Das Evangelium des Matthäus: Kritisch-exegetischer Kommentar über das Neue Testament 9783666516177, 9783525516171

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Das Evangelium des Matthäus: Kritisch-exegetischer Kommentar über das Neue Testament
 9783666516177, 9783525516171

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Emst Lahmerer / Das Evangelium des istatthäus

Uritisch-exegetischer Kommentar über das Neue Testament Begründet von Heinrich August Wilhelm Weyer Sonderband

jöae Evangelium des Matthäus Nachgelassene Ausarbeitungen und Entwürfe zur Übersetzung und Erklärung von Ernst Lohmeyer Für den Druck erarbeitet und herausgegeben von Werner Schmauch 4. Auflage

(Böttingen • Vandenhoeck & Ruprecht • 1967

© Bandenhoeck & Ruprecht, Götttngen 1956. Printed in Germany. M e Rechte vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung de- Ber­ lages ist es nicht gestattet, das Buch oder Teile daraus auf fotooder akustomechanischem Wege zu vervielfältigen. Gesamcherstellung: Hubert L Co., Göttingen 7089

V o rw o rt Ernst £otymeyet hat sein Lebenswerk für immer aus der Hand legen müssen, noch ehe der seit langem geplante Kommentar zum Evangelium des M atthäus eine feste Gestalt gefunden hatte. Ursprünglich hatte er die Absicht, diesen möglichst bald der Erklärung des Markus-Evangeliums, ebenfalls in der Reihe des Meyerschen Kommentars, folgen zu lassen. Dann aber kam 1939 der Krieg, der den damals schon 49jährigen sofort und für vier Jahre gewaltsam von seinem Arbeitsplatz entfernte. Wie fremd ihm das Kriegshandwerk war und wie fest er darum und dennoch seiner eigentlichen Aufgabe verbunden blieb, zeigen die zahlreichen Manuskripte, gerade auch zum Matthäus-Evangelium, die im Felde entstanden sind. Die Zeit seiner glücklichen Heimkehr bis zu dem Tage, da er aufs neue und endgültig aus seiner Arbeit herausgerissen wurde, hat dann aber in der Unruhe der letzten Kriegsjahre und nach der Katastrophe unter der Verantwortung des neuen Amtes als eines Rektors Magnificus nicht ausgereicht, um aus der Fülle der vorarbeiten ein Ganzes zu formen. Daß ein solches Geschick auch die Vollendung dieses Werkes verhinderte und die Frucht jahrelanger Arbeit vorzeitig abriß, bleibt ein unlösbares Rätsel und für die neutestamentliche Wissenschaft ein kaum zu ermessender Verlust. Die Übernahme dieses von Frau Lohmeyer mir anvertrauten Nachlasses stellte die Aufgabe, ihn im Sinne des verehrten Lehrers und Freundes, und das heißt, nicht aus persönlichen Gründen, sondern um des Gegenstandes willen, dem sein Bemühen galt, der Wissenschaft zu weiterer Forschung dar­ zubieten. Die Frage, wie das am besten geschehen sollte, wog um so schwerer, als der Verfasser selbst den Matthäus-Kommentar als einen gewissen Abschluß seiner bisherigen Arbeiten an den drei ersten Evangelien betrachtet hatte, gleichsam als ein erstes Ziel des Weges, den er mit „Galiläa und Jerusalem", „Kultus und Evangelium", „Gottesknecht und Vavidsohn" und nicht zuletzt mit der Erklärung des Evangeliums des „Markus" beschriften hatte, so daß hier nun sein Beitrag zum Problem der synoptischen Tradition wie zur synop­ tischen Frage überhaupt zusammengefaßt Gestalt gewinnen würde. Für eine Herausgabe dieses Erbes schienen zwei Möglichkeiten sich aufzutun: Entweder das über das ganze Evangelium in sehr ungleicher Dichte vorhandene Material — die Kapitel 6 und 7, 10 und 11, 24 und 25 fehlen ganz — zu bearbeiten und zu dem seit langem erwünschten und seinerzeit von dem Verlag an Prof. Lohmeyer vergebenen Kommentar zu ergänzen oder auf eine Ergänzung zu verzichten, aber das vorhandene weitgehendst zu erschließen und möglichst zu einem Ganzen zusammenzufügen. Die erste würde, das Gelingen des Ver­ suches vorausgesetzt, den anfänglichen Plan äußerlich verwirklichen,' der zu zahlende preis aber wäre wohl jene Unausgeglichenheit gegenüber dem Ur-

sprünglichen, die auf Grund der jeweils eigenen Verantwortung vor der Sache jede Bearbeitung und Ergänzung mit sich bringt, eine Spannung, die der eigent­ lichen Absicht entgegen um so nachteiliger sich auswirken müßte, je stärker das überkommene bereits in sich geprägt ist. Die zweite würde die Überfremdung der Arbeit des Verfassers vermeiden und diese in ihrem ursprünglichen Charakter weitergeben können, bedeutete aber von vornherein den verzicht auf die Schaffung eines vollständigen Matthäus-Kommentars und das Wagnis der Veröffentlichung eines Torsos. Diese Frage durfte nicht theoretisch und im voraus, sondern erst nach eingehender Ordnung und Durchsicht des gesamten Materials entschieden werden. Das war, wenn es auch Zeit kostete, um so notwendiger, als die hinter­ lassene Arbeit in ihrem derzeitigen Stadium nur zu einem kleinen Teile in zusammenhängenden Darstellungen größerer Abschnitte, in der Hauptsache aber in einer Fülle von Einzelausführungen, parallelen Skizzen, bloßen Be­ merkungen und noch ungeordneten Anmerkungen bestand, die, darin Kriegs» und Nachkriegsverhältnisse spiegelnd, auf wiederbenutzten Bogen verschiedensten Formates, Feldpostbriefen und bereits gebrauchten Schulheften sich vorfanden und damit keinen äußeren Anhalt für ihre Zusammengehörigkeit oder auch nur für die Schichten ihrer Entstehung boten. Der vorliegende Land zeigt, welche Entscheidung schließlich getroffen wurde. Das Urteil darüber, ob sie den Weg zu einer fruchtbaren Auswertung des Nach­ lasses eröffnet hat, steht nunmehr bei der Wissenschaft, in deren Hände dieser dankenswerterweise vom Verlag auch als Torso zugänglich gemachte Kommentar gelegt ist. Mir erschien sie, als feststand, in wie hohem Matze an dem Material bereits die Intentionen des Verfassers für den Kommentar sich abzeichneten und diesem darum ein ihm eigenes Gepräge geben würden, als die einzige Möglichkeit,- sie wurde ergriffen, um so der Forschung wie dem verewigten in gleicher weise zu dienen: der Forschung, die zur Prüfung der Arbeit Ernst Cohmeyets gerade auch einer Begründung seiner Thesen am MatthäusEvangelium bedarf, und dem verewigten, dessen Werk so doch noch zu einem bestimmten Ziele geführt wird und gleichsam von ihm selbst abgeschlossen er­ halten bleibt. Diese Absicht, den Nachlaß soweit wie möglich selbst zur Geltung kommen zu lassen, nötigte freilich — das muß zur Klarstellung der Mitverantwortung gesagt werden — zu immer neuen Entscheidungen hinsichtlich seiner Gestaltung. Nur die Ausführung der Kapitel 21 und 22 war in einer für den Druck be­ stimmten Form vorhanden, und zwar in der im Markus-Kommentar gebotenen und bewährten. Es mußte daher der versuch gemacht werden, dieselbe Anord­ nung auch für das ganze Werk durchzuführen, wie er jetzt vorliegt: Der Über­ setzung folgt in der Regel eine Einleitung über die äußeren Fragen des betreffenden Abschnittes im Kleindruck, dieser die Einzelerklärung Vers für Vers und schließlich wieder im Kleindruck eine inhaltliche Zusammenfassung. Da auch in den zusammenhängenden Darstellungen eine solche Ordnung vom

Verfasser noch nicht kenntlich gemacht war, im Zusammenhang fehlende Stücke aus dem lose vorhandenen Material ersetzt werden mutzten und auch nicht sicher ist, ob der Verfasser einen herangezogenen Entwurf an diesem G rt oder über­ haupt verwertet haben würde, war der ganze Aufbau mir überlassen. Ent­ sprechendes gilt für die Anmerkungen, die nur bis Kapitel 5 als solche aus­ drücklich gekennzeichnet und innerhalb der Ausführungen fixiert waren. Denn nicht nur sind alle weiterhin vorhandenen, nicht fixierten Anmerkungen dem Text zugeordnet, sondern auch alle einzelnen Angaben und Bemerkungen, die der Aufnahme wert erschienen, unter die Anmerkungen aufgenommen und ein­ gereiht worden. Alle diese Anmerkungen sind in üblicher weise durch eine Ziffer bezeichnet,- solche jedoch, die nicht dem Nachlatz entnommen, sondern neu hin­ zugefügt sind, sind nicht durch die Ziffernreihe, sondern durch * in entsprechender Anzahl festgelegt. Lei Literaturangaben umfassen die Aufstellungen des Verfassers die Erscheinungen bis 1939, alle jüngeren sind, auch ohne Hervorhebung durch ein *, nachträglich ergänzt. Daß diese Gestaltung nicht nur die Zorm betrifft, sondern auch in die Sache, teils mehr teils weniger tief, eingreift, zeigt sich besonders daran, daß oft unter mehreren vorlagen zu einem Gegenstände, die sich nicht nur in Zorm und Umfang, sondern auch im Urteil unterschieden und vom Verfasser nicht bewertet worden sind» eine auszuwählen war. Diese Eingriffe waren wie an dem laufenden Text so auch im Bezug auf die vorgesehene Gliederung notwendig, da für diese eine Reihe von Skizzen vorlagen. Die Auswahl bzw. Kombination ist überall geleitet von dem Bemühen, den jeweiligen Gegenstand möglichst scharfzu erfassen, ihn dem bereits vorhandenen größeren Zusammenhang einzufügen und anderer­ seits damit zugleich diesen letzteren genauer zu bestimmen. Daß aus Gründen des Raumes parallele Entwürfe nicht nebeneinander dargeboten werden konnten, daß aus denselben Gründen auch nicht einmal diese Eingriffe bezeichnet werden konnten, wird unmittelbar deutlich sein. So aber ergibt sich der eigen­ tümliche Sachverhalt, datz in dieser Erklärung des Matthäus-Evangeliums bis auf die zugefügten Anmerkungen die Arbeit Ernst Lohnteyets so erhalten ist, datz er ausschließlich selbst zu Worte kommt, daß es aber zu ihrer (Er­ schließung einer Erarbeitung bedurfte, für deren vorliegende Gestalt ich allein die Verantwortung zu tragen habe. Lei der Benutzung dieser Auslegung wird man sich in jedem Salle neu daran zu erinnern haben, datz der vom Verfasser geplante Kommentar im Zusammen­ hang des Markus-Kommentars angelegt war und ein Gegenüber zu diesem darstellen sollte. Diese von der Sache her geforderte Beziehung immer wieder herzustellen und aus die Erklärung des Markus-Evangeliums vergleichend zurückzugreifen, ist nun um so dringlicher, als die Erklärung des Matthäus längst nicht überall die beabsichtigte Vollständigkeit und Geschlossenheit erreicht und ihre zuweilen skizzenhaften Ausführungen vor dem Hintergründe des Markus in besonderer weise Licht und Zarbe empfangen. Nicht vergessen werden darf aber, datz Begründungen, die auch in einem regulären Kommentar

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Vorwort

;u weit führen würben, in „Galiläa und Jerusalem" (GJ), „Kultus und Evan­ gelium" (KG) unb „Gottesknecht unb Vavibsohn" (ga: yrj \ — x a l| + if | + oi komol oi ttjv naqaUav xaroixotivreg xal | + rd fitgr] rrj; lovöalag. Jes 9 x nogevö/xevog: xa&tfftevoe | löere c, : ist von B ausgelassen, wohl wegen der inkorrekt, aber volkstümlich selbständigen Gen. abs. (Blaß § 423 , 1). Die drei Sätzchen sind auch dadurch gekennzeichnet, daß in ihnen jede Hälfte besonders von „Ihm" spricht; Er ist die Mitte.

Weisung — man wird an Mose auf dem Sinai erinnert — und deshalb bekannt durch das, w as auf ihm geschieht. Aber es ist im M t-Eoang. kaum ohne Absicht, daß Jesus niem als auf Märkten oder in Synagogen der Städte und Dörfer „lehrt" — die einzige Ausnahme, die sich selbst erklärt, ist in Jerusalem die Rede gegen die Pharisäer — , sondern fern von bewohnten Stätten, auf Bergen und am See; darin liegt ein Stück des Geheimnisses, das in aller Öffentlichkeit um Ih n und Sein Wirken gebreitet ist. Am hange (so scheint der Evangelist es zu m einen) „setzt sich" Jesus, während die Hörer stehen; es ist des Lehrers Vorrecht und ein Zeichen, daß er beginnen w ill, zu lehren. Darum umgeben ihn Seine Jünger wie ein Gefolge; so standen auch zwölf Gefährten dem Esra zur Seite, als er die Tora vor dem Volke verlas (Reh 8 4 ), so scharen sich die Priester um den Hohenpriester, w enn er für das Volk opfert (Sit 5 0 12 f f . ) . Die Beispiele zeigen, w ie schon im Äußeren der Szenerie sich der innere Sinn ausprägt: Das Volk steht vor seinem Gott, Seine Worte aus dem Munde dessen zu hören, der die Vollmacht hat, sie zu lehren. Es ist Stunde und Zeier eines Gottesdienstes1. 5a2 Diese Weihe ist auch in den nächsten Worten zu spüren, vor allem in der feierlichen W endung: „Er tat Seinen Mund auf", die schon im AT bisweilen den Beginn eines Gebetes oder auch einer Rede über göttliche Dinge einleitet (h io b ö i S ir 5 1 25 auch Ri 11 35 f. p s 1 18m u. ö.)> Deshalb wird man auch nicht überhören dürfen, daß „Lehren" im AT ein Vorrecht und eine Gnade Gottes ist: „Lehre mich, Herr, Deine Gebote" (ps llS ia .ie ), daß Menschen nur „lehren", wenn sie Gottes „Lehre" (Tora) verkünden (I Esr 94«) oder w enn sie „der hauch des Allmächtigen" durchweht (Hiob 22a 32s). In d es hat es mit diesem „Lehren" im M t-Evang. seine besondere Bew andtnis; kaum eine Tatsache ist so fest begründet, w ie die, daß Jesus lehrte, und doch ist Umfang und Bedeutung dieses Begriffes nicht leicht zu bestimmen. l.D a s Wort didäaxeiv begegnet bei M t 14mol (bei Mk und Lk je 17m al); davon steht es einmal in einem etlichen Zitat (159), einmal in einem profanen Auf­ trag (28 15), 3 mal in Jesusworten (5 19 2 8 1«), so daß der Evangelist, der fast am meisten die Wortüberlieferung pflegt, dennoch nur 8 m al von dem Lehren Jesu spricht. Das läßt auf einen fest begrenzten Sinn und Gebrauch des W ortes schließen; er wird z.B . daran deutlich, daß Mk auch von einer Lehre in Gleich­ nissen spricht (4a), M t aber in 13s das W ort m it Bedacht umgeht. Niem als findet sich bei öidaaxsiv ein Gbjekt, das den In halt dieser Lehre bezeichnete (über 159 s. dort). Ähnliches gilt wohl auch von dem im rabbinischen Schrifttum 1 Es ist ein heiliges Bild, gleich w eit entfernt von der furchtbaren Majestät und könig­ lichen Heiligkeit, mit der einst Mose das Gesetz Gottes dem Volke verkündete, umgeben von seinen Ältesten, wie von der kultischen Pracht, mit der der Hohepriester, heraus­ tretend aus dem Heiligtum, im Kreise seiner Priester das kniende, betende Volk segnet, aber, w eil es allen Schmuckes und allen Glanzes entbehrt, w eil es sich erfüllt in dem Bilde einer Menge, die am Bergeshang auf die Worte eines Lehrers lauscht, heiliger als das der Vergangenheit oder der Gegenwart. * Zu ävo ig a s xd a rö fia a v x o v s. stet 8 sc I O 3 4 II Kor 6 1 1 (windisch 3 . S t.) auch v a n 10ie. Die Wendung auch ist klassisch (flefchyl. Prom. 612; fltist. Ave« 1719 Verg. Aen. I I 246) wie rabbinisch, Bereschith rabba V III, 7. Über öiöäaxetv vgl. Rengstorf Thwb II, 138ff. AIs hebr. Äquivalent wird man nach dem oben Gesagten eher jarah (davon Tora) als limmed vermuten dürfen, vgl. etwa prov. 4, 11. Es bleibt zu be­ denken, daß öiddaxeiv nicht nur in der Gesetzestradition seinen festen ©rt Hat, sondern ebenso in der dogmatischen (z.B . Sap 7 2 1 9 is 12 19 S it 18x3 456 u. ö.) wie in der apoka­ lyptischen Literatur (z.B . IV ($sr 4s 5 so u. ö.). Über M daxaAog s, Mark S. 2.

häufigen Hmmed; aber während man dort als inhaltliches Gbjekt die Tora zu ergänzen hat, die auch oft genug genannt ist, fehlt diese Bindung bei Jesus. Wohl knüpft auch Tr bisweilen an die Tora an (f. zu 5 21 ff.), aber es ist nirgends sprachlich ausgedrückt und geschieht nur, um Seine „Lehre" neben oder über die überkommene zu stellen. So prägt sich in dem absoluten Gebrauch des Wortes auch der gleiche Charakter aus, den das Gesetz trägt; ist dieses der frei und gnädig gegebene Ausdruck des Willens Gottes, so ist es auch diese „Lehre"; sie ist nicht „wie die der Schriftgelehrten", sondern „Weisung" (Tora) mit Gottes Macht und Wort, wie die etliche Tora es ist. — 2. Damit ist auch der Gegenstand dieses „Lehrens" bestimmt; es ist der Wille Gottes in Forderung und Verheißung für die Seinen. Damit scheidet sich Jesu „Lehre" von der etlichen Tora und verbindet sich zugleich mit ihr, wie sich Sein gesamtes Wirken von der Gottes­ geschichte des ATs scheidet und sie zugleich „erfüllt". 3n Seinem „Lehren" gibt er Weisungen Gottes in dieser eschatologischen Zeit, wendet sich an ihre Menschen, denen Cr den schmalen Pfad zum Himmelreich wie mit dem Finger Gottes „zeigt". Ihrem Inhalte nach bleibt also die „Lehre" auf das vollendete Kommen des Himmelreiches gerichtet, ihrer Tatsache nach ist sie auf die Kunde von dem gegenwärtigen Reich gegründet. Diese Kunde ist das Evangelium vom Reich, das Er „kündet", jenen Weg weist Sein Lehren; dieses ist an Zeit und Menschen gebunden, jenes „Künden" wohl an diese Zeit, aber nicht an ihre Menschen, es erschallt, ob Menschen es hören oder nicht. Man kann sich den „heilsgeschicht­ lichen" Zusammenhang, in dem dieses Lehren steht, als einen Stufengang vorstellen (vgl. Mt 1112): Cs steht zwischen der Tora des AT und dem „Evan­ gelium vom Reich"; bis zu diesem Augenblick, da Cr seinen Mund auftut, gilt die alte Tora, jetzt lehrt Cr die neue Tora der „besseren Gerechtigkeit", durch die jene „erfüllt wird" (617 . 20 ), bis bald das Himmelreich „in Herrlichkeit kommt", dessen Kunde schon jetzt im Evangelium wie vom Himmel her erklingt. Darum gibt es keine „Lehre vom Himmelreich", sondern nur eine Lehre auf das Himmel­ reich hin; aber auch diese ist nur möglich, weil sie im Lichte des in Jesu „Künden" und Wirken gegenwärtigen Reiches steht. Träger dieser neuen Tora ist also zunächst Jesus allein: Cr weist in seinem Lehren den Weg, Cr öffnet „die Tür" zum Himmelreich; nach Ihm sind es diejenigen, die Cr beauftragt (28is). Wer aber sind die Menschen, denen sein „Lehren" gilt? Bei Mt gibt es „Lehre" weder für Pharisäer und Schriftgelehrte, noch für Sadduzäer und Priester, noch endlich für die Heiden, sondern nur für die cfrAot und die /laßrjxaL — 3. Der Begriff der „Volksmenge" * umfaßt bei Mt eine kleinere oder größere Schar von Menschen, die ohne Rücksicht aus Land oder Volk, Beruf oder Stand zusammengewürfelt sind. Sie sind darum nicht einheitlich, nur zusammengehalten durch den Unter­ schied von Geführten gegenüber ihren Führern; es ist möglich, daß darin der bekannte pharisäische Gegensatz von chaberim und am-ha-arez oder der saddu1 M t verwendet mit Vorliebe den Plural (s. Konkordanz), den Sing. setzt er, wenn durch irgendeinen Umstand die chfAot zu einer Ganzheit zusammengefügt sind, s. 13 a. Sonst ist der Sing. meist ein Zeichen für fest überlieferte Stücke. Die Zahl der ö*Aot kann so groß sein, daß Jesus sich vor ihnen in ein Boot rettet (13s) oder so klein wie die Schar der Klagefrauen bei einem Todesfälle. Mk setzt nur den Sing., Lk bis­ weilen auch den Plur.; bei M t darf man in der Verwendung des Plur. eine glorifi­ zierende Tendenz erblicken, v er Zusammenhang der „Volksscharen" mit den Not­ leidenden geht aus 4a« 81s 9 a«(!) 12 ie 14isf. löao-ae 171« 19a hervor. — P . Ioü on , o^Ao; en sene de peuple, population, Rech. scienc. rel. 27, 618 f.

zäische von Priestern und Laien nachwirkt. Nur in der Leidensgeschichte ist der dftAog der Gegenspieler des Pilatus, aufgewiegelt von den Hohenpriestern, die ihn sonst „fürchten" (2126 27 16. 20 ). Über Jesu „Lehre" sind die „Scharen des Volkes" betroffen oder verwundert, in Galiläa preisen sie Seinetwegen Gott, folgen Ihm nach und rufen Ihm hosianna zu. Daher „erbarmt sich" Jesus ihrer, stillt ihren Hunger, müht sich, „sie zu entlassen". (Eine Besonderheit hat Mt vor allem betont: o/Aot sind die Menge der Kranken und Leidenden, der „Geplagten und hingesunkenen" (9se), der Schafe, die keinen Hirten haben, „und (Er heilt sie alle", so daß cfrAo? fast zu einem Ivechselwort für die mit aller Not Behafteten wird, aus denen (Er darum durch Wunder und Lehre die Ge­ meinde der „Nachfolgenden" schafft,- auch hier wird ja zunächst von den Armen und Leidenden gesprochen (5 3 f.). 3n ihrer Not sind sie der „Lehre" Jesu auf­ geschlossen und empfänglich; sie bilden darum das noch verborgene Bild der künftigen Gemeinde. — 4. Neben die „Volksscharen" treten die Jünger1, sie bilden einen engeren Kreis in dem größeren. Der Name erscheint überaus häufig bei M t (74mal), und in seinem Gebrauch scheinen sich klarer als bei Mk und Lk die jüdischen Verhältnisse des Schülertums zu spiegeln. Dort heißen „Schüler" diejenigen, die um den Beruf und Stand des Richters und Lehrers sich bemühen und deshalb bei Rabbinen in die „Lehre" gehen, ihnen zu Diensten sind und in allem ihr Leben teilen. Sie bilden also eine Auslese aus dem Volke; „wer tüchtig und fromm und schön ist", der ist geeignet, ein Schüler und später ein „Gelehrter" zu heißen (Sifr. Num. 11,16 §92); ähnlich stehen auch hier die Jünger neben dem Volke. Indes hat ein Rabbi nur eine begrenzte Schar von Schülern, die unter seiner Lehre und Zührung für lange Jahre leben; so sind auch die Jünger eine kleinere Schar, die ihren Meister ständig begleitet. Aus ihr werden hernach die Zwölfe erwählt (lOiff.), aus diesen die drei vertrauten genommen. Auf­ fällig ist, daß auch solche „Jesu Schüler" heißen, die nur für kurze Zeit oder gar nicht Seinem Wege folgen, wie denn später jeder Christusgläubige den Namen „Schüler" trägt, vielleicht liegt hier nur ein weiterer Sprachgebrauch vor: /wfhsjzfn; — Anhänger Jesu; aber da er jüdischen Verhältnissen widerspricht, ist er wohl als eine Besonderheit eben dieses Schülertums zu erklären: weil es jetzt nicht mehr viele Rabbinen, sondern nur diesen einen Rabbi gibt, können und müssen auch die vielen, die seiner „Lehre" lauschen, noch Seine Schüler heißen. Indes hat Mt im Unterschiede von Mk diesen Sprachgebrauch ge­ mieden, wie es scheint aus Nichtbeachtung des Widerspruches zu jüdischer Schulsitte. Aber auch bei ihm blickt bisweilen noch diese größere Bedeutung des Schülernamens durch (s. zu 13ss). So liegt auf dem Namen des Schülers ein vielfältiger Schimmer der Erlesenheit: w e r ihn trägt, ist nicht nur wie ein Rabbinenschüler dem Volke entnommen, ist es auch nicht nur im Gegensatz zu rabbinischem Gebrauch als ein einfacher und ungelehrter Mann aus der Menge der verachteten und verstoßenen, sondern ist es vor allem, weil dieser der Lehrer 1 Über den Gelehrten-Schüler (tälmid-chäkäm vgl. Bill. I 496. 527 ff. II 648ff.). Dos Wort /ua&rjTrjQ findet sich in LXX kaum, wie es denn durch die Ausbildung einer Gesetzestradition oder durch die Errichtung von weisheitsschulen (S. Lundin-Jansen) bedingt ist. Mt kennt nutzer den Jüngern Jesu nur fia&. ’lwdvvov, Mk 2 u auch >ua0. t & v 0agiaaUov ( f . ;. St.), Joh 9-» auch „Schüler des Mose". Mt scheidet immer o^Aot und iiaftrstal (13 2.10 15 10.15 23 1), Lk spricht auch vom ä%Aog /ua§rjTÖ>v avrov 617 , auch 1937 und vgl. Joh 6 «i,««. Über t i a & t j — Anhänger s. ti). Bauer 4 s. v. 2 und zum Ganzen I . wach, Meister und Jünger, 1925.

Das neue Gottesvolk

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Kar egoxrjv ist. Durch Ih n empfängt sein Schiilertum die Gabe der eschatologifchen Erwählung und die Aufgabe der zeitlichen Nachfolge. So wird aber das Beisammen von Lehrer, Schüler und Volk zu Anfang der Bergrede zu dem großen Bilde von dem Herrn inmitten Seiner Apostel und Seiner Gemeinde. Es ist möglich, daß erst Mt in rückschauender gläubiger Betrachtung das Bild so gemalt hat, zumal er bisher nur die Berufung der Brüderpaare berichtete; indes wird man auch geschichtlich in diesem Lehrer- und Schülertum die Anfänge einer Gemeinde durchschimmern sehen, die als die Schar der eschatologisch Gläubigen in dem Ganzen des jüdischen Volkes leben wird.

