Das Feld der Macht: Eliten – Differenzierung – Globalisierung [1. Aufl.] 9783658319298, 9783658319304

Das Feld der Macht bildet ein Schlüsselkonzept der Soziologie Bourdieus, ist in seiner Bedeutung für die Theoriearchitek

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Das Feld der Macht: Eliten – Differenzierung – Globalisierung [1. Aufl.]
 9783658319298, 9783658319304

Table of contents :
Front Matter ....Pages I-VI
Das Feld der Macht als gesellschaftstheoretisches Schlüsselkonzept (Daniel Witte, Andreas Schmitz, Christian Schneickert)....Pages 1-13
Das Feld der Macht in der Soziologie Bourdieus (Christian Schneickert, Andreas Schmitz, Daniel Witte)....Pages 15-35
Das Feld der Macht in der Elitenforschung: Funktionseliten – Machteliten – Globale Eliten (Christian Schneickert)....Pages 37-59
Zur Pluralisierung der Feldanalyse: Das Feld der Macht als Feld der Felder (Daniel Witte, Andreas Schmitz)....Pages 61-102
Vom nationalen zum globalen Feld der Macht (Andreas Schmitz, Daniel Witte)....Pages 103-152
Das Feld der Macht: Forschungspraktische, methodologische und epistemologische Implikationen (Andreas Schmitz, Daniel Witte, Christian Schneickert)....Pages 153-178
Back Matter ....Pages 179-183

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Christian Schneickert Andreas Schmitz · Daniel Witte

Das Feld der Macht Eliten – Differenzierung – Globalisierung

Das Feld der Macht

Christian Schneickert · Andreas Schmitz · Daniel Witte

Das Feld der Macht Eliten – Differenzierung – Globalisierung

Christian Schneickert Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg Magdeburg, Deutschland

Andreas Schmitz RWTH Aachen Aachen, Deutschland

Daniel Witte Rheinische FriedrichWilhelms-Universität Bonn Bonn, Deutschland

ISBN 978-3-658-31929-8 ISBN 978-3-658-31930-4  (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-31930-4 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Springer VS ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

Inhalt 1 Das Feld der Macht als gesellschaftstheoretisches Schlüsselkonzept ....... 1 DANIEL WITTE, ANDREAS SCHMITZ & CHRISTIAN SCHNEICKERT

2 Das Feld der Macht in der Soziologie Bourdieus ..................................... 15 CHRISTIAN SCHNEICKERT, ANDREAS SCHMITZ & DANIEL WITTE

3 Das Feld der Macht in der Elitenforschung: Funktionseliten – Machteliten – Globale Eliten ....................................... 37 CHRISTIAN SCHNEICKERT

4 Zur Pluralisierung der Feldanalyse: Das Feld der Macht als Feld der Felder .................................................... 61 DANIEL WITTE & ANDREAS SCHMITZ

5 Vom nationalen zum globalen Feld der Macht....................................... 103 ANDREAS SCHMITZ & DANIEL WITTE

6 Das Feld der Macht: Forschungspraktische, methodologische und epistemologische Implikationen ............................................................... 153 ANDREAS SCHMITZ, DANIEL WITTE & CHRISTIAN SCHNEICKERT

Tabellen- und Abbildungsverzeichnis Tabelle 1:

Soziale Felder mit relativem Gewicht in drei deutschen Elitenstudien ................................................................................ 40

Abbildung 1: Sozialer Raum und Feld der Macht ............................................. 23 Abbildung 2: Sozialer Raum, Feld der Macht und Felder der kulturellen Produktion (I) .............................................................................. 24 Abbildung 3: Sozialer Raum, Feld der Macht und Felder der kulturellen Produktion (II) ............................................................................. 24 Abbildung 4: Klassenstruktur und Struktur des Feldes der Macht .................... 25 Abbildung 5: Nationale Subfelder der Macht im internationalen Vergleich: Subfelder der politischen und ökonomischen Eliten 2013 ........... 53 Abbildung 6: Das internationale Feld der Macht: Raum der Merkmale .......... 114 Abbildung 7: Der Raum der Nationalstaaten ................................................... 115 Abbildung 8: Klassen von Nationalstaaten ...................................................... 118

1 Das Feld der Macht als gesellschaftstheoretisches Schlüsselkonzept Daniel Witte, Andreas Schmitz & Christian Schneickert Zu Beginn des 21. Jahrhunderts macht sich in weiten Teilen der Welt ein diffuses Gefühl der Verunsicherung breit. Die alte Weltordnung, die sich nach 1945 etabliert hatte und in der noch ein Großteil der heute sozialwissenschaftlich Forschenden sozialisiert wurde, ist Vergangenheit, eine neue befindet sich seit geraumer Zeit im Entstehen und ist in ihrer Ausgestaltung ungewiss. Ein neuer Autoritarismus ist vielerorts auf dem Vormarsch und droht auch noch die vermeintlich stabilsten westlichen Demokratien zu erschüttern. In den USA regiert ein Präsident, der mit permanenten Angriffen auf die Justiz und die Medien das System der checks and balances infrage stellt. In Polen führt die konservative Regierungspartei die Gewaltenteilung gleich demonstrativ ad absurdum, und in der Türkei, dem vormaligen Vorzeigeland des Säkularismus, ist der politische Islam wieder auf dem Vormarsch, unter der Führung eines Staatsoberhauptes, das rigoros gegen politische Gegner*innen, gegen kritische Wissenschaftler*innen und Medien vorgeht. Demokratie und Rechtsstaat, so scheint es, sind an vielen Orten ernsthaft bedroht. Dabei stellt sich die Frage, ob diese Tendenzen zur Entdifferenzierung – die zudem auf vielfältige Weisen mit Fragen sozioökonomischer Ungleichheit verbunden sind – in den klassischen politischen Gegensätzen von „links“ versus „rechts“, „progressiv“ versus „konservativ“, oder auch Sozialismus versus Kapitalismus noch angemessen erfasst werden können. Vielmehr prägen sie als globale Phänomene mittlerweile gleichermaßen theokratische und neoliberale Ordnungen, links- ebenso wie rechtsautoritäre Regime (aktuell z. B. in Lateinamerika) und den russischen genauso wie den chinesischen Etatismus. Eine zentrale Dimension dieser Entwicklung stellen fraglos skeptische bzw. ablehnende Haltungen gegenüber Globalisierungsprozessen dar, die in der Regel mit der Befürchtung einer Entmachtung des Nationalstaates einhergehen. Während die Kritik an einer kapitalistischen Globalisierung seit den 1990er-Jahren zu den zentralen Themen der akademischen Linken gehört, macht sich nunmehr eine neue Polarisierung gesellschaftlicher Diskurse entlang dieser Konfliktlinie bemerkbar. Dabei wird „kosmopolitisch“ orientierten (mehrheitlich sozioökonomisch privilegierten und politisch eher linksliberalen) Milieus eine allzu unkritische Haltung gegenüber kulturellen Globalisierungstendenzen und den Herausforderungen multikultureller Gesellschaften, die Verabsolutierung eines weltoffenen

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 C. Schneickert et al., Das Feld der Macht, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31930-4_1

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Lebensstils, die Legitimierung expertokratischer Regierungsstile zuungunsten demokratischer Entscheidungsprozesse sowie die Verkennung einer ungleichen Verteilung der Profite und Kosten von Globalisierung zugeschrieben. Auf diese Weise treffen in der Debatte zugleich zwei Formen des Liberalismus aufeinander – ein eher „links“ konnotierter kultureller Liberalismus und ein eher „rechts“ konnotierter Marktliberalismus. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob eine allzu euphorische Haltung gegenüber den Möglichkeiten grenzenloser Vergesellschaftung nicht gerade jenen Kräften eines globalen Neoliberalismus in die Hände spielt, die ebenfalls (wenn auch aus ganz anderen Gründen) von einer Welt ohne Grenzen träumen. Tatsächlich beeinflussen Prozesse der Globalisierung die Lebensbedingungen und Chancenstrukturen der verschiedenen sozialen Klassen in unterschiedlicher Weise und werden von diesen auch unterschiedlich wahrgenommen und bewertet. Für bereits privilegierte Klassen überwiegen sicherlich die Chancen und Potenziale transnationaler Vergesellschaftung; Globalisierung reproduziert somit zunächst bestehende Ungleichheiten innerhalb nationaler Sozialstrukturen. Zugleich werden aber ebenso neue Asymmetrien und soziale Lagen hervorgebracht: etwa transnationale Eliten, neue mittlere Klassenlagen und nicht zuletzt neue Formen der Exklusion und der Marginalisierung. In diesem Kontext wiegt es umso schwerer, dass Globalisierungsdynamiken mindestens mit einer Relativierung (und vielleicht auch einem realen Macht- und Bedeutungsverlust) des Nationalstaates einhergehen, also just jener Institution, die in ihrer Form als Sozialstaat traditionell mit der Bearbeitung dieser Ungleichheiten im Inneren betraut war. Schließlich ist auch die Kritik an Eliten und Elitenetzwerken im engeren Sinne, wenngleich zweifellos ein prominenter Topos des globalen Rechtspopulismus, keineswegs ein Thema, das allein auf der einen oder anderen Seite des politischen Spektrums verortet werden könnte. Medial dringen zunehmend Skandale in das öffentliche Bewusstsein, die Vernetzungen zwischen unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen zum Gegenstand haben: Ein ehemaliger Bundeskanzler wechselt in den Aufsichtsrat eines regierungsnahen russischen Energieunternehmens und posiert in Zeiten komplizierter bilateraler Beziehung zwischen Deutschland und Russland in erster Reihe bei der Vereidigung des russischen Präsidenten. Ein Ministerpräsident übernimmt nach dem Ende seiner politischen Karriere eine leitende Position in einem großen deutschen Baukonzern, und auch jenseits von prominenten Einzelfällen scheinen „fliegende Wechsel“ zwischen politischen Ämtern, Lobbygruppen und Verbänden, der Wirtschaft und großen Medienkonzernen vielfach – und bei weitem nicht nur in Italien – eher den Regelfall als die gut kontrollierte Ausnahme darzustellen. Aus solchen und vielen anderen Gründen sieht sich die Politik mit massiven Vertrauensverlusten konfrontiert, während gleichzeitig die Spielräume staatlich-politischen Handelns verengt bzw. die Rolle

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des Nationalstaates in globalen Kontexten in ganz grundsätzlicher Weise infrage gestellt werden. Längst sind globale Großkonzerne auf den Plan getreten, die sich einer nationalen politischen Kontrolle ebenso weitgehend entziehen wie Steuerforderungen oder anderen rechtlichen Ansprüchen, und der Nationalstaat zeigt sich angesichts globaler Herausforderungen und Problemlagen – Digitalisierung, Klimabedrohung, Durchsetzung von Menschenrechten etc. – vielfach überfordert. In zunehmend fragmentierten Öffentlichkeiten lässt diese Komplexitätssteigerung bei gleichzeitiger Konzentration von Macht und Reichtum Verschwörungstheorien über vermeintlich allmächtige globale Eliten florieren; und das obgleich gerade diese Komplexität und Heterogenität der Welt des 21. Jahrhunderts eine zentralistische Kontrolle zunehmend unmöglich erscheinen lässt. In der gegenwärtigen Corona-Krise schließlich zeigen sich zahlreiche der genannten Probleme wie unter einem Brennglas: Epidemiologisch keineswegs „demokratisch“ variieren Exposition, Erkrankungswahrscheinlichkeit und Mortalität in vielen Ländern gravierend nach Geschlecht, Klassenzugehörigkeit und ethnischer Herkunft, wie auch die verschiedenen „Lockdown“-Maßnahmen Mitglieder verschiedener Klassen mit unterschiedlicher Härte treffen. Die Gouvernementalität des Ausnahmezustandes lässt die vermeintlich sicheren Grenzen zwischen gesellschaftlichen Teilbereichen brüchig erscheinen, zugleich aber auch die Übersetzungsschwierigkeiten etwa zwischen Wissenschaft, Politik und Medien überdeutlich hervortreten, und schon wenige Wochen nach Ausbruch der Pandemie prägen Lobbyismusvorwürfe unterschiedlichster Couleur und mitunter auch Verschwörungstheorien den Diskurs. Bei alldem hat die Pandemie, deren Geschwindigkeit und Ausmaß ja gerade auf der Interaktionsdichte einer globalisierten Welt beruht, in paradox anmutender Weise zu einer Politik nationaler Alleingänge und Abschottungen, und damit de facto zu einem enormen Bedeutungszuwachs der Nationalstaaten geführt. Die fundamentalen gesellschaftlichen Transformationsprozesse der Gegenwart, die hier freilich nur assoziativ angeschnitten wurden, sind damit durchaus geeignet, die Sozialwissenschaften in ihren Grundfesten zu erschüttern und den Kanon ihrer liebgewonnenen „Sicherheiten“ und etablierten Wissensbestände in grundsätzlicher Weise in Zweifel zu setzen. Insofern besteht eine naheliegende und tatsächlich auch vielfach vertretene Option darin, für neue Phänomene auch neue Theorien und Methoden zu entwickeln – also angesichts einer sich abzeichnenden „neuen Gesellschaft“ zugleich auch schon eine „neue Soziologie“ einzufordern. Das vorliegende Buch wendet sich indes gegen diese Option und folgt einer anderen Auffassung: dass nämlich die von immer rascher wechselnden Theoriemoden getriebenen Versuche einer Neuerfindung des soziologischen Rades stets Gefahr laufen, nicht nur die Potenziale bewährter Theorie- und Wissensbestände leichtfertig zu verschenken, sondern überdies auch das scheinbar wesentlich Neue überzubewerten. Die hier entfaltete Perspektive geht davon aus, dass es

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der Soziologie derzeit – und selbst angesichts eines offensichtlichen und tiefgreifenden sozialen Wandels – nicht an adäquaten soziologischen Zugängen zur Analyse gesellschaftlicher Zusammenhänge mangelt. Vielmehr bedarf es eines umfassenden, integrativen Ansatzes, der die verschiedenen, scheinbar disparaten Gegenstandsbereiche fassen kann, bewährte Einsichten und Werkzeuge der Soziologie aufnimmt, dabei aber gleichzeitig offen für theoretische und methodische Modifikationen bleibt und empirische Analysen anregt sowie anleitet. Das vorliegende Buch widmet sich vor diesem Hintergrund der Frage, mit welchen analytischen, d. h. theoretischen und empirischen Mitteln solche Sachverhalte sozialwissenschaftlich untersucht – und auf den ersten Blick so disparate Phänomene in ihrem systematischen Zusammenhang erkannt und verstanden – werden können. Bei aller offenkundigen Heterogenität der beschriebenen Aspekte und Entwicklungstendenzen weisen diese nämlich deutliche Gemeinsamkeiten auf. Sie können allesamt als mitunter paradox wirkende Ursachen und Folgeprobleme multidimensionaler gesellschaftlicher Differenzierung und Entdifferenzierung beschrieben werden, beispielsweise der parallelen horizontalen Entdifferenzierung gesellschaftlicher Teilbereiche bei gleichzeitiger Zunahme vertikaler Differenzierung, d. h. von Stratifizierung und sozialen Ungleichheiten. Ein erster Komplex von Fragestellungen betrifft in diesem Zusammenhang die Position, die Rolle und das Machtpotenzial gesellschaftlicher Eliten. Die vielfach beklagte Entkopplung der (politischen, wirtschaftlichen, kulturellen usw.) Eliten von demokratischen Kontrollinstitutionen und den Lebenswirklichkeiten breiter gesellschaftlicher Mehrheiten, aber auch die Frage nach der globalen Vernetzung von Eliten, bilden den Nährboden für Prozesse der Skandalisierung und ein wachsendes Institutionenmisstrauen. Korruptionsskandale, Lobbyismus und Klientelpolitik sind hierzu ebenso zu zählen wie alte und neue Formen des Autoritarismus, und letztere selbst dort noch, wo sie sich als „konservative“ oder „progressive“ Kritik am politischen oder gesellschaftlichen „Establishment“ gerieren. In diesem Kontext steht eine Soziologie der Eliten vor dem Problem, einerseits die zunehmende Konzentration von Macht kritisch zu analysieren, anderseits aber der populistischen Elitenkritik gegen „die da oben“ eine differenziertere Analyse entgegen zu setzen. Dies kann nur gelingen, wenn Elitenforschung in eine allgemeine Theorie sozialer Ungleichheit und in die empirische Sozialstrukturanalyse von Gesellschaften eingebettet wird – d. h. Eliten im Verhältnis zu Ober-, Mittel- und Unterschichten in den Blick genommen werden. Eine elitensoziologische Perspektive auf gegenwärtige Problemlagen muss also beispielsweise auch komplementäre Prozesse der Marginalisierung reflektieren, und zwar nicht zuletzt dort, wo neben materiellen Ressourcenverteilungen auch Deutungshoheiten über soziale Wirklichkeiten zur Debatte stehen.

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Zweitens lassen sich die genannten Problemlagen als zentrale Herausforderungen soziologischer Differenzierungstheorien bündeln. Theorien „sachlicher“ („funktionaler“, „horizontaler“ etc.) Differenzierung stellen neben ungleichheitssoziologischen Ansätzen einen weiteren zentralen Zugang zur Gesellschaftstheorie dar, was hierzulande zu einer breiten Diskussion über das Verhältnis der „zwei Soziologien“ und Fragen ihrer „Verknüpfbarkeit“ geführt hat (siehe insbesondere Schwinn 2004). Auch die differenzierungstheoretische Perspektive liefert fruchtbare Ansatzpunkte zum Verständnis einer Vielzahl aktueller gesellschaftspolitischer Debatten: Dies gilt etwa für die vielzitierte Unmöglichkeit der Politik, „in“ gesellschaftliche Felder „hinein“ bzw. „durch sie hindurch“ zu regieren (Beispiel: Klimawandel), oder für die Probleme, die aus unterschiedlichen Tempi und Taktungen gesellschaftlicher Teilbereiche oder ihren unterschiedlich festen Bindungen an nationale Grenzen resultieren (Beispiel: die Ungleichzeitigkeit ökonomischer und politischer Globalisierung). Es gilt aber ebenso für all jene Prozesse der Entdifferenzierung beispielsweise zwischen Politik, Medien und Recht, wie auch für den als „Ökonomisierung“ apostrophierten, häufig als Signum der Spätmoderne beschriebenen Strukturwandel unterschiedlichster sozialer Felder. Eine besondere Rolle kommt in diesem Zusammenhang Grenz- und Zurechnungskonflikten zwischen gesellschaftlichen Teilbereichen zu. So prägen beispielsweise Debatten über die Grenzen der Kunstfreiheit in ebenso regelmäßigen Abständen den gesellschaftlichen Diskurs wie Diskussionen über das Verhältnis von Religion und Staat, etwa in den wiederkehrenden Auseinandersetzungen über ein Kopftuchverbot oder das Anbringen von Kruzifixen in Schulen (bzw. allgemeiner: die Verwendung religiöser Symbole im öffentlichen Raum). Zu denken ist etwa auch an den hitzigen Streit über die „Beschneidung von Knaben“ (die wahlweise als religiöse Praxis, als kulturelle Tradition oder aber – alternativ – als Körperverletzung kodiert wird) oder an all jene Fälle, in denen rechtsstaatliche Prinzipien durch die Forderung nach hartem politischen Durchgreifen (bspw. im Asylrecht) oder den Rekurs auf einen diffusen „Volkswillen“ (bspw. im Sexualstrafrecht bzw. in Fällen von Kindesmissbrauch) infrage gestellt werden. Den dritten Problemkreis bilden Prozesse der Transnationalisierung und Globalisierung sowie deren Effekte, wie sie seit etwa drei Jahrzehnten zunehmend Lebenswelten, öffentliche Debatten und auch soziologische Beschreibungen von Gesellschaft prägen. Das „alte“ Bild einer Welt von Nationalstaaten und dazugehörigen Gesellschaften scheint immer weniger geeignet, die globale Diffusion von Ideen, Normen und Institutionen zu erfassen, und Gleiches gilt für analoge wie digitale Kommunikation, für die zunehmend globale Vernetzung von Akteuren1 1 Wir verwenden im Folgenden durchgängig eine gendersensible Schreibweise. In einzelnen, inhaltlich begründeten Fällen verzichten wir hierauf, etwa weil der Akteursbegriff in bestimmten Kontexten (wie im obigen Fall) als geschlechtsneutraler Terminus auch auf nicht-menschliche Akteure bezogen ist.

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(Personen, Organisationen etc.) oder auch für Wanderungs-, Flucht- und Migrationsbewegungen. Gleichwohl spricht vieles dafür, Staat und Nation, territoriale Differenzierungen und kulturelle sowie Sprachgemeinschaften nicht vorschnell als soziologisch relevante Bezugsgrößen aufzugeben. „Globalisierung“ und die Persistenz bzw. Renaissance des Nationalen stellen realiter gerade keinen Widerspruch dar, und so sprechen gute sozialwissenschaftliche Gründe dafür, den „Abschied“ vom Nationalstaat nicht einfach normativ zu postulieren. Woran es mangelt sind vielmehr Perspektiven, die den Ort und die Rolle von Staaten sowie ihrer zentralen Institutionen, die Bedeutung von („politischen“) Grenzen und schließlich die Plausibilität der Rede von „Nationalgesellschaften“ theoretisch zu problematisieren und empirisch zu untersuchen erlauben. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Soziologie heute weder an der Persistenz sozialer Ungleichheiten und der Macht von Eliten noch an der Relevanz differenzierungstheoretischer Fragestellungen und der Polykontexturalität moderner Sozialordnungen noch am Spannungsverhältnis von lokaler, nationaler, transnationaler und globaler Vergesellschaftung einfach vorbeigehen kann. In diesem Sinne bilden Eliten, Differenzierung und Globalisierung die begrifflichen Fluchtpunkte der drei analytischen Perspektiven des vorliegenden Buchs. Die Soziologie als ausdifferenzierte Disziplin widmet sich dieser Ausgangslage nun typischerweise arbeitsteilig, d. h. durch eine zunehmende Dekomposition und Spezialisierung der Problembereiche, der dazugehörigen Perspektiven und der hierfür mobilisierten Ansätze: Man betreibt dann also, zugespitzt formuliert, entweder Elitensoziologie oder Differenzierungstheorie oder Globalisierungsforschung. Das Projekt einer umfassenden Gesellschaftstheorie gilt aus dieser Perspektive bereits seit den Tagen von Talcott Parsons vielfach als gescheitert und beendet. Parallel setzt sich in den verschiedenen Forschungsrichtungen und Theoriedebatten eine Tendenz fort, die die Sozialwissenschaften von Beginn an begleitet hat, nämlich eine Partialisierung des Diskurses entlang von etablierten Dichotomien, mit deren Hilfe etwa zwischen „Mikro-“ und „Makrosoziologie“, zwischen „Integrations-“ und „Konflikttheorien“, zwischen soziologischen „Idealismen“ und „Materialismen“ oder zwischen „Struktur-“ und „Kulturtheorien“ differenziert wird – die Liste ließe sich beinahe beliebig verlängern. Im Kontrast zu dieser doppelten Fragmentierung der soziologischen Forschungs- und Theorielandschaft folgt das vorliegende Buch explizit einer relationalen Auffassung – einerseits, weil umfassendere Zusammenhänge zwischen den unterschiedlichen soziologischen Perspektiven über prinzipiell kleinteiligere Einzelanalysen aus dem Blickfeld gedrängt werden; andererseits, weil die Strukturierung sozialwissenschaftlicher Debatten entlang von binären Gegensätze ein gravierendes Erkenntnishindernis darstellt und man begründet vermuten darf, dass

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die Aufspaltung der sozialen Welt in separierbare Sphären etwa von Handeln versus Struktur, von Sinn versus Macht oder von Statik versus Dynamik vielfach eher allgemeinen (vor-)wissenschaftlichen Dispositionen als sachlichen Gründen geschuldet ist. Das vorliegende Buch setzt vor diesem Hintergrund auf eine integrative Position, die gesellschaftliche Prozesse in ihrer Mehrdimensionalität in den Blick zu nehmen erlaubt – also auf ein analytisches Programm, dass einerseits nicht zwischen Differenzierungstheorie, Ungleichheitsforschung und der Untersuchung von Globalisierungsprozessen entscheiden muss und andererseits jedweder Vereinseitigung der soziologischen Reflexion (im Sinne eines vielgestaltigen „Entweder-oder“) eine relationale Perspektive (im Sinne eines „Sowohl-alsauch“) entgegenhält. Wie zu zeigen sein wird, liefert das der Soziologie Pierre Bourdieus entstammende und in diesem Band entfaltete Konzept des Feldes der Macht ein soziologisches Theorieangebot, das angesichts der zu rekonstruierenden Vielzahl von Phänomenen und Problemstellungen geeignet ist, die drei ganz unterschiedlich ausgerichteten analytischen Zugänge – die Soziologie sozialer Ungleichheit und der Eliten, die differenzierungstheoretische Perspektive und die Transnationalisierungs- bzw. Globalisierungsforschung – in einen fruchtbaren Dialog zu bringen und zugleich eine Reihe etablierter Dichotomien der soziologischen Theorie zu unterlaufen. Darüber hinaus bietet sich aus unserer Sicht die Soziologie Pierre Bourdieus mit Grundbegriffen wie dem sozialen Raum und sozialen Feldern, den Kapitalien und dem Habitus für eine solche Integration in besonderer Weise an. So ist mit der simultanen Berücksichtigung von sozialen Klassen im sozialen Raum und sozialen Feldern als gesellschaftlichen Teilbereichen (z. B. Politik, Wirtschaft, Kunst, Religion etc.) die Gleichzeitigkeit von sozialer und sachlicher Differenzierung bereits angelegt. Demgegenüber stehen „Klassen“ und „Felder“ vor allem in der deutschsprachigen Bourdieu-Rezeption häufig noch immer als Chiffren zweier unterschiedlicher und zum Teil antagonistischer Lesarten. Die Theorie Bourdieus wird dann auf eine der beiden Dimensionen gesellschaftlicher Strukturierung enggeführt, also entweder als Ungleichheitstheorie oder als Differenzierungstheorie gelesen. Während dabei die klassentheoretische Lesart (als „Kultursoziologie sozialer Ungleichheit“) im deutschsprachigen Raum in den 1980er- und 1990er-Jahren das Bild von Bourdieu prägte, gewann die feldtheoretische Lesart (als „Differenzierungstheorie“) ungefähr ab der Jahrtausendwende zunehmend an Prominenz. Auch in der internationalen Literatur finden sich bis heute beide Schwerpunktsetzungen (siehe einerseits Buchholz 2008, 2016; Hilgers & Mangez 2015; andererseits Harker et al. 1990; Thatcher et al. 2016). In der Debatte über die „zwei Soziologien“ wird dagegen auch explizit darauf abgestellt, dass gerade in der Verknüpfung beider Strukturprinzipien die Besonderheit der Theorie Bourdieus zu sehen

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ist (Witte 2014a, 2014b; Schneickert 2015: 113–145; Schmitz et al. 2017). Tatsächlich ist es die wechselseitige Verzahnung dieser beiden analytischen Prinzipien, die Bourdieus Angebot erst als eine starke Gesellschaftstheorie im engeren Sinne erscheinen lässt. Klassen und Felder werden aus dieser Perspektive also nicht als separierbare Untersuchungseinheiten verstanden. Vielmehr verlangt der „methodologische Relationalismus“ (Bourdieu & Wacquant 1996: 34ff.; vgl. Schmitz & Blasius 2012), auch Felder und Klassen in ihren wechselseitigen Beziehungen und Effekten zu studieren. Quer zu diesen beiden Rezeptionsströmungen hat sich in den vergangenen Jahren eine reichhaltige Forschung etabliert, die im Anschluss an die zentralen Konzepte Bourdieus transnationale und globale Phänomene studiert. Diese Untersuchungen reichen von der Analyse transnationaler Felder (Pernicka & Lahusen 2018; Schmidt-Wellenburg & Bernhard 2020) über unterschiedlichste Versuche, Begriffe wie „Kapital“ oder „Habitus“ für Dynamiken jenseits des Nationalstaats zu öffnen (Kelly & Lusis 2006; Schneickert 2013; Carlson et al. 2017; Schmitz & Witte 2017; Kraemer 2019) bis zu Debatten über die Existenz globaler sozialer Klassen und Eliten (Bühlmann et al. 2013; Schneickert 2015, 2016, 2018; Hartmann 2016). Diese Öffnung der soziologischen Perspektive lenkt den Blick zugleich auf Phänomene, die den engen Verweisungszusammenhang der drei hier analytisch geschiedenen Dimensionen verdeutlichen. Gesellschaftliche Phänomene lassen sich heute nicht mehr a priori auf lokaler, nationaler, supra- und transnationaler oder globaler Ebene verorten, sondern es ist vielfach gerade die Gleichzeitigkeit dieser Analysedimensionen, die die Soziologie vor neue Herausforderungen stellt. Als Beispiel sei hier nur noch einmal an die vielfältigen Probleme erinnert, die sich aus dem Spannungsverhältnis einer hochbeschleunigten globalen Ökonomie und vergleichsweise trägen politischen Systemen sowie nationalen Rechtsordnungen ergeben. Demgegenüber sind gerade feldspezifische Eliten wiederum in höchst unterschiedlichem Maße dazu in der Lage, sich über derartige Grenzen hinwegzusetzen. An just dieser Stelle – der Inbeziehungsetzung von unterschiedlichen Feldlogiken einerseits sowie klassen- und feldspezifischen Dynamiken andererseits, und dies jeweils über unterschiedliche „Aggregationsniveaus“ hinweg – entpuppt sich das Feld der Macht als der „zentrale Schlüssel“ (Bongaerts 2008: 145) zum Verständnis der gesamten Gesellschaftstheorie Bourdieus. In der umfangreichen Sekundärliteratur sowie der an Bourdieu anschließenden Forschung bleibt das Konzept des Feldes der Macht jedoch eigentümlich unterbelichtet. Während spezifische Begriffe der Bourdieu’schen Soziologie weithin Beachtung und Verwendung finden, wird das Konzept des Feldes der Macht in der Literatur noch immer weitgehend ignoriert. Dies vermag umso mehr zu verwundern, als doch die Theorie Bourdieus im besonderen Maße von der wechselseitigen Verschränkung ihrer

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Konzepte lebt und das Feld der Macht als epistemologischer wie gesellschaftstheoretischer Rahmen seiner gesamter Soziologie begriffen werden kann (Riley 2015). Auch die einschlägigen Konzepte (wie sozialer Raum, Kapital, Habitus usw.) gewinnen erst in ihrem Verweisungszusammenhang mit diesem Feld der Macht ihren vollen Sinn, sodass die eingeschränkte Diskussion des Konzeptes auch noch die Arbeit mit diesen vielgenutzten Grundbegriffen hemmt. Eine Erklärung für diesen Befund der allenfalls bruchstückhaften Rezeption eines Schlüsselkonzepts kann darin gefunden werden, dass es sich bei dem Konzept des Feldes der Macht bei Bourdieu selbst eher um eine Absichtserklärung, eine allenfalls lose definierte und letztlich nicht konsistent verwendete Formel zur Versammlung und Bezeichnung bestimmter Ideen und Intentionen handelt. Wer in den Texten Bourdieus nach einer klaren Begriffsbestimmung sucht, wird also in der Tat eher enttäuscht werden – die interessierten Leserinnen und Leser stoßen im Wesentlichen auf fragmentarisch bleibende Ausführungen, auf tentative theoretische Überlegungen und einige empirische Studien, die in unterschiedlicher Weise auf den Begriff zurückgreifen und allenfalls Hinweise auf seine Funktion und Stellung in der Theoriearchitektur geben. Wie wir im Folgenden zeigen werden, lassen sich dabei in Bourdieus Verwendung des Begriffes drei verschiedene Akzentuierungen ausmachen, die wir analog zur thematischen Einteilung dieses Bandes rekonstruieren: Wir unterscheiden a) eine elitensoziologische Fassung des Feldes der Macht (als eines „Feldes der Herrschenden“), b) eine differenzierungstheoretische Lesart des Feldes der Macht (als eines „Feldes der Felder“), sowie c) eine staatssoziologische Zuspitzung des Feldes der Macht (als europäisch konnotierter Nationalstaat), die auf das Problem einer nationalen „Rahmung“ der Feldtheorie insgesamt sowie die Notwendigkeit zur (Neu-)Verortung des Nationalstaates im Kontext der Analyse transnationaler und globaler Zusammenhänge verweist. Der Schlüsselbegriff des Feldes der Macht, der in Bourdieus eigenen Worten am Beginn jeder Feld- und Gesellschaftsanalyse stehen sollte (Bourdieu & Wacquant 1996: 136), existiert also allenfalls in rudimentärer, nie konsequent durchgearbeiteter Form – und dies auch noch in unterschiedlichen, zunächst nur schwer miteinander in Deckung zu bringenden Varianten. Insofern überrascht es nicht, wenn das Konzept typischerweise entweder gänzlich ignoriert oder als diffus kritisiert wird und mitunter gar als „Endlager für ungelöste Theorieprobleme“ (Kieserling 2008: 14) erscheint. Das vorliegende Buch soll einen Beitrag zur Überwindung dieses Missstandes liefern. Angesichts der vorliegenden Textgrundlagen und der Tatsache, dass es sich bei dem Feld der Macht nicht um ein ausgearbeitetes systematisches Konzept handelt, sind hierzu eigene Interpretations- und Begriffsanstrengungen von Nöten. Diese werden allerdings dadurch erleichtert, dass die Soziologie Bourdieus kein hermetisch abgedichtetes Theoriegebäude präsentiert,

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sondern programmatisch auf offene, empirische Begriffe setzt: Die Feldtheorie erlaubt in diesem Sinne nicht nur eine theoretisch-empirische Weiterentwicklung ihrer Schlüsselbegriffe, sondern sieht eine solche bereits ihrer gesamten Grundanlage nach vor (Wacquant 1996: 45; Bourdieu & Wacquant 1996: 125). Zu diesem Zweck wird im nachfolgenden Kapitel zunächst eine knappe Einführung gegeben, die die Entstehungsgeschichte des Begriffes sowie drei unterschiedliche Verwendungsweisen des „Feldes der Macht“ bei Bourdieu – eine elitensoziologische, eine differenzierungstheoretische und eine staatssoziologische Lesart – rekonstruiert (Kapitel 2). In den drei darauffolgenden Kapiteln werden jeweils konzeptionelle Probleme diskutiert und systematische Weiterentwicklungen des Begriffes vorgeschlagen; im Anschluss an die drei zunächst idealtypisch herausgearbeiteten Lesarten zeigen wir dabei zugleich ihre wechselseitigen Bezüge aufeinander auf. So verweisen die Diskussionen um Funktions- und Machteliten einerseits sowie um nationale und globale Eliten andererseits auf den Bedarf der Elitenforschung nach einer Theorie, die ungleichheits-, differenzierungs- und globalisierungstheoretische Einsichten zu integrieren vermag (Kapitel 3). Das Feld der Macht kann indes als Schlüsselkonzept der Gesellschaftstheorie noch deutlich weiter gefasst werden, sofern es theoretisch „pluralisiert“ und umfassend erweitert wird und so insbesondere die Perspektiven von gesellschaftlicher Differenzierung und Stratifikation zu verknüpfen erlaubt (Kapitel 4). Diese Modifikationen führen im nächsten Schritt zu der Einsicht, dass Bourdieus ursprüngliche Konzeption des Feldes der Macht in einer Weise auf den Nationalstaat und national begrenzte Gesellschaften zugeschnitten ist, die den Erfordernissen soziologischer Analysen unter den Bedingungen von Transnationalisierung und Globalisierung in vielerlei Hinsicht nicht gerecht wird. Wir schlagen daher eine Neuverortung des Nationalstaates im Rahmen der Feldtheorie vor, die den Bezugsrahmen des „Feldes der Macht“ für die Betrachtung transnationaler und globaler Zusammenhänge öffnet und damit erst das volle Potenzial dieses Schlüsselkonzeptes freilegt (Kapitel 5). Ein knapper Ausblick wird noch einmal die wesentlichen Erträge diese Rekonstruktionsschritte und Weiterentwicklungen herausarbeiten und dabei zeigen, dass auf allen drei hier behandelten Bedeutungsebenen Dichotomien unterlaufen werden können, die wissenschaftlichen Fortschritt erschweren und mitunter sogar verhindern. Prominente Spaltungen wie etwa solche zwischen funktionalistischen Ansätzen und Konflikttheorien in der Elitenforschung (Kapitel 3), zwischen Ungleichheitsforschung und Differenzierungstheorie in der Gesellschaftsanalyse (Kapitel 4) sowie zwischen Ansätzen, die Prozesse globaler Vergesellschaftung eher unter Sinn- oder eher unter Machtgesichtspunkten beschreiben (Kapitel 5), erweisen sich so als gleichermaßen überwindbare Grundmuster.

Das Feld der Macht als gesellschaftstheoretisches Schlüsselkonzept

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Das Buch schließt mit einigen Überlegungen zu den forschungspraktischen, methodologischen und epistemologischen Implikationen der hier vorgelegten Weiterentwicklungen des Feldes der Macht (Kapitel 6). Mit diesem Anspruch und dem Versuch, den theoretischen Bezugsrahmen der Feldtheorie systematisch weiterzudenken und dabei gleichsam die unterschiedlichen Bedeutungsebenen des „Feldes der Macht“ zusammenzuhalten (bzw. enger zusammenzuführen), richtet sich das Buch an Leserinnen und Leser aus unterschiedlichen Bereichen der Geistes- und Sozialwissenschaften. Für Studierende in den ersten Semestern liefern die aufeinander aufbauenden Kapitel eine systematische Einführung in einen der prominentesten gesellschaftstheoretischen Ansätze der Gegenwart sowie in zentrale Fragen der Gesellschaftstheorie insgesamt. Für Expertinnen und Experten bietet der Band Anregungen, die Feldtheorie konsequent als eine Theorie multipel differenzierter Gesellschaften weiterzudenken, die zugleich einen analytischen Rahmen für die Analyse einzelner Felder anbietet. Für Leserinnen und Leser, die in den Gebieten der Elitensoziologie, der Differenzierungstheorie und der Globalisierungsforschung arbeiten, liefern die folgenden Darstellungen schließlich Hinweise auf die vielfältigen Potenziale und Fragestellungen, die sich aus einer (intensiveren) Berücksichtigung der jeweils anderen Forschungsbereiche und ihrer Themen für die eigene Forschung ergeben. Wenn die hier zusammengestellten Überlegungen zum Feld der Macht und den unterschiedlichen Möglichkeiten, an dieses gesellschaftstheoretische Schlüsselkonzept anzuknüpfen, auch in dieser Hinsicht „integrativ“ wirken, hat das vorliegende Buch seine Zielsetzung erreicht. Literatur Bongaerts, Gregor (2008): Verdrängungen des Ökonomischen. Bourdieus Theorie der Moderne, Bielefeld: transcript. Bourdieu, Pierre/Loïc J. D. Wacquant (1996 [1987/92]): Die Ziele der reflexiven Soziologie, in: dies.: Reflexive Anthropologie, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 95–249. Buchholz, Larissa (2008): Feldtheorie und Globalisierung, in: Beatrice von Bismarck/Therese Kaufmann/Ulf Wuggenig (Hg.): Nach Bourdieu. Visualität, Kunst, Politik, Wien: Turia & Kant, 211–229. Buchholz, Larissa (2016): What is a Global Field? Theorizing Fields Beyond the NationState. In: Sociological Review 64 (2): 31–60. Bühlmann, Felix/Thomas David/André Mach (2013): Cosmopolitan Capital and the Internationalization of the Field of Business Elites: Evidence from the Swiss Case. In: Cultural Sociology 7 (2): 211–229. Carlson, Sören/Jürgen Gerhards/Silke Hans (2017): Educating Children in Times of Globalisation: Class-specific Child-rearing Practices and the Acquisition of Transnational Cultural Capital. In: Sociology 51 (4): 749–765.

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Daniel Witte, Andreas Schmitz & Christian Schneickert

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Das Feld der Macht als gesellschaftstheoretisches Schlüsselkonzept

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2 Das Feld der Macht in der Soziologie Bourdieus Christian Schneickert, Andreas Schmitz & Daniel Witte Das Feld der Macht nimmt innerhalb der Soziologie Pierre Bourdieus eine Schlüsselstellung ein, und zwar nicht zuletzt für das Verständnis des Zusammenspiels zentraler Konzepte wie „sozialer Raum“, „Feld“ und „Kapital“. In der Sekundärliteratur und auch bei Bourdieu selbst findet sich der Begriff allerdings nur in Ansätzen ausgearbeitet. Das Feld der Macht wird mit sehr unterschiedlichen Inhalten gefüllt und in den späten 1980er-Jahren speziell auf die Analyse von Eliten (insb. in La Noblesse d’État, dt.: Der Staatsadel, Bourdieu 2004 [1989]) und des (französischen National-)Staates (insb. in Sur l’État, dt.: Über den Staat, Bourdieu 2014 [1989–1992]) ausgerichtet.2 Insofern ist es wenig verwunderlich, dass dieser Begriff in der Rezeption Bourdieus bislang deutlich weniger breite Aufmerksamkeit erhalten hat als die anderen genannten Konzepte, die sich für die Analyse unterschiedlichster sozialer Phänomene als ertragreich erwiesen haben. Im folgenden Kapitel rekonstruieren wir zunächst die drei analytischen Akzentuierungen des Konzeptes, die sich Bourdieus eigenen Darlegungen entnehmen lassen: (1) Das Feld der Macht als Arena der Auseinandersetzung zwischen Feldeliten im Sinne eines „Feldes der Herrschenden“; (2) das Feld der Macht als Schlüsselkonzept einer differenzierungstheoretisch angelegten Gesellschaftstheorie im Sinne eines „Feldes der Felder“; sowie (3) das Feld der Macht in seiner staatssoziologischen Verwendung, d. h. im Sinne eines Metafeldes, das weitgehend synonym zum modernen Nationalstaat und der Gesamtheit seiner Institutionen verstanden wird. Das Feld der Macht im Kontext der Feldtheorie Bourdieus In Bourdieus Soziologie werden Akteur*innen und ihre Praktiken über ihre je spezifischen Stellungen in Relation zu anderen Akteur*innen in einem gemeinsamen Raum von Existenz- und Möglichkeitsbedingungen konstruiert. Die Gesamtarena

2 Die ersten Verwendungen des Begriffes lassen sich mindestens bis in die frühen 1970er-Jahre zurückverfolgen (vgl. etwa, titelgebend, 1971a), also in die Phase der Theorieentwicklung, in der Bourdieu erstmals systematisch mit dem Feldbegriff zu arbeiten beginnt (siehe Bourdieu 1971b, 1971c). In diesen Arbeiten findet sich noch ein deutlicherer Fokus auf die Verhältnisse zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Teilbereichen und die damit verbundene Frage nach einem Begriff, der diese Verhältnisse zu rahmen imstande ist (dazu später auch noch Bourdieu 2011 [1985/86]).

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 C. Schneickert et al., Das Feld der Macht, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31930-4_2

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Christian Schneickert, Andreas Schmitz & Daniel Witte

einer Gesellschaft wird dabei klassentheoretisch als „sozialer Raum“ gefasst. Dieser Raum wird als ein Zusammenhang gedacht, der Praktiken strukturiert und durch diese strukturiert wird, und über die Struktur von Kapitalverteilungen konzeptualisiert. Prominent entwickelte Bourdieu dieses Modell in La distinction (dt.: Die feinen Unterschiede, Bourdieu 1987a [1979]). Die französische Gesellschaft der 1970er-Jahre wird darin als ein sozialer Raum von Unterschieden vorgestellt, der insbesondere auf der Verfügbarkeit von ökonomischem und kulturellem Kapital sowie den symbolischen Effekten dieser Kapitalsorten beruht. Bourdieu bezeichnet diese umfassende Arena des sozialen Raumes auch als einen „Makrokosmos“, von dem sich eine Vielzahl von „Mikrokosmen“ unterscheiden lässt (Bourdieu & Wacquant 1996: 127), in denen speziellere Interessensobjekte und Kapitalsorten auf dem Spiel stehen. Diese Mikrokosmen beschreibt Bourdieu als „soziale Felder“. Das Konzept sozialer Felder komplementiert damit die Perspektive auf die Sozial- und Klassenstruktur von Gesellschaften und fokussiert auf die historische Ausdifferenzierung gesellschaftlicher Teilbereiche: „Die Theorie der Felder beruht auf der Feststellung (die sich bereits bei Spencer, Durkheim, Weber usw. findet), daß in der sozialen Welt ein fortschreitender Differenzierungsprozeß stattfindet. […] Dieser Differenzierungs- oder Verselbständigungsprozeß führt […] zur Entstehung von Universen, die unterschiedliche, nicht aufeinander reduzierbare ‚Grundgesetze‘ haben […] und Austragungsorte für besondere Formen von Interesse sind“ (Bourdieu 1998b: 148).

Beispiele hierfür bilden das wissenschaftliche (Bourdieu 1992), das politische (2001c), das ökonomische (2006), das künstlerische (1999) oder das religiöse Feld (2000). Mit den sich im Zeitverlauf ausdifferenzierenden Feldern entstehen spezifische Machtressourcen (Kapitalia), Deutungshoheiten und entsprechende soziale Kämpfe.3 Die Kapitalia eines sozialen Feldes beschreiben wiederum die Feldpositionen von Agenten – womit Bourdieu sowohl individuelle als auch kollektive Akteure bezeichnet – über das Volumen und die Zusammensetzung ihrer Kapitalbestände. Felder weisen daher eine jeweils eigene, mit spezifischen Interessen korrespondierende Struktur auf – und damit eine relative Autonomie gegenüber der Gesellschaft insgesamt. Gesellschaftliche Felder lassen sich zudem durch weitere Charakteristika voneinander abgrenzen – unter anderem durch ihre jeweils feldspezifische Prägung von Habitus, ihren Nomos, ihre je spezifische Illusio und Libido sowie ihre 3 Entgegen einer weitverbreiteten Lesart (vgl. exemplarisch Jenkins 1992; siehe zum Determinismusvorwurf auch Fröhlich et al. 2009), nach der die Soziologie Bourdieus sozialen Wandel nicht denken und abbilden könne, basiert das Konzept sozialer Felder geradezu konstitutiv auf der Analyse von Prozessen der Genese, des Wandels und des Zerfalls von gesellschaftlichen Teilbereichen.

Das Feld der Macht in der Soziologie Bourdieus

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eigene Doxa. So wird im Habitus das gesamte „selbstverständliche“ Wissen inkorporiert, das Akteur*innen über die soziale Welt bzw. über die jeweils bevölkerten Felder teilen (Bourdieu 1987b: 122), und ein „Spiel-Sinn“ habitualisiert, der die Regeln des Feldes und die ihnen angemessenen Praktiken zur „zweiten Natur“ werden lässt. Dieses Regelwerk eines Feldes, das zugleich die jeweils umkämpften „Einsätze“ und „Gewinne“ bestimmt und die sozialen Auseinandersetzungen darüber regelt, bezeichnet Bourdieu als nomos; die (allgemein) geteilte Anerkennung dieser Regeln, Einsätze und Ziele eines Feldes, d. h. der Glaube an die Bedeutsamkeit der jeweiligen Interessensobjekte, wird als illusio sozialer Felder beschrieben (Bourdieu 1998b: 152f.), die auch affektive Bindung von Akteur*innen an „ihre“ Felder und Praktiken als spezifisches Interesse, als Besetzung bzw. als libido gefasst. Mit dem Begriff der doxa bezeichnet Bourdieu ferner die Gesamtheit feldspezifischer Glaubenssätze, ihre symbolischen Repräsentationen sowie empirische Wissensbestände. Die Doxa bildet damit einen unhintergehbaren Glaubens- und Meinungshorizont, der die Geschichte der Feldkämpfe in der Gegenwart aktualisiert und Denkbares von Undenkbarem, Diskutables von Indiskutablem, Umkämpftes von dem Kampf entzogenem unterscheidet. Zu betonen ist darüber hinaus schließlich, dass die Feldtheorie – im Gegensatz zu den meisten klassischen Differenzierungstheorien – als „Theorie konflikthafter Differenzierung“ (Lenger et al. 2013; Schneickert 2015b) davon ausgeht, dass sowohl Felder intern als auch ihre Verhältnisse zueinander von Machtverhältnissen, sozialen Ungleichheiten und Konflikten geprägt sind (Witte 2014, 2015; Schmitz et al. 2017). Die Feldperspektive nimmt damit nicht nur die in einem Feld jeweils relevanten Sinnstrukturen in den Blick, sondern immer auch seine materiellen Strukturen und Machtverhältnisse sowie die entsprechenden Wechselwirkungen von „Sinnverhältnissen“ und „Kräfteverhältnissen“ (Bourdieu & Passeron 1973: 25; Bourdieu & Wacquant 1996: 134). Felder lassen sich also mit Blick auf ihre spezifischen Sinn- und Machtverhältnisse beobachten, wobei diese beiden Momente nicht als separate Dimensionen der empirischen Wirklichkeit verstanden werden können; vielmehr bilden sie zwei Seiten einer lediglich analytischen Unterscheidung, die in der Praxis untrennbar miteinander verbunden sind. Während dabei in der Rezeption der Soziologie Bourdieus zunächst der soziale Raum, die Klassentheorie (siehe Rehbein et al. 2009), die Kapitalformen und insbesondere der Habitusbegriff (siehe Lenger et al. 2013) im Zentrum standen, tritt der Feldbegriff insbesondere in den vergangenen Jahren verstärkt in den Mittelpunkt (Bernhard & Schmidt-Wellenburg 2012; Bongaerts 2008; Bühlmann et al. 2013, 2018; Gengnagel et al. 2016; Hamann et al. 2016; Krause 2017; Lenger & Rhein 2014; Nassehi & Nollmann 2004; Schmitz et al. 2015, 2017; Schneickert 2013, 2015b, 2018; Witte 2014). Angesichts der zahlreichen Arbeiten, die sich mit der Feldtheorie Bourdieus beschäftigen, ist es allerdings durchaus erstaunlich,

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dass die grundlagentheoretische Frage nach dem Verhältnis zwischen sozialen Feldern darin weitgehend vernachlässigt worden ist. Ebenso verwundert es, dass die beiden so zentralen Konzepte „Raum“ und „Feld“ in ihrem theoretischen Verhältnis und ihren empirischen Wechselwirkungen zueinander wenig systematisch behandelt wurden. Das Feld der Macht wurde dabei ursprünglich gerade eingeführt, um strukturelle Effekte zu erklären, die über die Binnenlogik isolierter Einzelfelder hinausweisen – so zum Beispiel die Praxis von Künstler*innen, die nicht aus der Struktur des künstlerischen Feldes selbst, sondern nur aus der beherrschten Stellung des künstlerischen Feldes innerhalb eines größeren gesellschaftlichen Zusammenhanges zu erklären war (vgl. Bourdieu 1999: 342, Fn 2). Mit der Hinwendung zu elitentheoretischen Überlegungen kam dem Feld der Macht dann eine neue Funktion zu: Einerseits sollte damit der marxistische Begriff einer „herrschenden Klasse“ ersetzt und demgegenüber auf die Relationalität von Macht und „Arbeitsteilungen“ im Kontext von Herrschaftsbeziehungen verwiesen werden. Andererseits richtete sich das Konzept aber auch gegen populäre funktionalistische Annahmen einer allzu reibungslosen Arbeitsteilung im Sinne eines Systems von checks and balances, indem es auf die Rolle von Konflikten und sozialer Ungleichheit innerhalb der herrschenden Klassen und die Möglichkeit von Machtkonzentrationen im Sinne einer „power elite“ (Mills 1956) verwies (siehe dazu Schneickert 2015b: 113–145; Kapitel 3 in diesem Band). Bourdieus Machtbegriff Bourdieu führt das Konzept des Feldes der Macht ein, ohne den zugrunde liegenden Machtbegriff explizit zu erläutern. Im Kontext der allgemeinen Überlegungen zu sozialen Feldern kann dies allerdings zu Missverständnissen führen: So sind prinzipiell alle sozialen Felder „Machtfelder“, insofern sie als Kräftefelder definiert werden, die sich durch Ungleichheiten, Konflikte und eben auch Machtdifferenziale gerade erst konstituieren. Die Besonderheit des Feldes der Macht besteht aber nicht darin, dass etwa nur dort Macht konzentriert würde oder das Feld der Macht die Strukturen der anderen Felder eindimensional („top-down“) und mechanistisch diktieren kann. Vielmehr ergibt sich das Feld der Macht selbst erst aus der Relationalität der Machtstrukturen verschiedener sozialer Felder sowie des sozialen Raums insgesamt. Dem Feld der Macht liegt dabei ein Begriff von Macht zugrunde, der sich als Kompromiss zwischen einem klassischen Verständnis im Sinne Max Webers und einer poststrukturalistischen Machtkonzeption charakterisieren lässt. Im Kontext des Feldes der Macht stellt Macht nicht allein die Chance dar, den eigenen Willen

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auch gegen Widerstände durchzusetzen (Weber). Ähnlich wie etwa bei Norbert Elias oder Michel Foucault wird Macht ausdrücklich nicht als eine „besitzbare“ Substanz oder als individuelle Eigenschaft einzelner Individuen gefasst, sondern als ein genuiner Verhältnisbegriff (vgl. Elias 2004 [1970]: 77; Foucault 2005 [1973/74]: 17). Andererseits wird Macht hier aber auch nicht als ein völlig fluides, differenzlos ubiquitäres und damit letztlich der Bindung an konkrete Personen und Konstellationen beraubtes Substrat gedacht. Bourdieu, so lässt sich verkürzt zusammenfassen, geht davon aus, dass Macht sehr wohl im sozialen Raum (d. h. insbesondere nach Klassenlagen) sowie nach feldspezifischen Positionen verteilt ist, dass einigen Akteuren und Positionen also mehr Macht zukommt als anderen. Gleichzeitig wird Macht aber eben auch als eine Grundstruktur konzipiert, die alle Relationen im sozialen Raum und in den verschiedenen Feldern durchzieht (siehe etwa Bourdieu 2001a: 166), sodass noch die mächtigsten Akteure nie die Gesellschaft in ihrer Gesamtheit vollständig unter ihre Kontrolle bringen und das Soziale in diesem Sinne „determinieren“ können. Nichtsdestoweniger finden sich bei Bourdieu ebenso wiederkehrend Anklänge an einen eher substanzialisierenden Machtbegriff, die geeignet sind, den Fokus auf Staat, Elitebildungseinrichtungen (speziell die französischen Grandes Écoles) und (Wirtschafts-)Eliten zu erklären, der die späteren Schriften zum Feld der Macht kennzeichnet. Die Bedeutung von Eliten und Elitebildungseinrichtungen (siehe u. a. Bourdieu & de Saint-Martin 1987) verdeutlicht einerseits, dass eben nicht alle gesellschaftlichen Akteur*innen gleichberechtigten Zugang zu Positionen und Positionierungen haben. Macht fließt also nicht vollständig diffus durch soziale Beziehungen, Netzwerke oder Diskurse, sondern lässt sich durchaus sozialräumlich lokalisieren. Andererseits bricht Bourdieu aber – besonders mit Blick auf gesellschaftliche Eliten – mit einer individualistischen und tendenziell „verschwörungstheoretischen“ Sichtweise auf Macht. Bourdieus relationaler Strukturalismus verwirft in diesem Kontext die Idee eines inner circle von Eliten, ohne den Anspruch einer kritischen Elitenforschung aufzugeben oder anzunehmen, dass in (spät-)modernen Gesellschaften überhaupt keine Machtzentren mehr zu identifizieren seien: „Die Herrschaft ist nicht die direkte und einfache Wirkung des Handelns einer über die Zwangsgewalt verfügenden Gruppe von Akteuren (der ‚herrschenden Klasse‘), sondern die indirekte Wirkung eines komplexen Bündels von Handlungen, zu denen es im Netz der einander überkreuzenden Zwänge kommt, denen jeder der dergestalt von der Struktur des Felds, mittels dessen die Herrschaft ausgeübt wird, beherrschten Herrschenden von seiten jeweils aller anderen unterliegt.“ (Bourdieu 1998c: 52)

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Drei Lesarten des Feldes der Macht Nachfolgend arbeiten wir drei zentrale Aspekte des Feldes der Macht heraus, die sich in der Soziologie Bourdieus finden lassen: eine elitensoziologische, eine differenzierungstheoretische und eine staatssoziologische Lesart. Diese Lesarten tauchen nicht nur in recht unterschiedlichen Zusammenhängen seiner Schriften auf, sondern sie stellen zugleich Vorlagen bereit, an die heute in unterschiedlichen Forschungskontexten auf verschiedene Weisen angeknüpft wird. Gleichwohl zeigt sich, dass die Unterscheidung dieser drei Lesarten letztlich analytischer Natur ist und die drei dabei jeweils in den Vordergrund gerückten Aspekte systematisch aufeinander verweisen. Zugang 1: (Feld-)Eliten, die herrschende Klasse und das Feld der Macht In einem ersten Sinn verwendet Bourdieu das Konzept des Feldes der Macht besonders prominent in seinem Werk Der Staatsadel (2004 [1989]), das für die gegenwärtige Elitenforschung zentrale Bedeutung erlangt hat. Diese erste Verwendungsweise des Feldes der Macht lässt sich als „elitensoziologische“ Lesart beschreiben: Das Feld der Macht wird darin als ein „Feld der Herrschenden“ konzipiert. Bourdieu (2004: 323) definiert das Feld der Macht hier als ein historisch gewachsenes Metafeld gesellschaftlich besonders relevanter sozialer Felder, in dem die jeweils höchsten Positionen (d. h. also die Feldeliten) Kämpfe von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung austragen. Das Feld der Macht bildet somit einen Integrationsrahmen von Eliten bzw. Elitepositionen, der den differenzierungstheoretisch angelegten sozialen Feldern übergeordnet ist (vgl. Bourdieu 1998c: 51). „Nicht mehr von Personen oder auch einzelnen Institutionen verkörpert, wird die Macht koextensiv mit der Struktur des Machtfeldes und realisiert und manifestiert sich nur mehr durch ein Ganzes von Feldern und Mächten, die durch eine genuin organische Solidarität verbunden, also verschieden und voneinander abhängig zugleich sind.“ (Bourdieu 2004: 471)

In seinen Analysen des französischen Machtfeldes der 1960er-Jahre in Frankreich untersuchte Bourdieu insbesondere die Umstellungsstrategien und die Arbeitsteilung der dominanten Eliten in Frankreich, 200 Jahre nach der Französischen Revolution. Er zeigte, inwiefern die Macht der modernen französischen Eliten auf einer umfassenden Verschleierung ihrer privilegierten sozialen Herkunft und der Legitimierung über exklusive Bildungsabschlüsse der angesehensten Universitäten basierte. Das kulturelle Kapital als Verbürgung des Leistungsprinzips und die

Das Feld der Macht in der Soziologie Bourdieus

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Arbeitsteilung der Feldeliten verschleiern aus dieser Sicht die historische Persistenz der herrschenden Familien, während ihre Mitglieder feldübergreifende Netzwerke bilden und in den großen Gremien, Kommissionen und Aufsichtsräten des Landes ihren an den Grandes Écoles angeeigneten „Korpsgeist“ in Macht und Einfluss konvertieren. Selbst wenn Bourdieu also die Konstruktion des Feldes der Macht häufig sehr eng an die Positionen besonders kapitalstarker „Feldeliten“ bindet, geht es ihm doch insgesamt weniger um Akteur*innen und ihre Eigenschaften an sich als vielmehr um die sich im Feld der Macht manifestierenden Machtstrukturen verschiedener Felder. Um sich von der meritokratischen Illusion, d. h. hier insbesondere dem Mythos der Leistungseliten (Hartmann 2002) abzugrenzen, spricht Bourdieu dementsprechend von „Eliten“ vielfach in Anführungszeichen oder reduziert sie sogar vollständig auf die Strukturen des Feldes der Macht (Bourdieu 2004: 381; vgl. hierzu Hartmann 2005: 257; Schneickert 2015b: 56f.). Selbst Feldeliten beziehen ihre Macht demnach erst aus dem Raum der Kräfteverhältnisse zwischen denjenigen kapitalstarken Akteur*innen, Institutionen und Organisationen, die dominante Positionen in verschiedenen Feldern einnehmen (Bourdieu 1999: 342). Eine umfassende Analyse des Feldes der Macht müsste daher diese Kräfteverhältnisse mit dem Raum der Individuen in Beziehung setzen, die einen Großteil ihrer Macht wiederum aus ihren jeweiligen Teilfeldern beziehen (so etwa Manager*innen aus dem ökonomischen Feld, Politiker*innen aus dem politischen Feld, Professor*innen aus dem wissenschaftlichen Feld usw.). Aus der mehrfach chiastischen Binnenstruktur von sozialem Raum und sozialen Feldern (einer Struktur also, die gekennzeichnet ist durch verschiedene sich kreuzende Konfliktlinien, beispielsweise Gegensätze zwischen kulturellem und ökonomischem Kapital, zwischen Alteingesessenen und Neulingen, zwischen orthodoxem und häretischem Pol und letztlich immer auch zwischen Herrschenden und Beherrschten) können instabile und temporäre Bündnisse zwischen Akteur*innen und sozialstrukturellen Gruppen entstehen (Bourdieu 2004: 328). Die Wahrscheinlichkeit derartiger Allianzen ist aber ihrerseits an die interne Struktur des Feldes der Macht geknüpft, in dem sich die sozialen Felder selbst wieder entlang der chiastischen Struktur des sozialen Raums verteilen. Ebenso wiederholen die verschiedenen Felder die Trennung von geistiger und weltlicher Macht in ihrer Binnenstruktur, so beispielsweise das akademische Feld entlang der Hierarchie der Disziplinen und Fakultäten sowie in der Unterscheidung zwischen Anwendungsbezug und „reiner“ Wissenschaft (Bourdieu 2004: 326f.; vgl. auch Bongaerts 2008: 145ff.). Die kulturellen Felder bilden dabei – im klassischen Modell des sozialen Raums der französischen Gesellschaft der 1960er-Jahre – den dominierten Pol auf der vom kulturellen Kapital geprägten (im Modell der Feinen Unterschiede: linken) Seite des Raums; das juristische, das politische und das ökonomische Feld bilden demgegenüber den dominierenden Pol auf der primär vom

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Christian Schneickert, Andreas Schmitz & Daniel Witte

ökonomischen Kapital geprägten (rechten) Seite. So ergibt sich die Autonomie kultureller Felder gerade aus der Suspendierung anderer Feldlogiken, in kapitalistischen Gesellschaften insbesondere der des (dominanten) ökonomischen Kapitals. Das Paradigma liefert in diesem Zusammenhang das Feld der Kunst, in dem sich mit der Logik des l’art pour l’art allmählich die Vorstellung durchsetzt, dass authentische künstlerische Werke gerade durch eine ihnen zugrunde liegende ökonomische Interesselosigkeit charakterisiert sein müssen („wer verliert, gewinnt“) (Bourdieu 1999: 345; siehe auch Schumacher 2011; Schneickert & Schumacher 2014; Zahner 2006). Das Feld der Macht selbst wird wiederum im oberen Drittel des sozialen Raumes verortet (Abbildung 1). Es ersetzt damit sozialräumlich die „herrschende Klasse“ aus der Analyse in den Feinen Unterschieden (Bourdieu 1987a). Professor*innen oder Künstler*innen bilden im Feld der Macht den ökonomisch beherrschten Pol, während Industrie- und Handelsunternehmer*innen auf der ökonomisch herrschenden Seite anzusiedeln sind (Bourdieu 1992: 82). Die Positionen und Positionierungen von Akteuren in Feldern werden auf diese Weise erst durch die Einbeziehung der relationalen Beziehungen der Felder zueinander verständlich. Die Struktur der Beziehungen von Akteur*innen oder Institutionen kann also nur dann adäquat verstanden werden, wenn sie in einem Feld objektiver Relationen interpretiert wird (Bourdieu 1999: 289). Mittels multipler Korrespondenzanalysen versucht Bourdieu, diese Struktur im Staatsadel zu rekonstruieren (Abbildung 3). Die Arbeitsteilung der Macht korrespondiert demzufolge mit zwei Strukturprinzipien, die sich in allen Feldern sowie im sozialen Raum wiederfinden (Homologiethese): dem Gegensatz von herrschenden und beherrschten Positionen einerseits sowie dem Verhältnis von (beispielsweise) ökonomischem und kulturellem Kapital andererseits (Bourdieu 2004: 323f.). Abbildung 3 verdeutlicht, dass Bourdieu davon ausgeht, dass die Positionen in Feldern insgesamt – und damit auch im Feld der Macht – mit den sozialstrukturellen Positionen des sozialen Raums korrespondieren, d. h. also beispielsweise soziale Aufgestiegene eher beherrschte Positionen einnehmen. Darüber hinaus differenziert er in der vorliegenden Analyse zwischen herrschenden Positionen am politisch-administrativen Pol und solchen am ökonomischen Pol des Feldes der Macht, die den dominierten Positionen am kulturellen Pol (Hochschullehrer*innen, Künstler*innen usw.) gegenüberstehen (Bourdieu 2004: 326).

