Das Heer 1950 bis 1970: Konzeption, Organisation und Aufstellung 9783486711875, 9783486579741

Der deutsche Heeresbeitrag innerhalb der NATO zeichnete sich durch das Konzept einer beweglichen Kriegführung aus, mit d

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Das Heer 1950 bis 1970: Konzeption, Organisation und Aufstellung
 9783486711875, 9783486579741

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Das Heer 1950 bis 1970. Konzeption, Organisation, Aufstellung

Sicherheitspolitik und Streitkräfte der Bundesrepublik Deutschland Herausgegeben vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt Band 3

R. Oldenbourg Verlag München 2006

Helmut R. Hammerich · Dieter H. Kollmer Martin Rink · Rudolf J. Schlaffer

Das Heer 1950 bis 1970 Konzeption, Organisation, Aufstellung

Unter Mitarbeit von Michael Poppe

R. Oldenbourg Verlag München 2006

Umschlagabbildungen: HS 30 (Ii.), Leopard 1 (re.), aus: Übung Prellbock. Hrsg. vom Bundesministerium der Verteidigung, 1973, S. 26 Atombombentest Juli 1970/AP Photo Trotz sorgfältiger Nachforschungen konnten nicht alle Fotografen ermittelt werden. Wir bitten nicht genannte Urheber, sich beim Militärgeschichtlichen Forschungsamt zu melden.

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Ein Titeldatensatz für diese Publikation ist bei der Deutschen Bibliothek erhältlich

© 2006 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH, München Rosenheimer Str. 145, D-81671 München Internet: www.oldenbourg.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier (chlorfrei gebleicht). Satz: Militärgeschichtliches Forschungsamt, Potsdam Umschlag: Maurice Woynoski, Militärgeschichtliches Forschungsamt, Potsdam Herstellung: Wuhrmann Druck & Service GmbH, Freiburg ISBN-13: 978-3-486-57974-1 ISBN-10: 3-486-57974-6

Inhalt Grußwort des Inspekteurs des Heeres Vorwort Bruno Thoß: Einführung Helmut R. Hammerich: Kommiss kommt von Kompromiss. Das Heer der Bundeswehr zwischen Wehrmacht und U.S. Army (1950 bis 1970) I. Einleitung II. Zur Vorgeschichte des Heeres der Bundeswehr III. Die konzeptionelle Entwicklung einer Teilstreitkraft 1950 bis 1970 IV. Der Auf- und Umbau des Heeres von 1956 bis 1970 V. Die Aufbauphase - Eine Zwischenbilanz Martin Rink: »Strukturen brausen um die Wette«. Zur Organisation des deutschen Heeres I. Einführung: Heer - Organisation - Geschichte II. Der Weg zur Panzerdivision: Heeresstruktur 1 (1950 bis 1956) III. Die Brigade in der »Division 59«: Heeresstruktur 2 IV. Das »ausgewogene Heer«: Der Weg zur Heeresstruktur 3 Dieter H. Kollmer: »Klotzen, nicht kleckern!« Die materielle Aufrüstung des Heeres von den Anfängen bis Ende der sechziger Jahre I. Einleitung II. Die politischen, ökonomischen und militärischen Rahmenbedingungen für die materielle Aufrüstung des Heeres der Bundeswehr III. »Erst klotzen, dann kleckern und dann richtig klotzen«. Planung und Umsetzung der Rüstungsgüterbeschaffung für das Heer IV. Die Umsetzung der materiellen Aufrüstung am Beispiel konkreter Rüstungsprojekte V. »Warum beim Klotzen häufig gekleckert wurde«! Probleme bei der Planung und deren Umsetzung im Rahmen der Aufrüstung des Heeres

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Inhalt

Rudolf J. Schlaffer: Schleifer a.D.? Zur Menschenführung im Heer in der Aufbauphase I. Einleitung II. Menschenführung im Heer - Voraussetzungen III. Menschenführung im Heer - Krisen und Bewährung IV. Menschenführung im Heer - Disziplin und Alltag V. Das Heer - Vergleich und Selbstverständnis

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Ausgewählte Kurzbiographien, Ubersichten und Karten zusammengestellt von Michael Poppe Chronologie Abkürzungen Quellen und Literatur Personenregister Die Autoren

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Grußwort des Inspekteurs des Heeres Das deutsche Heer befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel. Mit allen Konsequenzen ist der Einsatz unserer Soldatinnen und Soldaten bis hin zum Risiko für Gesundheit und Leben zur bestimmenden Option geworden. Ausbildung, Strukturen, Verfahren und Ausrüstung werden Zug um Zug der veränderten politischen Aufgabenstellung angepasst. Diese notwendigen Maßnahmen der Transformation werden langfristig eine grundlegend neue Bundeswehr schaffen, in der das Heer auch in Zukunft einen wichtigen Platz einnimmt. Fähigkeit und Bereitschaft zur Anpassung an die jeweiligen Aufgabenstellungen kennzeichnen das Heer, seit im Herbst 1950 eine militärische Expertenkommission im Eifelkloster Himmerod die Grundlinien eines künftigen deutschen Verteidigungsbeitrags festgelegt hat. Zwei Konstanten haben das Heer dabei erfolgreich durch alle Veränderungen geleitet: Der Mensch als dynamischer Gestalter und die Innere Führung als die für ihn und seine unveräußerliche Menschenwürde unverzichtbare Wertebasis. Mit der Ausrichtung auf die wahrscheinlicheren Einsätze zur Konfliktverhütung und Krisenbewältigung, einschließlich des Kampfes gegen den internationalen Terrorismus, folgt das Heer den Herausforderungen unserer Sicherheit im 21. Jahrhundert. Das heutige und absehbare Aufgabenspektrum reicht vom hochintensiven Gefecht über Stabilisierungsoperationen, Maßnahmen im Rahmen des »Nation Building« bis hin zu Hilfeleistungen im Katastropheneinsatz. Diesen Aufgaben stellen sich die Soldatinnen und Soldaten des Heeres schon seit Jahren mit großem Erfolg und internationaler Anerkennung. Einsatz und Transformation im Sinne einer konsequenten Verbesserung der Einsatzfähigkeit und einer kontinuierlichen Anpassung an sich verändernde Rahmenbedingungen prägen heute den Alltag im Heer. Seine Menschen sind unmittelbar durch die Transformation betroffen, aber gleichzeitig auch ihre Gestalter. Dies erfordert von allen Angehörigen des Heeres hohes persönliches Engagement und Einfallsreichtum, auch ein gewisses Maß an Geduld, vor allem aber die innere Bereitschaft zum Wandel im Vertrauen auf die Notwendigkeit des eigenen Tuns. Ohne motivierte und aktive Teilhabe wird die Transformation des Heeres und der Bundeswehr nicht gelingen. Die Dimension dieses Umbruchs ist vergleichbar mit dem Aufbau des Heeres vor 50 Jahren. Der Auftrag, der NATO in wenigen Jahren ein schlagkräftiges, mechanisiertes Heer mit 12 Divisionen sowohl für eine konventionelle militärische Auseinandersetzung als auch für den Krieg unter atomaren Bedingungen zur Verfügung zu stellen, war für die »Männer der ersten Stunde« eine große

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Grußwort des Inspekteurs des Heeres

Herausforderung. Sie haben sich ihr entschlossen gestellt und oftmals unter großen persönlichen Belastungen eine moderne und bündnisfähige Truppe geschaffen. Der Einsatz für Frieden und Freiheit in Streitkräften in der Demokratie und in einem Bündnis freier Völker hat sich gelohnt. Seit 1956 hat sich das Heer im Verbund mit den anderen Teilstreitkräften als Garant der Abschreckung ebenso bewährt wie in Katastrophen- und militärischen Auslandseinsätzen. Es hat sich während dieser Zeit zu einem international geschätzten und verlässlichen Partner entwickelt. Unzählige Patenschaften mit Verbänden verbündeter Streitkräfte geben dieser Zusammenarbeit menschliche Tiefe. Für dieses großartige Aufbauwerk danke ich all jenen, die sich während der vergangenen 50 Jahre auf allen Ebenen um das Heer verdient gemacht haben. Dazu zählen insbesondere auch die Kameraden, die aus dem Bundesgrenzschutz zur Bundeswehr übergetreten sind. Gemeinsam gedenken wir all jenen, die im Dienst für unser Heer ihr Leben ließen oder zu Schaden kamen! Der vorliegende Band mit Beiträgen zur Konzeption und zum Aufbau des Heeres, zu den ersten drei Heeresstrukturen, zur Heeresrüstung und zur Menschenführung im Heer gewährt Einblicke in die spannende Aufbauphase, die zahlreiche Bezüge zum Heer in der Gegenwart aufweist. Der ausführliche Anhang mit einer Zeittafel und detaillierten Ubersichten zu Personal und Material, Aufstellung und Dislozierung der Verbände macht den Band darüber hinaus zu einem Nachschlagewerk erster Güte. Dem Militärgeschichtlichen Forschungsamt danke ich dafür, im Jubiläumsjahr 2006 erstmals eine wissenschaftlich fundierte Geschichte der frühen Jahre der Teilstreitkraft Heer in der Bundeswehr vorgelegt zu haben, die sich an eine breite Leserschaft wendet. Ich wünsche dem Band die ihm gebührende Verbreitung sowohl in der wissenschaftlichen Fachwelt als auch in den Streitkräften. Es gilt Shakespeare's Ausspruch: »What's past is prologue«: Der Blick zurück schärft die Sinne für die großen Herausforderungen von heute und morgen.

Hans-Otto Budde Generalleutnant

Vorwort Als Verteidigungsminister Theodor Blank den ersten 101 Freiwilligen der neuen Bundeswehr am 12. November 1955 ihre Ernennungsurkunden überreichte, war nach langem politischen Ringen der westdeutsche Verteidigungsbeitrag wieder ein Stück vorangekommen. Zehn Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg gab es jetzt westdeutsche Soldaten in Uniform. Zuvor schon waren noch bestehende Souveränitätsbeschränkungen mit dem Beitritt zur westlichen Allianz weitgehend entfallen. Die Bundesrepublik war damit handlungsfähig nach innen und außen geworden, ihre Sicherheit fand sie durch Verteidigung im Bündnis. 1955 hatte aber noch nicht die Aufstellung von Verbänden begonnen; der Aufbau von Heer, Luftwaffe und Marine sollte erst im Jahr darauf einsetzen. Im Jubiläumsjahr 2005 hat das Militärgeschichtliche Forschungsamt (MGFA) mit seiner neuen Publikationsreihe »Sicherheitspolitik und Streitkräfte der Bundesrepublik Deutschland« begonnen, Studien zur Entwicklungsgeschichte der Bundeswehr vorzulegen. Unter Einbeziehung der Rahmenbedingungen des Kalten Krieges, die Vorgaben der NATO sowie die politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Gegebenheiten unseres Landes, konzentrieren sich die Folgeuntersuchungen nun auf die Teilstreitkräfte. Innerhalb kurzer Zeit kann somit das im ersten Band der Reihe vorgestellte Zusammenspiel von bündnisstrategischen Erfordernissen und nationaler Verteidigungsplanung auf der Ebene der faktischen Realisierung fortgesetzt werden. Der vorliegende Band, der die Konzeptions- und Aufbauphase des Heeres von 1950 bis 1970 betrachtet, konnte nur durch das hohe Engagement aller Autoren und Mitarbeiter des Forschungsprojektes termingerecht erstellt werden. An erster Stelle möchte ich deshalb dem Leitenden Wissenschaftlichen Direktor Dr. Bruno Thoß für die Federführung des Gesamtprojektes »Geschichte der Teilstreitkräfte« danken. Ebenso zu danken habe ich Oberstleutnant Dr. Helmut R. Hammerich. Er war für die Gesamtkonzeption und Koordination dieses Bandes verantwortlich, hat die Ko-Autoren eingeworben und betreut und nicht zuletzt den Uberblicksbeitrag »Kommiss kommt von Kompromiss. Das Heer der Bundeswehr zwischen Wehrmacht und U.S. Army 1950-1970« verfasst. Auch den weiteren Autoren, Oberstleutnant Dr. Dieter Kollmer, Major d.R. Dr. Martin Rink und Major Rudolf J. Schlaffer, sei gedankt. Sie haben neben einer Fülle weiterer Verpflichtungen zu wichtigen Themen der Rüstung, der Organisation und der Menschenführung geschrieben. Notwendige Unterstützung erfuhren die Autoren durch Wehrübende und Praktikanten (Dr. Klaus-Jürgen Bremm, Falko Heinz, Nils Hoffmann, Karl Kicul und Maximilian Rosenow).

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Vorwort

Den Generalen a.D. Ulrich de Maiziere, Johann Adolf von Kielmansegg, Hans Speidel und Sigvard von Wietersheim ist zu danken, dass sie ihre oder von ihnen verwalteten Nachlässe zur Einsicht und Bearbeitung öffneten. Ebenso ist zahlreichen Zeitzeugen, stellvertretend Herrn General a.D. Ulrich de Maiziere und Herrn Generalleutnant a.D. Werner von Scheven sowie Herrn Oberstabsfeldwebel a.D. Franz Prox, für die Unterstützung der Projektgruppe durch Erinnerungen, Schrift- und Bildmaterial und nicht zuletzt für die kritische Begleitung der Forschungsarbeit zu danken. Die Schriftleitung des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes unter Dr. Arnim Lang übernahm mit Dr. Aleksandar-S. Vuletic (Koordination und Lektorat), Antje Lorenz (Textgestaltung), Maurice Woynoski (Bildlayout und Coverentwurf) sowie Bernd Nogli, Sabrina Ghercsfeld, Margit Hefner, Harald S. Wolf (grafische Beigaben) und Marina Sandig (Bildrecherche) die Betreuung des Werkes bis zur Druckreife. Ihnen allen sowie Christian Kreuzer M.A. und dem Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München, gilt mein aufrichtiger Dank für die gute Zusammenarbeit bei der Realisierung dieses Bandes. Schließlich gebührt ein ganz besonderer Dank Herrn Oberstleutnant Michael Poppe. Ohne seine unermüdliche Aktenarbeit im Bundesarchiv-Militärarchiv seit 1998, sein Engagement für die Zusammenstellung der Chronologie von 1945 bis 2004 und des umfassenden Anhangs und ohne sein heereskundliches Fachwissen hätte der Band in der vorliegenden Form nicht erscheinen können. Sich der Geschichte des Heeres in der Konzeptions- und Aufbauphase zu erinnern, liegt ein wissenschaftliches Erkenntnisinteresse zu Grunde. Das Wissen um die Entstehungsgeschichte mag darüber hinaus aber auch die Angehörigen der größten Teilstreitkraft der Bundeswehr zu neuen Einsichten führen und in Zeiten großer Herausforderungen durch solide historische Bildung verantwortliches Handeln unterstützen. Auch vor diesem Hintergrund bin ich dem Inspekteur des Heeres, Herrn Generalleutnant Hans-Otto Budde, für sein Grußwort außerordentlich dankbar.

Dr. Hans Ehlert Oberst und Amtschef des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes

Bruno Thoß Einführung Als am 12. November 1955 in der Bonner Ermekeilkaserne die ersten 101 Soldaten in einem für den Geschmack des Bundeskanzlers wenig feierlichen Akt1 ihre Ernennungsurkunden überreicht bekamen, wurde dies in der Presse als »Die Geburtsstunde der neuen Streitkräfte« herausgestellt 2 . In der Militärischen Abteilung des Verteidigungsministeriums sah man darin jedoch vorerst nur einen aus der Not geborenen Akt, mit dem an die immer besorgter nachfragende NATO endlich ein öffentliches Signal über den Beginn des angemahnten Streitkräfteaufbaus abgegeben werden sollte3. Durch den gewählten Tag, den 200. Geburtstag des preußischen Heeresreformers Gerhard von Scharnhorst, hatte man dies immerhin mit einem Zeichen für die eigene Reformorientierung verbinden können. Jetzt wie nach der Niederlage Preußens gegen Napoleon von 1806 müsse es darum gehen, »aus den Trümmern des Alten wirklich etwas Neues wachsen [zu lassen], das unserer veränderten sozialen, politischen und geistigen Situation gerecht wird« 4 . Die neuen Streitkräfte sollten mithin von Anfang an nicht nur ihrem militärischen Auftrag gerecht werden, sondern anders als die Reichswehr der ersten deutschen Republik auch voll in den vorgegebenen Rahmen einer parlamentarischen Demokratie und ihrer pluralistischen Gesellschaftsordnung integriert werden. Aus Sicht des Leiters der Militärischen Abteilung, Generalleutnant Adolf Heusinger, blieb es aber dabei, dass nicht eine derartige »Schaunummer für die Presse«, sondern erst der Dienstbeginn in den Lehrkompanien des Heeres (Andernach), der Luftwaffe (Nörvenich) und der Marine (Wilhelmshaven) am 2. Januar 1956 als »Geburtstunde neuer Wehrmacht anzusehen« [sie!] sei5. Die Absicht, den Aufbau der neuen Armee mit der Aufstellung ihrer Teilstreitkräfte einsetzen zu lassen, korrespondierte im Übrigen voll mit der Berechnung des Zeitbedarfs für den Abschluss des gesamten Aufrüstungsprozesses in der Bundesrepublik, für den man der NATO gegenüber nach entsprechenden 1 2 3

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Schreiben Adenauers an Blank, 17.11.1955, zit. nach Schwarz, Adenauer, Bd 2, S. 246. So die Überschrift eines Artikels, in: Die Welt, 14.11.1955. Zu den Begleitumständen dieser Veranstaltung: Thoß, Allgemeine Wehrpflicht, S. 147-150. Rede Blanks und Antwort des dienstältesten Soldaten, Generalleutnant a.D. Heusinger, 12.11.1955, BA-MA, BW 9/2527-121, Bl. 82-88. Tagebuch der militärischen Abteilung, 17.11.1955, ebd., BW 9/2527, Bl. 65.

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Bruno Thoß

Zusagen des Bundeskanzlers Konrad Adenauer drei Jahre veranschlagt hatte. Auch bei SHAPE hatte man deshalb als Einstieg dazu den Jahresbeginn 1956 ins Auge gefasst, die Verfügbarkeit einsatzfähiger und der NATO assignierter deutscher Heeresverbände mithin auf 1959 angesetzt6. In Fontainebleau wie in Bonn verband sich damit die Erwartung, dass man erst dann auch wirklich an die Implementierung einer nach Osten an die Grenzen der Allianz vorgeschobenen Verteidigung (»forward defense«) gehen konnte, wenn die seit 1949 dafür angenommene Streitkräftelücke in Mitteleuropa über vollwertige deutsche Landstreitkräfte geschlossen war. Mit Bezug auf die Luft- und Seestreitkräfte des neuen deutschen Partners hatte man bei der NATO wie bei der politischen und militärischen Führung in Bonn von vornherein einen höheren Zeitansatz in Aussicht genommen7. Die daran anknüpfenden Forderungen nach einer verzugslosen Einleitung des Aufbaus einsatzfähiger Verbände im Rahmen ihrer Teilstreitkräfte darf indes nicht dahingehend missverstanden werden, als habe man sich in der künftigen Bundeswehrführung oder gar bei den für die Operationsplanung verantwortlichen NATO-Stäben einem Denken verschrieben, das einen künftigen europäischen Krieg in ein Nebeneinander von Kriegsszenarien zu Lande, in der Luft und zur See auseinanderfallen sah. Gerade die angelsächsisch geprägte und geführte nordatlantische Allianz wusste sich aus den Erfahrungen der Westalliierten in zwei Weltkriegen dem Grundsatz einer Gesamtkriegführung verpflichtet. SHAPE hatte dies im übrigen für die angenommenen Hauptgefahrenzonen von Nordnorwegen über Mitteleuropa bis in den östlichen Mittelmeerraum auch bereits in die Planung eng miteinander verzahnter Operationen von Land-, Luft- und Seestreitkräften umgesetzt8. Das korrespondierte vollkommen mit den Vorstellungen führender deutscher Militärexperten seit ihrem ersten Gedankenaustausch im Eifelkloster Himmerod (3. bis 6. Oktober 1950). Sie sahen eines der wesentlichsten Mankos deutscher Kriegführung im Zweiten Weltkrieg darin, dass die militärischen Verantwortlichkeiten in der Wehrmachtführung mit Blick auf die Führungsabläufe und Einsatzräume letztlich nur über die Person des »Führers« Adolf Hitler koordiniert werden konnten. Im Gegensatz dazu war nunmehr schon in Friedenszeiten eine Spitzengliederung angedacht, bei der einem verantwortlichen »Inspekteur [...] alle dem >Deutschen Kontingent angehörenden Wehrmachtsteile unterstehen« sollten9. Ganz im Sinne einer insbesondere von der Führungsmacht USA geforderten ökonomischen wie militärischen Lastenteilung im Bündnis (burden sharing) konzentrierte sich die deutsche Operations- und Streitkräfteplanung dabei arbeitsteilig auf die erwartete große Land-Luft-Schlacht um das angenommene 6 7

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Zu den zeitlichen Aufbauplanungen im Amt Blank vgl. Α WS, Bd 3, S. 632 f. Das Problem der »Streitkräftelücke« ist eingehend beschrieben bei Thoß, NATO-Strategie, S. 15-29. Bedrohungsschwerpunkte der NATO und die in den entsprechenden Räumen geplanten 9 Schlachten sind bereits im Strategiepapier MC 14/1 vom 9.12.1952 festgelegt, abgedr. in: NATO Strategy Documents, S. 193-229. Rautenberg/Wiggershaus, Die Himmeroder Denkschrift (1985), S. 41.

Einführung

Hauptgefechtsfeld der Allianz in Mitteleuropa. Vorrangiges deutsches Interesse musste es von daher sein, durch den eigenen Streitkräftebeitrag so rasch wie möglich die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die NATO ihre Grundabsicht einer »forward defense« wahr machen und das Bündnisgebiet damit »so weit ostwärts wie möglich verteidigt werden« 10 konnte. Nur so mochte es möglich sein, der Bundesrepublik mittelfristig das Schicksal zu ersparen, im Rahmen einer bislang an der Rhein-Ijssel-Linie einsetzenden Verteidigung lediglich das vorgeschobene Schlachtfeld des Bündnisses mit all seinen verheerenden Folgen für Bevölkerung und Infrastruktur des eigenen Landes abgeben zu müssen. Bundeskanzler Adenauer brachte die nationalen Erwartungen in der entscheidenden Bundestagsdebatte um die Ratifizierung der Pariser Verträge im Februar 1955 noch einmal nachdrücklich auf den Punkt, dass »wir im Falle eines heißen Krieges zwischen Sowjetrussland und den Vereinigten Staaten das europäische Schlachtfeld [sind], und wenn wir in der Atlantikpaktorganisation sind, dann sind wir dieses Schlachtfeld nicht mehr«11. Entgegen solchen sehr optimistischen Annahmen würde freilich auch dann noch das westdeutsche Territorium von seiner wehrgeografischen Lage wie von seiner Truppendichte her die Hauptlast einer Kriegführung mit ihren erheblich gesteigerten Waffenwirkungen zu tragen haben. Solche totale Kriegführung hatte aber schon in der Endphase des zurückliegenden Weltkrieges ein herkömmliches Denken und Planen in den Kategorien von Front und Heimat obsolet gemacht. Das setzte aber auch dem Eigeninteresse der Teilstreitkräfte aus Sicht der in Himmerod tagenden Militärexperten von vornherein enge Grenzen; erzwang die Vertretung nationaler Interessen in der Bündnisverteidigung wie die Notstandsvorsorge im Bundesstaat doch von Anfang an gebieterisch eine Einbettung aller Anstrengungen zur militärischen wie zivilen Verteidigung in den Rahmen einer »Gesamtverteidigung« 12 . Hinzu kamen die Ansichten der in der künftigen Bundeswehrführung dominierenden Heeresoffiziere, die aus ihren spezifischen Ostkriegserfahrungen eigene operative Vorstellungen in die gemeinsame Bündnisplanung einzubringen gedachten. Danach waren in einem Krieg gegen die Sowjetunion die größten Erfolgsaussichten »in beweglicher Kampfführung« zu erwarten 13 . Folgte man diesen Vorstellungen, dann erhielt die angestrebte Gesamtstreitkräftelösung auch rein militärisch-operativ zusätzliches Gewicht. Aus solcher Einschätzung einer mit absoluter Priorität geforderten Vorneverteidigung des eigenen Territoriums im Zusammenwirken mit den ostwärts des Rheins stationierten Kontingenten der NATO-Partner leitete sich in der Himmeroder Denkschrift ein dezidiert landkriegsorientiertes Kriegsbild und ein darauf abgestimmtes 10 11

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Ebd., S. 39. 70. Sitzung, 25.2.1955, Verhandlungen des Deutschen Bundestages, Bd 23, S. 3736; zu den deutschen Sorgen um ein »Schlachtfeld« Westdeutschland allgemein: Maier, Battlefield, und Thoß, Deterrence. Rautenberg/Wiggershaus, Die Himmeroder Denkschrift (1985), S. 39. Ebd., S. 39 und 40; vgl. dazu auch Buchholz, Strategische und militärpolitische Diskussionen, und Gablik, Strategische Planungen.

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Bruno Thoß

Streitkräfteprofil für ein künftiges westdeutsches Kontingent ab. Eng angelehnt an ein für den Bewegungskrieg als besonders geeignet angesehenes panzerstarkes Heer waren dazu Luftstreitkräfte angedacht, die wesentlich der unmittelbaren Kampfunterstützung in der erwarteten großen Landschlacht um Mitteleuropa dienen und deshalb hauptsächlich aus »Heeres-Fliegerverbänden« bestehen sollten. Ahnlich zurückhaltend nahmen sich die Überlegungen für die eigenen Seestreitkräfte aus, denen vorrangig die Unterbindung des »russischen Nachschubverkehrs in der Ostsee«, ein »Minenfreihalten von eigenen Nachschubwegen und Verkehrswegen« sowie ein Flankenschutz »des eigenen an das Meer angelehnten Heeresflügels gegen Beschießungen und überflügelnde Landungen« von See her zufallen sollte. Dagegen erschien ganz im Sinne der im Bündnis geforderten Arbeitsteilung zu diesem frühen Zeitpunkt »eine Übernahme der Luftverteidigung des Luftraumes der Bundesrepublik ohne technische Schwierigkeiten durch die Westmächte möglich«, wie man auch die Verantwortung für eine weiträumige Sicherung der lebensnotwendigen Atlantikrouten bei den angelsächsischen Seemächten verortete14. Diese Vorüberlegungen trafen sich zunächst vollkommen mit den Forderungen der Westmächte bei den EVG-Verhandlungen von 1951/52 wie bei den Beitrittsverhandlungen zu NATO und WEU im Herbst 1954. Im Bündnisrahmen - sei es in einer Europa-Armee oder als NATO-Kontingent - ließ sich das Interesse der künftigen Partner an einem westdeutschen Streitkräftebeitrag nämlich auf die doppelte Formel bringen: Sicherheit mit Deutschland bei gleichzeitiger Sicherheit vor Deutschland. Einerseits sollten deutsche Verbände so zügig und effizient wie möglich die ausgemachte Streitkräftelücke in Mitteleuropa schließen, dabei aber nach personellem Umfang, weitreichender Bewaffnung und operativen Eigenspielräumen unter strikter Bündniskontrolle gehalten werden. Auf der Frühjahrskonferenz der Allianz in Lissabon 1952 hatte man dazu noch den Aufbau von NATO-Verbänden in einem Umfang angesteuert, der gegenüber den Armeen des Ostblocks gleichwertig sein sollte und in den deshalb insbesondere die zwölf in Aussicht genommenen deutschen Heeresdivisionen fest eingeplant waren. Dieses umfassende Aufrüstungsprogramm ließ sich indes in den westeuropäischen NATO-Staaten nicht umsetzen, sodass man bereits ab 1953 eine Strategiereform einleiten musste. Da sich herkömmliche Streitkräfte nach Zahl und Einsatzwert nicht im geforderten Umfang realisieren ließen, wollte man dies durch überlegene nukleare Feuerwirkung aufwiegen und dazu taktisch-atomare Gefechtsfeldwaffen bis in die operativen Verbände der NATO hinein integrieren. Diese Nuklearisierung der Bündnisstrategie seit 1953/54 löste allerdings sofort auch in Westeuropa eine in den USA bereits voll im Gange befindliche Debatte zwischen den Teilstreitkräften über die ausschlaggebende Waffe in einem künftigen Krieg aus15.

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Zu »Umfang, Art und Bewaffnung der Verbände des Deutschen Kontingents« vgl. Rautenberg/Wiggershaus, Die Himmeroder Denkschrift (1985), S. 42-49. Vgl. dazu Greiner/Maier/Rebhan, NATO, S. 65-101.

Einführung

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In solcher Perspektive einer wesentlich großräumigeren und vor allem vom frühzeitigen Einsatz des eigenen Atompotentials abhängigen Verteidigungsplanung der Allianz gewannen die Teilstreitkräfte damit wieder erheblich an Gewicht. Im Grundsatz blieb zwar auch weiterhin auf der Bündnisebene wie innerhalb der Bundeswehrführung die Orientierung an einer Gesamtkriegführung unstrittig. Gerade die atomare Schwerpunktsetzung in der ab 1955 implementierten Strategie der »massive retaliation« verschärfte aber in allen NATOStaaten die Konkurrenz der Teilstreitkräfte um eine Neuverteilung der finanziellen Ressourcen, abgeleitet von ihrem Rollenverständnis in der Abschreckungsstrategie wie in einem möglichen Krieg der Zukunft. Angelsächsisches Denken in den Kategorien weiträumiger See- und Luftoperationen musste dazu abgeglichen werden mit den Forderungen der Westeuropäer, die sich am absoluten Vorrang der Territoriumsverteidigung auf dem europäischen Kontinent orientierten. Die Diskrepanzen darüber fielen naturgemäß gegenüber dem neuen deutschen Partner besonders groß aus, da hier die Forderung nach unbedingter Vorneverteidigung zusammentraf mit dessen Vorstellungen von beweglicher Operationsführung. Wenn daher die künftige Bundeswehrführung die NATO-Verteidigung auch weiterhin in einer großen Land-Luft-Schlacht um Mitteleuropa gipfeln sah, dann konnte und musste man demgegenüber aus Sicht der angelsächsischen Führungsmächte zu Lande durchaus zeitweilig Raum aufgeben, weil man die Entscheidung in den eigenen strategischen Gegenoffensiven in der Tiefe der gegnerischen Territorien zu suchen gedachte16. Durchsetzen musste sich zwangsläufig die angelsächsische Perspektive, da sie nicht nur auf den ausschlaggebenden nuklearen Mitteln im Krieg der Zukunft aufbaute, sondern ihre Einschätzungen über die bei SHAPE konzentrierte operative Planung und Führung auch in entsprechende Vorgaben für die Bündnisverteidigung umsetzen konnte. Für die aufwachsenden deutschen Verbände bedeutete dies, dass sie zwar als Gesamtkontingent in das NATOKommando Europa-Mitte (Allied Forces Central Europe, AFCENT) eingegliedert, ihre Land-, Luft- und Seestreitkräfte aber in der Operationsplanung wie im Einsatzfall nicht mehr auf nationaler Ebene koordiniert, sondern ihre spezifischen Rollenzuweisungen erst auf der Unterebene der nach Teilstreitkräften organisierten Subkommandos von AFCENT für dessen Land-, Luft- und Seestreitkräfte (LANDCENT, AIRCENT und NAVCENT) erhalten würden. Bei aller grundsätzlichen Ausrichtung am Prinzip der Gesamtverteidigung empfingen die aufwachsenden Teilstreitkräfte der Bundeswehr mithin ihre entscheidenden Impulse für Aufbau, Gliederung und Bewaffnung letztlich aus den Besonderheiten ihrer spezifischen Einsatzprofile. Diese gegenläufigen Tendenzen einer Grundorientierung an den Prinzipien einer aufeinander abgestimmten Gesamtkriegführung bei gleichzeitiger Ausdifferenzierung in gesonderte Einsatzszenarien unter atomaren Bedingungen bündelten sich beim Aufbau der Das Aufeinanderprallen angelsächsischer und kontinentaleuropäischer Vorstellungen ist eingehend analysiert bei Wampler, Ambiguous Legacy, und Greiner/Maier/Rebhan, Die NATO und Thoß, NATO-Strategie.

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Bruno Thoß

Bundeswehr mit den Eigeninteressen der beiden kleineren Teilstreitkräfte. Die Marine hatte sich seit ihrem forcierten Aufbau im Kaiserreich durchgängig als eigenständige Streitmacht verstanden und entwickelt, die Luftwaffe strebte Ahnliches vor und während des Zweiten Weltkrieges ebenfalls an. Das sollte auch auf die Bundeswehr ausstrahlen als fortdauerndes Spannungsverhältnis zwischen prinzipiell akzeptierter gemeinsamer Verteidigungsplanung im nationalen wie im Bündnisrahmen bei gleichzeitigem und durch die Integration in die NATO sogar noch verstärktem Bestreben nach angemessener Eigenständigkeit. Diese Mischung aus geforderter Gesamtplanung für die Bundeswehr bei weiterwirkendem Eigeninteresse der Teilstreitkräfte durchzieht die gesamte Geschichte der Streitkräfte, zusätzlich verschärft durch das Ringen um entsprechende Anteile an den zur Verteilung stehenden personellen wie materiellen Ressourcen. Sie spiegelt sich auch wider im Auftrag des Stellvertreters des Generalinspekteurs, Vizeadmiral Hans Frank, an das Militärgeschichtliche Forschungsamt von 1998, vorausschauend auf das Jubiläumsjahr der Bundeswehr 2005 neben der Erforschung der Gesamtstreitkräfte nunmehr zusätzlich Konzeption und Aufbau von Heer, Luftwaffe und Marine in den Blick zu nehmen. Realisiert werden sollte dazu eine auf die Teilstreitkräfte ausgedehnte Forschung zur Militärgeschichte der Bundesrepublik in enger Vernetzung mit den darüber angesiedelten Vorgaben aus dem Bündnis wie aus den nationalen Rahmenbedingungen des Bundeswehraufbaus allgemein. Die Geschichten der Teilstreitkräfte verstehen sich danach als integrale Bestandteile der Bundeswehrgeschichte. Dabei stellen Heer, Luftwaffe und Marine auftragsorientierte abgeleitete Teilelemente einer übergeordneten Bundeswehrplanung dar. Dabei konkretisiert sich erst auf dieser Ebene der Umsetzung von der Planung zur Realisierung der Gesamtauftrag wirklich über die Verfügbarkeit von militärischen Verbänden in Zugehörigkeit zur jeweiligen Teilstreitkraft. In so verstandener Geschichte von Teilstreitkräften liegen die Schwerpunkte auf vier konstitutiven Untersuchungsfeldern. Da ist an erster Stelle ihr spezifischer Auftrag zu nennen, der sich aus der strategischen Grundkonzeption des Bündnisses und ihrer nationalen Umsetzung im Rahmen des Streitkräfteaufbaus ergibt. In ihn fließen die Besonderheiten aus einem je eigenständigen Denken in den Kategorien des Land-, Luft- und Seekrieges ein. Angemessen zu berücksichtigen sind zudem die spezifischen Herausforderungen aus der Revolutionierung der Waffentechnik, wie sie aus der Nuklearisierung der Bündnisstrategie - wenn auch in unterschiedlicher Intensität - auf alle Ebenen des Streitkräfteaufbaus durchschlug. Abgeleitet aus einer Analyse des Auftrages erschließen sich zweitens die Vorgaben für die Organisation und Dislozierung der Verbände einschließlich ihrer erforderlichen Infrastrukturen im nationalen wie im Bündnisrahmen. Die Planung der Verbände auf der Basis ihrer spezifischen Einsatzgrundsätze, ihrer Bewaffnung und ihres Einsatzraumes nimmt im Anschluss daran Gestalt an im Prozess der personellen und materiellen Rüstung. Darin fließen alle Maßnahmen zu Personalplanung und -bewirtschaftung ebenso ein wie Rüstungsentwicklung, Ausrüstung und Logistik. Aus der histori-

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sehen Entwicklung von Land-, Luft- und Seestreitkräften ragen schließlich die fortdauernden Ausprägungen eines Sonderbewusstseins bis in die Erziehung, die Ausbildung und den Dienstalltag hinein. Zusammen mit den Spezifika ihres Kriegsdenkens und ihrer Auftragslage sowie deren personeller wie materieller Umsetzung bildet sich davon abgeleitet ein spezifischer Geist und Habitus in den Teilstreitkräften aus. Die Möglichkeiten zur Realisierung eines derart umfassenden Ansatzes hatten sich an der Terminvorgabe einer Publikation zum 50-jährigen Bestehen der Teilstreitkräfte, an der weiteren Auftragslage des Militärgeschichtlichen Forschungsamts und vor allem an der Zugänglichkeit der benötigten Quellen auszurichten. Die wesentlichste Herausforderung lag dabei in der Auswertung der umfangreichen Aktenbestände aus dem Bundesarchiv-Militärarchiv in Freiburg, die bislang nur zum geringsten Teil archivisch erschlossen waren und deshalb erst einmal unter hohem Zeitdruck einer Erstauswertung unterzogen werden mussten. Deshalb waren konzeptionelle Kompromisse im Sinne einer Auswahl und einer thematischen Konzentration erforderlich, mit der zwar nicht letzte thematische Vollständigkeit zu erreichen war, die sich dafür aber an den eindeutigen Schwerpunktproblemen beim Aufbau der Bundeswehr ausrichteten. Unter diesen Voraussetzungen stellen die vorgelegten Bände in ihrer Quellendichte und in ihrer Differenziertheit die bislang ersten und wohl auf absehbare Zeit fundiertesten wissenschaftlichen Analysen zur Aufbauphase der drei Teilstreitkräfte dar. Mit Blick auf die Quellenlage wurde der behandelte Zeitraum chronologisch eingegrenzt auf die bereits historisierbare Konzeptions- und Aufbauphase von Heer, Luftwaffe und Marine. Darunter sind die zwei Jahrzehnte von den ersten Planungsvorstellungen in der »Himmeroder Denkschrift« von 1950 bis zum Abschluss der Aufstellung von Einsatzverbänden zu verstehen, je nach Teilstreitkraft zeitlich voneinander abweichend bis an die Wende von den 60er zu den 70er Jahren. Die dafür gewählte Festlegung der thematischen Schwerpunkte bei Konzeption, Aufbau und Gliederung jeder der drei Teilstreitkräfte ergibt sich aus der Dominanz dieser Fragen in den Planungs- und Aufbaujahren der Bundeswehr. Eingebettet in die beiden Hochphasen des Kalten Krieges von der Berliner Blockade 1948 bis zu Stalins Tod 1953 und vom sowjetischen Berlin-Ultimatum 1958 bis zur Kubakrise 1962 - standen das atlantische Bündnis wie sein neues westdeutsches Mitglied durchgängig unter dem Eindruck einer Bedrohungsperzeption, die den Kalten Krieg jederzeit zum »heißen« umschlagen lassen konnte17. Die Forderung nach voller Einsatzfähigkeit und schneller Schließung der Streitkräftelücke in Mitteleuropa als Voraussetzungen für eine Vorneverteidigung des deutschen Territoriums ließen deshalb in diesem frühen Zeitraum der Bundeswehrgeschichte die gewählten Untersuchungsfelder Konzeption und Aufbau von militärischen Verbänden bei der politischen und militärischen Führung im Bündnis wie in der Bundesrepublik absolute Die Strukturen dieser Bedrohung sind eingehend analysiert von Gustav Schmidt, in: Mastny/Schmidt, Konfrontationsmuster, S. 1-380.

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Priorität genießen. Das mindert nicht den Stellenwert der übrigen Fragestellungen zum personellen und materiellen Aufbau wie zum Selbstverständnis der Soldaten innerhalb ihrer Teilstreitkräfte, die in künftiger Forschung noch zu vertiefen sein werden. Dazu leisten schon jetzt die parallel erarbeiteten Studien zur militärischen Infrastruktur, zur Inneren Führung und zum Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages auf der Ebene der Gesamtstreitkräfte gerade auch für die Aufklärung über die Probleme und Lösungsansätze in den Teilstreitkräften ganz erhebliche Vorarbeit18. Die Forderung der NATO nach rascher Aufstellung deutscher Divisionen und das erklärte Eigeninteresse der Bundesrepublik nach einem Vorschieben der Verteidigungslinien an ihre Ostgrenzen wiesen dem Heeresaufbau nach 1955 Vorrang vor den beiden anderen Teilstreitkräften zu. Schon in ihren Studien seit 1946 für die von den Amerikanern eingerichtete »Historical Division« über operative Fragen des Zweiten Weltkrieges glaubten insbesondere deutsche Heeresoffiziere dafür aber auch aus ihren Kriegserfahrungen mit dem damaligen und jetzigen sowjetischen Hauptgegner Wesentliches an analytischer Vorarbeit geleistet zu haben19. Stärker als bei den beiden anderen Teilstreitkräften lässt sich daher an der Aufbaugeneration deutscher Heeresoffiziere ablesen, welchen Eigenanteil die künftige Bundeswehr nicht nur an Einsatzverbänden zur westlichen Allianz beizusteuern, sondern wie sie sich über ihr professionelles Selbstverständnis auch aktiv in die Bündnisdebatten über eine Weiterentwicklung des operativen Denkens und Planens einzubringen gedachte. War es nicht deutschem operativem Denken geschuldet, dass die Stagnation der Kriegführung zu Lande aus den Erfahrungen des Stellungskrieges im und nach dem Ersten Weltkrieg aufgebrochen und neben der Feuerwirkung auch der Bewegung auf dem Gefechtsfeld vor und im Zweiten Weltkrieg wieder zur Geltung verholfen worden war20? Nahm man deshalb jetzt das einseitige Setzen der NATO auf die atomare Karte kritisch ins Visier, bei dem ungenügende Bündniskontingente durch extrem gesteigerte Feuerwirkung ersetzt werden sollten, dann kam dies in deutschen Augen einem Rückfall in ein doch eigentlich überwunden geglaubtes, statisches Denken gleich. Es nimmt denn auch nicht wunder, dass sich in den Führungsstäben der Bundeswehr (Fü B) wie des Heeres (Fü H) aus eigener Kriegserfahrung von Anfang an eine selbstbewusste Suche nach Alternativen regte. Schließlich hatte man als einziger Partner der Allianz unmittelbare Kampferfahrungen mit dem sowjetischen Gegner aufzuweisen, aus denen man selbst - und nach entsprechenden Lernprozessen die NATO insgesamt - andere als die schadensintensiven atomaren Optionen zu entwickeln hoffte.

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Zur Publikation vorbereitet für 2006 werden dazu derzeit im MGFA die Bände: Nägler, Die personelle Rüstung; Schlaffer, Der Wehrbeauftragte; Schmidt, Integration und Wandel. Vgl. dazu Burdick, Vom Schwert zur Feder, sowie Greiner, Operational History (German) Section. Vgl. dazu jetzt Groß, Das Dogma der Beweglichkeit.

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Das alles stand und fiel freilich mit der Erwartung, gerade durch den Beitrag deutscher Landstreitkräfte zur Bündnisverteidigung ein Stück weit aus den atomaren Abhängigkeiten heraus steuern zu können. Was die deutschen Verteidigungsplaner dabei allerdings nicht hinreichend in Rechnung gestellt hatten, war die mit der Nuklearisierung der NATO-Strategie Ende 1954 bereits getroffene Vorentscheidung für eine durch taktische Atomwaffen zu verstärkende Mindeststreitmacht der Allianz von 30 Präsenzdivisionen. Die Hoffnung einer konventionellen Ausgewichtung gegenüber dem Warschauer Pakt über die dazukommenden deutschen Divisionen stellte sich deshalb zunächst einmal als Illusion heraus, weil mit ihnen nicht mehr eine Erweiterung, sondern nur noch eine Umschichtung in den Zahlen herkömmlicher Streitkräfte vorgesehen war. Gerade die Heeresplaner mussten binnen kurzem zur Kenntnis nehmen, dass speziell die Landstreitkräfte ihrer Partner bereits reduziert zu werden begannen, noch bevor die deutschen Heeresdivisionen überhaupt zu angemessener Stärke und Einsatzbereitschaft aufgewachsen waren. Die Schlussfolgerung daraus zog der neue Verteidigungsminister Franz Josef Strauß seit Ende 1956, wenn er nunmehr seinerseits ganz im Sinne der massiven Vergeltungsstrategie die Betonung auf den Abschreckungsfaktor und damit auf die atomare Umrüstung auf umfangsmäßig verringerte, waffentechnisch dafür aber modernisierte deutsche Verbände legte. Schon zu diesem Zeitpunkt zeichnete sich auf der Bündnisebene allerdings ab, dass bei aller Priorität Atomkrieg fähiger Verbände schon jetzt auch in der NATO Überlegungen über eine größere Ausgewogenheit zwischen atomaren und konventionellen Einsatzoptionen angestellt werden mussten. Und da die Westmächte um ihrer eigenen Reduzierungsabsichten willen weiter auf eine zügige deutsche Aufrüstung drängten, konnten die deutschen Heeresplaner es in den folgenden Jahren erst einmal dabei belassen, ihre Verbände zwar zusätzlich mit taktisch-atomaren Fähigkeiten auszustatten, sie im Kern aber nach den eigenen Vorstellungen einer beweglich zu führenden Vorneverteidigung aufwachsen zu lassen. Als dann die neue US-Regierung Kennedy die von NATOOberfehlshaber Lauris Norstad bereits seit 1958 geforderte Flexibilisierung der Bündnisstrategie zum Programm erhob21, durfte sich das deutsche Heer an der Seite der U.S. Army als Gewinner der davon angestoßenen Strategiereform empfinden. Dies galt auch dann, wenn man selbst Anfang der 60er Jahre, wie man sich dies in der kritischen Formel des »Bedingt abwehrbereit« noch während der Kubakrise von der NATO sagen lassen musste22, nach wie vor hinter den eigenen Aufstellungszielen zurück hing. Da jedoch auch die anderen Allianzpartner ihre gemachten Zusagen an das Bündnis bislang nicht eingehalten hatten, lag auf den deutschen Heeresdivisionen als nunmehr stärkste NATOLandstreitmacht auf europäischen Boden letztlich das Hauptgewicht bei der

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Die beste Analyse zum Strategiewechsel immer noch bei: Stromseth, The Origins of Flexible Response. Thoß, »Bedingt abwehrbereit«, S. 66.

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nunmehr geforderten Entwicklung einer mehroptionalen Verteidigungsplanung im Sinne der »flexible response«. Den Weg dahin von den konzeptionellen Vorüberlegungen in der Himmeroder Denkschrift (1950) über die Planungen im Amt Blank bis zur Umsetzung in den Aufbaujahren und der Assignierung des letzten Großverbandes an die NATO (1965) zeichnet der folgende Hauptbeitrag von Helmut R. Hümmerich nach. Dazu wird zunächst einmal das Bild künftiger deutscher Landstreitkräfte vorgestellt, wie es sich aus den westlichen Bedrohungsperzeptionen und ihrer Anwendung auf das der NATO räumlich vorgelagerte Westdeutschland bis zum formellen Bündnisbeitritt der Bundesrepublik entwickelte. Eine Stunde Null des völligen konzeptionellen Neuanfang konnte es schon deswegen nicht geben, weil die dafür gewonnenen ehemaligen Heeresoffiziere naturgemäß aus ihren Kriegserfahrungen mit dem potentiellen Gegner schöpften, die sie nunmehr auf den möglichen Verteidigungsfall einer militärischen Austragung des Ost-West-Konflikts in Mitteleuropa anzuwenden suchten. Dass ein künftiges deutsches Heer aber auch personell nicht aus dem Nichts aufgebaut würde, zeigt die Bedeutung von Dienstleistungen, die ehemalige Wehrmachtsoldaten schon bis dahin in den alliierten Streitkräften auf deutschem Boden, aber ab 1950/51 auch im Rahmen des Bundesgrenzschutzes leisteten. In dieser Phase eines »Vor-Verteidigungsbeitrags« sollte schließlich ein Heer auf dem Papier Gestalt annehmen, das konzeptionell auf einem »Gründungskompromiss« aufbaute, wie ihn maßgeblich die beiden Generale Heusinger und Speidel aus deutschen Kriegserfahrungen und internationalen Vereinbarungen entwickelten. Mit dem Bündnisbeitritt mussten die unterschiedlichen operativen Denkschulen im Bündnis und beim neuen deutschen Partner aufeinander abgestimmt und daraus Planungsgrundlagen für eine künftiges deutsches Heer im NATO-Rahmen erarbeitet werden. Die in den Aufbaujahren grundsätzlich vorherrschende Abstützung der Bündnisverteidigung auf Atomwaffen und die deutsche Forderung nach einem Vorschieben der Verteidigungslinien im Rahmen einer effizienten Vorneverteidigung verlangten nach einem »Mischungsverhältnis« aus herkömmlichen und atomaren operativen Optionen. Zusätzlich verkomplizierten sich die Herausforderungen an deutsche Heeresverbände durch den zweimaligen Wandel im Kriegsbild: in den 50er Jahren von herkömmlicher zu atomarer Verteidigung unter den Vorzeichen der »massive retaliation«; in den 60er Jahren durch die Reorientierung auf eine zwar weiterhin atomar abgestützte, aber vorrangig konventionelle Operationsführung im Zuge der »flexible response«. In jedem der beiden Fälle durften sich die deutschen Heeresplanern daher mit der von ihnen favorisierten Orientierung am »Panzergedanken« indirekt bestätigt fühlen, da gerade unter atomaren Bedingungen nur noch weitestgehend mechanisierte Verbände Beweglichkeit und Schutz auf dem Gefechtsfeld erlauben würden. Die Umstellung auf gewandelte strategische Vorgaben aus dem Bündnis zwang andererseits das Heer schon in seinen Aufbaujahren zu einem zweimaligen Wandel seiner Strukturen mit allen negativen Folgen für eine an sich erfor-

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derliche Kontinuität im Aufwuchs der Verbände. Kennzeichnend für die Heeresstruktur 2 sollte dabei die Brigadegliederung werden, die dem Grundsatz des Gefechts der verbundenen Waffen und dem Ziel eines hohen Mechanisierungsgrades im atomaren Gefecht gleichermaßen gerecht zu werden suchte. Die damit angestrebte Befähigung zur konventionellen wie atomaren Kriegführung konfrontierte die Heeresplaner jedoch mit so erheblichen personellen, infrastrukturellen und finanziellen Engpässen, dass ausgerechnet in diesen mehrfach von internationalen Krisen begleiteten Aufbaujahren die Einsatzfähigkeit deutlich hinter den Erwartungen der NATO zurückblieb. Ähnliches galt zunächst für die parallel dazu aufwachsenden Verbände und Einrichtungen der Territorialverteidigung, die zwingend erforderlich waren zur Aufrechterhaltung der Operationsfreiheit von NATO-Verbänden auf deutschem Boden. Nach ihrer Eingliederung in das Feldheer suchte man deshalb den geforderten, aber eben nicht gleichzeitig mit dem Heer zu erreichenden Einsatzkriterien der Allianz dadurch gerecht zu werden, dass man sich eines Konzepts der »Spezialisierung bei abgestufter Präsenz« bediente. Der Übergang von der Planung zur Realisierung eines deutschen Heeresaufbaus begann mit der Lehrtruppe in Andernach, die im Januar 1956 ihren Dienst aufnahm. Diese Keimzelle mit ihren rund 1000 Heeressoldaten schaltete die Impulse, aus denen sich über die Truppenschulen, die Lehr- und schließlich die Truppenbataillone bis 1970 ein Heer von rund 300 000 Mann rekrutieren sollte. Krisen in der Aufstellungs- und Ausbildungsplanung konnten dabei ebenso überwunden werden wie Skandale um die Anschaffung von Großgerät oder schwerwiegende Verwerfungen beim Umsetzen der Grundsätze der Inneren Führung in der Truppe. Wie sehr bei alledem gerade die von außen aufgezwungenen Umstellungen in den Heeresstrukturen auf die Großverbände durchschlugen, zeigt der Blick auf die Aufstellung der Korps, Divisionen und Brigaden. Das setzte sich fort in der Ausdifferenzierung des Heeres in seine einzelnen Truppengattungen und in die Ausgestaltung einer bodenständigen Organisation für die Territorialverteidigung. Planung musste nicht selten durch Improvisation machbar gehalten, diese wiederum nur durch das eingebrachte Engagement einer leistungsbereiten Aufbaugenerationen erreicht werden. Mit der Assignierung der 12. Panzerdivision im April 1965 waren zumindest auf dem Papier die eingegangenen Verpflichtungen gegenüber der NATO erfüllt. Intern war man sich jedoch bewusst, dass die deutschen Landstreitkräfte auch jetzt noch nur bedingt in der Lage waren, ihre Einsatzaufträge im Falle eines begrenzten Krieges unter atomaren und/oder konventionellen Bedingungen voll zu erfüllen. Die fortdauernden Schwierigkeiten auf den Sektoren Personal, Material, Finanzen und Infrastruktur ließen vielmehr aus der Aufbauphase mitgenommene Probleme noch weit in das nächste Jahrzehnt hinein ragen. Die neuerliche Umstellung auf eine gewandelte Bündnisstrategie seit Anfang der 60er Jahre tat ein Übriges zur Verlängerung der nach außen eigentlich als abgeschlossen deklarierten Aufbaujahre. Wesentliche Fortschritte erzielte man jetzt aber auf dem Feld der ausstattungsmäßigen Modernisierung, seit sich erste Erfolge bei der Einführung von leistungsstarken neuen Gefechts-

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fahrzeugen in die Truppe abzuzeichnen begannen. Gerade unter den Bedingungen einer flexibilisierten Allianzstrategie sollten sich Aufstellungs- und Modernisierungserfolge schließlich zu einem wesentlichen Prestigegewinn für das deutsche Heer im Bündnis bündeln. Dies ging einher mit einer Verbesserung des Binnenklimas in den Verbänden, sobald sich die drängende Personallage bei Truppenoffizieren und im Unteroffizierkorps schrittweise zu verbessern begann. Die Notwendigkeit zum kontinuierlichen Strukturwandel vertieft Martin Rink mit seiner Analyse der wechselnden Heeresstrukturen zwischen 1950 und 1970. Als Grundgrößen standen dafür durchgängig für über ein halbes Jahrhundert die bereits in Himmerod vorgesehenen zwölf Divisionen in ihrer Kombination aus voll- und teilmechanisierten Großverbände zur Diskussion. Ihr Umfang und ihre Binnenstruktur spiegelten mit Blick auf die Mischung der Truppengattungen die Suche nach dem »optimalen Großverband« wider, wobei die Lösungsmodelle zwischen »offener« und »organischer Gliederung« variierten. Abhängig von den äußeren Vorgaben aus dem Bündnis wie aus der deutschen Politik und ihren materiellen Möglichkeiten standen dazu für die Heeresplaner von Anfang an drei Eckpfeiler fest: die Division als national homogener Großverband, der Panzer als ihr Hauptwaffensystem und die Anzahl als Determinante für den Heeresumfang insgesamt. Auf dem Weg zur Heeresstruktur 1 galt es zunächst einen geeigneten Mittelweg zwischen dem nunmehrigen Vorbild der amerikanischen und der aus eigener Kriegserfahrung abgeleiteten Panzerdivision zu finden. Das Resultat aus diesem frühen Gliederungskompromiss stand bei ersten Heeresverbänden der Bundeswehr Pate. Die offensichtliche »Aufbaukrise« der Streitkräfte insgesamt und die von der NATO immer dringender geforderten Fähigkeiten für das atomare Gefecht machten freilich bereits seit Herbst 1956 eine erste Umgliederung notwendig. Als Ergebnis aus Bündnisforderungen und nationalen Personalreduzierungen fand man schließlich mit der »Division 59« einen Kompromiss, der nicht nur zum Kernelement der eigenen Heeresstruktur 2 wurde. Seine Gliederung war auch überzeugend genug, um von Seiten der NATO als Grundmodell der ihr assignierten Landstreitkräfte empfohlen zu werden. In den 60er Jahren zwangen allerdings Sparmaßnahmen und Strategiereform im Bündnis zur neuerlichen Umplanung, die 1969 in der Heeresstruktur 3 mündete. Die Qualitätssteigerung eines hoch beweglichen Heeres forderte aber auch organisatorisch ihren Preis in einer zunächst so nicht vorgesehenen, anwachsenden logistischen Komponente. Aber auch das ursprünglich anvisierte Ziel von zwölf Panzerdivisionen ließ sich letztlich nie realisieren; es blieb vielmehr bei »elfeinhalb« Divisionen, darunter eine Gebirgs- und eine schwache Luftlandedivision. Trotz allem wuchsen die deutschen Landstreitkräfte zwischen 1955 und 1970 zu einem kampfkräftigen Bündniskontingent heran, das unter den Auspizien der »flexible response« zum konventionellen Kernstück der NATOVerteidigungskonzeption in Mitteleuropa avancierte. Wie sehr das deutsche Heer allerdings auf dem Weg zu der im Bündnis geforderten Einsatzfähigkeit vom Grad seiner materiellen Ausstattung abhing,

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belegen die von Dieter H. Kollmer bearbeiteten Prozesse seiner Ausrüstung. Dazu lassen sich drei Phasen unterscheiden: eine zunächst völlige Abhängigkeit von den Rüstungsabgaben aus den Partnerstaaten; eine schrittweise Abstützung auf anlaufende Eigenentwicklungen aus einem aufwachsenden nationalen Rüstungssektor; schließlich seit Ende der 60er Jahre eine zunehmende Konsolidierung auf der Basis angestrebter internationaler Rüstungskooperation. Ein wesentliches Manko stellte es dabei in den Aufbaujahren dar, dass sich Strukturen und Verfahrensabläufe bei der Beschaffung von Rüstungsgütern erst einspielen mussten, so dass die entsprechenden Abteilungen im Verteidigungsministerium, wiederholt von den Auftragnehmern übervorteilt werden konnten. Hinzu kam, dass eine insgesamt boomende westdeutsche Industrie in den 50er Jahren auf dem Rüstungssektor noch ausgesprochen zurückhaltend blieb. Diese Haltung sollte sich seit Anfang des folgenden Jahrzehnts ändern, als auch die größeren deutschen Konzerne wieder größere Kapazitäten für militärische Zwecke zu schaffen begannen. Kennzeichnend für die deutsche Heeresrüstung war es dabei von Anfang an, dass sich mit den Vorstellungen über eine als notwendig erachtete bewegliche Gefechtsführung auch und gerade unter atomaren Bedingungen besondere nationale Rüstungsforderungen verbanden, die nur bedingt über externe Beschaffung zu realisieren waren. Im Zentrum der operativen Lehren, die man bei den deutschen Heeresplanern aus den Erfahrungen des Ostkrieges gezogen hatte, standen hoch bewegliche panzerstarke Verbände, die nach einer abgestimmten Serie von Gefechtsfahrzeugen für die Kampf-, Kampfunterstützungsund Versorgungstruppen verlangten. Der eng mit der Aufbaukrise verbundene große Beschaffungsskandal um den Schützenpanzer HS 30 hing wesentlich auch damit zusammen, dass es für ein derartiges Gefechtsfahrzeug keine adäquaten Modelle im NATO-Raum gab, auf die man sich beim eigenen Streitkräfteaufbau zuverlässig hätte abstützen können. Die daraus abgeleiteten Lernprozesse in den Beschaffungsabteilungen flössen jedoch, wie sich beispielhaft an den Erfolgsgeschichten des Kampfpanzers »Leopard« und des Schützenpanzers »Marder« ablesen lässt, seit den 60er Jahren mit den Fortschritten bei der Entwicklung nationaler Rüstungsgüter zusammen. Nach Umstellung der NATO-Strategie auf eine flexiblere Verteidigungsführung, die den Ausgangsvorstellungen deutscher Heeresplaner sehr nahe kam, durfte daher seit den 70er Jahren das inzwischen weitgehend national ausgerüstete deutsche Heer als das am besten ausgestattete Bündniskontingent gelten. Neben der Rüstungsausstattung bildete die Personallage, wie der abschließende Beitrag von Rudolf Schlaffer nachweist, von Anfang an und bis weit in die 60er Jahre hinein das zweite durchgängige Kernproblem für den Heeresaufbau. Schon in Himmerod war man sich bewusst gewesen, dass man trotz allem Interesse am zügigen Streitkräfteaufwuchs die in der Gesellschaft kursierenden negativen Erfahrungen und Stereotypen über den Umgang in bisherigen deutschen Armeen mit ihren Soldaten in Rechnung stellen musste. Der daraus abgeleitete Anspruch, »ohne Anlehnung an die Formen der alten Wehrmacht

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heute grundlegend Neues zu schaffen«23, nahm zwar bereits im Amt Blank in den Debatten über ein neues inneres Gefüge, das sich am Leitbild eines »Staatsbürgers in Uniform« orientierte, erste konzeptionelle Gestalt an. Für die Umsetzung der daraus ab 1955 in Gesetze und Vorschriften gegossenen Grundsätze der Inneren Führung fehlte jedoch gerade in der Truppe bis auf Weiteres ein hinreichend darauf vorbereitetes jüngeres Führerkorps. Medien- und öffentlichkeitswirksame Vorkommnisse wie das Unglück an der Iiier 1957 oder der Ausbildungsskandal von Nagold 1962/63 wurden denn auch im gesellschaftlichen Umfeld als Rückschläge für das zentrale Anliegen einer zeitgemäßen Menschenführung wahrgenommen. Als das eigentliche Kampfinstrument für die angestrebte Vorneverteidigung sah sich dabei gerade die größte Teilstreitkraft am nachdrücklichsten eingeklemmt zwischen den Forderungen des Bündnisses nach schneller Aufstellung der dafür benötigten Präsenzverbände und den gleichzeitigen Herausforderungen an ihr Führungspersonal aus einer einschneidenden Armeereform. In den ersten Aufbaujahren blieb daher wenig mehr, als sich auf eine Mischung aus kriegserfahrenen Offizieren in den mittleren und oberen Führungsrängen und auf schnell herangebildete sowie zahlenmäßig unzureichende Truppenoffiziere und Unteroffiziere auf der Ausbildungsebene »am Mann« einzulassen. Bis Mitte der 60er Jahre führte dies nicht selten dazu, dass man sich zur Aufrechterhaltung des Ausbildungsbetriebes sogar auf Hilfsausbilder aus dem Kreis kurzgedienter Wehrpflichtiger aus dem Mannschaftsstand abstützen musste. Erst in dem Maße, wie beim Mangel an Ausbildern auf der unteren Führungsebene nach Erfahrung und Anzahl Abhilfe geschaffen werden konnte, konnte man auch im Heer seit Ende der 60er Jahre bei Ausbildung und Menschenführung schrittweise zu einem Prozess der Konsolidierung übergehen.. Als Abrundung des Bandes bietet Michael Poppe eine ausführliche Chronologie von 1945 bis 2005 sowie detaillierte Übersichten über das Führungspersonal, das Großgerät und zur Dislozierung der Verbände. Damit wird dem Leser ein nützliches Nachschlagewerk an die Hand gegeben. Auf der Basis dieser Datenübersicht über den Gesamtzeitraum von 50 Jahren Geschichte des Heeres kann aber auch schon jetzt dem Anlass der Publikation entsprechend ein erster repräsentativer Gesamtüberblick als Orientierungsrahmen für künftige Forschung und Information zur vorgestellten Teilstreitkraft gewonnen werden. Mit der Analyse der wichtigsten Schritte zur Konzeption und zum Aufbau des Heeres, zur Entwicklung seiner Gliederung, zu den zentralen Entscheidungen für die Heeresrüstung und zu den Führungs- und Personalproblemen in den Aufbaujahren sind überzeugende Grundlagen zur Geschichte des Heeres geschaffen worden. Sie sollten in der weiteren Forschung auf den Gesamtzeitraum des Kalten Krieges ausgedehnt werden. Darüber hinaus wären Detailstudien zu den größeren technologischen Projekten, vor allem zu Gemeinschaftsentwicklungen im Bündnis, zur Ausbildung im Heer und zu seinem »inneren Zustand« sinnvoll. Schließlich wird in der künftigen Forschung zum Verständ23

Rautenberg/Wiggershaus, Die Himmeroder Denkschrift (1985), S. 53.

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nis dieser sehr ausdifferenzierten Teilstreitkraft auch der Blick auf die Entwicklung ihrer Truppengattungen und ein Einstieg in die militärische Biografik zu fordern sein. Ganz generell bieten die Verhältnisse im Heer aber auch einen exemplarischen Ausgangspunkt dafür an, um von hier aus im Rahmen einer umfassenden finanzwissenschaftlichen Betrachtung der volkswirtschaftlichen Bedeutung der Bundeswehr insgesamt nachzugehen.

Helmut R. Hammerich Kommiss kommt von Kompromiss. Das Heer der Bundeswehr zwischen Wehrmacht und U.S. Army (1950 bis 1970)

I. Einleitung Am Anfang der Bewaffnung der Bundesrepublik Deutschland stand die NATO. Nach dem Zweiten Weltkrieg, der von deutscher Seite als Vernichtungskrieg geführt wurde, waren westdeutsche Streitkräfte ohne Einbindung in eine multioder supranationale Organisation nicht denkbar. Ein Verzicht auf einen westdeutschen Verteidigungsbeitrag war im Zuge des Kalten Krieges allerdings auch nicht vorstellbar. Bereits 1947 wurde seitens der ehemaligen westlichen Alliierten über eine gemeinsame Verteidigung Westeuropas unter deutscher Beteiligung nachgedacht. Waren die frühen Militärbündnisse der Nachkriegszeit in erster Linie gegen eine mögliche neuerliche Aggression Deutschlands geschmiedet, so wurde die Nordatlantische Allianz 1949 vor allem aufgrund der Bedrohung durch die Sowjetunion und ihrer Satellitenstaaten gegründet1. Den westeuropäischen Bündnispartnern war es damit gelungen, die USA an der gemeinsamen Sicherheit aktiv zu beteiligen. Washington wiederum konnte sein weltweites Stützpunktsystem weiter ausbauen und den Ring aus Militärbasen um den Ostblock vor allem nach der ersten NATO-Osterweiterung (Griechenland und Türkei 1952 und die Bundesrepublik Deutschland 1955) enger ziehen. Zudem erreichte die Weltmacht, ihre Wirtschafts- und Bündnispartner in Westeuropa aktiv an der gemeinsamen Verteidigung mitwirken zu lassen. Nach Ausbruch des Koreakrieges im Jahre 1950 initiierten die Vereinigten Staaten eine unglaubliche Aufrüstung, die auch die Bündnispartner mitreißen sollte. Allerdings zeichneten sich in den ersten Nachkriegsjahren, die vom wirtschaftlichen Wiederaufbau Westeuropas geprägt waren, rasch die Grenzen gemeinsamer Verteidigungsanstrengungen ab. Sowohl wirtschafts- und finanzpolitische als auch innenpolitische Schwierigkeiten der Nationalstaaten waren die Folge. Der erste NATO-Oberbefehlshaber, General Dwight D. Eisenhower, stellte nach einer Inspizierung der ihm unterstellten Verbände Anfang 1951 fest, dass mit den bestehenden Truppen keine erfolgreiche Verteidigung des Bündnisgebietes durchführbar war. Dafür fehlten auch nach internen Studien der amerikanischen Stabschefs und der NATO rund 10 bis 15 sofort einsatzbereite Divisionen. Die Truman-Administration in Washington konnte sich allerdings

Zur Geschichte der NATO siehe Kaplan, The Long Entanglement; Heinemann, Vom Zusammenwachsen des Bündnisses; Nationale Außen- und Bündnispolitik; Mastny/ Schmidt, Konfrontationsmuster des Kalten Krieges; Greiner/Maier/Rebhan, Die NATO; Hammerich, Jeder für sich; Krüger, Sicherheit durch Integration? Zur Gründungsgeschichte Kieninger, Double Containment.

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in einem daran anschließenden bündnisinternen Lastenteilungsprojekt mit ihrer Forderung nach mehr Eigenleistung der kleineren Partner nicht durchsetzen2. Die erste große Bewährungsprobe der NATO offenbarte die Schwächen der multinationalen Organisation. Zwar zeigte man nach außen Geschlossenheit, indem beeindruckende gemeinsame Verteidigungsplanungen festgelegt wurden. Jedoch boten die vielen Klauseln der verschiedenen Resolutionen des NATO-Rates den souveränen Staaten genügend Möglichkeiten, sich dem vereinbarten kostspieligen Streitkräfteaufbau zu entziehen. Nicht zuletzt deshalb sollte ein westdeutscher Verteidigungsbeitrag die festgestellte Lücke schließen und dem erlahmenden Streitkräfteaufbau der NATO wieder neuen Schwung verleihen, während gleichzeitig die taktischen Atomwaffen zunehmend auch als Ersatz für die fehlenden Verbände an Bedeutung gewannen. Bundeskanzler Konrad Adenauer nutzte die Gunst dieser Stunde und realisierte sein Ziel der nationalen Souveränität mit der außen- und sicherheitspolitischen Integration der Bundesrepublik: Deutsche Divisionen, Flugzeuge und Schiffe gegen Anerkennung und Gleichberechtigung auf internationalem Parkett3. Allerdings war der geforderte Preis nicht so einfach zu entrichten, denn die junge Republik verfügte weder über Soldaten noch über militärisches Großgerät. Die totale Niederlage Deutschlands 1945 und die Vereinbarungen der Siegermächte hatten zu einer »doppelten Demilitarisierung« geführt. Die »Ohne-mich«-Bewegung war Ausdruck einer großen Kriegsmüdigkeit und der Hinwendung zu wirtschaftlichem und sozialem Wohlstand für alle. Der Militärdienst versprach wenige Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges weder Wohlstand noch Sozialprestige. Im Gegenteil ließen die Nachkriegsprozesse gegen Kriegsverbrecher der Wehrmacht und der Waffen-SS eine Soldatenlaufbahn eher weniger erstrebenswert erscheinen. Nicht umsonst war der Gründergeneration der Bundeswehr die Ehrenerklärung der Politik (Adenauer 1952, Bundespräsident Theodor Heuss 1959) und vor allem der ehemaligen Kriegsgegner (Eisenhower 1951, Charles de Gaulle 1961) in diesem Zusammenhang so wichtig4. Die von den Siegermächten geforderte völlige Abrüstung und Zerschlagung des deutschen Militarismus taten ihr Übriges. Die Kriegsheimkehrer waren gezwungen, sich in der demilitarisierten Bundesrepublik zurechtzufinden und den Neuanfang zu wagen. Auch die Zeit- und Berufsoldaten der Wehrmacht stellten sich den Herausforderungen der zivilen Welt und bauten sich fern der alten Kasernen neue Existenzen auf5. Die militärische Expertise drohte so verloren zu gehen. Die Siegermächte selbst stoppten diese Entwicklung, indem sie ausgewählte deutsche Militärs in ihre Dienste übernahmen und deren Sachverstand und vor allem deren Erfahrungen nutzten. Ein Netzwerk ehemaliger 2 3

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Hammerich, Jeder für sich. Zum ersten SACEUR siehe D'Este, Eisenhower. Haftendorn, Deutsche Außenpolitik; Görtemaker, Geschichte der Bundesrepublik Deutschland; Gersdorff, Adenauers Außenpolitik. Dazu grundlegend Lingen, Kesselrings letzte Schlacht; Brochhagen, Nach Nürnberg; Frei, Vergangenheitspolitik. Mathias Molt, Von der Wehrmacht zur Bundeswehr (MS).

I. Einleitung

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Soldaten mit gemeinsamen Front- und Kriegsgefangenschaftserlebnissen, das mit den Jahren größer und fester wurde, unterstützte diese Bemühungen der ehemaligen Kriegsgegner, die angesichts der außen- und sicherheitspolitischen Entwicklungen des beginnenden Kalten Krieges zunehmend Verbündete wurden. Der Antikommunismus bildete die gemeinsamen Klammer. Nur der deutsche Landser verfügte in den Augen der Westalliierten über die unschätzbaren Erfahrungen im Kampf gegen den Rotarmisten, die jener wiederum vielfach gerne in die neue Allianz einbrachte. Neben der Aufarbeitung der rein militärischen Operationen während des Zweiten Weltkrieges und den Versuchen, die Verstrickung in das nationalsozialistische Unrechtsregime auf das militärische Gehorsamsprinzip zu reduzieren, beschäftigten sich einige Zirkel trotz offizieller Verbote der Besatzungsmächte mit Verteidigungs- und Aufrüstungsplanungen für die Bundesrepublik6. Diese ersten Überlegungen bildeten Jahre später die Grundlagen für den schwierigen Aufbau westdeutscher Streitkräfte. Die Militärexperten, die sich diesem völligen Neuanfang freiwillig stellten, sahen sich kaum zu bewältigenden Herausforderungen gegenüber. Der Auftrag für das neue Heer wurde von der NATO vorgegeben und klar umrissen: Die Bundeswehr sollte die konventionelle Lücke, die seit 1951 innerhalb der Allianz klaffte, mit der Aufstellung von zwölf einsatzbereiten Divisionen mit 36 Kampfgruppen bis Anfang 1959 schließen, um damit einen entscheidenden Beitrag für die gemeinsame Abschreckung zu leisten und im Falle eines Krieges als Kern der NATO-Landstreitkräfte das Bündnisgebiet im Abschnitt Europa-Mitte erfolgreich zu verteidigen7. Verglichen mit den Neuanfängen vergangener Zeiten wird diese Herausforderung erst deutlich. Nach dem Ersten Weltkrieg durfte die Weimarer Republik aufgrund der Bestimmungen des Versailler Vertrages eine Armee von 115 000 Soldaten aufstellen. Die Voraussetzungen für die Aufstellung der Reichswehr waren sehr gut. So waren die ehemaligen Frontsoldaten, die nach dem Waffenstillstand vom November 1918 mit klingendem Spiel unter dem Beifall der Bevölkerung von der Front in die Heimat zurückkehrten, eine fast unerschöpfliche Personalreserve für die neuen Streitkräfte. Spätestens nach der Besetzung des Ruhrgebietes durch französische und belgische Truppen im Jahre 1923 wurde unter Missachtung der Bestimmungen der Kriegsgegner wieder aufgerüstet. General Hans von Seeckt, seit März 1920 Chef der Heeresleitung und damit ranghöchster Soldat der Reichswehr, bereitete mit seinem Kader-Gedanken diese Entwicklung vor8. Nach der »Machtergreifung« der Nationalsozialisten zehn Jahre später konnten sich die Militärplaner schließlich in zunehmendem Maße des Interesses der neuen Machthaber und der erforderlichen Mittel für die seit Jahren geplante Aufrüstung sicher sein9. Im Herbst 1934 verfügte Berlin 6 7

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Searle, Wehrmacht Generals; Manig, Die Politik der Ehre. Zum Auftrag siehe Schulz, Das neue Heer, S. 32 ff., und Range, Das Heer der Bundeswehr, S. 19 f. Schulze, Weimar, S. 105-122; allgemein Smith, General Hans von Seeckt. Zur entscheidenden Rolle der Militärplaner pointiert, wenn auch nicht unumstritten, Dirks/Janßen, Der Krieg der Generäle.

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Helmut R. Hammerich: Kommiss kommt von Kompromiss

bereits über ein 250 000 Soldaten starkes Heer. Geplant war eine Armee mit 21 Divisionen im Frieden und ein Kriegsheer von 63 Divisionen. Im März 1935 waren diese 21 Divisionen aufgestellt, wenn auch noch nicht voll einsatzbereit, und verfügten über rund 280 000 Soldaten. Dieser Aufbau war allerdings nur durch die Übernahme der kasernierten Polizei (rund 56 000 Mann) möglich. Bereits ein halbes Jahr später war diese Streitmacht auf 24 Infanterie-Divisionen, zwei Kavallerie- und drei Panzer-Divisionen mit insgesamt rund 400 000 Soldaten angewachsen. Doch das sollte noch nicht das Ende der gewaltigen Aufrüstung sein, denn im Frühjahr 1936 wurden 41 Divisionen geplant, die im Kriegsfall auf 102 Divisionen aufwachsen sollten. Dazu kam der beginnende Umbau des Heeres in die Vollmotorisierung. Im Herbst des Jahres waren rund 520 000 Soldaten in 36 Divisionen eingesetzt. Der »Anschluss« Österreichs im März 1938 und die Übernahme des Bundesheeres in die Wehrmacht brachte weitere 60 000 Soldaten und sechs zusätzliche Divisionen. Im September 1939 trat die Wehrmacht mit den bereits in den 1920er Jahren geplanten Divisionen zum Überfall auf Polen an. Insgesamt gelang den deutschen Militärs nach dem Ersten Weltkrieg eine beachtliche Aufrüstung von zehn aktiven ReichswehrDivisionen mit rund 100 000 Soldaten im Jahre 1923 auf über 50 Divisionen mit rund 2,7 Millionen Soldaten Anfang September 193910. Ein weiterer interessanter Vergleich ist der mit dem Aufbau der Nationalen Volksarmee (NVA) in der SBZ/DDR. Im Februar 1956 wurde mit der Aufstellung der NVA in einer Gesamtstärke von 120 000 Mann begonnen. Die Landstreitkräfte sollten aus motorisierten Schützen- und aus Panzerdivisionen bestehen. Ende 1956 waren bereits fünf Motorisierte Schützen-Divisionen und drei Panzerdivisionen aufgestellt, die vor allem mit sowjetischen Waffen und Gerät ausgerüstet wurden. Von den Ende 1956 dienenden 85 650 Soldaten der NVA waren 66 750 Heeressoldaten. Möglich war diese erstaunlich schnelle Aufrüstung, weil die SED-Führung bereits Anfang der 1950er Jahre über eine schlagkräftige, militärisch ausgerichtete Streitmacht mit über 100 000 Mann, die Kasernierte Volkspolizei (KVP), verfügte11. In erster Linie wurden deren Verbände dann bis zur offiziellen Auflösung der KVP im Dezember 1956 geschlossen in die NVA überführt. Nur so war es möglich, dass zum Beispiel bereits zweieinhalb Monate nach dem ersten Aufstellungsbefehl die 1. Mechanisierte Division in Potsdam den Abschluss der Aufstellung mit der Übergabe der Truppenfahne melden konnte12. Auch die Herstellung der Arbeitsfähigkeit aller Stäbe und Verwaltungen bis zum 1. März 1956 (seitdem der »Tag der Nationalen Volksarmee«) war eine wichtige Voraussetzung für diesen raschen Streitkräfteaufbau. Aufgrund großer Schwierigkeiten, das notwendige Material und Personal für die geplanten Verbände zu organisieren, wurde die Gesamtstärke der NVA im Sommer 1956 um 25 Prozent auf 90 000 Mann herabgesetzt. Voll10

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Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Bd 1, S. 479-535 (Beitrag Deist), hier S. 533. Diedrich/Wenzke, Die getarnte Armee. Wenzke, Die Nationale Volksarmee, S. 430.

I. Einleitung

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motorisierte und teilmechanisierte Verbände der Landstreitkräfte, welche den Stellenplänen und Ausrüstungsnachweisen entsprachen, konnten allerdings erst in den 1960er Jahren in die erste Staffel der Vereinten Streitkräfte des Warschauer Paktes integriert werden. Die Bundeswehrplaner sollten dagegen unter weitaus größeren Schwierigkeiten gemäß vertraglicher Zusage innerhalb von drei Jahren 368 000 Heeressoldaten rekrutieren und ausbilden, um bis 1959 zwölf einsatzbereite Divisionen unter NATO-Kommando zu stellen. Zurecht zweifelten manche Planer ob dieser anspruchsvollen Zielgröße. Aufgrund der innen- und außenpolitischen, der wirtschafts- und finanzpolitischen und nicht zuletzt aufgrund der gesellschaftlichen Schwierigkeiten, die den Heeresaufbau ständig begleiteten und stark beeinflussten, gab es nur eine Erfolgsgarantie: Die Kompromisslösung. Die Papierlösung, die Ende 1955 auf dem Tisch des Verteidigungsministers lag, sollte noch zahlreiche Ergänzungen, Streichungen und Überarbeitungen erfahren, ehe zehn Jahre später der Auftrag als ausgeführt betrachtet werden konnte. Weitere zehn Jahre der Konsolidierung und der Ergänzung waren darüber hinaus notwendig, um die Planungsvorgaben endgültig zu erfüllen. Die Umsetzung der Planungen auf dem Papier wiederum erforderte ebenfalls einen Kompromiss. Nach anfänglicher Orientierung an den neuen Bündnispartner und ehemaligen Kriegsgegner USA griffen die Gründerväter vor allem aufgrund des neuen Kriegsbildes auf Altbewährtes aus der Wehrmacht zurück. Die ersten zehn Jahre des Heeresaufbaus waren deshalb geprägt von einem Hin und Her zwischen dem Vorbild U.S. Army und dem der Wehrmacht. Dazu kamen die Auswirkungen eines raschen Heeresaufbaus unter schwierigen Bedingungen. Das Schlagwort »Rin in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln« der Zeitzeugen charakterisiert diese Phase der Orientierung. Mitte der 1960er Jahre setzte sich das Neue mit Anklängen sowohl aus der U.S. Army als auch aus der Wehrmacht durch. Der zeitgenössische Ausspruch »Kommiss kommt von komisch« kann deshalb für die Aufbaujahre des Heeres der Bundeswehr abgewandelt werden: »Kommiss kommt von Kompromiss« trifft diese Spannweite, in der das Neue geformt wurde, am Besten. Die Leitfrage, die es deshalb im Folgenden zu beantworten gilt, lautet: Inwieweit war das Heer als die größte Teilstreitkraft der neuen Bundeswehr eine Kompromisslösung und wie wurde dieser Kompromiss in der Aufbauphase zwischen 1955 und 1970 umgesetzt? Die Bundeswehr besteht seit nunmehr 50 Jahren und ist damit die dauerhafteste militärische Großorganisation der deutschen Militärgeschichte des 20. Jahrhunderts. Das Heer der Bundeswehr verfügte im Jahre 1975 über 330 000 Soldaten, rund 3400 Kampfpanzer und 800 Artilleriegeschütze in zwölf Divisionen mit 36 Brigaden13. Nach der grundlegenden Veränderung der Sicherheitslage seit den 1990er Jahren veränderte auch das Heer sein Antlitz völlig. Von den ehemals drei Korpsstäben wird ab 2007 nur einer übrig bleiben, wobei das »Kommando Operative Führung Eingreifkräfte« nur noch der StandDie kumulierten Zahlen bei der Übernahme der NVA in die Bundeswehr wurden nicht berücksichtigt.

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ort Ulm mit dem ehemaligen II. Korps verbindet. Von den zwölf Divisionen des »alten Heeres« bestehen nur noch zwei Divisionen: die 1. Panzerdivision (Hannover) und die 10. Panzerdivision (Sigmaringen). Eine Division, die Division Luftbewegliche Operationen, hat nur noch den Divisionsstab in Veitshöchheim mit der ehemaligen 12. Panzerdivision gemeinsam. Die Zusammensetzung und die Stärken der zukünftigen fünf Divisionen hat sich ebenfalls grundlegend geändert. So verfügt zum Beispiel die 10. Panzerdivision nur noch über rund 11 000 Soldaten, 44 Kampfpanzer, 128 Schützenpanzer und 72 Artilleriegeschütze in zwei aktiven Brigaden14. Immerhin wurde an der bewährten Brigadegliederung festgehalten, jedoch wird das Heer zukünftig nur noch aus zwölf Brigadekommandos von vormals 36 bestehen. Die Gesamtstärke wird sich auf 104 000 Soldaten belaufen, die Ausstattung mit Großgerät wird 350 Kampfpanzer, 410 Schützenpanzer und 119 Artilleriegeschütze umfassen. Gemessen an der Kopfstärke wird das Heer im Jahre 2007 den Stand der Aufstellung von 1958 erreicht haben15. Das fünfzigjährige Bestehen der Bundeswehr sollte deshalb Anlass genug sein, sich der eigenen Tradition verpflichtet zu fühlen und die eigene Geschichte, vor allem angesichts der Auflösung zahlreicher Einheiten und Verbände, aufzuarbeiten. Dazu ist es sicherlich notwendig, die umfangreichen Aktenbestände im Bundesarchiv-Militärarchiv in Freiburg i.Br. (BA-MA) zu sichten, zu verzeichnen und auszuwerten. Darüber hinaus sollte die Zusammenarbeit zwischen den aktiven Verbänden mit ihrer Aufgabe der Traditionspflege der aufgelösten Verbände und Einheiten und dem BA-MA und dem MGFA intensiviert werden. Angesichts des gewaltigen Umbruchs innerhalb der Bundeswehr seit 1989/90 ist es an der Zeit, sich mit dem Aufbruch der Gründergeneration der westdeutschen Streitkräfte zu beschäftigen. Im folgenden Überblicksbeitrag werden in einem ersten Kapitel die außenund sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen für eine neue deutsche Armee dargestellt. Nach einer Einbindung des westdeutschen Verteidigungsbeitrages in das Zeitalter der Weltkriege werden die Bedrohungsperzeptionen und die daraus resultierenden Verteidigungsplanungen der Westmächte näher betrachtet. Dabei wird stets die Rolle einer neuen deutschen Armee berücksichtigt. Die Verteidigungsplanungen der NATO, die Lückenberechnung und die daraufhin erfolgte Definition der Forderung eines konventionellen westdeutschen Verteidigungsbeitrages waren die Voraussetzungen für den Streitkräfteaufbau ab 1955. Danach sind ausgehend von den skizzierten Rahmenbedingungen und den Forderungen der NATO die westdeutschen Aufrüstungsbemühungen bis 1955 zu betrachten. Dabei wird sowohl auf die Außen- und Sicherheitspolitik der Adenauer-Regierung als auch auf die bereits geleisteten »Vor-Verteidigungs14

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Zum Vergleich verfügte die 10. Panzergrenadierdivision 1968 über 344 Kampf- und Jagdpanzer, FüSIII 1, Führungsanweisung Nr. 1. Deutsches Strategisches Konzept, 14.7.1968, BA-MA, Bw 2/20164. FüB IV 1, Zustandsbericht Nr. 1/59 der Bundeswehr, 11.4.1959, BA-MA, Bw 2/2453.

I. Einleitung

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beiträge« Bonns eingegangen, ehe die ersten konkreten Planungen deutscher Militärs nach 1945 und der erste Entwurf des Heeres aus dem Jahre 1955 näher beleuchtet werden. In einem zweiten Teil wird die konzeptionelle Entwicklung des Heeres näher betrachtet. Ausgehend von einem sich wandelnden Kriegsbild wird die moderne Kriegführung und ihre Auswirkungen auf das Heer skizziert. Danach werden die strategisch-operativen Planungen der NATO und hier im Schwerpunkt die Verteidigungsplanungen für Europa-Mitte vorgestellt, stellten diese doch den Rahmen für die Umsetzung der Streitkräfteplanungen der Bundeswehr dar. Daraus ergaben sich Auftrag, Umfang, Zusammensetzung und nicht zuletzt die Fähigkeiten des neuen Heeres. Vor diesem Hintergrund sollen dann das Gefecht der verbundenen Waffen unter atomaren Bedingungen anhand der ersten Heeresstrukturen dahingehend betrachtet werden, welche Konzepte der Heeresplaner vorlagen und welche Auswirkungen diese Konzepte auf die Aufstellung der Verbände hatten. In einem dritten Teil wird der Aufbau der Verbände und der Truppengattungen dargestellt. Darüber hinaus werden die Bodenständige Organisation und die Territorialverteidigung angesprochen, um deren Bedeutung für die Sicherstellung der Operationsfreiheit des Feldheeres herauszuarbeiten. Schließlich werden in einer abschließenden Bewertung die Schwierigkeiten der raschen Auf- und Umbauphase anhand der Themenbereiche Personal, Material, Finanzausstattung und Infrastruktur analysiert und die Aufbauleistung der ersten 15 Jahre bilanziert.

II. Zur Vorgeschichte des Heeres der Bundeswehr 1. Rahmenbedingungen für einen deutschen Verteidigungsbeitrag 1945-1955 a) Westeuropa und der »Kalte Weltkrieg« Europa im 20. Jahrhundert wurde vom britischen Historiker Mark Mazower als »Dark Continent« bezeichnet. Ein blutiges Jahrhundert, welches von den europäischen Mächten zu einem solchen gemacht wurde, war demnach geprägt vom Kampf der Ideologien, der weltweit ausgetragen wurde1. Auch andere Gelehrte sehen in den Katastrophen des vergangenen Jahrhunderts, dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg, und dem Kalten Krieg, einen inneren Zusammenhang: das Extreme, das Totale2. Drei politisch-militärische Zusammenbrüche und Neuanfänge 1918, 1945 und 1989/90 prägen auch heute noch unseren Alltag. Die historische Forschung erkennt in zunehmendem Maße die großen Möglichkeiten derartiger perspektivischer Längsschnitte3. Für das Verständnis der internationalen Beziehungen nach 1945 ist es deshalb neben der angemessenen Gewichtung des Ersten und Zweiten Weltkrieges sinnvoll, den Kalten Krieg als Teil des Ost-West-Konfliktes seit der Russischen Oktoberrevolution 1917 in seinem ganzen Ausmaß als Weltkrieg zu betrachten. Detlef Junker führte deshalb vor wenigen Jahren den Begriff des »Kalten Weltkrieges« ein, um »die Globalität und globalen Interdependenzen [...] besser sichtbar werden zu lassen«4.

Die Auseinandersetzung zwischen den USA und der UdSSR

Bereits während des Zweiten Weltkrieges zeichnete sich die offene Konfrontation zwischen den beiden Supermächten USA und Sowjetunion ab. Der seit 1917 schwelende Konflikt entwickelte sich durch die Spannungen innerhalb der Kriegsallianz ab 1943/44 zum Kalten Krieg5. Jost Dülffer sieht die Anfänge des 1 2 3 4 5

Mazower, Dark Continent. Hobsbawm, Age of Extremes; Diner, Das Jahrhundert verstehen. Thoß, Die Zeit der Weltkriege. Junker, Die internationalen Beziehungen nach dem Zweiten Weltkrieg. Dülffer, Jalta, S. 134-152. Allgemein und prägnant auch Steininger, Der Kalte Krieg, und Stöver, Der Kalte Krieg. Grundlegend Friedman, The Fifty-Year War, und Soutou, La guerre de cinquante ans.

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Kalten Krieges in Asien. Der Abwurf der Atombombe auf Hiroshima und Nagasaki 1945 verdeutlichte das politische Umdenken der amerikanischen Administration hinsichtlich einer sowjetischen Expansionspolitik. Die Entfaltung des Kalten Krieges in Europa in den Jahren 1944 bis 1947 bewirkte einen grundsätzlichen Wandel der Europa- und Deutschlandpolitik der USA, der sich in der Rede des amerikanischen Außenministers James F. Byrnes im September 1946 manifestierte6. Die USA hatten damit fast alle Pläne für eine dauerhaften Zusammenarbeit mit Moskau zu den Akten gelegt. Die beiden anderen Siegermächte des Zweiten Weltkrieges, Großbritannien und Frankreich, erkannten dabei früh ihre untergeordnete Rolle, die sie in dieser globalen Auseinandersetzung einnahmen, ganz zu schweigen von den übrigen europäischen Staaten7. Diese mussten ihre nationalen Interessen vor dem Hintergrund des beginnenden Kalten Krieges mehr oder weniger unabhängig auf einen der beiden Kontrahenten ausrichten8. Auch der Status der Neutralität bewahrte nicht vor einer Grundsatzentscheidung zwischen West und Ost. Der Kampf um die Interessensphäre Europa war dabei nur ein Schauplatz dieser globalen Auseinandersetzung9. Asien und der Nahe Osten boten ebenso viele Austragungsorte wie in späteren Jahren Lateinamerika und Afrika10. Doch die Alte Welt war nach 1945 entscheidend für die globale Stützpunktpolitik der USA und für eine Nachkriegsordnung nach amerikanischem Muster. US-Präsident Harry S. Truman verdeutlichte 1952, was dies hinsichtlich der Staaten Westeuropas bedeutete: Die USA könnten es sich unter keinen Umständen leisten, dass die freien Nationen Westeuropas unter sowjetische Herrschaft gerieten, ohne dass damit ein großer Machtverlust für die USA und ein nicht mehr aufzuholendes Ubergewicht der Sowjetunion bei der Grundversorgung mit Kohle und Stahl und im Bereich der menschlichen Ressourcen verbunden wäre11. Nicht zuletzt deshalb intensivierten die Vereinigten Staaten ihr Engagement für ein demokratisches Europa und gegen eine sowjetische Dominanz. Melvyn P. Leffler stellt daher auch in seinem Standardwerk über die Sicherheitspolitik der USA nach 1945 fest, dass das Containment viel früher als mit George Kennans berühmtem Telegramm aus Moskau begann und dass Europa dabei im Schwerpunkt der Sicherheitsinteressen der USA lag12.

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Powaski, The Cold War; Link, Der Ost-West-Konflikt, und Loth, Die Teilung der Welt (2000). 1948 schrieb der italienische Botschafter Quaroni »Die Realität will es, dass wir wie alle anderen Länder Europas nicht mehr unabhängig sind [...] wir sind so frei, ins Gravitationsfeld Rußlands einzutreten, wie Polen frei ist, dies gegenüber Amerika zu tun.« Zitiert nach Di Nolfo, Das Problem der europäischen Einigung, S. 161. Immer noch lesenswert Hillgruber, Europa in der Weltpolitik und Yergin, Shattered Peace. Junker, Politik, S. 17. Zur amerikanischen Stützpunktpolitik in anderen Teilen der Welt siehe zum Beispiel Mclntyre, Background to the ANZUS-Pact. Public Papers of the Presidents of the Unites States, Harry S. Truman, 1951, S. 61-106. Leffler, A Preponderance of Power, S. 55-99, hier S. 60-63.

II. Zur Vorgeschichte des Heeres der Bundeswehr

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Aus den Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges entwickelten enge Vertraute Präsident Trumans Pläne, die zukünftige Außen-, Außenwirtschafts- und Sicherheitspolitik Washingtons durch eine kleine Elite aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung formulieren zu lassen. Dieser korporative Ansatz, mit dem in erster Linie die vordringlichen Probleme der wirtschaftlichen Konversion und der militärischen Abrüstung gelöst werden sollten, trug 1947 in der Gründung des National Security Council (NSC) erste Früchte. Der NSC entwickelte sich während der Präsidentschaft Trumans zum bedeutendsten und einflussreichsten Gremium für abgestimmte Regierungsentscheidungen im sich verschärfenden Kalten Krieg13. Ab Mitte 1949 begann sich die Außen- und Sicherheitspolitik der USA als Reaktion auf die Zündung der ersten sowjetischen Atombombe im August und die Ausrufung der Volksrepublik China im Oktober zu ändern14. Vor allem die sowjetischen Atombomben, welche die US-Stabschefs bis 1950 auf rund 30 hochrechneten und der starke Ausbau der strategischen Bomberflotte des Typs TU-4 beunruhigten die US-Regierung und brachten Truman, der in den Jahren bis 1950 für Kürzungsvorschläge des Verteidigungshaushaltes sehr zugänglich war, zu einer Uberprüfung seiner außen- und sicherheitspolitischen Uberzeugungen15. Die amerikanische Außenpolitik gegenüber der Sowjetunion entwickelte sich so unter Außenminister Dean Acheson und Sicherheitsberater Paul Nitze zur verschärften Eindämmung auf wirtschaftlichem und militärischem Gebiet, vom Nationalen Sicherheitsrat im Grundlagenpapier NSC 68 zu Beginn des Jahres 1950 festgelegt16. Die im NSC 68 auch geforderte konventionelle Aufrüstung der westeuropäischen Staaten wurde von den USA unter der Voraussetzung einer europäischen Selbsthilfe mitfinanziert. Mit dem Beschluss des Kongresses vom Oktober 1949, den »Mutual Defense Assistance Pact« durchzuführen, der den NATO-Staaten bis 1950 eine Milliarde US-Dollars einbringen sollte, begann die Schwerpunktverlagerung von der wirtschaftlichen zur militärischen Eindämmungspolitik17. Im Mai 1950 versuchte Acheson diese Verlagerung den Bündnispartnern während der NATO-Ratstagung in London verständlich zu machen. Der militärischen Aufrüstung wurde schließlich der gleiche Stellenwert beigemessen wie dem wirtschaftlichen Wiederaufstieg18.

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Hogan, A Cross of Iron. Siehe zum Wandel der US-Außen-und Sicherheitspolitik ab 1949/50 Leffler, A Preponderance of Power, S. 266-397; Condit, The Test of War, S. 1 - 4 0 und 223-242. Hogan, A Cross of Iron, S. 265-314. Vgl. auch Wiggershaus, Nordatlantische Bedrohungsperzeptionen, S. 26. Heuser, NSC 68. Vgl. Combs, The Compromise that never was, und Gaddis, Strategies of Containment. Zum Text des Dokumentes siehe FRUS 1950, vol. 1, S. 234-292. Siehe auch Fautua, The »Long Pull« Army. Kritisch dagegen Johnston, The Construction of NATO's Medium Term Defence Plan. Siehe Callahan, Dangerous Capabilities; Combs, The Compromise that never was, S. 361-386. Vgl. auch Leffler, A Preponderance of Power, S. 355-360. Memo »Building up the Defensive Strength of the West«, 3.5.1950, FRUS 1950, vol. 3, S. 8 5 - 9 0 . Darin wird auch der Aufbau von »balanced collective forces« der Vorzug vor »balanced national forces« gegeben.

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Auf mannigfaltige Weise führte die Truman-Administration diese Eindämmung der sowjetischen Expansion durch. Während im militärischen Bereich die ersten Jahre nach 1945 von einer amerikanischen Abrüstungsphase gekennzeichnet waren, engagierten sich die USA im wirtschaftlichen und politischen Bereich. Dabei zeigte die amerikanische Doppelstrategie der Stärkung der Verbündeten bei gleichzeitiger Schwächung der Kommunisten im westlichen Lager und der Eindämmung der sowjetischen Machtentfaltung erste Erfolge. Diese »doppelte Eindämmung« (Loth), also die wirtschaftliche Stabilisierung Europas bei gleichzeitiger Abwehr des sowjetischen Einflusses, stieß allerdings dort auf ihre Grenzen, wo die Regierung in Moskau auf die strikte Abriegelung ihres eigenen Machtbereiches setzte und vor keiner Konfrontation zurückzuschrecken schien19. Die politischen Ereignisse Ende der 1940er Jahre, vor allem die Tschechoslowakei-Krise 1948, ließen daher die Rolle der Militärs an Bedeutung gewinnen und spätestens mit Beginn des Koreakrieges war der Militärapparat ein entscheidendes Mittel zur Durchsetzung dieser Eindämmungspolitik20. Der

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Zum Begriff der »doppelten Eindämmung« als Umschreibung der erfolgreichen Strategie der USA gegen eine sowjetische Expansion und gegen ein erneutes Erstarken Deutschlands siehe hingegen Die doppelte Eindämmung. Diese von George F. Kennan geprägte Phase des Kalten Krieges beschreibt Stephanson, Kennan and the Art of Foreign Policy. Einen guten Überblick über die Jahre 1945 bis 1950 liefert auch AWS, Bd 1, S. 1-118 (Beitrag Wiggershaus). Zum Koreakrieg, wenn auch mit

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Wandel von der ökonomischen zur militärischen Eindämmung der Sowjetunion durch die USA und ihre Verbündeten im Zuge der sich verschärfenden Ost-West-Konfrontation kennzeichnet die »klassische Periode des Kalten Krieges von 1943 bis 1953«21. Das westliche Lager formiert sich Die politisch-ideologische Westorientierung der Staaten Westeuropas war erklärtes Ziel Washingtons. Im Gegenzug bemühten sich die westeuropäischen Staaten, mittels Integration auch eine durchaus eigenständige Politik zu verfolgen. Klaus Schwabe verdeutlicht die Geschichte der Integration Westeuropas von 1945 bis 1954 an vier »Organisationsversuchen«. Der erste Versuch war demnach die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit in Europa (OEEC), der zweite der Brüsseler Pakt, der dritte der Europarat und der vierte die Montanunion. Schwabes Ansatz zeigt, in wie weit die von Winston S. Churchill am 19. Dezember 1946 in Zürich ausgesprochene Idee des Zusammenlebens der europäischen Staaten als eine Art Vereinigte Staaten von Europa bis in die Mitte der 1950er Jahre umgesetzt wurde: Im Ergebnis blieb es bei Versuchen, die in wenigen Fällen »sektoraler Integration« erfolgreich verliefen, ansonsten im Ansatz stecken blieben22. Das sicherheitspolitische Vertragswerk des Brüsseler Paktes aus dem Jahr 1948 bezog neben den wirtschaftlichen und politischen auch die militärischen Aspekte ein. Dabei reduzierte sich die Grundidee des britischen Premierministers Ernest Bevin einer »Western Union« zwar innerhalb weniger Monate auf das rein Militärische, doch bildeten einige Artikel seines Plans auch den Ausgangspunkt für eine verbesserte Zusammenarbeit in anderen Politikfeldern. Nicht zuletzt sollte der im Brüsseler Vertrag vorgesehene Konsultativrat das Gremium der ersten Verhandlungen über eine politische Organisation werden, die in die Gründung des Europarates mündeten. Im Konsultativrat, der aus den fünf Außenministern der Paktstaaten bestand, wurden zudem zahlreiche Probleme und Fragen erörtert, die vorher nur auf bi- oder trilateralem Wege besprochen worden waren. Großbritannien, Frankreich und die Beneluxländer verstanden diese Zusammenarbeit auch als Signal an die USA, Vorleistungen für die gemeinsame Sicherheit zu erbringen. Ahnlich den Rahmenbedingungen für die US-Wirtschaftshilfe sollten diese Vorleistungen Washingtons sicherheitspolitisches Engagement in Westeuropa stärken23. Die militärische Zusammenarbeit im Brüsseler Pakt und später in der NATO ent-

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Schwerpunkt auf den Auswirkungen für eine deutsche Wiederbewaffnung siehe Mai, Westliche Sicherheitspolitik im Kalten Krieg. Düllfer, Der Kalte Krieg, S. 501. Schwabe, The Cold War; Schwabe, Der Stand der Bemühungen. Vgl. Lipgens, Die Anfänge der europäischen Einigungspolitik, und Die Integration Europas. Der Sammelband gibt einen guten Uberblick über die politikwissenschaftliche Forschung, deren Methoden und Ergebnisse, vor allem die funktionalistische Integrationstheorie, aber auch die Interdependenzansätze, für die historische Analyse interessant sind. Schwabe, Der Stand der Bemühungen, S. 30. Zum Brüsseler Vertrag Krieger, Gründung und Entwicklung des Brüsseler Paktes, und Gero von Gersdorff, Die Gründung der Nordatlantischen Allianz (MS).

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faltete eine erhebliche politische Integrationskraft. Spätestens ab 1950 beeinflusste die rasche Aufrüstung naturgemäß den wirtschaftlichen Wiederaufstieg und die politische Stabilität Westeuropas. Die wachsende Rüstungsindustrie konkurrierte mit der zivilen Industrie um Rohstoffe und Arbeitskräfte. Diese Schnittstelle der Bereiche Politik, Wirtschaft und Militär konnte nur durch multilaterale Absprachen innerhalb der OEEC und anderen internationalen Organisationen abgedeckt werden. Die NATO entwickelte sich deshalb auch im Laufe der 1950er Jahre zu einer funktionierenden multinationalen Organisation, deren Integrationskraft für die westeuropäischen Mitgliedstaaten aber auch für die atlantische Gemeinschaft eine eigene Studie wert wäre. Demgegenüber wird in neueren Werken zur Geschichte der internationalen Beziehungen die NATO als Hemmschuh für die europäische Integration bezeichnet24. Mit dem Schumanplan des Jahres 1950 erreichten die Integrationsbemühungen eine neue Qualität. Dieser sollte zwar in erster Linie die unterschiedlichen Wirtschaftsinteressen der Vertragspartner zusammenführen, jedoch stellte er durch die gemeinsame Wirtschaftspolitik für Kohle- und Stahl einen ersten grundlegenden Schritt zu einer politischen Einheit Europas dar25. Er war die Antwort der »föderativen Kräfte« auf die unbefriedigende Gesamtlösung durch den Europarat und der Versuch, eine supranationale Lösung in kleinen Schritten durchzusetzen. Die beiden anderen supranationalen Projekte, die von Paris initiierte Europäische Verteidigungsgemeinschaft und die italienisch-französische Europäische Politische Gemeinschaft, waren ein weiterer Beweis für den Willen einiger Staaten zu einer neuen zwischenstaatlichen Zusammenarbeit und deren gemeinsames Ziel einer neuen europäischen Ordnung nach westlicher Prägung. Das Scheitern dieser hochgesteckten Ziele bis 1954 wiesen die Grenzen der politischen Integration aufgrund des starren Festhaltens der Einzelstaaten an ihren Souveränitätsrechten. Dennoch zeigen die Ansätze, dass es den westeuropäischen Staaten seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges nicht nur um die Westbindung im Sinne einer Bindung an die Staaten Nordamerikas ging. Vielmehr ging es um den Zusammenschluss freier demokratischer Staaten über nationalstaatliche Grenzen hinweg und unter Aufgabe von Teilsouveränitäten, wenn es galt, nationale Interessen in einem multinationalen Rahmen abzustimmen und im Konsens international durchsetzen zu können. Neben diesem institutionell-organisatorischen Bereich verdeutlichen auch die Entwicklungen Westeuropas nach dem Zweiten Weltkrieg die politischideologische Westorientierung. Diese zeigen große Gemeinsamkeiten auf, die für die 1950er Jahre charakteristisch waren26. Vor allem die Schwäche des demokratischen Sozialismus, das Zurückdrängen der kommunistischen Parteien und das Erstarken christlich-demokratischer und anderer konservativer Kräfte 24 25

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Krüger, Sicherheit durch Integration?; The Frontier of National Sovereignity. Diebold, The Schuman Plan; Die Anfänge des Schuman-Plans, und Lovett, The U.S. and the Schuman-Plan. Siehe Laqueur, Europa auf dem Weg zur Weltmacht, S. 175-191 und Duignan/Gann, The Rebirth of the West, S. 177-301.

II. Zur Vorgeschichte des Heeres der Bundeswehr

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machten deutlich, dass der Kalte Krieg auch innenpolitische Dimensionen besaß, welche vor allem im Falle Frankreichs und Italiens erhebliche außenpolitische Auswirkungen hatten. Die kommunistische Gefahr in diesen Ländern und deren Bekämpfung waren Teil des aktiven Prozesses der Westbindung. Die Überwindung der innenpolitischen Instabilität nach 1945 war Ausdruck einer erfolgreichen politisch-ideologischen Westorientierung der Staaten Westeuropas27, wobei der Antikommunismus eine der entscheidenden Klammern der Gemeinsamkeit der innerstaatlichen Entwicklungen war. Immer wieder flackerte kommunistischer Widerstand gegen die »Verwestlichung« der westeuropäischen Staaten auf, der sich in Streiks, aber auch in Angriffen auf Persönlichkeiten aus den politischen, wirtschaftlichen und militärischen Führungskreisen äußerte. Der politische Kampf gegen diesen Widerstand zog sich bis Mitte des Jahrzehnts hin, ehe nach einer ruhigen Phase dieser Kampf erneut, diesmal vorwiegend gegen die revoltierenden Studenten, ab Mitte der 1960er Jahre aufflammte28. Für diese innerstaatlichen Entwicklungen waren die kulturellen Bindungen Westeuropas zu den Vereinigten Staaten von immenser Bedeutung. Und dies nicht nur in den klassischen Sparten wie Musik und Literatur, sondern auch in den Bereichen Konsum und Lebensstil. Das Vorbild USA im Bereich der »Massenkultur« war für die Nachkriegsgeneration in Westeuropa über die Medien, über die Besatzungstruppen und durch vielfältige Austauschprogramme präsent und prägend29. Der »American Way of Life« hatte jedoch seinen Preis und konnte nur bei einem gewissen Maß an wirtschaftlichem Wohlstand verwirklicht werden. Der wechselseitige Antrieb durch diese politischen und kulturellen Westbindungen auf der einen und durch wirtschaftliche und später militärische Bindungen auf der anderen Seite garantierte letztlich den Erfolg der »Westernisierung« der westeuropäischen Staaten30. Der Marshall-Plan der USA mit dem Ziel, die westeuropäischen Volkswirtschaften innerhalb von vier Jahren zum außenwirtschaftlichen Gleichgewicht zu führen, sollte anstatt des verfehlten globalen Ansatzes eines auf einen liberalen und multilateralen Freihandel beruhenden Weltwirtschaftsystems neue Wege der regionalen Wiederaufbaubemühungen weisen31. Dabei wurde von der 27

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Vor allem Frankreich war mit seinen zahlreichen Regierungen der IV. Republik zwischen 1948 und 1958 und der starken kommunistischen Partei ein Unsicherheitsfaktor in Westeuropa, Duignan/Gann, The Rebirth of the West, S. 181. Dabei traten die orthodoxen kommunistischen Parteien eher in den Hintergrund und überließen das Feld der >Neuen LinkenTruppenführung< enthält die Grundsätze für die Führung, den Felddienst und das Gefecht der verbunden Waffen im Bewegungskrieg. Die Vorschrift nimmt eine vollmotorisierte Wehrmacht an, zu der beim Feldheer auch Fußdivisionen mit bespannten, motorisierten und teilmotorisierten Truppenteilen gehören f...]11.« Busse ging von den Kriegserfahrungen und den ersten Heereskonzeptionen im Zuge der EVG-Verhandlungen aus, wenn er über den Einsatz von PanzerArmeen, selbstständigen Panzerkorps, Infanteriekorps und von drei unterschiedlichen Divisionstypen, der Infanterie-, der Panzerbegleit- und der Panzerdivision schrieb. Dabei berücksichtigte er nicht den Kampf unter atomaren Bedingungen. Auch in der ersten von Minister Blank im März 1956 erlassenen Heeres-Dienstvorschrift HDv 100/1 »Grundsätze der Truppenführung des Heeres« wird der Atomkrieg nicht behandelt. Immerhin wird in der Vorbemerkung darauf hingewiesen, dass neben den Grundsätzen eines mit herkömmlichen Waffen geführten Kampfes auch Führungsgrundsätze bei Einsatz von Atomwaffen zu beachten seien. Allerdings waren jene Grundsätze nach Auffassung der Abteilung V im Verteidigungsministerium das Fundament. Ganz der Linie Heusingers entsprach die folgende Forderung in der HDv: »Führung und Truppe müssen jederzeit in der Lage sein, in der herkömmlichen Form zu kämpfen, falls Atomwaffen nicht eingesetzt werden12.« Die Führungsgrundsätze bei Einsatz von Atomwaffen wurden aufgrund der raschen Entwicklung und der Veränderungen im Kriegsbild in einer zusätzlichen, recht knapp gehaltenen Vorschrift zusammengefasst. Diese HDv 100/2 »Führungsgrundsätze des Heeres im Atomkrieg« wurde zeitgleich von Minister Blank erlassen und führte die Heeresoffiziere auf 25 Seiten in das Wesen und in die Auswirkungen des Einsatzes von Atomwaffen am Beispiel eines 20 Kilotonnen (KT) Atomkörpers mit einem Sprengpunkt in 600 m Höhe ein. In den Vorbemerkungen wurde darauf hingewiesen, dass die Grundsätze nur auf theoretische Erkenntnisse aufbauten, da praktische Erfahrungen fehlten. Diese Trennung der Führungsgrundsätze war zur damaligen Zeit nicht ungewöhnlich. In keiner verbündeten Armee gab es 1956 angesichts der raschen Waffenentwicklung bereits eine Gesamtvorschrift für den konventionellen und den atomaren Kampf. Trotz dieser Berücksichtigung der modernen Waffenentwicklung las der Heeresoffizier, dass Atomwaffen allein nicht kampfentscheidend und die herkömmlichen Führungsgrundsätze nicht durch die neuen Waffen außer Kraft gesetzt seien. Lediglich eine »Anpassung an die neuen Erscheinungen« wurde für notwendig erachtet13. Die kritischen Einwände, die Entwicklung und Verfügbarkeit der taktischen Atomwaffen sprächen gegen diese konventionellen Auffassungen, wurden unter Hinweis auf Erprobungen in den USA abgetan. Im Mai 1955 wurde in der Wüste von Nevada unter »Übungsbedingungen« eine Bombe von 35-40 KT zur Explosion gebracht. Je 11 12 13

Neubearbeitung HDv 100/1, General der Infanterie a.D. Busse, 1952, BA-MA, BHD 1. HDv 100/1 »Grundsätze der Truppenführung des Heeres«, 23.3.1956, BA-MA, BHD 1. HDv 100/2 »Führungsgrundsätze des Heeres im Atomkrieg«, 23.3.1956, BA-MA, BHD 1. Die Schlussfolgerungen wiesen bereits den Weg zu einem atomkriegsfähigen Heer.

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nach Aufstellung und Entfernung (bis 1000 Meter) blieben vor allem die modernen Panzer unbeschädigt, während ältere und leichter gepanzerte Fahrzeuge schwere Beschädigungen aufwiesen und ungepanzerte Fahrzeuge völlig zerstört wurden. Die rund 3000 Meter vom Erdnullpunkt aufgestellte gepanzerte Kampfgruppe trat acht Minuten nach der Explosion bereits an und konnte das zerstörte Terrain mehr oder weniger unbeschädigt durchqueren14. Die Ausstattung der Streitkräfte sowohl mit taktischen Nuklearwaffen als auch die Mechanisierung der Heere war nicht mehr aufzuhalten. Im Gegenteil beschleunigte die mangelnde Bereitschaft aller Bündnisstaaten, deutlich mehr Divisionen aufzustellen, den Zugriff auf moderne Atomwaffen. Sinkende Militärhaushalte nach einem Anstieg bis 1952/53 ließen aber auch den Kampf um Ressourcen ausbrechen. In den USA war die U.S. Army der Verlierer und nur durch den Rückgriff auf die taktischen Atomwaffen in der Lage, mit der Luftwaffe und Marine einigermaßen mitzuhalten. Weniger Divisionen, die aber durch die neuen Waffen an Kampfkraft gewannen, sollten den Verlust an vorhandenen Streitkräften ausgleichen. Das Grundlagenpapier NSC 162/2 vom Oktober 1953 war das zentrale Dokument der Eisenhower-Regierung für eine Umorientierung der amerikanischen Sicherheitspolitik15. Mit dieser neuen Strategie verfolgte man in Washington die Absicht, die Initiative im Kalten Krieg bei niedrigeren Kosten wiederzuerlangen16. Die Nuklearwaffen bildeten den Kern dieser Strategie, aber auch der Einsatz herkömmlicher Waffen, die psychologische Kriegführung, Geheimdienstaktionen und Gipfeldiplomatie waren Bestandteile dieser sicherheitspolitischen Klaviatur. Folgerichtig erkannte Präsident Dwight D. Eisenhower die Möglichkeit, durch die Abstützung auf die neuen atomaren Waffen Reduzierungen bei der konventionellen Bewaffnung durchführen zu können. Der Schritt zu einer gleichwertigen Nutzung der konventionellen und der atomaren Waffen im Falle eines Krieges war im Herbst 1953 vollzogen: »In the event of hostilities, the United States will consider nuclear weapons to be as available for use as other munitions17.« Kontinuierliche Kürzungen der Verteidigungsausgaben waren Teil dieses Ansatzes und führten bis Mitte 1957 zu einer Reduzierung der Streitkräfte von 20 auf 14 Divisionen und damit zu rund 30 Prozent weniger Heeressoldaten als 1953. Die Marine verlor rund 125 000 Seeleute und einige Kriegsschiffe, während die Luftwaffe von 115 auf 137 Staffeln anwuchs und nur eine Verlangsamung der Wachstumsraten hinnehmen musste. Allerdings blieben die Verteidi14 15

16

17

Senger und Etterlin, Die Panzergrenadiere, S. 193-195. Siehe hierzu und im folgenden The Joint Chiefs of Staff, vol. 6, S. 35-39, S. 285-288 und S. 316-321. Zum Begriff »New Look« siehe Eisenhower, The White House Years, S. 449. Vgl. auch Bowie/Immerman, Waging Peace. Zur Bewertung des »New Look« siehe Gaddis, Strategies of Containment, S. 146-149. Gaddis sieht im Zurückerlangen der Initiative eine entscheidende Voraussetzung für die Kostenminimierung. Ebd., S. 161. Wie wichtig für den ehemaligen Militär Eisenhower die Rückgewinnung der Initiative war unterstreicht auch Metz, Eisenhower. NSC 162/2, 30.10.1953, FRUS 1952-54, vol. 2, Part 1, S. 577-597, hier S. 593.

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gungsausgaben, wenn auch auf einem niedrigeren Niveau, während der Regierungszeit Eisenhowers relativ stabil. John Lewis Gaddis hat daher den »New Look« auch als erfolgreiche Strategie hinsichtlich des Gleichgewichtes der nationalen Ziele und der Ressourcen der USA bewertet 18 . Diese »Renaissance des totalen Atomkrieges« (Buchholz) ließ erneut das strategische Potential in den Mittelpunkt des Abschreckungsgedankens treten, allerdings deutete der Hinweis auf die wachsende sowjetische Nuklearstreitmacht bereits die Grenzen dieser Strategie an. Bis zum absehbaren nuklearen Patt, welches für die Jahre zwischen 1956 und 1959 prognostiziert wurde, waren die strategischen Basen in Europa weiterhin für die USA wichtig, wichtiger jedenfalls als die direkte Verteidigung Westeuropas. Eine erfolgreiche Verteidigung Westeuropas war nach Ansicht amerikanischer und britischer Militärs angesichts der konventionellen Überlegenheit des Feindes nur unter Einsatz der neuen Waffen möglich. Der Oberbefehlshaber der NATO-Streitkräfte in Europa, General Alfred M. Gruenther, und sein Stellvertreter, Feldmarschall Montgomery, ließen daran keinen Zweifel. Montgomery führte im Oktober 1954 vor dem Royal United Services Institute aus: »I want to make it absolutely clear, that we at SHAPE are basing all our operational plans on using atomic and thermonuclear weapons in our defence. With us it is no longer: They may possibly be used. It is very definitely: They will be used if we are attacked19.« Das Luftwaffenmanöver CARTE BLANCHE im Frühsommer 1955 verdeutlichte die Vorstellungen der NATO-Kommandeure über einen modernen Krieg. Die 2. und 4. Alliierte Taktische Luftflotte übte den konzentrierten Einsatz taktischer Atomwaffen nach einem angenommenen Angriff durch feindliche Luftverbände. Die Abwurfzonen der NATO-Luftverbände erstreckten sich dabei entlang einer grenznahen Linie zwischen Hamburg und München. Rund 300 Atombomben fielen in dieser Zone und verursachten allein unter der Zivilbevölkerung rund 1,7 Mio. Tote und 3,5 Mio. Verwundete. Das Manöver löste Empörung in der deutschen Öffentlichkeit und eine große Anfrage der SPDFraktion im Bundestag aus, zeigte aber auch den deutschen Militärs die mangelnde Kampferfahrung der NATO-Kommandeure. Die Luftwaffe hatte in der Praxis bewiesen, dass ein Zerstören der zu schützenden Gebiete kaum als Ersatz für ein operatives Konzept zur Verteidigung Westeuropas mit Bodentruppen gelten konnte20. Allerdings konnte angesichts der eigenen konventionellen Unterlegenheit nicht auf den Einsatz von taktischen Atomwaffen verzichtet werden, auch wenn sich die Heeresoffiziere im Amt Blank gegen eine Überbetonung der Rolle der Luftwaffe aussprachen. Im Gegenteil schrieb Oberst de Maiziere im März 1956, dass jeder zukünftige Krieg sich zu einem Atomkrieg ausweiten werde und 18

19 20

Zu den Zahlen siehe Morgan, Eisenhower versus »The Spenders«, S. 54 f.; Gaddis, Strategies of Containment, S. 161. Gaddis betont aber auch, dass dieses Urteil nicht von den Zeitgenossen Eisenhowers geteilt wurde. Ebd., S. 165. Zit. nach Carver, Conventional Warfare, S. 782. Zu CARTE BLANCHE Gablik, Strategische Planungen, S. 86-94. Zum Einsatz der Luftwaffe siehe Lemke, Konzeption und Aufbau der Luftwaffe.

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dass der Einsatz von Atomwaffen nicht mehr länger das Vorrecht der Luftwaffe sei21. Daran ließ auch die Prioritätenfolge der großen Bündnispartner keinen Zweifel. Sowohl die britischen als auch die amerikanischen Militärhaushalte setzten den Schwerpunkt eindeutig auf die neuen Waffen. Weniger Geld für die konventionellen Streitkräfte führte rasch zu Kaderung bzw. Auflösung von bestehenden Truppenteilen. Die Britische Rheinarmee wurde so von 77 000 auf 50 000 Mann reduziert, rund ein Viertel der in Deutschland stationierten Infanterie- und Panzerregimenter und ein Drittel der Artillerieregimenter wurden nach Großbritannien zurückverlegt oder aufgelöst. Allein das britische Heer wurde bis 1962 von 365 000 auf 165 000 Soldaten verkleinert. Aufgefangen sollte dieser Kampfkraftverlust durch die Atomartillerie der Division (Corporal) werden. Der sogenannte Radford-Plan bewegte zudem im Sommer 1956 die Gemüter. Der Vorsitzende des amerikanischen JCS beabsichtigte, die konventionellen Streitkräfte der USA erheblich zu reduzieren. Symbolisch hätte demnach eine US-Division in Europa ausgereicht, um die Kampfbereitschaft Washingtons zu signalisieren. Die dadurch freiwerdenden Mittel sollten in atomare Waffensysteme investiert werden, womit wiederum in erster Linie die strategische Abschreckung erhöht worden wäre22. Vorwärtsverteidigung unter atomaren Bedingungen: 1956-62 Angesichts der strategischen Abschreckungsdoktrin Washingtons stellte sich die Frage, wie auf militärische Aktionen weit unterhalb des »Großen Krieges« zu reagieren sei. Im März 1956 führte NSC 5602/1 dazu aus, dass die Verteidigung Europas zwar nicht sofort eskalieren sollte, jedoch war insgesamt klar definiert: »since the United States will not preclude itself from using nuclear weapons in a local situation«23. Während die deutschen Militärs in erster Linie die Aufstellung von Landstreitkräften für den konventionellen Kampf vorbereiteten, schritt die Integration der taktischen Atomwaffen in die modernen Heere der Westalliierten weiter voran. Für die NATO war der Einsatz taktischer Atomwaffen im Bereich der sogenarvnten Schildstreitkräfte notwendig, um sowohl die Abschreckung als auch im Kriegsfall eine Verteidigung Westeuropas erfolgreich durchführen zu können. Über das Kriegsbild der NATO gaben zahlreiche Bündnispapiere und NATO-Übungen ausreichend Auskunft. Darüber konnten auch deutsche Vorstellungen nicht hinwegtäuschen, die den strategischen Atomkrieg vom konventionellen Krieg zur Verteidigung Westeuropas abkoppeln wollten. In einer Studie für den Militärischen Führungsrat vom November 1956 heißt es dazu: »Es wird nach Ansicht von SHAPE nur noch einen Krieg geben und das ist der Atom-Krieg. Dabei werden die Nuclear-Waffen zu normalen Waffen. Diese Betrachtungsweise stellt eine gefährliche Überspitzung der Dinge dar 21 22

23

Diensttagebuch Abt. IV-A, 3.3.1956, zit. nach Gablik, Strategische Planungen, S. 96. Buchholz, Strategische und militärpolitische Diskussionen, S. 7 4 - 8 7 . Die US-Luftwaffe erhielt daraufhin rund die Hälfte des amerikanischen Verteidigungsbudgets 1956/57. NSC 5602/1, 15.3.1956, zit. nach Buchholz, Strategische und militärpolitische Diskussionen, S. 75.

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[...] Wir stehen daher deutscherseits auf dem Standpunkt, dass es eine Alternative zum Atomkrieg geben muss. Dies bedeutet Krieg mit konventionellen Waffen, insbesondere bei durchaus möglichen lokalen Konflikten [...] Für die Bundesrepublik ist diese Frage von ausschlaggebender Bedeutung, da es für sie darauf ankommen muss, nach Möglichkeit den Atomkrieg zu vermeiden, um ihr Territorium und ihre Volkssubstanz vor der Vernichtung zu bewahren24.« Doch die NATO-Kommandeure hatten sich in dieser Frage bereits mehr als festgelegt. Der Emergency Defense Plan 1957 (EDP 1-57) und der Nuclear Strike Plan 1956 sahen den sofortigen Einsatz atomarer Waffen gegen einen Aggressor vor. Der Ablauf eines modernen Krieges wurde allen Teilnehmern und Beobachtern der NATO-Stabsrahmenübung LION NOIR vom März 1957 beeindruckend vor Augen geführt. Ein angenommener großer sowjetischer Atomschlag auf Mitteleuropa löste demnach den Krieg aus. Zahlreiche Großstädte wie Frankfurt am Main, Stuttgart, Köln, Bremen und Hamburg wurden dabei ebenso zerstört wie große Teile der NATO-Streitkräfte. Auf diesen Atomschlag folgte der Angriff stark gepanzerter Kräfte auf breiter Front. In Norddeutschland fiel Schleswig-Holstein und die Gebiete bis zur Weser ebenso rasch in Feindeshand wie Hessen und Nordbayern. Nach wenigen Tagen bereitete sich der Feind bereits zur Uberwindung des Rheins bei Mainz und Wiesbaden vor. Die vorerst konventionell geführte Verteidigung der NATO konnte den Angreifer nicht aufhalten. Der Oberbefehlshaber der NATO-Streitkräfte in EuropaMitte (CINCENT), gespielt von Generalleutnant Hans Speidel, und sein Chef des Stabes, Brigadegeneral de Maiziere, forderten daraufhin den Einsatz taktischer Nuklearwaffen. Nach Freigabe durch den amerikanischen Präsidenten gab der NATO-Oberbefehlshaber-Europa (SACEUR) den Einsatzbefehl für die ersten 100 Atomsprengkörper auf die feindlichen Angriffsspitzen. Parallel dazu flogen die strategischen Bomber nach festgelegten Einsatzplänen gen Osten. Nach weiteren Nukleareinsätzen konnten in einer letzten Ubungsphase die einsatzbereiten Verbände mit Unterstützung eingetroffener amerikanischer Reservetruppen die feindlichen Streitkräfte zerschlagen und das Bündnisgebiet zurückgewinnen25. Trotz der Bedenken mancher deutscher Generale hinsichtlich dieses Atomkriegszenarios unterstrich SACEUR Lauris Norstad nach Übungsende in Bonn die Bedeutung der taktischen Atomwaffen für die Verteidigung Westeuropas. Für ihn bildeten diese neuen Waffen durchaus eine Alternative zur Automatik eines strategischen Atomwaffeneinsatzes. Auch die taktischen Atomwaffen sollten in einem durchaus möglichen konventionellen Krieg nicht sofort eingesetzt werden. In seinen Augen war der Aufbau starker konventioneller Streitkräfte 24

25

Studie Nr. 3 »Grundlagen-Sammlung für den deutschen Verteidigungsbeitrag«, 16.11.1956, BA-MA, Bw 2/2673. Die darin entwickelte Optionsmöglichkeit für die Politiker, nicht nur den allgemeinen Atomkrieg als automatische Antwort auf jegliche Form militärischer Feindseligkeiten gegen das NATO-Gebiet ausrufen zu müssen, deutete bereits die Grenzen der Strategie der Massiven Vergeltung an. Zu LION NOIR siehe IV A, Einsatz von Atomkörpern im Rahmen der Übung LION NOIR, 11.4.1957, BA-MA, BH 2/1183.

Das Szenario: der Krieg unter atomaren Bedingungen. Β 52-Langstreckenbomber, 1957 (oben), U.S. Marines bei einer Übung in Nevada im Mai 1952. AP Photo (2)

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aller Bündnispartner ein wichtiger Schritt, die Schwelle zum Atomkrieg anzuheben. Allerdings zeigte eine »Minimum Force Study« der NATO, für die Norstad noch vor Übernahme des NATO-Oberbefehls in Europa verantwortlich zeichnete, dass »the Shield forces can no longer be considered as conventional forces< [...] although they retain a conventional capability, their minimum size requires that they be equipped with the most modern weapons, including nuclear weapons, deployed and available on a wide basis throughout the NATO forces« 26 . Der als »nuclear SACEUR« bekannte Luftwaffengeneral setzte sich deshalb auf der einen Seite für starke NATO-Landstreitkräfte, ausgerüstet mit taktischen Nuklearwaffen und unterstützt durch mobile Mittelstreckenraketen, auf der anderen Seite für eine Modifizierung der NATO-Strategie der Massiven Vergeltung ein. Norstad forderte im März 1957 auch die Bundesregierung auf, ihre Streitkräfte mit Trägersystemen für taktischen Nuklearwaffen auszurüsten. Bundeskanzler Adenauer bewertete die Forderung der NATO, alle Streitkräfte atomar zu bewaffnen, in erster Linie politisch. War er bis Herbst 1956 eher für die Beibehaltung der bisherigen Verteidigungsplanungen mit dem Schwerpunkt der konventionellen Aufrüstung, so änderte er Ende 1956 seine Meinung dahingehend, dass sich auch die Bundesrepublik den waffentechnischen Entwicklungen nicht mehr verschließen könne. Der Besitz von Atomwaffen wurde für den eher atomwaffenkritischen Bundeskanzler ein ebenso wichtiger Machtfaktor wie die Anzahl deutscher Soldaten, um innerhalb der NATO deutsche Interessen durchsetzen zu können. Anfang April 1957 nahm er während einer Pressekonferenz Stellung und betonte, dass die taktischen Atomwaffen nur eine Weiterentwicklung der Artillerie seien. Für ihn bedeuteten diese neuen Waffen einen weiteren Schritt auf dem Weg zur militärischen Balance zwischen Ost und West. Diese Haltung löste einen Sturm der Entrüstung und heftige innenpolitische Auseinandersetzungen um die atomare Bewaffnung der Bundesrepublik aus. Neben einer Großen Anfrage im Bundestag war das »Göttinger Manifest«, eine Erklärung von 18 namhaften Atomwissenschaftlern gegen die nukleare Bewaffnung, vom 12. April 1957 Ausdruck größter Bedenken. Uber Jahre wirkte die Kampagne »Kampf dem Atomtod« in die innenpolitischen Auseinandersetzungen 27 . Verteidigungsminister Strauß hatte bereits frühzeitig die Ausrüstung der Bundeswehr mit atomaren Trägersystemen gefordert. Er wollte damit einer Entwicklung entgegentreten, die der Bundeswehr eine reine »Schildfunktion« ohne atomare Mitsprache innerhalb der NATO zugewiesen hätte. Der NATORat in Paris wiederum beschloss Anfang 1958 die Ausrüstung der Partnerstaaten mit taktischen Atomwaffen unter amerikanischer Kontrolle 28 . Ende März 1958 wurde im Bundestag auf Antrag des Verteidigungsministers über den Erwerb amerikanischer Kurzstreckenraketen vom Typ »Matador C« abge26

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28

Statement General Norstad vor dem Senate Foreign Relations Committee, 26.3.1958, zit. nach Jordan, Norstad, S. 95. Adenauer, Erinnerungen 1955-1959, S. 292-318. Siehe auch Görtemaker, Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, S. 338-347. Maier, Die politische Kontrolle.

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stimmt, nachdem SACEUR Norstad einige Wochen vorher in einem Fernsehinterview nochmals die Notwendigkeit, deutsche Streitkräfte mit taktischen Atomwaffen auszurüsten, unterstrichen hatte. Seine Argumentation, die Bundeswehr könne nicht mit weniger modernen Waffen ausgerüstet werden als andere Bündnisarmeen, war aus militärischer Sicht stichhaltig. Die Militärs waren sich im Gegensatz zur Bundesregierung in dieser Frage aber nicht einig. Der Führungsstab des Heeres entwickelte im Gegensatz zu den Führungsstäben der Bundeswehr und der Luftwaffe ein Kriegsbild, welches aus Sicht der Anhänger der gültigen NATO-Strategie veraltet war. Für Generalleutnant Hans Röttiger, ab September 1956 Leiter der Abteilung Heer im Verteidigungsministerium, war der Einsatz von Massenvernichtungsmitteln nicht nur eine militärfachliche, sondern auch und vor allem eine Gewissensfrage. Sein Schlagwort vom »Atomdienstverweigerer« unterstreicht die Zerrissenheit vieler Heeresgenerale zwischen ihren Kriegserfahrungen aus dem Zweiten Weltkrieg auf der einen und den so genannten modernen Kriegsszenarien der aktiven Generalstabsoffiziere auf der anderen Seite29. De Maiziere, damals Unterabteilungsleiter »Führung« in der Abteilung Heer war im Sommer 1956 ernsthaft besorgt und führte aus, »dass das Heer (Abt. V) zu wenig modern bzgl. Atomkriegführung denkt. Alles ist zu stark auf konventionellen Krieg abgestellt, ist zu eng30.« Innerhalb der NATO stellte Oberst Graf Baudissin bereits Mitte 1956 eine »atomar-angelsächsische« und eine »kontinental-konventionelle Waffengruppe« fest31. In einer Politischen Direktive der NATO vom Dezember 1956 konnte sich die zweite Gruppe insofern durchsetzen, dass in Fällen der »Infiltration«, des »Einfalls« und »örtlich bewaffneter Angriffe« nicht zwangsläufig mit Atomwaffen zurückgeschlagen werden sollte32. Damit war vorerst der »Stolperdraht-Gedanke« der ersten Gruppe, die konventionellen Streitkräfte nur als Garant für die zeitgerechte Auslösung des atomaren Gegenschlages zu verwenden, vordergründig abgewendet. Allerdings unterstrich das NATO-Strategiepapier MC 14/2 vom Mai 1957 »since in no case is there a NATO concept of limited war with the Soviets«33. Angesichts dieser Klarstellung bewiesen auch Angehörige der Abteilung Heer, dass sie die Grundsätze des modernen Gefechtes verstanden hatten. Im Februar 1957 wurden die Offiziere der Heeresoffizierschule (HOS) in Husum mit den »Führungsgrundsätzen des Heeres« bekannt gemacht. Ausgehend von vier Kriegsszenarien, dem totalen Atomkrieg, dem Krieg mit beschränktem 29 30 31

32

33

Wehrkunde, (1956), H. 10, S. 517. Diensttagebuch de Maiziere, 16.08.1956, BA-MA, Ν 673/v.22. Tagebuch Baudissin, 3.8.1956, BA-MA, Ν 717/7, zit. nach AWS, Bd 3, S. 724 (Beitrag Greiner). NATO, International Staff Central Registry, Brüssel (NISCA), C-M (56) 138 (Final), 13.12.1956. MC 14/2 (Revised) (Final Decision), 23.5.1957, S. 11, in: NATO Strategy Documents, S. 277-313. Zur Bewertung dieses Dokumentes als eine erste Flexibilisierung siehe Pedlow, The Evolution of NATO Strategy, und Heuser, NATO, Britain. Heuser bezeichnet MC 14/3 als »Flexible Escalation«, da »Flexible Response« bereits auf MC 14/2 zuträfe.

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Einsatz von Atomwaffen im Frontgebiet, dem konventionellen Krieg und dem Kleinkrieg, wurden zwei Szenarien für am wahrscheinlichsten gehalten: Der Krieg mit beschränktem Einsatz von Atomwaffen im Frontgebiet und der Krieg mit herkömmlichen Waffen. In einer ersten Phase oblag demnach dem Heer angesichts der strategischen Luftoffensive der NATO unter Erhaltung seiner Kampfkraft die Verteidigung, um dann in einer zweiten Phase nach Abflauen der Atomschlacht feindliche Streitkräfte durch Gegenangriffe zu zerschlagen. Das Heer musste also ständig für Angriffs- und Verteidigungsoperationen einsatzbereit sein und sowohl für das konventionelle als auch für das atomare Gefecht ausgebildet sein. Wie sollte nun das moderne Gefecht ablaufen? Die Auswertung der Herbstübungen 1956 der sowjetischen Armee auf ostdeutschem Territorium ergab für die Abteilung Heer, dass Angriffsoperationen mit einer so genannten 5-Wellentaktik ausgeführt würden; Zwei Panzerwellen voraus, gefolgt von drei Infanteriewellen. Dabei verfügten die Angriffsverbände über eine moderne technische Ausstattung und waren zum Beispiel in der Lage, Angriffe über Flüsse mit Vollketten-Schwimmfahrzeugen ohne große Vorbereitungen durchzuführen oder bei Nacht zu marschieren und im Regimentsrahmen sogar anzugreifen. In Lücken stoßen und durchbrechen zu können, starke Verteidigungsstellungen mit Atomwaffen zerschlagen und mit rund 7000 Kampfpanzern der ersten Welle allein in Mitteleuropa bei zeitlich befristeter taktischer Luftüberlegenheit antreten zu können, zeigten schlaglichtartig das moderne Einsatzspektrum des hochtechnisierten Gegners. Die schematische Vorgehensweise, die Angriffsverbände antreten zu lassen, Feindkräfte zu schlagen und dann in die Tiefe zu stoßen, hatte den Vorteil, ständig in Bewegung zu sein und dadurch ein schweres Ziel für Atomwaffen zu bilden. Allerdings hoffte die Abteilung Heer, dass bei vorbereiteter Verteidigung vor allem an Flüssen, in Wäldern und bei sonstigen Geländehindernissen der Vormarsch des Feindes kanalisiert und gestaut werden könnte. Die Planübung »Nord 56« zeigte, wie eine Armee auf einer Breite von 250 Kilometern mit drei Korps und insgesamt sieben Grenadier- und drei Panzer-Divisionen gegen einen solchen massierten Panzerfeind verteidigen sollte. Die angenommene Lage beruhte auf deutschen Vorstellungen zur Verteidigung an der Weser34. In vorderer Linie sollten demnach zwei Korps mit sechs GrenadierDivisionen und eine Brigade eingesetzt werden, während ein Korps mit den restlichen vier Divisionen als Reserve vorgesehen war. Beiderseits von Hameln sollte die erste Grenadier-Division entlang der Weser in einem 25 Kilometer breiten Abschnitt verteidigen. Der Division standen dabei an Kampftruppen sieben Grenadierbataillone und je ein Panzer-, Panzerjäger-, Panzeraufklärungsund Grenzschutz-Bataillon zur Verfügung. Zwei Kampfgruppen wurden vorne eingesetzt, wobei der Schwerpunkt im rechten Bereich bei einem GrenadierBataillon mit einer Breite von zwei Kilometern lag. Der Übung lag die Annahme zugrunde, die Feindkräfte würden im betrachteten Abschnitt mit zwei 34

Vortrag »Führungsgrundsätze des Heeres« (Druckschrift), 12.7.1957, BA-MA, BH 1/503.

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Schützen-Divisionen und einer Mechanisierten Division mit insgesamt rund 600 Kampfpanzern T-54 und »Josef Stalin III« angreifen. Demgegenüber verfügte die deutsche Grenadier-Division über 72 M-47-Kampfpanzer des Panzerbataillons und 110 M-41-Kampfpanzer des Panzeraufklärungs- sowie des Panzerjägerbataillons und über die Korpsreserve im Bedarfsfall mit weiteren 72 M-47Kampfpanzer35. Diese durchaus beeindruckende Anzahl von leichten und mittleren Kampfpanzern wurde durch sechs Feldartilleriebataillone verstärkt, deren Feuerplan für Sperr- und Vernichtungsfeuer nicht weniger beeindruckend war. Eng mit dem Artillerie-Feuerplan war der Atomfeuerplan verbunden. Festgelegte Zielpunkte sollten dem Verteidiger ermöglichen, rechtzeitig die 203-mmKanonen der Atomartillerie zum Schuss zu bringen. 30 Minuten Vorlaufzeit waren dazu notwendig, bei der Anforderung von Honest-John-Raketen waren 60 Minuten einzurechnen. Die zweite Schussfolge war mit 15 bzw. 30 Minuten Vorlauf anzufordern. Im Zielgebiet lagen die vermuteten feindlichen Bereitstellungsräume, das Angriffsgelände unmittelbar vor dem Vorderen Rand der Abwehr (VRA) und im Abwehrraum bei durchgebrochenem Feind. In dieser Lage waren 19 Zielpunkte beiderseits Hameln festgelegt. Ergänzt wurde die Vorbereitung zur Verteidigung durch den damals noch üblichen Panzerabwehrplan und durch den Sperrplan der Pioniere, der in der Lage jedoch aufgrund der fehlenden Zeit nicht sehr üppig ausfiel. Im Verlauf der Übung zeigte sich, dass je nach Lageentwicklung immer wieder Atomsprengkörper eingesetzt wurden. Die erste Angriffswelle musste aufgrund der Schnelligkeit der angreifenden Truppe mit konventionellem Feuer bekämpft werden. Jedoch sollten die erwarteten Bataillone der zweiten und dritten Welle dann mit Atomsprengkörpern von 20 Kilotonnen vernichtet werden. Die Verfügbarkeit von Atomgranaten war 1957 allerdings begrenzt. Eigentlich stand dem Divisionskommandeur ein Atomsprengkörper pro Tag zur Verfügung, jedoch waren zusätzliche Anforderungen je nach Lage möglich. Bereits ein knappes Jahr später ging der Atomlehroffizier der Führungsakademie davon aus, dass ein Divisionskommandeur in den kommenden Jahren einen Atomsprengkörper pro Feindbataillon zur Verfügung hätte. Zusammen mit den feindlichen Atomsprengkörpern rechnete er in einem Divisionsabschnitt mit bis zu 22 Atomdetonationen an einem Kampftag36. Im gezeigten Übungsverlauf wurde jedoch deutlich, dass die Bataillone bereits nach wenigen Tagen des Gefechtes unter atomaren Bedingungen stark abgekämpft waren. Trotz der panzerstarken Korpsreserve war der Divisionskommandeur auf die Atomwaffen und auf die konventionelle Artillerieunterstützung angewiesen. Insgesamt gelang es aber der Division, ihren Abschnitt gegen drei feindliche Divisionen erfolgreich zu verteidigen. Generalinspekteur Heusinger betonte angesichts solcher Planübungen trotz voller Anerkennung der Bedeutung der neuen Waffen weiterhin die Wichtig35 36

Zu den Stärken siehe Blume, Die Anfangsjahre des Heeres, S. 40-49. Bericht über die Besprechung bei SHAPE, 4.-12.2.1958, 6.3.1958, Materialsammlung (MSg) 1/2450.

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keit starker Landstreitkräfte. In seiner Beurteilung der strategischen Lage vom November 1957 für Bundeskanzler Adenauer führte er dazu aus: »Die Kräfte für die atomare Gegenoffensive aber werden für den Ausgang des Ringens um Westeuropa von entscheidender Bedeutung sein. Die Verteidigung jedoch allein auf Atomwaffen aufzubauen, wäre falsch. Stärkere Landstreitkräfte sind nach wie vor notwendig37.« Für den Generalinspekteur war klar, dass es bei der konventionellen Überlegenheit des Gegners zur raschen Verzahnung der Kräfte in einer Landschlacht kommen würde, was faktisch die Unmöglichkeit des Einsatzes von Atomwaffen im Gefechtsgebiet bedeutet hätte. Zudem sollten die Landstreitkräfte in der Lage sein, so genannte begrenzte Konflikte notfalls auch ohne Atomwaffen beenden zu können. Ein möglicher begrenzter Konflikt barg nämlich die Gefahr, sich zu einem großen Krieg zu entwickeln, wenn der konventionellen Überlegenheit der Warschauer Pakt-Staaten nichts entgegengehalten werden konnte. Der Abschreckungsgedarike trug daher nur, wenn die Bereitschaft zum Einsatz aller verfügbaren Waffen bekundet wurde. Das Prinzip der lückenlosen Abschreckung zeichnete sich hier bereits ab. Nach Heusinger waren die Streitkräfte deshalb so zu organisieren und zu bewaffnen, dass sie den Erfordernissen sowohl der atomaren als auch der konventionellen Auseinandersetzung entsprachen. Aus diesen Überlegungen leitete sich das »Sowohl-als auch«-Heer der Heeresstrukturen 2 und 3 ab. Im Kern bedeutete dieser Ansatz durchaus eine »Alternative zum Atomkrieg«, eine zweite Lösung, die den Grundlagenpapieren der NATO allerdings widersprach38. Jedoch war dieser Widerspruch bei genauerer Betrachtung nur eine Frage unterschiedlicher Prioritätensetzung: Für den Oberbefehlshaber der NATOStreitkräfte in Europa spielten die konventionellen Streitkräfte zu Beginn eines Krieges eine untergeordnete Rolle. Nach einem atomaren Schlagabtausch allerdings sollten einsatzbereite Streitkräfte für Folgeoperationen zur Verfügung stehen. Auch der Schutz der für die erste Phase so wichtigen Elemente wie Flugplätze, Radar- und Frühwarnsysteme durch herkömmliche Streitkräfte durfte nicht unberücksichtigt bleiben. Grundlage aller Überlegungen blieben jedoch immer die totale nukleare Abschreckung und, bei deren Versagen, die totale nukleare Verteidigung. Unterstützt wurde SACEUR Gruenther dabei von seinem Stellvertreter Feldmarschall Montgomery. Der Kriegsheld war in seinen Auffassungen noch konsequenter: Jedem Angriff auf das Vertragsgebiet musste automatisch mit dem Einsatz aller verfügbaren atomarer Waffen begegnet werden. Ohne Einsatz atomarer Waffen war seiner Meinung nach die Verteidigung Westeuropas gegen einen überlegenen Gegner nicht möglich. Heusinger hingegen konzentrierte sich in erster Linie auf Gefechtsfeldszenarien, die ohne den Einsatz von atomaren Kampfmitteln gedacht wurden. Im Falle eines Atomkrieges wurde seiner Ansicht nach in der zweiten Phase, also

37 38

Beurteilung der strategischen Lage, 27.11.1957, BA-MA, Bw 2/20373, S. 12. Notiz für Studie (Nr. 3), Gedanken General Heusinger zur Atomkriegführung, BA-MA, Bw 2/980, zit. nach AWS, Bd 3, S. 707 (Beitrag Greiner).

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nach dem atomaren Schlagabtausch, die Atomwaffe zur Hilfswaffe. Starke konventionelle Streitkräfte sollten so weit vorne wie möglich halten, bewegliche Eingreifverbände Gegenangriffe führen. Das deutsche Interesse an einer Erhöhung der Nuklearschwelle wurde von französischen NATO-Generalen geteilt. Vor allem General Jean Etienne Valluy, Oberbefehlshaber Europa-Mitte, vertrat die Auffassung, dass die konventionelle Schwäche automatisch zu einer Nuklearisierung führen würde, die für die Verteidigung Kontinentaleuropas ungünstig wäre. Allerdings darf dabei nicht unberücksichtigt bleiben, dass Frankreich gleichzeitig an einer eigenen Atomwaffe interessiert war. Auch die Regierung in Paris hatte verstanden, dass nur eine Nuklearmacht im Bündnis mitreden konnte. Der langsame Strategiewechsel: Von der Massive Retaliation zur Flexible Response 1962-1968 Angesichts der direkten Bedrohung Nordamerikas durch sowjetische Interkontinentalraketen und angesichts der zweiten Berlinkrise stellte sich zunehmend die Frage, wie auf eine begrenzte Aggression Moskaus reagiert werden sollte. Ein totaler Atomkrieg als Antwort auf die Blockade der Zufahrtswege nach Berlin war kaum angemessen. Die drei Siegermächte einigten sich daraufhin im Jahre 1959 auf die LIVE Ο AK-Planungen, eine Serie von Einsatzplänen für ein mögliches sowjetischen Vorgehen gegen Berlin39. Anfang 1958 hatten die amerikanischen Stabschefs noch empfohlen, im Falle einer Sperrung der Zufahrtswege von und nach Berlin Nuklearwaffen einzusetzen. Dazu war vorgesehen, die U.S. Task Force zur Britischen Rheinarmee zu verlegen 40 . Allerdings wurde in Washington diese Alles-oder-Nichts-Strategie langsam aber sicher hinterfragt. Hatten sich die Westmächte Ende 1958 noch zu einer Garantieerklärung für Gesamt-Berlin einigen können, so galt die wiederholte Erklärung im Mai 1961 nur noch für West-Berlin. Nach dem Mauerbau in Berlin im August des Jahres war dann für alle Beobachter klar, dass Präsident John F. Kennedy de facto die Teilung Berlins akzeptiert hatte. Eine militärische Auseinandersetzung, die sehr schnell u n d unkontrolliert eskalieren konnte, stand nicht mehr zur Debatte. Noch vor dem Regierungswechsel von Eisenhower zu Kennedy hatte sich dieser Strategiewandel abgezeichnet. Die Kritik am nuklearen Automatismus, bereits 1957 von Henry Kissinger u n d Robert Osgood schriftlich vorgebracht, erreichte im Herbst 1960 einen Höhepunkt. Im sogenannten Bowie-Bericht wurde Präsident Eisenhower empfohlen, angesichts der atomaren Bedrohung der USA die gültige NATO-Strategie zu überprüfen und zu modifizieren. Vor allem bei den sogenannten Schildstreitkräften sahen die Sicherheitsexperten Handlungsbedarf. Da ein Krieg in Europa unter Einsatz von taktischen Atomwaffen kaum unter Kontrolle zu halten war, sollten die Schildstreitkräfte viel39

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Pedlow, Allied Crisis Management. Die Bundesrepublik wurde 1961 an den Planungen beteiligt. Die Akten im BA-MA sind seit 2005 offen. Steinhoff/Pommerin, Strategiewechsel, S. 83.