K. Das neue Bott ( 53 -20) 1. günf kleine Abschnitte scheinen sich zunächst zu einer lockeren Einheit zusammen­ zufügen: Die ersten beiden werden deutlich durch die Seligpreisungen gebildet, bei denen sich D. 11f. durch die direkte Anrede und die veränderte Satzfügung von den vorhergehenden D . 3 -1 0 abheben. Der dritte (D. 1 3 -1 « ) besteht aus einem Paar von Sprüchen, die mit einem betonten „Ihr seid" beginnen und durch solche Wendung formal mit D. 11f. verknüpft sind; sie werden durch einen Satz mit ofircos beendet, wie ähnlich der zweite Abschnitt (V.i2c) ausging. Die Anrede bleibt auch in dem vierten Abschnitt (D. 1 7 . is) erhalten, der von der Erfüllung des Gesetzes handelt; der erste Spruch wird durch einen zweiten unterstrichen und abgeschlossen mit der Einleitungsformel: „Wahrlich ich sage euch", wie es gerade in der Bergrede häufig geschieht (52862.5.18.25.29). Da diesem D. 20 formal entspricht, so ist auch mit V.10 ein fünfter Abschnitt anzusetzen, zumal hier ein folgerndes otiv sich findet, das in diesen Kapiteln häufiger einen von Mt beabsichtigten Einschnitt bezeichnet (548 712 724). Zudem reihen sich in 621 In ter­ pretationen des Dekalogs an, so daß hier deutlich ein neues Thema berührt wird. Deshalb ist mit 620 der erste Teil der Bergrebe zu seinem Ende gekommen; daß dabei sich ungezwungen die Ordnung nach der günfzahl herstellt, welche die ganze Bergrede durchzieht, ist ein kleines Zeichen für die Richtigkeit dieser Gliederung. — 2. Der ganze Abschnitt ist zu groß und gewichtig, als daß man ihn nur als eine Einleitung der Rede fassen könnte. Er spricht denn auch am Anfang und Ende von dem Himmelreich und denen, die zu ihm gehören; und dieser Begriff findet sich hier so häufig wie in keinem anderen Teile der Rede, erst im Vater-Unser findet er sich wieder (dann 6 3 3 721). So spricht dieser Teil, kurz gesagt, von dem eschatologisch neuen Volke. Diesem Thema fügen sich auch D. 17-20 ein, denn D. 17 f . sprechen nicht von einer abstrakten Gültigkeit der Tora, sondern von der Bedeutung, die sie auch jetzt für die Angeredeten behält. Darum wenden sich v .is f. alsbald wieder jedem Einzelnen, mahnend und verheißend, zu; aber damit leiten diese Sätze durch ihren Gegenstand zu der neuen Tora und der besseren Gerechtigkeit hinüber, von denen die folgenden Sprüche einheitlich handeln. I n solchem Zusammenhange liegt aber auch ein tiefer und eigentümlicher Gedanke. Die alte Tora stand unter dem M otto: „haltet meine Gebote, so werdet ihr mein Volk sein"; die Bergrede kehrt die Sähe um: „Ihr seid mein Volk, darum haltet meine Gebote!" Dabei ist nicht zu vergessen, daß diese Umkehrung schon in prophetischen Worten wie Zer 31 a oder Dtjes 43 1 vorbereitet ist. — 3. Aus der Einheitlichkeit dieses Themas wird auch die Zusammengehörigkeit der einzelnen Abschnitte erkennbar. Sie beginnen mit der Nennung dieses Volkes» und das „Selig, selig" gewinnt eine neue sachliche Bedeutung; es sind die Armen und Leidenden, die Barmherzigen und griedfertigen (D . 3 - 1 0 ), be­ sonders aber (so ist nun die direkte Anrede zu interpretieren) die verleumdeten und verfolgten (D .n f.). w e il es das eschatologisch neue Volk ist, deshalb ist es Salz und Licht der Welt (D.is-ie); in ähnlicher w eise geht der M ssionsbefehl (2 8 m ) unmittelbar an alle Völker. Aber dieses Volk ist nicht neu, um das Alte zu zerstören (v.17.18). Denn so gewiß Gesetz und Propheten bleiben, so gewiß wird von ihm eine neue und bessere

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Die Seligpreisungen

Gerechtigkeit gefordert (D. 19 . 20 ). W orin diese bestehe, lehren die nächsten Abschnitte. So ist ein großer Zusammenhang durch den Evangelisten hergestellt; ob auch die einzelnen Sprüche sich ursprünglich an dieses neue Volk oder nicht vielmehr an ver­ schiedene Gruppen, etwa an Gemeinde und Jünger, richten, muß die Einzelerklärung zeigen.

D ie S elig p reisu n g en (53-12) 3Selig die willig Armen, ja ihrer ist das Himmelreich. 4Selig die Klagenden, ja sie werden getröstet werden. 6Selig die Gebeugten, ja sie werden das Land ererben. 8Selig, die hungern vnd dürsten »ach Gerechtigkeit, ja sie werden gesättigt werden. 7Selig die Barmherzigen, ja sie werden Barmherzigkeit erfahren. 8Selig, die reines Herzens sind, ja sie werden Gott schauen. 9Selig, die Frieden bringen, ja Gottes Söhne werde» sie gerufen werden. “ Selig, die verfolgt sind «m der Gerechtigkeit willen, ja ihrer ist das Himmelreich. u Selig seid ihr, wenn sie euch schmähen und verfolgen nnd alles üble wider euch sagen als Lügner, um meinetwillen. “ Freuet euch und jauchzet, ja euer Lohn ist reich im Himmel; denn so haben sie die Propheten verfolgt, die vor euch waren. 6 a.

1. Seligpreisungen1 durchziehen das KT und NT in reicher Fülle ebenso, wie sie die religiöse und profane Literatur anderer Völker erfüllen; sie sind so alt und so jung wie es die Frage nach der Erfüllung des menschlichen Lebens ist. Das NT des späteren Judentum s kennt solche Nlakarismen besonders in Weistum und llpokalyptik. Weis­ heitstradition und eschatologische Prophetie sind auch die Grte, an denen sie im Urchristentum ihre Stätte und Heimat finden. Den acht Seligpreisungen der Berg­ predigt kann m an die gleiche Herkunft noch abspüren; denn die vier ersten haben stärker prophetischen, die vier letzten mehr paränetischen Charakter. Später finden sie sich nur häufiger in llpkJoh und Pastor hermae. — 2. Das Wort /laxdQiog2, (das hebr. ä ire , 1 K. Köhler, Die ursprüngliche Form der Seligpreisungen, THStuKr 1918, 198f.; Norden, Agnostoa Theos, S. 100; T. Nrvedson, Das Mysterium Christi, 1937, 96 ff.; Mowinckel, Pf. Stud. V, 117ff.; C. F. Burney, The Poetry of our Lord (1925), vgl. jetzt auch Thw b IV, 365—373 und Bauer« 881/882. 8 Dgl. Bl. Buber, Die Schrift und ihre Verdeutschung, 1936, 182f.; C. L. BlcCown, The Beatitudes in the Light of ancient Ideals, JBL XLVI (1927) 50—61; J.Rezewskis, Die Nlakarismen bei Bit und Lk, I . Benzinger-Festschrift, 1935, 157— 170. Schon im KT selten im profanen Sinne: „Glückauf"; seit dem Psalter, der mit diesem Wort den gottoerbundenen Blenfchen preist, genügt weder „glücklich" noch „heil" sondern allein „selig", wenn auch dies ohne den Geschmack einer Jenseitigkeit, den es in der erbaulichen Sprache angenommen hat, dagegen nicht in der klassischen deutschen Dichtung und nicht im Mittelalter „saelde“.

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aram. tubai) begegnet bei Mt noch 5 mal, bei ZI noch 5 (4) mal, bei Joh 2 mal; Herren­ wort stet 2035, bei Paulus Horn H 22; Apk 7 mal. fluch II Clern. 16» 19s Diö. ls Pf 1 1 321f. Dan 1 2 i 2 (Ik I12). Außerbiblisch: horaz: Beatus ille qui procul negotiis, pindar bei Clern. flieg. Strom. III 17, 2 . — 3. Line Seligpreisung ist nicht nur ein frommer Wunsch oder ein Satz gläubiger Gewißheit, sondern steht mitteninne zwischen der segnenden Tat und der Hoffnung auf Segen, wie das wort inmitten steht zwischen Tat und Hoffnung, mitten inne zwischen dem Segnen des Priesters und dem Gruß des Mitmenschen. Diese Mitte bekundet sich auch in der zwiefachen gorm: a) als Du- oder 3hr-Anrede; b) als Lr- oder Sie-flussage. 3m NT überwiegt die zweite gorm durchaus; die erste nur £f 620-25 bzw. Mt 5 11-12 13ie.i7 1617 £! 14i4 6sv, auch Zoh 13i?. Seligpreisung ist Segnen in gorm der £ehre; sie geschieht durch einen £ehrer, der Priester, durch einen Priester, der Seher ist1. 3n der Prophetie gibt es keine Seligpreisung. — 4. 3m flT, wo sie begegnet, handelt es sich nur um Linzeiaussagen, und wohin man immer blickt, fehlt die Reihung von Makarismen. worauf geht sie zurück? 3m Psalter wird bisweilen von den Voraussetzungen gesprochen, unter denen Pilger und Wallfahrer zu Gottes heiligem Berge aufsteigen und von ihm „Segen und Barmherzigkeit empfangen"; und hier werden dann mancherlei Bedingungen kultischer oder paränetischer Art genannt, unter denen einige auch in unseren Makartsmen wiederkehren. So lehrt die Reihung, daß es sich hier zugleich um die Voraussetzung für den Eingang in das Himmelreich handelt. Aber sie hat wohl noch einen zweiten Sinn: Sind auch nicht eine Reihe von „Selig"* Sprüchen aus dem AT überliefert, so doch eine Reihe von Wehe-Rufen (3 es 5), und Jesus kennt sie in Mt 23 £k 6 gleicherweise. Diese Wehe-Rufe enthalten der Sache nach wohl auch Vorschriften, Gebote und Verbote; aber wichtiger ist ihnen, an einen ge­ gebenen Tatbestand anknüpfend, Gottes richtende Tat zu verkünden, w ie jene zu der Unheilsprophetie, so gehören diese zur Heilsprophetie, oder besser: da eine entsprechende gorm in der at.liehen Heilsprophetie sich nicht findet, zur Einzigartigkeit der evangeli­ schen Botschaft. So lehrt schon die gorm der Seligpreisungen ihren doppelten Charakter erkennen: Sie sind beides, Prophetie und Tora, Norm und Evangelium. 5. Die Reihe der Seligpreisungen, mit denen die Bergrede beginnt, zeigt schon bei erster Betrachtung eine Gliederung in andere Gruppen. Ls fällt auf, daß die ersten vier unter dem Gesichtspunkt der Nöte der „Armen" enger zusammengehören, ebenso die nächsten drei (v.?--) in der Beziehung auf Gott und die Menschen, etwa wie im Siebes­ gebot» und schließlich die letzten durch das Seiden im eschatologischen Geschehen. Kann man annehmen, daß die dritte als eine gewisse Wiederholung der ersten ursprünglich gefehlt hat, und sind in v . 11 zwei Makarismen vereinigt2, so ergibt sich, daß die Reihe aus drei Gruppen mit je drei Gliedern besteht. Aber erst die Einzelerklärung kann die äußere und innere Zusammengehörigkeit näher bestimmen. 5s Die erste Seligpreisung ist w ie eine große E rfüllung des prophetischen W ortes (3 es 61 1 ): „grohe Botschaft den A rm en zu künden, h at L r mich g esan d t!"3 1 vgl. Apk 3oh und slaw. hen. 42 6 -14; 52 — Priester beginnen die vankliturgie mit den Worten: fiaxagiog ävr\Q ps 40s Mas. vgl. H. Schmidt, Komm. z. St. 2 vgl. zu den einzelnen Stellen. 8 Mit JiTcoxög (und ndvrjg) übersetzt LXX sowohl das hebr. *ebj6n ( = dürftig) wie ani und anaw. nivrjg ist im NT nur noch II Kor 9s erhalten; es unterscheidet sich grie­ chisch von nxcö%6g wie der Arme vorn Bettler (s. Tertull. adv. Marc IV 14f.). Dieses wort bezeichnet also den, der zu einem Zehen auf die Mildtätigkeit anderer angewiesen ist; ein Beispiel ist „der arme Sazarus" (£k I620). Ls trägt deshalb die gärbung des Armseligen, ndvrjg hat seinen Sinnbestand im NT nicht nur an nrcoxog, sondern auch an raneivög (3k ls) abgegeben. Durch die gortwirkung des hebr. änaw wertet sich wohl die anfänglich engere Bedeutung von nrcoxog zu der: „3n gedrückter Sage befindlich" Ms. Sal. 52 1 0 e 15 1 182 ), und verschmilzt mehr und mehr mit xaneivog. Denn beider Gegensatz ist sowohl nkovoiog (Sk 624 Jk Isf.) wie övvdorrjg (ps. Sal. 5s Sk I52 3 k 2 s). 3n beiden bleibt deshalb auch das Moment der Gedrücktheit und Armut Herr*

7089 Lohmeyer, Matthäus

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Die Seligpreisungen

Der Gedanke, der hier angeschlagen ist, ist dem späteren fltE wohl vertraut, und aus zwei (Quellen scheint er bis zu dem W orte Jesu hin zu strömen: Die eine ist die Erfahrung des Psalters und der jüdischen Spruchweisheit, welche beide aus dem Prophetism us sich nähren: daß der Arme auch der Fromme ist; denn Gott gibt den „Anawim Gnade" (Prov 334); er ist die „Zuflucht der Armen" (ps 9 10 ). I n solchen Sätzen liegt nicht ein verachten irdischer Güter, sondern zunächst der Widerspruch zu irdischer Macht, zu Reichtum und Glanz; und er fließt aus dem Gedanken an Gottes Gerechtigkeit: Der der einzige h a lt der Seinen ist und sein will, ist es wider alle äußere Gewähr menschlicher Wirklichkeit; ist Gottes Gerechtigkeit letzte Gewißheit, so ist alle menschliche Sicherheit, die aus Äußerem sich herleitet, deren W iderpart, so alle menschliche Unsicherheit wie Armut und Not gleichsam Gottes Gefährtin auf Erden. So vollendet sich in der Gleichung: arm = fromm der alte prophetische Gedanke von Gottes heiliger Gerechtigkeit. Freilich ist hier auch der Arme nur ein vornehmliches Beispiel der von G ott geforderten Frömmigkeit; aber die zweite (Quelle, die aus einer apokalyptischen Anschauung sich herleitet, gibt ihr tieferen G rund: hier herrscht der diametrale Gegensatz von dieser Welt, in der Menschen und Völker ihren eigenen, gegen Gott gerichteten w illen treiben, und der kommenden Welt, mit der Gottes Wille wider diese Welt sich stellt. Deshalb sind die hier Geehrten die von Gott verw orfenen, die hier Bedrückten die von Ih m Gesegneten; so wird Armut und Not zu dem Siegel Gottes, das Seine Sülle verheißt. Darum ist Jesu „Selig die Armen" nach seinem Grundgedanken nicht neu, w enn­ gleich zu Seiner Zeit auch manche andere W ertungen von arm und reich ver­ breitet waren. Indessen spricht sein W ort bei M t nicht einfach, wie Lk es tut, von Armen, sondern von Armen im Geiste; w as bedeutet der Zusatz1? schend. $ür die Gleichung: Die Armen sind die Frommen, sind die Belege oft gesammelt, s. ps 36 11.1 4 6 9 3 3 ; b. Berach 6b; b. Sota 48b; vgl. Dibelius, Ik.-Brief, S. 48; G. Kittel, Probleme, 5 3 f.; Huber a.a.O. 1 6 .18f. Zu den bebr. Wörtern A. Rahlffs, ani und anaw (1891); Birkeland, ani und anaw in den Psalmen, 1933; A. Meyer, Das Rätsel des Zs., 1930, 146 ff. Die Gleichung von arm und fromm ist indes nur sachlich gemeint, nicht sprachlich, s. folgende Anm. Über ihre Verwurzelung in der W eisheitsliteratur vgl. noch Dibelius a.a.O., in der apokalyptischen Literatur hen. 103 (Lit. bei Bauer4 Sp. 1326). 1 Der Dativ rep nvev^an entspricht einem durch Mag es an das vorhergehende Adjektiv angeschlossene rüah, an dessen Stelle häufiger leb — xagöla, und ist einem griechischen acc. relat. gleich: Ps 3 3 19 ovvreö q i /li /j ,4 v o v q ri]v xagölav || raneivovg rep nvevfxan (M t 11 29) ; ähnliche Dative finden sich Ps 10 2 23* 31 11 35 11 u. ö. EccI7s: vyjrjAög nvev/jan s. zu 58. Der Zusatz bedeutet nicht, daß das regierende Adjektiv „spiritualisiert" wird, sondern daß „aus dem Geist" oder „von herzen" das getragen und bejaht wird, w as das also determinierte Adjektiv sagt; also vtprjMg nvevfiart, — der auf seine hohe äußere Stellung Stolze, und nrcoxog rep nvevjxari — der in seiner leiblichen Armut w illig e, rep nvevpan hat mit fiaxagiog die Aufklärung verbunden (Wettstein, Paulus) zu dem Sinne: Frohen Geistes sei der Arme. „Arm im Geist" — arm vor Gott — demütig, ist die verbreitete Erklärung (G. Kittel, zuletzt Schnieminb z. St.). Das ist wohl auch gemeint; nur ist es sprachlich nicht ausgedrückt, denn für rep nvevfxan = vor Gott fehlt jeder Beleg ebenso wie für nreox6g — demütigen Sinnes, w o vielmehr das AT nur von der Gesinnung redet, wendet es sich zu anderen Worten, vgl. Ps 36 14 nreoxov xai ndvrjra~ ev&eig rfj xagöla. Unmöglich ist auch die Deutung: homines ingenio et eruditione parum florentes (Frihsche) oder die Ungebildeten — der Am haarez (Huber); denn nvevfia bezeichnet weder den verstand noch den Gegen­ stand der Erkenntnis, die Tora (vgl. zu 11 2s). Die Deutung nvevfian — willig duldend oder willentlich wählend, findet sich schon Llem. hom. X V 10 Becogn. II 28; Tlem.

Mt 5$

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„Arm an Geist"? Die Deutung ist grammatisch unmöglich; denn der Dativ gibt nicht den Gegenstand an, dessen der Bettler ermangelt, seien es hier natür­ liche oder auch göttliche Geistesgaben, sondern den Bezirk, in dem die Armut ihre Stätte hat. Also „arm im Geist"? So wäre die innere Haltung gemeint, die einer zu seiner Armut einnimmt, das „Sich-arm-wissen"; zu ergänzen wäre dann, daß dieses „Sich-arm-lVissen" vor Gott geschieht und auf die ewige Krage zwischen Gott und Mensch sich erstreckt, und die bisweilen bezeugte spätjüdische Anschauung, daß oft sich „reich" mit „gottlos" und „arm" mit „fromm" ver­ bindet, könnte solche Ergänzung erleichtern. Aber tthu^ö? bezeichnet nicht diese „geistliche Armut", die nirgends im AT und NT sonst belegt ist, sondern den, der aller Notdurft des Leibes und Lebens bar ist. Dieses „Sich-arm-N)issen" würde ja auch den größten religiösen Reichtum bedeuten und diese Erkenntnis die innigste Krömmigkeit, wie Luther sie auf dem Sterbebett bekannte: „Bettler sind wir, das ist wahr." So tief dieser Gedanke ist, so wenig ist er auch in diesem Worte ausgedrückt. So bleibt die letzte Möglichkeit, die die alte Kirche einhellig vertritt: „Arm durch den Geist", d. H. die willentlich Armen. Denn der Geist ist jene Lebens­ macht, die mit dem Atem des Menschen eines, sein sittlicher und göttlicher Teil ist, jene Macht, die ihn deshalb befähigt, Gottes willen zu tun, in seinen wegen zu wandeln und wider das „schwache Kleisch" zu streiten (Mt 26u). Line genaue parallele ist ps 33is: r aneivovQ tv evroAäv rovrcov kann sie nicht auf „das Gesetz" oder „ein Zota oder Häkchen" beziehen, es müßte ein avrov oder einfach r. evroAcöv stehen. Das Demonstrativpronomen fordert, daß die Gebote, auf die man sich bezieht, vorher genannt sind. Also verweist der Ausdruck im Zusammenhang der Bergrede auf das Folgende (5 21ff.) und mag eine ursprüngliche Selbständigkeit des Spruches andeuten, c) Der Hauptsatz verheißt dem, der das in D .is für unvergänglich erklärte Gesetz bricht, wenn auch als dem Kleinsten, das Himmelreich. So kann vielleicht ein Pharisäer sprechen, nicht aber Jesus, und die Urgemeinde auch nur dann, wenn man hier unter dem Himmelreich, dem nt.lichen Sprachgebrauch entgegen, die urchristliche Gemeinde versteht. Also können „diese kleinsten Gebote" nur Gebote für die Jünger Jesu meinen2. — 2. Die Wendung „eines dieser kleinsten Gebote" ist schwer zu deuten. Auch wenn man sie auf das Gesetz beziehen würde, würde die rabbinische Unterscheidung zwischen geringen und großen Geboten wenig nützen,- denn sie ist durch den für Jesus unmöglichen Gedanken des Maßes, um nicht zu sagen, Preises bestimmt, für den die 1 Bengel zieht ndvra als Gegensatz zu ev auf vöfxog: facta sunt et fiunt, etiam in Christianis: non erant facta ante illum. Diese alte Deutung Augustins scheitert an der Formelhaftigkeit des Sätzchens: 2434 (Mk 1332, Sk 2130), auch 24« 265«, Apk li 4 i 22«. 2 Der Ausdruck lehnt sich also an den zeitgenössischen von kleinen und kleinsten Ge­ boten an, um ihn im eschatologischen Sinne zu beuten; ähnliches geschieht mit dem Friedensgruß (s. zu IO12). F. Dibelius, ZNW X V (1915) 188ff. und Schiatter 3. St. beziehen ihn auf die kurzen Gebote des Dekalogs,- aber kurz ist nicht klein. Für Selb­ ständigkeit des Spruches auch I . Jeremias ZNW X X IX (1930) 148.

nttSie

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Ü bertretung der einen oder anderen gesühnt w erden kann (s. auch zu Vflt 1 2 *8-34). I n Jesusw orten begegnet die analoge W endung ivl rovrcov r. äöeXcp&v r. iAaxtoroov ( 2540 . 45), eva rcbv jluxq&v rovrcov ( I O 4 2 18 6 .1 0 .1 4 ; D it haben unus ex minimis istis); es handelt sich um eine halb verhüllende Bezeichnung der Jü n g e r, die ihre „Kleinheit" der Größe der P ropheten und Gerechten gegenüberstellt (s. zu 10 4 2 ) . v o n hier aus ergibt sich ein einleuchtender S inn auch unserer W endung: w ie die Jü n g e r Jesu als „diese Kleinsten" über den From m en und B oten des ATs stehen, so „diese kleinsten Gebote" über dem Gesetz des ATs. — 3. Zu solchem S inn stimmt auch das Ueiv1 bzw. noielv und öiödoxeiv; die auffällige Reihenfolge widerspricht jüdischer Gewohnheit und Anschauung, die zuerst von dem h ö ren und (Erforschen, danach von dem Lehren und T un reden muß, so z. B. Test. Lev. 13v: 8g iäv diöa^fj ravra xal ngaoarj, h an d elt es sich aber um Gebote Jesu, so ist die Folge der Derben klar: Da (Er sie gelehrt, haben seine Jü n g e r sie n u r zu „tun", und danach kann erst fü r sie die Aufgabe entstehen, sie denen zu lehren, die Seiner Botschaft ungläubig sind (s. zu 5ie). vielleicht muß m an noch enger verbinden, da otircog sich auf die Art und w eise, nicht auf den Gegenstand bezieht, und, w enn dieser bezeichnet w erden sollte, ein ravra oder roiavra erforderlich w äre: In d e m er ein Gebot bricht oder tut, gibt er ein Beispiel, das „die Menschen lehrt". So gibt der Satz eine Regel an, die in Verheißung und M ahnung tiefer und größer in 5 io ausgesprochen ist. — 4. Die Form des Spruches, ein relatioifcher Vordersatz, der die Bedingung, ein futurifcher Nachsah, der den Lohn nennt, ist den Regeln jüdischer W eisheit nachgebildet, wie sie seit den späten Psalm en und den Sprüchen aufkommen und dann im Talm ud geläufig sind. Die evangelische Ü berlieferung zeigt, daß sie auch in Jesusw orten synoptischer wie johanneischer P räg u n g oft begegnet. 5 19 v o n des M eisters S e n d u n g u n d A u fg ab e in bezug a u f Gesetz u n d P r o ­ p h e te n re d e te n die b eid en v o ra n g e g a n g e n e n S prüche, v o n d er J ü n g e r A u fg ab e u n d S e n d u n g (öcdaaxeiv) in bezug a u f des M eisters G eb o te re d e t un ser W o rt; jen e sind w ie in königlicher V ollm ach t gesprochen, diese in d er le h rh a fte n F o rm e in e r V orschrift. U m so tie fe r ist die B ezeichnung „diese kleinsten G eb o te ", die doch „(E rfüllung v o n Gesetz u n d P ro p h e te n " b e d e u te n durch d as, w a s sie sagen, u n d durch D en, der sie sagt. S ie entspricht zunächst d em , w a s der M eister v o n Sich u n d S e in e n J ü n g e r n sag t: w i e (Er, der noch v e rb o rg e n e H err d er W e lt u n d der M enschen, u n te r den S e in e n „w ie ein D ien en d er" ist ( £ 1 2227 ), vielleicht g a r sich „den K leinsten" n e n n t (R tt 1 1 11), so sind S e in e J ü n g e r „diese K le in e n ", h ie r ist also in der geschichtlich-menschlichen L age u n d ih re r w illen tlich en B e ­ ja h u n g die eschatologifche w ü r d e u n d A ufgabe b eid er beschlossen u n d diese durch jen e bezeichnet; so lie g t auch die eschatologifche „(E rfüllung" d es Gesetzes in diesen „kleinsten G e b o te n ". K lein sind sie, w eil sie n u r d a s Gesetz e rlä u te rn (s. zu 521 ); klein sind sie, w e il sie „diesen K lein en " g e lte n ; klein sind sie endlich, w eil D er, der sie gibt, a ls ein d ien e n d e s „M enschenkind" u n te r den M enschen u n d „ u n te r d em Gesetz" w a n d e lt. So v erstan d en , te ilt d er N a m e m it tie fe m R echt diesen G e b o te n G erin g fü g ig k eit z u ; d e n n h in te r u n d in ih r v e rb irg t sich die eschatologifche M ächtigkeit dessen, d er gekom m en ist, d en w e g zu m H im m elreich zu w eisen u n d zu fü h re n . M it bezeichnender Ä n d e ru n g kehrt d er Gegensatz w ied er, d er d as K o m m e n des M eisters nach 5 17 b estim m te. (Es h eiß t nicht m e h r „zerbrechen", so n d ern „brechen" u n d nicht m e h r „ e rfü lle n ", sondern „ tu n " , u n d beides ist nicht m e h r a u f d as a t.1 Zu Meiv vgl. auch Jo h 5 18 7 * 3 I O 3 5 ; in L X X findet sich dieser Gebrauch nicht, wohl aber im hellenistischen, z.B . Diod. Sic. I 27 Öoa iyä> ivo/Ltofterrjoa, ovöeig avrd övvarai Ivaai. Dagegen begegnet xaraAveiv im gleichen Sinne auch I I M ass 222 4 11 IV M akk4i6 533 172.

