Das deutsche Rundfunksystem unter dem Einfluss des Europarechts [1 ed.] 9783428515196, 9783428115198

Ziel der Arbeit ist es zu untersuchen, wie das Europarecht auf das duale Rundfunksystem in Deutschland einwirkt und der

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Das deutsche Rundfunksystem unter dem Einfluss des Europarechts [1 ed.]
 9783428515196, 9783428115198

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Tübinger Schriften zum internationalen und europäischen Recht Band 74

Das deutsche Rundfunksystem unter dem Einfluss des Europarechts

Von Daniel Krausnick

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

DANIEL KRAUSNICK

Das deutsche Rundfunksystem unter dem Einfluss des Europarechts

Tübinger Schriften zum internationalen und europäischen Recht Herausgegeben von Thomas Oppermann in Gemeinschaft mit Heinz-Dieter Assmann, Burkhard Heß K r i s t i a n K ü h l , H a n s v. M a n g o l d t We r n h a r d M ö s c h e l , M a r t i n N e t t e s h e i m Wo l f g a n g G r a f Vi t z t h u m , J o a c h i m Vog e l sämtlich in Tübingen

Band 74

Das deutsche Rundfunksystem unter dem Einfluss des Europarechts

Von Daniel Krausnick

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Eberhard-Karls-Universität Tübingen hat diese Arbeit im Jahre 2003 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

D 21 Alle Rechte vorbehalten # 2005 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten (Allgäu) Printed in Germany ISSN 0720-7654 ISBN 3-428-11519-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort* Mit dem Aufkommen privater Rundfunkanbieter Anfang der Achtzigerjahre des letzten Jahrhunderts hat sich in Deutschland ein duales Rundfunksystem1 aus öffentlich-rechtlichen und privaten Anbietern entwickelt und zunehmend etabliert. Der über lange Zeit erbittert ausgetragene Kampf zwischen den verschiedenen Anbietergruppen in diesem System hat sich mittlerweile zumindest auf den ersten Blick eher beruhigt. Beide Seiten stellen nicht mehr wie früher ihre Existenzberechtigung in Frage, das Gegeneinander von öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk scheint zunehmend einem Miteinander zu weichen. Dies mag auch daran liegen, dass beide Anbietergruppen durch die fortschreitende Digitalisierung und Konvergenz der Medien vor technischen und wettbewerblichen Herausforderungen stehen, die sich oft nur gemeinsam bewältigen lassen werden. Dennoch zeigt sich immer wieder, dass die alten Fronten im Kern fortbestehen. Zuletzt hat dies die beihilfenrechtliche Beschwerde des VPRT gegen die Finanzierung der Onlineangebote der öffentlich-rechtlichen Anstalten deutlich gemacht.2 Außerdem bleiben innerstaatliche Krisen des dualen Rundfunksystems nicht aus, wie der Zusammenbruch des Medienimperiums von Leo Kirch im Jahre 2001 gezeigt hat.3 Von einer vollständigen Stabilisierung des dualen Rundfunksystems auf der innerstaatlichen Ebene kann daher bisher nicht die Rede sein. Dies gilt vor allem auch in ökonomischer Hinsicht, denn die Entwicklung des Rundfunkmarktes in Deutschland verläuft nach wie vor sehr dynamisch.4 Das duale Rundfunksystem ist ferner, wie im Laufe dieser Darstellung noch deutlicher werden wird, von Anfang an auch ein Thema des Gemeinschafts* Hinweis zur Zitierweise: EG- und EU-Vertrag in der Fassung des Vertrages von Nizza vom 26. 02. 2001 werden entsprechend der Zitierweise der Gemeinschaftsgerichte mit „EG“ bzw. „EU“ abgekürzt. Die Abkürzungen „EGV“ und „EUV“ stehen für Bestimmungen aus der Maastrichter Fassung der Verträge. Urteile des EuGH oder des EuG ohne Angabe der Fundstelle in der amtlichen Sammlung sind nach der Internetseite der Gemeinschaftsgerichte http://curia.eu.int, Urteile des EGMR ohne weitere Quellenangabe nach der Internetseite des Gerichtshofs http://www.echr.coe.int/ Hudoc.htm zitiert. 1 Näher zum Begriff „duales Rundfunksystem“ sogleich A. I. 2 Vgl. die Presseinformation des VPRT vom 24. 04. 2003 (abrufbar unter www. vprt.de). 3 Hierzu statt vieler: von Danwitz, ZUM 2002, 769 ff. 4 Vgl. nur Never, S. 33 ff.

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Vorwort

rechts gewesen. Die Europäisierung bereitet bis heute allerdings immer wieder Probleme, denn kaum ein Bereich ist so von spezifisch nationalen kultur- und medienpolitischen Vorstellungen durchdrungen wie gerade das Rundfunkrecht. Von Seiten der privaten Veranstalter wird z. T. versucht, das Europarecht dafür zu benutzen, um innerstaatliche Konflikte mit den öffentlich-rechtlichen Veranstaltern zu klären. Man „zieht die Brüsseler Karte“, wie es VPRT-Präsident Jürgen Doetz formuliert hat5. Die Frage ist jedoch, um im Bild zu bleiben, ob diese Karte „sticht“ oder ob nicht vielmehr das deutsche duale Rundfunksystem so weitgehend aus dem „Brüsseler Fadenkreuz“ herausgerückt ist, dass es vor dem Gemeinschaftsrecht in vollem Umfang bestehen kann. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, zu untersuchen, wie das Europarecht auf das duale Rundfunksystem in Deutschland einwirkt und der Frage nachzugehen, ob und inwieweit das System angesichts des Europarechts reformbedürftig ist. Diese Fragestellung macht es notwendig, in einem ersten Teil darzulegen, was die Charakteristika des deutschen dualen Rundfunksystems bezogen auf das Verfassungs-, Rundfunk- und Wettbewerbsrecht ausmacht. Um den Rahmen der Arbeit nicht zu sprengen, bedarf es jedoch zweier Eingrenzungen: Es soll in erster Linie um Rundfunk im klassischen Sinne, also um Fernsehen und Hörfunk, gehen. Die Multimediaaktivitäten der Rundfunkveranstalter bleiben weitgehend unberücksichtigt, weil sie einem eigenständigen Regelungssystem unterstehen, das auch eigenständige europarechtliche Fragen aufwirft. Ferner sollen Probleme der verfassungsrechtlichen Kompetenzabgrenzung zwischen Bund und Ländern weitgehend außer Betracht bleiben, denn diese sind für den Konflikt zwischen Europarecht und nationalem Rundfunkrecht kaum relevant. Der zweite Teil der Arbeit zeichnet die Entwicklung der EU-Rundfunkpolitik nach und untersucht, in welcher Weise im Laufe der Jahre die spezifischen Probleme des dualen Rundfunksystems eine Rolle gespielt haben. In einem dritten Teil sollen die Vorgaben dargelegt werden, die aus den Grundfreiheiten des EG-Vertrages für das deutsche duale Rundfunksystem folgen und die Frage beantwortet werden, ob die maßgeblichen Regelungen des Rundfunkrechts diesen genügen können. Mit der Feststellung, dass das deutsche duale Rundfunksystem den Vorgaben der Grundfreiheiten entsprechen muss, ist noch nicht automatisch die Konsequenz verbunden, dass die Gemeinschaft auch befugt ist, eigene Regelungen für den Rundfunkbereich zu erlassen. Der vierte Teil der Arbeit widmet sich daher dem Problem, ob die Gemeinschaft eine „Rundfunkkompetenz“ hat und welchen Grenzen diese Kompetenz, insbesondere bei der Regelung von Medienund Meinungspluralismus unterliegt. 5 Vgl. die Presseinformation des VPRT vom 24. 04. 2003 (abrufbar unter www.vprt.de).

Vorwort

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Wie bereits im ersten Teil zum Ausdruck kommt, wirft das duale Rundfunksystem in erheblichem Umfang wettbewerbsrechtliche Probleme auf. Diese sollen in einem fünften Teil der Arbeit bezogen auf das EG-Wettbewerbsrecht näher untersucht werden. Der sechste Teil betrifft die nach wie vor heftig umstrittene Frage, welche Elemente der Rundfunkfinanzierung staatliche Beihilfen i. S. d. Art. 87 EG sind, und ob der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland an die EG-Transparenzrichtlinie gebunden ist. In einem abschließenden siebten Teil stehen, wie schon im ersten, grundrechtliche Fragestellungen im Vordergrund; diesmal bezogen auf das Gemeinschaftsgrundrecht der Medienfreiheit, das i. S. d. Art. 6 Abs. 2 EU aus Art. 10 EMRK und den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten abgeleitet wird. In diesem Zusammenhang soll auch der neue Art. 11 der EU-Grundrechtscharta, der nach derzeitiger Planung als Art. II-11 Bestandteil der künftigen Verfassung der EU werden soll, näher beleuchtet werden. Es ist nicht das Anliegen dieser Arbeit, das duale Rundfunksystem einer Grundsatzkritik zu unterziehen, wie sie z. B. von ökonomischer Seite immer wieder versucht wurde.6 Vielmehr soll das System in seinem derzeitigen Bestand „hingenommen“ werden und der Focus auf der Frage liegen, ob es in diesem Bestand europarechtskonform ist. Ob ein stärker als das bisherige an ökonomischen Gesichtspunkten ausgerichtetes duales Rundfunksystem oder gar ein Rundfunksystem ohne öffentlich-rechtlichen Rundfunk7 dem Europarecht und (die wohl schwieriger zu beantwortende Frage) den Vorgaben des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG entspräche, braucht grundsätzlich nicht erörtert zu werden, da die freiwillige Schaffung eines solchen Systems in nächster Zeit angesichts der rundfunkpolitischen Vorstellungen der Bundesländer unwahrscheinlich bis utopisch ist. Die Frage kann insoweit nur sein, ob das Europarecht zur Schaffung eines solchen „neuen“ dualen Rundfunksystems zwingt. Keine Berücksichtigung finden in dieser Arbeit Fragen, die mit den Auswirkungen der WTO, insbesondere des GATS („General Agreement of Trade in Services“) zusammenhängen. Der Grund dafür ist, dass nach dem Scheitern der letzten Welthandelsrunde in Cancún das weitere Schicksal der WTO noch nicht abschließend geklärt ist. Die vorliegende Arbeit ist im Juli 2003 von der juristischen Fakultät der Eberhard-Karls-Universität Tübingen als Dissertation angenommen worden und befindet sich auf dem Stand von März 2004. Mein Dank gilt meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Dres. h. c. Thomas Oppermann für die Betreuung und Be6 Vgl. hierzu statt vieler Henning Never, Meinungsfreiheit, Wettbewerb und Marktversagen im Rundfunk, 2002. 7 Vgl. hierzu insbesondere Never, S. 301 ff.

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Vorwort

gutachtung der Arbeit sowie Herrn Prof. Dr. Wernhard Möschel für die Erstellung des Zweitgutachtens. Entstanden ist die Arbeit während meiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Assistent am Lehrstuhl von Prof. Dr. MaxEmanuel Geis, dem ich für seine vielfältigen Unterstützungen ebenfalls herzlich danke. Dank für viele (nicht nur wissenschaftlich) bereichernde Gespräche in der Promotionszeit gebührt außerdem meinen Kollegen und Freunden Dr. Stefan Burbaum, Dr. Robert und Anja Häcker, Ulf Häußler, Dr. Axel Hollenbach und Dr. Stefan Schmaus sowie allen Angehörigen der Lehrstühle von Professor Geis in Konstanz und Erlangen. Last but not least danke ich Frau Dr. Verena Wiedemann LL.M, die mir in meiner Zeit als Rechtsreferendar im ARD-Verbindungsbüro in Brüssel zahlreiche Anregungen für diese Arbeit gegeben hat. Gewidmet ist die Arbeit meiner Mutter sowie dem Andenken meines Vaters. Erlangen, im September 2004

Daniel Krausnick

Inhaltsverzeichnis A. Das duale Rundfunksystem in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zum Begriff „duales Rundfunksystem“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Vorgaben des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG für ein duales Rundfunksystem 1. Rundfunkfreiheit i. S. d. Art. 5 I 2 GG als „dienende Freiheit“ . . . . . . . a) Grundrechtsdogmatisches Konzept „dienende Freiheit“ . . . . . . . . . . b) Demokratietheoretische Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kritik am Konzept der dienenden Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die „Sondersituation“ – Rundfunkfreiheit als ausgestaltungsbedürftige Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Ausgestaltung der „positiven Rundfunkordnung“ . . . . . . . . . . . . . . . a) Regelungsverpflichtung und gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit . . b) Verfassungsrechtliche Grenzen der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Programmautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. „Rundfunkveranstalterfreiheit“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Sicht des BVerfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Sicht der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Grundrechtsberechtigte aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Inländische Rundfunkveranstalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausländische Rundfunkveranstalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rundfunk im dualen System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Öffentliche Aufgabe des Rundfunks und Notwendigkeit der Grundversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Keine Kompensationsfunktion der Grundversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Inhalt des Grundversorgungsauftrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Positive Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Negative Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Was ist zur Erfüllung des Grundversorgungsauftrages nicht notwendig? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Grundversorgung in Marktferne, nicht in „Marktabstinenz“ . . . . . . . e) Grundversorgung durch private Veranstalter? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Bestands- und Entwicklungsgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Programmveranstaltung außerhalb der Grundversorgung und wirtschaftliche Betätigungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks . . . . . . . 6. Duales Rundfunksystem und Wettbewerbsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis a) Ökonomischer und publizistischer Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kontrolle des publizistischen Wettbewerbs im privaten Rundfunk nach §§ 25–40 RStV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kontrolle des ökonomischen Wettbewerbs nach GWB und UWG . . aa) Verhältnis des GWB zur Kontrolle des publizistischen Wettbewerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Anwendung von GWB und UWG auf private Rundfunkveranstalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Anwendung des GWB auf öffentlich-rechtliche Rundfunkveranstalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Anwendung des UWG auf öffentlich-rechtliche Rundfunkveranstalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Wettbewerbskontrolle und Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rundfunkfinanzierung und die Vorgaben des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG . . . . . 1. Finanzierungsgarantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk . . . . . . . 2. Gebührenfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks . . . . . . . . . a) Rechtsnatur der Gebühren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verfahren der Gebührenfestsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Werbefinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks . . . . . . . . . . . . 4. Sonstige Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks . . . . . . . . . 5. Finanzierung des privaten Rundfunks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Das duale Rundfunksystem vor den Herausforderungen des digitalen Zeitalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Technischer Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verfassungsrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Konvergenz des Rechts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Neue Konflikte um die Rundfunkfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vielfaltssicherung im digitalen Rundfunk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der digitalen Welt . . e) Das Exklusivwerden meinungsbildender Inhalte . . . . . . . . . . . . . . . . .

B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts . . . . I. Dualer Rundfunk als europarechtliches Problem – ein Überblick . . . . . . . . 1. Die siebziger und achtziger Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsprechung des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Auf dem Weg zur Fernsehrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Aktivitäten des EP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Aktivitäten der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Entstehung und Regelungsgehalt der Fernsehrichtlinie . . . . . . . c) Weitere Konturierung des Rundfunkmarktes durch den EuGH . . . . 2. Die Entwicklung seit 1990 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Rundfunk und die Verträge von Maastricht und Amsterdam . . b) Dualer Rundfunk aus der Sicht der Gemeinschaftsgerichte . . . . . . . c) Die Aktivitäten der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

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aa) Grünbücher und ihre Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Sonstige rechtlich unverbindliche Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . (1) Vorlage der GD IV zur Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Bericht der hochrangigen Gruppe für audiovisuelle Politik („Oreja-Bericht“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) „Grundsätze und Leitlinien für die audiovisuelle Politik der Gemeinschaft im Digitalen Zeitalter“ . . . . . . . . . . . . . . (4) Mitteilung über Leistungen der Daseinsvorsorge . . . . . . . . (5) Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Wettbewerbsrechtliche Entscheidungen und Richtlinien . . . . . . d) Die Aktivitäten des EP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Die Aktivitäten des Rates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Revision der Fernsehrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Der Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und Dienste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Rundfunk im Europäischen Verfassungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ansatzpunkte zur Begründung einer Sonderstellung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im primären Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Rundfunkprotokoll . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Rundfunkprotokoll als Primärrecht i. S. d. Art. 311 EG . . . . . . . b) Das Rundfunkprotokoll als auslegende Bestimmung . . . . . . . . . . . . . c) Anwendungsbereich und Inhalt des Rundfunkprotokolls . . . . . . . . . . 2. Art. 86 Abs. 2 EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unternehmensqualität des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Praxis der Gemeinschaftsorgane zur Anwendbarkeit des Art. 86 Abs. 2 EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Sicht der Literatur und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sonstiges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Duales Rundfunksystem und Grundfreiheiten des EG-Vertrages . . . . . . . . . 1. Das deutsche duale Rundfunksystem im Lichte der allgemeinen Grundfreiheitendogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unmittelbare Anwendbarkeit und Anwendungsvorrang . . . . . . . . . . . b) Rundfunkveranstalter als Berechtigte der Grundfreiheiten . . . . . . . . c) Grundfreiheiten als Beschränkungsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Keck-Rechtsprechung – Übertragung auf den Rundfunkbereich . . . e) Zulässige Beschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Inländerdiskriminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Zwischenergebnis: Rundfunk und konvergierende Grundfreiheiten

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118 119 121 122 123 125 127 128 128 129 129 131 133 134 135 135 136 140 142 142 142 143 143 144 146 147 149 150

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Inhaltsverzeichnis 2. Rundfunk und Warenverkehrsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rundfunk und Arbeitnehmerfreizügigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rundfunk und Niederlassungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rundfunk als selbständige Erwerbstätigkeit i. S. d. Art. 43 Abs. 2, 48 EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Privater Rundfunk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Öffentlich-rechtlicher Rundfunk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Unanwendbarkeit des Art. 45 EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Tatbestandsmerkmale des Art. 43 Abs. 2, 48 EG . . . . . . . . b) Niederlassungsvorgänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Dauerhafte „Programmeinstrahlung“ als Niederlassung? . . . . . (1) Begriff der Niederlassung i. S. d. Art. 43 ff. EG . . . . . . . . . (2) Rechtsprechung des EuGH zum Niederlassungsbegriff . . . (3) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Sonstiges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Rundfunk und Dienstleistungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Subsidiarität der Dienstleistungsfreiheit und Kumulationsverbot . . . b) Die grenzüberschreitenden Leistungsbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . aa) Terrestrischer und Satellitenrundfunk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kabelrundfunk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Entgeltlichkeit der Leistungsbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grenzüberschreitendes Pay-TV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Grenzüberschreitender Kabelrundfunk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Entgeltbeziehungen beim grenzüberschreitenden werbefinanzierten Rundfunk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Rundfunkgebühren als Entgelt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Vereinbarkeit von Regelungen zur Ausgestaltung der deutschen dualen Rundfunkordnung mit der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit a) Rechtfertigungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Schutz demokratisch-kulturpolitischer Ziele nach Art. 46 Abs. 1 EG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Demokratisch-kulturpolitische Ziele als zwingende Gründe des Allgemeininteresses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vereinbarkeit wichtiger Regelungen des RStV und der Landesmediengesetze mit Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit . . . aa) Regelungen über die Veranstalterzulassung . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Regelungen über die Programmgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Regelungen zur publizistischen Konzentrationskontrolle . . . . . dd) Regelungen der Rundfunkfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) § 7 RStV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

151 151 153 154 156 156 156 157 157 158 160 160 160 161 161 163 164 166 166 167 168 168 171 172 172 172 176 177 178 179 182 182 182 186 187 192 193

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(2) § 8 RStV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) §§ 14–18 RStV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) §§ 43–46a RStV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Gebührenfinanzierung als Grundfreiheitsverstoß? . . . . . . . (6) Werbeverbot für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk? . . . ee) Regelungen über die Kabelbelegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Rundfunk und Kapital- und Zahlungsverkehrsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . IV. Kompetenzen der EG für rundfunkbezogene Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die „Rundfunkkompetenz“ der EG im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . a) Keine „selbstgemachte“ Rundfunkkompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Rundfunkkompetenz der EG als „Querschnittskompetenz“ . . . . c) Ungeschriebene EG-Kompetenzen im Rundfunkbereich? . . . . . . . . . d) Der Streit um die EG-Rundfunkkompetenz in der Literatur . . . . . . . e) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Harmonisierung auch neben unmittelbar anwendbaren Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die einzelnen Kompetenznormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kompetenzen aus dem Bereich der Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . aa) Art. 55, 47 Abs. 2 EG und Art. 47 Abs. 2 EG (direkt) . . . . . . . bb) Art. 94, 95 EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Wettbewerbsrechtliche Kompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Art. 155, 156 EG und 157 Abs. 3 EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Art. 308 EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Gemeinschaftsgrundrechte als Kompetenzgrundlagen? . . . . . . . . . . . 3. Kompetenzgrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Subsidiaritätsprinzip (Art. 5 Abs. 2 EG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft? . . . . . . . . . . . bb) Insuffizienzkriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Effizienzkriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Verhältnismäßigkeitsprinzip (Art. 5 Abs. 3 EG) . . . . . . . . . . . . . c) Art. 151 Abs. 4 EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Das Harmonisierungsverbot des Art. 151 Abs. 5 EG . . . . . . . . . . . . e) Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Spezielle Kompetenzgrenzen für öffentlich-rechtlichen Rundfunk . . g) Das Prinzip der Gemeinschaftstreue und Art. 6 Abs. 3 EU als Kompetenzgrenzen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Medien- und Meinungspluralismus als Gegenstand einer Gemeinschaftsregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gründe und Regelungsoptionen für eine solche Gemeinschaftsregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mögliche Kompetenzgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kompetenzgrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

195 196 197 198 200 202 206 207 209 209 209 211 212 213 216 217 218 218 218 220 220 222 223 223 224 224 224 227 229 229 230 231 232 232 233 233 234 236 238

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Inhaltsverzeichnis aa) Einfluss des Art. 151 EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Subsidiaritätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Verhältnismäßigkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Kein europäischer Pluralismusschutz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Art. 3a der Fernsehrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Duales Rundfunksystem und europäisches Wettbewerbsrecht . . . . . . . . . . . . 1. Unternehmensqualität der Rundfunkveranstalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Methodik der Marktabgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der publizistische Wettbewerb als Schutzgegenstand des EG-Wettbewerbsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) EG-rechtliche Pflicht zur Berücksichtigung des publizistischen Wettbewerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Möglichkeiten zur Erfüllung dieser Pflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Sachlich relevante Märkte der Rundfunkveranstaltung . . . . . . . . . . . . . . a) Pay-TV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zuschauermarkt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Werbemarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Rechtemarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Märkte für technische und administrative Infrastruktur . . . . . . . . . . . 5. Räumlich relevanter Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Art. 81 EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Streit um den Sportrechteerwerb im Rahmen der EBU . . . . . . . b) Sonstige Entscheidungen nach Art. 81 EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Schwerpunktmäßig öffentlich-rechtlicher Rundfunk betroffen bb) Schwerpunktmäßig privater Rundfunk betroffen . . . . . . . . . . . . . 7. Art. 82 EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Fusionskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die gemeinschaftsrechtliche Fusionskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Begrenzte Reichweite der FKVO im Rundfunkbereich . . . . . . . . . . . c) Die Sonderregelung des Art. 21 Abs. 3 FKVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zur Kommissionspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Mittelbarer Pluralismusschutz im Rahmen der Marktabgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Mittelbarer Pluralismusschutz bei der Feststellung einer Marktbeherrschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Behandlung der Zusagen der Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Rundfunkfinanzierung und EG-Beihilfenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Begriff der Beihilfe i. S. d. Art. 87 Abs. 1 EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Begünstigungseffekte der deutschen Rundfunkfinanzierung . . . . . . . . . . a) Der Begriff der Begünstigung i. S. d. Art. 87 Abs. 1 EG . . . . . . . . . b) Begünstigung bei Gegenleistungen für die Erfüllung von Aufgaben?

238 239 240 241 241 242 243 243 246 246 247 249 250 252 255 257 258 259 261 261 265 265 267 268 271 271 275 276 277 277 279 281 283 284 285 286 287 287 288

Inhaltsverzeichnis

3. 4.

5.

6. 7. 8.

aa) Sicht der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Sicht der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Begünstigungseffekt der Gebührenfinanzierung? . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gebührenfinanzierung der Grundversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gebührenfinanzierung von Spartenprogrammen . . . . . . . . . . . . . (1) Fehlender Begünstigungseffekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Gegenansicht der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Begünstigungseffekt der Bestands- und Entwicklungsgarantie? . . . . aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Unzulässigkeit eines Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Begünstigung durch bevorrechtigte Kabeleinspeisung? . . . . . . . . . . . f) Begünstigung privater Rundfunkveranstalter? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fehlende Freiwilligkeit der deutschen Rundfunkfinanzierung . . . . . . . . Staatlich oder aus staatlichen Mitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Meinungsstand vor dem PreussenElektra-Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die maßgeblichen Aussagen in Rs. PreussenElektra . . . . . . . . . . . . . c) Werden die Rundfunkgebühren „aus staatlichen Mitteln“ gewährt? d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Staatliche Herkunft der sonstigen Maßnahmen der Rundfunkfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wettbewerbsverfälschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Inhalt des Tatbestandsmerkmals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verfälschen deutsche Maßnahmen der Rundfunkfinanzierung den Wettbewerb? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Handelsbeeinträchtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnis zum Tatbestand des Art. 87 Abs. 1 EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zulässigkeit der Gebührenfinanzierung nach Art. 87 Abs. 3 lit. d) und 86 Abs. 2 EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtfertigungsmöglichkeit nach Art. 87 Abs. 3 lit. d) EG . . . . . . . aa) Rundfunkgebühren als Förderung der Kultur i. S. d. Art. 87 Abs. 3 lit. d) EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Der Kulturbegriff des Art. 87 Abs. 3 lit. d) EG . . . . . . . . . (2) Rundfunkgebührenfinanzierung und Kultur in Deutschland (3) Entscheidung der Kommission in Sachen Phoenix und Kinderkanal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) „Verhältnismäßigkeitsklausel“ des Art. 87 Abs. 3 lit. d) a. E. EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Geeignetheit der Gebührenfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Erforderlichkeit der Gebührenfinanzierung . . . . . . . . . . . . . (3) Angemessenheit und Kommissionsermessen . . . . . . . . . . . . cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15 288 290 291 294 294 298 298 301 302 302 303 304 305 306 306 308 308 310 311 314 314 315 315 317 320 322 322 323 323 323 325 327 328 328 330 332 333

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Inhaltsverzeichnis b) Art. 86 Abs. 2 EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anwendbarkeit des Art. 86 Abs. 2 EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gebührenfinanzierung und Art. 86 Abs. 2 EG . . . . . . . . . . . . . . (1) Betrauung mit Grundversorgung und Spartenprogrammen (2) Sonstige Voraussetzungen des Art. 86 Abs. 2 EG . . . . . . . 9. Rundfunkfinanzierung und Beihilfeverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anwendbarkeit des Art. 88 EG und der VO 659/99 . . . . . . . . . . . . . b) Notifizierungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Keine Rückzahlungspflicht für die Gebühren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Rundfunkfinanzierung und EG-Transparenzrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . a) Quersubventionen als wettbewerbsrechtliches Problem . . . . . . . . . . . b) Inhalt der Transparenzrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anwendbarkeit der Richtlinie auf den deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Transparenzrichtlinie und Rundfunkprotokoll . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die einzelnen Anwendbarkeitsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . d) Ausschluss der Anwendbarkeit nach Art. 4 TP-RL . . . . . . . . . . . . . . e) Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Das duale Rundfunksystem und das Gemeinschaftsgrundrecht der Medienfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Grundrechte als allgemeine Rechtsgrundsätze des Gemeinschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtserkenntnisquellen der Gemeinschaftsgrundrechte . . . . . . . . . . aa) Rechtserkenntnisquellen i. S. d. Art. 6 Abs. 2 EU . . . . . . . . . . . . bb) Weitere Rechtserkenntnisquellen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Stellung und Reichweite der Grundrechte im Gemeinschaftsrecht . . aa) Grundrechte als Primärrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Reichweite der Gemeinschaftsgrundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verhältnis von BVerfG, EuGH und EGMR zueinander . . . . . . . . . . . 2. Das Gemeinschaftsgrundrecht der Medienfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Art. 10 EMRK und seine Auslegung durch den EGMR . . . . . . . . . . aa) Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Äußerungs- und Informationsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Medienfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Art. 10 Abs. 1 EMRK als dienende Freiheit? . . . . . . . (b) Medienfreiheit i. S. d. Art. 10 Abs. 1 EMRK als Veranstalterfreiheit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Träger des Grundrechts auch öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Schranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Art. 10 Abs. 1 S. 3 EMRK als eigenständige Schranke? . . (2) Art. 10 Abs. 2 EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

333 334 335 335 336 338 338 339 341 342 342 342 343 344 345 346 349 352 354 355 355 355 357 359 359 359 362 366 367 367 367 369 369 372 373 375 375 377

Inhaltsverzeichnis b) Art. 11 Grundrechtscharta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Mitgliedstaatlicher Schutz der Rundfunkfreiheit im Überblick . . . . aa) Länder, die Rundfunk in ihrer Verfassung erwähnen . . . . . . . . . (1) Griechenland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Irland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Niederlande . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Portugal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (6) Schweden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (7) Spanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Übrige Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Belgien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Dänemark . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Finnland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Großbritannien und Nordirland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (6) Luxemburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (7) Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis – das Gemeinschaftsgrundrecht der Medienfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bindung der Mitgliedstaaten an das Gemeinschaftsgrundrecht der Medienfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Medienfreiheit und Einschränkung der Grundfreiheiten . . . . . . . . . . b) Medienfreiheit und Wettbewerbsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17 378 381 382 382 382 383 385 386 387 388 390 390 391 391 392 395 397 398 398 399 399 402

Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405 A. Das duale Rundfunksystem in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405 B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts . . . . . . . . 408 Schlussbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443

Abkürzungsverzeichnis AfP AJDA BayMG BremLMG EP FKVO Foro it. GA HmbMG HPRG J. O. K&R LMG BW LRG NRW LRG RP LRG SH MG LSA MP NMedienG RFDA RFinStV RG MV RStV SächsPRG SMG StV Bln/Bbg SWR-StV ThürLMG TP-RL TRG ZUM

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Im Übrigen wird verwiesen auf Kirchner, Hildebert: Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 5. Aufl. 2003, Berlin.

A. Das duale Rundfunksystem in Deutschland I. Zum Begriff „duales Rundfunksystem“ Gemäß § 1 Abs. I RStV1 gilt der Rundfunkstaatsvertrag für „. . . die Veranstaltung und Verbreitung von Rundfunk in Deutschland in einem dualen Rundfunksystem“.2 Diesen Begriff verwendet der Staatsvertrag, ohne ihn zu erläutern. Insbesondere § 2 RStV, der Begriffe wie etwa „Vollprogramm“, „Spartenprogramm“ und „Werbung“ ausführlich definiert, führt den Begriff „duales Rundfunksystem“ nicht auf. Setzt der Staatsvertrag das Verständnis dieses Begriffes somit voraus, ist zu fragen, was das deutsche Rundfunksystem zu einem „dualen“ macht: Eine erste und noch heute maßgebliche Definition hat das BVerfG in seinem vierten Rundfunkurteil gegeben. Wörtlich formulierte das Gericht3: „Werden die neuen Gesetze (sc. die neuen Landesgesetze, durch die privater Rundfunk eingeführt wurde) neben die überkommenen Rundfunkgesetze und -staatsverträge gestellt, so werden die Umrisse eines dualen Rundfunksystems sichtbar: Es umfasst die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, welche ihren bisherigen Auftrag wahrnehmen und die gesamte Bevölkerung versorgen können, die in ihrer Organisation und Programmgestaltung durchweg einem „binnenpluralen“ Modell folgen und deren Tätigkeit überwiegend aus Gebühren finanziert wird. Hinzu treten private Veranstalter, die anders organisiert sind, bei denen Meinungsvielfalt in wesentlichen Teilen auf anderem Wege als dem einer binnenpluralen Programmgestaltung sichergestellt werden soll, die ihre Tätigkeit in der Hauptsache aus Erträgen von Wirtschaftswerbung finanzieren und die in höherem Maße als die öffentlich-rechtlichen Anstalten den Gesetzlichkeiten des Marktes unterliegen.“ Erste Kernaussage dieser Definition ist, dass „dual“ ein „gemischtes“ Rundfunksystem4 meint, das entscheidend von einem Nebeneinander von öffentlichrechtlichen und privaten Veranstaltern geprägt wird, und nicht etwa ein Rundfunksystem mit zwei Veranstaltern. Dies ist zwar rein sprachlich nicht zwingend, von „dualer Rundfunkordnung“ wurde aber nicht bereits ab Gründung des 1 Rundfunkstaatsvertrag in der Fassung des sechsten Rundfunkänderungsstaatsvertrages, in Kraft seit 1. 4. 2003. 2 Hervorhebungen vom Verfasser. 3 Vgl. BVerfGE 73, 118 (125). 4 Zum Begriff vgl. Oppermann, JZ 1981, 721 (728 ff.).

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A. Das duale Rundfunksystem in Deutschland

ZDF (am 06. Juni 19615) als zweitem, bundesweit empfangbaren öffentlichrechtlichen Rundfunkveranstalter neben der ARD, sondern erst seit dem Aufkommen privaten Rundfunks in den Achtzigerjahren gesprochen. Diese Verwendung des Begriffs „dual“ zur Bezeichnung des Unterschiedes zwischen etwas Öffentlich-rechtlichem bzw. Staatlichem und etwas Privatrechtlichem bzw. Außerstaatlichem ist in der deutschen Rechtsterminologie durchaus üblich.6 Ferner ist das Nebeneinander von öffentlich-rechtlichen und privaten Trägern gerade im Kulturbereich, dem der Rundfunk zugerechnet wird, prägend für das deutsche Verfassungsleben.7 Eine weitere Kernaussage der oben zitierten Definition des BVerfG ist, dass es vor allem zwei Elemente sind, hinsichtlich derer sich öffentlich-rechtliche und private Rundfunkveranstalter unterscheiden: Finanzierung und Sicherung der Programmvielfalt. 8 Privater Rundfunk in Deutschland ist ausschließlich privatwirtschaftlich aus Wirtschaftswerbung, Sponsoring und Teilnehmerentgelten finanzierter und damit marktabhängiger Rundfunk. Im Gegensatz dazu ist öffentlich-rechtlicher Rundfunk in allererster Linie durch Gebühren finanzierter und damit weitgehend marktunabhängiger Rundfunk. Neben diesem „Finanzierungsdualismus“9 besteht ein Dualismus hinsichtlich der Sicherung der Programmvielfalt: Für öffentlich-rechtliche Veranstalter hat nach Ansicht des BVerfG ein „binnenpluralistisches“ Modell zu gelten, d. h. Vielfalt soll dadurch erreicht werden, dass innerhalb jeder Anstalt ein pluralistisch zusammengesetztes Aufsichtsgremium kontrolliert, ob das veranstaltete Programm hinreichend vielfältig und ausgewogen ist. Für private Rundfunkveranstalter könne der Gesetzgeber demgegenüber ein „außenpluralistisches“ Modell vorsehen, d. h. der einzelne Veranstalter darf ein nicht hinreichend ausgewogenes Programm haben, solange gewährleistet ist, dass durch alle privaten Veranstalter zusammengenommen ein ausreichend vielfältiges Programmangebot besteht. Privatem Rundfunk darf von Verfassungswegen bis zu einem gewissen Grade also das Recht auf Einseitigkeit zugebilligt werden. 5

Vgl. A. Hesse, Rundfunkrecht, S. 18; Niepalla, S. 47 m. w. N. Im Abfallrecht nimmt etwa die „Duales System Deutschland GmbH“ als von der deutschen Verpackungsindustrie getragene Gesellschaft des Privatrechts Aufgaben der Abfallentsorgung wahr und ergänzt hierdurch die Tätigkeit der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger i. S. d. § 13 I KrW/AbfG. Eine Auffassung in der Literatur, die versucht, die Gemeinden als Formen außerstaatlichen bürgerlichen Zusammenlebens vom Staatswesen, in dem sie existieren, abzugrenzen, wird in der Kommunalrechtslehre als „dualistische Sichtweise“ bezeichnet (vgl. Gern, S. 131). Im Völkerrecht nennt man „Dualismus“ eine Lehre, die bei der Frage, wie Völkerrecht im innerstaatlichen Rechtsraum wirkt, annimmt, dass Völkerrecht und staatliches Recht verschiedene Rechtsordnungen seien (vgl. Doehring, Rdnr. 701 ff.). 7 Vgl. Oppermann, JZ 1981, 721 (729 f. m. w. N.). 8 So i. E. auch Niepalla, S. 47 f. 9 Er wird dadurch aufgeweicht, dass es auch öffentlich-rechtlichen Veranstaltern z. T. erlaubt ist, Einnahmen aus Wirtschaftswerbung und Sponsoring zu erzielen. 6

II. Die Vorgaben des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG

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Die Bereiche Finanzierung und Vielfaltssicherung sind auch diejenigen, in denen sich öffentlich-rechtlicher und privater Rundfunk nach wie vor am meisten unterscheiden. Es gibt daneben zweifelsohne immer noch Unterschiede hinsichtlich der angebotenen Programminhalte und ihrer technischen Empfangbarkeit; diese werden jedoch zunehmend geringer. So senden ARD und ZDF mehr Volksmusiksendungen, Sitcoms, Soap-Operas, Talkshows und Infotainment-Sendungen als früher; private Sender wie SAT 1 und RTL verbannen Filme wie „Liebesgrüße aus der Lederhose“ aus ihren Programmen und bemühen sich erkennbar um mehr Seriosität. Der „Inhaltedualismus“ zwischen den Veranstaltergruppen ist also, auch wenn er durchaus noch nachweisbar ist, zumindest nicht mehr so prägend für das duale Rundfunksystem wie früher.10 Ähnliches gilt für die technische Empfangbarkeit: Mittlerweile sind die Empfangsmöglichkeiten für private Programme sehr weit verbreitet. Einige private Vollprogramme wie RTL und SAT 1 sind sogar terrestrisch, dagegen Spartenprogramme der öffentlich-rechtlichen Anbieter (3Sat, Phoenix, Kinderkanal, BR-Alpha, ZDF-Theaterkanal) technisch ähnlich aufwendig wie private Programme zu empfangen. Im Vordergrund der folgenden Analyse des dualen Rundfunksystems in Deutschland soll daher nicht der Inhalte- oder der „Empfangbarkeitsdualismus“ stehen, sondern der Finanzierungsdualismus und der Dualismus in der Vielfaltssicherung. Da das deutsche duale Rundfunksystem aber entscheidend auf einer bestimmten Interpretation des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG aufbaut, bedarf es zuerst einer Untersuchung dieser grundrechtlichen Vorgaben.

II. Die Vorgaben des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG für ein duales Rundfunksystem Die Auslegung des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG, der einzigen Grundgesetzbestimmung, die den Rundfunk anspricht, ist maßgeblich durch die Rechtsprechung des BVerfG geprägt. In wohl kaum einem anderen Rechtsbereich hat das BVerfG seine Macht, nicht nur Recht zu sprechen, sondern es dank der bis zur Gesetzeskraft reichenden Geltungsmacht seiner Urteile i. S. d. § 31 BVerfGG sogar mitzugestalten,1 so umfassend ausgeübt wie im Bereich des Rundfunkrechts.2 Die Aussage Rudolf Smends, das Grundgesetz gelte so, wie das BVerfG es auslegt,3 hat bezüglich der Rundfunkfreiheit4 sicher Berechtigung.5 10 Vgl. Neun (S. 171 f. m. w. N.) und aus ökonomischer Sicht Never (S. 36 ff.), die eine „Programmkonvergenz“ zumindest der bundesweiten Vollprogramme von öffentlich-rechtlichen und privaten Veranstaltern konstatieren. 1 Zur gestaltenden Wirkung zumindest der Urteile i. S. d. § 31 II BVerfGG vgl. Rennert, in: Umbach/Clemens, § 31 Rdnr. 92 ff. 2 So auch Bethge, in: Sachs, Art. 5 Rdnr. 14, allerdings bezogen auf die Rechtsprechung des BVerfG zu Art. 5 allgemein. 3 Smend, S. 581 ff.

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A. Das duale Rundfunksystem in Deutschland

Daher soll im Folgenden schwerpunktmäßig die Rechtsprechung des BVerfG zu Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG untersucht werden: 1. Rundfunkfreiheit i. S. d. Art. 5 I 2 GG als „dienende Freiheit“ a) Grundrechtsdogmatisches Konzept „dienende Freiheit“ Das BVerfG nimmt an, dass dem gesamten ersten Absatz des Art. 5 GG die Gewährleistung freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung als gemeinsamer Schutzzweck und objektives Verfassungsprinzip zugrunde liegt. Diesem Schutzzweck hätten „alle Garantien des Art. 5 I GG“ zu dienen.6 Aus dieser in den Rundfunkurteilen wiederholt auftretenden Formulierung kann man, auch wenn das BVerfG z. B. die Pressefreiheit nie ausdrücklich als „dienende Freiheit“ apostrophiert hat, nur ableiten, dass in der Sicht des BVerfG nicht allein die Rundfunkfreiheit eine dienende Freiheit ist,7 sondern auch die anderen Freiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG.8 Die wohl h. M. in der Literatur, nach der nur die Rundfunkfreiheit eine dienende Freiheit ist, setzt sich über den Wortlaut der zitierten Urteile klar hinweg. Eine so stark durch die Urteile des BVerfG determinierte Grundrechtsinterpretation wie die der Rundfunkfreiheit kann aber wohl nur dann sinnvoll gelingen, wenn man das BVerfG beim Wort nimmt, gleichgültig, ob man ihm folgt oder nicht. Mit dem BVerfG ist also davon auszugehen, dass nicht nur Rundfunk-, sondern auch Meinungs-, Informations-, Presse- und Filmfreiheit dienende Freiheiten sind.

4 Den Begriff der Rundfunkfreiheit verwendet das GG zwar nicht ausdrücklich, sondern spricht nur von „Freiheit der Berichterstattung“. Der Begriff hat sich jedoch eingebürgert, und wird auch vom BVerfG zur Beschreibung der aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG für den Rundfunk folgenden Freiheit gebraucht (vgl. z. B. BVerfGE 57, 295 (320)), daher soll er auch hier zur Beschreibung dieser Freiheit verwendet werden. 5 So zurecht Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 5 I, II Rdnr. 5; vgl. auch Oppermann, JZ 1994, 499 (500). 6 Vgl. wörtlich BVerfGE 57, 295 (319); 73, 118 (152); 74, 297 (323); 87, 334 (339); Hervorhebung v. Verf. 7 So aber die wohl h. M. in der Literatur; vgl. u. a.: Bethge, in: Sachs, Art. 5 Rdnr. 93; ders., ZUM 1995, 514 (516); Degenhart, in: Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rdnr. 13, 623, 643; Hoffmann-Riem, in: Alternativkommentar, Art. 5 Rdnr. 157; Holznagel, Europa, S. 99; Jarass, in: ders./Pieroth, Art. 5 Rdnr. 35; ders., 56. DJT, G 13; ähnlich: Burmeister (in: FS Stern, S. 835 ff. (860)), der allerdings auch die Pressefreiheit als dienende Freiheit sieht; dezidiert gegen eine solche Sicht Bethge, ZUM 1995, 514 (516). 8 So ausdrücklich Mahrenholz, ZUM 1995, 508 ff. (509); Fink, DÖV 1992, 805; Flitsch, S. 71 u. 132; Gellermann, S. 186; Charissé, S. 89; Selmer, S. 43; Ruck, AöR 117 (1992), 543 (545); Libertus, S. 26; i. E. auch Brugger, S. 34 f.; A. Hesse, Rundfunkrecht, S. 67; Stern, Staatsrecht, Bd. III/1, S. 840 f.; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 5 I, II Rdnr. 31 f.

II. Die Vorgaben des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG

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Was aber ist mit dem Begriff „dienende Freiheit“ gemeint? Da das BVerfG nicht alle Grundrechte als dienende Freiheiten angesprochen hat, muss es sich um eine von der herkömmlichen Grundrechtsinterpretation abweichende Besonderheit der Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 GG handeln: Herkömmlicherweise werden die Freiheitsrechte des Grundgesetzes nicht nur als Abwehrrechte gegen den Staat (status negativus), sondern quasi als „Konglomerate“ aus subjektiven Rechten, objektiven Wertentscheidungen,9 negativen Kompetenznormen10 und z. T. sogar Leistungsrechten (status positivus) angesehen.11 Aus den objektiven Grundrechtsgehalten werden außerdem Schutzpflichten gewonnen, die den Staat zu einer die Gewährleistungen des betreffenden Grundrechts schützenden Gesetzgebung zwingen.12 Ferner dienen die objektiven Grundrechtsgehalte, indem sie Einrichtungsgarantien schaffen (z. B. Ehe und Familie, Eigentum) dazu, staatliche Eingriffe in die gewährleisteten Freiheiten über die im jeweiligen Grundrecht genannten Eingriffsschranken hinaus zu begrenzen.13 Darüber hinaus setzen sie Maßstäbe für staatliche Verfahren und Einrichtungen und helfen bei der Auslegung des einfachen Rechts.14 Die objektiven Grundrechtsgehalte dienen aber grundsätzlich nie dazu, den einzelnen im Gebrauch seiner Freiheiten zu beschränken.15 Besonderheit des grundrechtsdogmatischen Konzepts der „dienenden Freiheit“ ist demgegenüber, dass der Gebrauch der subjektiven Freiheiten, die das betreffende Grundrecht gewährt, sich grundsätzlich dem in demselben Grundrecht (mit-)verkörperten objektiven Verfassungsprinzip unterzuordnen hat. „Dienende Freiheiten“ sind nicht wie sonstige grundrechtliche Freiheiten dem Einzelnen um seiner selbst willen bzw. zur egoistisch-eigennützigen Ausübung gewährt,16 sondern zur Verwirklichung eines bestimmten überindividuellen Zwecks. Aufgrund dieses Zwecks kann die individuelle Grundrechtsausübung eingeschränkt werden. Man kann dienende Freiheiten daher auch als drittnützige Freiheiten bezeichnen.17

9 So die ständige Rechtsprechung des BVerfG seit dem Lüth-Urteil (BVerfGE 7, 198 (204 f.); 49, 89 (141 f.); 7, 198 (204 f.); 56, 54 (73); 73, 261 (269)) und die allg. M. in der Literatur; vgl. auch Vesting, S. 58 f. 10 In dem Sinne, dass der Staat bei Ausübung seiner Kompetenzen nicht unzulässig in Grundrechte eingreifen darf; vgl. K. Hesse, Rdnr. 290 ff. 11 Zum Ganzen Starck, in: von Mangoldt/Klein/ders., Art. 1 Rdnr. 147 ff. 12 Dieser Effekt der Auslegung der Grundrechte als objektiver Wertentscheidungen kommt in den beiden Abtreibungsurteilen des BVerfG deutlich zum Ausdruck (vgl. BVerfGE 39, 1; 88, 203); vgl. auch BVerfGE 77, 170 (215); 56, 54 (70); Starck, in: von Mangoldt/Klein/ders., Art. 1 Rdnr. 158 f. 13 Näher zu dieser Funktion der objektiven Grundrechtsgehalte Starck, in: von Mangoldt/Klein/ders., Art. 1 Rdnr. 174; Stern, Staatsrecht, Bd. III/1, S. 792 ff. 14 Zu diesem Gebot grundrechtskonformer Auslegung statt vieler Pieroth/Schlink, Rdnr. 77 ff. 15 Statt vieler Starck, in: von Mangoldt/Klein/ders., Art. 1 Rdnr. 174 ff. 16 Hierzu statt vieler Burmeister, in: FS Stern, S. 835 ff. (839).

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A. Das duale Rundfunksystem in Deutschland

Nach diesem grundrechtsdogmatischen Konzept hat das BVerfG in Art. 5 Abs. 1 GG den Zweck der Gewährleistung freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung als den individuellen Freiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG grundsätzlich übergeordnet angesehen. Als Konsequenz hieraus hat es im siebten Rundfunkurteil formuliert:18 „ . . . handelt es sich bei der Rundfunkfreiheit allerdings nicht um ein Grundrecht, das seinem Träger zum Zweck der Persönlichkeitsentfaltung oder Interessenverfolgung eingeräumt ist. Die Rundfunkfreiheit ist vielmehr eine dienende Freiheit“.19 b) Demokratietheoretische Begründung Dieser grundrechtsdogmatische Ansatz des BVerfG wird mit der Bedeutung der freien Meinungsbildung und der sie ermöglichenden Freiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG für die Demokratie begründet: Ein demokratischer Staat kann nur dann auf Dauer existieren, wenn sich alle Wahlberechtigten in einem öffentlichen Kommunikationsprozess20 ihre Meinung frei bilden und von ihren demokratischen Rechten informierten Gebrauch machen können.21 Die Freiheit dieses Meinungsbildungsprozesses erfordert, dass das Angebot an Meinungen und Inhalten möglichst nicht durch den Einfluss des Staates und/oder gesellschaftlicher Gruppen und einzelner „vorgefiltert“ wird. Jede einzelne Meinung muss im Sinne eines „Grundsatzes der kommunikativen Chancengleichheit“ die nicht nur rein theoretische sondern tatsächliche Chance haben, zur Meinung der Mehrheit zu werden.22 Eine wirklich freie Bildung der öffentlichen Meinung ist also Voraussetzung der Demokratie.23 Sie vollzieht sich in der heutigen „Informationsgesellschaft“24 vor allem über Medien. Diese Medien, deren derzeit wichtigste Presse und Rundfunk sind, haben eine dienende Funktion, d. h. sie bilden Meinung ab. Daneben sind sie aber auch Faktor der öffentlichen Meinung, d. h. sie bilden Meinung, insbesondere, indem sie Kritik an Politik und 17 Vgl. Niepalla (S. 21 ff.), der insoweit auch zutreffend die Parallele zur Wissenschaftsfreiheit des Art. 5 Abs. 3 GG, die das BVerfG ebenfalls als drittnützige Freiheit interpretiert, aufzeigt. 18 Vgl. BVerfGE 87, 181 (197). 19 Diese Formulierung ist allerdings, wie noch zu zeigen sein wird, auch wenn ihr Wortlaut es nahelegt, m. E. nicht so zu verstehen, dass Art. 5 I 2 GG aus Sicht des BVerfG unter keinen Umständen ein subjektives Recht auf Veranstaltung von Rundfunk enthält. 20 Vgl. BVerfGE 12, 205 (260); 57, 295 (319); 74, 297 (323). 21 So auch z. B. Mahrenholz, ZUM 1995, 508 (512). 22 So i. E. BVerfGE 57, 295 (323 f.); vgl. zum Begriff Hoffmann-Riem, in: Alternativkommentar, Art. 5 Rdnr. 140 m. w. N. 23 Vgl. BVerfGE 90, 60 (87), wo das BVerfG dies dahingehend erweitert, dass freie Meinungsbildung auch Voraussetzung der Persönlichkeitsentfaltung sei. 24 Zum Begriff vgl. BVerfG, ZUM 2001, 220 ff. (228 m. w. N.).

II. Die Vorgaben des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG

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Gesellschaft üben.25 Das BVerfG hat deshalb festgestellt, dass der Rundfunk (wie die Presse) Medium und Faktor der öffentlichen Meinung ist.26 Ist der Rundfunk dem Einfluss des Staates oder Kräften aus der Gesellschaft ausgeliefert, kann er Medium und Faktor der öffentlichen Meinung jedoch nur so lange sein, wie es ihm seine Beeinflusser erlauben. Damit ist Rundfunk, soll er der freiheitlichen Meinungsbildung und Demokratie dienen können, notwendigerweise von Staat und Gesellschaft unabhängig, d. h. Sache der Allgemeinheit.27 Für die freiheitlich-demokratische Grundordnung ist die Freiheit des Rundfunks (wie auch die der Presse) daher von „schlechthin konstituierender Bedeutung“, und der Rundfunk darf nicht dem „freien Spiel der Kräfte“ überlassen werden.28 c) Kritik am Konzept der dienenden Freiheit Die Idee der dienenden Freiheit wurde und wird in der Literatur zum Teil heftig kritisiert.29 Begründet wird diese Kritik vor allem damit, dass die Vorstellung einer „dienenden“ Freiheit dem liberalen und primär individualrechtlichen Charakter der Grundrechte entgegengesetzt sei. Das Grundgesetz übe, wie Christian Starck formuliert,30 „notwendige Zurückhaltung zugunsten der Freiheit und Selbstverantwortung“ und das BVerfG dürfe die Verfassung nicht kraft seiner weitreichenden Kompetenzen zu einem „Moralkatalog“ umformen. „Nicht alles für den demokratischen Staat Gute und Wichtige [könne] . . . über Verfassungsinterpretation zur Geltung gebracht und verpflichtend gemacht werden“. Die Ziele, denen die Rundfunkfreiheit zu „dienen“ habe, seien nicht zuletzt aus Gründen der Rechtsklarheit durch Grundrechtsschranken i. S. d. Art. 5 Abs. 2 GG durchzusetzen.31 Dieser primär individualrechtliche Charakter der Grundrechte ist aus Entstehungsgeschichte und Wortlaut des grundgesetzlichen Grundrechtskataloges zweifelsohne begründbar.32 Er zwingt jedoch noch nicht zu der Annahme, dass 25 Vgl. BVerfGE 12, 205 (260); zum Rundfunk als Mittel der öffentlichen Kontrolle des Staatshandelns vgl. BVerfGE 90, 60 (89). 26 Begriff aus BVerfGE 12, 205 (260); 57, 295 (320); 73, 118 (152); 74, 297 (323); 83, 238 (296). 27 BVerfGE 31, 314 (327); vgl. hierzu mit historisch-philosophischen Bezügen Kübler, AfP 2002, 277 ff. 28 So BVerfGE 31, 314 (221 f., 325); 83, 238 (296). 29 Vgl. u. a.: Burmeister, in: FS Stern, S. 835 ff.; Engel, Medienordnungsrecht, S. 18 („Medienplanwirtschaft“) und passim; Fink, DÖV 1992, 805 ff.; Rupp, JZ 2001, 271 ff.; Bethge, ZUM 1995, 514 (516); aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht Never, S. 59 ff. 30 Vgl. Starck, in: von Mangoldt/Klein/ders., Art. 5 Rdnr. 7; ähnlich Degenhart, in: Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rdnr. 643 ff. 31 Vgl. Starck, in: von Mangoldt/Klein/ders., Art. 5 Rdnr. 13. 32 Vgl. Flitsch, S. 33 ff.; Stern, Staatsrecht, Bd. III/1, S. 834 m. w. N.

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A. Das duale Rundfunksystem in Deutschland

jede andere Interpretation wie etwa die „dienende“ der Rundfunkfreiheit eine von vornherein unzulässige Ausnahme wäre. Es ist auch nicht etwa so, wie etwa Michael Flitsch dargelegt hat, dass das BVerfG die Rundfunkfreiheit, indem es ihr eine dienende Funktion beimisst, „entsubjektivieren“ würde.33 Das BVerfG erkennt, wie noch zu zeigen sein wird, eine umfassende Programmfreiheit der Rundfunkveranstalter als subjektiv-rechtlichen Kern der Rundfunkfreiheit an. Daher kann von einer Entsubjektivierung keine Rede sein.34 Außerdem ist, wie ebenfalls noch näher zu erläutern ist, zweifelhaft, ob die Unterschiede zwischen der Ansicht, die die Rundfunkfreiheit als dienende Freiheit ansieht, und der primär individualrechtlichen Interpretation, die aber Einschränkungen durch „allgemeine Gesetze“ nach Art. 5 Abs. 2 GG zulässt, in der Praxis allzu groß sind.35 Auch wenn man dem Konzept der dienenden Freiheit folgt, heißt dies nämlich noch nicht, dass man den Staat bei Regelungen im Rundfunkbereich nicht trotzdem unter erheblichem Rechtfertigungsdruck sieht. Es ist allerdings das Verdienst der primär individualrechtlichen Interpretation der Rundfunkfreiheit, auf diesen Rechtfertigungsdruck nachdrücklich hingewiesen zu haben.36 Teilweise wird gegen das grundrechtsdogmatische Konzept der dienenden Freiheit auch auf Entstehungsgeschichte, Wortlaut und Systematik des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG rekurriert. Dies ist aus folgenden Gründen fragwürdig: Bei der Entstehung des Grundgesetzes wurde über die Frage, ob und wie Rundfunk und Rundfunkfreiheit Eingang in den neuen Verfassungstext finden sollten, kontrovers diskutiert: Einerseits wurde erörtert, ob im neuen Art. 5 GG neben Pressefreiheit auch von Rundfunkfreiheit die Rede sein sollte, was aber u. a. daran scheiterte, dass in Deutschland bisher nur staatlicher Monopolrundfunk existiert hatte, und die Vorstellung privatwirtschaftlichen Rundfunks37 angesichts der Nachkriegssituation eher utopisch erscheinen musste.38 Andererseits gab es die vor allem von Herrmann von Mangoldt verfochtene Idee, die neue Organisationsform der Rundfunkanstalten als selbständige Anstalten des öffentlichen Rechts in der Verfassung festzuschreiben, um sich bewusst vom 33 Vgl. Flitsch, S. 132 ff., 207; ähnlich Degenhart, in: Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rdnr. 644; Fink, DÖV 1992, 805 (810 ff.). 34 So auch Gellermann, S. 188 m. w. N.; Bethge, Verfassungsrechtliche Position, S. 38. 35 So i. E. auch Böckenförde/Wieland, AfP 1982, 77 ff. (81). 36 Ähnlich Oppermann, JZ 1981, 721 (726). 37 Die Rundfunkgesellschaften des deutschen Reiches wurden zwar in privater Rechtsform (GmbH oder AG) betrieben, waren aber von Anfang an mehrheitlich in der Hand der Reichspost, so dass es sich eher um staatlichen als um wirklich privaten Rundfunk handelte (vgl. Ricker/Schiwy, S. 3; Böckenförde/Wieland AfP 1982, S. 80). 38 Auf diese „Sondersituation“, auf die der Verfassungsgeber traf, weist auch Degenhart (in: Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rdnr. 645) hin.

II. Die Vorgaben des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG

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Goebbels’schen Propagandafunk abzusetzen. Dies ließ sich aber gegen den Widerstand der Abgeordneten Heuss und Süsterhenn, die die Möglichkeit eines staatlichen, privaten oder kirchlichen Rundfunks nicht ausgeschlossen wissen wollten, nicht durchsetzen.39 Einigen konnte man sich letztlich nur auf die Formel von der „Freiheit der Berichterstattung“. Der Wortlaut des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG kann daher kaum als klares Bekenntnis zu einem rundfunkrechtlichen bzw. -politischen Konzept gesehen werden40. Auch die aus der Systematik begründeten Angriffe auf das Konzept der dienenden Freiheit begegnen Zweifeln: Allein daraus, dass Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG im Grundrechtsteil des Grundgesetzes steht, folgt noch nicht zwingend, dass es sich um eine individuelle Freiheit handelt.41 An mehreren Stellen der Artikel 1 bis 19 GG finden sich Regelungen, die keine Grundrechte sind, z. B. in Art. 7 Abs. 3 S. 1 u. 2, 7 Abs. 6, 12a, 17a und 18 GG.42 Aber auch die innere Systematik des Art. 5 GG taugt nicht dazu, die Interpretation der Rundfunkfreiheit als dienende Freiheit wirklich in Frage zu stellen: Wollte man annehmen, die Rundfunkfreiheit sei schon deswegen ein „echtes“ individuelles Freiheitsrecht, weil dies auch die anderen in Art. 5 Abs. 1 GG genannten Rechte wie insbesondere die Pressefreiheit seien,43 kommt man nicht weiter, weil das BVerfG eben alle Freiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG als dienende Freiheiten ansieht. Dass außerdem das Zensurverbot, bei dem es sich nach wohl allg. M. um eine Eingriffsschranke handelt,44 nicht in Art. 5 Abs. 2 GG, sondern in Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG steht, zeigt, dass die innere Systematik des Art. 5 GG ohnehin eher eingeschränkt als Interpretationshilfe verwendbar ist. 2. Die „Sondersituation“ – Rundfunkfreiheit als ausgestaltungsbedürftige Freiheit Nimmt man das BVerfG beim Wort, sind alle Freiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG als dem Ziel freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung dienende Freiheiten anzusehen. Dies heißt aber nicht, dass das BVerfG Unterschiede zwischen den Kommunikationsfreiheiten leugnen würde. Es macht diese Unterschiede daran fest, was staatlicherseits notwendig ist, damit die betreffende Freiheit dem Zweck des Art. 5 Abs. 1 GG dienen kann. Insoweit 39

Vgl. JöR 51, S. 86. A. A. Böckenförde/Wieland, AfP 1982, S. 77 ff. 41 So aber wohl H. H. Klein, S. 41. 42 So auch Böckenförde/Wieland, AfP 1982, S. 77 ff. (78). 43 So Jarass, 56. DJT, G 28 m. w. N.; Degenhart, in: Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rdnr. 645 f.; Ricker/Schiwy, S. 86 m. w. N. 44 Vgl. z. B.: Wendt, in: von Münch/Kunig, Art. 5 Rdnr. 66; Degenhart, in: Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rdnr. 916. 40

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A. Das duale Rundfunksystem in Deutschland

nimmt das BVerfG eine „Sondersituation“ der Medienfreiheiten, insbesondere der Rundfunkfreiheit im Verhältnis zu Meinungs- und Informationsfreiheit an. Sowohl Presse- als auch Rundfunkfreiheit sieht das Gericht nicht nur als dienende, sondern grundsätzlich auch als ausgestaltungsbedürftige Freiheiten an,45 selbst wenn dies bezüglich der Pressefreiheit bisher noch nicht offen ausgesprochen wurde. Es reicht nach Ansicht des BVerfG bei beiden Freiheiten nicht aus, wenn sich der Staat nur auf liberale Nichteinmischung beschränkt und hierdurch die „Staatsfreiheit“ der Medien gewährleistet. Vielmehr müssten positivrechtliche Vorgaben gemacht werden, damit beide Medienfreiheiten ihrem Zweck effektiv dienen können. So hält das BVerfG bei der Presse jedenfalls Vorschriften gegen die Entstehung von vorherrschender Meinungsmacht oder Meinungsmonopolen für notwendig.46 Bei der Rundfunkfreiheit reiche sogar dies nicht aus, sondern der Staat müsse eine positive Rundfunkordnung schaffen, die dazu dienen solle, dass im Rundfunk die Vielfalt der bestehenden Meinungen in möglichster Breite und Vollständigkeit Ausdruck finde und gleichgewichtige Meinungsvielfalt entstehe.47 Da Fehlentwicklungen in Richtung einer Meinungsmonopolisierung nur schwer rückgängig zu machen seien, müsse diese Ordnung das Entstehen vorherrschender Meinungsmacht von vornherein mit hinreichender Wahrscheinlichkeit verhindern. Dies hält das BVerfG sowohl im öffentlich-rechtlichen wie im privaten Rundfunk gleichermaßen für notwendig.48 Eine „positive Presseordnung“ in diesem Sinne hat das BVerfG demgegenüber nie gefordert. Diese dogmatische Ungleichbehandlung der Medienfreiheiten hat das Gericht folgendermaßen begründet: Im Bereich der Presse existiere seit jeher eine Mehrheit unterschiedlicher und eigenständiger Anbieter. Hier ließe sich daher Meinungspluralismus49 schon dadurch erreichen und erhalten, dass man übermäßige Konzentrationen und damit vorherrschende Meinungsmacht verhindere, im Übrigen aber auf das Wirken der Marktkräfte vertraue. Anders im Rundfunk: Hier hält das BVerfG die Entstehung eines ausreichenden Anbieterplura45 Begriff aus BVerfG NJW 97, 1842 r. Sp.; zur Presse vgl. Jarass, in: ders./Pieroth, Art. 5 Rdnr. 27; a. A. (hinsichtlich der Presse) Gersdorf, in: Eberle/Rudolf/Wasserburg, S. 88. 46 Vgl. BVerfGE 20, 162 (176); Bullinger, in: Isensee/Kirchhof, § 142 Rdnr. 45 ff. 47 Vgl. BVerfGE 57, 295 (320); 83, 238 (296); 95, 220 (236); kritisch hierzu statt vieler Mestmäcker, 56. DJT, O 15 ff.; BVerfGE 73, 118 (156 f.) stellt klar, dass es sich bei der gleichgewichtigen Meinungsvielfalt nicht um eine exakte Größe, sondern um einen näherungsweise zu erreichenden Wert handelt. Außerdem könne der Landesgesetzgeber gleichgewichtige Vielfalt schon deswegen nicht durch eigene Anstrengung vollständig erreichen, da er den innerstaatlichen Empfang ausländischer Programme im europäischen Rundfunkmarkt und den Empfang von Programmen anderer Bundesländer nicht zu regeln befugt sei. Dies entbinde den Gesetzgeber aber nicht von seiner Regelungspflicht. 48 Vgl. BVerfGE 57, 295 (323 f.); BVerfGE 73, 118 (160). 49 Zum Begriff „Pluralismus“ sowie zur Pluralismustheorie vgl. Poll, S. 129 ff.

II. Die Vorgaben des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG

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lismus allein durch das Wirken der Marktkräfte nicht für erreichbar.50 Ursprünglich ging das Gericht davon aus, dass dies technische und finanzielle Gründe habe. Eine große Zahl an inhaltlich unterschiedlichen Rundfunkprogrammen ähnlich der Vielfalt im Pressewesen wurde angesichts der trotz Kabel- und Satellitentechnik 51 begrenzten Anzahl der Sendefrequenzen und der hohen Kosten für das Errichten und Betreiben eines Rundfunksenders für unmöglich gehalten.52 Später hielt das Gericht an seiner These fest, verortete die „Sondersituation“ jedoch vor allem in den gegenüber der Presse weiterreichenden Möglichkeiten und Wirkungen des Rundfunks,53 seiner stärkeren Breitenwirkung, Aktualität und Suggestivkraft.54 3. Die Ausgestaltung der „positiven Rundfunkordnung“ a) Regelungsverpflichtung und gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit Für die Schaffung der positiven Rundfunkordnung nimmt das BVerfG seiner „Wesentlichkeitstheorie“55 folgend einen Parlamentsvorbehalt an.56 Insbesondere müsse im Wege parlamentarischer Gesetzgebung folgendes geregelt werden:57 – die Grundlinien der Rundfunkordnung, insbesondere die Frage, ob privater Rundfunk eingeführt wird; – Bestimmungen, die garantieren, dass der Rundfunk nicht einer oder einzelnen Gruppen ausgeliefert wird und die gesellschaftlichen Gruppen im Gesamtprogrammangebot zu Wort kommen können; – verbindliche Programmgrundsätze, die ein Mindestmaß an inhaltlicher Ausgewogenheit, Sachlichkeit und gegenseitiger Achtung gewährleisten und die Veranstalter an die Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG, insbesondere den Jugendschutz, binden; 50

Vgl. BVerfGE 57, 295 (322 ff.); vgl. hierzu Ladeur, AfP 1998, 141 (142). Vgl. BVerfGE 73, 118 (122). 52 Vgl. bereits BVerfGE 12, 205 (261); Brugger (S. 12 f.) spricht insoweit von der „technischen“ und der „finanziellen Sonderfallthese“. 53 So schon BVerfGE 31, 314 (325). 54 Vgl. BVerfGE 90, 60 (87); kritisch hierzu: Charissé, S. 93 ff.; Hain, S. 51 ff. 55 Das BVerfG nimmt in ständiger Rechtsprechung an, dass die wesentlichen Entscheidungen im Staat insbesondere diejenigen über die Schaffung für den Grundrechtsgebrauch essentieller Normen der parlamentarische Gesetzgeber selbst (und nicht die Exekutive) zu treffen habe. Dies wird aus dem Demokratieprinzip des Art. 20 GG hergeleitet (vgl. u. a. BVerfGE 47, 46 (78 ff.); 33, 1 (10 ff.); 76, 1 (75). 56 Vgl. BVerfGE 57, 295 (321); 83, 238 (309 f.). 57 Vgl. BVerfGE 57, 295 (324 ff.); hierzu Oppermann, JZ 1981, 721 (726 f.). 51

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A. Das duale Rundfunksystem in Deutschland

– eine begrenzte Staatsaufsicht über den privaten Rundfunk, die nur dazu bestimmt sein darf, die Einhaltung der zur Gewährleistung der Rundfunkfreiheit ergangenen gesetzlichen Regelungen sicherzustellen; – sofern privater Rundfunk zugelassen wird, ein rechtsstaatliches Zulassungsverfahren mit festgelegten Zulassungsvoraussetzungen, das die Überprüfung ermöglicht, ob bei Erteilung der Zulassung die Vielfaltsanforderungen der Rundfunkfreiheit noch gewahrt sind; – Regeln, die eine den Erfordernissen des Art. 3 GG genügende Auswahl zwischen konkurrierenden Bewerbern um Sendefrequenzen ermöglichen. Abgesehen von der zwingend erforderlichen Regelung dieser Bereiche überlässt das BVerfG die Ausgestaltung des Rundfunksystems weitgehend der landesgesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit,58 und verlangt weder eine „Modellkonsistenz“,59 noch eine Wahrung des Grundsatzes „publizistischer Gewaltenteilung“ zwischen Rundfunk und Presse.60 Insbesondere könne der Gesetzgeber, um seinem Auftrag zur Vielfaltserhaltung beim privaten Rundfunk nachzukommen, grundsätzlich frei wählen, ob er sich für ein binnenpluralistisches oder für ein außenpluralistisches System entscheide.61 An Vorkehrungen zur Verhinderung vorherrschender Meinungsmacht sei weniger gefordert, je mehr im Bereich des privaten Rundfunks ein funktionierender Außenpluralismus existiere.62 Besonders strenge Vorkehrungen hält das BVerfG im regionalen und lokalen Bereich aufgrund der häufig monopolartigen Stellungen der örtlichen Zeitungsunternehmen für nötig.63 Geringere Anforderungen als an die Rund58 Vgl. BVerfGE 73, 118 (153); die Verbandskompetenz zur Regelung des Rundfunkwesens liegt, wie das BVerfG schon im ersten Rundfunkurteil (BVerfGE 12, 205) klargestellt hat, in aller Regel bei den Ländern. Die Länder handeln insoweit teilweise allein (in Form von Landesmediengesetzen), teilweise auch koordiniert in Form von Staatsverträgen wie z. B. dem RStV. 59 Vgl. BVerfGE 83, 238 (305): „Der Gesetzgeber steht [. . .] weder vor der Alternative, nur öffentlich-rechtlichen oder nur privaten Rundfunk zuzulassen, noch muss er [im dualen Rundfunksystem], die beiden Sektoren strikt voneinander trennen.“. Nach BVerfGE 74, 297 (349) darf er eine solche strikte Trennung jedoch vorsehen. 60 Nach BVerfGE 73, 118 (175) muss aber auch vorherrschende Meinungsmacht, die durch ein Zusammenwirken von Presse- und Rundfunkunternehmen entsteht (multimediale Meinungsmacht), verhindert werden. 61 Beim binnenpluralistischen System wirkt, wie schon angedeutet, ein internes pluralistisch aus Vertretern der relevanten gesellschaftlichen Gruppen zusammengesetztes Gremium bei jedem einzelnen Veranstalter darauf hin, dass die Vielfaltsanforderungen eingehalten werden. Die Gremienvertreter im binnenpluralistischen System werden zumeist von Verbänden benannt, sollen jedoch unabhängige Sachwalter der Allgemeinheit sein, was Interessenkonflikte provozieren kann. Kritisch zum Gruppeneinfluss statt vieler Mestmäcker, 56. DJT, O 18. 62 Vgl. BVerfGE 73, 118 (174); Das BVerfG hält das binnenpluralistische Modell grundsätzlich für geeigneter, gleichgewichtige Meinungsvielfalt zu wahren, als das außenpluralistische (BVerfGE 73, 118 (171)). 63 Vgl. BVerfGE 73, 118 (177); 83, 238 (324).

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funkveranstaltung innerhalb des betreffenden Bundeslands dürfe der Gesetzgeber an die Weiterverbreitung im Ausland oder in anderen Bundesländern hergestellter Programme stellen, da diese schon am Ort ihrer Veranstaltung geprüft würden.64 b) Verfassungsrechtliche Grenzen der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit Diese Gestaltungsfreiheit bei der Ausgestaltung der positiven Rundfunkordnung hat ihre grundrechtlichen Grenzen: Das BVerfG unterscheidet zwischen Ausgestaltungen und Beschränkungen der Rundfunkfreiheit. Ein Handeln des Gesetzgebers, das allein der Sicherung der Rundfunkfreiheit diene, sei eine Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit.65 Die Ausgestaltungsbefugnis des Gesetzgebers berechtige aber nicht zu einem Eingriff in das Grundrecht des Art. 5 Abs. 1 GG.66 Alles, was über das Maß zulässiger Ausgestaltung hinausgehe, und insbesondere die als subjektives Recht aus der Rundfunkfreiheit folgende Programmautonomie (dazu sogleich) beeinträchtige, könne nur nach Art. 5 Abs. 2 GG oder kraft kollidierenden Verfassungsrechts67 gerechtfertigt sein, und müsse am Zensurverbot des Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG gemessen werden.68 Das BVerfG hat noch eine weitere Grenze für die Ausgestaltung der positiven Rundfunkordnung aufgestellt: Der Gesetzgeber dürfe die Veranstaltung privaten Rundfunks nicht nur unter Voraussetzungen ermöglichen, die diese Veranstaltung in hohem Maße erschweren oder (wirtschaftlich) ausschließen, da dem Grundgesetz eine Entscheidung zugunsten der Zulässigkeit privaten Rundfunks zu entnehmen sei.69 Unklar ist allerdings, ob diese Grenze der Ausgestaltungsbefugnis ähnlich wie das Zensurverbot des Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG absolut gilt, oder ob das BVerfG nur ausdrücken wollte, dass auch Ausgestaltungsregeln einer (abgeschwächten) Verhältnismäßigkeitsprüfung unterliegen.

64 Vgl. BVerfGE 73, 118 (196 ff.). Das Sendestaatsprinzip (nicht der Empfangs-, sondern der Sendestaat kontrolliert das jeweilige Programm) findet sich also nicht erst in der EG-Fernsehrichtlinie. 65 A. A. Starck, in: von Mangoldt/Klein/ders., Art. 5 Rdnr. 13; weitere Nachweise bei Ruck, AöR 117 (1992), 543 (554 ff.). 66 Vgl. BVerfGE 57, 295 (321); näher hierzu Ruck, AöR 117 (1992), 543 (547 ff.). 67 Ein Beispiel hierfür findet sich in BVerfGE 83, 238 (340), wo festgestellt wird, das im Bereich des Schulrundfunks Staatsfreiheit des Rundfunks (Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG) und staatliche Schulaufsicht (Art. 7 Abs. 1 GG) in praktische Konkordanz zu bringen seien. 68 Vgl. BVerfGE 73, 118 (166); 57, 295 (321). 69 Vgl. BVerfGE 73, 118 (157 und 171).

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A. Das duale Rundfunksystem in Deutschland

4. Programmautonomie Trotz ihres dienenden Charakter hat die Rundfunkfreiheit, wie bereits erwähnt, sehr wohl eine starke subjektiv-rechtliche Seite. Diese erkennt auch das BVerfG an und fordert ihren umfassenden Schutz. Die Rede ist von der Programmautonomie. Sie schützt als subjektives Abwehrrecht den Veranstalter vor staatlichen Übergriffen, insbesondere vor staatlichen Versuchen einer Programmbeeinflussung oder -kontrolle. Rundfunkfreiheit ist nach Ansicht des BVerfG sogar in erster Linie Programmautonomie des Veranstalters,70 d. h. der Veranstalter muss über Produktion, Inhalt und Form seines Programms so frei wie irgend möglich entscheiden können. Unter „Programm“ ist hierbei die „. . . auf längere Dauer angelegte, planmäßige und strukturierte Abfolge von Sendungen oder Beiträgen“ zu verstehen.71 Veranstalter ist im Gegensatz zum bloßen Programmzulieferer, wer die „. . . Struktur (sc.: des Programms) festlegt, die Abfolge plant, die Sendungen zusammenstellt und unter einer einheitlichen Bezeichnung dem Publikum anbietet“.72 Darauf, wer formell als Veranstalter auftritt, wer das Programm ausstrahlt, und wer die einzelnen Sendungen produziert, kommt es nicht an.73 Programmautonomie impliziert in erster Linie Staatsfreiheit der Rundfunkveranstaltung. Diesen Schutz vor Übergriffen des Staates fasst das BVerfG aufgrund der Bedeutung der Rundfunkfreiheit für das staatliche Gemeinwesen sehr weit: Der Veranstalter ist vor jedem auch nur mittelbaren staatlichen Programmeinfluss geschützt, so z. B. bei der Rundfunkfinanzierung,74 bei der Festlegung von Verhaltenspflichten 75 und im Bereich des Arbeitsrechts der Rundfunkmitarbeiter.76 Auch im Frequenzzuteilungs- und im Zulassungsverfahren kann sich der Bewerber gegen staatlichen Programmeinfluss, der zu einer Art Selbstzensur des Bewerbers führen würde, unter Berufung auf die Programmautonomie wehren.77 Ein Rundfunkgesetz, das der Erlaubnisbehörde ein Recht zur programminhaltlichen Bewertung der Bewerber nach Ermessen einräumt, ist regelmäßig mit der Programmautonomie unvereinbar, da ansonsten die Erlaubnisbehörde mittelbaren Programmeinfluss ausüben könnte.78 70

Vgl. BVerfGE 87, 181 (201). Vgl. BVerfGE 97, 298 (310). 72 So BVerfGE 97, 298 (310). 73 Vgl. BVerfG a. a. O. und BVerfGE 73, 118 (172). 74 Vgl. BVerfGE 90, 60. 75 So z. B. BVerfGE 95, 220 (234 ff.) für die Pflicht auf Verlangen Sendezeitmitschnitte an die Landesmedienanstalt herauszugeben. 76 Vgl. BVerfGE 59, 231 (258), wonach Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG das Recht des Veranstalters beinhaltet, dem programmlichen Vielfaltsgebot bei der Auswahl und Beschäftigung seiner programmgestaltenden Mitarbeiter Rechnung zu tragen, indem er z. B. zwischen dem Abschluss eines Arbeits- und dem eines Werkvertrages wählen kann. 77 Vgl. BVerfGE 97, 298 (312 ff.). 71

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Den Kreis der von der Programmautonomie erfassten Sendeinhalte und Tätigkeiten zieht das BVerfG ebenfalls sehr weit: Obwohl nach dem Wortlaut des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG nur die „Berichterstattung“ durch den Rundfunk frei ist, nimmt das Gericht an, dass nicht nur Tatsachenmeldungen und politische Information unter die Programmautonomie fielen, sondern jeder Beitrag des Rundfunks zur Meinungsbildung. Da Meinungsbildung sich aber im gesamten Rundfunkprogramm (also auch in Unterhaltungssendungen) vollziehen könne, hält das BVerfG eine Trennung in meinungsbildende und nicht-meinungsbildende Sendungen für unzulässig.79 Somit ist letztlich jede Rundfunksendung, sowie die Zusammenstellung und Präsentation der Sendungen geschützt.80 Als Tätigkeit ist nicht etwa erst die Ausstrahlung, sondern wie bei der Pressefreiheit bereits die Beschaffung der zu verarbeitenden Informationen durch die Rundfunkmitarbeiter und der hierzu notwendige Einsatz spezifischer technischer Mittel geschützt.81 Schließlich schützt die Programmfreiheit auch Sendungen, die bereits ausgestrahlt wurden.82 Im Ergebnis gewährleistet die Programmautonomie damit umfassenden Schutz der Rundfunkveranstaltung. 5. „Rundfunkveranstalterfreiheit“? Seit Jahren heftig umstritten ist die Frage, ob Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG neben der Programmautonomie auch eine „Rundfunkveranstalterfreiheit“ gewährleistet, d. i. die primär wirtschaftliche Freiheit, Rundfunkveranstalter zu werden: a) Die Sicht des BVerfG Das BVerfG klärt diese Frage in seiner Rechtsprechung nicht abschließend.83 Im Urteil zum saarländischen Rundfunkgesetz lässt es sie deswegen ausdrücklich dahinstehen, weil der saarländische Gesetzgeber privaten Rundfunk zugelassen habe, und es deswegen bedeutungslos sei, ob er zu dieser Zulassung verfassungsrechtlich verpflichtet gewesen sei.84 Die Tatsache, dass das Gericht im selben Urteil die Verfassungsmäßigkeit der Regeln zur Auswahl bei der Frequenzzuteilung unter konkurrierenden privaten Rundfunkveranstaltern aus78

Vgl. BVerfGE 73, 118 (182 f.). Vgl. BVerfGE 12, 205 (260); 31, 314 (326); 35, 202 (223); hierzu HoffmannRiem, Pay TV, S. 51. 80 So auch Hoffmann-Riem, Pay TV, S. 48 ff. 81 Vgl. BVerfGE 91, 125 (135); zur Pressefreiheit vgl. schon BVerfGE 10, 118 (121). Die neueste Entscheidung des BVerfG zur Gerichtsberichterstattung durch audiovisuelle Medien (ZUM 2001, 220 ff. m. Anm. Krausnick) stellt dies allerdings in Frage. 82 Vgl. BVerfGE 95, 220 (234); BVerfGE 91, 125 (134). 83 So auch Degenhart, in: Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1 und 2, Rdnr. 641. 84 Vgl. BVerfGE 57, 295 (316). 79

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A. Das duale Rundfunksystem in Deutschland

schließlich an Art. 3 GG misst,85 spricht jedoch dafür, dass es einer „Rundfunkveranstalterfreiheit“ eher ablehnend gegenübersteht. Ähnliches gilt für die oben zitierte Aussage des BVerfG im „HR-3-Beschluss“, die Rundfunkfreiheit sei kein Grundrecht, das seinem Träger zum Zweck der Persönlichkeitsentfaltung oder Interessenverfolgung eingeräumt sei. Diese Aussage könnte dahin gedeutet werden, dass das BVerfG die Frage nach einer Rundfunkveranstalterfreiheit endgültig negativ entscheiden wollte.86 Gegen eine solche Auslegung sprechen allerdings Wortlaut und tatsächlicher Hintergrund der Entscheidung: Muss das BVerfG Fragen, die es noch in anderen Urteilen offenlassen konnte, entscheiden, kündigt es diese Entscheidung meist ausdrücklich durch Bemerkungen wie „. . . macht nun eine Antwort unumgänglich“ an.87 Solche Bemerkungen fehlen an der betreffenden Stelle. Auch die Formulierung „. . . [nicht] zum Zwecke der Persönlichkeitsentfaltung oder Interessenverfolgung eingeräumt . . .“ selbst ist nicht eindeutig. Sie sagt nicht wesentlich mehr als der Begriff der „dienenden Freiheit“. Dass private Rundfunkveranstalter auch wirtschaftliche Interessen verfolgen dürfen, hat das BVerfG im Übrigen nie ausgeschlossen,88 sondern vielmehr betont, privater Rundfunk dürfe nicht gänzlich unrentabel bzw. wirtschaftlich unmöglich gemacht werden.89 Rundfunk, der sich rentieren soll, kann aber nicht ohne Verfolgung wirtschaftlicher Interessen betrieben werden.90 Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der HR-3-Beschluss eine Regelung des RStV betraf, die nur für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk galt. Die eindeutige Ablehnung einer Rundfunkveranstalterfreiheit lässt sich also den Rundfunkurteilen nicht entnehmen. Angesichts der Tatsache, dass privater Rundfunk in allen Bundesländern eingeführt wurde, wird man vom BVerfG eine weitergehende Entscheidung dieser Frage auch in Zukunft kaum erwarten können. b) Die Sicht der Literatur Die Literatur ist in der Frage, ob eine Veranstalterfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG abzuleiten ist, im Wesentlichen in zwei Lager gespalten. Die einen 85 Vgl. BVerfGE 57, 295 (327); hierzu Selmer, S. 35. In BVerfGE 73, 118 (191) spricht das BVerfG von einem „Verfassungsgebot chancengleichen Zugangs“ zum Rundfunk. 86 So offensichtlich Starck, in: von Mangoldt/Klein/ders., Art. 5 Rdnr. 104 und Ricker/Schiwy, S. 86. 87 Vgl. nur BVerfGE 90, 60 (93). 88 Vgl. z. B. BVerfGE 83, 238 (329). Zu weit geht m. E. daher Gersdorf (Chancengleicher Zugang, S. 21 f.), der die Rechtsprechung des BVerfG als „Dienen statt Verdienen“ zusammenfasst. 89 Vgl. nur BVerfGE 83, 238 (318); vgl. auch Bethge, Verfassungsrechtliche Position, S. 25. 90 Ähnlich Degenhart, in: Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1 und 2, Rdnr. 710.

II. Die Vorgaben des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG

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lehnen die Existenz einer solchen Freiheit grundsätzlich ab91 und berufen sich hierbei auf den Wortlaut des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG, der eben nur von „Presse-“, nicht aber von „Rundfunkfreiheit“ spreche,92 und (m. E. zu Unrecht) auf die Rechtsprechung des BVerfG. Nach dieser Ansicht besteht die wirtschaftliche Freiheit, Rundfunkveranstalter zu werden, nur kraft einfachen Rechts.93 Die Vertreter der Gegenansicht sind zumeist dieselben, die sich gegen das Verständnis der Rundfunkfreiheit als dienende Freiheit wenden. Sie sehen die Rundfunkfreiheit sogar in erster Linie als Veranstalterfreiheit, halten die Gegenmeinung für mit dem Grundcharakter der Grundrechte des Grundgesetzes unvereinbar und angesichts der neueren technischen Entwicklungen auch für unzeitgemäß.94 Teilweise wird eine Rundfunkveranstalterfreiheit neben Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG ergänzend auch in Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 12 GG verortet.95 Ein weiteres, insbesondere für den Zusammenhang dieser Arbeit wichtiges Argument der Befürworter einer Veranstalterfreiheit ist ein europarechtliches: Aus der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 10 EMRK wird geschlossen, dass der EGMR eine Veranstalterfreiheit anerkenne, und daher die Ablehnung einer solchen Freiheit in Deutschland nicht mehr haltbar sei.96 Ob der EGMR diese Sicht tatsächlich einnimmt, und ob hieraus Konsequenzen für die deutsche Grundrechtsauslegung folgen, soll in dieser Arbeit allerdings erst an anderer Stelle [B. VII.] geklärt werden. c) Stellungnahme Die Frage nach einer Veranstalterfreiheit ist strikt zu unterscheiden von der umfassenderen nach einer Grundrechtsberechtigung der privaten Rundfunkveranstalter. Letztere ist vom BVerfG dahingehend geklärt, dass bereits der Bewer91 Vgl. z. B.: Bethge, in: Sachs, Art. 5 Rdnr. 95; Hoffmann-Riem, in: Benda/Maihofer/Vogel, S. 195 ff.; ders., in: Alternativkommentar, Art. 5 Rdnr. 143; Böckenförde/ Wieland, AfP 1982, 77 ff.; weitere Nachweise bei Gellermann (S. 189 ff.) und Brugger (S. 31 ff.). 92 So insbesondere Böckenförde/Wieland, AfP 1982, 77 ff. 93 Vgl. Gellermann, S. 191 m. w. N. 94 Vgl. z. B.: Oppermann (JZ 1981, 721 (726)), der insoweit von einer „Weimarisierung der Rundfunkfreiheit“ spricht; Starck, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 5 Rdnr. 106; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 5 I, II Rdnr. 80; Degenhart, in: Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rdnr. 709; Bullinger, in: Isensee/Kirchhof, § 142 Rdnr. 118 ff.; Engel, AfP 1994, 185 ff.; Mestmäcker, 56. DJT, O 11 ff.; H. H. Klein, S. 32 ff.; Charissé, S. 77 ff.; Selmer, S. 44 ff.; weitere Nachweise bei Astheimer (S. 200 ff.), Gellermann (S. 192 ff.) und Brugger (S. 28). 95 Vgl. Brugger, S. 29; H. H. Klein, Rundfunkfreiheit, S. 42 ff.; Selmer, S. 35 f., 44; weitere Nachweise bei Charissé, S. 135 ff.; vgl. auch Gramlich, ZUM 1998, 365 (375). 96 So E. Klein, DÖV 1999, 758 ff.; Schoch, VVDStRL 57 (1998), 158 (194 ff.); für eine „den Menschenrechten entsprechende Auslegung der deutschen Grundrechte“ auch Starck, in: von Mangoldt/Klein/ders., Art. 5 Rdnr. 14 m. w. N.

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A. Das duale Rundfunksystem in Deutschland

ber um eine Sendelizenz vollen Schutz seiner Programmautonomie genießt und damit aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG grundrechtsberechtigt ist. Veranstalterfreiheit meint demgegenüber die Freiheit, unabhängig vom veranstalteten Programm als Rundfunkveranstalter aufzutreten bzw. Rundfunkunternehmer zu werden. Letztlich geht es bei der Frage nach der Veranstalterfreiheit also um eine Rundfunkunternehmerfreiheit und ihren von der bloßen Programmfreiheit unabhängigen Schutz.97 Zur Beantwortung dieser Frage muss man sich zunächst zwei Dinge vor Augen halten: Erstens ist eine Abschaffung privaten Rundfunks, wäre sie denn europarechtlich oder verfassungsrechtlich zulässig, schon allein wirtschaftspolitisch absurd.98 Zweitens prüft das BVerfG auch Regelungen, die nicht als Eingriffe unter Art. 5 Abs. 2 GG fallen, sondern die Rundfunkfreiheit ausgestalten, zumindest darauf hin, ob sie die Veranstaltung privaten Rundfunks in hohem Maße erschweren, wenn nicht ausschließen, und erklärt Regelungen, die zur Erreichung des Vielfaltsziels ungeeignet bzw. funktionsunfähig sind, für verfassungswidrig.99 Das Gericht unterzieht solche Regelungen also einer Art atypischen Verhältnismäßigkeitsprüfung100 oder jedenfalls einer Geeignetheitsprüfung.101 Eine Überprüfung an den Maßstäben der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit i. e. S. hat das BVerfG zwar bisher noch nie explizit vorgenommen. Die in den entsprechenden Urteilen verwendete Formulierung „in hohem Maße erschweren“ deutet aber darauf hin, dass zumindest eine zu97 So auch Charissé, S. 74 f.; die Formulierung von Bethge: „Die Rundfunkfreiheit ist eine Rundfunkveranstalterfreiheit. Sie stellt sich vor allen Dingen als Programmfreiheit dar.“ (NVwZ 1997, 1 ff. (4); ähnlich schon ders., Verfassungsrechtliche Position, S. 33 f.) verwischt die Grenzen zwischen Programmfreiheit und Veranstalterfreiheit zu sehr. 98 So i. E. auch Eifert, ZUM 1999, 595 (596 m. w. N.). 99 Vgl. BVerfGE 83, 238 (329); i. E. auch BVerfGE 73, 118 (173) und 74, 297 (331 ff.). 100 So i. E. auch Jarass, 56. DJT, G 26 f.; ders., in: ders./Pieroth, Vorb. vor Art. 1 Rdnr. 32 m. w. N.; Ruck (AöR 117 (1992), 543 ff. (549 f.)), die auch die Unterschiede zu Art. 14 GG aufzeigt; a. A.: Engel, AfP 1994, 185 ff. (186); Gersdorf, in: Eberle/ Rudolf/Wasserburg, S. 86 ff.; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 5 I, II Rdnr. 168. Dogmatisch handelt es sich in der Tat nicht um eine Verhältnismäßigkeitsprüfung, da nicht ein Eingriff, sondern eine Ausgestaltung zu rechtfertigen ist (so auch: Jarass ebd.; Gersdorf, Chancengleicher Zugang, S. 30 f.; Neun, S. 191). Vgl. aber auch BVerfGE, 97, 228 (267 f.), wo das BVerfG eine Angemessenheitsprüfung andeutet (wörtlich (S. 267): „Das Kurzberichterstattungsrecht [. . .] gestaltet die Rundfunkfreiheit in verfassungsmäßiger Weise aus [. . .] Die Regelung ist auch angemessen . . .“; kritisch Neun (S. 191), der m. E. zu Unrecht dem BVerfG einen Zirkelschluss vorwirft, weil es die Angemessenheit der Ausgestaltung damit begründe, dass sie mangels Berührung des Kerns der individuellen Rundfunkfreiheit kein Eingriff sei. Das BVerfG stellt lediglich fest (S. 268), dass die Programmfreiheit als Kern der Rundfunk durch die angegriffene Regelung nicht berührt sei. Eine derartige Feststellung im Rahmen einer Angemessenheitsprüfung fordert schon Art. 19 Abs. 2 GG). 101 So auch Bremer/Esser/Hoffmann, S. 44.

II. Die Vorgaben des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG

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gunsten der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit abgeschwächte, im Übrigen aber vollständige Verhältnismäßigkeitsprüfung geboten ist. Selbst wenn man wie die Mehrzahl der Befürworter einer Rundfunkveranstalterfreiheit102 die Konsequenz zieht, dass jede staatliche Regelung im Rundfunkbereich ein nach Art. 5 Abs. 2 GG zu rechtfertigender Eingriff ist, kann man dennoch bezweifeln, ob die Frage nach der Veranstalterfreiheit je praktisch relevant wird: Entweder folgt der Anspruch auf Zulassung als Rundfunkveranstalter aus dem einfachen Gesetzesrecht, oder direkt aus dem Grundgesetz. Im ersteren Fall kommt man, wie dargelegt, nicht umhin, dennoch eine Art Verhältnismäßigkeitsprüfung durchzuführen. Im zweiten Fall stellt sich die zusätzliche Frage, ob ein allgemeines Gesetz i. S. d. Art. 5 Abs. 2 GG gegeben ist und ob dieses Gesetz einer Verhältnismäßigkeitsprüfung im üblichen Sinne standhält. Ein solches allgemeines Gesetz wird jedoch in aller Regel vorliegen, da eine Regelung, die im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG Ausgestaltung und nicht Eingriff ist, kaum so beschaffen sein kann, dass sie sich gegen die Äußerung und Verbreitung bestimmter Meinungen oder den Meinungsbildungsprozess als solchen richtet. Nur in diesem Fall wäre sie aber kein allgemeines Gesetz.103 Unterschiede zwischen beiden Auffassungen könnten sich daher wohl höchstens bei der Beurteilung von Regelungen ergeben, die zur Ausgestaltung der Rundfunkordnung zwar geeignet, nach dem Grundsatz „in dubio pro libertate“ aber nicht erforderlich oder nicht angemessen sind. Solche Unterschiede werden selten vorkommen. Auch die Verfassungsbeschwerdebefugnis abgelehnter Bewerber um eine Sendelizenz ist nicht davon abhängig, ob man eine Veranstalterfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG anerkennt,104 denn eine solche Befugnis besteht für den Adressat einer ablehnenden Entscheidung zumindest im Bezug auf Art. 3 Abs. 1 GG und die Programmfreiheit. Dogmatisch einfacher und logischer ist es im Übrigen, die Veranstalterfreiheit nicht bei Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG, sondern bei berufsmäßig betriebener Rundfunkveranstaltung vorrangig bei Art. 12 GG, im Falle des „Amateurrundfunks“ oder bei ausländischen Veranstaltern (Art. 12 GG ist ein „Deutschengrundrecht“) bei Art. 2 Abs. 1 GG anzusiedeln. Teilweise wird allerdings angenommen, dass hinsichtlich der Rundfunkveranstalterfreiheit Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG lex specialis zu Art. 2 Abs. 1 und 12 GG sei.105 Dies überzeugt bezüglich Art. 12 GG deswegen nicht, weil es bei der Berufsfreiheit nach mittlerweile 102 Vgl. statt vieler Starck, in: von Mangoldt/Klein/ders., Art. 5 Rdnr. 13; Hain, S. 23 ff., 86 ff. 103 Allgemeine Gesetze i. S. d. Art. 5 Abs. 2 GG sind Gesetze, die „sich nicht gegen die Äußerung einer Meinung als solche richten, die vielmehr dem Schutz eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung zu schützenden Rechtsgutes dienen“ (Zitat aus BVerfGE 7, 198 (209)); vgl. auch BVerfGE 74, 297 (343); Ruck, AöR 117 (1992), 543 (552 f., 556 ff.). 104 So aber Charissé, S. 76 f.

