über immer wiederkehrende, literarische Topoi hinaus auch auf eigene Anschauungen oder auf ältere Berichte konkreter Siegesfeiern stützten. Nach Ovids Aussage wurde die Figur einer sitzenden, den Nacken zum Todesstoß gewährenden Germania maesta in Drusus‘ bzw. Tiberius‘ Triumphzug mitgetragen,2 den er allerdings als Augenzeuge nicht mehr miterleben konnte, sondern aus zweiter Hand wiedergab. Bei dieser Ger1 2

Vgl. Itgenshorst 2005, 14–30; Hölkeskamp 2008, 92–97. Ovid Trist. 4.2,39–46: Drusus in his meruit quondam cognomina terris, quae bona progenies, digna parente, tulit. cornibus hic fractis viridi male tectus ab ulva decolor ipse suo sanguine Rhenus erat. crinibus en etiam fertur Germania passis, et ducis invicti sub pede maesta sedet, collaque Romanae praebens animosa securi vincula fert illa, qua tulit arma, manu; vgl. dazu etwa Nenninger 2001, 140–142; Hardie 2002, 39–311; Hughes 2009, 20 Anm. 36.

50

2. Quellen römischer Reichsdarstellungen: Darstellungslogik

mania maesta dürfte es sich um ein Standbild gehandelt haben, das die besiegten germanischen Stämme personifizierte. 2.1.1 Scipio Asiagenes Die früheste Bezeugung von simulacra oppidorum, also Darstellungen von eroberten Städten, in einem zusammenhängenden Bildprogramm findet sich beim römischen Historiographen augusteischer Zeit Livius. Im Zusammenhang mit dem Triumphzug des Jahres 188 v. Chr. von C. Scipio Asiagenes für den Sieg über Antiochos III. Megas bei Magnesia gibt Livius an, dass an der Parade „die Abbildungen von 134 Städten“ (oppidorum simulacra centum triginta quattuor) mitgeführt wurden.3 In diesem Falle sind mit oppida griechische Poleis, eigentlich civitates, gemeint. Analog dazu wurden über ein Jahrhundert später unter Pompeius Magnus die oppida – hier im Sinne von befestigten Standplätzen – der unterworfenen gallischen und hispanischen Stämme im Krieg gegen Sertorius epigraphisch festgehalten (s. u.). 2.1.2 Pompeius Magnus Eine der am häufigsten überlieferte, bei mehreren Autoren verschiedener Epochen wiedergegebene Triumphprozession, in der solche allegorischen Darstellungen gezeigt wurden, ist die für Pompeius Magnus vom September 61 v. Chr.4 Der Durchzug prominenter Kriegsgefangener und Geiseln, die Zurschaustellung von allegorischen Darstellungen besiegter Völker, eroberter Städte, von Gebirgen und Gewässern und ihre Aufzählung in langen, auf Schrifttafeln vorgeführten Listen (Plut. Pomp. 45: γράμμασι δὲ προηγουμένοις ἐδηλοῦτο τὰ γένη καθ᾿ ὧν ἐθριάμβευεν) riefen mittelbar den Unterwerfungsakt in Erinnerung und prägten sich im kollektiven Gedächtnis der Unterwerfer wie der Unterworfenen ein.5 Die 3

4 5

Liv. 37.59,3: Tulit in triumpho signa militaria ducenta uiginti quattuor, oppidorum simulacra centum triginta quattuor, eburneos dentes mille ducentos triginta unum, aureas coronas ducentas triginta quattuor, argenti pondo centum triginta septem milia quadringenta uiginti, tetrachmum Atticorum ducenta uiginti quattuor milia, cistophori trecenta uiginti unum milia septuaginta, nummos aureos Philippeos centum quadraginta milia (…). Diod. 40,4; Liv. Per. 103; Plut. Pomp. 45; Cass. Dio 36.19,3; 37.6,2; vgl. Girardet 1991, 201–215; Östenberg 2009, 184–186. Plin. nat. 5.5,36–37; Prop. 4.4,18: et titulis oppida capta legam; Ov. Pont. 2.1,50: oppida sub titulo nominis isse tui; gemäß Tac. ann. 1.8,3 wurde in Bezug auf den Leichenzug für Augustus beschlossen, die von ihm erlassenen Gesetzestafeln und die Namen der von ihm besiegten Völkerschaften zuvorderst mitzuführen: victarum ab eo gentium vocabula anteferentur; verschiedene Aspekte der Repräsentations- und Performationsformen römischer Triumphzüge bieten die kürzlich veröffentlichten Dissertationsarbeiten von Itgenshorst 2005; Östenberg 2009, wobei letztere jedoch die Erinnerungsmedien des Triumphes nicht in ihre Diskussion miteinbezieht; vgl. für eine konzise Übersicht zur Überlieferungslage römischer Triumphzüge und Triumphmonumente Künzl 1988a.

2.1 Reichsdarstellungen der Republik im Zeichen von Victoria

51

Darstellungsformen aus dieser Zeit tauchen bemerkenswerterweise in einem ausschließlich militärisch-triumphalen Repräsentationskontext auf.6 Die der Reichsdarstellung im Triumphzug des Pompeius Magnus zugrundeliegende Darstellungslogik folgte offenbar nicht einem einheitlichen, etwa ausschließlich nach besiegten Völkerschaften oder eingerichteten Provinzen definierten, sondern einem heterogenen Schema. Vom Eintrag dieses Triumphs in den fasti triumphales Capitolini ist lediglich ein Inschriftenfragment erhalten.7 Aus den Textresten lassen sich mit Sicherheit Pompeius‘ militärische Aktionen in Paphlagonia, Cappadocia, Albania und gegen die Piraten ableiten: (A. Degrassi, Inscriptiones Italiae XIII. 1 [Rom 1947] 84, Fragm. 39): [Cn. Pompeius Cn. f. Sex. n. Magnus III], pro co(n)s(ule), a. D–CXCII / [ex Asia, Ponto, Armenia, Paphla]gonia, Cappadoc(ia), / [Cilicia, Syria, Scytheis, Iudaeeis, Alb]ania, pirateis / [per biduum III, pridie k. O]cto.

Abb. 2: Inschriftenfragment der fasti triumphales Capitolini.

Die Namen der übrigen unterworfenen Gebiete und Völkerschaften lassen sich dank einer Notiz von Plinius d. Ä. vervollständigen, der nach eigenen Angaben an jener Stelle die praefatio zu den acta triumphorum Pompei zitierte (Plin. nat. 7.27,98): Hoc est breviarium eius ab oriente. triumphi vero, quem duxit a. d. III kal. Oct. M. Pisone M. Messala cos., praefatio haec fuit: cum oram maritimam praedonibus liberasset et imperium maris populo Romano restituisset, ex Asia Ponto Armenia Paphlagonia Cappadocia Cilicia Syria Scythis Iudaeis Albanis Hiberia insula Creta Basternis et super haec de rege Mithridate atque Tigrane triumphavit.

Insgesamt sind vierzehn Gebiete bzw. Völkerschaften, zudem die Piraten (praedones) sowie zwei Könige (Mithradates und Tigranes) genannt, die gemäß Appians Version beim Triumphzug ebenfalls in Form von Abbildungen zur Schau gestellt wurden (s. u.). Die bildlichen Darstellungen (simulacra gentium) dieser Gebiete und Völkerschaften dürften nachträglich im Theater des Pompeius beim Marsfeld aufgestellt worden sein.8 Denn Plinius d. Ä. berichtet, dass nach Ausweis von Varro und Sueton, die alle beide mit den stadtrömischen Monumenten vertraut waren, die Abbildungen von 14 Völkerschaften, wörtlich nationes bzw. gentes, beim Theater 6 7 8

Ebenso Ostrowski 1990, 44. Kritik an der Textergänzung und Diskussion bei Girardet 1991, 201–215. Vgl. auch Östenberg 2009, 219 mit Anm. 123

52

2. Quellen römischer Reichsdarstellungen: Darstellungslogik

des Pompeius geweiht worden seien;9 offenbar hatte ein Künstler namens Coponius die entsprechende Bildgruppe konzipiert, die um das Theatergebäude stand. Die Zahl der simulacra gentium ad Pompei theatrum stimmt ungefähr überein mit der Zahl der im Triumphzug erwähnten Besiegten. Dies bestätigt Plutarch, demzufolge Schrifttafeln mit den Namen von 15 Völkerschaften (τὰ γένη) plus der Darstellung des πειρατικόν den Triumphzug begleitet haben sollen.10 Auch Plutarch reiht in seiner Version Gebiets- und Völkernamen ohne erkennbare Systematik aneinander. Bei diesen simulacra gentium muss es sich um Personifikationen gehandelt haben, so wie es bereits Östenberg vermutet.11 Denn Appian spricht in seiner Beschreibung der zweitägigen Triumphparade des Pompeius Magnus davon, dass nach den 324 prominenten Kriegsgefangenen, Statthalter – Söhne – Generäle der besiegten Könige (βασιλέων ἡγεμόνες ἢ παῖδες ἢ στρατηγοὶ), Bildszenen mit den am Triumphzug persönlich fehlenden Hauptgegnern Mithradates und Tigranes (τῶν δὲ οὐκ ἀφικομένων εἰκόνες παρεφέροντο, Τιγράνους καὶ Μιθριδάτου, μαχομένων τε καὶ νικωμένων καὶ φευγόντων) sowie θεῶν τε βαρβαρικῶν εἰκόνες καὶ κόσμοι πάτριοι, also höchstwahrscheinlich „representations of barbarian gods dressed according to the fashion of their countries“, mitgeführt wurden.12 Gegenüber Plinius d. Ä., Plutarch und Appian sowie dem Fasteneintrag für Pompeius Magnus kennzeichnet einzig Diodor in seiner Version der pompeianischen Triumphe die von den Römern bereits verwalteten Gebiete ausdrücklich als ἐπαρχεῖαι; es ist der griechische Terminus für provinciae. Pompeius hatte nämlich nicht nur neue Völkerschaften unterworfen, sondern auch bereits von römischen Statthaltern direkt verwaltete Provinzen in Kleinasien von Mithradates‘ Herrschaft befreit. Diodor, der sein Geschichtswerk ein halbes Jahrhundert nach Pompeius‘ Triumphzug verfasste, gibt an, dass ihm als Vorlage eine griechische Kopie des Tatenberichts diente, den sich Pompeius selbst hatte aufstellen lassen.13 Darin seien nebeneinander Inseln, Königreiche, Provinzen bzw. deren Unterabteilungen, wie etwa Asia, Bithynia und Cyrenae, zudem besiegte Könige und Völkerschaften aufgelistet gewesen. Die Zusammenstellung bei Diodor bietet einen umfassenden kompilatorischen Katalog, der ebenfalls keinem festgelegten, weder chronologisch noch ethnisch-geographisch noch politisch-administrativ einheitlichen Schema folgt.14 Vergleichen wir Diodors Aufzählung mit dem Pliniuszitat aus den acta 9 10 11 12 13 14