Das Feld der Macht in der Soziologie Bourdieus

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Sozialer Raum Gesamtkapital +

Feld der Macht Industrielle

Freiberufler

Unternehmer Leitende Angestellte

Hochschullehrer Künstler

Gymnasiallehrer

Ingenieure Führungskräfte Öffentlicher Dienst

ÖK KK +

Medizin und soziale Dienste

+ ÖK - KK

Mittlere Führungskräfte im kaufmännischen Bereich

Kulturvermittler

Techniker

Grundschullehrer

Mittlere Führungskräfte im öffentlichen Dienst Büroangestellte

Landwirte Einzelhändler Handwerker

Angestellte im Handel

Vorarbeiter Facharbeiter Angelernte Arbeiter Arbeiter Landarbeiter

Gesamtkapital Abbildung 1: Sozialer Raum und Feld der Macht. Eigene Darstellung nach Bourdieu (2004: 324). Die Berufsbezeichnungen sind der Originalabbildung entnommen.

ÖK - KK -

(NATIONALER) SOZIALER RAUM

nichtprofessionelle Kulturproduzenten

+ ÖK - KK

-

beherrscht

2

+

3 -

Gesamtkapital

beherrscht -

SOZIALER RAUM

beherrscht

-

KÜNSTLERISCHES FELD

+

herrschend

FELD DER MACHT

+ herrschend

Gesamtkapital

Abbildung 2 (links) und Abbildung 3 (rechts): Sozialer Raum, Feld der Macht und Felder der kulturellen Produktion. Eigene Darstellungen nach Bourdieu (1999: 203, links, sowie 1998a: 68, rechts).

ÖK KK +

Vaudeville, Feuilleton, Journalismus

BohèmeAvantgarde

Spez. symb. Kapital -

Massenproduktion

- KK + ÖK

- Autonomie

Eingeschränkte Produktion (l’art pour l’art)

KK + ÖK -

Autonomie +

FELD DER KULTURELLEN PRODUKTION

1

herrschend

Spez. symb. Kapital +

arrivierte Avantgarde

ÖK + KK+

beherrscht

FELD DER MACHT

+

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herrschend

BISCHÖFE Bauer

Einzelhändler

Arbeiter

Großhändler

Industrieller

Angestellter Grundbesitzer

(HOCHSCHUL) LEHRER

Freiberufler

Beherrschte Positionen am kulturellen Pol

UNTERNEHMENSLEITER

Bankier Aufsichtsratsmitglied

Herrschende Positionen am Pol hoher Staatsbeamter

Großbuchstaben = Zugehörigkeitskategorie Gewöhnlich = Herkunftskategorie

Großindustrieller

Herrschende Positionen am ökonomischen Pol

Abbildung 4: Klassenstruktur und Struktur des Feldes der Macht. Eigene Darstellung nach Bourdieu (2004: 327). Die Berufsbezeichnungen sind der Originalabbildung entnommen.

Handwerker

FINANZINSPEKT. MINIST.DIR. Hochschullehrer

Ingenieur

INGENIEUR (MINES)

PRÄFEKTEN MINISTERIALKAB.

Lehrer

Mittlere Führ.kraft hoher Beamter

Offizier Ohne Beruf GENERÄLE

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Auf der Basis dieser Überlegungen beschreibt Bourdieu in historischer Perspektive den Wandel, durch den die Diplome der französischen Elitehochschulen gegenüber dem direkten ökonomischen Erbe insgesamt an Wert – und technische Titel zugunsten von bürokratischen Allgemeinbildungstiteln intern an Bedeutung – gewinnen (Bourdieu 2004: 330). Innerhalb des Feldes der Macht entstehen auf diese Weise Kämpfe zwischen Gruppen, die sich hinsichtlich ihres jeweiligen Erbes unterscheiden, sodass von diesem Punkt der gesellschaftlichen Entwicklung an verschiedene Reproduktionsmodi parallel existieren (Bourdieu 2004: 337). So identifiziert Bourdieu im französischen Machtfeld den Hauptgegensatz zwischen einer Gruppe, die ihren Erfolg wesentlich dem Bildungssystem verdankt (v. a. Polytechniques aus dem Kleinbürgertum), und einer solchen, bei der akademische Titel lediglich als Bestätigung der bereits privilegierten Stellung fungieren (z. B. Absolvent*innen der ENA, der ENS oder Sciences Po aus dem Pariser Großbürgertum) (Bourdieu 2004: 425). Die französischen Eliten werden von Bourdieu entsprechend als Kaste (vgl. Bourdieu 2001b: 49f.), als schulischer Adel oder eben „Staatsadel“ bezeichnet, weil sie entgegen ihres Selbstbildes gerade nicht die Antithese zur feudalen Aristokratie qua Geburt darstellen (Bourdieu 2004: 456). Der höhere Schuladel ist dabei zugleich ein Staatsadel, weil Bildungstitel nicht mehr schlechterdings Privilegien garantieren, sondern auf staatlich kontrollierten Märkten erworben und verteidigt werden müssen (Bourdieu 2004: 458). Zugang 2: Das Feld der Macht in Bourdieus Differenzierungstheorie Der elitensoziologische Zugang zum Feld der Macht aus Der Staatsadel stellt die mittlerweile gängige Lesart des Konzeptes dar. Mit dem Hinweis auf feldübergreifende Elitenetzwerke und die Notwendigkeit der Berücksichtigung des Feldes der Macht bei der Rekonstruktion feldspezifischer Elitepositionen rückt allerdings bei genauerer Betrachtung auch eine zweite Lesart in den Blick, die das Feld der Macht in einem allgemeineren Sinne für die Analyse von Felderverhältnissen zentral setzt. Die empirischen Arbeiten von Die feinen Unterschiede bis zu Der Staatsadel beschränkten sich aufgrund der verfügbaren Datenbasis auf die Analyse von konkreten Populationen (z. B. von Wirtschaftseliten). Demgegenüber verweisen die stärker theoretisch orientierten Schriften regelmäßig auf den Charakter des Feldes der Macht als eines umfassenden Metafeldes, das es erlauben soll, die Differenzierung der Gesellschaft in verschiedene Teilbereiche und die historischen Veränderungen im Verhältnis der verschiedenen Machtformen zu erfassen, ohne dabei Eliten analytisch in besonderer Weise zu privilegieren (Bourdieu 2004: 323).

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Durch eine solche Lesart des Feldes der Macht rücken die multiplen Wechselwirkungen zwischen Feldern in ganz allgemeiner, von spezifischen Eliten abstrahierter Weise in den Fokus. Entsprechend postuliert Bourdieu als den ersten Schritt einer jeden Feldanalyse, das Verhältnis des zu untersuchenden Feldes zum Feld der Macht zu klären (Bourdieu & Wacquant 1996: 104). Diese spezifische Relation zum Feld der Macht kann Strukturen oder Strategien in Feldern erklären, die sich nicht unmittelbar aus feldinternen Kräften ergeben (Bourdieu 1999: 342; 1998c: 51). Solche externen Effekte können zum einen die Form direkter Intrusionsstrategien (Bourdieu 1998e; siehe auch Kapitel 4) von zunächst feldexternen Akteur*innen annehmen; zum anderen werden sie über das Feld der Macht als einer übergeordneten, strukturierenden Instanz vermittelt, da in ihm die Kräfteverhältnisse zwischen den spezifischen Kapitalia ausgefochten werden und um den Anspruch auf symbolische Macht verschiedener Feldlogiken gekämpft wird. Insofern kann man unter den Feldeffekten des Machtfeldes wesentlich die geltenden Tauschverhältnisse und Wechselkurse zwischen den diversen spezifischen Kapitalsorten – und damit zwischen den sie produzierenden Feldern – verstehen. Mit der Idee, dass das Feld der Macht das analytische Prinzip beschreibt, nach dem die Machtverhältnisse zwischen ausdifferenzierten Einzelfeldern untersucht und dargestellt werden können, rückt die Relationalität von Kapitalien und ihres jeweiligen Werts in den Blick. In einer klassischen Formulierung heißt es hierzu: „Es gibt […] Karten, die in allen Feldern stechen und einen Effekt haben – das sind die Kapital-Grundsorten –, doch ist ihr relativer Wert als Trumpf je nach Feld und sogar je nach den verschiedenen Zuständen ein und desselben Feldes ein anderer“ (Bourdieu & Wacquant 1996: 128). Das Feld der Macht bildet dann denjenigen Ort, an dem um diesen relativen Wert konkurriert wird, an dem die Konvertierbarkeiten der Kapitalia sowie ihre Akkumulations- und Transformationsregeln verhandelt werden und an dem ihr symbolischer Geltungsbereich durchgesetzt wird – und damit den Ort von Kämpfen um die Machtverhältnisse zwischen sozialen Feldern insgesamt. Indem dieser Ort aber selbst als ein (Meta-)Feld konzipiert wird, etabliert sich auch eine eigene Kaptalsorte, die ebendiese Fähigkeit, über „Wechselkurse“ zu bestimmen, zum Ausdruck bringt: Bourdieu bezeichnet diese spezifische Kapitalsorte des Feldes der Macht als „Meta-Kapital“. Anders formuliert bildet das so definierte Feld der Macht zudem den privilegierten Ort der Konkurrenz um symbolisches Kapital, indem hier nämlich der Grad der wechselseitigen Anerkennung feldspezifischer Güter, Praktiken und Weltsichten auf dem Spiel steht. Dazu gehören „Machtverhältnisse zwischen sozialen Positionen […], die ihren Besitzern ein ausreichendes Quantum an gesellschaftlicher Macht – oder Kapital – sichern, um sie in die Lage zu versetzen, in die Kämpfe um das Monopol auf die Macht einzutreten, zu deren wichtigsten Dimensionen die Kämpfe um die Definition der legitimen Form der Macht“ gehören

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(Bourdieu 1996: 263). Einerseits ist daher mit dem Feld der Macht der Anspruch verbunden, ein gesamtgesellschaftlich wirksames Strukturprinzip zu formulieren, das die verschiedenen sozialen Felder erst in Beziehung zueinander bringt und bestimmt. Demnach bezeichnet das Feld der Macht ein Feld von Kräften, dessen Struktur aus den Kämpfen um die Verteilung und Bedeutung unterschiedlicher Machtformen resultiert und aus den dazugehörigen Differenzierungs- und Autonomisierungsprozessen hervorgegangen ist (Bourdieu 2004: 321; 2014). In diesem Sinne bildet die Chance zur Konvertierung von Kapitalsorten (Bourdieu 1983) einen Indikator für den gegenwärtigen Stand des ständigen Kampfes um das dominierende Prinzip von Herrschaft (Bourdieu 1987a: 209). Im Gegensatz zur Eigenlogik anderer Felder geht es im Feld der Macht also darum, das relative Gewicht von unterschiedlichen Machtressourcen zu bewerten, und zwar insbesondere die Herrschaftsprinzipien, die Struktur der Arbeitsteilung der Herrschaft sowie das „legitime Prinzip der Legitimation“ (Bourdieu 2004: 322). Denn: „Keine Macht kann sich damit begnügen, als nackte, rechtfertigungslose Macht, mit einem Wort also, als willkürliche Gewalt zu existieren, und muß sich daher so, wie sie ist, rechtfertigen oder zumindest die Willkür, die ihr zugrunde liegt, unkenntlich machen und sich damit als legitim anerkennen lassen.“ (Bourdieu 2004: 322)

Darüber hinaus erscheint das Feld der Macht – bis hierher verstanden als Arena der Auseinandersetzung um Wechselkurse bzw. feldübergreifendes symbolisches Kapital – schließlich auch als Schauplatz des Kampfes über die relative Autonomie sozialer Felder. Dass Felder prinzipiell als lediglich relativ autonome Mikrokosmen konzipiert werden, stellt in der differenzierungstheoretischen Debatte und der dazugehörigen Literatur eine Besonderheit der Feldtheorie dar. Felder werden hier immer schon über unterschiedliche – interne wie auch externe – „Hierarchisierungsprinzipien“ (Bourdieu 1999: 344) beschrieben, wobei sich der jeweilige Grad der feldspezifischen Autonomie an ebendem Ausmaß bemisst, in dem externe Logiken dem internen Hierarchisierungsprinzip untergeordnet werden. Genau dieses Verhältnis interner und externer Prinzipien und damit die Autonomiegrade verschiedener Felder – die schon aus logischen Gründen nicht unabhängig voneinander sind, also immer in ihrem Zusammenhang betrachtet werden müssen –, das heißt also: die Autonomierelationen zwischen relativ autonomen Mikrokosmen, bilden aus dieser Perspektive den zentralen Gegenstand der sozialen Kämpfe im Feld der Macht.

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Zugang 3: Der Staat und das Feld der Macht Schließlich ist ein dritter analytisch zu unterscheidender Zugang zum Feld der Macht zu nennen, der sich sowohl von der elitensoziologischen Lesart als auch vom Verständnis des Feldes der Macht als eines Metafeldes der Felderverhältnisse abhebt. In dieser dritten Bedeutung, die sich insbesondere in Bourdieus staatssoziologischen Arbeiten findet – d. h. in Texten, die werkhistorisch unmittelbar an die elitensoziologischen Studien der späten 1980er-Jahre anschließen –, wird das Feld der Macht mit dem Gesamtarrangement staatlicher Felder und Institutionen in einer Weise gleichgesetzt, die die Begriffe „Staat“ und „Feld der Macht“ nahezu ununterscheidbar werden lässt. Das Feld der Macht geht in dieser Perspektive zwar gleichsam koevolutionär mit der Herausbildung von Eliten und Elitebildungseinrichtungen wie den Grandes Écoles einher, es ist aber keineswegs darauf zu reduzieren; vielmehr steht es in der historischen Entwicklung der europäischen Gesellschaften in enger Verbindung mit der Praxis staatlicher Verwaltung in einem umfassenden Sinne (Bongaerts 2008: 151). Eine besondere Rolle kommt in diesem Zusammenhang dem Zusammenspiel von politischen, juristischen und administrativen Feldern – insbesondere in der Form von Rechtsregeln und Gesetzen – zu, da diese prinzipiell für alle sozialen Felder Geltung beanspruchen. Es handelt sich bei den dazugehörigen Auseinandersetzungen also um „allgemeine“ Kämpfe, auch wenn die daraus hervorgehenden Entscheidungen die einzelnen Felder durchaus unterschiedlich betreffen mögen (Bourdieu 2014: 540). In diesem Sinne definiert Bourdieu den Staat selbst über das Feld der Macht, wenn er erläutert, dass der Staat „derjenige Sektor des Feldes der Macht [ist], den man als ‚administratives Feld‘ oder ‚Feld der öffentlichen Verwaltung‘ bezeichnen kann“ und der „sich durch den Besitz des Monopols der legitimen physischen und symbolischen Gewalt definiert“ (Bourdieu 2014: 18).4 Die im Feld der Macht agierenden Akteur*innen kämpfen daher laut Bourdieu zuvorderst um die Macht über den Staat – und damit um die Macht, Einfluss auf andere Felder auszuüben (Bourdieu 2014: 349). Diese Perspektive macht Bourdieu in seinen staatssoziologischen Schriften auch historisch, nämlich zur Rekonstruktion des europäischen Staatswerdungsprozesses fruchtbar. In seiner Genealogie des europäischen Nationalstaates als Nachfolger des dynastisch-absolutistischen Staates – die für Bourdieu eine paradigmatische Anwendung des „genetischen Strukturalismus“ darstellt (Bourdieu 2014: 4 Sofern hier und im Folgenden (wie auch bei Bourdieu) von „dem Staat“ die Rede ist, so ist damit in der Regel ein historischer bzw. historisch informierter Idealtyp im Sinne des modernen („europäischen“) Nationalstaates gemeint; die Formulierung referiert entsprechend nicht auf einzelne empirische (oder gar: alle empirischen) Fälle. Zur Differenzierung von „Staat“ und „Nation“ vgl. überdies Kapitel 5.

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162ff.) – untersucht er, wie im Zuge historischer Prozesse das Feld der Macht sukzessiv eine „Arbeitsteilung der Herrschaft“ zwischen unterschiedlichen gesellschaftlichen Kraftpolen etabliert hat. Hierbei handele es sich um einen Wandlungsprozess des ursprünglichen Machtkerns feudalistischer Herrschaftsstrukturen, der sich ausdifferenziert, komplexe Abhängigkeitsketten im Sinne einer „organischen Solidarität“ produziert und somit ein „Feld“ der Macht erzeugt habe (Bourdieu 2014: 504). In den europäischen Gesellschaften des Mittelalters differenziert sich die in der Person des Königs konzentrierte Macht durch Delegation zunächst innerhalb der curia regis aus, die Arbeitsteilung der Herrschaft wird immer komplexer und ein in Zügen bereits ausdifferenziertes Feld der Macht entsteht (vgl. Schneickert 2015a: 185; siehe zur Herausbildung der höfischen Figuration auch Elias 2002 [1969]). Der König und später der Nationalstaat sowie seine Trägerschichten fungieren auf diese Weise als eine Meta-Macht jenseits der einzelnen Felder („méta-champ“). „Was sich herausbildet, ist also ein differenzierter Raum von Macht, den ich als Feld der Macht bezeichne. […] Ich wollte die Genese des Staates beschreiben, und in Wirklichkeit, glaube ich, habe ich die Genese des Feldes der Macht beschrieben, das heißt einen differenzierten Raum, innerhalb dessen die Inhaber der verschiedenen Mächte darum kämpfen, daß ihre Macht die legitime Macht sei.“ (Bourdieu 2014: 540)

Eine der Pointen der Feldtheorie Bourdieus besteht daher gerade darin, dass es in sozialen Feldern nicht lediglich darum geht, die eigenen Positionen nach den Regeln des jeweiligen Feldes zu verbessern, sondern auch darum, die Feldregeln selbst zum eigenen Vorteil zu verändern oder zu verteidigen. Auf dem Feld der Macht geht es nun primär um diese Kategorie der „Definitionskämpfe“ (Bourdieu & Wacquant 1996: 129): Akteur*innen versuchen kontinuierlich, die dem Spiel zugrunde liegenden Regeln so zu ändern, dass sie möglichst gut mit der eigenen Ressourcenausstattung korrespondieren und entsprechende Profite erzielt werden können (Bourdieu 1999: 353). Bourdieus Konzeption eines relationalen und soziologisch ausgeweiteten Staatsbegriffs fokussiert entsprechend auf die Organisation der Produktion und Reproduktion eines „‚Meta-Kapital[s]‘, mit dem sich Macht über die anderen Kapitalsorten ausüben läßt“ (Bourdieu & Wacquant 1996: 146).5 Indem Bourdieu 5 Bourdieu (1998d: 106) beschreibt die Entstehung westlicher Nationalstaaten auch über die Monopolisierung von informationellem Kapital, was allgemein Prozesse der Erfassung und Kategorisierung von Daten, insbesondere die Einteilung von Gebieten und die Erstellung von Bevölkerungsstatistiken sowie die Konstruktion von Referenzwerten umfasst, die als Orientierungspunkte für staatliches Handeln dienen (vgl. auch Diaz-Bone 2018). Die Bedeutung dieses „informationellen“ Anteils des MetaKapitals lässt sich heute geradezu idealtypisch am Beispiel Chinas beobachten: Vermittels eines digitalen „Bürgerscores“, der das Verhalten von Bürger*innen über unterschiedlichste Lebensbereiche und

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Webers Definition des Staates – die Durchsetzung des Monopols auf legitime physische Gewalt – um die Dimension der symbolischen Gewalt erweitert, erklärt er den Staat zur relevanten Verhandlungsebene der legitimen Wirksamkeit spezifischer Kapitalia. In gewisser Weise unabhängig von seiner politischen und juristischen Bedeutung definiert sich der Staat somit soziologisch über seine Macht, das Wechselverhältnis feldspezifischer Kapitalsorten zu bestimmen (Bourdieu & Wacquant 1996: 146). Er erscheint dann in dieser Perspektive als das „große Reservoir symbolischer Macht“ (Bourdieu 1991: 99) bzw. als die „Zentralbank des symbolischen Kapitals“ (Bourdieu 2014: 222), was sich etwa in der Durchsetzung von Bewertungsmaßstäben äußert, die den Wert feldspezifischen Kapitals gegenüber anderen Kapitalia festlegen. Nicht zuletzt zeigt es sich aber auch daran, dass es dem Staat gelingt, in der von ihm inkludierten und adressierten Bevölkerung einen Legitimitätsglauben zu verankern und darüber hinaus nicht nur die faktischen Praxisspielräume, sondern auch die Wahrnehmungskategorien seiner Akteur*innen zu prägen. Bourdieu nennt in diesem Zusammenhang etwa die Durchsetzung vereinheitlichter Zeitstrukturen, identitätsstiftende Kategorien der Gruppenzugehörigkeit oder legitime Werthaltungen (wie beispielsweise Familien- und Sexualmoralen). Mit Blick auf diese weitreichende Strukturierungsfunktion des Staates, die seine Bürger*innen auf bestimmte Weisen wahrnehmen, denken und handeln lässt, spricht Bourdieu (2014: 17 und passim) auch von einem „Staatsdenken“ – wobei die zentrale Paradoxie darin bestehe, dass selbst noch das (soziologische) Nachdenken über den Staat in staatlich durchgesetzten Kategorien erfolgen müsse. Der Staat selbst wird daher zugleich als ein umkämpftes Metafeld gefasst, in dem unterschiedlichste Akteure und Gruppen um die Durchsetzung ihrer Weltsichten und der für sie jeweils relevanten Machtquellen konkurrieren. Im Kampf um den Staat geht es also nicht allein um die Erlangung des physischen Machtmonopols, sondern um die mehrdimensionale und insbesondere symbolische Definitionsmacht darüber, welche Kapitalia gesamtgesellschaftlich an Bedeutung gewinnen. In dieser Lesart wird das Feld der Macht stellenweise fast vollständig mit dem Nationalstaat gleichgesetzt (vgl. etwa Bourdieu 2014: 347ff.).

Felder hinweg quantifiziert und in einen Faktor überführt, wird hier eine klare, eindimensionale Hierarchie etabliert, die politische Maßnahmen inspiriert, begründet und durchsetzen lässt und auf diesem Wege eine spezifische Form der politischen, sozialen, normativen und auch kognitiven „Integration“ herstellt. Gleichzeitig lässt sich gegenwärtig bei vielen anderen Staaten eine Abnahme der informationellen Kontrolle beobachten; etwa, weil privatwirtschaftliche Akteure (wie z. B. Facebook) erfolgreich informationelles Kapital über staatliche Grenzen hinweg akkumulieren. Ein möglicher Effekt dieser Entwicklung besteht darin, dass sich Akteur*innen bei der Beschaffung, Verarbeitung und Internalisierung von Informationen zunehmend an den entsprechenden (und damit eben weniger an nationalstaatlich geprägten) Maßstäben und Wissensbeständen orientieren.

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Fazit: Potenzial und Forschungsbedarf In diesem Kapitel haben wir mit einer elitensoziologischen, einer differenzierungstheoretischen und einer staatssoziologischen Lesart drei Bedeutungsschichten des bislang weitgehend vernachlässigten Konzeptes des Feldes der Macht unterschieden. Sofern in der gegenwärtig vorliegenden Literatur überhaupt an dieses Konzept angeschlossen wird, wird seine Bedeutungsvielfalt in der Regel unterschätzt und die Verwendung auf einzelne Aspekte – insbesondere die elitensoziologische Lesart – beschränkt; das Potenzial, das sich gerade auch aus dem Zusammenspiel der verschiedenen Zugänge ergibt, bleibt damit weitgehend unausgeschöpft. Die analytische Unterscheidung dieser drei Lesarten liegt den folgenden Ausführungen als Basisstruktur zugrunde, wenn wir im weiteren Verlauf des Buches mögliche Anwendungen und Potenziale des Konzeptes zunächst für die Elitenforschung (Kapitel 3), sodann für die Differenzierungs- und Gesellschaftstheorie (Kapitel 4) sowie schließlich für die Globalisierungsforschung und die Analyse transnationaler Prozesse (Kapitel 5) herausarbeiten. Dabei wird gezeigt, dass die hier separierten und auch von Bourdieu wenig systematisch in ihrem Zusammenspiel diskutierten Lesarten innerhalb eines umfassenden theoretischen Rahmens wechselseitig aufeinander bezogen werden können. Eine in diesem Sinne generalisierte und integrative Interpretation des Feldes der Macht weist damit Wege auf, unterschiedliche Forschungsfelder der Soziologie ebenso wie Hauptströmungen der Gesellschaftstheorie miteinander in einen Dialog zu bringen. Im Zuge dieser Interpretation zeigt sich zugleich, dass tradierte Dichotomien, welche die behandelten Forschungsfelder sowie die Soziologie insgesamt durchziehen, unter Rückgriff auf das Konzept des Feldes der Macht und die ihm inhärente relationale Perspektive unterlaufen werden können. Dies gilt bereits in sehr grundsätzlicher Weise für Unterscheidungen wie etwa diejenigen von „Mikro“ versus „Makro“, Sinn versus Macht oder Statik versus Dynamik, betrifft aber auch solche Schismen, die insbesondere die hier in den Vordergrund gerückten Themenbereiche betreffen: etwa die Gegenüberstellung von funktionalistischen und konflikttheoretischen Ansätzen in der Elitenforschung, die Debatte über gesellschaftliche Differenzierung und soziale Ungleichheiten sowie den Diskurs über globale Vergesellschaftungsformen und die Frage, welcher (analytische) Status dem Nationalstaat in diesem Kontext noch zukommen sollte.

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Das Feld der Macht in der Elitenforschung: Funktionseliten – Machteliten – Globale Eliten Christian Schneickert

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Klassiker wie Le Bon, Mosca, Pareto oder Michels bezogen, und die empirische Elitenforschung, die meist sehr deskriptiv bleibt, wurden aber bislang nur selten systematisch verbunden. Funktionalistische und konflikttheoretische Elitenforschung Die klassische sozialwissenschaftliche Elitentheorie war nach dem Zweiten Weltkrieg durch ihre geistige Nähe zum europäischen Faschismus derart diskreditiert, dass sich die Elitenforschung nach 1945 nahezu vollständig in die USamerikanischen Sozialwissenschaften verlagert hat. Wie auch andere soziologische Diskussionen der Nachkriegsjahrzehnte wurde die Elitenforschung dabei fortan von einem theoretischen Widerstreit zwischen funktionalistischen und konflikttheoretischen Positionen bestimmt (siehe dazu ausführlich Hartmann 2004: 44–108; vgl. Bühlmann et al. 2012a: 200). Die Betonung der funktionalen Notwendigkeit von Eliten ist das durchgängige Charakteristikum funktionalistischer Theorieansätze in der Elitenforschung (siehe klassisch Pareto 1955 [1916]). Den funktionalistischen Elitentheorien kommt das Verdienst zu, die bislang umfassendste und systematischste theoretische Fundierung der modernen Elitenforschung geleistet zu haben (vgl. auch Schneickert 2015a: 36–41). So gilt Suzanne Kellers Werk Beyond the Ruling Class. Strategic Elites in Modern Society (1963) als theoretischer Meilenstein in der Entwicklung der Elitentheorie insgesamt. In direktem Anschluss an Talcott Parsons’ Strukturfunktionalismus (1951) argumentiert sie, dass dem AGILSchema entsprechend mindestens vier strategische Eliten zu unterscheiden sind, deren funktionale Notwendigkeit sich aus ihrem Beitrag zur gesellschaftlichen Organisation ergibt. Weiterhin nimmt sie an, dass die zunehmende Demokratisierung und Differenzierung westlicher Gesellschaften zu einer Durchsetzung meritokratischer Prinzipien und damit letztlich zu einer sozialstrukturellen Öffnung der Eliten führen würde. Wie häufig in funktionalistischen Theorien wird aber auch hier argumentiert, dass keine Funktion auf eine andere reduziert werden und daher auch keine funktionale Elite die Aufgaben einer anderen übernehmen kann (Keller 1963: 32). Eine Hierarchie zwischen den Eliten sei zwar möglich, diese ergibt sich demnach aber nicht zwingend aus Macht- und Ungleichheitsstrukturen, sondern aus den zu einem gegebenen Zeitpunkt vorherrschenden funktionalen Anforderungen einer Gesellschaft (Keller 1963: 125). Eine weitere Grundannahme der funktionalistischen Elitentheorie ist darin zu sehen, dass die Rekrutierung der Elite nach den Kriterien und Erfordernissen der Teilsysteme erfolgt, sodass prinzipiell nach funktionalen Leistungskriterien selektiert wird. Dreitzel (1962: 65) bringt diese Annahme wie folgt auf den Punkt: „Auf

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den Elitebegriff bezogen heißt Qualifikation also: höchste Bewertung nach den Normen des Auslesekriteriums.“ Aus der funktionalistischen Perspektive Kellers ist der Übergang vom Feudalismus zur bürgerlichen Gesellschaft von einem Bedeutungszuwachs individueller Leistung und einer Abnahme der Bedeutung der sozialen Herkunft geprägt: „The bourgeoisie, though powerful, never succeeded in making its power hereditary as did the aristocracies of old“ (Keller 1963: 54). Dabei spielt die tatsächliche Durchsetzung dieser Prinzipien eine untergeordnete Rolle: „No matter how much this principle may be violated in practice, it is more genuinely observed today than it was one hundred years ago“ (Keller 1963: 218). Demnach sei auch keine Gruppe oder soziale Klasse vollständig von Elitepositionen exkludiert (Keller 1963: 206). Vielmehr werde Leistung zunehmend zum einzigen relevanten Kriterium für die Zuteilung von Positionen: „This trend weakens and may eventually break the age-old link between elite status and upper-class status“ (Keller 1963: 217). Die Verbindung von funktionalistischer Theorie und empirischer Forschung hat lange Zeit das Forschungsgebiet bestimmt und stellt im Grunde bis heute die dominante Schule innerhalb der sozialwissenschaftlichen Elitenforschung dar (Hartmann 2004: 153). Generell sind allerdings Studien die Ausnahme, die systematisch alle Bereiche einer Gesellschaft sowie deren Verhältnis zueinander im Machtgefüge der Gesamtgesellschaft untersuchen, wobei die deutsche Elitenforschung hier – auch international – mit den drei großen Elitenstudien von 1981, 1995 und 2012 vergleichsweise prominent vertreten ist (Hoffmann-Lange 1992; Bürklin & Rebenstorf 1997; Hartmann 2013; WZB 2013). Im Gegensatz zu vielen anderen berücksichtigten diese Studien nicht allein politische, sondern Eliten aller gesellschaftlicher Bereiche (vgl. Machatzke 1997: 36). Tabelle 1 zeigt die jeweilige relative Gewichtung der untersuchten Felder und der dazugehörigen Eliten.

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Tabelle 1: Soziale Felder mit relativem Gewicht in drei deutschen Elitenstudien

Politik Verwaltung Wirtschaft Finanzwirtschaft Wirtschaftsverbände Gewerkschaften Berufsverbände Justiz Wissenschaft Massenmedien Kultur Kirchen Organisationen Militär

Mannheimer Elitenstudie (1981) 15,9 % 13,2 % 16,3 % 8,3 % 11,2 % 4,3 % 1,6 % 1,9 % 5,8 % 10,3 % 5,2 % 1,3 % 4,7 % 4,7 %

Potsdamer Elitenstudie (1995) 23,6 % 14,8 % 11,8 % 7,4 % 9,3 % 3,7 % 1,7 % 1,7 % 4,8 % 11,5 % 4,5 % 1,3 % 3,5 % 3,5 %

WZB/HartmannElitenstudie (2012) 13,6 % 16,3 % 34,4 % 8,0 % 1,4 % 1,7 % * 8,1 % 5,8 % 4,7 % * 1,5 % * 2,1 %

Darstellung nach Machatzke (1997: 38) sowie Hartmann (2013). * In der WZB-Studie wurden Verbände, Organisationen und Kultur weniger umfassend definiert und unter „Sonstige“ (6,8 %) zusammengefasst.

Die Auswahl relevanter gesellschaftlicher Teilbereiche und ihrer Eliten erfolgt dabei in der Regel rein theoretisch. Diese theoretische Setzung a priori und die Annahme, dass diese Differenzierungsstruktur für soziokulturell, historisch und politisch sehr unterschiedliche Gesellschaften gleichermaßen gültig sei, stellt aber eine durchaus problematische Annahme dar. Dies gilt nicht nur im Gesellschaftsvergleich, sondern betrifft auch den historischen Wandel der Machtverhältnisse zwischen verschiedenen Feldeliten sowie der jeweils dominanten Rekrutierungsmodi (so den von Bourdieu beschriebenen Wandel vom „Blutsadel“ zum „Staatsadel“; vgl. Bongaerts 2008: 149). Eine empirische Untersuchung der Frage, welche Funktionseliten tatsächlich relevant sind und ob sich diese Elitendifferenzierung international unterscheidet, steht bislang aus. Im Grunde könnte erst eine explorative Analyse der Verhältnisse zwischen Teilbereichen und ihren Eliten Hinweise auf die tatsächliche spezifische Konfiguration der Differenzierung innerhalb einer Gesellschaft geben. Eine solche Elitenforschung würde einen wichtigen Beitrag nicht nur zur Elitentheorie, sondern auch zu der Entwicklung einer empirischen Differenzierungsforschung leisten. Allerdings sind feldübergreifende Studien auch in der Elitenforschung keineswegs selbstverständlich. Ein großer Teil der bisherigen Studien bezieht sich auf den Elitenkonsens unter politischen Eliten und die damit assoziierte Stabilität des politischen Systems (siehe Field & Higley 1985). Demnach sei es Aufgabe der Eliten, die für die Funktionsfähigkeit der Gesellschaft notwendige Autonomie der

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Teilsysteme aufrecht zu erhalten und dabei gleichzeitig einen Konsens zwischen den Funktionseliten zu erzeugen. Besonders die deutsche Elitenforschung der 1950er- und 1960er-Jahre in Deutschland hat – aus der historischen Erfahrung des Zusammenbruchs der Weimarer Republik – immer wieder auf die gesellschaftliche Notwendigkeit einer derartigen Elitenintegration hingewiesen (Sauer 2000). Aus politikwissenschaftlicher Sicht wurde funktionale Differenzierung gar als Gefährdung der Stabilität moderner Gesellschaften angesehen (Schnapp 1997: 121). In mehr oder minder expliziter Abgrenzung zum funktionalistischen Paradigma haben sich parallel konflikt- und ungleichheitstheoretische Ansätze entwickelt, die unter dem Begriff einer kritischen Elitenforschung subsummiert werden können (vgl. Schneickert 2015a: 45). Paradigmatisch steht hierfür C. Wright Mills’ Buch The Power Elite (1956). Mills kommt in diesem Zusammenhang das Verdienst zu, der Elitentheorie systematisch eine Perspektive des historischen Wandels hinzuzufügen. Er beschreibt die Geschichte der amerikanischen Gesellschaft als Geschichte der Integration und Machtkonzentration in und zwischen den gesellschaftlichen Bereichen Politik, Ökonomie und Militär (Mills 1958: 31). Für die amerikanische Gesellschaft hätten die beiden siegreichen Weltkriege zu einer enormen Konzentration von Macht im Inneren geführt (Mills 1956: 271). Insgesamt kommt er zu dem Schluss, dass selbst in einer historisch einmaligen Ausgangslage wie in den USA, wo das Bürgertum sich nicht gegen eine feudale Aristokratie durchsetzen musste, es letztlich dennoch zur Herausbildung fester und elitärer Herrschaftsstrukturen gekommen ist (Mills 1956: 271). Aus einer historischen Analyse heraus zeigt Mills, wie sich in den USA bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs mit dem „militärische[n] Kapitalismus“ (Mills 1956: 276) eine neue Gesellschaftsstruktur entwickelt hat, die einige Determinanten des Kalten Krieges bereits vorwegnimmt. Die Machtelite besteht demnach aus Personen der Politik, der Wirtschaft und des Militärs, welche die strategischen Positionen der amerikanischen Sozialstruktur übernommen haben. Allerdings ist die Machtelite keine abgetrennte herrschende Klasse, sondern mit den drei zentralen Machtbereichen einerseits und den mittleren Machtebenen andererseits eng verbunden (Mills 1956: 4). Diese Konfiguration und Verbindung der „big three“ (Politik, Wirtschaft, Militär) konzentriere allerdings historisch so viel Macht, dass alle anderen Bereiche für die großen und gesamtgesellschaftlichen bzw. global relevanten Entscheidungen praktisch bedeutungslos geworden sind. Aufgrund der Darstellung einer nahezu monolithischen Konzentration von Macht wurde Mills Konzept der Machtelite vielfach kritisiert, insbesondere natürlich aus funktionalistischer Perspektive. So hält Keller dagegen, dass Macht durch Rationalisierung von Herrschaft und funktionale Differenzierung begrenzt werden könne. Die Unterordnung der Bürgerinnen und Bürger soll dabei zeitlich und räumlich begrenzt sein und nicht die gesamte Person betreffen (Keller 1963: 268).

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Macht und ihr Missbrauch werden zusammen gedacht, weswegen jede Macht fragmentiert und begrenzt werden solle: „Where power is limited, the worship of power is likewise limited. […] Thus limited power leads to limited abuses“ (Keller 1963: 268, 274). Dreitzel merkt in diesem Kontext kritisch an, dass Macht zu häufig direkt mit Missbrauch identifiziert würde. Denn ohne die funktionale Verflechtung von Elite und Sozialstruktur sei jede Elite illegitim (Dreitzel 1962: 126). Auch Hoffmann-Lange (1992: 91) kritisiert den formalen, von Weber geprägten politikwissenschaftlichen Machtbegriff der Elitenforschung. Vielmehr müsse Macht strukturell über Positionen operationalisiert werden. Macht auf besonders bedeutsame Einzelentscheidungen zu reduzieren, vernachlässige die kumulative Macht von Routineentscheidungen. Bis Ende des 20. Jahrhunderts hatte sich die internationale Elitenforschung in diesem Widerstreit zwischen der These einer monolithischen Machtelite und der Annahme pluralisierter Funktionseliten theoretisch und empirisch festgefahren. Dabei sind die blinden Flecken beider Theorierichtungen offensichtlich. Die Dichotomisierung des Forschungsbereichs ließ dritte Positionen kaum zu, und so standen viele Forscher*innen vor der theoretischen Entscheidung, entweder von entdifferenzierten Machteliten oder vollständig pluralisierten Leistungseliten auszugehen. Die empirische Elitenforschung hat diesen Gegensatz zwar glücklicherweise häufig praktisch unterlaufen, nichtsdestoweniger wirkte sich dieser vermeintliche Antagonismus aber hemmend auf die Theorieentwicklung aus. So wurden auch die elitentheoretischen Arbeiten Bourdieus einfach als Teil der konflikttheoretischen Elitenforschung klassifiziert und die Potenziale zur Überwindung dieses Gegensatzes von Differenzierung und sozialer Ungleichheit im Feld der Macht im Grunde vollständig ignoriert. Dies gilt auch für die neueren Debatten innerhalb der Elitenforschung, die sich wesentlich mit der Frage nach globalen Eliten beschäftigen. Der klassische Widerstreit zwischen funktionalistischen und konflikttheoretischen Ansätzen innerhalb der Elitenforschung wurde theoretisch bislang nicht aufgelöst, sondern hat eher zugunsten einer neuen Dichotomisierung zwischen nationalen und globalen Eliten an Aufmerksamkeit verloren.

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Nationale und globale Eliten Die zunehmende soziologische Aufmerksamkeit für Globalisierungsprozesse ab Mitte der 1990er-Jahre fiel in der Elitenforschung auf besonders fruchtbaren Boden (Imbusch 2003: 25). Deutlich wird dies an der besonders prominent von Ulrich Beck formulierten These, dass Eliten sich zunehmend aus dem nationalstaatlichen Solidaritätskontext herauslösten und dies letztlich die Grundlagen der national organisierten Demokratie untergrabe (Beck 1997: 17). Empirisch übersetzt sich diese Vorstellung in die Hypothese, dass die Globalisierung nationaler Sozialstrukturen bei den statushöchsten Gruppen beginnt, da diese insgesamt über mehr Ressourcen verfügen, diesen sozialen Wandel frühzeitiger erkennen und somit als erste in transnationales (ökonomisches, kulturelles, soziales usw.) Kapital investieren (Hartmann 2008: 241; Mau & Mewes 2008: 262; Carroll 2010: 221). Die Annahme transnationaler Klassen oder globaler Eliten ist nicht zuletzt angesichts der Beschleunigungsdynamik kapitalistischer Globalisierung und der damit verbundenen Steigerung der Komplexität sozialer Fragestellungen und Probleme von wachsender Aktualität (Schneickert 2015b: 210). Diese Vorstellung hat in der sozialwissenschaftlichen Elitenforschung aber durchaus Widerstand hervorgerufen. Entsprechend konkurrierten in diesem Bereich zwei Perspektiven (Wasner 2004: 217): Auf der einen Seite findet sich eine Vielzahl von heterogenen Arbeiten, die grundsätzlich von einer Globalisierung und Loslösung der Eliten von nationalen Sozialstrukturen ausgehen (exemplarisch Dahrendorf 2000; Robinson & Harris 2000; Sklair 2001; Schwengel 2004; Rothkopf 2008). Auf der anderen Seite finden sich Studien, die diese eher theoretische Annahme der globalen Eliten vor allem auf der Grundlage empirischer Forschung anzweifeln (Hartmann 1999, 2003, 2008, 2009, 2015; Pohlmann 2009; Carroll 2010). Diese Debatte steht mittlerweile empirisch auf einem stabileren Fundament (Hartmann 2015: 37): So hegen neuere Beiträge keinen Zweifel mehr an der grundsätzlichen Zunahme und Beschleunigung von Globalisierung, insbesondere des wirtschaftlichen Feldes, verweisen aber auf die empirisch spezifischen Formen der Globalisierung nationaler Eliten und deren Trägheitseffekte (Caroll 2010; Bühlmann et al. 2013; Schneickert 2015a, 2018; Hartmann 2015). Gemeinsame ökonomische Interessen sind zudem noch keineswegs gleichbedeutend mit einem gemeinsamen globalen oder Klassenhabitus (Hartmann 2008: 246–256; Schneickert 2013, 2016), weswegen die Rede von einer transnationalen kapitalistischen Klasse auf der Grundlage gemeinsamer Lebensstile (Sklair 2001: 20) häufig verfrüht war. Nichtsdestoweniger steigen die tatsächliche Mobilität und die Erwartung vollständiger Flexibilität und grenzüberschreitender Mobilität (Pohlmann 2009: 514; Carlson 2020). Plausibel ist auch die Annahme

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einer klassenspezifischen Transnationalisierung sozialstruktureller Gruppen (Delhey et al. 2015), die zudem in einer Entkopplung von Eliten und Bevölkerung resultieren könnte (Müller 2002: 352). In einer nationalstaatlich verfassten Welt können Machtgewinne so gerade aus der Loslösung von territorialen Bindungen erzeugt werden (Weiß 2017). Aus der Perspektive der Elitenforschung ist die Lage allerdings noch einmal komplizierter: Erstens sind nationale Oberschichten typischerweise durch einen hohen Grad an sozialer Geschlossenheit gekennzeichnet, und diese Schließung gegenüber den unteren Klassen setzt offenbar auch ihrer Transnationalisierung gewisse Grenzen (Hartmann 2003: 273f.; Schwengel 2004: 71). Zweitens beschränkte sich die Diskussion um die Globalisierung nationaler Eliten bislang fast ausschließlich auf die westliche Welt. Entsprechend wurden Unterschiede verschiedener Regionen innerhalb des kapitalistischen Weltsystems (Wallerstein 1979) bisher wenig beachtet. Auch die multiplen Konflikte zwischen Eliten verschiedener Länder, aber insbesondere zwischen globalem Norden und Süden wurden angesichts der These von transnationalen kapitalistischen Klassen (Sklair 2001) bzw. einer global herrschenden Klasse (Robinson & Harris 2000: 16) bisher weitgehend vernachlässigt. Die starke Fokussierung auf ökonomische Eliten greift für die Diskussion um globale Eliten zudem konzeptionell zu kurz. So wird der Forschungsfokus zumeist auf das Topmanagement verengt, dabei werden aber andere relevante Akteur*innen, wie Eigentümerfamilien, politische Eliten, Superreiche, aber auch juristische, bürokratische, technische, kulturelle, wissenschaftliche oder religiöse Eliten vernachlässigt. Letztlich verweist dies auf den Zusammenhang von Differenzierungsund Globalisierungsprozessen, der aber angesichts der beschriebenen Dichotomisierung und aufgrund der mangelnden theoretischen Rückbindung dieser Debatten innerhalb der Elitenforschung bislang nicht beachtet wurde. Wurden die elitensoziologischen Arbeiten Bourdieus in der Debatte zwischen funktionalistischen und konflikttheoretischen Ansätzen zumindest noch wahrgenommen – wenngleich ausschließlich als konflikttheoretischer Ansatz –, so gilt dies für die Diskussion um globale Eliten überhaupt nicht. Angesichts der oberflächlichen Rezeption der Arbeiten Bourdieus in der Elitenforschung erscheint dies zunächst auch nicht verwunderlich, werden diese hier doch vorwiegend als Analysen der nationalen Machtelite Frankreichs aufgefasst. Demgegenüber soll im Folgenden auf das Potenzial des Konzepts des Feldes der Macht hingewiesen werden – und zwar nicht nur für die theoretische Integration der vermeintlichen Gegensätze von nationalen und globalen Eliten, sondern zudem für eine Verbindung globalisierungstheoretischer und differenzierungstheoretischer Überlegungen.

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Bourdieus Elitensoziologie und das Feld der Macht In den gängigen Einführungen in die sozialwissenschaftliche Elitenforschung wurde Bourdieu bislang eher oberflächlich rezipiert und gemeinsam mit Mills als konflikttheoretischer (Hartmann 2004: 76–108) oder neomachiavellistischer (Wasner 2004: 36) Ansatz innerhalb der Elitentheorie aufgefasst. Die in Kapitel 2 rekonstruierten differenzierungstheoretischen Überlegungen und auch das Konzept des Feldes der Macht selbst sind in diesem Forschungszweig allerdings weitgehend unbekannt – eine Ausnahme bildet dabei lediglich die Rezeption durch Hartmann (siehe insbesondere 2004, 2005). Die Potenziale einer solchen Theorie konflikthafter Differenzierung für die Integration der funktionalistischen und konflikttheoretischen Ansätze innerhalb der Elitenforschung wurden daher bislang nicht vollständig ausgeschöpft. In diesem Kontext stellen Denord et al. (2018) in einem aktuellen Beitrag fest: „The concept of ‚field of power‘ overcomes the traditional debate between pluralism and monism. It implies a hierarchy of those in power which reflects the contested valuation of the means at their disposal.“ (Denord et al. 2018: 281)

So geht Bourdieu zwar von einer historisch gewachsenen Arbeitsteilung der Macht zwischen verschiedenen Teileliten aus, nicht aber davon, dass diese Arbeitsteilung die Machtkonzentration zwingend beschränkt. Im Gegenteil konstatiert er, dass es wohl selten in der Geschichte eine mächtigere herrschende Klasse gegeben habe als das französische Großbürgertum der 1970er-Jahre. Nicht entgegen, sondern gerade aufgrund seines ausdifferenzierten Charakters konzentrierte der französische Staatsadel in hohem Maße Macht und – noch wichtiger – legitimierte diese auch ganz zeitgemäß als pluralistisch und meritokratisch. „Wenige Gruppen von Führungskräften haben jemals so viele unterschiedliche Legitimationsprinzipien auf sich vereint, die trotz ihres augenfälligen Gegensatzes, wie Aristokratismus der Geburt und Meritokratismus des schulischen Erfolgs oder wie Ideologie des ‚öffentlichen Dienstes‘ und der als Produktivitätsbegeisterung verkleidete Kult des Profits miteinander zusammenwirken, um den neuen Führungskräften zu einer absoluten Gewissheit ihrer Legitimität zu verhelfen.“ (Bourdieu 2004: 407)

Demnach sei in Frankreich seit der Französischen Revolution der Zugang zu Macht zunehmend über Kultur organisiert und ideologisch verschleiert worden (Bourdieu 2004: 407). Gleichzeitig wirken die alten, quasi-ständischen Prinzipien der sozialen Herkunft jedoch weiter. Kultur und Bildung erfüllten demnach die Funktion, die vormals die Religion erbrachte: „Die Kultursoziologie ist die Religionssoziologie unserer Zeit“ (Bourdieu 1993: 187). In diesem Kontext lehnt

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Bourdieu den Elitebegriff selbst als affirmative Selbstbeschreibung der Inhaber von Spitzenpositionen ab (Hartmann 2005: 257; Schneickert 2015a: 52f.). Aus der Perspektive des Feldes der Macht können Eliten allerdings sowohl auf eine besondere Machtkonzentration verweisen und als einheitliche herrschende Klassen auftreten als auch nach der Eigenlogik verschiedener Felder ausdifferenziert sein (Hartmann 2005: 264). Eliten stellen aus dieser Sicht keinen theoretisch-konzeptionellen Gegensatz zu Kasten, (herrschenden) Klassen oder feudalen Ständen dar, wie es modernisierungstheoretische Ansätze der funktionalistischen Elitenforschung annehmen. Denn als analytischer Zugang unterscheidet das Feld der Macht nicht kategorisch zwischen modernen und nicht-modernen oder westlichen und nicht-westlichen Gesellschaften. Vielmehr werden Eliten hier als empirisch zu bestimmende Akteure angesehen, deren Reproduktionsstrategien je nach gesellschaftlichen Kräfteverhältnissen graduell verschieden sind. „Das bedeutet, daß die Frage nach der Einheit oder Spaltung der ‚herrschenden Klasse‘, die so viele Kontroversen ausgelöst hat, wenig Sinn hat. Die organische Solidarität, die die verschiedenen Mächte und die in den verschiedenen Feldern auftretenden Akteure verbindet, ist Vereinigungs- und Trennungsprinzip zugleich […]“ (Bourdieu 2004: 474).

In seiner Untersuchung der französischen Eliten und ihrer Bildungseinrichtungen hat sich zwar auch Bourdieu (2004: 472) auf die besondere Rolle wirtschaftlicher Eliten konzentriert, prinzipiell geht es bei dem Feld der Macht aber um die historische und sozialstrukturelle Analyse der verschiedenen Machtformen. Im Gegensatz zu deskriptiven empirischen Analysen von (ökonomischen) Eliten geht es Bourdieu nicht um die Machtakteure an sich als vielmehr um Machtstrukturen der verschiedenen Felder, in denen sich Eliten manifestieren. Innerhalb der Elitenforschung steht das Feld der Macht insofern für eine relational-strukturelle und nicht akteursgebundene Denkweise (Hartmann 2004: 100, 105). In Abgrenzung zu einer in weiten Teilen stark personenbezogenen Elitenforschung spitzt Bourdieu in strukturalistischen Worten zu: „Doch man darf dabei nicht vergessen, daß die Personen in dem, was sie am persönlichsten sind, im Wesentlichen nur die Personifizierung der real oder potenziell in der Struktur des Feldes eingeschriebenen Zwänge sind oder, genauer, in der eingenommenen Position innerhalb dieses Feldes.“ (Bourdieu 2004: 381)

Im Feld der Macht geht es demnach also weniger um die Eigenschaften konkreter Akteur*innen als um das Verhältnis der Felder zueinander sowie um das Verhältnis der verschiedenen Machtquellen in der Gesellschaft insgesamt. So konkurrie-

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ren die Eliten verschiedener Felder um die Durchsetzung allgemeiner Strukturprinzipien der Gesamtgesellschaft. Elitentheoretisch kann das Feld der Macht dann als Metafeld der im geschichtlichen Wandel jeweils unterschiedlich relevanten Felder begriffen werden, in dem die gesamtgesellschaftlich entscheidenden Kämpfe zwischen den jeweils höchsten Positionen (den Feldeliten) ausgetragen werden (Bourdieu 2004: 323). Hjellbrekke et al. definieren das Feld der Macht in diesem elitentheoretischen Sinne wie folgt: „A field of power is defined whenever agents located in dominant positions in several fields are engaged in struggles that affect power relations within and between the different fields.“ (Hjellbrekke et al. 2007: 246)

Aus dieser Perspektive stellt das Feld der Macht einen den sozialen Feldern übergeordneten analytischen Integrationsrahmen von Elitenkämpfen dar (Schneickert 2015a: 53). In seiner historischen Analyse des „Staatsadels“ konzipiert Bourdieu so zwar einerseits eine herrschende Klasse, die in sich fragmentiert und konflikthaft organisiert ist, andererseits beruht für ihn die Persistenz der großen alten Familiendynastien gerade darauf, die dominanten Stellungen in verschiedenen Feldern zu besetzen und so politische Krisen und Regimewechsel überleben zu können. Die Reproduktionsstrategien von Eliten müssen daher in Verbindung mit den historischen, gesamtgesellschaftlichen und feldspezifischen Bedingungen analysiert werden. Bourdieu verbindet hier elitentheoretische Überlegungen mit seinen bildungssoziologischen Arbeiten: Insbesondere wendet er sich gegen die Vorstellung, dass die relevanten Bereiche der Gesellschaft oder die relevanten Bildungstitel allgemein und ahistorisch bestimmt werden können. Vielmehr zeige gerade die Bildungsexpansion in Frankreich, dass der Zugang zu und der Wert von denjenigen Bildungsabschlüssen, die als wertvoll gelten, um in Spitzenpositionen aufzusteigen, fortwährend umkämpft ist. Die Frage nach der Integration bzw. Desintegration und Fragmentierung der Eliten oder herrschenden Klassen ist also, wie dieses Beispiel zeigt, eine empirisch zu klärende. Weder Funktion noch Konflikt können aus dieser Perspektive a priori einen analytischen Vorrang erhalten.