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A. Das duale Rundfunksystem in Deutschland

ganz h. M. eben gerade nicht darauf ankommt, um welchen Beruf bzw. welches Berufsbild es sich handelt.106 Ob jemand den Beruf des Maurers oder den des Medienunternehmers wählen/ausüben will, kann sub specie Art. 12 GG keinen Unterschied machen. Außerdem ist auffällig, dass z. B. Bethge und HoffmannRiem, die ein lex specialis-Verhältnis zwischen Art. 5 Abs. 1 und Art. 12 GG annehmen, zugleich vertreten, Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG umfasse keine Rundfunkveranstalterfreiheit im Sinne einer verfassungskräftigen Gründungsfreiheit für private Rundfunkunternehmen.107 Folgte man dieser Meinung würde Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG Art. 12 GG auch bei einem Verhalten, das Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG im Schutzbereich gar nicht erfasst, verdrängen. Ein dogmatisch seltsames Ergebnis. Im Endeffekt würde sich bei einem Abstellen auf Art. 12 GG oder Art. 2 Abs. 1 GG statt auf Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG zwar nichts ändern, da man die freie öffentliche und individuelle Meinungsbildung wohl als „überragend wichtiges Gemeinschaftsgut“ und damit legitimes Schutzziel von Eingriffen in die Berufsfreiheit und erst recht in die allgemeine Handlungsfreiheit ansehen könnte.108 Das Problem der Rundfunkveranstalterfreiheit wäre aber einer klaren Lösung zugeführt, die auch einige Wogen im Verhältnis des öffentlich-rechtlichen zum privaten Rundfunk glätten könnte. 6. Grundrechtsberechtigte aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG a) Inländische Rundfunkveranstalter Träger des aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG folgenden Grundrechts auf Programmautonomie ist unstreitig109 zumindest jeder zugelassene inländische Rundfunkveranstalter, unabhängig davon, ob er öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich organisiert ist,110 ob es sich um eine natürliche oder um eine juristische Person 105 Vgl. Degenhart, in: Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rdnr. 942; ebenso Hoffmann-Riem, Pay TV, S. 83; ders., in: R. Schmidt, Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 6 Rdnr. 25; Manssen, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 12 Rdnr. 273; a. A. (bezgl. Art. 12 GG): Charissé, S. 136 m. w. N.; Heß, S. 235 ff. m. w. N. 106 Statt vieler Manssen, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art, 12 Rdnr. 41 f.; anders noch Wieland, S. 166 ff. 107 Vgl. nur Hoffmann-Riem, in: Alternativkommentar, Art. 5 Abs. 1, 2 Rdnr. 180 f.; Bethge, in: Sachs, Art. 5 Rdnr. 102. 108 So überzeugend Charissé, S. 137 m. w. N. In diesem Sinne ist wohl auch die Bemerkung des BVerfG zu verstehen, Art. 12 GG könne im Zulassungsverfahren für private Rundfunkveranstalter „keinen höheren Schutz vermitteln als Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG“ (vgl. BVerfGE 97, 298, 316). 109 Die von Andreas Neun aufgeworfene Frage, ob für Programmerweiterungen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ein Parlamentsvorbehalt geschaffen werden sollte (vgl. Neun, S. 354 ff.), ist keine Frage des sachlichen oder persönlichen Schutzbereichs, sondern eine solche der Schranken der Programmfreiheit (so auch Neun selbst S. 368 ff.).

II. Die Vorgaben des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG

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handelt.111 Nicht Träger der Programmautonomie sind schon wegen des Grundsatzes der Staatsfreiheit der Staat und seine Untergliederungen, zu denen auch Gemeinden zu rechnen sind.112 Weiterhin kann sich, wie oben gezeigt, auch derjenige schon auf die Programmautonomie berufen, der sich um eine Sendelizenz bewirbt. Erkennt man außerdem eine Rundfunkveranstalterfreiheit an, sind aus ihr alle potentiellen privaten Rundfunkveranstalter berechtigt. Öffentlichrechtliche Rundfunkanstalten werden als Anstalten vom Staat gegründet und können daher nicht Träger der Veranstalterfreiheit sein, da insoweit das „Konfusionsargument“ gilt, nach dem der Staat als Grundrechtsverpflichteter nicht zugleich grundrechtsberechtigt sein kann. b) Ausländische Rundfunkveranstalter Juristische Personen aus dem Ausland können sich schon nach dem Wortlaut des Art. 19 Abs. 3 GG („inländische“) nicht auf die Rundfunkfreiheit des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG berufen.113 Dies gilt grundsätzlich auch für juristische Personen aus Mitgliedsstaaten der EU. Diese können sich aber auf die unmittelbar wirkenden Grundfreiheiten des EG-Vertrages, insbesondere auf die Niederlassungsfreiheit nach Art. 43 EG114 und die Dienstleistungsfreiheit nach 49 EG115 berufen, soweit die Rundfunkveranstaltung unter diese Freiheiten fällt.116 Die 110 So ausdrücklich BVerfGE 95, 220 (234); BVerfGE 97, 298 (310). Die Rundfunkfreiheit des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG ist eine der wenigen Freiheiten des Grundgesetzes aus der auch juristische Personen des öffentlichen Rechts eine Grundrechtsberechtigung herleiten können (a. A. Hain, S. 135 ff.). Allerdings können sich öffentlichrechtliche Rundfunkanstalten grundsätzlich nicht auf andere Grundrechte, insbesondere nicht auf die Pressefreiheit berufen (vgl. BVerfGE 83, 238 (313), es sei denn, diese Grundrechte schützen ein die Ausübung der Rundfunkfreiheit unterstützendes Verhalten (vgl. zum Schutz der Vertraulichkeit der journalistischen Arbeit in öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten aus Art. 10 GG: BVerfG, NJW 2003, 1787 (1788)). Vgl. auch Bethge (Verfassungsrechtliche Position, S. 59 ff.), der neben den Anstalten auch die ARD als Grundrechtsträgerin sieht. 111 Jarass, in: ders./Pieroth, Art. 5 Rdnr. 34; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 5 I, II Rdnr. 87. 112 Vgl. BVerfGE, 73, 118 (191), 83, 238 (330); Degenhart, in: Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rdnr. 724 m. N. auch zur Gegenansicht bezogen auf die Gemeinden. 113 So zurecht Degenhart, in: Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rdnr. 713; a. A.: Eberle/Gersdorf, S. 41 ff.; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 5 I, II Rdnr. 87. 114 Zur unmittelbaren Anwendbarkeit des Art. 43 EG vgl. EuGH Rs. 2/74 (Reyners), Slg. 1974, S. 631 ff. 115 Zur unm. Anwendbarkeit des Art. 49 EG vgl. EuGH Rs. 33/74 (van Binsbergen), Slg. 1974, S. 1299 ff. 116 Näher dazu s. u. B. III. 4. und 5. Schulze-Fielitz (in: Dreier, Art. 5 I, II Rdnr. 87) stellt demgegenüber auf Art. 6 EGV (= Art. 12 EG) ab, was dem Charakter dieser Vorschrift als lex generalis zu den Grundfreiheiten widerspricht; wie hier: Degenhart, in: Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rdnr. 713.

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A. Das duale Rundfunksystem in Deutschland

Grundfreiheiten genießen grundsätzlich Anwendungsvorrang vor dem deutschen Verfassungs- und einfachen Recht.117 Die Rundfunktätigkeit der Veranstalter aus Mitgliedsstaaten der EU ist daneben auch grundrechtlich geschützt, soweit sie unter das Gemeinschaftsgrundrecht der Medienfreiheit bzw. unter Art. 10 EMRK fällt.118 Eine Berechtigung ausländischer juristischer Personen aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG scheidet somit aus und ist bei EU-Ausländern zumeist auch nicht notwendig.119 Anderes gilt für ausländische natürliche Personen. Sie sind in vollem Umfang aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG berechtigt, denn dieser ist kein „Deutschengrundrecht“ wie Art. 12 GG.

III. Rundfunk im dualen System 1. Öffentliche Aufgabe des Rundfunks und Notwendigkeit der Grundversorgung Öffentlich-rechtlicher und privater Rundfunk sind aus der Sicht des BVerfG insoweit gleich, als beide wegen der dienenden Funktion der Rundfunkfreiheit öffentliche Verantwortung tragen. Zu Erfüllung dieser Verantwortung kann der Gesetzgeber, wie dargelegt, Programmanforderungen auch an private Veranstalter stellen, solange er beachtet, dass dadurch privater Rundfunk nicht in hohem Maße erschwert oder ausgeschlossen wird.1 Den öffentlich-rechtlichen Rundfunk teilweise von seiner öffentlichen Verpflichtung freizustellen, ist verfassungsrechtlich strikt verboten. An privaten Rundfunk erleichterte Anforderungen zu stellen, ist hingegen zumindest erlaubt,2 solange „Grundversorgung“ durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sichergestellt ist.3 Dieser Begriff der Grundversorgung4 ist der Schlüssel zum Verständnis dazu, wie das BVerfG das Verhältnis des öffentlich-rechtlichen zum privaten Rundfunk sieht. Für den Zu117

Vgl. nur Oppermann, Europarecht, Rdnr. 632 ff. Näher dazu s. u. B. VII. 119 A. A. Eberle/Gersdorf, S. 44 ff., die annehmen, die Ablehnung einer Grundrechtsfähigkeit für juristische Personen aus dem EU-Ausland stelle eine von den Grundfreiheiten verbotene Schlechterstellung dar. Eine solche könnte in der fehlenden Verfassungsbeschwerdebefugnis zu sehen sein (so Dreier, in: ders., Art. 19 III Rdnr. 21 m. w. N.). Angesichts der geringen Erfolgsquote von Verfassungsbeschwerden (vgl. Kley/Rühmann, in: Umbach/Clemens, § 90 Rdnr. 6) und dem Umstand, dass sich inländische im Gegensatz zu EU-ausländischen juristische Personen grds. nicht auf Grundfreiheiten berufen können, liegt aber insgesamt betrachtet keine verbotene Schlechterstellung vor. 1 Vgl. BVerfGE 83, 238 (317); 73, 118 (157); Niepalla, S. 59 ff. 2 Vgl. aber BVerfGE 83, 238 (316). 3 Vgl. Libertus, S. 94 ff.; Eine solche Erleichterung ist es z. B., Außenpluralismus ausreichen zu lassen; vgl. aber BVerfGE 83, 238 (316 ff. und 325 ff.), wo das BVerfG das nordrhein-westfälische „Zwei-Säulen-Modell“, das binnenpluralistisch organisierten Privatfunk vorsieht, für verfassungsgemäß erklärte. 118

III. Rundfunk im dualen System

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sammenhang dieser Arbeit ist die Grundversorgung deswegen von entscheidender Bedeutung, weil sich im Bezug auf ihre legislative Absicherung (z. B. durch die Gebührenfinanzierung) zahlreiche europarechtliche Probleme stellen. Das BVerfG begründet die Notwendigkeit der Grundversorgung folgendermaßen: Privater Rundfunk sei zwar verfassungsrechtlich zulässig,5 seine Programme seien jedoch ungeeignet, der dem gesamten Rundfunk gestellten Aufgabe umfassender und vielfältiger Information vollständig gerecht zu werden.6 Für diese Einschätzung werden zwei Gründe genannt: Erstens verbreiteten die privaten Veranstalter ihre Programme vorwiegend über Kabel und Satellit. Da diese Programme nur wenige Teilnehmer empfangen könnten, könne privater Rundfunk seine Rolle als Medium und Faktor der öffentlichen Meinungsbildung nicht voll erfüllen.7 Zweitens seien die privaten Veranstalter auf Werbeeinnahmen angewiesen, die ihnen nur dann in ausreichender Höhe zuflössen, wenn hohe Einschaltquoten erzielt würden. Die privaten Veranstalter müssten ihr Programm daher auf massen- und somit werbeattraktive Sendungen konzentrieren und weniger attraktive Sendungen wie z. B. anspruchsvolle Kultursendungen vernachlässigen.8 Diese Defizite des privaten Rundfunks seien verfassungsrechtlich solange hinnehmbar, wie das Rundfunksystem in seiner Gesamtheit den Anforderungen des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG im Wesentlichen entspreche.9 Letzteres sei in der dualen Rundfunkordnung der Fall, wenn sichergestellt werde, dass die Defizite nicht übermäßig groß würden, und wenigstens der öffentlich-rechtliche Rundfunk die für Demokratie und Kultur notwendigen Funktionen in vollem Umfang des klassischen Rundfunkauftrages10 erfülle, und hierdurch eine von Verfassungs wegen unerläßliche Grundversorgung leiste. 2. Keine Kompensationsfunktion der Grundversorgung Durch die Grundversorgung können die Defizite des privaten Rundfunks nach Ansicht des BVerfG allerdings nur erträglicher gemacht, nicht vollständig kompensiert werden11. Die Grundversorgung mache Vielfalt sichernde Bindun4 Vgl. bereits vor der Aufnahme des Begriffs in die Rechtsprechung des BVerfG Oppermann, JZ 1981, 721 (729); vgl. zu ähnlichen Ansätzen: Libertus, S. 28 ff.; Scheble, S. 43 ff.; Niepalla, S. 33 ff. 5 So BVerfGE 73, 118 (157) unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung. 6 Vgl. BVerfGE 73, 118 (155); vgl. zu dieser Begründung auch Bethge, Verfassungsrechtliche Position, S. 45 f. 7 Vgl. BVerfGE 73, 118 (155). Dieses technische Argument ist mittlerweile wohl obsolet. 8 Vgl. BVerfG 73, 118 (155); Niepalla, S. 53 ff.; kritisch Selmer, S. 27. 9 Kritisch zur Einseitigkeit dieser Begründung des Verhältnisses der „Säulen“ des dualen Rundfunksystems zueinander: Eifert, ZUM 1999, 595 (596). 10 Zum Begriff sogleich A. III. 3. a). 11 So BVerfGE 73, 118 (159); Niepalla, S. 109 ff. m. w. N.

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A. Das duale Rundfunksystem in Deutschland

gen des privaten Rundfunks nicht unnötig,12 sondern es müsse durch effektive Kontrollmaßstäbe garantiert werden, dass auch im privaten Rundfunk ein Grundstandard gleichgewichtiger Vielfalt vorhanden sei und keine vorherrschende Meinungsmacht entstünde.13 Das BVerfG geht also davon aus, dass prinzipiell die gesamte Rundfunkordnung (i. e. alle Veranstalter) dem aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG folgenden Erfordernis der Gewährleistung gleichgewichtiger Meinungsvielfalt genügen muss. Dieses Erfordernis ist im Grunde nur erfüllt, wenn jeder Veranstalter den Vielfaltsanforderungen vollständig nachkommt.14 Erfüllen einzelne Veranstalter die Anforderungen nur teilweise, entstehen Lücken, die prinzipiell, da ja jeder Veranstalter einzeln verpflichtet ist, nicht geschlossen werden können. Das duale Rundfunksystem in seiner derzeitigen Gestalt stellt daher aus Sicht des BVerfG eine „ungleichgewichtige Meinungsvielfalt“ dar. Vollendet gleichgewichtige Meinungsvielfalt lässt sich in Deutschland aber ohnehin nicht erreichen, da ausländische Programme zu einem gewissen Teil die Balance der Meinungen verschieben können, ohne dass hierauf der deutsche Gesetzgeber Einfluss hätte.15 Damit aber das Ungleichgewicht nicht so gravierend wird, dass es verfassungsrechtlich nicht mehr hingenommen werden könnte, sind zwei „stützende“ Faktoren nötig: Grundversorgung durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und kontrollfähige Vielfaltsbindungen für private Veranstalter. Beides muss der Gesetzgeber gewährleisten.16 3. Inhalt des Grundversorgungsauftrags a) Positive Definition Das BVerfG hat den Inhalt des Grundversorgungsauftrags dahingehend positiv definiert, dass Grundversorgung die vollständige Erfüllung des klassischen Auftrags des Rundfunks ist, „der nicht nur seine Rolle für die Meinungs- und politische Willensbildung, Unterhaltung und über laufende Berichterstattung hinausgehende Information, sondern auch seine kulturelle Verantwortung umfasst“.17 Außerdem hat das Gericht zwei weitere für die Grundversorgung we12

So BVerfGE 73, 118 (159) unter Bezugnahme auf BVerfGE 57, 295. So BVerfGE 73, 118 (160). 14 Bzw. „jedes Programm muss als einzelnes in sich ausgewogen sein.“ (BVerfGE 73, 118 (167)). 15 So insbesondere BVerfGE 73, 118 (156 f.). 16 Vgl. BVerfGE 74, 297 (325). 17 So wörtlich BVerfGE 74, 297 (324); ähnlich BVerfGE 73, 118 (157 f.); zur „kulturellen Verantwortung“ des Rundfunks vgl.: Oppermann/Kilian, S. 70 ff.; Niepalla, S. 70 ff. Eifert (ZUM 1999, 595 (598)) betont daneben zurecht den Aspekt einer publizistischen Qualitätssicherung durch die Programme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. 13

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sentliche Elemente genannt:18 „eine Übertragungstechnik, bei der ein Empfang der Sendungen für alle sichergestellt ist [und] . . . schließlich die wirksame Sicherung gleichgewichtiger Vielfalt in der Darstellung der bestehenden Meinungsrichtungen durch organisatorische und verfahrensrechtliche Vorkehrungen.“. Außerdem setze Grundversorgung eine Mehrzahl von Programmen voraus, weshalb nicht festgestellt werden könne, ob einzelne Programme oder Sendungen der öffentlich-rechtlichen Anstalten Bestandteil der Grundversorgung seien.19 Das BVerfG weigert sich damit, den programmlichen Inhalt der Grundversorgung zu konkretisieren. Auch der Begriff des „klassischen Rundfunkauftrags“ hilft wenig weiter, denn er ist unscharf und daher für eine hinreichend klare Bestimmung dessen, was inhaltlich zur Grundversorgung gehört, ungeeignet. Unter die vom BVerfG aufgestellten Kategorien Meinungsbildung, Information und Unterhaltung20 lässt sich außerdem ausnahmslos jede Rundfunksendung fassen. Die Verweigerung einer programm-inhaltlichen Definition der Grundversorgung macht jedoch durchaus Sinn: Würde man Grundversorgung inhaltlich näher konkretisieren wollen, setzte dies voraus, dass sich a priori, d. h. vor Ausstrahlung, bestimmen ließe, ob ein Inhalt Bestandteil der Grundversorgung ist. Bei einer solchen inhaltlichen Konkretisierung der Grundversorgung wäre der öffentlich-rechtliche Rundfunk aber nur noch Medium und nicht mehr Faktor der Meinungsbildung, da er nur noch das ausstrahlen dürfte, was im Ausstrahlungszeitpunkt zur Grundversorgung nötig ist, nicht aber durch seine Sendungen neue Informationsbedürfnisse schaffen bzw. neue Meinungen bilden. Für die Demokratie notwendig ist jedoch, wie das BVerfG stets klargestellt hat, nicht die bloße Meinungsabbildung, sondern die Meinungsbildung, die sich nicht nur im, sondern auch durch den Rundfunk vollzieht. Will man dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk seine demokratische Funktion nicht nehmen, macht eine exaktere inhaltliche Konkretisierung der Grundversorgung, daher keinen Sinn.21 Wesentlich ergiebiger ist die positive Definition der Grundversorgung durch das BVerfG, wenn man Grundversorgung als ein Verhalten zur Verwirklichung des Ziels gleichgewichtiger Meinungsvielfalt begreift. Dies scheint auch den Vorstellungen des Gerichts zu entsprechen, denn es lässt zwar offen, wodurch das Ziel, zu dessen Erreichung Grundversorgung nötig ist, erreicht werden soll, nicht aber welches dieses Ziel ist: möglichst viel gleichgewichtige Meinungsvielfalt durch mehrere, für die gesamte Bevölkerung empfangbare Programme 18

Vgl. BVerfGE 74, 297 (326). Vgl. BVerfGE 74, 297 (326). Das BVerfG nimmt außerdem an, dass jedenfalls alle terrestrisch verbreiteten öffentlich-rechtlichen Programme zum Entscheidungszeitpunkt des vierten Rundfunkurteils zur Grundversorgung zu rechnen sind. 20 Vgl. zu diesen: Libertus, S. 89 ff.; Scheble, S. 38 ff., 241 ff. 21 So auch Holznagel/Vesting, S. 52 f.; a. A. Schoch, VVDStRL 57 (1998), S. 204 m. w. N. 19

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und die vollständige Erfüllung des klassischen Rundfunkauftrages. Für diese Auslegung spricht auch, dass das BVerfG in mehreren Urteilen von der Grundversorgung als einer „Aufgabe“ gesprochen hat;22 ferner die vom BVerfG betonte, notwendige gegenständliche Offenheit der Grundversorgung,23 die aus der Programmautonomie der Anstalten und Sinn und Zweck der Grundversorgung folgt. Eine Grundversorgung, die als Produktion bestimmter (staatlich) vorgegebener Inhalte verstanden wird, wäre demgegenüber ein kaum zu rechtfertigender Eingriff in die Programmautonomie der Anstalten. Der öffentlichen Meinungsbildung wäre durch ihn mehr geschadet als genützt, weil die Meinungsbildung weniger frei wäre. b) Negative Definition Das BVerfG hat die Grundversorgung nicht nur positiv, sondern auch negativ definiert: Grundversorgung ist, wie das Gericht mehrfach betont hat,24 nicht eine Mindestversorgung, auf die der öffentlich-rechtliche Rundfunk beschränkt wäre. Dieses in der Literatur bis heute verbreitete Missverständnis25 hatte das BVerfG allerdings z. T. selbst provoziert, indem es von „unerläßlicher Grundversorgung“ gesprochen hat, was in Richtung einer Mindestversorgung, verstanden werden könnte. Auch der Wortbestandteil „Grund“ (wie in „Grundnahrungsmittel“, „Grundbedürfnisse“) legt eine Interpretation als Mindestversorgung durchaus nahe.26 Mit „unerläßlicher Grundversorgung“ war jedoch lediglich gemeint, dass das Angebot der Grundversorgung in der dualen Rundfunkordnung unerläßlich ist. Dass die Interpretation als Mindestversorgung falsch sein muss, ergibt sich außerdem schon aus Sinn und Zweck der Grundversorgung: Grundversorgung ist dazu da, es verfassungsrechtlich hinnehmbar zu machen, dass durch wirtschaftliche Zwänge des privaten Rundfunks die Rundfunkordnung nicht ganz dem genügt, was Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG fordert. Hinnehmbar sind diese Defizite aber nur, wenn die Rundfunkordnung ansonsten den Erfordernissen des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG möglichst weitgehend entspricht. Dies soll u. a. durch Grundversorgung erreicht werden, die keine Mindestversorgung sein darf, weil durch Mindestversorgung nur eine den Erfordernissen des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG gerade noch entsprechende Rundfunkordnung erreicht werden könnte.27 Das BVerfG folgert daher konsequent, dass bei einer Reduzie22

Vgl. BVerfGE 73, 118 (157 f.); 74, 297 (325); 83, 238 (298 und passim). Vgl. BVerfGE 83, 238 (299). 24 Vgl. BVerfGE 74, 297 (326). 25 Vgl. nur Bleckmann, Spartenprogramme, S. 54 ff.; Wendt, in: von Münch/Kunig, Art. 5 Rdnr. 54; Starck, NJW 1992, 3257 (3262); w. N. bei Degenhart, in: Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rdnr. 779. 26 Zur Wortlautauslegung des Begriffs allgemein: Niepalla, S. 63 ff.; Libertus, S. 66 f. 23

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rung der Grundversorgung auf eine Mindestversorgung die Vielfaltsanforderungen an private Veranstalter erhöht werden müssten.28 Ferner stellt das BVerfG fest, dass Grundversorgung nicht so verstanden werden darf, dass öffentlich-rechtlichen Sendern nur die Grundversorgung, privaten nur sonstige Programme jeweils exklusiv vorbehalten blieben.29 Auch dies ist logisch zwingend, denn andernfalls wären, da Grundversorgung u. a. die volle Erfüllung des klassischen Rundfunkauftrages einschließlich der Veranstaltung massenattraktiver Programme umfasst, kaum Programme denkbar, die der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht als Bestandteil der Grundversorgung und damit exklusiv veranstalten dürfte. Private Veranstalter blieben auf Spezialprogramme beschränkt, mit deren Ausstrahlung sich ausreichende Werbeeinnahmen kaum erzielen ließen. Dann aber wäre die Veranstaltung privaten Rundfunks über Gebühr erschwert, was das BVerfG stets für verfassungsrechtlich unzulässig erklärt hat. c) Was ist zur Erfüllung des Grundversorgungsauftrages nicht notwendig? Das BVerfG hat entschieden, dass im regionalen und lokalen Bereich eine eigene Grundversorgung neben der landes- und bundesweiten Grundversorgung nicht eindeutig notwendig sei, weil die Zahl der spezifisch diesen Bereich betreffenden Themen nicht ausreiche, um „die Notwendigkeit eines über das Programmangebot privater Veranstalter wesentlich hinausgehenden breiten und vollständigen Angebots der Landesrundfunkanstalten zu begründen“.30 Eine solche Grundversorgung im regionalen oder lokalen Bereich sei nur dann nötig, wenn die auch in diesem Bereich zwingend zu erreichende gleichgewichtige Vielfalt bereichsspezifischer Meinungen nicht durch gesetzliche Bindungen der betreffenden privaten Anbieter erreicht und effektiv sichergestellt werden 27 Sieht man die Grundversorgung als Eingriff in die Rundfunkveranstalterfreiheit, so müßte dieser Eingriff verhältnismäßig sein. Eine Grundversorgung als Mindestversorgung ist aber zur Erreichung des mit ihr verfolgten Zwecks schon ungeeignet, daher unverhältnismäßig und somit verfassungswidrig; a. A. wohl Wendt (in: von Münch/ Kunig, Art. 5 Rdnr. 54), der annimmt auf der Basis eines individualrechtlichen Verständnisses der Rundfunkfreiheit könne Grundversorgung nur Mindestversorgung sein. 28 Vgl. BVerfGE 74, 297 (325 f.): „. . . bezeichnet (. . .) nicht eine Mindestversorgung, auf die der öffentlich-rechtliche Rundfunk beschränkt ist, oder ohne Folgen für die an privaten Rundfunk zu stellenden Anforderungen reduziert werden könnte.“. Die Grundversorgung in der Telekommunikation in Form des sog. Universaldienstes ist demgegenüber eine Mindestversorgung (vgl. Gramlich, ZUM 1998, 367 f.). 29 Vgl. BVerfGE 74, 297 (326); Libertus, S. 97; Hoffmann-Riem, Regulierung, S. 206 ff.; ders., Pay TV, S. 65. 30 Vgl. BVerfGE 74, 297 (327). Dies darf nicht dahingehend mißverstanden werden, dass BVerfG habe entschieden, im lokalen und regionalen Bereich finde eine Grundversorgung durch private Anbieter statt.

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könnte.31 Grundversorgung ist somit nur in Bereichen notwendig, in denen die Menge der zu berücksichtigenden Themen so groß ist, dass zur Sicherung gleichgewichtiger Meinungsvielfalt die bloße staatlich kontrollierte Verpflichtung privater Anbieter zur Einhaltung der Vielfaltsanforderungen nicht mehr ausreicht. Außerdem sind nach Ansicht des BVerfG Spartenprogramme grundsätzlich nicht zur Grundversorgung zu rechnen, „da sie sich nur an einen begrenzten Teilnehmerkreis richten und auch thematisch begrenzt sind, so dass sie für sich genommen umfassende Information und Meinungsbildung nicht ermöglichen“.32 Hieraus ist zu schließen, dass Grundversorgung schon allein durch von allen empfangbare Vollprogramme möglich ist. Allerdings ist unklar, ob diese Entscheidung nicht in der heutigen Zeit, in der die Bedeutung der Spartenprogramme gestiegen ist,33 anders ausgefallen wäre, denn Grundversorgung ist nicht nur ein gegenständlich offener, sondern auch ein zeitlich offener Begriff.34 Grundversorgung kann ihre Ziele nicht erreichen, wenn sie nicht in der Lage ist, sich Strömungen der Zeit und neuen technischen Entwicklungen soweit anzupassen, dass sie stets aktuell ist. Die Notwendigkeit dieser zeitlichen Offenheit der Grundversorgung hat das BVerfG bereits im fünften Rundfunkurteil erkannt, was sich in der Feststellung zeigt, dass eine Grundversorgung bei Videotext, Ton- und Bewegtbilddiensten auf Abruf oder Zugriff vorerst ausscheide.35 d) Grundversorgung in Marktferne, nicht in „Marktabstinenz“ Wie dargelegt, folgt die Notwendigkeit der Grundversorgung vor allem daraus, dass die privaten Veranstalter sich in ihrer Programmgestaltung an den Bedürfnissen des Marktes, insbesondere des Werbemarktes orientieren müssen. Dies impliziert, dass Grundversorgung eine marktferne Versorgung sein muss, d. h. die öffentlich-rechtlichen Veranstalter dürfen sich in ihrer Programmgestaltung nicht ausschließlich nach den Bedürfnissen des Marktes richten und wie 31 Vgl. BVerfGE 74, 297 (327 ff.): Das BVerfG zeigt am Beispiel der damaligen Fassung des baden-württembergischen Landesmediengesetzes, dass sich zur Schaffung und Sicherung gleichgewichtiger Meinungsvielfalt im lokalen und regionalen Bereich ausreichende Vorkehrungen z. B. durch ein auch für private Veranstalter geltendes Erfordernis inhaltlicher und organisatorischer Binnenpluralität treffen lassen. 32 Vgl. BVerfGE 74, 297 (346); näher hierzu Poll, S. 326 ff., 353 ff. 33 Dies zeigt die stark angestiegene Präsenz von Spartenprogrammen wie DSF, Phoenix, Kinderkanal, n-tv, N 24, ARTE, Wetterkanal (mittlerweile wieder eingestellt) im täglichen Programmangebot. Allgemein zu dieser Entwicklung: Neun, S. 25 ff.; Poll, S. 75 ff. 34 So ausdrücklich BVerfGE 83, 238 (299); vgl. zum Problem auch Hoffmann-Riem, Pay TV, S. 88 ff. 35 Vgl. BVerfGE 74, 297 (353); 83, 238 (302 f.).

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Private nur darauf Wert legen, möglichst hohe Einschaltquoten zu erzielen.36 Das bedeutet aber nicht, dass die Rundfunkanstalten die Bedürfnisse des Marktes völlig außer Acht lassen müssten. Wenn Grundversorgung gleichgewichtige Meinungsvielfalt herstellen soll, muss den Meinungen, die in der Realität besonderes Gewicht haben, dieses Gewicht grundsätzlich auch im Rundfunk zukommen. Grundversorgung muss außerdem Versorgung „für alle“ sein und darf schon deswegen nicht zu einer Veranstaltung werden, die kaum jemanden interessiert.37 Solange der öffentlich-rechtliche Rundfunk keines der vom Grundversorgungsauftrag umfassten Programme vernachlässigt, darf er sich daher auch an den Bedürfnissen des Marktes bzw. an den Einschaltquoten orientieren, d. h. er muss Grundversorgung zwar in Marktferne, nicht aber in völliger „Marktabstinenz“ leisten. Der Grund für die Marktteilnahme der öffentlichrechtlichen Anstalten darf aber grundsätzlich nur die Verpflichtung zur gleichgewichtigen Meinungsvielfalt, nicht aber vorrangig oder gar ausschließlich die Gewinnmaximierung, z. B. beim Verkauf von Werbezeiten sein.38 e) Grundversorgung durch private Veranstalter? Für die Frage nach der Vereinbarkeit der Grundversorgungsaufgabe und ihrer Absicherung durch den Gesetzgeber mit dem Europarecht ist mitentscheidend, ob auch private Veranstalter Aufgaben der Grundversorgung wahrnehmen können:39 Das BVerfG hält jedenfalls derzeit nur den öffentlich-rechtlichen Rundfunk für in der Lage, Grundversorgung zu leisten.40 Dies lässt sich damit begründen, dass die Grundversorgung gerade dazu entwickelt wurde, Defizite des privaten Rundfunks auszugleichen, und dass der private Rundfunk, weil er auf Einschaltquoten angewiesen ist, nicht fähig wäre, Grundversorgung, nachhaltig zu sichern.41 Grundversorgung muss aber, soll sie ihren Zweck erfüllen können, auf Dauer gesichert sein. Darauf, dass der private Rundfunk Programme ausstrahlt, die auch Bestandteil des klassischen Rundfunkauftrages sind, kann es, da Grundversorgung sich programminhaltlich nicht sinnvoll ein für allemal definieren lässt, nicht ankommen.42 Außerdem ist fraglich, ob man private

36 Vgl. BVerfGE 73, 118 (125); Libertus, S. 79; Niepalla, S. 105 ff. Ob die Anstalten diesen Grundsatz in der Realität stets befolgen, ist allerdings eine andere Frage. 37 So i. E.: Niepalla, S. 124 f.; Mahrenholz, ZUM 1995, 508 (510 f.); Oppermann, in: Stern/Prütting II, S. 51 ff. (55). 38 So i. E.: Niepalla, S. 108 f.; Oppermann, in: Stern/Prütting II, S. 51 ff. (58). 39 So i. E.: Engel, Medienordnungsrecht, S. 113 ff.; Starck, NJW 1992, 3257 (3262). 40 Vgl. nur BVerfGE 73, 118 (157); 74, 297 (324 f.); 83, 238 (298 f.); vgl. auch Bethge, Verfassungsrechtliche Position, S. 46 ff. 41 Vgl. Hoffmann-Riem, Duale Rundfunkordnung, S. 207 f.; Scheble, S. 142 ff.; A. Hesse, Rundfunkrecht, S. 125 f. m. w. N. 42 Ähnlich Scheble, S. 146.

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Rundfunkveranstaltung, wenn man den privaten Veranstaltern Aufgaben der Grundversorgung auferlegen würde, nicht um die Grundsubstanz privatautonomer Gestaltung bringen bzw. über Gebühr erschweren oder (wirtschaftlich) unmöglich machen würde.43 Im Ergebnis kann daher nicht angenommen werden, dass Aufgaben der Grundversorgung auf private Veranstalter übertragen werden könnten. 4. Bestands- und Entwicklungsgarantie Wie bereits erwähnt, hat das BVerfG eine Pflicht des Gesetzgebers konstatiert, die Grundversorgung durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk technisch, organisatorisch, finanziell und personell sicherzustellen. Aus dieser Pflicht leitete das Gericht außerdem ab, dass eine Beschränkung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf den gegenwärtigen Entwicklungsstand unzulässig wäre.44 Der öffentlich-rechtliche Rundfunk müsse, um seinen Auftrag angesichts der schnellen Entwicklung v. a. in den Bereichen der Rundfunktechnik und der Programmangebote erfüllen zu können, vielmehr in seinem gegenwärtigen Zustand und in seiner künftigen Entwicklung gesichert sein. Daher sei es, solange private Veranstalter die Erfordernisse des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG nicht vollständig erfüllten, verfassungsrechtlich geboten, wenn der Gesetzgeber, wie z. B. im Rundfunkstaatsvertrag,45 eine „Bestands- und Entwicklungsgarantie“ für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ausspreche, deren Grenzen sich aus der Grundversorgungsfunktion ergäben.46 Die Bestands- und Entwicklungsgarantie ist also funktional zu verstehen, d. h. sie ist keine Begünstigung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks oder gar ein Grundrechtseingriff gegenüber dem privaten Rundfunk,47 sondern nur die logische Konsequenz aus dem Konzept der Grundversorgung und wird durch dieses zugleich begrenzt:48 Wenn man wie das BVerfG die Notwendigkeit der Grundversorgung in einem dualen Rundfunksystem aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG herleitet und außerdem annimmt, diese sei nur durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk erfüllbar, kommt man nicht umhin, den Bestand des öffentlich-rechtlichen 43

Näher Scheble, S. 150 ff. Vgl. BVerfGE 83, 238 (298 f.); ähnlich BVerfGE 74, 297 (350 f.). 45 Vgl. die Präambel des RStV. 46 Vgl. BVerfGE 83, 238 (298 ff.). 47 So aber Hain (S. 161 ff.) und Selmer (S. 52, 70 ff.), die deswegen die Garantie am Vorbehalt des Gesetzes bzw. am Bestimmtheitsgrundsatz als Ausprägung dieses Prinzips messen. Ähnlich Neun (S. 372 f.), der außerdem die Entwicklungsgarantie vorwiegend rundfunktechnisch verstehen will; kritisch aus wettbewerbsrechtlicher Sicht zur Bestands- und Entwicklungsgarantie Mestmäcker, 56. DJT, O 23. 48 Vgl. Bethge, Verfassungsrechtliche Position, S. 43 ff. u. 51 f.; Libertus, S. 104 ff.; Neun, S. 200 f.; Oppermann/Kilian, S. 32 f.; a. A. Flechsig, CR 1999, 327 (332). 44

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Rundfunks (nicht der einzelnen Anstalt49) als von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG garantiert anzusehen. Wenn Grundversorgung außerdem u. a. die volle Erfüllung des klassischen Rundfunkauftrages in für alle empfangbarer Technik ist, sowohl der Inhalt des Auftrages als auch die Übertragung aber dem gesellschaftlichen und technischen Wandel unterliegen, muss die Grundversorgung sich diesem Wandel anpassen können, um nicht von vornherein ein „Auslaufmodell“ zu sein und damit ihren Zweck, die Sicherung gleichgewichtiger Meinungsvielfalt, zu verfehlen.50 Was die Anpassung der Grundversorgung an neue im Rundfunk zu berücksichtigende Themen betrifft, so ist die Möglichkeit hierzu ohnehin schon von der auch den öffentlich-rechtlichen Anstalten zustehenden Programmautonomie erfasst.51 Die Bestands- und Entwicklungsgarantie ist daher auf der Basis der Ausgangsposition des BVerfG nur deklaratorisch und nicht mehr als die Sicherung der Voraussetzungen der Grundversorgung.52 Soweit sich die öffentlich-rechtlichen Anstalten außerhalb der Grundversorgung betätigen, genießen sie keine Bestands- und Entwicklungsgarantie, sondern konkurrieren mit den privaten Veranstaltern.53 Aus der Argumentation des BVerfG wird vielfach abgeleitet, dass der Gesetzgeber, wenn es ihm gelänge, gleichgewichtige Meinungsvielfalt im privaten Rundfunk nachhaltig zu sichern, sich auch wieder vom dualen Rundfunksystem ab und zu einem „Monopol“ stärker kontrollierter privater Anbieter hinwenden könnte. Die Bestands- und Entwicklungsgarantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk wird also als abhängig von der widerrufbaren Entscheidung für ein duales Rundfunksystem verstanden.54 Fraglich ist jedoch, ob die Entscheidung für ein duales Rundfunksystem sub specie Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG überhaupt 49 So ausdrücklich BVerfGE 89, 144 (153); vgl. auch Degenhart, in: Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rdnr. 800 m. w. N.; Bethge, in: Sachs, Art. 5 Rdnr. 105; ders., Verfassungsrechtliche Position, S. 21 u. 94 ff. 50 So auch Selmer, S. 81 ff. (86). 51 So auch Degenhart, in: Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rdnr. 803; A. Hesse, Rundfunkrecht, S. 128 ff.; Libertus, S. 139 ff.; a. A. Hain (S. 164), allerdings auf Basis der These, die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten seien keine Grundrechtsträger. 52 So bereits das BVerfG selbst (BVerfGE 83, 238 (298 ff.)). Eine so verstandene Garantie betrachtet auch Selmer, der der Idee einer Bestands- und Entwicklungsgarantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ansonsten kritisch gegenübersteht, als „bare Selbstverständlichkeit“ (wörtlich S. 81, vgl. auch S. 81 ff.). 53 Bestands- und Entwicklungsgarantien im Landesrecht (z. B. Art. 20 Abs. 2 Sächsische Verfassung; hierzu Gramlich, ZUM 1998, 365 (374)) sind dementsprechend teleologisch auf die Grundversorgung zu reduzieren. Bestand und Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auch in dem Bereich zu garantieren, der außerhalb der Grundversorgung liegt, wäre wettbewerbsrechtlich unzulässig, wenn nicht verfassungswidrig. 54 So die wohl h. M., vgl. z. B.: Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, Bd. 1 B 5 Rdnr. 4; Degenhart, in: Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rdnr. 805; Bremer/ Esser/Hoffmann, S. 37.

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A. Das duale Rundfunksystem in Deutschland

widerrufbar ist:55 Das BVerfG wendet sich entschieden dagegen, ein privates „Monopol“ zu schaffen56 und hält außerdem ein Verbot bestimmter Programme generell nur in den Grenzen des Art. 5 Abs. 2 GG für verfassungsgemäß.57 Dies ist konsequent, denn wenn Ziel des Art. 5 Abs. 1 GG ist, möglichst viel an freier Meinungsbildung zu ermöglichen, dann kann die mit einem Verbot bestimmter Programme oder gar bestimmter Veranstalter zwangsläufig einhergehende Vielfaltsbeschränkung nicht als Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit, sondern allenfalls nach Art. 5 Abs. 2 GG gerechtfertigt sein.58 Im Rahmen des Art. 5 Abs. 2 GG ist jedoch streng der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten, weshalb ein Verbot einer ganzen Gruppe von Veranstaltern wie z. B. durch Abschaffung und Auflösung der öffentlich-rechtlichen Anstalten verfassungsrechtlich unmöglich ist.59 Eine Abkehr vom dualen Rundfunksystem wäre mit dem Grundgesetz also offensichtlich höchstens dann vereinbar, wenn es sich nicht um ein den publizistischen Wettbewerb beschränkendes Verbot bestimmter Veranstalter, sondern um eine reine Rechtsformänderung handeln würde, also z. B. die öffentlich-rechtlichen Veranstalter formell privatisiert würden. Deswegen ist die Bestandsgarantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, was seine faktische Existenz – egal in welcher Rechtsform – betrifft, derzeit nur deklaratorisch. Ändern könnte sich diese Lage wohl höchstens dann, wenn die Grundversorgung aufgrund von Änderungen in der Rundfunktechnik (z. B. durch die Digitalisierung) entbehrlich würde.60 5. Programmveranstaltung außerhalb der Grundversorgung und wirtschaftliche Betätigungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Das BVerfG hat, und dies ist sowohl für die verfassungs- als auch für die europarechtlichen Aspekte dieser Arbeit ein wichtiger Gesichtspunkt, mehrfach betont, dass die öffentlich-rechtlichen Anstalten mehr an Programm veranstalten dürfen, als zur Grundversorgung notwendig ist.61 Die Anstalten sind zur Grundversorgung verpflichtet,62 nicht aber auf sie beschränkt. Nähme man eine Be-

55 Bedenken hiergegen bei Degenhart ebd. und Bethge, Verfassungsrechtliche Position, S. 81. 56 BVerfGE 74, 297 (335). 57 BVerfGE 74, 297 (331 ff.); hierzu Libertus, S. 114 ff. 58 BVerfGE 74, 297 (332): „Verbote von Beiträgen zur geistigen Auseinandersetzung haben Meinungsfreiheit noch niemals sichern, geschweige denn fördern können.“. 59 Never (S. 301 ff.) propagiert ein solches Verbot dennoch. 60 So auch Niepalla, S. 163; Degenhart, in: Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rdnr. 805; näher hierzu s. u. A. V. 2. d). 61 Vgl. BVerfGE 74, 297 (331 ff., 346, 350 ff.); a. A. Starck, NJW 1992, 3257 (3259 f.); wohl auch Depenheuer, AfP 1997, 669 (674); vgl. auch Kresse, ZUM 1996, 59 ff.

III. Rundfunk im dualen System

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schränkung auf die Grundversorgung an, hätten öffentlich-rechtliche Anstalten weniger an Programmautonomie als alle anderen Rundfunkveranstalter. Nur bei voller Programmautonomie für alle Veranstalter kann die Rundfunkfreiheit der Vielfalt erfordernden Meinungsbildung jedoch sinnvoll dienen. Grundsätzlich volle Programmautonomie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk auch jenseits der Grundversorgung ist ferner deshalb essentiell, weil Programme außerhalb der Grundversorgung durchaus eines Tages deren Bestandteil werden können. Wird dem öffentlich-rechtlichem Rundfunk keine volle Programmautonomie gewährt, lähmt dies also mittelbar die Entwicklungsfähigkeit der Grundversorgung.63 In der Beschränkung nur auf die Grundversorgung mit einem Verbot oder einer weitgehenden Einschränkung der Veranstaltung sonstiger Programme64 läge folglich ein Eingriff in die auch den öffentlich-rechtlichen Anstalten in vollem Umfang zustehende Programmautonomie. Dieser könnte nur nach Art. 5 Abs. 2 GG gerechtfertigt sein. Eine Rechtfertigung scheitert aber schon an der Unverhältnismäßigkeit eines vollständigen Ausschlusses von der Veranstaltung bestimmter Programme.65 Bei Knappheit der Übertragungswege haben öffentlich-rechtliche Veranstalter daher „. . . keinen Vorrang, wohl aber gleichen Rang . . . wie die Programme der übrigen Rundfunkveranstalter“.66 Grenzen für Programmausweitungen der öffentlich-rechtlichen Anstalten können sich lediglich faktisch ergeben, soweit eine Erhöhung der Rundfunkgebühren im Lichte der schutzwürdigen wirtschaftlichen Interessen der Gebührenzahler nicht mehr gerechtfertigt werden kann.67 Problematischer ist demgegenüber, inwieweit die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten außerhalb der eigentlichen Programmveranstaltung wirtschaftlich handeln dürfen.68 Insoweit differenziert das BVerfG danach, ob eine Tätigkeit in Zusammenhang mit der Programmausstrahlung steht, der Programmfinanzie62 Vgl. hierzu Ladeur, AfP 1998, 141 (146 f.); Bethge, Verfassungsrechtliche Position, S. 56. 63 Insbesondere diesen letzteren Punkt verkennt Neun, wenn er einen Parlamentsvorbehalt für Programmexpansionen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks fordert (vgl. Neun, S. 395 ff.). 64 Etwa dadurch, dass dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk an Programm nur das erlaubt wird, was der private nicht leisten kann. Dafür aber Damm, S. 41 f. m. w. N. und Neun, S. 395 ff. 65 Beschränkungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf eine bestimmte Zahl von Programmen (vgl. z. B. § 3 SWR-StV) sind daher grds. verfassungswidrig; so auch: Eifert, ZUM 1999, 595 (601); Hertel (in: Flechsig, § 3 Rdnr. 21 ff.), der die Bestimmung im SWR-StV allerdings verfassungskonform auslegt (i. E. bestätigt durch VGH Mannheim, ZUM 1999, 588 (590)); vgl. auch Bethge, Verfassungsrechtliche Position, S. 57 f.; a. A. Neun, S. 354 ff. 66 Vgl. BVerfGE 74, 297 (333). 67 Zu dieser „finanziellen Grenze“ der Programmfreiheit der Rundfunkanstalten s. u. A. IV. 1. 68 Vgl. A. Hesse, Rundfunkrecht, S. 132 ff.; Degenhart, ZUM 2001, 357 (359 ff.).

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A. Das duale Rundfunksystem in Deutschland

rung dient, oder ohne Bezug zu diesen beiden Bereichen vorgenommen wird. Im ersten Fall sei die Tätigkeit (z. B. die Programmproduktion, der Ankauf von Programmrechten, die Herausgabe programmbezogener Presseprodukte) verfassungsrechtlich zulässig, da sie die notwendigen Voraussetzungen für die Ausstrahlung und Verbreitung der von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG geschützten Programme schaffe.69 Ähnliches gilt nach Ansicht des BVerfG für Tätigkeiten, die der Programmfinanzierung dienen, wie die Verwertung der Programmrechte, Programmsponsoring oder Merchandising.70 Für unzulässig hält das Gericht Tätigkeiten, die nicht auf den Programmauftrag bezogen sind, sondern allein den Zweck der Einnahmeerzielung erfüllen.71 Dies ist die logische Konsequenz aus der auf Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG nahezu begrenzten Grundrechtsberechtigung der Anstalten.72 6. Duales Rundfunksystem und Wettbewerbsrecht Das Verhältnis zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunkveranstaltern wirft nicht nur verfassungs-, sondern in erheblichem Maße auch wettbewerbsrechtliche Probleme auf. Auf der Ebene des Europarechts drängen diese wettbewerbsrechtlichen Aspekte die grundrechtlichen, wie noch zu zeigen sein wird, sogar häufig in den Hintergrund. Ein Spannungsverhältnis zwischen Grundrechten und Wettbewerbsrecht im Rundfunkbereich ist jedenfalls auf der europäischen wie auf der nationalen Ebene in gleicher Weise vorhanden. Die in der deutschen Rechtsprechung und Literatur angebotenen Lösungen dieses Spannungsverhältnisses können daher Anhaltspunkte für Lösungen auf der europäischen Ebene liefern und bedürfen schon deshalb einer näheren Untersuchung: a) Ökonomischer und publizistischer Wettbewerb Der Wettbewerb im Medienbereich ist nicht, wie in anderen Gebieten des Wirtschaftslebens bloß eine Konkurrenz um möglichst hohe Einnahmen bzw. um möglichst günstige ökonomische Positionen. Vielmehr ist vom ökonomischen Wettbewerb der publizistische Wettbewerb zu unterscheiden, die Konkurrenz um den Anteil am Prozess der freien Meinungsbildung.73 69

Vgl. BVerfGE 83, 238 (303 f.). Vgl. BVerfGE 83, 238 (303 f.); OLG Koblenz, MMR 2001, 812 ff. 71 Vgl. BVerfG NJW 1991, 901 f.; BVerfG NJW 1999, 709 f.; vgl. zum Problem auch: Degenhart, ZUM 2001, 357 (360); Hoffmann-Riem, Duale Rundfunkordnung, S. 210 ff. 72 Von der These einer auf Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG vollkommen begrenzten Grundrechtsberechtigung der Anstalten scheint das BVerfG mittlerweile abzurücken (vgl. BVerfG, NJW 2003, 1787 ff. zur Berechtigung aus Art. 10 GG). 70

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Diese Eigenständigkeit des publizistischen Wettbewerbes wird in der Literatur vielfach bezweifelt: Einerseits wird argumentiert, von einem „publizistischen Wettbewerb“ oder „Meinungsmarkt“ zu sprechen sei schon deswegen verfehlt, weil bei der Äußerung und Vermittlung von Meinungen keine marktmäßigen Austauschprozesse bestünden.74 Andererseits sei eine Trennung zwischen ökonomischem und publizistzischem Wettbewerb auch deswegen nicht sinnvoll, weil diese in untrennbar engem Zusammenhang stünden.75 In der Tat lässt sich auf den ersten Blick nicht ohne weiteres begründen, dass im publizistischen Wettbewerb Meinungen gegen andere „Güter“ ausgetauscht werden, denn die geäußerte Meinung geht i. d. R. ja nicht wie eine Ware auf den über, dem sie mitgeteilt wird. Es besteht jedoch ein anderer Austauschprozess: Für die Meinung erhält der Äußernde Zustimmung desjenigen, gegenüber dem er sie äußert, und damit ein Stück Einfluss bzw. Ansehen in der Gruppe. U. U. erhält er auch Ablehnung und verliert damit ein Stück Einfluss/Ansehen. Meinungen, die mehr Einfluss/Ansehen in der Gruppe verschaffen sind „höherwertig“ als andere. Diese Konkurrenz der Meinungen (bzw. derjenigen, die sie äußern) um Einfluss/Ansehen als „publizistischen Wettbewerb“ oder „Meinungsmarkt“ zu bezeichnen, macht durchaus Sinn. Auch die These, ökonomischer und publizistischer Wettbewerb seien nicht sinnvoll unterscheidbar, überzeugt letztlich nicht: Es ist zwar zutreffend, dass beide Kategorien des Wettbewerbs oft in engem Zusammenhang stehen.76 Hat ein Veranstalter eine beherrschende Stellung im ökonomischen Wettbewerb, hat er sie i. d. R. auch im publizistischen, denn je wirtschaftlich stärker er ist, desto mehr kann er in Programmproduktion und -übertragung investieren und desto mehr Zuschauer/Hörer wird er erreichen. Dennoch ist der Zusammenhang zwischen ökonomischem und publizistischem Wettbewerb nicht untrennbar eng,77 denn publizistische Vielfalt lässt sich durch binnenplurale Vielfaltskontrolle selbst in monopolistischen Strukturen erhalten.78 Selbst, wenn ökonomische Vielfalt gewahrt ist, muss andererseits noch nicht zwangsläufig auch publizistische Vielfalt eintreten, denn es ist auch möglich, dass viele ökonomisch selbständige Veranstalter nahezu identische Inhalte anbieten.79 Ein weiterer Grund 73 Vgl. Hoffmann-Riem, in: R. Schmidt, § 6 Rdnr. 182 ff.; ders., Rundfunkrecht neben Wirtschaftsrecht, § 2. 74 So statt vieler Engel, Medienordnungsrecht, S. 49 m. w. N. 75 Vgl. Kantzenbach, in: Hoffmann-Riem, Rundfunk im Wettbewerbsrecht, S. 80 f.; Grundmann, S. 63 ff.; Never, S. 230. 76 Vgl. Mailänder, S. 176 ff.; vgl. auch Degenhart, in: Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rdnr. 874. 77 So aber Kantzenbach, in: Hoffmann-Riem, Rundfunk im Wettbewerbsrecht, S. 80 f.; weitere Nachweise bei Hoffmann-Riem, in: R. Schmidt, § 6 Rdnr. 183; wie hier Trafkowski, S. 9 f., 12 f. 78 So zurecht Kübler, in: Stern/Prütting, S. 20.

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dafür, dass die Trennung zwischen ökonomischem und publizistischem Wettbewerb nach wie vor Sinn macht, ist, dass die beiden Wettbewerbskategorien in Zusammenhang mit unterschiedlichen Grundrechten des Grundgesetzes stehen: Ökonomischer Wettbewerb ist eine Frage der Wirtschaftsfreiheiten Art. 2 Abs. 1 und 12 GG, publizistischer primär eine Frage der Kommunikationsfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG. Die Trennung zwischen ökonomischem und publizistischem Wettbewerb, wie sie auch der ständigen Rechtsprechung des BVerfG zugrunde liegt,80 ist daher nach wie vor sinnvoll. b) Kontrolle des publizistischen Wettbewerbs im privaten Rundfunk nach §§ 25–40 RStV Die Kontrolle des publizistischen Wettbewerbs im privaten Rundfunk erfolgt nach Landesrecht,81 d. h. nach Rundfunkstaatsvertrag und Landesmediengesetzen: Der Rundfunkstaatsvertrag enthält in §§ 25–40 RStV Regelungen zur Sicherung der Meinungsvielfalt in bundesweit verbreiteten Fernsehprogrammen. Sie beziehen sich ausschließlich auf private Veranstalter. Dies rührt daher, dass öffentlich-rechtliche Veranstalter binnenplural organisiert sind, und es daher keiner (weiteren) externen Pluralismuskontrolle bedarf. Zur Wahrung der föderalen Vielfalt sieht § 25 Abs. 4 RStV die Möglichkeit vor, private Veranstalter, die bundesweit Fernsehvollprogramme verbreiten, zu verpflichten, in ihre Programme regionale Fensterprogramme aufzunehmen. Im Übrigen erfolgt die Vielfaltskontrolle nach §§ 26–34 RStV: Die Anzahl der Programme, die ein Unternehmen in der Bundesrepublik verbreiten darf, ist prinzipiell unbegrenzt, es sei denn, das Unternehmen erlangt vorherrschende Meinungsmacht (§ 26 Abs. 1 RStV). Wann diese vorliegt, bestimmt sich nach dem sog. Zuschaueranteilsmodell: 82 Die Landesmedienanstalten ermitteln gemäß § 27 Abs. 1 RStV durch die Kommission zur Ermittlung der Konzentrationen im Medienbereich (KEK) den Zuschaueranteil der einem Unternehmen zuzurechnenden Programme.83 In diese Berechnung sind alle deutschsprachigen 79 So i. E. auch: Hoffmann-Riem, Rundfunkrecht neben Wirtschaftsrecht, S. 19; Trafkowski, S. 12 f. 80 Vgl. BVerfGE 57, 295 (323); 73, 118 (172 ff.); 74, 297 (331 ff.); HoffmannRiem, Rundfunkrecht neben Wirtschaftsrecht, S. 29 ff. m. w. N. 81 Vgl. BVerfGE 73, 118 (174). 82 Näher Kuch, ZUM 1997, 12 ff.; allgemein hierzu Engel, Medienordnungsrecht, S. 57 ff. 83 Eine Zurechnung erfolgt, sofern das Unternehmen am Kapital des Veranstalters unmittelbar oder durch mit ihm verbundene Unternehmen i. S. d. § 15 AktG mittelbar mit mindestens 25% beteiligt ist oder vergleichbaren Einfluss hat (§ 28 Abs. 1 und 2 RStV). Damit dient § 28 RStV vor allem der Bekämpfung der Cross-Ownership im

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Programme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und des bundesweit empfangbaren privaten Rundfunks einzubeziehen (§ 27 Abs. 1 RStV).84 Erreichen die einem Unternehmen zurechenbaren Programme im Durchschnitt eines Jahres einen Zuschaueranteil von 30%, wird widerlegbar85 vermutet, dass vorherrschende Meinungsmacht besteht (§ 26 Abs. 2 S. 1 RStV). Auch bei einem Zuschauermarktanteil von lediglich 25% kann vorherrschende Meinungsmacht angenommen werden, wenn das Unternehmen auf einem medienrelevanten verwandten Markt eine beherrschende Stellung einnimmt,86 oder eine Gesamtbeurteilung seiner Aktivitäten im Fernsehen und auf medienrelevanten verwandten Märkten ergibt, dass die Meinungsmacht dieses Unternehmens der eines Unternehmens mit 30% Zuschaueranteil entspricht (§ 26 Abs. 2 S. 2 RStV). Nach § 26 Abs. 2 S. 3 RStV sind bei der Berechnung vom tatsächlichen Zuschaueranteil bis zu 5% abzuziehen, wenn das Unternehmen in seine Vollprogramme in angemessenem Umfang Fensterprogramme nach § 25 Abs. 4 RStV aufgenommen und wenn es neben diesen Fensterprogrammen noch Dritten i. S. d. § 26 Abs. 5 RStV Sendezeit eingeräumt hat.87 Hat ein Unternehmen nach diesen Kriterien vorherrschende Meinungsmacht, darf ihm nach § 26 Abs. 3 RStV keine Zulassung für weitere Programme erteilt und der Erwerb weiterer Beteiligungen an Veranstaltern nicht als unbedenklich bestätigt werden.88 Die Möglichkeit zu weiteren Programmzulassungen und Beteiligungen erlangt das Unternehmen erst wieder, wenn es die von der zuständigen Landesmedienanstalt durch die KEK vorgeschlagenen, der Aufrechterhaltung der Meinungsvielfalt dienenden Maßnahmen i. S. d. § 26 Abs. 4 getroffen hat. Solche Maßnahmen sind: Die Aufgabe von Beteiligungen an Veranstaltern oder der Marktstellung auf medienrelevanten verwandten Märkten, bis keine vorherrschend Meinungsmacht mehr anzunehmen ist (§ 26 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 und 2) und das Ergreifen von vielfaltssichernden Maßnahmen i. S. d. §§ 30 bis 32 RStV bei dem Unternehmen zurechenbaren Veranstaltern (§ 26 Abs. 4 Nr. 3 RStV). Vielfaltssichernde Maßnahmen sind die Einräumung von Sendezeit für unabhängige Dritte und die Einrichtung eines pluralistisch zusammengesetzten Programmbeirates. Kommt zwischen dem Veranstalter und der KEK keine Einigung über Medienbereich bzw. der Verhinderung vorherrschender multimedialer Meinungsmacht (vgl. Kuch, ZUM 1997, 12 [15]). Europarechtlich interessant ist, dass bei der Zurechnung nach § 28 Abs. 3 RStV auch Unternehmen einzubeziehen sind, die ihren Sitz außerhalb des Geltungsbereichs des RStV (i. e. im Ausland) haben. 84 Kritisch hierzu Never, S. 217. 85 Vgl. Kuch, ZUM 1997, 12 (16). 86 Hier besteht also ein Ansatzpunkt, das Problem des intermediären Wettbewerbs zu erfassen (allgemein hierzu Engel, Medienordnungsrecht, S. 76 ff.). 87 Kritisch hierzu von Danwitz, ZUM 2002, 769 (773). 88 Eine Veränderung der Beteiligungsverhältnisse oder sonstiger Einflüsse im privaten Rundfunk darf nach § 29 RStV nur durchgeführt werden, wenn die zuständigen Landesmedienanstalten sie als unbedenklich bestätigen.

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Maßnahmen nach § 26 Abs. 4 S. 1 RStV zustande, kann die zuständige Landesmedienanstalt nach § 26 Abs. 4 S. 3 RStV Zulassungen für dem Unternehmen zurechenbare Programme solange widerrufen, bis keine vorherrschende Meinungsmacht mehr gegeben ist. Eine Sonderregelung besteht nach § 26 Abs. 5 S. 1 RStV für Veranstalter von Voll- oder Spartenprogrammen mit dem Schwerpunkt Information. Diese müssen, sofern sie im Durchschnitt eines Jahres einen Zuschaueranteil von 10% erreichen, unabhängigen Dritten Sendezeit nach § 31 RStV einräumen.89 Die letztere Verpflichtung trifft auch Unternehmen, deren Programme einen Zuschaueranteil von 20% haben, von denen aber keines unter § 26 Abs. 5 S. 1 RStV fällt (§ 26 Abs. 5 S. 2 RStV). Einige Landesmediengesetze übernehmen das im RStV vorgesehene Modell der publizistischen Konzentrationskontrolle, stellen also auf den Zuschaueranteil und den Anteil in anderen medienrelevanten Märkten oder generell darauf ab, ob vorherrschende Meinungsmacht gegeben ist.90 In anderen Landesmediengesetzen werden z. T. Höchstgrenzen für die Beteiligung an privaten Veranstaltern und Anbietergemeinschaften vorgesehen,91 oder es wird die Zahl der Programme, die ein Veranstalter veranstalten darf, limitiert.92 Wieder andere Landesmediengesetze lassen zur Veranstaltung bestimmter Programme nur Anbietergemeinschaften zu.93 Teilweise existieren Sonderregelungen zur Begrenzung der Beteiligung von Zeitungsverlagen an Rundfunkveranstaltern.94 c) Kontrolle des ökonomischen Wettbewerbs nach GWB und UWG Zur Kontrolle des ökonomischen Wettbewerbs dienen in nahezu allen Bereichen des Wirtschaftslebens GWB und UWG. Ob und wie diese Gesetze auf das wettbewerbliche Verhalten in der dualen Rundfunkordnung anzuwenden sind, ist allerdings nicht unumstritten: 89 Diese Regelung ist umstritten, da sie zur Vielfaltssicherung kaum notwendig ist, weil bei 10% Zuschaueranteil noch nicht die Gefahr vorherrschender Meinungsmacht besteht (vgl. Kuch, ZUM 1997, 12 (16)). 90 Vgl. §§ 24 f. LMG BW; Art. 25 Abs. 5–10 BayMG; §§ 19 ff. StV Bln/Bbg; § 22 RG MV; § 20 NdsLRG; §§ 6, 12 Abs. 3 LRG NRW; § 16 ff. LRG RP; §§ 7 f. und 15 SächsPRG; §§ 12 Abs. 5, 22 LRG SH. 91 Vgl. § 13 Abs. 3 Nr. 2 und 5 LMG BW; §§ 25 Abs. 1, 38 Abs. 2 HmbMG; § 17 Abs. 3 HPRG; § 8 Abs. 3–6 NdsLRG; § 12 Abs. 4 LRG SH. 92 Vgl. § 10 Abs. 1 BremLMG; §§ 25 Abs. 1, 38 Abs. 1 HmbMG; § 11 Abs. 3 RG MV; § 8 NdsLRG; § 20 MG LSA; § 12 Abs. 3 LRG S-H; § 17 Abs. 1 Nr. 1 und 2 TRG. 93 Vgl. § 36 HmbMG; §§ 16 und 17 HPRG; §§ 23 ff. LRG NRW; § 16 Abs. 1 TRG. 94 Vgl. Art. 25 Abs. 7 BayMG; § 21 StV Bln/Bbg; § 10 Abs. 4 BremLMG; § 25 Abs. 2 HmbMG; § 17 Abs. 2 HPRG; § 8 Abs. 7 NdsLRG; § 16 Abs. 8 LRG RP; § 8 Abs. 2 SächsPRG; § 12 Abs. 6 LRG SH; § 17 Abs. 1 Nr. 3 und 4 TRG.

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aa) Verhältnis des GWB zur Kontrolle des publizistischen Wettbewerbs Kern des Streits ist das Verhältnis des GWB zur Kontrolle des publizistischen Wettbewerbs. Ein Konflikt zwischen beiden Regelungssystemen kann allerdings nur bei externem Unternehmenswachstum bzw. bei der Fusionskontrolle und, soweit die Missbrauchsaufsicht der §§ 19 ff. GWB eingreift, auftreten. Internes Unternehmenswachstum, das sich z. B. in Anträgen auf Zulassung zur Veranstaltung weiterer Programme zeigt, und die bloße Entstehung marktbeherrschender Stellungen fällt allein unter die publizistische Vielfaltskontrolle.95 Das Verhältnis der ökonomischen zur publizistischen Kontrolle des externen Unternehmenswachstums wird zunächst nicht endgültig durch § 38 Abs. 3 GWB n. F. geklärt. Diese Regelung zeigt nur, dass der Bundesgesetzgeber angenommen hat, die Fusionskontrolle des GWB sei auf die Aktivitäten von Rundfunkveranstaltern grundsätzlich anwendbar. Dies war seit längerem kaum umstritten.96 In der Literatur wird zur Lösung des Konflikts z. T. ein Primat des Rundfunkrechts vertreten mit der Folge, dass das Wettbewerbsrecht des GWB (und UWG) nur anwendbar ist, soweit keine vorrangigen rundfunkrechtlichen Regelungen bestehen.97 Die Gegenauffassung wendet auf das Verhältnis der ökonomischen zur publizistischen Konzentrationskontrolle Art. 31 GG an.98 Beide Auffassungen setzen voraus, dass sich die betreffenden bundes- und landesrechtlichen Regelungen widersprechen. Ein solcher Widerspruch besteht jedoch i. d. R. nicht, denn publizistische und ökonomische Konzentrationskontrolle dienen unterschiedlichen Regelungszielen99 und können sich ergänzen:100 Sofern im Einzelfall ein Widerspruch zwischen beiden Regelungssystemen dennoch gegeben sein sollte und sich auch nicht durch Auslegung beseitigen lässt, ist er an der grundgesetzlichen Kompetenzordnung zu messen. Nach dieser darf

95 So auch: Hoffmann-Riem, in: R. Schmidt, § 6 Rdnr. 204; Brenner, ZUM 1998, 877 ff. (884); Trafkowski, S. 15. 96 So auch: Mestmäcker, in: Immenga/ders., GWB, vor § 35 Rdnr. 68; HoffmannRiem, in: R. Schmidt, § 6 Rdnr. 32 f., 199 ff. 97 So Wittig-Terhardt, AfP 1986, 298 ff.; wohl auch Hoffmann-Riem, in: R. Schmidt, § 6 Rdnr. 32 m. w. N. und ders., Rundfunkrecht neben Wirtschaftsrecht, S. 75; Buchholtz, ZUM 1998, 108, 114 m. w. N. 98 Vgl. Mestmäcker, in: Immenga/ders., GWB, vor § 35 Rdnr. 66 f. 99 So auch Trafkowski, S. 241 m. w. N. Kübler (in: Stern/Prütting) spricht von einer „prinzipiellen Zieldivergenz von Kartell- und Medienkonzentrationsrecht“. Dem entspricht die Sicht des BGH, der formuliert (NJW 1990, 2815 ff. [2816]): „Deshalb sind Verfügungen der Kartellbehörde zulässig, solange und soweit sie ihrem Wesen nach auf die Verhütung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Machtstellungen gerichtet sind, auch wenn sie als Nebenfolge zugleich Auswirkungen in dem der ausschließlichen Länderkompetenz unterliegenden Bereich der Rundfunkordnung haben.“ 100 So A. Hesse, Rundfunkrecht, S. 250 f.; i. E. auch Mestmäcker, in: Immenga/ ders., GWB, vor § 35 Rdnr. 69.

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der Bund grds. keine rundfunkrechtlichen Regelungen erlassen (also erst recht keine, die dem Rundfunkrecht der Länder widersprechen), und die Länder dürfen wegen Art. 72 Abs. 1 GG kein dem Wirtschaftsrecht des Bundes widersprechendes Wirtschaftsrecht schaffen. Wenn es also zu einem „echten“ Widerspruch der Regelungssysteme käme, wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit eine der Regelungen kompetenzwidrig erlassen und damit verfassungswidrig. Weitere Gründe sprechen gegen die in der Literatur vorgeschlagenen Lösungen eines Konflikts der Regelungssysteme: Ein Vorrang landesrechtlicher vor bundesrechtlichen Regelungen ist abgesehen von Art. 125a Abs. 1 GG in der Kompetenzordnung des Grundgesetzes nirgends vorgesehen. Art. 31 GG und Art. 72 Abs. 1 GG bringen dies klar zum Ausdruck.101 Ein Vorrang landesrechtlicher Regelungen als leges speciales gegenüber dem Wirtschaftsrecht des Bundes kommt ebenfalls nicht in Betracht, da dieses Prinzip nur zwischen Normen gleichen Rangs gilt.102 Ein „Primat des Rundfunkrechts“ kann schon deswegen nicht angenommen werden. Andererseits ist auch ein Vorrang des GWB nach Art. 31 GG kaum begründbar: Art. 31 GG setzt voraus, dass zwei Normen auf einen Sachverhalt anwendbar sind und zu unterschiedlichen Ergebnissen führen.103 Selbst dann, wenn sich z. B. zwei Rundfunkveranstalter zusammenschließen wollen, ihr Zusammenschluss nach GWB zulässig, nach Rundfunkrecht aber unzulässig wäre, liegen jedoch nur scheinbar sich widersprechende Ergebnisse vor. Ein Widerspruch besteht nur, wenn man unterstellt, dass der Gesetzgeber des GWB es ausschließen wollte, dass nach GWB zulässige Zusammenschlüsse nicht aus anderen (nicht ökonomischen) Gründen für unzulässig erklärt werden dürfen. Eine solche Regelung für den Rundfunkbereich zu treffen, wäre der Bundesgesetzgeber aber gar nicht in der Lage gewesen, denn die Kompetenz, eine publizistische Rundfunkfusionskontrolle einzuführen oder auch auszuschließen, ist Bestandteil der Rundfunkkompetenz und liegt daher allein bei den Ländern. Ein Vorrang eines der beiden Kontrollsysteme lässt sich daher letztlich nicht begründen. Dennoch besteht eine enge Verzahnung. Diese ergibt sich aus der Grundrechtsbindung nach Art. 1 Abs. 3 GG. Hierdurch ist der Bundesgesetzgeber unmittelbar auch an die Rundfunkfreiheit gebunden und muss diese Bindung respektieren, wenn er von seiner Befugnis nach Art. 74 Nr. 16 GG Gebrauch macht.104 Ob er deswegen auch auf die Ausgestaltungen der Rundfunkfreiheit durch den Landesgesetzgeber Rücksicht zu nehmen hat, ist noch nicht abschließend geklärt. Man wird dies aber zumindest für den Teil der landesrechtlichen Regelungen bejahen können, die das BVerfG als von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG gefordert angesehen hat.105 Da das BVerfG angenommen hat, 101 102 103 104

So auch Bremer/Esser/Hoffmann, S. 81. Vgl. statt vieler Maurer, § 4 Rdnr. 37. Vgl. BVerfGE 36, 342 (363). So auch BGH, NJW 1990, 2815 ff. (2820 f.).

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dass Regelungen zur publizistischen Vielfaltssicherung zwingend erforderlich sind, ist der Bundesgesetzgeber an diese Regelungen gebunden. Publizistische und ökonomische Vielfaltskontrolle stehen daher letztlich gleichberechtigt nebeneinander und müssen sich soweit als möglich respektieren [zum Einfluss des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG vgl. auch A. III. 6. d)]. bb) Anwendung von GWB und UWG auf private Rundfunkveranstalter Die Anwendbarkeit von GWB und UWG auf private Rundfunkveranstalter ist unproblematisch, denn diese sind schon ihrer Rechtsform nach Wirtschaftsunternehmen.106 Außerdem beteiligen sie sich z. B. durch An- und Verkauf von Übertragungsrechten und Verkauf von Werbezeiten am wirtschaftlichen Wettbewerb. Ob man die Programmausstrahlung selbst als wettbewerbliche Tätigkeit i. S. d. GWB ansehen kann, hängt beim Free-TV davon ab, ob man die Existenz eines „Zuschauermarktes“ bejaht, also eines Marktes, auf dem sich Zuschauer und Rundfunkveranstalter als Nachfrager und Anbieter gegenüberstehen.107 Unproblematisch unter die Kontrolle durch das GWB fällt hingegen das Verhalten von Pay-TV-Anbietern gegenüber ihren Abonnenten. Auf dem Pay-TV Markt besteht ein (bis 2001 aufgrund des Monopols der Kirch-Gruppe108 allerdings nur potentieller) Wettbewerb um Abonnenten. Für die Fusionskontrolle im Rundfunk gilt seit der 6. GWB-Novelle 1998 die schon erwähnte Sonderregelung des § 38 Abs. 3 GWB, wonach bei der für die Anwendbarkeit der Vorschriften über die Zusammenschlusskontrolle nach § 35 GWB notwendigen Berechnung der Umsatzerlöse das zwanzigfache dieser Erlöse in Ansatz zu bringen ist.109 Dass diese Neuregelung erst 1998 erfolgte, erklärt, dass lokale und regionale Fusionen im Rundfunkbereich in der Praxis des BKartA bisher seltener vorkamen. In den meisten Beteiligungsfällen hat das BKartA außerdem diese zwar geprüft, aber keine Versagungsentscheidungen getroffen.110

105 Für eine weiterreichende Pflicht zur Rücksichtnahme des GWB-Gesetzgebers auf die landesrechtlichen Ausgestaltungen der Rundfunkordnung Hoffmann-Riem, Rundfunkrecht neben Wirtschaftsrecht, S. 78 ff. 106 So auch Hoffmann-Riem, in: R. Schmidt, § 6 Rdnr. 199. 107 A. A. Emmerich, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 130 Rdnr. 16, der annimmt, es fände Wettbewerb um die Zuschauergunst statt, auf den auch das private Wettbewerbsrecht anzuwenden sei; näher dazu s. u. B. V. 4. b). 108 Näher dazu s. u. B. V. 4. a). 109 Vgl. hierzu Monopolkommission, Hauptgutachten 1996/97, Tz. 497; Trafkowski, S. 28. 110 Vgl. Monopolkommission, Hauptgutachten 1990/91, Tz. 683 ff.; Hauptgutachten 1992/93, Tz. 651 ff.; Ausnahme: die Beteiligung des WDR an der Radio NRW GmbH (Hauptgutachten 1990/91, Tz. 697 m. w. N.) und die Anteilsaufstockung von

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cc) Anwendung des GWB auf öffentlich-rechtliche Rundfunkveranstalter Dass auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk in seinem wirtschaftlichen Handeln prinzipiell der Kontrolle durch das GWB unterliegt, ist mittlerweile unumstritten.111 Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten sind Unternehmen der öffentlichen Hand i. S. d. § 130 Abs. 1 GWB,112 da sie zumindest teilweise113 unternehmerisch am Markt als Anbieter und Nachfrager handeln. Gestützt wird diese Einordnung auf die sog. Doppelqualifikationslehre, nach der eine Handlung, auch wenn sie gegenüber den Abnehmern als öffentlich-rechtlich zu qualifizieren ist, gegenüber den Konkurrenten zugleich als unternehmerische Handlung i. S. d. GWB verstanden werden kann.114 Nach wie vor umstritten ist allerdings, in welchem Umfang das Handeln der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Kontrolle nach dem GWB unterliegt: Die zivilrechtliche Literatur und das Bundeskartellamt nehmen von der Kontrolle durch das GWB nur jenen Teil des Handelns des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aus, der unmittelbar hoheitlich geregelt ist.115 Bei der Frage, ob auch die Programmveranstaltung eine wettbewerbliche Tätigkeit ist, stellt sich zunächst in gleicher Weise beim öffentlich-rechtlichen wie beim privaten Rundfunk das Problem, ob es einen „Zuschauermarkt“ gibt.116 Daneben wird gegen die Anwendung des GWB auf die Programmveranstaltung öffentlichrechtlicher Veranstalter eingewandt, dass diese hoheitlich erfolge.117 Selbst CLT/UFA und Kirch an Premiere auf jeweils 50% (Jahresbericht des BKartA 1997/ 98, BT-Drs. 14/1139, 163 f.). 111 Vgl. Hoffmann-Riem, in: R. Schmidt, § 6 Rdnr. 200 ff.; vgl. auch bereits Mestmäcker, 56. DJT, O 23 f. 112 Vgl. Emmerich, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 130 Rdnr. 16; HoffmannRiem, in: R. Schmidt, § 6 Rdnr. 200; ders., Rundfunkrecht neben Wirtschaftsrecht, S. 87 ff. 113 Das GWB ist auch auf sog. relative Unternehmen (i. e. solche die nicht in jedem Fall unternehmerisch tätig werden) anwendbar; vgl. Hoffmann-Riem, Rundfunkrecht neben Wirtschaftsrecht, S. 89 m. w. N. 114 Statt vieler Emmerich, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 130 Rdnr. 14; kritisch zu dieser Lehre Hoffmann-Riem, Rundfunkrecht neben Wirtschaftsrecht, S. 120 ff.; vgl. auch BGH, NJW 1990, 2815 ff. (2817). 115 Emmerich (in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 130 Rdnr. 16 m. w. N.) nennt als Beispiele die Gebührenverteilung zwischen den Anstalten und Fragen der Aufnahme und des Umfangs des Werbefernsehens; der „Michelbericht“ (Bericht der Kommission zur Untersuchung der Wettbewerbsgleichheit von Presse, Funk/Fernsehen und Film unter dem Vorsitz von MdB Elmar Michel; BT-Drs. V/2120, S. 214) erwähnt außerdem die gemeinsame Veranstaltung des ARD-Programms mit festgelegten Anteilen der einzelnen Anstalten. 116 Vgl. hierzu auch schon den „Michelbericht“ (BT-Drs. V/2120, S. 212): „Ob ein ,auf der Ebene des Privatrechts liegendes Wettbewerbsverhältnis‘ anzunehmen ist, bestimmt sich danach, ob die öffentliche Hand Leistungen auf einem Markt anbietet . . .“; vgl. auch Giehl, S. 193 f.; Trafkowski, S. 33 ff. 117 Vgl. Hoffmann-Riem, Rundfunkrecht neben Wirtschaftsrecht, S. 120 ff.

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wenn man aber die gesamte Tätigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einschließlich der Programmausstrahlung der Kontrolle durch das GWB unterstellen wollte, bliebe neben dem Grundsatz der Bundestreue vor allem die Grundrechtsbindung nach Art. 1 Abs. 3 GG zu berücksichtigen. Daraus folgt, dass der Bundesgesetzgeber jedenfalls aus dem Grundversorgungsauftrag folgende „Privilegien“ des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bei Anwendung des GWB zu respektieren hat.118 dd) Anwendung des UWG auf öffentlich-rechtliche Rundfunkveranstalter Der BGH hat schon früh die Anwendbarkeit des UWG auf die Tätigkeiten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bejaht.119 Eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt sei bezüglich der Normen des UWG sowohl passiv- als auch aktivlegitimiert, ohne dass es darauf ankäme, dass die Programmveranstaltung hoheitlich erfolge.120 Diese Rechtsprechung hat der BGH mehrfach bestätigt121 und das BVerfG hat sie inzident gebilligt.122 In der Literatur wird ein Zusammenhang zwischen dem Rundfunkrecht und dem Recht des unlauteren Wettbewerbes in der Weise hergestellt, dass Vorgehensweisen, die nach RStV oder ähnlichen rundfunkrechtlichen Regelungen verboten sind, zugleich einen objektiven Verstoß gegen § 1 UWG beinhalten.123 Grundsätzlich ist die Anwendung des UWG auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk unproblematischer als die des GWB, denn Verstöße gegen die Lauterkeit des Wettbewerbes können der Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks a priori nicht dienen.124 Einen nach wie vor aktuellen Fall aus diesem Bereich bildet der Streit um den ZDF-Medienpark:125 Das ZDF plante die Errichtung eines „Medienparks“ in der Nähe seines Sendezentrums in Mainz.126 Hierbei sollte es sich um einen 118 So i. E. auch Hoffmann-Riem, Rundfunkrecht neben Wirtschaftsrecht, S. 84; sehr kritisch zu diesen „Privilegien“ Möschel, MMR 2001, 3 (7). 119 Vgl. BGH, NJW 1962, 1295 ff. (AKI). 120 Vgl. BGH, NJW 1962, 1297 f. allerdings bezogen auf den konkreten Fall; vgl. zur Passivlegitimation schon BGH, GRUR 1956, 227. 121 Vgl. BGH, NJW 1977, 951 ff.; BGH, NJW 1990, 3199 ff.; diese Rechtsprechung dient oft auch zur Begründung der Anwendbarkeit des GWB auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk (vgl. Emmerich, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 130 Rdnr. 16; kritisch Hoffmann-Riem, Rundfunkrecht neben Wirtschaftsrecht, S. 118). 122 BVerfG, NJW 1999, 709 f. – Guldenburg. 123 Vgl. Piper, in: Köhler/ders., UWG, § 1 Rdnr. 631 f.; Baumbach/Hefermehl, S. 521 f. 124 So i. E. auch schon der „Michelbericht“ (BT-Drs. V/2120), S. 213; ähnlich: Hoffmann-Riem, Rundfunkrecht neben Wirtschaftsrecht, S. 118. 125 Vgl. hierzu Degenhart, ZUM 2001, 357 ff.; Eberle, in: FS Rudolf, S. 431 ff. 126 Näher zur konkreten Durchführung des Projekts Degenhart, ZUM 2001, 357 f.; Eberle, in: FS Rudolf, S. 431 ff. (433); Gounalakis, S. 11 f., 15. Mittlerweile ist das Projekt „auf Eis gelegt“ (vgl. www.zdfmedienpark.de).

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Freizeitpark handeln, dessen Attraktionen Bezug zum ZDF-Fernsehprogramm haben sollten, und der dadurch dem ZDF zur Eigenwerbung dienen sollte. Der Park sollte nicht durch Rundfunkgebühren, sondern ohne Beteiligung des ZDF durch einen privaten Investor finanziert und betrieben werden. Die hiergegen gerichtete Unterlassungsklage privater Freizeitparkbetreiber hat das OLG Koblenz rechtskräftig abgewiesen.127 Es stellte zunächst fest, die Verletzung öffentlich-rechtlicher Vorschriften stelle nur dann einen Verstoß gegen § 1 UWG dar, wenn diese Vorschriften „auf die Sicherung und Erhaltung von auch durch die Verfassung geschützten Gemeinschaftsgütern mit grundlegender Bedeutung für das Gemeinwesen“ zielten. Ein derartiges Gemeinschaftsgut sei die Rundfunkfreiheit, die als dienende Freiheit ihren Träger nicht zu beliebigem Gebrauch ermächtige. Daher dürfe das Rundfunkrecht nicht zur Erlangung von Wettbewerbsvorteilen gebrochen werden.128 Im vorliegenden Fall liege ein solcher Bruch des Rundfunkrechts jedoch nicht vor. Eigenwerbung und Merchandising des ZDF seien als sog. Randnutzungen „notwendig und Folge des Wettbewerbs, dem sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht zuletzt auch i.R. d. dualen Rundfunksystems stellen [müsse]“.129 Unzulässig seien derartige Nutzungen erst dann, wenn sie nicht mehr dem Programmauftrag dienten,130 sondern zum Selbstzweck würden. Es sei auch nicht ersichtlich, dass das ZDF, soweit von dem Betreiben des Medienparks wirtschaftliche Risiken oder Gefahren für die Erfüllung des Programmauftrages ausgehen könnten, diese nicht beherrschen könne.131 Das Urteil macht damit das Zusammenspiel von Rundfunk- und Wettbewerbsrecht exemplarisch deutlich. d) Wettbewerbskontrolle und Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG Beide Systeme der Wettbewerbskontrolle müssen sich nach der Rechtsprechung des BVerfG in unterschiedlicher Weise an der Rundfunkfreiheit des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG messen lassen: Die publizistische Wettbewerbskontrolle dient der Aufrechterhaltung der Vielfalt im Rundfunk und damit dem Prinzip freier Meinungsbildung i. S. d. Art. 5 Abs. 1 GG, dem ihrerseits die Rundfunkfreiheit zu dienen hat. Damit handelt es sich bei diesen Regelungen nicht um Schrankengesetze i. S. d. Art. 5 127

Vgl. OLG Koblenz, MMR 2001, 812–815. Vgl. OLG Koblenz, MMR 2001, 812 f.; kritisch hierzu die Anmerkungen von Antweiler (MMR 2001, 815 f.) und Mand (MMR 2001, 816 ff.); ähnlich wie das OLG Koblenz bereits Degenhart, ZUM 2001, 357 (366 f.). 129 Wörtlich OLG Koblenz, MMR 2001, 813. 130 Insoweit räumt das OLG dem ZDF im Anschluss an die Guldenburg-Entscheidung des BVerfG einen Beurteilungsspielraum ein (vgl. OLG Koblenz, MMR 2001, 813). 131 Vgl. OLG Koblenz, MMR 2001, 813 ff. m. w. N.; so auch bereits Gounalakis, S. 108 ff. 128

III. Rundfunk im dualen System

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Abs. 2 GG, sondern um Ausgestaltungsregelungen i. S. d. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG.132 Verfassungsrechtlich unzulässig wären sie nur dann, wenn sie privatwirtschaftliche Rundfunkveranstaltung unmöglich machten oder wesentlich erschweren würden, was sich derzeit nicht feststellen lässt. Anders die Regelungen des GWB und UWG: Diese dienen nicht der Aufrechterhaltung der publizistischen Vielfalt im Rundfunk bzw. der Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit. Damit kann es sich bei diesen Regelungen nur um Schrankengesetze i. S. d. Art. 5 Abs. 2 GG handeln.133 Der Eingriff in das Grundrecht der Rundfunkfreiheit durch das GWB ist allerdings, versteht man mit dem BVerfG die Rundfunkfreiheit vorrangig als Programmfreiheit, nur ein mittelbarer. Das GWB begrenzt nur dadurch die Produktion von Rundfunkprogrammen, dass es die wirtschaftliche Macht der Produzenten beschränkt. GWB und UWG sind, da sie keinerlei kommunikationsbezogenen Zielen dienen (dürfen), allgemeine Gesetze i. S. d. Art. 5 Abs. 2 GG. Bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist zu berücksichtigen, dass die Anwendung dieser Normen auch positive Effekte z. B. durch die Verhinderung marktbeherrschender Stellungen für die Rundfunkfreiheit haben kann.134 Im Einzelfall bedarf es bei der Anwendung der Normen beider Gesetze entsprechend der Wechselwirkungslehre des BVerfG einer Abwägung mit der Rundfunkfreiheit.135 Für die Anwendung des Wettbewerbsrechts auf die Tätigkeit der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten ist das Verhältnis zum Grundversorgungsauftrag entscheidend. Das BVerfG hat entschieden, dass der Gewährleistung der Grundversorgung vorrangige Bedeutung zukommt. Dies muss auch für das Wettbewerbsrecht gelten.136 Im Übrigen gilt, was bei der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung der Tätigkeiten der öffentlichen Hand immer gilt: „Das Wettbewerbsrecht muss . . . so weit zurücktreten, als seine Anwendung mit dem Vollzug der öffentlich-rechtlich geordneten Aufgaben unvereinbar sein würde“.137 Um eine solche „öffentlich-rechtlich geordnete“ bzw. sogar verfassungsrechtlich determinierte Aufgabe handelt es sich bei der Tätigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Daher gelten GWB und UWG für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nur soweit, als „die Anwendung dieser Normen nicht die Erfüllung der den Rundfunkanstalten übertragenen öffentlichen Aufgabe verhindert“.138 132

Vgl. BVerfGE 74, 297 (331 ff.). So auch Hoffmann-Riem, in: R. Schmidt, § 6 Rdnr. 203; Degenhart, in: Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1 und 2, Rdnr. 877 m. w. N.; vgl. auch schon BVerfG, AfP 1985, 107 f. bezogen auf die Pressefusionskontrolle. 134 Zu dieser Förderung des publizistischen durch den ökonomischen Wettbewerb: Hoffmann-Riem, Rundfunkrecht neben Wirtschaftsrecht, S. 34 f. m. w. N. 135 Näher Hoffmann-Riem, Rundfunkrecht neben Wirtschaftsrecht, S. 81 ff. 136 So i. E. BVerfG, NJW 1999, 709 f. 137 So wörtlich der „Michelbericht“ (BT-Drs. V/2120), S. 212. 138 So ebenfalls bereits im „Michelbericht“ (BT-Drs. V/2120), S. 213. 133

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A. Das duale Rundfunksystem in Deutschland

Wie das BVerfG außerdem mehrfach festgestellt hat, ist der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Rundfunkordnung weder dem Grundsatz der Modellkonsistenz noch dem der publizistischen Gewaltenteilung verpflichtet. Daher darf er auch die Möglichkeit von Kooperationen privater und öffentlich-rechtlicher Veranstalter grundsätzlich vorsehen.139 In diesem Fall muss jedoch gewährleistet sein, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk seine Grundversorgungsaufgabe voll erfüllen kann, denn Kooperationen bergen die Gefahr in sich, dass die Partner versuchen, durch die Zusammenarbeit ihre jeweiligen gesetzlichen Bindungen zu umgehen.140 Die Vermeidung solcher Umgehungen, insbesondere die der kommerziellen Aushöhlung des Grundversorgungsauftrages, setzt nach Ansicht des BVerfG voraus, dass die einzelnen Programmanteile von einander unterscheidbar und dem jeweiligen Produzenten zurechenbar sind. Der im Kooperationsprogramm von der öffentlich-rechtlichen Seite verantwortete Teil muss dabei jedoch dem Gebot gleichgewichtiger Vielfalt nicht schon allein in vollem Umfang quasi als verkleinertes Abbild des Gesamtprogramms genügen.141

IV. Rundfunkfinanzierung und die Vorgaben des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG Auch für die im zweiten Teil dieser Arbeit zu untersuchende Frage nach der Vereinbarkeit der Rundfunkfinanzierung mit dem EG-Beihilfenrecht sind die Vorgaben des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG von entscheidender Bedeutung. Sie sollen daher im Folgenden untersucht werden: 1. Finanzierungsgarantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk Das BVerfG leitet aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG die Pflicht des Staates her, für eine zur Erfüllung ihrer Aufgaben ausreichende bzw. funktionsgerechte Finanzausstattung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zu sorgen.1 Die Rundfunkfreiheit enthält somit auch eine Finanzierungsgarantie für den öffentlichrechtlichen Rundfunk und einen entsprechenden Anspruch der Anstalten.2 Im Gegensatz zur Bestands- und Entwicklungsgarantie ist die Finanzierungsgarantie hierbei nicht auf die Grundversorgung begrenzt, sondern es ist von Verfassungswegen staatlicherseits auch jenseits der Grundversorgung alles zu finanzie-

139

Vgl. BVerfGE 74, 297 (348 f.); zu aktuellen Kooperationen Neun, S. 126 f. Vgl. BVerfGE 83, 238 (306). 141 Vgl. BVerfGE 83, 238 (307); 87, 181 (198). 1 Vgl. BVerfGE 73, 118 (158); 74, 297 (324 f., 342); 83, 238 (310); 87, 181 (202); 90, 60 (90); dazu auch Oppermann/Kilian, S. 57 ff., 87 ff. 2 Vgl. BVerfGE 87, 181 (198); Libertus, S. 153 ff. m. w. N. 140

IV. Rundfunkfinanzierung und die Vorgaben des Art. 5 GG

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ren, was der Funktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks entspricht.3 Die Entscheidung über Art und Weise dieser Funktionserfüllung, insbesondere über Inhalt, Darbietung und Umfang des Programms, ist aber wegen der in Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG verbürgten Programmautonomie grundsätzlich Sache der Rundfunkanstalten.4 Die Gewährleistung der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch den Staat muss daher „programmneutral“ und „programmakzessorisch“ erfolgen.5 Diese verfassungskräftige Absicherung der Finanzierungspflicht schützt die Programmautonomie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, da sie Programmeinflüsse bei Finanzierungsentscheidungen verhindert. Aus der Pflicht zur Programmneutralität und -akzessorietät folgt aber noch nicht, dass die staatliche Finanzierungspflicht unbegrenzt wäre: Solange mittelbarer Programmeinfluss ausgeschaltet bleibt, ist der Gesetzgeber zum einen frei darin, wie er seiner Finanzierungspflicht nachkommt bzw. welche Finanzierungsquellen er eröffnet, denn der Bestand einzelner Quellen ist nicht grundrechtlich geschützt.6 Da der Umfang funktionsgerechter Finanzierung allein durch die Funktion der öffentlich-rechtlichen Anstalten bestimmt wird,7 findet die Freiheit des Gesetzgebers, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk Finanzierungsquellen zu (v)erschließen, erst dort ihre Grenze, wo die Erfüllung dieser Funktion gefährdet wird. Zum anderen dürfen die Interessen der Bevölkerung an einer möglichst geringen finanziellen Belastung und am möglichst ungehinderten Zugang zu Informationen nicht außer Betracht bleiben. Daher darf der Staat die Entscheidung darüber, was zur funktionsgerechten Finanzierung notwendig ist, nicht allein den Rundfunkanstalten überlassen. Anderenfalls wäre den Interessen der Bevölkerung nicht hinreichend Rechnung getragen, denn die Anstalten haben im Konkurrenzkampf mit privaten Anbietern ein „Selbstbehauptungs- und Ausweitungsinteresse“.8 Ferner ist der Umfang der Finanzierung wie alle öffentlichen Abgaben streng auf das erforderliche Maß zu begrenzen.9

3 Also z. B. auch Regional- und Spartenprogramme (vgl. BVerfGE 87, 181 (204)); vgl. Hoffmann-Riem, Pay TV, S. 72 f. 4 Vgl. BVerfGE 87, 181 (201). 5 Vgl. BVerfGE 90, 60 (94) bezogen auf die Gebührenfinanzierung, aber verallgemeinerbar auf die gesamte Rundfunkfinanzierung; a. A. wohl Bethge, Verfassungsrechtliche Position, S. 72. 6 Vgl. BVerfGE 83, 238 (310); Libertus, S. 157 f. 7 Vgl. BVerfGE 87, 181 (200). 8 Vgl. BVerfGE 87, 181 (201). 9 Vgl. BVerfGE 87, 181 (203).

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A. Das duale Rundfunksystem in Deutschland

2. Gebührenfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Vorrangige Finanzierungsquelle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist die Gebührenfinanzierung. Dies rechtfertigt sich vor allem aus dem Grundversorgungsauftrag, denn eine überwiegende Werbefinanzierung würde den öffentlichrechtlichen Rundfunk vom Markt abhängig und damit Grundversorgung unmöglich machen.10 a) Rechtsnatur der Gebühren Die Rechtsnatur der Rundfunkgebühren bedarf hier näherer Untersuchung, da von ihr die Qualifizierung der Rundfunkgebühren als Beihilfen i. S. d. Art. 87 EG mit abhängt: Rundfunkgebühren werden für das Bereithalten eines Rundfunkempfangsgerätes unabhängig von seiner tatsächlichen Nutzung und erst recht unabhängig vom Empfang gerade der öffentlich-rechtlichen Programme erhoben.11 Bereits hieraus folgt, dass die Rundfunkgebühr keine Gebühr im eigentlichen Sinne ist, denn dies würde voraussetzen, dass sie die angemessene Gegenleistung des Bürgers für die „staatliche“ Leistung Rundfunk ist.12 Da der Bürger aber auch zahlen muss, wenn er die Leistung nicht in Anspruch nimmt, stellt die Rundfunkgebühr abgabenrechtlich eher einen Beitrag, zumindest aber eine Gebühr mit starken beitragsähnlichen Elementen dar.13 Dieser beitragsähnliche Charakter der Rundfunkgebühr wird noch zunehmen, wenn auch das Bereithalten eines (theoretisch) rundfunkempfangsfähigen PCs14 die Gebührenpflicht auslöst, denn dann kommt es auf die Entscheidung des Bürgers, Rundfunk empfangen bzw. 10 So i. E.. BVerfGE 73, 118 (158); 74, 297 (325); 87, 181 (200); vgl. Lange (ZUM 1995, 529 (532)), der deswegen die Finanzierungsgarantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk quasi als „Gebührengarantie“ versteht. 11 Vgl. § 12 Abs. 2 RStV; zur verfassungsrechtlichen Legitimität dieses Ansatzes vgl. BVerfGE 90, 60 (91). 12 Dass dies nicht der Fall ist, hat das BVerfG schon in BVerfGE 31, 314 (330) festgestellt; ähnlich BVerwG, NJW 1968, 1393; vgl. auch Grupp, S. 42; Damm, S. 54; Dargel, S. 105 ff. (112). 13 So die wohl h. M. Vgl.: Oppermann, JZ 1994, 499 (501 m. w. N.); ders./Kilian, S. 89 ff. m. w. N.; Damm, S. 55 m. w. N.; Dargel, S. 121 f. m. w. N. Das Gebührenelement der Rundfunkgebühr verstärkt sich auch nicht dadurch, dass man annimmt, der Bürger zahle für eine Art Empfangsgenehmigung (vgl. hierzu schon BVerwG, NJW 1968, 1393; ablehnend auch Dargel, S. 124 ff.). Eine solche könnte nämlich nur einmal erteilt werden, die Rundfunkgebühr wird aber fortlaufend monatlich gezahlt (vgl. BVerwG, NJW 1968, 1394). Eine monatlich neue Empfangsgenehmigung anzunehmen wäre realitätsfremd. 14 Bis 31. 12. 2004 besteht jedenfalls für Rechner, die Rundfunkprogramme ausschließlich über Angebote aus dem Internet wiedergeben können, eine Gebührenbefreiung (vgl. § 5a RundfunkgebührenStV); vgl. zum Problem der Gebührenpflichtigkeit des Internetrundfunks auch Dargel, S. 190 ff.