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mehr deutlich verstärkt und vor allem für den konventionellen Kampf ausgebildet werden. Der neue amerikanische Verteidigungsminister Robert S. McNamara erklärte während der NATO-Ratstagung Ende 1961 sein Konzept der Flexible Response. Ausgehend von der Feststellung, dass die gültige Bündnisstrategie angesichts des militärischen Kräftevergleichs und der möglichen Militäraktionen Moskaus der Allianz nur noch die Wahl zwischen Demütigung und totalem Atomkrieg ließ, präsentierte McNamara den überraschten Zuhörern eine interessante Gegenüberstellung der atomaren und der konventionellen Streitkräfte in Ost und West. Demnach war das Streitkräftepotenzial des Warschauer Paktes und der NATO in Zukunft durchaus gleichwertig. Falls der NATO bis Ende 1962 rund 30 Divisionen unterstellt würden, so McNamara, könnte daher ein konventioneller Angriff des Ostblocks in einem »general limited war« ohne Einsatz von Kernwaffen abgewehrt werden. In einer Stellungnahme erkannte der Führungsstab der Bundeswehr dies als politisch motivierten Vorstoß McNamaras, die Bündnispartner zu größeren Verteidigungsanstrengungen zu veranlassen. Im Bereich der Landstreitkräfte warnte FüB davor, nur von 55 sofort einsatzbereiten Divisionen des Warschauer Paktes auszugehen. Vielmehr müsse unter Berücksichtigung der tschechischen und polnischen Divisionen, die von Washington unerwähnt blieben, von insgesamt 108 Divisionen für die ersten dreißig Tage eines Krieges ausgegangen werden. Dagegen könnten im Bereich AFCENT planerisch nur 35 bis 40 Divisionen aufgeboten werden. Der Folgerung Washingtons, ein »general limited war« wäre ohne Einsatz von Nuklearwaffen führbar, widersprach FüB angesichts des eigenen Kräftevergleichs entschieden 41 . Für die westeuropäischen Bündnispartner war die angedeutete Verteidigungskonzeption der Kennedy-Administration eine schwer verdauliche Kost. Nachdem mit der Umsetzung der militärischen Forderungen der MC 70 begonnen worden war und erste erfolgversprechende Schritte auf dem Weg zur NATO als »vierte Atommacht« getan waren, sollten sich plötzlich die Parameter grundsätzlich ändern. SACEUR Norstad hatte seit 1959 den Aufbau einer atomaren Streitmacht mit Mittelstreckenraketen verfolgt, um mittelfristig die durch die sowjetische Luftverteidigung immer gefährdeteren nuklearfähigen Flugzeuge ersetzen zu können. Der »Norstad-Plan« sah vor, bis 1965 rund 300 einsatzbereite MRBM (Medium Range Ballistic Missiles) mit einer Reichweite von 500 bis 2800 Kilometern und einer Sprengwirkung von jeweils einer Megatonne TNT aufzustellen. Ingesamt sah er als Mindestzahl 655 solcher Raketensysteme an42. 41

42

Stellungnahme FüB II zum Vortrag des US-Verteidigungsminister McNamara am 14.12.1961, 8.2.1962, BA-MA, Nuclear History Program (NHP)-Dok. Nr. 85. Diese Lagebeurteilung war mit der Bedrohungsperzeption der NATO nahezu deckungsgleich. Allerdings brachte erst die Studie »Threat and Capability of the Soviet Bloc« (SG 161/26) der Ständigen Gruppe vom März 1966 eine Angleichung amerikanischer, britischer und französischer Auffassungen mit der deutschen. Tuschhoff, Deutschland, S. 112-130. Dazu grundlegend Hoppe, Zwischen Teilhabe und Mitsprache, und Maier, Die politische Kontrolle.

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Für Frankreich war eine Abkehr von der gültigen Strategie unannehmbar. Staatspräsident Charles de Gaulle sah sich in seiner Einschätzung bestätigt, Washington wolle für die Verteidigung Europas nicht die eigene Sicherheit aufs Spiel setzen. Sein überlieferter Ausspruch, kein amerikanischer Präsident werde Chicago für Lyon opfern, war Ausdruck dieser Zweifel an einer überzeugenden Risikoverteilung im Bündnis. Eine französische Streitmacht mit nuklearer Abschreckungskomponente erhielt somit ihre Daseinsberechtigung. De Gaulies Vorstellungen von einer neuen europäischen Ordnung der gestärkten Nationalstaaten unter Führung der Atommacht Frankreich widersprach in vielerlei Hinsicht dem Konzept der Atlantischen Partnerschaft der Kennedy-Administration. Die Weigerung Washingtons, in Nuklearfragen neben London auch mit Paris zu kooperieren, erschwerte zudem das bilaterale Verhältnis und führte zu einer Distanzierung Frankreichs vom Bündnis über den Rückzug der Mittelmeerund der Atlantikflotte in den Jahren 1959 und 1963 schließlich zum Austritt aus der militärischen Organisation der NATO 196643. Auch Großbritannien war von der Notwendigkeit einer eigenen Atomstreitmacht überzeugt und sah in der Überbetonung der konventionellen Streitkräfte ein Aufweichen der Abschreckung. Für die britischen Stabschefs war eine Verteidigung Westeuropas angesichts der bestehenden konventionellen Kräfte ohne Einsatz taktischer Nuklearwaffen kaum vorstellbar. Dennoch stand die Regierung in London dem neuen Strategieansatz positiv gegenüber und erzielte im britischamerikanischen Nassau-Abkommen vom Dezember 1962 einen diplomatischen Erfolg, indem neben der Lieferung von amerikanischen Polaris-Raketen eine engere Zusammenarbeit mit den USA in Nuklearfragen festgeschrieben wurde. Die Bundesregierung sah in dem Vorstoß McNamaras ein erhebliches Sicherheitsrisiko. Verteidigungsminister Franz Josef Strauß rechnete mit 40 einsatzbereiten Divisionen, davon 15 oder 16 deutsche, um gegen starke gepanzerte Kräfte aus dem Osten ansatzweise erfolgreich verteidigen zu können. Skepsis machte sich breit, Generalinspekteur Friedrich Foertsch wies Ende 1962 darauf hin: »dass die neue amerikanische Konzeption die Vorwärtsverteidigung gefährdet, da sie zu einem Abwehrkampf auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland mit unzureichenden Mitteln führen kann, gefährliche Spekulationen über ein kalkulierbares Risiko zulässt und der Bundesrepublik Deutschland eine übermäßig große Last an konventionellen Streitkräften auferlegt«44. Doch die damit verbundene Aufwertung der konventionellen Streitkräfte war Munition für die Gegner des Verteidigungsministers, der in ihren Augen den Abschreckungsgedanken überbetonte und in erster Linie die Luftwaffe unterstützte. Sein Ansatz eines nicht steuerbaren Atomkrieges, den er und Oberst Gerd Schmückle Ende Januar 1962 der Öffentlichkeit präsentierte, stellte nicht nur die Bedeutung des Heeres in Frage45. Vielmehr sahen sich zahlreiche Heeres43 44 45

Haftendorn, Kernwaffen, S. 11-22 und S. 209-222. Generalinspekteur an Minister, 21.12.1962, BA-MA, NHP-Dok.Nr. 116. Schmückle, Die Wandlung der Apokalypse, in: Christ und Welt, 26.1.1962. Siehe auch Strauß, Die Erinnerungen, S. 408-414.

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generale zur Bedeutungslosigkeit verdammt, wenn konventionelle oder eine »Sowohl als auch«-Kriegführung nicht mehr gefragt war. Nach Minister Strauß kämpften diese Herren noch immer um die »Höhe 305«, während der »Wandel der Apokalypse« in seinen Augen den Krieg an sich in Frage stellte. Dieser »nuklearen Kriegsverbotsschule« galt es vor allem im Führungsstab des Heeres entschieden entgegenzutreten, zumal sogar einige seiner Offiziere auf Ministerlinie lagen. General Heusinger als Vorsitzender des Ständigen Militärausschusses der NATO sah sich hingegen in seiner Grundüberzeugung bestätigt: »Die jetzige Entwicklung mit der staerkeren Betonung der Notwendigkeit konventioneller Streitkräfte hat mich mit einiger Genugtuung erfuellt, weil ich bereits seit dem Jahr 1956 fuer diese Idee immer wieder gekaempft habe und vielfach als voellig veraltet verschrieen wurde46.« Das Kriegsbild der Jahre 1962 bis 1966 war damit keineswegs mehr nur von der Vorstellung geprägt, ein zukünftiger Krieg wäre eine Auseinandersetzung mit allen Mitteln eines »allgemeinen Atomkrieges«, auch wenn sich aufgrund der gültigen Vorschriftenlage und zahlreicher NATO-Ubungen eine gewisse Mentalität des atomaren »Herumballerns« entwickelt hatte47. Oberst i.G. Ernst Golling, Leiter der Studiengruppe Heer an der Führungsakademie in Hamburg, hatte nach der Vorlage der TF 59 im August 1959 den Auftrag, die Führungsvorschrift für den Atomkrieg zu erstellen. Eine Besprechung mit Vertretern von FüH im Februar 1960 zeigte dem in der Frage des Atomwaffeneinsatzes eher zurückhaltenden Golling die Marschroute: »Keine Rücksichtnahme auf ethische GewissenszweifelHeimatliebe< und auf die Anzahl der A[tom-]Spr[eng-] Kföpfe]; die Steuerung der Gesamtmenge und der KT-Werte der einzusetzenden A[tom-]Spr[eng-]K[öpfe] liegt in der Freigabe durch die obere Führung«48. In der Vorbemerkung seiner neuen Führungsvorschrift stellte Golling deshalb auch klar, dass die Auffassungen des FüH über eine zukünftige Kriegführung der Landstreitkräfte den Rahmen für die Arbeit seiner Studiengruppe gesetzt hatten. Demnach musste von einem Bewegungskrieg ausgegangen werden, der von beiden Seiten mit mechanisierten Verbänden und mit Nuklearwaffen geführt worden wäre. Wenn ein Atomsprengkörper eingesetzt werden sollte, dann hatten alle Überlegungen des Truppenführers davon auszugehen und dessen Gefechtsplan völlig darauf aufzubauen. Allerdings wies Golling auch auf die Folgen des Einsatzes und auf die besondere Verantwortung des Truppenführers in der Frage des Einsatzes von Atomwaffen hin49. 46 47

48

49

Telgr Heusinger an Mueller-Hillebrand, 27.3.1962, BA-MA, Bw 2/20030e. Zeitzeugenbefragung General a.D. Franz-Joseph Schulze, Dezember 1992, zit. nach Gablik, Strategische Planungen, S. 205. Abschrift Aktenvermerk über die Besprechung vom 11.2.1960, Studiengruppe Heer, 20.2.1960, BA-MA, BH 1/4889. Dazu Werner von Scheven, Die Truppenführung - Zur Geschichte ihrer Vorschrift und zur Entwicklung ihrer Struktur von 1933 bis 1962, Hamburg 1969 (Jahresarbeit 11. GenstLehrgang). HDv 100/2, Führungsgrundsätze des Heeres für die atomare Kriegführung, April 1961, BA-MA, BHD 1. Diese Vorschrift wurde als die »Rote TF« bekannt, da sie im Gegensatz zu den sonstigen Vorschriften einen roten Einband hatte.

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Das neue Kriegsszenario ging von einer Auseinandersetzung »less than general war« aus, auf jedes Kriegsszenario sollte seit der Kubakrise im Oktober 1962 angemessen reagiert werden können, jede Krise beherrschbar sein. Die Übungsverläufe zeigten jedoch, dass allein die Masse der mechanisierten Truppen der Sowjets im Kriegsfall einen schnellen Einsatz der Atomwaffen der NATO-Streitkräfte notwendig machte50. Der Gedanke der angemessenen Reaktion setzte sich daher erst langsam durch. Auf der einen Seite zeigten zahlreiche NATO-Übungen, wie MAKE FAST VIII im Bereich NORTHAG, dass viele Bündnispartner, allen voran die Briten, die atomare Kampfführung auf deutschem Territorium ohne besondere Rücksicht auf Verluste im zivilen Bereich probten. Auf der anderen Seite waren es deutsche Generale wie Heinz Trettner, Adolf Heusinger und Ulrich de Maiziere, welche die Möglichkeit eines konventionellen Krieges in den Vordergrund rücken wollten oder zumindest gegen die Überbewertung der Atomwaffen eintraten. Allerdings darf dabei nicht übersehen werden, dass die Mehrzahl der deutschen Offiziere weiterhin von einer Verteidigung des NATO-Gebietes unter Einsatz taktischer Atomwaffen ausging51. Die HDv 100/1 vom Oktober 1962 nahm die Entwicklungen auf und vereinte die bis dahin getrennten Vorschriften über die konventionelle und die atomare Kriegführung. Weiterhin wurde in der Vorschrift von einem Einsatz von Atomwaffen ausgegangen. Doch bei genauer Lektüre musste der militärische Führer lesen, dass bei allen Vorzügen dieses »wichtigsten Kampfmittels« die »Möglichkeiten, Atomwaffen zu verwenden [...] nicht unbegrenzt« seien. Dem Truppenführer wurde nahegelegt, die Folgen des Einsatzes und das »doppelte Gesicht« der Atomwaffen bei seiner Entscheidungsfindung, wie diese Waffen eingesetzt werden sollen, zu berücksichtigen52. Vor der Deutschen Atlantischen Gesellschaft in Heidelberg trug Generalmajor Graf Baudissin 1962 zum Thema Kriegsbild vor. Er differenzierte dabei zwischen dem Kalten Krieg, dem subversiven Krieg, dem nicht-atomaren und dem atomaren Krieg. Allerdings stand auch für Baudissin der Einsatz von nuklearen Waffen dann fest, wenn die militärische Entscheidung gesucht würde. Der total-atomare Krieg führe hingegen zu Chaos und zum Ende der Kriegführung, denn »von da an herrscht Kirchhofsruhe«53. Die damit verbundene Vorstellung einer abgestuften Abschreckung, die seit den Athener Guidelines der NATO von 1962 mit der Unterscheidung zwischen einem nuklearen, einem konventionellen Großangriff und allen anderen Aggressionsformen, sollte innerhalb des Bündnisses mit der MC 100/1 zu einer Erneuerung des strategischen Konzeptes führen. In diesem Dokument wurden drei Phasen der Verteidigung definiert, die eine abgestufte Abschreckung und 50 51 52

53

Leiter FüH II, Bericht über die Übung HOSTAGE BRUN, 4.7.1962, BA-MA, BH 1/599. Gablik, Strategische Planungen, S. 189-207. HDv 100/1, Truppenführung, Oktober 1962, BA-MA, BHD 1, Nr. 23. Diese Formulierungen, die sich auf Golling zurückführen lassen, finden sich schon in der TF 60. Baudissin, Wolf Graf v., Das Kriegsbild, abgedruckt in der Beilage zu Heft 9/62, Information für die Truppe, 1962, S. 3 - 1 9 , hier S. 17.

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eine Flexibilisierung gegenüber den gültigen Strategiepapieren gebracht hätte: Eine erste, konventionelle Phase mit dem Ziel der Konfliktlösung ohne den Einsatz von Atomwaffen, eine zweite, die eine rasche Eskalation auch unter Einsatz von taktischen Atomwaffen beinhaltete, und eine dritte, die den Einsatz von strategischen Atomwaffen vorsah. Die MC 100/1 scheiterte jedoch 1963 am Widerstand der französischen Regierung, die nicht von der Strategie der Massiven Vergeltung abrücken wollte54. Trotz der Ablehnung forcierte Washington die Flexibilisierung der NATO-Strategie. Im Emergency Defense Plan (EDP) des SACEUR wurde 1963 bereits zwischen »general war« und »aggression less than general war« unterschieden und der letztere Fall zum wahrscheinlicheren erklärt. Auch die Einsatzregelungen für die nuklearen Gefechtsfeldwaffen wiesen in diese Richtung. Im Sommer 1964 beauftragte Verteidigungsminister Kai-Uwe von Hassel den Führungsstab der Bundeswehr, die strategischen Auffassungen der NATO-Partner mit den deutschen zu vergleichen. Im Ergebnis forderte der Führungsstab eine glaubwürdige Abschreckung, die dem Gegner ein unkalkulierbares Risiko auferlegte. Ohne grundsätzlich gegen eine Flexibilisierung zu sein, stellte er klar: »Deutschland hält einen frühzeitigen selektiven Einsatz nuklearer Gefechtsfeldwaffen für notwendig, wenn der eigene Abwehrraum ins Wanken gerät55.« Ein auf Europa begrenzter Krieg, in dem die NATO-Streitkräfte aufgrund der Uberbewertung der konventionellen Waffen und dem mit einer »Pause« verbundenen verspäteten Einsatz von Atomwaffen von den Streitkräften des Warschauer Paktes überrollt würden, war das Schreckensszenario der Mitarbeiter des Führungsstabes der Bundeswehr. Allein die mangelnde Breite und Tiefe des westeuropäischen Brückenkopfes der NATO lasse eine rein konventionelle Abwehr einer »major aggression« nicht zu. Eine »limited aggression« galt hingegen als wenig wahrscheinlich. Für das Heer bedeutete dieser Ansatz, dass der Kampf von Anfang an am Eisernen Vorhang aufgenommen werden musste. Zudem war die eigene Kampfführung der ständigen nuklearen Bedrohung anzupassen und auf einen raschen Ubergang zur nuklearen Kriegführung auszurichten. Die Atomwaffen wurden als organischer Bestandteil angesehen, sodass keine Trennung zwischen konventionellen und atomar ausgerüsteten Truppen erfolgen sollte. Zudem zwangen die geringe Tiefe Westeuropas, der schnelle Ablauf des Kampfgeschehens und die Gefahr der nuklearen Eskalation zu einer schnellen Kampfentscheidung. Diese Entscheidung war im Gegenangriff zu suchen, der mit aller Kraft geführt werden musste56. Weiterhin war die Sowohl-als-auch-Lösung gefragt. Allerdings waren die daraus abgeleiteten Forderungen an das Heer angesichts der sonstigen Rahmenbedingungen eher unrealistisch. Personelle und materielle Präsenz, hohe Beweglichkeit und große Feuerkraft, schnelle Reak54 55

56

Pedlow, The Evolution of NATO Strategy; Gablik, Strategische Planungen, S. 362-367. FüB III 1, Strategische Auffassungen der NATO-Partner und das deutsche strategische Konzept, 23.10.1964, BA-MA, Bw 2/1732. Ebd., Nr. 24. Aufgabe der Landstreitkräfte.

III. D i e k o n z e p t i o n e l l e E n t w i c k l u n g e i n e r Teilstreitkraft 1 9 5 5 b i s 1 9 7 0

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tionsfähigkeit und ausreichende Überlebensfähigkeit lösten in der Truppe eher Kopfschütteln aus. Konsens war, dass ein längere konventionelle Vorwärtsverteidigung in Mitteleuropa nicht möglich war. Im Juli 1965 legte Brigadegeneral Bernd Freiherr Frey tag von Loringhoven den Entwurf der »Führungsweisung Nr. 1. Deutsche Auffassung zum strategischen Konzept der NATO« vor. Im Gegensatz zu den Vorgängerdokumenten ging der Führungsstab der Bundeswehr in dieser Weisung in erster Linie von einem allgemeinen konventionellen oder von einem begrenzten konventionellen Krieg aus. Im Gegensatz zu den gültigen NATO-Strategiepapieren sprach die Weisung eine deutliche Sprache: »Abgestufte Abschreckung« und die daraus resultierende Strategie der »flexiblen Reaktion« müssen das strategische Konzept der NATO bestimmen57.« Der durchaus vorstellbare notwendige frühzeitige Einsatz taktischer Nuklearwaffen sollte für den Gegner nicht kalkulierbar sein. Für die eigene Gefechtsführung wurde festgelegt, dass der Angriff eines gegnerischen Regimentes in geschlossener Kampfformation eine örtliche feindselige Handlung (hostile local action) sei. Wäre das Regiment durch Luftlandungen verstärkt worden, wäre die Grenze zur Aggression unterhalb des Allgemeinen Krieges bereits überschritten gewesen. Bei dieser niedrig angelegten nuklearen Schwelle lag der Schwerpunkt erneut auf der nuklearen Abschreckung. Dieser Ansatz war auch dem Versuch geschuldet, Frankreich in der Militärorganisation der NATO zu halten. Indirekt forderte die Weisung ein starkes und präsentes, sofort einsatzbereites Heer, welches sowohl konventionell als auch atomar kämpfen konnte. Doch zu dieser Zeit zeichnete sich für das Heer aufgrund finanzieller und personeller Engpässe eher die Mobilmachungsabhängigkeit ab. Die amerikanischen Militärs hingegen wollten so starke und präsente Streitkräfte in Westeuropa, dass ein konventioneller Angriff der Sowjetunion allein mit konventionellen Waffen abgewehrt werden konnte. Dementsprechend ambitioniert fielen die Streitkräfteforderungen des SACEUR, General Lyman L. Lemnitzer, im Sommer 1965 aus58. Generalinspekteur Heinz Trettner war nun bereit, von der nuklearen Betonung der neuesten Weisung abzugehen. Das neue Kriegsbild unterschied sich vor allem durch die Erweiterung der Erscheinungsformen des Krieges um den »begrenzten Krieg« und den »verdeckten Kampf« als eine besondere Form der militärischen Auseinandersetzung. In einem Vortrag vor den Kommandeuren im Juni 1966 führte der Generalinspekteur aus, dass der Allgemeine Krieg zwar die gefährlichste Form der Auseinandersetzung sei, nicht jedoch die wahrscheinlichste. Am wahrscheinlichsten war aber der Begrenzte Krieg, der allerdings für Deutschland mindestens genauso verlustreich enden konnte wie ein Atomkrieg. Kritisch setzte sich General Trettner mit den amerikanischen und französischen Vorstellungen auseinander. Beide Seiten gingen ihm in ihrer konse57

58

FüB III, Führungsweisung Nr. 1. Deutsche Auffassung zum strategischen Konzept der NATO, 21.7.1965, BA-MA, NHP-Dok.Nr. 159. Zu Lemnitzer als SACEUR siehe Binder, Lemnitzer, S. 312-338.

mm" Bundeskanzler Ludwig Erhard (r.) besucht die Heeresunteroffizierschuie: Kai-Uwe von Hassel (m.), Bundesminister der Verteidigung, Generalleutnant Ulrich de Maiziere (I.). Bundesregierung/Egon steiner

Generalleutnant Ulrich de Maiziere erlässt 1966 die Führungsrichtlinien für den Einsatz von Atomwaffen. Deutsche Kommandeure sind demnach aufgefordert, taktische Atomwaffen auch bei Übungen »maßvoll« einzusetzen. WTS/BWB

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quenten Art zu weit. Die Haltung de Gaulies, aufgrund der Kampfhandlungen auf deutschem Boden den Einsatz der Force de frappe zu entscheiden, war für den Generalinspekteur sehr bedenklich. Trettner betonte die Bedeutung der Abschreckung, musste aber auch zugeben, dass die amerikanische Auffassung, die bestehenden NATO-Streitkräfte könnten einen größeren sowjetischen Angriff konventionell abwehren, nicht realistisch sei. Der frühzeitige Einsatz einzelner Atomwaffen war für ihn dann notwendig, wenn die Abschreckung versagen sollte. Einen Masseneinsatz lehnte er hingegen schlichtweg ab. Der Generalinspekteur sah deshalb auch die Notwendigkeit, das Augenmerk vermehrt auf die konventionellen Streitkräfte zu werfen, um eine glaubhafte und vor allem lückenlose Abschreckung zu erzielen59. Heeresinspekteur de Maiziere sah sich wenig später veranlasst, Führungsrichtlinien für den Einsatz von Atomwaffen für den nationalen Bereich zu erlassen. Mit diesem Dokument, das er rückblickend für seine wohl bedeutungsvollste und weitreichendste Weisung ansah, versuchte er die nationalen Befehlshaber nach Rücksprache mit dem NATO-Oberbefehlshaber Landstreitkräfte Europa-Mitte (COMLANDCENT) General Graf Kielmansegg auf einen verantwortungsbewussten und restriktiven Umgang mit Atomwaffen einzuschwören60. Zwar sah de Maiziere weiterhin die Notwendigkeit frühzeitiger Atomwaffeneinsätze, um bei einem großangelegten Feindangriff den EDPAuftrag des Heeres erfüllen zu können. Jedoch bedeutete ein Versagen der glaubhaften und lückenlosen Abschreckung unvorstellbare Zerstörungen auf deutschem Territorium. Deshalb forderte er von seinen Kommandeuren: »Bei dem Einsatz von Atomwaffen sind die Auswirkungen auf die Bevölkerung und im Hinblick auf Erhaltung des eigenen Landes besonders zu beachten [...] Durch die richtige Wahl des Ortes, der Art und Zeit des Einsatzes kann oft sowohl den militärischen Erfordernissen als auch der gebotenen Rücksichtnahme entsprochen werden61.« Besonders die Einschränkungen für den Einsatz von Atomic Demolition Means (ADM) ließen aufhorchen. Entgegen den Alarmplänen der NATO sollte auf spezielle ADM-Sperrpläne verzichtet werden. Das Kriegsbild, das sich in diesen Führungsrichtlinien widerspiegelte, brachte die deutschen Kommandeure in eine schwierige Lage. Befolgten sie die NATO-Einsatzbefehle, riskierten sie eine Abwehrschlacht mit taktischen Atomwaffen, die auch die Substanz der Bundesrepublik zerstört hätte. Berücksichtigten sie die nationalen Führungsrichtlinien, riskierten sie, vom Gegner überrannt zu werden. Kurz nach der Amtsübernahme als Generalinspekteur beriet sich General de Maiziere mit den höchsten Militärs in der Strategiefrage. Angesichts der rund 7000 Nuklear-Gefechtsfeldköpfe der Amerikaner in Europa musste eine Lösung 59

60

61

FüS VII, Kriegsbild und Strategisches Konzept aus deutscher Sicht. Vortrag des Generalinspekteurs der Bundeswehr General Trettner anlässlich der 12. Kommandeur-Tagung der Bundeswehr am 28. Juni 1966, BA-MA, BL 1/4926. Führungsrichtlinien für den Einsatz von Atomwaffen (de Maiziere), 18.7.1966, BA-MA, BH 2/160. Ebd., S. 9.

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Mimm

Die Aufrüstung 1967

Westblock Interkontinentalraketen Seegestützte Raketen Mittelstreckenraketen

g 2 4 Polaris auf Atom-U-Booten

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Die Anzahl der bis nach Polen reichenden Pershing-Raketen in der Bundesrepublik ist unbekannt

Langstrecken- 595 bomber Mittelstrecken- 222 bomber Atom-U-Boote 70 konventionelle 195 U-Boote Flugzeugträger 22 Kreuzer

Ostblock

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Kurzstreckenraketen auf Atom-U-Booten

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Zerstörer, Fregatten, Geleitschiffe

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Warschauer Pakt 2,88 Mio

Quelle: Londoner Institut für Strategische Studien, Anfang 1967.

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gefunden werden. Mit der Betonung, die konventionellen Streitkräfte bei einem Angriff so lange wie möglich einzusetzen, reichten die deutschen Militärs ihren amerikanischen Kameraden die Hand. Taktische Nuklearwaffen sollten darüber hinaus bei Bedarf selektiv eingesetzt werden, wobei die Unterscheidung zwischen taktischen und strategischen Atomwaffen angesichts der Enge des europäischen Raumes aufgegeben wurde. Einen Angriff von vier bis sechs feindlichen Divisionen statt wie bisher eines Regiments wollte man ohne den Einsatz von Atomwaffen meistern. Dies war auch für die amerikanische Seite annehmbar. Mit der Führungsweisung Nr. 1 vom Januar 1967 hatte FüS,. vormals FüB, die Flexible Response als einzig mögliche und denkbare Strategie angenommen62. Eine möglichst ausgedehnte konventionelle Anfangsphase und die abgestufte und in allen Lagen beherrschbare Eskalation waren das Credo. Ein Jahr später verabschiedete die NATO mit der MC 14/3 die neue Strategie. Die Herausforderung der neuen gemeinsamen Strategie lag in der Umsetzung in einen neuen EDP. Angesichts der mangelnden konventionellen Streitkräfte in Europa und angesichts des Festhaltens an der Vorneverteidigung war dies für die kommenden Jahre keine leichte Aufgabe. Insgesamt zeigte sich, dass die Heere im Atomzeitalter völlig andere aussahen, als die im Zeitalter der Weltkriege. Das Gefecht der verbundenen Waffen 62

FüS III, Deutsches Strategisches Konzept. Führungsweisung Nr. Bw 1/471.

26.1.1967, BA-MA,

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unter atomaren Bedingungen oder zumindest unter atomarer Bedrohung erforderte in erster Linie die dafür geeigneten Verbände. Konkrete Auswirkungen, wie zum Beispiel der Bedeutungszuwachs für Aufklärungsergebnisse der Panzeraufklärungstruppe für den gezielten und wirkungsvollen Einsatz von taktischen Atomwaffen, lassen sich für fast alle Truppengattungen nachweisen. Die Verbände und Einheiten hatten sich ebenfalls auf die unterschiedlichen Kriegsbilder einzustellen und mussten in der Lage sein, die Aufträge der NATO zu erfüllen. Insgesamt hatte der Wandel des Kriegsbildes für das deutsche Heer erhebliche Auswirkungen, die durch die damit verbundenen veränderten Verteidigungsplanungen der NATO im betrachteten Zeitraum noch verstärkt wurden.

b) Die Verteidigungsplanungen der NATO und der Auftrag des deutschen Heeres Die Verteidigung der Meere und der Flanken Mitteleuropas Der militärische Aufbau der NATO gibt Auskunft über den umfassenden Ansatz der Allianz zur Verteidigung des Bündnisgebietes. Neben dem hier näher betrachteten Alliierten Befehlsbereich Europa (ACE) zeigen die Befehlsbereiche Atlantik und Ärmelkanal sowie die kanadisch-amerikanische regionale Planungsgruppe den maritimen Schwerpunkt des Bündnisses. Die Wasserstraßen der Welt waren trotz der modernen Luft- und Landwege die entscheidenden Handelsverbindungen für die Masse der Güter, Rohstoffe, Fertigwaren und vor allem des Öls. Der Nordatlantik war aufgrund der wichtigen Seeverbindungen zwischen den USA/Kanada und den übrigen Bündnispartnern auf dem Kontinent ebenso von strategischer Bedeutung wie der Ärmelkanal und die Nordsee. In sämtlichen Strategiepapieren der NATO wurde deshalb die Sicherheit dieser Schifffahrtswege und die Sicherstellung der Operationsfreiheit für maritime Einsatzverbände als lebenswichtig für das Bündnis definiert. Auch die in diesem Seeraum befindlichen oder daran angrenzenden Stützpunktgebiete mussten angesichts der wenigen Seestützpunkte der Sowjetunion unbedingt verteidigt werden. Aufgaben des 1952 eingerichteten Kommandobereiches SACLANT für den Kriegsfall waren demnach Erlangung und Erhaltung der Kontrolle über den Seeraum und seiner See- und Luftverbindungswege, darüber hinaus die Verteidigung des Hoheitsgebietes der NATO und der Bündnispartner sowie der wesentlichen, in diesem Seeraum befindlichen oder daran angrenzenden Stützpunktgebiete und schließlich der Einsatz der verfügbaren Seestreitkräfte zur Umsetzung der Gesamtstrategie63. Wichtige Stützpunktgebiete waren die Azoren, Madeira, die Bermudas, Grönland, Island, die FäröerInseln, Spitzbergen, die Jan-Mayen-Inseln und nicht zuletzt FranzösischAlgerien, Portugal und Großbritannien. Anfang 1960 waren 2000 strategische Bomber des Westens auf diese Stützpunkte angewiesen, um ihre Atomwaffen 63

MC 14/1 (Final), 9.12.1952, S. 29, in: NATO Strategy Documents, S. 224.

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neben den wassergestützten Nuklearwaffenträgern und den Interkontinentalraketen einsetzen zu können. Den Vereinigten Staaten und der NATO gelang so der Aufbau einer äußeren Stützpunktlinie, die den Ostblock umschloss. Im Osten der Sowjetunion (und Chinas) bestand das Stützpunktsystem der USA aus Japan, den Philippinen und Süd-Korea. Die amerikanische Pazifikflotte bildete das Rückgrad dieses Systems. Im Westen trugen Westeuropa, Nordafrika und die Türkei das System, ebenso die Mittelmeerflotte der USA. Schließlich ergänzten die Stützpunktgruppe in Grönland und Alaska mit der amerikanischen Atlantikflotte und die Stützpunkte im Vorderen Orient, Ceylon und Singapur die äußere Linie. Diese Stützpunktpolitik der USA verdeutlicht ebenfalls die Bedeutung der offenen Seewege für den Westen. Zu Beginn der 1950er Jahre stellte die sowjetische U-Bootflotte die größte nationale Flotte dieser Art dar, während die Überwasserflotte der UdSSR eher schwach war. Um die transatlantischen Verbindungswege zu schützen und wichtige Stützpunkte der Allianz zu halten, war daher im Kriegsfall vorerst die Zerstörung von feindlichen U-Booten die wichtigste Aufgabe der NATOSeestreitkräfte. Anfang 1960 ging der Westen von rund 500 sowjetischen U-Booten aus, denen nur 120 alliierte U-Boote gegenüberstanden. Einen Ausgleich stellte die westliche Überlegenheit bei den Flugzeugträgern dar. Rund 100 Flugzeugträger hätte demnach der Westen mobilisieren können, während Moskau und seine Satelliten keinen Flugzeugträger in Diensten hatten. Das beeindruckende sowjetische Flottenbauprogramm des Großadmirals Sergej G. Gorckov sollte nicht nur diese Lücke schließen, sondern auch die Seemacht USA herausfordern. Allerdings dürfen die maritimen Ambitionen Moskaus nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Schwerpunkt sowjetischer strategischer Überlegungen weiterhin auf den Landoperationen lag. Die Landstreitkräfte blieben die bedeutendste Teilstreitkraft der UdSSR und des Warschauer Paktes, auch wenn zeitweilig den Strategischen Raketentruppen eine Hauptrolle zukam. Trotz der von Nikita S. Chruscev veranlassten Truppenreduzierungen verfügten die sowjetischen Landstreitkräfte in den 1960er Jahren zwischen 2 und 2,5 Millionen Soldaten in 160 bis 138 Divisionen64. Allein in der DDR waren 1962 rund 350 000 sowjetische Soldaten in 20 Divisionen stationiert. Zusätzliche Divisionen wären im Kriegsfall über je sieben Haupteisenbahnstrecken und Autobahntrassen rasch aus dem Osten nachgeführt worden. Rund 250 einsatzbereite Reservedivisionen hätten dazu innerhalb von drei Monaten aufgestellt werden können. Nordamerika war Hauptbasis für die strategischen Nuklearstreitkräfte der NATO, die als »ultimate deterrent« angesehen wurden. Weiterhin galt Nordamerika im Kriegsfall als die logistische Basis des Bündnisses. Da diese Region nicht in den Verantwortungsbereich eines NATO-Oberkommandos fiel, mussten die Verteidigungsplanungen mit den Regierungen in Washington und Ottawa angestimmt werden. Im Schwerpunkt der Planungen standen vor allem die Luftverteidigung des Kontinents und der Kampf gegen die sowjetische 64

Glantz, The Military Strategy of the Soviet Union, S. 191.

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U-Boot-Flotte, nachdem Moskau die Entwicklung moderner Interkontinentalbomber und weitreichender U-Boote vorangetrieben hatte. Der direkten Bedrohung mit Wasserstoffbomben, U-Boot-gestützten Flugkörpern und später Interkontinentalraketen wurde ein Netz aus Frühwarn- und Abfangsystemen entgegengesetzt. Gegen Luftziele wurde zum Beispiel die »Distant Early Warning Line« in der kanadischen Arktis und die Mittel-Kanada-Linie eingerichtet, die sich aus verschiedenen Radaranlagen und den dazugehörigen Abfangjägern und Flugabwehrraketensystemen zusammensetzten. Zudem wurden wichtige militärische Einrichtungen durch Nächstbereichs-Flugkörpersysteme gesichert. Radarwarnschiffe und Radarluftfahrzeuge der US-Marine, so genannte Pickets, sollten schließlich die übrigen Lücken abdecken65. Zur Bekämpfung der sowjetischen U-Boote wurde bereits Anfang der 1950er Jahre das Sperr-Verfahren durchgeführt. U-Jagdschiffe und Patrouillenboote und -flugzeuge wurden in mehreren auseinandergezogenen Postenlinien im Ozean eingesetzt. Jeder U-Boot-Bekämpfungseinheit wurde eine bestimmte »Box« zugewiesen, in der im Kriegsfall ein die Sperre passierendes U-Boot zu identifizieren und zu bekämpfen war. Hauptsächlich akustische Überwachungssysteme (Sound Surveillance Systems-SOSUS) wie das amerikanische Tiefwassersystem CAESAR mit einer Reichweite von 1000 Meilen sollten die Sperren zu unüberwindlichen Hindernissen für eindringende Feind-U-Boote machen. 1958 wurde die langgezogene Atlantikküste Nordamerikas durch zwölf CAESAR-Stationen mit den dazugehörigen offensiven Marine-Unterstützungsverbänden abgeschirmt. Die Pazifikküste wurde durch zahlreiche Stationen auf Hawaii, in Alaska und entlang der Westküste der USA abgedeckt. Unterstützt wurde die Marine dabei durch die Seeraumüberwachung der Luftwaffe. In seinem Vortrag vor dem Verteidigungsausschuss und dem Ausschuss für Auswärtige Angelegenheiten des deutschen Bundestages im April 1959 betonte der Oberste Alliierte Befehlshaber Atlantik (SACLANT), US-Admiral Jerauld Wright, die Bedeutung des atlantischen Seebereiches für die NATO66. Bis auf Luxemburg besaßen alle Mitgliedstaaten der Allianz eine Meeresküste und waren sowohl im Frieden als auch zu Kriegszeiten auf freie Seeverbindungen angewiesen. Der Suez-Konflikt 1956 zeigte erneut, was der Verlust eines wichtigen Wasserweges für die westliche Welt bedeuten konnte und wie wenig im Gegensatz dazu die sowjetische Wirtschaft davon betroffen war. Nicht allein deshalb war die sowjetische U-Boot-Flotte im betrachteten Zeitraum zur größten und die Gesamtflotte zur zweitgrößten der Welt angewachsen. Dabei lagen sämtliche Marinestreitkräfte, die den NATO-Befehlsbereich Atlantik bedrohten, im nördlichen Teil der Sowjetunion oder im Bereich der Ostsee. Um den Atlantischen Ozean zu erreichen, bot sich der Ärmelkanal oder die Durchfahrt zwischen Schottland und Island an. Die Verteidigung des Belts oder der dänischen 65

66

Maloney, Into the Deep Freeze, S. 51 f. Allgemein zur NATO-Luftverteidigung siehe Krüger, NADGE. Stenograph. Protokoll der gemeinsamen Sitzung vom 22.4.1959, BA-MA, Bw 1/54949.

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Meerengen oblag dem NATO-Oberbefehlshaber Europa, während SACLANT die Verteidigung der isländischen Passage sicherzustellen hatte. Auch in diesem Bereich wurde ein Frühwarnsystem gegen sowjetische U-Boote und Flugzeuge installiert, welches aus Radaranlagen, Frühwarnschiffen und Flugzeugen zur Abdeckung möglicher Lücken bestand. Im Kampf gegen die sowjetische U-Boot-Gefahr ergaben sich für SACLANT drei Aufträge: - Angriffe gegen die sowjetischen U-Boot-Stützpunkte zu führen - Verhindern eines Eindringens von sowjetischen U-Booten in den Atlantik - Vernichten der eingedrungenen U-Boote, bevor diese sich Nordamerika auf Einsatzreichweite ihrer Lenkflugkörper nähern konnten. Zur Durchführung des ersten Auftrages kam dem Einsatz nuklearer Waffen große Bedeutung zu. Dabei wurde die gesamte Bandbreite von Flugzeugen auf See über Raketen von Land und See eingeplant, um die sowjetische Marine zu treffen. Zur Durchführung der beiden letzen Aufträge sollten drei Verteidigungszonen eingerichtet werden. Die sogenannte »Verweigerungszone« erstreckte sich vor der Küste über 200 Meilen und grenzte an die »Innere und Äußere Kampfzone«, in denen Sperrverbände operierten. Die »Schildstreitkräfte« SACLANT waren dabei vor allem die U-Jagdmittel. Mit diesen sollten auch die Konvois und die allgemeine Schiffahrt im Kriege abgesichert werden. Die Verteidigung der dänischen Meerenge war auch für den NATOOberbefehlshaber Atlantik von entscheidender Bedeutung. Die Kontrolle der Ostsee bot die Möglichkeit, die nördliche Flanke Europas abzuschirmen und gleichzeitig nahe an das sowjetische Kernland zu gelangen. Daraus erwuchsen die Aufträge der Bundesmarine, die gemeinsam mit dänischen Seestreitkräften gegnerische Landungsabsichten und den Durchbruch von Seestreitkräften durch Sund und Belte vereiteln sollten. Darüber hinaus waren in der Nordsee gemeinsam mit den verbündeten Marinen der eigene Nachschub und die Häfen zu sichern 67 . Die »vergessenen Flanken«68 Der Alliierte Befehlsbereich Europa erstreckte sich von der Nordspitze Norwegens bis nach Südeuropa, einschließlich des gesamten Mittelmeeres, und von der Atlantikküste bis zur Ostgrenze der Türkei. Der Bereich umfasste eine Fläche von fast zwei Millionen Quadratkilometer Land und über drei Millionen Quadratkilometer Meer sowie eine Bevölkerung von rund 320 Millionen. Der Oberste Alliierte Befehlshaber Europa (SACEUR), der im Kriegsfalle alle Operationen zu Lande, zur See und in der Luft befehligt hätte, konnte auf drei unterstellte Kommandobehörden zurückgreifen. Der Schwerpunkt lag beim Oberbefehlshaber Alliierte Streitkräfte Mitteleuropa (CINCENT) mit den beiden

67 68

Grundlegend Sander-Nagashima, Die Bundesmarine. Tamnes, Defense of the Northern Flank, S. 177.

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Heeresgruppen Nord und Mitte unter dem Kommando vom Oberbefehlshaber der Alliierten Landstreitkräfte Europa-Mitte (COMLANDCENT) und den Alliierten Luftstreitkräften Europa-Mitte (mit 2. und 4. ATAF) unter dem Kommando des Oberbefehlshabers der Alliierten Luftstreitkräfte Europa-Mitte (COMAIRCENT). Eine Verteidigung der Rhein-Ijssel-Linie konnte nicht im Interesse der skandinavischen Bündnisstaaten Dänemark und Norwegen sein. Vielmehr wurde der Schutz der besonders gefährdeten Ostseeausgänge gefordert. Dieser Forderung entsprach die NATO im Frühjahr 1951 durch ein neues Kommando Allied Forces Northern Europe (AFNORTH) in Oslo. Ein britischer Oberbefehlshaber kommandierte dänische, britische und bis 1953 norwegische Verbände, die auf Jütland und in Schleswig-Holstein stationiert waren. Das Problem der Grenzziehung zwischen AFCENT und AFNORTH entlang der Linie Hamburg-Lübeck wurde nach zähem Ringen im Sommer 1962 durch ein neues, teilstreitkraftübergreifendes, NATO-Kommando Ostseeausgänge BALTAP gelöst, welches zum Bereich AFNORTH gehörte69. Allerdings blieb diese strategisch wichtige Region angesichts der wenigen einsatzbereiten Verbände und angesichts der schwierigen deutsch-dänischen Zusammenarbeit eine bedrohte Flanke. In zahlreichen NATO-Übungen zeigte sich die Bedrohung durch einen schnellen Vorstoß feindlicher Verbände auf Hamburg und der damit verbundenen Trennung Schleswig-Holsteins vom Gefechtsfeld Norddeutschland. Ungelöst blieb die Versorgungsfrage und die notwendige Evakuierung der deutschen Bevölkerung über die dänische Grenze. Dänische Vorbehalte gegen deutsche Truppen, ja selbst deutsche Depots in Jütland und an der dänischen Küste erschwerten die Verhandlungen ebenso wie die Weigerung Dänemarks und Norwegens, einer Stationierung nuklearer Waffensysteme zuzustimmen. Die Trägerflotte von SACLANT sollte diese Lücke füllen, dennoch war nach deutschen Vorstellungen eine Vorneverteidigung unter diesen Umständen kaum durchzuführen. Statt der Verteidigung am Elbe-Trave-Kanal zeigten NATO-Übungen wie HOLD FAST, dass angesichts der schwachen eigenen Kräfte erst zwischen Eider und Schlei verteidigt werden konnte und damit im Kriegsfall der gesamte Süden Schleswig-Holsteins mehr oder weniger kampflos verloren gegangen wäre70. Die deutschen Militärs bewerteten dies als untragbar und hatten Grund zu der Annahme, dass Kopenhagen die eigenen Verbände bewusst zurückhielt, um wenigstens das dänische Territorium verteidigen zu können. Auch der Oberbefehlshaber AFNORTH sah aufgrund der Bedrohung Jütlands durch Luftlandekräfte und amphibische Landungsunternehmen die dänischen Truppen nördlich der Schlei besser aufgehoben, auch wenn er sich grundsätzlich den 69 70

Thoß, NATO-Strategie, S. 259-275. Kurzbericht COMLANDSCHLESWIG-HOLSTEIN zur Übung HOLD FAST, 4.10.1960, BA-MA, Bw 2/2622 und Bemerkungen Generalmajor Munzel 17.10.1960, BA-MA, Ν 447/82.

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Vorstellungen der deutschen Kommandeure anschloss. Immer wieder wurde in diesem Zusammenhang die Frage gestellt, ob der Verlust Hamburgs und weiter Teile Schleswig-Holsteins in einem begrenzten Konflikt den Einsatz von Atomwaffen rechtfertige. Angesichts der fehlenden Truppen war der Spielraum eng begrenzt. Deutsche Pläne, das Gebiet südlich der Schlei notgedrungen nur mit deutschen Verbänden zu verteidigen, waren aus demselben Grund unrealistisch. Der angedachte Ausbau der vorhandenen Truppen zu einem eigenständigen Korps unter Rückgriff auf Truppen des Wehrbereiches I oder die angedachte Aufstellung einer grenznahen »Landeswehr« blieben Papierlösungen. Heeresinspekteur de Maiziere musste 1965 feststellen, dass die dänische JütlandDivision als Verstärkung der deutschen Verbände für die Vorneverteidigung am Elbe-Trave-Kanal nicht zur Verfügung stand. Zudem war auch nicht an die Aufstellung einer zweiten Division zur Verteidigung Schleswig-Holsteins zu denken71. Eine zusätzliche deutsche Brigade war bereits das maximal Mögliche. Die Sicherung der dänischen Meerengen musste so durch die beiden anderen Teilstreitkräfte erfolgen, eine erfolgreiche Verteidigung der jütländischen Halbinsel durch NATO-Landstreitkräfte blieb zumindest bis Ende der 1960er Jahre eher fraglich. Noch schwieriger als das Problem der Nordflanke gestaltete sich das der Südflanke. Die Neutralität der Schweiz und Österreichs verhinderten eine gemeinsame Operationsplanung mit der NATO. Zwar konnten die Bündnisstaaten von einer »wohlwollenden Neutralität« der beiden Alpenrepubliken ausgehen, doch eine militärische Kooperation war wohl erst im Kriegsfalle möglich. Bis dahin trennten die beiden Staaten die NATO-Kommandobereiche AFCENT und AFSOUTH und verhinderten so eine zusammenhängende Verteidigungsplanung innerhalb der Allianz. Tröstlich war die bewaffnete Neutralität, denn sowohl die schweizerische Armee als auch das österreichische Bundesheer wurden hinsichtlich ihrer Kampfkraft und ihrer Fähigkeit, einen Angreifer nachhaltig zu verzögern, durchaus ernst genommen. Im betrachteten Zeitraum hingegen war das Bundesheer ebenso wie die Bundeswehr im Aufbau befindlich, Osterreich konnte so angesichts der gewaltigen Überlegenheit der Verbände des Warschauer Paktes leicht zum Aufmarschgebiet für Angriffsoperationen nach Süddeutschland oder in den Mittelmeerraum hinein werden72. Eine erste Reaktion der NATO und der amerikanischen Stabschefs (JCS) nach Abschluss des österreichischen Staatsvertrages im Frühjahr 1955 war die Verlegung der amerikanischen Truppen von Österreich nach Norditalien und deren Zusammenfassung zu einem modernen, mit taktischen Nuklearwaffen ausgerüsteten Einsatz verband. Diese Southern European Task Force (SETAF) sollte von Norditalien aus die Zugänge in die PoEbene gegen angreifende Truppen aus den Räumen Villach und Ljubljana si71

72

Schreiben de Maiziere an Deputy COMBALTAP von Hobe, 30.3.1965, BA-MA, Bw 3/3, zit. nach Thoß, NATO-Strategie, S. 275. Schild ohne Schwert, hier vor allem Heller, S. 69-86.

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ehern und die italienischen NATO-Verbände im Kampf um die Alpenübergänge verstärken. Unterstützt wurde die SETAF durch die 6. (US) Flotte im Mittelmeer, die atomare Feuerunterstützung im Bereich AFSOUTH leisten konnte. Dennoch blieb die Bedrohung der süddeutschen und der norditalienischen Flanken greifbar. Der mit amerikanischer Rüstungshilfe forcierte Aufbau des Bundesheeres konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die neue österreichische Armee höchstens zu zeitlich befristeten Verzögerungsgefechten gegen einen panzerstarken Angreifer in der Lage war, ehe ein Ausweichen in die Alpen zwischen Salzburg und Kärnten notwendig geworden wäre. AFSOUTH sollte deshalb einem Feind das Eindringen nach Nordostitalien verwehren und damit die Südflanke von CENTAG sichern. Bei Verletzung der österreichischen Neutralität durch sowjetische Truppen war eine sofortige gemeinsame Grenze zwischen CENTAG und LANDSOUTH vorgesehen. Die NATO reagierte 1960 mit dem geplanten Einsatz des SAVOIARegiments (AFSOUTH), welches nach Verletzung der Neutralität Österreichs entlang des Inntals bis Innsbruck vorzugehen hatte, um Feindkräfte im Inntal mit Angriffsrichtung Italien zu verzögern 73 . Doch auch diese Maßnahme löste nicht das Flanken-Problem des II. deutschen Korps zwischen Alpen und Donau. Angesichts der zögerlichen Haltung Frankreichs, die für diesen Raum verantwortliche französische 1. Armee bereits an der Iiier und nicht erst auf der Höhe des Schwarzwaldes verteidigen zu lassen, drohte die 1. Gebirgsdivision rasch in die Alpen abgedrängt zu werden. Dann wäre ganz Südbayern ungedeckt gewesen. Ziel der deutschen Militärplaner war es deshalb, die 4. Panzergrenadierdivision und die 1. Gebirgsdivision der 1. französischen Armee zu unterstellen, um darin bereits am Lech verteidigen zu können. Eine Vorverlegung zweier französischer Divisionen wurde von Paris angekündigt, jedoch nie realisiert. Abgesehen von den taktischen Nuklearwaffen der 7. (US) Army und der im Aufbau befindlichen deutschen Divisionen des II. Korps sah es in Südbayern nicht sehr gut aus. Im Sommer 1964 stellte General de Maiziere diesbezüglich fest, dass der Raum südlich der Donau praktisch frei sei und selbst die Aufklärung nicht ohne weiteres sichergestellt war 74 . Diese Lage wurde nach dem Austritt Frankreichs aus der militärischen Bündnisorganisation und nach dem Einmarsch sowjetischer Truppen in die CSSR nicht besser. Französische Truppen, wie noch in den 1950er Jahren geplant, standen nicht mehr zur Verfügung. Auch bei einer Assignierung im Kriegsfalle wären diese Verbände zu spät einsatzbereit, um sie im Kampf um Südbayern verwenden zu können. Angedachte Alternativlösungen, wie die REFORGER-Division oder die kanadische Kampfgruppe zur Verstärkung der deutschen Verbände einzusetzen, waren ebenso problematisch. Diese Reserven dem amerikanischen Oberbefehlshaber in Heidelberg oder dem britischen Ober-

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CENTAG EDP 1 - 6 0 , NATO, SHAPE (Möns), 35mm, Ρ 05 R 144, L - 0 2 8 . Allgemein zur Rolle AFSOUTH Graf Kielmansegg und das neapolitanische Kreuz, Artikelserie in »Die Welt«, Nr. 130-133, Juni 1969, BA-MA, Ν 626/106 (NL Kielmansegg). Tagebuch de Maiziere, 26.8.1964, BA-MA, Ν 673/32 (NL de Maiziere).

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befehlshaber in Mönchengladbach abzutrotzen war angesichts der Kräfteverteilung wenig realistisch. Einzig der großräumige Einsatz deutscher Reserven versprach Aussicht auf Erfolg. Doch hierbei stellte sich die Frage, welche Reserveverbände zeitgerecht für welche Aufträge zur Verfügung standen. Die Frage der Sicherung der deutsch-österreichischen Grenze blieb auch nach der Aufstellung ausreichender deutscher Streitkräfte ungelöst. Die Südflanke beeinträchtigte im betrachteten Zeitraum ebenso wie die Nordflanke eine zusammenhängende Verteidigungsplanung der NATO. Berlin Wie ein Stachel im Fleisch des sowjetischen Einflussbereiches in Europa muteten die drei Westsektoren von Berlin seit Juni 1945 an. Nicht erst mit der Blockade der Zugangswege im Jahre 1948 signalisierte Moskau den Anspruch der Supermacht, ganz Berlin als Teil der sowjetischen Besatzungszone anzusehen. Die Westalliierten pochten hingegen auf die gemeinsame Berliner Erklärung der Siegermächte und auf die Konferenzergebnisse von Jalta und Potsdam. Angesichts des sich verschärfenden Kalten Krieges war Berlin zudem der »Lackmustest« der jungen Westallianz für Bündnistreue und Verlässlichkeit geworden. Mit viel Aufwand wurde der erste Test während der BerlinBlockade 1948/49 bestanden. Danach gelang es der Bundesrepublik, die Sicherheit West-Berlins mit der aller Bündnispartner zu verknüpfen. Entscheidend hierfür waren natürlich freie Zugangswege zu den Westsektoren der Stadt. Im Verständnis der Gegenseite war der Fall ähnlich gelagert. Mit der Einbindung der DDR in das östliche Bündnis forderte Moskau für den neuen Partner die Kontrollrechte für diese Zufahrtswege. Für die Westmächte stand zu befürchten, dass die ostdeutsche Regierung über kurz oder lang ihre frischgewonnene Militärmacht dazu nutzen würde, mit einem Überraschungsschlag West-Berlin zu besetzen und die Zufahrtswege durch Ostdeutschland zu sperren. Allein eine erneute Blockade der Zugangswege war für den Westen nicht akzeptabel. Washington erklärte Anfang 1954 erneut, in einem solchen Falle mit begrenzten militärischen Mitteln und mit politischem und wirtschaftlichem Druck Moskau und Pankow herauszufordern. Allerdings war West-Berlin mit den vor Ort stationierten Besatzungsstreitkräften, rund 11 000 amerikanische, britische und französische Soldaten, weder zu verteidigen noch durch eine zweite Luftbrücke über einen längeren Zeitraum zu versorgen. Alles konzentrierte sich deshalb auf die Frage, wie in einem Spannungsfall die Zugangswege militärisch zu öffnen waren. Angesichts der amerikanischen Strategie der Massiven Vergeltung war ein sofortiger Atomschlag auch schon nach einer Sperrung der Zufahrtswege eigentlich zwangsläufig. Doch die ersten Einsatzpläne sahen vor, zuerst mit konventionellen Mitteln die Absicht des Gegners auszuloten. Dazu sollten amerikanische Einheiten Lastwagenkolonnen Richtung West-Berlin begleiten und auf mögliche Blockaden reagieren. Dabei sollte deutlich gemacht werden, dass die USA nicht bereit waren, auf ihre Rechte zu verzichten. Vielmehr wurde damit

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gerechnet, dass »such countermeasures might lead to general war«75. Doch angesichts des atomaren Gleichstandes mit Moskau war die Kriegsoption, noch dazu mit Nuklearwaffen, wenig angemessen. Im Zuge der zweiten Berlin-Krise, in der Chruscev Ende 1958 ultimativ den Rückzug der westlichen Besatzungsmächte forderte, ging die Gegenseite bereits davon aus, dass Washington keinen Krieg um Berlin führen wollte. Die amerikanischen Militärs vor Ort hingegen ließen keinen Zweifel an ihrer Standfestigkeit. Nachdem ein amerikanischer Konvoi aus West-Berlin im November 1958 durch sowjetische Truppen an der Weiterfahrt in die Bundesrepublik gehindert worden waren, empfahl der amerikanische Oberbefehlshaber in Europa, General Lauris Norstad, die eigenen Soldaten mit Waffengewalt zu befreien76. Doch die Regierung in Washington gab kein grünes Licht, im Gegenteil wurden nach der friedlichen Beilegung dieses Zwischenfalls vorerst keine Konvois mehr durch die DDR geschickt. Es folgte eine stillschweigende Hinnahme erweiterter Kontrollen auch durch DDR-Behörden. Immerhin regte die Eisenhower-Administration eine Abstimmung dieser Frage mit London und Paris an. Im Zuge der NATO-Ratstagung im Dezember 1958 wurde offiziell verlautet, dass die drei Westmächte nach Rücksprache und mit der Unterstützung der übrigen Bündnispartner ihre Rechte wenn es sein müsse auch mit Gewalt durchsetzen würden. Neben der Einrichtung ständiger Konsultationsmechanismen auf Botschafterebene in der Berlin-Frage wurde im März 1959 eine eigene trilaterale militärische Organisation unter dem Decknamen LIVE OAK aufgebaut77. Trotz starker Bedenken der Briten, die im Ernstfall eine militärische Aktion decken mussten, einigten sich die Militärs vorerst auf einen Drei-Stufen-Plan. Der Marsch eines unbewaffneten Konvois konnte je nach Lage um bewaffnete Infanteriefahrzeuge verstärkt oder sogar durch einen größeren bewaffneten Konvoi ersetzt werden. Einige Monate später lagen erweiterte konventionelle Einsatzoptionen bereit. Alle Maßnahmen sollten weiterhin die Absicht des Gegners offenbaren und im Zweifelsfall einen militärischen Durchbruchsversuch vorbereiten. Dazu war über den zuerst geplanten Zug- (LIFE STYLE) oder Kompanierahmen hinaus an den Einsatz eines Bataillons (TRADE WIND), eines Regiments (LUCKY STRIKE) und sogar einer Division (JACK PINE) gedacht. Angesichts der 22 sowjetischen und der sieben ostdeutschen Divisionen stellte sich jedoch die Frage nach den Erfolgsaussichten solcher Einsatzpläne. Zwangsläufig mussten diese Einsatzpläne bei konsequenter Durchführung in Divisionsstärke auf einen großen Krieg hinauslaufen. Zumindest gab es keinen militärischen Automatismus, vielmehr waren alle Einsatzpläne unter politischen Vorbehalt gestellt.

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History of USAREUR 1958/59, S. 25. Zu Berlin allgemein siehe Literatur, v.a. Maloney, Notfallplanung. Jordan, Norstad, S. 136 f. Pedlow, Allied Crisis Management.

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Die Kennedy-Administration sah sich im Frühjahr 1961 mit den Forderungen Chruscevs nach einer endgültigen Regelung der Berlin-Frage konfrontiert. Angesichts der erfolgreichen atomaren Aufrüstung Moskaus wurde die starre Haltung Washingtons in Moskau als »Bluff« bewertet. Doch ganz konnte sich die Sowjetunion der amerikanischen Vorgehensweise nicht verschließen, denn alles lief auf eine politische Lösung im Zuge des Mauerbaus hinaus78. Der Status Quo in Berlin wurde schließlich von beiden Seiten anerkannt. Die LIVE OAKPlanungen wurden zwar fortgesetzt, jedoch war in der Berlin-Frage angesichts der neuen strategischen Ausrichtung der Kennedy-Administration nicht mehr an eine Eskalation bis zum Atomkrieg zu denken. Eine deutsche Beteiligung an den Einsatzplanungen schied wie die anderer Bündnispartner mit dem Hinweis auf den Viermächtestatus um Berlin aus. Der Bundesrepublik wurde ab Mitte 1961 zumindest ein Verbindungsoffizier zugestanden, COMLANDCENT Speidel erhielt auf Wunsch Norstads persönlich eine Einweisung in die Planungen. Die übrigen Mitgliedstaaten wurden nicht näher einbezogen. Die NATO wiederum hatte angesichts der zu bewältigenden Operationsplanungen für ganz Europa wahrlich andere Sorgen als den Sonderfall Berlin. Die Verteidigungsplanungen der NATO wurden bis Ende 1958 einmal jährlich in Form der Emergency Defense Plans (EDP) zu Papier gebracht und im Laufe des Folgejahres überprüft und angepasst. Angesichts der kaum veränderbaren Rahmenbedingungen der Vorwärtsverteidigung gingen die Militärstäbe dazu über, Neufassungen nur bei erheblichem Überarbeitungsbedarf zu erarbeiten. Vor allem Truppenbewegungen, zum Beispiel der Abzug französischer Divisionen aus Indochina und Algerien, machten Anpassungen nach deren staatlicher Unabhängigkeit notwendig. Der Schwerpunkt der Verteidigung Westeuropas: Europa Mitte Die entscheidende Frage für die deutschen Militärs war die der Umsetzung der in den Strategiepapieren festgelegten Vorwärtsverteidigung im Bündnis. General Speidel setzte sich nach seiner Ernennung zum Oberbefehlshaber der Verbündeten Landstreitkräfte Europa-Mitte (LANDCENT) im April 1957 für die Durchsetzung des für die Verteidigung der Bundesrepublik so wichtigen Grundsatzes ein. Unterstützung fand er bei seinem direkten Vorgesetzen und Oberbefehlshaber der Verbündeten Gesamtstreitkräfte Europa-Mitte (CINCENT), General Jean Valluy. General Valluy war ein großer Befürworter der Beteiligung der Bundesrepublik an der gemeinsamen Verteidigung und sah die Verteidigung des NATO-Gebietes soweit ostwärts wie möglich nicht nur im deutschen Interesse. Doch diese Absichtserklärungen waren nicht so einfach in Einsatzplanungen umzusetzen. In bestimmten Bereichen zeichne sich zwar eine Annäherung der »Forward Strategy« an, so interpretierte der britische Joint Planning Staff den SACEUR EDP 195679. Jedoch wurde gleichzeitig betont, dass 78 79

Zum Mauerbau Lemke, Berlinkrise: Ulbricht. SACEUR's Emergency Defence Plan-1956. Report by the JPS, JP (55) 75 (Final), 26.8.1955, National Archives (NA), DEFE 4/79.

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die fehlenden deutschen Verbände eine grundlegende Änderung der bestehenden Operationsplanungen in Mittel- und Nordeuropa nicht zulasse. Eine aktive Verteidigung ostwärts des Rheins wurde von SACEUR General Alfred M. Gruenther und seinem Nachfolger Lauris Norstad dennoch angestrebt und mit der Umgliederung von verfügbaren Verbänden und einer größeren Menge von Nuklearwaffen begründet. General Speidel forderte angesichts dieser vorsichtigen Schritte der NATO-Oberbefehlshaber in Europa starke und bewegliche Deckungstruppen im Grenzgebiet, die frühzeitig Fühlung mit dem Feind aufnehmen und verzögern sollten. Hinter dieser »Deckungszone« sollte eine an panzerhemmendes Gelände angelehnte, zusammenhängende Front aufgebaut werden, die den Feind zu Angriffen auf Stellungen zwinge. Der Heeresgruppe Nord standen dafür im April 1956 ein britisches, ein belgisches und ein niederländisches Korps mit insgesamt zehn mehr oder weniger einsatzbereiten Divisionen, zwei Brigaden und rund 60 Staffeln der 2. ATAF zur Verfügung. Der Heeresgruppe Mitte unterstanden zu dieser Zeit zwei amerikanische und zwei französische Korps mit insgesamt acht einsatzbereiten Divisionen, zudem vier Kampfgruppen und ebenfalls rund 60 Staffeln der 4. ATAF80. Angesichts des Mangels an einsatzbereiten Großverbänden fürchteten die NATO-Generale, den Zusammenhang dieser Front nicht sicherstellen zu können. Im Bereich der Heeresgruppe Nord wirkte sich der Truppenmangel dahingehend aus, dass in der ersten Phase nur zwei Aufklärungsbataillone mit Pionierunterstützung von der Zonengrenze bis zur Weser-Stellung (CHICAGO) Fühlung mit dem Feind aufnehmen sollten. Ab der Weser sollten dann britische und deutsche Verbände über die Linie Ems-Soest-Winterberg hinaus hinhaltend kämpfen, um Zeit für die vorbereitete Verteidigung in der Rhein-Stellung (TORONTO) zu gewinnen. Dort sollte dann mit über sieben Divisionen nachhaltig verteidigt werden81. Noch im Sommer 1958 beklagte General Speidel die fehlende Sicherung und Überwachung der Zonen- und Landesgrenze durch alliierte Truppen. Einzig die amerikanischen Panzer-Kavallerieregimenter fanden das Lob des deutschen NATO-Generals82. Gestaffelte Verzögerungs- oder Verteidigungsstellungen und dahinter liegende gepanzerte Eingreifverbände, die dem Angreifer die Handlungsfreiheit entreißen und unter Einsatz atomarer Kampfmittel offensiv zurückschlagen würden, sollten bis zur Aufstellung der geforderten Großverbände genügen. Damit wollte man ein Abwehrsystem, das aus Verteidigungszonen und Lücken besteht, verhindern83. Zur Frage der Grenzsicherung hatte der Führungsstab des Heeres 1957 eine Studie erarbeitet, die den Aufbau von Grenzsicherungsverbänden vorschlug. Im Gegensatz zu Polizei- und BGS-Kräften sollten diese Verbände als Sperrverbän80

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IV C 5, Befehlsgliederung und NATO Verbände im Mittelabschnitt, 21.4.1956, BA-MA, Bw 2/2721. FüB, Aktennotiz über die Besprechung am 5.2.1957 bei NORTHAG, 6.12.1957, BA-MA, Bw 2/2668. Brief Speidel an Minister Strauß, 12.7.1958, MGFA, NL Speidel, Ordner 69. IV A 2 (Speidel), Vertretung deutscher Führungsauffassungen bei GETI (Group d'Etudes Tactiques Interallie), 22.12.2956, BA-MA, Bw 2/1946.

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de zur Sicherung von wichtigen Grenzabschnitten ausgebildet werden. Mit Sperren und Feldbefestigungen wollte man eine zeitlich und örtlich begrenzte Verteidigung grenznah möglich machen. Angesichts der damit verbundenen Personal-, Material- und Finanzforderungen lobte Generalinspekteur Heusinger zwar den Grundgedanken, legte die Studie aber als »wertvolle Unterlage für weitere Untersuchungen« beiseite84. Die Idee einer Grenzschutzmiliz, die Verteidigungsminister Strauß unterstützte, war damit zu Grabe getragen. Anfang 1957 stimmte General Valluy mit seinen Befehlshabern der Heeresgruppen die gültigen Einsatzplanungen ab. Vorgesehen waren vorgeschobene Aufklärungskräfte, die bereits vor der ersten Widerstandslinie »TOULOUSECHICAGO« (Weser-Lech) den Kampf aufnehmen würden. Zusammen mit den Kräften in der Widerstandslinie sollte dann das Verzögerungsgefecht über die LIVERPOOL-Linie (Ems-Neckar) bis zur RICHMOND-Linie (Ijssel-Rhein) geführt werden, um entlang der Rhein-Ijssel-Linie zur Verteidigung überzugehen. Diese erste Phase stützte sich auf einen zuerst automatischen, dann lageangepassten Atom-Feuerplan und auf vorbereitete Sperren. Damit sollte die LIVERPOOL-Linie so lange wie möglich gehalten werden, um die Gesamtverteidigung am Rhein sicherstellen zu können85. Die Heeresgruppen rechneten für den Kriegsfall mit einer Rücknahme der Verbände auf die Ems-Neckar-Linie nach fünf Tagen. Angesichts der schwachen französischen Streitkräfte im Bereich der 7. U.S. Army und der damit verbundenen Gefahr eines Durchbruchs sowjetischer Truppen bei Kassel in Richtung Mainz war dies ein sehr ambitionierter Operationsplan. Die Übernahme dieses Abschnittes durch das deutsche III. Korps wurde in Aussicht gestellt. Die frühe Verlegung des Korpsstabes nach Koblenz und des Divisionsstabes der 2. Grenadierdivision von Kassel nach Gießen wurde deshalb von amerikanischen Generalen angemahnt. Auch CINCENT Valluy betonte die Bedeutung dieses Abschnittes für die Gesamtverteidigung Mitteleuropas, sah aber eine Umsetzung erst für den Jahreswechsel 1958/59 realisierbar. Damit verbunden war auch eine notwendige Verschiebung der Grenzen zwischen NORTHAG und CENTAG nach Norden, die wenig später erfolgte, und eine Ablösung des französischen II. Korps durch das deutsche III. Korps86. SACEUR Norstad hielt im März 1957 eine Verteidigung seines Verantwortungsbereiches für möglich, wenn ihm 30 sofort einsatzbereite Divisionen (zwölf deutsche, je fünf amerikanische und französische, vier britische, je zwei belgische und niederländische), atomare Einsatzmittel und eine ausreichende Zahl an Luft- und Seestreitkräften zur Verfügung stünden87. Eine ernst-

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FüB, Inhaltsangabe Studie »Grenzsicherung« und Schreiben Heusinger an FüH, 14.10.1957, BA-MA, Bw 2/2668. Die Linie LIVERPOOL fiel Ende 1957 weg. Entscheidend waren von da ab die Linien YORK und RICHMOND. Siehe III. Korps, G 3, Operationsplan der 7. US-Armee, 8.10.1957, BA-MA, BH 1/3. IV A 1, Bericht über Besprechung General Valluy mit den Befehlshabern, 19.1.1957, BA-MA, Bw 2/2667. Protokoll der 147. Sitzung des Ausschusses für Verteidigung, Vortrag SACEUR Norstad, 21.3.1957, BA-MA, Bw 1/54930.

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hafte Verteidigung vorwärts der EMNEC-Linie (Ems-Neckar) wurde allerdings von deutschen Kommandobehörden angesichts durchgeführter Planübungen und angesichts der Einsatzplanungen der Verbände der französischen 1. Armee in Süddeutschland stark bezweifelt. Demnach waren an der Iiier lediglich zwei französische Aufklärungsbataillone vorgesehen, während kampfkräftige Verbände erst im Schwarzwald zum Einsatz kommen sollten. Deutscherseits wurde vor allem das statische Denken der Westalliierten und der geplante aufgeteilte Einsatz der Panzerkräfte heftig kritisiert. Der operativen Tradition folgend wurden vielmehr großangelegte Gegenangriffe mit zusammengefassten Panzerverbänden gefordert88. Bestätigung fanden die Bedenken im Juni 1957, als dem deutschen II. Korps Einsicht in die Operationsplanung der 7. U.S. Army gewährt wurde. Demnach war der Einsatz des VII. U.S. Korps nach vorhergehender Spannungszeit so vorgesehen, dass eine ernsthafte Verteidigung ebenfalls erst in der Linie Iller-Ulm-Aalen-Schwäbisch-Hall vorgesehen war. Zwischen der Grenze im Osten der Bundesrepublik und dem schwäbischen Raum waren lediglich Verzögerungsgefechte und die zeitlich befristete Verteidigung einiger vorbereiteter Stellungen durch die beiden amerikanischen Kavallerie-Aufklärungsregimenter geplant. Damit war klar, dass ähnlich den Planungen für Norddeutschland auch weite Teile Süddeutschlands mehr oder weniger kampflos aufgegeben werden sollten. Als Heeresinspekteur Röttiger General Heusinger darüber informierte, versuchte dieser über General Speidel eine Revision der Verteidigungsplanungen durch die NATO zu erwirken. Parallel dazu wurde der Alarm- und Operationsplan CENTAG für 1957 bereits im deutschen Interesse dahingehend modifiziert, dass die grenznahen Verzögerungslinien so lange wie möglich gehalten werden sollten89. Speidels Wunsch, diese Linien nach Osten zu verschieben, traf allerdings auf die deutlichen Hinweise der NATO-Kommandeure im Hinblick auf die mangelnde Kampfkraft deutscher Truppen. Vor allem die großen Probleme der Logistik und die der schnellen Marschbereitschaft konnten deutscherseits nicht wegdiskutiert werden. Damit waren die Operationsplanungen der NATO durchaus auch Abbild der Truppenaufstellung in Westdeutschland. Nur mit den der NATO zugesagten zwölf beweglichen und teilmechanisierten deutschen Divisionen, die auch hinsichtlich ihrer logistischen Versorgung auf deutschem Boden kämpfen konnten, war eine auf dem Papier festgeschriebene Vorwärtsverteidigung ab der Zonengrenze überhaupt erst durchführbar. Die Emergency Defense Plans (EDP) 1957 und 1958 fanden diesbezüglich klare Worte: »Ability to implement the forward strategy concept in C[entral]E[urope] will be improved by the increase in availability of German Forces during 195890.« 88 89

90

II. Korps, Einsatz der Alarm-Einheiten des II. Korps, 20.5.1957, BA-MA, Bw 2/2667. II. Korps, Übersicht über Auftrag und beabsichtigte Kampfführung des VII. US-Korps, 12.6.1957 mit Stellungnahme Röttiger und Brief Deutscher Verbindungsstab, Heidelberg (Meyer-Detring) an IV A (BG de Maiziere), 19.7.1957, BA-MA, Bw 2/2667. FüB A 1, Stellungnahme zum EDP 1957/58, 19.11.1957, S. 4 und Schreiben Speidel an Heusinger, 15.12.1957, BA-MA, Bw 2/2668.

III. Die konzeptionelle Entwicklung einer Teilstreitkraft 1955 bis 1970

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Ein zweiter wichtiger Aspekt, der direkt mit dem Truppenaufbau zusammenhing, war die vom SACEUR geplante Atomkriegführung. Die atomaren Einsatzpläne, darunter der für das Gebiet der Bundesrepublik entscheidende »Regional Atomic Plan«, orientierten sich ebenfalls an den verfügbaren einsatzbereiten Großverbänden in Mitteleuropa. Das Verzögern von Feindkräften mit geringen eigenen Kräften musste folgerichtig durch den weitreichenden Einsatz atomarer Kampfmittel unterstützt werden, um Aussicht auf Erfolg zu haben. Je weiter westlich erste Verzögerungs- bzw. Verteidigungslinien geplant waren, desto größere Teile der Bundesrepublik mussten zum Schlachtfeld für das Gefecht unter atomaren Bedingungen werden. Neben der Vorverlegung dieser Linien Richtung Osten war es deshalb auch entscheidend, sowohl Einsicht- als auch Einflussnahme auf die Atomkriegführung der NATO zu gewinnen 91 . Ein aus welchen Gründen auch immer verzögerter Streitkräfteaufbau schlug sich sogleich in dieser zweifachen Weise auf die Verteidigungsplanungen des Bündnisses aus. Nicht umsonst blieb im Jahre 1957 die tatsächliche Verteidigungslinie die Rhein-Ijssel-Linie, auch wenn die nachhaltige Verteidigungsschlacht bereits in der neuen RICHMOND-Linie beginnen sollte: »The sustained defensive battle will begin on the general line: OLDENBURG-OSNABRÜCKROTHAARGEBIRGE-the NECKAR loop-BLACK FORREST. The RHEINIJSSEL will be the vital stop line, the crossing of which will be denied at all cost to the enemy«92. Im deutschen Interesse war auch eine Präzisierung, die vor allem für die Verbände des III. Korps wichtig war: »Particular attention will be given to the defense of the KASSEL, FRANKFURT and WÜRZBURG areas93.« Ende 1957 stellte sich das III. Korps deshalb darauf ein, mit drei Divisionen, der 2. Grenadierdivision, der 5. Panzerdivision und der französischen 1. Panzerdivision, das Vorgehen des Feindes von der Zonengrenze über die Linie YORK auf die Linie RICHMOND zu verzögern und das Überschreiten der Linie RICHMOND zu verhindern. Angesichts der Einsatzbereitschaft dieser Divisionen wies der Chef des Stabes, Oberst i.G. Karl-Heinz Wirsing, den Führungsstab des Heeres auf die großen Schwierigkeiten der Auftragserfüllung hin. So standen zum Beispiel die Abschnittsbreiten der Divisionen in keinem Verhältnis zu ihren Kampfstärken. Die verfügbare Artillerie reichte für die notwendige Feuerunterstützung nicht aus, was eine vermehrte Abstützung auf die Luftwaffe und auf atomare Kampfmittel bedeutete. Auch die einsatzbereiten Pionierkräfte ließen keine umfangreichen Verstärkungen des Geländes erhof-

91

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93

F ü B A l , Stellungnahme zum EDP 1957/58, 19.11.1957, BA-MA, Bw 2/2668. Siehe auch Thoß, NATO-Strategie, S. 457-482. Zum Streit um den Schwerpunkt der Aufstellung zwischen FüH und FüB siehe Tuschhoff, Deutschland, S. 75-110. Schreiben Oberst i.G. Peter von Butler an FüB (de Maiziere), Anlage 3: Verteidigungsplanung, 22.8.1957, BA-MA, Bw 2/2668. Ebd.

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Helmut R. Hammerich: Kommiss kommt von Kompromiss

Operations-Briefing bei SHAPE (28.6.1955) Verteidigungslinie 1955

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Widerstandslinien geplante Verteidigungslinie (1957) mit deutschen Divisionen von SHAPE vermutete sowjetische Angriffsrichtungen 0 50 100 km

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Quelle: BA-MA, Ν 683, Bd 60

© MGFA 05233-01

III. Die konzeptionelle Entwicklung einer Teilstreitkraft 1955 bis 1970

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fen. Schließlich kritisierte Wirsing noch die langen Anmarschwege bis in die Bereitstellungsräume, die zwischen 100 und 170 Kilometer betrugen, und die Planungen des linken Nachbarn. Das belgische I. Korps der Heeresgruppe Nord hatte eine erste Verteidigungslinie weit hinter den Linien YORK und RICHMOND geplant. Damit drohte ein Vorstoß starker Feindkräfte entlang der Heeresgruppengrenze Richtung Koblenz. Geplante Großzerstörungen, wie die Zerstörungen zahlreicher Elb-Brücken oder die Sprengung von Talsperren wurden angesichts deren Auswirkung auf die Zivilbevölkerung ebenfalls kritisiert. Im Verteidigungsministerium wurden diese Sorgen durchaus ernst genommen, die Führungsstäbe hatten aber angesichts der Aufbauschwierigkeiten keine Lösungen parat. Es blieb nur der optimistische Blick in die Zukunft, mit der Aufstellung weiterer Verbände diese Lücken schließen zu können94. Ein erster Durchbruch konnte mit dem Emergency Defense Plan 2-58 im Juli 1958 und der Aufgabe der Rhein-Ijssel-Linie zugunsten der Ems-Neckar-Linie als Hauptverteidigungslinie erzielt werden. Im Bereich der NORTHAG wurde diese Verlagerung jedoch nicht mit der Berücksichtigung deutscher Interessen, sondern vielmehr mit der Vermehrung der atomaren Kampfmittel erklärt. Allerdings zeigt der Briefwechsel zwischen Generalinspekteur Heusinger und SACEUR Norstad, dass auch der NATO-Oberbefehlshaber spätestens seit Sommer 1957 kein deutsches Gebiet mehr kampflos aufgeben wollte95. Ebenso waren die Dislozierungsvorschläge des Oberbefehlshabers der 7. U.S. Army, General Henry I. Hodes, ein deutliches Indiz dafür, dass auch die amerikanischen Streitkräfte so weit im Osten wie möglich den Kampf aufnehmen wollten. Die Linie TORONTO wurde durch die neue Linie LIVERPOOL bzw. RICHMOND (Ems-Soest-Winterberg für NORTHAG; Rothaargebirge-Neckarbogen und Schwarzwald für CENTAG) ersetzt, blieb aber als letzte Auffangstellung weiterhin gültig. Die Verzögerung bzw. begrenzte Verteidigung sollte ab der Linie TOULOUSE, die sich im Anschluss an die Weser-Fulda-Linie der Heeresgruppe Nord über den Vogelsberg nach Nürnberg, Landshut und nach Rosenheim zog, erfolgen96. Diese Linie wollte man mindestens 48 Stunden halten97. CENTAG führte dazu ab Sommer 1958 vier nach Osten verschobene Verteidigungslinien ein. Im Süden würden französische Streitkräfte nun nicht mehr

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III. Korps, Chef des Stabes, Notiz über den Lagevortrag zum Besuch General Dr. Speidel am 11.11.1957 in Koblenz, 14.11.1957, BA-MA, BH 1/3. Diensttagebuch de Maiziere, Notiz vom 17.7.1957, BA-MA, Ν 673/23. General de Maiziere bewertet in seinem Diensttagebuch Heusingers Vorgehen als erstes deutsches Eingreifen in die Operationsplanungen der NATO. CENTAG EDP 2-58, 9.4.1958, NATO, SHAPE (Möns), 35mm, POl A R 19. Für den Hinweis auf und die Herabstufung des CENTAG EDP 2 - 5 8 und des CENTAG EDP 1 - 6 0 gilt mein besonderer Dank Dr. Gregory Pedlow, SHAPE, Dr. Dieter Krüger und Fregattenkapitän Dr. Sander-Nagashima, beide MGFA. Schreiben Oberst i.G. Peter von Butler an FüB (de Maiziere), Anlage 3: Verteidigungsplanung, 22.8.1957, BA-MA, Bw 2/2668. Die Bezeichnungen der Linien sind nicht durchgängig. CENTAG nutzte mehrere Linien, während NORTHAG neben der LIVERPOOL- nur noch die Weser-Fulda-Linie vorsah. Eine Abstimmung der Linien erfolgte Anfang 1958.

Oberbefehlshaber der britischen Rheinarmee: General Sir J a m e s C a s s e l s (1960-1963) und General Sir John Hackett (1966-1968), hier mit Bundespräsident Heinrich Lübke 1966. Ullstein biid (2)

III. Die konzeptionelle Entwicklung einer Teilstreitkraft 1955 bis 1970

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entlang der Iller ersten Feindkontakt haben, sondern bereits mit drei Aufklärungsregimentern am Lech98. Zudem sollten die jeweiligen Stellungen entlang der benannten Linien nur auf Befehl der Armee oder der Heeresgruppe aufgegeben werden". Das »final defensive area« wurde mit der Linie Ems-Battenberg-Main bei Aschaffenburg-Jagst und Iller abgesteckt. Westlich dieser Linie sollte der Feind keine größeren Geländegewinne erzielen100. Im Norden sprach sich der britische NATO-Oberbefehlshaber, General Sir James Cassels, aufgrund fehlender Divisionen weiterhin gegen eine Vorverlegung der Verteidigung ostwärts der Weser aus. NORTHAG hätte mit neun schwachen Divisionen eine Frontbreite von 380 Kilometern, also 42 Kilometer pro Division, abdecken müssen. Laut damaliger Vorschriftenlage sollte aber eine kampfkräftige Division in günstigem Gelände einen rund 25 Kilometer breiten Gefechtsstreifen verteidigen. NATO-Übungen, wie SIDE STEP im Herbst 1959, zeigten, dass die Einschätzung der britischen Kommandeure realistisch waren. Der Führungsstab der Bundeswehr musste feststellen, dass trotz Vorwärtsverteidigung bei realistischen Übungsbedingungen rund 50 Prozent des westdeutschen Territoriums aufgegeben wurden. Erste Erfolge der Umsetzung des Konzeptes der Vorwärtsverteidigung waren laut FüB mit einer Vernachlässigung der Landesverteidigung erkauft worden101. Die verfügbaren NATO-Verbände und die Unwägbarkeiten eines Krieges unter atomaren Bedingungen ließen im betrachteten Zeitraum nur eine Operationsplanung für die ersten Kampftage im Kriegsfall zu. Spätestens Anfang der 1960er Jahre entsprachen diese Planungen dem Grundsatz der beweglich geführten Verteidigung so weit ostwärts wie möglich. Allerdings hielten vor allem die deutschen Generale am Gedanken fest, weiträumige Gegenangriffe in die tiefe Flanke sowjetischer Angriffsverbände zu führen. General Speidel dachte dabei an eine Gegenoffensive aus dem Raum Hof-Bamberg-WürzburgNürnberg heraus nach Norden über die obere Saale, hielt aber die eigenen verfügbaren Kräfte für nicht ausreichend102. General Heusinger gab im selben Jahr bei FüH eine große Studie in Auftrag, die eine Zangenoperation auf dem Gebiet der DDR Gebiet vorsah. Damit wollte er eine Alternative zu den in seinen Augen zu defensiv angelegten gültigen NATO-Verteidigungsplänen vorlegen und die Voraussetzungen und Notwendigkeiten für eine solche Alternative prüfen lassen. Das Jahr 1965 wurde als Ausgangspunkt der Überlegungen gewählt. Der Führungsstab des Heeres ging für dieses Jahr von einem großangelegten Angriff von rund 64 sowjetischen und 24 Satelliten-Divisionen mit insgesamt rund 98

99

100 101

102

II. Korps, G 3, Ergebnisse der Besprechung mit 1. (FR) Armee vom 19.8.1958, 25.8.1958, BA-MA, BH 1/3. Deutlich wird darauf hingewiesen, dass diese Regimenter deutschen Bataillonen vergleichbar sind. CENTAG EDP 2 - 5 8 , Annual History, United States Army, Europe 1958/59, S. 4 8 - 5 2 , und FüH II 1, Aktenvermerk über die Besprechung bei CENTAG am 9.4.1958, 11.4.1958, BAMA, BH 1/3. CENTAG EDP 2 - 5 8 , 9.4.1958, NATO, SHAPE (Möns), 35 mm, POl A R 19. FüB III 7, SIDE STEP, 2.12.1959, BA-MA, Bw 2/2620. III. Korps, CdS, Kurzprotokoll der Übung Hostage Jaune, 21.12.1959, BA-MA, BH 1/3. Schreiben Speidel an Heusinger, 15.3.1959, BA-MA, Bw 2/20373.

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III. Die konzeptionelle Entwicklung einer Teilstreitkraft 1955 bis 1970

141

30 000 Kampfpanzern in den bekannten Hauptstoßrichtungen aus. Heeresinspekteur Röttiger forderte eine Aufteilung der Feindkräfte und eine Zerschlagung der Einzelteile durch eigene Angriffsoperationen. Im Gegensatz zu den gültigen Planungen sollten dafür neben den Verzögerungsverbänden vor allem mechanisierte Verbände, die nicht in einer ersten Phase abgenutzt würden, bereit stehen. Diese Gegenangriffskräfte sollten zum einen aus dem norddeutschen Raum um Lüneburg-Hamm mit zwölf Divisionen (36 Panzerbrigaden) mit dem Ziel antreten, Brückenköpfe über die Elbe im Raum ostwärts von Magdeburg zu erzwingen. Zum anderen würden aus dem bayerischen Raum um Nürnberg-Amberg rund elf Divisionen (33 Panzerbrigaden) mit dem Ziel antreten, die Elbe zwischen Wittenberg und Dresden zu gewinnen. Im Mittelabschnitt zwischen Kassel und Main sollte aufgrund der geringen Tiefe und der Geländebeschaffenheit eine weitgehend starre Verteidigung mit vier Divisionen (12 Panzer- und 4 Grenadierbrigaden) durchgeführt werden. Eine vorgesehene operative Reserve von zwei Divisionen vervollständigte den Kräfteansatz. Mit Erreichen der Elbe wäre das erste Ziel der Operationen der Landstreitkräfte, den sowjetischen Operationsplan zu durchkreuzen, erfüllt worden. Weitere Operationen Richtung Osten wurden darüber hinaus nicht ausgeschlossen. Allein die Gesamtzahl von über 80 sofort einsatzbereiten Panzerbrigaden der NATO, die für diesen Alternativplan notwendig waren, zeigte rasch die Grenzen der Studie. Für das Heer hätte dieser Ansatz bedeutet, die Masse der Divisionen in Panzerdivisionen umzurüsten, bis zu 30 zusätzliche Panzergrenadierbrigaden und zahlreiche Verfügungs- und Sicherungsverbände aufzustellen. Die Führungsstäbe der Luftwaffe und der Marine stimmten den Ausführungen des Heeres grundsätzlich zu, unterstrichen aber die Bedeutung der jeweiligen Teilstreitkraft bei einer solchen Alternative und gaben einige Bedenken zu Papier. Der Inspektor der Marine, Admiral Friedrich Rüge, wies auf den starken Kräfteansatz hin, den er angesichts der bereits laufenden Aufstellung und der finanziellen Grenzen für unrealistisch hielt. Zudem wies er vorsorglich eine Verlagerung der Ressourcen zugunsten des Heeres zurück103. LuftwaffenInspekteur Josef Kammhuber argumentierte ähnlich, ließ darüber hinaus keinen Zweifel an der Führungsrolle der Luftwaffe als Träger der strategischen Offensive. In einem allgemeinen Krieg sah er im Gegensatz zu Röttiger und Heusinger keine operativen Aufgaben für das deutsche Heer. Diese billigte er dem Heer nur bei Szenarien zu, die unterhalb des Atomkrieges lagen. Für diese Szenarien stand aber die von Röttiger skizzierte Alternative nicht zur Debatte104. Die einzelnen Stellungnahmen zeigen, welch unterschiedliche Auffassungen zur Rolle der jeweiligen Teilstreitkräfte in den Führungsstäben Ende 1959 vorherrschten und wie jeweils genau darauf geachtet wurde, ein angemessenes Stück vom Verteidigungskuchen abzubekommen. Der Wunsch nach Verstär103 1M

FüM II, Gedanken zur weiteren Entwicklung strategischer Pläne, 7.10.1959 und Stellungnahme Insp Marine, 9.11.1959, BA-MA, BH 1/9487. Insp Lw, Gedanken zur weiteren Entwicklung strategischer Pläne, 16.10.1959, BA-MA, BH 1/9487.

142

Helmut R. Hammerich: Kommiss kommt von Kompromiss

kung und Modernisierung einer Teilstreitkraft konnte nach damaligem Verständnis nur auf Kosten einer anderen Teilstreitkraft gehen. Darüber hinaus wurde offenkundig, dass der Führungsstab des Heeres weit mehr im nationalen Rahmen dachte, als derjenige der Luftwaffe. Die Luftwaffe sah sich in erster Linie als Teil des strategischen Schwertes der NATO. Die Verteidigung des NATO-Gebietes war oberstes Ziel105. Das Heer verstand sich dagegen in erster Linie als der Degen der NATO-Schildkräfte. Die Landesverteidigung, also die Verteidigung des westdeutschen Territoriums, war oberstes Ziel. War mit den Stellungnahmen der anderen Führungsstäbe schon kein gemeinsamer Nenner zu finden, so zeigte die des Deutschen Militärischen Vertreters in Washington, Brigadegeneral Anton Detlev von Plato, die Grenzen solcher Alternativpläne auf. Mehr als deutlich wies er darauf hin, dass es keine nationalen strategischen Konzepte bzw. Operationspläne geben könne. Anhand der einschlägigen NATO-Dokumente verdeutlichte er den eher engen Spielraum, den deutsche Führungsstäbe in strategischen und operativen Fragen hatten. Der Führungsstab der Bundeswehr schloss sich den Ausführungen an und unterstrich: »dass die Aufgaben der Bundeswehr nur im Rahmen der NATO gesehen werden können und dass es keine eigene deutsche Konzeption, aber auch keine eigene Konzeption einer Teilstreitkraft gibt«106. Die Studie verschwand daraufhin in den Schreibtischen des Ministeriums, die darin aufgeworfenen Fragen blieben aber weiter in der Diskussion. Die von General Heusinger angeregten Planübungen der CENT AG erbrachten hinsichtlich einer grenznahen beweglichen Verteidigung mit operativen Gegenangriffen Richtung Leipzig ähnliche Ergebnisse. Trotz frühzeitigem Einsatz von taktischen Nuklearwaffen und einer vorbereiteten Grenzverteidigung mit hoher Sperrwirkung durch den Einsatz von Atomic Demolition Means (ADM) fehlte es auch hier an einsatzbereiten Großverbänden, die nach einem ersten Schlagabtausch noch zu Angriffsoperationen in der Lage gewesen wären107. Während deutsche Führungsstäbe über Alternativen nachdachten, entwickelten die NATO-Stäbe die bestehenden Verteidigungspläne weiter. Der CENTAG EDP 1-60 fußte auf dem Central Europe's Joint Emergency Defense Plan 2 des Jahres 1958 und hatte dieselbe operative Grundidee wie der EDP 258. Der Auftrag der CENTAG-Streitkräfte war wie bisher, den Feind so weit ostwärts wie möglich entlang der angenommenen Angriffsschwerpunkte Eisenach-Frankfurt und Nürnberg-Karlsruhe zu verzögern. Bei Verletzung der österreichischen Neutralität sollte darüber hinaus die Südflanke gegen den Feind entlang des Donau- und des Inntals gesichert werden. Eine erste grobe

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Zum Verständnis der Luftwaffe siehe Beitrag Schmidt in Lemke/Krüger/Rebhan/Schmidt, Die Luftwaffe 1950 bis 1970. FüB III (von Hobe), Stellungnahme FüB und DMV Washington, 22.11.1959, BA-MA, BH 1/9487. III. Korps, G 3, Zusammenfassender Bericht über CENTAG War Game-60, 24.4.1960 und III. Korps, G 3, Protokoll War Game CENTAG 61, 25.4.1961, BA-MA, BH 1/27521 und BH 1/3.

I. Die konzeptionelle Entwicklung einer Teilstreitkraft 1 9 5 5 bis 1 9 7 0

143

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Quelle: BA-MA, BH7-3/239.

Hessen

^"ü// Bad Hersfeld © MGFA 05212-04

Überschreiten der Fulda durch den Feind verhindern, vor überlegenem Feind verzögernd auf Linie KREBS und notfalls auf Linie SIGMA ausweichen. Darüber hinaus sollte Panzergrenadierbrigade 4 durch Halten beherrschender Geländeabschnitte in Verbindung mit Riegeln die Voraussetzung für das Auslösen der Feuerfelder LOWE und TAUBE und für Gegenangriffe der Brigadereserve (PzBtl 44) oder der Panzerbrigade 6 schaffen. Die Panzergrenadierbrigade 5 hingegen sollte den Verfügungsraum der 5. Panzerdivision schützen und durch Halten des beherrschenden Höhengeländes Fritzlaer Stadtwald und Staatsforst Fritzlar und unter Absicherung der tiefen rechten Flanke die Voraussetzungen für das Auslösen der Feuerfelder sowie für Gegenangriffe der Brigadereserve (PzBtl 54) oder der Panzerbrigade 6 schaffen. Die Panzerbrigade 6 sollte den Kern des Abwehrgefechtes der Division bilden und auf Befehl der Division je nach Lage nach Nordosten und Norden zu Gunsten der Panzergrenadierbrigade 4 oder nach Osten oder Südosten zu Gunsten der Panzergrenadierbrigade 5 angreifend, in Verbindung mit Auslösen der Feuerfelder und jeweils unterstützt durch die gepanzerten Reserven der Panzergrenadierbrigaden, den Feind vor der Linie SIGMA zerschlagen. Mit seinen drei hochbeweglichen und mechanisierten Brigaden hatte der Divisionskommandeur den allerdings nicht weniger beweglichen und gepanzerten Angriffskräften durchaus etwas entgegenzusetzen. Insgesamt zählte die 2. Panzergrenadierdivision rund 200 Kampfpanzer und 250 Schützenpanzer.

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Dies war keine schlechte Ausgangslage für einen Verteidiger, der das verteidigungsgünstige Gelände beherrschte und durch starke Artillerie- und Pionierkräfte unterstützt wurde. Der Kommandeur des Artillerieregimentes 2 hätte den Feuerkampf der Division geleitet und sichergestellt, dass entsprechend dem Feuerplan die atomaren Einsatzmittel nach Erklärung der Selective Release- oder Release-Hour114 mit Atomsprengkörpern bis 10 Kilotonnen (zum Vergleich hatte die Hiroshima-Bombe 15 kt) unverzüglich gewirkt hätten und das Feuer der nichtatomaren Artillerie der Division kurzfristig zusammengefasst worden wäre. Der Divisionsartillerieführer sollte mit der atomaren Artillerie der Division das Gefecht der Panzergrenadierbrigade 4 und 5 zunächst an und unmittelbar vor der FULDA unterstützen. Darüber hinaus musste er sicherstellen, dass zwischen der FULDA und den Linien KREBS und SIGMA jederzeit die Feuerfelder und Atom-Zielpunkte ausgelöst werden konnten und die Panzerbrigade 6 bei Gegenangriffen mit der Masse der atomaren und nichtatomaren Artillerie unterstützend in die Kampfhandlungen eingreifen konnte. Dazu standen der Division direkt vier Artilleriebataillone, davon immerhin zwei Honest John-Bataillone, und eine Beobachtungsbatterie zur Verfügung. Zur unmittelbaren Feuerunterstützung standen die zwei Feldartilleriebataillone der Panzergrenadierbrigaden und das Panzerartilleriebataillon der Panzerbrigade 6 zur Verfügung. Feuerverstärkung war durch die Korpsartillerie (350, L 310) eingeplant. Die Korps-Artilleriebataillone sollten auf Befehl der 2. Panzergrenadierdivision Angriffsspitzen, Ansammlungen und Artillerie des Feindes vor allem im Werra-Tal beiderseits Hannoversch Münden bis beiderseits Witzenhausen und in der linken Flanke des III. Korps zerschlagen115. Nach Freigabe würden diese Verbände zudem Feindmassierungen, Bereitstellungen und Artillerienester in den erwarteten Schwerpunkten unteres Werra-Tal und Autobahn Göttingen-Kassel vernichten und auf Abruf der 2. Panzergrenadierdivision ein zusätzliches Feuerfeld WELLENREITER auslösen. Der Korpsartilleriekommandeur 3 sollte zudem Sergeant-Feuerunterstützung beim V. U.S. Korps auf Atom-Ziele im Raum Eschwege anfordern und die Atomartillerie so an die Fulda vorgezogen werden, dass bei Freigabe Massierungen des Feindes auch ostwärts der Demarkationslinie vernichtet worden wären.

1,4

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»Mit der Erklärung der >S-Stunde< konnte SACEUR die für die Freigabe zuständigen Kommandeure, eine oder eine Anzahl von Atomwaffen einzusetzen, ermächtigen. Mit der Erklärung der >R-Stunde< hätte SACEUR die für die Freigabe zuständigen Kommandeure ermächtigt, Atomwaffen mit unbegrenzt hohen Detonationswerten auf dem Gebiet der Sowjetunion oder der Satellitenstaaten einzusetzen. Auf westdeutschen oder neutralen Gebieten hätten Atomwaffen bis zu 10 KT eingesetzt werden können, wenn deren Territorium durch die Streitkräfte des Sowjetblocks angegriffen worden wäre. Eine weitere Voraussetzung war, dass deren Einsatz durch militärische Notwendigkeiten bedingt ist.« II. Korps, Anweisung für den Einsatz von Atomwaffen im Bereich des II. (GE) Korps, 15.11.1963, BA-MA, BH 2/1247. Honest lohn: 40 km Reichweite, 2 - 5 0 KT; Sergeant: 150 km Reichweite, 2 - 5 0 KT. DivArt 6 Honest lohn-Werfer, 12x175 mm, 4x203-mm-Geschütze. KorpsArt 8 Sergeant-Werfer, 12x203-mm-Geschütze. Erster Raketenabschuss nach 10-15 Minuten! Zweiter Abschuss nach 10 Minuten (Honest lohn), nach einer Minute (Sergeant).

III. Die konzeptionelle Entwicklung einer Teilstreitkraft 1955 bis 1970

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Ziele waren in erster Linie markante Verkehrspunkte und Brücken, aber auch Ortsausgänge, Ortsmitten und Höhengelände. Damit sollten die feindlichen Reserven (2. Staffel) zerschlagen werden. Die strategischen Reserven des Feindes wollte man als Teil des atomaren Feuerplanes durch die Einsatzmittel der Armee und die der Luftwaffe vernichten. Trotz der fehlenden Anhänge mit den Details zum Artillerieeinsatz lässt sich feststellen, dass die zusammengefasste Feuerkraft des Korps und der Divisionen eine verheerende Wirkung auf mögliche Angriffskräfte gehabt hätte. Der Schwerpunkt lag mit mindestens vier atomaren Feuerfeldern und rund 150 vorbereiteten Atomzielpunkten eindeutig auf dem Einsatz der Atomartillerie. Der Sperrschwerpunkt wiederum lag in einer ersten Phase an der Fulda im Raum Hannoversch Münden und Kassel. Allein entlang des Flußlaufes waren über 100 vorbereitete Sperren vorgesehen. Im weiteren Verlauf des Gefechtes fiel dem Sperreinsatz in der Linie SIGMA besondere Bedeutung zu, da hier der Feind durch Zusammenwirken von Sperren, Feuer und Gegenangriff zum Stehen gebracht werden sollte. Bei durchbrechenden feindlichen Panzergruppen wäre im Fall MORGENGRUSS dem Anlegen von Minensperren durch Hubschraubereinsatz besondere Bedeutung zugekommen. Der Division standen für das Abwehrgefecht Atomsprengladungen (Atomic Demolition Means, ADM) zur Verfügung. Das Korps sollte die Divisionen unter anderem durch Anlegen von Sperren und Verstärken von Geländehindernissen zwischen der Demarkationslinie und dem Vorderen Rand der Abwehr (VRA) GAMMA, Sperren an der Eder ostwärts des Stausees und durch ein zeitlich begrenztes Anheben des Wasserstandes in Eder, Fulda ab Eder-Mündung und Weser unterstützen. Dem Korps waren acht ADM MK 30 (EBONY) mit je 0,5 KT und 4 ADM MK 45 (AMBER) mit je 2,5 KT zugeteilt. Durch den flexiblen Einsatz wollte man die Operationen des Korps und die Gefechtsführung der Divisionen unterstützen. Daher sah man einen beweglichen ADM-Einsatz mit Schwerpunkt in den Flanken und an den Hauptannäherungsstraßen vor. Hierzu waren erkundet: - 30 ADM-Punkte zwischen Skorpion und VRA GAMMA - 32 ADM-Punkte zwischen VRA GAMMA und Rückwärtigen Rand der Abwehr (RRA) GAMMA - 15 ADM-Punkte westlich RRA GAMMA. Die Zielpunkte waren in erster Linie Straßen und Straßenkreuzungen. Der Einsatz der ADM erfolgte nach Antrag der Division auf Befehl des Korps. Neben der beachtlichen artilleristischen Feuerkraft wäre die starke Pionierunterstützung sicherlich von großem Vorteil gewesen. Das verteidigungsgünstige, stark durchschnittene Gelände mit seinen tiefen Tälern und den wenig gangbaren bewaldeten Bergen bot sich für den Einsatz von Pionieren geradezu an. Schließlich sollten Kampfflugzeuge der 4. Taktischen Luftflotte der NATO (ATAF) das III. Korps durch bewaffnete Aufklärung entlang der Anmarschstraßen des Feindes und durch Close Air Support mit nichtatomaren Mitteln unterstützen. Darüber hinaus wären nach Freigabe die automatischen Zielpläne des CENTAG »Nuclear Strike Plan« und das »Armed Strike Recce«-Programm geflogen worden. Dabei hätte man Ziele in der Tiefe vernichtet.

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Der geplante Krieg zu Beginn der 1960er Jahre war der Krieg unter atomaren Bedingungen. Anfang des Jahrzehnts glaubte man, die Vorwärtsverteidigung vor allem aufgrund fehlender konventioneller Streitkräfte mit dem frühzeitigen Einsatz von Atomwaffen sicherzustellen. Die damaligen Operationspläne waren deshalb auf diesen frühzeitigen Einsatz ausgerichtet. Nur dadurch war eine frühe Fühlungnahme mit dem Feind ab der Grenze und eine Verzögerung im Bereich des III. Korps ab der Fulda möglich, ebenso die Abwehr im weit vorne liegenden Abwehrraum. In einem Bericht des Korpsartilleriekommandeurs 2 aus dem Jahre 1964 über die Atomzielkonferenz der CENTAG heißt es dazu: »Die Operationen der Korps sind bisher in der Abwehr fest auf den Einsatz verfügbarer Atomsprengkörper abgestellt. Atom-Zielpunkte und Feuerfelder bilden einen integrierenden Bestandteil des Kampfes im Abwehrraum116.« Nach seiner Einschätzung war ein neues Konzept des modernen konventionellen Feuerkampfes erst zu verwirklichen, wenn die dazu notwendige Ausstattung vorhanden sei. Die Bedenken zahlreicher deutscher Generale, der massive Einsatz von Atomwaffen mache eine Gefechtsführung unmöglich, war so mehr als berechtigt. Eine erste Veränderung brachten die von Oberstleutnant i.G. Hans-Otto Göricke erarbeiteten nationalen Führungsrichtlinien für den Einsatz von Atomwaffen, die der damalige Heeresinspekteur Generalleutnant de Maiziere im Juli 1966 unterschrieb. Nach Rücksprache mit COMLANDCENT General Graf Kielmansegg versuchte de Maiziere mit diesem Dokument die nationalen Befehlshaber auf einen verantwortungsbewussten und restriktiven Umgang mit Atomwaffen einzuschwören117. Zwar sah de Maiziere weiterhin die Notwendigkeit frühzeitiger Atomwaffeneinsätze, um bei einem großangelegten Feindangriff den EDP-Auftrag erfüllen zu können. Jedoch bedeutete ein Versagen der glaubhaften und lückenlosen Abschreckung unvorstellbare Zerstörungen auf deutschem Territorium. Deshalb forderte de Maiziere von seinen Kommandeuren: »Bei dem Einsatz von Atomwaffen sind die Auswirkungen auf die Bevölkerung und im Hinblick auf Erhaltung des eigenen Landes besonders zu beachten [...] Durch die richtige Wahl des Ortes, der Art und Zeit des Einsatzes kann oft sowohl den militärischen Erfordernissen als auch der gebotenen Rücksichtnahme entsprochen werden118.« Im Emergency Defence Plan 1 - 6 8 waren schließlich keine atomaren Feuerfelder mehr vorgesehen119. Diese Entwicklung hing auch mit dem sich in den Vordergrund drängenden Kriegsbild des »begrenzten Krieges« im Zuge des Strategiewandels zusammen. Zahlreiche Übungen und Manöver waren auf diese mögliche Vorstufe eines allgemeinen Krieges ausgerichtet und beeinflussten zunehmend 116

117

118 119

ArtKdr 2, Kurzbericht über die Atomzielkonferenz bei CENTAG am 17. Dez. 1964, 22.12.1964, BA-MA, BH 2/1247. Führungsrichtlinien für den Einsatz von Atomwaffen (de Maiziere), 18.7.1966, BA-MA, BH 2/160. Siehe auch Maiziere, In der Pflicht, S. 277 f. Ebd., S. 9. Hinweis Generalmajor a.D. Dieter Brand, Oktober 2005.

Gefechtsübung des III. Korps »Großer Rösselsprung«, September 1969.

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Helmut R. Hammerich: Kommiss kommt von Kompromiss

auch die Operationsplanungen der NATO. So hatte die Gefechtsübung des Heeres für das Jahr 1968, SCHWARZER LÖWE, die bewegliche Führung und schnell ablaufende Bewegungen im nichtatomaren Gefecht zum Thema. Damit war auch die Absicht verbunden, den gültigen EDP im Abschnitt des II. Korps zu überprüfen. Allerdings wurde die Übung aufgrund der TschechoslowakeiKrise in den württembergischen Raum, rund 200 Kilometer westlich des ursprünglich vorgesehenen Geländes, verschoben. Zum Schutz der Grenze in Ostbayern beauftragte der Kommandierende General, Generalleutnant Karl Wilhelm Thilo, die 1. Gebirgsdivision und Teile der 4. Panzergrenadierdivision. Darüber hinaus war auch die 10. Panzergreandierdivision personell und materiell auf Kriegsstärke aufgefüllt120. Die Übungsauswertung zeigte, dass das bewegliche Gefecht unter nichtatomaren Bedingungen durchaus erfolgreich zu führen war. Allerdings stellte es hohe Anforderungen an Mensch und Material, und es setzte die Bildung von panzerstarken operativen Reserven voraus. Die im EDP vorgesehenen operativen Reserven im süddeutschen Raum, die 10. Panzergrenadier- und die 12. Panzerdivision, wurden nach der Übung als Minimalansatz hierfür betrachtet. Die »rote Partei« konnte sich allerdings in der Gesamtbewertung durchsetzen und offenbarte die Gefahr eines rücksichtslos geführten Feindes mit weit gesteckten Angriffszielen. Nicht nur diese Großübung zeigte, dass Ende der 1960er Jahre eine im Schwerpunkt auf konventionelle Streitkräfte abgestützte Vorneverteidigung auf tönernen Füßen stand. Angesichts des Ausscheidens Frankreichs aus der militärischen Bündnisorganisation 1966 und der Truppenreduzierung anderer Bündnispartner war es zweifelhaft, ob nach einem massiven Angriff so weit vorne wie möglich verteidigt werden konnte. Vielmehr bestand die Gefahr, aufgrund der fehlenden präsenten Truppen doch wieder weite Teile der Bundesrepublik aufgeben zu müssen und auf den frühzeitigen Einsatz von taktischen Nuklearwaffen angewiesen zu sein. Nicht umsonst wurde in der Gefechtsübung des Heeres GROSSER RÖSSELSPRUNG im September 1969 das Thema des letzten Jahres um das Thema Übergang zum selektiv atomar geführten Gefecht ergänzt121. Die von Verteidigungsminister Gerhard Schröder im März 1967 eingeführte Regelung, statt von »Vorwärtsverteidigung« besser von »Vorneverteidigung« zu sprechen, änderte nichts an der Tatsache, dass die gültigen Einsatzpläne der NATO von einer Verteidigung so weit ostwärts wie möglich ausgingen. Allerdings waren die mit der neuen NATO-Strategie der Flexible Response verbundenen Verteidigungsplanungen weiterhin abhängig von der Bereitschaft der Mitgliedstaaten, einsatzbereite Streitkräfte zur Verfügung zu stellen. Aus dem Ruhestand meldete sich der ehemalige Generalinspekteur Heusinger zu Wort und mahnte starke präsente konventionelle Streitkräfte mit atomaren Waffen an, »um zu vermeiden, dass Gegner sofort tief vorstößt und

120 121

Zur Gefechtsübung siehe II. Korps, G 3, Erfahrungsbericht Schwarzer Löwe, 18.12.1968, BA-MA, BH 7-2/346 und Thilo, Die Tschechenkrise 1968. III. Korps, G 3, Erfahrungsbericht GROSSER RÖSSELSPRUNG, 19.12.1969, BA-MA, BH 7-3/14.

III. Die konzeptionelle Entwicklung einer Teilstreitkraft 1955 bis 1970

153

nicht wieder zurückzuwerfen ist«122. In einem Interview für die »Bunte Illustrierte« im März 1967 zeichnete er ein bedrückendes Bild: »Das Missverhältnis zwischen den verfügbaren Kräften und der Aufgabe der Vorneverteidigung, die starke konventionelle Überlegenheit des Ostblocks [...], die bedenkliche Truppenreduzierung der NATO [...] haben zu ernstem Zweifel an der Erfüllbarkeit des Auftrages geführt. [...] Auftrag und militärische Mittel müssen endlich in Einklang gebracht werden«123. Für die Heeresplaner in Bonn und Köln hatten die Veränderungen der Operationsplanungen der NATO große Auswirkungen. Die Vorwärtsverteidigung verlangte präsente und sofort einsatzbereite Verbände. Für die Aufstellung des Heeres bedeutete diese Forderung angesichts der personellen, materiellen und finanziellen Rahmenbedingungen, den Schwerpunkt auf die aktiven, kämpfenden Truppenteile zu legen. Die Kampf- und Kampfunterstützungstruppen standen deshalb von Anbeginn möglicher Kampfhandlungen im Vordergrund, während die Führungs- und Logistiktruppen oft zurückstehen mussten. Dies entsprach auch der Tradition deutschen Führungsdenkens, zeigte jedoch bald erneut die mit solch einem Ansatz verbundenen Schwierigkeiten124. Denn gerade das Konzept der Vorneverteidigung brachte große Herausforderungen in den Bereichen Führung und Logistik mit sich, die mit einer Verteidigung am Rhein nicht zu vergleichen waren. Die Tiefe des Gefechtsfeldes bestimmte gerade bei den Führungs- und Logistiktruppen Struktur und Ausrüstung. Es galt eine logistische Organisation aufzubauen, die sich von den Produktionsstätten und der Basis über Verbindungswege bis in die vordersten Linien der Kampfzone erstreckte. Darüber hinaus bedeutete die Aufstellung eines mechanisierten Heeres für die Vorwärtsverteidigung zugleich eine erhöhte Abhängigkeit von der Logistik. Die nach Osten wandernden Führungslinien, die waffentechnische Entwicklung und das Kriegsbild steigerten aber auch die Bedeutung der Führungstruppen. Hervorragende Fernmeldeverbindungen waren Grundvoraussetzung für ein erfolgreich geführtes bewegliches Gefecht der verbundenen Waffen. Eine Schwerpunktbildung bei der Aufstellung der Truppengattungen musste angesichts dieser Herausforderungen des modernen Gefechtsfeldes also eher kontraproduktiv sein125. Ein weiterer wichtiger Aspekt sich wandelnder Operationspläne war die Dislozierung der Streitkräfte. Je weiter im Osten mit kampfkräftigen Verbänden verzögert bzw. verteidigt werden sollte, desto mehr mussten die Verbände grenznah stationiert sein. Größere Querbewegungen von Truppenteilen während einer Aufmarschphase waren für die Heeresplaner ein Horrorszenario. Der Infrastrukturplanung kam deshalb große Bedeutung zu. Vorhandene Wehrmachtskasernen, die von verbündeten Streitkräften genutzt wurden, mussten eingefordert oder gemäß den jeweiligen EDP-Aufträgen getauscht 122

123 124 125

Zit. nach Meyer, Adolf Heusinger, S. 806. Heusinger war 1966/67 Gastdozent an der Universität Köln. dpa-Archiv/HG 1961, Die Bundeswehr an der Schwelle der Siebziger Jahre, 29.9.1969, S. 9. Führungsdenken. Middeldorf, Führung und Gefecht, S. 1 3 - 7 7 .

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Helmut R. Hammerich: Kommiss kommt von Kompromiss

werden. Geplante Neubauvorhaben, deren Umsetzung oft Jahre dauerte, mussten an neue Emergency Defence Plans angepasst werden. Nicht umsonst sollte sich die Infrastrukturfrage zu einem Nadelöhr des Heeresaufbaus entwickeln126. Die Einsatzräume der deutschen Verbände waren ähnlich denen der amerikanischen und britischen Truppen auf deutschem Boden Brennpunkte der geplanten Verteidigung. Dem entsprechend hoch waren die Erwartungen der NATO an die Qualität der kämpfenden Truppe. Um diesen Erwartungen gerecht werden zu können, waren für alle drei Korps mindestens 37 sofort einsatzbereite und personell voll aufgefüllte Brigaden notwendig. Mit welchen Kosten diese Vorwärtsverteidigung verbunden war, zeigte eine Studie des Führungsstabes des Heeres aus dem Jahre 1963. Demnach betrug allein der dringlichste Mehrbedarf an Material rund 500 Millionen DM, immerhin fast ein Zehntel des gesamten Heeresetats. Die Personalstärke der gültigen Aufstellungsplanung hätte mit zusätzlichen 100 000 Soldaten um rund 35 Prozent erhöht werden müssen. Die Wahrscheinlichkeit der Umsetzung dieser Berechnungen wurde vom Führungsstab jedoch durchaus realistisch eingeschätzt: »Das Heer ist sich darüber im klaren, dass diese Forderung [...] in der Praxis nicht erfüllbar ist127.« Schließlich brachte die Tatsache, dass das Gebiet der Bundesrepublik von Beginn eines Krieges an Schlachtfeld gewesen wäre, zusätzliche Problemfelder für die Heeresplaner mit sich. Der Kampf im größer werdenden rückwärtigen Gebiet stellte dabei eine ähnlich große Herausforderung dar wie die Frage der zivil-militärischen Zusammenarbeit - Aufgaben, die das Feldheer nur bedingt oder gar nicht meistern konnte, die aber die Aufstellung des Heeres erheblich beinflussten 128 . Die Heeresplaner standen im betrachteten Zeitraum vor einem Dilemma: Auf der einen Seite waren präsente, sofort einsatzbereite Verbände aufzustellen und gemäß EDP-Auftrag zu stationieren, um die Vorwärtsverteidigung und einen »angemessenen« Einsatz von Atomwaffen sicherzustellen. Auf der anderen Seite behinderten die ambitionierten Operationspläne der NATO diese Aufstellung, weil sich die Voraussetzungen und Rahmenbedingungen für einen raschen Aufbau ständig änderten. Insgesamt war den Heeresplanern rasch klar, dass die Herausforderungen der Bündnisverteidigung mit denen der Landesverteidigung keineswegs deckungsgleich waren und dass diese Erkenntnis zu erheblichen Problemen beim Aufbau des Heeres führen musste129.

126

127 128

129

Dazu grundlegend Wolfgang Schmidt, Das Verhältnis von Staat, Gesellschaft und Armee in den Aufbaujahren der Bundeswehr (in Vorbereitung). FüH III 1, Kosten der Vorwärtsverteidigung, 5.12.1963, BA-MA, BH 1/656. Karl Timm, Die Auswirkungen der Vorwärtsverteidigung auf die Landesverteidigung, Hamburg 1968 (= lahresarbeit 11. GenstLehrgLw, FüAK Bw), S. 27-71. Thoß, NATO-Strategie, S. 603-721.

III. Die konzeptionelle Entwicklung einer Teilstreitkraft 1955 bis 1970

155

2. Das Gefecht der verbundenen Waffen: Von der Kampfgruppe zur Brigade a) Die Kampfgruppen der Heeresstruktur 1: Die konventionelle Lösung für den Atomkrieg In allen Kriegen galt es, Feuer und Bewegung in einer Raum-Zeit-Berechnung aufeinander abzustimmen und miteinander zu verbinden, um Feindkräfte zu zerschlagen. Verschiedene Waffengattungen koordiniert und nach einem Operationsplan gemeinsam einzusetzen war von jeher eine Herausforderung für den militärischen Führer. Spätestens seit Einführung der Divisionsgliederung während der Napoleonischen Kriege war der Waffenverbund zwischen Infanterie, Kavallerie und Artillerie auch unterhalb der Armee und des Armeekorps gefechtsentscheidend. Die Division blieb über 150 Jahre der kleinste Verband, der selbstständig das Gefecht der verbundenen Waffen führen konnte130. Als vorbildlich für das moderne Gefecht der verbundenen Waffen galt seit den 1930er Jahren das Konzept der gepanzerten Truppen der Reichswehr und der Wehrmacht. Schnelle mechanisierte Verbände waren in der Lage, aufeinander abgestimmt selbstständige Operationen durchzuführen. Panzer, Panzergrenadiere, Panzerartillerie und weitere gepanzerte Kampfunterstützungs- und motorisierte Versorgungstruppen wurden bereits im Frieden gemeinsam ausgebildet und für das Gefecht der verbundenen Waffen vorbereitet. Während der ersten Jahre des Zweiten Weltkrieges schien sich dieses Konzept zu bewähren. Die »stählerne Spitze« (Frieser) des Heeres der Wehrmacht, verstärkt durch eine für die mittelbare und unmittelbare Unterstützung des Heeres ausgerichteten Luftwaffe, wurde in ihrem Vorwärtsdrang allerdings auch zum Problem für die aus herkömmlichen Fuß-Infanterieverbänden bestehenden Masse des Heeres131. Zum Ende des Krieges half angesichts der materiellen Überlegenheit der Kriegsgegner und dessen Adaptieren deutscher Führungsgrundsätze auch in der Verteidigung oft nur das beweglich geführte Gefecht der verbundenen Waffen. Diese Gefechtserfolge wirkten vor allem bei den Beteiligten lange nach. Angesichts der panzerstarken und zum Angriff ausgebildeten Verbände der sowjetischen Armee war es deshalb kein Wunder, dass die »alten Rezepte« auch für den Neuanfang von großem Interesse waren. Nicht umsonst waren es vor allem ehemalige Panzergenerale der Wehrmacht, die sich an der öffentlichen Diskussion um die neue Gestalt des Heeres der Bundeswehr beteiligten132.

130 131 132

Handbuch zur deutschen Militärgeschichte 1648 bis 1939; Grundzüge. Frieser, Blitzkrieg-Legende, S. 37-39. Searle, Wehrmacht Generals.

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Helmut R. Hammerich: Kommiss kommt von Kompromiss

»Das Konzert der Waffen«: Die Kampfgruppen und Panzerbrigaden der Wehrmacht Im Vordergrund der Überlegungen deutscher Militärs über die Struktur der neuen Streitkräfte stand die zentrale Frage, wie einem Angriff starker gepanzerter Kräfte aus dem Osten zu begegnen sei. Deshalb lag der Rückgriff auf die Erfahrungen im Kampf gegen die Rote Armee während des Zweiten Weltkrieges nahe. Die Bedrohung, abgesehen von der noch schlecht einzuschätzenden Größe der taktischen Atomwaffe, war durchaus mit der allgemeinen Feindlage an der Ostfront in den letzten Kriegsjahren vergleichbar. Bestärkt in dieser Auffassung wurden die deutschen Militärplaner auch durch die regen Aktivitäten der Westmächte, diese Kriegserfahrungen durch Studien kriegsgefangener deutscher Offiziere zu nutzen. Dabei war ein Themenschwerpunkt die Kampferfahrung der Wehrmacht mit der Roten Armee. Die Kernfrage war dabei stets die nach der besten Gliederung der Verbände. Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges war das klassische dreigliedrige Divisionsmodell vorherrschend. Die Infanteriedivisionen setzten sich aus 3 Infanterieregimentern mit je drei Infanteriebataillonen, einer Aufklärungsabteilung, einem Artillerieregiment, einer Panzerabwehrabteilung, einem Pionierbataillon, einer Nachrichtenabteilung und diversen Unterstützungseinheiten zusammen. Die Gesamtstärke einer Infanteriedivision betrug rund 18 000 Soldaten, fast 5000 Pferde, über 900 bespannte Fahrzeuge und rund 1000 Personen- und Lastkraftwagen. Die Hauptwaffensysteme waren über 500 leichte und schwere Maschinengewehre, rund 150 Granatwerfer, 26 leichte und schwere Infanteriegeschütze, 72 Panzerabwehrkanonen (3,7 cm), 48 leichte und schwere Feldhaubitzen und zwölf Flugabwehrgeschütze (2 cm). Über 50 Prozent des Personals gehörte den Kampftruppen an, rund ein Viertel den Kampfunterstützungstruppen und fast 10 Prozent den rückwärtigen Diensten. Die Infanteriedivisionen (mot), ab 1943 in Panzergrenadierdivisionen umbenannt, unterschied sich vor allem durch eine fast dreifache Ausstattung mit Personen- und Lastkraftwagen, durch eine deutlich stärkere Aufklärungskomponente mit einer Panzerspäh- und einer Kradschützenschwadron. Nur wenige der neuaufgestellten Panzergrenadierdivisionen erhielten eine Panzerabteilung zugewiesen 133 . Die Panzerdivision der Wehrmacht setzte sich im Jahre 1940 in der Regel aus einer Panzerbrigade mit zwei Panzerregimentern, einer Schützenbrigade mit einem Schützenregiment, einem Artillerieregiment und diversen Divisionstruppenteilen, darunter Aufklärungskräfte, Flak-, Panzerjäger- und Nachrichtenabteilungen, Panzerpioniere und Nachschubdienste zusammen. Die Gesamtstärke einer Panzerdivision betrug rund 12 000 Soldaten. Sie besaß fast 2000 Personen- und Lastkraftwagen und ebenso viele Kräder mit und ohne Beiwagen und schließlich 421 gepanzerte Fahrzeuge, davon 324 Panzerkampfwagen 134 .

133 134

Mueller-Hillebrand, Das Heer 1933-1945, Bd 1, S. 68-73. Frieser, Blitzkrieg-Legende, S. 137, und Mueller-Hillebrand, Das Heer 1933-1945, Bd 1, S. 71 und S. 163.

II. Die konzeptionelle Entwicklung einer Teilstreitkraft 1955 bis 1970

157

Ausstattungsvergleich Panzerdivision: Wehrmacht/Heer Pz

SPW

PzSpw

PzAbw

1935

432'

0

64

39

1939

3242

β

50

1941

150-2223

19

1943

136-176*

80

Flugabwehr

Art

PzH

Ü Q

24 FH motZ.

0

48

12

24 FH motZ.

0

25

51

10

36 FH motZ.

o ii

49

69

85

24 FH motZ.

Jahr

18 PzH

1

1 Panzerbrigade mit 2 Panzerregimentern (Je Regiment 2 Panzerabteilungen) und 4 Panzerabteilungen (Abteilung = Bataillon). 1 Panzerbrigade mit 2 Panzerregimentern (je Regiment 2 Panzerabteilungen) und 4 Panzerabteilungen (Abteilung = Bataillon) 3 Vorhanden waren entweder 1 Panzerregiment mit 2 Abteilungen oder 1 Panzerregiment mit 3 Abteilungen; in keiner Division waren 2 Panzerregimenter mit zusammen 4 Panzerabteilungen vorhanden. 4 1 Panzerregiment mit 2 Abteilungen, vorgesehene Soll-Ausstattung 88 Panzer Je Abteilung; abweichend davon vorlaufige Soll-Ausstattung mit 68 Panzern je Abteilung. 2

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05037-03

Auf der Divisionsebene war damit bereits ein beachtlicher Waffenmix erreicht. Allerdings verfügte die Panzerdivision insgesamt über zu wenig Infanterie. Dieses Manko wurde immer wieder beklagt, ebenso wie die Schwäche im Bereich der Panzer- und der Flugabwehr. Mit der Steigerung des Mechanisierungsgrades, ab 1943 vor allem durch Panzeraufklärungsabteilungen und vollgepanzerte Artillerieabteilungen erzielt, konnte die unzweckmäßige Lösung, gepanzerte und ungepanzerte Truppenteile zusammen einzusetzen, in den Hintergrund treten. Die Panzerkampfgruppe und die Sonderform der Panzerbrigade waren durchaus Alternativen zur Divisionsgliederung. Im März 1945 sollten die Panzer- und Panzergrenadierdivisionen zu so genannten Einheitsdivisionen umgegliedert werden. Ein ausgewogeneres Verhältnis zwischen Panzer u n d Panzergrenadieren und eine deutliche Stärkung der Panzerabwehrfähigkeit kennzeichneten den neuen Divisionstyp. Eine wichtige Neuerung war die Zusammenfassung des Panzergrenadierbataillons mit der Panzerabteilung zu einem gemischten Panzerregiment. Den Militärplanern im Amt Blank war aber auch bewusst, dass das deutsche Heer zu Beginn des Zweiten Weltkrieges kein Eliteheer mit vollmotorisierten Divisionen gewesen war. Vielmehr zeigten die Gliederungen jener Tage, dass nur rund 10 Prozent der Divisionen vollmotorisiert waren, die Masse hingegen im Infanteriemarsch oder mit dem Pferdegespann unterwegs war. Nicht nur deshalb warf man im Amt Blank den Blick eher auf die Truppengliederungen der letzten Kriegsjahre, die von einer Zusammenfassung der gepanzerten Teile geprägt gewesen waren 135 .

135

Frieser, Ardennen-Sedan, S. 25. Siehe auch Senger und Etterlin, Die Panzergrenadiere.

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Helmut R. Hammerich: Kommiss kommt von Kompromiss

Nach der Schlacht von Kursk und den sich anschließenden sowjetischen Großoffensiven des Sommers 1943 war die Initiative des Handelns endgültig auf die Rote Armee übergegangen. Die sowjetischen Generale hatte erfolgreich Lehren aus den vorausgegangenen Kriegsjahren gezogen und beherrschten den Angriff gegen die personell und materiell angeschlagene Wehrmacht. So griffen die Verbände der Roten Armee stets massiert auf breiter Front, unterstützt durch starkes Artilleriefeuer und vermehrte Schlachtfliegereinsätze die deutschen Truppen an. Die hohe motorisierte Beweglichkeit der Infanterie erwies sich neben dem massierten Einsatz starker Panzerverbände als ein Erfolgsgarant. Den Wehrmachtverbänden blieb nichts anderes übrig, als auf diese Überlegenheit mit Improvisationskunst zu reagieren. Dabei spielten die aus Panzern und Panzergrenadieren bestehenden Kampfgruppen der Panzerdivisionen eine entscheidende Rolle. Eine Panzerkampfgruppe bestand in der Regel aus einer Panzerabteilung mit 40 bis 60 Panzern und einem Panzergrenadierbataillon mit 50 bis 80 Schützenpanzerwagen. Verstärkt durch Einheiten der Panzerartillerie, der Panzerjäger und der Panzerpioniere gelang es diesen hochbeweglichen Kampfgruppen häufig, die örtliche Überlegenheit des Gegners auszugleichen und diesen im Gegenangriff zu schlagen. Der spätere erste Inspizient der Panzertruppen der Bundeswehr erklärte diese enge Kampfgemeinschaft zwischen Panzern und Grenadieren als Truppenlösung und bezeichnete die gepanzerten Kampfgruppen als »Schwert der Panzerdivision«136. Durch die »Reinrassigkeit« der Zusammensetzung der Kampfgruppe mit gepanzerten Einheiten war ein enges Zusammenwirken erst möglich. Waffenwirkung, hohe Beweglichkeit und Panzerschutz zeichneten diese damals neuartige Gliederungsform aus. Im Herbst 1944 dachte man im Kreise des Inspekteurs der Panzertruppen über eine neue Kriegsgliederung nach: »l.Die gep[panzerte] Gruppe ist seit langem die an der Front angewandte Form der Gliederung der gep[anzerten] Teile der Division], 2. Die in der Kriegsgliederung vorgesehene Gliederung ist unorganisch und als veraltet anzusehen. 3.a) Der Kampf gepfanzerter] Verbände ist ein Kampf verbundener Waffen. 3.c) Die Führung verbundener Waffen liegt nicht erst bei der Division], sondern erfolgt in der Hauptsache bereits durch das Rgt. 4. Eine Lösung kann nur eine völlige Umorganisation bringen, wie sie die USA in folgerichtiger Entwicklung bereits durchgeführt hat. 5.a) Schaffung von vielseitigen Kampfgruppenstäben137.« Schon damals waren zwei zukunftsweisende Optionen erarbeitet. Zum einen die organisch aus allen drei Waffen zusammengesetzte Panzerkampfgruppe, zum anderen die von Fall zu Fall aus selbstständigen Bataillonen zusammengestellte Kampfgruppe unter einem »neutralen« Kampfgruppenstab nach ameri136

137

Munzel, Die deutschen gepanzerten Truppen bis 1945, S. 63 f. Zu den Operationen an der Ostfront ab Mitte 1943 siehe Frieser, Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Bd 8 (in Vorbereitung). von Senger und Etterlin an Guderian, Herbst 1944, zit. nach Senger und Etterlin, Die Panzergrenadiere, S. 84-87.

III. Die konzeptionelle Entwicklung einer Teilstreitkraft 1955 bis 1970

159

kanischem Muster. Keine der beiden Lösungen konnte sich jedoch in der deutschen Wehrmacht bis Kriegsende durchsetzen. Dennoch wurde das Konzept des Gefechtes der verbundenen Waffen weiterentwickelt. Die Aufstellung von 13 Panzerbrigaden auf Befehl Adolf Hitlers ab Sommer 1944 verdeutlicht diese Entwicklung gemischter Verbände. In den vorläufigen Richtlinien für die Führung und den Kampf der Panzerbrigade vom 26. Juli 1944 war die Aufgabe der neuen Verbände im meist taktischen Rahmen festgelegt, »in beweglicher Kampfführung ein- oder durchgebrochenen Feind im Gegenstoß oder Gegenangriff zu vernichten«138. Für diese Aufgabe standen der Brigade eine Panzerabteilung, insgesamt immerhin 33 Kampfpanzer V »Panther« und zehn Sturmgeschütze laut STAN (damals KSTN), ein Panzergrenadierbataillon mit 3 - 5 Kompanien, ein Aufklärungs-/Spähzug, eine Panzerpionierkompanie sowie eine Werkstattkompanie und eine Kraftwagenkolonne zur Verfügung. Die Panzergrenadiere, meist mit über 100 Schützenpanzerwagen (SdKfz 251) ausgestattet, verfügten über zwölf Granatwerfer und zehn 7,5 cm-Panzerabwehrkanonen. Dazu kamen sechs Infanteriegeschütze 15 cm auf Selbstfahrlafette und ein Fla-Zug 37 mm. Das Panzergrenadierbataillon sollte den Kampf in erster Linie aufgesessen führen. Die Panzerpionierkompanie verfügte unter anderem über 28cm-Raketenwerfer, Flammenwerfer und Flugabwehrkanonen. Diesem beeindruckenden Waffenmix fehlte nur noch die Artilleriekomponente, bemängelt wurden auch die schwache Ausstattung im Berge- und Instandsetzungsbereich und die unzureichende Aufklärungskomponente ohne Panzerspähwagen. Der damalige Generalinspekteur der Parizertruppen Heinz Guderian war von der Brigade nicht überzeugt. Vielmehr wollte er an den bewährten Strukturen und Einsatzgrundsätzen festhalten und die kämpfenden Panzer- und Panzergrenadierdivisionen mit Personal und Material auffüllen 139 . Dass sich das Oberkommando des Heeres in dieser Frage mittelfristig durchsetzen konnte, zeigt die Tatsache, dass fast alle Panzerbrigaden bis Kriegsende in einen geschlossenen Großverband eingegliedert wurden. Allerdings zeigen Auswertungen der Kriegstagebücher, dass sich diese Brigaden trotz erheblicher Kritik an der Grundgliederung, an der mangelhaften Ausbildung der Soldaten und an den oft untypischen Einsätzen grundsätzlich bewährt haben140. Dieses »Konzert der Waffen« wurde in der Nachkriegsliteratur als Kernelement der modernen Landkriegführung und damit als Vorläufer des Gefechtes der verbundenen Waffen moderner Heere angesehen141. Eike Middeldorfs Buch »Taktik im Rußlandfeldzug - Erfahrungen und Folgerungen« aus dem Jahre 1956 zog anhand eines Vergleiches zwischen den wichtigsten Truppengattungen des Heeres der Wehrmacht und der russischen Armee Folgerungen für die us Vorläufige Richtlinien für die Führung und den Kampf der Panzerbrigade, Abtl. Ausbildung, Nr. 9657/44 geheim vom Η Qu OKH, 26.7.1944, S. 1, Bibliothek MGFA. 139 Guderian, Erinnerungen eines Soldaten, S. 112. 140 Voss, Die Panzerbrigaden 1944. Zu einzelnen Panzerbrigaden siehe Bruns, Die Panzerbrigade 106 FHH. 141 So v.a. Munzel, Die deutschen gepanzerten Truppen bis 1945.

160

Helmut R. Hammerich: Kommiss kommt von Kompromiss

zukünftigen Streitkräfte142. Auch Middeldorf unterstrich die Bedeutung beweglicher Gefechtsführung und das Zusammenwirken unterschiedlicher Truppengattungen auf dem Gefechtsfeld für die Abwehrerfolge der Wehrmacht und kam zu dem Schluss, dass die hochbewegliche, verstärkte Kampfgruppe Vorbildfunktion für die neuen deutschen Streitkräfte haben sollte. Er sah jedoch aufgrund der Kriegserfahrungen im Osten keinen Anlass, die »Verstärkungstruppen« zukünftig organisch den Kampfgruppen einzugliedern. Diese Überlegungen sollten erst nach den ersten Manövern der Bundeswehr aktuell werden. Eine Würdigung dieser Folgerungen nahm kein geringerer als der erste Generalinspekteur der Bundeswehr, damals noch Leiter des Militärischen Führungsrates und Generalleutnant, Adolf Heusinger im Vorwort vor. Heusinger, der sich durch die Ausführungen des Autors sicherlich in seinen eigenen Auffassungen bestätigt sah, sprach darin vom großen Nutzen des Buches für den Aufbau der Bundeswehr. Selbst Überlegungen zur atomaren Kampfführung kamen seiner Meinung nach nicht ohne Rückgriff auf die Erfahrungen aus der Vergangenheit aus143. Die Divisionen der U.S. Army als Vorbild für die Heeresstruktur 1

Die Gliederung der amerikanischen Divisionen änderte sich wie die anderer Armeen im Laufe des Zweiten Weltkrieges - und dies immer als Reaktion auf die Zusammensetzung der Feindverbände und/oder als Anpassung auf technische und taktische Veränderungen. Die US-Infanterie-Division war dreigliedrig, neben den drei Infanterieregimentern verfügte sie über starke Kampfunterstützungs- und Logistikeinheiten144. Regelunterstellungen weiterer Unterstützungstruppen führten in den letzten Kriegsjahren zu »gemischten« Kampfverbänden mit Schwerpunktwaffen. Die Infanteriedivision zu Beginn der 1950er Jahre hatte eine Stärke von rund 17 500 Soldaten und bestand aus drei Infanterieregimentern und vier Artilleriebataillonen. Das amerikanische Heer bildete nie eine eigene Panzergrenadiertruppe. Stets blieben die Panzergrenadiere Teil der Infanterie. Der aufgesessene Kampf war nicht vorgesehen, vielmehr war der Schützenpanzer ein besseres Transportmittel. Dies zeigt sich auch an dem in der Divisionsgliederung vorgesehenen Transportpool. Mit diesem war es möglich, zwei Kampfgruppen gleichzeitig zu bewegen. Die amerikanische Panzerdivision des Kriegsjahres 1944 war Vorbild für die innerhalb der EVG-Verhandlungen skizzierte deutsche Panzerdivision. Bereits 1942 hatte sich die U.S. Army dazu durchgerungen, die Panzerdivision mit zwei »Combat Commands« auszustatten, die dazu befähigt waren, lagegerecht zusammengestellte Verbände zu führen. Damit war der Schritt vollzogen, Kampfgruppen gemischter Waffen unterhalb der Division zu bilden und führen zu können. Für die Kampfgruppen standen zwei Panzerregimenter, ein Panzergrenadierregiment und drei Panzerartillerie-Bataillone, darüber hinaus diverse 142 143 144

Middeldorf, Taktik im Rußlandfeldzug. Ebd., S. 5. Siehe im Detail den Beitrag Rink im vorliegenden Band.

III. Die konzeptionelle Entwicklung einer Teilstreitkraft 1955 bis 1970

161

Divisionstruppen zur Verfügung. Nach weiteren organisatorischen Umstellungen, vor allem der Auflösung der Regimentsstäbe in der Kriegsgliederung und der logistischen Selbstständigkeit der Bataillone, hatte sich 1943 das Kampfgruppensystem im Gegensatz zu den deutschen und britischen Divisionen durchgesetzt. Es wurde von der »Föderation von 13 Bataillonen« gesprochen, die in jeder Lage flexibel und anpassungsfähig geführt werden konnten. Fast alle amerikanischen Divisionen auf dem europäischen Kriegsschauplatz wurden in den letzten Kriegsjahren so für den Einsatz gegliedert. Bewährt hatte sich dabei das Prinzip der Ausgewogenheit der Kampfgruppen, d.h. gleiche Anteile an Panzern, Panzergrenadieren und Panzerartillerie 145 . Ab 1955 wurde das Grundkorsett der Division nur leicht verändert. Durch die Einführung je eines zusätzlichen Panzer-, Panzergrenadier- und eines Panzerartilleriebataillons wurde die Division viergliedrig. Ansonsten blieb die Kriegsgliederung bis in die 1960er Jahre hinein so bestehen. Trotz der kurzfristigen Mischung von Panzer und Panzergrenadieren durch Unterstellungswechsel blieb es bei den reinrassigen Bataillonen. Die französische Armee der Nachkriegszeit orientierte sich an diesem Modell ebenso wie die Bundeswehr. Die N A T O - E m p f e h l u n g : Kleinere Divisionen

Während der EVG-Verhandlungen zeichnete sich eine Divisionslösung ab, die weder im deutschen noch im Interesse der NATO war. Die geplanten Schützendivisionen sollten über 21 000 Mann stark sein, die Panzerdivision rund 20 000 Soldaten umfassen. Bereits im September 1951 gab der Stab des NATOOberbefehlshabers Europa eine Empfehlung hinsichtlich der Stärke moderner Großverbände ab. Demnach sollten Kampfgruppen die Grundverbände bilden, die das Gefecht der verbundenen Waffen selbstständig führen konnten, in der Gliederung durchaus an die Divisionen der Mitgliedstaaten erinnerten, aber bei ähnlich hoher Kampfkraft nur noch rund 12 500 bis 16 350 Soldaten (Kriegsstärke) stark sein würden. Einsparungen wollte man in erster Linie durch die Verlagerung der Versorgungsleiste und Teile der Kampfunterstützungstruppen auf die Korpsebene erzielen146. Neben den Infanterie- und den Panzerkampfverbänden wurde ein Panzerbegleitverband am Reißbrett der EVG-Planer entwickelt, der seine Umsetzung Jahre später in der Grenadierdivision der Heeresstruktur 1 fand. Es bestand nach 1955 ein gewisser Zwang zur Anlehnung an das amerikanische Vorbild im Bereich der Gliederung, Ausrüstung und Bewaffnung. Bereits während der EVG-Verhandlungen wiesen die Divisionsgliederungen sowohl der Infanterieais auch der Panzerverbände deutliche Anlehnungen an das amerikanische Vorbild auf. Im Herbst 1954 wurde nach einer eingehenden und kritischen Prüfung des EVG-Divisionstyps und nach dem Scheitern der EVG festgestellt, dass 145

146

Senger und Etterlin, Panzergrenadiere, S. 158-165. Die 2. und 3. US-Panzerdivision hatten eine größere Panzerausstattung und wurden als »schwere« Panzerdivisionen bezeichnet. Empfehlungen von SHAPE für die Organisation der europäischen Verteidigungsstreitkräfte, 13.9.1951, BA-MA, Bw 9/3145.

162

Helmut R. Hammerich: Kommiss kommt von Kompromiss

die bisherigen Planungen unmodern seien. Der Leiter der Unterabteilung Heer, Oberst i.G. a.D. Hellmut Bergengruen, erkannte die Gelegenheit, »Anpassungen« der zukünftigen Heeresorganisation vorzunehmen. Seine Idee der gepanzerten Einheitsdivision ließ sich allerdings im Jahre 1954 noch nicht verwirklichen. Vielmehr plädierten die Organisatoren dafür, trotz aller Kritik an den bestehenden Planungen festzuhalten, sich an der amerikanischen Vorschrift zu orientieren und höchstens im Detail nachzubessern147. Im Gegensatz zur ΝΑΊΌEmpfehlung und zur klassischen Dreier-Gliederung der angloamerikanischen Armeen bestanden die deutschen Heeresplaner aber zunächst auf die ZweierGliederung innerhalb der Division. Bereits während der Verhandlungen auf dem Petersberg im März 1951 hatte sich Speidel angesichts der Forderung nach einem kleinen Verband für eine Division mit nur zwei Kampfgruppenstäben eingesetzt. Ende 1954 sollte sich eine Panzerdivision demnach aus zwei Kampfgruppenstäben, sechs Kampftruppenbataillonen (je drei Panzer- und Grenadierbataillone), einem Artillerieregiment und je einem Panzeraufklärungs-, Flugabwehr-, Panzerjäger-, Pionier-, Sanitätsdienst-, Versorgungs- und Fernmeldebataillon und einigen selbstständigen Kompanien bestehen. Die Grenadierdivision unterschied sich darin, dass die zwei Kampfgruppenstäbe sechs Grenadier- und ein Panzerbataillon führen sollten. Die Aufklärungskomponente war auf eine Panzeraufklärungskompanie beschränkt, ebenso war die Nachschubund Instandsetzungskomponente nur durch drei Kompanien vorhanden148. Im Zuge der EVG-Verhandlungen orientierten sich die Heeresplaner dann wieder mehr an der Gliederung der US-Panzerdivision und favorisierten drei gleichartige Kampfgruppenstäbe mit Stabskompanie für die Führung der logistisch und truppendienstlich völlig selbstständigen Bataillone. Die Kampfgruppenstäbe sollten personell so zusammengesetzt und ausgebildet sein, dass sie Bataillone aller in der Division vorkommenden Truppengattungen führen konnten. Heeresinspekteur Röttiger beschrieb die Kampfgruppenlösung 1957 wie folgt: »Die Organisation des Heeres hat sich bemüht, durch Gliederungen in Kampfgruppen der modernen Kampfführung Rechnung zu tragen. Diese Kampfgruppen sind eine Weiterentwicklung jener gemischten Verbände, die schon in den Frontdivisionen des letzten Krieges gebildet wurden. Die Kampfgruppe erlaubt eine selbständige, bewegliche Kampfführung, sowohl im konventionellen wie im Atomkrieg. Sie ermöglicht eine sich nach Lage und Auftrag ändernde Zusammensetzung149.« Die EVG-Lösungen wurden bis 1955 weiterentwickelt und den Rahmenbedingungen angepasst. Demnach sollte der Infanterieverband gemäß den NATOEmpfehlungen aus drei Regimentern mit insgesamt neun Infanteriebataillonen und einem Panzerbataillon bestehen. Darüber hinaus war eine starke Aufklärungskomponente mit einem Panzeraufklärungsbataillon und eine starke Artillerieunterstützung mit insgesamt vier Artilleriebataillonen angedacht. Der Panzer147 148 149

Auswertung der Organisations-Planübung (Bergengruen), BA-MA, Bw 9/115a. Gliederungen, 1.12.1954, BA-MA, Bw 9/3613. Röttiger, »Unser Heer«.

Der Heeresplaner: Oberst i.G. a.D. Hellmut Bergengruen. Einer der wenigen Mitarbeiter der Dienststelle Blank, die nicht in die Bundeswehr übernommen wurden. APPhoto/Giiihausen

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Helmut R. Hammerich: Kommiss kommt von Kompromiss

verband sollte ebenfalls dreigliedrig sein und sich aus vier Panzer- und vier Grenadierbataillonen zusammensetzen. Allerdings war hier eine offene Kampfgruppengliederung vorgesehen. Ein dritter Verbandstyp sollte für die deutschen Planer zukunftsweisend sein. Der Panzerbegleitverband war ebenfalls in offener Kampfgruppengliederung geplant und bestand auf dem Reißbrett aus zwei oder drei Panzer- und sechs Infanteriebataillonen, davon mindestens zwei mit Schützenpanzerwagen ausgestattet. Diesen Typus vertraglich festzuzurren war ein deutscher Verhandlungserfolg, der auf die Grenadierdivision der ersten Heeresstruktur zulief. Bergengruens Nachbesserungen hatten vor allem die Abkehr von der Regimentsstruktur der Infanteriedivision und eine entscheidende Aufwertung der Panzerabwehr- und Flugabwehrfähigkeit und eine Verstärkung der Fernmeldekomponente zur Folge. Anfang September 1954 hatte Oberst a.D. Hans-Georg von Tempelhoff bereits die Divisionsgliederungen kritisiert: »Diese Divisionstypen sind so, wie sie jetzt vorliegen, vom taktischen] und opferativen] Standpunkt aus unmodern [...] Es wird jedoch vorgeschlagen, an den bisherigen Div[isions]-Typen selbst nichts zu ändern [...] Besonderer Umgliederung bedarf der Typ der Schützen-Div[ision]150.« Diese Kritik, vor allem an den Schützendivisionen, zeigte Wirkung. Im Laufe der folgenden Jahre wurde die Schützendivision aus den Planungen genommen. Es gab nur noch zwei Grundtypen für die zukünftigen Divisionen: Die Grenadier- und die Panzerdivision. Die deutschen Grenadier- und Panzerdivisionen der Heeresstruktur 1 waren ähnlich gegliedert, wie die oben beschriebene US-Panzerdivision 43. Diese Gliederung war in der Panzertruppe der U.S. Army auch noch 1956 Standard. Zuerst zwei, dann drei Kampfgruppen, die wiederum aus sechs Kampftruppenbataillonen bestanden. Die Grenadierdivisionen bestand aus sieben für den selbstständigen Kampf gegliederten und ausgestatteten Grenadierbataillonen mit je 900 Soldaten. Dazu kamen ein Panzerbataillon, ein Artillerieregiment mit zwei leichten und einem mittleren Feldartilleriebataillon, je ein Panzerjäger-, Panzeraufklärungs-, Pionier-, Flugabwehr-, Fernmelde- und Sanitätsbataillon. Zudem waren als Versorgungstruppen eine Quartiermeister- und eine leichte Feldzeuginstandsetzungskompanie, als Führungstruppen eine Feldjägerkompanie und eine Heeresfliegerstaffel vorgesehen. Die Grenadierbataillone verfügten jeweils über 85 Maschinengewehre, acht Panzerabwehrgeschütze, acht mittlere und vier schwere Granatwerfer und waren damit und mit rund 100 Sturmgewehren pro Grenadierkompanie sehr abwehrstark. Die Beweglichkeit wurde durch insgesamt 120 geländegängige Lastkraftwagen sichergestellt. Das Panzer-Bataillon war mit seinen 72 mittleren Kampfpanzern die Schwerpunktwaffe der Division vor allem im Gegenangriff. In der Erstausstattung mit dem amerikanischen Panzer Μ 47 »Patton« versehen, bedeutete dies eine beeindruckende Feuerkraft. Jeder Kampfpanzer verfügte in der Kampfbeladung über 71 HVAP-Patronen, die auf 1500 Meter einen T-54 frontal durchschlagen konnten. Somit hatte das Bataillon in einem ersten 150

Auswertung der Organisations-Planübung (Bergengruen), BA-MA, Bw 9/115a.

165

III. Die konzeptionelle Entwicklung einer Teilstreitkraft 1955 bis 1970

Panzerbegleitverband, Planung Oktober 1951 Vorbild für die Grenadierdivision der Heeresstruktur 1

XX | Stärke: ca. 13000 fe

Γ Kampfgruppe

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Quelle: BA-MA, Bw 9/3154.

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©MGFA 04889-36

Kampfeinsatz über 5000 Patronen zur Verfügung 151 . Die Feuerkraft der Bataillone der Grenadierdivision wurde durch das Feldartillerieregiment mit insgesamt 54 Artillerierohren der Kaliber 105 m m u n d 155 m m verstärkt. Das Panzerjägerbataillon bestand aus insgesamt 70 leichten Kampf- und Aufklärungspanzern M-41, das Panzeraufklärungsbataillon verfügte in der Grenadierdivision über eine Panzeraufklärungskompanie mit 20 M-41 und eine Panzerspähkompanie mit »Bren-Carriern« und LKW 0,75 to Borgward. Das Flugabwehrartilleriebataillon verfügte über vier schießende Batterien mit zunächst 48 M-55, einer Vierling-Kanone 12,7 mm auf dem Halbkettenfahrzeug M-16. Ab 1957 ergänzte der M-42, eine Zwillings-Kanone 40 mm auf offener Selbstfahrlafette, die Flugabwehreinheiten. Diese beeindruckende Feuerkraft konnte nur mit einer starken Unterstützungskomponente aufrechterhalten werden. Dazu verfügten die einzelnen Bataillone mit ihrer Versorgungskompanie (mit je einem Quartiermeister-, Feldzeug- und Sanitätszug) bereits über eine starke Logistikkomponente. 151

Ein großer Nachteil des Μ 47 war der immense Benzin-Verbrauch seines VergaserOttomotors. Auf 100 Kilometer Straße benötigte er mindestens 700 Liter. Im Gelände hatte er deshalb einen Fahrbereich von deutlich unter 100 Kilometern. Die Anfälligkeit des Motors und der Bordelektrik sowie die erste Generation optischer Entfernungsmesser waren weitere Nachteile, die Alternativlösungen herausforderten.