Plin. nat. 35.41: idem [i. e. Varro] et a Coponio quattuordecim nationes, quae sunt circa Pompeium, factas auctor est; Suet. Nero 46: a simulacris gentium ad Pompei theatrum dedicatarum circumiri acerique progressu; dazu Cancik 1997, 130–132. Plut. Pomp. 45,1–2. Östenberg 2009, 219, 219–220. App. Mithr. 117. Die Inschrift dürfte in dem um 55 v. Chr. geweihten Tempel der Venus Victrix gestanden haben, gemäß Girardet 1991, 212 mit Literatur in Anm. 44. Diod. 40, 4: Ὅτι ὁ Πομπήιος τὰς ἰδίας πράξεις ἃς συνετέλεσεν ἐπὶ τῆς Ἀσίας ἀναγράψας ἀνέθηκεν, ὧν ἐστιν ἀντίγραφον τόδε. Πομπήιος Γναΐου υἱὸς Μέγας αὐτοκράτωρ τὴν παράλιον τῆς οἰκουμένης καὶ πάσας τὰς ἐντὸς Ὠκεανοῦ νήσους ἐλευθερώσας τοῦ πειρατικοῦ πολέμου, ὁ ῥυσάμενός ποτε πολιορκουμένην τὴν Ἀριοβαρζάνου βασιλείαν, Γαλατίαν τε καὶ τὰς ὑπερκειμένας χώρας καὶ ἐπαρχίας, Ἀσίαν, Βιθυνίαν, ὑπερασπίσας δὲ Παφλαγονίαν τε καὶ τὸν Πόντον, Ἀρμενίαν τε καὶ Ἀχαΐαν, ἔτι δὲ Ἰβηρίαν, Κολχίδα,

2.1 Reichsdarstellungen der Republik im Zeichen von Victoria

53

triumphorum, fällt etwa auf, dass die Albani im Gegensatz zu Plinius’ Textversion nicht als Ethnikon, sondern wie der Provinzname Cappadocia als Gebietsname wiedergegeben sind. Offenbar wurde sprachlich keine Unterscheidung gemacht etwa durch die Verwendung von Gebietsnamen einerseits und Ethnika andererseits, um die im Provinzverband eingegliederten Regionen sowie Klienteldynastien von den bloss besiegten Völkerschaften auseinander zu halten. Territoriale Expansion wurde ohne politisch-administrative Feinunterscheidung der Besiegten rein kompilatorisch wiedergegeben. 2.1.3 Tropaeum Pompei in Pyrenaeo Im Gegensatz zum vornehmlich ethnisch-geographischen Darstellungsschema unterworfener Regionen sowohl im Falle der 14 simulacra gentium ad Pompei theatrum als auch der Völker- und Gebietsliste im Fasteneintrag präsentiert ein weiteres Denkmal des Pompeius Magnus zu Ehren seines Sieges über den Feldherrn Q. Sertorius im Jahre 72 v. Chr. das hinzueroberte Gebiet zwischen den Alpen und Hispanien als Aufzählung von Ortschaften. Das entsprechende Tropaeum in der Region bei der Passhöhe des Col du Perthus in den Pyrenäen ist nicht mehr erhalten und lässt sich bislang weder genau lokalisieren noch rekonstruieren. Alle bisherigen Testimonien sowie die Jahrhunderte alte Lokalisierungsgeschichte des AufΜεσοποταμίαν, Σωφηνήν, Γορδυηνήν, ὑποτάξας δὲ βασιλέα Μήδων Δαρεῖον, βασιλέα Ἀρτώλην Ἰβήρων, βασιλέα Ἀριστόβουλον Ἰουδαίων, βασιλέα Ἀρέταν Ναβαταίων Ἀραβίαν, καὶ τὴν κατὰ Κιλικίαν Συρίαν, Ἰουδαίαν, Ἀραβίαν, Κυρηναϊκὴν ἐπαρχίαν, Ἀχαιούς, Ἰοζυγούς, Σοανούς, Ἡνιόχους καὶ τὰ λοιπὰ φῦλα τὰ μεταξὺ Κολχίδος καὶ Μαιώτιδος λίμνης τὴν παράλιον διακατέχοντα καὶ τοὺς τούτων βασιλεῖς ἐννέα τὸν ἀριθμὸν καὶ πάντα τὰ ἔθνη τὰ ἐντὸς τῆς Ποντικῆς καὶ τῆς Ἐρυθρᾶς θαλάσσης κατοικ οῦντα, καὶ τὰ ὅρια τῆς ἡγεμονίας τοῖς ὅροις τῆς γῆς προσβιβάσας, καὶ τὰς προσόδους Ῥωμαίων φυλάξας, ἃς δὲ προσαυξήσας, τούς τε ἀνδριάντας καὶ τὰ λοιπὰ ἀφιδρύματα τῶν θεῶν καὶ τὸν λοιπὸν κόσμον τῶν πολεμίων ἀφελόμενος ἀνέθηκε τῇ θεῷ χρυσοῦς μυρίους καὶ δισχιλίους ἑξήκοντα, ἀργυρίου τάλαντα τριακόσια ἑπτά; „Pompeius ließ die eigenen Taten, die er in Asien vollbracht hatte, aufzeichnen und die Tafel als ein Weihgeschenk aufstellen. Die Abschrift davon sagt folgendes: Pompeius, der Sohn des Cnaeus, der Große, Imperator, hat die Küsten der bewohnten Welt und alle Inseln innerhalb des Ozeans von dem Kriege mit den Seeräubern erlöst. Er rettete das Reich des Ariobarzanes, das damals belagert war, Galatien samt den jenseits gelegenen Gegenden und Herrschaftsgebieten [„Provinzen“, M. V.], Asia, Bithynien, er schützte Paphlagonien und Pontus, Armenien und Achaia, dazu Iberien, Kolchis, Mesopotamien, Sophene, Gordyene. Er unterwarf den König der Juden Aristobulos, den König der nabatäischen Araber Aretas sowie das Gebiet der Kyrenaika, die Achaeer, Jazygen, Suanier, die Heniochen und die übrigen Völkerschaften, die zwischen Kolchis und der maiotischen See das Küstengebiet bewohnen, dazu deren Könige, neun an der Zahl, und alle Stämme, die zwischen dem Pontos und dem Roten Meer wohnen. Er hat die Grenzen des Imperiums denen der bewohnten Erde angenähert und die Einkünfte der Römer gesichert. Andere wiederum hat er vermehrt. Den Feinden hat er die Statuen und die Bilder ihrer Götter und auch die übrigen Gegenstände von Wert genommen und der Gottheit 12.060 Goldstücke sowie 307 Talente Silber geweiht“; Übers. Wirth 2008, 296–297.

54

2. Quellen römischer Reichsdarstellungen: Darstellungslogik

stellungsorts hielt kürzlich eine französisch-spanische Forschergruppe fest.15 Nach Angaben von Plinius d. Ä., der die entsprechende Inschrift auf seiner Reise durch die Provinz Gallia Narbonensis als Prokurator von Hispania citerior (70 bzw. 72 n. Chr.) höchstwahrscheinlich selbst gesehen und aufgezeichnet hatte,16 soll dieses tropaeum die Namen von 876 unterworfenen oppida wiedergegeben haben;17 der Bürgerkrieg gegen Sertorius wurde verschwiegen: (Plin. nat. 3.3,18): cum Pompeius Magnus tropaeis suis, quae statuebat in Pyrenaeo, DCCCLXVI oppida ab Alpibus ad fines Hispaniae ulterioris in dicionem ab se redacta testatus sit.18

Das pyrenäische Tropaeum wird von mehreren teils zeitgenössischen Autoren zwar erwähnt, jedoch nur knapp und zumeist beiläufig:19 Das älteste Zeugnis stammt von Sallust und nennt victi Hispani als das Hauptthema des Denkmals. Darüber hinaus legen insbesondere die Strabon-Stellen (Strab. 4.1,3: ἐντεῦθεν) nahe, dass das Tropaeum auch als Grenzmarke zwischen den gallischen und hispanischen Provinzen diente, mithin Distanzangaben enthalten haben dürfte.20 Eine Beschreibung des Denkmals, die in Bezug auf die darin erwähnten Unterworfenen genauer ist als die von Plinius d. Ä., fehlt jedoch in der Überlieferung. Ob die – höchstwahrscheinlich einzeln aufgelisteten – oppida auch mit entsprechenden Abbildungen repräsentiert wurden, oder ob das Siegesdenkmal kolossale Dimensionen hatte und von einem Selbstbildnis von Pompeius Magnus gekrönt war, wie etwa Kreikenbom vermutet,21 bleibt ungewiss. Denn handfeste Indizien dafür lassen sich weder aus den beiläufigen Notizen über das Tropaeum bei antiken Autoren, noch aus den wenigen, nur ungenau datierbaren Ruinen an den zahlreichen, bisher vorgeschlagenen möglichen Fundorten erschließen. Unklar ist, ob es sich bei den 876 keltischen oppida aus römischer Sicht um eigentliche „Städte“, so wie etwa im Falle der erwähnten simulacra oppidorum, die den Triumphzug von C. Scipio Asiagenes begleiteten, oder lediglich um befestigte Siedlungen handelt. Bemerkenswert ist der Umstand, dass Pompeius‘ ter15

Castellvi 2008, 29–5: 29–36 (Testimonia); 36–50 (Lokalisierungsgeschichte); vgl. Picard 1957, 183–184 zur plausiblen Lokalisierung des Tropaeum an der Passhöhe des Col du Perthus. 16 Überzeugend Castellvi 2008, 34–35. 17 Gemäß Rodà 1993, 648–649 lassen die Manuskripte die Lesungen 846, 866, 876 und 877 offen. 18 Vgl. Plin. nat. 7.27,96: excitatis in Pyrenaeo tropaeis, oppida DCCCLXXVI ab Alpibus ad fines Hispaniae ulterioris in dicionem redacta victoriae suae adscripsit et maiore animo Sertorium tacuit, belloque civili, quod omnia externa conciebat, extincto iterum triumphales currus eques R. induxit, totiens imperator ante quam miles; ferner Plin. nat. 37.2,14–15. 19 Sall. Hist. 3,85: De victis Hispanis tropaea in Pyrenaei constituit; Strab. 3.4,1; 7 und 9 spricht von τὰ ἀναθήματα τοῦ Πομπηΐου; in 4.1,3 von τὰ Πομπηΐου τρόπαια; vgl. Cass. Dio 41.24,3; gemäß dem spätrömischen Vergil-Kommentar von Servius soll Pompeius Magnus constituit tumulo in colle, quia tropaea non figebantur nisi in eminentioribus locis (Serv. Aen. 11,6); vgl. die kommentierte Zusammenstellung der Textbelege in Castellvi 2008, 29–36. 20 Castellvi 2008, 31–32; vgl. anders Arce 1994, 261–268. 21 Kreikenbom 1992, 52; 54–55; dagegen verstehen Prinz 1934/46, 405–407 und Castellvi 2008, 35 den Ausdruck imago in Plin. 37.2,15 (Non ergo illa tua similior est imago, quam Pyrenaei iugis inposuisti?) als „image conceptuelle au sens figuré“.