IV. Rundfunkfinanzierung und die Vorgaben des Art. 5 GG

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die Leistung des Rundfunks in Anspruch nehmen zu wollen oder nicht, nahezu nicht mehr an. Fast jeder Bundesbürger würde spätestens dann verpflichtet sein, durch seine Gebührenzahlung die „Gesamtveranstaltung“ Rundfunk15 mit zu alimentieren. Er könnte sich dieser Pflicht dann nur noch entziehen, wenn er auf den Empfang jeglicher Radio- und Fernsehprogramme sowie die Benutzung eines der derzeit wichtigsten Arbeitsgeräte, des PCs, verzichtete. Ob es noch lange Sinn macht, von einer Rundfunkgebühr zu sprechen, ist daher zweifelhaft.16 Die Rundfunkgebühr wird dann de facto17 zum Rundfunkbeitrag. Dies heißt allerdings nicht, dass die Rundfunkgebühr, weil sie sich Gebühr nennt, verfassungswidrig wäre, denn entscheidend ist allein ihre materielle abgabenrechtliche Zulässigkeit und nicht ihre Bezeichung.18 Diese Zulässigkeit aber ist gegeben, weil sich die Rundfunkgebühr letztlich unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG rechtfertigen lässt. b) Verfahren der Gebührenfestsetzung Was das Verfahren der Gebührenfestsetzung betrifft, so betont das BVerfG die hohe medienpolitische Bedeutung der Gebührenentscheidung gerade in der dualen Rundfunkordnung,19 erteilt aber sowohl einer anstaltsautonomen Gebührenfestsetzung, als auch einer Festsetzung allein durch die Landtage eine klare Absage. Die Anstalten bieten aus Sicht des BVerfG, wie bereit angedeutet, zu wenig Gewähr für eine ausreichende Berücksichtigung der Interessen der Gebührenzahler20 und eine Gebührenfestsetzung allein durch die Landtage vermei15 Zu diesem Begriff, der darauf abzielt, dass nicht nur die Grundversorgung, sondern auch z. B. der Finanzausgleich der Rundfunkanstalten und z. T. auch die Rundfunkaufsicht über die Gebühr mitfinanziert wird: BVerfGE 31, 314 (330); 90, 60 (105 ff.); Grupp, S. 42; Hoffmann-Riem, Pay TV, S. 106 f.; eher kritisch hierzu Oppermann/Kilian, S. 95 ff. 16 So i. E. auch Neun, S. 233 f.; teilweise wird die Rundfunkgebühr bereits jetzt als Zwecksteuer charakterisiert (vgl. Hümmerich/Beucher, AfP 1989, 708 ff.); zu weiteren abgabenrechtlichen Einordnungen: Grupp, S. 41 f.; Damm, S. 49; Dargel, S. 99 ff. 17 Auch de jure wird sie ihren Gebührencharakter endgültig verlieren, wenn sich die Überlegungen der Länder durchsetzen sollten, die Gebührenpflicht nicht mehr an das Bereithalten eines Empfangsgeräts anzuknüpfen, sondern pro Haushalt oder Betriebsstätte eine Gebühr zu erheben (näher hierzu: Neun (S. 235 m. w. N.), der allerdings annimmt, die Rundfunkgebühr würde dann zur Steuer. Letzteres erscheint abgaben- und rundfunkrechtlich schon deshalb fragwürdig, weil die Rundfunkgebühr auch, wenn sie pro Haushalt erhoben würde, aus Gründen der Staatsfreiheit nicht wie eine Steuer in den allgemeinen Staatshaushalt fließen dürfte). 18 Vgl. Damm, S. 50 m. w. N. 19 Vgl. BVerfGE 90, 60 (101): „. . . ist die Abhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten von der Gebührenfinanzierung durch die Konkurrenzsituation gestiegen. Denn der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat in der Konkurrenz mit privaten Veranstaltern (. . .) etwa die Hälfte seiner bisherigen Werbeeinnahmen eingebüßt (. . .) Dieser Entwicklung können die Rundfunkanstalten wegen der gesetzlichen Werberestriktionen aus eigener Anstrengung nicht begegnen“.

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A. Das duale Rundfunksystem in Deutschland

det zu wenig mittelbare Programmeinflüsse und verstößt daher gegen den Grundsatz der Staatsfreiheit.21 Aufgrund dieses Befundes hat das BVerfG in BVerfGE 90, 60 folgende Vorgaben für das Verfahren der Gebührenfestsetzung abgeleitet: 22 Eine genaue Bestimmung dessen, was als notwendig für die Funktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks finanziert werden muss, sei nicht a priori möglich. Andererseits sehe man der Höhe der Gebühr nicht an, ob bei ihrer Festsetzung verfassungsrechtlich unzulässige medien- und programmpolitische Erwägungen eine Rolle gespielt hätten. Daher sei prozeduraler Grundrechtsschutz erforderlich, d. h. das Grundrecht der Anstalten aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG müsse schon im Gebührenfestsetzungsverfahren geschützt werden.23 Diesen prozeduralen Grundrechtsschutz gewährleistet nach Ansicht des BVerfG am ehesten ein dreistufiges Verfahren: Auf der ersten Stufe stehen die Bedarfsanmeldungen der Rundfunkanstalten. Diese überprüft auf der zweiten Stufe ein rundfunk- und politikfrei besetztes Gremium,24 in der Praxis die „Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs“ (KEF),25 auf ihre Vereinbarkeit mit dem Auftrag des Rundfunks und den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit.26 Dieses Gremium dürfe nicht bloßes Hilfsorgan der Ministerpräsidenten sein, sondern seine Empfehlungen müssten im Verfahren entsprechendes Gewicht haben.27 Aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG leitet das BVerfG ebenso eine Verpflichtung des Gesetzgebers ab, Zusammensetzung, Verfahren und Unabhängigkeit dieses Gremiums abzusichern.28 Dritte Stufe ist dann die Entscheidung der Länder über den Abschluss eines Staatsvertrages zur Anpassung der Gebührenhöhe. Sowohl die KEF als auch die Länder dürfen von den Bedarfsanmeldungen nur aus Gründen abweichen, die dem Schutz der Gebührenzahler dienen, mit den Erfordernissen der Rundfunkfreiheit vereinbar und nachprüfbar begründet sind.29 In diesem Verfahren, das die Länder mittlerweile im Rundfunkfinanzierungs- und Rundfunkgebührenstaatsvertrag umgesetzt haben,30 liegt auf den ersten Blick 20

Vgl. BVerfGE 87, 181 (201); 90, 60 (92 u. 102). Vgl. BVerfGE 90, 60 (92); so auch schon: W. Schmidt, S. 60 ff.; Badura, Rundfunkfreiheit, S. 56 ff. 22 Vgl. hierzu Bethge, Verfassungsrechtliche Position, S. 72 f. 23 Vgl. BVerfGE 90, 60 (96) mit Hinweis auf E 53, 30 (65 f. u. 71 ff.). 24 Eine derartige externe Kontrolle im Gebührenzahlerinteresse hält das BVerfG auch deswegen für notwendig, weil „. . . bei der Rundfunkgebühr das Korrektiv des Marktpreises ausfällt“ (BVerfGE 90, 60 (102). 25 Vgl. zu ihrer Entstehung Oppermann/Kilian, S. 44. 26 Näher hierzu Bethge, Verfassungsrechtliche Position, S. 77 ff.; vgl. den umfangreichen „Bericht zur Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit“ der KEF (14. KEF-Bericht, S. 138 ff.). 27 Vgl. BVerfGE 90, 60 (100). 28 Vgl. BVerfGE 90, 60 (103). 29 Vgl. BVerfGE 90, 60 (103 f.). 21

IV. Rundfunkfinanzierung und die Vorgaben des Art. 5 GG

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die Gebührenhoheit bei den Anstalten.31 Die Vorgänge um die Gebührenerhöhung im Jahr 2000 haben dies allerdings in Frage gestellt.32 Insoweit hat sich nämlich gezeigt, dass die Letztentscheidungsbefugnis über die Gebührenhöhe dem Staat doch erheblichen Einfluss verschafft. Dies ist jedoch unvermeidlich, da Abgabenerhebungen einer gesetzlichen Grundlage bedürfen und die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu den notwendig zu regelnden Grundlinien der positiven Rundfunkordnung gehört.33 3. Werbefinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Die Zulassung einer teilweisen Werbefinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist jedenfalls verfassungsrechtlich unproblematisch.34 Nicht zulässig wäre, wie schon dargelegt, eine ausschließliche oder auch nur überwiegende Werbefinanzierung, denn diese führt zu kommerzieller Abhängigkeit. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk kann seinen Verfassungsauftrag aber nur erfüllen, wenn er so weit wie möglich und gerade kommerziell unabhängig ist.35 Die derzeit geringe Höhe der Werbeeinahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zeigt, dass eine Kommerzialisierung z. Z. wohl nicht zu befürchten ist. Anders zu beurteilen wäre ein Verbot der Werbung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk,36 da allein entscheidend ist, dass „die Finanzierung der Tätigkeit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten insgesamt hinreichend gesichert ist und dass den Anstalten auf diese Weise die Finanzierung derjenigen Programme ermöglicht wird, deren Veranstaltung ihren spezifischen Funktionen nicht nur entspricht, sondern auch zur Wahrnehmung dieser Funktionen erforderlich ist“.37 Sowohl Werbebeschränkungen im öffentlich-rechtlichen Rund30 Bedenken gegen die Übereinstimmung dieses neuen Verfahrens mit den verfassungsgerichtlichen Vorgaben bei A. Hesse, Rundfunkrecht, S. 182 ff.; ähnlich zu diesbezüglichen Staatsvertragsentwürfen: Hümmerich, AfP 1996, 25 (29 ff.); vgl. dazu auch die Stellungnahme von Knothe/Bialek (AfP 1996, 115 ff.) und die Replik von Hümmerich, AfP 1996, 118 ff. 31 So auch Oppermann, JZ 1994, 499 (501 f.). 32 Vgl. zur „Blockade“ der Gebührenerhöhung im sächsischen Landtag Neun, S. 44. 33 Vgl. Badura, Rundfunkfreiheit, S. 60 u. 70. 34 Vgl. BVerfGE 83, 238 (310); zur europarechtlichen Überprüfung eines Werbeverbotes s. u. B. III. 6. b) dd) (6). 35 Vgl. BVerfGE 83, 238 (311); 87, 181 (199). 36 So BVerfGE 74, 297 (342) ausdrücklich für das Verbot der Werbung in öffentlich-rechtlichen Regional- und Lokalprogrammen. Die Werbung in diesen Programmen hält das BVerfG nicht für nach Art. 5 I 2 GG geschützt; bestätigt durch BVerfGE 87, 181 (200); a. A. Bosman, ZUM 2003, 444 (448 ff.); ein Werbeverbot wird vielfach gefordert: vgl. nur Oppermann, JZ 1994, 499 (502 f.); ders., in: Stern/Prütting, S. 51 ff. (59 ff. m. w. N.); Bosman, ZUM 2003, 444 (445 f. m. w. N.); Neun, S. 413. 37 So wörtlich BVerfG 74, 297 (342; Hervorhebung v. Verf.); vgl. auch BVerfGE 87, 181 (200).

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A. Das duale Rundfunksystem in Deutschland

funk wie die 20-Uhr-Grenze und das Verbot der Werbung an Sonn- und Feiertagen sind daher ebenso zulässig, wie es grundsätzlich auch ein generelles Werbeverbot im öffentlich-rechtlichen Rundfunk wäre, solange der Gesetzgeber die entstehende Finanzierungslücke durch eine entsprechende Gebührenerhöhung schließt.38 Diese Bewertung gilt auch dann, wenn man Rundfunkwerbung dem Schutz des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG unterstellt,39 denn ein Werbeverbot ließe sich wohl als Ausgestaltung der positiven Rundfunkordnung, zumindest aber über Art. 5 Abs. 2 GG (z. B. zum Schutz der Werbeeinnahmen des privaten Rundfunks) rechtfertigen. Hierbei wäre auch zu berücksichtigen, dass Rundfunkwerbung schon wegen ihrer Finanzierungsfunktion keinen gleich hohen Schutz wie sonstige Programminhalte geniessen kann;40 ebenso, dass das grundrechtliche Schutzniveau für Werbung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk niedriger sein muss als für Anzeigen in der Presse, weil die Anstalten auf die Werbefinanzierung im Gegensatz zur Presse finanziell grundsätzlich nicht angewiesen sind. 4. Sonstige Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Da, wie dargelegt, von Verfassungswegen nur die Finanzierung des öffentlichrechtlichen Rundfunks insgesamt gesichert sein muss, ist der Gesetzgeber frei darin, ob er neben Gebühren und Werbung noch andere Finanzierungsformen für öffentlich-rechtlichen Rundfunk wie Pay-TV, Sponsoring o. Ä. zulässt.41 So könnte es u. U. notwendig werden, dass der Gesetzgeber solche Finanzierungsformen zulässt, wenn sich Spartenprogramme öffentlich-rechtlicher Veranstalter allein aus Gebühren und Werbung nicht mehr finanzieren ließen. Ist es öffentlich-rechtlichen Veranstaltern nämlich nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG im Rahmen ihrer Programmfreiheit gestattet, auch Spartenprogramme zu veranstalten, darf der Gesetzgeber diese Programmfreiheit nicht mittelbar dadurch beschränken, dass er die Finanzierung solcher Programme unmöglich macht, indem er nur Gebührenerhebung und Werbung erlaubt.42

38 Zu den durch ein Werbeverbot anfallenden höheren Kosten vgl. Markner, MP 1997, 516 ff. 39 Hierzu Bosman, ZUM 2003, 444 (448 ff.); allgemein zu Werbung und Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG: Ladeur, in: Hahn/Vesting, § 7 RStV Rdnr. 6 m. w. N.; zum Schutz aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG von Werbeanzeigen in der Presse vgl. BVerfGE 21, 271 (278 ff.); 64, 108 (114); 102, 347 (358 ff.). 40 Dies räumt auch Bosman (ZUM 2003, 444 (451)) ein. 41 Vgl. zu diesem Problemkreis: Hoffmann-Riem, Pay TV, S. 75 ff.; Damm, S. 45; Neun, S. 119 f. 42 So i. E. BVerfGE 74, 297 (348).

V. Duales Rundfunksystem und digitales Zeitalter

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5. Finanzierung des privaten Rundfunks Das BVerfG hat schon früh erkannt, dass für Bestand und Eigenart des privaten Rundfunks sowie für den Inhalt seiner Programme die Finanzierung durch Werbung (oder durch Einzelentgelte (Pay-TV)) wesentlich ist.43 Diese Art der Finanzierung kann zu vielfaltsverengender Kommerzialisierung des Programms führen, was jedoch, solange der öffentlich-rechtliche Rundfunk die Grundversorgung leistet, hingenommen werden kann.44 Werbebeschränkungen im privaten Rundfunk wie z. B. die Beschränkung des täglichen Anteils der Werbung am Programm auf 20% hält das BVerfG für verfassungsrechtlich unbedenklich, da es annimmt, schon dieser Anteil werde nicht erreicht werden, weil das Publikum ein Programm mit soviel Werbung nicht akzeptieren würde.45 Neben den Werbebeschränkungen befasst sich das BVerfG auch mit den Auswirkungen der Werbefinanzierung des privaten Rundfunks auf die Pressefreiheit. Das Gericht geht davon aus, dass die Pressefreiheit, die auch das Institut „Freie Presse“ gewährleiste, dadurch gefährdet werden kann, dass private Rundfunkveranstalter den Presseunternehmen Finanzierungsquellen in Form von Werbekunden entziehen.46 Eine Bedrohung für die freie Presse wäre (theoretisch) dann denkbar, wenn sich das Gesamtvolumen der Werbung nicht mehr oder kaum noch steigern würde, und in dem dann entstehenden Kampf um Werbeanteile die Presse aufgrund ihrer geringeren Breitenwirkung in existenzgefährdender Weise zu unterliegen drohen würde.

V. Das duale Rundfunksystem vor den Herausforderungen des digitalen Zeitalters Die bisher dargestellten Charakteristika des dualen Rundfunksystems haben sich bezogen auf Fernsehen und Hörfunk in analoger Sendetechnik herausgebildet. Seit einiger Zeit ist es auf allen drei traditionellen Übertragungswegen (Kabel, Satellit und Terrestrik1) möglich, Rundfunk auch in digitalisierter Form zu übertragen und es ist sogar geplant, in naher Zukunft (voraussichtlich ab 43

Vgl. BVerfGE 73, 118 (178). Vgl. BVerfGE 73, 118 (179). 45 Vgl. BVerfGE 73, 118 (179). 46 Vgl. BVerfGE 73, 118 (181). Das BVerfG hält einen privilegierten Zugang der Presseunternehmen zum Rundfunk als Kompensation für verlorene Werbeeinnahmen, zumindest solange sich noch nicht abschätzen lässt, ob das Abwandern der Werbekunden zum Rundfunk tatsächlich die Existenz der freien Presse gefährdet für verfassungsrechtlich unzulässig (BVerfGE 73, 118 (192 f.)). 1 Vgl. Bullinger (ZUM 1997, 281 (284 f.)), der die Vorteile digitaler Satellitenübertragung betont; Dörr/Janik/Zorn, S. 46 ff., 53 ff.; A. Hesse, BayVBl. 1997, 132 (132 f.); zur digitalen Terrestrik T-DAB (terrestrisches Digital-Audio-Broadcasting) und T-DVB (terrestrisches Digital-Video-Broadcasting) Sporn, S. 1 ff. 44

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2010) auf die analoge Rundfunkübertragung vollständig zu verzichten.2 Dies wird nach einer verbreiteten Prognose grundlegende Veränderungen für das duale Rundfunksystem verursachen. Im Folgenden soll untersucht werden, inwiefern diese Prognose Zustimmung verdient. Hierbei muss die Erörterung der durch die Digitalisierung verursachten Probleme, um den Rahmen dieser Arbeit nicht zu sprengen, allerdings auf das Wesentliche beschränkt werden. Neu entstehende Probleme der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern3 bleiben daher auch hier außer Betracht. Ebenso wird es nicht möglich sein, der Frage nach dem zweifellos immer wichtiger werdenden Zusammenspiel zwischen Telekommunikations- und Rundfunkrecht intensiver nachzugehen.4 1. Technischer Sachverhalt5 Digitalisierung hat für die Rundfunktechnik im Wesentlichen drei Folgen: Erstens vervielfacht sich die Übertragungskapazität. Zweitens wird die Einrichtung von sog. Rückkanälen und damit interaktive Mediennutzung möglich, d. h. im Gegensatz zur bisherigen Situation kann der Zuschauer/Hörer mit dem Veranstalter direkt, ohne den Umweg über Post oder Telefon, in Kontakt treten.6 Dies ermöglicht die Entstehung neuer interaktiver Tele- und Mediendienste wie Video-on-Demand, Telespiele, Telelearning etc.7 Drittens bewirkt die Digitalisierung der Sendesignale, dass diese nicht mehr nur auf den herkömmlichen Übertragungswegen gesendet und empfangen werden können, sondern auch z. B. über das Telefonnetz. Umgekehrt ist es dann möglich, dass etwa Sprachtelefonie über Kabelfernsehnetze betrieben wird. Die Netze können so zusammenwachsen. Diese sog. Konvergenz8 kann grundsätzlich auch bei den Emp2 Sog. Analogabschaltung (vgl. Breunig, MP 2000, 378 (378); Grünwald, passim; Knothe/Schwalba, MP 1999, 111); bis zu diesem Zeitpunkt werden digitaler und analoger Rundfunk im sog. Simulcast-Betrieb nebeneinander ausgestrahlt (vgl. Sporn, S. 2 f.; Bullinger, ZUM 1997, 281 (283)); zusammenfassend: Mitteilung der Kommission über den Übergang vom analogen zum digitalen Rundfunk (digitaler Übergang und Analogabschaltung) (KOM (2003), 541 endg.). 3 Vgl. hierzu Bullinger/Mestmäcker, S. 135 ff.; Gersdorf, Chancengleicher Zugang, S. 46 ff.; ders., Konvergenz, S. 261 ff.; Schulz/Seufert/Holznagel, S. 100 ff. 4 Dies wäre auch in der derzeitigen Situation nicht unbedingt sinnvoll, denn im April 2002 wurde auf europäischer Ebene ein Paket von vier umfangreichen Richtlinien und einer Entscheidung verabschiedet [vgl. B. I. 2. g)], das umfangreiche Änderungen im deutschen Telekommunikationsrecht notwendig macht; zur bisherigen Rechtslage hinsichtlich der Vorschriften des TKG über den offenen Netzzugang vgl.: Bullinger, ZUM 1997, 281 (291 ff.); Dörr/Janik/Zorn, S. 216 ff.; Gersdorf, Konvergenz, S. 304 ff.; vgl. auch Neun, S. 138 ff. 5 Hierzu ausführlich statt vieler Neun, S. 135 ff. 6 Vgl. statt vieler Roider, S. 247 f. 7 Vgl. Gersdorf, AfP 1995, 565 (565 f.); Hoffmann-Riem/Vesting, MP 1994, 382 (383); Schulz/Seufert/Holznagel, S. 52; Stammler, ZUM 1995, 104 (105).

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fangsgeräten stattfinden, d. h. es sind Geräte denkbar, mit denen zugleich Rundfunk empfangen, Sprach- und Bildtelefonie betrieben und Internetseiten aufgerufen werden können.9 Teilweise wird neben diesen beiden Stufen der Konvergenz noch eine weitere prophezeit, die Konvergenz der Dienste, d. h. das Ende der bisher klaren Unterscheidbarkeit von Individual- und Massenkommunikation durch das Entstehen neuer Mischformen.10 Äußerst umstritten ist, ob diese mögliche Konvergenz der Dienste eine Konvergenz des Rechts auslösen muss, d. h., ob es sich weiterhin wird rechtfertigen lassen, getrennte Regelungssysteme für Rundfunk und Telekommunikation aufrecht zu erhalten.11 Digitaler Rundfunk erfordert im Vergleich zum analogen einige zusätzliche technische und administrative Dienstleistungen: Zunächst ist, um die digitalen Sendesignale „transportfähig“ zu machen, sog. Multiplexing erforderlich. Hierbei werden die digitalisierten und komprimierten Sendesignale in Datencontainern zusammengefügt, die dann terrestrisch, über Kabel und/oder Satellit weiterverbreitet werden.12 Sofern es sich bei den Sendesignalen um solche von entgeltlichen Programmen oder Diensten handelt, ist vor dem Multiplexing noch die Verschlüsselung notwendig. Außerdem erfordern Sendung und Empfang von entgeltlichen Programmen und Diensten Zugangskontrollsysteme (bzw. Conditional-Access-Systeme), die es verhindern, dass Unbefugte die Programme und Dienste unentgeltlich nutzen können.13

8 Vgl. Bertelsmann Stiftung, Kommunikationsordnung 2000, S. 11 f.; Dörr/Janik/ Zorn, S. 60 ff.; Holznagel, Funktionsauftrag, S. 61 ff.; Schulz/Seufert/Holznagel, S. 71 ff.; Sporn, S. 52 f.; ähnlich: Bullinger/Mestmäcker, S. 17 ff.; Engel, Medienordnungsrecht, S. 15 ff. 9 Vgl. Hoffmann-Riem/Vesting, MP 1994, 382; Holznagel, Funktionsauftrag, S. 64 ff.; Knothe/Schwalba, MP 1999, 111; Sporn, S. 52 f. Ob diese Geräte die herkömmlichen Empfangsgeräte auf Dauer ersetzen werden, ist allerdings äußerst zweifelhaft; so i. E. auch: Dörr/Janik/Zorn, S. 63; Vesting, K&R 2000, 161; Holznagel, Funktionsauftrag, S. 64 f. Die mit der Konvergenz der Endgeräte zusammenhängende Frage, ob auch für PCs u. U. Rundfunkgebühren zu entrichten sind, ist, wie bereits erwähnt, dadurch gelöst, dass bis zum 31. 12. 2006 eine Gebührenbefreiung besteht (vgl. hierzu auch Dörr/Zorn, NJW 2001, 2837 (2849)). 10 Vgl. Bullinger/Mestmäcker, S. 20 ff.; Dörr/Janik/Zorn, S. 64 f.; Flechsig, CR 1999, 327 f., Schoch, VVDStRL 57 (1998), S. 158 (170 f.); Stammler, ZUM 1995, 104 (104 f.); Trafkowski, S. 18 f.; kritisch: Hoffmann-Riem/Vesting, MP 1994, 382 ff.; Schulz/Seufert/Holznagel, S. 74. 11 Näher hierzu sogleich A. V. 2. a); zu den diesbezügliche Überlegungen auf europäischer Ebene B. I. 2. c) aa) und B. I. 2. g); vgl. zu den erwähnten Ebenen der Konvergenz auch Dörr/Janik/Zorn, S. 60 ff. 12 Vgl. Gersdorf, Chancengleicher Zugang, S. 60; Holznagel, Digitales Fernsehen, S. 40 f. 13 Vgl. Dörr/Janik/Zorn, S. 38 ff.; Gersdorf, Chancengleicher Zugang, S. 60; Schulz/Seufert/Holznagel, S. 85 ff.; mit Problemen des Conditional Access befasst sich auch die Richtlinie 95/47/EG.

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Der Vertrieb digitaler Programme und Dienste erfolgt größtenteils nicht einzeln, sondern in Paketen (z. T. auch als „Bouquets“ bezeichnet), die mehrere Programme und/oder Dienste bündeln.14 Das elektronische „Schnüren“ dieser Pakete ist eine eigenständige technische und publizistische Leistung, die vom Programmanbieter, vom Netzbetreiber, oder auch von einem unabhängigen Dritten erbracht werden kann.15 Derzeit kann digitaler Rundfunk, da die bisherigen Empfangsgeräte ausschließlich für den Empfang analog übermittelter Sendesignale geeignet sind, nur mit Hilfe einer sog. Set-Top-Box empfangen werden, die digitale Sendesignale in analoge umwandelt.16 Diese Set-Top-Boxen enthalten elektronische Programmführer (Electronic Programme Guides (EPGs), auch als „Navigatoren“ bezeichnet),17 die als „elektronische Programmzeitschrift“ dem Rezipienten die Auswahl zwischen verschiedenen Inhalten ermöglichen, und ein sog. Application Programming Interface (API), d. i. eine Software, ähnlich dem Betriebssystem eines PCs, für die Anbieter, ihre Dienste und Anwendungen handhabbar machen müssen, damit die Box sie „lesen“ kann.18 Sollen verschlüsselte Programme und Dienste, insbesondere Pay-TV empfangen werden, muss in die Box eine sog. Smart-Card eingeführt werden, die den Empfänger elektronisch als den zur Entschlüsselung Berechtigten ausweist.19 2. Verfassungsrechtliche Folgen a) Konvergenz des Rechts? Wie bereits angedeutet, wird intensiv darüber diskutiert, ob in Folge der Konvergenz der Übertragungswege und u. U. auch der Empfangsgeräte und Dienste es notwendig geworden ist, auch eine „Konvergenz des Rechts“ anzustreben, d. h. den bisherigen dienste-/medienspezifischen Regulierungsansatz (Rundfunkrecht, Presserecht, Telekommunikationsrecht etc.) aufzugeben und statt dessen entweder einen gemeinsamen Rechtsrahmen für alle Medien/Dienste zu schaffen20 oder gar vollständig auf positive Regulierung zu verzichten und allein auf die Wirkung des allgemeinen Wirtschaftsrechts zu vertrauen.21 14

Vgl. Bullinger, ZUM 1997, 281 (283). Vgl. Gersdorf, Chancengleicher Zugang, S. 62. 16 Vgl. statt vieler: Faull/Nikpay, Rdnr. 11.286. 17 Vgl. Dörr/Janik/Zorn, S. 43 ff.; Holznagel, Digitales Fernsehen, S. 45 f. 18 Vgl. A. Hesse, ZUM 2000, 183 (187); vgl. auch die Ausführungen der EU-Kommission in Entscheidung IV/36.539 (British Interactive Broadcasting/Open), Rdnr. 30. 19 Vgl. Gersdorf, Chancengleicher Zugang, S. 61; Holznagel, Digitales Fernsehen, S. 48 f. 20 Ausführlich hierzu Trafkowski, S. 244 ff.; vgl. auch Eberle, in: ders./Rudolf/Wasserburg, S. 20 f. 15

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Entscheidender Nachteil eines Verzichts auf positive Regulierung ist, dass das Wirtschaftsrecht regelmäßig nur ex post wirken kann. Die Vermachtung eines Marktes kann, abgesehen von der Fusionskontrolle, nur wieder abgebaut, aber nicht verhindert werden.22 Internes Wachstum, das nicht zu unzulässigen Marktaktivitäten führt oder auf solchen beruht, kann das Wirtschaftsrecht außerdem generell nicht erfassen. Beide Nachteile liegen darin begründet, dass Wirtschaftsrecht und Medienrecht unterschiedliche Schutzgüter haben: den wirtschaftlichen und den publizistischen Wettbewerb. Das eine Regelungssystem darf das Schutzgut des anderen, wie bereits erwähnt, grundsätzlich nicht usurpieren, d. h. im Wege des Wirtschaftrechts dürfen z. B. keine Regelungen getroffen werden, die zum Schutz des publizistischen nicht jedoch des wirtschaftlichen Wettbewerbs nötig sind. Diese fundamentale Unterschiedlichkeit zwischen Wirtschafts- und Medienrecht verschwindet durch die Konvergenz nicht. Ebenso lassen sich Ziele wie Jugend- und Persönlichkeitsschutz allein auf dem Wege des Wirtschaftsrechts kaum in ausreichender Weise verfolgen.23 Somit wird man auch im digitalen Zeitalter auf medienspezifische Regelungen nicht ganz verzichten können.24 Unzweifelhaft ergeben sich aus der Konvergenz jedoch zumindest zwei Forderungen: erstens diejenige nach einer intensiven Prüfung, ob bisherige Regelungen noch verhältnismäßig sind, und zweitens die nach einer verstärkten „Interoperabilität“ der Regulierung, d. h. es muss strenger als bisher darauf geachtet werden, dass in getrennten Bereichen stattfindende Verfahren auf einander Bezug nehmen und es nicht zu sich widersprechenden Ergebnissen kommt.25 b) Neue Konflikte um die Rundfunkfreiheit Digitalisierung und Konvergenz werfen neue Fragen hinsichtlich Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG auf: Einerseits ist fraglich, welche der neuen Dienste unter den Begriff des Rundfunks i. S. d. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG fallen. Diese Frage soll hier allerdings nicht weiter vertieft werden, da wie oben dargelegt, Thema der vorliegenden Arbeit nur diejenigen Angebote sein sollen, die unter den Rundfunkbegriff im traditio21 So insbesondere BMWi, Offene Medienordnung, Rdnr. 1 und 32 ff.; hierzu Kübler, ZRP 2000, 131 ff.; vgl. auch Bertelsmann Stiftung, Kommunikationsordnung 2000, S. 20 f., 30 ff.; Schulz/Seufert/Holznagel, S. 72 ff.; tendenziell auch Trute, VVDStRL 57 (1998), S. 216 ff. (230 ff.). 22 So i. E. auch Holznagel, JZ 2001, 905 (907). 23 So i. E. auch Engel, Medienordnungsrecht, S. 42 ff.; Holznagel, JZ 2001, 905 (908). 24 So auch das Fazit von Holznagel, JZ 2001, 905 (909). 25 So i. E. auch Gersdorf, Konvergenz, S. 351 ff.; zu entsprechenden Ansätzen bezogen auf das Medienkartellrecht vgl. Trafkowski, S. 269 ff.

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nellen Sinne fallen. Es sei hier nur noch einmal darauf hingewiesen, dass das BVerfG den Rundfunkbegriff des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG dynamisch versteht und daher auch neuere technische Entwicklungen einbezogen werden können.26 Andererseits ist, weil die Digitalisierung neue technische und administrative Dienstleistungen erfordert, zu fragen, inwieweit deren Erbringer sich, auch wenn sie selbst keinen Rundfunk i. S. d. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG veranstalten, auf die Rundfunkfreiheit berufen können: Wie dargelegt, ist die Rundfunkfreiheit in erster Linie Programmfreiheit. Daher kann Träger der Rundfunkfreiheit grundsätzlich nur derjenige sein, der auch in der Lage ist, Programmfreiheit auszuüben bzw. das Programm inhaltlich zu gestalten.27 Ist dieses subjektive Kriterium erfüllt, reicht der Schutz, den die Programmfreiheit bietet, von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung des Programms.28 Insbesondere sind auch die einzelnen Stufen der Programmproduktion erfasst29 sowie inhaltsneutrale Tätigkeiten wie z. B. Finanzierungsfragen jedenfalls dann, wenn sie notwendige Bedingungen für den Gebrauch der Programmfreiheit sind.30 Daraus folgt, dass alle technischen und administrativen Leistungen, die für die Verbreitung von digitalen Rundfunkprogrammen notwendig sind (z. B. Multiplexing oder das Betreiben eines Conditional-Access-Systems), durch die Rundfunkfreiheit zumindest dann geschützt sind, wenn ein Veranstalter sie selbst erbringt.31 Da von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG neben der Freiheit zur Gestaltung der Sendungen selbstverständlich auch die Freiheit zur Gestaltung und Präsentation des Gesamtprogramms als eigenständige publizistische Leistung geschützt ist, kann auch die Bildung von Programmpaketen in den Schutzbereich fallen.32 Mit dem 4. Rundfunkänderungsstaatsvertrag wurde außerdem durch Änderung des § 52 RStV das bisherige Kabelbelegungsmonopol der Landesmedienanstalten für die Belegung digitalisierter Kabelanlagen mit Fernsehprogrammen abgeschafft.33 Privaten Kabelnetzbetreibern wird durch § 52 Abs. 4 RStV die Möglichkeit eingeräumt, abgesehen von den Must-carry-Verpflichtungen aus § 52 Abs. 3 RStV,34 ihre digitalisierten Kabelanlagen in gewissem Umfang 26 Vgl. BVerfGE 73, 118 (154); 74, 297 (350 ff.); vgl. im Übrigen zur Einordnung der neuen Dienste: Gersdorf, AfP 1995, 565 ff.; A. Hesse, BayVBl. 1997, 132 (135 ff.). 27 So auch Gersdorf, Chancengleicher Zugang, S. 63. 28 Vgl. nur BVerfGE 91, 125 (134 f.). 29 Vgl. BVerfGE 91, 125 (135). 30 Vgl. BVerfGE 90, 60 (93). 31 Vgl. Schulz/Seufert/Holznagel, S. 108. 32 So auch Gersdorf, Chancengleicher Zugang, S. 64 ff. 33 Vgl. § 52 Abs. 2 RStV. Für andere als digitalisierte Kabelanlagen und für die Belegung mit Hörfunkprogrammen gilt weiterhin das Landesrecht (§§ 52 Abs. 2, 6 RStV).

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nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu belegen.35 Da zur Belegung der Kabelanlagen publizistische Überlegungen angestellt werden müssen, sind auch private Kabelnetzbetreiber grundsätzlich Träger der Rundfunkfreiheit. Die Deutsche Telekom hat diese Rechtsstellung jedoch nicht, da sie ein Unternehmen mit staatlicher Mehrheitsbeteiligung ist, das nicht wie die Rundfunkanstalten von Verfassungswegen nach dem Grundsatz der Staatsfreiheit betrieben werden muss.36 Staatliche Regelungen gegenüber der Deutschen Telekom sind allerdings an Art. 87f Abs. 2 S. 1 GG zu messen, der bestimmt, dass Telekommunikationsdienstleistungen als privatwirtschaftliche Tätigkeiten erbracht werden. Solche Regelungen dürfen daher nicht zu einem Handeln zwingen, das mit diesem Grundsatz der Privatwirtschaftlichkeit unvereinbar wäre.37 In grundrechtlicher Hinsicht etwas problematischer ist die rundfunkexterne Erbringung von Dienstleistungen für digitalen Rundfunk: Bei Tätigkeiten mit programmgestaltender Funktion, wie dem Zusammenstellen von Programm- und Dienstepaketen unter publizistischen Aspekten und dem Betreiben eines EPG, lässt sich die Eröffnung des Schutzbereichs des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG prinzipiell bejahen.38 Was gänzlich inhaltsneutrale rundfunkexterne Tätigkeiten betrifft, werden von der h. M. zurecht die Grundsätze der Rechtsprechung zum Pressegrosso39 entsprechend angewendet.40 Hiernach genießt eine Tätigkeit den Schutz der Pressefreiheit, soweit sie „typischerweise pressebezogen ist, in enger organisatorischer Anbindung an die Presse erfolgt, für das Funktionieren einer freien Presse notwendig ist und wenn sich die staatliche Regulierung dieser Tätigkeit zugleich einschränkend auf die Meinungsverbreitung auswirkt“.41 Auch Dienstleister für digitalen Rundfunk, die inhaltsneutral handeln, können daher in den Schutzbereich der Rundfunkfreiheit des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG fallen. Zu klären bleibt die Frage, wie Konflikte zwischen Programmveranstaltern und den Erbringern technischer und administrativer Dienstleistungen zu lösen sind, wenn beide sich auf den Schutz aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG berufen können. Beispiele wären, dass ein Paketanbieter einem Programmveranstalter aus publizistischen Gründen die Aufnahme in das von ihm vermarktete Paket versagt, dass der Betreiber eines EPG die Aufnahme in sein Navigationssystem verweigert, oder dass ein Kabelnetzbetreiber ein bestimmtes Programm/Paket nicht einspeist. Diese Fälle lassen sich nicht ohne weiteres dadurch lösen, dass 34

Zu diesen sogleich A. V. 2. c). Vgl. hierzu statt vieler Ladeur, ZUM 2002, 252 (252 f.). 36 So auch Gersdorf, Chancengleicher Zugang, S. 89 f. m. w. N. 37 So i. E. auch Bullinger/Mestmäcker, S. 79 ff. 38 So auch Gersdorf, Chancengleicher Zugang, S. 72, 74. 39 Vgl. BVerfGE 77, 346. 40 Vgl. Gersdorf, Chancengleicher Zugang, S. 71 m. w. N.; Schulz/Seufert/Holznagel, S. 108 f. 41 Wörtlich BVerfGE 77, 346 (355). 35

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man die zur inneren Pressefreiheit in Literatur und Rechtsprechung entwickelten Grundsätze42 überträgt, denn die Frage nach der inneren Pressefreiheit hat sich bisher nur innerhalb ein und desselben Unternehmens, nicht aber zwischen verschiedenen unabhängigen Unternehmen gestellt. Ebenso ist die Annahme Gersdorfs43 nicht restlos überzeugend, die Rundfunkfreiheit (der Veranstalter) schütze als „Rundumfreiheit“ auch vor Eingriffen von privater Seite, z. B. durch die Kabelnetzbetreiber. In den bisherigen Fällen, in denen die Rundfunkfreiheit Schutz gegen private Eingriffe bot, waren die „Angreifer“ nicht selbst Träger dieses Grundrechts. Es erscheint allerdings zulässig, die Grundrechtspositionen von Veranstaltern, Dienstleistern und Kabelnetzbetreibern gesetzgeberisch z. B. dadurch in Ausgleich zu bringen, dass die Dienstleister für digitalen Rundfunk verpflichtet werden, zu ihren Diensten chancengleichen und diskriminierungsfreien Zugang zu gewähren, und dass den Kabelnetzbetreibern in gewissem Umfang Vielfaltsverpflichtungen, insbesondere sog. Must-carry-Verpflichtungen auferlegt werden.44 Bei derartigen Regelungen handelt es sich um Ausgestaltungen der Rundfunkfreiheit zur Schaffung einer positiven Rundfunkordnung, zu denen der Staat prinzipiell auch unter den Bedingungen der Digitalisierung verpflichtet bleibt.45 Sie sind erst dann unzulässig, wenn sie den privatnützigen Gebrauch der Rundfunkfreiheit wesentlich erschweren oder unmöglich machen. Zusätzlich ist zwar zu berücksichtigen, dass die Dienstleistungserbringer und Kabelnetzbetreiber (abgesehen von der Deutschen Telekom) zugleich Träger der Grundrechte aus Art. 12 und 14 GG sind. Wie bereits dargelegt, werden Regelungen zur Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit jedoch nahezu immer auch verhältnismäßige Berufsausübungsregeln sein [A. II. 5. c)]. Im Bezug auf Art. 14 GG handelt es sich um verfassungsrechtlich zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmungen, wobei zusätzlich zu bedenken ist, dass das „Netzeigentum“ aufgrund seiner erheblichen Bedeutung für die Meinungsbildung in gesteigertem Maße sozialpflichtig (Art. 14 Abs. 2 GG) ist.46 Bullinger und Engel vertreten, solche Must-Carry-Regelungen seien zulässig, das bisherige System der Kabelbelegung durch die Landesmedienanstalten sei jedoch seit der teilweisen Privatisierung der Netze verfassungswidrig: Beide nehmen an, eine Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit gegenüber dem Netzbetreiber durch an objektiven Vielfaltskriterien orientierte Kabelbelegungsvorschriften 42

Vgl. hierzu Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5 Rdnr. 81 f. Vgl. Gersdorf, Chancengleicher Zugang, S. 100 ff. 44 So i. E. auch: Bullinger, ZUM 1997, 281 (303 ff.); Engel, Kabelfernsehen, S. 51; Trute, VVDStRL 57 (1998), S. 216 ff. (229 f.); näher zu diesen Must-carry-Verpflichtungen A. V. 2. c). 45 Näher dazu sogleich. 46 So auch OVG Bremen, K&R 2000, 43 (46); Gersdorf, Chancengleicher Zugang, S. 92 ff. 43

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sei zugleich ein Eingriff in die Informationsfreiheit der Netzteilnehmer aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG.47 Dieses Ergebnis ist problematisch, wenn man die Sicht des BVerfG teilt, die Freiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG dienten einem gemeinsamen Zweck.48 Selbst, wenn man Bullinger und Engel hinsichtlich des Vorliegens eines Grundrechtseingriffs folgt, bleibt jedoch zu begründen, warum dieser rechtswidrig ist: Bullinger begründet die Rechtswidrigkeit damit, dass bei einer an objektiven Vielfaltskriterien orientierten staatlichen Kabelbelegung die Wünsche der Mehrheit der Kabelteilnehmer zu wenig Gewicht hätten.49 Dabei vernachlässigt er die Informationsfreiheit der Minderheit der Kabelteilnehmer bzw. lässt die Frage offen, warum deren Informationsfreiheit verfassungsrechtlich geringeren Wert haben soll, als die der Mehrheit. Da, solange noch technische Engpässe im Kabel bestehen,50 es nicht möglich sein wird, die Wünsche aller Kabelteilnehmer zu berücksichtigen, muss ein Ausgleich zwischen den Wünschen der Mehrheit und denen der Minderheit geschaffen werden.51 Es ist nicht ersichtlich, warum es gemessen an Art. 5 Abs. 2 GG unzulässig sein soll, diesen Ausgleich durch eine an objektiven Vielfaltskriterien orientierte staatliche Kabelbelegung herbeizuführen. Wenn man die bisherigen Kabelbelegungsregelungen als Eingriff in die Informationsfreiheit ansieht, ist dieser also zumindest nach Art. 5 Abs. 2 GG gerechtfertigt.52 Die wohl entscheidende Frage für die Grundrechtspositionen in der neuen digitalen Rundfunkordnung ist, ob aufgrund der technischen Entwicklungen die Sicht der Rundfunkfreiheit als dienende und ausgestaltungsbedürftige Freiheit obsolet geworden ist:53

47 Vgl. Bullinger (ZUM 1997, 281 (299 ff.)), der einen Eingriff aber nur bejaht, soweit ein Netzbetreiber Programme einspeist, die zugleich terrestrisch empfangbar sind, und so quasi als Gemeinschaftsantennenanlage der an sein Netz angeschlossenen Teilnehmer fungiert; ohne diese Einschränkung Engel, Kabelfernsehen, S. 33 ff. 48 So zurecht Gersdorf, Chancengleicher Zugang, S. 82 ff. 49 Vgl. Bullinger, ZUM 1997, 281 (301 ff.). 50 Zu der Gefahr, dass ähnliche Engpässe auch unter den Bedingungen der Digitalisierung erhalten bleiben werden: A. Hesse, ZUM 2000, 183 (186). 51 So auch OVG Bremen, K&R 2000, 43 (45); Dörr/Janik/Zorn, S. 186 ff.; Gersdorf, Chancengleicher Zugang, S. 83 ff.; grundsätzlich auch Engel (Kabelfernsehen, S. 36 f., 48 ff.), der diese Argumentation allerdings für nicht stichhaltig hält, weil sich erwiesen habe, dass die Landesmedienanstalten zu diesem Ausgleich de facto nicht in der Lage seien. Die von Engel (S. 48 f.) zum Beleg angeführten Urteile zeigen jedoch nur, dass Kabelbelegungsentscheidungen rechtswidrig sein können, was unstreitig sein dürfte, nicht dass rechtmäßige unmöglich wären. 52 So auch OVG Bremen, K&R 2000, 43 (45); Gersdorf, Chancengleicher Zugang, S. 84 f. m. w. N. 53 So Bertelsmann Stiftung, Kommunikationsordnung 2000, S. 32 f.; Engel, in: Hoffmann-Riem/Vesting, S. 161 f.; ähnlich: Degenhart, K&R 2000, 49 (52 f.); Stammler, ZUM 1995, 104 (106); vgl. auch Schoch, VVDStRL 57 (1998), S. 158 (193).

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Es ist sicherlich zutreffend, dass durch die Vervielfachung der Übertragungskapazität die vom BVerfG in seinen früheren Rundfunkurteilen diagnostizierte Sondersituation des Rundfunks in technischer Hinsicht entfallen ist. Zum einen können sich jedoch auch unter den Bedingungen der Digitalisierung Engpässe entwickeln; etwa dadurch, dass interaktive Programme angeboten werden, die eine große Zahl digitaler Übertragungskanäle benötigen. Zum anderen hat das BVerfG die „Sondersituation“ des Rundfunks seit längerem nicht mehr nur technisch begründet, sondern vorrangig mit der besonderen Breitenwirkung, Aktualität und Suggestivkraft des Rundfunks und der aus dieser folgenden besonderen Verantwortung für die freie Meinungsbildung.54 Ob dieser Teil der „Sondersituation“ im digitalen Zeitalter wegfallen wird,55 ist eine empirische Frage, die sich nicht pauschal bejahen oder verneinen lässt. Derzeit ist jedenfalls nicht erkennbar, dass der Wandel von der Massenkommunikation zur Individualkommunikation so weit fortgeschritten wäre, dass der Rundfunk seine schlechthin konstituierende Bedeutung für Demokratie und freie Meinungsbildung schon verloren hätte.56 Der Wandel wird auch dadurch gebremst, dass bisher der Nachweis für die wirtschaftlich sinnvolle Nutzbarkeit der neuen technischen Möglichkeiten, insbesondere der interaktiven Dienste, noch nicht erbracht ist.57 Angesichts der Tatsache, dass sich in Deutschland bisher nicht einmal Pay-TV hat wirklich durchsetzen können,58 bestehen erhebliche Zweifel, ob der Zuschauer diese Dienste überhaupt annehmen wird.59 Im Übrigen ist erneut darauf hinzuweisen, dass die Qualifizierung als dienende Freiheit nicht allein für die Rundfunkfreiheit, sondern, wie sich aus den einschlägigen Urteilen klar ergibt, prinzipiell für alle Freiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG gilt. Die Freiheiten unterscheiden sich lediglich hinsichtlich ihrer Ausgestaltungsbedürftigkeit. Zutreffend ist allerdings, dass bei einem entscheidenden Bedeutungsverlust des Rundfunks diese Ausgestaltungsbedürftigkeit der Rundfunkfreiheit nachließe. Ebenso sind im digitalen Zeitalter Regelungen des privaten Rundfunks, die vorrangig auf den technischen Gegebenheiten des analogen Rundfunks basieren (Stichwort: Frequenzknappheit), einer kritischen Überprüfung zu unterziehen. Ande54

BVerfGE 90, 60 (87). So dezidiert Engel, in: Hoffmann-Riem/Vesting, S. 161 f. 56 So auch schon Hoffmann-Riem/Vesting, MP 1994, 382 (383 f.); Eberle, Rundfunkgebühr, 15 (23 f.); Sporn, S. 54 f.; Degenhart, K&R 2000, 49; vgl. auch Bullinger/Mestmäcker, S. 21 f. 57 Kritisch bezogen auf die ökonomischen Grenzen des Medienwachstums bereits Hoffmann-Riem/Vesting, MP 1994, 382 (384). 58 Der Verlust im Pay-TV-Geschäft war mit verantwortlich für den wirtschaftlichen Zusammenbruch der Kirchgruppe (vgl. nur SZ vom 10. 04. 2002, S. 39). Vgl. auch Möschel, MMR 2001, 3 (7). 59 Kritisch hierzu auch Eberle (Rundfunkgebühr, 15 (22 f.)), der zurecht auf die unterschiedlichen Nutzergewohnheiten zwischen Fernsehzuschauer und PC-Nutzer hinweist. Ähnliche Bewertung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten bei Schulz/Seufert/ Holznagel, S. 52 ff. (65). 55

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rerseits erweitern sich die Ausgestaltungsmöglichkeiten für den Gesetzgeber dadurch, dass es im Gegensatz zu bisher mehr „Teilnehmer“ an der Rundfunkveranstaltung (insbesondere auch technische Dienstleister für Mulitplexing, Conditional Access etc.) und damit auch mehr Ansatzpunkte zur Schaffung einer positiven Rundfunkordnung gibt.60 c) Vielfaltssicherung im digitalen Rundfunk Aus Digitalisierung und Konvergenz ergeben sich nicht nur im Bereich der Grundrechtsdogmatik neue Probleme, sondern vor allem auch im Bereich der Vielfaltssicherung, und zwar sowohl, was die publizistische als auch, was die wirtschaftliche Vielfalt betrifft:61 Da zugleich mit dem Beginn der Digitalisierung (bzw. noch vor dieser) die teilweise Privatisierung der Kabelnetze stattgefunden hat,62 tritt bei der Sicherung der Meinungsvielfalt im Rundfunk eine Verschiebung schon deshalb ein, weil Vielfaltssicherungsmaßnahmen gegenüber den nunmehr privaten Netzbetreibern, wie bereits angedeutet, als Grundrechtseingriffe (in Art. 14, 12 GG, u. U. auch in Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG63) oder zumindest als Ausgestaltungen der Rundfunkfreiheit zu legitimieren sind.64 Vielfaltssicherung erfolgt im analogen Rundfunk derzeit, wie dargelegt, durch positive Regulierung, d. h. der Staat greift zur Vielfaltssicherung sowohl in den publizistischen als auch in den wirtschaftlichen Markt ein. Zu dieser Art der Regulierung ist der Staat nach st. Rspr. des BVerfG verpflichtet, weil die Rundfunkfreiheit ihre Aufgabe als dienende Freiheit sonst nicht in ausreichender Weise erfüllen kann. Diese Verpflichtung wird für den analogen Rundfunk jedenfalls solange aufrecht erhalten werden müssen, wie digitaler Rundfunk,

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So i. E. auch Schulz/Seufert/Holznagel, S. 111 f. Vgl. hierzu den aktuellen Überblick bei Dörr/Janik/Zorn, S. 80 ff. 62 Vgl. Bullinger, ZUM 1997, 281 (289 ff.). Teile des Kabelnetzes der Deutschen Telekom sind bereits an private Investoren verkauft (Vgl. die Fusionskontrollentscheidungen der Kommission: COMP/M.2652 (Blackstone/CDPQ/Deteks NRW), COMP/ M.2643 (Blackstone/CDPQ/Deteks BW), COMP/JV.50 (Blackstone/CDPQ/Kabel Baden-Württemberg), COMP/JV.46 (Blackstone/CDPQ/Kabel Nordrhein-Westfalen); vgl. auch Kuch, ZUM 2002, 248. Der Verkauf eines Großteils des Kabelnetzes an die amerikanische „Liberty-Media“ ist allerdings im Frühjahr 2002 am Widerstand des Bundeskartellamts gescheitert (Vgl. Entscheidung des BKartA Az. B7 – 168/01, abrufbar unter www.bundeskartellamt.de); zusammenfassend Monopolkommission, Hauptgutachten 2000/2001, Tz. 34 ff. 63 Die Rundfunkfreiheit ist tangiert, soweit ein Netzbetreiber Kapazitäten nicht nur nach wirtschaftlichen, sondern auch nach publizistischen Kriterien vergibt (so auch Gersdorf, Chancengleicher Zugang, S. 81 f.). 64 Insoweit zutreffend Bullinger, ZUM 1997, 281 (305 f.); Gersdorf, Chancengleicher Zugang, S. 87 ff. 61

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A. Das duale Rundfunksystem in Deutschland

weil noch wenige Anbieter und Zuschauer/Hörer vorhanden sind, nur ein Ergänzungsangebot von eher untergeordneter Bedeutung ist.65 Da sich die Technologien, mit denen sich die zur Verbreitung von digitalem Rundfunk erforderlichen Dienstleistungen erbringen lassen, bisher in der Hand weniger befinden, können allerdings schon in dieser Entwicklungsphase Engpässe entstehen, die bei der Vielfaltssicherung besonderer Berücksichtigung bedürfen.66 Ein Unternehmen, das beispielsweise an einer Set-top-Box und den zu ihrem Betrieb nötigen Hard- und Softwarekomponenten die Rechte innehat, ist, solange nur wenige derartige Systeme existieren, in einer sog. Gate-keeper-Position, d. h. es kann, indem es z. B. einem bestimmten Pay-TV-Anbieter verweigert, sein Programm mit Hilfe der betreffenden Box zu übermitteln, den Weg dieses Programms vom Produzenten zum Rezipienten blockieren.67 Die Gefahr, dass eine solche Position von ihrem Inhaber ausgenutzt wird,68 ist besonders dann groß, wenn dieser zugleich in einem Inhaltemarkt (z. B. Pay-TV) aktiv ist.69 Da der (Landes-)gesetzgeber auch unter den Bedingungen der Digitalisierung, solange noch signifikante Unterschiede zwischen Presse und Rundfunk hinsichtlich Wirkung und Bedeutung für die Meinungsbildung bestehen, verpflichtet ist, eine positive Rundfunkordnung zu schaffen, muss er den Mißbrauch solcher Gate-keeper-Positionen von Verfassungs wegen verhindern.70 Anderenfalls könnte, weil nur noch eine Minderheit von Veranstaltern Zugang zu wichtiger technischer Infrastruktur hätte, die Rundfunkfreiheit ihre Funktion als dienende Freiheit nur noch eingeschränkt erfüllen. Dieselbe Verpflichtung besteht auch für den Bundesgesetzgeber aus kartellrechtlichen Gründen, denn die Inhaber von Gate-keeper-Positionen befinden sich, kartellrechtlich gesprochen, im Besitz von „essential facilities“, d. h. von Einrichtungen, ohne deren Benutzung ein Marktzutritt wirtschaftlich unmöglich ist.71

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So i. E. auch Sporn, S. 9 f., 42 f. Vgl. A. Hesse, ZUM 2000, 183 (188); Holznagel, Digitales Fernsehen, S. 39 f.; Sporn, S. 59 ff. 67 Hierzu schon Engel, Medienordnungsrecht, S. 96, 107, 110; Die Gemeinschaft befasst sich mit diesem Problem teilweise in RL 95/47/EG (vgl. ABl. Nr. L 281 vom 23. 11. 1995, S. 51 ff.); zum begrenzten Anwendungsbereich der betreffenden Richtlinienbestimmungen vgl. Temple Lang, S. 390 f. 68 Vgl. zu entsprechenden Missbrauchsmöglichkeiten: Faull/Nikpay, Rdnr. 11.330, 11.344 ff.; Roider, S. 252 f. 69 Vgl. Entscheidung der EU-Kommission IV/M.993 (Bertelsmann/Kirch/Premiere), Rdnr. 111; Entscheidung IV/M.1027 (Deutsche Telekom/BetaResearch), Rdnr. 38; vgl. auch Faull/Nikpay, Rdnr. 11.291 und 11.311 ff. 70 So auch Gersdorf, Chancengleicher Zugang, S. 132 ff., der auch auf den aus der Rundfunkfreiheit als „Rundumfreiheit“ folgenden Schutz gegenüber den Erbringern von Dienstleistungen für digitalen Rundfunk abstellt (S. 133 f.). 71 Vgl. Schulz/Seufert/Holznagel, S. 98 und 120 ff. 66

V. Duales Rundfunksystem und digitales Zeitalter

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Während der Bund gestützt auf die Richtlinie 95/47/EG zur Bekämpfung des Gate-keeping das Fernsehsignalübertragungsgesetz (FÜG) erlassen hat, bei dem es sich um ein besonderes Kartellgesetz handelt,72 setzen sich die Länder mit diesem Problem in § 53 RStV auseinander: Nach § 53 Abs. 1 S. 1 RSTV müssen „Anbieter von Diensten mit Zugangsberechtigung, die Zugangsdienste zu Fernsehdiensten herstellen oder vermarkten [d. s. Conditional-Access-Systeme], . . . allen Veranstaltern zu chancengleichen, angemessenen und nichtdiskriminierenden Bedingungen technische Dienste anbieten, die es gestatten, dass deren Fernsehdienste von zugangsberechtigten Zuschauern mit Hilfe von Dekodern, die von den Anbietern von Diensten verwaltet werden, empfangen werden können.“. Nach § 53 Abs. 1 S. 2 RStV ist Diskriminierungsfreiheit insoweit nur gewährleistet, „wenn die Dekoder über zugangsoffene Schnittstellen [d. s. API] verfügen, die Dritten die Herstellung und den Betrieb eigener Anwendungen erlauben.“. Diese Schnittstellen müssen nach § 53 Abs. 1 S. 3 RStV einem einheitlich normierten europäischen Standard entsprechen.73 § 53 Abs. 2 RStV erweitert diese Offenheitspflichten auf Anbieter von Navigatoren und verlangt zusätzlich, dass die Navigatoren es ermöglichen müssen, dass im ersten Nutzungsschritt auf das öffentlich-rechtliche und private Programmangebot gleichgewichtig hingewiesen und ein unmittelbares Einschalten der einzelnen Programme möglich ist. Durch § 53 Abs. 3 RStV wird außerdem festgelegt, dass Anbieter, die „bei der Bündelung und Vermarktung von Programmen eine marktbeherrschende Stellung [innehaben], andere Anbieter, die einen solchen Dienst nachfragen, weder unmittelbar noch mittelbar unbillig behindern oder gegenüber gleichartigen Anbietern ohne sachlich gerechtfertigten Grund unmittelbar oder mittelbar unterschiedlich behandeln“ dürfen. Bei der letzteren Formulierung ist allerdings unklar, ob nur Unternehmen, die Programmpakete zusammenstellen oder auch Unternehmen, die Multiplexing betreiben, erfasst sind.74 Da Gate-keeping auch dadurch möglich ist, dass denjenigen, die Zugang zu den betreffenden Diensten und Einrichtungen begehren, zwar technisch gleiche Bedingungen gewährt werden, für den Zugang aber unterschiedlich hohe Entgelte erhoben werden,75 verpflichtet § 53 Abs. 4 RStV zumindest die Betreiber von Conditional-Access-Systemen und Navigatoren, die betreffenden Entgelte gegenüber der zuständigen Landesmedienanstalt offenzulegen.76 § 53 Abs. 5 und 6 RStV sichern die Einhaltung der Verpflichtungen aus § 53 72

Näher Trafkowski, S. 76 f. Insoweit haben sich die Industrie und die Inhalteanbieter auf die Verwendung der sog. MHP (= Multimedia Home Platform) als standardisierter API geeinigt; vgl. Dörr/ Janik/Zorn, S. 35 ff.; A. Hesse, ZUM 2000, 183 (188); Kuch, ZUM 2002, 248 (250 f.); Ladeur, ZUM 2002, 252 (260); Wille, ZUM 2002, 261 (266). 74 Kritisch daher Holznagel, MMR 2000, 480 (484). 75 Zu diesen und weiteren „finanziellen Vielfaltsgefahren“ vgl.: Sporn, S. 64; Wille, ZUM 2002, 261 (264 f.). 76 Gersdorf (Konvergenz, S. 366 ff.) hält dies für nicht weitgehend genug. 73

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A. Das duale Rundfunksystem in Deutschland

Abs. 1–4 RStV dadurch ab, dass die zuständige Landesmedienanstalt die Erbringung der von § 53 Abs. 1–4 RStV erfassten Dienste u. U. auch auf Beschwerde benachteiligter Anbieter hin untersagen kann. § 53 Abs. 7 RStV ermächtigt die Landesmedienanstalten zum Erlaß von Satzungen, durch die die Verpflichtungen aus § 53 Abs. 1–6 RStV näher konkretisiert werden.77 Bei Conditional-Access-Systemen besteht das Zusatzproblem, dass die PayTV-Veranstalter von diesen Systemen vielfach nur einzelne Teile (z. B. nur ein Verschlüsselungssystem, nicht aber ein System der Abonnentenbetreuung) benötigen, die Anbieter der Systeme jedoch nur ein Gesamtpaket anbieten. Wie das Beispiel Großbritannien zeigt, ist es möglich, insoweit gesetzliche Pflichten zum sog. Unbundling zu statuieren, d. h. Verpflichtungen für die Anbieter von Conditional-Access-Systemen, ihre Dienste auch separat anzubieten.78 Die Länder haben dieses Problem allerdings im RStV bisher nicht aufgegriffen. Sollte in der Zukunft die prognostizierte Vervielfachung der Übertragungswege vollständig eintreten und mit ihr auch eine Vervielfachung der übertragenen Inhalte einhergehen, wird sich das bisherige Monopol der Landesmedienanstalten bei der Vergabe von Sendekapazitäten nur noch schwer vor den Grundrechten der Veranstalter und vor allem der Netzbetreiber rechtfertigen lassen.79 Es wird dann notwendig sein, den Netzbetreibern mehr Spielraum bei der Kapazitätsvergabe einzuräumen. Kommt es hingegen trotz der Vervielfachung der Übertragungskapazität in inhaltlicher Hinsicht lediglich zu einem „more of the same“,80 ist schwerlich einzusehen, warum die bisherige (positive) Vielfaltssicherung nicht mehr adäquat wäre und einer bloßen Offenhaltung der Märkte weichen müsste.81 Selbst wenn der zuletzt genannte Fall des „more of the 77 Hiervon haben die Landesmedienanstalten bereits Gebrauch gemacht und festgelegt, dass der Zugang i. S. d. § 53 RStV zu angemessenen Bedingungen gewährt wird, wenn ein Vertragsangebot gemacht wird, das alle relevanten Punkte enthält, Dienstleistungen soweit als möglich entbündelt angeboten werden, Zugangsdienste zu Entgelten angeboten werden, die das Verhältnis von Aufwand und Nutzen widerspiegeln, und kein Einfluss auf die inhaltliche Gestaltung der Angebote der Berechtigten ausgeübt wird (vgl. Kuch, ZUM 2002, 248 (251)). 78 Vgl. Holznagel, Digitales Fernsehen, S. 50 f.; Schulz/Seufert/Holznagel, S. 109. 79 So i. E. auch Sporn, S. 43. Dieses Ergebnis gilt auch, wenn man dieses Monopol als Ausgestaltung der Rundfunk- und der Informationsfreiheit begreift, denn wie dargelegt [A. II. 5. c)] ist eine abgeschwächte Verhältnismäßigkeitsprüfung auch für Ausgestaltungsregeln durchzuführen. Diese Prüfung fällt jedenfalls dann negativ aus, wenn im funktionierenden Außenpluralismus eindeutig kein Bedarf mehr für ein solches Monopol besteht. 80 Vgl. zu diesen Befürchtungen Mailänder, S. 155 ff. 81 Vgl. hierzu Schulz/Seufert/Holznagel, S. 94; für einen solchen Wandel der Vielfaltssicherung Bullinger, ZUM 1997, 281 (286 ff.); vgl. auch OVG Bremen, K&R 2000, 43 (45): „Der Gesetzgeber darf sich daher nur dann für das must-carry-Prinzip entscheiden, wenn und soweit dieses nach seiner Einschätzung ein in gleicher Weise geeignetes Mittel ist, die Meinungsvielfalt, bezogen auf die Gesamtheit der zu empfangenden Programme, zu sichern, wie andere Vergabeverfahren“.

V. Duales Rundfunksystem und digitales Zeitalter

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same“ nicht eintreten sollte, kann jedoch auch im digitalen Rundfunk auf Vielfaltssicherung nicht vollständig verzichtet werden, da nicht gewährleistet ist, dass die erreichte Vielfalt der Übertragungswege und Inhalte auf Dauer erhalten bleibt. Ein Mittel, durch das in dieser Entwicklungsphase des digitalen Rundfunks das Interesse der Netzbetreiber an möglichst freier Kapazitätsvergabe und das staatliche Interesse der Vielfaltssicherung in Einklang gebracht werden können, sind sog. Must-carry-Verpflichtungen. Durch diese wird ein Netzbetreiber verpflichtet, einen Teil seiner Kabelkapazitäten gesetzlich bestimmten Programmen, insbesondere den öffentlich-rechtlichen, zur Verfügung zu stellen, während er über einen anderen Teil der Kapazitäten frei verfügen kann. Dieses Modell der Vielfaltssicherung haben die Länder für digitalisierte Kabelanlagen mit dem 4. Rundfunkänderungsstaatsvertrag in § 52 RStV verwirklicht. Hiernach sind bei der Belegung von digitalen Kabelanlagen mit Fernsehprogrammen und Mediendiensten (§ 52 Abs. 2 und 6 RStV) drei „Belegungsbereiche“ zu unterscheiden:82 – Der Must-carry-Bereich nach § 52 Abs. 3 RStV, der die gesetzlich bestimmten Programme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einschließlich seiner Bouquets und die im jeweiligen Land zugelassenen regionalen und lokalen Fernsehprogramme und Offenen Kanäle erfasst, – der Must-carry-minus-Bereich83 nach § 52 Abs. 4 Nr. 1 RStV, in dem den Netzbetreiber Vielfaltsverpflichtungen treffen84 und – der Non-must-carry-Bereich nach § 52 Abs. 4 Nr. 2 RStV, in dem der Netzbetreiber nur an die allgemeinen Gesetze gebunden ist. Die Einhaltung dieser Verpflichtungen wird dadurch kontrolliert, dass die Netzbetreiber vor Beginn der Weiterverbreitung von Fernsehprogrammen oder Mediendiensten in ihren Netzen diese nach § 52 Abs. 5 RStV der zuständigen Landesmedienanstalt anzuzeigen haben. Werden die Verpflichtungen aus § 52 Abs. 3 und Abs. 4 Nr. 1 RStV nicht eingehalten, geht das Recht zur Belegung nach § 52 Abs. 5 S. 2 RStV von den Netzbetreibern auf die nach Landesrecht zuständigen Stellen (i. d. R. die Landesmedienanstalten) über. Diese Must-carry-Verpflichtungen stellen, da sie dazu dienen, die Vielfalt im Kabelrundfunk zu erhöhen bzw. zu sichern, bezogen auf die Art. 5 Abs. 1 S. 2 82

Näher Holznagel, MMR 2000, 480 (482). Zum Begriff: Monopolkommission, Hauptgutachten 2000/2001, Tz. 33. 84 Diese folgen daraus, dass der Rundfunkgesetzgeber verpflichtet ist, auch im privaten Rundfunk einen Grundstandard gleichgewichtiger Vielfalt zu garantieren (so zurecht Gersdorf, Chancengleicher Zugang, S. 116; Holznagel, MMR 2000, 480 (482)). In diesem Bereich dürfte daher zumindest für größere private Vollprogramme eine Übertragungspflicht bestehen (so auch Monopolkommission, Hauptgutachten 2000/ 2001, Tz. 33). 83

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A. Das duale Rundfunksystem in Deutschland

GG Ausgestaltungsregelungen, dar. Sie bedürfen also zwar keiner Rechtfertigung nach Art. 5 Abs. 2 GG, dürfen jedoch private Rundfunkveranstaltung nicht wirtschaftlich wesentlich erschweren oder gar unmöglich machen. Überträgt man diesen Grundsatz auf die Rechtsstellung der privaten Kabelnetzbetreiber, so ergibt sich, dass nicht alle Kabelbereiche von Must-carry-Verpflichtungen erfasst sein dürfen, da ansonsten das Betreiben eines (digitalen) Kabelnetzes wirtschaftlich wenig sinnvoll wäre.85 Daraus folgt, das es neben dem Mustcarry- auch einen Non-must-carry-Bereich im digitalen Kabel geben muss, der vorrangig nach wirtschaftlichen Kriterien vergeben werden kann. Dieses Ergebnis wird noch bestärkt, wenn man zusätzlich bedenkt, dass die Kabelnetzbetreiber, auch aus Art. 14 GG, u. U. auch aus Art. 12 GG berechtigt sind.86 Auch bezogen auf diese Grundrechte stellen die Must-carry-Regelungen in ihrer derzeitigen Ausgestaltung allerdings keinen unzulässigen Eingriff dar, da sie verhältnismäßige Berufsausübungsregeln bzw. Inhalts- und Schrankenbestimmungen sind.87 Verfassungsrechtlich nicht unproblematisch ist, dass nach dem Wortlaut des § 52 Abs. 3 Nr. 1 RStV alle gesetzlich bestimmten Programme des öffentlichrechtlichen Rundfunks und auch alle seine digitalen Programmbouquets dem Must-carry-Bereich angehören würden. Hinsichtlich der Grundversorgungsprogramme entspricht der Gesetzgeber damit seinem aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG folgenden Gewährleistungsauftrag.88 Hinsichtlich anderer Programme verschafft diese Regelung den öffentlich-rechtlichen Sendern eine bevorzugte Stellung bei der Kabeleinspeisung. Zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Veranstaltern soll jenseits der Grundversorgung jedoch von Verfassungswegen Gleichberechtigung herrschen.89 Da der Wortlaut des § 52 Abs. 3 Nr. 1 RStV diesem Prinzip zu widersprechen scheint, könnte die Regelung gegen Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG verstoßen. Verfassungswidrigkeit ergibt sich jedoch nur, wenn man annimmt, „gesetzlich bestimmte Programme“ i. S. d. § 52 Abs. 3 Nr. 1 RStV wären alle Programme, die der öffentlich-rechtliche Rundfunk von Gesetzes- oder Staatsvertragswegen veranstalten darf (z. B. auch Pay-TV), was schon vom Wortlaut her nicht zwingend ist. § 52 Abs. 3 Nr. 1 RStV sollte verfassungskonform vielmehr so gelesen werden, dass unter „gesetzlich bestimmten“ Programmen nur solche zu verstehen sind, zu deren Veranstaltung der öffentlich-rechtliche Rundfunk verfassungsrechtlich, staatsvertraglich oder gesetzlich verpflichtet 85 A. A. wohl Gersdorf, Chancengleicher Zugang, S. 98 f.; wie hier ders., Konvergenz, S. 363 f. 86 Vgl. Gersdorf, Chancengleicher Zugang, S. 88 f.; ders., Konvergenz, S. 363 f.; Nauheim, S. 185 ff.; Wille, ZUM 2002, 261 (263). 87 Näher Nauheim, S. 185 ff. 88 So i. E. auch Ladeur, ZUM 2002, 252 (257). 89 Vgl. BVerfGE 74, 297 (332 f.); kritisch auch Gersdorf, Chancengleicher Zugang, S. 110 ff.

V. Duales Rundfunksystem und digitales Zeitalter

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ist.90 Bei diesen Programmen ist die bevorzugte Einspeisung entweder als Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit oder zumindest nach Art. 5 Abs. 2 GG gerechtfertigt, wobei auch zu bedenken ist, dass öffentlich-rechtliche Veranstalter durch ihre binnenplurale Struktur in höherem Maße Meinungspluralismus und Kultur verbunden sind als private. Es sind also nicht alle Programme und Dienste, die der öffentlich-rechtliche Rundfunk veranstalten oder in Bouquets aufnehmen darf, automatisch Must-carry-Programme. Problematisch erscheint es insbesondere, Must-carry-Status auch ausländischen Programmen zuzuerkennen, die der öffentlich-rechtliche Rundfunk gestützt auf die neue Regelung des § 19 Abs. 3 S. 3 RStV in seine Bouquets aufnimmt.91 Zu ihrer Veranstaltung ist der deutsche öffentlich-rechtliche Rundfunk weder verpflichtet, noch sind sie Bestandteil der unerläßlichen Grundversorgung, die das BVerfG stets auf die freie öffentliche und individuelle Meinungsbildung innerhalb Deutschlands bezogen hat. Ebenso ist ein Must-carry-Status für Dienste, die der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht in unmittelbarem inhaltlichem Zusammenhang mit der Ausstrahlung derjenigen Programme anbietet, zu deren Veranstaltung er verpflichtet ist, gemessen am Grundsatz der Chancengleichheit der Veranstalter verfassungsrechtlich fragwürdig. Anknüpfend hieran stellt sich die Frage, was passiert, wenn öffentlich-rechtliche digitale Bouquets auch Programme enthalten, die nicht als „gesetzlich bestimmte Programme“ im hier dargelegten Sinn anzusehen sind. Gersdorf nimmt an, der Netzbetreiber habe in diesem Fall das Recht, das betreffende Bouquet vor der Einspeisung zu entpacken, die betreffenden Programme nach Belieben „auszupacken“ und über ihre Einspeisung gesondert zu entscheiden.92 Diese Lösung ist problematisch, denn sie versucht, einen Eingriff in die Rundfunkfreiheit (Verletzung der Chancengleichheit) durch die Ermöglichung eines weiteren Eingriffs (Eingriff des Netzbetreibers in die auch die „Paketierung“ erfassende Programmfreiheit) zu heilen.93 Die Länder haben im Übrigen in ihrer Begründung zum 4. Rundfunkänderungsstaatsvertrag klargestellt, dass ein solches „Entbündelungsrecht“ der Netzbetreiber nicht bestehen soll.94 Daher ist der Fall nur da90 Eine solche Verpflichtung hat die EU-Kommission hinsichtlich Phoenix und Kinderkanal dem RStV und den einschlägigen Beschlüssen der Ministerpräsidenten entnommen [näher hierzu B. VI. 8. b) bb) (2)]. Zum gleichen Ergebnis kommt man hinsichtlich 3 Sat, ARTE, BR-alpha und dem Theaterkanal, denn durch diese Programme erfüllt der öffentlich-rechtliche Rundfunk seine besonderen Obliegenheiten hinsichtlich Kultur und Bildung. 91 Das ZDF hat ORF, Eurosport und Euronews aufgenommen (vgl. A. Hesse, ZUM 2000, 183 (185)). 92 Vgl. Gersdorf, Chancengleicher Zugang, S. 111 ff. 93 Kritisch auch Flechsig, CR 1999, 327 (337); Schulz/Seufert/Holznagel, S. 117; vgl. auch Wille (ZUM 2002, 261 (263, 265)), die zurecht auch auf die urheberrechtliche Problematik eines solchen „Entbündelungsrechts“ der Netzbetreiber hinweist. 94 Vgl. Wille, ZUM 2002, 261 (265 m. w. N.).

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A. Das duale Rundfunksystem in Deutschland

durch lösbar, dass den Netztbetreibern zugebilligt wird, solange das betreffende Bouquet ein Programm enthält, zu dessen Veranstaltung der öffentlich-rechtliche Rundfunk unzweifelhaft nicht verpflichtet ist, die Einspeisung insgesamt zu verweigern. Es ist zum Schutz der Programmautonomie allerdings zu verlangen, dass der Betreiber mit der Verweigerung zugleich in Verhandlungen mit der betreffenden Anstalt eintritt. Fraglich ist schließlich, ob neben den bisher genannten Änderungen in der staatlichen Vielfaltssicherung weitere dadurch hervorgerufen werden, dass die Digitalisierung zugleich eine Konvergenz der Übertragungswege auslöst: Bisher ging das BVerfG davon aus, die Frage, ob in ausreichendem Maße externe Vielfalt bzw. Außenpluralismus gewährleistet sei, müsse in Abhängigkeit vom jeweiligen Übertragungsweg bestimmt werden.95 Nach dieser Rechtsprechung durften an die Rundfunkübertragung in einem bestimmten Kabelnetz nicht deswegen niedrigere Vielfaltsmaßstäbe angelegt werden, weil die Vielfalt im in demselben Gebiet terrestrisch übertragenen Rundfunk hinreichend gesichert war.96 Mangelnde Vielfalt im einen Übertragungsweg konnte nicht durch ausreichende im anderen kompensiert werden. Diese Rechtsprechung basierte auf der Annahme, dass die einzelnen Übertragungswege in der Praxis nicht gegeneinander austauschbar seien. Durch die Digitalisierung wird jedoch ein Wechseln zwischen den Übertragungswegen ebenso erleichtert wie die gleichzeitige Nutzung mehrerer Wege. Daraus könnte folgen, dass es in Zukunft ausreichen wird, Vielfalt unabhängig vom Übertragungsweg für ein bestimmtes Verbreitungsgebiet insgesamt zu gewährleisten.97 Da es jedoch noch unklar ist, ob die technische Konvergenz tatsächlich in dem Umfang stattfinden wird, dass sich die Unterschiede zwischen den Übertragungswegen vollständig nivellieren, und erst recht, ob der Zuschauer/Hörer die Möglichkeit zwischen den Übertragungswegen hin und her zu wechseln auch tatsächlich nutzen wird,98 kann bis auf weiteres noch daran festgehalten werden, Vielfalt in jedem Übertragungsweg getrennt zu sichern.

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BVerfGE 73, 118 (162). So Sporn, S. 7 m. w. N.; a. A. Engel, Kabelfernsehen, S. 44 f. 97 So Sporn, S. 49. 98 Sporn nimmt an, auf letzteres könne es nicht ankommen, weil dem Zuschauer/ Hörer staatlicherseits lediglich die Möglichkeit gegeben werden müsse, sich vielfältig zu informieren (S. 51). In dieser Allgemeinheit ist dies unzutreffend, denn die besagte Möglichkeit für den Zuschauer/Hörer, darf nicht nur theoretischer Natur sein, wie z. B. die Möglichkeit unter den Bedingungen analoger Übertragungstechnik nebeneinander Kabel- und Satellitenempfang zu nutzen (so auch Dörr/Janik/Zorn, S. 186). Wenn de facto auch unter Digitalisierungsbedingungen niemand von der Möglichkeit des „Wechsels in ein anderes Übertragungsnetz“ Gebrauch machen wird, ist diese Möglichkeit nur theoretischer Natur, und der Staat erfüllt seine Verpflichtung zur Vielfaltssicherung insoweit nicht ausreichend. 96

V. Duales Rundfunksystem und digitales Zeitalter

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d) Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der digitalen Welt Angesichts der Tatsache, dass sich durch die Digitalisierung die Übertragungskapazitäten entscheidend vermehren, so dass die technische Sondersituation des Rundfunks beendet wird, wird zunehmend wieder mehr nach der verfassungsrechtlichen Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gefragt.99 Zu klären ist hierbei zunächst, inwieweit der öffentlich-rechtliche Rundfunk die durch Digitalisierung geschaffenen neuen technischen Möglichkeiten nutzen darf. Diese Frage ist relativ klar zu beantworten: Soweit es sich bei diesen Möglichkeiten um Rundfunk handelt, ist nicht einzusehen, warum der öffentlichrechtliche Rundfunk sie nicht wie bisher gleichberechtigt mit den privaten Veranstaltern zumindest im Rahmen der Entwicklungsgarantie wahrnehmen sollte. Soweit es sich nicht um Rundfunk handelt, ist in Anlehnung an die bisherige Rechtsprechung des BVerfG danach zu fragen, ob die betreffende Tätigkeit funktionsadäquat ist.100 Was die Grundversorgung betrifft, so ist diese, da sie für alle empfangbar sein muss, spätestens nach der Analogabschaltung in digitaler Form zu erbringen. Bis dahin fällt die Sendung von Grundversorgungsprogrammen in digitaler Form ebenfalls zumindest in den Rahmen der Entwicklungsgarantie.101 Damit ist jedoch ein entscheidendes Problem noch nicht gelöst, nämlich ob der öffentlich-rechtliche Rundfunk seinen Grundversorgungsauftrag auch in der digitalen Welt überhaupt wird erfüllen können und müssen:102 Häufig wird angenommen, Grundversorgung sei schon deswegen unter den Bedingungen der Digitalisierung nicht mehr erbringbar, weil sich die Rundfunknutzung vollständig individualisieren werde.103 Wie bereits angedeutet, ist jedoch sowohl die Gefahr eines „more of the same“ gegeben als auch noch zweifelhaft, inwieweit der Zuschauer/Hörer die neuen (technisch aufwendigen) Möglichkeiten individueller Rundfunknutzung überhaupt in Anspruch nehmen wird. Es ist also durchaus denkbar, dass die Digitalisierung an der bisherigen Situation im dualen Rundfunksystem wenig ändern wird. Grundversorgung kann ferner auch dann noch ihren Zweck erfüllen, wenn die Rundfunknutzung weitgehend individualisiert ist: Von Anfang an hatte die Grundversorgung den Charakter eines Angebots. Es müssen im Grundversorgungsprogramm möglichst für jeden die gewünschten meinungsbildenden Inhalte vorhanden sein, 99

Vgl. nur Ruttig, S. 66 ff. m. w. N. So i. E. auch Bullinger, Funktionsauftrag, S. 47 f.; restriktiver im Bezug auf Online-Angebote der öffentlich-rechtlichen Sender Degenhart, K&R 2000, 49 (56 f.). 101 So Holznagel, Funktionsauftrag, S. 24 f.; i. E. auch Knothe/Schwalba, MP 1999, 111 (113 f.); eher kritisch Degenhart, K&R 2000, 49 (55). 102 Zweifelnd Degenhart, K&R 2000, 49 (55). 103 Vgl. BMWi, Offene Medienordnung, 20; VPRT, Medienordnung 2000 plus, S. 21; w. N. bei Ruttig, S. 66 f. 100

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A. Das duale Rundfunksystem in Deutschland

und jeder muss technisch in der Lage sein, die betreffenden Programme zu empfangen. Grundversorgung ist in diesem Sinne „Grundversorgung für alle“. Dies hat jedoch nie bedeutet, dass möglichst jeder Grundversorgung auch tatsächlich empfangen muss. Grundversorgung dient dazu, freie Meinungsbildung zu ermöglichen. Wer dieses Angebot nicht in Anspruch nehmen und sich seine Meinung „unfrei“ bilden will, hat ohne weiteres das Recht dazu. Er darf sogar gänzlich darauf verzichten, sich aus den Medien zu informieren.104 Es ist zwar zutreffend, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk sich von seinem verfassungsrechtlichen Auftrag entfernen würde, wenn er „Grundversorgung“ leistete, die nur noch von einer deutlichen Minderheit der Zuschauer/Hörer angenommen wird.105 Ob diese Situation eintritt, ist jedoch nicht von dem tatsächlichen Empfang der Grundversorgungsprogramme abhängig, sondern in erster Linie von ihrer inhaltlichen Qualität. Im Übrigen müsste Grundversorgung wohl auch dann aufrechterhalten werden, wenn sie kaum noch in Anspruch genommen würde, denn sie hat im dualen Rundfunksystem vor allem eine Sicherungsaufgabe106. Sie soll das duale Rundfunksystem davor bewahren, sich durch einseitige Einflussnahmen des Staates und der gesellschaftlichen Gruppen vollständig an der dienenden Funktion der Rundfunkfreiheit vorbeizuentwickeln. Diese Sicherungsfunktion der Grundversorgung entfällt nicht deswegen, weil sie durch ein auf den ersten Blick übergroßes Angebot in der digitalen Welt vermeintlich nicht mehr benötigt wird, denn in dieser Phase sind einseitige Einflussnahmen auf den Meinungsbildungsprozess im Rundfunk zwar technisch und wirtschaftlich aufwendiger geworden, sehr wohl aber noch denkbar. Grundversorgung hat also auch in der digitalen Welt (jedenfalls wie sie sich derzeit abzeichnet) noch ihren Sinn. Es bleibt die Frage, ob es unter Digitalisierungsbedingungen notwendig ist, den verfassungsrechtlichen Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks über die Verpflichtung zur Grundversorgung hinaus zu präzisieren.107 Insoweit ist vor allem auf die von Martin Bullinger 1998 im Auftrag der Bertelsmann Stiftung erstellte Studie „Die Aufgabe des öffentlichen Rundfunks – Wege zu einem Funktionsauftrag“ hinzuweisen:108 104 So i. E. auch Ladeur (ZUM 2002, 252 (257)), der allerdings annimmt, der Zuschauer dürfe sich seinen Zugang zu einem vielfältigen Informationsangebot nicht bewusst verstellen. 105 So Oppermann, Zukunftsperspektiven, S. 51 (55). 106 Ähnlich Degenhart (K&R 2000, 49 (51 f.)), der vom Postulat grundrechtlich abgeleiteter Informationsvorsorge spricht, dieses allerdings nicht auf die Grundversorgung, sondern allgemein auf die Verhinderung vorherrschender Meinungsmacht bezieht. Dies kann im Wege des Erst-recht-Schlusses auf die Grundversorgung übertragen werden. 107 So im Ansatz bereits Bertelsmann Stiftung, Kommunikationsordnung 2000, S. 24. 108 Vgl. aber auch (noch vor dem Gutachten Bullingers): Glotz/Groebel/Mestmäcker, S. 89 ff.

V. Duales Rundfunksystem und digitales Zeitalter

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Bullinger geht davon aus, es bestünde aus verfassungs- und europarechtlichen Gründen ein Bedarf danach, die besondere Funktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks näher zu konkretisieren.109 Verfassungsrechtlich zwinge einerseits der Schutz der Rundfunkgebührenzahler vor ungerechtfertigter finanzieller Belastung zu dieser Konkretisierung.110 Andererseits sei sie deswegen notwendig, weil ansonsten die Gefahr bestünde, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht „funktionsnotwendige“ Tätigkeiten entfalte und dadurch die Marktchancen privater Veranstalter in unlauterer Weise schmälere.111 Schließlich diene die Konkretisierung auch dazu, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk vor Selbstkommerzialisierung zu bewahren.112 Dieses Konkretisierungsbedürfnis besteht nach Bullingers Ansicht in verstärktem Maße unter dem Einfluss der Digitalisierung.113 Europarechtlich sei die Gebührenfinanzierung, werde der Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht klar festgelegt, eine unzulässige Beihilfe.114 Bullinger entwickelt in seinem Gutachten ein Drei-Stufen-Modell: Auf der ersten Stufe sollen strukturelle Vorkehrungen getroffen werden, zu denen eine aufgabengerechte Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gehöre, die diesen möglichst unabhängig mache. Die zweite Stufe umfasst, soweit notwendig, eine hoheitliche und kontrollfähige Aufgabenfestlegung, die auf der dritten Stufe von den Anstalten selbst weiter konkretisiert werden könne (z. B. durch jährliche Selbstverpflichtungen wie bei der BBC).115 Auf der zweiten Stufe dürfe der Staat auch auf ein normativ geregeltes Konkretisierungsverfahren vertrauen, in dem entweder die Anstalten selbst (u. U. unter Beteiligung Dritter) oder eine unabhängige Kommission den Auftrag näher umschreibe.116 Gegen das Konzept Bullingers spricht zunächst, dass sich, wie Bullinger selbst anerkennt,117 jede Konkretisierung des Programmauftrags an der aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG folgenden Programmautonomie der Anstalten messen

109

So statt vieler auch Schoch, VVDStRL 57, 158 (203 f.). Bullinger, Funktionsauftrag, S. 12 ff. und 50 f.; die Kontrolle durch die KEF hält Bullinger für nicht ausreichend, weil diese keine vollzugsfähigen Kontrollmaßstäbe habe und außerdem die Programmautonomie der Anstalten achten müsse (S. 13 f.). 111 Bullinger, Funktionsauftrag, S. 14 ff. und 48 ff. 112 Bullinger (Funktionsauftrag, S. 16) spricht insoweit von der „Sogwirkung“ des Marktes (vgl. auch S. 40). 113 Bullinger, Funktionsauftrag, S. 44 ff. 114 Bullinger, Funktionsauftrag, S. 24 ff.; so auch Möschel, MMR 2001, 3 (8); vgl. auch Ukrow, WiVerw 2003, 161 ff.; näher zu den beihilferechtlichen Fragen der Rundfunkfinanzierung s. u. B. VI. 115 Bullinger, Funktionsauftrag, S. 75; ähnlich Ukrow, WiVerw 2003, 160 (172 ff.). 116 Bullinger, Funktionsauftrag, S. 96 ff. 117 Bullinger, Funktionsauftrag, S. 17 ff. und 98 ff. 110

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A. Das duale Rundfunksystem in Deutschland

lassen muss,118 und daher nur eine Konkretisierung zulässig ist, die ausreichende programmliche Flexibilität der Anstalten wahrt.119 Ein Funktionsauftrag müßte daher möglichst abstrakt formuliert sein.120 Dann aber würde letztlich durch den Funktionsauftrag das, was der öffentlich-rechtliche Rundfunk leisten muss (Grundversorgung) und darf (jenseits der Grundversorgung) letztlich nicht genauer bestimmt als bisher.121 Im Übrigen ist fraglich, ob eine Konkretisierung des Rundfunkauftrags im Sinne des Bullinger’schen Modells nicht bereits geleistet wird, nämlich durch die Aufsicht der binnenpluralen Gremien der Anstalten und vor allem durch das Verfahren der Gebührenfestsetzung.122 Wie erwähnt, prüft die KEF die Bedarfsanmeldungen der Anstalten darauf hin, ob sie sich im Rahmen von deren Auftrag halten und nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit ermittelt wurden. Diese Prüfung schützt sowohl die Interessen der privaten Konkurrenten als auch die der Gebührenzahler. Der Vorwurf Bullingers, die KEF habe keine vollzugsfähigen Kontrollmaßstäbe123 ist in dieser Allgemeinheit nicht überzeugend, denn sie hat als Grundlage ihrer Entscheidung erstens konkretisierende Vorgaben in den Rundfunkstaatsverträgen124 und den Landesgesetzen, zweitens die Rechtsprechung des BVerfG und drittens die in Rechtsprechung und Literatur hinreichend konkretisierten Maßstäbe der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Außerdem besteht als Obergrenze die Sozialverträglichkeit der Gebühr. Präzisere Maßstäbe wären vor der Programmautonomie und der aus ihr folgenden Staatsfreiheit kaum zu rechtfertigen.125 Zu Bullingers Vorschlag, die Anstalten sollten ihren Auftrag in Selbstverpflichtungen konkretisieren, ist anzumerken, dass auch dies in der Praxis in einigem Umfang bereits stattfindet, nämlich in den binnenpluralen Gremien. Befürwortet man, wie wohl Bullinger, weiterreichende Selbstverpflichtungen, muss man sich jedoch fragen, ob die Anstalten überhaupt berechtigt sind, sich für die Zukunft ihrer Programmautonomie teilweise zu begeben. Dies ist m. E. nur in Grenzen möglich, denn die Programmautonomie ist den Anstalten quasi „zugunsten Dritter“ übertragen, nämlich zugunsten der freien Meinungsbildung der 118

Vgl. BVerfGE 90, 60 (91). So auch Ukrow, WiVerw 2003, 160 (165 ff.); vgl. auch bereits Opperman/Kilian, S. 65 ff. 120 So i. E. auch Eifert, S. 32 f., 90 ff. 121 So auch Gersdorf, in: Eberle/Rudolf/Wasserburg, S. 101; A. Hesse, Rundfunkrecht, S. 128. 122 So auch Hoffmann-Riem, Duale Rundfunkordnung, S. 188; i. E. auch: Knothe/ Schwalba, MP 1999, 111 (115); Trafkowski, S. 255 f.; zweifelnd hinsichtlich der Rolle der Gremien Eifert, S. 39 ff., 48. 123 Ähnlich Ukrow, WiVerw 2003, 160 (164). 124 So enthält z. B. der ZDF-Staatsvertrag detaillierte Vorgaben für die Tätigkeit des ZDF; näher Holznagel, Funktionsauftrag, S. 25 ff. 125 So auch Knothe/Schwalba, MP 1999, 111 (116 f.). 119

V. Duales Rundfunksystem und digitales Zeitalter

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Zuschauer/Hörer. Je engere Grenzen sich eine Anstalt durch Selbstverpflichtungen setzt, desto mehr wird sie daran gehindert, ihre Programmautonomie durch flexible publizistische Reaktionen auf gesellschaftliche Entwicklungen zum Wohle der Allgemeinheit einzusetzen.126 Was schließlich Bullingers Hinweise auf die Gefahr einer Selbstkommerzialisierung der Anstalten und einer wirtschaftlichen Bedrohung für den privaten Rundfunk betrifft, so sind diese nur wenig empirisch untermauert.127 Bullinger begründet hier außerdem nicht, warum das UWG ungeeignet sein sollte, „unlauteres“ Verhalten der öffentlich-rechtlichen Anstalten (also Verhalten, das die Grenzen des legitimen publizistischen Wettbewerbs überschreitet), einzudämmen.128 Letztlich kann das Bullinger’sche Modell eines Funktionsauftrages somit, verfassungsrechtlich gesehen, nicht überzeugen. Bullingers europarechtliche Begründung für einen Funktionsauftrag ist im weiteren Verlauf dieser Arbeit näher zu überprüfen. In der Literatur wird der Ansatz Bullingers z. T. zumindest in seinen Begrifflichkeiten übernommen,129 andere wie z. B. Degenhart gehen über diesen Ansatz noch hinaus und fordern Programmzahlbegrenzungen für den öffentlichrechtlichen Rundfunk.130 Auf die prinzipielle Verfassungswidrigkeit solcher Programmzahlbeschränkungen wurde bereits hingewiesen.131 Das hinter diesem Vorschlag stehende Ziel, zu verhindern, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk durch Ausweitung seiner Aktivitäten seinen Auftrag nicht mehr hinreichend erfüllen kann, verdient sicherlich Zustimmung.132 Es kann jedoch auf weniger einschneidende Weise erreicht werden, insbesondere durch Stärkung der Rundfunkräte, vor allem aber der KEF.133 Beide müssen im digitalen Zeitalter den

126

Kritisch auch Eifert, S. 94 f. Kritisch hierzu auch Hoffmann-Riem, Duale Rundfunkordnung, S. 187 ff., 196 ff. 128 So auch Hoffmann-Riem, Duale Rundfunkordnung, S. 199 f. 129 So insbesondere von Hoffmann-Riem (Duale Rundfunkordnung, S. 209) und Holznagel (Funktionsauftrag, S. 20 ff.), wobei Letzterer den „Funktionsauftrag“ mit dem „klassischen Auftrag“ des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gleichsetzt, der, wie das BVerfG (E 73, 118 (158); 90, 60 (90)) formuliert hat, „neben seiner Rolle für die Meinungs- und Willensbildung, neben Unterhaltung und Information seine kulturelle Verantwortung umfasst“ (S. 21). 130 Vgl. Degenhart, K&R 2000, 49 (56); so auch bereits VPRT, Medienordnung 2000 plus, S. 35 f. 131 Vgl. A. III. 5.; so auch Eifert, S. 107 f. m. w. N.; differenzierend A. Hesse, Rundfunkrecht, S. 132 ff.; vgl. auch Knothe/Schwalba (MP 1999, 111 (112 ff.)), die zurecht darauf hinweisen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk durch solche Beschränkungen schnell zum Marktaußenseiter würde und somit seinen Auftrag nicht mehr in wettbewerbskonformer Weise erbringen könnte; a. A. Neun, S. 354 ff. 132 So i. E. auch Hoffmann-Riem, Duale Rundfunkordnung, S. 188 ff. 133 Hierzu Eifert, S. 122 ff.; ders., ZUM 1999, 595 (602). 127

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A. Das duale Rundfunksystem in Deutschland

Anstalten klarmachen, dass deren verfassungsmäßige Aufgabe weiterhin nicht Privileg, sondern in aller erster Linie Verpflichtung ist. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei der insbesondere vom VPRT scharf kritisierten Ausweitungsstrategie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks,134 nicht um „unlauteres“ Verhalten, sondern grundsätzlich um legitimen, ja sogar erforderlichen publizistischen Wettbewerb handelt.135 Veranstaltete der öffentlich-rechtliche Rundfunk ein Programm, das im publizistischen Wettbewerb nicht bestehen kann, entzöge er sich selbst die verfassungsrechtliche Legitimation, da er nicht mehr Grund-, sondern höchstens noch Mindestversorgung leisten würde. Trotz der aufgezeigten prinzipiellen Bedenken gegen einen „Funktionsauftrag“, sind mittlerweile anscheinend auch die Länder bereit, einen solchen Auftrag im Rundfunkstaatsvertrag zu formulieren. Ein neuer § 11 RStV ist geplant,136 der wie folgt lauten soll: „§ 11 Auftrag (1) Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat durch die Herstellung und Verbreitung von Hörfunk- und Fernsehprogrammen als Medium und Faktor des Prozesses freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung zu wirken. Er kann programmbegleitend Druckwerke und Mediendienste mit programmbezogenem Inhalt anbieten. (2) Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat in seinen Angeboten und Programmen einen umfassenden Überblick über das internationale, europäische, nationale und regionale Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen zu geben. Er soll hierdurch die internationale Verständigung, die europäische Integration und den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Bund und Ländern fördern. Sein Programm hat der Information, Bildung, Beratung und Unterhaltung zu dienen. Er hat Beiträge insbesondere zur Kultur anzubieten. (3) Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat bei Erfüllung seines Auftrags die Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Meinungsvielfalt sowie die Ausgewogenheit der Angebote und Programme zu berücksichtigen. (4) Die in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten, das ZDF und das Deutschlandradio erlassen jeweils Satzungen und Richtlinien zur näheren Ausgestaltung des Auftrags des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.137 Die Satzungen und Richtlinien nach S. 1 sind in den amtlichen Verkündungsblättern der Länder zu veröffentlichen. Die in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten, das ZDF und das Deutschlandradio veröffentlichen alle zwei Jahre, erstmals zum 01.10. 2004 einen Bericht über die Erfüllung ihres jeweiligen Auftrags, über die

134 Vgl. VPRT, Medienordnung 2000 plus, S. 12 f. und passim; vgl. auch Engel, Medienordnungsrecht, S. 118 f. 135 So i. E. trotz kritischen Untertons auch Trafkowski, S. 74; vgl. auch Eifert, S. 89. 136 Vgl. Ukrow, WiVerw 2003, 160 (174 ff.). 137 Die ARD hat solche Richtlinien bereits verabschiedet in Form der „Grundsätze für die Zusammenarbeit im ARD-Gemeinschaftsprogramm „Erstes Deutsches Fernsehen“ und anderen Gemeinschaftsprogrammen und -angeboten“ vom 30. 03. 04.