166

Helmut R. Hammerich: Kommiss kommt von Kompromiss

Die Panzerdivisionen hatten drei Panzer- und drei Panzergrenadierbataillone, ein Panzerartillerieregiment mit drei Bataillonen, je einem Panzeraufklärungs-, Panzerpionier-, Fernmelde-, Flugabwehr-, Sanitäts- und, im Gegensatz zur Grenadierdivision, ein Quartiermeisterbataillon. Die Unterstützungskräfte der Panzerdivision glich denen der Grenadierdivision. Angestrebt wurde von den Heeresplanern, dass die Gliederung und die Ausrüstung der Bataillone gleich war. Auch die personelle Ausstattung sollte gleich sein, um die jeweiligen Verbände leichter führen und versorgen und bei Bedarf austauschen zu können 152 . Insgesamt führte der Kommandeur einer Panzerdivision 216 mittlere und 15 leichte Kampfpanzer und 64 Schützenpanzer. Verstärkt wurden die Kampftruppen durch 54 Artilleriegeschütze des Panzerartillerieregiments, 40 leichte Kampfund Aufklärungspanzer des Panzeraufklärungsbataillons, 70 leichte Kampfund Aufklärungspanzer des Panzerjägerbataillons und durch Flugabwehrkanonen des Flugabwehrartilleriebataillons mit fünf schießenden Batterien. Darüber hinaus verfügte die Panzerdivision über ein Panzerpionier-, ein Flak-Artillerie-, ein Fernmelde-, ein Quartiermeister- und ein Sanitätsbataillon. Die Divisionstruppen wurden ergänzt durch eine Heeresfliegerstaffel und eine Feldjägerkompanie. Das deutsche Modell der Panzerdivision, die ein Verhältnis zwischen Panzer und Panzergrenadiere von 1:1 aufwies, war durch seine Fähigkeit des gemeinsamen Kampfes der Panzer und der Panzergrenadiere in allen Gefechtsarten zukunftsweisend. Andere Heere konnten eine solch moderne Gliederung nicht oder erst in Ansätzen vorweisen. Das Gefecht der verbundenen Waffen in der ersten Bewährung Im Januar 1957 deutete Heusinger eine Umgliederung des Heeres an. Er bezweifelte, dass die gültigen Divisionsgliederungen »der Weisheit letzter Schluss« seien153. Für ihn stellten die bestehenden Gliederungen keine adäquate Antwort auf die Herausforderungen des atomaren Gefechtes dar. Bestätigung fand Heusinger durch die Auswertung der ersten Herbstübungen, die nach fast 20-jähriger Unterbrechung vorerst nur im Kampfgruppenrahmen durchgeführt wurden. Deshalb wurde auch bewusst auf den Begriff »Manöver« verzichtet. Die Aufgaben, welche die Abteilung Heer vorgab, waren Alarmierung und Herstellen der Marschbereitschaft, Marschübungen, Beziehen von Bereitstellungsräumen und Sicherung. Die Divisionen besaßen darüber hinaus Gestaltungsfreiheit. Insgesamt zeigte die Übungstruppe, immerhin rund die Hälfte des gesamten Heeres mit fast 500 Panzern und über 6000 Lastkraftwagen, gute bis sehr gute Leistungen. Zum ersten Mal wurden auch so genannte Übungspanzer eingesetzt. Eine wichtige Erfahrung der Übungen war die, dass die personellen Stärken an der oberen Grenze lagen, die für ein atomares Gefecht noch tragbar war. Der 152

153

Kurzfassung des Vortrage über die Organisation und Bewaffnung der Verbände und Verfügungstruppen des Heeres (Bennecke), 15.5.1956, BA-MA, BH 1/1587. Zit. nach Meyer, Adolf Heusinger, S. 603.

III. Die konzeptionelle Entwicklung einer Teilstreitkraft 1955 bis 1970

167

Ausstattungsvergleich Panzerdivision: Bundeswehr/Heer Pz Jahr

^SjFjjji

SpPz

PzJg

PzH

RakWfr

88

54

0

Flak.

wL·

1956 HStru 1

216

192 gep Fz

138

94

1965 HStru 2

270

224

102

40

51

52

6

1972 HStru 3

270

200

102

50

36

72

19

1984 HStru 4

274

184

78

36

36

90

16

HStru 1: keine Brigadegliederung. HStru 2 bis 4: Brigadegliederung mit 2 Panzer- und 1 Panzergrenadierbrigade. Bearbeitet von Michael Poppe.

©MGFA 05038-05

Kampfgruppe wurde allgemein bescheinigt, in vielen Lagen überfordert zu sein. Vor allem die zeitlich begrenzte Zuweisung von Verstärkungskräften wurde als nicht kriegstauglich für das moderne Gefecht beurteilt154. Am weitesten in der Kritik ging der »Atomausschuss« unter Oberst i.G. Albert Schindler. Schindler bescheinigte dem Heer in seiner ersten Struktur, nicht atomkriegstauglich zu sein155. In der Rückschau brachte ein Generalstabsoffizier den schwierigen Auftrag der Heeresplaner in der Frühphase der Bundeswehr auf den Punkt: »mit unbekannten, teilweise veralteten Waffen nach einer ausländischen Truppengliederung ohne ausgebildete Führungskader schnell ein kriegsbrauchbares Heer«156 aufzustellen. Der Charakter des Heeres war sichtbarer Ausdruck der Vorstellung, das Feldheer der Bundeswehr sei der Hauptträger der konventionellen Verteidigung in Mitteleuropa. Trotz der bestehenden NATO-Strategie der Massiven Vergeltung lag der Schwerpunkt nicht auf der Fähigkeit, in einem Atomkrieg zu bestehen, sondern auf herkömmliche Weise einen Bewegungskrieg gegen einen panzerstarken Gegner zu führen. Die Division erschien den Heeresplanern weiterhin als geeignete Grundform, obwohl selbst die bereits abgespeckten Divisionen mit rund 13 000 Soldaten und 3500 Fahrzeugen noch recht unhandlich waren.

154

155 156

Maiziere, In der Pflicht, S. 213-219. Erfahrungsbericht über: Die Herbstübungen des Heeres 1957,12.2.1958, BA-MA, BH 1/663. FüB III, Ausarbeitungen Schindler 1955-1959, Bw 2/10671. Aßmus, Die Division 1959.

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Helmut R. Hammerich: Kommiss kommt von Kompromiss

b) Die mechanisierten Brigaden der Heeresstrukturen 2 und 3: Die »Sowohl als auch«-Lösung US-Pentomic-Division als Reaktion auf die atomare Kriegführung ab 1955

Die NATO-Partner waren ebenfalls auf der Suche nach einer geeigneten Verbandsgliederung für das atomare Gefechtsfeld. Eine der interessantesten Antworten auf die Auswirkungen der taktischen Nuklearwaffen für den Einsatz von Landstreitkräften stellte das Konzept der »pentomic division« im amerikanischen Heer dar. Der Ausgangspunkt war ein Konsens hoher Militärs, dass vor allem Auflockerung und Beweglichkeit der Truppe entscheidend für die moderne Landschlacht seien. Nach mehr als 70 Gefechtsübungen im Jahre 1954 mit unterschiedlichsten Divisionsgliederungen sprach sich der Stabschef der U.S. Army, General Maxwell D. Taylor, für eine fünfgliedrige Division aus: »Die Verbesserungen bei den Fernmeldeverbindungen [...] erlaubten es einem Divisionskommandeur nun, mehr Verbände als die herkömmlichen drei zu führen [...] Unsere Versuche in Korea hatten ergeben, dass die optimale Zahl bei etwa fünf liegt157.« Taylor sah in dieser neuen Struktur die bestmögliche Form, sowohl atomar als auch konventionell kämpfen zu können. Dafür sollten vor allem die Infanterieund die Luftlandedivisionen, weniger die Panzerdivisionen, umgegliedert werden. Die herkömmliche Division sollte durch Personalreduzierung, fünf statt drei Kampfgruppen und eine verstärkte Artilleriekomponente, darunter eine atomwaffenfähige Raketenbatterie »Honest John«, bei erhöhter Kampfkraft verschlankt werden. Taylor machte allerdings immer deutlich, dass kleinere Divisionen nicht zur Personaleinsparung dienten, vielmehr die dadurch freiwerdenden Soldaten in den Unterstützungsbereich (atomic support commands) kommandiert würden. Luftbewegliche leichte Infanteriedivisionen waren zwar das Steckenpferd der Fallschirmjägergenerale Matthew B. Ridgway, Taylor und James M. Gavin, jedoch zeigten sich bald die Unzulänglichkeiten der neuen Divisionen für das moderne atomare Gefechtsfeld. Im Gegensatz zu den Panzerexperten wollten sie nicht das mechanisierte Heer als Antwort auf die Herausforderung der Atomwaffen gelten lassen, sondern ihre Idee des luftbeweglichen Heeres durchsetzen. Die neuen taktischen Atomwaffen waren hierfür nicht allein ausschlaggebend, wurden vielmehr auch zur Durchsetzung der Ideen instrumentalisiert158. Letztlich war es ein Kampf der Teilstreitkräfte um Geldmittel und Einfluss. Das US-Heer, Stiefkind der Strategie der Massiven Vergeltung, sollte durch eine neue Gliederung für eine große Bandbreite von Einsatzmöglichkeiten an Bedeutung gewinnen. Nicht umsonst wiesen amerikanische Heeresgenerale ab 1953 auf die Schwächen der neuen Strategie hin, vor allem angesichts der wachsenden Nuklearmacht der UdSSR. Der Führungsanspruch des Heeres wurde damit begründet, dass ein allgemeiner Atomkrieg 157 158

Taylor, Swords and plowshares, S. 153, zit. nach Sepp, Die atomare Vision, S. 301. Sepp, Die atomare Vision.

III. Die konzeptionelle Entwicklung einer Teilstreitkraft 1955 bis 1970

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nicht wünschenswert sei und dass eine starke Armee für alle Arten des Krieges vorbereitet sein müsse. In zahlreichen Studien wurden die offizielle Strategie kritisiert, die amerikanische Presse schrieb sogar vom »Aufstand der Obristen« 159 . Kurzfristig konnten sich die Heeresgenerale nicht durchsetzen, wie die Zurruhesetzung der führenden Köpfe des »Airborne Club«, Ridgway, Taylor und Gavin bewiesen. Langfristig gelang es der U.S. Army jedoch, ihren Führungsanspruch durchzusetzen. Im Detail zeigte sich aber, dass auch das Heer einen Schwerpunkt in der Entwicklung von taktischen Nuklearwaffen setzte, während andere wichtige Projekte wie die Mechanisierung der U.S. Army nur zögerlich vorankamen. Dass der Weg über die Pentomic-Division dafür nicht geeignet war, brachte der Nachfolger von General Lyman L. Lemnitzer als Stabschef des Heeres, General George H. Decker, auf den Punkt: »Die Pentomic-Division war eine eierlegende Wollmilchsau, die nicht kriegstauglich war 160 .« Um die Divisionen wieder einsatzfähig und führbar zu machen, musste eine neue Gliederung gefunden werden, die sowohl den Anforderungen eines atomaren Gefechtsfeldes als auch den herkömmlichen Einsatzarten gewachsen war. Dazu sollte eine Studiengruppe Vorschläge ausarbeiten. Die vorgelegte Reorganization Objectives Army Division (ROAD)-Studie empfahl der amerikanischen Heeresführung die Rückkehr zum Divisionsmodell des Jahres 1947. Nach nur fünf Jahren kehrte daraufhin die U.S. Army wieder zur altbewährten Divisionsgliederung mit drei Kampfelementen zurück 161 . Für die deutschen Überlegungen spielte die Pentomic-Division dahingehend eine Rolle, als dass sich Generalleutnant Röttiger während seiner Amerikareise im Februar 1957 von den Umgliederungsvorbereitungen der U.S. Army beeindruckt zeigte. Atomkriegsfähigkeit und Luftbeweglichkeit zeichneten demnach die modernen Infanterieverbände aus. Röttiger sah die 101. Airborne Division durchaus als Vorbild für die deutsche Luftlandekomponente. Die Vorzüge aller Neugliederungen waren nach seiner Einschätzung ein Mehr an Beweglichkeit, eine deutliche Steigerung der Feuerkraft durch die Eingliederung der Atomartillerie, eine verbesserte Fernmelde- und Aufklärungsausstattung und nicht zuletzt ein ausgewogeneres Verhältnis zwischen Kämpfer und Helfer 162 . Auch andere Staaten und die NATO befassten sich zu dieser Zeit mit der Frage der optimalen Gliederung für moderne Großverbände. Die Umgliederungsbemühungen kennzeichneten die Übergangsphase vom konventionellen zum atomaren Gefecht. Die britische Armee hatte bereits 1956 ihre Divisionen erheblich verkleinert. Ein Jahr später wurde statt der Panzerdivision die Panzerbrigadegruppe eingeführt. Im Vergleich war dieser neue Verband zu panzerstark und angesichts der fehlenden Infanterie (nur ein Grenadierbataillon) unausgewogen. Seit 1950 führte die französische Armee Versuche 159 160

161 162

Bacevich, The Pentomic Era, S. 4 1 - 4 5 . Zit. nach Bacevich, The Pentomic Era, S. 135. Freie Übersetzung des Zitats durch den Autor. Sepp, Die atomare Vision. Vgl. auch Bacevich, The Pentomic Era. Bericht über USA-Reise (Röttiger), März 1957, BA-MA, BH 1/1589.

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Helmut R. Hammerich: Kommiss kommt von Kompromiss

mit kleineren Divisionen durch. 1954 zeichnete sich ein gemischter Brigadetyp durch hohe Beweglichkeit und Selbstständigkeit aus, dessen Bataillone aus Panzer- und Grenadiereinheiten bestanden. Die gemischten Bataillone setzten sich in der Division mechanique rapide aus dem Jahre 1955 durch. Ähnlich der Pentomic-Division wurde dann im Zuge der Heeresreorganisation durch Marschall Alphonse Juin im Jahre 1955 eine fünfgliedrige Division d'Infanterie Motorisee geschaffen. Fünf gemischte motorisierte Infanterieregimenter mit je einer gemischten Panzeraufklärungs-/Panzerjägerkompanie bildeten einen panzerabwehrstarken, hochbeweglichen Verband. Die Heeresplaner im Führungsstab des Heeres verfolgten natürlich diese Entwicklungen, sahen aber auch die fortschreitende Mechanisierung der sowjetischen Truppen in der DDR. Während die Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland 1950 noch aus sechs Schützen-, je acht Mechanisierten und Panzerdivisionen bestand, waren daraus acht Jahre später zehn Mechanisierte und zehn Panzerdivisionen geworden163. Deutsche Überlegungen zum optimalen Großverband bei 200 000 Heeressoldaten Noch bevor Franz Josef Strauß Verteidigungsminister wurde, kritisierte er im Kabinett die Aufstellungsplanungen seines Ministerkollegen Blank von 500 000 Soldaten in drei Jahren. Sein Vergleich mit der Aufrüstung der Wehrmacht und den fragwürdigen militärischen Erfolgen bei der Besetzung Österreichs nach fünf Jahren intensiver Aufrüstungaktivitäten seit 1933 ließen den Bundeskanzler aufhorchen. Der reine Zahlenvergleich zeigte zudem, dass die Bundeswehrgenerale noch schneller aufstellen wollten als ihre Vorgänger in der Wehrmacht. Adenauer wollte jedoch nichts von einer Aufstellungskrise hören und rügte Strauß wegen seines Fingerhebens. Erst als der deutsche NATOBotschafter Blankenhorn vom wachsenden Misstrauen der Verbündeten gegenüber der Bundesrepublik berichtete, reagierte Adenauer. Seine innenpolitisch bestimmte Entscheidung vom September 1956, die Wehrdienstzeit auf zwölf Monate festzulegen, war kurz darauf vom ständigen NATO-Rat kritisiert worden. Zudem musste der Bundeskanzler gegenüber den Alliierten erklären, die zugesagten Truppen nicht in der vorgesehenen Zeit aufstellen zu können. Blank hatte zwar bereits im Jahreserhebungsverfahren Ende 1955 eine Erweiterung der Aufstellungsdauer um ein Jahr erwirkt. Statt der für Ende 1958 angekündigten 60 5000 Soldaten (Heer, Luftwaffe, Marine und Territorialverteidigung) wurden nur 48 0000 Soldaten vorgeschlagen. Erst Ende 1959 sollte die Höchstgrenze erreicht sein164. Doch auch diese Planungsziele waren unrealistisch, scheiterten in erster Linie an fehlenden Unterkünften und an fehlenden rechtlichen Grundlagen, ganz zu schweigen von den fehlenden finanziellen Mitteln. Das Freiwilligengesetz und die Arbeit des Personalgutachterausschusses machten eine Aufstellung 163 164

Senger und Etterlin, Die Panzergrenadiere, S. 138-158. AWS, Bd 3, S. 642-658 (Beitrag Greiner).

Sammlung

Dietrich]

Verteidigungsminister Franz Josef Strauß (1956-1963) bei der Truppe.

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»von oben« unmöglich. Vielmehr musste nun von den Lehrkompanien nach oben aufgebaut werden. Angesichts der Nuklearstrategie der NATO dachte schließlich auch Adenauer im September 1956 über eine atomar ausgerüstete Bundeswehr mit insgesamt 300 000 Soldaten statt der konventionell ausgerüsteten 500 000 Soldaten nach165. Ende September musste auch noch die Einstellung freiwilliger Soldaten des Heeres aufgrund der mangelnden Unterkünfte gestoppt werden. Beschaffungsaufträge wurden aufgrund unsicherer Finanzierung storniert, Planstellen fehlten, was zu Beförderungsstaus führte. Die Abteilung Heer stellte mit deutlichen Worten fest: »Die nüchterne Beurteilung der jetzigen Situation ergibt, dass die Planung des Heeresaufbaus in der bisher geforderten Zielsetzung in Zeitablauf und Umfang nicht durchzuführen ist. [...] Im Augenblick herrscht Direktionslosigkeit. Es sind keine klaren Weisungen an die Truppe möglich [...] Dieser Zustand ist politisch, militärisch und psychologisch untragbar und kann nur mit einer sofortigen neuen - für alle verbindlichen - Planung begegnet werden166.« All diese Negativentwicklungen der ersten Aufstellungsphase konnten vor allem gegenüber der NATO nicht mehr geheim gehalten werden und liefen auf einen »Neuanfang«, auf eine Neuorganisation hinaus. Das erste Signal dafür sollte die Entlassung des Verteidigungsministers sein. Mitte Oktober wurde der Minister für Atomfragen als Nachfolger Blanks ernannt. Zu Adenauers Kehrtwendung hinsichtlich seiner Person erinnerte sich Strauß an die »Entschuldigung« Adenauers: »Herr Strauß, wollen Sie es einem alten Mann übelnehmen, dass er noch in der Lage ist, seine Meinung zu ändern167?« Der neue Verteidigungsminister reagierte sehr schnell. Er ließ nach einem Gespräch mit den Spitzen des Ministeriums die Planungsziele deutlich reduzieren. Aus 500 000 Soldaten wurden 350 000 und aus drei Jahren Aufstellungszeit wurden fünf Jahre. Die Kürzung der Aufstellungsplanung wurde im Heer dadurch aufgefangen, dass nur noch zwölf Großverbände aufgestellt werden sollten. Die zusätzlichen Verbände wurden ersatzlos gestrichen, die Luftlandeund die Gebirgsbrigade wurden anstatt zweier vorgesehener Grenadierdivisionen zu Divisionen aufgebaut. Ansonsten wurde noch auf einen Korpsstab und auf verschiedene Bataillone verzichtet und ein deutlich reduzierter Personalansatz bei den zwei neuen Divisionen festgelegt. Kürzungen der Ist-Stärken bei allen Fechtenden Truppen und vor allem der Versorgungstruppen brachten zusätzliche Einsparungen. Das Heer musste vorerst mit einem Gesamtumfang von 197 000 Soldaten vorlieb nehmen168. Der Aufbau der Territorialen Verteidigung wurde zunächst ohne Priorität durchgeführt. Mit Priorität wurde hingegen das Programm »Qualität vor Quantität« des neuen Ministers verfolgt. Der 165 Adenauer: Wir haben wirklich etwas geschaffen, 20.9.1956, S. 1073. 166

167 168

Sprechzettel für den Vortrag Abt.-Leiter Heer beim Minister, 22.10.1956, BA-MA, BH 1/2460. Strauß, Die Erinnerungen, S. 303. Sprechzettel für den Herrn Inspekteur für die Führungsrat-Sitzung am 21.10.57, BA-MA, BH 1/1586.

III. Die konzeptionelle Entwicklung einer Teilstreitkraft 1955 bis 1970

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reduzierte Personalansatz wurde mit dem im Bündnis weitverbreiteten Schlagwort der Umrüstung erklärt. Doch während des Jahreserhebungsverfahrens im Oktober 1956 kritisierten die NATO-Behörden erst einmal den deutschen Kurswechsel und forderten weiterhin die Aufstellung von 500 000 Soldaten. SACEUR Norstad sah im Herbst 1957 sogar die wirksame Verteidigung Mitteleuropas durch die deutschen Reduzierungsabsichten bedroht169. Die Frage nach der Höchstgrenze der Bundeswehr zog sich noch über Jahre hin, ehe im Februar 1963 Verteidigungsminister von Hassel Washington gegenüber die Gesamtstärke von 500 000 Soldaten als angemessenen Beitrag für die Verteidigung Westeuropas vertrat. Allerdings war bei dieser Zahl bereits der Faktor Mobilmachung und die damit verbundene Einberufung von Reservisten berücksichtigt. Für den Führungsstab des Heeres waren die Veränderungen der Planungsgröße Personal eine ständige Quelle der Unruhe und der Verärgerung. Denn die vorgegebene Anzahl der Großverbände und der damit verbundene Anteil an Stäben und Korpstruppen und sonstiger Fechtender Heerestruppen ließen die Abteilung Heer einen Mindestansatz von immerhin rund 280 000 Soldaten fordern 170 . Mit rund 200 000 Soldaten ließ sich nach Berechnungen des Führungsstabes des Heeres zwar ein Heer mit zwölf Divisionen aufstellen, jedoch wurde deutlich darauf hingewiesen, dass hinsichtlich der Kampfkraft und der Einsatzbereitschaft erhebliche Defizite entstünden. Um diese Defizite nicht zu groß werden zu lassen, forderte der Führungsstab des Heeres eine rasche Mobilmachung und die sofortige Aufstellung von Rekrutenkompariien, um die Einsatzverbände zu entlasten. Weiteren Kürzungsabsichten der Regierung wurde eine Absage mit dem Hinweis erteilt, dass dies militärisch nicht zu verantworten sei171. Taktische Atomwaffen und modernes Feldheer Parallel zur Aufstellung der Divisionen in der Heeresstruktur 1 liefen die Diskussionen um den Einsatz taktischer Atomwaffen. Ab Mitte 1955 besuchten deutsche Offiziere erste Lehrgänge der NATO und wurden zumindest grob in die Bündnis-Strategie der Massiven Vergeltung und in die Einsatzgrundsätze für Atomwaffen eingewiesen. Im Frühjahr 1956 war auch den deutschen Heeresplanern klar, dass die Landstreitkräfte der Verbündeten mit 280-mmKanonen ausgerüstet werden sollten, die auch atomare Munition verschießen konnten. Oberst i.G. de Maiziere vertrat vehement die Berücksichtigung des taktischen Atomwaffeneinsatzes und kritisierte die Stabsoffiziere und Generale in der Abteilung Heer, die noch immer von einer möglichen Trennung von konventioneller und atomarer Kriegführung ausgingen. Ohne ein Befürworter der Massiven Vergeltung zu sein, war ihm klar, dass ein modernes Gefecht nicht ohne den Einsatz von Atomwaffen geführt werden würde 172 . Die Abteilung Streitkräfte präsentierte im September 1956 eine Denkschrift zur Umrüs169 170

171 172

Α WS, Bd 3, S. 782 (Beitrag Greiner). Sprechzettel für den Vortrag Abt.-Leiter Heer beim Minister, 22.10.1956, BA-MA, BH 1/2460. Sprechzettel betr. Neuplanung Heer, 22.10.1957, BA-MA, BH 1/24260. Diensttagebuch Abtl. IV-A, 20.4.1956, BA-MA, Bw 9/2527-8.

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tung der Bundeswehr. Der zuständige Referent, Oberstleutnant i.G. Alfred Martin, argumentierte ganz im Sinne seines Vorgesetzten de Maiziere, dass eine nukleare Umrüstung deutscher Streitkräfte unabdingbar sei. Allerdings führte Martin ebenso deutlich aus, dass damit nicht gemeint sei, den Aufbau der konventionellen »Schildstreitkräfte« zu vernachlässigen. Vielmehr war an eine nukleare Verstärkung der Truppe gedacht, ausgerichtet an den wirtschaftlichen, finanziellen, technischen und organisatorischen Rahmenbedingungen. Die Voraussetzungen dafür schienen gut. Die Bundeswehr war nach Ansicht der Abteilung Streitkräfte bereits zum damaligen Zeitpunkt auf gutem Wege, sowohl das atomare als auch das konventionelle Gefecht führen zu können. Im Gegensatz zu den amerikanischen und britischen Divisionen sah man in der modernen Kampfgruppen-Struktur des Heeres einen wichtigen Schritt hin zu nuklearkriegsfähigen Streitkräften. Der Gedanke der Abschreckung spielte dabei eine erhebliche Rolle, denn angesichts der technischen Waffenentwicklung und der zu erwartenden Ausrüstung der sowjetischen Streitkräfte mit taktischen Nuklearwaffen waren nur mit Atomwaffen ausgerüstete Streitkräfte glaubwürdig173. Auch Heusinger hatte die Zeichen der Zeit erkannt, verstand es aber, seiner Linie treu zu bleiben. Auf der einen Seite gestand er zu, dass eine moderne Ausbildung und eine moderne Bewaffnung für die Bundeswehr selbstverständlich sei. Auf der anderen Seite betonte er die ungebrochene Bedeutung der konventionellen Streitkräfte in einem modernen Krieg. Dabei ließen sich die Herausforderungen der modernen Waffentechnik sehr gut mit den Kriegserfahrungen ehemaliger Wehrmachtsgenerale verbinden. Die Antworten auf den möglichen Einsatz taktischer Nuklearwaffen waren vielfach deckungsgleich mit den Antworten auf den Angriff panzerstarker Verbände im Zweiten Weltkrieg: Panzerung, Beweglichkeit, Auflockerung. Es war daher auch nicht verwunderlich, dass die Überlegungen Hasso von Manteuffels, Heinz Guderians und Erich von Mansteins durchaus von den verantwortlichen Planern im Verteidigungsministerium aufgegriffen wurden. Ende 1955 hatte sich von Manstein bereits kritisch zum ersten Organisationsplan des Heeres geäußert. Noch vor Beginn der Aufstellung bewertete er die Verbände als zu schwerfällig für das moderne Gefecht. Den in zahlreichen Gesprächen und Briefwechseln von Heusinger immer wieder vorgebrachten Einwand, die politischen Rahmenbedingungen berücksichtigen zu müssen, ließ der Feldmarschall a.D. nicht gelten. Er warb für eine neue Lösung und forderte mehr und kleinere Verbände. Die Brigade sollte die Rolle einnehmen, die bisher der Division zugefallen war: die kleinste operative Einheit. Die Division sollte demnach aus drei Brigaden bestehen, die selbst kleine Divisionen sein sollten. Damit war die neue Rolle der Division eher die eines kleinen Korps, welche die Brigaden in erster Linie im Einsatz unterstützte und versorgte174. Zwar gelang es Heusinger nicht, Manstein von 173

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Denkschrift »Militärpolitische Probleme der Umrüstung« (Martin), September 1956, BAMA, Bw 2/6163. Grundsätzliche Gedanken zu dem Organisationsplan »Heer«, von Manstein, November 1955, BA-MA, BH 1/3685.

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seiner kritischen Haltung gegenüber den Heeresplanern im Amt Blank abzubringen, aber ebenso wenig erreichte Manstein, die Planungen in seinem Sinne zu beeinflussen. Doch immerhin war die »Brigadelösung« auch durch die Auseinandersetzung mit Manstein und weiteren altgedienten Heeresgeneralen angedacht und für zukünftige Strukturänderungen in den Schubladen der Organisationsabteilung des Heeres175. Während einer Ansprache vor wiedereingestellten höheren Offizieren in Adenau im Januar 1957 forderte Heusinger von den älteren Offizieren, sich den neuen Entwicklungen nicht zu verschließen und auf die Herausforderung der atomaren Kriegführung mit geistiger Wendigkeit zu reagieren. Zwar sei vieles noch in der Schwebe, jedoch verlange das neue Kriegsbild neue Strukturen. Für das Heer sah Heusinger die eingenommene Divisionsgliederung als verbesserungswürdig an. Beweglichkeit war seine Antwort auf die neuen taktischen Atomwaffen. Das bedeutete, kleinere Verbände, leichte und mittlere statt schwere Kampfpanzer, Raketen- statt Rohrartillerie, vermehrte Nutzung neuer Entwicklungen wie den Hubschrauber oder die Infrarottechnik für den Nachtkampf. Probleme der neuen Kriegführung sah Heusinger in allen Bereichen, besonders bei der immer wichtiger werdenden Aufklärung aber auch bei der Heeresflugabwehr und bei Nachschub und Versorgung. Das Heer stand nach seiner Beurteilung im dritten Jahr der Aufstellung vor gewaltigen Herausforderungen, die nur mit drastischen Veränderungen und starken Nachbesserungen an den bestehenden Strukturen zu meistern waren176. In der Abteilung Heer wurde daraufhin im April 1957 eine »Studienkommission zur Untersuchung der Frage der Umgliederung der Heeresdivisionen« eingerichtet. Unter Federführung von Oberst i.G. Hans-Ulrich Krantz (Abt. V Α Fü) sollten sieben Generalstabsoffiziere innerhalb von vier Wochen folgende Aufgaben lösen, wobei stets die Auswirkungen eines Einsatzes taktischer Atomwaffen zu berücksichtigen waren: - Überprüfung der Zweckmäßigkeit der gültigen Divisionsgliederungen hinsichtlich Größe und Kampfkraft der Verbände - Überprüfung der beabsichtigten Bewaffnung und Ausrüstung - Ausarbeitung einer Studie über die künftige Gliederung und Ausrüstung des Heeres im Hinblick auf die NATO-Forderungen. Nach Abschluss der Kommissionsarbeit sollte die Studie als grundsätzliche Richtlinie für das Heer erlassen werden177. Zur Unterstützung der dringlichen Arbeit zog Heeresinspekteur Röttiger Anfang Mai noch die drei Brigadegenerale Oskar Munzel, Heinrich Gaedcke und Alfred Zerbel hinzu. Im Juli legte die Studienkommission ihre Ergebnisse vor. Der Vorschlag sah eine kleine, ge175

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Zur Auseinandersetzung zwischen von Manstein und Heusinger siehe Meyer, Adolf Heusinger, S. 5 4 5 - 5 4 8 . Ansprache vor Offizieren in Adenau, Januar 1957, Tonbandabschrift, Depositum Heusinger, MGFA, Ordner 5, zit. nach Meyer, Adolf Heusinger, S. 5 9 8 - 6 0 8 . Befehl für die Bildung einer Studienkommission, 24.4.1957, BA-MA, BH 1/10935. Neben Oberst i.G. Krantz waren die Obersten i.G. Klennert und Hess, die Oberstleutnante i.G. Middeldorff, Uechtritz, von Hopffgarten und Major Schmückle befohlen.

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mischte Kampfgruppe vor, die beweglich und wendig, selbstständig in Kampf und Versorgung war. Auf Empfehlung des Inspizienten Panzertruppe sollte die neue Kampfgruppe einen festen Rahmen mit einem Kommandeur erhalten. Der Name deutete in die Vergangenheit. Statt Kampfgruppe wurde Panzergrenadierregiment vorgeschlagen. Auf Empfehlung Heusingers wurde die Führung von oben nach unten verlagert und eine konsequente Mischung von Truppengattungen erreicht. Der Verband sollte sowohl für den konventionellen als auch für den nuklearen Kampf geeignet sein. Die Studiengruppe ging von den bekannten Rahmenbedingungen aus, zehn Großverbände (ohne LL- und GebDiv) zu erhalten, wies allerdings darauf hin, dass der vorgegebene Personalansatz von 200 000 Soldaten nicht ausreichend sei. Die Einheitsdivision sollte aus vier Kampfgruppen bzw. Regimentern bestehen und insgesamt 13 568 Mann umfassen. Im Gegensatz zur personell gleich starken Grenadierdivision wären über 300 Kampf- und über 1200 Schützen- und Jagdpanzer mehr an den Feind zu bringen. Eine von drei Alternativlösungen sah die Einheitsdivision mit drei Kampfgruppen mit verstärktem Grenadieranteil (je zwei GrenBtl) vor. Heusingers Hinweise wurden hier ebenso berücksichtigt, wie die auf die notwendige Verstärkung der Divisionstruppen im Bereich der Aufklärung und des Pionieranteils. Statt der vorgesehenen Kompanien wurden Bataillone eingeplant. Die Artilleriekomponente wurde hingegen aufgrund der zukünftigen moderneren Geschützausstattung leicht gekürzt. Insgesamt wiesen die Studie und vor allem die Anmerkungen des Generalinspekteurs in die nahe Zukunft. Unter einem Divisionskommando sollten drei bis vier Kampfgruppen zusammengefasst werden, die in der Lage waren, einige Tage selbstständig zu kämpfen. Die Division würde dadurch in die Lage versetzt werden, mehrere Großverbände ähnlich den Korps in allen Gefechtsarten zu führen178. Heeresinspekteur Röttiger, General der Panzertruppen im Zweiten Weltkrieg, war der stärkste Verfechter der neuen Idee. Neben den von Heusinger vorgebrachten Neuerungen sah er die Vorteile der Brigadegliederung darin, dass dadurch die erheblichen Frontbreiten von 25 bis 30 Kilometer je Division ausgeglichen werden konnten. Denn das Kämpfen auf großen Breiten durch die Anforderungen des atomaren Gefechtes konnte seines Erachtens am besten durch die Brigade erfüllt werden. Diese war in der Lage, den Kampf in aufgelockerter Gefechtsform zu führen, beweglich zu verteidigen aber auch rasch in den Angriff überzugehen. In der Konsequenz bedeutete dies eine Verlagerung der Führungsebene nach unten, von der Division auf die Kampfgruppe bzw. später Brigade. Vereinfachung und Standardisierung waren ebenso das Gebot der Stunde. Selbstständige, kampfkräftige, kleine Verbände, die bei aufgelockerter Kampfführung sowohl im Atomkrieg als auch im konventionellen Krieg in der Lage waren, selbstständig zu kämpfen und sich selbst zu versor-

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Studie Umgliederung des Heeres, 10.7.1957, BA-MA, Bw 2/2667. Stellungnahme zur Studie Umgliederung des Heeres (Heusinger), 22.7.1957, BA-MA, Bw 2/2667. Studie über Umgliederung der bisherigen Divisionen und Schaffung einer Einheits-Division, 2.12.1957, BA-MA, BH 1/1591.

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gen, waren die Antwort auf die Herausforderungen des modernen Gefechtsfeldes179. Der Kommandeur der Panzertruppenschule, Brigadegeneral Oskar Munzel, kritisierte vor allem die Grenadierdivisionen alter Art: »Die Gren[adierd]ivisionen sind unglückliche Gebilde. Das hätte man vielleicht früher schon einsehen können. Mir ist die ganze Blank'sehe Konzeption nie recht klar geworden«180. Die Kompromisslösung des Infanterieverbandes geriet immer mehr ins Kreuzfeuer der Kritik. Das optimale Verhältnis Grenadier zu Panzer wurde im Führungsstab des Heeres mit 3:1 definiert, umgesetzt in der Heeresstruktur 1 waren 7:1 in der Grenadier- und 1:1 in der Panzerdivision. Hier sah Munzel großen Nachholbedarf und warb für die neuen Brigadetypen. Auch das Verhältnis zwischen Kämpfern und Helfern sollte seines Erachtens überprüft und in eine günstigere Relation gebracht werden. Dies brachte auch die Frage nach der Zusammenlegung bestimmter Truppengattungen auf. Die Vielzahl der Truppengattungen erschwerte die Führung und war organisatorisch ebenfalls unhandlich. Vereinfachung war das Gebot der Stunde und Munzel wusste sich in dieser Frage mit Heusinger einig. Allerdings warnte Generalinspekteur Heusinger vor einem zu geringen Personalansatz. Angesichts der von Oberstleutnant Eike Middeldorf geplanten Brigade mit rund 3000 Soldaten wies er auf die starke Abnutzung der Verbände im künftigen Kampfeinsatz und auf die Effizienz des Versorgungs- und Führungsapparates hin. Er schlug deshalb eine Brigadestärke zwischen 5000 und 7000 Mann vor. Außerdem hatte er große Bedenken, bereits in der Aufbauphase einen solch einschneidenden Strukturwandel vorzunehmen. Vielmehr sei Ruhe und Kontinuität erforderlich, so der Generalinspekteur. Frühestens ab 1960 sollte seines Erachtens eine Anpassung der Verbände an die Erfordernisse des modernen Gefechtsfeldes erfolgen. Dafür sollten auch die »Richtlinien für die Truppengattungen«, die im Verteidigungsministerium bereits vorbereitet wurden, herangezogen werden. Einen Schwerpunkt der Planung wollte Heusinger auf die Versorgungsteile der künftigen Verbände legen. Die Leitfrage war demnach, wie lange ein solcher »Verband aller Waffen« auf sich selbst gestellt kämpfen konnte. Eine Antwort ließ sich am besten durch die Aufstellung von Versuchsverbänden finden. Heusinger begrüßte deshalb Anfang 1957 die Planungen der Unterabteilung V Α im Ministerium, solche Verbände rasch aufzustellen181. MC 70 und die nukleare Ausrüstung der Bundeswehr Wasser auf die Mühlen des Führungsstabes des Heeres waren die Entwicklungen innerhalb der Allianz. Der »General War« wurde von vielen NATOKommandeuren nicht mehr als die einzige mögliche Form kriegerischer Ausein179 180 181

FüH III, Vortragsnotiz Minister-Vortrag, 24.4.1958, BA-MA, BH 1/1586. Schreiben Munzel an v.d. Groeben (Truppenamt), April 1958, BA-MA, BH 1/1959. Besprechungsnotiz Oberst Krantz an Oberstleutnant Middeldorf, 2.2.1957, BA-MA, BH 1/3749.

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andersetzungen angesehen. Vielmehr wurde bereits ab 1957 die starre Doktrin der Massiven Vergeltung vor allem aufgrund der waffentechnischen Entwicklungen hinterfragt. Angesichts der Ausrüstung der sowjetischen Armee mit taktischen Nuklearwaffen war aber auch in einer militärischen Auseinandersetzung unterhalb des »General War« mit dem Einsatz der modernen Waffen zu rechnen. SACEUR Norstad hatte daher schon lange vor dem Start einer interkontinentalen ballistischen Rakete im Frühjahr 1957 und vor dem »SputnikSchock« im Oktober 1957 atomar bewaffnete Verbände gefordert. 30 mit taktischen Nuklearwaffen ausgerüstete Divisionen waren in seinen Augen für eine erfolgreiche Verteidigung Westeuropas notwendig. Seine Mindestforderungen über die Stärke und Bewaffnung wurden mit denen der beiden anderen ΝΑΊΌOberbefehlshaber (Atlantik, Ärmelkanal) zu einem ersten Entwurf mit dem Titel »Minimum Forces Requirements« für die Jahre 1958 bis 1963 zusammengefasst und innerhalb der NATO zur Diskussion gestellt. Nach einer Ratstagung wurde das abgestimmte Dokument MC 70 dann im Mai 1958 vom ständigen NATO-Rat gebilligt. Damit hatte sich die NATO von ihren gewaltigen Aufrüstungsplänen des Jahres 1952 verabschiedet. Von vormals 52 (davon 35 sofort einsatzbereiten) Divisionen für die Verteidigung Westeuropas blieben 30 (davon 28 1/3 sofort einsatzbereite) Divisionen. Den Kampfkraftverlust wollte man durch die Ausrüstung mit den neuen atomaren Waffensystemen mehr als ausgleichen. Während einige Bündnispartner nun weniger Truppen zu stellen hatten, sollte Bonn die zwölf Divisionen wie geplant aufstellen und darüber hinaus 40 nukleare Raketenbataillone neu einplanen. Auch die Marine und die Luftwaffe sollten zusätzliche Schiffe, Flugzeuge und 28 Bataillone mit nuklearfähigen Boden-Luft-Raketen (NIKE) aufstellen182. Norstad sah sich aufgrund der weniger werdenden Divisionen veranlasst, die Obergrenze für die deutschen Heerestruppen nicht anzutasten. Die zusätzlichen Raketenbataillone stellten nicht nur eine deutliche Verstärkung in Aussicht, sondern hätten die Bundeswehr schlagartig zur stärksten westeuropäischen Raketenmacht gemacht183. Angesichts der bisherigen Aufwertung der Teilstreitkraft Luftwaffe als Träger des atomaren Kampfes war dies eine erfreuliche Entwicklung für die Heeresplaner und eine Bestätigung der Offiziere im Führungsstab des Heeres. »Schildstreitkräfte« bedeuteten für den alliierten Oberbefehlshaber demnach nicht nur Landstreitkräfte sondern vielmehr »Land-, Luft- und leichte Seestreitkräfte, unterstützt mit modernen Waffen aller Art, einschließlich Atom«184. Nur mit solchen Streitkräften konnte in einem Atomkrieg aber auch in einem begrenzten Krieg oder bei kleineren örtlichen Feindhandlungen mit Aussicht auf Erfolg gefochten werden. Die erweiterten Einsatzmöglichkeiten waren ein Erfolg des Generalinspekteurs, hatte er doch zahlreiche Formulierungen in der MC 70 durchsetzen können, die den deutschen Interessen gerecht wurden. 182

183 184

Ausführlich bei Tuschhoff, MC 70, S. 77-130. Siehe auch Gablik, Strategische Planungen, S. 141-154. Sprechzettel für Generalinspekteur, 11.10.1957, BA-MA, NHP-Dok.Nr. 014. Ebd., S. 2.

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Die Aufwertung des Heeres war allerdings von Anfang an bedroht. Zum einen durch planerische Vorbehalte, denn so einfach ließen sich neben den bereits laufenden Aufstellungsvorhaben keine 40 zusätzlichen Bataillone, noch dazu so ausbildungsintensive wie die vorgesehenen, aus dem Boden stampfen. Zum zweiten war angesichts der Kürzungsabsichten der Regierung selbst die bereits abgeschlossene Finanzplanung in Frage gestellt. Die NATO-Forderungen wurden von Heusinger als Druckmittel gegenüber den Politikern im Bundesverteidigungsrat benutzt, doch Verteidigungsminister Strauß hatte schon während der entscheidenden NATO-Ratssitzung darauf hingewiesen, dass das Angebot der 40 Raketenbataillone über die derzeitigen finanziellen, personellen und strukturellen Planungen hinausgingen 185 . Kanzler Adenauer wollte angesichts der bevorstehenden Bundestagswahlen im Herbst 1957 sogar vorläufig ganz auf nuklearfähige Waffensysteme verzichten, sah sich aber durch das energische Auftreten seines Verteidigungsministers im Bundestag veranlasst, ersten Planungen zuzustimmen. Auch der Bundestag billigte am 25. März 1958 die Ausrüstung der Bundeswehr mit nuklearfähigen Waffensystemen. Strauß forcierte daraufhin die Umsetzung der Planungen. Heeresinspekteur Röttiger sah das Dilemma, dass die fehlenden konventionellen Verbände eine Ausrüstung mit taktischen Nuklearwaffen geradezu herausforderten. Das Heereskonzept der beweglich geführten Verteidigung so weit ostwärts wie möglich war hingegen nur zu realisieren, wenn die Aufstellung der bislang geplanten Verbände nicht durch Neuaufstellungspläne behindert wurden. Immer wieder mahnte Röttiger, nicht alles auf die atomare Karte zu setzen. Viel entscheidender seien moderne Streitkräfte für den Kampf an der Zonengrenze: »Der Feind muss wissen, dass er bei Überschreiten der Grenze keine Zone findet, der von seiten der westlichen Verteidigung nur untergeordnete Bedeutung zugemessen wird, dass vielmehr sofort bei Überschreiten der Grenzen mit aller Macht zugeschlagen wird. Geschieht dies nicht, besteht die Gefahr, dass der Westen Positionen verschenkt, die dem Angreifer später, auch unter Einsatz nuklearer Mittel, nicht wieder abgenommen werden können186.« Sein Konzept einer neuen operativen Grundeinheit, welche den Erfordernissen des modernen Gefechtes gewachsen war, war durchaus eine Alternative zu den Vorstellungen des Führungsstabes des Heeres. Eine Abstützung auf Raketenwaffen erschien den Heeresplanern Anfang 1958 sehr riskant. Im Gegensatz zur bewährten Artillerie war die moderne Flugkörpertechnik keineswegs ausgereift. Zudem war keinesfalls klar, ob diese Systeme unter feldmäßigen Bedingungen überhaupt truppentauglich waren, ganz zu schweigen von den noch fehlenden Einsatzgrundsätzen. Auch die Abhängigkeit von den Vereinigten Staaten bei der Bestückung der jeweiligen Trägersysteme mit ausreichend Raketen war den Heersplanern nicht geheuer. Und schließlich sprach noch ein 185 186

Strauß, Die Erinnerungen, S. 358. Zur harten Auseinandersetzung im Bundestag über die Atombewaffnung der Bundeswehr siehe Bald, Die Atombewaffnung der Bundeswehr. Vorwärts-Strategie (Röttiger), 27.2.1958, BA-MA, NHP-Dok.Nr. 019.

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weiterer gewichtiger Grund gegen eine zu frühe Ausrüstung des Heeres mit diesen modernen Waffen. So lange ein Abwehrkampf an der Grenze der Bundesrepublik noch nicht möglich war, stellten diese Waffen eine direkte Bedrohung der Bundesrepublik dar: »Dies bedeutet, dass taktische A-Waffen von vornherein im eigenen Raum eingesetzt werden müssen, mit all den Konsequenzen, die der Einsatz solcher Waffen im dicht besiedelten eigenen Gebiet mit sich bringt 187 .« Dem sich abzeichnenden Zielkonflikt zwischen konventioneller und nuklearer Aufrüstung ging der Führungsstab des Heeres dadurch aus dem Weg, dass er gegenüber dem Generalinspekteur und dem Führungsstab der Bundeswehr den Schwerpunkt auf den Aufbau des konventionellen Rüstungsprogramms legte. Heusinger favorisierte zwar eine »Sowohl-als-auch«-Lösung, sah aber auch die Notwendigkeit, zuerst alles für die Verteidigungsfähigkeit in »vorderster Linie« zu tun. Zunächst einigte man sich deshalb auf die schnelle und vollständige Aufstellung der Heeresverbände. Die von der NATO empfohlene Aufstellung von Raketenbataillonen sollte hingegen nur schrittweise durchgeführt werden 188 . Dazu schlug der Führungsstab des Heeres 13 RaketenBataillone mit fünf verschiedenen Waffensystemen vor, um notwendige Erfahrungen sammeln und Zeit für die Fortsetzung des Heeresaufbaus gewinnen zu können. Als Kompensation sollte die bewährte Rohrartillerie auch als nukleares Trägermittel Verwendung finden. Vordringlich mussten jedoch die der NATO zugesagten Divisionen aufgestellt werden. Die Anpassung des Heeres an das neue Kriegsbild war in Form der Brigadelösung eingeleitet und sollte öffentlichkeitswirksam vorgeführt werden. Dem Publikum hoffte man damit auch am praktischen Beispiel die Konzeption der »abgestuften Abschreckung« näher zu bringen. Die Lehr- und V e r s u c h s ü b u n g 5 8 23 Jahre nach den ersten großen Versuchsübungen der neuen Panzerwaffe auf dem Truppenübungsplatz in Munster sollte nun die neue Gliederung auf dem nahegelegenen Truppenübungsplatz Bergen-Hohne und Umgebung erprobt werden 189 . Die Bedeutung, die diesem Ereignis im Führungsstab des Heeres beigemessen wurde, unterstreicht die Tatsache, dass sich der Heeresinspekteur persönlich die Gesamtleitung vorbehielt und dass bei der Personalauswahl für die wichtigsten Stellen in erster Linie Befürworter seiner Ideen berücksichtigt wurden. Nicht ohne Grund ging Heeresinspekteur Röttiger diesen Weg, war er doch bei der Versuchsübung im Jahre 1935 im Leitungsstab tätig gewesen. Er wusste damals um die Zweifler und Kritiker gegenüber den Ideen Guderians und war überzeugt, dass die Versuchsübung der entscheidende Schritt zu den 187

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Ausrüstung der deutschen Landstreitkräfte mit Flugkörpergerät, 6.1.1958, BA-MA, NHPDok.Nr. 17. Kurze Zusammenfassung der Ausführungen vor dem Bundesverteidigungsrat am 11.10.1957 (de Maiziere), 18.10.1957, BA-MA, NHP-Dok.Nr. 14. und Ausführungen Heusingers bei der MC-Sitzung, 11.3.1958, BA-MA, NHP-Dok.Nr. 30. Kissel, Die Lehr- und Versuchsübung 1958.

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motorisierten und gepanzerten Verbänden der Wehrmacht war. Bereits im Frühjahr 1958 begannen die Vorbereitungen durch einen extra dafür eingerichteten Leitungsstab unter Brigadegeneral Burkhart Müller-Hillebrand. Zwei Übungsbrigaden, eine Grenadier- und eine Panzerbrigade, mit insgesamt fast 7000 Soldaten, rund 500 Ketten- und 1500 Rad-Kfz wurden extra aus Teilen von vier Divisionen und der Lehrtruppe des Truppenamtes zusammengestellt. Die Brigadekommandeure waren Brigadegeneral de Maiziere (GrenBrig) und Oberst Hans-Georg Lueder (Panzerbrigade). Mit Oberstleutnant i.G. Eike Middeldorf als Kommandeur des Grenadierbataillons der Panzerbrigade war auch ein Mitarbeiter der Studienkommission vertreten190. Den Übungstruppenteilen waren folgende Aufgaben gestellt: - Überprüfung der STAN-Entwürfe und Umgliederung auf die neue Struktur - Überprüfung der Führungs- und Einsatzmöglichkeiten in der neuen Struktur - Überprüfung der Fähigkeit zum Gefecht der verbundenen Waffen im Angriff und in der Verteidigung unter atomaren Bedingungen. Dazu waren mehrere Planübungen und eine mehrmonatige gezielte Truppenausbildung in den Heimatstandorten vorgesehen. In einer knappen Woche mussten sich die zusammengewürfelten Einheiten in den Standorten einfinden, um darin Mitte September im Übungsraum zu biwakieren. Bereits im Vorfeld der Lehr- und Versuchsübung 58 (LV 58) traten erhebliche Probleme auf. Neben den organisatorischen Schwierigkeiten galt es vor allem die Kritiker im Zaum zu halten. Generalmajor Paul Reichelt, Kommandeur der 1. Grenadierdivision, welche die meisten Truppenteile für die Großübung stellte, äußerte noch wenige Wochen vor Übungsbeginn starke Bedenken gegen die neue Brigadegliederung. Auch der Kommandierende General des I. Korps, Generalleutnant Gerhard Matzky, sprach sich für die Beibehaltung der Kampfgruppengliederung aus. Der Führungsstab der Bundeswehr hatte die Initiative des Heeres zur Schaffung der neuen Brigaden begrüßt und im Militärischen Führungsrat vorgeschlagen, die neue Gliederung erst in einer großen Planübung und danach in den Herbstübungen zu erproben. Angesichts des forcierten Vorgehens von FüH warnte FüB im März 1958 vor einer überstürzten Umorganisation des Heeres, welche die laufende Aufstellung erschweren und verzögern würde. Die bisherige Gliederung wurde dabei als wohl durchdacht bewertet und sollte nicht frühzeitig aufgegeben werden191. Darüber hinaus ließen sich schon vor Beginn der Übung erhebliche Mängel im Bereich der Versorgung und der Fernmeldeverbindungen feststellen. Auch die Ausstattung der Brigaden mit Pionier- und Sanitätseinheiten ließ zu wünschen übrig. Doch zur Manöverkritik kam es erst nach neun harten Übungstagen, in denen drei eintägige Brigadeübungen und die zweitägigen Übungen MAX und MORITZ, die letzte unter den Augen der Öffentlichkeit, durchgeführt wurden. 190

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Eine sehr gute Zusammenfassung bietet Beckmann, 45 Jahre Lehr- und Versuchsübung 1958. Einzelheiten bei de Maiziere, Diensttagebuch 1958, BA-MA, Ν 673/24. Leiter FüB III (von Hobe) an Heusinger, 15.9.1958, BA-MA, Bw 2/10671.

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Übungs- und Versuchsdivision der LV 58, September 1958 Leitender ΟΒ-Λ/SU-Oiv LV58

GM MüllerHillebrand

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Oberst Lueder

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BG de Maiziere

Wechselnde Lagen unter ständiger atomarer Bedrohung sollten vor allem die Aspekte Auflockerung der Truppe, Beweglichkeit der Führung und der unterstellten Truppe u n d Bewährung der neuen Gliederung unter kriegsmäßigen Bedingungen betonen. So übte am ersten Tag die Panzerbrigade den Angriff aus der Bewegung, während die Grenadierbrigade die Feindkräfte verzögerte. Am zweiten Tag verteidigte die Grenadierbrigade gegen Panzerfeind, am dritten Tag wurde das Begegnungsgefecht geübt, wobei die Panzerbrigade gegen die angreifende Grenadierbrigade hinhaltend kämpfte. Bei den Übungen MAX und MORITZ war der Übungszweck Marsch, Begegnungsgefecht und Abbrechen des Gefechts, danach Umgliederung zum erneuten Angriff u n d Angriff nach Bereitstellung durch die Panzerbrigade, während die Grenadierbrigade nach der Umgliederung in die Verteidigung überging. Im Übungsverlauf wurde auch die Detonation zweier Atomsprengkörper eingespielt. In ihren Erfahrungsberichten zogen die Brigadekommandeure eine positive Bilanz, ohne mit den erkannten Mängeln hinter dem Berg zu bleiben. Brigadegeneral de Maiziere schrieb in seinem Gesamturteil, dass das Ziel, mit der Grenadierbrigade einen Kampfverband der verbundenen Waffen zu schaffen, der über einen Zeitraum von mehreren Tagen selbstständig Kampfaufgaben lösen konnte, im Wesentlichen erreicht worden sei. Er kritisierte allerdings den geringen Personalansatz und, wie schon vor Übungsbeginn, die mangelhafte Aus-

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stattung mit Pionier- und Sanitätskräften. Verbesserungsbedürftig erschienen ihm die Bereiche Aufklärung und Fernmeldewesen. Insgesamt hatte sich die Grenadierbrigade in seinen Augen ebenso bewährt, wie der Grundsatz, kleinere operative Verbände zu schaffen. Dies bestätigte auch der zuständige Leitungsoffizier, der darüber hinaus dem Brigadekommandeur ein vorbildliches Führungsverhalten zusprach. Allerdings forderte von Gaudecker die volle Mechanisierung der Brigade, um in einem Atomkrieg bestehen zu können. Die Übungsauswertung hatte in seinen Augen die Hilflosigkeit der ungepanzerten Einheiten nach dem Einsatz von Atomsprengkörpern gezeigt. Oberst Lueder urteilte über seine Panzerbrigade ähnlich positiv. Nach seinen Erfahrungen hatte sich die Panzerbrigade als ein gut zu führender, beweglicher Verband mit hoher Feuerkraft erwiesen, der sich als Schwerpunkt- und Stoßverband der Division in Zusammenwirken mit Grenadier-Verbänden vor allem im Angriff und in der Verzögerung bewährt habe. Allerdings hielt Lueder eine Verstärkung der Brigade durch Panzergrenadiere, Artillerie und Aufklärungskräfte für erforderlich. Hier wurde er von seinem Leitungsoffizier, Oberst i.G. Josef Moll, bestätigt, der Oberst Lueder eine ruhige, überlegte und vorausschauende Führung attestierte und mehr Fernmelde- und Pionierkräfte forderte. Der Leitungsstab nahm diese Anregungen auf und setzte sie in STANEntwürfe um, die danach im Führungsstab des Heeres weiterbearbeitet wurden192. Panzerinspizient Munzel war ebenfalls voll des Lobes. Mit der Aussicht auf zwei Einheitsdivisionen mit je zwei Panzerbrigaden war er auch hinsichtlich der wenigen Panzer in der Übungsgliederung beruhigt, forderte aber dennoch für die Zukunft mehr Panzerbrigaden. Die Grenadiere sollten wenigstens gepanzerte Transportfahrzeuge erhalten, wenn schon nicht alle mit Schützenpanzer ausgestattet werden konnten193. Der Inspekteur des Heeres Röttiger sah sich angesichts der positiven Erfahrungsberichte in seinen Planungen bestätigt. Er sah in der Panzerbrigade den Verband mit der besten Kombination von Feuerkraft und Bewegung für den Angriff und die Verzögerung. Die Grenadierbrigade war für die Verteidigung hervorragend geeignet, konnte aber auch durch ihre Panzerkomponente Gegenangriffe erfolgreich führen. Insgesamt sah Röttiger das Heer auf dem richtigen Weg, mit der neuen Struktur beweglichere und flexiblere Verbände für die Operationsplanungen der NATO schaffen zu können. Neben der insgesamt sehr positiven Übungsauswertung durch die Militärs verfehlte die LV 58 ihre Wirkung auch auf die rund 500 hochrangigen Besucher nicht. Ausländische Militärbeobachter, darunter hochrangige NATO-Generale 192

193

Gesamturteile über die GrenBrig 50 und Panzerbrigade 60, 26. und 29.9.1958 und Abschlussbericht des Stabes für Überprüfung und Auswertung, 8.10.1958, BA-MA, BH 1/608. Erfahrungsbericht Lehr- und Versuchsübung 1958 (Munzel), 10.10.1958, BA-MA, BH 1/608. Indirekt kritisierte Munzel FüH für seine Truppenferne mit der Bemerkung, dass die Unterabteilungsleiter während der LV 58 gut daran taten, engeren Kontakt mit der Truppe zu bekommen. Der zuständige Bearbeiter im FüH merkte handschriftlich an: »Was soll diese Pflaume?«

Die Erprobung der Brigadegliederung während der Lehr- und Versuchsübung (LV 58) im Herbst 1958. Brigadegeneral Ulrich de Maiziere, Kommandeur der Kampfgruppe A 1 in Hannover, als Kommandeur einer Üb-Brigade. Bundesregierung/Egon Steiner (2)

III. Die konzeptionelle Entwicklung einer Teilstreitkraft 1955 bis 1970

185

und zahlreiche Militärattaches konnten sich von der Leistungsfähigkeit des jungen deutschen Heeres überzeugen. Doch auch die Medienvertreter aus Presse, Rundfunk und Fernsehen berichteten nicht ohne Stolz von dem Geschehen in der Lüneburger Heide. Selbst die anwesenden Politiker zollten der Truppe ihre Hochachtung. Bundeskanzler Adenauer besuchte zweimal den Gefechtstand de Maizieres und zeigte sich von der Führungskunst des Brigadekommandeurs sichtlich beeindruckt. Nach dessen Erinnerungen soll Adenauer Generalinspekteur Heusinger gefragt haben, ob er denn überhaupt genügend geeignetes Fachpersonal für so schwierige Führungsaufgaben habe194. Für Verteidigungsminister Strauß war die Übung ein voller politischer Erfolg für die gesamte Bundeswehr. Seines Erachtens war damit die Halbzeit der Aufstellung erreicht und das erste Examen bestanden195. Allerdings gab es auch kritische Stimmen, die auf die »herkömmlichen Führungsauffassungen« der Heeresoffiziere während der LV 58 hinwiesen. Der Leiter FüB III, Cord von Hobe, hatte noch vor der Lehr- und Versuchsübung seinen Mitarbeiter Oberst Albert Schindler beauftragt, die Versuchsgliederungen des Heeres zu überprüfen. In seinem Begleitschreiben an Heusinger kritisierte Hobe, dass die Umgliederung bereits vor der Erprobung beschlossene Sache war. Zudem sah er die Gefahr, dass durch dieses Vorgehen die Führungsgrundsätze der Organisation angepasst würden. Heusinger nahm die Kritik seines Stabes durchaus ernst und beauftragte FüB III, zur LV 58 Stellung zu nehmen. Oberst Schindler im Führungsstab der Bundeswehr kritisierte in seiner ersten Ausarbeitung die grundsätzlichen Auffassungen im Heer, die sich seiner Einschätzung nach nicht nur in der Versuchsgliederung der Brigaden, sondern auch in zahlreichen Planübungen widerspiegelten. Vor allem die Betonung der Verteidigung als überlegene Kampfart, die Bevorzugung des Kampfes um Fronten und Stellungen und die Auffassung, die Infanterie als den Kern des Heeres anzusehen, sah Schindler als überholt und für eine Neufassung der Führungsvorschriften des Heeres ungeeignet an. Vielmehr seien Angriff und Verzögerung die entscheidenden Gefechtsarten in einem modernen Krieg. Angesichts der Beurteilung der Feindlage sah Schindler nicht die Infanterie, sondern die Parizertruppe als Kerntruppe des Heeres an. Die geplanten Infanteriebrigaden als zahlenmäßig stärkste Komponente waren demnach dem mit mechanisierten Verbänden angreifenden Feind hoffnungslos unterlegen. Erschwerend komme hinzu, dass die wenigen Panzerbrigaden durch eine unzureichende Ausstattung mit Aufklärungs- und Panzerabwehrtruppen kaum in der Lage seien, einen hochbeweglichen Abwehrkampf zu führen. Auch die Panzergrenadiere würden angesichts des fehlenden Infanteriefeindes und der unzureichenden Ausstattung mit leichtgepanzerten Gefechtsfahrzeugen nur im Aufgehen in Panzereinheiten sinnvoll sein. Gemischte Verbände waren nach Schindler das Gebot der Stunde. Ebenso wichtig und bisher vom Führungsstab des Heeres zu 194 195

Maiziere, In der Pflicht, S. 218. Diensttagebuch de Maiziere, Eintrag 25.-26.9.1958, BA-MA, Ν 673/v. 24.

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Helmut R. Hammerich: Kommiss kommt von Kompromiss

wenig beachtet waren die Aufklärung und die Panzerabwehr. Hier forderte Schindler die Aufstellung von starken »Panzerkavallerie«- und Panzerabwehreinheiten sowie eine angemessene Ausstattung der Verbände. Die Verwendung über eines Drittels aller geplanten Panzer in Infanteriebrigaden wurde ebenfalls kritisiert. Nur Panzerbrigaden waren für Schindler angesichts der erwarteten Feindpanzer für den Abwehrkampf tauglich. Die Heeresplanungen mit dem erkennbaren Ubergewicht an Infanteriekräften widersprach nach Ansicht des Führungsstabes der Bundeswehr den Gesetzen des modernen Bewegungskrieges. Dementsprechend sollten die Versuchsgliederungen modifiziert werden. Schindler schlug eine Neugliederung der Brigaden und der Divisionsrahmen vor. Zehn Divisionen sollten demnach 17 Panzer- u n d neun Grenadierbrigaden führen. Die gepanzerten Brigaden zeichneten sich durch fünf bis sechs Kampftruppenbataillone aus196. Hauptkritik des Führungsstabes der Bundeswehr nach der LV 58 war der unklare und wirklichkeitsfremde Umgang mit den Atomwaffen. Die Geringschätzung der atomaren Bedrohung wurde ebenso kritisiert wie die Überbetonung der Infanterie-Verbände für den Kampf gegen Panzer. Schindler stellte heraus, dass in zwei von drei Fällen Infanterie ohne A-Waffenunterstützung gegen Panzerfeind mit A-Waffenunterstützung antreten musste. Vermehrt wurde der Angriff von Grenadier-Brigaden gegen Panzerbrigaden befohlen. Der Führungsstab der Bundeswehr sah sich angesichts der Auswertung der LV58 in seiner grundsätzlichen Kritik am Vorgehen des Führungsstabes des Heeres bestätigt. Erneut forderten Schindler u n d Brigadegeneral Cord von Hobe, zuerst die Führungsvorschriften zu überarbeiten u n d darauf aufbauend die Gliederungen zu verändern. Der Einfluss von FüB auf die Planungen des Heeres war allerdings begrenzt. FüH hielt angesichts des Erfolges der LV 58 an seinen Planungen fest, was FüB wiederum bedauerte 197 . Die Division 59 (Einheitsdivision) der Heeresstruktur 2: Die Panzergrenadierlösung Die Brigade war nach der erfolgreichen Lehr- u n d Versuchsübung das Grundelement der neuen Führung, Organisation und Versorgung. Statt der Division als unterste Ebene zur Führung des Kampfes der verbundenen Waffen waren es nun die Grenadierbrigaden mit rund 3800 Soldaten und die Panzerbrigaden mit rund 2800 Soldaten. Eine volle Motorisierung und hohe Mechanisierung sollte diesen neuen Verbänden die für das moderne Gefecht notwendige Wendigkeit verleihen. Auf Bataillonsebene wurde die Forderung nach deutlich gesteigerter Beweglichkeit durch Reduzierung der Kopfstärken u n d durch weniger Führungs- u n d Versorgungsfahrzeuge umgesetzt. Die Gliederung des Einheitsverbandes stand fest u n d bereits im Frieden konnten die verschiedenen Truppengattungen gemeinsam im Brigaderahmen für das Gefecht der verbundenen Waffen ausgebildet werden. Die Brigaden waren für drei bis fünf Tage logistisch 196 197

Ausarbeitung Oberst i.G. Schindler, 8.9.1958, BA-MA, Bw 2/10671. Zu den Auseinandersetzungen zwischen FüB und FüH siehe Beitrag Rink.

187

III. D i e k o n z e p t i o n e l l e E n t w i c k l u n g e i n e r T e i l s t r e i t k r a f t 1 9 5 5 bis 1 9 7 0

Änderungen der Divisionsstruktur der Heeresstruktur 2 im Vergleich zur Heeresstruktur 1 (Panzergrenadier-/Grenadierdivision)

Κ

I Divisionstruppen |

! X l

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raacj

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Θ

Wesentliche Änderungen der Panzergrenadierdivision nach Heeresstruktur 2 gegenüber der Grenadierdivision nach Heeresstruktur 1 - organische Gliederung der Brigaden - 3 Panzerbataillone mehr als in HStru 1 - 1 ABC-Abwehrkompanie zusätzlich

Quelle: Diagrammsammlung Rink.

- pro Brigade 1 Artilleriebataillon (also + 3) - pro Brigade 1 Versorgungsbataillon (also + 3) - Panzerjägerbataillon auf Divisionsebene entfällt

Änderung rung

I

••MR

©MGFA 04891-04

autark u n d im Rahmen der Division sowohl für jede Kriegsart (atomar und konventionell) als auch für jede Kampfart geeignet. Verschiedenartige Brigaden sollten einer Division unterstellt werden. Die neue Division war somit nicht mehr organisch gegliedert. Nur ihre Verfügungs- und Versorgungstruppen waren direkt unterstellt. Die neue Einheitsdivision war lediglich eine Bezeichnung, in der Praxis wurden Panzer- und Panzergrenadierdivisionen aufgestellt. In der neuen Gliederung erhielt die Panzergrenadierdivision zwei Panzergrenadierbrigaden und eine Panzerbrigade, die Panzerdivision zwei Panzerbrigaden u n d eine Panzergrenadierbrigade. Die kämpfenden Einheiten wurden in der neuen Gliederung vermehrt. Die Zahl der Kampfpanzer erhöhte sich von 72 in der Grenadierdivision 56 auf 216 in der Panzergrenadierdivision 1959 und von 216 Kampfpanzern in der Panzerdivision 1956 auf immerhin 270 in der Panzerdivision 1959. Die Panzergrenadierbrigaden erhielten ein motorisiertes Parizergrenadierbataillon und zwei Panzergrenadierbataillone mit Schützenpanzer. Dieses Brigade-Konzept war in der Aufbauphase, drei Jahre nach Beginn der Aufstellung des Heeres, geradezu revolutionär. General de Maiziere bewertete den Schritt in seinen Erinnerungen wie folgt: »Es gehörte Mut zu der Entscheidung, die bereits angelaufene Aufstellung des Heeres mit einer so grundlegen-

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Helmut R. Hammerich: Kommiss kommt von Kompromiss

Ausstattungsvergleich Panzergrenadierdivision: Bundeswehr/Heer Pz

SPz

SpPz

PzJg

PzH

Jahr

RakWfr

» a r

1956 HStru 1

Dieser Divisionstyp wurde erst 1959 bei Umgliederung zur HStru 2 eingeführt.

1965 HStru 2

216

270

102

65

51

52

6

1972 HStru 3

216

250

102

61

36

72

19

1984 HStru 4

218

230

78

36

36

90

16

HStrn 1: keine Brigadegliederung. HStru 2 bis 4: Brigadegliederung mit 2 Panzergrenadier- und 1 Panzerbrigade. Bearbeitet von Michael Poppe.

© MGFA 05041-05

den organisatorischen Neuordnung zu koppeln, zu der die meisten unserer Verbündeten noch nicht bereit waren, der sie aber später gefolgt sind 198 .« Die Durchführung der nun folgenden Umgliederung des Heeres war eine weitere Herausforderung für die Planungsstäbe aber vor allem für die Truppe. Bereits ein viertel Jahr nach der LV 58 sollten die ersten der bestehenden Verbände umgegliedert, ab April 1959 die frischen Verbände in der neuen Gliederung aufgestellt werden. Um nicht zu viel Verwirrung zu stiften, wurden die Neuaufstellungen des ersten Quartals 1959 in der alten Gliederung belassen, nur in den Gesamtstärken bereits der neuen Gliederung angepasst. Die Gebirgsund die Luftlandedivision sollten weiterhin für ihre speziellen Einsatzverhältnisse vorbereitet bleiben, jedoch dem Prinzip der neuen Organisationsform angeglichen werden. Dabei musste von den Organisatoren im Führungsstab des Heeres berücksichtigt werden, dass die Zahl von zwölf Divisionen aus politischen Gründen nicht angetastet werden durfte. Zudem musste die neue Struktur mit dem bereits eingeplanten Personal und Material im vorgegebenen Finanzrahmen eingenommen werden. Und schließlich sollte auf die Truppe Rücksicht genommen werden; so geringe Umplanungen im Infrastrukturbereich und so wenig Umgliederungen der bestehenden Bataillone wie möglich. Die positiven Ergebnisse der Lehr- und Versuchsübung beeinflussten auch die bündnisinterne Diskussion um die beste Verbandsgliederung. Im Juli 1959 berief COMLANDCENT General Speidel eine Kommandeursbesprechung in Fontainebleau ein, die vor allem diese Frage zum Inhalt hatte 199 . Dabei zeigten die Ergebnisse einer Studie über die Vereinbarkeit verschiedener Divisionstypen innerhalb der NATO, dass die meisten Bündnispartner eher der Brigadegliederung nach deutschem Muster zusprachen als den alternativen Strukturen der U.S. Army. Großbritannien, Kanada und Portugal, mit einigen Abweichun198 199

Maiziere, In der Pflicht, S. 216. Record of COMLANDCENT's Commanders Conference held at Fontainebleau 23 July 1959, NATO, SHAPE, 35 mm, P01 Β R 39, L-027-071. An dieser Stelle gilt mein besonderer Dank an Greg Pedlow für die Herabstufung der NATO-Dokumente in Mons/Belgien.

III. Die konzeptionelle Entwicklung einer Teilstreitkraft 1955 bis 1970

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gen aber auch Belgien und die Niederlande unterteilten ihre Heeresdivisionen in Brigaden. Nach Speidels Berechnungen würden demnach von den 28 1/3 sofort einsatzbereiten Divisionen, die gemäß der MC 70 bis 1963 LANDCENT unterstellt sein sollten, neben den 15 (zwölf deutsche und drei britische) und den zwei niederländischen und den zwei belgischen Divisionen insgesamt 19 Divisionen mit Brigadestruktur unter seinem Kommando stehen. Die restlichen Divisionen sollten durch weitere Annäherungen im Detail rasch an die Brigadestruktur angepasst werden. Speidels Vorschlag war eine Division mit fast 16 000 Soldaten mit drei selbstständigen Kampfbrigaden und einer Artilleriebrigade. Darüber hinaus waren starke Divisionstruppen vorgesehen, darunter ein Panzeraufklärungs-, ein Pionier-, ein Fernmelde- und ein Logistikbataillon. Die Brigaden sollten zwischen 3200 (Panzerbrigade) und 4200 (Panzergrenadierbrigade) Soldaten stark sein. Dieser Vorschlag war eine Blaupause der deutschen Divisionen der Heeresstruktur 2. Die Diskussion der Kommandeursbesprechung zeigte, dass sich dieses oder ähnliche Divisionsmodelle in den Bündnisarmeen bereits durchgesetzt hatten. General Andre Zeller, der französische NATO-Vertreter, nutzte die Gelegenheit, um auf die Umorganisation des französischen Heeres aufmerksam zu machen. Paris war demnach bereit, ebenfalls die Brigadestruktur zu akzeptieren und einzuführen. Der amerikanische Vertreter bremste hingegen den Optimismus des deutschen Generals und wies darauf hin, dass die US-Divisionen bereits in ihrer bestehenden Gliederung mit den anderen Divisionen der Bündnispartner kompatibel seien. CINCENT General Valluy unterstützte Speidels Initiative der Einheitsbrigade. Er stellte fest, dass es zwar im Detail unterschiedliche Divisionsgliederungen geben könne, dass aber eine annähernd gleichstrukturierte Division für die Führung von NATO-Verbänden sinnvoll sei. In der von Speidel vorgeschlagenen »Einheitsdivision« sah er den bestmöglichen Kompromiss und ermunterte alle Teilnehmer, trotz aller nationalen Besonderheiten die Verbände daran auszurichten. Speidels Ziel der NATO-Einheitsdivision wurde insofern erreicht, als dass alle Bündnispartner in den folgenden Jahren eine wie auch immer im Detail geartete Brigadestruktur einführten. Das nuklearkriegsfähige Heer auf dem W e g zur Heeresstruktur 3 War das Aufstellungsjahr 1959 durch die Umgliederung des Heeres geprägt, die sich in der Großübung ULMER SPATZ im Herbst 1959 erstmalig bewährt hatte, so standen die folgenden Jahre unter dem Motto der Konsolidierung und des Ausbaus. 1960 waren bereits elf Divisionen mit insgesamt 32 Brigaden in unterschiedlichen Präsenzgraden aufgestellt bzw. befanden sich in der Aufstellung. Nur noch die 12. Panzerdivision (Tauberbischofsheim) fehlte, wobei zwei der zukünftigen Brigaden dieser Division bereits existierten und vorläufig der 10. Panzergrenadierdivision (Panzerbrigade 36 mit zwei Bataillonen) bzw. der 7. Panzergrenadierdivision (Panzergrenadierbrigade 35 mit drei Bataillonen) unterstanden. Die Korps verfügten ab 1963 über je eine Panzer- und zwei

190

Helmut R. Hammerich: Kommiss kommt von Kompromiss

Ausstattungsvergleich Infanteriedivision: Bundeswehr/Heer Jahr 1956 HStru 1 GrenDiv GebDiv 1965 HStru2 GebDiv 1972 HStru3 GebDiv JgDiv nur HStru3 1984 HStru4 GebDiv

Pz

SPz

PzH

Art

72

64

54

0

0

102

64

36

0

0

102

65

51

24

16

4

100

102

136

36

0

72

18

108

50

102

125

36

0

72

19

164

138

70

41

36

18

72

16

SpPz

PzJg

0

41

126

0

36

216

56

54

0

• '

RakWfr

HStru 1: Keine Brigadegliederung in der Grenadierdivision. Dieser Divisionstyp war nur in dieser Struktur vorhanden. In der Gebirgstruppe wurde die Gebirgsbrigade in eine Division umgewandelt. HStru 2: Gliederung mit 2 Gebirgsjäger- und 1 Panzerbrigade. HStru 3: Gliederung der Gebirgsdivision mit 2 Gebirgsjäger-1 Panzergrenadierbrigade. Gliederung der Jägerdivision mit 2 Jager- und 1 Panzerbrigade. HStru 4: Gliederung mit 1 Gebirgsjäger-, 1 Panzergrenadier- und 1 Panzerbrigade. ©MGFA Bearbeitet von Michael Poppe. 05044-05

Panzergrenadierdivisionen. Dem I. Korps war darüber hinaus die 6. Panzergrenadierdivision, dem II. Korps die Gebirgs- und dem III. Korps die Luftlandedivision unterstellt. Dementsprechend wurden bis 1965 nur noch wenige Bataillone neu aufgestellt. Der Schwerpunkt lag auf der Ergänzung der bestehenden Verbände und auf der Erhöhung der Einsatzbereitschaft. Dies war auch zwingend erforderlich angesichts der Einsatzbereitschaftsmeldungen. Demnach waren Ende 1960 erst fünf Divisionsstäbe und zwölf Brigaden einsatzbereit200. Die Fähigkeit, das Gefecht der verbundenen Waffen zu führen, war für die Großverbände und Verbände planerisch durchaus gewährleistet. Allerdings zeigten sich im fünften Aufstellungsjahr in der Praxis grobe Mängel. Die Einnahme der neuen Heeresstruktur hatte Spuren hinterlassen. Die Mehrzahl der Divisionen war im Urteil ihrer Kommandeure nur »bedingt einsatzbereit«. Dies lag zum einen am personellen und materiellen Soll, zum anderen an truppengattungsspezifischen Problemen, die gewisse Fähigkeiten der Verbände einschränkten. Die tatsächliche Personalstärke der Divisionen lag im Durchschnitt bei nur rund 80 Prozent, das wichtigste Material war sogar nur zu 75 Prozent vorhanden. Probleme gab es bei der Panzerabwehr und bei der gepanzerten Aufklärung. Auch die Unterstützungsleiste ließ zu wünschen übrig. Vor allem die Heereslogistik war nicht in der Lage, den Forderungen der mechanisierten und motorisierten Verbände nachzukommen. Es fehlte an Mitteln und durchaus auch am Verständnis mancher »Kämpfer« bei den Heeresplanern für die Bedeutung der Versorgungsdienste für moderne Heere. Fast alle Truppengattungen konnten die gesteckten Aufstellungs- und Ausbildungsziele nicht erreichen. Heeresinspekteur Zerbel wurde von FüH III im Frühjahr 1961 darauf hin200

Zustandsbericht Bundeswehr Nr. 3/60,1-12.1960, BA-MA, Bw 2/2456.

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gewiesen: »Es kneift an allen Ecken [...] Wir sind an der Schwelle, den Bogen zu überspannen201.« Generalleutnant Alfred Zerbel meldete daraufhin, dass der derzeitige Aufstellungs- und Ausbildungsstand der Logistiktruppen noch nicht zur Versorgung des Feldheeres ausreiche. Weder im Instandsetzungs- noch im Material- und Transportbereich seien genügend Soldaten und Fahrzeuge vorhanden, ganz zu schweigen von den Problemen der Sanitätsdienstlichen Versorgung. Ein Weg aus dieser Misere sah Zerbel in der sofortigen Aufstellung weiterer Mob-Einheiten und der Rekrutierung von »Spezialisten«202. Ein Jahr vor der »Spiegel-Affäre« mit dem reißerischen Titel »Bedingt abwehrbereit« wussten die verantwortlichen Heeresgenerale um die Mängel und Defizite, die eine Folge der Geringschätzung der vorhandenen Ressourcen und einer Überbetonung der operativ-taktischen Vorstellungen geschuldet waren203. Auswege aus dieser schwierigen Lage zeichneten sich nur durch den Rückgriff auf Aushilfen und Improvisationen ab. »Strecken, schieben, sparen« (Rink), also mehr Zeit für die Gesamtaufstellung, neue, weniger ambitionierte Aufstellungsziele und kostengünstigere Verbände waren das Gebot der Stunde. Die Umwandlung von Brigaden zu Divisionen und von Divisionen zu kleineren Korps war ein Vorschlag, der jedoch nicht weiter verfolgt wurde. Für den Leiter FüH III, Brigadegeneral Karl Wilhelm Thilo, waren die eingegangenen Verpflichtungen aus politischen Gründen zumindest vordergründig unantastbar. Von der Grundstruktur der NATO-Standarddivision konnte gerade deutscherseits nicht einfach Abschied genommen werden204. Einer seiner Vorschläge, die überzogenen AufStellungsplanungen des Heeres hinsichtlich ihrer Realisierbarkeit zu modifizieren, war die Umwandlung bestimmter gepanzerter Brigaden in kostengünstigere Jägerverbände. Zwei bis drei Jägerdivisionen im Feldheer waren nach Thilo angemessen und deren Aufstellung bzw. Umwandlung sollten unter strengster Geheimhaltung weiter geprüft werden. Doch vorerst blieb dieser Vorschlag eine Schubladenlösung. Weitere Sparideen, zum Beispiel zwei Luftlandebrigaden zu »Luftlande-Kampfgruppen« umzugliedern, wurden immer wieder im Führungsstab des Heeres diskutiert und unterstrichen die angespannte Lage der Heeresplaner, die unterschiedlichsten Konzeptionen den schwierigen Rahmenbedingungen anzupassen. Doch gab es auch Fortschritte im Heeresaufbau und sichtbare Erfolge bei der Umsetzung der Planungen. Die Korps- und Divisionstruppen wurden systematisch, wenn auch schrittweise, aufgefüllt, um die in der Planung vorgesehene einheitliche Gliederung und Ausrüstung zu erreichen. Seit 1963 ersetzten neue Waffen und Waffensysteme die Erstausstattung der Heerestruppen. Vor allem 201

202

203

204

Vortrag vor Generalinspekteur General Foertsch am 28.4.1961, 27.4.1961, BA-MA, BH 1/9493. Zustand der Einsatzfähigkeit der Bundeswehr im 2. Halbjahr 1961, Beitrag FüH (Zerbel), 27.6.1961, BA-MA, BH 1/9493. Zur Spiegel-Affäre (Ahlers), Bedingt abwehrbereit. In: Der Spiegel, Nr. 41, 10/1962, S. 32-59, und Thoß, Bedingt abwehrbereit. Fortsetzung des Heeresaufbaus nach 1964 (Thilo), 17.2.1961 und Mitteilung Thilo an FüH I-IV, 9.3.1961, BA-MA, BH 1/9493.

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im Bereich der Artillerie, der Panzertruppe und der Infanterie konnte damit eine deutliche Kampfwertsteigerung erzielt werden. Der Grad der Mechanisierung wurde ebenso erhöht wie die nuklearen Einsatzmöglichkeiten durch die Beschaffung des Raketenwerfersystems »Sergeant« und des 203-mmGeschützes auf Korps-Ebene ab 1961 bzw. 1964205. Weitere qualitative Änderungen waren Maßnahmen im Bereich der Luftbeweglichkeit und der Stärkung der infanteristischen Komponente. Diese Änderungen waren Einsparungsversuchen geschuldet, die nach den Kürzungen des Verteidigungshaushaltes 1963 vorgenommen werden mussten. Eine Anpassung der Organisation und der materiellen Ausrüstung der Großverbände an die Aufträge und Geländeverhältnisse auf der einen und der Vorrang der Panzerbekämpfungsfähigkeit vor allgemeiner Mechanisierung bei einem Teil der Großverbände auf der anderen Seite sollten das Heer trotz der finanziellen Schwierigkeiten weiterbringen206. Heeresinspekteur de Maiziere reagierte Ende 1964 auf diese ministeriellen Vorgaben mit einer Heereskonzeption, die zwar die gepanzerten Verbände weiterhin als den Kern des Heeres bezeichnete, jedoch auch Verbände mit einem geringeren Grad der Panzerung vorsah. Diese Verbände sollten panzerabwehrstark und mit Pionierunterstützung in einem geeigneten Gelände kämpfen, welches durch Sperren oder Schutzbauten verstärkt war. Diese so genannten »verbesserten Abwehrräume« lagen zum Beispiel in den stark bewaldeten Mittelgebirgslandschaften in Hessen und Nordbayern. Gepanzerte Reserven wurden vom Heeresinspekteur für die weiterhin beweglich geführte »Abwehr in großer Tiefe« eingeplant. Diese sollten bei Bedarf verstärken oder in geeigneterem Gelände Gegenangriffe führen207. Der Heeresaufbau wurde dann durch die Org-Mappe IV vom Oktober 1964 für die nächsten Jahre festgelegt208.

MC 26/4 und nationale Prioritäten

Bereits Ende 1959 hatte Verteidigungsminister Strauß angesichts des verzögerten Heeresaufbaus in einer Ministerweisung festgelegt, bestimmte Verbände mit Vorrang einsatzfähig zu machen. Gleichzeitig sollte aber auch eine »ausgewogene Bundeswehr« durch die Aufstellung von Territorialverteidigungs- und Basiseinheiten bis 1964 geschaffen werden. Zudem forderte der Führungsstab der Bundeswehr für das Jahr 1960 zusätzliche Aufstellungen von Versorgungsund Sicherungstruppen für Mehrzweckwaffen und von Grenz- und Küstensicherungseinheiten. Der Führungsstab des Heeres wandte sich im Spätsommer 1959 an den Generalinspekteur und an den Verteidigungsminister, um Zugeständnisse für das nächste Aufstellungsjahr zu erwirken. Vor allem die ReduSchraut, Die Streitkräftestruktur der Bundeswehr. Ministerweisung, 29.2.1964, BA-MA, BH 1/2161. 207 Konzeption des Heeres (de Maiziere), 29.12.1964, BA-MA, BL 1/3505. Siehe auch den Vortrag über die Konzeption des Heeres vom 30.4.1965, abgedruckt in Maiziere, Bekenntnis zum Soldaten, S. 34-46. 208 püH III 1, Organisatorisch Planung für den weiteren Heeresaufbau (Org-Mappe IV), 10.lo.1964, BA-MA, BH 1/16964-8 (Sammlung Reccum). 205 206

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zierung der Aufstellungstermine von drei auf zwei pro Jahr sollte nach der Umstrukturierung des Heeres die langverdiente Ruhepause bringen. Allein bis August 1959, so argumentierte der Führungsstab des Heeres, waren 314 Neuaufstellungen, davon 76 neue Bataillone, erfolgt. Dafür mussten manche bestehenden Bataillone zweimal im Jahr Personalabgaben an neu aufzustellende Einheiten leisten. Eine weitere Forderung war die rasche Aufstellung der Ausbildungsorganisation. Die NATO hatte in der MC 70 empfohlen, die Rekrutenausbildung in besonderen Formationen durchzuführen. Der Führungsstab des Heeres hatte daraufhin 243 Ausbildungskompanien in der Endplanung vorgesehen209. Wenige Wochen später sah die Aufstellungsplanung des Heeres für 1959/60 eine Fortführung der Aufstellungsvorhaben vor. Der Schwerpunkt lag erneut bei den Korps, den Divisionen und Brigaden mit dem Ziel, alle Divisionen und den größten Teil der Brigaden bis 1961 aufzustellen. Parallel dazu sollte die Aufstellung der Ausbildungskompanien in einer eigenständigen Ausbildungsorganisation durchgeführt werden. Immerhin gelang es dem Führungsstab des Heeres, eine Aufstellungspause von Oktober 1959 bis Juli 1960 durchzusetzen. Diese wirkte sich günstig auf die Truppe, vor allem hinsichtlich einer Festigung der Verbände und Einheiten, aus. Dennoch wurden bis Ende 1960 weitere 29 Bataillone, 31 selbstständige Kompanien und 61 Ausbildungskompanien aufgestellt210. Angesichts dieser erneuten Belastung fasste der Chef des Stabes des Führungsstabes der Bundeswehr in seinem Bericht seine Eindrücke wie folgt zusammen: »Die Belastung und Überlastung einzelner Funktionen ist auf Dauer nicht haltbar. Das Vertrauen in die oberste Führung ist angeschlagen, doch noch reparierbar. Abgaben stellen die Truppe immer wieder vor kaum zu lösende Personal- und Ausbildungsaufgaben 211 .« Die Überbelastung der Truppe durch die Doppelbelastung der Umgliederung und der Neuaufstellung war unübersehbar. Für Heeresinspekteur Zerbel war Anfang 1961 ein kritischer Punkt erreicht. Dem Generalinspekteur gegenüber stellte er fest: »Haben schon die bisherigen grundsätzlichen Planungen und ihre Durchführung die Kräfte der Truppe und die Mittel des Heeres bis zur Zerreißprobe angespannt, so sind - durch die ungünstige Entwicklung der Offizierund Unteroffizierlage einerseits, durch zusätzliche Forderungen zum anderen - Verhältnisse entstanden, die in Ursache und Abhilfe einer eingehenden Untersuchung bedürfen 212 .« Zerbel legte den Finger in die Wunde. Demnach reichten die verfügbaren Kräfte und Mittel nicht aus, die Ziele des Heeresaufbaus zu erreichen. Ohne entschei209

210

211 212

Notizen zum Vortrag Generalinspekteur und Minister für die Aufstellungsplanung I960, 24.8.1959, BA-MA, BH 1/1587. Sprechzettel für den Herrn Minister, 8.10.1959, BA-MA, BH 1/1587. Zustandbericht Bundeswehr Nr. 2/60 und 3/60, Bw 2/2008. Zustandbericht Bundeswehr 3/60, BA-MA, Bw 2/2008. Beurteilung der Lage für die weitere Aufstellung des Heeres (Zerbel), 27.1.1961, BA-MA, BH 1/9493.

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dende Hilfe, auch von den anderen Teilstreitkräften, sah sich der Führungsstab des Heeres nicht in der Lage, eine Weiterführung der Aufstellungsvorhaben zu verantworten. Eine erste Notmaßnahme war die Einführung eines OffizierNotsolls, welches Ende 1960 zum Beispiel dazu führte, dass nur 14 von 27 (Kriegssoll) Offizieren eines Panzergrenadierbataillons eingeplant waren. Zusätzliche 600 Offiziere und 5200 Unteroffiziere wären nach den Berechnungen des Führungsstabes des Heeres notwendig gewesen, um die vorgesehenen Aufstellungsvorhaben planmäßig umzusetzen und gleichzeitig die Einsatzbereitschaft der bestehenden Verbände zu erhöhen. Immer wieder wurde deshalb auch eine Verlängerung der Wehrdienstzeit gefordert. Vor allem aufgrund dieser schwierigen Personallage und der fehlenden Unterbringungsmöglichkeiten war es kaum verwunderlich, dass die Streitkräfteforderungen der MC 70 nicht erfüllt werden konnten. War die MC 70 das Planungspapier der Allianz für die Streitkräfteaufstellung von 1958 bis 1963, so wurden die Jahre von 1963 bis 1966 planerisch vom Folgedokument MC 26/4 bestimmt. Die Bundesregierung hatte den Empfehlungen dieses Papiers im Januar 1962 im Grundsatz zugestimmt, hielt sich aber mit Aussagen über die Erfüllung der Ziele und Termine angesichts der Erfahrungen bei der Umsetzung der MC 70 zurück. MC 26/4 empfahl der Bundesregierung für den Heeresaufbau, bis 1966 zwölf Divisionen mit 40 Brigaden (davon 16 Panzer- und 18 Panzergrenadierbrigaden) aufzustellen. Im Vergleich zu den Forderungen der MC 70 bedeutete dies eine deutliche Erhöhung der konventionellen Streitkräfte, was ganz im Sinne der neuen Regierung in Washington war. Die Kennedy-Administration forderte von ihren Verbündeten, die konventionellen Streitkräfte der NATO zu stärken. Die damit verbundene Forderung nach der Erhöhung der Schwelle für den Nuklearwaffeneinsatz war für die Regierung in Bonn jedoch ein klares Abweichen vom Prinzip der »lückenlosen Abschreckung«. Voraussetzung dafür war die Einbindung atomarer Waffen in die Verteidigungsplanungen mit konventionellen Waffen. Erst der verzögerungslose Übergang von der konventionellen zur atomaren Kriegführung garantierte nach deutscher Auffassung das unkalkulierbare Kriegsrisiko für den Gegner. Die amerikanischen Vorstellungen stellten diese logische Abfolge in Frage, machten das Kriegsrisiko für einen Gegner durch die Zweiteilung in nukleare und konventionelle Streitkräfte kalkulierbar213. Zudem war nach deutschem Dafürhalten eine rein konventionelle Verteidigung durch die NATO nicht zu finanzieren. 40 einsatzbereite Divisionen wären die Alternative zu den geplanten 30 atomwaffenfähigen Großverbänden in Westeuropa gewesen. Für die Bundesrepublik hätte dies die Aufstellung von drei bis vier zusätzlichen Divisionen bedeutet. Statt Quantität setzte das Ministerium einmal mehr auf Qualität durch einen konsolidierten Streitkräfteaufbau und durch die vorgesehene Modernisierung der Streitkräfte. Die nationalen Prioritäten waren damit

213

Zum Begriff Gablik, Strategische Planungen, S. 218-221.

III. Die konzeptionelle Entwicklung einer Teilstreitkraft 1955 bis 1970

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festgelegt: Weiter wie bisher an der Aufstellung der geforderten Verbände arbeiten und danach diese Verbände mit modernen Waffensystemen ausstatten. Die Heeresplaner gingen bei ihrer Arbeit immer zuerst vom Auftrag aus. Erstes und oberstes Ziel war die Vorwärtsverteidigung. Danach erst galt es, die von der Bundesregierung im Bündnis eingegangenen Verpflichtungen zu berücksichtigen. Diese ließen sich jedoch nur im Rahmen der personellen, materiellen und infrastrukturellen Möglichkeiten erfüllen. Die hohen Forderungen der NATO waren angesichts der schwierigen Rahmenbedingungen aus Sicht der Heeresplaner nicht zu erfüllen. Die Auswertung der MC 26/4 ergab aus Heeressicht die Aufstellung von vier Panzer-, sieben Panzergrenadier- und einer Gebirgsdivision. An Brigaden sollten insgesamt 16 Panzer-, 18 Panzergrenadier-, zwei Gebirgs- und vier mechanisierte Brigaden aufgestellt werden. Diese Verbände wären bereits im Frieden personell zu 100 Prozent präsent, die Unterstützungstruppen zu 75 Prozent verfügbar gewesen. Der Führungsstab der Bundeswehr ging für das Heer im Frieden von einer Höchstgrenze von insgesamt 282 500 Soldaten einschließlich der Ausbildungsorganisation aus. Das bedeutete statt der geforderten Verbandszahl der NATO nur elf Divisionen mit 35 Brigaden. Im April 1962 schlug der stellvertretende Heeresinspekteur, Generalmajor Thilo, eine Endstärke von 320 000 Heeressoldaten vor, um den Führungsstab der Bundeswehr zufrieden stellen zu können. Der Führungsstab des Heeres sah sich bei der vom FüB genannten Gesamtstärke hingegen nicht in der Lage, 32 mechanisierte Brigaden und wenige »billigere« Brigaden aufzustellen. Dies wäre im Endergebnis auf nur elf echte Divisionen mit 34 Brigaden und drei »Luftlande-Bataillonsgruppen« hinausgelaufen. Nach Abzug der für die Ausbildungsorganisation benötigten Truppen waren für den Führungsstab des Heeres noch nicht einmal die elf Divisionen gesichert. Ebenso wenig konnte die 100-Prozent-Präsenzstärke und damit letztlich auch die gesamte Vorwärtsverteidigung garantiert werden. Seine Forderung an den Führungsstab der Bundeswehr, die Personalreserve dem Heer zuzuweisen und im Gegenzug dafür Einsparmaßnahmen im Heer zu prüfen, klangen allerdings wenig überzeugend 214 . Im Sommer 1962 waren die Planungsarbeiten im Ministerium hinsichtlich der Forderungen der MC 26/4 abgeschlossen und vom Bundesverteidigungsrat angenommen. Statt der großen oder mittleren Lösung wurde nur die kleine Lösung für realistisch gehalten und vorgeschlagen. Statt der 745 000 Soldaten umfassenden Bundeswehr mit jährlichen Kosten zwischen 30 und 35 Mrd. DM sollten wenigstens insgesamt 520 000 Soldaten, d.h. nur rund 70 Prozent der NATO-Forderungen, aufgestellt werden. Der Finanzbedarf wurde auf jährlich rund 21 Mrd. DM hochgerechnet. Bereits diese Summe war für die Bundesregierung keine Kleinigkeit215. 214 215

Notizen für Militärischen Führungsrat am 19.6.1962 (Thilo), 18.6.1962, BA-MA, BH 1/1589. FüB an Minister betr. Sitzung des Bundesverteidigungsrates am 28.5.1963, 22.5.1963, BA-MA, NHP-Dok.Nr. 137.

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Für das Heer bedeutete dieser neue Streitkräfterahmen, den einmal festgelegten Schwerpunkt der Aufstellung der Verbände nicht aus den Augen zu verlieren und die Kräfte darauf zu konzentrieren. Der vorgegebene Heeresumfang von rund 300 000 Soldaten zwang die Heeresplaner zu Kompromissen, um die NATO-Forderungen nach Zahl und Art der Verbände zu erfüllen. So musste die Grundausbildung entgegen den ACE-Normen zu einem Drittel im Feldheer durchgeführt werden, um nicht durch die eigenständige Ausbildungsorganisation mit über 50 000 Soldaten voll belastet zu werden. Auch ein Rückgriff auf mobilmachungsabhängige Dienstposten sollte Entlastungen im Personalbereich bringen. Bei den Korpsverfügungstruppen waren etwa 25 bis 30 Prozent vorgesehen, bei den Korpsversorgungstruppen sogar bis zu 60 Prozent. Im Vergleich war der Personalumfang des Heeres für zwölf Großverbände sehr eng gestrickt. Die US-Streitkräfte in Deutschland verfügten bei fünf Divisionen und den anteiligen Korps- und Armeetruppen über einen personellen Umfang von 264 000 Soldaten. Dabei ist im Gegensatz zum deutschen Heer die Ausbildungsorganisation nicht einberechnet, da die Grundausbildung in den Vereinigten Staaten durchgeführt wurde 216 . In seinen militärischen Leitlinien vom Februar 1964 stellte Generalinspekteur Friedrich Foertsch nochmals die Schwerpunkte des Heeresaufbaus heraus: - Vorrang aller Maßnahmen, die zu einer unmittelbaren Unterstützung der Vorwärtsverteidigung beitragen - hohe Präsenzstärke der Kampfverbände und Priorität aller Vorhaben, die zur Steigerung der Kampfkraft in der ersten Kriegsphase führen - günstiges Verhältnis der Gesamtumfangszahl zum Umfang der Kampfverbände - ausgewogenes Verhältnis zwischen aktiven Truppenteilen und Truppenteilen, die aus Geräteeinheiten innerhalb von 72 Stunden aktiviert werden können - Anpassung der Organisationsform und materiellen Ausrüstung der Großverbände an die Aufträge und Geländeverhältnisse mit einem besonderen Schwerpunkt auf die Panzerabwehr 217 . Die NATO bestätigte schließlich die deutschen Planungen von zwölf Divisionen mit insgesamt 37 Brigaden. Diese Zahlen wurden auch in die Planungsrichtlinien des Führungsstabes der Bundeswehr aufgenommen und bildeten die Grundlage für die bereits erwähnte Org.-Mappe IV des Führungsstabes des Heeres218. Diese war eine mittelfristige Planung bis 1967, wurde aber aufgrund personeller, finanzieller und struktureller Probleme in ein Fünf-JahresProgramm bis 1971 umgewandelt.

216

217 218

FüH III, Grundlagen und Stand des Heeresaufbaus sowie Probleme der Organisation, 2.12.1966, BA-MA, BH 1/1586. Militärische Leitlinien (Foertsch), 29.2.1964, BA-MA, Bw 2/804. Grundlagen und Stand des Heeresaufbaus sowie Probleme der Organisation, 2.12.1966, BA-MA, BH 1/1586.

III. Die konzeptionelle Entwicklung einer Teilstreitkraft 1955 bis 1970

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Nuklearisierung und Mechanisierung des Heeres Anfang der 1960er Jahre sprach sich der Führungsstab des Heeres im Gegensatz zu seiner Haltung in den späten 1950er Jahren für die Nuklearisierung der Heeresverbände aus. Atomare Gefechtsfeldwaffen waren selbst für die Brigaden vorgesehen. Damit sollte die Brigade zum selbstständig kämpfenden Großverband aufgewertet, die Kampfkraft deutlich erhöht und die Lücke in der abgestuften Abschreckung geschlossen werden. Mit Einführung des 155-mmArtillerie-Geschützes (M 109 G) wäre diese Möglichkeit realisierbar gewesen. Die gewünschte Doppelrolle des Heeres, sowohl für den konventionellen als auch für den atomaren Krieg gerüstet zu sein, war Mitte der 1960er Jahre bereits erreicht. Auf Divisionsebene waren elf Raketenartillerie-Bataillone mit insgesamt 66 Werfersystemen »Honest John« und elf 203-mm-Geschütz-Batterien mit 66 atomfähigen Geschützen aufgestellt. Auf Korpsebene waren drei Raketenartillerie-Bataillone mit insgesamt zwölf Werfersystemen »Sergeant« und zwei 203-mm-Geschütz-Batterien mit zwölf atomfähigen Geschützen ausgestattet, wobei nicht alle Trägersysteme und Geschütze tatsächlich atomar einsatzbereit waren219. Darüber hinaus prüfte das Heer den Einsatz von Atomsprengkörpern (ADM). Diese Sperrmittel waren für den Kampf gegen einen überlegenen panzerstarken Feind gedacht, dessen Angriff mit kleineren atomaren Detonationen an »Engstellen« wie Gebirgspässen oder Brücken zumindest zeitlich befristet gestaut werden sollte. Verteidigungsminister Strauß forderte im Sommer 1962 von SACEUR Norstad den Zugriff der Nicht-Nuklearmächte auf dieses Waffensystem im Kriegsfall. Für General Norstad waren die ADM ein Faktor zur Durchsetzung der Vorwärtsverteidigung in seinem Verantwortungsbereich. Allerdings waren die zuständigen Stellen in Washington selbst gerade in der Prüfphase hinsichtlich des Einsatzes der ADM. Immerhin kam es in den folgenden Jahren zu bilateralen Gesprächen und einer deutsch-amerikanischen Studie, die im Mai 1965 vorgelegt wurde220. Diese zeigt, wie kritisch die deutschen Teilnehmer den amerikanischen Auffassungen gegenüber standen. Sie sprachen sich ebenso gegen den Einsatz dieser Minen in größeren Ortschaften aus wie gegen die Idee, drei tiefgestaffelte atomare Sperrzonen durch die gesamte Bundesrepublik einzuplanen. Auch wurde die Verhältnismäßigkeit des Waffengebrauchs angesichts der damit zwangsläufig verbundenen Schäden und Opfern unter der Zivilbevölkerung angezweifelt. Aus deutscher Sicht waren die ADM in erster Linie ein Faktor der Abschreckung. Zwingend erforderlich war aus Sicht der deutschen Arbeitsgruppe eine Mitwirkung deutscher Stellen bei der Einsatzplanung für ADM221. Der Einsatz von ADM konnte aus 219

220 221

Übersicht über atomare Einsatzmittel des Heeres 1967, Tuschhoff, MC 70, S. 260 f. Neben den drei Korps verfügte LANDJUT über ein RakArtBtl mit drei Trägersystemen Sergeant, wovon zwei atomar einsatzfähig waren und die Raketenschule des Heeres in Eschweiler über ein Trägersystem, welches atomar einsatzfähig war. Pommerin, General Trettner. Wesentliche Ergebnisse der deutsch-amerikanischen Studie: »Grundsätze und Richtlinien für den Einsatz der ADM«, Dok. 7 bei Pommerin, General Trettner, S. 649-652.

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deutscher Sicht nur für eine grenznahe Verzögerungszone geplant werden. Zum einen sollten dadurch deutsche Städte geschont werden, die in den amerikanischen Einsatzplanungen von tiefgestaffelten Sperrzonen einbezogen waren. Zum anderen war aus dieser Perspektive der Einsatz von ADM nur sinnvoll, wenn die Freigabeentscheidung durch den amerikanischen Präsidenten frühzeitig gefällt wurde. Damit wäre aus deutscher Sicht ein weiterer Baustein für die lückenlose Abschreckung gesetzt worden. In Planspielen zeigte sich, dass von der Anforderung bis zur Freigabe dieser Waffen zu viel Zeit verstrich, um die ADM sinnvoll so weit ostwärts wie möglich einzusetzen. General Graf von Kielmansegg riet deshalb seinen Heeresgruppen-Befehlshabern, nicht auf diese Waffen zurückzugreifen. Auch für Heeresinspekteur de Maiziere waren die ADM keine geeigneten Waffen222. In den EDP-Planungen waren die ADM für den schwerpunktmäßigen Einsatz an bestimmten Objekten und in ausgewählten Geländeabschnitten vorgesehen. Es gab allerdings keinen geplanten nuklearen Minengürtel, wie ihn Adalbert Weinstein in einem vielbeachteten Zeitungsartikel Ende 1964 beschrieb. General Heinz Trettner, den Weinstein als den Federführenden dieser Idee ausgemacht hatte, zeigte sich im Gegenteil bereits im Sommer 1960 als Kommandierender General des I. Korps besorgt über die britischen Überlegungen, solche Waffen ohne Zögern auf deutschem Boden einzusetzen. Für Trettner verstießen vor allem die Briten mit ihrer Auffassung, im Einsatz von Atomwaffen die einzige Möglichkeit der Ausfechtung eines Krieges zu sehen, gegen Grundsätze der NATO. Erstens gegen den Grundsatz, in Bündnisstaaten so wenig Schaden wie möglich anzurichten, zweitens gegen den Grundsatz der beweglichen Gefechtsführung, die durch ADM-Einsätze behindert würden. Trettner sah in dieser Frage erheblichen Klärungsbedarf zwischen den verschiedenen NATO-Befehlshabern223. Heeresinspekteur Zerbel stimmte Trettners Bedenken grundsätzlich zu und versicherte ihm, die deutschen Vorbehalte gegenüber den vorschnellen Einsatzwünschen mancher Kommandeure in der NATO energisch zu vertreten. Doch Zerbel wies auch darauf hin, dass sich die deutschen Generale daran gewöhnen müssten, dass die NATO die ihr zur Verteidigung gegebenen Mittel gemäß der jeweiligen Lagebeurteilung einsetzen müsse224. Das Rad der Zeit ließ sich trotz der dauerhaften Berührungsängste mancher deutscher Generale gegenüber den »neuen Waffen« nicht mehr zurückdrehen. Das Heer der Bundeswehr hatte Mitte der 1960er Jahre seinen Charakter dahingehend verändert, dass es für den Nuklearkrieg gerüstet war. Hohen Respekt verdienten sich die Offiziere und Generale, die bereits im Planungsverfahren der NATO für eine hohe Schwelle bei der Entscheidung zum Einsatz atomarer Waffen eintraten. 222

223 224

Maiziere, In der Pflicht, S. 277. Sowohl Trettner als auch de Maiziere mussten als Generalinspekteure umdenken, ohne allerdings ihre grundsätzlichen Bedenken aufzugeben. Schreiben Trettner an Zerbel, 28.7.1960, Dok. 1 bei Pommerin, General Trettner, S. 645 f. Schreiben Zerbel an Trettner, 16.9.1960, Dok. 4 bei Pommerin, General Trettner und die Atom-Minen, S. 647 f.

Das Heer der 1960er Jahre: wirklich nur »bedingt abwehrbereit«? SKA/IMZBw/Siwik

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Neben der Fähigkeit des Heeres zur Führung des Gefechts unter atomaren Bedingungen wurde Mitte der 1960er Jahre eine qualitative Verbesserung der Fähigkeiten für das Gefecht der verbundenen Waffen unter atomarer Bedrohung erreicht. Dies war ganz im Sinne des neuen SACEUR Lyman L. Lemnitzer, der den Schwerpunkt seiner Arbeit im Aufbau der so genannten ALPHA-Kräfte sah. Gemäß den Force Goals 1970 vom Sommer 1965 waren dies die konventionellen Streitkräfte, die mit taktischen Nuklearwaffen ausgerüstet waren. Weniger der zahlenmäßigen Aufstellung als der Qualität dieser Verbände galt sein Hauptaugenmerk. Bestimmend waren ein hoher Bereitschaftsgrad, eine moderne Bewaffnung und Ausrüstung, eine angemessene logistische Unterstützung sowie eine zweckmäßige Dislozierung225. Diesen qualitativen Forderungen des NATO-Oberbefehlshabers konnten die Heeresplaner durchaus entsprechen. Die Masse der für die NATO vorgesehenen Verbände war aufgestellt, der qualitative Ausbau lief parallel zu den weniger werdenden Neuaufstellungen. Eine offensichtliche Verbesserung lag in der Neuausstattung des Heeres mit modernen Waffen und Gerät. War die Erstausstattung vor allem mit Material aus US-Armeebeständen eine Kompromisslösung, die einer raschen Aufstellung deutscher Verbände und der fehlenden deutschen Rüstungsindustrie geschuldet war, so zeigte die dadurch erzielte »Überbrückungszeit« ab 1963 Früchte. Das G-3 ersetzte als Standardgewehr zahlreiche Vorläufermodelle. Mit der Beschaffung von 1500 Kampfpanzern »Leopard« und 770 Kanonenjagdpanzern seit 1965/66 wurde der Kampfwert und die Feuerkraft der Kampftruppe deutlich erhöht. Dabei zeigten die ersten Panzer aus deutscher Produktion deutliche Anklänge an die letzte Panzergeneration der Wehrmacht. Das für den Kampfpanzer zuständige Firmenkonsortium hatte auch für die Wehrmacht Panzer gebaut. Bei der Entwicklung des Kanonenjagdpanzers konnten die deutschen Rüstungsbetriebe ebenfalls auf die Erfahrungen der Wehrmacht zurückgreifen, für die eine starke Panzerabwehrkomponente immer von großer Bedeutung gewesen war. Gegenüber den amerikanischen Panzern der Erstausstattung wiesen die neuen deutschen Panzer eine höhere Waffenwirkleistung, bessere optische Geräte, teilweise auch für den Nachtkampf, deutlich höhere taktische und operative Beweglichkeit, bessere Geländegängigkeit und nicht zuletzt eine höhere technische Zuverlässigkeit auf. Der »Leopard« verfügte zudem erstmalig über eine ABC-Schutzbelüftung. Nachteilig war der geringere Schutz der Besatzungen gegen Beschuss, der nur teilweise durch die niedrige Silhouette der Fahrzeuge ausgeglichen werden konnte226. Feuer und Bewegung ergänzten sich sowohl beim »Leopard« als auch beim Kanonenjagdpanzer und waren der rüstungstechnische Ausdruck der Idee des beweglich geführten Gefechtes der verbundenen Waffen227. 225

226 227

Grundlagen und Stand des Heeresaufbaus sowie Probleme der Organisation, 2.12.1966, BA-MA, BH 1/1586. Spiegelberger, Der Kampfpanzer Leopard 1. Wies der Μ 48 mit seiner 90-mm-Kanone gute Treffleistungen aus dem Schießhalt auf 1500 Meter Kampfentfernung auf, so waren es beim »Leopard« mit seiner britischen 105-

III. Die konzeptionelle Entwicklung einer Teilstreitkraft 1955 bis 1970

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Ein weiterer qualitativer Sprung im Bereich der Panzerabwehr war der ab 1967 der Truppe zugeführte Raketenjagdpanzer 2, der mit seinen jeweils 14 drahtgelenkten Panzerabwehrraketen (SS 11 Β 1) als Gefechtsbeladung Feindpanzer zwischen 500 und 3000 Meter erfolgreich bekämpfen konnte. Die Kampftruppe war so mit Gefechtsfahrzeugen ausgestattet, die auf die taktischen Forderungen der Truppenkommandeure abgestimmt waren. Damit hatte das Heer einen Stand erreicht, der konsequent auf den Erfahrungen der Wehrmacht aufbaute, die moderneren Waffensysteme der Bündnispartner einbezog und schließlich in ein eigenständiges, überzeugendes und am herrschenden Kriegsbild ausgerichtetes Waffenkonzept mündete. Dies galt nicht nur für die Kampftruppen, sondern auch für die meisten anderen Truppengattungen des Heeres. Am Beispiel der Panzergrenadiertruppe lässt sich dieser »Quantensprung« in den 1960er Jahren besonders verdeutlichen. Der erste Schützenpanzer der Bundeswehr war der Μ 39. Davon gab es jedoch in den Anfangsjahren nur rund 100 Stück in der gesamten Bundeswehr228. Die meisten Grenadiereinheiten mussten deshalb aushilfsweise mit Lkws 1,5-t-Unimog und ähnlichen Modellen beweglich gemacht werden. Der Μ 39 wurde von der Firma General Motors Corporation ab 1943 ursprünglich als Munitionstransportfahrzeug gebaut. Seine Hauptbewaffnung war ein 12,7-mmMaschinengewehr, lafettiert auf einem integrierten Drehkranz ohne weiteren Schutz. Dieses Vollkettenfahrzeug zeichnete sich durch seine Zuverlässigkeit und hohe Geländegängigkeit aus. Bemängelt wurden vor allem die fehlende hintere Einstiegsmöglichkeit, die Höhe des gesamten Fahrzeuges und der fehlende Panzerschutz nach oben. Dennoch war der Μ 39 zeitweise als StandardSchützenpanzer bis zur Serienreife eines geeigneten Nachfolgers im Gespräch. Doch erst mit der Einführung des neuen Schützenpanzers HS 30 wurden die Grenadiere zu Panzergrenadieren. Obwohl auch der Μ 39 als Schützenpanzer bezeichnet wurde, ist der HS 30 durch seine unter Panzerschutz bedienbare Kanone der erste wirkliche Schützenpanzer der Bundeswehr. Damit war es der Besatzung möglich, auch aufgesessen den Kampf zu führen. Andere Modelle, wie der »Bren Carrier« oder später der Μ 113, konnten dagegen ihre Besatzung nur transportieren und im Kampfgebiet absetzen. Die Erprobung und Auslieferung des HS 30 erfolgte parallel ab 1958, die Masse der Fahrzeuge wurde ab 1960 an die Truppe geliefert. Der HS 30 wurde offiziell auch als »SPz lang« bezeichnet und existierte in verschiedenen Versionen. Seine frühe und unter schwierigen Bedingungen forcierte Einführung hatte den Nachteil, dass der HS 30 der neuen Panzergeneration des Heeres kaum mehr folgen konnte.

228

mm-Kanone gute Ergebnisse aus der Bewegung bereits auf 2500 Meter. Siehe Hilmes, Panzerentwicklung. Anweiler/Blank, Die Rad- und Kettenfahrzeuge der Bundeswehr, S. 331. Siehe auch Forkert, Die Entstehung und Entwicklung der Panzergrenadiertruppe, S. 70-76.

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Helmut R. Hammerich: Kommiss kommt von Kompromiss

Angesichts der Erfahrungen bei der Beschaffung des HS 30 zog sich die Entwicklung des Nachfolgemodells »Marder« von der ersten Prototypserie der Jahre 1960/61 bis zur Auslieferung an die Truppe ab 1971 über ein Jahrzehnt hin. Abgestimmt auf die Leistungsmerkmale des »Leopard« und des Kanonenjagdpanzers, ergänzt durch Berge- und Brückenlegepanzer, stellte dieser neue Waffenverbund eine deutliche Erhöhung der Kampfkraft der Brigaden dar229. Spezialisierung der Großverbände bei »abgestufter Präsenz« Bereits 1964 wurde über die angemessene Organisationsform des Heeres nach 1970 nachgedacht. In der so genannten Z-Studie gingen die Heeresplaner von einem neuen Kriegsbild und von der Einführung leichter atomarer Gefechtsfeldwaffen auf Bataillons- bzw. sogar Kompanieebene (atomare Gewehrgranate »Davy Crockett«) aus. General de Maiziere beauftragte allerdings im Februar 1965 die Studiengruppe Heer, Alternativen zu diesen nuklearen Szenarien zu entwickeln. Dabei wurde das Gefecht unter atomarer Bedrohung ohne das Vorhandensein der kleinen Atomwaffen angenommen. Ein Jahr später präsentierte die Studiengruppe ihr Ergebnis. Sie ging von einem nichtatomaren Gefecht aus und schlug dafür kleinere Divisionen ohne Brigaden, sondern mit je fünf kleineren Kampfgruppen bei starken Divisions- und Korpstruppen vor. Dadurch sollten die Beweglichkeit, die Auflockerung und die Anzahl der Divisionen auf 18 erhöht werden. Angesichts der laufenden Strategiediskussion und den sich verändernden Rahmenbedingungen erschienen dem Inspekteur des Heeres diese zukunftsträchtigen Überlegungen jedoch kaum realisierbar. An der bewährten Brigadegliederung wurde weiter festgehalten, eine grundlegende Strukturreform war in der Phase der Konsolidierung nicht erwünscht. Erst einige Jahre später wurde eine neue Heeresstruktur aktuell. Generalleutnant Albert Schnez beauftragte den Führungsstab des Heeres kurz nach seiner Amtsübernahme als Inspekteur im Herbst 1968, eine neue Heeresstruktur zu entwickeln. Die Heeresplaner konnten sich dabei auf die Vorarbeiten des Vorgängers, Generalleutnant Josef Moll stützen. Dieser wollte seinerzeit ebenfalls keine grundlegende Strukturreform wie bei der Heeresstruktur 2, sondern lediglich eine Modernisierung bzw. Anpassung an die neuen Gegebenheiten. Schnez plädierte in erster Linie für eine Erhöhung der Beweglichkeit durch die Nutzung der dritten Dimension und für die Modernisierung der Waffen und Ausrüstung 230 . Damit reagierte Generalleutnant Schnez auf die Auswirkungen der erneuten Haushaltskürzungen des Jahres 1967, aber auch auf die mangelnde personelle Einsatzbereitschaft. Die neue Struktur sollte der neuen NATO-Strategie der Flexible Response entsprechen, die Einsatzbereitschaft der Truppe erhöhen und die Defensivstruktur hervorheben. Um eine kostenwirksame Struktur zu erzielen, kam es darauf an, die Großverbände zu spezialisieren. Mit dem »Jägerkon229

230

Grundlegend zur Beschaffung des HS 30, Kollmer, Rüstungsgüterbeschaffung. Siehe auch in diesem Band den Beitrag Kollmer. Zum Konzept der Luftbeweglichkeit siehe Bünz, Modernisierung der Bundeswehr.

III. Die konzeptionelle Entwicklung einer Teilstreltkraft 1955 bis 1970

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zept« hatten der Führungsstab des Heeres und die zuständigen Truppengattungsreferate die dazu passende Alternative231. Die Geländebeschaffenheit der Bundesrepublik sollte dazu besser genutzt werden. Diesbezügliche Studien ergaben, dass das gesamte Gebiet der Bundesrepublik hinsichtlich Bodenform, Bodenbedeckung und Bodenbeschaffenheit dreigeteilt werden kann. Nur rund ein Drittel des Gebietes ist für Operationen gepanzerter Verbände günstig, ein Drittel weniger und das letzte Drittel ungünstig. Teure mechanisierte Verbände sollten deshalb auch nur dort eingesetzt werden, wo diese ihre volle Stärke entfalten konnten. In verteidigungsgünstigen Räumen, wie dem Hessischen Bergland oder dem Bayerischen Wald, waren auch infanterie- und panzerabwehrstarke Verbände vorstellbar. Die Nachteile, schwache Panzerkräfte und weniger Beweglichkeit, sollten zum einen durch die Fähigkeit der Korps, schnelle Panzerschwerpunkte mit einem eigenen Panzerregiment zu bilden, ausgeglichen werden. Zum anderen wollte man die Beweglichkeit durch Luftlandebrigaden und luftverlastbare Jägerverbände erhöhen. Durch den höheren Anteil an nichtmechanisierten Großverbände würden die zur Modernisierung des Heeres erforderlichen Mittel freigesetzt werden. Allerdings gab es auch kritische Stimmen im Führungsstab des Heeres und in der Truppe, die unbedingt an den zwölf mechanisierten Divisionen festhalten wollten232. Weitere Schlagwörter waren die »abgestufte Präsenz«. Damit glaubte man einen Ausweg gefunden zu haben, trotz der schwierigen Rahmenbedingungen zumindest die Kampfverbände des Feldheeres einsatzbereit zu halten. Demnach sollte es drei Präsenzstufen für die Verbände geben. Erstens die einsatzbereiten Verbände, die selbst keine Rekruten ausbildeten oder die Grundausbildung bereits abgeschlossen hatten - rund zwei Drittel der Verbände waren nach diesen Planungen ständig einsatzbereit. Zweitens die Verbände mit kurzfristiger Mobilmachung, die in der Grundausbildung standen, und drittens die Kaderverbände und Geräteeinheiten. Diese Abstufung nahm von der Divisionsebene an aufwärts zu und betraf in erster Linie die Versorgungstruppen und -einrichtungen. Diese Präsenzstufen hatten den Vorteil, die Gesamtfriedensstärke der Brigaden anheben zu können. Der Nachteil war, dass damit der Mobilmachungsanteil des Heeres auf über 60 Prozent anstieg, was eine Abhängigkeit von frühzeitigen politischen Entscheidungen zur Mobilmachung mit sich brachte233. In diesem Zusammenhang wurde auch der parallele Aufbau des Feldheeres und der Territorialen Verteidigung (TV) immer häufiger kritisiert. Bis Ende der 1960er Jahre war die TV nicht in der Lage, ohne die aktive Unterstützung des Feldheeres zu überleben. Auf der anderen Seite bedeutete der permanente Aderlass eine schwere Belastung für den Aufbau der aktiven Verbände. Der Schluss lag nahe, die getrennten Bereiche zusammenzuführen. Die verschiedenen Aufgaben blieben bestehen. Während das Feldheer ausschließlich Aufgaben im Rahmen der NATO231 232 233

Pestke, Jäger - eine moderne Truppe, und Uhle-Wettler, Die Jägertruppe. Schnez, Das Heer in den 70er Jahren. FüH I 2, Wesen und Umfang der Neuen Heeresplanung, o.D., BA-MA, BH 1/1586.

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Unterstellung erfüllen sollte, lag im Verantwortungsbereich des Territorialheeres die Operationsfreiheit der NATO-Streitkräfte auf deutschem Boden. Allerdings garantierte die Fusion Kostenersparnis und Synergieeffekte. In den Worten des Führungsstabes des Heeres stellte das Territorialherr »ein die ganze BRD überziehendes Netz dar, auf dem die NATO-Verbände, gleichsam die Spinnen, sich bewegen«234. In der Herbstübung 1969 GROSSER RÖSSELSPRUNG wurde die neue Gliederung praktisch erprobt. Das Ergebnis war die 1970 einsetzende Neugliederung des Heeres nach dem »Organisationsmodell 3«. Hierbei sind drei Maßnahmen besonders hervorzuheben: Die Umwandlung der 2. und 4. Panzergrenadierdivision in Jägerdivisionen, zu denen außer den Divisionstruppen je zwei Jägerbrigaden gehörten235. Jede Brigade umfasste einen Panzeraufklärungszug, eine Panzerpionierkompanie, eine Instandsetzungskompanie, eine Nachschubkompanie, ein Panzerartilleriebataillon, ein Panzerjägerbataillon und vor allem drei Jägerbataillone (mot). Der Anteil an Panzern und Panzergrenadieren war entsprechend dem »Jägerkonzept« zugunsten einer panzerabwehrstarken, zu Fuß kämpfenden Infanterie verringert worden. Dies führte zu einer deutlichen Absenkung der Betriebskosten. Die Aufstellung einer beweglichen gepanzerten Eingreifreserve auf Korpsebene in Form von je einem Panzerregiment sollte den geringen Mechanisierungsgrad der neuen Jägerdivisionen etwas ausgleichen236. Heeresinspekteur Albert Schnez machte es sich schließlich zur Aufgabe, die »zweite technische Revolution« während seiner Amtszeit zum Vorteil des Heeres zu nutzen. Mit seiner »Konzeption des Heeres« vom Mai 1969 legte er die Grundlagen für die mittelfristigen Planungen und für die neue Heeresstruktur 3. Die Konzeption war darüber hinaus eine detaillierte Orientierung über die Vorstellungen des Führungsstabes des Heeres über die Landkriegführung in den 1970er Jahren237. Das Gefecht der verbundenen Waffen als Kern der Vorwärtsverteidigung stellte für die Heeresplaner seit Mitte der 1950er Jahre eine große Herausforderung dar. Angesichts der sich ständig ändernden Rahmenbedingungen waren zahlreiche Anpassungen notwendig, um das Kemziel der Aufstellung von zwölf Divisionen für die NATO zu erreichen. Jede kleinste Veränderung an den Stellschrauben des Gesamtsystems Heer hatte Auswirkungen auf die Umsetzung der Planungen durch die Truppe. War die Idee des Gefechtes der verbun234 235

236

237

Ebd., S. 4. Von den vier Jägerbrigaden der zwei Jägerdivisionen wurden nur drei aufgestellt. Die dafür vorgesehene Panzergrenadierbrigade 5 wurde nicht umgegliedert. Die Jägerbrigade 4 behielt trotz Panzerjägerbataillon 44 das Panzerbataillon, das für die Aufstellung des PzRgt 300 vorgesehen war. Die 2. Jägerdivision konnte damit in den 1970er Jahren eine der panzerstärksten Divisionen der NATO werden. Hinweis Generalleutnant a.D. Werner von Scheven an den Verfasser, November 2005. Beim I. und II. Korps erfolgte diese Aufstellung am 1.4.1970 als PzRgt 100 und 200. Das PzRgt 300 wurde nicht aufgestellt. Konzeption des Heeres (Schnez), 30.5.1969, BA-MA, BH 2/847.

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Helmut R. Hammerich: Kommiss kommt von Kompromiss

denen Waffen in der Aufbauphase des Heeres ständigem Wandel unterworfen, so galt dies noch viel mehr für die praktische Umsetzung der unterschiedlichen Heereskonzeptionen. Der eigentliche Aufbau des Heeres vollzog sich in der Aufstellung der Einheiten, Verbände und Großverbände und in der Schaffung der Truppengattungen.

IV. Der Auf- und Umbau des Heeres von 1956 bis 1970 1. Kadern und Kalben: Von der Lehrtruppe Andernach zu den NATO-Verbänden a) Die Aufstellung der Lehrbataillone, Truppenschulen und Großverbände In einem Brief an Bundeskanzler Adenauer verdeutlichte Blank die große Herausforderung, vor der die Bundesrepublik beim Aufbau von Streitkräften stand: »Der Gesamtaufbau der Streitkräfte ist ein erstmaliger und einmaliger Vorgang von größter Vielfalt und Schwierigkeit [...] mit einem nicht zu unterschätzenden großen Zeit- und Geldbedarf1.« Nach der Phase der reinen Planungsarbeit sollte das Jahr 1955 von den praktischen Vorarbeiten geprägt sein. Diese wurden durch die außen- und sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen allerdings erheblich erschwert. Bis zum Inkrafttreten der Pariser Verträge am 5. Mai 1955 und der Aufnahme der Bundesrepublik in die Westeuropäische Union (WEU) und in die NATO am 7. und 9. Mai 1955 konnte in Bonn nur auf dem Papier und in den ministeriellen Abteilungen und parlamentarischen Ausschüssen diskutiert werden. Die wichtigsten Vorarbeiten, die von Blank bereits im Januar 1954 in einem Aufgabenkatalog zusammengestellt worden waren, wurden nicht oder nur in Teilen praktisch durchgeführt. Weder im Bereich der Gesetzgebung noch auf den Gebieten des Personalwesens, der Infrastruktur und des Beschaffungswesens und ganz zu schweigen in der Frage der Bereitstellung von Finanzmitteln tat sich bis Mai bzw. Oktober 1955 etwas Entscheidendes. Vielmehr lag die zögerliche Umsetzung wie Mehltau über den Aktenordnern im Amt Blank, weil die Militärs von den anderen Ressorts Unterstützung und vom Bundeskanzler den Startschuss für die Phase der praktischen Vorarbeiten forderten, während die zuständigen Ministerien und das Bundeskanzleramt Grundlagenpapiere von den Militärs forderten, um eben diese Unterstützung leisten zu können. Anfang Januar 1955 erhielt Adenauer daraufhin eine Ubersicht über den »Gesamtaufbau der Streitkräfte« und über die »Praktischen Vorarbeiten für die Aufstellung

Brief Blank an Adenauer, 6.1.1955, BA-MA, Bw 9/1310, zit. nach AWS, Bd 3, S. 658 (Beitrag Greiner).

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Helmut R. Hammerich: Kommiss kommt von Kompromiss

der Streitkräfte«2. Um die Zeit bis Mai sinnvoll nutzen zu können, forderte Blank mehr Personal und die Zuweisung von Geldmitteln. Angesichts der noch nicht ratifizierten Verträge mit den Westalliierten und den damit verbundenen innenpolitischen Schwierigkeiten bei der Aufstellung von Streitkräften war an ein Startsignal von Seiten des Bundeskanzlers nicht zu denken. Darüber hinaus forderte Bundesfinanzminister Fritz Schäffer einen Wirtschaftsplan von den Militärs. Doch daran hatte bis dahin niemand im Amt Blank gearbeitet. Erst Anfang März reagierte Adenauer auf die Vorlage und bat Blank und Heusinger zu einem Gespräch. Er gab erneut zu bedenken, dass die Pariser Verträge in Kraft treten und darüber hinaus die Alliierte Hohe Kommission einer Gesetzgebung des Bundes nach Artikel 73 des Grundgesetzes zustimmen müsse. Dennoch ließ Adenauer keinen Zweifel an seiner Absicht, zwölf Divisionen aufzustellen und spätestens »im Sommer 1956 richtige deutsche Soldaten zu sehen«3. Bereits im Herbst 1955 sollte »etwas stehen«, woraufhin Blank und Heusinger nur noch eine Möglichkeit sahen: Sie ließen einen neuen Zeitplan erarbeiten und legten den Beginn der Aufstellung auf einen Tag X, der an die Zuweisung von Geldmitteln durch das Finanzministerium gekoppelt war. Der Forderung des Bundeskanzlers nach einer raschen Aufstellung eines sichtbaren Truppenkontingentes wurde insofern Rechnung getragen, als neun Lehrbataillone des Heeres und sechs Musikkorps innerhalb weniger Monate aufgestellt werden sollten. Am 5. Mai 1955 traten die Pariser Verträge in Kraft und die Alliierte Hohe Kommission unterzeichnete zwei Gesetze über die Aufhebung der Besatzungsverfügungen über Abrüstung und Entmilitarisierung4. Der Tag X schien gekommen, doch verzögerte sich die Zuweisung der Finanzmittel um Monate, da der Bundeshaushalt 1955/56 vom Bundestag noch nicht genehmigt war. Erst Anfang August wurden Gelder freigegeben, um die ersten 6000 militärischen Planstellen einzurichten. Vorangegangen war ein hektisches Treiben um die ersten Wehrgesetze, wobei das Freiwilligengesetz bis zum 23. Juli durch die politischen Entscheidungsgremien gepeitscht wurde. Die weiteren notwendigen gesetzlichen Grundlagen (Soldaten-, Besoldungs-, Versorgungs- und Eignungsübungsgesetz), notwendige Ergänzungsgesetze anderer Ressorts, wie das Bundesleistungs-, Landbeschaffungs- oder Schutzbereichsgesetz, sollten bis 1956, teilweise sogar bis 1957 auf sich warten lassen. Das in Fachkreisen als »Soldaten-Kurz-Gesetz« bezeichnete Freiwilligengesetz war aber nicht der gewünschte Freibrief für die praktischen Vorarbeiten, sondern vielmehr der Auftakt zu einer grundlegenden Änderung der Aufstellungsvorhaben. Gemäß Gesetz konnte das seit dem 7. Juni 1955 bestehende Bundesministerium für Verteidigung nur 6000 Soldaten einstellen, wobei die 228 Ministeriumsangehörigen bereits eingerechnet waren. Die neuen Soldaten durften ausdrücklich

2

3 4

Schreiben Blank an Adenauer, 6.11.1955 mit zwei Anlagen, ACDP, NL Blank, 1-098-005, zit. nach AWS, Bd 3, S. 661 (Beitrag Greiner). Tagebuch de Maiziere, 7.3.1955, BA-MA, Ν 673/20. Europa-Archiv (EA) 1955, S. 7921 f.

IV. Der Auf- und Umbau des Heeres von 1956 bis 1970

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nicht zu militärischen Verbänden zusammengefasst werden, um eine endgültige Festlegung des deutschen Verteidigungsbeitrages bis zum Erlass weiterer Gesetze zu verhindern. Der Aufstellungsbefehl Nr. 1 nahm sich deswegen auch recht bescheiden aus: Von den vormals geplanten neun Lehrbataillonen und sechs Musikkorps sollten vorerst nur noch fünf Lehrkompanien und ein Musikkorps des Heeres sowie je eine Lehrkompanie der Luftwaffe und der Marine aufgestellt werden5. Qualitativ bedeutete diese Umplanung eine völlige Verkehrung der Aufstellungsreihenfolge. War zuerst an eine Aufstellung »von oben« gedacht, beginnend mit der Rekrutierung der Truppenführer, so war aufgrund des Freiwilligengesetzes und der Arbeit des Personalgutachterausschusses dieser Weg plötzlich versperrt. Vielmehr musste nun mit dem Aufbau von Einheiten begonnen werden, um überhaupt etwas aufstellen zu können. Erschwerend wirkte sich bei dieser Lösung die Unterkunftsfrage aus. Nach einer interministeriellen Abstimmung war klar, dass rund 50 000 Unterkunftsplätze für 1956 fehlten. Allein im Heeresbereich fehlten 18 000 Plätze, was zu Kürzungen im Aufstellungsprogramm führen musste. Zwölf Divisionen gleichzeitig aufzustellen erschien unrealistisch. Zudem mahnte NATO-Oberbefehlshaber Gruenther die Regierung in Bonn zu mehr Tempo und zu weniger, dafür einsatzbereiten Divisionen6. Die Vorphase der praktischen Vorarbeiten war durch das zähe Ringen der Militärs um die ersten praktischen Aufstellungsschritte geprägt. Der Bundeskanzler machte es sich etwas einfach mit seinem Vorwurf, die Militärexperten hätten die verwaltungsmäßigen Vorbereitungen nur mangelhaft durchgeführt. Er selbst hatte monatelang praktische Vorarbeiten verhindert, durchaus mit guten Gründen, doch hinsichtlich eines reibungslosen Aufstellungsbeginns nach Überwindung der außen- und sicherheitspolitischen Hindernisse mit fatalen Folgen. Die anderen vom Streitkräfteaufbau betroffenen Ministerien, allen voran das Finanzministerium, gaben darüber hinaus kein gutes Beispiel für Amtshilfe ab. Vielmehr wurde den Soldaten oft Misstrauen und Hochmut entgegengebracht. Auch standen die laufenden Geschäfte und die eigenen politischen Ziele der Minister dem Ziel der Wiederbewaffnung vielfach diametral entgegen. Die mangelnde Unterstützung traf die Soldaten im Innersten. Heusinger und Speidel wandten sich wiederholt an Blank und beklagten das gestörte Vertrauensverhältnis zwischen Politik, Öffentlichkeit und den Militärs. Sie forderten wiederholt eine Vertrauenserklärung seitens der Bundesregierung den Soldaten gegenüber, allerdings ohne Erfolg. Hauptmann a.D. Heinz Karst, Vertreter Baudissins in der Gruppe Innere Führung, brachte die Kritik in einer umstrittenen und von der Presse gescholtenen Denkschrift auf den Punkt: Die »seelischen, geistigen und rechtlichen Bedenken der Bürger in der Bundesrepu-

5 6

Aufstellungsbefehl Nr. 1 (Blank), 4.10.1955, BA-MA, Bw 2/1742. Α WS, Bd 3, S. 677 (Beitrag Greiner).

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Helmut R. Hammerich: Kommiss kommt von Kompromiss

blik« hätten sich zu dem Gefühl verdichtet, »als ob man die deutschen Soldaten zwar brauche, aber nicht haben wollte«7. Auf der anderen Seite müssen sich die Militärplaner in Bonn in der Rückschau den Vorwurf gefallen lassen, all die praktischen Probleme der Gesetzgebung und der interministeriellen Zusammenarbeit völlig unterschätzt zu haben. Zu sehr hatte man sich auf das militärfachliche, auf Aufstellungs- und Organisationsdetails konzentriert, anstatt sich frühzeitig mit den bürokratischen Hürden der Umsetzung militärischer Planungen zu beschäftigen. Die erste Aufstellungsphase

Neben den Heeresoffizieren, die in der Gruppe Gesamtstreitkräfte und den späteren Unterabteilungen des Verteidigungsministeriums ihren Dienst versahen, arbeiteten Anfang Januar 1954 rund 50 Offiziere in der Gruppe Heer (Gruppe II/Pl/H) der Planungsabteilung im Amt Blank. Unter der Leitung von Anton-Detlev von Plato, ab September unter Leitung von Hellmut Bergengruen, gliederte sich diese Gruppe in vier Generalreferate mit 26 Referaten und zusätzlich in 14 Spezialhaupt- und sieben Spezialreferate. Nicht alle Referate konnten hauptamtlich besetzt werden, einige mussten im Nebenamt mitbetreut werden. Der Personalmangel betraf alle Gruppen der Planungsabteilung, wobei das Heer im Vergleich zu den anderen Teilstreitkräften noch recht gut dastand8. Der Sonderstab Laegeler, der vor allem die höherrangigen Offiziere der früheren Militärdelegationen (z.B. bei den EVG-Verhandlungen) integrieren sollte, befasste sich mit der Grundstruktur des zukünftigen Ministeriums. Er bearbeitete aber zum Beispiel auch die Gliederung des Heeres und entlastete somit die Planungsabteilung. Die militärische Abteilung II wurde im Mai 1955 in sieben Unterabteilungen mit rund 90 Referaten aufgeteilt. Abteilungsleiter blieb Heusinger, sein Stellvertreter wurde Laegeler, Chef des Stabes wurde Fett. Die Teilstreitkraftgruppen wurden zu Unterabteilungen aufgewertet, wobei die Unterabteilung Heer (UAbt. II/5) wiederum in vier Gruppen mit 23 Referaten aufgeteilt war. Sechs Monate nach dieser Reorganisation waren aus der Militärischen Abteilung II vier Abteilungen neben den sieben Verwaltungsabteilungen entstanden. Die Abteilungen wurden kommissarisch bis zu einer endgültigen Lösung von den bisherigen Unterabteilungsleitern geführt. Die Abteilung V (Heer) bestand aus drei Unterabteilungen. Die Unterabteilung A war für Führung und Ausbildung zuständig und wurde von Oberst Ernst Golling geleitet. Oberst Jürgen Bennecke war Leiter der für die Organisation zuständigen Unterabteilung B, Oberst Freiherr Raban von Canstein führte die Mitarbeiter der für die Logistik zuständigen Unterabteilung C9. Erst im November 1955 wurden die 7 8 9

Denkschrift Karst, 1.8.1955, BA-MA, Bw 9/2527, zit. nach Meyer, Adolf Heusinger, S. 535. Zu den schwierigen Arbeitsbedingungen siehe Krüger, Das Amt Blank. Zur Organisationsgeschichte grundlegend Krüger, Das Amt Blank, hier S. 67-69, 222 f. Ab Juni 1957 wurden die Abteilungen in FüB, FüH, FüL und FüM umgegliedert. Die bisherigen Abteilungsleiter wurden Inspekteure der jeweiligen Teilstreitkraft. Zur Spitzengliederung Heer siehe Anhang Poppe.

IV. Der Auf- und Umbau des Heeres von 1956 bis 1970

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Mitarbeiter im neuen Ministerium personell unterstützt. Allerdings konnten diese neuen Mitarbeiter auch nicht die personellen Lücken schließen, welche durch Abstellungen zu ausländischen Dienststellen und zur Annahmeorganisation entstanden waren. Obwohl gerade in dieser Zeit eine ausreichende Personaldecke benötigt worden wäre, war weiterhin Improvisationskunst gefordert. Auch in anderen Bereichen musste improvisiert werden. Anfang Oktober erhielten die Soldaten der Dienststelle Blank ihre Uniformen angepasst. Nicht immer zufrieden mit den Stoffen und den Uniformschnitten konnten die zukünftigen Umformträger anhand der vom Schneider vergebenen Bearbeitungsnummern immerhin auf die zukünftigen Dienstgrade schließen. Auch das Vorschriftenwesen war nur etwas für Improvisationskünstler. Konnten die Bearbeiter auf Vorschriften der U.S. Army oder der Wehrmacht zurückgreifen, war die Arbeit viel leichter als bei einer grundsätzlichen Neubearbeitung. So entstand die zentrale Dienstvorschrift ZDv. 3/1 »Methodik der Ausbildung« vom Dezember 1955 aus einem Gespräch zwischen dem Leiter der Abteilung Ausbildung, Oberst Ernst Golling, und seinem Mitarbeiter Gerd Kobe, dem späteren Referatsleiter für Organisation und Ausbildung (V A 4). Dieser machte es sich nach der Lektüre der amerikanischen Vorschrift »Military Training« zur Aufgabe, eine vergleichbare Vorschrift für die neue Bundeswehr zu entwerfen, die es so in früheren deutschen Armeen nicht gegeben hatte. Trotz eines recht unsicheren Angestelltenvertrages auf Gutachterbasis erarbeitete Kobe diese Vorschrift und bemühte sich zudem um die Ubersetzung zahlreicher taktischer Vorschriften der U.S. Army. Unterstützt wurde er von Golling und Eike Middeldorf, die allerdings rasch erkannten, dass auch neue taktische Vorschriften notwendig waren. Sowohl amerikanische als auch eigene Kriegserfahrungen sollten hierfür zusammengeführt werden. Alte Wehrmachtsvorschriften wurden beschafft und ebenso ausgewertet wie die internationale Militärliteratur. In den Truppengattungsreferaten wurden neben der Schwerpunktarbeit der Organisation, die in erster Linie durch eine nervenaufreibende Überarbeitung der zukünftigen STAN gekennzeichnet war, zahlreiche Vorschriften nebenbei oder in der geringen Freizeit der Referenten bzw. Gutachter erstellt. Oft erfolgte die Überarbeitung alter Führungsvorschriften wie im Falle der Artillerie. Dort nahm sich Generalmajor a.D. Kurt Scheffler, ehemals Chef des Stabes beim General der Artillerie im Oberkommando des Heeres, der HDv 200/5 »Führung der Artillerie« an und passte diese an die Erfordernisse des neuen Heeres an10. Wie sich die hohe Arbeitsbelastung der wenigen Spezialisten auf die praktische Arbeit auswirkte, zeigt eine Gesprächsaufzeichnung vom April 1956 aus dem Fernmeldebereich des Heeres: »Wir hatten in unserem Fernmeldereferat beim Heer von Anfang an bis zum Herbst 1955 ganze 3 Offiziere. Mit denen haben wir zuerst für die EVG, also für den Papierkorb, und danach für die NATO gearbeitet. Wir haben wie die Kulis geschuftet, um wenigstens die wichtigsten Dinge zu tun. Wenn Du das 10

Krug, 25 Jahre Artillerie, S. 11. Generalmajor a.D. Scheffler sollte der erste Inspizient der Artillerie werden, verstarb aber bereits im Juni 1955.

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Helmut R. Hammerich: Kommiss kommt von Kompromiss

Tagebuch des FmReferates Heer aus den Jahren 1953 bis 1955 durchblätterst, wirst Du einen Begriff von der Fülle der Probleme und Aufgaben bekommen, die sich damals vor uns auftürmten. Da blieb für das sorgfältige Erarbeiten von Vorschriften einfach keine Zeit mehr. Trotzdem haben wir uns immer wieder hingesetzt und uns sporadisch mit den Vorschriften beschäftigt. Wir haben z.B. an einer Vorschrift für Feldkabelbau, einer Fspr/ FschrBetriebsvorschrift, an einer Funksprechbetriebsvorschrift und noch an einigen anderen Vorschriften gearbeitet. Auch eine Führungs- und Einsatzvorschrift war dabei. Aber fertig geworden ist von diesen ganzen Arbeiten eigentlich nichts. Man kann Vorschriften nicht so nebenbei machen oder sie gar aus dem Boden stampfen. Als wir im Dezember 1955 endlich mehr Personal in unser Referat bekamen, war es zum Vorschriftenschreiben schon zu spät, weil die bevorstehende Aufstellung der ersten Bataillone der FmTruppe des Heeres unsere ganze Kraft beanspruchte. So haben wir also eigentlich nur die Bedienungsanweisungen für die US-Funkgeräte, aber die sind in englischer Sprache abgefasst und deshalb für den normalen Unteroffizier unbrauchbar. Hier musste nicht nur übersetzt, sondern nach deutschen Ausbildungsprinzipien umgeschrieben oder neu geschrieben werden. Wir haben einige englisch sprechende Offiziere in den USA, die dort an US-Fernmeldegeräten ausgebildet werden. Die Amerikaner helfen uns auch mit den Ausbildungsteams, in denen manchmal sogar deutsch sprechende Offiziere sind. Wir hoffen, dass wir uns durch die Initiative jedes Einzelnen so durchwursteln11.« Allerdings gab es auch Stimmen, welche die fast bürokratiefreie »Pionierzeit« sehr positiv bewerteten. Ein reger Gedankenaustausch neben dem Studium der alten Wehrmachtsvorschriften und der amerikanischen Dienstvorschriften ermöglichte durchaus ein konzentriertes Arbeiten am Aufbau der Truppengattungen. Die Übersichtlichkeit der ersten Jahre und die räumliche Konzentration der einzelnen Abteilungen und Referate trugen ebenfalls zu einer guten Zusammenarbeit bei. Der kleine Dienstverkehr auf den Gängen der Dienststelle Blank ersetzte so häufig einen langen Schriftverkehr, um Fragen der Organisation, Ausrüstung oder Ausbildung abzustimmen. Auch eine gewisse Lobbyarbeit war in strittigen Fragen hilfreich. So gelang es zum Beispiel den Artilleristen, die alte Bezeichnung »Artilleriebatterie« gegen die Vorstellungen der Organisatoren durchzusetzen. Hatte man schon auf die Bezeichnung Artillerieabteilung zugunsten des Bataillons verzichten müssen, so sollte wenigstens die Batterie überleben. Mit viel Aufwand und durch die Unterstützung ehemaliger Artilleristen wie Bergengruen, Golling und Kurt Fett gelang dieses Vorhaben schließlich ebenso wie die bereits 1954 aufgrund der deutschen Kriegserfahrungen geforderte Einführung der Mehrfachraketenwerfer. Diese konnten allerdings erst 14 Jahre später dem Heer vorgestellt werden12.

11

12

Das Gespräch vom April 1956. In: Hoffmann, Die Fernmeldetruppe des Heeres, S. 37-46, hier S. 42. Weitere sieben Sachbearbeiter waren teilstreitkraftübergreifend tätig und wurden Ende 1955 durch zusätzliche fünf Offiziere verstärkt. Krug, 25 Jahre Artillerie der Bundeswehr, S. 8-13.

Erste Vorschriften und »Vorschriftenersatz«

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\ J i U·"" ~ Y§ \LUXEMP o Wehrbereich IV '.Division< üblich ist.« Das Divisionen-Problem war damit wegdefiniert. Das führte aber dazu, dass nun auf der Zwischenebene zwischen Regiment und Armeekorps die beiden Gliederungsformen »Kampfgruppe« und »taktische Regiments-Kampfgruppe« auseinander zu halten waren. Letztere bezeichneten verstärkte Regimenter, erstere die Division, die so nicht heißen durfte. SHAPE schlug die Beibehaltung der alten Gliederung vor - allerdings bei drastisch gekürzten Personalstärken. Von »unten nach oben«, von der Infanteriegruppe angefangen, waren gemäß Vorschlag alle Ebenen in ihrer Stärke zu reduzieren, so dass eine (Divisions-)Kampfgruppe nur noch 11 000 Mann an Kampftruppen plus 1300 Mann Versorgungstruppen umfassen sollte. Das kam fast einer Halbierung gleich. Im Krieg sollten weitere 2500 Mann an Versorgungstruppen mobilisiert werden. Ein solcher Verband von 12 500 Mann verfügte laut SHAPE über »ein Höchstmaß an Kampfeinheiten, Beweglichkeit, Elastizität und an Personaleinsparung.« Trotz dieser Kürzung besitze die Kampfgruppe aber eine genauso hohe Feuerkraft wie die vergleichbaren Divisionen der Westmächte. Es war ein Plädoyer für die Fortsetzung des allgemeinen Trends: Substitution von Personal durch Material. Die auch im Urteil von SHAPE »in der amerikanischen Organisation übertrieben große Stärke der Verpflegungstruppen« war herabgesetzt worden. Die Masse der Versorgungsaufgaben und entsprechende Truppen sollte vom Korps wahrgenommen werden, so wie bei den meisten europäischen Armeen. An Korpstruppen wurden 52 000 Mann vorgeschlagen, also je »Kampfgruppe« 13 000 Mann. Hiervon sollten auf die Versorgungstruppen 14 000 Mann, auf die Verfügungstruppen zur Kampfunterstützung 37 000 Mann entfallen. Der Wunsch der deutschen Planer nach Zweigliedrigkeit wurde von SHAPE ausdrücklich erwähnt, genauso wie deren Anleihen bei »deutschen Organisationsschemen von 1944«. Beides wurde aber verworfen. Das NATO-Oberkommando hielt an der »bewährten Dreiecksorganisation« fest. 54

55

Aufzeichnung 31.10.1951 Albrecht von Kessel (bezüglich Frühstück am 31.10.1951, das Alphand für Blank und Kessel gab; mit späterem Hinzutreffen von Monnet), BA-MA, Bw 9/3256, Bl. 159 f. Konferenz für die Organisation einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft, Ausschuss der Militärischen Chefdelegierten. Empfehlungen von SHAPE für die Organisation der europäischen Verteidigungsstreitkräfte, Geheim, Aufzeichnung CM/DEL/D/2, Paris, 13.9.1951, BA-MA, Bw 9/3145, Bl. 14-33; Zur Art des Zusammenwirkens von NATO (SHAPE) und EVG: AWS, Bd 2, S. 661, 664 f. (Beitrag Meier-Dömberg).