liche Gesetz, sondern auf „diese kleinsten Gebote" bezogen. Wer „erfüllt", ist Herr des Gesetzes; wer aber „tut", ist dessen Untertan. So heißt auch dieses „brechen" nicht wie jenes „zerbrechen", Gebote außer Kraft setzen, sondern einfach „nicht befolgen", wie es auch durch den Gegensatz zu „tun" gefordert ist. Schwierig aber scheint die innere Verbindung von vorder- und Nachsatz zu sein. fluch dem Ungehorsamen wird noch das Himmelreich zugesprochen, wie dem Gehorsamen. Jener heißt wohl der Kleinste, dieser groß, wie es denn nicht nur nach jüdischer, sondern auch nach nUichet Anschauung Stufen und Unterschiede im Himmelreich gibt (f. zu 18 *). Aber kann beide, wenn auch in verschiedenem Grade, die Herrlichkeit des Gottesreiches erfüllen? fluch hier gibt der Ausdruck „eines dieser kleinsten Gebote" den Fingerzeig, wenn in ihm der Gedanke der eschatologischen Erfüllung des Gesetzes sich verbirgt. Dort gilt der Satz (Dt 2726): „verflucht ist, wer nicht bleibet in a lle n Reden dieses Gesetzes"; hier der andere: „Wer e in e s bricht, wird der Kleinste heißen im Himmelreich." Dort ist dem Volke, das „alle diese Gesetze und Rechtssprüche tut" (Dt 26 ie LXX), die Verheißung gegeben, daß „es sein werde über alle Völker und ein heiliges Volk seinem Gotte",- hier wird der groß heißen im Himmelreich, der e in es dieser kleinsten Gebote hält. So wird dem einen in aller Gnade des Himmel­ reiches der unerbittliche Ernst der Sortierung zuteil und dem anderen in allem Ernst der Forderung die unerschöpfliche Gnade,- denn beide sind „diese kleinen" Jünger durch den Meister, und in Ihm liegt alle „Erfüllung" des Gesetzes, auch „dieser kleinsten Gebote". Das Wort scheint damit aus seine Weise klarzu­ machen, daß die gnadenvolle Wirklichkeit des Himmelreiches unendlich größer ist als die gesetzliche Forderung und Befolgung eines dieser kleinsten Gebote, daß alles Gesetzliche brüchig ist, gerade und deshalb noch in dieser Zeit zwischen den Äonen notwendig, weil die Erfüllung da und nahe ist. So steht hinter dem Ganzen dieses Spruches zuletzt der Meister selbst, der mächtig ist, den Seinen ihre unterschiedlichen Plätze im Himmelreich zuzuteilen. 1. Der letzte Spruch, der diese Reihe zu einer vreiergruppe rundet, sondert sich da­ durch von den vorangegangenen, daß er den Begriff der Gerechtigkeit wie den vergleich mit den Pharisäern und Schriftgelehrten neu einführt,- dagegen spricht auch nicht das ydß, das häufig genug einfach weiterführt und bekräftigt (s. zu Sie), fluch dieser Spruch scheint ursprünglich selbständig gewesen zu sein, wenngleich er sich gut dem Zusammen­ hang einfügt. Venn er bildet den ersten jener „Einlaßsprüche", welche die Bedingungen für das Eingehen in das Himmelreich angeben. Sie durchziehen in mancherlei Formen die evangelische Überlieferung,- für Mt ist dabei charakteristisch, daß die Bedingungen immer in einem idv*Satz formuliert sind und immer an eine Mehrzahl sich richten (anders Mk 10u Lk 18i»). Die Art dieser Sprüche ist sowohl dem aUichen wie rabbinischen Judentum vertraut,- ihre nächsten Ursprünge liegen in jüdischer flpofalyptit und lveisheitslehre. Schon das AT hat die Bedingungen im Begriff der Gerechtigkeit zu­ sammengefaßt (z.B. Jes 26ef.). Die Verheißung des Eingehens lehnt sich an zwei at.Iiche Bilder an: a) an den Einzug des Volkes in das heilige Land, sei es den erst­ maligen aus Ägypten nach Kanaan (Dt 4i 6w 16eo 23s-») oder den endzeitlichen aus der Fremde in die Heimat (Ps. Sol. Ile ); b) an den Einzug der Pilger in die heilige Stadt (ps 23 117i»f.). Da Jesusworte für den Gedanken des Himmelreiches nicht das Bild des Landes, sondern die nahe verwandten von Stadt und Haus, Tor und Schlüssel verwenden, kommen wohl nur die Vorschriften aus Tempelliturgien als Vorbilder in Betracht, und die Einlaßsprüche treten damit in dar Licht einer Gegensätzlichkeit zu kultischen Anschauungen (s. zu 4w). w enn also diese Worte nach Form und Art at.lich bedingt sind, so sind sie doch durch die besondere weise, in der die Bedingungen formn»

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Gesetz und Erfüllung

liert werden, von ihren Vorgängern tief unterschieden. Wohl ist schroff gesagt, daß die Reichen oder die Pharisäer nicht in das Himmelreich eingehen werden (1923s. 23 is), aber zugleich auch, daß „die Zöllner und Dirnen vor euch in das Reich eingehen" (21 ai), oder daß das Eingehen in das Reich „bei Menschen unmöglich, möglich aber bei Gott ist" ( 1926 ). Deshalb lautet die Aufforderung: „Geht ein durch die enge Pforte" (7is) ohne jede Bedingung, oder die Forderung 18s so, daß die Bedingung rein in Gottes Händen liegt. Dos bedeutet aber, daß die Einlaßsprüche Jesu das Eingehen in das Himmelreich denen unbedingt zusagen, die keiner Bedingung im aüichen Sinne genügen, oder Bedingungen nennen, denen Menschen nicht genügen. Zu den letzteren gehört auch unser Wort, wenn es eine „überreiche Gerechtigkeit" fordert und dennoch nicht sagt, wie Jünger Jesu zu dieser Gerechtigkeit gelangen. — 2. Der Bedingungssatz ist auffällig formuliert,' von öixaioavvt] ü/liöv spricht das KT nur selten, das NT nur dann, wenn es jede eigene Gerechtigkeit ausschließen will. Gerade die Sergrede kennt sonst nur den absoluten Gebrauch des Wortes (Se.io) oder Gott als den Eigner aller Gerechtigkeit (6ss). Ebenso ist nirgends von einer Gerechtigkeit der Schriftgelehrten und Pharisäer die Rede; auch hier ist sie nur gemeint, nicht bezeichnet, doch liegt das wohl nur an der Unfähigkeit des Aramäischen, den griechisch möglichen Ausdruck t fjq reov ktA. kurz und angemessen wiederzugeben. Noch merkwürdiger wird der Satz durch das Verbum negiaaeveiv; w ie kann es für Gerechtigkeit ein Matz, wenn auch ein über» fließendes, geben? Das Verbum scheint wie aus einer pharisäischen Erinnerung an einen Überfluß oder überreichen Schatz von „gerechten" Werken (s. zu 619f.) gesprochen; aber eben deswegen kann dann Gerechtigkeit als solche nicht „überreich" sein, ganz abgesehen davon, daß auch dem Pharisäer solcher werküberfluß nicht vorstellbar ist; hier gilt der Satz IV Lsr 8sv: „Don den Geborenen ist keiner, der nicht gefehlt, und von den Gewordenen keiner, der nicht gesündigt hätte." Und gäbe es selbst überreiche Werke, so ergäben sie doch höchstens „Gerechtigkeit", nicht aber eine überreiche Gerechtig­ keit. w a s unter negiaaeveiv zu verstehen ist, macht das nkeiov deutlicher; es bezeichnet auch wohl einen Unterschied der Zahl und des Matzes, aber es dient gerade darin nur als eine Verhüllung, Unvergleichbares nebeneinanderzustellen (vgl. 6251241 f., ähnlich auch iiel^ov 12s). So dienen diese dem Bereich der Zahl entlehnten Ausdrücke, zu denen nicht nur negiaaeveiv , sondern auch nkrjgovv gehört, dazu, den eschatologischen Cha­ rakter des Gemeinten herauszuheben. Darf man dann dixaioavvr; vp& v als den Inbegriff von gerechten Werken verstehen, so ist klar, daß der Vordersatz eine Bedingung nennt, die nur bei Gott möglich ist und deshalb vonJüngern Jesu gefordert wird.— 3. Mit „Schriftgelehrten und Pharisäern" bezeichnet M t ebenso wie Mk und £f die religiösen Führer des Judentum s; während die beiden letzteren ihn nur in Erzählungen verwen­ den, hat M t ihn auch in Jesusworten, vor allem in Rap. 23. „Schriftgelehrte" (hebr. sopherim, L X X ygafifiareijQ, z.B. I I Lsr 7 «. 11) heißen die Renner und Erforscher der Tora samt der mündlichen Lehrüberlieferung, welche sie als Lehrer, Richter und Seel­ sorger zu wahren, zu mehren und weiterzugeben haben. „Pharisäer" sind wie bekannt Mitglieder eines Ordens, der sich auf Befolgung bestimmter strenger gesetzlicher Vor­ schriften verpflichtet hatte. So handelt es sich um zwei Rreise mit sachlich verschiedenen Gehalten, die aber in den ihnen zugehörigen Personen sich häufig decken konnten; die ersteren sind die anerkannten Vertreter jüdischer Theologie, die letzteren die freiwilligen Verfechter einer strengen gesetzlichen Praxis. Beide aber gehören zum Sgnedrium und bilden außerhalb Jerusalems und seiner näheren Umgebung, etwa in Galiläa, d ie Führer des Volkes. So hat es in diesen Tatsachen sein Recht, wenn besonders Mt, formal freilich ungenau, sie zusammenordnet. An unserer Stelle ist eine andere Ungenauigkeit wichtiger: (Es ist berechtigt, von einer besonderen Gerechtigkeit der Pharisäer als den M ännern einer strengen Gesehespraxis zu sprechen, nicht aber in gleicher weise von einer Gerechtigkeit der Schriftgelehrten, deren Beruf die Lehre ist. — 4. Die Wendung „eingehen in das Himmelreich" findet sich am häufigsten bei M t (5 so 7 21 18s 1923 . 24); die beiden letzten Stellen auch bei Mk und Lk, und hier als einzige Beispiele dieses Aus7089 Lohmeyer, Matthäus

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drucks. Nahe verw andt sind die beiden anderen, „eingehen in das Leben" ( 1 8 «.» 1 9 » ) oder „in die Kreude des Herrn" ( 2 5 ai.««), ferner „eingehen durch die enge Pforte" (7 is), dazu 2 1 3i und 23 is. S o eng die Beziehungen zu at.liehen Vorbildern und so zahlreich auch die sachlichen parallelen in rabbinischer Literatur sind, so ist diese evan­ gelische W endung dennoch singulär. gür ihre Verw endung in Jesu sw orten ist charakte­ ristisch a ) daß die positive gorm im m er bedingungslos erfolgt, sei es als Verheißung ( 7 ia) oder als bindende Zusage ( 2 1 31); b) daß die negative gorm den Reichen (1 9 2 3 . 24 ) und den Schriftgelehrten ( 2 3 13) gilt oder an B edingungen geknüpft ist, welche nicht in des Menschen Hand liegen ( 18s). fln unserer S telle ist auffällig, daß die W arnung Jesu Jün gern gilt, und daß die Bedingung für dieses E ingehen zum mindesten auch dar M om en t des menschlichen Handelns in sich enthält. Ergeben sich aber an vier S tellen in diesem W orte Seltsamkeiten, so wird m an hier stärker m it einem Logion i v x v q I c o als einem Logion K vq I ov rechnen müssen.

5so Die Spruchreihe schließt m it einem Wort, das alle Korderung und Ver­ heißung der bisherigen Sprüche w ie in einer unmittelbaren ernsten Mahnung an die Jünger zusammenfaßt,' das „ihr", das nur im Anfang flüchtig aufklang, ertönt hier dreimal, verstärkt wie in D .is durch ein „ich sage euch". Der Einlaßspruch redet noch einmal von dem letzten Ziel „eingehen in das Himmelreich" und dem Weg, der dorthin führt: „eure Gerechtigkeit", w e n n von einer zw ei­ fachen Art der Gerechtigkeit die Rede ist, so liegt diese Doppelheit gewiß nicht an dem Maß der Mühen und Kräfte, m it dem man nach Gerechtigkeit sucht, ge­ schweige denn an dem Maß der Werke und Verdienste, die man sich erwirbt, sie liegt auch nicht an dem letzten Ziel, das nach 2 3 13 auch für Schriftgelehrte und Pharisäer „eingehen in das Himmelreich" heißt, sondern an den Normen, die beide auf dem Wege zum letzten Ziel führen und das endgültige Urteil über Gerechtigkeit bedingen. Das heißt geschichtlich, daß die Schar der Jesusjünger von der durch Schriftgelehrte und Pharisäer geführten Gemeinschaft, w ie nahe sie ihr auch äußerlich verbunden bleibe, im Gange ihres inneren Lebens geschieden ist. wichtiger ist hier die sachliche grage, welche Gebote die Gerechtigkeit der Jünger so viel reicher werden lassen als die ihrer Gegner. Gilt für diese die Tora mit der Vielfalt ihrer mündlichen Überlieferung, so für jene des Meisters „kleinste Gebote" und damit die „Erfüllung" des Gesetzes,- nur w eil Er diese ihnen zu bringen gekommen ist (5 t?), kann auch ihre Gerechtigkeit „überreich" werden. Aber eschatologische Erfüllung des Gesetzes heißt nicht nur ein „Mehr" an Geboten, sondern ein Mehr an Wirklichkeit, das der Meister diesen Geboten gemäß schafft. So wandelt sich, w as bisher von Menschen zu erfüllende B e­ dingung schien, ohne seinen verpflichtenden Ernst zu verlieren, in eine von Gott gesetzte Voraussetzung: Nur durch und in der „Erfüllung" des Gesetzes durch den Meister wird auch der Jünger Gerechtigkeit überreich. Daß in der Gegenüber­ stellung mit den religiösen Kührern des Volkes die Schar der „Armen" und Jünger selbst zu den wahren Kührern auf dem W ege zum Himmelreich wird, zu den „Gelehrten im Reich", diese Andeutung wiederholt nur, w as in den größeren Bildern vom Salz und Licht der W elt gesagt war. w o aber „die Gerechtigkeit überreich wird, da dürfen die Jünger Jesu ein­ ziehen in das Himmelreich". Überall, wo diese Wendung begegnet, liegt das Bild zugrunde, daß eine Schar von Pilgern, w ie sie alljährlich zu den hohen jüdischen Kesten in Jerusalem zusammenströmen, bis zu den Toren der Stadt G ottes gelangt ist, um Einlaß bittend. Aber ist es nur ein Bild? Bei dem etlichen und jüdischen Gegen- und vorbilde handelt es sich unzweifelhaft um ein Wandern

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auf irdischen Wegen ;u einem irdischen Ziele, und selbst wo es sich mit Zügen eschatologischer Hoffnung verklärt, bleibt dieser Grundzug erhalten! man wall­ fahrt nach Jerusalem, zu der „Stadt des großen Königs" (5ss), um dort immer mit Ih m vereint zu sein, wenn man würdig befunden wird, fluch in den Worten Jesu handelt es sich um solche Pilgerfahrt; wie Gr wandert, so wandern die Seinen mit Ihm , „sie folgen Ihm nach". Aber das Ziel dieser Wanderung ist nicht mehr ein irdischer Grt, wie heilig er immer sei, sondern Gottes vollendetes Reich, und es ist das Niegehörte und Unfaßbare, daß man mit Ihm und Ihm nach zu diesem Reich pilgern soll und kann. Dieses Ziel verliert also nicht seine irdische Gegebenheit, aber es ist ein solches in dieser Zeit, nicht mehr in diesem Raume und darum aller Pilgerfahrt nach Jerusalem, wie sie kultische Pflichten dem frommen Juden vorschrieben, stracks entgegengesetzt. (Es ist ein Wandern einem (Ereignis entgegen, von dessen Kommen niemand Zeit und Stunde weiß und das dennoch jetzt in dieser Zeit schon genaht ist, also gleichsam ein Entgegen­ ziehen jenem Geschehnis, das selbst den pilgernden entgegenkommt. So bergen sich in diesem vertrauten, einfachen und doch neu geschaffenen Bilde und Worte unerschöpfliche Beziehungen; es beschreibt vom Gesichtspunkt des Jüngers aus das Ineinander von eschatologischer Vollendung und zeitlichem Geschehen, wie ähnlich vom Gesichtspunkte des Himmelreiches aus das spätere Bild vom Säen und Wachsen (f. zu 133-9). Um einige dieser Beziehungen kur; anzudeuten: Jetzt ist die Zeit der Pilgerfahrt; wer diese Stunde verfehlt oder versäumt, für den ist es endgültig zu spät! Und wer diese Wanderung beginnt, der tut es kraft des Meisters Ruf: „Folge Mir nach", oder auch: „Tuet Buße!" So vollzieht sich ein erstes Gericht in der Zeit, endgültig für die Zurückbleibenden, vorläufig für die Mitwandernden. Denn „viele sind berufen, aber wenige sind ausgewählt!" (22 14 ). Der Weg zu den Toren des Himmelreiches ist schwer, ein Weg in Armut und Verfolgung, in „überreicher Gerechtigkeit"; „bei Menschen ist es unmöglich, aber möglich bei Gott" (Mt IO 2 7 ). Und doch entscheidet nicht der Weg, sondern wird am Ziele erst entschieden, wer durch das Tor zu dem hochzeitlichen Feste eingehen darf; hier also vollzieht sich das letzte „Gericht", das aus den vielen Berufenen nur die wenigen Erwählten durch die schmale Pforte einläßt. Nirgends aber wird dann auch die Frage dringlicher, wer die Sicherheit von Weg und Ziel verbürgt, nirgends aber auch die Antwort klarer und verständlicher: (Es ist der Meister, der mit den Pilgern wandert, sie bis an die Tore des Himmelreiches geleitet, er ist Der, der den Weg kennt und führt, der auch als ein Pförtner ihnen die Tore öffnet oder verschließt. So hängt also an seiner Gestalt, wie sie unter seinen Jüngern lebt und wandert, das Ineinander von eschatologischer Voll­ endung und menschlichem Leben; sein unstet auf Erden wandernder Schritt enthält in sich die endgültige Sicherheit des Zieles wie die Vorläufigkeit und Geradlinigkeit des Weges, so führt (Er die Seinen — auch das liegt in diesem Bilde — aus der Welt der Not und Ungerechtigkeit, des Todes und der Sorge in das Reich, das Leben und Freude des Herrn in sich faßt. So sind auch seine Worte mehr als nur „diese kleinen Gebote", mehr auch als größte Verheißungen, sie sind das Ineinander von eschatologischen Anspruch und Zuspruch, das nur dort möglich und wirklich ist, wo der Gang eines menschlichen Lebens und der Gang der eschatologischen Vollendung in einer noch verborgenen Einheit „sich erfüllen". So prägt sich in diesen Worten vom Eingehen in das Himmelreich die Menschensohnanschauung aus, und diese sind in jener begründet.

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Die n eu e Lehre 7— s. Die neue Lehre (5 2 1 — 7 12)

Daß mit 5 21 der hauptteil der Bergrede beginnt, ist durch D. 17-20 vorbereitet. Sie leiten ein und stellen gleichsam dos Thema, besonders in D. 2 0; und zwischen der Er­ wähnung von „Gesetz und Propheten" in 5ji7 und der in 7 12 spannt sich der große Bogen der „neuen Lehre", wie in D. 17-20 sich immer wieder der Blick auf die Vollendung, das „Eingehen in das Himmelreich" richtet, so erklingt dann in 7 13 der Heilandsruf: „Gehet ein!" Oer große Abschnitt gliedert sich selbst wieder in drei Teile. Der erste ist durch die Wiederkehr der Formel: „Ih r habt gehört. . . Ich aber sage euch" deutlich zusammen­ gehalten und durch den großen Sah abgeschlossen: „Ih r sollt vollkommen sein, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist" (5*8). Sein Gegenstand ist das Gegenüber von alter und neuer Tora, oder mit S 2 0 gesprochen, das „wehr" gegenüber der Lehre der „Schriftgelehrten". Oer zw eite Teil ( 6 1 - 1 3 ) handelt von der praktischen Haltung der jünger Jesu oder, wiederum mit D.20 gesprochen, von dem „wehr" gegenüber der „Gerechtigkeit der Pharisäer", die denn auch mit dem häufigen w ort „Heuchler" deutlich genug bezeichnet sind. Ihm schließt sich eng der d ritte Teil an, der mit der goldenen Hegel schließt ( 6 1 8 — 7 1 2 ) ; er ist nicht mehr an jüdischen Gegenbildern orientiert, sondern an den Gefahren, die den Jüngern als der Gemeinde der Armen und Bedrückten aus ihrer geschichtlichen Lage und ihrer eschatologischen Bestimmung erwachsen. Alle drei Teile sind auch dadurch zu einer gewissen Einheit zusammengefügt, daß ein jeder nach formalen Kriterien sich wieder in fünf Unterabschnitte zu gliedern scheint. 7. Alte und neue Tora (521-43) 1. Der erste Teil wirkt wie eine fest geschlossene Einheit nicht nur dadurch, daß seine einzelnen Abschnitte fast gleich eingeleitet werden, sondern auch, daß in ihrer Folge die zweite Tafel des vekalogs durchschimmert. Er beginnt mit dem 5. und endet mit dem „Liebesgebot", das auch in 19io diese Tafel endet; und zwischen diesem Anfang und Ende bestimmt der Dekalog die Folge der Spruchgruppen. Denn alsbald folgt das 6. Gebot, dem at.lichen verbot des Weineides scheint die Beziehung zum 8. Gebot aufgeprägt, und vielleicht hat auch das jus talionis eine Verbindung mit dem 9. und 10. Gebot, wenngleich hier noch andere Fäden laufen. Indes läßt schon das Schwankende solcher Beziehungen erkennen, dxtß dieses vereinheitlichende Schema nur ein allmäh­ liches Zusammenwachsen aus verschiedenem waterial verhüllt. 2. Die einzelnen Ab­ schnitte sind gleichmäßig, aber nicht gleichförmig eingeleitet. Die volle Form begegnet zweimal, im Anfang und der genauen Witte des Abschnittes (D. 21 und v. ss), und ihr folgen jedesmal zwei Gruppen, die nur bieten: „Ih r habt gehört, daß gesagt ward" — in D. 8i ist sogar auch das „ jh r habt gehört" fortgelassen. So spiegelt sich in der Formu­ lierung dieses Satzes die Gliederung des Abschnittes in zwei Hälften zu je drei Gruppen (D.21-32 und D.8 3 -48 ). Die Formel „Den Altvordern ward gesagt" bezieht sich auf die verschiedensten Sätze. Bald ist es ein Gebot des Vekalogs (D.27), bald eine Vorschrift aus Pentateuch (D.31 . 33 ) und Psalmen (D.33 ), die noch dazu in Wort und Sinn ver­ ändert ist, bald eine Art halachischer Überlieferung (D. 21), bald eine Volksmoral, die auch at.licher Forderung widerspricht ( v . 43). Ebenso leitet das „Ich aber sage euch" bald eine neue Erklärung, bald einen scharfen Widerspruch ein; und sachlich reicht der Inhalt dessen, was „Er sagt", von Sätzen, die sich ähnlich auch bei Habbinen finden, bis zu den bisher nie gehörten Geboten der Feindesliebe. So decken diese einleitenden Wendungen sich über einen ganz verschiedenen Traditionsbestand. Endlich ein Drittes: Jeder Spruchgruppe sind andere Sätze beigegeben, die mit dem Inhalt der at.lichen Worte und ihrer Erläuterung sich nur locker berühren und sich zum Teil bei w t, wk und Lk in anderem Zusammenhang wiederfinden. Aus alledem ergibt sich für die literarische Entstehung dieses Abschnittes etwa folgendes: Im Anfang der Überlieferung stehen, wie so oft, so auch hier Einzelsprüche, die einen mit, die anderen ohne Beziehung auf otliche Worte, alle aber unter der ausgesprochenen oder unausgesprochenen Herrschaft

Rite und neue Tora

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eines „Ich sage euch" (s. auch Z I 627). Schon vor Ult ist nach Möglichkeit eine O rdnung versucht, indem m an alle W orte at.lichen Vorschriften der zweiten Gesetzestafel zu­ ordnete,' dabei hat sich wohl in V.21 und 43 manches aus urchristlicher Gemeindepolemik eingeschlichen, Daß dann dieser Abschnitt dort, wo er sich m it den S eitenreferenten berührt, nicht auf eine gemeinsame Quelle, sondern auf eine sachlich parallele, lokal verschiedene T radition zurückgeht, ist ebenfalls deutlich. v o n den „Altvorderen" sprechen rabbinische Zeugnisse oft; w enn auch der S in n des Ausdrucks ziemlich w eit gefaßt ist, so ist doch nie die Zeit des Exiles als die untere Grenze überschritten; daher scheint seine A nwendung in v.21 und «3 auf die G emeinde zurück­ zugehen, da es sich hier um Ü berlieferung aus der G egenw art handelt. M an weiß freilich nicht sicher, ob un ter diesen „Alten" die A ngeredeten oder die Redenden zu verstehen sind. Griechisch ist beides möglich. Do aber das M t-Cvang. niem als beim Passiv zur Bezeichnung des U rhebers den Dativ braucht, da auch sonst im NT der Dativ bei passivischen W endungen von Sagen den A ngeredeten m eint, so ist auch hier wohl zu verstehen: Zu, nicht von den Altvordern w ard gesagt1. „ I h r habt gehört" bedeutet im talmudischen Schrifttum soviel w ie: I h r habt über­ liefert erhalten; denn die Tora w urde nicht leise gelesen, sondern lau t verlesen, und ihre Ü berlieferung und Erklärung von M und zu G hr w eitergegeben. Auch „es w ard gesagt" heißt oft genug: Ls ist als Ü berlieferung gelehrt w orden. So w ürde denn m it diesen W orten an Beispielen der Tora und ihrer bis in die G egenw art reichenden m ünd­ lichen T radition der Gegensatz der Lehre Jesu dargestellt. Vieser verbreiteten Deutung stehen einige Schwierigkeiten entgegen: I n rabbinischer Sprache findet sich n u r die eine oder die andere der hier gebrauchten W endungen. I h r Beisam men aber ist in solchem Verständnis eine Tautologie, die darum auch in dem von M t eingefügten D. 33 u n te r b le ib tS o d a n n ist es fraglich, ob m an ein rabbinisches Verständnis Jesu W orten unterlegen darf; nirgends im NT ist die W endung „es w ard gesagt" sonst noch so ver­ standen, vielmehr bezeichnet sie im m er das unm ittelbare w o rt G ottes, das in den Schriften des ATs (Hörn 9 12.26 Gal Z u ) oder auch in apokalyptischen Visionen (Apk 62.11) offenbart ist. v o r allem M t bezeugt diesen S inn in der häufigen Form el: „daß erfüllt werde, w as gesagt w ard" (s. zu I22). Legt m an die W orte so aus, so verschwindet auch die Tautologie zwischen H aupt- und Nebensatz. „ I h r habt gehört" h at dann nicht die S tarre eines schriftgelehrten T erm inus, sondern bezeichnet das h ö ren des W ortes G ottes im sgnagogalen Gottesdienst und ist von jenem Klang erfüllt, den das täglich gebetete „höre Israel" (Sem a) trä g t; das „den A ltvordern w ard gesagt" m eint W orte des ATs, wie s i e in v . 2 7 .3 3 .3 s begegnen. So gew innt auch der scharfe Gegensatz: „Ich aber sage euch" seinen klaren S inn. E r um faßt sowohl In te rp re ta tio n wie N egation at.licher Vorschriften, und in beidem p räg t sich n u r der Begriff der „Erfüllung von Gesetz und Propheten" aus (f. zu 5 i?). Lehrreich ist dann das V erhältnis zwischen dem G ottesw ort des ATs und Jesu w o rt zu den Seinen, h in te r beiden steht zunächst der große at.liche Gedanke, daß G ottes Rede zu Seinem Volk das Zwiegespräch m it einem P a rtn e r ist, dessen herz und G hr nicht im m er für solche „Lehre" (T ora) geöffnet ist. Sie ist niem als Lehre überhaupt, sondern Lehre fü r Menschen in bestimmter geschicht­ licher Lage und Art, ohne daß dadurch ihrer bleibenden Gültigkeit auch n u r ein G ran genom m en w äre, und G ott hat es in der Hand, in anderen Lagen und zu anderen 1 Zum Dativ beim Passiv vgl. Blaß § 191 . Andere Beispiele sind Hörn 9 1 2 . 26 G al Z u Apk 69. 11 . 17 . Der Aorist passivi i Q Q d & r jv ist stilistisch Eigentümlichkeit des M t; kein anderes L vang. hat ihn. Lk 224 Act 2ie IZ 34 Rom 4 is Hb 4? haben noch den Hinweis auf das AT durch rd elQtjfidvov 0. ä. Vas passiv ist also verhüllende Bezeichnung für „G ottes Reden". Über a Q x a l o i , das einen ehrfürchtigen Klang hat, vgl. dte Beispiele bei Bill. I, 253 f.