V. Duales Rundfunksystem und digitales Zeitalter

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Qualität und Quantität der Angebote und Programme sowie die geplanten Schwerpunkte der jeweils anstehenden programmlichen Leistungen. (5) Die Länder überprüfen drei Jahre nach In-Kraft-Treten dieses Staatsvertrages die Anwendung der Bestimmungen des Absatzes 4.“

Diese „Auftragsdefinition“ ist zumindest prima facie verfassungsrechtlich unbedenklich, denn sie ist so weit gefasst, dass sie den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in programmlicher Hinsicht nahezu nicht einschränkt; erst Recht nicht, wenn man die Regelung im Lichte des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG auslegt. Ob mit dieser Regelung, die an „symbolisches Recht“ erinnert, das erkennbare Ziel einer Absicherung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sowohl auf der innerstaatlichen Ebene als auch vor dem Zugriff der europäischen Beihilfenkontrolle erreicht werden kann, ist äußerst zweifelhaft. In ihrer Tendenz ist die Regelung außerdem deshalb bedenklich, weil sie durch die Berichtspflicht in Abs. 4 und die Prüfungsbefugnis der Länder in Absatz 5 die Rundfunkanstalten näher an den Staat rückt.138 e) Das Exklusivwerden meinungsbildender Inhalte Ein mit der Digitalisierung in Zusammenhang stehendes Problem ist das Exklusivwerden meinungsbildender Inhalte: Die verfassungsmäßige Aufgabe des Rundfunks als Medium und Faktor der freien Meinungsbildung ist grundsätzlich nur dann zureichend erfüllbar, wenn jeder Veranstalter alle (potentiell) meinungsbildenden Inhalte auch in seinen Programmen abbilden kann. Je stärker der Zugang der Veranstalter zu Inhalten erschwert wird, desto schwerer erfüllbar wird diese Aufgabe. Es stellt deshalb eine Gefahr für die freie Meinungsbildung dar, wenn ein Rundfunkveranstalter an meinungsbildenden Inhalten Exklusivrechte erwirbt, diese Inhalte dem frei empfangbaren Rundfunk entzieht und nur noch einem kleinen Kreis von Rezipienten im Rahmen des Pay-TV zugänglich macht.139 Die Pflicht des Gesetzgebers zur Sicherung der freien Meinungsbildung durch Schaffung einer positiven Rundfunkordnung impliziert daher auch, den Zugang zu Inhalten möglichst für alle Rundfunkanstalter offenzuhalten. Andererseits ist zu bedenken, dass Pay-TV-Veranstalter auf exklusive Inhalte wirtschaftlich angewiesen sind, denn wie soll sich ein Pay-TV-Programm vermarkten lassen, in dem nur Inhalte zu sehen sind, die man auch unentgeltlich empfangen kann?140 Ebensowenig darf außer Betracht bleiben, dass diejenigen, die die Rechte an den Inhalten ursprünglich besitzen, ein wirtschaftliches Interesse daran haben, die Rechte möglichst gewinnbringend zu veräußern. Den dargelegten Interessen kann grundrechtlicher Schutz insbesondere aus 138 139 140

Kritisch auch A. Hesse, Rundfunkrecht, S. 129. So i. E. auch BVerfGE 97, 228 (256 ff.); vgl. auch Roth, AfP 1986, 287 (294 f.). So auch A. Hesse, ZUM 2000, 183 (190).

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A. Das duale Rundfunksystem in Deutschland

Art. 5 Abs. 1 S. 2, 12 und 14 GG nicht versagt werden.141 Würden Exklusivübertragungen gänzlich ausgeschlossen, wäre dies also ein verfassungsrechtlich unzulässiger Grundrechtseingriff bzw. zumindest eine unzulässige Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit. Der Gesetzgeber hat also auch hier einen verfassungsmäßigen Ausgleich suchen, der in der digitalen Welt besonders wichtig wird, denn es vervielfachen sich zwar die Übertragungswege, nicht jedoch die Zuschauer/ Hörer und die Werbeetats der Firmen. Damit wächst das Bedürfnis nach einer Finanzierung über Pay-TV.142 Die EG-Fernsehrichtlinie143 befasst sich mit der aufgezeigten Problematik in Art. 3a, der es den Mitgliedstaaten ermöglicht, Listen von Ereignissen mit erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung zu erstellen, deren exklusive Übertragung im Pay-TV unzulässig ist. Von dieser Möglichkeit haben die Bundesländer durch § 5a RStV Gebrauch gemacht, wonach bei bestimmten einzeln aufgeführten sportlichen Großereignissen (u. a. Olympische Spiele) eine Pay-TV-Ausstrahlung nur zulässig ist, wenn zugleich eine Übertragung in einem frei empfangbaren und allgemein zugänglichen Fernsehprogramm in der Bundesrepublik zu angemessenen Bedingungen ermöglicht wird. Diese Regelung dürfte verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sein. Sie stellt, da sie dem Prozess der freien Meinungsbildung nützt, indem sie einen breiten Zugang zu meinungsbildenden Inhalten offenhält, eine Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit dar.144 Gegenüber den Rechteinhabern, die die Rechte berufsmäßig vermarkten, stellt sie eine Berufsausübungsregelung i. S. d. Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG dar, die vernünftigen Gemeinwohlerwägungen dient.145 Da der Inhaber der Exklusivrechte den freien Empfang nicht ohne jede Einschränkung (insbesondere nicht unentgeltlich), sondern nur zu „angemessenen Bedingungen“ ermöglichen muss, ist die Regelung auch verhältnismäßig und erschwert die private Rundfunkveranstaltung (des Rechteinhabers) nicht wesentlich. Mit der Eigentumsfreiheit des Art. 14 GG ist § 5a RStV ebenfalls vereinbar: Eine Enteignung liegt nicht vor, weil die Regelung nicht auf den Entzug konkreter eigentumsfähiger Rechte gerichtet ist. Man kann bereits daran zweifeln, ob das Recht, ein Ereignis exklusiv im Pay-TV zu übertragen, überhaupt eine eigentumsfähige Position ist.146 Es geht aber jedenfalls nicht darum, dem Rechteinhaber die Übertragungsrechte zu entziehen, sondern lediglich darum, ihm zu verbieten, von diesen Rechten in 141

Zum Schutz der Rechteinhaber aus Art. 12 GG vgl. BVerfGE 97, 228 (252 ff.). So auch A. Hesse, ZUM 2000, 183 (190). 143 Näher zu ihr B. I. 1. b) cc) und B. I. 2. f). 144 A. A. Altes (in: Hahn/Vesting, § 5a RStV Rdnr. 39 ff.), die die Regelung aber für nach Art. 5 Abs. 2 GG gerechtfertigt hält. 145 So auch Altes, in: Hahn/Vesting, § 5a RStV Rdnr. 52 f.; Trafkowski, S. 199 m. w. N. auch zur Gegenansicht. Die Lage ist insoweit ähnlich wie im „Kurzberichterstattungsurteil“ (vgl. BVerfGE 97, 228 (255 ff.). 146 So auch Trafkowski, S. 199 f. 142

V. Duales Rundfunksystem und digitales Zeitalter

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bestimmter Weise Gebrauch zu machen.147 § 5a RStV ist somit eine Inhaltsund Schrankenbestimmung i. S. d. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG, die in verhältnismäßiger Weise dem Wohle der Allgemeinheit dient.148

147

So auch Altes, in: Hahn/Vesting, § 5a RStV Rdnr. 47. So auch Altes, in: Hahn/Vesting, § 5a RStV Rdnr. 54 ff.; ausführlich zur Verhältnismäßigkeit der Regelung ebd. Rdnr. 42 ff. 148

B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts I. Dualer Rundfunk als europarechtliches Problem – ein Überblick Durch den Vertrag von Amsterdam wurde das „Protokoll über den öffentlichrechtlichen Rundfunk in den Mitgliedstaaten“ (im Folgenden: Rundfunkprotokoll) dem EG-Vertrag beigefügt, und dadurch die Problematik des dualen Rundfunksystems nachhaltig in das Bewusstsein aller mit dem Gemeinschaftsrecht Befassten gerückt. Dualer Rundfunk ist aber, wie im Folgenden an einigen historischen Eckpunkten gezeigt werden soll, keineswegs erst seit dem Vertrag von Amsterdam Gegenstand des Gemeinschaftsrechts:1 1. Die siebziger und achtziger Jahre a) Rechtsprechung des EuGH Bis Mitte der siebziger Jahre hat sich die Europäische Gemeinschaft nicht mit Rundfunk befasst, obwohl etwa bereits die am 03. 09. 1953 also noch vor Gründung der EWG in Kraft getretene Europäische Menschenrechtskonvention in Art. 10 Abs. 1 Rundfunk- und Fernsehunternehmen ausdrücklich erwähnte.2 Der Grund hierfür lag wohl vorrangig darin, dass die Rundfunkordnungen der Mitgliedstaaten damals ganz überwiegend aus öffentlich-rechtlichen Monopolen bestanden und somit die Bedeutung des Rundfunks für die Privatwirtschaft noch gering war. Mit seinem Urteil in Rs. „Sacchi“ vom 30. 04. 19743 gab dann der EuGH einen wichtigen Impuls zur „gemeinschaftsrechtlichen Erschließung“ des Rundfunks. In diesem Urteil verankerte der Gerichtshof die grenzüberschreitende Rundfunktätigkeit in den Grundfreiheiten, indem er feststellte, dass Fernsehsen1 Fragen des Urheberrechts sollen bei der folgenden Darstellung unberücksichtigt bleiben, denn das Urheberrecht gilt für die öffentlich-rechtliche und private Veranstalter in gleicher Weise. Insbesondere existieren im Bereich des Urheberrechts soweit ersichtlich keine Sonderregelungen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. 2 Vgl. zu weiteren Aktivitäten im Bereich des Rundfunks auf europäischer Ebene in den sechziger Jahren: Stellungnahme des Politischen Ausschusses des EP zum Entschließungsantrag Dok. 1-409/80 (abgedruckt bei M. Seidel, S. 246 ff.). 3 Rs. 155/73, Slg. 1974, S. 409 ff.

I. Dualer Rundfunk als europarechtliches Problem

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dungen Dienstleistungen i. S. d. Art. 59 f. EGV (= Art. 49 f. EG) seien, während der Handel mit Sendematerialien (Filmen etc.) unter die Freiheit des Warenverkehrs i. S. d. Art. 30 EGV (= Art. 28 EG) falle. Dies hätte der „Startschuss“ für eine Rundfunkpolitik der Gemeinschaft sein können, da die Einordnung des Rundfunks in die Grundfreiheiten zugleich eine gemeinschaftliche Regelung gestützt auf Art. 66, 57 Abs. 2 EGV (= Art. 55, 47 Abs. 2 EG) bzw. Art. 100a EGV (= 95 EG) möglich erscheinen ließ. Die Rechtsetzungsorgane der Gemeinschaft begannen jedoch, wegen der, wie angesprochen, noch relativ geringen wirtschaftlichen Relevanz des Rundfunks, erst acht Jahre später, sich näher mit dem Thema Rundfunk zu befassen. Das Urteil in Rs. „Sacchi“ ist für den Zusammenhang dieser Arbeit vor allem deswegen interessant, weil der EuGH sich nicht nur mit Rundfunk im Allgemeinen, sondern auch mit der für das duale Rundfunksystem wichtigen Frage befasste, ob ein (öffentlich-rechtliches) Rundfunkmonopol mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist. Der Gerichtshof bejahte dies unter der Voraussetzung, dass solche Monopole nicht zur Beschränkung der Grundfreiheiten oder zur Wettbewerbsverfälschung mißbraucht würden.4 Vom Gemeinschaftsrecht ging also, jedenfalls nach damaliger Interpretation des EuGH, grundsätzlich kein Zwang zur Öffnung der mitgliedstaatlichen Rundfunksysteme für die Privatwirtschaft aus. Mit dem Urteil in Rs. „Debauve“5 am 18. 03. 1980 konstatierte der EuGH, dass Art. 59 EGV diskriminierende und nicht-diskriminierende Behinderungen des freien Verkehrs von Fernsehsendungen grundsätzlich verbiete, und legte damit einen weiteren Grundstein für die Schaffung eines europäischen Rundfunkmarktes.6 b) Auf dem Weg zur Fernsehrichtlinie In den achtziger Jahren begann die „Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG)“, sich zur „Europäischen Gemeinschaft (EG)“ als einer auch politischen und kulturellen Gemeinschaft zu wandeln7 und erschloss sich immer weitere Politikbereiche. Da zur gleichen Zeit die Kabel- und Satellitentechnik den Rundfunk in Europa revolutionierte, war es nur konsequent, dass zu den neu 4

Vgl. Rs. 155/73, Slg. 1974, S. 409 ff., Rdnr. 8 und 14 des Urteils. Rs. 52/79, Slg. 1980, S. 833 ff. 6 Vgl. Engel/Seelmann-Eggebert, in: Dauses, E. V Rdnr. 76. 7 Auf den Punkt bringt diese Entwicklung und die Bedeutung gerade der Kultur und Informationspolitik für sie das bei M. Seidel (S. 237) abgedruckte Zitat des damaligen Kommissionspräsidenten Gaston Thorn: „Europas Zukunft ist selbstverständlich nicht eine rein wirtschaftliche Angelegenheit . . ., ohne kulturelles Projekt und ohne Informationspolitik wäre dieser schöne Höhenflug [der politischen Gemeinschaft] wahrscheinlich nur von kurzer Dauer“. 5

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

erschlossenen Bereichen schon bald das grenzüberschreitende Fernsehen gehörte.8 Bei den entsprechenden Beratungen der Gemeinschaftsorgane spielten immer wieder auch Überlegungen zum dualen Rundfunksystem eine Rolle: aa) Die Aktivitäten des EP Am 18. 09. 1980 stellten die EVP-Abgeordneten Hahn (ehemals baden-württembergischer Kultusminister), Pedini u. a. im Kulturausschuß des EP einen auf Rundfunk und Fernsehen bezogenen Entschließungsantrag,9 dem unwesentlich später ein weiterer Antrag des sozialistischen Abgeordneten Schinzel u. a. zur selben Thematik folgte.10 Im letzteren Antrag wurde die wichtige Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für das demokratische Gemeinwesen betont, ein Schutz der Rundfunkanstalten vor grenzüberschreitenden Beeinträchtigungen gefordert und vor der Gefahr einer Kommerzialisierung der Medien gewarnt. Ferner gab es die Idee, auf europäischer Ebene durch Einführung eines gemeinsamen Europäischen Fernsehprogramms quasi ebenfalls eine duale Rundfunkordnung zu schaffen.11 Ziel war es, durch ein solches Programm, das entweder durch eine eigene europäische Fernsehanstalt oder durch die EBU in Zusammenarbeit mit mitgliedstaatlichen Rundfunkanstalten ausgestrahlt werden sollte, die Berichterstattung über die Arbeiten der Gemeinschaft zu verbessern und dadurch das Bewusstsein der europäischen Zusammengehörigkeit zu stärken.12 Neben diesen beiden Punkten betonte das EP in seiner „Entschließung zu Rundfunk und Fernsehen in der Europäischen Gemeinschaft“ vom 12. 03. 198213 die wichtige Rolle des mitgliedstaatlichen öffentlich-rechtlichen Rundfunks für die rundfunkpolitische Entwicklung.14 Dem EP ging es somit von An8

Vgl. G. Herrmann, Rundfunkrecht, S. 210 f. Dok. 1-409/80 abgedruckt bei M. Seidel, S. 244 f. 10 Dok. 1-422/80 abgedruckt bei M. Seidel, S. 245 f. 11 Vgl. hierzu insbesondere den Bericht über Rundfunk und Fernsehen des EP vom 23. 02. 1982, Dok. 1-1013/81, Verfasser: MdEP Hahn (abgedruckt bei M. Seidel, S. 231 ff.). 12 Vgl. Nr. 6 des zusammen mit dem Bericht (Dok. 1-1013/81) vorgelegten Entschließungsantrages (M. Seidel, S. 234); vgl. auch den Bericht selbst (M. Seidel, S. 236 ff.). In der „Entschließung des Europäischen Parlaments zu einer Politik im Sinne der neuen Trends im europäischen Fernsehen“ vom 30. 03. 1984 (ABl. Nr. C117/201; abgedruckt bei Schwarze, Fernsehen ohne Grenzen, S. 228 ff.) wurde der Gedanke eines europäischen Fernsehprogramms weiterverfolgt und vertieft. 13 ABl. Nr. C-87/110; abgedruckt bei Schwarze, Fernsehen ohne Grenzen, S. 225 ff. 14 Vgl. auch die „Entschließung des Europäischen Parlaments zu einer Politik im Sinne der neuen Trends im europäischen Fernsehen“, in der gefordert wird, sicherzustellen, „dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehmonopole private Rundfunk- und Fernsehanbieter und Programmgestalter nicht daran hindern, einen umfassenden Beitrag zu den künftigen Entwicklungen, insbesondere hinsichtlich eines europäischen satellitengestützten Fernsehprogrammes zu leisten“; vgl. Schwarze, Fernsehen ohne Grenzen, S. 231. 9

I. Dualer Rundfunk als europarechtliches Problem

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fang an nicht allein darum, einen Rundfunkmarkt zu schaffen, sondern es erkannte auch die für die Idee eines dualen Rundfunksystems maßgebliche kulturpolitische Dimension und die besondere Funktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ausdrücklich an.15 bb) Die Aktivitäten der Kommission Die Kommission erstattete am 25. 05. 1983 einen Zwischenbericht,16 in dem sie das Rundfunkrecht der Mitgliedstaaten analysierte und wie schon das EP die Errichtung eines europäischen Fernsehprogramms17 sowie die diesbezüglichen Vorarbeiten der EBU befürwortete.18 Auffällig ist die Feststellung der Kommission, die „aktive Rolle, die die öffentlichen Behörden aller Mitgliedstaaten der Gemeinschaft gegenwärtig auf dem Gebiet des Hörfunks und des Fernsehens spielen, [sei] als grundlegendes Merkmal der europäischen Situation zu betrachten . . . auch der herausragenden Bedeutung der öffentlichen Rundfunkanstalten [sei] . . . Rechnung zu tragen“.19 Hier wird deutlich, dass die Kommission wie der EuGH und das EP von Anfang an nicht nur den Rundfunkmarkt, sondern auch das duale Rundfunksystem im Blick hatte. Am 14. 06. 1984 legte die Kommission das Grünbuch „Fernsehen ohne Grenzen“20 vor. Maßgeblichen Einfluss auf dessen Entstehung hatte mit Ivo E. Schwartz nach Wilhelm Hahns Vorstößen im Parlament wiederum ein Deutscher.21 Ziel des Grünbuchs war, auch wenn die integrative Kraft des grenzüberschreitenden Fernsehens betont wurde, nun nicht mehr ein europäisches Fernsehprogramm, sondern primär die Schaffung eines gemeinsamen Marktes für audiovisuelle Dienstleistungen durch Angleichung der mitgliedstaatlichen Rechtsvorschriften. Außerdem wurde vor der Gefahr einer „Überfremdung“ durch amerikanische Filme gewarnt.22 Es sollte durch „die Schaffung gemein15 Vgl. hierzu auch die Stellungnahme des Politischen Ausschusses zum Entschließungsantrag Dok. 1-409/80, Verfasser: MdEP van Minnen (abgedruckt bei M. Seidel, S. 246 ff.), in der die Gefahren für den Pluralismus der Meinungsäußerung durch die Kommerzialisierung des Rundfunks betont werden. 16 KOM (83) 229 endg. 17 Durch ein solches könnte sich „. . . ein echtes europäisches Bewusstsein entwickeln, ohne dass die nationale Identität und die kulturellen Besonderheiten angetastet werden“ (KOM 83 (229) endg., S. 23). 18 Aus finanziellen, politischen und rechtlichen Problemen wurde allerdings die Errichtung einer autonomen europäischen Fernsehanstalt nicht befürwortet. Positiver sah man eine Zusammenarbeit der öffentlichen Fernsehanstalten in der EBU bezüglich eines europäischen Programms (KOM (83) 229 endg., S. 27 ff.). 19 KOM (83) 229 endg., S. 22. 20 KOM (84) 300 endg. 21 Martín-Pérez de Nanclares bezeichnet ihn als „Vater des Grünbuchs“ (S. 82 FN 40).

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

schaftsweiter Binnenmärkte die Stärkung der Konkurrenzfähigkeit einheimischer Unternehmen“ herbeigeführt werden.23 Damit rückte der wirtschaftliche Aspekt des Rundfunks klar in den Vordergrund.24 Daran änderte auch nichts, dass das EP in seiner Entschließung vom 10. 10. 1985 zum Grünbuch an der Berücksichtigung der kulturellen Aspekte und der Idee eines europäischen Fernsehprogramms festhielt.25 cc) Entstehung und Regelungsgehalt der Fernsehrichtlinie Am 30. 04. 1986 machte die Kommission einen auf Art. 57 Abs. 2, 66 EWGV (= Art. 55, 47 Abs. 2 EG) gestützten Vorschlag für eine „Richtlinie des Rates über die Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Rundfunktätigkeit“26 mit dem Ziel, freien Verkehr von Rundfunksendungen in der Gemeinschaft durch den Ausschluss mehrfacher staatlicher Kontrollen zu gewährleisten. Eine Rundfunksendung sollte nur noch den Vorschriften ihres Ursprungsstaats entsprechen müssen (Sendestaatsprinzip). Außerdem war eine Harmonisierung der mitgliedstaatlichen Vorschriften für grenzüberschreitende und innerstaatliche Sendungen vorgesehen. Die europäische Rundfunk- und Programmkultur sollte durch eine von allen europäischen Rundfunkveranstaltern in ihren Programme zu erfüllende Quote europäischer Produktionen gestärkt werden. Aussagen zum öffentlichrechtlichen Rundfunk oder gar zum dualen Rundfunksystem enthielt der Vorschlag nicht. Die Reaktion des EP auf den Richtlinienvorschlag war nicht uneingeschränkt positiv: Der am 08. 12. 1987 im Namen des Ausschusses für Rechte und Bürgerrechte von MdEP Barzanti27 erarbeitete Bericht sprach sich zwar für eine Zustimmung zum Richtlinienvorschlag aus, erörterte aber zum einen auch die Gefahren eines Rundfunkbinnenmarktes und stellte dessen positiven Beitrag zur Informationsfreiheit und zum kulturellen Pluralismus in Frage. Begründet wurde diese Skepsis u. a. mit der Gefahr einer Entstehung vorherrschender Meinungsmacht durch Veranstalteroligopole. Die vorgesehene Quotenregelung für 22 KOM (84) 300 endg., S. 33. Der Zwischenbericht sprach bezogen auf die Entwicklung innerhalb Europas noch geringfügig vorsichtiger von einer „Invasion“ durch eine fremde Kultur (KOM (83) 229 endg., S. 11). 23 Ebd. 24 Näher hierzu Greissinger (S. 23 f.), der diesen Vorgang wohl nicht zu unrecht damit begründet, dass kulturbezogene Regelungen im Rundfunkbereich nur schwer durchzusetzen seien. 25 Vgl. ABl. Nr. C-288/113; Kugelmann S. 31 ff. 26 KOM (86) 146 endg. 27 PE DOK A 2-246/87, dort finden sich auch weitere Ausschußberichte (näher: Martín-Pérez de Nanclares, S. 84 FN 58; Kugelmann S. 35 ff.).

I. Dualer Rundfunk als europarechtliches Problem

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den Anteil europäischer Produktionen in den mitgliedstaatlichen Programmen wurde als mögliche Einmischung in die freie Programmgestaltung der Veranstalter kritisiert. Zum anderen stellte der Bericht fest, dass ein gemischtes Rundfunksystem aus öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunkanbietern am ehesten eine vielfältige, stabile Medienstruktur gewährleiste. Die Idee eines dualen Rundfunksystems war also durchaus noch präsent. In der letztendlich vom Rat nach einigem Hin und Her28 verabschiedeten Richtlinie findet sich kein Hinweis auf eine Sonderstellung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks oder auf das duale Rundfunksystem. Dies liegt wohl vor allem daran, dass die „Richtlinie des Rates zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit“29 nur ein notwendiges Mindestmaß an Harmonisierung darstellen sollte. Angesichts der Schwierigkeiten beim Zustandekommen der Richtlinie ist außerdem nachvollziehbar, dass die Mitgliedstaaten die Verhandlungen nicht zusätzlich mit Problemen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks belasten wollten. Die Fernsehrichtlinie erfasst öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk, ohne zwischen beiden zu differenzieren,30 allerdings entgegen der Ansätze im Europäischen Parlament nur das Fernsehen und nicht den Hörfunk.31 Sie regelt in den Bereichen Werbung, Jugendschutz, Gegendarstellungsrecht und Förderung europäischer Fernsehprogramme (u. a. die umstrittene Quotenregelung32) das notwendige Mindestmaß an Harmonisierung zur Gewährleistung freien Sendeverkehrs in der Gemeinschaft. Nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie ist es den Mitgliedstaaten aber auch in diesen Bereichen erlaubt, strengere und ausführlichere Regelungen zu erlassen.33 Solche Regelungen können insbesondere für öffentlich-rechtlichen Rundfunk vorgesehen werden.

28 Dieses betraf v. a. die Quotenregelung; näher: Martín-Pérez de Nanclares, S. 86 ff.; Kugelmann, S. 39 ff. 29 RL 89/552/EWG. 30 Kritisch Martín-Pérez de Nanclares, S. 89 m. w. N. 31 In seiner Stellungnahme zu den Entschließungsanträgen der MdEP Hahn u. a. und Schinzel u. a. im Namen des politischen Ausschusses hattte MdEP van Minnen auf die Integrationskraft auch des Hörfunks hingewiesen (M. Seidel, S. 248). 32 Zur Kritik an dieser Mestmäcker/Engel/Gabriel-Bräutigam/Hoffmann, S. 18 f. m. w. N. 33 Vgl. hierzu das Urteil des EuGH in Rs. C-6/98 (ARD ./. Pro 7), Slg. 1999, S. I-7599 ff., in dem festgestellt wird, dass ein Mitgliedstaat, auch wenn die Richtlinie bezüglich der Anzahl der Werbeunterbrechungen in audiovisuellen Werken wie Spielfilmen in Art. 11 das „Brutto-Prinzip“ vorschreibe (Zahl der Werbeunterbrechungen = (Sendedauer des Films in Minuten + Dauer der Werbung in Minuten): 45), gestützt auf Art. 3 Abs. 1 das strengere „Netto-Prinzip“ (Berechnung unter Ausschluss der Dauer der Werbung) verwirklichen darf.

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

c) Weitere Konturierung des Rundfunkmarktes durch den EuGH Im Urteil zur Rechtssache „Bond van Adverteerders“ vom 26. 04. 198834 präzisierte der EuGH seine Rechtsprechung zur Dienstleistungsfreiheit im Rundfunkbereich weiter. Zunächst stellte er klar, dass beim grenzüberschreitenden Kabelrundfunk zumindest zwei Dienstleistungsbeziehungen i. S. d. Art. 59 EGV (= 49 EG) existierten: Eine solche Beziehung bestünde zwischen der Sendeanstalt in einem Mitgliedstaat und dem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Kabelnetzbetreiber, der die Programme gegen Entgelt in sein Netz einspeise. Darauf, dass in diesem Fall das Entgelt zumeist nicht von der Sendeanstalt, sondern in Form von Gebühren von den Kabelrundfunk- oder Kabelfernsehteilnehmern im Sitzstaat des Netzbetreibers gezahlt werde, käme es nicht an, da die Dienstleistung nicht von dem bezahlt werden müsse, dem sie zugute käme. Eine zweite Dienstleistungsbeziehung sah der Gerichtshof zwischen der Sendeanstalt und den Werbefirmen, insbesondere den im Empfangsstaat ansässigen, deren Werbespots die Sendeanstalt gegen Entgelt verbreite.35 Außerdem wurde klargestellt, dass Werbeverbote grenzüberschreitende Rundfunkdienstleistungen beschränken würden und nach Art. 56, 66 EGV (= 46, 55 EG) oder aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses, in jedem Fall aber nur aus anderen als wirtschaftlichen Gründen und unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gerechtfertigt werden könnten.36 2. Die Entwicklung seit 1990 a) Der Rundfunk und die Verträge von Maastricht und Amsterdam In den neunziger Jahren fand der Rundfunk Eingang in den Text des EG-Vertrages. Zunächst geschah dies durch den Vertrag von Maastricht, der im neugeschaffenen „Kulturartikel“ 128 EGV erstmals den „audiovisuellen Bereich“ erwähnte, zu dem unstreitig neben Film und Video auch der Rundfunk zählt.37 Die Formulierung „audiovisueller Bereich“ differenzierte jedoch nicht nach einzelnen Medien oder gar Veranstaltertypen. Außerdem erfasste Art. 128 EGV (ebenso Art. 151 EG) seinem Wortlaut nach nur „künstlerisches und literarisches Schaffen im audiovisuellen Bereich“, also nicht den Rundfunk insgesamt.38 Eine Differenzierung nach Veranstaltertypen wurde erst durch den Ver-

34

Rs. 352/85 (Bond van Adverteerders), Slg. 1988, S. 2085 ff. Rs. 352/85 (Bond van Adverteerders), Slg. 1988, S. 2085 ff., Rdnr. 14–16 des Urteils. 36 Rs. 352/85 (Bond van Adverteerders), Slg. 1988, S. 2085 ff., Rdnr. 22, 29 und 34–38 des Urteils. 37 Vgl. statt vieler Blanke, in: Calliess/Ruffert, Art. 151 EG Rdnr. 11. 38 So auch statt vieler Niedobitek, in: Streinz, Art. 151 Rdnr. 47. 35

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trag von Amsterdam ermöglicht, der das schon erwähnte „Protokoll zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk in den Mitgliedstaaten“ in den EG-Vertrag einfügte.39 Da somit der öffentlich-rechtliche Rundfunk als erster der beiden Veranstaltertypen in den Vertragstext Aufnahme fand, wurde die besondere Rolle dieses Mediums faktisch betont und die Problematik des dualen Rundfunksystems auf die Ebene des Primärrechts gehoben. b) Dualer Rundfunk aus der Sicht der Gemeinschaftsgerichte In der Rechtssache ERT40 nahm der EuGH 1991 zum Problem öffentlichrechtlicher Rundfunkmonopole am Beispiel der griechischen staatlich kontrollierten Aktiengesellschaft ERT erneut Stellung: Er knüpfte an seine Rechtsprechung im Fall „Sacchi“ an, und befand, dass die Einräumung eines Fernsehmonopols aus „im öffentlichen Interesse liegenden Gründen nichtwirtschaftlicher Art“ mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sei, solange bei Ausgestaltung und Ausübung des Monopols nicht durch Diskriminierung ausländischer gegenüber inländischen Sendematerialien oder Sendungen gegen die Freiheit des Warenoder Dienstleistungsverkehrs oder gegen die Wettbewerbsvorschriften verstoßen werde.41 Kritisch sah der EuGH die Einräumung eines „Doppelmonopols“ sowohl für die Veranstaltung als auch für die Weiterverbreitung von Rundfunkund Fernsehsendungen. Es bestünde die Gefahr, dass der Monopolist gleichzeitig die Veranstaltung inländischer Programme fördere und die Übertragung ausländischer behindere.42 Wirke sich das Monopol in dieser Weise diskriminierend aus, sei nur eine Rechtfertigung nach Art. 66, 56 EGV (= 55, 46 EG) möglich, wobei das Gemeinschaftsgrundrecht der Meinungsfreiheit, wie es auch Art. 10 EMRK verbürge, zu beachten sei.43 Außerdem habe ein Monopolist eine beherrschende Stellung i. S. d. Art. 86 EGV (= 81 EG) inne, die er nicht missbrauchen dürfe.44 Art. 90 Abs. 2 EGV (= 86 Abs. 2 EG) stünde der Anwendung der Wettbewerbsregeln solange nicht entgegen, wie dies mit der Erfüllung der i. S. d. Art. 90 Abs. 2 EGV dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk übertragenen, besonderen Aufgabe nicht nachweislich unvereinbar sei. Einem Unternehmen, das ein Monopol zur Ausstrahlung habe, zusätzlich ein Monopol zur Übertragung von Sendungen einzuräumen, verstoße ferner gegen Art. 90 Abs. 1 EGV (= 86 Abs. 1 EG), wenn dadurch eine diskriminierende Sendepolitik des Unternehmens begünstigt würde.45 39

Näher zum rechtlichen Gehalt des Protokolls: B. II. 1. Rs. C-260/89 (ERT), Slg. 1991, S. I-2925 ff. 41 Rs. C-260/89 (ERT), Slg. 1991, S. I-2925 ff., Rdnr. 12, 18 und 26 des Urteils; vgl. hierzu auch Rs. C-353/89 (Kommission ./. Niederlande), Slg. 1991, S. I-4069 ff., Rdnr. 34 f. des Urteils. 42 Rs. C-260/89 (ERT), Slg. 1991, S. I-2925 ff., Rdnr. 22 des Urteils. 43 Rs. C-260/89 (ERT), Slg. 1991, S. I-2925 ff., Rdnr. 24, 25 und 45 des Urteils. 44 Rs. C-260/89 (ERT), Slg. 1991, S. I-2925 ff., Rdnr. 31, 32 des Urteils. 40

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

Dieses Urteil ist für die Problematik des dualen Rundfunksystems in mehrfacher Hinsicht von entscheidender Bedeutung: Erstens erklärt der EuGH ein öffentlich-rechtliches Rundfunkmonopol und damit mittelbar den öffentlichrechtlichen Rundfunk als solchen für gemeinschaftsrechtskonform. Zweitens gibt er versteckt zu erkennen, wie er sich den Rundfunkbinnenmarkt vorstellt, nämlich als einen Markt, an dem öffentlich-rechtliche und private Anbieter, von der Schutzklausel des Art. 90 Abs. 2 EGV zugunsten der öffentlich-rechtlichen abgesehen, gleichberechtigt teilnehmen. Gedankliches Grundmodell ist also offenbar nicht ein rein privater Rundfunkmarkt, sondern ein duales Rundfunksystem. Drittens bringt der EuGH in diesem Urteil auch die Grundrechtsdimension des dualen Rundfunksystems zum Ausdruck. Demgegenüber erklärte das EuG in der Rechtssache VTM46 1999 erstmals ein öffentlich-rechtliches Monopol im Bereich des Rundfunks für gemeinschaftsrechtswidrig: Der VTM hatte das Exklusivrecht zur Veranstaltung eines werbefinanzierten Fernsehprogramms in Flandern inne. In einer Entscheidung von 1997 hatte die Kommission gestützt auf Art. 86 Abs. 3 EG festgestellt, dieses Monopol verstoße gegen Art. 86 Abs. 1 EG i.V. m. Art. 43 EG. Das EuG konstatierte zwar, ein Monopol im Rundfunkbereich, das die Niederlassungsfreiheit ausländischer Veranstalter beschränke, könne durch das Allgemeininteresse an der Erhaltung des Pluralismus gerechtfertigt sein.47 Im konkreten Fall sei das Monopol zum Schutz des Pluralismus aber nicht verhältnismäßig und daher gemeinschaftsrechtswidrig.48 Diese Entscheidung des EuG kann wohl als Folge der Rechtsprechung des EGMR verstanden werden. Letzterer hatte schon 1993 in der Sache „Informationsverein Lentia“ festgestellt, ein öffentlich-rechtliches Monopol für die Ausstrahlung von Rundfunk sei auch, wenn es dem Schutz des Pluralismus dienen solle, eine unverhältnismäßige Einschränkung des Grundrechts aus Art. 10 Abs. 1 EMRK. Das EuG legte in seiner Entscheidung diesen Bezug zur EGMRRechtsprechung allerdings nicht offen. Dass die Gemeinschaftsgerichte den Rundfunk in durchaus differenzierter Weise betrachteten, zeigte sich auch deutlich im Urteil in Rs. „Stichting Collectieve Antennevoorziening Gouda“.49 In diesem konstatierte der EuGH in Analogie zur Rechtsprechung zum freien Warenverkehr,50 dass innerstaatliche Rundfunkregelungen, die zwar unterschiedslos für in- und ausländischen Rundfunk 45

Rs. C-260/89 (ERT), Slg. 1991, S. I-2925 ff., Rdnr. 37, 38 des Urteils. Rs. T-266/97 (VTM), Slg. 1999, S. II-2329 ff.; auch abgedruckt in ZUM 2000, 1077 ff. m. Anm. Gundel (ZUM 2000, 1046 ff.). 47 Rs. T-266/97 (VTM), Slg. 1999, S. II-2329 ff., Rdnr. 108 des Urteils. 48 Rs. T-266/97 (VTM), Slg. 1999, S. II-2329 ff., Rdnr. 110 ff. des Urteils. 49 Rs. C-288/89 (Stichting Collectieve Antennevoorziening Gouda), Slg. 1991, S. I-4007 ff. 50 Rs. 120/78 (Cassis de Dijon), Slg. 1979, S. 649 ff. 46

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gelten, aber dennoch die Dienstleistungsfreiheit beschränken, gerechtfertigt sein können, wenn sie in verhältnismäßiger Weise zwingenden Gründen des Allgemeininteresses dienen.51 Als einen solchen zwingenden Grund des Allgemeininteresse anerkannte der Gerichtshof „eine Kulturpolitik, die die Meinungsfreiheit der verschiedenen gesellschaftlichen, kulturellen, religiösen und geistigen Strömungen in einem Mitgliedstaat schützen soll“ also die Erhaltung eines pluralistischen Rundfunkwesens.52 Hier zeigt sich jedoch, dass die Positionen von BVerfG und EuGH sich jedenfalls zu Anfang der neunziger Jahre diametral entgegenstanden: Der EuGH ging die Problematik des privaten Rundfunks von ihrer dienstleistungsrechtlichen bzw. wirtschaftlichen Seite her an, gestand aber zu, dass die wirtschaftlichen Aktivitäten aus kulturpolitischen Gründen einschränkbar seien. Demgegenüber betonte das BVerfG, für privaten Rundfunk würden letztlich dieselben (kulturellen) Voraussetzungen gelten wie für öffentlich-rechtlichen, um privaten Rundfunk wirtschaftlich nicht unmöglich zu machen, dürften an diesen aber (solange Grundversorgung gewährleistet sei) geringere Anforderungen gestellt werden. Durch einige weitere Urteile konnte der EuGH seine Rechtsprechung zum Rundfunk als Schutzgegenstand der Grundfreiheiten EGV in den neunziger Jahren noch vertiefen und ausbauen. Diese sollen im Abschnitt über die Grundfreiheiten näher analysiert werden. Ähnliches gilt für die Urteile des EuG zum Wettbewerbs- und Beihilfenrecht im Rundfunkbereich, die in den entsprechenden Abschnitten erörtert werden. c) Die Aktivitäten der Kommission aa) Grünbücher und ihre Folgen Die Kommission hat in den neunziger Jahren einige Grünbücher herausgegeben, die sich mit Rundfunk befassen. Von diesen sind für das Thema dieser Arbeit, da die Kommission in ihnen zur dualen Rundfunkordnung Stellung nimmt, v. a. die folgenden vier interessant: – „Pluralismus und Medienkonzentration im Binnenmarkt“ vom 23. 12. 1992,53 – „Strategische Optionen für die Stärkung der Programmindustrie im Rahmen der audiovisuellen Politik der Europäischen Union“ vom 06. 04. 1994,54 51 Rs. C-288/89 (Stichting Collectieve Antennevoorziening Gouda), Slg. 1991, S. I4007 ff., Rdnr. 13 und 15 des Urteils; vgl. auch das parallel hierzu ergangene Urteil in Rs. C-353/89 (Kommission ./. Niederlande), Slg. 1991, S. I-4069 ff. 52 Rs. C-288/89 (Stichting Collectieve Antennevoorziening Gouda), Slg. 1991, S. I4007 ff., Rdnr. 23 des Urteils; hier nimmt der EuGH erneut auch Art. 10 EMRK in Bezug. 53 KOM (92) 480 endg. (im Folgenden: GB Pluralismus); vgl. hierzu v. Wallenberg, WuW 1993, 910 ff.

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– „Grünbuch über den Jugendschutz und den Schutz der Menschenwürde in den audiovisuellen und den Informationsdiensten“ vom 16. 10. 199655 sowie – „Grünbuch zur Konvergenz der Branchen Telekommunikation, Medien und Informationstechnologie und ihren ordnungspolitischen Auswirkungen – Ein Schritt in Richtung Informationsgesellschaft“ vom 03. 12. 1997.56 Daneben sind noch zu erwähnen: Das „Grünbuch über die Liberalisierung der Telekommunikationsinfrastruktur und der Kabelfernsehnetze“,57 das Grünbuch „Urheberrecht und verwandte Schutzrechte in der Informationsgesellschaft“,58 das Grünbuch „Kommerzielle Kommunikation im Binnenmarkt“,59 das Grünbuch „Leben und Arbeiten in der Informationsgesellschaft: im Vordergrund der Mensch“,60 das Grünbuch zur Frequenzpolitik61 und das Grünbuch zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse62. Schon die Menge an Grünbüchern deutet an, welche Bedeutung die Kommission dem audiovisuellen Sektor beimisst.63 Zwar befasst sich keines der Bücher ausschließlich mit dem dualen Rundfunksystem, insbesondere die ersteren vier betreffen aber Detailfragen aus dem Rundfunkbereich, die für den Bestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und damit für das duale Rundfunksystem von fundamentaler Bedeutung sind: Hervorzuheben ist zunächst das GB Pluralismus, in dem sich die Kommission mit der wirtschaftlichen und kulturellen Bedeutung des Pluralismus in den audiovisuellen Medien befasst.64 Aus deutscher Sicht kritisch anzumerken ist 54

KOM (94) 96 endg. (im Folgenden: GB Strategische Optionen). KOM (96) 483 endg. (im Folgenden: GB Jugendschutz). 56 KOM (97) 623 endg. (im Folgenden: GB Konvergenz). 57 Teil 1: KOM (94) 440 endg., Teil 2: KOM (94) 682 endg. 58 KOM (95) 382 endg. 59 KOM (96) 192 endg. 60 KOM (96) 389 endg. 61 KOM (98) 596 endg. 62 KOM (2003) 270 endg. 63 Ein weiterer Beleg hierfür ist, dass die Kommission zwei Generaldirektionen hat, die sich überwiegend mit Themen aus diesem Bereich befassen (GD „Informationsgesellschaft“ und GD „Bildung und Kultur“). Außerdem hat die GD Wettbewerb seit 1990 eine eigene Abteilung für wettbewerbsrechtliche Fragen des audiovisuellen Sektors (vgl. Schwarze, ZUM 2000, 779 ff. (787 m. w. N.)). 64 Bereits in der Mitteilung der Kommission über die Politik im audiovisuellen Bereich (KOM (90) 78 endg.) stellte die Kommission fest, es müsse sichergestellt werden, „. . . dass sich der Ausbau des audiovisuellen Sektors nicht auf Kosten des Pluralismus vollzieht . . .“ (ebd. S. 2). Bestätigt wird diese Sicht durch eine Rede des damaligen Kulturkommissars Marcelino Oreja vor dem spanischen Parlament, in der er zum Ergebnis kommt: „It is therefor vital that [television] comes from a variety of sources and presents a variety of opinions so that it cannot become an instrument for propaganda and indoctrination. It is this diversity and pluralism . . ., that forms the basis for a genuine and responsible political debate.“ 55

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insoweit, dass mitgliedstaatliche Vorschriften zum Pluralismusschutz als Marktzutrittsschranken angesehen wurden.65 Eine Gemeinschaftsregelung zur Harmonisierung des Pluralismusschutzes wurde zwar von der Kommission für möglich und sinnvoll gehalten, sie wurde bisher jedoch nicht verwirklicht.66 Nachdem es Mitte und Ende der neunziger Jahre um dieses Projekt der Gemeinschaft eher still geworden war, hat im Jahre 2000 der Wirtschafts- und Sozialausschuss die Kommission aufgefordert, zu diesem Thema eine Mitteilung, die Leitlinien und Rechtsinstrumente zur Wahrung des Pluralismus enthält, unter Berücksichtigung der Digitalisierung zu erarbeiten. Außerdem hat der Ausschuss sich für eine bei der Kommission angesiedelte Koordinierung der mitgliedstaatlichen Medien-Regulierungsbehörden ausgesprochen.67 Die Entschließung des EP zur Medienkonzentration aus dem Jahr 200268 geht in eine ähnliche Richtung. Das EP fordert in dieser die Kommission zur Erstellung eines aktualisierten Grünbuchs zum GB Pluralismus bis Ende 2003 auf. Dass die Kommission Rundfunk keineswegs nur als Wirtschaftsgut sieht, zeigte sich deutlich im GB Strategische Optionen: Hier betonte die Kommission die Rolle des Rundfunks als Kulturvermittler und Garant kultureller Vielfalt in der Gemeinschaft69 und stellte ausdrücklich fest, Fernsehprogramme seien „nicht mit anderen Produkten gleichzusetzen“.70 Intensiv erörtern die Grünbücher Fragen der Rundfunk- und Telekommunikationstechnik, wie die der Zukunft des Frequenzspektrums als wichtiger Ressource der Informationsgesellschaft71 und vor allem die Problematik der Konvergenz. Das GB Konvergenz kam insoweit zum Ergebnis, dass die mitgliedstaatlichen Regelungen, die ja noch medien- und übertragungswegebezogen sind, aufgrund der Konvergenz einer Überprüfung bedürften.72 Die Konvergenz 65

Vgl. GB Pluralismus, S. 8. Vgl. GB Pluralismus S. 103 f. Für ein Tätigwerden der Gemeinschaft durch Erlass einer Richtlinie oder Verordnung hatten sich auch die vom damaligen Kommissar Bangemann geleitete „High Level Group“ Informationsgesellschaft, der WSA und das EP ausgesprochen (vgl. KOM (94) 353 endg. S. 6; ABl. vom 14. 02. 1994 Nr. C 44/ 177 und ABl. vom 10. 11. 1993 Nr. C 304/17.); vgl. auch Schmittmann/de Vries/von Loesch, AfP 2000, 37 ff. (43); KEK-Konzentrationsbericht 2000, S. 79 ff. m. w. N. 67 Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Pluralismus und Medienkonzentration“, ABl. C 140 vom 18. 05. 2000, S. 19 ff. 68 Entschließung vom 20. 11. 2002, Dok. Nr. P5_TA(2002)0554. 69 Vgl. hierzu GB Strategische Optionen S. 65 ff. 70 Vgl. GB Strategische Optionen S. 65; vgl. auch Vesting, S. 257. 71 Vgl. Grünbuch zur Frequenzpolitik, S. 1a; Grünbuch über die Liberalisierung der Telekommunikationsinfrastruktur und der Kabelfernsehnetze; kritisch hierzu Eberle, ZUM 1995, 763 ff. (767 f.). 72 Ähnliche Ansätze zur Vereinheitlichung der Politiken in den unterschiedlichen Bereichen der elektronischen Kommunikation verfolgte die Kommission bereits in ihrer Mitteilung „Europas Weg in die Informationsgesellschaft – Ein Aktionsplan“, KOM (94) 347 endg.; hierzu Holznagel, Europa, S. 128 f. 66

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dürfe nicht zu größerer Reglementierung führen, sondern es sei vielmehr zu fragen, ob aus der Konvergenz der Netze und Empfangsgeräte auch eine Konvergenz der Regulierungspolitiken folgen müsse, die zu einem einheitlichen Regulierungsumfeld führe.73 Eine Differenzierung nach verschiedenen Übertragungswegen hält die Kommission nicht mehr für sinnvoll, sondern stellt fest, künftige Regulierungsmaßnahmen müssten technologieneutral sein,74 d. h. identische Dienste unabhängig von der Übertragungstechnik in gleicher Weise regeln. Aus einer solchen Technologieneutralität folgt aber noch nicht zwangsläufig auch eine „Inhaltsneutralität“ in der Weise, dass z. B. zwischen individueller Telekommunikation und Rundfunk nicht mehr unterschieden werden dürfte und insbesondere rundfunkspezifische Regelungen mit der Liberalisierung und Konvergenz der Netze ausgeschlossen wären.75 Dass die Kommission eine Auflösung der Sonderstellung des Rundfunks durch seine Einordnung in die Telekommunikation nicht oder jedenfalls nicht mehr76 beabsichtigt, zeigt sich im Kommunikationsbericht 199977 in der Mitteilung der Kommission zu den Ergebnissen der öffentlichen Konsultation zum GB Konvergenz78 und auch bereits im Bericht „Das digitale Zeitalter: Europäische Audiovisuelle Politik“, in dem die wichtige Rolle des Rundfunks auch in liberalisierten Märkten betont 73 GB Konvergenz, S. 2; für ein solches einheitliches Regulierungsumfeld hat die Kommission fünf Richtlinienvorschläge gemacht (vgl. Scheuer/Strothmann, MMR 2001, 576 ff. (579 f. m. w. N.)), die mittlerweile in leicht veränderter Form von Rat und Parlament verabschiedet wurden [näher B. I. 2. g)]. 74 So auch die Mitteilung „Grundsätze und Leitlinien für die audiovisuelle Politik der Gemeinschaft im Digitalen Zeitalter“, KOM (1999) 657 endg., S. 11; ähnlich Mitteilung über den Übergang vom analogen zum digitalen Rundfunk (digitaler Übergang und Analogabschaltung), KOM (2003) 541 endg., S. 18. 75 Vgl. zu diesbezüglichen Befürchtungen Eberle, ZUM 1995, 763 ff. (767 f.). Auch der Rat hat in seinen Schlussfolgerungen zum GB Konvergenz die Kommission ersucht, die Besonderheiten des audiovisuellen Sektors zu berücksichtigen und demokratische, gesellschaftliche und kulturelle Erfordernisse einzubeziehen (ABl. Nr. C 283/1 vom 06. 10. 1999). 76 Anders noch Kommissar Martin Bangemann, der in einer Rede vor dem EP 1995 zur Netzliberalisierung festgestellt hatte: „Die rechtlichen Regeln, die in der Bundesrepublik bestehen, auch die Kontrollmaßnahmen sowie alle Kompetenzen, die den Ländern zugewiesen sind, werden rechtlich nicht berührt . . . Allerdings wird es [. . .] zu einem tatsächlichen Einfluss auf diese Rechte und die besonderen Rechtsregeln im Bereich Rundfunk und Fernsehen kommen, denn zumindest in der Bundesrepublik beruhen diese Regeln auf der Grundüberlegung, dass die Ressourcen knapp sind . . . Beide Definitionsmerkmale, die das Bundesverfassungsgericht verwendet, um diese Beschränkungen zu rechtfertigen – erstens sind die Ressourcen knapp, es gibt nicht beliebig viele Frequenzen, und zweitens ist ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk und öffentlich-rechtliches Fernsehen notwendig, um eine Grundversorgung an Information zu gewährleisten – diese Definitionsmerkmale treffen praktisch nicht mehr zu.“; zitiert nach Eberle, ZUM 1995, 763 ff. (768). 77 KOM 1999 (539). 78 KOM 1999 (108) endg. Hier (S. 10 f.) kommt die Kommission auch zum Ergebnis, der öffentlich-rechtliche Rundfunk solle ermutigt werden, neue Technologien zu nutzen.

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wird79. Auch die im Jahre 2000 vorgelegten Richtlinienvorschläge der Kommission zur Schaffung eines einheitlichen Regulierungsumfeldes für elektronische Kommunikation erfassen nicht die Rundfunkinhalte, sondern versuchen lediglich ein einheitliches technisches Umfeld bezüglich des Netzzuganges und ähnlicher Fragen der technischen Infrastruktur für alle über die betreffenden Netze übertragenen Dienste zu schaffen.80 Die Kommission hat ferner dem Rat mitgeteilt, auch künftig sollten die Mitgliedstaaten dafür zuständig sein, Frequenzbereiche für öffentlich-rechtliche Anbieter zu reservieren oder die Frequenzen nach legitimen Zielen einer audiovisuellen Politik zu vergeben.81 Insgesamt scheint die Kommission also an der getrennten Regulierung von Infrastrukturen und Inhalten klar festhalten zu wollen.82 Es zeigt sich, dass wenn ein von der Kommission ausgehender Druck auf die Mitgliedstaaten, ihre Regelungssysteme für den audiovisuellen Bereich der Konvergenz durch Verzicht auf rundfunkspezifische Regelungen anzupassen, je wirklich bestand, er sich im Laufe der Zeit ganz entscheidend vermindert hat. Das GB Jugendschutz ist deswegen bedeutsam, weil es das einzige Grünbuch ist, das sich konkret mit den Inhalten der Medien befasst, nämlich mit deren möglicher schädigender Wirkung auf Minderjährige. Alle anderen Grünbücher betreffen äußere Bedingungen des Rundfunks (z. B. Frequenzen) oder behandeln die Inhalte rein abstrakt (z. B. GB Pluralismus). bb) Sonstige rechtlich unverbindliche Maßnahmen (1) Vorlage der GD IV zur Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Die Generaldirektion Wettbewerb legte auf Initiative des damaligen Wettbewerbskommissars Karel van Miert im Oktober 1998 ein Diskussionspapier vor, durch das eine einheitliche Lösung der mit den beihilferechtlichen Beschwerden privater Rundfunkveranstalter verbundenen Probleme ermöglicht werden sollte.83 Das Papier schlug drei Modelle einer gemeinschaftsrechtskonformen Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vor: 79

Näher dazu B. I. 2. c) bb) (2); vgl. auch Dörr/Janik/Zorn, S. 138 ff. Vgl. auch Dörr/Zorn, NJW 2001, 2837 (2839 f.); näher zu den aus diesen Vorschlägen entstandenen Richtlinien s. u. B. I. 2. g). 81 Vgl. Dörr/Janik/Zorn, S. 141 ff.; Scheuer/Strothmann, MMR 2001, 576 ff. (580 m. w. N.); in der Tendenz auch die Mitteilung über den Übergang vom analogen zum digitalen Rundfunk (digitaler Übergang und Analogabschaltung), KOM (2003) 541 endg. 82 Dies befürwortete auch der Wirtschafts- und Sozialausschuss (vgl. ABl. Nr. C 14 vom 16. 01. 2001, 114 ff.). 83 Abgedruckt u. a. in epd medien Nr. 77 vom 03. 10. 1998, S. 26 ff. 80

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1. reine Finanzierung aus staatlichen Mitteln (z. B. Rundfunkgebühren oder Hauhaltszuweisungen) bei gleichzeitigem Verbot der Wirtschaftswerbung,84 2. Mischfinanzierung aus staatlichen Mitteln und Werbeeinnahmen bei strikter haushaltsmäßiger Trennung der kommerziellen Aktivitäten (werbefinanziert) von der Erfüllung des öffentlichen Auftrages (staatlich finanziert) und striktem Verbot jeglicher Quersubventionierung, 3. öffentliche Ausschreibung der bisher allein vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk im öffentlichen Auftrag veranstalteten Programme. Diese Vorschläge sind auf so massiven Widerstand der Mitgliedstaaten und ihrer Rundfunkanstalten gestoßen,85 dass die Kommission sie zunächst nicht weiterverfolgt hat. Die Kritik entzündete sich vor allem an den Finanzierungsmodellen 2 und 3. Insbesondere wurde eine getrennte Kostenrechnung für „public-service-Programme“ einerseits und kommerzielle Programme andererseits für unmöglich gehalten.86 Diese Idee und v. a. die einer exakten und nachprüfbaren Definition des öffentlichen Auftrages der Rundfunkanstalten hat die Kommission aber dennoch u. a. in der Änderung der Transparenzrichtlinie, 87 der Mitteilung über die Daseinsvorsorge88 und der „Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk“89 weiterverfolgt. Das Diskussionspapier der GD IV hat hier also eines der Kernprobleme im Verhältnis des dualen Rundfunksystems zum EGWirtschaftsrecht erstmals angesprochen. Diese Frage nach einer exakteren Definition des Auftrages des öffentlich-rechtlichen Rundfunks könnte das deutsche duale Rundfunksystem in näherer Zukunft vor massive Probleme stellen, denn die Besonderheit der Grundversorgung durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland steht einer genauen programmlichen Definition ihres Inhaltes, wie oben [A. III. 3. a)] dargelegt, gerade entgegen. Das Problem vereinfacht sich auch nicht dadurch, dass man als den Bereich „kommerzieller Programme“ denjenigen außerhalb der Grundversorgung versteht, denn in diesem Bereich werden auch Programme (z. B. in neuer Sendetechnik) veranstaltet, die noch keine Grundversorgung sind, aber in sie im Rahmen der Entwicklungsgarantie „hineinwachsen“ sollen. Außerdem lässt sich der Bereich außerhalb der 84 Die von der Kommission offenbar bevorzugte Finanzierungsalternative (vgl. epd medien ebd.; Dörr, NJW 1999, 1929). 85 Zur Kritik vgl.: Dörr, NJW 1999, 1929; Kammann, epd medien Nr. 77 vom 03. 10. 1998, S. 3 ff.; epd medien Nr. 77 vom 03. 10. 1998, S. 9 und 15 f. Eher positiv äußerte sich der VPRT (vgl. Doetz, epd medien Nr. 77 vom 03. 10. 1998, S. 16 f.), auch er kritisierte aber das zweite Finanzierungsmodell, da dieses zu „erheblichen existenzbedrohenden Nachteilen“ für den privaten Rundfunk führen könne. 86 Vgl. Doetz ebd. 87 Näher s. u. B. VII. 88 Näher s. u. B. I. 2. c) bb) (4). 89 Näher s. u. B. I. 2. c) bb) (5).

I. Dualer Rundfunk als europarechtliches Problem

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Grundversorgung bisher ebenso wenig scharf konturieren wie die Grundversorgung selbst. Fälle, bei denen die Abgrenzung (jedenfalls auf den ersten Blick) leicht fiele wie öffentlich-rechtliches Pay-TV, existieren in der Realität nicht. Mit dem erwähnten neuen § 11 RStV [vgl. A. V. 2. d)] versuchen die Bundesländer zwar eine genauere Auftragsdefinition zu geben. Ob dieser Versuch gelingen kann ist angesichts der bereits dargelegten Weite der Formulierung der Regelung jedoch zweifelhaft. Das Diskussionspapier der GD IV von 1998 gibt im Übrigen weitere wichtige Aufschlüsse darüber, wie die Kommission die Stellung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sieht: Interessant ist zunächst die Aussage, der öffentlich-rechtliche Auftrag solle nicht auf Dienste begrenzt sein, die nicht von privaten Veranstaltern erbracht werden, sondern auch solche umfassen, die zwar von privaten Sendern angeboten werden, bei denen jedoch davon auszugehen sei, dass sie unmittelbar mit den demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnissen jeder Gesellschaft sowie mit dem Erfordernis verknüpft sind, den Medienpluralismus zu wahren.90 Die Kommission geht hier also doch von einem weit gefassten Auftrag aus. In einer anderen Passage des Papiers analysiert die Kommission das Zusammenspiel der öffentlich-rechtlichen und privaten Veranstalter wie folgt: „Bis zu einem gewissen Grade können öffentliche Anstalten Maßstäbe setzen und so die Qualität der Programmgestaltung der privaten Sender in puncto Objektivität, Neutralität und Pluralismus in ihrem Informationsangebot erhöhen. Im Gegensatz zu anderen Branchen können im Rundfunksektor bestimmte Dienste ohne das Vorhandensein einer Bezugsgröße in Gestalt der öffentlichen Rundfunkveranstalter nicht mit dem gleichen Niveau an Neutralität und Objektivität gewährleistet werden.“. Hier nähert sich die Kommission also dem BVerfG an, das funktionierenden öffentlich-rechtlichen Rundfunk quasi als Vorbedingung des privaten Rundfunks sieht. Kritischer zu sehen ist der folgende Abschnitt, in dem die Kommission offensichtlich mischfinanzierte öffentlich-rechtliche Veranstalter bei der Verwendung ihrer staatlichen Finanzierungsmittel auf Informations-, Bildungs-, Kultur- und Regionalprogramme beschränken will. Dies wird dahingehend präzisiert, dass insbesondere für Sportveranstaltungen und Unterhaltungsprogramme (nicht allerdings für Filme und Serien) „öffentlich-rechtliche“ Freistellungen nicht eingreifen sollen. Bemerkenswert ist besonders die Feststellung, Unterhaltungsshows würden „offenkundig weder irgendwelche demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft erfüllen, noch den Pluralismus in den Medien wahren“. Das BVerfG hat, wie dargelegt, das Gegenteil angenommen,

90

Abschnitt 3.1 des Papiers, 3. Spiegelstrich.

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nämlich, dass sich freie Meinungsbildung im gesamten Programm der Anstalten, d. h. auch in den Unterhaltungssendungen vollzieht.91 Insgesamt lässt sich das Papier der GD IV daher wohl eher als Absage an die duale Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks verstehen,92 wendet sich aber nicht gegen das duale Rundfunksystem als solches. (2) Bericht der hochrangigen Gruppe für audiovisuelle Politik („Oreja-Bericht“) 1997 setzte die Kommission im Rahmen einer allgemeinen Überprüfung der audiovisuellen Politik der Gemeinschaft eine hochrangige Gruppe unter Vorsitz des damaligen Kulturkommissars Marcelino Oreja ein.93 Diese Gruppe legte 1998 ihren Abschlussbericht „Das digitale Zeitalter: Europäische Audiovisuelle Politik“94 vor, der neben Fördermaßnahmen für die Programmindustrie und der Bedeutung der Digitalisierung der Übertragungswege auch die Rolle der öffentlich-rechtlichen Anbieter in einem digitalen technischen Umfeld erörtert.95 Der Bericht erkennt ausdrücklich an, dass das duale Rundfunksystem das vorherrschende bzw. sogar nahezu ausschließliche Rundfunksystem in der Gemeinschaft ist und dass dieses System erhaltungswürdig sei.96 Es wird mehrfach auf das Rundfunkprotokoll Bezug genommen und dessen Feststellungen, insbesondere die Betonung der mitgliedstaatlichen Kompetenzen zur Festsetzung und Finanzierung des Rundfunkauftrages, werden herausgestellt. Allerdings werden starke Differenzen in der Auffassung der öffentlich-rechtlichen und privaten Veranstalter über ihre jeweilige Rolle und die Ziele einer europäischen audiovisuellen Politik konstatiert. Insoweit sei auf europäischer Ebene eine ausgewogene Lösung anzustreben, die sowohl der maßgeblichen Rolle des öffentlichrechtlichen Rundfunks bei der Produktion qualitativ hochwertiger Inhalte als auch dem Grundsatz gerecht werde, dass die wirtschaftliche Integration Europas auf Wettbewerb und freier Marktwirtschaft fuße.97 91

Vgl. bereits BVerfGE 12, 205 (260). Gegen diese Auslegung spricht allerdings die Aussage: „Daher ist die GD IV der Meinung, dass öffentliche Rundfunkanstalten berechtigt sein sollten – und im Grunde sogar dahingehend ermutigt werden sollten – sich am Wettbewerb auf dem Markt zu beteiligen.“ 93 Die Gruppe setzte sich aus europäischen Vertretern großer Medienunternehmen und -verbände, Medienexperten und Kulturschaffenden zusammen. Von deutscher Seite nahm der Generalintendant des BR und damalige Vorsitzende der EBU Albert Scharf teil. 94 Vgl. http://europa.eu.int/comm/dg10/avpolicy/key_doc/hlg4_de.html. 95 Abschnit III des Berichts. 96 Dies bestätigte auch Marcelino Oreja in einer Rede vor dem spanischen Parlament vom 11. 12. 1998. 97 Abschnitt III.1 des Berichts. 92

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Bei der Frage der Programmgestaltung der öffentlich-rechtlichen Veranstalter betont der Bericht deren Verpflichtung zu hoher Qualität, Förderung kultureller Vielfalt und Sicherung der Meinungsvielfalt. Hinzuweisen ist insoweit auch auf die Aussage, es sei gerechtfertigt, dass die mit einem öffentlichen Auftrag betrauten Veranstalter eine möglichst große Zuschauerzahl anstrebten, um ihrer Rolle gegenüber allen Gesellschaftsgruppen gerecht zu werden.98 Dies bestätigt die im ersten Teil dieser Arbeit getroffene Feststellung, die Grundversorgung müsse in Marktferne, nicht notwendigerweise aber in Marktabstinenz erfolgen. Zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gehen die Aussagen des Berichts insoweit über das Rundfunkprotokoll hinaus, als eine verhältnismäßige und transparente Finanzierung gefordert wird. Unter verhältnismäßiger Finanzierung versteht der Bericht eine auf das erforderliche Maß begrenzte Finanzierung, bei der öffentliche Gelder ausschließlich zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben verwendet werden. Transparent sei die Finanzierung dann, wenn der öffentliche Auftrag von den Mitgliedstaaten eindeutig festgelegt sei, und bei rein kommerziellen Aktivitäten der Grundsatz der getrennten Buchführung eingehalten würde.99 Ferner geht der Bericht davon aus, dass der öffentliche Auftrag des Rundfunks nach Wahl des Mitgliedstaates von Veranstaltern des öffentlich-rechtlichen oder des privaten Sektors wahrgenommen werden könne, und dass öffentlich-rechtliche Aktivitäten vorrangig durch öffentliche Mittel finanziert werden sollten.100 Damit stellt der Bericht die deutsche duale Rundfunkordnung letztlich vor dieselben Probleme wie das Diskussionspapier der GD IV. Einige Aussagen des Berichts, die sich nicht ausdrücklich auf öffentlichrechtlichen Rundfunk beziehen, haben auch für diesen Gültigkeit: Zum einen erkennt der Bericht an, dass die audiovisuellen Medien kein Bereich wie jeder andere seien, da sie eine besondere soziale und kulturelle Rolle spielten.101 Zum anderen wird festgestellt, dass die Globalisierung und Vereinheitlichung der Übertragungsnetze einem kulturellen und sprachlichen Pluralismus der Inhalte gegenüberstünde. Die Chancen der europäischen Unternehmen auf dem globalisierten Markt würden daher mit der Inhalteproduktion stehen und fallen, wobei die Fernsehanstalten (öffentlich-rechtliche und private) eine Schlüsselrolle hätten.102 98 So auch Punkt 7 der „Entschließung des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk“, ABl. Nr. C 30/1 vom 05. 02. 1999. 99 Hier kehrt also das zweite Finanzierungsmodell aus dem Diskussionspapier der GD IV wieder. Was rein kommerzielle Aktivitäten sind, lässt der Bericht allerdings offen. 100 Abschnitt III. 1 „Finanzierungsregelungen“ Unterpunkte 3 und 8; auch insoweit nimmt der Bericht das Diskussionspapier der GD IV auf. 101 Abschnitt I und passim. 102 Abschnitt II.

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

(3) „Grundsätze und Leitlinien für die audiovisuelle Politik der Gemeinschaft im Digitalen Zeitalter“ Unmittelbar an den „Oreja-Bericht“ knüpft die Kommission in ihrer Mitteilung „Grundsätze und Leitlinien für die audiovisuelle Politik der Gemeinschaft im Digitalen Zeitalter“103 an. Die Kommission ergänzt hier die Ansätze des Berichts noch um den Aspekt einer Verstärkung der Selbstkontrolle auch im Bereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Außerdem betont sie erneut das Ziel der Sicherung der europäischen audiovisuellen Industrie vor der „erdrückenden Übermacht amerikanischer Produktionen“.104 Ferner kommt die Kommission in dieser Mitteilung zu folgender Auslegung des Rundfunkprotokolls: „Der von den Mitgliedstaaten definierte öffentlich-rechtliche Auftrag soll mit den Interessen der Gemeinschaft im Hinblick auf Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse in Einklang stehen . . . Obgleich die Festlegung des öffentlich-rechtlichen Auftrags und des Finanzierungssystems den Mitgliedstaaten überlassen bleibt, hat die Kommission dafür zu sorgen, dass diese mit dem Vertrag . . . vereinbar sind.“. Dieser Ansatz ist, versteht man ihn nicht als (trivialen) Hinweis auf die Pflicht der Mitgliedstaaten zur Erfüllung der EG-Vertragspflichten, höchst problematisch, denn von einer derartigen Oberhoheit der Kommission bei der Festlegung des Auftrages der öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter spricht das Protokoll gerade nicht. Aus ihm geht vielmehr klar die Betonung der mitgliedstaatlichen Kompetenzen hervor. Die Kommission begibt sich mit ihrer in der Mitteilung geäußerten Auslegung also anscheinend auf Konfrontationskurs mit den Mitgliedstaaten hinsichtlich der Frage der Zuständigkeit für die Auftragsdefinition.105 (4) Mitteilung über Leistungen der Daseinsvorsorge Anders als die bisher analysierten Akte der Kommission befasst sich die Mitteilung über Leistungen der Daseinsvorsorge106 nicht spezifisch mit dem Rundfunk, sondern allgemein mit Leistungen der Daseinsvorsorge.107 Zu diesen rech103

Vom 14. 12. 1999; KOM (1999) 657 endg. Vgl. S. 8 der Mitteilung. 105 Noch am 24. 06. 1998 hatte der damalige EU-Kommissar Karel van Miert auf eine Anfrage eines EP-Abgeordneten bezüglich der Rundfunkgebühren in Österreich geantwortet, das Rundfunkprotokoll bestätige „die Kompetenz der Mitgliedstaaten, den öffentlich-rechtlichen Auftrag der Rundfunkanstalten zu definieren und seine Finanzierung zu organisieren“. Es liege „grundsätzlich nicht im Zuständigkeitsbereich der Kommission, die einzelstaatlichen Regelungen über die nationalen Rundfunkgebühren zu beurteilen“ (ABl. Nr. C 402, S. 155). 106 ABl. Nr. C 17 vom 19. 01. 2001, S. 4 ff. 107 Darunter versteht die Kommission „marktbezogene oder nichtmarktbezogene Tätigkeiten, die im Interesse der Allgemeinheit erbracht und daher von den Behörden 104

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net die Kommission aber auch Hörfunk und Fernsehen. Daher sind die in dieser Mitteilung getroffenen Aussagen für das Thema dieser Arbeit von Interesse: In der Mitteilung wird die Bedeutung der Leistungen der Daseinsvorsorge unter Bezugnahme auf den neuen Art. 16 EG und Art. 86 EG betont108 und darauf abgezielt, die im Bürgerinteresse stehende qualitativ hochwertige Erbringung solcher Leistungen mit den Zielen des Binnenmarktes und der Wettbewerbspolitik in Einklang zu bringen. Dabei sei dafür zu sorgen, dass die Leistungen der Daseinsvorsorge möglichst wirtschaftlich ausgeführt würden.109 Herausgestellt werden die Grundsätze der Neutralität, der Gestaltungsfreiheit und der Verhältnismäßigkeit. Unter Neutralität wird hierbei die prinzipielle Gleichberechtigung bzw. Verpflichtung öffentlicher und privater Unternehmen hinsichtlich des europäischen Wirtschaftsrechts verstanden. Eine Pflicht zur Privatisierung bestünde nicht.110 Nach dem Grundsatz der Gestaltungsfreiheit sei die Definition von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse vorrangig Sache der Mitgliedstaaten und unterliege nur einer Evidenzkontrolle durch die Kommission.111 Die Definition müsse jedoch, insbesondere damit Art. 86 Abs. 2 EG eingreifen könne, hinreichend klar sein, und der Versorgungsauftrag müsse audrücklich durch Hoheitsakt übertragen worden sein. Verhältnismäßigkeit bedeute, dass auf Art. 86 Abs. 3 EG gestützte Einschränkungen des Wettbewerbs und der Grundfreiheiten nicht über das zur leistungsfähigen Erbringung der betreffenden Dienste erforderliche Maß hinausgingen.112 Die einem Unternehmen für die Erfüllung der Gemeinwohlverpflichtungen gewährten staatlichen Mittel seien Beihilfen i. S. d. Art. 87 EG, die aufgrund Art. 87 und 73 EG aber auch aufgrund Art. 86 Abs. 2 EG mit dem Vertrag vereinbar sein könnten.113 Zur Formulierung „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ des Art. 86 Abs. 2 EG wird klargestellt, dass damit nur die Unanwendbarkeit der Binnenmarkt- und Wettbewerbsvorschriften auf nicht-wirtschaftliche Tätigkeiten ausgedrückt werden solle.114 Notwendig sei auch, dass beim Betrieb der Unternehmen i. S. d. Art. 86 Abs. 2 EG Trans-

mit spezifischen Gemeinwohlverpflichtungen verknüpft werden“ (vgl. die Definition in Anhang II der Mitteilung). 108 Vgl. hierzu auch den Bericht für den Europäischen Rat in Laeken, KOM (2001) 598 endg., in dem zusätzlich auf Art. 36 der Grundrechtscharta abgestellt wird, wonach die Union den Zugang zu Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse achtet. 109 Rdnr. 13 der Mitteilung. 110 Rdnr. 21 der Mitteilung. 111 Rdnr. 22 der Mitteilung; die wohl wichtigste Klarstellung im Verhältnis zur Mitteilung „Grundsätze und Leitlinien . . .“ 112 Rdnr. 23 der Mitteilung. 113 Rdnr. 25 ff. und 34 der Mitteilung. 114 Rdnr. 28 der Mitteilung.

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

parenz und zwar insbesondere hinsichtlich der Mittelverwendung sichergestellt sei.115 Konkret bezogen auf den Rundfunk stellt die Kommission fest, sowohl die öffentlich-rechtliche als auch die private Seite müsse aufrechterhalten und unterstützt werden. Die audiovisuellen Medien seien für das Funktionieren der demokratischen Gesellschaften und für die Entwicklung und Vermittlung sozialer Werte von zentraler Bedeutung, woran sich auch bei zunehmender Digitalisierung letztlich nichts ändere. Die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks unterliege allerdings den Beihilferegeln und dürfe daher nicht über die Nettomehrkosten der übertragenen Aufgaben hinausgehen. Zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks dürften die Mitgliedstaaten auch ein Mischsystem (öffentliche Mittel + Werbeeinnahmen) vorsehen, solange dies den Wettbewerb nicht übermäßig beeinträchtige.116 (5) Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk In ihrer „Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk“117 macht die Kommission erneut deutlich, dass ihr an einer Erhaltung des dualen Rundfunksystems gelegen ist. Sie stellt u. a. fest, der öffentlich-rechtliche Rundfunk sei „trotz seiner klaren wirtschaftlichen Bedeutung nicht mit öffentlichen Anbietern anderer Wirtschaftszweige vergleichbar. Es [gäbe] keinen Dienst, der gleichzeitig so viele Menschen erreicht, die Bevölkerung mit einer so großen Menge an Informationen und Inhalten versorgt und damit individuelle Ansichten wie öffentliche Meinung verbreitet und beeinflusst“.118 Die Kommission erkennt also erneut ähnlich dem BVerfG die Funktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als Medium und Faktor der öffentlichen Meinung an. Daneben betont sie, dass auch kommerzielle Sender zur Erreichung der im Rundfunkprotokoll genannten Ziele beitrügen, insbesondere den Pluralismus sichern helfen würden.119 Dieses Eintreten für die duale Rundfunkordnung wird allerdings dadurch relativiert, dass die Kommission die staatliche Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für den Regelfall als Beihilfe einstuft.120 Die Rechtfertigungsmög115

Rdnr. 59 der Entscheidung. ABl. Nr. C 17/22 f. vom 19. 01. 2001. 117 ABl. Nr. C 320 vom 15. 11. 2001, S. 5 ff.; ausführlich hierzu van Ysendick, in: von der Groeben/Schwarze, nach Art. 87 EG Rdnr. 28 ff. 118 Vgl. Rdnr. 6 der Mitteilung; ähnlich auch Rdnr. 8. 119 Rdnr. 14 der Mitteilung. 120 Rdnr. 16 ff. der Mitteilung. Offengelassen wird allerdings, ob es sich um eine bestehende oder um eine neue Beihilfe handelt (Rdnr. 20 ff.); näher zu beihilferechtlichen Fragen des dualen Rundfunksystems B. VI. 116

I. Dualer Rundfunk als europarechtliches Problem

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lichkeit des Art. 87 Abs. 3 lit. d) EG legt die Kommission ferner restriktiv aus,121 und hält bei der Klausel des Art. 86 Abs. 2 EG an ihrer Forderung nach einer möglichst klaren Auftragsdefinition durch die Mitgliedstaaten122 fest. Folgende Formulierung ist interessant: „In Anbetracht des besonderen Charakters der Rundfunkbranche und angesichts . . . des Protokolls kann eine „breit gefasste“ Definition, bei der ein bestimmter Sender damit betraut wird, ein ausgewogenes und breit gefächertes Programm in Einklang mit seinem Auftrag anzubieten . . . als legitim gemäß Artikel 86 Absatz 2 betrachtet werden“.123 Dies zeigt, dass auch der Grundversorgungsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland trotz seiner inhaltlichen Unbestimmtheit grundsätzlich eine zulässige Auftragsdefinition i. S. d. Art. 86 Abs. 2 EG sein kann [näher B. II. 2.]. Andererseits fordert die Kommission, dass die Erfüllung des Auftrages von einer unabhängigen Behörde fortlaufend kontrolliert wird. Nur dann käme eine Freistellung in Betracht.124 Außerdem stellt die Kommission klar, auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk unterliege, soweit er neben den Dienstleistungen von allgemeinem Interesse anderweitig wirtschaftlich tätig sei, der Pflicht zur getrennten Buchführung aus der neu gefassten Transparenzrichtlinie. 125 cc) Wettbewerbsrechtliche Entscheidungen und Richtlinien In den neunziger Jahren hat sich die Kommission in ihren Entscheidungen, wie bereits angedeutet, mehrfach mit den wettbewerbs- und beihilferechtlichen Problemen der dualen Runfunkordnung auseinander gesetzt. Näher soll auf einzelne Entscheidungen, insbesondere die Fusionskontrollentscheidungen, erst an anderer Stelle dieser Arbeit eingegangen werden [B. V. 8.]. Hier kann jedoch schon vorab festgestellt werden, dass die Kommission ein Bestreben erkennen lässt, funktionierenden Außenpluralismus so weit als möglich zu sichern und die Märkte offen zu halten. Dies ist für die Zukunftschancen privater Rundfunkveranstalter und damit für das duale Rundfunksystems insgesamt von entscheidender Bedeutung. Auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk profitiert, denn vermachtete Märkte können ihn bei der Erfüllung seines gesellschaftlichen Auftrages behindern. Allerdings ist die Herangehensweise der Kommission an das Problem der Vermachtung im audiovisuellen Bereich naturgemäß eine vorran-

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Rdnr. 25 ff. der Mitteilung. Die Kommission betont, dass die Auftragsdefinition Sache der Mitgliedstaaten sei, und nur einer Evidenzkontrolle daraufhin unterliege, ob der Auftrag nur Tätigkeiten umfasst, die im Sinne des Rundfunkprotokolls den demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnissen der Gesellschaft entsprechen (Rdnr. 33 + 36). 123 Rdnr. 33 der Mitteilung. 124 Rdnr. 41 ff. der Mitteilung. 125 Rdnr. 49 ff. der Mitteilung; näher zur Transparenzrichtlinie s. u. B. VI. 11. 122

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gig wirtschaftsrechtliche, denn eine publizistische Vielfaltskontrolle existiert auf Gemeinschaftsebene bisher nicht.126 Für die gemeinschaftsrechtliche Regulierung des digitalen Rundfunks ist die Neufassung der Kabelrichtlinie durch die Kommmission127 bedeutsam. Nach dieser sollen die Mitgliedstaaten keine ausschließlichen oder besonderen Rechte für die Errichtung und/oder Bereitstellung von elektronischen Kommunikationsnetzen und öffentlich zugänglichen Kommunikationsdiensten mehr gewähren und insoweit bestehende Rechte aufheben.128 Außerdem sollen sie dafür sorgen, dass öffentlich kontrollierte oder mit besonderen Rechten ausgestattete marktbeherrschende Unternehmen, die zugleich Telekommunikations- und Fernsehkabelnetze besitzen, diese in rechtlich getrennte Wirtschaftseinheiten aufgliedern. Die in dieser Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen können den Wettbewerb der Netze und damit die Konvergenz befördern.129 Auf die 2000 erfolgte Änderung der Transparenzrichtlinie 130 soll, da die Transparenz in den Finanzbeziehungen zwischen der öffentlichen Hand und den öffentlichen und mit einem besonderen staatlichen Auftrag versehenen Unternehmen ein spezifisch wettbewerbsrechtliches Problem ist, ebenfalls erst im wettbewerbsrechtlichen Teil dieser Arbeit näher eingegangen werden. Diese Änderung ist jedoch, soviel kann schon hier konstatiert werden, wie z. B. auch die Vorlage der GD IV zur Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Ausdruck dafür, dass die Kommission weiterhin darauf abzielt, die Mitgliedstaaten zu einer leichter kontrollierbaren Ausgestaltung der Finanzierung und zu einer klareren Definition des Auftrags des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu veranlassen.

126 Zu den Problemen, kulturelle bzw. publizistische Aspekte bei wettbewerbsrechtlichen Entscheidungen der Kommission zu berücksichtigen vgl. B. V.; ferner: Schwarze, ZUM 2000, 779 (787 f. m. w. N.). In seiner Entschließung zur Mitteilung der Kommission über Grundsätze und Leitlinien der audiovisuellen Politik im digitalen Zeitalter (ABl. C 135 vom 07. 05. 2001, S. 181 ff.) fordert das EP die Kommission auf, beherrschende Stellungen im audiovisuellen Bereich zu verhindern und dabei auch deren Auswirkungen auf die europäischen Sprachen und die kulturelle Identität (Art. 151 Abs. 4 EG) zu berücksichtigen (Nr. 17 ff. der Entschließung). 127 RL 2002/77/EG vom 16. 09. 2002 (ABl. Nr. L 249 vom 17. 09. 2002, S. 21 ff.); ähnlich bereits RL 1999/64/EG vom 23. 06. 1999 zur Änderung von RL 90/388/EWG (ABl. Nr. L 175 vom 10. 07. 1999, S. 39 ff.). 128 Die von den Mitgliedstaaten eingeführten besonderen Kriterien und Verfahren für die Vergabe von Rundfunkfrequenzen für Hörfunk- und TV-Veranstalter bleiben gemäß Art. 4 der Richtlinie unberührt, soweit sie im Übrigen gemeinschaftskonform sind. 129 Vgl. bezogen auf die inhaltlich ähnliche Neufassung von 1999 Dörr/Janik/Zorn, S. 50, 137. 130 RL 2000/52/EG vom 26. 07. 2000 zur Änderung von RL 80/723/EWG (ABl. Nr. L 193 vom 29. 07. 2000, S. 75 ff.).

I. Dualer Rundfunk als europarechtliches Problem

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d) Die Aktivitäten des EP Auch in den neunziger Jahren nahm das EP bei der Fortentwicklung der audiovisuellen Gemeinschaftspolitik eine wichtige Initiativfunktion wahr, indem es die Kommission z. B. zur Erarbeitung des GB Pluralismus aufforderte.131 Ebenso brachte das EP immer wieder die Problematik des dualen Rundfunksystems in die Diskussion ein. Beispielhaft sei hier die Entschließung des EP zum GB Pluralismus vom 20. 01. 1994 genannt, in der das EP vom wichtigen Beitrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für Meinungsvielfalt, Pluralismus und Bildung spricht und feststellt, der öffentlich-rechtliche Rundfunk unterläge anderen Marktbedingungen als der kommerzielle. 132 Bei der Revision der Fernsehrichtlinie [s. u. B. I. 2. f)] und weiteren Entschließungen in den Jahren 2000/2001 hat das EP sich für eine Beibehaltung der Sonderstellung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auch im digitalen Umfeld ausgesprochen.133 Insbesondere trat es hierbei für eine getrennte Regulierung von technischen Infrastrukturen und Inhalten unter Beachtung des Pluralismus ein.134 Außerdem stellte es z. B. in der Entschließung zur Mitteilung der Kommission über Grundsätze und Leitlinien für die audiovisuelle Politik fest, öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk komme eine Vorreiterrolle für die digitalisierte audiovisuelle Industrie zu.135 Das EP sprach sich insoweit dafür aus, die frei zugänglichen öffentlich-rechtlichen Rundfunkdienste durch Must-carry-Regelungen zu garantieren und hob „die grundlegende Rolle des öffentlich-rechtlichen terrestrischen digitalen Fernsehens und die Notwendigkeit, diese Plattform im Endspurt zum Übergang zur digitalen Übertragung durch Steigerung der Kapazität und Verbesserung des Deckungsgrads so attraktiv wie möglich zu gestalten“, hervor.136 131 Vgl. Entschließungen vom 19. 03. 1990 (ABl. Nr. C 68, S. 137) und 02. 11. 1992 (ABl. Nr. C 284, S. 44); vgl. auch die erneute Entschließung vom 20. 11. 2002 (Dok. Nr. P5_TA (2002) 0554). 132 ABl. Nr. C 44 vom 14. 02. 1994, S. 177; ähnlich der WSA (vgl. ABl. Nr. C 304, S. 20 vom 10. 11. 1993). Interessant ist auch die Feststellung des Parlaments (ABl. Nr. C 44 vom 14. 02. 1994, S. 179), binnenplural strukturierte Rundfunkanstalten müssten von Bestimmungen einer eventuellen „Pluralismus-Richtlinie“ abgesehen von den Bestimmungen über Transparenz freigestellt sein; ähnliche Ansätze auch in der Entschließung des EP zu Pluralismus und Medienkonzentration vom 15. 06. 1995 (ABl. Nr. C 166, S. 133 f. [134 sub 7]) und besonders detailliert in der Entschließung zur Rolle der öffentlichen Fernsehdienste in einer multimedialen Gesellschaft (ABl. Nr. C 320 vom 28. 10. 1996, S. 180 ff.). 133 Vgl. Scheuer/Strothmann, MMR 2001, 576 (585 f. m. w. N.). 134 Vgl. Entschließung des EP zur Mitteilung der Kommission über Grundsätze und Leitlinien für die audiovisuelle Politik im digitalen Zeitalter, ABl. C 135 vom 07. 05. 2001, S. 181 ff. 135 ABl. C 135 vom 07. 05. 2001, S. 181 ff., Nr. 22 der Entschließung. 136 ABl. C 135 vom 07. 05. 2001, S. 181 ff., Nr. 23 der Entschließung (Hervorhebung v. Verf.). Der Bericht von MdEP Veltroni, der der Entschließung zugrundeliegt, betont außerdem die wichtige Funktion des Binnenpluralismus für die Rolle des

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

e) Die Aktivitäten des Rates Für die Förderung der europäischen Inhalteproduzenten waren die beiden MEDIA-Programme des Rates von großer Bedeutung.137 Das erste der beiden138 galt für die Jahre 1990 bis 1995 und sollte wie die Quotenregelung in der Fernsehrichtlinie dazu beitragen, die Marktposition der europäischen Produzenten insbesondere gegenüber der amerikanischen Konkurrenz zu stärken. Am 10. 07. 1995 beschloß der Rat das Nahfolgeprogramm MEDIA II,139 das von 1996 bis 2000 galt. Seit 2001 gilt das Programm MEDIA Plus, das der Digitalisierung und der Internationalisierung der Programm- und Produktionsmärkte Rechnung trägt.140 Außerdem befasste sich der Rat gemeinsam mit dem EP schon verhältnismäßig früh mit den Folgen von Digitalisierung und Konvergenz: In der bereits erwähnten Richtlinie über Fernsehübertragungsnormen (RL 95/47/EG)141 wurden verschiedene Fragen des Zugangs zum digitalen Rundfunkmarkt erörtert142 und die Mitgliedstaaten verpflichtet, in einigen Fällen (z. B. bei Conditional-AccessSystemen) dem Mißbrauch von Gate-keeper-Positionen entgegenzutreten. Der Schutz gegen das digitale Gate-keeping blieb jedoch lückenhaft und eine Differenzierung zwischen öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk wurde nicht getroffen. Mittlerweile ist diese Richtlinie durch die sog. Zugangsrichtlinie143 abgelöst worden. Für den Zusammenhang dieser Arbeit ist ferner die am 25. 01. 1999 erlassene Entschließung des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk144 hervorzuheben. In dieser knüpft der Rat an das Rundfunkprotokoll an und präzisiert dessen In-

öffentlich-rechtlichen Rundfunks (vgl. das Sitzungsdokument des EP vom 18. 07. 2000, S. 15; abrufbar unter http://europa.eu.int). 137 Allgemein hierzu Ress/Ukrow, in: Grabitz/Hilf, Art. 151 EG Rdnr. 127. 138 Vgl. Beschluss des Rates vom 21. 12. 1990 (90/685/EWG), ABl. Nr. L 380 vom 31. 12. 1990, S. 37 ff. 139 Vgl. die Beschlüsse des Rates vom 10. 07. und 22. 11. 1995 (95/563/EG und 95/ 564/EG), ABl. Nr. L 321 vom 30. 12. 1995, S. 25 ff., 33 ff.; kritisch hierzu Eberle, ZUM 1995, 763 ff. (768 f.). 140 ABl. Nr. L 366 vom 30. 12. 2000, S. 82 ff. und Nr. L 13 vom 17. 01. 2001, S. 34 ff.; zu weiteren Aktivitäten vgl. Engel/Seelmann-Eggebert, in: Dauses, E. V, Rdnr. 118. 141 ABl. EG Nr. L 281 vom 23. 11. 1995, S. 51 ff. 142 Vgl. Dörr/Janik/Zorn, S. 131 ff. 143 RL 2002/19/EG über den Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung (Zugangsrichtlinie), ABl. Nr. L 108 vom 24. 04. 2002, S. 7 ff. 144 ABl. Nr. C 30 vom 05. 02. 1999, S. 1 ff.; hierzu Schmittmann/de Vries/von Loesch, AfP 2000, 37 ff. (39).

I. Dualer Rundfunk als europarechtliches Problem

123

halt. Teilweise geht die Entschließung über das Protokoll noch hinaus: Sie stellt ausdrücklich fest, dass „durch die zunehmende Diversifizierung der in der neuen Medienumwelt angebotenen Programme der allgemeine Auftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten noch größere Bedeutung [erlange]“. Außerdem, dass „für die Erfüllung des Auftrages der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten . . . weiterhin der technologische Fortschritt genutzt werden [müsse]“ und dass „dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine bedeutende Rolle dabei [zukomme], der Öffentlichkeit die Vorteile der neuen audiovisuellen Dienste und Informationsdienste sowie der neuen Technologien nahezubringen“. Die Ansätze der Entschließung zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk hat der Rat mehrfach bekräftigt und sich klar für eine Beibehaltung und Stärkung des dualen Rundfunksystems auch im digitalen Umfeld ausgesprochen.145 Ein aktuelleres Beispiel bildet die Entschließung vom 21. 01. 2002 zur Entwicklung des audiovisuellen Sektors.146 f) Revision der Fernsehrichtlinie Schon am 22. 03. 1995 legte die Kommission einen Vorschlag zur Änderung der Fernsehrichtlinie vor, der unter anderem eine Verschärfung der Quotenregelung vorsah.147 Das Zustandekommen der Änderungsrichtlinie zog sich aber dennoch bis zum 30. 06. 1997 hin.148 Die wohl bedeutendste Neuerung durch die Änderungsrichtlinie 97/36/EG ist die auf Betreiben des EP erfolgte Einfügung des Art. 3a.149 Dieser sieht, wie bereits erwähnt, vor, dass die Mitgliedstaaten es „im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht“ verhindern dürfen, dass ihrer Rechtshoheit unterliegende Fernsehveranstalter Ereignisse, denen der betreffende Mitgliedstaat eine erhebliche gesellschaftliche Bedeutung beimisst, exklusiv an ihre Teilnehmer übertragen und dadurch dem frei empfangbaren Fernsehen entziehen.150

145

Näher Scheuer/Strothmann, MMR 2001, 576 ff. (585 m. w. N.). Vgl. ABl. C Nr. 32 vom 05. 02. 2002, S. 4 ff. (5). 147 ABl. Nr. C 185 vom 19. 07. 1995, S. 4; vgl. auch Dörr (NJW 1995, 2264) und Knothe/Bashayan (AfP 1997, 849 ff. (854)), die auf die diesbezüglichen Vorarbeiten durch die Mitteilung der Kommission „Europas Weg in die Informationsgesellschaft – ein Aktionsplan“ hinweisen. 148 Nachweise zu den einzelnen vorbereitenden Rechtsakten bei EMR (Hrsg.) Europäisches Medien- und Telekommunikationsrecht, S. 41. 149 Daneben wurde das Sendestaatsprinzip präzisiert, der Rechtsschutz verbessert und die Regelungen über Werbung und Sponsoring teilweise geändert; näher: SchmittVockenhausen, ZUM 1998, 377 ff. 150 Vorbild dieser Richtlinienregelung war eine Regelung des britischen Broadcasting Act 1990 (vgl. Knothe/Bashayan, AfP 1997, 849 ff. (856)). 146

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

Für den Zusammenhang dieser Arbeit ebenso interessant sind die von Kommission und/oder EP vorgeschlagenen Änderungen, die in die Richtlinie letztlich nicht aufgenommen wurden: Zunächst konnte sich die von der Kommission vorgeschlagene Verschärfung der Quotenregelung nicht durchsetzen. Im Hinblick auf die Rundfunkfreiheit ist dies ein Erfolg, denn staatliche Eingriffe in die freie Programmgestaltung wurden abgewendet.151 Für die Hersteller europäischer Werke ist das Ausbleiben einer Verschärfung der Quotenregelung jedoch eine Niederlage, die sich auch auf die Fernsehveranstalter negativ auswirken könnte: Es ist zu befürchten, dass, je weniger es den europäischen Inhalteanbietern gelingen wird, sich gegen die mächtige amerikanische Konkurrenz zu behaupten, die europäischen Fernsehveranstalter auf immer weniger genuin europäische Produktionen werden zurückgreifen können. Hierdurch entsteht die Gefahr einer Abnahme der kulturellen Vielfalt im europäischen Fernsehen. Eine Verschärfung der Quotenregelung hätte dazu beitragen können, die Position der europäischen Anbieter auf dem Markt für Inhalte zu stärken, und damit den Fernsehveranstaltern Auswahlmöglichkeiten bei der Zusammenstellung ihrer Programme zu erhalten. Auch aus deutscher Sicht kann die fehlende Verschärfung der Quotenregelung daher nicht uneingeschränkt als Erfolg gesehen werden.152 Das EP hatte in seiner Stellungnahme zum Kommissionsvorschlag einige Änderungen der Richtlinie zur Stärkung der Position öffentlich-rechtlicher Veranstalter vorgeschlagen.153 Insbesondere folgende zwei Erwägungsgründe sollten in die Richtlinie aufgenommen werden: „Erwägung 12a: Es ist ein öffentlich-rechtlicher Dienst erforderlich, um den Ausdruck kultureller Vielfalt und die Qualität der Programme zu gewährleisten. Er kann durch öffentlich-rechtliche Sender oder durch private Sender angeboten werden, die einen Vertrag mit staatliche Stellen geschlossen haben. Erwägung 13a: Die öffentlich-rechtlichen Sender sind eine Ausdrucksform der kulturellen Vielfalt der Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und nehmen daher im Vergleich zu den kommerziellen Sendern einen besonderen Platz ein.“ Beide Erwägungen finden sich in der endgültigen Neufassung der Fernsehrichtlinie nicht wieder. Die Einfügung der Erwägung 12a verwarf der Rat mit der Begründung, eine derartige Änderung falle nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie.154 Dies scheint auf den ersten Blick eine Niederlage für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Europa zu sein. Man darf sich jedoch nicht täuschen lassen: Wäre Erwägung 12a in die Fernsehrichtlinie eingefügt worden, 151 152 153 154

So auch Schmitt-Vockenhausen, ZUM 1998, 377 ff. (378 f.). So aber Schmitt-Vockenhausen, ZUM 1998, 377 ff. (378). ABl. Nr. C 65 vom 04. 03. 1996, S. 96 ff. ABl. Nr. C 264 vom 11. 09. 1996, S. 52 ff.