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Empirische Elitenforschung in nationalen Feldern der Macht Bourdieu bezieht sich für seine Analysen in Der Staatsadel noch auf empirisches Material aus den Studien zum französischen Bildungssystem der 1960er-Jahre. Allerdings bemerkt er selbst, dass es für eine umfassende Analyse der neuen Elitenkonfigurationen notwendig wäre, den Zusammenhang von Eliten, Bildungssystem und Klassenstruktur systematisch zu erforschen, um letztlich nationale und kulturelle Traditionen herauszuarbeiten und diese mit anderen Traditionen und Konfigurationen von Eliten zu vergleichen (Bourdieu 2004: 94). Dies wurde für die deutsche Elitenforschung insbesondere durch die Arbeiten von Michael Hartmann (exemplarisch 2002) umgesetzt. In den letzten Jahren hat sich in der europäischen Soziologie zudem eine feldtheoretische Elitenforschung entwickelt, die die Felder der Macht und ihre Subfelder insbesondere in Norwegen (Hjellbrekke et al. 2007), der Schweiz (Bühlmann et al. 2012b), in Frankreich (Denord et al. 2018) und jüngst auch in Dänemark (Lunding et al. 2020) untersucht hat. Insgesamt hat die international vergleichende Elitenforschung gezeigt, dass sich die Eliten verschiedener Länder in zentralen Merkmalen erheblich unterscheiden (Hjellbrekke et al. 2007: 248). Dies betrifft zum einen sozialstrukturelle Merkmale, Ausbildungs- und Karrierewege oder den Transnationalisierungsgrad, zum anderen aber auch den makrostrukturellen Grad der Ausdifferenzierung insgesamt. Beispielsweise haben die großen deutschen Elitenstudien immer wieder auf das vergleichsweise starke Ausmaß an Segmentierung der deutschen Eliten hingewiesen. Die international vergleichende Forschung hat jedoch gezeigt, dass dies kein allgemeines Merkmal von nationalen Machtfeldern ist, sondern sich die spezifischen Relationen von Feldeliten kulturell, historisch und regional durchaus erheblich unterscheiden. Die Analyse von Eliten in nationalen Machtfeldern Die erste umfassende Analyse eines nationalen Feldes der Macht im Anschluss an Bourdieu haben Hjellbrekke et al. (2007) für Norwegen vorgelegt. Das Besondere an dieser Studie ist die Qualität und Systematik der Daten aus dem Norwegian Power and Democracy Project, die in dieser Form für die Eliten keines anderen Landes vorliegen dürften. Dass Eliten an derart detaillierten Abfragen soziodemographischer Merkmale überhaupt teilnehmen, zeugt bereits von einer sehr speziellen Verfassung des Machtfeldes in Norwegen und einem insgesamt egalitären und kooperativen Gesellschaftsmodell. Die Analyse mittels multipler Korrespondenzanalysen ergab drei grundlegende Dimensionen des norwegischen Machtfeldes: (1) das Volumen des ökonomischen Kapitals; (2) die Seniorität im Sinne der

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Dauer der Zugehörigkeit zum Machtfeld (Etablierte versus Neuankömmlinge); sowie (3) Positionen im juristischen Feld im Gegensatz zu Positionen in Kultur oder Politik. Die umfassende Untersuchung verschiedener Feldeliten erlaubte es, den Zugang zum Feld der Macht über die verschiedenen Subfelder der Macht zu untersuchen. Demnach ist die politische Elite der sozial durchlässigste Zugang zum Machtfeld (Hjellbrekke et al. 2007: 262). Eine ähnliche Erkenntnis, allerdings nicht aus feldtheoretischer Perspektive, hat bereits die Untersuchung der deutschen Eliten durch Hartmann (2002) ergeben. Demnach bieten in Deutschland vor allem Politik und Wissenschaft Zugangschancen für soziale Aufsteiger, wobei Hartmann dies als Indikator für die dominierte Stellung dieser Bereiche interpretiert. Das Feld der Macht bietet in diesem Kontext einen theoretischen Rahmen, der es erlaubt, die Befunde der Elitenforschung, der Forschung zu sozialer Mobilität (soziale Offenheit der Feldeliten) sowie der Differenzierungstheorie systematisch und produktiv zu verbinden. Eine Untersuchung eines nationalen Feldes der Macht anhand relevanter Subfelder liegt auch für Frankreich vor. Hauptergebnis der Untersuchung von Denord et al. (2018) ist, dass sie keine symmetrisch chiastische Struktur von kulturellem und ökonomischem Kapital (mehr) vorfinden, sondern davon ausgehen, dass das ökonomische Kapital nun zur alles dominierenden Strukturdimension geworden ist (Denord et al. 2018: 300). Empirisch extrahieren sie mittels multipler Korrespondenzanalysen vier Dimensionen des französischen Machtfeldes (Denord et al. 2018: 287–292): Die erste Achse bildet den Gegensatz von öffentlichem und privatem Sektor sowie zwischen Kultur und Wirtschaft ab, wobei ökonomische Macht mit den dominanten Positionen verbunden ist. Die zweite Dimension ergibt sich, wie bereits in der Analyse von Hjellbrekke et al. (2007), aus der Dauer der Zugehörigkeit zur herrschenden Klasse (d. h. der Seniorität). Auf dieser Dimension werden tendenziell die Befunde von Bourdieu bestätigt: künstlerische, intellektuelle und akademische Eliten stehen auf Seite der beherrscht Herrschenden, während der exklusivste Teil des Feldes der Macht einer Elite nach sozialer Herkunft vorbehalten bleibt. Eine dritte Achse fasst den Zugang zur Macht zusammen und beschreibt, inwieweit die entsprechenden Positionen eher durch Besetzung oder durch Wahl erlangt wurden. Hier findet sich auch der Unterschied zwischen lokalen und nationalen Eliten bzw. zwischen dem Pariser Großbürgertum und dem restlichen Frankreich wieder. Die vierte Dimension verweist auf die öffentliche Sichtbarkeit und unterscheidet zwischen technischen und wissenschaftlichen Expert*innen einerseits sowie Prominenten andererseits. Anhand des Feldwechsels innerhalb individueller Karriereverläufe untersucht die Studie auch die Autonomie der Subfelder der Macht (Denord et al. 2018: 299). Insgesamt findet sie eine ab-

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nehmende Zahl von reinen Feldkarrieren in allen Subfeldern der Macht, was tendenziell für eine stärkere Integration des nationalen Machtfeldes insgesamt und eine Abnahme der Autonomie der Subfelder spricht. Nationale (Sub-)Felder der Macht im internationalen Vergleich Neben diesen umfassenderen Untersuchungen nationaler Machtfelder liegt eine ganze Reihe von Analysen einzelner Subfelder der Macht und ihrer Eliten, insbesondere von Wirtschaftseliten, vor (siehe besonders Bühlmann et al. 2012a; Naudet et al. 2018). Solche Analysen leisten einen wichtigen Beitrag zu einer kumulativen empirischen Forschung sowohl für die differenzierungstheoretische Frage nach dem Verhältnis der relevanten Subfelder auf nationaler Ebene als auch für die Frage nach dem Verhältnis dieser Differenzierungsstrukturen im internationalen Vergleich und auf globaler Ebene. Allerdings fehlt es auch in diesem Kontext noch an einer übergreifenden theoretischen Einbettung der einzelnen Forschungsergebnisse. Weiterer Forschungsbedarf besteht daher insbesondere im Bereich international vergleichender Studien, historischer Vergleiche sowie theoretischer und empirischer Untersuchungen der Relationen der Subfelder der Macht insgesamt. Einen solchen Zugang bieten beispielsweise die Studien von Bühlmann et al. für die politischen und wirtschaftlichen Feldeliten in der Schweiz (siehe insbesondere 2012a, 2012b, 2013, 2018). Ihre Ergebnisse sind nicht nur für die Elitenforschung, sondern auch differenzierungstheoretisch von großem Interesse. Demnach sind die dominanten Gruppen in beiden Feldern zwar institutionell getrennt, sie besetzen aber strukturell homologe Positionen (hinsichtlich ihrer relationalen Position und der spezifischen Kapitalkonfiguration in ihrem jeweiligen Feld) und müssen daher ihre Interessen nur in Ausnahmen über direkte Interaktionen abstimmen (Bühlmann 2012b: 731). Diese feldtheoretische Erkenntnis liefert höchst relevante Hinweise für die netzwerktheoretische Elitenforschung, die häufig noch immer von einer notwendigen direkten Abstimmung eines „inner circle“ ausgeht (Bühlmann 2012b: 732). So muss in der zentralen Frage nach Ausdifferenzierung oder Integration einer Machtelite nicht einseitig Partei ergriffen werden, sondern beide Mechanismen können innerhalb einer umfassenden Analyse von Machtfeldern und der strukturellen Homologien zwischen verschiedenen Subfeldern integriert werden (Bühlmann et al. 2012b: 729, 748), wie es Bourdieu (2004 [1989]: 474) bereits vor 30 Jahren theoretisch eingefordert hat. Die Autoren untersuchen zudem die historische Dynamik im Feld der Macht der Schweiz in den letzten drei Jahrzehnten. Als kleines Land mit einer hochgradig finanzialisierten und exportorientierten Wirtschaft ist das nationale Machtfeld in außerordentlichem Ausmaß durch Globalisierungsprozesse verändert worden

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(Bühlmann et al. 2013: 219). Dabei gingen die Prozesse einer Managerialisierung der industriellen Führungspositionen, einer Marginalisierung von juristischen Abschlüssen und einer Integration ausländischer Führungskräfte Hand in Hand (Bühlmann 2012a: 199). Die Globalisierung der wirtschaftlichen Elite hat dabei allerdings die Subfelder von politischer und wirtschaftlicher Elite desintegriert (Bühlmann 2012a: 215). Dennoch hat die transnationale Wirtschaftselite nicht alle nationalen Strukturen und Reproduktionswege ersetzt, so etwa die Trennung von technischem und finanzialisiertem Pol des wirtschaftlichen Feldes. Vielmehr ist im nationalen Feld der Macht in der Schweiz ein transnationales Kapital entstanden, das innerhalb der bestehenden Kämpfe, Hierarchien und Machtkonfigurationen zunehmend an Bedeutung gewinnt (Bühlmann et al. 2013: 212–214). Auf diese Aspekte der Globalisierung nationaler Eliten konzentriert sich auch die Studie von Schneickert (2015, 2018). Auf Basis eines deutlich kleineren Samples als bei Bühlmann et al. werden hier allerdings politische und wirtschaftliche Eliten im internationalen Vergleich von Ländern des globalen Nordens (Deutschland, USA) und des globalen Südens (Brasilien, Indien) untersucht. Dieser Fokus knüpft an einige grundlagentheoretische Fragestellungen zum Verhältnis von Ausdifferenzierung, Eliten und Globalisierung an. So hat Suzanne Keller in ihrer Grundlegung der funktionalistischen Elitenforschung anhand verschiedener historischer Beispiele versucht zu belegen, dass funktionale Differenzierung ein allgemeines Merkmal von Gesellschaften ist – und zwar unabhängig von konkreten politischen Systemen (Keller 1963: 118–120). Letztlich ist aber auch Keller unsicher, ob Eliten aus „Entwicklungsländern“ wirklich den funktionalen Kriterien strategischer Eliten entsprechen (Keller 1963: 122). Dieser Eurozentrismus der funktionalistischen Theorie zeigt sich besonders, wenn auf die Unterscheidung zwischen westlichen, modernen sowie differenzierten Gesellschaften einerseits und nicht-westlichen, nicht-modernen sowie undifferenzierten Gesellschaften bestanden wird (zur Kritik etwa Souza 2011; Witte 2020). Aktuelle Beiträge der Elitenforschung erkennen diese Problematik (siehe exemplarisch Naudet et al. 2018), reproduzieren dann aber häufig modernisierungstheoretische Annahmen, indem eine grundsätzliche Nicht-Vergleichbarkeit von Eliten in verschiedenen Ländern, v. a. des globalen Nordens und Südens, postuliert wird. Diese Annahmen wären aber theoretisch und empirisch nur haltbar, wenn der Elitebegriff auf westliche Gesellschaften beschränkt und mit der normativen Annahme verknüpft würde, dass es sich bei westlichen Eliten de facto um sozial offene Leistungseliten handele, bei den Führungspositionen im globalen Süden aber um vererbte Positionen herrschender Klassen (siehe dazu Schneickert 2014; Schneickert et al. 2015). Gerade die Arbeiten von Hartmann haben jedoch im internationalen Vergleich gezeigt, dass die Frage der sozialen Offenheit von

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Eliten auch innerhalb der „westlichen Welt“ empirisch und differenzierungstheoretisch stark nach Feldern variiert und daher nicht einfach normativ beantwortet werden kann. Dies gilt auch für die Annahme der funktionalen Differenzierung und damit der differenzierungstheoretischen Begrenzung der Macht von Einzeleliten oder einer konzentrierten Machtelite. Das Ausmaß der Differenzierung und gegenseitigen Begrenzung von Eliten muss daher zukünftig zu einer empirischen Frage der international vergleichenden und transnationalen Elitenforschung werden. Denn erst im internationalen Vergleich werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede nationaler Machtfelder deutlich (siehe Abbildung 5), und erst auf dieser Basis kann dann auch die mögliche Ausbildung transnationaler oder globaler Felder der Macht untersucht werden. So zeigt sich in Abbildung 5 die deutliche Trennung der Subfelder in Deutschland, die auf eine nahezu idealtypische Ausdifferenzierung der Feldeliten hinweist. Während die politische Elite stark national und durch Jurist*innen geprägt ist, findet sich die wirtschaftliche Elite am globalisierten Pol wieder und weist eine klare interne Differenzierung in eine technologische und eine ökonomische Fraktion auf. Dieses Muster unterscheidet sich in den vier untersuchten Ländern, allerdings nicht entlang der Differenz „Nord/Süd“. Vielmehr zeigt sich, dass die indische Elitenkonfiguration keinen Spezialfall darstellt (wie es noch immer häufig einfach theoretisch angenommen wird, vgl. etwa Naudet et al. 2018: 333), sondern in einigen zentralen Aspekten dem deutschen Machtfeld ähnelt. Die neueren Arbeiten in der Elitenforschung, die sich explizit auf das Konzept des Feldes der Macht stützen, weisen überdies den gemeinsamen Vorteil auf, dass sie nicht von einem eindimensionalen Gegensatz des Globalen und Nationalen (bzw. Lokalen) ausgehen, sondern von multidimensionalen Prozessen vertikaler und horizontaler Differenzierung von Machtfeldern. Demnach interagieren die nationalen Elitenkonfigurationen mit makrostrukturellen Globalisierungsprozessen als Strukturprinzipien nationaler Machtfelder. Die Bezeichnung „nationale Machtfelder“ bedeutet dabei nicht, dass diese nicht selbst in einem übergreifenden strukturellen Rahmen, etwa des kapitalistischen Weltsystems (Wallerstein 1979) verortet werden können und müssen (siehe Kapitel 5). Entsprechend kann die Globalisierung von Eliten auch nicht einfach als Denationalisierung oder Transnationalisierung von Akteuren operationalisiert werden – vielmehr muss die globale Strukturebene differenzierter berücksichtigt werden, so etwa die mögliche Rückkehr eines multizentrischen Weltsystems (Nederveen Pieterse & Rehbein 2009).

Das Feld der Macht in der Elitenforschung Deutschland TU München

Ingenieurswissenschaften

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USA

Keine Feldkarriere

Jura

Automobilindustrie

Jura

Ökonomische Elite Feldkarriere

national Keine Feldkarriere

Harvard

Politische Elite

Politische Elite

globalisiert

Ivy League University

national

globalisiert

Feldkarriere Ökonomie Ökonomische Elite

Ökonomie

Ingenieurswissenschaften

Indien

Brasilien Keine Feldkarriere

PhD

Ingenieurs- globalisiert wissenschaften

Panjab University

Ingenieurswissenschaften

Ökonomie

globalisiert

NIT / IIT

Politische Elite

Ökonomische Elite Feldkarriere

University of Mumbai

Keine Feldkarriere Ökonomie Ökonomische Elite

Feldkarriere

national Indian Institute of Banking and Finance

Jura

national

Politische Elite

PhD

Jura Universidade de Brasília

Abbildung 5: Nationale Subfelder der Macht im internationalen Vergleich: Subfelder der politischen und ökonomischen Eliten 2013. Aktive Variablen: Transnationale Aktivitäten, Abschlüsse in Jura, Ingenieurswissenschaften oder Wirtschaftswissenschaften, Feldwechsel. Passive Variablen: Feldeliten, PhD, Elitebildungseinrichtungen. Vereinfachte Darstellung multipler Korrespondenzanalysen nach Schneickert (2015a, 2018).

Diese Verbindung von analytischen Perspektiven, die anhand des Feldes der Macht deutlich werden, lässt sich beispielsweise an der US-amerikanischen Eliteuniversität Harvard als potenziell globaler Elitebildungseinrichtung verdeutlichen. So nimmt Harvard zwar einerseits die Stellung einer nationalen „Schule der Macht“ im Sinne Bourdieus ein, ist aber andererseits auch unbestreitbar in ein glo-

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Christian Schneickert

bales Feld der Elitebildungseinrichtungen eingebettet. Ähnlich sind dagegen in allen vier untersuchten Staaten der nahezu gleich hohe Akademisierungsgrad und die große Bedeutung kulturellen Kapitals für die nationalen Elitenkonfigurationen. Die damit einhergehende Durchsetzung des meritokratischen Mythos scheint ein allgemeines Strukturprinzip der Expansion kapitalistischer Globalisierung zu sein. Dabei zeigt allerdings keines der untersuchten Länder eine Konzentration auf wenige exklusive Bildungseinrichtungen, wie sie von Bourdieu (2004: 319) für die Grandes Écoles in Frankreich beschrieben wurde. Die allgemeine Durchsetzung kulturellen Kapitals erfolgt vielmehr im Kontext national spezifischer Elitenkonfigurationen. Auch die von Bourdieu (1987: 212, 409; 2004: 324–327) beschriebene dichotome Spaltung der herrschenden Klasse in einen kulturellen und einen ökonomischen Pol ließ sich in den Feldanalysen nicht deutlich identifizieren (vgl. auch die oben erwähnten Ergebnisse der Analyse des Feldes der Macht in Frankreich durch Denord et al. 2018). Dies stützt die Annahme, dass die Macht-, Konflikt- und Ungleichheitsstrukturen von Feldern der Macht so konstitutiv für nationale Elitenkonfigurationen sind, dass Globalisierung gerade dann relevant wird, wenn sie an lokale Differenzierungsformen anknüpfen kann. Dies ist angesichts der unterschiedlichen historischen Genesen von Machtstrukturen auch plausibel. Die spezifischen Elitenkonfigurationen strukturieren auf diese Weise die zukünftige Entwicklung des Feldes, etwa die Wirkung von Globalisierungsprozessen auf nationale Eliten oder die mögliche Ausbildung transnationaler oder globaler Felder der Macht. Fazit: Eliten, Differenzierung und Globalisierung Das Konzept des Feldes der Macht hat in der Elitenforschung in den letzten Jahren zunehmende Beachtung gefunden. Dieser sozialwissenschaftliche Teilbereich war in besonderer Weise von dem Widerstreit zwischen funktionalistischen und konflikttheoretischen Elitentheorien einerseits sowie in den letzten zwei Jahrzehnten durch die Globalisierungsdiskussion andererseits geprägt. In diesem Kontext kann eine feldtheoretische Elitenforschung wichtige theoretische Impulse geben: Sie kann (1) die funktionalistische Erkenntnis der Ausdifferenzierung verschiedener Feldeliten anerkennen, ohne damit (2) die Befunde der konflikttheoretischen Elitenforschung auszublenden, nach denen Differenzierung nicht zwangsläufig einer Konzentration von Macht und der Bedeutung sozialer Ungleichheit entgegensteht. Die feldtheoretische Elitenforschung ist darüber hinaus (3) in der Lage, verschiedene oftmals getrennte Analyseebenen zu integrieren und damit einige theoretische Missverständnisse der Diskussion um globale Eliten und Globalisierung zu

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vermeiden. Dazu gehört insbesondere die Annahmen, dass es sich bei Globalisierung um einen unidimensional-ökonomischen Prozess handelt und sich lokale, nationale, transnationale oder globale Vergesellschaftung gegenseitig ausschließen. Das Feld der Macht verweist im Kontext der häufig entweder sehr theoretischen oder sehr deskriptiv-empirischen Elitenforschung (4) auf die Notwendigkeit einer theoriegeleiteten empirischen Untersuchung von Eliten und stellt hierfür auch geeignete methodische Vorgehensweisen zur Verfügung. In diesem Sinne stellt die aktuelle feldtheoretische Elitenforschung zugleich den bislang am stärksten etablierten analytischen Zugang zum Feld der Macht dar (siehe Kapitel 2), der zudem bereits Aspekte der Differenzierungstheorie und -forschung (Kapitel 4) sowie der Globalisierungsdiskussion (Kapitel 5) aufgenommen hat. Das größte methodische Defizit der bisherigen Forschung besteht dabei in den sehr kleinteiligen und disparaten Untersuchungen einzelner Länder, die überdies vielfach auf einzelne Subfelder des Feldes der Macht beschränkt bleiben. Dies gilt ebenso für die zu damaliger Zeit wegweisenden Arbeiten von Bourdieu selbst. In dieser Tradition wird weiterhin am häufigsten das Subfeld der ökonomischen Eliten untersucht; insgesamt fokussiert die Forschung sehr stark auf die beiden Subfelder der ökonomischen und politischen Eliten. Dies ist aus forschungspragmatischen Gründen nachvollziehbar, und für westliche Gesellschaften ist dieser Fokus sicher auch zunächst plausibel. Insgesamt schöpft eine solche Operationalisierung das Potenzial des Konzeptes aber nur sehr begrenzt aus. Feldtheoretische Elitenforschung kann zunächst einen empirischen Zugang für die Erforschung der allgemeinen Strukturen von Machtfeldern bereitstellen und damit einen wichtigen Beitrag zur differenzierungs- und ungleichheitstheoretischen Debatte leisten. Umgekehrt ist aber auch eine stärkere Einbindung der Elitenforschung in eine solche theoretische Rahmung und generell in die Analyse umfassender Sozialstrukturen aus der Perspektive von sozialem Raum und Feld der Macht dringend geboten. Die hier vorgestellten Studien haben zudem gezeigt, dass auch Eliten auf vielfältige Weise in lokale und nationale Kontexte eingebunden sind. Globalisierung produziert daher nicht Machtkonzentrationen und Ungleichheiten in einer zuvor egalitären Welt national verfasster Gesellschaften, sondern transformiert und verstärkt vielmehr die für die Klassengesellschaften konstitutiven multiplen Konflikte und Ungleichheiten auf einer neuen Ebene. Entsprechend müssen Eliten im Kontext der Macht-, Konflikt- und Sozialstruktur der gesamten Gesellschaft und ihrer Felder betrachtet und zugleich im Lichte der Globalisierung dieser Strukturen analysiert werden (Hartmann 2007: 238; Schneickert 2015a: 231). Erst eine umfassende theoretische und empirische Analyse eines globalen Feldes der Macht könnte die Relationen der nationalen Machtfelder und ihrer Eliten im globalen Maßstab aufklären. Dazu gehört die Verortung der Eliten innerhalb nationaler und transnationaler Sozialstrukturen, d. h. unter anderem auch die Frage nach dem

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Christian Schneickert

Verhältnis von Eliten und Gesamtbevölkerung. Darüber hinaus müssten das Verhältnis nationaler Feldeliten zu den jeweiligen Nationalstaaten im Kontext des Verhältnisses der Staaten zueinander auf globaler Ebene geklärt und die durch Globalisierungsprozesse ausgelösten Veränderungen nationaler Machtfelder sowie die mögliche Entstehung transnationaler und globaler Felder und Sozialräume beachtet werden. Die Elitenforschung ist daher in besonderem Maß von der Entwicklung einer theoretischen Perspektive abhängig, die in der Lage ist, konflikttheoretische Analysen sozialer Ungleichheit und differenzierungstheoretische Überlegungen im Kontext von Glokalisierungsprozessen zu integrieren. Einen ersten wichtigen Schritt in diese Richtung stellt eine Pluralisierung der Feldanalyse dar, die das Feld der Macht – auch jenseits elitensoziologischer Fragestellungen – für Analysen fruchtbar macht, die auf das Zusammenwirken unterschiedlicher Felder sowie von Feldern und Sozialstrukturen in einem umfassenderen Sinne abstellen. Literatur Beck, Ulrich (1997): Was ist Globalisierung? Irrtümer des Globalismus – Antworten auf Globalisierung, Frankfurt am Main: Suhrkamp. Bongaerts, Gregor (2008): Verdrängungen des Ökonomischen. Bourdieus Theorie der Moderne, Bielefeld: transcript. Bourdieu, Pierre (1987 [1979]): Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft, Frankfurt am Main: Suhrkamp. Bourdieu, Pierre (1993 [1980]): Haute Couture und Haute Culture, in: ders.: Soziologische Fragen, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 187–196. Bourdieu, Pierre (2004 [1989]): Der Staatsadel, Konstanz: UVK. Bühlmann, Felix/Thomas David/André Mach (2012a): Political and Economic Elites in Switzerland. Personal Interchange, Interactional Relations and Structural Homology. In: European Societies 14 (5): 727–754. Bühlmann, Felix/Thomas David/André Mach (2012b): The Swiss Business Elite (1980– 2000): How the Changing Composition of the Elite Explains the Decline of the Swiss Company Network. In: Economy and Society 41 (2): 199–226. Bühlmann, Felix/Thomas David/André Mach (2013): Cosmopolitan Capital and the Internationalization of the Field of Business Elites: Evidence from the Swiss Case. In: Cultural Sociology 7 (2): 211–229. Bühlmann, Felix/Eric Davoine/Claudio Ravasi (2018): European Top Management Careers. A Field-Analytical Approach. In: European Societies 20 (3): 453–477. Bürklin, Wilhelm P./Hilke Rebenstorf (Hg.) (1997): Eliten in Deutschland. Rekrutierung und Integration, Opladen: Leske + Budrich. Carlson, Sören (2020): Transnationale Karrieren und europäische Vergesellschaftung. Zur (Im-)Mobilität junger, hochqualifizierter deutscher Berufstätiger. Bielefeld: transcript.

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Zur Pluralisierung der Feldanalyse: Das Feld der Macht als Feld der Felder Daniel Witte & Andreas Schmitz

Im letzten Kapitel wurde der Nutzen des Konzepts des Feldes der Macht für die Elitensoziologie herausgearbeitet. Wie oben dargestellt, fungiert das Feld der Macht in Bourdieus Soziologie aber nicht nur als theoretisches Instrument für elitensoziologische Fragestellungen, sondern zugleich als ein zentraler, wenngleich nicht konsequent ausgearbeiteter Rahmenbegriff für die Differenzierungs- und Gesellschaftstheorie (siehe Kapitel 2). In dieser Verwendungsweise bildet das Feld der Macht den allgemeinen Bezugsrahmen für die Analyse von sozialen Feldern im Plural, also das genuin „gesellschaftliche“ Zusammenwirken von z. B. Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Recht. Gleichwohl werden in der Rezeption Bourdieus üblicherweise vor allem einzelne Felder in den Blick genommen – also etwa das wirtschaftliche Feld in wirtschaftssoziologischen Untersuchungen, das religiöse Feld in religionssoziologischen Studien usw. So legitim und forschungspragmatisch angemessen diese Vorgehensweise punktuell auch sein mag: Sie verschenkt letztlich die analytischen Potenziale der Feldtheorie im Allgemeinen und des Konzepts des Feldes der Macht im Besonderen. Das folgende Kapitel plädiert demgegenüber für eine „Pluralisierung“ der Feldanalyse, die nicht lediglich einzelne Felder, sondern insbesondere auch deren Verhältnisse in den Blick nimmt und auf diese Weise auch das gesellschaftstheoretische Potenzial der Feldtheorie entfaltet. Über den elitensoziologisch zugeschnittenen Begriff des Feldes der Macht hinaus wird damit eine erweiterte Konzeption entwickelt, die an die in Kapitel 2 dargestellte differenzierungstheoretische Lesart anknüpft und dabei zugleich den ungleichheitstheoretischen Gehalt des Feldbegriffs fruchtbar macht. In dieser gesellschaftstheoretischen Perspektive rückt der Begriff der relativen Autonomie bei der Beobachtung von sozialen Feldern, den Prozessen ihrer Ausdifferenzierung sowie ihren Verhältnissen in den Mittelpunkt. Wir schlagen daher im Folgenden vor, Felder in einem ersten Schritt systematisch von ihren Autonomie- bzw. Heteronomieverhältnissen her zu denken. Ausgehend hiervon formulieren wir im nächsten Abschnitt konzeptionelle und theoretische Schritte, die das bei Bourdieu nur rudimentär ausgearbeitete Konzept des Feldes der Macht stückweise systematisieren und weiterentwickeln. Das Feld der Macht wird so als ein generalisiertes „Feld der Felder“, und damit zugleich als eine alternative Perspektive auf den sozialen Raum gefasst, in der sowohl sachliche als auch soziale © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 C. Schneickert et al., Das Feld der Macht, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31930-4_4

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Daniel Witte & Andreas Schmitz

Differenzierung, die feldtheoretische und die ungleichheitstheoretische Lesart der Bourdieu’schen Soziologie gleichermaßen aufgehoben sind. Feldtheorie als Theorie der Felderverhältnisse Ein grundsätzlicher Einwand gegenüber der „klassischen“ Konzeption des Feldes der Macht verweist auf dessen definitorische Unschärfe: Einem allgemeinen differenzierungstheoretischen Begriff des Feldes der Macht stehen zwei speziellere Lesarten gegenüber, die auf ihre je eigene Weise unvollständig scheinen. So konzeptualisiert Bourdieu das Feld der Macht einerseits über netzwerkförmige Relationen zwischen relativ mächtigen (bzw. „herrschenden“) Akteur*innen verschiedener Felder (Feldeliten), wodurch machtunterlegene Akteur*innen, Gruppen und Felder systematisch aus dem Blick geraten. In anderen Kontexten hingegen wird das Feld der Macht in einer Weise gefasst, die es bis zur Ununterscheidbarkeit in die Nähe des Staatsbegriffes rückt. Überraschend ist nun, dass beide Fassungen letztlich nicht der von Bourdieu eingeforderten relationalen Konzeption von Feldern entsprechen: Nimmt man die epistemologischen Prämissen des methodologischen Relationalismus allerdings ernst, so definieren sich die Grenzen eines Feldes über die „Grenze[n] seiner Effekte“ (Bourdieu 1996: 266; vgl. Bourdieu 2004: 162; Bourdieu & Wacquant 1996: 131) und eben nicht über ein a priori gesetztes Netzwerk von konkreten (z. B. „mächtigen“) Personen oder Institutionen. Vielmehr sind Felder als Systeme von Relationen zu verstehen, „und zwar unabhängig von den für diese Relationen charakteristischen Populationen“ (Bourdieu & Wacquant 1996: 138). Das Handeln von Akteur*innen, die „Qualität“ ihrer Positionen und die Logik ihrer Praxis werden dabei nur in ihrem Zusammenhang mit dem jeweiligen Feld sowie dem Gesamtensemble sozialer Felder, d. h. also durch ihre relationale Positionierung gegenüber anderen Akteur*innen, Positionen und Praxisformen im sozialen Raum versteh- und erklärbar. Wie in Kapitel 2 dargelegt, nimmt die Feldperspektive dabei nicht nur die materiellen Strukturen und Machtverhältnisse eines Feldes in den Blick, sondern immer auch die in einem Feld jeweils relevanten Sinnstrukturen sowie die entsprechenden Wechselwirkungen von „Sinnverhältnissen“ und „Kräfteverhältnissen“. So adressiert der Feldbegriff stets simultan sowohl die sachlichen Gehalte von Feldern (etwa ihren jeweiligen Nomos und ihre Doxa ebenso wie die zu einem gegebenen Zeitpunkt typischen Bewertungen, Logiken der Zuschreibung von Sinn und Bedeutungen sowie Kontextualisierungen von Elementen) als auch ihre zu einem gegebenen Zeitpunkt typischen Oppositionsbeziehungen und strukturellen Widersprüche. In diesem Sinne lenkt die Feldtheorie also den Blick einerseits auf

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Ressourcenverteilungen und Kämpfe in relativ autonomen sozialen Feldern, betont aber andererseits, dass diese Auseinandersetzungen jeweils spezifischen Spielregeln und unterschiedlichen, gerade nicht auf einander reduzierbaren Eigenlogiken folgen, also immer schon Teil jener konflikt- wie sinnhaften Reproduktion sozialer Ordnungen sind, die ihnen ihre relative Autonomie erst einräumt. Gerade diese Verknüpfung von Sinn und Macht steht also im Fokus der hier rekonstruierten relationalen Konzeption, und damit die Frage danach, wie materielle Voraussetzungen und der „sinnhafte Aufbau der sozialen Welt“ (Schütz 1993 [1932]), „Sinnverhältnisse“ und „Kräfteverhältnisse“ in spezifischen sozialen Kontexten wechselseitig aufeinander einwirken. Auch diesen Anspruch vermag indes keine der drei klassischen Fassungen des Feldes der Macht in letzter Konsequenz einzulösen. Genese, Dynamik und Wandel Die relationale Anlage der Theorie legt zudem eine genuin dynamisch-historische Perspektive zugrunde.6 Die Pointe des Bourdieu’schen Verständnisses von Wandel und Historizität wird allerdings häufig verkannt, wie es Vorwürfe aus der Sekundärliteratur zeigen (Fligstein & McAdam 2012; siehe zum Determinismusvorwurf auch Fröhlich et al. 2009). Aus relationaler Perspektive kann es nämlich 6 Bereits in Bourdieus frühen Arbeiten zur Transformation der algerischen Gesellschaft spielt die Analyse von Zeitstrukturen eine zentrale Rolle, nämlich mit Blick auf das mangelnde Passungsverhältnis von tradierten Zeitorientierungen und der kapitalistischen, im Zuge der Kolonialherrschaft oktroyierten Wirtschaftsweise (Bourdieu 1959). In sozialtheoretischer Hinsicht wird ferner schon die Konstitution und Sozialisation von Subjekten als ein dynamischer Prozess gedacht (Bourdieu 1976a: 199), der die Herausbildung von Dispositionen und die Transformationen der Libido umfasst. Auch der Habitus wird überdies als „chronologisch geordnete Serie von Strukturen“ (Bourdieu 1976a: 188) konzipiert, als ein Produkt der Vergangenheit nämlich, welches es ermöglicht, in der Gegenwart eine mögliche Zukunft zu antizipieren (vgl. Bourdieu 1999: 510f.). Er verkörpert „das Prinzip der gesellschaftlichen Strukturierung der zeitlichen Existenz, aller Vorwegnahmen und Vorannahmen, vermittels deren wir praktisch den Sinn der Welt konstruieren, das heißt ihre Bedeutung und damit untrennbar verbunden ihre Orientierung auf die Zu-kunft“ (Bourdieu 1999: 511). Der Habitus stellt damit einen dezidierten Prozessbegriff dar, insofern auch noch der alltägliche Vollzug von Praktiken als das Resultat eines dynamischen Zusammenspiels von internalisierten Dispositionen und aktueller Umwelt verstanden wird. Aus einer langfristigen Perspektive werden der Habitus und soziale Praktiken zudem als historische Produkte gedacht: „[D]er Habitus, dieses Produkt der Geschichte, erzeugt entsprechend den von der Geschichte hervorgebrachten Schemata individuelle und kollektive Praxisformen – folglich Geschichte“ (Bourdieu 1976a: 182). Soziale Praktiken sind dabei grundsätzlich nicht nur historisch formiert und in der Gegenwart orientiert, sondern beinhalten immer auch Vorwegnahmen und Antizipationen der Zukunft, selbst wenn genau diese im konkreten Fall ganz unterschiedlich ausfallen mögen. Im Anschluss an Husserl spricht Bourdieu (2001a: 333) hier von der doxischen Modalität der Antizipation (vgl. Schneickert 2013: 83f. sowie Schmitz 2019: 89 im Zusammenhang mit einer Soziologie der Angst). Soziale Praktiken werden entsprechend auch nicht als bloße Wiederholungen gedacht, sondern vielmehr unter den Gesichtspunkten von Strategien und Kämpfen betrachtet.

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nicht darum gehen, einseitig für eine statische oder alternativ eine dynamische Auffassung gesellschaftlicher Wirklichkeiten Partei zu ergreifen, sondern darum, in stabilen Strukturen die (stets vorläufigen) Ergebnisse historischer Prozesse und im Wandel die Persistenz von Strukturen zu erkennen. Auch die Reproduktion von gesellschaftlichen Strukturen ist in diesem Sinne eben: Re-Produktion. Gesellschaftliche Zusammenhänge werden daher in Bourdieus Soziologie als dynamische, permanentem (lang- und kurzfristigem) Wandel unterworfene Prozesse verstanden. Diese manifestieren sich in den Strukturzusammenhängen von sozialen Räumen oder Feldern, deren Kapitalstrukturen das Ergebnis zeitintensiver Akkumulationsarbeit darstellen. In diesen dynamischen Vergesellschaftungszusammenhängen begegnen sich etwa orthodoxe und heterodoxe Kräfte, Akteur*innen des autonomen und des heteronomen Pols, Herrschende und Beherrschte sowie die verschiedenen mittleren Positionen. Die von diesen Kräften verfolgten Strategien können dabei auf die Bewahrung oder Veränderung von Kräfteverhältnissen abzielen – und selbst wenn sie einer konservierenden Logik folgen, genau dadurch im Ergebnis an der Veränderung von Strukturen beteiligt sein.7 Das Verfügen über (freie) Zeit, die Chance, diese zum eigenen Vorteil nutzen zu können, die Fähigkeit zur legitimen Deutung der Zukunft (für sich und andere) sowie auch die Frage, wer noch in der Gegenwart unter vergangenen Erfahrungen zu leiden hat – all diese Fragen sind zugleich nicht unabhängig von der jeweiligen Position in Räumen und Feldern. Die Methode des „genetischen Strukturalismus“ (Bourdieu 2014: 162ff.) erlaubt es in diesem Zusammenhang, die Entwicklungsbedingungen sowie die Gewordenheit von Feldern in den Blick zu nehmen und aufzudecken, was im späteren Prozess der Konsolidierung eines Feldes verdeckt wird: wie nämlich ursprünglich arbiträre Festlegungen (z. B. Grenzziehungen) als Notwendigkeiten dargestellt, Möglichkeitsräume geschlossen und diese Schließungen zugleich legitimiert und naturalisiert werden. Dabei besteht eine typische Herrschaftsstrategie darin, die historische Arbitrarität und Kontingenz der eigenen Positionen zu verschleiern und sie als selbstverständliche durchzusetzen. Entsprechend sind es gerade Fragen nach der Logik von sozialem Wandel und eine auf Dynamiken fokussierende Sichtweise, die auch die Analysen einzelner Felder anleiten. Dies ist etwa der Fall, wenn Bourdieu (1992) den mit der Chiffre „1968“ umschriebenen Wandel hinsichtlich seiner transformativen Auswirkungen auf das akademische Feld untersucht, oder wenn die „Genese und Struktur des literarischen Feldes“ nachgezeichnet und analysiert wird, wie es spezifischen Gruppen 7 Ein Beispiel für einen solchen Zusammenhang liefert Norbert Elias. Elias zufolge stellte gerade die Starrheit der höfischen Figuration zuzeiten Ludwig des XVI. eine zentrale Voraussetzung der Französischen Revolution dar (vgl. Elias 2002 [1969]: 448–460; siehe auch Elias 2004 [1970]: 161; Jentges 2017: 47).

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gelingt, in der Kunst „Epoche zu machen“ (Bourdieu 1999: 256). Am Beispiel des künstlerischen Feldes lässt sich zudem illustrieren, wie sich auch noch die soziale Hierarchie eines Feldes in zeitlichen Ordnungen auszudrücken vermag, insofern die Position der jüngeren Avantgarde gerade aus ihrem Abstand zur kanonisierten Avantgarde resultiert (Bourdieu 1999: 256f). Und so wie einzelne soziale Felder unter dem Gesichtspunkt ihrer langfristigen Genese, ihres Wandels und ihrer wechselseitigen Transformation untersucht werden, stützen sich auch die Ausführungen zum Feld der Macht auf historische Rekonstruktionen: beispielsweise des Übergangs vom „Blutadel“ zum „Staatsadel“ (Bourdieu 2014: 381f. und 464–469; vgl. auch Bongaerts 2008: 149), der Emergenz von Dynastien und deren Ablösung durch moderne Nationalstaaten, oder des historischen Prozesses der Ausdifferenzierung sozialer Felder in immer nur relativer Autonomie voneinander sowie vom Nationalstaat. Exogenität, Autonomie und Heteronomie Um das Konzept der Macht ausgehend von diesen Grundannahmen für eine Theorie der Felderverhältnisse fruchtbar zu machen, gehen wir davon aus, dass auch und gerade dieses Konzept nur über einen konsequent relationalen Zugang erschlossen werden kann: Der „Logik der Relation“ (Schmitz & Blasius 2012) kommt auch hier ein methodologisches Primat zu, sodass das Feld der Macht über objektive Relationen zwischen Feldern konstruiert werden muss. Ein wesentlicher Schritt bei der (Re-)Konstruktion von Feldern besteht dann darin, sie in einem weiten Sinne über ihre wechselseitigen Effekte zu konzipieren – und das Feld der Macht entsprechend als den allgemeinen Ort dieser Effekte (und als Konzept zur Beschreibung dieser Effekte in ihrer Gesamtheit) zu fassen. Mit dieser Prämisse rückt die doppelte Exogenität sozialer Felder ins Zentrum der Aufmerksamkeit: Felder erzeugen einerseits exogene Effekte auf andere Felder und sind umgekehrt immer auch durch diese mitstrukturiert. Das Feld der Macht ist dann als dasjenige Feld zu denken, das durch die Gesamtheit ebendieser wechselseitigen Abhängigkeiten und Effekte strukturiert wird. Ähnlich wie andere Theoretiker*innen fasst auch Bourdieu die Geschichte sozialer Felder als Prozess der Ausdifferenzierung und Autonomisierung (vgl. Bourdieu 1998a: 148; zum Folgenden siehe auch Gengnagel et al. 2016). Als Resultat dieses Prozesses etablieren sich distinkte Objektbereiche, Interessen, Praktiken und Konkurrenzkämpfe. „Autonomie“ wird dabei als eine variable Größe verstanden: Die in einem historischen Prozess der Ausdifferenzierung entstandenen Felder sind als „Mikrokosmen“ also gerade hinsichtlich des Grades zu unterscheiden, in dem sie über eine relative Autonomie gegenüber dem übergeordneten

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Makrokosmos (der Gesellschaft insgesamt) sowie gegenüber anderen Feldern verfügen (vgl. Bourdieu 2001b: 41). Die Autonomie eines Feldes bezeichnet hier das „Ausmaß, in dem seine eigenen Normen und Sanktionen sich […] durchsetzen“ (Bourdieu 1999: 344), also innerhalb des Feldes Geltung besitzen und von externen Kriterien und Logiken relativ unabhängig sind. Am Beispiel des Feldes der Kunst unterscheidet Bourdieu (1999: 344) hier zwischen zwei verschiedenen Hierarchisierungsprinzipien: „dem heteronomen Prinzip, das diejenigen begünstigt, die das Feld ökonomisch und politisch beherrschen […], und dem autonomen Prinzip (zum Beispiel dem L’art pour l’art) […].“ Gerade gegenüber anderen differenzierungstheoretischen Ansätzen, die primär auf die „Eigenlogik“ von gesellschaftlichen Teilbereichen abstellen (so etwa Max Weber oder Niklas Luhmann), geht die Habitus-Feld-Theorie damit von Beginn an von einer doppelten Strukturierung sozialer Felder aus, die auf interne wie feldexterne Prinzipien gleichermaßen verweist. Der historische Prozess der Ausdifferenzierung eines Feldes wird nun von Bourdieu als Herausbildung eines sich autonomisierenden Pols gefasst, der damit einem heteronomen Pol gegenübertritt; er bezeichnet damit zugleich einen graduellen „Reinigungsprozess“ (Bourdieu 1997a: 74), in dem das Feld zunehmend auf seinen Nomos fokussiert und solche Kalküle ausscheidet, die außerhalb seiner Eigenlogik liegen. Entsprechend bemisst sich der Grad der feldspezifischen Autonomie (positiv) an „dem Ausmaß, in dem das Prinzip externer Hierarchisierung hier dem Prinzip interner Hierarchisierung untergeordnet ist“ (Bourdieu 1999: 344) bzw. (negativ) an der Geschlossenheit bzw. Abschottung des Feldes gegen äußere, d. h. feldexterne Einflüsse. Die Autonomie eines Feldes ist dann umso größer, je mehr das feldinterne Hierarchisierungsprinzip, das wesentlich von den Agenten des autonomen Pols propagiert wird, externe Prinzipien zu „brechen“, d. h. in seine eigene Logik zu übersetzen imstande ist. Dieser „Übersetzungs- oder Brechungseffekt“ (Bourdieu 1999: 349) eines Feldes wird also zu einem Gradmesser seiner Autonomie. Autonomie und Heteronomie sind folglich bereits logisch miteinander verknüpft und werden als ein wechselseitig aufeinander verweisendes Begriffspaar gedacht. Entgegen einer in der Literatur vielfach vorherrschenden empirischen Überbetonung „relativer Autonomie“ ist damit die Struktur und Dynamik eines gegebenen Feldes immer auch über seine relative Heteronomie, d. h. über die in ihm wirksam werdenden („heteronomen“) Effekte anderer Felder zu bestimmen, wobei – in Ermangelung eines klar definierten „Außen“ – erst einmal untertheoretisiert bleibt, wovon ein jeweiliges Feld letztlich autonom ist (Schudson 2005). Zur Objektivierung der Autonomiebehauptungen (und -ansprüche) von Feldern bedarf es daher einer Identifikation der jeweils vorherrschenden gesamtgesellschaftlichen Machtbalancen, die immer auch die relative Heteronomie einiger

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(„dominierter“) sowie einen relativ hohen Autonomiegrad anderer („dominanter“) Felder implizieren. Anders formuliert: Die Feldtheorie bedarf letztlich schon bei der Analyse von Einzelfeldern eines theoretischen Zugriffs, der auch die Verhältnisse zwischen Feldern in den Blick zu nehmen und in die Analyse einzubeziehen erlaubt. Auf der Suche nach Konzepten und Begriffen, die solche Felderverhältnisse sowie ihren Wandel adressieren, stößt man nun bei Bourdieu auf zwei verschiedene Theoreme, die im Folgenden kurz erläutert und auf ihre allgemeinere Grundstruktur befragt werden. Vor diesem Hintergrund werden dann in den darauffolgenden Abschnitten bekannte und weniger bekannte Elemente der Feldtheorie für die Anforderungen einer in diesem Sinne pluralen Feldtheorie fruchtbar gemacht. Von Homologien zu strukturellen Verhältnissen Einen ersten Zugang zum Problem der Felderrelationen und der relativen Heteronomie bildet das Konzept struktureller Homologien, also die Hypothese der Entsprechungen von Feldpositionen in unterschiedlichen Feldern. Dieses Theorem basiert auf der Annahme, dass ähnliche Positionen in unterschiedlichen Feldern typischerweise zu ähnlichen Dispositionen und – in der Konsequenz – zu spezifischen feldübergreifenden Allianzen führen (vgl. Bourdieu 1974: 46f.; 1987: 365ff., 686ff.; 1999: 259ff., 395ff.). Als homolog werden klassischerweise etwa die sozialen Positionen von Autor*innen und ihren Leser*innen, Anwält*innen und ihren Klient*innen oder Politiker*innen und ihren Wähler*innen in den jeweiligen (literarischen, juridischen, politischen) Feldern gefasst. Ein anderer Typus beschreibt dagegen Homologien, die beispielsweise zwischen bestimmten Autor*innen, Anwält*innen und Politiker*innen bestehen, die in ihren jeweiligen Feldern jeweils ähnliche (z. B. herrschende oder beherrschte) Positionen einnehmen. Insofern kann hier präziser von zwei Formen der Homologie gesprochen werden, je nachdem, ob professionelle Produzent*innen kultureller Güter und die jeweiligen Konsument*innen bzw. Lai*innen in den Blick genommen werden oder aber Akteure, die auf dem Kontinuum von Produktion und Nachfrage jeweils vergleichbare Positionen einnehmen. Im zweiten Fall beruht die Homologie also auf strukturell ähnlichen, im ersten auf unähnlichen aber voneinander nicht unabhängigen Kapitalausstattungen. Auf den ersten Blick könnte es nun so scheinen, als sei insbesondere der zweite Fall für die Frage von Felderverhältnissen von Bedeutung, da hier nicht lediglich Expert*innen und Lai*innen eines bestimmten Feldes in Beziehung zueinander gedacht werden, sondern Akteur*innen, die in unterschiedlichen Feldern vergleichbare Positionen einnehmen und so eine feldübergreifende Homologie hervorbringen. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich allerdings, dass auch der erstgenannte Fall der

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Homologie zwischen Expert*innen- und Lai*innenpositionen auf Felderverhältnisse verweist: Die Lai*innen des einen Feldes gelten möglicherweise als Expert*innen in einem anderen, eine Mandantin im juristischen Feld mag beispielsweise simultan Politikerin oder Unternehmerin sein. Umgekehrt können Akteur*innen in privilegierten Positionen eines Feldes (beispielsweise Manager*innen) durchaus in anderen Feldern (etwa dem politischen, dem juristischen oder dem wissenschaftlichen Feld) als relativ beherrschte Akteur*innen beschrieben werden, während andere „Eliten“ wiederum lediglich herrschende Positionen in selbst beherrschten Feldern einnehmen (etwa Eliten in der Kulturproduktion oder beherrschten Wissenschaftsdisziplinen). Sobald eine plurale Perspektive auf das Zusammenwirken unterschiedlicher Feldlogiken eingenommen wird, verweisen die vermeintlich „einfachen“ Beziehungen zwischen Akteuren eines Feldes also immer schon auf ein komplexes Geflecht feldübergreifender Relationen.8 Vor diesem Hintergrund bietet es sich an, das Konzept der Homologie in zweifacher Weise zu abstrahieren: Erstens gilt es festzuhalten, dass der Grad der Homologie zwischen Feldern (theoretisch) sehr unterschiedlich ausfallen kann und etwa von völliger Deckungsgleichheit über partielle bis hin zu völliger Heterologie (also Inkongruenz) reichen mag. Hierzu gehört auch, dass die jeweilige Art der Homologie, d. h. die Hinsicht, in der überhaupt von Homologie die Rede sein soll, näher zu qualifizieren ist (etwa: Homologien der Feldstruktur im Sinne von Kapitalverteilungen, Homologien von Unterscheidungslogiken etc.). Zweitens stellt aber auch die (wie auch immer im Einzelnen quantitativ oder qualitativ bestimmte) Homologie zwischen zwei Feldern lediglich eine analytische Unterkategorie logisch möglicher struktureller Verhältnisse zwischen Feldern dar, die es differenzierter zu beleuchten gilt. Von Intrusionen zu dynamischen Wechselwirkungen Ein prinzipieller Einwand gegen das Konzept der strukturellen Homologien beziehungsweise die allgemeinere Frage nach den strukturellen Verhältnissen zwischen Feldern mag dabei darin zu sehen sein, dass mit ihrer synchronen Rekonstruktion lediglich „statisch“ erscheinende Verhältnisse von Positionen in verschiedenen Feldern in den Blick rücken. Nun handelt es sich bei der Betrachtung struktureller Verhältnisse zwischen Feldern allerdings lediglich um eine spezifische Perspektive, die keineswegs ausschließt, zugleich Dynamiken und Prozesse zu betrachten: Im einfachsten Fall mag zum Beispiel an sich wandelnde Homologien gedacht 8

Prominent hat etwa schon Georg Simmel in seiner Soziologie von „Über- und Unterordnung“ auf genau diesen Punkt hingewiesen (vgl. Simmel 1992 [1908]: 160ff.; Witte 2014: 449ff., 497ff.). Vgl. in diesem Zusammenhang, insbesondere zur relationalen Konstitution des Expert*innenstatus, auch Witte & Schmitz (2016).

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werden, d. h. an Prozesse, in denen sich zwei Felder strukturell ähnlicher oder unähnlicher werden. Das Theorem der strukturellen Verhältnisse motiviert aber auch in noch grundlegender Weise Fragen beispielsweise danach, wie der Umstand einer besonders starken oder schwachen (ebenso wie einer zunehmenden oder abnehmenden) Homologie zwischen zwei (oder mehreren) Feldern zu erklären ist. Analytisch ist es entsprechend unzureichend, Positionen bzw. Feldstrukturen als homolog zu fassen, ohne dabei die zugrunde liegenden (diachronen) Mechanismen mitzudenken, die zu ihrer Genese beitragen – die inhärente Dynamik und Mehrdimensionalität von Feldern würde durch eine einseitige Bezugnahme auf das Homologietheorem unterschlagen und zugleich das Potenzial seiner Rückbindung an das Feld der Macht verschenkt. Homologe Positionen oder Strukturähnlichkeiten zwischen Feldern bestehen insofern nicht per se, sondern müssen als immer wieder neu hervorgebrachte, dynamische Zustände im Feld der Macht verstanden werden. Fragen danach, welche Positionen zwischen zwei Feldern homolog sind, bzw. allgemeiner: welche strukturellen Verhältnisse sich zwischen Feldern beobachten lassen, sowie danach, zu welchen Grad und aus welchen Gründen dies jeweils der Fall ist, sind im jeweiligen Einzelfall empirisch zu prüfen und dürfen nicht von der Annahme starrer und konstant bleibender Verhältnisse verdeckt werden (vgl. hierzu auch die methodologischen Überlegungen in Kapitel 6). Eine weitere, die Perspektive der strukturellen Verhältnisse komplementierende Form der wechselseitigen Relationierung von Feldern kann vor diesem Hintergrund im Konzept der Intrusion gesehen werden (Bourdieu 1998d: 112). Damit ist grundsätzlich das (etwa über Akteur*innen und deren Praxis vermittelte) „Eindringen“ einer Feldlogik in die Praxis und Struktur eines anderen Feldes gemeint (vgl. Witte 2014: 118ff.; siehe Forchtner & Schneickert 2016), so zum Beispiel Praktiken, die Prozesse der Ökonomisierung von Wissenschaft oder der Medialisierung von Politik nach sich ziehen. Mit dieser bei Bourdieu angelegten Engführung auf Strategien der „feindlichen Übernahme“ anderer Felder ist allerdings auch der Begriff der Intrusion analytisch zu eng gefasst, stellt doch das Eindringen von Akteur*innen in ein „fremdes“ Feld lediglich einen möglichen Fall der wechselseitigen Durchdringung von Feldlogiken dar; der oben gelieferte Hinweis auf die konstitutive Bedeutung von Heteronomien für die Funktionsweise von Feldern verbietet dabei gerade eine solche Verengung des Blick: Angesichts dieser konstitutiven Bedeutung von Heteronomien stellen „intrusive“ Effekte gerade keine (womöglich normativ zu kritisierende) Ausnahme, sondern vielmehr den Regelfall dar, obschon wenn diese Prozesse wiederum selbst grundsätzlich umstritten und konflikthaft sein mögen. Intrusionen jedoch lediglich als bedrohliche Einflussnahmen auf die Autonomien von Feldern sowie Meta-Kapital-Verhältnisse zu deuten, verkennt, dass diese Prozesse vielfach durchaus willkommen und für die Funkti-

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onsweise von Feldern unverzichtbar sein können (ganz im Sinne auch des Interpenetrationstheorems; vgl. Parsons & Smelser 1956: 115; Parsons & Platt 1973: 36f.; v. a. aber Münch 1982: 470ff.). Ein Beispiel liefert die Verwissenschaftlichung politischer Diskurse: Im Fall der globalen Klimabedrohung erscheint hier gerade nicht die Bezugnahme politischen Handelns auf wissenschaftliche Studien und Argumente als bedrohlich, sondern vielmehr ihr Gegenteil, nämlich die Relativierung dieser Befunde und die Abkopplung machtpolitischer Praxis von wissenschaftlichen Evidenzen. Die von Bourdieu polemisch behandelten „strategischen“ Intrusionen (etwa der Logik der Massenmedien in die Politik) stellen also lediglich einen normativ kritisch beurteilten Ausschnitt aus einer Vielzahl von Austausch- und Intrusionsbeziehungen dar, die das Wechselspiel unterschiedlicher Felder im Feld der Macht kennzeichnen.9 Wie zuvor bereits das Konzept der Homologie in mehrfacher Hinsicht zu generalisieren war, kann nun allerdings auch das Konzept der Intrusion verallgemeinert werden: Zum einen, indem Intrusionsprozesse nicht auf wenige, subjektiv als beklagenswert erscheinende Phänomene reduziert werden – wobei insbesondere die möglichen funktionalen Effekte Beachtung finden sollten, die sich aus dem Umstand der Intrusion eines Feldes in ein anderes ergeben (man denke etwa an die nicht lediglich negative, sondern mitunter gleichermaßen ermöglichende Bedeutung ökonomischer Ressourcen für die Produktion wissenschaftlichen Wissens). Zum anderen wäre jedoch auch hier näher zu qualifizieren, welche Formen Prozesse der Intrusion im Einzelfall annehmen, auf welche inhaltlichen Aspekte der betreffenden Felder sie sich beziehen, ob diese Prozesse eher einseitig oder vielmehr wechselseitig erfolgen usw.10 Ferner erscheint es uns aber auch unplausibel, jedwede Form der Dynamik zwischen Feldern als „Intrusionen“, also als Prozesse des „Eindringens“ einer Feldlogik in die Funktionsweise eines anderen Feldes zu fassen, während zugleich Intrusionsphänomene nicht auf den eigentlichen Prozess des Eindringens verkürzt werden müssen, sondern ebenso in institutionalisierten Formen gerinnen können. Schlussendlich erweist sich der Begriff der Intrusion damit ebenfalls als ungeeignet, den Erfordernissen einer pluralen Feldtheorie in umfassender Weise Genüge zu tun. Analog zur oben vorgenommenen Umstellung von „Homologien“ auf „strukturelle Verhältnisse“ schlagen wir daher vor, auf den allgemeineren Begriff der Wechselwirkungen zwischen Feldern zurückzugreifen, da die oben genannten 9 Vielfach nehmen Intrusionsprozesse auch die Form der Appropriation von Elementen oder (z. B. semantischen, symbolischen) Ressourcen des jeweils machtunterlegenen Feldes an. Ein Beispiel stellen ökonomische Felder dar, denen es in spezifischen raumzeitlichen Kontext gelingt, etwa wichtige Akteur*innen des politischen Feldes, Rechtsnormen, kulturelle Güter oder religiöse Stimmungen zu eigenen Zwecken zu mobilisieren. 10 Überlegungen in dieser Richtung finden sich bereits bei Schimank (2006: 74–80).

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Fragen auf diese Weise nicht bereits sprachlich vorentschieden werden müssen. Zusammenfassend lässt sich an dieser Stelle festhalten, dass Bourdieu mit den Konzepten der strukturellen Homologien und der Intrusion weniger einen ausgearbeiteten Begriffsapparat zur Analyse von Felderverhältnissen vorgelegt als vielmehr eine theoretische Intention zum Ausdruck gebracht hat: dass nämlich Felderverhältnisse sowohl in einer synchronen als auch in einer diachronen Perspektive, mit Blick auf eher statische wie auch auf eher dynamische Aspekte beobachtet und untersucht werden müssen. Insoweit die Ausarbeitung dieser „Intention“ bei Bourdieu selbst aber eher fragmentarisch verbleibt, drängt sich der Versuch auf, andere Theoriebausteine der Feldtheorie (einschließlich eher randständiger Elemente) daraufhin zu befragen, inwieweit sie in struktureller und prozessualer Hinsicht geeignet sind, eine Analyse von Felderverhältnissen anzuleiten. Felderrelationen bilden, soweit die bisherigen Annahmen, für die Feldtheorie als Gesellschaftstheorie einen zentralen Untersuchungsgegenstand und sind von fundamentaler Bedeutung auch noch dort, wo „lediglich“ Strukturen und Dynamiken eines Einzelfeldes analysiert und beschrieben werden sollen. Das Feld der Macht bildet dabei denjenigen analytischen Ort, an dem diese Zusammenhänge in den Blick genommen werden können. Die zu diesem Zweck entwickelten Begriffsinstrumente der Feldtheorie sind allerdings vergleichsweise unausgereift, nicht hinreichend durchgearbeitet und zudem hochgradig selektiv – eine umfassendere Bestimmung der Verhältnisse einer Mehrzahl von Feldern im Feld der Macht fällt auf dieser Grundlage schwer. Vor diesem Hintergrund soll im Folgenden der Frage nachgegangen werden, mithilfe welcher weiteren Konzepte sich die Vielfalt empirischer Felderrelationen in systematischer Weise beleuchten lässt. Kapitalsorten, Konversionschancen und Wechselkurse In Beschreibungen des Feldes der Macht und seiner Rolle in der Theoriearchitektur rekurriert Bourdieu immer wieder prominent auf den relativen Wert der verschiedenen feldspezifischen Kapitalsorten, d. h. genauer: auf die feldübergreifenden „Konversionschancen“ und „Wechselkurse“ zwischen verschiedenen Kapitalia. Machtverhältnisse zwischen Feldern werden hier über den relativen Wert ihrer jeweiligen Währungen gedacht, in dem sich umgekehrt die Kräfteverhältnisse zwischen Feldern manifestieren. Das Feld der Macht dient in diesem Kontext primär dem Zweck, den Kampf um diese Relationen zwischen unterschiedlichen Kapitalsorten theoretisch zu fassen. Es bildet denjenigen abstrakten Ort, an dem um Wechselkurse zwischen feldspezifischen Währungen, d. h. also immer auch: um die Machtverhältnisse zwischen den dazugehörigen Feldern, konkurriert und gekämpft wird (Bourdieu & Wacquant 1996: 128–130, vgl. auch 146f.; dazu auch Witte 2015).