8 M an erkennt diese Tautologie gut a n p s 432 , der hier wohl nachklingt: „M it unsern O hren haben w ir's gehört, unsere V äter haben's uns verkündet — Werk, das du wirk­ test in ihren Tagen, iv rj/ndgaig aQxalaig“. v g l. noch Test. Sim . 2 i.

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Das fünfte Gebot

Menschen andere Worte der Lehre zu reden. Jetzt aber ist dieses Anbete da — so ist dann das betonte „Ich" zu deuten — : Einst sprach Gott zu den Altoorderen, jetzt spricht dieses Ich des Meisters zu den „ Ih r" der Seinen mit der begnadenden und befehlenden Macht Gottes. Darum steht Er in einer doppelten Beziehung. Wo Er spricht, da spricht Gott in einer hie und jetzt offenbaren Herrlichkeit des Sagens: Ich aber sage euch. Aber wo Er spricht, spricht Gott zu Ih m und durch Ih n wie einst zu und aus den Altvorderen wie in einer noch bleibenden Derhaltenheit, die das Passiv darstellen mag. Um solcher Doppelheit willen ist des Meisters Lehre gebunden an die Tora und nur ihre Erläute­ rung, und ist zugleich frei von ihr und nur ihre Verneinung. So steht die Formel zwischen dem Alten und Neuen, wie der Meister in beider M itte steht, und richtet sich auf die „neue" Erfüllung der „alten“ Prophetie: „Das Alte (rd ägxala) ist vergangen, siehe Neues ist geworden."

7 a. Das fünfte Gebot (521-26)

^ Jh r habt gehört, -aß de« Mtvordern gesagt ward: Du sollst nicht morden! Wer mordet, Schuldig soll er sein des Gerichtes! 223ch aber, Ich sage euch: Jeder, der seinem Bruder jürnt, Schuldig soll er sein des Gerichtes! Wer seinem Bruder sagt „Prahlhans", Schuldig soll er sein des Hohen Rates, Wer sagt: Tor, Schuldig soll er sein für die Feuerhölle! 23Wenn du deine Gabe darbringst auf den Altar und gedenkest dort, daß dein Bruder etwas wider dich hat, 24Saß dort deine Gabe vor dem Altar und gehe zuerst hin, versöhne dich mit deinem Bruder, und dann komm, bringe deine Gabe dar! ^Mach dir zum Freunde deinen Widersacher, schnell, derwell du mit ihm auf dem Wege bist, daß dich nicht übergebe der Widersacher dem Richter und der Richter dem Diener, und du in den Kerker geworfen werdest! 22Amen. Ich sage dir: Nimmer wirst du von dort herauskommen, bis du den letzten Heller abstattest! 1. Durch drei Sprüche wird das „alte" 5. Gebot „neu" interpretiert. Freilich sind die beiden letzten nur locker angeschlossen: die Form ist verschieden, der Sinn stimmt nur im allgemeinen mit D. 21 f. überein. Sie hier anzufügen, dafür ist neben solcher Überein­ stimmung für D. äs f. das Stichwort „dein Bruder", für v. 2° f. das Bild vom Gericht der Anlatz gewesen. — 2. Der erste Spruch ist kaum als eine ursprüngliche, sondern nur als eine zusammengewachsene Einheit anzusehen. Abgesehen von dem inneren Zusammen­ hang gibt es dafür folgende Kennzeichen: a) xQioig mutz wegen der parallele mit ovvddgiov den Lokalgerichtshof bedeuten. Diese Bedeutung ist weder irgendwo belegt, noch für D. 2»d. 888 erforderlich, b) Die drei sich steigernden Sätze sind trotz der abschits-

Das fünfte Gebot

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vollen Gleichheit doch verschieden form uliert: D . 22 a steht in der ersten Hälfte ein Partizipium m it nät ist aram. Konstruktion, vgl. nauhsch-Bergsträßer^ I I § 13g; ähnlich Phil 2 ? ixdvcoaev fioQtprjv öotiXov Xaßcbv und dazu mein Kyrios Jesus (SHA 1928, 4) S. 9. So löst sich leicht die Konstruktion; und es ist unrichtig vnö igovalav mit zu verbinden, wie man schon zur Zeit des Chrysostomos versuchte (vgl. Eischendorf8 App. z. St.). Nah verwandte Beispiele sind: Epiktet I 25, 1 0 ... Xdyei jioi 'nogevov* ... nogevojuai . 'egxov* . egxofiai; auch I (Est 4 ? eäv eint] änoxxelvai, änoxxdvvvaev. elnev dtpelvai äcplovaiv xxX. Zu noQev&rjxi neben Zqxov „komm (wieder) her" (M t 14ss Joh 4is), vgl. Blaß § 336, 1 . ra> öov?>q> fiov weist wohl auf den kranken Knecht hin oder Heeressklaven überhaupt. D.io ftavpaCeiv nur hier und Mk 6 « von Jesus, nlaxiv evgiaxeiv seltene Wendung, nur noch in Lk 18s. „Israel" der heilige Name für Land oder Dolk, ein anderer Name erscheint nicht im Munde Jesu. D .u noXXoL — xd iftvrj oder ndvreg vgl. zu Mk 14 24 und I . Jerem ias, Abendmahls­ worte Jesu, 82ff.; diese Bedeutung wird hier auch durch den Gegensatz „Söhne des Reiches" angezeigt. *Anö ävaxoXcbv xal övofi&v s. ps 106a, auch Preisigke Sb 358, 2; philo In Flacc. 45; der Ausdruck meint die Dölker „in aller Welt", weshalb Lk nach ps 106s „von Nord und Süd" hinzufügt. Doch begegnet die Verkürzung schon M al l n : an ävaxoXcov f\XLov ecoQ övap&v xö övofxa fiov öeöögaoxai; hier auch schon die w endung gegen das erwählte Dolk und eine Aussage vom „Tisch des Herrn". Die gewöhnlichen Hausmahlzeiten werden auch im Judentum im Sitzen genommen; liegt man auf mehr oder minder kostbaren Lagern und Polstern bei Tisch, so ist es ein festliches Gastmahl; vgl. das Genannte bei Billerbeck IV 625—627. Das Mahl ist ein gebräuchliches Bild für das eschatologische heil; vgl. schon Zeph 3is H en62n slaw. hen 42 3 ff. (auch bei Bill. I V 1138, A m n.l). Apk. Bar. 29 4 ff., rabbinisch Stellen bei Bill. IV 1154 ff. (Es wird vvn Gott und dem Menschensohn gehalten, also nennen die Namen der Erzväter nur die vornehmsten Gäste, mrt denen die Dielen Mahl halten werden, um den Namen Gottes zu verschweigen. Aboth 8 2 0 : Alles ist gerüstet zum Mahle, ßaa. r . ovq. ist als oas Haus vorgestellt, das zum Mahle gastlich ladet. Dgl. zu 4 17. oxoxos xd Sgcbxegov meint den eschatologischen Strafort der Gottlosen, der nach oem bei Jerusalem liegenden Tal Hinnom (03(1*0 ----- ydewa) heißt; „Gott nennt Geyinnom Dunkel", vgl. w ajikra R. 27, hen 103s, 10814, ps. Sal. 14»; Or. sib. 44s; Schemoth R. 14; Sousset» 286. Der O rt ist unterirdisch gedacht „m it offenen Mündern" (I hen. 53 1); in seinem tiefsten Schlund herrscht „das äußerste d. i. fernste „Dunkel". Die Formel „Dort wird sein usw." begegnet noch 1342 . 50, 22 13 24 51 25so und in der Sk-Parallele 1328. Zum heulen und Klagen vgl. hen. lOSs.4 slaw. hen. 40 12, für den ganzen Satz auch philo deExsecr. 152. (Dol. V ed. Cohn) D . 12 vgl. 9 2 » 15 28. Zu yeve&rjxo) vgl. 610 2642 matthäische Formel, tinaye D .4 10 5 24.41 8 4.13.32 9« I 623 18 15 19 21 21 28 27«5 28io. ev xfj ä>Qle aber gingen hinaus und verkündeten 3hn in jenem ganzen Lande. Die Erzählung ist M eigentümlich, einzelne ihrer Motive sind auch sonst bezeugt, so Ruf und Bitte an den Vavidsohn*, wie dar Schweigegebot und die trotzdem erfolgende Ausbreitung (Mk 1« .« ) . Man nennt darum die Erzählung „wie aus lauter bekannten 1 Klostermann meint zu D.20: Nur bei Vergleichung des Mk wird das eloetötiv des Mt neben SX&ihv e k TVV olxlav D.23 begreiflich. Das ist unrichtig: iMd>v v . 2» bezieht sich auf das Betreten des Snnenhofes eines orientalischen Hauses, von dort geht man in die einzelnen Räume. Das ist dem Gnählei so selbstverständlich, daß er nicht wie Mk zu sagen braucht: elonoQ&uezw. o j i o v jj v t o naidlov. 2 qrf/tT) nirgends sonst bei Mt, nur Lk 4 n. hier nicht Verbreitung einer Nachricht, sondern missionarische Wirkung dieses Ereignisses. * S. siehe, ein Mann mit einer verdorrten Hand. Und sie fragten Ihn und sagten, ob es erlaubt ist, am Sabbat zu hellen, damit sie eine Klage wider Ih n hätten. u @r aber sprach zu ihnen: „Welcher Man» ist von euch, der ein einziges Schaf hat und wenn das am Sabbat in eine Grube fällt, :s nicht greift und aufrichtet?

“ Wieviel mehr also ist der Mensch als ein Schaf. Daher ist es erlaubt, am Sabbat wohlzutun." spricht Er zu dem Manne: „Strecke deine Hand aus." Und er streckte sie aus, und sie ward erneuert, heil wie die andere. “ Sie Pharisäer aber gingen hinaus und berieten wider Ihn, daß sie Ihn umbrächten. Anfang und (Ende der perikope berühren (ich bei Mk und M nahe: die Mitte geht weit auseinander, so daß schon dadurch die Unabhängigkeit des Mt gegenüber Mk gesichert ist. Sie zeigt sich bis in kleine Einzelheiten. 12s-io Jesus geht in die Synagoge, in „ihre", w ie Ult hinzusetzt. Der kleine Zusatz verändert den ganzen Zug. Wird er bei Itlk nicht erwähnt, so ist die Vor­ aussetzung, daß Jesus als Jude unter Juden das selbstverständliche Recht hat, sich zur Synagoge zu halten; es ist die Seine w ie die ihre, hier ist es nur mehr die ihre, und es ist Anpassung des Herrn an seine Untergebenen, vielleicht auch Widerschein der Trennung, in der die Gemeinde des M t von der jüdischen Synagoge lebt, datz Jesus in die Synagoge eintritt. Dort wird Ih m nach M t offen die Zrage gestellt, ob man am Sabbat heilen dürfe, angesichts eines M annes mit einem verkümmerten Arm; aber auch diese Krage soll nicht der Belehrung dienen, sondern einer Anklage halt geben. Das ist ein nicht seltener Zug in der evangelischen Überlieferung. Eigentümlich ist nur, datz dabei die Annahme besteht: Wo ein Kranker sich findet, da wird ihm immer und unbedingt durch Jesus Heilung. Aber das ist auch einer der charakteristischen Züge des M tLvang. 12u . i 2 Die Antwort ist an einem Beispiel gegeben und durch einen Schluß a minori das Recht, am Sabbat „wohlzutun", bejaht. Das gewählte Beispiel, daß man ein in eine Grube gefallenes Schaf auch am Sabbat wieder herausholt, scheint sich nicht unter die von der rabbinischen Kasuistik erlaubten Zölle ein­ ordnen zu lassen; aber damit hätte Jesus auch nur diese erlaubte Reihe um ein weiteres Beispiel vermehrt und den rabbinischen Satz milder und weitherziger angewandt, daß bei Lebensgefahr Hilfe erlaubt sei, auch auf das verunglückte Tier ausgedehnt, w ie es ähnlich 200 Jahre später der große Rab getan hat. Aber der Sinn dieses Beispieles liegt in einer anderen Richtung; es spricht von dem einzigen Schaf eines armen M annes und motiviert damit sein Tun als einen Akt der Liebe und des Erbarmens. Richt mehr um eine gesetzliche Zrage dreht es sich also» sondern eben um den Gegensatz von Gesetz und Erbarmen, w ie ähnlich in 12i-s. Dadurch unterscheidet sich dieses W ort von den ganz ähn­ lichen Sprüchen Lk IZ is.is bzw. 14sff. Dadurch empfängt auch der Schluß einen tieferen Sinn; er ersetzt den Begriff der Heilung durch den der Wohltat, er ver­ schiebt damit wieder die Zrage von dem rechtlichen auf das religiöse Gebiet. Ls ist also nicht einfach dem Mk-Text angepaßt, der zudem auch nur das ver­ wandte Wort ayaftov noirjaai hat, und das Wort i£eou empfängt einen feinen Doppelsinn: Es ist nicht wider das Gesetz, darum erlaubt; es ist sogar die Pflicht der Liebe und Barmherzigkeit, darum „des Gesetzes Erfüllung", auch am Sabbat wohlzutun.

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Heilung am Sabbat. Beelzebulrede

12 13. i4 AIs Erweis dieses (Erbarmens erfolgt dann die Heilung. Sie wird nur wenig anders als bei Bit erzählt, und auch der abschließende R at der P hari­ säer stimmt m it ihm fast wörtlich überein. Das Verhältnis zwischen Bit und Bit ist nicht einfach zu beurteilen,' wir besitzen fünf verwandte Erzählungen: 1. Bis 3i-e; 2. Bit 12ö-i4,# 3. St 6e-n; 4. St 13io-i?; 5. £! 14i-e. Die drei ersten handeln von einem Blann mit verkrümmter Hand und spielen in einer Synagoge; die vierte von einer verkrümmten grau ebenfalls in einer Synagoge, die fünfte von einem wassersüchtigen, und hier ist der G rt das Haus eines Pharisäers. So sind die Widerparte Jesu durchweg Pharisäer, bei Bit ursprünglich wohl unbenannt, jetzt als Pharisäer und Herodesdiener identifiziert. Der Spruch von dem Tier, das am Sabbat verunglückt, begegnet jeweils abgewandelt in der 2., 4. und 5. Erzählung. Run hat allein £k drei verschiedene Erzählungen, er hat sie also kaum für verschiedene Fassungen derselben Geschichte gehalten, wie denn auch der Krankheitsfall jeweils verschieden ist. Daraus folgt, daß Bit gleichsam in der Blüte steht zwischen Br. 1 und Br. 4 und 5; er hat von jenem die Gegnerschaft der Pharisäer (D.io.u) und hat mit diesen das freilich abgewandelte £ogion D .n (|| £k 13isff. 145) gemeinsam. Run ist wohl in allen Erzählungen der Gegensatz zum Pharisäertum ausgesprochen; aber er ist auch verschieden stark; die mildeste gorm in £k 14s, die schärfste in Bit 3«. fluch hier bildet Bit gleichsam die Brücke; denn er hat die bei Bit vorliegende Gegnerschaft, die sich in einem „Sauern" äußert, zu der offenen Frage gemildert nach dem Recht der Sabbatheilung und hat auch die harten Worte in Bit 36 nicht mehr, ebenso fehlt ihm der ingrimmige Spott des Spruches Bit 34. Daraus ist zu schließen, daß Bit eine selbständige Variante der gleichen Geschichte wiedergibt; welches die ältere ist, läßt sich nicht sagen. Die Bit-Fassung ist in sich einheitlich; sie stellt über das Gesetz der Sabbatruhe die Pflicht des Erbarmens in jeglicher Bot. w eil die Pharisäer in Seiner Tat und in Seinem w o rt einen Bruch des Gesetzes erblicken, darum beraten sie, wie sie Ih n verderben, und begehen damit tieferes Unrecht. Bei Bit ist die Feindschaft von vornherein da; sie wird in ihrer abgründigen Tiefe durch den Gang des Geschehens wie durch Jesu w o rt ans Sicht gezogen. (Es ist Feindschaft der Blenschen gegen Ih n , den Blenschensohn, und bedarf keiner besonderen Begründung, hier ist die Heilung ant Sabbat fast zu­ fälliger Anlaß dieser Feindschaft; bei Bit ist sie der zureichende Grund. 22c. D ie F o lg e n (H e ilu n g e n ) ( 1 2 is- 2i) (Bis 3 7 - 12) (£f 6 1 7 - 19)

^ Jesus, da Cr es erfuhr, entwich von dort, und Ihm folgten viele, und Er heilte sie alle u nnb bedrohte sie, daß sie Ihn nicht offenbar machten, "dam it erfüllt werde, was durch Jesaja, den Propheten, also gesagt ist: "„Siehe, Mein Kind, das Ich erwählte, Mein Geliebter, den Meine Seele erkor; Ich werde Meinen Geist legen auf Ihn, und Gericht den Völkern wird Cr verkünden. 19($r wird nicht streiten noch schreien, noch wird man Seine Stimme hören auf den Gassen; "das zerknickte Rohr wird Cr nicht zerbrechen und den glimmenden Docht nicht verlöschen, bis Er zum Siege hinausführen wird das Gericht, *und mtf (? ) Seinen Namen werden die Völker hoffen." fluch diese Satze scheinen Bit 37-12 zu folgen, und nur das at.liche Zitat dem Bit eigen zu sein. Berührungen der Worte finden sich in der Tat; aber der Sinn der gleichen Worte ist ein anderer geworden, w ir hören nicht mehr, daß Jesus an den See entwich; daß

(Et sich der Öffentlichkeit entzieht, ist das allein wichtige, und es steht im Einklang mit dem Jesaja-W ort: Hlan wird seine Stimme nicht auf den Gassen hören. Dennoch „folgen Ihm auch hier viele"; aber es ist nur mehr ein reiches Gefolge von Kranken und Leidenden, und im Unterschied von Ulk „heilte (Er sie alle". Sein Schweigegebot gilt auch nicht mehr „den unreinen Geistern", sondern eben diesen geheilten Kranken, w as aber bei Ulk der Schilderung den wahren Sinn gibt: Ganz Israel findet sich um Ih n zusammen, gerade das ist hier getilgt, und es bleibt das andere Bild: ctlle Not wird durch Ih n geheilt. Nun ist das Bild des Hlk aus versprengten Stücken zusammen­ gesetzt (s. zu 37-12); Hit hat, was Hlk zusammenfügte, an zwei verschiedenen Stellen in abgewandelter §orm gebracht (4 25f. und hier). So liegt der Schluß nahe, daß Hit hier nicht aus der Schrift des Hlk, sondern aus der Tradition von Hlarkus schöpft; er wäre dann auch hier unabhängig, abhängig allein von der Überlieferung, die auch Hlk hat. Und das ist galiläische Tradition, wie wiederum das Zitat beweist. Es folgt weder der LX X noch streng dem hebräischen Text und offenbart an seinem Teile, welche aüichen Gedanken die Ehristologie des Hit bestimmen, und wie die Gestalt Jesu wiederum das Verständnis des at.lichen Zitates bestimmt. Das Jesaja-Wort ist auch im Targum auf den eschatologischen Vollender gedeutet worden; Jesus steht im Lichte des Messias, der der Gottesknecht ist.* Vas Wort nalq1 das so betont an den Anfang gestellt ist, scheint schon doppelsinnig zu sein, stärker der Bedeutung „Kind" sich zuzuwenden, denn das parallele w o rt äyanrjrÖQ findet sich sonst nur in Verbindung mit dem eindeutigen Namen vlö g (3 17 17 s, ebenso Hlk l n 9 ? Z t Z22 935; vgl. auch Hlk 12 « £k 20 13 I Kor 4 14.17 Lph 5 i Philem 16). Drei Züge bestimmen dieses Bild: Er ist kraft des Geistes Gottes der Künder (D.isd) und Vollstrecker des Gerichtes; (Er ist zugleich der liebereiche Helfer der Zerschlagenen und Gedrückten; Er ist in beiden endlich der, der einen verborgenen weg, fern der Öffentlichkeit der Gassen» wandelt. Und in diesem at.lichen Bild sind endlich die Unterschiede zwischen dem Einen Volk und den Völkern unwesentlich geworden; denn die Sätze sprechen nur von dem Einen geliebten Kind —, das die at.lichen Namen Israel und Jakob verdrängt hat, — und den Völkern, so daß das jüdische Volk darin einbezogen sein muß; Er ist ja der Völker Hoffnung (ähnlich auch Hit 28 ie). Damit sind die Grundsätze der matthäischen Ehristologie klar gezeichnet. 2L. Entscheidungen des Meisters (12 22-50)

B e e lz e b u lr e d e (12 22-37) (Hlk3 2 0 -30) (£k 11 14-23)* * 22©a wurde Ihm ein Besessener gebracht, der blind und stumm war, und Er heilte ihn, so daß der Stumme redete und sah. ^Und betroffen waren alle Scharen und sagten: „Ist dieser etwa Davids Sohn?" ^D ie Pharisäer hörten es und sagten: „Dieser treibt Dämonen aus nur durch den Beelzebul, den Fürsten der Dämonen." 26Sr aber merkte ihre Gedanken und sprach zu ihnen: „Jedes Reich, in sich zerteilt, wird verwüstet und jede Stadt oder Haus, in sich zerteilt, wird nicht bestehen. 26Und wenn der Satan den Satan vertreibt, so ist er wider sich zerteilt; wie wird also sein Reich bestehen? 27 Und wenn Ich durch Beelzebul die Dämonen austreibe, durch wen treiben eure Söhne sie aus? Darum werden sie Richter sein über euch. 23a.

* w e ite re s hierzu s. GV 8— 14. ** A usführungen fehlen. Zu v . 33 s. GV 132— 137.

"W enn Ich aber durch Gottes Geist die Dämonen anstreibe, dann ist zu euch das Reich Gottes gekommen. "O der wie kann einer in das Haus des Starke« eindringen und seine Habe plündern, wenn er nicht zuerst den Starken bindet, und dann wird er sein Haus ausplündern. "W er nicht mit Mir ist, ist wider Mich; und wer nicht mit Mir sammelt, zerstreuet. "Deswegen sage Ich euch: Jede Sünde und Lästerung wird vergeben den Menschen werden, die Lästerung des Geistes wird nicht vergeben werde». "Und wer ein Wort wider des Menschen Sohn redet, wird ihm vergeben werden; wer aber wider den Heiligen Geist redet, nicht wird ihm vergeben werde», weder in dieser Weltzeit noch in der kommenden. "Oder habt ihr den Baum gut gemacht und seine Frucht gut, oder habt ihr den Baum schlecht gemacht und seine Frucht schlecht; denn an der Frucht erkennt man den Baum. " I h r Otternbrut, wie könnt ihr Gutes rede», die ihr schlecht seid? Aus dem Überschwang des Herzens redet der Mund. "D er gute Mensch bringt aus dem guten Schatz Gutes hervor, und der böse Mensch aus dem bösen Schatz Böses. "Aber Ich sage euch: Jedes schlimme Wort, das die Menschen reden werden, Rechenschaft werden ste darüber ablegen am Tage des Gerichtes, "denn nach deinen Worten wirst du gerecht gesprochen werden und nach deinen Worte» wirst du verdammt werden." 23b. Z eichenforderung (12»s-is) (£kllro-sa)* "D a erwiderten Ihm einige der Schriftgelehrte» «ad Pharisäer also: „Meister, wir wollen von Dir ein Zeichen sehen!" " E r erwiderte und sprach zu ihnen: „Ein böses und buhlerisches Geschlecht fordert Zeiche», und ein Zeichen wird ihm nicht gegeben werden, nur das Zeichen Jona, des Propheten. "D enn wie Jona war im Bauch des Ungeheuers drei Tage und drei Nächte, so wird des Menschen Sohn sein im Herzen der Erde, drei Tage und drei Nächte. * Ohne Erklärung

"M änner aus Ninive werden aufstehen tu dem Gericht mit diesem Geschlecht und werden es verurteilen; denn sie kehrten um jur Derkündnng Jonas und stehe, mehr als Jona ist hier. "O ie Königin des Südens wird aufstehen in dem Gericht mit diesem Geschlecht und wird es verurteilen; denn sie kam von den Grenze» der Erde, zu hören Salomons Weisheit, und stehe, mehr als Salomo ist hier. «Wenn aber der unreine Geist auszieht, zieht er dnrch wasserlose Stätte», snchet Ruhe und findet sie nicht. "D ann spricht et1: I n mein Haus will ich zurückkehren, von dem ich herkam; und kommt und findet es leer, geschmückt und gefegt. "D a geht er hin und nimmt mit (ich sieben andere Geister, schlimmer als er, nnd sie ziehen ein und wohne» dort. Und wird das Letzte jenem Menschen schlimmer als das Erste. So wird es avch diesem böse» Geschlecht sein." 2 3 c. IN u tte r u n d B r ü d e r (1246-eo) (Ztö Ssi-se) (Cf 810-21)

" D a Er noch zu de» Mengen redete, siehe, da standen Seine Mutter und Brüder draußen und suchten mit Ihm zu reden*. " E r erwiderte und sprach zu dem, der es Ihm sagte: „Wer ist Meine Mutter und wer sind Meine Brüder?" "Und streckte die Hand aus über Seine Jünger und sprach: „Stehe, Meine Mutter und Meine Brüder! "D enn wer den Willen tut Meines Vaters im Himmel, Er ist Mir Bruder und Schwester und Mutter." 1 2 m - » o Die Abweichungen des Htt gegenüber Ittl 3 n - i s sind nicht groß, aber bedeut­ sam. Die Schilderung der Situation, in der Jesus sich befindet, ist so knapp, daß sie den erläuternden Angaben gleicht, mit denen ein Gespräch oder ein Lehrwort Jesu ein­ geleitet wird. v . 48 hat dann auch im Unterschied von Utk kaum andere Bedeutung, als die Lehrfrage ausdrücklich ;u formulieren, auf die Gr hernach antwortet: deshalb kann auch das Anliegen der Derwandten Jesu mit dem allgemeinen Ausdruck bezeichnet werden: fyrovvTes avTä> AaXrjoai. M e die Frage, so ist auch die Antwort klarer formuliert. Jesus umfaßt nicht mehr mit einem Blick, die Ihn umgeben, sondern weist mit Seiner Hand und weist — das ist der wichtigste Unterschied — auf Seine Jünger; so schafft auch nicht mehr das einmalige Beisammensein mit dem Meister in diesem

1 H. S. Ugberg, Zum gramm. Derständnis von Mt mentica II, 22—35, 44—45). 8 D. 4i om tt BL syrr.

1244-45

(Conieotanea neotesta-

190

Die Gleichnisrede

unwiederholbaren Augenblick die nahe Zugehörigkeit, sondern die dauernde Bindung an Ih n als den Meister und Herrn,- und was dieser Bindung Pflicht ist, das sagt nun der letzte Vers, den man nicht mehr abtrennen kann: (Es heißt, den willen „Meines Vaters im Himmel" tun? die Ersetzung „Gottes" durch „Meines Vaters" ist tief und beziehungsreich? denn nun wird Gott selbst als „Vater" in den Kreis derer gezogen, die Ihm Mutter und Bruder und Schwester sind? und dieser Kreis ist durch Ihn ge­ schlossen, der den „willen" Seines Vaters vermittelt und verkündet. So sind die Unterschiede zwischen Mt und Mk nicht literarischer Art, sondern es ist die selbständige Entfaltung einer Geschichte in mündlicher Tradition, die sich hier beobachten läßt. Aus einem biographischen Ereignis, in dessen Einmaligkeit verborgen ein lehrhafter Sinn schlummert, ist ein Lehrbuch geworden, für den jenes Ereignis nur Anlaß ist.