I. Dualer Rundfunk als europarechtliches Problem

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hätte dies vor allem die Position der deutschen privaten Veranstalter gestärkt, denn die Frage, ob private Rundfunkveranstalter in der Lage sind, den „öffentlich-rechtlichen Dienst“ (i. e. die Grundversorgung) zu erfüllen, wurde jedenfalls in Deutschland bisher verneint.155 Ferner ist die Einfügung des Rundfunkprotokolls in den EGV eine weit effektivere Stärkung des europäischen öffentlichrechtlichen Rundfunks, als es eine Änderung der Fernsehrichtlinie i. S. d. Erwägung 13a gewesen wäre, denn das Rundfunkprotokoll ist Primärrecht.156 Das weitere Schicksal der Fernsehrichtlinie ist noch unklar. Angesichts der zunehmenden Konvergenz wird darüber diskutiert, die Richtlinie in eine technologisch neutrale „Content-Richtlinie“ umzuwandeln, die alle elektronisch übermittelten Inhalte erfassen soll.157 g) Der Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und Dienste Die Phänomene der Digitalisierung und der Konvergenz sind, wie schon angedeutet, mittlerweile Gegenstand einiger Rechtssetzungsmaßnahmen der Gemeinschaft geworden. Es handelt sich um vier Richtlinien und eine Entscheidung,158 durch die ein gemeinschaftsrechtlicher Rechtsrahmen für das zusammengewachsene technische Umfeld für Informationstechnik, Rundfunk und Telekommunikation geschaffen werden soll. Diese sämtlich auf Art. 95 EG gestützten Regelungen erfassen lediglich die Übertragung, nicht jedoch die übertragenen Inhalte, insbesondere Rundfunk, und lassen daher „alle Maßnahmen unberührt, die auf Gemeinschaftsebene oder im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht auf der Ebene der Mitgliedstaaten in Bezug auf diese Dienste getroffen werden, um die kulturelle und sprachliche Vielfalt zu fördern und die Wahrung des Pluralismus in den Medien sicherzustellen“.159 Die Inhaltsneutra-

155

s. o. A. III. 3. e). Näher dazu sogleich B. II. 1. a). 157 Näher zum gegenwärtigen Stand die „Mitteilung der Kommission über die Zukunft der europäischen Regulierungspolitik im audiovisuellen Bereich“ KOM (2003), 784; vgl. auch A. König, ZUM 2002, 803 (807 ff.). 158 RL 2002/19/EG über den Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung (Zugangsrichtlinie), RL 2002/20/EG über die Genehmigung elektronischer Kommunikationsnetze und -dienste (Genehmigungsrichtlinie), RL 2002/21/EG über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste (Rahmenrichtlinie) und RL 2002/22/ EG über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten (Universaldienstrichtlinie); Entscheidung Nr. 676/2002/EG über einen Rechtsrahmen für die Funkfrequenzpolitik in der Europäischen Gemeinschaft (Frequenzentscheidung); vgl. ABl. Nr. L 108 vom 24. 04. 2002, S. 1–77; zusammenfassend hierzu Monopolkommission, Hauptgutachten 2000/2001, Tz. 4 ff. 159 So wörtlich der fünfte Erwägungsgrund der Rahmenrichtlinie RL 2002/21/EG, ABl. Nr. L 108 vom 24. 04. 2002, S. 33; vgl. auch Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie (ABl. 156

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

lität geht allerdings nicht soweit, dass Verbindungen zwischen Übertragung und Inhalt gänzlich außer Betracht blieben. So erkennt die „Rahmenrichtlinie“ RL 2002/21/EG ausdrücklich an, dass diese Verbindungen zur Gewährleistung des Pluralismus der Medien, der kulturellen Vielfalt und des Verbraucherschutzes zu berücksichtigen sind.160 Die Frequenzentscheidung betont, dass Frequenzpolitik nicht allein auf technischen Parametern beruhen dürfe, sondern auch wirtschaftliche, politische, kulturelle, gesundheitliche und soziale Überlegungen beachten und miteinander in Einklang bringen müsse.161 Außerdem solle diese Politik zur Gewährleistung des Rechts auf freie Meinungsäußerung, das auch die Freiheit und Vielfalt der Massenmedien umfasse, beitragen.162 Das den Regelungen gemeinsame Ziel ist es, Offenheit und Diskriminierungsfreiheit des Zugangs zu technischer Infrastruktur zu gewährleisten. Im Bereich des digitalen Fernsehens wird dieses Ziel anknüpfend an frühere Regelungen in der Richtlinie 95/47/EG163 dadurch verfolgt, dass sich die Mitgliedstaaten dafür einsetzen sollen, dass die Anbieter digitaler interaktiver und erweiterter Fernsehdienste deren Interoperabilität sicherstellen, und eine offene Anwendungsprogramier-Schnittstelle verwenden.164 Außerdem sollen die Mitgliedstaaten dafür Sorge tragen, dass alle Anbieter von Zugangsberechtigungsdiensten, die Zugangsdienste für digitalen Rundfunk bereitstellen, auf die die Sendeanstalten angewiesen sind, allen Anstalten Zugang zu fairen, angemessenen und nichtdiskriminierenden Bedingungen gewähren.165 Über die möglicherweise veränderte Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der digitalen Welt enthalten die Regelungen keinerlei dezidierte Aussagen. Der Regelungsspielraum der Mitgliedstaaten im Bereich der audiovisuellen Medien und des Pluralismus, wird von den Regelungen jedoch, wie dargelegt, nicht angetastet. Die Mitgliedstaaten sind also auch in diesem neuen gemeinschaftlichen Regelungsumfeld in der Lage, die besondere Funktion des

Nr. L 108 vom 24. 04. 2002, S. 38); ähnlich Art. 1 Abs. 4 der Frequenzentscheidung Nr. 676/2002/EG, ABl. Nr. L 108 vom 24. 04. 2002, S. 5. 160 Vgl. den fünften Erwägungsgrund, ABl. Nr. L 108 vom 24. 04. 2002, S. 34. 161 Vgl. den achten Erwägungsgrund der Entscheidung Nr. 676/2002/EG, ABl. Nr. L 108 vom 24. 04. 2002, S. 2. 162 Vgl. den dritten Erwägungsgrund der Entscheidung Nr. 676/2002/EG, ABl. Nr. L 108 vom 24. 04. 2002, S. 1. 163 Vgl. ABl. Nr. L 281 vom 23. 11. 1995, S. 51 ff. 164 Vgl. den 31. Erwägungsgrund und Art. 18 der Rahmenrichtlinie RL 2002/21/ EG, ABl. Nr. L 108 vom 24. 04. 2002, S. 37 u. 46; vgl. auch den 33. Erwägungsgrund der Universaldienstrichtlinie RL 2002/22/EG, ABl. Nr. L 108 vom 24. 04. 2002, S. 56; vgl. zur Interoperabilität der für Verbraucher bestimmten Digitalfernsehgeräte auch Art. 24 i.V. m. Anhang 6 der Universaldienstrichtlinie RL 2002/22/EG, ABl. Nr. L 108 vom 24. 04. 2002, S. 65 und 75. 165 Vgl. Art. 6 Abs. 1 i.V. m. Anhang I Teil I b) 2. Spiegelstrich der Zugangsrichtlinie RL 2002/19/EG, ABl. Nr. L 108 vom 24. 04. 2002, S. 13 und 18.

I. Dualer Rundfunk als europarechtliches Problem

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öffentlich-rechtlichen Rundfunks für Demokratie und Kultur zu erhalten. Nach der Universaldienstrichtlinie soll es den Mitgliedstaaten hinsichtlich der Ausstrahlung von Hörfunk- und Fernsehsendungen außerdem auch künftig möglich sein, „in Verfolgung legitimer öffentlicher Interessen den unter ihre Gerichtsbarkeit fallenden Unternehmen angemessene Übertragungspflichten aufzuerlegen“.166 Ferner wird in der Zugangsrichtlinie festgestellt: „Wettbewerbsregeln allein genügen möglicherweise nicht, um im Zeitalter des digitalen Fernsehens kulturelle Vielfalt und Medienpluralismus sicherzustellen“.167 Es spricht daher einiges dafür, dass die Gemeinschaft auch im digitalen Zeitalter darauf bedacht ist, den besonderen Bedingungen im Rundfunksektor in schonender Weise Rechnung zu tragen. h) Rundfunk im Europäischen Verfassungsvertrag Die Europäische Union hat sich 2001 entschlossen, ihre bisher auf drei Verträge verteilte und z. T. schwer durchdringbare Regelungsstruktur aufzulösen und sich statt dessen eine Verfassung zu geben.168 Ein Verfassungskonvent aus Mitgliedern der EU-Organe sowie der mitgliedstaatlichen Regierungen und Parlamente, der vom Europäischen Rat in Laeken 2001 ins Leben gerufen wurde, hat am 20. Juni 2003 den Entwurf eines entsprechenden Verfassungsvertrages vorgelegt. Dieser sieht u. a. die Aufwertung der bisher rechtlich unverbindlichen Grundrechtscharta zu einem vollwertigen Vertragsbestandteil vor, wodurch auch die in Art. 11 Abs. 2 der Grundrechtscharta normierte Medienfreiheit eine Norm des Primärrechts wird.169 Art. 11 Abs. 2 lautet: „Die Freiheit der Medien und ihre Pluralität werden geachtet“. Durch diese Betonung des Vielfaltsgedankens wird das duale Rundfunksystem, das seine Grundlage, wie dargelegt, maßgeblich in verfassungsrechtlichen Überlegungen zur Medien- und Meinungsvielfalt mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk als Vielfaltsgaranten hat, zumindest mittelbar gestärkt.170 Eine noch weiter gehende grundrechtliche Absicherung der dualen Rundfunkordnung, wie sie von einigen Mitgliedern des Verfassungskonvents gefordert worden war,171 ist dem Entwurf des Verfassungsvertrages nicht zu entnehmen.

166 Vgl. den 43. Erwägungsgrund der Richtlinie RL 2002/22/EG, ABl. Nr. L 108 vom 24. 04. 2002, S. 57; vgl. auch Art. 31 dieser Richtlinie (ABl. Nr. L 108 vom 24. 04. 2002, S. 66). 167 Vgl. den zehnten Erwägungsgrund der Richtlinie RL 2002/19/EG, ABl. Nr. L 108 vom 24. 04. 2002, S. 8. 168 Hierzu statt vieler Oppermann, DVBl. 2003, 1 ff. 169 Näher zur Grundrechtscharta, insbesondere zu § 11 s. u. B. VII. 2. b). 170 So i. E. auch Schwarze, AfP 2003, 209 (210 ff.); Bernsdorff, in: Meyer, Art. 11 Rdnr. 18. 171 Vgl. Bernsdorff, in: Meyer, Art. 11 Rdnr. 8.

128

B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

3. Zusammenfassung und Ausblick Nachdem die anfänglich vor allem vom EP praktizierte Differenzierung zwischen öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk im weiteren Verlauf der achtziger Jahre weitgehend vernachlässigt worden war, ist in den neunziger Jahren wieder ein Trend zu verstärkter Differenzierung zu erkennen. Dieser Trend nahm einmal mehr beim EuGH seinen Ausgangspunkt; das Rundfunkprotokoll und seine Bestätigung insbesondere durch die Entschließung des Rates über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk machen ihn besonders deutlich. Man kann hiervon ausgehend die Frage stellen, ob sich eine Art „europäisches duales Rundfunksystem“ abzuzeichnen beginnt.172 Ob man so weit schon gehen kann, ist jedoch zweifelhaft, denn die Existenzberechtigung von privatem und öffentlich-rechtlichem Rundfunk ist zwar nunmehr auch auf Gemeinschaftsebene anerkannt, dies allein reicht aber nicht, um von einem europäischen dualen Rundfunksystem zu sprechen. Dafür wäre es zum einen nötig, dass das Verhältnis der beiden Teile der Rundfunkordnung zueinander stärker herausgearbeitet würde. Zum anderen hat sich die Gemeinschaft bisher vorrangig (in den neunziger Jahren sogar nur noch) mit dem dualen Rundfunksystem auf mitgliedstaatlicher Ebene befasst, seit der Entstehung der Fernsehrichtlinie aber nicht mehr mit der Idee eines dualen Rundfunksystems auf der Gemeinschaftsebene durch Errichtung eines öffentlich-rechtlichen „Gemeinschaftsrundfunks“. Es wäre daher jedenfalls verfrüht, von einer europäischen dualen Rundfunkordnung zu sprechen. Dennoch ist deutlich geworden, dass die Problematik der dualen Rundfunkordnung mittlerweile im Bewusstsein aller Gemeinschaftsorgane präsent ist.

II. Ansatzpunkte zur Begründung einer Sonderstellung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im primären Gemeinschaftsrecht Das deutsche duale Rundfunksystem ist dadurch gekennzeichnet, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk, eine Sonderstellung innehat, die in seinem Grundversorgungsauftrag begründet liegt. Im Folgenden sollen einige Ansatzpunkte im primären Gemeinschaftsrecht dafür aufgezeigt werden, wie diese Sonderstellung auch auf europäischer Ebene berücksichtigt werden kann:

172

So Hoffmann-Riem/Eifert, in: Schwarzkopf, Bd. 1, S. 111.

II. Öffentlich-rechtlicher Rundfunk im primären Gemeinschaftsrecht

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1. Das Rundfunkprotokoll Erster Ansatzpunkt ist jene Stelle des Vertrages, an der der öffentlich-rechtliche Rundfunk ausdrücklich erwähnt wird, das „Protokoll über den öffentlichrechtlichen Rundfunk in den Mitgliedstaaten“. Es lautet: „DIE HOHEN VERTRAGSPARTEIEN – IN DER ERWÄGUNG, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk in den Mitgliedstaaten unmittelbar mit den demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnissen jeder Gesellschaft sowie mit dem Erfordernis verknüpft ist, den Pluralismus in den Medien zu wahren – SIND über folgende auslegende Bestimmung ÜBEREINGEKOMMEN, die dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügt ist: Die Bestimmungen des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft berühren nicht die Befugnis der Mitgliedstaaten, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu finanzieren, sofern die Finanzierung der Rundfunkanstalten dem öffentlich-rechtlichen Auftrag, wie er von den Mitgliedstaaten den Anstalten übertragen, festgelegt und ausgestaltet wird, dient und die Handels- und Wettbewerbsbedingungen in der Gemeinschaft nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt, das dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft, wobei den Erfordernissen der Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrages Rechnung zu tragen ist.“

Dieses Protokoll wurde auf Initiative der belgischen Delegation1 und gegen den Widerstand privater Rundfunkverbände2 als Reaktion auf die Beihilfebeschwerden gegen die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks formuliert. Es ging den Mitgliedstaaten dabei darum, die Finanzierung des öffentlichrechtlichen Rundfunks zusätzlich abzusichern.3 a) Das Rundfunkprotokoll als Primärrecht i. S. d. Art. 311 EG Nach Art. 311 EG sind die dem Vertrag im gegenseitigen Einvernehmen der Mitgliedstaaten beigefügten Protokolle Bestandteil des Vertrages d. h. europäisches Primärrecht. Hiervon wird auch das Rundfunkprotokoll erfasst: Erste Voraussetzung des Art. 311 EG ist, dass die Mitgliedstaaten „im gegenseitigen Einvernehmen“ gehandelt haben. Dies ist Ausdruck des allgemeinen völkerrechtlichen Konsensprinzips.4 Für ein solches Einvernehmen der Mit1

Vgl. Greissinger, S. 144 m. w. N. Die ACT (Association of Commercial Television in Europe) hatte sich gegenüber dem Rat ausdrücklich gegen die Schaffung des Protokolls ausgesprochen (das entsprechende Schreiben liegt dem Verfasser vor). 3 Vgl. Streinz, EuZW 1998, 137 ff. (145). 4 Zum Konsens als Grundlage des Völkerrechts: Verdroß/Simma § 12, Ipsen § 1 Rdnr. 37 ff. Aus dem Erfordernis des gegenseitigen Einvernehmens folgt, dass z. B. das Abkommen über die Sozialpolitik, dem Großbritannien nicht beigetreten ist, kein 2

130

B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

gliedstaaten spricht vor allem der Wortlaut des Protokolls: „DIE HOHEN VERTRAGSPARTEIEN . . . SIND . . . ÜBEREINGEKOMMEN“. Anhaltspunkte für Zweifel am Einvernehmen der Mitgliedstaaten sind nicht ersichtlich. Art. 311 EG erfordert außerdem, dass es sich um ein Protokoll5 und nicht etwa nur um eine der Schlussakte beigefügte Erklärung handelt.6 Im Gegensatz zu den Protokollen i. S. d. Art. 311 EG bilden der Schlussakte beigefügte Erklärungen keinen Bestandteil des Vertrages, sondern lediglich eine Hilfe zu seiner Auslegung.7 Dafür, dass das Rundfunkprotokoll keine bloße Erklärung (wie z. B. die Erklärungen des Amsterdamer Vertrages zum Sport oder zu den öffentlichrechtlichen Kreditinstituten in Deutschland), sondern ein „echtes“ Protokoll i. S. d. Art. 311 EG ist, spricht seine systematische Stellung sowohl im EG-Vertrag selbst, wie auch im Amsterdamer Vertragswerk im Abschnitt über Protokolle.8 Es war ferner die Absicht der Mitgliedstaaten, durch das Protokoll die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks abzusichern. Dies spricht dagegen, das Protokoll als bloße Erklärung zu verstehen, denn eine effektive Absicherung erfordert eine möglichst weitreichende Bindungswirkung. Die Bindungswirkung von Protokollen übersteigt jedoch diejenige von Erklärungen. Das Rundfunkprotokoll erfüllt somit alle Voraussetzungen eines Protokolls i. S. d. Art. 311 EG, d. h. es nimmt als verbindliche Nebenurkunde9 den gleichen Rang ein wie die übrigen Vorschriften des Vertrages.10 Es steht gleichberechtigt z. B. neben den Grundfreiheiten und ist bindend für alle Gemeinschaftsorgane einschließlich des EuG und des EuGH.11 Es könnte nur im Verfahren der Vertragsänderung (Art. 48 EUV) geändert werden, und jeder Rechtsakt, der mit dem Protokoll unvereinbar ist, ist eine Vertragsverletzung.12 Bestandteil des EGV ist (vgl. Schmalenbach, in: Calliess/Ruffert, Art. 311 EG FN 7). Entschiede man anders, ergäbe sich ein „Europa der zwei Geschwindigkeiten“ noch über die Art. 43 ff. EUV hinaus. 5 Der Begriff „Protokoll“ beinhaltet allerdings keine rechtliche Qualifikation (vgl. Vedder, in: Grabitz/Hilf, Art. 239 EGV Rdnr. 5 m. w. N.). 6 Vgl. Kokott, in: Streinz, Art. 311 EG Rdnr. 7; Booß, in: Lenz/Borchardt, Art. 311 EG Rdnr. 5; Geiger, Art. 239 EGV Rdnr. 4. 7 Teilweise wird diesbezüglich auf Art. 31 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge abgestellt (so Booß, in: Lenz/Borchardt, Geiger jeweils ebd. und Schmalenbach, in: Calliess/Ruffert, Art. 311 Rdnr. 3). 8 Vgl. Greissinger, S. 145 m. w. N. 9 Vgl. Kokott, in: Streinz, Art. 311 EG Rdnr. 3; Schmalenbach, in: Calliess/Ruffert, Art. 311 EG Rdnr. 2; Greissinger, S. 145. 10 Vgl. allgemein Kokott, in: Streinz, Art. 311 EG Rdnr. 5; Vedder, in: Grabitz/Hilf, Art. 239 EGV Rdnr. 5; a. A. wohl Schwarze (EuZW, 2001, 334 (337)): „Zu einigen Einzelbereichen der Daseinsvorsorge gibt es Sonderregeln . . ., die unterhalb der Schwelle eigentlicher Vertragsregeln verbleiben. Ich verweise insbesondere auf das . . . Protokoll Nr. 32 über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk . . .“ (Hervorhebung v. Verf.). 11 Vgl. Greissinger, S. 145 m. w. N.

II. Öffentlich-rechtlicher Rundfunk im primären Gemeinschaftsrecht

131

b) Das Rundfunkprotokoll als auslegende Bestimmung Seinem Wortlaut nach ist das Rundfunkprotokoll eine „auslegende Bestimmung“. Diese „Selbstbeschreibung“ ist bemerkenswert, denn interpretativen Gehalt haben zwar auch andere Protokolle des EG-Vertrages (z. B. Nr. 16, 17, 20, 21, 22, 30, 31 und 3313), allein das Rundfunkprotokoll bezeichnet sich aber auch als „auslegende Bestimmung“. Hieraus folgt, dass das Protokoll nie isoliert, sondern stets nur im Zusammenhang mit anderen Bestimmungen des Vertrages Anwendung finden kann. Dies bedeutet allerdings nicht, dass das Rundfunkprotokoll keinen eigenständigen Regelungsgehalt hätte.14 Der Regelungsgehalt ist die Statuierung einer Auslegungsregel, die etwas einfacher gefasst lautet: „Die Mitgliedstaaten verstoßen nicht gegen den EG-Vertrag, wenn sie die Erfüllung des „ihrem“ öffentlich-rechtlichen Rundfunk auferlegten Auftrags finanzieren, es sei denn die Finanzierung beeinträchtigt die Handels- und Wettbewerbsbedingungen in solchem Maße, dass dies gemessen am gemeinsamen Interesse „unerträglich“ ist. Ob die Rundfunkfinanzierung eines Mitgliedstaates in diesem Sinne „unerträglich“ ist, ist in Abwägung mit dem Erfordernis der Erfüllung des genannten Rundfunkauftrages zu bestimmen.“.15 Besonders hervorzuheben ist der letzte Teil des Protokolls, der klarstellt, dass in der Abwägung zwischen Gemeinschaftsinteresse und Interesse an der Erfüllung des Rundfunkauftrages kein Interesse automatisch Vorrang hat. Diese Abwägungsklausel ist der entscheidende Unterschied zwischen dem Protokoll und Art. 86 Abs. 2 S. 2 EG sowie Art. 87 Abs. 3 lit. d) EG.16 Als „auslegende Bestimmung“ führt das Rundfunkprotokoll außerdem die Beziehung zwischen Gemeinschaftsrecht und Völkerrecht vor Augen, denn es stellt nicht nur eine Vertragsänderung, sondern zugleich eine gemeinschaftsrechtliche Sonderform des völkervertragsrechtlichen Instituts der „authentischen Interpretation“ dar: Im Völkervertragsrecht wird die übereinstimmende Auslegung eines Vertrages durch alle Vertragsparteien als „authentische“ Interpretation bezeichnet.17 Die Zulässigkeit dieser Art der Interpretation ist Ausdruck der Souveränität der Vertragsparteien („Herren der Verträge“) und des Konsensprinzips.18 Authenti-

12

Allgemein hierzu statt vieler: Booß, in: Lenz/Borchardt, Art. 311 EG Rdnr. 1. Zitiert nach der nichtamtlichen Numerierung in Sartorius II „Internationale Verträge – Europarecht“, Nr. 151. 14 So aber Greissinger, S. 147; ähnlich: Stellungnahme der Rechtsanwälte Kornmeier, Schardt & Schulz im Auftrag des VPRT (vgl. http://europa.eu.int/ISPO/conver gencegp/vprtan2.html), S. 2. 15 Näher hierzu sogleich sub c). 16 So auch Eberle, in: FS Brohm, S. 53 f. 17 Vgl. nur Verdross/Simma § 774 f. 13

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

sche Interpretationen sind allerdings häufig schwer von (stillschweigenden) Vertragsänderungen abzugrenzen. Die Anwendung der authentischen Interpretation im Gemeinschaftsrecht ist jedoch, wie bei der Übertragung von Regeln des allgemeinen Völkerrechts auf das Gemeinschaftsrecht19 üblich, nur unter Beachtung europarechtlicher Besonderheiten möglich:20 Bei der Verteilung der Auslegungskompetenzen zwischen Vertragsparteien und Vertragsorganen unterscheiden sich die supranationalen Europäischen Gemeinschaften und andere durch völkerrechtlichen Vertrag gegründeten internationalen Organisationen wie z. B. die VN. Die VN-Charta ist zwar ebenfalls ein völkerrechtlicher Vertrag, der durch ein vertraglich eigens vorgesehenes Gericht, den IGH, ausgelegt werden soll. Die Entscheidungen des IGH wirken jedoch nach Art. 59 IGH-Statut nur inter partes.21 Die Entscheidungen von EuGH und EuG hingegen wirken zumindest, wenn es sich um Nichtigkeitsurteile handelt, erga omnes.22 EuGH und EuG haben somit eine stärkere Stellung als andere internationale Gerichte, die derjenigen eines Verfassungsgerichts ähnelt. Diese „justizlastige“ Verteilung der Auslegungskompetenzen in den Gemeinschaftsverträgen darf durch authentische Interpretationen der Verträge nicht ausgehöhlt werden. Daher können authentische Interpretationen der Gemeinschaftsverträge, solange sie sich nicht in „echten“ Vertragsänderungen niederschlagen, grundsätzlich die Gemeinschaftsgerichte nicht binden. Wenn die Mitgliedstaaten eine Regelung des EG-Vertrages dadurch authentisch interpretieren, dass sie diese stets in der selben Weise handhaben, oder z. B. bei der Schaffung einer Richtlinie in diese eine interpretative Protokollerklärung aufgenommen wird,23 können sich EuGH und EuG über diese Interpretation hinwegsetzen. Anders ist die Lage beim Rundfunkprotokoll. Dieses müssen, da es sich nach Art. 311 EG um Primärrecht handelt, auch EuG und EuGH bei ihren Entscheidungen berücksichtigen. Eine Regelung wie das Rundfunkprotokoll stellt damit wohl den einzig denkbaren Fall einer die Gemeinschaftsgerichte bindenden authentischen Interpretation dar, die man als „interpretative Vertragsänderung“ bezeichnen könnte. 18 Vgl. statt vieler Ipsen, § 11 Rn. 2. Das „Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge“ erfasst die authentische Interpretation in Art. 31 Abs. 3 lit. a und b (so auch Verdross/Simma § 775). 19 Näher zu dieser Problematik statt vieler Oppermann, Europarecht, Rdnr. 593 ff. 20 Generell kritisch gegenüber einer stark am Willen der Mitgliedstaaten orientierten Auslegung des Gemeinschaftsrechts Mestmäcker/Engel/Gabriel-Bräutigam/Hoffmann, S. 33 f. m. w. N. 21 Entsprechendes gilt für die Entscheidungen des EGMR nach Art. 46 und 53 EMRK. 22 Vgl. nur Cremer, in: Calliess/Ruffert, Art. 231 EG Rdnr. 2. 23 So geschehen bei der Quotenregelung für europäische Werke in der Fernsehrichtlinie; hierzu: Pechstein, EuR 1990, 249 ff.; Karl, JZ 1991, 593 ff.; Herdegen, ZHR 155 (1991), 54 ff.

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c) Anwendungsbereich und Inhalt des Rundfunkprotokolls Der Anwendungsbereich des Rundfunkprotokolls lässt sich aus seinem Wortlaut ableiten, nach dem sich das Protokoll auf „Die Bestimmungen des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft . . .“ bezieht. Die durch das Protokoll aufgestellte Auslegungsregel gilt somit bei der Auslegung aller Bestimmungen des EG-Vertrages,24 nicht etwa nur im Beihilfenrecht oder nur bei den Grundfreiheiten. Für andere Regelungen des primären Gemeinschaftsrechts wie z. B. diejenigen des EU-Vertrages gilt das Protokoll nicht. Der Wortlaut des Protokolls schränkt seinen Anwendungsbereich aber noch weiter ein, denn das Protokoll behandelt nur die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Die Sendetätigkeit und andere, das Programm betreffende Fragen werden daher durch das Protokoll nicht erfasst.25 Über den Inhalt des Rundfunkprotokolls im Übrigen bestehen verschiedene Ansichten: Klar ist zunächst, dass durch die Erwägungen in der Einleitung zum Protokoll die wichtige Funktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für Kultur,26 Demokratie und Meinungspluralismus betont wird. Dieses Ergebnis hatte im Wesentlichen schon die Befassung der Gemeinschaft mit Rundfunk vor Schaffung des Protokolls erbracht. Aus dem historischen Zusammenhang der Entstehung des Rundfunkprotokolls mit den Beihilfebeschwerden privater Rundfunkveranstalter wird z. T. hergeleitet, es habe die Frage, ob Rundfunkgebühren Beihilfen seien, positiv beantwortet.27 Dies ist unzutreffend, weil sich dem Wortlaut des Protokolls diesbezüglich nichts entnehmen lässt und auch deswegen, weil das Protokoll eine auslegende Bestimmung ist, d. h. ausdrücklich keine Entscheidung treffen will. Eine solche Interpretation des Protokolls widerspricht auch seinem erkennbaren Sinn und Zweck, die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gemeinschaftsrechtlich abzusichern. Würde durch das Protokoll klargestellt, dass Teile der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Beihilfen sind, obwohl dies vorher umstritten war,28 wäre das genaue Gegenteil erreicht. Unzutreffend ist aber auch die Annahme, das Protokoll habe die Frage nach der Beihilfenqualität der Rundfunkgebühren negativ beantwortet.29 Hätten die „Herren 24

So auch Greissinger, S. 147; a. A. wohl Zeller, S. 234 f. So auch Zeller, S. 238 f. 26 Zum Zusammenhang zwischen dem Rundfunkprotokoll und Art. 151 Ress/Ukrow, in: Grabitz/Hilf, Art. 151 EG Rdnr. 33. 27 So Damm, S. 168. 28 Näher s. u. B. VI. 29 So Dörr, in: Eberle/Rudolf/Wasserburg, S. 56; Poll, S. 387; Stellungnahme der Rechtsanwälte Kornmeier, Schardt & Schulz im Auftrag des VPRT (vgl. http:// europa.eu.int/ISPO/convergencegp/vprtan2.html), S. 7; tendenziell auch Eberle, in: FS Brohm, S. 53. 25

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der Verträge“ die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ein für allemal vom Beihilfenregime ausnehmen wollen, hätten sie z. B. Art. 87 Abs. 2 EG um eine entsprechende Klausel ergänzen oder eine Vorschrift ähnlich Art. 73 EG einführen können.30 Dass sie dies nicht getan haben, beweist, dass eine „Totalexemption“ vom Beihilfenrecht nicht gewollt war. Wie im beihilferechtlichen Teil dieser Arbeit noch zu zeigen sein wird [B. VI.] bedeutet dieser Befund jedoch nicht, dass das Rundfunkprotokoll im Beihilfenrecht ohne Wirkung bliebe. In der Literatur wird teilweise angenommen, das Protokoll stelle nicht nur die Befugnis der Mitgliedstaaten klar, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk in ihrem Gebiet einen „öffentlich-rechtlichen“ Auftrag zu übertragen, ihn festzulegen und auszugestalten, sondern verpflichte die Staaten zugleich dazu, dies zu tun. Außerdem unterliege die Festlegung dieses Auftrages einer europäischen Überprüfung. Nur wenn die Finanzierung des Auftrags die Handels- und Wettbewerbsbedingungen nicht entgegen dem gemeinsamen Interesse beeinträchtige, sei die mitgliedstaatliche Regelung europarechtskonform.31 Diese Ansicht ist schon deswegen problematisch, weil sie aus einer „auslegenden“ eine konstitutive Bestimmung macht, denn die Mitgliedstaaten zu einem Tun verpflichten könnte das Protokoll unmittelbar nur, wenn es eine solche konstitutive Bestimmung wäre. Ferner spricht der Wortlaut des Protokolls gegen eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Auftragsfestlegung: Die Finanzierung muss dem Auftrag dienen „wie er von den Mitgliedstaaten . . . übertragen festgelegt und ausgestaltet wird“. Aus dieser Formulierung folgt, dass, auch wenn die Mitgliedstaaten den Auftrag unklar oder gar nicht festlegen, die Finanzierung des öffentlichrechtlichen Rundfunks nicht unzulässig sein muss. Wenn Mitgliedstaaten den Rundfunkauftrag nicht festlegen, können die Gemeinschaftsorgane sie hierzu nicht anhalten. Die Staaten können sich dann allerdings nur auf andere Bestimmungen des EG-Vertrages zur Rechtfertigung der Finanzierung des öffentlichrechtlichen Rundfunks berufen, nicht auf das Protokoll. Dadurch übt, insoweit ist die Literaturansicht zutreffend, das Protokoll mittelbar Druck auf die Mitgliedstaaten zur Festlegung des Rundfunkauftrages aus32. 2. Art. 86 Abs. 2 EG Gemäß Art. 86 Abs. 2 EG gelten für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut sind, die Vorschriften des 30

So i. E. auch Zeller, S. 236 f. Vgl. Greissinger, S. 149 f.; Neun, S. 342 f. m. w. N.; i. E. auch Stellungnahme der Rechtsanwälte Kornmeier, Schardt & Schulz im Auftrag des VPRT (vgl. http:// europa.eu.int/ISPO/convergencegp/vprtan2.html), S. 3 ff. 32 So i. E. auch Zeller, S. 242. 31

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EG-Vertrages nur, soweit ihre Anwendung nicht die Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindert. Soweit diese Ausnahmeklausel zugunsten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter eingreift, ist es möglich, ihre verfassungsrechtlich begründete Sonderstellung trotz der Vorgaben des Europarechts zu erhalten: a) Unternehmensqualität des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland Der EuGH sieht in st. Rspr.33 als Unternehmen i. S. d. Art. 81 ff. EG „jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit, unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung“34 an, versteht den Begriff also funktional.35 Außerdem lässt sich der Begriff negativ abgrenzen: Private Einzelpersonen können, soweit sie am Markt nur als Konsumenten auftreten, ebensowenig Unternehmen sein wie der Staat, wenn er, ohne ein öffentliches Unternehmen zwischenzuschalten, wirtschaftlich handelt.36 Eine weitere Auslegung des Unternehmensbegriffs ist entgegen der wohl h. M. nach der Systematik des EGVertrages nicht notwendig, weil der Staat ohnehin aufgrund Art. 10 Abs. 2, 3 Abs. 1 lit. g) EG nicht gegen die Wettbewerbsvorschriften verstoßen darf. Die Tätigkeit der deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist zwar vorrangig nicht wirtschaftlich, sondern kulturell und demokratisch motiviert. Dennoch kann man ihr eine wirtschaftliche Komponente nicht absprechen, denn die Anstalten erbringen schon aufgrund ihrer teilweisen Werbefinanzierung und des auch von ihnen betriebenen Handels mit Programmrechten entgeltliche Leistungen.37 Die deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sind daher als Unternehmen anzusehen. b) Praxis der Gemeinschaftsorgane zur Anwendbarkeit des Art. 86 Abs. 2 EG Seit längerem ist in der Praxis der Gemeinschaftsorgane nahezu unumstritten, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Unternehmen i. S. d. Art. 86 Abs. 2 EG sind. Der EuGH hat in seiner Rechtsprechung mehrfach angenom33

Vgl. die Nachweise bei Jung, in: Calliess/Ruffert, Art. 86 EG Rdnr. 11. Formulierung nach Rs. C-41/90 (Höfner und Elser), Slg. 1991, S. I-1979 ff., Rdnr. 21 des Urteils. 35 Vgl. Hochbaum/Klotz, in: von der Groeben/Schwarze, Art. 86 EG Rdnr. 6. 36 Letzteres nimmt aber die wohl h. M. an: vgl. u. a.: Rs. C-92/91 (Taillandier), Slg. 1993, S. I-5383 ff., Rdnr. 14 des Urteils; Stockenhuber, in: Grabitz/Hilf, Art. 81 EG Rdnr. 68; Emmerich, in: Immenga/Mestmäcker, EG-Wettbewerbsrecht, Bd. 1, S. 132. 37 Vgl. bezogen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk allgemein schon GA Reischl in Rs. 155/73 (Sacchi), Slg. 1974, 409 ff. (443), ihm folgend Rdnr. 12 ff. des Urteils. 34

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men, dass Art. 86 Abs. 2 EG zugunsten öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten eingreifen kann.38 Das EuG teilt diese Sicht.39 Auch die Kommission wendet in ständiger Praxis Art. 86 Abs. 2 EG auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk an.40 Von allen Gemeinschaftsorganen werden allerdings die Tatbestandsmerkmale des Art. 86 Abs. 2 EG zumeist nicht im Detail geprüft. Konkret bezogen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland hatten die Gemeinschaftsgerichte bisher kaum Gelegenheit, Art. 86 Abs. 2 EG zu prüfen. Nur die Kommission hat in ihrer Entscheidung zur Gebührenfinanzierung von Phönix und Kinderkanal festgestellt, dass die Veranstaltung dieser Programme unter Art. 86 Abs. 2 EG fiele.41 Bisher nicht entschieden ist somit insbesondere, ob die Veranstaltung derjenigen Programme, die der Grundversorgung zuzurechnen sind, von Art. 86 Abs. 2 EG erfasst wird. c) Sicht der Literatur und Stellungnahme Die Literatur hat sich den Gemeinschaftsorganen überwiegend angeschlossen.42 Teilweise wird jedoch auch angenommen, Art. 86 Abs. 2 EG sei auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht anwendbar, weil Tätigkeiten von überwiegend gesellschaftspolitischer und kultureller Natur nicht als Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse i. S. d. Art. 86 Abs. 2 EG anzusehen seien.43 Diese letztere Sicht kann sich nur vordergründig auf den Wortlaut des Art. 86 Abs. 2 EG berufen: Abgesehen davon, dass der Wortlaut von EG-Vertragsbestimmungen zu ihrer Auslegung nur in begrenztem Umfang herangezogen werden kann,44 schließt er es konkret bei Art. 86 Abs. 2 EG nicht aus, unter Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse auch solche zu 38 Vgl. nur Rs. 155/73 (Sacchi), Slg. 1974, Rdnr. 15; Rs. C-260/89 (ERT), Slg. 1991, 2925 ff., Rdnr. 33. 39 Rs. T-266/97 (VTM), Slg. 1999, S. II-2329 ff., Rdnr. 120 des Urteils. 40 Vgl. nur Mitteilung „Grundsätze und Leitlinien für die audiovisuelle Politik der Gemeinschaft im digitalen Zeitalter“ (KOM (1999) 657 endg.), S. 15; anders noch Grünbuch „Fernsehen ohne Grenzen“ (KOM 1984 (300) endg.), S. 196 f.; vgl. auch Mestmäcker, in: FS Zacher, S. 635 ff. (644 f.). 41 Entscheidung NN 70/98 (Phoenix und Kinderkanal), S. 9 ff. 42 Vgl. bezogen auf den Rundfunk: Kugelmann, S. 232 ff.; Petersen, S. 88 ff.; Oppermann, Beihilfen, S. 42 ff., Selmer/Gersdorf, S. 41 ff.; Damm, S. 133 ff.; Dörr/ Cloß, ZUM 1996, 105 ff. (109); Schwarze, ZUM 2000, 779 ff. (790 f.); Frey, ZUM 1999, 528 ff. (534 ff.); König/Kühling, EuZW 2000, 197 (202); Dörr, K & R, 2001, 233 ff. (236); jeweils m. w. N. 43 Vgl. Ruttig, S. 139 ff.; Stellungnahme der Rechtsanwälte Kornmeier, Schardt & Schulz im Auftrag des VPRT (vgl. http://europa.eu.int/ISPO/convergencegp/vprtan2. html), S. 9; zweifelnd auch Pernice/Wernicke, in: Grabitz/Hilf, Art. 86 EG Rdnr. 40. 44 Statt vieler Borchardt, in: Lenz/ders., Art. 220 EG Rdnr. 15 m. w. N.

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verstehen, die nicht ausschließlich, aber zumindest auch wirtschaftlichen Interessen dienen.45 Aus der Systematik des Art. 87 EG bzw. genauer aus der Existenz des Art. 87 Abs. 3 lit. d) EG folgt ebenso wenig, dass kulturelle Belange von wirtschaftlichen Belangen im Bereich des EG-Wettbewerbsrechts klar zu trennen wären: Art. 87 Abs. 3 lit. d) EG ermöglicht eine Befreiung vom Beihilfenverbot für Beihilfen im kulturellen Bereich. Wären mit dieser Befreiungsmöglichkeit nur Tätigkeiten angesprochen, die ausschließlich kulturellen Belangen dienen, wäre sie sinnlos, denn Art. 87 Abs. 3 lit. d) EG kann nur eingreifen, wenn eine Beihilfe i. S. d. Art. 87 Abs. 1 EG vorliegt. Letzteres setzt jedoch voraus, dass eine (zumindest auch) wirtschaftliche Tätigkeit vorliegt, weil nur eine solche den Wettbewerb verfälschen kann. Wird jemand gefördert, der gar nicht am Wettbewerb teilnimmt, sondern ausschließlich kulturell tätig ist,46 kann dies den Wettbewerb nicht verfälschen. Art. 87 Abs. 3 lit. d) EG ist somit gerade Beweis dafür, dass das EG-Wettbewerbsrecht auch Tätigkeiten erfasst, die zugleich wirtschaftlichen und kulturellen Belangen dienen. Es reicht daher auch für die Anwendbarkeit des Art. 86 Abs. 2 EG aus, wenn die Dienstleistung eines Unternehmens nicht nur, aber zumindest auch wirtschaftlichen Interessen dient.47 Dass die Leistungen des deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunks auch wirtschaftlichen Interessen dienen, und somit Art. 86 Abs. 2 EG anwendbar sein kann, ergibt sich nicht zuletzt aus der Rechtsprechung des BVerfG. Dieses hat mehrfach betont, dass an den privaten Rundfunk hinsichtlich der gegenständlichen Breite seines Programms und der Sicherung gleichgewichtiger Vielfalt geringere Anforderungen gestellt werden dürfen, solange der öffentlichrechtliche Rundfunk die Grundversorgung erfüllt.48 Diese geringeren Anforderungen nützen dem privaten Rundfunk auch wirtschaftlich, da er mehr für das Publikum attraktive Programme veranstalten und dadurch seine Werbeeinnahmen steigern kann. Davon profitiert letztlich die Allgemeinheit, weil die Werbepreise und damit auch die Preise der beworbenen Produkte sinken. Die Grundversorgung durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nützt daher mittelbar auch allgemeinen wirtschaftlichen Interessen. 45 So auch Petersen, S. 90 m. w. N.; a. A. Ruttig, S. 140, der zu unrecht befürchtet, dass ansonsten die Wettbewerbsregeln im Bereich öffentlicher Unternehmen leerzulaufen drohen. Zu Unrecht deswegen, weil ein solches Leerlaufen schon durch das Merkmal „rechtlich oder tatsächlich verhindern“ und die Klausel des Art. 86 Abs. 2 S. 2 EG ausgeschlossen wird. 46 Z. B. ein Schriftsteller erhält einen mit 10000 Euro dotierten „staatlichen“ Literaturpreis: Hierdurch wird der „Wettbewerb zwischen den Schriftstellern“ in keinem Fall i. S. d. Art. 87 Abs. 1 EG verfälscht, denn es besteht kein wirtschaftlicher, sondern ein rein kultureller bzw. publizistischer Wettbewerb. 47 So auch König/Kühling, in: Streinz, Art. 86 EG Rdnr. 46; Neun, S. 339 f. m. w. N.; Zeller, S. 218; i. E. auch Mestmäcker, in: FS Zacher, S. 635 ff. (645). 48 Vgl. BVerfGE 73, 118 (Leitsatz 1, 157 ff.); 83, 238 (Leitsatz 2a), 316 ff.).

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Zweifelhaft könnte noch sein, ob der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse „betraut“ ist: Eine „Betrauung“ i. S. d. Art. 86 Abs. 2 setzt grundsätzlich die Übertragung einer bestimmten Aufgabe durch hoheitlichen Akt voraus.49 Dem deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunk obliegen seine Aufgaben zwar nach Ansicht des BVerfG schon kraft Verfassung, dies ist für die Frage der Anwendbarkeit des Art. 86 Abs. 2 EG aber letztlich bedeutungslos,50 denn die Verfassung ist oberste staatliche Rechtsnorm und damit vorrangig gegenüber anderen staatlichen Hoheitsakten. Wenn jedoch schon ein Hoheitsakt unterhalb der Verfassungsebene für eine Betrauung i. S. d. Art. 86 Abs. 2 EG als ausreichend gilt, muss erst recht eine Betrauung kraft Verfassung zulässig sein. Dass dem Wortlaut des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG keine ausdrückliche Betrauung des öffentlichrechtlichen Rundfunks zu entnehmen ist, spielt ebenfalls keine Rolle, da sich dem Gemeinschaftsrecht nicht entnehmen lässt, dass eine Betrauung nach Art. 86 Abs. 2 EG wörtlich erfolgen muss.51 Dies muss insbesondere im Anwendungsbereich des Rundfunkprotokolls gelten, denn nach ihm wird die Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrages „wie er von den Mitgliedstaaten den Anstalten übertragen [wurde]“ gemeinschaftsrechtlich respektiert. Es ist also prinzipiell allein Sache der Mitgliedstaaten, über die Form der Auftragsübertragung zu entscheiden. Dass der Grundversorgungsauftrag aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG hergeleitet wird, ohne dort ausdrücklich erwähnt zu sein, spricht daher nicht dagegen, ihn als Auftrag i. S. d. Art. 86 Abs. 2 EG anzusehen, mit dem der deutsche öffentlich-rechtliche Rundfunk betraut ist. Außerdem hat das BVerfG die Grundversorgung klar als eine „Pflichtaufgabe“ des öffentlich-rechtlichen Rundfunks angesprochen und die Länder haben sich dem angeschlossen.52 Problematisch könnte allerdings sein, dass die Grundversorgung ein, wie das BVerfG formuliert hat, gegenständlich und zeitlich offener Begriff ist, denn die Kommission legt Art. 86 Abs. 2 EG restriktiv aus und verlangt, dass die betreffende Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse klar als solche definiert wird.53 Zugleich erkennt die Kommission aber an, dass sie die Vorgaben des Rundfunkprotokolls zu beachten hat,54 und, wie oben dargelegt, dass „in Anbetracht des besonderen Charakters der Rundfunkbranche . . . eine „breit gefasste“ Definition, bei der ein bestimmter Sender damit betraut wird, ein aus49

Vgl. nur Ehricke, EuZW 1998, 741 ff. (744) m. w. N. So auch Petersen, S. 87 m. w. N.; a. A. Hain, MMR 2001, 219 ff. (222 f.). 51 So auch Grill, in: Lenz/Borchardt, Art. 86 EG Rdnr. 25; wohl auch Trzaskalik, S. 17 f. 52 So i. E. auch Hain, MMR 2001, 219 (223). 53 So zuletzt in der „Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften über Staatliche Beihilfen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk“, ABl. C 320 vom 15. 11. 2001, S. 5 ff., Nr. 29 i). 54 ABl. C 320 vom 15. 11. 2001, S. 5 ff., Nr. 31 der Mitteilung. 50

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gewogenes und breit gefächertes Programm . . . anzubieten und dabei gewisse Einschaltquoten zu gewährleisten, . . . legitim gemäß Art. 86 Absatz 2 [ist]“.55 Ferner will die Kommission, wie bereits angedeutet, sich bei der Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Auftragsübertragung gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf eine Evidenzkontrolle beschränken.56 Gemessen an diesen Maßstäben erfüllt der Grundversorgungsauftrag die Bestimmtheitserfordernisse des Art. 86 Abs. 2 EG: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk soll sich, wie oben dargestellt [A. III.], so verhalten, dass (kurz gesagt) sowohl in inhaltlicher als auch in technischer Hinsicht eine Grundversorgung für alle mit Rundfunk sichergestellt ist, die keine Mindestversorgung ist und gleichgewichtige Meinungsvielfalt gewährleistet. Eine inhaltlich engere Definition ist angesichts der notwendigen Programmfreiheit der Rundfunkanstalten nicht möglich. Daher spricht die inhaltliche Offenheit des Grundversorgungsauftrages nicht dagegen, ihn als hinreichend bestimmt i. S. d. Art. 86 Abs. 2 EG anzusehen. Ebensowenig spricht die in zeitlicher Hinsicht offene Formulierung des Grundversorgungsauftrages gegen diese Qualifikation,57 denn ohne sie wäre Grundversorgung nicht dauerhaft erfüllbar. Mißbräuche durch derartige Formulierung von Betrauungen kann die Kommission im Übrigen auch im Rahmen ihrer Mißbrauchsaufsicht nach Art. 86 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 EG bekämpfen.58 Im Ergebnis sind die deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten daher i. S. d. Art. 86 Abs. 2 EG als Unternehmen, die mit Leistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut sind, anzusehen. Fraglich ist, ob eine Betrauung i. S. d. Art. 86 Abs. 2 EG auch insoweit anzunehmen ist, als den Rundfunkanstalten durch Gesetz oder Staatsvertrag lediglich die Möglichkeit zur einer bestimmten Aktivität eingeräumt wird.59 Dagegen spricht schon, dass Art. 86 Abs. 2 EG grundsätzlich eng auszulegen ist.60 Auch die Kommission hat jedenfalls in der Entscheidung Phönix/Kinderkanal angenommen, eine Betrauung i. S. d. Art. 86 Abs. 2 EG läge nur vor, wenn der Betraute zu der Erbringung verpflichtet sei.61 Außerdem hätten es letztlich die Un55

ABl. C 320 vom 15. 11. 2001, S. 5 ff., Nr. 33 der Mitteilung. ABl. C 320 vom 15. 11. 2001, S. 5 ff., Nr. 36 der Mitteilung. 57 So aber Hain, MMR 2001, 219 (222 f.). 58 Zu dieser Trzaskalik, S. 17 f. 59 Ablehnend: Hain, MMR 2001, 219 (223 f.); wohl auch EuGH, Rs. 7/82, Slg. 1983, 483 ff., Rdnr. 29 ff.; generell hierzu: Hochbaum/Klotz, in: von der Groeben/ Schwarze, Art. 86 EG Rdnr. 63; Pernice/Wernicke, in: Grabitz/Hilf, Art. 86 EG Rdnr. 42. 60 Vgl. „Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Vorschriften über Staatliche Beihilfen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk“, ABl. C 320 vom 15. 11. 2001, S. 5 ff., Nr. 29; aus der Literatur statt vieler: Hochbaum/Klotz, in: von der Groeben/Schwarze, Art. 86 EG Rdnr. 63 m. w. N. 61 Entscheidung NN 70/98 (Phoenix/Kinderkanal), S. 10. Näher zu dieser Entscheidung s. u. B. VI. 56

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ternehmen selbst in der Hand, ob Art. 86 Abs. 2 EG eingreift, wenn man es als Betrauung ausreichen ließe, dass ihnen eine wirtschaftliche Handlungsoption eingeräumt wird. Dies würde die Rechtssicherheit für Konkurrenten erheblich vermindern. Daher ist von einer Betrauung der Rundfunkanstalten i. S. d. Art. 86 Abs. 2 EG nur insoweit auszugehen, als diese zur Erbringung bestimmter Leistungen staatlicherseits verpflichtet worden sind.62 Unter Art. 86 Abs. 2 EG fällt daher die Programmtätigkeit der Anstalten einschließlich der Spartenprogramme sowie andere Aktivitäten, soweit die Anstalten zu ihnen verpflichtet sind. Inwieweit Regelungen zur Ausgestaltung der dualen Rundfunkordnung durch Art. 86 Abs. 2 EG von den Bestimmungen des Vertrages freigestellt werden können, ist eine Frage des Einzelfalls, die in den folgenden Abschnitten dieser Arbeit zu untersuchen ist. 3. Sonstiges Neben dem Rundfunkprotokoll und Art. 86 Abs. 2 EG kommen für die Begründung einer Sonderstellung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks noch weitere Vorschriften des EG- und auch des EU-Vertrages in Betracht: Insoweit ist zunächst an die in Art. 16 EG durch den Amsterdamer Vertrag neu aufgenommene Vorschrift über Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse zu denken. Nach dieser tragen unbeschadet der Beihilfevorschriften und Art. 86 EG „Gemeinschaft und Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer jeweiligen Befugnisse im Anwendungsbereich [des EG-Vertrages] dafür Sorge, dass die Grundsätze und Bedingungen für das Funktionieren dieser Dienste so gestaltet sind, dass sie ihren Aufgaben nachkommen können.“. Ob der öffentlich-rechtliche Rundfunk unter diese Bestimmung fällt, ist noch nicht endgültig geklärt. In ihrer Mitteilung zur Daseinsvorsorge,63 die die Kommission bezogen auf Art. 16 EG erlassen hat, setzt sie sich zwar auch mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk auseinander und betont seine wichtige Rolle. Unklar bleibt aber, ob die Kommission annimmt, der öffentlich-rechtliche Rundfunk fiele unter Art. 16 EG oder ob der öffentlich-rechtliche Rundfunk in der Mitteilung quasi nur im Wege eines obiter dictums erwähnt wird. Da es aber widersprüchlich wäre, öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Rahmen des Art. 86 Abs. 2 EG als „Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ anzusehen, nicht aber als „Dienst von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ i. S. d. Art. 16 EG, ist davon auszugehen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk auch von Art. 16 EG erfasst wird.64 Außerdem fällt der öffentlich-rechtliche Rundfunk schon auf62 Allerdings sind, wie gesagt, an die Form der Verpflichtung keine zu hohen Anforderungen zu stellen; so i. E. auch Hain, MMR 2001, 219 (223). 63 Vom 20. 09. 2000; KOM (2000) 580 endg., ABl. Nr. C 17 vom 19. 01. 2001, S. 4 ff.

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grund seines essentiellen Beitrags zur freien Meinungsbildung unter die in der Mitteilung über die Daseinsvorsorge für „Leistungen der Daseinsvorsorge“65 gegebene Definition, nach der „marktbezogene oder nichtmarktbezogene Tätigkeiten [erfasst werden], die im Interesse der Allgemeinheit erbracht und daher von den Behörden mit spezifischen Gemeinwohlverpflichtungen verknüpft werden.“ Ferner wird auch in der deutschen Literatur der Rundfunk z. T. der Daseinsvorsorge zugeordnet.66 Nach Art. 16 EG sind somit Gemeinschaft und Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer jeweiligen Kompetenz verpflichtet, die Grundsätze und Bedingungen für das Funktionieren des öffentlich-rechtlichen Rundfunks so zu gestalten, dass dieser seiner (kulturellen und demokratischen) Aufgabe nachkommen kann. Dies verschiebt in der Abwägung zwischen dem Gemeinschaftsinteresse am unverfälschten Wettbewerb und dem mitgliedstaatlichem Interesse an der ungeschmälerten Erfüllung des Auftrags des öffentlich-rechtlichen Rundfunks das Gewicht weiter zugunsten des Rundfunks.67 Schließlich kommt zur Rechtfertigung einer Sonderstellung des öffentlichrechtlichen Rundfunks noch Art. 6 Abs. 3 EU in Frage, wonach die Union die nationale Identität ihrer Mitgliedstaaten achtet.68 Diese Klausel ist zwar schon ihrem Wortlaut nach sehr unbestimmt, ob es deswegen gerechtfertigt ist, sie als bloßen Programmsatz abzutun,69 ist aber eine andere Frage. Hiergegen spricht schon die prominente Stelle des EU-Vertrages, an der sie zu finden ist, denn Art. 6 EU stellt eine der Fundamentalnormen des Gemeinschaftsrechts dar. Die Beachtung der dort niedergelegten Grundsätze ist nach Art. 49 EU Voraussetzung des Beitritts zur EU. Allerdings statuiert Art. 6 EU, wie schon aus seinem Wortlaut folgt („achten“) keinen unbedingten Vorrang der nationalen Identität.70 Außerdem ist Art. 6 Abs. 3 EU, wie sich aus Art. 46 EU ergibt, nicht unmittelbar justitiabel und kann daher nur bei der Auslegung anderer Bestimmungen eine Rolle spielen.71

64 So i. E. auch: Badura, in: Liber amicorum Oppermann, S. 571 ff. (579 ff.); Mestmäcker, in: FS Zacher, S. 635 ff. (640). 65 Anstelle des deutschen Begriffs „Daseinsvorsorge“ ist in der englischen und französischen Fassung der Mitteilung in engerer Anlehnung an den Wortlaut von Art. 16 und 86 EG „services of general interest“ bzw. „services d’intérêt général“ die Rede; hierzu Schwarze, EuZW 2001, 334 ff. (336). 66 Vgl. Flechsig, CR 1999, 327 (329 f.); Mestmäcker, in: FS Zacher, S. 635 ff. (639 f.). 67 So i. E. bezogen auf Leistungen der Daseinsvorsorge allgemein: Badura, in: Liber Amicorum Oppermann, S. 571 ff. (578); Schwarze, EuZW 2001, 334 (336 f.). 68 Hierzu: Zeller, S. 192 ff.; Neun, S. 298. 69 So Greissinger, S. 236. 70 So auch Puttler, in: Calliess/Ruffert, Art. 6 EU Rdnr. 217; i. E. auch: Beutler, in: von der Groeben/Schwarze, Art. 6 EU Rdnr. 200 ff.; Zeller, S. 193. 71 Vgl. Puttler, in: Calliess/Ruffert, Art. 6 EU Rdnr. 218.

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

III. Duales Rundfunksystem und Grundfreiheiten des EG-Vertrages Seit dem Urteil des EuGH in Rs. Sacchi1 ist die Frage, in welcher Weise die Tätigkeiten der Rundfunkveranstalter von den Grundfreiheiten des EG-Vertrages geschützt sind, in der Diskussion. Der folgende Abschnitt befasst sich daher mit der Frage, welche Rolle die Grundfreiheiten für das Verhältnis des öffentlichrechtlichem zum privaten Rundfunk im dualen Rundfunksystem spielen. Hierbei wird auch zu klären sein, inwieweit sich Regelungen zur Ausgestaltung der dualen Rundfunkordnung vor den Grundfreiheiten rechtfertigen lassen: 1. Das deutsche duale Rundfunksystem im Lichte der allgemeinen Grundfreiheitendogmatik a) Unmittelbare Anwendbarkeit und Anwendungsvorrang Wie bereits festgestellt [A. II. 6. b)] hat der EuGH alle Grundfreiheiten für unmittelbar anwendbar erklärt.2 Die Grundfreiheiten begründen, ohne dass ein mitgliedstaatlicher Umsetzungsakt notwendig wäre, subjektiv öffentliche Rechte (u. U. auch Pflichten3) des einzelnen Marktteilnehmers.4 Die Marktteilnehmer können sich, soweit ihr Handeln in den Anwendungsbereich einer Grundfreiheit fällt, vor nationalen und europäischen Behörden sowie Gerichten direkt auf diese Freiheit berufen. Hierbei genießen die Grundfreiheiten Anwendungsvorrang vor allem entgegenstehenden mitgliedstaatlichen Recht, nach h. M. auch vor Verfassungrecht.5 Verstößt mitgliedstaatliches Recht gegen Grundfreiheiten, ist es, soweit es sich nicht grundfreiheitskonform auslegen lässt, also im Einzelfall unanwendbar. 1

Rs. 155/73 (Sacchi), Slg. 1974, S. 409 ff. Zum Warenverkehr: z. B. Rs. C-48/93 (Brasserie du pêcheur), Slg. 1996, S. I1029 ff.; zur Arbeitnehmerfreizügigkeit: z. B. Rs. 41/74 (van Duyn), Slg. 1974, S. 1337 ff.; zur Niederlassungsfreiheit: Rs. 2/74 (Reyners), Slg. 1974, S. 631 ff.; zur Dienstleistungsfreiheit: Rs. 33/74 (van Binsbergen), Slg. 1974, S. 1299 ff.; zur Kapital- und Zahlungsverkehrsfreiheit: verb. Rs. 163/94, 165/94 u. 250/94 (Sanz de Lera), Slg. 1995, S. I-4821 ff. 3 Eine unmittelbare Begründung von Pflichten eines Marktteilnehmers durch die Grundfreiheiten ist die Ausnahme. Der EuGH hat allerdings die Möglichkeit einer „Drittwirkung“ der Grundfreiheiten gegenüber Privaten in einigen Fällen grundsätzlich bejaht (vgl. u. a. Rs. 36/74 (Walrave und Koch), Slg. 1974, S. 1405 ff.; Rs. C-415/93 (Bosman), Slg. 1995, S. I-4921 ff.); näher: B. III. 3. 4 Zur unmittelbaren Geltung des Gemeinschaftsrechts statt aller Oppermann, Europarecht, Rdnr. 629 ff. 5 Vgl. nur Rs. 6/64 (Costa ./. ENEL), Slg. 1964, S. 1251 ff., Rdnr. 9 ff. des Urteils; Rs. 11/70 (Internationale Handelsgesellschaft), Slg. 1970, S. 1125 ff., Rdnr. 3 des Urteils. 2

III. Duales Rundfunksystem und Grundfreiheiten des EG-Vertrages

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Daraus folgt für das deutsche duale Rundfunksystem: Regelungen, die der Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit bzw. des dualen Rundfunksystems dienen sowie Beschränkungen der Rundfunkfreiheit bleiben außer Anwendung, wenn sie gegen Grundfreiheiten verstoßen. Die Grundfreiheiten können daher einen unmittelbaren Gestaltungseffekt für das deutsche duale Rundfunksystem haben. b) Rundfunkveranstalter als Berechtigte der Grundfreiheiten Träger der von den Grundfreiheiten verliehenen Rechte sind private Einzelpersonen und Unternehmen, damit auch private Rundfunkveranstalter. Problematischer ist die Berechtigung der öffentlich-rechtlichen Veranstalter aus den Grundfreiheiten. Art. 48 Abs. 2 EG stellt aber für die Niederlassungsfreiheit klar, dass es für die Berechtigung aus dieser nicht darauf ankommt, ob eine Gesellschaft oder juristische Person öffentlich-rechtlich organisiert ist. Dies gilt über Art. 55 EG auch für die Dienstleistungsfreiheit. Es spricht nichts dagegen, den Gedanken des Art. 48 Abs. 2 EG auch auf die Freiheit des Warenverkehrs sowie die Kapital- und Zahlungsverkehrsfreiheit anzuwenden, da der EG-Vertrag keine Bestimmungen über den subjektiven Anwendungsbereich dieser Grundfreiheiten enthält. Bei den deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist zusätzlich zu bedenken, dass sie staatsfrei organisiert sind. Auch dies spricht dafür, private und öffentlich-rechtliche Rundfunkveranstalter hinsichtlich der Berechtigung aus den Grundfreiheiten gleichzustellen.6 Beide können daher aus Warenverkehrsfreiheit, Niederlassungsfreiheit, Dienstleistungsfreiheit und Kapital- und Zahlungsverkehrsfreiheit berechtigt sein, soweit ihr Verhalten in den objektiven Anwendungsbereich einer dieser Freiheiten fällt. Da der EuGH außerdem festgestellt hat, dass sich auch Arbeitgeber auf die Art. 39 ff. EG berufen können,7 kommt sogar eine Berufung der Rundfunkveranstalter auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit (jedenfalls theoretisch) in Betracht. c) Grundfreiheiten als Beschränkungsverbote Zwar konkretisieren die Grundfreiheiten das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 EG8 und werden daher als spezielle Verbote aller offenen und 6 So i. E. auch Gulich, S. 20 f. bezogen auf die Dienstleistungsfreiheit; unklar Neun, S. 330. 7 Vgl. Rs. C-350/96 (Clean Car), Slg. 1998, S. I-2521 ff., Rdnr. 20 ff. des Urteils. Der EuGH begründet dies im Wesentlichen damit, dass ansonsten ein Mitgliedstaat Art. 39 ff. EG leicht dadurch umgehen könnte, dass er Arbeitgebern die Einstellung eines Arbeitnehmers, der bestimmte Anforderungen nicht erfüllt, verbietet, obwohl an den betreffenden Arbeitnehmer solche Anforderungen wegen Art. 39 ff. EG nicht gestellt werden dürften. 8 Vgl. Eberhartinger, EWS 1997, 43 ff. (43).

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

versteckten Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit verstanden.9 In seiner Rechtsprechung hat der EuGH jedoch alle Grundfreiheiten mittlerweile zu allgemeinen Beschränkungsverboten ausgebaut.10 Verboten ist mit den Worten des EuGH „jede Handelsregelung der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern“.11 In seinem Urteil in Rs. Gebhard ging der EuGH sogar noch weiter, wenn er feststellte, es sei auch unzulässig, die Ausübung der Grundfreiheiten weniger attraktiv zu machen.12 Alle Grundfreiheiten genießen also grundsätzlich umfassenden Schutz vor staatlicher Beschränkung. Schon daraus folgt die Geltung des Herkunftslandsprinzips13 bzw. (bezogen auf den Rundfunk) des Sendestaatsprinzips: Eine Rundfunksendung ist prinzipiell nur den Regeln des Staates unterworfen, von dem aus sie gesendet wird. Sie beim Grenzübertritt weitergehenden Beschränkungen zu unterwerfen, ist im Anwendungsbereich der Grundfreiheiten grundsätzlich verboten. Das Sendestaatsprinzip ist somit keine Neuschöpfung der Fernsehrichtlinie, sondern gilt bereits kraft Primärrechts. Neben dem Herkunftslands- gilt das Anerkennungsprinzip: Da ein Mitgliedstaat eine grenzüberschreitende wirtschaftliche Tätigkeit, die den Voraussetzungen ihres Herkunftstaates genügt, nicht deswegen beschränken darf, weil sie gegen inländische Vorschriften verstößt, ist er gezwungen, die Vorschriften des Herkunftsstaates wenigstens implizit anzuerkennen.14 Sendelizenzen aus dem EG-Ausland müssen daher auch in Deutschland anerkannt werden. d) Keck-Rechtsprechung – Übertragung auf den Rundfunkbereich Eine wesentliche Einschränkung hat der EuGH durch sein Urteil in Rs. Keck15 vorgenommen. Hiernach sind Regelungen, die sich auf Verkaufsmodali9

Statt vieler Epiney, in: Calliess/Ruffert, Art. 12 EG Rdnr. 7 ff. u. 26. Vgl. für die Warenverkehrsfreiheit: Rs. 8/74 (Dassonville), Slg. 1974, S. 837 ff.; für die Arbeitnehmerfreizügigkeit: Rs.C-415/93 (Bosman), Slg. 1995, S. I-4921; für die Niederlassungsfreiheit: Rs. C-55/94 (Gebhard), Slg. 1995, S. I-4165 ff.; für die Dienstleistungsfreiheit: Rs. 33/74 (van Binsbergen), Slg. 1974, S. 1299 ff.; für die Freiheit des Kapital- und Zahlungsverkehrs ist die Übernahme dieser Rechtsprechung zu erwarten (so i. E. auch Bröhmer, in: Caliess/Ruffert, Art. 56 EG Rdnr. 50 ff.). Am umstrittensten ist/war, ob die Niederlassungsfreiheit ein allgemeines Beschränkungsverbot darstellt (vgl. Gundel, ZUM 2000, 1046 ff. (1048 f. m. w. N.)). 11 Rs. 8/74 (Dassonville), Slg. 1974, S. 837 ff. (852). 12 Rs. C-55/94 (Gebhard), Slg. 1995, S. I-4165 ff., Rdnr. 37 des Urteils; skeptisch, ob der EuGH hierdurch die Niederlassungsfreiheit zum allgemeinen Beschränkungsverbot ausgebaut hat, Lackhoff, S. 357 f.; vgl. auch Rs. C-49/89 (Corsica Ferries), Slg. 1989, S. 4441 ff., Rdnr. 8 des Urteils. 13 Zu diesem statt vieler Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, vor Art. 39–55 EG Rdnr. 99. 14 So auch Eberhartinger, EWS 1997, 43 ff. (44). 10

III. Duales Rundfunksystem und Grundfreiheiten des EG-Vertrages

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täten eines Produkts beziehen, tatbestandlich keine verbotenen Beschränkungen, wenn sie unterschiedslos gelten und den Absatz in- und ausländischer Erzeugnisse rechtlich sowie tatsächlich in gleicher Weise berühren. Später hat der Gerichtshof diese Grundsätze dahingehend präzisiert,16 dass Vorschriften, die den Importeur dazu zwingen, die Ausstattung seiner Erzeugnisse je nach dem Ort des Inverkehrbringens unterschiedlich zu gestalten und dadurch zusätzliche Kosten zu tragen, keine Verkaufsmodalitäten i. S. d. Keck-Formel seien. Eine Übertragung dieser Rechtsprechung auf die Dienstleistungsfreiheit hat der EuGH in Rs. Alpine Investments zurecht erwogen,17 denn es ist schwer begründbar, warum der grenzüberschreitende Dienstleistungshandel vor Beschränkungen besser geschützt sein sollte als der grenzüberschreitende Warenhandel. Auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit, bei der zwischen Regelungen des Berufszugangs und solchen der Berufsausübung zu trennen wäre, wurde die Keck-Rechtsprechung bisher nicht übertragen.18 Für eine Übertragung spricht, dass „die Dienstleistungsfreiheit der Natur der Sache nach mit [der Arbeitnehmerfreizügigkeit des] Art. 48 [EGV] vergleichbar ist“.19 Ferner kann die Aufnahme einer abhängigen Erwerbstätigkeit durch Regeln des Berufszugangs i. d. R. gravierender beeinträchtigt werden, als durch solche der Berufsausübung.20 Außerdem besteht, wendet man die Keck-Grundsätze nicht im Bereich der anderen Grundfreiheiten an, die Gefahr, dass jede mitgliedstaatliche Regelung, die die Handlungsfreiheit im Binnenmarkt zu beeinträchtigen geeignet ist, als Beschränkung der Grund15

Verb. Rs. C-267 u. 268/91 (Keck), Slg. 1993, S. I-6097 ff., Rdnr. 14 ff. des Ur-

teils. 16 Vgl. Rs. C-470/93 (Mars), Slg. 1995, S. I-1923 ff., Rdnr. 11 ff.; hierzu Oppermann, Europarecht, Rdnr. 1293. 17 Vgl. Rs. C-384/93 (Alpine Investments), Slg. 1995, S. I-1141 ff., Rdnr. 33 ff. des Urteils; differenzierend Müller-Graff, in: Streinz, Art. 49 EG Rdnr. 95 f.; ablehnend Tiedje/Troberg, in: von der Groeben/Schwarze, Art. 49 EG, Rdnr. 102 ff. unter m. E. zweifelhafter Bezugnahme auf den Vertragswortlaut; kritisch Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, vor Art. 39–55 EG Rdnr. 110 ff. Vgl. auch Neun (S. 329), der u. a. aus dem Urteil Rs. C-6/98 (ARD ./. Pro 7) ableitet, der EuGH habe eine Übertragung der Keck-Rechtsprechung auf die Dienstleistungsfreiheit abgelehnt. Eine solche Aussage lässt sich dem Urteil jedenfalls nicht zweifelsfrei entnehmen; vgl. jetzt auch Rs. C-463/00 (Kommission ./. Spanien), Slg. 2003, S. I-4581 ff., Rdnr. 58 ff. des Urteils. 18 Der EuGH hat allerdings in Rs. C-415/93 (Bosman) (Slg. 1995, S. I-4921 ff., Rdnr. 103 des Urteils) eine die Arbeitnehmerfreizügigkeit beeinträchtigende Regelung nur deswegen nicht als nach den in Rs. Keck aufgestellten Voraussetzungen gerechtfertigt angesehen, weil diese Voraussetzungen nicht vorlagen; für die Übertragung: GA Lenz (Schlussanträge zu Rs. C-415/93 (Bosman), Slg. 1995, S. I-4921 ff., Rdnr. 197 ff.) und GA Fennelly (Schlussanträge zu Rs. C-190/98 (Graf), Slg. 2000, S. I-493 ff., Rdnr. 18 ff.); gegen die Übertragung: GA Alber (Schlussanträge zu Rs. C-176/96 (Lehtonen), Slg. 2000, S. I-2681 ff., Rdnr. 48 ff. 19 So wörtlich der EuGH in Rs. 36/74 (Walrave und Koch), Slg. 1974, S. 1405 ff., Rdnr. 24 des Urteils. 20 So i. E. auch GA Lenz, Schlussanträge zu Rs. C-415/93 (Bosman), Slg. 1995, S. I-4921 ff., Rdnr. 205 ff.

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

freiheiten angefochten werden kann. Dies würde den Anwendungsbereich der Grundfreiheiten überdehnen.21 Da diese Überlegungen auch für die Niederlassungsfreiheit zutreffen,22 ist anzunehmen, dass bei allen Grundfreiheiten die in Rs. Keck aufgestellten Grundsätze gelten. Bezogen auf das deutsche duale Rundfunksystem stellt sich die Frage, welche Regelungen als „Verkaufsmodalitäten“ i. S. d. Keck-Rechtsprechung anzusehen sein könnten:23 Bei der grenzüberschreitenden Tätigkeiten von Rundfunkveranstaltern ist „Handelsware“ i. d. R. eine Rundfunksendung oder die Sendung einer Werbemitteilung. Eine Beschränkung, die sich unmittelbar auf den Inhalt der Sendung bezieht, ist daher grundsätzlich eine „produktbezogene“ Regelung und kann keine „Verkaufsmodalität“ sein. Außerdem ist die Begründung der KeckRechtsprechung zu berücksichtigen. Diese hat der EuGH in Rs. Alpine Investments folgendermaßen zusammengefasst: „Der Grund [dafür, dass bestimmte Verkaufsmodalitäten vom Beschränkungsverbot ausgenommen sind] liegt darin, dass die Anwendung derartiger Regelungen nicht geeignet ist, den Marktzugang für diese Erzeugnisse im Einfuhrmitgliedstaat zu versperren oder stärker zu behindern, als sie dies für inländische Erzeugnisse tun.“.24 Bezogen auf den Rundfunkbereich kommt es deshalb darauf an, ob eine „inhaltsneutrale“ Regelung den Zugang25 zum deutschen Rundfunkmarkt für einen ausländischen Rundfunkveranstalter weitergehend erschwert als für deutsche Veranstalter. Falls nein, ist die Regelung zulässig. Soweit bei grenzüberschreitender Rundfunktätigkeit Personenverkehrsfreiheiten (Niederlassungs- und Arbeitnehmerfreizügigkeit) in Anspruch genommen werden, ist zwischen Zugangsregeln und Ausübungsregeln zu unterscheiden. Unterschiedslos geltende Ausübungsregeln können entsprechend der Keck-Rechtsprechung gerechtfertigt sein. e) Zulässige Beschränkungen Für die Zulässigkeit von Beschränkungen der Grundfreiheiten hat der EuGH mittlerweile ebenfalls eine weitgehend einheitliche Dogmatik entwickelt:

21 So i. E. auch GA Fennelly, Schlussanträge zu Rs. C-190/98 (Graf), Slg. 2000, S. I-493 ff., Rdnr. 32. 22 So auch GA Tizzano, Schlussanträge zu Rs. C-442/02 (CaixaBank France) Rdnr. 70 ff.; Dörr, AfP 2003, 202 (207); Eberhartinger, EWS 1997, S. 43 ff. (49); Ganten, S. 125 ff. m. w. N; a. A. Troberg/Tiedje, in: von der Groeben/Schwarze, Art. 43 EG Rdnr. 103. 23 Vgl. hierzu auch Engel/Seelmann-Eggebert, in: Dauses, E. V, Rdnr. 81 f.; Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, vor Art. 39–55 EG Rdnr. 110. 24 Rs. C-384/93 (Alpine Investments), Slg. 1995, S. I-1141 ff., Rdnr. 37 des Urteils; hierzu Ganten, S. 133. 25 Zum Kriterium des Marktzugangs bei der Keck-Rechtsprechung Randelzhofer/ Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, vor Art. 39–55 EG Rdnr. 112 ff.

III. Duales Rundfunksystem und Grundfreiheiten des EG-Vertrages

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aa) Grundvoraussetzungen Alle Beschränkungen müssen, um gemeinschaftsrechtlich zulässig zu sein, verhältnismäßig sein,26 d. h. sie müssen in geeigneter Weise einem legitimen Zweck dienen und dürfen nicht über das zur Zweckerreichung notwendige Maß hinausgehen.27 Außerdem prüft der EuGH, ob die Beschränkung angemessen ist, trennt diese Prüfung jedoch meist nicht exakt von der Prüfung der Erforderlichkeit.28 Auf allen Stufen der Verhältnismäßigkeitsprüfung steht dem Mitgliedstaat ein Einschätzungsspielraum zu, der enger wird, je schwerwiegender die Beschränkung ist.29 Dass dieser Spielraum gerade im Rundfunkbereich relativ weit sein muss, folgt für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk aus Art. 16, 86 Abs. 2 EG i.V. m. dem Rundfunkprotokoll. Außerdem ist für privaten und öffentlich-rechtlichen Rundfunk Art. 151 Abs. 4 EG zu beachten, wonach die Gemeinschaft bei ihrer Tätigkeit kulturellen Aspekten Rechnung zu tragen hat. Diese Verpflichtung trifft nicht nur Kommission und Rat, sondern auch den EuGH, soweit er sich in seiner Rechtsprechung mit mitgliedstaatlichen Regelungen auseinandersetzt, die den Rundfunk und mittelbar auch das kulturelle Schaffen in ihm regeln. Existiert eine Harmonisierungsregelung wie z. B. die Fernsehrichtlinie, kommt es für die Rechtfertigung von Grundfreiheitsbeschränkungen in den harmonisierten Bereichen primär darauf an, ob die von der Regelung aufgestellten, speziellen Rechtfertigungsvoraussetzungen eingehalten wurden.30 Aber selbst wenn dies der Fall ist, muss die beschränkende Maßnahme zusätzlich den allgemeinen Rechtfertigungsvoraussetzungen für Grundfreiheitsbeschränkungen genügen.31 Maßnahmen zur Ausgestaltung des deutschen dualen Rundfunksystems müssen also erst an der Fernsehrichtlinie und, falls sie nach dieser zulässig sind, an den Grundfreiheiten überprüft werden. Im Übrigen ist zwischen für In- und Ausländer unterschiedlich (= Diskriminierungen) und unterschiedslos geltenden Regelungen (= nicht-diskriminierende 26 Die Rechtsprechung wendet diesen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz strikt einzelfallbezogen an (vgl. nur Seelmann-Eggebert, S. 179 m. w. N.). 27 Vgl. z. B. Rs. C-55/94 (Gebhard), Slg. 1995, S. I-4165, Rdnr. 37 des Urteils. 28 Vgl. nur Rs. C-288/89 (Stichting Collectieve Antennevoorziening Gouda), Slg. 1991, S. I-4007 ff., Rdnr. 15 des Urteils; vgl. aber auch Rs. C-180/96 (Vereinigtes Königreich ./. Kommission), Slg. 1998, S. I-2265 ff., Rdnr. 96 des Urteils, wo der EuGH von einer eigenständigen Angemessenheitsprüfung ausgeht. 29 Vgl. bezogen auf die Warenverkehrsfreiheit Epiney, in: Calliess/Ruffert, Art. 30 EG Rdnr. 53 ff. 30 Z. B. Art. 3 der Fernsehrichtlinie; vgl. allgemein zum Verhältnis von Grundfreiheiten und Harmonisierungsregelungen Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, vor Art. 39–55 EG Rdnr. 146 ff. 31 So klarstellend der EuGH in Rs. (ARD ./. Pro 7), Slg. 1999, S. I-7599 ff., Rdnr. 44 ff. des Urteils.

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

Beschränkungen) zu differenzieren. Unterschiedlich geltende Regelungen können nur aufgrund der speziellen Rechtfertigungsgründe der Art. 30, 39 Abs. 3, 46 Abs. 1, 55 i.V. m. 46 Abs. 1 und Art. 58 EG gerechtfertigt werden. Unterschiedslos geltende Bestimmungen fallen nicht unter das von der entsprechenden Grundfreiheit aufgestellte Beschränkungsverbot, wenn sie in verhältnismäßiger Weise zwingenden Gründen des Allgemeininteresses dienen.32 Umstritten ist, wie in diese Prüfung versteckte bzw. faktische Diskriminierungen einzuordnen sind, d. h. Regelungen, die zwar formell nicht zwischen Inund Ausländern differenzieren, de facto aber Ausländer stärker belasten als Inländer: Teilweise wird aus Gründen des effet utile der Grundfreiheiten angenommen, faktische seien den offenen Diskriminierungen gleichzustellen. 33 Eine andere Ansicht stellt faktische Diskriminierungen den nicht-diskriminierenden Beschränkungen gleich.34 Die Rechtsprechung zu diesem Thema ist (gerade auch im Rundfunkbereich) eher uneinheitlich: Der EuGH nimmt etwa an, dass das Erfordernis, einen inländischen Sitz oder Wohnsitz nachzuweisen, eine faktische Diskrimierung ist, prüft aber eine Rechtfertigung dennoch anhand des Allgemeininteresses.35 In Rs. Bond van Adverteerders hat er demgegenüber entschieden, eine als faktische Diskriminierung wirkende Werbebeschränkung sei höchstens nach Art. 56 EGV (also wie eine „echte“ Diskriminierung) zu rechtfertigen.36 In Rs. Stichting Collectieve Antennevoorziening Gouda und Rs. Kommission ./. Niederlande prüfte der EuGH Regelungen, die GA Tesauro in seinen Schlussanträgen für faktisch diskriminierend gehalten hatte, auf eine Rechtfertigung durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses.37 Das EuG hat in Rs. VTM angenommen, da die zu beurteilenden formell unterschiedslos geltenden belgischen Vorschriften jedenfalls eine Einschränkung der Niederlassungsfreiheit enthielten, brauche nicht erörtert zu werden, ob eine versteckte Diskriminierung gegeben sei, sondern lediglich, ob die Regelungen durch „einen zwingenden Grund des öffentlichen Interesses“ gerechtfertigt seien.38 Insgesamt ist in der Rechtsprechung somit eher die Tendenz erkennbar, faktische/ 32 Anders bezogen auf die Niederlassungsfreiheit Lackhoff (S. 419 f.), der annimmt, eine durch zwingende Allgemeininteressen gerechtfertigte Maßnahme sei bei der Warenverkehrsfreiheit schon tatbestandlich keine Beschränkung, bei der Niederlassungsfreiheit hingegen eine gerechtfertigte Beschränkung. 33 So z. B. Holoubek, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 49 EG Rdnr. 99; w. N. bei Petersen, S. 117. 34 Vgl. Kluth, in: Calliess/Ruffert, Art. 50 EG Rdnr. 56 f.; Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, vor Art. 39–55 EG Rdnr. 139 m. w. N. 35 Vgl. Petersen, S. 117; Tiedje/Troberg, in: von der Groeben/Schwarze, Art. 49 EG Rdnr. 44 ff.; jeweils m. w. N. 36 Rs. 352/85 (Bond van Adverteerders), Slg. 1988, S. 2085 ff., Rdnr. 33 des Urteils. 37 Rs. C-288/89 (Stichting Collectieve Antennevoorziening Gouda), Slg. 1991, S. I4007 ff. (4030; Rdnr. 20 ff. des Urteils); Rs. C-353/89, Slg. 1991, S. I-4069 ff., Rdnr. 29 ff. des Urteils.

III. Duales Rundfunksystem und Grundfreiheiten des EG-Vertrages

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versteckte Diskriminierungen den nicht-diskriminierenden Beschränkungen gleichzustellen. Was speziell den Rundfunk betrifft, ist auch zu berücksichtigen, dass es sich bei diesem um einen sehr sensiblen Bereich handelt, in dem, wie nicht zuletzt das Rundfunkprotokoll und zuvor schon Art. 151 Abs. 4 EG betont hat, den Mitgliedstaaten hinreichend große Regelungsspielräume verbleiben müssen.39 Diese Spielräume werden jedoch enger, wenn man faktische Diskriminierungen den offenen Diskriminierungen gleichstellt, denn dann kommen zur Rechtfertigung nur die im Vertrag speziell genannten Rechtfertigungsklauseln in Betracht, die der EuGH, wie am Beispiel von Art. 46 Abs. 1 EG noch näher zu erläutern sein wird, wesentlich enger auslegt, als die „zwingenden Gründe des Allgemeininteresses“. Jedenfalls im Rundfunkbereich sind daher faktische Diskriminierungen den nicht-diskriminierenden Beschränkungen gleichzustellen. Regelungen des deutschen Rundfunkrechts können daher auch dann durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, wenn sie faktische Diskriminierungen enthalten. Auch im Bereich der Grundfreiheiten kann zugunsten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Art. 86 Abs. 2 EG eingreifen, denn der Anwendungsbereich dieser Regelung ist schon ihrem Wortlaut nach nicht auf das Wettbewerbsrecht beschränkt. Außerdem kann die vom Rundfunkprotokoll aufgestellte Auslegungsregel die Rechtfertigung von Grundfreiheitsbeschränkungen beeinflussen. bb) Inländerdiskriminierung Obwohl die Grundfreiheiten Beschränkungsverbote sind, ist es den Mitgliedstaaten erlaubt, für ihre eigenen Staatsangehörigen Regelungen aufrechtzuerhalten, die gegenüber EU-Ausländern unzulässige Beschränkungen wären (sog. Inländerdiskriminierung), denn auf solche rein innerstaatlichen Fälle sind die Grundfreiheiten nicht anwendbar. Dies hat der EuGH bezogen auf den Rundfunk bereits im Urteil in Rs. Debauve betont.40 Allerdings können derartige Vorschriften gegen nationales Verfassungsrecht verstoßen, in Deutschland z. B. gegen Art. 3 GG.41 Regelungen der Rundfunktätigkeit sind daneben, wie bereits dargelegt, an Art. 5 Abs. 1 S. 2, u. U. an Art. 5 Abs. 2 GG und bei privatem Rundfunk auch an Art. 12 GG zu messen. Soweit diese grundrechtlichen Vor38 Rs. T-266/97 (VTM), Slg. 1999, S. II-2329 ff., Rdnr. 114 des Urteils; hierzu Gundel, ZUM 2000, 1046 (1049). 39 Kritisch zu dieser Auslegung des Art. 151 Abs. 4 EG Niedobitek, in: Streinz, Art. 151 EG Rdnr. 37. 40 Rs. 52/79 (Debauve), Slg. 1980, S. 833 ff., Rdnr. 9 des Urteils: „Es ist . . . darauf hinzuweisen, dass die Vertragsbestimmungen über den freien Dienstleistungsverkehr nicht auf Betätigungen anwendbar sind, deren wesentliche Elemente sämtlich nicht über die Grenzen eines Mitgliedstaates hinausweisen“. 41 Hierzu Eberle, in: FS Thieme, S. 939 ff. (955).

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

gaben eingehalten werden, dürfen Regelungen zur Ausgestaltung des deutschen dualen Rundfunksystems, die europarechtlich an sich nicht haltbar wären, für rein innerstaatliche Sachverhalte aufrechterhalten bleiben. Ob dies medien- und wirtschaftspolitisch sinnvoll ist, ist eine andere Frage, denn es können hierdurch Wettbewerbsnachteile für von den entsprechenden Regelungen betroffene deutsche Veranstalter im europäischen Rundfunkmarkt entstehen. Wird aber die Wettbewerbsposition deutscher Veranstalter auf europäischer Ebene geschwächt, kann dies mittelbar auch ihre Position im deutschen Markt beeinträchtigen. Dies wiederum kann negative Effekte für das deutsche duale Rundfunksystem insgesamt haben, denn es wird insbesondere für private Veranstalter um so schwerer, ihren Vielfaltsverpflichtungen nachzukommen, je wirtschaftlich schwächer sie sind. Inländerdiskriminierungen sind daher als Instrument zur Gestaltung des deutschen dualen Rundfunksystems grundsätzlich abzulehnen.42 Die Zulässigkeit von Inländerdiskriminierungen bedeutet nicht, dass sich Gemeinschaftsbürger gegenüber ihrem Heimatstaat nicht auf die Grundfreiheiten berufen können. Dies ist, etwa wenn vom Heimatstaat aus eine grenzüberschreitende Leistung erbracht werden soll, sehr wohl möglich.43 Bei allen Rundfunksendern, deren Sendeleistung so stark ist, dass sie zu grenzüberschreitender Sendetätigkeit jedenfalls in der Lage sind, ist daher zu untersuchen, ob eine möglicherweise als zulässige Inländerdiskriminierung gerechtfertigte Regelung nicht in Wirklichkeit eine Grundfreiheitsbeschränkung darstellt. Inländerdiskriminierungen zur Ausgestaltung des deutschen dualen Rundfunksystems kommen somit vorwiegend bei Veranstaltern in Betracht, die schon aufgrund ihrer technischen Sendeleistung gezwungen sind, sich auf das Bundesgebiet bzw. Teile desselben zu beschränken. f) Zwischenergebnis: Rundfunk und konvergierende Grundfreiheiten Es wird deutlich, dass die Grundfreiheiten sich in ihrer Dogmatik einander weitgehend angeglichen haben. Diese „Konvergenz der Grundfreiheiten“44 ist nicht zuletzt auch das Gebot eines funktionierenden Binnenmarktes, denn in diesem kann es nicht sinnvoll sein, dass bestimmte Wirtschaftsbereiche besser geschützt sind als andere.45 Dies ist für Rundfunkunternehmen, die im Rahmen ihrer Tätigkeit, wie sogleich zu zeigen ist, von nahezu allen Grundfreiheiten Gebrauch machen, von erheblicher Bedeutung. 42 Kritisch zur Inländerdiskriminierung im Rundfunkbereich auch Eberle, in: FS Thieme, S. 939 ff. (954 ff.). 43 Hierzu statt vieler Eberhartinger, EWS 1997, S. 43 ff. (51) m. N. aus der EuGHRechtsprechung. 44 Begriff von Behrens (EuR 1992, 145 ff.) und Eberhartinger (EWS 1997, 43 ff.). 45 So auch GA Lenz, Schlussanträge in Rs. C-415/93 (Bosman), Slg. 1995, S. 4921 ff., Rdnr. 200.

III. Duales Rundfunksystem und Grundfreiheiten des EG-Vertrages

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2. Rundfunk und Warenverkehrsfreiheit a) Tatbestand Die Feststellung, dass die grenzüberschreitende Übertragung von Rundfunksendungen kein Warenverkehr i. S. d. Art. 28 ff. EG ist, hat der EuGH bereits in seinem ersten Rundfunkurteil46 getroffen. Sie überzeugt nach wie vor, denn der Begriff der Ware i. S. d. Art. 23 EG kann grundsätzlich nur körperliche Güter meinen.47 Dehnte man ihn auch auf unkörperliche Güter und Leistungen aus und eröffnete dadurch den Anwendungsbereich der Warenverkehrsfreiheit, wäre die Dienstleistungsfreiheit, die ja nach Art. 50 Abs. 1 EG nur anwendbar ist, wenn keine andere Grundfreiheit einschlägig ist, weitgehend überflüssig. Eine Rundfunksendung ist als solche kein körperliches Gut, weil sie Körperlichkeit nur durch Aufzeichnung (auf Tonband, Video, DVD etc.) erlangen kann. Das Erfordernis der Körperlichkeit hat der EuGH zwar insofern weit ausgelegt, als er auch elektrischen Strom der Warenverkehrsfreiheit zuordnet.48 Die Übertragung einer Rundfunksendung fällt aber dennoch nicht unter Art. 28 ff. EG, denn maßgeblich ist der übertragene Sendeinhalt, der zur Sendung eingesetzte elektrische Strom ist nur ein notwendiges Mittel zum Zweck.49 Unter die Warenverkehrsfreiheit subsumierte der EuGH in Rs. Sacchi demgemäß den Handel mit Sendematerialien und auf Datenträger gespeicherten Sendungen.50 Allerdings hat er in späteren Entscheidungen angenommen, dass auch dann, wenn ein Datenträger über die Grenze gebracht wird, allein der freie Dienstleistungsverkehr nach Art. 49, 50 EG einschlägig sein kann,51 nämlich in Fällen, in denen ein Inländer einem Ausländer die Senderechte an einer bestimmten Sendung einräumt, und anschließend diese Sendung z. B. als Videokassette über die Grenze sendet.52 Die Produktion von Videokassetten versteht der EuGH demgegenüber, da das Ziel dieser Tätigkeit die Schaffung einer Handelsware ist, als Warenverkehr.53 Diese Abgrenzung nach dem Schwerpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit vermag jedoch nur für die Fälle zu überzeugen, in 46

Rs. 155/73 (Sacchi), Slg. 1974, S. 409 (428 f.). Vgl. nur Petersen, S. 42 m. w. N. 48 So i. E. Rs. 6/64 (Costa ./. ENEL), Slg. 1964, S. 1251 ff. (1274 ff.). Hierauf hatte sich der Kläger in Rs. 155/73 (Sacchi) berufen (vgl. Slg. 1974, S. 409 ff. (421)); hierzu Petersen, S. 40 f. 49 So auch GA Reischl in Rs. 155/73 (Sacchi), Slg. 1974, S. 409 ff. (440 f.). 50 Vgl. Rs. 155/73 (Sacchi), Slg. 1974, S. 409 ff., Rdnr. 8 des Urteils; so auch Rs. C-260/89 (ERT), Slg. 1991, S. I-2925 ff., Rdnr. 13 ff. des Urteils. 51 Vgl. Rs. 262/81 (Coditel), Slg. 1982, S. 3381 ff., Rdnr. 11 des Urteils; Rs. C-17/ 92 (Fedicine), Slg. 1993, S. I-2239 ff., Rdnr. 10 f. des Urteils; vgl. auch SeelmannEggbert, S. 125 ff. 52 So i. E. Rs. 262/81 (Coditel), Slg. 1982, S. 3381 ff., Rdnr. 11 des Urteils. 53 So verb. Rs. 60 und 64/84 (Cinéthèque), Slg. 1985, S. 2605 ff., Rdnr. 10 des Urteils. 47

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

denen sich bei einem einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang ein Schwerpunkt im Waren- oder im Dienstleistungsbereich auch tatsächlich feststellen lässt.54 Ist die Abgrenzung in dieser Klarheit nicht möglich, kommt eine kumulative Anwendung von Art. 28 und 49, 50 EG in Betracht.55 Ebenfalls unter den freien Warenhandel i. S. d. Art. 28 EG fällt der Handel mit Empfangsmaterialien wie Set-Top-Boxen, Smart-Cards und Parabolantennen.56 Nach den soeben dargestellten Grundsätzen kann allerdings auch insoweit allein der freie Dienstleistungsverkehr nach Art. 49, 50 EG einschlägig sein, wenn etwa ein Rundfunkveranstalter eine Smart-Card grenzüberschreitend vertreibt, mit der sich ausschließlich das von ihm angebotene Programm entschlüsseln lässt. In derartigen Fällen liegt ein einheitlicher wirtschaftlicher Vorgang vor, bei dem der Schwerpunkt eindeutig auf der Verbreitung der Dienstleistung Rundfunk57 liegt. Im Bereich des Merchandising können Rundfunkveranstalter ferner „echten“ grenzüberschreitenden Warenhandel i. S. d. Art. 28 ff. EG betreiben, wenn sie z. B. im EU-Ausland T-Shirts und Kaffeetassen mit dem Senderlogo produzieren lassen, um sie dann in Deutschland zu verkaufen. Die praktische Bedeutung dieser Form des Warenhandels durch Rundfunkveranstalter dürfte aber eher gering sein.58 Bei Werbe- und Teleshopping-Sendungen ist danach zu unterscheiden, ob der Veranstalter seine eigenen (z. B. Merchandising-)Produkte oder fremde Produkte anbietet.59 Nur im ersten Fall ist die Tätigkeit schwerpunktmäßig dem Bereich des Warenverkehrs zuzuordnen. Im zweiten Fall liegt der Schwerpunkt auf der für den Produkthändler entgeltlichen Ausstrahlung der Werbe- oder Teleshopping-Sendung. Dies ist, sofern der Produkthändler in einem anderen Mitgliedstaat als der Rundfunkveranstalter ansässig ist, oder zumindest die Sendung in einen anderen Mitgliedstaat ausgestrahlt wird, eine Dienstleistung des Rundfunkveranstalters i. S. d. Art. 49, 50 EG.60

54 So i. E. auch Petersen, S. 43 m. w. N.; noch weiter gehend Engel/Seelmann-Eggebert (in: Dauses, E. V Rdnr. 6), die annehmen, wenn Programmträger zur Aufführung oder Ausstrahlung gehandelt würden, läge stets eine Dienstleistung vor. 55 Vgl. hierzu Rs. C-390/99 (Canal Satélite), Rdnr. 31 ff. des Urteils. 56 Vgl. zu letzteren die „Mitteilung der Kommission über die Anwendung der allgemeinen Grundsätze des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs – Artikel 28 und 49 EG Vertrag – auf dem Gebiet der Nutzung von Parabolantennen“ vom 27. 06. 2001, KOM (2001) 351 endg.; vgl. auch Rs. C-390/99 (Canal Satélite). 57 Zum Charakter der Rundfunksendung als Dienstleistung i. S. d. Art. 49, 50 EGV s. u. B. III. 5. 58 Vgl. Buchwald, in: Schwarzkopf, S. 398. 59 Hierzu (allerdings ohne Abgrenzung) Liehr, S. 121 m. w. N. 60 Näher zur Dienstleistungsfreiheit im Rundfunkbereich B. III. 5.