392

Martin Rink: »Strukturen brausen um die Wette«

Am 4. Oktober 1951 war endlich ein Kernziel der deutschen Unterhändler erreicht. Es »erklärte der französische Delegierte, dass sich die französische Regierung nunmehr im Hinblick auf die militärische Zweckmässigkeit entschlossen habe, ihren Widerstand gegen einen national homogenen Divisionsverband aufzugeben«56. Kurz darauf konnte die Planungsgruppe - diesen Monat gerade geleitet vom Oberst a.D. Kurt Fett57 - ein Untersuchungsergebnis zur Art der Kampfverbände vorlegen. Neben dem »Infanterie-Kampfverband« und dem »Panzer-Kampfverband« trat eine weitere Form zu Tage: der »Panzerbegleit-Kampfverband«58. Der Infanteriekampfverband entsprach bei einer Friedensstärke von 14 300 Mann (Krieg: 16 350) ziemlich genau dem Aussehen der U.S.-Infanteriedivision. Neu war diesem gegenüber nur das organisch eingegliederte Panzerbataillon und eine verstärkte Aufklärungskomponente. Auch der Panzerkampfverband bot gegenüber der U.S.-Gliederung des Weltkriegs wenig Überraschungen. 3 Kampfgruppenstäbe sollten 8 Kampftruppenbataillone führen. 250-280 Panzer waren in 4 Panzerbataillonen geplant, denen eine ebenso hohe Zahl an Infanteriebataillonen gegenüberstand (gegenüber je 3 nach U.S.-Vorbild). Die Infanterie sollte »mit geländegängigen Fahrzeugen« ausgestattet werden. Diese sollten »leicht gepanzert und für den Kampf vom Fahrzeug aus geeignet« sein. Zur Division gehörte ferner ein Aufklärungsbataillon zu 3 - 4 Einheiten. Die Stärke dieses Verbandes sollte im Frieden 12 500, im Krieg »ungefähr 14 500 Mann« betragen. Damit war die schematischere organische Struktur gemäß früherer EVG-Planung wieder der offenen Kampfgruppengliederung gewichen. Zwei Bataillone waren hinzugekommen. Von weitaus größerem Interesse für die weitere Entwicklung war die dritte vorgeschlagene Form, der »Panzerbegleitverband« mit 13 000 Mann. Im Einzelnen waren hier folgende Elemente geplant: »1 Stab mit Führungsmitteln, 3 Kampfgruppenführungsstäbe, 1 Aufklärungsbataillon, 2 oder wenn möglich 3 Panzerbataillone eines ähnlichen Typs wie diejenigen des Infanteriekampfverbandes, d.h. insgesamt: 90 Panzer bei 2 Bataillonen [oder] 135 Panzer bei 3 Bataillonen, 6 Infanterie-Bataillone auf geländegängigen Fahrzeugen, davon mindestens 2 Bataillone mit Schützenpanzerwagen, 1 motorisierte Divisionsartillerie zu 5 Abteilungen ähnlich derjenigen des Infanteriekampfverbandes, 1 motorisiertes Pionier-Bataillon, 56

57

58

Sitzungsbericht militärische Chefdelegierte, 4.10.1951, BA-MA, Bw 9/3154, Bl. 43-48, Bl. hier 45. Kurzbericht 2. Sitzung der militärischen Chefdelegierten, 2.10.1951, BA-MA, Bw 9/3154, Bl. 26-28. Militärausschuss, Planungsgruppe, dt. Übersetzung CM/DEL/CE/3, BA-MA, Bw 9/3154, Bl. 37-42; Comite Militaire, Groupe de Planning, Comte-Rendu sommaire des decisions de la 4° seance du Comite des Delegues, 8.10.1951, CM/DEL/CR/4, dt. Übersetzung: BAMA, Bw 9/3154, Bl. 68-72, Paris, 9.10.1951, BA-MA, Bw 9/3154, Bl. 62-67.

II. Der Weg zur Panzerdivision

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ähnliche Versorgungstruppen wie beim Panzerkampfverband«59. Mit diesem Verbandstyp machten sich die deutschen Planer das Ergebnis der U.S.-amerikanischen und deutschen Kriegserfahrungen zu eigen. Die offene Kampfgruppengliederung erhielt den Vorzug vor dem starren Regimentssystem der Infanteriedivision. Sowohl bei den Amerikanern als auch in der EVGPlanung hatte es bei der Infanterie bisher nur organische Gliederungen gegeben. Bemerkenswert ist, dass die Aufgabe der Organik keineswegs von den Planern der westlichen Mächte vorgenommen wurde - sondern von den deutschen. Die Mischung von Panzergrenadier- zu Panzerbataillonen im Verhältnis 2:1 berücksichtigte langgehegte deutsche Vorstellungen. Die »Panzerbegleitdivision« stellt so etwas wie eine »Panzergrenadierdivision« der EVG dar. So wurde sie von deutschen Planern auch genannt. Diesen Typus als dritte Standardformation vertraglich zu verankern, war kein geringer Verhandlungserfolg der deutschen Neulinge60. Der Ende 1951 im Umriss vorgestellte Verbandstyp erwuchs zur Grenadierdivision der ersten deutschen Heeresstruktur. Auf der NATO-Ratstagung von Lissabon im Februar 1952 wurden Art und Umfang des deutschen Kontingents gebilligt. Auf diesen Zahlen baute das Militärische Sonderabkommen (Accord Special) auf, das die Kontingente der EVG und damit auch des deutschen Kontingents in Stärke von zwölf Divisionen festlegte. Der Accord Special blieb auch später als Bestandteil des WEUVertrages von 1954 der äußere Rahmen für die Gestalt der Bundeswehr61. Das deutsche Ziel, »jeden Anschein der Minderrangigkeit gegenüber den anderen Mitgliedsstaaten der westlichen Verteidigungsbündnisse ängstlich zu vermeiden«62, war nun erreicht - durch die Organisationsform der geplanten Streitkräfte. Endlich war die Vorstellung von 12 deutschen Divisionen eine international anerkannte Planungswirklichkeit, selbst wenn sie noch »groupement« oder »Kampfverband« hießen. Nun kam es darauf an, möglichst alle dieser Divisionen als Panzerverbände aufzustellen.

5. Vom Ende der EVG zur »großen Lösung«: Der »Plan Bergengruen« Die konzeptionellen Weichen zu den künftigen Verbandsstrukturen waren gestellt. Von den drei Standard-Divisionstypen waren allerdings Ende 1952 nur die Panzer- und die Infanteriedivision zur Aufstellung eingeplant. Gegen ihre Überzeugungen sollten die Deutschen ein Kontingent von 8 Schützen- und 4 59 60 61

62

Alle Gliederungen: BA-MA, Bw 9/3154, Bl. 69 - 72 (Abkürzungen aufgelöst). Α WS, Bd 2, S. 674 (Beitrag Meier-Dörnberg). Α WS, Bd 3, S. 571 (Beitrag Greiner); AWS, Bd 2, S. 703-705 (Beitrag Meier-Dörnberg); Rebhan, Der Aufbau des militärischen Instruments der NATO, S. 222. AWS, Bd 3, S. 580 (Beitrag Greiner).

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Martin Rink: »Strukturen brausen um die Wette«

Panzerdivisionen aufstellen. Der deutsche Wunsch sah »vom operativen Gesichtspunkt« her aber 6 Panzer-, 3 Panzergrenadier- und 3 Schützendivisionen vor. Ebenfalls Gestalt angenommen hatte die »territoriale Militär-VerwaltungsOrganisation europäischen Charakters«. Sie sollte nun überwiegend von »national-homogener Zusammensetzung« sein. Umrisshaft zeigte sich hier die Einteilung in sechs Wehrbereiche, in denen je zwei Divisionen zu stationieren waren63. Das Zahlenverhältnis der Divisionstypen blieb weiter offen. Dagegen »stand« im Dezember 1952 die Verbandsstruktur selbst. Es existierte nun ein Rahmen für die Einheits- und Verbandszahlen und der darin vorgesehenen Kopfstärken. Auch die Zahlen für Waffengattungen, Divisionen und Verfügungstruppen auf Korps- oder Armeeebene ließen sich nun bestimmen 64 . Die Stärke der deutschen Panzerdivision lag mit 14 628 ziemlich genau in der Mitte zwischen den EVG-Zahlen von April 1951 (ca. 20 000) und der U.S.-Gliederung von 1945 (ca. 10 700). Bis zur Heeresstruktur 1 erfuhr die Planung der deutschen Panzerdivision nur noch Änderungen im Detail. Der detaillierte Gliederungsentwurf der Grenadierdivision von 1952 richtete sich nach der Panzerdivision aus. Beide besaßen die gleiche Divisionsleiste mit je einem Pionier-, Panzeraufklärungs-, Sanitäts-, Intendantur-(= Instandsetzungs-) und Versorgungsbataillon. Die Bataillone der drei Hauptelemente (Panzertruppe, Grenadiertruppe, leichte Artillerie) waren hier im Verhältnis 1:1:1 bei der Panzerdivision, bei der Grenadierdivision in der Relation 1:2:1 gemischt. Von diesen Gliederungen wich die Schützendivision stark ab. Je nach Ausstattungsmöglichkeiten besaß diese eine Stärke von 15 474 als »mot.«-Verband oder 15 870 Mann bei Teilmotorisierung (»t-mot«). Die klassische dreizügige Infanteriegliederung war hier beibehalten worden. Es war ein sehr »ungemischter« Verband in organischer Gliederung. Der Anteil der Infanteriesoldaten dieses Verbandes betrug rund 60 Prozent, bei nur 4 Prozent Panzersoldaten. Demgegenüber betrugen die Stärkeverhältnisse Infanterie zu Panzer bei der Grenadierdivision 37 Prozent zu 14 Prozent, bei der Panzerdivision sogar 28 Prozent zu 20 Prozent. Mit dem Grad der Mechanisierung stieg aber auch der Anteil der Logistiktruppen: rund 6 Prozent bei der Schützen-, ca. 7,5 Prozent bei der Grenadier- und 9 Prozent bei der Panzerdivision. Bedingt durch die Verpflichtung auf acht Schützendivisionen war das Verhältnis der Truppengattungen innerhalb der zwölf deutschen Divisionen äußerst infanterielastig. Die Hälfte aller in den Divisionen Dienst tuenden Soldaten hätte der Infanterie (einschließlich Panzergrenadiere) angehört. Sehr auffällig ist der geringe Anteil der Logistiktruppen, deren Masse ja sowohl nach deutschen Vorstellungen wie nach der SHAPE-Empfehlung organisatorisch um eine Ebene nach oben, zum Korps verlagert war.

63

64

Ergänzung zu dem Zwischenbericht der Delegationen, Stand 10.11.1951, Nov. 1951, Graf Kielmansegg, BA-MA, Bw 9/3066, Bl. 116-120, Bl. hier 117 f.; I Pl/1, Abschrift. Betr. Militärische territoriale Organisation, Bonn, 13.11.1951, BA-MA, Bw 9/3157, Bl. 25-26. Gliederungen und Stärken des deutschen Kontingentes, II/Pl/H/G3/Org, Tgb.Nr. 1334/52 str.geh., Bonn, 22.12.1952, BA-MA, Bw 9/335, Bl. 9-17.

395

II. Der W e g zur Panzerdivision

Diagramm 6: Verhältnis der Truppengattungen in den Divisionstypen, Dezember 1952 SchtzDiv (mot) EVG Dez 1952 2% FeldJg 1%

Ersatz 0%

Stärke: 15870 Logistikanteil: ca. 6,4%

Pz

Panzer

Aufkl

Aufklärer

Art

Artillerie

Fla

Flugabwehr

Pi

Pioniere

Stab

Stäbe und Führungselemente

Fm

Fernmelder

FeldJg

Feldjäger

San

Sanitätstruppe

Inst

Instandsetzungstruppe

Grenadierdivision Div-LogTr Ersatz 0%

Stärke: 14890 Logistikanteil: ca. 7,5%

Fm2% Stab

Nachschub Nachschubtruppe Div-LogTr Divisions-LogistikTruppe Ersatz

Feldersatzeinheiten

Panzerdivision EVG Dez. 1952 Inst 3% San FeldJg 1% Fm 3%

Nachschub 4% Ersatz 0%

Stärke: 14628 Logistikanteil: ca. 9%

© MGFA 04877-04

396

Martin Rink: »Strukturen brausen um die Wette«

Als Verfügungstruppen auf Korps- und Armeeebene waren 150 000 Mann eingeplant: je rund 20 000 bei Pioniertruppe, Artillerie und der Verfügungsreserve aus Panzern und Infanterie. Rund doppelt so groß war die Zahl bei der Flak. Die Kopfstärke der Transport- Intendanz- und Materialtruppen nahm sich demgegenüber mit rund 23 000 Mann eher bescheiden aus65. Bis Mitte 1953 »stand« auch ein Umriss der Stationierungsplanung. Die acht Schützendivisionen sollten am Eisernen Vorhang stationiert werden, die 4 Panzergroßverbände als operative Reserve mehr im Westen66. Die Großverbandsgliederungen blieben bis Sommer 1954 nahezu unangetastet. Nun ging man von einem Verhältnis von 4 Panzer-, 2 Panzergrenadierund 6 Schützendivisionen aus. Der letztgenannte, ungeliebte Divisionstyp wurden vom 31. Mai bis 3. Juni 1954 mitsamt seinen Gliedern in einer Planübung überprüft. Das Ziel bestand darin, »alle Herren der Gruppe Heer über die integriert verabschiedeten Gliederungen und Stärken von Truppenteilen der Schützen-Division ins Bild zu setzen [... und] organisatorische Mängel zu fixieren«. Veränderungen ergaben sich nur im Detail, weitgehend wurde die Gliederung jedoch für zweckmäßig gehalten. Ausdrücklich betont wurde jedoch die »hoffnungslose Unterlegenheit der EVG-Organisation auf dem Panzerabwehrgebiet gegenüber einem etwaigen angreifenden russischen Gegner.« Ein anderes Planungsproblem war noch grundlegender. Immer noch herrschte »weitgehende Unkenntnis über Waffen und Gerät, mit denen das deutsche Kontingent ausgestattet werden soll«67. Die enge Verbindung von Panzern und Grenadieren lag den deutschen Planern besonders am Herzen, sodass ebenfalls im Sommer 1954 deren Mischungsverhältnis in der Panzer- und der Grenadierdivision unter die Lupe genommen wurde. Es war ein originär »deutsches« Anliegen: Obwohl auch in anderen Armeen eine »mechanisierte Infanterie« existierte, waren die »Panzergrenadiere« eine Besonderheit der Wehrmacht gewesen. In den Aufstellungen wurde säuberlich unterschieden zwischen »Infanterie« und »Panzergrenadieren«. Das enge taktische Zusammenwirken der Panzergrenadiere mit den Panzern war organisatorisch abzubilden. In der Schützendivision war dies kaum möglich, bestanden doch zwischen den Panzer- und den Grenadierbataillonen zwei organisatorische »Barrieren« in Form eines Regiments- und eines Divisionsstabes. Diese mussten beteiligt werden, bevor ein enges Zusammenwirken im Rahmen des in Truppeneinteilung gemischten Bataillons greifen konnte. In der Panzerdivision mit offener Kampfgruppengliederung dagegen konnte man »vertikal« (ausgewogen) wie »horizontal« (schwerpunktmäßig) mischen; man konnte (nach deutscher Vorliebe) zweizügig oder dreizügig (wie es die Amerikaner bevorzugten) operieren. Zur Bestimmung des optimalen Mischungsver65 66

67

II/Pl /H/G 3 Org, 1334/52 str.geh., 22.12.1952, BA-MA, Bw 9/335, Bl. 18 f. BA-MA, Bw 9/2392, 23.6.1953; Übersicht der Stationierungsräume von Dezember 1953 in: Α WS 2, S. 687 (Beitrag Meier-Dörnberg). H/G3 Org, 3.3.1954, BA-MA, Bw 9/353, Bl. 26 f.; [II/P1/H/G3 Org] Jordan an v. Plato, betr. Planspiel, 21.6.1954, Bl. 3 7 - 3 9 ; II/Pl/H: Auswertung der Organisations-Planübung (Bergengruen), BA-MA, Bw 9/115 a, Bl. 135-142.

397

II. Der Weg zur Panzerdivision

Diagramm 7: Gliederungsentwürfe zum Mischungsverhältnis der Panzer- / Grenadierbataillone, Juni 1954

Panzer-Div EVG

Stärke:

Panzef-Dtv EVG

Stärke:

PzGrenzDiv EVG

Stärke:

11671

Entwurf 15.6.1954

12721

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1. Entwurf 15.6.1954

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Quelle: B A - M A , Bw 9/ 3 5 2 .

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© MGFA 04878-02

hältnisses wurden verschiedene Gliederungsvarianten von Panzern und Grenadieren im Rahmen einer Division mit sechs Kampftruppenbataillonen geprüft. Drei Alternativen wurden untersucht: entweder einheitlich gemischte Bataillone, oder solche mit je 2 Panzergrenadier- und 2 gemischten Bataillonen oder aber 4 gemischte Bataillone, ein reines Panzergrenadier- und ein schweres Panzerbataillon 68 . Im Ergebnis favorisierte man das homogene Kampftruppenbataillon gegenüber dem gemischten, dabei blieb es in der Zukunft. Die deutschen Planungen verbanden sich im Herbst 1954 mit Entwicklungen auf der großen politischen Bühne. Bereits im Sommer vor dem Aus der EVG wurden Schubladenpläne erstellt, die eine deutsche Heeresstruktur ohne die Beschränkungen des internationalen Vertragswerks vorsahen. Bei Uberprüfung der EVG-Gliederungen wurde zunächst an Vorhandenes angeknüpft. Doch sollten die Divisionsstärken reduziert werden. Ein inoffizielles Schreiben des für die Organisation im Heer zuständigen Obersten i.G. a.D. Paul Jordan sah eine Reduktion der Gesamtstärke aller Divisionen von 187 016 (EVG-Planung) auf 144 764 Mann vor. Die frei gewordenen Kräfte - 42 252 Mann - ergaben II/Pl /H/G 3 Org 2: Panzer-Grenadier-Division 54, gemischtes Panzer-Bataillon 54,PanzerDivision 54, Entwürfe vom 15.6.1954, 1.6.1954, 30.6.1954, 2.7.1954, BA-MA, Bw 9/352, Bl. 2 5 - 2 8 .

398

Martin Rink: »Strukturen brausen um die Wette«

grundlegend neue Möglichkeiten für die Gestalt des deutschen Heeres. Zusätzliche Verbände waren möglich: eine »Fallschirm-Division« zu 15 825, 5 Panzerjäger-Regimenter zu 2200, »ggf. 8 Feldzeugbataillone« zu je 700 sowie »ggf. 5 Panzerbrigaden« zu je 4000 Mann. Jordan eröffnete folgende Alternative: Entweder sollte man die »fechtenden Teile der Verfügungstruppen zu Gunsten einer grösseren Zahl von Kampfverbänden« (d.h. Divisionen) kürzen. Oder aber, es blieb bei der Zahl der »vertraglich festgelegten 12 Kampfverbände« im Frieden, um erst »im Mob-Fall ad hoc weitere 6 Kampfverbände« zusammenzustellen69. Beides lief hinaus auf eine höhere Zahl an Divisionen. Als am 30. August 1954 die Ratifizierung der EVG in der französischen Nationalversammlung endgültig scheiterte, war man darüber im Amt Blank offenbar nicht traurig; ergab sich doch nunmehr die Chance, längst gehegte Wünsche zu realisieren. Das Unbehagen in der Struktur konnte nun deutlicher ausgesprochen, gliederungstechnische Auswege unbefangener beschritten werden. Bereits am 1. September traf der Leiter der Gruppe Ausbildung im Amt Blank Oberst a.D. Hans-Georg von Tempelhoff ein vernichtendes Urteil über die bisher geplanten Verbandsformen. Er hielt diese Divisionstypen aus taktischoperativer Sicht für »unmodern«. Die Schützendivision sollte man ganz verwerfen, die beiden anderen Divisionstypen dagegen zunächst nicht ändern. Das war bereits eine Vorankündigung späterer Änderungswünsche. Dafür gerieten neue Verbandstypen in den Blick der Planer. In den Verfügungstruppen sollte je ein Fallschirm- und ein Gebirgsjägerbataillon aufgestellt werden70. Wie seine beiden Mitarbeiter Jordan und Tempelhoff, verfolgte auch der Leiter der Unterabteilung Heer im Amt Blank, Oberst i.G. a.D. Hellmut Bergengruen das Ziel, die Chance der Umplanung zu nutzen. Höflich hieß es: »Die derzeitige Situation gibt die Möglichkeit, die bisherige Aufstellungsplanung den Gegebenheiten anzupassen71.« Damit war aber nichts weniger gemeint, als die »Gliederung der Verbände« sowie Heeresumfang, Aufstellungszeitplan und Spitzengliederung erneut grundlegend zu überarbeiten. Ziel sei es, eine umgegliederte Panzerdivision in Stärke von 12 000 Mann anzustreben. Im Endziel wurde die gepanzerte Einheitsdivision gefordert. Einstweilen sollten jedoch die amerikanischen Gliederungen beibehalten und eine »Div[ision] 54« in Ruhe erarbeitet werden. Pläne hierzu waren ja schon im Sommer des Jahres erstellt worden. Doch wurde die Einheitsdivision erst in Form der »Division 59« Wirklichkeit. Ein Jahr vor dem »Uniformanziehen« des ersten westdeutschen Soldaten war die erste Heeresstruktur konzeptionell schon verworfen!

69

70

71

H/G3 Org, 3.3.1954, BA-MA, Bw 9/353, Bl. 26 f.; [II/P1/H/G3 Org] Jordan an v. Plato, betr. Planspiel, 21.6.1954, Bl. 37-39. (Kürzung der SchtzDiv von 16 168 (EVG) auf 12 073, der PzDiv von 14 891 (EVG) auf 11 721, der PzGrenDiv von 15 222 (EVG) auf 12 721); II/Pl/H: Auswertung der Organisations-Planübung (Bergengruen), BA-MA, Bw 9/115 a, Bl. 135-142. [II/Pl/] H/G3 Ausb, an Leiter Gruppe Heer, Tgb.Nr. 588 11/54 vertr., Bonn 1.9.1954, Betr. Zeitplanung, BA-MA, Bw 9/115 a, Bl. 3 - 6 (v. Tempelhoff), Bl. 3 - 6 . II/Pl/H/G3/Org, Tgb.Nr. 591/54 vertr., Neue Aufstellungsplanung, Bonn, 3.9.1954, BAMA, Bw 9/2766, Bl. 2 - 6 , gez. Bergengruen, Bl. 2 f.

II. Der Weg zur Panzerdivision

399

Zur gleichen Zeit wurde die Einbindung der Bundesrepublik in die NATO vertraglich besiegelt. Die Stärkezahl deutscher Streitkräfte gemäß Accord Special von 500 000 Mann wurde übernommen. Diese Zahl war vertraglich mit den 12 Divisionen eng verknüpft: Kein Land durfte eine höhere Divisionszahl aufstellen als gemäß internationaler Vereinbarung oder - um einen heimlichen Aufwuchs ohne Divisionen zu verhindern - eine Divisionstranche von 41 500 Mann überschreiten. Diese Zahl hatte freilich nicht viel mit operativ notwendigen Gegebenheiten zu tun, sondern war eine Art politischer Zahlenmystik zur nachhaltigen Begrenzung deutscher Machtanballung (denn 12 χ 41 500 = 498 000). Mit der Londoner Konferenz vom Oktober 1954 gehörte die Bundesrepublik zum Kreis der NATO-Staaten72. Unmittelbar nach der Londoner Konferenz verfolgten die Heeresplaner im Amt Blank ihr Ziel der »großen Lösung« unverdrossen weiter. Befreit von den meisten organisatorischen Restriktionen wollte man einen möglichst großen Anteil von Streitkräften im Bündnis erlangen - und an politischem Einfluss darin. Vier Tage nach Vertragsunterzeichnung wurden die Organisationsziele entsprechend der Schubladenvorlagen umdefiniert: Beweglichere Divisionen es sollte »kleinere, dafür aber mehr geben«. Ein Unterschied zwischen Panzerund Panzergrenadierdivisionen solle wegfallen und neun solcher Einheitsdivisionen aufgestellt werden. Die Verfügungstruppen seien zu verringern. Damit wurde die gerade erst besiegelte Zahl der Divisionen schon wieder in Frage gestellt, zumindest hinsichtlich der Anzahl der »kleinsten operativen Grundelemente«. In der Diktion Bergengruens wurde die Jordan'sche Alternative so formuliert: »Lösung A[:] Einmal können 12 Großverbände zu je 2 Kader-Div[isionen], die in Wirklichkeit Feld-Div[isionen] neuer Gliederungen darstellen, (rund 280 000 Marin) vorgesehen werden, der Rest bis zu 360 000 Mann wären Heerestruppen, etwa Ys der Gesamtstärke umfassend. Lösung B[:] Zum anderen wären nach Aufstellung von 12 Feld-Div[isionen] aus dem verbleibenden Rest zu 360 000 Marin neben den [...] Heerestruppen leichte Brigaden (früher Sperr-Verbände), davon 1 - 2 LuftlandeBrig[aden] und 1 Gebirgs-Brig[ade] zur Aufstellung vorzusehen. Lösung Β scheint moderner und elastischer73.« Die letztgenannten Spezialtruppen böten ferner einen Anreiz für ihre alten Angehörigen. Bergengruen sprach aus Erfahrung, war er doch selbst im Jahr 1943 Ia der Fallschirmparizerdivision »Hermann Göring« gewesen74. Für die Aufstellung von Gebirgsjägerverbänden hatte sich schon längere Zeit der aufstrebende Bundestagsabgeordnete und Sonderminister Franz Josef Strauß stark gemacht75. Die geplante Zahl dieser Sonderverbände wuchs stetig. Am

72 73 74

75

AWS, Bd 3, S. 583 f. (Beitrag Greiner). Neue Aufstellungsplanung, 3.9.1954, BA-MA, Bw 9/2766, Bl. 2 - 6 . Zu Bergengruen: Stimpel, Die deutsche Fallschirmtruppe, Bd 1, S. 154 f.; Der deutsche Fallschirmjäger, Heft 8/1962, S. 9 f. Strauß, Die Erinnerungen, S. 282 f.

400

Martin Rink: »Strukturen brausen um die Wette«

9. September war jeweils eine Brigade geplant, am 27. Oktober standen drei Luftlandebrigaden einer ebenso großen Zahl an Gebirgsbrigaden gegenüber76. »Die Freiheit von den Bestimmungen des EVG-Vertrages« sollte nach Ansicht der Gruppe Heer im Amt Blank auch dazu ausgenutzt werden, um bei dem Gesamtaufbau der Streitkräfte den »Grundsatz der Wehrmachtsgliederung« zu verwirklichen. Dies bedeutete die streitkräftegemeinsame Organisation aller territorialen Belange durch die »Verschmelzung von Feldheer und Territorial-Organisation«77. Das Heer begriff sich hier vermutlich nicht nur als größte Teil-Streitkraft zu Lande, sondern - nach alter Diktion - als die Streitkraft im Lande. Umplanungen des Heereskontingentes unter dem Namen »Plan Bergengruen« sahen die Aufstellung von 9 gepanzerten Einheitsdivisionen mit je 12 400 Mann und 6 Schützenbrigaden zu rund 9000 Mann vor. Die Brigaden waren aus »optisch-politische[n] Gründe[n]« so zu planen, dass jeweils zwei von ihnen eine Division ergaben. Die in Klammern gesetzte Zahl von 3 Divisionen verweist auf das Planungsziel gemäß internationaler Vertragsverpflichtung. Zusammen mit den je 3 Gebirgs- und Luftlandebrigaden ergaben sich 21 »große Verbände«. Die »magische 12« war in Frage gestellt worden, die Zahl erschien nun als viel zu gering. Das in der EVG-Planung vorgesehene deutsche Infanterieheer war zugunsten von Spezial- und Panzerverbänden verworfen worden78. In einer Besprechung am 8. November nahm Bergengruen die Gelegenheit wahr, um etwaiger »Kritik und Zweifel« an seinem Plan entgegenzutreten. In seine Lagebeurteilung mischte sich neben Kriegserfahrungen auch ein gewisser Hochmut: »Nur wir Deutschen können massiertem russischem Panzer-Angriff mit der geballten Panzerfaust im Gegenangriff begegnen.« Auch entspreche das »starke Panzer-Element [...] den Erkenntnissen im Zeitalter der Atomwaffe. [...] Nur voll geländegängige Ketten-Verbände sind zum Gegenangriff im atomverseuchten Gelände befähigt.« Die Infanterie der Schützen- und Sonderverbände sollte im »hinhaltenden Kampf, vornehmlich im Verzögerungsgefecht« zum Einsatz gelangen, um den Panzerdivisionen die Voraussetzung zum Gegenangriff zu verschaffen79. Diese Vorstellung wurde »vom operativen und organisatorischen Standpunkt aus, also in jeder Richtung, voll anerkannt«. Lediglich zwei Einwände erhoben sich: Der Leiter der Abt. Heer im Amt Blank Hellmuth Laegeler hielt die Planung für zu panzerlastig, kam mit dem Argument in der Diskussion aber nicht durch; er sehe dieses »Problem einseitig deutsch«, da ja die Verbündeten die Masse der Infanterie stellten. Das war nun eine bemerkenswerte Verkeh76

77 78

79

II/Pl/H/G3/Org, Tgb.Nr. 646/54 geh. betr. Unterredung mit Herrn Ehling am 25.10.1954, 27.10.1954, BA-MA, Bw 9/2766, Bl. 33-35, gez. Bergengruen, Bl. 34; II/Pl/H/Leiter, Anlage zu Tgb.Nr. 664/54 geh. Umfang und Gliederung der Landstreitkräfte, gez. Bergengruen, 8.11.1954, BA-MA, Bw 9/2766, Bl. 70. Neue Aufstellungsplanung, 3.9.1954, gez. Bergengruen, BA-MA, Bw 9/2766, Bl. 2-6, Bl. 5 f. Unterredung mit Herrn Ehling am 25.10.1954, BA-MA, Bw 9/2766, B. 33-35, Bl. 34; II/P1/G3 Org/1: Protokoll über die Streitkräfte der WEU, Anlage, BA-MA, Bw 9/2768, Bl. 27. Umfang und Gliederung der Landstreitkräfte, 8.11.1954, BA-MA, Bw 9/2766, Bl. 70.

401

II. Der Weg zur Panzerdivision Diagramm 8: Grenadierdivision nach Heeresstruktur 1 (Planung nach Scheitern der EVG, Dezember 1954)

Stäbe von Division, Kampfgruppen und aller Bataillone noch nicht als Stabskompanien ausgewiesen

3. Kampfgruppe ab 1956

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Stärke: 12960 Mann (Stand 1.12.1954)

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Quelle: BA-MA, Bw 9/ 3613, BM 1/1617

© MGFA 04879-05

rung der Rollen, die man ursprünglich den Deutschen hatte zumuten wollen! Ein anderer Einwand Speidels bezog sich auf die Gefahr, dass der Vorschlag politische Konsequenzen hinsichtlich der französischen Vertragsratifizierung haben könnte. Dem gab man nach: Als Kompromissvorschlag wurden je 6 Panzer- und 6 Schützendivisionen vereinbart, Letztere jedoch in modernerer Gliederung. In »Verhandlungen mit SHAPE [sollte] das Endziel von 9 Panzerdivisionen betrieben werden, wofür die freigewordenen 9 Panzerbataillone in den Verfügungstruppen den Grundstock bilden können« 80 . Das Ziel der Panzerarmee wurde konsequent weiterverfolgt. Was man aus »optisch-politischen Gründen« nicht als Division aufstellen konnte, tarnte man als Verfügungstruppe. Sieht man sich die »Panzerbrigaden« näher an, ergibt sich das Bild einer vollwertigen Division mit leicht reduzierter Stärke. Die »echte« Panzerdivision hatte nun - wie alle Divisionstypen - nur zwei Kampfgruppenstäbe. Gegenüber der Planung von 1952 waren 6 homogene Kampftruppenbataillone vorgesehen. Nach deutscher Vorliebe verfügte sie über ein II/Pl/H/Leiter, Tgb.Nr 683/54 geh Betr. Umfang und Gliederung, 16.11.1954, BA-MA, Bw 9/2766, Bl. 76; II/Pl/G 3/Org./l Planungsweisung P-22/54, 23.11.1954, BA-MA, Bw 9/105, Bl. 5 2 - 5 6 , Tgb.Nr. 139/54 str.geh., Bl. 53; Neue Planungen für den Umfang, die Gliederungen und den zeitlichen Ablauf der Aufstellung der Streitkräfte, 11.11.1954, BAMA, Bw 9/25275, Bl. 137 f. (Abkürzungen ausgeschrieben).

402

Martin Rink: »Strukturen brausen um die Wette«

Diagramm 9: Panzerdivision nach Heeresstruktur 1 (Planung nach Scheitern der EVG, Dezember 1954/September 1955)

Unterstellung der Bataillone unter die Kampfgruppenstäbe nach Lage und Auftrag

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ab 1956

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afle Stäbe von Division, Kampfgruppen und aller Bataillone noch nicht als Stabskompanien ausgewiesen

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Quelle: BA-MA, Bw 9/ 3613. BM 1/1617.

© MGFA 04880-05

neu hinzugekommenes Panzerjägerbataillon und eine verstärkte Flugabwehrkomponente. Ein leichtes Artilleriebataillon war gestrichen worden. Statt des früher geplanten Feldzeugbataillons war nun nur noch eine starke Kompanie vorgesehen. Auch die Stabskompanien waren verschwunden, freilich nicht die Stäbe selbst. Dies war die Panzerdivision nach Heeresstruktur 1. Die Grenadierdivision hatte grundsätzlich das Aussehen ihrer Vorläuferin, der »mechanisierten Division«, übernommen. Mit ihrem nachdrücklichen Beharren auf einer panzergerechten Organisationsform hatten die Deutschen die frühere »starre« Regimentsgliederung der Infanterie (wie bei der Schützendivision) endgültig ins Reich der Geschichte verbannt. Zwei Kampfgruppenstäbe hatten nun 7 Infanteriebataillone und ein Panzerbataillon zu führen. Auch hier war eine massive Verstärkung der Panzer- und Flugabwehr vorgenommen worden. Gegenüber der Planung von 1952 war die Logistik gekürzt: statt einem Nachschub- und einem Instandsetzungsbataillon waren nur noch drei Kompa-

II. Der W e g zur Panzerdivision

403

nien vorgesehen. Die Fernmeldetruppe hatte statt der (mit 396 Marin ohnehin reichlich starken) Kompanie nun ein Bataillon mit je einer Funk- und einer Feldkabelkompanie. Die Form der Heeresstruktur 1 war damit auch für den Großverband der Infanterie - bis auf kleine Abweichungen - gefunden. Die vom Minister Blank Ende November 1954 gebilligte Umplanung sah also je 6 Panzerdivisionen (zu 12 500 Mann) und Schützendivisionen (zu 13 000) vor. An Heerestruppen war eine umfangreiche Palette an »Fechtenden Heerestruppen«, also Kampfverbänden außerhalb der Divisionsgliederung, geplant. Vorgesehen waren je 2 Luftlandebrigaden (je 5500 Mann) und »Mittelgebirgsbrigaden« (je 8500 Mann). Die letztgenannten waren eigentlich kleine Divisionen, genauso wie die 3 Panzerbrigaden mit je 8500 Mann. Hierzu traten als ungebundene Heerestruppe 12 Panzerbataillone, 4 Panzeraufklärungsbataillone, 9 Panzerjägerbataillone und 9 Panzergrenadierbataillone mit zusammen ca. 25 000 Mann. Zur Bildung der »Ad-hoc«-Divisionen waren 6 Kampfgruppenstäbe geplant. Mit ihnen sowie aus den vorgenannten ungebundenen Bataillonsverbänden (ohne Panzeraufklärer) konnte man Verbände mit durchschnittlich 5 Kampfbataillonen bilden. Diese Gefechtsverbände überstiegen die Größe der geplanten »Brigaden« und waren etwas kleiner als die »echten« Divisionen. Rund die Hälfte der 164 400 Mann an Fechtenden Heerestruppen bestand aus Kampftruppe im engeren Sinne. Weiterhin waren neben einem integrierten Armeestab 4 Korpsstäbe vorgesehen. Die Fernmeldeverbände auf Korps- und Armeeebene umfassten ca. 10 000 Mann. Die Masse der Kampfunterstützungskomponente der Fechtenden Heerestruppen bestand aus Artillerie (7 Regimenter + 4 Beobachtungsbataillone mit ca. 24 000 Mann) und Flugabwehr (6 Regimenter Flugabwehr mit ca. 22 000 Mann). Die Pionierverbände umfassten rund 14 000 Mann; als Spezialverbände kamen je ein Regiment Nebel- und Chemietruppe sowie ein Topografiebataillon hinzu. Neben den Fechtenden Heerestruppen waren an Versorgungstruppen 45 600 Mann geplant, davon rund die Hälfte bei den Instandsetzungstruppen und weitere 10 000 Mann Transporttruppen. Hinzu trat eine Anzahl von ca. 80 000 Mann in Schulen und anderen Ausbildungseinrichtungen, inklusive Rekrutenschulen. Sämtliche Truppen waren als »vollmotorisierte Truppen aufzustellen«81. Die Gesamtstärke dieses Heeres blieb mit 365 000 Mann unter der EVG-Planung. Einschließlich Territorialer Organisation, Schulen und sonstiger Ausbildungseinrichtungen wurde mit einer Unterbringungsstärke von 390 000 Mann gerechnet82. Darüber hinaus waren Aufstellungen für Luftwaffe und Marine in Gesamtstärke von 7200 Mann geplant.

81

82

II/Pl/H/Leiter, Umfang und Gliederung, Tgb.Nr. 683/54 geh, 16.11.1954, BA-MA, Bw 9/2766, Bl. 76; II/Pl/G 3/Org/l: Planungsweisung P-22/54, 23.11.1954, BA-MA, Bw 9/105, Bl. 52-56, Tgb.Nr. 139/54 str.geh., Bl. 53; Neue Planungen für [...] Aufstellung, 11.11.1954, BA-MA, Bw 9/25275, Bl. 137 f. II/Pl/G 3/Org./l, Tgb.Nr. 138/54 str.geh. Gliederung und Umfang des deutschen Heeres, 22.11.1954, BA-MA, Bw 9/3612; Feinplanung: Pl/H/G3/Org./3: Stärken der Grundverbände, Anlage 1.12.1954, BA-MA, Bw 9/3613.

404

Martin Rink: »Strukturen brausen um die Wette«

Im Streben nach dem kleinen schlanken Großverband hatte man statt 12 nun 21 operativ einsetzbare Verbände, mit der Möglichkeit diese noch um 6 weitere zu vermehren. Die Schwerpunkte der Verbandsgliederungen verdeutlichten klar die operative Absicht der Planer. Überall war ein »moderneres« Verhältnis der Truppengattungen erzielt worden. Die vormals in den Schützendivisionen zusammengeballte Infanterie war nun verteilt worden. Allein in den Panzerdivisionen, -brigaden und -bataillonen (Heerestruppen) waren rund 100 000 Mann vorgesehen. In den Panzergrenadierverbänden waren rund 87 000 Mann eingeplant, in den Korpstruppen bei Artillerie, »Genie« (Pioniertruppe) und Flugabwehr je rund 20 00083. Die Verbände der »leichten« Infanterie der Gebirgs- und Luftlandetruppe umfassten zusammen eine Stärke von rund 28 000 Soldaten. Das hier geplante Panzerheer stand in imposantem Gegensatz zum infanterielastigen EVG-Kontingent zwei Jahre zuvor. Im Bereich der Kampfunterstützungs- und Logistiktruppen hatte der Plan »mancherlei überflüssige Verfügungs-Truppen« reduziert84. Es war dies ein überaus panzerstarker, ein »deutscher« Gesamtplan: Stärker als alle vorhergehenden Entwürfe griff er auf »eigene Kriegserfahrungen« und »nationale Gegebenheiten« zurück85. »In Abweichung von den EVG-Grundlagen wurde eine Modernisierung angestrebt durch kleinere, leichter zerlegbare Div[isionen], Verminderung der Heerestruppen, Schaffen von (als Heerestruppen frisierten) Brigaden«, so lautete ein treffender Vermerk86. Die operativ sicher sinnvolle Planung fand ihren »Preis« auf dem Gebiet der Logistik. Denn infolge der kleineren Verbandsgrößen und der Mischung verschiedener Elemente auf tieferer Ebene fielen Zentralisierungsvorteile bei Infrastruktur und Versorgung weg, entstanden also »Autonomiekosten«. Zwar konnte das Thema Logistik aufgrund fehlender Daten nur unzureichend bearbeitet werden, es stand aber auch nicht im Zentrum der Organisationsplanung. Die geforderte Vollmotorisierung und nicht zuletzt die noch unbekannte Geräteausstattung warf weitere offene Fragen auf. Der »Pferdefuß« der Technik zeigte sich in den 1960er Jahren beim schwierigen Aufwuchs der Korpsversorgungstruppen, während die Divisionszahl immer noch nicht die »magische 12« erreichte. Im Rückblick wirkt die Heeresplanung ein Jahr vor Aufstellungsbeginn alles in allem überspannt. Im Amt Blank der Jahre 1954/55 war man optimistisch. Binnen drei Jahren sollte der organisatorische Aufbau abgeschlossen sein. Zudem war man davon 83

84 85

86

Tgb.Nr. 138/54, 22.11.1954, BA-MA, Bw 9/3612. Um die operative Absicht zu verdeutlichen, erfolgte die Zählung nach selbstständigen Großverbänden und Verbänden, also nicht nach Truppengattungen innerhalb der Divisionen. Daher sind die Zahlen mit den o.a. Zahlen der Truppengattungen (S. 41) nicht vergleichbar. Alle Angaben ohne die übergeordneten (Korps-, Armee-, Kampfgruppen-)Stäbe. Unterredung mit Herrn Ehling am 25.10.1954, BA-MA, Bw 9/2766, Bl. 33. II-II/2/10, Tgb.Nr. 2211/55 geh. (Anlage) Bericht des Bundesministers für Verteidigung über den derzeitigen Stand der Arbeiten des Bundesministeriums für Verteidigung, BAMA, Bw 2/2747, Bl. 29. H/G3/Org./l, Tgb.Nr. 357/55 vertr., Vorbereitung Vortrag Leiter /H, Bonn, 18.5.1955, gez. Bennecke, BA-MA, Bw 9/115 b, Bl. 151.

II. Der Weg zur Panzerdivision

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überzeugt, dass die »Gliederung des Heeres in kleine bewegliche Divisionen den Grundsätzen des NATO-Strategiepapiers MC 48« entspreche87. Heusinger gab sich bei der Präsentation dieser Zahlen gegenüber den Alliierten illusionsfrei88. Er schloss die Besprechung mit den Worten, »[e]r sei bestrebt gewesen, die neue Planung zeitlich und organisatorisch möglichst realistisch zu gestalten, alle Illusionen auszuschalten und die Dinge zu sehen wie sie sind. [...]. Jede Überstürzung müsse sich rächen und sei daher zu verhindern89.« Mit dem letzten Satz sollte er Recht behalten. Zwei Jahre später kam es zur Aufstellungskrise, die an der Nüchternheit der früheren Konzepte ernsthaft zweifeln ließ.

6. Von zwölf auf elfeinhalb: Die Struktur, die Krise und die Umplanung Der »Plan Bergengruen« von 1955 hatte ein 400 000-Mann-Heer mit 12 Divisionen und starken Verfügungstruppen vorgesehen. Diese Zahlen blieben bis Anfang 1956 Grundlage für die Planungen - mit geringfügigen Änderungen: Nach September 1955 erschienen die selbständigen Panzerbrigaden nicht mehr in den Planungen. Sie mussten von den deutschen Heeresplanern auf dem Altar des Bündnisses geopfert werden, weil man dort - nicht zu Unrecht - bemerkte, dass die ursprünglich vorgesehenen Verbände ein Äquivalent von bis zu 15 Divisionen dargestellt hätten. Im Gegensatz zum Wunsch in der NATO nach nur 4 Panzer- (bei 6 »Infanterie-« und 2 mechanisierten) Divisionen beharrte die Planungszelle des künftigen deutschen Heeres aber auf 6 Panzergroßverbänden90. Ende April 1956 wurde die »Org-Mappe I« verteilt. Sie beinhaltete die Gliederungen und die hierauf beruhenden Aufstellungsweisungen. Nun standen Art und Anzahl der geplanten Einheiten und Verbände in genauer Kopfstärke mit StAN-Nummer und Aufstellungszeitplan fest. Am Gliederungsschema der Verbände änderte sich kaum etwas. Als Kernelemente der Struktur blieben je 6 Panzer- und Panzergrenadierdivisionen, 2 Gebirgs- und 2 Luftlandebrigaden vorgesehen; zunächst sollten aber nur 4 dieser Panzerdivisionen auch aufgestellt werden91.

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II-II/2/10, Tgb.Nr. 2211/55 geh. (Anlage), Bericht des Bundesministers für Verteidigung über den derzeitigen Stand, BA-MA, Bw 2/2747, Bl. 28; Erklärung des Bundesministers für Verteidigung anlässlich der Sitzung des NATO-Rates am 15. und 16.12.1955, BA-MA, Bw 2/16104. Meier, Adolf Heusinger, charakterisiert seinen Protagonisten wiederholt als »nüchtern« und »illusionslos«. II/Pl/H/G 3/Org: Protokoll über die Dislozierungsbesprechung am 17.12.1954 (Bergengruen), BA-MA, Bw 9/115 a, Bonn, 17.12.1954, Bl. 104-107. Α WS, Bd 3, S. 634, 640 f. (Beitrag Greiner). VB1, Tgb.Nr. 52/56 Gesamtplanung des Feldheeres, Laegeler, 27.4.1956, BA-MA, BH 1/9492; VB2b, Tgb.Nr. 50/56, Truppengliederungen des Heeres, Bennecke, 30.4.1956,

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Martin Rink: »Strukturen brausen um die Wette«

In einer detaillierten Aufstellung über Gliederung und Ausrüstung der Divisionen vom Oktober 195692 wurde die U.S.-amerikanische Grundgliederung der Bataillone bestätigt: die 1. Kompanie war immer die Stabs-, die letzte Kompanie in der Ziffernfolge war immer die Versorgungskompanie. Die Gefechtskompanien, 3 - 4 an der Zahl, erhielten die Nummern dazwischen. Die »zentrale Lenkung aller logistischen Aufgaben im Bataillon sollte von einer Stelle aus« erfolgen. Die Kompanien waren damit von der Logistik entlastet, das Bataillon war durch Hereinnahme dieser Aufgaben weitgehend selbständig. Die Hauptelemente der Divisionen waren im Mai 1955 auf alle Stellenbesetzungen und Ausrüstungsgegenstände durchgerechnet worden, doch war hier noch manches im Fluss. Beispielsweise waren in den Organigrammen noch Panzerbataillone mit schwerer 5. Panzerkompanie aufgeführt, obwohl diese laut Ausstattung nicht mehr vorgesehen waren93. Auch die Fahrzeugzahlen differierten in den Dokumenten noch leicht. Da die Aufstellungen nunmehr bis zur letzten Pistole und Planstelle durchgerechnet waren, blieb es nicht aus, dass die Organisationsplanung fortlaufend weiterging. Die Hauptelemente der Panzerdivision kennzeichnen aber die Struktur, in der die Truppe während der ersten drei Bundeswehrjahre »lebte«. Das Panzergrenadierbataillon der Panzerdivision gliederte sich neben der Stabs- und der Versorgungskompanie in 4 Panzergrenadierkompanien. Es umfasste 978 Mann, 100 Schützenpanzer, 5 leichte Panzer Μ 41, 44 Lkw (ab 0,75 t) sowie 5 Bergepanzer. Dies ergab eine Marschlänge von 6,7 km. Die Bewaffnung umfasste 77 Bordwaffen (20 mm), 103 MG, 8 Leichtgeschütze, 14 Granatwerfer (81 und 120 mm, also Mörser), 115 Bazooka und 16 Flammwerfer. Die Panzergrenadierkompanien gliederten sich in je 3 Panzergrenadierzüge und je eine Granatwerfer- und leichte Geschützgruppe zur Feuerunterstützung und Panzerabwehr. Die Kompanie umfasste 159 Mann, davon 4 Offiziere und 22 Unteroffiziere. Zwei der Panzergrenadierzüge wurden von Offizieren geführt. In der Kompanieführungsgruppe war neben dem Kompaniechef ein zweiter Offizier als Stellvertreter aufgeführt. Die Stabskompanie des Bataillons bestand neben dem Stabszug aus einem Granatwerfer- und einem Pionierzug, alle drei in etwa gleicher Stärke. Streng genommen, handelte es sich also eigentlich um eine »Stabs- und Kampfunterstützungskompanie«. Insgesamt taten hier 161 Mann Dienst, davon 8 Offiziere und 32 Unteroffiziere. Die Versorgungskompanie mit 182 Mann (hierin enthalten 8 Offiziere und 29 Unteroffiziere) bestand aus einem Quartiermeister- einem Feldzeug- und einem Sanitätszug.

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BA-MA, BH 1/16958; Org-Mappe Heer (I), Tgb.Nr. 50/56 str.geh., Weisung Aufstellungsvorhaben im Jahre 1956, Tgb.Nr. 7/56 geh., 9.1.1956, BA-MA, BH 1/16958. Gliederung und Ausrüstung der Panzerdivision - Panzergrenadierdivision 1956, BA-MA,

BH 1/1612.

Gemäß StAN-Entwurf Nr. 322 2201 vom 22.5.1956 war das Panzerbataillon wie geschildert in 1 Stabs-, 4 leichte Panzer- und 1 Versorgungskompanie gegliedert. Das Organigramm der Anlage führt aber keine Stabskompanie auf. Ferner sind hier 3 mittlere und eine schwere (aber ansonsten gleich gegliederte) Panzerkompanien aufgeführt. Panzerdivision 1956, BA-MA, BH 1/1612; vgl. mit der Gliederung vom 30.4.1956, Tgb.Nr. 60/56, BA-MA, BH 1/16958.

II. Der Weg zur Panzerdivision

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Die Panzerbataillone der Panzerdivision besaßen neben der Stabs- und Versorgungskompanie 4 Panzerkompanien. Das Bataillon hatte 72 mittlere Kampfpanzer, 5 leichte Aufklärungspanzer (M 41), je 4 Brückenlege- und Minenräumsowie 5 Bergepanzer. Die Panzerkompanien waren bei 17 Panzern in 3 Züge (zu je 5 Kampfpanzern) eingeteilt. Hier taten 93 Mann, davon 4 Offiziere und 22 Unteroffiziere Dienst. In der Stabskompanie waren neben dem Stabszug ein Aufklärungszug sowie ein Pionierzug (Brückenlege- und Minenräumzug) untergebracht. Die Struktur der Versorgungskompanie entsprach bei einer Stärke von 207 Marin in etwa der des Panzergrenadierbataillons. Ähnlich wie das Panzerbataillon war das Panzerjägerbataillon mit 535 Mann und 70 Panzerjägern gegliedert. Das Panzeraufklärungsbataillon verfügte über je 2 (leichte) PanzerSpäh- und zwei Panzeraufklärungskompanien. Es war 746 Mann stark und besaß im Wesentlichen 83 Schützenpanzer kurz (davon 58 als Spähfahrzeuge) und 40 leichte Aufklärungspanzer. Die Artillerie der Panzerdivision bestand aus einem mittleren 155-mm- und 2 leichten 105-mm-Panzerartilleriebataillonen. Jedes dieser Bataillone gliederte sich in 3 schießende Batterien zu je 6 Haubitzen. Im ersten Fall war das Bataillon 621, im zweiten Fall 657 Mann stark. Das Panzerpionierbataillon (1078 Mann) besaß 3 Panzerpionierkompanien und eine Panzerbrückenkompanie. Noch waren die Pioniere wie Sturmpioniere ausgerüstet: Neben Brücken- und Bergegerät waren sie mit 42 Sturmbooten, 102 Einstoßflammenwerfern und 36 Flammenwerfertornistergeräten ausgerüstet. Das Flak-Artilleriebataillon besaß 4 schießende Batterien, davon 3 gemischte 20-/40-mm-Batterien und eine 40-mm-Batterie. Insgesamt waren hier je 40-mm-Zwillings- und 20-mm-Vierlingsflaks vorgesehen; erstere im Flakpanzer Μ 42, letztere auf Selbstfahrlafette. Alle diese Verbände besaßen eine Stabs- und eine Versorgungskompanie. Das Fernmeldebataillon (449 Mann) war dreigeteilt in je eine Stabs-, Fernsprech- und Funkkompanie. Die Divisionstruppen der Panzerdivision wurden abgerundet durch eine Feldjägerkompanie (172 Mann), eine leichte Feldzeug-Instandsetzungskompanie (232 Mann) und ein Sanitätsbataillon. Dieses gliederte sich bei einer Stärke von 422 Mann in eine Stabs-, 2 Sanitäts- und eine Krankenwagenkompanie. Das Quartiermeisterbataillon besaß neben einem Stabszug eine Nachschub- und 2 Transportkompanien. Die Heeresfliegerstaffel umfasste schließlich je einen Flugbetriebs- und einen technischen Zug und war mit 7 leichten Hubschraubern und 16 Heeresflugzeugen ausgestattet. Die Verbände der Panzergrenadierdivision sahen ähnlich aus. Ein Unterschied betraf das Panzergrenadierbataillon; hier existierten nur 3 Panzergrenadierkompanien und eine schwere Kompanie. Dieses Bataillon war mit 888 Mann etwas kleiner als das der Panzerdivision. Diese Planung war klar die Fortführung der U.S.- und der EVG-Gliederungen und sie wurde so während der Aufstellung verwirklicht. Dabei passte sich die Planung neugewonnenen Erkenntnissen an. So wurde beispielsweise ab 1957 bei der Grenadierdivision wieder (wie schon in den Planungen 1952 bis Mitte 1954) ein Panzeraufklärungsbataillon vorgesehen. Im April 1956 existierte auch eine wichtige Organisationsgrundlage für die Panzergrenadiere: Es gab nun den Schützenpanzer HS

Panzergrenadierkompanie mit Schützenpanzer HS 30 nach Zügen aufgefahren, vorne die Kompanieführungsgruppe, Munster 1967. SKA/iMZBw/siwik

Panzerzug mit Μ 48 A1 der Panzerbrigade 15 auf Truppenübungsplatz, um 1962. WTS/BWB/FA Strack

II. Der W e g zur Panzerdivision

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30 - allerdings noch auf Papier; der erste - mangelhafte - Prototyp fuhr erst ab Oktober 195794. Auffällig an diesen Gliederungen sind die im Vergleich zu späteren Strukturen sehr hohen Stärken sowie die hohe Zahl der Offiziere. Waren in den Gefechtskompanien 4 Offiziere vorgesehen, so betrug deren Zahl in den Stabsund Versorgungskompanien zwischen 6 und 10. Hinsichtlich der angespannten Personallage sollte sich diese Führerdichte als problematisch erweisen. Neben dem Personalmangel erwies sich der Zeitplan der Aufstellung als Problem. Je näher der »physical start« rückte, desto mehr wurde deutlich, dass sich die Planer übernommen hatten - Auftrag und Mittel wollten einfach nicht zu einander passen. Es fehlte an rechtlichen Grundlagen, Finanzen, Unterkünften, Personal. Daher wurde gegenüber der NATO ein einjähriger Aufschub der Heeresaufstellung bis 1958 erwirkt und die avisierte Heeresstärke von ursprünglich 605 000 Mann auf 480 000 Mann gekürzt 95 . Im Sommer 1956 wurde eine weitere Kürzung der Heeresstärke auf 320 000 Mann geplant, hauptsächlich im Bereich der Rekrutenschulen. Damit fiel die Ausbildungsorganisation als Voraussetzung für wirklich einsatzbereite Divisionsverbände weg. Die Grundausbildung der Rekruten fand fortan zum erheblichen Teil in den Kampfverbänden statt. Das sollte nicht die letzte Kürzung bleiben. Im elften Monat der Bundeswehr schien die Lage völlig verfahren. Im Ministerium sprach man von untragbaren Zuständen, von »Direktionslosigkeit«96. Schon als Sonder-, dann Atomminister hatte Franz Josef Strauß nie einen Zweifel daran gelassen, dass er sich im Bereich der Verteidigungspolitik für außerordentlich kompetent hielt. Mitte Oktober 1956 erhielt er angesichts der offenkundigen Aufstellungskrise seine Chance - aber auch die Verpflichtung, die verfahrene Situation zu retten. Dies war nur durch radikale Umplanung zu leisten und musste überdies den Alliierten gegenüber vertreten werden. Die Lösung lag in der sogenannten 300 OOOer-Konzeption97. Als Grund für die Umgliederung wurde allerdings nicht so sehr auf das wenig ruhmreiche Verfehlen der einst so großen Lösung Bezug genommen, sondern auf den Wandel der Waffentechnologie. Der Ersatz von Kopfstärke durch atomare Feuerkraft aufgrund knapper Kassen war schließlich auch in anderen Staaten, allen voran den USA vorgenommen worden 98 . Da sich nukleare Waffen zu »normalen Waffen« entwickelten und eine Ausrüstung der Heeres- und Korpsartillerie sowie der schweren Flak durch Fernlenkwaffen stattfinden würde, musste eine »Atomgliederung« greifen. Dies bedeutete organisatorisch, kleine Pakete zu schaffen: »auswechselbar - variabel - schnell beweglich und schlagkräftig« 99 . 94

95 96 97 9e 99

BMVG IV 4 - 2710/56 Blank an den Vorsitzenden des Ausschusses für Verteidigung des Deutschen Bundestages Jaeger, Bonn, 24.4.1956, BA-MA, Bw 1/347130; Kollmer, Rüstungsgüterbeschaffung, S. 183 f. Α WS, Bd 3, S. 642-658 (Beitrag Greiner). Sprechzettel für den Ministervortrag, 22.10.1956, BA-MA, BH 1/2460. 300 000er Konzeption, 31.10.1956, OTL Schultz-Naumann, BA-MA, BH 1/551, Bl. 45-58. Hammerich, Jeder für sich, S. 93, 315-322. 300 000er Konzeption, BA-MA, BH 1/551, Bl. 45.

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Martin Rink: »Strukturen brausen um die Wette«

Das Heer sollte auf nur noch 200 000 Mann herabgekürzt werden. Als Nebenbedingung galt aber weiterhin die »magische Zahl« der zwölf Divisionen; die Ministervorlage sprach klar von einer »Optik-Politik«. Wenn schon die Kopfstärke von Himmerod deutlichst reduziert wurde, dann sollte wenigstens die dort avisierte Divisionszahl um jeden Preis gehalten werden. Um dies zu gewährleisten, wurden unter Berufung auf Erich von Manstein sehr kleine Divisionen von 7700 bis 10 000 Mann vorgeschlagen. Ein anderer Ausweg lag in der Aufstellung von leichten, luftbeweglichen Kräften. Entsprechend sollten je 2 Luftlande- und Gebirgsdivisionen aufgestellt werden (nach Alternativoptionen sogar eine Gebirgs- und 3 Luftlandedivisionen). Zusammen mit den verbleibenden je 4 Grenadier- und Panzerdivisionen machten die in den Divisionen befindlichen Kräfte insgesamt rund 100 000 Mann aus. Die Heerestruppen sollten von 136 000 Mann auf ca. 50 000 Soldaten gekürzt werden. Die Bodenständige Organisation der Schulen sollte mit 12 000, die Bodenständige Landesverteidigung mit rund 40 000 Soldaten auskommen. Reduziert werden sollte bei Flak und Artillerie, sowie - wie schon oft zuvor - beim »Verhältnis von Helfern zu Kämpfern«. Im November 1956 wurden die wesentlichen Elemente der Neuplanung des Heeres bekanntgegeben 100 . »Das Heer hatte den Auftrag, trotz der Kürzung der Heeresstärke von 325 000 auf 195 000 Mann 12 Divisionen einzuplanen.« — Das war die Kernaussage des Dokuments. Gleich zu Anfang stellte das Papier weitere Organisationsveränderungen in Aussicht. Da das Dokument nur ein »Entwurf« für eine »überschlägige Berechnung« darstelle, sei die »Neubearbeitung aller StAN erforderlich«. Das bis Sommer 1956 so mühevoll erstellte Zahlenwerk war damit mit Einbruch des Herbstes obsolet geworden. Es war ein Heer, das zu 70 Prozent in den Divisionen organisiert war. Als Eingreifreserve standen nun nur noch die Kräfte für 4 gepanzerte Kampfgruppen (auf die man offenbar nicht verzichten wollte) zur Verfügung: 4 Kampfgruppenstäbe sowie jeweils genauso viele Panzer-, Panzergrenadier-, Panzerpionier- und Panzerartilleriebataillone mit insgesamt 13 000 Mann. Die Artillerie außerhalb der Divisionen umfasste 4500, die Pionier- und ABC-Abwehrverbände 7000; für die »Fla-Artillerie« und Heeresflieger waren je fast 3000 Mann eingeplant. An Versorgungstruppen bestanden 15 000 Mann. Für die Bodenständige Organisation mit 3 Offizier- und 11 Truppenschulen verblieben weniger als 3000 Mann. Insgesamt umfasste die Heeresplanung 195 859 Soldaten. Das war eine Zahl, die durchaus zur Aufstellung von 12 »nackten« Divisionen wie zu Zeiten Napoleons ausgereicht hätte. Um sie unter den Bedingungen des mechanisierten Gefechts im zweiten Drittel des 20. Jahrhunderts sinnvoll einzusetzen, reichte diese Zahl bei weitem nicht. Die Divisionsstärken sollten herabgesetzt werden: auf 12 000 Mann bei der Grenadier-, auf 11 000 Mann bei der Panzerdivision. Zur Rettung der 12 Divisionen wurden gravierende Defizite in Kauf genommen. Bei einer Gesamtstärke von rund 200 000 Mann seien 35 000-38 000 Mann Versorgungstruppen erforderlich, 100

Neuplanung Heer, Tgb.Nr. 1137/56 geh., 6.11.1956, BA-MA, BH 16959.

II. Der Weg zur Panzerdivision

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woran aber »nicht annähernd gedacht« werden könne. Deshalb sollte ein erheblicher Teil der Logistiktruppen »nur in Kaderverbänden« aufgestellt werden. Eine weitere Sparmaßnahme waren die beiden neu geschaffenen Sonderdivisionen. Statt der bisher geplanten 4 Brigaden waren nun die Gebirgs- und Luftlandetruppe in die 12-DiVisionsplanung integriert worden. Nicht aus operativer Notwendigkeit, sondern aufgrund der Spannung zwischen purem Sparzwang und der »magischen Zwölf« wurden sie aufgestellt. Dem kam natürlich zugute, dass Strauß sich schon länger als Förderer der Gebirgstruppe betätigte. Weiterhin war das vielversprechende Freiwilligenaufkommen für diese attraktiven Verbände wohl genauso ausschlaggebend wie die schlichte Tatsache, dass es sich bei deren Kernverbänden um kostengünstige leichte Infanterie handelte. Die Umplanung geschah so rasch und umstürzend, dass nicht einmal die Experten ganz folgen konnten. Als im Januar 1957 ein Generalstabsoffizier beim Vortragen des Planungsstandes von einer »Gebirgsbrigade« sprach, wurde er von General Speidel unterbrochen: »Herr Oberst, haben Sie nicht gehört, das heißt jetzt Gebirgsdivision!« Der Oberst entschuldigte und korrigierte sich mit den Worten: »Dann haben wir in Garmisch nicht mehr die 101. Gebirgsbrigade, sondern die 1. Gebirgsdivision!«. Strauß kommentierte diese Episode seiner Erinnerungen noch heiter. Mit harscher Schelte tadelte er dagegen einen anderen Offizier für seine Worte: »Herr Minister, was Sie machen, ist die Beförderung von Hemden zu Oberhemden 101 .« Aus Sicht des Organisationsreferats im Führungsstab des Heeres (FüH) fünf Jahre später wurde die Umplanung von Herbst 1956 zwar hinsichtlich »Zeit und Umfang« als realistisch beurteilt, allerdings sei damit »keine vernünftige Gliederung zu schaffen [gewesen], nur noch nackte 12 Div[sionen], In einem externen Vortrag sprachen die Heeresplaner vom »Prokrustes-Bett - fern vom Auftrag [...], es sei denn, man sieht sie nur im Dasein, das einen Krieg verhindern soll.« Die 12-Divisionenforderung, verbunden mit dem Zahlenlimit der Personalstärke sei eine Lösung, die »wenig organisatorische Freiheit läßt und zu Kunstkniffen [...] zwingt«102. Diese Kunstgriffe bestimmten die Organisationsgeschichte des deutschen Heeres bis zur Mitte der 1960er Jahre. Ursprünglich hatte die deutsche Heeresplanung durch möglichst hohe Streitkräftezahlen laut Blank ein großes »Aktienpaket« zwecks Mitsprache im Bündnis erwerben sollen. Nun war es umgekehrt: die NATO forderte die Aufstellung einer halben Million deutscher Soldaten, während die Bundeswehrplaner diese Zahl zu drücken suchten. Trotz der »Rosskur«103 des neuen Ministers - die Planungszahl im Heer blieb unverrückbar die »magische 12«. Doch reichten die Mittel dazu nicht. Es erwuchs die »Tendenz, immer weniger in immer größeren Zeiträumen zu leisten«104. Der Weg zur Reduktion auf »elfeinhalb« Divisionen war vorgezeichnet. 101 102

103 104

Strauß, Die Erinnerungen, S. 283. FüH III, Vortrag vor Bw-Verwaltungsakademie, Oberst i.G. Guderian, 4.1.1961, BA-MA, BH 1/1589. Schmückle, Ohne Pauken und Trompeten, S. 136. Α WS, Bd 3, S. 773 (Beitrag Greiner).

III. Die Brigade in der »Division 59«: Heeresstruktur 2 1. Kriegserfahrungen II: Der deutsche Weg In den Jahren 1952 bis 1955 standen deutsche Gliederungsvorstellungen, wie sie auf dem Petersberg vorgetragen wurden, nicht zur Debatte. Mit den 1954/55 konkret werdenden Planungszahlen war die U.S.-Gliederung fortgeschrieben worden. Der deutsche Erfolg, Grundsätze für die Panzergliederung auch für den Infanterieverband zu übernehmen, war lange Zeit das Maximum deutscher Gestaltungsmöglichkeiten. Angesichts der Aufstellungskrise konnten nun, 1956, auch bisherige Planungs- und Gliederungsmängel unbefangener kritisiert werden. Bisher wurde das Planungsgeschehen vor allem aus der Perspektive der »offiziellen Seite« beleuchtet. Doch entfalteten auch externe Einflussgrößen einige Bedeutung, wenngleich sie nicht unmittelbar und keineswegs im Maßstab 1:1 in die Planungen eingingen. In der Frühzeit des Amtes Blank war ohnehin infolge vieler aushäusiger Gutachten die Grenze zwischen »drinnen« und »draußen« fließender als im späteren Ministerium. Eine bisweilen unüberhörbare Stimme von draußen war die des hochdekorierten Panzergenerals a.D. und FDPBundestagsabgeordneten Hasso von Manteuffel. Wie Speidel warnte er den Bundeskanzler davor, ein etwaiges deutsches Kontingent als leichtbewaffnete alliierte Hilfstruppe aufzustellen. Wenn, dann sollten die Deutschen mit »modernster Ausrüstung« und in Stärke von 30 Divisionen 1 wiederbewaffnet werden. Mit der ersten Forderung lag er so sicher auf der Wellenlänge der »Zwillinge« wie er mit der zweiten das Machbare verkannte. Dennoch, oder gerade deswegen ist Manteuffels Gliederungskonzeption typisch. Sie verdeutlicht den Ausgangspunkt eines »deutschen Weges« der Organisationsvorstellungen, der sich auf dem Petersberg gezeigt hatte und sich bis in die Heeresstruktur 2 durchzog. Manteuffel hielt die »Zerlegung der PanzerDivisionen in einzeln[e] Kampfgruppen, besonders die »Abstellung von Panzereinheiten an die Infanterie« für verwerflich 2 . Damit werde der Panzerverband zerrissen und seine Teile Infanterieführern unterstellt, die zu ihrer Führung nicht in der Lage seien. Die Zerteilung der Panzer in Ad-hoc-Kampf1 2

Manteuffel, Brief an Adenauer, Neuss 18.11.1949 (Abschrift), BA-MA, Ν 617 ν. 18, Bl. 6 f. Manteuffel, Welches sind die Ursachen, dass die Deutsche Panzertruppe auch noch gegen Ende des Krieges hinsichtlich Erziehung, Ausbildung und Verwendung auf dem Gefechtsfelde auf besonderer Höhe stand?, Köln, 14.7.1948, BA-MA, Ν 617 ν. 18, Bl. 8 f.

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gruppen widersprach der Panzer-Devise »Klotzen statt Kleckern«. Alle beweglichen Waffen sollten in einem Verband zusammengefasst werden, aber »[d]ie Panzerwaffe spielt in diesem Orchester die Erste Geige!«3. In einer bereits 1946 konzipierten, aber erst 1953 veröffentlichten Studie hatte Manteuffel einen Vorschlag zur Gliederung einer »Schnellen Division« unterbreitet4. Als Hauptverbände bestanden 2 Panzer- und eine Schützenbrigade, dazu eine Flugabwehrbrigade. Jeder dieser Verbände bestand aus 2 Regimentern. An Divisionstruppen waren je ein Artillerie-, Aufklärungs-, Pionier- und Fernmelderegiment sowie 4 Fliegerstaffeln vorgesehen. Auffällig an diesem Vorschlag ist neben dem sehr starken Kampfunterstützungselement (insbesondere der Flugabwehr) die Zusammensetzung der »Regimenter« bei Infanterie, Panzer- und Aufklärungstruppe. Gewissermaßen handelte es sich hierbei um organisch gegliederte »Regimentskampfgruppen«. Es waren im Grunde verstärkte gemischte Bataillone mit integrierter Flugabwehr, Pionieren und Feuerunterstützung. Mit dem Verhältnis der Infanterie- zu Panzerverbänden von 2:1 lag Manteuffel auf derselben Linie wie Heusinger auf dem Petersberg. Die feste Verbandsgliederung und die Mischung verschiedener Truppengattungen auf tiefer Ebene kennzeichnen einen »deutschen Ansatz«, den andere genauso vertraten. Auch der »Nestor« der deutschen Panzertruppe5 selbst, Generaloberst a.D. Heinz Guderian hielt wie Heusinger »die letzte Kriegsgliederung von 1944« für vorbildlich6. Bei einer Stärke von 12 000 Mann und einer Grundausstattung von 350 Panzern sei eine Panzerdivision ein »rationell« gegliederter und »handlich« zu führender Verband gewesen. Ein Vorschlag für eine solch rationelle Verbandsgliederung kam von einem anderen Protagonisten des Blitzkrieges. Im November 1955, zeitgleich zur Gründung der Bundeswehr, nahm Erich von Lewinsky, genannt von Manstein die Gelegenheit wahr, um sich grundsätzlich zu den bisher im Amt Blank erarbeiteten Organisationsvorstellungen zu äußern7. Kritikpunkte brachte er auf vier Feldern vor: Erstens sei die »Zahl der Heerestruppen zur Zahl der operativen Verbände« »ungesund«, von Letzteren gebe es zu wenige. Zweitens entspreche die »Gliederung der Grundverbände [...] nicht den Forderungen eines künftigen Krieges. Sie sind nicht wendig genug, weder vom Standpunkt operativer noch taktischer Forderungen«. Drittens nahm Manstein Anstoß an den »Stärken der einzelnen Stäbe und Truppen«. Sie seien auf das »dringendst notwendige« Maß zu kürzen. Hierbei sei das »Verhältnis Kämpfer : Schwamm« also Kämpfer zu Helfer - günstiger zu gestalten. Weiterhin, viertens, hielt er den Aufstellungszeitplan für »ungünstig«. 3 4 5

6 7

Manteuffel, Welches sind die Ursachen, BA-MA, Ν 617 ν. 18, Bl. 10 a. Manteuffel, Stärke, S. 1 -10. InspH GenLt Röttiger: Schlussbesprechung LV 58, Munster-Lager 26.9.1958, BA-MA, BH 1/10932. Vermerk über ein Gespräch mit Guderian, 18.6.1951, BA-MA, Bw 9/2146, Bl. 46-52. Manstein, Grundsätzliche Gedanken zu dem Organisationsplan »Heer«, Essen Dezember 1955 (vor 10.12.1955), BH 1/3685. Offenbar war er von den Heeresplanern des Ministeriums zu diesem Gutachten gebeten worden.

III. Die Brigade in der »Division 59«

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Manstein konnte keine Vorteile von Heerestruppen erkennen, die nach U.S.amerikanischer Art in einem »Pool« auf Armeeebene vorgehalten wurden. Dagegen sprächen Gründe der taktischen Führung und Ausbildung: »Es ist unvermeidlich, dass den Heerestruppen das Eingespieltsein im Rahmen der Divisionen mehr oder weniger fehlen muss. Dadurch wird ihr Nutzeffekt im Gefecht zwangsläufig herabgesetzt.« Entsprechend plädierte Manstein für Organik. Dies bedeutete aber, dass die Truppen zur Kampfunterstützung - anders als bei den bisherigen U.S.- oder EVG-Lösungen - in die Verbandsgliederungen zu integrieren waren. Als »Folge der Ubersteigerung der Zahl der Heerestruppen« hielt Manstein die Zahl der operativen Verbände für zu gering. Wenn man schon gezwungen sei, aus »politischen (optischen) Gründen«, an dieser Zahl festzuhalten, dann solle »eine neue Lösung hinsichtlich der Gliederung dieser Divisionen gefunden werden«. Die operativen Verbände müssten ja nicht den Namen Division tragen. Damit deutete sich eine Abkehr vom »Divisionsdenken« an. Ernst genommen, lief dieser Vorschlag auf eine grundlegende Neukonzeption von Rolle und Struktur der Großverbände hinaus - und das im Gründungsmonat der Bundeswehr. Scharf wandte Manstein sich gegen die Tendenz zu Wucherungen. Die Stäbe erschienen ihm »reichlich gross«. In höheren Stäben gebe es »genügend Leute [...], die nicht ausgelastet sind«. Entsprechend wachse die Papierflut, damit verbunden das »Hineinreden auch in Einzelheiten«. Solche Forderungen liefen auf die Umkehr des bisherigen Organisationsansatzes hinaus. Nicht, wie bisher, ausgehend von der Einzelaufgabe »nach oben«, sondern umgekehrt, von einer »gedeckelten« Gesamtzahl aus »nach unten« sollte geplant werden: »Die Führung, nicht d[er] Waffenbearbeiter muss letzten Endes bestimmen, wie stark jede Einheit sein darf«. Diese zu Recht gegeißelte Aufblähung von Stab und Unterstützern kann jedoch nicht ganz die Frage ausblenden, ob die »Unterstützerdichte« in der Nachkriegsplanung nicht auch durch die gestiegene Komplexität bedingt war, welche motorisierte Verbände verbundener Waffen zwangsläufig mit sich brachten. Manstein forderte kleinere, aber mehr Verbände. Damit befand er sich auf der Linie der »offiziellen« Planer, führte diesen Gedanken aber noch einen Schritt weiter. Fortan sollte die Brigade die Rolle spielen, die bisher der Division zugedacht war: »Die Divisionen werden in je 3 (Pz. bezw. Gren.) Brigaden unterteilt. Diese bilden in Zukunft die kleinsten operativen Einheiten. Die Bezeichnung »Division« für den grösseren Verband wird beibehalten, solange wir an die Zahl von 12 Divisionen gebunden sind. Tatsächlich stellen die vorgeschlagenen Brigaden kleine Divisionen, die vorgeschlagenen Divisionen kleine Korps dar.« Aus einem 12-Divisionen-Heer werde somit ein 36-Brigaden-Heer. Diese Brigaden müssten wie früher die Division »alle für einen Kampfeinsatz unmittelbar notwendigen Truppen enthalten«. Aufgabe der Divisionen sei es, Schwerpunktbildungen zu unterstützen und die Versorgung zu regeln. Auch hier plädierte Manstein für organischen Aufbau. Naturgemäß könne »eine Brigade, die

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eine festorganisierte Einheit bildet, im Kampf mehr leisten [...], als eine ad hoc zusammengestellte Kampfgruppe, der immer mehr oder weniger das Eingespieltsein fehlen wird«. Manstein schlug zwei Divisionstypen zu je 3 Panzerbzw. Schützenbrigaden vor. Die Panzerbrigade verfügte demnach als Kernelemente je ein Panzer-, Grenadier- und Artillerieregiment, die ihrerseits je aus 2 Bataillonen bestanden. Damit ähnelte das Konzept dem der EVG-Kampfgruppe von 1951. Im Gegensatz zu dieser jedoch fügte sich an diesen Kern der »klassischen« Waffengattungen noch eine umfassende Palette an Kampfunterstützern, so wie schon nach dem Vorschlag Manteuffels. Aus den Vorschlägen beider Wehrmachtsgenerale a.D. sprachen deutsche Kriegserfahrungen8: Der Panzer spielte die Hauptrolle. Als »Orchester« rund um diese Waffe war der kleinstmögliche gemischte Verband zu bilden. Die Kampfunterstützungstruppen sollten bis ins »Regiment« - oder in die »Kampfgruppe« integriert sein, die Logistik dagegen erst oberhalb der Divisionsebene liegen. Und: Die Verbände sollten organisch gegliedert sein. Diese Planungen waren nur Gedankenskizzen; darüber waren sich die Vorschlagenden selbst im Klaren. Ohnehin waren viele der weiteren Entscheidungen durch den Gang der bisherigen Verhandlungen und Vorplanungen präjudiziert: Das Bataillon als Grundverband war eine Adaption der amerikanischen Gliederung, hinter welche die deutschen Heeresplaner schwerlich zurückgehen konnten. Auch war das homogene Kampftruppenbataillon mit positivem Ergebnis geprüft worden, entgegen Manteuffels Vorschlag. Eine »steile« zweizügige Gliederung Manstein'scher Art hatte man in den offiziellen Planungen angedacht; Gründe der Standardisierung im Bündnis sprachen dagegen. Doch boten die dargestellten Vorschläge Ansatzpunkte, die sich mit den Vorstellungen und Interessen der Planer im neu geschaffenen Ministerium verbanden. Dieser »deutsche« Weg wurde nun weiterverfolgt. Der Vorschlag, viele kleine gepanzerte und selbstständige Großverbände zu schaffen, bot einen Ausweg aus dem Korsett der bisherigen Divisionsgliederung. Offen blieb allerdings die Frage nach dem genauen Aussehen und der konkreten Beschaffenheit dieser Ebene »Kampfgruppe«, »Regiment« oder »Brigade«.

Neben den ausgeführten Auffassungen Manteuffels, Guderians und Mansteins auch: Kentner, Gehört die Infanterie ins Museum? (hier Gliederungsvorschlag), sowie der General der frühere SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS Felix Steiner: Vermerk über eine Besprechung mit Herrn Steiner, München, 17.7.1951, BA-MA, Bw 9/2146, Bl. 53-57.

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2. Das Unbehagen in der Struktur und Bausteine für die Zukunft In Himmerod waren sich die Experten einig darüber gewesen, dass »ohne Anlehnung an die Formen der alten Wehrmacht heute grundlegend Neues zu schaffen« sei9. Zwar bezog sich diese Forderung auf das innere Gefüge, doch bot sich nach dem »physical start« der Bundeswehr auch organisatorisch eine Chance für Neuerungen. Gewachsene Verbandsstrukturen brauchten genausowenig berücksichtigt zu werden wie bestehende Stellenbesetzungen und einengende Traditionen. Allerdings waren mit den Verhandlungen im Rahmen von EVG und NATO bereits Planungsfakten geschaffen worden. Die im mühseligen Ringen bei den EVG-Verhandlungen gefundenen Strukturen überzeugten aber diejenigen nicht, die in ihnen arbeiten sollten. Heusinger zog im Januar 1957 mehr oder weniger öffentlich in Zweifel, dass die aktuelle Divisionsgliederung »der Weisheit letzter Schluß« sei10. Wieder einmal standen weniger die Gliederungen der Panzergroßverbände im Zentrum der Kritik, sondern die der Infanterie. Der Kommandeur der Panzertruppenschule Oskar Munzel bezeichnete 1958 die GrenadierdiVisionen als »unglückliche Gebilde«11. Dass gerade dieser Infanteriegroßverband einen zäh errungenen Erfolg darstellte, war nun in den Hintergrund getreten, allgemeines Missfallen überwog. Allerdings existierten die Bausteine zur Neukonzeption eines »optimalen Großverbandes« schon lange vorher. Nun kam es darauf an, zwei Stränge zusammenzuknüpfen: den »amerikanischen« und den »deutschen« Weg. Beide Ansätze waren durch ein »Kampfgruppen-Konzept« geprägt. Das Mischungsverhältnis der Waffengattungen gemäß Heeresstruktur 1 war nach deutscher Ansicht noch unbefriedigend. Die Relation der Hauptelemente Panzer - mechanisierte Infanterie - Artillerie von 2:1:1 hatte schon Heusinger auf dem Petersberg vorgeschlagen. Die l:l:l-Lösung der Panzerkampfgruppe nach Art der EVG war als zu unflexibel und zu unselbstständig verworfen worden, von Manstein aber in abgewandelter Form wieder präsentiert worden. Drei Jahre später, im April 1958, beschrieb der Inspekteur des Heeres Hans Röttiger ein »Verhältnis von Gren[adier-] zu Panzer von 2:1 [als] das richtige [...,] also nicht wie jetzt 1:1 bzw. 7:1«12. Damit wiederum verwies er auf eine ältere Lösung: die Grenadierdivision (mit 2 - 3 Panzer- und 6 Infanterie-Bataillonen), wie man sie 1952 entworfen, dann aber zwecks Stärkekürzung auf die Form 7:1 gemäß Heeresstruktur 1 gebracht hatte. Mit dem Mischungsverhältnis des zu suchenden Verbandes stand dessen Kopfstärke in engem Zusammenhang. Wenn das Verhältnis der Grundelemente 9 10 11 12

Rautenberg/Wiggershaus, Die »Himmeroder Denkschrift« (1985), S. 53. Meyer, Adolf Heusinger, S. 603. Brief Munzel an v.d. Gröben (Truppenamt), April 1958, BA-MA, BH 1/1959. Konzeption Umgliederung Einh[eits-]Verband Entwurf Insp H, 6.4.1958, Röttiger, BAMA, BH 1/2460.

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der »klassischen« Waffengattungen ein passendes war, drohte aber ein anderes Problem, denn die Zahl der im mechanisierten Gefecht erforderlichen Kampfunterstützungs-, Führungs- und Logistikteile drohte die gewonnene Einsparung wieder aufzuheben. Dies blieb auch im Folgenden ein Problem der Planer. Klar war dem Führungsstab des Heeres nur, dass die zu mischenden Teile oberhalb der Bataillonsebene integriert werden sollten. Das Grundelement blieb das in Führung und Versorgung relativ selbstständige Bataillon - ein Erbe des U.S.-Ansatzes. Die Forderung, kleine, gemischte Verbände auf der niedrigsten operativen Elemente zu schaffen, war dagegen ein Erbe aus den deutschen Konzeptionen. Hierüber herrschte allenthalben Ubereinstimmung. Nur war es unter den Bedingungen der EVG nicht möglich gewesen, »Mammut-Divisionen von 25 000 Mann nach Mansteins Vorschlag« mit 36 selbstständig operierenden Brigaden zu bilden13. Diese Beschränkung war nun im Jahr 1955 entfallen. Auch die Einheitsdivision stand als Ziel der Planer seit 1954 mehr oder weniger fest. Diese eigentlich nicht neue Idee verband sich seit Mitte der 1950er Jahre mit einem Argument, das alle anderen überstrahlte: Der zu berücksichtigende Atomkrieg diente als Argument für Kleinheit und Beweglichkeit der Verbände14. Die Atomforderung bestätigte aber nicht nur alte »deutsche« Ansichten, sie zwang auch dazu, die Entwicklungen im Bündnis verstärkt zu berücksichtigen. Die Konzeptionen, wie sie im Hintergrund von Himmerod, Petersberg und Paris gestanden hatten, waren - naturgemäß - geprägt von den Erfahrungen im Krieg. Die junge Bundeswehr hatte sich im Rahmen ihrer Aufstellung aber zunächst im Friedensdienst zu bewähren. Darauf, dass hier noch Einiges im Argen lag, wiesen Auswertungen der ersten Herbstübungen von 1957 hin. Dies fügte sich zusammen mit interner Kritik. Ein Aktenvermerk von Juli 1958 ließ die ersten zweieinhalb Jahre des bundesdeutschen Heeres Revue passieren. Der ursprünglich verfolgte Grundsatz »Qualität geht vor Quantität« sei unhaltbar geworden: »Die Auswirkungen der geforderten überstürzten Aufstellung des Heeres stell[en] diesen Grundsatz auf den Kopf.« Besonders das »Fehl an Offizieren und Spezialisten [...] bedeutet ungenügende Dienstaufsieht (IllerUnglück)«15. Auch dies unterstrich den Ruf nach festeren Organisationsstrukturen für die Ausbildung. Die Bausteine zur Heeresstruktur 2 waren - eigentlich bereits vorhanden. Konzeptionell jedenfalls war der weitere Weg zu ihrer Verwirklichung im Jahr 1956 schon zurückgelegt und 1958 war man der Heeresstruktur 1 endgültig überdrüssig. Fieberhaft wurde daran gearbeitet, eine »Westentaschendivision« zu schaffen - das »verkleinerte Abbild einer Division«, ohne bloß ein verstärktes Regiment zu sein. Die Lösung hierzu war die Brigade nach Heeresstruktur 2.

13

14 15

Stellv. Leiter Abt. V (Bergengruen) an Leiter V, (Laegeler), Gedanken zur Stellungnahme des Feldmarschalls von Manstein zu dem Organisationsplan »Heer«, 10.12.1955, gez. Bergengruen, BA-MA, BH 1/3685. BA-MA, Bw 9/2766, Bl. 2 - 6 , 70; BA-MA, BH 1/3685 (wie oben). FüH III, 25.7.1958 Auswirkungen einer überstürzten Aufstellung des Heeres (Aktenvermerk), BA-MA, BH 1/2460.

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3. Die Nuklearisierung der Strategie Krise des Divisionssystems? Die Heeresstruktur 1 und ihre Vorläuferinnen waren das Ergebnis von taktischoperativen Erfahrungen im konventionellen Krieg. Die strategische Diskussion wurde um die Mitte der 1950er Jahre aber dominiert von der Frage des Atomkrieges. Bereits im Herbst 1954 stellten sich die Heeresplaner der Frage, »auf welche Weise die unmodernen EVG-Divisionen einer modernen atomaren Gliederung weichen sollten.« Ein Jahr später konstatierte der Führungsstab der Bundeswehr, die »Division 1955« werde ihre »Unzulänglichkeit für den Atomkrieg zeigen«16. Grundsätzlich in Frage stand nicht nur die gegenwärtige Gliederung, sondern die Wertigkeit und Rolle der herkömmlichen Gliederungsebenen. Der französische Offizier und Militärpublizist (österreichischer Herkunft) Ferdinand Otto Miksche sprach Mitte 1955 gar von einer »Krise des Divisionssystems«17. Gegenstand seiner Fundamentalkritik waren die »überzüchteten« Streitkräfte moderner Art. Die Motorisierung sei kein Allheilmittel zum Gewinnen eines künftigen Konfliktes, sondern stoße an finanzielle und taktische Grenzen. Provokant geißelte er den Gedanken, einen Feldzug nur mit kleinen sehr beweglichen Kräften, aber unterstützt von A-Waffen entscheiden zu können«, als einen »höchst gefährlichefn] Irrglaube[n]«. Infolge der durch atomare Feuerkraft erzwungenen Auflockerung gelange die Infanterie zu einer Renaissance. Im Rahmen eines Atomkriegsszenarios sei sogar mit »reguläre[n] Guerillakämpfen« zu rechnen. Die Komplexität moderner Streitkräfte führe gerade im Atomkrieg zu unlösbaren logistischen Schwierigkeiten, da mit völlig zerstörter Infrastruktur, besonders des Fernmelde- und Verkehrsnetzes zu rechnen sei. Entsprechend seinem Schlagwort von einer »Krise des Divisionssystems« hielt Miksche das Denken in Divisionskategorien für überholt. Die Divisionen der westlichen Heere seien »organisatorisch zu übersättigt«, da »ein sehr ernstes inneres Missverhältnis« zwischen Feuerkraft und Beweglichkeit sowie zwischen den Stärkeverhältnissen von Kampf-, Führungs- und Logistiktruppen bestehe. Statt dessen sei die operative Führungseinheit auf eine höhere Ebene zu verlagern. Erst auf Armeeebene seien alle verfügbaren Kräfte im atomaren Gefecht verbunden. Zudem sei so eine weit rationellere Ausnutzung der Unterstützer möglich. So wenig diese Ausführungen zur operativen Ebene auf der Linie der deutschen Planer lagen, bezüglich der Verbandsgröße stieß Miksche ins gleiche Horn wie diese. 16

17

Stellv. Leiter Abt. V (Bergengruen) an Leiter V, (Laegeler), Gedanken zur Stellungnahme des Feldmarschalls von Manstein zu dem Organisationsplan »Heer«, Bonn, 10.12.1955, gez. Bergengruen, BA-MA, BH 1/3685; BMVg Abt. IV A 2 (Oberst a.D. Schindler) an den stellvertretenden Leiter der Abt V (Heer), Herrn Bergengruen, 14.12.1955, BA-MA, Bw 2/1943. Miksche, Atomwaffen und Streitkräfte, S. 1 3 5 - 1 7 1 . Teilidentisch Abschnitte hieraus bei Miksche, Die Krise des Divisionssystems, S. 2 2 1 - 2 2 4 , 3 3 0 - 3 3 4 .

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Zu atomkriegfähigen »Zukunftsstreitkräften« machte er Vorschläge, die sich mit den deutschen Vorstellungen nur zum Teil deckten. So unterschied er fünf Kategorien: »Α-Verbände«, Infanterie, »Mechanisierte Kräfte«, Truppen und Dienste für das rückwärtige Gebiet sowie Sonderverbände wie Luftlandetruppen. Die »A-Verbände« umfassten weitreichende atomare Artillerie, Flugabwehr und »Kampfgeschwader« und standen damit nach deutscher Vorstellung außerhalb der Verantwortung des Heeres. In der Tat beruhte die spätere Umverteilung der Gewichte zwischen den Teilstreitkräften auf einer Verstärkung genau dieser Kräfte. Die »Normale Infanterie« sollte zum Kampf in atomaren Lücken bereitstehen, und dort zum Einsatz gelangen, wo dies für überzüchtete Streitkräfte nicht möglich war. Interesse verdient Miksches Konzept zum »Verschieben des relativen taktischen Werts« der Gliederungsebenen. Danach sollte die Kopfstärke einer Infanteriegruppe, eines Zuges, einer Kompanie, usw. jeweils verdoppelt, dabei aber die Aufgabe der nächsthöheren Führungsebene wahrgenommen werden. Alles in allem war dieser Vorschlag zur Infanterie eine Zukunftsmusik, die wenig nach dem Geschmack der deutschen Heeresplaner sein konnte: eine Infanterie herkömmlicher Art, gar mit Pferdebespannung (die Miksche auch im Atomkrieg keinesfalls für abwegig hielt). Die Ausführungen zu den rückwärtigen Diensten stellten besonders auf die Notwendigkeit zur Verkehrsregelung - auch von Flüchtlingsströmen - ab. Mit den deutschen Planungen schon eher vereinbar war Miksches Konzeption der Mechanisierten Kräfte. Als Organisationsform schlug er eine Brigadegliederung vor. Verglichen mit deutschen Vorstellungen einer zweizügigen bzw. 2:1-Gliederung verfügte Miksches Vorschlag jedoch über fünf Kampftruppenbataillone (3 Panzer- und 2 Panzergrenadierbataillone), daneben über je ein Sturmartillerie- und ein Versorgungsbataillon. Das ähnelte dem U.S.-amerikanischen Konzept der fünfgliedrigen »Pentomic-Gliederung«. Überhaupt spiegelte sich in seinen Schriften des Jahres 1955 das, was zur selben Zeit weniger öffentlich in NATO-Kreisen erörtert und in den Armeen der Bündnispartner getestet wurde. Anklänge der Ausführungen Miksches ließen sich auch in der Bundeswehr vernehmen, vor allem in den provokanten Äußerungen des Obersten i.G. a.D. Albert Schindler, Atomreferent im Führungsstab der Bundeswehr. Dieser machte sich im zweiten Monat der Bundeswehr »[k]ritische Gedanken zur Planung Feldheer 1955«. Seinen Kameraden im Führungsstab des Heeres stellte Schindler kein schmeichelhaftes Zeugnis aus. Sie seien noch nicht auf der Höhe des atomaren Zeitalters, sondern weilten gedanklich noch im Russlandfeldzug: »Die Divisionen 1955 spiegeln bis in die Bataillone und Kompanien hinein deutlich die Erfahrungen und Wunschträume der Jahre 1941/42 wieder [sie] Ihr Aufbau hält sich im Großen wie im Kleinen an die alte These, dass Divisionen die kleinsten Heereskörper sind, die durch ihre organische Zusammensetzung

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zu >operativer< Selbstständigkeit befähigt sein [...] müssen18.« Alle Versuche, die Stärke dieser Divisionen zu kürzen »und sie für den Atomkrieg brauchbar zu machen« seien gescheitert. Auch die schon auf ca. 13 000 Mann und rund 3500 Fahrzeuge gekürzten Divisionsstärken seien zu »unhandlich«. Das Heer sei »nicht auf einen [...] Atomkrieg, sondern auf einen herkömmlichen Bewegungskrieg in weiten Räumen zugeschnitten«. Die Feldtruppen seien »übermotorisiert«. Es werde »im Atomkrieg unmöglich sein sie zu bewegen und [...] zu versorgen«. Zudem könnten atomar verwüstete Wälder und Ortschaften »zu verhängnisvollen Fahrzeugfallen werden«. Bei den Truppengattungen bemerkte er zu viel Artillerie, aber zu wenig »Genie- und Fernmeldetruppen«. Auch die »Fla-Art[illerie]« wurde seiner Meinung nach »weit überschätzt«. Schindlers Liste an Vorschlägen sah bewegliche, in ihrer Gliederung auf den Einsatzraum zugeschnittene Grenztruppen vor. Im rückwärtigen Raum sollten starke Korpstruppen die Operationsfreiheit gewährleisten. Zudem forderte er »eine Anzahl erstklassiger Atom verbände«. Diese »AtomDivisionen« bzw. »Atombrigaden« seien die »schlachtentscheidende[n] Elemente im Atomkrieg«. Als ihre Merkmale sah er »starke Kampftruppen (Panzer und Infanterie)[,] schwache Unterstützungswaffen und Dienstef,] wenig Stäbe und Kraftfahrzeuge [sowie] keine Überfeinerung«. Laut beigefügter Organigrammskizze verwarf der Atomreferent nicht die offene Kampfgruppengliederung - obwohl er den »ständigen Wechsel der vorgesetzten KampfgruppenK[ommandeu]re« als Mangel der bisherigen Panzerdivision kritisiert hatte. Wie Miksche sah Schindler eine Panzerdivision in Fünfer-Gliederung mit in sich gemischten Kampftruppenbataillonen vor. Die drastische Reduktion der Artillerie auf nur ein Bataillon hielt er durch dessen atomare Feuerkraft für mehr als ausgeglichen. Die »Fehlentwicklung« einer Verdoppelung der Artillerie (1955 gegenüber 1941) hielt er dadurch für korrigiert. Zum Verband sollten weiterhin je ein Panzeraufklärungs-, ein Pionier- und ein Fernmeldebataillon gehören; alle Bataillonsverbände sollten taktisch durch 2 Kampfgruppenstäbe geführt werden. Die Infanteriedivision nach Schindlers Vorstellung umfasste im Kern 5 Infanterie-, 3 gemischte Panzer(grenadier)- und 2 Artilleriebataillone. Wie im U.S.-Konzept sah Schindler verlastete Infanterie ohne eigene Fahrzeuge vor die Lösung, gegen die sich »das Heer« seit Jahren wehrte. Für beide Verbände sei ein nur »geringes Durchhaltevermögen« - zu Gunsten höherer »Handlichkeit« im Einsatz - in Kauf zu nehmen. Dies erfordere aber eine schnelle Auswechselbarkeit abgekämpfter Verbände gegen neue, was also eine Art Baukastensystem nahe legte. Oberhalb dieser Ebene sah er »Atomkorps« vor; mit starken Korpstruppen, um den Divisionen eine geringe Kopfstärke zu ermöglichen. Atomwaffen hätten, so Schindler, »viele Grundsätze und Erfahrungen des letzten Krieges entwertet«. Und wenn der Inspekteur des deutschen Heeres noch im Oktober 1959 eine Angriffsplanung mit 36 Panzerbrigaden in Richtung 18

BMVg Abt. IV A 2 (Schindler) an stv. Leiter V (Heer), Bergengruen, 14.12.1955, BA-MA, Bw 2/1943; BMVg Abt. IV A 2, Kritische Bemerkungen zur Planung Feldheer 1955, Schindler, Dezember 1955, BA-MA, Bw 2/1943.

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mittlere Elbe präsentierte 19 , war dies nicht der von Schindler gegeißelte »herkömmliche Bewegungskrieg in weiten Räumen«? Trotz aller Differenzen war innerhalb des deutschen Weges eine Richtung klar: ob als »Atomdivision« oder als gepanzerte »Westentaschendivision« bisheriger Planung - allenthalben standen »mechanisierte Kräfte« in »handlicher« Verbandsgröße im Mittelpunkt, ob mit oder ohne Atomkrieg im Hinterkopf. Die Problematik des atomgerechten Verbandes lag aber in der Verbindung eigentlich konträrer Ziele. Denn zum einen galt es, möglichst kleine operative Einheiten zu schaffen. Gewissermaßen sollte die Division in ihre kleinsten operativ wirksamen »Elemente« »atomisiert« werden. Der Atomkrieg forderte zum anderen aber Kernelemente, die Beweglichkeit (zur raschen Auflockerung und Schwerpunktbildung) mit Panzer- und Atomschutz in sich vereinigten. Auch Miksche und Schindler waren sich hier einig. Die Wucherungstendenzen infolge einer Ubermotorisierung mit zu vielen Panzern hatten beide aber beredt beschrieben. Die Forderungen beider Kritiker verwiesen auf langfristige Tendenzen für die Streitkräftestruktur. Erkennbar war nun, dass zumindest mittelfristig nicht mehr allein die Division im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen konnte, sondern das gesamte Spektrum: Das Heer hatte die »A-Verbände« (zu denen die Bundesluftwaffe avancierte) genauso zu berücksichtigen wie die Sicherung von Grenze und rückwärtigem Raum durch »leichte Truppen«. Im ausgreifenden Kontinuum der Abschreckung wurde die »gepanzerte Faust, die den Sowjets entgegengehalten wird« (Himmerod) zunehmend eingerahmt durch weitere Kräfte. Dies bedeutete eine Inkaufnahme weiterer Aufträge für das Heer. Nach »oben« hin galt es, die eigenen Kräfte mit Atomwaffen(trägern) auszustatten. Im »unteren« Teil des Kontinuums wurden zwar keine »Grenz- und Festungstruppen« aufgestellt, doch mündete der Gedanke im Jägerkonzept der 1960er und 1970er Jahre. Mit den Logistiktruppen wurde fortan der rückwärtige Raum gefüllt, was wiederum weitere Sicherungsaufgaben erforderte. Diese Aufspreizung des erforderlichen Instrumentariums bedeutete - neben der personellen Umfangsbegrenzung - einen weiteren Grund für das verzögerte Erreichen der »Zauberzahl 12«. Zunächst aber galt es den angemahnten kleinen Großverband zu verwirklichen. Dies geschah in Form der »Division 59«. Der hier zu verwirklichende Atomverband lief geradewegs auf die Bestätigung der bisherigen konventionellen Panzerdoktrin zu. Trotz der Warnungen Miksches und Schindlers galt es dabei dem »Dogma der Beweglichkeit«20 gerecht zu werden. Parallelen zu den Auffassungen beider zeigten sich im Bündnis.

19

20

FüH II, Tgb.Nr. 300/59 str.geh. Auffassung des Heeres zur weiteren Entwicklung strategischer Pläne und ihre Auswirkung auf die Aufstellungsplanungen, 16.10.1959, BA-MA, BH 1/9487. Dazu Beitrag Hammerich, Kap. II.2. Groß, Das Dogma der Beweglichkeit, S. 165 f.

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4. Der Blick nach draußen: Atomstrategie und Bündnis Ende 1954 waren auch die Amerikaner von ihren bisherigen Gliederungen nicht mehr voll überzeugt. Speidel führte um die Jahreswende 1954/55 eine Reihe von Gesprächen mit hochrangigen Vertretern des Bündnisses, sicher auch, um den deutschen Spielraum auszuloten. Am 22. Oktober 1954 erklärte NATOOberbefehlshaber Alfred M. Gruenther ihm und Blank, dass man hinsichtlich der neuen Divisionstypen noch »in einem Interim« lebe: »Die alte Divisionsform sei nicht mehr geeignet, eine neue Divisionsform habe sich jedoch noch nicht gültig herauskristallisiert«. Hinsichtlich der zwei Testdivisionen der U.S. Army wüssten aber selbst diejenigen, die diese Divisionen aufgestellt hätten, noch nicht, »ob das nun das richtige sei«. Von zentraler Bedeutung sei hierbei der Einfluss der Atombombe21. Auch die französischen Bundesgenossen entwickelten Gedanken in Richtung Neuorganisation. Am 3. November 1954 bekundete Marschall AlphonsePierre Juin sein Interesse für deutsche »Osterfahrungen«. Für das französische Heer schwebte ihm ein »gepanzertes Combat team - etwa im Umfang einer verstärkten Panzer-Brigade« - vor. Der Stabschef des französischen Heeres General Clement Blanc weihte Speidel kurz darauf in die französischen Planungen ein und versicherte, den deutschen Organisationsvorstellungen stünden keine Einschränkungen entgegen22. Im Januar 1955 sahen sich die drei großen NATO-Mächte USA, Großbritannien und Frankreich bei SHAPE veranlasst, die Divisionsgliederungen angesichts der Atomforderung zu überprüfen23. Übereinstimmend wurde die Atomwaffe als Hauptfaktor einer künftigen Verteidigung bewertet. Eigene Verbände müssten künftig in der Lage sein, sowohl die Voraussetzungen für einen Atomwaffeneinsatz zu schaffen als auch diesen auszunutzen. Die Gliederungen sollten den Grundsätzen Einfachheit, Wendigkeit, Beweglichkeit und Kampfkraft entsprechen. Die Untersuchungen konzentrierten sich auf das optimale Mischungsverhältnis der drei Hauptwaffengattungen Infanterie, Panzer und Artillerie innerhalb der künftigen Kampfgruppen. Hierzu wurden Truppenversuche mit neuen Verbandsstrukturen vorgeschlagen. Gegenüber der deutschen Planung spielten weder Panzer- noch Flugabwehr eine Rolle. Ebenfalls im Gegensatz zu deutschen Vorstellungen favorisierten die angloamerikanischen Konzeptionen kopfstarke Verbände, die auch nach starken Verlusten noch kampfkräftig blieben. Allerdings überwog im Januar 1955 noch die Unsicherheit: »SHAPE ist nicht in der Lage, feste Richtlinien über den künftigen Aufbau von Landstreitkräften zu geben, bevor nicht die Auffassung der einzelnen 21

22

23

Speidel, Gespräch von Blank mit Gruenther in Gegenwart der Generale Shuyler und Speidel, 22.10.1954, BA-MA, Bw 9/2673, Bl. 3 9 - 4 3 . Gespräch Speidels mit Marschall Juin, 3.11.1954, BA-MA, Bw 9/2673, Bl. 4 5 - 4 8 ; Gespräch Speidels mit Blanc, am 9.11.1954, BA-MA, Bw 9/2673, Bl. 5 0 - 5 2 . SHAPE, 1101.28, Aufbau der Landstreitkräfte, Schuyler (dt. Übersetzung), 6.5.1955, BA-MA, BH 1/678, Bl. 5 4 - 8 2 .

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Staaten über die Problematik des Krieges der Zukunft geklärt ist und die Versuche von 1955 abgeschlossen und deren Ergebnisse geprüft sind.« Dennoch wurden die deutschen Planungen unter die Lupe genommen. Ein Kritikpunkt war der Wunsch nach »grössere[r] Ausgewogenheit«, da die deutschen Vorstellungen als zu panzerlastig erschienen. Entsprechend sollten die Deutschen 4 Panzer- und 8 Infanteriedivisionen aufstellen, nicht jeweils 6. Die im »Plan Bergengruen« vorgesehenen selbstständigen Brigaden wurden dagegen begrüßt: Die »große Zahl selbstständiger Kampfeinheiten in 8 bis 10 Brigadegruppen [würde] der Organisation des deutschen Heeres eine grössere Elastizität« verleihen. Ohnehin seien die geplanten deutschen Divisionen so klein, dass »eine gegenwärtige deutsche Infanterie-Division zuzüglich einer Brigade-Kampfgruppe [...] etwa der Kampfkraft« einer U.S.-Division entspreche. Die von den Deutschen gewünschten schweren Flak- und Panzerjägerbataillone wurden dagegen nicht für sinnvoll erachtet. Ein weiterer Punkt wog für die deutschen Vorstellungen noch schwerer: Es herrschte bei der NATO »allgemeine Übereinstimmung darüber, dass das deutsche Heer am besten geeignet ist, die leichten beweglichen Streitkräfte für die vorgeschobene Front zu stellen.« Es biete sich an, diese leichten Kräfte in Brigadestärke als Korpstruppen aufzustellen. Zwar waren damit auch Panzeraufklärer, Panzergrenadiere und Artillerie gemeint, es musste jedoch jeden Argwohn der Deutschen nähren, sie würden wie einst die Hilfswilligen der Wehrmacht in kleinen Gruppierungen unschädlich gehalten. Diese Vorstellungen zur deutschen Rolle entsprangen jedoch der Vision vom atomaren Gefecht. Nach angelsächsischer Auffassung blieb hier herkömmliche Infanterie unabdingbar. In den Atomgefechten müsse der Feind gezwungen werden, sich zu lohnenden Zielen zusammenzuballen, dagegen sollten eigene Kräfte in ihrer Verbandsstärke unterhalb der kritischen Größe eines Atomzieles bleiben. Dies sei durch die verstärkte Regimentskampfgruppe am besten gewährleistet: »[D]as mit Granatwerfern und Pak-Geschützen verstärkte Infanterie-Bataillon in Stärke von etwa 1500 bis 1700 Mann« sei »taktische Grundformation«, gleichzeitig aber Mindesttruppenstärke zum Führen nachhaltiger Gefechte. Die amerikanische Vorstellung ging - völlig anders als die deutsche nach wie vor von verlasteter Infanterie aus. Als Transportmittel sollten Lkw, Schützenpanzer und Hubschrauber dienen, die zur Reduktion von Ballast nicht den Kampfeinheiten angehören, sondern als Pool »bei den Armeekorps zusammengefasst« und erst bei Bedarf zugewiesen werden sollten. In den U.S.-Versuchen war zunächst eine Infanteriedivision getestet worden, wie sie auch die deutsche Planung vorsah: mit 7 Infanterie- und einem Panzerbataillon. Die »wesentliche Kampfgruppe« innerhalb dieses Verbandes bestehe aus einem durch je eine Einheit Panzer und/oder Artillerie verstärkten Infanteriebataillon. Diese »radikale Änderung«, stellte aber nach Auffassung der Amerikaner »einen schlecht ausgewogenen Verband dar« und wurde als »unzureichend« verworfen. Eine auch in deutschen Planungsstuben erörterte Idee fand dagegen geradezu ihre Bestätigung durch das Atomkriegskonzept - der Einheitsverband. Da die Kräfte zum Blockieren des Feindangriffs im Anfangsstadium die gleichen seien, wie diejenigen, welche den Gegenangriff führten, verbot

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sich nach amerikanischer Auffassung »die Schaffung selbstständiger oder Spezial-Verbände und schreibt geradezu einen einzigen Verbandstyp vor, der beiden Kampfformen zu genügen vermag« 24 . Auch nach britischer Auffassung bedurfte eine künftige Gliederung »erhöhter Beweglichkeit und Elastizität, um [...] aus der Auflockerung zur Konzentration überzugehen und umgekehrt.« Dies war fast schon ein Allgemeinplatz, der von den Planern keiner Nation in Frage gestellt wurde. Die hieraus gezogene Konsequenz war jedoch eine andere als nach deutscher Auffassung. Nach britischer Meinung war »die einzige Beweglichkeit, die auf dem Schlachtfeld von Bestand ist, die des zu Fuß kämpfenden Infanteristen«. Dieser musste beweglich sein, allerdings ohne organisch zugeteilte Transportmittel, »da dies lediglich zu weiterer Verstopfung und Verschleiß führen würde«. Der »erste Schritt in Richtung erhöhter Beweglichkeit« sei die »Vereinfachung der Gliederung der Einheiten und Waffen«, verbunden mit einer Reduktion des Kfz-Parks. Die britische Linie blieb im Rahmen des klassischen dreizügigen Konzepts, allerdings unter organischer Zuteilung von Panzern. Die Regimentskampfgruppe war aus 3 Infanterie- und einem Panzerbataillon vorgesehen. Einer Division, die aus weniger als 3 solcher Kampfgruppen bestehe, fehle die »Ausgewogenheit« und »Durch[h]altekraft«. Eine zu hohe Zahl unterstellter Elemente dagegen, etwa von 5 bis 6 Kampfgruppen, sei mit »beträchtliche[n] Führungsschwierigkeiten« verbunden. Das widersprach sowohl den deutschen Forderungen nach einer Zweiergliederung als auch der U.S.-Pentomic-Gliederung. Im Gegensatz zu den Amerikanern verfochten die Briten einen weniger techniklastigen Ansatz, vielmehr sei »der Mann wahrscheinlich von größerer Wichtigkeit [...] als die Waffe«25. Die französische Auffassung kam einigen Vorstellungen der Deutschen näher. Da sich die »Grundlagen geändert« hätten, seien »die gegenwärtigen Divisionsgliederungen für einen zukünftigen Atomkrieg sowohl in strategischer als auch taktischer und logistischer Hinsicht völlig ungeeignet«. Die derzeitigen Divisionen seien zu groß und schwerfällig geworden. Damit seien Versuchsgliederungen erforderlich geworden, die völlig von den bisherigen abwichen. Anzustrebendes Planungsziel sei es, ein Maximum an Kampfkraft mit minimaler Verbandsgröße zu kombinieren. Das war eine auch von Deutschen und Amerikanern viel beschworene, aber wenig aussagekräftige, weil allgemeingültige Zielvorstellung. Da der Panzer infolge gesteigerter Panzerabwehrmittel künftig ohnehin nicht mehr unverwundbar sei, favorisierte die französische Planung leichte Panzer. Die Idealvorstellung französischer Art war eine Infanteriedivision von 11 000-12 000 Mann, die hauptsächlich auf Kettenfahrzeugen beweglich war. Darin sollten 5 Bataillonskampfgruppen mit je rund 1200 Marin den Kern bilden. Für 1955 planten die Franzosen umfangreiche Versuche mit einer motorisierten Infanterie- und einer leichten Panzerdivision. Ein Korps war zu je 24 25

BA-MA, BH 1/678, Bl. 81. Zur britischen Gliederung: Miksche, Die Krise des Divisionssystems, S. 221-224, 330-334, hier S. 331, allerdings mit einer abweichenden Gliederung der Panzerdivision.

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2 Infanterie- und einer Panzerdivision vorgesehen. Rund drei Monate später, im Mai 1955 wurden die Studien an die anderen NATO-Partner gesandt, wobei betont wurde, dass die Versuche »vor Ende 1955 nicht abgeschlossen« und Folgerungen hieraus erst im Folgejahr abzuleiten seien. Im Sommer des Jahres waren auch die deutschen Planer im Besitz der Studie26. Die Diskussion ging weiter. Anfang Juni 1955 sprach sich der stellvertretende SACEUR, der britische Feldmarschall Bernard Law Montgomery für einen klassisch dreizügigen - Standardverband aus. Dieser sollte »mehrere Kampfgruppen von Infanterie, Panzern und Artillerie enthalten. Er müsste aus 3 Regimentern zu je 3 Infanteriebataillonen, einem Panzerbataillon und entsprechender Artillerie bestehen«27. Speidel wies den Chef des Generalstabes von SHAPE, Generalleutnant Cordtland T. van Rensselar-Schuyler darauf hin, dass die Deutschen keineswegs an »durchhaltefähigen«, großen Verbänden interessiert seien. Solche U.S.»Mammutdivisionen« seien als Expeditionskorps konzipiert gewesen, deutsche »Osterfahrungen« sprächen aber dagegen. Schuyler beruhigte den Deutschen; hinsichtlich der Gliederungen wollten die Amerikaner »nicht diktieren«. Er schlug vor, sich an den Verbandsgliederungen der drei großen NATO-Mächte zu orientieren. Deren Mischungsverhältnisse bewegten sich bei der Infanteriedivision um die Größenordnung 1:3:1 von Panzer/Infanterie/Artillerie, so dass Kampfgruppen im selben Verhältnis gebildet werden konnten. Nach amerikanischer und französischer Auffassung sollten die Panzerdivisionen/Kampfgruppen ein ausgewogenes Verhältnis der drei Elemente aufweisen. Die britische Panzerdivision sah dagegen eine Massierung der Panzerelemente im Verhältnis 4:1:1 vor. Speidel nahm die Gelegenheit wahr, um vehement gegen die Pläne zu protestieren, einen Schirm »leichter Truppen« zu bilden. Nach wie vor grassierte die Angst der Deutschen, als leichte Infanterie verheizt zu werden. Ebenso widersprach Speidel Vorstellungen, wonach die Gliederung deutscher Truppen im Norden analog zur britischen, im Süden entsprechend der U.S.Gliederung vorgenommen werden könnte. Einig war man sich bei SHAPE allerdings darin, dass das deutsche Kontingent 8 Infanterie- und nur 4 Panzerdivisionen umfassen sollte28. Im August und September 1955 nahm die Unterabteilung Heer im Bundesministerium für Verteidigung zu den Empfehlungen von SHAPE Stellung29. Die Grundeinschätzung der NATO wurde hier geteilt. Angesichts der Atomwaffe 26

27

28

29

Am 30. Juli 1955 befand sich die Studie beim Leiter der Abteilung Heer Laegeler, die Übersetzungen am 8.8.1955. Der Persönliche Referent [des Ministers Blank, Major i.G. a.D. Bucksch] an Laegeler, 30.7.1955, BA-MA, BH 1/678, Bl. 52 f. Speidel, Gespräch mit Feldmarschall Montgomery am 3.6.1955, BA-MA, Bw 9/2673, Bl. 217-222. Speidel, Gespräche mit [...] van Rensselar-Schuyler am 20.4.1955, und am 15.7.1955, BA-MA, Bw 9/2673, Bl. 163-166, 245 f. II/5, Tgb.Nr. 74/55 str.geh., Betr.: Organisation der deutschen Landstreitkräfte, Bonn, 18.8.1955, Bergengruen, BA-MA, BH 1/678, Bl. 27 f.; II/5, Tgb.Nr. 74/55 II an Supreme Allied Comander Europe, Betr. Organisation der deutschen Landstreitkräfte, str.geh., Entwurf, 2.9.1955, BA-MA, BH 1/678, Bl. 30-34.

III. Die Brigade in der »Division 59«

427

seien Verbände aufzustellen, welche die Merkmale Einfachheit, Wendigkeit, Beweglichkeit sowie ein »Höchstmass an Kampfkraft« in sich vereinigten. Neben den von SHAPE untersuchten drei Hauptwaffengattungen gehörte nach deutscher Auffassung die Panzerjägerwaffe berücksichtigt. Das deutsche Heer warb weiterhin für seine Konzeption der Panzergrenadiere, stellte aber fest, dass hierfür noch das gepanzerte Kampffahrzeug fehlte. Hinsichtlich der 6 Panzerdivisionen gab man nicht auf und erörterte die Möglichkeit, diese zu Panzerkorps zusammenzufassen. Offiziell gab sich das Heer weiterhin noch von der offenen Kampfgruppengliederung überzeugt. Die beiden wesentlichen Kennzeichen der deutschen Planung seien zum einen der »Kampfgruppenstab ohne ständige Zuteilung von Truppen in bestimmter Zusammensetzung«, zum anderen »kleine Divisionen«. Die deutsche Planung glaubte, »sich mit einer solchen Organisation den Erfahrungen der laufenden und kommenden Versuche am besten anpassen zu können.« Auch sei die von SHAPE vorgeschlagene Zusammenfassung der selbstständigen Bataillone zu Brigaden »genau das, was die deutsche Führung anstrebt.« Wie Speidel protestierte »das Heer« scharf gegen deutsche leichte Truppen am Eisernen Vorhang - etwa als Brigaden im Rahmen alliierter Korps; »kann man doch vermuten, dass ein nennenswerter Teil der deutschen Truppen Korps fremder Nationalitäten als eine Art leichte landeseigene Hilfstruppe zugeteilt werden soll«. Die Deutschen blieben zunächst - offiziell - bei den Gliederungen, die vom U.S.-Partner bereits in Frage gestellt wurden. Im Herbst 1956 wurde die 101. Luftlandedivision der U.S. Army nach einem neuem Konzept umgegliedert. Es vereinte eine durchgängige Fünfergliederung mit der vermuteten Eignung zum Atomkrieg - daher der Name »Pentomic«30. Auf seiner Amerikareise im Februar 1957 informierte sich Heeresinspekteur Röttiger eingehend über diesen Prototyp für alle künftigen Gliederungen der U.S. Army. »Sämtliche großen Verbände - Infanterie-, Panzer- und LL-Divisionen [würden] in diesem und im nächsten Jahre umgegliedert«. Die diesbezüglichen Versuche waren gerade abgeschlossen. Das Ziel waren »möglichst kleine, bewegliche, aber zu selbstständigem Kampf befähigte Verbände«. Die Umgliederung ging demnach in zwei Hauptrichtungen. Neben der Anpassung an die »Erfordernisse des Atomkrieges« sollte die Ausrüstung der Infanteriedivisionen eine Verlegung im Lufttransport ermöglichen. Dabei fand es Röttiger »besonders bemerkenswert, dass die Schützenverbände [...] organisatorisch nicht mehr über ständig zugeteilte motorisierte Transportmittel verfügen werden«31. Die U.S.-Luftlandedivision bestand aus je 5 Kampfgruppen (Combat Groups). Diese waren ihrerseits in 5 Schützenkompanien, eine Stabs- und eine schwere Kompanie gegliedert und stellten mit einer Stärke von weit über 1000 Mann bereits eine Zwischenebene zwischen Bataillon und Regiment dar. Die Divisionsartillerie verfügte über 5 leichte Batterien, sodass sich eine Couleur30 31

Bacevich, The Pentomic Era, S. 1 0 5 - 1 0 8 ; Sepp, Die atomare Vision, S. 285. Röttiger, Bericht über meine Reise in die USA vom 2.-21.2.1957, März 1957, BA-MA, BH 1/1589.

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Martin Rink: »Strukturen brausen um die Wette«

Diagramm 10: U.S. Army 101. Airbone Division in „Pentomic-Gliederung", Truppenversuch 1956

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Zuteilung zu den Kampfgruppen ergab. Ergänzt wurde die Division durch ein Pionier- ein Fernmelde- und ein gemischtes Führungsbataillon. In letzterem waren Verwaltungs-, Aufklärungs- u n d Heeresfliegereinheiten versammelt. Die Idee eines solcherart gemischten Bataillons wurde später im FüH aufgegriffen. Die Versorgungskräfte der Pentomic-Division waren in einer »Support Group« zusammengefasst. Die gesamte Divisionsgliederung war gekennzeichnet durch »angereicherte« Bataillone, die durch Zugabe von Unterstützungswaffen selbstständig genug für den Atomkrieg sein sollten. Die neue U.S.-Panzerdivision war eine Weiterführung der Versuchsgliederung. Sie ähnelte stark der deutschen Panzerdivision gemäß Heeresstruktur 1, besaß jedoch mit je 4 Panzer- und Infanteriebataillonen ein Bataillon jeder Gattung mehr. Nach dem selben Muster war 1956/1957 die U.S.-Infanteriedivision aufgebaut. Die organische Gliederung der U.S. Army-Infanteriedivision der Jahre 1939-1945 war hier der offenen Kampfgruppengliederung gewichen. Laut Ausgangsbasis von 1954 war die 7:1 Division vorgesehen gewesen, die auch die deutschen Planer übernommen und welche die Amerikaner in ihren Versuchen als ungenügend verworfen hatten. Ein ausgewogeneres Verhältnis mit besserer Mischmöglichkeit eröffnete die Gliederung des Folgejahres durch ein Verhältnis Infanterie zu Panzer von 2:1 (8 Infanterie- zu 4 Panzerbataillonen). In der Pentomic-Gliederung bestand die offene Kampfgruppengliederung fort. Aller-

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dings hatte sich die Zahl der unmittelbar von der Division zu führenden Elemente von 15 auf 11 reduziert. Die Kampfgruppen waren größer, entsprechend durchhaltefähiger und konnten nach wie vor in der Truppeneinteilung gemischt werden. Die Artillerie war um mittlere und schwere Artillerie erweitert worden. Damit gehörten zwei atomwaffenfähige Batterien (davon eine mit dem Raketensystem »Honest John«) zur Ausstattung der Division. Verglichen mit den vorhergehenden Planungen war die Pentomic-Gliederung weit übersichtlicher geworden. Im Gegensatz zu deutschen Vorstellungen einer Zweier- bis Vierergliederung war die Leitungsspanne allerdings ziemlich hoch. Röttiger zufolge erreichten die Amerikaner mit diesen Veränderungen in Gliederung und Ausstattung Vorteile auf vier Gebieten: Erstens sei die Beweglichkeit durch die Kürzung der Kfz-Bestände um 25 Prozent sowie durch den organischen Lufttransportraum von insgesamt 50 Luftfahrzeugen gesteigert worden. Zweitens sei die Feuerkraft infolge der Eingliederung der Atomartillerie so erheblich gesteigert worden, dass nun ein Schuss bis zu »15 konventioneller Artilleriebataillone ersetzen« könnte. Der Heeresinspekteur wies drittens auf die verbesserte technische Fernmelde- und Aufklärungsausstattung hin. Viertens sei nun ein »günstigeres und besser ausgewogenes Kräfteverhältnis vom Kämpfer zum Helfer« gegeben. Röttiger lobte die neue Organisationsform und hier umgesetzte Gewichts- und Fahrzeugersparnis; »wie überhaupt allgemein die technischen Fortschritte zur Ersparnis an Menschenkraft geführt haben«. Die Technik revolutionierte die Taktik auch im Heer: »vom Pulver zum Atom, vom Geschütz zur Fernlenkwaffe, vom Lkw zum Hubschrauber, vom Fernglas zum Fernsehgerät aus der Luft«32. Mitte 1957 war auch bei SHAPE die Unsicherheit bezüglich der zu findenden Gliederung gewichen. Im Juni wurde eine Studie über die Strukturen der Landstreitkräfte im Bereich Europa Mitte erstellt33. Das hier vorgeschlagene Konzept war der Pentomic-Gliederung nicht unähnlich. Ziel war die Standardisierung aller Verbände im Befehlsbereich der Alliierten Landstreitkräfte in Europa Mitte (LANDCENT). Die »gegenwärtige Gliederung der Landstreitkräfte der NATO« wich so erheblich voneinander ab, dass der Erfolg einer gemeinsamen Operationsführung gefährdet schien. Auch hier hielt man infolge der Einführung taktischer Atomwaffen die bisherigen Gliederungen für überholt. Die zweckmäßigste Struktur, die bisher noch nicht vollständig erreicht sei, könne »nur auf Kosten umfangreicher und leider auch unvermeidbarer Änderungen erreicht werden«. Hinsichtlich der atomgerechten Gliederung gab man sich nunmehr kompromisslos: »Es erscheint besser, am Tage X eine verhältnismäßig kleine Zahl atomkrieggeeigneter Einheiten zur Verfügung zu haben, die vielleicht noch nicht den Idealverband darstellen, aber ihm zumindest nahekommen, als eine große Zahl imaginärer, nur auf dem Papier vorhandener Einheiten

32 33

Röttiger, Reise in die USA vom 2.-21.2.1957, März 1957, BA-MA, BH 1/1589. SACEUR, Studie über die Gliederung der Landstreitkräfte Europa Mitte (Nr. 2000/2/28/ CINC/241/57) in: FüH II 3, Tgb.Nr. 987/58, 24.4.1958, S. 98, BA-MA, Bw 2/1943; auch in: BA-MA, Bw 2/2483. Hier auch die folgenden Zitate.

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Martin Rink: »Strukturen brausen um die Wette«

oder, wie es zur Zeit der Fall ist, veraltete, für einen zukünftigen Krieg ungeeignete Verbände.« Eine erste Forderung der Standardisierung waren einheitliche Benennungen, bisher in der NATO keine Selbstverständlichkeit. Sonderbezeichnungen für »Kavallerie-«, also Panzer- und Aufklärungsverbände (wie »Regiment« statt »Bataillon«) sollten wegfallen. Im Zentrum stand die Atomforderung. Künftige Verbände müssten »die von Atomwaffen gebotenen Möglichkeiten ausnutzen« können. »Man könne »sogar sagen, dass der Erfolg des Kampfes von der richtigen Anwendung von Atomwaffen [...] abhängt«. Die dafür vorgeschlagene Gliederung sollte gleichermaßen offensive Maßnahmen, Kräftezusammenhalt und Beweglichkeit gewährleisten - alles unter Zugrundelegung einer konventionell-nuklearen Doppelrolle. Das gemischte Regiment stand im Mittelpunkt der Studie. Es sei die »unterste taktische Ebene, auf der die verschiedenen Truppengattungen für dauernd zusammengefasst werden«. Hier sah die Studie eine organische Lösung vor; auch dies mit den Forderungen des Atomkrieges begründet. Aufgrund der psychologischen Wirkung eines Atomwaffeneinsatzes bedürften die Verbände eines hohen Maßes an innerem Zusammenhalt. Dies sei »leichter durch eine bereits im Frieden vorgenommene, dauernde Integration erreichbar [...] als durch eine improvisierte Zusammenfassung«. Die Stärke des Regimentsverbandes war durch zwei Grenzen definiert: Nach oben war seine Größe nicht zu überschreiten, die aus ihm ein »verlockendes Atomziel« gemacht hätte. Es sollte klein, anpassungsfähig und leicht zu führen sein. Die untere Grenze fand die Stärke des Regiments dagegen in der zahlenmäßigen Durchhaltefähigkeit, in der Befähigung zum Halten größerer Räume und in der Fähigkeit zum Angriff auf »verhältnismäßig breiter Front«. Als Ideal wurde eine Grundstärke von 7-8 Kompanien angegeben. Eingehend untersuchte LANDCENT das Spannungsverhältnis zwischen »tiefer« Mischung der Elemente und Wirtschaftlichkeit im Regimentsverband. Die »wirtschaftliche Integration verschiedener Truppengattungen« mache eine Kompromisslösung erforderlich. Die durch dauerhafte Integration bewirkten Vorteile des inneren Zusammenhalts und der Verbandsausbildung wurden den »sehr realen Nachteilen der dauernden Herauslösung kleinerer Einheiten aus ihrer Truppengattung« gegenübergestellt: »Je niedriger diese Ebene für eine dauernde Integration liegt, desto schwieriger ist es, bei den erforderlichen unterstützenden und logistischen Einheiten eine einigermaßen angemessene Wirtschaftlichkeit zu erzielen. Wenn sie auf einer zu niedrigen Ebene versucht wird, führt die Integration [...] zu einer Kräftevergeudung, die in keinem Verhältnis zur Schlagkraft steht.« Von so grundlegender Seite war das Problem der Verbandsgröße in den deutschen Studien bislang noch nicht betrachtet worden: gemischte Verbände verschiedener Truppengattungen waren tendenziell unwirtschaftlich, taktisch aber flexibel; homogene »Einheiten« waren taktisch unflexibel, aber wirtschaftlich und gut auszubilden. Umfassende Untersuchungen stellte LANDCENT über die Integration der Hauptwaffengattungen Panzer und Infanterie an. Zwischen den beiden Extrempolen der offenen Kampfgruppe (bestehend aus homogenen Bausteinen)

III. Die Brigade in der »Division 59«

431

auf der einen, dem Einheitsverband (aus verschiedenen Teilen gemischt) auf der anderen Seite wurden als dritte Kategorie zwei spezialisierte Regimentstypen untersucht. Ein aus verschiedenen Truppengattungen gemischter Einheitsverband bot demnach den Vorteil besonders unkompliziert zu sein, sei aber ein »äußerst starres System, das u.U. zum falschen Einsatz der verfügbaren Kräfte führen kann«. Die offene Gliederung gab dagegen eine gute Verbindung von Standardisierung und Spezialisierung ab, war sehr anpassungsfähig und ermöglichte einen raschen Austausch der Verbände. Allerdings war der innere Zusammenhalt nicht voll gewährleistet und eine taktische Anpassungsfähigkeit nicht jederzeit gegeben. Das mit der offenen Gliederung korrespondierende Poolprinzip sei eine »oft gefährliche Verfahrensweise«, denn es führte »unter Umständen zu Zeitverlusten [...], [was] mit den Gegebenheiten des Atomkrieges unvereinbar« sei. Hier spiegelt sich die Alternative zwischen organischer und offener Gliederung in ganzer Tiefenschärfe. Gegenüber standen sich folgende Alternativen. Einerseits: organische Mischung, Einheitsverband, taktische Flexibilität auf niedriger Ebene, Schnelligkeit auf dem Gefechtsfeld und insofern Reduktion von »Koordinationskosten« bei Standardaufgaben; andererseits: offene Kampfgruppengliederung, homogene Bausteine, taktischoperative Flexibilität auf höherer Ebene, erhöhte »Koordinationskosten« infolge jedesmaliger Truppeneinteilung. Während man den Einheitsverband als zu starr verwarf, wurde die offene Gliederung zumindest als »Zwischensystem als Übergangslösung« bezeichnet. Um die Nachteile beider Prinzipien abzumildern, favorisierte die LANDCENTStudie einen spezialisierten Verbandstypus, der innerhalb eines fest integrierten Divisionsrahmens zwei Arten von Regimentsverbänden vorsah, einen vorwiegend mit Panzern, einen vorwiegend mit Panzergrenadieren ausgestatteten. Eine solche Spezialisierung sei ein »brauchbares System, da es die wirtschaftlichste Anpassung der Division an einen gegebenen Gefechtsauftrag in einem gegebenen Gelände erlaubt«. Solche Verbände müssten in der Lage sein, »fortlaufende Kampfhandlungen von zwei bis drei Tagen Dauer durchzuhalten«, das galt auch für die Versorgung. Bezüglich der Leitungssparine gelangte die Studie zu anderen Schlussfolgerungen als die deutschen Konzepte. Bei einer Dreier- bis Vierergliederung seien die Verbände zwar »anpassungsfähiger«, jedoch »zu schwach (schwerfällig und kompliziert)«. Dagegen sei eine Fünferbis Sechsergliederung von Vorteil: Neben der Durchhaltefähigkeit begünstige sie schnelle Bewegungen. Ein »herkömmliches Regiment« - also ein solches mit Bataillonen als Zwischenebene - sei zwar ein »wirtschaftlicher Verband, der vom taktischen Standpunkt aus stark ist, jedoch hinsichtlich seiner Beweglichkeit gewisse Grenzen hat und im Einsatz unter Umständen schwerfällig ist«. Die von LANDCENT vorgeschlagenen Infanterie- und Panzerregimenter waren weitgehend ähnlich gegliedert. Es waren jeweils 8 Kampfkompanien (mechanisierte Infanterie und Panzer) vorgesehen. Die Artilleriekomponente beinhaltete die Flugabwehrbatterie. Die Logistik oblag gemischten Versorgungsbataillonen. Mit ihren 12 Elementen waren das nun selbstständige, aber

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sehr heterogene Regimenter. Da die Artillerie- und Versorgungskräfte bereits in Bataillone zusammengezogen waren, stellt sich die Frage, warum die Kampfkompanien nicht auch zu solchen zusammengefasst wurden, um die Leitungsspanne zu reduzieren. Eine solche Lösung blieb erst den Schöpfern der deutschen Heeresstruktur 2 vorbehalten. Oberhalb des Regiments wurde die Division als »der taktische Verband par excellence« bezeichnet. Ihr Rahmen sollte unveränderlich sein, ihre Stärke - je nach Art der unterstellten Regimenter - bis zu 25 000 Mann betragen. Bezüglich der Leitungsspanne wurde das Problem der bisherigen U.S.-Gliederungen angesprochen: Da »die Division gewöhnlich fünf bis sechs Kampfregimenter umfasst, so unterstehen dem Divisionskommandeur [mit Divisionstruppen] insgesamt acht oder neun Verbände unmittelbar. Eine größere Anzahl zu überwachen, würde äußerst schwierig sein.« Demgemäß waren die von der Division zu führenden Elemente auf zehn reduziert worden; es war also eine »Centomic-Division«. Neben den fünf geschilderten Regimentern in variabler Zusammensetzung sollte der feste Stamm der Division aus je einem Artillerieund Versorgungsregiment sowie je einem Stabs- und Pionierbataillon bestehen. Dazu kam ein gemischtes Aufklärungs- und Sicherungsbataillon. Der angestrebte Einheitsrahmen der Division führte zu einer Mischung äußerst heterogener Teile: Die Artillerie war in 2 »Gruppen« eingeteilt, deren Kern wiederum aus je einem Artilleriebataillon bestand, um die sich Stabs-, Versorgungs-, Sicherungs- und Flugabwehreinheiten gruppierten. Das Aufklärungs- und Sicherungsbataillon umfasste Aufklärer und Panzergrenadiere. Im Versorgungsregiment waren je ein Sanitäts-, Transport- und Heeresfliegerbataillon mit der Instandsetzungs-, Aufklärungs- und Sicherungskompanie zusammengefasst. Ähnlich bunt war das Bild des Stabsbataillons: Die Palette reichte von Fernmeldekräften in Bataillonsstärke über Militärpolizei bis hin zu einer Spezialaufklärungseinheit »für die Nachrichtengewinnung, Sabotage und alle anderen im Feindesland durchzuführenden Aufgaben«. Die Einheitlichkeit fand ihren Preis in einer Heterogenität, die an Ausbildung, fachdienstliche Führung und Logistik denkbar hohe Anforderungen stellte. Zur Schwerpunktbildung und für besondere Einsätze sah SHAPE die Möglichkeit vor, Spezialdivisionen - Gebirgs-, Luftlande-, Pionier- und Artilleriedivisionen - aufzustellen. Deren Divisionslogistik sollte auf ein Minimum beschränkt sein, da die Wahrnehmung dieser Aufgabe auf Armeeebene vorgesehen war. Die dritte von SHAPE behandelte Gliederungsebene war die Armee als der »strategische, logistische und [...] territoriale Verband«. Eine Armee sollte aus mehreren Kampfdivisionen bestehen, der Übersichtlichkeit halber sollten es nicht mehr als fünf sein. Daneben sollten hier Artillerie- und Logistikdivisionen sowie »nichtdivisionseigene Kampfregimenter« bestehen. Ferner war an »Spezialeinheiten z.B. Kommandotruppen, Chemische Einheiten, Einheiten für psychologische Kriegführung usw.« gedacht. Die Armeegruppe wurde als teilstreitkräfteübergreifende Ebene angesprochen, stand aber nicht im Zentrum der Studie. Die Umplanung des deutschen Heeres im Jahr 1958 wurde von der Pentomic-Gliederung und mehr noch von der LANDCENT-Studie zum Einheitsver-

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Martin Rink: »Strukturen brausen um die Wette«

Tabelle 2: Gegenüberstellung der Gliederungsgrundsätze von offener Kampfgruppengliederung und organischer Verbandsgruppengliederung offene Kampfgruppengliederung

organische Kampfgruppengliederung

„Einheiten": homogene Gliederungselemente vornehmlich aus einer Waffengattung = verrichtungsorientierte Gliederung

(Einheits-)„Verbände": gemischte Gliederungselemente mit verschiedenen Waffengattungen = aufgabenorientierte Gliederung

Spezialisierungsvorteile - bessere Einzel-/ Fachausbildung - effizientere Regelung von Logistik und Unterstützung

Integrationskosten - schlechtere Einzelausbildung - erhöhter Logistik-/ünterstützungsaufwand

Autonomiekosten - Ressortdenken - Grundgliederung entspricht selten der Einsatzgliederung (Ad-hoc-Zusammenstellung von Kampfgruppen bzw. einer Truppeneinteilung stets notwendig)

Integrationsvorteile - kein „Inseldenken" - integrierte Ausbildung schon im Frieden - Grundgliederung entspricht eher der Einsatzgliederung

Vorteil bei (fachlicher) Effizienz

Vorteil bei (fachübergreifender) Koordination ©MGFA 05208-03

band beeinflusst. Von einer direkten Adaption kann dabei ebensowenig die Rede sein wie von einem völlig eigenständigen »deutschen Weg«. Das Konzept heterogen gemischter Verbände etwa wurde in der Tat im Führungsstab des Heeres aufgegriffen. Auch Spezialverbände wie die Psychologische Verteidigung u n d Fernspähtruppe wurden ab den frühen 1960er Jahren in die deutsche Planung miteinbezogen. Insbesondere ein Thema grundsätzlicher Art hatte die LANDCENT-Studie angeschnitten. Bei der Untersuchung der Mischungsverhältnisse wurde das Spannungsverhältnis zwischen ungemischten »Ein-heiten« gegenüber »Verbänden« so klar aufgezeigt, wie sonst in keinem Dokument. Homogene Elemente - wie z.B. das klassische Infanterieregiment - waren nach verrichtungsorientierten Gesichtspunkten zusammengefasst. Den Spezialisierungsvorteilen wie einer besseren Einzel- und Fachausbildung sowie der erhöhten Wirtschaftlichkeit infolge effizienterer Regelung von Logistik und Unterstützung standen hier »Autonomiekosten« gegenüber. Als taktischer Hauptnachteil ergab sich, dass die Grundgliederung so gut wie nie der Einsatzgliederung entsprach, somit die zeit- und organisationsaufwendige Ad-hoc-Zusammenstellung von Kampfgruppen stets notwendig war. Bei den gemischten Verbänden, einer aufgabenorientierten Gliederung also, ergaben sich als »Integrationskosten« eine schlechtere Ausbildung im rein truppenfachlicher Hinsicht sowie ein erhöhter Logistik- u n d Unterstützungsaufwand. Letzterer wurde in den deutschen Planungen von sehr »tief« gemischten Verbänden oft wenig berücksichtigt - anders als in der LANDCENTStudie. Dort wurden auch die Integrationsvorteile eines truppengattungsübergreifenden Führungsdenkens und einer integrierten Ausbildung schon im Frieden hervorgehoben. Die Spezialisierungsvorteile der homogenen, in offener Gliederung gemischten »Ein-heiten« führten zu »Autonomiekosten«, die sich

III. Die Brigade in der »Division 59«

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tendenziell in »Ressort«- oder Waffendenken äußern konnten. Dem standen beim gemischten Einheitsverband hohe »Integrationskosten« gegenüber. Die Vorteile jedes Extrempols erwiesen sich so als seine Nachteile und umgekehrt. Mit dem standardisierten, auf zwei Typen reduzierten Verband im Rahmen einer Einheitsdivision war die Annäherung der Grundgliederung an die Einsatzgliederung in greifbare Nähe gerückt. Obwohl die LANDCENT-Studie noch von »Regimentern« sprach, war auch hier das homogene Regiment alter Art verworfen worden. Die Zukunft gehörte den »Verbänden«; offen war noch, ob als spezialisierter oder als Einheitsverband.

5. Die Suche nach dem optimalen Großverband: Die »Division 59« Das Jahr 1957 war das erste Jahr nach »dem Krieg«, in dem das deutsche Heer umfangreichere Erfahrungen mit den Verbänden der Heeresstruktur 1 sammeln konnte. Der Erfahrungsbericht über die Herbstübungen 1957 deckte, in der Diktion freundlich-verbrämt, in der Sache jedoch eindeutig, die Grenzen dieser Organisationsform auf34. Es wurde festgestellt, dass die »Stärke der Einheiten und Verbände z.Zt. an der oberen Grenze dessen liegen, was in einem neuzeitlichen Kriege geführt werden kann«. Offen zeigte sich das organisatorische Dilemma: Einerseits sollte sich das »Verhältnis zwischen kämpfenden und versorgenden Teilen nicht zu Ungunsten der ersteren« verschieben. Andererseits fehlte in einigen kritischen Bereichen Personal, etwa bei den Logistikern. Auch seien Doppelfunktionen unzweckmäßig - z.B. S3-Offizier/Stellvertretender Bataillons-Kommandeur oder S4-Offizier/Chef Versorgungskompanie. Im Großen war die Forderung nach geringen Kopfstärken zu berücksichtigen, im Kleinen herrschte Aufgabenaus- bis Überlastung - diese Spannung galt für das ganze Heer. Der Erfahrungsbericht mahnte Überprüfungen neuer Gliederungsformen »als Lehr- und Versuchsübungen« an. Die Versuche zur U.S.-Pentomic-Division und die LANDCENT-Untersuchung wurden im Führungsstab des Heeres (FüH) aufmerksam registriert35. Das Jahr 1957 war ein Jahr der Studien. Auf einer Diskussion an der Heeresakademie im Mai 1957 erhielt das Konzept der zwei spezialisierten Verbandstypen Zustimmung. Je nach Hauptaufgabe Angriff oder Verteidigung sollten jeweils 2 Panzer- und 3 Grenadierbataillone oder umgekehrt zusammengefasst werden. Die organische Mischung innerhalb der Bataillone wurde abgelehnt, 34

35

FüH IV 1, Tgb.Nr. 60/58, Erfahrungsbericht Herbstübungen 1957, 12.2.1958, BA-MA, BH 1/663, S. 3 1 - 3 5 . Röttiger, Bericht über meine Reise in die USA vom 2.-21.2.1957, März 1957, BA-MA, BH 1/1589; SACEUR, Studie über die Gliederung der Landstreitkräfte, 1.6.1957 (Übersetzung), BA-MA, Bw 2/2483.

436

Martin Rink: »Strukturen brausen um die Wette«

genauso wie eine grundsätzliche Änderung der bestehenden Bausteine36. Die Bataillonstruktur nach amerikanischem Muster hatte sich also bewährt. Im Sommer 1957 tagte eine Studienkommission, die Überlegungen zu zwei Divisionstypen von je 8000 Mann Kopfstärke anstellte. Nun stellte sich eine grundlegende Alternative, die Heusinger im Juli 1957 so formulierte: Entweder man belasse es bei dieser Größenordnung des Divisionsverbandes. Dann aber werde man im Gefecht durch »Hinzunahme der vom höheren Verband zur Verfügung gestellten Verstärkungen fast zur gleichen Gliederung und Stärke kommen, wie wir sie heute haben, nur auf Umwegen«. Oder man prüfe, »ob man nicht in der Planung gleich den nächsten Schritt macht und sich die Schaffung einer gemischten Kampfgruppe analog des früheren verstärkten] Infanterieregiments überlegt, in der man alle modernen Waffengattungen vereinigt. Diese Kampfgruppen werden voraussichtlich den Erfordernissen des Atomkrieges entsprechen. Ihre Stärke sollte 4000 Mann nicht überschreiten. 3 Kampfgruppen könnten dann unter einem Div[isionsk]ommando zusammengefaßt sein. Sie müßten aber auch in der Lage sein, einige Tage abgesetzt zu kämpfen37.« Hiermit hatte Heusinger einen Umriss über die künftige Struktur gezeichnet - und zugleich die Atomforderung mit den deutschen Kriegserfahrungen verschränkt. Im Januar 1958 billigte der Generalinspekteur grobe Vorplanungen des FüH im Sinne der zweiten Alternative, der radikalen Umgliederung also. Kurz darauf erging der Befehl zur Einrichtung einer Studienkommission, die von dem für die Organisation zuständigen Referatsleiter, Oberst i.G. Otto Uechtritz geleitet wurde. Im Folgemonat folgte eine Tagung auf der Hardthöhe. Die Frage selbst war im Grundsatz aber schon entschieden: »Die Frage des Einheitsverbandes und das Prinzip der organischen Kampfgruppe gemischter Truppengattungen steht nicht mehr zur Diskussion.« Zur selben Zeit wurde der Kommandeur der Führungsakademie (FüAk) beauftragt, ein Planspiel zur Uberprüfung dieser Verbandsgliederungen durchzuführen38. Der Inspekteur des Heeres Röttiger ließ seine »Gedanken zur Gliederung eines Einheitsverbandes« Ende Januar 1958 verteilen39. Dieses Dokument war Ausgangspunkt für die Suche nach dem »optimalen Großverband« in den kommenden vier Monaten. Röttiger unterbreitete drei Gliederungsvorschläge, die seiner Meinung nach den Forderungen für einen modernen Großverband entsprachen. Ein solcher sollte für alle Kampfarten geeignet sein, die »Vorteile der Gren[adier-] und P[anzer-]Divisionen in sich vereinigen« und unter Berück36 37

38

39

V Α Fü 3 a, Bonn, 28.5.1957, BA-MA, Ν 596/12 (Nachlass Büschleb). Heusinger am 22.7.1957, zit. nach: FüH III, Tgb.Nr. 39/58 Geh., Gedanken zur Gliederung eines Einheitsverbandes, 28.1.1958, gez. Röttiger, BA-MA, Bw 2/1943, Bl. 1. FüH III (O. i.G. v. Uechtritz), Befehl zum Zusammentritt der Studienkommission für die Überprüfung des Einheitsverbandes, Tgb.Nr. 40/58 vertr., 28.1.1958; Leiter FüB III, Tgb.Nr. 155/58 geh., 27.1.1958, BA-MA, Bw 2/1943. Die offizielle Bezeichnung der FüAk, damals noch in Bad Ems, lautete »Führungsakademie der Bundeswehr - Heeresakademie«. Anlage zu FüH III, Tgb.Nr. 39/58 geh., Gedanken zur Gliederung eines Einheitsverbandes, Röttiger, 28.1.1958, BA-MA, Bw 2/1943. Hier auch die weiteren Zitate.

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Diagramm 12: Panzergrenadier- „Kampfgruppe" (= Brigade), Planung Januar 1958 Stärken 3061 - 3 6 8 3 Mann (je nach Planungsvariante)

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α Quelle: BA-MA, Bw 2/1943.

© MGFA 04883-05

sichtigung der »Atomkriegsverhältnisse« den Prinzipien »Einfachheit und Beweglichkeit« genügen. Alle Divisionen waren demnach organisch in je eine Panzer- und je 3 Panzergrenadierkampfgruppen gegliedert. Es existierte daneben eine Alternativlösung mit dem Verhältnis 1:2. Die Kampfgruppen waren ebenfalls organisch mit je 3 - 6 Bataillonen vorgesehen. Im Umriss entsprachen sie genau den Brigaden der Heeresstruktur 2. Die Bataillone waren als Verbände in einer Stärke von nicht über 650 Mann geplant, die Stärke der Kompanien sollte 150 Marin nicht übersteigen. Die Bataillone - sämtlich vollmotorisiert - waren in verschiedenen Mischverhältnissen so gegliedert, dass in jeder Kampfgruppe alle drei Arten von Kampftruppe präsent waren: Panzergrenadiere mit und ohne Schützenpanzer sowie Panzer. Damit war gewährleistet, dass jede Division wirklich »einheitlich« gemischt und zudem die unterste Führungsebene im Kampf verbundener Waffen auf die Kampfgruppe verlagert war. Der Gedanke der Organik war hier konsequent verwirklicht. »Mit einem Kommandeur an der Spitze [...] und bleibender Zusammensetzung haben sie psychologische, ausbildungsund einsatzmässige Vorteile im Krieg und Frieden gegenüber den bisherigen >ad hocKorps< geführt werden10.« Dem »Brigadebeförderungsplan« Guderians war kein Erfolg beschieden. In der Tat wäre dieser auf eine »Beförderung von Hemden zu Oberhemden« hinausgelaufen. Einen anderen Ansatz verfolgte Guderians Vorgesetzter, der Stabsabteilungsleiter FüH III, Brigadegeneral Karl Wilhelm Thilo. Er kritisierte als die »eigentliche Ursache unserer ständigen Not« zwei Fehler der Vergangenheit: zum einen die aus »politischen Gründen eingegangen[e]« NATO-Verpflichtung auf 12 Felddivisionen. Zum anderen »fehlte wohl damals eine genau errechnete Planung, welcher zusätzliche Aufwand durch fechtende Korpstruppen, Korpsversorgungstruppen, Bodenständige Organisation, TV- und Basis-Einheiten, Ausbildungs-[...] Organisation entstehen musste. Fast täglich zeigte sich, »dass Nachforderungen (z.B. Raketentransport, Raketeninstandsetzung, Verstärkung 8

9

10

FüH I U I (Guderian) an Leiter FüH III (Thilo), Tgb.Nr. 28/61 str.geh., 8.2.1961: Überlegungen für neue Organisationsplanungen, BA-MA, BH 1/9493. FüB II 2/3, Az: BRD-03-03-08, Bonn, 26.9.1958; Heeresstruktur 5 (N) nach Seifert, Die Strukturen des Heeres, S. 48. Leiter FüH IV (Bennecke) an UAL FüH III (Thilo), Tgb.Nr. 18/61 str.geh., betr.: Umorganisation, 11.4.1961, BA-MA, BH 1/9490.