IV. Meister und Volk ( 13 1 - 1 6 20) IVA. Die Gleichnisrede* (131-52)* Mt hat das große Kapitel zu einer vielfach gegliederten Einheit gebildet. I n seiner Mitte findet sich schon einmal ein Schluß v . 3 4 .3 s , der durch das at.liche Zitat noch be­ sonders hervorgehoben ist und das Ganze zunächst in 2 Teile zerlegt: 13i -35 und 1536-62? denn im Anfang verläßt Jesus „das Haus" und wählt den See zur Stätte Seiner Lehre, in der zweiten Hälfte kehrt Er wieder „in das Haus" zurück. Die Sähe 15s4.36 scheiden zudem die Gleichnisse für das Volk von denen für die Jünger. Dennoch scheint solche Gliederung künstlich zu sein? denn in dem ersten Teile findet sich ebenso Unterweisung nur für die Jünger, wie in dem zweiten Jüngerparabeln, die sich inhaltlich in nichts von den Volksparabeln unterscheiden. So spricht man denn auch von dem „kunstvollen Aufbau einer heptas von Parabeln" (Jülicher, S. 514), bei der 1362s. nicht mitgezählt ist. Aber diese Siebenheit ist sichtlich nur ein formales Nebenmotiv, wie es sich ähnlich in Kap. 5—7 findet? neben und über ihr steht eine andere, wenn auch etwas äußerliche Zählung: Jede der beiden Hälften enthält eine Pentade, die aus vier Parabeln und einer Deutung besteht. So wird man das Kapitel folgendermaßen, der Absicht des Mt entsprechend, gliedern dürfen: I.

Teil:

Einleitung 1. D.sb-9 Gleichnis vom Säemann 2. D. io-23 Deutung der Gleichnisrede 3. v . 24-so vom Unkraut unter dem Weizen 4. D.3i.32 vom Senfkorn 5. v . 33 vom Sauerteig? D. 3 4 .3 5 Abschluß D .i - s a

1 Lit. bei A. Sridrichsen, Svensk Teologisk Kvartalskrift 1929, 34ff. 393 ff. Dazu E.h. Dodd, The Parables of theKingdom4 1938; B. T. D. Smith, The Parables of the synopt. Gospels 1937? w . (D. E. Gesterleg, The Gospel Parables in the Light of their Jewish Background 1936; I . Heinemann, Altjüdische Allegoristik (Bericht des jüdisch­ theologischen Seminars in Breslau für das Jabr 1935). * Eine vom Verf. geplante Einleitung: a) w ort nagaßoXij; b) Gleichnisse im AT? c) Gleichnisse bei Mt — ist nicht ausgeführt, zu vergleichen aber ist: OE. Lohmeger, Der Sinn der Gleichnisse Jesu, ZsgstTheol. XV (1938) 319—346. vgl. jetzt auch Thwb V 741—757? Zi t s. ebenda und w . Bauer4 nagaßoX^. Dazu: I . D. Smart, A redefinition of Jesus’ use of the parable (Exp.T. XLVII 551—555); A. E. Barnett, Understanding the parables of Our Lord, Nashville 1940; I . wiekinson, Many things by parables: studies in some on the parables of Jesus, London 1943; E. H. BootH, Problems in parables, London 1944; Hob. Morgenthaler, Zormgeschichte und Gleich­ nisauslegung, Theol.Ztschr., Basel 1950, S. 1—17? I . Jeremias, DieGleichnisseJesu4 1956.

Die Gleichnisrede

191

II . T eil: v . 36. Ü berleitung 1. D.36b-t3 D eutung des Unkrautgleichnisses 2. v . 44 v o m Schah im Ucker 3. D. 45.46 v o n der p e rle 4. D. 47-50 v o m Fischnetz 5. D .51-52 Dom J ü n g e r des Himmelreiches Freilich ist auch diese G liederung künstlich genug; aber in ih r scheint sich n u r die Ge­ schichte des Gleichnisstoffes zu spiegeln, ctus einem synoptischen vergleich scheint sich folgendes zu ergeben. Den K ern dieses K apitels bilden die drei Stücke: Gleichnis vom Säem ann, D eutung der Gleichnisse, D eutung des Säemannsgleichnisses. Dieser Block hat schon Ulk in fester Fügung vorgelegen; denn einm al widerspricht die S itu atio n von Ulk 4ie der von 4 i-s, sodann stimmen Ulk und Ult auch n u r bis 420 = Ult 1323 überein. Diese T radition ist früh, wohl schon vor Ulk m it der S itu atio n am See verbunden w orden; denn w enn m an auch annehm en möchte, daß das Gleichnis vom S äem ann in m itten von K ornfeldern gesprochen sei, so klingen sie doch von den fruchtbaren V esthängen des Galiläischen Uleeres wider, w enn auch Jos. gerade in seiner Schilderung nichts davon erw ähnt. D enn fü r Jesu s ist der See eine beliebte S tä tte der Lehre. Ebenso hat sich früh m it ihr eine Schlußbemerkung verbunden, daß Jesu s in Gleichnissen geredet habe; denn auch sie klingt in anderer Form noch Jo h I 6 2 5 an. fln der so zusam m en­ gewachsenen Überlieferung, die erst Lk zu ändern w agte, haben w eder Ulk noch Ult gerührt; beide haben nur, durch den Schluß angetrieben, aus anderer reicherer Über­ lieferung neuen Gleichnisstoff hinzugefügt. Ulk fügte zuerst das Gleichnis von der selbstwachsenden S aat, vom Senfkorn sam t einigen Sprüchen hinzu; Ult aus eigener T radition die P arab el vom Unkraut u n ter dem W eizen und vom Senfkorn (s. zu 13sif.) und aus einer m it Lk gemeinsam en das vom S auerteig. So gesehen, bestätigt die erste Hälfte der Gleichnisse die Unabhängigkeit der Ult-Überlieferung von der des Ulk, die für die zweite Hälfte offenbar ist. So w ird die G liederung dieses K apitels ein Spiegel­ bild der P arabeltrad itio n .

24. Einleitung. Biel Bott (13i-3|a) (Mk

4 1 -2)

(St

84)

19tn jenem Lage ging Jesus hinaus und setzte sich an das Meer; 2utti> es sammelten sich bei Ihm große Volksscharen, daß Er in ein Boot stieg und sich setzte und alles Volk stand am Ufer. 2Und Er redete zu ihnen vielerlei in Gleichnissen; Er sprach: Die evangelische Ü berlieferung pflegt bei Reden Jesu, die ihr wichtig sind, Schau­ platz und Umstände zuvor zu schildern; so hat es schon Ulk getan (K ap. 4 und 13), so tu t es in etw as anderer w eise auch Ult. Beiden ist gemeinsam, w as sichtlich in der T radition begründet w ar, daß sie niem als S tädte oder Dörfer, M ärkte oder S traß en zu den S tätten dieser Reden machen, sondern Gegenden, die sonst menschenleer sind: Berg und Feld und M eeresstrand; es ist ein Stück der Verborgenheit, die in aller Öffentlichkeit Jesu Reden und w irken um gibt. M t hat diese Besonderheit noch u n ter­ strichen, indem er zwischen der vorigen und dieser Szene einen engen Anschluß her­ stellte: D ort die Enge von H aus und Hof, hier die w e ite von See und S trand, dort Jesu J ü n g e r und verw an d te, hier Scharen des Volkes. Und von den einen zu den anderen w an d ert Jesus, so wird zeitlich und biographisch verbunden, w as aus sachlichen G ründen aufgereiht ist.

192

Die Gleichnisrede. (Einleitung

15i „An jenem Gage1" — diese Bestimmung steht in einer eigentümlichen ITtitte zwischen einem anekdotenhaften „eines Tages" und einem historisch be­ stimmten Datum; was nun folgt, ist ein Geschehen, dessen sich die Gemeinde als eines vergangenen erinnert, wie sie es zugleich als ein bleibendes feiert und bewahrt. Jesus setzt sich an das Meer; denn es ist Brauch, sitzend zu „verkünden". So ist aber auch die Absicht Seines Fortgehens und Sichfetzens, eben daß (Er ver­ kündet. (Er lehrt nicht, weil sich Hörer finden; sondern das Volk sammelt sich, weil (Er lehrt. So ist also auch die Stätte dieses Lehrens bewußt gewählt; mag ein äußerer Grund darin liegen, daß das Ufer des ©aliläifchen Meeres einer größeren Menge leichter Raum bietet, ober daß es eine fromme Gewohnheit war, an den Ufern von Flüssen und Seen zu gottesdienstlicher Lehre und Feier zusammen­ zukommen, — bei der Rahe von Kapernaum und einer Synagoge liegt auch darin ein Gegensatz zu dem üblichen Versammlungsort ausgesprochen; und er entstammt wohl dem tieferen Gedanken, daß um diese Rebe jener Schleier der Verborgenheit liegt, der auch in aller Öffentlichkeit des Wirkens und Derkunbens Jesu unaufhebbar ist. 1S2.32 w ie der Lehrer sitzt, so stehen die Hörer; und ihrer werden alsbald so viele, daß Jesus sich in einen Kahn setzt. So entsteht das unvergeßliche Bild: Jesus lehrt auf den wassern des Sees, die Hörer am Strande dicht gedrängt, den man sich sanft ansteigend denken darf, beide umgeben von der w eite des Meeres und der paradiesischen Fruchtbarkeit des Landes, beide verbunden 1 I n 13i ist rfjg oixlag unsicher: Restle lieft w ieB 0fa m . 1 O rig .; D a b e ff g k ayrain lassen es a u s; während C E W fam. 13 K änö, N 33 sa bo i x vorsetzen. (Es ist wohl Glosse, aus dem B edürfnis der Perikopenlesung. Die Zeitbestimmung findet sich bei M t nu r hier (doch s. iv rfj &qq. i x . 8is 10 19 18 1 ; iv ix . ra> xaiqq* 11 25 12i 14i) ebenso Mk 435 Jo h 5s, Lk schreibt iv avrfj rfj fjiiiqq. 13si 23 12 , vielleicht um den Anklang „an jenem Tag", d. H. dem Tag des Gerichtes zu verm eiden. Die (Drtsoeränöerung dient ebenfalls der Hervorhebung der folgenden Rede (5 i 24i, nicht 10i I 81 ); sie findet sich nicht n u r am Anfang, sondern auch am Schluß ( 81111 1363 19i). Daß Fluß- und See­ ufer zu S tä tte n des Gebetes und Gottesdienstes im Ju d e n tu m w erden, zeigen stet 16is Jo f. A nt. X IV 10,23 E p ist. A rist. 304f. P . T ebt. 8 6 ; vgl. auch Tert. de jeju n . 16; ad n a t. I 13 und Philo In Flacc. 14 § 122 p. 535 M. Liegt der Brauch schon Ps 137iff. vor? w o eine Synagoge sich befindet, kann Unterweisung am See n u r als Gegensatz verstanden w erden. Die S y nopt. berichten wohl, daß Jesu s in Synagogen, in S tädten und D örfern gelehrt habe (423 935 u. ö.), aber sie geben kein Beispiel dafür, sondern nu r für Reden im Freien. Der 4. (Evang. kennt keine Reden im Freien, sondern n ur in der Öffentlichkeit von Synagoge und Tem pel, „wo alle J u d e n zusammenkommen" (Joh I 820), 3 (Erst von 132 ab verw endet M t ovvayeo&ai = sich versammeln und dann ziemlich häufig (etw a 10m al, Mk ab 22 5 m al, Lk 2 m al, Act 9 m al, Jo h 2 m al) wohl ein Zeichen der G ebundenheit an v o rlag en . Daß M t, dem doch Jesu Lehre besonders am herzen liegt, hier das dreim alige „Lehren" des Mk meidet, ist nicht unwichtig; es liegt die Unabhängigkeit des M t von Mk nahe. Der © rt der Rede ist kaum der Hafen von K aper­ naum (so wohl D alm an, P a l. Jahrbuch, X I (1913), 51f.), sondern eine menschenleere Stelle des S trandes, s. zu Mk 3?. — Daß der Lehrer sitzt, zeigt schön das G rabrelief von T rier (H. B lüm ner, Römische P riv a ta lte rtü m e r3 1911, 321), vgl. auch 232 Lk5i? Mk 2«; daß die Hörer stehen, v errät wohl gottesdienstliche Art, I I (Esr 18; s. auch (E. Schneider T h w b I I I , 4 43ff. Jesus sitzt nach M t im Schiff, nach Mk „auf dem M eer". Mk erlaubt nu r an einen Rachen zu denken, bei M t ist auch ein Segelschiff möglich, auf dessen Bug Jesus sitzt, von seinen Jü n g e rn um geben. Das ist wegen 13io nicht unwichtig. noXXa n u r hier als Zusatz zu Reden wie Mk 4 2 ; D in terp retiert es dort, für M t kaum richtig: naqaßoXalg noXXaig. M t schreibt Aorist iXdXrjaev, Mk korrekter Im p e rf. iölöaoxev; klingt bei M t noch an, daß die älteste Ü berlieferung n u r das folgende Gleichnis bot?

durch die größeren Bildet vom Gottesreich. Bit spricht nicht w ie Bis ausdrücklich von Lehre — Lehre heißt ihm allein von allen überlieferten Reden die Berg­ rede — , sondern nur vom Reden, aber es ist ein Reden von vielerlei und ein Reden in Gleichnissen. Beides wird nur hier erwähnt. So deutlich damit das Folgende nur Stück und Beispiel eines Größeren ist, so handelt es sich doch nicht nur um eine Angabe des Umfanges und der Art, in der Jesus sprach, „viel reden" heißt eben die Fülle dessen offenbaren, w as zu reden Stunde und Sendung gebieten,- und wenn auch dann noch ein Rest ungesagt bleibt, so ist es jener Rest, der bleiben soll und mutz, solange noch „in Gleichnissen", nicht in aller Dffenheit und Öffentlichkeit das Gottesreich verkündet wird. So wird es erklärlich, w as sonst ohne irgendein Beispiel ist, daß eine Rede nur in „Gleichnissen" gehalten ist, ohne daß vor dem Volke ein Wort fällt, w as dann eigentlich durch diese Bilder verglichen werden soll.

25. Am See (13 3-36) 25a. v o m S ä e m a n n (13a-«)1 (B it4 a -9) (£185-8) 3©ich, ausging der ©äemann ju säen. «Und indem er säete, fiel etliches an den Weg und kamen die Dögel und fraßen es. «Etliches fiel auf das Felfichte, wo es nicht viel Erde hatte, und ging sogleich auf, weil es nicht der Erde Tiefe hatte; "als aber die Sonne aufging, ward es versengt, und weil es nicht Wurzel hatte, ward es verdorrt. 1 Lit.: 3ülichetII514—538; Jerem ias 4 S.65,130; DXUltchaelis, (Es ging ein Sä mann aus, 1938; R. (Dtto, Reich (Bottes und Blenschensohn, 90 ff.; valm an, viererlei Acker, Palästina­ jahrbuch X X II (1926) 120—132; L.tz. Dobö, Parables 180— 183; Smith 123— 129; Desterley 39—56; Szimonides;, Die Gleichnisse vom Säemann, NThT XXV 348—361; W. (D. ©estetley, The idea of growth in the teaching of Jesus, Expos. Times, 1936 (fj. 6 ); besonders: (E. Lobmeyer, Das Gleichnis von der Saat, Deutsche Theologie 1943, 2 0 —39. Der Text ist erstaunlich fest und sicher überliefert; stärkere Abweichungen finden sich nur bei Lk (s. dort). Bei Bit und Bl! zeigen kleine Verschiedenheiten, daß beide von einander literarisch nicht abhängig sind: D.s: t o v onelgeiv: aneigai (trotzdem der Aorist bei Bit beliebter und angemessener w äre); D.?: im r. äxdvti.: eig; äninvi£av: avvinvi^av; D.sa: Bit läßt des Bit avgavöfieva ... xai ecpegev fort, fügt aber in D. 23 ein xal noiel ein, wo Bis sich mit xaono... (so B) ist unsinnig und griechisch unmöglich, elg ... e lg ... elg (tt) ist korrekter, sinnvoll nur &>... Sv ... &> (so A D W ©), wobei £v das aramäische Blulti« plicatioum had (z. B. Dan 3m) wiedergibt (Sroete, Allen, tvellhaufen, Blaß). Bit o p S v ... 5 S £ ... 5 oi (indeklinabel gemeint wie D. 23 zeigt) ist dann andere Übersetzung aus dem Aram., da das „Blultiplikationszeichen" durch ein Teilungspronomen ersetzt ist. Die aram. Grundlage schimmert auch sonst durch: löov zu Anfang einer Erzählung (vgl. 2i.» 9a U. ö. auch flpf jo h 4i 12a 14i u. ö.); ek&ovza . .. xarev ro v dygov. 1 vid s ro v äv&qwnov — wichtig für den Ursprung. Der apokalyptische Titel, auch in D. 41 in dieser apokalyptischen Bedeutung benutzt, deckt hier einen geschichtlich w irkenden. Anders: S e in geschichtliches w irken ist Glied des eschatologischen G e­ schehens. vorausgesetzt dabei ist die Id en titä t von Menschensohn und Jesu s. * Der Acker ist „die W elt"; selten die universale B edeutun g, v g l. 5 u 18? 26i», also nirgends sonst. 4 Söhne des Reiches; jüdischer Ausdruck, vgl. T aan ith 2 2 a : „Söhne der kommenden W eitzeit", und anderes bei D alm an, W orte Jesu, auch M t 812 . hier so viel w ie „Söhne Gottes", w ie der Gegensatz zeigt. 6 diaßo?.oQ so M t 4 1. 6. ». 11 2 5 41 ( oaxaväg M t 4io I 6 2 3 1 2 2 «) xov novrjqov hier klar maskulinisch; sonst „Söhne der Hölle" 2 3 « , „Sohn des Teufels" Act 1 3 « .

nicht den guten Sam en — und so wachsen beide der (Ernte zu. (Es ist der Tag des Menschensohnes, ein Tag nicht eigentlich des richterlichen Urteils, sondern ein Tag, da das durch (Engel vollstreckt wird, w as von Anfang an in der Bestim­ mung der Menschen gelegen ist1. M it aller Deutlichkeit ist hier die alte Welt ausgestrichen und eine neue — die nach jüdischen Erw artungen kommende — zu einer gegenwärtigen Wirklichkeit geworden. Aber w as sie von jüdischer Apokalgptik scheidet, ist, daß sie nicht m it plötzlicher und alles vernichtender Wucht einbricht, sondern daß auch sie die Zeit von S aat zur (Ernte, von Anfang bis zur Vollendung durchläuft, eine Zeit, in der der Menschensohn wider den Teufel und dieser wider jenen steht. Zwar kennt auch jene Apokalgptik ein solches Widereinander, aber es vollzieht sich in offenem Kampfe; aber hier ist es nur „an den Zrüchten erkennbar". (Ein zweites Merkmal ist, daß über alle Unter­ schiede des Volkes oder der Klassen, die sonst Jesu Wirksamkeit ebenso hindern wie fördern, m it großem Blick hinweggesehen wird. Sie bestehen nicht mehr; es besteht nur der Same, den Er sät, die „Söhne des Reiches", die Er schafft. I n solcher eschatologischen Unbegrenztheit ist selten das Geschick derer, die zum Gottesreich berufen sind, gesehen worden. Deshalb ist auch der Menschen­ sohn nicht der Herr der Seinen, sondern der W elt; oder genauer: in der ganzen W elt trägt der von Ih m ausgestreute Sam e seine Zrucht. Aber eine ähnliche Stet­ heit lebt auch in dem Gleichnis vom Säem ann, das ähnlich über gegebene Unter­ schiede des Volkes oder Standes hinwegsieht und nur Unterschiede der Bereit­ schaft, den Sam en aufzunehmen, kennt. Ähnliche Voraussetzungen liegen auch dem Missionsbesehl M t 2818-20 zugrunde; aus der gleichen (Quelle stammt daher auch wohl diese Ausführung. Die Menschensohn-Anschauung ist durch ihr Absehen von jeder Art von Gemeinde noch so ungebrochen und altertümlich, daß m an auf ein hohes Alter schließen muß. 1540-48 Bisher fanden sich nur kurze, lehrhafte Satze von einer gleichen, einprägsamen Art. Jetzt weiten sie sich, werden voller und reicher, sie gleiten von der Gegenwart zur nahen Zukunft hinüber, heilige W orte des ATs verweben m it ihnen — alles das sind Zeichen, daß hier der Zielpunkt des Gedankens und der Parabel liegt, ähnlich wie es hernach bei dem Gleichnis vom Ssichnetz der Hall ist. Jetzt klärt sich, aus welchen Gründen Unkraut und Weizen voneinander ge­ schieden geerntet wird. Denn Unkraut ist nichts anderes als „alle Ärgernisse und die Gottlosigkeit begehen", wie m it deutlicher Anspielung auf Zeph 1s gesagt ist2; dabei sind wohl auch unter diesen Ärgernissen Menschen zu verstehen, wie zuvor das Unkraut als Kinder des Bösen definiert wurde. Und Sein Reich ist wie in v.s» die W elt als ganze. Alles Tun strahlt von dem Menschensohn, (Er vollstreckt durch Seine Dienet die Strafe an allem Bösen — kein allgemeines Gericht findet statt — , sie wandern in den $euetofen, wie ein andermal in das Höllenfeuer (18s)2; es ist auch hier der G rt des Heulens und 1 avvreXeia t o v aiwvoq Ult 13 3». 40.49 24 a 28 20 Hb 9 2«, dann Ass. Mos. 12 4 117 flp!. Bot. 13s 27 15 30s 298 5421 69« 83? van 124.is Hen. I 6 1 IV ’lrjaov. 1. Nachgebildet nach Mk 6 so (cf. änrjyyeiAav). Aber hier ein anderes Subjekt und anderes Objekt. 2 . Bei Mk deutlich ein In te r­ mezzo aus kompositionellen Gründen: Der Erzähler füllt eine pause zwischen Aussen­ dung und Rückkehr aus. M t verknüpft den Tod mit der Geschichte Jesu: Jesus hörte es und entwich (v .is). Also ist für ihn 14i-i2a eine Art Botenbericht an Jesus; daher wohl auch die Aoriste, vgl. Allen p. 159f.