III. Duales Rundfunksystem und Grundfreiheiten des EG-Vertrages

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Für die genannten Aspekte des grenzüberschreitenden Rundfunks haben die Art. 28 ff. EG also durchaus Bedeutung.61 Allerdings, auch dies könnte sich theoretisch im Zeitalter der Digitalisierung ändern. Wenn es möglich sein wird, große Bild- und Tondateien z. B. via Internet grenzüberschreitend hinreichend schnell und sicher von einem Großrechner auf einen anderen zu übertragen, ohne dass überhaupt ein herkömmliches Speichermedium benötigt wird, könnte auch beim Handel mit Sendematerialien oder ganzen Sendungen das Element der Körperlichkeit noch weiter zurücktreten. b) Rechtfertigung Mitgliedstaatliche Regelungen, die die Einfuhr von Sendematerialien oder elektronisch gespeicherten Sendungen betreffen, können prinzipiell auch nach Art. 30 EG gerechtfertigt sein, soweit sie dem Schutz des nationalen Kulturgutes von künstlerischem Wert oder dem Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums dienen.62 Im letzteren Fall sind allerdings u. U. die Vorschriften der Richtlinien im Bereich des Urheberrechts zu beachten.63 Durch Entscheidungen vom 09. 02. 1995,64 09. 07. 199765 und 28. 10. 199966 übertrug der EuGH die in der Rechtsprechung zur Warenverkehrsfreiheit allgemein entwickelten Grundsätze speziell auf Werbeverbote im Fernsehen: Der EuGH sieht diese als i. S. d. Keck-Rechtsprechung von Art. 28 EG nicht erfasst an, wenn die Werbeverbote für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gelten, und den Absatz in- und ausländischer Erzeugnisse rechtlich und tatsächlich in der gleichen Weise betreffen. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen bejahte der EuGH für eine Regelung, die die Werbung im Vertriebssektor generell verbot.67 Ebenso sah er die Voraussetzungen bei einer Regelung als gegeben an, die die Anzahl der zulässigen Werbeunterbrechungen für Spielfilme in Deutschland betraf.68 Zweifel bezüglich der gleichartigen Betroffenheit des Absatzes in- und ausländischer Waren äußerte der Gerichtshof in Rs. de Agostini u. a. bei einer Regelung, die an Kinder unter zwölf Jahren gerichtete Fernsehwerbung verbot.69 Man kann hieraus schließen, dass der EuGH das Vorliegen der in Rs. 61

Vgl. auch Seelmann-Eggebert, S. 180. Zum letzteren Fall vgl. Rs. 262/81 (Coditel II), Slg. 1982, S. 3381 ff., Rdnr. 10 ff. des Urteils. 63 Hierzu Leible, in: Grabitz/Hilf, Art. 30 EG Rdnr. 25 m. w. N. 64 Rs. C-412/93 (Leclerc-Siplec), Slg. 1995, S. I-179 ff. 65 Verb. Rs. C-34/95, C-35/95 und C-36/95 (De Agostini u. a.), Slg. 1997, S. I-3843 ff. 66 Rs. C-6/98 (ARD ./. Pro 7 u. a.), Slg. 1999, S. I-7599 ff. 67 Rs. C-412/93 (Leclerc-Siplec), Slg. 1995, S. I-179 ff., Rdnr. 21 ff. des Urteils. 68 Rs. C-6/98 (ARD ./. Pro 7 u. a.), Slg. 1999, S. I-7599 ff., Rdnr. 45 ff. des Urteils. 62

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

Keck aufgestellten Voraussetzungen um so eher bejaht, je geringer der Zusammenhang mit einer konkreten Produktart ist. Dieser Zusammenhang war in Rs. de Agostini eher gegeben als in den beiden anderen Fällen, denn durch ein Verbot der an Kinder gerichteten Werbung sind naturgemäß vor allem Produzenten von Spielzeug oder ähnlichen Artikeln betroffen. Die Werbebeschränkungen in den beiden anderen genannten Fällen waren demgegenüber vollständig unabhängig von der Art des beworbenen Produktes. 3. Rundfunk und Arbeitnehmerfreizügigkeit Soweit ersichtlich haben sich die Gemeinschaftsorgane im Zusammenhang mit dem Rundfunk bisher nicht näher mit den Art. 39 ff. EG befasst, und auch in der Literatur wird lediglich im Rahmen der Abgrenzung zu anderen Grundfreiheiten auf die Anwendbarkeit dieser Bestimmungen auf den Rundfunk hingewiesen.70 Hinsichtlich des privaten Rundfunks kann die Anwendbarkeit der Art. 39 ff. in der Tat unproblematisch bejaht werden. Eine Sonderstellung haben, wie stets bei der Arbeitnehmerfreizügigkeit so auch im Rundfunkbereich, leitende Angestellte inne, die nach ganz h. M. nicht nur aus Art. 39 ff. EG, sondern zugleich aus der Niederlassungsfreiheit der Art. 43 ff. berechtigt sind.71 Beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk stellt sich ein Parallelproblem zur Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit, nämlich ob dieser europarechtlich als Teil der öffentlichen Verwaltung anzusehen ist, was die Unanwendbarkeit der Regelungen über die Arbeitnehmerfreizügigkeit gemäß Art. 39 Abs. 4 EG zur Folge haben könnte: Zwar hat das BVerfG die Tätigkeit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten als „öffentliche Verwaltung“ eingestuft,72 der Begriff der öffentlichen Verwaltung i. S. d. Art. 39 Abs. 4 EG ist jedoch ein Begriff des Gemeinschaftsrechts. Maßgeblich ist deswegen die Auslegung durch den EuGH. Nach dieser umfasst der Begriff „öffentliche Verwaltung“ nicht jede Tätigkeit bei einem öffentlich-rechtlich organisierten Arbeitgeber oder in öffentlich-rechtlich begründeter Stellung, sondern nur Tätigkeiten, die „eine unmittelbare oder mittelbare Teilnahme an der Ausübung hoheitlicher Befugnisse und an der Wahrnehmung solcher Aufgaben mit sich bringen, die auf die Wahrung der allgemeinen Belange des Staates oder anderer öffentlich-rechtlicher Körperschaften gerichtet ist“.73 Die Tätigkeit im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist nur in 69 Rs. C-34/95, C-35/95 und C-36/95 (De Agostini u. a.), Slg. 1997, S. I-3843 ff., Rdnr. 42 des Urteils. 70 So Liehr S. 22; H. P. Ipsen, S. 42. 71 Vgl. Liehr, S. 21 ff. m. w. N. 72 BVerfGE 31, 314 (325 ff.); Herrmann (ZUM 1985, S. 182 f.) bejaht daher ein Eingreifen des Art. 48 Abs. 4 EGV.

III. Duales Rundfunksystem und Grundfreiheiten des EG-Vertrages

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sehr wenigen Bereichen (z. B. beim Gebühreneinzug und bei der Zuteilung von Sendezeiten an Parteien für Wahlwerbesendungen) mit der Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt verbunden.74 Im Übrigen ist erneut zu bedenken, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland staatsfrei organisiert ist. Auch dies spricht dagegen, Art. 39 Abs. 4 EG auf Beschäftigungsverhältnisse im deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunk anzuwenden. Arbeitnehmer in Deutschland genießen also beim privaten und beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk den Schutz der Arbeitnehmerfreizügigkeit der Art. 39 ff. EG. Daneben ist, wie angedeutet, auch eine Berufung des Rundfunkveranstalters als Arbeitgeber auf Art. 39 ff. EG grundsätzlich möglich. Einen dogmatischen Sonderfall bildet die Arbeitnehmerfreizügigkeit deshalb, weil der EuGH spätestens seit dem Urteil in Rs. Angonese eine unmittelbare Drittwirkung des in Art. 39 EG enthaltenen Diskriminierungsverbotes annimmt, sich also Arbeitnehmer auf dieses Verbot nicht nur gegenüber staatlichen Stellen, sondern auch unmittelbar gegenüber ihrem privaten Arbeitgeber berufen können.75 Deshalb kann es zu europarechtlichen Problemen kommen, wenn z. B. ein deutscher Rundfunkveranstalter bei der Einstellung einen Bewerber aus dem EU-Ausland gegenüber einem deutschen Bewerber benachteiligt.76 Die mit dieser Rechtsprechung verbundene Frage nach einer unmittelbaren Drittwirkung der Grundfreiheiten kann hier nicht ausführlicher erörtert werden.77 Unstreitig dürfte aber sein, dass es für aus den Grundfreiheiten verpflichtete Private jedenfalls leichter sein muss, eine Beschränkung der Freiheiten zu rechtfertigen, als für die Mitgliedstaaten. Ansonsten ließe man die Tatsache außer acht, dass Private, selbst wenn sie Verpflichtete einer Grundfreiheit sind, zugleich Berechtigte der Grundfreiheiten und der Gemeinschaftsgrundrechte sind.78 Dies gilt auch bei Unternehmen, die wie z. B. die deutschen öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten unter Art. 86 EG fallen,79 denn diese verlieren, 73 So EuGH Rs. 149/79 (Kommission ./. Belgien), Slg. 1980, S. 3881 ff, Rdnr. 10 des Urteils. 74 So auch bezogen auf den griechischen Rundfunk der EuGH in Rs. C-290/94 (Kommission ./. Griechenland), Slg. 1996, S. 3285 ff., Rdnr. 34 des Urteils; ähnlich bereits H. P. Ipsen, S. 117 f. 75 Vgl. Rs. C-281/98 (Angonese), Slg. 2000, S. I-4139 ff., Rdnr. 31 ff. des Urteils. 76 Zu weiteren denkbaren arbeitsrechtlichen Konstellationen (allerdings nicht bezogen auf den Rundfunk) U. Forsthoff, EWS 2000, 389 ff. (389). 77 Vgl. hierzu: Ganten, Die Drittwirkung der Grundfreiheiten, 2000; Jaensch, Die unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten, 1997; U. Forsthoff, EWS 2000, 389 ff. (391 ff.); Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, vor Art. 39–55 Rdnr. 65 ff. 78 Dies gesteht i. E. auch Ganten (S. 174 ff.) zu, der sich für eine unmittelbare Drittwirkung aller Grundfreiheiten ausspricht; vgl. auch Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, vor Art. 39–55 EG Rdnr. 81. 79 Für diese bejaht Jaensch, der einer unmittelbaren Drittwirkung der Grundfreiheiten gegenüber Privaten ansonsten ablehnend gegenübersteht (S. 187, 287), eine unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten (S. 189 ff.).

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

soweit sie nicht unmittelbar dem Staat zuzurechnen sind, ihre Grundfreiheitsund Grundrechtsberechtigung nicht wegen des ihnen staatlicherseits übertragenen Auftrages. Hieraus folgt, dass sinnvollerweise zwischen der eingeschränkten Grundfreiheit und den Grundfreiheiten und Grundrechten des sie einschränkenden Privaten abzuwägen ist.80 Bei dieser Abwägung wird man eine von Privaten ausgehende Beschränkung, die sich auf einen sachlichen Grund stützen kann und nicht objektiv willkürlich ist, kaum für europarechtswidrig halten können.81 Daher lässt sich insoweit die Rechtsprechung des BVerfG, nach der aus der Rundfunkfreiheit des Veranstalters Einschränkungen im Bereich des Arbeitsrechts der Rundfunkmitarbeiter folgen können, auf die europäische Ebene übertragen.82 4. Rundfunk und Niederlassungsfreiheit Mit der Niederlassungsfreiheit haben sich die Gemeinschaftsorgane in Bezug auf Rundfunkveranstalter bisher zwar in geringerem Maße befasst als mit der Dienstleistungsfreiheit.83 Dies liegt vor allem daran, dass der EuGH, wie bereits dargelegt, die grenzüberschreitende Ausstrahlung von Rundfunksendungen von Anfang an der Dienstleistungsfreiheit zugeordnet, und diese ihrerseits nur von der Warenverkehrsfreiheit ausdrücklich abgegrenzt hat. Schon der Wortlaut der Subsidiaritätsklausel des Art. 50 Abs. 1 EG macht ein Eingehen auf Fragen der Niederlassungsfreiheit für Rundfunkveranstalter jedoch zwingend erforderlich. Außerdem ist die Ausstrahlung einer Rundfunksendung nur gleichsam das Endprodukt der Tätigkeit der Rundfunkveranstalter. Bis es zur Ausstrahlung kommt sind zahlreiche Produktionsschritte notwendig, bei denen die Niederlassungsfreiheit eine wichtige Rolle spielen kann: a) Rundfunk als selbständige Erwerbstätigkeit i. S. d. Art. 43 Abs. 2, 48 EG Vom Niederlassungsrecht kann ein Rundfunkveranstalter nur dann Gebrauch machen, wenn seine Tätigkeit als selbständige Erwerbstätigkeit i. S. d. Art. 43 Abs. 2, 48 EG anzusehen ist: aa) Privater Rundfunk Die Rundfunkveranstaltung durch Private ist eine selbständige Tätigkeit, weil sie nicht in einem persönlichen bzw. sozialen Abhängigkeitsverhältnis vorge80

So i. E. auch Ganten, S. 176 ff. Hierzu U. Forsthoff, EWS 2000, 389 ff. (395 f.). 82 Ähnlich H. P. Ipsen, S. 115 f. 83 Vgl. aber das Urteil des EuG in Rs. T-266/97 (VTM), Slg. 1999, S. II-2329 ff., Rdnr. 105 ff. des Urteils. 81

III. Duales Rundfunksystem und Grundfreiheiten des EG-Vertrages

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nommen wird.84 Programme müssen, wie auch das BVerfG annimmt, auf eigene Rechnung und auf eigenes Risiko, also in persönlicher Unabhängigkeit produziert und ausgestrahlt werden, damit ihr Veranstalter als Rundfunkveranstalter angesehen werden kann.85 Die privaten Rundfunkveranstalter nehmen außerdem in Erwerbsabsicht am Wirtschaftsleben teil. Private Rundfunkveranstaltung ist also eine selbständige Erwerbstätigkeit i. S. d. Art. 43 EG und eine private Gesellschaft, die Rundfunk betreibt, verfolgt i. S. d. Art. 48 Abs. 2 EG einen Erwerbszweck. Der Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit ist somit für private Rundfunkveranstalter eröffnet. bb) Öffentlich-rechtlicher Rundfunk (1) Unanwendbarkeit des Art. 45 EG Art. 45 Abs. 1 EG nimmt „Tätigkeiten, die in einem Mitgliedstaat dauernd oder zeitweise mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind,“ vom Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit aus. Diese Ausnahmeklausel ist zwar nicht vollständig identisch mit dem bereits angesprochenen Art. 39 Abs. 4 EG, die wohl h. M. interpretiert Art. 45 EG aber dennoch ähnlich restriktiv86 dahingehend, dass der Anwendungsbereich auf Tätigkeiten beschränkt ist, „die als solche eine unmittelbare und spezifische Teilnahme an der Ausübung öffentlicher Gewalt darstellen“.87 Da der Sinn und Zweck beider Klauseln offensichtlich derselbe ist, nämlich die hoheitliche Tätigkeit des Staates nicht dadurch einem „Privatisierungszwang“ auszusetzen, dass sie dem Anwendungsbereich der Grundfreiheiten unterfällt, ist diese Auslegung überzeugend. Somit ist auch bei Art. 45 EG davon auszugehen, dass die Tätigkeit des deutschen öffentlichrechtlichen Rundfunks z. B. im Bereich des Gebühreneinzugs als hoheitlich betrachtet werden kann, Art. 45 im Übrigen aber nicht eingreift, weil die Leistung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Staatsfreiheit erbracht wird.88 84

So auch: Bux, S. 84; Schwartz, ZUM 1989, 381 ff. (384). Vgl. BVerfGE 97, 298 (310 f.). 86 Vgl. Jungbluth, S. 87 ff.; Oppermann, Europarecht, Rdnr. 1625; Randelzhofer, in: Grabitz/Hilf, Art. 55 EGV, Rdnr. 2 ff. m. w. N.; Schlag, in: Schwarze, Art. 45 EG Rdnr. 2. Die Genannten nehmen (m. E. zutreffend) an, dass der Begriff „Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung“ i. S. d. Art. 39 Abs. 4 EG weiter ist, weil er auch Tätigkeiten erfasst, die die Wahrnehmung der „allgemeinen Belange des Staates“ betreffen. Wenn dem aber so ist, kann ein Eingreifen des Art. 45 EG für den öffentlichrechtlichen Rundfunk auch im Wege des Erst-Recht-Schlusses aus Art. 39 Abs. 4 EG verneint werden. 87 So der EuGH in Rs. C-42/92 (Thijssen), Slg. 1993, S. I-4047 ff., Rdnr. 8 des Urteils. 88 So auch: Liehr, S. 109 ff.; Jungbluth, S. 77 ff.; Gulich, S. 21 f.; Bux, S. 135 ff.; Deringer, ZUM 1986, 627 ff. (634); a. A. noch Herrmann, ZUM 1985, 175 ff. (184 f.). 85

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

(2) Tatbestandsmerkmale des Art. 43 Abs. 2, 48 EG Hinsichtlich der Selbständigkeit gilt für öffentlich-rechtliche nichts anderes als für private Rundfunkveranstaltung. Problematischer und vom EuGH bisher nicht entschieden ist, ob die Tätigkeit der deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter eine Erwerbstätigkeit i. S. d. Art. 43 EG ist, bzw., da öffentlich-rechtlicher Rundfunk in Deutschland nur von Anstalten des öffentlichen Rechts betrieben wird, ob diese als Gesellschaften angesehen werden können, die i. S. d. Art. 48 Abs. 2 EG einen Erwerbszweck verfolgen: Auch der Begriff des Erwerbszwecks in Art. 48 EG bzw. der Erwerbstätigkeit in Art. 43 EG muss hierbei als Begriff des EG-Vertrages nach europarechtlichen, nicht nach mitgliedstaatlichen Maßstäben ausgelegt werden. Darauf, dass das BVerfG in seiner selbst gerichtsintern umstrittenen89 Entscheidung BVerfGE 31, 314 die Tätigkeit der Rundfunkanstalten nicht als gewerbliche oder berufliche Tätigkeit eingestuft hat,90 kann es also nicht ankommen. Bei der Auslegung ist zunächst vom Wortlaut der Vorschriften auszugehen: Aus diesem folgt, dass nicht darauf abgestellt werden kann, dass öffentlichrechtliche Rundfunkveranstalter nicht in Gewinnerzielungsabsicht, sondern „gemeinnützig“ arbeiten, denn weder Art. 43 noch Art. 48 Abs. 2 EG erwähnen eine Gewinnerreichungsabsicht als Tatbestandsmerkmal.91 Ebensowenig lässt sich dem Wortlaut von Art. 43, 48 Abs. 2 EG im Gegensatz zu Art. 50 EG entnehmen, dass es auf die Entgeltlichkeit der Tätigkeit ankäme.92 Daneben folgt aus der Systematik des EG-Vertrages, dass die betreffende Tätigkeit, um unter Art. 43, 48 EG zu fallen, wirtschaftlich relevant bzw. Teil des europäischen Wirtschaftslebens sein muss.93 Wirtschaftlich relevant ist die Tätigkeit der Rundfunkanstalten jedenfalls insoweit, als sie kommerzielle Werbung, Sponsoring, Merchandising und den Anund Verkauf von Rechten (z. B. Filme, Sportrechte) betreiben. Der Schwerpunkt der Tätigkeit der Anstalten liegt zwar im gesellschaftlichen und kulturellen Bereich. Ebensowenig wie dies die Einstufung der Anstalten als Unternehmen i. S. d. Art. 81 ff. EG hindert [s. o. B. II. 2. a)], kann es bei Art. 43, 48 EG jedoch hierauf ankommen. Außerdem ist folgendes zu beachten: Seinem Wortlaut nach will Art. 48 Abs. 2 EG nur Gesellschaften vom Anwendungsbereich

89 Vgl. die Sondervoten der Richter Geller und Rupp (BVerfGE 31, 334 ff.) sowie Geiger, Rinck und Wand (BVerfGE 31, 337 ff.). 90 BVerfGE 31, 314 (329 ff.). 91 So auch: Bux, S. 126 f.; Jungbluth, S. 36, 38; Liehr, S. 6; jeweils m. w. N. 92 So auch: Bux, S. 124; Jungbluth, S. 42 f.; Liehr, S. 7. 93 Vgl. u. a.: Scheuer, in: Lenz/Borchardt, Art. 43 EG Rdnr. 2; Jungbluth, S. 39; Liehr, S. 6 f.; jeweils m. w. N.

III. Duales Rundfunksystem und Grundfreiheiten des EG-Vertrages

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der Niederlassungsfreiheit ausschließen, die keinen Erwerbszweck verfolgen. Ex negativo lässt sich schließen, dass Gesellschaften, die wie öffentlich-rechtliche Rundfunkveranstalter nur in geringem Maße einen Erwerbszweck verfolgen, durchaus erfasst sein sollen.94 Ferner erwähnt Art. 48 Abs. 2 EG ausdrücklich auch juristische Personen des öffentlichen Rechts. Bei diesen wird eine ausschließlich wirtschaftliche Tätigkeit eher die Ausnahme sein. Da Art. 48 Abs. 2 EG öffentlich-rechtliche und private juristische Personen aber vollkommen gleichstellt, kann nicht angenommen werden, dass nur öffentlich-rechtliche juristische Personen erfasst werden sollen, die ausschließlich oder wenigstens überwiegend wirtschaftlich tätig sind. Die Tätigkeit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten kann daher als Erwerbstätigkeit i. S. d. Art. 43, 48 EG eingeordnet werden.95 Spricht somit alles dafür, auch für die deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten den Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit zu eröffnen, fragt sich noch, ob dies nur für die genannten kommerziellen Aktivitäten gilt oder für die gesamte Tätigkeit der Anstalten. Einer Auftrennung in einen gesellschaftlich-kulturellen und einen wirtschaftlichen Tätigkeitsbereich widerspricht jedoch schon der Charakter der Niederlassungsfreiheit. Die Niederlassungsfreiheit soll gerade nicht wie Warenverkehrs- und Dienstleistungsfreiheit einzelne Ströme des wirtschaftlichen Austausches erfassen, sondern den „Gesamtvorgang der grenzüberschreitenden Aufnahme und Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit“.96 Ein Marktteilnehmer soll, gestützt auf Art. 43 EG nicht nur eine einzelne Leistung grenzüberschreitend erbringen, sondern seine gesamte wirtschaftliche Tätigkeit in einem Mitgliedstaat außerhalb seines Heimatstaates entfalten dürfen. Gegen eine Auftrennung spricht außerdem speziell bei der Tätigkeit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter die enge Verknüpfung ihrer kommerziellen Aktivitäten mit der Programmveranstaltung. Diese kommerziellen Aktivitäten sind, wie das BVerfG festgestellt hat, nur dann zulässig, wenn sie der Erfüllung des Programmauftrages dienen.97 Die Programmveranstaltung selbst wird teilweise aus Werbeeinnahmen finanziert, ohne dass sich klar zwischen werbe- und gebührenfinanzierten Programmteilen unterscheiden ließe. Daher ist die Tätigkeit der deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter nicht nur teilweise, sondern insgesamt als selbständige Erwerbstätigkeit i. S. d. Art. 43, 48 EG anzusehen. Dieses Ergebnis hat, wie noch zu zeigen sein wird, weil der EuGH an das Vorliegen einer Niederlassung i. S. d. Art. 43

94 Auch der italienische („non . . . scopi di lucro“) und französische („pas de but lucratif“) Wortlaut des dem Art. 48 Abs. 2 EG wörtlich entsprechenden Art. 58 Abs. 2 EGV bestätigen dieses Ergebnis (vgl. nur Bux, S. 86). 95 So i. E. auch Jungbluth, S. 44 f.; Liehr, S. 107. 96 So zutreffend Liehr, S. 104. 97 s. o. A. III. 5.

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

EG geringe Anforderungen stellt, durchaus praktische Relevanz z. B. für Korrespondentenbüros. b) Niederlassungsvorgänge aa) Grundfälle Die Niederlassungsfreiheit wird, bezogen auf den Rundfunk unproblematisch in den Fällen ausgeübt, in denen sich ein einzelner EU-Bürger oder eine Gesellschaft i. S. d. Art. 48 EG körperlich und dauerhaft in einem anderen Mitgliedstaat als seinem Heimatstaat ansiedelt, um dort oder von dort aus Rundfunk zu veranstalten. Ob der Betreffende gleichzeitig eine Niederlassung in seinem Heimatstaat beibehält oder nicht bzw. ob er überhaupt schon irgendwo niedergelassen ist, spielt, wie sich aus Art. 43 Abs. 1 S. 2 EG klar ergibt, keine Rolle. Eine Zweigniederlassung ist genauso geschützt wie eine Hauptniederlassung. Sogar eine Ansiedlung im Heimatstaat kann unter die Niederlassungsfreiheit fallen, wenn zuerst eine Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat gegründet wurde und von dort aus eine Zweigniederlassung im Heimatstaat errichtet wird. Selbst wenn die Erstniederlassung nur gegründet wurde, um Vorschriften für Gesellschaftsgründungen im Heimatstaat zu umgehen, ohne dass je ein Geschäftsbetrieb in der Erstniederlassung beabsichtigt war, ändert dies, wie der EuGH in Rs. Centros festgestellt hat, nichts an der Anwendbarkeit der Art. 43 ff. EG.98 bb) Dauerhafte „Programmeinstrahlung“ als Niederlassung? Fraglich ist, ob es zur Annahme eines Niederlassungsfalles i. S. d. Art. 43 ff. EG ausreicht, wenn ein Rundfunkveranstalter seine Programme dauerhaft in einen anderen Mitgliedstaat als in denjenigen, in dem sich die Sendeeinrichtung befindet, einstrahlt.99 Diese Frage ist für die Abgrenzung zwischen Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit von entscheidender Bedeutung, denn läge in einer dauerhaften „Programmeinstrahlung“ eine Niederlassung, wäre der Anwendungsbereich der Dienstleitungsfreiheit, weil diese zu den anderen Grundfreiheiten nach Art. 50 Abs. 1 EG subsidiär ist, stark eingeengt. 98 Vgl. Rs. C-212/97 (Centros ltd.), Slg. 1999, S. I-1459 ff., Rdnr. 18 des Urteils; so auch Rs. C-167/01 (Inspire Art), Rdnr. 95 ff. 99 Bux nimmt z. B. eine Niederlassung in dem Fall an, in welchem ein ausländischer Rundfunkveranstalter seine Programme dauerhaft einem inländischen Kabelbetreiber via Satellit übermittelt, damit jener die Programme in das inländische Kabelnetz einspeist (S. 93 ff.). Liehr sieht eine Niederlassung schon darin, dass einem Veranstalter aus Mitgliedstaat A eine Zulassung in Mitgliedstaat B, in dem der Veranstalter keine Niederlassung unterhält, erteilt wird, sofern Mitgliedstaat B für die Erteilung einer Zulassung keine inländische Niederlassung verlangt (S. 122 ff.).

III. Duales Rundfunksystem und Grundfreiheiten des EG-Vertrages

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(1) Begriff der Niederlassung i. S. d. Art. 43 ff. EG Die zwei entscheidenden Merkmale einer Niederlassung i. S. d. Art. 43 ff. EG ergeben sich bereits aus dem Wortlaut des Art. 43 EG und aus Art. 50 Abs. 3 EG: Art. 43 EG verlangt in der deutschen Fassung eine grenzüberschreitende „Niederlassung“, was nach gängigem Sprachgebrauch die Eingliederung in eine ausländische Volkswirtschaft durch Schaffung einer ständigen Präsenz am betreffenden Ort ist. Aus anderen sprachlichen Fassungen ergibt sich nichts Gegenteiliges. „Niederlassen“ muss sich nach dem Wortlaut des Art. 43 Abs. 1 EG außerdem ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaates bzw. eine unter Art. 48 EG fallende Gesellschaft. Daraus folgt, dass es für die Annahme einer Niederlassung grundsätzlich nicht ausreichen kann, wenn am Ort der Niederlassung nur die von dem betreffenden Einzelnen oder dem Unternehmen hergestellten Produkte oder Leistungen präsent sind.100 Nach Art. 50 Abs. 3 EG kann ein Dienstleistungserbringer „unbeschadet des Kapitels über die Niederlassungsfreiheit . . . zwecks Erbringung seiner Leistungen seine Tätigkeit vorübergehend in dem Staat ausüben, in dem die Leistung erbracht wird . . .“. Man kann aus dieser Formulierung schließen, dass keine Dienstleistung, sondern eine Niederlassung vorliegt, wenn der Betreffende seine Tätigkeit nicht mehr nur vorübergehend, sondern dauerhaft in dem anderen Mitgliedstaat ausübt.101 (2) Rechtsprechung des EuGH zum Niederlassungsbegriff Diese beiden Merkmale des Niederlassungsbegriffs (ständige Präsenz im Aufnahmestaat und beabsichtigte Dauerhaftigkeit der Tätigkeit) interpretiert der EuGH folgendermaßen: Eine ständige Präsenz im Aufnahmestaat sei auch dann gegeben, wenn zwar die Form einer echten Niederlassung oder Agentur fehle, aber zumindest ein Büro des betreffenden Unternehmens existiere, das von Unternehmenspersonal oder auch lediglich von einem unabhängigen Beauftragten, der auf Dauer „wie eine Agentur“ des Unternehmens handeln soll, geleitet werde.102 In Rs. van Binsbergen103 hat der EuGH außerdem festgestellt, dass, wenn die Tätigkeit eines Unternehmens von vornherein ausschließlich oder zumindest vorwiegend 100 So i. E. auch: Liehr, S. 118; Tiedje/Troberg, in: von der Groeben/Schwarze, Art. 43 EG Rdnr. 17. 101 So auch Tiedje/Troberg, in: von der Groeben/Schwarze, Art. 43 EG Rdnr. 11 ff. 102 Vgl. Rs. 205/84 (Kommission ./. Deutschland), Slg. 1986, S. 3755 ff., Rdnr. 21 des Urteils. 103 Vgl. Rs. 33/74 (van Binsbergen), Slg. 1974, 1299 ff., Rdnr. 13 des Urteils; so auch Rs. 205/84 (Kommission ./. Deutschland), Slg. 1986, S. 3755 ff., Rdnr. 22 des Urteils.

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

in einem Mitgliedstaat außerhalb des Heimatstaates erbracht werden soll, das Unternehmen aber bewusst in diesem Mitgliedstaat keine ständige Präsenz schafft, um die dort geltenden Berufsregelungen zu umgehen, der betreffende (Aufnahme-)Mitgliedstaat dieses Unternehmen den Regeln unterwerfen darf, die für in seinem Staatsgebiet niedergelassene Unternehmen gelten. Aus dieser Rechtsprechung darf indes nicht ohne weiteres geschlossen werden, der EuGH hielte eine Niederlassung auch ohne Schaffung fester Einrichtungen im Aufnahmestaat für möglich.104 Insbesondere in Rs. van Binsbergen hat der EuGH nämlich letztlich nicht ausdrücklich festgestellt, dass eine Niederlassung vorläge. Er hielt es nur für „denkbar“, dass die Vorschriften über die Niederlassungsfreiheit auf den Fall anwendbar seien, dass eine Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat nur deswegen errichtet wird, um von dort aus unter Umgehung der Berufsregeln des Heimatstaates ausschließlich oder vorwiegend Dienstleistungen im Heimatstaat zu erbringen.105 In Rs. TV 10 stellte der EuGH außerdem wörtlich fest, dass „der Begriff der „Dienstleistungen“ in den Artikeln 59 und 60 des Vertrages die durch die Vermittlung von in einem Mitgliedstaat niedergelassenen Kabelnetzbetreibern vorgenommene Verbreitung von Fernsehprogrammen umfasst, die von einer in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Sendeanstalt angeboten werden, auch wenn sich diese Anstalt dort zu dem Zweck niedergelassen hat, sich den im Empfangsstaat für inländische Sendeanstalten geltenden Rechtsvorschriften zu entziehen“.106 Jedenfalls für den Rundfunkbereich ist daher davon auszugehen, dass in derartigen Umgehungsfällen kein Fall der Niederlassungsfreiheit vorliegt, auch wenn es grundsätzlich zulässig ist, dass der Mitgliedstaat, dessen Vorschriften umgangen werden sollen, das betreffende Unternehmen gleich einem bei ihm niedergelassenen Unternehmen behandelt.107 Auch im ersteren der erwähnten Urteile108 sollte man den EuGH, um die Niederlassungsfreiheit nicht völlig uferlos werden zu lassen und damit den Anwendungsbereich der Dienstleistungsfreiheit vollständig auszuhöhlen, beim Wort nehmen: Voraussetzung einer Niederlassung ist nach der Formulierung im Urteil zumindest, dass ein unabhängiger Beauftragter auf Dauer für ein Unternehmen wie eine Agentur handeln soll. Hieraus folgt, dass das betreffende Unternehmen 104 So aber Lackhoff, S. 134 ff. m. w. N.; wohl auch Holoubek, in: Schwarze, Art. 50 EG, Rdnr. 14; wie hier Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, vor Art. 39–55 EG Rdnr. 132. 105 Vgl. Rs. 33/74 (van Binsbergen), Slg. 1974, 1299 ff., Rdnr. 13 des Urteils; vgl. auch Rs. C-3/95 (Reisebüro Broede), Slg. 1996, S. I-6511 ff, Rdnr. 18–22 des Urteils. 106 Rs. C-23/93 (TV 10), Slg. 1994, S. I-4795 ff., Rdnr. 16 des Urteils (Hervorhebung v. Verf.). 107 Rs. C-23/93 (TV 10), Slg. 1994, S. I-4795 ff. Rdnr. 21 u. 22 des Urteils. 108 Rs. 205/84 (Kommission ./. Deutschland), Slg. 1986, S. 3801, Rdnr. 20 ff. des Urteils.

III. Duales Rundfunksystem und Grundfreiheiten des EG-Vertrages

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demjenigen, der als Agentur handeln soll, wirtschaftlich in der Regel wird überlegen sein müssen, damit sich ein Fall der Niederlassungsfreiheit annehmen lässt. Die Bereitschaft, auf Dauer wie eine Agentur zu handeln, könnte hiernach beispielsweise nicht bei einer französischen Supermarktkette im Verhältnis zu einem belgischen Bauern, der an sie seine gesamten Erzeugnisse liefert, angenommen werden. Eine Ausnahme von diesem Erfordernis der wirtschaftlichen Überlegenheit ist lediglich dann zu machen, wenn ein Unternehmen sich darauf spezialisieren sollte, Agenturleistungen für eine Vielzahl ausländischer Unternehmen zu erbringen. In diesem Fall kann es keine Rolle spielen, dass das „Agenturunternehmen“ wirtschaftlich stärker ist als ein einzelner seiner Kunden, denn der Zweck des Unternehmens ist es ja gerade ausländischen Unternehmen die von der Niederlassungsfreiheit Gebrauch machen wollen, als Agentur zu dienen. Auch zur Frage der Aufenthaltsdauer im Niederlassungsstaat existiert Rechtsprechung des EuGH: Ist die beabsichtigte Aufenthaltsdauer109 für sich allein genommen zu gering, um einen Fall der Niederlassungsfreiheit annehmen zu können, kommt es nach Ansicht des Gerichtshofs grundsätzlich auch nicht darauf an, ob feste Einrichtungen in dem anderen Mitgliedstaat errichtet werden. Auch die Existenz einer bestimmten Infrastruktur im Aufnahmestaat schließe nicht von vornherein die Einschlägigkeit der Dienstleistungsfreiheit aus.110 Dies folgert der EuGH aus Art. 50 Abs. 3 EG. Das Vorliegen einer Dienstleistung i. S. d. Art. 50 Abs. 3 EG setzt jedoch voraus, dass der Aufenthalt des Dienstleistungserbringers im betreffenden anderen Mitgliedstaat nur vorübergehender Natur sein soll. Wann dies der Fall ist, lässt sich immer dann unproblematisch feststellen, wenn man die diesbezügliche Absicht des betreffenden Marktteilnehmers kennt. Schwieriger wird es, wenn unklar bleibt, ob die Absicht einer dauerhaften Ansiedlung bestand. In diesen Fällen stellt der EuGH für die Frage, ob schon eine Niederlassung anzunehmen ist, auf den jeweiligen Einzelfall ab unter Berücksichtigung von Dauer, Häufigkeit, Periodizität und Kontinuität der betreffenden Tätigkeit.111 (3) Ergebnis Nach den somit ermittelten Beurteilungsmaßstäben sind die Fälle dauerhafter Programmeinstrahlung zu beurteilen: 109 Auf die tatsächliche Dauer der Leistungserbringung kann es nicht ankommen. Ansonsten würde sich z. B. ein Bauunternehmer, der mit seinen Mitarbeitern vorübergehend im Ausland an einem Bauvorhaben mitarbeitet, schon dadurch niederlassen können, dass sich das Bauvorhaben verzögert. 110 Rs. C-55/94 (Gebhard), Slg. 1995, S. I-4165, Rdnr. 26 f. des Urteils. 111 Rs. C-3/95 (Reisebüro Broede), Slg. 1996, S. I-6511, Rdnr. 22 des Urteils; vgl. auch Bux, S. 78 ff. m. w. N.

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

Im bereits erwähnten Fall, in dem ein Rundfunkveranstalter seine Programme dauerhaft einem ausländischen Kabelnetzbetreiber via Satellit übermittelt, welcher die Programme dann in sein Kabelnetz einspeist, hat der EuGH nicht die Niederlassungs-, sondern die Dienstleistungsfreiheit angewendet, und zwar selbst dann, wenn der betreffende Rundfunkveranstalter nur deswegen sich nicht im Gebiet des Empfangsstaates niederlässt, um dessen Rechtsvorschriften zu umgehen.112 Für diese Sicht spricht schon, dass ein Kabelnetzbetreiber wohl nur in den seltensten Fällen wie eine Agentur des Rundfunkveranstalters wird handeln wollen. Vor der vollständigen Privatisierung der Kabelnetze hätte es z. B. keinen Sinn gemacht, die Deutsche Telekom als Niederlassung bzw. Agentur von RTL anzusehen. Außerdem ist die unternehmerische Entscheidung, gerade keine förmliche Niederlassung in einem Mitgliedstaat zu gründen, sondern lediglich Programme in die Kabelnetze dieses Staates einspeisen zu lassen, grundsätzlich zu respektieren. Letztlich vermag daher die Ansicht des EuGH, auf diesen Fall die Dienstleistungsfreiheit anzuwenden, zu überzeugen113. Weniger Schwierigkeiten bereitet die Einordnung des terrestrischen Empfangs: Selbst, wenn ein Rundfunkveranstalter seine Programme auf terrestrischem Wege ausschließlich vorwiegend in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates sendet, ist er in diesem Mitgliedstaat nicht niedergelassen, weil es an einer ständigen Präsenz im Sinne der EuGH-Rechtsprechung fehlt.114 Präsent im Aufnahmestaat ist nur die Sendung, nicht ihr Veranstalter. Der Fall, dass die auf terrestrischem Wege übertragenen Signale zunächst von einem ausländischen Betreiber terrestrischer Sendeanlagen empfangen werden, der sie dann innerhalb seines Gebiets weiterleitet, ist analog zu behandeln.115 Für Satellitendirektempfang mittels Parabolantenne gilt dasselbe wie für terrestrischen Empfang. Die einzige Niederlassung des Veranstalters der von dem Satelliten übertragenen Programme, könnte der Satellit selbst sein. Dieser ist aber nicht Bestandteil des Staatsgebietes irgendeines Mitgliedstaates. Im Ergebnis liegt in den Fällen dauerhafter „Programmeinstrahlung“ somit regelmäßig keine Niederlassung i. S. d. Art. 43 EG vor. c) Sonstiges Fraglich ist, ob auch, wenn ein Rundfunkveranstalter in einem Mitgliedstaat eine feste Einrichtung schafft, ohne von dort aus Rundfunk zu veranstalten 112 Rs. 352/85 (Bond van Adverteerders), Slg. 1988, S. 2085 ff., Rdnr. 12 ff. des Urteils; Rs. C-23/93 (TV 10), Slg. 1994, S. I-4795 ff.; in beiden Fällen wurde zwischen den Freiheiten jedoch nicht klar abgegrenzt. 113 So auch Gersdorf, Rundfunkrecht, Rdnr. 543. 114 So auch Bux, S. 103 f. m. w. N. 115 A. A. Bux, S. 105.

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(z. B. ein Korrespondentenbüro) ein Fall der Niederlassungsfreiheit vorliegt. Da der EuGH wie dargelegt, den Begriff der Niederlassung weit fasst, wird man dies bejahen müssen. Wenn im Übrigen wie z. B. im Fall Centros schon eine Briefkastenfirma eine Niederlassung sein kann,116 muss dies erst recht für eine tatsächlich genutzte feste Einrichtung gelten, selbst wenn von dieser Einrichtung aus das betreffende Produkt bzw. die betreffende Leistung nicht angeboten werden könnte. Daher sind (Zweig-)Niederlassungen von Rundfunkveranstaltern auch z. B. Korrespondentenbüros, veranstaltereigene Kabelnetze o. Ä.117 Neben Art. 43 ff. EG verwendet auch die Fernsehrichtlinie den Begriff der Niederlassung, und zwar in Art. 2 bei der Frage, welcher Rechtshoheit ein Fernsehveranstalter unterworfen ist. Dieser Begriff ist jedoch mit dem der Art. 43 ff. EG nicht vollständig identisch, was schon daraus folgt, dass die Fernsehrichtlinie auf die Regelungskompetenz aus der Dienstleistungsfreiheit (Art. 55, 47 Abs. 2 EG) und nicht auf diejenige aus der Niederlassungsfreiheit gestützt wurde.118 Außerdem ist es im Gegensatz zu Art. 43 EG Sinn und Zweck des Art. 2 der Fernsehrichtlinie, einen einzelnen Staat zu bestimmen, der die Rechtshoheit hat, denn nach der Fernsehrichtlinie soll die Sendetätigkeit im Gemeinschaftsgebiet eben nur der Kontrolle dieses einen Staates unterliegen. Mehrere Niederlassungen zu ermitteln, was nach Art. 43 EG ohne weiteres geht, will Art. 2 der Fernsehrichtlinie also gerade vermeiden. Auch, wenn in einem Mitgliedstaat keine Niederlassung i. S. d. Art. 2 der Fernsehrichtlinie anzunehmen wäre, kann daher eine Niederlassung i. S. d. Art. 43 EG vorliegen. Daher ist bei der Frage, welcher Rechtshoheit ein Veranstalter i. S. d. Art. 2 Abs. 1 der Fernsehrichtlinie unterliegt, zunächst festzustellen, in welchen Mitgliedstaaten er Niederlassungen i. S. d. Art. 43 EG hat. Hat der Veranstalter hiernach mehrere Niederlassungen, ist näher einzugrenzen, welcher Rechtshoheit der Veranstalter unterliegt bzw. in welchem Staat er i. S. d. Art. 2 der Fernsehrichtlinie niedergelassen ist.119 Hier zeigt sich, dass eine Abgrenzung zwischen Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit auch bei Leistungen i. S. d. Fernsehrichtlinie nicht vollständig entbehrlich ist,120 denn nur, wenn der Veranstalter mehrere Niederlassungen i. S. d. Art. 43 EG hat, ist eine nähere Bestimmung der Niederlassung i. S. d. Art. 2 der Fernsehrichtlinie notwendig.

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So i. E. Rs. C-212/97 (Centros), Slg. 1999, S. I-1459 ff., Rdnr. 17 f. des Urteils. So auch Bux, S. 92 f.; wohl auch: Liehr, S. 126. 118 Näher zu dieser Kompetenzgrundlage, s. u. B. IV. 2. a) aa). 119 Vgl. GA Lenz, Rs. C-56/96 (VT 4), Slg. 1997, S. I-3143 ff., Rdnr. 25 ff. der Schlussanträge. 120 So aber Greissinger, S. 114. 117

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

5. Rundfunk und Dienstleistungsfreiheit Wie bereits mehrfach erwähnt, subsumiert der EuGH in ständiger Rechtsprechung die grenzüberschreitende Sendetätigkeit des Rundfunks unter die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 49 ff. EG. In wieweit diese Einordnung bezogen auf den Rundfunk in Deutschland zutreffend ist, soll im Folgenden untersucht werden: a) Subsidiarität der Dienstleistungsfreiheit und Kumulationsverbot Gemäß Art. 50 Abs. 1 EG ist die Dienstleistungsfreiheit subsidiär zu den anderen Grundfreiheiten,121 d. h. ein Rundfunkveranstalter kann sich nicht auf die Dienstleistungsfreiheit berufen, wenn sein im konkreten Fall zu beurteilendes Verhalten in den Anwendungsbereich einer der anderen Grundfreiheiten fällt. Außerdem hat der EuGH entschieden, dass sich ein Marktteilnehmer in dem Mitgliedstaat, in dem er eine Niederlassung unterhält, nicht auf die Dienstleistungsfreiheit berufen kann.122 Hätte also z. B. ein Veranstalter Niederlassungen in Deutschland und Luxemburg, könnte er sich nach dieser Rechtsprechung für die Einstrahlung einer Sendung aus Luxemburg nach Deutschland nicht auf die Dienstleistungsfreiheit berufen. Allerdings ist dieses von der Rechtsprechung aufgestellte Kumulationsverbot auf den Rundfunkbereich nur sehr eingeschränkt übertragbar: Der Begriff der Niederlassung ist, wie dargelegt, sehr weit zu verstehen; schon ein Korrespondentenbüro kann als Niederlassung angesehen werden. Die Dienstleistungsfreiheit wäre aber im Rundfunkbereich nahezu bedeutungslos, wenn schon das Vorhandensein eines bloßen Korrespondentenbüros eines ausländischen Veranstalter in einem Mitgliedstaat bei der Programmeinstrahlung in diesen eine Berufung auf die Dienstleistungsfreiheit ausschließen würde. Zur Lösung dieses Problems ist auf Sinn und Zweck des Kumulationsverbotes abzustellen. Bestünde das Verbot nicht, wäre derjenige, der sich in einem Staat niederlässt, zugleich aber vom Ausland aus in diesen Staat Dienstleistungen erbringt, besser gestellt als derjenige, der in der gleichen Situation auf eine Niederlassung in dem betreffenden Staat verzichtet, da Ersterer sich auf zwei Grundfreiheiten, Letzterer aber nur auf eine berufen könnte. Hierdurch würde ein faktischer Anreiz zur Niederlassung geschaffen, der dem Sinn und Zweck 121 So ausdrücklich der EuGH in Rs. C-55/94 (Gebhard), Slg. 1995, S. I-4165 ff, Rdnr. 22 des Urteils. 122 Rs. 205/84 (Kommission ./. Bundesrepublik Deutschland), Slg. 1986, S. 3755 ff., Rdnr. 21 des Urteils; zu diesem Kumulations- oder auch „Kumulverbot“ vgl. Kluth, in: Calliess/Ruffert, Art. 50 EG Rdnr. 14 m. w. N.; Tiedje/Troberg, in: von der Groeben/Schwarze, Art. 50 EG Rdnr. 9 f.; kritisch: Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/ Hilf, Art. 43 EG Rdnr. 40 ff.

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der Dienstleistungsfreiheit entgegenstünde, die gerade dazu da ist, Leistungen grenzüberschreitend ohne Niederlassung im Empfangsstaat zu erbringen. Das Kumulationsverbot kann jedoch nur dann eingreifen, wenn ein solches Kumulationsrisiko überhaupt besteht. Dies ist der Fall, wenn ein und dieselbe Leistung sowohl von einer festen (Zweig-)niederlassung aus, als auch grenzüberschreitend vom Ort der (Haupt-)niederlassung aus erbracht werden kann.123 Eine Niederlassung in einem Mitgliedstaat schließt die Berufung auf die Dienstleistungsfreiheit für in diesen Staat eingestrahlte Rundfunksendungen daher nur dann aus, wenn die Sendungen auch von der betreffenden Niederlassung ausgestrahlt werden könnten. Im Beispielsfall wäre eine Berufung des luxemburgischen Veranstalters auf die Dienstleistungsfreiheit für die Einstrahlung nach Deutschland daher möglich, wenn er in Deutschland nur eine Niederlassung betreiben würde, von der aus er nicht senden kann (z. B. ein Korrespondentenbüro). Für Leistungen, die der Fernsehrichtlinie unterliegen, ist eine weitere Einschränkung des Kumulationsverbotes zu machen: Die Fernsehrichtlinie basiert wie schon erwähnt, auf der Harmonisierungskompetenz der Gemeinschaft für die Dienstleistungsfreiheit aus Art. 55, 47 Abs. 2 EG. Daraus folgt, dass die Richtlinie anwendbar ist, soweit die Fernsehtätigkeit als Dienstleistung i. S. d. Art. 49, 50 EG anzusehen ist. Aus Art. 2 der Richtlinie, der sich mit der Frage befasst, welcher Rechtshoheit ein in mehreren Staaten niedergelassener Veranstalter unterliegt, folgt wiederum, dass es für die Anwendbarkeit der Richtlinie unproblematisch sein soll, wenn ein Veranstalter mehrere Niederlassungen hat. Dann jedoch kann das Kumulationsverbot auf Leistungen, die unter die Fernsehrichtlinie fallen, nicht anwendbar sein.124 b) Die grenzüberschreitenden Leistungsbeziehungen Der Rundfunk kann der Dienstleistungsfreiheit nur insoweit zugeordnet werden, als grenzüberschreitende Leistungsbeziehungen bestehen. Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass Rundfunksendungen, soweit sie die Merkmale der Art. 49, 50 EG erfüllen, sog. Korrespondenzdienstleistungen sind, d. h. Dienstleistungen, bei denen weder der Leistende noch der Leistungsempfänger eine Grenze überschreitet, sondern nur die Leistung (die Sendung) selbst.125 Berechtigt aus der Dienstleistungsfreiheit können (nicht nur im Rundfunkbereich) stets zwei Personen sein, Leistender und Leistungsempfänger.126 Im Übrigen ist zwischen verschiedenen technischen Formen der Rundfunkübertragung zu unterscheiden: 123 124 125 126

So auch Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, Art. 43 Rdnr. 40 ff. So i. E. auch Greissinger, S. 44, 115. Hierzu statt vieler Oppermann, Europarecht, Rdnr. 1597. Hierauf weist auch Petersen (S. 61) hin.

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aa) Terrestrischer und Satellitenrundfunk Die Feststellung grenzüberschreitender Leistungsbeziehungen bereitet beim terrestrischen und Satellitenempfang kaum Probleme. Satelliten befinden sich zwar auf einer geostationären Umlaufbahn, sie werden jedoch von der ganz h. M. quasi als verlängerte Antenne des Veranstalters, dem die Sendekapazitäten gehören, betrachtet.127 Es macht also keinen Unterschied, ob ein Veranstalter terrestrisch über die Grenze sendet oder über einen Satelliten. Teilweise wurde angenommen, eine grenzüberschreitende Leistung i. S. d. Art. 49, 50 EG liege nur beim sog. intended overspill, der bewussten und gewollten Übertragung von Rundfunkprogrammen über eine Staatsgrenze hinweg, vor.128 Auf den Wortlaut des Vertrages kann sich diese Ansicht trotz gegenteiliger Begründungsversuche129 nicht stützen: Die Formulierung „für Angehörige der Mitgliedstaaten“ in Art. 49 EG bezieht sich schon grammatikalisch nicht auf die Leistungen, sondern auf die Beschränkungen ihres freien Verkehrs,130 und der Begriff der „Leistung“ verlangt nur eine gewollte Erreichung des Leistungserfolges, ohne dass es darauf ankäme, wo dieser Erfolg eintreten soll. Im Übrigen ist die Beschränkung auf den intended overspill letztlich keine effektive Eingrenzung, denn wenn die Versorgung eines inländischen Sendegebietes in gleichbleibend hoher Qualität beabsichtigt ist, und hierbei overspill in Kauf genommen werden muss, wird dieser im Zweifel auch gewollt sein. Deutsche Veranstalter müssen außerdem, wollen sie nicht nur für die inländische, sondern auch für die ausländische Werbeindustrie interessant sein, im europäischen Ausland auf sich aufmerksam machen. Der overspill wird daher in nahezu allen Fällen nicht nur aus technischen, sondern auch aus wirtschaftlichen Gründen gewollt sein. bb) Kabelrundfunk Umstritten ist, welche grenzüberschreitenden Leistungsbeziehungen bei der Rundfunkverbreitung via Glasfaserkabel vorliegen:131 Kabelrundfunk funktioniert grundsätzlich in der Weise, dass ein Netzbetreiber Rundfunksignale, die er selbst empfangen hat, in sein Kabelnetz am sog. Kabelkopf einspeist. Diese Signale können alle Teilnehmer, die an das Kabelnetz angeschlossen sind, ihrerseits empfangen. Bei Kabelrundfunk im sog. Direktempfangsbereich handelt es sich um Signale, die von den Teilnehmern auch 127 128 129 130 131

Vgl. Gulich, S. 54 m. w. N. So Gulich, S. 52 ff. m. w. N.; hierzu auch Petersen, S. 59 ff. m. w. N. Gegen diese auch Petersen, S. 60 f. m. w. N.; Mestmäcker, 56. DJT, O 29. So auch Trafkowski, S. 94. Vgl. Schwartz, in: Schwarze, S. 63 ff.; Gulich, S. 55 ff.; Petersen, S. 66 ff.

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terrestrisch oder mittels Satellitendirektempfang empfangen werden könnten. In diesem Fall dient die Kabelübertragung dazu, eine Verbesserung der Bild- und Tonqualität im Verhältnis zur terrestrischen oder Satelliten- Übertragung zu erreichen. Daneben sind aktiver Kabelrundfunk und passiver Kabelrundfunk zu unterscheiden. Passiver Kabelrundfunk liegt vor, wenn der Netzbetreiber die Signale ohne Veränderung einspeist, aktiver, wenn der Betreiber vor der Einspeisung Veränderungen vornimmt, z. B. speziell für die Netzteilnehmer bestimmte Werbemitteilungen einfügt. Ausgehend hiervon lassen sich bei werbefinanziertem Kabelrundfunk folgende mögliche Leistungsbeziehungen unterscheiden: – – – – –

Das Verhältnis zwischen Rundfunkveranstalter und Netzbetreiber. Das Verhältnis zwischen Netzbetreiber und Netzteilnehmer. Das Verhältnis zwischen Rundfunkveranstalter und Netzteilnehmer. Das Verhältnis zwischen Rundfunkveranstalter und werbendem Unternehmen. Bei aktivem Kabelrundfunk: Das Verhältnis zwischen Netzbetreiber und werbendem Unternehmen.

Wann in diesen Fällen eine grenzüberschreitende Leistungsbeziehung anzunehmen ist, hat der EuGH in Rs. Debauve und Rs. Bond van Adverteerders erörtert: Er stellte zunächst fest, es gäbe keinen Grund, die Kabelübertragung gemessen an Art. 59, 60 EGV anders als die terrestrische Übertragung zu behandeln. Gleichzeitig betonte der Gerichtshof aber, die Dienstleistungsfreiheit sei nicht auf Betätigungen anwendbar, deren wesentliche Elemente sämtlich nicht über die Grenzen eines Mitgliedstaates hinausweisen.132 Zu dem Fall, dass Netzbetreiber, werbendes Unternehmen und Veranstalter in verschiedenen Mitgliedstaaten ansässig seien, erklärte der EuGH in Rs. Bond van Adverteerders, eine grenzüberschreitende Leistung erbringe der ausländische Netzbetreiber gegenüber dem Veranstalter, wenn er die übermittelten Programme in sein Netz einspeise. Eine weitere grenzüberschreitende Leistung erbringe der Rundfunkveranstalter gegenüber den Unternehmen, deren Werbung er in sein Programm einfüge. „Mindestens“ insoweit lägen grenzüberschreitende Leistungen vor.133 Der EuGH hat damit, wie er selbst deutlich gemacht hat, nicht alle beim grenzüberschreitenden Kabelrundfunk möglichen grenzüberschreitenden Leistungsbeziehungen dargestellt. Es bleibt daher zu untersuchen, welche weiteren Beziehungen existieren können: Problematisch sind Fälle, in denen zwei der Beteiligten sich innerhalb desselben Mitgliedstaates befinden. Am Eingriff in 132 133

teils.

Rs. 52/79 (Debauve), Slg. 1980, S. 855 Rdnr. 8 und 9 des Urteils. Rs. 352/85 (Bond van Adverteerders), Slg. 1988, S. 2085 ff., Rdnr. 14 des Ur-

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die entsprechende Leistungsbeziehung wäre der Mitgliedstaat, weil die Beziehung an sich nicht grenzüberschreitend ist, grundsätzlich nicht durch Art. 49 EG gehindert. Dies aber hätte i. d. R. zur Folge, dass auch die verbleibende grenzüberschreitende Leistungsbeziehung unterbrochen wäre, diese Unterbrechung aber, da sie innerhalb eines Mitgliedstaates bewirkt wurde, ohne Beachtung des Art. 49 EG erfolgen könnte. Im Ergebnis wären dann grenzüberschreitende Kabelübertragungen europarechtlich schlechter geschützt als terrestrische Übertragungen oder Übertragungen via Satellit. Dies ist, wie der EuGH implizit schon in Rs. Debauve festgestellt hat, wenig einleuchtend. Es macht auch im Bereich des freien Warenverkehrs keinen Unterschied, ob ein Warenproduzent seine Waren direkt an ausländische Endverbraucher verkauft, oder ob er sie zuerst an Zwischenhändler im Ausland abgibt.134 Die völlig isolierte Betrachtung einzelner Leistungsvorgänge beim Kabelrundfunk widerspräche also dem effet utile der Dienstleistungsfreiheit. Zur Lösung dieser Problematik werden verschiedene Ansichten vertreten: Nach einer Ansicht liegt jedenfalls dann, wenn Netzbetreiber und Netzteilnehmer sich im selben Mitgliedstaat befinden, der Schwerpunkt des Geschehens bei der grenzüberschreitenden Tätigkeit, weshalb der Vorgang insgesamt (also auch die rein innerstaatliche Weiterleitung an die Netzteilnehmer) in den Anwendungsbereich des Art. 49 EG falle.135 Diese Schwerpunktsetzung erscheint jedoch willkürlich, denn jedenfalls außerhalb des Direktempfangsbereichs wäre ebenso denkbar, den Schwerpunkt bei der Kabeleinspeisung zu sehen, denn erst durch sie wird der Empfang ermöglicht.136 Daher vermag die Ansicht letztlich nicht zu überzeugen. Eine andere Ansicht nimmt eine „Gesamtschau“ des Sendevorgangs vor und behandelt die Sendung vom Veranstalter an den ausländischen Netzbetreiber und von dort aus weiter an den Teilnehmer generell137 oder jedenfalls, soweit passiver Kabelrundfunk vorliegt, als einheitlichen Vorgang.138 Auch diese Ansicht begegnet aus mehreren Gründen Bedenken: Gegen die Trennung zwischen 134 Vgl. nur EuGH Verb. Rs. C-267 u. 268/91 (Keck), Slg. 1993, S. I-6097. In diesem Urteil setzt sich der EuGH damit auseinander, ob ein innerhalb eines Mitgliedstaates geltendes Verbot des Warenverkaufs unter Einstandspreis mit der Warenverkehrsfreiheit vereinbar ist. Dass unmittelbar nur der Verkauf der Waren innerhalb eines Landes beschränkt wird, und dieser Verkauf keine grenzüberschreitende Leistung ist, problematisiert der EuGH nicht. 135 So i. E. Degenhart, EuGRZ 1983, 213. 136 So zurecht Gulich, S. 58. 137 So Schwartz, in: Schwarze, S. 45 ff. (66); ähnlich GA Mancini, Rs. 352/85 (Bond van Adverteerders), Slg. 1988, S. 2085 ff., Nr. 8 der Schlussanträge. 138 So Gulich (S. 59, 61), der annimmt, das Anhalten und Verändern des Programms bilde eine Zäsur im Geschehensablauf, so dass die Weiterverbreitung an die Teilnehmer zur rein innerstaatlichen Dienstleistung werde; weitere Nachweise bei Petersen, S. 69.

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aktivem und passivem Kabelrundfunk ist zurecht eingewendet worden, dass sie an der technischen Realität vorbeiginge.139 In der Tat geschieht die Einspeisung in beiden Fällen (also auch beim passiven Kabelrundfunk) technisch nicht von selbst, sondern bedarf einer Leistung des Netzbetreibers. Auch die Annahme, die Tätigkeit des Netzbetreibers beim aktiven Kabelrundfunk bewirke eine Zäsur, ist jedenfalls aus der Sicht des Netzteilnehmers zweifelhaft, denn dieser wird, weil es ihm auf den Empfang der Sendung ankommt und i. d. R. nicht darauf, ob der Netzbetreiber spezielle Werbemitteilungen eingefügt hat, zumeist weiterhin den betreffenden ausländischen Rundfunksender als Veranstalter ansehen. Letztlich vermag die Trennung zwischen aktivem und passivem Kabelrundfunk daher insoweit nicht zu überzeugen. Auch die derartige Differenzierungen vermeidende generelle „Gesamtschau“ des Übertragungsvorgangs ist jedoch schon in methodischer Hinsicht angreifbar, denn sie ist eine analogieartige Hilfskonstruktion, derer es nur bedarf, wenn eine andere „direktere“ Lösung nicht möglich ist. Eine solche Lösung ist aber möglich, denn in der unmittelbaren Beschränkung des innerstaatlichen Vorgangs kann zugleich eine mittelbare Beschränkung des grenzüberschreitenden Vorgangs erblickt werden. Nach der auch für Art. 49 EG geltenden „Dassonville-Formel“ sind aber alle Beschränkungen grundsätzlich verboten, die die Ausübung einer Grundfreiheit „unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell“ behindern.140 Differenziert werden kann zwischen den verschiedenen Arten der Beschränkung einer Grundfreiheit, wie der EuGH im Fall Keck gezeigt hat, dennoch. Diese Sichtweise trägt außerdem im Fall des Kabelrundfunks der Tatsache am besten Rechnung, dass jedenfalls de facto mehrere Leistungen vorliegen. Im Ergebnis kann daher bei der Beschränkung aller oben dargestellten Leistungsbeziehungen ein von Art. 49 EG verbotener (unmittelbarer oder mittelbarer) Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit vorliegen. c) Entgeltlichkeit der Leistungsbeziehungen Nach Art. 49, 50 EG sind Dienstleistungen nur Leistungen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden. In wieweit es sich bei den Leistungen der Rundfunkveranstalter um solche entgeltlichen Leistungen handelt, ist umstritten:

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Vgl. Petersen, S. 69. Zwar hat der EuGH auf diese Formel im Bereich der Dienstleistungsfreiheit zwar, soweit ersichtlich, nicht wörtlich Bezug genommen, er hat jedoch, wie oben dargelegt [B. III. 1. c)], die Dienstleistungsfreiheit klar als allgemeines Beschränkungsverbot interpretiert. Da die „Dassonville-Formel“ bei der Warenverkehrsfreiheit ein allgemeines Beschränkungsverbot ausdrücken will, lässt sie sich auf die Dienstleistungsfreiheit übertragen. 140

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

aa) Grenzüberschreitendes Pay-TV Klar ist, dass eine entgeltliche Leistung eines Rundfunkveranstalters bei grenzüberschreitendem Pay-TV vorliegt, weil der inländische Abonnent die Veranstaltung der Programme durch den ausländischen Pay-TV-Anbieter direkt bezahlt. Grenzüberschreitendes Pay-TV ist allerdings bisher eine eher seltene Form der Rundfunkveranstaltung. bb) Grenzüberschreitender Kabelrundfunk Ebenso besteht eine grenzüberschreitende Entgeltbeziehung in der Regel zwischen inländischen Rundfunkveranstaltern und ausländischen Kabelnetzbetreibern, die die von den Veranstaltern produzierten Programme in ihr Kabelnetz einspeisen:141 Der Netzbetreiber bezahlt für die Übertragung der Senderechte und der Veranstalter bezahlt eine Art „Wegegeld“ für die Einspeisung. Außerdem existiert eine mittelbare Entgeltbeziehung zwischen Netzteilnehmer und ausländischem Veranstalter, wenn der Teilnehmer Kabelgebühren an den Netzbetreiber entrichtet, und dieser seinerseits dem Rundfunkveranstalter ein Entgelt für den Empfang der Programme zahlt. cc) Entgeltbeziehungen beim grenzüberschreitenden werbefinanzierten Rundfunk In- und ausländische Unternehmen bezahlen deutsche Runfunkveranstalter für die Ausstrahlung von Werbespots. Ausländische Rundfunkrezipienten bezahlen allerdings nicht unmittelbar für den Empfang von grenzüberschreitend gesendetem werbefinanzierten Rundfunk. Hieraus wurde der Schluss gezogen, im Verhältnis zum ausländischen Rezipienten läge keine grenzüberschreitende Dienstleistung vor: Eine entgeltliche grenzüberschreitende Dienstleistung sei nur bei einer synallagmatischen Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung gegeben.142 Da zwischen ausländischem Rundfunksender und inländischem Empfänger kein solches privatrechtliches Vertragsverhältnis bestünde, sei die Übertragung von Rundfunksendungen in das europäische Ausland als solche keine Dienstleistung i. S. d. Art. 49, 50 EG.143 Außerdem sei der Dienstleistungscharakter der grenzüberschreitenden Rundfunkausstrahlung auch deswegen zu verneinen, weil die Leistung hinrei141

So auch Gulich, S. 49 f. So insbesondere Börner, ZUM 1985, 577 (578). 143 Vgl. Börner, ZUM 1985, 577 (578 f.). Börner setzt hier stillschweigend voraus, dass eine entgeliche Leistung i. S. d. Art. 49, 50 EG nur vorliegt, wenn das Entgelt grenzüberschreitend entrichtet wird (vgl. hierzu Trafkowski, S. 95 f. m. w. N.). 142

III. Duales Rundfunksystem und Grundfreiheiten des EG-Vertrages

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chend bestimmt sein müsse, und nicht wie die Rundfunkausstrahlung an einen unbestimmten Personenkreis gerichtet sein dürfe.144 Daneben wurde vertreten, eine grenzüberschreitende Dienstleistung sei generell nur anzunehmen, wenn auch das Entgelt für diese grenzüberschreitend erbracht werde.145 Dieser engen Auslegung des Begriffs der Dienstleistung wurde entgegengehalten, dass das Erfordernis eines privatrechtlichen Vertragsverhältnisses dem EG-Vertragswortlaut nicht zu entnehmen sei.146 Die Reduktion der Dienstleistungsfreiheit auf privatrechtliche Verhältnisse sei auch materiell nicht gerechtfertigt, da es weite Bereiche gäbe, in denen auch durch Zahlung öffentlichrechtlicher Entgelte eine Leistungsanspruch erworben würde. Die Methode der Finanzierung einer Leistung könne außerdem für ihre Qualifikation als Dienstleistung nicht entscheidend sein.147 Ebensowenig sei deswegen, weil Rundfunk ein „Rundumangebot an alle“ sei, an dessen Dienstleistungscharakter zu zweifeln. Auch z. B. Anzeigen in Illustrierten seien Leistungen, die an eine unbestimmte Zahl von Empfängern angeboten würden.148 Außerdem verlangten die Vorschriften über die Dienstleistungsfreiheit nicht, dass der Begünstigte der Leistung und der, der für die Leistung zahle identisch seien.149 Da die Werbeindustrie die Rundfunkveranstaltung finanziere, läge auch im Verhältnis zum ausländischen Rezipienten eine Dienstleistung vor. Aus Gründen des effet utile150 müsse es ferner ausreichen, wenn die betreffende Leistung in irgendeiner Weise entgeltlich sei, auch ohne dass das Entgelt grenzüberschreitend entrichtet werde.151 Der EuGH hat sich im Wesentlichen den zuletzt dargestellten Meinungen angeschlossen. Auf die Fragen, ob die Dienstleistungsfreiheit nur Beziehungen in Form von privatrechtlichen Verträgen erfasse, ob Leistungen „ad incertas personas“ Dienstleistungen seien und ob die Entgeltzahlung grenzüberschreitend erfolgen müsse, ging er zwar nicht ein, stellte aber fest, es sei nicht erforderlich, dass gerade derjenige für die Leistung zahle, dem sie zugute käme.152

144

Vgl. Börner, ZUM 1985, 577 (579 f.). Vgl. Trafkowski, S. 95 m. w. N. 146 So z. B. Gulich, S. 42; GB Fernsehen S. 107; Mestmäcker/Engel/Gabriel-Bräutigam/Hoffmann, S. 40. 147 So Deringer, ZUM 1986, 627 (635 f.). 148 So Deringer, ZUM 1986, 627 (635). 149 Vgl. Petersen, S. 51 f. 150 Zu diesem Grundsatz statt vieler Borchardt, in: Lenz/ders., Art. 220 EG Rdnr. 19. 151 Vgl. Holznagel, Europa, S. 137 f.; Rosenthal, S. 63; Trafkowski ebd.; Mestmäcker, 56. DJT, O 28 f. 152 Rs. 352/85 (Bond van Adverteerders), Slg. 1988, S. 2085 ff., Rdnr. 16 des Urteils. 145

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

Die Annahme, es käme nicht darauf an, ob das Rechtsverhältnis öffentlichoder privatrechtlich ausgestaltet sei, ist überzeugend. Die Beschränkung auf privatrechtliches Handeln ist dem EGV nicht zu entnehmen. Dies folgt auch aus Art. 86 EG. Außerdem dürfte, wenn nur privatrechtliches Handeln von Art. 49, 50 EG geschützt wäre, der Empfang ausländischen öffentlich-rechtlichen Rundfunks ohne Einschränkung verboten werden, bei der Beschränkung ausländischen privaten Rundfunks wären hingegen Art. 55, 46 EG zu beachten. Eine solche Privilegierung des privaten Rundfunks scheint nicht gerechtfertigt.153 Die Ansicht, der grenzüberschreitende Rundfunk sei eine Leistung ad incertas personas und deshalb von Art. 49, 50 EG nicht erfasst, ist ebenfalls mit der h. M. abzulehnen. Schon die Bezeichnung „Leistung ad incertas personas“ ist irreführend, denn streng genommen kann eine Leistungsbeziehung zwischen Veranstalter und Rezipient erst zustandekommen, wenn der Rezipient das Programm auch einschaltet. Bis dahin liegt ein bloßes Leistungsangebot vor. Die Frage ist daher nicht, ob Art. 49, 50 EG Leistungen ad incertas personas, sondern ob sie bloße Leistungsangebote erfassen. Dies ist zu bejahen, denn ein Leistungsangebot ist zwar keine Leistung,154 aber notwendige Voraussetzung des Zustandekommens einer Leistungsbeziehung. Wenn Art. 49, 50 EG vor einer Erschwerung des Marktzugangs155 effekiv schützen sollen, muss dieser Schutz schon beim Leistungsangebot ansetzen. Ebenso ist dem Wortlaut der Art. 49, 50 EG nicht zu entnehmen, dass auch die Entgeltzahlung grenzüberschreitend erfolgen muss. Aus Gründen des effet utile muss es vielmehr ausreichen, wenn eine zumindest „drittfinanzierte“ Leistung vorliegt, ohne dass zwischen dem Leistungserbringer und demjenigen, der die Leistung bezahlt, eine Staatsgrenze liegt. Mit der Annahme, beim grenzüberschreitenden Rundfunk handle es sich um eine „drittfinanzierte“ Leistung, macht es sich die h. M. jedoch etwas zu einfach: Es trifft zu, dass auch von Dritten bezahlte grenzüberschreitende Leistungen, z. B. die Beratung eines Franzosen durch einen deutschen Rechtsanwalt, bezahlt durch eine Rechtsschutzversicherung, unter die Dienstleistungsfreiheit des EG-Vertrages fallen.156 Mit derartigen Fällen ist die grenzüberschreitende Rundfunkübertragung aber nicht voll vergleichbar. Das in Rundfunk oder Fernsehen werbende Unternehmen zahlt unmittelbar nicht für die Leistung „Ausstrahlung einer Rundfunksendung“, sondern für die Leistung „Ausstrahlung des in Auftrag gegebenen Werbespots“. Das Unternehmen zahlt auch nicht für die „Erstellung und Sendung eines Rundfunkprogramms inklusive Werbesendung“,157 sondern umgekehrt für die Erstel153 154 155

So zurecht Deringer, ZUM 1986, 627 (635). So zurecht Börner, ZUM 1985, 577 (580). Hierzu EuGH, C-118/96 (Safir), Slg. 1998, S. I-1897 ff., Rdnr. 24 ff. des Ur-

teils. 156 Beispiel von Gulich, S. 42; vgl. auch Mestmäcker/Engel/Gabriel-Bräutigam/ Hoffman, S. 40.

III. Duales Rundfunksystem und Grundfreiheiten des EG-Vertrages

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lung und Sendung eines Werbespots in einem Rundfunkprogramm. Die Programmtätigkeit der Veranstalter interessiert das Unternehmen nur deswegen, weil durch die Sendungen ein attraktives Werbeumfeld entsteht. Die Werbeindustrie zahlt also nicht anstelle des Zuschauers für die Sendung, sondern für die Werbespots und dadurch mittelbar für die Sendung.158 Hierin liegt der Unterschied zur Rechtsschutzversicherung aus dem Beispielsfall, denn diese zahlt unmittelbar für die Beratung ihres Versicherungsnehmers. Eine solche mittelbare Entgeltbeziehung lässt sich im Übrigen nicht nur zwischen Rundfunkveranstalter und Werbeindustrie, sondern sogar zwischen Rundfunkveranstalter und Rezipient nachweisen, denn das werbende Unternehmen muss die Kosten für die Werbung refinanzieren, indem es sie bei der Preisgestaltung für das beworbene Produkt berücksichtigt. In der Regel wird daher letztlich der Kunde die Rundfunkwerbung mitbezahlen. Dann aber zahlt er mittelbar auch den Rundfunkveranstalter.159 Die Frage ist also, ob die mittelbare Finanzierung des grenzüberschreitenden Rundfunks ausreicht, um seine Entgeltlichkeit i. S. d. Art. 49, 50 EG anzunehmen. Für eine Verneinung der Frage könnte sprechen, dass das Wort „Entgelt“ im allgemeinen Sprachgebrauch grundsätzlich eine Zahlung zur Erfüllung einer Verbindlichkeit meint. Dies kann man aus der Vorsilbe „Ent“ ableiten.160 Allerdings ist dieses Argument schon deswegen eher schwach, weil bei der Wortlautauslegung einer Bestimmung des EG-Vertrages nicht nur von der deutschen Fassung ausgegangen werden darf, denn nach Art. 314 EG ist der Vertragstext in allen Sprachen der Mitgliedstaaten verbindlich.161 Für eine Bejahung der Frage, ob eine mittelbare Finanzierung ausreicht, um Entgeltlichkeit anzunehmen, spricht, wie schon angedeutet, dass die Art. 49, 50 EG wie alle Grundfreiheiten nach dem Grundsatz des effet utile weit auszulegen sind. Insofern bietet es sich an, nicht den Begriff der Entgeltlichkeit zu definieren, sondern umgekehrt den der Unentgeltlichkeit. Die grenzüberschreitende Ausstrahlung von Rundfunksendungen müßte, um nicht unter Art. 49, 50 EG zu fallen, unentgeltlich sein. Unentgeltlich ist eine Leistung, der keinerlei Gegenleistung, auch keine mittelbare gegenübersteht. Dagegen, die Ausstrahlung von Rundfunksendungen als unentgeltlich anzusehen, spricht außerdem auch der subjektive Wille der Veranstalter, die mit der Ausstrahlung von Rundfunksendungen nicht die Zuschauer beschenken, sondern Geld verdienen wollen.

157

So Bux, S. 111. So i. E. auch Gulich, S. 48. 159 So i. E. auch Gulich, S. 48 FN 151 m. w. N. 160 So zurecht Börner, ZUM 1985, 577 (578). 161 Vgl. generell zum Problem der Wortlautauslegung des EG-Vertrages: Nettesheim, in: Grabitz/Hilf, Art. 4 EGV Rdnr. 48–52; Borchardt, in: Lenz/ders., Art. 220 EG Rdnr. 15 ff.; Oppermann, Europarecht, Rdnr. 682 f. 158

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

Dafür, die grenzüberschreitende Rundfunkausstrahlung als entgeltliche Leistung i. S. d. Art. 49, 50 EG anzusehen, spricht auch die Systematik des Vertrages: Die Dienstleistungsfreiheit ist als Auffangtatbestand formuliert. Ihre Auffangfunktion kann sie aber nicht voll entfalten, wenn ihre Tatbestandsmerkmale eng ausgelegt werden. Eine enge Auslegung paßt methodisch gesehen eher zu einer Spezialvorschrift als zu einem Auffangtatbestand. Insbesondere macht es keinen Sinn, den Begriff des Entgelts in Art. 50 Abs. 1 EG enger auszulegen als den der Erwerbstätigkeit in Art. 43 EG.162 Im Ergebnis ist die grenzüberschreitende Ausstrahlung von werbefinanziertem Rundfunk also als entgeltliche Dienstleistung i. S. d. Art. 49, 50 EG anzusehen. Dies gilt sowohl für privaten als auch für öffentlich-rechtlichen Rundfunk. dd) Rundfunkgebühren als Entgelt? Teilweise wird in der Literatur angenommen, auch Rundfunkgebühren seien i. S. d. Art. 50 Abs. 1 EG als Entgelte anzusehen.163 Dies ist nicht unproblematisch: Gegen den Charakter der Rundfunkgebühr als Entgelt i. S. d. Art. 50 Abs. 1 EG spricht, dass sie nicht für den tatsächlichen Empfang öffentlich-rechtlichen Rundfunks, sondern schon beim bloßen Bereithalten eines Empfangsgerätes zu zahlen ist. Wie bereits dargelegt, muss selbst derjenige, der nie öffentlich-rechtlichen Rundfunk empfängt oder ihn aufgrund technischer Vorkehrungen gar nicht empfangen könnte, Rundfunkgebühren zahlen, wenn er ein Empfangsgerät bereithält. Außerdem kann man die Zahlung der Rundfunkgebühr nicht als freiwillige Leistung betrachten, da der Verzicht auf das Bereithalten eines Rundfunkgerätes eine in unserer heutigen Informationsgesellschaft kaum zumutbare Alternative ist.164 Sinn und Zweck der Vorschriften des EG-Vertrages über die Dienstleistungsfreiheit ist es außerdem, einen freien Markt für Dienstleistungen als Bestandteil des europäischen Binnenmarktes zu schaffen. Von Art. 49 ff. EG geschützte Dienstleistungen können deshalb nur Leistungen sein, die auch „marktfähig“ sind, die also mit anderen Dienstleistungen in Konkurrenz treten können. Eine derartige Konkurrenz besteht nur, wenn der (potentielle) Dienstleistungsempfänger auswählen kann, ob bzw. zumindest von wem er eine Dienstleistung in Anspruch nimmt.165 Der deutsche Rundfunkrezipient hat aber 162

So i. E. auch Tiedje/Troberg, in: von der Groeben/Schwarze, Art. 50 EG Rdnr.

16 ff. 163

Vgl. z. B. Schwartz, in: Schwarze, S. 62. Dass das Bereithalten eines Rundfunkgerätes geradezu zum Existenzminimum gehört, zeigt sich auch in § 811 Nr. 1 ZPO, nach dem zumindest einzelne Rundfunkempfangsgeräte unpfändbar sind. 165 A. A. wohl Trafkowski, S. 92. 164

III. Duales Rundfunksystem und Grundfreiheiten des EG-Vertrages

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z. B. nicht die Wahl, nur privaten Rundfunk zu empfangen. Stellt man auf das Verhältnis Anstalt – Rezipient ab, lässt sich der Entgeltcharakter der Rundfunkgebühren in Deutschland deshalb kaum bejahen. Für die Qualifikation der deutschen Rundfunkgebühren als Entgelte spricht, dass diese dazu dienen, den Anstalten eine weitgehend marktunabhängige Erfüllung ihrer Funktion zu ermöglichen, und insoweit eine „Bezahlung“ darstellen. Wie bereits erwähnt, kann es außerdem für die Qualifikation als Entgelt grundsätzlich nicht darauf ankommen, ob eine Zahlung an den Leistungserbringer öffentlich- oder privatrechtlich ausgestaltet ist. Auch, dass ausländische Rezipienten in keinem Fall Rundfunkgebühren zahlen, ist ohne Bedeutung, denn ein Fall der Dienstleistungsfreiheit liegt eben auch dann vor, wenn eine grenzüberschreitende Leistung allein im Inland finanziert wird. Ebenfalls nicht gegen die Einstufung der Rundfunkgebühr als Entgelt i. S. d. Art. 50 Abs. 1 EG spricht, dass die Gebührenhöhe nur in geringerem Maße marktwirtschaftlichen Kriterien unterliegt,166 denn Art. 50 Abs. 1 EG ist nirgends zu entnehmen, dass nur „marktgerecht“ finanzierte Leistungen erfasst sein sollen. Die Entgeltqualität der Rundfunkgebühren lässt sich somit jedenfalls bei weiter Auslegung des Art. 50 Abs. 1 EG annehmen. Diese weite Auslegung ist jedoch aus Gründen des effet utile geboten, denn anderenfalls müßte man öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstaltern, die sich nicht auch aus Werbung finanzieren, die Berufung auf Art. 49, 50 EG verweigern und schmälerte dadurch deren Chancen im Binnenmarkt. Dies stünde im Widerspruch zum aus Art. 86 EG ableitbaren Grundsatz der Gleichbehandlung aller öffentlichen und privaten Unternehmen.167 6. Vereinbarkeit von Regelungen zur Ausgestaltung der deutschen dualen Rundfunkordnung mit der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit Im Folgenden ist zu untersuchen, ob die Regelungen zur Ausgestaltung der deutschen dualen Rundfunkordnung mit den Vorgaben der Niederlassungs- und der Dienstleistungsfreiheit vereinbar sind. Da beide Grundfreiheiten Beschränkungsverbote beinhalten [s. o. B. III. 1. c)]168 und außerdem Art. 55 EG zur Rechtfertigung diskriminierender Eingriffe in die Dienstleistungsfreiheit auf Art. 46 EG, die Rechtfertigungsklausel aus dem Kapitel über die Niederlas166

A. A. Gulich, S. 45 f. Zu diesem Grundsatz statt vieler: Jung, in: Calliess/Ruffert, Art. 86 EG Rdnr. 3; a. A. (Art. 86 EG als bloßes „Besserstellungsverbot“: König/Kühling, in: Streinz, Art. 86 EG Rdnr. 2). 168 Vgl. bezogen auf die Dienstleistungsfreiheit im Rundfunkbereich auch Rs. C-17/00 (de Coster), Rdnr. 28 ff. des Urteils. 167

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

sungsfreiheit verweist, bietet es sich an, insoweit beide Freiheiten gemeinsam zu prüfen: a) Rechtfertigungsvoraussetzungen Beschränkungen der Niederlassungs- und/oder der Dienstleistungsfreiheit zur Ausgestaltung der deutschen dualen Rundfunkordnung sind, wie bereits dargelegt, gemeinschaftsrechtlich nur zulässig, soweit sie verhältnismäßig sind. Für In- und Ausländer unterschiedlich geltende Regelungen müssen einem der von Art. 46 EG umfassten Ziele dienen, während unterschiedslos geltende Regelungen auch durch ein zwingendes Allgemeininteresse gerechtfertigt werden können. Sowohl auf Art. 46 EG als auch auf zwingende Gründe des Allgemeininteresses kann sich die Bundesrepublik aber nur berufen, soweit keine vorrangige Harmonisierungsregelung in der Fernsehrichtlinie existiert. Unterschiedslos geltende Regelungen, die nicht den Inhalt der Rundfunksendungen oder die Niederlassung als Rundfunkveranstalter, sondern lediglich die Ausübung der Sendetätigkeit betreffen, können außerdem entsprechend den Grundsätzen der KeckRechtsprechung zulässig sein. Ferner hat der EuGH, wie dargelegt, die Grundsätze aus Rs. Van Binsbergen169 auf den Rundfunkbereich übertragen. Nach diesen darf ein Mitgliedstaat trotz Art. 59 EGV (= 49 EG) Regelungen erlassen, die verhindern sollen, dass ein Dienstleister sich gezielt in einem anderen Mitgliedstaat ansiedelt, um dadurch die Berufsregelungen in seinem Heimatstaat umgehen zu können.170 Ein generelles Verbot der Erbringung bestimmter Dienstleistungen durch in anderen Mitgliedstaaten ansässige Marktteilnehmer171 kann auf diese Ausnahme jedoch nicht gestützt werden, da sonst der freie Dienstleistungsverkehr aufgehoben wäre.172 Außerdem müssen die auf dieses Umgehungsverbot gestützten Einschränkungen ausländischer Rundfunktätigkeit verhältnismäßig sein.173 Art. 86 Abs. 2 EG kann bei Maßnahmen, die im Hinblick auf den öffentlichrechtlichen Rundfunk getroffen werden, eingreifen, soweit eine Rechtfertigung nach den übrigen bisher dargestellten Grundsätzen ausscheidet. 169

Rs. 33/74 (Van Binsbergen), Slg. 1974, S. 1299 ff. St. Rspr.; vgl. Rs. C-148/91 (Veronica), Slg. 1993, S. I-487 ff., Rdnr. 12 ff. des Urteils; Rs. 23/93 (TV 10), Slg. 1994, S. I-4795 ff., Rdnr. 20 ff. des Urteils; Rs. C-137/00 (Milk Marque), Rdnr. 114 des Urteils m. w. N.; allgemein zu diesen Umgehungsfällen Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, vor Art. 39–55 EG Rdnr. 122 ff. 171 Auch Marktteilnehmer, die nur deswegen sich in einem anderen Staat niedergelassen haben, um die Vorschriften ihres Heimatstaates zu umgehen, erbringen i. S. d. Art. 59 EGV Dienstleistungen; vgl. Rs. C-23/93 (TV 10), Slg. 1994, S. I-4795 ff., Rdnr. 15 f. des Urteils. 172 Vgl. Rs. C-211/91 (Kommission ./. Königreich Belgien), Slg. 1992, S. I-6757 ff., Rdnr. 12 des Urteils. 173 Vgl. Rs. C-148/91 (Veronica), Slg. 1993, S. I-4795 ff., Rdnr. 11 ff. des Urteils. 170

III. Duales Rundfunksystem und Grundfreiheiten des EG-Vertrages

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Sofern nach den aufgezeigten Maßstäben eine Regelung gemeinschaftsrechtlich unzulässig wäre, kann sie gegenüber rein inländisch sendenden Veranstaltern als Inländerdiskriminierung prinzipiell aufrecht erhalten bleiben. aa) Schutz demokratisch-kulturpolitischer Ziele nach Art. 46 Abs. 1 EG? Da die Regelungen zur Ausgestaltung der dualen Rundfunkordnung vorrangig demokratisch-kulturpolitischen Zielen dienen sollen, ist zunächst zu fragen, ob solche Ziele unter Art. 46 EG subsumiert werden können. Von den in Art. 46 Abs. 1 EG genannten Rechtfertigungsgründen kommt hierbei nur derjenige der „öffentlichen Ordnung“ in Betracht: In seiner ersten diesbezüglichen Entscheidung174 in Rs. Bond van Adverteerders ließ der EuGH die Frage, ob Art. 46 Abs. 1 EG auch demokratisch-kulturpolitische Ziele, insbesondere die Aufrechterhaltung eines pluralistischen, nichtkommerziellen Rundfunksystems erfasst, noch offen.175 Er stellte nur fest, dass wirtschaftliche Ziele in keinem Fall unter Art. 46 Abs. 1 EG (= Art. 56 Abs. 1 EGV) fielen und im konkreten Fall die Regelungen des niederländischen Mediawet unverhältnismäßig seien.176 In den Urteilen in Rs. Kommission ./. Niederlande und Rs. Stichting Collectieve Antennevoorziening Gouda konstatierte der EuGH, dass unterschiedslos geltende Regelungen zur Aufrechterhaltung eines pluralistischen und nichtkommerziellen Rundfunksystems als Teil einer „Kulturpolitik, die die Meinungsfreiheit der verschiedenen gesellschaftlichen, kulturellen, religiösen und geistigen Strömungen in einem Mitgliedstaat schützen soll“ einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellen können.177 Deutlicher wurde der Gerichtshof in Rs. Kommission ./. Königreich Belgien.178 Er urteilte, dass die von der belgischen Regierung zur Rechtfertigung einer diskriminierenden Rundfunkregelung vorgebrachten kulturpolitischen Ziele der Aufrechterhaltung einer pluralistischen Presse und der Lebensfähigkeit der

174 Auf die von GA Warner (Rs. 52/79 (Debauve), Slg. 1980, S. 833 ff. (877)) geäußerte Ansicht, Fernsehwerbebeschränkungen fielen eindeutig in den Bereich der öffentlichen Ordnung ging der EuGH im Urteil zu Rs. Debauve nicht ein. 175 Der EuGH folgte hier GA Mancini, der in seinen Schlussanträgen angenommen hatte (Rs. 352/85 (Bond van Adverteerders), Slg. 1988, S. 2085 ff., 2118), Art. 56 EGV umfasse auch die Bewahrung eines pluralistischen, nicht-kommerziellen Fernsehsystems, also nicht. 176 Rs. 352/85 (Bond van Adverteerders), Slg. 1988, S. 2085 ff., Rdnr. 34–39 des Urteils. 177 Rs. C-353/89 (Kommission ./. Niederlande), Slg. 1991, S I-4069 ff., Rdnr. 41 f. des Urteils; Rs. C-288/89 (Collectieve Antennevoorziening Gouda), Slg. 1991, S. I4007 ff., Rdnr. 23 f. des Urteils; bestätigt in: Rs. C-148/91 (Veronica), Slg. 1993, S. I487 ff., Rdnr. 9 ff. des Urteils; Rs. C-23/93 (TV 10), Slg. 1994, S. I-4795 ff., Rdnr. 18 f. des Urteils. 178 Rs. C-211/91 (Kommission ./. Königreich Belgien), Slg. 1992, S. I-6757 ff.

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

staatlichen Rundfunkanstalten nicht als „Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit“ i. S. d. Art. 56 EGV (= 46 EG) anzusehen seien.179 Insgesamt sprechen die Urteile des EuGH also dagegen, demokratisch-kulturpolitische Ziele wie z. B. den Schutz des Pluralismus als Gründe zur Legitimation diskriminierender Regelungen i. S. d. Art. 46 Abs. 1 EG anzusehen;180 erst recht, wenn man zusätzlich berücksichtigt, dass der EuGH Art. 46 Abs. 1 EG generell eng auslegt.181 Die Kommission hat im GB Pluralismus ebenfalls angenommen, dass der Schutz des audiovisuellen Pluralismus nicht unter die öffentliche Ordnung i. S. d. Art. 46 Abs. 1 EG falle.182 Sie begründet dies v. a. damit, dass, wie der EuGH in Rs. ERT festgestellt habe, auf Art. 46 Abs. 1 EG gestützte Maßnahmen im Lichte des Art. 10 EMRK auszulegen seien, der EGMR in der Entscheidung „Groppera“183 aber den Schutz des audiovisuellen Pluralismus im Rahmen der Prüfung des Art. 10 Abs. 2 EMRK nicht unter die „Aufrechterhaltung der Ordnung“, sondern unter den „Schutz der Rechte anderer“ subsumiert habe.184 Diese Argumentation der Kommission überzeugt allerdings schon deswegen nicht, weil der Begriff der „öffentlichen Ordnung“ in Art. 46 Abs. 1 EG ein Begriff des Gemeinschaftsrechts ist, der mit dem in Art. 10 Abs. 2 EMRK verwendeten Begriff inhaltlich nicht notwendig identisch ist.185 Für eine Einbeziehung kultureller Gründe in den Bereich der „öffentlichen Ordnung“ könnte sprechen, dass gemäß Art. 151 Abs. 4 EG bei der Tätigkeit der Gemeinschaft auch der kulturelle Aspekt, insbesondere die Wahrung und Förderung der Vielfalt ihrer Kulturen zu berücksichtigen ist.186 Selbst wenn man jedoch mit der wohl h. M. davon ausgeht, dass Art. 151 Abs. 4 EG auch für die Auslegung von Bestimmungen des Vertrages gilt, die wie Art. 46 Abs. 1 EG vorrangig den Mitgliedstaaten und nicht, wie es der Wortlaut des Art. 151 Abs. 4 EG an sich verlangt, der Gemeinschaft eine Befugnis einräumen,187 ist damit für die Subsumtion demokratisch-kulturpolitischer Gründe unter Art. 46 Abs. 1 EG noch nichts entschieden. Das Ergebnis der Auslegung des Art. 46 Abs. 1 EG im Lichte des Art. 151 Abs. 4 EG ist nämlich offen, denn Art. 151 Abs. 4 EG verlangt höchstens, dass im Konflikt zwischen Grundfreiheiten und 179 Rdnr. 7, 10 des Urteils; so auch Rs. C-17/92 (Fedicine), Slg. 1993, S. I-2239 ff., Rdnr. 20 des Urteils. 180 So auch Petersen, S. 130 ff. 181 Vgl. Liehr, S. 30 f.; Petersen, S. 127 m. w. N.; Tiedje/Troberg, in: von der Groeben/Schwarze, Art. 46 EG Rdnr. 14 ff.; Dörr/Beucher/Eisenbeis/Jost, S. 51. 182 KOM (92) 480 endg., S. 63. 183 Näher zu dieser B. VII. 2. a). 184 Näher Frey, S. 80 f. 185 So auch Frey, S. 81 m. w. N.; a. A. Bullinger/Mestmäcker, S. 99 f. 186 So Greissinger, S. 65. 187 Vgl. nur Ress/Ukrow, in: Grabitz/Hilf, Art. 151 EG Rdnr. 77.