2.1 Reichsdarstellungen der Republik im Zeichen von Victoria

55

ritorialer Zugewinn in Hispanien nicht nach einem zu erwartenden ethnographischen Anordnungsprinzip gemäß Stämmen, gentes, bemessen wurde, wie etwa das vergleichbare Tropaeum Alpium von Augustus ein halbes Jahrhundert später zeigt. Aber offensichtlich war das Dokumentieren eines erfolgreichen Feldzugs nach der genauen Anzahl eroberter Befestigungen ein beliebtes Darstellungsschema, denn Strabon etwa berichtet im Zusammenhang mit dem Mithradatischen Krieg detailliert, wie viele Festungen Mithradates VI. in Kleinarmenien errichten ließ, nämlich 75, die Pompeius Magnus später einnahm und zerstörte (Strab. 12.3,28). Die Aufzählung der hispanischen Siedlungsplätze im pyrenäischen Tropaeum ist wohl damit zu erklären, dass die Anzahl von oppida die der entsprechenden Stämme bei weitem überstieg; Cassius Dio vermerkt zumindest, dass Pompeius Magnus wegen der Aufstellung dieses Siegesdenkmals Kritik in Rom provozierte. Deshalb habe sich sein Gegner C. Iulius Caesar damit begnügt, beim Marsch über die Passhöhe lediglich einen Altar unweit vom pompianischen Siegesdenkmal zu weihen, um den Senat nicht zu verärgern.22 Zwischenbefund: Insgesamt liefern die verschiedenen Erinnerungsmedien zu Pompeius’ Eroberungen ein einigermaßen klares Bild: befreite bzw. hinzuerworbene Provinzen werden mit wenigen Ausnahmen (vgl. Diodor) in keinem bekannten Repräsentationsprogramm, das territoriale Expansion deklariert, differenziert erwähnt oder bildlich dargestellt. Vielmehr erscheint der römische Machtbereich hauptsächlich als in unterworfene nationes/gentes und Königtümer erfasst. Darunter zählen auch zahlreiche Völkerschaften, die nur bezwungen, jedoch anschließend nicht annektiert wurden. Indes sind genaue Grenzen des von Pompeius wiederhergestellten bzw. erweiterten Imperiums aus den literarisch überlieferten Siegesdenkmälern (Pompei theatrum) nicht erschließbar. Die Frage, ob anhand der in den Triumphprozessionen und Siegesdenkmälern mitgeführten bzw. aufgestellten Schrift- und Bildtafeln sowie plastischen Darstellungen der „Besiegten“ bzw. „Rückeroberten“ [Definition gemäß P. Bienkowski] förmlich unterschieden wurde zwischen den Unterworfenen innerhalb bzw. ausserhalb der Reichsgrenzen, lässt sich auch für die nachfolgenden Bezeugungen des frühen Principats verneinen. Aus machtpolitischer und herrschaftspropagandistischer Sicht zelebrierten diese formalisierten pompae triumphales vor allem die Macht- und Territoriumserweiterung des Imperium Romanum.23 Komplementär zur literarischen Überlieferung und der trümmerhaften archäologischen und epigraphischen können tieferen Einblick in die republikanischen Reichsdarstellungen am besten Münzprägungen gewähren.

22 23

Cass. Dio 41.24,3. Dies bezeugt etwa der detaillierte Bericht des Flavius Josephus (Ios. bell. Iud. 7,133–4) über den Triumph von 71 n. Chr. von Titus und seinem Vater, Kaiser Vespasian, nach der Niederschlagung der jüdischen Insurrektion: „Denn beinahe alles, was Menschen, die irgendwann einmal wohlhabend waren, nur Stück für Stück erworben hatten, nämlich verschiedenes Staunenswertes und Kostbares von verschiedenen (Völkern), dies wurde an jenem Tage versammelt, um die Größe des römischen Reiches zu veranschaulichen“; Übers. M.V.

56

2. Quellen römischer Reichsdarstellungen: Darstellungslogik

2.1.4 Numismatische Überlieferung: Siegesmünzen In der Republik wurden Münzen in Erinnerung an vergangene Siege hauptsächlich von der Familie des jeweiligen Triumphators teils über Generationen hinweg ausgestossen.24 Dabei erscheinen auch die Besiegten bzw. die Siegesorte in symbolischer Form. So steht in zeitlich weit gestreuten Prägungen der Claudii Marcelli etwa die Medusen-köpfige Triskeles für die Insel Sicilia bzw. im spezifischen Fall für das von M. Claudius Marcellus während des zweiten Punischen Kriegs im Jahre 212 v. Chr. eingenommene Syrakus.25 Ebenfalls als Rückblenden auf die Punischen Kriege zu verstehen sind insbesondere die Darstellungen von Elefanten bzw. Elefantenköpfen auf den Prägungen der Caecilii Metelli in Erinnerung an den Sieg von L. Caecilius Metellus Diadematus über den mit Kampfelefanten aufmarschierten karthagischen Feldherrn Hasdrubal in Sizilien bei Panormos im Jahre 250 v. Chr.26

Abb. 3: C. Caecilius Metellus Caprarius (um 125 v. Chr.); Vs: ROMA / Büste der personifizierten Roma n. r.; Rs: C·METELLVS / von Victoria bekränzter Jupiter n. l. lenkt Biga, die von zwei Elefanten gezogen wird.27

Die entsprechenden Prägungen erscheinen nahezu regelmäßig in einem Zeitraum vom 2. Jh. bis in die zweite Hälfte des 1. Jh. v. Chr. (128, 127, 125, 82–80, 66, 47–46 v. Chr.). Auch wenn der Siegesort von Caecilius Metellus Sizilien war, wird die Assoziation mit Sizilien hier nicht durch eine Form erzeugt, die den Namen der Insel wiedergibt, so wie etwa durch eine Medusen-köpfige Triskeles. Vielmehr fokussiert das Bildprogramm der Caecilii Metelli auf das spektakulärste Detail der Niederlage Hasdrubals, nämlich die punischen Kriegselefanten. In einer anderen Darstellungsform als der des Tiersymbols, jedoch wiederum ohne erklärende Beischrift, erscheint das Elefanten-Motiv als Kopfbedeckung einer Büste auf Prägun24 25 26

27

Eingehend Christ 1996, 78–104; Itgenshorst 2005, 137–142. Liv. 25, 23–31; die Münzen RRC 1, 462 Nr. 445. 1a–b; vgl. RRC 1, 330 Nr. 329. 2 (100 v. Chr.); 460 Nr. 439. 1 (50 v. Chr.); 471 Nr. 457. 1 (47 v. Chr.). Vgl. Pol. 1. 40, 6–16; ausführlich zur Familie Van Ooteghem 1967; Itgenshorst 2005, 133– 136. Auch eine Silberprägung im Namen von C. Iulius Caesar RRC 1, 461 Nr. 443. 1 bildet auf der Rückseite einen Elefanten ab, der einen dragon (?) niedertrampelt, wobei Crawford, RRC 2, 735 mit Anm. 2 die Szene in diesem Fall metaphorisch als „victory over evil“ versteht; vgl. dagegen unsere Interpretation des Drachens als carnyx in Kap. 3.2.3. Ref: RRC 1, 292 Nr. 269. 1; vgl. RRC 1, 287 Nr. 262. 1–5 (128 v. Chr.); 288 Nr. 263. 1–5 (127 v. Chr.); 387 Nr. 369. 1 (82–80 v. Chr.); 390 Nr. 374. 1 (81 v. Chr.); 471 Nr. 459. 1 (47/46 v. Chr.).

2.1 Reichsdarstellungen der Republik im Zeichen von Victoria

57

gen, die jedoch im Gegensatz zu den Prägungen der Caecilii Metelli unterschiedliche historische Kontexte betreffen.28 Die Prägungen für Pompeius Magnus aus dem Jahre 71 v. Chr.29 und des Pompeianers Q. Metellus Scipio aus den Jahren 47/46 v. Chr. beziehen sich auf dasselbe Ereignis, nämlich auf die Feldzüge der Jahre 81/80 v. Chr. von Pompeius Magnus gegen Cn. Domitius Ahenobarbus und den numidischen König Hiarbas in Nordafrika. Die unter Q. Metellus Scipio geprägten Münzen führen in den jeweiligen Legenden die Namen des Feldherrn sowie des Münzmeisters der Lagermünzstätte, M. Eppius.

Abb. 4: Q. Metellus Scipio (47/46 v. Chr.); Vs: Q. METELL – SCIPIO IMP; Rs: EPPIVS – LEG·F·C.30

In diesem Fall stellt die Büste mit der Elefantenkopfhaut gemäß dem ereignisgeschichtlichen Kontext am ehesten den Siegesort, also allgemein den Erdteil Afrika oder vielleicht die Besiegten Numidier dar. Es drängt sich jedoch kein zwingendes Argument auf, die Büste „como emblema de la provincia romana“ zu verstehen, wie nach Ansicht von Salcedo. Nach Ausweis der literarischen Parallelüberlieferung nämlich siegte Pompeius über die drei Erdteile Libya (=Afrika), Europa und Asia.31 Keiner der Autoren, die Pompeius Magnus‘ Afrika-Feldzug wiedergegeben haben, erwähnt ausdrücklich die Provinz Africa.32 Dennoch vermutet Salcedo aufgrund der Ikonographie dieser Prägungen sogar, dass Pompeius Magnus als erster die Personifikation der Provinz Africa in der römischen Münzprägung einführte.33 Dagegen differenziert Domes drei Bedeutungsebenen der „Afrika“-Prägungen von Pompeius: 1. Alexander-imitatio, 2. Politisch/historische Dokumentation, 3. Africa als Personifikation a) Numidiens b) des so genannten Erdteils.34 28 29 30 31 32 33 34

Aus rein ikonographischer Perspektive sieht auch Salcedo 1996, 209 eine „confusión iconográfica existente entre Africa y otras personificaciones, como Alejandría o Libia“. Mit Kommentar RRC 1, 412–3 Nr. 402. 1. Ref: RRC 1, 472 Nr. 461. 1. Plut. Pomp. 45,5: ἐκεῖνος δὲ τὸν μὲν πρῶτον ἐκ Λιβύης, τὸν δὲ δεύτερον ἐξ Εὐρώπης, τοῦτον δὲ τὸν τελευταῖον ἀπὸ τῆς Ἀσίας εἰσαγαγὼν τρόπον τινὰ τὴν οἰκουμένην ἐδόκει τοῖς τρισὶν ὑπῆχθαι θριάμβοις; zum gesamten Feldzug Plut. Pomp. 11–12. App. civ. 1.9,80; Liv. Per. 89: Cn. Pompeius in Africa Cn. Domitium proscriptum et Hiertam, regem Numidiae, bellum molientes uictos occidit et quattuor et XX annos natus, adhuc eques R., quod nulli contigerat, ex Africa triumphavit; Eutr. 5.9,1; Oros. 5.21,13–14. Salcedo 1996, 211. Domes 2007, 88–91.

58

2. Quellen römischer Reichsdarstellungen: Darstellungslogik

Das Fehlen aufschlussreicher, expliziter Legenden erlaubt keine eindeutige Festlegung. Im Unterschied zu den Prägungen für Pompeius Magnus dürfte jedoch die weibliche Figur mit der Elefantenhaube auf Münzprägungen im Namen des Proprätors der Provinz Africa Vetus, Q. Cornuficius, des Jahres 42 v. Chr.35 im engeren Sinne dessen eigenen Amtsbereich personifiziert haben. In diesem Falle legt die historisch-politische bzw. historisch-intermediale Kontextebene eine signifikante Verknüpfung nahe zwischen der Abbildung der Büste ohne Beischrift auf der Münzvorderseite und dem administrativen Funktionsbereich des auf der Münzrückseite erwähnten Statthalters.