234

Der Tod des Johannes. Die Speisung der 5000

Oie Erzählung ist auch sachlich in manchen Punkten selbständig. Ein besonderes Problem heftet sich an den Schluß,- für Ulf ist die Erzählung ein reines Intermezzo; man darf ihm auch nicht unterschieben, als habe Jesus durch seine Jünger von der Enthauptung des Täufers gehört. Zwischen Bslf 6 2 9 und so besteht keine sachliche Ver­ bindung. Ztlt hat durch den Schlußsatz 14i2 ausdrücklich die Jünger des Johannes Jesus über den Tod berichten lassen; das ist natürlich, da Jesus auch sonst sich auf den Täufer berufen hat und die Bewegung des Täufers in der seinen aufgegangen ist. Blan begreift jetzt auch, weshalb das Urteil des herodes vorangestellt ist: Vieser ist Johannes der Täufer, w e il Jesus nämlich von diesem doppelten hört, weil ihm alles berichtet ist, deshalb zieht er sich „an einen einsamen Grt" zurück, hinter diesen Sätzen stehen aber noch andere schwierigere Fragen. Bis holt den Bericht von dem Tode des Täufers in einer deutlichen Parenthese nach; er sagt wohl nicht, wann er getötet wurde, aber der Tag liegt mehr oder minder weit zurück. Für Bit aber ist der Tod der Anlaß, daß Jesus den bisherigen Schauplatz seiner Tätigkeit verläßt; aber ist nicht auch für ihn die TäuferErzählung ebenfalls eine zurückliegende Episode? Oie chronologische Festsetzung des Todestages des Täufers begegnet fast unüberwindlichen Schwierigkeiten. Josephus läßt bekanntlich ein viel späteres Datum erschließen, als die Evangelisten vermuten lassen; es ist deshalb durchaus möglich, daß Bit und Bit dieses Datum verschieden ein­ gesetzt haben. Bitt anderen Worten: während für Bit die ganze Erzählung von Johannes Tod als plusquamperfektisch gilt, hat Bit wahrscheinlich nur die Einleitung so gemeint, die von der Einkerkerung des Täufers berichtet; der eigentliche Vorgang kann nur wenig früher liegen als das Urteil des herodes über Jesus, das im Unfang des Kapitels vorweggenommen ist. wichtiger noch ist ein anderer Gesichtspunkt des Bit, nach dem die Geschichte Jesu von dem Schicksal des Täufers an entscheidenden Punkten bestimmt wird. Die Taufe des Johannes macht Jesus als den einzigen Gottessohn kenntlich, seine Gefangennahme leitet in Kapernaum des Bleisters Wirksamkeit ein. Zu Beginn der Wanderung Jesu durch Galiläa kommen Boten des Johannes zu ihm; hier melden wieder Boten seinen Tod, und zu Beginn der jerusalemischen Tätigkeit beruft sich Jesus auf die Taufe des Johannes. Diese Linie ist aber hier in besonderer weise hervorgehoben; denn Bit ver­ wendet die gleichen Worte, m it denen er Jesu Wirksamkeit in Galiläa einführte; nie wieder reagiert Jesus auf eine gehörte Nachricht so, daß er seine bisherige Stätte verläßt, w ir stehen hier aber am Ende der galiläischen Wirksamkeit und vor ihrem entscheidenden Höhepunkt. So entsprechen sich Unfang und Ende; beide stehen in ihrer unerschöpflichen Fülle unter dem dunklen Schatten der Geschicke, die den Täufer treffen. Das hat Bit hervorgehoben, indem er hier wie dort formulierte: Da Jesus hörte, . . . entwich er. So gewinnt auch der Bericht vom Tode des Täufers samt dem Urteil des herodes seine notwendige Stelle. Er ist nicht willkürlich eingeschoben, sondern bereitet das Ende von Jesu wirken in Galiläa vor. Er leitet über zu der Wanderung in heidnischen Gebieten, während der nicht nur der Tod des Täufers aufklingt, sondern auch der erste Hinweis auf Jesu eigenen Tod; er bereitet so auch Jesu Ende selbst vor. Jetzt erst läßt sich eine Untwort auf die Frage finden, ob Bit oder Bit in diesem Zu­ sammenhange im Recht sind. Daß das Geschick des Täufers m it dem Jesu verknüpft sei, ist ein biographischer Gedanke der alten Überlieferung, denn auch Bitt kennt ihn deutlich genug (vgl. le .1 4 61411 so, auch 9i2f.). Die Erzählung von Johannes' Tod muß auch vor Jesu Wanderung im Heidenlande angeordnet worden sein, da sie für das Lliasgespräch nach der Verklärung die Voraussetzung bildet. Dann liegt es aber nahe, in dem matthäischen Zusammenhange die ursprüngliche Klammer zu sehen, welche die Erzählung an diesen Grt band. Bit hat diesen Zusammenhang nicht verstanden oder nicht gekannt; er hat ihn zudem durch die Aussendung der Zwölfe unterbrochen. So ist ihre Rückkehr an die Stelle des ursprünglichen Zusammenhanges getreten, da die Anwesenheit der Zwölfe für die Geschichte der wunderbaren Speisung nötig war. Bit hat da? Ursprüngliche bewahrt, B it hat eine solche Hrdnung nicht mehr gekannt oder zerstört.

M 1413-14

235

28. Offenbarungen (14 13 so) 28a. D ie S p e i s u n g (14i3-2i) (Ulf

6 30-44)

(£ 1 9 io-i?)

" D a J esu s d as hörte, entwich Er von dort in einem Schiff an einen einsamen Ott allein; und da die Scharen das hörten, folgten sie3 h m zu F uß a u s den S tä d ten . " U n d Er kam heraus und sah viel Volk und erbarmte Sich über sie und heilte die Kranken. 152)a e s däm m erte, kamen zu I h m die Jü n ger und sagten: „Einsam ist der Ort und die S tu n d e schon vorüber; entlaß also die Scharen, daß sie in die D örfer gehen und sich Speisen kaufen." " J e s u s sprach zu ihnen: „ S ie haben nicht nötig fortzugehen; gebt ihr ihnen zu essen!" " D ie sagten zu I h m : „W ir haben hier nur fü n f B rote und zwei Fische." 18Er sprach: „B rin g t sie M ir her!" " U n d befahl, daß die Scharen sich lagerten a u f dem G ras, nahm die fü n f B rote und zwei Fische, schaute a u f zum H im m el und dankte. Und brach und gab den Jü n gern die B rote, die Jü n ger aber den S c h a r e n .20 Und aßen alle und wurden satt und hoben auf, w a s an Brocken übrig w ar, zwölf Körbe voll. ^ D e r Essenden aber w aren schier 5000 M a n n , ohne Frauen und Kinder. w ährend die Einleitung (D. 13f.) bei ItTt und IN! nur in wenigen, aber entscheidenden Wendungen übereinstimmt, gehen in dem hauptteil der Erzählung die beiden Berichte erstaunlich nahe zusammen. Dennoch läßt sich gerade hier an Einzelheiten zeigen, daß beide Fassungen voneinander unabhängig sind. M an erkennt es besonders deutlich an dem einführenden Dialog zwischen den Jüngern und Jesus. Er beginnt mit den gleichen Worten, verändert sich auch in Jesu Antwort nur wenig,- dann aber beginnen die beiden Fassungen sich zu trennen,- bei M t wagen die Jünger keinen anderen Einwand als den Hinweis, sie hätten nur fünf Brote und zwei Fische,- nach Mk fragen sie, ob sie Brote kaufen sollen. Dort gipfelt der Dialog in dem Befehl Jesu, den kleinen Vorrat zu bringen,- hier bei Mk stellt Jesus erst durch Fragen den Vorrat fest, und der Befehl wird gar nicht erwähnt,- daß die Brote und Fische aber gebracht werden, wird im folgenden vorausgesetzt. Das Umgekehrte zeigt sich im weiteren: Jesus ge­ bietet der Menge, sich zu lagern,- Mk berichtet ausdrücklich, wie es geschah — M t aber schweigt hier völlig davon. Dabei sind zwei kleine stilistische Zeichen lehrreich — Mk konstruiert dabei in l mit dem Dativ, M t indes, der in analogen Fällen ebenfalls den Dativ seht, schreibt hier den Genetiv. Ja , er, der sonst weit besseres Griechisch schreibt als Mk, setzt in v .is drei Partizipien hintereinander, Mk vermeidet diese Häufung und setzt statt des ersten ein Verbum finitum. Solche Zeichen genügen, um die Un­ abhängigkeit beider Fassungen voneinander zu erweisen. Mk ist der farbigere und breiter ausladende. M t ist knapper und feierlicher, wie sich gleich noch ergeben wird. 1413 s .1 N ur hier erw ähnt M t einen einsam en G rt, an den Je su s sich zurück­ zieht. F ü r Mk ist es eine G ew ohnheit Jesu ( I 4 0 ) ; er kann d aru m hier diesen Rückgang in die Einsamkeit noch w eiter ausm alen m it dem seltsamen Zug, die Jü n g e r hätten der R uhe bedurft. F ü r M t h at die Einsamkeit des G rtes sichtlich andere B edeutung, freilich keine politische (s. zu Mk 6 3 0 ), sondern eine kultische. Aus ihr tr itt E r hervor, um die Kranken zu heilen und das Volk w u n d erb ar zu speisen,- in sie tr itt E r zurück, um „allein au f dem Berge zu beten" ( M 2 3 ) . So tr itt auch der Hohepriester „hinter dem V orhang" au s der Einsamkeit des Allerhei1 Überleitung, die Mk 630-34 zu neuem Sinn verkürzt, v .is ixetö ev ist unbestimmt, ni 1368 w ar Jesus in Nazaret, mutz also an den See zurückgekommen sein, auch bei Mk diese Unbestimmtheit,- genau ist allein ZI 9iot>. — Seine Fahrt ist eine Flucht, dvaxcoQslv häufiger, etwa wie im AE Elia an den Bach Krith. 3 n inetöev verrät steh schon die Zusammenziehung von ZTlf 632s. — Sgetöcbv kann hier kaum heißen: „aus dem Schiff", sondern dem Sinn des Erzählten nach, „aus seinem versteck",- nur dann wird der w eg der Scharen sinnvoll.

ligsten hervor, um das Volkzu segnen. Aus dem gleichen Grunde erklärt sich auch der seltsame Zug der Bevölkerung in die Einsamkeit/ es ist gleichsam ein Zug zum Gottesdienst, deshalb „folgen sie Ihm zu Kuß", wie es für eine Pilger­ fahrt zum Tempel vorgeschrieben ist1. Man kann deshalb nicht fragen, wie das möglich war/ dem frommen Erzähler genügt es, diese Wanderung als eine heilige wallfahrt zu charakterisieren. Erst Mk hat nach solchen nahen Möglich­ keiten gefragt und durch malerische Einzelzüge die Tatsache klären wollen und ihren Sinn verdunkelt. Der kultische Sinn schwingt auch in dem nächsten Satz weiter: Die Menge ist da, Jesus tritt hervor — nicht aus dem „Kahn", das Wort ist zu weit entfernt, und der Gedanke berücksichtigt nicht, daß Jesus sich an die „einsame Stätte" zurückgezogen hat und daß die Bevölkerung in allen Städten erst davon hört, ehe sie sich aus den Weg macht, „Ihm zu folgen", sondern aus der freiwilligen Einsamkeit, und wie mit göttlicher Huld „erbarmt Er" sich der harrenden Menge2. Selbst in dem letzten Sah ist die kultische Anschauung noch spürbar, während Mk von der Lehre Jesu berichtet— ein Gedanke, der dem ersten Evang. wahrlich nahe genug liegt—, erzählt Mt von Krankenheilungen. Das ist ein stehender Zug seines Evangeliums, der die Geheilten zu der Gemeinde ihres Meisters beruft (vgl zu4 26ff.); er nimmt an seinem Teile jene eschatologische Erfüllung vorweg, nach der in der bleibenden Gemeinde weder Krankheit noch Not sein werden. Aber stichhaltig wird die Begründung erst, wenn man sich erinnert, daß jede Krankheit den Betroffenen von der Teilnahme an den gottesdienstlichen Zeiern des jüdischen Volkes ausschloß. So ist aber die Heilung nur die Vorbereitung, die wunderbare Speisung wie einen Gottes- und Herrendienst zu feiern. 14i6-i63 Wie ein Introitus beginnt das Gespräch zwischen den Jüngern und Jesus, wie es auch nie wieder mehr begegnet. Mt vermeidet in diesem Anfang den Ausdruck &ga noXXiq, der vieldeutig ist/ in der Erzählung ersetzt er es durch das klarere „da der Abend kam", im Gespräch durch den Satz: „Die Stunde ging schon vorüber." Er ist weit unbestimmter und vieldeutiger, aber darin liegt die Absicht. Die Jünger sprechen offenbar von der gewohnten Stunde der etwa um 5 Uhr üblichen Abend- und Hauptmahlzeit, und sie wissen dabei nicht, daß die wahre Stunde der Speisung durch den Meister erst kommt. Diesen doppel­ sinnigen Hinweis auf das kommende Wunder, den sie wider Wissen und Villen aus­ sprechen, kennt Mk nicht, trotzdem er die Art des Gespräches bereichert und vertieft. Jesu Antwort ist nicht mehr nur ein knapper Befehl, sondern durch einen Zusatz erweitert, der das Gespräch in andere Richtung lenkt. Mk verknüpft durch den Gedanken des Kaufen?, Mt durch den Gedanken des Kortgehens. Das ist zunächst nur Verdeutlichung des Befehls, aber deutet doch darauf hin, daß an dieser Stelle die Menge gespeist werden soll. Erst mit dem Einwand der 1 nelift ist offenbar gegensätzlich zu iv nkolq> gesagt. 1 ankayxvltea& ai s. zu 9s«; vgl. LXX A Droo. 17c, II Makk 6s, in Sy mm. 1 Sam 23-1 Ez 24-i. M t ersetzt Lehre (Mk) durch Heilung auch in 19- 21 u. * Nur kleine Änderungen zu Mt 6ss: dynag yevoftivrjg. Mk undeutlich ojgag noAXrjs; ist schon bei Mk &ga soviel wie js/idpa? Bei Mt &ga nag- (nicht ngo-) fjX&ev deutlich. Vielleicht auch die „Essenszeit", om. Mk eis rot$s dygods wie 8 --1| Mk5ii, offenbar weil ihm der Sinn dyg&z — Gehöft fremd ist. — Mt &dd.: ov xgelav e/jotwiv dneA&elv. hier ist die Absicht der Speisung schon ausgesprochen, das Schillernde des Mk-Gespräches dogmatisch geklärt. (Es fehlt die Erwiderung der Jünger und die neue Krage Jesu/ statt dessen folgt kur; die Angabe des Mundvorrats. Mt vermeidet Kragen Jesu 8» 16s-ie 17u.i4.i7 181 19? 26ie (vgl. Allen, p. X X XII).

Ult 14w-n

237

Jünger wird die neue Richtung der Worte Jesu völlig klar. Es ist nicht mehr ein gleichsam selbständiger Einfall, der auf die Unmöglichkeit von Jesu Befehl fast ironisch hinweist, sondern die nüchterne Zeststellung von Dienern, die nur an den geringen eigenen Vorrat erinnert und dem Herrn und Meister überläßt, einen Ausweg zu finden. Sie ahnen auch jetzt nicht, daß Jesu Befehl schon auf eine wunderbare Erfüllung sich richtet. Und Jesus geht nun mit ausdrücklichen Worten diesen Weg, der von Anfang an geplant und von den Jüngern nicht gesehen war. So hat sich aber die innere Haltung des Gespräches verändert. Nur in den ersten Worten ist das Zwielicht johanneischen Mißverstehen;,- dann tritt immer stärker die Hoheit des Meisters hervor, Er fragt nicht mehr, sondern stellt fest und befiehlt, die Jünger aber sind die demütigen und kaum selbständigen Diener ihres Herrn. I419-211 Mk schildert jetzt mit farbigen Zügen, wie auf Jesu Geheiß die Menge sich gruppenweise lagert. M t bringt nur den Befehl, nicht seine Ausführung, und gibt ihn noch in einer partizipischen Konstruktion, die den folgenden Satz zu den beiden einleitenden noch um eine dritte vermehrt. Vas ist mit feiner Bedeutung geschehen. Venn dieser schildert in feierlich liturgischen Wendungen die Gebärden und das Gebet des Meisters, mit denen Er Brot und Zisch ver­ teilt,- es sind nicht ohne Absicht fast die gleichen Worte, die das Abendmahl schildern (2626 s.). Mt geht hier sogar noch weiter als Mk, indem er um der Symmetrie willen auch dem „Er gab" im Partizip das „Er brach" vorausschickt und am Ende dieses großen Satzes auch die Verteilung an die Menge in gleich­ gestimmten Worten berichtet, so daß Er allein der Gebende ist. w ie aber das Abendmahl kultische Zeier ist, so ist es auch diese Speisung,- und zu ihrem Zeremo­ niell gehört Jesu Geheiß, daß die Menge — wörtlich und bezeichnend — „ge­ lagert werde", als der liturgische Anfang einer gottesdienstlichen Handlung. Dieses „Lagern" gehört um so mehr dazu, als aufrecht stehen für den Juden die selbstverständliche Haltung bei jeder kultischen Zeier ist. Und wie diese wunder­ bare Speisung die Überwindung jedes geschichtlichen und die Vorausnahme des eschatologischen Kultus bedeutet, so ist auch die liegende Haltung — es sind Gottes Mahlgenossen an Gottes Tisch in Seinem Reich — dem gewohnten kultisch pflichtgemäßen Verhalten des Zrommen entgegengesetzt. M an darf vermuten, daß für solche Haltung auch die Art der Zeier maßgebend war, in der in der Gegenwart des M t die christliche Gemeinde das Abendmahl beging. Darauf geht es wohl zurück, daß M t weder in diesem noch im nächsten Satze von den Zischen spricht; sie gehören nicht mehr zum Abendmahlsbrauch der Gemeinde. Mk historisiert stärker durch ausmalende Züge, M t stilisiert durch kultische Bezüge. Roch einen letzten Zusatz hat Mt: „ohne grauen und Kinder2." Schon Grigenes macht darauf aufmerksam, daß dieses „ohne" doppeldeutig ist. Es kann das Wunder vergrößern: Die anwesenden grauen und Kinder sind nicht mitgerechnet, oder kultischen Regeln anpassen: grauen und Kinder waren nicht anwesend, wie es altem jüdischem Kultusgebot entsprach, w ie dem auch sein mag, in jedem kleinen Zuge hat Mt ehrfurchtsvoller als Mk und selbständig die eine kultische Zeier der eschatologischen Gemeinde geschildert, die ihr Bestehen in einer wunder­ samen Speisung des Meisters und Herrn begründet weiß. 1 v . l» jetzt 3 Particip.: alles tendiert auf eiA6yi)oev (anders beim Abendmahl), gut xeÄeuoag hat Ulf &&ha£ev. 2 Ähnlich 153«.

238

Var Seeromtbeln Jesu

28 b. D o s S e e w a n d e l n

( M 2 2 -3 3 )

(UI! 645-52)

22Und Er nötigte die Jünger, in das Schiff zu steigen und vor Ihm an das andere Ufer jv fahren, bis Er die Schare» entließe. 22Und da Er die Scharen ent­ lassen hatte, stieg Er auf den Berg, für Sich zu beten. Und da die Dämmerung kam, war Er allein dort,24bad Schiff aber schon viele Stadien vom Lande entfernt, von den Wellen geworfen, denn es war Gegenwind. 22Um die vierte Nachtwache kam Er j« ihnen, wandelnd auf dem Meere. 22Da die Jünger Ihn auf dem Meere wandeln sahen, wurden ste bestürzt, sagten: „Ein Gespenst ist es", und schrien vor Furcht. 22Gleich sprach Jesus zu ihnen also: „Seid getrost! Ich bin es, fürchtet euch nicht!"28Antwortete Ihm Petrus und sprach: „Herr, wenn Du es bist, befiehl, daß ich zu Dir komme auf den Wassern!"22Er sprach: „Komm!" Und stieg Petrus aus dem Schiff, wandelte auf de» Wassern und kam zu Jesus. ^D a er aber den Wind sah, fürchtete er sich, und da er zu verstnken begann, schrie er also: „Herr, hilf mir!" “ Gleich streckte Jesus die Hand aus, ergriff ihn und sagt zu ihm: „Klein­ gläubiger, wozu zweifeltest du?"82Und da fie in das Schiff gestiegen waren, legte sich der Wind; die im Schiff beteten zu Ihm und sagten: „Wahrlich, Gottes Sohn bist Du!" Die Abweichungen der Uli gegenüber Ul! sind geringer als sonst bei Übergängen, ein Zeichen für die Heftigkeit der Tradition. Daß er auch hier selbständig ist, scheint aus einigen kleinen Änderungen hervorgehen zu können. Die Ortsangabe der Ulk „nach Bethsaida" ist unmöglich, da dar Boot hernach in der Landschaft Gennesar landet (s. zu Ult 6 45); Ult, der m it den geographischen Verhältnissen vertrauter ist, hat sie nicht. Tr schreibt ferner sachgemäßer und zugleich feierlicher ävißr) (vgl. 5 i), und fügt noch ein x o t * lötav hinzu, dar fast ein Kennwort galiläischer Überlieferung ist. Uli läßt es aus. Wenngleich die Erzählung von Jesu Epiphanie auf dem Uleere ursprünglich selb­ ständig gewesen ist, so haben doch Ulk und Ult aller getan, um sie eng an die vorher­ gehende zu binden. Die Überleitung ist wie ein G rat zwischen zwei hohen Gipfeln. Die Sätze (D. 22.2s) sind bei Ult vielleicht noch deutlicher als bei Ulk ein Nachklang der wunderbaren Speisung; er hebt in v . 2« wie von neuem an: Da es übend war, w ar Er allein; bei dem 4 .Evang. gehört ein knapperer, ganz ähnlicher Satz zu der Speisungs­ geschichteselbst (61s), und auch dort folgt die Epiphanie-Erzählung, trotzdem sie hernach nirgends mehr berührt wird, fluch dieser joh. Sah dient zur Überleitung, d. H. zum Abschluß der Speisung — und zur Vorbereitung des Seewunders. Der versuch, Jesus zum König zu machen, ist gewiß aus joh. Geist geflossen und bildet einen wirksamen Kontrast zu dem Bekenntnis des gleichen Kapitels, das P etrus ablegt. Der Sah zeigt aber, wie notwendig es war, die Reaktion der Menge zum Abschluß zu schildern; sie wird abgefangen durch die Bemerkung: bis Er sie entließe. So bilden die beiden Er­ zählungen für die evangelische Tradition ein unlösliches P aar (vgl. auch Uli 652). 1422 -23. Die Überleitung vereint drei M otive: die Entlassung der M enge, die Abfahrt der Jünger und Jesu Berges- und Gebetseinsamkeit. Dos erste M otiv weist deutlich auf die Stunde der Mahlzeit zurück: Der Tag des W unders ist vorüber, jetzt erst ist „die Stunde vorüber", da die Jünger schon baten, die M enge zu entlassen. Und m it feierlich wiederholtem w o r t wird w ie aus einem G ottes­ dienst dar Volk entlassen. Das zweite M otiv weist aus die kommende Erzählung voraus; sie ruht auf der Trennung des Meisters von Seinen Jüngern. Aber w es­ halb die merkwürdige Verkoppelung: Er zwang sie abzufahren, bevor Er das Volk entließe? Zum ersten M ale vor der Gefangennahme werden die Jünger von ihrem Meister getrennt und zum einzigen M ale trennt sich der Meister

selbst von seinen Jüngern,- datz diese Trennung auf das folgende W under blickt, bedarf keines Wortes. Aber sie soll es nicht nur äußerlich vorbereiten — sonst begriffe sich nicht, datz die Menge vorher entlassen wird — , sondern es mutz ein sachlicher Zusammenhang bestehen. Er ist nur zu vermuten. Die wunderbare Speisung ist eine ebenso offenbare wie verborgene, eschatologische Tat des Menschensohnes für Seine Gemeinde,- bei ihr dienen die Jünger ihrem Meister in stummem Gehorsam. Sie sind durch solchen Dienst ebenso ausgezeichnet wie von der eschatologischen Gnade dieser m it dem Meister gefeierten M ahl­ zeit ferngehalten. Aber — so wird m an das Verständnis dieser Verbindung erschließen dürfen — der Meister hat ihrer nicht vergessen,- noch als die Menge von der Mahlzeit aufsteht, um heimzukehren, nötigte Er die Jünger in ein Boot. Ls geschah wohl ebenso rätselhaft wie die Speisung begann, aber der Sinn dieser Rätselhaftigkeit wurde noch in der gleichen Nacht ihnen erschlossen. Und er ist offenbarer als der, der in dem W under lag,- denn die Menge sah nur das W under der Speisung, hinter dem der Meister wie verborgen blieb; sie sahen den offen­ baren Herrn auf den Wassern wandeln. So verschlingen sich die Motive nach vorw ärts und rückwärts; sie fassen sich in dem letzten Motiv zusammen: Jesus stieg auf den Berg, um zu beten. Wie Er aus der Einsamkeit heraustrat, um sich des Volkes „zu erbarmen", so kehrt — M t erwähnt es nur an dieser Stelle — Er in die Einsamkeit des Berges und die Zweisamkeit des Gebetes zurück. Und das Gebet scheint als Vorbereitung der beabsichtigten Epiphanie gemeint zu sein, wie das Gebet zu Gethsemane der (Offenbarung der Stunde des Leidens vorausgeht. So verm ittelt Sein Gebet zwischen den beiden (Offenbarungen vor dem Volke wie vor den Jüngern. 14z3b-aa fluch diese Geschichte ist bei M t unabhängig von Mk. W as gäbe es für einen Grund, daß M t die beiden Sätze des Mk umstellt und dabei das iv i*ioq> des Mk, das er auch sonst hat (I82.20 10ie), durch ein pioov ersetzt, das er sonst gar nicht hat, ver­ wendet? w eshalb ließ er des Mk Bemerkung „Gr sah sie sich quälen" aus, die das wunder doch nur vergrötzert? w eshalb verbindet er hier in l mit dem Akkusativ, während Mk v.«2 und er selbst in V.25 den Genetiv setzen, besonders, nachdem er in 141» in l mit dem Dativ in in l mit Genetiv verwandelt haben soll? Wie ist es zu begründen, daß M t zwei Sätze des Mk (D .« d und so) ausläßt, aber dafür hinzusetzt, daß die Jünger „vor Furcht" schrien. Endlich soll M t D.eib völlig umgewandelt und D. «2 ganz unterdrückt haben? w ie er das von Mk oft betonte Unverständnis der Jünger mildert, zeigt 17as; darüber wird noch zu reden sein. Erst w enn man die Unabhängigkeit sieht, ist die Geschichte in ihrem Verlauf wie in ihrem flusgang zu verstehen. Sie gliedert sich deutlich genug in vier Stufen: Die ersten beiden Sätze schildern die Lage Jesu und der Jünger. 1423 b-251 Die Motive sind aus Mk bekannt; nur daß M t nicht von den Jüngern spricht, sondern kühn sagt: „Das Schiff w ar gequält von den V ogen" — eine Kühnheit, die Mk nicht erträgt, sondern persönlich wendet. Darum spricht er nicht von der (Qual der Wogen, sondern der des Ruderns. I n der Frühe des Morgens kommt Jesus, auf dem Wasser wandelnd, herzu; es ist die Stunde, da „Gott die Welt erneut", wie ein schönes rabbinisches W ort sagt. Die kleinen, 1 M t ist sprachlich eng an Mk angelehnt, aber klarer und selbständig. M t spricht zuerst von Jesus, dann von dem Boot (Mk umgekehrt) und mit neuem Zuge: viele Stadien entfernt (aber anders N C D ). ßaoavitopevov jetzt vom Boot; ßaaavl^eiv von Mt bevorzugt, bei Mk nur 2 mal, Lk I mal; auch sieht Jesus nicht mehr, was auf dem Meere geschieht.

unterbrechenden und undurchsichtigen Sätze des Mk sind verschwunden,' der klare Stil einer Epiphanie, wie er hergebracht ist, form t die Erzählung. 1426-27 v o r der Gewalt der himmlischen Erscheinung entsetzen sich die M en­ schen— Jesus befreit sie dadurch von ihrer Furcht, daß Er sich zu erkennen gibt. Diese Epiphanie sagt vielleicht für sich genug: Gott, der über den wassern wandelt, offenbart sich als Herr über Leben und Tod,' Jesus, der über den Wogen wandelt, ist also der eschatologische Herr über Leben und Tod. Aber es ist begreif­ lich, daß der Gemeinde daran lag, den In h a lt solcher Offenbarung zu verdeut­ lichen. Es ist unsicher und auf verschiedene weise geschehen. INI hat zum In h a lt die Rettung aus Sturm esnot gemacht, wohl veranlaßt durch das: „Fürchtet euch nicht." fluch bei M t ist das gleiche der Fall, ebenso bei Joh (6is), w enn auch hier zugunsten einer w underbaren Landung zurückgedrängt. So ist es begreif­ lich, daß bei M t noch ein neuer und größerer In h a lt der Epiphanie gegeben wird. Es ist eine Petrus-Geschichte und den anderen Petrus-Geschichten in der Art der Charakterisierung nahe verwandt. M an kann sie deshalb zur galiläischen Petrus-Überlieferung rechnen. 1428 P etru s „antw ortet", wie er auch sonst der Sprecher der Jü nger ist — ähnlich in der Verklärungserzählung, beim Menschensohn-Bekenntnis — , und wie er antw ortet, das entspricht dem Bilde eines im Augenblick bedrängten M annes, das die Überlieferung auch sonst von ihm zeichnet, und ist zugleich für die übrigen gesagt. Seine L itte spiegelt noch die überstandene Furcht wider; sie versucht, an dem Befehl und an der Stimme den vertrauten Meister zu erkennen. M it einfacher Kunst ist aus der Situation heraus die Anknüpfung gefunden: Der bisher von dem Meister durch die Schrecken einer nächtlichen Sturm fahrt getrennt war, der tiefer noch und furchtsamer durch die Offenbarung Seiner göttlichen Hoheit getrennt ist, strebt danach, wieder m it Ih m vereint zu sein, aber angesichts Seiner göttlichen Hoheit w agt er es nur auf Befehl Seines Herrn. 1429-so Und Jesus sagt seiner L itte zu. So wandelt P etru s auf dem Wasser hin zu seinem Meister. Und im Anblick des Sturm es überfällt den Schreitenden die Furcht, die er fast schon überwunden hatte; er beginnt zu versinken und bricht in den Ruf aus, der auch der Gebetsruf der Gemeinde ist. Darin liegt die Tiefe der Erzählung, daß sie in der äußeren Lage die innersten Röte des Herzens, seine Macht und Ohnmacht, seine Ängste wie seine Bitten verdichtet. 14si Und dem entspricht es, daß in dem rettenden Zugriff Jesu doch nur G ott Seine Hand allen Nöten lindernd entgegenstreckt. Aber das W ort geht weiter über die Sinnenwirklichkeit (nicht Sinnbildlichkeit) des Geschehens hinaus: Die Anrede „Kleingläubiger" und die milde tadelnde Frage: „w aru m zweifelst du?" stellt das ganze Geschehen in ein neues Licht. Denn nun ist es der reine und starke, von keinem Zweifel und keiner Furcht angerührte Glaube, der alles, auch über Wasser sicher zu wandeln, vermag. Der Glaube» der nach einem Jesus­ w ort „Berge versetzt", von dem Mk erzählt: „Alles ist möglich dem, der glaubt." Nicht ein Glaube, der allen Gefahren und Nöten m utig trotzt, sondern der sie aus eigener Macht aufhebt, selbst das äußere Leben sichert und trägt, kurz, der eschatologisch mächtige Glaube. Don ihm sprechen in ähnlicher weise die Er­ zählungen von der Stillung des Seesturmes oder von der Heilung der Epilep­ tischen.