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Die zu diesen Manipulationen notwendigen Machtressourcen fasst Bourdieu mit dem Begriff „Meta-Kapital“ zusammen, verstanden als eine abstrakte Kapitalsorte, „mit de[r] sich Macht über die anderen Kapitalsorten ausüben läßt, insbesondere über ihre Wechselkurse untereinander (und damit zugleich auch über die Machtverhältnisse zwischen ihren Besitzern)“ (Bourdieu & Wacquant 1996: 146). Dieses Meta-Kapital bildet damit – analog zur Logik anderer Felder – die spezifische Kapitalsorte, um die im Feld der Macht konkurriert wird. Damit verschiebt sich die klassische Perspektive der Feldtheorie in entscheidender Weise: Als umkämpft erscheinen damit nicht mehr lediglich die jeweils „feldeigenen“ Interessensobjekte, sondern gerade auch ihre Durchsetzung und Anerkennung in anderen Feldern. Akteur*innen kämpfen damit im Feld der Macht zugleich um dominante Herrschaftsprinzipien, also darum, dass sich die eigenen Kapitalia im Feld der Macht – und damit im sozialen Raum insgesamt – als möglichst relevante durchsetzen. Ist dieser Kampf erfolgreich, so kann sich eine Kapitalsorte außerhalb ihres „Herkunftsfeldes“ als generalisierte Ressource behaupten: Das paradigmatische Beispiel liefert hier Geld, das eben nicht allein im wirtschaftlichen Feld, sondern auch in nahezu allen anderen Feldern eine wichtige Währung darstellt (vgl. etwa auch Schimank 2015) – was allerdings den umgekehrten (wenngleich weniger offensichtlichen) Fall keineswegs ausschließt, dass beispielsweise auch bestimmte Unterformen des kulturellen Kapitals in der Ökonomie von Bedeutung sind (Vigerland & Borg 2018). Insofern kann die Verwendung eigentlich „feldexterner“ Kapitalsorten in einem Feld Effekte auf dessen Operationsweise und seine Verhältnisse zu anderen Feldern zeitigen, wobei in dem Maße, in dem zwei oder mehr Kapitalsorten verschiedener Felder ineinander konvertiert werden können – also von der Ausstattung mit einer Kapitalsorte auf die Verfügung über eine andere geschlossen werden kann – von einem strukturellen (in diesem Fall sogar: „homologen“) Verhältnis zwischen den jeweiligen Feldern gesprochen werden kann. Aus der korrespondierenden Sicht der jeweils anderen Felder entspricht diese Durchsetzung einer feldspezifischen Kapitalsorte im Feld der Macht der Durchsetzung heteronomer Ansprüche, die es gemäß der relativ autonomen Logik des eigenen Feldes zu brechen gilt. Sowohl die spezifischen Produkte und Praktiken als auch die dahinterliegenden Autonomieansprüche von unterschiedlichen Feldern werden dabei kontinuierlich entlang der Logik der anderen Felder bewertet. Diese Wechselwirkungen von heteronomen und autonomen Einflüssen strukturieren die Konversionsmöglichkeiten feldspezifischer Kapitalia (z. B. den spezifischen Wert von Bildungstiteln auf dem Arbeitsmarkt). Die Wechselkurse feldspezifischer Kapitalsorten bilden dann die Macht- und Hierarchieverhältnisse der verschiedenen sozialen Felder zueinander ab – und damit die Binnenstruktur des Feldes der Macht.

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Symbolisches Kapital, soziales Kapital und Netzwerke Wo immer Bourdieu von Wechselkursen zwischen Kapitalsorten spricht, die im Feld der Macht ausgehandelt werden, sind damit allerdings zuvorderst die typischen feldspezifischen Kapitalia gemeint, d. h. insbesondere das ökonomische Kapital sowie die spezifischen Unterformen des kulturellen Kapitals, etwa das juristische oder das wissenschaftliche Kapital. Zwei andere grundlegende Kapitalsorten, nämlich das symbolische und das soziale Kapital, bleiben dabei eigentümlich unterbelichtet – sie bilden jedoch ebenfalls zentrale Mechanismen, durch die heteronome Effekte in Feldern wirksam werden. Als ein „Aggregatzustand“, den andere Kapitalsorten unter bestimmten Bedingungen annehmen können, verfügt das symbolische Kapital in der Theorie Bourdieus über eine besondere Stellung. Jede andere Kapitalsorte kann hier als symbolisches Kapital in dem Maße fungieren, in dem sie als legitime Ressource erkannt und anerkannt wird (Bourdieu 1998c: 108f.). Um außerhalb seines Herkunftsfeldes gewinnbringend eingesetzt zu werden, muss ein feldspezifisches Kapital also gerade auch jenseits der Grenzen dieses Herkunftsfeldes als legitim anerkannt werden: beispielsweise wissenschaftliches Wissen, das nicht lediglich in der Wissenschaft selbst, sondern (je nach Kontext) durchaus auch etwa im Recht oder in der Politik Legitimität und Geltung beanspruchen kann. Eine entscheidende Frage lautet dann, inwieweit die Legitimität der symbolischen Güter unterschiedlichster Felder unabhängig voneinander ausgehandelt wird beziehungsweise vermittelnden Prinzipien folgt, die in kohärenten symbolischen Strukturen über die verschiedenen Felder hinweg resultieren – d. h. in feldübergreifenden Legitimitätsordnungen, die im analytischen Grenzfall auf einen Gesellschaftstypus hinweisen können, der ausschließlich über ein einziges Prinzip von Legitimität integriert wird. Sofern dabei das Feld der Macht als derjenige Raum begriffen wird, in dem über die Anerkennung spezifischer Kapitalsorten konkurriert und um ihren feldübergreifenden Wert und ihre Austauschverhältnisse gestritten wird, lässt es sich überdies als die zentrale Arena des Kampfes um (feldübergreifendes) symbolisches Kapital deuten. Eine ähnlich grundlegende Bedeutung kommt darüber hinaus dem sozialen Kapital zu: Wie alle Kapitalbegriffe beschreibt auch das soziale Kapital objektive Relationen, umfasst also potenzielle (oder „latente“) Beziehungsstrukturen ebenso wie diejenigen („manifesten“) Beziehungen, die typischerweise in der Netzwerkanalyse thematisiert werden. Auch wenn diese vielfach dazu tendiert, Beziehungsnetzwerke „in“ einzelnen sozialen Feldern (also bspw. „Wissenschaftsnetzwerke“) zu untersuchen, wird bei genauerer Betrachtung schnell deutlich, dass der Grenznutzen derartiger Netzwerke, die analytisch auf einen einzelnen gesellschaftlichen Teilbereich reduziert bleiben, schnell erreicht ist. Insofern scheint es hier gerade sinnvoll, feldübergreifende, also „transversale“

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Netzwerkstrukturen und -mechanismen in den Blick zu nehmen, die ihrerseits im Feld der Macht situiert sind (Witte & Schmitz 2019). Bourdieu (2004) hat solche transversalen Netzwerke in seinem Buch über den Staatsadel anhand der Mehrfachmitgliedschaften von (ökonomischen, politischen und weiteren) Feldeliten in Aufsichtsräten, Komitees usw. untersucht (ähnlich der Forschung zu sog. „interlocking directorates“; vgl. Fennema 1982; für einen Überblick siehe Schneickert 2015: 97–102). Vor dem Hintergrund der oben angestellten Überlegungen ist es allerdings keineswegs erforderlich, die Untersuchung derartiger Netzwerkstrukturen auf Elitepositionen einzuschränken, denn natürlich sind auch relativ kapitalschwache Akteur*innen mit anderen in Beziehungsnetzen verbunden, die Brücken zwischen verschiedenen Feldern herstellen. Dabei folgt die Bedeutung des sozialen Kapitals für die Analyse von strukturellen Felderverhältnissen bereits aus seiner Anlage: Besonders große Mengen sozialen Kapitals besitzen unter anderem gerade solche Akteur*innen, deren Beziehungsnetzwerke sich möglichst breit über unterschiedlichste Felder hinweg ausdehnen. Zudem kommt es – und zwar in Abhängigkeit von den jeweiligen Beständen an sozialem Kapital – vielfach zu „fliegenden Wechseln“ zwischen unterschiedlichen Feldern, wenn nämlich Akteur*innen die Seiten des Verhandlungstisches wechseln und z. B. nach dem Ende ihrer politischen Laufbahn eine zweite Karriere in der Wirtschaft anstreben. Typischerweise kommt es hierbei zu sogenannten „Mitnahmeeffekten“ (Schwinn 2004b: 40), die sich feldtheoretisch als ein Unteraspekt der Intrusion beschreiben lassen, nämlich als Resultate von Strategien, bei denen in einem Feld Kapital investiert bzw. zum Einsatz gebracht wird, das in einem anderen Feld akkumuliert wurde. Bei alldem unterscheiden sich das symbolische und das soziale Kapital von allen übrigen, letztlich historisch kontingenten Kapitalformen insofern, als sie theoretisch gerade als nicht-kontingente Ressourcen gesetzt werden und folglich prinzipiell unabhängig von konkreten historischen Gesellschaftsformationen sind: Jede soziale Figuration basiert auf einer (wie auch immer im Detail ausgeprägten) Ordnung der Anerkennung bestimmter Ressourcen und Mittel (also potenziell ungleich verteiltem symbolischem Kapital) sowie auf einem Minimum von Interaktion bzw. Kontaktnetzwerken (also potenziell ungleich verteiltem sozialem Kapital). Insofern symbolisches und soziales Kapital erst Interaktion und Verständigung zwischen Akteur*innen ermöglichen, stellen sie gleichsam notwendige Bedingungen für jedwede Form des Austausches von Kapitalien sowie darauf bezogene Strategien dar.

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Habitus und Praxis Auch der Habitusbegriff liefert wichtige Ansatzpunkte für eine plurale und „heteronomisierte“ Feldperspektive, wenn er von einer simplizistischen Lesart befreit wird, die beispielsweise den Habitus von Politiker*innen allein als „Politikerhabitus“ fasst und lediglich Prägungen des Dispositionshaushalts im politischen Feld annimmt. Im Kontrast zu dieser durchaus verbreiteten (und unnötig essenzialisierenden) Interpretation lässt sich der Habitus als ein komplexes und dynamisches („sedimentiertes“ oder „plurales“) System von Dispositionen verstehen, in dem sich beispielsweise Klassenlagen und die soziale Herkunft, ethnische oder geschlechtliche aber auch verschiedene feldspezifische und viele weitere Sozialisationseffekte in Wechselwirkungen miteinander niederschlagen und aufschichten (vgl. z. B. Bourdieu 1976b: 97f.; 1998b; dazu Witte 2014: 204ff., 222ff.; Lenger et al. 2013: 22; Schmitz & Barth 2019). Entsprechend lassen sich die Dispositionen und sodann die Logik der Praxis konkreter Akteur*innen auch keineswegs auf die (etwa qua „Hauptberuf“ eingenommene) Position im sozialen Raum oder in einem einzelnen Feld zurückführen. Der Habitus muss vielmehr als ein mehrdimensionales Konstrukt verstanden werden, das stets unterschiedliche Feldeffekte beinhaltet und integriert. Die Kämpfe im Feld der Macht lassen sich vor diesem Hintergrund auch als Kämpfe um die Prägung der Wahrnehmungs- und Handlungsschemata der Mitglieder einer Gesellschaft fassen. Dabei werden über die Struktur des Feldes der Macht und die darin aufgehobenen Hierarchieprinzipien ebenso „exogene“ Schemata in den Dispositionshaushalt von Akteur*innen eingelagert: So wird beispielsweise der Habitus von Wissenschaftler*innen gleichermaßen in Abhängigkeit von den Hierarchien im Feld der Macht mitkonstituiert – er umfasst so etwa auch juristische oder ökonomische Prinzipien und Dispositionen, insofern diese im Feld der Macht als relativ dominante durchgesetzt werden können. An dieser Stelle lässt sich zudem das oben (im Zusammenhang mit dem symbolischen Kapital) entwickelte Argument wieder aufnehmen, nach dem feldübergreifende Legitimitätsordnungen einen wesentlichen Aspekt von Felderverhältnissen darstellen können. Auch die Zuschreibung von „Legitimität“ erfolgt aus feldtheoretischer Sicht nämlich auf der Grundlage von Wahrnehmungs- und Bewertungsschemata, die als Teil des Habitus ebenfalls eine mehr oder weniger ausgeprägte innere Kohärenz aufweisen können. Die symbolische Integration von Feldern entspricht insofern tendenziell der Integration des Habitus, während im entgegengesetzten Fall konkurrierende Ansprüche und Bewertungsprinzipien unterschiedlicher Felder zu habituellen Inkonsistenzen, zu konfligierenden Handlungsschemata oder gar Habitusfriktionen führen können.

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Nomos – Illusio – Libido Einen Sonderfall dieser sich auch habituell manifestierenden Felderverhältnisse bilden drittens die feldspezifischen nomoi und illusiones, die vermittelt über das Feld der Macht auch jenseits ihrer Ausgangsfelder wirkmächtig werden. Der nomos eines Feldes, verstanden als die ihm eigenen Regeln und „Grundgesetze“ (Bourdieu 1998a: 148f.), die illusio, verstanden als Glaube an den Wert und die Sinnhaftigkeit der jeweils feldspezifischen Praktiken und Kämpfe, sowie schließlich die jeweils feldeigene libido als subjektives Korrelat dieser beiden Merkmale, nämlich als Internalisierung normativer Strukturen und affektive Besetzung der auf dem Spiel stehenden Interessensobjekte, sind Teil der in Feldern etablierten und kultivierten Weltsichten und Kategoriensysteme (Bourdieu 1998a: 150; Witte 2014: 71–86). Für die Konstruktion eines einzelnen Feldes sind jedoch auch die nomoi und illusiones der jeweils anderen Felder bedeutsam: Zum einen als konstitutives Anderes, von dem sich die eigene Praxis abgrenzt (künstlerische Praxis z. B. – klassisch – als nicht-ökonomisch orientierte Tätigkeit) und zum anderen im Sinne von (mitunter feldkonstitutiven) heteronomen Einflüssen und daraus resultierenden Austauschbeziehungen zwischen den Feldern. Der Wert wissenschaftlichen Kapitals beispielsweise steigt, wenn auch Akteur*innen im politischen oder ökonomischen Feld an den Wert der Wissenschaft (beziehungsweise des wissenschaftlichen Wissens) zu glauben und zu appellieren bereit sind (zum „Wissenschaftseffekt“ vgl. Bourdieu 1992: 72), und umgekehrt kann die Legitimität etwa staatlich-politischer oder ökonomischer Maximen grundlegenden Einfluss auf das wissenschaftliche Feld ausüben (vgl. Gengnagel et al. 2016). Insofern sich dabei Parallelen in den Verhältnissen von autonomen und heteronomen Polen unterschiedlicher Felder zeigen, kann auch an diesem Punkt eine (von Bourdieu kaum bedachte) Form der strukturellen Homologie behauptet werden. Diese Verhältnisse sind allerdings keineswegs statisch, sondern vielmehr Gegenstand permanenter Auseinandersetzungen. Den Bezug zum Feld der Macht als Schritt der Objektkonstruktion ernst zu nehmen bedeutet daher, nomoi und illusiones auch in ihren jeweils feldexternen Wirkungen zu berücksichtigen, also danach zu fragen, inwiefern es den jeweiligen Feldern gelingt, in anderen Feldern und im sozialen Raum Anerkennung für ihre jeweiligen Werte und Weltsichten zu finden, und inwieweit ferner genau diese Durchsetzung von Feldlogiken außerhalb ihrer Herkunftsfelder selbst zum Gegenstand libidinöser (Be-)Strebungen (im Sinne einer allgemeinen, dem Feld der Macht eigenen libido dominandi) wird.11 11 Allgemeiner formuliert sind die illusiones der Felder dann aber auch daraufhin zu befragen, inwiefern sie sich tatsächlich auf vollends konträre Interessensgegenstände richten oder aber diese (möglicherweise sogar identischen) Gegenstände lediglich mit unterschiedlichen Kriterien und Rechtfertigungen aufladen (man denke nur an das Weber’sche Argument einer religiösen Motivation zur Wertschöpfung).

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In einem ganz ähnlichen Sinne spricht Bourdieu (2001a: 184) explizit von einem nomos auf Gesellschaftsebene und fasst als ein zentrales Ziel gesellschaftlicher Kämpfe den Versuch, „die eigene Sicht der sozialen Welt und die Teilungsprinzipien, auf denen sie basiert, zum nomos, dem offiziellen Sicht- und Teilungsprinzip machen“ (Bourdieu 1997b: 124). Die Durchsetzung dieser feldspezifischen Prinzipien wird damit zugleich zu einem Mittel im Kampf um den Wert der korrespondierenden Kapitalien, der an die Anerkennung und Machtstellung ihrer Ursprungsfelder selbst gekoppelt ist. Genau hierauf beruht etwa die Dominanz des ökonomischen Feldes, dessen Regeln auch in anderen Feldern weitreichend anerkannt werden – d. h. dessen nomos vielfach denjenigen anderer Felder „sticht“ und dessen (ökonomisches) Kapital aus ebendiesem Grund auch als ein Strukturprinzip jenseits der Ökonomie fungiert. Diese Einsicht lässt sich auch noch einmal reflexiv wenden bzw. interpretieren: Die Feldanalyse sieht sich mit der Aufgabe konfrontiert, sich bei der Untersuchung eines Feldes gerade nicht durch dessen eigene illusio täuschen zu lassen und seine Autonomieansprüche automatisch als eingelöst (bzw. einlösbar) zu betrachten. Vorstellungen etwa darüber, dass die Logik der Kunst in der Freisetzung des kreativen Ausdrucks allein besteht oder das Recht lediglich mit der Herstellung von Ordnung und Gerechtigkeit befasst ist, sind Teil und Ausdruck der im jeweiligen Feld kultivierten Haltung zur sozialen Welt, dürfen aber nicht die soziologische Analyse der jeweiligen Felder überlagern oder gar ablösen. Vielmehr hat sich die Feldanalyse vor einer „illusionary fallacy“ (Schmitz et al. 2017: 58) zu schützen, die diese Selbstbeschreibungen vorschnell für bare Münze nimmt. Wissenschaft (im Allgemeinen) und Soziologie (im Besonderen) bilden hier keine Ausnahmen, und entsprechend sind Soziolog*innen gut beraten, auch in ihrer Analyse akademischer Felder eine kritische Haltung gegenüber der Vorstellung einzunehmen, dass es in diesen ausschließlich oder auch nur vorrangig um die Suche nach wahrem Wissen ginge (Forchtner & Schneickert 2016; Gengnagel et al. 2016). Sobald der epistemologische Bruch mit derartigen feldspezifischen illusiones vollzogen ist, tritt die konstitutive Rolle heteronomer Effekte für die (Re-) Konstruktion von Feldern im Allgemeinen und für das Feld der Macht im Besonderen erneut in den Blick. Soziologisch interessant ist aus der Perspektive dieses Metafeldes also weniger die Autonomie von Feldern (als solche) als vielmehr ihre jeweilige Relativität und Begrenztheit, wobei die Identifikation heteronomer Effekte erst die genauere Bestimmung dieser „relativen Autonomien“ ermöglicht.12 Entscheidend ist bei alldem, dass die Kräfteverhältnisse im Feld der Macht sowie ihr umkämpfter und letztlich immer auch arbiträrer Charakter unsichtbar 12 Auch die geläufige Unterscheidung zwischen heteronomen und autonomen Polen von Feldern ist hierfür letztlich nicht ausreichend, da heteronome Effekte auch noch an den autonomen Polen von Feldern konstitutiv für soziale Praxis sein können.

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gemacht werden müssen. Die Eigengesetzlichkeit des Feldes der Macht lässt sich dann mit Bourdieu in der tautologischen Formel „Herrschende sind die Herrschenden“, bzw. „Machtverhältnisse sind Kräfteverhältnisse“ (beide: Bourdieu 2004: 467) zum Ausdruck bringen. Die Besonderheit liegt hier in der notwendigen Verdrängung und Verleugnung dieser Logik, denn für herrschende Akteur*innen käme es geradezu einem „selbstzerstörerischen Eingeständnis“ (Bourdieu 2004: 467) gleich, sich diese Logik explizit zu Eigen oder sie gar öffentlich zu machen. Auch im Feld der Macht, d. h. mit Blick auf die Machtverhältnisse zwischen verschiedenen Feldern, beruht Herrschaft also auf verkennender Anerkennung. Organisationen Einen fünften Mechanismus der Verankerung von Heteronomien in Feldern – und damit einen weiteren wichtigen Ansatzpunkt zur Analyse von Felderverhältnissen – stellen formale Organisationen dar. An diesem Punkt wird nun gleichsam das begriffliche Arsenal der Feldtheorie um Begriffe und Perspektiven erweitert, die darin ursprünglich keine besonders hervorgehobene Stellung einnehmen: Bourdieu befasst sich nur randständig mit organisationssoziologischen Fragen und nimmt dort, wo dies geschieht, zudem eine problematische Engführung der Eigenlogik von Organisationen dahingehend vor, dass ihre Operationsweise im Hinblick auf jeweils ein soziales Feld diskutiert und damit implizit über die Autonomie und Logik dieses Feldes beschrieben wird (vgl. Bourdieu 1998e). Organisationen lassen sich aber keineswegs nur als Manifestation der „Reife“ und Autonomie eines Feldes verstehen, sondern in zweierlei Hinsicht gerade als Ausgangspunkt seiner Begrenzung: Zum einen lassen sich Organisationen typischerweise in deutlich geringerem Maße einem einzelnen Feld zuzuordnen als häufig suggeriert wird – ein mittlerweile vielzitiertes Beispiel liefern hier Wissenschaftsverlage, die an der Grenze von wissenschaftlichem und ökonomischem Feld operieren (vgl. Schimank & Volkmann 2012; siehe auch Laux 2016 zur Figur der „Hybridorganisation“). Zum anderen bedienen sich die Prozesse der Institutionalisierung und Formalisierung von Organisationen aber auch immer kultureller, normativer und nicht zuletzt juristischer und ökonomischer Formen einer Gesellschaft. Vor dem Hintergrund dieser beiden Spezifika müssen formale Organisationen aus feldtheoretischer Perspektive notwendig als ein potenzielles Einfallstor für feldexterne Logiken erscheinen (vgl. Baier & Schmitz 2012, 2019). Sie bilden zentrale Instanzen und Mechanismen der Etablierung und Konsolidierung feldexterner Einflüsse, insofern sie im Regelfall Logiken unterschiedlicher Felder prozessieren, stellen aber zugleich – und in diesem Sinne Habitus nicht unähnlich – vereinheitlichende strukturierende Strukturen dar, die zwischen Feldern vermitteln und diese zu integrieren vermögen.

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Diskurse Darüber hinaus treten, in struktureller Hinsicht für die vorliegenden Fragen Organisationen eng verwandt, auch Diskurse in den Blick einer allgemeinen Feldtheorie. Auf den ersten Blick scheint der Diskurs dabei in der Theoriearchitektur eine eher nachrangige Rolle einzunehmen: Bourdieus eigene Überlegungen zu diesem Thema bleiben im Großen und Ganzen rudimentär (vgl. etwa Bourdieu 2005: 141ff.), und auch hier lässt sich eine Tendenz ausmachen, Diskurse feldspezifisch zu fassen, also etwa die „Eigenlogik“ des politischen Diskurses, des juridischen Sprechaktes usw. zu identifizieren (siehe dazu und zum Folgenden Lebaron 2017). Vertiefte Überlegungen zur Kombination feldtheoretischer und diskursanalytischer Verfahrensweisen finden sich in Bourdieus eigenen Schriften gerade nicht,13 und wo Diskurse überhaupt thematisch werden, geschieht dies vornehmlich im Rahmen der Diskussion von Erscheinungsformen und Mechanismen symbolischer Herrschaftsverhältnisse. Wie jede soziale Praxis werden Diskurse dabei als Resultate des Zusammenwirkens von (sprachlichen) Habitus und sozialen Feldern (in diesem Zusammenhang: eines „sprachlichen Marktes“) gedeutet (Bourdieu 1993b: 115ff.; Lebaron 2017: 436). Bereits auf den zweiten Blick zeigt sich allerdings, dass dem Diskursbegriff eine wesentliche Rolle für die Erklärung der Reproduktion symbolischer Ordnungen zukommt, insoweit diese wesentlich auf internalisierten Schemata der Wahrnehmung, des Denkens und des Sprechens über die soziale Welt sowie korrespondierenden Praktiken beruht. Ein besonderer Fokus wird in diesem Zusammenhang auf die machtförmigen Grundlagen und Effekte derjenigen Praxis gelegt, die Bourdieu verschiedentlich als „legitimes Sprechen“ beschreibt. Entsprechende Ausführungen finden sich insbesondere im Kontext seiner politischen Soziologie – so etwa in der Dekonstruktion der „öffentlichen Meinung“ als eines diskursiven Effektes (Bourdieu 1993a) sowie in der diskursanalytisch inspirierten Kritik an der „Produktion der herrschenden Ideologie“ (Bourdieu & Boltanski 1976; vgl. Lebaron 2017: 436f.). Neben diesem Beitrag zur ungleichheitstheoretischen Optik der Bourdieu’schen Soziologie sind Diskurse aber auch für die allgemeine Praxis- und Feldtheorie von Belang. Bereits grundbegrifflich kann hier von einer engen Kopplung von Praxis und Diskurs gesprochen werden: Diskurse und die sie bildenden Äußerungen sind immer Teil sozialer Praxis, und umgekehrt nimmt gesellschaftliche Praxis häufig – vielleicht sogar: im Regelfall – die Form diskursiver Praktiken an. Über diese konzeptuelle Verwandtschaft hinaus liefert die Feldtheorie zudem wesentliche Anregungen zur Analyse der „Ordnung von Diskursen“, und umgekehrt lässt sich mit diskurstheoretischen Annahmen und Forschungsmethoden

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Ein umfassender Vorschlag zur Integration findet sich beispielsweise bei Diaz-Bone (2010 [2002]).

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Licht in eine Vielzahl von feldtheoretischen Zusammenhängen bringen. Von besonderem Interesse sind Diskurse dabei insofern, als sie sich (ebenso wie Organisationen und Netzwerke) typischerweise zwischen sozialen Feldern bzw. über Feldergrenzen14 hinweg entfalten und so gleichsam als „transversale Felder“ behandelt und analysiert werden können (vgl. Gengnagel et al. 2016: 416f.; Witte & Schmitz 2019): Die verschiedenen Varianten der modernen Diskursanalyse (im Anschluss insbesondere an Foucault) stellen ja gerade deshalb ein so attraktives Werkzeug dar, weil sie die Verschränkungen und Verknüpfungen scheinbar heterogener Äußerungen (und diese wiederum in ihrer Verwobenheit mit Machtstrukturen) hervorheben (vgl. Foucault 1983, 1991; Keller 2011; Maeße & Nonhoff 2014; Maeße 2019). Verschiedene Diskursstränge und -ebenen referieren typischerweise wechselseitig aufeinander, und unterschiedliche Diskursteilnehmer*innen (bis hin zu feldübergreifenden Diskursallianzen) rekurrieren in strategischer Weise auf feldexterne Aussagen, Sprecher*innen und deren Machtressourcen. Auch Machtkämpfe zwischen Feldern lassen sich in vielen Fällen als diskursive Auseinandersetzungen beobachten. Die oben bereits erwähnten „legitimen Sprecher*innen“ treten in solchen Zusammenhängen als Diskursteilnehmer*innen in Erscheinung, deren „Legitimität“ sich nicht allein aus einer legitimen Weise zu sprechen speist, sondern zudem auf der Artikulation legitimer Inhalte und Ansichten beruht. Mit ihren Äußerungen bringen diese Akteur*innen zugleich legitime Positionierungen hervor, die in letzter Konsequenz auf die Autorität und Legitimität ihrer Positionen und damit immer auch: auf Autorität und Legitimität der entsprechenden Herkunftsfelder verweisen (vgl. Lebaron 2017: 436f.). Die dadurch hervorgebrachten, reproduzierten, konservierten oder auch transformierten (Deutungs-)Machtverhältnisse zwischen Feldern wirken wiederum in vielfältiger Weise auf die daran beteiligten Einzelfelder zurück: Begriffe und Bedeutungen, Hypothesen und Theoreme, Teilungsprinzipien und Weltsichten, Semantiken und Narrative, ganze Register und spezifische intertextuelle bzw. interdiskursive Verweisstrukturen, sprachliche Formen und Ausdrucksweisen sowie feldspezifische Codes können auf diese Weise von einem Feld in ein anderes „migrieren“ und dort sogar in mehr oder weniger hohem Maße einen orthodoxen oder gar doxischen Status erlangen, d. h. zu unhintergehbaren Grundlagen von Praktiken werden. Die oben bereits angesprochenen Bezugnahmen auf die nomoi und illusiones anderer Felder finden in diesem Sinne in Diskursen ein zentrales praktisches Medium, und das Feld der Macht liefert den analytischen Bezugsrahmen, um diese diskursiven Praktiken als Quelle von heteronomen Dynamiken in Feldern zu untersuchen. 14 Die sich damit abzeichnenden Implikationen für die feldtheoretische Konzeption von Grenzen (so v. a. eine Pluralisierung des Grenzbegriffs, die darauf abzielt, verschiedene, heterologe Grenzziehungen simultan denken und beobachten zu können) werden diskutiert in Witte & Schmitz (2020).

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Zwischenfazit Zusammengefasst lässt sich formulieren, dass keiner der genannten Aspekte – die Konversionsverhältnisse zwischen Kapitalien, das symbolische Kapital sowie das soziale Kapital und Netzwerke, komplexe Habitus und die durch sie hervorgebrachte Praxis, die Wirkungsweise von feldeigenen nomoi und illusiones sowie Organisationen und Diskurse – hinreichend über jeweils eine einzige Feldlogik zu fassen ist. Im Umkehrschluss lässt sich hieraus die Forderung ableiten, ein jeweils zu untersuchendes Feld immer auch daraufhin zu befragen, ob und inwieweit externe Feldlogiken über die oben genannten Mechanismen konstitutiv Eingang in seine Struktur und Dynamik finden. Setzt man aber auf diesem Wege die verschiedenen Feldcharakteristika in ein Verhältnis zueinander, so kann prinzipiell nur noch von „relativ autonomen Feldern“ gesprochen werden, deren vielschichtige Relationen zueinander über das Feld der Macht in den Mittelpunkt der Gesellschaftsanalyse gerückt werden. Im nächsten Schritt gilt es daher zu klären, wie ein solchermaßen elaboriertes Feld der Macht zu jenem anderen Konzept in Beziehung zu setzen ist, mit dem Bourdieu klassischerweise „Gesellschaften“ in einem umfassenden Sinne beschreibt, nämlich dem „sozialen Raum“. Das Feld der Macht und der soziale Raum Die klassische Konzeption des Feldes der Macht vernachlässigt tendenziell das Zusammenwirken verschiedener Feldeffekte im Kontext gesamtgesellschaftlicher Herrschaftsbeziehungen, und damit letztlich den eigentlich zentralen Gegenstand der Feldtheorie bzw. der Bourdieu’schen Soziologie insgesamt. Dies überrascht in gewisser Weise, da in früheren Schriften Bourdieus noch die Idee aufscheint, dass es sich bei der Gesamtsumme von Felderverhältnissen um eine spezifische Perspektive auf die Struktur von Klassenverhältnissen handele (vgl. Bourdieu & Passeron 1973: 20f.; siehe auch Bourdieu 1985: 10f.; vgl. Schmitz et al. 2017). In der in vielerlei Hinsicht unvollständigen Konzeption des Feldes der Macht in den „reiferen“ Arbeiten wird dieser Akzent allerdings wieder verwischt und damit der enge Zusammenhang von sozialem Raum und sozialen Feldern weitgehend unkenntlich gemacht; vielmehr stößt man dort auf eine Reduktion von Machtrelationen, in der die Verfügung über Meta-Kapital apriorisch dem Staat beziehungsweise unterschiedlichen Feldeliten zugeschrieben wird. Wenn Macht aber – nicht zuletzt mit Bourdieu – stets als Relation, d. h. als ein prinzipiell reziprokes Kräfteverhältnis verstanden werden muss, und wenn damit die Vorstellung einer einseitigen Verfügungsgewalt „mächtiger“ Akteur*innen über relevante Machtmittel aufzugeben ist, so scheint die Identifikation des Feldes der Macht mit bestimmten

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herrschenden Akteur*innen sowie den unmittelbaren Anwärter*innen auf Herrschaftspositionen nicht lediglich konzeptionell zu eng gefasst, sondern letztlich auch inkonsistent mit begrifflichen und theoretischen Vorentscheidungen der Feldtheorie, insbesondere dem ihr zugrunde liegenden methodologischen Relationalismus.15 Zur Erläuterung dieser Kritik diskutieren wir im Folgenden zunächst die Rolle von sozialen Klassenstrukturen bei der Vermittlung zwischen ausdifferenzierten Feldern, um in einem zweiten Schritt für eine generelle Modifikation des Feldbegriffes zu plädieren: nämlich für eine Öffnung des Konzeptes, das als eine komplementäre Perspektive auf den sozialen Raum in seiner Gesamtheit gefasst werden kann und damit die in der ursprünglichen Fassung des Feldes der Macht analytisch – und mitunter auch gesellschaftlich – exkludierten Akteur*innen unter differenzierungstheoretischen Vorzeichen inkludiert. Klassenstrukturen und Felderverhältnisse Bourdieu verwendet das Konzept des „sozialen Raums“ zur Beschreibung von Gesellschaften unter dem Leitgesichtspunkt ihrer Klassenstruktur, d. h. im Wesentlichen unter ungleichheitssoziologischen Gesichtspunkten (vgl. etwa Bourdieu 1985; 1987). Das Verhältnis dieser Perspektive auf Gesellschaft zum differenzierungstheoretischen Konzept des Feldes bzw. der Theorie sozialer Felder insgesamt gilt dabei vielfach als ungeklärt (vgl. etwa Blasius & Winkler 1989: 73; Schwingel 1993: 61; Rehbein 2006: 116; Witte 2014: 93ff.; Schneickert & Schumacher 2014: 44; 2015). Es stellt sich also die Frage, wie soziale Felder und soziale Klassen so aufeinander bezogen werden können, dass der Eindruck zweier voneinander unabhängiger Gesellschaftstheorien (einer differenzierungstheoretischen „Feldtheorie“ auf der einen und einer ungleichheitstheoretischen „Theorie des sozialen Raumes“ auf der anderen Seite) ausgeräumt und deutlich gemacht werden kann, dass es sich bei beiden lediglich um unterschiedliche analytische Perspektiven auf einen identischen Gegenstand („Gesellschaft“) handelt. Tatsächlich lassen sich diese beiden Perspektiven durchaus in konsistenter Weise integrieren, wenn man nach den Wechselwirkungen von Klassen und Feldern fragt und diese in der Logik einer Kreuztabelle zueinander in Beziehung setzt: Die anzuschließende Frage lautet dann erstens, welche (Ungleichheit-)Effekte von Klassenstrukturen auf soziale Felder ausgehen und zweitens, in welcher Weise die Strukturen und Dynamiken sozialer Felder Einfluss auf die Entstehung, Reproduktion oder Transformation sozialer Klassen nehmen. 15

Dabei muss eingeräumt werden, dass Bourdieu sich dieses Problems einer artifiziellen und damit letztlich immer auch arbiträren Limitation auf (bzw. von) „Elitenpopulationen“ durchaus bewusst war, zumal die damit adressierten Grenzziehungen gerade selbst Gegenstände sozialer Kämpfe in den jeweiligen Feldern darstellen. Vgl. in diesem Sinne etwa Bourdieu (1999: 353ff.; 2004: 393).

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Klasseneffekte auf soziale Felder zeigen sich überall dort, wo „gesamtgesellschaftliche“ Ungleichheiten, also Strukturprinzipien des sozialen Raumes, an der Entstehung und Reproduktion feldinterner Ressourcenverteilungen beteiligt sind (vgl. Schmitz et al. 2017: 67f.).16 Dabei ist zunächst entscheidend, dass Felder überhaupt selbst als stratifizierte Entitäten verstanden werden, also eine eigene Klassenstruktur aufweisen, die aber gerade nicht unabhängig, sondern allenfalls „relativ autonom“ von der Klassenstruktur des sozialen Raumes ist. Darüber hinaus operationalisiert Bourdieu Klassenlagen über die differenzielle Verteilung von Ressourcen (d. h. Kapitalsorten) im sozialen Raum, die bereits theorieimmanent in ihrem Zusammenhang mit sozialen Feldern konzipiert werden: „Die als Konstruktionsprinzipien des sozialen Raums fungierenden Eigenschaften (bzw. Merkmale) bilden die verschiedenen Sorten von Macht oder Kapital, die innerhalb der einzelnen Felder jeweils im Kurs sind […]. Die soziale Stellung eines Akteurs ist folglich zu definieren anhand seiner Stellung innerhalb der einzelnen Felder, das heißt innerhalb der Verteilungsstruktur der in ihnen wirksamen Machtmittel: primär ökonomisches Kapital […], dann kulturelles und soziales Kapital […]. Ausgehend von den Stellungen im Raum, lassen sich Klassen im Sinne der Logik herauspräparieren, das heißt Ensembles von Akteuren mit ähnlichen Stellungen […]“ (Bourdieu 1985: 10ff.). In Bourdieus Beschreibung moderner Gesellschaften erscheint ökonomisches Kapital als eine Ressource, die in unterschiedlichsten gesellschaftlichen Kontexten eingesetzt werden kann (Bourdieu 1983a) – wenn auch in mehr oder weniger direkter Weise und in unterschiedlichem Umfang (eine ganz ähnliche Diagnose findet sich in Schimanks [2009; 2015] Theorie einer funktional differenzierten kapitalistischen Gesellschaft). So lassen sich zwar Gerichtsurteile nicht mit Geld kaufen, sondern letztlich immer nur mit juristischen Argumenten herbeiführen, aber ein guter Rechtsbeistand kostet in der Tat (viel) Geld und gewährt im Zweifelsfall bessere Chancen als eine Pflichtverteidigung. Der Zugang zu wissenschaftlichem Wissen ist grundsätzlich frei, aber die Aufnahme eines Studiums setzt mindestens die Inkaufnahme eines temporären Verdienstverzichts, möglicherweise auch die Abgeltung hoher Studiengebühren voraus, und ein Vorzeigelebenslauf, der mit zahlreichen Stationen im Ausland und an renommierten Universitäten garniert ist – und in der Regel den Zugang zu höheren Positionen im Wissenschaftsbetrieb erleichtert –, bleibt für Akteur*innen aus einkommensarmen Schichten viel häufiger unerreichbar (vgl. Hartmann 1996: 192f.). In jüngster Zeit haben sich in einigen Ländern sogar regelrechte Märkte gebildet, auf denen mit der Autorschaft für Journal-Publikationen, also genuin wissenschaftlichem Kapital gehandelt wird (siehe Hvistendahl 2013). 16

Der folgenden Abschnitte basieren in weiten Teilen auf Ausführungen, die bereits in Witte (2017) publiziert wurden.

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Homogene Netzwerke (hier: kapitalstarker Akteur*innen) verstärken derlei Effekte im Modus sozialen Kapitals, das dort als „Türöffner“ fungieren kann, wo finanzielle Mittel allein noch keinen komparativen Vorteil darstellen. Das Argument Bourdieus, dass kulturellen Kapitalsorten eine ähnlich grundlegende Funktion in den unterschiedlichsten Feldern zukomme, ist bekannt; für die hier interessierende Frage ist dabei von Bedeutung, dass die Elitenforschung zu ganz ähnlichen Befunden kommt, wenn sie den „Stallgeruch“ bzw. Faktoren wie „Erscheinungsbild, […] Auftreten, […] Verhalten und […] allgemeine Einstellung“ betont (Hartmann 1996: 194; siehe hierzu auch Schneickert 2015, 2018). Die zentralen Indikatoren der Klassenlage (hier: ökonomisches, kulturelles und soziales Kapital) schlagen sich also nicht lediglich in der Struktur des sozialen Raumes, sondern ebenso in der Binnenstruktur und der Operationsweise von Feldern nieder. Damit ist die klassische Verknüpfung von sozialer Ungleichheit und sachlicher Differenzierung in den Mittelpunkt gerückt, nämlich die empirische Beobachtung, dass die „globalen“ Ressourcenverteilungen des sozialen Raums tendenziell auch in gesellschaftlichen Feldern wirksam sind. Zu nennen wären in diesem Zusammenhang auch die von Bourdieu (2014: 414ff.) am Beispiel des europäischen Hochadels nachgezeichneten Reproduktionsstrategien (Fortpflanzungs-, Erbfolge-, Bildungs- und ökonomische Strategien), die gerade über unterschiedliche Felder hinweg zum Einsatz gebracht werden können. Umgekehrt lässt sich ebenso nach unterschiedlichen Feldeffekten auf die Klassenstruktur von Gesellschaften fragen. Die Grundidee besteht dann darin, dass soziale Ungleichheiten, wie sie im sozialen Raum abgebildet und als Verteilungen von Ressourcen und daraus resultierende Klassenlagen gefasst werden, letztlich immer in den verschiedenen Feldern der Gesellschaft ihren Ursprung haben. Dieser in der Bourdieu-Rezeption bislang quasi unberücksichtigte Zusammenhang (als eine der wenigen Ausnahmen in dieser Richtung siehe Meisenhelder 2000) ist aus systemtheoretischer Perspektive, wenigstens der Idee nach, sehr klar bei Stichweh (2005: 171) formuliert: „Operativ sind Funktionssysteme unablässig mit der Produktion und Verarbeitung von systemspezifischen Differenzen befasst, und diese Differenzen fallen bei denjenigen, die an den Kommunikationsprozessen der Funktionssysteme partizipieren, als Vorteile und als Nachteile an.“ Aber auch die Bindestrichsoziologien und spezialisierte Teile der Ungleichheitsforschung nehmen durchaus Kenntnis von der Vielzahl von Ungleichheitseffekten, die nicht global im sozialen Raum, sondern in unterschiedlichsten Teilbereichen ihren Ursprung haben (vgl. auch Schützeichel 2016: 296). Das Feld der Macht bietet hier genau denjenigen analytischen Rahmen, der derartige Effekte im Detail zu studieren und insbesondere auf ihr Zusammenwirken zu beobachten erlaubt. Illustrieren lässt sich dies zum Beispiel an sozialen Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern: Diese werden gerade nicht nur in Familie, Schule und höheren

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Bildungsinstitutionen produziert, sondern auch etwa in den Massenmedien, die wesentlich an der Konstruktion von Geschlechterrollen und -bildern beteiligt sind. Positionen im sozialen Raum sind aber ebenso wenig lediglich durch Bildungserfolg und das medial transportierte symbolische Kapital der Geschlechter bedingt, sondern überdies durch die Logik des akademischen Feldes, des politischen Feldes, des ökonomischen Feldes usw., durch die Logik von Arbeitsmärkten im weiteren Sinne also, auf denen sich Prozesse der Selektion und Zuweisung von Positionen fortsetzen, und zwar nach jeweils eigenen, zunächst voneinander analytisch unabhängigen Kriterien. Systematische Ungleichheiten im sozialen Raum sind ferner auch nicht unabhängig von der Frage, wie beispielsweise im Feld des Sports ganze Disziplinen als „weiblich“ oder „männlich“ codiert werden, wiederum in engen Wechselwirkungen mit medialer Berichterstattung und ökonomischen Verwertungszusammenhängen, die sich aber eben nicht durch eine Analyse des Sportfeldes allein, sondern erst unter Einbeziehung von Medien- und Wirtschaftsfeldern verständlich machen lassen. So kann etwa der Sport einen wesentlichen Beitrag liefern zu bestimmten gesellschaftlichen Vorstellungen von „Weiblichkeit“, die im ökonomischen Feld in einen Gender Pay Gap überführt werden und sich sodann im sozialen Raum als Kopplung von Geschlecht und Einkommensungleichheit niederschlagen.17 Unabhängig sind die Positionen von Akteur*innen im sozialen Raum schließlich auch nicht von Selektionseffekten im Feld des Rechts – ein Stichwort liefert etwa die äußerst strittige Frage eines „Frauenbonus“ im Strafrecht, vor allem bei der Anzeige- und Verurteilungswahrscheinlichkeit sowie Strafzumessung, der, wenn es ihn denn gäbe (was hier nicht der Punkt ist), durchaus moderierende Effekte auf Ungleichheiten haben könnte, die in anderen Feldern, etwa dem Bildungssystem, entstehen (dazu bereits klassisch Geißler & Marißen 1988, sowie die darauf folgenden Kritiken und Repliken; ferner zu dieser Debatte nur Temme & Künzel 2010). Aus dieser Perspektive konkretisieren sich nun auch die zuvor angestellten Überlegungen weiter, nach denen der Habitus nicht auf Prägungen eines einzelnen Feldes reduziert werden kann: Mit dem bei Bourdieu vielfach unklaren Bezug von Feldern und sozialem Raum geht in der Literatur eine zweigleisige Verwendung des Habituskonzeptes einher, das entweder als Habitus der sozialen Klassenlage oder als Habitus eines spezifischen Feldes interpretiert wird. Wie oben bereits angedeutet verfügen Akteur*innen aber über einen komplexeren Habitus, der durch

17 Insofern liefert die hier vorgeschlagene Perspektive überdies einen integrativen, gesellschaftstheoretischen Bezugsrahmen für die jüngere Intersektionalitätsforschung (exemplarisch Degele & Winker 2009), die sich – wie zuvor bereits Simmel und im Anschluss an diesen Blau – heute mit der Frage der Überkreuzung und wechselseitigen Verstärkung gesellschaftlicher Strukturmerkmale und Differenzierungsprinzipien (d. h. insbesondere: Ungleichheitslagen) befasst.

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Positionen im sozialen Raum ebenso wie durch unterschiedliche Positionen in verschiedenen Feldern geprägt wird. Feldspezifische Dispositionen müssen vor dem Hintergrund der vorangegangenen Ausführungen also nicht allein in Bezug zum Feld der Macht, d. h. als Ergebnis feldendogener und feldexogener Effekte konzipiert, sondern zudem auch auf ihren jeweiligen Klassenbezug befragt werden. Der Habitus lässt sich dann beschreiben über sozialräumliche Positionen, die sich wiederum entsprechend der jeweils relevanten Kapitalia aus der Inklusion in unterschiedliche gesellschaftliche Felder ergeben. Zu guter Letzt sind Dynamiken zu nennen, die sich aus den Relationen bzw. Wechselwirkungen relativ autonomer Felder ergeben und mitunter sehr direkte, mitunter aber auch indirekte Feld-Feld-Effekte produzieren. Diese Effekte und ihre Verkettungen schlagen sich ebenfalls in gesamtgesellschaftlichen Klassenlagen nieder; der entscheidendere Punkt ist aber, dass dabei nicht allein absoluter Ausschluss oder „reine“ Herrschaftspositionen, sondern gleichermaßen „feinere“ komparative Vor- oder Nachteile über verschiedene Felder hinweg vererbt werden. Wenn etwa in den USA Vorbestraften das Wahlrecht entzogen wird, ergibt sich eine eigenartige Kopplung des (Straf-)Rechts mit dem politischen Feld, und umgekehrt sind bildungs- und einkommensschwache Akteur*innen vielfach in systematischer Weise vor dem Recht benachteiligt, was jahrelang Gegenstand der rechtssoziologischen Debatte über eine mögliche „Klassenjustiz“ war (vgl. nur, so umstritten wie klassisch, Lautmann & Peters 1973). Die elitensoziologische Forschung zeigt wiederum, dass derartige Verkettungen durchaus auch im Inklusionsbereich zu beobachten sind, systematische „Mitnahmeeffekte“ eher die Regel als Ausnahmen darstellen und folglich mit gleichem Recht von einer feldübergreifenden Kumulation feldspezifischer Vorteile gesprochen werden kann.18 Sowohl für Feldeffekte auf den Raum sozialer Klassen als auch für Feld-FeldEffekte muss schließlich betont werden, dass die additive Aggregation von Voroder Nachteilen nur einen möglichen Modus der Verknüpfung darstellt. In jedem Fall wäre in diesem Punkt empirisch zu klären, ob zunächst distinkt beobachtbare Feldeffekte sich kumulativ oder multiplikativ, stabilisierend oder (wechselseitig) steigernd, vielleicht aber auch ausgleichend, moderierend oder gar völlig indifferent zueinander verhalten. Es scheint allerdings wenig sinnvoll, diese Zusammenhänge über alle denkbaren Felderverhältnisse hinweg zu generalisieren und schon

18 Luhmanns „Exklusionsverkettungen“ stellen auf genau solche Effekte ab, bei denen „die faktische Ausschließung aus einem Funktionssystem […] beschränkt […], was in anderen Systemen erreichbar ist“ (Luhmann 1998: 630). Bekanntlich ist dieser Zusammenhang allerdings auf Exklusionslagen beschränkt (zu „Inklusionsverkettungen“ vgl. auch Schwinn 2000). Der Vorteil der Bourdieu’schen Theorie besteht hier also gerade darin, solche Feld-Feld-Effekte über das gesamte Kontinuum von Klassenlagen hinweg denken zu können.

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auf der Ebene der Theorie vorzuentscheiden; ihre jeweilige Ausprägung böte vielmehr einen wichtigen Ansatzpunkt für eine in diesem Sinne angelegte, differenzierungstheoretisch informierte und empirisch fundierte Ungleichheitsforschung. Die analytische Inklusion der gesellschaftlich Exkludierten Gerade vor dem Hintergrund einer solchen Verknüpfung von klassen- und feldtheoretischer Perspektive zeigt sich das Problem einer Reduktion von Machtrelationen auf den „oberen“ Bereich des sozialen Raumes jedoch in voller Deutlichkeit. Gesellschaftstheoretisch ist es offensichtlich unbefriedigend, wenn die relativ beherrschten Akteur*innen von Feldern (Konsumentinnen und Konsumenten, Rezipientinnen und Rezipienten, Laiinnen und Laien usw.), ihre Relationen untereinander sowie diejenigen zu den herrschenden Akteur*innen (den „Produktionspolen“ der Felder, Expert*innen, Eliten usw.) nicht konsequent abgebildet werden können: Die bereits empirisch erfolgende Exklusion von gesellschaftlichen Akteur*innen wird hierdurch noch einmal konzeptionell und analytisch verdoppelt. Dies mag durchaus verwundern, ist doch der Feldbegriff ursprünglich am Beispiel des religiösen Feldes und der Relation von Priestern und Lai*innen entwickelt worden (Bourdieu 1971a, 1971b). Auch die umfassendste und systematischste Arbeit zur Theorie sozialer Felder nimmt durchaus ausführlich Bezug auf das Verhältnis von künstlerischer Produktion und Rezeption (Bourdieu 1999), und in Bourdieus Studien zum ökonomischen Feld (Bourdieu 1998e) oder den Essays zu Journalismus und Massenmedien (Bourdieu 1998d) wird die Relevanz von Konsument*innen und Publika nicht weniger deutlich.19 Wenn auch nicht alle Felder bzw. ihre jeweiligen Eliten in gleichem Maße dem „Verdikt der Laien“ unterliegen mögen, wie Bourdieu (2001b: 49) es für das politische Feld proklamiert: Genau dies stellt eben eine empirische Frage dar, die nach einem analytischen Zugang verlangt, der offen und umfassend genug formuliert ist, um diese Varianz überhaupt untersuchen und abbilden zu können. Dass die systematische Ausblendung von als „machtunterlegen“ gedachten Akteur*innen den analytischen Wert eines Feldes der Macht unnötig begrenzt, lässt sich überdies schon aus Bourdieus eigenem Machtbegriff ableiten. Foucaults Vorstellung nicht unähnlich, durchzieht Macht hier nämlich noch die feinsten Kanäle des Sozialen, und in sozialräumlicher Perspektive können gesellschaftliche Praktiken „ohnmächtiger“ Akteur*innen grundsätzlich ebenso konstitutiv für die Reproduktion der Kapitalverhältnisse sein wie die Auseinandersetzungen zwi-

19 Anzuführen wäre in diesem Zusammenhang auch die letztlich weberianische Grundidee, nach der schon Herrschaft im Allgemeinen – und umso mehr symbolische Herrschaft im Besonderen – notwendig auf Anerkennung beruht, also ein Verhältnis beschreibt (vgl. hierzu Witte 2014: 362ff., 405ff.).

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schen Feldeliten. Dass diese Dimension im Begriff des Feldes der Macht unterschlagen wird, ist auch insofern überraschend, als doch der Distinktionskampf der Feinen Unterschiede gerade als ein die gesamte Gesellschaft erfassender konzipiert wurde, in dem sich weder die nach Distinktion strebenden oberen Klassen noch die sich um Statusverbesserung bemühenden Mittelklassen den Wirkungen der sie verbindenden Herrschaftsverhältnisse entziehen können. Herrschaftsbeziehungen sind gesellschaftliche Beziehungen, denen nicht einseitig ein „Ort“ zugeschrieben werden kann; insofern konstituiert auch erst die Relation der „Mächtigen“ zu den „Beherrschten“ das Machtfeld als solches. Die Soziologie der Eliten und die Soziologie der Exklusion stellen somit schließlich lediglich zwei analytische Perspektiven auf die gleichen Machtstrukturen dar.20 Mittlere Positionen – Vermittlungspositionen Dieser Hinweis auf die Bedeutung der Relationen zwischen Eliten und Exkludierten mag nun zu einem Fehlschluss verleiten: dass nämlich die relevanten Prozesse in und zwischen Feldern lediglich an den jeweiligen Extrempolen stattfinden bzw. über eine Betrachtung des „Oben“ und „Unten“ hinreichend erfasst wären. Dem ist entgegenzuhalten, dass sich die allermeisten Akteur*innen sowie, allgemeiner formuliert, der größte Teil der sozialen Wirklichkeit fraglos zwischen diesen Extrema verorten lassen und entscheidende Prozesse über entsprechende („mittlere“) Positionen vermittelt, angestoßen und beeinflusst werden (vgl. insbesondere Burzan & Berger 2010). So widmet beispielsweise schon Georg Simmel in seiner „großen Soziologie“ nicht lediglich dem Verhältnis von „Über- und Unterordnung“, sondern gerade auch dritten Positionen der „Mitte“ besondere Aufmerksamkeit: „Der Mittelstand bringt zu diesen beiden (der oberen und der unteren Schicht) tatsächlich ein ganz neues soziologisches Element hinzu, er ist nicht nur ein drittes zu den vorhandenen Zweien, das sich zu jedem von diesen ungefähr und nur in quantitativer Abschattung so verhielte, wie sie beide untereinander. Das Neue ist vielmehr das Hervorgehobene, dass er selbst eine obere und eine untere Grenze hat, dass an diesen fortwährender Austausch mit den beiden anderen Schichten stattfindet und durch diese ununterbrochene Fluktuation eine Grenzverwischung und kontinuierliche Übergänge erzeugt werden.“ (Simmel 1992 [1908]: 676)

20 Um ein Beispiel aus der in Kapitel 3 diskutierten Elitensoziologie aufzugreifen: Die Analyse der Struktur brasilianischer Eliten kann also nicht ohne ein Verständnis des brasilianischen Sozialraums insgesamt auskommen und verweist damit in letzter Konsequenz immer auch auf eine Soziologie der Favelas.

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Während nun mittleren Klassenlagen bei Bourdieu in den Betrachtungen des sozialen Raums durchaus eine besondere Aufmerksamkeit zukommt – so etwa in seinen Analysen zur Aufstiegsorientierung (Bourdieu 1987: 519ff., 531ff) –, werden mittlere Positionen in den feldtheoretisch gerahmten Schriften weniger prominent verhandelt. Gleichwohl finden sich auch dort wiederkehrend entsprechende Überlegungen, so etwa im Zusammenhang der Analyse des wissenschaftlichen Feldes, in der Bourdieu die Inhaber*innen von echten wissenschaftlichen Machtpositionen von „normalen Professoren“ (Bourdieu 1992: 149ff.) unterscheidet, die gerade für die Reproduktion der Feldstruktur von entscheidender Bedeutung seien, oder wenn die Rolle von „middlebrow“-Positionen in künstlerischen und literarischen Feldern diskutiert wird (vgl. Bourdieu 1983b: 327). Diese Beispiele weisen auf unterschiedliche formale Zusammenhänge hin, in denen mittleren Positionen zentrale Funktionen zukommen können: Zu nennen wäre in diesem Zusammenhang etwa ihre spezifische Rolle bei der Vermittlung von Herrschaft, wie sie schon bei Weber in der dreistelligen Herrschaftsbeziehung von Herrschenden, Herrschaftsunterworfenen und einem Verwaltungs- bzw. Erzwingungsstab in den Mittelpunkt gerückt wird („Denn Herrschaft ist im Alltag primär: Verwaltung“; Weber 1980 [1921/22]: 126). Zu denken wäre aber auch an mittlere Positionen eines Raumes oder Feldes, die für die extremen Positionen als Referenzen dienen: Etwa indem sie für aufstiegsorientierte Teile der unteren Klassen Vorstellungen von legitimen, erstrebenswerten Positionen und symbolischen Gütern verkörpern, während sie zugleich für herrschende Positionen die Folie für die Darstellung von Distanzierung und Ungezwungenheit bilden können (so grenzt sich ja etwa auch die „Spitzenforschung“ mit ihrer Exzellenzrhetorik insbesondere von einer wissenschaftlichen „Mittelschicht“ und nicht etwa von gänzlich marginalisierten Positionen ab).21 Schließlich wird auch die Doxa eines Feldes wesentlich von mittleren Positionen getragen und explizit vertreten, denn je machtvoller die Position in einem gegebenen Feld ist, umso eher mag sie sich von den Zwängen der Doxa (bzw. allgemeiner: der Form) loszusagen und mit der Freiheit des Virtuosen reüssieren. Undifferenziert von „der Mitte“ zu sprechen, birgt allerdings immer auch die Gefahr, einen sehr großen und höchst heterogenen Teil eines Feldes zu vereinheitlichen, hierdurch letztlich auch zu ontologisieren und damit wesentliche Prozesse aus dem Blick zu verlieren. Die hier angelegte Perspektive unterscheidet hingegen danach, in welchem Feld eine mittlere Position eingenommen wird und um welche 21 In jüngerer Zeit betont etwa auch Reckwitz (in loser Anlehnung an Bourdieu) die Relevanz der Mittelklassen zu unterschiedlichen Zeitpunkten: In seiner Gegenwartsanalyse behandelt er dabei die „neue Mittelklasse“ als die „wichtigste Trägergruppe“ der postindustriellen Gesellschaft sowie einer für die Spätmoderne insgesamt charakteristischen „Hyperkultur“ (Reckwitz 2017: 102ff., 298ff., 417ff., 2019: 29–61).