IV. Das »ausgewogene Heer«

471

der Panzerabwehr, neuerdings NATO-Forderung auf weiterreichende Raketen) zwangsläufig sich ergeben. Bei reellem Rechnen sind 8 - 9 Felddivisionen derzeit das Maximum.« Daher stellte Thilo folgende Alternative: Entweder müssten »Aufstellungsplanungen zum Stillstand kommen oder wir finden neue Wege der Organisation«. Trotz seiner Kritik an der 12-DiVisionenplanung war er Realist genug, das politische Faktum zu berücksichtigen. »An der Fiktion 12 NATO-Divisionen«, so Thilo, »muß aus politischen Gründen festgehalten werden. Auch können wir die »NATO-Standard-Div[isionen]« nicht wesentlich ändern11.« Das war nun eine paradoxe Folge: Das deutsche Heer hatte seine taktisch modernen Verbandsstrukturen als NATO-Standard durchgesetzt, stand nun aber in der Pflicht, diese aufwendigen Gliederungen auch umzusetzen. In verschiedenen Alternativrechnungen suchte Thilo darzulegen, dass die bisherige Planung mit 10 gepanzerten und je einer Gebirgs- und Luftlandedivision mit 35 Brigaden plus 8 Jägerbrigaden der Territorialverteidigung nicht durchzuhalten war. Seine Lösung bestand in der Umwandlung von gepanzerten Brigaden in kostengünstigere Jägerbrigaden. Entsprechend sah er die Einbeziehung der Jäger in das Feldheer vor, sodass 2 - 3 »Jägerdivisionen« entstehen könnten. Ein Alternativplan Thilos sah sogar die Aufstellung von nur 10 Divisionen vor. Ziel der künftigen Entwicklung müsse es sein, an Stäben und an Divisionstruppen zu sparen und die Kampfkraft der Bataillone zu stärken - deren Leitungsspanne also regiesparend zu erhöhen. Wenige Tage später, Anfang März 1961 teilte Thilo den anderen Unterabteilungsleitern im Führungsstab des Heeres mit, dass der oben aufgeführte Gedankengang weiterzuverfolgen sei, allerdings unter der Bedingung, »dass größte Geheimhaltung gewahrt wird und die weiteren Arbeiten nur auf einen kleinen, namentlich bestimmten Teilnehmerkreis beschränkt bleiben«. Die Furcht der Heeresführung vor Unruhe in Truppe und Stäben war so groß, dass weder Truppenamt noch Korps zur Bearbeitung herangezogen werden durften12. Denn nur zweieinhalb Jahre nach der LV 58 wurde bereits von höchster Stelle die bestehende Organisationsform wieder radikal in Frage gestellt! In der Studie gewann ein neuer Verband an Gestalt, der das Gesicht des Heeres in den 1960er und 1970er Jahren abrunden sollte: die Jägerbrigade. Nach Thilos Vorstellungen bestand diese aus einer Stabskompanie, 2 Jägerbataillonen sowie je einem Parizerjäger-, Pionier-, Feldartillerieund Versorgungsbataillon. Als Möglichkeit wurde noch ein »Grenzwachtbataillon« vorgeschlagen. Das künftige »Jägerkonzept« prägte die Aufstellungs- und Organisationsplanungen für den weiteren Verlauf des angebrochenen Jahrzehnts. Die Pläne der Organisationsabteilung blieben nicht unwidersprochen13. Der Leiter von FüH IV Jürgen Bertnecke, war seit August 1952 Mitarbeiter in der 11

12

13

Leiter FüH III, Tgb.Nr. 30/61 str.geh. (Thilo) an Inspekteur des Heeres (Zerbel), 17.2.1961: Fortsetzung des Heeresaufbaus nach 1964, Umgliederung des Feldheeres, BA-MA, BH 1/9493. Leiter FüH III (Thilo) an FüH I, FüH II, FüH IV, FüH V, Tgb.Nr. 41/61 str.geh., 9.3.1961, BA-MA, BH 1/9493. Leiter FüH IV (Bennecke) an UAL FüH III (Thilo), Tgb.Nr. 18/61 str.geh., betr.: Umorganisation, 11.4.1961, BA-MA, BH 1/9490.

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Martin Rink: »Strukturen brausen um die Wette«

Dienststelle Blank gewesen und daher sicherlich nicht nur inhaltlich von der Fundamentalkritik aus der Schwesterstabsabteilung FüH III wenig erbaut. In seiner Replik heftete er nicht nur Guderians Plänen den Ruch eines »Betruges« an, sondern offenbarte weit grundsätzlichere Differenzen im Organisationsdenken. Es sei ein »schlechtes Geschäft«, »aktive, mechanisierte Truppen durch nur bedingt verwendungsfähige« Jäger-Brigaden zu ersetzen. »Notfalls müsste eben die Aufstellung dieser Brig[aden] weiter gestreckt [...] werden.« Im Gegensatz zu der - aus Organisationsgründen - von FüH III vorgeschlagenen breiten Gliederung bestand der Leiter FüH IV nach wie vor auf kleinen Verbänden für den Atomkrieg. Entgegen den von Guderian favorisierten sparsam organisierten Truppenteilen behielt Bennecke die leitende Idee der Heeresstruktur 2 im Vordergrund, denn eine »Reserve an Führungskapazität gehörfe ...] zu einer guten Gliederung.« Die Panzergrenadierbrigade sei »in ihrer derzeitigen Stärke und Zusammensetzung immer noch für einen taktischen Führungsstab allein zu groß«, weshalb noch ein »zusätzliche[r] Kampfgruppenstab« einzuplanen sei. Bennecke kämpfte für die Beibehaltung des alten Ziels seit Himmerod: »Alle Anstrengungen sollten [...] darauf gerichtet sein, das Ziel eines Feldheeres mit 12 mechanisierten Divisionen beizubehalten.« Um dies zu erreichen, riet er zum stärkerem »Ausschöpfen der personellen Kraft«. Hier müssten eben »Aushilfen gefunden werden«. Im zwischen den beiden Unterabteilungen im Führungsstab des Heeres ausgetragenen Meinungsspiel spiegeln sich zwei - jeweils berechtigte - Ansätze der Organisationsplanung. Der seit den Anfängen mit dem Amt Blank vertraute Bennecke (FüH IV) verwies auf Planungskontinuität und politische Rücksichten (was ihm später sicher den Weg zum Oberbefehlshaber AFCENT erleichterte). Dies war der Ansatz »von oben«. Thilo (FüH III), der 1957-1960 in Verwendungen im Truppengeneralstabsdienst gestanden hatte, betonte demgegenüber den Ansatz »von unten« - und forderte hinreichende Ressourcen für gesunde Verbände. Unter den Rahmenbedingungen der Heeresplanung war die Verwirklichung beider Anforderungen gleichzeitig zunächst unvereinbar. Ein Teilerfolg für Thilo war jedoch zweifellos die spätere Aufstellung der Jägerverbände. Eine weitere Sparidee kam im August 1962 auf den Tisch, als man erwog, die zwei Luftlandebrigaden auf »Luftlande-Kampfgruppen« herabzukürzen. Damit hätte diese »Division« aus zwei verstärkten Bataillonsverbänden mit je 1120 Mann zu jeweils 7 Kompanien und einer schwachen Divisionsleiste bestanden. Ursprünglich war ja die gesamte Luftlandedivision nicht geplant gewesen. Ihre Existenz hatte sich 1956 als Notlösung, nicht aus operativem Bedürfnis ergeben. Zudem wurden Luftlandeoperationen maximal in Kompaniebis Bataillonsstärke als sinnvoll erachtet; ein Luftlande-Großverband erschien daher überflüssig. Zudem existierte hierfür noch gar kein entsprechender Lufttransportraum. Die Gebirgsdivision wurde durch die Eingliederung starker organischer Panzerabwehr in die Gebirgsbrigaden und mit der Hinzugabe einer ganzen Panzerbrigade in das bestehende Konzept integriert. Die LuftlandeDivision dagegen blieb ein Halbding. Sie war eine »Division« dem Namen nach, die bei nahezu komplett gestrichener Divisionsleiste als Ausbildungsstab

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IV. Das »ausgewogene Heer«

Diagramm 15: Die 1. (9.) Luftlandedivision: Von der Versuchsgtiederung zum Rumpfverband (1964-1977)

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Heeresstruktur 3 (1977)

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Quelle: Geschichte der 1. Luftlandedivision 1965-1994.

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fungierte. Im Kriegsfall sollten ihre beiden Luftlandebrigaden Aufgaben als »Feuerwehr« der Korps wahrnehmen, während der Divisionsstab Mob-Verbände zu führen hatte. Das Luftlandefernmeldebataillon war zugleich der Lehrverband der Fernmeldeschule. Auch das Pionierbataillon der Division zählte doppelt, da es gleichzeitig dem II. Korps als leichtes Pionierbataillon anrechnet wurde. Das Luftlandepanzerbataillon war ein Versuchsverband, der später wegfiel. Auch Rolle und Gliederung des Gesamtverbandes wurde in Truppenversuchen Mitte 1964 weiter erprobt 14 . So ist die Luftlandedivision, in ihrer Entstehung wie in ihrer Herabkürzung geradezu ein Symbol für die sukzessiven Sparmaßnahmen im deutschen Heer: Der Verband war erst Ergebnis, dann Opfer der Sparsamkeit. Erst ab Mitte der 1960er Jahre existierte überhaupt eine Einsatzkonzeption, auf der die Organisation aufsetzen konnte. Intern gab noch im Jahr 1968 der Führungsstab des Heeres die Anzahl seiner Divisionen mit »11 + 1« an15. Die Entwicklung der Heereskonzeption ging gewissermaßen von »zwölf auf elfeinhalb«. 14

15

FüH III 1, Tgb.Nr. 28/61 str.geh., 8.2.1961, BA-MA, BH 1/9493; FüH III 1, Tgb.Nr. 178/62 str geh., 27.8.1962, BA-MA, BH 1/9498.; Amtschef Truppenamt, Tgb.Nr 56/63 VS-Vertr., 23.10.1963, FüH II 1, Tgb.Nr. 3957/63 VS-Vertr., 27.11.1963 und 7.2.1964, alle in BA-MA, BH 1/27544; FüH II 1, Tgb.Nr. 3562/64 VS-Vertr., 19.9.1964, BA-MA, BH 1/27539; Geschichte der 1. Luftlandedivision, S. 36, 66, 73 f. FüH I, Az 10-30-01, 10/1968, BA-MA, BH 1/18574.

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Martin Rink: »Strukturen brausen um die Wette«

3. Der Weg zur Heeresstruktur 3 Die Versuche, die begrenzten Mittel mit den steigenden Betriebs-, Personalund Rüstungskosten in Einklang zu bringen, zogen sich über die 1960er Jahre hin und mündeten an der Schwelle zum folgenden Jahrzehnt in der Heeresstruktur 3. Die in den früheren Konzepten der Heeresplaner erörterte Fusionierung von Territorialverteidigung/Streitkräftebasis mit dem Heer wurde im Mai 1968, unter dem Heeresinspekteur Josef Moll, entschieden. Im Herbst desselben Jahres ließ der neue Inspekteur des Heeres, Albert Schnez, eine neue Heeresstruktur entwickeln. Im Dezember wurde daraus eine Ministerweisung. Im Folgejahr wurden erst SHAPE, zu Jahresende dann die Öffentlichkeit von einer dritten Heeresstruktur in Kenntnis gesetzt. Die praktische Erprobung erfolgte in der Herbstübung »Großer Rösselsprung«16. War der Ubergang von Heeresstruktur 1 zu 2 noch von einem radikalen Bruch der Organisationsgrundsätze gekennzeichnet gewesen, so war das Heeresmodell 3 das Resultat fortlaufender Planungen über die gesamten 1960er Jahre hinweg. Das Kennzeichen hieß »Spezialisierung bei abgestufter Präsenz«. Sowohl die Spezialisierung wie die Ausdünnung der aktiven Verbände verliehen dieser Struktur gewissermaßen den Charakter eines »Sparmodells«. Wo immer möglich, sollte eine Zentralisierung zur Reduktion redundanter Führungs- und Versorgungsstrukturen greifen: neben der Integration der Territorialverteidigung sahen die Planungen ein »einheitliches und gestrafftes logistisches System« und die Zuordnung streitkräftegemeinsamer Aufgaben im Pilotdienst beim Heer vor. Bei spezialisierten Truppen wie Heeresfliegern, Pionieren, ABC-Abwehr- und Fernmeldetruppe war eine stärker »verrichtungsorientierte« Regelung von Unterstellungsverhältnissen vorgesehen. Damit war das Bemühen der Planer der Division 59, eine auf möglichst tiefer Ebene integrierte Verbands- und Führungsstruktur zu schaffen, endgültig in die Gegenrichtung umgeschlagen. Die von Thilo 1961 vorgeschlagenen Jägerverbände wurden nun bei der 2. und 4. Panzergrenadierdivision in Marburg bzw. Regensburg eingerichtet; beide wandelten sich nun zu Jägerdivisionen. Waren diese Verbände vorher mit je einer Panzer- und 2 Panzergrenadierbrigaden gegliedert, so sollten sie künftig nur eine Panzergrenadier- und 2 Jägerbrigaden umfassen. Als Ausgleich wurden auf Korpsebene Verbände zur Schwerpunktbildung geschaffen. Neben den Luftlandebrigaden war hierfür je ein Panzerregiment geplant17. Jedes Panzerregiment war zu 2 Panzerbataillonen mit je 3 Panzer- und einer 16

17

Weißbuch 1970, S. 53; FüH VI 3, Neue Heeresstruktur »Modell 3« - Historische Entwicklung, Sprechzettel für Inspekteur Heer, Az: 09-01-00, 15.3.1972, BA-MA, BH 1/2341; allgemein: Seifert, Strukturen des Heeres, S. 19-23. FüH IV 1 (III 1) an Leiter Planungsstab, Beitrag zum Weißbuch 1971, 29.1.1971, BA-MA, BH 1/2341; Inspekteur Heer, Erfahrungen mit der neuen Heeresstruktur, Sprechzettel zur großen Anfrage der Bundestagsfraktionen der SPD und FDP, 3.3.1971, BA-MA, BH 1/2341. Von den 4 geplanten Jägerbrigaden wurden real allerdings nur 3 zu solchen Verbänden umgegliedert. BA-MA, BH 8-2/1954.

IV. Das »ausgewogene Heer«

475

Grenadierkompanie vorgesehen. In der Stabs- und Versorgungskompanie des Regiments bestand je ein Zug Panzeraufklärer, Fernmelder, Pioniere und Nachschubsoldaten. Es war dies ein kurzlebiges Experiment mit organischer Mischung innerhalb des Kampftruppenbataillons, das dem Gliederungsvorschlag Mansteins von 1955 erstaunlich nahe kam. Diese Regimenter bewährten sich indessen nicht, das Panzerregiment 300 des III. Korps wurde nie aufgestellt. Das Generalkommando auf Korpsebene besaß nun eine ausgeplante und weitgehend aufgestellte Leiste an Korpstruppen: Je ein Artillerie- und Pionierkommando als Brigadeäquivalent mit mehreren, teils gekaderten Bataillonen. Dazu besaß jedes Korps je ein Fernmelde-, Heeresflieger-, Flugabwehr-, Instandsetzungs-, Nachschub- und Sanitätsregiment. Je zwei ABC-Abwehr- und Feldjäger- sowie ein gemischtes Führungsbataillon rundeten die Korpstruppen ab. Alle dieser Kräfte waren zum Teil, bei Nachschub- und Sanitätstruppe sogar mit Masse, gekadert. Besonders bei den Pionieren wichen Präsenzgrad und Zahl der Verbände von Korps zu Korps stark ab; insofern existierte keine Standardgliederung eines »Normalkorps«. Für den Bereich Schleswig-Holstein war ein eigenes gekürztes Generalkommando vorgesehen; die dort stationierte 6. Panzergrenadierdivision wurde durch je ein Heeresflieger-, Pionier- und Raketenartilleriebataillon (mit dem Waffensystem Sergeant) verstärkt. Nun besaß das Heer jeweils 4 Panzer- und 4 Panzergrenadierdivisionen, dazu 2 Jäger-, eine Gebirgs- und eine Luftlandedivision. Letztere wurde nicht als Division aufgeführt, sondern nur ihre Brigaden als Korpsreserve. Damit gab es elf Einheitsverbände mit einheitlichen Divisionsleisten: jeweils ein Fernmelde-, Panzeraufklärungs-, Pionier-, Flugabwehr-, Sanitäts- und gemischtes Versorgungsbataillon. Im Artillerieregiment waren je ein Feld- und Raketenartilleriebataillon vorgesehen, dazu bei 5 Divisionen noch ein Bataillon aufklärende Artillerie. Neben der Divisionsstabskompanie bestanden eine Heeresfliegerstaffel und ein Musikkorps. Als Kadertruppenteile waren weiterhin ein Frontnachrichtenzug und ein Sicherungsbataillon der Division vorgesehen. Die Luftlandedivision verfügte an Divisionstruppen dagegen nur eine Stabs-, Fernmelde- und Versorgungskompanie sowie ein Heeresmusikkorps und das Fernmeldebataillon, das in Hauptfunktion aber als Lehrverband der Fernmeldeschule diente. Weitgehend unverändert gingen die Brigaden aus der Heeresstruktur 2 an ihre Nachfolgerin über. Die Panzerbrigade war nach wie vor in 2 Panzer-, und je ein Panzergrenadier-, Panzerartillerie- und Versorgungsbataillon gegliedert. Dazu kamen je eine Stabs-, Panzeraufklärungs-, Raketenpanzerjäger-, Panzerpionier- sowie eine Ausbildungskompanie. Die Stärken waren gegenüber der Heeresstruktur 2 leicht angepasst, das Panzergrenadierbataillon bestand allerdings zu einem Fünftel, das Versorgungsbataillon zu einem Drittel aus MobStellen. Die Panzergrenadierbrigade sah genauso aus wie die Panzerbrigade, nur in spiegelverkehrtem Verhältnis von 2 Panzergrenadier- zu einer Panzerbrigade. Hier war allerdings bei den Panzergrenadieren ein Präsenzgrad von fast 100 Prozent vorgesehen. Die Jägerbrigade stand 1969 fast genau so in der Planung, wie in den Entwürfen zu Anfang des Jahrzehnts vorgesehen: mit 3 Jägerbataillonen (eins davon im Frieden inaktiv) sowie je einem Panzerjäger-,

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Martin Rink: »Strukturen brausen um die Wette«

Diagramm 16: Jägerbrigade nach Heeresstruktur 3, Planung 1970

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Stärke: 4 3 7 5 (F) 3370(V)

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Quelle: BA-MA, BH 2/437 und BH 1/ 2096.

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Panzerartillerie- und einem Versorgungsbataillon. Auf der Brigadeleiste fehlte wegen des entsprechenden Bataillons nur die Panzerjägerkompanie. Im Versorgungsbataillon der beiden Gebirgsbrigaden war zusätzlich zur Transportkompanie noch je eine Tragtierkompanie mit Maultieren vorgesehen18. In der Heeresstruktur 3 (1970-1979) hatte das deutsche Heer zwar eine Umgliederung erfahren, sein Gesicht jedoch behalten. Trotz der stellenweise Verstärkung des infanteristischen Elements war die gepanzerte Division als »Normaldivision« im Grundsatz erhalten geblieben. Dies war ein Erbe der Heeresplanung seit Himmerod. Die Grundstruktur der Verbände wurde aus der »Division 59« übernommen. Umfangreiche Logistik- und Infanteriekräfte dienten als Ausgleich und Bedingung für den Einsatz des gepanzerten Feldheeres. Der Atomforderung wurde Rechnung getragen durch Integration von Atomwaffenträgern in die Divisionsartillerie und die Anpassung der entsprechenden Logistiktruppen und Sicherungskräfte. Das Heer war nun weitestgehend aufgestellt. Die Indienststellung der jeweils dritten Brigade bei der 7., 10. und 12. Panzerdivision erfolgte aber erst 1975; da präsentierte das Weißbuch bereits 18

FüH I 3, Neue Heeresstruktur (»Modell 3«), 28.1.1969, BA-MA, BH 2/437 und BH 1/2096; FüH IV 4: Org-Maßnahmen 1972 - Übersicht über Aufstellungsstand der Verbände/Einheiten und Kommando-Bereiche nach Modell 3, Bonn 15.10.1971, BA-MA, BH 1/16963 und BH 1/16964.

IV. Das »ausgewogene Heer«

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die »Struktur 80«, die sich zur Heeresstruktur 4 auswachsen sollte19. Das Heer besaß nun elf »echte« Divisionen, aber 36 Brigaden. Nach 20 Jahren Aufbauarbeit »stand« das Heer; es existierten zwölf Divisionsäquivalente.

4. Bewertung: Von zwölf auf elfeinhalb Trotz des windungsreichen Prozesses der Planungs- und frühen Aufstellungsphase - eines lässt sich zweifelsohne festhalten: Das deutsche Heer hatte um die Mitte der 1960er Jahre »seine« Struktur gefunden. Mit der NATO-Assignierung der 12. Panzerdivision am 10. April 1965 existierten seitdem 12 deutsche Heeresdivisionen, wenngleich verschiedener Art und Kampfkraft. Das Heer verfügte über atomwaffenfähige Verbände mit allem, was dazu gehörte - ausgenommen den Schlüsseln zu den Sprengköpfen. Im Rahmen eines lang andauernden Prozesses hatten die Bundeswehrplaner das Konzept eines »optimalen Großverbandes« entwickelt, der sowohl den Anforderungen des - vom Kriege bekannten - gepanzerten Gefechts als auch den Szenarien des Atomkrieges gerecht zu sein versprach. Diese Struktur, exemplifiziert in der »Division 59«, war sogar zum bündnisweiten Vorbild avanciert. Die Divisions- und Brigadestrukturen, die in den Jahren 1955-1958 gefunden worden waren, überdauerten bis in die 1990er Jahre. Anderen Strukturen der NATO-Staaten, z.B. der »Pentomic Division«, war dieser nachhaltige Erfolg nicht beschieden. Dennoch war 1965, im zehnten Jahr der Bundeswehr, manche Ziel Vorstellung aus den frühen 1950er Jahren nicht verwirklicht worden. Von den 12 Divisionen existierten nur »elfeinhalb«. Ganz offensichtlich reichte die Heeresstärke von 305 000 Mann nicht aus, das Divisionsdutzend voll zu machen. So wurde ständig nachgebessert. Das Heeresmodell 2, obwohl übungserprobt, hochgelobt und NATO-Standard, unterlag in den 1960er Jahren stetig weiteren Verfeinerungen, Verbesserungen und Innovationen im Detail. Vordergründig ging es stets ums Sparen. Insbesondere die dünne Personaldecke und fehlendes Geld veranlassten die »Organisateure«, die gerade erst gefundene Struktur immer wieder neu zu strecken. Um die Mindestforderungen aus der Bedrohungsanalyse und den NATO-Forderungen wenigstens durch hinreichende MobVerbände zu erfüllen, wuchs das Heer in die »Breite«, vielfach durch gekaderte oder inaktive Verbände. Dabei blieb es das Bestreben, möglichst »offiziersparend« zu gliedern - mit allen daraus resultierenden Ausbildungs- und Führungsproblemen. Entsprechend lässt sich in den 1960er Jahren ein allgemeiner Trend zur Erhöhung der Leitungsspanne bei allen Truppen feststellen. Dies war die Gegenentwicklung zur »schlanken« aber »steilen« Gliederungstendenz der 1950er Jahre mit ihrer angestrebten Reserve an Führungskapazität (= »Regie«). 19

Weißbuch 1975/76, S. 111 f.; Weißbuch 1973/74, S. 72-75; Die neue Struktur der Bundeswehr, S. 19-30.

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Martin Rink: »Strukturen brausen um die Wette«

Zudem trug die Kaderung einem Kern-Mantel-Prinzip Rechnung: Um die 11 panzerstarken Divisionen des Feldheeres herum wuchs ein Kranz aus Logistiktruppen, Kampfunterstützern und Sicherungskräften, die den Erstgenannten die »Operationsfreiheit« gewährten. So führte die parallel zum Aufbau des Feldheeres vonstatten gehende Aufstellung einer Heimatverteidigung zu einer Doppelaufgabe. Bei knapper als erwartet ausfallenden Kassen lief dies auf weitere Streckübungen hinaus. Wo immer man die Decke auf noch unbedeckte Stellen hinzuziehen suchte, immer wieder entblößte man dadurch andere Gebiete der Zielvorstellung; zum Erreichen des Gesamtziels blieb sie zu kurz. Doch war die Decke nicht nur zu kurz, sie verschob sich auch insgesamt. Denn es ergaben sich zusätzliche Arbeitsfelder auf dem Gebiet der Organisation. Die von Thilo angesprochene »ständige Not« der Organisationsplaner war nicht allein durch die begrenzten Ressourcen bedingt. Es wuchsen die Ziele, nicht aber die Mittel. Dies verwob sich mit dem Zwangskorsett, resultierend aus Forderungen der Frühzeit, die nun auf die eigene Situation zurückschlugen, denn die 12 gepanzerten Divisionen waren nun nicht mehr so sehr deutsche, sondern NATO-Forderungen; verglichen mit den Handlungssträngen und -Windungen der frühen 1950er Jahre war das eine fürwahr bemerkenswerte Umkehrung der Ziele. Der zunächst belächelte »Versorgungsluxus« der Amerikaner war nun auch zum Kennzeichen des deutschen mechanisierten Heeres geworden. Der Ersatz von Personal durch Technik erhöhte zwangsläufig den Wartungs- und Versorgungsaufwand, was leicht in eine Spirale zu führen drohte. Diese Spirale wurde hochgeschraubt durch ein weiteres Ziel, an das zu denken in Himmerod noch schlicht verboten war: die Aufstellung von deutschen Verbänden mit Atomwaffenträgern. Es existierten um 1965 nun 47 vollaufgestellte Raketenartilleriebatterien, die im Rahmen von 4 Raketenbataillonen Sergeant bei den Korps und LANDJUT sowie in 11 Bataillonen Hones John bei den Divisionen bestanden. Bei der Divisionsartillerie waren ferner 9 nuklearfähige Feldartilleriebataillone aufgestellt. Allein zur Sicherung dieser nuklearen »Sonderwaffen« bei Artillerie und Nachschubtruppe waren Kräfte in Stärke einer Infanteriebrigade eingeplant. Das Himmeroder Planungsziel von 12 Divisionen war somit in den 1960er Jahren einer wesentlich differenzierteren Zielvorstellung gewichen. Es standen zwar noch nicht alle geplanten Divisionen »komplett«, aber hierauf allein kam es immer weniger an. Zur »Ausgewogenheit« des Heeres gehörte die ganze Skala auf dem Kontinuum der Abschreckung: von der örtlich begrenzten Heimatverteidigung über die gepanzerten Großverbände des Feldheeres bis zur Verfügung über taktische Atomwaffenträger, mit all den Versorgungs- und Unterstützungstruppen im Hintergrund. Die Planungen der gesamten 1960er Jahre mündeten in der Heeresstruktur 3, in der sich die Strategie der »Flexiblen Antwort« (flexible response) spiegelte. Mit dem Anwachsen des abgestuften Verteidigungsinstrumentariums auf allen Ebenen der Palette hatte sich die eingangs gestellte Frage nach der »magischen 12« relativiert. Aus der operativen Einschätzung der frühen 1950er Jahre, dass zwölf Divisionen im Kern eines westdeutschen Verteidigungsbeitrags ste-

IV. Das »ausgewogene Heer«

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hen müssten, war ein Angebot an die NATO geworden. Aus dieser deutschen Selbstverpflichtung hatte sich die Gegenforderung der NATO und vor allem des US-amerikanischen Verbündeten entwickelt. Operativ war die »Division« als kleinstes Grundelement aber spätestens mit Einnahme der Heeresstruktur 2 gegenstandslos geworden. Als entscheidende Größe, auch im NATO-Rahmen, trat zunehmend die Brigade als »Recheneinheit« hervor 20 . Politisch dagegen blieb die Division nach wie vor die kleinste Größenordnung zur Bemessung eines Verbandes. Das führt zur zweiten eingangs gestellten Frage »Was ist überhaupt ein als »Division« bezeichneter Großverband?« Genau der Begriff hinter dieser Bezeichnung verschob sich im Betrachtungszeitraum eklatant! Die Disparität zwischen der »politischen Division« und der »militärisch-organisatorischen Division« wirft das Vergleichsproblem auf. Bereits im rein militärischen Kategorien ist dies schwierig: Denn der »Maßstab >Division gleich Division* entspricht nicht den tatsächlichen Gegebenheiten und führt zu Fehleinschätzungen«, so die Kampfkraft-Experten des FüH im Herbst 196821. Der Vergleich nach Kopfstärke, Bewaffnung und Funktion kann nur anhand von einheitlichen Begriffen und Vergleichskategorien vorgenommen werden, die es jedoch eigentlich nicht gibt: Zu unterschiedlich sind oft Begrifflichkeit, Führungsdenken, politische, militärische, nationale sowie mentale Traditionen, die sich in der jeweils nationalen und zeitlich gebundenen Organisationsform spiegeln. So bleibt jeder der hier vorgestellten Verbände letztlich ein Unikum. Die Eigenart der aufzustellenden Verbände ist ein wichtiges Untersuchungsfeld der Organisationsgeschichte, weist jedoch über diese hinaus. Die dritte Frage, die es zu klären galt, war die nach dem Panzer als Hauptwaffe. Auch bezüglich der Panzerdivisionen ist das Kennzeichen »Division« erläuterungsbedürftig: Wenn im Herbst des Jahres 1950 von »zwölf deutschen Divisionen« die Rede war, handelte es sich um völlig andere Divisionen, als diejenigen, die fünfzehn Jahre später als Panzer- oder Panzergrenadierdivisionen zwischen Neumünster und Sigmaringen standen. Das um die 200 Divisionen umfassende planwagen- und pferdebespannte »Kernheer« der deutschen Wehrmacht existierte 1950 nicht mehr physisch, wohl aber noch als der Erfahrungshintergrund, über den die Planer in der Ermekeilkaserne, dem Sitz des Amtes Blank, verfügten. Durch die erlebten Anfangserfolge im »Blitzkrieg«, aber sicher auch durch die langjährig nagende Erfahrung eines Mechanisierungsdefizits in der Wehrmacht avancierte der Panzer zur Lieblingswaffe der deutschen Heeresplaner. In der Bundeswehr geriet die Infanterie in den Hintergrund; aber nur begrifflich, denn aus motorisierter leichter Infanterie wurden »Panzergrenadiere

20 21

FüH I, Az 10-30-01, 10/1968, BA-MA, BH 1/18574. FüH I 1, Grobanalyse zur Bestimmung des Kampfkraft-Faktors von Großverbänden in Mitteleuropa, 1.10.1968, BA-MA, BH 1/27537, Bl. 1; vgl. auch den Vergleich von Verbänden der Bundeswehr, U.S. Army und der Roten Armee mit Hilfe von »Kennzahlen«: BMVg V Β 3, Hilfsmittel zur Beurteilung der mil. Organisation, 3.12.1956, BA-MA, BH 1/619.

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(mot.)«. Gerade in der Anfangsphase sagten viele der Truppenbezeichnungen mehr über die Planungsabsicht als über die Ausrüstung des Verbandes aus. Damit verglichen musste die Vorstellung einer Armee, die sich mit Masse noch zu Fuß bewegte, die allenfalls noch mit der Eisenbahn verlegt werden konnte, im zehnten Jahr der Bundeswehr wie ein Anachronismus anmuten. In der Tat war es kein geringer Aufstellungserfolg, eine voll motorisierte, weitgehend mechanisierte und gepanzerte Streitmacht von elf weitgehend vollständigen Divisionen und einer Rumpfdivision zu präsentieren. Freilich war deutlich geworden, dass die Forderung nach kampfkräftigen Divisionen, die dem Zeitalter der Motorisierung entsprachen, einen Unterstützungsaufwand mit sich brachte, der den stetigen organisatorischen Anpassungsdruck mitverursachte. Dies spiegelt sich im Anwachsen der geplanten Divisionstranchen; ein Prozess, der parallel zum Säkulartrend ab Mitte des 20. Jahrhunderts, der Massenautomobilisierung, lief und wohl lange Zeit von den Heeresplanern der Bundeswehr unterschätzt worden war. Insofern kann die Einführung des Verbrennungsmotors in die Heere ab dem zweiten Drittel des 20. Jahrhunderts als Ursache von deren tiefgreifenden Umformung von Taktik und Organisation angesehen werden. Der Motor war Grundlage für die Panzertaktik, seine Verabsolutierung durch eine »Blitzkrieglegende« führte auf sowjetischer wie auf deutscher Seite zum Panzer als »erste Geige« im Orchester der Abschreckung22. Der Test, ob dieses Panzerkonzept - und die entsprechende Organisationslösung - im Atomszenario noch Bestand haben konnte, blieb der Welt zum Glück erspart. Doch war die Organisation des bundesdeutschen Heeres von der Bestrebung geprägt, den Motor gewissermaßen als »Gegenwaffe« zur anderen großen technischen Entwicklung einzusetzen, denn die Epoche zwischen 1945 und 1989 wurde gewissermaßen »überstrahlt« durch die Atomwaffe. Dieser wollte man durch gesteigerte Beweglichkeit gerecht werden; in dieser Beziehung behandelten die Übungen der 1950er Jahre die »lokalen« taktischen Atomeinsätze in der Tat wie ein etwas leistungsgesteigertes Artilleriefeuer, so wie Adenauer es zum Schrecken der deutschen Öffentlichkeit postulierte23. Organisatorisch ergab sich hieraus die Forderung nach einem »atomgerechten« Verband, der gewissermaßen durch die Atomisierung eines Truppenkörpers in das kleinstmögliche operativ noch auf dem Gefechtsfeld verwendbare Element gefunden wurde. Bei näherem Hinsehen ergibt sich, dass diese Entwicklung jedoch dem Pfad folgte, der im Zweiten Weltkrieg bereits beschritten, aber noch nicht ausgetreten war. Sowohl die Entwicklungen von Motoren- und Panzertechnik als auch diejenige in der Atom- und Raketentechnik verdeutlichen, dass der organisatorische Fortschritt mit der technischen Entwicklung Schritt halten musste. Im Ergebnis lief man dem stetig wachsenden materiellen Aufwand gewissermaßen hinterher. Diese »Auto-Immobilisierung« als Folge des »1950er-

22

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Guderian, Erinnerungen eines Soldaten, S. 38 f.; Guelton, Das Problem der mechanisierten Operationsführung, S. 193; Frieser, Blitzkrieg-Legende, S. 409-415; Groß, Das Dogma der Beweglichkeit, S. 158; Manteuffel, BA-MA, Ν 617 ν. 18, Bl. 10 a. Adenauer, Erinnerungen, Bd 1, S. 296.

IV. Das »ausgewogene Heer«

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Syndroms« war allerdings keine Spezialität der Bundeswehr. Der Drang nach optimaler Mobilität bei hohem Ressourceneinsatz war ein Strukturmerkmal auch anderer Bereiche der westdeutschen Wirtschaft und Gesellschaft24. Die Organisationsgeschichte des Heeres der Bundeswehr ist ein klassisches Beispiel für den »Technisch-Organisatorischen Fortschritt«. In direkter Weise zeigte sich dieser in einer stetigen Erweiterung der Unterstützerdichte. Dabei sprach man stets von einer Erhöhung von Kampfkraft, nie von der des »Schwamms« (laut Manstein). Die Spannung zwischen auftrags- und ressourcenorientiertem Planungsansatz zeigt sich im Pendelschlag der Organisationsgeschichte des bundesdeutschen Heeres. Ein ressourcenorientierter Ansatz hätte »von unten nach oben«, von der Einzelaufgabe zum Gesamtverband erfolgen müssen. Dies ließ sich aber in der Anfangsphase der Bundeswehr überhaupt nicht verwirklichen - Waffen und Gerät fehlten, Ausbildungs- und Führungsgrundsätze wurden gerade erst konzipiert. Genau dadurch wurde aber der Bedarf an Verfügungs- und vor allem an Logistiktruppen im Korpsbereich eklatant unterschätzt. So ist die Geschichte der Organisation des deutschen Heeres noch durch weitere Untersuchungen zur Geschichte der Logistik zu ergänzen. Hinsichtlich der Aufbauschwerpunkte im Heer wurde dieses Thema vor allem in den 1960er Jahren, mit vollständiger Aufstellung der Korpstruppen akut. Für die Aufbauphase 1950-59 kann dagegen eine gewisse »OperationsLastigkeit« im auf das Führungsgrundgebiet G3 (früher: Ia) fixierten Denken der Heeresplaner konstatiert werden. Der »Helfer« galt nach wie vor weniger als der »Kämpfer«. Dies spiegelt sich in der Führungselite der frühen Bundeswehr wider, in welcher der Anteil aus dem Bereich der Unterstützungswaffen auffallend gering war25. Der Ansatz der »Operateure« war freilich kaum anders möglich als »von oben nach unten«: von der politischen Forderung zum Gesamtkonzept, von dort zum Grobplan und dann zu den (oft lückenhaften) Determinanten für die Umsetzung. Eine andere Herangehensweise verbot sich - mangels Masse und aufgrund der politischen Restriktionen. Dieser Ansatz unterlag mindestens dreimal grundlegenden Wandlungen: Der Ubergang von der EVG zur NATO von 1954 zu 1955, die Betonung der nuklearen Komponente in den Jahren 1956-1959 und die Hinwendung zur abgestuften Eskalationsmöglichkeit mit Anbruch der 1960er Jahre änderten das Gesamtkonzept jeweils grundlegend. Ein Unterziel zu dessen Verwirklichung dagegen blieb konstant - die 12Di Visionenforderung. Doch ist das Verteidigungsinstrumentarium nur im Bezug auf den Einsatzzweck denkbar. Und den »elfeinhalb« Divisionen wuchs, verbunden mit dem umfangreichen Pool an »non-divisional-troops«, eine erhebliche Kampfkraft zu. Das Heer des Jahres 1965 unterschied sich somit erheblich von dem, das im Jahr 24

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Abelshauser, Deutsche Wirtschaftsgeschichte seit 1945, S. 340 f. Zur Übertechnisierung der Bundeswehr um 1980 auch: Uhle-Wettler, Gefechtsfeld Mitteleuropa, bes. S. 79, 82. Die Argumentation verläuft hier ähnlich wie die von Miksche ein Vierteljahrhundert zuvor. Stumpf, Die Wiederverwendung von Generalen, S. 492.

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Martin Rink: »Strukturen brausen um die Wette«

1955 geplant war, und vollends von dem der Jahre 1940-45, das im gedanklichen Hintergrund der frühen Planer stand.

5. Bilanz: Strukturen - Ereignisse - Moden Zwar hatte das Heer seit 1958 seine Struktur im Wesentlichen gefunden. Dennoch war der Gang der Planungen und Umplanungen Außenstehenden nicht immer vermittelbar. Thilos Geheimhaltungsweisung vom März 1961 spricht Bände. Es wurde eingangs der Verdacht geäußert, dass es sich in der Organisationsplanung neben »objektiven« Kriterien auch um Moden im Organisationsgeschehen gehandelt haben könnte. Diese Mutmaßung gilt nicht nur für das deutsche Heer allein: Als einen solchen vorübergehenden Modetrend ä la Christian Dior kritisierte der amerikanische Journalist und Militärhistoriker S.L.A. Marshall die Pentomic-Konzeption26. Freilich lehnte sich auch die von John Foster Dulles im Januar 1954 auf den Begriff des »New look« gebrachte Strategie in ihrer Wortschöpfung an eine gleichnamige Dior-Modekreation an27. Moden scheint es entsprechend auch im Organisationsgeschehen und in der Strategiefindung zu geben, allerdings ist ihr Auftreten - in Anlehnung an den Wirtschafts- und Organisationswissenschaftler Alfred Kieser - keineswegs nur negativ zu beurteilen. Als Spiegel der tieferliegender Gegebenheiten erfüllen sie durchaus ihren Zweck: als Wahrnehmungs- und Deutungsmuster, um ein zielgerichtetes Handeln zu ermöglichen. Sowohl in der deutschen »Panzerliebhaberei« (Greiner) als auch in der Pentomic-Gliederung traten solche militärische Organisationsmoden hervor. Sie erschienen einmal in der deutschen Verabsolutierung des Panzergroßverbandes, in dem eine »Blitzkrieglegende« mit ihrem »Dogma der Beweglichkeit« nachwirkte. Diese Mode war zweifellos die prägnante Reaktion auf die sowjetische Bedrohung und trug zugleich der Erfindung des Verbrennungsmotors mit all seinen Folgewirkungen Rechnung. Eine zweite »Mode« zeigte sich in der Verabsolutierung der atomaren Kriegführung, die mit dem Namen der Pentomic-Division verbunden ist. Beide Konzepte setzten sich letztlich nicht in Reinform durch; das Ergebnis war ein Kompromiss. So geben Moden nicht nur Orientierung und helfen insofern bei der Konzeptionsfindung und -umsetzung, sondern tragen »durch eine Akkumulation von vielen kleinen [...] Schritten zum Wandel der Organisationen bei«28. Mochte der Ausprägungsgrad der deutschen Panzerlastigkeit in den Heeresstrukturen 1 und 2 gegenüber den anderen westalliierten Armeen vielleicht ein wenig von einem Modetrend besitzen, so war die militärische Bedrohung durch sowjetische Panzerarmeen sehr real und der deutsche Grundansatz zweifellos 26 27 28

Bacevich, The Pentomic Era, S. 132. Soutou, La guerre de Cinquante Ans, S. 280. Kieser, Moden & Mythen des Organisierens, S. 39; Kieser, Mit dem Trend, S. 188-190.

IV. Das »ausgewogene Heer«

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zweckmäßig. Doch mit dem Panzer als Hauptwaffe gegen den Panzer ergab sich der Kreislauf einer strukturellen Entwicklung, die fortwährend eine weitere Komplexitätssteigerung militärischer Organisation bewirkte: Es waren der technische Fortschritt und damit die Vervielfachung der handelnden Akteure sowie die Verzahnung unterschiedlichster Kommunikationsstränge im Führungsablauf. Dies mag - neben anderen Faktoren - auch die »Anreicherung« des Dienstgradkegels erklären, sodass der einst herausgehobene Oberstleutnant in 50 Jahren Bundeswehr ein wichtiger, aber mittlerweile »alltäglicher« Dienstgrad geworden ist29. Diese »Inflation« ist indessen u.a. auch ein Ausdruck des technisch-organisatorischen Fortschritts und des infolgedessen ansteigenden Anforderungsprofils an die Akteure, denn sie spiegelt die Tatsache, dass eben nicht mehr wie einst ein »Häuptling« völlige Automie beim Führen seiner »Indianer« besitzt. Denn Führung ist - gerade im Zeitraum 1940-1970 - viel zu komplex geworden, als dass sie ohne ein buchstäbliches Heer von Spezialisten in Stäben, Ämtern, Schulen, und korrespondierenden Truppenteilen auskäme. Im Vorgehenden wurde das Spannungsverhältnis zwischen offener Kampfgruppengliederung und der organischen Gliederung verfolgt. Als der »optimale Großverband« erwies sich der organische Verband in Brigade- und Divisionsstärke, so wie er in den Jahren 1960-1990 das Gesicht des deutschen Heeres, ja der NATO-Landstreitkräfte in Europa Mitte prägte. Mit dem Epochenbruch zwischen 1989 und 2001 scheint das Pendel erneut in Richtung »offene Gliederung« zurückgeschlagen zu sein. Die Einsätze der Bundeswehr seit 1992 sind durch das »offene Mischen« aus sehr heterogenen Modulen gekennzeichnet, um die Einsatzverbände jeweils »maßgeschneidert« für Auftrag, Gelände und Weltregion zu gliedern 30 . Die bewährte Panzerbrigade dagegen ist in ihrer Grundgliederung gegenüber dem Stand von 1958 in mancher Hinsicht verändert worden, das Grundkonzept ist jedoch noch erkennbar. Anzahl und Art der Divisionsverbände dagegen zeigen derzeit (2006) ein völlig neu organisiertes Heer31. Strukturen brausen um die Wette ...

29 30 31

Gallig hierzu Kießling, Versäumter Widerspruch, S. 284-287. Vad, Neue operative Aufgabenfelder, S. 7. Rink, Das Heer der Bundeswehr im Wandel, S. 147-152.

Dieter Η. Kollmer »Klotzen, nicht kleckern!« Die materielle Aufrüstung des Heeres von den Anfängen bis Ende der sechziger Jahre

I. Einleitung Die moderne Militärgeschichtsschreibung rückt gerne die Erörterung politischer, strategisch-operativer und personeller Entwicklungen in den Vordergrund. Dabei wird häufig übersehen, dass Soldaten ohne angemessene Ausrüstung in keinem Abschnitt der Weltgeschichte in der Lage gewesen wären, die militärischen Pläne ihrer Politiker und Generalstäbe in die Tat umzusetzen. Da die Ausstattung von Streitkräften aber kein konstanter Faktor ist, wie zum Beispiel die Oberflächenstruktur des zu verteidigenden Landes, sondern eine Variable, ist es zwingend notwendig, bei der Beurteilung militärhistorischer Zusammenhänge auch die Entwicklung der Rüstungswirtschaft in der jeweiligen historischen Periode genauer zu untersuchen. Zwei Beispiele aus der neueren Geschichte sollen dies kurz verdeutlichen: Helmuth von Moltke der Ältere war in den Reichseinigungskriegen 1864-1871 ein offenkundig brillanter Feldherr. Dennoch wären ihm die Erfolge gegen die süddeutschen und französischen Streitkräfte ohne die optimale Ausnutzung der neuesten Waffentechniken (z.B. Zündnadelgewehr und gezogene, gusseiserne Hinterladergeschütze) und der Massenproduktion in den Waffenschmieden an Rhein und Ruhr (z.B. Krupp, Thyssen) nicht möglich gewesen. Die Mobilisierung der amerikanischen Industrie im Zweiten Weltkrieg für den Krieg gegen das Deutsche Reich und Japan führte trotz zunächst unterlegener Waffentechnik und unerfahrenerem militärischem Führungspersonal zum uneingeschränkten Sieg. Die große Menge amerikanisches Kriegsmaterial und dessen intensiver Einsatz an allen Fronten der Auseinandersetzung gegen die immer schwächer werdenden Achsenmächte erdrückten jene letztlich. Auch andere Konflikte haben verdeutlicht, dass im Industrie- und noch mehr im High-TechZeitalter die erfolgreiche Kriegführung nicht nur eine Frage genialer Feldherren und tapferer aufopferungsbereiter Soldaten ist, sondern insbesondere der ökonomischen und technischen Möglichkeiten einer Gesellschaft. Dazu gehört natürlich auch der politische Wille, diese bereitzustellen. Als am 12. November 1955 die ersten Soldaten der Bundeswehr ihre Ernennungsurkunden überreicht bekamen, stand noch nicht endgültig fest, welche konkrete Aufgabe die zukünftigen bundesdeutschen Streitkräfte im Rahmen der North Atlantic Treaty Organisation (NATO) erhalten sollten. Folglich gab es auch noch keine verbindlichen taktischen Grundsätze für die Verteidigung der Bundesrepublik Deutschland. Aber genau diese Informationen benötigten die Planer im Bundesministerium der Verteidigung (BMVg), um eine den Aufgaben und Grundsätzen angemessene Struktur für die Bundeswehr entwickeln zu

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Dieter Η. Kollmer: »Klotzen, nicht kleckern!« Die materielle Aufrüstung des Heeres

können. Diese Struktur wiederum bestimmte, von welcher Truppengattung wie viele Einheiten aufgestellt werden würden. Hieraus konnten dann schließlich die dafür verantwortlichen Abteilungen im BMVg ableiten, welches Wehrmaterial für die Ausstattung der neuen Streitkräfte beschafft werden musste. All dies geschah zudem unter immensem Zeitdruck, da Bundeskanzler Konrad Adenauer den NATO-Verbündeten zugesagt hatte, dass die Bundesrepublik innerhalb von drei Jahren rund 500 000 Mann aufstellen werde1. Das Heer hatte hierbei den Auftrag, mit gut 350 000 Soldaten die größte Teilstreitkraft bereitzustellen. Die Struktur des Heeres musste aber in den ersten Jahren des Bestehens der Bundeswehr aufgrund von politischen und bündnisinternen Entscheidungen mehrfach von den dafür zuständigen Gremien den neuen Vorgaben entsprechend angepasst werden. Durch diese Änderungen und den erheblichen Zeitdruck wurde die Beschaffung von Rüstungsgütern in erheblichem Maße beeinflusst. Eine kontinuierliche Planung und Steuerung, die für die nachfragenden Dienststellen und die anbietende Industrie sehr wichtig gewesen wäre, wurde erst im Laufe der 1960er Jahre realisiert2. So stellte bereits Anfang 1957 der Abteilungsleiter »Verteidigungswirtschaft und Technik« im BMVg frustriert fest: »Hauptprobleme: zu wenig Zeit, zu geringe Bereitschaft der bundesdeutschen Industrie Rüstungsgüter zu produzieren, zu wenig verfügbare Haushaltsmittel, und für das wenige Geld sollen die Beschaffer die modernsten Waffensysteme beschaffen3.« Von grundsätzlicher Bedeutung für die militärische Verteidigungsplanung sind die geographischen Rahmenbedingungen und der Oberflächenbewuchs des Territoriums, das es zu verteidigen gilt. Die östlichen Grenzgebiete der alten Bundesrepublik Deutschland sind - außer in den Bereichen des Harzes und des Bayerischen Waldes - zumeist flach bis leicht wellig und nur wenig bewaldet. Diese Oberflächenstruktur eignet sich aufgrund der Bewegungsmöglichkeiten besonders für den Einsatz von starken Panzerkräften. Folgerichtig sah die Angriffsstrategie der sowjetischen Armee vor, mit reinen Panzerverbänden durch die norddeutsche Tiefebene in Richtung Rhein und weiter bis zur Atlantikküste vorzustoßen. Da die sowjetischen Streitkräfte aber - so die Erfahrung aus dem Ostfeldzug im Zweiten Weltkrieg - aus Sicht der deutschen Militärplaner gegenüber beweglicher Operations- und Gefechtsführung nur sehr schwerfällig reagierten und sich Kampfpanzer (KPz) am besten durch Kampf-

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Zu der Problematik der Zusage über 500 000 deutsche Soldaten in drei Jahren aufzustellen, siehe Anfänge Westdeutscher Sicherheitspolitik (AWS), Bd 3, S. 630-635 (Beitrag Greiner). Zu den Schwierigkeiten die Anforderungen und Struktur der Bundeswehr in den 1950er Jahren in Übereinstimmung zu bringen siehe, ebd., S. 561-850. Zu den Problemen der Rüstungsgüterfinanzierung in den ersten Jahren der Bundeswehr siehe AWS, Bd 1, S. 757-874 (Beitrag Köllner/Volkmann). Zur Problematik der Rüstungsgüterbeschaffung siehe Kollmer, Rüstungsgüterbeschaffung, S. 23-130 und AWS, Bd 4, S. 1-186 (Beitrag Abelshauser). BA-MA, Bw 1/347485, BMVg, Abteilungsleiter X: Vermerk für die Sitzung des Verteidigungsrates am 22. Januar 1957, Bonn, 26. Januar 1957, S. 3 f.

I. Einleitung

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panzer bekämpfen ließen4, stand seitens der Heeresführung frühzeitig die Forderung im Raum, die neu aufzustellenden eigenen Streitkräfte mit einem überproportional großen Anteil an Panzerfahrzeugen auszustatten5. Nur so, glaubten die militärischen Planer im Verteidigungsministerium, konnten die numerisch unterlegenen westlichen Verteidiger einen massiven konventionellen Angriff sowjetischer Streitkräfte abwehren. Hierzu galt es die Beweglichkeit der eigenen Kampftruppe mit Kampfpanzern, Brücken-, Jagd- und Flugabwehrpanzern zu ermöglichen. Damit auch die infanteristischen Kräfte die Panzerverbände angemessen unterstützen konnten, sollten sie - so eine weitere Erfahrung aus dem Ostfeldzug - ebenfalls hinreichend motorisiert, bewaffnet und möglichst durch Vollpanzerung geschützt sein6. Um dies zu gewährleisten, musste ein entsprechender Panzer beschafft oder gar neu entwickelt werden. Dementsprechend sahen die ersten Strukturplanungen vor, dass von den seitens der NATO geforderten zwölf deutschen Heeresdivisionen neun als Panzerdivisionen (PzDiv) und nur drei als so genannte Schützendivisionen aufgestellt werden sollten. Wenige Monate später wurde aufgrund der Veränderung der NATO-Strategie die Zahl der PzDiv allerdings auf sechs reduziert. Gleichzeitig erhöhte sich der Anteil der »Grenadierdivisionen« (GrenDiv), wie die infanteristischen Verbände seit Ende 1954 genannt wurden, auf sechs7. Dies hatte erhebliche Auswirkungen auf die Ausstattung mit Großgerät. Plötzlich wurden nämlich nicht mehr nur eine große Anzahl Kampfpanzer, sondern auch Schützenpanzerwagen (SPW) - Vorläufer der Schützenpanzer (SPz), zumeist offene Halbkettenfahrzeuge - für die Erstausstattung der Divisionen des Heeres gebraucht. Das in den 1920er Jahren von General Hans von Seeckt erstmalig für den modernen Krieg in einer Vorschrift festgelegte »Gefecht der verbundenen Waffen«8 wurde als taktischer Grundsatz in die Bundeswehr übernommen. Hierfür musste natürlich ebenfalls entsprechendes Großgerät für die Kampfunterstützungstruppen beschafft werden: u.a. Artillerie-, Flugabwehr-, und Panzerabwehrgeschütze, sowie schweres Pioniergerät, Truppentransportflugzeuge, Flugzeuge für die Luftnahunterstützung. Darüber hinaus galt es für die Führungsunterstützungskräfte angemessenes Wehrmaterial zur Verfügung zu stellen, um den Anforderungen der Kampftruppen im »Gefecht der verbundenen Waffen« gerecht zu werden. Insbesondere bei der Beschaffung von Helikoptern, Fernmeldegerät und Transportfahrzeugen orientierten sich die verantwortlichen Referate im Verteidigungsministerium zunächst an den amerikanischen Streitkräften und deren Erfahrungen im Koreakrieg. 4

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BA-MA, BHD 8, HDv 100/1: Grundsätze der Truppenführung des Heeres (T.F./G.), März 1956, S. 10 f. BA-MA, Bw 9/51, Dienststelle Blank, Ref. II/PI/H/G3. Betr.: Vorschlag für die Gliederung und den Umfang des deutschen Heeres-Kontingentes, 1. Oktober 1954. Senger und Etterlin, Gedanken, S. 130. BA-MA, Bw 9/51, Dienststelle Blank, II/P1/H/G3. Betr.: Aufstellungsplanung Heer, 1. Dezember 1954. Vgl. Beitrag Rink. »Dienstvorschrift Führung und Gefecht der verbundenen Waffen (F.u.G.)«, Teil 1 vom 21. September 1921, Teil 2 vom 20. Juni 1923.

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Dieter Η. Kollmer: »Klotzen, nicht kleckern!« Die materielle Aufrüstung des Heeres

Einleitend werden im vorliegenden Beitrag die besonderen Rahmenbedingungen für die Beschaffung von Rüstungsgütern skizziert. Darauf aufbauend folgt eine kurze Darstellung der für den materiellen Aufbau der Bundeswehr und die Weiterentwicklung der Ausrüstung relevanten außen- und sicherheitspolitischen Vorgaben der NATO. Die Mitgliedschaft in einem multinationalen Verteidigungsbündnis führt immer zu ökonomischen Rücksichtnahmen und Kompensationsgeschäften. Inwieweit sich diese auf den Aufbau der Bundeswehr und ihre Planungen bis in die 1970er Jahre hinein ausgewirkt haben, wird ebenso dargestellt wie die Umsetzung der Vorgaben in konkrete Rüstungsprojekte. Die vorgestellten Großprojekte wurden hier exemplarisch ausgewählt: angefangen von der Erstausstattung durch die Amerikaner, über die ersten eigenen Entwicklungsversuche, die Lehren aus den Projekten der ersten Jahre, bis hin zu zwei besonderen Beispielen, die ein besonderes Problem der Staatsnachfrage verdeutlichen. Die Bundeswehr erhielt ihre Erstausstattung mit Militärgerät von den Vereinigten Staaten. Dies war weniger auf die Großzügigkeit der Amerikaner und deren Einsicht zurückzuführen, dass die Bundesrepublik nicht in der Lage sein würde, aus dem Stand heraus mehrere hunderttausend Soldaten auszustatten. Es lag vielmehr daran, dass die westdeutsche Industrie nicht von heute auf morgen Waffen in großen Mengen herstellen konnte und wollte. Außerdem war man in Washington froh, dass die Deutschen den amerikanischen Truppen in Mitteleuropa das mittlerweile veraltete Gerät abnahmen und somit vielleicht auch zukünftig Rüstungsgüter von US-Herstellern kaufen würden. Der Schützenpanzer »Hispano Suiza HS 30« war das erste von der Bundeswehr selbstständig entwickelte und durchgeführte Heeresgroßprojekt. An dieser Beschaffungsmaßnahme wird exemplarisch und umfassend die Komplexität der Rüstungsgüterbeschaffung für die junge Bundeswehr dargestellt. Dabei wird insbesondere die innerministerielle und parlamentarische Entscheidungsfindung näher beleuchtet. Die vielen Fehler, die bei der Beschaffung des HS 30 fast zwangsläufig gemacht wurden, konnten bei der Planung und beim Kauf seines Nachfolgers vermieden werden. Mit der schrittweisen, vorbildlichen Entwicklung der »Schützenpanzerfamilie, neu« mit ihrem berühmtesten Spross, dem Schützenpanzer »Marder«, bewies das Beschaffungswesen der Bundeswehr seine Lernfähigkeit. Trotzdem konnten im Rahmen dieser Entwicklung nicht alle Ziele verwirklicht werden. Die geplante Familie von Infanteriepanzern entstand zwar nicht, dafür aber der leistungsstärkste Schützenpanzer seiner Zeit: ein Quantensprung für die deutsche Panzergrenadiertruppe und Rüstungsindustrie. Fast gleichzeitig wurde der bekannteste deutsche Panzer entwickelt: Der Kampfpanzer »Leopard«. Er war das erste wirkliche Plattformmodell, auf dem u.a. der Bergepanzer, der Brückelegepanzer »Biber« und der Flugabwehrpanzer »Gepard« entwickelt wurden. Zudem war er Ergebnis erster Versuche einer internationalen Rüstungskooperation auf europäischer Ebene. Die Entwicklung des Kampfpanzers »Leopard« basierte nämlich auf einem trinationalen Panzerentwicklungsprojekt mit Italien und Frankreich.

I. Einleitung

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Die Artillerie der Bundeswehr wurde bis Mitte der 1970er Jahre fast ausschließlich mit amerikanischen Modellen ausgestattet. Das Gerät war jedoch in den ersten Jahrzehnten der Bundeswehr größtenteils veraltet. Aufgrund der stets angespannten Haushaltslage mussten für die benötigte Quantität bei der Qualität erhebliche Abstriche gemacht werden. Dementsprechend griff man immer wieder auf die von den Amerikanern ausrangierten und kostengünstig überlassenen Modelle zurück. Der Schwerlasttransporter HET 70 war dagegen ein Gemeinschaftsprojekt, das in Kooperation mit den Vereinigten Staaten entwickelt und danach in nationaler Zuständigkeit umgesetzt wurde. Seine Entstehung verdeutlicht die Reibungsverluste bei einer Gemeinschaftsentwicklung durch zwei Nationen mit sehr unterschiedlichen sicherheitspolitischen Ausrichtungen. Zwei bemerkenswerte Einzelfälle sollen das Bild über die materielle Aufrüstung des Heeres bis in die 1960er Jahre hinein abrunden. Die so genannte »Türkenmunition« und die Beschaffung des französischen Schützenpanzers »Hotchkiss« sind typische Beispiele für die Instrumentalisierung der Rüstungsgüterbeschaffung für staats- und wirtschaftspolitische Zwecke. Auf eine weitere Darstellung des Erwerbs truppengattungsspezifischen Großgerätes und der Ausrüstung der Soldaten musste verzichtet werden, da es den Rahmen dieser Studie gesprengt hätte. Abschließend wird eine Bewertung der Gesamtentwicklung vorgenommen, inwieweit die vorgegebene Planung und die Umsetzung in Übereinstimmung gebracht werden konnten. So viel sei hier schon vorweggenommen: Es hat sehr unterschiedliche Ergebnisse in den verschiedenen Phasen der materiellen Auf- und Ausrüstung der Bundeswehr gegeben.

II. Die politischen, ökonomischen und militärischen Rahmenbedingungen für die materielle Aufrüstung des Heeres der Bundeswehr 1 1. Rüstungsgüterbeschaffung im staatspolitischen Kontext Rüstungsgüterbeschaffung dient dem einzelnen Staat zunächst als Mittel zur Selbstbehauptung gegen gewaltsame Einflussnahme von außen, sei es durch Kriegsverhütung mittels Abschreckung oder durch Kriegführung. Der historische Rückblick zeigt, dass der Erwerb von Rüstungsgütern schnell zu einem Politikum werden kann. Denn wirtschaftliche Prosperität und militärische Rüstung sind gleichermaßen Instrumente wie Ziele eines modernen Industriestaates. Beide stehen aber in einem intensiven Spannungsverhältnis zueinander: langfristig ist dabei wirtschaftliche Leistungsfähigkeit die Voraussetzung für militärische Stärke2. Staatsnachfrage hingegen ist von jeher ein politisches Lenkungsinstrument3. Die Ausgaben für den Auf- und Ausbau von Streitkräften orientieren sich demzufolge nicht primär an dem »rüstungsspezifischen Optimierungsprozess«4, sondern vielmehr an Fragen der Außen-, Sicherheits-, Innen·, Sozial-, Finanz-, Wirtschafts- und Außenhandelspolitik des jeweiligen Landes. Gleichwohl sind die sekundären Funktionen der Rüstung zumeist legitime Staatszwecke, die aber in nachhaltiger Konkurrenz zu den eigentlichen Zielen der Rüstung stehen. Eines der wichtigsten Ziele eines Staates ist die Maximierung der gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrt. Erreicht werden kann dies aber nur durch eine bestmögliche Allokation der Ressourcen desselben. Die optimale Verteilung der 1

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Ausführlich hierzu siehe Kollmer, Rüstungsgüterbeschaffung, S. 2 3 - 1 3 0 . Der Begriff »Aufrüstung« ist in diesem Zusammenhang bewusst gewählt worden, da der Aufbau der Bundeswehr nicht die Wiederaufrüstung der Wehrmacht war. Die Bundeswehr ist die erste deutsche Streitmacht, die durchweg nach rechtstaatlichen Prinzipien aufgebaut wurde und ist somit nur aus chronologischer Perspektive Nachfolger der Wehrmacht. Rechtlich und strukturell hat sie einzig durch die zeitliche Nähe mit ihrer Vorgängerin marginale Gemeinsamkeiten. Siehe hierzu Krüger, Sicherheit durch Integration, S. 2 f. Zu der politischen Bedeutung der Staatsnachfrage siehe Berthold/Külp, Grundlagen der Wirtschaftspolitik, S. 144 f. Hiermit sind der militärische Zweck, die technischen Realisierungsmöglichkeiten und die finanziellen Vorgaben gemeint. Ausführlich hierzu siehe Bode, Politische, militärische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen, S. 13.

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Produktionsfaktoren ist aber immer von der politischen Struktur und den mittelfristigen Zielen einer Gesellschaft abhängig. So können sich totalitäre Regime relativ willkürlich Rüstungsgüter beschaffen, um ihre Macht zu stärken und ihre Interessen national wie international zu wahren und auszuweiten. Die Produktion oder den Kauf von Kriegsmaterial machen die Regierenden dieser Staatsform zumeist nicht von volkswirtschaftlichen Rahmendaten abhängig. Hauptursache hierfür ist, dass sie keinem demokratischen Entscheidungs- und Rechtfertigungsprozess unterliegen und wirtschaftliche Unausgewogenheiten häufig mit langfristigen, ideologischen Zielen begründet werden5. In einem demokratischen Rechtsstaat ist die Beschaffung von Wehrmaterial hauptsächlich dem parlamentarischen Willensbildungsprozess untergeordnet. Das heißt, dass nur die im Verteidigungshaushalt zur Verfügung gestellten Mittel tatsächlich für militärische Zwecke verwendet werden können6. Darüber hinaus ist die mittelfristige volkswirtschaftliche Entwicklung entscheidend dafür, welche finanziellen Mittel der Verteidigungshaushalt zur Verfügung gestellt bekommt und welche Rüstungsgüter im Inland produziert werden können oder importiert werden müssen bzw. sollen. Die Bundeswehr diente zunächst nur als Mittel zum Zweck im Rahmen der Abschreckungsstrategie der NATO. Dadurch wurden die jungen westdeutschen Streitkräfte einem Entscheidungsprozess unterworfen, der für ihre militärische Einsatzfähigkeit häufig von Nachteil war. Wiederholt hatten Beschaffungsmaßnahmen, die aus außenhandels-, bündnis-, regional- oder wirtschaftspolitischen Erwägungen getroffen wurden, zur Folge, dass Ausrüstungsgegenstände beschafft wurden, die nicht einmal den Mindestanforderungen der Truppe entsprachen7. Herausragende Beispiele für das Heer waren ohne Zweifel die Beschaffung großkalibriger türkischer Munition (1956), des Schützenpanzers HS 30 (1957) und des Geländewagens VW-Iltis (1973). Diese aus politischen Gründen resultierenden Ineffizienzen in der Ausstattung der Bundeswehr haben die Bonner Entscheidungsträger jedoch bis 1991 nur geringfügig beunruhigt, da die Streitkräfte einzig der Prävention eines militärischen Konfliktes dienen sollten. Erst durch die sukzessive Erweiterung des Aufgabenspektrums der Bundeswehr seit 1991 hat es grundlegende Veränderungen in der Beschaffungspolitik gegeben8. Minderwertiges Wehrmaterial kann seitdem fatale Konsequenzen haben - für die Soldaten im eigentlichen Sinn und für die Verantwortlichen zumindest politisch. Folglich sind die qualitativen Anforderungen an die Hersteller von Rüstungsgütern seit Anfang der 1990er Jahre erheblich gestiegen. 5

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Herausragende Beispiele in der deutschen Geschichte hierfür sind die Wirtschafts- und Rüstungspolitik im »Dritten Reich« (siehe hierzu u.a. Kriegswirtschaft und Rüstung) und in der DDR (die wissenschaftliche Aufarbeitung der Rüstungswirtschaft in der DDR ist ein noch ausstehendes Desiderat). Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv (RWWA), Köln: RWWA 48-1-2, Rede des Ministers für Wirtschaft und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen vor dem Präsidium der Industrie- und Handelskammer des Landes Nordrhein-Westfalen am 15. Dezember 1954, S. 1. Siehe hierzu der umfangreiche Bestand bei BA-MA, BV 3/11588. Siehe hierzu auch Handbuch Ausrüstung Bundeswehr.

II. Die politischen, ökonomischen und militärischen Rahmenbedingungen

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In den ersten zwei Jahrzehnten der Bundeswehr wurden sehr unterschiedliche Wege der Rüstungsgüterbeschaffung beschritten, da sich die Rahmenbedingungen im Laufe der Jahre immer wieder veränderten. Zunächst war die schnelle Aufstellung das wichtigste Ziel der Aufrüstung. Dessen ungeachtet wollte der zweite Verteidigungsminister Franz Josef Strauß ab Ende der 1950er Jahre eine »Qualitätsarmee« schaffen. Die Bundeswehr sollte nicht mehr so schnell wie möglich aufgebaut werden, sondern eine moderne, den gewachsenen Anforderungen der NATO entsprechende Ausstattung erhalten. Dabei spielte die nukleare Komponente eine Rolle. In der Folge fand eine deutliche Verschiebung der politischen Vorgaben statt, die auf eine Konsolidierung der Streitkräfte ausgerichtet war. Dennoch unterlag die Rüstungsgüterbeschaffung in dieser Zeit auch einigen unverrückbaren Konstanten. Diese »Daten« und die bereits angesprochenen »Variablen«, die von den Verantwortlichen je nach Bedarf geändert wurden, sollen im Folgenden grundsätzlich aufgezeigt und als Rahmenbedingungen für die Aufrüstung des Heeres verdeutlicht werden.

2. Außen- und sicherheitspolitische Vorgaben

Die entscheidenden, wenn auch zumeist sehr allgemeinen Vorgaben für die Beschaffung von Rüstungsgütern resultierten beim Aufbau der Bundeswehr aus der Bündniszugehörigkeit und der Zusage des Bundeskanzlers Konrad Adenauer gegenüber den Alliierten, innerhalb weniger Jahre einen substantiellen westdeutschen Verteidigungsbeitrag zu leisten. Diese Instrumentalisierung militärischer Aufgaben für vorrangige Ziele von Status- und Souveränitätsgewinnen machte den Aufbau der Streitkräfte auf Jahre hinaus zu einer abhängigen Größe außen- und bündnispolitischer Vorgaben. Dazu gehörten für den Bundeskanzler natürlich auch die verstärkten Bemühungen um eine europäische Einigung. Im Rahmen dieser Europapolitik wurden gemeinsame Rüstungsprojekte angestrebt, die aber aufgrund unterschiedlicher nationaler Voraussetzungen zumeist nicht verwirklicht werden konnten9. Außerdem wurden verschiedene lukrative Aufträge in »freihändiger Vergabe«10 erteilt, um verbündete Staaten ökonomisch zu unterstützen. Diese außenpolitisch-pragmatischen Vorgehensweisen schlugen sich wiederholt in qualitativen Mängeln der Bundeswehrausrüstung nieder11. Schließlich ging es bei diesen Entscheidungen nicht darum, das optimale Wehrmaterial zu beschaffen, sondern vielmehr um die außenpolitische Instrumentalisierung dieser Form der staatlichen Nachfrage. BA-MA, BH 1/2726-2, BMVg, FüB III 3 an den Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses. Betr. Einzelplan 14, Kapitel 15, Titel 652, hier: Jagdpanzer, Kanone und Standardpanzer, Bonn, 18. Juni 1963. Zu den rechtlichen Rahmenbedingungen der Rüstungsgüterbeschaffung siehe Kap. II.5. Siehe hierzu insbesondere die Kap. IV.2 und IV.7.

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3. Fiskalisches Gleichgewicht und volkswirtschaftlicher Rahmen Die sicherheitspolitischen Möglichkeiten eines Staates stehen immer in direkter Beziehung zu seinen fiskalischen Einnahmen. Armeen waren und sind dabei besonders kostspielige Instrumente staatlicher Machtausübung. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts waren Staatsausgaben zum Großteil Militärausgaben12. Trotzdem ist die adäquate Finanzierung von Streitkräften seit Jahrhunderten eines der größten Probleme der jeweiligen Machthaber13. Dessen waren sich auch die dafür verantwortlichen Bonner Politiker von Anfang an bewusst14. Die Bundesregierung wollte durch die hohen Kosten des Verteidigungsbeitrages die innere Stabilität der jungen Republik auf gar keinen Fall gefährden. Folglich musste die umfangreiche und kapitalintensive Aufrüstung so finanziert werden, dass sie keine spürbaren Einschnitte bei der wirtschaftlichen Expansion und bei den sozialen Leistungen der Bundesrepublik verursachte, mithin die fiskalische Äquivalenz gehalten wurde. Durch eine vorsichtige Haushaltsplanung und eine boomende Wirtschaft hatte der Bund in den 1950er Jahren aber zumeist volle Kassen. Das hatte entgegen allen Befürchtungen zur Folge, dass die Bundesrepublik ihren Verteidigungshaushalt nicht durch Kredite finanzieren musste. Die Prognosen der Dienststelle Blank und des Bundesministeriums für Wirtschaft (BMWi), dass die Aufstellung westdeutscher Streitkräfte »keine erhebliche[n] Mehrbelastungen] mit sich bringen [und] die Mehrausgaben [...] leicht mit marktkonformen Mitteln gelöst werden [könnten]«15, bestätigten sich hingegen nur zum Teil. Der Aufbau der Bundeswehr wäre nämlich ohne die zusätzlich stabilisierende finanzielle Unterstützung aus Washington nicht in dem Maße und in der erreichten Geschwindigkeit realisierbar gewesen. Die Alliierten versuchten selbstverständlich durch ihre Vorgaben, Forderungen und Leistungen einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Finanzpolitik und -Wirtschaft der Bundesrepublik zu nehmen. Dabei standen Vorgaben und Forderungen umfangreichen Hilfen gegenüber, so im Rahmen des »European Recovery Program« (auch: ERP/»Marshall-Plan«) und des »Nash-Commitment«16. Trotz-

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Siehe hierzu die programmatischen Schriften des Nestors der bundesdeutschen Militärfinanzwissenschaft Lutz Köllner: Köllner, Rüstungsfinanzierung; Köllner, Militär und Finanzen; Köllner, Militärausgaben und Militärstruktur; AWS, Bd 3, S. 7 5 7 - 8 7 4 (Beitrag Köllner/V olkmann). Herausragende Beispiele in der deutschen Geschichte hierfür sind Kaiser Maximilian I. (1493-1519), der seine Landsknechte mit Hilfe der Verpfändung des Tiroler Silberbergbaus an verschiedene oberdeutsche Handelshäuser finanzierte, und Walter Rathenaus »Kriegsrohstoffabteilung«, mit der das Vorstandsmitglied der AEG die deutschen Rüstungsanstrengungen während des Ersten Weltkrieges organisierte. Bundesfinanzminister Fritz Schäffer während seiner Haushaltsrede am 8. Dezember 1955 vor dem Bundestag. In: Haushaltsreden, S. 300. BA-MA, Bw 9/4246-21, Dienststelle Blank, Abt. V: Ergebnisvermerk über die Besprechung zwischen Abt. II und Abt. V am 9. Februar 1955. Siehe hierzu Kap. IV.l.

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dem ist es primär der strikten Haushaltsdisziplin des damaligen Finanzministers Fritz Schäffer (CSU)17 zu verdanken, dass der Aufbau der westdeutschen Streitkräfte ohne relevante finanzwirtschaftliche Nachwirkungen verwirklicht werden konnte. Dem Verteidigungsministerium bereitete es in den 1950er Jahren hauptsächlich deshalb Schwierigkeiten, mit den vom Finanzministerium bereitgestellten Geldern Rüstungsprojekte zu verwirklichen, weil auch die Militärausgaben in der Bundesrepublik den Grundsätzen und Praktiken der allgemeinen Rechnungskontrolle unterlagen. Es galt noch die »Jährlichkeit des Budgets«: Die Haushaltsmittel mussten in dem Jahr, für das sie bewilligt waren, auch ausgegeben werden. Milliardenschwere Beschaffungsvorhaben müssen aber aufgrund ihres schrittweisen Beschaffungsvorganges über mehrere Jahre hinweg abgerechnet werden. In den ersten Jahren eines Großprojektes fallen zumeist eher geringfügige Kosten an. Erst mit der Auslieferung des truppentauglichen Gerätes wird der größte Teil der Rechnung beglichen. Hätte das Verteidigungsministerium mithin die beiden vorgenannten Prinzipien regelkonform angewandt, wäre es Anfang der 1960er Jahre zahlungsunfähig gewesen. Umgangen wurde diese missliche Situation durch die angesparten Finanzmittel des so genannten Juliusturmes18, durch die Einrichtung milliardenschwerer Konten bei oder für Zentralbanken verbündeter Staaten als Anzahlungen auf spätere Rüstungskäufe und durch bewusst überhöhte Vorauszahlungen an zukünftige Auftragnehmer. Die Nachfolger Schäffers hatten dieses Problem nicht mehr. Nur wenige Wochen nach der Bundestagswahl 1957 wurde die Gesetzgebung für den Bundeshaushalt grundsätzlich auf den noch heute gültigen Stand gebracht. Seitdem kann jedes Ressort der Bundesregierung größere Ausgaben über mehrere Etats verteilen. Aber nicht nur eine sinnvolle Verteilung der Haushaltsmittel über einen überschaubaren Zeithorizont ist im Sinne der »fiskalischen Äquivalenz« von Bedeutung. Auch die Relation von Einnahmen und Ausgaben im gemeinhin als »Boomphase« bezeichneten Zeitraum der Jahre 1955 bis 197019 muss aufgezeigt werden, um die asymmetrische Entwicklung der Beschaffung von Rüstungsgütern für das Heer im weiteren Verlauf nachvollziehen zu können. Jede Volkswirtschaft ist Teil der Weltwirtschaft und somit abhängig von deren Entwicklungen. Im Kalten Krieg kam die Konfrontation der Systeme und deren ökonomische Ausprägung Plan- gegen Marktwirtschaft als wichtiger exogener Faktor zusätzlich hinzu20. Folglich orientierte sich die junge Bundes17

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Zur Person des ersten Finanzministers siehe die lesenswerte Biographie Henzler, Fritz Schäffer. So wurden die von Schäffer seit 1956 gebildeten Rücklagen für die Finanzierung noch anstehender Rüstungsvorhaben von der deutschen Presse in den 1950er Jahren nach dem Lagerort des preußischen Kriegsschatzes in der Festung Berlin-Spandau tituliert. Siehe hierzu u.a. Erker, Dampflok, Daimler, Dax, S. 256-258J Weimer, Deutsche Wirtschaftsgeschichte, S. 9 5 - 1 0 5 . Siehe hierzu u.a. Markt oder Plan.

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republik sehr eng an den marktwirtschaftlich ausgerichteten Staaten in Westeuropa. Die Weltwirtschaft entwickelte sich vom Ende des Zweiten Weltkrieges bis zur großen Ölkrise von 1973 im Rahmen der bekannten volkswirtschaftlichen Zyklen. Diese latenten Konflikte führten dazu, dass insbesondere den westeuropäischen Politikern klar wurde, dass man schon im Frieden für einen möglichen Verteidigungsfall erhebliche volkswirtschaftliche Ressourcen binden musste. Das Dilemma war das angemessene Abwägen von militärischen Erfordernissen zur Verteidigung gegen die dafür durch die ökonomischen Verhältnisse verfügbaren Mittel. So verschärften die ernsthaften Rüstungsbemühungen der Europäer in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre durch ihre inflationären Begleiterscheinungen immer wieder die bereits bestehenden ökonomischen Schwierigkeiten21. Um dieses Problem in den Griff zu bekommen, hoffte man Mitte des Jahrzehnts in der NATO, mit der Nuklearisierung der Verteidigungsstrategie die mit der Aufrüstung einhergehenden ökonomischen Probleme lösen zu können. Sie versprach nämlich erhebliche Einsparpotentiale bei den kostenintensiven konventionellen Streitkräften22. Dies hatte für die Bundesrepublik nicht unbedeutende Auswirkungen. Trotz gleichbleibenden Auftrages für die Bundeswehr musste sie zusätzliche finanzielle Mittel für die Ausstattung der eigenen Streitkräfte mit Trägersystemen für Atomwaffen bereitstellen, die langfristig für andere Vorhaben vorgesehen waren23. Dass fast zeitgleich mit dieser finanzpolitisch schwerwiegenden NATO-Forderung der Wirtschaftsaufschwung in Westdeutschland in den 1960er Jahren zu Ende ging, erhöhte die ökonomischen Probleme in der Phase des Streitkräfteaufbaus zusätzlich. Oberstes Ziel volkswirtschaftlicher Prozesse ist es, die Nachfrage- und die Angebotsseite den Anforderungen des Marktes entsprechend in Ubereinstimmung zu bringen24. Der Staat versucht, als Nachfrager die eigenen Aufrüstungsbemühungen sinnvoll in seine Wirtschafts- und Außenhandelspolitik zu integrieren ohne dabei größere finanzpolitische Reibungsverluste zu verursachen25. Im Gegensatz dazu versuchen die Unternehmen, die sich als Anbieter an der Rüstungsgüterproduktion beteiligen, den Markt für militärische Ausrüstung der Nachfrage entsprechend zu bedienen und dabei möglichst hohe Gewinne zu erzielen. Konsequenterweise wollten die für die Beschaffung verantwortlichen Beamten im Verteidigungsministerium von Anfang an Strukturen und Gesetze schaffen, die ein marktkonformes Verhalten ermöglichten26. Manche Unternehmen nutzten andererseits die geringe Erfahrung der Beamten im Umgang mit ökonomischen Abläufen zu ihren Gunsten aus, zumal ein erheblicher Zeitdruck auf den Beschaffungsabteilungen im Ministerium lastete. 21 22 23 24

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Hammerich, Invasion oder Inflation, S. 31-34. Siehe hierzu Thoß, Kollektive Verteidigung, S. 27. Siehe hierzu Kap. IV.5. Es handelt sich dabei um ein Ideal, welches nur punktuell verwirklicht werden kann. In der Volkswirtschaftlehre werden diese Punkte als »Pareto-Effizienz« bezeichnet. BA-MA, ΒV 3/11798, Denkschrift des Bundesfinanzministeriums »Die Finanzierung von Investitionen für Rüstungsproduktion« vom 18. November 1955. BA-MA, Bw 9/4237, Das Beschaffungswesen der Bundeswehr. 1. August 1957.

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Eigentlich war es praktisch unmöglich, in der Zeit des so genannten Wirtschaftswunders kurzfristig eine Streitmacht von 500 000 Mann aufzustellen und auszurüsten, da es nicht den Willen und die Vollmacht gab, knappe Ressourcen gegen den Strom der Hochkonjunktur in die Rüstungswirtschaft zu lenken27. Trotzdem hatte die Bundesregierung frühzeitig öffentlich angekündigt, dass der größte Teil der Rüstungsaufträge im Inland vergeben werden würde. Nur die Waffensysteme, die aufgrund des Vertrages zur Westeuropäischen Union (WEU) nicht in der Bundesrepublik hergestellt werden durften, wollte man im Ausland beschaffen. Ziel der angestrebten bevorzugten Vergabe im Inland war es, »eine allgemeine Weiterentwicklung auf diesem Gebiet [zu] ermöglichen«28. Das Know-how sollte in der Bundesrepublik bleiben, um eine eigene Rüstungsindustrie aufbauen und mittelfristig Nachbaurechte für Rüstungsgüter an Verbündete verkaufen zu können. Diesem Ansinnen des Verteidigungsministeriums widersprachen Wirtschafts- und Finanzministerium. Sie forderten mehr Auslandskäufe, um die Zahlungsbilanzüberschüsse mit einigen Handelspartnern im europäischen Raum auf ein wirtschaftlich vertretbares Maß reduzieren zu können. Das Verteidigungsministerium wollte dagegen im Einzelfall entscheiden, ob es sinnvoller erschien, im In- oder im Ausland Rüstungsgüter nachzufragen29. Das Wirtschafts- und das Finanzressort setzten sich letzten Endes durch. Dabei kam ihnen die volkswirtschaftliche Entwicklung der jungen Bundesrepublik zur Hilfe. Aufgrund der einsetzenden Hochkonjunktur waren die industriellen Kapazitäten Westdeutschlands voll ausgelastet. Außerdem wollte die bundesdeutsche Industrie noch nicht investitionsintensive Rüstungsgüter produzieren. Aber auch fehlendes Know-how und veraltete Produktionsanlagen verhinderten einen höheren Anteil westdeutscher Unternehmen am Aufbau der Bundeswehr. Zwangsläufig wurden in den ersten Jahren der Bundeswehr rund 60 Prozent der Rüstungsaufträge in das verbündete Ausland vergeben30. Die Entwicklung der Rüstungsgüterproduktion in Westdeutschland verlief atypisch. Bedingt durch die Beschränkungen der Pariser Verträge waren für den Aufbau der Bundeswehr nicht so sehr die bundesdeutsche Schwer-, Luftfahrzeug- und Schiffsbauindustrie von herausragender Bedeutung, sondern vielmehr die Bekleidungs-, Lebensmittel-, Handfeuerwaffen- und Automobilindustrie sowie das Baugewerbe. Die deutsche Produktion der für militärisches Großgerät relevanten Montanendprodukte stieg im Laufe der 1950er Jahre nur 27 28 29

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Α WS, Bd 4, S. 160 (Beitrag Abelshauser). BA-MA, BV 3/11795, dpa 137/131 vom 21. Mai 1955. BA-MA, Bw 1/347485, BMVg, Abteilungsleiter X: Vermerk für die Sitzung des Verteidigungsrates am 22. Januar 1957, Bonn, 26. Januar 1957, S. 1 f. Konsequenterweise wurde vorwiegend Wehrmaterial von Handelspartnern beschafft, die ein hohes Zahlungsbilanzdefizit gegenüber der Bundesrepublik hatten. Insbesondere Großbritannien, Frankreich, Italien und die Türkei profitierten hierbei von Großaufträgen. Dabei galten Großbritannien und Frankreich als teure Anbieter mit veralteten Produktionstechniken. Die Qualität der Produkte aus Italien und der Türkei war wegen ihrer technischen Mängel berüchtigt. Siehe hierzu auch Kollmer, Rüstungsgüterbeschaffung, S. 88 f.

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marginal an31. Das militärische Großgerät wurde zunächst im Ausland beschafft: Schiffe in den USA und Großbritannien, Flugzeuge in den USA und Italien, sowie Panzer in den USA, Großbritannien und Frankreich. Bundesdeutsche Unternehmen hingegen versorgten die neuen Streitkräfte mit den elementaren militärischen Ausrüstungsgegenständen: die persönliche Ausrüstung der Soldaten, Kleinfahrzeuge, Handfeuerwaffen, Büroausstattungen, Büromaterial, Unterkunftsmobiliar und Lebensmittel32. Aber auch Kasernenanlagen, Depots, Flug-, Truppenübungs- und Liegeplätze wurden für die Unterbringung von Soldaten und Gerät dringend benötigt33. Insbesondere im Handwerk, Baugewerbe und beim mittelständischen produzierenden Gewerbe sorgte die Aufrüstung der Bundeswehr für volle Auftragsbücher und einen erheblichen Zuwachs an Arbeitsplätzen34. Die Industrie hingegen wollte noch Ende des Jahrzehnts zuerst den privaten Konsum befriedigen und nur mit freiwerdenden Kapazitäten die Nachfrage des Verteidigungsministeriums bedienen. Man war der festen Überzeugung, dass »die [...] Aufrüstung im Zeichen der Hochkonjunktur [...] nur schrittweise nach einem auf längere Zeit abgestellten Plan erfolgen [darf], um die Volkswirtschaft durch zusätzliche Belastungen nicht zu schädigen«35. In diesen Wirtschaftszweigen wurde und wird »rüstungskeynsianisch« gedacht: in Zeiten der Hochkonjunktur und Vollbeschäftigung wird der Einzelplan 14 als »Eventualhaushalt« betrachtet, der in Zeiten des als unvermeidlich angesehenen konjunkturellen Einbruchs am Ende einer Hausse bereitstehen soll, um die schlimmsten Folgen abzufedern. Erst als die Hochkonjunktur Anfang der 1960er Jahre erwartungsgemäß ein wenig an Schwung verlor, wurde auch die Schwerindustrie in der Rüstung wieder aktiv, so z.B. Flick (Krauss-Maffei), Krupp, Thyssen, Siemens, Haniel und MAN. Die Produktion von Wehrmaterial erhielt innerhalb vieler traditioneller Rüstungsunternehmen trotzdem nicht mehr die Bedeutung früherer Zeiten. Dafür waren aber viele mittelständische und Kleinunternehmen an Aufträgen des Verteidigungsministeriums interessiert, wobei dies von Branche und Region abhängig war. In Phasen der Konjunkturschwäche wurde und wird die Rüstungsgüternachfrage deshalb häufig als Mittel der Wirtschaftspolitik eingesetzt. So hat die Bundesregierung in verschiedenen Fällen die Beschaffung von Wehrmaterial dazu genutzt, bedrängten Großunternehmen zu helfen. Diese Form der verdeckten Subvention kam etwa in den 1950/60er Jahren Unternehmen wie BMW oder Henschel zugute. Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit hierfür sind die Beschaffung des Geländewagens »Iltis« von Volkswagen und die Stützung der DASA durch Großaufträge für die Luftwaffe (Jäger 90/2000/Eurofighter). Hierbei handelte es sich oftmals um Beschaffungsmaß-

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Statistik der Montanproduktion Deutschlands, S. 366, 386, 455, 458. BA-MA, Bw 9/4220, BMVg, Leiter der Abteilung XI an Staatssekretär. Betr.: Entwurf »Erfahrungen aus einjähriger Vergabe von Rüstungsgüteraufträgen«, 26. November 1956. BA-MA, BV 2/8134, Übersicht über den Stand der Beschaffung am 1. Oktober 1956. Vereinigte Wirtschaftsdienste v o m 30.1.1957. Hierzu und zum Folgenden, AWS, Bd 4, S. 150 (Beitrag Abelshauser).

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nahmen, die tatsächlich dringlichere Anschaffungen für die Bundeswehr blockierten! Der wirtschaftliche Aufschwung Bayerns seit 1960 ist eng verbunden mit dem Aufbau der Rüstungsgüterproduktion in der Bundesrepublik. Firmen mit Sitz im Freistaat erhielten, aufgrund der damals schlechten wirtschaftlichen Situation desselben in den 1950er Jahren, bevorzugt Aufträge des Bundes. BMW, Krauss-Maffei, Messerschmitt, Dornier, Siemens und andere Großunternehmen profitierten von dieser Wirtschaftspolitik ebenso wie das Land Bayern. Die Rüstungsindustrie und ihre Zulieferbetriebe sind aufgrund ihrer guten Ausstattung mit Haushaltsmitteln für die Entwicklungsarbeit von Unternehmen der Hochtechnologie sehr interessant. Seit Anfang der 1970er Jahre siedelte sich diese in verstärktem Maße im Großraum München an. Diese Entwicklung ist einer der Gründe dafür, dass sich Bayern vom volkswirtschaftlichen »Sorgenkind« der jungen Bundesrepublik zum »Musterschüler« im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts entwickelte. Bezeichnenderweise stellte der zweite Verteidigungsminister und spätere bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß in einer Rede vor führenden deutschen Industriellen fest, dass »der Verteidigungsetat abwechselnd als sozialer Wohlfahrtsfonds im Inland, als außenpolitischer Gefälligkeitsfonds für diplomatische Beziehungen, als sozialkaritativer Ausgleichsfonds oder als für sonstige Zielsetzungen geeignet betrachtet wird«36. Er selbst wusste dieses System zugunsten seines Freistaates Bayern zu perfektionieren.

4. Die rechtlichen Grundlagen und der organisatorische Aufbau Das Bundesministerium der Verteidigung muss sich bei der Beschaffung von Rüstungsgütern immer zuerst an den gesetzlichen Rahmenbedingungen orientieren37. Dieser nationale Gesetzesrahmen wird durch internationale Abkommen und Verträge umfangreich ergänzt. Hierzu gehören insbesondere die Abkommen, die im Rahmen der Pariser Verträge und dem NATO-Beitritt von der Bundesrepublik unterzeichnet wurden. Insbesondere mit dem »Protokoll zur Änderung und Ergänzung des Brüsseler Vertrages vom 17.3.1948«38, durch das die Westeuropäische Union (WEU) begründet wurde, lagen auch die völkerrechtlichen und sicherheitspolitischen 36

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BA-MA, Bw 1/2844, Niederschrift der Rede von Franz Josef Strauß auf der Sitzung des (BDI-)Ausschusses für verteidigungswirtschaftliche Angelegenheiten am 10.6.1957 in Bonn, S. 6. Hesselberger, Das Grundgesetz. Kommentar (2003). Die unmittelbar mit dem Beitritt zum Brüsseler Vertrag und zur NATO zusammenhängenden Verträge sind zu finden unter: Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 2. Wahlperiode (WP) 1954, Anlagen, Bd 33, Drucksache (DS) 1061.

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Vorgaben für den Aufbau der westdeutschen Streitkräfte fest. Das entsprach der amerikanischen Forderung nach größerer Selbstverantwortung der Europäer und den französischen Wünschen nach Kontrollmechanismen und Einschränkungen für eine westdeutsche Aufrüstung. Eine autonome bundesdeutsche Rüstungspolitik war somit von Anfang an nicht möglich. Insbesondere das dem Vertrag beigefügte Protokoll Nr. III39 beschränkte die Möglichkeiten der Aufrüstung der noch aufzustellenden bundesdeutschen Streitkräfte. Neben dem von Bundeskanzler Adenauer im Vorfeld ausgesprochenen Verzicht, atomare, biologische und chemische Waffen auf dem eigenen Territorium herzustellen, wurde darin festgelegt, welche Waffensysteme zusätzlich nicht auf dem Staatsgebiet der Bundesrepublik gefertigt werden durften. Der Art. 26 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) macht die Herstellung von Kriegswaffen genehmigungspflichtig durch die Bundesregierung. Der Bundestag hat hierfür das »Kriegswaffenkontrollgesetz« (KWKG) erlassen, welches die Genehmigungsauflagen dafür im Einzelnen regelt40. Die Aufstellung und der Unterhalt der Bundeswehr sind nach Art. 73, Nr. 1 GG Angelegenheit des Bundes. Für die Erfüllung dieser Aufgabe sieht das Grundgesetz in Art. 87b »die unmittelbare Deckung des Sachbedarfs der Streitkräfte« durch einen eigens dafür geschaffenen Apparat vor: die Bundeswehrverwaltung (BWV)41. Die organisatorische Spitze der BWV befand sich von Anfang an unter dem Dach des Verteidigungsministeriums, um die Gleichrangigkeit von Streitkräften und Wehrverwaltung deutlich zu machen. Der Gesetzgeber bestimmte darüber hinaus, dass militärische Kommandobehörden über kein Befehls- oder Weisungsrecht gegenüber der Bundeswehrverwaltung verfügen. Dies wurde vor allem damit begründet, dass die militärische Führung und die Truppe von administrativen Aufgaben entlastet und deren Wahrnehmung fachlich vorgebildeten sowie kontinuierlich verwendbaren Beamten eines zivilen Verwaltungszweiges vorbehalten sein soll42. Zudem sollten die Teilstreitkräfte nicht, wie in der Vergangenheit in Reichswehr und Wehrmacht geschehen und bei NATOVerbündeten üblich, als konkurrierende Nachfrager auf dem Markt für Rüstungsgüter auftreten und so die Preise unweigerlich in die Höhe treiben. Vielmehr wollte das Verteidigungsministerium mit dem so genannten Gesamtstreitkräftegedanken als Monopolist auf der Nachfrageseite einen größeren Einfluss auf die Preisgestaltung ausüben. Zudem hofften die Verantwortlichen, dadurch auch eine Konzentration der wehrtechnischen Fachkräfte zu erreichen, wodurch eine effiziente Weiterentwicklung des Wehrmaterials und moderate Preise für die Rüstungsgüter ermöglicht werden sollte. Verhindern wollte man auf diese Weise behördeninterne Reibungsverluste, Mehrfachentwicklungen,

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Das Protokoll Nr. III und dessen Anlagen sind auch veröffentlicht in: Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland: Dokumente von 1949 bis 1994, S. 214-217. Epping, Grundgesetz und Kriegswaffenkontrolle. Hesselberger, Das Grundgesetz. Kommentar (2003), S. 265-267. Zum Thema Bundeswehrverwaltung siehe Schustereit, Deutsche Militärverwaltung im Umbruch. Schustereit, Deutsche Militärverwaltung im Umbruch, S. 15.

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ungenaue Überprüfungen der Lieferqualitäten und eine strukturpolitisch schlechte Aufteilung der Aufträge. Für die Aufrüstung einer 500 000 Mann starken Armee galt es einen angemessen großen Beschaffungsapparat aufzubauen. Dementsprechend war man auf Seiten der beteiligten Ministerien und der interessierten Unternehmer von Anfang an darauf bedacht, die Verfahrensweisen beim Aufbau der westdeutschen Streitkräfte möglichst rationell in Ubereinstimmung mit den entsprechenden gesetzgeberischen und organisatorischen Vorgaben zu gestalten. Die Verbände der Industrie und des Handels schufen in kürzester Zeit eigene Organisationen, die eine optimale Abwicklung der zukünftigen Aufträge ermöglichen sollten43. Die Bedarfsdeckung des Verteidigungsministeriums wurde hierfür aus der militärischen Struktur herausgelöst und der Aufbau der Beschaffungsabteilungen von der Prämisse des »Gesamtstreitkräftegedankens« bestimmt. Vorbilder für die Errichtung der vorgesehenen Organisation waren nur in Teilbereichen vorhanden. Die Verantwortlichen hatten somit in den ersten Jahren der Bundeswehr vordergründig die Chance, vollkommen neue Strukturen der Rüstungsgüterbeschaffung zu gestalten44. Doch der außenpolitische Druck, der aufgrund der Aufstellungszusagen auf der Bundesregierung lastete, war letztlich so groß, dass nicht ausreichend Zeit für umfangreiche Strukturierungsprozesse vorhanden war. Folglich orientierten sich die Verantwortlichen zunächst an der Organisation und den Methoden der Wehrmacht während des Zweiten Weltkriegs und der Vereinigten Staaten Anfang der 1950er Jahre45. Dazu musste 1955 die »Dienststelle Blank« auf der Basis der neuen Anforderungen zum »Bundesministerium für Verteidigung« (BMVg) umgegliedert werden46. Im Bereich des Beschaffungswesens wurde zunächst aus der alten Abteilung V »Planung und Beschaffung« die Abteilung XI. Zusätzlich entstand eine Abteilung für »Verteidigungswirtschaft und Technik« (Abteilung X47). Die hohen Anforderungen an die Beschaffungsabteilungen des Ministeriums in den ersten Jahren der Bundeswehr führten dazu, dass im Juni 1956 die Abteilung für »Forschung und Entwicklung« (Abteilung XII48) als Übergangslösung bis 43

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Zu den Strukturen und Aufgaben der geschaffenen Organisation siehe Α WS, Bd 4, S. 171-178 (Beitrag Abelshauser). Hierzu und zum Folgenden bez. der Rüstungsabteilung in der »Dienststelle Blank« Krüger, Das Amt Blank, S. 106 f. Zur Wehrmacht BA-MA, BV 3/11798, BMVg, Ref. Χ A 7: Vermerk. Betr.: Besprechung über Rüstungsinvestitionen des Krieges 1939-1945 am 5. Juni 1956 mit MarineOberbaurat a.D. Handstein, 9. Juli 1956. Zu den Vereinigten Staaten BA-MA, Bw 1/2739, Diplomatische Vertretung der Bundesrepublik Deutschland: Neue Beschaffungsdirektive des Verteidigungsministeriums, 28. Dezember 1954. Vgl. auch Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Bd 5/1, S. 3 4 9 - 6 8 9 (Beitrag Müller) und Bd 5/2, S. 2 7 5 - 7 7 3 (Beitrag Müller). Hier und im folgenden Mann, Bundesministerium S. 63 f. Diese Abteilung des BMVg wurde zum 10. Januar 1958 unter Beibehaltung des Aufgabenbereiches in »Abteilung Verteidigungswirtschaft« (= Abt. W) umbenannt. Diese Abteilung des BMVg wurde zum 10. Januar 1958 unter Beibehaltung des Aufgabenbereiches in »Abteilung Technik« (= Abt. T) umbenannt. Zur genauen Aufgabentei-

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zur angestrebten Schaffung eines »Rüstungsamtes« aus der Abteilung X ausgegliedert werden musste. Ein echtes »Rüstungsamt«, das den gesamten Rüstungsprozess lenkt und leitet, ist aber nicht verwirklicht worden, da die innerministeriellen Widerstände und der Widerspruch aus der Wirtschaft zu groß waren. Dafür wurde dann im November 1957, nach andauernden Auseinandersetzungen über Kompetenzabgrenzungen zwischen den drei Rüstungsabteilungen, die Abteilung XI als »Amt für Wehrtechnik und Beschaffung« (AWB) aus dem Verteidigungsministerium ausgegliedert. Die Aufgaben des ab September 1958 so genannten Bundesamtes für Wehrtechnik und Beschaffung (BWB)49 waren und sind vor allem: - die Durchführung der technischen Entwicklung von Rüstungsgütern - die Erprobung von Wehrmaterial - die Fertigungsvorbereitung desselben - die zentrale Beschaffung von Wehrmaterial - die Gütesicherung und Güteprüfung von Lieferungen und Leistungen der Rüstungsgüterhersteller - die Steuerung der dezentralen Beschaffung von Wehrmaterial50. Von Anfang an herrschte großes Misstrauen in Beschaffungsfragen zwischen dem Bundeswirtschaftsministerium und der Dienststelle Blank. Im Wirtschaftsressort befürchtete man, dass das zukünftige Verteidigungsministerium Strukturen aufbauen wollte, die dem »Ministerium für Bewaffnung und Munition« unter Albert Speer51 in den letzten Jahren des Zweiten Weltkrieges sehr ähnlich sein würden. Daraus entstanden endlose, von Argwohn geprägte interministerielle Rangeleien um Kompetenzen und Zuständigkeiten, Amter und Posten, Rechte und Pflichten, die den Aufbau der Bundeswehr unnötig behinderten und in einigen Fällen sogar verzögerten. Um die Probleme in den Griff zu bekommen, einigten sich Theodor Blank und Wirtschaftsminister Ludwig Erhard im November 1954 auf die »Leitsätze für die Zusammenarbeit zwischen dem BMWi und dem Verteidigungsressort«52. Danach oblag dem Wirtschaftsministerium die Prüfung der wirtschaftlichen Durchführbarkeit der vom zukünftigen Verteidigungsministerium aufgestellten Bedarfsprogramme. Daneben hatte sich das Wirtschaftsressort auch die Verantwortung für die zur Rüstungsgüterbeschaffung erforderlichen Bereiche Investitionen, Außenwirtschaft, Bevorratung, Kapazitätsausbau, Lenkung und Preispolitik gesichert. Das Verteidigungsressort durfte sich demgemäß nur um die Typenauswahl und die technische Vorbereitung kümmern.

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lung zwischen den Abteilungen X und XI siehe BA-MA, BV 3/13599, BMVg, Abt. XI: Betr.: Geschäftsverteilung, 19. Oktober 1956. Zum BWB und seiner Geschichte siehe BA-MA, BV 5, Findbuch, Vorbemerkung; Caspar, Das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung. BA-MA, BV 5, Findbuch, S. V. Diese Aufgaben des BWB galten bis zur Neuordnung des Rüstungsbereichs im Februar 1971. Zu Albert Speers Rüstungsplanungen siehe Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Bd 5/2 (Beitrag Müller). Die Leitsätze sind abgelegt unter BA-MA, BV 3/11800.

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Die Koordinierung von durchschnittlich immerhin rund 15 Prozent der gesamten Eigenausgaben des Bundes bedurfte zweifelsohne einer engen Zusammenarbeit des Bedarfsträgers (BMVg) und des wirtschaftspolitisch verantwortlichen Ressorts (BMWi). Hierzu wurde im Sommer 1955 ein gemeinsames Gremium - der »Ausschuss für wirtschaftliche Fragen der Verteidigung« - geschaffen53. Der Ausschuss, dessen Ziel es sein sollte die Leitsätze umzusetzen, wurde sehr bald »Sechserausschuss« genannt, weil ihm jeweils drei Vertreter beider Ministerien angehörten. In ihm wurden alle Fragen besprochen, die im Rahmen der Rüstungsgüterbeschaffung abgestimmt werden mussten. Der langjährige Leiter des BWB Wilhelm Rentrop schlussfolgerte deshalb 1956 vollkommen zu Recht, dass der »Sechserausschuss« das eigentliche »Herzstück der Organisation der Beschaffung« 54 war. Im Laufe der 1960er Jahre setzte sich die Einsicht durch, dass trotz aller Bemühungen an den marktwirtschaftlichen Grundsätzen festzuhalten doch spezifische Instrumente und Methoden für die Rüstungsgüterbeschaffung notwendig waren, die mit der Wirtschaft abgestimmt werden mussten. Folglich wurden dann auch die »Leitsätze« faktisch außer Kraft gesetzt und der »Sechserausschuss« verlor immer mehr an Bedeutung, hatten sie doch mit ihrem kritisierten Dogmatismus nicht selten den praktischen Vollzug des Aufrüstungsprozesses behindert. Die parlamentarische Kontrolle der Bundeswehr obliegt dem »Ausschuss für Verteidigung des Deutschen Bundestages«. In den ersten Jahren war seine Tätigkeit primär »entscheidungsorientiert«, da eine Vielzahl von Haushalts- und Personalfragen grundsätzlich geklärt werden mussten. Um seinen eigentlichen Aufgaben gerecht zu werden, wurde am 12. April 1956 der »Unterausschuss Beschaffung« gebildet55. Dessen Aufgabe war es, unter dem Vorsitz des SPDBundestagsabgeordneten und späteren Bundeskanzlers Helmut Schmidt, sich ausschließlich mit den Fragen der Rüstungsgüterbeschaffung zu beschäftigen. Die Fachausschüsse des Parlaments haben prinzipiell die Aufgabe, die parlamentarische Entscheidungsfindung vorzubereiten. Der »Ausschuss für Verteidigung« erfüllt diese Aufgabe bei Beschaffungsfragen in enger Zusammenarbeit mit dem »Haushaltsausschuss des Bundestages« 56 . Weil für Beschaffungsvorhaben der Bundesregierung zunächst weder Geschäftsordnung noch sonstige Vorschriften existierten, musste sich das Vorlageverfahren an der Beschaffungspraxis des Verteidigungsministeriums orientieren. Dies führte dazu, dass der Verteidigungsausschuss im Beschaffungsvorgang erst nach der Entwick53

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Zur Arbeit des »Ausschusses für wirtschaftliche Fragen der Verteidigung« siehe exemplarisch den umfassenden Bestand in: BA-MA, BV 3/17855, Behandlung der Ausstattung mit Schützenpanzerwagen (SPW) im Ausschuss für wirtschaftliche Fragen der Verteidigung (Sechserausschuss). BA-MA, Bw 9/4199, Dr. Wilhelm Rentrop: Militärisches Beschaffungswesen, 19. Mai 1956, Bl. 48. BA-MA, Bw 9/4199, BMVg, Abt. XI an BMVg UAbt. XI A. Abschrift. Unterausschuss Beschaffung, 26. April 1956. Hierzu und zum Folgenden Berg, Der Verteidigungsausschuß, S. 186-189.

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lungsphase informiert und um seine »Kenntnisnahme« gebeten wurde. Ein Vetorecht stand ihm nicht zu. Die Stellungnahme des Ausschusses zu den einzelnen Beschaffungsvorhaben war eine rechtlich unverbindliche Empfehlung an den Haushaltsausschuss, der seinerseits den entscheidenden Schritt zur Bewilligung oder Freigabe der entsprechenden Finanzmittel bewirken konnte. Der Haushaltsausschuss hat dabei bis zum heutigen Tag einzig die Aufgabe, die Vereinbarkeit des Haushaltsplanes (hier: Einzelplan 14) mit dem Gesamthaushalt zu prüfen und unterbreitet danach bei positivem Entscheid dem Parlament einen Antrag zur Genehmigung. Nur wenn die Anschaffungskosten die geplanten Ausgaben übersteigen, kann aus haushaltsrechtlichen Gründen ein Beschaffungsvorhaben gestoppt werden. Die einzelnen Ausgaben der Beschaffungsabteilungen des Verteidigungsministeriums werden zudem vom Bundesrechnungshof überprüft. Dadurch können zwar keine Fehler beim Erwerb von Rüstungsgütern verhindert werden, aber die Verantwortlichen müssen sich für einzelne Beschaffungsmaßnahmen im Nachhinein rechtfertigen. Der eigentliche Beschaffungsvorgang unterliegt festen Regeln, die für den Bereich des Bundesministers der Verteidigung in der »Verdingungsordnung für Leistungen« (VOL) und den nachgeordneten »Besonderen Bedingungen des Bundesministers für Verteidigung« (BBV)57 festgelegt sind. Aufgrund des zeitlichen Drucks und der fehlenden Erfahrungen auf diesem Gebiet in dem neuen volks- und weltwirtschaftlichen Umfeld gelang es nach 1955 aber nur bedingt, den angestrebten grundsätzlichen Neuaufbau zu verwirklichen. Die Beschaffungsabteilungen im Verteidigungsministerium entwickelten vielmehr in der Folgezeit einen Beschaffungsvorgang, der einerseits gänzlich neue Prozesse in die Rüstungsgüterbeschaffung einführte, anderseits aber auch den neuen Gegebenheiten angepasste Abläufe aus den wehrwirtschaftlichen Vorbildern der Vergangenheit übernahm. Die militärischen Abteilungen des Ministeriums meldeten auf der Basis der technisch-taktischen Anforderungen an die Bundeswehr ihren Bedarf an militärischem Gerät der Abteilung XII. Deren Aufgabe war es daraufhin, »die Vorhaben ad hoc zu erforschen und zu entwickeln«58. Zuerst wurde der Markt für das jeweilige Rüstungsgut sondiert. Wenn die militärischen Forderungen durch die Produkte auf dem in- wie ausländischen Markt nicht bedient werden konnten, hatte die Abteilung XII die Möglichkeit, eine externe oder interne Weiter- bzw. Neuentwicklung zu veranlassen. Die bundeswehrinterne Entwicklungsarbeit wird auch heute noch in den »Erprobungsstellen der Bundeswehr« geleistet59. Nach der Sondierung sowie der Entwicklung wurde das Gerät ausgewählten 57

58

59

Zu den verschiedenen BBV siehe die umfangreichen Aktenbestände BA-MA, BV 3/11828-11836. BA-MA, BV 5/141, BMVg Ref. XI/A/l/H: Niederschrift über die Besprechung am 3.7.1956 mit dem Bundesrechnungshof über Organisations- und Stellenfragen, sowie Angelegenheiten der Beschaffung, S. 2 f. Genaueres über die »Erprobungsstellen der Bundeswehr« bei Steinbrink, Wehrtechnik und Beschaffung, S. 4 5 - 4 7 . Zu den umfangreichen Aktenbeständen dieser Thematik siehe BA-MA, BV 5/560.

II. Die politischen, ökonomischen und militärischen Rahmenbedingungen

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Soldaten in Modellschauen und Auswahlvorführungen vorgestellt. Aufgrund der Ergebnisse dieser Truppenschauen erfolgte eine »Typenfestlegung«. Der ausgewählte Typ wurde dann - möglicherweise nach langen Erprobungsversuchen - verbindlich für die Bundeswehr eingeführt. Die verbindlich eingeführten Waffen und Geräte mussten danach »beschaffungsreif« gemacht werden: die Techniker der Abteilung XII beschrieben sie so genau, dass die Industrie die Herstellung des Wehrmaterials ohne Schwierigkeiten exakt durchführen konnte. Diese Beschreibungen sind die so genannten Technischen Lieferbedingungen (TL), die bei einer vorläufigen Regelung als »Vorläufige technische Lieferbedingungen« (VTL) bezeichnet werden. Anhand der TL oder VTL wurde von der Abteilung X (Verteidigungswirtschaft/später W) die Menge des benötigten Gerätes sowie die Zeit, in der es beschafft werden sollte, in einem »Bedarfsprogramm« festgelegt. Bis in die 1960er Jahre hinein musste anschließend die Beschaffungsmaßnahme mit dem Wirtschaftsministerium im »Sechserausschuss« abgestimmt werden. Nach erfolgter Abstimmung legte die Abteilung IV (Streitkräfte/später FüB, dann FüS) das »Bedarfsprogramm« den Ausschüssen für Verteidigung und Haushalt des Bundestages vor. Erst wenn das Programm nach Art, Menge und Zeit gebilligt wurde und der Bundestag sowie das Finanzministerium die Gelder bewilligt hatten, konnte die Abteilung X die wichtige »Beschaffungsfreigabe« an die Abteilung XI erteilen. Diese erfolgte in Form einer »Beschaffungsanweisung«, »die sie zur Beschaffung einer bestimmten Warengruppe in einer bestimmten Zeit und Menge anweist, wobei ihr auch häufig die Vergebungsart vorgeschrieben wird«60. Mit der Beschaffungsfreigabe durfte das Rüstungsgut schließlich offiziell für die Bundeswehr erworben werden. Der Beschaffungsvorgang steht »im Zeichen des Grundsatzes eines marktkonformen Verhaltens« der jeweiligen Behörde. Eines der Hauptprobleme in den ersten Jahren der Bundeswehr war es, dieses durchzusetzen. Ein öffentlicher Auftraggeber kann sich am Markt nicht so verhalten wie ein privates Unternehmen. Einmal abgesehen davon, dass jede Behörde an bestimmte, sehr ins Einzelne gehende Vorschriften des Haushalts- und Wirtschaftsrechts gebunden ist, über deren Einhaltung der Bundesrechnungshof wacht, muss das Verteidigungsministerium seine Ausgaben langfristig über den Einzelplan 14 vom Parlament genehmigen lassen. Die Aufträge der öffentlichen Hand werden auf der Grundlage der bereits erwähnten »Verdingungsordnung für Leistungen« vergeben. In ihr sind auch die »Arten der Vergabe« festgelegt; sie haben immerhin mit kleinen Änderungen seit Mitte der 1950er Jahre Bestand: - die »öffentliche Ausschreibung« - die »beschränkte Ausschreibung« - die »freihändige Vergabe« (ohne Ausschreibung). Vor jeder Auftragserteilung muss geprüft werden, welche Art der Vergabe die zweckmäßigste ist. Die »öffentliche Ausschreibung« soll dabei die Regel bilden, 60

Hier und zum Folgenden siehe BA-MA, Bw 9/4199, Dr. Wilhelm Rentrop, Militärisches Beschaffungswesen, 19. Mai 1956, Bl. 54 f.

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Dieter Η. Kollmer: »Klotzen, nicht kleckern!« Die materielle Aufrüstung des Heeres

die anderen Vergabearten nur in Abstimmung mit dem Beauftragten des Wirtschaftsressorts im Verteidigungsministerium erfolgen. An einer »öffentlichen Ausschreibung« kann sich jeder beteiligen. Gemäß der VOL muss dabei das Angebot den Zuschlag erhalten, das »unter Berücksichtigung aller Umstände das wirtschaftlichste ist«. Eine »beschränkte Ausschreibung« wird erteilt, wenn laut VOL »Art und Umfang der Leistung besondere Zuverlässigkeit, Leistungsfähigkeit oder Fachkunde des Bewerbers erfordern und eine ausreichende Zahl leistungsfähiger Unternehmer vorhanden ist«. Die Ausschreibung ergeht dann an bestimmte Firmen, die - im Einvernehmen mit dem Wirtschaftsministerium und den Bundesländern - in entsprechend aufgestellten Firmenlisten aufgenommen worden sind. Die »freihändige Vergabe« ist für absolute Ausnahmefälle vorgesehen. In der VOL/A von 1955 werden insgesamt 13 Möglichkeiten aufgezählt, in denen freihändig vergeben werden durfte, wobei vorgeschrieben wurde, dass »es [...] aktenkundig zu machen [ist], weshalb von der öffentlichen oder beschränkten Ausschreibung Abstand genommen worden ist.« Damit das Verteidigungsministerium ausschließen konnte, dass die Großunternehmen mit Dumpingpreisen mittelständische Unternehmen vom Wettbewerb um Aufträge verdrängten, wurde im Frühjahr 1956 eine Regelung getroffen, die eine angemessene Beteiligung des Mittelstandes am Aufbau der Bundeswehr sicherte. Nach einigen Anlaufschwierigkeiten und Irritationen zeigten sich Industrie und Handel mit dem neuen Ausschreibungsverfahren im Laufe der Jahre sehr zufrieden61. Das Ausschreibungsverfahren bietet sämtlichen Behörden der Bundesrepublik bis zum heutigen Tag die Möglichkeit, die negativen Folgen eines Nachfragemonopolisten so weit wie möglich zu reduzieren und dabei die Kräfte des Marktes zu nutzen. Verwässert wird dieses System immer dann, wenn andere Politikfelder den Beschaffungsprozess beeinflussen.

5. Die operativen und taktischen Voraussetzungen Die Beschaffung von Rüstungsgütern ist im Wesentlichen von der Struktur und dem Auftrag der jeweiligen Streitkräfte abhängig. Die Bundeswehr ist seit jeher eine hauptsächlich konventionell ausgerichtete Armee, die bis Mitte der 1990er Jahre den Auftrag »Landesverteidigung im Rahmen der NATO« hatte. Folglich gab die NATO den strategischen Rahmen vor, in dessen Grenzen die Bundeswehr die operative und taktische Umsetzung ihrer Aufgabe gestaltete. In den 1950/60er Jahren entwickelten sich diese militärischen Handlungsalternativen der Allianz von der »Massiven Vergeltung« (MC 14/1) über die »Schild-Schwert-Strategie« (MC 14/2) bis hin zur »Flexiblen Antwort« (MC 14/3). Diesen Strategien mussten auf der operativen und taktischen Ebene für eine 61

RWWA, Archiv DIHT 432-2, Betr.: Wirtschaftspolitische Arbeit der Bundesregierung in der neuen Legislaturperiode, 28. Oktober 1957, S. 16.

II. Die politischen, ökonomischen und militärischen Rahmenbedingungen

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Verteidigung des NATO-Vertragsgebietes umgesetzt werden. Die Bundesrepublik hatte dabei die Aufgabe, mit der primär konventionell ausgerichteten Bundeswehr im Verbund mit niederländischen, britischen, belgischen und amerikanischen Großverbänden das eigene Territorium möglichst nahe an seinen Ostgrenzen zu verteidigen. Der Einsicht folgend, dass Deutschland das nukleare Schlachtfeld eines zukünftigen Krieges sein würde, hatten die deutschen Militärplaner von Anfang an auf eine überwiegend konventionelle Verteidigung Mitteleuropas gedrängt. Dass sie sich dabei an tradierten Auffassungen des deutschen Generalstabes orientierten, lag nicht an der geistigen Unflexibilität der ehemaligen Wehrmachtoffiziere, sondern am vorausschauenden Abwägen der Möglichkeiten eines sowjetischen Angriffs auf Mitteleuropa, an einem gesunden Misstrauen gegenüber der nuklearen Abschreckung und am Selbstverständnis, die Verteidigung der Bundesrepublik eigenständig gestalten zu wollen62. Die operativen Konsequenzen für eine effektive Verteidigung der westeuropäischen Staaten zogen ehemalige Generale und Generalstabsoffiziere aus ihren Erfahrungen während des Krieges gegen die Sowjetunion (1941-1945). Die wichtigste Lehre aus der Kampfführung gegen die Rote Armee war deren große Anfälligkeit gegen eine bewegliche Operations- und Gefechtsführung ihres Gegners, bedingt durch die starren Strukturen des sowjetischen Militärapparates. Man war auf deutscher Seite der Überzeugung, selbst als numerisch unterlegener Verteidiger einem massiven konventionellen Angriff sowjetischer Streitkräfte widerstehen zu können 63 . Wichtig erschien den meisten Autoren hierbei, dass man dem Angreifer nicht die Initiative überlassen durfte, sondern selbst die Verteidigung offensiv angehen musste, um »sein Konzept zu stören«64. Die Anfälligkeit der sowjetischen Armee gegenüber beweglicher Operations- und Gefechtsführung sowie die Forderung nach einer offensiven Verteidigung führten bei den militärisch Verantwortlichen zu der Schlussfolgerung, dass die neu aufzustellenden westdeutschen Streitkräfte mit einem überproportional großen Anteil an Panzerkräften ausgestattet werden müssten. Damit die infanteristischen Kräfte den Panzerverbänden angemessen folgen konnten, sollten diese hinreichend motorisiert, bewaffnet und möglichst durch Vollpanzerung geschützt sein65. Um darüber hinaus auch eine höchstmögliche Geländegängigkeit erreichen zu können, kamen hierfür nur Vollkettenfahrzeuge in Frage66. Weltweit gab es eine große Anzahl erprobter Kampfpanzer, die dem BMVg sogar schon vor Aufstellungsbeginn angeboten wurden. Einen den Anforderungen der bundesdeutschen Militärs entsprechenden Vollketten62

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Zu den operativen Entwürfen in der Planungs- und Frühphase der Bundeswehr siehe Buchholz, Strategische und militärpolitische Diskussionen, S. 120 f. Eine davon abweichende Auffassung vertritt Gablik, Strategische Planungen, S. 37 f. Greiner, Die militärstrategische Lage, S. 161. Adolf Heusinger zit. bei Greiner, Militärs, S. 162. Senger und Etterlin, Gedanken, S. 130. BA-MA, Ν 625/154, Studie über den »Großflächen-Marsch« v o m 30. Oktober 1953.

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Schützenpanzer gab es Anfang der 1950er Jahre freilich noch nicht. Entweder verzichteten die bundesdeutschen Militärs auf dieses neuartige Fahrzeug oder eine Neuentwicklung war notwendig. Letztere hätte aber aller Voraussicht nach mehr Zeit in Anspruch genommen, als der Bundesrepublik zur Aufstellung der eigenen Streitkräfte zu Verfügung stand. Ahnliche Probleme gab es zudem mit der Beschaffung eines geeigneten Panzers für die Panzeraufklärer, die Flugabwehr und die Panzerjäger, sowie eines Führungspanzers - einer Art Gefechtsstandfahrzeug.

III.»Erst klotzen, dann kleckern und dann richtig klotzen«. Planung und Umsetzung der Rüstungsgüterbeschaffung für das Heer

1.

Grundlegende Probleme und die Vorstellungen der Abteilung Heer in der Aufbauphase

Die Planung für die Aufstellung westdeutscher Streitkräfte begann unmittelbar nachdem die Vereinigten Staaten infolge des Koreakrieges gegenüber Bundeskanzler Adenauer den Wunsch nach einem westdeutschen Verteidigungsbeitrag geäußert hatten. Den Verantwortlichen in Bonn war sofort bewusst, dass dies nicht ohne Hilfe von außen geschehen konnte. Eine Rüstungsindustrie in der Bundesrepublik existierte noch nicht. Zudem war die westdeutsche Volkswirtschaft zu diesem Zeitpunkt noch nicht so stabil, dass umfangreiche Rüstungsbemühungen nicht negativ auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung durchgeschlagen hätten. Zudem musste zunächst einmal eine Beschaffungsstruktur der künftig dafür zuständigen Ministerien und Ämter aufgebaut werden. Kurz gesagt, die Aufrüstung der Bundeswehr erschien als ein Projekt, das nur unter größten Anstrengungen bewältigt werden konnte. Zusätzlicher Druck entstand dadurch, dass die von Deutschland zugesagten Verbände so schnell wie möglich der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) bzw. nach deren Scheitern der NATO unterstellt werden sollten. Der unmissverständliche Auftrag von Bundeskanzler Adenauer an seinen Verteidigungsminister lautete folglich: Bei der Aufrüstung der Streitkräfte geht Quantität vor Qualität. Die Folge war, dass insbesondere bei der Beschaffung des Großgerätes häufig schon im Vorfeld gegenüber den Auftragnehmern Zugeständnisse gemacht wurden, die unter normalen Umständen undenkbar gewesen wären. Da es aber zunächst nur darum ging, so schnell wie möglich eine 500 000 Mann starke Armee aufzubauen und auszurüsten, war die Aufstellungsgeschwindigkeit der entscheidende Motor der Aufrüstung der Bundeswehr. Um die notwendigen Maßnahmen für den Aufbau der neuen deutschen Streitkräfte optimal koordinieren zu können, verfolgte man seit der Planungsund Aufbauphase den »Gesamtstreitkräftegedanken« als leitendes Prinzip1. Hierdurch sollte u.a. der Gefahr des »Teilstreitkräfteegoismus« begegnet werSiehe hierzu auch Verteidigung im Bündnis, S. 131 f.; AWS, Bd 4, S. 10 f. (Beitrag Abelshauser).

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den. Ein Phänomen, das während des »Dritten Reiches« speziell die Rüstungsgüterproduktion erheblich beeinträchtigt hatte. Die Verwaltung, das Wehrrecht, die Rüstung, das Personal und Haushaltswesen wurden in der Folge nach diesem noch heute geltenden Grundsatz konzipiert. Nach anfänglichen Schwierigkeiten führte dies dazu, dass die Eigenwilligkeiten der Teilstreitkräfte durchweg dem gemeinsamen Ziel untergeordnet wurden, so schnell wie möglich einen substanziellen Beitrag zur Verteidigung Mittel- und Westeuropas zu leisten. So gab es neben den einzelnen Abteilungen für die Teilstreitkräfte anfangs auch zwei Abteilungen, die primär für die Beschaffung von Wehrmaterial verantwortlich waren. Die Teilstreitkräfte legten für sich fest, welches Material sie benötigten, um ihrem Auftrag gerecht werden zu können. In Zusammenarbeit mit den Beschaffungsabteilungen wurde dann die dafür notwendige Ausrüstung erworben. Aufgrund des Zeitdrucks mussten 1955 zunächst die vom Verteidigungsund Wirtschaftsressort für die Beschaffung von Wehrmaterial aufgestellten grundsätzlichen Regeln inoffiziell außer Kraft gesetzt werden. Im Rahmen einer gesetzeskonformen Durchführung des öffentlichen Ausschreibungsverfahrens hätte der Beschaffungsablauf inklusive der Entwicklung und Erprobung jedes einzelnen Gerätes jeweils mehr als die zugestandenen drei Jahre Aufstellungsdauer in Anspruch genommen. Zudem sah diese Form der Auftragsvergabe vor, dass stets zu prüfen war, ob sich unter den Anbietern nicht ein aus sozialen oder politischen Gründen zu bevorzugendes Unternehmen befand2. Aber das Verteidigungsministerium hatte eben nur drei Jahre Zeit, um die Streitkräfte komplett aufzustellen und auszustatten. Die »öffentliche Auftragsvergabe« nahm jedoch wesentlich mehr Zeit in Anspruch als dafür vorgesehen war. Folglich wurden in den ersten Jahren die meisten Aufträge in beschränkter Ausschreibung oder sogar in freihändiger Vergabe erteilt. Die »freihändige Auftragsvergabe« führte aber häufig zur Auftragserteilung an sich als »unzuverlässig erweisende Firmen, die mehrfach nicht zeitgerecht und schlecht lieferten«3. Der chronische Personalmangel der Beschaffungsabteilungen verschärfte diese missliche Situation, da die Beschaffungsmaßnahmen, die für die Erstausstattung benötigt wurden, nicht schnell genug »abgearbeitet« werden konnten4. Die nur knapp 200 Mitarbeiter, die die Auftragsvergabe lenken sollten, waren mit den über 200 000 Angeboten für die ersten Beschaffungsvorhaben hoffnungslos überfordert. Bereits im Laufe des Jahres 1956 hatte die Koblenzer Außenstelle des BMVg eine Kartei mit über 9000 Hauptartikeln und ca. 3,5 Mio. Einzelartikeln angelegt, die für die Ausstattung der Bundeswehr von Bedeutung waren. Um die ersten Soldaten aber rechtzeitig einstellen und ausstatten zu können, mussten fast ausschließlich Ausrüstungsgegenstände erworben 2 3

4

Ebd., S. 141 f. BA-MA, Bw 9/4220, BMVg, Leiter der Abteilung XI an Staatssekretär. Betr.: Entwurf »Erfahrungen aus einjähriger Vergabe von Rüstungsgüteraufträgen«, 26. November 1956. BA-MA, Bw 9/4238, Bundesrechnungshof: Feststellungen des Bundesrechnungshofs zur Bedarfsdeckung der Bundeswehr, 19. August 1957.

III. Planung und Umsetzung der Rüstungsgüterbeschaffung

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werden, die am Markt angeboten wurden, da für Neuentwicklungen die Zeit fehlte5. Grundsätzlich begrenzt wurde die Aufbaugeschwindigkeit durch die zugestandenen finanziellen Mittel von konstant neun Milliarden DM pro Jahr und anfänglich auch noch durch die Jährlichkeit des Budgets. Der Bundesrechnungshof bestätigte die gesamte Sachlage, als er nach einer eingehenden Überprüfung des Beschaffungswesens der Bundeswehr im Herbst 1957 feststellte, dass »als die politische Entscheidung über den deutschen Verteidigungsbeitrag getroffen wurde, [...] noch alle materiellen Voraussetzungen für die beschleunigte Aufstellung der Bundeswehr [fehlten]. Um diese zu schaffen, hätte es gründlicher Vorbereitungen durch erfahrene Kräfte in ausreichender Zahl und der rechtzeitigen Bereitstellung erheblicher Mittel bedurft. Da die Vorbereitungen für die Bedarfsdeckung erst beginnen konnten, als die Bedarfsträger schon versorgt werden mussten, konnten Fehler und Mängel aller Art nicht ausbleiben. Unvermeidlich entstanden so auch erhebliche Mehrkosten6.« Diese internen Probleme wurden durch die Haltung der deutschen Wirtschaft zur Aufrüstung zusätzlich verschärft. Das Verteidigungsministerium war beim Aufbau der Bundeswehr naturgemäß auf die Unterstützung fast aller Branchen der Industrie und des Handwerks angewiesen. Die Unternehmen hatten aber in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre volle Auftragsbücher und befürchteten durch staatliche Eingriffe zugunsten der Produktion von Rüstungsgütern zivile Großaufträge an ausländische Konkurrenten zu verlieren7. Daher versuchten insbesondere die Großunternehmen, die Aufstellung der Bundeswehr solange hinauszuzögern, bis die gesamtwirtschaftliche Situation günstiger für gewinnbringende rüstungswirtschaftliche Anstrengungen sein würde. Da die Bundesregierung der NATO möglichst schnell möglichst viele Soldaten anbieten wollte, ergab sich für die größte Teilstreitkraft anfänglich das Problem, dass der entscheidende Maßstab für den Aufbau nicht der militärische Auftrag, sondern die Aufstellungsgeschwindigkeit war. Dies führte zur misslichen Situation, dass das Heer in den 1950er Jahren fast ausschließlich das Wehrmaterial erwerben musste, das sofort verfügbar war8. Es entstand so ein umfangreicher »Waffenmix«, der die exzessive »Breitenrüstung«9 der Wehr-

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9

BA-MA, Bw 9/4246, Stv. Leiter der Dienststelle Blank an Leiter der Abteilung II. Betr.: Unterbringung und Ausrüstung der zum 1.12.1955 aufzustellenden Verbände, 20. Mai 1955. BA-MA, Bw 9/4238, Bundesrechnungshof: Feststellungen des Bundesrechnungshofs zur Bedarfsdeckung der Bundeswehr, 19. August 1957. RWWA, Archiv DIHT 337-1, Referat Dr. Frentzel [Hauptgeschäftsführer des DIHT] auf der Tagung der Auslandhandelskammern in Hannover am 9. Mai 1956. Siehe auch Α WS, Bd 4 (Beitrag Abelshauser). BA-MA, Bw 2/20030c, V Β 4, TgbNr. V/4/56 str.geh. Übersicht über die geplante Ausrüstung des Heeres mit Kampffahrzeugen und Panzer-Abwehr-Waffen, Bonn, 9.1.1956. »Breitenrüstung« bedeutet, dass Streitkräfte viele verschiedene Modelle für den gleichen Zweck beschaffen. »Breitenrüstung« wird zumeist bei Streitkräften durchgeführt, die sehr schnell aufgerüstet werden müssen. Die entscheidenden Nachteile der »Breitenrüstung«

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Dieter Η. Kollmer: »Klotzen, nicht kleckern!« Die materielle Aufrüstung des Heeres

Erstausstattungsbedarf des Heeres mit Kampffahrzeugen (Forderung der Abteilung Heer 1955) Fahrzeug/Bedarf I.Jahr Mittlerer KPz (M 47) 854 Leichter KPz (M41) 118 SPw-Pz-Jäger (Hispano Suiza/90-mm-Kanone) 705 SPw (Hispano Suiza) 2341 32 SPw (M 39) 300 SPw (Bren Carrier Τ 16) Brückenlegepanzer (Μ 47) 43 Minenräumpanzer (Μ 47) 43 Bergepanzer (Μ 74) 194 Insgesamt 4630

2. Jahr 1230 169

3. Jahr 1334 184

Gesamt 3418 471

Gesamtkosten (in DM) 3066129711 374627655

1015 3849 0 0 62 62 281 6668

1100 4170 0 0 67 67 303 7225

2820 10360 32 300 172 172 778 18523

364330400 1466417040 12279008 3120000 154418173 154418173 669156144 6264896304

Quelle: BA-MA, BH 1/8677, BMVg PI/3/80, TgbNr. 2588/55 geh. Inhaltsverzeichnis, Abschnitt: Kampffahrzeuge, Bedarfsträger Heer, Bonn, 1.10.1955.

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macht noch zu übertreffen drohte. Bereits frühzeitig zweifelten die Verantwortlichen im Militärischen Führungsrat (MFR) an der Einsatzfähigkeit und den zukünftigen Entwicklungsmöglichkeiten des Heeres10. Die Übernahme großer Mengen Altmaterials der Briten und Amerikaner sowie der überhastete Erwerb unzureichender Waffensysteme aus Frankreich und der Schweiz führten dazu, dass zwar die geforderte Anzahl deutscher Verbände der NATO bis 1965 unterstellt werden konnte; eine qualitativ hochwertige Ausrüstung erhielt das Heer aber erst Ende der 1960er/Anfang der 1970er Jahre, als die ersten Ergebnisse der eigenen Rüstungsplanung und -entwicklung an die Truppe ausgeliefert wurden. Nur langsam entstanden aus dem internationalen »Waffenmix« der Anfangsjahre die von Anfang an gewünschten langfristigen Rüstungskonzepte auf einer breiten nationalen Basis. Die Abteilung Heer (ab 1957: Führungsstab des Heeres, FüH) hatte bereits frühzeitig aufgrund des »Nash-Commitments« aus Washington, der Hilfszusagen aus Paris und London sowie der Verhandlungen mit verschiedenen Herstellern gegenüber den Beschaffungsabteilungen einen Erstausstattungsbedarf angemeldet. Das Heer sollte aus jeweils sechs (Panzer-)Grenadier- und Panzerdivisionen bestehen, so dass zunächst große Mengen schweren Gerätes benötigt wurden. Dass diese Forderungen nicht zu erfüllen waren, stellte sich sehr schnell heraus11. Bei einem strikt festgelegten jährlichen Etat von neun Milliarden DM für die gesamte Bundeswehr war der Betrag von gut sechs Milliarden DM nur für Kampffahrzeuge des Heeres in den ersten drei Jahren illusorisch. Zunächst mussten die Soldaten eingekleidet, die militärische Infrastruktur geschaffen, Kleingerät und Handwaffen beschafft und natürlich Lohn-, Ausbildungs- und

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sind, dass sie einer breitgestreuten Vorratshaltung bedarf und eine umfangreiche Ausbildung der Instandsetzungstruppe sowie des Bedienungspersonals voraussetzt. BA-MA, B H 1/549, J. Schultz-Naumann, Referent Heer Stab MFR: Notiz über Waffenentwicklung, Bonn, 20.11.1956. BA-MA, B H 1/549, J. Schultz-Naumann, Referent Heer Stab MFR: Notiz über Waffenentwicklung, Bonn, 20.11.1956.

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Betriebskosten beglichen werden. Die bereits beschriebenen grundsätzlichen Rahmenbedingungen verhinderten die Realisierung der zu ehrgeizigen Ziele zusätzlich. Als die Alliierten dies bemerkten, stellten sie finanzielle Forderungen an die Bundesregierung, sich an den Kosten für die in Deutschland stationierten NATO-Truppen zu beteiligen. Der Bundesrepublik drohte somit ein finanzielles Desaster. Um ein Zeichen zu setzen, dass er es mit dem schnellen Aufbau der Bundeswehr ernst meinte, entließ Adenauer Theodor Blank und ersetzte ihn durch Franz Josef Strauß. Dieses »Bauernopfer« an der Spitze des Verteidigungsministeriums brachte die für die nächsten Jahre so wichtige Wende.

2. Zweite Phase: Die »Qualitätsarmee« von Franz Josef Strauß Nachdem Franz Josef Strauß im Herbst 1956 die Dienstgeschäfte übernommen hatte, stellte er sofort den Aufbau der Bundeswehr grundlegend um. Es sollte nicht mehr darum gehen, so schnell wie möglich die neuen Streitkräfte aufzustellen, sondern sie qualitativ so gut auszustatten, dass sie innerhalb der NATO eine wichtige Rolle spielen konnten. Dabei war für den ehemaligen »Minister für Atomfragen« die Frage der Einbindung der Bundeswehr in die nukleare Verteidigungsstrategie der NATO von entscheidender Bedeutung. Strauß hatte sich bereits seit 1955 vehement für eine verstärkte nukleare Verteidigung der westlichen Welt eingesetzt, ein Thema, das im Bundeskabinett und im Verteidigungsministerium bis dahin höchst umstritten war12. Der neue Verteidigungsminister, jetzt aber auch Bundeskanzler Adenauer, waren sich bewusst, dass die Bundesrepublik in Zukunft innerhalb der NATO nur dann entscheidendes Gewicht haben würde, wenn sie ein Mitspracherecht bei der atomaren Bewaffnung erhielt. Aufgrund der sich ständig verändernden Bedeutung der Nuklearwaffen in der Verteidigungsstrategie der NATO hatte Strauß seit seinem Amtsantritt im Übrigen auch konventionelle Waffensysteme gefordert, die auf einem nuklearen Gefechtsfeld bestehen konnten und den Soldaten Schutz gegen atomare Strahlung bieten sollten. Er wollte damit erreichen, dass auf diese Weise auch ein begrenzter sowjetischer Angriff mit aller dazu notwendigen Härte hätte zurückgewiesen werden können. Zu diesem Zeitpunkt wären die Amerikaner nämlich nur in der Lage gewesen, einen massiven sowjetischen Angriff durch den massiven Einsatz von weitreichenden Atomwaffen zu stoppen. Im Einvernehmen mit dem SACEUR wollte Strauß die Verteidigung Westeuropas flexibler gestalten und einem lokal begrenzten konventionellen sowjetischen Angriff zunächst mit einem begrenzten Nuklearschlag durch taktische GefechtsfeldwafSiehe hierzu Schwarz, Adenauer und die Kernwaffen.

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fen begegnen. Nachfolgend sollte dann ein Gegenangriff mit konventionellen Mitteln erfolgen, um den Angreifer zurückzuschlagen. Die dafür benötigten Waffensysteme mussten für diesen Gegenangriff auf einem nuklearen Gefechtsfeld bestehen können. Im Rahmen der Erstausstattung der Bundeswehr war dieser Aspekt nicht von Bedeutung gewesen, so dass die meisten bereits vorhandenen oder in Auftrag gegebenen Waffensysteme derartigen Ansprüchen nicht gerecht wurden. In dieser Situation kam der Argumentation der Bundesregierung zu Hilfe, dass innerhalb der NATO in Fragen der atomaren Bewaffnung nach dem »Sputnik-Schock« 1957 ein Umdenken einsetzte und die Bestrebungen der Amerikaner wiederauflebten, die Europäer stärker an den Lasten insbesondere der konventionellen Verteidigung Westeuropas zu beteiligen13. Infolgedessen ließ das Bundesverteidigungsministerium von allen Teilstreitkräften Studien ausarbeiten, die eine Art Forderungskatalog für die Zukunft darstellen sollten, um den Anforderungen der Verteidigung der Bundesrepublik Deutschland unter den neuen Rahmenbedingungen gerecht werden zu können. Die daraufhin angefertigte strategische »Heeresstudie 1959« beruhte darauf, dass die Sowjetunion nun Raketen besaß, die sie mit atomaren Sprengköpfen versehen konnte. Davon ausgehend wurden die Möglichkeiten eines sowjetischen Angriffes analysiert und die Möglichkeiten aufgezeigt, über die das Heer verfügte, angemessen darauf zu reagieren und die Unversehrtheit des deutschen Territorium sichern zu können. Die Hauptforderungen waren14: »1. Eine massive Erhöhung der eigenen Stoßkraft durch: - wirksamere Zusammenarbeit mit der Luftwaffe - ausreichende eigene Ausstattung mit weitreichenden Atomwaffen - Zusammenfassung der Panzerkräfte und neue Möglichkeiten der Panzerbekämpfung - bessere Aufklärungsmittel [und] höhere Beweglichkeit 2. Neue Bewaffnung: - Waffen die Atomsprengkörper verschießen können, bis auf Bataillonsebene verteilen - Neue und mehr Aufklärungsmittel - Umrüstung der Heeresflieger (Aufklärung, »Close Air Support«, Lufttransport, Landefähigkeit ohne »feste Landebahnen«) - Erhöhung der Leistungsfähigkeit der Panzer und Schützenpanzer - Neue und mehr Panzerabwehrwaffen - Nachtkampffähigkeit 3. Veränderung der Organisationsstruktur - Panzer und Grenadierbrigaden als selbstständige Einheiten - Raketenartillerie anstelle von Rohrartillerie 13 14

Greiner, Die Entwicklung der Bündnisstrategie, S. 171. BA-MA, BH 1/9487, BMVg, Fü Η II, TgbNr. 300/59, str.geh.: Auffassung des Heeres zur weiteren Entwicklung strategischer Pläne und ihre Auswirkungen auf die Aufstellungsplanungen, Bonn, 16. Oktober 1959.

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4. -

»Kämpfende Heeresflieger« und »Heeresfliegertransportverbände« »Technische Aufklärungseinheiten« »Raketenwaffenverbände« für »Honest John« und »Sergeant« Konkrete Waffenforderungen: Atomare Trägersysteme: »Pershing« auf Korpsebene, »Davy Crockett« auf Brigade- und Bataillonsebene - »Raketen-Feldflugabwehrwaffen« - Gefechtsfeldüberwachungssysteme, z.B. »Drohne« - Aufklärungs-, Transport- und Luft-Bodenkampfhubschrauber für die Heeresflieger - Neue Kampf- und Schützenpanzer.« Um den eigenen Aussagen und Forderungen offensichtlich noch mehr Wirkungskraft zu verleihen, argumentierte man im Führungsstab des Heers (FüH), dass »letztlich jedoch der Massenansturm der sowjetischen Panzerarmeen nicht durch strategische Waffen aufgehalten wird, sondern nur durch Landstreitkräfte. Denn auch die größte atomare Vernichtungskraft kann nicht eine Invasion von beweglichen und weiträumig aufgelockerten Massenheeren allein aufhalten. Wenn die Landstreitkräfte hierzu nicht befähigt werden, werden die Sowjets auch nicht am Rhein aufzuhalten sein. Damit ist nicht nur die Erhaltung der so genannten Schwertstreitkräfte, sondern auch der gesamte Bestand Europas in Frage gestellt. Ebenso wäre das Schicksal des deutschen Volkes besiegelt und seine biologische Substanz gefährdet.« Die Folgerung aus der Heeresstudie von 1959 konnte nur eine konsequente Auf- und Umrüstung der Bundeswehr sein, damit sie weiterhin in der Lage sein würde, den Frieden und die Freiheit der Bundesrepublik Deutschland zu verteidigen. Hierzu wurden als neue militärische Großverbände im Heer die (Kampf-)Brigaden entwickelt und im gleichen Jahr noch eingeführt. Dies waren Verbände direkt unterhalb der Divisionsebene, in denen alle Waffengattungen der Kampf- und Kampfunterstützungstruppen vereint und substanzielle Versorgungsteile eingegliedert waren. Ziel dieser Umgliederung war es, die Heeresverbände beweglicher und feuerkräftiger zu gestalten und für das Gefecht der verbundenen Waffen zu befähigen.

3. Dritte Phase: die »Konsolidierung«

Nach der »Ad-hoc«-Aufrüstung unter Theodor Blank sowie der Anpassung derselben an die ökonomischen und strategischen Rahmenbedingungen durch die »Qualitätsarmee« von Franz Josef Strauß, setzte nun eine weitere Umrüstung der Bundeswehr ein. Sie war zugleich der erste grundsätzliche Umbau der Erstausstattung der Bundeswehr. Mit ihr sollte eine Anpassung der Ausstattung des Heeres an die veränderte NATO-Strategie und die neue Heeresstruktur

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Dieter Η. Kollmer: »Klotzen, nicht kleckern!« Die materielle Aufrüstung des Heeres

vorgenommen werden15. Auf der Basis der Heeresstudie von 1959 und vor dem Hintergrund, dass die Bereitstellung der zwölf Divisionen für die NATO Anfang der 1960er Jahre absehbar war, begann das Heer nun die zukünftige materielle Auf- und Umrüstung zu planen. Es galt jetzt nicht mehr, so schnell wie möglich Waffensysteme bereitzustellen, damit die aufwachsenden Einheiten und Verbände ausgestattet werden konnten. Vielmehr sollte es das Ziel sein, den Kampfwert des Heeres »bei sparsamem Personalbedarf durch Ausrüstung mit den derzeit modernsten und besten Waffen und Geräten auf den bestmöglichen Stand zu bringen«16, ohne dabei die allgemeinen Anforderungen und Rahmenbedingungen an die Beschaffung von Rüstungsgütern außer Acht zu lassen. Basierend auf den bisherigen Erfahrungen wurden die Beschaffungsabläufe nun ergebnisorientiert strukturiert. Zudem sollte die westdeutsche Industrie zukünftig verstärkt in den Prozess der Rüstungsgüterbeschaffung eingebunden werden. Nachdem man in der Aufbauphase hatte »klotzen« müssen und danach aus den genannten Gründen nur hatte »kleckern« können, war man nun intensiv darum bemüht, das Heer seinem Auftrag entsprechend angemessen auszustatten. Dabei musste natürlich wieder ordentlich »rangeklotzt« werden. Die volkswirtschaftliche Entwicklung in der Bundesrepublik begünstigte diese neue Zielsetzung. Hatte in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre noch Hochkonjunktur geherrscht und somit wenig Interesse bei der westdeutschen Industrie bestanden, sich aktiv am Aufbau der Bundeswehr zu beteiligen, so änderte sich dies zu Beginn des folgenden Jahrzehnts mit dem Nachlassen der Konjunktur. Jetzt plötzlich bewarben sich insbesondere Unternehmen der Fahrzeugbau·, Elektro- und Schwerindustrie zunehmend um Aufträge des Verteidigungsministeriums. Diese Entwicklung führte zu einer »Normalisierung« der Rüstungsanstrengungen in der Bundesrepublik. Das Ministerium musste von nun an nicht mehr fast ausschließlich bei internationalen Anbietern nach den Produkten Ausschau halten, die man für die Bundeswehr benötigte. Vielmehr entstand jetzt eine eigene deutsche Rüstungsgüterindustrie, die aufgrund von Ausschreibungen des Ministeriums Wehrmaterial entwickelte und diese im Laufe der Jahre sogar zum Teil sehr erfolgreich an andere NATO-Partner verkaufen konnte17. Viele Projekte, die seit den 1950er Jahren in den Schubladen der Planungsabteilungen der Teilstreitkräfte gelagert hatten, konnten nun verwirklicht werden. Im Heer waren dies insbesondere die so genannten Panzerfamilien und der 15

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Zur Anpassung der Bundeswehrstrategie an die der NATO und zur Entwicklung der Heeresstruktur siehe die Beiträge Hammerich und Rink im vorliegenden Band. Es ist ein generelles Problem, dass die materielle und personelle Ausstattung von Streitkräften, bei strategischen und/oder strukturellen Veränderungen zumeist nur mit erheblichen zeitlichen Verzögerungen nachvollzogen werden können. Häufig war und ist es sogar so, dass kurz nach oder gar während der Anpassung bereits eine neue Strategie und/oder Struktur in Kraft treten. BA-MA, Bw 1/1587, BMVg Fü Η III 1, TgbNr. 87/61, str.geh.: Grobplanung des Materialbedarfs für den weiteren Heeresaufbau, 23. Juni 1961, S. 5. Herausragendes Beispiel ist dabei ohne Zweifel der Kampfpanzer »Leopard«.

III. Planung und Umsetzung der Rüstungsgüterbeschaffung

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Standardpanzer, die Weiterentwicklung der Raketenartillerie und -flugabwehrwaffen sowie der Hubschrauber für die Heeresflieger18. Jetzt endlich konnte das Verteidigungsministerium an alle zukünftigen Beschaffungsmaßnamen so weit wie möglich planvoll herangehen und Wehrmaterial erwerben, das als Ergänzung oder Erneuerung zweckmäßig erschien. Trotzdem war man sich im Heer bewusst, dass der Prozess »ein langwieriger Vorgang« sein würde, der »im wesentlichen von den personellen, finanziellen und infrastrukturellen Möglichkeiten bestimmt wird«19. Es war der Übergang von einer mit sehr vielen verschiedenen Waffensystemen aufgestellten Landarmee (»Breitenrüstung«) hin zu einer immer schlanker und somit effizienter ausgestatteten Teilstreitkraft (»Tiefenrüstung«20). Ohne Zweifel kann man diese Phase der Rüstungsgüterbeschaffung für die Bundeswehr als Konsolidierung bezeichnen, die bis weit in die 1970er Jahre hinein reichte.

4. Exkurs: Die internationale Rüstungskooperation Um nicht gänzlich von den Lieferungen der amerikanischen Rüstungsindustrie abhängig zu sein, hatten die Europäer schon in der Phase der Planungen für die Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) die Idee einer europäischen Rüstungskooperation entwickelt. Da aber einige Staaten der geplanten EVG gegen eine festgefügte europäische Rüstungsgemeinschaft waren, gab es auf dem Rüstungssektor nicht die angestrebte gesamteuropäische »große« Lösung21. Die französische Regierung versuchte zwar nach dem Scheitern der EVG, diese Idee mit dem Vorschlag eines Rüstungspools im Rahmen der Westeuropäischen Union (WEU) wieder aufleben zu lassen. Aber die starre Haltung Frankreichs in den vorangegangenen Jahren insbesondere gegenüber den Amerikanern ließ jetzt wenig Spielraum mehr dafür. Die beteiligten Länder einigten sich im Frühjahr 1955 lediglich auf den so genannten »Ständigen Rüstungsausschuss« unter dem Dach der WEU. Seine Aufgabe sollte es sein, auf der 18 19 20

21

BA-MA, BH 1/1586, Stand der Heeresrüstung, 20. Juli 1966. BA-MA, BH 1/1586, Stand der Heeresrüstung, 20. Juli 1966, S. 4. »Tiefenrüstung« ist das Gegenteil von »Breitenrüstung« Es gibt nur ein Modell für einen Zweck. Die entscheidenden Vorteile der »Tiefenrüstung« sind die effiziente Ausbildung des Bedienungspersonals sowie der geringe Bedarf von Instandsetzungspersonal und Lagerhaltung. Die Nachteile sind die Abhängigkeit von dem jeweiligen Modell und der faktischen Monopolstellung des Anbieters. »Tiefenrüstung« ist nur möglich, wenn der Aufbau einer Streitmacht langfristig geplant werden kann und ein stabiles Bedrohungsszenario herrscht. Großbritannien und Frankreich wollten eine festgefügte Rüstungsgemeinschaft schaffen, hauptsächlich um einen sicheren Absatzmarkt für ihre wenig ausgelasteten Rüstungsindustrien zu schaffen. Deutschland und die Benelux-Staaten hingegen wollten sich alle Möglichkeiten der Beschaffung offen halten. Siehe hierzu auch AWS, Bd 4, S. 87 (Beitrag Abelshauser).