ITtt 1426-33

241

1 4 SL M t dem letzten Sah geht M wieder dem Mk-Bericht parallel — der Satz ist fast wörtlich der gleiche. Denn jetzt wird auch das letzte ZHotro noch zu Ende geführt, das Sturmmotiv, das die Erzählung mit seiner dunklen Not begleitet und erhöht. I n dem Augenblick, da die beiden Meeresgänger das Boot besteigen, legt sich der Sturm Qoh hat das gleiche M otiv durch die wunderbare Landung noch erhöht.) Jetzt aber scheiden sich die beiden Berichte völlig; IN! spricht nur von dem Entsetzen, das die Jünger ergriff. M t erzählt, daß sie auf den Knien bekennen: „Wahrlich, Du bist Gottes Sohn!" Muß man nicht sagen, daß schon in der Tradition die Derstänünislosigkeit der Jünger nicht mehr er­ tragen und deshalb der Satz in einen bekennenden Schluß geändert worden ist, wenn auch dabei das Petrus-Bekenntnis vorweggenomm en ist? Aber solche An­ nahme ist irrig. Denn der Gedanke der Derständnislosigkeit der Jünger ist dem M nicht fremd (f. zu 16*ff.); warum sollte man das eine M al ändern müssen, um ein andermal sie wieder zu betonen? So wird der Widerspruch nur größer. Umgekehrt ist auch das Entsetzen, von dem MI spricht, m it einer großen Schwierig­ keit belastet; denn w as ist sein Grund? Daß Jesus auf dem Meere wandelt, diese Zurcht war schon berichtet und ist durch Jesu Wort genommen; daß Er wie ein göttliches w esen ist, dem M eer und W ellen gehorchen, ist nicht Gegen­ stand des Entsetzens, sondern leitet nur zu dem betroffenen Ruf: „Wer ist dieser?" Endlich ist es völlig unerhört, daß einer Offenbarung des Gottessohnes — und die Erzählung ist eine ursprüngliche Epiphaniegeschichte — auf der Seite der Empfänger nur Entsetzen folgen sollte. So reagieren nicht Jünger, die jetzt einer Offenbarung gewürdigt werden, sondern nur die Gottlosen, die am Ende der Tage verdammt werden. Also ist zu schließen: Da Mk sonst die Derständnis­ losigkeit der Jünger durchweg betont, hat er einen stehenden Zug hier überdeut­ lich gezeichnet (und noch durch D.ss unterstrichen); der Grund mag der sein, daß ein Bekenntnis an dieser Stelle die Wucht des späteren Petrus-Bekenntnisses minderte. Der Satz des M t aber entspricht der ursprünglichen Anlage der Erzählung; eine göttliche Offenbarung des Meisters ist geschehen, und die gläubige Ant­ wort daraus kann nur das Bekenntnis sein. M an kann dem auch nicht durch die Annahme entgehen, daß ursprünglich nicht Jünger, sondern andere, gleichsam unbeteiligte Menschen gemeint gewesen seien; denn dann verliert die Geschichte völlig ihren Sinn: Eine Offenbarung Jesu in göttlicher Hoheit vor Ungläubigen ist ein Widerspruch in sich selbst. Also hat hier M t die ursprüngliche und notwen­ dige Zorm der Erzählung bewahrt. So entspricht sie auch dem engen Zusammen­ hang, der in der Überlieferung zwischen der wunderbaren Speisung und dieser Erzählung besteht (s. zu 14ssf. und Joh 6 1 -2 2 ). Ja, sie ergänzen sich auf eine tief­ sinnige Weise: Dort geschah das eschatologische Wunder einer Mahlzeit für die berufene Gemeinde; es geschah ärmlich für die Armen und Notleidenden, aber dunkel blieb, aus welcher Macht dieser Rabbi so zu handeln vermag. Usurpiert Er nicht eine Macht, die allein Gott am Ende der Tage zusteht? Unsere Erzählung gibt die Antwort daraus. Nicht vor der Gemeinde, aber vor Seinen vertrauten Jüngern offenbart Jesus sich in Seiner eschatologischen Macht, der auch das dunkle Meer nur ein Boden Seiner Züße ist, und bleibt doch der mensch­ lich vertraute Meister. Aber entsteht jetzt nicht, w enn diesem Bekenntnis eine solche Bedeutung zukommt, eine unerträgliche Spannung m it dem PetrusBekenntnis? Auch M t scheint diese Zrage empfunden zu haben; denn hier liegt 7089

L o h m ey er, Matthäus

16

242

Vas Seewandeln des Petrus

der verborgene S inn der P etrus-E pisode. Sie stempelt ja die ganze Erzählung zu einem B ew eis des eschatologisch mächtigen G laubens,' darum verm ag Jesu s auf dem Wasser zu w andeln, w eil E r nicht w ie P e tru s kleingläubig ist, sondern der rein und stark G läubige (vgl. auch zu ITtt 9 u - 29). So vorsichtig und m aßvoll auch diese U m deutung geschehen ist — sie läß t ja das Bekenntnis am Schluß unangetastet — , so sehr h at sie auch die E rzählung von ihrer einzigartigen eschatologischen B edeutung entfernt,- die T at Jesu, auf dem Wasser zu w andeln, ist nicht m ehr die Tat, die I h n als den einen und einzigen eschatologischen Voll­ ender offenbart, sondern eine T a t aus eschatologischer Vollmacht,- sie ist dem reinen G lauben möglich, w ie neben ihr andere solche T aten möglich sind. D es­ halb beeinträchtigt bei ITtt dieses Bekenntnis kaum das spätere des P etrus,es ist nicht m ehr von der gleichen K raft und B edeutung w ie jenes.

Aber um so schwerer wird nun die Zrage für die ZRt vorausliegende Tradition, der diese Umdeutung fremd ist. hier sagen beide Bekenntnisse das gleiche, es sind beide Wale die gleichen Jünger, vor denen es abgelegt wird,- aber die §tage erstreckt sich nun auch nicht mehr auf das Bekenntnis, sondern auf die Offenbarung. Neben dieser, in der Jesus» auf den w assern wandelnd, sich als der eschatologische Herr bezeugt, steht zu seinen Lebzeiten die andere der Verklärung, die ihn durch Enthüllung seiner göttlichen Gestalt als den gleichen Herrn bezeugt. Erst durch dieses größere Neben­ einander werden auch die Unterschiede deutlich: v o rt eine Offenbarung auf „heid­ nischem" Berge, hier auf dem Galiläischen Nleere — Io h läßt sie in der Nähe K apernaum s stattfinden— ,- dort schauen ihn die drei vertrautesten, hier sind es allgemein die Jünger. Dort erscheint der offenbare wenschensohn in göttlicher Herrlichkeit, hier der in mensch­ licher Gestalt verborgene wenschensohn in der w acht einer gotteigenen Tat. w it an­ deren W o rten : Die zwei Epiphaniegeschichten entstammen zwei verschiedenen Kon­ zeptionen, die sich wohl in dem Geheimnis des wenschensohnes treffen, aber es auch in verschiedener w eise zu einem Teile aufheben, v o rt ist das Geheimnis völlig zer­ rissen, und die unverhüllte Herrlichkeit des eschatologischen Richters tritt hervor,hier ist das Geheimnis noch zu einem Teile gewahrt. Jene Geschichte der Verklärung gründet sich auf den Gedanken des reinen Gffenbarwerdens, diese Geschichten auf dem des Noch-Verborgenseins. W an darf dann auch zwei verschiedene Traditionen verm uten, die sich folgendermaßen charakterisieren lassen: w enn die w underbare Speisung eine vorw egnähm e der eschatologischen Zreudenmahlzeit für die Armen ist, w enn diese Geschichte jenes W under für die Jü n g er ergänzt und erklärt, dann darf m an auch diese Erzählung auf den Kreis der galiläischen Anawim zurückführen. Sie beschränken sich rein auf Galiläa, w arten des nahen eschatologischen Tages und folgen bis dahin den Spuren ihres w eisters, den sie als den jetzt noch verborgenen Herrn der Endzeit wissen. Die andere Tradition teilt wohl manche dieser Voraussetzungen, aber sie sieht die Gestalt des wenschensohnes in größerem Rahmen,- Er ist nicht nur der im m er v e r­ borgene, sondern auch der im m er Sich Offenbarende, Er beschränkt sich nicht auf Galiläa, sondern zieht auch die Heidenvölker in Seinen Kreis. Und endlich verbindet sich m it dieser Tradition auf eigentümliche weise die Gestalt des P etrus bzw. der Kreis der drei erwählten Jünger. Beide Traditionen haben nebeneinander in Galiläa gelebt,- sie bedurften auch kaum eines Ausgleiches, da sie aus der gleichen Wurzel des wenschensohnglaubens stammen. §ür die eine ist die Erzählung vom Seewandeln der Höhepunkt in der irdischen Jesu-Geschichte, für die andere die Geschichte der Verklärung, und beide können an bekannte W orte und Werke Jesu anknüpfen. Viesen beiden Offenbarungen entsprechen auch die beiden Bekenntnisse,- sie widersprechen sich nicht, sondern bezeugen nur auf doppelte w eise den versuch, das Geheimnis des wenschensohnes theologisch zu durchdringen. Unsere Evangelien haben beide neben­ einander bewahrt.

Ult 1434-36 2 8 c.

H e ilu n g e n

( 1434-36)

243

(Ulf 653-56)

2*Und sie durchquerten den See und kamen an Land in G ennesaret.36Und da die Leute jenes Ortes Ih n erkannten, schickten sie in die ganze Umgebung, und sie brachten Ih m alle Leidenden,33und baten Ih n , daß sie nur den Zipfel Seines Kleides berühren möchten; und alle, die berührten, wurden geheilt.

Der synoptische vergleich ergibt hier nicht viel. D enn der parallelbericht des Illf scheint au s zwei verschiedenen S um m arien zusammengesetzt zu sein, so dah der des M klarer und einheitlicher w irft; ob das ein Zeichen fü r Ursprünglichkeit oder für spätere Um­ arbeitung ist, mutz dahingestellt bleiben. Die Landschaft G ennesaret liegt am südwestlichen U fer des Sees. Liegt der Schau­ platz von 14 iL -21 nordöstlich von K apernaum , so scheint die Erzählung bei dem „K reu­ zen“ an die N ord-Südrichtung gedacht zu haben. Die N ennung von Gennesar ist be­ m erkensw ert; denn aus ihr scheint sich ein bestimmter w a n d erp la n für den Abschnitt 935-1436 zu ergeben. Jesus w andert in den D örfern und S tädten G aliläas, nachdem K apernaum und Umgebung abgeschlossen sind; es ist das Reich des Tetrarchen herodes A ntipas ( 14 i ) . G enannt w erden die Seegegend, N azaret und G ennesaret. N im m t m an deshalb fü r Kap. 10—12 den westlichen, bis zum M eere reichenden Bezirk G aliläas an, so ist in der T at ganz G aliläa von „dem Evangelium erfüllt". Umgekehrt begreift sich dann, daß hierher die E rw ähnung N azarets wie G ennesaret gerückt ist, und ein Blick in den topographischen P lan , nach dem die Erzählungen geordnet sind, w ird möglich. Daß solche O rdnung dem Evangelisten M t und wohl auch der T radition naheliegt, hat sich früher ergeben (s. zu 81 ff.) und ergibt sich w eiterhin. M it sichtlicher B etonung ist deshalb hier von den „Leuten jener Gegend" und jener ganzen Umgebung die Rede; sie zeigt auch, daß der Erzähler seinen S tandort fern von dieser Landschaft h at (so schon bei M i). Es entspricht dabei der Art des M t, dah er n u r von Krankenheilungen und zw ar aller Kranken spricht (vgl. 9 35 12 1 6 .2 2 1368 14 h ) . S o sind Krankheiten und Gebrechen aus dem heiligen Lande G aliläa gebannt. Nicht M t hat diesen Bericht geform t; denn singulär sind öiead)&r) und der synoptischen: „Ich bin gesandt"; für Lk gibt sie das Recht der Verkündigung (443 7a 962 1432 19ü .29.sä 2020 22s). Die Kormel stellt Jesus in die Reihe der Propheten (vgl. Mt 2537) und sagt nichts von dem Besonderen, das Ihn vor jenen auszeichnet, wie diese, so hat auch die zweite Wendung alttestamentlichen Klang und Sinn (vgl. IIIKö 22 12), aber hier tritt Besonderes hinzu. (Es ist ein Gesicht des Herrn, in dem der Prophet Micha „ganz Israel zerstreut sieht auf den Bergen wie die Schafe, die keinen Hirten haben". So ist also das Bild mit den Augen Gottes gesehen; nur für Ihn sind die Seinen Schafe, und ist (Er der Hirt. Und dieses nur von Gott aus zu schauende Bild ist hier auf den Meister selbst angewandt; auch (Et sieht also mit Gottes Augen — ja mehr; denn wenn dieses Gesicht auch einem Propheten zuteil geworden ist, (Et ist es auch, der die verlorenen Schafe sucht, (Et, der Hirt Gottes und Seiner Schafe. Das Bild des Derlorenseins fügt sich in den Rahmen dieses größeren Bildes deutlich ein; wie ein Schaf auf den Bergen sich verlieren und verirren kann, so sind hier Menschen gemeint, die ihren Gott und Herrn verloren haben. Zür dieses verlorensein gibt es also kein äußeres Maß; weder das Gesetz noch das Volk bestimmt hier, weder höhe noch Tiefe, weder Macht noch Ohnmacht — ; was für Gott verloren ist, das weiß auch nur (Er zu benennen und zu suchen. So ist also dieser „Gesandte" mit einer Vollmacht ausgerüstet, das zu tun, was Gott allein tun kann, zu suchen und zu finden, was verloren ist; das große Kapitel (Ez 34, das von den verlorenen Schafen und dem Haufe Israel spricht, wird hier Wirklichkeit*. (Es lehrt auch in dem Werk vom „Knecht David" die Christologie erkennen, die hinter diesem Spruch steht: (Es ist die des nah; &eov (vgl. 12ia Act 3 13.26 427.30, dazu hatnacfs Abhandlung). Sie prägt die eine Seite galiläischer Christologie, die andere ist der wo;, beide aber wurzeln in dem Menschensohn-Gedanken; der nah; ist der verborgene, der $16; der offenbare Menschensohn**. (Endlich ist ein Letztes an diesem w ort bemerkenswert: (Es spricht nicht von einer bestimmten Aufgabe, etwa eine Botschaft zu verkünden oder ein Werk auszurichten — nur das eine w ort „verloren" deutet die Richtung an — ; die Aufgabe heißt „suchen und finden", heißt zurückführen zu dem Hause und Stall des Hirten, der das Haus Israels ist. wie (Er das verlorene findet, das ist rein Sache des Gesandten; (Et handelt, wie Gott handelt, mit Seiner Macht und Seinem Erbarmen. Daher ist „Haus Israel" nicht einfach das jüdische Volk, sondern das Haus, das sich Gott einst in Israel errichtet hat und um dieser Erwählung willen an Israel gebunden bleibt, wie auch die biblischen Kinder davon ausgeschlossen sein mögen. 1526 Die Jünger redeten an ihrem Meister, der Meister an Seinen Jüngern vorbei; die äußere Ziellosigkeit dieses Gespräches dient nur dazu, die Gemeinten zueinander zu führen, weshalb auch die Jünger nicht mehr in der Erzählung begegnen. Überdies bedeuten die gewechselten Worte sichtlich eine pause im * S. KE 79f.

** S. GD 69 ff.

litt 1526-2»

255

W andern, so daß die M utter nun „kommen" kann und zum zweiten M ale die Bitte vorbringen kann. Sie ruft nicht mehr, sondern spricht, und das klarste Zeichen der räumlichen Nähe, aber auch des gläubigen und demütigen Ziehens ist der Tonfall, m it dem die M utter vor Jesus, ihrem Herrn, niedersinkt1, w ieder ist es ein w o rt flehentlicher Bitte, wie es das NT zu Gott emporschickt,- bei M t begegnet sie nur hier (bei Mk noch zweimal, aber 922.2t, wo M t cs nicht hat), w ie es scheint, ein w o rt, das besonders in heidnischem M unde vorkommt (vgl. Act 16s). 1526-2» M it solcher wiederholten Bitte nähert sich die Erzählung ihrem Höhepunkte, der bei Mk wie M t fast gleich überliefert ist. Aber auch hier ist die bewußtere Sorgfalt bemerkenswert, m it der M t die Geschichte geformt hat. Nur Jesus „antw ortet", und E r tu t es dreimal, die M utter „spricht" zu 3 hm ; Mk hat von dieser bewußten Hervorhebung nichts. Jesu Antwort klingt auch schroffer als bei Mk; M t hat den Satz nicht, der grundsätzlich Sein wirken aus alle Menschen ausdehnt und den „Kindern" nur einen zeitlichen Vorrang vor anderen gibt: Laß zuerst die Kinder satt sein! Er schreibt auch nicht: Es ist nicht gut, sondern „es ist nicht erlaubt" oder „es ist nicht möglich". Für M I ist es eine Zrage des Ermessens oder auch des Geschmacks, für M t eine der Pflicht, der gläubigen oder sittlichen. Daß die strengere Zorm auch die wahrhaftere und vielleicht auch ursprünglichere ist, braucht m an nicht darzulegen. Nur an einer Stelle verrät Mt, daß auch dieses Nein in aller persönlichen Milde und aller sachlichen Strenge gemeint ist. Vas Bild wendet ja das gelegentliche, auf die Heiden gemünzte Scheltwort „Hunde" an; aber es fügt „Hunde" und „Kinder" in dem Bilde eines Haushaltes zusammen, in dem beide Gegenstand der Zürsorge, wenngleich einer abgestuften, sind. Sodann spricht es nicht von Hunden, sondern von „hündlein", den im Hause gehaltenen und gepflegten Schoßhunden, den Spielgefährten der Kinder. So steht auch hinter dem abweisenden w o rt der Gedanke eines gemeinsamen Hauses, in dem Kinder und Hunde ihren ver­ schieden abgemessenen Anspruch auf Zürsorge und Nahrung besitzen. Darin aber liegt das Treffende und Überwältigende der W orte der Zrau, daß sie diesen verborgenen Gedanken ans Licht zieht und zu ihrem heile wendet, ohne daß auch nur ein w o rt Jesu dabei angebracht wäre. Sie spricht nicht von dem Brot, sondern den K rum en; sie wehrt auch die Unterscheidung zwischen Kindern und Hunden nicht ab; sie rü h rt auch nicht an den Gedanken der Pflicht, von dem Jesus gesprochen hatte; sie stellt ihm nur schlicht die Tatsache, daß auch die Hunde von ihren Herren leben, gegenüber2. M t hat auch hier das Bild, abweichend von Mk, folgerichtiger durchgeführt. Er spricht ausdrücklich von den „Herren", die Kinder und Hunde gleicherweise nähren; er spricht damit von jener Instanz, die sie zur Gemeinsamkeit des Hauses zusammenbindet. Aber — und darin liegt das Bezaubernde dieser W orte — er spricht auch dann noch davon, als w äre es etwas Zufälliges und nichts verpflichtendes: Die Krumen „fallen vom Tisch ihres Herrn", so daß auch die hündlein sich nähren. Die Art, wie M I diese Antwort wiedergibt, bleibt dem ersten Sah getreu, den er allein hat: E r sagt kurz, die Krumen der Kinder — das heißt, w as die Kinder übrig oder fallen lassen, das fällt den Hunden zu. So werden „zuerst die Kinder satt", danach die Hunde. 1 ngoaxvveiv häufig bei Mt, s. horst, proskgnein. 1 Das W ort der grau legt auf den Ti Ich des Herrn w ert, weil sie vor dem Herrn des Tisches steht.

1528 So kommt es zu dem letzten und entscheidenden w o rt Jesu, das die Spannung zugunsten der M utter löst. ITH fügt es mit einem einfachen „und Cr sprach zu ihr" an. M t behält wieder die Zormel bei, die alle Worte Jesu einleitet, aber hebt sie durch die Nennung des Namens „Jesus" wie durch ein betontes „Da" heraus. Das Wort selbst ist bei beiden nur der Sache nach gleich, in Zassung und Färbung aber bei beiden sehr verschieden. Mf kommt es auf die tatsächliche Heilung an und spricht deshalb, als wolle er die sonst an dämonisch Kranke gerichtete beschwörende Zormel der veränderten Lage anpassen. Cr hebt damit zugleich die Macht und Hoheit hervor, mit der der Meister diesen Zoll entscheidet,- nur in der ersten Hälfte des Wortes blickt die Reaktion auf das Wort der Zrau durch, aber auch die so gespendete Anerkennung ist die An­ erkennung eines Herrn, der seinen Dienern gnädig gewährt, was sie von ihm erbitten. M t faßt die äußere Lage völlig anders auf: Jetzt wendet sich Jesus mit unmittelbarem Wort an die Zrau, über deren Bitte Cr bisher hinweggesehen und gesprochen hatte; und es ist eine seltsame Kügung, daß im NT diese Anrede „Weib" nur noch zweimal begegnet, in den johanneischen Worten Jesu an Seine eigene Mutter. Dreimal findet sich das verbindende „Du", das bisher völlig gemieden wurde, in diesem knappen Satz. Der Inhalt des Wortes ist dem fast gleich, das Jesus zum Hauptmann von Kapernaum gesprochen hatte: Der Glaube des Bittenden ist die entscheidende Macht1; und er ist erkennbar in der Demut und dem Gehorsam gegenüber dem Meister. Wohl spricht Jesus noch das „Cs geschehe", einem göttlichen Schöpfungswort völlig gleich —, aber es ist ein „Werde" wie du willst3. w ie auf gleicher (Ebene haben sich der wunder­ mächtige Meister und die gläubige M utter gefunden, und zwischen denen, die einander zu Anfang so unendlich fern schienen, ist alle Zerne überwunden. Mit einem kurzen Satz, der nur die Heilung „von jener Stunde ab3" berichtet, schließt die Erzählung. Cr zeigt, daß es dem M t um den Gehalt der gewechselten Worte vor allem zu tun ist; Mk ist die vollzogene Heilung wichtiger, und er ist darin ausführlicher. 3 0 b. Z w eite S p e isu n g (1529-38) (IUI 7 si 81-10) (Am See)

33Und Jesus ging fort von dort und kam das Galiläische Meer entlang und ging auf den Berg und setzte sich d o rt.33Und kamen zu Ihm große Scharen, die hatten mit sich Lahme, Krüppel, Blinde, Stumme und viele andere und legten sie ;u Seinen Füßen, und Er heilte sie, 31daß das Volk verwundert war, da es sah Stumme reden, Krüppel gesund und Lahme gehen und Blinde sehen. Und sie priesen den Gott Israels! 33Jesus rief Seine Jünger herbei und sprach: „Mich erbarmt des Volkes, denn schon drei Tage harren sie bei Mir und haben nicht, was sie essen sollen, und sie hungrig fortschicken will Ich nicht, daß sie nicht am Wege verschmachten." 33Und zu Ih m sprachen die Jünger: „Woher kommen uns in der Wüste so viele Brote, daß so viel Volk satt würde?" 1 G roßer und kleiner G laube, w ie unterscheiden sie sich? K einen W iderstand zu achten, ist groß. ' 8 yevri&ijTco zugleich im Anklang an 3. B itte und Gethsemane. 3 änd rfjs wgag ixelvrjs vgl. M t 81 3 9 22 17 18.

litt 1528. 29

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"Und spricht ju ihnen Jesus: „Wieviel Brote habt ihr?" Sie sprachen: „Sieben und wenige Fischletn." "Und da Er dem Volk geboten hatte, sich auf der Erde ju lagern, "nahm Er die sieben Brote und die Fische und dankte, brach sie und gab sie den Jüngern, die Jünger aber den Scharen.37Und aßen alle und wurden satt, und den Rest der Brocken hoben sie auf, sieben Körbe voll. "Die gegessen hatten, waren 4000 Mann ohne Frauen und Kinder. Das Summarmm v . 29-31 gehört als Präludium zur folgenden Erzählung, wie ein v e r­ gleich mit 1 4 i 4-2i lehrt. Daß hier die Krankenheilungen betonter herausgehoben sind, hat folgenden G rund: Jesus befindet sich auf heidnischem Gebiet (s. zu D . 29), die Ge­ schichte erzählt die getet der heidnischen Gemeinde,' zur Begründung der Gemeinde ist Voraussetzung: Heilung der Kranken. Btt übergeht dabei die Btt-Erzählung von der Heilung eines Taubstummen? sein summarischer Bericht tritt nicht etwa an deren Stelle. Nach dem Grunde solchen Über­ gehens zu fragen, ist sinnvoll nur bei der Annahme, M sei von Btt literarisch abhängig, golgt jeder einer in ihrem Ursprung gleichen, aber verschieden überlieferten Tradition, so fällt die grage fort? ja, die Unmöglichkeit, auf die erhobene grage zureichend zu ant­ worten, zeugt dann von der Selbständigkeit der beiden Evangelisten. Der W ortlaut der Speisung stimmt bei beiden Evangelisten sehr nahe überein, Daß die Überlieferungen trotzdem selbständig sind, erkennt man an einigen kleinen Zeichen, z.B .: 3 n v . 35 schreibt Bit nagayyeLXag ... iXaßev, Btt nagayyiX ei xal Xaßwv, Btt konstruiert inC mit dem Akk., Btt mit dem Gen. Jener lässt Jesus die Brote mit den gischen nehmen, segnen und brechen? dieser fügt die gische in einem besonderen Satz hinzu. Die Tempora bei Verben des Sagens sind in v . 32 bei Bit Aor., bei Btt Präs., in V. 38 bei Bit Präs., bei litt Aor., in D .s* bei Nit Präs., bei Btt Jm perf. Dann fahren beide in Tempora der Vergangenheit fort. Aus solchen und anderen kleinen Zeichen ist zu schließen, datz litt nicht von Btt literarisch abhängig ist. Eine besondere gärbung dem Bit-Bericht abzuspüren, ist bei der nahen Verwandt­ schaft beider Texte schwierig. 3 m einzelnen ist bei Nit manches sorgfältiger geformt: 3 n D. 33 ist auch sprachlich die Unmöglichkeit, das Volk zu speisen, durch das Gegenüber von ägroi rooovToi und q%Xov roaovrov ausdrücklicher bezeichnet? die Art der Vertei­ lung ist m it den gleichen Worten wie in 14 19f. angegeben, litt wechselt ab. Aber Btt übernimmt das Xaß6v in D.se — litt 80, das auch den Abendmahlstext charakterisiert? Itlt schreibt abweichend iXaßsv. So kann man hier nur die Unterschiede finden, welche die mündliche Weitergabe eines festen und heiligen Textes an verschiedenen Grten ihm zufügt.