Abb. 5: Q. Cornuficius (42 v. Chr.); Rs: Q CORNVFICI AVGVR IMP.36

Ähnlich wie das Kriegselefanten-Motiv erinnert auch die Abbildung makedonischer Schilde, d. h. Hoplitenschilde, in Prägungen von Mitgliedern der gens Flaminia hauptsächlich an den von T. Quinctius Flamininius im Jahre 197 v. Chr. gegen den makedonischen König Philipp V. bei Kynoskephalai erfolgreich beendeten Feldzug. Prägungen des Münzmeisters T. Quinctius Flamininius des Jahres 126 v. Chr. etwa zeigen vorderseitig eine Büste der Roma n. r. mit Greifenkopfhelm und auf der Rückseite reitende Dioscuri bzw. römische Reiter n. r mit Lanzen, die einen unter ihnen liegenden makedonischen Schild niedertrampeln, der über dem Münzabschnitt (ROMA) zwischen die Buchstaben T und Q platziert ist.

Abb. 6: T. Quinctius Flamininius (um 126 v. Chr.); Rs: T – Q / ROMA (Münzabschnitt).37

35 36 37

Mit Kommentar RRC 1, 519 Nr. 509. 3–4; zu den turbulenten Ereignissen der Jahre 44–40 v. Chr. bis zur Schaffung der Provinz Africa proconsularis Fishwick 1993, 60–62; ders. 1994, 57–80. Ref: RRC 1, 519 Nr. 509. 3–4. Ref: RRC 1, 291 Nr. 267. 1.

2.1 Reichsdarstellungen der Republik im Zeichen von Victoria

59

Im Gegensatz dazu dürfte die Abbildung einer die kausia (makedonische Feldmütze) tragenden Büste in Prägungen der Jahre 55 und 43 v. Chr. nicht als Rückblende auf die Schlacht bei Kynoskephalai intendiert gewesen sein, sondern die nach 148 v. Chr. eingerichtete Provinz Macedonia darstellen,38 zumal sich für beide in den jeweiligen Münzlegenden genannten Personen, einerseits Gnaeus Plancius und andererseits Gaius Antonius, wichtige Amtsfunktionen in der Provinz Macedonia nachweisen lassen. Der für die Prägung des Jahres 55 v. Chr. als aedilis curulis verantwortliche Cnaeus Plancius, Freund von Cicero und dessen Mandant vor Gericht, war als quaestor in der Provinz Macedonia im Jahre 58 v. Chr. unter dem Propraetor L. Appuleius Saturninus tätig gewesen. Der in der Prägung von 43 v. Chr. namentlich erwähnte C. Antonius, Bruder des Triumvirn Marcus Antonius, wurde Ende des Jahres 44 v. Chr. unmittelbar nach der Ermordung von C. Iulius Caesar als Prokonsul der Provinz ernannt,39 konnte das Amt jedoch nicht antreten bzw. musste zugunsten von M. Iunius Brutus abgeben. Die auf der Münzvorderseite abgebildete Büste spielt hier also auf eine Statthalterschaft Macedonias an, die niemals angetreten werden sollte. Auch in diesen Fällen bleibt jedoch die Identifikation der Frauenbüste wegen des Fehlens einer entsprechenden Legende, wie etwa Macedonia, unsicher.

Abb. 7: C. Antonius (43 v. Chr.); Vs: C ANTONIVS M F PROCOS; Rs: PONTIFEX.40

Sowohl symbolische Darstellungen als auch Personifikationen konnten demnach als Erkennungszeichen für mindestens drei verschiedene Sachen verwendet werden, nämlich für den Siegesort, den Besiegten oder die im Anschluss an den Sieg eingerichtete Provinz. Eine genaue Identifikation der Personifikationen kann dabei mangels klärender Beischriften nur unter Berücksichtigung mehrerer Kontextebenen erfolgen. Die Identifizierung kann jedoch nicht ohne weiteres lediglich aufgrund von Kriterien der Bild- und Stilbeschreibung rückschlüssig, durch eine „ikonographische vergleichende Deutung“, festgelegt werden. Denn relativ sichere Identifikationen von Personendarstellungen mit der provincia Africa sind nur ausgehend von der frühesten Bezeugung einer als AFRICA beschrifteten Personifikation mit Elefantenkopfhaut, also theoretisch am frühesten ausgehend von den Reiseerinnerungsmünzen Hadrians (Kap. 2.5.3), möglich. 38 39 40

RRC 1, 455 Nr. 432. 1 (55 v. Chr.); 496 Nr. 484. 1 (43 v. Chr.). Zu C. Antonius Broughton 1952, 342. Ref: RRC 1, 496 Nr. 484. 1; Sydenham 1976, 201 Nr. 1286.

60

2. Quellen römischer Reichsdarstellungen: Darstellungslogik

2.2 REICHSDARSTELLUNGEN DER KAISERZEIT IM ZEICHEN VON UNTERWERFUNG UND INKLUSION 2.2.1 Gentes/nationes vs. provinciae als unterschiedliche Darstellungslogiken Auffällig in den erhaltenen Münzlegenden und Relief-Inschriften vor allem der Kaiserzeit ist der Umstand, dass Personenabbildungen, die ethnisch-geographische Entitäten darstellen, je nach Bildgruppe oder Präge- bzw. Aufstellungsanlass entweder mit Völkernamen (Ethnika) oder Gebietsnamen (Toponyme) bezeichnet wurden (vgl. Zusammenstellung im Schlussbefund). Offenbar wurde durch die Verwendung von Ethnika einerseits und Toponymen andererseits jeweils etwas Anderes ausgedrückt. Der sprachliche Unterschied markiert nicht zwingendermaßen verschiedene Gemeinwesen, denn teilweise kann dasselbe Gemeinwesen in verschiedenen Münzprägungen aus dem gleichen Zeitraum in beiden Formen erscheinen, so wie etwa Germania und Germani oder Parthia und Parthi. Die unterschiedliche Bezeichnungsweise der Personendarstellungen nach Ethnika oder Toponymen muss folglich dieselben Ereignisse unter verschiedenen Aspekten bzw. aus verschiedenen Perspektiven ausgedrückt haben. Etwa die Unterwerfung britannischer und germanischer Stämme wird in mehreren Münzprägungen zwar figürlich identisch, aber textlich auf zweierlei Weisen zelebriert. Einerseits taucht unter Kaiser Claudius die Legende [Victoria] DE BRITANN(IS) bzw. [Victoria] DE GERMANIS („[Sieg] über die Briten“ bzw. „[Sieg] über die Germanen“) auf.41 Andererseits führen nahezu gleichzeitige Prägungen die Aufschrift GERMANIA CAPTA („erobertes Germania“).42 In der Forschung werden beide Prägetypen wegen der Darstellung gemeinsamer Bildelemente, „capta figures“,43 also von Siegessymbolen und Kriegsgefangenen, undifferenziert als provincia capta-Typen verbucht (Kap. 1.3.1/2). Aber die unterschiedlichen Münzaufschriften weisen in eine andere Richtung. Denn während die Siegesformel (victoria) de mit dem Ethnikon lediglich die Überwältigung der betreffenden Völkerschaft in den Vordergrund stellt, spezifiziert die capta-Aufschrift in Kombination mit dem Toponym die erfolgte territoriale und administrative Eingliederung der Besiegten, so wie es bereits Christ vermutet hat.44 Einen ersten Prüfstein für diese Rekonstruktion liefert der Umstand, dass der bisher ausschließlich numismatisch belegte Ausdruck captus niemals in Kombination mit einem Ethnikon erscheint, Münzlegenden wie etwa ‚Germanis captis‘ oder ‚Britannis captis‘ sind nirgends bezeugt. Einen zweiten, davon unabhängigen, Prüfstein liefern die Sieger. Bemerkenswerterweise sind nämlich in Verbindung mit Personendarstellungen, die sich auf die Römer beziehen, keine Münzlegenden, Reliefinschriften oder Mosaikaufschriften bezeugt, die als Ethnika formuliert sind, wie etwa ‚Italici‘ oder ‚Romani‘. Die relevanten Personifikationen sind stets als Italia bzw. Roma angesprochen. 41 42 43 44

RIC 1, 123 Nr. 30 bzw. RIC 1, 122 Nr. 3. RIC 2, Nr. 294; 351; 362; 385; 395. So etwa Cody 2003, 113. Christ 1996, 84–5; Eck 1985, 148 Anm. 1.

2.2 Reichsdarstellungen der Kaiserzeit im Zeichen von Unterwerfung und Inklusion

61

Die unterschiedliche Bezeichnungsweise der relevanten Darstellungen von Unterworfenen nach Ethnika oder Toponymen drückt also am ehesten unterschiedliche Dimensionen von Unterwerfung aus.45 Die Verwendung von Ethnika bedingt eine ethnographische Darstellungslogik, die förmlich die militärische Unterwerfung einzelner Gemeinwesen, jedoch nicht deren anschließenden Status als Teile des römischen Provinzialverbands unterstreicht. Diese Unterwerfungs-Perspektive im Sinne ‚ausschließender Expansion‘ findet sich ausser in den Zeugnissen der Republik (z. B. simulacra gentium ad Pompei theatrum; Gallia-Prägungen unter Caesar) insbesondere noch in der kaiserlichen Reichsprägung und Inschriften- bzw. Reliefmonumenten unter Augustus (27 v. – 14 n. Chr.; porticus ad nationes; Tropaeum Alpium; Res Geste Divi Augusti), Claudius (41–54; Sebasteion in Aphrodisias; Germani-/ Britanni-Prägungen), Lucius Verus/Marcus Aurelius/Commodus (161–180; Germani-/Sarmati-/Britanni-/ Parthi-Prägungen; Marcus-Säule) und – nur vereinzelt in Verbindung mit den Partherfeldzügen – auch noch unter den ersten Severern, die davon abgesehen vornehmlich ihre Heimatprovinz Africa sowie das politisch-institutionelle Stammland Italia – beide stets als Toponyme referiert – darstellen ließen; dagegen sind alle neuen Annexionen der Severer ausser im Falle von Nordbritannien (Victoria Britannica) in keinem Bildprogramm bezeugt. Neben der seit dem 2. Jh. v. Chr. durchgehend bezeugten Zelebrierung territorialer Expansion durch ethnographische Darstellungslogiken zeigt sich bereits unter Galba – signifikanterweise in Verbindung mit römischen Bürgerkriegen (Kap. 2.4.1: tres [provinciae] Galliae / concordia provinciarum / concordia Hispaniarum et Galliarum [provinciarum]) – und insbesondere seit den Flaviern in direkter Gegenüberstellung zur ‚Unterwerfungs‘-Perspektive eine gleichzeitige juristisch-administrative Perspektive im Sinne ‚einschließender Expansion‘. Unter Traian erscheint diese juristisch-administrative Perspektive erstmals in Inschriften und Münzprägungen durch eigene ausführliche Formeln ausgedrückt wie etwa in formam provinciae redacta in Bezug auf neu gegründete Provinzen oder regna adsignata in Bezug auf Klienteldynasten (Kap. 3.7.4), die förmlich ebenfalls zum Herrschaftsbereich, mithin in die entsprechenden Reichsdarstellungen, gehörten. Provinzzugehörigkeit bzw. durch Freundschafts- und Bündnisverträge sanktionierte Abhängigkeit von Rom erscheint demnach nicht mehr nur als Unterwerfung, sondern nunmehr auch als privilegierter Rechtsstatus gegenüber den auswärtigen „Völkerschaften“. Auch im entsprechenden Münzbild oder Relief schlägt sich die sprachliche Differenzierung unterschiedlicher Perspektiven bzw. Dimensionen von Untertänigkeit nach Ethnika und Toponymen in den meisten Fällen nieder. Nicht etwa unterschiedliche Trachten oder Attribute, sondern vielmehr die Körperhaltung ist dabei ausschlaggebend. Zumeist stehen nämlich die mit Toponymen bezeichneten 45

Als einziges Gegenbeispiel lässt sich bislang die Münzlegende De Iudaeis im Zusammenhang mit dem ersten großen Jüdischen Krieg unter den Flaviern anführen (Kap. 2.4.2; 3.2.4). Die Niederschlagung dieses provinzinternen Aufstands war jedoch derart langwierig und verlustreich, dass sich der griechisch-römische Historiograph und Senator Cassius Dio über ein Jahrhundert später fragte, weshalb die flavischen Kaiser nicht den Siegestitel Iudaicus annahmen – so wie üblicherweise im Falle von Siegen über reichsexterne Gegner.