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Art mittlerer Position es sich dabei handelt (etwa: Aufstiegsorientierung vs. Abstiegsbedrohung, konservative vs. progressive Orientierungen etc.). Des Weiteren fragt sie nach dem Zusammenwirken verschiedener Felder und damit danach, wie diese Felder gemeinsam Orte im sozialen Raum erzeugen bzw. wechselseitig ihre jeweiligen Strukturen beeinflussen. Von empirischer Bedeutung ist dabei, dass in modernen Gesellschaften privilegierte Stellungen in einem Feld nicht automatisch mit Elitepositionen in (gar: allen) anderen Feldern einhergehen, sondern typischerweise mit einer Vielzahl von gehobenen mittleren Lagen. Die Frage lautet dann, wie verschiedene Felder in der Erzeugung von Positionen im sozialen Raum zusammenwirken und welche Felder und Feldpositionen in diesem Kontext besonders relevant sind. Hybride Klassenhabitus werden insofern auch in der „Mitte“ von Gesellschaften gerade dadurch erzeugt, dass Akteur*innen in unterschiedlichen sozialen Feldern unterschiedlich mächtige Stellungen einnehmen.22 Neben diesen Effekten auf einzelne Positionen und Habitusprägungen ist das Zusammenspiel unterschiedlicher Feldeffekte jedoch auch hinsichtlich der Struktur des sozialen Raumes insgesamt von Interesse: So lässt sich zum Beispiel die bereits seit langem konstatierte „Krise der Mitte“ (etwa: Mau 2012; Koppetsch 2013) als Ergebnis verschiedener Feldeffekte rekonstruieren, nämlich aufschlüsseln etwa in Wirkungen des politischen und des ökonomischen oder Legitimationseffekte des wissenschaftlichen Feldes. Entsprechend lassen sich auf dieser Grundlage dann spezifische Investitionsstrategien in ihrer Abhängigkeit von Felderverhältnissen verstehen, so beispielsweise, wenn strategisch in das eigene Sozialkapital investiert wird, um das Beziehungsnetzwerk mit Kontakten zu Akteur*innen zu erweitern, die in bestimmten sozialen Feldern vorteilhafte Positionen einnehmen (man denke nur an das klassische Muster der Heirat von Adel und Besitz – ein Muster, das sich durchaus in einem allgemeineren Sinne auf Felderverhältnisse übertragen lässt, nämlich insofern Akteur*innen ihre unterschiedlichen Feldzugehörigkeiten zu einem zentralen Moment von Heirats- oder Netzwerkstrategien werden lassen; vgl. auch Witte & Schmitz 2019). Das analytische Auflösungsvermögen einer solchen Perspektive lässt sich zudem in gesellschaftsvergleichender Perspektive veranschaulichen. So ließen sich etwa idealtypisch theokratische, sozialistische und neoliberal-kapitalistische Gesellschaften mit Blick auf die jeweiligen Machtbalancen zwischen Feldern unterscheiden, um sodann über diese holzschnittartige Typologie hinaus danach zu fragen, wie verschiedene Felder jeweils zur Strukturierung des sozialen Raums (bzw.

22 Womöglich ergibt sich die von Bourdieu (1998f: 97) beschriebene, für Teile der mittleren Klassen charakteristische „rationale Vorwegnahme der Zukunft“ daher gerade aus den mit mittleren Positionen einhergehenden Möglichkeiten und Zwängen, die von verschiedenen sozialen Feldern bereitgestellt bzw. ausgeübt werden.

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zur Entstehung spezifischer Positionen und Figurationen in diesem Raum) beitragen. Aber auch jenseits solcher Kontrastierungen lassen sich etwa Typen von Wohlfahrtsstaaten (vgl. Esping-Andersen 1990; Lessenich & Ostner 1998) und ihre jeweiligen Effekte auf die Stabilität oder auch Erosion mittlerer Klassenlagen über die jeweiligen Relationen und Hierarchieverhältnisse unterschiedlicher Felder rekonstruieren. Gesellschaftsvergleichende Perspektiven, die leichtfertig von identischen Bedeutungen des Konzepts „Mitte“ ausgehen, laufen daher schließlich auch Gefahr, dabei die strukturellen Differenzen zwischen unterschiedlichen Gesellschaften und ihren Feldstrukturen zu verkennen (siehe schon Bourdieu 2018 [1967]). So darf beispielsweise davon ausgegangen werden, dass sich aufstiegsorientierte Strategien in Abhängigkeit von diesen Strukturen insofern unterscheiden, als jeweils gefragt werden muss, über welche sozialen Felder überhaupt Aufstiege erreicht werden können, welche sozialen Felder also zum Bezugspunkt von Strategien werden, die auf die Zukunft gerichtet sind, und welche sozialen Felder umgekehrt eher Zukunftsängste induzieren. Das Feld der Macht als Feld der Felder Zusammengefasst plädieren wir in diesem Kapitel für eine umfassendere, genuin gesellschaftstheoretische Lesart der Feldtheorie, in der Felder – und damit auch das Feld der Macht – um ihre jeweiligen Publika, ihre Konsument*innen und Lai*innen erweitert werden. Ein konsequent relational angelegtes Feld der Macht muss es erlauben, die Gesamtheit von Machtrelationen und der in sie verstrickten Akteur*innen zu beschreiben, einschließlich der „schlechthin Beherrschten“ der beherrschten Klassen. Vor diesem Hintergrund lassen sich nun auch Bourdieus eigene grafische Visualisierungen (siehe Kapitel 2) in Zweifel ziehen. Das Feld der Macht lässt sich aus dieser Sicht nicht mehr von vornherein auf das obere Drittel des sozialen Raums beschränken, sondern müsste vielmehr, einer Folie gleich, in voller Größe über den sozialen Raum projiziert werden, so wie etwa auch in den Feinen Unterschieden mit dem „Raum der Lebensstile“ verfahren wird (vgl. Witte 2014: 102ff.). Fasst man die bisherigen Überlegungen und die daraus resultierenden Postulate nun abschließend zu einer integrativen Perspektive zusammen, so lässt sich eine Definition ableiten, die die Konzepte des sozialen Raums sowie des Feldes der Macht zu verbinden erlaubt. Wir definieren das Feld der Macht daher wie folgt (vgl. Schmitz et al. 2017):

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Das Feld der Macht bezeichnet diejenige analytische Perspektive auf den sozialen Raum, die Feldeffekte und feldspezifische Praktiken vor dem Hintergrund ihrer Wechselwirkungen in den Blick nimmt. Sie unterscheidet sich damit sowohl von Betrachtungsweisen, die ausschließlich sozialräumliche bzw. klassenspezifische Praktiken und deren Effekte fokussieren, als auch von der Untersuchung einzelner, relativ autonomer Felder als solcher. Diese Verschiebung (bzw. vielmehr: Erweiterung) der Perspektive auf das Feld der Macht als des umfassenden Feldes der Felder und Felderverhältnisse soll es ermöglichen, Sinn- und Machtverhältnisse in und zwischen spezifischen Feldern als gesamtgesellschaftliche Sinn- und Machtbeziehungen zu beobachten und zu untersuchen. Sie stellt damit explizit eine Überwindung der zuvor beschriebenen Vorstellung dar, in der lediglich die „oberen“, d. h. die Produktionsbereiche verschiedener Felder in ein hierarchisches Verhältnis gebracht werden. Die bis hier entwickelte Perspektive klärt auf diese Weise das Verhältnis von sozialem Raum (bzw. Klassen) und Feldern und liefert damit eine theoriekonsistente Verknüpfung der beiden grundlegenden gesellschaftlichen Differenzierungsformen; sie kommt also systematisch der Aufforderung nach, die „Theorie des sozialen Raums“ um eine Theorie der Felder und ihrer Auseinandersetzungen zu erweitern, in denen es „um die Rangfolge innerhalb jedes einzelnen Feldes wie deren Gesamtheit geht“ (Bourdieu 1985: 9). Sozialer Raum und soziale Felder, die „zwei Soziologien“ von sozialer Ungleichheit und sachlicher Differenzierung (Schwinn 2004a), müssen so nicht gegeneinander ausgespielt werden (Kieserling 2008; vgl. Petzke 2009), sondern lassen sich in einer Weise aufeinander beziehen, die beide Perspektiven auf moderne Gesellschaften gleichermaßen zu erhellen geeignet ist. Zu guter Letzt – und mit dieser Spaltung großtheoretischer Perspektiven ebenso eng verwandt wie mit dem in Kapitel 3 angesprochenen Schisma innerhalb der Elitensoziologie – erlaubt es diese analytische Integration aber auch, die klassischen Fragen nach dem Verhältnis von Integration und Konflikt einerseits, von Sinn und Macht andererseits in differenzierter Weise anzugehen: Das Feld der Macht als Feld der Felder kann nämlich nunmehr unter dem Gesichtspunkt unterschiedlicher (symbolischer und materieller) Herrschaftsverhältnisse gedacht werden, was die Berücksichtigung feldspezifischer Effekte auf Exklusionsprozesse im sozialen Raum ebenso einschließt wie die praktische Reproduktion von Klassenlagen und Felderverhältnissen. Wenn aber Herrschaftsverhältnisse im sozialen Raum als Effekte der Struktur des Machtfeldes bzw. der Hierarchieverhältnisse zwischen Feldern interpretiert werden können, fallen die Auseinandersetzungen im Feld der Macht und der Kampf um Herrschaftspositionen im sozialen Raum realiter in eins. Insofern liefert die Analyse des Machtfeldes und der Hierarchien zwischen sozialen Feldern zugleich einen präziseren Zugang zur symbolischen

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Teilung der Herrschaftsarbeit in ausdifferenzierten Gesellschaften (Bourdieu 2011). Die Kämpfe im Feld der Macht sind prinzipiell dadurch beschränkt, dass dominante Klassen verschiedene Formen der Herrschaft gleichzeitig prozessieren müssen, wobei das Nebeneinander unterschiedlicher, relativ autonomer Felder zugleich „dem Kampf aller gegen alle unter den Herrschenden eine Grenze [setzt]“ (Wacquant & Bourdieu 1991: 77). Diesen durch die Struktur moderner Gesellschaften eingehegten Auseinandersetzungen ist damit aber gerade ein integratives Moment im Sinne Durkheims oder auch Simmels eigen, denn die Pluralität von Feldern und damit verbundenen Herrschaftskämpfen selbst „begünstigt eine Art Komplementarität, die die Grundlage für eine wirkliche organische Solidarität in der Teilung der Herrschaftsarbeit abgibt“ (Wacquant & Bourdieu 1991: 77, Hervorh. im Orig.; vgl. auch Schmitz 2019). Konflikte innerhalb und zwischen sozialen Feldern und Klassen setzen also aus dieser Perspektive einen integrierten sozialen Zusammenhang analytisch ebenso voraus, wie soziale Integration vielfach als latenter Effekt gesellschaftlicher Konflikte verstanden werden kann. Fazit: Zur Pluralisierung der Feldanalyse Die Feldtheorie sowie die klassische Konzeption des Feldes der Macht bergen die Gefahr, jedweden sozialen Kontext vorschnell als ein autonomes Feld zu behandeln und dabei die relative Heteronomie sozialer Felder systematisch zu verkennen. Das bis hier weiterentwickelte Konzept des Feldes der Macht adressiert demgegenüber Fragen nach den Verhältnissen zwischen sozialen Feldern und setzt damit das Spannungsverhältnis von Autonomie und Heteronomie zentral. Damit wird ein Aspekt in den Mittelpunkt gerückt, der sowohl in den Arbeiten Bourdieus als auch in den Beiträgen von Autor*innen der Gegenwart weitgehend vernachlässigt bleibt. Dieser Tatbestand ist durchaus überraschend, bildet doch die Frage nach den Verhältnissen relativ autonomer sozialer Bereiche immer schon einen wichtigen Ausgangs- und Bezugspunkt soziologischer Gesellschaftstheorie; hinzu kommt der Umstand, dass sich Bourdieu selbst durchaus wiederkehrend mit empirischen Phänomenen befasste, deren analytische (und gesellschaftliche) Relevanz erst im Kontext der Frage nach Felderverhältnissen deutlich wird. In systematischer Hinsicht schließt die hier vorgeschlagene Weiterentwicklung zudem insofern eine Lücke, als ohne ein entsprechendes Metakonzept die Genese, die Struktur und die Dynamik von Klassenverhältnissen in differenzierten Gesellschaften ebenso wenig tiefenscharf gefasst werden können wie auch die Logik der Felder und ihrer Verhältnisse ohne Anbindung an den sozialen Raum und seine Klassenstruktur letztlich unklar bleiben muss. Insofern aber die Wirkungen des Feldes der Macht in allen anderen sozialen Feldern als konstitutiv erachtet werden,

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lassen sich weitreichende Fragen danach stellen, inwieweit die stratifikatorische Differenzierung nach Klassen (im weiteren Sinne) auch auf den Effekten multipler sachlicher Differenzierungen und Entdifferenzierungen gründet und inwieweit die Differenzierung sozialer Felder wiederum auch auf Klassenstrukturen und die durch sie hervorgebrachten Dynamiken zurückgeführt werden kann.23 Vor diesem Hintergrund haben wir das Konzept des Feldes der Macht, das im Kontext dieses Buches (wie auch der Schriften Bourdieus) bislang entweder als staatsnahes Metafeld oder als Elitenkonfiguration diskutiert wurde, in einer Weise reinterpretiert, die es im Ergebnis als Schlüsselbegriff der Bourdieu’schen Gesellschaftstheorie positioniert. Die zentrale Leistung dieser Gesellschaftstheorie besteht dabei darin, dass sie das Potenzial zur Integration von vielfach geschiedenen oder gar isolierten analytischen Perspektiven auf gesellschaftliche Verhältnisse zur Verfügung stellt: soziale Felder und sozialer Raum (bzw. Differenzierungstheorie und Soziologie sozialer Ungleichheit), Integration und Konflikt (bzw. Funktionalismus und Konflikttheorie) sowie Sinn und Macht (bzw. Idealismus und Materialismus). Zu den wenigen konzeptionellen Ansatzpunkten für diese Weiterentwicklung gehören die oben diskutierten Begriffe der „Intrusion“ und der „Homologie“. In den hierzu einschlägigen Arbeiten beschränkt Bourdieu seinen Blick allerdings auf negativ konnotierte Eingriffe in die Praxis sozialer Felder einerseits und auf Analogien zwischen ihren Strukturen andererseits. Die Frage nach Felderverhältnissen wurde so – entgegen einer ansonsten stark konstruktivistisch geprägten und entsprechend gegenstandsoffenen Forschungspraxis – tendenziell auf eine empirische Form von Wechselwirkungen bzw. auf eine empirische Variante struktureller Verhältnisse enggeführt. Kaum systematische Beachtung fanden in dieser Fassung andere Effekte, etwa die wechselseitige Ermöglichung sozialer Praxis in verschiedenen Feldern oder auch unterschiedliche Grade der Homologie (idealiter zwischen perfekter Homologie und vollständiger Inkongruenz). Ein verallgemeinertes Konzept des Feldes der Macht erlaubt es hingegen, auch andere Konstellationen und Effekte in den Blick zu nehmen: Die Vielfalt möglicher empirischer Verhältnisse zwischen Feldern, seien sie solche der (Un-)Ähnlichkeit von Strukturen oder solche der (Dys-)Funktionalität von Prozessen, finden innerhalb des generalisierten Feldes der Macht gleichermaßen ihren analytischen Ort. Die entscheidende Frage lautet dann, wie diese Strukturen und Prozesse theoretisch zu konzipieren und sodann empirisch zu untersuchen sind. In diesem Kapitel haben wir daher verschiedene analytische Mechanismen (Kapitalverhältnisse, Habitus und Praxis, Organisationen und Diskurse etc.) benannt, die 23

Wichtige und weiter zu verfolgende Anregungen für das hier skizzierte Forschungsprogramm finden sich im Neofunktionalismus sowie in den Arbeiten von (und im Anschluss an) Shmuel Eisenstadt (vgl. Alexander 1985; Alexander & Colomy 1990; Eisenstadt 2003; Sachsenmaier et al. 2002).

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ebensolche Verhältnisse und Wechselwirkungen zwischen Feldern herstellen und sie entsprechend zu beschreiben erlauben. Die hier vorgeschlagene Fassung, nach der das Feld der Macht als die feldanalytische Perspektive auf den sozialen Raum, d. h. als das umfassende Feld der Felder und Felderverhältnisse verstanden wird, stellt der Soziologie insofern ein differenziertes Konzept zur Verfügung, das Forschungsfragen zu motivieren und anzuleiten erlaubt.24 So ist beispielsweise systematisch zu untersuchen, welche Typen von Feldeffekten mehr oder weniger direkt auf andere Felder wirken, in welchen Fällen Effekte eher indirekt (über „Intermediäre“) auftreten und wo Feldeffekte in dem Sinne vermittelt über Transformationen des Feldes der Macht erfolgen, dass entweder keine quantitativ sinnvoll begrenzbare Anzahl signifikanter Einflüsse (und Mediationen) behauptet werden kann oder die Form der Mediation sinnvoller über die Logik der Felderverhältnisse im Feld der Macht selbst zu begreifen ist als über die Reduktion auf Einzelfelder und ihre isolierten Effekte. Des Weiteren eröffnet die skizzierte integrierte Perspektive auf Klassen und Felder bzw. sozialen Raum und Feld der Macht ein weites Feld von Forschungsfragen im Bereich der Ungleichheitsforschung: Wie wird beispielsweise in Feldern, die typischerweise nicht im Zentrum dieser Forschungsrichtung stehen (Kunst, Sport, Medien etc.) soziale Ungleichheit (mit-)erzeugt, und wie interagieren diese Effekte mit eher „klassischen“ Anwärtern wie den ungleichheitsrelevanten Wirkungen des Bildungsfeldes oder der Politik (im kumulativen, alterierenden, moderierenden etc. Sinne)? Wie wirkt die Struktur von Klassenlagen im sozialen Raum wiederum jeweils auf die Binnenstruktur und die Kämpfe sozialer Felder zurück? Welche Rolle spielen in diesen Prozessen multiple Konversionschancen? Und wie lassen sich die analytischen Potenziale etwa von organisationssoziologischen Ansätzen, von netzwerk- oder diskursanalytischen Verfahren weitergehend für eine Analyse von Felderverhältnissen und ungleichheitssoziologischen Fragestellungen fruchtbar machen? Dabei wiederholt sich der schon für die Theorie in ihrer 24 Zugleich erlaubt es die Frage danach systematisch zu stellen, wie sich das in Kapitel 3 diskutierte Feld der Macht im Sinne von Elitenetzwerken zu dem hier vorgeschlagenen, allgemeineren Konzept verhält. Zum einen wird dabei durch die Betonung der Interdependenzen mit anderen sozialen Gruppen und den verschiedenen sozialen Feldern die immer nur relative Machtstellung sozialer Eliten sichtbar. In Norbert Elias’ Konzeption der höfischen Figuration wurde dieser Aspekt noch deutlich betont: So wie der König keineswegs die Macht am Hofe „besaß“, sondern sich seinerseits in vielfältigen Abhängigkeitsbeziehungen befand, so war auch das Ancien Régime in seiner Gesamtheit selbst Teil einer umfassenderen gesellschaftlichen Figuration und damit nur ein Element im Rahmen noch komplexerer Machtbalancen – was die streng elitensoziologische Lesart gleich in mehrfacher Weise relativiert. Zum anderen lässt sich jedoch auch der Gedanke eines Feldes der Begegnung unterschiedlicher Eliten – im Sinne „ausgewählter“ (lat. elegere = wählen) Akteur*innen aus verschiedenen Feldern – verallgemeinern, um die wiederkehrenden Formen solcher Begegnungen sozialräumlich zu verorten. So mag durchaus auch von einem lokalen Machtfeld gesprochen werden, wenn z. B. Mafiabosse wiederkehrend mit lokalen Politiker*innen und Polizeibeamt*innen interagieren.

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ursprünglichen Fassung kennzeichnende Anspruch, solche Phänomene auch in ihrer Dynamik und mit Blick auf ihre kurz- oder langfristige Prozesshaftigkeit zu rekonstruieren. Ein in diesem Sinne erweitertes Feld der Macht liefert den analytischen Rahmen, um derartige und weitere Fragen überhaupt erst systematisch formulieren zu können und erlaubt damit, die Theorie sozialer Felder und Räume in (noch) umfassenderer Weise als Gesellschaftstheorie fruchtbar zu machen. Ähnlich der Diskussion um nationale und globale Eliten (Kapitel 3) ergibt sich aus einer solchen gesellschaftstheoretischen Lesart dann allerdings eine entscheidende Frage, nämlich jene nach der jeweiligen Analyseebene, d. h. nach der lokalen, nationalen, transnationalen oder globalen Verfasstheit des auf diese Weise modifizierten Feldes der Macht. Erschwerend kommt hinzu, dass gerade dieses Schlüsselkonzept – in allen seinen bei Bourdieu anzutreffenden Lesarten – einen methodologischen Nationalismus und ein dazugehöriges „Container“-Denken transportiert, das sich bei seiner Übertragung insbesondere auf transnationale und globale Zusammenhänge als hinderlich erweist. Dieser Herausforderung widmen wir uns im nächsten Kapitel. Literatur Alexander, Jeffrey C. (Hg.) (1985): Neofunctionalism, Beverly Hills et al.: Sage. Alexander, Jeffrey C./Paul B. Colomy (Hg.) (1990): Differentiation Theory and Social Change: Comparative and Historical Perspectives, New York: Columbia University Press. Baier, Christian/Andreas Schmitz (2012): Organisationen als Akteure in sozialen Feldern – Eine Modellierungsstrategie am Beispiel deutscher Hochschulen, in: Stefan Bernhard/Christian Schmidt-Wellenburg (Hg.): Feldanalyse als Forschungsprogramm 1. Der programmatische Kern, Wiesbaden: Springer VS, 191–220. Baier, Christian/Andreas Schmitz (2019): Organizational Environments and Field Theory: The Example of the Field of German Universities 2002–2014, in: Jörg Blasius/Frédéric Lebaron/Brigitte Le Roux/Andreas Schmitz (Hg.): Empirical Investigations of Social Space, Cham: Springer, 305–322. Blasius, Jörg/Joachim Winkler (1989): Gibt es die „feinen Unterschiede“? Eine empirische Überprüfung der Bourdieuschen Theorie. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 41 (1): 72–94. Bongaerts, Gregor (2008): Verdrängungen des Ökonomischen. Bourdieus Theorie der Moderne, Bielefeld: transcript. Bourdieu, Pierre (1959): Le choc des civilisations, in: Secrétariat social d’Alger (Hg.): Le sous-développement en Algérie, Algiers: Secrétariat social, 52–64. Bourdieu, Pierre (1971a): Genèse et structure du champ religieux. In: Revue française de sociologie 12 (3): 295–334.

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5 Vom nationalen zum globalen Feld der Macht Andreas Schmitz & Daniel Witte Im vorangegangenen Kapitel wurde gezeigt, wie das Konzept des Feldes der Macht durch einige Modifikationen als ein gesellschaftstheoretischer Schlüsselbegriff fungieren kann. Neben die elitensoziologische Verwendung des Konzepts (Kapitel 3) und die differenzierungstheoretische Deutung als Metafeld der Felder (Kapitel 4) tritt bei Bourdieu allerdings noch eine dritte, nämlich staatssoziologische Verwendungsweise, in der das Feld der Macht mitunter sogar mit dem Staat gleichgesetzt wird (siehe auch Kapitel 2). Der Staat wird in diesem Kontext durchgängig als Nationalstaat konzipiert, was eine problematische Engführung auf nationale Untersuchungseinheiten mit sich bringt. So ist auch die an Bourdieu anschließende Forschung wesentlich auf die Analyse nationaler Machtfelder beschränkt (vgl. Lebaron 2001; Hjellbrekke et al. 2007; Schneickert 2015, 2016, 2018; Börjesson & Broady 2016). Während dies für viele Fragestellungen eine angemessene oder hinreichend pragmatische Vorgehensweise darstellen mag, bleiben internationale, transnationale und globale Zusammenhänge gleichwohl untertheoretisiert. In dem Maße, in dem wir uns für Phänomene globaler Reichweite interessieren, vermag das Konzept mit seiner nationalen Begrenzung daher einen allgemeinen analytischen und gesellschaftstheoretischen Anspruch nicht einzulösen. Die zentralen damit verbundenen Probleme werden in diesem Kapitel adressiert. Dabei schließen wir an die im vorherigen Kapitel dargestellten Modifikationen an, mit denen das Feld der Macht als umfassendes Feld der Felder rekonzipiert wurde. Der Streitfrage nach der empirischen Relevanz des Nationalstaates sowie seiner analytischen Stellung in der Theoriearchitektur kommt in diesem Zusammenhang eine entscheidende Bedeutung zu. Angesichts eines „kosmopolitischen“ Diskurses einerseits, in dem zu Recht auf die Problematik einer ebenso unreflektierten wie unkontrollierten nationalstaatlichen Rahmung soziologischer Forschung hingewiesen (und darüber hinaus von vielen Seiten bereits das Ende des Nationalstaats postuliert) wurde, sowie der Einsicht andererseits, dass auch drei Jahrzehnte nach der ersten Hochphase der Globalisierungsdebatte in der Soziologie nach wie vor von seiner unbestreitbaren (wenngleich relativierten) Bedeutung ausgegangen werden muss, stellt sich die Frage, wie die von Beck und Grande (2010) postulierte „Einbettung des Nationalen“ im Detail zu vollziehen wäre, ohne darüber seine Relevanz entweder überzubetonen oder zu negieren. In dieser Absicht werfen wir im nächsten Abschnitt zunächst einen Blick auf die Rolle des Nationalstaats in Bourdieus eigenen Schriften. Sodann befassen wir uns mit einer © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 C. Schneickert et al., Das Feld der Macht, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31930-4_5

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ersten Erweiterung des Ansatzes, bei der sub- und supranationale Machtfelder in den Blick rücken. Daran anschließend befassen wir uns mit internationalen Feldern und dem internationalen Feld der Macht als einer analytischen Perspektive auf Verhältnisse zwischen nationalen Entitäten. Um den feldtheoretischen Ansatz im Diskurs der Transnationalisierungs- und Globalisierungstheorien verorten zu können, erfolgt sodann eine knappe Kartierung dieses mittlerweile recht unübersichtlichen Forschungsbereichs. Dabei wird deutlich, dass auch dieser Bereich von etablierten Dichotomien durchzogen ist, wie sie bereits in den Kapiteln 3 und 4 diskutiert wurden. An diese Sondierung anschließend wird zunächst auf die Konzeption transnationaler Machtfelder eingegangen und schließlich ein Vorschlag entwickelt, wie der methodologische Relationalismus Bourdieus fruchtbar gemacht werden kann, um das im vorherigen Kapitel skizzierte generalisierte Feld der Macht zu einem globalen Feld der Sinn- und Machtverhältnisse zu erweitern. Im letzten Abschnitt wird diskutiert, wie Phänomene globalen oder transnationalen Zuschnitts analytisch und empirisch zu nationalen und lokalen Logiken und Strukturen in ein Verhältnis gesetzt werden können. Wir formulieren damit im Folgenden zunächst eine allgemeine Kritik am methodologischen Nationalismus des Feldes der Macht und zeigen in weiteren Schritten auf, wie sich das Konzept im Anschluss an die bisherigen Überlegungen als Rahmenkonzept einer Theorie globaler Vergesellschaftungen begreifen und für entsprechende soziologische Analysen nutzen lässt. Der Nationalstaat nimmt in diesem Rahmen eine durchaus zentrale Rolle ein, ohne dass damit zugleich gesellschaftliche auf staatliche oder nationale Zusammenhänge reduziert werden müssten. Vielmehr lässt sich das im vorherigen Kapitel modifizierte Feld der Macht im Kontext des Transnationalisierungs- und Globalisierungsdiskurses auf unterschiedliche Weisen fruchtbar machen. Der Nationalstaat in der Soziologie Bourdieus In Bourdieus empirischen Studien bestimmt der Nationalstaat vielfach den Zuschnitt des Untersuchungsgegenstandes, etwa der typischerweise national gefassten Klassenkonflikte und Distinktionskämpfe oder der verschiedenen sozialer Felder (z. B. des französischen Feldes der Literatur, siehe Bourdieu 1999a). Aber auch zentrale Annahmen der übergreifenden Theorieanlage werden eng an den Nationalstaat geknüpft: Das Gesamtensemble sozialer Felder findet seine analytische Klammer in Staat und Nation, insofern die auf der Akkumulation spezifischer Kapitalia fußenden sozialen Felder „voneinander abhängig [sind] und […] ein Ganzes [bilden], und es […] diese Totalisierung [ist], die die Besonderheit des

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Staates ausmacht“ (Bourdieu 2014: 347). Für Bourdieus Soziologie in ihrer ursprünglichen Fassung (siehe Kapitel 2) ist der Nationalstaat folglich von entscheidender analytischer Bedeutung, da ihm sowohl der Status eines Integrations- und Bezugsrahmens für die Relationen zwischen den unterschiedlichen sozialen Feldern als auch der Status einer Erklärungsinstanz feldinterner Strukturen und Prozesse selbst zugewiesen wird (vgl. Schmitz & Witte 2017, 2020; Witte & Schmitz 2020). In ähnlicher Weise wird der Staat mit Blick auf die ihm zugeschriebene Macht zur Welterzeugung, die Etablierung von Sicht- und Teilungsprinzipien sowie seine Funktion als Konsekrationsinstanz zur „Zentralbank des symbolischen Kapitals“ (Bourdieu 2014: 222) erklärt. Im Anschluss an Durkheim und Mauss (1987 [1901/02]; Durkheim 1994 [1912]) wird das spezifische und historisch kontingente institutionelle Setting des Nationalstaates als zentraler Mechanismus der kognitiven und moralischen Integration von Gesellschaft gedacht: Angesichts dieser Schlüsselrolle des Staates bei der Vereinheitlichung von Denk- und Wahrnehmungsweisen, bei der Durchsetzung universalisierter und weitgehend unhinterfragter (d. h. doxischer) Klassifikations- und Wahrnehmungsprinzipien, Begriffe und Kategorien sowie legitimer Meinungen und Moralvorstellungen spricht Bourdieu auch von einem „Staatsdenken“ (Bourdieu 2014: 17, vgl. auch 131f., 295ff.; siehe ferner Kapitel 2, ausführlicher dazu auch Witte 2018b). Insgesamt kommt dem Nationalstaat damit eine zentrale Stellung in der Konstruktion, Aufrechterhaltung und Reproduktion sozialer Ordnung, d. h. in der Rahmung der Auseinandersetzungen zwischen Feldern sowie in der Strukturierung von Klassenkämpfen zu. Der Umstand, dass dem Nationalstaat über lange Zeit wie selbstverständlich eine so fundamentale Rolle zugeschrieben wurde, ging damit einher, dass dieser Gegenstand von Bourdieu (2004 [1989]; 2014 [1989–1992]) erst relativ spät explizit hinterfragt und seinerseits zum Untersuchungsobjekt gemacht wurde (vgl. auch Wacquant & Akçaoğlu 2017), sodass die damit verbundenen gesellschaftstheoretischen und epistemologischen Implikationen über lange Zeit unberücksichtigt blieben. Dies mag zunächst auch deshalb unproblematisch geschienen haben, weil viele der von Bourdieu adressierten Fragestellungen gewissermaßen qua Definition unter nationalen Vorzeichen formuliert werden konnten und der nationale Bezugsrahmen aufgrund seiner faktischen Bedeutung für zahlreiche Phänomene (etwa die Reproduktion von Ungleichheiten in einem nationalen Bildungssystem) hinreichende Erkenntnisse zu Tage förderte. Über diese empirischen Fragen hinaus fungiert der Nationalstaat jedoch bei Bourdieu gleichsam als ein funktionales Erfordernis der gesamten Gesellschaftstheorie und überdies auch in erkenntnistheoretischer Hinsicht als ihr notwendiges Apriori (vgl. Riley 2015: 263; Schinkel 2015: 216; Schmitz & Witte 2017). Damit bildet der Nationalstaat allerdings nicht nur in verschiedenen Hinsichten eine tragende Säule

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der Theoriearchitektur, sondern der nationale Bezugsrahmen wirkt auch in scheinbar selbstverständlicher Weise auf die Formatierung von Forschungsfragen, theoretischen Überlegungen und empirischen Arbeiten ein. Insgesamt muss damit die Kritik am „methodologischen Nationalismus“ der Soziologie (Beck & Grande 2010; Wimmer & Glick-Schiller 2002) auch an die Adresse Bourdieus gerichtet werden. Zur Überwindung dieser Limitierung werden im Folgenden fünf analytische Zugänge aufgezeigt, die es erlauben, das Konzept des Feldes der Macht auch jenseits nationalstaatlicher Grenzen als ein analytisches Werkzeug fruchtbar zu machen: (i) subnationale Machtfelder, (ii) supranationale Machtfelder, (iii) internationale Machtfelder, (iv) transnationale Machtfelder, sowie schließlich (v) das globale Feld der Macht als den weitesten analytischen Bezugsrahmen, durch den die zuvor genannten Feldertypen theoretisch integriert und aufeinander bezogen werden können. Sub- und supranationale Machtfelder Bei aller Augenfälligkeit von Vergesellschaftungsprozessen, die wir „jenseits“ des Nationalstaates verorten, muss doch gleichzeitig mitbedacht werden, dass bereits soziale Phänomene „unterhalb“ des nationalstaatlichen Bezugsrahmens theoretisch wie empirisch relevante Untersuchungsgegenstände darstellen. Ebenso gilt auch für „subnationale“ Felder, dass sie als potenzielle Quellen sozialer und politischer Integration fungieren können, wie historische Prozesse der Vergesellschaftung vor dem Aufkommen von Imperien, Dynastien und später Nationalstaaten bezeugen (vgl. Bourdieu 2014: 345). Die Herausbildung von Nationalstaaten kann dabei historisch als ein Prozess der Aus-, Re- und Entdifferenzierung verschiedener sozialer Felder und einer damit einhergehenden Akkumulation von Meta-Kapital begriffen werden. Ebensolche Prozesse fanden bereits in früheren Epochen auf kleinformatigeren Territorien und mit einem geringeren Maß an institutioneller Integration statt (vgl. Elias 2004 [1970]: 176).25 Aber auch heute liefern Autonomiebewegungen zahlreiche Beispiele dafür, dass die Aufgaben und Funktionen, die Bourdieu dem Nationalstaat zugeschrieben hatte, auch „unterhalb“ dieser institutionell, kulturell und geographisch spezifischen (Kon-)Figuration erbracht wurden und wieder erbracht werden können. In diesem Sinne lassen sich spezifische (etwa sezessionistische) Formen des Nationalismus gerade als Hinweise auf 25 Elias (2017 [1982]: 23) nennt in diesem Zusammenhang unter anderem auch Stadtstaaten, die bereits „den Charakter von Staaten mit ihren eigenen Monopolen physischer Gewalt und Besteuerung“ aufwiesen und gegenüber anderen Staaten und Machthabern eine „gewisse Autonomie bewahren“ konnten.

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misslungene Prozesse einer (national-)staatlichen Monopolisierung von Meta-Kapital begreifen. Das Ringen um Meta-Kapital kann also nicht per definitionem und über alle historischen und regionalen Fälle hinweg auf staatliche Akteure bzw. Felder im modernen (und letztlich „westlichen“) Sinne enggeführt werden. Im Gegenteil: So wie die Entstehung des modernen europäischen Nationalstaats mit dem Aufkommen eines juristischen Corps verknüpft war, so ist auch die relativierte Bedeutung dieser gesellschaftlichen Organisationsform mit der sinkenden Relevanz staatlicher Eliten (sowie staatlichen Kapitals) verbunden. Entsprechend wird auch der „performative Diskurs über die öffentliche Sache“ (Bourdieu 2004: 42) in spezifischen Konstellationen immer weniger in nationalstaatlichen Kategorien und von genuin staatlichen Akteuren – beispielsweise auf europäischer Ebene immer weniger von Jurist*innen und umso häufiger von Ökonom*innen und Expert*innen – geführt (vgl. Schmidt-Wellenburg 2017, 2018). In den Kampf um Meta-Kapital treten neben nationalen und subnationalen Entitäten so zunehmend auch „supranationale“ Felder ein, also etwa Unternehmen oder Institutionen wie die UNO, die Weltbank oder der Weltsicherheitsrat, aber vor allem auch Staatenbünde. Eine Möglichkeit, den methodologischen Nationalismus der Feldtheorie zu überwinden, kann also darin bestehen, theoriekonsistent solche Entitäten „oberhalb“ des Nationalstaates zu konzeptualisieren und in die feldtheoretische Perspektive zu integrieren: Supranationale Felder können dann als Ersatz für nationale Machtfelder im Sinne Bourdieus interpretiert werden, sodass beispielsweise ein „europäisches Machtfeld“ die Rolle und die Funktionen vormals nationaler Machtfelder (vollständig oder in Teilen) übernimmt (vgl. Lebaron 2001, 2008). Tatsächlich stellt dies eine mögliche Konstruktion innerhalb der im letzten Kapitel diskutierten generalisierten Konzeption der Feldtheorie dar. Diese Konzeption erlaubt es nämlich, die Akkumulation von Meta-Kapital auch jenseits einzelner nationaler Entitäten zu betrachten und etwa die Effekte supranationaler Machtfelder auf andere soziale Felder zu untersuchen. So kann beispielsweise die (globale) Ökonomie heute nicht ohne den institutionellen Rahmen operieren, der erst durch supranationale Akteure, Institutionen (etwa Vertragsabkommen) und Felder gewährleistet wird. Von Interesse ist dann aber auch hier, welche Strukturen solche supranationalen Felder herausbilden und durch welche relativ autonomen Eigenlogiken sie sich gegenüber anderen sozialen (z. B. nationalen) Feldern auszeichnen. Gleichwohl werden die zuvor genannten Probleme, die sich aus der engen Anbindung der Feldtheorie an nationale Bezugsrahmen ergeben, auf diese Weise lediglich „auf höherer Stufenleiter“ reproduziert: Wie und warum sollten etwa die geographischen und institutionellen Grenzen von „Europa“ als plausible Begrenzungen der soziologischen Perspektive fungieren und die Soziologie damit gleichsam in einen „methodologischen Eurozentrismus“ verfallen? Reproduzieren wir dabei nicht Definitionen und Grenzen, die der Deutungsmacht

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politischer und rechtlicher Felder entspringen und die entsprechend vielmehr selbst als Feldeffekte zu verstehen wären? In welchem Denkraum ließe sich dann aber noch systematisch die Einsicht formulieren, dass die Europäische Union ihrerseits von anderen Feldern beeinflusst und strukturiert wird? Ganz offensichtlich lassen sich also zwar zahlreiche empirische Phänomene unter dem Gesichtspunkt supranationaler Felder analysieren – es handelt sich hierbei gleichwohl um einen vergleichsweise kleinen Ausschnitt von Phänomenen und entsprechend um lediglich eine analytische Perspektive innerhalb einer allgemeinen Feldtheorie. Internationale Felder Um die Feldtheorie weiter für Phänomenbereiche jenseits einzelner Nationen zu öffnen, lassen sich zunächst unterschiedliche nationale Machtfelder (bzw. Staaten und Länder) relationieren, die als Akteure in einem internationalen Feld der Macht konstruiert werden können. Dieses Vorgehen reiht sich in eine Vielzahl ähnlich gelagerter Forschungsunternehmungen ein und kann damit zugleich an diese anschließen: an Ländervergleichsstudien, wie sie etwa in der Ökonomie, den quantitativ-empirischen Kulturwissenschaften und auch unterschiedlichen Teilbereichen der Soziologie praktiziert werden, aber auch an Theorien internationaler Beziehungen sowie die dazugehörige, zum Teil mittlerweile ebenfalls praxistheoretisch verfahrende Forschung. Eine explizite paradigmatische Nähe zur Soziologie Bourdieus ist dabei in praxistheoretischen Zugängen im Bereich der Internationalen Beziehungen bzw. International Relations (IB/IR) auszumachen (Bigo 2011; Adler-Nissen 2013a; Gadinger 2017). Im Gegensatz zum Mainstream dieses Forschungsbereichs der Politikwissenschaften, der traditionell die („meso-“ und „makrosoziologischen“) Beziehungen zwischen Nationalstaaten behandelt, wird in diesen Ansätzen insbesondere der alltägliche Vollzug von Praktiken auf der Mikroebene in den Blick genommen und untersucht, wie es „Gruppen und Gemeinschaften gelingt, durch ein praktisches Verständnis, ein verkörpertes, implizites Wissen und einer [sic!] regelmäßigen kompetenten Ausführung von Praktiken eine relationale soziale Ordnung aufrecht zu erhalten bzw. neu hervorzubringen. Das alltägliche Praxisgeschehen der internationalen Politik und die darin zu beobachtenden und ausgeführten Praktiken werden damit zum Untersuchungsgegenstand“ (Gadinger 2017: 399). Mit diesem Perspektivenwechsel erfolgt zugleich eine weitreichende Dezentrierung des Staates. Adler-Nissen (2013b: 1f.) rekurriert in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf Bourdieu als Gewährsmann für eine Optik, die gerade die alltäglichen Praktiken internationaler Politik, ihre symbolischen Strukturen und multiplen Kampfschauplätze zentral setzt und damit den Fokus der Theorie

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internationaler Beziehungen auf die Praxis menschlicher Akteur*innen („state representatives“; vgl. Adler-Nissen & Pouliot 2014: 891) verschiebt: Der Staat wird hierdurch gleichsam „entinstitutionalisiert“ und der Blick freigemacht auf eine mehrdimensionale Logik der Konstitution politischer Ordnungen. Das Potenzial dieser Perspektivenverschiebung hin zu einer praxeologischen (bzw. explizit „mikrosoziologischen“) Analyse (vgl. Adler-Nissen 2016) wird gleichwohl teuer erkauft: Indem sich das Untersuchungsinteresse dezidiert auf menschliche Akteur*innen und damit auf die Welt interpersonaler Begegnungen, auf die Interaktionen und Kämpfe von Individuen in der Rolle staatlicher Repräsentant*innen reduziert, gerät die „makrostrukturelle“ Perspektive der politischen Soziologie und anderer Disziplinen demgegenüber – und angesichts des in den Blick genommenen Gegenstandsbereichs durchaus: paradoxerweise – zu kurz.26 Aus einer relationalen Perspektive hingegen, die sich bereits dieser Dichotomie von „Mikro“ und „Makro“ sowie der damit einhergehenden, scheinbar selbstverständlichen Zuordnung von Entitäten zu entziehen versucht, scheint eine flexiblere Herangehensweise angezeigt, wirft sie doch die grundlegendere Frage auf, welche Einheiten überhaupt als „Akteure“ in sozialen Räumen oder Feldern in Frage kommen. Die Zuschreibung des Akteursstatus sowie die Zuordnung von unterschiedlichen Entitäten zur „Mikro-“ respektive „Makroebene“ (sofern überhaupt an dieser Unterscheidung festgehalten werden soll) müssen hier immer wieder neu, nämlich in Abhängigkeit von der jeweiligen Fragestellung vorgenommen werden.27 26 Der Begriff der „Makroebene“ ist – zumindest innerhalb der hier mobilisierten relationalen Theorie – problematisch, da dem dabei behandelten (wie jedem anderen) Gegenstandsbereich keine „Makro-“ oder „Mikro-“ Eigenschaften jenseits des jeweiligen analytischen Zugriffs inhärent sind. So mag etwa die Analyseeinheit „Nation“ je nach Forschungsfrage als mikro-oder makrosoziologisches Konzept dienen. 27 Eine Ausweitung des Akteursstatus auf Organisationen und Staaten, wie sie sich damit bereits andeutet, wird für die moderne Gesellschaft programmatisch etwa im Neoinstitutionalismus vertreten (Meyer & Jepperson 2000). Das bei Bourdieu so zentrale Habituskonzept scheint dagegen auf den ersten Blick für die Beschreibung menschlicher Akteur*innen allein entworfen, weist es doch der Körpergebundenheit sozialer Praxis eine zentrale Bedeutung zu. Im Unterschied zu dieser praxeologischen Engführung bietet der relationale Konstruktivismus der Habitus-Feld-Theorie aber durchaus die Möglichkeit, ganz unterschiedliche (d. h. ebenso nicht-menschliche) Entitäten unter dem Gesichtspunkt ihres Akteursstatus zu betrachten. Entsprechend können auch etwa Organisationen als Akteure behandelt (Bourdieu 1999b) und soziale Felder explizit als Relationen von (menschlichen) Akteur*innen und/ oder Institutionen definiert werden (Bourdieu & Wacquant 1996: 127, vgl. überdies 135, 142ff.; Baier & Schmitz 2012). Der Feldbegriff trifft an dieser Stelle zudem keine Vorentscheidung über seinen Anwendungsbereich: Neben gesellschaftlichen Teilbereichen wie beispielsweise Wissenschaft oder Kunst lassen sich damit ebenfalls soziale Interaktionskontexte im weiteren Sinne (zum Beispiel lokale Heiratsmärkte) beschreiben, aber eben auch spezifische Organisationen wie etwa Universitäten oder Unternehmen. Hieraus aber eröffnet sich die analytisch bedeutsame prinzipielle Möglichkeit, eine gegebene Entität sowohl innerhalb eines bestimmten Feldes als auch selbst als ein Feld zu betrachten (Emirbayer & Johnson 2008). Nach diesem relationalen Verständnis lassen sich auch Staaten als Akteure begreifen und aus der Perspektive des Feldes der Macht entsprechend hinsichtlich ihrer latenten

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Mit der Auflösung staatlicher Beziehungen in der Praxis seiner konkreten „Repräsentant*innen“ und dem damit einhergehenden Verlust an Tiefenschärfe bei der Analyse der strukturellen Bedingungen dieser Praxis schießt der practical turn in den Internationalen Beziehungen somit in gewisser Hinsicht über sein Ziel hinaus. Er verhält sich damit komplementär zur klassischen politikwissenschaftlichen Theorie der Internationalen Beziehungen, die ausschließlich ebenjene Strukturen in den Blick nimmt. Dabei wird typischerweise eine „internationale“ Perspektive zugrunde gelegt, der zufolge staatliche Akteure als mit differentiellen Machtchancen handelnde Einheiten innerhalb eines Feldes von Nationalstaaten verstanden werden. Staaten werden dann etwa danach unterschieden, inwieweit sie über „soft power“ und „hard power“ verfügen, wobei auch eine dritte, nämlich strukturelle Machtform diskutiert wird, welche die Durchsetzungsfähigkeit von Staaten jenseits ihrer unmittelbaren Machtressourcen bezeichnet (Gu 2012; Barnett & Duvall 2005). „Internationale Beziehungen“ beschreiben dann in erster Linie politische, diplomatische und militärische Beziehungen zwischen Staaten, die wie klassische kollektive Akteure betrachtet werden können (vgl. Heiberger & Schmitz 2019). Der Begriff der „Internationalität“ bezeichnet in diesem Sinne die spezifischen Relationen zwischen Staaten bzw. staatlichen Akteuren. Neben dieser genuin politikwissenschaftlichen Perspektive existiert eine facettenreiche wirtschaftswissenschaftliche Tradition, in der „International Relations“ als wesentlich ökonomische Beziehungen betrachtet und beispielsweise der internationale Geld- und Zahlungsverkehr, internationale Warenströme oder das internationale Bankenwesen in den Blick genommen werden (vgl. als Überblick Thompson 2011; Dicken 2015). Thematisiert werden hierbei insbesondere auch die institutionellen politischen und rechtlichen Kontexte der internationalen Ökonomie (vgl. etwa Djankov et al. 2003; aus Sicht der Politischen Ökonomie z. B. Gilpin 2016) sowie – jüngst erneut wieder besonders öffentlichkeitswirksam – die Unterschiede in der Verteilung von Vermögen und Einkommen zwischen Nationen (Piketty 2014). Eine kulturwissenschaftliche Perspektive auf internationale Beziehungen im Sinne interkultureller Verhältnisse zeichnet sich ferner dann ab, wenn kulturspezifische Merkmale zur Grundlage der Beschreibung nationaler Eigenheiten und Unterschiede gemacht werden. Aus der quantitativ-vergleichenden Forschung sind hier etwa die sechs von Geert Hofstede (2001) vorgeschlagenen Dimensionen von Kultur zu nennen, die es ermöglichen sollen, Kulturen und damit auch Nationen zu vergleichen (Machtdistanz, Individualismus vs. Kollektivismus, Maskulinität vs. Femininität, Unsicherheitsvermeidung, Langzeit- vs. Kurzzeitorientierung sowie Nachgiebigkeit vs. Selbstbeherrschung). Als ein Anwendungsbeispiel und manifesten Beziehungen in den Blick nehmen (vgl. zu dieser Unterscheidung auch Witte & Schmitz 2019).

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für diese Forschungsrichtung kann die Frage dienen, welche Konflikte das Aufeinanderprallen unterschiedlicher Kulturen in internationalen Unternehmen evoziert; ähnliche indikatorengestützte Verfahrensweisen finden sich auch in der interkulturell vergleichenden (Sozial-)Psychologie. Die Beiträge aus der Soziologie schließlich sind insofern zahllos, als die ländervergleichende soziologische Forschung unterschiedlichste empirische Bereiche behandelt: von der komparativen Untersuchung von Bildungssystemen, Arbeitsmärkten und Familienstrukturen über Fragen der Demographie oder der sozialen Integration bis hin zu Dimensionen und Determinanten sozialer Ungleichheiten. Entweder aus pragmatischen Gründen oder weil nationale (politische, rechtliche) Grenzen bereits in die jeweilige Forschungsfrage eingeschrieben sind, werden Nationalstaaten und/oder Nationalgesellschaften dabei in der Regel als quasi-natürliche Ausgangspunkte mit klar definierten institutionellen und geographischen Grenzen behandelt. Beispiele für solche Vergleiche zwischen Nationalstaaten sind die Untersuchung von Machtunterschieden und politischen Systemen (van Deth 1998), Fragen von Bildung, Arbeit und Beruf (Gorard & Smith 2004; Blossfeld & Hofmeister 2006) oder solche der vergleichenden Familiensoziologie (z. B. Mastekaasa 1994); ein anderes prominentes Beispiel liefern Esping-Andersens (1990) Untersuchungen zu wohlfahrtsstaatlichen Regimes. Betrachtet man diese multidisziplinäre Vielfalt komparativer Forschungen, so stellt sich aus Sicht des hier zugrunde gelegten methodologischen Relationalismus gleichwohl die Frage nach den sachlichen Spezifikationen, die Beobachter*innen Staaten überhaupt erst in Verhältnisse stellen lassen. Die genannten Zugänge bringen für sich genommen plausible Argumente vor, die die Bedeutung etwa von Ökonomie, Politik oder Kultur für das Zustandekommen, die Entwicklungen und die Effekte internationaler Beziehungen untermauern. Die verschiedenen (Teil-)Disziplinen reduzieren damit gleichwohl die Welt des Internationalen auf zuvor festgelegte Wirklichkeitsausschnitte. Betrachtet man allerdings die jeweils zugrunde gelegten Felder für sich, so skizzieren diese jeweils eigene Bilder und eigene Ideen davon, was im nächsten Schritt unter dem Label von „internationalen Feldern“ beschrieben wird (vgl. Schmitz et al. 2015). Entsprechend lassen sich die Beziehungen von Nationalstaaten also systematisch ausgehend von unterschiedlichen Feldern analysieren – beispielsweise ausgehend von ökonomischen Feldern, d. h. auf der Grundlage von ökonomischen Indikatoren: Im Ergebnis lässt sich das internationale Feld der Nationalstaaten in dieser komparativ-ökonomischen Perspektive entlang der Verteilung von Wohlstand und ökonomischem Kapital sowie entsprechender Entwicklungsdynamiken beschreiben. Auch können Nationalstaaten und deren Beziehungen über politikwissenschaftliche Indikatoren als Feld betrachtet werden, was die Bedeutung nationalen und internationalen institutionellen Kapitals in den Vordergrund rückt. In

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politischer Hinsicht (d. h. mit Blick auf politische Systeme im engeren Sinne) zeigt sich dann, dass das internationale Feld von Staaten einerseits durch eine Achse strukturiert wird, auf der (i. w. S. „innenpolitisch“) die interne Funktionalität bzw. Leistungsfähigkeit staatlicher Ordnungen und Institutionen zwischen „funktionalen“ und „dysfunktionalen“ Staaten differenziert, und andererseits durch eine Achse, die sich („außenpolitisch“) als Grad an institutioneller Macht beschreiben lässt. Ebenso gut können die Beziehungen zwischen Nationalstaaten aber auch hinsichtlich solcher Indikatoren und Merkmale untersucht werden, wie sie die quantitativ-vergleichende Sozialforschung für den Kulturvergleich heranzieht. Hinsichtlich kultureller und psychologischer Faktoren lassen sich im internationalen Feld Unterschiede insbesondere auf der Ebene von eher geschlossenen und eher offenen Habitus sowie hinsichtlich der klassischen Unterscheidung stärker individualistischer und stärker kollektivistischer Orientierungen zeigen. Ein internationales Feld von Nationalstaaten, dies sollte anhand dieser knappen Illustration deutlich geworden sein, lässt sich folglich ausgehend von sehr unterschiedlichen sozialen Feldern, d. h. auf der Grundlage ganz unterschiedlicher (und also: nicht allein z. B. „politischer“) Indikatoren konstruieren. Auch weitere, etwa ausschließlich an religiösen oder rechtlichen Größen orientierte Feldkonstruktionen sind denkbar und je nach Forschungsfrage durchaus aufschlussreich. Gleichwohl gilt es sich bei derartigen Konstruktionen zu vergegenwärtigen, dass dabei – implizit oder explizit – eine zumindest hinreichend große Autonomie dieser einzelnen Felder über alle untersuchten Nationen hinweg angenommen werden muss bzw. unterstellt wird. Die Konstruktion des internationalen Feldes der Macht Aus soziologischer Perspektive, und insbesondere aus Sicht der Feldtheorie, die als Theorie gesellschaftlicher Differenzierung ja gerade auf die Vielfalt und Gleichzeitigkeit unterschiedlicher sozialer Teilbereiche abstellt, scheinen allerdings Reduktionen wie die zuvor genannten einseitig (Reduktionen also etwa von „internationalen“ auf „politische“ Beziehungen – und damit einhergehend: von Gesellschaften, die in der Form von Nationalstaaten organisiert sind, auf politische Institutionen bzw. Verbände). Und mehr noch: Der Wert der Konstruktion sachlich spezifizierter internationaler Felder steht und fällt letztlich mit dem Grad ihrer Autonomie gegenüber anderen sozialen Feldern. Schmitz et al. (2015) veranschaulichen vor diesem Hintergrund eine Reihe solcher Reduktionen und zeigen, wie sich die verschiedenen Einzelperspektiven auf die jeweiligen internationalen Felder ihrerseits aufeinander beziehen lassen. Auf der Basis von Daten auf Länderebene aus unterschiedlichen Datenquellen und Forschungstraditionen sowie zu unterschiedlichen Feldern wie Politik,

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Ökonomie und Kultur wurden dabei verschiedene internationaler Felder konstruiert und gemeinsam zu einem „internationalen Feld der Macht“ zusammengefasst (Schmitz et al. 2015). Abbildung 6 veranschaulicht die daraus resultierende Überlagerung der verschiedenen Felder in einem zweidimensionalen Raum. Ein zentrales Ergebnis dieser Analyse lautet, dass sich das theoretisch vieldimensionale Feld der Nationalstaaten insgesamt über zwei dominante Strukturachsen beschreiben lässt. „Nationalstaatlich“ betrachtete Gesellschaften können damit in zwei analytisch distinkten, aber empirisch interagierenden Hinsichten differenziert werden: nämlich einerseits über ein „Meta-Kapital“, das sich aus verschiedenen Machtressourcen (insbesondere militärischer Macht, wissenschaftlichem Output, außenpolitischem Einfluss und sportlichen Erfolgen) zusammensetzt, und andererseits über die institutionelle und kulturelle Befriedigung der internen Funktionserfordernisse eines Landes (z. B. individuelle Freiheitsmaße, Rechtssicherheit, politische Bekämpfung sozialer Ungleichheit). Diese letztgenannte Dimension kann als interne Funktionalität und zugleich als institutionelles Kapital begriffen werden.28 Dieser Befund sollte nun nicht dahingehend fehlinterpretiert werden, dass hierbei genuin westliche Funktionalitätsideale stillschweigend vorausgesetzt oder sogar normativ legitimiert werden. Die Pointe besteht vielmehr gerade darin, dass spezifische Begriffe und Definitionen von Funktionalität der Struktur und Logik 28 Die Relevanz der beschriebenen Funktionalitätsdimension wird gegenwärtig in einem Forschungsprojekt zur weltweiten COVID-19-Pandemie untersucht (Schmitz & Skopek 2020). Dazu werden die öffentlich verfügbaren und in öffentlichen Diskursen und statistischen Analysen zugrunde gelegten Daten der Johns Hopkins University mit den zuvor beschriebenen feldspezifischen Informationen über nationalstaatliche Gesellschaften verknüpft. Bemerkenswerterweise zeigt sich, dass die Funktionalität eines Landes zunächst positiv mit der Anzahl der Sterbefälle zusammenhängt. Dieser Zusammenhang ist jedoch nicht einfach kausal zu interpretieren, sondern erklärt sich möglicherweise aus dem Umstand, dass Länder mit einer hohen Funktionalität auch eine zentralere Position im globalen Verkehr einnehmen und beispielsweise durch eine höhere Zahl von Urlaubs- und Geschäftsreisenden ein ebenfalls höheres Infektionsrisiko aufweisen. Es gibt allerdings einen weiteren wesentlichen Grund: Länder und Kulturen unterscheiden sich auch hinsichtlich ihrer jeweiligen „Messkulturen“, nämlich mit Blick auf ihre Testkapazitäten, Berichtsverfahren und ihre politischen und medialen Infrastrukturen und Logiken – sie testen und berichten in unterschiedlichem Umfang, auf unterschiedliche Weise, in unterschiedlichen Situationen und unter unterschiedlichen Bedingungen. Während diese Unterschiede sowie die daraus möglicherweise folgenden Verzerrungen des Vergleichs von absoluten Fallzahlen in der öffentlichen Debatte durchaus thematisiert werden, behandeln statistische Analysen diese in unterschiedlicher Weise konstruierten Informationen vielfach so, als beruhten sie auf einer einheitlichen Erhebungs- und Messweise bzw. einer einheitlichen Messkultur. Wenn jedoch die Definition dessen, was gezählt werden soll, und die Art und Weise, wie Patient*innen in das Zählverfahren einbezogen werden, von Land zu Land unterschiedlich sind, werden verschiedene länderspezifische Verzerrungen unvermeidlich, was es erforderlich macht, die verfügbaren Zahlen zu infizierten, genesenen und verstorbenen Patient*innen kritisch zu hinterfragen. Verschiedene Länder werden dementsprechend unabhängig vom tatsächlichen Verlauf der Infektion aufgrund ihrer unterschiedlichen Messkulturen scheinbar unterschiedliche Muster der Krankheitsentwicklung aufweisen.