1529 Nur in dem ersten Satz berichten Itlt und litt von der gleichen Wanderung Jesu. Der Satz des Bit ist sorgfältig geformt? zu Anfang ein exel&ev, am Ende ein exet — zwischen beiden zwei durch x a i koordinierte Sätze, die aus Partizip und Prädikat sich bilden? dabei korrespondieren noch p e r a ß a g und ävaßag. von solcher sorgfältigen Bildung hat Ulk nichts? er ist dafür in den topographi­ schen Angaben genauer, erzählt vom vurchzug durch Sidon, das Bit schon in 1521 erwähnt hatte, und dem Endziel der vekapolis, von dem Bit in 1539 die Stadt Blagadan nennt, w enn er an dieser Stelle sparsam in seinen Angaben ist, so daß man zunächst schwanken muß, ob Jesus wieder an dem vertrauten Westufer oder dem fremden Nordost- und Gstufer sich befindet, so hat das wohl einen einfachen Grund: Nit schreibt für Gemeinden, die in dieser Gegend wohnen und von Jesu gahrten wissen? litt schreibt aus dem fernen Rom für landfremde Leser. 7089 Lohmeyer, Matthäus

17

258

Die Speisung der 4000

Eine Besonderheit ist es, daß Jesus „auf den Berg steigt und dort sich setzt". So w ar bei der Bergrede berichtet, ähnlich nach der ersten Speisung, so vor der Verklärung, so endlich am Ende vor dem Missionsbefehl. „Der Berg" — der nicht genannt und doch bekannt und heilig ist — ist die Stätte hoher und höchster Offenbarungen, h ier berührt sich ZTCt fast wörtlich mit der johanneischen Dar­ stellung des Brotw unders (6 s): I n das Licht der kommenden Offenbarung treten also auch die folgenden Heilungen. 1530 Das ist gleich dem ersten Satz abzuspüren: Denn „große Scharen" sammeln sich um ihn — m an darf nicht fragen, woher sie kommen und w as sie suchen,- sie treten zu dem Meister heran und legen zu Seinen Züßen ihre Kranken nieder, wie man zu einem Tempel kommt und am Altare Opfergaben nieder­ legt. M an kann den tieferen Grund dieses Tuns kaum anders als so erklären: Weil am Tage der Vollendung keine Not und Krankheit mehr sein wird — denn Krankheit und Pein sind der Makel des immer unvollkommenen irdischen Lebens — , darum müssen sie getilgt werden. Und jetzt ist Der da, der sie tilgt, und der Tag der Vollendung bricht an, der eine reine und heilige Gemeinde sieht. Denn w as an Krankheiten genannt ist, das sind die körperlichen §ehler, die einen Aaroniden untauglich zum Priesteram t machen (III Mof 2 1 ivff.), die dem Ju den den E intritt in das Heiligtum zu Jerusalem verwehren. Darum bricht auch dann die Zeit ewigen heiles an, w enn die Blinden sehen, die Lahmen gehen, die Aussätzigen rein werden ( M i l l s , s. dort). 1531 M it sichtlicher Betonung ist deshalb in dem letzten Satz die Tatsächlichkeit dieser wundersamen Heilungen festgehalten, m it deutlichem Anklang an jenes W ort für den Täufer. Und die Wirkung auf die Volksschulen ist doppelt: Ein Erschauern vor der Größe des Geschehenen und ein Preisen des Gottes Israels. Es ist, als stände m an in dem ersten Teile eines eschatologischen Gottesdienstes,die heilige S tätte ist da, der Berg,- die heilige M itte ist da, der Meister,- da „tritt das Volk heran", und über seine Gebrechen strömt heil und Segen, so daß es in den p reis Gottes chorartig einstimmt. Die Wendung „Gott Israels" findet sich bei M t nur hier,- (vgl. noch Lk les [Zitat], Act 13 17 [zu proselgten]); es ist wohl ein deutliches Zeichen, daß hier Zremde den G ott preisen, der über Israel den Tag der Vollendung heraufführt. So empfängt aber auch die folgende Erzählung ein besonderes Licht: Sie spricht von der M itte der Zeier, die der Meister mit der einen, aus Heiden ge­ wonnenen heiligen Gemeinde einmal auf hohem Berge gehalten hat. 16s2-3» Das Verhältnis zu dem ersten Brotwunder ist bei Mk wie Mt auf die gleiche Weise zu erklären1. Jenes ist für Galiläa bestimmt, dieses zweite für den angrenzenden heidnischen Bezirk: Genauer, jenes für das jüdische Galiläa, dieses für das „Galiläa der Heiden" (4is). Die Unterschiede der Zahlen hängen wohl mit Auseinandersetzungen in der Urgemeinde zusammen: Die 12 Körbe Brocken in Kap. 14 weisen deutlich genug auf die 12 Jünger hin bzw. die 12 Stämme Israels, die 7 Körbe hier auf die 7 Dtafone, die nach Act 61 ff. für die Hellenisten eingesetzt werden. Wenn dort 5000, hier 4000 gespeist werden, so zeigt das deutlich, daß dem Erzähler noch nicht die unend­ liche Weite der heidnischen Völkerwelt vor Augen steht, sondern die begrenzte« Zahl jener Heiden, die in Galiläa und um Galiläa sich finden, wie denn in diesem Bezirk sich auch nach 4 » f . die Sendung Jesu begrenzt. Genaueres in meinem Aufsatz: Dos Abendmahl in der Urgemeinde (JB L 1937). 1 Zur Sprache vgl. Allen p. 172.

30c. A b w e i s u n g d e r P h a r i s ä e r u n d - S a d d u z ä e r i n M a g a d a n (1539 16 19) (M t 8 11-13.11-91) 2»Und Er schickte die Scharen fort, stieg in ein Schiff und kam in die Gegend von Magadan. 16* Und kamen die Pharisäer und Sadduzäer herbei, versuchten nnd baten. Er solle ihnen ein Zeichen vom Himmel zeigen.2Et antwortete und sprach zu ihnen:

„Wenn der Abend kommt, sagt ihr: Gut Wetter gibt es, denn rot scheint der Himmel. 2Und in der Frühe: Heute gibts Sturm , denn düster und rot scheint der Himmel. D as Angesicht des Himmels könnt ihr benrtellen, die Zeichen der Zeiten könnt ihr nicht? 2Ein Geschlecht, buhlerisch und böse, ein Zeiche» sucht es; und ein Zeichen soll es bekommen, das Zeichen des Jona." Und ließ sie stehen und ging fort. 2Und da die Jünger ans andere Ufer kamen, hatten sie vergessen, Brot mit­ zunehmen. 2Jesus sprach zu ihnen: „Sehet zu und haltet euch fern vom Sauerteig der Pharisäer und Sadduzäer!" 7Sie aber überlegten bei sich also: Wir haben kein Brot mitgenommen. "Da Jesus es merkte, sprach Er: „Was überlegt ihr bei euch, Kleingläubige, daß ihr kein Brot habt ? "Versteht ihr noch nicht, gedenket auch nicht der fünf Brote für 5000 und wieviel Körbe bekamt ihr? "Auch nicht der sieben Brote für 4000 und wies viel Körbe bekämet ihr? **Wie versteht ihr nicht, daß ich nicht über Brote zu euch sprach! Hütet euch aber vor dem Sauerteig der Pharisäer und Sadduzäer!" *2D a begriffen sie, daß Er nicht davon sprach, sich vom Sauerteig fernzuhalten, sondern von der Lehre der Pharisäer und Sadduzäer. M t 153»-16i2 (vgl. auch 1238-3»). Dieser Abschnitt ist bei M t als ein Ganzes gedacht: denn er spricht an einem und dem­ selben Grt, und handelt von den „Pharisäern und Sadduzäern", ihrer doppelten Abweisung durch Jesus, einmal unmittelbar, dann in ihrem Einfluß auf die Jünger (s. auch zu Kap. 16).

1539* Die F ahrt Jesu führt weiter,- M t gibt ein mögliches und wahrscheinlich richtiges Ziel an, M t ein unmögliches und jedenfalls unrichtiges. M agadan (auch als M agedan überliefert) liegt am Südostufer des Sees landeinw ärts; sein Gemeindegebiet erstreckt sich bis an die Seelüfte, so daß die Fahrt in nordsüd­ licher Richtung verläuft (s. zu M t 810 ). 16i Ein zweites M al spricht M t von einer Zeichenforderung. Das ist nicht so sehr durch eine Abhängigteit von M t bedingt, die nicht besteht, sondern durch seinen eigenen Zusammenhang bzw. durch die eigene, jeweils verschiedene 1 P . Thielscher, Eig r ä 8qia MdydaXa (Z D P v 59, 128— 132) 1936. 17*

Tradition. 3 n 1238-39 handelt es sich um „einige der Schriftgelehrten und Pharisäer", hier nur „die Pharisäer und Sadduzäer", dort nur eine Auseinander­ setzung auf altem jüdischem Boden, hier nur die gleiche auf heidnischem, für das größere Israel beanspruchtem Boden. So ist die Krage in ihrer Wucht gesteigert, denn in „den Pharisäern und Sadduzäern" tritt Jesus die Geschlossenheit der beiden größten Parteien entgegen: Das offizielle Judentum legt Jesus eine entscheidende Krage vor und legt sie im heidnischen Gebiet ihm vor, die auch auf Heiden Bezug hat. Man kann auch nicht einwenden, die Sadduzäer seien von Mt hinzugefügt. Wären sie es, aus welchem Grunde sind sie genannt? Nur dreimal erscheinen die Sadduzäer neben den Pharisäern in der Geschichte des Mt-Lvang.s. Das erste Mal im Anfang vor dem Täufer (3 ?), aber hier heißt es charakteristisch: „Diele der Pharisäer und Sadduzäer", das zweite Mal in Jerusalem, aber hier treten die Parteien geschieden auf (2223. m). Nur hier in diesem Abschnitt und auf diesem Boden bilden sie eine geschlossene Gruppe. Daraus geht die Bedeutung hervor, auch die noch literarische, daß die sich anschließenden Jüngerfragen unmittelbar zu dieser Auseinandersetzung gehören. Noch ein zweites Kennzeichen gibt dieser Text: Die Krage, die man an Jesus stellt, dient dazu, 3 hn zu versuchen: Seit der Dersuchung durch den Teufel (4 i-u ) ist es das erste Mal, daß dieser Gedanke begegnet; er wiederholt sich dann in Judäa (193) und in Jerusalem (22i8.s5). Die Krage bedeutet also Kundschaft derer, die sie stellen, — und wieder gibt dann die heidnische Um­ gebung, in der man sie erhebt, der Krage ihre besondere Note. Kür den Erzähler liegt das Motiv offen; nachdem gerade die zweite wunderbare Speisung gelehrt hat, daß auch Heiden zu der erwählten heiligen Gemeinde gehören, nachdem also das entscheidende Zeichen geschehen ist, können die offiziellen Dertreter des Judentums noch verlangen, ein solches Zeichen zu sehen! So begreift sich die Ab­ fertigung tiefer, die diesem Derlangen zuteil wird: Ein böses und buhlerisches Geschlecht! Sie wird noch durch das brüske Stehenlassen unterstrichen, das den hochangesehenen Dertretern ihres Dolkes von dem einen Angehörigen ihres Volkes in heidnischer Umgebung widerfährt1. Nur noch einmal wird ähnliches berichtet, gegenüber den Hohenpriestern und Schriftgelehrten, die 3 hm nach dem Einzug in den Tempel gegenübertreten. 1 6 i b - 62 Die Situation bei Mk und Mt ist verschieden. Mk erzählt erneut von einer Seefahrt, auf der das Gespräch über die Brote fällt; aber Richtung und Ziel sind sehr unklar, wenn es nur heißt (8is): eis tö jiigav und man in 822 in Bethsaida ankommt. Mt läßt Jesus in D.4 einfach fortgehen; in D.e ist kaum von einer neuen Kahrt die Rede, sondern es handelt sich um eine Bemerkung, die plus* quamperfektisch zu verstehen ist und nur eine Voraussetzung für das folgende Gespräch enthält. Denn Jesus ist ja auf dem jenseitigen Ufer, w enn ausdrücklich von einem „Drüben ankommen" die Rede ist, so ist das Motiv durchsichtig: 3 n 1539— 164 war nur von Jesus gesprochen, die Jünger mit keinem Worte erwähnt; jetzt wird berichtet, daß auch sie drüben angekommen waren. Vermutlich sind hier zwei Traditionsstücke zusammengeschoben, die ursprünglich selbständig 1 xaraXmtbv noch 21 n. 1 D .2 und s C D Tatian; fehlen bei 6t B

gyrata sy rcur Orig. Hieron. Dgl. Lk 12«4-r«, darum auch in der Erklärung. Zur Übersetzung vgl. P allis und Louchoud. Zu 16< s. JBL 1934, 92.

ritt 161-12

261

waren, von hier aus beginnt dann Jesus wieder eine Fußwanderung nach Norden auf dem Gstufer des Sees und des Jordans*. I n D .6-12 ist M kürzer als ITCf; viele der vorwurfsvollen Ausdrücke fehlen, sachlich bleibt der Vorwurf der gleiche. Bei Btt belehrt Jesus die Jünger in zusammenhängender Rede; Btt gibt statt dessen einen Dialog, bei dem freilich auch der Meister im Grunde der einzig Redende ist. Line sprachliche Wendung scheint auch hier die Unabhängigkeit beider voneinander zu lehren: Der Abschnitt wird nach Bit beherrscht von der Wendung: äQTovg Äafißdveiv; sie spricht in verschiedenen Bedeutungen, die Btt einmal durch &XM (817), ein andermal (819.20) durch algeiv wiedergibt. Da hier Btt sich nach den beiden Erzählungen vom Brotwunder treulich richtet (vgl. mit 8- und 6*3), ist die Abweichung des Btt von seinem eigenen Grundtext wohl ein Zeichen der Selbständig­ keit. I66-12 D er I n h a lt dieses Stückes ist sehr undurchsichtig. Zw ei M otive sind m iteinander verbunden: Jesu W arnung vor „dem S auerteig der P harisäer" und das Gespräch über das B rotw under, das dam it begründet w ird, daß die J ü n g e r kein B ro t haben. D as erste M otiv schließt sich eng an I61-4, das zw eite an 1532-38 bzw. 14 15-21 a n ; die V erbindung w ird durch ein M ißverständnis der J ü n g e r hergestellt. Aber w ie ist solch ein M ißverständnis möglich?

Den ersten Grund scheint die Situation zu geben: Nach langer Fahrt über den See sind die Jünger ohne Brot. Kaufen läßt es sich nicht, denn sie befinden sich im Heidenland — auch in dem Brotwunder unter den Heiden ist von der Mög­ lichkeit eines Kaufes wie in 1 4 isff. nicht mehr die Rede— , und Jesus hat sich von neuem auf die Wanderung begeben (I64), eine Wanderung, die wieder nur durch Heidenland führt und wo es kein Brot zu kaufen gibt. Line Zeit des Hungers steht also bevor. In diese Lage fällt Jesu Wort: „hütet euch vor dem Sauerbrot der Pharisäer und Sadduzäer." Seltsam und dunkel ist es, aber für die hungernden nur in einem Sinn verständlich: w ir haben kein Brot — und nun sollen wir uns vor dem Brot noch hüten, das etwa von treuen Juden im heid­ nischen Lande zu bekommen wäre; was soll aus uns werden? Da benimmt ihnen Jesus die Furcht vor dem Hunger, indem Er sie an die wunderbaren Speisungen erinnert, und erläutert ihnen alsdann den Sinn Seiner Warnung vor Pharisäern und Sadduzäern. In dieser Art scheint der Erzähler sich den Zusammenhang etwa vorgestellt zu haben. Ist er richtig gesehen, so enthält er einige bedeutsame Voraussetzungen: 1. Für die Überlieferung ist das „Sauerbrot" der Pharisäer und Sadduzäer schlechthin zu meiden. Das w o rt £17*772 als Ferment ist wohl häufig als Bild in malam partem verwandt (vgl. I Kor 5s-?); aber es handelt sich hier nicht um eine einfache allego­ rische Wendung, ähnlich unserem deutschen „Gift", sondern zugleich um ein Verständnis des Wortes £7^*77 als „Brot", oder anders gesprochen, um die Voraussetzung, daß nur ungesäuertes Brot von der ältesten Gemeinde gegessen wurde. (Es müßte also ein kultischer Brauch, der alles £7^77 an Festtagen verbietet und z.B. am passatage aus­ zuräumen gebietet, zur allgemeinen Lebensregel der dieses überliefernden Urchristenheit geworden sein — ein interessanter Beitrag zu dem Thema von Kultus und Evan­ gelium. 2. Die Erzählungen von dem Brotwunder sind für diese urchristliche Tradition Beispiele, daß der Herr die Seinen nicht hungern läßt, sondern ihnen in der Not Brot 1 ZU D .6 OjZl. 1239. 2 £17*77 ist hier, wie die Jünger es verstehen, nicht das Nlittel um den Teig zu säuern, sondern das gesäuerte Brot; der Gegensatz ist 5 £ty*a,

262

Das Bekenntnis des Petrus

zum Leben spendet. Das ist wohl ein Stück des ursprünglichen Sinnes jener Erzäh­ lungen, aber eben nur ein kleines Stück,- der größere Sinn einer eschatologischen Feier der erwählten eschatologischen Gemeinde ist darüber verlorengegangen. 3. Aus beidem enthüllt sich das Bild einer fast sektenhaften Frömmigkeit, die auf der einen Seite sich von dem überkommenen Erbe pharisäischer und sadduzäischer Herkunft distanziert, auf der anderen Seite ebenso von der Derbindung mit hellenistischen Frei­ heiten der äußeren Lebensweise sich ausdrücklich fernhält. Sie sucht und wahrt ein Drittes: Wahrung von Bräuchen, die im Judentum nur für den Priester gelten, und damit Darstellung eines priesterlichen Ideals, eines „heiligen Israels" in der äußeren Lebensweise, beides gegründet auf die Leben schaffende und erhaltende wundermacht ihres Herrn. Es ist unnötig, darzulegen, daß alsdann diese Tradition nur in der ältesten Gemeinde entstanden sein kann, die von der doppelten Gefahr, dem umgebenden Judentum oder dem Heidentum zu verfallen, bedroht war. Ihnen, vor allem aber der pharisäischen Gefahr zu steuern, ist dieses Lehrstück gebildet worden, das zum Inhalt hat: werdet, selbst nicht in äußeren Nöten, nicht wie die Pharisäer! Trauet dem Herrn, der einst das Brot gespendet hat! (Denn von dem Sauerteig der Pharisäer reden alle drei Evangelien.) Diese Mahnung, auf die Frage der Nahrung zugespitzt, hat in der Überlieferung dann ein wechselndes Schicksal gehabt. So steht am Ansang ein knappes und dunkles Herrenwort-, „hütet euch vor dem Sauerteig der Pharisäer!" Es bleibt angedeutet, ist selbst wohl nur ein allgemeines Warnwort vor den Gefahren des Pharisäertums, aber es hat selbst dazu geführt, daß in einer bestimmten Schicht der ältesten Christenheit eine Regel der Lebenshaltung daraus gemacht worden ist, die das Essen von gesäuertem Brot verbietet und nur das Essen von ungesäuertem Brot er­ laubt. Eine Regel, die auch in Zeiten des Hungers festgehalten worden ist, durch den Hinweis auf die Brot spendende Macht des Herrn. So entstand die zweite Form der Überlieferung, wie sie uns im wesentlichen bei Mk überliefert ist. Mk hat wohl in ihr nicht mehr eine Warnung in Fragen der Nahrung erblickt, sondern in allen äußeren Nöten,- für ihn scheint typri jede feindliche Aktion, welcher Art immer, jegliche Derfolgung und Derführung zu bedeuten» und er konnte deshalb hinzufügen: „und vor dem Sauerteig des herodes", und darunter wohl politische Dersuche an der ganzen Christenheit meinen. Lk hat sich in einem kurzen Spruch begnügt, das w ort allegorisch zu fassen und auf „Heuchelei" zu deuten, da die Überlieferung häufig genug Pharisäer und Heuchler verkettet. Mt hat am konsequentesten umgedeutet. Cr lehnt die Frage der Nahrung überhaupt ab: „wie? Dersteht ihr nicht, daß ich nicht von Broten ge­ sprochen habe?" Sauerteig bedeutet „Lehre",- mit den Fragen der Nahrung läßt es sich deshalb halten, wie es herkömmlich ist,- wichtig allein ist, daß die „Lehre" der Pharisäer und Sadduzäer die Haltung der Jünger und das Dertrauen zu ihrem Herrn nicht be­ einflusse. So verstanden, erzählt die Überlieferung ein Stück von der ältesten Geschichte der Christenheit im heidnischen Galiläa und zugleich ihres Derständnisses von Jesusworten. Freilich bleibt eine solche Deutung durchaus unsicher und nur eine Vermutung, die allein durch analoge Beobachtungen über die Frömmigkeit der galiläischen Christenheit sich stützen läßt. Mk hat an dieser Stelle die Heilung eines Blinden in Bethsaida erzählt. Mt kennt diese Geschichte nicht, und man kann deshalb nicht fragen, aus welchen Gründen er sie ausgelassen haben möge,- sie war in der ihm vorliegenden Überlieferung nicht vorhanden. So schließt er unmittelbar an das Gespräch über das Brotwunder den Bericht über Jesu Frage und Petrus' Bekenntnis an. wieder ist ein neuer Ort genannt, Cäsarea Philippi, das in der Nähe der Jordan­ quelle liegt, vergleicht man die Ortsnamen nacheinander, so scheinen sie das Gebiet im Norden und Süden und Westen zu umgrenzen, das man das weitere urchristliche Galiläa nennen könnte,- dieses so begrenzte Land ist das heilige Land des eschatolo* gischen Evangeliums und der eschatologischen Erfüllung.

31. Das Bekenntnis (1613-20) (Mk 827-30) (8t 813-21)*

*2Als Jesus kam in die Gegend Cäsarea Philippi, ftagte Er seine Jünger und sprach: „Wer, sagen die Menschen, daß der Menschensohn (et?" "S ie aber sagten: „Die einen: Johannes der Täufer, andere aber: Clia, wieder andere: Jeremia oder einer der Propheten." "Spricht Er zu ihnen: „Ihr aber, wer sagt ihr, daß Ich bin?" "Antwortete Simon Petrus und sagte: „Du bist der Gesalbte, der Sohn des lebendigen Gottes." "Antwortete Jesus und sagte zu ihm: „Selig bist du, Simon, Bar-Jona, denn Fleisch und Blut hat nicht (es) dir offenbart, sondern Mein Vater in den Himmeln. "Ich aber, Ich sage dir: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde Ich bauen meine Gemeinde, und die Pforte« des Hades werden fie nicht überwältigen. '"Ich werde dir geben die Schlüssel des Reiches der Himmel, und was d« binden wirst auf der Erde, gebunden wird fein in den Himmeln, und was du lösen wirst auf der Erde, gelöst wird sein in den Himmeln." "D a fuhr Er die Jünger an, daß sie niemand sagten, daß Er ist der Gesalbte. I 6 1 3 * INt bringt gern die Wanderungen als eine Einleitung zu dem Tra­ ditionsstück im Partizip, Ulk häufiger im Verbum finitum. Das Gewicht ist vom Geographischen auf das Theologische verlagert. Entscheidender Unterschied ist: Ult: Tor vlov rov äv&Qamov, Ulk: sie. Ult braucht den Namen, der Jesu höchste Würde und tiefstes Geheimnis schon nennt. Ulk das Wörtchen pe. Also geht bei Ult die Zrage zuerst auf die eine Wirkung unter den Ulenschen, bei Ulk auf die Dffenbarung Seines Wesens. Dort liegt das Interesse an dem, was Ulenschen über Jesus sagen, bei Ulk an dem, was Jesus vor Jüngern und Ulenschen ist. 16i» U y e i ist im Gegensatz zu Ulk präzis und präsentisch und holt die ent­ scheidende Stage heraus. I6 1 7 Jesu Erwiderung ist eingeleitet wie Petri Bekenntnis, so heben sich die beiden Sätze als Mittelpunkt der Überlieferung heraus. I617-19 Ein Gedicht: Drei Strophen zu je 3 Zeilen**.

1 Aus der Lit.: I . E. L. Dulton, An Interpretation of Matthew, XVI, 18 (Exp. 1 4 8 525— 526) 1937; Badcock, The gates of Hades, Bit 1 6 1a, Th 35, 38— 41, 1938; ©oguel Tu es Petrus, Bull. Fac. Theol. 4 Nr. 3. 1938; h. I . Ladburg, The meaning of John 2023, Matthew 16iS and Matthew 18ie (JB L 58, 251—254) 1939; I . R. Mantel,, The mistranslation of the perfect tense in John 2 0 23, Bit 16 19, and Bit 18 s (JB L 58, 243—249) 1939; H. Rheinfelder: philologische Erwägungen zu Btatth. 16u (BtZ XXIV, 139— 163) 1940; R. Bultmann, Die Krage nach der Echtheit von Bit I 6 17-19 (THB1 X X , 265— 279) 1941;