62

2. Quellen römischer Reichsdarstellungen: Darstellungslogik

Figuren aufrecht und sind jedenfalls nicht gefesselt. Dies scheint vor allem dadurch bedingt zu sein, dass gefesselte Personen Kriegsgefangene darstellen, während die durch Toponyme bezeichneten, nicht gefesselten Personendarstellungen Personifikationen sind (vgl. Diskussion in Kap. 3.2.2–3.2.4). Umgekehrt tritt in Verbindung mit Ethnika bzw. der ethnographischen Darstellungslogik das Motiv der gewaltvollen Unterwerfung aus den Bildszenen vergleichsweise stärker zum Vorschein, weniger in seinen impliziten und metaphorischen Darstellungsformen (z. B. ungleiche Größenverhältnisse in der Abbildung von Kaiser einerseits und Klienteldynast andererseits, Kap. 3.7.4; 3.7.5), als vielmehr in realistisch detaillierten und pointierten Bildszenen (z. B. Schlachtszenen, Niedertrampeln des Gegners, gefesselte Kriegsgefangene).46 Bezeichnend für juristisch-administrative Darstellungslogiken, in denen die Personendarstellungen entsprechend durch Toponyme erwähnt sind, ist dagegen der Umstand, dass die idealisiert-vermenschlichte Personifikation – im Gegensatz zur Abbildung von Kriegsgefangenen oder niedergetrampelten Gegnern – vorzugsweise als Darstellungsform von bereits eingerichteten Provinzen bzw. der administrativen Zentren Italia und Roma vorbehalten gewesen zu sein scheint. Die bekannten Personifikationengruppen, die nach einer vornehmlich ethnographischen Darstellungslogik angeordnet bzw. mit Ethnika bezeichnet waren, so wie etwa die simulacra gentium ad Pompei theatrum, die Standbilder der porticus ad nationes oder die ethne im Sebasteion von Aphrodisias, stammen allesamt aus einer Zeit vor den expliziten Bezeugungen von Provinz-Personifikationen unter Galba bzw. Traian. 2.3 REICHSDARSTELLUNGEN UNTER DER IULISCH-CLAUDISCHEN DYNASTIE 2.3.1 Res Gestae Divi Augusti und breviarium totius imperii „L’empire – imperium – c’est d’abord une domination, une hégémonie, fruit d’une conquête ou d’une diplomatie victorieuse. (…) De cette conception tranquillement œcuménique de l’Empire romain, nous devons l’expression la plus claire et frappante à Auguste lui-même“.47 Mit diesen Leitsätzen resümiert Nicolet eines der am vollständigsten erhaltenen und in der modernen Forschung am meisten edierten und untersuchten Textzeugnisse eines antiken Herrschers. Der im 76. Lebensjahr von Augustus selbst verfasste Tatenbericht, die sog. res gestae divi Augusti, sollte nach Ausweis des Autors selbst (§ 1: incisarum in duabus aheneis pilis, quae sunt Romae positae) ursprünglich in Rom auf zwei bronzenen Tafeln veröffentlicht und aufgestellt werden. Nach Angaben des hundert Jahre späteren Kaiserbiographen Suetonius waren die beiden Bronzetafeln vor dem Mausoleum Augusti (funus Iuliorum) im Marsfeld zu sehen. Die res gestae bildeten nur eine von drei Urkunden, 46 47

M. Vitale, ‚Visual‘ Metaphors of Violence in Currencies: Representations of Submission and Victory on Roman Imperial Coins, in: Violence in the Ancient and Medieval World, Lisboa, February 17–19, 2016 [im Druck]; Malone 2009. Nicolet 1988, 27–28.

2.3 Reichsdarstellungen unter der iulisch-claudischen Dynastie

63

die der Princeps vor seinem Tod verfassen ließ, nämlich seine testamentarische Nachfolgeregelung, sein Tatenbericht sowie ein breviarium totius imperii.48 Epigraphisch erhalten sind lediglich spätere Abschriften des stadtrömischen Inschriftenmonuments beim Marsfeld in mehreren Städten Kleinasiens, bisher im galatischen Ankyra, den pisidischen Apollonia und Antiocheia sowie dem lydischen Sardis.49 Der Tatenbericht des ersten Princeps sollte nicht nur die stadtrömische Bevölkerung, sondern auch Provinziale über das Ausmaß seiner reichsweiten Taten, res gestae, und Aufwendungen, impensae unterrichten (§ 1). Augustus war gemäß Kienast geradezu „ein Meister der Propaganda“.50 Die bisherigen Fundorte der Abschriften des Tatenberichts stimmen nicht zufällig überein mit Aufstellungsorten im westlichen und zentralen Kleinasien. Es handelt sich um die Großprovinzen Asia (Sardis) und Galatia (Ankyra, Antiocheia, Apollonia). Nach Ausweis von Cassius Dio (51.20,6–8) wurde in den ältesten kleinasiatischen Provinzen, Asia und Bithynia, auf Initiative der Provinzbevölkerung für den Princeps zum ersten Mal eine provinzweit institutionalisierte kultische Verehrung eingeführt und entwickelt.51 Auch die wenige Jahre nach Actium, 25/24 bzw. 21/20 v. Chr., um die ehemaligen Hauptorte dreier keltischer Stämme, nämlich der Tektosagen (Ankyra), Tolistobogier (Pessinous) und Trokmer (Tavion), formierte Provinz Galatia im westlichen Anatolien sollte durch den Bau eines monumentalen Tempels in Ankyra rasch mit einem Zentrum für den provinzialen Kaiserkult, einem Sebasteion, ausgestattet sein. Die Einwohner des Territoriums Ankyras, das vom Princeps im Zuge der Einrichtung der Provinz vom Vorort des Stammesgebiets der keltischen Tektosagen in ein Polis-Territorium umgewandelt worden war, bezeichneten sich in Inschriften und Münzprägungen nach Augustus‘ Namen Sebastenoi Tektosagoi Ankyranoi.52 Der Kaiserkulttempel von Ankyra präsentiert die bislang vollständigste zweisprachige (Latein-Griechisch) Abschrift der res gestae. Sie wurde kürzlich von Mit48

49

50 51

52

Suet. Aug. 101,4: Tribus voluminibus, uno mandata de funere suo complexus est, altero indicem rerum a se gestarum, quem vellet incidi in aeneis tabulis, quae ante Mausoleum statuerentur, tertio breviarium totius imperii, quantum militum sub signis ubique esset, quantum pecuniae in aerario et fiscis et vectigaliorum residuis. Adiecit et libertorum servorumque nomina, a quibus ratio exigi posset; vgl. Cass. Dio 56,33; zu den res gestae in Rom Güven 1998, 30–45; Elsner 1996, 32–53. Zum neuesten Forschungsstand vgl. Thonemann 2012, 282–288, der eine bisher unbekannte Abschrift der res gestae in der Inschrift Iv Sardis VII. 1 Nr. 201 erkennt; Botteri 2003, 240– 249 und Scheid 2007 sowie Cooley 2009; für ältere, umfassende Editionen und Untersuchungen vgl. z.B. Mommsen 1865; Wilcken 1931,772–785; Gagé 1935; Levi 1947, 187–210; Ehrenberg/Jones 1955; Volkmann 1969; Wolters 1988, 197–206; Nicolet 1988, 27–40; Weber 1989; Kienast 1999, 208–212; Ridley 2003; Bringmann/Wiegandt 2008, 229–282 Nr. 233. Kienast 1999, 261. Dio 51.20,6–8; vgl. Dazu etwa Magie 1950, 1, 446–451; ibid., 2, 1292–1297; Deininger 1965, 16–19; Price 1984, 53–57; Mitchell 1993, 100–102; Burrell 2004, 17–18; Campanile 2007, 138–140; Reitzenstein 2011, 25–26; Vitale 2012a, 63–64; Vitale 2012c, 167– 169. Vgl. CIG 3, 4010; Münzen: SNG vAul. 6129. 6132–6134; dazu Mitchell 1986, 17–33; Mitchell 2008, 471–484; Vitale 2012a, 100–102; 122–129.

64

2. Quellen römischer Reichsdarstellungen: Darstellungslogik

chell und French neu ediert.53 An der Innenwand seines Pronaos, der Vorhalle, sind in lateinischer Sprache (die griechische Version wurde an der südöstlichen Außenwand der Cella eingemeißelt) über 280 Zeilen des Tatenberichts bezeugt, die sich in 6 Kolumnen und 35 Paragraphen gliedern.54 Sie berichten ausführlich über Ehrungen, die Augustus verliehen wurden, Wohltaten für die römischen Bürger sowie zahlreiche militärische und diplomatische Erfolge. Die res gestae geben jedoch nicht nur Einblick in die Selbstdarstellung des Princeps,55 sondern liefern auch eine umfassende Darstellung des unter ihm beträchtlich erweiterten römischen Machtbereichs insbesondere in den Abschnitten 25–33. Demnach ließ Augustus etwa in den gallischen und hispanischen Provinzen sowie in Germanien und den Alpen die „Grenzen erweitern“ bzw. neue Territorien annektieren.56 Aegyptus wurde als neue Provinz in die Befehlsgewalt des römischen Volks überführt bzw. dem Imperium einverleibt.57 Sogenannte Kaisereide, durch die sich die jeweilige Provinzbevölkerung öffentlich auf den herrschenden Kaiser einschwor, wurden in den gallischen und hispanischen Provinzen sowie den Provinzen Africa, Sicilia und Sardinia geleistet.58 Die Provinzen östlich der Adria sowie Cyrene, Sicilia und Sardinia, in denen Sklavenaufstände wüteten, wurden zurückerobert bzw. befriedet.59 Römische Bürgerkolonien wurden in Africa, Sicilia, Macedonia, den beiden hispanischen Provinzen, Achaia, Asia, Syria, Gallia Narbonensis und Pisidien gegründet.60 Die Darstellungslogik dieser Reichs-Veranschaulichung des Princeps folgt, so wie bereits in Bezug auf die Reichsdarstellungen republikanischer Datierung vorweggenommen wurde (Kap. 2.1.2; 2.2.1), vornehmlich einer Perspektive der Unterwerfung. So kündigen es etwa auch die Kopfzeilen des ankyranischen Inschriftenmonuments selbst an: Rerum gestarum divi Augusti, quibus orbem terrarum imperio populi Romani subiecit („Die Taten des vergöttlichten Augustus, durch die er den Erdkreis dem Imperium des römischen Volkes unterworfen hat“; Übers. M.V.).61 Allerdings betont Augustus‘ Tatenbericht gleichzeitig einen weiteren, für 53 54 55 56

57 58 59 60 61

Mitchell/French 2012, 66–138 Nr. 1. Zur Gliederung anhand des sog. Monumentum Ancyranum bereits ausführlich Hellwig 1937, 123–130. Vgl. Simon 1993. § 26: Omnium provinciarum populi Romani, quibus finitimae fuerunt gentes quae non parerent imperio nostro, fines auxi. Gallias et Hispanias provincias, i[tem Germaniam qua inclu]dit Oceanus a Gadibus ad ostium Albis flumin[is pacavi. Alpes a re]gione ea, quae proxima est Hadriano mari, [ad Tuscum pacari fec]i. Vgl. die thematische Gliederung des Textes bei Nicolet 1988, 31–32. § 27: Aegyptum imperio populi [Ro]mani adieci. § 25: Iuravit in mea verba tota Italia sponte sual et me be[lli] quo vici ad Actium ducem depoposcit. Iuraverunt in eadem ver[ba provi]nciae Galliae, Hispaniae, Africa, Sicilia, Sardinia. § 27: Provincias omnis, quae trans Hadrianum mare vergunt ad orien[te]m, Cyrenasque, iam ex parte magna regibus eas possidentibus, et antea Siciliam et Sardiniam occupatas bello servili reciperavi. § 28: Colonias in Africa Sicilia [M]acedonia utraque Hispania Achai[a] Asia S[y]ria Gallia Narbonensi Pi[si]dia militum deduxi. Italia autem XXVIII [colo]nias, quae vivo me celeberrimae et frequentissimae fuerunt, me [auctore] deductas habet. Genauso di Ansicht von Nicolet 1988, 31: „(…) le plan de ces chapitres essentiels qui traitent de la ‚soumission‘“.