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Abbildung 6: Das internationale Feld der Macht: Raum der Merkmale. Biplot basierend auf multipler Faktorenanalyse. Eigene Darstellung nach Schmitz et al. (2015).

des gegenwärtigen internationalen Raumes selbst eingeschrieben sind. So wie das kulturelle Kapital in Die feinen Unterschiede mit seiner eigentlich arbiträren Hierarchisierung von Lebensstilen und Bildungstiteln als zentrale Strukturdimension des Raumes und gerade hierdurch als analytischer Anknüpfungspunkt für eine kritische Reflexion gesellschaftlicher Verhältnisse fungiert, ist auch das „Funktonalitäts-Kapital“ Ausdruck zwar konstruierter aber gleichwohl real existierender Hierarchisierungen zwischen den Nationalstaaten (vgl. Schmitz et al. 2015). Diese „Funktionalität“ ist selbst Gegenstand der Definitions- und Klassifikationskämpfe

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Abbildung 7: Der Raum der Nationalstaaten. Raum der Merkmalsträger basierend auf multipler Faktorenanalyse, eigene Darstellung. Die Analysen stellen Weiterentwicklungen von Schmitz et al. (2015) dar. Zum Zweck der besseren Lesbarkeit wurden einige Länder im Zentrum des Achsenkreuzes entfernt.

im internationalen Feld der Macht, wobei Nationalstaaten mit niedrigeren Freiheitsmaßen, geringerer Rechtssicherheit und einem entsprechenden institutionellen Setting ihre eigenen Gegenentwürfe zunehmend wirkmächtiger ins Spiel bringen – wie auch westliche Nationalstaaten die Frage danach, was Funktionalität jeweils bedeuten kann und soll, immer wieder Revisionen unterziehen. Während also die jeweilige substanzielle Ausgestaltung des Nexus von Funktionalität und Institutionen kulturell variabel ist, bleibt diese Dimension empirisch doch zumin-

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dest solange eine zentrale Strukturachse der Verhältnisse zwischen Nationalstaaten, wie sie nicht von einer anderen, etwa der ökonomischen Dimension dominiert wird. Dabei wird diese ökonomische Dimension, der nicht selten das analytische Primat in der Analyse internationaler Zusammenhänge eingeräumt wird, in der vorliegenden Darstellung keineswegs unterschlagen. Vielmehr werden sowohl Meta-Kapital als auch Funktionalität (und damit das internationale Feld der Macht insgesamt) wesentlich von ökonomischem Kapital mitstrukturiert. Ökonomische Felder und damit das ökonomische Kapital stehen also sowohl zu der Verteilung von Meta-Kapital als auch gegenüber der internen Funktionalität von Staaten in kokonstitutiven Verhältnissen. Für die feldtheoretische Interpretation ist zudem zentral, dass auf beiden Achsen – und nicht nur in der oben diskutierten Funktionalität von Staaten – eine symbolische Dimension der Legitimität, Anerkennung und Verkennung von Macht impliziert ist, die auch mit „klassischen“ Ressourcen und Machtmitteln einhergeht und diese gewissermaßen überformt. Auf diese Weise zeigen sich generalisierte, feldübergreifende Matthäus-Effekte (Merton 1968) im internationalen Maßstab, durch die sich „Meta-Kapital“ und hohe „Funktionalität“ vor allem bei einigen wenigen Staaten konzentrieren.29 Abbildung 7 zeigt die Position der Merkmalsträger im gleichen Raum. China und die USA liegen in dieser Abbildung oben rechts, also im Bereich besonders hohen Meta-Kapitals. Ein besonders hohes Maß an Funktionalität weisen die Staaten unten rechts in der Abbildung auf: insbesondere nord- und mitteleuropäische Staaten. Auf der linken Seite der Abbildung finden sich dementsprechend Länder, die über geringes Meta-Kapital und eine geringe interne Funktionalität verfügen, so beispielsweise Afghanistan und Somalia. Angesichts einer Differenzierung „entlang von Inklusion und Exklusion“ lässt sich damit jedoch die These des „globale[n] Charakter[s] funktionaler Differenzierung“ im Sinne simultan prozessierender Eigenlogiken – und damit letztlich auch die These von einem „Primat“ der Form funktionaler Differenzierung (etwa gegenüber segmentärer Differenzierung nach Staaten) – nicht länger in ihrer ursprünglichen Form aufrechterhalten (siehe auch Greve & Heintz 2005: 108; beide Zitate ebd.). Zwar sind die verschiedenen sozialen Felder auch nicht vollständig homolog, die Nationalstaaten weisen also nicht in jedem sozialen Feld (Politik, Recht, Ökonomie, Sport etc.) die gleichen Positionen auf. Vielmehr sprechen die Befunde dafür, auch „Homologie“ (wie zuvor schon „Heteronomie“) als einen relationalen Begriff zu denken, lassen sich doch zwischen den analytischen Extrempolen vollständiger Homologie auf der einen und vollständiger Heterologie auf der anderen Seite zahlreiche Abstufungen 29 Dies schreibt den von Bourdieu für den Nationalstaat diskutierten Prozess der Monopolisierung von Meta-Kapital auf internationaler Bühne fort, wobei die beiden beschriebenen Dimensionen letztlich zwei relativ autonome Aspekte des ursprünglichen „Meta-Kapitals“ darstellen.

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und Formen identifizieren. So kann für einige Nationalstaaten und im Hinblick auf einige soziale Felder eine deutliche Homologie festgestellt werden, für andere Staaten und bezüglich anderer Felder hingegen nicht. Entsprechend finden sich auch hybride Kombinationen von Nationalstaaten, die in einigen Feldern mächtigere Positionen einnehmen als in anderen Feldern. Die Struktur des Raumes und damit die diesen Raum strukturierenden Felderverhältnisse üben dabei allerdings über Klassifikationspraktiken und -diskurse erhebliche Vereinheitlichungszwänge aus, die auf einen Abbau dieser Hybridität abzielen und die weitreichende Unvergleichbarkeit verschiedener Kulturen in vergleichsweise unterkomplexe Hierarchien entlang weniger, machtvoll konstruierter, durchgesetzter und legitimierter Kriterien transformieren. Zudem sprechen die Positionen von Nationalstaaten in den verschiedenen sozialen Feldern aber auch für einen Effekt von Positionen im internationalen Feld der Macht (im Sinne von regionaler bzw. segmentärer Differenzierung) auf überregionale Felderdynamiken. Ebenso lassen sich die Positionen im internationalen Feld der Macht über die (teils kumulativen, teils antagonistischen oder neutralisierenden) Effekte der involvierten sozialen Felder rekonstruieren. Kurz: die Position der USA im Raum beispielsweise ist nicht zu verstehen ohne Rekurs auf die Effekte des ökonomischen Feldes, des politischen Feldes, des Feldes des Sports usw. Klassen von Nationalstaaten im Feld der Macht Über diese Struktur des internationalen Feldes der Macht lassen sich nun, ganz ähnlich wie in Bourdieus Die feinen Unterschiede (1987a), Klassen von (hier: nationalstaatlichen) Akteuren bilden. Wir greifen dazu auf die zuvor genannten Dimensionen zurück, die wir mittels eines finiten Mischmodells analysieren, das Gruppenzugehörigkeiten probabilistisch berechnet. Klassifiziert man die Dimensionen des Raumes basierend auf den beiden grundlegenden Dimensionen (vgl. Schmitz et al. 2015; Schmitz 2016), so ergeben sich neun Typen von Staaten (Abbildung 8). Besonders augenfällig ist hierbei die nur aus den USA und China bestückte Klasse, die wir als „Hegemonien“ bezeichnen: Sie umfasst solche Staaten, die heute eher an Imperien erinnern denn an Nationalstaaten im klassischen Sinne (vgl. auch Go 2008, 2011). Bemerkenswert sind aber auch die zahlreichen „Mittelmächte“, deren Funktion – wie schon bei Wallerstein (1979) prominent hervorgehoben – unter anderem in der Stabilisierung der globalen Ökonomie liegen könnte. Überdies zeigen Schmitz et al. (2015) aber durch Einbeziehung einer Netzwerkanalyse des internationalen Schuldennetzwerkes, dass gerade auch machtlose Staaten eine zentrale Rolle bei der Vermittlung internationaler Finanzströme einnehmen.

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CUB JAM UKR BRUN YEM TUN SUR TGA CAP FAE GHA BEZ GREEN HON QUAT KYR MAI LIE

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TOG TJK THA CAM PHI UGA SIER OMA ERI ECU MOR HAI LIBY BOT COL CHA KUW MOZ

ER HUN JJ MRI SLO BOS LAT VYP LTU DD CHI CZE EST CRC ESP BB BAH

SOM PAK UZB CON ZIM ANG BAN INA SSUD NIG AFG ETH IRQ ALG IRA

ITA CAN FRA KOR HKG AUS NED SUI

SWE DEN IRL FIN LUX BEL NOR AUT

MAS IND AZE VIE RUS SAU

JPN GER GBR

USA CHN

Abbildung 8: Klassen von Nationalstaaten, eigene Darstellung. Analyse der durch die Multiple Faktorenanalyse (MFA) generierten Dimensionen durch ein finites Mischmodell (siehe auch Schmitz et al. [2015]).

Auch wenn feldtheoretische Betrachtungen eines internationalen Feldes der Macht im Sinne eines Feldes von Nationalstaaten durchaus möglich sind, muss gleichwohl abschließend darauf hingewiesen werden, dass der Staat auch noch in dieser Lesart als ein mehr oder weniger abgeschlossener gesellschaftlicher Container fungiert. Während feldanalytische Untersuchungen eines internationalen sozialen Raums (wie die hier angeführte) zwar durchaus theoriekonsistent möglich sind, müssen zugleich analytische Einschränkungen in Hinblick auf transnationale und globale Problemstellungen konstatiert werden, denen auf der Grundlage der starken Annahme nationalstaatlich verfasster, international agierender Gesellschaften kaum entsprochen werden kann. Vielmehr zeigt die genauere Betrachtung der geschilderten Befunde, dass schon das vorgeblich internationale Feld der Macht wesentlich auf transnationalen und globalen Voraussetzungen fußt. Den damit bereits angesprochenen Perspektiven auf transnationale bzw. globale Formen der Vergesellschaftung wird daher im nächsten Abschnitt nachgegangen.

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Exkurs: Konkurrierende Theorien von Globalität und Transnationalität Neben den Theorien internationaler Beziehungen widmen sich in den Sozialwissenschaften mit Theorien der Globalisierung und solchen der Transnationalisierung noch zwei weitere Familien von Ansätzen der Verfassung moderner Gesellschaft jenseits des Nationalstaats. Mit der ohnehin unvermeidbaren (angesichts der Fülle an Literatur, die in den vergangenen drei Jahrzehnten entstanden ist, aber umso notwendigeren) Zuspitzung wollen wir im Folgenden einige Hauptmerkmale dieser Theoriefamilien skizzieren. Dabei wird sich zeigen, dass auch dieses diskursive Feld – wie schon die verschiedenen soziologischen Theorieangebote zur Beschreibung von Nationalgesellschaften – von grundlegenden Dichotomien durchzogen ist, die sich in einseitigen Akzentsetzungen der verschiedenen Ansätze manifestieren. Klassische Globalisierungstheorien Etwa mit Beginn der 1990er-Jahre entstand in den Sozialwissenschaften ein rasch einflussreicher Diskurs, der sich mit dem „neu entdeckten“ Phänomen der „Globalisierung“ befasste und diesen Wandlungsprozess begrifflich zu fassen und zu interpretieren versuchte. Eine klassische Definition aus diesem Zeitraum stammt von Roland Robertson, der Globalisierung als ein zweiseitiges Konzept versteht: „Globalization as a concept refers both to the compression of the world and the intensification of consciousness of the world as a whole“ (Robertson 1992: 8). Ganz ähnlich begreift Anthony Giddens Globalisierung als eine „Intensivierung weltweiter sozialer Beziehungen, durch die entfernte Orte in solcher Weise miteinander verbunden werden, dass Ereignisse am einen Ort durch Vorgänge geprägt werden, die sich an einem viele Kilometer entfernten Ort abspielen, und umgekehrt“ (Giddens 1995: 85). In diesem Kontext schlägt er den Begriff der „Entbettung“ (Giddens 1995: 33ff.) vor, der genau darauf abstellt, dass soziale Interaktion zunehmend aus engen raumzeitlichen Kontexten und Lokalitäten herausgelöst wird. Eine ebenfalls ähnliche Vorstellung des „Globalen“ als neuem Schauplatz und Bezugsrahmen sozialen Handelns vertritt auch Martin Albrow (2007 [1996]) in seiner Analyse des „globalen Zeitalters“, und auch David Held fasst Globalisierung zuvorderst als einen Transformationsprozess der räumlichen Organisation von Gesellschaft (etwa hinsichtlich ihrer Ausdehnung, ihrer Dynamiken und Effekte) (vgl. Held et al. 1999: 16). Gegen einen einseitigen, in den frühen 1990erJahren noch vorherrschenden Ökonomismus, der Globalisierung im Wesentlichen als einen wirtschaftlichen Prozess denkt, sind sich die soziologischen Vertreter*innen des frühen Globalisierungsdiskurses dabei weitgehend darin einig, dass Globalisierung überhaupt nur als ein mehrdimensionaler Wandlungsprozess begriffen

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werden kann (Robertson 1995; Giddens 1995: 92ff.; Beck 1997: 26; Therborn 2000: 154). Trotz unterschiedlicher Akzente im Detail erscheint Globalisierung in dieser Phase zudem vornehmlich als ein makrosoziologischer Strukturwandel, auch wenn vielfach betont wird, dass dieser auf der Ebene von Akteur*innen in der Form mentaler Repräsentationen (einen für den Gegenstand, etwa bei Robertson, durchaus konstitutiven) Niederschlag findet. Schließlich ist den verschiedenen Ansätzen dieser Zeit eine Vorstellung von Globalisierung eigen, die mehr oder weniger explizit mit der (zudem nicht immer von normativen Untertönen freien) Annahme eines dramatischen Bedeutungsverlustes des Nationalstaates einhergeht. Seit der Zeit dieses frühen Globalisierungsdiskurses hat sich die theoretische und empirische Beschäftigung mit dem Thema zu einem enorm umfangreichen Forschungsfeld entwickelt. Mit Blick auf die Debatten der vergangenen zwei Jahrzehnte lässt sich dabei eine Reihe von Ansätzen ausmachen, die dieses Feld maßgeblich strukturieren und teilweise konträre Deutungen globaler Strukturen und Dynamiken anbieten. In einer heuristischen Zuspitzung schlagen wir vor, diese Ansätze trotz vieler grundlegender Differenzen idealtypisch in zwei Hauptkategorien zu unterteilen. Gemäß dieser Unterscheidung lassen sich auf der einen Seite solche Theorien ausmachen, die Globalität primär als einen Sinnzusammenhang auffassen und Dynamiken der Globalisierung demnach wesentlich als Prozesse der Diffusion und Ausbreitung von Sinnmustern und -strukturen (z. B. Werten, Institutionen, Differenzierungsprinzipien) verstehen. Auf der anderen Seite finden sich Ansätze, die globale Sozialität zuvorderst als einen Machtzusammenhang begreifen und so auf globale Herrschaftsverhältnisse, Reibungen und Konflikte, auf Unterwerfung und Ausbeutung, auf Kolonialisierungs- und Gewaltgeschichten aufmerksam machen (siehe als Überblick Dennaoui 2010). In gewisser Weise scheint damit im Diskurs über Globalität und Weltgesellschaft wieder diejenige Unterscheidung auf, die wir in Kapitel 3 bereits in der Diskussion funktionalistischer und konflikttheoretischer Ansätze in der Elitenforschung kennengelernt haben.30 Diese Unterscheidung soll im Folgenden an vier dominanten Theorieangeboten zur Konzeptualisierung und Beschreibung globaler Sozialität illustriert werden.

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Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die binäre Unterscheidung „Sinn vs. Macht“ nicht deckungsgleich mit den bereits diskutierten Oppositionspaaren von „Funktionalismus vs. Konflikttheorie“ und „Differenzierung vs. soziale Ungleichheit“ ist, zwischen diesen drei (sowie weiteren) Dichotomien jedoch Familienähnlichkeiten bestehen.

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Globalität als Sinn- oder Machtzusammenhang 1) Neoinstitutionalistische Ansätze heben im Wesentlichen auf die Diffusion und mitunter auch Vereinheitlichung kultureller Muster ab. Hier ist vor allem der World Polity-Ansatz von John Meyer zu nennen, auf dessen Grundlage insbesondere sogenannte Isomorphien, d. h. kulturelle Leitideen und deren globale Institutionalisierung in den Blick genommen werden. Die „World Polity“ wird hier als eine westlich geprägte kulturelle Ordnung verstanden, die einen homogenisierenden Einfluss dadurch zeitigt, dass Akteure (Staaten ebenso wie Menschen oder Organisationen) ihr Handeln mit diesem allgemeingültigen Legitimitätsstandard rechtfertigen (Meyer 2005; vgl. Tyrell 2005: 16). Der Begriff „Globalisierung“ bezeichnet dann in diesem Zusammenhang Mechanismen der Standardisierung nationaler Kulturen. Die Herstellung von Isomorphien erfolgt in diesem Zugang gemäß einer top-down-Logik, wird also von globalen, transnationalen Modellen kultureller und institutioneller Ordnung in nationalstaatliche bzw. lokale Manifestationen übersetzt. Gleichwohl kommt es nach dieser Vorstellung im Regelfall nicht zu kohärenten Staatsformen, Institutionen oder Praktiken, sondern vielfach eher zu „loose couplings“ zwischen der nominellen Übernahme globaler Normen und der tatsächlichen, in spezifische Traditionen eingebetteten lokalen Praxis (vgl. Schofer et al. 2012; exemplarisch Kastner 2015). 2) Der Zugang der systemtheoretischen Tradition stellt auf die weltweite Verbreitung eines spezifischen (nämlich ursprünglich okzidentalen) Strukturprinzips funktionaler Differenzierung ab (Luhmann 1998; Stichweh 2000). Folgt man Luhmann, so rechtfertigen (a) die zunehmende globale kommunikative Erreichbarkeit bzw. das Globale als letzter erreichbarer kommunikativer Horizont sowie (b) die globale Durchsetzung des Primats funktionaler Differenzierung der Gesellschaft in Teilsysteme die Annahme einer Weltgesellschaft (Luhmann 1991 [1971]; vgl. Tyrell 2005: 16). Aus dieser Sicht wird „die Sozialwelt mehrfach durch je autonome Perspektiven der einzelnen Funktionssysteme zerlegt“ und „jede dieser funktionalen Perspektiven“ spannt „heute auf je eigene Weise einen weltweiten Kommunikationszusammenhang“ auf (Stichweh 2004: 6), also etwa ein globales Rechts-, Wissenschafts- oder Wirtschaftssystem. Globalisierung wird so immer im Plural der Systeme gedacht, da sich „in allen Funktionssystemen“ die „Tendenz zu einer weltweiten Operations- und Strukturbildung“ feststellen lässt (Luhmann 2005: 68). Der (staatlichen) Integration in eine Weltgesellschaft als Folge nur einer einzigen (nämlich kulturellen) „funktionalen Kohärenz“ im Sinne des World-Polity-Ansatzes wird systemtheoretisch also die Betonung multipler, voneinander unabhängiger Prozesse gegenübergestellt (Tyrell 2005: 11). Aus systemtheoretischer Perspektive gilt es dann, beobachtbare „Unterschiede als strukturelle Effekte der Weltgesellschaft selbst zu analysieren“ (Stichweh 2000: 13). Das im vorlie-

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genden Kontext prominenteste Beispiel für diese Logik stellt die „segmentäre Binnendifferenzierung“ (Luhmann 2000) des politischen Systems in Nationalstaaten dar. Das System der Nationalstaaten bildet eine Zweitdifferenzierung des Politischen, die sich aus einer „alt-europäischen“ Tradition politischer Ordnungsbildung speist. Der strukturellen Realität der Weltgesellschaft zum Trotz, d. h. unbenommen der Tatsache, dass Wirtschaft, Sport oder Religion eben nicht mehr primär nationalstaatlich differenziert und organisiert sind, ist das Prinzip „Nationalstaat“ also – in diesem spezifischen Rahmen – noch immer als Form und Orientierungssemantik wirksam. Vor diesem Hintergrund wird Globalisierung als Entwicklung hin zur Durchsetzung der Prinzipien einer Weltgesellschaft gedacht, d. h. letztlich wiederum als Diffusion eines ursprünglich westlichen Differenzierungsmusters. 3) Dem neoinstitutionalistischen und dem systemtheoretischen Paradigma, die beide auf die Diffusion von (westlichen) Ideen (Institutionen, Regelwerken, bzw. Differenzierungsprinzipien und Systemlogiken) fokussieren, stehen allerdings Ansätze gegenüber, die das konflikthafte globale Gegeneinander von Interessen zentral setzen. In dieser herrschaftssoziologischen Tradition findet sich prominent etwa die Weltsystemtheorie von Immanuel Wallerstein (1974, 1979). Das Weltsystem wird hier im Wesentlichen über ökonomisch strukturierte Arbeitsteilung zwischen peripheren und zentralen Staaten gedacht. Kernnationen zeichnet ökonomischer Wohlstand und ökonomische Macht sowie eine effektive Institutionalisierung staatlicher, politischer und militärische Macht aus. Darüber hinaus sind diese Nationen durch einen hohen Industrialisierungsgrad und einen Wissensvorsprung in Hinblick auf Technologien gekennzeichnet; sie sind also gegenüber anderen Nationen relativ mächtig und werden ihrerseits in geringerem Umfang von anderen Nationen kontrolliert. Periphere Nationen hingegen weisen eine schwache Regierung, schwache Institutionen, einen geringen Industrialisierungsgrad, große soziale Ungleichheiten sowie schwach ausgeprägte Mittelklassen auf. Sie stehen in besonderem Maße unter dem Einfluss anderer Nationen und transnationaler Institutionen. Dazwischen verortet Wallerstein eine Gruppe semiperipherer Nationen, die sich aus auf- wie absteigenden Staaten zusammensetzt und eine Puffer-Funktion zum Vorteil der Kernnationen einnimmt. Im Unterschied zum World-Polity-Ansatz postuliert die Weltsystemtheorie folglich keineswegs eine zunehmende Isomorphie, sondern vielmehr eine bereits vorherrschende und weiter wachsende Divergenz auf globaler Ebene. Damit rücken insbesondere Ausbeutungsverhältnisse zwischen Staaten und Zivilisationen als das zentrale Charakteristikum kapitalistischer Machtverhältnisse auf globaler Ebene in den Fokus von Wallersteins Perspektive.

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4) Neben Wallersteins historischer Weltsystemanalyse sind es schließlich vor allem postkoloniale Ansätze, die Globalisierungsdynamiken wesentlich als Prozesse kolonialer Expansion bzw., in einem weiteren, hiervon angeleiteten Sinne, mit Blick auf ihre Machtdurchdrungenheit und Gewaltförmigkeit – und damit als Prozesse der Durchsetzung von Herrschaftsansprüchen – deuten (vgl. als Überblick Reuter & Villa 2009).31 Vielfach ausgehend von grundlegenden Überlegungen Edward Saids sind es im vorliegenden Zusammenhang vor allem Theoretiker*innen wie Stuart Hall (1992), Homi Bhabha (1994), Gayatri Spivak (1999) oder Dipesh Chakrabarty (2000), die für eine neue Deutung der jüngeren Weltgeschichte eintreten und damit zu einer grundsätzlichen Neuorientierung („Dezentrierung“) auch des soziologischen Nachdenkens über Globalisierung und die „Weltgesellschaft“ beigetragen haben. Die unterschiedlichen analytischen Ausgangslagen der vier hier genannten Zugänge führen nun dazu, dass mit der jeweiligen Perspektive auf „globale Tatbestände“ jeweils spezifische Phänomene in den Blick rücken und thematisiert werden. Insofern entscheiden bereits die kategorialen und theoretischen Basisunterscheidungen über die jeweils erzielbaren analytischen Ergebnisse, denn: „if we see stratification we will tend to see [...] injustice, exploitation, and suppression“ – „if, on the other hand, we see functional differentiation, our description will point to the autonomy of the function systems“ (Luhmann 1997: 74). Die Gegenüberstellung dieser Ansätze verdeutlicht bereits, dass die jeweiligen Paradigmen gleichermaßen Schwierigkeiten haben, die Problemstellungen der anderen Perspektiven nachzuvollziehen bzw. das jeweilige analytische Potenzial der konkurrierenden Zugänge im eigenen Bezugsrahmen zu integrieren. So fällt es dem World-Polity-Ansatz schwer, Mechanismen der Reproduktion von Differenz auf globaler Ebene zu fassen, während umfassende strukturelle Isomorphien wie etwa „zunehmende Konvergenzen im politischen Bereich“ mit Wallersteins These der Dominanz der Ökonomie nicht ohne weiteres erklärt werden können (Greve & Heintz 2005: 102). Die Zentrum/Peripherie-Unterscheidung Wallersteins steht wiederum der These eines Primats funktionaler Differenzierung (Luhmann) entgegen, während Meyers Isomorphie-Befund lediglich einen empirischen Ausdruck der Ausbreitung von Ideen und Sinnformen darstellt. Offensichtlich beschreiben die genannten Theorien damit jeweils relevante Ausschnitte globaler Vergesellschaftung, ohne jedoch die jeweils andere Seite der

31 Im gespaltenen Verhältnis der postcolonial studies zu Marx schlägt sich die hier angelegte Unterscheidung gewissermaßen „auf höherer Stufenleiter“ erneut nieder. Auch die Frage, ob „Macht“ (und koloniale bzw. postkoloniale Machtverhältnisse) ihrerseits primär materialistisch oder kulturell gedacht werden müssen, stellt in dieser Hinsicht ein „re-entry“ dar (d. h. den Wiedereintritt einer Unterscheidung in sich selbst).

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Unterscheidung Sinn/Macht hinreichend würdigen zu können. Beide Grundrichtungen (bzw. alle vier genannten Ansätzen) teilen dabei mit dem klassischen Globalisierungsdiskurs eine letztlich makrosoziologische Perspektive, die nach den Struktur- und Entwicklungslogiken globaler Vergesellschaftung als Ganzer fragt. An dieser „Vogelflug“-Perspektive hat sich nun wiederum in den vergangenen Jahren ein analytisches Unbehagen festgemacht und eine Forschungsrichtung etabliert, die unter dem Schlüsselbegriff der „Transnationalisierung“ einen empirisch gesättigten, mit mehr „Bodenhaftung“ ausgestatteten Blick auf Vergesellschaftungsprozesse jenseits des Nationalstaats zu werfen sucht. Transnationalisierung Wie die Zentralbegriffe der Transnationalisierung bzw. Transnationalität (Mau & Büttner 2010; Mau 2007) bereits signalisieren, geht es in dieser vergleichsweise jungen Forschungsrichtung zunächst um die Beobachtung einer „Zunahme grenzüberschreitender sozialer Beziehungen, Felder und Räume auf der Ebene nichtstaatlicher Akteure“ (Pries 2013: 881). In diesem Sinne bezeichnet Transnationalisierung dann einen „im Kontext zunehmender internationaler Bewegungen von Gütern, Menschen und Informationen sich ausweitende[n] und vertiefende[n] Prozess der Herausbildung relativ dauerhafter und dichter plurilokaler und nationalstaatliche Grenzen überschreitender Verflechtungsbeziehungen von sozialen Praktiken, Symbolsystemen und Artefakten“ (Pries 2002: 264). Wie Pries (2010) weiter veranschaulicht, bleibt der Begriff der Transnationalität dabei schon logisch auf die Persistenz nationaler Strukturen angewiesen; entgegen anders lautenden Annahmen etwa der klassischen Globalisierungstheorie sieht die Transnationalisierungsforschung diese Angewiesenheit allerdings als empirisch gedeckt an: „Die Betonung der weiterhin großen Bedeutung von nationalstaatlich verfassten Gesellschaften unterscheidet die Konzepte des Transnationalismus von den Vorstellungen einer fortschreitenden Globalisierung oder ‚Kosmopolitanisierung‘ der Welt“ (Pries 2010: 15). Die Transnationalisierungsforschung richtet sich damit sowohl gegen den „methodologischen Nationalismus“ (Wimmer & Glick-Schiller 2002; Weiß 2010) als auch gegen die (vorschnelle) Annahme eines vollständigen Bedeutungsverlustes nationaler bzw. nationalstaatlicher Strukturen und Grenzen sowie der damit einhergehenden, spezifischen Form der Raumgebundenheit sozialer Prozesse. Gerade in neueren Ansätzen werden daher die komplexen Wechselwirkungen von Differenzierung, Globalisierung und (sozial-)räumlicher Ungleichheit in den Blick genommen (Weiß 2017). Ein entscheidender Beitrag der Transnationalisierungsforschung liegt entsprechend darin, dass sie Fragen sozialer Ungleichheit mit neuem Nachdruck in den Fokus gerückt hat – und zwar sowohl hinsichtlich der „Transnationalisierung sozialer Ungleichheit“ (exemplarisch Weiß 2005;

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Berger & Weiß 2008) als auch mit Blick auf den ungleichen Transnationalisierungsgrad sozialstruktureller Gruppen (z. B. Mau & Mewes 2008; Schneickert 2013; Delhey et al. 2015; siehe auch Carlson et al. 2017). Ein wichtiger Unterschied, der gegenüber den zuvor genannten Ansätzen aus diesem Verständnis folgt, liegt darin, dass „grenzüberschreitende Phänomene“, wie sie die Transnationalisierungsforschung zentral setzt, eben noch keineswegs „global“ im Sinne von allumfassend oder ubiquitär sein müssen (vgl. Levitt & Khagramn 2007). In den Blick rücken damit Gegenstände, Strukturen und Prozesse, die keineswegs eine globale Ausdehnung oder Verbreitung aufweisen müssen, sondern durchaus lokalisierbar und daher auch in einem heterogenen Nebeneinander beobachtbar sind.32 Im Vergleich mit den verschiedenen Theorien globaler Vergesellschaftung erscheint die Transnationalisierungsforschung daher ein wenig „bescheidener“, sie operiert gleichsam per Definition auf einer mittleren analytischen Flughöhe, und wo Globalisierungstheorien tendenziell langfristige historische Entwicklungen am Werke sehen, fokussiert die Transnationalisierungsforschung eher kurz- und mittelfristige Prozesse. Mit ihrem starken empirischen Fokus auf Grenzen transzendierende Bewegungen von Akteur*innen sowie die dadurch emergierenden Netzwerke und Sozialräume erhöht sie zugleich das Auflösungsvermögen gegenüber „globalen“ Theorien, denen Beverly Silver den Charakter epistemischer „Dampfwalzen“ attestiert: Das jeweils umfassende „System“ (etwa: das Weltsystem Wallersteins oder die Weltgesellschaft Luhmanns) besitze in diesen Ansätzen nämlich „a steamroller-like quality, transforming social relations at the local level along a theoretically expected path“ (Silver 2003: 25f.). Methodologisch setzt die Transnationalisierungsforschung derartigen „Großtheorien“ typischerweise eine Strategie entgegen, die Marcus (1995) mit dem Konzept der „followings“ beschrieben hat: Die Transnationalisierungsforschung versucht, Akteur*innen, Dingen, Semantiken, Biographien usf. auf ihren grenzüberschreitenden Pfaden und Trajektorien zu „folgen“, wahrt also gezielt und kontrolliert die Nähe zu ihren lokalisierbaren Untersuchungsobjekten und deren Bewegungen. Im Unterschied zur globalisierungstheoretischen „Ubiquitätsunterstellung“ betont sie dabei die „Plurilokalität“ geographischer Bezüge, sie lenkt den Blick auf das Entstehen neuer Sozialräume im Gegensatz zu weltumspannenden Triebkräften (Pries 2002: 269; Mau 2007). Als Forschungsrichtung bleibt sie damit, selbst dort, wo „Transnationalisierung“ nicht explizit als eine Art „Globalisierung von unten“ (Smith & Guarnizo 1999) verstanden wird, in besonderer Weise der Untersuchung lokaler Prozesse, und damit einer eher „mikro-“ und „mesosoziologischen“ Perspektive verpflichtet. Genau an diesem Punkt lässt sich dann 32

Vgl. in diesem Zusammenhang auch Appadurai (2003), der gerade auf die veränderte Bedeutung des Konzepts „Lokalität“ und die Heterogenität räumlicher Bezüge unter der Bedingung von Globalität abhebt.

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entsprechend auch ein Kritikpunkt an der Transnationalisierungsforschung festmachen: Während klassische Globalisierungstheorien bzw. Theorien globaler Vergesellschaftung primär auf „große“ makro- bzw. strukturtheoretische Zusammenhänge abstellen (Goldthorpe 2002), bleibt die Transnationalisierungsforschung vielfach an konkrete empirische (Einzel-)Fragestellungen und Theorien mittlerer Reichweite gebunden. Der Formulierung einer umfassenden Theorie transnationaler Vergesellschaftung (d. h. also einer transnationalen Gesellschaftstheorie) sind damit systematische Grenzen gesetzt. Auch ein Großteil der feldtheoretisch inspirierten bzw. an Bourdieu orientierten Beiträge zur Transnationalisierungsforschung ist daher entweder stark auf die „Mikro“-Ebene sozialer Praktiken fokussiert oder folgt zumindest einer „bottom-up“-Logik. Die Genese, die Reproduktion und der Wandel „globaler“ Strukturen bleiben auch hier weitgehend untertheoretisiert und geraten letztlich nur unzureichend in den Blick (Ausnahmen bilden beispielsweise die Arbeiten von Pries [1998] und Weiß [2017]). Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Soziologie mittlerweile über ein breites Angebot von Ansätzen verfügt, die sich der Untersuchung gesellschaftlicher Phänomene jenseits nationaler Grenzen widmen. Dieses heterogene Feld von Ansätzen ist allerdings von zwei Dichotomien durchzogen, die die jeweiligen Forschungsrichtungen auf je unterschiedliche Weise limitieren. Entlang der ersten dieser beiden Dichotomien stehen sich Transnationalisierungsforschung und Globalisierungstheorien gegenüber: Einerseits eine Transnationalisierungsforschung, die sich mit ihrem Fokus auf lokale Prozesse und einer prinzipiellen Erkenntnislogik des „bottom-up“ mit Schwierigkeiten konfrontiert sieht, eine konsistente und umfassende gesellschaftstheoretische Perspektive zu formulieren; andererseits Großtheorien der Globalisierung bzw. des Globalen, in denen sich eine „topdown“-Logik manifestiert und die eher auf makrosoziologisch-historische Entwicklungen abzielen, wodurch vielfach die lokalen oder regionalen Spezifizitäten dieser Prozesse aus dem Blick geraten und mitunter die Gefahr vorschneller Generalisierungen und Homogenitätsannahmen droht. Diese „Großtheorien“ sind ihrerseits noch einmal gespalten in Ansätze, die „Globalität“ primär als Sinn- oder als Machtzusammenhang beschreiben und damit jeweils wesentliche Aspekte von Vergesellschaftungsprozessen unterbelichten. So leistungsfähig die genannten Ansätze auf ihre je eigene Weise unbestreitbar sind – in der Zusammenschau nährt diese Fragmentierung die Befürchtung, dass analytische Potenziale hierdurch verschenkt werden und eine Integration der unterschiedlichen Perspektiven ein nicht unerhebliches Desiderat der aktuellen Debatte darstellt.33 Im Folgenden soll daher 33 Die hier vorgenommene „Kartierung“ – dies sollte noch einmal ausdrücklich betont werden – verkürzt sicherlich viele der genannten Positionen auf idealtypische Akzente. Gleichwohl haben diese Akzentsetzungen ihre jeweiligen, oben angedeuteten Effekte auf die Forschung, und zwar auch dort, wo sich konkrete Arbeiten weniger eindeutig den Extrema der angesprochenen Dichotomien zurechnen

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erarbeitet werden, inwiefern ein erweitertes und modifiziertes „Feld der Macht“ einen Ansatzpunkt zu einer solchen Integration liefern kann und dabei wichtige Beiträge der diskutierten Theorien systematisch aufzunehmen erlaubt. Zu diesem Zweck wenden wir uns nun zunächst der Frage zu, wie sich im Rahmen unseres Zugangs transnationale Machtfelder denken und konzeptualisieren lassen. Transnationale Felder Wie oben bereits angemerkt wurde, stellt die Rekonstruktion internationaler (Macht-)Felder lediglich einen möglichen Zugang zu Phänomenen mit potenziell globaler Reichweite oder Ausdehnung dar. Eine zweite, hiervon deutlich zu unterscheidende Möglichkeit des Zugriffs auf diese Phänomene besteht im Rahmen der Feldtheorie in der Rekonstruktion transnationaler Felder.34 „Transnationalität“ bezeichnet hier in einem allgemeinen Sinne zunächst solche Phänomene, die nationale Grenzen überschreiten oder unterlaufen („transzendieren“), ohne dass damit zugleich die Existenz dieser Grenzen – und damit die Existenz nationaler Einheiten selbst – grundsätzlich bestritten wird; insofern geht der Begriff der Transnationalität, wie immer wieder angemerkt wird, bereits sprachlich von bestehenden nationalen Grenzen, keineswegs von ihrer Negierung aus. Dabei können „nationale“ Felder in konzeptioneller Hinsicht als immer schon transnational betrachtet werden, insofern ihre Effekte nationalstaatliche Grenzen transzendieren und ihre Struktur und Funktionsweise wiederum von unterschiedlichen Entitäten diesseits wie jenseits nationaler Grenzen affiziert werden. Konstitutiv für diesen Zugriff – und damit für die Unterscheidung von internationalen Feldern – ist, dass die Grenzen sozialer Felder nicht apriorisch mit den Grenzen von Nationalstaaten gleichgesetzt werden. Die Grundprinzipien des feldtheoretischen Denkens werden hierbei insofern konsequenter zugrunde gelegt, als der Nationalstaat nun nicht mehr als handelnder Akteur in einem Feld, sondern – wie schon in Bourdieus ursprünglicher Fassung des Feldes der Macht – selbst als lassen. Zudem geht die Vielfalt der soziologischen Forschung natürlich nicht vollständig in den genannten großtheoretischen Angeboten auf, und es finden sich mittlerweile auch zahlreiche andere Versuche, diese miteinander in einen Dialog treten zu lassen (vgl. exemplarisch etwa Boatcă [2016], die Weltsystemanalyse, Aspekte der Transnationalisierungsforschung und postkoloniale Perspektiven zusammenführt). 34 In einer der wenigen Passagen, in denen Bourdieu sich explizit mit dieser Frage befasst, wird die Emergenz eines transnationalen Wissenschaftsfeldes mit Blick auf die Entstehung gemeinsamer Dispositionen und Weltsichten behandelt: „Die Existenz transnationaler Felder (namentlich wissenschaftlicher) schafft spezifische Formen von gemeinem Menschenverstand, die den in nationalen Schranken befangenen Menschenverstand in Frage stellen, und begünstigt das Aufkommen einer scholastischen Sicht der Welt, die allen scholars aus allen Ländern (in etwa) gemeinsam ist“ (Bourdieu 2001: 124f.).

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(ein) Feld (neben anderen) konzipiert wird. Zugleich verliert er damit das analytische Privileg (und die Bürde), die Gesamtheit aller anderen Felder rahmen oder integrieren zu müssen. Vielmehr tritt der Nationalstaat nun als ein Feld neben einer Vielzahl weiterer Felder in Erscheinung: er ringt mit diesen Feldern um Macht, affiziert diese und wird seinerseits von ihnen affiziert. Und während Bourdieu (1998c: 189) noch konstatieren konnte, dass „unter allen auswärtigen Austauschbeziehungen des Feldes“ diejenigen „am wichtigsten [seien], die zum Staat hergestellt werden“, lässt sich auf dieser Grundlage nun auch die Frage stellen, welche Austauschbeziehungen für ein Feld möglicherweise von ebenso großer oder sogar größerer Bedeutung sind. Wie in Kapitel 4 beschrieben wurde, verweist die feldanalytische Perspektive – etwa gegenüber dem systemtheoretischen Zugang, der soziale Teilbereiche primär unter dem Gesichtspunkt ihrer jeweils spezifischen Funktionen und operativen Schließung fasst – auf die fundamentale Rolle heteronomer, d. h. häufig: externer Einflüsse auf soziale Felder (und zwar auch jenseits der primär konfliktsoziologischen Analyse einseitiger „Intrusionen“, wie Bourdieu [1998b] sie am Beispiel des Journalismus beschrieben hat). Felder stehen in einem engen wechselseitigen Verhältnis zueinander, sodass sich die Dynamiken eines Feldes letztlich immer nur unter Rekurs auf seine Einbettungen und die Einflüsse jeweils anderer Felder beschreiben lassen. Das Feld der Macht (in der in Kapitel 4 dargelegten Konzeption) beschreibt die Gesamtheit dieser Felderverhältnisse. In seiner transnationalen Verwendungsweise macht das Konzept des Feldes der Macht nun darauf aufmerksam, dass auch Staaten nicht als in jeder Hinsicht distinkte, national abgrenzbare Einheiten gedacht werden können, da sie empirisch stets in multiplen Relationen zu anderen – ihrerseits nicht zwangsläufig national begrenzten – Feldern operieren. Selbst klassische Nationalstaaten verweisen in verschiedenen Hinsichten über ihre eigenen (nationalen) Feldgrenzen hinaus und können in dieser Hinsicht bereits theorieimmanent als „transnational“ begriffen werden. Die Frage nach der Relevanz und Bedeutung von „Staatlichkeit“ stellt sich aus dieser Perspektive dann als Frage nach dem Grad der Autonomie staatlicher Felder. Dabei handelt es sich in mehreren Hinsichten um eine empirische Frage: Einerseits mit Blick auf die relative Autonomie eines gegebenen Nationalstaates gegenüber anderen nationalstaatlichen Feldern sowie andererseits hinsichtlich der Autonomie von Staaten im Verhältnis zu transnationalen Feldern (wie Wirtschaft, Religion oder Recht) sowie anderen Integrationseinheiten wie etwa subnationalen Organisationsformen oder supranationalen Staatenbünden (z. B. der EU, ASEAN etc.). Diese jeweiligen Grade relativer Autonomie bzw. Heteronomie sind jedoch wiederum nicht einfach gegeben, sondern das Ergebnis historischer Prozesse der Genese, des Wandels und des Vergehens, d. h. sie bilden den jewei-

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ligen Stand sozialer Auseinandersetzungen ab. Damit sollte zugleich deutlich werden, dass sich „Staatlichkeit“ im Sinne der Autonomierelationen staatlicher Felder sowohl synchronisch (zu einem gegebenen Zeitpunkt und im Verhältnis zu unterschiedlichsten anderen Feldern) als auch diachronisch (also mit Blick auf historische Verschiebungen von Machtbalancen) beobachten lässt. Damit erlaubt diese Perspektive eine differenzierte Analyse von Prozessen der Staatswerdung ebenso wie von solchen des Zerfalls von Staaten oder Imperien sowie allgemeiner von Transformationen von Staatlichkeit bzw. „Staatlichkeit im Wandel“35.36 Nicht zuletzt vor dem Hintergrund solcher Transformationen und Verschiebungen von Machtverhältnissen hat sich nun in den vergangenen Jahren auch eine äußerst produktive Forschungsrichtung etabliert, die Transnationalisierungsprozesse unter Rückgriff auf das analytische Instrumentarium der (Habitus)-FeldTheorie in den Blick nimmt. Der Problemstellung entsprechend sind hier zunächst insbesondere Arbeiten aus dem Bereich der politischen Soziologie zu nennen. So hat etwa Marttila (2014) eine feldanalytisch angeleitete, vergleichende Gouvernementalitätsanalyse vorgelegt, Georgakakis und Rowell (2013) untersuchen das bürokratische Feld der EU-Institutionen, Büttner und Mau (2014) befassen sich mit der Herausbildung von EU-spezifischen Berufsfeldern, Villumsen-Berling (2015) konzipiert ein europäisches Feld der Sicherheit, Rawolle und Lingard (2008) verhandeln die Emergenz eines „global education policy field“ und Schmidt-Wellenburg (2014) führt den diskursiven Wandel des Managementfeldes auf die Transnationalisierung des politischen Feldes zurück. Insgesamt kann dieser Forschungszweig damit nicht nur aufzeigen, dass der Feldbegriff prinzipiell fruchtbar auf transnationale Zusammenhänge angewendet werden kann. Vielmehr wird vielfach deutlich, dass es – nicht nur für eine feldtheoretische Perspektive – empirisch notwendig ist, politische Strukturen und Prozesse unter Transnationalisierungsvorzeichen zu betrachten, und nicht zufällig mehren sich daher in den letzten Jahren vor allem empirische Arbeiten, die sich diesem Phänomenkomplex widmen. Aber auch jenseits der politischen Soziologie im engeren (materialen) Sinne werden zunehmend soziale Felder unter dem Gesichtspunkt ihrer Transnationalisierung betrachtet. So analysiert Guiraudon (2003) Migrationsphänomene unter Verwendung einer transnationalen Feldperspektive, und es finden sich in der Literatur vielfältige weitere an Bourdieu anschließende Arbeiten zu unterschiedlichsten gesellschaftlichen Teilbereichen, etwa zu transnationalen juridischen (Trubek et al. 35

So der Name des von 2003 bis 2014 geförderten Bremer Sonderforschungsbereichs 597. Der hier angelegte, bewusst weit gesteckte Begriff von Staatlichkeit und ihrer Transformation adressiert damit Fragen (allerdings unter spezifischen Gesichtspunkten), wie sie in der Literatur auch unter dem Gesichtspunkt von Souveränität behandelt werden (vgl. etwa Sassen 1996; Hardt & Negri 2003: 9ff.). Ähnliche Beispiele unter Bezug auf Norbert Elias und explizit unter dem Label von „Staatlichkeit“ finden sich auch bei Jentges (2017: 39). 36

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1993; Madsen & Dezalay 2002; Vauchez 2008; Dezalay & Garth 2012; Dixon & Tenove 2013; Vauchez & de Witte 2013), ökonomischen (Spence et al. 2016) und kulturellen Feldern (Verboord et al. 2015). Wie sich zeigt, kann die Transnationalisierungsforschung ihren Anspruch, soziale Dynamiken und Prozesse jenseits von Nationalstaaten abzubilden, vielfach in fruchtbarer Weise einlösen. Gleichzeitig wird damit nicht die analytische oder empirische Relevanz des Nationalstaates negiert: Tatsächlich adressiert der Hinweis auf die „Transnationalität“ eines Feldes nämlich nicht lediglich Phänomenkomplexe „jenseits“ von Nationalstaaten, sondern gerade auch solche, die durch nationalstaatliche Strukturen und Mechanismen mitverursacht werden (wie zum Beispiel Migrationsbewegungen) und vice versa (wie etwa die Verflechtung der Formierung und Konkurrenz europäischer Nationalstaaten mit ihren – gleich in mehreren Hinsichten: transnationalen – Kolonialbestrebungen).37 Die (positive) Annahme der „Existenz“ transnationaler Felder impliziert daher noch nicht automatisch (negative) Annahmen über den empirischen Bestand und die Relevanz nationaler Felder: Tatsächlich mag ein Effekt transnationaler Felder sogar darin bestehen, nationale Felder (bzw. die jeweils nationalen Pole von Feldern) zu stärken, wie jüngere Entwicklungen in vielen Ländern der Europäischen Union vor Augen führen.38 Letztlich bedarf es jedoch noch eines weiteren Schrittes, um den allgemeinen gesellschaftstheoretischen Anspruch des Feldes der Macht einzulösen und schließlich auch jene Phänomenkomplexe miteinzubeziehen, die weder durch nationale Begrenzungen noch durch das Transzendieren nationaler Grenzen hinreichend charakterisiert werden können. Es bedarf damit einer Hinwendung zu jenen Aspekten, die prominent im Fokus von umfassenden Theorien globaler Vergesellschaftung stehen, im Fokus also der zuvor genannten Theorien und Gesellschaftskonzeptionen, die weniger die Mikroebene sozialer Praxis und Prozesse „mittlerer Reichweite“ fokussieren als umfassende (in diesem Sinne: „globale“) Strukturen und Zusammenhänge.

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Vgl. hierzu etwa von Trotha (2004), Gillen & Ghosh (2007), Conrad (2012) sowie, am paradigmatischen Beispiel, Dirks (2001). 38 In einem verwandten Zusammenhang weist Conrad (2006) explizit darauf hin, dass der (deutsche) Nationalismus nur als ein immer schon transnationales Phänomen zu begreifen sei; und ganz ähnlich macht Gosewinkel (2009, 2016) deutlich, dass auch das moderne, „nationalisierte“ Konzept von Staatsangehörigkeit bzw. Staatsbürgerschaft historisch erst vor dem Hintergrund transnationaler Verflechtungen verständlich wird.

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Das globale Feld der Macht Soweit soziale Felder in zweifacher Hinsicht als „transnational“ beschrieben werden können, stellt sich nunmehr die Frage, welches theoretische Konzept geeignet ist, diese doppelt transnationale Verfassung zu rahmen, also in globaler Perspektive die Einheit der feldtheoretischen Differenz zu bilden. Trotz der zuvor genannten konzeptionellen Probleme scheint die theorieinterne Funktion des Feldes der Macht als Vermittlungsinstanz sozialer Teilbereiche unverzichtbar. Auch als umfassender Rahmen einer transnationalisierten beziehungsweise globalisierten Feldtheorie kann nur ein Meta-Feld fungieren, da ansonsten das Problem der Felderverhältnisse unsichtbar bliebe. Wie in Kapitel 4 dargestellt, erlaubt der relationale Charakter der Konzepte „Feld“ und „Raum“ eine Integration der ansonsten weitgehend unverbundenen Perspektiven auf soziale Ungleichheit und gesellschaftliche Differenzierung. Als Resultat einer theoretischen Integration des ungleichheitstheoretisch ausgelegten sozialen Raums der Klassen und des differenzierungstheoretisch gedachten Feldes der Macht beschreibt das in Kapitel 4 entwickelte Meta-Feld das Gesamtverhältnis aller sozialen Felder im Sinne einer spezifischen (nämlich differenzierungstheoretischen) Perspektive auf den sozialen Raum, aus der Feldeffekte und feldspezifische Praktiken in ihren Wechselwirkungen in den Blick genommen werden (vgl. Schmitz et al. 2017: 69). Das Feld der Macht und den sozialen Raum als zwei aufeinander verweisende analytische Perspektiven auf einen identischen sozialen Zusammenhang zu interpretieren, erlaubt es nun zudem, die wechselseitigen Effekte dieser beiden Strukturprinzipien zu beobachten – also einerseits Feldeffekte auf die Klassenstruktur des sozialen Raums und andererseits Effekte der Struktur und Dynamik des sozialen Raums auf die Funktionslogik sozialer Felder und ihre Beziehungen zueinander. Noch einmal zugespitzt heißt dies: die Struktur des sozialen Raums als Ausdruck der Dynamiken sozialer Felder zu beschreiben und vice versa. Dabei gilt es noch einmal zu betonen, dass diese Doppelperspektive eingenommen werden kann, ohne zugleich (a) geographische Grenzen als notwendige Bestimmungsfaktoren zu postulieren oder (b) den Nationalstaat als allein verbindliche epistemische und empirische Letztinstanz anzunehmen. Sollen nun mehrere Felder (einschließlich staatlicher Felder, aber unter Einbeziehung beispielsweise auch von global agierenden Unternehmen, supranationalen Organisationen oder transnationalen Eliten) simultan verhandelt werden, um damit Phänomene von globaler Ausdehnung und Reichweite zu beschreiben, bedarf es allerdings einer letzten aber entscheidenden begrifflichen Nuancierung. Nicht zuletzt aus der hier geschilderten transnationalen (ebenso wie translokalen) Konstitution sozialer Felder (und darüber hinaus aus der Tatsache, dass auch alle

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weiteren Theoriekonzepte und Grundbegriffe in keiner Weise definitorisch auf nationale Grenzen verweisen) folgt, dass auch das Feld der Macht analytisch in letzter Instanz als ein globales Feld gedacht werden kann. Das „globale Feld der Macht“ tritt dann an die Stelle eines allgemeinen (Welt-)Gesellschaftsbegriffes – es bezeichnet analytisch den weitest möglichen Bezugsrahmen zur Analyse von Prozessen und Strukturen globaler Vergesellschaftung. Damit wird hier neben der „klassischen“ nationalen, der sub- und supranationalen, der internationalen und der transnationalen Perspektive also eine sechste Perspektive aufgerufen, die Felder unter dem Gesichtspunkt ihrer Globalität betrachtet: Der Begriff „global“ adressiert damit zwei unterschiedliche semantische Ebenen: Er bezeichnet sowohl (a) den weitestmöglichen empirischen Bezugsrahmen (d. h. den Globus und die Gesamtheit weltweit potenziell beobachtbarer Prozesse) als auch (b) die allgemeinste analytische Perspektive auf jedwede Art von Einheiten, Beziehungen und Mechanismen.39 Das globale Feld der Macht bildet dann einen spezifischen, feldanalytischen Blick auf den globalen sozialen Raum (wie auch umgekehrt der globale soziale Raum in letzter Instanz nichts anderes darstellt als eine spezifische analytische Perspektive auf das globale Feld der Macht). Gleichwohl handelt es sich bei diesem Entwurf nicht um eine rein theoretische Übung, sondern um die Skizze eines kategorialen Werkzeugs, das sich letztlich auch in der empirischen Forschungspraxis zu beweisen hat. Auf die methodologischen Implikationen, die sich in diesem Zusammenhang anschließen, wird in Kapitel 6 eingegangen. Vom nationalen zum globalen Feld der Macht: Diskussion und Fazit In diesem Kapitel haben wir den „methodologischen Nationalismus“, der dem Feld der Macht in seiner ursprünglichen Fassung inhärent ist, zum Ausgangspunkt einer kritischen Reflexion genommen. Anknüpfend an die Generalisierung des Feldes der Macht, wie sie zuvor in Kapitel 4 entwickelt wurde, haben wir einen Vorschlag zur Weiterentwicklung gemacht, in der die empirische „Existenz“ und Relevanz nationaler Machtfelder – im Unterschied zu einigen jüngeren Theorieströmungen und Diskursen – nicht per se negiert, sondern diesen vielmehr (i) subnationale Machtfelder, (ii) supranationale Machtfelder, (iii) internationale Machtfelder, (iv) transnationale Machtfelder sowie (v) das globale Feld der Macht als zusätzliche analytische Bezugsrahmen zur Seite gestellt werden. Das zuletzt genannte globale Feld der Macht wurde überdies als umfassendes Metakonzept 39 Zuletzt hat Atkinson (2019) einen phänomenologischen Entwurf im Anschluss an Bourdieu vorgelegt, um u. a. auch soziale Relationen im globalen Maßstab untersuchen zu können.

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vorgestellt, in welchem andere (Macht-)Felder analytisch wie empirisch lokalisiert werden können. Hierzu haben wir in einem ersten Schritt verdeutlicht, dass sub-und supranationale Machtfelder (logisch wie empirisch) gemeinsam mit nationalen Machtfelder beobachtet bzw. gedacht werden können, der Nationalstaat also keineswegs die analytische Letztinstanz des Sozialen bildet. Anknüpfend an das in Kapitel 4 ausgeführte Argument, nach dem soziale Felder über ihre Wechselwirkungen und damit über ihre immer nur relative Autonomie beschrieben werden können, haben wir sodann im nächsten Schritt gezeigt, wie sich internationale Machtfelder konzipieren lassen. Ausgehend von diesen Überlegungen ließ sich die Annahme problematisieren, dass es sich bei diesen Feldern um autonom operierende Teilbereiche handelt, die voneinander prinzipiell unabhängige Effekte hervorbringen. Angesichts der empirisch beobachtbaren feldübergreifenden Ressourcenakkumulation durch unterschiedliche Staaten können an derlei Annahmen erhebliche Zweifel angemeldet werden.40 Zwar sind die verschiedenen internationalen Felder (zum Zeitpunkt der Untersuchung) nicht vollständig homolog, d. h. die Position einer Nation in einem Feld bildet sich nicht einfach in allen anderen Feldern ab. Daraus folgt aber nicht, dass die Strukturen und Dynamiken dieser Felder – und damit: die jeweiligen Positionen von Nationalstaaten in diesen Feldern – unabhängig voneinander sind. Aus der Perspektive einer generalisierten Feldtheorie liegt vielmehr die Deutung nahe, dass sich das stratifizierte, internationale Feld der Macht mit wenigen Hegemonien, zahlreichen Mittelmächten und einer Vielzahl von abgehängten Nationalstaaten auch aus der wechselseitigen Beeinflussung der Felder (re-)produziert. Während andere theoretische Ansätze „den Nationalstaat“ dabei entweder weiterhin als zentrale Bezugsgröße setzen oder umgekehrt auf seine global abnehmende Relevanz hinweisen, erlaubt es diese Perspektive, (National-)Staatlichkeit als eine Variable zu behandeln, deren Angemessenheit deutlich über verschiedene Felder und Regionen hinweg variiert. Den Gedanken einer fundamentalen Wechselwirkung zwischen sozialen Feldern haben wir vor diesem Hintergrund sodann auf transnationale und globale Phänomenbereiche bezogen, in denen Nationalstaaten aus empirischen Gründen nicht mehr als die einzig entscheidenden Analyseeinheiten aufgefasst werden können. Um den feldtheoretischen Ansatz im Feld der Transnationalisierungs- und Globalisierungstheorien verorten zu können, erfolgte zunächst eine grobe Kartierung dieses Diskursfeldes. Im Zuge dieser Auseinandersetzung zeigte sich, dass

40 Erst für den späten Luhmann und neuere systemtheoretische Arbeiten liegt dabei die Vermutung nahe, „dass funktionale Differenzierung in bestimmten Regionen der Welt durch die ‚Meta-Differenz‘ Inklusion/Exklusion abgelöst werden kann“ (Greve & Heintz 2005: 108).