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Dieter Η. Kollmer: »Klotzen, nicht kleckern!« Die materielle Aufrüstung des Heeres

Grundlage freiwilliger Zusammenarbeit die Bedingungen für eine westeuropäische Rüstungsstandardisierung zu schaffen. Die Mitgliedsstaaten waren zumeist aber eher an bi- oder trilateralen Verhandlungen interessiert, da in einem kleineren Kreis nicht so viele unterschiedliche Meinungen auf einen Nenner gebracht und Standards vereinheitlicht werden mussten. So entstanden über die Jahre hinweg einige größere bi- und trilaterale Rüstungsprojekte, im Rahmen derer herausragende Rüstungsgüter entwickelt wurden. Bekannte Beispiele hierfür sind das Flugabwehrraketensystem »Roland«, die Feldhaubitze FH 70, der Panzerabwehr-Lenkfugkörper »Milan«, das Mehrzweckkampfflugzeug »Tornado« und zuletzt der »Eurofighter«. Um aber dennoch eine grundsätzliche Vereinheitlichung im Rahmen der Rüstungsgüterproduktion zu erreichen, wagte die Bundesregierung im September 1958 einen Vorstoß zugunsten einer Reorganisation des NATORüstungsbereiches22. Die Ziele dieser Initiative waren die Vereinheitlichung der Waffensysteme innerhalb des atlantischen Bündnisses, eine erhebliche Kostenreduzierung, die Erzielung von Synergieeffekten und die Koordinierung parallel laufender Entwicklungen. Man war zu der Uberzeugung gekommen, dass eine »einheitliche Ausrüstung mit allen sich daraus ergebenden wirtschaftlichen und militärischen Vorteilen [...] nur auf dem Wege über eine gemeinsame Forschung und Entwicklung zu erreichen« sei. Um bei der Produktion der Rüstungsgüter eine möglichst günstige Allokation der knappen Güter zu erreichen, hatten sich die für rüstungswirtschaftliche Fragen Verantwortlichen frühzeitig Gedanken über eine mögliche Standardisierung der Waffensysteme innerhalb der westlichen Verteidigungsgemeinschaft gemacht23. Die angestrebte Standardisierung wurde so zum Teil im Rahmen der NATO realisiert. Seitdem legt das »Militärische Amt für Standardisierung« in Zusammenarbeit mit den NATO-Heeres-, Luftwaffen- und Marineämtern, den Kommandobehörden und nationalen Vertretern so genannte »Standardization Agreements« (STANAG) fest. Diese »Agreements« sind für alle Streitkräfte der NATO verpflichtend. Sie verbessern die Zusammenarbeit, da sie nicht nur Anforderungen an verschiedene Waffensysteme (wie z.B. das Kaliber für die Gewehre der NATO-Mitgliedsstaaten) vereinheitlichen, sondern darüber hinaus auch die Abläufe in der Befehlsgebung formalisieren und somit möglicherweise fatale Missverständnisse verhindern helfen. Trotzdem sind die »Agreements« zumeist so konzipiert, dass jedem Mitgliedsstaat die Möglichkeit bleibt, seine eigenen nationalen Traditionen in die Standardisierung zu integrieren. Die meisten supranationalen Rüstungsprojekte der NATO wurden deshalb bi- oder trinational verwirklicht und zunächst von staatlicher Seite initiiert. Später wurden die in 22

23

Hierzu und zum Folgenden BA-MA, Bw 2/74, Τ I 1 - TgbNr. 3054/58 NfD. Deutsche Feststellung zur Diskussion der Reorganisation des Rüstungsbereiches der NATO, Bonn, 23. September 1958. Denkschrift Oberst a.D. Pollex, Dienststelle Blank, »Beachtenswertes für Wirtschaftsbesprechungen - einige wehrwirtschaftliche Grundsätze« vom 20. Oktober 1951, S. 2 f. Vom Verfasser der Projektgruppe II/Fachbereich III des MGFA zur Verfügung gestellt. MGFA, Befragungsmaterialien Brigadegeneral a.D. Curt Pollex.

III. Planung und Umsetzung der Rüstungsgüterbeschaffung

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der Rüstungswirtschaft involvierten Unternehmen von den Ministerien immer wieder dazu angehalten, multinational zu kooperieren, um so genannte Skalenerträge zu erzielen24. Auf europäischer Ebene resultierten diese Bestrebungen beispielsweise in den deutsch-französischen Planungen für einen modernen Kampfpanzer (aus dem auf deutscher Seite der »Leopard 1« entstand) und die trinationale Rüstungsgemeinschaft zwischen Frankreich, Italien und Deutschland (»FIG«), die allerdings an ihrem aufwendigsten Projekt einer europäischen Atomrüstung scheiterte25. Transatlantisch wurden ebenfalls auch verschiedene gemeinsame Rüstungsprojekte verfolgt. Der so genannte Kampfpanzer 70 und das Nebenprodukt Schwerlasttransporter HET 70 gehörten zu den Großprojekten. Zumeist spielte sich aber die bi- oder trilaterale rüstungswirtschaftliche Zusammenarbeit bei kleineren, eher unscheinbaren Projekten ab. So entstanden im Laufe der Jahre gemeinschaftlich Munition, Funkgeräte und Ausrüstungsgegenstände für die Soldaten.

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Leaman, The political economy, S. 86. Als Beispiel hierfür nennt Leaman die Luftfahrtindustrie. Siehe hierzu u.a. Schwarz, Adenauer und die Kernwaffen; AWS, Bd 4 (Beitrag Abelshauser).

IV. Die Umsetzung der materiellen Aufrüstung a m Beispiel konkreter Rüstungsprojekte Die gewählten Beispiele sollen die unterschiedlichen Ansätze wiedergeben, die das Bundesministerium der Verteidigung in den ersten anderthalb Jahrzehnten des Heeresaufbaus wählte, um Wehrmaterial zu beschaffen. Daran lässt sich gleichzeitig die Entwicklung der Rüstungsgüterbeschaffung verdeutlichen. Selbstverständlich orientierte sich die Auswahl der Projekte an der Bedeutung des jeweiligen Rüstungsgutes.

1.

Hilfeleistung durch die USA

In der Zeit des Kalten Krieges haben die USA eine Vielzahl ziviler und militärischer Hilfsprogramme für ihre Verbündeten aufgelegt. Nur wenige erlangten den Bekanntheitsgrad des »Marshallplanes«. Trotzdem waren sie häufig bedeutender für die unterstützten Länder, da sie konkrete Probleme beseitigten oder finanziell besser ausgestattet waren, als der vergleichsweise mit geringen Mitteln (rund 13 Mrd. U.S. $ für ganz Europa) versehene »Marshallplan«. Die Unterstützung der militärischen Verbündeten mit Hilfen zur Selbsthilfe war ein wichtiger Baustein der amerikanischen Maßnahmen1: Eines der bedeutendsten Programme dieser Art ist die auf der Basis der Erfahrungen des Koreakrieges aus dem »Mutual Defense Assistant Program« (MDAP/1947) heraus entwickelte »Mutual Security Policy« (MSP/1951)2. Die Regierung in Washington verstand diese primär militärische Hilfe als Teil ihrer Außenhilfe zum Wiederaufbau Westeuropas und zur Stabilisierung der marktwirtschaftlich-demokratischen Verhältnisse im strategischen Vorfeld des kommunistischen Machtblocks. Um dies zu erreichen, wurde die MSP ins Leben gerufen. Sie sollte die Verteidigungsfähigkeit der marktwirtschaftlich ausgerichteten Staaten forcieren. Ihr Kern waren der »Mutual Security Act« (MSA) von 1951 und dessen Ergänzung von 19543, der »Mutual Defense Assistance Act« sowie das daraus entstandene 1

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Zu den amerikanischen Militärhilfen für Europa in der Nachkriegszeit siehe u.a. Hammerich, Jeder für sich. Byrne, The United States and Mutual Security, S. 4 0 - 4 7 . PA/AA, Ref. 211, Β 14-33, Mutual Security Act of 1954 (PL 665 - 83 d Congress). Übersetzung in BA-MA, BV 5/202, Gesetz zur Förderung der Sicherheit und der außenpolitischen

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Dieter Η. Kollmer: »Klotzen, nicht kleckern!« Die materielle Aufrüstung des Heeres

»Mutual Defense Assistance Program«. Diese Erklärungen galt es in aktive Politik und Programme umzusetzen. Schon während der Verhandlungen zur EVG war deutlich geworden, dass die westeuropäische Verteidigung ohne amerikanische Finanzhilfen nicht angemessen aufgebaut werden könnte. Eine Finanzierungslücke von rund 20 Mrd. U.S. $ sollte nach den Vorstellungen der Europäer amerikanische Militärhilfe durch Zuschüsse und materielle Hilfe decken. Insbesondere die Erwartungen der Bundesrepublik an die amerikanische Unterstützung waren sehr hoch. Ernüchterung kehrte ein, als der stellvertretende amerikanische Verteidigungsminister Frank C. Nash dem Bundeskanzler erklärte4, dass die Militärhilfe in Form von schwerem Gerät nur einen Wert von ungefähr 3,8 Mrd. DM haben würde. Dieser als »Nash-Commitment« in die Geschichte eingegangene Plan sah vor, »die ersten sechs deutschen Kampfverbände (des Heeres) und die ersten vierundzwanzig deutschen Flugzeugstaffeln mit der erforderlichen schweren Ausrüstung« nach dem Beitritt der Bundesrepublik zu einem westlichen Verteidigungsbündnis als eine Art amerikanische Morgengabe auszustatten. Für das Heer war vorgesehen, »Gegenstände die in erster Linie militärisch verwendbar sind, wie Panzer, Kampfwagen, Feldartillerie, Flak, [...] Nachrichten- sowie Pionierausrüstung nebst Zubehör und Ersatzteilen«, bereitzustellen. Welches konkrete Material die USA liefern würden, sollte erst entschieden werden, wenn der genaue Rahmen des Verteidigungsbeitrages der Bundesrepublik feststand und der Ausbildungsstand der deutschen Soldaten einen »wirksamen Einsatz« der Waffensysteme zulassen würde. Washington bot die materielle Hilfe für den Fall an, dass Bonn nicht in der Lage sein würde, die benötigten Rüstungsgüter selbst herzustellen oder bei europäischen Nachbarn zu beschaffen. Hierzu sollten auf der Basis amerikanischer Angebotslisten detaillierte deutsche Anforderungslisten (so genannte »Mangellisten«) erstellt werden. Die Bundesregierung antwortete auf das großzügige Angebot, noch bevor die Ratifizierung der EVG-Verträge absehbar war, mit einer sehr detaillierten »Mangelliste«5. In Washington war man von dem deutschen Verhalten überrascht und wies deshalb nochmals darauf hin, »die Mangelliste hat dasjenige Material des deutschen EVG-Kontingents zu umfassen, das aus wirtschaftlichen Gründen [...] in der Bundesrepublik nicht zeitgerecht und mengenmäßig gefertigt und ausgeliefert werden kann«6. Die Bundesregierung ignorierte die amerikanischen Einwände, da sie glaubte, durch diese Unterstützung den Aufbau der Streitkräfte schneller sowie sozial- und konjunkturverträglicher bewältigen zu können. Zu diesem Zweck wurden die eigenen Wunschlisten in enger Abstim-

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Zielsetzung der Vereinigten Staaten durch Gewährung von Hilfe an befreundete Nationen und für andere Zwecke. Hierzu und zum Folgenden BA-MA, Bw 9/209, Geheim. Erklärung des Stellvertretenden Verteidigungsministers Nash an den Bundeskanzler Adenauer, 7. April 1953. BA-MA, Bw 9/209, TgbNr. G 4/13/54 str.geh. Deutsche Delegation. Der Militärische Chefdelegierte an General a.D. A. Heusinger, Paris, 26. Februar 1954. BA-MA, Bw 9/123, Dienststelle Blank, II/Pl/Leiter G4/3 TgbNr. 541/54 geh. Betr.: Erstellung der Mangelliste für Material, Bonn, 28. Juli 1954.

IV. Die Umsetzung der materiellen Aufrüstung

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mung zwischen der Dienststelle Blank und dem Wirtschaftsministerium erstellt. Das Wirtschaftsressort stellte zunächst fest, »bei welchen Typen ein Interesse auf Fertigung durch die deutsche Wirtschaft vorliegt«7. Anschließend sollten die verantwortlichen Abteilungen in der Dienststelle Blank prüfen, welche der »Angebote aus der deutschen Wirtschaft den militärischen Forderungen entsprechen und ob sie nach Menge und Zeit mit den Zeit- und Bedarfsplänen für die Aufstellung in Übereinstimmung gebracht werden können«. Abschließend wurde für die Verhandlungen mit den Amerikanern eine »Mangelliste« zusammengestellt. Von den gut 400 darauf vermerkten Positionen wollte man nur ungefähr 10 Prozent in Europa beschaffen, die überwiegend Fernmeldegeräte betrafen8. Das gesamte kostenträchtige Großgerät hoffte man von den Amerikanern zu erhalten - natürlich so kostengünstig wie möglich. In den nachfolgenden Besprechungen zeigten sich die amerikanischen Verhandlungsführer irritiert über die fehlende deutsche Bereitschaft, eigene Anstrengungen zu unternehmen. Denn bereits im Zusammenhang mit Investitionshilfen für die westdeutsche Wirtschaft von zunächst 150 Mio. DM zum Aufbau eigener Rüstungsproduktionsanlagen im Rahmen des MSA hatte Washington unliebsame Erfahrungen mit den Deutschen gemacht. Die einzige Bedingung für diese sehr günstigen Kredite war, dass die von der Bundesregierung ausgewählten Unternehmen bereits einschlägige Erfahrungen in der Herstellung von Wehrmaterial haben mussten. In Bonn waren solche Betriebe aber angeblich nicht bekannt. Folglich lief die Verwendung dieser Mittel nur sehr zögerlich an9. Die Reaktion in den Vereinigten Staaten ließ nicht lange auf sich warten. Schon im Spätherbst desselben Jahres wurden die Ansätze für die Militärhilfe an die Bundesrepublik zur Überraschung der Bundesregierung deutlich gekürzt. Aber nicht nur das undiplomatische Verhalten der Bonner Verantwortlichen, sondern auch substanzielle Veränderungen der amerikanischen Finanz- und Sicherheitspolitik durch die gerade eben in ihre Geschäfte eingeführte Eisenhower-Administration führten zu erheblichen Einschnitten in der Unterstützung der westeuropäischen Verbündeten10. Der Regierungswechsel 1953 von den Demokraten zu den Republikanern brachte auch Veränderungen in den sicherheitspolitischen Leitlinien der Vereinigten Staaten mit sich. Der so genannte »New Look« war Ausdruck der Richtungsänderung durch die Eisenhower-Administration, die aus der Sicht des Auswärtigen Amtes die notwendige Anpassung der amerikanischen Politik an

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Hierzu und zum Folgenden BA-MA, Bw 9/209, Dienststelle Blank, II/Pl/Leiter G3/4 TgbNr. 504/54 geh. Betr.: Unterlagen für Erstellung der Mangelliste für Material, Bonn, 19. Juli 1954. BA-MA, Bw 9/209, TgbNr. G4/62/54 str.geh. Deutsche Delegation. Der Militärische Chefdelegierte an General a.D. A. Heusinger, Paris 23. Juli 1954. Zu den Problemen bei der Vergabe der »MSA-Kredite« siehe Aktenbestände BA-MA, BV 3/11888-11890. Ausführlich zum Thema Lastenteilung in den ersten Jahren der NATO siehe Hammerich, Jeder für sich. Zu diesem Abschnitt siehe dort S. 315-324.

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Dieter Η. Kollmer: »Klotzen, nicht kleckern!« Die materielle Aufrüstung des Heeres

die ökonomischen und technischen Entwicklungen der letzten Jahre darstellte11. Einerseits führte Präsident Eisenhower damit nur die dringend notwendige, bereits von seinem Vorgänger Truman begonnene Konsolidierung des USHaushaltes fort. Andererseits war seine neue Politik gegenüber den westeuropäischen Verbündeten eine Lehre aus seinen Erfahrungen als Oberbefehlshaber der NATO. Er wollte die Westeuropäer nämlich endlich verstärkt auf der Basis ihrer ökonomischen Leistungsfähigkeit an der Verteidigung der demokratischen Staaten beteiligen12. Das neue sicherheitspolitische Konzept Washingtons hatte zur Folge, dass die Partner der USA mehr Eigenverantwortung übernehmen mussten und nicht mehr mit der erwartet hohen finanziellen Unterstützung bei der Aufstellung oder Umrüstung ihrer eigenen Streitkräfte rechnen konnten. Der »Mutual Security Act« (MSA) von 1954 war die direkte Umsetzung des »New Look« insbesondere bei der finanziellen Unterstützung befreundeter Nationen, »um die außenpolitischen Zielsetzungen, die Sicherheit und den allgemeinen Wohlstand der Vereinigten Staaten zu fördern und die tatkräftige Beteiligung dieser Nationen an den Vorkehrungen für die Selbstverteidigung aus individueller und kollektiver Ebene zu erleichtern«13. Für amerikanische Verhältnisse war dies eine sehr deutliche Reaktion auf die Tendenz der westeuropäischen NATOMitglieder, ihre Verteidigungsausgaben im Rahmen der amerikanischen atomaren Strategieanpassung erheblich zu reduzieren. In der Bundesrepublik rechnete man dessen ungeachtet weiterhin mit erheblicher finanzieller Unterstützung aus den Vereinigten Staaten. Es stand dabei die außerordentlich hohe Summe von über 31 Mrd. DM im Raum14. Da der neue MSA maximal 1,27 Mrd. U.S. $ (ungefähr 5,7 Mrd. DM) pro Haushaltsjahr für Hilfeleistungen an alle verbündete Staaten vorsah15, war dies eine illusorische Vorstellung. Zudem wollte man zukünftig Ausrüstungsgegenstände, für die in den amerikanischen Streitkräften keine Verwendung mehr bestand, nicht mehr kostenfrei abgeben. Der abnehmende Staat sollte zumindest den »Schrottwert« des jeweiligen Gegenstandes bezahlen. Einzig die Zusagen im Rahmen des »Nash-Commitments« blieben davon unberührt. Offensichtlich hatten die Verbündeten der Amerikaner den Bogen überspannt. Die Eisenhower-Administration setzte in den kommenden Jahren alles daran, das Wahlversprechen einzuhalten, das amerikanische Haushaltsdefizit, welches sich 11

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Siehe hierzu die unmittelbare Analyse des Auswärtigen Amtes zum »New Look«, PA/AA, BSts B2/29, Die neue amerikanische Sicherheitskonzeption (»New Look«), Bonn, 1. April 1954. Hammerich, Jeder für sich, S. 316. BA-MA, BV 5/202, Gesetz zur Förderung der Sicherheit und der außenpolitischen Zielsetzung der Vereinigten Staaten durch Gewährung von Hilfe an befreundete Nationen und für andere Zwecke, S. 2 f. BA-MA, Bw 9/4319-71 f., Dienststelle Blank, II/Pl/G 4/Ltr. Entwurf einer Beurteilung des Aide Memoire vom 22.11.1954, Bonn, 12. Dezember 1954. Hierzu und zum Folgenden BA-MA, BV 5/202, Gesetz zur Förderung der Sicherheit und der außenpolitischen Zielsetzung der Vereinigten Staaten durch Gewährung von Hilfe an befreundete Nationen und für andere Zwecke, S. 5-8.

IV. Die Umsetzung der materiellen Aufrüstung

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infolge des Koreakrieges aufgebaut hatte, so weit wie möglich zu reduzieren. Der hohe Verteidigungshaushalt bot sich hierzu hervorragend an16. Überdies wollte man es in Washington offensichtlich nicht ohne weiteres hinnehmen, dass andere Staaten auf Kosten des amerikanischen Steuerzahlers ihre Staatshaushalte konsolidierten17. Washington machte von nun an Militärhilfen, die über das »NashCommitment« hinausgehen sollten, von der Bonner Bereitschaft abhängig, einen in Relation zum westdeutschen Bruttosozialprodukt angemessenen Verteidigungsbeitrag zu leisten. Von den dann im November 1954 angebotenen Hilfeleistungen zeigte man sich in der Dienststelle Blank sehr enttäuscht, hielt aber an der Uberzeugung fest, nachverhandeln zu können18. Die Bundesregierung ging sogar davon aus, dass die später als »Nash-Liste« bezeichnete Aufstellung des zur Verfügung gestellten Gerätes nur der Auftakt für weitere Hilfeleistungen aus den Vereinigten Staaten war. Auf deutscher Seite verpasste man keine Gelegenheit, die amerikanischen Verhandlungspartner darauf aufmerksam zu machen - so lange, bis die Vertreter der US-Regierung über die Forderungen verärgert waren19. Dabei waren die Verantwortlichen in Washington frühzeitig den westdeutschen Vorstellungen, dass die Bundesrepublik irgendeinen Anspruch auf amerikanische Militärhilfe hätte, entgegen getreten. Gleichwohl waren die amerikanischen Militärhilfen für die Bundesregierung ein zweischneidiges Schwert. Einerseits halfen sie beim schnellen Aufbau der Bundeswehr, andererseits waren mit ihnen immer zusätzliche erhebliche Ausgaben aus dem Bonner Verteidigungsetat verbunden. Es musste nämlich eine angemessene Infrastruktur für die bereitgestellten Waffensysteme geschaffen werden, da diese häufig nicht oder nur unzureichend vorhanden war. Die Folge war, dass das Verteidigungsministerium nur sehr zögerlich die bereitgestellten Rüstungsgüter abrief und die Amerikaner sehr ungehalten auf die vordergründige Undankbarkeit ihres Bündnispartners reagierten. Ab Mitte 1956 musste die Bundesrepublik, wenn auch zu vergünstigten Preisen, für die Kosten der meisten von den USA über die »Nash-Liste« hinausgehenden Ausrüstungsgegenstände selbst aufkommen20. Das Taktieren der Bundesregierung hatte sich nicht ausgezahlt. Am 24. November 1954 wurde der Bundesregierung jedenfalls »eine Liste der Ausruestungen, welche die Vereinigten Staaten der Deutschen Bundesre-

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Der US-Verteidigungshaushalt betrug laut Hammerich, Jeder für sich, S. 322, 1953 rund 51,6 Mrd. US-Dollar (bei einem Umrechnungskurs von ungefähr 1:4,2 waren dies ungefähr 217 Mrd. DM). Der Verteidigungshaushalt in den Aufbaujahren der Bundeswehr hingegen belief sich auf konstante 9 Mrd. DM! Siehe hierzu ausführlich Hammerich, Jeder für sich, S. 316 f. BA-MA, Bw 9/4319-51 f., Dienststelle Blank, II/P1/G4. Betr.: Aide Memoire vom 22.11.1954, Bonn, 30. November 1954. Hierzu und zum Folgenden, AWS, Bd 4, S. 114 f. (Beitrag Abelshauser). BA-MA, Bw 2/2419, US-Headquarters, APG an den Bundesminister der Verteidigung, Mehlem Aue, 28.12.1955.

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Dieter Η. Kollmer: »Klotzen, nicht kleckern!« Die materielle Aufrüstung des Heeres

publik zu schenken bereit sind«, übermittelt 21 . Diese »Nash-Liste« enthielt, laut Aussage der Amerikaner, die Ausstattung für vier Infanteriedivisionen, zwei Panzerdivisionen sowie 24 Luftwaffenstaffeln und einige Marine-Einheiten. Zur Auslieferung bereitgestellt werden sollte das Material, wie es die Fortschritte beim Aufbau der Streitkräfte zweckmäßig erschienen ließen. Es wurde von vornherein klargestellt, dass Änderungen dieser Lieferungen nur im gewissen Maße möglich sein würden. Offensichtlich wollten die Amerikaner nach den schlechten Erfahrungen der vergangenen Monate vorbeugen. Eine Typenauswahl nach den eigenen Vorstellungen und Bedürfnissen, wie es sich viele Verantwortliche in der Dienststelle Blank ausgemalt hatten, gab es folglich nicht. Die sofortige Analyse der Bonner Behörden ergab, dass »von den in der deutschen Mangelliste angesprochenen Materialtypen nur ein Teil zur Lieferung angeboten« wurden 22 . Beim Heer fehlten nach Ansicht der hierfür Verantwortlichen insbesondere »die gesamte Ausrüstung für Verfügungstruppen (Heerestruppen)« sowie die Ausstattung sämtlicher Schulen. Immerhin signalisierte Washington bei weiterem Bedarf der Deutschen Hilfsbereitschaft. Dieser zusätzlichen Hilfe waren aber die engen Grenzen des MSA von 1954 gesetzt. Offensichtlich war man in der Dienststelle Blank überrascht, dass das Geschenk der Amerikaner nicht größer ausfiel. Erst jetzt machte man sich Gedanken darüber, wie die nicht im Lieferumfang befindlichen Waffensysteme beschafft werden konnten 23 . Zu lange hatte man darauf gehofft, dass die Vereinigten Staaten die Soldaten, die sie für die konventionelle Verteidigung Westeuropas von den Verbündeten dringend benötigten, auch kostenfrei und komplett ausstatten würden. Eigene Planungen waren deshalb zurückgestellt worden. Nachdem Washington nun endgültig klargestellt hatte, wie groß die »Morgengabe« sein würde, galt es festzustellen, welche Waffensysteme zusätzlich für die Erfüllung des Auftrages innerhalb der NATO auf der Basis der eigenen taktisch-operativen Leitlinien noch beschafft werden mussten. Dennoch bemühte sich die Bundesregierung auch weiterhin darum, die Erstausstattung der Bundeswehr so weit und so günstig wie möglich von den Amerikanern zu erhalten. Das erweckte bei diesen wiederum den Eindruck, dass die Bundesrepublik nicht wirklich bereit war, einen angemessenen Beitrag zu leisten. In Washington wurden die Verantwortlichen immer skeptischer, was die Zuverlässigkeit des neuen Verbündeten betraf 24 . Aufgrund des geringen Personals und der Kommunikationsschwierigkeiten innerhalb der Dienststelle Blank25 dauerte es nach dem Bündnisbeitritt bis zum 21

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Hierzu u n d z u m Folgenden BA-MA, Bw 9/4319-11, Inoffizielle Ubersetzung, SecretGeheim, 24.11.1954 Hierzu u n d z u m Folgenden BA-MA, Bw 9/4319-51 f., Dienststelle Blank, II/P1/G4. Betr.: Aide Memoire vom 22.11.1954, Bonn, den 30. November 1954. BA-MA, Bw 9/4319-72 f., Dienststelle Blank, II/P1/G4. Entwurf einer Beurteilung des Aide Memoire vom 22.11.1954, Bonn, 12. Dezember 1954. BA-MA, Bw 9/4319-279, Dienststelle Blank, II/P1/G4, Ltr., Vermerk für den Vortrag bei Herrn Blank, Bonn, 10. lanuar 1955. So hatte beispielsweise die Beschaffungsabteilung der Dienststelle Blank in Koblenz Anfang April 1955 immer noch nicht offiziell die »Nash-Liste« aus Bonn erhalten. Dies

IV. Die Umsetzung der materiellen Aufrüstung

529

März 1955, bis eine erste »Grobzusammenstellung des Bedarfs an Hauptgerät für die deutschen Streitkräfte« fertiggestellt werden konnte. Danach benötigte das zukünftige Heer unter anderem: - 675 000 leichte Waffen (Pistolen, Gewehre, MP, MG) - 147 500 Kraftfahrzeuge (Krad, Pkw, Lkw) - 15 230 gepanzerte Kraftfahrzeuge (Panzerjäger, Schützenpanzerwagen u.a.) - 6870 schwere Panzer - 1540 Artillerie-Geschütze Nach den Schätzungen der verantwortlichen Abteilungen würden davon maximal 20 Prozent pro Artikel durch die US-Außenhilfe gedeckt werden26. Eine sofort angestellte Berechnung des finanziellen Bedarfs für die kommenden vier Jahre belief sich auf 25 Mrd. DM allein für das Material des Heeres. Dieses Ergebnis führte dazu, dass Wirtschafts- und Finanzministerium ihre Bedenken gegen die Finanzierbarkeit und die hohe Geschwindigkeit der Aufrüstung der Streitkräfte bestätigt sahen27. Eine wesentlich detailliertere Aufstellung wurde dann im Mai vorgelegt. In ihr wurden der Bedarf und die zugesagten amerikanischen Lieferungen miteinander abgeglichen. Dabei fällt auf, dass der Bedarf insbesondere an gepanzerten Kraftfahrzeugen und Handwaffen nur unzureichend gedeckt werden konnte. Der Bedarf an Fernmeldegerät hingegen, das man eigentlich in Europa beschaffen wollte, wurde zu einem großen Teil mit der amerikanischen Hilfelieferung abgedeckt28. Je mehr die Deutschen sich über die vermeintlich zu geringen Hilfeleistungen der USA erregten, umso mehr gingen die Amerikaner dazu über, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Bundesrepublik zu hinterfragen. Die Vertreter der Bundesregierung machten den großen Fehler, ihrem Partner das Gefühl zu geben, dass sie die Hilfeleistungen für selbstverständlich hielten29. So stellte denn auch der amerikanische Botschafter in Bonn James B. Conant im Düsseldorfer Landtag klar, dass die Finanzhilfen, die von den Vereinigten Staaten seit einigen Jahren nach Europa transferiert wurden, zur »Selbsthilfe und gegenseitigen Hilfe« verwendet werden sollten30. Darüber hinaus erklärte er den Parlamentariern, dass die USA selbstverständlich bereit seien, der Bundesrepublik zu helfen, sobald sie in Schwierigkeiten käme. Aber sie war es zu der Zeit nicht

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führte natürlich auf amerikanischer Seite zu großer Verwunderung. Siehe hierzu BA-MA, Bw 1/348042, Dienststelle Blank, C V, Vermerk. Betr.: Anruf Mr. Breecher, APG Mehlem Aue, 7. April 1955. BA-MA, Bw 9/4319-112, Dienststelle Blank, II/P1/G4/5, Grobzusammenstellung des Bedarfs, Bonn, 7. März 1955. PA/AA, Ref. 211, Β 14-9, Ref. IV A6. Betr.: Militärische Auslandshilfe, Paris, 6. April 1955. BA-MA, Bw 9/4319-131, Dienststelle Blank, II/P1/G4/5, Bedarfsdeckungsplan, Bonn, 10. Mai 1955. In den Quellen finden sich viele Beispiele für die deutsche Erwartungshaltung gegenüber den Amerikanern, die zum Teil sehr vermessen erscheint. Beispielhaft: BA-MA, Bw 9/4319. PA/AA, Ref. 211, Β 14-9, Embassy of the United States of America, Presseverlautbarung Nr. 13, 24. Mai 1955. Rede von Botschafter James B. Conant am 24. Mai 1955 im Landtag von Nordrhein-Westfalen.

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Dieter Η. Kollmer: »Klotzen, nicht kleckern!« Die materielle Aufrüstung des Heeres

Rüstungsgüterproduktionslücke" im Januar 1956 gemäß Memorandum des Bundesministeriums der Finanzen Produktionslücke (in Mrd. DM)

Nash-Liste (in Mrd. DM)

Defizit (in Mrd. DM)

Anteil (in %)

1.Jahr

2,232

1,357

0,875

39

2. Jahr

4,817

1,687

3,130

65

3. Jahr

5,215

0,815

4,400

84

12,264

3,859

8,405

69

Insgesamt

Quelle: PA/AA, Ref. 301, 81-18-21, Memorandum, Betrifft: Gewährung weiterer Außenhilfe durch die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika vom 10. Januar 1956.

© MGFA 05152-01

und würde aus amerikanischer Sicht aufgrund der Aufrüstung keine grundlegenden volkswirtschaftlichen Probleme bekommen. Die deutschen Verantwortlichen hatten offensichtlich - ähnlich den meisten ihrer westeuropäischen Kollegen - bei den Vertretern aus Washington den Eindruck hinterlassen, dass sie nur auf den eigenen Vorteil bedacht waren und nicht ernsthaft die vertraglich übernommenen Verpflichtungen erfüllen wollten. Daraufhin nutzte die Eisenhower-Administration die Situation aus, sachgerecht argumentierend die Militärhilfen an die westeuropäischen Verbündeten auf ein Mindestmaß zurückzuschrauben31. Zukünftige Materiallieferungen erfolgten nur noch gegen Bezahlung zu handelsüblichen Preisen. In Bonn nahm man offensichtlich die amerikanische Richtungsänderung immer noch nicht ernst. Vielmehr bat die Bundesregierung Washington im Frühjahr 1956 um weitere langfristige Militärhilfen, um die so genannte »Rüstungsgüterproduktionslücke« schließen zu können. Diese Produktionslücke stellte den prognostizierten fiskalischen Fehlbetrag für die Beschaffung von Wehrmaterial für die Erstausstattung der Bundeswehr dar. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) plante dabei, in den kommenden drei Jahren 45,9 Mrd. DM für den Aufbau der Bundeswehr auszugeben. Davon sollten 33,3 Mrd. DM aus dem Bundeshaushalt bestritten werden, rund 12,6 Mrd. DM erhoffte man in Form von Militärhilfen aus den Vereinigten Staaten zu erhalten. Diese Forderung war illusorisch, da die USRegierung bis zu diesem Zeitpunkt »nur« die 3,8 Mrd. DM unentgeltlicher Materiallieferungen des »Nash-Commitments« zugesagt hatte32. Alle darüber hinaus gehenden Zahlungen, z.B. durch den MSA von 1954, sollten mit allen zuvor geleisteten Zusagen verrechnet werden. Dennoch wollten die Verantwortlichen in Bonn das noch zu beschaffende Wehrmaterial für die Erstausstattung der Bundeswehr materiell und finanziell weiterhin mit den Mitteln der USMilitärhilfe begleichen. Offensichtlich war die Bundesregierung wieder einmal zu weit gegangen. Washington reagierte sehr verärgert auf das deutsche Ansinnen und bot den Deutschen zwar die Lieferung aller Materialien der »Mangelliste«, die über das »Nash-Commitment« hinaus gingen, an - aber nur gegen Barzahlung. Man erwartete von diesem Zeitpunkt an, dass die Bundesrepublik die vollen Kosten für Rüstungslieferungen übernehmen werde. Die Hoffnung 31 32

Hammerich, Jeder für sich, S. 353 f. BA, Β 136/2164-227, Schnellbrief Schäffer an Blank. Betr.: Verteidigungsfinanzierung, 28. Februar 1956.

IV. Die Umsetzung der materiellen Aufrüstung

531

der Bundesregierung, mit jährlichen Eigenmitteln von neun Mrd. DM die Aufrüstung der Bundeswehr zu realisieren, musste endgültig aufgegeben werden. Die Verantwortlichen in Washington zeigten sich entsetzt über die westdeutschen Reaktionen. Sie hatten diese Verhandlungen als einen Test für die Ernsthaftigkeit der Bonner Aufrüstungsbemühungen betrachtet. Diese Prüfung hatten die Westdeutschen nicht bestanden. So wurden noch vor den ersten Auslieferungen des »Nash-Commitments« erste Verhandlungen über die Konditionen des zukünftigen Erwerbs von Rüstungsgütern aus den Beständen der US-Streitkräfte durch die Bundesrepublik geführt. Die Erweiterung der Bundeswehrbestände sollten den Vorstellungen der Amerikaner entsprechend nur noch gegen Bezahlung erfolgen. Dabei waren die Preise für die Waffensysteme, die bei den Amerikanern ausgedient hatten, unschlagbar günstig und drängten die Konkurrenz aus Großbritannien und Frankreich aus dem Feld. So sollte der Μ 47-Kampfpanzer 109142 U.S. $ kosten, der Μ 41-Aufklärungspanzer 94 412 U.S. $, der Μ 42-Flakparizer 100 658 U.S. $, der Μ 74-Bergepanzer 83 438 U.S. $ und das Μ 2 155-mm-Geschütz 59 963 U.S. $33. Die Amerikaner konnten auf diese Weise ihre älteren Waffensysteme verkaufen, und die Bundeswehr erhielt eine kostengünstige Erstausstattung. Dies war freilich nicht die Lösung, die von der Bundesregierung angestrebt wurde; Verhandlungen über das Schließen der »Rüstungsgüterproduktionslücke« verliefen fast gleichzeitig. Gleichwohl blieben die Amerikaner letzten Endes bei dieser Position. Die Lieferung des »Nash-Commitment« erfolgte kostenfrei, alle nachfolgenden Waffenlieferungen mussten bezahlt werden. Für die Planung, Aufstellung, Beaufsichtigung und Durchführung der materiellen Außenhilfe der Vereinigten Staaten war die »Military Assistance Advisory Group« (MAAG) des Pentagon in der Bundesrepublik zuständig34. Das Verteidigungsministerium stellte einen Verbindungsoffizier, der die Vorgaben der Amerikaner für die Aufnahme der US-Hilfe an die deutsche Organisation weiterleitete. Dieser wurde der Abteilung Streitkräfte (später FüS) unterstellt. Die deutsche Aufnahmeorganisation bestand aus einer »Weiterleitungsstelle (See)« in Bremerhaven, die das entsprechende Material in den Häfen Bremerhaven und Nordenham entgegennahm und weiterleitete. Empfänger des weitergeleiteten Wehrmaterials waren die Material-Ubernahmeorganisationen der drei Teilstreitkräfte. Diese wiederum hatten die Aufgabe, das Material zu katalogisieren und den Vorgaben der jeweiligen Teilstreitkraft-Abteilung (später FüH, FüL, FüM) entsprechend auf Einheitsebene zu verteilen. Von Anfang an funktionierte dieses System sehr gut und wurde in späteren Jahren auch für die Aufnahme von importierten Rüstungsgütern verwendet. Nach langwierigen Verhandlungen, einigen Verzögerungen und Missverständnissen mit dem Pentagon stellte das Bonner Verteidigungsministerium, 33

34

BA-MA, Bw 2/2419, Headquarters APG, Mehlemer Aue an den Bundesminister der Verteidigung, 28. Dezember 1955. Hierzu und z u m Folgenden BA-MA, Bw 9/2562, Dienststelle Blank, II/P1/G4/7, Betr.: Organisation zur Abwicklung der materiellen US-Aussenhilfe, Bonn, 21. Dezember 1954.

532

Dieter Η. Kollmer: »Klotzen, nicht kleckern!« Die materielle Aufrüstung des Heeres

nachdem die endgültig erste Struktur der Bundeswehr abschließend verhandelt worden war, auf der Basis des eigenen taktisch-operativen Ansatzes Ende 1955 eine Bedarfsliste für militärisches Großgerät (angefangen von Pistolen bis hin zu Kampfpanzern) zusammen 35 . Nach der abgesprochenen Summe des »NashCommitments« wurde von amerikanischer Seite Material zusammengestellt, das entweder aus Depots in den USA nach Westdeutschland verschifft oder aber von den stationierten US-Truppen direkt an die Bundeswehr übergeben wurde. Der gesamte Abwicklungsprozess lief über die MAAG. Gemäß der »Nash-Liste« vom 24. Februar und ihrer Ergänzung vom 28. Juni 195636 erhielt die Bundeswehr dann unter anderem folgendes Gerät kostenfrei von den USA zu Verfügung gestellt: - 34 132 Karabiner Μ 2 cal. 45 - 10 300 Pistolen Auto cal. 45 Μ 1 - 8188 Maschinenpistolen cal. 45 Μ 1 - 2450 Maschinengewehre cal. 30 Μ 1919 - 1110 mittlere Kampfpanzer Μ 47 - 300 Bergepanzer Μ 74 - 350 Mörser 81 mm Μ 1 und Mörser 120 mm Μ 30 - 192 Halbkettenfahrzeuge Μ 16 - 186 Panzer Flak 40 mm Μ 42 - 152 leichte Kampfpanzer Μ 41 - 127 leichte Panzerhaubitzen 105 mm Μ 7 B2 - 100 Schützenpanzer Μ 39 - 350 verschiedene Geschütze und Haubitzen - amerikanische Zugmaschinen und Lastkraftwagen - amerikanisches Fernmeldegerät Die erste Lieferung wurde in Anwesenheit des damaligen Vorsitzenden des Militärischen Führungsrates, Generalleutnant Adolf Heusinger, des amerikanischen Botschafters Walter C. Dowling und des Leiters der amerikanischen Ausbildungsgruppe in Westdeutschland, Generalmajor Clark Ruffner am 15. Mai 1956 in Bremerhaven in Empfang genommen 37 . Nachdem die Amerikaner den Deutschen ihre Position sehr deutlich gemacht hatten, plante das Bonner Finanzministerium im April 1956 bereits mit entgeltlichen Waffenimporten aus den USA in einer Gesamtsumme von 5 Mrd. DM bis Ende 195838. Zudem bemühte sich das Verteidigungsressort in der Folgezeit verstärkt um deutsche Eigenentwicklungen und den Aufbau einer originär deutschen Rüstungsindustrie 39 .

35

36

37 38 39

BA-MA, Bw 2/2419, Bundesminister der Verteidigung an Headquarters APG, Mehlemer Aue, Bonn, 28. Dezember 1955. BA-MA, BH 1/8669, BMVg V C4, TgbNr. 159/56 geh., Aufteilung des Nash-Materials gem. Nash-Liste. Köln 6. Juni 1956. BA-MA, Bw 9/2527-8-62, Tagebuch BMVg, 15. Mai 1956. BA, Β 136/2164-185, Betr.: US-Aussenhilfe, Bonn, 10. April 1956. Mehr dazu in den folgenden Kapiteln.

Generalleutnant Adolf Heusinger (2.v.l.), General Clark Ruffner (m.) und der US-Gesandte Walter C. Dowling (2.v.r.) bei der Übergabefeier anlässlich der ersten großen Lieferung schwerer Waffen für die Bundeswehr in Bremerhaven, 15. Mai 1956. Ullstein biid

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Dieter Η. Kollmer: »Klotzen, nicht kleckern!« Die materielle Aufrüstung des Heeres

Die Hoffnung in Bonn war jedenfalls zerstört, dass die Bundeswehr innerhalb von drei bis vier Jahren mit einer jährlichen Eigenleistung von nur neun Mrd. DM aufgestellt werden konnte 40 . Die Amerikaner gaben den Deutschen sehr klar zu verstehen, dass sie von nun an auf eigenen Beinen stehen müssten. Im Verteidigungsministerium nahm man die amerikanische Reaktion sogar vergleichsweise positiv auf, da nun klar war, dass keine amerikanische Militärhilfe mehr erwartet werden durfte und der Verteidigungshaushalt von jetzt an nicht nur voll ausgeschöpft, sondern im Bedarfsfall von der starren »9 MilliardenRegelung«41 abgewichen werden musste. Insbesondere in den Beschaffungsreferaten machte sich die Hoffnung breit, dass dazu endlich die vorhandenen Möglichkeiten ausgeschöpft würden. Diese Einschätzung war zweifelsohne zutreffend. Auf der Basis der bekannten amerikanischen Zusagen konnten die für die Beschaffung von Wehrmaterial zuständigen Abteilungen im Verteidigungsministerium nun genau feststellen, was noch beschafft werden musste und in welchem Zeitraum dies mit den vorhandenen finanziellen Mitteln verwirklicht werden konnte. Die folgende kurze Erläuterung einiger Fahrzeuge, die das Heer im Rahmen des »Nash-Commitments« kostenfrei aus den USA erhielt, zeigt hauptsächlich die technischen Daten und Verwendung von Fahrzeugen, die entweder wichtige Entwicklungen innerhalb der Waffenentwicklung in der Bundesrepublik angestoßen haben oder aber eine lange »Dienstzeit« in der Bundeswehr hatten. Der mittlere Kampfpanzer Μ 47 »Patton I« leistete bis 1965 seinen Dienst in Panzerbataillonen. Mit seinem 12-Zylinder-Vergasermotor erreichte er eine Motorleistung von 810 PS. Bei 46,2 t Gesamtgewicht entsprach dies einem Leistungsgewicht von 17,5 PS/t was ihm eine Höchstgeschwindigkeit von 58 km/h ermöglichte. Als Bordkanone (BK) hatte der Μ 47 die 90 mm L/48 mit 71 Schuss Kampfbeladung (der Μ 48 hatte die gleiche BK mit nur 60 Schuss Kampfbeladung). Die Erfahrungen mit dem Μ 47 und seinem ab 1959 käuflich erworbenen Nachfolger Μ 48 »Patton II« gaben wichtige Impulse für die spätere Entwicklung des Kampfpanzers »Leopard«, insbesondere was die Motorisierung, Bewaffnung und Panzerung des Fahrzeuges betraf. Auf das Fahrgestell des leichten Kampfpanzers Μ 41 »Walker Bulldog« wurde der Flugabwehrpanzer Μ 42 Al »Duster« montiert. Darauf wurde eine um 360° drehbare Lafette mit einem oben offenen Turm gesetzt. Im Turm war ein markantes 40-mm-ZWillingsgeschütz hinter einem gebogenen Splitterschutz eingebaut. Die Reichweite des Geschützes betrug 4700 m, zudem war der Panzer mit einer optischen Zieleinrichtung versehen. Bei einem Gefechtsgewicht von 22,5 t erreichte sein 6-Zylinder-Benzinmotor mit 500 PS bei einem Leistungsgewicht von 22 PS/t bis zu 72 km/h. Der Μ 42 »Duster« wurde bis 1979 in den Flugabwehreinheiten des Heeres eingesetzt und dann durch den FlakPanzer »Gepard« ersetzt42. 40 41 42

Hierzu u n d z u m Folgenden, AWS, Bd 4, S. 119 (Beitrag Abelshauser). Siehe hierzu Kap. II.3. Siehe hierzu Kap. IV.4.

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Dieter Η. Kollmer: »Klotzen, nicht kleckern!« Die materielle Aufrüstung des Heeres

Der erste Bergepanzer der Bundeswehr war der noch auf »Sherman«-Fahrgestell konstruierte Μ 74. Er war ausgerüstet mit einem A-Mast, 40 t-Seilwinde (Hubkraft 20 t), Schweißgeräten und Panzerersatzteilen. Aufgrund der gewonnenen Erfahrungen mit diesem Fahrzeug setzte sich im BMVg die Überzeugung durch, dass es sinnvoll ist, den gepanzerten Kampfeinheiten Unterstützungsfahrzeuge dieser Art beizugeben. Der Μ 74 hatte ein Gefechtsgewicht von 42,5 t und wurde von einem 8-Zylinder Ford-Motor mit 450 PS angetrieben. Bei dem geringen Leistungsgewicht von fast 11 PS/t erreichte er nur eine Höchstgeschwindigkeit von 35 km/h. Anfang der 1960er Jahre wurde der Μ 74 aufgrund seiner begrenzten Leistungsfähigkeit durch den Bergepanzer Μ 88 auf Μ 48Fahrgestell abgelöst. Mitte der 1950er Jahre wollten die Amerikaner die leichte Panzerhaubitze Μ 7 B2 »Priest« ausmustern. Die drei neuentwickelten Haubitzen Μ 44, Μ 52 und Μ 55 waren fertig zur Auslieferung, so dass die in Welt- und Koreakrieg erprobte Μ 7 B2 einer neuen Verwendung zugeführt werden musste. Hierzu bot sich die kostenfreie Militärhilfe an die europäischen Verbündeten an. Die Bundeswehr erhielt auf diesem Wege eine erste Ausstattung von Artilleriegeschützen auf Selbstfahrlafetten. Das Fahrgestell und der Motor der Μ 7 B2 entsprachen denen des Bergepanzers Μ 74, weil ihr Gefechtsgewicht aber nur 23 t betrug, war sie wesentlich beweglicher. Das auf das Fahrzeug montierte 105mm-Geschütz Μ 2 Al hatte eine Reichweite von gut 11 000 m und eine maximale Feuergeschwindigkeit von acht Schuss in der Minute43. Sein wesentlicher Nachteil war der offene Kampfraum (auch »Kanzel« genannt: daher der Beiname »Priest«). Bereits ab 1957 wurde der Μ 7 B2 durch die leichte Panzerhaubitze Μ 52 ersetzt. Aufgrund der geltenden NATO-Strategie und den Erfahrungen mit dem »Priest« hatte sich nämlich in der Bundeswehrführung die Erkenntnis durchgesetzt, dass auf Brigade- und Divisionsebene nach Möglichkeit nur Gefechtsfahrzeuge zum Einsatz kommen sollten, die auch Schutz gegen radioaktiven Niederschlag boten. Noch heute ist der »Priest« eine Legende unter den Artilleristen der Bundeswehr. Die Mörser 81 mm Μ 1 und 120 mm Μ 30 sollten dazu dienen herauszufinden, welche Steilwaffe die Bundeswehr in Zukunft hauptsächlich verwenden wollte. Aufgrund seiner größeren Reichweite wurde der erheblich schwerere 120-mm-Mörser Μ 30 (95 kg, 7000 m Schussentfernung) ausgewählt. Im Gegensatz zur Wehrmacht hatte die Bundeswehr nämlich von Anfang an geplant, diese Infanterieunterstützungswaffe auf speziell dafür entwickelte Panzer zu montieren. Zuerst sollte er auf der Basis des »Schützenpanzers, lang HS 30« konstruiert werden, dann im Rahmen der Entwicklung des »Schützenpanzers, neu« (des späteren SPz »Marder«) entstehen. Letzten Endes wurde der Nachfolger, der israelische 120-mm-Mörser »Soltam«, in den Mannschaftstransportwagen Μ 113 Mitte der 1960er Jahre eingebaut. Der 81-mm-M 1-Mörser wurde 43

Das 105-mm-Feldartilleriehaubitze Μ 2 A l war auch Teil des »Nash-Commitments« und wurde in den Anfangsjahren der Bundeswehr als Μ 101 Al in den Artilleriebataillonen der Panzergrenadierdivision eingesetzt.

IV. Die Umsetzung der materiellen Aufrüstung

537

bis Ende des Jahrzehnts in der Bundeswehr hauptsächlich bei der Jägertruppe verwendet. Damit die Soldaten der Bundeswehr so schnell wie möglich mit einer Handwaffe ausgestattet werden konnten, lieferten die Amerikaner eine hohe Zahl Pistolen, Maschinenpistolen und Karabiner. Damit sollte die Zeit bis zur Einführung der von der Bundeswehr ausgewählten Waffen überbrückt werden. Das Gleiche galt für die Lastkraftwagen und Zugmaschinen amerikanischer Provenienz. Darüber hinaus gab es Material in der amerikanischen »Erstausstattung«, das dazu diente, zunächst einmal die Lücke in der technischen Entwicklung der westdeutschen Rüstungswirtschaft zu schließen, die sich durch die Zwangspause zwischen 1945 und 1955 ergeben hatte. Dies galt insbesondere für elektrotechnische Ausrüstungsgegenstände wie Fernmeldegerät und Radaranlagen. Die Hilfeleistungen aus den USA waren für das Verteidigungsministerium von großem Nutzen, auch wenn sie nicht das Ausmaß erreichten, das man sich ursprünglich auf deutscher Seite ausgemalt hatte. Trotzdem bildete das Material für das Heer zunächst einmal eine Grundlage für die Aufrüstung der ersten Einheiten bis Anfang der 1960er Jahre. Aber auch die Amerikaner hatten von diesen Lieferungen große Vorteile. Zum einen konnten sie ihr veraltetes Gerät nutzbringend zur Verteidigung Westeuropas abgeben und zum anderen die Voraussetzungen für Folgeaufträge an die eigene Rüstungsgüterindustrie schaffen. So bestellte das deutsche Heer dann auch im Laufe der ersten 15 Jahre seines Bestehens für mehrere Milliarden DM Großgerät aus den USA (so z.B. den Kampfpanzer Μ 48, verschiedene Artilleriegeschütze und Haubitzen, den Μ 113 sowie Hubschrauber für die Heeresflieger). Das Heer wurde infolgedessen in einigen Truppengattungen (vor allem Panzer-, Artillerie-, Flugabwehr-, und Pioniertruppe) zunächst einmal »amerikanisiert«. Die Bindung an den »großen Bruder« wurde dadurch zusätzlich gefördert. Vor- und Nachteile dieser Lösung hielten sich die Waage. Einerseits erhielt man fertig entwickeltes und häufig schon erprobtes Gerät, das man mit dem wichtigsten Verbündeten gemeinsam »beüben« konnte. Andererseits begab man sich in eine rüstungstechnische Abhängigkeit und vernachlässigte den Aufbau eigener Rüstungskapazitäten. Dennoch kam die Bereitschaft Washingtons, die Verbündeten bei der Aufrüstung finanziell zu unterstützen, der Bundesregierung zunächst entgegen. Mitte der 1950er Jahre war das Interesse der Verantwortlichen in Bonn, den Aufbau einer westdeutschen Rüstungsindustrie zu fördern, nämlich sehr gering ausgeprägt. Dies sollte sich bereits wenige Jahre später als Fehler erweisen. Doch zunächst versuchten die Bonner Ministerien, so viel Unterstützung wie möglich aus Washington zu erhalten. Bedingt durch die verschiedenen rüstungswirtschaftlichen Hilfsprogramme war der Nettobetrag, den die USA für ihre Rüstungsgüter summa summarum in den ersten Jahren des Bundeswehraufbaus erhielten, vergleichsweise gering. Eine weitaus größere Summe gab die Bundesrepublik zunächst für die Beschaffung von Wehrmaterial aus verschiedenen Ländern Westeuropas aus. Diese Beschaffungsprogramme wurden, wie für

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Dieter Η. Kollmer: »Klotzen, nicht kleckern!« Die materielle Aufrüstung des Heeres

verschiedene Einzelfälle noch dargestellt werden wird, durch die unterschiedlichsten Politikfelder beeinflusst. Erst im Laufe der 1960er Jahre wurden die Vereinigten Staaten auch vom Nettobetrag her der führende Rüstungslieferant für die Bundesrepublik. Die amerikanische Anschubinvestition hatte sich ausgezahlt.

2. »Die missglückte Premiere«: Der Schützenpanzer HS 3044 In den ersten Jahren des Aufbaus der Bundeswehr mussten zwangsläufig zahlreiche Beschaffungsmaßnahmen realisiert werden. Dabei wurden aus sehr unterschiedlichen Gründen Fehler gemacht, die den deutschen Steuerzahler viel Geld kosteten. Die Beschaffung des Schützenpanzers Hispano Suiza HS 30 stellt dabei einen Präzedenzfall dar. Einerseits war sie das erste milliardenschwere Rüstungsgütergeschäft der noch jungen Bundesrepublik, andererseits führte sie zum ersten Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages über Vorkommnisse im Bonner Verteidigungsministerium 45 . Hauptsächliches Ziel bei der Beschaffung des HS 30 war es, der Panzergrenadiertruppe das bestmögliche Waffensystem für eine beweglich zu führende Verteidigung zur Verfügung zu stellen. Als besonders erfolgreich im Kampf gegen angreifende sowjetische Verbände hatte sich aus deutscher Sicht im »Ostfeldzug« gegen die Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg die bewegliche Gefechtsführung herausgestellt. Um diese den Heeresverbänden zu ermöglichen, mussten die infanteristischen Einheiten mit Fahrzeugen ausgestattet werden, die es ihnen erlaubten, mit Kampfpanzern Schritt zu halten, und die darüber hinaus genügend Schutz gegen kleinkalibrigen Beschuss boten. Aufgrund dieser Erfahrungen hatten die militärischen Abteilungen bereits in der Dienststelle Blank die Weiterentwicklung der hierfür erfolgreich in der Wehrmacht eingesetzten Schützenpanzerwagen - Sonderkraftfahrzeug (SdKfz) 250 und SdKfz 25146 - angestrebt 47 . Die Panzergrenadiere sollten ein Fahrzeug erhalten, das ihnen im Verteidigungsfall eine moderne Kampfführung ermöglicht hätte. Der deutsche Perfektionismus führte aber dazu, dass die verant44

45 46

47

Wie es zur Beschaffung des Schützenpanzer HS 30 kam, ist genau recherchiert und nachvollzogen worden von Kollmer, Rüstungsgüterbeschaffung. Kurz und knapp mit demselben Tenor Kollmer, Schützenpanzer HS 30. Interessante Aspekte wirft auch auf Barth, Rüstung und Öffentlichkeit. Nicht immer den Fakten folgend, mehr in Form eines Kriminalromans hat dies dargelegt Engelmann, Schützenpanzer HS 30. Siehe hierzu Kipke, Die Untersuchungsausschüsse, S. 144-159. Zu den Schützenpanzerwagen der Wehrmacht und den Schützenpanzern der Bundeswehr siehe Quarrie, Buch der Deutschen, S. 259-274 und S. 352-361. BA, Β 112/74, Dienststelle Blank, UAbt. II/Pl/H. Betr.: »Technische Forderungen für Schützenpanzerwagen«, 9. Juni 1952.

IV. Die Umsetzung der materiellen Aufrüstung

539

wortlichen Planer bestrebt waren, ein Gefechtsfahrzeug zu erwerben, das darüber hinaus den neuesten militärischen und technischen Erkenntnissen entsprach. Diese Forderungen des Verteidigungsressorts hatten jedoch nur Einfluss auf die Beschaffenheit des zukünftigen Schützenpanzers für die Bundeswehr. Welches Fahrzeug von welchem Hersteller in welchem Land beschafft werden würde, oblag dem nicht zu unterschätzenden Einfluss unterschiedlichster politischer Interessen. In diesem Umfeld sind zumeist andere Faktoren ausschlaggebend als militärspezifische, insbesondere bei einem Auftrag dieser Größenordnung. Dies widersprach zugleich den geltenden Vorschriften und Regeln der öffentlichen Beschaffung (VOL, BBV, Ausschreibungsverfahren)48, die bei der Vergabe öffentlicher Aufträge aufgrund »höherwertiger Interessen« verschiedentlich außer Kraft gesetzt wurden und werden. Zunächst musste für das geplante Vorhaben finanzpolitisch geklärt werden, in welcher Größenordnung Haushaltsmittel zur Verfügung standen bzw. so genannte Bindungsermächtigungen für die Beschaffung ausgestellt werden konnten. Jeweils genau neun Mrd. DM standen dem Verteidigungsministerium seit Mitte 1955 jährlich für den Aufbau der Bundeswehr insgesamt zur Verfügung. Es wäre kein Problem gewesen, aus diesem Etat einen geeigneten Schützenpanzer zu finanzieren; die Schwierigkeit bestand vielmehr darin, die nicht verausgabten Beträge aufgrund der »Jährlichkeit des Budgets« zu erhalten. Aus diesem Grund versuchte das Verteidigungsressort immer wieder mit Winkelzügen, die zugestandenen Haushaltsmittel dem Zweck entsprechend zu binden. Hohe Vorauszahlungen an die Auftragnehmer, großzügige Investitionskredite und die Bereitstellung von Akkreditiven49 bei der Bundesbank (im Fall des HS 30 bei der Bank von England) waren die Mittel, mit denen die Haushaltsabteilung die Gelder für langfristige Projekte sicherte. Die wirtschaftspolitische Konstellation war in diesem Fall überdies eng mit außenhandelspolitischen Fragen verbunden: infolge der Hochkonjunktur Mitte der 1950er Jahre hatten bundesdeutsche Unternehmen kein sehr großes Interesse, ihre Produktionskapazitäten durch Rüstungsaufträge zu blockieren. Die Volkswirtschaften der europäischen Verbündeten Frankreich und Großbritannien hingegen stagnierten, so dass sich der Erwerb eines ausländischen Fahrzeuges geradezu aufdrängte. Dagegen wiederum erhob das Verteidigungsministerium sachliche Einwände: Die Verantwortlichen in der Ermekeil-Kaserne fürchteten, dass sich keine originär bundesdeutsche Rüstungsindustrie entwickeln und man somit dauerhaft von ausländischen Rüstungsproduzenten abhängig bleiben würde. Die Entwicklung eigenen rüstungstechnischen Knowhows wurde deshalb ausdrücklich gefordert. Konsequenterweise bemühten sich die Beschaffungsreferate des Ministeriums in der Folgezeit darum, bei der 48 49

Detaillierte Ausführungen hierzu siehe Kap. II.4. Ein Dokumentenakkreditiv im ausländischen Zahlungsverkehr ist eine vertragliche Verpflichtung eines Kreditinstitutes, im Auftrag, für Rechnung und nach Weisungen eines Kunden gegen Übergabe vereinbarter Dokumente einen bestimmten Kaufpreis zu bezahlen oder eine andere finanzielle Leistung zu erbringen. Siehe Grader van der Maas, Handbuch der Dokumenten-Akkreditive, S. 2 - 5 .

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Dieter Η. Kollmer: »Klotzen, nicht kleckern!« Die materielle Aufrüstung des Heeres

Vergabe von Auslandsaufträgen stets auch Nachbaulizenzen zu erwerben, damit die heimische Industrie schrittweise in den Aufrüstungsprozess einbezogen werden konnte. Insbesondere Unternehmen, die aufgrund ihrer Struktur nicht in dem Maße an dem Aufschwung der Nachkriegsjahre partizipiert hatten, sollten mit Rüstungsaufträgen gefördert werden50. Um den Zusagen an die NATO und deren Anforderungen an die aufzustellenden westdeutschen Streitkräfte gerecht werden zu können, musste die Bundesregierung bemüht sein, die Bundeswehr so schnell wie möglich aufzubauen. Also war es auch aus bündnispolitischen Gründen dringend notwendig, sehr schnell einen geeigneten Schützenpanzer zu beschaffen. Folglich musste dieses Fahrzeug den militärischen Forderungen entsprechend, günstig und schnell im Ausland beschafft werden. Der Handlungsspielraum war den für dieses Beschaffungsvorhaben verantwortlichen Abteilungen im Verteidigungsministerium somit eindeutig vorgegeben. Wie die gesamte Bundeswehr befanden sich aber auch diese Abteilungen noch im Aufbau. Strukturen und Vorgehensweisen waren noch nicht endgültig festgelegt. Diese Situation bot den Verantwortlichen einerseits die Chance, aus der Vergangenheit zu lernen und darauf aufbauend etwas Neues zu schaffen. Andererseits barg der zeitliche Druck aber auch die Gefahr, zu überhastet zu handeln und schwerwiegende Fehler zu begehen. Die ministeriellen Anforderungen an einen Schützenpanzer basierten auf den Erfahrungen der Wehrmacht an der Ostfront. Damit die infanteristischen Kräfte den Panzerverbänden folgen konnten, sollten diese adäquat motorisiert, bewaffnet und möglichst durch Vollpanzerung geschützt sein. Um die Geländegängigkeit zu verbessern, kam nur ein Vollkettenfahrzeug in Frage. Im Oktober 1953 wurden dazu neue »taktisch-technische Forderungen für einen Schützenpanzerwagen (SPW)« aufgestellt. Sie setzten alle bisherigen Planungen »außer Kraft«. Von entscheidender Bedeutung war dabei, dass dieses neue Fahrzeug den Angriffsbewegungen von Panzerverbänden folgen und diese im Gefecht unterstützen konnte. Hierzu stellten sich die Planer in der Militärischen Abteilung in der Dienststelle Blank ein Vollkettenfahrzeug mit ausreichender Panzerung und vollautomatischen großkalibrigen Maschinenwaffen vor. Die Panzergrenadiertruppe sollte in der Regel aufgesessen kämpfen können, im Bedarfsfall aber »auch befähigt [sein], abgesessen jede Aufgabe zu lösen«51. Nach der Umbenennung/Umwandlung der Dienststelle Blank zum Bundesministerium für Verteidigung leitete der für die Beschaffung von Kettenfahrzeugen verantwortliche Referent, Oberst a.D. Ludwig Schanze, diese Anforderungen im Februar 1956 in leicht abgeänderter Form ohne offiziellen Auftrag an Hispano Suiza weiter52. Die wichtigsten Änderungen betrafen u.a. Forderungen an den Motor: lange Lebensdauer bei geringer Reparaturanfälligkeit, geringe 50

51

52

Zu den wirtschaftspolitischen Problemen bei der Beschaffung der Erstausstattung der Bundeswehr siehe Kollmer, Rüstungsgüterbeschaffung, S. 65-98. BA, Β 112/74, Dienststelle Blank UAbt. II/Pl/H. Betr.: Taktisch-technische Forderungen für Schützenpanzerwagen, 12. Oktober 1953. BA, Β 112/74, BMVg, Ref. Schanze an Hispano Suiza, 1. Februar 1956.

IV. Die Umsetzung der materiellen Aufrüstung

541

Störung des Funkbetriebes, niedriger Betriebsstoffverbrauch. Außerdem sollten »die Fahrzeuge [...] so leise wie möglich sein; sie sollen weder aus der Luft noch vom Boden aus gesehen besonders auffallen«. Des Weiteren forderte man geringe Wartungs- und Pflegearbeiten und der »Kampfraum [sollte] zum Schutz gegen Splitter, Flammöl und Atomwaffen(-hitze) durch Panzerdach völlig abschließbar« sein53. Im Juli 1956 wurde zum ersten Mal zwischen einem mittleren und kleinen Schützenpanzer (SPz) differenziert. Der kleinere SPz war demnach für die Panzeraufklärungstruppe vorgesehen, sollte aber die gleichen Basiskonfigurationen erhalten wie das Fahrzeug für die Panzergrenadiere. Auch für diesen Panzer hatte das Verteidigungsministerium zu diesem Zeitpunkt bereits eine frühzeitige Modellauswahl vorgenommen. Es handelte sich dabei um ein Gefechtsfahrzeug, das die Pariser Firma Hotchkiss für die französische Armee entwickelte hatte und unter dem Namen seines Herstellers von der Bundeswehr erworben wurde54. Anfang der 1950er Jahre gab es noch keinen Markt für Schützenpanzer, weil der Schützenpanzer als rundumgepanzertes Vollkettenfahrzeug mit Bordkanone noch am Anfang seiner Entwicklung stand. In Frankreich gab es seit 1951 den »AMX 13 VTP«, der als erster Panzer für die Infanterie die oben genannten Kriterien erfüllte55. Die amerikanische Rüstungsindustrie konnte zwar mit dem Μ 59 s6 einen ähnlichen Schützenpanzer anbieten, im Vergleich zu dem französischen Modell war er aber zu schwerfällig und hatte einen zu hohen Aufbau. Dies aber sollten für den zukünftigen bundesdeutschen Schützenpanzer entscheidende Kriterien sein. Andere am Markt befindliche Infanterietransporter wiederum waren entweder oben offen, wie der Μ 39 (USA), »Bren Carrier« (GB) und/oder hatten Halbketten- (M 2 aus den USA) oder Radantrieb »Saracen« (GB). Der »AMX 13 VTP« wurde für die Bundeswehr hingegen nur deshalb nicht beschafft, weil er den verantwortlichen Stellen »ungewöhnlich teuer« erschien57. Mitte der 1950er Jahre gab es erst wenige Hersteller, die ein ausgereiftes Fahrzeug anbieten konnten. Einige westliche Firmen hatten immerhin profunde Erfahrungen in der Fertigung von Schützenpanzerwagen und waren an einem Großauftrag aus der Bundesrepublik interessiert. Zur Überbrückung der Entwicklungs- und Entscheidungsphase bot Großbritannien dem Verteidigungsministerium im Herbst 1955 für die Erstausstattung der Panzergrenadiertruppe 500 Fahrzeuge des veralteten Carrier Universal MK 1 »Bren Carrier« zu je 53 54 55 56

57

BA, Β 112/74, BMVg. Taktisch-technische Forderungen für Schützenpanzerwagen (SPW), o.D. Genaueres zum Erwerb des Schützenpanzer, kurz »Hotchkiss« siehe Kap. IV.7. Senger und Etterlin, Nachkriegsentwicklungen im Panzerbau, S. 336. Erst sein wesentlich leichterer »Bruder«, der seit 1959 auf dem Markt befindliche, von Ford hergestellte »M 113«, wurde für die Bundeswehr beschafft. Anfänglich stellte dieser für die Bundeswehrplaner keine Alternative zum HS 30 dar. In ihren Augen hatte das Fahrzeug eine zu große Bauhöhe und bot zu wenig Schutz, da es ob der Lufttransportfähigkeit aus Leichtmetallen hergestellt wurde. Erst 1962 wurde der Μ 113 als Ergänzung zum HS 30 beschafft und ist bis zum heutigen Tag noch aufgrund seiner Zuverlässigkeit sowie seiner geringen Störungsanfälligkeit als Gefechtsstandfahrzeug in der Bundeswehr in Gebrauch. BA, Β 136/3105, Deutscher Bundestag, 3. Wahlperiode, Kurzprotokoll der 64. Sitzung des Haushaltsausschusses am 27. Februar 1959, S. 5 Aussage Verteidigungsminister Strauß.

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Dieter Η. Kollmer: »Klotzen, nicht kleckern!« Die materielle Aufrüstung des Heeres

Technische Daten ausgewählter Schützenpanzer (SpZ) in der Nachkriegszeit SPz-Modell (Armee/Baujahr)

max. Geschwindigkeit Radius max. (km/h) (Gelände/km) Besatzung 58 180 8

Höhe (m)

Gewicht (m)

HS 30 (Bundeswehr/1959)

1,85

14,6

Hotchkiss (Bundeswehr/Frankreich 1958) Μ 113 (USA/1959)

1,60

8,4

58

250

5

2,50

10,9

64

250

13

Μ 59 (USA/1954)

2,40

15,0

58

220

12

Μ 39 (USA/1949)

2,05

16,1

72

135

10

4K4F (Österreich/1957)

1,65

13,0

60

200

10

A M X 13 V T P (Frankreich/1951)

2,23

14,7

60

280

12

Bren-Carrier (Großbritannien/1941)

1,50

4,3

50

250

7

Quellen: Quarrie, Buch der Deutschen Heere, S. 354 f.; Senger und Etterlin, Gedanken über die Panzerinfanterie; Truppendienst, (1962), 1, S. 45-48.

©MGFA 05153-03

4000 DM an58. Die angebotenen Fahrzeuge oder Prototypen entsprachen zum Zeitpunkt der Auftragsvergabe ausnahmslos nicht den hohen Anforderungen der Bundeswehrführung, so dass die Verantwortlichen in Bonn eine Neuentwicklung für notwendig hielten 59 . Als Überbrückung wurde eine aus der Not geborene Mischung aus dem angebotenen »Bren Carrier«, dem Μ 39 als Teil der »Nash-Listen«-Lieferung der USA und dem bereits in der Truppe befindlichen Unimog 1,5-t-Lkw für die Ausstattung der Panzergrenadierbataillone der Bundeswehr gewählt. Dabei entstand durch die Übernahme des »Bren Carrier« die kuriose Situation, dass die Bundeswehr und die Nationale Volksarmee (NVA) der DDR für kurze Zeit den gleichen Panzer für ihre motorisierte Infanterie verwendeten. Der NVA waren die Fahrzeuge aus dem Bestand der Sowjetarmee übereignet worden, welche diese Panzer während des Zweiten Weltkrieges als Hilfslieferung über Großbritannien von den USA erhalten hatte. Verschiedene Abgeordnete des Deutschen Bundestages und die verantwortlichen Abteilungen der Dienststelle Blank bzw. des Bundesministeriums für Verteidigung hätten es begrüßt, wenn das neue Fahrzeug von einem westdeutschen Unternehmen entwickelt und produziert worden wäre. Aufgrund der Hochkonjunktur und umfangreichen Problemen der bundesdeutschen Industrie bei der Produktion von Rüstungsgütern (u.a. Mangel an Produktionsstätten, fehlende technische Erfahrung) waren der inländischen Herstellung jedoch deutliche Grenzen gesetzt. Zudem hatte die Bundesregierung ein großes Interesse daran, über den Import von Wehrmaterial den Außenhandelsüberschuss insbesondere im Bereich der Europäischen Zahlungsunion (EZU) abzubauen 60 . 58

59

60

Der Bren Carrier oder auch Universal Carrier genannt, war 1941 von der Ford Motor Corp. für die britische Armee als Mannschaftstransporter für den Afrikafeldzug gebaut worden und diente in den ersten Jahren der Bundeswehr mit seinen 100-PS bei knapp 5 t Gesamtgewicht als Gruppen- und Nachschubfahrzeug. BA, Β 112/74, BMVg, Abt. V, Bericht über die Vorführung von gepanzerten Vollkettenfahrzeugen am 7. und 8.11.1955 in Frankreich, 17. November 1955, S. 5. BA-MA, BV 3/17855, Behandlung der Ausstattung mit Schützenpanzerwagen (SPW) im Ausschuss für wirtschaftliche Fragen der Verteidigung (Sechserausschuss), 18. Sitzung, 13.3.1956, S. 34-59.

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Dieter Η. Kollmer: »Klotzen, nicht kleckern!« Die materielle Aufrüstung des Heeres

In einer Abteilungsleiterbesprechung wies Staatssekretär Josef Rust Anfang März 1956 darauf hin, »dass möglichst umfangreiche Käufe im EZU-Raum, besonders aber in Frankreich und England erwünscht seien«61. Die Überprüfung des internationalen Rüstungsgütermarktes führte zu dem Ergebnis, dass das Angebot für Schützenpanzer äußerst beschränkt war. Einzig Frankreich stellte Gefechtsfahrzeuge her, die annähernd dem entsprachen, was sich die militärischen Abteilungen vorstellten. Die Modelle »AMX 13 VTP« und »Hotchkiss« wurden mehrfach gesichtet. Der »Hotchkiss« gefiel den Deutschen auf Anhieb aufgrund seiner Wendig- und Vielseitigkeit. Indessen schreckte der AMX die Beschaffer aufgrund seines vergleichsweise hohen Preises (rund 240 000 DM) ab. Just zu diesem Zeitpunkt trat eine Schweizer Unternehmensgruppe auf den Plan, die dem Verteidigungsministerium zusagte, genau den Panzer, den die deutschen Militärplaner haben wollten, in Großbritannien zu einem viel niedrigeren Preis (rund 146 000 DM) produzieren zu können. Natürlich war dieses Angebot sehr verlockend. Es schien nun die Möglichkeit zu bestehen, mit dem Erwerb von zwei verschiedenartigen Schützenpanzern an mehreren politischen Fronten gleichzeitig Probleme zu lösen. Nun setzten sich Prozesse in Gang, die dazu führten, dass fast alle Interessengruppen mit der Beschaffung der genannten Schützenpanzer befriedigt werden konnten. Einzig die Soldaten bekamen Fahrzeuge, die für den Auftrag, den sie zu erfüllen hatten, letztlich nur bedingt geeignet waren. Anfang November 1954 wurde die Dienststelle Blank durch ein Informationsschreiben der Genfer Firma Hispano Suiza über die Entwicklung eines Schützenpanzers in Frankreich informiert. Auffällig ist dabei, dass die Konfigurationen des beschriebenen Prototypen denen entsprachen, die die Dienststelle Blank in ihren geheimen Entwürfen bis zu diesem Zeitpunkt für einen »Schützenpanzerwagen« vorgesehen hatte. Hispano Suiza konkretisierte wenig später die Unterlagen über das Fahrzeug. Der Preis für den noch zu konstruierenden Schützenpanzer schien mit 146 000 DM ohne Waffen und Ersatzteile unschlagbar günstig62. Da sich ein Ingenieurbüro und die Werkstätten einer Tochtergesellschaft der Hispano Suiza in Paris befanden, wurde Anfang November 1955 eine Delegation des Verteidigungsministeriums zu einer Fahrzeugvorführung in der französischen Hauptstadt eingeladen. Die deutschen Gäste waren »beeindruckt«, obwohl es sich bei dem »Panzer« von Hispano Suiza nur um ein Fahrgestell handelte. Ein Teilnehmer ging sogar so weit, nach der Vorführung bereits eine »Übersicht über die zur Erprobung in den Lehrbataillonen benötigten Versuchs-Serien und Prototypen« der in Paris vorgestellten Fahrzeuge aufzustellen63. 61

62

63

BA-MA, BV 5/639, BMVg, Abt. XI. Der Leiter. Ergebnisvermerk über wichtige Einzelfragen, die auf der Abteilungsleiterbesprechung am Mittwoch, den 7.3.1956 erörtert wurden, 8.3.1956. BA-MA, Bw 9/428, BMVg, Abt. II. Betr.: Bedarfsberechnung Heer, Blatt 35, SPW, le. Raupenfahrzeug Hispano-Suiza, 2 cm Flak. 1. Oktober 1955. BA, Β 112/74, BMVg, Abt. V, Bericht über die Vorführung von gepanzerten Vollkettenfahrzeugen am 7. und 8.11.1955 in Frankreich. 17. November 1955; BMVg, Ref. C I A , Vermerk des Referates C 1 a (schwere Waffen) über die Vorführung der Vollkettenfahrzeuge in Paris am 7. und 8.11.1955.

Bundeskanzler Konrad Adenauer und Verteidigungsminister Franz Josef Strauß besichtigen das Panzermodell des Schützenpanzers HS 30 auf dem Truppenübungsplatz Bergen-Hohne am 25. September 1958. ulistein

bild

Der Schützenpanzer, lang vom Typ Hispano Suiza HS 30. kVTS/ewe

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Dieter Η. Kollmer: »Klotzen, nicht kleckern!« Die materielle Aufrüstung des Heeres

Nur wenige Tage später forderte der Leiter der Abteilung Verteidigungswirtschaft und Technik eine schnelle Auswahl des Großgerätes durch die Teilstreitkräfte. Seiner Meinung nach hätte die bisher sehr zögerliche Haltung die Lieferzeiten der ausländischen Werke zusätzlich verlängert, wobei »sich in Einzelfällen schon herausgestellt hat, dass wichtige Werke wie Oerlikon, Hispano-Suiza, Bofors schon auf Jahre hinaus ausverkauft sind«64. Die Behauptung, dass die beiden Schweizer Anbieter »ausverkauft« waren, entsprach nicht den Tatsachen, zumal Hispano Suiza zu diesem Zeitpunkt keine eigenen Produktionsanlagen für Wehrmaterial besaß (und auch niemals besitzen würde). Entweder war der Leiter der Abteilung, die für die Beschaffung verantwortlich war, erstaunlich schlecht informiert, oder er streute bewusst unwahre Informationen. Die Intention lässt sich anhand der heute noch vorhandenen Unterlagen nicht mehr aufklären. Nachweislich nicht den Beschaffungsanweisungen des Ministeriums entsprach aber die »Angebotsermittlung«65. Der Markt für Schützenpanzer war zwar von den verantwortlichen Referaten gesichtet worden, Angebote hat man aber - so wie es die »Verteidigungsordnung für Leistungen« (VOL) selbst für die freihändige Vergabe vorsah - nicht eingeholt. Vielmehr überließen es die Verantwortlichen im BMVg den ausländischen Unternehmen, ihre Fahrzeuge anzubieten und zu präsentieren - soweit sie von den deutschen Bestrebungen wussten. Anfang 1956 versuchte Hispano Suiza dann den Druck auf die Verantwortlichen in Bonn zu erhöhen. Die Vertreter des Genfer Unternehmens behaupteten, dass die Beschaffungsstellen des französischen Verteidigungsministeriums zwei HS-Prototypen bei ihnen in Auftrag gegeben hätten. Bedingt durch die nationale Gesetzgebung sei die französische Regierung infolgedessen nun verpflichtet, bei einem Vertragsabschluss die Lizenzrechte an diesem Modell zu erwerben. Sofern dies tatsächlich der Fall gewesen wäre, hätte die Bundesrepublik dann bei einer Entscheidung für den HS 30 die Fahrzeuge von einem französischen Hersteller kaufen müssen. Hispano Suiza gab zudem vor, die Lizenzrechte lieber an das bundesdeutsche Verteidigungsministerium verkaufen zu wollen, da bereits gute Kontakte zu deutschen Firmen (u.a. Hanomag) bestünden, die das Fahrzeug nachbauen wollten. In den noch erhaltenen Unterlagen lassen sich Kontakte von Hispano Suiza zu offiziellen französischen Stellen nicht mehr nachweisen. Demzufolge waren die vorgebrachten Argumente offenbar ein Druckmittel auf das Verteidigungsministerium, die Lizenzen für einen Panzer zu erwerben, den es noch gar nicht gab - wohlwissend, dass die Entscheidungsträger in Bonn unter hohem Zeitdruck standen. Genau diese Methode führte zum gewünschten Ergebnis: Plötzlich ging alles sehr schnell, was zuvor mehrere Monate retardierend behandelt worden war. Bereits am 30. Januar 1956, nur gut zwei Monate nach der Vorführung des HS-Fahrgestells in Paris, wurde ein Entwicklungsangebot von Hispano Suiza für zwei Erprobungsmodelle aus Flussstahl, zwei Holzmodelle und 64

65

BA-MA, Bw 1/2739, BMVg, Abteilungsleiter X an den Leiter der Abteilung IV, 22. Februar 1956. Zu der Methode der »Angebotsermittlung« siehe Kap. II.4.

IV. Die Umsetzung der materiellen Aufrüstung

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ein vollständiges Panzermodell ohne Lauf- und Triebwerk erbeten. Das Angebot erfolgte postwendend. Ein bereits entworfener Entwicklungsvertrag wurde dem entsprechenden Referat im Verteidigungsministerium ebenfalls zügig zugeleitet. Obwohl es sich hierbei zunächst nur um Verhandlungen für einen Entwicklungsauftrag handelte, plante das Referat »Entwicklung, Kettenfahrzeuge« frühzeitig den ersten Bedarf von »SPW lang« für die Truppenerprobung. Der Referatsleiter muss sich ziemlich sicher gewesen sein, dass das Geschäft abgeschlossen werden würde. Er sollte Recht behalten: Nach Verhandlungen im »Sechserausschuss«66 teilte das Verteidigungsressort Ende Februar den Vertretern von Hispano Suiza mit, dass geplant sei, einen Entwicklungsauftrag für den HS 30 an das Schweizer Unternehmen zu erteilen67. Anfang März äußerte ein führender Vertreter des Unternehmens gegenüber dem zuständigen Referenten im Ministerium, Schanze, den Wunsch seiner Firma, dass »das Fahrzeug [...] so schnell wie möglich in Deutschland hergestellt werden« solle. Von einer angeblichen Fertigung in Frankreich wollte Hispano Suiza darin »absehen«68. Ein sehr »großzügiges« Angebot, da die Schweizer in Frankreich keinen Produktionspartner geschweige denn Produktionsstätten besaßen. Das Wirtschaftsministerium stimmte einer Beschaffung des HS 30 grundsätzlich zu, schließlich hatte es ja nicht über die waffentechnische Qualität zu entscheiden, sondern nur über die volkswirtschaftliche Verträglichkeit des Vorhabens. Bedenken bestanden somit nur gegen die »Massierung eines Auftrages dieser Größe auf eine einzige Firma«. Daher forderte der Vertreter des Ministerums im April eine Aufteilung des Auftrages. Die Hälfte sollte dabei »im Ausland zur Ausführung gelangen«, die andere Hälfte von einem deutschen Lizenznehmer hergestellt werden69. In diesem Fall hätte noch geklärt werden müssen, wer die Lizenz nahm, die Bundesrepublik Deutschland oder das deutsche Unternehmen, das den HS 30 nachbauen würde. Da die Hispano-Gruppe bereits zwei deutsche Panzerbauer (Hanomag und Henschel) in der Hinterhand hatten, wurden die Pläne für eine Auftragsvergabe durch das Verteidigungsministerium an diese Firmen immer konkreter. Trotzdem zogen sich die folgenden Beratungen noch über zwei Monate hin, bis der Entwicklungsvertrag abgeschlossen werden konnte. Der Grund dafür waren Widerstände im Ministerium gegen eine überhastete Auftragsvergabe.

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Der »Sechserausschuss« war ein gemeinsamer Ausschuss von BMVg und BMWi zur Abstimmung von Rüstungsgüterbeschaffungsmaßnahmen Ende der 1950er/Anfang der 1960er Jahre. Weitere Ausführungen hierzu siehe Kap. II.4. BA-MA, BV 3/17852c, Abschrift des Schreibens vom 29.2.1956 von Hispano Suiza, Bonn, Heisterbacherhofstr. 1. Betrifft: Entwicklungsauftrag für Vollkettenfahrzeug HS 30 (Hispano-Suiza). BA-MA, BV 5/535, BMVg, Ref. XI C 3. Aktenvermerk über eine Besprechung mit Herrn Lierow von der Hispano Suiza gelegentlich seines Besuches am 16.3.1956, 22. März 1956. BA-MA, BV 3/17855, Behandlung der Ausstattung mit Schützenpanzerwagen (SPW) im Ausschuss für wirtschaftliche Fragen der Verteidigung (Sechserausschuss), 20. Sitzung, 17. April 1956, S. 39.

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Dieter Η. Kollmer: »Klotzen, nicht kleckern!« Die materielle Aufrüstung des Heeres

Auf einer Sitzung des »Sechserausschuss« am 17. Februar 1956 äußerte der für die verteidigungswirtschaftliche Durchführung der Fahrzeug-Programme zuständige Referatsleiter Oberst a.D. Curt Pollex die Auffassung, »dass in der Koppelung des Vorabauftrages mit einem Anschlussauftrag von 5000 Stück beträchtliche Schwierigkeiten lägen, [da] man einen nicht erprobten Prototypen einführe«. Oberst a.D. Schanze entgegnete darauf selbstsicher, »dass der Prototyp technisch nicht versagen werde«70. Die Abteilung Heer teilte jedoch die Bedenken von Pollex: »die Tatsache, dass es keine Alternative gebe, werde die Abteilung V (Heer) aber dazu zwingen, zuzustimmen«. Daraufhin teilte das logistische Referat der Streitkräfteabteilung am 21. Februar dem Vertreter des Staatssekretärs mit, dass die Auswahl des HS 30 »klar liegt« und »nur die formellen Einführungsverfügungen« fehlten71. Nur zwei Tage später entschied Verteidigungsminister Blank, dass er »keine Bedenken gegen eine Fertigung des Schützenpanzers lang (Hispano Suiza) bei der Firma Hanomag hat«72, obwohl noch nicht einmal ein Entwicklungsvertrag mit Hispano Suiza abgeschlossen worden war, geschweige denn der Verteidigungs- oder Haushaltsausschuss des Bundestages ihre Zustimmung zur Beschaffung des Fahrzeuges erteilt hatten. Wenige Tage danach bestätigte der kommissarische Leiter der Abteilung Heer, Generalmajor Hellmuth Laegeler, sogar erstmals die Modellauswahl des HS 30. Er stellte fest, dass dieses Modell ausgewählt wurde, »ohne dass eine Erprobung der Prototypen in ihrer endgültigen Form in der Truppe durchgeführt werden kann. Dennoch wird auf eine beschleunigte Erteilung der vorgesehenen Entwicklungsaufträge, als auch auf eine beschleunigte Entwicklung der Serienfertigung [...] entscheidender Wert gelegt [...] Alle damit verbundenen Risiken werden bewusst in Kauf genommen, da durch den gegenwärtigen Stand der Entwicklung der [...] Prototypen mehrere Jahre technischer Entwicklungsarbeit eingespart werden« würde73. Laegeler berief sich im Wesentlichen auf den Zeitdruck, der durch die politischen Verpflichtungen der Bundesrepublik gegenüber den Bündnispartnern bestand. Gleichwohl berechtigte ihn dies nicht, unbekannte Risiken bewusst in Kauf zu nehmen und als oberster militärischer Verantwortlicher des Heeres die Beschaffung eines Fahrgestells zu befürworten, dessen Truppentauglichkeit zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch nicht beurteilt werden konnte. Dennoch sanktionierte die Abteilungsleiterbesprechung des Verteidigungsministeriums zwei Wochen später diese Vorgehensweise74. Die Erteilung des Entwicklungsauftrages an Hispano Suiza verzögerte sich weiter, weil es - wie es einer der federführenden Referenten so passend aus70

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Hierzu und zum Folgenden BA-MA, BV 3/17855, Behandlung der Ausstattung mit Schützenpanzerwagen (SPW) im Ausschuss für wirtschaftliche Fragen der Verteidigung (Sechserausschuss), 16. Sitzung, 17. Februar 1956, S. 29 f. BA-MA, Bw 9/2739, BMVg, Ref. IV Ε 3 an MinDir. Dr. Holtz. Stand der Modellauswahl. 21. Februar 1956. BA-MA, Bw 9/2739, BMVg, UAbt. Χ Α an MinDir. Dr. Holtz, 24. Februar 1956. BA-MA, BV 5/535, BMVg, Abt. V an Abteilung X. Betr.: Beschaffung für SPW (Hotchkiss und Hispano Suiza), 7. März 1956. BA-MA, BV 5/639, BMVg, UAbt. XI C Leiter. Vermerk über die Abteilungsleiterbesprechung am 21.3.1956 in Bonn, 22. März 1956, S. 3.

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drückte - »bei der Größe des Objektes [...] erforderlich [war], viele Stellen zu beteiligen, wobei naturgemäß keine Stelle eine endgültige Entscheidung geben [konnte], ohne auch die Belange der anderen Stellen berücksichtigt zu haben«75. Der endgültige Durchbruch gelang den HS 30-Befürwortern im April 1956 mit dem so genannten »Phillipps-Gutachten«, dessen Verfasser zum Zeitpunkt der Erstellung ausnahmslos Angestellte der Firmen waren, die den HS 30 im Falle der Beschaffung nachbauen sollten. In der umfangreichen Untersuchung erklärten vier anerkannte deutsche Panzerbauexperten unter der Leitung von Generalleutnant a.D. Dipl.Ing. Wilhelm Phillipps, »dass bei Aufnahme einer Serienfertigung Überraschungen größeren Formates nicht auftreten werden, sofern die mit der Serienfertigung beauftragten Firmen in der Qualität des zu beschaffenden Materials und in der Sorgfalt der Fertigung keine Fehler machen«. Für sie erfüllte »das Fahrzeug in seiner Größenklasse die für die Verwendung als SPZ- und Mehrzweckfahrzeug gestellten militärischen Forderungen«76. Dieses Gutachten wurde anhand eines nicht näher definierbaren Panzerfahrgestells angefertigt, denn der erste wirkliche Prototyp des HS 30 wurde erst im Sommer 1958 fertiggestellt. Trotzdem war es gerade dieses Gutachten, dass bei zukünftigen Verhandlungen immer wieder als Argument dafür diente, dass der HS 30 über jeden Zweifel Dritter erhaben sein konnte. Nach zähem Ringen innerhalb des Verteidigungsministeriums wurde der Firma Hispano Suiza - auch auf der Grundlage dieses Gutachtens - am 16. Mai 1956 ein Entwicklungsauftrag erteilt77. Dieser Vertrag war der erste von insgesamt 18 Verträgen, die von Mai 1956 bis Mai 1959 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Herstellern des HS 30 geschlossen wurden. Bereits am 24. April 1956 hatte Verteidigungsminister Blank auf Empfehlung seiner Fachreferate den Bedarf an gepanzerten Fahrzeugen dem Ausschuss für Verteidigung des Deutschen Bundestages unterbreitet. Für den Zeitraum vom 1. April 1956 bis zum 31. März 1957 wurde ein Bedarf von 882 HS 30 angemeldet und der Dreijahresbedarf mit 10 680 Fahrzeugen beziffert. Die für diese Beschaffung benötigten Geldmittel wurden mit rund 2,456 Mrd. DM angegeben78. Der neue Durchschnittspreis lag also nun rechnerisch bereits bei knapp 230 000 DM pro Fahrzeug und damit rund 80 000 DM oder rund 55 Prozent über dem nur zwei Monate zuvor von Hispano Suiza genannten voraussichtlichen Preis.

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BA-MA, BV 5/535, BMVg, Ref. XI D Q 2. Vermerk. Betr.: Schützenpanzerwagen Hispano Suiza, 20. März 1956. Hierzu und zum Folgenden BA-MA, BV 3/17852c, Kommission für die Begutachtung des Hispano Suiza HS 30. Gutachten, 23. April 1956. BA-MA, BV 3/17850, Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Hispano Suiza G.m.b.H., Bonn, 8. Mai 1956. BA, Β 112/74, Der Bundesminister für Verteidigung an den Vorsitzenden des Ausschusses für Verteidigung des Deutschen Bundestages, 24. April 1956.

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Im Verteidigungsausschuss wurde das angestrebte Geschäft zum ersten Mal am 3. Juli 1956 verhandelt79. Nachdem sein »Unterausschuss Beschaffung« ein Modell des Schützenpanzers besichtigt hatte, stellte der Berichterstatter der »Gutachterkommission für Schützenpanzer«, der ehemalige General der Panzertruppe, jetzt Mitglied des Bundestages für die FDP, Hasso von Manteuffel, als »entscheidend« heraus, »dass die wesentlichen Bauelemente, eben der Motor Rolls Royce [...], das Getriebe, die Lenkung und die hydraulische Bremssteuerung ja seit Jahren in anderen Fahrzeugen eingebaut sind«. Der Vorsitzende des »Unterausschusses Beschaffung«, Helmut Schmidt (SPD), vertrat hingegen den Standpunkt, »dass es [...] überaus ungewöhnlich erscheint, mit Fahrzeugen in Serienaufträge zu gehen, die weder einer eigenen technischen Erprobung unterzogen worden sind, noch etwa einem eigenen Truppenversuch [...] Es ist [...] ein ganz ungewöhnliches Verfahren, im Betrag von 3 Milliarden DM Aufträge und Bindungsermächtigungen [...] einzugehen, ohne dass man das Ding wirklich ausreichend unter die Lupe genommen hat [...] Hier in Deutschland ist z.B. von dem Hispano Suiza nichts weiter als ein Holzmodell zu sehen gewesen.« Nachdem sich herausgestellt hatte, dass die Experten, die am »PhillippsGutachten« mitgearbeitet hatten, Angestellte der Firmen waren, die die Nachbaulizenzen des HS 30 für Deutschland hielten, monierte Schmidt, »dass es nicht angängig ist, in das Parlament oder in Ausschüsse des Parlaments Gutachterkommissionen einzuschleusen, die in Wirklichkeit aus denjenigen Firmen bestehen, die die Aufträge durchführen sollen«. Für seine Anmerkungen erhielt er sogar die Zustimmung des Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses, Richard Jaeger (CSU). Der CDU-Abgeordnete Friedrich Berendsen indessen entgegnete, »dass die Verträge so abgefasst sind, dass die Bundesregierung jederzeit von den Verträgen zurücktreten kann, wenn sich herausstellen sollte, dass die Befürchtungen, die Sie eben vorgetragen haben, tatsächlich eintreten [...] Wir sind der Uberzeugung, dass wir für eine Nullserie keine Zeit haben. Wir haben eine bestimmte Vorstellung von der Wiederbewaffnung, und diese Vorstellungen kennen sie. Wenn wir das wollen, müssen wir das Risiko auf uns nehmen [...] Nach allem, was ich von technischer Seite, auch vom Verteidigungsministerium gehört habe, ist diese Gefahr relativ gering [...] 98 % Wahrscheinlichkeit sind vorhanden, dass die Sache gut geht [...] Deshalb sind wir von Seiten der Koalition dafür, dass diese Aufträge, so wie es hier vom Verteidigungsministerium vorgeschlagen wird, von uns bewilligt werden.« Die Aussagen der Abgeordneten der Regierungskoalition sind sehr verwunderlich, existierte zu diesem Zeitpunkt doch noch nicht einmal ein Prototyp des HS 30. Bedenklich stimmt zudem, dass die Angehörigen der Regierungsparteien die Verträge offensichtlich nicht kannten und sich auf vage Informationen aus dem Verteidigungsressort verließen. Tatsächlich waren die Verträge so 79

Hierzu und zum Folgenden BA, Β 112/74, Deutscher Bundestag, 2. Wahlperiode. Kurzprotokoll der 106. Sitzung des Verteidigungsausschusses. Beratung des Berichts des Unterausschusses Beschaffung über gepanzerte Fahrzeuge, 3. Juli 1956.

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schlecht abgefasst, dass es Hispano Suiza im weiteren Verlauf ermöglicht wurde, die Bundesrepublik als Auftraggeberin mehrfach zu übervorteilen. Bei einem Auftragsvolumen von rund 2,5 Mrd. DM war diese Unkenntnis seitens der Abgeordneten also mehr als grob fahrlässig. Mit der Zustimmung des Haushaltsausschusses zum zweiten Vorwegbewilligungsantrag zum Haushalt von 1957 am 5. Juli 1956 hatte auch das Parlament formell die Beschaffung des Schützenpanzer HS 30 genehmigt. Nunmehr musste das Verteidigungsministerium mit dem Schweizer Rüstungsunternehmen die Konditionen aushandeln, zu denen das Fahrzeug für die Bundeswehr beschafft werden sollte. Im Juli wurde zunächst der Auftrag für die erste deutsche Nullserie erteilt ein Entwicklungsschritt, der normalerweise vor der endgültigen Zustimmung durch den Bundestag erfolgt80. Von nun an versuchten die Vertreter von Hispano Suiza in der weiteren Entwicklung des Fahrzeuges nur noch die finanziellen Interessen ihres Unternehmens durchzusetzen. Das ging wenig später so weit, dass sie in Besprechungen mit dem Verteidigungsministerium Behauptungen aufstellten, die absurd waren. Bei einer Besprechung erklärte einer der Geschäftsführer, sämtliche mit dem Fahrzeug verbundenen Risiken zu übernehmen, »aber nicht für die Kriegsbrauchbarkeit«81. Auf den Vorwurf der geringen Belastbarkeit der Fahrzeuge wurde von gleicher Seite erklärt, »dass die Fahrzeuge auch im derzeitigen Zustand gefahren werden können, wenn die Truppe darauf hingewiesen wird, das Fahrzeug vorsichtig zu behandeln«82. Es handelte sich immerhin um die Entwicklung eines Schützenpanzers für eine Armee entlang des Eisernen Vorhanges. Den Verantwortlichen im Bonner Verteidigungsministerium fiel es aufgrund der vertragsrechtlichen Lage dennoch sehr schwer, auf diese neue Situation zu reagieren. Aufgrund personeller Veränderungen und strategischer Neuanforderungen kam es dann doch noch zu einer grundsätzlichen Lageänderung. Zunächst war geplant worden, für die Erstausstattung der Panzergrenadierbataillone der Bundeswehr 10 680 SPz lang, Hispano Suiza HS 30 zu beschaffen. Aber bereits im Dezember 1956 änderte das Verteidigungsministerium den Umfang des geplanten Auftrages. Die deutschen Lizenznehmer sollten nunmehr nur noch 4850 Fahrzeuge herstellen und aus den britischen Werken der Hispano-Suiza-Gruppe nur noch 3397 Fahrzeuge importiert werden. Wenige Wochen später wurde die Beschaffungsmenge auf Anweisung des neuen Ver-

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Dies passierte alles noch unter der Ägide des ersten Verteidigungsministers Theodor Blank. Alle Vorwürfe gegen Franz Josef Strauß bezüglich der Beschaffung des Schützenpanzer HS 30 sind somit hinfällig. Bei aller Kritik, die berechtigterweise an dem zum Teil selbstherrlichen Bayern geübt wurde, hat Strauß in diesem Fall sogar noch dafür gesorgt, dass die Stückzahl von 10 680 auf 2151 reduziert wurde; er hat somit einen noch größeren Schaden von der Bundesrepublik abgewendet. BA, Β 112/75, BMVg, Ref. W I 3, Aktenvermerk, 18. Juli 1958. BA-MA, BV 3/17943, BMVg, Ref. Τ III 2. Aktenvermerk über die Besprechung bei Abt. Τ über den HS 3 0 , 1 9 . August 1958.

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teidigungsministers Franz Josef Strauß noch einmal reduziert83. Im August 1958 verringerte sich der gesamte Auftrag für den britischen Auftragnehmer endgültig auf 1089 Fahrzeuge. Hanomag und Henschel stellten bis zum Produktionsende im Jahre 1962 nur insgesamt 1062 HS 30 her. Die westdeutschen Auftragnehmer konnten diesen Ausfall gut verschmerzen, da sie von Anfang an den Auftrag nur übernommen hatten, um einen Wiedereinstieg in die Panzerproduktion zu finden und Erfahrungen im Panzerbau zu sammeln. Hispano Suiza und ihre britischen Partner hingegen mussten allesamt im Rahmen dieses Auftrages Konkurs anmelden. Was hatte zur erheblichen Reduzierung des Auftragsvolumens so plötzlich geführt? Der angewachsene Aufstellungszeitdruck und die stärkere Abstützung der Verteidigungsbemühungen der Allianz auf die nukleare Komponente erforderten eine radikale Wende in den Aufrüstungsbemühungen der Bundesrepublik. Zudem führte der Wechsel an der Spitze des Verteidigungsministeriums von Theodor Blank zu Franz Josef Strauß im Herbst 1956 zu einer grundlegenden Umstrukturierung der bis zu diesem Zeitpunkt vorgesehenen Aufrüstungsplanung der Bundeswehr. Das Ziel des neuen Verteidigungsministers war es daher, die deutschen Einheiten, die bereits der NATO unterstellt waren, zunächst qualitativ den Vorstellungen der Bündnispartner gemäß auszurüsten. Strauß wollte eine »Qualitätsarmee« schaffen. Die bisher nur gekaderten Einheiten wurden zu Großverbänden zusammengefasst und sollten so schnell wie möglich mit modernstem Wehrmaterial ausgestattet werden. Die wehrwirtschaftliche Folge war die Kürzung bzw. Stornierung langfristiger und zeitintensiver Großprojekte. Wehrtechnisch sollten ab diesem Zeitpunkt die Vorgaben für Neuentwicklungen oder die Weiterentwicklung bewährter Waffensysteme vorangetrieben werden. Die Konsequenzen daraus für den zukünftigen Schützenpanzer waren die Reduzierung des Beschaffungsvolumens und die Weiterentwicklung zu einem nuklearkriegstauglichen Fahrzeug. Die radikale Kürzung der zu beschaffenden Fahrzeuge machte die Produktion des HS 30 nach den vorgesehenen Modalitäten unrentabel84. Die Weiterentwicklungsmaßnahmen führten zu weiteren Verzögerungen bei der Entwicklung und Produktion. Beide Maßnahmen zusammen verursachten vor dem Hintergrund der mit der Hispano-Suiza-Gruppe abgeschlossenen Verträge erhebliche finanzielle Einbußen für die Bundesrepublik. Aus den Erfahrungen, die man auf der Bonner Hardthöhe infolge des Erwerbs des HS 30 gemacht hatte, wurde eine Vielzahl von Schlussfolgerungen gezogen. Sie betrafen vor allem die Verfahrensabläufe innerhalb des Ministeriums. Aber auch politische und technische Probleme, die während der gut sieben Jahre des Beschaffungsvorgangs (1955-62) aufgetreten waren, führten zu umfangreichen Veränderungen, die die Grundlage für das heutige Beschaf83

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BA-MA, BV 3/17929, BMVg, Abt. X an BMVg, Staatssekretär. Betr.: SPW lang - deutsche Fertigung, 21. März 1957. Hierzu und zum Folgenden BA, Β 112/74, BMVg Abt. II. Herrn Staatssekretär vorzulegen. Betr.: Verträge über lange Schützenpanzer-Wagen, 21. Februar 1957.

IV. Die Umsetzung der materiellen Aufrüstung

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fungswesen des Verteidigungsministeriums bilden. Im Folgenden wird exemplarisch dargestellt, welche Lehren man auf der Bonner Hardthöhe aus den Fehlern und Versäumnissen in der Zusammenarbeit mit der Hispano-SuizaGruppe zog. Der Faktor Zeit Einer der ausschlaggebenden Gründe dafür, dass das Verteidigungsministerium 1956 den Schützenpanzer HS 30 erwarb, war der angebliche Zeitvorsprung, den die Schweizer Anbieter gegenüber der Konkurrenz zu haben vorgaben. Die Bundesrepublik hatte den westlichen Alliierten leichtsinnigerweise zugesagt, innerhalb von nur drei Jahren eine 500 000 Mann starke Armee aufzustellen. Dieses Ziel sollte das Verteidigungsressort ab Sommer 1955 verwirklichen. Folglich mussten die Beschaffungsreferate innerhalb kürzester Zeit eine große Anzahl von Ausrüstungsgegenständen für die aufzustellenden Streitkräfte erwerben. Dass die Verantwortlichen dabei auch Herstellern minderwertiger Produkte Aufträge erteilten, war aufgrund der viel zu geringen personellen Ausstattung und der Menge der zu bearbeitenden Auftragsvergaben nicht immer vermeidbar. Nachdem die Ausnahmesituation der Aufbauphase der Bundeswehr abgeschlossen war, bemühte sich das Ministerium, zeitlichen Druck bei der Beschaffung von Rüstungsgütern künftig so weit wie möglich zu vermeiden. Der Ablauf der Beschaffung des ersten Schützenpanzers der Bundeswehr hatte nämlich gezeigt, dass ein zu großer Einfluss des Faktors Zeit auf die Herstellung von Rüstungsgütern die Qualität derselben beeinträchtigt und somit zwangsläufig zu kontraproduktiven Effekten führt. Erfahrungsgemäß wird eine Armee mit qualitativ minderwertigem Gerät im Einsatz erhebliche Schwierigkeiten bekommen, ihren Auftrag angemessen zu erfüllen. Die militärpolitischen Forderungen der Politiker und die Ausstattung ihrer Streitkräfte müssen daher stets in Einklang gebracht werden. Der Faktor Qualität Die Produktion von Rüstungsgütern bedarf außergewöhnlich hoher qualitativer Ansprüche, weil die Beschaffenheit des Materials über Leben und Tod des Benutzers entscheiden kann. Trotzdem ist es in der Vergangenheit immer wieder vorgekommen, dass bei der Beschaffung von Ausrüstungsgegenständen für die Bundeswehr aus politischen Gründen nicht das qualitativ hochwertigste Material erworben wurde. In der Aufbauphase der Bundeswehr kam diese substanzielle Forderung immer wieder mit anderen Faktoren in Konflikt. Neben dem bereits genannten Faktor Zeit erschwerten auch die unzureichenden finanziellen Mittel des Bundes, die noch nicht eingespielten Strukturen der Beschaffungsabteilungen des Verteidigungsressorts, die Auslastung der Kapazitäten der einheimischen Industrie und die fehlende Erfahrung der bundesdeutschen

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Maschinenbauingenieure mit dem Bau von Rüstungsgütern die Beschaffung von geeignetem Wehrmaterial. Infolgedessen wurde wiederholt Material ausgewählt, das den militärischen Anforderungen nicht gerecht wurde. Der Erwerb des HS 30 ist hierbei sicherlich das herausragende Beispiel in der Frühphase der Bundeswehr, weil in diesem Fall fast alle genannten Einflussfaktoren zusammenkamen. Auf einem beschränkten Markt wie dem für Schützenpanzer ist die Wahrscheinlichkeit, ein sehr günstiges Geschäft abzuschließen, äußerst gering. Die wenigen Anbieter eines beschränkten Marktes kennen sehr wohl die Angebote und Preise der Konkurrenz. Niedrigere Preise der Hispano Suiza können dann eigentlich nur über eine mindere Qualität in der Materialauswahl oder geringere Personalkosten erwirtschaftet werden. Da geringere Personalkosten in den damaligen Hochlohnländern Großbritannien und Westdeutschland nicht zu erwarten waren, musste zwangsläufig die Qualität des angebotenen Produkts leiden (und im zweiten Schritt natürlich auch die Glaubwürdigkeit der Hispano Suiza-Gruppe). Die Beschaffungsaufträge für die Bundeswehr dienen auch heute noch häufig dazu, befreundete Staaten und bundesdeutsche Regionen, Branchen oder Einzelunternehmen, die in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sind, zu unterstützen. Trotzdem war und ist ein wichtiger Faktor für die Qualität des Gerätes eine sorgfältige Auswahl des Herstellers. Die Zuverlässigkeit des Gerätes kann im Extremfall über Leben und Tod entscheiden. Es lag und liegt in der Verantwortung der Beschaffungsabteilungen im Verteidigungsministerium und des Bundesamtes für Wehrtechnik und Beschaffung (BWB) dies sicherzustellen.

Die Herstellerauswahl Die Entscheidung über die Auftragnehmer für das Großgerät der Bundeswehr erfolgte nach den negativen Erfahrungen bei der Beschaffung des Schützenpanzers HS 30 zunächst nur noch nach den gesonderten Kriterien im Rahmen der »beschränkten Ausschreibung« 85 . Das Verteidigungsministerium begrenzte den Kreis der Unternehmen, die bei einer Ausschreibung dieser Art informiert wurden, auf die Hersteller, mit denen man bereits gute Erfahrungen gemacht hatte86. Durch diese Methode waren die Firmen gezwungen, hochwertige Produkte abzuliefern, wenn sie nicht riskieren wollten, aus dem exklusiven Kreis ausgeschlossen zu werden. Nachteilig für das Ministerium war hingegen, dass die begrenzte Anzahl von »Hoflieferanten« die Unternehmen durch Preisabsprachen die Aufträge untereinander ausmachen konnten. Zudem begrenzte diese Vorgehensweise den Zugang für andere Marktteilnehmer so, dass sich die positiven Effekte des freien Marktes nur noch zum Teil auswirken konnten. Bei 85 86

Zur »beschränkten Ausschreibung« siehe Kap. II.4 BA-MA, BV 3/29338, BMVg, Abt. W an Herrn Staatssekretär. Betr.: Beschaffung von Standard- und Schützenpanzern, 14. November 1961, S. 2.

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der Beschaffung des Nachfolgemodells für den HS 30 wurde die »beschränkte Ausschreibung« angewendet, ohne jedoch dabei die aufgezeigten negativen Auswirkungen hervorzurufen. Der Markt in diesem Sektor hatte sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht so weit entwickelt, dass es zu den genannten Formen des Marktversagens hätte kommen können87. Für den Nachfolger des HS 30 hatte das Bonner Verteidigungsministerium an verschiedene in- und ausländische Firmen Entwicklungsaufträge vergeben. Nach einer eingehenden Überprüfung der Ergebnisse entschied es sich für ein Konsortium der Firmen Ruhrstahl und Henschel. Henschel gehörte zu diesem Zeitpunkt bereits - wie Hanomag seit Mitte der fünfziger Jahre - zur Rheinstahl AG. Ruhrstahl wurde wenige Jahre später ebenfalls von Rheinstahl aufgekauft, jene Unternehmensgruppe dann im Jahre 1973 vom Thyssen-Konzern übernommen. Die profunden Erfahrungen, die beide Unternehmen im Rahmen der HS 30-Produktion gesammelt hatten, konnten in den Entwicklungsprozess für den neuen Schützenpanzer der Bundeswehr mit eingebracht werden. Die Ingenieure und Mechaniker waren häufig dieselben wie bei der Entwicklung und Herstellung des HS 3088. Zudem verliefen die Absprachen zwischen den Unternehmen und dem Verteidigungsministerium reibungsloser, da sich die Ansprechpartner schon seit langem kannten und somit die Verfahrensabläufe ohne Komplikationen koordiniert werden konnten. Auch wenn die beauftragten Unternehmen dabei eine monopolähnliche Stellung einnahmen, führte die verbesserte Koordination der Zusammenarbeit zu qualitativ hochwertigeren Produktionsergebnissen. Damit sich die Kooperation zwischen den Beschaffungsreferaten auf der Bonner Hardthöhe und der Rüstungsindustrie nicht wie in den Vereinigten Staaten zu einem »militärisch-industriellen Komplex« entwickeln würde89, modifizierte das Ministerium Anfang der 1960er Jahre sehr erfolgreich die einzelnen Schritte der Auftragsvergabe. Die Auftragsvergabe Die Vergabe von Aufträgen für die Herstellung von Großgerät für die Bundeswehr wurde nach den Erfahrungen in der Aufbauphase der westdeutschen Streitkräfte vornehmlich über die »beschränkte Ausschreibung« durchgeführt. Die Entwicklung und Erprobung des militärischen Großgerätes hingegen bedurfte ebenso neuer grundsätzlicher Bestimmungen durch das Verteidigungsministerium wie die Vergabe von Investitionshilfen und Vorauszahlungen an die ausgewählten Rüstungsgüterhersteller. Die Referate für die Beschaffung von Wehrmaterial und deren gesetzliche Auflagen müssen sich den Märkten,

87 88 89

Zu dieser Thematik siehe u.a. Lenz, Kostensteigerung. Siehe hierzu u.a. BA-MA, Bw 1/29338. Zu dieser Problematik den bundesdeutschen Rüstungssektor betreffend siehe Walpuski/Wolf, Der »Militärisch-Industrielle-Komplex«. Abweichend dazu Mechtersheimer, Der militärisch industrielle Komplex.

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auf denen sie agieren, anpassen90. Wenn sie nicht marktkonform verfahren, werden die Marktteilnehmer dieses Fehlverhalten zu ihrem Vorteil ausnutzen. Die Folge daraus wären hohe finanzielle Verluste für das Verteidigungsressort gewesen. Um dies zu verhindern, ist das BMVg seit Ende der 1950er Jahre stetig darum bemüht, die eigenen Bestimmungen für das Beschaffungswesen kontinuierlich weiterzuentwickeln91. Die Neuerungen im Bereich der Entwicklung und Erprobung von Großgerät betrafen vornehmlich die Planung, Finanzierung und Umsetzung in Serienverträge. Die einzelnen Schritte von einem Entwicklungsauftrag bis zur Auslieferung des Wehrmaterials an die Truppe wurden genau festgelegt, die Bezahlung den Entwicklungsstufen entsprechend geregelt und die Serienaufträge erst nach einer erfolgreichen Erprobung in der Truppe erteilt. Durch diese Vorgehensweise hielt man sich auf der Bonner Hardthöhe die Möglichkeit offen, jederzeit aus einem Projekt auszusteigen, ohne dass der eigene finanzielle Schaden und der des Auftragnehmers unverhältnismäßig hoch ansteigen konnte. Parallel zu diesem Prozess sollten die verschiedenen fahrzeugunabhängigen Baugruppen (bei einem Schützenpanzer sind dies z.B. Motor, Geschütz, optische Geräte und Funkanlage92) von verschiedenen Herstellern weiterentwickelt werden, um möglichst »ein optimales gegenseitiges Zusammenwirken [...] der verschiedenen Baugruppen eines Waffensystems« zu gewährleisten93. Die entscheidenden Vorteile der Einzelentwicklungen waren: - das BMVg konnte die einzelnen, sehr unterschiedlichen Baugruppen auf dem jeweiligen Marktsektor einzeln ausschreiben und auswählen; - wenn eine Baugruppe nicht den vertraglichen Anforderungen entsprach, mussten keine endlosen Verhandlungen mit dem Produzenten des Gesamtprojektes über Nachbesserungen geführt werden, sondern das Problem konnte direkt mit dem jeweiligen Hersteller der unzureichenden Baugruppe geregelt werden. Trotz der einschneidenden Veränderungen war das Ministerium weiterhin bereit, die Hersteller bei der Erfüllung gewisser, genau festgelegter Voraussetzungen durch finanzielle Vorleistungen bei der Realisierung von Großprojekten zu unterstützen.

Das Fahrzeug Der Schützenpanzer lang, Hispano Suiza HS 30 war der erste ausschließlich für die Bundeswehr entwickelte und gebaute Panzer. Im Frühjahr 1958 wurden die 90

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Hierzu und zum Folgenden BA-MA, BV 3/13835, Vortrag des Dipl. Kfm. Dieter Kratzenberg, BMVtdg, W II 3, anlässlich der Tagung über Fragen der Festpreispolitik, 16. Februar 1962. Siehe hierzu u.a. Steinbrink, Wehrtechnik und Beschaffung S. 4 - 2 9 . Abwegige Thesen hierzu vertritt Geyer, Deutsche Rüstungspolitik 1860-1980, S. 204-209. Siehe hierzu BA-MA, BV 3/11470, BMVg, Τ III 2. Entwicklungsanweisung Τ III 2033/60 (A). Betr.: Entwicklung (A) Schützenpanzer (neu) lang, 20. Juni 1960, S. 4. Willikens, Gedanken zur Panzerentwicklung, S. 76.

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ersten Fahrzeuge der Schützenpanzer-Baureihe der Truppe übergeben. Neben dem Schützenpanzer wurden auf der Basis des HS 30 ein Raketenjagdpanzer, ein Funk- und Führungspanzer, ein Panzermörser und ein Panzer mit 106 mm rückstoßfreiem Geschütz Μ 40 Al entwickelt, die alle - bis auf den Raketenjagdpanzer HS 30 - nur in kleiner Stückzahl in die Truppe eingeführt wurden. Das 14,6 t schwere Fahrzeug wurde von einem 220 PS starken Rolls-Royce Motor angetrieben. Das daraus resultierende Leistungsgewicht von 15 PS/t ermöglichte eine Höchstgeschwindigkeit von 58 km/h und einen Aktionsradius von bis zu 270 km. Der HS 30 muss im Nachhinein als schlechte Ausführung einer richtigen Idee gewertet werden. Die Ausführung lag beim Hersteller, die Entwicklungsvorschläge stammten vom Auftraggeber. Leidtragende der schlechten Ausführung waren die Panzergrenadiersoldaten der Bundeswehr. Uber die Unzulänglichkeiten in der Praxis mit dem HS 30 und seine technische Unzuverlässigkeit gibt es viele Legenden. Nachweisbar sind einzig die Schadensmeldungen, die es zu den technischen Problemen mit diesem Fahrzeug gibt. Kurioserweise hat Hispano Suiza der Bundeswehr eigene »Schadmeldebögen« bereitgestellt, die heutzutage mehrere Aktenregale im Bundesarchiv/Militärarchiv in Freiburg i.Br. füllen94. Die Menge der »Schadmeldebögen« ist der verbliebene Beweis für die erheblichen technischen Mängel des HS 30, die in einem Verteidigungsfall schwerwiegende Folgen gehabt hätten.

3. Die Lehre aus der missglückten Premiere: Die »Schützenpanzerfamilie neu« Die umfangreichen Probleme mit dem Schützenpanzer HS 30 und die Entwicklung eines neuen Kampfpanzers führten dazu, dass der Führungsstab des Heeres (FüH) bereits Ende der 1950er Jahre erste Forderungen nach einem originär deutschen Schützenpanzer aufstellte95. Es sollte ein qualitativ hochwertiger Panzer entstehen, der den Anforderungen der beweglichen Verteidigung mit starken Panzerkräften gerecht werden konnte und darüber hinaus die Plattform für verschiedene andere Gefechtsfahrzeuge bilden würde. Der HS 30 hatte sich bereits in seiner Truppenversuchsphase als äußerst unzuverlässig erwiesen. Umfangreiche Versuche des Verteidigungsministeriums, die beschafften Panzer schließlich doch noch in gefechtstaugliche Fahrzeuge zu verwandeln, scheiterten wiederholt an den technischen Mängeln, der fehlerhaften Konstruktion und der Untermotorisierung. Diese Probleme verschärften sich Ende des Jahrzehnts 94

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Siehe hierzu Bestand BA-MA, BV 5/546a. Eine exemplarische Auswertung der Erfahrung der Truppe mit dem HS 30 hat vorgenommen Kollmer, Rüstungsgüterbeschaffung, S. 243-246. Hierzu und zum Folgenden BA-MA, BV 3/11470, Fü HII5, Az. 80-50-25-01, TgbNr. 5736/59, Militärische Forderungen für Schützenpanzer (neu), Bonn, 7. September 1959.

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mit der Entscheidung, schnelle und wendige Kampfpanzer für die Bundeswehr zu entwickeln. War der HS 30 theoretisch noch dazu geeignet, den amerikanischen Kampfpanzern Μ 47 und Μ 48 seiner Aufgabe entsprechend im Gefecht zu folgen, so wäre dies bei dem als »Standardpanzer 301« geplanten neuen Kampfpanzer nicht mehr möglich gewesen96. Dessen schnelle und wendige Gefechtsführung hätte den untermotorisierten HS 30 vollkommen überfordert. Folgerichtig begannen die verantwortlichen Abteilungen auf der Bonner Hardthöhe noch vor der Indienststellung des ersten HS 30 mit den Planungen für seinen Nachfolger. Bei der Entwicklung und Erprobung dieses vollkommen neuen Fahrzeuges wollte das Ministerium die Fehler vermeiden, die bei der Beschaffung des HS 30 gemacht worden waren. So wurden z.B. die einzelnen Entwicklungsschritte durch Spezialisten überprüft und erst danach die Gelder für die nächsten Maßnahmen bereitgestellt97. Darüber hinaus konnte der »Schützenpanzer, neu« auf der Basis der Erfahrungen und neuesten technischen Kenntnisse der einschlägigen westdeutschen Industrie ergänzt durch nordamerikanische, französische und niederländische Forschungsergebnisse entwickelt werden. Im Gegensatz zur Beschaffung des HS 30 bestand in diesem Fall nämlich kein Zeitdruck. Daher dauerte es immerhin elf Jahre von den einleitenden Überlegungen bis zur Auslieferung des ersten originär deutschen Schützenpanzers. Auf Grund der systematischen Vorgehensweise konnten an diesem Projekt wichtige, grundsätzliche Erkenntnisse für das Beschaffungswesen der Bundeswehr gewonnen werden. Im Laufe der 1960er Jahre entstand aus der Entwicklung des neuen Schützenpanzers für die westdeutschen Streitkräfte eine umfassende und bedeutende Ansammlung technischen, kaufmännischen und organisatorischen Wissens über die Panzerherstellung in ihrer ganzen Bandbreite. Zudem konnten auch in den parallel verlaufenden bzw. daran anschließenden Projekten »Standardpanzer 30 t« und »Kampfpanzer 70« umfangreiche Erfahrungen mit Konstruktionen, Berechnungen, Versuchen, Management, System- und Fertigungsplanung gesammelt werden 98 . Es entstand eine fundierte Basis, die für das Bundesministerium der Verteidigung und die deutsche Industrie bei der Verwirklichung und Weiterentwicklung nachfolgender Rüstungsprojekte von großer Bedeutung sein sollte. Um einen unbestreitbar wegweisenden Schützenpanzer zu verwirklichen, wurden zunächst verschiedene Firmen damit beauftragt, Studien über ihre Vorstellungen für ein solches Fahrzeug anzufertigen. Es handelte sich dabei ausschließlich um deutsche Auftragnehmer, die schon in der Weiterentwicklung und Verbesserung des HS 30 mit dem Verteidigungsministerium zusammengearbeitet hatten. Dies lag einerseits daran, dass die Beschaffungsabteilungen die Kontakte, die sich bewährt hatten, weiter ausbauen wollten. Andererseits ent96 97

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Zur Entwicklung des »Standardpanzer 30 t« oder auch »Leopard« siehe nächstes Kapitel. BA-MA, Bw 1/369496, BMVg W III 3, Az. 90-23-50-43, TgbNr. 890/60, Beschaffungsanweisung Nr. 12 501. Betr.: Materialbedarf der Streitkräfte; hier: 12 Stck. Schützenpanzer (neu) lang, Bonn, 30. Dezember 1960, S. 2 f. Bohrmann, Schützenpanzerentwicklung, S. 72.

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sprachen die Modelle der ausländischen Anbieter nicht ihren Vorstellungen. Als sich sehr früh abzeichnete, dass die Pläne des renommierten Düsseldorfer Panzerfachmarines Ernst Kniepkamp für seinen »Schützenpanzer SPz 12« nicht realisierbar waren", wurden ab Mitte 1959 nur noch die bereits fortgeschrittenen Projekte der Firmen Ruhrstahl und Henschel unterstützt. Die erfahrenen Panzerbauer aus Witten und Kassel hatten auf den Rahmendaten des HS 30 aufbauend eigene Schützenpanzermodelle entwickelt. Im Ministerium stießen diese Pläne bei den federführenden Abteilungen auf ein positives Echo. Um keine Zeit zu verlieren, legte der Führungsstab des Heeres im Herbst 1959 seine »Militärischen Forderungen« für einen neuen Schützenpanzer fest100, die den Rahmen für die weiteren Planungen der Firmen den Rahmen bildeten. Die wichtigsten davon waren, dass der Schützenpanzer schnell, wendig und hochgradig geländegängig, möglichst unempfindlich gegen feindliche Waffenwirkung sein und die Fähigkeit der ständigen Begleitung bzw. Unterstützung von Panzerangriffen besitzen sollte. Hierzu wurde ein Leistungsgewicht von mindestens 20 PS/t verlangt und eine Konfiguration, die schnelle Wechsel zwischen auf- und abgesessenem Kampf ermöglichte. Nur ein halbes Jahr später, im April 1960, wurden diese Angaben durch »Technische Forderungen für Schützenpanzer« für die durch die beiden Firmen herzustellenden Prototypen (RU 1 - 3 und HK 1-3 1 0 1 ) ergänzt. Die Verantwortlichen wollten mithin ein Fahrzeug für die Infanterie entwickeln, auf dessen Basis weitere Fahrzeuge zur Kampfunterstützung entstehen konnten. Eine »leichte Panzerfamilie« mit insgesamt vierzehn Varianten war das Ziel: -

Schützenpanzer Gruppe SPz-Führung und Funk Mörserträger 81 und 120 mm SPz-Transport Raketenjagdpanzer Kanonenjagdpanzer Panzerraketenwerfer, mehrfach Feuerleitpanzer Flugabwehrparizer 30 mm Zwilling Spähpanzer gepanzerter Kranken-Kraftwagen Bergepanzer Kettenzugmaschine, 2,5 m breit102.

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BA-MA, ΒV 3/11147, Ingenieurbüro Warnecke. Aktenvermerk über die Besprechung am 2.2.1959 im BMVg, Abt. T, 11. Februar 1959. BA-MA, BV 3/11470, Fü Η II 5, Az. 80-50-25-01, TgbNr. 5736/59, Militärische Forderungen für Schützenpanzer (neu), Bonn, 7. September 1959. BA-MA, BV3/11470, BMVg, T i l l 2. »Technische Forderungen« für Schützenpanzer, SPz RU1., RU2 und RU3; SPz HK1, HK2 und HK3, 21. April I960.; Erläuterung, RU bzw. HK1 = SPz Gruppe, RU bzw. HK2 = SPz Transport, RU bzw. HK 3 = Jagdpanzer Kanone. BA-MA, BV 3/11470, BMVg, T i l l 2. »Technische Forderungen« für Schützenpanzer, SPz RU1., RU2 und RU3; SPz HK1, HK2 und HK3, 21. April 1960, S. 2.

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Prototyp eines Flugabwehrpanzers auf Marder-Plattform.

Prototyp für einen Raketenartillerieträger auf Marder-Plattform.

WTS/BWB Koblenz (2)

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Mit dem angestrebten »Plattformkonzept« sollte durch die einheitliche Verwendung von Trieb- und Laufwerk eine schnelle Produktion der Panzer in größeren Stückzahlen und ein Minimum an Aufwand für die Ersatzteilhaltung erreicht werden103. Hierzu war von vornherein festgelegt, dass der Motor für alle Fahrzeuge der Daimler-Benz-Dieselmotor MB 833 sein würde. Wie sich zeigen sollte, handelte es sich dabei um einen leistungsfähigen und zuverlässigen Motor, den Daimlers Ingenieure im Laufe der Jahre den räumlichen und technischen Anforderungen des Fahrzeuges immer wieder anpassten. Insgesamt wurde schnell deutlich, dass die sehr unterschiedlichen Panzer voneinander abweichende Anforderungen an eine »Plattform« stellten. Bereits im Juni 1960 musste daher eine weitere Entwicklungsanweisung erteilt werden, um zu untersuchen, welche Höhe, Panzerung und Motorenposition für die Anforderungen an das jeweilige Fahrzeug am besten geeignet erschien104. Die Probleme wurden im Wesentlichen dadurch gelöst, dass die Ingenieure drei grundsätzlich unterschiedliche Plattformen entwickelten. Hauptunterschiede dabei waren die Position des Motors und die dazugehörige Wanne. Bestimmt wurde die Position des Motors durch die Aufgabe, die dem jeweiligen Panzer zugeordnet war. So sollten z.B. die SPz-Führung und Funk sowie die Feuerleitpanzer für ihre Beweglichkeit einen Antrieb im vorderen Teil des Fahrzeugs mit dem Motor im Heck erhalten (= Grundtyp A). Für Schützenpanzer, die über einen Ausstieg nach hinten verfügen sollten, konnte nur mit einem kompletten Motorblock im vorderen Teil des Panzers geplant werden (z.B. »Schützenpanzer Gruppe« und Panzerraketenwerfer, mehrfach = Grundtyp B). Hingegen mussten die Fahrzeuge, die eine Geschützanlage im vorderen Bereich hatten, mit einem kompletten Motorblock im Heck ausgestattet werden (z.B. Raketenjagdpanzer, Kanonenjagdpanzer = Grundtyp C)105. Die getrennte Anordnung von Motor und Getriebe des Grundtyps Α erwies sich in den Testreihen als ungeeignet und wurde sehr bald bei den Entwicklungen nicht mehr verfolgt. Alle Fahrzeugtypen, die mit dieser Plattform verbunden waren, wurden alsbald aus dem Entwicklungsprogramm genommen. Die Wanne eines Panzers hat vielfältige Aufgaben zu erfüllen. Zum einen ist sie die äußere Hülle des Fahrzeuges und gibt ihm Gestalt, Festigkeit und Schutz. Zum anderen bildet sie das Grundgestell für alle anderen Baugruppen und verbindet diese organisch zum Gesamtfahrzeug. Die sinnvollste Lösung für die Fahrzeuge der »Schützenpanzerfamilie, neu« stellte eine Wanne als geschweißte Panzerstahlkonstruktion dar. Von der Idee, für jeden der Grundtypen nur eine Wannenform nutzen zu können, musste sehr bald abgewichen werden. Jedes Fahrzeug bekam letztlich seine eigene Wannenkonstruktion, womit das »Plattformkonzept« der »Schützenpanzerfamilie, neu« endgültig aufgegeben werden musste. Darüber hinaus stellte das Verteidigungsministe103

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Diese Vorgehensweise entspricht der sogenannten »Tiefenrüstung«, die der Gegensatz der »Breitenrüstung« ist. Definition siehe Kap. IV.4. Hierzu und zum Folgenden BA-MA, BV 3/11470, BMVg, Τ III 2. Entwicklungsanweisung Τ III 2033/60 (A). Betr.: Entwicklung (A) Schützenpanzer (neu) lang, 20. Juni 1960, S. 1 f. Sehr ausführlich hierzu siehe Bohrmann, Schützenpanzerentwicklung, S. 69 f.

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rium Anfang 1965 fest, dass die Kosten für die Krankentransport- und Transportpanzer, den SPz-Führung und -Funk sowie Panzermörser aus den bereits entwickelten Plattformen zu hoch seien. Als Ersatz wurden die bereits international bewährten und wesentlich preiswerteren US-amerikanischen MTW (= Mannschaftstransportwagen) 113 Al 106 und MTW 577 Al (ein Führungspanzer auf der Basis des Μ 113) beschafft107. Die Modellentwicklung konzentrierte sich fortan auf den Kanonen- und Raketenjagdpanzer, den SPz-Gruppe sowie den Panzerraketenwerfer.

Die Jagdpanzer Kanone und Rakete Zunächst erhielt die Entwicklung der Jagdpanzer oberste Priorität, da es schon einen Schützenpanzer gab, der Raketenwerfer als nicht so dringlich erschien und die Panzerabwehrkraft des Heeres dringend verstärkt werden sollte. Zudem hatten die deutschen Panzerbauer bereits während des Zweiten Weltkrieges Kanonenjagdpanzer (z.B. »Hetzer«, »Jagdpanther«, »Jagdtiger« und »Marder«) erfolgreich entwickelt und gebaut. Folglich konnte hier, wie auch in der Entwicklung des Kampfpanzers »Leopard« an Traditionen und Erfahrungen angeknüpft werden, die es bei der Entwicklung vollkommen neuer Gefechtsfahrzeuge (z.B. Schützenpanzer, Flugabwehrraketenpanzer) nicht gab. Dies führte dazu, dass in relativ kurzer Zeit Rheinstahl-Hanomag und Henschel nach der Entwicklung von drei Prototypen zwischen 1960 und 1963 bereits im Dezember 1963 den Auftrag erhielten, 710 »Schützenpanzer neu, Typ Jagdpanzer Kanone« zu fertigen108. Hierzu hatten die beiden Firmen auf Drängen des Verteidigungsministeriums im Herbst 1963 ein Generalunternehmen - die Gesellschaft für Kraftfahrzeuge mbH (GeKa) - gegründet109, die im Frühjahr 1965 die Serienfertigung aufnahm. Nach einer Erhöhung des Auftragsvolumens um 60 Panzer im September 1965110 lieferte das Konsortium bis 1967 insgesamt 770 Kanonenjagdpanzer an die Bundeswehr aus, die bis vor wenigen Jahren in verschiedenen abgewandelten Funktionen (Beobachtungspanzer, Führungspanzer und Raketenjagdpanzer) eingesetzt wurden.

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Zur Einschätzung des Μ 113 in diesen Jahren siehe Senger und Etterlin, Der Schützenpanzer Μ 113. BA-MA, BH 2/113, BMVg, FüHV 4, Az.: 90-23-50, TgbNr. 202/65. Betr.: Epl. 14, Kapitel 15, Titel 852; hier: Beschaffung weiterer 700 Mannschaftstransportwagen (MTW) Μ 113 aus den USA, Bonn, 29. Januar 1965. BA-MA, Bw 1/369498, Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Gesellschaft für Kraftfahrzeuge über die Organisation der Lieferung von 710 Schützenpanzern neu, Typ Jagdpanzer Kanone, Koblenz, 19. Dezember 1963. BA-MA, Bw 1/347960, BWB, KB II 5, Erläuterungsbericht. Betr.: Vertrag mit der Fa. GEKA-Gesellschaft für Kraftfahrzeuge mit beschränkter Haftung, Düsseldorf, über die Organisation der Lieferung von 710 Schützenpanzern neu, Typ Kanonenjagdpanzer, Koblenz 29. Oktober 1963. BA-MA, Bw 1/347960, BMVg, W III 3, Az.: 90-23-50-23, 3. Änderung zu Beschaffungsanweisung Nr. 12800 (Neufassung) vom 9. Januar 1964, Bonn, 10. September 1965.

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Der Panzer war mit dem wassergekühlten 8-Zylinder-Dieselmotor MB 837 mit 500 PS von Daimler Benz ausgestattet und wog 25,71. Sein Leistungsgewicht betrug somit 19,46 PS/t, wodurch er den anderen Gefechtsfahrzeugen mühelos folgen konnte. Seine geschrägte 50 mm dicke Frontpanzerung, seine flache Bauweise und die nach vorn gezogene gerundete Geschützblende für die 90mm-Hauptwaffe erinnerten an seine Vorgänger aus dem Zweiten Weltkrieg. Die 90-mm-Rheinmetallkanone L 40 hatte eine mittlere Kampfentfernung von 1500 Metern. Das Kaliber wurde verwendet, da mit dem Rohr die gleiche Munition verschossen werden sollte wie mit den zu Planungsbeginn in der Bundeswehr aktuellen Kampfpanzern Μ 47/48111. Die Kampfbeladung betrug dabei 51 Schuss. Eingesetzt wurde der Kanonenjagdpanzer bei den Panzerjägerkompanien der Grenadier- und Panzergrenadierbrigaden und den Panzergrenadierbataillonen zur Unterstützung der Infanterie bei der Bekämpfung von Kampfpanzern. Als Ersatz für die Verlegenheitslösung Raketenjagdpanzer 1 (TOW auf HS 30) wurde von Anfang an als weiteres Mitglied der »Schützenpanzerfamilie, neu« auch ein neuer Raketenjagdpanzer geplant. Aus den ersten Überlegungen für den Kanonenjagdpanzer heraus wurde ab 1962 der Raketenjagdpanzer 2 entwickelt. Die grundsätzliche Entwicklung und Erprobung des Panzers wurde im Februar 1965 abgeschlossen und zeitgleich seine Einführung festgelegt112. Ab 1967 bauten dann ebenfalls Rheinstahl-Hanomag und Henschel 316 Raketenjagdpanzer 2 für die Panzerjägerkompanien der Panzer- und Panzergrenadierbrigaden sowie später auch für die Panzerjägerbataillone der Jägerbrigaden der Bundeswehr. Da dieses Fahrzeug mit drahtgelenkten Panzerabwehrraketen vom Typ S 11 B1 ausgestattet war (14 Raketen Gefechtsbeladung), betrug sein Gefechtsgewicht bei ansonsten gleichen Konfigurationen wie beim Kanonenjagdpanzer nur 23 t. Folglich lag das Leistungsgewicht des Raketenjagdpanzer 2 bei 21,74 PS/t, was ihn bei 70 km/h Höchstgeschwindigkeit zu einem flinken Panzer auf dem Gefechtsfeld machte. Die Reichweite der Lenkflugkörper lag bei 500 bis 3000 Meter, womit Raketenjagdpanzer für feindliche Kampfpanzer (Reichweite bis max. 2500 m) zu einem gefürchteten Gegner wurden.

Der Schützenpanzer »Marder« Die detaillierten Beschreibungen, wie sie von den Beschaffungsreferaten für den Nachfolger des HS 30 gefordert wurden, ließen den Rüstungsproduzenten nur noch enge Spielräume. Dadurch wollte das Verteidigungsministerium sicherstellen, dass es nicht mehr - wie im Fall Hispano Suiza - übervorteilt werden 111

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BA-MA, Bw 1/369496, BMVgT VII 3, Az.: 90-10-15-31/68. Entwicklungsanweisung Τ VII/1544/59 (A). Betr.: WM - 90 mm Kanone (Rh.) einschließlich der Waffen- und Kampfanlage, Bonn, 16. März 1960. BA-MA, Bw 1/369477, KB II 2, Az.: 90-23-50-00, TgbNr. KB 233/65 VS-NfD. Betr.: Berichterstattung über Planung und Entwicklung- Τ III Zeit- und Kostenplanung für Projekt Schützenpanzer-neu, Koblenz, 8. Oktober 1965.

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konnte. Auch der am 20. Juni 1960 erteilte Entwicklungsauftrag an Ruhrstahl und Henschel113 beweist, dass man nach den negativen Erfahrungen mit Hispano Suiza neue Wege ging. Im Gegensatz zu den Verträgen mit den Schweizern lässt dieser Auftrag eindeutig erkennen, dass das Verteidigungsressort die Federführung bei der Verwirklichung dieses Projektes nicht aus der Hand geben wollte. Die Unternehmen waren gleichwohl dafür verantwortlich, das Fahrzeug nach den Vorgaben des »Geräteentstehungsganges« bis zur so genannten Entwicklungsstufe 7114 »zu entwickeln, zu erstellen und zu erproben«. Außerdem wurden »die fahrzeugherstellenden Firmen [...] für die Gesamtfunktion der Fahrzeuge einschließlich des Einbaus der [...] fahrzeugunabhängigen Baugruppen verantwortlich« gemacht. Mit dieser Bestimmung schloss das Ministerium einen der größten Streitpunkte, der im Verlauf der technischen Erprobung des HS 30 entstanden war, von vornherein aus. Das Verfahren der finanziellen Vergütung der Auftragnehmer in der Entwicklungs- und Erprobungsphase wurde ebenfalls grundlegend verändert. Die Auftragnehmer erhielten genaue Anweisungen für die einzelnen Entwicklungsschritte, die für eine gewisse Summe an Haushaltsmitteln erfüllt werden sollten. Die Vorauszahlungen an die beteiligten Firmen wurden nicht mehr pauschal, sondern entsprechend der einzelnen, festgelegten Entwicklungsschritte geleistet. Bis zum 24. April 1964 wurden auf diese Weise in 21 Einzelzahlungen zwischen 100 000 und 30 Mio. DM insgesamt 85,4 Mio. DM für die Entwicklung und Erprobung der verschiedenen Baugruppen des »Schützenpanzer, neu« für die beteiligten Unternehmen freigegeben115. Durch das Vorziehen der Jagdpanzer trat in der Entstehungsphase des »Schützenpanzers Gruppe« eine Verzögerung ein, die für eine intensive Entwicklung genutzt wurde und letztlich dem Fahrzeug wie seiner technischen Reife zugute kam. Kein anderes Fahrzeug deutscher Streitkräfte zuvor war bei seiner Indienststellung so umfassend erprobt worden wie der »Marder«. In den Jahren 1960/61 wurde zunächst die ersten Prototypenserie des »Schützenpanzers Gruppe« hergestellt. Auf der Basis der Erfahrungen mit diesen Fahrzeugen fertigten die Auftragnehmer 1963 die zweite und bis 1967 die dritte Prototypenserie. Hierbei wurden erhebliche Fortschritte in der Entwicklung des Fahrzeuges erzielt. Immer mehr entfernten sich die Konstrukteure von einer Weiterentwicklung des SPz HS 30 und schufen einen vollkommen neuen Schützenpanzer. Im Rahmen dieser Entwicklung wurden 1966 die »Militärischen Forderungen« überarbeitet und in Abstimmung mit den Herstellerfirmen den neuesten waffentechnischen Erkenntnissen angepasst. Mit der Nullserie, die 1967/68 vom Band lief, wurden im Laufe des Jahres 1968 Truppen versuche an der Panzertruppenschule in Munster vorgenommen. Da sich dabei nur marginale 113

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Hierzu und zum Folgenden BA-MA, BV 3/11470, BMVg, Τ III 2. Entwicklungsanweisung Τ III 2033/60 (A). Betr.: Entwicklung (A) Schützenpanzer (neu) lang, 20. Juni 1960. Zum damaligen Geräteentstehungsgang und seinen einzelnen Stufen siehe Caspar, Das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung, S. 22 f. BA-MA, BV 3/11471, BMVg, Τ III 2 an das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung. 21. Nachtrag zur Entwicklungsanweisung Τ 111/2033/60 (Α) vom 20.6.1960, 24. April 1964.

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Mängel am Fahrzeug herausstellten, konnte der erste Schützenpanzer, neu »Marder« Angehörigen des Deutschen Bundestages und der Presse am 5. Mai 1969 vorgestellt werden. Das neue Fahrzeug war zunächst insgesamt 27,51 schwer und verfügte über einen 6-Zylinder-Mehrstoffmotor MB 833 mit ungefähr 600 PS, bei einer Länge von 6,68 m und Breite von 3,12 m. Trotz des beträchtlichen Größen- und Gewichtszuwachses gegenüber dem HS 30 war das wichtige Leistungsgewicht um fast 50 Prozent auf ca. 22,2 PS/t verbessert worden. Die maximale Geschwindigkeit betrug vorwärts wie rückwärts 75 km/h und der Aktionsradius des für damalige Verhältnisse äußerst wendigen Fahrzeuges ungefähr 520 Kilometer. Außerdem stieg die Besatzung des Schützenpanzers auf zehn Mann an, so dass die Stärke der Kampfkompanien der Panzergrenadiertruppe der Bundeswehr um 30 Mann erhöht werden musste. Trotz dieser bemerkenswerten Kampfwertsteigerungen war aber entscheidend, dass die Leistungsmerkmale des neuen Schützenpanzers, der taktischen Forderung entsprechend, in allen Punkten auf einen gemeinsamen Einsatz mit dem neuen Kampfpanzer der Bundeswehr »Leopard« abgestimmt waren. Im Rahmen des gesamten Projektes verlief nur die Entwicklung der Bewaffnung vergleichsweise ungewöhnlich. Im Laufe des Jahres 1965 wurde von der Panzertruppenschule die Forderung nach einer Scheitellafettierung der Waffen außerhalb des eigentlichen Kampfraumes aufgestellt. Zunächst entstand zur Erfüllung dieser Forderung eine kleine Kuppel mit Maschinengewehr, die über das Heckteil des Kampfraumes gesetzt wurde, um den toten Winkel des Drehturmes zu decken und bessere Verteidigungsmöglichkeiten nach hinten zu bieten. Die waffentechnische Erprobung dieser Lösung brachte so gute Ergebnisse, dass das Prinzip auf die Hauptwaffe ausgedehnt wurde. Daneben hielten es die Praktiker für unabdingbar, dass der SPz-Kommandant ähnlich wie der KPzKommandant das Feuer der Kanone selbst leiten und gelegentlich übersteuern konnte. Hierzu war aber die Neuentwicklung eines Zwei-Mann-Turmes notwendig, der Kommandant und Richtschütze unter Panzerschutz bessere Sichtmöglichkeiten bot. Bereits im Herbst 1966 konnten die Prototypen der dritten Serie mit dem neuen Turm ausgestattet werden. Später wurde er in leicht abgeänderter Form das markante und äußerst wirkungsvolle Erkennungsmerkmal des Schützenpanzers »Marder«. Die ersten Schützenpanzer »Marder« wurden an die Panzertruppenschule im Dezember 1970 ausgeliefert, die Panzergrenadierbataillone ab April 1971 auf diesen Panzer umgerüstet. Insgesamt kamen bis 1986 genau 2136 Gefechtsfahrzeuge dieses Typs an die Bundeswehr zur Auslieferung.

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Das Flugabwehrraketensystem »Roland II« Der »Schützenpanzer, neu Raketenwerfer mehrfach leicht« sollte die Infanterie gegen leichte feindliche Panzer unterstützen. Nachdem bereits 1960 zwei Prototypen für diesen Panzer gebaut worden waren, stellten die Verantwortlichen im Verlaufe des Jahres 1964 fest, dass es sinnvoller war, den Raketenwerfer auf ein Radfahrzeug zu setzen. Aus dieser Entwicklung ist ab Ende 1967 das »Leichte Artillerie-Raketen-System 110 mm« (LARS) auf dem geländegängigen »Siebentonner« Magirus Deutz (Typ 178 D 15 Α »Jupiter« 6x6) entstanden. Das »Fahrgestell Schützenpanzer, neu« fand dann ab Februar 1965 eine neue Verwendung: es wurde zum Trägersystem für das Flugabwehrraketensystem »Roland«. Nur wenige Monate zuvor war es zu einem Regierungsabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich über die gemeinschaftliche Entwicklung eines Flugabwehrraketensystems Boden-Luft gekommen. Zwar brauchten die Ingenieure gut zehn Jahre, um das Projekt abzuschließen, das dann auch noch von beiden Staaten unabhängig voneinander realisiert wurde. Aber das deutsche Flugabwehrraketensystem »Roland II« wurde auf dem Fahrgestell installiert, das im Rahmen der »Schützenpanzerfamilie, neu« entstanden war. Mit diesem Panzer wurde die Flugabwehr auf mittlere Entfernung sichergestellt. Das Verteidigungsministerium beschaffte zwischen 1977 und 1983 für die Flugabwehrregimenter der drei bundesdeutschen Korps und das Raketenflugabwehrbataillon der 6. Panzergrenadierdivision 140 FlugabwehrraketenPanzer »Roland II«.

Resümee Im Gegensatz zu der Planung und Entwicklung des HS 30 bestimmte bei seinem Nachfolger nicht der Auftragnehmer die Konzeption des Fahrzeuges. Die technischen und taktischen Forderungen der Heeresführung an das neue Fahrzeug wurden beim »Schützenpanzer, neu« in der zehnjährigen Entwicklungsphase konsequent durch- und umgesetzt 116 . Der am 5. Mai 1969 auf den Namen »Marder« getaufte 117 Schützenpanzer war nicht einfach die Fortentwicklung eines weitgehend festgelegten Konzeptes, vielmehr bedeutete er einen Quantensprung für die Ausrüstung und Kampfführung der Panzergrenadiertruppe118. Bei der Entwicklung dieses Fahrzeuges wurden technisch und taktisch vollkommen neue Wege beschritten und zum Teil - für die damalige Zeit - sehr unkonventionelle Lösungen gefunden, in deren Folge sich der Einsatz der Panzergrenadiere der Bundeswehr sehr veränderte. Die Kampfweise, der Auftrag und die Ausbildung der Truppengattung mussten umgestellt werden und zugleich das Anforderungsprofil an die Bediener dieses komplexen Waffen116 117 118

»Der neue Schützenpanzer des Heeres«. In: Soldat und Technik, 10/1968, S. 558. Zur Namensgebung siehe Erb, Gab es schon mal einen »Marder«?, S. 81. Hierzu und zum Folgenden Bremer, Der Marder.

IV. Die Umsetzung der materiellen Aufrüstung

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systems erheblich erhöht werden. Das einstige Bild einer auf einen Schützenpanzer gesetzten Infanteriegruppe gehörte mit dem Schützenpanzer »Marder« endgültig der Vergangenheit an. Aufgrund seiner Beweglichkeit, seiner Motorstärke, seiner Feuerkraft, seiner Technik und seiner Inneneinrichtung - die mit einem austauschbaren Modulsystem immer wieder auf den neuesten Stand gebracht werden können - gilt der »Marder« auch heute noch als einer der zuverlässigsten Schützenpanzer der Welt.

4. Der »Standardpanzer« als Plattform Der erste deutsche Kampfpanzer für die Bundeswehr

Die Beschaffung des ersten deutschen Kampfpanzers war - wie die meisten Großprojekte in der Aufbauphase der Bundeswehr - ein Politikum. Immerhin plante das Verteidigungsministerium 1955, innerhalb kürzester Zeit 6000 Kampfpanzer für die Panzertruppe zu beschaffen. Dies kollidierte zunächst mit der Beschaffung von über 10 000 Schützenpanzern für die Grenadiertruppe. Zudem bemühten sich einige Länder sofort, nachdem der Wunsch der Abteilung Heer bekannt geworden war, intensiv um diesen Großauftrag. Großbritannien wollte unbedingt seinen mittleren Kampfpanzer »Centurion« an die Bundesrepublik verkaufen. Das hätte der kränkelnden britischen Rüstungsindustrie einen wichtigen Schub gegeben. Kurz bevor die Briten der deutschen Seite ihr Angebot unterbreiteten, hatten bereits die Amerikaner der Bundeswehr im Rahmen der »Nash-Liste« 1100 mittlere Kampfpanzer Μ 47 kostenfrei überlassen. Diese wurden bei den US-Streitkräften in Europa gerade gegen das Nachfolgermodell Μ 48 ausgetauscht und konnten somit problemlos mit kompletten Ersatzteillagern abgegeben werden. Die Briten hofften nunmehr den Zuschlag für die verbliebenen 4900 Fahrzeuge zu bekommen. Dafür versuchten sie auf der Ebene der Wirtschaftsministerien, erheblichen politischen Druck auf die Bundesregierung auszuüben. Als dies offensichtlich nicht fruchtete, wurden von London die »special relations« mit den USA bemüht. Die Amerikaner spielten aber in dieser Angelegenheit ihr eigenes Spiel. Sie boten nämlich der Bundesrepublik erst einmal Restbestände des Μ 47 konkurrenzlos billig an119, um ihr wenig später den Μ 48 mehr oder minder »aufzuzwingen« 120 . Überdies war man im Bonner Verteidigungsministerium zu der Uberzeugung gelangt, dass der »Centurion« sich militärtechnisch in einer Sackgasse befand. Er bot deutschen Panzertechnikern nicht die Möglichkeit, auf dem Weg zu einem geplanten deutsch-französischen mittleren Kampfpanzer die entsprechenden Erfahrungen mit moderner Panzertechnik zu sammeln. Die Panzerbesatzungen, 119 120

BA-MA, Bw 2/2419, APG an Bundesminister der Verteidigung, Mehlemer Aue, 28.12.1955 So Franz Josef Strauß vor dem Deutschen Bundestag, nach AWS, Bd 4, S. 166 (Beitrag Abelshauser).