2.3 Reichsdarstellungen unter der iulisch-claudischen Dynastie

65

römische Reichsdarstellungen bis dahin neuen, Aspekt römischer Expansion, nämlich denjenigen der Integration bzw. ‚einschließenden Expansion‘: Auf die reichsweite Ausdehnung bzw. Vergabe des römischen Bürgerrechts weist der Princeps nachdrücklich hin. In seinem letzten Lebensjahr und dreizehnten Konsulat ergab nämlich der dritte Census seiner Regierungszeit 4‘937‘000 römische Bürger, das waren 874‘000 römische Bürger mehr als in der ersten reichsweiten Vermögenseinschätzung während seines sechsten Konsulats im Jahre 28 v. Chr (§ 8). Die mit der hier detailliert bezifferbaren Vergrößerung der römischen Bürgerschaft (numerum auxi) aufs engste verknüpften reichsweiten Deduktionen von Bürgerkolonien und municipia werden insbesondere in zwei Textstellen ausdrücklich hervorgehoben (§§ 3; 28). Außer den 28 in Italia eingerichteten Bürgerkolonien, wird insbesondere die Ansiedlung von Veteranen in Africa, Sicilia, Macedonia, den beiden Hispanischen Provinzen, Achaia, Asia, Syria, Gallia Narbonensis und Pisidia angesprochen.62 Der Zuwachs an römischen Bürgern und die systematische Gründung von Bürgerkolonien, anstatt lediglich der Notiz eroberter Städte, ist ein Aspekt, der im Unterschied zu den Reichsdarstellungen aus der Zeit der Republik in dieser Ausführlichkeit zum ersten Mal erscheint. Denn die zahlreichen Neuansiedlungen bzw. Städtegründungen unter Pompeius Magnus in Kleinasien, insbesondere Kilikien, und Syrien werden in seinen Triumphalfasten, sowohl in der Version von Diodor als auch in den späteren Versionen von Plinius d. Ä., Appian oder Plutarch, nicht im Einzelnen, sondern lediglich summarisch vermerkt oder bestenfalls auszugsweise aufgeführt (Kap. 2.1.2). Die von Diodor wiedergegebene griechische Abschrift der von Pompeius selbst angeordneten Inschrift über seine eigenen res gestae‚ αἱ ἰδιαῖ πράξεις, in Asia bzw. der ganzen Levante stellt ein – zumindest aufgrund seiner antiken Bezeichnung – vergleichbares Dokument bzw. einen Vorläufer aus der Republik dar. Aber weder dieses Dokument noch die von Plinius d. Ä. angeblich von der lateinischen Originalinschrift direkt zitierte praefatio zu den acta triumphorum Pompei verweisen auf Pompeius Magnus‘ zahlreiche Städtegründungen. Indes vermerkt Plutarch zumindest, dass insgesamt 39 Städte gegründet worden seien.63 Appians Wiedergabe ist zwar demgegenüber ein wenig detaillierter, aber unvollständig (denn seine Schlussbilanz von 29 Städtegründungen deckt sich nicht mit der von Plutarch). Demnach soll Pompeius Magnus in Kappadokien acht, in Kilikien und Koele Syria 20 Städte sowie in Palaestina eine Stadt, namentlich Seleukeia, gegründet haben.64 Ob Appians explizite Nennung eines Seleukeia in der Provinz Syria,65 darauf hinweist, dass während des Triumphzugs und in der entsprechenden Inschrift alle 62 63 64 65

Zu Koloniegründungen und Urbanisierung Kienast 1999, 474–499. Plut. Pomp. 45.3–4: κατοικίαι δὲ πόλεων μιᾶς δέουσαι τετταράκοντα. App. Mithr. 117: πόλεις ἐκτίσθησαν Καππαδοκῶν ὀκτώ, Κιλίκων δὲ καὶ κοίλης Συρίας εἴκοσι, Παλαιστίνης δὲ ἡ νῦν Σελευκία. Entweder ist damit das transjordanische Seleukeia Pompeia Gadara oder Seleukeia Abila gemeint, die beide ihre Jahreszählungen ausgehend von ihrer Befreiung aus der hasmonäischen Herrschaft durch Pompeius Magnus im Jahre 64/63 n. Chr. ansetzten; vgl. zu beiden Poleis Vitale 2013a, 118; 124; 127–128; 149; 164 Anm. 260; zur Jahreszählung nach einer pompeianischen Befreiungsära vgl. Spijkerman 1978, 316–317 und jeweils unter den Einträgen Abila bzw. Gadara.

66

2. Quellen römischer Reichsdarstellungen: Darstellungslogik

Städtegründungen namentlich aufgelistet (vocabula/tituli bzw. γράμματα) bzw. durch entsprechende Schrifttafeln und simulacra dargestellt waren, lässt sich aufgrund des Vergleichs der hauptsächlich literarisch überlieferten Versionen nicht schlüssig beantworten. Jedenfalls aber wird aus dem Vergleich mit den Res Gestae Divi Augusti deutlich, dass die Städtegründungen unter Pompeius Magnus von den verschiedenen Autoren – anders als in den augusteischen res gestae – offenbar nicht unter dem Aspekt der Vergrößerung der römischen Bürgerschaft durch Ansiedlung von Veteranen beleuchtet worden waren. Der Umstand ist bemerkenswert, denn gerade Pompeius Magnus hatte durch die Gründungen etwa von Pompeiopolis in Paphlagonia oder Nikopolis in Kleinarmenien wichtige, richtungweisende Vorlagen geliefert für die unter Augustus (nach Marcus Antonius‘ „Unordnungsprinzip“ während seines Oberkommandos im Osten) lediglich weiterverfolgte bzw. wiederaufgenommene Provinzordnung aufgrund von Städtegründungen unter Einschluss römischer cives.66 Diese ‚integrative‘ Expansionspolitik wurde jedoch nach Ausweis der augusteischen res gestae unter Augustus reichsweit umgesetzt und deutlich intensiver als unter Pompeius Magnus propagiert. Daraus lässt sich vielleicht auch das unterschiedliche, teilweise sogar gegensätzliche, Selbstverständnis dieser beiden römischen Feldherren herausschälen: Pompeius Magnus, der sich bewusst in die Tradition von Alexander dem Großen stellte,67 hat hauptsächlich griechische Poleis, Augustus dagegen, der „Italiker“ römische civitates, gegründet.68 Neu, in einem ähnlichen Zusammenhang, ist auch der Vermerk in den augusteischen res gestae von Eidesleistungen der Bevölkerungen auf den Kaiser, insbesondere der neuen bzw. außerhalb der urbs angesiedelten römischen cives (§ 3: sub sacramento meo; § 25: iuraverunt in eadem verba provinciae Galliae Hispaniae Africa Sicilia Sardinia). Es sind zwar auch „Treueeide“ bzw. „Parteieide“ von Militär und Zivilisten aus dem letzten Jahrhundert der Republik bezeugt (z. B. die Vereidigung der Truppen des M. Antonius in Tibur 44 v. Chr.), die sich aber lediglich punktuell auf einzelne Kriegsereignisse, insbesondere Bürgerkriegssituationen, beziehen, jedoch nicht systematisch in allen Kommandogebieten eines Feldherren abverlangt wurden.69 Für das Oberkommando des Pompeius Magnus im Osten etwa ist nichts Derartiges überliefert, mithin keine damit vergleichbare Notiz in seinen res gestae vermerkt. Auch in Paphlagonia, dem ehemaligen Herrschaftsgebiet des Dynasten Deiotaros Philadelphos, des „letzten Dynasten von Paphlagonia“ (Strab. 12.3,41), das im Jahre 6/5 v. Chr. ebenfalls in den Funktionsbereich der Statthalter von Galatia eingezogen wurde, schwor sich die Provinzbevölkerung einschließlich der römischen Bürger nach Ausweis einer Inschrift aus dem heutigen Vezirköprü an Kaiserkultaltären (Z. 36–37: ἐν Σεβαστήοις παρὰ τοῖς βωμοῖ[ς τοῦ Σεβαστοῦ]) 66 67 68 69

Marek 1993, 47–52; vgl. ders., 2010, 366 zur Ansiedlung von Legionären in Nikopolis und Pompeiopolis. Vgl. etwa Michel 1967, 35–66; Kühnen 2008, 58–59 mit Forschungsdiskussion; dies., 62 für die epigraphischen und numismatischen Bezeugungen des Beinamens magnus; ferner Greenhalgh 1980; Battenberg 1980; Vitale 2015a. Vgl. die ähnliche Gegenüberstellung des „italischen“ Octavian-Apollon und des „orientalen“ M. Antonius-neuer Dionysos in Kap. 3.1.5.1. Vgl. dazu eingehend mit Fallbeispielen Herrmann 1968, 54–78.