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der bisherige und gegenwärtige Diskurs – wie schon diejenigen theoretischen Debatten, die sich auf Nationalgesellschaften beschränken – durch eine Reihe von Dichotomien strukturiert und arbeitsteilig organisiert ist: Während sich einerseits eine stark „mikro-“ und „mesosoziologisch“ fundierte Transnationalisierungsforschung und ein Ensemble von Theorien des Globalen gegenüberstehen – wobei erstere sich der Nachverfolgung und Aufzeichnung „bodennaher“ Prozesse (der Bewegung von Akteur*innen, der Diffusion von Praktiken, der Zirkulation von Objekten etc.) verschrieben hat, tendenziell eher einer „bottom-up“-Logik folgt und damit vor allem kurz- und mittelfristige Prozesse in den Blick rückt, während letztere eher aus der Vogelperspektive große makrostrukturelle Zusammenhänge in den Blick nehmen, einer „top-down“-Logik folgen und insbesondere langfristige Entwicklungstendenzen sichtbar machen – unterscheiden sich die verschiedenen Theorien globaler Vergesellschaftung noch einmal dahingehend voneinander, ob sie Globalität primär als einen Sinn- oder als einen Machtzusammenhang deuten. So plausibel diese Perspektiven und ihre jeweiligen Foci für sich genommen auch sind, so unbefriedigend erscheint eine solche Fragmentierung soziologischer Theorien „jenseits des Nationalstaats“ angesichts gesellschaftlicher Großprobleme: Der globale soziale Raum kann in seiner Komplexität nicht erschlossen werden, wenn selbstauferlegte analytische Denkbarrieren jeweils nur eine „halbierte“ gesellschaftliche Wirklichkeit sichtbar zu machen erlauben. Vielmehr verweisen in diesem globalen sozialen Raum lokale Prozesse und globale Strukturen, Sinn- und Machtverhältnisse, oder Eliten und abgehängte Milieus ebenso aufeinander, wie auch die verschiedenen sozialen Felder erst in ihren Wechselwirkungen systematisch rekonstruierbar werden. Das (globale) Feld der Macht in der hier entwickelten Lesart – und im Unterschied zu einer letztlich problematischen, da reifizierenden und vielfach den Nationalstaat überbetonenden Fassung bei Bourdieu – stellt damit ein abstraktes Konzept dar, das die Analyse verschiedener sozialer Felder sowie ihrer Wechselwirkungen auf ganz unterschiedlichen Analyseebenen ermöglicht. Die relationale Perspektive zeichnet sich nun gerade dadurch aus, dass diese Analyseebenen nicht als a priori gegeben angenommen, sondern vielmehr als Kontexte konstruiert werden, die dem jeweiligen Forschungsinteresse entsprechen. Sofern die jeweilige Fragestellung sowie die Verfasstheit der entsprechenden Untersuchungsgegenstände dies nahelegen, lässt sich das Konzept also auf lokaler oder nationaler wie auch auf transnationaler bzw. globaler Ebene gleichermaßen (und simultan) zum Einsatz bringen. Wie in Kapitel 4 dargelegt wurde, begreifen wir dabei das generalisierte Feld der Macht als Feld der Felder, und somit immer zugleich als einen spezifischen analytischen Zugang zum sozialen Raum. Auch in globalen Zusammenhängen stellen Feldperspektive und Sozialraumperspektive zwei komplementäre Zugänge

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zur sozialen Wirklichkeit dar. Daher führt die Anlage des Begriffes auch hier keineswegs dazu, dass feldanalytische Fragestellungen im engeren Sinne oder eine allgemeine differenzierungstheoretische Perspektive gegenüber anderen, insbesondere ungleichheitstheoretischen Aspekten einseitig in den Vordergrund rücken müssten. Im Gegenteil: Da das (globale) Feld der Macht als ein feldanalytischer Blick auf den sozialen Raum begriffen werden kann, gelangen damit immer auch Fragen nach Ressourcenverteilungen, Machtbalancen und Klassenstrukturen der (Welt-)Gesellschaft in den Blick, wobei die Doppelstruktur des Feldes der Macht gerade die Wechselwirkungen beider Differenzierungsprinzipien, d. h. Interferenzen zwischen Feldern und Klassen thematisierbar werden lässt. Auf diese Weise bieten die Konzepte des globalen Feldes der Macht und des globalen sozialen Raums zugleich Möglichkeiten, differenzierungstheoretische ebenso wie ungleichheitssoziologische Perspektiven von einer zu starken Betonung der Rolle von Eliten zu entkoppeln. Exkludierte Akteursgruppen, prekäre Milieus, die Lai*innen der verschiedenen Felder und die unterschiedlichen Publika der Gesellschaft – die in ihrer heutigen Form von Klient*innenrollen komplementär zur Ausdifferenzierung von Professionsrollen etabliert wurden41 – lassen sich auf diese Weise systematisch in feldtheoretische Untersuchungen integrieren. Dies schließt freilich keineswegs aus, die Feldtheorie und das Feld der Macht auch weiterhin für elitensoziologische Fragestellungen fruchtbar zu machen, indem etwa nationale oder globale Elitenfelder konstruiert und untersucht werden (vgl. Kapitel 3 sowie Schneickert 2015). Gleichwohl wären solche Elitenfelder (im Sinne von „Feldern der Mächtigen“) keineswegs mit dem hier konzipierten „Feld der Macht“ gleichzusetzen. Die Zusammenschau von Differenzierungsprinzipien eröffnet vielmehr eine empirische Komplexität, die es weiter als bisher auszuloten gilt: Eliten können etwa durchaus a) als feldspezifische gedacht werden, wobei sich die dabei in den Blick rückenden Felder zunächst b) nach Ländern unterscheiden lassen, sodann aber c) zu fragen ist, inwieweit die jeweiligen Eliten und Felder wirklich als „nationale“ beschreibbar sind (oder nicht), um schließlich d) ihre jeweiligen Verhältnisse zu anderen (erneut z. B. nationalen, transnationalen oder globalen) Feldern und Klassen zu rekonstruieren. Wie dieses Beispiel zeigt, kann der Nationalstaat auch im Zusammenhang einer „globalen“ Perspektive nicht leichthin für analytisch und empirisch obsolet erklärt werden. Legt man ein relationales Verständnis zugrunde, wird der Staat – erneut im Kontrast etwa zu systemtheoretischen Vorstellungen von Weltgesell-

41 Zum Verhältnis von (politischen) Expert*innen und Lai*innen vgl. Bongaerts (2008: 193), sowie grundlegend schon die Bourdieu’sche Religionssoziologie (1971a, 1971b; dt. in: Bourdieu 2000), in der der Feldbegriff gerade mit Blick auf die parallele Ausdifferenzierung von (religiösen) Expert*innen und Lai*innen eingeführt wurde.

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schaft, in denen das System der Nationalstaaten als segmentäre Binnendifferenzierung des Subsystems „Weltpolitik“ angelegt ist – aus feldtheoretischer Sicht vielmehr als ein Feld im Feld der Macht (neben anderen) verstehbar. Nationalstaaten sind dann, genau wie jedes andere Feld, über das ihnen eigene Ordnungsprinzip beschreibbar, welches in Konkurrenz zu den Ordnungsprinzipien anderer sozialer Felder (und damit auch anderer Staaten) tritt. In ein Konkurrenzverhältnis zu anderen Orientierungsstrukturen gerät auf diese Weise auch das oben erwähnte „Staatsdenken“. Dies umfasst seine Relativierung als sozialisatorische Prägung in konkreten, nationalen Ausprägungen,42 aber ebenso die mögliche Relativierung des Staatsdenkens insgesamt, d. h. die Ablösung von Staaten als den dominanten Klassifikationsinstanzen durch alternative Formen. Gleichwohl sei auf zweierlei hingewiesen: Zum einen mag gerade die explizite Ablehnung des Staates als legitimer Quelle der Strukturierung von kognitiven und normativen Mustern zur Ursache einer Renaissance des Staatsdenkens wie auch des Nationalismus werden;43 und zum anderen lassen sich selbst noch 42 Die Autonomie eines spezifischen Nationalstaats und ihr möglicher Wandel zeigen sich beispielsweise hinsichtlich der Fähigkeit, Maße und Maßeinheiten bestimmen und durchsetzen zu können. Ein bekanntes und recht gut erforschtes Beispiel hierfür liefert die Standardisierung der Zeit: Je autonomer ein Staat ist, desto eher ist er in der Lage, Zeitmaße, Rhythmen und – allgemeiner formuliert – die temporale Ordnung von Gesellschaft zu bestimmen und zu kontrollieren. Prozesse der Transnationalisierung bzw. Globalisierung manifestieren sich entsprechend auch dahingehend, dass einzelne Staaten „nicht mehr über ihre eigene Zeit entscheiden können“ (was aktuell etwa anschaulich gemacht werden kann am Beispiel des Streits um die Abschaffung der Zeitumstellung, nicht zuletzt mit Blick auf die Rolle eines supranationalen Akteurs wie der EU). Dabei war die Bestimmung und Standardisierung von Zeitmaßen, Kalendern und insbesondere die Durchsetzung eines globalen Zeitsystems mit Zonenzeiten ein genuin internationaler Prozess (vgl. zu diesem Themenkomplex aus ganz unterschiedlichen Perspektiven Elias [1988: insb. 20ff.]; Zerubavel [1982]; Levine [1999: insb. 87ff.]; mit Blick auf die gesellschaftsrelative Variabilität der Zeiterfahrung allgemeiner Lindemann [2014: 126–179]). Aber auch andere soziale Felder (neben Staaten und Staatenverbünden) spielen in diesem Zusammenhang durchaus eine Rolle – so beispielsweise, wenn sich Nationalstaaten an der Rhythmik anderer Ordnungen orientieren müssen (etwa der globalen Ökonomie oder des globalen Sports) (in einem ähnlichen Sinne auch Bohmann und Laux [2017]) oder immer weniger imstande sind, Einfluss auf die zeitlichen Abläufe des Alltagslebens und biographische Trajektorien (etwa Karriereverläufe, die Paar- und Familienformation etc.) zu nehmen. 43 Bourdieu (1998b) diskutiert in seiner späten medienkritischen Streitschrift Über das Fernsehen, wie dieses Medium symbolische Gewalt über sein Publikum ausübt und dadurch einen Beitrag zur nationalen (kulturellen und kognitiven) Integration leistet. Angesichts der heute zu konstatierenden Zerklüftung des informationellen Produktionsfeldes mit seinen diversen (nun vor allem auch digitalen) und insgesamt wenig regulierten Angeboten entfällt dieser integrative Beitrag des Fernsehens in weiten Teilen. Wo in Deutschland unterschiedlichste Klassen und Milieus lange Jahre noch der Konsum der großen öffentlich-rechtlichen Sender einte, existiert heute ein partialisiertes Medienfeld nicht lediglich mit öffentlichen und privaten, sondern überdies mit lokalen, nationalen, transnationalen und globalen bzw. global orientierten Anbietern. Diese Pluralisierung des Angebots korrespondiert mit einer Partikularisierung von zunehmend unverbundenen (bzw. nur mehr durch Antagonismen verbundenen) Konsument*innenmilieus, die nicht länger über ein national strukturiertes Medienfeld integriert werden

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dort, wo die emphatische Befürwortung kosmopolitischer Vielfalt (im Sinne etwa von Reckwitz 2019: 29–61; Koppetsch 2019) mit Haltungen und Lebensstilen korrespondiert, in denen das generelle Verhältnis zur Idee des Nationalen von Aversionen geprägt ist, mitunter Strategien identifizieren, die zugleich auf die Sicherung von Machtpositionen innerhalb des kritisierten nationalstaatlichen Rahmens abzielen. Die bis hier skizzierte Dezentrierung des Nationalstaates und seiner Effekte ist darüber hinaus geeignet, eine Reihe weiterer empirischer Phänomene feldtheoretisch zu beleuchten und entsprechende, nicht zuletzt auch komparative Analysen anzuleiten. Einen ersten Themenkomplex bilden dabei Staaten bzw. staatliche Konstellationen, die weniger durch einen eigenen staatlichen Nomos als vielmehr durch die Nomoi anderer Felder strukturiert werden. Paradoxerweise bildet der idealtypische, für lange Zeit hegemoniale westliche Nationalstaat für solche Konstellationen und den dahinterliegenden theoretischen Zusammenhang das Musterbeispiel: Die (bereits als solche paradox anmutende) Figur des historisch aus Heteronomie-Autonomie-Verhältnissen emergierenden westlichen Nationalstaates wiederholt sich nämlich dahingehend, dass staatliche Felder ihre relative Autonomie auch heute noch in vielen Hinsichten aus ihrer Abhängigkeit von anderen sozialen Feldern beziehen. Entfalten lässt sich diese scheinbare Paradoxie mithilfe des Gedankenexperiments eines von allen anderen sozialen Feldern vollständig autonomen Staates. Das Argument der notwendigen und konstitutiven Heteronomie eines jeden sozialen Feldes verweist dann in diesem Zusammenhang darauf, dass ein solches, vollständig autonomes nationalstaatliches Feld lediglich eine analytische Konstruktion darstellt, der keine empirische Konstellation vollumfänglich entspricht (und auch nicht entsprechen kann). Mit anderen Worten: Aus der Perspektive der generalisierten Feldtheorie stellt der empirische Nationalstaat stets einen Ausdruck einer spezifischen (Kon-)Figuration sozialer Felder und Felderverhältnisse dar (siehe Kapitel 4; vgl. auch Schmitz & Witte 2017, 2020; Witte & Schmitz 2020). Die relative Autonomie des deutschen Staates der Gegenwart bspw. ergibt sich auch weiterhin aus seiner relativen Heteronomie gegenüber einer Vielzahl von Feldern (so etwa gegenüber dem juridischen, dem politischen oder dem ökonomischen Feld, deren spezifische Autonomieverhältnisse diesen Staat überhaupt erst als demokratischen Rechts- und Sozialstaat mit Parteienwettbewerb, bürokratischer Verwaltung, marktwirtschaftlicher Orientierung usf. etablieren und klassifizieren). Wie dieses Beispiel deutlich macht, werden auch „klassische“ westliche Nationalstaaten über andere soziale Felder (Politik, Recht, Ökonomie usw.) sowie ihre Effekte und Beiträge konstituiert und legitimiert bzw. von diesen dominiert. Die Frage nach der Autonomie sozialer Felder muss daher auch (was zugleich einen zentralen Aspekt zur Erklärung der Auseinandersetzungen über die Legitimität des Rundfunkbeitrags darstellt).

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für westliche Nationalstaaten differenzierter gestellt werden – sie lautet dann auch hier: „Autonomy from What?“ (Schudson 2005). Eine sich an diese Perspektive anschließende Option besteht nun darin, auch noch die etablierte und kaum hinterfragte Verknüpfung von nationalstaatlichem und politischem Feld zu dekonstruieren. Auch hier stellt sich zunächst die Frage, wie ein gegenüber dem politischen Feld relativ autonomes (national-)staatliches Feld (denk-)möglich sein sollte.44 Während demokratische Staaten diese Figur vielleicht auf den ersten Blick als unplausibel erscheinen lassen, erleichtert der Vergleich mit nicht-demokratischen Regimen diese Abstraktion. Autokratien und Diktaturen lassen sich nämlich gerade als solche nationalstaatlichen Felder beschreiben, die eine besondere Autonomie gegenüber der Eigenlogik des politischen Feldes aufweisen, insofern ihre Strukturen und Prozesse, ihre internen Hierarchieprinzipien und Normen etc. in geringerem Maße von der genuinen (ebenso assoziativen wie dissoziativen) Logik des „Politischen“ (vgl. nur Marchart 2010) und den dazugehörigen Institutionen (öffentlicher Diskurs, Mehrparteiensystem, innerparteilicher Konflikt usw.) beeinflusst werden, als dies für demokratische Gesellschaften der Fall ist. In ganz ähnlicher Weise lassen sich ebenso historische Figurationen wie etwa der französische Absolutismus unter dem Gesichtspunkt relativ autonomer staatlicher Felder mit einer nur geringen Bedeutung der Eigenlogik des politischen Feldes im obigen Sinne denken. Die Unterscheidung zwischen Politik und dem Politischen ist in diesem Zusammenhang zudem dahingehend hilfreich, dass freilich auch gegenwärtige Autokratien oder vergangene Diktaturen „Politik“ treiben, also regieren und organisieren, mit Fragen der Legitimation, der Stellvertretung und der Delegation befasst sind usw. Die Autonomie des politischen Feldes ist in diesen Fällen jedoch deutlich geringer ausgeprägt – 44 Für eine strikt relationale Wirklichkeitsauffassung stellen solche Fragen nach einem nicht historischen, sondern vielmehr apriorischen und raumzeitlich unabhängigen „Wesenskern“ des (National-) Staates weder zentrale Problemstellungen noch überhaupt apodiktisch beantwortbare Fragen dar. Gleiches gilt im Übrigen für soziale Felder im Allgemeinen, deren Eigenschaften eben nicht apriorisch definiert, sondern ebenfalls (positiv) über Tautologien („l’art pour l’art“, „Geschäft ist Geschäft“ etc.) und (ex negativo) über die relative Abwesenheit von Heteronomien gefasst sowie diskursanalytisch und historisch-rekonstruktiv bestimmt werden können. Zentrale Begriffe der Feldtheorie lassen sich nun aber vor dem Hintergrund dieser anti-essenzialistischen Denkweise ebenso im Kontext des nationalstaatlichen Feldes mobilisieren: Bourdieu (1998a: 123) spricht beispielsweise im Kontext der Frage nach dem Nomos des Nationalstaates von Prozessen der „Monopolisierung des Allgemeinen“ und bestimmt die spezifische Tautologie des Staates als diejenige (ethische, feldspezifsche) Norm, nach der der Beamte „in allem seinem Amt verpflichtet“ sei. In Über den Staat diskutiert Bourdieu (2014: 105ff.) zudem den Zusammenhang zwischen libidinöser Prägung und sozialer Integration, und das zuvor angesprochene „Staatsdenken“ lässt sich durchaus als Doxa staatlicher Felder interpretieren. An anderer Stelle wurde ferner auf die Bedeutung geographischer und sozialer Grenzziehungen hingewiesen („doppelte Regionalität“) – wobei nicht lediglich in der Durchsetzung territorialer Grenzen, sondern auch in der Monopolisierung sozialer Integration und der Bestimmung ihrer Kriterien weitere Merkmale relativ autonomer Nationalstaaten gesehen werden können (vgl. Witte & Schmitz 2020).

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und zwar möglicherweise so gering, dass gar nicht sinnvoll von einem politischen Feld mit einer politischen Eigenlogik gesprochen werden kann, sondern Politik eher als ein Apparat im Dienste und gemäß der Logik etwa eines absolutistischen Regimes oder eines autokratischen Nationalstaats fungiert.45 Aus den bis zu diesem Punkt entwickelten Überlegungen wird zudem deutlich, dass der Terminus „Staat“ hier und im Folgenden keineswegs mit dem westlich geprägten, säkularistisch konnotierten Verständnis von Staat oder Politik in eins fällt oder gar eine prinzipielle (Nicht-)Unterscheidbarkeit dieser beiden Felder postuliert, sondern vielmehr eine spezifische (und im Einzelfall empirisch zu bestimmende) (Kon-)Figuration von Feldern und Felderverhältnissen beschreibt, bei der eine starke Autonomie jeweils desjenigen Feldes konstatiert werden kann, das erfolgreich das „Monopol des Allgemeinen“ – und damit zugleich das Monopol auf legitime Integration – für sich zu beanspruchen weiß. Wie zuvor bereits diskutiert kann dieses Feld – je nachdem in welche Figurationen es eingebettet ist – demnach verschiedene Formen annehmen, die in historisch-komparativer Perspektive nicht notwendig als „Staaten“, sondern beispielsweise auch als „Imperien“ oder „Dynastien“ bezeichnet werden. Die dergestalt formalisierte Frage nach den Verhältnissen (national-)staatlicher (ebenso wie dynastischer, imperialer usw.) Felder zu anderen sozialen Feldern lässt sich aber auch auf andere empirische Fälle beziehen, ohne implizit oder gar explizit ein westliches Vorverständnis von Nationalstaatlichkeit zugrunde zu legen. Zu denken wäre in diesem Zusammenhang etwa an Theokratien (wie etwa den Iran der Gegenwart), in denen das nationalstaatliche Feld über eine nur geringe Autonomie gegenüber dem religiösen Feld verfügt. Je stärker dabei ein religiöses Feld von seinem autonomen Pol beherrscht wird (d. h. je eher der mächtige Pol des Feldes mit dem autonomen Pol ineinsfällt), umso wahrscheinlicher wird damit, dass andere Felder (Politik, Staat, Wirtschaft, Öffentlichkeit etc.) ihrerseits heteronom durch dieses religiöse Feld affiziert werden. Bestimmend nicht allein für die Autonomie des Staates, sondern auch für seine Identität werden solche Konstellationen insbesondere dort, wo sich der orthodoxe Pol des religiösen Feldes dezidiert gegen die Idee des säkularen Staates selbst wendet und die Zugehörigkeit zu Staat und Nation über eigene (d. h. religiöse) Kriterien zu bestimmen sucht. Im Extremfall, d. h. dann, wenn keine nennenswerte Autonomie des staatlichen Feldes mehr behauptet werden kann, lässt sich hier von einem religiös beherrschten Staatsapparat sprechen. Legitimationstheoretisch korrespondiert eine solche Umkehrung der Machtbalancen typischerweise mit einem Staatsglauben, 45 In diesem Sinne erhält die gängige deutsche Übersetzung des champ politique als „politisches Feld“ (im Gegensatz zu einem „Feld der Politik“) nachträglich zusätzliche theoretische Plausibilität. Zur Stellung des Apparatbegriffes in feldtheoretischen Zusammenhängen vgl. aber auch die knappen Hinweise bei Bourdieu & Wacquant (1996: 132ff.) sowie Bourdieu (1987b).

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der von religiösen Überzeugungen und dem Glauben an die religiös begründete Legitimität des Staatswesens überlagert bzw. überhaupt erst konstituiert wird. Auf der anderen Seite des Spektrums möglicher Verhältnisse von Staat und Religion stehen dem analytischen Extremfall der Theokratie idealtypisch streng säkularistische und laizistische sowie dezidiert „atheistische“ und „antitheistische“ Verfassungen gegenüber, in denen die verschiedenen sozialen Felder keine besonderen Abhängigkeitsverhältnisse zum religiösen Feld aufweisen, dieses Feld starker staatlicher Regulierung unterworfen oder sogar die Ausübung von Religion insgesamt unterbunden wird (derart weitreichende Einschränkungen der Religionsfreiheit finden sich gegenwärtig etwa in einigen (post-)sozialistischen Staaten wie China, Nordkorea oder auch Kuba). Zwischen diesen beiden Polen existieren freilich (historisch wie gegenwärtig) zahlreiche weniger extreme Varianten und Mischverfassungen, die durch ein nur relativ schwach ausgeprägtes Machtgefälle zwischen Staat (Politik, Recht usw.) und religiösem Feld gekennzeichnet werden können (vgl. etwa Madeley 2015; Witte 2018a; siehe auch Gengnagel et al. 2016).46 Gerade die Relationen von religiösen Feldern einerseits und rechtlichen, politischen und staatlichen Feldern andererseits liefern reichhaltiges Material, an dem abzulesen ist, dass die Verhältnisse sozialer Felder nicht zuletzt konflikthafte Verhältnisse sind und diese Konflikte nie vollständig stillgestellt werden können. Wie die genannten Beispiele verdeutlichen mögen, hängt also auch die Frage, was im konkreten empirischen Fall unter einem „Staatsdenken“ verstanden wird – ein nach westlichem Zuschnitt nationalstaatlich geprägtes System von Schemata, Überzeugungen und Dispositionen, ein theokratisch geprägtes Äquivalent usw. – maßgeblich von den jeweiligen Machtbalancen kultureller, politisch-juridischer, religiöser und weiterer Felder ab.47 Dabei kann in ausdifferenzierten Gesellschaften ein einzelnes Feld weder als Letztinstanz gesellschaftlicher Integration fungieren noch die Quellen und Referenzen doxischer Weltsichten vollständig monopolisieren. Wie zuvor dargelegt verfügen Akteur*innen vielmehr über stets hybride Habitus, die sich aus multiplen Quellen speisen, auf unterschiedlichste Referenzpunkte richten und in entsprechenden Praktiken manifestieren: Die Konkurrenz 46 Einen interessanten Sonderfall bildet hier die Figur der „civil religion“ (siehe insb. Bellah 1967; Bellah & Hammond 1980), wobei an dieser Stelle analytisch offenbleiben kann, ob dem (vermeintlich „säkularen“) Glauben an die Nation oder den Staat lediglich eine Substitutionsfunktion (im Sinne eines „religioiden“ Phänomens bzw. einer „Ersatzreligion“) zukommt, oder ob die politische Praxis, wie in dem von Bellah (1967) untersuchten Fall, (auch) auf genuin religiöse Ressourcen rekurriert und diese zu eigenen, feldspezifischen Zwecken appropriiert. 47 Wobei nicht erst die Hegemonie des westlichen Modells von Nationalstaatlichkeit, sondern bereits die Einteilung der Welt in „Staaten“ insgesamt das Ergebnis von Machtpraktiken darstellt, wie etwa die Kolonialgeschichte Afrikas und die vielfach kontingenten, allein einer militärisch-politischen Logik der Kolonialmächte geschuldeten Grenzen afrikanischer Staaten zu illustrieren vermögen.

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etwa zwischen staatlichen und religiösen Feldern schlägt sich also auch noch auf der dispositionellen Ebene der Akteur*innen nieder. Eine letzte Unterscheidung, in der die Verhältnisse zwischen Feldern als Verhältnisse der Über- und Unterordnung, des Konflikts sowie der Konkurrenz (nicht zuletzt auch um Chancen der Prägung von Dispositionssystemen im Sinne des „Staatsdenkens“) augenfällig werden, betrifft die häufig als selbstverständlich gedachte Einheit „Nationalstaat“ selbst. Aus historischer Warte ebenso wie in analytischer Hinsicht können Staat und Nation vielmehr als zwei nicht aufeinander reduzierbare Felder behandelt werden, deren jeweiliger Autonomiegrad und deren Verhältnis zueinander historischen Wandlungsprozessen unterliegen.48 So wie das lange Zeit hegemoniale Konzept des (europäischen) Nationalstaats das Ergebnis langfristiger historischer Prozesse unter spezifischen (europäischen) Bedingungen darstellt, lassen sich empirisch auch immer wieder Phänomene beobachten, in denen seine Komponenten („Staat“ und „Nation“) auseinanderfallen. Den idealtypischen Fall stellen hier wohl sezessionistische Entwicklungen dar, in denen nationale und staatliche Felder in Konflikt um die legitime Monopolisierung kollektiver Identität geraten und dabei zunehmend auseinanderdriften (schrittweise etwa durch die Abspaltung oder Gründung eigener Parteien zur Vertretung „nationaler“ Interessen, Autonomieforderungen, entsprechende Zugeständnisse, die Aufspaltung gemeinsamer Institutionen, mitunter gewaltsame Auseinandersetzungen und schließlich die Herausbildung eines neuen nationalstaatlichen Feldes). Das potenzielle Auseinanderklaffen von nationalen und staatlichen Feldern lässt sich feldtheoretisch aber auch am Beispiel der historischen Verhältnisse von kolonialisierenden und kolonialisierten Gesellschaften veranschaulichen: nämlich insofern kolonialisierte Gesellschaften vielfach zwar im Rahmen des staatlichen Feldes der kolonialisierenden Gesellschaft, nicht aber hinsichtlich ihres nationalen Feldes integriert waren. Semantisch schlagen sich die verschiedenen Formen dieser felderspezifischen (Teil-)Integration von vormals externen Gebieten und Gebietskörperschaften auch dahingehend nieder, dass die Kolonialgeschichte eben nicht lediglich „Kolonien“ kennt, sondern zudem zwischen „Dominions“, „Protektoraten“, „Mandaten“ usw. zu differenzieren weiß (zur relativen Autonomie kolonialstaatlicher Felder vgl. auch Steinmetz 2008). Eine andere bemerkenswerte Konstellation von nationalem und staatlichem Feld findet sich gegenwärtig in den Außengebieten der USA: Diese werden einerseits danach unterschieden, ob es sich 48

Bereits die klassische Kontrastierung des französischen und des deutschen Modells macht bekanntlich deutlich, dass auch noch innerhalb der „westlichen“ Tradition zum Teil weitreichende Unterschiede dahingehend bestehen, ob staatliche Integration und die Prägung von Dispositionen stärker unter dem Einfluss z. B. staatlicher (wie im Fall des französischen Republikanismus) oder nationaler Felder erfolgt (wie im Fall der dem Staatswerdungsprozess vorgeschalteten Idee einer deutschen „Kulturnation“). Zur feldtheoretischen Rekonstruktion dieser gegenläufigen Prozesse vgl. auch Bourdieu (2014: 601ff.).

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um sogenannte „inkorporierte“ oder „nichtinkorporierte“ Gebiete handelt (je nachdem, ob die amerikanische Verfassung dort vollständig – heute nur noch auf dem Palmyra-Atoll – oder nur teilweise Geltung besitzt), und andererseits danach, ob ihnen durch den Kongress das Recht auf Selbstverwaltung eingeräumt wurde („organized territories“, etwa Guam oder Puerto Rico, versus „unorganized territories“, zumindest formal beispielsweise Amerikanisch-Samoa). Diese historisch gewachsene Konstruktion führt im Ergebnis nicht nur zu bemerkenswerten hybriden Rechtsordnungen (etwa in Puerto Rico), sondern unter anderem auch dazu, dass zwar der Präsident der Vereinigten Staaten formal das Staatsoberhaupt der Gebiete darstellt, deren Bürger*innen aber bei den Präsidentschaftswahlen nicht wahlberechtigt sind, wobei wiederum z. B. die Einwohner*innen Guams amerikanische Staatsbürger*innen sind, die Bewohner*innen von American Samoa dagegen zwar als „US-Nationals“ gelten, aber nicht automatisch die amerikanische Staatsbürgerschaft besitzen.49 Diese Beispiele verdeutlichen, dass Staaten und Nationen als Instanzen im Feld der Macht zu denken zugleich den Umstand betont, dass ihre jeweiligen Effekte in analytischer Hinsicht nicht an geographischen bzw. territorialen Grenzen enden: Wie auch z. B. diejenigen des ökonomischen oder des wissenschaftlichen Feldes manifestieren sich die Effekte staatlicher und nationaler Felder potenziell an allen Orten des globalen sozialen Raums, ganz gleich, ob es sich dabei etwa um das Feld des US-amerikanischen oder des chinesischen Nationalstaates handelt oder um dasjenige eines vermeintlich unbedeutenden (oder als „gescheitert“ etikettierten) Kleinstaates. In feldtheoretischer Perspektive erweist sich der (National-) Staat damit als doppelsinnig, da er einerseits – als soziales Feld im Sinne eines institutionellen Rahmens – an klar definierten territorialen Grenzen endet, andererseits aber – als soziales Feld im Sinne eines ausdifferenzierten „Teilbereichs“ von Gesellschaft – auch über diese hinaus Effekte zeitigt (vgl. Witte & Schmitz 2020). Das Konzept des globalen Feldes der Macht postuliert daher gerade keinen prinzipiellen, binären Gegensatz zwischen nationalen und globalen Bezugsrahmen. Vielmehr sind aus dieser Perspektive globale und nationale (wie auch lokale und supranationale) Dynamiken in einem jeweiligen Forschungszusammenhang auf ihre Simultaneität hin zu befragen. So kann beispielsweise ein spezifisches soziales Feld simultan über einen „nationalen“ und einen „globalen“ Pol verfügen 49 Ein weiteres Beispiel liefert in diesem Zusammenhang das heutige Liberia. Die Ansiedlung ehemalige Sklav*innen aus den USA im 19. Jahrhundert führte hier nicht nur zu verheerenden Bürgerkriegen und anhaltenden ethnisch-kulturellen Konflikten mit der indigenen Bevölkerung (in gewissermaßen invertierten Etablierte-Außenseiter-Figurationen), sondern auch zu massiven, in verschiedensten (ökonomischen, religiösen etc.) Hinsichten bis heute bestehenden Abhängigkeiten insbesondere von den Vereinigten Staaten.

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(vgl. bspw. Schneickert 2015, 2018) oder eine bestimmte soziale Klasse in einem nationalen Kontext gerade durch ihre kosmopolitische Orientierung gekennzeichnet sein – Nationalität, Globalität, wie auch Lokalität etc. werden damit zu deskriptiven Merkmalen neben anderen. Gerade sogenannte „Mehrebenenphänomene“, wie sie in Theorien der Globalisierung seit langem diskutiert werden (etwa: „Glokalisierung“, siehe Robertson 1995), können aus dieser Perspektive theoretisch und empirisch aufgeschlossen werden. Zu denken wäre in diesem Zusammenhang etwa an Wechselwirkungen zwischen transnationalen Standards, nationalen Institutionen und lokalen Praktiken oder auch an die wachsende und gegenwärtig vieldiskutierte Kluft zwischen globalisierten Eliten und lokalen Akteur*innen. Schließlich gerät aus dieser Perspektive auch die fundamentale Ungleichzeitigkeit von Prozessen der Transnationalisierung und Globalisierung verschiedener Felder in den Blick: Die systematische Unfähigkeit, nationaler politischer und rechtlicher Felder und Institutionen, effektiv auf eine globale (Finanz-) Ökonomie einzuwirken, die sich von nationalstaatlichen Grenzen und Rechtsnormen kaum behindern lässt bzw. diese gar strategisch zu nutzen weiß (z. B. durch die juristische Identifikation von legalen Formen der Steuerhinterziehung), bildet hier nur das prominenteste Beispiel. Zusammenfassend bietet das Konzept des globalen Feldes der Macht die Möglichkeit, eine Vielzahl von wirkmächtigen und mitunter kontraproduktiven Dichotomien zu unterlaufen, die bis in die Gegenwart die Soziologie globaler Vergesellschaftung strukturieren. Als analytisches Rahmenkonzept ist das globale Feld der Macht geeignet, die traditionell als „mikro-“ und „makrosoziologisch“ apostrophierten sozialen Phänomene ebenso auf ihr Zusammenspiel zu befragen, wie es die Verwobenheit von Sinn und Macht im globalen Zeitalter zu verstehen erlaubt; mit seiner Hilfe lassen sich kurzfristige Prozesse ebenso in den Blick nehmen wie Transformationen à longue durée und eine gegenstandsnahe empirische Forschung mit umfassenden gesellschaftstheoretischen Ansprüchen verknüpfen. Verschiedene Differenzierungsprinzipien (wie „funktionale“ Differenzierung und „soziale“ Ungleichheit) können dabei in ihrem Zusammenwirken betrachtet und jenseits des „methodologischen Nationalismus“ und einer vorschnellen Verabschiedung des Nationalstaats staatliche Felder in ihren Konkurrenzverhältnissen mit anderen Feldern und ihren variierenden Effekten analysiert werden. Die verschiedenen, in der Literatur vielfach kontrastierten „Analyseebenen“ lokaler, nationaler, transnationaler oder globaler Vergesellschaftung erscheinen aus dieser Perspektive als komplementäre Blickwinkel, die es in der soziologischen Beobachtung nicht gegeneinander auszuspielen gilt, sondern deren empirische Korrelate systematisch in ihrem Zusammenwirken und – in Abhängigkeit von der jeweiligen Blickrichtung – in ihrer stets relativen Strukturierungswirkung zu verstehen sind. Mit diesem integrativen grundlagentheoretischen Anspruch liefert das

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globale Feld der Macht einen Beitrag nicht nur zu den in diesem Buch zentral gesetzten Diskursen der Elitensoziologie, der Differenzierungstheorie und der Globalisierungsforschung, sondern gerade auch zu deren Verknüpfungen. Auf diese Beiträge, die hier noch zu erschließenden Synergien, die Grundlinien einer entsprechenden Methodologie sowie forschungspraktische Implikationen soll nun im letzten Kapitel noch einmal abschließend eingegangen werden. Literatur Adler-Nissen, Rebecca (Hg.) (2013a): Bourdieu in International Relations. Rethinking Key Concepts in IR, New York: Routledge. Adler-Nissen, Rebecca (2013b): Bourdieu and International Relations Theory, in: dies. (Hg.): Bourdieu in International Relations. Rethinking Key Concepts in IR, New York: Routledge, 1–23. Adler-Nissen, Rebecca (2016): Towards a Practice Turn in EU Studies: The Everyday of European Integration. In: Journal of Common Market Studies 54 (1): 87–103. Adler-Nissen, Rebecca/Vincent Pouliot (2014): Power in Practice: Negotiating the International Intervention in Libya. In: European Journal of International Relations 20 (4): 889–911. Albrow, Martin (2007 [1996]): Das globale Zeitalter, Frankfurt am Main: Suhrkamp. Appadurai, Arjun (2003): The Production of Locality, in: Roland Robertson/Kathleen E. White (Hg.): Globalization. Critical Concepts in Sociology, London/New York: Routledge, 52–73. Atkinson, Will (2019): Bourdieu and After: A Guide to Relational Phenomenology, London/New York: Routledge. Baier, Christian/Andreas Schmitz (2012): Organisationen als Akteure in sozialen Feldern – Eine Modellierungsstrategie am Beispiel deutscher Hochschulen, in: Stefan Bernhard/Christian Schmidt-Wellenburg (Hg.): Feldanalyse als Forschungsprogramm 1. Der programmatische Kern, Wiesbaden: Springer VS, 191–220. Barnett, Michael/Raymond Duvall (2005): Power in International Politics. In: International Organization 59 (1): 39–75. Beck, Ulrich (1997): Was ist Globalisierung? Irrtümer des Globalismus – Antworten auf Globalisierung, Frankfurt am Main: Suhrkamp. Beck, Ulrich/Edgar Grande (2010): Jenseits des methodologischen Nationalismus. Außereuropäische und europäische Variationen der zweiten Moderne. In: Soziale Welt 3 (4): 187–216. Bellah, Robert N. (1967): Civil Religion in America. In: Daedalus 96 (1): 1–21. Bellah, Robert N./Phillip E. Hammond (1980): Varieties of Civil Religion, New York: Harper & Row. Berger, Peter A./Anja Weiß (Hg.) (2008): Transnationalisierung sozialer Ungleichheit, Wiesbaden: VS. Bhabha, Homi K. (1994): The Location of Culture, London/New York: Routledge. Bigo, Didier (2011): Pierre Bourdieu and International Relations: Power of Practices, Practices of Power. In: International Political Sociology 5 (3): 225–258.

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6 Das Feld der Macht: Forschungspraktische, methodologische und epistemologische Implikationen Andreas Schmitz, Daniel Witte & Christian Schneickert Ausgangspunkt des vorliegenden Bandes war die Feststellung, dass das Feld der Macht einen der zentralen Begriffe der Soziologie Bourdieus darstellt, der in der bisherigen Rezeption jedoch eigentümlich unterbelichtet geblieben ist. Wir haben das Konzept daher zunächst in seinen unterschiedlichen Verwendungsweisen bei Bourdieu (Kapitel 2) und mit Blick auf seine Bedeutung und Anwendungsmöglichkeiten in der Elitenforschung (Kapitel 3) rekonstruiert. Sodann wurden Vorschläge für eine differenzierungstheoretische Modifikation des Konzepts gemacht (Kapitel 4) und Überlegungen zu seiner Rolle im Kontext der Globalisierungsdebatte angestellt (Kapitel 5). In der Zusammenschau dieser Betrachtungen und Modifikationen erweist sich das Feld der Macht als ein Metakonzept, das unterschiedlichste gesellschaftliche Segmente und Differenzierungsprinzipien analytisch zu integrieren und übergreifende Strukturen in den Blick zu nehmen erlaubt. Dies betrifft insbesondere Fragen nach den Relationen von verschiedenen Akteurstypen wie Menschen und Organisationen, von sozialen Feldern und Klassenstrukturen sowie Fragen nach dem Verhältnis von lokalen, nationalen, transnationalen und globalen Feldern. Aufgezeigt haben wir damit ferner, dass und inwiefern das Konzept des Feldes der Macht aus unserer Sicht Potenziale für eine Reihe von Forschungsrichtungen bereithält – insbesondere für die Elitensoziologie, für eine ungleichheitssensible Differenzierungstheorie sowie für die Globalisierungs- und Transnationalisierungsforschung. Wenngleich nun in allen drei Bereichen bereits auf fruchtbare Weise an die Theorie Bourdieus angeschlossen wird, stellt die systematische Verbindung dieser analytischen Perspektiven, wie sie insbesondere über die hier vorgelegte Konzeptualisierung des Feldes der Macht ermöglicht wird, bislang ein Desiderat dar. Dies mag unter anderem auch daran liegen, dass Bourdieus eigene Ausführungen zu diesem „heimlichen“ Schlüsselkonzept allenfalls fragmentarisch ausgearbeitet und empirisch auf die Analyse von Eliten zugespitzt sind. Das Konzept wird so zumeist im Zusammenhang eng begrenzter empirischer Forschungsfragen eingesetzt und nach dem Vorbild der Studie über den Staatsadel auf die Analyse nationaler Eliten bezogen; sein allgemeiner theoretischer Anspruch wird allerdings bislang kaum beachtet. Wenn dagegen in differenzierungs-

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 C. Schneickert et al., Das Feld der Macht, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31930-4_6

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theoretischen Zusammenhängen oder in der Transnationalisierungs- bzw. Globalisierungsforschung mit Begriffen und Theoremen Bourdieus gearbeitet wird, bleibt das Feld der Macht in der Regel unberücksichtigt. Diese Spaltungen zu überwinden, die vielfältigen ungenutzten Potenziale des Feldes der Macht aufzuzeigen und dabei zu seiner Systematisierung sowie letztlich auch der Integration unterschiedlicher Forschungsperspektiven beizutragen, war die Aufgabe des vorliegenden Buches. Im Folgenden fassen wir daher die zentralen Beiträge des Konzeptes zu den drei genannten analytischen Perspektiven noch einmal zusammen und markieren die wechselseitigen Bezüge, die sich vor diesem Hintergrund für die jeweiligen Forschungsrichtungen ergeben. Abschließend skizzieren wir einige grundlegende methodologische und methodische Überlegungen, mit denen das Feld der Macht als Schlüsselkonzept für empirische Forschungsvorhaben in diesen Bereichen positioniert wird. Der Beitrag des Feldes der Macht zur Elitenforschung Im Bereich der Elitenforschung verweist die Perspektive des Feldes der Macht simultan auf Aspekte, die bislang typischerweise von unterschiedlichen Zugängen und theoretischen Schulen verhandelt wurden, welche sich scheinbar unüberwindbar gegenüberstanden (Kapitel 3). Der Vorschlag, Eliten innerhalb eines Machtfeldes zu analysieren, vereinigt die Potenziale dieser verschiedenen Ansätze und umgeht zugleich einige der Probleme und Selbstbeschränkungen sowohl klassischer Elitentheorien als auch der empirischen Elitenforschung. Die Anwendung und Weiterentwicklung des Konzeptes trägt hier insbesondere dazu bei, die beiden wichtigsten theoretischen Ansätze in der Elitenforschung (die funktionalistische und die konflikttheoretische Tradition) zu integrieren. Das Feld der Macht erlaubt es darüber hinaus, einige der vermeintlichen theoretischen Gegensätze der aktuellen Debatten um globale Eliten aufzulösen und so an die Globalisierungsforschung anzuschließen. Darüber hinaus bietet die Kombination der relationalen Konzepte von Feldern und sozialen Räumen mit der geometrischen Datenanalyse (GDA) einen methodischen Zugang, der es beispielsweise erlaubt, Individualdaten von Akteur*innen (z. B. biographische Daten) und aggregierte Strukturdaten (z. B. von Parteien, Unternehmen, Ländern) gemeinsam zu analysieren – eine Forderung, die in der Elitenforschung bereits seit langem erhoben wurde. Im Einzelnen leistet eine solche feldtheoretische, auf das Feld der Macht rekurrierende Elitenforschung somit folgende grundlegende Beitrage (vgl. Schneickert 2015: 141– 145; 2018): Zunächst können Eliten als ausdifferenzierte Feldeliten auf ihre gesellschaftliche Funktion sowie auf ihre feldspezifische Rekrutierung untersucht werden.

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Dies unterscheidet sich zunächst wenig von der Tradition der Forschung zu Funktionseliten – mit dem entscheidenden Unterschied jedoch, dass Macht und Ungleichheit hier nicht als Nebenprodukte sachlicher Differenzierung, sondern als konstitutiver Bestandteil der Struktur eines Feldes behandelt werden. Ein Gegensatz zwischen Differenzierung und Ungleichheit ist aus feldtheoretischer Perspektive daher nicht notwendig vorauszusetzen, sondern sogar theoretisch wie empirisch wenig plausibel. Vielmehr stellen sich aus dieser Perspektive neue, empirisch zu klärende Fragen, beispielsweise solche nach dem Grad der Ausdifferenzierung verschiedener Feldeliten sowie der strukturierenden Wirkung sozialer Ungleichheiten (etwa von Klasse, Geschlecht oder ethnischer Herkunft) auf die feldspezfischen Rekrutierungswege von Eliten. Dies gilt freilich insbesondere auch ländervergleichend und auf trans- bzw. supranationaler Ebene (z. B. in transnationalen Unternehmen oder mit Blick auf EU-Karrieren) und betrifft damit zugleich die Wechselbeziehung zwischen der elitentheoretischen und der staats- bzw. globalisierungstheoretischen Lesart des Feldes der Macht. So stellt sich die Frage, welche sozialen Felder – und dann: welche Bereiche innerhalb solcher Felder – überhaupt eher nationale bzw. eher globalisierte Biographien, Strategien und Positionierungen hervorbringen. So kann beispielsweise keineswegs a priori von einer klar abgrenzbaren, per se globalen Wirtschaftselite ausgegangen werden, und auch politische und kulturelle Felder zeichnen sich durch Spannungen zwischen lokalen, nationalen und globalen Kapitalien, Positionen, Dispositionen und Positionierungen aus. Der relationalen Anlage der Theorie des Feldes der Macht zufolge stellen Transnationalisierung und Globalisierung zudem Vergesellschaftungsmodi dar, durch die in verschiedenen sozialen Räumen und Feldern nicht lediglich Eliten, sondern ebenso Marginalisierte sowie zahlreiche soziale Positionen zwischen den Extrempolen zueinander in Beziehung gesetzt werden (obere, untere und mittlere Klassen). In diesem Kontext können dann aus elitentheoretischer Perspektive auch die Verhältnisse von Eliten und anderen Akteursklassen analysiert werden. So lässt sich beispielsweise fragen, welche eher lokalen oder nationalen Feldeliten heute von Globalisierungsprozessen in besonderem Maße profitieren können und welche Gruppen (Eliten wie Nicht-Eliten) diese Prozesse demgegenüber eher als eine (kulturelle, ökonomische, religiöse usw.) Bedrohung auffassen. Eliten können demnach im globalen Feld der Macht etwa (a) im Verhältnis zu anderen Feldeliten aus (b) anderen Ländern sowie (c) in ihrer relationalen Stellung zu Nicht-Eliten auf verschiedenen Ebenen des sozialen Raums betrachtet werden. Ein empirisches Beispiel wäre hier das Verhältnis von politischen Eliten aus „peripheren“ Weltregionen zu anderen (bspw. ökonomischen) Feldeliten aus wohlhabenden Gesellschaften sowie den verschiedenen sozialen Klassen aus den entsprechenden Regionen der Weltgesellschaft.

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Der Beitrag des Feldes der Macht zur Differenzierungstheorie Die ursprüngliche Verengung des Konzepts des Feldes der Macht auf die Untersuchung von Elitenetzwerken wurde in Kapitel 4 kritisiert um sodann – an diese Kritik anschließend – eine konzeptionelle Systematisierung und Erweiterung vorzuschlagen. Unsere These lautete, dass ein entsprechend modifiziertes Feld der Macht den Status eines Zentralkonzeptes einer umfassenden Gesellschaftstheorie beanspruchen kann, die der Komplexität moderner Gesellschaften zumindest insofern gerecht wird, als sie nicht allein die Verhältnisse sozialer Felder zueinander, sondern auch die Wechselwirkungen dieser Felder mit anderen gesellschaftlichen Einheiten und Differenzierungsprinzipien abzubilden erlaubt. Das Feld der Macht, das in der von uns vorgeschlagen Generalisierung vorsieht, soziale Felder über ihre jeweiligen Eliten hinaus zu beschreiben, bildet somit eine analytische Komplementärkategorie zum sozialen Raum und den in ihm lokalisierbaren sozialen Klassen. Es lässt sich dann aber nicht mehr nur entweder differenzierungstheoretisch (über Felder) oder ungleichheitstheoretisch (über Klassen, Schichten, Milieus etc.) erschließen, sondern es ergeben sich zahlreiche Berührungspunkte zwischen diesen vielfach voneinander getrennten Perspektiven. Auf diese Weise können zudem systematisch Phänomenbereiche erschlossen werden, die allzu häufig durch die mitunter rigiden Raster der wissenschaftlichen Arbeitsteilung fallen. Die hierfür zentralen Überlegungen sollen an dieser Stelle noch einmal kurz zusammengefasst werden: Das Feld der Macht wird hier verstanden als eine Perspektive auf soziale Felder und Felderverhältnisse, wobei die entsprechenden Feldeliten ebenso eingeschlossen werden wie die Lai*innen der jeweiligen Felder, darüber hinaus aber auch weitere Entitäten, insb. korporative Akteure wie Organisationen oder Staaten. Der soziale Raum bildet demgegenüber eine Perspektive auf die Klassen-, Schichten- und Milieustruktur der Gesellschaft sowie auf die jeweiligen Verhältnisse dieser Gruppen zueinander. Auch hierbei können nichtmenschliche Akteure wie beispielsweise Organisationen durchaus Berücksichtigung finden. Das Feld der Macht und der soziale Raum lassen sich insofern als zwei komplementäre Beschreibungen für die gleiche Entität („Gesellschaft“) begreifen. Analytisch ergibt sich jedoch überdies der Mehrwert, die beiden Zugänge und die damit jeweils verbundenen Konzepte systematisch aufeinander beziehen zu können, nämlich einerseits das Konzept des Feldes der Macht zur Betrachtung der Effekte sozialer Felder auf den sozialen Raum, seine Struktur und seine Transformationen zu mobilisieren und andererseits das Konzept des sozialen Raums zur Betrachtung der Effekte von Stratifikationsmustern auf die Funktionsweise sozialer Felder heranzuziehen. In differenzierungstheoretischer Hinsicht weist das Feld der Macht zudem darauf hin, dass die Verhältnisse verschiedener gesellschaftlicher Felder sowie

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damit auch der jeweilige Grad von Differenzierung in der Form relativer Verhältnisse von Heteronomie und Autonomie zu interpretieren sind. Ebenso variabel erscheinen aus dieser Perspektive ihrerseits die Verhältnisse von Feldern und sozialen Klassen, was den Ausgangspunkt für eine Vielzahl von Forschungsfragen an der Schnittstelle von Differenzierungstheorie und Ungleichheitsforschung markiert: So lässt sich beispielsweise durchaus untersuchen, inwieweit die Klassenstruktur einer Nationalgesellschaft auf die Effekte sozialer Felder und ihrer Wechselwirkungen zurückgeführt werden kann, wobei schon im nächsten Schritt zu untersuchen ist, inwieweit diese Felder ihrerseits noch sinnvoll als nationale Räume gefasst oder vielmehr als transnationale oder auch globale Felder beschrieben werden müssen (wobei durchaus auch simultan eine Vielzahl von Abstufungen dieser Globalisierungsgrade denkbar erscheint). Gleiches gilt für die umgekehrte Fragerichtung, in der die Dynamik von Differenzierungs- oder Entdifferenzierungsprozessen nationaler, transnationaler oder globaler Felder als Resultat spezifischer (nationaler, transnationaler oder globaler) Klassenstrukturen gefasst werden kann. In ähnlicher Weise stehen soziale Felder aber auch in engen Wechselwirkungen mit anderen analytischen Größen, etwa Eliten oder auch Netzwerken (sozialen Bewegungen, Parteien, Vereinen, Interessensgruppen usw.). Solche sozialen Gruppierungen oder Netzwerke setzen sich wiederum vielfach aus hochgradig heterogenen Elementen zusammen, also (im Extremfall) beispielsweise aus exkludierten Akteur*innen und Eliten verschiedener (z. B. nationaler) Felder. Diese Konstellation kompliziert sich schließlich noch einmal dadurch, dass die auf diese Weise in Beziehung gesetzten nationalen Felder zugleich ganz unterschiedlich begrenzt, strukturiert oder an unterschiedliche andere Felder „gekoppelt“ sein können (etwa wenn politische Eliten verschiedener Länder in ganz unterschiedlichem Maß mit religiösen Eliten vernetzt sind oder, noch grundlegender, wenn „Politik“ und „Religion“ in verschiedenen Kontexten ganz unterschiedliche Bedeutungen besitzen und auf unterschiedliche Formen der Grenzziehung verweisen). Das Feld der Macht formuliert vor dem Hintergrund dieser hier nur angedeuteten Komplexität einen expliziten Forschungsauftrag an die Entwicklung einer empirischen Differenzierungsforschung, die unterschiedlichen Differenzierungsprinzipien und ihren Interferenzen ebenso große Aufmerksamkeit schenkt wie der Frage nach der jeweiligen (nationalen, transnationalen, globalen etc.) Ausdehnung der dabei relevanten Bezugsgrößen (siehe auch Witte 2017).

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Der Beitrag des Feldes der Macht zur Globalisierungsdebatte Das Potenzial des Feldes der Macht für die Transnationalisierungs- und Globalisierungsforschung wurde in Kapitel 5 vor der Kontrastfolie alternativer Ansätze herausgearbeitet. Wie sich im Zuge dieser Auseinandersetzung zeigte, liefert die feldtheoretische Perspektive Ansatzpunkte, um zu einer Integration der vielstimmigen und von multiplen Dichotomien geprägten Debatte beizutragen: Zunächst vermittelt das Feld der Macht zwischen solchen Ansätzen im Bereich der Globalisierungstheorie, die sich insbesondere für die Durchsetzung von Bedeutungen und die Diffusion von kulturellen bzw. Sinnformen interessieren oder alternativ einseitig auf globale Machtbalancen, materielle Ressourcenverteilungen und Konflikte fokussieren. „Kräfteverhältnisse“ sind aus Perspektive der Feldtheorie immer auch „Sinnverhältnisse“ (und vice versa), Ressourcen-, Macht- und Herrschaftsstrukturen beruhen immer auch auf Anerkennungs- und Legitimitätsverhältnissen (und vice versa), und das Feld der Macht muss hier entsprechend als ein Feld der Sinn-Macht-Verhältnisse begriffen werden, das für keine der beiden grundlegenden Perspektiven auf Sozialität Partei ergreift, sondern es vielmehr ermöglicht, diese häufig getrennten Perspektiven zu verknüpfen und auf ihre wechselseitige Bedingtheit zu befragen. Dabei ist der zugrunde liegende Feldbegriff konzeptuell offen gehalten für unterschiedlichste Träger von Eigenschaften, sodass spezifische Entitäten (wie etwa menschliche Akteur*innen, Organisationen oder Nationalstaaten) weder a priori in ihrer Bedeutung negiert noch aus prinzipiellen Gründen überbetont werden. Im vorliegenden Zusammenhang betrifft dies zuvorderst die Rolle des Nationalstaates und die Diskussion um den „methodologischen Nationalismus“ in der soziologischen Gesellschaftstheorie: Die hier vorgeschlagene Perspektive legt es nahe, den Nationalstaat weder analytisch absolut zu setzen noch (möglicherweise gar aus normativen Gründen) voreilig als eine global wirksame strukturierende Instanz zu verabschieden – sondern vielmehr seine empirische Relevanz auch bezüglich der Grenzen seiner Effekte zu reflektieren. Dies betrifft sowohl die Position verschiedener Staaten im globalen Feld der Macht als auch ihre jeweiligen Wirkungen auf verschiedene Felder. Ein analytischer Mehrwert, der sich aus dieser Perspektive ergibt, besteht vor diesem Hintergrund darin, dass nicht mehr länger die Frage gestellt werden kann, ob der Nationalstaat gegenwärtig an Relevanz verliert, sondern vielmehr gefragt werden muss, für welche Nationalstaaten dies gilt – und für welche Staaten gerade nicht; empirisch beobachten lassen sich nämlich Fälle des Bedeutungsverlustes ebenso wie auch solche, in denen Staatsgesellschaften Kapitalia erfolgreicher denn je monopolisieren. Ferner verknüpft das Konzept in grundlegender Weise die Soziologie globaler Vergesellschaftung mit Perspektiven der Differenzierungstheorie und solchen

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der Ungleichheitsforschung, hier also: insbesondere auch mit Fragen globaler Differenzierungsmuster und globaler Ungleichheit. Regionale Differenzierungen innerhalb der verschiedenen Teilbereiche sind dabei ebenso von entscheidender Bedeutung wie der variierende „Globalisierungsgrad“ sozialer Felder. Zudem stellt sich die Frage, welche institutionellen Felder im Zuge von Globalisierungsprozessen entstehen oder an Bedeutung gewinnen und welchen menschlichen Akteur*innen und Akteursklassen es gelingt, von diesen Prozessen zu profitieren. Gegenüber einem vielfach zu konstatierenden „Elitenbias“ lenkt das globale Feld der Macht den Blick dabei in symmetrischer Weise auf Phänomene sozialer Ausgrenzung im globalen Maßstab, sei es auf der Ebene von Klassen, Regionen oder Staaten. Das Feld der Macht bietet somit auch eine Perspektive auf den globalen sozialen Raum als Untersuchungsgegenstand einer globalen Sozialstrukturanalyse, welche die Gesellschaften des „globalen Südens“ ebenso selbstverständlich einbezieht wie die wechselseitigen Bezüge nationaler und transnationaler Klassenstrukturen. Zu guter Letzt werden auf diese Weise auch „Mehrebenenphänomene“ in den Blick genommen, wobei auch in diesem Fall die wechselseitigen, konstitutiven Effekte unterschiedlicher „Analyseebenen“ von besonderem Interesse sind. Hierzu zählen etwa die (Un-)Gleichzeitigkeiten von Globalisierungsprozessen in verschiedenen Feldern, wie sie mittlerweile auch öffentlich breit diskutiert werden – etwa hinsichtlich der Annahme einer Entkopplung global agierender Wirtschaftseliten oder des sozialstrukturellen Gradienten von transnationaler Mobilität. Das Feld der Macht hebt in diesem Kontext die empirisch zu untersuchende Gradualität von Prozessen der Globalisierung und (Re-)Lokalisierung hervor; ein Thema das in der Globalisierungsforschung bereits ausführlich unter dem Label der „Glokalisierung“ thematisiert wurde. Demgegenüber betont die hier vorgeschlagene Perspektive allerdings stärker das Wechsel- und möglicherweise Spannungsverhältnis von gesellschaftlicher Differenzierung und Globalisierungseffekten, beispielsweise die ungleiche Transnationalisierung sozialstruktureller Gruppen oder die unterschiedlichen Wirkungen von Globalisierung in verschiedenen Feldern. Diese Zusammenhänge sind besonders für das Verständnis der Entstehung transnationaler Felder sowie für klassische Fragen der Transnationalisierungs- und Migrationsforschung von großer Relevanz, die eng verbunden sind mit dem Versuch, die analytische Trennung von Lokalität und Globalität aufzulösen und Entitäten und Effekte zu integrieren, die bislang häufig auf verschiedenen analytischen Ebenen diskutiert und verortet wurden.