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staatlicher Kulturpolitik abgewogen werden muss, nicht aber, dass den kulturellen Belangen grundsätzlich der Vorrang gebührt.188 Aus Art. 151 Abs. 4 EG folgt somit nicht zwingend, dass i. S. d. Art. 46 Abs. 1 EG Gründe der öffentlichen Ordnung auch demokratisch-kulturpolitische Gründe sind. Ähnlich ergebnisoffen ist eine Auslegung des Art. 46 Abs. 1 EG im Lichte des Gemeinschaftsgrundrechts der Meinungsfreiheit,189 denn Berechtigte dieses Grundrechts sind sowohl diejenigen, deren Meinungsfreiheit durch die betreffende demokratisch-kulturpolitische Regelung innerstaatlich geschützt wird, als auch diejenigen, die ihre Meinung „über die Grenze verbreiten wollen“, daran aber gehindert werden.190 Dagegen, demokratisch-kulturpolitische Belange in den Bereich der „öffentlichen Ordnung“ i. S. d. Art. 46 Abs. 1 EG einzubeziehen spricht, dass sich in der Praxis nur schwer nachprüfen lässt, ob die geltend gemachten demokratisch-kulturpolitischen Belange tatsächlich der Grund der Beschränkung sind, oder nur als Vorwand für wirtschaftlichen Protektionismus dienen.191 Wenn man dennoch annimmt, demokratisch-kulturpolitische Ziele ließen sich unter die öffentliche Ordnung i. S. d. Art. 46 Abs. 1 EG fassen, müssten die zu rechtfertigenden Maßnahmen, um mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar zu sein, aber immer noch verhältnismäßig sein. Dies sind sie insbesondere dann nicht, wenn sich ihr Ziel auch im Wege einer unterschiedslos geltenden Regelung erreichen lässt.192 Dieses Verhältnismäßigkeitsargument greift auch, wenn man Art. 46 Abs. 1 EG, was bei Regelungen der Rundfunkfinanzierung möglich ist, im Sinne des Rundfunkprotokolls auslegt: Das Rundfunkprotokoll verlangt, dass die Handels- und Wettbewerbsbedingungen nicht über Gebühr beeinträchtigt werden. Eine übermäßige Beeinträchtigung liegt jedoch vor, wenn der betreffende Mitgliedstaat zur adäquaten Zielerreichung statt einer unterschiedlich auch eine unterschiedslos geltende Finanzierungsregelung wählen könnte, sich aber dennoch für die unterschiedlich geltende entscheidet. Im Ergebnis können daher Regelungen zur Ausgestaltung des deutschen dualen Rundfunksystems nur in sehr seltenen Fällen nach Art. 46 EG gerechtfertigt sein. 188

Ähnlich Ress/Ukrow, in: Grabitz/Hilf, Art. 151 EGV Rdnr. 75. A. A. wohl Greissinger, S. 65. 190 Diese Offenheit des Ergebnisses einer Auslegung des Art. 46 Abs. 1 EG im Lichte der Grundrechte ergibt sich auch dann, wenn man wie Gulich (S. 112 ff.) Art. 46 Abs. 1 EG im Lichte der grundgesetzlichen Rundfunkfreiheit des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG auslegt. Dies erscheint dogmatisch ohnehin fragwürdig, weil die einheitliche Geltung des Art. 46 Abs. 1 EG im Gemeinschaftsgebiet hierdurch in Frage gestellt wäre. 191 Der EuGH hat aus diesem Grund mehrfach mitgliedstaatliche Regelungen im Rundfunkbereich für nicht nach Art. 46 Abs. 1 EG gerechtfertigt gehalten (vgl.: Rs. 352/85 (Bond van Adverteerders), Slg. 1988, S. 2085 ff., Rdnr. 33 ff.; Rs. C-211/91 (Kommission ./. Belgien), Slg. 1992, S. I-6757 ff., Rdnr. 9 des Urteils). 192 So auch: Frey, S. 84 f.; Petersen, S. 133; Gulich, S. 130; Trafkowski, S. 99. 189

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bb) Demokratisch-kulturpolitische Ziele als zwingende Gründe des Allgemeininteresses Demgegenüber hat der EuGH mehrfach entschieden, dass demokratisch-kulturpolitische Belange, insbesondere zur Aufrechterhaltung eines pluralistischen und nicht-kommerziellen Rundfunkwesens, unterschiedslos geltende Beschränkungen der grenzüberschreitenden Rundfunktätigkeit als zwingende Gründe des Allgemeininteresses i. S. d. Rechtsprechung in Rs. Cassis de Dijon legitimieren können.193 Allerdings hat der Gerichtshof auch insoweit eine Rechtfertigung der mitgliedstaatlichen Regelungen dann abgelehnt, wenn diese in Wahrheit wirtschaftlichen Zwecken dienten.194 b) Vereinbarkeit wichtiger Regelungen des RStV und der Landesmediengesetze mit Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit Im Folgenden sollen die für die Ausgestaltung des deutschen dualen Rundfunksystems maßgeblichen Regelungen195 auf ihre Vereinbarkeit mit Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit überprüft werden: aa) Regelungen über die Veranstalterzulassung Nach § 20 RStV und allen Landesmediengesetzen unterliegt die Veranstaltung von privatem Rundfunk einer Zulassungspflicht. Hierin liegt eine nichtdiskriminierende Beschränkung sowohl der Niederlassungs- als auch der Dienstleistungsfreiheit, denn ein Veranstalter aus dem EU-Ausland kann in Deutschland somit nicht ohne weiteres die Dienstleistung Rundfunk erbringen und/oder sich zu diesem Zweck niederlassen. Diese Beschränkung ist jedoch schon deswegen gerechtfertigt, weil ohne das Zulassungserfordernis ein „Frequenzchaos“ entstehen könnte, das sich negativ nicht nur auf die freie Meinungsbildung, son193 Rs. C-288/89 (Stichting Collectieve Antennevoorziening Gouda), Slg. 1991, S. I-4007 ff., Rdnr. 22 f. des Urteils; Rs. C-353/89 (Kommission ./. Niederlande), Slg. 1991, S. I-4069 ff., Rdnr. 29 f. des Urteils; Rs. 148/91 (Veronica), Slg. 1993, S. I-487 ff., Rdnr. 9 des Urteils; Rs. C-23/93 (TV 10), Slg. 1994, S. I-4795 ff., Rdnr. 18 des Urteils. 194 Rs. C-288/89 (Stichting Collectieve Antennevoorziening Gouda), Slg. 1991, S. I-4007 ff., Rdnr. 29 des Urteils; Rs. C-353/89 (Kommission ./. Niederlande), Slg. 1991, S. I-4069 ff., Rdnr. 47 des Urteils. 195 Es wird hierbei jeweils sowohl auf die Regelungen des RStV als auch auf diejenigen der Landesmediengesetze Bezug genommen. Dies ist zwar wegen der Vorrangklausel des § 1 Abs. 2 RStV (vgl. zu ihr Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, B 5, § 1 RStV Rdnr. 4 ff.), soweit ein Konflikt zwischen RStV und Landesmediengesetzen besteht, nicht ganz unproblematisch. Durch ein Eingehen auf beide Regelungssysteme lässt sich jedoch besser verdeutlichen, wie weit der landesgesetzgeberische Gestaltungsspielraum im Lichte des Europarechts tatsächlich reicht.

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dern sogar auf die öffentliche Sicherheit (Funkfrequenzen für Polizei und zivile Luftfahrt) auswirken könnte. Ein Großteil der Landesrundfunkgesetze verlangt, dass der Bewerber um eine Veranstalterzulassung seinen Sitz oder Wohnsitz196 oder zumindest seinen ständigen Aufenthalt197 in der Bundesrepublik hat. Dadurch wird in erster Linie die Dienstleistungsfreiheit beschränkt, denn der Sinn der Dienstleistungsfreiheit im Rundfunkbereich besteht gerade darin, Sendungen über Staatsgrenzen hinweg ausstrahlen zu können, ohne im Empfangsstaat niedergelassen zu sein. Daneben beinhalten die Sitzerfordernisse eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit in ihrer negativen Komponente als Freiheit zur Auswanderung,198 denn wenn ein Veranstalter, der in der Bundesrepublik seinen Sitz oder Wohnsitz hat, diesen ins Ausland verlegt, ist seine Zulassung in dem betreffenden Bundesland zu widerrufen.199 Formell gelten alle diese Vorschriften unterschiedslos für In- und Ausländer, stellen also keine unmittelbare Diskriminierung dar. Faktisch werden jedoch Ausländer in stärkerem Maße betroffen als Inländer, da bei inländischen Rundfunkveranstaltern in aller Regel auch ein Sitz oder Wohnsitz in der Bundesrepublik gegeben sein wird. Es liegt somit eine faktische Diskriminierung vor,200 die nach Art. 46 EG oder (nach hier vertretener Auffassung) auch durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein könnte. Zu beachten ist jedoch, dass der EuGH derartigen Sitzerfordernissen sehr kritisch gegenübersteht, da er sie als faktische Negation der Dienstleistungsfreiheit betrachtet und sie deswegen nur dann für gerechtfertigt hält, wenn sie für die Erreichung des verfolgten Zwecks nachweislich unerlässlich sind.201 Zur Rechtfertigung der Sitzerfordernisse wird zumeist auf die Erleichterung der Erreichbarkeit des Veranstalters durch die Landesmedienanstalten und die Gerichte abgestellt,202 also auf den Schutz der öffentlichen Ordnung i. S. d. Art. 46 EG, der zugleich ein zwingendes Allgemeininteresse darstellt. Angesichts der Tatsache, dass die grenzüberschreitende Rechtsverfolgung in der Gemeinschaft mittlerweile wesentlich leichter geworden ist, erscheint es jedoch

196 Vgl. Art. 26 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BayMG, § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HPRG, § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 RG MV, § 6 Abs. 1 S. 2 NMedienG, § 6 Abs. 1 Nr. 2 LRG RP, § 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 MG LSA, § 10 Abs. 1 S. 5 LRG SH. 197 Vgl. § 8 Abs. 2 Nr. 2 BremLMG, § 23 Abs. 2 Nr. 2 HmbMG. 198 Hierzu allg. Tiedje/Troberg, in: von der Groeben/Schwarze, Art. 46 EG Rdnr. 89 f. 199 Vgl. z. B. Art. 26 Abs. 5 BayMG, § 16 Abs. 1 Nr. 1 BremLMG, § 69 Abs. 1 Nr. 1 MG LSA. 200 So auch Liehr, S. 282 m. w. N.; allgemein zu Sitzerfordernissen Tiedje/Troberg, in: von der Groeben/Schwarze, Art. 49 EG Rdnr. 43 ff. 201 So z. B. Rs. C-439/99 (Kommission ./. Italien), Rdnr. 30 des Urteils; Rs. C-222/95 (Parodi), Slg. 1999, S. I-3899 ff., Rdnr. 31 des Urteils. 202 Vgl. Liehr, S. 280 ff. m. w. N.; Schippan, BayVBl. 1998, 40 (46).

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kaum mehr verhältnismäßig, aus diesem Grund einen Sitz oder ständigen Aufenthalt im Inland zu verlangen.203 Für eine Erleichterung der Rechtsverfolgung reicht es in aller Regel aus, wenn die unbeschränkte gerichtliche Verfolgbarkeit des Rundfunkveranstalters zur Voraussetzung der Zulassungserteilung gemacht wird.204 Die genannten Sitzerfordernisse sind somit wegen Verstoßes gegen Art. 43, 49 EG europarechtswidrig.205 Dasselbe gilt für die Pflicht des Leitungspersonals des Veranstalters, insbesondere den verantwortlichen Redakteur, seinen Sitz innerhalb des betreffenden Mitgliedstaates zu nehmen.206 Insoweit ist die Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art. 39 EG einschlägig, soweit die betreffenden Personen, insbesondere die verantwortlichen Redakteure, nicht zu den leitenden Angestellten des Veranstalters gehören und deshalb aus Art. 43 EG berechtigt sind.207 Kritisch zu sehen sind auch Regelungen, die den Veranstalter verpflichten, sein Programm studiotechnisch im Inland abzuwickeln208 oder Produktionsmöglichkeiten im jeweiligen Bundesland zu fördern.209 Hierdurch werden Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit zumindest potentiell beschränkt, was nach der Dassonville-Formel ebenfalls verboten ist. Soweit diese Regelungen vorrangig wirtschaftlichen Zwecken dienen sollen (insbesondere der protektionistischen Stärkung der inländischen Medienwirtschaft) sind sie unzulässig, da, wie erwähnt, wirtschaftliche Gründe eine Beschränkung der Grundfreiheiten nie rechtfertigen können. Soweit die Regelungen nicht-wirtschaftlichen Zwecken dienen sollen, etwa der Erhaltung des Pluralismus bezogen auf regionale und lokale Themen, könnten sie gerechtfertigt sein. Gegen ihre Verhältnismäßigkeit spricht jedoch, dass es ausreichen würde, die Bewerber um eine Zulassung zu 203

A. A. Schippan, BayVBl. 1998, 40 (46). Dies sehen die meisten Landesmediengesetze als (zusätzliche) Zulassungsvoraussetzung vor. Vgl. z. B.: § 28 Abs. 4 Nr. 2 StV Bln/Bbg, Art. 26 Abs. 1 Nr. 1 BayMG, § 23 Abs. 2 Nr. 2 HmbMG, § 6 Abs. 2 Nr. 3 NMedienG, § 5 Abs. 2 Nr. 2 MG LSA. 205 So auch, allerdings allein bezogen auf die Niederlassungsfreiheit, Liehr, S. 282 m. w. N. 206 Vgl. § 7 Abs. 1 S. 4 Nr. 1 LMG BW, § 8 Abs. 2 S. 2 BremLMG, §§ 11 Abs. 2, 23 Abs. 2 S. 2 HmbMG, §§ 6 Abs. 1 S. 2, 23 Abs. 2 HPRG, §§ 9 Abs. 1 S. 2, 26 Abs. 2 RG MV, §§ 5 Abs. 2 S. 3, 21 Abs. 2 MG LSA; nach §§ 16 Abs. 2 SächsPRG, 28 Abs. 2 LRG SH ist ein Wohnsitz im Sendegebiet erforderlich. 207 Zur Abgrenzung Liehr, S. 21 ff. m. w. N., der allerdings (S. 286) annimmt, die Pflicht für die programmverantwortliche Person, ihren Wohnsitz im Verbreitungsgebiet des Programms zu nehmen, sei gemeinschaftsrechtlich statthaft. 208 § 27 S. 2 HmbMG, § 9 Abs. 3 HPRG, § 8 Abs. 2 S. 2 NMedienG (jeweils als Kriterium für die Auswahl zwischen mehreren Bewerbern um eine Zulassung); § 6 Abs. 1 Nr. 5 LRG RP. 209 So § 13 Abs. 3 Nr. 2 BremLMG, § 16 Abs. 2 Nr. 4 RG MV, § 52 Abs. 4 S. 2 SMG, § 10 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 SächsPRG, § 17 Abs. 2 S. 3 LRG SH; jeweils als Kriterium für die Auswahl zwischen mehreren Bewerbern um eine Zulassung bzw. um eine Übertragungskapazität. 204

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verpflichten, in angemessener Weise regionale und lokale Themen zu berücksichtigen. Die genannten Vorschriften sind daher mit der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit nicht vereinbar. Alle Landesmediengesetze sehen ferner vor, dass staatliche Stellen und Parteien sowie von diesen abhängige Unternehmen und Personen, teilweise auch öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten sowie deren Mitarbeiter und Beteiligungsgesellschaften, von der Veranstaltung privaten Rundfunks ausgeschlossen sind.210 Soweit von diesen Regelungen auch ausländische öffentlich-rechtliche Rechtsträger und deren Mitarbeiter, Unternehmen etc. erfasst werden, werden sie in ihrer Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit in nicht-diskriminierender Weise beschränkt. Die Regelungen dienen der Aufrechterhaltung der Staatsfreiheit des Rundfunks211 und sollen eine Kommerzialisierung des öffentlichrechtlichen Rundfunks verhindern. Die Staatsfreiheit des Rundfunks ist jedoch ein zwingendes Allgemeininteresse, das aus den Grundrechten, sowohl aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG als auch aus dem Gemeinschaftsgrundrecht der Medienfreiheit [näher dazu B. VII.], folgt. Ähnliches gilt für die Verhinderung einer Kommerzialisierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.212 Diese Regelungen der Landesmediengesetze sind daher europarechtskonform oder zumindest so auslegbar. Einen Sonderfall stellt die Bestimmung des § 12 Abs. 1 S. 3 LMG BW dar, nach der Veranstaltern, die i. S. d. Art. 2 der Fernsehrichtlinie der Rechtshoheit eines anderen Mitgliedstaates unterliegen, eine Zulassung nach dem LMG nicht erteilt wird. Dies klingt nach einer Verweigerung der Niederlassung in BadenWürttemberg und somit nach einem klaren Verstoß gegen Art. 43 EG, ist aber, wie die Gesetzesbegründung ergibt, so nicht gemeint. Beabsichtigt war vielmehr, den Rechtszustand gesetzgeberisch klarzustellen, der nach europäischem Recht ohnehin gilt. § 12 Abs. 1 S. 3 LMG BW meint also, dass einem der Rechtshoheit eines anderen Mitgliedstaates unterstehenden Veranstalter deswegen keine Zulassung erteilt wird, weil er auch ohne diese den nach baden-württembergischem Recht zugelassenen Veranstaltern gleichsteht. Die Regelung ist also europarechtskonform.

210 Vgl. z. B.: § 28 Abs. 2 und 3 StV Bln/Bbg, § 13 Abs. 3 LMG BW, § 9 Abs. 2 RG MV, § 6 Abs. 2 ThürLMG; die Beschränkungen reichen im Einzelnen unterschiedlich weit. 211 Allerdings nicht, was den deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunk betrifft, denn dieser ist ohnehin staatsfrei organisiert; so auch Liehr, S. 307. 212 Dass der Schutz eines pluralistischen, nicht-kommerziellen Rundfunkwesens ein gemessen an den Grundfreiheiten legitimes Schutzgut ist, hat der EuGH mehrfach festgestellt [s. o. B. III. 6. a) bb)].

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bb) Regelungen über die Programmgestaltung Der RStV und die meisten Landesmediengesetze enthalten Regelungen über unzulässige Sendungen (mit strafbaren oder mit dem Schutz der Menschenwürde unvereinbaren Inhalten) und den Jugendschutz.213 Außerdem wird den Veranstaltern vielfach auferlegt, zumindest für die Verbreitung bundesweit empfangbarer Fernsehprogramme einen Jugendschutzbeauftragten zu bestellen.214 Diese Regelungen werden von Art. 22, 22a der Fernsehrichtlinie ausdrücklich gefordert und stellen nicht-diskriminierende Beschränkungen der Dienstleistungs- und der Niederlassungsfreiheit dar. Der Jugendschutz und der Schutz der Menschenwürde sind ebenso wie das Strafrecht unproblematisch Bestandteil der öffentlichen Ordnung und Sicherheit i. S. d. Art. 46 EG und können daher erst recht nicht-diskriminierende Regelungen rechtfertigen. Bedenken unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit bestehen nur insoweit als die betreffenden Regelungen teilweise inhaltlich unbestimmt sind. So legt z. B. § 3 Nr. 3 RStV fest, dass Sendungen unzulässig sind, wenn sie „offensichtlich geeignet sind, Kinder und Jugendliche schwer zu gefährden“. Derartige Generalklauseln lassen sich allerdings gemeinschaftsrechtskonform auslegen. Die Bestimmungen über unzulässige Sendungen und den Jugendschutz sind daher mit den Grundfreiheiten vereinbar. Dasselbe gilt für Regelungen, die das Recht auf Gegendarstellung betreffen215 und die Veranstalter verpflichten, ihre Sendungen aufzuzeichnen. Dies stellt zwar eine gewisse Einschränkung der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit dar, zumindest die Einräumung des Gegendarstellungsrechts wird aber von der Fernsehrichtlinie in Art. 23 zwingend gefordert. Außerdem dienen die genannten Vorschriften in prinzipiell verhältnismäßiger Weise dem Persönlichkeitsschutz und damit der öffentlichen Ordnung i. S. d. Art. 46 EG. Die von RStV und Landesmediengesetzen aufgestellte Pflicht, Sendezeit für staatliche Verlautbarungen sowie in Wahlkampfzeiten für Parteien und u. U. auch für Kirchen zur Verfügung zu stellen,216 ist europarechtlich ebenfalls unproblematisch. In diesen Fällen liegen zwar nicht-diskriminierende Beschränkungen der Niederlassungs- und der Dienstleistungsfreiheit vor, diese dienen jedoch dem Grundrechtsschutz (hinsichtlich der Kirchen) oder aber dem Schutz der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit i. S. d. Art. 46 EG. Beden213 Vgl. § 3 RStV und z. B.: § 48 StV Bln/Bbg, § 9 HmbMG, § 24 Abs. 1–9 RG MV, § 32 LRG RP. 214 Vgl. § 4 RStV und z. B.: § 4 Abs. 2 LMG BW, § 24 Abs. 10 RG MV. 215 Vgl. z. B.: § 9 LMG BW, § 31 LRG SH. 216 Vgl. § 42 RStV, § 59 StV Bln/Bbg, § 5 LMG BW, Art. 24 Abs. 3–5 BayMG, § 24 BremLMG, §§ 31 f. HmbMG, §§ 29 f. HPRG, §§ 30 f. RG MV, §§ 23 f. NMedienG, § 36 LMG NRW, §§ 38 f. LRG RP, §§ 17, 19 14 SMG, §§ 21 f. SächsPRG, §§ 26 f. MG LSA, §§ 32 f. LRG SH, §§ 25 f. TRG.

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ken gegen die Verhältnismäßigkeit dieser Regelungen, die sich nicht im Einzelfall im Wege europarechtskonformer Auslegung beseitigen ließen, sind nicht ersichtlich. Keine unzulässige Grundfreiheitsbeschränkung liegt schließlich in den Programmbeschränkungen, die für öffentlich-rechtliche Veranstalter aus ihrer Pflicht zur Grundversorgung folgen, denn die Auferlegung dieser Beschränkungen dient der Aufrechterhaltung des Pluralismus und ist außerdem zumindest nach Art. 86 Abs. 2 EG gerechtfertigt, da die Grundversorgung eine Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse darstellt. Da, wie oben [A. III. 3. e)] dargelegt, aus verfassungsrechtlichen Gründen die Grundversorgung nur öffentlich-rechtlichen Anstalten übertragen werden darf, stellt es ebensowenig eine unzulässige Beschränkung der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit dar, dass ausländische private Veranstalter daran gehindert werden, Grundversorgung zu leisten. cc) Regelungen zur publizistischen Konzentrationskontrolle Wie bereits erwähnt, existieren im Rundfunkbereich im Wesentlichen vier Modelle einer publizistischen Konzentrationskontrolle: die vor allem öffentlichrechtlichen Veranstaltern auferlegte Pflicht zum Binnenpluralismus, das in einigen Landesmediengesetzen und Staatsverträgen vorgesehene Verbot einer mehrfachen Programmträgerschaft,217 das in §§ 25 ff. RStV verwirklichte Modell, bei dem ein Veranstalter prinzipiell unbegrenzt viele Programme veranstalten darf, solange er nicht vorherrschende Meinungsmacht erlangt,218 und die in anderen Landesmediengesetzen festgelegten prozentualen Grenzen für eine Beteiligung an privaten Veranstaltern und Anbietergemeinschaften.219 Diese Modelle sind getrennt an der Niederlassungs- und der Dienstleistungsfreiheit zu messen: Das Erfordernis binnenpluralistischer Strukturen ist, soweit es sich an öffentlich-rechtliche Veranstalter richtet, zumindest nach Art. 86 Abs. 2 EG gerechtfertigt, da es der Aufrechterhaltung der Grundversorgung dient und sich im Wege des Außenpluralismus nicht hinreichend sicherstellen ließe, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk den aus der Grundversorgung folgenden erhöhten Anforderungen auch nachkäme. Teilweise werden außerdem in den Landesmediengesetzen nur Veranstalter- bzw. Anbietergemeinschaften zur Rundfunk217 Vgl. § 10 Abs. 1 BremLMG, §§ 25 Abs. 1, 38 Abs. 1 HmbMG, § 11 Abs. 3 RG MV, § 7 Abs. 2 NMedienG, § 20 Abs. 3 MG LSA, § 12 Abs. 3 LRG SH, § 17 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ThürLMG. 218 Dieses wird von einigen Landesmediengesetzen zumindest dem Ansatz nach für ihr Gebiet übernommen; vgl. §§ 19 ff. StV Bln/Bbg, §§ 24 ff. LMG BW, Art. 25 Abs. 5–11 BayMG, § 22 RG MV, § 16 Abs. 1 NMedienG, § 33 LMG NRW, §§ 16 ff. LRG RP, §§ 7 f. und 15 SächsPRG, §§ 12 Abs. 5, 22 LRG SH. 219 §§ 25 Abs. 1, 38 Abs. 2 HmbMG, § 17 Abs. 3 HPRG, § 12 Abs. 4 LRG SH.

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veranstaltung zugelassen,220 wodurch das Erfordernis einer binnenpluralen Organisationsstruktur auf private Veranstalter zumindest in Ansätzen übertragen wird. Dies stellt zwar eine nicht-diskriminierende Beschränkung der Niederlassungs- und der Dienstleistungsfreiheit dar, sie dient jedoch der Sicherung der Meinungsvielfalt, also einem zwingenden Allgemeininteresse. Jedenfalls dann, wenn bei einer bestimmten Programmart wenig bis keine publizistische Konkurrenz und damit auch kein funktionierender Außenpluralismus vorhanden ist,221 bestehen grundsätzlich auch keine Bedenken gegen die Verhältnismäßigkeit einer solchen Regelung. Die Veranstaltergemeinschaften müssen jedoch mit dem gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsrecht vereinbar sein.222 Das Verbot mehrfacher Programmträgerschaft für private Veranstalter stellt eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit dar, denn Veranstalter aus dem EU-Ausland werden daran gehindert, die Dienstleistung Rundfunk innerhalb des betreffenden Bundeslandes mit einer beliebigen Anzahl von Programmen zu erbringen. Daneben beinhaltet dieses Verbot eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit, denn sobald ein ausländischer Veranstalter in dem Bundesland die maximal zulässige Anzahl von Programmen veranstaltet, kann er dort nur noch Niederlassungen gründen, von denen aus er keine Programme veranstaltet. Erst recht werden Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit dann beschränkt, wenn zur Zahl der Programme, die ein Veranstalter höchstens veranstalten darf, auch diejenigen (deutschsprachigen) hinzugerechnet werden, die zwar vom EUAusland aus ausgestrahlt werden, aber ortsüblich (d. h. ohne besonderen technischen Aufwand) empfangbar sind oder in Kabelanlagen weiterverbreitet werden.223 Eine Diskriminierung liegt allerdings in keinem der genannten Fälle vor, denn deutsche Veranstalter werden gleich wie ausländische Veranstalter behandelt,224 wenn nicht schlechter, da ihre Programme häufiger ortsüblich empfangbar sein werden. Eine Rechtfertigung für die Verbote mehrfacher Pro-

220 Vgl. §§ 16, 17 HPRG für das landesweite ganztägige Hörfunkvollprogramm und für regionale Fernsehprogramme, §§ 52 ff. LMG NRW für lokalen Rundfunk, § 10 Abs. 1 S. 3 LRG SH für Hörfunk. 221 Gemäß § 12 Abs. 1 S. 1 HPRG gibt es etwa in Hessen auf den freien UKWFrequenzen nur ein ganztägiges landesweites Hörfunkprogramm. Im lokalen Bereich wird häufig die örtliche Tageszeitung eine so starke publizistische Stellung haben, dass das Erfordernis einer binnenpluralen Struktur für lokale Rundfunkveranstalter, wie nach §§ 52 ff. LMG NRW, zulässig ist. 222 So auch Liehr, S. 287 ff. m. w. N. Ein spürbarer (zum Spürbarkeitserfordernis im Wettbewerbsrecht vgl. statt vieler Brinker, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 81 EG Rdnr. 39 f.) Verstoß gegen das Kartellverbot des Art. 81 EG ist jedoch angesichts der gemessen am gemeinschaftsweiten Rundfunkmarkt eher geringen Bedeutung der Rundfunkveranstaltung auf Landes- oder lokaler Ebene kaum denkbar; noch weniger, dass die Anbieter-/Veranstaltergemeinschaft unter die Vorschriften der FKVO fällt [zu diesen Vorschriften näher B. V. 8.]. 223 Vgl. § 10 Abs. 1 S. 2 BremLMG, § 25 Abs. 1 S. 3 i.V. m. § 46 HmbMG, § 11 Abs. 3 S. 2 RG MV, § 12 Abs. 3 S. 2 LRG SH, § 17 Abs. 1 Nr. 1 lit. b und c TRG.

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grammträgerschaft scheidet zwar nicht von vornherein aus, denn diese Verbote dienen der Aufrechterhaltung des Meinungspluralismus, also einem gemessen an Art. 43, 49 EG legitimen Schutzziel. Problematisch ist jedoch die Verhältnismäßigkeit der Regelungen. So ist z. B. ein Veranstalter, selbst wenn er nur ein Programm veranstaltet, theoretisch in der Lage, die freie Meinungsbildung ungleichgewichtig zu beeinflussen, wenn dieses Programm einen entsprechend großen Zuschaueranteil hat. Dies lässt an der Geeignetheit der Regelungen zweifeln. Die Erforderlichkeit ist ebenfalls fraglich: Das Verbot mehrfacher Programmträgerschaft überschreitet die Grenze des Erforderlichen zwar nicht schon deswegen, weil in anderen Mitgliedstaaten oder anderen Bundesländern insoweit weniger strenge Regeln gelten. Prinzipiell hat jedes einzelne Bundesland einen Einschätzungsspielraum, den es unabhängig ausfüllen darf und der gerade im kulturpolitisch hoch sensiblen Bereich der publizistischen Konzentrationskontrolle weit sein muss. Die Erforderlichkeit des Verbotes ist vielmehr deshalb fraglich, weil die Regelungen erkennbar auf der Annahme basieren, dass die Zahl der Sendefrequenzen sehr beschränkt ist. Im Zuge der Digitalisierung der Übertragungswege wird dieser Zustand aber in absehbarer Zeit enden. Im Ergebnis sind die Verbote mehrfacher Programmträgerschaft daher mit Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit spätestens dann unvereinbar. Ebenfalls mit der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit unvereinbar sind Regelungen, die öffentlich-rechtliche Veranstalter auf eine bestimmte Zahl von Programmen begrenzen.225 Durch diese Regelungen werden nicht nur die öffentlich-rechtlichen Veranstalter daran gehindert, neue Programme über die Grenze zu senden, und im Ausland zum Betreiben dieser Programme Niederlassungen zu gründen. Vielmehr werden auch ausländische Produktionsfirmen und Werbekunden darin beschränkt, mit den betreffenden Anstalten bezogen auf das neue Programm zusammenzuarbeiten. Aus dem zuletzt genannten Grund liegt jedenfalls bezogen auf die Dienstleistungsfreiheit keine zulässige Inländerdiskriminierung vor. Die Beschränkung auf eine bestimmte Zahl von Programmen ist auch weder aus Gründen der Erhaltung des Pluralismus gerechtfertigt noch zur Erhaltung der Marktchancen privater Veranstalter. Was die Erhaltung des Pluralismus betrifft, gilt das zu den Programmzahlbeschränkungen für private Veranstalter Gesagte entsprechend. Die Erhaltung der Marktchancen privater Anbieter stellt einen vorrangig wirtschaftlichen Grund dar. Derartige Gründe können, wie der EuGH mehrfach entschieden hat, Grundfreiheitsbeschränkungen nicht rechtfertigen. Auch aus Art. 86 Abs. 2 EG kann insoweit keine Rechtfertigung folgen, denn in der Leistung der Grundversorgung als einer Dienstleistung von all-

224 Wenn z. B. ein österreichisches Programm in die Berechnung mit einbezogen wird, macht es keinen Unterschied ob dieses von einem Österreicher oder einem in Österreich niedergelassenen Deutschen nach Deutschland eingestrahlt wird. 225 Vgl. § 3 Abs. 1 und 3 SWR-StV.

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

gemeinem wirtschaftlichen Interesse werden die Anstalten durch Programmzahlbeschränkungen sogar eingeschränkt. Auch die wie §§ 25 ff. RStV auf die Erlangung vorherrschender Meinungsmacht abstellenden Modelle einer publizistischen Konzentrationskontrolle führen zu nicht-diskriminierenden Beschränkungen der Dienstleistungs- und der Niederlassungsfreiheit, denn es kann der Fall auftreten, dass ein ausländischer Rundfunkveranstalter erst bestehende Beteiligungen aufgeben muss, um in den deutschen Rundfunkmarkt eintreten zu können. Damit stellt sich die Frage nach einer Rechtfertigung dieser Beschränkung. Zum Rechtfertigungsgrund gilt das oben Gesagte entsprechend, d. h. problematisch ist wiederum allein die Verhältnismäßigkeit: Den Vorwurf einer zu starken Bindung an die frequenztechnischen Voraussetzungen der (analogen) Rundfunkübertragung kann man weder dem „Beteiligungsmodell“, bei dem Meinungsmacht anhand der relevanten Unternehmensbeteiligungen gemessen wird, noch dem „Zuschaueranteilsmodell“ 226 machen, das auf die Menge der mit einem Programm erreichten Zuschauer/Hörer abstellt. Beide Modelle sind von technischen Gegebenheiten unabhängig. Beim ersteren Modell besteht jedoch wiederum die Gefahr, dass vorherrschende Meinungsmacht nicht effektiv verhindert werden kann, da der wirtschaftliche Einfluss eines Veranstalters nicht identisch sein muss mit seinem Einfluss auf die freie Meinungsbildung.227 Außerdem sind wegen der Anknüpfung des Beteiligungsmodells an ökonomische (und damit nur mittelbar an publizistische) Vorgänge Konflikte mit dem gemeinschaftlichen Wettbewerbsrecht denkbar.228 Die Geeignetheit des Beteiligungsmodells zum effektiven Schutz der Medienvielfalt ist daher problematisch. Solange in der Praxis jedoch darauf geachtet wird, dass die Feststellung vorherrschender Meinungsmacht nicht allein auf ökonomische Fakten gestützt wird, ist dieses Modell mit der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit noch vereinbar. Die genannten Risiken sind beim Zuschaueranteilsmodell geringer, denn der Fall, dass die Programme eines Veranstalters einen hohen Zuschaueranteil, aber dennoch geringen Einfluss auf die Meinungsbildung haben, dürfte selten sein. Tritt er dennoch auf, ist das Zuschaueranteilsmodell flexibel genug, ihn angemessen zu würdigen, denn die Vermutung vorherrschender Meinungsmacht 226

Begriffe in Anlehnung an Clausen-Muradian, S. 147 ff. Zur Kritik am Beteiligungsmodell statt vieler Trute, in: Hahn/Vesting, § 26 RStV Rdnr. 12 m. w. N.; aus ökonomischer Sicht Never, S. 211 ff. 228 § 21 Abs. 3 FKVO [vgl. B. V. 8. c)] erlaubt beispielsweise den Mitgliedstaaten einen Unternehmenszusammenschluss, den die Kommission für mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar erklärt, zum Erhalt der Medienvielfalt in ihrem Gebiet dennoch zu verbieten. Fraglich ist allerdings, ob der betreffende Mitgliedstaat insoweit wirtschaftliche Erwägungen anstellen darf (dies wäre beim „Beteiligungsmodell“ der Fall) oder ob er strikt auf publizistische Maßstäbe beschränkt ist. 227

III. Duales Rundfunksystem und Grundfreiheiten des EG-Vertrages

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nach § 26 Abs. 2 RStV ist schon ihrem Wortlaut nach widerlegbar.229 Das Zuschaueranteilsmodell ist auch nicht etwa deswegen zur Erreichung seines Zwecks ungeeignet, weil es Umgehungsmöglichkeiten bietet,230 denn diese lassen sich bei keiner Form der Konzentrationskontrolle vollständig ausschließen. Dass die Umgehungsmöglichkeiten aber so groß wären, dass das Zuschaueranteilsmodell insgesamt seinen Zweck verfehlte, ist nicht erkennbar.231 Somit ist das Zuschaueranteilsmodell mit der Dienstleistungs- und der Niederlassungsfreiheit unproblematisch vereinbar. Die neben diesen Grundmodellen existierenden Regelungen zur publizistischen Konzentrationskontrolle im Rundfunkbereich sind mit den beiden Grundfreiheiten ebenfalls vereinbar. Insbesondere die Regelungen in den Landesmediengesetzen, die speziell die Beteiligung von Zeitungsunternehmen mit marktbeherrschender Stellung am Rundfunk betreffen,232 beschränken zwar beide Grundfreiheiten ohne Diskriminierung, dienen aber in verhältnismäßiger Weise der Erhaltung des Medienpluralismus durch Verhinderung multimedialer Konzentrationen oder lassen sich zumindest so auslegen.233 Die publizistische Vielfalt ist auch und gerade durch Multimediakonzentrationen bedroht und zwar erst recht im regionalen und lokalen Bereich, in dem zumeist ohnehin nur wenige Medienunternehmen vorhanden sein werden. Als problematisch wurden von der Kommission im GB Pluralismus Regelungen angesehen, die die mitgliedstaatliche Kontrolle des publizistischen Wettbewerbs im Rundfunkbereich „europäisieren“, indem sie in die Bewertung der inländischen Konzentrationsvorgänge auch Programme aus dem EU-Ausland einbeziehen. Die Kommission hält diese Vorschriften für unverhältnismäßig, da sie dazu führen würden, dass der grenzüberschreitende Empfang dieser Programme unmöglich würde. Es sei nicht nachzuvollziehen, warum die Beherrschung von Medien in einem Staat den Pluralismus in einem anderen Staat beeinträchtige.234 Derartige Regelungen finden sich sowohl im RStV als auch in den Lan229 Vgl. statt vieler Harstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, B 5, § 26 RStV Rdnr. 9; a. A. Clausen-Muradian, S. 179. 230 Dazu Clausen-Muradian, S. 180 ff.; vgl. zur Kritik am Zuschaueranteilsmodell des RStV im Übrigen statt vieler Never, S. 215 ff. 231 Insbesondere das von Clausen-Muradian (S. 180) angeführte Beispiel eines Unternehmens, das die Beteiligungsgrenzen nach § 28 RStV unterschreitet, um damit zu vermeiden, dass ihm ein bestimmtes Programm zugerechnet wird, stellt keinen Umgehungsfall dar. Vielmehr wird in diesem Fall genau das erreicht, was erreicht werden soll. Dem Unternehmen wird seine wirtschaftliche Handlungsfähigkeit nicht zu weitgehend genommen, während zugleich vermieden wird, dass es zu großen publizistischen Einfluss erlangt. 232 Vgl. Art. 25 Abs. 7 BayMG, § 21 StV Bln/Bbg, § 10 Abs. 4 BremLMG, § 25 Abs. 2 HmbMG, § 17 Abs. 2 HPRG, § 16 Abs. 2 NMedienG, § 16 Abs. 8 LRG RP, § 8 Abs. 2 SächsPRG, § 12 Abs. 6 LRG SH, § 17 Abs. 1 Nr. 3 und 4 ThürLMG. 233 So i. E. auch Liehr, S. 299 f. 234 Vgl. KOM (92) 480 endg., S. 68 f.

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

desmediengesetzen.235 Soweit sie zu Regelungssystemen gehören, deren Unverhältnismäßig bereits festgestellt wurde, brauchen sie an sich nicht näher untersucht zu werden. Die Verhältnismäßigkeit der betreffenden Regelungen scheitert jedoch nicht auch daran, dass EU-ausländische Programme mit einbezogen werden, soweit es sich um deutschsprachige Programme handelt, denn diese sind objektiv geeignet, die Meinungsbildung in Deutschland zu beeinflussen. Im Übrigen muss der deutsche Rundfunkgesetzgeber entsprechend der ständigen Rechtsprechung des EuGH die Möglichkeit haben, zu verhindern, dass ein Rundfunkveranstalter die innerstaatlichen Regelungen der publizistischen Konzentrationskontrolle dadurch zu umgehen versucht, dass er sich im Ausland niederlässt, aber seine Sendungen permanent nach Deutschland einstrahlt. Was speziell § 28 Abs. 3 RStV betrifft, ist erneut daran zu erinnern, dass die Vermutung vorherrschender Meinungsmacht in § 26 RStV widerlegbar ist.236 Eine solche Widerlegung kommt gerade dann in Betracht, wenn der nach § 26 RStV zulässige Zuschauermarktanteil deswegen überschritten wurde, weil EU-ausländische Programme einbezogen wurden. dd) Regelungen der Rundfunkfinanzierung Bei den Vorschriften des RStV und der Landesmediengesetze zu Fragen der Rundfunkfinanzierung sind drei Regelungsbereiche zu unterscheiden: Werbung, Teleshopping und Sponsoring. Innerhalb dieser Bereiche ist wiederum danach zu differenzieren, ob die Regelung sich mit dem Inhalt der betreffenden Mitteilung oder mit deren Einfügung in das Gesamtprogramm des Veranstalters befasst. Der Rundfunkstaatsvertrag regelt die Fragen der Werbung, des Teleshopping und des Sponsoring allgemein in §§ 7 und 8 RStV, Regelungen über Dauer und Einfügung von Werbung und Teleshopping in das Programm werden für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in §§ 14–18 RStV, für den privaten in §§ 43–46a RStV getroffen. Die Regelungen der einzelnen Bundesländer weichen in diesem Bereich von denen des RStV regelmäßig nur geringfügig in sprachlicher Hinsicht ab. Es erübrigt es sich daher im Folgenden weitgehend, neben den Regelungen des Rundfunkstaatsvertrages auch die einzelnen Bestimmungen der Landesmediengesetze und Staatsverträge zu untersuchen: Hinsichtlich der Vereinbarkeit der §§ 7, 8, 14–18 und 43–46a RStV mit der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit sind, soweit es um den Bereich des Fernsehens geht, vorrangig die Bestimmungen der Art. 10 ff. der Fernsehrichtlinie über Werbung, Sponsoring und Teleshopping zu beachten, von denen die 235 Vgl. § 28 Abs. 3 RStV, § 25 Abs. 3 LMG BW, § 10 Abs. 1 S. 2 BremLMG, §§ 25 Abs. 1 S. 3 i.V. m. 46 HmbMG, § 19 Abs. 3 LRG RP, § 16 S. 1 SMG (für deutschsprachige Programme), § 7 Abs. 2 SächsPRG, § 12 Abs. 2, 3 S. 2 LRG SH (für deutschsprachige Programme). 236 So auch Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, B 5, § 26 RStV Rdnr. 9.

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Mitgliedstaaten nur nach Art. 3 und 20 der Richtlinie abweichen dürfen.237 Hierbei kann davon ausgegangen werden, dass Vorschriften, die mit den Vorgaben der Fernsehrichtlinie wörtlich oder zumindest vollständig inhaltlich identisch sind, grundsätzlich auch mit der Dienstleistungsfreiheit vereinbar sind oder sich zumindest entsprechend auslegen lassen, denn die Fernsehrichtlinie wurde auf Art. 55, 47 Abs. 2 EG gestützt, dient also gerade der Harmonisierung des mitgliedstaatlichen Rundfunkrechts im Bereich der Dienstleistungsfreiheit. Dass die Richtlinie ihrerseits gegen die Dienstleistungsfreiheit verstößt, ist zwar theoretisch denkbar,238 es sind hierfür jedoch keine Anzeichen ersichtlich. Wegen der oben [B. III. 1.] dargestellten Konvergenz der Grundfreiheiten kann, wenn nicht außergewöhnliche Umstände vorliegen, ebenso wenig angenommen werden, dass die betreffenden deutschen Vorschriften gegen die Niederlassungsfreiheit verstoßen. Werbung, Teleshopping und Sponsoring im Hörfunk sind in der Fernsehrichtlinie zwar nicht geregelt, soweit eine Regelung der Hörfunkfinanzierung, übertrüge man sie auf den Fernsehbereich, mit der Fernsehrichtlinie vereinbar wäre, liefert dies aber zumindest ein gewichtiges Indiz für ihre Vereinbarkeit auch mit Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit. (1) § 7 RStV § 7 RStV regelt die Inhalte von Werbung und Teleshopping im Rundfunk.239 § 7 Abs. 1 RStV enthält hierbei allgemein formulierte Regelungen zum Schutz der Verbraucher, der Lauterkeit des Handelsverkehrs, der Umwelt sowie insbesondere der Kinder und Jugendlichen.240 Dem Zweck des Verbraucherschutzes und der Lauterkeit des Handelsverkehrs dient außerdem das Verbot der Schleichwerbung in § 7 Abs. 6 RStV, das Verbot unterschwelliger Techniken im Teleshopping nach § 7 Abs. 3 S. 2 RStV und die Regelung des § 7 Abs. 7 RStV, nach der in der Fernsehwerbung und beim Teleshopping keine Personen auftreten dürfen, die regelmäßig Nachrichtensendungen oder Sendungen zum politischen Zeitgeschehen vorstellen. § 7 Abs. 2 und Abs. 3 S. 1 RStV ordnen eine strikte Trennung und inhaltliche Unabhängigkeit von Werbung bzw. Tele237 Art. 20 erfasst hierbei Sendungen, die ausschließlich im Inland empfangbar sind, während der neben Art. 20 anwendbare Art. 3 Abs. 1 der Fernsehrichtlinie auch grenzüberschreitende Sendungen erfassen kann, solange der Veranstalter demgegenüber die Regelung erfolgt, der inländischen Rechtshoheit unterworfen ist; zu dieser Abgrenzung: Rs. C-6/98 (ARD ./. Pro 7 u. a.), Slg. 1999, S. I-7599 ff., Rdnr. 37 ff. des Urteils und Rdnr. 65 ff. der Schlussanträge von GA Jacobs. 238 Vgl. Bullinger/Mestmäcker, S. 125 ff.; zur Bindung der Gemeinschaft an die Grundfreiheiten allgemein Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, vor Art. 39–55 EG Rdnr. 49 ff. m. w. N. 239 Die Sonderregelungen des § 7 Abs. 4 und 5 RStV über split-screen-Werbung und Dauerwerbesendungen bleiben insoweit aus Gründen der Übersichtlichkeit außer Betracht. 240 Vgl. Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, B 5, § 7 RStV Rdnr. 14 ff.

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shopping und Programm, sowie die Pflicht an, Werbemitteilungen durch optische und im Hörfunk durch akustische Mittel für den Zuschauer/-hörer deutlich erkennbar zu machen. Dadurch wird zum einen der Verbraucher schützende Effekt des § 7 RStV noch verstärkt, zum anderen dienen diese Regelungen dadurch, dass sie eine Vermischung von Werbung und Programm und insbesondere die Programmbeeinflussung durch Werbung und Teleshopping (§ 7 Abs. 2 RStV) ausschließen, mittelbar auch dem Schutz der Programmfreiheit. § 7 Abs. 8 RStV verbietet Werbung und Teleshopping politischer, weltanschaulicher und religiöser Art mit Ausnahme des Drittsenderechts der Kirchen nach § 42 RStV und unentgeltlicher Beiträge im Dienst der Öffentlichkeit, insbesondere Spendenaufrufe zu Wohlfahrtszwecken. § 7 RStV setzt durch diese Regelungen die allgemeinen Anforderungen an Fernsehwerbung und Teleshopping aus Art. 10 Abs. 1, 3 und 4, Art. 12 und 18 Abs. 3 der Fernsehrichtlinie sowie die speziellen Bestimmungen zum Schutz der Minderjährigen des Art. 16 der Fernsehrichtlinie um. Teilweise werden insoweit in § 7 RStV die Regelungen der Fernsehrichtlinie nahezu wörtlich übernommen;241 teilweise bestehen zwischen Richtlinien- und Staatsvertragsbestimmungen geringfügige Abweichungen im Wortlaut, dass auch ein Abweichen in inhaltlicher Hinsicht gewollt ist, lässt sich jedoch nicht feststellen.242 Über das, was die betreffenden Regelungen der Fernsehrichtlinie fordern, geht § 7 RStV nur in Abs. 2, 7 und 8 hinaus: Das von § 7 Abs. 2 RStV statuierte, generelle Verbot der Beeinflussung des übrigen Programms durch Werbung und Teleshopping gilt jedoch unterschiedslos und dient mit dem Verbraucherschutz, der Lauterkeit des Handelsverkehrs und den Grundrechten der Veranstalter zwingenden Gründen des Allgemeininteresses im Sinne der Cassis-Rechtsprechung.243 Außerdem kann diese Regelung im Einzelfall im Lichte der Art. 43 und 49 EG ausgelegt werden, und ist daher nicht unverhältnismäßig. Art. 7 Abs. 2 RStV ist somit als „strengere Regelung“ i. S. d. Art. 3 der Fernsehrichtlinie zulässig. Die Regelung des Art. 12 lit. c) der Fernsehrichtlinie, wonach Fernsehwerbung und Teleshopping religiöse und politische Überzeugungen nicht verletzen dürfen, steht dem von § 7 Abs. 8 S. 1 RStV statuierten Verbot politischer, weltanschaulicher und religiöser Werbung (und ebensolchen Teleshoppings) nicht 241 So bei der Pflicht zur klaren Erkennbarkeit von Werbung und Teleshopping in § 7 Abs. 3 S. 1 RStV, beim Verbot der Schleichwerbung in § 7 Abs. 6 S. 1 RStV und dem Verbot unterschwelliger Techniken in § 7 Abs. 3 S. 1 RStV. 242 So ist § 7 Abs. 1 RStV hinsichtlich des Schutzes Minderjähriger generalklauselartiger als Art. 16 der Fernsehrichtlinie formuliert, alle von Art. 16 der Fernsehrichtlinie angesprochenen Verhaltensweisen lassen sich jedoch auch unter § 7 Abs. 1 RStV subsumieren. 243 Vgl. hierzu allgemein Müller-Graff, in: von der Groeben/Schwarze, Art. 28 EG Rdnr. 209 ff.; vgl. auch Rs. C-112/00 (Schmidberger), Rdnr. 74 ff.

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entgegen. Dieses Verbot gilt ebenfalls unterschiedslos und dient dem Schutz der Freiheiten des Art. 4 GG und dem Schutz des demokratischen Entscheidungsprozesses, also nicht-wirtschaftlichen Gründen, die als Bestandteil der öffentlichen Ordnung i. S. d. Art. 46 EG prinzipiell sogar Diskriminierungen rechtfertigen könnten. Jedenfalls aufgrund der Ausnahmeklausel in § 7 Abs. 8 S. 2 u. 3 RStV und aufgrund der hohen Sensibilität dieses Bereichs wird man außerdem das Verbot des § 7 Abs. 3 S. 1 RStV wohl noch für verhältnismäßig halten können. Es ist daher ebenfalls mit der Fernsehrichtlinie sowie mit Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit vereinbar. Problematisch ist das Verbot für Nachrichtensprecher, in Fernsehwerbe- und Teleshoppingsendungen aufzutreten, wie es § 7 Abs. 7 RStV festlegt.244 Ein derartiges Verbot enthält die Fernsehrichtlinie nicht. Es beschränkt sowohl die Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit ausländischer Rundfunkveranstalter und Werbefirmen, als auch insbesondere die Dienstleistungsfreiheit selbständiger Nachrichtensprecher. Das Ziel des Art. 7 Abs. 7 RStV ist der Schutz der Verbraucher davor, dass ihr Vertrauen in die Glaubwürdigkeit der genannten Personen zu Werbezwecken ausgenutzt wird.245 Dass dieses Verbot nur Nachrichtensprecher, nicht aber sonstige, mindestens ebenso hohe Glaubwürdigkeit genießende „Fernsehstars“ trifft, macht es jedoch zur Erreichung dieses Zwecks ungeeignet.246 Art. 7 Abs. 7 RStV ist daher mit Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit unvereinbar. (2) § 8 RStV § 8 RStV regelt das Sponsoring im Rundfunk und setzt dadurch Art. 17 der Fernsehrichtlinie um. Die Übereinstimmung zwischen beiden Vorschriften ist hierbei schon vom Wortlaut her größer als bei § 7 RStV und den entsprechenden Richtlinienbestimmungen. Soweit geringfügige sprachliche Unterschiede dennoch bestehen, ist den amtlichen Begründungen zu § 8 RStV nicht zu entnehmen, dass insoweit eine Abweichung von der Fernsehrichtlinie beabsichtigt war.247 Da außerdem alle Regelungen des § 8 RStV legitimen Regelungszielen dienen,248 und keine Bedenken gegen die Verhältnismäßigkeit ersichtlich sind, 244 Verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 7 Abs. 7 RStV bei Hartstein/Ring/ Kreile/Dörr/Stettner, B 5, § 7 RStV Rdnr. 62. 245 Vgl. Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, B 5, § 7 RStV Rdnr. 61. 246 So auch (bezogen auf Art. 12 GG) Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, B 5, § 7 RStV Rdnr. 62. 247 Vgl. Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, B 5, § 8 RStV, S. 1–4. 248 § 8 Abs. 1–3 RStV dem Verbraucherschutz, dem Schutz der Lauterkeit des Handelsverkehrs, den Grundrechten der Veranstalter und dem Schutz des Meinungspluralismus; § 8 Abs. 4 und 5 der öffentlichen Gesundheit und § 8 Abs. 6 dem Schutz der Freiheit der Meinungsbildung bzw. der Gruppenferne des Rundfunks.

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die sich nicht im Wege der Auslegung beseitigen ließen, ist § 8 RStV sowohl mit der Fernsehrichtlinie als auch mit der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit in vollem Umfang vereinbar. (3) §§ 14–18 RStV § 14 RStV regelt die Einfügung von Werbung und Teleshoppingspots in die Programme der öffentlich-rechtlichen Veranstalter: Abs. 1 verbietet die Unterbrechung von Gottesdiensten und Sendungen für Kinder durch derartige Beiträge. Hinsichtlich der Unterbrechung von Gottesdiensten übernimmt § 14 Abs. 1 RStV die Regelung des Art. 11 Abs. 5 S. 1 der Fernsehrichtlinie nahezu wörtlich. Art. 11 Abs. 5 S. 2 der Fernsehrichtlinie fordert zwar kein vollständiges Verbot der Werbeunterbrechungen von Kindersendungen,249 ein solches kann jedoch grundsätzlich auf Art. 3 Abs. 1 der Fernsehrichtlinie gestützt werden. Das unterschiedslos für In- und Ausländer geltende Verbot des § 14 Abs. 1 RStV dient außerdem einerseits wie § 7 Abs. 8 RStV dem Schutz der Glaubensfreiheit i. S. d. Art. 4 GG, andererseits dem Schutz Minderjähriger, also legitimen Schutzzielen, die auch von Art. 12 lit. c) und 16 der Fernsehrichtlinie anerkannt werden. § 14 Abs. 1 RStV ist daher mit den Vorgaben der Fernsehrichtlinie (nach Art. 3) sowie mit der Niederlassungsund Dienstleistungsfreiheit grundsätzlich vereinbar, die Begriffe „Gottesdienst“ und „Sendung für Kinder“ sind allerdings aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eng auszulegen.250 § 14 Abs. 2, Abs. 3 S. 2 und Abs. 4 RStV setzen Art. 10 Abs. 2, 11 Abs. 1 und 2 der Fernsehrichtlinie mit vernachlässigbaren Abweichungen wörtlich um. § 14 Abs. 3 S. 1 RStV lässt zwar im Gegensatz zu Art. 11 Abs. 3 der Fernsehrichtlinie und auch zu § 44 Abs. 4 RStV bei öffentlich-rechtlichen Fernsehsendungen, die mehr als 45 Minuten dauern, stets nur eine Werbeunterbrechung zu. Da die Regelung den öffentlich-rechtlichen Rundfunk vor Kommerzialisierung und damit mittelbar seinen Beitrag zur freien Meinungsbildung schützt und keine Anhaltspunkte für Unverhältnismäßigkeit ersichtlich sind, entspricht sie den Erfordernissen des Art. 3 Abs. 1 der Fernsehrichtlinie und der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit. §§ 15 und 18 RStV gehen hinsichtlich der dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk auferlegten Werbebeschränkungen zwar über das, was Art. 18 der Fernsehrichtlinie verlangt, hinaus. Insbesondere das Werbeverbot für die Dritten Fernsehprogramme und weitere bundesweite Fernsehprogramme von ARD und 249 Zu entsprechenden Bemühungen im Rahmen der beabsichtigten Novellierung der Richtlinie vgl. Ladeur, in: Hahn/Vesting, § 14 RStV Rdnr. 7. 250 Ähnlich (ohne europarechtlichen Bezug) Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, B 5, § 14 Rdnr. 3 ff.

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ZDF (§ 15 Abs. 2 S. 1 RStV) sowie das Verbot des Teleshopping mit Ausnahme von Teleshoppingspots (§ 18 RStV) dienen jedoch ebenfalls dem Schutz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vor Kommerzialisierung. § 15 Abs. 2 S. 1 RStV ist hierbei aufgrund der im Übrigen bestehenden Werbemöglichkeiten und, wenn man bedenkt, dass das Gestaltungsermessen der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nach dem Rundfunkprotokoll weit zu fassen ist, nicht unverhältnismäßig. Das gleiche gilt für § 18 RStV, weil er Teleshopping nicht generell verbietet. Die Regelungen des RStV über die Werbung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk genügen daher derzeit den Anforderungen der Fernsehrichtlinie sowie denen der Art. 43, 49 EG. (4) §§ 43–46a RStV Für das in § 44 Abs. 1 RStV festgesetzte Verbot der Unterbrechung von Gottesdiensten und Kindersendungen durch Werbung und Teleshopping gilt das unter (3) Gesagte entsprechend. In seinen übrigen Absätzen übernimmt § 44 RStV die in Art. 11 der Fernsehrichtlinie getroffenen Regelungen mit minimalen Wortlautabweichungen, so dass die Vereinbarkeit des § 44 RStV sowohl mit der Fernsehrichtlinie als auch mit Art. 43, 49 EG angenommen werden kann. Insbesondere der Streit, ob § 44 Abs. 4 RStV bei der Unterbrechung audiovisueller Werke vom „Bruttoprinzip“ oder vom „Nettoprinzip“ ausgeht,251 ist dadurch, dass diese Regelung jetzt exakt dem Wortlaut des Art. 11 Abs. 3 der Fernsehrichtlinie entspricht, den der EuGH im Sinne des „Bruttoprinzipis“ interpretiert,252 obsolet geworden. § 45 RStV entspricht wörtlich den in Art. 18 RStV getroffenen Regelungen und kann daher ebenfalls nicht als europarechtswidrig angesehen werden. Dasselbe gilt für § 45a RStV im Verhältnis zu Art. 18a der Fernsehrichtlinie. § 46a RStV, der landesrechtliche Erleichterungen von den Werberegelungen des RStV für private regionale und lokale Fernsehprogramme ermöglicht, ist im Lichte des Art. 20 der Fernsehrichtlinie auszulegen, wonach die Mitgliedstaaten für Sendungen, die ausschließlich für ihr eigenes Hoheitsgebiet bestimmt sind und weder unmittelbar noch mittelbar in einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten öffentlich empfangen werden können, unter Einhaltung des Gemeinschaftsrechts von Art. 11 Abs. 2–5, 18 und 18a der Fernsehrichtlinie ab251 Beim Bruttoprinzip wird bei der Frage, wie oft die Übertragung eines audiovisuellen Werks unterbrochen werden darf, die Dauer der Sendung einschließlich der Werbeunterbrechung zugrundegelegt; beim Nettoprinzip bleibt insoweit die Dauer der Werbeunterbrechung außer Betracht; näher statt vieler Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/ Stettner, B 5, § 44 RStV Rdnr. 24 ff. 252 Vgl. Rs. C-6/98 (ARD ./. Pro 7), Slg. 1999, S. I-7599 ff., Rdnr. 33 des Urteils.

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

weichen dürfen. Die im Landesrecht auf § 46a RStV gestützten Regelungen253 müssen somit teleologisch dahingehend reduziert werden, dass sie lokale und regionale Fernsehprogramme, die grenzüberschreitend ausgestrahlt werden, nicht erfassen. (5) Gebührenfinanzierung als Grundfreiheitsverstoß? Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten werden in Deutschland, wie erwähnt, nach § 12 Abs. 1 RStV überwiegend durch Rundfunkgebühren finanziert. Demgegenüber ist nach § 43 S. 2 RStV eine Finanzierung privater Veranstalter aus der Rundfunkgebühr unzulässig. In der so ausgeformten Gebührenfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sieht Engel eine unzulässig diskriminierende Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit.254 Er begründet dies folgendermaßen: Betrachte man Rundfunkgebühren als Beihilfen i. S. d. Art. 87 EG, fänden die Grundfreiheiten zwar nur Anwendung, wenn durch ihre Ausgestaltung der zwischenstaatliche Handel noch über das zur Erreichung des Beihilfeziels erforderliche Maß hinaus beeinträchtigt würde. Jedenfalls dann, wenn man Rundfunkgebühren nicht als Beihilfen einstufe, seien die Grundfreiheiten jedoch in vollem Umfang anwendbar.255 Die Gebührenfinanzierung beschränke die Dienstleistungsfreiheit, denn „der Mitgliedstaat [verzerre] dadurch die Wettbewerbsbedingungen zugunsten der Beihilfeempfänger. Ein ausländisches Unternehmen, das in einen solchen Markt eindringen möchte, [sähe] sich Konkurrenten mit einer Finanzkraft gegenüber, die am Markt nicht zu gewinnen wäre“.256 Engel nimmt insoweit sogar eine Diskriminierung an, da ausländische Rundfunkveranstalter, die sich den gleichen Programmauflagen wie der deutsche öffentlich-rechtliche Rundfunk unterwerfen wollten, dennoch nicht in den Genuss der Rundfunkgebühren kommen könnten. Diese Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit sei jedenfalls, was die Spartenprogramme Phönix und Kinderkanal beträfe, in keinem Fall gerechtfertigt. Ohne den Erörterungen über die Beihilfenqualität der Rundfunkgebühr [vgl. B. VI.] vorgreifen zu wollen, ist hierzu Folgendes zu sagen: Wenn die Gebührenfinanzierung keine Beihilfe i. S. d. Art. 87 EG ist, dann verzerrt der Mitgliedstaat durch ihre Gewährung auch nicht, wie Engel meint, den Wettbewerb, oder die Wettbewerbsverzerrung ist zumindest unbeachtlich.

253 Vgl. § 54a StV Bln/Bbg, § 11 Abs. 3 LMG BW, Art. 8 Abs. 2 BayMG, § 20 Abs. 2 HmbMG, § 46c LRG RP, § 24 Abs. 2 SächsPRG, § 46 RG SH. 254 Vgl. Engel, Beihilfen, S. 69 ff. 255 Vgl. Engel, Beihilfen, S. 70 f. 256 So wörtlich Engel, Beihilfen, S. 72.

III. Duales Rundfunksystem und Grundfreiheiten des EG-Vertrages

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Der Tatbestand der Beihilfe i. S. d. Art. 87 Abs. 1 EG setzt voraus, dass ein bestimmtes Unternehmen staatlicherseits einen wirtschaftlichen Vorteil erhält, der den Wettbewerb zumindest zu verfälschen droht. Liegt kein wirtschaftlicher Vorteil (und damit auch keine Beihilfe i. S. d. Art. 87 Abs. 1 EG) vor, ist die betreffenden Maßnahme von vornherein marktgerecht und daher nicht einmal potentiell (im Sinne der Dassonville-Formel) geeignet, Grundfreiheiten unzulässig zu beeinträchtigen. Erfolgt i. S. d. Art. 87 Abs. 1 EG keine Zuwendung aus staatlichen Mitteln, liegt ebenfalls keine Beihilfe vor, selbst wenn der Wettbewerb de facto beeinträchtigt ist. In derselben Zuwendungsmaßnahme ließe sich nur dann trotzdem eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit sehen, wenn man an die Frage der staatlichen Herkunft einer Maßnahme bei Art. 87 EG und Art. 49, 50 EG unterschiedliche Maßstäbe anlegt. Die Begünstigung eines Unternehmens dem Staat nicht nach Art. 87 EG zuzurechnen, wohl aber im Rahmen der Grundfreiheiten, würde für die de facto ja von privater Seite begünstigten Unternehmen jedoch erhebliche Rechtsunsicherheit schaffen und ist daher abzulehnen. Zu dem Ergebnis Engels könnte man kommen, wenn man annähme, eine Grundfreiheitsbeschränkung könne schon dann vorliegen, wenn eine Wettbewerbsverfälschung im Sinne des Art. 87 EG noch nicht einmal droht. Dies wäre im Sinne einer weit verstandenen Dassonville-Formel zwar (theoretisch) denkbar. Dann jedoch ergäbe sich folgendes seltsame Ergebnis: Nach den Gemeinschaftsregelungen über „de-minimis-Beihilfen“ sollen geringfügige Beihilfen als mit dem gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden. Dieses Ergebnis über die Grundfreiheiten wieder zu konterkarieren, indem man „de-minimisBeihilfen“ als Grundfreiheitsbeschränkungen qualifiziert, macht keinen Sinn. Staatliche Zuwendungen, die aber im Gegensatz zu „de-minimis-Beihilfen“ den Wettbewerb nach den Maßstäben des Art. 87 EG nicht einmal zu verfälschen drohen (und daher im Unterschied zu „de-minimis-Beihilfen“ tatbestandlich keine Beihilfen sind) unterlägen nach diesem Modell in vollem Umfang der Kontrolle durch die Grundfreiheiten. Dies überzeugt nicht. Übrig bleibt die vom EuGH schon mehrfach geprüfte Konstellation, in der ein Verstoß gegen die Grundfreiheiten nicht in der Gewährung einer Beihilfe liegt, sondern in Modalitäten dieser Gewährung, die zur Erreichung des Beihilfezwecks nicht unerläßlich sind.257 Eine derartige Beihilfenmodalität, die die Dienstleistungsfreiheit beschränkt, ist im Fall der Gebührenfinanzierung des deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunks jedoch nicht erkennbar: Unterstellt, die Gebührenfinanzierung sei eine Beihilfe, ist ihre Gewährung nur an die deutschen öffentlich-rechtlichen Sender unproblematisch, denn eine Beihilfe muss, um den Tatbestand des Art. 87 EG zu erfüllen, bestimmte Unternehmen begüns257 Vgl. Müller-Graff, in: von der Groeben/Schwarze, Art. 30 EG Rdnr. 343 m. w. N.

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tigen. Dass es sich bei diesen Unternehmen fast immer nur um inländische Unternehmen handeln wird, liegt auf der Hand. Die Tatsache, dass die Gebührenfinanzierung nur deutschen öffentlich-rechtlichen Sendern zugute kommt, lässt sich von der eigentlichen „Beihilfegewährung“ somit nicht abtrennen. Die Gebührenfinanzierung wird auch nicht davon abhängig gemacht, dass die Sendeanstalten ausschließlich in Deutschland produzieren oder ausländische Marktteilnehmer diskriminieren.258 Auch insoweit lässt sich ein Verstoß der Gebührenfinanzierung gegen Art. 49 EG also nicht begründen. Selbst, wenn man Engels Ausgangspunkt teilt, und die Gebührenfinanzierung als Dienstleistungsbeschränkung ansieht, ist diese jedoch nicht allein deswegen diskriminierend, weil die Gebühren nur deutschen Rundfunkanstalten zugute kommen bzw. an ausländische Sender, die sich gleich hohen Programmauflagen wie die Anstalten unterwerfen wollen, nicht gewährt werden. Auch deutsche Privatsender, die Grundversorgung leisten und sich dazu diesen Auflagen unterwerfen wollen (ein ohnehin eher realitätsferner Fall), erhalten nämlich keine Rundfunkgebühren.259 Im Ergebnis verstößt die Gebührenfinanzierung somit nicht gegen die Dienstleistungsfreiheit. Nichts anderes kann für die Niederlassungsfreiheit gelten. (6) Werbeverbot für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk? Wie bereits erwähnt, wird in der deutschen rundfunkrechtlichen Literatur vielfach gefordert, Werbung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk generell zu verbieten, um dadurch den Konkurrenzkampf zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Veranstaltern zu entschärfen. Verfassungsrechtlich ist diese Forderung weitgehend unproblematisch: Das BVerfG hat entschieden, dass dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht bestimmte Finanzierungsquellen eröffnet werden müssen, sondern lediglich seine funktionsgerechte Ausstattung mit finanziellen Mitteln insgesamt gesichert sein muss.260 Solange der öffentlich-rechtliche Rundfunk seine Funktion allein mit Hilfe der Gebühren ausreichend erfüllen kann, ist der Gesetzgeber also prinzipiell frei, ob er zusätzlich auch Werbung gestattet. Die gesetzgeberische Freiheit wäre höchsten dann eingeschränkt, wenn Werbesendungen als Teil des von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG geschützten Programms anzusehen wären. Dies ist jedoch zweifelhaft. Außerdem dient ein Werbeverbot auch dem Schutz der Programmautonomie, da es den öffentlich-rechtlichen Rundfunk von wirtschaft-

258

Zu derartigen Fällen aus der EuGH-Rechtsprechung Müller-Graff ebd. Sie dürften diese, da sie wie oben [A. III. 3. e)] dargestellt, die Grundversorgung nicht „nachhaltig“ erbringen können, von Verfassungswegen auch nicht erhalten. 260 s. o. A. IV. 4. 259

III. Duales Rundfunksystem und Grundfreiheiten des EG-Vertrages

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lichen Zwängen unabhängiger macht, und könnte daher auch nach Art. 5 Abs. 2 GG möglicherweise gerechtfertigt sein. Bisher offenbar nicht erörtert ist demgegenüber die Frage, ob ein Verbot der Werbung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk europarechtlich zulässig wäre. Geht man von dem gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz aus, dass öffentliche und private Unternehmen abgesehen von z. B. nach Art. 86 Abs. 2 EG zulässigen Beschränkungen prinzipiell die gleichen Rechte und Pflichten aus dem EGVertrag haben sollen, ist diese Frage jedoch notwendig zu stellen: Rundfunkwerbung ist, wie dargelegt [B. III. 2.], jedenfalls dann, wenn sie grenzüberschreitend erfolgt (zwischen Veranstalter, werbendem Unternehmen und Zuschauer liegt wenigstens eine Staatsgrenze) durch die Dienstleistungsfreiheit, u. U. auch durch die Warenverkehrsfreiheit geschützt. Auf den Schutz dieser Grundfreiheiten können sich gegenüber einem Verbot der Werbung im deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht nur ausländische Unternehmen, die im deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunk werben, berufen, sondern auch die Rundfunkanstalten selbst. Das Verbot der Werbung im deutschen öffentlichrechtlichen Rundfunk bedürfte also gemeinschaftsrechtlicher Rechtfertigung. Da, wie gesagt, auch ausländische Unternehmen im deutschen öffentlichrechtlichen Rundfunk werben, kann das Verbot nicht als bloße Inländerdiskriminierung angesehen werden. Das Verbot würde jedoch, da weder in- noch ausländische Unternehmen mehr im deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunk werben dürften, unterschiedslos gelten und könnte daher durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein. Einen solchen zwingenden Grund des Allgemeininteresses bilden in keinem Fall allein die wirtschaftlichen Chancen der privaten Veranstalter, denn zwingende Gründe des Allgemeininteresses sind nie rein wirtschaftliche Gründe. Die Aufrechterhaltung eines pluralistischen und nichtkommerziellen Rundfunksystems hat der EuGH zwar als zwingenden Grund des Allgemeininteresses anerkannt. Ob ein Verbot der Werbung im deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunk diesem Interesse in verhältnismäßiger Weise dient, ist jedoch problematisch. Zum einen ist zu bedenken, dass die Förderung der Vielfalt im privaten Rundfunk durch dieses Verbot wenig effektiv wäre, da der Anteil des öffentlich-rechtlichen Rundfunks am Werbemarkt bei ca. 10% liegt. Zum anderen würden die öffentlich-rechtlichen Anstalten durch das Verbot in noch höherem Maße als bisher von der Entscheidung der KEF und der Länder über Gebührenerhöhungen261 abhängig. Berücksichtigt man jedoch, dass die Mitgliedstaaten bei unterschiedslosen Beschränkungen der Grundfreiheiten einen Einschätzungsspielraum haben, wäre ein Verbot der Werbung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk europarechtlich wohl noch zulässig.

261 Der Verlust der Werbeeinnahmen würde ein Gebührenerhöhung notwendig machen (vgl. die diesbezügliche Berechnung bei Markner, MP 1997, 516 ff.).

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

Ob es medien- und wirtschaftspolitisch sinnvoll wäre, ist eine andere Frage, die hier nicht näher vertieft werden soll. ee) Regelungen über die Kabelbelegung Rundfunk wird, wie schon angesprochen, vielfach in Breitbandkabelnetzen verbreitet, die eine bestimmte Anzahl (derzeit 32) von analogen Übertragungskanälen enthalten.262 Diese Zahl der Kanäle ist allerdings meist kleiner als die Zahl der Programme, deren Veranstalter eine Weiterverbreitung im Kabel anstreben, so dass bei der Einspeisung nicht alle Programme berücksichtigt werden können. Für die Auswahl unter den Programmen bei der Belegung der Kabelkanäle sind nach § 52 Abs. 1 und 6 RStV die Länder zuständig. In allen Ländern existieren daher entweder in den Landesmediengesetzen selbst oder in auf diese gestützten Satzungen der Landesmedienanstalten Regelungen, die Kriterien für die Rangfolge der Programme bei der Einspeisung vorsehen und hierbei bestimmte Programme privilegieren. Privilegiert werden insoweit in allen Landesmediengesetzen die öffentlich-rechtlichen Programme263 und zumeist auch die ohne größeren technischen Aufwand empfangbaren bzw. „ortsüblichen“ Programme.264 Zum Teil werden noch weiteren Programmen Einspeisungsprivilegien eingeräumt, insbesondere den Offenen Kanälen265 und denjenigen privaten Programmen, die aufgrund einer Zulassung nach dem jeweiligen Landesmediengesetz veranstaltet werden.266 Bei den Programmen, die unter keine der bisher genannten Kategorien fallen und u. U. auch generell bei Einspeisungsengpässen wird der Beitrag des jeweiligen Programms zur Vielfalt berücksichtigt,267 teilweise auch die Zuschauerzahl bzw. Nachfrage,268 ob die Programme Inhalte mit lokalem oder regionalem Bezug enthalten,269 ob sie 262 Näher Dörr/Charissé, AfP 1999, 18 (19 m. w. N.); Schippan, BayVBl. 1998, 40 (40 f.). 263 Vgl. z. B.: § 41 Abs. 1 S. 2 StV Bln/Bbg, § 32 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BremLMG, § 42 Abs. 1 Nr. 1 und 2 HPRG, § 21 Abs. 5 SMG, § 38 Abs. 1 Nr. 2 und 3 SächsPRG, § 38 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ThürLMG. 264 § 41 Abs. 1 S. 1 StV Bln/Bbg, Art. 36 Abs. 2 S. 1 BayMG, § 32 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BremLMG, § 50 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HmbMG, § 42 Abs. 1 Nr. 3 HPRG, § 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 RG MV, § 18 Abs. 4 LMG NRW, § 59 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 LRG RP, § 50 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 LRG SH. 265 Hierbei handelt es sich um nicht-kommerzielle von der jeweiligen Landesmedienanstalt getragene Kanäle, in denen die Nutzer ihr Programm selbst gestalten; vgl. (zu den Einspeisungsprivilegien für diese Kanäle) § 52 Abs. 3 Nr. 2 RStV, § 50 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HmbMG, § 42 Abs. 1 Nr. 1 HPRG, § 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 RG MV, § 18 Abs. 1 LMG NRW, § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 MG LSA, § 50 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 LRG SH, § 38 Abs. 1 Nr. 4 ThürLMG. 266 § 32 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BremLMG, § 50 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HmbMG, § 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RG MV, § 37 Abs. 1 NMedienG, § 59 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 2 LRG RP, § 38 Abs. 1 Nr. 1 SächsPRG, § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 MG LSA, § 50 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 RG SH, § 38 Abs. 1 Nr. 2 ThürLMG.

III. Duales Rundfunksystem und Grundfreiheiten des EG-Vertrages

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deutschsprachig sind270 oder ob ihr Veranstalter sich in dem betreffenden Bundesland medienwirtschaftlich engagiert.271 Für digitalisierte Kabelnetze bestehen die bereits dargestellten „Must-carry-Regelungen“.272 Bei digitalen Netzen haben die Eigentümer gemäß § 52 Abs. 4 RStV einen größeren wirtschaftlichen Spielraum als bei analogen, denn bei letzteren entscheidet über die Vergabe von Kapazitäten, die nicht für alle Bewerber ausreichen, ausschließlich die jeweilige Landesmedienanstalt. Sie kann die wirtschaftliche Position des Netzeigentümers höchstens dann berücksichtigen, wenn dies der Vielfalt im betreffenden Netz keinen Abbruch tut. Bei digitalen Netzen kann der Eigentümer hingegen, soweit er die Vorgaben des § 52 Abs. 3 und 4 Nr. 1 RStV einhält, sich von wirtschaftlichen Gesichtspunkten leiten lassen. Keine der betreffenden Regelungen enthält eine offene Diskriminierung von Programmen und/oder Veranstaltern aus dem EU-Ausland. Dies gilt auch für diejenigen Vorschriften, die den ortsüblichen Programmen Vorrang bei der Einspeisung einräumen, sowie diejenigen, die bei der Einspeisung den lokalen und regionalen Bezug der Programme, das medienwirtschaftliche Engagement im jeweiligen Bundesland oder die Deutschsprachigkeit der Programme berücksichtigen. Die zuletzt genannten Kriterien können prinzipiell auch von Programmen und Veranstaltern aus dem EU-Ausland erfüllt werden.273 Allerdings wird dies i. d. R. häufiger bei deutschen Programmen und Veranstaltern der Fall sein als bei ausländischen, weshalb der Verdacht einer versteckten Diskriminierung naheliegt.274 Dieser wird entgegen Dörr/Charissé275 nicht dadurch entkräftet, dass 267 § 41 Abs. 2 Nr. 1 StV Bln/Bbg, § 21 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 7 LMG BW, Art. 36 Abs. 2 S. 4 Nr. 1 BayMG, § 50 Abs. 2 S. 3 i.V. m. § 28 Abs. 2 HmbMG, § 42 Abs. 1 Nr. 4 HPRG, § 48 Abs. 1 S. 2 RG MV, § 37 Abs. 2 NMedienG, § 14 LMG NRW, § 38 Abs. 2 SächsPRG, § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 2 und S. 3a MG LSA, § 50 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 4 LRG SH, § 38 Abs. 1 Nr. 5 ThürLMG. 268 § 41 Abs. 2 Nr. 2 StV Bln/Bbg, § 21 Abs. 1 Nr. 4 und 6 LMG BW, Art. 36 Abs. 2 S. 4 Nr. 3 BayMG, § 38 Abs. 2 SächsPRG, § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 3b MG LSA. 269 § 41 Abs. 2 Nr. 3 StV Bln/Bbg, § 21 Abs. 1 Nr. 2 und 3 LMG BW, Art. 36 Abs. 2 S. 4 Nr. 2 BayMG, § 42 Abs. 1 Nr. 2 HPRG, § 38 Abs. 1 Nr. 5 i.V. m. § 9 Abs. 2 S. 2 ThürLMG. 270 § 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 RG MV. 271 So § 41 Abs. 2 Nr. 4 StV Bln/Bbg. 272 § 52 Abs. 2 und 3 RStV; entsprechende Regelungen auf Landesebene: § 41a StV Bln/Bbg, § 36 Abs. 3 BayMG, § 51 HmbMG, § 43 HPRG, § 48 Abs. 3 und 4 RG MV, § 59a LRG RP, § 38 Abs. 3 und 4 SächsPRG, § 40 Abs. 3–5 MG LSA, § 50a LRG SH. 273 So kann z. B. ein österreichisches Programm in Bayern ortsüblich empfangbar sein, ein belgisches Programm kann regionale und lokale Bezüge zu Nordrhein-Westfalen enthalten. 274 So i. E. auch: Tiedje/Troberg, in: von der Groeben/Schwarze, Art. 43 EG Rdnr. 84; Trafkowski, S. 104 f.

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diese Kriterien gleichrangig mit anderen wie z. B. dem Beitrag des Programms zur Sprachenvielfalt oder zur europäischen Völkerverständigung berücksichtigt werden. Es ist nämlich durchaus möglich, dass im konkreten Fall etwa das Kriterium des Regional-/Lokalbezuges oder das der Deutschsprachigkeit den Ausschlag bei der Einspeisungsentscheidung gibt, weil sich, bezogen auf die übrigen Kriterien, kein Unterschied zwischen den Bewerbern feststellen lässt. Es liegt also zumindest eine potentielle faktische Diskriminierung vor. Wie dargelegt, können auch versteckte (und damit auch potentielle) Diskriminierungen durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein.276 Ein solches zwingendes Allgemeininteresse folgt hier, was die Kriterien des Regional- und Lokalbezuges und der Deutschsprachigkeit betrifft, aus Art. 151 EG.277 Schon im ersten Absatz dieses Artikels wird klargestellt, dass Kultur regionalen Bezug hat und die regionale Vielfalt erhalten werden soll. Im Übrigen spricht Art. 151 EG von den „Kulturen der Mitgliedstaaten“ (Abs. 1 und 4) und macht damit deutlich, dass die nach wie vor nationale Prägung dieser Kulturen anerkannt wird. Es ist daher nicht illegitim, wenn Programme bei der Kabeleinspeisung bevorzugt werden, von denen aufgrund ihres Regionaloder Lokalbezuges oder aufgrund ihrer Deutschsprachigkeit ein wichtigerer Beitrag zur Kultur (und auch zur Meinungsvielfalt) in Deutschland zu erwarten ist, als von anderen.278 Jedenfalls bei restriktiver an Art. 49 EG orientierter Anwendung sind die betreffenden Regelungen auch nicht unverhältnismäßig. Der Einspeisungsvorrang ortsüblich empfangbarer Programme begegnet gewissen Bedenken. Einerseits sind ortsüblich empfangbare Programme, weil sie auch ohne die Weiterverbreitung im Kabel empfangbar sind, auf diese in geringerem Maße angewiesen als Programme, die nicht ortsüblich empfangbar sind. Andererseits ist fraglich, ob angesichts der Fortschritte in der Satellitentechnik das Kriterium der ortsüblichen Empfangbarkeit rein übertragungstechnisch gesehen noch sinnvoll ist, denn der technische Aufwand für den Satellitenempfang ist nur noch geringfügig höher als derjenige für den terrestrischen Empfang.279 Dennoch verstoßen die betreffenden Vorschriften nicht gegen Art. 49 EG: Programme, die in einem Gebiet nur via Satellit empfangen werden können, werden logischerweise von einem Ort aus gesendet, der erheblich weiter von diesem Gebiet entfernt ist als der Sendeort der ortsüblich empfangbaren Programme. Deswegen werden Veranstalter von Satellitenrundfunk meist geringeren Bezug zu ihrem Empfangsgebiet haben als Veranstalter von ortsüblich bzw. 275 276 277 278

AfP 1999, 18 (22 f.). So auch Dörr/Charissé, AfP 1999, 18 (21 f.). So auch Dörr/Charissé, AfP 1999, 18 (23); Trafkowski, S. 105. So i. E. auch (allerdings mit verfassungsrechtlichem Bezug) Eberle/Gersdorf,

S. 79. 279

So auch Eberle/Gersdorf, S. 79.

III. Duales Rundfunksystem und Grundfreiheiten des EG-Vertrages

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terrestrisch empfangbaren Programmen. Außerdem muss das Programm eines Veranstalters von Satellitenrundfunk, da der „footprint“ eines Satelliten sich nahezu immer über mehrere Bundesländer erstrecken wird und die Ausstrahlung über Satellit i. d. R. teurer ist als die terrestrische, sich vorrangig am Massengeschmack orientieren. Daher ist zu erwarten, dass sich ortsüblich empfangbare Programme eher den spezifischen Bedürfnissen der Hörer/Zuschauer im betreffenden Bundesland widmen werden als Programme, die dort nur via Satellit empfangbar sind. Der Beitrag der ortsüblich bzw. terrestrisch empfangbaren Programme zur Kultur und Meinungsvielfalt im Empfangsgebiet wird somit generell höher sein als der Beitrag nur via Satellit empfangbarer Programme. Ortsüblich empfangbare Programme bei der Kabeleinspeisung zu bevorzugen, ist daher mit Art. 49 EG vereinbar. Kritischer zu sehen ist die Vorschrift des Staatsvertrages über den Rundfunk in Berlin und Brandenburg, nach der Berwerbern, die sich medienwirtschaftlich in einem dieser Ländern engagieren Vorrang bei der Kabelbelegung eingeräumt werden kann280. Hierbei handelt es sich um ein Kriterium, das an wirtschaftliche Gesichtspunkte anknüpft. Der EuGH hat jedoch, wie dargelegt, mehrfach festgestellt, dass zwingende Allgemeininteressen nur Gründe nicht-wirtschaftlicher Art sein können. Dieses Kriterium verstößt daher gegen Art. 49 EG. Vorschriften, die einen Einspeisungsvorrang derjenigen Programme anordnen, für deren Veranstaltung eine Zulassung nach dem betreffenden Landesmediengesetz erteilt wurde, sind jedenfalls dann unbedenklich, wenn das Verfahren der Zulassungserteilung einschließlich der Zulassungskriterien seinerseits den Vorgaben der Art. 49 und 43 EG entspricht [B. III. 6. b) aa)]. Sie schaffen einen Anreiz dafür, in dem betreffenden Bundesland eine Zulassung zu beantragen, und nützen damit der Anbietervielfalt in diesem. Außerdem ist die Wahrscheinlichkeit, dass Programme, denen eine Zulassung nach dem Landesmediengesetz eines Bundeslandes erteilt wurde, auch inhaltlich auf dieses Land ausgerichtet sind, relativ hoch. Die übrigen Kriterien der Kabelbelegung, insbesondere die Berücksichtigung des Vielfaltsbeitrags des einzuspeisenden Programms und die „Must-carry-Regelungen“ zugunsten der öffentlich-rechtlichen Programme sind europarechtlich derzeit ebenfalls noch unproblematisch, da sie in verhältnismäßiger Weise der Erhaltung der Medien- und Meinungsvielfalt (einem vom EuGH als legitim anerkanntem Schutzziel281) dienen und dafür sorgen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk seinen durch das Rundfunkprotokoll europarechtlich anerkannten

280 Vgl. zu einem Streit zwischen der Kommission und dem Land Rheinland-Pfalz, der sich auf eine ähnliche Regelung bezog: Gersdorf, Rundfunkrecht, Rdnr. 545 m. w. N. 281 s. o. B. III. 6. a) bb).

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

Auftrag auch in der digitalen Rundfunkwelt erfüllen kann.282 Allerdings werden solche Regelungen weniger erforderlich sein, je mehr sich die Übertragungskapazitäten und die übertragenen Inhalte tatsächlich vervielfachen. Dann bedürfen sie der Überprüfung. Da, wie dargelegt, auch Kabelnetzbetreiber Träger der Dienstleistungsfreiheit sind, wird sich in diesem Stadium der technischen Entwicklung insbesondere das Kabelbelegungsmonopol der Landesmedienanstalten kaum halten lassen und einem Must-carry-Modell weichen müssen. Ob die besagte Vervielfachung eintreten wird, ist jedoch offen.283 Tritt sie nicht ein, kann das Kabelbelegungsmonopol aufrechterhalten bleiben und ist nicht etwa wegen Art. 31 EG284 oder 86 Abs. 1 EG abzubauen: Art. 31 EG, der den Abbau der staatlichen Handelsmonopole vorschreibt, greift schon deswegen nicht, weil er sich nur auf Warenhandel bezieht, Übertragungskapazitäten aber keine Waren sind.285 Selbst wenn man Art. 31 EG auch auf den Dienstleistungs- und Niederlassungsverkehr anwenden wollte, blieben Art. 45, 55 EG zu beachten, die hoheitliche Tätigkeiten vom Anwendungsbereich beider Grundfreiheiten ausnehmen. Die Kabelbelegung ist jedoch, wie nicht zuletzt die Entscheidung der Kommission zur Finanzierung von Phoenix und Kinderkanal bestätigt hat, eine hoheitliche Tätigkeit.286 Weil die Landesmedienanstalten nicht unternehmerisch, sondern hoheitlich handeln, kann auch Art. 86 Abs. 1 EG nicht zur Anwendung kommen, denn dieser bezieht sich nur auf Unternehmen i. S. d. Art. 81 ff. EG. Der Staat ist jedoch, soweit er hoheitlich handelt, wie dargelegt [B. II. 2. a)], kein Unternehmen i. S. d. Art. 81 ff. EG.287 c) Ergebnis Die Regelungen der Landesmediengesetze und des RStV sind teilweise mit den Vorgaben der Dienstleistungs- und der Niederlassungsfreiheit unvereinbar. In allen diesen Fällen sind jedoch Korrekturen möglich, die nicht so weit reichen, dass die deutsche duale Rundfunkordnung in ihrer bisherigen Prägung nachhaltig in Frage gestellt wäre. Die Tatsache, dass die betroffenen Regelungen nur in einigen Bundesländern existieren, beweist dies. Bei den Regelungen, die zu Beschränkungen der grenzüberschreitenden Rundfunktätigkeit führen 282

So auch Schippan, BayVBl. 1998, 40 (45 f.); Stettner, S. 70 ff. Skeptisch Roider, S. 249 ff.; Stettner, S. 71. 284 So aber Engel, Kabelfernsehen, S. 59 f. 285 So auch die wohl h. M. (vgl. OVG Bremen, K&R 2000, 43 (48); Stettner, S. 73 m. w. N.), die dies zurecht aus dem Wortlaut und der systematischen Stellung des Art. 31 EG im Abschnitt des EG-Vertrages über den freien Warenverkehr ableitet; a. A. Engel, Kabelfernsehen, S. 60. 286 Entscheidung NN 70/98 (Phoenix und Kinderkanal), S. 7 f.; so auch OVG Bremen, K&R 2000, 43 (48). 287 So i. E. auch Stettner, S. 74. 283

III. Duales Rundfunksystem und Grundfreiheiten des EG-Vertrages

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können, ist strikt auf eine europarechtskonforme Auslegung und Anwendung im Einzelfall zu achten. 7. Rundfunk und Kapital- und Zahlungsverkehrsfreiheit In Literatur und Rechtsprechung bisher wenig erörtert geblieben288 ist die Frage, in welcher Weise die Kapital- und Zahlungsverkehrsfreiheit für die grenzüberschreitende Tätigkeit der Rundfunkveranstalter Bedeutung erlangen kann: Insoweit ist einerseits an grenzüberschreitenden Kapitaltransfer unter Beteiligung eines Rundfunkveranstalters zu denken, etwa zur Beteiligung an einer ausländischen Produktionsfirma, einem ausländischen Veranstalter oder einem anderen ausländischen Unternehmen, andererseits an Zahlungen im Rahmen des grenzüberschreitenden Pay-TV oder anderer grenzüberschreitender entgeltlicher Dienste. Nach Ansicht des EuGH fällt der grenzüberschreitende Transfer von Geldkapital dann nicht unter die Kapitalverkehrsfreiheit, sondern unter die Zahlungsverkehrsfreiheit, wenn er der Erfüllung einer Zahlungsverpflichtung aus einem entgeltlichen Geschäft dient.289 Nur, wenn allein der Kapitaltransfer als solcher bezweckt wird (z. B. bei Anlagegeschäften), ist der Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit eröffnet.290 Die Zahlung von Pay-TV-Entgelten und andere grenzüberschreitende Kapitalbewegungen zur Erfüllung von Verbindlichkeiten, an denen Rundfunkveranstalter beteiligt sind, stellen daher typische Fälle des Zahlungsverkehrs i. S. d. Art. 56 Abs. 2 EG dar. Beschränkungen der Zahlungsverkehrsfreiheit werden in aller Regel indirekt auch den freien Dienstleistungsoder Warenhandel, die Niederlassungsfreiheit oder den freien Kapitalverkehr beschränken. Daher hat die Zahlungsverkehrsfreiheit generell kaum eigenständige Bedeutung also auch nicht im Bereich des Rundfunks. Eine Beschränkung ausschließlich des Zahlungsverkehrs liegt allerdings dann vor, wenn die Erfüllung einer nicht-vertraglichen Verbindlichkeit, etwa einer Schadensersatzverbindlichkeit beschränkt wird. Eigenständige Bedeutung könnte die Zahlungsverkehrsfreiheit deshalb für den Rundfunk erlangen, wenn es um grenzüberschreitende Zahlungen eines Veranstalters geht, der zu Schadensersatz wegen einer Persönlichkeitsverletzung verpflichtet wurde. Im Fall der Beteiligung eines Rundfunkveranstalters an einem ausländischen Unternehmen und ähnlichen grenzüberschreitenden Direktinvestitionen, ist die

288

Vgl. aber Rs. C-148/91 (Veronica), Slg. 1993, S. I-487 ff.; Jungbluth, S. 97. Vgl. Verb. Rs. 286/82 und 26/83 (Luisi und Carbone), Slg. 1984, S. 377 ff., Rdnr. 22 des Urteils. 290 Näher Bröhmer, in: Caliess/Ruffert, Art. 56 EG Rdnr. 54 ff. 289

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Kapitalverkehrsfreiheit betroffen.291 Handelt es sich um eine Mehrheitsbeteiligung, liegt nach der vom EuGH vertretenen weiten Auffassung des Niederlassungsbegriffs, der die vorliegende Darstellung folgt, in aller Regel gleichzeitig die Gründung einer Niederlassung vor.292 Sofern ein solcher Vorgang beschränkt wird, ist diese Beschränkung, wie Art. 58 Abs. 2 EG klarstellt, wenn sie gemessen an der Niederlassungsfreiheit zulässig ist, in keinem Fall zugleich unzulässig gemessen an der Kapitalverkehrsfreiheit. In Art. 58 Abs. 2 wird deutlich, dass sich trotz des prinzipiellen Vorrangs der Kapitalverkehrsfreiheit (vgl. die Formulierung in Art. 43 Abs. 2 EG) beide Grundfreiheiten ergänzen.293 Übernimmt hingegen der Rundfunkveranstalter an dem ausländischen Unternehmen eine Minderheitsbeteiligung, greift die Niederlassungsfreiheit nur dann ein, wenn der Veranstalter hierdurch die faktische Kontrolle über das Unternehmen erhält.294 Anderenfalls ist allein die Kapitalverkehrsfreiheit einschlägig. Die Sonderregel des Art. 294 EG besagt nichts anderes, da sie ausdrücklich nur „unbeschadet der sonstigen Bestimmungen dieses Vertrages“ eingreift.295 Zur kapitalmäßigen Beteiligung eines inländischen an einem ausländischen Rundfunkveranstalter hat der EuGH in Rs. Veronica parallel zu seiner Rechtsprechung zur Dienstleistungsfreiheit entschieden. Er hat festgestellt, dass die Bestimmungen über den freien Kapitalverkehr einer mitgliedstaatlichen Regelung nicht entgegenstünden, die es verbietet, sich am Kapital einer in einem anderen Mitgliedstaat gegründeten oder zu gründenden Rundfunkgesellschaft zu beteiligen, für diese eine Bankbürgschaft zu stellen, einen Geschäftsplan auszuarbeiten oder diese Gesellschaft rechtlich zu beraten, wenn diese Tätigkeit auf die Gründung eines kommerziellen Fernsehsenders gerichtet sei, dessen Sendungen insbesondere das Hoheitsgebiet des zuerst genannten Mitgliedstaates erreichen sollten. Ein solches Verbot müsse jedoch erforderlich sein, um den pluralistischen und nichtkommerziellen Charakter des inländischen Rundfunksystems zu gewährleisten.296 Betrachtet man sich das äußerst komplexe System grenzüberschreitender Beteiligungen im privaten Rundfunk, die in vielen Fällen mangels beherrschenden Einflusses des sich beteiligenden Unternehmens nicht als Niederlassungen ange-

291 Zur Definition des Kapitalverkehrs vgl. statt vieler Sedlaczek, in: Streinz, Art. 56 EG Rdnr. 5. 292 Vgl. auch Tiedje/Troberg, in: von der Groeben/Schwarze, Art. 43 EG Rdnr. 18 ff. (28). 293 So i. E. auch Tiedje/Troberg, in: von der Groeben/Schwarze, Art. 43 EG Rdnr. 20. 294 Vgl. Tiedje/Troberg, in: von der Groeben/Schwarze, Art. 43 EG Rdnr. 28 m. w. N. 295 Vgl. nur Jungbluth, S. 97 m. w. N. 296 Rs. C-148/91 (Veronica), Slg. 1993, S. I-487 ff., Rdnr. 15 des Urteils.

IV. Kompetenzen der EG für rundfunkbezogene Regelungen

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sehen werden können, so gewinnt man den Eindruck, dass die Bedeutung insbesondere der Kapitalverkehrsfreiheit im Rundfunkbereich eher unterschätzt wird.