2.3 Reichsdarstellungen unter der iulisch-claudischen Dynastie

67

feierlich auf den Kaiser ein.70 Aber weder die Großprovinz Galatia noch deren administrative Unterabteilung Paphlagonia sind unter den in § 25 aufgeführten eidesleistenden Provinzen gezählt. Die Reichsdarstellung in den res gestae war entweder lediglich der Auszug aus einer detaillierteren Reichs-Declaratio71 oder sie war in mehreren Phasen, folglich bereits vor 25/24 bzw. 6/5 v. Chr. verfasst, und die jeweilige Zwischenbilanz dann an einigen Stellen nicht mehr aktualisiert worden, oder diese Eide im Westen (provinciae Galliae Hispaniae Africa Sicilia Sardinia) hatten nichts mit dem provinzialen Kaiserkult zu tun, sie waren militärische Gefolgschaftseide. Bemerkenswerterweise liegt in ganzen fünf Abschnitten (§§ 26–27 29; 31–33) der res gestae ein besonderes Augenmerk auf der Erwähnung einer weiteren Kategorie von ‚Eidleistenden‘, nämlich der der auswärtigen Freunde bzw. ‚abhängigen‘ Könige und Völkerschaften (amici et socii). Erwähnt sind in diesem Zusammenhang, nach einer zufälligen Anordnung, zuerst die germanischen Stämme der Cimbrique et Charydes et Semnones und Königseinsetzungen in Großarmenien. 72 Dann sind die Parther (§ 29) – zunächst summarisch – in Verbindung mit der Rückgabe von Feldzeichen genannt.73 Es folgt die Notiz von Gesandtschaften der Könige Indiens, der Bastarner und Skythen sowie der Könige der Sarmaten, desgleichen der Könige der Albaner, der Hiberer und Meder.74 Im Einzelnen (§§ 32–33) sind schließlich aufgeführt die Partherkönige Tridates, Phraates, Vonones, die Fürsten der Meder in Adiabene Artavasdes, Artaxares und Ariobarzanes, zwei keltische Dynasten Britannias namens Dumnobellaunus und Tincommius, Maleo, ein Fürst der Sugambrer sowie [Segime?]rus, ein Fürst der suebischen Markomannen.75 70 71

72

73 74

75

ILS 8781; IGR 3, 137; OGIS 532; Herrmann 1968, 123–124 Nr. 4; dazu eingehend mit der älteren Literatur Vitale 2012a, 204–213; vgl. Sørensen 2013, 176–180. In dieselbe Richtung weist womöglich der Vermerk der außerhalb Italias deduzierten Bürgerkolonien (§ 28: Colonias in Africa Sicilia [M]acedonia utraque Hispania Achai[a] Asia S[y]ria Gallia Narbonensi Pi[si]dia militum deduxi). Das Ordnungsprinzip dieser unvollständigen Aufzählung ist in der Forschung sehr umstritten und weder geographisch noch chronologisch vgl. Scheid 2007, 75; Vitale 2012a, 114–115; grundlegend Mommsen 1865, 119–122. Während nämlich die coloniae in Pisidia, also die Aufstellungsorte der res gestae wie etwa Apollonia und Antiocheia, erwähnt sind, fehlen demgegenüber bekannte Koloniegründungen in Lykaonien und Galatien wie etwa Lystra, Ikonion und Germa; vgl. zu den Koloniegründungen in Kleinasien Levick 1967, 29–35; Kienast 1999, 490–491 mit reichhaltiger Literaturangabe Anm. 154. § 26: Cimbrique et Charydes et Semnones et eiusdem tractus alli Germanorum popu[l]i per legatos amicitiam meam et populi Romani petierunt; § 27: Armeniam maiorum, interfecto rege eius Artaxe, c[u]m possem facere provinciam, malui maiorum nostrorum exemplo regn[u]m id Tigrani, regis Artavasdis filio, nepoti autem Tigranis regis, per T[i. Ne]ronem trad[er]e. § 29: Parthos trium exercitum Romanorum spolia et signa re[ddere] mihi supplicesque amicitiam populi Romani petere coegi. § 31: Ad me ex In[dia regum legationes saepe missae sunt nunquam visae ante id t]em[pus] apud qu[em]q[uam] R[omanorum du]cem. Nostram amic[itiam petie]run[t] per legat[os] B[a]starn[ae Scythae]que et Sarmatarum qui su[nt citra fl]umen Tanaim [et] ultra reg[es Alba]norumque rex et Hiberorum e[t Medorum]. § 32: Ad me supplices confug[erunt] reges Parthorum Tirida[te]s et post[ea] Phrat[es] regis Phrati[s] filiu[s]. Medorum Ar[tavasdes, Adiabenorum] Artaxares, Britannorum Dumnobellaunus et Tin[commius, Sugambr]orum Maelo, Marcomannorum Sueborum [Segime]rus. Ad

68

2. Quellen römischer Reichsdarstellungen: Darstellungslogik

Die amicitia populi Romani auswärtiger Dynasten und Völkerschaften erscheint als durchweg relevanter Aspekt in den Reichsdarstellungen augusteischer Zeit, während er etwa aus den literarischen Übertragungen der res gestae des Pompeius Magnus nicht hervorgeht, obwohl auch dieser insbesondere in Kleinasien und Syrien neue Klienteldynasten eingesetzt bzw. bestehende gefördert hatte.76 Der Schwerpunkt liegt vielmehr auf der Frage, welche bzw. wie viele Könige Pompeius Magnus absetzen ließ, nicht aber auf der Frage, welche Könige er jeweils an deren Stelle neu einsetzen ließ: Der politische Status der Unterworfenen als amici et socii populi Romani stand nicht im Vordergrund der pompeianischen Eroberungen. Freilich gilt dabei zu bedenken, dass wir von Pompeius Magnus‘ Taten ausschließlich durch Literatur informiert sind, während Augustus‘ res gestae zudem epigraphisch in Form eines ausführlichen Selbstzeugnisses vorliegen. Dennoch betonen sowohl die literarischen als auch inschriftlichen Zeugnisse die besondere Stellung der auswärtigen Freunde unter Augustus: Dem Kaiserbiographen Suetonius zufolge kümmerte sich Augustus um die reges socii, als seien sie geradezu membra partisque imperii (Suet. Aug. 48). Ähnliches berichtet auch Strabon (17.3,25; vgl. Kap. 3.7.1). Drei ganze Abschnitte (§ 29; 32–33) der für uns relevanten neun in den augusteischen res gestae sind den diplomatisch-militärischen Vorfällen mit den Parthern gewidmet, deren Könige – entgegen den tatsächlichen Vorkommnissen – in Augustus‘ propagandistisch geprägter Version, zur Freundschaft gezwungen (§ 29: Parthos […] supplicesque amicitiam populi Romani petere coegi), als in Rom nach Schutz suchende Klienteldynasten dargestellt werden (§ 32: Ad me supplices confugerunt reges Parthorum). Das römische Imperium unter dem ersten Princeps reichte folglich bis weit über den Euphrates hinaus. Summieren wir die sensiblen Unterschiede zwischen den augusteischen und pompeianischen res gestae, insbesondere in Bezug auf die Ausweitung der römischen civitas durch Koloniegründungen, die Eidesleistungen und die Einwerbung neuer amici et socii aufgrund von Gesandtschaften und Königseinsetzungen, lässt sich zwar auf der formalen Ebene sagen, dass die Triumphalfasten von Pompeius Magnus „un des précédents les plus tipiques des Res Gestae d’Auguste“ waren.77 Aber auf der sachlichen Ebene unterscheiden sich die beiden Texte an wichtigen Stellen. Damit hängt der jeweils unterschiedliche, engere Repräsentationskontext zusammen. Auf der ‚historisch-politischen Kontextebene‘ scheint nämlich die Sieghaftigkeit des Princeps als Repräsentationskontext eine weniger relevante Rolle gespielt zu haben als seine kultische Verehrung; sowohl das Mausoleum Au-

76 77

[me re]x Parthorum Phrates, Orod[i]s filius, filios suos nepot[esque omnes] misit in Italiam, non bello superatu[s], sed amicitiam nostram per [libe]ror[um] suorum pignora petens. Plurimaeque aliae gentes exper[tae sunt p. R.] fidem me principe, quibus antea cum populo Roman[o nullum extitera]t legationum et amicitiae [c]ommercium. [§ 33] A me gentes Parthorum et Medoru[m per legatos] principes earum gentium reges pet[i]tos acceperunt: Par[thi Vononem, regis Phr]atis filium, regis Orodis nepotem. Medi Arioba[rzanem,] regis Artavazdis filium, regis Ariobarzanis nepotem. Vgl. sehr summarisch Diod. 40,4: (…) ὑπερασπίσας δὲ Παφλαγονίαν τε καὶ τὸν Πόντον, Ἀρμενίαν τε καὶ Ἀχαΐαν, ἔτι δὲ Ἰβηρίαν, Κολχίδα, Μεσοποταμίαν, Σωφηνήν, Γορδυηνήν, ὑποτάξας δὲ βασιλέα. Nicolet 1988, 45–46.

2.3 Reichsdarstellungen unter der iulisch-claudischen Dynastie

69

gusti (funus Iuliorum) im Marsfeld als auch das Sebasteion in Ankyra waren als Aufstellungsorte der res gestae Stätten des Herrscherkults. Zudem lassen sich auf der ‚historisch-intermedialen Kontextebene‘ keine Indizien dafür anführen, dass der monumentale Inschriftentext der res gestae im ankyranischen Tempelkomplex, wie etwa im Falle von Triumphzügen oder Siegesdenkmälern, zusätzlich von simulacra, also bildlichen Darstellungen, etwa von Kriegsszenen, Klientelkönigen, Völkerschaften oder Provinzen begleitet gewesen wäre. Eine ähnliche Darstellungslogik liefern aber die pompeianischen und augusteischen res gestae in Bezug auf die Provinzen, dem Kernstück territorialer, demographischer und fiskalischer Ressourcen für das Imperium. Die mindestens 30 Provinzen bzw. Funktionsbereiche römischer Provinzbeamter, aus welchen sich das unter Augustus direkt von Statthaltern verwaltete Reichsgebiet zusammensetzte, werden im Gegensatz zu den reges socii nicht im Einzelnen aufgeführt. Lediglich die vierzehn eigens vom Princeps neu eingerichteten, befriedeten oder territorial umstrukturierten bzw. arrondierten Provinzen sind, auf mehrere Textabschnitte verteilt, genannt (Achaia, Aegyptus, Africa, Asia, Cyrenae, Galliae, Germania, Hispaniae, Illyricum, Macedonia, Narbonensis, Pisidia,78 Sicilia, Syria). Auch an dieser Stelle ist das Fehlen der neuen Provinzgründungen Galatia und Paphlagonia merkwürdig, auf die weder durch Erwähnung der Koloniegründungen (lediglich die Deduktionen von coloniae in Pisidien, das nach Amyntas‘ Tod zur Großprovinz Galatia gehörte, sind in § 28 erwähnt) noch durch die Erwähnung des Halys neben den anderen vier Flüssen (§ 26: Albis; § 30: Danuvius; § 26: Rhenus; § 31: Tanaïs) Bezug genommen wird. Dafür werden Augustus militärische Inkursionen in die Stammesgebiete der Kimbern und in die Königreiche der Aethiopier79 und der Sabäer im südlichen Arabia Eudaimon80 erläutert.81 Insgesamt also wird der römische Machtbereich, imperium nostrum, auch im augusteischen Tatenbericht mehr nach ‚Außen‘ als nach ‚Innen‘ hin definiert, als „empire universel et sans fin“, so wie es etwa Nicolet in Anlehnung an den Dichter augusteischer Zeit, Vergil (Verg. 78

79 80

81

Die Erwähnung von Pisida als einziger ‚Landschaft‘ in einem Zuge mit bestehenden Provinzen ist merkwürdig (so etwa bereits Volkmann 1969, 49–50; Weber 1989, 88; Scheid 2007, 75: „une région récemment réunie à la Galatie“): entweder wurde in der Liste von Gebietsnamen Pisidia als einzige Nicht-Provinz, in die coloniae geschickt wurden, erwähnt oder Pisidia ist erstmals in den RGDA als eigene administrative Unterabteilung (der Statthalterprovinz Galatia), provincia, bezeugt; so Vitale 2012a, 114. Vgl. Strab. 17.1,54; Cass. Dio 54.5,4; Kienast 1999, 336–337. Vgl. als Nachhall dieser Expeditionen die Personifikation des ethnos der Araboi im Sebasteion von Aphrodisias (Kap. 2.3.7.2); zum misslungenen Feldzug in Südarabien unter dem Feldherrn Aelius Gallus etwa Bowersock 1983, 46–49; Marek 1993b, 121–156; Retsö 2003, 402–403; zum Reich der Sabäer in Südarabien eingehend Schuol 2000, 415–427. § 26: Cla[ssis m]ea per Oceanum ab ostio Rheni ad solis orientis regionem usque ad fi[nes Cimbroru]m navigavit, quo neque terra neque mari quisquam Romanus ante id tempus adit, Cimbrique et Charydes et Semnones et eiusdem tractus alli Germanorum popu[l]i per legatos amicitiam meam et populi Romani petierunt. Meo iussu et auspicio ducti sunt [duo] exercitus eodem fere tempore in Aethiopiam et in Ar[a]biam, quae appel[latur Eudaemon, [maxim]aeque hos[t]ium gentis utr[iu]sque cop[iae] caesae sunt in acie et [c]om[plur]a oppida capta. In Aethiopiam usque ad oppidum Nabata pervent[um] est, cui proxima est Meroe. In Arabiam usque in fines Sabaeorum pro[cess]it exercitus ad oppidum Mariba.