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die auf dem Μ 47 angelernt worden waren, konnten darüber hinaus ohne großen Aufwand auf den moderneren Μ 48 wechseln. Der »Centurion« hingegen stellte ein komplett anderes Waffensystem dar, das in der Panzertruppe einen »Systemmix« hervorgerufen hätte, den das Bonner Verteidigungsministerium ablehnte. Eine Überprüfung beider Fahrzeuge auf dem Truppenübungsplatz Bergen im Dezember 1956 zeigte zudem deutlich, dass der Μ 48 weit mehr den Forderungen der Panzerabteilung des Truppenamtes (ab 1973: Heeresamt) entsprach als der »Centurion«121. Aus deutscher Sicht war aber auch der Μ 48 nicht der optimale Kampfpanzer für die Verteidigung der offenen Geländeabschnitte in Nord- und Süddeutschland, da er zu schwer und unbeweglich für eine dem deutschen taktischen Grundsatz »Feuer und Bewegung« angemessene Verteidigung war122. So wurde bereits 1956 mit den Planungen für eigene Kampfpanzer begonnen123, die vor allem drei Bedingungen erfüllen sollten: Feuerkraft, Beweglichkeit und Schutz124. Ihnen lag der Gedanke zu Grunde, dass ein wendiger, verhältnismäßig kleiner, aber mit hoher Feuerkraft ausgestatteter Panzer mit weniger Panzerung auskommen könnte, da es dem Feind kaum möglich sein würde, auf solch ein Fahrzeug einen gezielten Schuss abzugeben. Daher sollte grundsätzlich die Gesamthöhe des »Standardpanzers« nicht über zwei Meter, sein Gefechtsgewicht höchstens bei 30 Tonnen liegen. Außerdem wurde ein Maximum an Wirkung, Treffgenauigkeit, Feuerbereitschaft, Schussweite sowie Beweglichkeit (Schnelligkeit, Geländegängigkeit, Wendigkeit, Beschleunigung) gefordert. Gleiches galt für den Panzerschutz, die Einfachheit der Bedienung und Wartung sowie für die Unempfindlichkeit gegenüber allen möglichen klimatischen und geographischen Verhältnissen. Als »spezielle Forderungen allgemeiner Art« wurden erhoben: die leichte und schnelle Austauschbarkeit aller Teile, Platz für eine Besatzung von vier Mann. Und für die Bewaffnung schließlich sollten folgende Kriterien gelten: »Klassische Kanonen, Rohrrücklauf so kurz wie möglich - wirksame Schussweite bis 2500 Meter, Flugzeit für 1000 Meter nicht über 1,5 sec.«125. Erkennbar ist, dass die Forderungen auf den Erfahrungen der Kriegsteilnehmer der Ostfront basierten: ein schneller, beweglicher, treffgenauer Panzer, in allen Klimazonen einsetzbar, ohne großen Aufwand reparierbar, mit schneller Schussfolge und großer Schussweite. Um die Aufrüstung der europäischen NATO-Streitkräfte nicht nur zugunsten der amerikanischen Rüstungsindustrie durchzuführen, suchten die Europäer Ende der 1950er/Anfang der 1960er Jahre immer wieder nach multilateralen 121

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BA-MA, Bw 1/21590, Truppenamt, Abt. Panzertruppe, Besprechungspunkte betreffend Panzer-Vergleichsschießen zwischen Centurion u. Μ 48, Köln, 17.12.1956. Siehe hierzu Senger und Etterlin, Der Kampfpanzer Leopard, S. 171. Zu den ersten Planungen für einen bundesdeutschen Kampfpanzer siehe Aktenbestand BA-MA, BW 1/21590. Genaueres zu diesem Grundsatz, der auch für alle nachfolgenden Panzerfahrzeuge der Bundeswehr galt Wüst, Leopard, S. 23-27. BA-MA, Bw 1/21590, Truppenamt, Abt. Panzertruppe, Militärische Forderungen für den Standardpanzer, Köln, 23.11.1956.

IV. Die Umsetzung der materiellen Aufrüstung

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europäischen Lösungen für anstehende Rüstungsprojekte. Da standardisiertes Material positive Auswirkungen auf die Austauschmöglichkeiten, Verwendbarkeit, Logistik und die Herstellungskosten hat, versuchten insbesondere deutsche und französische Politiker in diesen Jahren ein eigenes europäisches Verfahren zu entwickeln, dessen grundsätzliche Ziele bis zum heutigen Tage Bestand haben126. In den Verhandlungen stellte sich sehr bald heraus, dass die Vorstellungen französischer, italienischer und westdeutscher Heeresoffiziere über den Kampfpanzer der Zukunft fast deckungsgleich waren. Man formulierte gemeinsame »Militärische Forderungen« und trieb die Entwicklung eines Standardpanzers gemeinsam voran. Die Versuchsreihen von deutschen und französischen Prototypen zwischen 1960 und 1963 wurden auf dem französischen Truppenübungsplatz Mailly-le-Camp unter italienischem Vorsitz durchgeführt. Schließlich konnte man sich dann doch nicht auf einen trilateralen Panzer einigen, was wohl insbesondere die Italiener im Nachhinein bedauert haben, da die Testreihen in Frankreich den AMX 30 und in der Bundesrepublik den Leopard 1 hervorbrachten. Ende der 1960er Jahre entschied sich die italienische Regierung nach genauer Prüfung der Gefechtsfahrzeuge für die deutsche Entwicklung, wobei später italienische Firmen das weiterentwickelte Modell in Lizenz nachbauten. Schon 1956 wurden erste allgemeine Forderungen für eine zukünftige Panzerentwicklung aufgestellt. Dabei gingen die Planer davon aus, dass das Heer panzerstark aufgestellt und das zukünftige Gefecht beweglich geführt werden würde. Folglich lauteten die allgemein gehaltenen »Militärischen Forderungen« für Panzer: »leichte (Aufklärungs-)Panzer bis 20 t mittlere Panzer bis 40 t schwere Panzer bis 601 und Sturmpanzer (ohne Turm) bis 401 - Der Panzerbau wird von der Taktik und den Panzerabwehrmitteln des Gegners bestimmt. - Atomare Gefechtsführung sowie zunehmende Wirkung von Panzerabwehrwaffen aller Art von der Erde wie aus der Luft zwingen die Panzertruppe zur Erhöhung ihrer Beweglichkeit - d.h. Schnelligkeit, Geländegängigkeit, Wendigkeit, Beschleunigungsvermögen, Fahrbereich - und zu kleinerer Zielbildung. Die Feuerkraft muss erhöht, auf ausreichende Panzerung kann nicht verzichtet werden. - Bei einer Überprüfung der bisherigen militärischen Forderungen für Panzer in dieser Richtung muss vom mittleren Panzer als der Hauptwaffe der Panzertruppe ausgegangen werden. Ihn vor allem gilt es beweglicher zu machen, als bisher vorgesehen. - Gefordert wird ein möglichst niedriger Standard-Panzer mit einem Gefechtsgewicht von max. 30 t und einem Leistungsgewicht von 30 PS/t. 126

Siehe hierzu die Projekte Abfangjäger »Eurofighter« oder Transportflugzeug »Airbus Μ 400«. Ob diese Projekte aus volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten sinnvoll sind, ist eine ganz andere Frage. Es geht hierbei ohne Zweifel auch immer um die Positionierung der Europäischen Union als »Weltmacht«.

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Durchschlagsleistung der Waffe und Abstoßwirkung der Panzerung müssen sich gegenseitig so ergänzen, dass ein schwerer Feindpanzer (Stalin III) auf eine Entfernung vernichtet werden kann, die diesem noch keine vernichtende Wirkung gegen unseren mittleren Panzer ermöglicht127«. Nach langwierigen Vorverhandlungen erhielten zwei bundesdeutsche Firmenkonsortien im Mai 1959 den Auftrag, auf der Grundlage der »Militärischen Forderungen für den Standardpanzer« einen Panzer zu konstruieren und davon zwei Prototypen für Testreihen anzufertigen. Die so genannte Arbeitsgruppe A bestand aus den Firmen Porsche, Maschinenbau GmbH, Kiel (MaK), LutherWerke und Jung-Jungenthal, die Arbeitsgruppe Β aus den Unternehmen Ruhrstahl, Rheinstahl-Hanomag sowie Henschel. Die dazugehörigen Türme sollten die traditionellen Turmbauer Wegmann und Rheinmetall liefern. Bei der Konstruktion dieses vollkommen neuen Panzers verwendete die Arbeitsgruppe A eher konventionelle Einzelteile, während die Arbeitsgruppe Β mit ihrem Ansatz militärtechnisches Neuland betrat. Aus diesem Grund war die Arbeitsgruppe A schneller in der Lage, Ergebnisse vorzulegen128. Die Prototypen der Arbeitsgruppe Β erregten hingegen das Missfallen des Verteidigungsministeriums129. Daraufhin verlangten im Herbst 1960 die am Projekt beteiligten Firmen vom Ministerium eine »konzentrierte Zusammenfassung der technischen Forderungen« und nicht nur »hinweisende Anlagen«. Die verantwortliche Abteilung antwortete mit dem Hinweis darauf, dass sich die Technik weiterentwickelt, ein Beschaffungsvertrag mithin ein fließender, ständig zu ergänzender Prozess sei. Die Entwicklung neuen Großgerätes wurde damals nämlich sehr häufig nach einer neuentwickelten Verfahrensweise, dem »Rezeptsystem« durchgeführt. Diese Methode bestand darin, aus verschiedenen Baugruppen (Waffen, Feuerleitanlage, Motor, Getriebe, Panzerung etc.) jene auszuwählen, die auf dem neusten Stand der Technik bereits ausgereift waren, um sie - einem »Kochrezept« ähnlich - zu einem System zusammenzufügen. Damit versuchte man das Problem der verhältnismäßig langen Entwicklungszeiten für die einzelnen Baugruppen eines Waffensystems zu umgehen; für die Entwicklung z.B. einer Waffenanlage wurden Mitte der 1960er Jahre fünf bis sieben Jahre veranschlagt, für ein Antriebsaggregat drei bis vier Jahre. Sie sollten parallel zueinander entwickelt werden, damit eventuell neueste Forschungsergebnisse noch kurzfristig in die Entwicklung einfließen konnten130. 127

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BA-MA, Bw 1/21590, Truppenamt, Abt. Panzertruppe, Betr.: Militärische Forderungen für Panzer. Köln 23.11.1956, S. 1. Hierzu Ausführungen und Bilder bei Knecht, Leopard, S. 41 -57. Hierzu und zum Folgenden BA-MA, Bw 1/369478, BWB, KB Π 5, TgbNr. 8743/60. Betr.: Besprechung über den Standardpanzer Prototyp Π vom 10. Okt. 1960, Koblenz, 30. Nov. 1960, S. 2 f. Im Gegensatz dazu stand das »Konzeptverfahren«, in dem anhand eines Konzeptes ein Waffensystem »aus einem Guss« entwickelt wird, indem ein Herstellerkonsortium den Auftrag erhält und die einzelnen Baugruppen aufeinander abstimmt. Die Gefahr hierbei besteht darin, dass veraltete Technik verwendet wird, da der Auftragnehmer hauptsächlich daran interessiert ist, seine Patente zu verwenden. Siehe hierzu Willikens, Gedanken zur Panzerentwicklung, S. 76.

Vorführung der Arbeitsergebnisse A (re) und Β (Ii) zur Entwicklung des Standardpanzers, WTS/BWB

»Leopard 1 A1« auf einer NATO-Parade am 6. Juni 1968 auf dem Nürburgring,

SKA/IMZ

Bw/Raüemacher

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Der letztlich 1959 in Auftrag gegebene »Standardpanzer« machte aufgrund seiner vorgegebenen hohen Beweglichkeit, Geschwindigkeit und Schussweite die zunächst auch vorgesehenen leichten und schweren Panzer (201 bzw. 60 t) überflüssig131. Die Planung für Gefechtsfahrzeuge dieser und ähnlicher Art132 wurde spätestens nach dem Erwerb des »Schützenpanzer kurz, Hotchkiss« und den ersten erfolgreichen Versuchsreihen des »Standardpanzers« Anfang der 1960er Jahre eingestellt. Nach dem Abschluss der Werkserprobung der Prototypen I im Dezember 1960 wurden diese im Februar 1961 dem Verteidigungsausschuss in der Erprobungsstelle Trier vorgeführt. Danach testeten die Erprobungsstellen die Panzer auf Herz und Nieren. Die Ergebnisse konnten für die bereits parallel laufende Entwicklung des Prototypen II genutzt werden. Denn schon am 21. November 1960 war vom Verteidigungsministerium eine Entwicklungsanweisung an das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung erteilt worden, um auf der Basis der bisherigen Erfahrungen einen »Prototyp II-Standardpanzer« zu entwickeln. Darin wurde vorgesehen, an diejenigen Firmen Aufträge zu vergeben, die sich bisher bei der Entwicklung des ersten Prototypen besonders positiv hervorgetan hatten. Dies waren MaK und Jung-Jungenthal in der Arbeitsgruppe Α unter der Federführung von Porsche sowie Henschel und Rheinstahl-Hanomag in der Arbeitsgruppe Β unter der Konstruktionsleitung des Ingenieurbüros Warneke. Für den Bau des Turmes waren immer noch Wegmann und Rheinmetall vorgesehen133. Diese Anweisung erhielt in den darauffolgenden Jahren noch mindestens sieben Nachträge, um dem Entwicklungsfortschritt des Prototypen gerecht zu werden und Vergleichsreihen mit anderen Modellen durchzuführen. Die Kosten hierfür betrugen wiederum mehrere Millionen DM134. Die Erprobung der Prototypen II auf dem Erprobungsgelände in Meppen wurde von Januar 1962 bis November 1963 durchgeführt. Nach der Auswertung der Versuchsergebnisse der insgesamt 32 Prototypen II nahm man aufgrund von zeitlichen und wirtschaftlichen Gründen bereits Ende 1962 von einer Weiterentwicklung des Prototypen der Arbeitsgruppe Β Abstand. Verschiedene Teile der sehr fortschrittlichen Entwicklung wurden dann wenige Jahre später als Konzeptpapiere in der Entwicklung des »Kampfpanzers 70« verwendet. Es war dies die Vorstufe zum »Leopard 2«. Zwei weitere wichtige Entscheidungen für die Entwicklung des »Standardpanzers« wurden im Laufe des Jahres 1962 getroffen. Der 10-Zylinder-Viel131

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BA-MA, Bw 1/21590, Truppenamt, Abt. Panzertruppe, Betr.: Militärische Forderungen für Panzer, Köln 23.11.1956, S. 2. So war z.B. für die Panzergrenadierdivisionen ein Panzer vorgesehen, der besonders flach sein, keinen Drehturm und eine starke Frontpanzerung haben sollte. Arbeitstitel für diese Fahrzeug war »Sturmpanzer«. Siehe hierzu BA-MA, Bw 1/21590, Truppenamt, Abt. Panzertruppe, Betr.: Militärische Forderungen für Panzer, Köln, 23.11.1956, S. 3. Dieser »Sturmpanzer« wurde später verwirklicht, als Mitglied der »Schützenpanzerfamilie« als »Kanonenjagdpanzer«. Siehe hierzu vorhergehender Kap. IV.3. BA-MA, Bw 1/369478, BMVg, T i l l 2, Az.: 90-23-50-05, Entwicklungsanweisung Τ III 2042/50/05. Betr.: Standardpanzer (Prototyp II), Bonn, 21. November 1960. Siehe hierzu umfassende Unterlagen für die Entwicklungskosten, BA-MA, Bw 1/369478.

IV. Die Umsetzung der materiellen Aufrüstung

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stoffmotor MB 838 von Daimler Benz hatte die besten Versuchsergebnisse erbracht, so dass das Verteidigungsministerium den Erwerb dieser Motoren für das zukünftige Hauptwaffensystem des deutschen Heeres beschloss. Außerdem wurden 1500 britische Bordkanonen des Typs L 7 A3 gekauft. Dabei handelte es sich um eine 105-mm-Kanone, die bereits für die Umrüstung des britischen »Centurion« und die Bewaffnung des amerikanischen Μ 60 verwendet worden war. Der Erwerb dieser Kanonen bot der Bundesregierung zunächst die Möglichkeit, einen weiteren Rüstungsauftrag nach Großbritannien zu vergeben. Er war aber auch ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Standardisierung der Panzermunition in der NATO, wodurch die Ausgaben in diesem sehr kostenintensiven Bereich erheblich reduziert werden konnten und der Nachschub vereinfacht wurde. Darüber hinaus war der Kauf der britischen Kanonen aber auch eine Entscheidung gegen eine weitere gemeinsame Entwicklung des Waffensystems mit Frankreich. Dieser Schritt führte dazu, dass Frankreich bis zum heutigen Tag eigene Kampfpanzer entwickelt, die stets in Konkurrenz zu den jeweils aktuellen deutschen Leopard-Modellen stehen. Mit der Entscheidung für die Arbeitsgruppe Α wurden dieser die technischen Forderungen für eine erste Vorserie vorgelegt, woraufhin die Fertigung derselben unmittelbar anlief. Die ersten technischen Erprobungen der insgesamt 50 Fahrzeuge fand ab Februar 1963 wiederum in Meppen statt. Ab Mai des Jahres wurden erste Truppenversuche an der Panzertruppenschule in Munster durchgeführt. Darüber hinaus durchliefen die Fahrzeuge der Vorserie verschiedene, sehr aufwendige Belastungstests. Alle Untersuchungen verliefen dem Entwicklungsstadium entsprechend erfolgreich, oder wie es am Ende eines Untersuchungsberichtes salomonisch hieß: »Genau wie in der Automobilfertigung einer neuen Serie werden in den ersten paar Jahren immer noch einige Schwachstellen aufgedeckt werden, die behoben werden müssen135.« Die Ergebnisse waren offensichtlich so gut, dass schon frühzeitig einige NATO-Partner signalisierten, den Panzer auch für ihre Streitkräfte erwerben zu wollen136. Bereits im August 1963 hatte der Verteidigungsausschuss entschieden, zunächst 1500 »Standardpanzer« zu erwerben. Das Verteidigungsministerium erteilte daraufhin dem Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung eine Beschaffungsanweisung. Im Haushalt des Jahres 1964 wurden 1,5 Mrd. DM für diese erste große inländische Rüstungsgüterbeschaffungsmaßnahme eingestellt. Damit waren die entscheidenden Schritte getan, den ersten deutschen Kampfpanzer für die Bundeswehr zu beschaffen. Nach Beendigung eines weiteren Truppenversuchs an der Panzertruppenschule mit einer größeren Vorserie begann die Serienfertigung im September 1965. Der erste Kampfpanzer mit dem nunmehr amtlichen Namen »Leopard«137 verließ das Fertigungsband - des 135

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BA-MA, Bw 1/369479, BWB, KB II 5, Schlussbericht von Entwicklungs- und Erprobungsverträgen, Koblenz, 13. Dezember 1967. Exemplarisch hierzu BA-MA, BH 1/1745, Fü Η II 5, Beitrag für die Notiz des Herrn Inspekteur anlässlich dessen Reise in die Niederlande, Bonn, 6. Mai 1965. Der Standardpanzer erhielt den Namen »Leopard«, da die herausragenden deutschen Kampfpanzer des Zweiten Weltkriegs auch den Namen von Raubkatzen hatten (Panther,

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mittlerweile als Generalunternehmer für dieses Projekt eingesetzten Konsortiums Krauss-Maffei in München - am 9. September 1965138. Der Panzer bestand aus insgesamt über 11 000 Bauteilen, an deren Fertigung neben den Hauptauftragnehmern rund 2700 zumeist deutsche Zulieferbetriebe beteiligt waren. Die Entwicklungskosten für den Urvater der "Leopard-Familie« betrugen rund 250 Mio. DM139. Sein Einzelstückpreis von 950 000 DM lag unter der Summe, die anfänglich veranschlagt worden war. Man hatte in den Beschaffungsabteilungen des Verteidigungsministeriums offensichtlich aus dem HS-30-Desaster dazugelernt. Insgesamt beschaffte das Ministerium 1845 Standardpanzer der ersten Generation »Leopard 1« und »Leopard 1 Al«. Der erste deutsche Kampfpanzer wurde zwischen 1965 und 1979 weltweit 4561 mal verkauft, ein großer Erfolg für Krauss-Maffei, der zweifelsohne auf die gute Arbeit der beteiligten Ingenieure der Rüstungsunternehmen und das angemessene Projektmanagement des Verteidigungsministeriums zurückzuführen war. Der »Leopard 1« war nach Meinung vieler Experten der beste Kampfpanzer seiner Zeit. Bei einer Länge von rund 7 m, einer Breite von 3,25 m und einer Höhe von 2,61 m kam er auf ein Gesamtgewicht von rund 40 t. Der »Leopard 1« wurde angetrieben von dem V10-Vielstoffmotor MTU MB 838 mit 830 PS, der bei einem Leistungsgewicht von rund 21 PS/t eine Höchstgeschwindigkeit von max. 65 km/h leisten konnte. Der Panzer war ausgestattet mit dem weiterentwickelten britischen 105-mmGeschütz Μ 68 L/51, das eine Kampfentfernung von 2500 m ermöglichte. Der »Leopard« verfügte über eine maximale Reichweite von 500 Kilometern; seine vierköpfige Besatzung wurde frontal durch 70 mm sowie seitlich und am Heck von 25-35-mm-Stahl geschützt. Damit war man zwar von den ersten Vorgaben aus dem Jahr 1956 erheblich abgewichen - das Projekt hieß z.B. am Anfang »Standardpanzer 301« aber Motoren-, Waffen- und Elektrotechnik hatte sich seitdem rapide weiterentwickelt und vollkommen neue Möglichkeiten für die Entwicklungsingenieure der bundesdeutschen Auftragnehmer geschaffen. Sie nutzten die Möglichkeiten und veränderten die technischen Rahmendaten des Panzers bis zu seiner Indienststellung. Im Laufe der Jahre wurde der »Leopard 1« ständig weiterentwickelt und mehrfach einer Runderneuerung unterzogen. Die letzten Veränderungen wurden noch 1992 an dem Modell »Leopard 1 A5« vorgenommen. Mittlerweile sind die noch existierenden Panzerbataillone der Bundeswehr mit dem »Leopard 2 A6« ausgestattet, einem ausgezeichneten Kampfpanzer, der aber ohne die Entwicklung seines Vorgänger nicht die Eigenschaften hätte, die ihn auszeichnen: große Feuerkraft, Beweglichkeit und sehr guter Schutz für die Besatzung.

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Tiger) und der »Leopard« auf der Basis der Erfahrungen beim Bau dieser Fahrzeuge entwickelt wurde. Zudem erfüllt er die Eigenschaften, die man diesem Raubtier zuschreibt: konkurrenzlose Eleganz, hohe Endgeschwindigkeit, hohes Maß an Wendigkeit und Präzision beim »Greifen der Beute«. Bilder und Bericht hierzu siehe Spiegelberger, Der Kampfpanzer Leopard 1, S. 30. BA-MA, Bw 1/369464, BMVg Τ III/KPz 70, Az.: 90-23-50-05, Betr.: Kampfpanzer 70; hier: Vergleich der Entwicklungskosten mit denen des Kampfpanzers Leopard, Bonn, 21. September 1967.

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Für die Entwicklung des »Standardpanzers« war bewusst ein sehr breiter Ansatz gewählt worden. Es wurde nicht nur der Entwicklungsauftrag zunächst an mehrere Konsortien vergeben, sondern man betrieb zeitgleich noch die Entwicklung für einen europäischen Standardpanzer im trilateralen Rahmen mit Frankreich und Italien. Beweggrund hierfür war, dass der Panzerbau in Westdeutschland gut 15 Jahre geruht hatte und man mit diesem Ansatz die gesamte Fachkompetenz der genannten Firmen und der verbündeten Länder nutzen konnte. Der »Leopard« war keine vollkommene Neuentwicklung, sondern schloss mit seiner Bauweise »an die klassische, von allen Ländern bis dahin verfolgte Panzerbauweise an; dies betrifft Raumaufteilung insgesamt sowie Anordnung der wesentlichen Baugruppen. Die Steigerung des Kampfwertes wurde durch die Verbesserung der Baugruppen, zusätzliche Aggregate und eine im Hinblick auf das Zusammenwirken insgesamt optimale Auslegung erreicht140.« Im Kern war dies die Fortsetzung einer Panzerbautradition, die von den Deutschen im Laufe des Zweiten Weltkrieges zum Teil aus der Not heraus entwickelt worden war. Für den Aufbau der Bundeswehr verzichteten die Planer mithin bewusst auf eine starke Differenzierung der Panzermodelle wie in der Wehrmacht. Vielmehr sollten Panzer geschaffen werden, die eine Mehrzwecklösung und die Basis für ganze »Panzerfamilien« darstellen. Dabei sollte das Fahrgestell nur mit jeweils anderen Aufbauten versehen werden. Diese Vorgehensweise wurde als »Plattformlösung« bezeichnet. Immer wieder versuchten die Beschaffungsabteilungen im Verteidigungsministerium den Auftragnehmern solche »Plattformlösungen« abzuringen. Man glaubte damit zusätzlich Synergieeffekte erzielen zu können. Bereits im Rahmen der »HS-30-Entwicklung« wurde dieser neue Weg eingeschlagen, der von den Amerikanern kopiert worden war. Auch die Planungen für das Nachfolgemodell »Schützenpanzer, neu« liefen darauf hinaus. In beiden Fällen konnten nur Panzerjagdfahrzeuge Rakete (RakJgPz 1/ HS 30, RakJgPz 2 und 3/»Marder«) und Kanone (KanJgPz/»Marder«) bzw. Flugabwehrpanzer Rakete (»Roland«/«Marder«) aus den Basismodellen generiert werden. Die erste wirkliche »Plattformlösung«, auf der weitere Panzermodelle entwickelt wurden, war der »Standardpanzer«. Seine »Kinder« sind der Bergepanzer Standard, der Flakpanzer »Gepard«, der Pionierpanzer, der Brückenlegepanzer »Biber« und der »Leopard-Fahrschulparizer«. Von der ganzen »Leopard-l-Familie« sind über 6500 Fahrzeuge hergestellt worden und haben weltweit bisher offiziell Verwendung in zwölf Armeen gefunden.

HO YVillikens, Panzerentwicklung, S. 77.

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5. Die »amerikanisierte Truppengattung«: Die Ausstattung der Artillerie Die größte Truppengattung des Heeres bis in die 1990er Jahre hinein war ohne Zweifel die Artillerietruppe. Ihr kam im Rahmen der Verteidigung des NATOVertragsgebietes eine mitentscheidende Bedeutung zu. Ihre Hauptaufgabe bestand nämlich darin, im Gefecht der verbundenen Waffen massive gegnerische Angriffe durch Feuerzusammenfassungen zum Stoppen zu bringen und somit Gegenangriffe der eigenen Streitkräfte zu ermöglichen. Hierzu benötigten die zukünftigen westdeutschen Verbände dem Auftrag entsprechende Strukturen und Waffensysteme. Die Planungen für die Artillerie waren bereits 1952 im Rahmen der EVGVerhandlungen angelaufen. Auf der Basis der eigenen Erfahrungen im Zweiten Weltkrieg und der Amerikaner im Koreakrieg ging man in der Dienststelle Blank grundsätzlich davon aus, dass in der nahen Zukunft noch Rohrwaffen die Artillerieeinheiten weltweit dominieren würden. Die Raketenwaffen waren noch nicht ausgereift, besaßen nach Einschätzung von Experten aber für die weitere Zukunft enormes Entwicklungspotential; langfristig würden sie die Rohrwaffensysteme verdrängen. Daher mussten sich die Verantwortlichen zunächst auf die Beschaffung von Artilleriegeschützen konzentrieren 141 . Frühzeitig wurden dabei eine Reichweitensteigerung und Rundumfeuerungsmöglichkeit für die Geschütze sowie die Entwicklung von Mehrfachraketenwerfern gefordert. Die Ausstattung der Bundeswehr mit Raketenwerfern wurde allerdings zu diesem Zeitpunkt von den Alliierten noch abgelehnt 142 . Es gab aber auch groteske Untersuchungen, die auf den Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges fußten. So wurde in der Dienststelle Blank noch 1954 über die Einführung von Eisenbahn-, Festungs- und Heeresküstenartillerieeinheiten nachgedacht 143 . Diese Gedanken wurden dann aber mit der Konkretisierung der Pläne für die Artillerie in der Aufbauphase der neuen Streitkräfte wieder verworfen. Sinnvoll schien hingegen die Übernahme des Prinzips aus der Wehrmacht, die Waffensysteme der aufzustellenden Artilleriebataillone von den Aufgaben der übergeordneten Führungsebene abhängig zu machen. Demnach erhielt eine Infanteriedivision gezogene 105-mm- und 155-mm-Feldhaubitzen, eine Panzerdivision hingegen selbstständig fahrende Panzerhaubitzen derselben Kaliber. Als strukturelle Richtschnur galt grundsätzlich: Jede Division erhielt ein Artillerieregiment zu drei Artilleriebataillonen mit drei schießenden Batterien. Eine Artilleriebatterie sollte mit sechs Geschützen ausgerüstet sein und die Personalstärke eines Bataillons mithin 500 Mann nicht übersteigen. Die Artillerie der Korps sollte zunächst größtenteils mit 155-mm-Feldkanonen und 203-mm-Feld-

141 142 143

Siehe hierzu den Bestand Β A-MA, Bw 9/2751. Krug, 25 Jahre Artillerie, S. 11. Siehe hierzu BA-MA, Bw 9/351, fol. 24 f.

IV. Die Umsetzung der materiellen Aufrüstung

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haubitzen ausgestattet werden144. Da es in der »Heeresstruktur 1« noch keine Brigaden gab, kamen die Artilleriebataillone der Brigaden erst mit der »Heeresstruktur 2« ab 1959 hinzu. Hierdurch ergab sich eine erhebliche Erhöhung der Zahl der Bataillone bei nahezu allen Truppengattungen. Aus den bislang drei Divisionsartilleriebataillonen wurden zuerst vier und kurz danach mit der Aufstellung der Divisionsraketenartillerie fünf Bataillone (zweimal Divisionsartillerie und dreimal Brigadeartillerie). Gleichzeitig erhielt jedes Korps ein Raketenartilleriebataillon unterstellt, welches mit dem Boden-Boden-Raketensystem »Honest John« ausgerüstet wurde. Die »Heeresstruktur 2« sollte bis Anfang der 1970er Jahre Bestand haben. Einzig die Waffensysteme wurden einem steten Wechsel unterzogen. Die Übernahme der veralteten Rohrartilleriewaffen in der Aufstellungsphase und die schnelle Entwicklung der Raketenartillerie waren hierfür ursächlich verantwortlich. Die rüstungswirtschaftlich sehr lukrative Ausstattung der westdeutschen Artillerie führte zu einem harten Wettbewerb zwischen Rüstungsunternehmen in Westeuropa und den USA. Dabei gingen verschiedene europäische Hersteller/Länder bei ihren Vorführungen sogar so weit, dass erbeutete Waffensysteme der ehemaligen deutschen Wehrmacht vorgeführt wurden145. Trotz der großen internationalen Konkurrenz entschied sich das Bonner Verteidigungsministerium dafür, zunächst ausschließlich Material aus den Vereinigten Staaten zu beschaffen. Entscheidende Gründe hierfür waren die insgesamt sehr günstigen Konditionen der Amerikaner. Das Gerät sollte deutlich billiger sein als das der Mitbewerber, die Lieferung frei Haus erfolgen und die Versorgung mit Ersatzteilen wurde garantiert. Zudem wurde eine amerikanische Organisation für Ausbildungspersonal (Military Assistance Advisory Group/MAAG)146 für das entsprechende Gerät aufgebaut, so dass jederzeit genügend Ausbilder zur Verfügung standen. Die von den Amerikanern gelieferten Geschütze waren zwar alle entweder noch im Zweiten Weltkrieg oder kurz danach entwickelt worden und entsprachen somit bei ihrer Einführung in die Truppe nicht mehr dem letzten Stand der Technik. Sie waren aber preisgünstig, konnten schnell in großer Anzahl an die Bundeswehr ausgeliefert werden und hatten alle NATO-Standardkaliber. Eben dies war in der Aufbauphase der Bundeswehr von entscheidender Bedeutung. Es ging nämlich aufgrund der Zusagen des Bundeskanzlers nicht so sehr darum, die besten und modernsten Waffensysteme zu beschaffen, sondern das Wehrmaterial, das am schnellsten und günstigsten verfügbar war, für den schnellstmöglichen Aufbau zu erwerben. Moderne Waffensysteme sollten erst im Laufe der Zeit nach ihrer Entwicklung und Erprobung sukzessive erworben werden. Zunächst galt es eine quantitative Grundausstattung sicherzustellen. Diese bestand aus den nachfolgenden amerikanischen Modellen. 144

145

146

Zum Aufbau der Artillerieeinheiten der Bundeswehr und deren Ausstattung mit entsprechendem Gerät siehe Bestände BA-MA, Bw 2/2673 und BH 1/686. Zu den Anfängen der Beschaffung von Waffensysteme für die Artillerie siehe Bestand BA-MA, Bw 9/2751. Zur MAAG siehe Bestand BA-MA, Bw 9/105, 570, 4319,115a, 4320.

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Die gezogene 105-mm-Feldhaubitze Μ 101 der leichten Artilleriebataillone für die (Infanterie-/Grenadier-)Panzergrenadierdivisionen musste von sieben Soldaten bedient werden und verschoss ihre 15 kg schweren Geschosse rund zwölf Kilometer weit. Vier Mann mehr betrug die Geschützbedienung für die ebenfalls gezogene 155-mm-Feldhaubitzen Μ114, die in den mittleren Artilleriebataillonen eingesetzt wurde. Sie erreichte mit ihrer 43 kg schweren Munition eine maximale Entfernung von ca. 15 Kilometern. Eine größere Reichweite wurde nicht erzielt, weil modernere und wesentlich stärkere Treibladungen bei diesem Geschütz nicht verwendet werden konnten. Gezogen wurden diese Rohrwaffen von sehr unterschiedlichen Fahrzeugen, so in den ersten Jahren auch von dem 210-PS-Vollkettenartillerietraktor Μ 4 des amerikanischen Herstellers Allis-Chalmers. Im Artillerieregiment waren zwei Bataillone mit Μ 101 und ein Bataillon mit Μ 114 ausgerüstet, so dass in den Grenadierdivisionen insgesamt jeweils 54 Geschütze zur Verfügung standen. Für die Erstausstattung der Panzerdivisionen wurden die 105-mm-Panzerhaubitzen vom Typ Μ 7 B2 »Priest« aus dem »Nash-Commitment« verwendet. Das Fahrgestell wurde von einem 8-Zylinder Ford-Motor mit 450 PS angetrieben und sein Gefechtsgewicht betrug 231. Bei dem Leistungsgewicht von fast 19,6 PS/t erreichte es nur eine Höchstgeschwindigkeit von 35 km/h. Das auf das Fahrzeug montierte 105mm-Geschütz Μ 2 Al (eine leistungsgesteigerte Version der Μ 101) erzielte eine Reichweite von gut elf Kilometern und eine maximale Feuergeschwindigkeit von acht Schuss in der Minute. Die Besatzung des nach oben offenen Fahrzeugs betrug fünf Mann. Ergänzt wurde dieses Modell ab 1958 durch die 155-mm-Panzerhaubitze Μ 44. Sie hatte ein Gefechtsgewicht von 28,41, die von einem 8-Zylinder ContinentalMotor mit 500 PS angetrieben wurde und damit immerhin eine Höchstgeschwindigkeit von 56 km/h erreichte. Die Μ 44 verfügte über ein 155-mm-L/23-Geschütz mit einer Reichweite von fast 15 Kilometern, das Geschossgewicht der Munition betrug 43 kg. Die Panzerhaubitze benötigte eine Besatzung von fünf Soldaten. Die beiden Panzerhaubitzen Μ 7 B2 »Priest« und Μ 44 waren oben offen und boten der Besatzung keinen gepanzerten Schutz. Bei ihrer Einführung waren sie schon veraltet und unzeitgemäß für die moderne Gefechtsführung. Sie wurden auch nur eingeführt, um die Artilleriebataillone der Panzerdivisionen schnell mit Waffensystemen auszustatten. Die Verantwortlichen im Bonner Verteidigungsmiriisterium waren sich darüber bewusst, dass diese beiden Systeme so bald wie möglich gegen modernere Panzerhaubitzen ausgetauscht werden mussten. Die Korpsartillerie benötigte zur artilleristischen Feuerverstärkung der Divisionen Geschütze mit einer größeren Reichweite als die Divisionsartillerie. Sie erhielt hierfür die gezogene 155mm-Feldkanone Μ 59 und die ebenfalls gezogene 203-mm-Feldhaubitze Μ 115. Die Μ 59 hatte eine Reichweite von ca. 24 Kilometern und musste bei einer maximalen Feuergeschwindigkeit von zwei Schuss pro Minute von 14 Soldaten bedient werden. Die »große Schwester« Μ 115 war wie die Μ 59 von der Hughes Tool Corporation zwischen 1943 und 1946 hergestellt worden. Diese Haubitze war in der Lage, ihre rund 91 kg schweren Geschosse fast 17 Kilometer weit zu verschießen. Die Feuergeschwindigkeit und die Bedienung entsprachen wiederum der kleinkalibrigeren »Schwester«. Durch die vorgesehene Aufgabenstellung war man der Auffassung, zunächst mit gezogener Feldartillerie auskommen zu können.

IV. Die Umsetzung der materiellen Aufrüstung

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Ab 1959 erhielt jedes Korps ein Raketenartilleriebataillon unterstellt. Die Ausrüstung dieser Bataillone erfolgte mit je sechs Werfern des Boden-BodenRaketensystems »Honest John«. Dieser von Douglas entwickelte Flugkörper hatte ein Kaliber von 762 mm, bei einer Länge von 7,57 m und einem Gewicht von 2140 kg. Seine maximale Geschwindigkeit betrug Mach 1,7 bei einer Reichweite von fünf bis 38 Kilometer. Die »Honest John« konnte mit einem atomaren oder einem 680 kg schweren Brisanz-Gefechtskopf bestückt werden und wurde von einem sechsrädrigen Lkw (Länge 9,89 m, Höhe 2,67 m, Breite 2,90 m und Gewicht 16,4 t) inklusive der Abschussvorrichtung transportiert. Mit der Einführung der zweiten Generation des Boden-Boden-Raketensystems vom Typ »Sergeant« wurden die »Honest John«-Werfersysteme der Korpsartilleriebataillone ab 1963 in die neu aufgestellten Raketenartilleriebataillone der Divisionen überführt und dort eingegliedert147. Die »Sergeant« war mit einem Trägheitsnavigationssystem ausgestattet und konnte somit wesentlich genauer die Ziele treffen als ihre Vorgängerin. Sie war 10,5 m lang und hatte bei einem Durchmesser von 785 mm ein Abschussgewicht von 4500 kg. Die Reichweite der Rakete betrug zwischen 40 und 140 Kilometer bei einer Höchstgeschwindigkeit von immerhin Mach 3,5. Auch die »Sergeant« war wie die »Honest John« für den nuklearen Einsatz vorgesehen. Im Jahre 1961 erhielt die Bundeswehr die erste nicht-amerikanische Artilleriewaffe: Die italienische 105mm-Gebirgshaubitze Μ 1956 wurde für die Luftlande- und Gebirgsbrigaden eingeführt. Dieses von fast allen NATO-Staaten übernommene Geschütz war komplett zerlegbar und konnte durch Tragtiere, Fahrzeuge oder Soldaten transportiert werden. Darüber hinaus war die Haubitze mit dem Transporthubschrauber Bell UH-1D luftverlastfähig. Sie hatte eine Reichweite von 11 Kilometern und musste von sechs Mann bedient werden, im Gebirgseinsatz wurden sogar drei Mann mehr gebraucht. Eine erhebliche Erhöhung ihrer Feuerkraft erfuhr die Artillerie der Bundeswehr, als 1964 drei neue US-Geschütztypen eingeführt wurden: die 155-mm-Panzerhaubitze Μ 109 G, die 175-mm-Kanone Μ 107 SF und die 203mm-Haubitze M110SF. Insbesondere die in die Brigadeartillerie eingeführte Μ 109 G veränderte die Einsatzmöglichkeiten der Einheiten. Die bisher reinen Feldartilleriebataillone der Panzergrenadierbrigaden konnten in Panzerartilleriebataillone umgewandelt werden, was dazu führte, dass nun auch diese Bataillone wie ihre Pendants der Panzerdivisionen in der Lage waren, im Einsatz den Kampftruppeneinheiten zu folgen und somit das Gefecht der verbundenen Waffen problemlos zu führen. Durch die Beschaffung der Μ 107 SF und der Μ 110 SF sollten verschiedene veraltete Waffensysteme der Divisionsartillerie ausgetauscht werden. Man wollte dadurch die Ausstattung der Artillerietruppe weiter vereinheitlichen und gleichzeitig eine Kaliberverstärkung vornehmen. 147

Mit der Einplanung der Raketenartilleriebataillone auf Divisionsebene in der »Heeresstruktur 2« wurde die Zahl der Artilleriebataillone der Artillerieregimenter der Divisionen auf je zwei reduziert. Die Feldartilleriebataillone der Divisionen verfügten von nun an nur noch über 16 Geschützrohre. Ausgeglichen wurde dieser Verlust an Feuerkraft durch die Feldartillerie- (PzGrenBrig) bzw. Panzerartilleriebataillone (PzBrig) der Brigaden. Jedes dieser Bataillone wurde mit zwölf Geschützen ausgestattet.

»Honest John« auf Lkw 5 to (6x6) glw. Ullstein bild-dpa



Gefechtsfeldlenkflugkörper »Sergeant« mit Abschussrampe. WTS/BWB

Das 110-mm-LARS (Leichtes ArtillerieRaketen-System) auf 6x6 gl 7-to Lkw »Jupiter« (Magirus-Deutz). WTS/BWB

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Die Panzerhaubitze Μ 109 wurde in weiteren NATO-Staaten eingeführt und aufgrund ihrer Konfiguration sehr schnell zum wichtigsten Geschütz auf Selbstfahrlafette in der westlichen Allianz. Dieses auf der Basis des Schützenpanzers Μ 113 seit 1959 entwickelte Fahrzeug hatte als erstes seiner Art einen um 360° schwenkbaren Turm. Für seinen Bau wurden zum größten Teil Leichtmetalle verwendet, er verfügte daher über ein relativ geringes Gewicht und war somit sehr beweglich, was seine »Überlebensfähigkeit« erheblich erhöhte. Bei ihrer Einführung in die Bundeswehr wurde die Μ 109 sofort modifiziert. Der Rohrverschluss und die Mündungsbremse wurden verbessert, die Ziel- und Richteinrichtung ausgetauscht. Die mithin Μ 109 G genannte Version wurde von einem 8-Zylinder-GM-Motor mit 420 PS angetrieben und verfügte bei einem Gesamtgewicht von rund 24 t über einen Aktionsradius von max. 380 Kilometern. Das 155-mm-Geschütz besaß eine Reichweite von fast 19 Kilometern und die Besatzung des Fahrzeugs bestand aus sieben Soldaten. Das Geschütz bewährte sich so gut, dass es nach mehreren Kampfwertsteigerungen sowie einigen Modifikationen als Μ 109 A3G erst infolge des Transformationsprozesses der Bundeswehr außer Dienst gestellt und teilweise durch die Panzerhaubitze 2000 abgelöst wird. Die ebenfalls 1964 eingeführten Μ 107 SF und Μ 110 SF verfügten über ein Einheitsfahrgestell mit einem Gesamtgewicht von 28,5 t (M 107) oder rund 26,5 t (M 110) bei einer Motorleistung von jeweils 420 PS. Die Geschütze waren untereinander austauschbar, besaßen aber keinen geschützten Kampfraum für die Besatzungen, so dass diese allen Witterungseinflüssen ausgeliefert waren und darüber hinaus im Gefecht ebenfalls über keinen angemessenen Schutz verfügt hätten. Aus diesem Grund galten diese Waffensysteme nicht als Panzerhaubitzen, sondern als Geschütze auf Selbstfahrlafette. Die Reichweiten lagen zwischen rund 17 Kilometern für die Μ 110 und fast 30 Kilometern für die Μ 107. Sie stellten brauchbare Waffensysteme dar, die nach Außerdienststellung der Variante Μ 107 Anfang der 1980er Jahre in der Ausführung Μ 110 A2 bis in die 1990er Jahre in der Bundeswehr eingesetzt wurden. Die bereits 1954 laut gewordenen Forderungen nach einem Mehrfachraketenwerfer wurden erst im Laufe der 1960er Jahre weiter verfolgt. Zuerst sollte ein solches System die Brigadeartillerie in ihrer Feuerkraft stärken. Dazu war geplant, einen Werfer auf das Fahrwerk des in der Entwicklung befindlichen »Schützenpanzers, neu« (später SPz »Marder«) zu setzen. Diese Entwicklung wurde aber 1967 zugunsten einer Lösung auf Radgestell eingestellt. Wenig später entschied das Verteidigungsministerium darin, diese erste deutsche artilleristische Nachkriegsentwicklung im Rahmen der »Heeresstruktur 3« bei den Raketenartilleriebataillonen der Divisionen einzugliedern. Infolgedessen verstärkten ab 1970 die Raketenwerfer 110 mm SF (LARS 1) die Feuerkraft auf Divisionsebene erheblich. Diese Einführung von Mehrfachraketenwerfern stellte einen bedeutenden Einschnitt für die Artillerie dar. Die Einsatzgrundsätze veränderten sich allmählich. Die Bedeutung der Rohrartillerie wurde aufgrund der höheren Feuerkraft der Raketenartillerie langsam etwas zurückgedrängt. Ausgestattet war das Raketenwerfersystem mit 36 Startrohren in einer

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Dieter Η. Kollmer: »Klotzen, nicht kleckern!« Die materielle Aufrüstung des Heeres

schwenk- und aufrichtbaren Zwillingsgruppe, die auf einem geländegängigen 7-t-Fahrgestell Magirus Deutz (Typ 178 D 15A »Jupiter« 6x6) montiert war. Die 2,26 m langen Geschosse des LARS 1 wogen 35 kg und besaßen eine Reichweite von 6 bis 14,0 Kilometer. Die 36 Raketen wurden in rund 18 Sekunden abgefeuert und erreichten innerhalb kürzester Zeit ihr Ziel. Entwickelt wurde dieses Raketensystem insbesondere auf der Basis der Erfahrungen mit der durchschlagenden Wirkung der sowjetischen Raketenartillerie (»Stalinorgel«) und der Nebelwerfertruppe der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg. Im Gegensatz zu den im Zweiten Weltkrieg verwendeten Munitionssorten verfügte man nun neben einer deutlich größeren Reichweite auch über einen breiteren konventionellen Munitionsmix mit Splitter-, Nebel- und Minengeschossen. Die Ausstattung der deutschen Artillerie hatte Anfang der 1970er Jahre bereits einen weiten Weg zurückgelegt, von einer »amerikanisierten Truppengattung« mit einem bunten Flickenteppich aus veralteten Waffensystemen hin zu einer schlagkräftigen Truppengattung mit modernsten Waffensystemen, fähig die unterschiedlichsten Aufgaben im Rahmen des Gefechts der verbundenen Waffen zu übernehmen. Die relativ schnelle Entwicklung artilleristischer Waffensysteme war eine Konsequenz der Anforderungen an die Bundeswehr. Mit den veralteten Waffensystemen der Aufbauphase sollte zunächst nur die Möglichkeit geschaffen werden, so schnell wie möglich eine große Anzahl Artillerieeinheiten für die konventionelle Verteidigung Westeuropas aufzustellen. Eine Modernisierung der Waffensysteme war für die darauffolgenden Jahre vorgesehen. Diese verlief parallel zu der Entwicklung der Heeresstrukturen und der Einführung neuer Hauptkampfsysteme für die Panzer- und Panzergrenadiertruppe. Man löste sich sukzessive von den amerikanischen Systemen und fing an, in Kooperation mit europäischen Partnern den Anforderungen Mitteleuropas entsprechende Artilleriesysteme (z.B. Feldhaubitze 70, Panzerhaubitze 70) zu entwickeln.

6. Das Kooperationswerk: Der Schwerlasttransporter »Elefant« SLT 50/2 Im Mai 1964 schlossen der amerikanische und der bundesdeutsche Verteidigungsminister ein Abkommen über die bilaterale Entwicklung eines neuen Kampfpanzers: den so genannten MBT 70 (»Main Battie Tank«/Kampfpanzer)148. Auf der Basis deutscher Ingenieurkunst und amerikanischer Kriegserfahrung sollte der beste Kampfpanzer der Welt entstehen. Die Pläne schritten schnell voran, wurden aber nicht gemeinsam verwirklicht, sondern mündeten in den Kampfpanzern »Leopard 2« und Μ 1 »Abrams«. Ähnlich erging es einem weiteren deutsch-amerikanischen Rüstungsprojekt, das gemeinsam mit dem Kampfpanzerprojekt gestartet wurde. Für den Transport der neuen Kampfpanzer sollte 148

Hierzu und zum Folgenden Untiedt, SLT 50-2, S. 52-58.

Der Prototyp des Kampfpanzers 70.

WTS/BWB (2)

Der vierachsige Schwerlasttransporter 50-2 »Elefant« mit Kampfpanzer »Leopard 1 A3« auf vierachsigem Sattelhänger.

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Dieter Η. Kollmer: »Klotzen, nicht kleckern!« Die materielle Aufrüstung des Heeres

ein multifunktionaler Schwerlasttransporter entwickelt werden, der beschädigte Kampfpanzer auch im Gelände bergen konnte149. Auch hier glaubten die beiden Partner von den gerade genannten Stärken des anderen profitieren zu können. Der so genannte HET 70 (= Heavy Equipment Transporter 70) ist ein sehr gutes, aber wenig bekanntes Beispiel für den Versuch einer internationalen rüstungstechnischen Kooperation. Im Gegensatz zu den Plänen für den Kampfpanzer 70 wurden in diesem Fall aber die bis Anfang der 1970er Jahre fortgeschrittenen Planungen komplett in ein truppentaugliches Fahrzeug umgesetzt. Nachdem der am Projekt beteiligte amerikanische Zulieferer Chrysler Corporation nicht mehr den Forderungen der Auftraggeber entsprechen konnte, baute das deutsche Konsortium nach den bis zu diesem Zeitpunkt entwickelten Plänen zwei Prototypen, aus denen dann wenig später mit einem neuen Hänger die endgültige Version des »Elefant« SLT 50/2 entstand. Wie kam es zu dieser Entwicklung? Welche einzelnen Phasen durchlief dieses Kooperationsprojekt bis zur Serienreife, welche Erfahrungen machten die Kooperationspartner miteinander und welche Schlussfolgerungen wurden für die Zukunft daraus zogen? Führte die internationale Rüstungskooperation zu den Ergebnissen, die sich die Beschaffungsabteilungen erhofft hatten? In der Nachbetrachtung kann das Programm in zwei Hauptphasen und vier Unterphasen eingeteilt werden. Die Hauptphasen waren die Entwicklung eines Prototypen, dessen Erprobung und die Herstellung eines serienreifen Fahrzeuges. Unterteilt werden können diese drei Phasen in die nationalen Konzeptstudien, die bilateralen Konzeptstudien, die Konstruktion und Prototypenfertigung sowie die Herstellung der Serienreife. In der zweiten Jahreshälfte des Jahres 1964 wurden in der Bundesrepublik und in den USA unabhängig voneinander Vorstudien betrieben. An der Entwicklung von mehr als 20 Vorschlägen beteiligten sich in der Bundesrepublik die Firmen Eisenwerke Kaiserslautern, Faun, Kaelble, Krupp sowie die Siegener Eisenbahnbedarfsgesellschaft, auf amerikanischer Seite hingegen nur Chrysler. Es entstanden die unterschiedlichsten Transporter auf den Zeichenbrettern dieser erfahrenen Fahrzeugbauer: so unter anderem auch ein siebenachsiges Unit-Fahrzeug mit zwei angetriebenen lenkbaren, zwei angetriebenen starren Achsen und drei nicht angetriebenen, lenkbaren Achsen. Zur Erhöhung der Geländegängigkeit waren an diesem Fahrzeug zwei Knickgelenke vorgesehen. Ein anderer Vorschlag sah ein Gerät vor, wie es bereits während des Zweiten Weltkriegs für den Transport des »Panzers 2« entwickelt worden war. Dabei sollte der Panzer als selbsttragendes Teil von zwei Fahrgestellen aufgenommen werden. Die beiden nationalen Vorstudien wurden im Sommer 1965 zwischen der Bundesrepublik und den USA ausgetauscht und nach einem vorher abgestimmten Kriterienkatalog ausgewertet150. In der Folgezeit ging es darum, auf der Basis dieser Informationen

149

150

BA-MA, Bw 1/368953, US/BRD-Programmleitung, MC 3, Gemeinsame militärische Forderungen an den Schwerlasttransporter, 1. Mai 1964, S. 3 f. BA-MA, Bw 1/368953, Schwerlasttransporter. Phase II - Gemeinsame Konzept- und Programm-Durchführungsstudien, Juli 1965.

IV. Die Umsetzung der materiellen Aufrüstung

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einen Konsens herauszuarbeiten, der den sehr unterschiedlichen Interessen der beiden Länder gerecht wurde. Die nationalen Mitglieder der Arbeitsgruppen hatten dabei nämlich insbesondere die eigenen militärischen, technischen und natürlich wirtschaftlichen Belange im Auge zu behalten. Als Lösung wurde schließlich im Frühjahr 1966 festgelegt, dass eine gemeinsame Sattelzugmaschine und jeweils ein nationaler Sattelanhänger entwickelt werden sollten. Für die Entwicklung dieser Modelle waren auf deutscher Seite jetzt nur noch die Firmen Faun und Krupp vorgesehen und auf amerikanischer Seite wie bisher die Chrysler Cooperation151. Diese drei Firmen bildeten, um die Zusammenarbeit besser koordinieren zu können, eine gemeinsame Konstruktionsgruppe, die »Industrielle Technische Fachgemeinschaft« (ITF) bzw. die »Joint Task Force«. Zunächst musste die ITF unter für damalige Verhältnisse schwierigen Bedingungen152 die technische Entwicklung abstimmen und vorantreiben. Sprachprobleme, unterschiedliche Maßsysteme und Zeichnungsnormen, die weite Entfernung zwischen der Bundesrepublik und den USA sowie die ständig notwendigen Abstimmungen über die Entwicklungsrichtung verhinderten schnellere Ergebnisse und trieben die Kosten erheblich in die Höhe153. Ständige Auseinandersetzungen zwischen deutschen und amerikanischen Stellen über planerische und finanzielle Fragen waren die Folge154. Dies ging sogar so weit, dass im Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung Anfang 1967 Überlegungen angestellt wurden, ob die Weiterführung oder der Abbruch der Entwicklung des HET 70 kosteneffektiver sein würde155. Letztlich entschied man sich aufgrund der vertraglichen Verpflichtungen dafür, das Projekt weiter voranzutreiben. Daraufhin wurden auf beiden Seiten insgesamt fünf Prototypen gebaut, bei denen die Zugmaschinen im Wesentlichen identisch waren156. Die Baugruppen für die Zugmaschine wurden gemeinsam entwickelt und in der Bundesrepublik gefertigt. Um den Anteil gemeinsamer Baugruppen insgesamt zu erhöhen, wurden nach eingehender Prüfung verschiedene, bereits vorhandene nationale Baugruppen bilateral verwendet und dem jeweils anderen Land das Nachbaurecht für die Baugruppen eingeräumt. Dies betraf zum Beispiel die amerikanische Seilwinde und die deutsche Sattelkupplung, aber auch Baugruppen die in beiden Ländern baugleich erhältlich waren, wie Luftfilter, Reifen oder Felgen. Rein äußerlich waren die beiden von deutschen oder amerikanischen Ingenieuren entwickelten Zugmaschinen 151

152

153

154 155

156

BA-MA, Bw 1/369116, Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Firma Faun-Werke, Nürnberg, Koblenz, 15. Februar 1966. Obwohl die nachgenannten Probleme heutzutage nicht mehr als solche empfunden werden, sind sie von verschiedenen Beteiligten an diesem Projekt im Nachhinein als »sehr schwierig« beschreiben worden. Siehe hierzu Hessenbruch, HET 70; Untiedt, SLT 50-2, S. 53. BA-MA, Bw 1/368954, Programmleitung US/BRD Panzerentwicklungsprogramm. Betr.: Geschätzter Haushaltsmittelbedarf HET-70, Phase III vom 27. Mai 1966, Änderung Nr. 2. Hierzu exemplarisch siehe Aktenbestände BA-MA, Bw 1/368953-54. BA-MA, Bw 1/368954, Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung KB I 5 r/01/602 A 007/7. Betr.: Schwerlasttransport HET-70, Koblenz, 16.2.1967. Hierzu und zum Folgenden BA-MA, Bw 1/369116, Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Firma Krupp, AG HET 70, Anhang, Koblenz 4.4.1967.

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also zunächst kaum voneinander zu unterscheiden. Ganz anders hingegen war dies bei der Entwicklung der Sattelanhänger. Die einzige Gemeinsamkeit bestand darin, dass die Anhänger vier Achsen hatten. Im Rahmen von Klimaerprobungen auf dem amerikanischen Kontinent wurden dann die Vor- und Nachteile der Konstruktionen deutlich. Während sich der deutsche Sattelschlepper als äußerst belastbar und vielseitig einsetzbar präsentierte, war das amerikanische Fabrikat bedingt durch seine einfachere Konstruktion und sein geringeres Gewicht - für den Fahrzeugführer deutlich einfacher zu handhaben und instand zu setzen157. Die beteiligten Firmen stimmten im Anschluss an die Testreihen ihre Ergebnisse ab und gingen dazu über, die Fahrzeuge serienreif zu machen. Zusätzliche Truppenversuche und Erprobungen ergaben eine Vielzahl von Verbesserungsvorschlägen und Mängel, die noch in den Griff bekommen werden mussten. In diesem Entwicklungsstadium wurden zusätzliche nationale Bestimmungen und Wünsche formuliert, die letztlich dazu führten, dass die Schwerlasttransporter nur auf nationaler Basis die Serienreife erlangten. Ab dem Sommer 1970 wurde die Zusammenarbeit Schritt für Schritt zurückgefahren. Am Ende dieser gut sechsjährigen Zusammenarbeit konnte die Zugmaschine des einen Landes den Sattelschlepper des anderen Landes im Notfall anhängen und fortbewegen. Im Gegensatz zum Kampfpanzer 70 wurde diese abgebrochene Kooperation von beiden Seiten aber positiv abgeschlossen. Die Bundeswehr und die US-Streitkräfte erhielten einen Sattelschlepper, der den neuesten technischen Möglichkeiten entsprach und auf die Bedürfnisse der beiden Streitkräfte abgestimmt war. Nach dem Ende der Kooperation wurde die deutsche Version speziell an die Gegebenheiten des europäischen Raumes angepasst. Dabei wurde die Leistungsfähigkeit des Motors um rund 30 Prozent auf 730 PS erhöht, das Getriebe und der Bremsretarder dieser angeglichen, um damit eine Höchstgeschwindigkeit von 65 km/h bei einer maximalen Reichweite von 500 Kilometern zu erreichen. Darüber hinaus tauschten die deutschen Ingenieure die leistungsschwachen amerikanischen Winden gegen in der Bundesrepublik neuentwickelte Hydraulikseilwinden mit je 17 000 kg Zugleistung aus; sie entwickelten außerdem das Fahrerhaus, das Fahrgestell und den Anhänger weiter158. Nach erfolgreicher fahrtechnischer Erprobung und Truppenversuchen wurde dem Schwerlasttransporter 50, 2. Version (SLT 50-2) im April 1972 seitens der Truppe die Truppenverwendbarkeit und seitens des Bundesamtes für Wehrtechnik und Beschaffung die technische Reife attestiert. Insgesamt 324 Fahrzeuge dieses Typs wurden von 1977 bis 1979 unter dem Namen »Elefant« an die Instandsetzungsbataillone der Divisionen und Korps ausgeliefert. Aber schon die nächste Generation Kampfpanzer - der »Leopard 2« - hatte die Weiterentwicklung des Nutzfahrzeuges SLT 50-2 zur Folge. Die Tragfähigkeit des Anhängers und die Motorisierung der Zugmaschine mussten aufgrund des größeren Gewichtes der neuen Panzer von einer Nutzlast von 521 auf mindestens 571 erhöht werden159. 157 158 159

Untiedt, SLT 50-2, S. 53. Untiedt, SLT 50-2, S. 55-58. Anweiler/Blank, Die Rad- und Kettenfahrzeuge, S. 227.

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Auch wenn dieses binationale Kooperationsprojekt nicht direkt zum Ziel führte, so sind doch die einzelnen Entwicklungsschritte für die Entstehung der nachfolgenden Schwerlasttransportergeneration der Bundeswehr von entscheidender Bedeutung gewesen. Sowohl die Bundesrepublik als auch die USA haben davon profitiert: auf ministerieller Ebene beim Einblick in grundsätzliche Abläufe und den Umgang miteinander, auf der technischen Seite in der Umsetzung militärischer Forderungen und bei der Herangehensweise an wehrtechnische Probleme. Diese binationale Kooperation zeigte den beteiligten Beschaffungsabteilungen des Bonner Verteidigungsministeriums aber auch deutlich, dass diese Form der Rüstungsgüterbeschaffung mit vielen Reibungsverlusten behaftet ist. Angefangen von den sprachlichen Problemen, über die unterschiedlichen rechtlichen Rahmenbedingungen, die verschiedenen technischen Standards und divergierenden militärischen Anforderungen bis hin zu dem Willen vom Erkenntnisstand des Kooperationspartners auch einseitig profitieren zu wollen, sind die Schwierigkeiten von multilateralen Rüstungsprojekten bis zum heutigen Tag gleich geblieben. Offensichtlich wiegen aber die politischen und ökonomischen Vorteile solcher Kooperationen so schwer, dass sie immer wieder angestrebt werden.

7. Besondere Beschaffungsmaßnahmen: »Türkenmunition« und »Hotchkiss« Am 29. August 1956 schloss die Bundesrepublik Deutschland mit der Türkei einen Vertrag über die Lieferung großkalibriger Munition und den Ausbau der dafür benötigten Munitionsfabriken im Wert von 740 Mio. DM ab160. Wie bei vielen Rüstungsgüterprojekten dieser Jahre diente der Auftrag mehreren Zwecken gleichzeitig. Zum einen sollte er helfen, die prekäre wirtschaftliche Situation der Türkei zu stabilisieren und dort mögliche innenpolitische Unruhen zu verhindern. Eine gefestigte Türkei war seit jeher für die Verteidigungsfähigkeit der NATO von großer Bedeutung. Zum anderen hatte sich der türkische Staat bei der Bundesrepublik in diesen Jahren mit über 250 Mio. DM verschuldet und es war nicht abzusehen, ob diese Summe jemals zurück gezahlt werden konnte. Daneben erhöhte sich das Außenhandelssaldo der Türkei gegenüber der Bundesrepublik seinerzeit jährlich um fast 100 Mio. DM. Die Regierung in Ankara wollte dieses Saldo unbedingt wieder ausgleichen, da es die Stabilität der türkischen Währung und mithin die Wohlfahrt der türkischen Gesellschaft gefährdete. Westdeutschland war damals schon der größte Außenhandelspartner der Türkei. So stammten z.B. rund 80 Prozent der importierten Investitionsgüter aus der Bundesrepublik. Um die wirtschaftlichen Schwierigkeiten am Bosporus 160

BA-MA, BV 5/662, Munitionskaufvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkischen Republik, Bonn, 29. August 1956.

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einigermaßen in den Griff zu bekommen, leistete Bonn im Rahmen des Vertragsabschlusses im Juni 1957 eine Vorauszahlung von 255 Mio. DM und hinterlegte die restliche Summe von rund 485 Mio. in Form von Akkreditiven zugunsten der türkischen Zentralbank bei der Bank Deutscher Länder161. Die türkische Industrie erhielt dadurch die Möglichkeit (ähnlich der Industriehilfe des »Marshallplanes«), Investitionsgüter und Ersatzteile in der Bundesrepublik zu beschaffen und die Schulden langfristig im Rahmen der zu erwartenden wirtschaftlichen Expansion begleichen zu können. Ziel der Bundesregierung war die Hilfe zur Selbsthilfe. Zweifellos kam der Türkei in dieser Situation zusätzlich zugute, dass Mitte der 1950er Jahre die Bereitschaft der westdeutschen Industrie gering war, Produktionskapazitäten für Munition mit einem Kaliber über 40 mm aufzubauen. Außerdem hatten die türkischen Anbieter ein Argument, das Entscheidungen dieser Art immer beschleunigt: ihr Preis für die Munition lag weit unter denen der internationalen Konkurrenz. Der weitere Verlauf des Geschäftes erscheint dann relativ ambivalent. Einerseits waren die Türken offensichtlich sehr stolz, dass sie diesen Auftrag erhalten hatten162, andererseits war ihr Geschäftsgebaren nicht immer so seriös wie es ihre Vertragspartner von ihnen erwarteten. Von der türkischen Regierung wurde der staatliche Waffen- und Munitionshersteller »Makina ve Kimya Endüstrisi Kurumu« (MKE) mit der Munitionsproduktion beauftragt. Die 1950 gegründete Holding produzierte Kleinwaffen und Munition primär für die türkischen Streitkräfte. Durch den deutschen Großauftrag konnten die zum Teil veralteten Anlagen auf einen modernen Stand gebracht werden. Synergieeffekte in der Produktion von Kleinwaffen und Munition für die türkische Armee waren dabei ebenso beabsichtigt wie die Unterstützung der türkischen Geschäftspartner bei dringend notwendigen Rationalisierungsmaßnahmen in der Produktion163. Obwohl die bereits bestehenden Produktionsanlagen vor Ort bei einer deutschen Gutachterdelegation Anfang 1957 »einen recht guten Gesamteindruck«164 hinterlassen hatten, tauchten schon bald erste Probleme auf. Zuerst gab es Abstimmungsbedarf, wann mit der Herstellung welcher Munition auf der Basis welcher Fertigungsunterlagen begonnen werden sollte165. In der eigentlichen Produktion gab es dann ebenfalls erhebliche Anlaufprobleme. Die MKE war nicht in der Lage, auf dem internationalen Markt Unterlieferanten für verschiedene wichtige Einzelteile der zu produzierende Munition (z.B. Zünder) zu finden, da türkische Unternehmen zu dieser Zeit als nicht sonderlich kreditwürdig galten. Ende 1957 verlangten dann 161

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BA-MA, BV 5/662, BA-MA, BV 5/662, BMVg, XI D I, Auftrag für Leistung einer Vorauszahlung, Koblenz, 12. Juni 1957. BA-MA, BV 5/662, Reg.Dir. Kurt Lemke. Bericht über den Türkenvertrag nach dem Stand vom 25. Juni 1957, Koblenz, 25. Juni 1957, S. 9. BA-MA, BV 5/662, Zusammenfassender Bericht der Kommission. Anlage 3 zum Munitionskaufvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkischen Republik vom 29.8.1956, S. 2 - 4 . BA-MA, Bw 1/347485, BMVg, Abteilungsleiter X, Vermerk für die Sitzung des Verteidigungsrates am 22. Januar 1957, Bonn, 26. Januar 1957, Anlage 6, S. 2. BA-MA, BV 5/662, BMVg XIC I 3, Vermerk, Koblenz, 23. Mai 1957.

IV. Die Umsetzung der materiellen Aufrüstung

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»überraschenderweise« die amerikanischen Patentinhaber der Munition, die in der Türkei gefertigt werden sollte, Lizenzgebühren auf ihre Rechte166. Durch ein multilaterales Abkommen mit den Vereinigten Staaten konnte dieses Problem zwar schnell behoben werden167, aber es erstaunt, dass die Auftragnehmerin bereits patentierte Munition produzieren wollte, ohne vorher dafür die entsprechenden Patentrechte erworben zu haben. Nicht nur durch diese Vorfälle wurde das Misstrauen der deutschen Auftraggeber geschürt. Ingesamt herrschten im Verteidigungsausschuss große Zweifel gegenüber einem Partner, mit dem als Privatmann nie ein Vertrag abgeschlossen werden dürfte 168 . Daher beabsichtigte die Bundesregierung so viele Kontrollinstrumente wie möglich zu schaffen. Bereits im Mai 1957 beschloss das Verteidigungsministerium an der Botschaft in Ankara eine Verbindungsstelle zu installieren, die im weiteren Verlauf die Steuerung und Kontrolle des Abkommens übernahm 169 . Ein Problem, das bis zum Ende des Geschäfts auch durch die von den deutschen Behörden eingerichteten Kontrollinstrumente nicht gelöst werden konnte, waren die qualitativen Mängel der Munition. Schon sehr früh hatte die deutsche Seite angemahnt, Güteprüfungen nach deutschem Maßstab vornehmen zu wollen170. Da dies von türkischer Seite als Affront empfunden wurde, machten die deutschen Behörden zunächst einen Rückzieher, den sie nach den ersten Beschussergebnissen aber sehr bereuten171. Große Schwierigkeiten gab es zudem bei der Abwicklung der Anzahlung, da die Regierung in Ankara das Geld in der Türkei hinterlegt wissen wollte und nicht bei der Bank deutscher Länder172. Später weigerte sie sich dann, bei Abhebungen von den eingerichteten Konten die deutschen Geldgeber schriftlich mitzeichnen zu lassen. Da die Bundesregierung - ähnlich wie beim HS 30 - mit Akkreditiven arbeitete, war es nur bedingt möglich, die hergestellte Munition nicht abzunehmen, zumal der Vertrag keine Schiedsklausel erhielt und »alle Differenzen [...] im Geiste der türkisch-deutschen Freundschaft zu regeln« waren173. Ein Zurückhalten der Auszahlungen aus den Akkreditiven wäre generell 166 167

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BA-MA, BV 5/662, AWB, D I 2, Vermerk. Betr.: Ergänzungen zu Hauptvertrag vom 29.8.1956 betreffend Munitionslieferungen aus der Türkei, Koblenz, 19. Dezember 1957. BA-MA, BV 5/662, BMVg, Verbindungsstelle in der Türkei. Bericht Nr. 5, 2. Januar 1958, S. 3. BA-MA, BV 5/662, BMVg, XI D I, Niederschrift. Betr.: Türken-Vertrag, Koblenz, 9. Mai 1957. BA-MA, BV 5/662, BMVg, XID I, Niederschrift über eine Besprechung wegen der Durchführung des Munitionskaufvertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der türkischen Republik, Koblenz, 14. Mai 1957. BA-MA, BV 5/662, AWB, D I 2 an Türkische Botschaft Bad Godesberg. Betr.: VertragsErgänzung zum deutsch-türkischen Munitionskaufvertrag vom 29. August 1956, Koblenz, 4. Dezember 1957. BA-MA, BV 5/662, AWB, D I, Vermerk. Betr.: Munitions-Kaufvertrag Türkei, Koblenz, 12. Dezember 1957. BA-MA, BV 5/662, Türkische Botschaft an den Leiter der Handelspolitischen Abteilung im Auswärtigen Amt, 29. August 1956. BA-MA, BV 5/662, BMVg, Der Leiter der Abteilung XI an Herrn Minister. Betr.: Munitionskaufvertrag mit der türkischen Republik, Koblenz, 2. Juli 1957.

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nur dann möglich gewesen, wenn die deutsche Seite dem türkischen Hersteller grob fahrlässige Produktionsfehler hätte nachweisen können. Aber selbst wenn das Verteidigungsministerium dies gekonnt hätte, stellt sich im Nachhinein die Frage, ob dies damals auch politisch opportun gewesen wäre. Ziel der Munitionsbeschaffung war doch offensichtlich nicht, die bestmögliche Munition zum günstigsten Preis zu erhalten, sondern einen Staat in der südöstlichen Peripherie des transatlantischen Bündnisses ökonomisch und militärtechnisch zu stützen. Im Sommer 1957 traten erste Schwierigkeiten bezüglich der zu liefernden Munition auf, da die Bundesrepublik die neuartigsten Geschosse herstellen lassen wollte, die zu dieser Zeit in den USA entwickelt wurden. Die Amerikaner waren aber nicht bereit, die Spezifikationen dafür den Türken mitzuteilen. Die Reise einer deutsch-türkischen Delegation nach Washington brachte dann zwar die gewünschte Klärung, aber die Produktion war um mehrere Monate verzögert worden174. Weitere Reibungsverluste entstanden dadurch, dass die Güteprüfung während der Herstellung und bei den Endprodukten grundsätzlich in türkischer Hand lag. Deutsche Ingenieure durften während dieser Zeit nur unterstützend eingreifen. Folglich konnte die tatsächliche Güte der Munition erst beim Verschießen in der Bundesrepublik Deutschland festgestellt werden. Von deutscher Seite bestanden somit nur geringfügige Möglichkeiten, gegen denkbare türkische Versäumnisse einzuschreiten. Erschwerend kam hinzu, dass MKE trotz der Investitionszuschüsse für die Überholung der alten Anlagen und des Baus einer neuen Munitionsfabrik laut Aussage der türkischen Regierung längere Zeit am Rande des Konkurses stand. Gründe dafür waren aus der Sicht Ankaras insbesondere die technischen Lieferbedingungen des Bonner Verteidigungsministeriums für die Munition und die daraus resultierenden Verzögerungen in der Produktion175. Um substanzielle finanzielle Ausfälle zu verhindern und den für die Region überaus wichtigen Arbeiterstamm vor Ort zu halten, wurden mit dem deutschen Investitionskapital neue, zivile Produktionsanlagen errichtet. Diese Vorgehensweise führte wiederum auf deutscher Seite zu erheblichen Protesten. Die Unmutsäußerungen aus Bonn hierüber verhallten ungehört, da die Verträge so ungenau abgefasst waren, dass sie für die besondere Situation keine genaue Regelung vorsahen. Die Schwierigkeiten mit der »Türkenmunition« zogen sich noch über mehrere Jahre hin. Regelmäßig beschwerte sich die Truppe über die schlechte Qualität dieser Munition176. Probleme gab es hauptsächlich mit der Zusammensetzung

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BA-MA, BV 5/662, BMVg, XI C. Zwischenbericht über den Stand der technischen Abwicklung des Türkenvertrages. Koblenz, 29. August 1957, S. 2 f. Hierzu und zum Folgenden BA-MA, BV 5/662, Botschaft der Bundesrepublik, Verbindungsstelle. Betr.: Verwendung der Vorauszahlung von 170 Mio DM für andere Investitionen als für den deutsch-türkischen Munitionskaufvertrag, Ankara, 5. November 1957. BA-MA, BV 5/807, BWB, AT-MÜ, Betrachtungen zur Mörserpulver-Frage, Koblenz, 31. Oktober 1963.

IV. Die Umsetzung der materiellen Aufrüstung

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des Pulvers, das offensichtlich nicht die verlangte Wirkung entfaltete177. Eine Lösung wurde Anfang der 1960er Jahre gefunden, als man bei mehreren Besuchen in Israel von einer Pulver-Spezifikation erfuhr, mit der bei der »Türkenmunition« wesentlich bessere Wirkung erzielt werden konnte. Die MKE übernahm das Pulver nach einigem guten Zureden von deutscher Seite178. Trotzdem lief der eigentlich nur bis 1960 ausgelegte Vertrag 1965 aus und wurde nicht durch einen Folgeauftrag verlängert. Die Vertragssumme war aufgebraucht und die Türkei innenpolitisch stabilisiert. Außerdem hatte die Qualität der Munition viele Wünsche auf deutscher Seite offengelassen, ebenso wie das Geschäftsgebaren einiger türkischer Verhandlungspartner. Diplomatisch geschickt konnte die Verlagerung der Produktion nach Westdeutschland mit der inzwischen problematischen volkswirtschaftlichen Gesamtsituation in der Bundesrepublik begründet werden. Mit Rücksicht auf die politische Gesamtsituation im östlichen Mittelmeerraum war parallel zu dem Vertrag mit der Türkei unterdessen ein Abkommen über Munitionslieferungen aus Griechenland geschlossen worden. Für rund 10 Mio. DM wurden Bazooka-Übungsmunition und für 40 Mio. DM Haubitzenmunition Kaliber 155 mm beschafft. Bei der Haubitzenmunition stellte sich dann aber heraus, dass die Reichweite der Geschosse 3000 m unter vergleichbaren westeuropäischen Fabrikaten lagen, woraufhin auf eine Ausweitung des Auftrages verzichtet wurde179. Der Vertrag mit der Türkei über die Lieferung großkalibriger Munition ist ein prägnantes Beispiel für die Verwendung der Rüstungsgüterbeschaffung zur Realisierung außen-, sicherheits-, und handelspolitischer Ziele. Dadurch bedingt erhielt die Bundeswehr wieder einmal nicht das Material, das sie für ihren Auftrag benötigt hätte. Dies hatte jedoch keine ernsten Folgen, da die Munition nur für Übungszwecke aufgebraucht wurde. Auch die nachfolgend beschriebene Beschaffungsmaßnahme des Bonner Verteidigungsministeriums fällt in die Kategorie »Instrumentalisierung der Rüstungsgüterbeschaffung«. Unternehmer und Politiker in Frankreich hatten sehr schnell erkannt, dass eine Beteiligung an der Aufrüstung der westdeutschen Streitkräfte lukrativ sein könnte, wenn man die richtigen Rüstungsgüter anbot. Da die französische Volkswirtschaft und insbesondere die französische Industrie Anfang der 1950er Jahre noch nicht richtig Tritt gefasst hatte, sah Paris in möglichen Rüstungsaufträgen aus Bonn die Chance einer Initialzündung für den so dringend benötigten wirtschaftlichen Aufschwung. Neben einer Vielzahl an Flugzeugen und Schiffen bot man der Bundesrepublik 1955 auch Panzer der Modelle »Hotchkiss«, »Even« und AMX 13 an. Insbesondere den Verkauf des leichten Schützenpanzers »Hotchkiss« wollte die Regierung in Paris forcieren. Offensichtlich 177

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BA-MA, BV 5/807, BWB, AT-MÜ, Vermerk über eine Besprechung mit ORBR Dr. Köhne WM III 2 am 8.10.63. Besprechungsgegenstand: Pulver für die Mörsermunition aus Israel bzw. der Türkei, Koblenz, 9. Oktober 1963. BA-MA, BV 5/807, BWB, AT-MÜ, O.a.D. Heß, Beitrag zum Schreiben TVII/4 vom 12.3.1963, Koblenz, 21. März 1963. BA-MA, Bw 1/347485, BMVg, Abteilungsleiter X, Vermerk für die Sitzung des Verteidigungsrates am 22. Januar 1957, Bonn, 26. Januar 1957, Anlage 6, S. 3.

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Dieter Η. Kollmer: »Klotzen, nicht kleckern!« Die materielle Aufrüstung des Heeres

hatten die verantwortlichen französischen Stellen erfahren, dass das angestrebte Auftragsvolumen für Schützenpanzer das höchste aller bundesdeutschen Heeresprojekte war, und hatten zielstrebig um diesen Auftrag bereits während der EVG-Phase geworben180. Im Juli 1956 stellte die Abteilung Heer im Bonner Verteidigungsministerium »Militärische Forderungen« für Schützenpanzer auf, die mit den Daten der Schützenpanzer HS 30 und »Hotchkiss« übereinstimmten181. So war es nicht verwunderlich, dass der Verteidigungsausschuss sich wenige Wochen später für die Beschaffung genau dieser Fahrzeuge entschied. Schließlich mussten ja aufgrund des jährlichen Budgets die zugewiesenen Mittel ausgegeben werden. Außerdem produzierten die Auftragnehmer der beiden Beschaffungsmaßnahmen die Panzer in Ländern, deren negative Außenhandelsbilanz es auszugleichen galt. Nachdem man sich von deutscher Seite bemerkenswert schnell für die Beschaffung von 4000 Schützenpanzern des Modells »Hotchkiss« entschieden hatte, war nur noch die Frage zu klären, wie viele der Modelle in Frankreich gefertigt werden würden und welche Anzahl in Lizenz in der Bundesrepublik vom Band laufen sollten182. Die KlöcknerHumboldt-Deutz AG, Köln hatte durch die erfolgreiche Vermittlungstätigkeit ihres Aufsichtsratsmitgliedes, des Bundestagsabgeordneten und Mitgliedes des Verteidigungsausschusses Friedrich Berendsen (CDU) den Zuschlag für den Lizenznachbau in Deutschland erhalten183. Zunächst sollte ein Drittel der Schützenpanzer in Frankreich gefertigt werden und danach der Rest in der Bundesrepublik. Nach mehrmaligen Interventionen des Bundestages und des Wirtschaftsministeriums einigte man sich letztlich darauf, nur 2000 »Hotchkiss« im Wert von 340 Mio. DM zu beschaffen, von denen rund 600 in Deutschland hergestellt werden sollten. Auch bei der Beschaffung dieses Fahrzeuges haben vor allem außenhandelspolitische Einflüsse eine bedeutende Rolle gespielt. Der »Hotchkiss« war für die französische Armee entwickelt, von dieser aber nicht beschafft worden. Die Bundesrepublik erklärte sich bereit, dieses fertig entwickelte, aber nur eingeschränkt für seine vorgesehene Verwendung geeignete Fahrzeug, in hoher Stückzahl zu erwerben, um den Außenhandelsüberschuss gegenüber Frankreich merklich zu senken. Gleichzeitig konnten verschiedene Truppengattungen des Heeres, die noch nicht mit einer angemessenen Anzahl an Gefechtsfahrzeugen ausgestattet waren, schnell und unkompliziert mit einem truppentauglichen Waffensystem versorgt werden. Insgesamt wurden gut 1600 »Schützenpanzer, kurz Hotchkiss« erworben. Sie wurden zwischen 1958 und 1962 als

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Siehe hierzu auch Kollmer, Rüstungsgüterbeschaffung, S. 150 f. BA-MA, BH 13/1554, BMVg, V - V Β 4, Betr.: Militärische Forderungen, Köln, 24. Juli 1956. Zu der gesamten Entwicklung und Diskussion siehe AWS, Bd 4, S. 162-166 (Beitrag Abelshauser). Zu der Problematik der Einflussnahme von Bundestagsabgeordneten auf Auftragsverteilung des BMVg siehe u.a. Kollmer, Rüstungsgüterbeschaffung, S. 163-168; Über ehemalige Offiziere der Wehrmacht, die nach Ende des Zweiten Weltkrieges in der bundesdeutschen Wirtschaft reüssierten siehe Kurowski, Offiziere.

Der Schützenpanzer, kurz »Hotchkiss« in der Ausführung des Spähpanzers der Panzeraufklärungstruppe. WTS/BWB

Der VW »Iltis« wurde Anfang der 1970er Jahre zur Unterstützung des Herstellers für die Bundesw e h r beschafft.

SKA/IMZ Bw/Oed

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Panzeraufklärungs-, Mörser-, Radaraufklärungs- Krankenkraftwagen- und Beobachtungspanzer ausgeliefert und erst in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre durch neue Fahrzeuge ersetzt. Der »Hotchkiss« war zweifelsohne zuverlässiger als der HS 30, mit dem er bis zum heutigen Tage häufig verwechselt wird. Er wurde im Laufe der Jahre für die Bundeswehr zu einem Allzweckpanzer. Ihn trieb ein 6-Zylinder-Vergasermotor mit 164 PS an. Bei einem Grundgewicht von 8,41 hatte er ein Leistungsgewicht von rund 20 PS/t, was ihm eine hohe Wendigkeit, eine Höchstgeschwindigkeit von 58 km/h und einen Aktionsradius von 380 Kilometern verschaffte. Der Schützenpanzer hat gut drei Jahrzehnte lang die an ihn gestellten Anforderungen erfüllt. Trotzdem war er nicht das Fahrzeug, dass das Heer zur Erfüllung seiner Aufgaben in den Truppengattungen dringend brauchte.

V. »Warum beim Klotzen häufig gekleckert wurde«! Probleme bei der Planung und deren Umsetzung im Rahmen der Aufrüstung des Heeres 1. Grundsätzliche Probleme a)

Die besonderen Bedingungen des Kalten Krieges

Der Kalte Krieg gilt als der Katalysator für die Integration der jungen Bundesrepublik in das westliche Bündnis - ökonomisch wie militärisch. Die westliche Bedrohungswahrnehmung führte dazu, dass sicherheitspolitische Maßnahmen zumeist höchste Priorität besaßen und unverzüglich in die Praxis umgesetzt werden sollten. Die Aufnahme Westdeutschlands in die NATO folgte diesem Muster. Ziel war es dabei, den neuen Bündnispartner so schnell wie möglich in die militärischen Strukturen der Verteidigungsgemeinschaft einzubinden. Dies brachte neben einer Vielzahl positiver Aspekte auch etliche Herausforderungen für die Bundesregierung mit sich. Zunächst mussten die strukturellen Voraussetzungen geschaffen werden, um den Aufbau eigener Streitkräfte gewährleisten zu können. Hierbei galt es aber nicht nur institutionelle Strukturen zu schaffen, sondern auch den rechtlichen und finanzwirtschaftlichen Rahmen abzustecken. Dabei sollte unter keinen Umständen die positive Entwicklung der bundesdeutschen Volkswirtschaft beeinträchtigt werden. All dies geschah zudem unter erheblichem Zeitdruck, denn die NATO hatte Bundeskanzler Adenauer das Versprechen abgerungen, dem Bündnis bereits Ende 1958 zwölf westdeutsche Divisionen zu unterstellen. Aufgrund der daraus resultierenden hohen Geschwindigkeit beim Aufbau der Bundeswehr mussten Maßnahmen ergriffen werden, die bei einem längeren Vorlauf sicherlich nicht notwendig gewesen wären. Die Vereinigten Staaten standen ihren europäischen Verbündeten soweit wie möglich mit Material und Ausbildung zur Seite. So wurde der »Marshall-Plan« durch militärische Unterstützungsprogramme ergänzt, damit die Europäer einen substanziellen Beitrag zur Verteidigung der westlichen Welt leisten konnten.

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»Der reiche Onkel«. Die anfänglich hohe Abhängigkeit von den USA

Diese amerikanischen Unterstützungsprogramme hatten neben vielen Vorteilen aber auch einige Nachteile. Die Erstausstattung der Bundeswehr war geprägt von amerikanischem Wehrmaterial. Dabei handelte es sich häufig um Waffen und Gerät, das die in Europa stationierten Truppen der USA gegen neuere Modelle austauschen sollten. Insbesondere das Heer der Bundeswehr erhielt zunächst fast ausschließlich amerikanisches Großgerät. Aber auch Teile der Ausrüstung der Soldaten, Handwaffen, Munition und Kleinfahrzeuge wurden von deren Stationierungstruppen übernommen, um die ersten Einheiten ausstatten zu können. Die Deutschen nahmen die Geschenke gerne an. Ausschlaggebend hierfür waren zum einen die Aufstellungsgeschwindigkeit, die das Verteidigungsministerium anfänglich dazu zwang das Gerät zu beschaffen, das es bekommen konnte, und zum anderen die sehr günstigen Konditionen, zu denen die Amerikaner ihr Gerät abgaben. Diese anfängliche Abhängigkeit prägte das Heer bis Ende der 1960er Jahre, zumal die Bundesrepublik auch die Nachfolgemodelle von den USA vergleichsweise kostengünstig erwarb. Dies war auch deshalb sinnvoll, da die Soldaten der Bundeswehr auf den zumeist geringfügig modifizierten Waffensystemen ohne intensive Schulungsmaßnahmen weiterhin ihren Auftrag erfüllen konnten. Die bekanntesten Beispiele hierfür sind die ersten Kampfpanzer- und die Artilleriegeschützgenerationen des Heeres. Erst durch die verstärkten Anstrengungen, eine eigene westdeutsche Rüstungsindustrie systematisch aufzubauen, wurde diese Abhängigkeit allmählich reduziert und ist heute so gut wie gar nicht mehr vorhanden.

c) Wechselnde NATO-Strategien und »Rüstungskontrolle« Die Entwicklung der NATO-Strategie durch die sich verändernde Bedrohungslage in Europa führte dazu, dass die Aufrüstung der Bundeswehr immer wieder den Anforderungen des Bündnisses angepasst werden musste. In den ersten beiden Jahren wurde die Bundeswehr als rein konventionelle Armee zum »Schild« des »Schwertes« der Nuklearwaffen der NATO im Rahmen der »Massiven Vergeltung« (MC 14/1) aufgebaut. 1957 forderte der neue Verteidigungsminister Strauß von den Beschaffungsabteilungen seines Ressorts, dass die zukünftigen Gefechtsfahrzeuge des Heeres in einem nuklearen Krieg einsetzbar sein müssten. Zusätzlich sollte das Heer seinen Vorstellungen nach taktische Atomwaffen erhalten, damit die Bundesrepublik nicht von den Verteidigungsbestrebungen der großen NATO-Partner abgekoppelt werden konnte. Um aber auch die konventionelle Komponente neben der nuklearen Abschreckung zu stärken, wurden hochmoderne Kampf-, Jagd- Flugabwehr- und Schützenpanzer hergestellt und weiterentwickelt. Die Artillerie erhielt zur Erhöhung der Feuerkraft Mehrfachraketenwerfer. Infolge dieser zielgerichteten Beschaffungspolitik standen dem Heer ab 1967 angemessene Waffensysteme zur Verfügung.

V. Probleme bei der Planung und deren Umsetzung im Rahmen der Aufrüstung

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Eine kontinuierliche Planung der Rüstungsgüterbeschaffung für die Bundeswehr kann man hieraus aber nicht ableiten. Vielmehr war es ein stetes Reagieren auf die Veränderungen der Bedrohungsszenarien unter Berücksichtigung der bundesdeutschen Volkswirtschaft und Rüstungsindustrie. Die Möglichkeiten der westdeutschen Industrie, Rüstungsgüter zu produzieren, wurden von Anfang an erheblich eingeschränkt. So verbot der WEUVertrag der Bundesrepublik, bestimmte Waffensysteme zu produzieren und/oder zu besitzen. Außerdem musste auf Druck der Alliierten im Grundgesetz ein Artikel aufgenommen werden, der es untersagte, Waffen zu exportieren. Da die Herstellung von Großgerät aber sehr hohe Fixkosten verursacht, war die Herstellung von Rüstungsgütern für die westdeutsche Industrie nur dann lukrativ, wenn die Bundeswehr eine garantierte, ausreichende Anzahl an hergestellten Gütern abnahm. Trotzdem beobachteten einige europäische Nachbarn die Entwicklungen in Westdeutschland argwöhnisch. Im Rahmen der NATO und über die Europäische Gemeinschaft (EG) versuchten speziell Frankreich und Belgien wiederholt, die Kontrolle über die bundesdeutsche Rüstungsgüter produzierende Industrie zu gewinnen. Überdies waren verschiedene Kooperationsbestrebungen zwischen der Bundesrepublik und anderen NATOMitgliedsstaaten bei der Herstellung von Wehrmaterial von diesem Geist geprägt. Dass dieses Misstrauen im Ausland eigentlich nicht notwendig gewesen wäre, hatte bereits frühzeitig die westdeutsche Öffentlichkeit durch ihre kritische Haltung zum Aufbau der Bundeswehr gezeigt (»Ohne-mich-Bewegurig«). Aber auch die westdeutschen Medien verfolgten die Aufrüstung mit der notwendigen differenzierten Distanz. Dies führte dazu, dass die meisten Beschaffungsmaßnahmen der Bundeswehr im Blickpunkt der Öffentlichkeit standen und somit gleichzeitig deren Rechtmäßigkeit geprüft wurde.

2. Probleme bei der praktischen Umsetzung a) »Jeder ist sich selbst der Nächste«: Strukturelle Probleme des Bundeswehraufbaus Das vom Verteidigungsministerium von Anfang an angestrebte »Gesamtstreitkräftemodell« wurde auch im Rahmen der Rüstungsgüterbeschaffung sehr bald durch Bestrebungen der Teilstreitkräfte wie auch der Bundeswehrverwaltung unterlaufen. Dies lag zweifelsohne an den sehr unterschiedlichen Interessenlagen der betroffenen Bereiche. In der Aufbauphase der Bundeswehr beschafften sich die drei Teilstreitkräfte die benötigten Rüstungsgüter auf sehr unterschiedliche Art und Weise. Aufgrund der differierenden Anforderungen an das Material war dies zunächst sicherlich sinnvoll. Allerdings wurden wiederholt Ausrüstungsgegenstände doppelt entwickelt und beschafft, da die notwendige

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Abstimmung zwischen den Beschaffungsabteilungen fehlte. Erst als Anfang der 1960er Jahre der Verteidigungsetat immer knapper wurde, versuchte das Verteidigungsministerium, durch Synergieeffekte bei der Beschaffung die dringend notwendigen Einsparungen zu erreichen. Es wurde ein zentrales Planungssystem für die gesamte Bundeswehr eingerichtet, dass die verschiedenen Vorhaben genauer aufeinander abstimmen sollte. Die fehlende zentrale Steuerungsstelle für die Beschaffung von Rüstungsgütern wurde Ende 1967 mit der Einführung eines einheitlichen, für alle Teilstreitkräfte verbindlichen »System Managements« geschaffen. Im Rahmen dieses Gremiums wurden die Vorhaben zwischen den Teilbereichen abgeglichen und Teilstreitkräfte übergreifende Beschaffungsmaßnahmen erörtert. Es war bedenklich, dass diese Leitlinien erst herausgegeben und die Gremien geschaffen wurden, als die Bundeswehr im Wesentlichen bereits aufgebaut war. Trotzdem setzten sie entscheidende Akzente für die kommenden Jahren. Letztlich waren sie eine angemessene Lehre aus den zum Teil desorganisierten Aufbaujahren. b) »Kein Geld den Streitkräften«: Finanzpolitische Hemmnisse Der finanzpolitische Rahmen für die Aufrüstung der Bundeswehr war in den 1950er Jahren auf die scheinbar immerwährenden 9 Milliarden DM begrenzt. Finanzminister Schäffer hatte diese Summe in harten Auseinandersetzungen mit den westlichen Siegermächten als Fixum ausgehandelt. Dieser festgeschriebene Betrag und die anfänglich noch gültige »Jährlichkeit des Budgets« führten zu unnötigen und überhasteten Auftragsvergaben, die dem Verteidigungsministerium in einigen Fällen teuer zu stehen kommen sollten (z.B. Schützenpanzer HS 30, türkische Munition). Trotz der offensichtlichen Defizite dieser Vorgehensweise wurde die strikte Haushaltsdisziplin erst zum Ende des Jahrzehnts aufgehoben, als die Verantwortlichen in Bonn erkannten, dass sie die Forderungen der NATO nur dann erfüllen konnten, wenn sie ihre Rüstungsanstrengungen erheblich intensivieren würden. So stieg der Anteil des Verteidigungshaushalts am Gesamtetat der Bundesregierung fast zwangsläufig von rund 12 Prozent im Jahre 1956 auf gut 33 Prozent 1963, um dann bis zum Ende des Jahrzehnts wieder auf 24 Prozent zu sinken. Das Ergebnis rechtfertigte zwar die Maßnahme, trotzdem konnte mittelfristig keine kontinuierliche Verteidigungsplanung vorgenommen werden. Die einsetzende Stagnation der bundesdeutschen Volkswirtschaft führte dazu, dass die Steuereinnahmen nicht mehr in dem bekannten Maße stiegen. Zudem sank analog zur Dauer des Friedens in Europa die Bereitschaft der Westdeutschen, hohe Verteidigungsausgaben zu akzeptieren. Folglich mussten nach der Aufbauphase in den Streitkräften der Gürtel noch enger geschnallt werden und Planungsdefizite sowie Reibungsverluste zwischen den verschiedenen Ebenen so weit wie möglich vermieden werden.

V. Probleme bei der Planung und deren Umsetzung im Rahmen der Aufrüstung

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c) Verfügbare Mittel gegen militärische Erfordernisse: Rüstungsgüterbeschaffung in der Marktwirtschaft »Die Geschichte der westdeutschen Aufrüstung stellt die gängigen Urteile über das Verhältnis von Wirtschaft und Rüstung in einer Industriegesellschaft geradezu auf den Kopf«1 urteilt Werner Abelshauser. Die westdeutsche Industrie war insbesondere in den 1950er Jahren mehr daran interessiert, zivile Güter zu produzieren, als sich auf das unsichere Feld der Rüstungsgüterproduktion zu begeben. Zunächst konzentrierte sie sich auf die profitable Produktion von Investitions- und Konsumgütern. Dabei ging es auch um die Absicherung der gerade eroberten Exportmärkte. Zwischen 1955 und 1958, in den Jahren in denen die westdeutsche Aufrüstung vollzogen und die militärischen Großverbände aufgestellt werden sollten, nahm der Anteil der Verteidigungsausgaben am Nettosozialprodukt signifikant ab. Mit den bekannten marktwirtschaftlichen Mitteln ließ sich die Quote gegen den Druck der zivilen Nachfrage nicht halten. Instrumente der Wirtschaftslenkung hingegen wollten die Rüstungsplaner bewusst nicht einsetzen, und dies obwohl es in diesen Jahren erheblicher ökonomischer Anreize bedurft hätte, die westdeutsche Industrie für die Rüstungsgüterproduktion zu gewinnen. Es gelang nicht, einen angemessen großen Teil der industriellen Kapazität und des Arbeitsmarktes für Zwecke der Aufrüstung umzuwidmen oder zusätzliche neue Ressourcen in diese Verwendung zu lenken. Diese Probleme lösten sich Ende des Jahrzehnts, als die deutsche Industrie eine solide Produktionsbasis und internationale Vertriebsnetze aufgebaut hatte und zeitgleich sich die Auftragslage für zivile Güter merklich verschlechterte. Mithin ist es in einer Marktwirtschaft ungleich schwieriger, Streitkräfte mit Wehrmaterial zu versorgen als in einer staatlich gesteuerten Wirtschaft. Nicht die staatliche Nachfrage bestimmt in diesem System die Bereitschaft der Unternehmen Güter zu produzieren, sondern die Nachfrage an den Märkten. Nur wenn über diese die Produktionskapazitäten nicht effizient ausgelastet werden können, werden sich die Unternehmen nach anderen Auftraggebern umsehen. Diese Unberechenbarkeit der Bereitschaft der Unternehmen, sich auch der Produktion von Rüstungsgütern hinzuwenden, führte dazu, dass die Bundesregierung Maßnahmen ergreifen wollte, um die Bereitschaft der Industrie zu fördern, sich langfristig an Rüstungsprojekten zu beteiligen. Das Wirtschaftsministerium verhinderte aber jedwede Tendenzen staatlicher Lenkungsmaßnahmen im Bereich der Volkswirtschaft. Es verfolgte dabei die Politik, nicht in ökonomisch ungünstigen Situationen die Rüstung zu forcieren. Dies wiederum machte es für das Verteidigungsministerium sehr kompliziert, eine kontinuierliche Fortentwicklung der vorhandenen Waffensysteme zu betreiben oder sogar langfristig neues Großgerät zu entwickeln. Eine Verbesserung dieser Situation entstand erst durch eine ordnungspolitisch gefestigte Volkswirtschaft und einen sich selbst tragenden Massenkonsum in der Bundesrepublik im Laufe der 1960er Jahre. Mit dieser Entwicklung wurde der Rüstung die von bestimmenden Wirt1

Α WS, Bd 4, S. 180 (Beitrag Abelshauser).

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Dieter Η. Kollmer: »Klotzen, nicht kleckern!« Die materielle Aufrüstung des Heeres

schaftsexperten befürchtete »potentiell verformende Kraft«2 bezüglich der Wirtschaftsstruktur und -Ordnung genommen.

d)

»Gebranntes Kind scheut Feuer«: Der schleppende Aufbau der bundesdeutschen Rüstungsindustrie

Erschwert wurde die Ausgangslage dadurch, dass aufgrund der umfassenden Verbote nach dem Zweiten Weltkrieg die westdeutsche Industrie Mitte der 1950er Jahre in der Entwicklung und Produktion von Rüstungsgütern noch nicht das technische Niveau der internationalen Konkurrenz erreicht hatte. Die Verurteilung einiger deutscher Industrieller als Kriegsverbrecher, zehn Jahre Pause in der Erforschung und Entwicklung von Wehrmaterial sowie der Verlust vieler herausragender Wissenschaftler an die Alliierten in Ost und West hatten dazu geführt, dass sich in der Planungs- und Aufbauphase der Bundeswehr zunächst keine eigenständige, sachgemäß strukturierte westdeutsche Rüstungsindustrie entwickelte. Zudem wollten die in Frage kommenden Unternehmen die vorhandenen Produktionskapazitäten für eine militärische Aufrüstung nicht ausdehnen, da an den aufwendigen Investitionen für Serienproduktionen in diesem Bereich seitens der Betriebe kein vitales Interesse bestand. Der Bedarf für die neuen Streitkräfte sollte nach den Vorstellungen der meisten deutschen Unternehmer entweder aus der laufenden Produktion ziviler Güter gedeckt oder aus dem Ausland beschafft werden. Die Bestimmungen in den Pariser Verträgen, gewisse Waffensysteme nicht herstellen zu dürfen, und das »Nash-Commitment« der Vereinigten Staaten kamen diesen Bestrebungen entgegen3. Erst als die Hochkonjunktur Ende des Jahrzehnts nachließ, schenkten auch die bisher weniger interessierten Unternehmen Rüstungsaufträgen größere Beachtung4. Verteidigungsminister Strauß nutzte diese neue Situation und verbesserte das Verhältnis seines Ressorts zur bundesdeutschen Wirtschaft erheblich. Mit seinem »Qualität vor Quantität«-Programm spielte er zunächst gegenüber den Alliierten auf Zeitgewinn. Die darüber hinaus angestrebte erhebliche Leistungsverbesserung in der Warenproduktion kam den Interessen der meisten bundesdeutschen Unternehmen entgegen5. Diese wollten sich nun endlich am Aufbau der Bundeswehr beteiligen, aber in Maßen und zielgerichtet. Strauß 2 3

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Röpke, Weltkrise, S. 612. BA-MA, Bw 1/2739, Bundesverband der deutschen Industrie, Abteilung für Verteidigungswirtschaftliche Angelegenheiten: Memorandum über Verteidigungswirtschaftliche Fragen, 16. Januar 1956. BA-MA, Bw 1/2844, Bundesverband der deutschen Industrie, Abteilung für Verteidigungswirtschaftliche Angelegenheiten an Dr. Bergemann, BMVg. Betr.: Niederschrift über die Sitzung des Arbeitsstabes im Ausschuss für verteidigungswirtschaftliche Fragen des BDI am 20.3.1957. Zur Einstellung der bundesdeutschen Wirtschaft gegenüber der Aufrüstung der Bundeswehr siehe Kollmer, Rüstungsgüterbeschaffung, S. 84-93 und AWS, Bd4, S. 146-154 (Beitrag Abelshauser).

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bewies Weitblick und sah in einer engen, vertrauensvollen Vorgehensweise mit den Unternehmen6 die Chance, sich langsam von den Rüstungsimporten zu lösen und sukzessive eine nachhaltige, heimische (insbesondere bayerische) Rüstungsindustrie aufzubauen. Die Bundesrepublik hatte aufgrund der fehlenden inländischen Kapazitäten in den ersten Jahren des Aufbaus der Bundeswehr immerhin gut die Hälfte der Rüstungsaufträge in das verbündete Ausland vergeben müssen; ein Zustand, der auf lange Sicht insbesondere aus sicherheitspolitischer Perspektive nicht tragbar erschien. Strauß betrieb die Förderung der deutschen Rüstungsindustrie so intensiv, dass zum Ende seiner Ära die Vergabe von Rüstungsaufträgen zu einem bedeutenden Instrument der bundesdeutschen Industrie-, Technologie-, und Regionalpolitik geworden war.

e) »Globalisierung« der Rüstungsgüterproduktion Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte sich in der Produktion von Rüstungsgütern eine Internationalisierung vollzogen, die insbesondere durch die Blockbildung des Kalten Krieges bedingt war. Aber auch die Arbeitsteilung innerhalb der Blöcke und die fehlenden ökonomischen Mittel der meisten Staaten, jedes der modernen und zumeist sehr kapitalintensiven Waffensysteme selbst zu entwickeln, führten dazu, dass die meisten größeren Rüstungsgüter entweder in Kooperation hergestellt oder von einem der großen Staaten der Bündnisse entwickelt wurden. Die Heeresrüstung wurde zunächst von der amerikanischen Industrie und ihren Erfahrungen aus dem Zweiten Weltkrieg sowie dem Koreakrieg bestimmt. Im Laufe der 1960er Jahre bündelten dann die westeuropäischen Kontinentalstaaten ihre rüstungstechnischen Kräfte und entwickelten eigene konkurrenzfähige Waffensysteme, die sogar den führenden amerikanischen Modellen den Rang abliefen. Dabei zeigten sich insbesondere die französische Luftfahrtindustrie und die deutschen Panzerhersteller als ernstzunehmende Kontrahenten der US-Hersteller. Aber auch kleinere Staaten wie Schweden, Österreich oder Israel fanden mit Eigenentwicklungen auf dem Weltmarkt für Rüstungsgüter Beachtung. Trotzdem ist die Produktion von Wehrmaterial von großer nationalstaatlicher Bedeutung geblieben. Insbesondere in den Jahren des Kalten Krieges ging es dabei immer auch um die Frage der Souveränität und im Zweifelsfall der Uberlebensfähigkeit. Auch aus diesem Grund strebten die Gründungsväter der Bundeswehr von Anfang an eine westdeutsche Rüstungsindustrie an. Mit dem Erwerb des rüstungstechnischen Know-how sollte die rüstungswirtschaftliche Selbständigkeit der Bundesrepublik zumindest im konventionellen Bereich gewahrt bleiben.

6

Diese Politik wurde Strauß im Laufe der Jahre immer wieder vorgeworfen. Viele Journalisten vermuteten hinter der vertrauensvollen Zusammenarbeit auch monetäre Einflussnahme der Unternehmen auf die Bundesregierung.

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Dieter Η. Kollmer: »Klotzen, nicht kleckern!« Die materielle Aufrüstung des Heeres

f) Rüstungsgüterbeschaffung zum Ausgleich des deutschen Außenhandelsüberschusses Trotz der Bemühungen, eine eigene Rüstungsindustrie aus den bereits genannten Motiven zu fördern, ist die Beschaffung von Wehrmaterial für die Bundeswehr seit ihrer Gründung ein Politikum gewesen: Es ist eine Art Allzweckwaffe in der Wirtschafts-, Innen- und Außenpolitik - insbesondere wenn es um ökonomische Probleme geht, so auch in der Frage des Ausgleichs des Außenhandelssaldos. Seit Anfang der 1950er Jahre wuchs der Außenhandelsüberschuss der Bundesrepublik gegenüber den meisten westeuropäischen Staaten auf bis dahin nicht gekannte Höhen an. Um hierfür einen angemessenen Ausgleich zu schaffen, suchte man nach geeigneten Produkten, die man aus den betroffenen Ländern importieren konnte. Die Aufrüstung der Bundeswehr bot hierzu eine willkommene Gelegenheit. Das Verteidigungsministerium erhielt vom Wirtschaftsministerium von Anfang an die Vorgabe, eine gewisse Menge Rüstungsgüter im Ausland zu beschaffen. Einerseits sollte die deutsche Wirtschaft nicht zwangsverpflichtet werden, sich an der Aufrüstung zu beteiligen, andererseits war das Wirtschaftsressort sehr daran interessiert, die Mehrzahl der weltweiten Geschäftspartner langfristig an heimische Unternehmen zu binden. Hierzu benötigte man dringend einen qualifizierten Ausgleich der Außenhandelsbilanz. Die Länder, die hierfür in Frage kamen, wurden in der Folgezeit aufgefordert anzugeben, welches Wehrmaterial sie produzieren und der Bundesrepublik ohne größere Probleme liefern könnten. Die meisten Rüstungsgüter wurden aber nicht auf frei zugänglichen Märkten angeboten, so dass Anhaltspunkte für die Preisbildung häufig fehlten. Insbesondere im Ausland beschafftes Wehrmaterial hatte hohe Opportunitätskosten - einen politischen Preis7. Viele der Importe für die jungen Streitkräfte waren also Instrument der auswärtigen Politik, respektive der Außenhandelspolitik8. Rund 60 Prozent des militärischen Großgeräts wurde im ersten Jahrzehnt des Bestehens der Bundeswehr im Ausland beschafft. Dadurch wurden die hohe »zivile« Außenhandelsbilanz zumindest ein wenig ausgeglichen (z.B. gegenüber Belgien, Frankreich und Großbritannien), die Industriepolitik in Südeuropa unterstützt (z.B. in der Türkei und Italien) und die Stationierungskosten der Alliierten mitfinanziert. Für den Zeitraum zwischen 1955 und 1968 betrug das Gesamtvolumen der Auslandsaufträge rund 47Mrd. DM (= 35 Prozent aller vom BMVg erteilten Aufträge)9. Aber auch die Auftragsvergabe für Waren und Dienstleistungen innerhalb der Bundesrepublik wurde häufig eher unter wirtschafts-, finanz- oder regionalpolitischen Gesichtspunkten entschieden als auf der Basis tatsächlicher militärischer Bedürfnisse - ein Problem, das bis zum heutigen Tage das Beschaffungswesen des Verteidigungsministeriums belastet, auch wenn verschiedene Verteidigungsminister in 7 8 9

Umfassend hierzu siehe Kollmer, Rüstungsgüterbeschaffung, S. 96-102. Α WS, Bd 4, S. 168 (Beitrag Abelshauser). Aussage und Tabelle Klingemann, Auf- und Abrüstung, S. 251 -254.

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der letzten Dekade wiederholt angekündigt haben, dass der eigene Etat zukünftig nicht mehr andere Politikfelder mitfinanzieren werde 10 . Hierzu wird das föderale System Deutschlands aber erst in der Lage sein, wenn die Interessen von Bund und Ländern in Bezug auf die Bundeswehr in Ubereinstimmung gebracht worden sind. g)

»Nachfragemonopol« - grundsätzliche Probleme des Ausschreibungsverfahrens

In den ersten Jahren wurde das Ausschreibungsverfahren - insbesondere die öffentliche Ausschreibung - immer wieder kritisiert u n d für den zeitlichen Verzug bei der Materialbeschaffung für das Heer verantwortlich gemacht 11 . Der Bundesrechnungshof stellte in einer Untersuchung im Laufe des Jahres 1957 aber fest, dass aufgrund des großen Zeitdrucks bei den ersten Beschaffungsmaßnahmen für die Bundeswehr die »beschränkte Ausschreibung« und die »freihändige Vergabe« überwogen 12 . Er stellte weiter fest, dass die Verzögerungen nicht nur durch das aufwendige Ausschreibungsverfahren entstanden waren, sondern auch durch organisatorische und verfahrenstechnische Schwierigkeiten innerhalb des Verteidigungsministeriums. Außerdem nahm die Entwicklung neuer Waffensysteme, Uniformen u n d anderer Ausrüstungsgegenstände erheblich mehr Zeit in Anspruch, als dafür veranschlagt worden war. Diese Probleme ziehen sich wie ein roter Faden durch die ersten Jahre des Bundeswehraufbaus. Aufgrund der politischen Vorgaben entstand ein erheblicher Zeitdruck auf die Beschaffungsabteilungen, in dessen Folge die Struktur des Beschaffungswesens zunächst eher suboptimal ausgeprägt wurde. Die Korrektur der anfänglichen Fehlentwicklung wurde erst im Laufe der 1960er Jahre nachvollzogen. Darüber hinaus führten die zeitlichen Vorgaben zu Ungenauigkeiten bei der Bearbeitung von Aufträgen und zu zahlreichen, unnötigen freihändigen Vergaben, die den Steuerzahler sehr viel Geld kosteten. Aber auch dieses Problem war zeitlich begrenzt und verschwand mit den Großprojekten der folgenden Jahrzehnte. Das Ausschreibungsverfahren selbst führte aufgrund der besonderen Situation und der fehlenden Erfahrung der Beamten im Umgang mit demselben verschiedentlich zu erheblichen Verzögerungen. Trotzdem hat sich das Verfahren im Laufe der Jahre als ein probates Mittel für das Bonner Verteidigungsministerium erwiesen, u m als Nachfragemonopolist am Markt nicht unangemessen übervorteilt zu werden. Auch die Unternehmen, die das Verfahren zunächst wegen seiner Unflexibilität kritisiert hatten, passten sich im Lauf der Zeit den Vorgaben des Verteidigungsministeriums an. Sehr bald wussten sie auch dieses System sehr genau im eigenen Sinne zu nutzen. 10

11 12

Zuletzt Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) im November 2004 anlässlich der Bekanntgabe des neuen Stationierungskonzeptes des BMVg. BA-MA, Bw 9/4220, Der Leiter der Abteilung XI an den Staatssekretär, 26. November 1956. Hier zu und zum Folgenden BA-MA, Bw 9/4238, Feststellung des Bundesrechnungshofes zur Bedarfsdeckung der Bundeswehr. 19. August 1957, Blatt 138 b.

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Dieter Η. Kollmer: »Klotzen, nicht kleckern!« Die materielle Aufrüstung des Heeres

h) Auf der Suche nach der »eierlegenden Wollmilchsau«: Die hohen Anforderungen des deutschen Militärs Das Ziel, für die Soldaten der eigenen Streitkräfte stets das beste Material zu erwerben, sollten die Rüstungsabteilungen eines jeden Verteidigungsministeriums verfolgen. Dabei gilt es, die verfügbaren finanziellen Mittel, die Forderungen der Militärs und das Warenangebot im Rüstungssektor optimal in Übereinstimmung zu bringen. Dies war für die Beschaffungsabteilungen im Verteidigungsministerium aus den bereits genannten Gründen nicht immer einfach. Erschwerend kam hinzu, dass die Anforderungen sehr hoch waren, die die militärischen Planer der jungen Streitkräfte an das Wehrmaterial stellten. Geprägt durch die Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges war die Mehrzahl der deutschen Offiziere der Überzeugung, dass die quantitative konventionelle Überlegenheit der Streitkräfte des Warschauer Paktes nur mit qualitativ hochwertigen Waffensysteme angemessen zu begegnen sei. Darüber hinaus hatten die technischen Innovationen während des Zweiten Weltkriegs (z.B. Düsentriebwerk, Panzer- und Raketentechnik) die Waffentechnik grundlegend verändert. Diese Entwicklung ging in den Jahren nach dem Krieg mit beispielloser Geschwindigkeit weiter. Insbesondere die Waffenschmieden in den Vereinigten Staaten setzten die gemachten Erfahrungen - auch mit Hilfe deutscher Wissenschaftler und Ingenieure - im großen Stile um. Die für die U.S. Army entwickelten Rüstungsgüter waren aber nicht nur für die Verteidigung in Mitteleuropa vorgesehen, sondern für den weltweiten Einsatz. Damit entsprachen sie häufig nicht den sehr hohen Anforderungen der deutschen Militärs an die Fahrzeuge für die Bundeswehr. Das machte sich bereits in den Verhandlungen um die kostenfreien Lieferungen der Amerikaner im Rahmen des »Nash-Commitment« bemerkbar. Es drängte sich dabei wiederholt der Eindruck auf, dass die deutschen Unterhändler aufgrund der ihrer Meinung nach nicht ausreichenden Qualität der amerikanischen Schenkungen das entsprechende Material lieber auf dem freien Markt erworben oder selbst entwickelt hätten. So wurde dann auch manches angebotene Großgerät der Amerikaner abgelehnt oder nur in sehr geringer Stückzahl übernommen13. Aber auch bei den eigenen Entwicklungen wollten die Beschaffungsabteilungen sofort das beste und modernste Wehrmaterial erwerben. Nach Möglichkeit sollte das Gerät dann auch alle Konfigurationen haben, die technisch denkbar waren die sogenannte »eierlegende Wollmilchsau«. Dass dies nicht immer den Vorstellungen des Ministeriums entsprechend verlief, zeigten verschiedene Beispiele, allen voran der Beschaffungsvorgang, der im Erwerb des Schützenpanzers HS 30 mündete.

Dieses Verhalten der Deutschen führte bei den Amerikanern zu großen Irritationen. Undankbarkeit wurde den Bonner Behörden unterstellt und die Bereitschaft, den Aufbau der Bundeswehr mit weiteren kostenfreien Lieferungen zu unterstützen, ließ ad hoc merklich nach.

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3. Probleme bei den konkreten Beispielen a)

»Das soll alles gewesen sein?«: Überhöhte Erwartungshaltung an die amerikanischen Hilfeleistungen

Die Erwartungen im Verteidigungsministerium an die zugesagten Hilfen der Vereinigten Staaten für den Aufbau der Bundeswehr waren von Anfang an hoch. Man war der festen Uberzeugung, dass Washington einen substanziellen Beitrag zur Ausstattung der zwölf deutschen Heeresdivisionen leisten würde. Diese überzogene Erwartungshaltung führte dazu, dass die verantwortlichen Abteilungen Wunschlisten zusammenstellten, mit denen sie die amerikanischen Verhandlungspartner verärgerten. Die politisch Verantwortlichen in Bonn hatten offensichtlich nicht verstanden, dass die Amerikaner nicht einen Großteil der westdeutschen Aufrüstung bezahlen wollten. Vielmehr war es das Ziel des Pentagon, nur das Material, welches aus wirtschaftlichen Gründen nicht zeitgerecht und mengenmäßig angemessen zur Verfügung stand, zu günstigen Preisen an die neuen Verbündeten abzutreten. In Washington wertete man deshalb die ökonomischen Eckdaten sorgfältig aus, bevor konkrete finanzielle oder materielle Zusagen gemacht wurden. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Bundesrepublik war somit der Maßstab für die Militärhilfe durch die USRegierung. Da sich die bundesdeutsche Wirtschaft im Aufschwung befand, war die Bereitschaft der Vereinigten Staaten Mitte der 1950er Jahre, substanzielle Militärhilfe zu erstatten, nicht sehr stark ausgeprägt. Zu Recht forderte das Pentagon eine größere Selbstbeteiligung der Bundesrepublik an der Aufrüstung als noch Anfang des Jahrzehnts geplant gewesen war. Die Bundesregierung hingegen erwartete, dass die Amerikaner die in Aussicht gestellten Leistungen auch erbringen würden. Die Situation drohte zu eskalieren, als das »Nash-Commitment« in der »Nash-Liste« konkretisiert wurde und die deutsche Seite offen ihrer Enttäuschung darüber Ausdruck verlieh. In Washington empfand man dieses Verhalten als Affront und forderte zukünftig für jede Lieferung den handelsüblichen Preis gegen Barzahlung. Die Bundesregierung wiederum war überrascht und enttäuscht über die heftige amerikanische Reaktion, musste aber sehr schnell erkennen, dass die Forderungen, die die USA für Waffen und Gerät stellten, immer noch sehr konziliant waren. Auch wenn dieser Konflikt zu Verstimmungen auf beiden Seiten führte, löste sich das Problem, als deutlich wurde, dass beide Partner von dieser Situation profitieren würden. Die USA konnten ihr veraltetes Gerät zunächst an die Bundeswehr abgeben, Schulungen durchführen, die entsprechende Ersatzteilversorgung sicherstellen14 und auf Anschlussaufträge für die Nachfolgemodelle spekulieren. Diese Rechnung ging in weiten Teilen auf. So wurde beim Heer Ersatzteillieferung, Schulung und Wartung sind bei der Produktion von Rüstungsgütern häufig finanziell wesentlich lukrativer als der einfache Verkauf von Waffensystemen.

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Dieter Η. Kollmer: »Klotzen, nicht kleckern!« Die materielle Aufrüstung des Heeres

der Kampfpanzer Μ 48 als Nachfolger für den Kampfpanzer Μ 47 beschafft und das Artilleriegroßgerät bis in die 1970er Jahre fast ausschließlich von den USA bezogen. Die Bundesrepublik erhielt - wenn auch zu höheren Kosten als erhofft - einfach und schnell große Mengen militärischen Materials. Zudem konnten die Soldaten vor Ort von amerikanischen Experten ausgebildet werden. Dies führte letztlich dazu, dass die neuen Bündnispartner vor allem auf der ausführenden Ebene sehr schnell ein gutes Verhältnis zueinander aufbauten. b)

» S o ein Schrott!«: Missbrauch der Rüstungsgüterbeschaffung für militärfremde Ziele

Der Erwerb von Rüstungsgütern ist ein wichtiger, weil finanziell prominenter Bestandteil der Staatsnachfrage, die wiederum ein bedeutendes politisches Lenkungsinstrument jeder Regierung ist. Die Ausgaben für Rüstungsgüter orientieren sich in demokratischen Staaten aus diesem Grund häufig nicht so sehr an den militärischen Bedürfnissen als vielmehr an Fragen der Außen-, Sicherheits-, Innen-, Sozial-, Finanz-, Wirtschafts- und Außenhandelspolitik des jeweiligen Landes. Folglich wird die Entscheidung über die Beschaffung von Wehrmaterial durch Politiker getroffen, die oft von anderen Motiven geleitet werden als von der militärisch-sachlichen Begründung und Notwendigkeit. In den ersten Jahrzehnten ihrer Existenz diente die Bundeswehr als Mittel zum Zweck für die jeweilige Bundesregierung im Rahmen der Abschreckungsstrategie der NATO. Dadurch wurde die Bundeswehr einem Entscheidungsprozess unterworfen, der für ihre militärische Einsatzfähigkeit häufig von Nachteil war. Wiederholt hatten Beschaffungsmaßnahmen, die aus außenhandels-, bündnis-, regional- oder wirtschaftspolitischen Erwägungen getroffen wurden, zur Folge, dass Ausrüstungsgegenstände beschafft wurden, die nicht einmal den Mindestanforderungen der Truppe entsprachen. Bekannte Beispiele hierfür sind die Schützenpanzer HS 30 und die Beschaffung von Munition aus der Türkei. Haben beim HS 30 noch verschiedene andere Faktoren eine wichtige Rolle gespielt, so ist die Beschaffung der »Türkenmunition« nachweislich verdeckte Militärhilfe an Ankara gewesen. Auch wenn das Bonner Verteidigungsministerium selbstverständlich darum bemüht war, brauchbare Munition als Gegenleistung zu erhalten, ging es bei diesem Beschaffungsvorgang primär darum, einen Verbündeten finanziell zu unterstützen. Es war also nicht von entscheidender Bedeutung, ob das militärische Gerät das optimale Material für den Benutzer darstellte, sondern dass es die politische Intention des Entscheidungsträgers erfüllte. Der militärische Nutzen wurde somit zum Sekundärziel und der Nebeneffekt zum Hauptzweck. Ändern wird sich dies aber nur, wenn die Medien und mit ihnen eine breitere Öffentlichkeit das politische Fehlverhalten als bedeutendes gesamtgesellschaftliches Problem erkennen.

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»Immer her damit...«: Quantität statt Qualität führte zu falschen Kaufentscheidungen

Das Hauptproblem der Aufrüstung der Bundeswehr war die hohe Aufstellungsgeschwindigkeit, die Bundeskanzler Adenauer der NATO versprochen hatte. Um die angestrebten 500 000 Mann auszurüsten, musste in einem extrem kurzen Zeitraum sehr viel Material beschafft werden. Allein das Heer hatte rund 350 000 Soldaten auszustatten, unterzubringen u n d auszubilden. Um diese umfangreichen Beschaffungsmaßnahmen angemessen durchführen zu können, hätte das Verteidigungsministerium einen großen Stab an geschultem Personal gebraucht u n d nicht nur die zu diesem Zeitpunkt 200 vorhandenen Beamten und Soldaten. Diese bemühten sich redlich, der Flut von Anträgen und Maßnahmen gerecht zu werden, und kauften so schnell wie möglich soviel wie nötig zusammen. Es entstand folglich eine bunte Mischung unterschiedlichsten Gerätes. So wurde z.B. die (Panzer-)Grenadiertruppe mit einer Mischung bestehend aus dem britischen Schützenpanzer Bren Carrier, dem Schützenpanzer Μ 39 als Teil der »Nash-Listen«-Lieferung aus den USA u n d dem bereits in der Truppe befindlichen Unimog 1,5-t-Lkw ausgestattet. Die Notwendigkeit, so schnell wie möglich das benötigte Material zur Verfügung zu stellen, führte selbstverständlich wiederholt zu Fehlentscheidungen. Vor diesem Hintergrund ist es nicht überraschend, dass es auch Verzögerungen gab und sogar Fälle von Geldverschwendung, Betrug u n d Bestechung eintraten. Ein Beispiel in diesem Zusammenhang ist die Beschaffung des HS 30, die unter normalen Umständen sicherlich nicht zustande gekommen wäre. Ziel der Beschaffungsabteilungen des Verteidigungsministeriums war es, einen Schützenpanzer für die Grenadiertruppe zu beschaffen, der dem Kampfpanzer Μ 47 respektive Μ 48 im Gefecht folgen konnte, u m im Verteidigungsfall den Kampf der verbundenen Waffen effektiv führen zu können. Hierzu wurde - ohne genauere Erkundigungen einzuholen - eine Schweizer Firma beauftragt, die keine entsprechenden Konstruktionspläne oder Modelle vorweisen konnte, geschweige denn je einen Panzer gebaut hatte. So etwas hätte aufgrund der vorliegenden anderweitigen Angebote (z.B. AMX 13 VTP, Μ 59) eigentlich nicht passieren dürfen. Aber der Zeitdruck, die Versprechungen der Schweizer, ein wohlwollendes Gutachten (»Phillipps-Gutachten«) und begeisterte Beschaffungsoffiziere führten in dieser besonderen Situation zu einer falschen Kaufentscheidung, die den Steuerzahler teuer zu stehen kam.

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4. »Lessons learned...«: Wie die anfänglichen Probleme behoben wurden Insgesamt muss man den an der Beschaffung von Wehrmaterial beteiligten Abteilungen des Verteidigungsministeriums in der Aufbauphase der Bundeswehr ein erhebliches Maß an Lernfähigkeit bescheinigen. Als es im Jahre 1953 erste Bestrebungen in Richtung Aufrüstung bundesdeutscher Streitkräfte gab, bestanden noch keine Beschaffungsstrukturen oder Vorgaben, auf welche Art und Weise Wehrmaterial erworben werden sollte. Die Strukturen und Verfahren entstanden erst im Laufe der folgenden Jahre. Dies geschah durch die Entwicklung des Rechtswesens in der Bundesrepublik, internationale Handelsabkommen und selbstverständlich durch die wachsende Erfahrung der Ministerialbürokratie im Umgang mit den Anbietern von Rüstungsgütern. Die prinzipiellen Lehren der Beschaffungsabteilungen im Verteidigungsministerium waren, dass man in Zukunft - nicht mehr überstürzt Verträge abschloss - Geschäfte nur noch anhand von durch mehrere Instanzen überprüften Standardverträgen mit grundsätzlichen Klauseln tätigte - Aufträge, die eine gewisse Größenordnung überschritten, nur im Rahmen eines öffentlichen Ausschreibungsverfahrens vergab - Aufträge ab einer gewissen Größenordung nur an Firmen vergab, deren Leumund über jeden Zweifel erhaben war - insbesondere Spezialgerät nur noch von Unternehmen erwarb, die in dem jeweiligen Fachgebiet bereits eine zweifelsfreie Expertise besaßen - Großgerät den Auftragnehmern nur noch schrittweise abnahm, damit eine gewisse Teilverantwortung bei denselben verblieb. Der enorme Zeitdruck, der in den ersten fünf bis sechs Jahren auf den Beschaffungsabteilungen des Verteidigungsministeriums lastete, war eine Sondersituation, wie sie seitdem nicht wieder vorgekommen ist. Trotzdem wurden im Laufe der Jahre Beschaffungsabläufe geschaffen, die einen schnellen Erwerb von Rüstungsgütern ermöglichten. Diese Abläufe orientieren sich an den Entwicklungen der nationalen und internationalen Märkte für die jeweiligen Produkte. Grundsätzlich gilt aber seit Mitte der 1960er Jahre zunächst das »Primat der inländischen Beschaffung«. Nur wenn bedeutende außen- oder außenhandelspolitische Gründe für eine uni- bzw. multilaterale Beschaffung sprechen, wird von diesem Grundsatz abgewichen. Ursprünglich ist es für die Verantwortlichen in Bonn von Bedeutung gewesen, die westdeutsche Industrie in langfristige Projekte einzubinden, damit rüstungstechnisches und wirtschaftliches Know-how aufgebaut und die Fixkosten auf ein Minimum reduziert werden konnten. Zudem sollte eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen dem Ministerium und den betroffenen Unternehmen entstehen. Hierzu wurden Ausschüsse geschaffen und Gesellschaften gegründet. Eine der bekanntesten und einflussreichsten dieser

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Art ist die »Gesellschaft für Wehrtechnik« (GfW). Die Ausschüsse und Gesellschaften sollten in dem anfänglich sehr schwierigen Umfeld die Abläufe koordinieren und die Auftragsvergabe erleichtern. Im Laufe der Jahre und der Entwicklung einer intensiven Lobbyistentätigkeit im Umfeld des Deutschen Bundestages haben sich dann die Ausschüsse und Gesellschaften verstärkt dem Lobbyismus zugewandt. Diese Zusammenarbeit war gerade in Anbetracht der massiven internationalen Konkurrenz von großer Bedeutung. Amerikanische Großunternehmen und französische Staatskonzerne setzten den deutschen Konkurrenten mit sehr günstigen Angeboten immer wieder zu. Dies war durch die rechtlichen Bestimmungen im Rahmen der öffentlichen Ausschreibung möglich geworden, an denen sich auch internationale Konzerne beteiligen konnten. Die meisten ausländischen Anbieter hatten den großen Vorteil, dass sie ihre Produkte weltweit fast ohne Beschränkungen vertreiben konnten womit ihnen bei gleichen Preisen mit ihren Produkten deutlich bessere Skalenerträge möglich waren als ihren deutschen Mitbewerbern. Die bundesdeutschen Rüstungsunternehmen hingegen hatten zusätzlich umfassende Einschränkungen durch die Bestimmungen im Grundgesetz und durch den WEU-Vertrag hinzunehmen. Mithin war eine zielstrebige, vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen dem Verteidigungsministerium und der deutschen Industrie bei der Verwirklichung von Großprojekten von besonderer Bedeutung. Als sich die Aufbauphase der Bundeswehr ihrem Ende zuneigte, ging man Anfang der 1960er Jahre in den Beschaffungsabteilungen des Ministeriums dazu über, Fahrzeugfamilien und -plattformen für das Großgerät des Heeres zu planen. Ziel dieses für die Zukunft der Bundeswehr wichtigen Schrittes war es, eine grundsätzliche Vereinheitlichung bei den Waffensystemen und der Ausrüstung der Soldaten herbeizuführen. Um dabei nicht weiter vom Angebot internationaler Anbieter abhängig zu sein, wurden in enger Zusammenarbeit mit erfahrenen deutschen Rüstungsunternehmen umfangreiche Entwicklungsvorhaben auf den Weg gebracht. Die Modelle, die sich in den folgenden Jahren durchgesetzt haben, bilden noch heute die Grundlage für die Hauptwaffensysteme der Bundeswehr (u.a. »Leopard«, »Marder«, »Gepard«). Durch diese Entwicklung gelang es dem Ministerium zugleich, den Übergang von der unumgänglichen »Breitenrüstung« der Aufbauphase zu einer koordinierten, dem Auftrag angemessenen »Tiefenrüstung« einer etablierten Armee zu verwirklichen. Hierdurch konnten erhebliche Synergieeffekte erzielt werden. So bestand aufgrund der Standardisierung des Großgerätes die Möglichkeit, die Ausbildung innerhalb verschiedener Truppengattungen zu vereinheitlichen. Die Vorratshaltung konnte beträchtlich verringert werden ebenso wie die Anzahl der Instandsetzungsspezialisten für die verschiedenen Fahrzeugmodelle des Heeres. Diese Standardisierung des Gerätes führte überdies dazu, dass der Kampfwert der verschiedenen Einheiten und Verbände der Bundeswehr im Laufe der Jahre angeglichen werden konnte - ein nicht zu unterschätzender Faktor bei der Bewertung der Einsatzfähigkeit von Streitkräften. In Einzelfällen wurden dennoch nach wie vor Rüstungsgüter für das Heer auch aus dem Ausland beschafft. Dies waren aber grundsätzlich Ausrüstungsgegenstände, die aus öko-

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nomischen oder rüstungstechnischen Gründen in internationaler Kooperation hergestellt wurden. Bekannte Beispiele hierfür sind das Flugabwehrraketensystem »Roland«, die Haubitze FH 70 und der Schwerlasttransporter »Elefant«. Alles in allem: Zu Beginn der 1970er Jahre hatte die Rüstungsgüterbeschaffung für das Heer einen weiten, recht erfolgreichen Weg hinter sich gebracht. Die anfänglichen Probleme hatten die Verantwortlichen in Bonn auf sehr vielfältige Art und Weise in den Griff bekommen. Dennoch darf eines nicht übersehen werden: Reibungsverluste bei der Beschaffung von Rüstungsgütern hat und wird es auch weiterhin geben. Sie lassen sich nicht verhindern, weil die Entscheidungsträger mit der zum Teil milliardenschweren Auftragsvergabe zu viele militärfremde Ziele verfolgen - bis zum heutigen Tag.

Rudolf J. Schlaffer

Schleifer a.D.? Zur Menschenführung im Heer in der Aufbauphase

I. Einleitung Zur Einführung in das Thema soll ein plakatives Beispiel einer Armee in der Demokratie aus dem Jahr 1953 aufzeigen, dass selbst ein parlamentarisches Regierungssystem und eine demokratische Gesellschaftsordnung an sich noch lange keine Garantie gegen willkürliche Handlungen von manchen Vorgesetzten gegenüber Untergebenen sind 1 . Obwohl das innere Gefüge dieser Armee seit knapp 13 Jahren konsequent an die politische und gesellschaftliche Ordnung des Staates angeglichen worden war, kamen alljährlich Verstöße gegen Grundsätze der dort geforderten Menschenführung immer wieder vor: »Der Soldat Ridderstedt, von Beruf Gärtnermeister, vollendete seine militärische Dienstpflicht bei einem schwedischen Trainregiment. Er war öftem kränklich und musste wiederholt dem Dienst fernbleiben. Eines Tages litt er unter starker Heiserkeit. Er ließ sich bei der medizinischen Abteilung seines Regiments Heilmittel und einen wärmenden Verband verabfolgen, nahm aber trotz seiner Heiserkeit am Scharfschießen teil. Hier hatte der Zugkommandant, Fähnrich Odmark, angeordnet, dass jeder Schütze nach jedem abgegebenen Schuss mit lauter Stimme Namen und Resultat bekannt geben solle. Dies tat auch der Soldat Ridderstedt: er konnte dies, da er heiser war, jedoch nicht zur Zufriedenheit seiner Vorgesetzten tun. Ohne eine Erklärung zur Kenntnis zu nehmen, hielt ihm der Fähnrich entgegen: >Ich habe gesagt, Sie sollen lauter sprechen, und dann, der Teufel soll mich holen, müssen Sie dies auch tunIch werde Sie schon noch erziehenunten< wird Menschenführung unmittelbar praktiziert. Die Anzahl der Eingaben an den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages sind ein Indiz für praktizierte Menschenführung, wenn auch vornehmlich als Negativfilter. Verglichen mit den anderen Teilstreitkräften Luftwaffe und Marine ergibt sich aber ein differenziertes Bild bei der Beurteilung des Heeres. Zum Schluss wird nach einem Fazit in einer Synthese der Versuch unternommen, Spezifika und das besondere Selbstverständnis des Heeres aufzuzeigen (Kapitel V). Neben der Auswertung der bundeswehrinternen Akten lohnt auch die besondere Berücksichtigung der Außenperspektive29. Die Jahresberichte des Wehrbeauftragten und seine Schriftwechsel mit dem Bundesverteidigungsministerium, den nachgeordneten militärischen Dienststellen und betroffenen Soldaten gewähren einen überaus authentischen Einblick in die Vorkommnisse und geben damit den Blick auf den Problemkomplex Menschenführung im Heer frei. Methodisch bleibt aber das Problem der unterschiedlichen Betrachtung der Realitäten: zwischen zum einen dem bundeswehrinternen Schriftgut mit einer deutlichen Perspektivenkonzentration >von oben< und zum anderen der Perspektive des Wehrbeauftragten als Beschwerdestelle. Denn die innerhalb der Bundeswehr entstandenen Zustandsberichte und der Schriftverkehr zeigen die rein militärische Bewertung. Sie sind tendenziell nach außen positiv und Kritik abwehrend »eingestellt«, analysieren aber systemintern auch oft sehr drastisch und problemorientiert die Schwierigkeiten des Heeres in der Aufbauphase30. Die Feststellungen des Wehrbeauftragten dagegen weisen durch vermehrte unangemeldete Besuche eine größere Authentizität auf. Jedoch schwingen hintergründig persönliche Motivationen der Soldaten, deren Eingaben oft der Auslöser für die Truppenbesuche waren, um damit eigene Ziele gegen den Willen ihrer Vorgesetzten zu erreichen. Der Wehrbeauftragte wurde nur dann

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Die Quellen zu diesem Thema sind insgesamt durch die Überlieferungen aus dem Bereich der Bundeswehr sehr reichhaltig, aber größtenteils noch nicht archivarisch erschlossen; vgl. hierzu im Bundesarchiv-Militärarchiv (BA-MA) vor allem die Bestände Bw 1, 2, 9 sowie BH 1, 2,13. So konnte ein positives Bild durch eine »gestellte Ausbildung* für die Dienstauf sieht, zumal wenn sie angemeldet war, bei der übergeordneten Führung entstehen, welches aber nicht dem täglichem Dienstbetrieb entsprach.

I. Einleitung

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tätig, wenn er von Mängeln erfuhr, und es war nicht seine Aufgabe, eine positive Menschenführung durchzusetzen31. Die alltagsgeschichtliche Perspektive gibt der »grauen Masse der Namenlosen« Konturen32. Die alltägliche Menschenführung im Heer besteht auch aus einer Vielzahl von positiven Beispielen. Dies stellt das methodische Kernproblem dieser Abhandlung dar: eine ausgewogene Analyse der Menschenführung im Heer mit dem verfügbaren Quellenmaterial vorzunehmen. Denn die zeitgemäße Menschenführung reduziert sich nicht nur auf die Anzahl von Verstößen während des Betrachtungszeitraumes, sondern sie zeigt sich auch in der Behandlung der Vorfälle durch die Vorgesetzten und in den Konsequenzen für die »Schleifer« vom Typus eines Platzek. Daher kann durchaus auch ein Negativbeispiel ein Beleg für ein mehrheitlich positives Gesamtbild in der untersuchten Institution darstellen. Die Bestrafung des »Schleifers« wäre somit Ausdruck einer zeitgemäßen Menschenführung. Die Literatur zum Thema »Menschenführung« ist sehr vielfältig, besteht aber meist aus offiziellem oder offiziösem Schrifttum der Bundeswehr33. Wissenschaftliche Arbeiten aus dem Bereich »Führungsmanagement« oder »Personalführung« sind auf eine militärische Organisation nur bedingt übertragbar und daher wenig für eine Analyse der »Menschenführung in der Truppe« geeignet34. Zwar können durchaus gewisse Personalführungsinstrumente für den militärischen (Friedens-)Betrieb angewendet werden, diese versagen aber bereits in längeren Übungs-, Einsatz- oder gar Kriegszeiten. Denn das militärische (Befehls-)Gewaltverhältnis entscheidet im Einsatz über Leben und Tod. Dies gilt zwar [vergleichbar] auch für Polizei oder Feuerwehr, jedoch unterscheiden sie sich vom militärischen Bereich in den Zielvorgaben. Während die zivilen Organisationen primär einer Präventionsstrategie folgen, konzentriert sich das Militär in ultimo auf den Kampf gegen den Feind. Daher benötigt das Militär besonders verantwortungsvolle und gut ausgebildete Vorgesetzte, die vor allem über die persönliche Fähigkeit zur Menschenführung verfügen müssen. Daher kam und kommt einer Personalauswahl und -führung im Heer eine zentrale Bedeutung zu, da sowohl der Offizier als auch der Unteroffizier in jungen Jahren sehr viel Verantwortung für Menschen und, diesen weit untergeordnet, für 31

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Dabei darf man nicht der Gefahr unterliegen, durch eine Negativauswahl von Vorkommnissen, die quellenmäßig in der Regel wesentlich ausführlicher belegbar sind, einer einseitigen Betrachtungs- und Bewertungsweise zu verfallen. Für eine authentische Bewertung sind diese Negativbeispiele aber unverzichtbar, um die Problemlagen für die Soldaten analysieren zu können. Vgl. demnächst Schlaffer, Der Wehrbeauftragte 1951-1985. Vgl. Lüdtke, Alltagsgeschichte, S. 560 und 564. Vgl. z.B. Kooperation und Partnerschaft in den Streitkräften?; Heßler, Militär - Gehorsam - Meinung; Warnke, Der Offizier der Bundeswehr; Genschel, Psychologische Verteidigung, S. 419-422; Schulte, Menschenbild und soldatische Leitbilder, S. 584-588; Jacoby, Menschenführung in der Bundeswehr; Menschenführung in modernen Streitkräften; Pöggeler, Menschenführung in der Bundeswehr; Menschenführung in der Bundeswehr; Menschenführung: praktisches Handbuch für Vorgesetzte; Schulte, Verteidigung im Frieden. Aus der Vielzahl z.B. Menschenführung in Bundeswehr und Wirtschaft; Schall, Führungsgrundsätze, S. 10-18; Schweinitz, Neue Management-Methoden, S. 319-321.

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Rudolf Schlaffer: Zur Menschenführung im Heer in der Aufbauphase

hohe Materialwerte übernehmen müssen. Der Lehrsatz in der Heeresdienstvorschrift »Truppenführung« (HDv) 100/1 aus dem Jahr 1962 lautet: »Führer und Truppe müssen lernen, sich der Technik zu bedienen, ohne sich von ihr beherrschen zu lassen [...] Trotz aller hochentwickelten technischen Mittel entscheidet den Kampf zuletzt der Mensch35.« Eine umfassende geschichtswissenschaftliche Studie zur Menschenführung in der Bundeswehr liegt bisher noch nicht vor. Auch diese Abhandlung stellt einen solchen Anspruch nicht; in ihr soll vielmehr an Teilaspekten in der Früh-, Aufbau- und beginnenden Konsolidierungsphase der Umgang mit dem Menschen als Soldat innerhalb der Teilstreitkraft Heer betrachtet werden.

35

Heeresdienstvorschrift (HDv) 100/1, S. 15, Hervorhebung im Original.

II. Menschenführung im Heer - Voraussetzungen 1. Das schwedische Modell und die westdeutsche Innere Führung W e n i g e r die A u s e i n a n d e r s e t z u n g e n eines W o l f Graf v o n Baudissin u n d Ulrich d e Maiziere 1 auf der einen o d e r H e i n z Karst 2 u n d H a n s - G e o r g v o n Studnitz 3 als E x p o n e n t e n auf der a n d e r e n Seite über die Innere F ü h r u n g stehen i m Z e n t r u m der n a c h f o l g e n d e n A u s f ü h r u n g e n , s o n d e r n die P l a n u n g der praktischen A u s gestaltung innerhalb der B u n d e s w e h r . Der s c h w e d i s c h e W e g k a n n hier als vorbildhaft gelten, w e s h a l b ein Blick auf diese A r m e e l o h n e n s w e r t ist. Dabei s c h i m m e r t gleichsam als Folie die »ideologische« K o m p o n e n t e durch. H i e r sei v o r allem die Interpretation der Inneren F ü h r u n g als Mittel der geistigen Rüstung zur A u s t r a g u n g d e s »Weltbürgerkrieges« genannt 4 . G e n a u s o w i e die A u s bildungsvorschriften verbleibt sie i m H i n t e r g r u n d , u m die Praxis der M e n s c h e n f ü h r u n g i m H e e r nicht theoretisch z u überfrachten. Einige Erfahrungen, wie die V o r g e s e t z t e n mit d e n Soldaten in d e n vorherig e n deutschen A r m e e n u m g e g a n g e n w a r e n , veranlassten die Planer in der Dienststelle Blank 5 , sich G e d a n k e n z u m a c h e n , w i e eine n e u e d e u t s c h e Streitm a c h t intern z u organisieren sei. In der W e h r m a c h t beispielsweise herrschte in 1

2

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4

5

ΑWS, Bd 3, S. 898-900, 936-976 (Beitrag Meyer). Vgl. dazu auch die Autobiografie von de Maiziere, In der Pflicht und die Schriften von Graf von Baudissin, Nie wieder Sieg. Karst, der als Hauptmann a.D. in der Dienststelle Blank der engste Mitarbeiter Baudissins gewesen war, avancierte zu seinem »ideologischen« Gegenspieler in der Auslegung der Inneren Führung. Seine Motive beschrieb er in einem Brief an Karl Wilhelm Berkhan wie folgt: »Was wollte ich all die Jahre? Nichts anderes als das, was jede Armee mit Selbstachtung und Schlagkraft ohnehin tut: nämlich die primäre Orientierung nicht an der >Gesellschaft< mit ihren schnell wechselnden Moden und Erregungen, sondern an den unerbittlichen Imperativen des Verteidigungsfalles, d.h. des Art. 87 a GG. Mitunter hatte man den Eindruck, die Bundeswehr sei nicht geschaffen, das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen, sondern sich in die Gesellschaft zu integrieren. Hier wird die sozial gänzlich veränderte Wirklichkeit mit einem veralteten Vokabular von gestern beurteilt« (Archiv Helmut Schmidt, NL Berkhan, WB, Allgemeiner Schriftverkehr, Schreiben von Brigadegeneral a.D. Heinz Karst an den WB Berkhan vom 13.12.1984). Studnitz, Rettet die Bundeswehr!; vgl. weiter Abenheim, Bundeswehr und Tradition, S. 173-175. Vgl. Baudissin, Nie wieder Sieg, S. 55: »Der Kalte Krieg als >Friedensform< eines schwellenden Weltbürgerkrieges greift in alle Bereiche des Lebens der weißen und farbigen Völker und belastet die Beziehungen der Staaten untereinander.« Vgl. hierzu die Beiträge in dem Band Menschenführung im Heer.

630

Rudolf Schlaffer: Zur Menschenführung im Heer In der Aufbauphase

einigen Ausbildungseinheiten die Tendenz, den einzelnen Rekruten seiner Würde zu berauben6. Ein ehemaliger Wehrmachtsrekrut schilderte im Jahr 1979 folgende Extreme: »Und da hieß es noch - ganz kleines Beispiel - sonnabends morgens antreten: >Wer kann Rad fahren?< Dann dachten natürlich alle, jetzt geht's [los]. >Vortreten! So, Sie putzen mal die Latrine mit der Zahnbürste heute morgenInnere Gefüge< der Streitkräfte« der Abteilung I Pl/W/Gl/3 vom 30.6.1952, S. 2.

632

Rudolf Schlaffer: Zur Menschenführung im Heer in der Aufbauphase

machtsangehörige, bzw. das Bild von ihm, der geeignete und den neuen Ansprüchen genügende Soldat einer künftigen westdeutschen Armee sein? Diese neuen Streitkräfte mussten ihre Kampfkraft aus der Moral der einzelnen Soldaten und der kleinen Teams von ihnen gewinnen. Sie brauchten den Einzelkämpfer, der hart und gut ausgebildet selbständig handeln würde. Hier waren die Parallelen, bei allen Unterschieden im Politik-, Gesellschafts- und Wirtschaftssystem, zwischen Schweden und der Bundesrepublik Deutschland offensichtlich. Es wurde ein Soldat benötigt, der als Persönlichkeit überzeugte, um aus ihm den Einzelkämpfer zu formen, der sich aus Einsicht unterordnete und wusste, wofür er Soldat geworden war und, vor allem, was er im Kriegsfall zu verteidigen hatte: »Diese Persönlichkeit ist der Staatsbürger in UniformBundeswehrvom*9*n ,··* Tauber\ \

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Einführung von Großgerät Bei Aufstellung der westdeutschen Streitkräfte gab es als Folge des verlorenen Krieges kein militärisches Großgerät mehr in der Bundesrepublik Deutschland. Dessen waren sich die Ausrüstungsplaner der Dienststelle Blank bewusst. Ihnen war auch klar, dass die Erstausstattung der neu entstehenden Streitkräfte mit im Ausland hergestellten Waffensystemen und Fahrzeugen erfolgen musste (siehe hierzu auch den Beitrag von Dieter Kollmer). Lediglich im Bereich der Lastkraftwagen konnte eine Ausstattung mit in Deutschland hergestellten Kraftfahrzeugen in Betracht gezogen werden. Daher lieferten die Alliierten, hauptsächlich die USA, das zur Aufstellung von Heeresverbänden benötigte Material. Es handelte sich dabei in der Aufstellungsphase vielfach um gebrauchtes und teilweise veraltetes Material. Manche Waffensysteme wurden deshalb nur noch sehr kurz eingesetzt, bis sie durch neuere und vor allem modernere Systeme ersetzt werden konnten. Die folgenden Übersichten zeigen die Nutzungsdauer der wichtigsten Waffensysteme, Fahrzeuge und Luftfahrzeuge im Heer von der Aufstellung der Bundeswehr bis zum Jahr 2004. Allerdings werden die Zeiten der Erprobung in der Truppe nicht berücksichtigt. Als Jahr der Einführung wird das Jahr betrachtet, in dem die ersten Systeme zur regulären Nutzung an die jeweilige Truppengattung übergeben worden waren. Manche Systeme wurden nach ihrer geplanten Nutzungsdauer außer Dienst gestellt, einige andere, die bei ihrer Einführung mit einer Nutzungsdauer von 10 bis 15 Jahren vorgesehen waren, deutlich länger genutzt. Das Großgerät wird in Systemkategorien dargestellt, auf eine Einteilung nach Truppengattungen und auf eine Einbeziehung von nicht selbstfahrendem Gerät wurde der Übersichtlichkeit halber verzichtet. Während so bei einigen Waffensystemen alle eingeführten Typen darstellbar sind, ist dies aufgrund der Vielfalt z.B. bei den Lastkraftwagen nicht möglich. Deshalb sind nur die bekanntesten und in nahezu allen Truppengattungen verwendeten Typen aufgeführt.

741

Einführung von Großgerät

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Ausgewählte Kurzbiographien, Übersichten und Karten

Einführung von Großgerät

745

Chronologie 1945 bis 2004 Die Chronologie verzeichnet Daten u n d Ereignisse aus d e m Bereich der Internationalen Sicherheitspolitik u n d des Kalten Krieges mit Schwerpunkt auf der Sicherheitspolitik der Bundesrepublik Deutschland u n d der Geschichte der Bundeswehr. Angaben zur Geschichte des Heeres sind typografisch hervorgehoben u n d a m Ende d e s jeweiligen Jahres zusammengefasst. 1945 8.5. 5.6. 26.6. 17.7.-2.8. 6. und 9.8. 20.9.

Bedingungslose Gesamtkapitulation der deutschen Wehrmacht »Berliner Erklärung« der Alliierten über Regierungsgewalt, Kontrollverfahren und Besatzungszonen in Deutschland Unterzeichnung der Charta der Vereinten Nationen in San Francisco Konferenz von Potsdam über die Nachkriegsordnung in Europa Abwurf von Atombomben auf die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki durch die USA Verbot aller dt. militärischen und paramilitärischen Institutionen oder Organisationen sowie aller militärischen Übungen, Propagandaaktivitäten oder Tätigkeiten durch den Alliierten Kontrollrat

1946 5.3.

Erstmalige Verwendung des Begriffs »Eiserner Vorhang« für die Spaltung Europas durch Winston S. Churchill bei seiner Rede im Fulton-College, Missouri

1947 4.3. 12.3. 5.6. 22.9.-27.9.

Vertrag von Dünkirchen zwischen Frankreich und Großbritannien zum Schutz gegen mögliche Angriffe Deutschlands Botschaft von US-Präsident Harry S. Truman über Hilfe der USA für alle in ihrer Freiheit bedrohten Völker (Truman-Doktrin) Vorschlag für einen europäischen Wiederaufbaufonds durch US-Außenminister George C. Marshall (Marshall-Plan) Gründung der Kominform als Organisation für die ideologische Einheit im Ostblock

1948 23.2.-2.6.

Einigung auf eine Teillösung der Deutschlandfrage bei der Londoner

Chronologie

17.3. 18.6.

747 Sechs-Mächte-Konferenz der Westmächte und der Benelux-Staaten Brüsseler Vertrag (Benelux-Staaten, Frankreich, Großbritannien): gegenseitige Beistandsverpflichtung im Rahmen der UN-Charta gegen jeden Angriff Beginn der Blockade Berlins; Luftversorgung der Stadt ab 26.6. (»Luftbrücke«)

1949 4.4. 8.5. 12.5. 29.8. 7.10. 12.10. 24./25.11.