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Methodologische Implikationen Das vorliegende Buch hat verdeutlicht, dass das Konzept des Feldes der Macht weit über Fragen der Elitensoziologie, der Differenzierungstheorie sowie der Globalisierungsforschung hinausreicht und damit mehr als lediglich eine konzeptionelle Rahmung für diese Themengebiete der Soziologie zur Verfügung stellt. Es lenkt den Blick vielmehr auf die gegenseitige Durchdringung der verschiedenen Gegenstandsbereiche, motiviert vor allem aber auch einen allgemeinen Perspektivenwechsel hin zu einer theoriegeleiteten empirischen Erforschung der Wechselbeziehungen von Sozialstruktur und sozialer Ungleichheit einerseits sowie gesellschaftlicher Differenzierung auf lokaler, nationaler, transnationaler und globaler Ebene andererseits. In dieser gesellschaftstheoretischen Form regt das Konzept empirische Forschung an, deren methodologische Grundlagen wir nachfolgend skizzieren und auf einige zentrale Fragestellungen des Buches beziehen. Eine Besonderheit der hier vertretenen Form von Soziologie besteht darin, dass ein starker gesellschaftstheoretischer Anspruch mit der Notwendigkeit zur Bewährung an empirischer Forschung verbunden wird (vgl. etwa Bourdieu 1992; 1998: 14; Bourdieu & Wacquant 1996: 197ff.). Das Konzept operiert somit zugleich auf der Ebene relativ abstrakter theoretischer Fragen (z. B. der Differenzierungstheorie) als auch auf derjenigen der praktischen, empirischen Forschungstätigkeit (z. B. der empirischen Analyse von spezifischen Feldeliten). Angesichts der prinzipiellen Komplexität, die mit dieser Perspektive einhergeht, verwies Bourdieu bereits für seine klassische Fassung des Feldes der Macht im Staatsadel darauf, dass theoretische Konstruktion und empirische Modellierung in diesem Bereich rasch an ihre Grenzen stoßen (Bourdieu 2004a: 323). Die hier vorgelegten Weiterentwicklungen – sollen sie nicht auf der Ebene rein theoretischer Erörterungen verharren – gehen aufgrund ihres generalisierten Anspruchs mitunter mit noch größeren methodologischen Herausforderungen einher. Ein Vorzug des Konzeptes kann in diesem Zusammenhang darin gesehen werden, dass die jeweiligen Untersuchungs- und Vergleichseinheiten (z. B. Staaten, Regionen, Praktiken) in Abhängigkeit von den vorliegenden theoretischen und empirischen Anforderungen frei gewählt und darüber hinaus verschiedene Einheiten (z. B. menschliche Akteur*innen, Organisationen, Nationen etc.) gleichzeitig untersucht und verglichen werden können. Die kategoriale Offenheit der Theorieanlage ermöglicht es insofern, mehrere Referenzsysteme, etwa nationale und internationale Felder, im gleichen komparativen Prozess zu integrieren (siehe Witte & Schmitz 2020); die Bezugnahme auf unterschiedliche Feldertypen sowie Felderverhältnisse erlaubt also ferner auch, transversale und Mehrebenenphänomene zu beleuchten. Gerade auch vor dem Hintergrund einer konsequent relationalen Methodologie kann es dabei aber natürlich keineswegs darum gehen, die in diesem Buch

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entwickelten theoretischen Überlegungen in jeder einzelnen Untersuchung in ihrer Gesamtheit empirisch zur Geltung zu bringen oder gar abzubilden. Vielmehr handelt es sich um ein Instrumentarium zur Generierung neuer Forschungsfragen – um eine theoretisch angeleitete Perspektive, die nicht selten quer zu etablierten Forschungstraditionen steht und damit auch neue Sichtweisen auf Phänomene sozialer Ungleichheit, gesellschaftlicher Differenzierung und transnationaler oder globaler Vergesellschaftung erlaubt. Die so in den Blick genommenen Phänomene der sozialen Wirklichkeit und der Prozess ihrer Erforschung wiederum dienen ihrerseits dazu, produktiv und kritisch auf den Theorierahmen zurückzuwirken. Auf dieser Grundlage können – unabhängig von der durchaus berechtigten, obschon zuweilen apodiktisch vertretenen Kritik am methodologischen Nationalismus – durchaus auch „einzelne“ nationale Felder, Gesellschaften oder Kulturen zum Untersuchungsgegenstand gemacht werden, ohne zugleich in ein naives „Containerdenken“ zu verfallen – so etwa, indem die Frage aufgeworfen wird, welche nationalen oder globalen Pole ein Feld kennzeichnen (siehe Schneickert 2015, 2018). So ließe sich beispielsweise analysieren, wie ein „nationales“ Feld wie das der deutschen Bürokratie durch den Gegensatz zwischen einem nationalen Pol vis-à-vis eines internationalen oder transnationalen Pols strukturiert wird, welche Rekrutierungsmechanismen damit einhergehen, welche Habitus (inklusive spezifischer Dispositionen, Lebensstile und Handlungsrationalitäten) sich an diesen Polen herausbilden, welche Konflikte über diese Spannungen entstehen und welche Wandlungsprozesse in den relativen Machtchancen zu beobachten ist. In Bezug auf die Konzeption eines Gegenstandsbereichs bedeutet dies auch, sich nicht vorschnell auf eine Seite der schon aus „nationalen“ Forschungszusammenhängen bekannten Dichotomien zu schlagen. Dies betrifft die soeben angesprochene Unterscheidung zwischen Theorie und Empirie ebenso wie die sorgsam kultivierten Unterschiede zwischen qualitativen und quantitativen Methoden und die damit verbundenen wechselseitigen Stereotypisierungen (siehe Wimmer & Schneickert 2018; Schneickert et al. 2019; Schmitz et al. 2019). Vielmehr folgt die hier zu skizzierende Methodologie nicht zuletzt in formaler Hinsicht einer genuin relationalen Logik. Dies bedeutet, das Konzept der Beziehung methodologisch zentral zu setzen und in diesem Sinne auch forschungspraktisch Dichotomien zu transzendieren, wie sie im vorliegenden Buch hervorgehoben wurden. Das Konzept der Relation ist insofern keineswegs auf manifeste Beziehungen etwa zwischen menschlichen Akteur*innen (im Sinne der englischen „relationships“) beschränkt. Methodologischer Relationalismus heißt vielmehr, ganz unabhängig von (womöglich neuartig anmutenden) Gegenstandsbereichen, verschiedene Perspektiven, Entitäten und Informationsformen aufeinander zu beziehen. Dies erfordert es, den Versuchungen zu widerstehen, auf althergebrachte, dichotome Wirk-

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lichkeitsauffassungen und entsprechende „Schattenheuristiken“ und Forschungspraktiken zurückzufallen. Scheinbar wesentlich neue Phänomene können dazu verleiten, einseitige methodische Entscheidungen zu treffen (so bspw. davon auszugehen, dass die Erforschung globaler Wirklichkeiten entweder phänomenologisch oder statistisch erfolgen müsse und die jeweils nicht-gewählte Alternative keinen analytischen Mehrwert erbringen würde). Auch welche konkreten Formen von Daten, welche Entitäten und welche Methoden bei der Erhebung und Analyse (gemeinsam) mobilisiert werden, ist dementsprechend keineswegs a priori festgelegt, sondern gegenstands- und theorieadäquat zu bestimmen. Dabei können weder die an nationalen Kontexten bewährten Methoden unreflektiert auf transnationale oder globale Fragestellungen übertragen werden, noch zwingen diese Fragestellungen pauschal dazu, neue Techniken der Datenerhebung und -auswertung zu erfinden. Zunächst ganz unabhängig von spezifischen Methoden motiviert eine relationale Methodologie das Aufdecken bzw. die Rekonstruktion von Verhältnissen. Im Zusammenspiel mit der analytisch-theoretischen Denkarbeit beinhaltet dies eine spezifische Form der Konzeption bzw. Konstruktion des Forschungsgegenstandes: die Art und Weise, sich diesem anzunähern, die Frage der Konstruktion und Produktion von Informationen, denen in der Forschungspraxis spezifische Formen verliehen werden, sowie das Inbeziehungsetzen dieser Informationen, die auf verschiedenen Wegen generiert wurden. Vor diesem Hintergrund beginnt die Analyse mit den Begriffen von Raum und Feld im Sinne von heuristischen Konzepten, die der Orientierung in der Auseinandersetzung mit empirischen Gegenständen dienen. Einen Gegenstand als Feld zu rekonstruieren bedeutet hier, seine relationalen Qualitäten in den Mittelpunkt zu rücken, also Dinge als Felder zu behandeln. In diesem Sinne wird weder ontologisch die Existenz dieser Felder unterstellt, noch methodologisch angenommen, dass sich jeder beliebige Gegenstand als Feld konstruieren lässt (siehe Schmitz & Witte 2020). Auf Grundlage dieses allgemeinen konstruktivistischen Denk- und Forschungsstils können die Konzepte und die damit einhergehenden Grundannahmen sodann in einem iterativen Forschungsprozess in sehr unterschiedlichen, teils aufeinanderfolgenden, teils parallelen, mal mehr und mal weniger autonomen Arbeitsschritten fruchtbar gemacht werden. Relationale Methodologie bedeutet dabei weder ein unreflektiertes „anything goes“ noch das unreflektierte Abarbeiten eines „one size fits all“-Schemas. Vielmehr geht es auch hier darum, jenseits dieser Extreme sowohl dem Prinzip der Gegenstandsadäquanz (d. h. der Abstimmung der Methodologie auf den empirischen Gegenstand) als auch demjenigen der Perspektivenadäquanz (d. h. der Abstimmung der Methodologie auf die jeweils angelegte epistemologisch-theoretische Perspektive) Rechnung zu tragen. Wie sich

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diese allgemeine Logik der relationalen Methodologie im Lichte der bis hier angestellten Überlegungen in die Forschungspraxis übersetzen lässt, soll nachfolgend anhand einiger zentraler Aspekte illustriert werden. Wie schon die klassische Feldanalyse wesentlich auf der Rekonstruktion historischer Prozesse – und damit gleichermaßen auf der empirischen Arbeit mit historischen Quellen und Daten – fußt, so richtet auch die generalisierte Fassung des Feldes der Macht den Fokus auf langfristige historische Prozesse und kurzfristigere Dynamiken; historisch weit zurückliegende Epochen bilden somit ebenso denkbare Gegenstandsbereiche wie jüngere und Gegenwartsgesellschaften (siehe in diesem Zusammenhang etwa Steinmetz 2011; Gorski 2013; Calhoun 2013; Bourdieu & Chartier 2015).50 Aus der in diesem Band vertretenen Perspektive kommt dabei gerade den Verhältnissen zwischen verschiedenen Feldern eine entscheidende Rolle zu (siehe insb. Kapitel 4). Indem diese Betonung von Felderverhältnissen nämlich immer auch feldexterne Effekte auf feldinterne Dynamiken in den Mittelpunkt rückt, lenkt sie den Blick zugleich auf Prozesse der Re-Figurationen jener Verhältnisse sowie auf die Emergenz, die Demergenz und den Wandel von Feldern, und dies nicht zuletzt unter dem Gesichtspunkt ihrer externen Voraussetzungen, die es methodisch einzuholen gilt. Zu diesem Zweck lassen sich etwa die zu den jeweiligen Zeitpunkten dokumentierten Diskurse und Stellungnahmen wie auch etwaige zur Verfügung stehende Verwaltungs- und Prozessdaten heranziehen und gemeinsam auswerten. So kann beispielsweise ein besonderes Augenmerk auf nationale, staatliche und nationalstaatliche Felder gelenkt werden sowie darauf, wie sich deren Formen und Ausgestaltungen (retrospektiv) empirisch verändert haben und (prospektiv) weiter verändern. Ebenso ließe sich an die Emergenz supranationaler Felder (wie dem Feld der EU) denken, wobei z. B. die Analyse von entsprechenden Diskursen Einblicke in ihre Stabilisierung (oder Schwächung) gewähren kann (vgl. etwa Schmidt-Wellenburg 2017a; 2017b); und auch die Autonomisierung und Institutionalisierung transnationaler Felder ließe sich auf der Grundlage von Daten rekonstruieren, die innerhalb wie außerhalb dieser Felder produziert werden. Des Weiteren lenkt die Perspektive des Feldes der Macht den Blick auf Fragen der Genese von Habitus und Praktiken, auf Fragen also nach der Prägung unterschiedlicher Habitusformationen sowie danach, wie die verschiedenen sozialen Felder auf die Formierung und Formatierung pluraler Habitus wirken (so etwa in 50 Vgl. beispielsweise Flaig (2003), der sich in einer althistorischen Studie über Politik im alten Rom des Bourdieu’schen Analyseinstrumentariums bedient. Beiträge zur neueren Geschichte finden sich etwa bei Steinmetz (1993, 2008), der sich vor allem mit der Epoche des deutschen Kaiserreiches und des deutschen Imperialismus auseinandergesetzt hat. Siehe darüber hinaus auch die vergleichenden Überlegungen zur Methodologie der Prozess- und Figurationssoziologie sensu Elias und Bourdieu bei Baur (2017).

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Fällen, in denen ein spezifischer Habitus jeweils durch nationale und/oder globale Einflüsse geprägt ist) (vgl. Schumacher 2013; Schneickert 2013a; Schmitz & Witte 2020; Witte & Schmitz 2020). Neben (und als Teil von) Feldanalysen bieten sich hier in historisch-rekonstruktivem Sinne Betrachtungen des Wandels von Habitus an (beispielsweise durch prosopographische Methoden; siehe z. B. Broady 2002; Lebaron 2016), wobei angesichts der Pluralisierung der zugrunde liegenden Konzepte unterschiedliche Quellen zur Habitusrekonstruktion herangezogen werden sollten. Die Herausbildung eines transnationalen Künstlerhabitus etwa wäre dann unter gezielten Rückgriff auch auf Informationen anderer Felder zu untersuchen, so zum Beispiel unter Rückgriff auch auf („externe“) Rankings (siehe Zahner 2017; Buckermann 2019), nationale Preise und medial vermittelte Stereotype. Die Wahl und Integration von Methoden kann sich dabei ebenso auf statistische Sequenzanalysen zur Objektivierung von Trajektorien erstrecken wie auf (habitus-)hermeneutische bzw. rekonstruktive Verfahren. Eine solche Rekonstruktion von Habitus, die bis in das Gebiet der sozialhistorischen (und gesellschaftsvergleichenden) Psychologie hineinreicht (Bourdieu & Chartier 2015: 60), wäre dann auch mit der Aufgabe verbunden, die konstitutiven Effekte der verschiedenen sozialen Felder auf die psychischen Apparate von Individuen, also etwa auf Kognitionsmuster, Interessenlagen oder psychische Erkrankungen in den Blick zu nehmen.51 Wie oben bereits erwähnt kommt der Konstruktion des Forschungsgegenstandes in der feldtheoretischen Tradition eine zentrale Bedeutung zu (Bourdieu 1987, 2013 [1988]). Abgeleitet aus einer gleichermaßen konstruktivistischen wie strukturalistischen Wirklichkeitsauffassung erfolgt die Übersetzung dieser Prämisse in die konkrete Forschungspraxis nach Bourdieu in Form einer relationalen Objektivierung. Objektivierung impliziert hier also nicht die Annahme einer objektiv existierenden, womöglich durch statistische Verfahren exakt messbaren und abbildbaren Wirklichkeit, sondern bezeichnet eine genuin konstruktivistische Praxis der Rekonstruktion empirischer Verhältnisse, wobei der eigene Beitrag zur „Objektmachung“ stets mitreflektiert werden muss (als „doppelter Bruch“ im Anschluss an Gaston Bachelard). Die Theorie Bourdieus steht daher prinzipiell weder qualitativen noch quantitativen Methoden näher als der jeweils anderen Tradition.52 Die relationale Methodologie zielt vielmehr auf einen kontextualisierten

51 Siehe zum Verhältnis von Habitus und (Persönlichkeits-)Psychologie u. a. Zander (2013), Kaiser & Schneickert (2016), Schmitz & Bayer (2017) sowie Schmitz & Barth (2019). 52 Diese vermittelnde Position Bourdieus zwischen quantitativen und qualitativen Methoden schlägt sich empirisch auch im gegenwärtigen Feld der deutschen Soziologie nieder (vgl. Schmitz et al. 2019), so bspw. in den Theorie- und Methodenpräferenzen von deutschen Soziologiestudierenden (und damit zugleich des potenziellen wissenschaftlichen Nachwuchses) (vgl. Schneickert et al. 2019: 345).

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Umgang mit den verschiedenen Methoden ab. So verkennt beispielsweise die reflexhafte Gleichsetzung jedweder Form statistischer Verfahren mit einem „naiven Positivismus“ mitunter, dass auch innerhalb der quantitativen Methodologie eine erhebliche Vielfalt von Praktiken und Epistemologien vorzufinden ist,53 einschließlich von konstruktivistischen, „anti-positivistischen“ Formen der Quantifizierung, die eben nicht davon ausgehen, dass Statistiken die Wirklichkeit objektiv zu „vermessen“ und Zusammenhänge zu „beweisen“ erlaubten (siehe Desrosières 2001). Nicht erst im Lichte von Phänomenen globalen Zuschnitts erscheinen derartig ritualhafte Ablehnungen spezifischer methodischer Techniken wie auch die Polarisierung von quantitativen und qualitativen Methoden als obsolet. Umgekehrt dürfen aber natürlich auch empirische Arbeitsschritte wie jener der „teilnehmenden Objektivierung“ (Bourdieu 2004b), die sich an ethnographische und rekonstruktive Traditionen anlehnen, ebenso wenig als „lediglich qualitativ“ (als Vorstudien, als „noch nicht“ wissenschaftlich, als rein subjektive Zugänge) aufgefasst werden. Vielmehr sind diese erstens schon deshalb unabdingbar, weil die soziale Welt immer auch eine sinnhafte und von Akteur*innen mit Sinn ausgestattete Welt ist, die ihrerseits Akteur*innen mit Sinn ausstattet und angesichts dieser Wechselwirkungen genuin verstehender Verfahren bedarf. Qualitative Methoden bilden zudem, zweitens, auch unverzichtbare, tief eingelagerte Bestandteile jedweder statistischen Objektivierung (und zwar vor, während, mit und nach der statistischen Analyse); und schließlich stellen sie, drittens, ebenso zentrale Bezugspunkte für statistische Analysen dar, wie auch umgekehrt diese beispielsweise ethnographischen Befunden als Referenz dienen können. Vor dem Hintergrund eines solchen dezidierten Methodenpluralismus griffen Bourdieu sowie eine Vielzahl anderer Autor*innen bei der Objektivierung von Forschungsgegenständen immer wieder auf die geometrische Datenanalyse (GDA) und hier vor allem auf die (multiple) Korrespondenzanalyse (MCA) zurück (Benzécri 1976; vgl. Blasius 2001; Lebaron 2009). Bei der GDA handelt es sich um eine spezifische Familie statistischer Verfahren („Analyse des données“), die Daten und Merkmalsträger in einen mehrdimensionalen Raum überführt und in visualisierter Form interpretierbar zu machen versucht. So verwendete Bourdieu in seinen empirischen Studien meist die Korrespondenzanalyse, ein Verfahren, das kategoriale Daten und ihre Assoziationen in eine latente Raumstruktur überführt (vgl. Baier & Schmitz 2012).54 53 Umgekehrt verwies Bourdieu beispielsweise darauf, dass „es auch einen Positivismus der Ethnomethodologen gibt, die den statistischen Positivismus bekämpfen und dabei doch bestimmte Voraussetzungen ihrer Gegner weiter mitmachen: Daten gegen Daten, Videoaufzeichnungen gegen Statistiken (Bachelard fällt einem ein: ‚Ganz allgemein treten die Hindernisse für die wissenschaftliche Kultur immer paarweise auf‘)“ (Bourdieu & Wacquant 1996: 104). 54 Die durch die Algorithmen der Korrespondenzanalyse statistisch identifizierten, metrischen Raumachsen ermöglichen die theoriegeleitete Interpretation von Nähe und Distanz zwischen Kategorien

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Die Arbeit mit dieser quantifizierenden Methodenfamilie ist allerdings, wie auch die damit verbundene Skepsis gegenüber klassischen Vorstellungen der „Messung“ eines Gegenstands sowie gegenüber der regressionsanalytischen Modellierung „abhängiger“ und „unabhängiger“ Variablen, keineswegs zufällig. Während die übliche Form sozialwissenschaftlicher Statistik in (erweiterten) Regressionsmodellen besteht, die in der Regel das Ziel haben, eine abhängige Variable über eine Reihe unabhängiger Variablen zu erklären, unterscheidet sich die von Bourdieu favorisierte geometrische Datenanalyse nämlich grundlegend von dieser Logik: „[W]enn ich im allgemeinen lieber mit der Korrespondenzanalyse arbeite als zum Beispiel mit der multiple regression [der multiplen Regressionsanalyse, die Verf.], dann eben auch deshalb, weil sie eine relationale Technik der Datenanalyse darstellt, deren Philosophie genau dem entspricht, was in meinen Augen die Realität der sozialen Welt ausmacht. Es ist eine Technik, die in Relationen ‚denkt‘, genau wie ich das mit dem Begriff Feld versuche“ (Bourdieu & Wacquant 1996: 125f.).

Die geometrische Datenanalyse korrespondiert also von ihrer relationalen Grundanlage her in besonderer Weise mit zentralen Annahmen der Bourdieu’schen Theorie. So dient ihr Gebrauch einem zweifachen Bruch in der wissenschaftlichen Praxis: einerseits dem Bruch mit den Wahrnehmungen der untersuchten Akteur*innen, indem diese in einem gemeinsamen Raum aufeinander bezogen und somit objektiviert werden können, und andererseits dem kontrollierten Bruch mit den Positioniertheiten und Weltsichten der Forschenden selbst. Im Unterschied zu konkurrierenden Paradigmen (und im Gegensatz auch zu verbreiteten Fehlrezeptionen Bourdieus) können die Struktur und Logik eines Feldes ebenso wie auch die Machtstellungen der jeweiligen Akteure und entsprechender Klassen hier nicht einfach behauptet oder schlicht „gemessen“ werden. Ihre Identifikation bedarf vielmehr eines vorausgehenden Schrittes der Objektivierung, sodass für Bourdieu die statistische Analyse ein entscheidendes „Hilfsmittel zur Aufdeckung der Struktur des sozialen Raums“ darstellt (Bourdieu 1985: 12f.).55 Die GDA bietet (Merkmalsausprägungen), zwischen den Merkmalsträgern (wie z. B. Befragten aber auch etwa Institutionen) und, im Falle der multiplen Korrespondenzanalyse, zwischen Merkmalen und Merkmalsträgern in einem gemeinsamen Raum (vgl. Blasius 2001; Blasius & Schmitz 2013). 55 Es ist wenig bekannt, dass der geometrischen Datenanalyse eine noch fundamentalere Bedeutung für die Entwicklung der Bourdieu’schen Theorie zukommt, als lediglich eine adäquate methodologische Umsetzung seiner räumlichen Gesellschaftsvorstellung zu ermöglichen. Bourdieu entwickelte das Konzept des sozialen Raumes in Anlehnung an Leibniz’ mathematische Raumkonstruktion, wobei gerade auch Jean-Paul Benzécris formale Umsetzung des Leibniz’schen Relationalitätsverständnisses in geometrische Räume instruktiv war (vgl. Benzécri 1992; Fogle 2011: xi). Vor diesem Hintergrund stellt die geometrische Analyse folglich nicht nur eine adäquate methodologische Umsetzung der Theorie dar, sondern wird selbst zum zentralen, theorieprägenden Moment des Sozialraumkonzeptes.

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sich damit für zahlreiche Fragestellungen an und bildet eine zentrale Technik im Werkzeugkoffer der relationalen Methodologie (vgl. Schmitz & Blasius 2012; Schmitz 2016: 121ff.). Auch jenseits der üblichen, national gerahmten Fragestellungen kann die Objektivierung eines (lokalen, nationalen oder transnationalen) Feldes oder Raumes durch Verfahren der geometrischen Datenanalyse erzielt werden, wie wir in Kapitel 3 für die Elitenforschung und in Kapitel 5 am Beispiel eines internationalen Feldes der Macht veranschaulicht haben. Auch hier kann die Objektivierung des Forschungsgegenstandes ebenso wenig ohne Beiträge anderer methodischer Praktiken erfolgen, wie deren Gebrauch keineswegs bedeutet, dass alternative Methoden (der Objektivierung, Deutung, Rekonstruktion etc.) hinfällig wären. Die Familie der geometrischen Datenanalyse hat sich heute in vielfältige Varianten und Weiterentwicklungen ausdifferenziert und umfasst etwa auch die Mehrebenenkorrespondenzanalyse (die genutzt werden kann etwa zur Modellierung von in Nationen „genesteten“ menschlichen Akteur*innen, siehe Michailidis & de Leeuw 2000), die Konstruktion von Feldern mit mehreren Formen von Entitäten durch die „three-way“-Datenanalyse (etwa zur Konstruktion eines Feldes von menschlichen und organisationalen Akteuren) oder Verfahren, die die Abbildung von zeitlichen Veränderungen mittels Projektionen subsequenter Positionen in einem Ausgangsraum ermöglichen. Die in Kapitel 5 erwähnte multiple Faktorenanalyse (siehe Escofier & Pagès 1998) erlaubt es zudem, die Autonomie sozialer Felder zu untersuchen („field-specific analysis“) sowie simultan mehrere Typen von Merkmalsträgern – Personen, Staaten, Organisationen – zur Konstruktion heranzuziehen. So können beispielsweise Phänomene, die üblicherweise auf einer „Makroebene“ des Nationalstaats modelliert werden, auch als Eigenschaften von Akteuren verstanden werden. Neben geometrischen Datenanalysen bieten sich im Zusammenhang einer allgemeinen relationalen Methodologie aber auch netzwerkanalytische Verfahren an, und zwar insbesondere dann, wenn manifeste, direkte Beziehungen („relationships“) von Interesse sind – Beziehungen also, die als Merkmale sozialer Felder und ihrer Verhältnisse aufgefasst werden und auch selbst den Charakter von Feldern annehmen können (vgl. Witte & Schmitz 2019). Hier kann beispielsweise an Elitennetzwerke gedacht werden, die von Akteur*innen aus unterschiedlichen nationalen und organisationalen Kontexten gebildet werden (vgl. Schneickert 2015: 97–102), ebenso wie an Expert*innengruppen (Maeße 2015), an Netzwerke von Nationen (Heiberger & Schmitz 2019; Delhey et al. 2020), transnationalen Unternehmen (Carroll 2010) oder NGOs sowie an transversale Netzwerke, die sich aus unterschiedlichen Entitäten zusammensetzen. Darüber hinaus können auch Netzwerke von Bedeutungen (bspw. von Vorstellungen darüber, was jeweils als

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„national“ oder „global“ gelten mag und was mit diesen Konstrukten jeweils verbunden wird) als Aspekte umfassender diskursiver Felder verstanden und rekonstruiert werden. In diesem Zusammenhang ist ferner die diskursive Hervorbringung von Kategorien von Interesse, die mit der sachlichen und sozialen Grenzziehung zwischen Feldern korrespondieren: Die kulturell variable und vielfach umkämpfte Bedeutung von vermeintlich stabilen Signifikanten wie etwa „Politik“, „Recht“ oder „Religion“ ist insofern nicht nur als Ausgangspunkt der (vergleichenden) Feldanalyse von zentraler Bedeutung, sondern kann auch selbst zum Gegenstand vergleichender diskursanalytischer Untersuchungen gemacht werden – und zwar nicht zuletzt auch mit Blick auf die Frage, wie unterschiedliche Differenzierungsmuster in verschiedenen Kulturen mit Legitimität ausgestattet oder als illegitim kritisiert werden.56 Das soeben angesprochene Beispiel von Semantiken des „Lokalen“, des „Nationalen“ oder auch des „Globalen“ weist überdies darauf hin, dass nicht nur deren kultur- und feldrelative Bestimmung für die Hervorbringung beispielsweise lokaler Identitäten von Interesse ist, sondern dass auch global zirkulierende Diskurse ihrerseits auf unterschiedliche Weise regional gebrochen und rekonstituiert werden. Im Sinne einer relationalen Methodologie bietet es sich dabei an, insbesondere die Einbettung solcher Diskurse in (nationale, globale etc.) Netzwerke und Felder zum Untersuchungsgegenstand zu machen. Unabhängig vom jeweiligen Fall und der entsprechenden Fragestellung erfordert also auch jede Objektivierung, wie oben bereits angedeutet, Informationen, Arbeitsschritte und Denkoperationen, die landläufig als deutend, interpretativ oder rekonstruktiv bezeichnet werden. Dies umfasst zum einen den qualitativen Zugang zu Informationen, die dann quantifiziert werden, und zum anderen den Rückgriff auf quantitativ objektivierte Räume und Felder, die als Grundlage für interpretative Untersuchungen herangezogen werden können. Beides impliziert aber keineswegs ein notwendigerweise zweistufiges Vorgehen: Der Logik der grounded theory nicht unähnlich, die ihre Einsichten iterativ und rekursiv im Feld und am Material entwickelt, meint Objektivierung und auch Quantifizierung aus der dargelegten methodologischen Perspektive den laufenden Einbezug qualitativer Daten, die wiederholte Deutung dieser Daten im Verhältnis zueinander sowie ein theoretisches Nacherheben von Fällen und Informationen – und auf diesem Wege schließlich den Prozess der Objekt(re)konstruktion. So wie die quantifizierenden Methoden der Sozialraum- und Feldtheorie immer auch auf eine Deutung der „Mikroebene“ der Akteur*innen abzielen, lassen sich sogenannte qualitative Techniken ebenso wenig auf Analysen einer „mikrosoziologischen“ Ebene be56 Für erste Überlegungen zum hier im Hintergrund stehenden Konzept von „Differenzierungskulturen“ vgl. Witte (2015; 2017).

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schränken, wie erneut die Forschungspraxis der grounded theory veranschaulichen mag. Noch einen Schritt weiter geht an diesem Punkt beispielsweise die von Joachim Renn entwickelte makroanalytische Tiefenhermeneutik (Renn 2018). Renn schlägt in diesem Zusammenhang eine Herangehensweise vor, die mit der in diesem Buch präsentierten theoretischen Grundanlage wie auch mit den hier diskutierten methodologischen Implikationen insofern gewisse Parallelen aufweist, als sie auf einer „komplexen Variante der Differenzierungstheorie“, nämlich einer Theorie multipler Differenzierung aufbaut (Renn 2018: 207; vgl. Renn 2006) und dabei ebenfalls auf die empirische Sozialstrukturanalyse Bezug nimmt. Vor diesem Hintergrund skizziert Renn den „Typus einer qualitativen Analyse“, die sich ebenfalls nicht mit einer deskriptiven „Erschließung von Kontexten in der Umgebung eines immer lokalen und spezifischen Einzelfalls und seiner Fallstruktur“ (Renn 2018: 241f.) begnügt, sondern die Rekonstruktion von Sinnstrukturen systematisch an die Gesellschaftstheorie anschließt. Auch die zuvor bereits erwähnten Herausforderungen der Habitusrekonstruktion vor dem Hintergrund der Strukturen von Feldern und Räumen können über eine Vielzahl unterschiedlicher Methoden und Methodenkombinationen adressiert werden. Neben quantifizierenden Zugängen mittels GDA oder Klassifikationsverfahren (vgl. Blasius & Schmitz 2013) bieten sich hier Verfahren der qualitativen Typenbildung an, wie sie sich z. B. in der dokumentarischen Methode oder der Habitushermeneutik finden (siehe etwa Bohnsack 2013; Lange-Vester & TeiwesKügler 2013). Qualitativ-rekonstruktive Ansätze erlauben es, die verschiedenen Muster der Sinndeutung „konjunktiver Erfahrungsräume“ zu verstehen, die mit spezifischen Positionen in sozialen Feldern und Räumen einhergehen. So ist es beispielsweise möglich, verschiedene Akteur*innen nicht nur in einem transnationalen Feld zu verorten, sondern auch ihre Weltsichten und die Genese ihrer Denk- und Deutungsmuster im Zusammenhang ähnlicher gesellschaftlicher Positionen und Situationen zu rekonstruieren. Die sich anschließende Frage lautet dann, welche sozialen Felder und Felderverhältnisse welche Akteur*innen „konjugieren“, indem sie sie ähnlichen Existenzbedingungen unterwerfen. Zu denken wäre beispielsweise an ein zuvor quantitativ konstruiertes Feld inter- bzw. transnationaler juridischer Expertinnen und Experten: Basierend auf typischen Positionen in diesem Feld könnten in diesem Zusammenhang biographisch-narrativer Interviews mit diesen Akteur*innen durchgeführt werden, um zu rekonstruieren, welche unterschiedlichen Dispositionen sie in das Feld einbringen und welche Effekte das Feld im weiteren Sozialisationsprozess seinerseits auf diese Dispositionen ausübt. Eine besondere Herausforderung stellt schließlich auch jede methodische Konstruktion eines globalen oder transnationalen sozialen Raums dar, erfordert

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diese doch immer auch eine Integration der Weltsichten von Akteur*innen unterschiedlicher Gesellschaften und Kulturen sowie transnationaler und globaler Positionen. Eine solche Integration steht vor der Herausforderung, diese verschiedenen Weltsichten „symmetrisch“ zu integrieren, also unter Absehung von Machthierarchien ihrerseits sichtbar zu machen und analytisch zur Geltung zu bringen, ohne dabei die empirisch vorfindbaren Asymmetrien zwischen diesen Weltsichten oder die objektiven Grundlagen dieser Unterschiede zu kaschieren. Mit welchen Methoden können etwa die von westlichen Wissenschaftler*innen angelegten Sichtweisen auf die Welt mit jenen von Kolleg*innen aus anderen Regionen erhoben und in einen gemeinsamen Raum überführt werden?57 Standardisierte Befragungen beispielsweise stoßen in diesem Kontext schnell an ihre Grenzen und laufen stets Gefahr, unter dem Deckmantel der „Harmonisierung“ diejenigen Weltsichten und Normen als Maßstab durchzusetzen, die (oft unwissentlich) von den verantwortlichen (in der Regel westlichen) Forscher*innen in die Befragungen eingeschrieben wurden. Alternative Varianten wären hier kulturspezifische Befragungen, wobei der Umstand bedacht werden muss, dass schon das Verfahren der Befragung selbst (wie auch andere Methoden) seinen Ursprung in spezifischen Kulturen hat und auch heute noch mit diesen Kulturen kompatibler ist als mit anderen (vgl. Schmitz et al. 2015).58 Während dieses Problem eine Aporie westlicher Wissenschafts- und Methodenverständnisse darstellt, können durch alternative (obschon i. d. R ebenfalls westlichen Wissenschaftstraditionen entstammende) Verfahren kulturelle Deutungs- und Bewertungsmuster differenzierter herausgearbeitet werden. Hier kann beispielsweise an Fokusgruppeninterviews mit Vertreter*innen unterschiedlicher nationaler und disziplinärer Kulturen gedacht werden, um unterschiedliche Begriffs- und Assoziationsräume, wissenschaftliche oder andere Vorverständnisse, implizite Bewertungen und Bewertungsmaßstäbe usw. zur Sprache zu bringen und in ihrem Zusammenspiel und ihren Wechselwirkungen sichtbar zu machen. Gleichwohl muss aber auch mitreflektiert werden, dass beispielsweise die Organisation derartiger Interaktionen, die gewählte Sprache sowie die Definition der jeweiligen Zielsetzungen erheblichen Einfluss auf die erzielbaren Erkenntnisse ausüben. Um diesen Einschränkungen

57 Derartige Fragen stehen im Zentrum etwa auch der Tradition der postcolonial studies, obschon weitgehend unter Absehung von den zuvor genannten Verfahren der Objektivierung, die zum Kernbestand einer relationalen Methodologie zählen (siehe exemplarisch Go 2018). 58 Gleiches gilt auch für andere quantifizierte Datenformen – und auch noch für solche, deren Objektivität nur selten hinterfragt wird: Die in Kapitel 5 erwähnten Differenzen zwischen unterschiedlichen Messkulturen in der COVID-19-Pandemie liefern ein besonders eindrückliches Beispiel für die Probleme, die sich ergeben, wenn in statistischen Modellen bspw. zur Letalität implizit unterstellt wird, dass die erhobenen Informationen in allen untersuchten Kulturen auf einheitliche Weise gemessen, gezählt und berichtet würden.

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zunächst ansatzweise Rechnung zu tragen, bietet sich hier ein zweistufiges Verfahren an, bei dem zunächst nur die Vertreter*innen jeweils einer Wissenskultur miteinander im Fokusgruppeninterview diskutieren und diese dann in einem zweiten Schritt auf die Akteur*innen der anderen Gruppeninterviews treffen. Ein längerfristiges Ziel kann dann darin bestehen, auf dieser Grundlage Möglichkeiten der Quantifizierung auch der so gewonnenen Informationen auszuloten. Andererseits können die erzielten Befunde auch dazu dienen, bereits etablierte Quantifizierungen auf ihre Kulturspezifik zu hinterfragen und den Blick dafür schärfen, welche Aspekte eines Forschungsgegenstandes überhaupt entlang einheitlicher Quantifikationen und manifester Variablen abgebildet – und welche Aspekte jeweils kulturspezifisch konstruiert und dann etwa als latente Variablen modelliert werden können. In der Gesamtschau zeigt sich, dass sich im Zusammenhang einer konsequent relationalen Methodologie ein Denkstil wiederholt, der tradierte Dichotomien praktisch zu überwinden sucht (hier nun solche wie „Theorie“ vs. „Empirie“ oder „quantitativ“ vs. „qualitativ“), ohne einzelnen Methoden ein Primat zuzusprechen. Vielmehr werden die verschiedenen Techniken und Praktiken immer schon in „methodenintegrativer“ Absicht mobilisiert. Die relationale Methodologie fußt dabei zugleich auf der Einsicht in die Notwendigkeit zur Reflexion der eigenen Forschung sowie der ethischen Implikationen der wissenschaftlichen Praxis; sie geht also mit einer reflexiven Epistemologie und Forschungsethik einher, in der die (vielfach im eigenen Untersuchungsobjekt selbst situierten) eigenen Positionen und Positionierungen, die im Forschungsprozess verwendeten Kategorien, die Diskurse, die diese Kategorien hervorbringen, die Folgen der wissenschaftlichen Praxis und ganz allgemein: das Verhältnis der Forschenden zu den jeweils untersuchten Phänomenen berücksichtigt werden. In diesem Kontext können etwa wissenssoziologische, historische und quantifizierende Diskursanalysen die Relationen von Positionen und Positionierungen zwischen verschiedenen Feldern und (z. B. lokalen, nationalen oder globalen) „Ebenen“ rekonstruieren und so die sozialen Voraussetzungen auch noch des Nachdenkens über Gesellschaft zum Vorschein bringen.59 Nicht zuletzt betrifft diese epistemologische Wachsamkeit aber auch das Verhältnis von wissenschaftlichem und öffentlichem Diskurs sowie schließlich den globalisierten Diskurs über Globalität selbst. Diese Fragen nach der Bedeutung einer reflexiven Grundhaltung sind daher abschließend unter den Vorzeichen eines globalen Feldes der Macht zu stellen. 59 So zum Beispiel die geschlechtstypische Wahl von Forschungsschwerpunkten (siehe Wimmer & Schneickert 2018) oder die Wirkung von sozialer Herkunft und Geschlecht auf die Sozialisation in das wissenschaftliche Feld (siehe Schneickert 2013b). Zum Potenzial diskursanalytischer Verfahren in diesem Zusammenhang siehe auch Maeße (2019) sowie Forchtner & Schneickert (2016) zu einer Verbindung von Critical Discourse Analysis (CDA) und Feldtheorie.

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Fazit: Zu einer reflexiven Soziologie des globalen Feldes der Macht Der vorliegende Band hat sich unterschiedlichsten Fragen aus dem Bereich der Elitenforschung, der Differenzierungstheorie und der Globalisierungsdebatte gewidmet, an diesen Fragen die Reichweite der theoretischen Perspektive des Feldes der Macht ausgelotet und das Konzept an verschiedenen Punkten weiterentwickelt. Die Struktur des Buches orientierte sich dabei grundsätzlich an den drei unterschiedlichen Lesarten der klassischen Konzeption des Feldes der Macht bei Bourdieu, die sich lose zu den drei genannten Forschungsfeldern in Beziehung setzen lassen. Im Verlauf unserer Rekonstruktionen sind wir so wiederkehrend auf theoretische Dichotomien gestoßen, die traditionell den soziologischen Diskurs strukturieren (so etwa die Gegensätze von Sinn und Macht, Struktur und Akteur, Funktion und Konflikt, lokal und global usw.). De facto werden solche dichotomen Positionen von Theorien und Forschungsansätzen ebenso wie von wissenschaftlichen Akteur*innen repräsentiert, die gemeinsam das Feld der Soziologie konstituieren (vgl. Schmitz et al. 2019). Gleichwohl verkennen wissenschaftliche Subjekte wie auch Theorieangebote jedoch mitunter ihre eigene Position in diesem Feld – und damit ebenfalls die objektiven Feldvoraussetzungen ihrer theoretischen Positionierung. Soziologische Theorien sind in diesem Sinne zweifach kontextualisiert und kontextualisierbar: erstens durch das Feld soziologischer Theorien, in dem sie sich in Verhältnissen von Nähe und Distanz zu anderen Theorien positionieren, und zweitens durch die Gesellschaftsform, auf die sie sich im Medium theoretischer Abstraktion einen Reim zu machen suchen (Kalthoff 2008: 15; vgl. Bourdieu 2004c). Bei aller Unähnlichkeit der verschiedenen Theorien im Einzelnen kann daher doch konstatiert werden, dass diese in ihrem Nebeneinander und/ oder Zusammenspiel wiederkehrend die gleichen Spannungslinien reproduzieren. Wie sich damit zeigt, sind wir also auch weiterhin, und vielleicht auch gerade angesichts neuer (bzw. neu entdeckter) Fragen und Herausforderungen, mit basalen Problemen der Soziologie befasst: mit den Schwierigkeiten nämlich, die wissenschaftssoziologischen, erkenntnis- und wissenschaftstheoretischen Implikationen der eigenen wissenschaftlichen Praxis fortlaufend und immer wieder aufs Neue zu reflektieren. Dabei kann das Bestandswissen der hier mobilisierten Denktraditionen durchaus fruchtbar gemacht und an Bourdieus staatssoziologische Untersuchungen angeschlossen werden, die ihm erlaubten, die (französischen) nationalstaatlichen Voraussetzungen des wissenschaftlichen Denkens sichtbar zu machen. Die hier skizzierte Perspektive im Anschluss an Bourdieus (1996) „reflexive Anthropologie“ artikuliert in diesem Zusammenhang zugleich eine Warnung: nämlich die Forderung nach einer grundsätzlichen epistemologischen Wachsamkeit gegenüber neuen, ihrerseits „epochalistischen“ Haltungen im Angesicht scheinbar „neuer“ Phänomene wie der Globalisierung. Dies gilt ebenso

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für globales und internationalistisches Denken sowie einen häufig unhinterfragten und mitunter auch unreflektierten Kosmopolitismus, beispielsweise in Teilen des „progressiven“ akademischen Milieus (vgl. Bourdieu 2000: 44; Koppetsch 2019; Hartmann 2020). Das über lange Zeit dominante „Staatsdenken“ durch eine neue Ideologie des „world thinking“ zu ersetzen, um dem begründeten Aufruf zur Überwindung des methodologischen Nationalismus zu folgen, würde lediglich bedeuten, eine essenzialistische Haltung durch eine andere zu ersetzen und sich zudem auf ein zu enges, wiederum einseitiges Verständnis von Sozialisierungsprozessen zu beschränken. Die hier präsentierte Perspektive des Feldes der Macht lädt vielmehr dazu ein, zu analysieren, wie verschiedene soziale Felder im weitesten Sinne an der Entstehung, Abschaffung oder Neuerschaffung real existierender Konstruktionen – Nationalstaaten, Nationalität, Transnationalität, Regionalität oder Globalisierung – beteiligt sind. Um damit schließlich eine Beobachtung aus der Einleitung zu diesem Buch wiederaufzunehmen: Die Gesellschaften des 21. Jahrhunderts sind zweifellos mit einer Reihe fundamentaler Transformationen konfrontiert, die in verschiedensten Hinsichten auf die Verhältnisse von Eliten und Sozialstruktur, von Differenzierung und Ungleichheit sowie von Lokalität und Globalität verweisen. Gleichwohl dürfen uns diese Veränderungen nicht über die stets ebenso vorhandenen Kontinuitäten und die vergleichsweise stabilen Strukturmomente moderner Gesellschaften hinwegtäuschen. Entgegen anderslautender Vorurteile stellt die in diesem Band diskutierte Theorie Bourdieus gerade keine Theorie sozialer Reproduktion allein dar – sie rückt vielmehr das spannungsvolle Wechselverhältnis von Wandel und Stabilität in den Mittelpunkt. Vor diesem Hintergrund legt die hier dargestellte Perspektive des Feldes der Macht ein besonderes Augenmerk auf die Dynamiken von Machtfeldern im historischen und kulturellen Vergleich, die sich ebenso aus dem hysteresischen Charakter der sozialen Welt speisen wie aus den oftmals hysterischen Zügen der Diskurse über ihren sozialen Wandel. Ausgehend von einem solchen Verständnis stellt sich allerdings auch noch die Dichotomie von „alten“ und „neuen“ Wirklichkeitsauffassungen und Theorien notwendig in einem anderen Lichte dar. So wie Statik und Dynamik nicht gegeneinander ausgespielt werden sollten, lassen sich auch unterschiedliche theoretische Angebote nicht der falschen Dichotomie von „alt“ und „neu“ unterwerfen. Eine relationale Wirklichkeitsauffassung lädt insofern dazu ein, Zurückhaltung zu üben auch was die Kategorisierung von alten (und damit nicht mehr adäquaten) und neuen (und damit für gegenwärtige Gesellschaften vermeintlich angemessenen) Theorien betrifft. Mehr noch: Sie reflektiert überdies auch die sozialen und historischen Voraussetzungen, die derartigen Vorwürfen und Kategorisierungen zugrunde liegen. Ebenso wie sich im Lichte aktueller Herausforderungen und fraglos dramatischer Veränderungen noch Stabilität und Strukturen ausmachen lassen,

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müssen auf Grundlage einer relationalen Epistemologie auch weiterhin klassische wie innovative Denkwerkzeuge und -figuren zum Einsatz kommen und aufeinander bezogen werden. Die Soziologie hat sich zweifellos auf neue Herausforderungen einzustellen – sie muss hierfür aber nicht das theoretische Rad vollständig neu erfinden oder den Reichtum ihrer Traditionen und bereits gewonnener Einsichten über Bord werfen. Vielmehr sind etablierte Konzepte und Theorien angesichts neuer Problemlagen immer wieder auf ihre Angemessenheit und Brauchbarkeit zu überprüfen und – wo nötig – anzupassen und weiterzuentwickeln. Das in diesem Buch entfaltete Konzept des (globalen) Feldes der Macht stellt einen solchen Aktualisierungsversuch bereits bewährter Werkzeuge und Zugriffsweisen dar, der sich den analytischen Herausforderungen der Gegenwart zu stellen versucht. Dieses Buch stellt damit ein Plädoyer dar für ein Konzept, von dem wir glauben, dass es in den hier vorgestellten Varianten einen wertvollen Beitrag zur Analyse der Gesellschaften des 21. Jahrhunderts liefern kann – insbesondere, aber keineswegs ausschließlich, in den Bereichen der Elitensoziologie, der Differenzierungstheorie und der Globalisierungsforschung. Die in diesem Buch immer wieder in den Mittelpunkt gerückten Grundprinzipien relationalen Denkens betreffen dabei schließlich auch die reflexive Verortung der eigenen Perspektive und Forschungstätigkeit. Wenn auch die Gefahr vermutlich nie vollständig gebannt werden kann, sich aufgrund der eigenen Positioniertheit in globalen Sinn- und Machtzusammenhängen unbemerkt in den Paradoxien symbolischer Gewaltverhältnisse zu verfangen und im besten Glauben, symbolische Gewalt aufzudecken, selbst symbolische Gewalt auszuüben – der immer wieder aufs Neue zu unternehmende Versuch zur systematischkritischen Relationierung des eigenen Standpunkts und seiner jeweiligen Perspektivität stellt eine notwendige Bedingung dar, dieser Gefahr überhaupt begegnen zu können. Literatur Baier, Christian/Andreas Schmitz (2012): Organisationen als Akteure in sozialen Feldern – Eine Modellierungsstrategie am Beispiel deutscher Hochschulen, in: Stefan Bernhard/Christian Schmidt-Wellenburg (Hg.): Feldanalyse als Forschungsprogramm 1. Der programmatische Kern, Wiesbaden: Springer VS, 191–220. Baur, Nina (2017): Process-Oriented Micro-Macro-Analysis. Methodological Reflections on Elias and Bourdieu. In: Historical Social Research 42 (4): 43–74. Benzécri, Jean-Paul (1976): L’analyse des donnees. 2 Bde., Paris: Dunod. Benzécri, Jean-Paul (1992): Correspondence Analysis Handbook, New York: Dekker. Blasius, Jörg (2001): Korrespondenzanalyse, München/Wien: Oldenbourg.

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Sachregister Adel 26, 84, 90 – Staats- 16, 20, 26, 45–48, 74 Akkumulation 27, 64, 74, 107, 133 Apparat 139 Autonomie –, relative 16, 22, 28, 40f., 61, 65–67, 73, 77 – -bewegungen (siehe auch Sezession) 106 – von staatlichen Feldern 128f., 136– 142 Determinismus 16, 63 – siehe auch Dichotomien: Statik vs. Dynamik Dichotomien, Dichotomisierung 6f., 10, 32, 94, 120, 126, 134, 143, 158, 161, 171–174 – Akteur vs. Struktur 18f., 22, 37, 46f., 62, 108f., 125f., 134, 154, 168f. – Funktionalismus vs. Konflikttheorie 18, 38–42, 45f., 54, 120, 154 – global vs. lokal/national 8, 37, 43f., 52–56, 119–127, 134, 142f., 155, 159, 161, 168, 172f. – Konflikt vs. Integration 38–42, 47, 92–94, 140f. – Mikro vs. Makro (siehe auch Dichotomien: Akteur vs. Struktur) 108f., 125f., 134, 168f. – qualitative vs. quantitative Sozialforschung 161–171 – Sinn vs. Macht (auch: Strukturen, symbolische vs. materielle) 4, 7, 17, 62f., 92, 120–124, 134, 158 – Statik vs. Dynamik (auch: Struktur vs. Prozess) 7, 16, 32, 63–65, 68– 71, 157, 163, 173 – Theorie vs. Empirie 9f., 37f., 143, 153f., 160f., 168f., 171

– Ungleichheit, soziale vs. Differenzierung, sachliche 4–9, 82–96, 120– 124, 131, 135, 143, 155–160 Differenzierung(s) –, sachliche, funktionale 4, 16–18, 26– 28, 38–42, 45–47, 65–96, 133–135, 154f. – -forschung 40, 51–54, 157, 168 – -kulturen, -muster 5, 122, 158f., 168 – -theorie 5–9, 17, 26–28, 40f., 50– 54, 81–93, 116f., 121f., 156f., 169 – Entdifferenzierung 1, 4f., 94, 106 – Umdifferenzierung 106, 163 – als historischer Prozess 16, 28, 30, 65f. – und soziale Ungleichheit 4, 7f., 17f., 52, 82–92, 120 Digitalisierung 5, 30, 136 Doxa 17, 62f., 89, 105, 138, 140 – siehe auch Heterodoxie, Orthodoxie Diskurs(e), Diskursanalyse 70, 79f., 138, 163, 168, 171 Dynamik(en) 8, 64, 68, 80, 82, 94, 128, 131–133, 157, 173 – siehe auch Determinismus, Dichotomien: Statik vs. Dynamik, Reproduktion, Transformation, Wandel Dynastien 29, 47, 65, 106, 139 Elite(n) –, kulturelle 68 –, ökonomische 4, 19, 26, 37, 44–55, 74 –, politische 4, 44–55, 74 –, (trans-)nationale, globale 2–8, 37, 43–55, 96, 131, 135, 143 – -bildungseinrichtungen 19–21, 29, 53f. – -forschung 4–11, 19f., 32, 37–56, 84–92 – -integration 20, 41, 47–51

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 C. Schneickert et al., Das Feld der Macht, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31930-4

180 – -netzwerke 2, 19–21, 26, 50, 62, 74, 95, 167 – Feld- 8, 15, 20f., 37–56, 62, 74, 81–90, 95, 107, 135 – Funktions- 10, 37–52, 154f. – Macht- 10, 41–52 Epistemologie, Erkenntnistheorie 9, 105, 165, 171 – epistemologischer Bruch 77, 164 Europa/EU 129, 136, 163 Exklusion 2, 86–92, 116, 133 – siehe auch Marginalisierung Exogenität 65–67 Faktorenanalyse, multiple 113–117, 167 Felder –, bürokratische 129, 137, 161 –, globale 131–144 –, internationale 108–118, 160 –, juristische, rechtliche 5, 21f., 29, 49, 67f., 73, 75, 77, 85f., 107f., 128– 130, 137f., 140–143, 168f. –, nationale 50–54, 104f., 127–130, 161–164 –, ökonomische 16, 21f., 25, 55, 70, 76–78, 85, 87, 90, 111, 116f., 130, 136f., 142 –, politische 5, 16, 21f., 29, 50–55, 67f., 70, 75f., 85–87, 90, 107f., 117, 129, 135, 137–140, 143, 155 –, religiöse 15f., 87, 128, 135, 139– 141, 157, 168 –, staatliche, nationalstaatliche 106f., 137–143, 163 –, subnationale 106f., 128, 141 –, supranationale 107f., 128–130, 136, 155, 163 –, transnationale 127–130, 157 –, transversale 73f., 80, 167 –, wissenschaftliche 16, 21, 68, 70, 76, 78, 89f., 111, 127, 164, 171f. – -effekte 18, 27, 62, 65–67, 69f., 72f., 75, 77, 81, 84–87, 90, 92, 95,

Sachregister 107f., 117, 127, 130f., 137, 142f., 156–159, 163f., 169 – -verhältnisse 5, 15, 17f., 26–28, 31, 39f., 46f., 50, 61–96, 117, 128f., 132–143, 153, 156f., 160, 163, 167, 169 – Medien- 5, 70, 85, 87, 95, 136f. – des Sports 85, 95, 116f., 136 Feld(er) der Macht –, globales 131–144 –, internationale 112–118 –, nationale 20–26, 29–31, 48–54, 104–106 –, transnationale 127–130 – als Meta-Feld 20, 47 – und (National-)Staat 29–31, 127f., 135–144 – und sozialer Raum 9, 18–24, 81–96, 131f. Figuration 74, 139 –, höfische 30, 64, 95 Funktionalismus 39–42, 51, 121 Funktionalität, interne 112–117 Genese –, historische 29, 30, 63–66, 106, 124 – Rekonstruktion der 163, 169 Geometrische Datenanalyse (GDA) 48–53, 154, 165–169 – siehe auch Korrespondenzanalyse, multiple Gesellschaftstheorie 6, 8f., 81–93, 105f., 126, 131f., 156, 169 Gewalt 120, 123, 141 –, physische 29, 31, 106 –, symbolische (siehe auch Herrschaft, symbolische) 29, 31, 136, 174 Globalisierung(s) 1f., 43f., 54–56, 158f. – -diskurs/-diskussion 54f., 103, 119f., 158f. – -kritik 1f. – -theorie 119–126 – globales Denken 173

Sachregister Grenzen 2, 5f., 80, 107f., 111, 124f., 127f., 130–132, 138, 140, 142f. – von Feldern 5, 16f., 62, 73, 78, 80, 82, 107f., 127f., 138, 142, 168 grounded theory 168f. Habitus 17, 63, 75, 109, 161, 164 –, feldspezifischer 85f., 164 –, globaler, (trans-)nationaler 8, 43, 161, 164 –, hybrider, pluraler 90, 140, 163f. – -formation 63, 75, 136, 163, 169, 171 – Klassen- 43, 85, 90 Hermeneutik, hermeneutische Verfahren 164–169 Herrschaft(s) –, symbolische (siehe auch Gewalt, symbolische) 28, 79, 87, 92, 158 – -verhältnisse 81, 88f., 92 – herrschende Klasse 20–22, 44–47 – Teilung der -arbeit 28, 30, 93 Heterodoxie 64 – siehe auch Doxa, Orthodoxie Heterologie, strukturelle 68, 80, 94, 116f. Heteronomie 61, 64–67, 69f., 72–81, 93, 128, 137–140, 157 Homologien, strukturelle 22, 50, 67– 72, 76, 94, 116f., 133 Hybridität 78, 117, 142 – siehe auch Habitus, hybrider Illusio 16f., 76–78, 80 Imperien 106, 117, 129, 139 Institution(en), Institutionalisierung 15, 21f., 29, 62, 70, 78–80, 107, 109, 112–122 – siehe auch Kapital, institutionelles, Organisationen Integration, soziale 31, 41, 75, 92f., 105f., 111, 136–141 Internationalität, Internationalisierung, international 104, 108–118, 133 Intrusion 27, 68–71, 74, 94, 128

181 Kapital, Kapitalsorten 16, 27f., 71f. –, informationelles 31 –, institutionelles 113–116 –, kulturelles 20f., 72f., 84, 114f. –, ökonomisches 22, 49, 83, 111, 116 –, soziales 73f. –, symbolisches 27f., 73f., 105, 116 – Konversion von 21, 27f., 71f., 95 – Meta- 27, 30, 69, 72, 81, 107, 113, 116 – Verteilung von 16, 68 – Wechselkurse 27f., 71–73 – und Funktionalität 112–116 Kapitalismus 1f., 22, 41–44, 52, 63, 83, 90 Klassen (soziale) 2, 7f., 16, 41, 55, 75, 81–87, 92–95 –, mittlere 41, 64, 88–91, 122 –, obere, herrschende (siehe auch Herrschaft) 18, 45–54 –, transnationale 43f. –, untere 87f. – -habitus siehe Habitus Klassen von Nationalstaaten 117f. Kolonialismus, Kolonialisierung 63, 130, 140f. Konflikt 17f., 21, 41f., 45–47, 92f., 140 Konstruktivismus 95, 162, 164f. – siehe auch Objektkonstruktion Korrespondenzanalyse, multiple 22, 48–53, 165f. – siehe auch Geometrische Datenanalyse Kosmopolitismus, kosmopolitisch 103, 124, 137, 143 Kultur, kulturelle Felder 21f., 24f., 40, 45, 110–113, 121, 130, 168, 170f. – siehe auch Kapital, kulturelles Lai*innen (auch: Publika, Konsument*innen) 67f., 87f., 135f. Legitimität, Legitimation 20, 28–31, 45, 64, 73, 75f., 79f., 90, 105, 116f., 136–141, 158, 168 Libido 17, 63, 76–78, 138

182 Macht – -begriff 18f., 87f. – und Sinn siehe Dichotomien: Sinn vs. Macht Marginalisierung 2–4, 89, 155 – siehe auch Exklusion Migration 6, 129f. Mitte, Mittelschicht siehe Klasse, mittlere Methodenintegration 160–171 Methodologie 8, 62, 65, 82, 111, 125, 160–171 Messkulturen 113, 170 Nation – -alismus, methodologischer 104– 108, 124, 158, 161, 172f. – -alstaat siehe Staat(en) Neoinstitutionalismus 109, 121–123 Neoliberalismus siehe Kapitalismus Netzwerk(e) 73f., 84, 90, 117, 157, 167f. – -analyse 73f., 95, 117, 125, 167f. – Elite- siehe Elite(n) Nomos 16f., 62, 66, 76–78, 137f. Objektkonstruktion 76, 160–171 Öffentlichkeit(en) 3, 79, 107, 136–139 Organisationen 78, 80, 109, 156 – siehe auch Institutionen Orthodoxie 21, 64, 80, 139 – siehe auch Doxa, Heterodoxie postcolonial studies 123, 170 Praxis 15–17, 62f., 75, 79 – Theorie der, Praxeologie 108–110 Quantifizierung 165–171 Raum –, geographischer 107, 111, 124f., 131, 138, 142 –, sozialer 16f., 21, 22, 76, 81, 166–170

Sachregister –, sozialer und Feld der Macht 18, 22–24, 61f., 81–93, 95f., 131f., 159 –, sozialer und Felder 7, 18, 21, 64 –, sozialer und Klassen 7, 93 –, (trans-)nationaler, globaler 114– 118, 125, 131–135, 142, 157, 159 Reflexivität 171–174 Regionalität, doppelte 138 Relationen, Relationalität 18f., 22, 62, 65, 68, 82–91, 109, 153, 166 –, manifeste vs. latente 73, 109f., 161, 167 Relationalismus, methodologischer 8, 62, 65, 81f., 160–171 Reproduktion 64, 79, 82f., 87–89, 92, 105, 126, 173 Sezession, sezessionistisch 106, 141 – siehe auch Autonomiebewegungen Sinn siehe Dichotomien: Sinn vs. Macht Sozialisation siehe Habitusformation Sozialraum siehe Raum, sozialer Staat(en), Nationalstaat(en) 1–3, 29– 31, 104–107, 111–118, 121f., 127f., 133–143, 158, 172f. – -lichkeit (auch: Verlust von, Wandel von) 128f. – Klassen von 117f. – Staatsdenken 31, 136, 173 – Staat und Nation 29, 141f. – siehe auch Felder: bürokratische, juristische, staatliche Statik siehe Determinismus, Dichotomien: Statik vs. Dynamik, Transformation, Wandel Strategien 20, 27, 46f., 63f., 69, 74, 84, 90f., 137 Strukturalismus, genetischer (siehe auch Genese, Rekonstruktion der) 19, 29, 46, 64, 164 Subjektivierung siehe Habitusformation Systemtheorie 84, 121–126, 133, 135f. Trajektorien 125, 136, 164

Sachregister Transformation 63–65, 82, 95, 119f., 129, 143 – siehe auch Determinismus, Dichotomien: Statik vs. Dynamik, Reproduktion, Wandel Transnationalisierung, -sforschung, Transnationalität 2, 5–8, 43f., 48– 54, 124–130, 136, 143, 155–170 Vergleich, vergleichend(e) – Elitenforschung 48–54 – Gesellschafts- 40, 51, 90f., 108– 112, 138, 155, 160, 164 – Kultur- 51, 111, 117, 168–171 Wandel –, historischer 26, 40, 47 –, sozialer 43, 126, 129, 173 – siehe auch Determinismus, Dichotomien: Statik vs. Dynamik, Reproduktion, Transformation Wechselwirkungen 17, 27, 62, 68–71, 82–87, 92, 124, 134f., 156f. Weltgesellschaft 121–125 Weltsystem, -ansatz, -theorie 44, 52, 122–127 Zeit 63–65, 136 – -strukturen 63 – Ungleichzeitigkeit 5, 143, 159 – Vereinheitlichung der 31 – zeitliche Dispositionen (siehe auch Dynamik/en) 63, 136

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