70

2. Quellen römischer Reichsdarstellungen: Darstellungslogik

Aen. 1,278: imperium sine fine), formuliert.82 Dabei interessiert die Information, wie viele und welche Provinzen namentlich etwa zum Zeitpunkt von Augustus‘ dreizehntem Konsulat genau verwaltet wurden, wenig. Dagegen ausführlicher ist die Notiz über den Bestand an Provinzen beim zeitgenössischen Geographen aus Kleinasien, Strabon (17.3,25). Insbesondere die Einsetzung von Statthaltern konsularen Ranges in den sog. senatorischen Provinzen, die der Verfügungsgewalt des Senats unterstanden, legt er im Einzelnen dar.83 Strabon verweist auch auf die demgegenüber zahlreicheren anderen, kaiserlichen Provinzen, die etwa auch ritterständische Statthalter regierten (τὰς δὲ ἄλλας ἐπαρχίας ἔχει Καῖσαρ, ὧν εἰς ἃς μὲν πέμπει τοὺς ἐπιμελησομένους ὑπατικοὺς ἄνδρας, εἰς ἃς δὲ στρατηγικούς, εἰς ἃς δὲ καὶ ἱππικούς). Er zählt diese Provinzen jedoch nicht einzeln auf, obwohl er sie namentlich wohl gekannt bzw. eine entsprechende vollständige Dokumentation ihm bei der Abschrift vorgelegen haben muss. Als Detail hebt er etwa hervor, dass anfänglich (ἀλλ᾽ ἐν ἀρχαῖς γε διέθηκε), also in der Urfassung der augusteischen Provinzordnung, „die Galater und die Völkerschaften, die Amyntas unterstanden (πλὴν Γαλατῶν καὶ τῶν ὑπὸ Ἀμύντα γενομένων ἐθνῶν), noch nicht eingezogen und zu Provinzen geschlagen worden waren. Strabon wusste also zum Zeitpunkt der Niederschrift, dass diese Gebiete bereits annektiert waren. Er gab aber dennoch einen früheren Informationsstand wieder, nämlich den des Jahres 27 v. Chr.84 Eine andere Zwischenbilanz des Provinzbestands, die der Jahre nach 25/24 v. Chr., zeigt nämlich seine Notiz im 12. Buch: (Strab. 12,5,1) νῦν δ᾽ ἔχουσι Ῥωμαῖοι καὶ ταύτην καὶ τὴν ὑπὸ τῷ Ἀμύντᾳ γενομένην πᾶσαν εἰς μίαν συναγαγόντες ἐπαρχίαν.85 Als Informationsgrundlage dürfte dem amaseischen Geographen folglich nicht nur die Endfassung des Tatenberichts, sondern auch eine der anderen, viel früher begonnenen Urkunden gedient haben, die Augustus im Zuge seiner Nachfolgeregelung veröffentlichen ließ.86 Augustus hinterließ nach Ausweis von Suetonius noch eine weitere Reichsdarstellung, nämlich das breviarium totius imperii, das die Verteilung aller römischen Truppeneinheiten im Reichsgebiet festhielt; zudem registrierte es die verschiedenen direkten und indirekten Steuereinnahmen.87 Dieses breviarium, in seiner Anlage womöglich eine Vorlage für die spätrömischen 82 83 84 85 86 87

Nicolet 1988, 41. Zur Aufteilung der Provinzen und den Verständnisproblemen bereits antiker Autoren ausführlich etwa Millar 1966, 156–166; Kienast 1999, 86–87 mit Anm. 27; Engels 1999, 310–314. Millar 1966, 156–157. „Nun besitzen die Römer sowohl diese [i. e. ἡ δυναστεία, die Herrschaft über die drei galatischen Stämme] als auch diejenige (Herrschaft), die Amyntas zugefallen war, und sie haben die ganze (Herrschaft) in eine einzige Provinz [i. e. Galatia] zusammengefasst“; Übers. M.V. Vgl. die Diskussion zahlreicher administrativer Veränderungen, die bei Strabon im Vergleich mit dem augusteischen Tatenbericht nicht mehr nachgetragen worden waren, bei Engels 1999, 312; 368. Suet. Aug. 101,4: Tribus voluminibus, uno mandata de funere suo complexus est, altero indicem rerum a se gestarum, quem vellet incidi in aeneis tabulis, quae ante Mausoleum statuerentur, tertio breviarium totius imperii, quantum militum sub signis ubique esset, quantum pecuniae in aerario et fiscis et vectigaliorum residuis; dazu Speidel 2000, 115–117; Jullian 1883, 149–182; Lintott 1993, 119; Meyer-Zwiffelhoffer 2002, 224–225.

2.3 Reichsdarstellungen unter der iulisch-claudischen Dynastie

71

notitia dignitatum,88 dürfte dem bei Tacitus im selben Zusammenhang erwähnten libellum entsprochen haben,89 das letzterer jedoch ausführlicher charakterisiert als Suetonius.90 Demnach erfasste dieses libellum bzw. breviarium, nach militärischlogistischen und fiskalischen Gesichtspunkten zusammengestellt, im Sinne einer „Bilanzaufstellung“91 – weit mehr als es eine formula provinciae vermochte (Kap. 2.9.5) – offenbar alle Reichsressourcen in Bevölkerungszahl, Anzahl Bundesgenossen bzw. Klientelreichen, Anzahl Flotten, Anzahl Truppen, Anzahl Provinzen sowie die Summen verschiedener fiskalischer Einnahmen und staatlicher Ausgaben in opes publicae/necessitates ac largitiones.92 Auch dieses Reichs-Resümee muss, so wie die Res Gestae Divi Augusti, beim derzeitigen Quellenstand als ein „document primordial qui n’avait jamais eu d’équivalent auparavant“ gelten.93 Seine Datierung lässt sich allerdings nirgends genau festmachen. Die Annahme liegt jedoch nahe, dass erste veröffentlichte Fassungen des breviarium bzw. einer entsprechenden Reichsdarstellung bereits aus der Zeit unmittelbar nach der Ehrung Octavians durch den Augustusnamen 27 v. Chr. (seitdem imperator Caesar divi filius Augustus) stammen. So wie nämlich Strabons Abriss der Aufteilung von Provinzen auf eine Zeit vor der Provinzeinrichtung Galatias zurückgehen muss, dürfte auch der mit zahlenmäßig genauen Angaben, etwa der Koloniegründungen oder Anzahl im gesamten Reich verstreuter römischer Bürger, versehene Tatenbericht selbst auf der Basis der ‚statistischen‘ Angaben im breviarium totius imperii verfasst worden sein. Ein weiteres Indiz dafür ist auch hier jegliches Fehlen direkter Bezugnahmen auf die Einrichtung der im Osten strategisch wichtigsten Provinz Galatia. 2.3.2 Porticus ad nationes Die sog. porticus ad nationes stellt neben dem epigraphisch, lediglich als Text erhaltenen Tatenbericht (Res Gestae Augusti) des ersten Princeps Augustus das bekannteste Repräsentationsprogramm der frühesten Kaiserzeit dar. Es beinhaltete sowohl das Bild- als auch das Textmedium. Das Siegesmonument zu Ehren von Octavian bzw. Augustus geht zurück auf das Jahr 28/27 v. Chr. Es stand in Rom und ist nur 88 89 90

91 92

93

Brennan 1996, 152; O’Hara 2013, 11–12; Gencheva-Mikami 2005. Ebenso Nicolet 1988, 192–195. Tac. ann. 1,11: Opes publicae continebantur, quantum civium sociorumque in armis, quot classes, regna, provinciae, tributa aut vectigalia, et necessitates ac largitiones. quae cuncta sua manu perscripserat Augustus addideratque consilium coercendi intra terminos imperii, incertum metu an per invidiam. So Kienast 1999, 147. Gemäß Ios. bell. Iud. 2.16,4 soll König Agrippa II. im Jahre 66/67 n. Chr. durch eine ausführliche Rede über die militärischen und finanziellen Ressourcen des römischen Reiches versucht haben, die aufständischen Iudaeer von einer militärischen Konfrontation mit den römischen Truppen abzuhalten. Ob der König insbesondere für seine Ausführungen über Geschichte und Schlagkraft der römischen Armee auf dieses breviarium augusteischer Zeit zurückgriff, wie es erstmals Friedländer 1873 gefolgt von Jullian 1883, 153–158 vermutete, ist jedoch mit Nicolet 1988, 196–197 zu bezweifeln. Nicolet 1988, 29.

72

2. Quellen römischer Reichsdarstellungen: Darstellungslogik

literarisch überliefert. Während der spätantike Vergilkommentator Servius (Serv. Aen. 8,721–728) eine detaillierte, kommentierte Beschreibung des Denkmals formulierte, bestätigt Plinius d. Ä. in seiner knappen Beschreibung der Marmorkunstwerke von Rom zumindest die Bezeichnung dieses augusteischen Siegesdenkmals als porticus ad nationes sowie dessen Existenz noch in flavischer Zeit.94 Anders als im Falle der überlieferten Repräsentationsprogramme für Pompeius Magnus beabsichtigte die porticus ad nationes nicht nur einen Katalog aller militärischen und diplomatischen Errungenschaften zu bieten, sondern dem Betrachter bzw. Leser auch die neuen Grenzen der orbis terrarum aufzuzeigen. Dies geht ausdrücklich aus Formulierungen hervor wie etwa Morini populi Galliae in finibus, qui Britanniam spectant, proximi oceano. RHENUS fluvius Galliae qui Germanos a Gallia dividit.95 Das Siegesmonument hielt die Völkerschaften in simulacra, bildlichen Darstellungen, fest, die, am Princeps vorbeiziehend, ihre Gaben im Apollonheiligtum niedergelegt hatten. Einige nationes erscheinen auch in metaphorischer Form, etwa mit mythologischen Namen (Leleges für Thessaler). Andere nationes sind pars pro toto durch Gebirgs- und Flussnamen vertreten (Araxes für Armenia): (Serv. Aen. 8,721–728): Aptatque superbis postibus porticum enim Augustus fecerat in qua simulacra omnium gentium conlocaverat: quae porticus appellabatur >ad nationes