Unterzeichnung des Nordatlantikvertrages in Washington Verabschiedung des Grundgesetzes durch den Parlamentarischen Rat Ende der Berliner Blockade Erste erfolgreiche Erprobung einsatzfähiger Atomwaffen in der UdSSR Gründung der Deutschen Demokratischen Republik Bildung der Hauptverwaltung Ausbildung (HVA) im Innenministerium der DDR (aus Hauptverwaltung Schulung) Bundestag lehnt in seiner ersten außenpolitischen Debatte eine nationale Wiederbewaffnung ab

1960 24.5. 1.6. 25.6. 28.7. 29.8. 12.9.-18.9.

3.10.-6.10.

24.10. 26.10.

18./19.12. 19.12.

Ernennung von Gen. a.D. Gerhard Graf v. Schwerin zum ständigen Berater von Bundeskanzler Konrad Adenauer in militärischen und Sicherheitsfragen Gesetz der Alliierten Hohen Kommission zur Verhinderung der dt. Wiederaufrüstung Beginn des Koreakrieges Genehmigung der Aufstellung von 12 000 Mann kasernierter Bereitschaftspolizei in den Ländern durch die Alliierte Hohe Kommission Memorandum der Bundesregierung über die »Sicherung des Bundesgebietes nach innen und außen« Beschluss der New Yorker Außenministerkonferenz der drei Westmächte zur Aufstellung einer europäische Streitmacht, verbunden mit einer Garantieerklärung für die Sicherheit der Bundesrepublik gegen jeden Angriff Tagimg einer dt. militärischen Expertenkommission im Eifelkloster Himmerod; Erarbeitung einer »Denkschrift über die Aufstellung eines deutschen Kontingents im Rahmen einer internationalen Streitmacht zur Verteidigung Westeuropas« Französischer Plan für eine Europa-Armee als Voraussetzimg für einen Verteidigungsbeitrag der Bundesrepublik (Pleven-Plan) Ernennung von Theodor Blank (CDU) zum »Beauftragten des Bundeskanzlers für die mit der Vermehrung der alliierten Truppen zusammenhängenden Fragen« (Dienststelle Blank) sowie Berufung der ehemaligen Gen. Adolf Heusinger und Dr. Hans Speidel als militärische Berater Beschluss der Außen- und Verteidigungsminister der NATO in Brüssel zu Verhandlungen über einen dt. Verteidigungsbeitrag Ernennung Gen. Dwight D. Eisenhowers zum Obersten Alliierten Befehlshaber der NATO in Europa (SACEUR)

748

Chronologie

1951 9.1. 23.1. 15.2. 5.4.

Beginn der »Petersberg-Gespräche« über einen dt. Verteidigungsbeitrag Öffentliche Ehrenerklärung des Oberbefehlshabers der NATO in Europa, Gen. Dwight D. Eisenhower, für die Soldaten der dt. Wehrmacht Gesetz über den Bundesgrenzschutz, das die Aufstellung von 10 000 Mann vorsieht Ehrenerklärung des Bundeskanzlers für die dt. Soldaten vor dem Bundestag

1952 31.1. 18.2. 20.2.-25.2. 10.3. 28.4. 1.5. 26.5.

27.5.

1.7. 9.7.-12.7. 30.7.

Klage der SPD-Fraktion vor dem Bundesverfassungsgericht auf Feststellung der Unvereinbarkeit eines dt. Wehrbeitrages mit dem Grundgesetz Beitritt Griechenlands und der Türkei zur NATO Beschluss des NATO-Rates in Lissabon zur Aufstellung von insgesamt 50 Divisionen in Europa bis Ende des Jahres Angebot der UdSSR an die Westmächte für Verhandlungen über einen Friedensvertrag mit Gesamtdeutschland, das neutral bleiben, aber über nationale Streitkräfte verfügen soll; Ablehnung durch die Westmächte US-Gen. Matthew B. Ridgway wird SACEUR Zünden der ersten Wasserstoffbombe durch die USA Unterzeichnung des »Vertrages über die Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland und der drei Mächte« (Deutschland- bzw. Generalvertrag) und der Zusatzprotokolle (Truppenvertrag, Finanzabkommen, Überleitungsvertrag) Unterzeichnung des Vertrages über eine Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG), verbunden mit einer Garantieerklärung der angelsächsischen Mächte für die Stationierung von Truppen auf dem westeuropäischen Kontinent Auf Befehl des Ministers des Inneren der DDR wird die Kasernierte Volkspolizei gebildet Beschluss der II. Parteikonferenz der SED zur Aufstellung nationaler Streitkräfte in der DDR Abweisung der Klage der SPD-Bundestagsabgeordneten gegen einen dt. Verteidigungsbeitrag durch das Bundesverfassungsgericht

1953 10.3. 19.3. 16./17.6. 10.7. 22.7. 12.8.

Offizielle Übernahme des Begriffs »Innere Führung« für das »Innere Gefüge« der Truppe durch die Dienststelle Blank Zustimmung des Bundestages zu EVG- und Deutschlandvertrag Volksaufstand in Ost-Berlin und in der DDR US-Gen. Alfred Gruenther wird SACEUR Unterzeichnung eines Waffenstillstandsabkommens in Korea Erster Wasserstoffbombenversuch der UdSSR

Chronologie

749

1954 26.2. 30.8. 28.9.-3.10.

19.10.-23.10. 29.11.-2.12. 18./19.12.

Gesetz zur Ergänzung des Grundgesetzes über die Wehrhoheit des Bundes Scheitern des EVG-Vertrages durch seine Vertagung in der französischen Nationalversammlung Grundsätzliche Einigung der Londoner Neun-Mächte-Konferenz über den Beitritt der Bundesrepublik zur Westeuropäischen Union (WEU) und zur NATO unter dt. Verzicht auf die Herstellung von ABC-Waffen (Londoner Schlussakte) Bestätigung der Londoner Schlussakte durch die Unterzeichnung der Pariser Verträge Konferenz der UdSSR und der osteuropäischen Volksdemokratien gegen die Pariser Verträge und für ein kollektives Sicherheitssystem in Europa Neufestsetzung der NATO-Streitkräfte in Europa durch den NATO-Rat auf 30 Divisionen, verbunden mit ihrer Ausrüstung mit taktischen Atomwaffen (MC 48)

1955 29.1. 27.2. 5.5. 7.5. 9.5. 11.5.-14.5. 7.6. 15./16.7. 18.-23.7. 31.8. 9.-13.9. 20.9. 6.10. 10.10. 27.10.-15.11. 12.11.

12.11.

Kundgebung des DGB und der SPD gegen die Pariser Verträge in der Paulskirche in Frankfurt/M. Verabschiedung der Pariser Verträge im Bundestag Inkrafttreten der Pariser Verträge und Proklamation der Souveränität der Bundesrepublik Deutschland Konstituierende Sitzung des WEU-Rates in Paris Aufnahme der Bundesrepublik in die NATO Abschluss eines Sicherheitspakts zwischen der UdSSR sowie Albanien, Bulgarien, Ungarn, der CSR und der DDR (Warschauer Pakt) Umwandlung der Dienststelle Blank in Bundesministerium für Verteidigung. Theodor Blank (CDU) wird erster Verteidigungsminister Verabschiedung des Freiwilligengesetzes und des Gesetzes über den Personalgutachterausschuss im Bundestag Gipfelkonferenz der Regierungschefs der vier Großmächte in Genf Konstituierende Sitzung des Personalgutachterausschusses Besuch einer dt. Regierungs- und Parlamentarierdelegation in Moskau: Aufnahme diplomatischer Beziehungen sowie Vereinbarung über die Rückführung der letzten Kriegsgefangenen Staats- und Freundschaftsvertrag zwischen UdSSR und DDR, verbunden mit der »vollen Souveränität« für die DDR Einrichtung eines Bundesverteidigungsrats durch die Bundesregierung Unterzeichnung der Ernennungsurkunden für die ersten Soldaten der neuen Streitkräfte durch Bundespräsident Theodor Heuss Ergebnislose Außenministerkonferenz der vier Großmächte in Genf zur Lösung der Deutschlandfrage Überreichung der Ernennungsurkunden an die ersten 101 Freiwilligen in der Bonner Ermekeilkaserne am 200. Geburtstag des preußischen Heeresreformers Scharnhorst Der Bundesminister für Verteidigung überreicht an Scharnhorsts Geburtstag den ersten 101 Freiwilligen die Ernennungsurkunden; darunter den Generalleutnanten (GenLt) Adolf Heusinger und Dr. Hans Speidel

750 14.11.

Nov. 28.12.

Chronologie

Umgliederung der militärischen Abteilungen des Bundesverteidigungsministeriums (BMVtdg) in die Abteilungen: IV Streitkräfte, V Heer, VI Luftwaffe und VII Marine. Bildung eines Militärischen Führungsrates; die Gruppe »Innere Führung« wird Unterabteilung Generalmajor (GenMaj) Laegeler übernimmt kommissarisch die Leitung der Abteilung V (Heer) Militärische Beratergruppen der USA (MAAG) nehmen ihre Tätigkeit auf

1986 2.1. 5.1. 18.1. 20.1. 27./28.1. 1.4. 7.5. 15.5. 4.6. 7.7. 14.7. 27.9. 20.10. 22.10. 24.10.-4.11. 28.10. 20.11. 13.12. 14.12. 2.1. 3.1. 5.1. 16.3.

März 1.4.

Einberufung der ersten 1000 Freiwilligen nach Andernach (Heer), Nörvenich (Luftwaffe) und Wilhelmshaven (Marine) Erlass über die Einrichtung von Verwaltungsstellen in den Wehrbereichen I bis VI (ab 26.9.1957 WBV) Gesetz zur Aufstellung einer Nationalen Volksarmee (NVA) in der DDR Begrüßung der ersten Freiwilligen in Andernach durch Bundeskanzler Adenauer Beschluss des Politisch Beratenden Ausschusses des Warschauer Pakts über die Einbeziehung der NVA in die Vereinten Streitkräfte Gesetz über die Rechtsstellung der Soldaten (Soldatengesetz) Anordnung des Bundespräsidenten über Dienstgradabzeichen und Uniformen der Soldaten Erste Lieferung schwerer Waffen aus den USA für die Bundeswehr Verordnung über die Regelung des militärischen Vorgesetztenverhältnisses Gesetz über die Einführung der Wehrpflicht für Männer zwischen dem 18. und 45. Lebensjahr Gründung des Deutschen Bundeswehr-Verbands e.V. Entscheidung der Bundesregierung für die Einführung einer 12-monatigen Dienstzeit Franz Josef Strauß (CSU) wird Verteidigungsminister Errichtung des Bundeswehrersatzamts als Bundesoberbehörde Volksaufstand in Ungarn, der von Truppen der UdSSR niedergeschlagen wird Eröffnung der Schule für Innere Führung in Köln; am 1.2.1957 verlegt nach Koblenz US-Gen. Lauris Norstad wird SACEUR Beschluss einer Political Directive durch den NATO-Rat als Richtlinie für eine ausgewogene Verteidigungsstrategie des Bündnisses Gesetz über die Wehrbeschwerdeordnung (WBO) Einberufung der ersten Freiwilligen des Heeres in das »Lehrbataillon« nach Andernach Aufstellung des zentralen Kommandos der Material-Übernahme-Organisation Aufstellung der Vorbereitungsstellen für bodenständige Aufgaben Heer NORD und SÜD Befehl zur Einrichtung der Heeresakademie I; am 21.4. Umbenennung in Heeresoffizierschule I (Hannover); am 2.7. Beginn des ersten Fahnenjunkerlehrgangs Die ersten Feldhaubitzen Μ 1 A2 105 mm treffen bei der Lehrtruppe in Andernach ein Umbenennung der Vorbereitungsstellen für bodenständige Aufgaben Heer in Aufstellungsstäbe NORD und SÜD

Chronologie 1.5. 15.5. 10.6. 18.6. 1.7.

2.7. 16.7. 17.7. 1.8. 21.8. 1.9. 3.9. 15.9. 1.10. 3.10. 10.10. 15.10. 31.10. 1.11. 7.11.

14.11. 27.11. 1.12.

751 Im Heer werden zwölf Lehrbataillone für die verschiedenen Waffengattungen aufgestellt und den Aufstellungsstäben unterstellt Aufstellung der Wehrbereichskommandos I - VI Die Bundeswehr erhält die erste Lieferung schwerer Waffen aus den USA, insgesamt soll das schwere Gerät für sechs Heeresdivisionen zur Verfügung gestellt werden Aufstellung des Truppenamtes (ab 1970 Heeresamt), erster Amtschef wird GenMaj Helmuth Reinhardt Der Personalbestand im Heer beträgt 6842 Soldaten (890 Offiziere, 2635 Unteroffiziere und 3317 Mannschaften) 9500 Angehörige des BGS werden in die Bundeswehr übernommen Beginn des Aufbaus von Truppenschulen der verschiedenen Waffengattungen (Infanterie-, Panzer-, Panzergrenadier-, Panzerjäger-, Panzeraufklärungs-, Artillerie-, Pionier-, Flugabwehr-, Fernmelde-, Feldzeug-, Quartiermeister-, Feldjäger- und Sanitätstruppe). Bildung von Arbeitsstäben für die Truppenschulen der ABC-Abwehr-, Luftlande- und Gebirgstruppe Aufstellung der ersten Teile der 1.,2. und 4. Grenadierdivision, dabei Heranziehung der ehemaligen BGS-Angehörigen Aufstellung der Kampfgruppen A1, B 1 (alt) (I.GrenDiv), A2, Β 2 (2. GrenDiv), A 4, Β 4 (4. GrenDiv) Aufstellungsbeginn der Heeresstäbe I und II, sowie der 3. Panzerdivision Aufstellung der Panzerkampfgruppe Β 3 (3. PzDiv) Aufstellung der Gebirgsbrigade 104 Aufstellung der Panzerkampfgruppe A 3 (3. PzDiv) Aufstellung der Luftlandebrigade 106 Aufstellung der 5. Panzerdivision sowie der Panzerkampfgruppen A 5 und Β 5 (5. PzDiv) Der Personalbestand im Heer beträgt 27 720 Soldaten (2447 Offiziere, 11 256 Unteroffiziere und 14 017 Mannschaften) Die 1. Grenadierdivision und die 3. Panzerdivision werden dem Heeresstab I unterstellt Die 4. Grenadierdivision wird dem Heeresstab II unterstellt Umbenennung der Heeresstäbe I und II in I. und II. Korps, GenMaj Curt Siewert wird mit der Führung des I. Korps beauftragt Das Heer umfaßt 33 510 Soldaten Das 1000. Panzerfahrzeug aus US-Beständen wird übergeben Generalleutnant (GenLt) Hans Röttiger übernimmt die Leitung der Abt. V (Heer), der kommissarische Leiter GenMaj Helmut Laegeler wird Vertreter des Abteilungsleiters Vorhanden sind 35 Bataillone aller Truppengattungen im Feldheer, dazu kommen noch 10 Lehrbataillone Aufstellung der Heeresoffizierschule II in Husum (ab 1.7.58 in HamburgWandsbeck) Der Bundesverteidigungsminister gibt Änderungen in der Aufstellungsplanung des Heeres bekannt: Anstelle der Kader für zwölf Divisionen sollen drei Grenadier-, zwei Panzer-, eine Luftlande- und eine Gebirgsdivision vollständig aufgestellt werden Aufstellung des Stabs der I.Gebirgsdivision unter Heranziehung der Gebirgsjägerbrigade 104 GenMaj Friedrich Foertsch wird erster Kommandierender General (KG) des II. Korps Umgliederung und Umbenennung des Stabs der bisherigen Gebirgsjägerbrigade 104 in 1. Gebirgsdivision

752 Dezember bis Jahresende

Chronologie Die Stärke des Heeres beträgt 45 176 Soldaten (5370 0ffz/15 790 Uffz/ 24 016 Mannschaften) Aufstellung der Stammdienststelle des Heeres (SDH) Umbenennung des zentralen Kommandos der Material-Übernahme-Organisation in Depotorganisation (Heer) Zur Uniform werden Kragenspiegel mit Waffenfarben eingeführt Die Erstausstattung mit Infanteriewaffen aus amerikanischen Beständen wird übergeben Die Kraftfahr- und Kettenfahrzeuge der ersten Generation Lkw 0,251 DKW Munga und 1,51 Unimog, Kampfpanzer Μ 47, Jagdpanzer Μ 41, Schützenpanzer Μ 39 auch verwendet als Aufklärungspanzer, Bren Carrier, Bergepanzer Μ 74, Flugabwehrpanzer Μ 16 und Μ 42, Panzerhaubitzen Μ 7 B2 »Priest« und Μ 55 werden eingeführt.

1957 21.1. 12.2. 21.2. 23.3. 1.4. 1.4. 11.4. 12.4. 9./10.5. 1.6. 1.6. 3.6. 18.-23.6. 29.6. 1.7. 26.7.

2.10.

4.10. 18.10. 26.10. Okt.

Beginn der Musterung der ersten 100 000 Wehrpflichtigen Erlass der »Leitsätze für die Erziehung des Soldaten« als Dienstvorschrift Gesetz über die Wehrdisziplinarordnung (WDO) Modifizierung der massiven Vergeltungsstrategie (Massive Retaliation) in den Grundsatzdokumenten MC 14/2 und MC 48/2 der NATO Einrücken der ersten 10 000 Wehrpflichtigen zu den Einheiten des Heeres Übernahme des Oberbefehls über die Landstreitkräfte der NATO in Mitteleuropa (LANDCENT) durch GenLt Speidel Gesetz über den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages Stellungnahme von 18 dt. Atomwissenschaftlern gegen eine Aufrüstung der Bundeswehr mit Atomwaffen (Göttinger Manifest) Debatte des Bundestages über die Frage einer atomaren Bewaffnung der Bundeswehr General Heusinger wird erster Genisp der Bundeswehr Errichtung eines Amtes für Territoriale Verteidigung als Spitze der bodenständigen Landesverteidigung Unfall bei einer Übung in der Nähe von Kempten, bei dem 15 Wehrpflichtige in der Iller ertrinken Verabschiedung des 1. Luftschutzgesetzes durch den Bundestag u n d Errichtung des Bundesamtes für Luftschutzwarnung Gesetz über die Wahl der Vertrauensmänner der Soldaten Unterstellung von zwei Korpsstäben, der 1., 2. u n d 4. GrenDiv sowie eines Minensuchgeschwaders unter NATO-Kommando Staatskirchenvertrag zur Regelung der evangelischen Militärseelsorge in der Bundeswehr. Für die katholische Militärseelsorge gelten die Bestimmungen des Reichskonkordats von 1933 fort Plan des polnischen Außenministers Adam Rapacki für eine kernwaffenfreie Zone in Mitteleuropa, der am 4.10. von der Bundesregierung im Einvernehmen mit der NATO abgelehnt wird Start des ersten künstlichen Erdsatelliten (Sputnik) in der UdSSR Gründung des Soldatenhilfswerks der Bundeswehr e.V. durch Offiziere und Unteroffiziere in Bonn Umgliederung des Amtes für Territoriale Verteidigung zum Kommando der Territorialen Verteidigung (KTV) Erste Herbstmanöver der Bundeswehr im Bereich der 4. GrenDiv

Chronologie

753

25.11.

Abschluss der Tätigkeit des Personalgutachterausschusses, der 600 Bewerber geprüft u n d davon 53 Anträge abgelehnt hat

2.1.

Aufstellung des Stabes der 1. Luftlandedivision unter Heranziehung der Luftlandebrigade 106 Auslieferung der ersten Verbindungsflugzeuge Do 27 GenLt Heusinger, Vorsitzender des militärischen Führungsrates, übernimmt die Leitung der Abteilung Streitkräfte, der die Abteilungen Heer, Luftwaffe und Marine unterstellt werden Das Heer entscheidet sich für die Beschaffung des amerikanischen Panzers Μ 48 10 000 Wehrpflichtige werden zu den Einheiten des Heeres einberufen GenLt Gerhard Matzky wird KG des I. Korps GenLt Max-Josef Pemsel wird KG des II. Korps General Dr. Hans Speidel wird Oberbefehlshaber der NATO-Landstreitkräfte Europa-Mitte. Entbindung der Aufstellungsstäbe NORD und SÜD von ihrer Aufgabe als vorgesetzte Dienststellen der Truppenschulen und der Heeresoffizierschulen, Auflösung der Aufstellungsstäbe Der Dienstgrad Hauptfeldwebel wird eingeführt Aufstellungsbeginn des Stabs des III. Korps unter Heranziehung des Personals der Aufstellungsstäbe NORD und SÜD Aufstellung der Panzerkampfgruppe C 3 (3. PzDiv), der Gebirgskampfgruppen A 8 und Β 8 (1. GebDiv), der Luftlandekampfgruppe A 9 (1. Luftlandedivision) Umbenennung der militärischen Abteilungen des Bundesverteidigungsministeriums in Führungsstäbe der Bundeswehr (Leiter: Generalinspekteur), des Heeres, der Luftwaffe und Marine (Leiter: Inspekteure) General Adolf Heusinger wird erster Generalinspekteur der Bundeswehr. Wenig später werden Generalleutnant Hans Röttiger Inspekteur des Heeres, Generalleutnant Josef Kammhuber Inspekteur der Luftwaffe, Vizeadmiral Friedrich Rüge Inspekteur der Marine und Generalarzt Dr. Theodor Joedicke Inspekteur des Sanitäts- und Gesundheitswesens Errichtung eines »Amtes für Territoriale Verteidigung« als Spitze der bodenständigen Landesverteidigung. Mit der kommissarischen Leitung wird Oberst Möller-Döling beauftragt Aufstellung der Kampfgruppe C 1 (1. GrenDiv) Bei einer Übung der 2./Luftlandejägerbataillon 19 in der Nähe von Kempten ertrinken 15 wehrpflichtige Soldaten in der Iiier Die 1., 2. und 4. Grenadierdivision und die Stäbe des I. und II. Korps werden der NATO unterstellt Unterstellung der 2. Grenadier- und der 5. Panzerdivision unter das III. Korps GenLt Smilo Freiherr von Lüttwitz wird KG des III. Korps Das Heer verfügt jetzt über 2 Heeresoffizierschulen und 14 Truppenschulen der Truppengattungen Das III. Korps wird für den Verteidigungsfall der 7. US-Armee unterstellt Aufstellung der Panzerkampfgruppe C 5 (5. PzDiv) Aufstellung der Gebirgs- und Winterkampfschule, Auflösung des bisherigen Arbeitsstabs Abschluss des ersten Generalstabslehrgangs an der Heeresakademie Bad Ems Die Panzergrenadierschule verliert ihre Eigenständigkeit und wird in die Panzertruppenschule eingegliedert

Januar 27.2.

23.3. 1.4.

2.5.

28.5.

1.6.

3.6. 1.7.

1.9.

30.9. 1.10.

754 7.-11.10. 28.10.

Dezember

bis Jahresende

Chronologie Erste Herbstmanöver des Heeres im Bereich der 4. Grenadierdivision in Anwesenheit des Bundesverteidigungsministers Umgliederung und Umbenennung des Amtes für Territoriale Verteidigung in Kommando der Territorialen Verteidigung (KTV), erster Befehlshaber wird GenLt Hans-Joachim von Horn Die Stärke des Heeres beträgt: 81 001 Mann (6589 Offz u. SanOffz/17 595 Uffz/56 817 Mannschaften) Stärke der Bundeswehr: 122 400 Mann; Heer: 81 001; Luftwaffe 27 200; Marine: 14 200 US-Kampfpanzer vom Typ Μ 48 werden in den Panzerdivisionen eingeführt, Auslieferung der ersten Lkw 31 Ford und Panzerhaubitzen Μ 52 Aufstellung der Luftlande- und der ABC-Abwehrschule, Auflösung der bisherigen Arbeitsstäbe

1986 1.1. 16.1. 21.3. 21./23.4. 19.-22.5.

30.6. 1.8. 28.10. 29.10. 27.11. 28.11. 1.1. 2.1. 1.3. 31.3. 1.4.

21 ./23.4. 1.5.

1.6. 20.6.

Unterstellung der 3. u n d 5. PzDiv, einer Luft-Transportstaffel u n d eines Schnellbootgeschwaders u n t e r N A T O - K o m m a n d o E i n b e r u f u n g der ersten 7300 Wehrpflichtigen Erlass der S o l d a t e n l a u f b a h n - V e r o r d n u n g Unterstellung der GebDiv u n d von Teilen der LLDiv unter NATO-Kommando V e r a b s c h i e d u n g einer Entschließung z u r Wehrpolitik d u r c h d e n SPDParteitag: Bejahung d e r Landesverteidigung, aber weiterhin A b l e h n u n g v o n Wehrpflicht u n d A t o m b e w a f f n u n g Bildung des Beirates f ü r Fragen der Inneren F ü h r u n g b e i m BMVg Errichtung d e s A m t e s f ü r Wehrtechnik (ab 8.10. B u n d e s a m t f ü r W e h r technik u n d Beschaffung) als B u n d e s o b e r b e h ö r d e E r ö f f n u n g d e r F ü h r u n g s a k a d e m i e d e r B u n d e s w e h r in H a m b u r g n a c h Verlegung a u s Bad E m s Gesetz z u r Errichtung d e s B u n d e s a m t e s f ü r zivilen Bevölkerungsschutz U l t i m a t u m der UdSSR z u m A b z u g der W e s t m ä c h t e a u s West-Berlin b i n n e n sechs Monaten; Beginn der Berlin-Krise Erlass »Erzieherische M a ß n a h m e n « Die 3. und 5. Panzerdivision werden der NATO unterstellt Aufstellung der Kampfgruppe A 6 (6. GrenDiv) Aufstellungsstab der 6. Grenadierdivision tritt zusammen Umbenennung der Kampfgruppe Β 1 (alt) in Kampfgruppe Β 6, Unterstellungswechsel zur 6. Grenadierdivision Aufstellung der Kampfgruppe Β 1 (neu) (1. GrenDiv). Aufstellung der Heeresoffizierschule III in München. Die Panzeraufklärungsschule verliert ihre Eigenständigkeit und wird in die Panzertruppenschule eingegliedert Die 1. Gebirgsdivision und Teile der Luftlandedivision werden der NATO unterstellt Aufstellungsbeginn von 25 Stäben der Territorialen Verteidigung (abgeschlossen am 18.10.1961) Aufstellung der Kampfgruppe C 2 (2. GrenDiv) Aufstellung der Panzerlehrkampfgruppe Das Verteidigungsministerium kündigt die Umgliederung der Heeresdivisionen aus dem Kampfgruppen- in ein Brigadesystem an Artilleriebataillone sollen mit den Mehrzweckraketen »Honest John« und »Sergeant« ausgerüstet werden.

Chronologie 1.8.

23.8. 10.-27.9.

1.10.

November 1.12.

Dezember bis Jahresende

755 Aufstellung der 7. Panzerdivision und der Kampfgruppe C 4 (4. GrenDiv) BMdVtg gibt 1800 Schützenpanzer HS 30 bei einer britischen Firma und 1600 bei zwei deutschen Lizenzfirmen in Auftrag; insgesamt werden ca. 6000 HS 30 benötigt Im Rahmen einer großen Heeresübung wird die Lehr- und Versuchsübung (LV58) zur Erprobung des neuen Brigadetyps durchgeführt. Beteiligt sind Truppenteile der 1. Grenadierdivision. Aufstellung der Luftlandekampfgruppe Β 9 (1. Luftlandedivision) Umbenennung der 6. Grenadier- und der 7. Panzerdivision in 6. und 7. Division Die Bundeswehr erhält die erste taktische Boden-Boden-Rakete »Honest John«. Zwei Systeme werden dem Lehrbataillon 422 in Eschweiler übergeben Unterstellung der 7. Division unter das III. Korps Die Stärke des Heeres beträgt 116 831 Soldaten (7623 Offz und SanOffz/ 22 887 UffzJ 86 328 Mannschaften) Einführung der Panzerhaubitze Μ 44 und des Lkw 51 MAN

1959 20.1. 19.2. 9.10. 1.12. 15.-22.12. 1.2. 2.2. 19.2. 1.3. 16.3. 16.3. 1.4.

1.5. 1.7.

Dt.-franz. Abkommen über ein gemeinsames Forschungsinstitut für Ballistik, Aerodynamik und Raketen in Saint Louis/Elsass Wahl von GenLt a.D. Hellmuth v. Grolman zum ersten Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages Erlass über die Einrichtung des Berufsförderungsdienstes der Bundeswehr Internationales Abkommen zur Entmilitarisierung der Antarktis Annahme des Dokuments MC 70 durch den NATO-Rat, das die Schaffung von 30 Divisionen in West- und Mitteleuropa vorsieht Umbenennung der Panzerlehrkampfgruppe in Panzerlehrbrigade 9 Umbenennung der Panzerjägerschule in Panzerabwehrschule Aufstellung der Panzergrenadierbrigade 17 (6. PzGrenDiv) und der Panzerbrigade 33 (11. PzGrenDiv) Die ersten »Honest-John«-Raketen der Bundeswehr werden auf dem Truppenübungsplatz GRAFENWÖHR verschossen Aufstellung der Panzergrenadierbrigade 19 (7. PzGrenDiv) Umbenennung der Grenadierdivisionen in Panzergrenadierdivisionen und der Kampfgruppen in Brigaden Neuordnung der Truppengattungen durch Verringerung von 15 auf 7 (Führungs-, Kampf-, Artillerie-, Pionier-, Technische-, Sanitäts- und Flugabwehrtruppe). Umbenennung der Quartiermeister- und der Feldzeugtruppe in Technische Truppe Aufstellungsbeginn der 10. Panzergrenadierdivision Umbenennung der Feldzeugtruppenschule in Technische Truppenschule des Heeres Umbenennung der Quartiermeistertruppenschule in Truppenschule der Nachschubtruppe Aufstellungsbeginn der 11. Panzergrenadierdivision Umgliederung der Divisionen in die Struktur der »Division 59« Aufstellung der Panzerbrigade 12 (4. PzGrenDiv) und der Panzerbrigade 24 (1. GebDiv) Aufstellung der ersten drei Raketenartilleriebataillone »Honest John« als Korpstruppen

756

Chronologie

1.7. 1.8.

Aufstellung der Heeresfliegerwaffenschule Einrichtung der Deutschen Bevollmächtigten Nord und Mitte (DBv Nord/Mitte, werden 1969 zu Territorialkommandos) Aufstellung der Panzergrenadierbrigade 7 (3. PzDiv) und der Panzergrenadierbrigade 29 (10. PzGrenDiv) 29.8. Bisher größte mehrtägige Truppenübung der Bundeswehr »Ulmer Spatz« beginnt im süddeutschen Raum. Beteiligt sind die 4. Panzergrenadier-, die 1. Gebirgsdivision sowie Teile der 10. Panzergrenadierdivision und fliegende Verbände der Luftwaffe September bis Im Truppenamt werden die bisherigen Truppenabteilungen in Inspektionen Dezember unter Führung jeweils eines Generals der Truppengattung zusammengefasst (Inspektionen: der Führungstruppen, der Kampftruppen, der Artillerietruppe, der Heeresflugabwehrtruppe, der Pioniertruppe, der technischen Truppe, der Sanitätstruppe) bis 31.12. Auslieferung der ersten Schützenpanzer HS 30, der Aufklärungspanzer Hotchkiss und der Hubschrauber »Vertol« Η 21, Sikorsky Η 34 und Alouette II, Einführung des Gewehrs G 3. Umgliederung der Kampfgruppen in Brigaden Dezember Die Stärke des Heeres beträgt 169 016 Soldaten (8984 Offz und SanOffz/ 33 509 Uffz/126 523 Mannschaften)

1960

26.1. 13.2. 20.5. 25.10. 31.12. Januar/ Februar 1.3. 2.3.

20.3. 1.4. 15.4. 1.7. 1.8.

20.-24.9. 1.10. 3.-20.11.

Gründung des Verbandes der Reservisten der Deutschen Bundeswehr e.V. Erster Atomwaffenversuch Frankreichs Gründung des Bundeswehrsozialwerkes e.V. Abschluss eines dt.-franz. Vertrages über die Errichtung dt. Depots in Frankreich und die Nutzung franz. Truppenübungsplätze durch die Bundeswehr Unterstellung der 6. PzGrenDiv unter NATO-Kommando Teilnahme von deutschen Verbänden an der US-Übung »WINTERSHIELD I«, mit Teilen der 4. Panzergrenadierdivision, 5. Panzerdivision und der 1. Gebirgsdivision GenLt Heinz Trettner wird KG des I. Korps Beginn von Hilfeleistungen der Bundeswehr für die durch ein Erdbeben zerstörte Stadt Agadir (Marokko); Entsendung von Sanitätern und ABC-Abwehrsoldaten des Heeres zur Hilfeleistung Beginn des ersten »Höheren Technischen Lehrgangs« an der Technischen Truppenschule des Heeres in Darmstadt Der Stab der Panzerbrigade 36 (10. PzGrenDiv) wird mit Vorauspersonal aufgestellt Nach schwerer Krankheit verstirbt der Inspekteur des Heeres GenLt Hans Röttiger im Alter von fast 63 Jahren Aufstellung der Panzergrenadierbrigade 31 (11. PzGrenDiv) und der Panzergrenadierbrigade 35 Neuer Inspekteur wird GenLt Alfred Zerbel, der nach dem Tod von GenLt Hans Röttiger zwischenzeitlich mit der Wahrnehmung der Geschäfte beauftragt war Teilnahme der 3. Panzer- und der 6. Panzergrenadierdivision an der Übung HOLD FAST mit britischen, dänischen und kanadischen Verbänden Amtschef des Truppenamtes wird GenMaj (ab 1968 GenLt) Hellmuth Mäder Zwei Panzergrenadierbataillone der 2. Panzergrenadierdivision üben als

Chronologie

757

erste Bundeswehrverbände auf französischen Truppenübungsplätzen (MOURMELON/SISSONE) 31.12. Die 6. Panzergrenadierdivision wird der NATO unterstellt Das Personal des Stabs der Panzerbrigade 36 wird in den Stab der ab 1.1.1961 aufzustellenden 12. Panzerdivision überführt Bis Dezember Die Stärke des Heeres beträgt 184 666 Soldaten (10 082 Offz und SanOffz/ 41 304 Uffz/133 280 Mannschaften) Inkrafttreten eines Grundsatzbefehls, der die Feldjägertruppe zu einer Waffengattung des Heeres erklärt Einführung der Lkw 7 t Magirus Deutz »Jupiter« und 10 t Faun sowie des Brückenlegepanzers Μ 48 AVLB

1961 8.1. 1.4.

5.5. 13.8. 8.11. 6.12. 1.1. 25.1.-15.2. 1.4. 9.-30.9. 1.10.

16.11. Bis 31.12. Dezember

Abstellung eines Fallschirmjägerbataillons der Bundeswehr zur mobilen NATO-Eingreiftruppe (AMF) Übernahme des Vorsitzes des Ständigen Militärausschusses der NATO (MC) durch General Heusinger. Gen Friedrich Foertsch wird Generalinspekteur der Bundeswehr Eröffnung der Akademie für Wehrverwaltung u n d Wehrtechnik Abriegelung der Sektoren- u n d Stadtgrenzen von West-Berlin durch DDR-Behörden; Beginn des Mauerbaus Wahl von Vizeadmiral a.D. Hellmuth Heye z u m Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages Bildung des dt.-dän. NATO-Kommandos Ostseezugänge (BALTAP) GenLt Heinz Gaedcke wird KG des III. Korps Aufstellung der 12. Panzerdivision An der US-Großübung »WINTERSHIELD II« nehmen neben französischen Verbänden Teile der 2. Panzergrenadierdivision teil General Friedrich Foertsch wird Generalinspekteur Das Panzerbataillon 84 übt als erstes deutsches Bataillon auf dem englischen Truppenübungsplatz CASTLEMARTIN GenLt Leo Hepp wird KG des II. Korps GenLt Joachim Schwatlo-Gesterding wird Befehlshaber des Kommandos der Territorialen Verteidigung (K7V). Dem Befehlshaber KTV unterstehen zu diesem Zeitpunkt 14 767 Soldaten Der Stab der Panzergrenadierbrigade 20 (7. PzGrenDiv) wird mit geringem Vorauspersonal aufgestellt (Vollaufstellung 1964) Einführung des Raketenjagdpanzers 1 mit Panzerabwehrlenkrakete SS 11 Die Stärke des Heeres beträgt 221 849 Soldaten (11 248 Offz und SanOffz/ 46 578 Uffz/164 023 Mannschaften)

1962 1.1. 24.1. 17.2.

Unterstellung der 11. PzGrenDiv unter NATO-Kommando Einführung der allgemeinen Wehrpflicht für die Dauer von 18 Monaten in der DDR Beginn des Einsatzes von Bundeswehreinheiten (ca. 40 000 Soldaten) während der Flutkatastrophe in Hamburg, Schleswig-Holstein u n d Niedersachsen

758 22.2. 1.8. 22.10.-27.11. 10.11. 20.11. 6.12. 1.1. 1.2. 1.4. 16.9. 10.11. 6.12.

Dezember Bis 31.12.

Chronologie Verlängerung der Dienstzeit für Wehrpflichtige auf 18 Monate mit Wirkung vom 1.4.1962 Einrichtung des Bundeswehrverwaltungsamtes Verhängen einer Seeblockade über Kuba durch die USA, um die Aufstellung sowjetischer Raketen zu verhindern (Kuba-Krise) Unterstellung der 7. PzGrenDiv unter NATO-Kommando Rücktritt von Bundesverteidigungsminister Franz Josef Strauß im Zusammenhang mit der »Spiegel-Affäre« Unterstellung der 10. PzGrenDiv unter NATO-Kommando Die 11. Panzergrenadierdivision wird der NATO unterstellt Umbenennung der Luftlandeschule in Luftlande- und Lufttransportschule Umstellung der Truppenausbildung von 12 auf 18 Monate Grundwehrdienstdauer Neuaufstellung der Panzerbrigade 36 (12. PzDiv) Die 7. Panzergrenadierdivision wird der NATO unterstellt Die 10. Panzergrenadierdivision wird der NATO unterstellt. Damit sind elf der insgesamt zwölf nach dem Planungsdokument MC 70 der NATO vorgesehenen deutschen Divisionen der NATO unterstellt Die Stärke des Heeres beträgt 268 110 Soldaten (12 551 Offz und SanOffz/ 51 351 Uffz/204 208 Msch) Einführung des Schwerlasttransporters Faun, des Mannschaftstransportwagens (MTW) Μ 113, des Bergepanzers Μ 88 und des Artillerieraketensystems Sergeant

1963 2.1. 9.1. 22.1. 6.2. 11.6. 20.6. I.9. II.10. 22.-24.10. 29.10.

1.2.

US-Gen Lyman L. Lemnitzer wird SACEUR Kai-Uwe v. Hassel (CDU) wird Bundesminister der Verteidigung Unterzeichnung des Vertrages über dt.-franz. Zusammenarbeit (ElyseeVertrag) Erklärung von Bundeskanzler Adenauer über die Bereitschaft der Bundesrepublik zur Teilnahme an einer multinationalen Atomstreitmacht der NATO (MLF) Konstituierende Sitzung des »Beirats für Innere Führung beim BMVg« Einrichtung einer direkten Nachrichtenverbindung zwischen Moskau und Washington, um einen unbeabsichtigten Atomkrieg zu verhindern (»Heißer Draht«) Implementierung der Vorwärtsverteidigung als verbindliche Strategie im NATO-Kommandobereich Europa Mitte Rücktritt von Bundeskanzler Adenauer. Nachfolger wird ab 16.10. Prof. Dr. Ludwig Erhard (CDU) Erste Lufttransportübung »Big Lift« der US-Armee zur Verlegung von 16 000 Soldaten aus den USA nach Europa Auflösung einer Ausbildungskompanie der Fallschirmjäger in Nagold, nachdem ein Rekrut infolge zu harter Ausbildung ums Leben gekommen ist Umbenennungen der: Infanterieschule in Kampftruppenschule I («TS I) Panzertruppenschule in KTS II Panzerabwehrschule in KTS III

Chronologie

759 -

15.5. 28.5. 11.7. 25.7.

1.9. 1.10. 29.10. Oktober 11.-15.11. Dezember

Gebirgs- und Winterkampfschule in KTS IV Truppenschule der Nachschubtruppe in »Schule der Technischen Truppe II« Technischen Truppenschule des Heeres in »Schule der Technischen Truppen III« Einführung von Verbandsabzeichen der Divisionen und der Korps Umbenennung der Stäbe der Territorialen Verteidigung in Verteidigungsbezirkskommandos (VBK) Der Öffentlichkeit werden der neue Standardkampfpanzer »Leopard I« und der Kanonenjagdpanzer vorgestellt BMVg erteilt Auftrag für den Bau von 1500 Standardpanzern »Leopard I« und 700 Kanonenjagdpanzem. Die Gemeinschaftsproduktion eines Panzers mit Frankreich wird aufgegeben General Johann Adolf Graf von Kielmansegg wird Befehlshaber der NATOLandstreitkräfte Europa-Mitte GenLt Wilhelm Meyer-Detring wird KG des I. Korps Auflösung der Fallschirmjäger-Ausbildungskompanie 6/9 in Nagold wegen Übergriffen von Vorgesetzten gegenüber Rekruten Beginn der Aufstellung der Territorial Reserve, zunächst auf freiwilliger Basis Im Bereich des I.Korps wird die Gefechtsübung »WIDDER« mit der 3. Panzer- und der 11. Panzergrenadierdivision durchgeführt Die Stärke des Heeres beträgt 278 312 Soldaten (12 881 Offz und SanOffz/ 54 414 Uff z/211 017 Mannschaften)

1964 1.1. 14.6. 18.9. 3.11. 29.3. 1.4. 9.4. 2.5. September 1.10.

Dezember Bis 31.12.

Gen Heinz Trettner wird Generalinspekteur der Bundeswehr Veröffentlichung eines kritischen Berichts des Wehrbeauftragten in der Illustrierten »Quick« über den inneren Zustand der Bundeswehr Bundespräsident Heinrich Lübke stiftet Truppenfahnen für Bataillone und entsprechende Verbände Rücktritt des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages Heye; Wahl von Matthias Hoogen (CDU) zu seinem Nachfolger (11.12.) Der Soldatensportwettkampf wird anstelle des bisherigen Heeres-Sporttages eingeführt GenLt Friedrich Alfred Obelhack wird Befehlshaber des Kommandos der Territorialen Verteidigung Bei einem Schießunglück auf dem Truppenübungsplatz BERGEN-HOHNE werden zehn Soldaten getötet Vollaufstellung der Panzergrenadierbrigade 20 (7. PzGrenDiv) Aufstellung der Panzergrenadierbrigade 28 (10. PzGrenDiv) Aufstellungsbeginn von Verteidigungskreiskommandos (VKK) Nachfolger von GenLt Alfred Zerbel als Inspekteur wird GenLt Ulrich de Maiziere Aufstellung der Heeresunteroffizierschule I (HUS I) in Sonthofen Aufstellung der Raketenschule der Artillerie Umbenennung der Flugabwehrschule in Heeresflugabwehrschule Die Stärke des Heeres beträgt 307 046 Soldaten (13 594 Offz und SanOffz/ 58 091 Uff z/235 361 Mannschaften) Einführung der Panzerhaubitze Μ 109 G, der schweren Feldkanone Μ 107 und der schweren Feldhaubitze Μ 110

760

Chronologie

1965 10.4. 23./24.Ί. 1.7. 19.9. 11.3.

1.4. 10.4.

23./24.4.

7.8. August/ September 9.9. 4.11. 8.12. 10.12. Bis 31.12.

Unterstellung der 12. PzDiv als letzter Großverband der Bundeswehr unter NATO-Kommando Feierliche Übergabe der Truppenfahnen an alle Bataillone und vergleichbaren Verbände der Bundeswehr Erlass »Bundeswehr und Tradition« Mit Hauptfeldwebel Hermann Stahlberg (CDU) wird der erste Soldat in den Deutschen Bundestag gewählt Der Generalinspekteur teilt mit, dass die Aufstellungsziele der Bundeswehr im Wesentlichen erreicht seien. Der N A T O sind elf Heeresdivisionen unterstellt: sieben Panzergrenadier-, zwei Panzer-, eine Gebirgs- und eine Luftlandedivision GenLt Albert Schnez wird K G des III. Korps Die Panzergrenadierbrigade 20 wird zur Panzerbrigade 20 umgegliedert Die 12. Panzerdivision wird als letzte Heeresdivision der N A T O unterstellt. Damit hat die Bundesrepublik Deutschland ihre Verpflichtung gegenüber der N A T O erfüllt, innerhalb von 10 Jahren 12 Divisionen aufzustellen Feierliche Übergabe der Truppenfahnen an alle Bataillone und vergleichbare Verbände der Bundeswehr, davon 319 Truppenfahnen an Bataillone des Heeres in Münster Die Stärke des Heeres beträgt 302 778 Soldaten (14 600 Offz/SanOffz, 58 335 Uffz, 229 843 Mannschaften) Erstes Übungsschießen des Heeres mit »Sergeant«-Raketen durch das Raketenartilleriebataillon 150 auf den Hebriden Die Auslieferung von 1500 Standard-Panzern »Leopard« beginnt Eröffnung der Heeresunteroffizierschule II (HUS II) in Aachen Beschluss des Bundeskabinetts für die Angehörigen der Territorialreserve die Freiwilligkeit durch eine Pflichtbeorderung zu ersetzen Die bisherige Territorialreserve wird in Heimatschutztruppe umbenannt Einführung der ersten Kanonenjagdpanzer

1966 12.1. 17./18.2. 10.3. 1.4. 9.5. 1.7. 1.8. 12.-25.8. 25.8. 30.11./1.12.

Verzicht der Bundesregierung auf ein weiteres Eintreten für das offensichtlich gescheiterte Projekt einer NATO-Atomstreitmacht Konstituierung der Nuklearen Planungsgruppe (NPG) der NATO; Teilnehmer: USA, Großbritannien, Bundesrepublik, Italien, Türkei Erklärung Frankreichs über seinen Austritt aus den militärischen Organisationen der NATO Aufstellungsbeginn für Kompanien und Bataillone der Heimatschutztruppe Erster Wasserstoffbombenversuch der VR China Gen Johann Adolf Graf v. Kielmannsegg wird nach dem Austritt Frankreichs aus der Militärorganisation der NATO erster deutscher Oberbefehlshaber der NATO-Streitkräfte in Mitteleuropa (CINCENT) Erlass über das Koalitionsrecht der Soldaten und über gewerkschaftliche Betätigung in den Kasernen Rücktritt des Generalinspekteurs, des Inspekteurs der Luftwaffe und des Befehlshabers im Wehrbereich III (»Generalskrise«) Gen Ulrich de Maiziere wird Generalinspekteur der Bundeswehr Rücktritt von Bundeskanzler Erhard und Wahl von Kurt-Georg Kiesin-

Chronologie

21.12. 8.-10.2. 1.4. 5.5. 25.8. September 1.10. 1.12. Dezember Bis Jahresende

761 ger (CDU) zu seinem schen CDU/CSU und Verteidigungsminister Dt.-franz. Abkommen desrepublik

Nachfolger; Bildung der großen Koalition zwiSPD. Außenminister wird Willy Brandt (SPD), Gerhard Schröder (CDU) über den Status der franz. Truppen in der Bun-

Beim !. Korps wird die Großverbandsübung »HERMELIN« wegen zu erwartender großer Flurschäden abgesagt Die Panzerbrigade 24 wird zur Panzergrenadierbrigade 24 umgegliedert Aufstellungsbeginn für Kompanien und Bataillone der Heimatschutztruppe Für Offizieranwärter wird der Dienstgrad des Oberfähnrichs eingeführt Der bisherige Inspekteur des Heeres Ulrich de Maiziere wird unter Beförderung zum General neuer Generalinspekteur der Bundeswehr. Sein Nachfolger als Inspekteur des Heeres wird GenLt Josef Moll Übergabe des ersten Bergepanzers »Standard« aus der Leopard-Familie an die Truppe GenLt Jürgen Bennecke wird Kommandierender General des I. Korps Der Betriebsstoff muss aus Haushaltsgründen kontingentiert werden Die Stärke des Heeres beträgt rund 315 000 Soldaten Bei den Panzergrenadierbataillonen (SPz) werden die Mörserzüge vom 81mm- auf den 120-mm-Mörser umgerüstet Umbenennung der Schule Technische Truppe III in »Schule Technische Truppen I«

1967 27.1. 1.4.

19.4. 16.10. 13./14.12.

1.1. 16.-20.1. 7.4. August September Oktober 1.10. 6.-10.11.

Unterzeichnung des Vertrages über die friedliche Nutzung des Weltraums durch die USA, UdSSR u n d Großbritannien Im BMVg übernimmt der Stellvertreter des Generalinspekteurs die Leitung des Führungsstabes der Streitkräfte zur Entlastung des Generalinspekteurs (Leiter der Hauptabteilung Streitkräfte) Vereidigung des ersten Parlamentarischen Staatssekretärs im BMVg, Eduard Adorno (CDU) Eröffnung des neuen NATO-Hauptquartiers in Brüssel Beratung des NATO-Rates über den Harmel-Bericht mit den Ergebnissen: Übernahme der Strategie der Flexiblen Reaktion (Flexible Response), Aufrechterhaltung angemessener militärischer Potentiale, Überprüfung des Verhältnisses zu den osteuropäischen Staaten Die Panzergrenadierbrigade 29 wird zur Panzerbrigade 29 umgegliedert Die Truppenübung »PANTHERSPRUNG« des III. Korps findet mit der 2. Panzergrenadierdivision, der 7. Panzergrenadierdivision und unter Beteiligung amerikanischer, französischer und belgischer Truppen in Hessen statt Die Stärke der Territorialen Verteidigung beträgt 35 136 Soldaten Der erste Transporthubschrauber Bell UH-1D wird an das Heer übergeben Das neue amphibische Brücken- und Übersetzfahrzeug Μ 2 wird übergeben In Augsburg wird der erste Prototyp des deutsch-amerikanischen Kampfpanzers 70 der Presse und dem Verteidigungsausschuss des Bundestages vorgestellt GenLt Karl Wilhelm Thilo wird Kommandierender General des II. Korps Truppenübung »HERMELIN II« des I. Korps in der norddeutschen Tiefebene mit der 3. Panzerdivision und unter Beteiligung britischer, amerikanischer, französischer und niederländischer Truppen

762 Dezember Bis Jahresende

Chronologie Die Stärke des Heeres beträgt 294 877 Soldaten Einführung der jährlichen Kettenkilometer-Begrenzung

1968

16.1. 30.5. 8.6. 24./25.6. 1.7. 20./21.8. 13./14.11. 14.1. 15.1. 15.1. 1.4. 15.5. 8.6. 15.-20.9.

1.10.

Bis 31.12.

Festlegung der neuen NATO-Strategie Flexible Response (MC 14/3) Verabschiedung der Notstandsverfassung durch den Bundestag Zusammenfassung von Heer und Territorialer Verteidigung zur Teilstreitkraft Landstreitkräfte Angebot des NATO-Rats für eine dauerhafte Friedensordnung in Europa und ausgewogene beiderseitige Truppenverminderungen (»Signal von Reykjavik«) Unterzeichnung des Vertrages über die Nichtverbreitung von Atomwaffen durch Großbritannien, die UdSSR und die USA Besetzung der CSR durch Truppen der UdSSR, Bulgariens, Polens und Ungarns Konstituierung der EUROGROUP in der NATO General Jürgen Bennecke, der bisherige Kommandierende General des I. Korps, wird zum 1.4. Befehlshaber der NATO-Streitkräfte in Mitteleuropa Sein Nachfolger als KG des I. Korps wird GenLt Otto Uechtritz Im Truppenamt wird neben den bislang bestehenden Inspektionen die Inspektion der Heeresflieger gebildet GenLt Anton Detlev von Plato wird Befehlshaber des Kommandos der Territorialen Verteidigung Der Führungsstab des Heeres (FüH) wird umgegliedert und umfasst die Unterabteilungen l - V Das BMVg erlässt die Weisung zur Zusammenfassung der Teilstreitkraft Heer mit der Territorialen Verteidigung zur »Teilstreitkraft Landstreitkräfte« Durchführung der Truppenübung »SCHWARZER LÖWE« des II. Korps, es nehmen daran teil: 10. Panzergrenadierdivision, jeweils Teile der 4. Panzergrenadier-, der 1. Luftlande- und der 1. Gebirgsdivision Nachfolger des verabschiedeten Inspekteurs GenLt Josef Moll wird der bisherige KG des III. Korps GenLt Albert Schnez Neuer Kommandierender General des III. Korps wird GenLt Gerd Niepold Amtschef des Truppenamtes wird GenLt Hubert Sonneck Die ersten Raketenjagdpanzer 2 mit der Panzerabwehrlenkrakete SS 11 werden ausgeliefert Die Stärke des Heeres beträgt 284 647 Soldaten

1969

17.2. 17.3. 1.7. 1.7. 31.7.

Vorlage des ersten Verteidigungs-Weißbuches »Weißbuch zur Verteidigungspolitik der Bundesregierung« Aufforderung der Warschauer-Pakt-Staaten zur Einberufung einer gesamteuropäischen Sicherheitskonferenz (Budapester Appell) US-Gen Andrew J. Goodpaster wird SACEUR Errichtung der Territorialkommandos Nord und Süd Ernennung der ersten 170 Unteroffiziere zu Offizieren des militärfachlichen Dienstes

Chronologie 1.9. 21.10. 17.11. 28.11. 8.12.

1.1.

20.1.

1.7. 8.-12.9.

1.10. 17.10. 1.11.

Dezember Bis Jahresende

763 Inkrafttreten des Berufsbildungsgesetzes: volle Anerkennung der Ausbildung u n d Verwendung von Soldaten im zivilen Bereich Wahl von Willy Brandt (SPD) zum Bundeskanzler. Helmut Schmidt (SPD) wird Verteidigungsminister Beginn der SALT-Gespräche über die Begrenzung strategischer Waffen zwischen der UdSSR und den USA Unterzeichnung des Atomwaffensperrvertrags durch die Bundesrepublik Beginn der dt.-sowjet. Gespräche über einen Gewaltverzicht Beginn der Fusion der »Territorialen Verteidigung« und der »Basis Inland« mit dem Heer. Zusammengefasst werden die »Basis Inland« und die Depotorganisation Heer Überfall auf die Standortmunitionsniederlage Lebach bei dem 4 Wachsoldaten getötet werden Die Territorialkommandos NORD (Mönchengladbach) und SÜD (Heidelberg) werden aus den bisherigen Dienststellen der Deutschen Bevollmächtigten (DBv) Nord und Mitte gebildet Truppenübung »GROSSER RÖSSELSPRUNG« des III. Korps mit der 2. und der 7. Panzergrenadierdivision unter Beteiligung belgischer, französischer und amerikanischer Truppen. Eingesetzt waren 60 000 Soldaten und rund 17 400 Rad- und Kettenfahrzeuge Unterstellung der Territorialen Truppen auf dem Gebiet der Ausbildung unter die Korps Das Kuratorium »Ehrenmal des Heeres« wird in Bonn gegründet Unterstellung der Territorialkommandos NORD und SÜD sowie des deutschen Bevollmächtigten AFNORTH/WBK I unter das BMVg, in Verantwortung des Inspekteurs des Heeres. Gleichzeitig Unterstellung der WBK II bis VI unter die Territorialkommandos Die Stärke des Heeres beträgt 307 537 Soldaten (13 513 Offz/66 832 Uffz/176 512 Mannschaften) Die ersten Pionierpanzer 1 werden ausgeliefert

1970 11.3. 26.3.

6.4. 20.5. 5.6. 12.8. 9.10. 28.10. 7.12.

Wahl von Fritz-Rudolf Schultz (FDP) zum Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages Aufnahme von Gesprächen der Botschafter der drei Westmächte in der Bundesrepublik u n d des sowjetischen Botschafters in der DDR über das Berlin-Problem Ausstattung der Inspekteure der Teilstreitkräfte mit truppendienstlichen Befugnissen und Disziplinargewalt (Blankeneser Erlass) Weißbuch 1970 der Bundesregierung »Zur Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und zur Lage der Bundeswehr« Berufung einer Kommission zur Reorganisation des Rüstungsbereiches durch den Bundesminister der Verteidigung Unterzeichnung des dt.-sowjet. Gewaltverzichtabkommens in Moskau Gen Steinhoff wird Vorsitzender des Militärausschusses der NATO. Konstituierung der Deutschen Gesellschaft für Friedens- und Konfliktforschung unter Schirmherrschaft des Bundespräsidenten Unterzeichnung des dt.-poln. Vertrages in Warschau

764 1.1.

25.3. 31.3. 1.4.

1.8. 16.9. 30.9. 1.10.

29.10. Oktober Dezember Bis Jahresende

Chronologie Umbenennung der 10. Panzergrenadierdivision in 10. Panzerdivision Die 7. Panzergrenadierdivision verläßt die Unterstellung beim III. Korps und gehört wieder zum I. Korps Die 12. Panzerdivision ändert die Unterstellung vom II. zum III. Korps Im Zuge von Umgliederungsmaßnahmen zur Heeresstruktur 3 wird das erste Heimatschutzkommando des Territorialheeres aufgestellt Auflösung des Kommandos der Territorialen Verteidigung Umgliederung der Panzergrenadierbrigade 28 in das Heimatschutzkommando 18 Umgliederung der Panzerbrigade 20 in das Panzerregiment 100 und Unterstellung unter das I. Korps Aufstellung der Luftlandebrigade 27 (I. Korps) Die geschlossene Grundausbildung wird eingeführt Aufstellung des Territorialkommandos SCHLESWIG-HOLSTEIN (TerrKdo S-H), Übernahme der Aufgaben des WBK I Das Materialamt des Heeres (bislang Depotorganisation Heer) beginnt in Bad Neuenahr seine Tätigkeit Auflösung des Stabs des Wehrbereichskommandos I (WBK I, die Aufgaben gehen auf TerrKdo S-H über) Umbenennung des Truppenamtes in Heeresamt Umbenennung und Beginn der Umgliederung der 2. und 4. Panzergrenadierdivision in 2. und 4. Jägerdivision Umbenennung und Beginn der Umgliederung der Panzergrenadierbrigaden 4, 10 und 11 in die Jägerbrigaden 4,10 und 11 Kommandierender General des I. Korps wird GenLt Hans Hinrichs Kommandierender General des II. Korps wird GenLt Dr. Ing. Helmut Schönefeld Die erste Luftlandebrigade und das Panzerregiment 100 (beides Korpstruppen) werden der NATO unterstellt Jedes Bataillon und jede Brigadestabskompanie erhält für die ABC-Abwehr aller Truppen die neue Dekontaminationsausstattung TEP auf Lkw 51 gl Die Stärke des Heeres beträgt 307 610 Soldaten (14 245 Offz/74 146 Uffz/ 219 219 Mannschaften) Auslieferung der ersten Mehrfachraketenwerfer 110 mm SF (LARS 1) Umbenennung der ABC-Abwehrschule in ABC- und Selbstschutzschule

1971 28.1. 3.2. 10.3. 6.4. 18.5. 16.6. 3.9. 10.9.

Rahmenerlass des Bundesministers der Verteidigung zur Neuordnung des Rüstungsbereichs Gutachten der Wehrstruktur-Kommission über Wehrgerechtigkeit Bericht der Organisationskommission des BMVg über die Neuordnung des Rüstungsbereichs Bericht der Personalstrukturkommission des BMVg über die Personalstruktur der Streitkräfte Gutachten der Kommission zur Neuordnung der Ausbildung u n d Bildung in der Bundeswehr Richtlinien der Bundesregierung für die Beschränkung des Exports von Kriegswaffen und Rüstungsgütern auf NATO-Länder Unterzeichnung des Abkommens über die Regelung der Berlinfrage durch die Botschafter der vier Großmächte Beschluss der Bundesregierung zur Förderung der Wehrgerechtigkeit: Verkürzung der Grundwehrdienstzeit von 18 auf 15 Monate

Chronologie 30.9. 7.12. 11.3. 7.5. Juni 19.-24.9. 1.10. Dezember Bis Jahresende

765 Abkommen zur Verminderung der Gefahr des unbeabsichtigten Atomkrieges zwischen den USA und der UdSSR Weißbuch 1971/72 »Zur Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und zur Entwicklung der Bundeswehr« Die Radfahrzeuge der Folgegeneration, dabei auch der neue Spähpanzer, werden der Öffentlichkeit vorgestellt Auslieferung des Schützenpanzers »Marder« beginnt Indienststellung des Heeresflieger-Transportregiments 35 (Korpstruppe) als erstes Regiment dieses Typs Truppenübung »GUTES OMEN« des II. Korps, mit der durch Kanadier verstärkten 4. Jägerdivision und der 1. Gebirgsdivision als Übungstruppe Neuer Inspekteur wird GenLt Ernst Ferber Aufstellung des Panzerregiments 200 (II. Korps), dabei Abgabe von Panzerbataillonen der 10. Panzerdivision an das Panzerregiment 200 Umgliederung der Fallschirmjägerbrigaden 25 und 26 in die Luftlandebrigaden 25 und 26 Die Stärke des Heeres beträgt 315 600 Soldaten Beginn der Funkumrüstung auf die Gerätefamilie SEM 25/35/52 und Ablösung der bisher verwendeten US-Funkgeräte Umbenennung der KTS IV in Gebirgs- und Winterkampfschule

1972 1.4. 10.4. 7.7. 9.7. 14.-25.11. 28.11. 22.12.

14.2. Juli 1.10.

1.10. 29.10. 14.-15.11. Dezember Bis Jahresende

Admiral Armin Zimmermann wird Generalinspekteur der Bundeswehr Unterzeichnung des Übereinkommens über das Verbot von bakteriologischen Waffen durch die UNO-Mitglieder Georg Leber (SPD) wird Bundesminister der Verteidigung Verabschiedung der Reservistenkonzeption durch den Bundestag Hilfe von 4800 Soldaten mit 600 Fahrzeugen bei der Beseitigung von Sturmschäden in Niedersachsen Vorlage des Berichts der Wehrstruktur-Kommission Unterzeichnung des »Vertrags über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland u n d der Deutschen Demokratischen Republik« (Grundlagenvertrag) Die Kampftruppenschule III (KTS III, bis 1963 Panzerabwehrschule) wird mit der Kampftruppenschule II fusioniert Die ersten Transporthubschrauber CH 53 G werden übergeben GenLt Franz Pöschl wird KG des III. Korps Die Heeresunteroffizierschule I wird aufgelöst Die Heeresunteroffizierschule II wird aufgelöst und als Lehrgruppe in die Schule der Technischen Truppe I integriert Umbenennung und Umgliederung der Feldjägerschule in die Schule für Feldjäger und Stabsdienst Einweihung des Ehrenmals des Heeres in der Festung Ehrenbreitstein (Koblenz) durch den Bundesverteidigungsminister 4800 Soldaten mit 600 Fahrzeugen helfen bei der Beseitigung von Sturmschäden in Niedersachsen Die Stärke des Heeres beträgt 314 000 Soldaten Die ersten Panzerabwehrraketen TOW werden ausgeliefert Die bisherigen Brigadeversorgungsbataillone werden aufgelöst

766

Chronologie

1973 3.7. 18.9. 1.10 30.10.

1.1. 14.3. 28.9. 1.10. 6.-7.11. November 31.12. Bis Jahresende

Beginn der Konferenz f ü r Sicherheit u n d Zusammenarbeit in Europa (KSZE) in Helsinki Mitgliedschaft der Bundesrepublik u n d der DDR in der UNO Eröffnung der Bundeswehr-Hochschulen Hamburg u n d München (ab 1.4.1985 Umbenennung in Universitäten der Bundeswehr) Eröffnung der Konferenz über beiderseitige u n d ausgewogene Verminderung von Truppen u n d Rüstungen in Europa (MBFR) in Wien; Teilnehmer: sieben Staaten des Warschauer Paktes u n d zwölf NATO-Staaten Die Grundwehrdienstdauer wird auf 15 Monate gesenkt Die zuständigen Bundestagsausschüsse billigen die Beschaffung des Flugabwehrkanonenpanzers »Gepard« Der Inspekteur des Heeres erlässt die HDv 100/100 »Führung im Gefecht« Generalleutnant Horst Hildebrandt wird Inspekteur des Heeres Der Beschaffung des Raketenwerfersystems LANCE wird durch den zuständigen Bundestagsausschuss zugestimmt Auslieferung der ersten Brückenlegepanzer »Biber« Die Stärke des Heeres beträgt rund 318 000 Soldaten Die ersten Fliegerfäuste »REDEYE« werden ausgeliefert

1974 15.1. 6.5. 16.5. 15.12. 1.4 Mai 30.6. 5.7. August 10.-13.9.

16.-20.9.

1.10. 31.12.

Weißbuch 1973/74 der Bundesregierung »Zur Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland u n d zur Entwicklung der Bundeswehr« Rücktritt von Bundeskanzler Brandt im Zusammenhang mit der Spionageaffäre Guillaume Wahl von Helmut Schmidt (SPD) zum Bundeskanzler US-Gen Alexander M. Haig wird SACEUR Amtschef des Heeresamtes wird GenLt Heinz-Georg Lemm Erste Verbände des Heeres üben in Kanada auf dem Truppenübungsplatz SHILO Auflösung der Heeresoffizierschulen II und III An die Stelle der bisherigen Heeresoffizierschulen l-lll (HOS) tritt die neue Offizierschule des Heeres (OSH) in Hannover Auslieferung der ersten »Krakas« an die Luftlandetruppe An der NATO-Übung »BOLD GUARD« nehmen neben dänischen, britischen und amerikanischen Truppen deutsche Soldaten der 3. Panzer-, 6. Panzergrenadier- und der 7. Panzergrenadierdivision teil, insgesamt rund 40 000 Soldaten und über 10 000 Rad- und Kettenfahrzeuge Heeresgroßübung »SCHNELLER WECHSEL« mit rund 60 000 Soldaten und 16 600 Rad- und Kettenfahrzeugen im Bereich des III. Korps, beteiligt sind die 5. und 12. Panzerdivision sowie amerikanische, belgische und französische Soldaten GenLt Hans-Heinrich Klein wird KG des I. Korps Die Stärke des Heeres beträgt 334 400 Soldaten

Chronologie

767

1975 19.2. 20.3. 1.8. 12.8. 20.-22.10. 31.3. I.4. Mai II.6. 8.-23.8. 26.8. 15.-19.9. 4.-24.10. 30.10. 4.11. 31.12.

Zustimmung des Bundeskabinetts zum Eintritt von Ärztinnen als Sanitätsoffiziere in die Bundeswehr Wahl von Karl-Wilhelm Berkhan (SPD) zum Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages Unterzeichnung der KSZE-Schlussakte in Helsinki durch die Staats- und Regierungschefs von 35 Ländern Einsatz von 8000 Soldaten im Kampf gegen Waldbrände in Niedersachsen 20. Kommandeurtagung der Bundeswehr: »Standortbestimmung 20 Jahre Bundeswehr« Die Panzerregimenter 100 und 200 werden aufgelöst und gehen in den aufzustellenden Panzerbrigaden 20 und 28 auf Die in der Heeresstruktur 3 noch fehlenden Panzerbrigaden 20 (7. PzGrenDiv), 28 (10. PzGrenDiv) und 34 (12. PzDiv) werden aufgestellt Die ersten Panzerabwehrlenkraketen MILAN werden ausgeliefert Der Beschaffung der Feldhaubitze 70 wird durch den zuständigen Bundestagsausschuss zugestimmt Insgesamt 8000 Soldaten mit mehreren Dutzend Panzerfahrzeugen, u.a. 52 Bergepanzern sind im Kampf gegen Waldbrände in Niedersachsen eingesetzt Übergabe des ersten Spähpanzers »Luchs« an das Heer Großübung des II. Korps »GROSSE ROCHADE« mit rund 68 000 Soldaten der 4. Jäger-, der 1. Gebirgs- und der 12. Panzerdivision sowie je einer kanadischen und amerikanischen Brigade Zur Erprobung der Heeresstruktur 4 führt die 3. Panzerdivision die »Lehr- und Versuchsübung 75« auf dem Truppenübungsplatz BERGEN-HOHNE durch Die Fachschule für Erziehung, Ausbildungsstätte für Unteroffiziere des Heeres wird in Munster eröffnet Das Heeresamt wird neu gegliedert Die Stärke des Heeres beträgt 330 000 Soldaten

1976 20.1. 2.2. Aug. 21.12. Januar 1.4. April Mai Mai/Juni 1.7.

Weißbuch 1975/76 der Bundesregierung »Zur Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland u n d zur Entwicklung der Bundeswehr« Gründung der Unabhängigen Europäischen Programmgruppe (IEPG) zur Zusammenarbeit in Forschung, Entwicklung und Produktion von Wehrgerät durch die EUROGROUP Katastrophenhilfe der Bundeswehr im nordital. Erdbebengebiet Friaul Gen Harald Wust wird Generalinspekteur der Bundeswehr Einsatz von 15 000 Soldaten der 3. Panzerdivision und der 6. Panzergrenadierdivision bei einer Sturmflutkatastrophe in Schleswig-Holstein und Hamburg Neuer KG des II. Korps wird GenLt Carl-Gero von Ilsemann Übergabe des ersten Schwerlasttransporters »Elefant« (SLT 50-2) Übergabe der ersten Raketenwerfer LANCE Hilfseinsatz des Heeres im Erdbebengebiet bei Udine/Norditalien Beginn der Erprobung der Heeresstruktur 4 durch Modellbrigaden (Panzergrenadierbrigaden 2 und 5, Panzerbrigaden 20, 28 und 34)

768 6.-10.9. Bis Jahresende

Chronologie Gefechtsübung »GROSSER BÄR« im Bereich des I. Korps mit 62 000 Soldaten und 18 000 Rad- und Kettenfahrzeugen, beteiligt sind die 3. Panzer-, die 7. Panzergrenadier- und die 11. Panzergrenadierdivision Die bisherige manuelle Buchhaltung bei Einzelverbrauchsgütern wird durch die Einführung des Material-Kontrollzentrums Truppe (MKZ) in der Nachschubtruppe ersetzt Einführung des Gefechtsstandsführungspanzers Μ 577, Übergabe des ersten Flugabwehrkanonenpanzers »Gepard«

1977 25.3. 4.10. 1.1.

3.3. 25.5. 12.-16.9. November Bis Jahresende

Beschluss der NATO über die Errichtung eines luftgestützten Frühwarnund Fliegerleitsystems (AWACS) Eröffnung der KSZE-Folgekonferenz in Belgrad (tagt bis 9.3.1978) Die Unterstellungsverhältnisse der Brigaden des III. Korps werden neu geordnet, es gehören zur: 2. Jägerdivision - Jägerbrigade 4 - Panzergrenadierbrigade 5 - Panzerbrigade 34 5. Panzerdivision - Panzergrenadierbrigade 13 - Panzerbrigade 6 - Panzerbrigade 15 12. Panzerdivision - Panzergrenadierbrigade 35 - Panzerbrigade 14 - Panzerbrigade 36 Einrichtung der Fachhochschule des Heeres für Technik und Wirtschaft in Darmstadt Die Beschaffung von 1800 Kampfpanzern »Leopard 2« wird durch den Verteidigungsausschuss genehmigt Die Heeresgroßübung »STANDHAFTE CHATTEN« findet im Bereich des III. Korps mit 2. Jäger-, 5. Panzer-, 12. Panzerdivision und Luftlandebrigade 26 statt. Beteiligt sind rund 38 000 Soldaten mit 12 200 Rad- und Kettenfahrzeugen Einführung des Gesamtausbildungsplans (GAP) Übergabe der ersten Lkw 51, 71 und 101 der zweiten Generation

1978 3.1. 17.2. 13.4.

12.12. 21.-23.12.

General Gerd Schmückle wird erster dt. Stellvertreter des NATO-Oberbefehlshabers (DSACEUR) Dr. Hans Apel (SPD) wird Bundesminister der Verteidigung Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Unvereinbarkeit der Änderung des Wehrpflichtgesetzes (Kriegsdienstverweigerung »per Postkarte«) mit dem Grundgesetz General Jürgen Brandt wird Generalinspekteur der Bundeswehr Verhandlungen zwischen den USA u n d der UdSSR über ein zweites Abkommen zur Begrenzung der strategischen Rüstung (SALT II)

Chronologie I.4. 9.6. II.-22.9. 19.-22.9. 13.10. 7.11. November 15.12. Oktober bis Dezember Bis Jahresende

769 KG beim I. Korps wird GenLt Dr. Ferdinand von Senger und Etterlin KG beim III. Korps wird GenLt Paul-Georg Kleffel Übergabe des ersten kampfwertgesteigerten Kampfpanzers Μ 48 A2 G A2 Heeresgroßübung »BLAUE DONAU« beim II. Korps mit 4. Jäger-, 1. Gebirgs-, 10. Panzerdivision und Luftlandebrigade 27, beteiligt sind 46 000 Soldaten und 19 200 Rad- und Kettenfahrzeuge NATO-Manöver BOLD GUARD in Schleswig-Holstein unter Beteiligung der 6. und 7. Panzergrenadierdivision Die ersten Feldhaubitzen 155-1 (FH 70) werden übergeben Übergabe des ersten Raketenjagdpanzers »Jaguar 1« mit dem Waffensystem HOT Auslieferung des ersten geländegängigen Lkw 0,51 VW »Iltis« Auslieferung der ersten Faltschwimmbrücken an die Pioniertruppe, sie lösen die bisher verwendeten Schlauchbootbrückengeräte ab Einführung des Fernmeldesystems AUTOKO ins Heer Auslieferung der ersten geländegängigen Lkw 21, Mercedes-Benz

1979 Jan./Febr. 1.7. 4.9. 31.10. 12.12.

27.12. Januar 1.4. 17.-21.9.

1.10.

25.10. 19.12. Bis Jahresende

Hilfseinsätze der Bundeswehr bei der Schneekatastrophe in Norddeutschland US-Gen Bernard W. Rogers wird SACEUR Weißbuch 1979 der Bundesregierung »Zur Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und zur Lage der Bundeswehr« Bericht der de Maiziere-Kommission zur Stärkung der Führungsfähigkeit und Entscheidungsverantwortung der Streitkräfte Beschluss der NATO zur Nachrüstung mit landgestützten Marschflugkörpern und Pershing-II-Systemen ab 1983, falls sich die UdSSR bis dahin nicht zur Abrüstung ihrer eurostrategischen SS-20-Raketen bereit erklärt (NATO-Doppelbeschluss) Beginn der militärischen Intervention der Sowjetunion in Afghanistan Katastrophenhilfe des Heeres bei der Schneekatastrophe in Norddeutschland GenLt Johannes Poeppel wird Inspekteur des Heeres Großübung »HARTE FAUST« beim I.Korps mit I.Panzergrenadier-, 3. Panzer- und 11. Panzergrenadierdivision. Beteiligt sind 60 000 Soldaten und 18 700 Rad- und Kettenfahrzeuge, darunter Einheiten und Verbände aus den Niederlanden, Dänemark und den USA KG des I. Korps wird GenLt Kurt von der Osten Amtschef des Heeresamtes wird GenLt Horst Wenner Der erste Kampfpanzer »Leopard 2« wird in Munster übergeben Der erste Transportpanzer »Fuchs« wird übergeben Übergabe der ersten Verbindungshubschrauber BO 105

1980 1.7.

Admiral Günther Luther wird Stellvertretender Oberbefehlshaber der NATO (DSACEUR)

770 31.7. 20.8. 11.11. 4.12.

1.4. 24.4. 15.-18.9. 1.10.

4.12. Dezember

Chronologie Schaffung des »Aufgabenverbunds Innere Führung« und Umbenennung der Schule für Innere Führung in »Zentrum Innere Führung« Stiftung des »Ehrenzeichens der Bundeswehr« durch den Bundesminister der Verteidigung zum 25-jährigen Bestehen der Bundeswehr Eröffnung des zweiten KSZE-Folgetreffens in Madrid (tagt bis 9.9.1983) Katastropheneinsatz von 800 Soldaten der Bundeswehr im süditalienischen Erdbebengebiet Beginn der Umgiiederung in die Heeresstruktur 4 Der Inspekteur des Heeres genehmigt interne Verbandsabzeichen für Bataillone und Einheiten Großübung »SANKT GEORG« beim III. Korps mit 44 000 deutschen und 3000 amerikanischen Soldaten KG des II. Korps wird GenLt Meinhard Glanz KG des III. Korps wird GenLt Wolfgang Altenburg Umbenennung und Umgiiederung der 2. Jägerdivision in die 2. Panzergrenadierdivision Umbenennung und Umgiiederung der 7. Panzergrenadierdivision in 7. Panzerdivision Umbenennung und Umgiiederung der Jägerbrigade 4 in Panzergrenadierbrigade 4 Verlängerung der Ausbildung zum Unteroffizier auf 15 Monate Übergabe des ersten Panzerabwehrhubschraubers (PAH-1) BO 105, ausgestattet mit der Panzerabwehrlenkrakete HOT Katastrophenhilfe von Sanitätern und Pionieren im süditalienischen Erdbebengebiet

1981 22.7. 30.11. 13.12. 1.4.

15.6. Juli 14.-18.9. 30.9. 1.10.

Gemeinsame Erklärung des DGB und der Bundeswehr über die Verbesserung der Beziehungen Beginn der amerik.-sowjet. Verhandlungen in Genf über die Begrenzung nuklearer Mittelstreckenraketen (INF) Verhängung des Kriegsrechts durch die polnische Staatsführung Umbenennung und Umgiiederung der 1. Panzergrenadierdivision in die 1. Panzerdivision Umbenennung und Umgiiederung der 4. Jägerdivision in die 4. Panzergrenadierdivision Umgiiederung der Panzergrenadierbrigade 2 in die Panzerbrigade 2 Umbenennung und Umgiiederung der Jägerbrigaden 10 und 11 in die Panzergrenadierbrigaden 10 und 11 Umbenennung und Umgiiederung der Panzerbrigade 30 in die Panzergrenadierbrigade 30 Aufstellung der Heimatschutzbrigaden 51 bis 56 Übergabe der ersten Flugabwehrraketenpanzer »Roland« Übergabe der ersten Raketenwerfer 110 mm SF 2 (LARS 2) Großübung »SCHARFE KLINGE« im Bereich des II. Korps (10. PzDiv) Auflösung der bisherigen Raketenschule der Artillerie, Verlegung und Eingliederung als Lehrgruppe Β in die Artillerieschule Neuer Inspekteur des Heeres wird der bisherige KG des II. Korps GenLt Meinhard Glanz, sein Nachfolger als KG des II. Korps wird GenLt Leopold

Chronologie

771 Chalupa Bei der 2. Panzergrenadierdivision wird die bisherige Panzerbrigade 34 in Panzerbrigade 6 umbenannt Bei der 5. Panzerdivision wird die bisherige Panzerbrigade 6 in Panzerbrigade 14 umbenannt Bei der 12. Panzerdivision wird die bisherige Panzerbrigade 14 in Panzerbrigade 34 umbenannt Umbenennung und Umgliederung der Gebirgsjägerbrigade 22 in Panzergrenadierbrigade 22 Umbenennung und Umgliederung der Panzergrenadierbrigade 24 in Panzerbrigade 24

1982 15.3.

15.4.

30.5. 10.6. 21.6. 20.9. 1.10. 4.10. 10.-17.9. 1.10. 1.12.

Stärkung des Wehrbeauftragten durch den Bundestag, der künftig vom Verteidigungsminister und allen unterstellten Dienststellen und Personen Auskunft und Akteneinsicht verlangen sowie jederzeit Einrichtungen der Bundeswehr ohne Anmeldung besuchen kann Abkommen zwischen den USA u n d der Bundesrepublik über die Unterstützung der amerik. Streitkräfte im Spannungs- und Verteidigungsfall (Wartime Host Nation Support, WHNS) Beitritt Spaniens als 16. Mitglied zur NATO Großdemonstration von 350 000 Menschen in Bonn gegen den NATODoppelbeschluss Abschlussbericht der Langzeitkommission der Bundeswehr über die Auftragserfüllung der Bundeswehr in den 90er Jahren Inkraftsetzen der neuen Traditionsrichtlinien der Bundeswehr unter Aufhebung des Erlasses »Bundeswehr und Tradition« von 1965 Konstruktives Misstrauensvotum gegen Bundeskanzler Schmidt und Wahl von Dr. Helmut Kohl (CDU) zum Bundeskanzler Dr. Manfred Wörner (CDU) wird Bundesminister der Verteidigung Großübung »STARKE WEHR« im Bereich des I. Korps mit 45 000 Soldaten und 14 100 Rad- und Kettenfahrzeugen (11. PzGrenDiv) KG des I. Korps wird GenLt Dr. Gerhard Wächter Der erste Generalinspekteur der Bundeswehr General a.D. Adolf Heusinger verstirbt im Alter von 85 Jahren

1983 1.4. 1.-2.6.

20.10. 27.10. 22.11.

General Wolfgang Altenburg wird Generalinspekteur der Bundeswehr Bekräftigung des NATO- Doppelbeschlusses durch die Verteidigungsminister der NATO in Brüssel und Erklärung, die NATO werde ihre Waffen niemals zuerst einsetzen Weißbuch 1983 zur Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland Beschluss der Nuklearen Planungsgruppe in Montbello/Kanada, im Verlauf der nächsten 5 - 6 Jahre weitere 1400 atomare Gefechtsköpfe ersatzlos aus Europa abzuziehen Beschluss des Bundestages mit der Mehrheit von CDU/CSU und FDP zur fristgerechten Nachrüstung mit Mittelstreckenraketen gemäß NATODoppelbeschluss

772 1.1. 1.4. 22.9. 1.10. 3.10. 2.12.

Chronologie Einführung der Spitzendienstgrade Stabsfeldwebel und Oberstabsfeldwebel für Unteroffiziere K G des III. Korps wird GenLt Hans-Joachim Mack Amtschef des Heeresamtes wird GenLt Dr. Werner Schäfer Einweihung des Panzermuseums der Kampftruppenschule 2 Munster KG des II. Korps wird GenLt Werner Lange Schießunfall auf dem Truppenübungsplatz MÜNSINGEN mit zwei Toten und 25 Verletzten Übergabe des ersten Raketenjagdpanzers »Jaguar 2«, ausgerüstet mit der Panzerabwehrlenkrakete TOW

1984 1.1. 17.1. 24.2. 29.-31.5.

17.10. 9.11.

1.4. 13.-21.9. 1.10. 9.11. Bis Jahresende

Gesetz zur Neuregelung des Rechts auf Kriegsdienstverweigerung und des Zivildienstes Eröffnung der Konferenz über Vertrauens- und Sicherheitsbildende Maßnahmen und Abrüstung in Europa (KVAE) in Stockholm (tagt bis 19.9.1989) Beginn der Stationierung amerik. Mittelstreckenraketen in der Bundesrepublik Washingtoner Erklärung über die Ost-West-Beziehungen der NATOAußenminister: auf der Grundlage militärischer Stärke und politischer Solidarität Bereitschaft zum Dialog und zur Zusammenarbeit mit den Staaten des Warschauer Paktes Verabschiedung der Bundeswehrplanung für die 90er Jahre im Bundeskabinett Billigung der vom SACEUR erarbeiteten langfristigen Planungsrichtlinie für die Bekämpfung von Folgestaffeln angreifender Truppen des Warschauer Paktes (FOFA) durch die NATO KG des III. Korps wird GenLt Karl Erich Diedrichs Heeresgroßübung »FLINKER IGEL« im Bereich des II. Korps (10. PzDiv) GenLt Hans-Henning von Sandrart wird Inspekteur des Heeres Übergabe der ersten Funkgeräte der S E M 70/80/90 Generation Einführung des Fleckentarnanstrichs für gepanzerte und ungepanzerte Fahrzeuge

1985 12.3. 1.4. 12.4. 8.5. 13.6. 19.6.

Wiederaufnahme der amerik.-Sowjet. Verhandlungen über die Beschränkung von Kern- und Weltraumwaffen in Genf Wahl von Willi Weiskirch (CDU) zum Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages Erste Begegnung zwischen dem Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte in Europa und dem Oberbefehlshaber der Gruppe der Sowjet. Streitkräfte in Deutschland in Potsdam Sowjetische Bekanntgabe eines einseitigen Moratoriums für die Stationierung von Mittelstreckenraketen Gesetz zur Verbesserung der Personalstruktur in den Streitkräften Weißbuch 1985 der Bundesregierung »Zur Lage und Entwicklung der Bundeswehr«

Chronologie 2.8. 6.8. 19.-21.11.

12.-20.9. 13.11.

773 Beschluss der Bundesrepublik, Großbritanniens und Italiens über den gemeinsamen Bau eines Kampfflugzeugs für die 90er Jahre Moratorium der sowjet. Regierung über die einseitige Einstellung aller Kernwaffenversuche bis zum 1.1.1986 Vereinbarung zwischen US-Präsident Ronald Reagan und dem sowjet. Parteichef Michail Gorbacev bei ihrem Treffen in Genf über eine Reduzierung der strategischen Nuklearkräfte um 50 % Großübung »TRUTZIGE SACHSEN« im Bereich des I.Korps mit 60 000 Soldaten und 21 300 Rad- und Kettenfahrzeugen Zum 30-jährigen Bestehen der Bundeswehr führt die 1. Panzerdivision ein Schießen der verbundenen Waffen auf dem Truppenübungsplatz BERGENHOHNE vor dem Bundeskanzler und dem Bundeskabinett durch.

1986 22.9. 1.10.

11.-12.10. 4.11. 14.1. März 1.4. 30.6. 17.-24.9. 1.12. Bis Jahresende

Unterzeichnung des Vertrages für vertrauensbildende Maßnahmen und Abrüstung in Europa (KVAE-Vertrag) in Stockholm General Wolfgang Altenburg wird Vorsitzender des Militärausschusses der NATO, Admiral Dieter Wellershoff Generalinspekteur der Bundeswehr Scheitern der Rüstungskontrollgespräche in Reykjavik zwischen Reagan und Gorbacev an unterschiedlichen Auffassungen über die amerik. Initiative zur Strategischen Verteidigung (SDI) Eröffnung der dritten KSZE- Folgekonferenz in Wien (tagt bis 15.1.1989) Unterstellung des (ersten) WARTIME HOST NATION SUPPORT (WHNS)Unterstützungskommandos 3 unter das WBK III Übergabe der ersten Systemteile AUTOKO II KG des I. Korps wird GenLt Dieter Clauss Amtschef des Heeresamtes wird GenLt Dr. Gerhard Wächter Übergabe des Minenwurfsystems »Skorpion« an die Pioniertruppe Großübung »FRÄNKISCHER SCHILD« im Bereich des III. Koprs. Die Übung wid von 39 KSZE-Beobachtern begleitet Amtschef des Heeresamtes wird GenLt Wolfgang Odendahl Auslieferung der Kälte- und Nässeschutzbekleidung

1987 März 30.6. 26.8. 7.-11.9. 15.9. 8.12.

Erstmalige Teilnahme von zwei Offizieren der Bundeswehr als Beobachter an einem Manöver des Warschauer Paktes in der DDR US-General John R. Galvin wird SACEUR Entscheidung der Bundesregierung über den Abbau der in der Bundesrepublik stationierten 72 Mittelstreckenraketen als Antwort auf die vertragsgemäße Zerstörung sowjet. SS-20-Raketen Besuch des Generalsekretärs des ZK der SED und Vorsitzenden des Staatsrates der DDR, Erich Honecker, in der Bundesrepublik Erstmalige Teilnahme von zwei Offizieren der NVA als Beobachter an den NATO-Herbstmanövern Unterzeichnung des Vertrages über die weltweite Beseitigung landge-

774

März

September

1.10.

Chronologie stützter nuklearer Mittelstreckenraketen (INF-Vertrag) durch Reagan und Gorbacev in Washington Die ersten Heeresoffiziere sind als Beobachter bei einem gemeinsamen Manöver der »Gruppe der sowjetischen Truppen in Deutschland« (GSTD) und der NVA der DDR auf dem Truppenübungsplatz LETZLINGER HEIDE Erste gemeinsame deutsch-französische Gefechtsübung »KECKER SPATZ/ MOINEAU HARDI« unter Führung des II. Korps mit 55 000 deutschen und 20 000 französischen Soldaten in Süddeutschland GenLt Henning von Ondarza wird Inspekteur des Heeres KG des III. Korps wird GenLt Helge Hansen

1988 7.-15.1. 22.1. März 15.5. 18.5. 1.7. Februar 1.4. Herbst

Bis Jahresende

Erster Besuch einer amerik. Expertengruppe im Sowjet. Erprobungsgelände für Kernwaffen in Semipalatinsk Einrichtung eines Gemeinsamen Verteidigungs- und Sicherheitsrates durch die Bundesrepublik und Frankreich sowie Unterzeichnung eines Abkommens über die Aufstellung einer Dt.-Franz. Brigade Einsatz von 1700 Soldaten bei der Hochwasserkatastrophe in Niederbayem Beginn des Abzugs Sowjet. Truppen aus Afghanistan Prof. Dr. Rupert Scholz wird Bundesminister der Verteidigung Dr. Manfred Wörner wird erster dt. NATO-Generalsekretär Übergabe der ersten ABC-Spürpanzer »Fuchs« KG des I. Korps wird GenLt Jörn Söder Leitung und Durchführung der Heeresübung »LANDESVERTEIDIGUNG 88« durch Territorialkommando SÜD unter Beteiligung von 30 000 Soldaten und rund 8000 Rad- und Kettenfahrzeugen Übergabe des Minenverlegesystems 85 an die Pioniertruppe

1989 30.3. 20.4. 3.-6.5. 19.6. 10.9. 6.-7.10. 8.10. 9.11. 20.11. 28.11.

Erster direkter Gedankenaustausch von Offizieren der Bundeswehr und der NVA in Hamburg Gerhard Stoltenberg (CDU) wird Bundesminister der Verteidigung. Erster Besuch eines Generalinspekteurs der Bundeswehr, Admiral Wellershoff, in der Sowjetunion Neubeginn der Verhandlungen zwischen den USA und der UdSSR über die Verringerung strategischer Waffen (START) in Genf Öffnung der ungar. Grenze für DDR-Flüchtlinge Drängen von Gorbacev anlässlich des 40. Jahrestages der Gründung der DDR auf politische und wirtschaftliche Reformen Massendemonstration in Leipzig von etwa 15 000 Menschen für demokratische Erneuerung, Meinungsfreiheit und Reformen Beschluss des Ministerrats der DDR über die Öffnung der Grenzübergänge zur Bundesrepublik und nach West-Berlin Ruf nach der deutschen Einheit bei Massendemonstrationen in Leipzig Vorlage eines Zehn-Punkte-Programms durch Bundeskanzler Kohl im Bundestag zur Überwindung der Teilung Deutschlands

Chronologie

775

19.-20.12.

Gespräche über eine Vertragsgemeinschaft zwischen beiden dt. Staaten beim Besuch von Bundeskanzler Kohl in Dresden

Januar 1.4. 13.4. 13.-18.9.

Aufstellung der Deutsch-Französischen Brigade KG des II. Korps wird GenLt Gert Verstl Obergabe des ersten Pionierpanzers 2 »Dachs« Heeresgroßübung »OFFENES VISIER« im Bereich des I. Korps mit 39 (XX) Soldaten und 18 000 Rad- und Kettenfahrzeugen Übergabe der ersten Lkw 0,9 t Mercedes-Benz 250 GD »Wolf«

27.11. 1990 10.-11.2.

11.-14.2. 18.3. 27.4. 1.6. 15.-16.7.

2.8. 20.8. 23.8. 31.8. 12.9. 24.9. 2.10. 3.10. 17.10. 19.11.

5.2.

Erklärung von Staats- und Parteichef Gorbacev beim Besuch von Bundeskanzler Kohl und Außenminister Dietrich Genscher in Moskau, dass die Deutschen ihre Einheit in freier Selbstbestimmung und unter Berücksichtigung der Sicherheit und Interessen ihrer Nachbarn in Europa verwirklichen könnten Einigung der Siegermächte des Zweiten Weltkrieges und der beiden dt. Staaten darauf, Gespräche über die äußeren Aspekte der dt. Einheit in einem »Zwei-Plus-Vier«-Rahmen zu führen Wahlsieg der konservativen »Allianz für Deutschland« bei den ersten freien Wahlen in der DDR Wahl von Alfred Biehle (CSU) zum Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages Rahmenrichtlinien über dienstliche und außerdienstliche Kontakte zwischen Soldaten der Bundeswehr und Angehörigen der NVA Beratungen zwischen Gorbacev und Kohl im Kaukasus über die Modalitäten der Wiedervereinigung Deutschlands: weitere NATO-Mitgliedschaft der Bundesrepublik; Reduzierung der Bundeswehr auf eine Stärke von höchstens 370 000 Mann bis Ende 1994 Unterstützung der konzertierten internationalen Aktion mit einem Minensuchverband der Bundeswehr gegen die Besetzung Kuwaits durch den Irak Arbeitsaufnahme einer Verbindungsgruppe der Bundeswehr im Ministerium für Abrüstung und Verteidigung in Strausberg Beschluss der Volkskammer der DDR über den Beitritt zur Bundesrepublik nach Artikel 23 des Grundgesetzes Unterzeichnung des Einigungsvertrages Abschluss der »Zwei-Plus-Vier«-Verhandlungen in Moskau und Unterzeichnung des Deutschland-Vertrages Unterzeichnung des Protokolls über den Austritt der DDR aus dem Warschauer Pakt Erlöschen des Vier-Mächte-Status Berlins, als die Alliierte Kommandantur ihre Arbeit einstellt Herstellung der Einheit Deutschlands durch den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik; Übernahme der Befehls- und Kommandogewalt über die gesamtdeutschen Streitkräfte durch Verteidigungsminister Stoltenberg Indienststellung der Dt.-Franz. Brigade Gemeinsame Erklärung von NATO und Warschauer Pakt über umfassende Abrüstung und gegenseitigen Nichtangriff (Charta von Paris für ein neues Europa) Übergabe der ersten Raketenwerfer MARS

776

Chronologie

1.4.

Amtschef des Heeresamtes wird GenLt Ernst Klaffus Die Heeresunteroffizierschulen l-lll werden aufgestellt 24.6. Die Heeresunteroffizierschule I (Münster/Westf.) wird eröffnet 1.8. Übergabe der ersten Waffenträger WIESEL an die Luftlandetruppe September Operation LINDWURM: Teile des Heeres unterstützen den Abtransport der amerikanischen Chemiewaffen aus Deutschland. Transport von Bekleidung und Ausrüstung in die DDR, zur Einkleidung der NVA nach der deutschen Wiedervereinigung 1.10. Mit der Führung des III. Korps wird GenMaj Anton Steer beauftragt Der Wehrdienst wird auf 12 Monate verkürzt 3.10. Übernahme der Führung von ehemaligen Truppenteilen der NVA durch die Bundeswehr und Übernahme von ehemaligen NVA-Soldaten in die Bundeswehr 4.10. Indienststellung des Heereskommandos OST, Kommandeur wird BrigGen Göttelmann 17.10. Die Deutsch-Französische Brigade wird in Dienst gestellt 19.10. Erstes öffentliches Gelöbnis in den neuen Bundesländern in Bad Salzungen November Das Heer unterstützt die britischen und amerikanischen Truppen mit Transibis Juli 1991) port-, Instandsetzungs- und Wachleistungen im Rahmen der Vorbereitung der Operation DESERT STORM Bis JahresAufstellung der Wehrbereichskommandos VII (Leipzig) und VIII (Neubranende denburg) Übergabe des ersten Aufklärungssystems Drohne CL 289 1991 17.1. 31.3. 16.4. 30.-31.7. 1.10. 8.11. 21.12.

2.1.

Beginn der Operation DESERT STORM zur Befreiung Kuwaits von irakischer Besetzung durch eine multinationale Streitmacht unter amerik. Führung Auflösung der Militärstrukturen des Warschauer Paktes Aufstellung des Korps- und Territorialkommandos Ost in Potsdam; erster Befehlshaber: GenLt Werner v. Scheven Unterzeichnung des START-Vertrages über den Abbau strategischer Nuklearwaffen durch die Präsidenten der USA und der UdSSR General Klaus Naumann wird Generalinspekteur der Bundeswehr Beschluss des NATO-Gipfels in Rom über eine neue Bündnisstrategie aus einer Triade von Dialog, Kooperation und Erhaltung der Verteidigungsfähigkeit Auflösung der UdSSR und Gründung der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) durch die Vertreter aus elf ehemaligen Sowjetrepubliken in Alma Ata

Erstmalige Einberufung von Wehrpflichtigen aus den fünf neuen Bundesländern Einrichtung der Steuerkopf/Personalorganisation zur Verringerung des Personalbestandes für die Heeresstruktur 5 1.4. KG des I. Korps wird GenLt Klaus Naumann Aufstellung der Heeresunteroffizierschule IV (Delitzsch) 16.4. Auflösung des Heereskommandos OST und Indienststellung des Korps-/ Territorialkommandos OST. Erster Kommandierender General und Befehlshaber wird GenLt Werner von Scheven 15.5. Der erste umgerüstete Schützenpanzer BMP-1 A1 Ost wird übergeben Bis Ende Juni Aufstellung der Heimatschutzbrigaden 37-42

Chronologie 1.7. August 1.10.

6.11.

777 Das Bundeswehrkommando OST wird außer Dienst gestellt. Die unterstellten Heeresverbände treten unter das Kommando der zuständigen Heeresstäbe. Umbenennung der WBK VII und VIII in Div/WBK VII und VIII Einsatz von Heeresfliegerkräften mit der CH 53 um UN-Sonderinspektoren im Rahmen der UNSCOM-Mission im Irak zu transportieren Inspekteur des Heeres wird GenLt Jörg Schönbohm KG des I. Korps wird GenLt Hannsjörn Boes KG des III. Korps wird GenLt Peter-Heinrich Carstens Die ersten Sanitätssoldaten werden zu einer UN-Mission nach Kambodscha abgestellt

1992 Januar 2.3. 18.3. 18.-25.3. 24.3. 2.4. 9.4. 14.4. 22.5.

16.6.

19.6. 24.6. 15.7.

3.8. 2.10. 15.12. 1.3. 3.8. 4.8. 30.9.

Verteidigungspolitische Richtlinien als Grundlagen für den Umbau der Bundeswehr Beginn gewaltsamer Auseinandersetzungen in Bosnien-Herzegowina Abzug des VII. US-Korps aus Baden-Württemberg nach 41 Jahren amerikanischer Militärpräsenz Erste Weltraummission eines Bundeswehrsoldaten, des Astronauten Major Klaus-Dieter Flade, gemeinsam mit russischen Kosmonauten Unterzeichnung des Vertrags über »Open Skies« in Wien über die luftgestützte Beobachtung von Rüstungskontrolle und Krisenüberwachung Volker Rühe (CDU) wird Bundesminister der Verteidigung Entsendung von 140 Soldaten, darunter 30 Ärzten, zur medizinischen Betreuung von UN-Angehörigen nach Kambodscha Aufnahme des Lehrbetriebs an der Bundesakademie für Sicherheitspolitik Beschluss Frankreichs u n d Deutschlands zur Aufstellung eines europäischen Armeekorps sowie Einladung weiterer Länder der WEU zur Teilnahme als Kern einer europ. Verteidigungsidentität Einigung von US-Präsident George W. Bush u n d dem russischen Präsidenten Boris El'cin auf einen umfassenden Abbau nuklearer Gefechtsköpfe und strategischer Flugkörper WEU-Ministertreffen auf dem Petersberg in Bonn (PetersbergErklärung): Beschlüsse zur Stärkung der Rolle der WEU US-Gen John M. Shalikashvili wird SACEUR Beschluss des Bundeskabinetts zur Teilnahme dt. Marinestreitkräfte an den von der WEU und der NATO festgelegten Maßnahmen zur Überwachung der UN-Sanktionen (Resolutionen 713/757) gegen Serbien und Montenegro Beginn der Verschrottung von ca. 11 000 dt. Waffensystemen entsprechend den Vereinbarungen des KSZE-Vertrages Ernennung der ersten 20 ehemaligen NVA-Soldaten zu Berufssoldaten der Bundeswehr Entscheidung von Verteidigungsminister Rühe über den Bundeswehrplan 94 mit der Differenzierung in Hauptverteidigungs- und Krisenreaktionskräfte Inspekteur des Heeres wird GenLt Helge Hansen, sein Vorgänger Jörg Schönbohm wird zum beamteten Staatssekretär im BMVg ernannt Beginn der Zerstörung der ersten von der ehemaligen NVA übernommenen Schützen- und Kampfpanzer Übergabe des ersten Bergepanzers 3 »Büffel« Auflösung der Heimatschutzbrigaden 52, 53 und 54. Übergabe der ersten Panzerfaust 3

778 2.10. Bis Jahresende

Chronologie Die ersten ehemaligen NVA-Soldaten werden zu Berufssoldaten ernannt Beginn der Einführung der Kampfbekleidung »Fleckentarndruck« Beginn der Umgliederung des Führungsstabs des Heeres (FüH)

1993 15.1. 2.4.

23.6.

2.7. 27.8. 22.10. 5.11. 12.11.

31.3.

1.4. 22.4. 16.5. 1.7. 3.7. 30.9.

5.11. 12.11.

Unterzeichnung einer Konvention zur weltweiten Ächtung u n d Vernichtung chemischer Waffen durch 130 Staaten Beschluss der Bundesregierung zur Beteiligung dt. Soldaten an der Überwachung des Flugverbots über Bosnien-Herzegowina (AWACSEinsatz) Zurückweisung eines Antrags der SPD durch das Bundesverfassungsgericht auf Erlass einer einstweiligen A n o r d n u n g gegen die Entsendung eines Bundeswehrkontingents nach Somalia Billigung des Somalia-Einsatzes durch d e n Bundestag; Beginn der Verlegung des Hauptkontingents von r u n d 1700 Soldaten am 3.7. Auflösung des Oberkommandos der franz. Streitkräfte in Deutschland US-Gen Georges A. Joulwan wird SACEUR Feierliche Indienststellung des EUROKORPS in Straßburg Beendigung der Beteiligung der Bundeswehr an der UN-Mission in Kambodscha Auflösung der: Panzerbrigade 2 Panzergrenadierbrigade 11 Panzergrenadierbrigade 22 Luftlandebrigade 27 KG des II. Korps wird GenLt Edgar Trost Umgliederung der PzGrenBrig 31 in die Luftlandebrigade 31 Indienststellung des II. GE/US-Korps Das Vorkommando für die deutschen Anteile der UN-Mission in Somalia trifft in Belet Huen ein KG des III. Korps wird GenLt Dr. Klaus Reinhardt Verlegung des Hauptkontingentes von ca. 1700 Soldaten nach Belet Huen/ Somalia Auflösung der: Panzergrenadierbrigade 4 Panzergrenadierbrigade 10 Panzergrenadierbrigade 17 Panzergrenadierbrigade 35 Panzerbrigade 6 Panzerbrigade 20 Panzerbrigade 28 Panzerbrigade 29 Panzerbrigade 33 Heimatschutzbrigade 51 Heimatschutzbrigade 55 Heimatschutzbrigade 56 Indienststellung des EUROKORPS mit einem feierlichen Appell in Straßburg, erster KG wird GenLt Helmut Willmann Die letzten deutschen Soldaten der UN-Mission in Kambodscha treffen wieder in Deutschland ein

Chronologie

779

31.12. Bis Jahresende

Auflösung der Panzerbrigade 8 Abschaffung der Essenmarke nach 37 Jahren Abschluss der Umgliederung und Verringerung des Personals des Führungsstabs des Heeres

1994 10.-11.1.

14.1. 25.3. 5.4. 22.4. 8.7.

12.7.

31.8. 8.9. 5.-6.12.

Februar 31.3.

März 1.4.

Einladung der NATO an die Länder des ehemaligen Warschauer Paktes und die Nachfolgestaaten der Sowjetunion zu begrenzter sicherheitspolitischer und militärischer Zusammenarbeit im Rahmen einer »Partnership for Peace« (PfP) Unterzeichnung eines amerik.-russ. Abkommens in Moskau zur Aufhebung von Zielvorgaben für nukleare Langstreckenraketen gegen das Hoheitsgebiet des anderen Landes mit Wirkung vom 30.5.1994 Beförderung der ersten Frau, Dr. med. Verena v. Weymarn, in der dt. Militärgeschichte zum GenArzt Weißbuch 1994 »Zur Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und zur Lage und Zukunft der Bundeswehr« Rahmenvereinbarung über die Aufstellung des I. Dt.-Niederländ. Korps Verabschiedung der konzeptionellen Leitlinien zur Bundeswehrplanung durch das Bundeskabinett: Reduzierung des Friedensumfangs auf 340 000 Soldaten; Festlegung der Krisenreaktionskräfte auf 50 000 Soldaten; mittelfristige Verstetigung des Verteidigungshaushaltes bei 47,5 Mrd. DM plus 0,4 Mrd. DM für Mittel zur Personalverstärkung; 10-monatiger Grundwehrdienst mit anschließender 2-monatiger Verfügungsbereitschaft bzw. freiwilliger 12-monatiger Grundwehrdienst in den Krisenreaktionskräften Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, dass dt. Soldaten ohne Einschränkung an internationalen UN-Friedensmissionen außerhalb des Bündnisgebietes der NATO teilnehmen können. Auch Kampfeinsätze sind nach dem Grundgesetz zulässig. Voraussetzung ist die Zustimmung des Bundestages in jedem einzelnen Fall mit einfacher Mehrheit Abschluss des Abzugs russ. Truppen von dt. Hoheitsgebiet Verabschiedung der Truppen Frankreichs, Großbritanniens und der Vereinigten Staaten mit militärischen Ehren aus Berlin Umbenennung der KSZE in Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) beim Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs in Budapest Die letzten deutschen Soldaten verlassen Belet Huen/Somalia Auflösung des/der: III. Korps - Territorialkommandos SCHLESWIG-HOLSTEIN - 2. Panzergrenadierdivision - 4. Panzergrenadierdivision 12. Panzerdivision - Panzerbrigade 3 Panzergrenadierbrigade 13 - Panzerbrigade 15 Beginn der Aufstellung des Heeresunterstützungskommandos (HUKdo). Erster Kommandeur wird (ab 1.1.95) GenMaj Norbert Majewski. GenLt Hartmut Bagger wird Inspekteur des Heeres Aufstellung des Heeresführungskommandos, erster Befehlshaber wird der

780

14.7. 13.9. 30.9.

1.10.

7.-17.11. 31.12.

Chronologie bisherige KG des III. Korps GenLt Dr. Klaus Reinhardt Amtschef des Heeresamtes wird GenMaj Jürgen Reichardt Umgliederung und Umbenennung des Stabes Korps-/TerrKdo OST in Korps-/ TerrKdo OST/IV. Korps Fusionierung der Wehrbereichskommandos mit den Divisionen: - WBK 1/6. PzGrenDiv - WBK 11/1. PzDiv - WBK III/7. PzDiv - WBK IV/5. PzDiv - WBK V/10. PzDiv - WBK VI/1. GebDiv Aufstellung der Heeresfliegerbrigade 3, erstmalige Zusammenfassung aller Transporthubschrauberkräfte des Heeres in einem Großverband Aufstellung des Kommandos Luftbewegliche Kräfte und 4. Division (KLK/ 4. Div) Erstmalig nehmen deutsche Soldaten im Rahmen des EUROKORPS an einer Militärparade zum französischen Nationalfeiertag in Paris teil Erster Abschluss einer Patenschaft zwischen einem deutschen (Div/WBK VIII) und einem polnischen (12. Mechanisierte Division) Großverband Auflösung der/des: - Territorialkommandos NORD und SÜD 1. Luftlandedivision - 3. Panzerdivision 11. Panzergrenadierdivision Panzerbrigade 24 - Heeresunteroffizierschule III Unterstellung der Heeresgroßverbände (Korps, Div/WBK, KLK/4. Division, Heeresfliegerbrigade 3, Führungs- und Unterstützungsbrigade 900) unter das Heeresführungskommando KG und Befehlshaber des Korps- und Territorialkommandos Ost/IV. Korps wird GenLt Joachim Spiering An der ersten Großübung »PEGASUS '94« des EUROKORPS nehmen neben der 10. Panzerdivision und der D/F-Brigade auch Truppenteile aus Frankreich, Belgien und Spanien teil Auflösung der: - Panzergrenadierbrigade 16

1995 1.1. 30.3. 30.8. 1.10. 6.12. 1.1.

NATO-Assignierung der operativen Verbände der Bundeswehr in den neuen Bundesländern Wahl von Ciaire Marienfeld (CDU) als erste Frau zur Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages Indienststellung des I. Dt.-Niederländ. Korps in Münster Verringerung des Grundwehrdienstes auf 12 Monate Zustimmung des Bundestages zur Beteiligung der Bundeswehr an der internationalen Friedenstruppe in Bosnien (IFOR) Das Korps- und Territorialkommando Ost wird in IV. Korps umbenannt, KG bleibt GenLt Spiering Umbenennungen der/des: - Div/WBK VII in WBK VII/13. Panzergrenadierdivision

Chronologie

Januar 6.4. 30.8. 12.10. 30.11.

781 - Div/WBK VIII in WBK VIII/14. Panzergrenadierdivision - Heimatschutzbrigade 37 in Panzergrenadierbrigade 37 - Heimatschutzbrigade 38 in Panzergrenadierbrigade 38 - Heimatschutzbrigade 39 in Panzerbrigade 39 - Heimatschutzbrigade 40 in Panzergrenadierbrigade 40 - Heimatschutzbrigade 41 in Panzergrenadierbrigade 41 - Heimatschutzbrigade 42 in Panzerbrigade 42 - Kampftruppenschule 1 in Infanterieschule - Kampftruppenschule 2 in Panzertruppenschule Assignierung der Truppenteile in den neuen Bundesländern an die NATO. Umgliederung der Truppenschulen des Heeres, Übernahme der Aufgaben des jeweiligen »Generals der Truppengattung« durch die Schulkommandeure Bei einer Flutkatastrophe an Rhein, Main, Mosel und Nahe werden über 6300 Soldaten zur Hilfe eingesetzt Übergabe der ersten Funkanlage SEM 93 Indienststellung des I. GE/NL-Korps in Münster, erster KG wird der niederländische GenLt Ruurd Reitsma Übergabe des AUTOKO 90Systems Das EUROKORPS ist einsatzbereit

1996 1.1. 8.2.

9.12.

13.12. 1.1 8.2. 1.4. 30.9. 1.10. 15.10. 23.10. Bis Jahresende

Verringerung des Grundwehrdienstes auf 10 Monate General Hartmut Bagger wird Generalinspekteur der Bundeswehr; Übernahme des Vorsitzes im NATO-Militärausschuss durch General Klaus N a u m a n n am 9.2. Verabschiedung des »Gemeinsamen Dt.-Franz. Sicherheits- und Verteidigungskonzepts« durch den Dt.-Franz. Verteidigungs- u n d Sicherheitsrat in Nürnberg Beschluss des Bundestages über den Einsatz der Bundeswehr zur weiteren Absicherung des Friedensprozesses im früheren Jugoslawien (SFOR) Beginn der Umgliederung in die Struktur »Neues Heer für neue Aufgaben« Der bisherige Inspekteur des Heeres GenLt Hartmut Bagger wird Generalinspekteur, sein Nachfolger als Inspekteur wird GenLt Helmut Willmann Aufstellung des Kommandos Spezialkräfte (KSK) Auflösung der: - Panzergrenadierbrigade 5 - Luftlandebrigade 25 KG des II. Korps wird GenLt Götz F.E. Gliemeroth Umgliederung der Panzergrenadierbrigade 37 in Jägerbrigade 37 Nach 35 Jahren Ende der Nutzung des britischen Truppenübungsplatzes CASTLEMARTIN Übergabe der ersten Wechselladersysteme MULTI Nach 5 Jahren Beendigung des UNSCOM-Einsatzes der Heeresflieger, bei 4500 Flügen über dem Irak waren rund 700 Soldaten eingesetzt

1997 Einrücken dt. Truppenteile im Rahmen der KFOR-Truppe in den Kosovo nach Beendigung der Luftoperationen gegen Jugoslawien

782 14.3. 27.5. 18.7. 26.3. 31.3. 3.4. 30.9.

September 1.10.

27.11. Bis Jahresende

Chronologie Evakuierung dt. und ausländ. Staatsbürger aus Albanien durch die Bundeswehr; nachträgliche Billigung durch den Bundestag am 19.3. Schaffung eines Ständigen Gemeinsamen NATO-Russland-Rats in Brüssel Einsatz der Bundeswehr zusammen mit anderen Hilfsorganisationen gegen die Jahrhundertflut an der Oder Übergabe der ersten Minenräumpanzer KEILER Auflösung der Panzergrenadierbrigade 32 Indienststellung der Luftmechanisierten Brigade 1 Defusionierung WBKI/6. Panzergrenadierdivision und Auflösung der 6. Panzergrenadierdivision Defusionierung WBK VIII/14. Panzergrenadierdivision und Auflösung des WBK VIII Der Wehrbereich VII wird um die Bundesländer Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Berlin vergrößert, der Wehrbereich I um Mecklenburg-Vorpommern Aufnahme des Ausbildungsbetriebs am Gefechtsübungszentrum (GÜZ) auf dem Truppenübungsplatz ALTMARK Kommandeur des HUKdo wird GenMaj Dipl.-Ing. Rainer Fell Der Führungsstab des Heeres nimmt eine Gliederung mit drei Stabsabteilungen ein: StAbt I Personal, Ausbildung, Organisation StAbt II Planung, Rüstung/Nutzung, Logistik, Sanitätsdienst - StAbt III Führung, Konzeption, Einsatzgrundsätze Umgliederung des Heeresamtes in fünf Abteilungen: - Abt. I Operativ-taktische Grundlagen, Allg. Heeresangelegenheiten - Abt. II Ausbildung und Erziehung - Abt. III Heeresentwicklung - Abt. IV Personalstruktur, STAN, AR/KLV - Abt. V Informationstechnik Erstmalig übernimmt mit GenLt Karsten Oltmanns ein deutscher General als KG das I. GE/NL-Korps Abschluss der Umgliederungsmaßnahmen in die Struktur »Neues Heer für neue Aufgaben«

1998 16.10. 27.10. 28.10. 27.3. 1.4. Mai 10.6. 1.7. 14.9. 1.10. 27.10. 3.12.

Zustimmung des Bundestages zur dt. militärischen Beteiligung auf dem Balkan Wahl von Gerhard Schröder (SPD) zum Bundeskanzler Rudolf Scharping (SPD) wird Bundesminister der Verteidigung Befehlshaber des Heeresführungskommandos wird GenLt Rüdiger Drews KG des IV. Korps wird GenLt Hans Peter von Kirchbach Zum ersten Mal sind Offizieranwärter des Heeres zur Ausbildung in Israel Erstes feierliches Gelöbnis von Heeres- und Luftwaffenrekruten vor dem Roten Rathaus im ehemaligen Ostteil Berlins Übergabe der ersten Panzerhaubitze »2000« Die neue Offizierschule des Heeres wird in Dresden durch den Bundesminister der Verteidigung ihrer Bestimmung übergeben Amtschef des Heeresamtes wird GenMaj Manfred Dietrich Übergabe des Heeresflugabwehr-, Aufklärungs- und Gefechtsführungssystems Übergabe der ersten neuen Handwaffen Gewehr G 36 und Pistole Ρ 8

Chronologie

783

1999 25.2. 12.3. 24.3. 1.4. 24.4. 3.5. 10.6. 18.9. 7.10. 8.10. 29.4. 1.4. 1.5. 12.6. 18.9.

Zustimmung des Bundestags zum Beschluss der Bundesregierung, bis zu 6000 Soldaten für eine internationale Friedenstruppe im Kosovo bereitzustellen Aufnahme Polens, Tschechiens und Ungarns in die NATO Beginn der NATO-Luftschläge gegen die Bundesrepublik Jugoslawien unter dt. Beteiligung General Hans-Peter v. Kirchbach wird Generalinspekteur der Bundeswehr Neues Strategisches Konzept der NATO Einberufung einer Wehrstrukturkommission unter Leitung des ehemaligen Bundespräsidenten Richard v. Weizsäcker durch Verteidigungsminister Scharping Einrücken des dt. Kontingents im Rahmen der KFOR-Truppe in das Kosovo nach Abschluss der NATO-Luftoperationen gegen Jugoslawien Indienststellen des Multinationalen Korps in Stettin (Szczecin) durch die Verteidigungsminister Dänemarks, Polens und Deutschlands Zustimmung des Bundestages zum Einsatz dt. Soldaten in Ost-Timor (Beginn des INTERFET-Einsatzes: 17.10.) General Klaus Reinhardt wird Oberbefehlshaber der KFOR-Truppen im Kosovo (bis 18.4.2000) Außerdienststellung des Kommandos »Alliierte Landstreitkräfte SchleswigHolstein und Jütland LANDJUT« KG des IV. Korps wird GenLt Rainer Schuwirth Aufstellung des Korpsstabs des Multinationalen Korps NORDOST in Stettin Beginn des Kosovo-Einsatzes (KFOR) Indienststellung des Multinationalen Korps NORDOST

2000 11.1. 3.3. 14.4. 2.5. 23.5. 14.6. 1.7. 1.10. 31.3.

Öffnung aller Laufbahnen und Tätigkeitsbereiche in der Bundeswehr für Frauen Beteiligung der Bundeswehr mit 120 Soldaten am Hochwassereinsatz in Mosambik Wahl von Wilfried Penner (SPD) zum Wehrbeauftragten des Bundestages US-Gen Joseph W. Ralston wird SACEUR Vorlage des Abschlussberichts der Kommission »Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr« Billigung der Bundeswehrreform durch die Bundesregierung: Verringerung auf 277 000 Mann; Verkürzung des Wehrdienstes auf neun Monate; Umstrukturierung für internationale Einsätze Gen Harald Kujat wird Generalinspekteur der Bundeswehr Aufstellung des Führungsstabes für den neuen Organisationsbereich »Streitkräftebasis« unter Vizeadmiral Bernd Heise GenLt Karsten Oltmanns, KG des (I. D/NL) Korps tritt in den Ruhestand, das Kommando geht auf den niederländischen Generalleutnant Marcel Urlings über

784

Chronologie

2001 9.7. 11.9. 2.10. 7.10. 27.11.-5.12. 22.12.

22.1. 1.4.

29.6. 30.6.

1.7.

9.7. 30.9. 1.10. 31.12.

Indienststellung des Einsatzführungskommandos in Potsdam Terroranschläge in New York u n d Washington Der NATO-Rat erklärt den Bündnisfall Beginn der amerikanischen Operation ENDURING FREEDOM in Afghanistan Afghanistan-Konferenz auf dem Bonner Petersberg Zustimmung des Bundestages zur Entsendung einer dt. Schutztruppe nach Afghanistan im Rahmen der International Security Assistance Force (ISAF) GenMaj Friedrich Riechmann wird KG des IV. Korps GenLt Gert Gudera wird Inspekteur des Heeres GenMaj Karl-Heinz Lather wird KG des II. GE/US-Korps GenMaj Werner Widder wird Amtschef des Heeresamts Ilmbenennung und Umgliederung des »Kommandos Luftbewegliche Kräfte (KLK/4. Div)« in »Division Spezielle Operationen (DSO)«, erster Kommandeur wird GenMaj Hans-Otto Budde Unterstellungswechsel der Feldjägertruppe in den Kommandobereich der Streitkräftebasis Übergabe des neuen leichten Flugabwehrsystems »LeFlaSys« Defusionierung der bisherigen Div/WBK, verbunden mit der Außerdienststellung und Auflösung der/des: - 5. Panzerdivision in Mainz 1. Gebirgsdivision in München - WBK II (alt) in Hannover - WBK III (alt) in Düsseldorf - WBK V (alt) in Sigmaringen Umgliederung der/des: 1. Panzerdivision in Hannover - 7. Panzerdivision in Düsseldorf 10. Panzerdivision in Sigmaringen 13. Panzergrenadierdivision in Leipzig - WBK IV (alt) in WBK II (neu) in Mainz - WBK VI (alt) in WBK IV (neu) in München Aufstellungsbeginn des WBK III (neu) in Erfurt Umgliederung des Stabs des IV. Korps zum Einsatzführungskommando und Indienststellung, erster Befehlshaber ist der bisherige KG des IV. Korps GenLt Friedrich Riechmann Auflösung des WBK VI I Indienststellung des WBK III (neu) Übergabe der WBKs I-IV an die Streitkräftebasis Auflösung der Panzerbrigade 39

2002 3.1. 1.7.

Beginn von Marineoperationen der Bundeswehr am Horn von Afrika im Rahmen des internationalen Anti-Terror-Kampfes General Wolfgang Schneiderhan wird Generalinspekteur der Bundeswehr. Übernahme des Vorsitzes im NATO-Militärausschuss durch Gen Kujat

Chronologie

785

19.7. 12.8.

Peter Struck (SPD) wird Bundesminister der Verteidigung Einsatz der Bundeswehr bei der Jahrhundertflut in Europa

1.1. Februar

KG des EUROKORPS wird GenMaj Holger Kammerhoff Verlegung von Soldaten der ABC-Abwehrtruppe nach Kuwait im Rahmen der Operation »Enduring Freedom« Das Heerestruppenkommando wird in Dienst gestellt, erster Kommandeur wird BrigGen Ulrich Wolf Befehlshaber des Heeresführungskommandos wird GenMaj Axel Bürgener Als erster Truppenteil wird die Pionierbrigade 100 dem Heerestruppenkommando unterstellt Übergabe der Führung der Einsätze des Heeres vom Heeresführungskommando an das Einsatzführungskommando Unterstellung der ABC-Abwehrbrigade 100 unter das Heerestruppenkommando Beginn der Auflösung der Topographietruppe und Übergang des Personals in den Geoinformationsdienst der Bundeswehr Unterstellung der Flugabwehrbrigade 100 unter das Heerestruppenkommando Auflösung der Panzerbrigade 34 Aufstellungsbeginn der »Division Luftbewegliche Operationen (DLO)« KG des I. Deutsch-Niederländischen Korps wird GenMaj Norbert van Heyst Beginn der Verschrottung der ersten von insgesamt 400 000 Gewehren G 3 Unterstellung der Artilleriebrigade 100 unter das Heerestruppenkommando Der »Division Luftbewegliche Operationen (DLO)« werden die Heeresfliegerbrigade 3 und die Luftmechanisierte Brigade 1 unterstellt Entbindung des Heeresunterstützungskommandos von seinem Auftrag Unterstellungswechsel der Schule für Feldjäger und Stabsdienst in den Kommandobereich der Streitkräftebasis Aufstellung der Logistikbrigade 100 und Unterstellung unter das Heerestruppenkommando Indienststellung der »Division Luftbewegliche Operation (DLO)«, erster Kommandeur wird GenMaj Dr. Dieter Budde Der erste weibliche Lehrgangsteilnehmer besteht den Einzelkämpferlehrgang an der Luftlande- und Lufttransportschule Auflösung der Panzergrenadierbrigade 19

6.3. 21.3. April 24.4. 22.5. Mai 26.6. 30.6. 1.7. 4.7. 17.7. 1.8. 12.9. 24.9. 30.9. 1.10. 8.10.

31.12. 2003 10.2. 20.3. 21.5. 7.6. 11.8. 1.10. 31.3.

Dt.-niederländ. Kommandoübernahme über die internationale Schutztruppe in Afghanistan (für sechs Monate) Beginn des Krieges gegen den Irak mit amerik. Luftschlägen Erlass der Verteidigungspolitischen Richtlinien durch Verteidigungsminister Struck Selbstmordattentat in Kabul, bei dem vier Bundeswehrangehörige getötet und 29 zum Teil schwer verletzt werden Übernahme der ISAF in Afghanistan durch die NATO Erlass der Weisung für die Weiterentwicklung der Bundeswehr Auflösung des/der: Heeresunterstützungskommandos - Panzerbrigade 36 - Panzergrenadierbrigade 38 als aktiver Truppenteil, Umgliederung in eine nichtaktive Brigade

Chronologie

786 April 30.6. 30.9. 1.10. 27.10.

Panzergrenadierbrigade 40 als aktiver Truppenteil, Umgliederung in eine nichtaktive Brigade Rückkehr der ABC-Abwehrsoldaten aus Kuwait Auflösung der Panzerbrigade 42 Auflösung der Heeresunteroffizierschulen I (Münster/Westf.) und II (Weiden) als eigenständige Schulen und Eingliederung als Lehrgruppen Β und C in die Unteroffizierschule des Heeres Amtschef des Heeresamtes wird GenMaj Jürgen Ruwe Umgliederung der Heeresunteroffizierschule IV in die Unteroffizierschule des Heeres (USH) Indienststellung der Unteroffizierschule des Heeres

2004 13.1. 2.4. 9.8. 19.1. 3.3. 31.3. 1.4. 15.7. November

»Wegmarken« f ü r die Ä n d e r u n g der Militärstruktur in der Bundeswehr Feierliche A u f n a h m e von Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, Slowenien u n d der Slowakei in die NATO »Grundzüge« der Konzeption der Bundeswehr erlassen Der bisherige Inspekteur des Heeres GenLt Gert Gudera bittet den Bundesminister der Verteidigung um Versetzung in den Ruhestand Inspekteur des Heeres wird GenMaj Hans-Otto Budde (ab 1.4. GenLt) Auflösung der Panzergrenadierbrigade 7 KG des II. GE/US-Korps wird GenMaj Jan Jörg Oerding KG des Multinationalen Korps (Nordost) wird GenLt Egon Ramms Kommandeur des Heerestruppenkommandos wird GenMaj Ernst Heinrich Lutz Beim Instandsetzungsbataillon 7 im westfälischen Coesfeld werden Fälle von Untergebenenmisshandlung bekannt

Abkürzungen a.D. außer Dienst ABCTr ABC-Truppe ABC-Waffen Atomare, biologische und chemische Waffen Abg. Abgeordnete/r AbtLtr Abteilungsleiter ACDP Archiv der ChristlichACE

AdsD

Demokratischen Parteien, Berlin Alliert Command Europe = Alliierter Befehlshaber Europa Archiv der sozialen Demokratie, Bonn

AFCENT Allied Forces Central Europe = Alliierte (NATO-)Streitkräfte Europa Mitte AFNORTH Allied Forces Northern Europe = Alliierte (NATO-)Streitkräfte Europa Nord AFSOUTH

AHK AIRCENT

Allied Forces South Europe = Alliierte (NATO-)Streitkräfte Europa Süd Alliierte Hohe Kommission Allied Forces Central Europe = Alliierte Luftstreitkräfte Europa Mitte

Art, Artl. Art. ArtDiv ASOC ATAF

Artillerie Artikel Artilleriedivision Air Support Operations Center Allied Tactical Air Force

AusbKp Az. BA-MA

Ausbildungskompanie Aktenzeichen Bundesarchiv-Militärarchiv, Freiburg i.Br. BBV Besondere Bedingungen des Bundesministers für Verteidigung BGS Bundesgrenzschutz BK Bordkanone BMF Bundesministerium der Finanzen BMI Bundesministerium des Innern BMVg, BMVtg. Bundesminister(ium) der Verteidigung BMW Bayerische Motorenwerke BMWi Bundesministerium der Wirtschaft BND Bundesnachrichtendienst Brig Brigade BrigGen, BG Brigadegeneral BT Deutscher Bundestag Btl, Bat. Bataillon Bw Bundeswehr BWB Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung BWV Bundeswehrverwaltung Cal. Kaliber CDU Christlich Demokratische Union Deutschlands CENTAG Central Army Group Central Europe = Heeresgruppe Mitte CIA Central Intelligence Agency CINCENT Commander-in-Chief-Allied Forces Central Europe

788 = Oberbefehlshaber der NATOStreikräfte in Europa Mitte COMBALTAP Commander-in-Chief-Allied Forces Baltic Approches = NATO-Kommando Ostsee-Ausgänge CSU Christlich-Soziale Union in Bayern DASA Daimler-Benz Aerospace Aktiengesellschaft (seit 1998 Daimler Chrysler AG, seit 2000 EADS) DBfF Deutsches Büro für Friedensfragen DDR Deutsche Demokratische Republik Div Division DivKdr, Div.Kdr. Divisionskommandeur DLO Division luftbewegliche Operationen d.R. der Reserve DSO Division Spezielle Operationen EA Eigenmächtige Abwesenheit EA Europa-Archiv EDP Emergency Defence Plan EG Europäische Gemeinschaft ERP European Recovery Program EVG Einzelverbrauchsgüter EVG Europäische Verteidigungsgemeinschaft EZU Europäische Zahlungsunion FAMO Formations auxiliaires main d'oevre FAT Formations auxiliaires transport FAusbDiv Feldausbildungsdivision FDP Freie Demokratische Partei FeldArt Feldartillerie FH Feldhaubitze FH mot.Z. Feldhaubitze motorisierter Zug Fhj Fahnenjunker FJg Feldjäger Fla Flugabwehr Flak Flugabwehrkanone

Abkürzungen

Fsch Fschr Fspr FüAk FüB FüH FüL FüM FüS FY GE GebDiv GebJgBrig

Fallschirmjäger Fernschreiber FernsprechFührungsakademie der Bundeswehr Führungsstab der Bundeswehr Führungsstab des Heeres Führungsstab der Luftwaffe Führungsstab der Marine Führungsstab der Streitkräfte Fiscal Year Geräteeinheit Gebirgsdivision

Gebirgsj ägerbrigade Gebirgstruppe General Gesellschaft für Kraftfahrzeuge mbH Genlnsp Generalinspekteur der Bundeswehr GenLt, Gen.Lt., GL Generalleutnant GenMaj, Gen.Maj., GM Generalmajor Genst Generalstab gep Fz Gepanzertes Fahrzeug GE/US (II.) German-United States (Corps) = II. Deutschamerikanisches Korps GG Grundgesetz GrenDiv Grenadierdivision GSO German Service Organization GTAG German Training Assistance Group Η Heer HA Heeresamt HDv Heeresdienstvorschrift HMK Heeresmusikkorps Hptm Hauptmann HSchutzBrig Heimatschutzbrigade HStru Heeresstruktur HTrKdo Heerestruppenkommando HUKdo Heeresunterstützungskommando i.G. im Generalstabsdienst GebTr Gen GeKa

Abkürzungen

Inf, Inf. Infanterie InfDiv, Inf.Div. Infanteriedivision InfRgt, Inf.Rgt. Infanterieregiment InspH Inspekteur des Heeres Inst Instandsetzung ITF Industrielle Technische Fachgemeinschaft JBWB Jahresbericht des Wehrbeauftragten JCS Joint Chiefs of Staff = Vereinigte Stabschefs (USA) JgDiv Jägerdivision KavDiv Kavalleriedivision Kdo Kommando Kdr Kommandeur KG Kommandierender General (eines Korps) KLK Kommando Luftbewegliche Kräfte Kp Kompanie KpChef Kompaniechef KPz Kampfpanzer KraKa Kraftkarren KT Kilotonnen KTV Kommando Territoriale Verteidigung KVP Kasernierte Volkspolizei KWKG Kriegswaffenkontrollgesetz LANDCENT Allied Land Forces Central Europe = Alliierte Landstreitkräfte Europa Mitte LANDJUT Allied Land Forces Jutland = Alliierte (NATO-)Landstreitkräfte Jutland Le Div leichte Division LL Luftlande LLBrig Luftlandebrigade LLDiv Luftlandedivision LS Labour Service Lt, Lt. Leutnant LV 58 Lehr- und Versuchsübung 58 Lw Luftwaffe

789

Μ Μ MAAG

Major Marine Military Assistance Advisory Group Maj Major MaK Maschinenbau GmbH Kiel MAN Maschinenfabrik Augsburg Nürnberg MBT Main Battle Tank MDAP Mutual Defense Assistant Program MdB Mitglied des Deutschen Bundestages MG Maschinengewehr MGFA Militärgeschichtliches Forschungsamt MKE Makina re Kimya Endüstrisi Kummu mot, mot. motorisiert MP Military Police Mp, MP Maschinenpistole MSA Mutual Security Act MSP Mutual Security Policy MTW Mannschaftstransportwagen NAVCENT Allied Naval Forces Central Europe = Alliierte Seestreitkräfte Europa Mitte NL Nachlass Nr. Nummer Nsch Nachschub NVA Nationale Volksarmee NVG Nichtverbrauchsgüter o.A. ohne Angaben Offz Offizier O.i.G. OKH Olt. OR Org ORI OSMZ

Oberst im Generalstabsdienst Oberkommando des Heeres Oberleutnant Operations Research Organisation/sOperational Readiness Inspection Österreichische Allgemeine Militärzeitschrift OTL, Oberstlt. Oberstleutnant Parl.Sts. Parlamentarischer Staatssekretär

790 Pi Pionier PSK Psychologische Kampfführung Pz, Pz. Panzer PzAbw Panzerabwehr PzAbwKan, PAK Panzerabwehrkanone PzBrig Panzerbrigade PzGren Panzergrenadier(e) PzH Panzerhaubitze Pzjg Panzerjäger PzRgt, Pz.Rgt Panzerregiment PzSpw Panzerspähwagen RakWfr Raketenwerfer SAC Strategie Air Command SACEUR Supreme Allied Commander Europe = Oberster Alliierter (NATO-)Befehlshaber in Europa SACLANT Supreme Allied Commander Atlantic = Oberster Alliierter Befehlshaber Atlantik San SanitätsSD Sicherheitsdienst der SS SdKfz Sonderkraftfahrzeug SETAF Southern Europe Task Force SHAPE Supreme Headquarters of Allied Powers in Europe = NATOHauptquartier SHO SHAPE Historical Office SichDiv Sicherungsdivision SLT Schwerlasttransporter SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands SpPz Spähpanzer SPW Schützenpanzerwagen SPz, SP Schützenpanzer SS Schutzstaffel Stabuffz. Stabsunteroffizier STAN Stärke- und Ausrüstungsnachweisung

Abkürzungen

StGB Strafgesetzbuch StOffz Stabsoffizier Sts Staatssekretär StuG Sturmgeschütz SU Stabsunteroffizier TF Truppenführung Tgb.Nr. Tagebuch-Nummer TL Technische Lieferbedingungen T/O&E (auch TO&E) Tables of Organization and Equipment (= US-StAN) TPz Transportpanzer Tr, Tr. Trappe TrA Truppenamt TrS Truppenschule TSK Teilstreitkraft/-kräfte TTr Technische Truppe TV Territoriale Verteidigung UA Unteroffizieranwärter UAbt. Unterabteilung UAL Unterabteilungsleiter Üb Übung Uffz Unteroffizier UvD Unteroffizier vom Dienst VKK Verteidigungskreiskommando VOL Verteidigungsordnung für Leistungen VR Versorgungsrate VS Vertrauliche Sache VtdgA Verteidigungsausschuss VTL Vorläufige technische Lieferbedingungen WB Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages Wehrbereich WB WBK Wehrbereichskommando Wehrdisziplinarordnung WDO WEU Westeuropäische Union Wahlperiode W.P. WP Warschauer Pakt Zentrale Dienstvorschrift Zdv

Quellen und Literatur 1. Archivmaterial Archiv der Christlich-Demokratischen Parteien (ACDP) Nachlass Hellmuth Heye Archiv der sozialen Demokratie (AdsD), Bonn Depositum Helmut Schmidt Seeliger Archiv, Nachlass Paul Bundesarchiv Β 102 Β112 Β 126 Β136

(BA) Bundesministerium für Wirtschaft Bundesrechnungshof Bundesministerium für Finanzen Bundeskanzleramt

Bundesarchiv-Militärarchiv (BA-MA), Freiburg i.Br. Bundesminister der Verteidigung Bwl Bw 2 Führungsstab der Streitkräfte Bw 9 Deutsche Dienststellen zur Vorbereitung der EVG BH1 Führungsstab des Heeres BH 2 Heeresamt BH 7 Korpsstäbe BH 8 Divisionsstäbe BH 13 Schulen des Heeres BHD 1 Heeresdienstvorschriften Technische Dienstvorschriften Heer BHD 8 BL1 Führungsstab der Luftwaffe BMI Führungsstab der Marine Marineamt BM 2 BV 3 BMVg, Hauptabteilung Rüstungsangelegenheiten BV 5 Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung (BWB), Koblenz, Msg 1 Militärbiographische Sammlung 1 Msg 2 Militärbiographische Sammlung 2 Nuclear History Program (NHP), Dokumentensammlung (Kopie)

792

Quellen und Literatur

Nachlässe Ν 422 Ν 447 Ν 596 Ν 617 Ν Ν Ν Ν

626 673 683 717

Nachlass Hans Röttiger Nachlass Oskar Munzel Nachlass Hermann Büschleb Nachlass Nachlass Nachlass Nachlass Nachlass

Hasso von Manteuffel Johann Adolf Graf von Kielmansegg Ulrich de Maiziere Hans Speidel Graf Wolf von Baudissin

Dien s tvorschriften HDv 100/1 Truppenführung, August 1959, Oktober 1962 HDv 100/2 Führungsgrundsätze des Heeres für die atomare Kriegführung, April 1961 HDv 132 Wirkung und Einsatz von Atomsprengköpfen ZDv 1/50 Grundbegriffe zur militärischen Organisation, Unterstellungsverhältnisse, Dienstliche Anweisungen, Mai 1996 ZDv 100/900 Führungsbegriffe, Oktober 1998 Verordnung über die Regelung des militärischen Vorgesetztenverhältnisses (Vorgesetztenverordnung), 4. Juni 1956 Deutscher Bundestag, Berlin Deutscher Bundestag, 5. Wahlperiode, Drucksache V 3912, Jahresbericht 1968 des Wehrbeauftragten vom 12.2.1969 Deutsche Presseagentur (dpa)/Archiv HG 1961, Die Bundeswehr an der Schwelle der Siebziger Jahre Militärgeschichtliches Forschungsamt (MGFA), Potsdam Befragungsmaterialien Brigadegeneral a.D. Curt Pollex Nachlass Speidel (befristet zur Digitalisierung im MGFA) Vorläufige Richtlinien für die Führung und den Kampf der Panzerbrigade, Abt. Ausbildung, Nr. 9657/44, geheim, vom HQu OKH, 26.7.1944 (Bibliothek MGFA) NATO, International Staff Central Registry, Brüssel (NISCA) C-M (56) 138 (Final) NATO SHAPE, Möns (Belgien) CENT AG EDP 2-58 / 35 mm, PO A R 19 CENTAG EDP 1-60 / 35 mm, Ρ 05 R 144, L-028 CENTAG EDP 1-63 / 35 mm, P01 Β R 39, L-027-071 SHAPE History 1959

Quellen und Literatur

793

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Quellen und Literatur

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Personenregister Hinweise auf Kuizbiographien mit Portraitfotos (ab S. 701) sind im nachstehenden Register hervorgehoben Acheson, Dean 34,43, 50, 52 Adenauer, Konrad 2 f., 20, 45, 67, 73-77, 79, 105, 170, 172, 179, 185, 207 f., 218, 221,468, 480, 488, 495, 511, 599, 693 Baer, Bern von 228,297 Baudissin, Wolf Graf von 81, 82, 106, 115, 209, 629, 633 f., 647, 661, 689, nach 701 Nr. 12 Bennecke, Jürgen 470, 471, 472, nach 701 Nr. 7 Berard, Armand Max Jean 384 Berendsen, Friedrich 596 Bergengruen, Hellmut 84, 86, 162 f., 210, 212, 285, 398, 399,400 Berkhan, Karl Wilhelm 682 Bevin, Ernest 31 Blanc, Clement 423 Blank, Theodor 71, 76, 81, 87, 91, 99, 170, 172, 177, 207-209, 216, 220 f., 228, 375, 376 f., 382, 386, 403, 411, 423, 504, 515, 517, 549, 552, 618 Blankenhorn, Herbert 74, 79,170 Boehm (Oberst i.G.) 638, 640 Bonin, Bogislav von 63, 85 Bradley, Omar N. 63,221 Bredow, Wilfried von 619 Bruce, David K.E. 50 Brunn, Joachim von 231 Buchner, Hans 297 Busse, Theodor 89,98 Byrnes, James f. 28 Byroade, Henry A. 50

Canstein, Raban Frhr. von 210, 447 Carstens, Karl 66 Cassels, Sir James 138 f. Chruscev, Nikita Sergeevic 122,130 f. Churchill, Winston S. 31, 45 Cervantes, Miguel de 698 Conant, James B. 529 Crüwell, Ludwig 89 Decker, George H. 169 Dowling, Walter C. 532 f. Dulles, John Foster 482 Eberbach, Heinrich 89 Eden, Sir Robert Anthony 49 Eisenhower, Dwight D. 19 f., 43, 45, 52, 63, 76 f., 100,110, 390 f., 526, 693 Erhard, Ludwig 118,504 Ferber, Ernst 345 Fett, Kurt 212,285,392 Foertsch, Friedrich Albert 112, 196, 234, 301, 328 f., 332, nach 701 Nr. 3 Foertsch, Hermann 82 Franke, Konrad 666 Frede (Oberst) 217 Freyer, Joachim 63 Frießner, Hans 63 Fuchs, Robert Schlaffer Gaddis, John Lewis 101 Gaedtke, Heinrich »Heinz« 146, 175, 439, nach 701 Nr. 19 de Gaulle, Charles 20,112,119

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Personenregister Gavin, James Μ. 168 f., 466 Gehlen, Reinhard 64 f. Gericke, Walter 302 Gernß, Walter 334 Geyr von Schweppenburg, Leo von 74 Globke, Hans 65 Göricke, Hans-Otto 150 Golling, Ernst 114, 210-212, nach 701 Nr. 39 Gorckov, Sergej G. 122 Grashey, Hellmut 217, 298 Grolman, Hellmuth von 634 f., 638, 642 Gruenther, Alfred M. 101,109,132, 423 Guderian, Heinz 73, 152,174,181, 692 Guderian, Heinz Günther 470, 472, nach 701 Nr. 35 Haag, Werner nach 701 Nr. 29 Hackett, Sir John 138 Haider, Franz 63 Hallstein, Walter 83 Harriman, W. Averell 34 Hassel, Kai-Uwe 116, 118, 173, 270, 656 f., 659 f., 681 Hays, George, P. 79, 376 Hepp, Leo 236, nach 701 Nr. 16 Hermann, Werner 313 Heusinger, Adolf 1, 10, 60-62, 64 f., 74, 76 f., 79-82, 85, 87-90, 98, 108 f., 114 f., 133 f., 137, 139, 141, 144, 152, 160, 166, 174-180, 185, 208 f., 217, 278, 287, 295, 363, 372 f., 375-381, 384, 405, 413 f., 417, 436, 449, 532 f., 633 f., nach 701 Nr. 1 Heuss, Theodor 20,237 Heye, Hellmuth Guido 619, 652, 679, 681 Hitler, Adolf 2 , 1 5 9 Hobe, Cord von 185 f., 449 f., 461, nach 701 Nr. 25 Hodes, Henry I. 133,137 Hoogen, Matthias 679 Horn, Hans-Joachim von 337, nach 701 Nr. 20 Hoth, Hermann 63 Ismay, Hastings Lionel Lord 51

Jaeger, Richard 550 Jenett, Rudolf 340 f. Jordan, Paul 288, 397-399 Juin, Alphonse-Pierre 423 Kammhuber, Josef 141 Karst, Heinz 209,629 Kennan, George f. 28 Kennedy, John f. 110 Kessel, Guido von 316 Kielmansegg, Johann-Adolf Graf von 68, 80, 82, 85, 89,119, 150,198, 378, nach 701 Nr. 6 Kiesinger, Kurt-Georg 278 Kissinger, Henry 110 Kniekamp, Ernst 559 Kobe, Gerd 214,216 Krantz, Hans-Ulrich 175 Krug, Hans-Joachim 215 f. Krupinski, Walter 688 f. Kuntzen, Gustav-Adolf 89, nach 701 Nr. 26 Laegeler, Hellmuth 87, 89, 210, 400, 548, nach 701 Nr. 30 Langel, Dietrich 276 Lassen (Oberst i.G.) 217 Lemnitzer, Lyman L. 117,169, 200, 280 Lorch, Anton 298 Loringhoven, Bernd Freiherr Freytag von 117 Lübke, Heinrich 138,276 Lueder, Hans-Georg 181-183, 216 Lüttwitz, Smilo Freiherr von 236, 451, nach 701 Nr. 18 Lutz, Oswald 327 Mäder, Hellmuth nach 701 Nr. 24 de Maiziere, Ulrich 83, 89 f., 90, 101, 106, 115, 118 f., 126 f., 150, 173, 182, 184 f., 187, 192 f., 198, 202, 260, 271 f., 274, 278, 280, 300, 339, 348, 381 f., 390, 629, nach 701 Nr. 5 Manstein, Erich von (eigentlich von Lewinski, gen. v. M.) 73, 76, 89 f., 174 f., 181, 410, 414-418, 444, 475, 481

820 Manteuffel, Hasso von 174,413 f., 416,550 Martin, Alfred 174 Matzky, Gerhard 61, 69, 85, 181, 232, nach 701 Nr. 13 McCloy, John J. 83 McNair, Lesley 368 McNamara, Robert S. 111 f. Meier-Welcker, Hans 217 Meyer-Detring, Wilhelm 232, nach 701 Nr. 14 Michaelis (US-General) 390 Middeldorf, Eike 159 f., 177,181 Miksche, Friedrich Otto 419-422, 461 Möller-Dölling, Joachim 337 Molinari, Karl-Theodor 224 Moll, Josef 183, 202, 278, 281, 288, 340, 447, 451 f., 474, 660, 693, nach 701 Nr. 10 Moltke d.Ä., Helmuth von 487 Montgomery of Alamein, Bernard Law 36,101,109, 416 Müller-Hillebrand, Burkhart 63, 181 f., 447,451, nach 701 Nr. 27 Müller-Prem, Walther 215 Munzel, Oskar 158, 175, 177, 183, 246, 291, 314, 318, 324, 327 f., nach 701 Nr. 34 Napoleon 1 Nash, FrankC. 524 Niepold, Gerd 284 Nitze, Paul 29 Norstad, Lauris 9, 103, 111, 130 f., 133, 137,144,197 Ondarza, Henning von 220 Osgood, Robert 110 Oster, Joachim 80 Panitzki, Werner 63 Paul, Ernst 640,643 Pemsel, Max-Josef 234, nach 701 Nr. 15 Philipp, Ernst 214, 217 f., 222, nach 701 Nr. 37 Phillips, Wilhelm 549 Plato, Detlev von 142, nach 701 Nr. 23 Pollex, Curt 548

Personenregister Radowitz, Joseph von 217, nach 701 Nr. 38 Recke, Adalbert von der 220 Reichelt, Paul 183 Reidel, Herbert 299 Reinhardt, Hans 89 Reinhardt, Helmuth 220, 286, 323, nach 701 Nr. 32 Rentrop, Wilhelm 505 Ridgway, Matthew B. 168 f., 466 Robertson, Sir Brian 76 Röttiger, Hans 82, 106, 134, 141, 162, 169, 175 f., 179-181, 183, 265, 287, 305 f., 330 f., 418, 427, 429, 436-440, 443 f., 447 f., 452, 455,463, 687 f., nach 701 Nr. 8 Ruffner, Clark 532 f. Rüge, Friedrich 141 Rust, Josef 214,544 Sacha, Friedrich 220,224 Schäffer, Fritz 208, 497, 602 Schanze, Ludwig 540, 547 f. Scharnhorst, Gerhard von 1, 216 f. Scheffler, Kurt 211,285 Schindler, Albert 185 f., 420-422, 439 f., 444, 448-450, 461 Schirmer, Gerhart 298 Schmidt, Helmut 282, 505, 550, 661 Schmückle, Gerd 112, 648 f. Schnell, Karl 339 Schnez, Albert 202, 205, 239, 281 f., 340, 474, 696, nach 701 Nr. 11 Schröder, Gerhard 71,152, 278, 339 Schwatlo-Gesterding, Joachim 339, nach 701 Nr. 21 Schwerin, Gerhard Graf von 66, 76, 79, 375 Seeckt, Hans von 21,489 Senger und Etterlin, Ferdinand von 291 Siewert, Curt 232, nach 701 Nr. 31 Speer, Albert 504 Speidel,. Hans 10, 60-62, 74, 76 f., 81 f., 87, 103, 131 f., 139, 144 f., 189, 209, 214, 220 f., 278, 285, 297, 372 f., 375, 377, 382-384, 386, 401 f., 411, 413, 423, 426 f., 455, 465, nach 701 Nr. 2

821

Personenregister

Spitzer, Kurt 69 Stalin, Josif Vissarionovic 7 Steinhoff, Johannes 689 Stikker, Dirk 49 Storbeck, Siegfried 220 Strauß, Franz Josef 9, 112, 114, 170-172, 179, 192, 197, 232, 236, 269, 276, 278, 303 f., 330 f., 360, 399, 409, 411, 445, 468, 495, 501, 515, 517, 545, 552, 600, 604 f. Studnitz, Hans-Georg 629 Stumpff, Hans-Jürgen 89 Taylor, Maxwell D. 168 f., 215, 466 Tempelhoff, Hans-Georg von 164, 214 f., 398, nach 701 Nr. 33 Thilo, Karl Wilhelm 152,191,195, 223, 269, 467,470-472,478,482, nach 701 Nr. 17 Trettner, Heinz 93, 115, 117, 119, 198, 278, 340, nach 701 Nr. 4 Trimborn, Gerd 653 Truman, Harry S. 28 f., 39, 50, 64, 526 Übelhack, Friedrich Alfred 339, nach 701 Nr. 22

Uechtritz, Otto 261,436 Valluy, Jean Etienne 110, 131, 133, 189, 462 van Rensselar-Schuyler, Cordtland Τ 426 Ward, John G. 381 Weber, Artur 291, 324, nach 701 Nr. 36 Weckmann, Kurt 60 Wehrle, Wilhelm 222 Weinstein, Adalbert 61 Wenck, Walther 89 Wessel, Gerhard nach 701 Nr. 28 Westphal, Siegfried 89 Whitman, Gert 76 Wildermuth, Eberhard 74 Wirsing, Karl-Heinz 134,137 Wright, Jerauld 123 Zeller, Andre 189 Zerbel, Alfred 175, 191, 193 f., 198, 244, 265 f., 270 f., 300 f., 467, nach 701 Nr. 9 Zimmermann, Bodo 63

Die Autoren Dr. Helmut R. Hammerich, Oberstleutnant, Jahrgang 1965, Militärgeschichtliches Forschungsamt Dr. Dieter H. Kollmer, Oberstleutnant, Jahrgang 1964, Militärgeschichtliches Forschungsamt Michael Poppe, Oberstleutnant, Jahrgang 1956, Militärgeschichtliches Forschungsamt Dr. Martin Rink, Major d.R., Jahrgang 1966, derzeit Militärgeschichtliches Forschungsamt Dr. Rudolf J. Schlaffer, Major, Jahrgang 1970, Militärgeschichtliches Forschungsamt Dr. Bruno Thoß, Leitender Wissenschaftlicher Direktor, Jahrgang 1945, Militärgeschichtliches Forschungsamt