IV. Kompetenzen der EG für rundfunkbezogene Regelungen Die Gemeinschaftsorgane haben, wie erwähnt, bereits mehrfach Regelungen erlassen, die den Rundfunk unmittelbar (z. B. Fernsehrichtlinie) oder zumindest mittelbar (z. B. Transparenzrichtlinie) betreffen. Sie haben sich dabei vorwiegend auf wirtschaftsrechtliche Kompetenzen, insbesondere Art. 55, 47 Abs. 2 EG und Art. 86 Abs. 3 EG, gestützt. Im Folgenden soll daher erörtert werden, ob diese und andere Normen des Primärrechts der Gemeinschaft tatsächlich eine Regelungsbefugnis für den Bereich des Rundfunks verleihen, und wie weit diese reicht: 1. Die „Rundfunkkompetenz“ der EG im Allgemeinen a) Keine „selbstgemachte“ Rundfunkkompetenz Die Frage nach einer „Rundfunkkompetenz“ der EG wäre einfach zu beantworten, wenn sich die Gemeinschaft eine solche Kompetenz selbst verschaffen könnte: Nach Art. 5 EU üben die Gemeinschaftsorgane ihre Befugnisse „. . . nach Maßgabe und im Sinne . . .“ des EG-Vertrages, dessen nachfolgender Änderungen und Ergänzungen und des EU-Vertrages aus. In dieser Bestimmung und ihrer Parallele in Art. 7 Abs. 1 EG findet das Prinzip der begrenzten Einzelzuständigkeit1 bzw. compétence d’attribution2 seinen Ausdruck. Die Organe können also nur handeln, solange und soweit die Verträge sie dazu ermächtigen. Eine Kompetenz der Organe, sich neue Zuständigkeiten zu verschaffen (Kompetenz-Kompetenz), ist den Gemeinschaftsverträgen demgegenüber fremd. Insbesondere können weder Art. 6 Abs. 4 EU noch Art. 308 EG als eine solche Kompetenz-Kompetenz verstanden werden: Für Art. 6 Abs. 4 EU, wonach sich die Union mit den Mitteln ausstattet, die zum Erreichen ihrer Ziele und Durchführung ihrer Politiken erforderlich sind, folgt dies schon aus dem Wortlaut der Bestimmung, der weder ermächtigtes Organ, noch anzuwendendes Verfahren nennt3. Zu Art. 308 EG, der es der Gemeinschaft ermöglicht, im Rahmen des 1 Der Begriff „Einzel“zuständigkeit meint allerdings nicht nur Zuständigkeiten für konkret definierte einzelne Sachbereiche, sondern auch „Generalermächtigungen“ wie Art. 94, 95 oder 308 EG. 2 Vgl. statt vieler: Oppermann, Europarecht, Rdnr. 513 ff. 3 So auch Puttler, in: Calliess/Ruffert, Art. 6 EU Rdnr. 221 ff. Das BVerfG leitet dies im Maastricht-Urteil (BVerfGE 89, 155 (194 ff.)) außerdem aus der seiner An-

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

Gemeinsamen Marktes eines ihrer Ziele erforderlichenfalls auch dann zu verwirklichen, wenn im EG-Vertrag die hierfür nötige Befugnis nicht vorgesehen ist, wird teilweise vertreten, es handle sich um eine Kompetenz-Kompetenz.4 Dagegen spricht jedoch entscheidend die Bindung des Handelns nach dieser Vorschrift an die Ziele der Gemeinschaft und den Rahmen des Gemeinsamen Marktes. Die Gemeinschaft darf sich nicht, gestützt auf Art. 308 EG, neue Ziele setzen oder auch nur bestehende Ziele ändern.5 Kompetenz-Kompetenz wäre Art. 308 EG höchstens (zumindest de facto) dann, wenn sich die Regelungen der Präambel des EG-Vertrages als „Ziele“ i. S. d. Art. 308 EG verstehen ließen.6 Dass etwa ein Handeln der Gemeinschaft im Sinne der Präambel der Schaffung der „Grundlagen für einen immer engeren Zusammenschluss der europäischen Völker“ dient, wird sich unschwer begründen lassen. Schon aus dem Wortlaut der Präambel folgt jedoch, dass sie keine „Ziele“ enthält: Die Mitgliedstaaten „haben [. . .] beschlossen, eine Europäische Gemeinschaft zu gründen“. Die Präambel enthält somit Motive der Mitgliedstaaten für die Gründung der Gemeinschaft und nicht Ziele der gegründeten Gemeinschaft.7 Welche Ziele, Eigenschaften und Befugnisse die Gemeinschaft haben soll, ist allein dem EG-Vertrag selbst zu entnehmen.8 Auch dadurch, dass es sich um Gründe/ Motive aller Mitgliedstaaten gemeinsam handelt, werden diese nicht zu Zielen der Gemeinschaft,9 denn die Mitgliedstaaten gemeinsam und die Gemeinschaft sind verschiedene „Rechtspersönlichkeiten“. Dies folgt aus Art. 281 EG, der der Gemeinschaft eigene Rechtspersönlichkeit verleiht, im Vergleich zu Art. 48 EU, der den Mitgliedstaaten gemeinsam die Befugnis zur Vertragsänderung einräumt. Wollte man annehmen, die Präambel enthalte „Ziele“ i. S. d. Art. 308 EG, dann bedeutete dies im Übrigen, dass bereits bei Gründung der Gemeinschaft, bei der die Vorgängervorschrift des Art. 308 EG, der Art. 235 EGV, in den Vertrag eingefügt wurde, dieser Gemeinschaft de facto umfassende Kompe-

sicht nach fehlenden Rechtspersönlichkeit der EU und der Entstehungsgeschichte des EU-Vertrages her. 4 Vgl. die Nachweise bei Schwartz, in: von der Groeben/Schwarze, Art. 308 EG FN 17. 5 So auch Schwartz, in: von der Groeben/Schwarze, Art. 308 EG Rdnr. 14 ff. 6 So eine verbreitete Meinung in der Literatur; vgl. nur: Schreiber, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 308 EG Rdnr. 11 m. w. N.; Bleckmann, Europarecht, Rdnr. 789; Schwartz, in: von der Groeben/Schwarze, Art. 308 EG Rdnr. 111 ff. 7 Die von Schwartz (in: von der Groeben/Schwarze, Art. 308 EG Rdnr. 115) zum Beleg der gegenteiligen These angeführte Formulierung „durch diesen Zusammenschluss“ nicht „durch den folgenden Vertrag“ belegt zwar, dass die Präambel Teil des Vertrages ist. Dies lässt aber die Frage unbeantwortet, ob die Präambel gerade ein solcher Teil des Vertrages ist, dem Ziele i. S. d. Art. 308 EG zu entnehmen sind. 8 So ausdrücklich: Köck, in: FS Seidl-Hohenveldern, 1988, S. 281; Grabitz, in: ders./Hilf, Art. 235 EGV Rdnr. 26; a. A. Schwartz, in: von der Groeben/Schwarze, Art. 308 EG Rdnr. 111 ff.; Niedobitek, S. 295. 9 So aber Niedobitek, S. 293.

IV. Kompetenzen der EG für rundfunkbezogene Regelungen

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tenzen eingeräumt werden sollten. Dies ist äußerst unwahrscheinlich. Außerdem würde hierdurch, wie schon angedeutet, die ohnehin schon schwierige Abgrenzung zwischen der Vertragsänderung nach Art. 48 EU und Art. 308 EG nahezu unmöglich gemacht.10 Die „Ziele“ der Gemeinschaft i. S. d. Art. 308 EG sind daher nicht der Präambel zu entnehmen,11 d. h. die Gemeinschaft hat auch keine „De-facto-Kompetenz-Kompetenz“.12 Hieraus folgt für den Regelungsbereich Rundfunk, dass die Gemeinschaft sich diesen nicht durch autonome Schaffung neuer Kompetenzen erschließen, und ebenso wenig Rundfunk gestützt auf Art. 308 EG allein deswegen regeln kann, weil Rundfunk im Sinne der Präambel die europäische Integration voranbringt. Die EG kann Rundfunk somit nur regeln, wenn die existierenden Kompetenzen Rundfunk als Regelungsgegenstand erfassen. b) Die Rundfunkkompetenz der EG als „Querschnittskompetenz“ Die Kompetenzvorschriften des EG-Vertrages weisen unterschiedliche Grade an Spezifizierung auf und lassen sich grob gesagt in vier Kategorien unterteilen: Kompetenzen, aus denen sich die zu erlassende Regelung relativ genau ablesen lässt (= konkrete Kompetenzen; z. B. Art. 38 Abs. 2 EG), Kompetenzen, die einen bestimmten Sachbereich des wirtschaftlichen/gesellschaftlichen Lebens betreffen (= sachbezogene Kompetenzen; z. B. Art. 151 Abs. 5 EG), Kompetenzen, die keinen bestimmten Sachbereich, aber ein bestimmtes wirtschaftliches Handeln betreffen (= handlungsbezogene bzw. „Querschnittskompetenzen“;13 z. B. Art. 47 Abs. 2 EG) und Kompetenzen, die sachbereichs- und

10 So auch Rossi, in: Calliess/Ruffert, Art. 308 EG Rdnr. 19; vgl. allgemein zu dieser Abgrenzung Häde/Puttler, EuZW 1997, 13 ff. (15 f.). 11 Aus der Rechtsprechung des EuGH folgt nichts anderes: Sowohl in verb. Rs. 56 und 58/64 (Consten-Grundig), Slg. 1966, S. 321 ff. (388), als auch in Rs. 43/75 (Defrenne), Slg. 1976, S. 455 ff., Rdnr. 8/11, als auch in Rs. 12/82, Slg. 1982, S. 4089 ff. hat der Gerichtshof die Präambel lediglich zur Auslegung der eigentlichen Vertragsvorschriften herangezogen. Auch im Gutachtem zum EMRK-Beitritt der EG lässt der EuGH offen, ob die Bestimmungen der Präambel Ziele i. S. d. Art. 308 EG sind (vgl. Gutachten 2/94, Slg. 1996, S. I-1763 ff., Rdnr. 29 ff.). 12 Der zu Beginn der achtziger Jahre entwickelte Ansatz, eine Gemeinschaftskompetenz für den Rundfunk schon aus seiner demokratischen Integrationsfunktion herzuleiten (vgl. H. P. Ipsen, S. 45 ff.), ist daher m. E. kritisch zu sehen, da sich ein derart allgemein formuliertes Ziel der Gemeinschaft zumindest damals nur der Präambel entnehmen ließ; kritisch hierzu auch Ossenbühl, S. 18 ff. Der durch den Amsterdamer Vertrag geschaffene Art. 6 Abs. 1 EU nennt die Demokratie zwar als „Grundsatz“ der Gemeinschaft. „Ziele“ i. S. d. Art. 308 EG sind jedoch nach zutreffender ganz h. M. nur Ziele, die sich dem EG-Vertrag entnehmen lassen (vgl. nur Rossi, in: Calliess/Ruffert, Art. 308 EG Rdnr. 13 m. w. N.; s. auch B. IV. 2. e)). 13 Vgl. zu diesem Begriff zuletzt GA Fenelly, Rs. C-376/98 (Tabakwerberichtlinie), Slg. 2000, S. I-8419 ff., Rdnr. 62 der Schlussanträge.

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

handlungsunabhängig sind (= abstrakte Kompetenzen bzw. begrenzte Generalermächtigungen; z. B. Art. 94, 95 u. 308 EG): Anhand dieser Kategorisierung kann eingegrenzt werden, nach welcher Art Kompetenzen der EG im Rundfunkbereich zu suchen ist: Eine konkrete Rundfunkkompetenz existiert in den Verträgen ebenso wenig wie eine sachbezogene. Insbesondere das Rundfunkprotokoll kann nicht als Kompetenzvorschrift angesehen werden. Dies liegt zwar nicht daran, dass es sich um ein Protokoll handelt, denn Art. 6 des Protokolls über die Konvergenzkriterien zeigt, dass auch Protokolle des EGV Kompetenzvorschriften enthalten können. Die fehlende Kompetenzqualität folgt jedoch klar aus dem Wortlaut des Rundfunkprotokolls und aus seinem Sinn und Zweck, der darin besteht, die Position der Mitgliedstaaten hinsichtlich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und seiner Finanzierung zu stärken. Wäre das Protokoll als Kompetenzvorschrift auszulegen, bedeutete dies eine mögliche Schwächung der Mitgliedstaaten. Eine Regelungskompetenz der EG im Rundfunkbereich folgt auch nicht aus Art. 151 Abs. 5 i.V. m. Abs. 2 EG. Insoweit handelt es sich zwar eindeutig um eine Kompetenznorm. Art. 151 Abs. 5 i.V. m. Abs. 2 EG ermöglicht jedoch lediglich ein förderndes und unterstützendes Tätigwerden der Gemeinschaft und verbietet ausdrücklich eine Harmonisierung des mitgliedstaatlichen Rechts. Ferner spricht der Zusammenhang zwischen Art. 151 Abs. 5 und Abs. 2 EG dafür, dass nur „künstlerisches und literarisches Schaffen . . . im audiovisuellen Bereich“ bzw. im Rundfunk geregelt werden kann, nicht aber der Rundfunk als solcher.14 Die Kompetenz aus Art. 151 Abs. 5 i.V. m. Abs. 2 EG ist daher nur in geringem Maße geeignet, rundfunkspezifische Gemeinschaftsregelungen zu ermöglichen.15 Zu untersuchen ist daher vorrangig, inwieweit handlungsbezogene bzw. Querschnittskompetenzen und begrenzte Generalermächtigungen den Bereich des Rundfunks erfassen. c) Ungeschriebene EG-Kompetenzen im Rundfunkbereich? Fraglich ist jedoch auch, ob die Suche nach einer Rundfunkkompetenz der EG auf die Verträge beschränkt werden kann, oder ob (und wenn ja inwieweit) ungeschriebene Rundfunkkompetenzen der EG denkbar sind: Das Prinzip der begrenzten Einzelzuständigkeiten ist nicht so strikt zu handhaben, dass ungeschriebene Kompetenzen der EG16 ausgeschlossen wären. Dies 14 So zurecht auch Ricker/Schiwy, S. 488 m. w. N.; a. A. wohl Holznagel, Europa, S. 131. 15 So i. E. auch Roider, S. 61. 16 Auch das BVerfG erkennt die grundsätzliche Existenz solcher ungeschriebener EG-Kompetenzen im Maastricht-Urteil implizit an; vgl. BVerfGE 89, 155 (210).

IV. Kompetenzen der EG für rundfunkbezogene Regelungen

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folgt schon aus der Formulierung des Art. 5 EU: „. . . nach Maßgabe und im Sinne . . .“17 und aus Art. 308 EG. „Im Sinne“ der Verträge ist die Wahrnehmung einer Kompetenz auch dann, wenn diese durch Auslegung der Verträge insbesondere nach dem Grundsatz des „effet utile“18 gewonnen wurde, und es sich deswegen um eine letztlich ungeschriebene Kompetenz handelt. Art. 308 EG soll, wie der EuGH in seinem Gutachten zum Beitritt der EG zur EMRK festgestellt hat,19 den Fall erfassen, dass eine ausdrückliche, aber auch eine „implizite“ bzw. ungeschriebene Kompetenz zur Regelung des betreffenden Falls fehlt.20 Im Rundfunkbereich haben die ungeschriebenen Kompetenzen der Gemeinschaft in der Literatur21 und in der Praxis kaum eine Rolle gespielt. Dagegen, ungeschriebene Rundfunkkompetenzen der Gemeinschaft anzuerkennen, spricht, dass der Rundfunk allein schon aufgrund seiner engen Verbindung mit der Kultur und der demokratischen Willensbildung in den Mitgliedstaaten ein „hochsensibler“ Bereich ist.22 Dies belegt einerseits Art. 151 Abs. 2 EG und andererseits das Rundfunkprotokoll, das den Zusammenhang zwischen Kultur, Demokratie und (öffentlich-rechtlichem) Rundfunk schon in seinem Wortlaut zum Ausdruck bringt. Außerdem ist den Verträgen kein Grund dafür zu entnehmen, warum nicht auch für ungeschriebene Kompetenzen die allgemeinen Einschränkungen durch das Subsidiaritäts- und das Verhältnismäßigkeitsprinzip aus Art. 5 EG sowie spezielle Kompetenzbegrenzungen, etwa das Verbot der „Kulturharmonisierung“ in Art. 151 Abs. 5 EG gelten sollten.23 Selbst wenn man ungeschriebene Gemeinschaftskompetenzen im Rundfunkbereich anerkennen wollte, würden diese also kaum weiter reichen als geschriebene. d) Der Streit um die EG-Rundfunkkompetenz in der Literatur In der Literatur war die Frage, ob die EG eine Kompetenz zur Regelung des Rundfunks hat, längere Zeit umstritten. Im Wesentlichen bestanden drei Grundpositionen: Eine Ansicht lehnte eine solche Regelungskompetenz der EG ab und mobilisierte für ihre Sicht v. a. die kulturelle Funktion des Rundfunks. Da Rundfunk 17

So i. E. auch Wichard, in: Calliess/Ruffert, Art. 5 EU Rdnr. 3. Zu diesem Grundsatz statt vieler Oppermann, Europarecht, Rdnr. 528. 19 Gutachten 2/94, Slg. 1996, S. I-1763 ff., Rdnr. 29 f. 20 Vgl. auch Köck, in: FS Seidl-Hohenveldern, S. 279 ff.; kritisch zu Art. 235 EGV und den implied powers als Gefahr einer Umgehung des Verfahrens der Vertragsänderung BVerfGE 89, 155 (210). 21 Vgl. aber Engel/Seelmann-Eggebert, in: Dauses, E. V Rdnr. 147. 22 So statt vieler auch Ress/Bröhmer, S. 50 f. 23 Vgl. (allerdings bezogen auf Art. 235 EGV) Häde/Puttler, EuZW 1997, 13 ff. (15). 18

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

in erster Linie kulturellen und damit nicht wirtschaftlichen Zwecken diene, falle er nicht in die Kompetenz der Wirtschaftsgemeinschaft E(W)G.24 Daraus, dass Kultur im EG-Vertrag (vor Maastricht) nicht erwähnt sei, geschweige denn Rundfunk,25 der Vertrag somit keine kulturpolitische Handlungsermächtigung enthalte,26 folge die Unzuständigkeit der Gemeinschaft zur Regelung dieses Bereichs. Insbesondere der Kern der Rundfunkkompetenz der Mitgliedstaaten sei absolut geschützt, und es dürfe nicht dazu kommen, dass die Gemeinschaft „. . . über den Kompetenztitel wirtschaftspolitisch imprägnierter Handlungsermächtigungen . . .“ die mitgliedstaatliche Rundfunkkompetenz usurpiere.27 Zulässig seien Regelungen der EG höchstens in Bereichen, die der auch für den Rundfunk geltenden allgemeinen Wirtschaftsordnung zuzurechnen seien, oder hinsichtlich wirtschaftlicher Randbereiche der Rundfunktätigkeit.28 Bei einer ungehinderten „Europäisierung“ des Rundfunks befürchtete man „. . . Gefahren für die Bewahrung regional-kultureller Vielfalt, nationaler Eigenständigkeit oder gar [. . .] einer politischen „Gleichschaltung“ . . .“.29 Hauptvertreter dieser Ansicht waren in Deutschland neben den Zitierten die Bundesländer und die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten.30 Dem stand die Ansicht Albrecht Hesses nahe, der statt auf die kulturelle auf die demokratische Funktion des Rundfunks abstellte, und im Übrigen in Anlehnung an die Rechtsprechung des BVerfG zwischen der Ausgestaltung der Rundfunkordnung und Eingriffen in die Rundfunkfreiheit unterschied.31 Ausgestaltende Regelungen, insbesondere solche, die die wirtschaftliche Existenz und den Programmauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks beträfen, dürften nur die Mitgliedstaaten treffen, während eingreifende Regelungen auch von der Gemeinschaft getroffen werden dürften. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk sei, soweit er sich im Rahmen seines verfassungsrechtlichen Grundversorgungsauftrages bewege, „EG-fest“.32 Dieser Ansicht stand wiederum eine dritte nahezu diametral entgegen, die die wirtschaftliche Komponente der Rundfunkveranstaltung betonte. Sie ging davon

24 Koszuszek ZUM 1989, 541 (545 f.); L. Seidel, NVwZ 1991, 120 (124 f.); Delbrück, S. 26 ff.; Ossenbühl, S. 13; w. N. bei Meinel, S. 42. 25 Vgl. Ricker/Schiwy, S. 476 f. m. w. N. 26 So Ossenbühl, S. 13 unter Bezugnahme auf Peter Häberle. 27 Wörtliches Zitat Ossenbühl, S. 33; vgl. auch ders., S. 49. 28 Vgl. statt vieler Delbrück, S. 52. 29 So wörtlich Ossenbühl, S. 15. 30 Vgl. ARD und ZDF in ZUM 1985, 314 ff., Beschluss der Regierungschefs der Länder zum Vorschlag für eine EG-Rundfunkrichtlinie (abgedruckt in ZUM 1986, 600 f.), Beschluss des Bundesrates zum Vorschlag einer EG-Rundfunkrichtlinie (abgedruckt in MP 1987, 143 f.). 31 Vgl. A. Hesse, JZ 1993, 545 (547 ff.). 32 Vgl. A. Hesse, JZ 1993, 545 (549).

IV. Kompetenzen der EG für rundfunkbezogene Regelungen

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aus, dass Rundfunk nicht nur eine kulturelle, sondern zugleich eine genuin wirtschaftliche oder zumindest entgeltliche Tätigkeit sei.33 Dass der EGV Rundfunk nicht erwähne, sei unerheblich, da die Kompetenzen der EG gerade im Bereich der Grundfreiheiten sich nicht wie z. B. in der Landwirtschaftspolitik auf ein bestimmtes abgrenzbares Gebiet bezögen, sondern Querschnittskompetenzen seien,34 die für jeden Gegenstand des staatlichen Lebens gelten, der bestimmte Tatbestandsmerkmale wie z. B. die einer Dienstleistung erfülle. Von diesen Querschnittskompetenzen seien nicht nur wirtschaftliche Tätigkeiten im eigentlichen Sinne, sondern alle entgeltlichen Tätigkeiten erfasst, gleichgültig, ob auf wirtschaftlichem, kulturellem oder sonstigem Gebiet.35 Der EGV enthalte außerdem weder eine geschriebene, noch eine ungeschriebene generelle Ausnahme für den kulturellen Bereich.36 Die Tätigkeit der Gemeinschaft umfasse „seit jeher wesentliche Aspekte des kulturellen Lebens in den Mitgliedstaaten“.37 Die Gemeinschaft habe daher eine Kompetenz auch für den Bereich des Rundfunks. In der neueren Literatur, insbesondere seit dem Vertrag von Maastricht, hat sich ein vermittelnder Standpunkt durchgesetzt.38 Nach diesem sind sowohl die demokratisch-kulturelle als auch die wirtschaftliche Funktion des Rundfunks anzuerkennen, und entsprechend ihrer Bedeutung im jeweiligen Einzelfall zu berücksichtigen. Keinem dieser beiden die Stellung des Rundfunks prägenden Elemente gebühre ein genereller, die Gemeinschaftstätigkeit bestimmender Vorrang. Es existiere kein Bereich der Rundfunktätigkeit, der aufgrund seiner „Kulturlastigkeit“ vom Regelungszugriff der Gemeinschaft ausgenommen sei. Ebensowenig könne ein „Kernbereich“ der Rundfunktätigkeit von der gemeinschaftlichen Regelungstätigkeit ausgeklammert werden. Eine Regelung könne aber deswegen rechtswidrig, insbesondere unverhältnismäßig oder subsidiaritätswidrig sein, weil sie dem einen oder dem anderen Aspekt des Rundfunks zu wenig Rechnung trage.

33 So i. E. Deringer, ZUM 1986, 627 (633 ff.); Bueckling, EuGRZ 1987, 97 (100); H. P. Ipsen, S. 17; Schwartz, ZUM 1989, 381 (384 ff.); ders., ZUM 1991, 155 (164 f.); Mestmäcker/Engel/Gabriel-Bräutigam/Hoffmann, S. 37 f. 34 Vgl. Niedobitek, S. 191 ff.; ähnlich Schwartz, in: Schwarze, S. 46; ders., ZUM 1989, 381 (382); vgl. auch Trafkowski, S. 88 f. 35 So die Kommission im GB Fernsehen ohne Grenzen, KOM (84) 300 endg., S. 6 ff.; Schwartz, a. a. O; Mestmäcker, 56. DJT, O 27; Mestmäcker/Engel/GabrielBräutigam/Hoffmann, S. 37 ff. 36 Statt vieler: Niedobitek, S. 194 ff. und Oppermann, Europarecht, Rdnr. 1968. 37 So KOM (84) 300 endg., S. 7; i. E. auch Mestmäcker/Engel/Gabriel-Bräutigam/ Hoffmann, S. 37 f. 38 Vgl. Ricker/Schiwy, S. 478 f. m.w. N.; Meinel, S. 44 ff.; Engel/Seelmann-Eggebert, in: Dauses, E. V, Rdnr. 141 ff.; Oppermann, Beihilfen, S. 24 f.; Oppermann, Europarecht, Rdnr. 1600 ff.

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

e) Stellungnahme Seit durch den Vertrag von Maastricht in den EG-Vertrag die Kulturartikel Art. 3 lit. p) und 128 EGV eingefügt wurden, lässt sich nicht mehr vertreten, der Vertrag befasse sich nicht mit Kultur. Insbesondere Art. 128 Abs. 4 EGV (= 151 Abs. 4 EG), wonach die Gemeinschaft den kulturellen Aspekten bei ihrer Tätigkeit aufgrund anderer Bestimmungen des Vertrages Rechnung tragen soll, zeigt, dass es übereinstimmender Wille der Mitgliedstaaten war, Tätigkeiten nicht deswegen aus dem Anwendungsbereich des EGV auszuschließen, weil sie im Kulturbereich anzusiedeln sind. In Art. 151 Abs. 2 4. Spiegelstrich EG wird der „audiovisuelle Bereich“ sogar ausdrücklich erwähnt, zu dem auch der Rundfunk zu rechnen ist.39 Nimmt man Art. 151 Abs. 2 4. Spiegelstrich beim Wort, so kann die Gemeinschaft zwar nur „künstlerisches und literarisches Schaffen . . . im audiovisuellen Bereich“ regeln. Wenn jedoch schon dieser Bereich, der wohl unstreitig Bestandteil auch eines eng gefassten Kulturbegriffs ist, von der Gemeinschaft u. U. geregelt werden kann, kann der übrige, stärker wirtschaftlich geprägte Teil der Rundfunktätigkeit dem Regelungszugriff des Gemeinschaftsrechts erst recht nicht entzogen sein. Das Argument, die EG dürfe als Wirtschaftsgemeinschaft Rundfunk höchstens in Teilbereichen regeln, wurde ferner durch die allgemeine in Maastricht stark vorangetriebene Entwicklung hin zu einer auch politischen Gemeinschaft40 in Frage gestellt. Jedoch auch abgesehen vom Vertrag von Maastricht war die Ansicht, die den Rundfunk aufgrund seiner kulturellen Funktion dem Regelungszugriff der Gemeinschaft entziehen wollte, problematisch. Sie übertrug die deutsche, von der Rechtsprechung des BVerfG geprägte Beurteilung der Rundfunkveranstaltung relativ unkritisch auf die Ebene des Gemeinschaftsrechts. Die Frage nach einer Kompetenz der Gemeinschaft kann aber nur aus dem Gemeinschaftsrecht heraus geklärt werden.41 Ansonsten wäre die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts und damit die Rechtssicherheit gefährdet. Der Vorwurf, Gemeinschaftskompetenzen nach deutschen Einschätzungen zu bestimmen, konnte jener Ansicht, die die wirtschaftliche Seite des Rundfunks in den Vordergrund stellte, zwar nicht gemacht werden. Sie vernachlässigte jedoch zu sehr die historische Entwicklung des Rundfunks. Eine wirtschaftliche Komponente in dem Sinne, dass Rundfunk in Gewinnerzielungsabsicht betrieben wurde, ließ sich bis zum Entstehen privater Rundfunkveranstalter kaum feststellen. In den fast 40 Jahren des öffentlich-rechtlichen „Rundfunkmonopols“ 39 Vgl. Blanke, in: Calliess/Ruffert, Art. 151 EG Rdnr. 11; Holznagel, Europa, S. 131; Petersen, S. 29. 40 Hierzu Oppermann, Europarecht, Rdnr. 44 ff. 41 Ossenbühl (S. 23 ff.) beispielsweise erkannte diese Problematik und verstand Ableitungen aus dem deutschen Verfassungsrecht deshalb nur als „Anregungen und Vorbilder“ für die Lösung des Kompetenzproblems auf Gemeinschaftsebene (S. 31).

IV. Kompetenzen der EG für rundfunkbezogene Regelungen

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wurde Rundfunk europaweit (abgesehen von Luxemburg, wo die private CLT ein Monopol hatte) in erster Linie als kulturelle und nur in geringem Maße als wirtschaftliche Tätigkeit betrieben. Andererseits greift die Argumentation, Rundfunk unterläge schon deswegen bestimmten Gemeinschaftskompetenzen, weil diese „Querschnittskompetenzen“ seien, ebenfalls zu kurz, denn auch bei diesen Kompetenzen existieren Bereichsausnahmen, wie Art. 45 EG zeigt.42 Da allerdings, wie dargelegt, nicht einmal der öffentlich-rechtliche Rundfunk unter Art. 45 EG fällt, und sich auch aus Art. 151 EG eine „Bereichsausnahme Rundfunk“ nicht begründen lässt, ist es im Ergebnis zutreffend, dass der Rundfunk den Querschnittskompetenzen der Gemeinschaft unterliegen kann. Die Ansicht Hesses scheint auf den ersten Blick durch das Rundfunkprotokoll bestätigt worden zu sein, da die rundfunkrechtliche Kompetenz der Mitgliedstaaten und die Verknüpfung des Rundfunks mit demokratischen Belangen betont wird. Dieser Eindruck täuscht jedoch: Die letzten beiden Halbsätze des Protokolls, nach denen eine die Handels- und Wettbewerbsbedingungen übermäßig belastende Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gemeinschaftsrechtswidrig sein kann, zeigen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht einmal dann vollständig „EG-fest“ ist, wenn er sich im Rahmen des Grundversorgungsauftrages bewegt. Außerdem ist die Ansicht Hesses ohnehin problematisch, weil sie die schon auf der Ebene des deutschen Verfassungsrechts schwierige Trennung zwischen Ausgestaltungs- und Eingriffsregelungen auf die europäische Ebene überträgt. Am besten wird die dargestellte vermittelnde Meinung sowohl der kulturellen als auch der wirtschaftlichen Seite des Rundfunks gerecht. Ihr Bemühen, beide Komponenten des Sachverhalts Rundfunk auch vor dem Gemeinschaftsrecht miteinander in Einklang zu bringen, ermöglicht flexible Lösungen. Diese sind notwendig, insbesondere, um dem durch das Rundfunkprotokoll stärker als bisher deutlich gemachten Unterschied zwischen öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk angemessen Rechnung zu tragen. f) Harmonisierung auch neben unmittelbar anwendbaren Grundfreiheiten Im Abschnitt über die Grundfreiheiten wurde festgestellt, dass diese unmittelbar anwendbar sind. Rundfunkveranstalter können sich bei ihren grenzüberschreitenden Aktivitäten also direkt auf die Grundfreiheiten berufen und nicht nur auf Umsetzungsakte (innerstaatliche Gesetze oder europäisches Sekundär42 Z. B. Scheuer (in: Lenz/Borchardt, Art. 45 EG Rdnr. 1) bezeichnet Art. 45 ausdrücklich als Bereichsausnahme.

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

recht). Dies wirft die Frage auf, ob die unmittelbare Wirkung der Grundfreiheiten eine Harmonisierung im Rundfunkbereich nicht von vornherein überflüssig macht. Sie allein reicht jedoch zur Verwirklichung des Binnenmarktes noch nicht aus, denn soweit in den Mitgliedstaaten unterschiedliche gerechtfertigte Einschränkungen der Grundfreiheiten existieren (z. B. Anforderungen an die Rundfunkwerbung), bleibt der grenzüberschreitende Verkehr erschwert. Diese Unterschiede zu beseitigen, ist Aufgabe der Harmonisierung durch europäisches Sekundärrecht. Außerdem können durch Harmonisierungsmaßnahmen selbst mitgliedstaatliche Regelungen, die sich nicht auf grenzüberschreitende Sachverhalte beziehen, zugunsten des Binnenmarktes angepasst werden.43 Auch neben unmittelbar anwendbaren Grundfreiheiten behalten die Harmonisierungskompetenzen der Gemeinschaft daher ihren Sinn. 2. Die einzelnen Kompetenznormen a) Kompetenzen aus dem Bereich der Grundfreiheiten aa) Art. 55, 47 Abs. 2 EG und Art. 47 Abs. 2 EG (direkt) Wie gezeigt, ist die grenzüberschreitende Rundfunktätigkeit regelmäßig eine Dienstleistung i. S. d. Art. 49, 50 EG. Deswegen hat die Gemeinschaft prinzipiell auch im Rundfunkbereich die ihr zur Regelung von Dienstleistungen zustehende Regelungskompetenz aus Art. 55, 47 Abs. 2 EG. Die Fernsehrichtlinie als bisher wichtigste gemeinschaftsrechtliche Regelung des grenzüberschreitenden Rundfunks wurde auf diese Kompetenzgrundlage gestützt. Gleichzeitig ist der Rundfunk jedoch, wie oben dargestellt [B. III. 4. a)], eine selbständige Erwerbstätigkeit und Veranstalter genießen nach Art. 43, 48 EG Niederlassungsfreiheit. Daraus folgt, dass die Niederlassung von Rundfunkveranstaltern im Gemeinschaftsgebiet nach Art. 47 Abs. 2 EG geregelt werden kann.44 Dass die Fernsehrichtlinie dennoch nicht auf Art. 47 Abs. 2 EG direkt, sondern auf Art. 55, 47 Abs. 2 EG gestützt wurde, erklärt sich daraus, dass die Richtlinie aus Respekt vor der Kulturhoheit der Mitgliedstaaten keine Regelungen über der Zugang zur Fernsehtätigkeit bzw. über die Niederlassung als Rundfunkveranstalter enthält.45 Da Art. 55 EG für die Rechtsetzung im Bereich der Dienstleistungsfreiheit auf die Kompetenznorm aus den Regelungen über die Niederlassungsfreiheit, Art. 47 Abs. 2 EG, verweist, und somit Regelungen in beiden Bereichen exakt demselben Rechtsetzungsverfahren unterliegen,46 kann eine ge43 Vgl. Ress/Bröhmer, S. 33 f.; Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, Art. 47 EG Rdnr. 4; jeweils m. w. N. 44 Vgl. hierzu schon Schwartz, in: M. Seidel, S. 153 ff.; ders., ZUM 1989, 381 (382 f.). 45 So auch Schwartz, ZUM 1989, 381 (382).

IV. Kompetenzen der EG für rundfunkbezogene Regelungen

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naue Abgrenzung zwischen Art. 47 Abs. 2 EG (direkt) und Art. 55, 47 Abs. 2 EG im Übrigen dahinstehen. Fraglich ist jedoch, wie weit die Kompetenz aus Art. 47 Abs. 2 EG reicht: Aus dem Wortlaut des Art. 47 Abs. 2 EG, der auf Art. 47 Abs. 1 EG verweist, ergibt sich zunächst, dass nur Regelungen zulässig sind, die die Aufnahme und Ausübung selbständiger Tätigkeit erleichtern. Die Gemeinschaft darf somit der grenzüberschreitenden Rundfunktätigkeit gestützt auf Art. 47 Abs. 2 EG (i.V. m. Art. 55 EG) keine zusätzlichen Schranken setzen.47 Gemeinschaftliche Regelungen im Rundfunkbereich sind daher daraufhin zu überprüfen, ob sie die gemeinschaftsweite Rundfunktätigkeit tatsächlich erleichtern.48 Eine solche Erleichterung ist nach Ansicht des EuGH generell schon dann gegeben, wenn Regelungen Handelshindernissen vorbeugen sollen, deren Entstehen zumindest wahrscheinlich ist.49 Anderenfalls ist die Regelung nichtig, ohne dass es auf Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit ankäme. Insoweit ist allerdings, wie der EuGH festgestellt hat, nicht auf einzelne Bestimmungen der betreffenden Regelung, sondern auf die Regelung insgesamt abzustellen.50 Ferner ist fraglich, ob die durch eine Richtlinie nach Art. 47 Abs. 2 EG zu beseitigenden Grundfreiheitsbeschränkungen von gewissem Umfang sein müssen, damit die Gemeinschaft rechtsetzend tätig werden darf, oder ob im Sinne der Dassonville-Formel auch mittelbare potentielle Binnenmarktschranken geeignet sind, eine Zuständigkeit der Gemeinschaft nach Art. 47 Abs. 2 EG zu begründen. Dies ist jedoch eine Frage der Verhältnismäßigkeit, genauer: der Erforderlichkeit der betreffenden Regelung51 und bedarf daher hier noch keiner Erörterung. Anders ist es, soweit eine auf Art. 47 Abs. 2 EG gestützte Regelung Wettbewerbsverzerrungen beseitigen soll. Hierzu hat der EuGH klar entschieden, dass

46 Insbesondere hat das EP dieselben Mitwirkungsrechte; vgl. zu einem Fall, in dem der EuGH eine Regelung für nichtig erklärt hat, weil sie auf diejenige von zwei grundsätzlich anwendbaren Kompetenzgrundlagen gestützt wurde, die dem EP geringere Mitwirkungsrechte einräumte: Rs. C-300/89 (Titandioxidrichtlinie), Slg. 1991, S. I2867 ff., Rdnr. 17 ff. des Urteils. 47 Vgl. hierzu auch Rs. C-376/98 (Tabakwerberichtlinie), Slg. 2000, S. I-8419 ff., Rdnr. 76 ff. (87) des Urteils; a. A. noch Mestmäcker/Engel/Gabriel-Bräutigam/Hoffmann, S. 44 ff. 48 Vgl. hierzu die Prüfung des EuGH in Rs. C-376/98 (Tabakwerberichtlinie), Slg. 2000, S. I-8419 ff., Rdnr. 96 ff. des Urteils sowie in Rs. C-491/01 (Tabakettikettierungsrichtlinie), Rdnr. 60 ff. des Urteils; vgl. auch Ress/Bröhmer, S. 35, 39 f. 49 Vgl. Rs. C-376/98 (Tabakwerberichtlinie), Slg. 2000, S. I-8419 ff., Rdnr. 86 f. des Urteils; Rs. C-491/01 (Tabakettikettierungsrichtlinie), Rdnr. 61. 50 So i. E. Rs. C-376/98 (Tabakwerberichtlinie), Slg. 2000, S. I-8419 ff., Rdnr. 100 des Urteils. 51 So i. E. auch GA Fenelly, Rs. C-376/98 (Tabakwerberichtlinie), Slg. 2000, S. I-8419 ff., Rdnr. 104 der Schlussanträge; a. A. Ress/Bröhmer, S. 34 ff.

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Wettbewerbsverzerrungen, auf deren Beseitigung eine Gemeinschaftsregelung zielt, spürbar sein müssen, damit der Anwendungsbereich des Art. 47 Abs. 2 EG eröffnet ist.52 Anderenfalls wäre die Kompetenz der Gemeinschaft nahezu uferlos, was dem Grundsatz der begrenzten Einzelzuständigkeit widerspräche. Dass somit zwischen Regelungen, die dem Abbau von Grundfreiheitsbeschränkungen und solchen, die der Beseitigung von Wettbewerbsverzerrungen dienen sollen, zu differenzieren ist, macht durchaus Sinn, denn ein Spürbarkeitserfordernis wird eben nur im gemeinschaftlichen Wettbewerbsrecht, nicht aber bei den Grundfreiheiten anerkannt.53 bb) Art. 94, 95 EG Art. 55, 47 Abs. 2 EG sind leges speciales zu Art. 94, 95 EG, da sich Art. 94, 95 EG allgemein auf Errichtung und Funktionieren des gemeinsamen Marktes beziehen, Art. 55, 47 Abs. 2 EG aber einen speziellen Bestandteil des gemeinsamen Marktes, die Dienstleistungsfreiheit, betreffen.54 Art. 95 EG enthält außerdem in Abs. 2 eine spezielle Subsidiaritätsklausel, nach der eine Rechtsangleichung im Bereich der Freizügigkeit (Niederlassungs- und u. U. Dienstleistungsfreiheit) ausgeschlossen ist. Der Anwendungsbereich der Art. 94, 95 dürfte daher nur für den unter Art. 28 EG fallenden Handel mit Sendematerialien und Empfangseinrichtungen eröffnet sein.55 Bisher haben die EG-Organe von dieser Ermächtigung aber noch keinen Gebrauch gemacht. Die für die Kompetenz aus Art. 55, 47 Abs. 2 EG dargelegten Einschränkungen gelten erst recht für die begrenzte Generalermächtigung des Art. 95 EG.56 b) Wettbewerbsrechtliche Kompetenzen Wie bereits festgestellt sind Rundfunkveranstalter Unternehmen im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft nach Art. 81 ff. EG. Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten sind Unternehmen i. S. d. Art. 86 Abs. 2 EG. Daher können grundsätzlich auch die Kompetenzgrundlagen aus dem allgemeinen Wettbewerbsrechts (Art. 83 und 86 Abs. 3) zur Regelung des Rundfunkbereichs herangezogen werden.

52 Vgl. Rs. C-376/98 (Tabakwerberichtlinie), Slg. 2000, S. I-8419 ff., Rdnr. 106 f. des Urteils; so bereits Rs. C-300/89 (Titandioxidrichtlinie), Slg. 1991, S. I-2867 ff., Rdnr. 23 des Urteils. 53 Vgl. hierzu statt vieler Weiß, in: Calliess/Ruffert, Art. 81 EG Rdnr. 90 ff. 54 Allg. M.; vgl. nur Leible, in: Streinz, Art. 94 EG Rdnr. 32. 55 So auch Seelmann-Eggebert, S. 140. 56 So ausdrücklich Rs. C-376/98 (Tabakwerberichtlinie), Slg. 2000, S. I-8419 ff., Rdnr. 87 des Urteils.

IV. Kompetenzen der EG für rundfunkbezogene Regelungen

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Die Kompetenznorm des Art. 86 Abs. 3 EG hat in letzter Zeit vor allem dadurch Bedeutung erlangt, dass sie Grundlage der Transparenzrichtlinie 57 ist. Diese Richtlinie setzte bestimmte Transparenzpflichten ursprünglich nur für die Finanzbeziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und öffentlichen Unternehmen fest, war für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland, da sich dieser aufgrund seiner Staatsfreiheit nicht als öffentliches Unternehmen qualifizieren lässt, also ohne Bedeutung. In ihrer Neufassung durch die Änderungsrichtlinie vom 26. 07. 2000 (RL 2000/52/EG) erlegt die Richtlinie aber auch Unternehmen i. S. d. Art. 86 Abs. 2 EG Transparenzpflichten auf, und könnte daher auch für den deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunk wichtiger werden.58 Art. 86 Abs. 3 EG stellt einen der seltenen Fälle dar, in denen die Kommission eine originäre Rechtsetzungskompetenz hat.59 Dass diese Norm eng auszulegen ist, folgt bereits daraus, dass die Kommission nach dem Wortlaut der Vorschrift nur „erforderlichenfalls“ tätig werden darf. Diese Erforderlichkeitsklausel ähnelt der Formulierung in Art. 308 EG („Erscheint ein Tätigwerden der Gemeinschaft erforderlich“) und ergänzt daher wie jene60 die allgemeinen Kompetenzschranken aus Art. 5 EG.61 „Erforderlichkeit“ i. S. d. Art. 86 Abs. 3 EG ist außerdem mehr als „Zweckdienlichkeit“ i. S. d. Art. 83 EG.62 Die Kommission muss also, wenn sie nach Art. 86 Abs. 3 EG tätig werden will, stets die Erforderlichkeit ihres Tuns begründen63 und kann sich hierbei nicht darauf beschränken, darzutun, dass das mit der Maßnahme angestrebte Ziel durch diese zumindest gefördert werde. Nicht erforderlich i. S. d. Art. 86 Abs. 3 EG sind Regelungen, die unter Art. 86 fallende Unternehmen untereinander oder gegenüber rein privaten in vergleichbarer Situation diskriminieren.64 Aus Art. 86 Abs. 1 und 2 EG folgt, wie bereits angedeutet, dass „im staatlichen Auftrag“ handelnde Un57 RL 80/723/EWG, zuletzt geändert durch RL 2000/52/EG. Die für den Rundfunk ebenfalls relevante Kabelfernseh-Richtlinie (RL 1999/64/EG), die anordnet, dass Telekommunikationsunternehmen, die ehemals Monopolisten waren und sowohl Kabelfernsehnetze als auch Telfonkabelnetze besitzen, diese Netze in rechtlich getrennten Einheiten betreiben müssen, basiert ebenfalls auf Art. 86 Abs. 3 EG (näher: Bartosch, NJW 1999, 3750 ff.). 58 Näher hierzu s. u. B. VII. 59 Vgl. insbesondere EuGH Rs. 188–190/80 (Transparenzrichtlinie), Slg. 1982, 2545 ff. 60 Hierzu Schwartz, in: von der Groeben/Schwarze, Art. 308 EG Rdnr. 29 ff. 61 A. A. wohl Wilms (S. 154), der das Verhältnismäßigkeitsprinzip in Art. 5 EG und das Erforderlichkeitskriterium in Art. 86 Abs. 3 EG gleichzusetzen scheint. 62 Vgl. Rs. 188-190/82 (Transparenzrichtlinie), Slg. 1982, S. 2545 ff., Rdnr. 13 des Urteils. 63 Vgl. Jung, in: Calliess/Ruffert, Art. 86 EG Rdnr. 57 m. w. N. 64 Vgl. Wilms, S. 64. Rs. 188-190/82 (Transparenzrichtlinie), Slg. 1982, S. 2545 ff., Rdnr. 21 des Urteils steht dem nicht entgegen, da der Gerichtshof an der betreffenden Stelle lediglich feststellt, eine Diskriminierung öffentlicher gegenüber privaten Unternehmen läge mangels Vergleichbarkeit der Situation nicht vor.

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

ternehmen untereinander und gegenüber (rein) privaten Unternehmen vor dem Wettbewerbsrecht grundsätzlich gleich sein sollen, sofern keine Ausnahmen gerade aufgrund des betreffenden Auftrages zu machen sind.65 Im Bereich der Rundfunkfinanzierung ist zusätzlich die Auslegungsregel des Rundfunkprotokolls zu berücksichtigen, d. h., die Kommission darf, gestützt auf Art. 86 Abs. 3 EG, keine Regelungen erlassen, die dazu geeignet wären, die staatliche Finanzierung des öffentlichen Auftrages der Rundfunkanstalten zu gefährden. Neben diesen Kompetenzen aus dem Bereich des allgemeinen Wettbewerbsrechts kommt für die Rechtssetzung im Rundfunkbereich noch die Kompetenzregelung aus dem Beihilfenrecht in Art. 89 EG in Betracht, die es dem Rat ermöglicht, Durchführungsverordnungen zu den Art. 87 und 88 EG zu erlassen. Art. 89 EG kann unter zwei Aspekten für den Rundfunk bedeutsam sein: Es wäre zum einen nach Art. 89 EG möglich, den Rundfunksektor vom Beihilfeverbot des Art. 88 EG generell freizustellen.66 Zum anderen könnten spezielle Regelungen für Beihilfen im Rundfunkbereich erlassen werden. Im letzteren Fall ist jedoch wiederum der Einfluss des Rundfunkprotokolls zu beachten. Auch Art. 89 EG darf deshalb nicht dazu dienen, die staatliche Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, soweit sie der Erfüllung seines öffentlichen Auftrages dient, unmöglich zu machen. c) Art. 155, 156 EG und 157 Abs. 3 EG Die Kompetenzen aus Art. 155, 156 EG und 157 Abs. 3 EG sind für Regelungen im Rundfunkbereich ebenfalls anwendbar. Auf die Kompetenz zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Gemeinschaftsindustrie aus Art. 157 Abs. 3 EG wurde bei den Förderprogrammen Media II und MediaPlus abgestellt67. Diese Kompetenz ermöglicht allerdings ähnlich wie Art. 151 Abs. 5 EG nur Fördermaßnahmen und ist schon deshalb in ihrer Reichweite begrenzt. Ähnliches gilt für die Kompetenz aus Art. 155, 156 EG, die den Auf- und Ausbau transeuropäischer Netze, zu denen auch Kabelfernsehnetze gehören,68 betrifft.69 Ob die Bedeutung des Art. 155, 156 EG aufgrund der Digitalisierung und des mit ihr einhergehenden Bedarfs nach leistungsfähigen Netzen zunehmen wird, bleibt abzuwarten.

65

So i. E. auch Wilms, S. 97. Vgl. allgemein hierzu Bär-Bouyssière, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 89 EG Rdnr. 2. 67 Vgl. ABl. Nr. L 321 vom 30. 12. 1995, S. 25 ff., 33 ff.; ABl. Nr. L 336 vom 30. 12. 2000, S. 82 ff. und Nr. L 13 vom 17. 01. 2001, S. 34 ff. 68 Vgl. Ukrow, in: Calliess/Ruffert, Art. 154 EG Rdnr. 6. 69 So i. E. auch Engel/Seelmann-Eggebert, in: Dauses, E. V, Rdnr. 145. 66

IV. Kompetenzen der EG für rundfunkbezogene Regelungen

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d) Art. 308 EG Aus dem bisher Festgestellten ergibt sich, dass für Dienstleistungen und Niederlassungen im Rundfunkbereich in Art. 55 (i.V. m.) 47 Abs. 2 EG und für den Handel mit Sendematerialien in Art. 94, 95 EG Kompetenzgrundlagen existieren. Darüber hinaus können die genannten wettbewerbsrechtlichen Kompetenzen dazu dienen, auch wirtschaftliche Tätigkeiten im Rundfunk zu regeln. Die bloße Existenz einer geschriebenen Gemeinschaftskompetenz schließt jedoch den Rückgriff auf Art. 308 EG aus, denn dieser hat die Funktion, Kompetenzlücken zu schließen. Somit ist Art. 308 EG als Kompetenzgrundlage zur Regelung des Rundfunks nahezu bedeutungslos.70 e) Gemeinschaftsgrundrechte als Kompetenzgrundlagen? Zu Beginn des Streits um die Rundfunkkompetenz der EG wurde die Frage erörtert, ob sich eine solche Kompetenz aus dem Gemeinschaftsgrundrecht der Meinungsfreiheit ableiten lässt.71 Ohne den Erörterungen über die duale Rundfunkordnung und die Gemeinschaftsgrundrechte vorgreifen zu wollen, ist hierzu Folgendes zu sagen: Zwar ist mittlerweile wohl anerkannt, dass auch Gemeinschaftsgrundrechte nicht nur Abwehrrechte sind, sondern auch eine objektive Seite haben bzw. Schutzpflichten enthalten.72 Die Gemeinschaft kann diese Schutzpflicht jedoch nur dann erfüllen, wenn sie sich nach dem Prinzip der begrenzten Einzelzuständigkeit auf eine entsprechende vertragliche Kompetenz stützen kann.73 Eine ausdrückliche Kompetenz der Gemeinschaft, zum Grundrechtsschutz tätig zu werden, ist weder in Art. 6 Abs. 2 EU, noch im Text des EG-Vertrages enthalten.74 Es bleibt also nur der Rückgriff auf Art. 308 EG i.V. m. Art. 6 Abs. 2 EU. Dagegen, aus diesen Artikeln eine Kompetenz herzuleiten spricht jedoch der systematische Zusammenhang zwischen Art. 308 und 5 Abs. 1 EG, nach dem „Ziele“ i. S. d. Art. 308 EG „. . . in diesem Vertrag . . . gesetzte Ziele . . .“ i. S. d. Art. 5 Abs. 1 EG sein müssen. Ziele aus dem EUVertrag können daher keine Ziele i. S. d. Art. 308 EG sein.75 Das Gemein70 So auch Roider, S. 63 ff.; auf Art. 308 EG bzw. 235 EGV wurde allerdings das Programm Media I gestützt (vgl. Lecheler, in: Grabitz/Hilf, Art. 157 EG Rdnr. 12). 71 Vgl. Ossenbühl, S. 15 ff. 72 Vgl. Kingreen, in: Calliess/Ruffert, Art. 6 EU Rdnr. 46 ff. m. w. N.; vgl. auch Gersdorf, AöR 119 (1994), 400, 402 ff.; Nettesheim, EuZW 1995, 106 (108); anders noch Ossenbühl, S. 17. 73 So auch Gersdorf, AöR 119 (1994), 400, 417 f. 74 Auch die EU-Grundrechtscharta [näher zu dieser s. u. B. VII.] stellt in Art. 51 Abs. 2 klar, dass sie die Befugnisse der Gemeinschaft nicht erweitert. 75 So h. M.; vgl.: Schwartz, in: von der Groeben/Schwarze, Art. 308 EG Rdnr. 84 m. w. N.; Rossi, in: Calliess/Ruffert, Art. 308 EG Rdnr. 13; Schreiber, in: Schwarze, EU-Kommentar Art. 308 EG Rdnr. 12.

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

schaftsgrundrecht der Meinungsfreiheit kann daher nicht allein eine Rundfunkkompetenz der EG begründen, sondern höchstens bei der Auslegung bestehender Kompetenznormen eine Rolle spielen.76 Das gleiche gilt für das mittlerweile in Art. 11 Abs. 2 der EU-Grundrechtscharta ausdrücklich erwähnte Grundrecht der Medienfreiheit. Dieses kann (abgesehen davon, dass die Charta bisher rechtlich unverbindlich ist) auch deswegen nicht als Kompetenzgrundlage dienen, weil die Charta nach ihrem Art. 51 Abs. 2 weder neue Kompetenzen der Gemeinschaft begründet noch bestehende modifiziert. 3. Kompetenzgrenzen a) Das Subsidiaritätsprinzip (Art. 5 Abs. 2 EG) Eine Begrenzung gemeinschaftlicher Kompetenzausübung77 ergibt sich auch im Bereich des Rundfunks aus dem Subsidiaritätsprinzip nach Art. 5 Abs. 2 EG. Nach diesem wird die Gemeinschaft in den Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, nur tätig, sofern und soweit die mit der betreffenden Maßnahme verfolgten Ziele auf mitgliedstaatlicher Ebene nicht ausreichend erreicht (Insuffizienzkriterium) und daher wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden können (Effizienzkriterium). 78 Beide Kriterien müssen gleichzeitig erfüllt sein.79 aa) Ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft? Fraglich ist somit zunächst, ob die Kompetenzen der Gemeinschaft im Rundfunkbereich ausschließliche sind: Bei den Kompetenzen zur Rechtsangleichung im Binnenmarkt (also auch Art. 47 Abs. 2, 55, 94 und 95 EG) nimmt die Kommission an, es handle sich grundsätzlich um ausschließliche Kompetenzen.80 Wäre dies zutreffend, wird der Anwendungsbereich des Subsidiaritätsprinzips entscheidend eingeengt und das Prinzip ineffektiv.81 Schon dies spricht gegen die Ansicht der Kommission. Außerdem steht das Subsidiaritätsprinzip im Be76 So bezogen auf die Grundrechte allgemein auch Kingreen, in: Calliess/Ruffert, Art. 6 EU Rdnr. 48. 77 Dazu, dass es sich bei Art. 5 Abs. 2 um eine Kompetenzausübungsregel handelt, statt vieler von Bogdandy/Nettesheim, Art. 3b EGV Rdnr. 19. 78 Begriffe in Anlehnung an Rosenthal, S. 88 ff. 79 Wohl allg. M.; statt vieler von Bogdandy/Nettesheim, in: Grabitz/Hilf, Art. 3b EGV Rdnr. 31. 80 SEK (92) 1990 endg., S. 5 ff. (zitiert nach Calliess, in: Calliess/Ruffert, Art. 5 EG FN 60). 81 So auch von Bogdandy/Nettesheim, in: Grabitz/Hilf, Art. 3b EGV Rdnr. 30; Rosenthal, S. 86; Ress/Bröhmer, S. 53; jeweils m. w. N.

IV. Kompetenzen der EG für rundfunkbezogene Regelungen

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reich der Grundsatznormen des EG-Vertrages. Grundsatznormen mit engem Anwendungsbereich sind aber ein Widerspruch in sich. Der Wortlaut des Art. 5 Abs. 2 EG spricht ebenso dagegen, den Kreis der ausschließlichen Kompetenzen so weit zu ziehen, wie es die Kommission tut: „In den Bereichen, die nicht in die ausschließliche Zuständigkeit fallen“ gilt das Subsidiaritätsprinzip nicht. Es spricht einiges dafür, dass mit dem Begriff „Bereich“ eine konkret bestimmte wirtschaftliche Regelungsmaterie (z. B. gemeinsame Handelspolitik, Zollunion etc.) gemeint ist, und nicht ein lediglich abstrakt bestimmtes wirtschaftliches Handeln (z. B. die Erbringung von Dienstleistungen).82 In der Konsequenz wären (nach der oben [B. IV. 1. b)] vorgenommenen Abgrenzung) sachbezogene Kompetenzen der Gemeinschaft u. U. ausschließliche, nicht aber Querschnittskompetenzen. Ferner haben die Mitgliedstaaten, solange eine Harmonisierung noch nicht erfolgt oder unvollständig ist, das Recht, Grundfreiheiten unter Berufung auf zwingende Allgemeininteressen oder geschriebene Rechtfertigungsgründe zu beschränken. Dieses Recht können sie nur dann haben, wenn sie in dem betreffenden Bereich (noch) eine Regelungskompetenz besitzen.83 Auch dies spricht dafür, jedenfalls die Kompetenzen aus den Grundfreiheiten nicht als ausschließliche anzusehen.84 Nichts anderes kann für die zudem noch allgemeiner formulierte Kompetenz aus Art. 94, 95 EG gelten. Art. 95 Abs. 4 EG beweist die Kompetenzkonkurrenz zwischen Mitgliedstaaten und Gemeinschaft zusätzlich. Das Subsidiaritätsprinzip ist somit auf die wichtigsten Gemeinschaftskompetenzen zur Regelung des Rundfunks anwendbar.85 GA Fenelly vertrat demgegenüber in seinen Schlussanträgen zu den Verfahren um die Tabakwerberichtlinie, 86 die Mitgliedstaaten seien in Bereichen, in denen der EG-Vertrag Anwendung fände, nicht befugt, ihre Vorschriften untereinander zu harmonisieren. Ein einseitiges Vorgehen sei logisch ausgeschlossen,87 ein gemeinsames Vorgehen durch völkerrechtlichen Vertrag von Art. 10 EG verboten. Daher seien insbesondere die Kompetenzen aus Art. 47 Abs. 2 und 95 EG ausschließliche Kompetenzen. Es käme insoweit auch nicht darauf an, dass die 82

So auch Frey, S. 241 m. w. N. So auch Rosenthal, S. 86; Ress/Bröhmer, S. 53 f. 84 Für eine enge Auslegung der ausschließlichen Kompetenzen i. S. d. Art. 5 Abs. 2 EG auch: Oppermann, Europarecht, Rdnr. 517; Calliess, EuZW 1995, 693 ff. 85 Hinsichtlich Art. 95 EG bestätigt dies der EuGH in einem seiner neuesten Urteile (Rs. C-377/98, Rdnr. 30 ff. des Urteils), in dem er eine auf Art. 95 EG gestützte Regelung an Art. 5 Abs. 2 EG überprüft, ohne (im Gegensatz zu GA Jacobs (Rdnr. 81 der Schlussanträge)) auf die Frage, ob eine ausschließliche Kompetenz vorliegen könnte, auch nur mit einem Wort einzugehen. 86 Rs. C-376/98 (Tabakwerberichtlinie), Slg. 2000, S. I-8419 ff., Rdnr. 131 ff. der Schlussanträge. 87 M. E. unzutreffend, da die Situation denkbar ist, dass in allen Mitgliedstaaten bis auf einen eine bestimmte Regelung existiert, und sich dann dieser letzte Mitgliedstaat entschließt, auch auf seinem Gebiet eine entsprechende Vorschrift einzuführen. Dann harmonisiert zumindest de facto ein einzelner Mitgliedstaat. 83

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Mitgliedstaaten in dem Bereich, in dem die Harmonisierung erfolgen solle, an sich zuständig seien, denn die Harmonisierungskompetenzen seien Querschnittskompetenzen. Insbesondere im Wortlaut des Art. 57 EGV (= Art. 47 EG) sei außerdem an keiner Stelle von einer Befugnis der Mitgliedstaaten die Rede. Dass damit im Ergebnis das Subsidiaritätsprinzip auf Kompetenzen keine Anwendung fände, bei denen die Gemeinschaft in Bereichen tätig werde, die im Übrigen in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fielen, sei hinzunehmen. Gegen diese Auslegung sprechen nicht nur die bereits genannten Argumente. Auch, dass der Wortlaut des Art. 47 EG eine Kompetenz der Mitgliedstaaten nicht erwähnt, stützt die Annahme einer ausschließlichen Gemeinschaftskompetenz nicht. Der EG-Vertrag muss aufgrund des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung lediglich Gemeinschaftskompetenzen erwähnen. Lässt er mitgliedstaatliche Kompetenzen unerwähnt, besagt dies nichts über deren Existenz. Auch z. B. Art. 151 EG erwähnt keine Kulturkompetenz der Mitgliedstaaten, die aber unstreitig besteht. Entgegen der vom EuGH übrigens in der Entscheidung zur Tabakwerberichtlinie nicht aufgegriffenen Ansicht von GA Fenelly sind die Kompetenzen aus Art. 94, 95 und aus Art. 55, 47 Abs. 2 EG daher nicht als ausschließliche anzusehen.88 Auch Art. 308 EG kann in seiner Eigenschafts als „Auffangkompetenz“ keine ausschließliche Kompetenz darstellen.89 Bei Art. 151 Abs. 2 4. Spiegelstrich i.V. m. Abs. 5 EG folgt Ähnliches daraus, dass es widersinnig wäre, die Kulturkompetenz der Gemeinschaft nur in äußerst begrenztem Umfang („unter Ausschluss jeglicher Harmonisierung“) anzuerkennen, sie aber zugleich als ausschließliche zu betrachten. Im Wesentlichen das Gleiche gilt für die Kompetenzen aus Art. 155, 156 und 157 Abs. 3 EG.90 Dagegen, Art. 83 EG als ausschließliche Gemeinschaftskompetenz zu betrachten, spricht Art. 84 EG, der festlegt, dass bis zum Inkrafttreten der auf Art. 83 EG gestützten Vorschriften die gemeinschaftliche Wettbewerbsaufsicht Sache der Mitgliedstaaten sein soll. Bis zu diesem Zeitpunkt muss den Mitgliedstaaten also eine entsprechende Kompetenz zugestanden haben. Außerdem ist der Umfang der Vorschriften, die aufgrund Art. 83 Abs. 1 EG erlassen werden können durch die Formulierung „zweckdienliche Vorschriften“ trotz der in Abs. 2 aufgeführten Beispiele sehr weit gefasst. Dies spricht ebenfalls dagegen, 88 So mittlerweile auch der EuGH in Rs. C-491/01 (Tabaketikettierungsrichtlinie), Rdnr. 179. Der Entwurf eines Europäischen Verfassungsvertrages (abrufbar unter http://european-convention.eu.int) ordnet die Binnenmarktkompetenzen ebenfalls nicht den „ausschließlichen“ sondern den „geteilten“ Zuständigkeiten zu (vgl. I-13 Abs. 2 des Entwurfs). In die ausschließliche Gemeinschaftszuständigkeit sollen lediglich die „für das Funktionieren des Binnenmarkts erforderlichen Wettbewerbsregeln“ fallen (Art. I-12 Abs. 1). 89 So statt vieler Streinz, in: ders., Art. 5 EG Rdnr. 22. 90 So auch Ukrow, in: Calliess/Ruffert, Art. 154 EG Rdnr. 2.

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Art. 83 EG als ausschließliche Kompetenz anzusehen. Die Kompetenz nach Art. 83 EG ist auch nicht dadurch zur ausschließlichen geworden, dass die Gemeinschaft sie ausgeübt hat. Wie Calliess zutreffend festgestellt hat, kann ein Akt des Sekundärrechts nicht eine kraft Primärrechts konkurrierende Kompetenz zur ausschließlichen machen.91 Art. 86 Abs. 3 EG dient dazu, die Aufsicht der Kommission über die Unternehmen i. S. d. Art. 86 Abs. 1 und 2 EG und über die Beziehungen zwischen diesen und den Mitgliedstaaten zu erleichtern. Dieses Ziel kann auf der mitgliedstaatlichen Ebene nicht erreicht werden, da es ja gerade die Mitgliedstaaten (bzw. die in diesen ansässigen Unternehmen i. S. d. Art. 86 Abs. 1 und 2 EG) sind, die von der Kommission beaufsichtigt werden sollen.92 Die Beurteilung der beihilfenrechtlichen Kompetenz nach Art. 89 EG fällt ähnlich aus. Auch dort geht es im Wesentlichen darum, die Mitgliedstaaten zu kontrollieren, genauer: deren Subventionspolitik. Diese Kontrolle kann sinnvollerweise nur einheitlich auf der Gemeinschaftsebene geleistet werden.93 Somit sind von den für die gemeinschaftsrechtliche Regulierung des Rundfunks anwendbaren Kompetenzen lediglich die zuletzt genannten aus Art. 86 Abs. 3 und 89 EG als ausschließliche anzusehen. bb) Insuffizienzkriterium Die Gemeinschaft darf nur tätig werden, sofern und soweit die Mitgliedstaaten allein das angestrebte Ziel nicht ausreichend erreichen können. Dieses Ziel muss ein europarechtlich rechtmäßiges sein. Unrechtmäßig wäre im Bereich des Rundfunks z. B. das Ziel einer kulturellen Harmonisierung entgegen Art. 151 Abs. 5 EG oder ein Verbot staatlicher Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks entgegen dem Rundfunkprotokoll. Wie im Übrigen das Insuffizienzkriterium des Art. 5 Abs. 2 EG zu prüfen ist, ist umstritten. Klar dürfte lediglich noch sein, dass es die handelnden Gemeinschaftsorgane sind, die das mit der Maßnahme zu verwirklichende Ziel bestimmen.94 Von Bogdandy und Nettesheim nehmen an, schon bei der Insuffizienzprüfung müsse eine Abwägung zwischen gemeinschaftlichen und mitgliedstaatlichen Interessen unter Beachtung gesellschaftlicher und kultureller Eigenständigkeit der Mitgliedstaaten erfolgen.95 Dieser Ansicht ist zwar vorgeworfen worden, sie verwische die Grenzen zwischen Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsprinzip.96 Eine klare Trennung zwischen beiden Prinzipien besteht aber dadurch, 91 92 93 94 95

Vgl. Calliess, EuZW 1995, 693 (699). So i. E. auch Wilms, S. 171. So auch Calliess, EuZW 1995, 693 (696 f.). So auch Lienbacher, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 5 EG, Rdnr. 18. Von Bogdandy/Nettesheim, in: Grabitz/Hilf, Art. 3b EGV, Rdnr. 34 ff.

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dass das Verhältnismäßigkeitsprinzip auch für ausschließliche Gemeinschaftskompetenzen gilt,97 und weil allein das Subsidiaritätsprinzip ein Tätigwerden der Gemeinschaft vollständig verhindern kann. Außerdem ist kaum einzusehen, warum eine vollkommen strikte Trennung zwischen Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsprinzip sinnvoll sein soll. Im Gegenteil, spätestens bei der Frage, ob ein Ziel auf Gemeinschaftsebene besser erreicht werden kann, muss untersucht werden, ob das Ziel durch verhältnismäßige Maßnahmen besser erreicht werden kann. Es macht daher durchaus Sinn, schon im Rahmen der Subsidiaritätsprüfung Gesichtspunkte mit zu beachten, die auch auf der Ebene der Verhältnismäßigkeit eine Rolle spielen. Eine sinnvolle Abgrenzung zwischen Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsprüfung bleibt dennoch möglich, und zwar in der Weise, dass bei der Subsidiaritätsprüfung dem handelnden Gemeinschaftsorgan eine weitergehende Einschätzungsprärogative zugebilligt wird als bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung bzw. dass dem Gemeinschaftsinteresse bei der Subsidiaritätsprüfung stärkeres Gewicht zukommt. Fällt die Subsidiaritätsprüfung negativ für eine Gemeinschaftskompetenz aus, kann die Gemeinschaft nicht handeln. Im anderen Fall bleibt als „zweiter Filter“ noch die Verhältnismäßigkeitsprüfung. Daher macht es Sinn, bei Art. 5 Abs. 2 EG eher dem Gemeinschaftsinteresse den Vorrang zu geben als bei Art. 5 Abs. 3 EG. Im Ergebnis ist demnach der Ansicht, die schon bei der Insuffizienzprüfung eine Abwägung zwischen gemeinschaftlichen und mitgliedstaatlichen Interessen unter Beachtung gesellschaftlicher und kultureller Eigenständigkeit der Mitgliedstaaten vornehmen will, zu folgen. Konkret für Regelungen im Rundfunkbereich bedeutet dies, dass in die Subsidiaritätsprüfung die kulturellen Eigenheiten der mitgliedstaatlichen Rundfunkordnungen mit einbezogen werden müssen. Für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ergibt sich dasselbe Ergebnis, wenn man, was nach dem Vertragswortlaut geboten ist, Art. 5 EG im Sinne des Rundfunkprotokolls auslegt. Mitgliedstaatliches Handeln kann im Übrigen nur dann insuffizient sein, wenn sich das zu regelnde Problem als ein solches des grenzüberschreitenden Verkehrs darstellt,98 und sich nicht vollständig auf das Gebiet eines Mitgliedstaates beschränkt. Letzteres kommt im Rundfunkbereich vor allem bei lokalem und regionalem Rundfunk in Betracht. Das betreffende Problem darf ferner dann nicht auf Gemeinschaftsebene gelöst werden, wenn Maßnahmen einzelner, mehrerer oder aller Mitgliedstaaten zur Lösung „ausreichen“. „Ausreichen“ kann hierbei schon sprachlich nicht be96

So Lienbacher, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 5 EG, Rdnr. 20 ff. So auch Rosenthal, S. 91. 98 So auch Rosenthal, S. 91 m. w. N.; vgl. auch Nr. 5 Abs. 2 des „Protokolls zum EG-Vertrag über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit“. 97

IV. Kompetenzen der EG für rundfunkbezogene Regelungen

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deuten, dass auf mitgliedstaatlicher Ebene eine optimale, sondern lediglich dass eine befriedigende Lösung erreicht werden kann.99 cc) Effizienzkriterium Ein Handeln der Gemeinschaft ist nur zulässig, wenn auf Gemeinschaftsebene das zu erreichende Ziel besser als auf mitgliedstaatlicher Ebene verwirklicht werden kann. Dieses Effizienzkriterium ist dem Wortlaut des Art. 5 Abs. 2 EG nach nur zu prüfen, wenn vorher die Insuffizienz mitgliedstaatlichen Handelns festgestellt wurde. Außerdem folgt aus Nr. 5 des Protokolls über die Subsidiarität, dass Maßnahmen der Gemeinschaft im Verhältnis zu denen der Mitgliedstaaten „deutliche Vorteile“ mit sich bringen müssen.100 Unproblematisch ist das Effizienz- gleichzeitig mit dem Insuffizienzkriterium erfüllt, wenn die Mitgliedstaaten das betreffende Ziel überhaupt nicht erreichen können, dies aber auf Gemeinschaftsebene möglich wäre. Eindeutige Entscheidungen sind ebenso möglich, wenn nur auf einer der beiden Ebenen das Ziel umfassend erreicht werden könnte. Erst, wenn beide Ebenen keine umfassende Lösung schaffen können, ist eine Abwägung nötig.101 b) Das Verhältnismäßigkeitsprinzip (Art. 5 Abs. 3 EG) Nach Art. 5 Abs. 3 EG dürfen Maßnahmen der EG nicht über das zur Erreichung der Vertragsziele erforderliche Maß hinausgehen. Dieses Verhältnismäßigkeitsprinzip102 stellt eine zusätzliche Schranke für die Tätigkeit der Gemeinschaft dar, die unabhängig davon gilt, ob eine ausschließliche Kompetenz gegeben ist oder nicht.103 Das Verhältnismäßigkeitsprinzip ist also etwa auch dann zu beachten, wenn man die Kompetenzen aus Art. 47 Abs. 2 und 55 i. V. m. 47 Abs. 2 EG als ausschließliche Kompetenzen ansieht. Verhältnismäßigkeitsprinzip und Subsidiaritätsprinzip unterscheiden sich in der Weise, dass das Subsidiaritätsprinzip klärt, ob von einer bestehenden Kompetenz Gebrauch gemacht werden darf, und das Verhältnismäßigkeitsprinzip, wie die Kompetenzausübung konkret auszusehen hat. Spätestens bei dieser Verhältnismäßigkeitsprüfung sind im Rundfunkbereich die Besonderheiten der jeweiligen mitgliedstaatlichen Rundfunkordnung und entsprechend dem Rundfunkprotokoll die besondere Rolle des öffentlich-recht-

99

So i. E. auch Calliess, in: Calliess/Ruffert, Art. 5 EG Rdnr. 40. Hierzu auch Calliess, in: Callies/Ruffert, Art. 5 EG Rdnr. 42. 101 So auch Lienbacher, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 5 EG, Rdnr. 23. 102 Zu Herleitung und Umfang dieses Prinzips vor Maastricht vgl. Meinel, S. 146 ff. 103 Vgl. statt vieler Lienbacher, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 5 EG Rdnr. 35. 100

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lichen Rundfunks zu berücksichtigen. Daher kann das Ermessen, das der Gemeinschaftsgesetzgeber bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit einer Maßnahme hat,104 im Rundfunkbereich nicht allzu weit sein. c) Art. 151 Abs. 4 EG Nach Art. 151 Abs. 4 EG trägt die Gemeinschaft bei ihrer Tätigkeit aufgrund anderer Vertragsbestimmungen dem kulturellen Aspekt Rechnung, insbesondere zur Wahrung und Förderung der Vielfalt ihrer Kulturen. Diese Regelung ist als Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes105 von besonderer Bedeutung für den Rundfunk, der geradezu der Prototyp eines kulturell-wirtschaftlichen Mischtatbestandes ist. Art. 151 Abs. 4 EG begrenzt die Kompetenzausübung zwar seinem Wortlaut nach nicht unmittelbar. Die Gemeinschaft wird nur verpflichtet, kulturelle Aspekte zu berücksichtigen, und es werden keine Konsequenzen für den Fall ausgesprochen, dass sie dies nicht tut. Solche Konsequenzen folgen jedoch aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip in Art. 5 Abs. 3 EG, da eine Gemeinschaftsregelung, die kulturelle Belange nicht hinreichend berücksichtigt, nicht erforderlich oder jedenfalls nicht angemessen ist. Art. 151 Abs. 4 EG hat daher mittelbar kompetenzbegrenzende Wirkung.106 Gemäß Art. 151 Abs. 2 4. Spiegelstrich EG kann die Gemeinschaft die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten zwar nur im Bereich des künstlerischen und literarischen Schaffens im audiovisuellen Bereich unterstützen und ergänzen. Daraus ergibt sich jedoch nicht notwendig, dass nur dieser Teil des Rundfunkbereichs nach Art. 151 Abs. 4 EG als dessen kultureller Bestandteil zu beachten wäre. Die Einschränkung in Art. 151 Abs. 2 4. Spiegelstrich EG folgt vielmehr aus systematischen Gründen: Art. 151 Abs. 2 i.V. m. Abs. 5 EG räumt der Gemeinschaft eine Kompetenz auf Gebieten ein, die ausschließlich nicht-wirtschaftlicher Art sind und für die deswegen auch keine anderen Kompetenzen des Vertrages eingreifen können. Anders ist es bei Art. 151 Abs. 4 EG. Dieser setzt gerade voraus, dass die Gemeinschaft aufgrund einer anderen, „wirtschaftlichen“ Kompetenzgrundlage tätig wird. Somit ist mehr an Kultur im Rundfunk zu beachten als nur künstlerisches und literarisches Schaffen.107 Bei der Frage, wie umfangreich der „Kulturbereich“ des Rundfunks ist, kommt den Mitgliedstaaten eine Einschätzungsprärogative zu, die sich sowohl 104 Vgl. hierzu etwa Rs. C-491/01 (Tabakettikettierungsrichtlinie), Rdnr. 123 des Urteils. 105 So auch Sparr, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 151 EG Rdnr. 61; a. A. Niedobitek, in: Streinz, Art. 151 EG Rdnr. 37. 106 Dies scheint Frey (S. 236) zu übersehen; wie hier i. E. auch Roider, S. 68 ff. 107 Ähnlich Ress/Bröhmer (S. 61), die generell dafür plädieren, den Kulturbegriff bei Art. 151 Abs. 4 EG weit auszulegen; a. A. Roider (S. 75), die Art. 151 Abs. 4 EG auf „Hochkultur“ beschränken will.

IV. Kompetenzen der EG für rundfunkbezogene Regelungen

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aus der Formulierung des Art. 151 Abs. 4 EG selbst als auch mittelbar aus dem Harmonisierungsverbot des Art. 151 Abs. 5 EG ergibt. Über diese Einschätzungsprärogative können die Spezifika des deutschen dualen Rundfunksystems bei der gemeinschaftsrechtlichen Rechtssetzung ins Spiel gebracht werden. Die kulturelle Bedeutung gerade des öffentlich-rechtlichen Rundfunks betont außerdem das Rundfunkprotokoll, das auch bei der Auslegung des Art. 151 Abs. 4 EG heranzuziehen ist. d) Das Harmonisierungsverbot des Art. 151 Abs. 5 EG Der EuGH hat in seinem Urteil zur Tabakwerberichtlinie das Harmonisierungsverbot des Art. 129 Abs. 4 EGV (= Art. 152 Abs. 4 S. 1 lit. c) EG) folgendermaßen ausgelegt:108 „Artikel 129 Absatz 4 erster Gedankenstrich EG-Vertrag schließt jegliche Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten . . . aus. Aus dieser Bestimmung folgt jedoch nicht, dass auf der Grundlage anderer Vertragsbestimmungen erlassene Harmonisierungsmaßnahmen nicht Auswirkungen auf den Schutz der menschlichen Gesundheit haben dürften. (. . .) Allerdings dürfen andere Artikel des EG-Vertrages nicht als Rechtsgrundlage herangezogen werden, um den ausdrücklichen Ausschluss jeglicher Harmonisierung gemäß Art. 129 Absatz 4 EG-Vertrag zu umgehen“. Diese Argumentation lässt sich bruchlos auf Art. 151 Abs. 5 EG übertragen: Die Gemeinschaft darf ihre Kompetenzen nicht dazu einsetzen, die mitgliedstaatlichen Regelungen im Kulturbereich und damit auch im kulturellen Bereich des Rundfunks zu harmonisieren.109 Unproblematisch darf sie jedoch Regelungen treffen, die den kulturellen Bereich des Rundfunks tangieren, solange die übrigen Voraussetzungen der entsprechenden Rechtsgrundlage gegeben sind. Dies folgt auch aus Art. 151 Abs. 4 EG. Unklar ist bisher allerdings, wo die Grenze zwischen einer zulässigen Einwirkung auf den nicht harmonisierbaren Bereich und einer unzulässigen Umgehung des Harmonisierungsverbotes verläuft.110 Daher ist noch nicht abzusehen, welche Bedeutung Kompetenzschranke in der Praxis erlangen wird.

108 Rs. C. 376/98 (Tabakwerberichtlinie), Slg. 2000, S. I-8419 ff., Rdnr. 77–79 des Urteils. 109 So h. M.; vgl.: Dörr, AfP 2003, 202 (205 f.); Niedobitek, in: Streinz, Art. 151 EG Rdnr. 51; Blanke, in: Calliess/Ruffert, Art. 151 EG Rdnr. 18; a. A. wohl Frey, S. 229 f. 110 Auch die Ausführungen des EuGH in Rs. C-491/01 (Tabaketikettierungsrichtlinie), Rdnr. 190 f. des Urteils schaffen insoweit kaum Klarheit.

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

e) Grundrechte Einschränkungen der gemeinschaftlichen Rechtssetzungsbefugnisse können auch aus den Gemeinschaftsgrundrechten folgen.111 Daher kommt eine Einschränkung der Gemeinschaftskompetenzen durch die noch näher zu erörternden [vgl. B. VII.] Gemeinschaftsgrundrechte der Meinungs- und der Medienfreiheit in Betracht. Das Gemeinschaftsgrundrecht der Meinungsfreiheit umfasst insbesondere auch den Schutz gewerblicher Äußerungen z. B. im Rahmen der Rundfunkwerbung.112 Schränkt die Gemeinschaft durch ihre Rechtssetzung die Meinungs- oder Medienfreiheit ein, muss sie entsprechend Art. 10 Abs. 2 EMRK nachweisen, dass die Einschränkungen „in einer demokratischen Gesellschaft notwendig“ sind.113 Eine Kompetenzschranke könnte sich darüber hinaus aus der Meinungs- und Rundfunkfreiheit in Art. 5 Abs. 1 S. 1 und 2 GG ergeben.114 Diese Schranke hat allerdings aufgrund der Rechtsprechung des BVerfG derzeit höchstens theoretische Bedeutung, denn das Gericht hat zuletzt im „Bananen-Beschluss“ festgestellt, dass Grundrechte des Grundgesetzes nur dann Prüfungsmaßstab für Rechtsakte der Gemeinschaft sein können, wenn die europäische Rechtsentwicklung einschließlich der Rechtsprechung des EuGH nachweislich den jeweils unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz generell nicht gewährleistet.115 Ein derartiges Versagen der Gemeinschaft beim Grundrechtsschutz ist in nächster Zeit nicht zu erwarten, auch nicht hinsichtlich der Meinungs- und Rundfunkfreiheit. f) Spezielle Kompetenzgrenzen für öffentlich-rechtlichen Rundfunk Für den öffentlich-rechtlichen Rundfunks gelten auch hinsichtlich der Rechtssetzungstätigkeit der Gemeinschaft die bereits erwähnten Grenzen aus Art. 86 Abs. 2 EG. Wenn danach die Anwendung sämtlicher Vertragsvorschriften suspendiert werden kann, soweit dies mit der Erfüllung des Auftrages des öffentlich-rechtlichen Rundfunks unvereinbar ist, dann muss dies auch für die Kompetenzvorschriften oder zumindest für die auf sie gestützten Regelungen des sekundären Gemeinschaftsrechts gelten.116 111 Vgl. nur GA Fennelly Rs. 376/98 (Tabakwerberichtlinie), Slg. 2000, S. I-8419 ff., Rdnr. 151 ff. der Schlussanträge. 112 Vgl. nur GA Fennelly, Rs. 376/98 (Tabakwerberichtlinie), Slg. 2000, S. I-8419 ff., Rdnr. 153 f. der Schlussanträge unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 10 EMRK. 113 Vgl. GA Fennelly, Rs. 376/98 (Tabakwerberichtlinie), Slg. 2000, S. I-8419 ff., Rdnr. 155 ff. der Schlussanträge. 114 Vgl. hierzu (bezogen auf das Beihilfenrecht) Damm, S. 57 ff. 115 Vgl. BVerfGE 102, 147 (164).

IV. Kompetenzen der EG für rundfunkbezogene Regelungen

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Neben dem Einfluss des Rundfunkprotokolls und Art. 151 Abs. 4 EG auf die Auslegung der Kompetenznormen und ihrer Grenzen ist Art. 16 EG zu beachten. Da, wie dargelegt [B. II. 3.] der öffentlich-rechtliche Rundfunk unter Art. 16 EG fällt, muss die Gemeinschaft bei der Kompetenzausübung dafür Sorge tragen, dass er seiner Aufgabe weiterhin nachkommen kann. Regelungen, die hiergegen verstoßen, sind unverhältnismäßig. g) Das Prinzip der Gemeinschaftstreue und Art. 6 Abs. 3 EU als Kompetenzgrenzen? Teilweise wird angenommen, eine weitere Kompetenzgrenze folge aus dem Prinzip der Gemeinschaftstreue i. S. d. Art. 10 EG.117 Hieran ist zweifelsohne zutreffend, dass Art. 10 EG nicht nur die Mitgliedstaaten gegenüber der Gemeinschaft, sondern auch umgekehrt die Gemeinschaft gegenüber den Mitgliedstaaten zur loyalen Zusammenarbeit verpflichtet.118 Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass Art. 10 EG als Grenze einer Gemeinschaftskompetenz im Rundfunkbereich eigenständige Bedeutung erlangen wird, da z. B. in Art. 5, 16 und 151 Abs. 4 EG Bestimmungen im EG-Vertrag existieren, die den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit näher spezifizieren.119 Ähnliches wie für Art. 10 EG gilt für den Grundsatz der Achtung der nationalen Identität nach Art. 6 Abs. 3 EU. Auch insoweit gehen Art. 5, 16, 151 Abs. 4 etc. als leges speciales vor.120. Darüber hinaus, ist Art. 6 Abs. 3 EU gemäß Art. 46 EU nicht justitiabel. Auch diese Bestimmung hat als Kompetenzgrenze daher wenig eigenständige Bedeutung.121 4. Medien- und Meinungspluralismus als Gegenstand einer Gemeinschaftsregelung In den neunziger Jahren wurde, wie bereits erwähnt [B. I. 2. c) aa)], ausgelöst durch einige Entschließungen des EP und v. a. durch das GB Pluralismus intensiv über die Frage diskutiert, ob die Gemeinschaft berechtigt wäre, eine Regelung zum Schutz des audiovisuellen Pluralismus zu erlassen. Zwischenzeit116

Vgl. hierzu auch Frey, S. 238 f. m. w. N. Vgl. Dörr, AfP 2003, 202 (204); Frey, S. 233 ff.; Roider, S. 76 ff.; jeweils m. w. N. 118 So auch Rs. C-2/88 (Zwartveld), Slg. 1990, S. I-3365 ff., Rdnr. 17 des Urteils. Die gegenseitige loyale Zusammenarbeit betont auch Art. I-5 Abs. 2 des Entwurfs eines EU-Verfassungsvertrages (vgl. http://european-convention.eu.int). 119 So auch Frey, S. 235 f.; i. E. auch Roider, S. 85 ff. 120 So i. E. Puttler, in: Calliess/Ruffert, Art. 6 EU Rdnr. 218; vgl. auch Pache, in: Grabitz/Hilf, Art. L EUV Rdnr. 9. 121 A. A. wohl Dörr, AfP 2003, 202 (206). 117

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

lich war diese Diskussion etwas abgeebbt, spätestens durch die Entschließung des EP vom 20. 11. 2002 zur Medienkonzentration122 hat sie jedoch neue Aktualität erlangt: a) Gründe und Regelungsoptionen für eine solche Gemeinschaftsregelung Neben der Ebene des wirtschaftlichen Wettbewerbs ist, wie bereits erläutert, im Medienbereich stets diejenige des publizistischen Wettbewerbes zu beachten. Auf letztere kann die Gemeinschaft mittelbar einwirken, indem sie mit Hilfe des europäischen Wettbewerbsrechts wirtschaftlichen Pluralismus erhält, der zu Medienvielfalt und Meinungspluralismus beiträgt (oder jedenfalls beitragen kann).123 Eine Möglichkeit, Meinungspluralismus und Medienvielfalt „direkt“ zu schützen, hat die Gemeinschaft de contractu lato auf den ersten Blick nicht. Ein solcher „direkter“ Schutz wurde aber dennoch für notwendig erachtet: So wurde v. a. von der Kommission geltend gemacht, die Unterschiedlichkeit der mitgliedstaatlichen Bestimmungen zum Schutz des Meinungspluralismus und der Medienvielfalt behindere die Ausstrahlung von Rundfunksendungen und die Niederlassung von Rundfunkveranstaltern in der Gemeinschaft.124 Das Funktionieren des Binnenmarktes erfordere daher eine Harmonisierung dieser Regelungen. Diese läge auch im Interesse der Mitgliedstaaten und der Öffentlichkeit, denn die Wettbewerbsfähigkeit der Medienunternehmen sei Voraussetzung eines funktionierenden Pluralismus.125 Unterbleibe die Harmonisierung, bestünde die Gefahr, dass sich in Mitgliedstaaten mit niedrigem Schutzniveau viele Veranstalter ansiedeln würden, um von dort aus strengere Schutzregelungen in anderen Staaten umgehen zu können.126 Hierdurch käme es zu Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten der in Mitgliedstaaten mit hohem Schutzniveau niedergelassenen Veranstalter.127 Zwar seien derartige Fälle nach der Rechtsprechung zugunsten des Mitgliedstaates, dessen Vorschriften umgangen würden, lösbar.128 Der betreffende Mitgliedstaat müsse jedoch eine Umgehungsabsicht nachweisen, was häufig nur schwer möglich sei, insbesondere dann, wenn über Satelliten gesendet würde.129 122

P5_TA(2002)0554. Vgl. Schellenberg, S. 225. 124 Vgl. GB Pluralismus, KOM (92) 480 endg., 97 f.; ausführlich Westphal, EBLR 2002, 459 (463 ff.). 125 Vgl. Brühann, ZUM 1993, 600 (601); ähnlich die Entschließung des EP zum GB Pluralismus, Erwägungsgründe K. und L., ABl. Nr. C 44/178 vom 14. 02. 1994. 126 Vgl. Schellenberg, S. 226; Brühann, ZUM 1993, 600 (602); Clausen-Muradian, S. 227. 127 Näher Brühann, ZUM 1993, 600 (602 f.). 128 Vgl. hierzu EuGH Rs. C-23/93 (TV 10), Slg. 1994, S. I-4795 ff., Rdnr. 20 ff. des Urteils; vgl. auch Brühann, ZUM 1993, 600 (602 m. w. N.). 123

IV. Kompetenzen der EG für rundfunkbezogene Regelungen

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Eine andere vorwiegend vom EP vertretene Sichtweise forderte den Schutz des Meinungspluralismus auf europäischer Ebene nicht nur zur Stärkung des Binnenmarktes, sondern vor allem um seiner selbst willen.130 Auch der EuGH habe anerkannt, dass der Meinungspluralismus ein schützenswertes Gut sei. Ein Bedürfnis nach Schutz gerade auf der Gemeinschaftsebene folge aus der Bindung der Gemeinschaft an das Grundrecht der Kommunikationsfreiheit, wie es auch in Art. 10 EMRK verbürgt sei.131 Die Kommission nannte im GB Pluralismus drei Regelungsoptionen: – Option I: keine Gemeinschaftsaktion, – Option II: Empfehlung zur Transparenzsicherung im Bereich des Medieneigentums, – Option III: Harmonisierung der mitgliedstaatlichen, medienspezifischen Konzentrationskontrolle durch eine Richtlinie oder Verordnung des Rates eventuell unter Gründung eines unabhängigen Ausschusses. Das EP und der Wirtschafts- und Sozialausschuß sprachen sich für die zuletzt genannte Option132 aus. Die Mehrheit der Mitgliedstaaten votierte für Option I.133 In der Folge erarbeitete die Kommission, gestützt auf Art. 47 Abs. 2, 55 und 95 EG zwei allerdings unverbindlich und unveröffentlicht gebliebene Richtlinienentwürfe und zog außerdem die Ausarbeitung einer Empfehlung in Betracht.134 Die Richtlinienentwürfe zeichneten sich dadurch aus, dass sie nicht lediglich einen gemeinsamen Mindeststandard setzen, sondern abweichende mitgliedstaatliche Regelungen kategorisch ausschließen wollten. Andererseits betonten sie die Sonderrolle des binnenpluralistisch organisierten öffentlich-rechtlichen Rundfunks und räumten den Mitgliedstaaten insoweit doch die Möglichkeit der Abweichung ein.135 Somit sollte im Endeffekt also nur der Schutz des Außenpluralismus vollständig harmonisiert werden.136

129

So i. E. Clausen-Muradian, S. 231 f. Vgl. Schellenberg, S. 225 f. m. w. N. 131 Vgl. Entschließung des EP zum GB Pluralismus, Erwägungsgrund N, ABl. Nr. C 44/178, vom 14. 02. 1994. 132 Vgl. Entschließung des EP zum GB Pluralismus, sub 1., ABl. Nr. C 44/178 vom 14. 02. 1994; Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum GB Pluralismus, ABl. Nr. C 304/17 vom 10. 11. 1993. 133 Vgl. KEK-Konzentrationsbericht 2000, S. 80 m. w. N. 134 Näher Ress/Bröhmer, S. 20 ff.; vgl. zu den Richtlinienentwürfen auch Westphal, EBLR 2002, 459 (465 ff.). 135 Zu dieser Regelung ist die Gemeinschaft schon aufgrund Art. 86 Abs. 2 und 16 EG verpflichtet, die eine Harmonisierung der Vorschriften über den Pluralismusschutz im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ausschließen (so i. E. auch Frey, S. 238 f.). 136 So auch Frey, S. 238 f. 130

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

b) Mögliche Kompetenzgrundlagen Die Begründungen für einen Pluralismusschutz auf europäischer Ebene standen sich diametral entgegen, denn die eine Sichtweise forderte eine Beschränkung dieses Schutzes (zur Förderung des Binnenmarktes), die andere seine Ausweitung.137 Dies beeinflusst die Suche nach geeigneten Kompetenzgrundlagen: Für die Harmonisierung des Pluralismusschutzes zur Stärkung des Binnenmarktes kommen in erster Linie Art. 55, 47 Abs. 2 EG oder Art. 95 EG in Betracht. Legt man die Rechtsprechung des EuGH zur Tabakwerberichtlinie zu Grunde, erscheint jedoch von vornherein fraglich, ob eine dieser Kompetenzgrundlagen hier tatsächlich eingreift: Dafür wäre Voraussetzung, dass die anvisierte Regelung die Voraussetzungen für die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes konkret verbessern kann, weil das Entstehen von Hindernissen zumindest wahrscheinlich ist.138 Eine rein abstrakte Gefahr von Beeinträchtigungen der Grundfreiheiten oder daraus möglicherweise entstehender Wettbewerbsverzerrungen eröffnet den Anwendungsbereich der Art. 55, 47 Abs. 2 oder 95 EG noch nicht.139 Ob aber die Unterschiedlichkeit der mitgliedstaatlichen Systeme des Pluralismusschutzes mehr als nur abstrakte Beschränkungen des Binnenmarktes schafft, ist bisher zumindest nicht bewiesen. Selbst wenn der Beweis jedoch gelingen sollte, wäre zu berücksichtigen, dass eine Harmonisierung des Pluralismusschutzes, soll sie nicht (was mit Art. 151 Abs. 4 EG kaum vereinbar wäre) ein minimales Schutzniveau als Grundlage haben, die Lage der Veranstalter aus Mitgliedstaaten mit schwächerem Pluralismusschutz als demjenigen der Harmonisierungsregelung verschlechtern würde. Diese Verschlechterungen müssten von den mit der Harmonisierung erreichten Verbesserungen eindeutig überwogen werden, was bisher ebenfalls unbewiesen ist140. Ob Art. 55, 47 Abs. 2 oder 95 EG als Kompetenzgrundlage für die Harmonisierung des mitgliedstaatlichen Pluralismusschutzes dienen können, ist daher äußerst zweifelhaft.141 Da durch die Harmonisierung des Pluralismusschutzes der publizistische Wettbewerb geregelt würde, stellt sich die Frage, ob Art. 83 EG eingreift.142 Art. 83 EG lässt seinem Wortlaut nach jedoch nur die Verwirklichung der in Art. 81, 82 EG niedergelegten Grundsätze zu, d. h. der materielle Gehalt der 137

So auch Schellenberg, S. 226 f. Rs. C-376/98 (Tabakwerberichtlinie), Slg. 2000, S. I-8419 ff., Rdnr. 83 ff.; bestätigt und präzisiert in Rs. C-491/01 (Tabakettikettierungsrichtlinie), Rdnr. 61 ff.; Frey, S. 237 f.; Mailänder, S. 333. 139 Rs. C-376/98 (Tabakwerberichtlinie), Slg. 2000, S. I-8419 ff., Rdnr. 83 ff.; vgl. auch Ress/Bröhmer, S. 27 ff. 140 So auch Ress/Bröhmer, S. 39 f.; a. A. wohl Mailänder, S. 333 f. 141 So i. E. auch Westphal, EBLR 2002, 459 (481, 483 ff.). 142 Hierzu Ress/Bröhmer, S. 44 ff.; Schellenberg, DZWiR 1994, 410 (411 f.). 138

IV. Kompetenzen der EG für rundfunkbezogene Regelungen

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Art. 81, 82 EG darf durch Rechtsetzung nach Art. 83 EG nicht modifiziert werden.143 Daraus folgt, dass nur Wettbewerbsbeschränkungen, die in den Anwendungsbereich der Art. 81, 82 EG fallen, insbesondere spürbar144 sind, Gegenstand einer Regelung nach Art. 83 EG sein dürfen. Ob die Unterschiedlichkeit der mitgliedstaatlichen Regelungen des Pluralismusschutzes spürbare Wettbewerbsbeschränkungen verursachen, ist aber ebenfalls fraglich. Anderweitige Kompetenzgrundlagen, insbesondere Art. 151 Abs. 5 EG und Art. 308 EG kommen für die Harmonisierung des Pluralismusschutzes kaum in Betracht: Art. 151 Abs. 5 EG scheidet schon deswegen aus, weil er eine Harmonisierung gerade verbietet. Gegen Art. 308 EG spricht, dass die Vereinheitlichung des Pluralismusschutzes als solche kein Ziel der Gemeinschaft ist.145 Art. 308 EG ist außerdem zu den Kompetenzgrundlagen aus Art. 47 Abs. 2, 55, 83 und 95 EG subsidiär und es ist zweifelhaft, ob Regelungen, die tatbestandlich unter eine der spezielleren Kompetenznormen fielen, mit diesen aber unvereinbar sind, nach Art. 308 EG dennoch getroffen werden dürfen.146 Es bleibt die Frage nach einer Kompetenzgrundlage für einen zusätzlichen Pluralismusschutz auf europäischer Ebene. Insoweit kommen nur Art. 308, 151 Abs. 5 EG und die Verpflichtung zur Achtung und damit auch zum Schutz der Grundrechte i. S. d. Art. 6 Abs. 2 EU in Betracht. Die zuletzt genannte Kompetenzgrundlage scheidet aus den oben [B. IV. 2. e)] genannten Gründen aus. Für Art. 151 Abs. 5 EG spricht, dass dieser mehrfach auf den Aspekt der Vielfalt im Kulturbereich Bezug nimmt. Auf Art. 151 Abs. 5 EG ließen sich aber nur Fördermaßnahmen und (unverbindliche) Empfehlungen stützen, nicht aber Richtlinien oder gar Verordnungen. Art. 308 EG könnte als Grundlage einer verbindlichen Regelung zur Einführung eines europäischen Pluralimusschutzes nur eingreifen, wenn sich nachweisen ließe, dass der Pluralismusschutz ein Ziel der Gemeinschaft ist, was aber, wie dargelegt, nicht möglich ist.147 Letztlich sind daher auch bei der Frage, ob eine Kompetenzgrundlage zur Schaffung eines europäischen Pluralismusschutzes existiert, erhebliche Zweifel angebracht.

143 So auch Pernice, in: Grabitz/Hilf, Art. 87 EGV Rdnr. 2 m. w. N.; Jung, in: Calliess/Ruffert, Art. 83 EG Rdnr. 5 m. w. N. 144 Zum Spürbarkeitserfordernis im europäischen Wettbewerbsrecht vgl. statt vieler Stockenhuber, in: Grabitz/Hilf, Art. 81 EG Rdnr. 215 ff. 145 Die erkennt auch die Kommission im GB Pluralismus an (vgl. KOM (92) 480 endg., S. 57). 146 Vgl. zu diesen Bedenken Oppermann, Europarecht, Rdnr. 525; Ress/Bröhmer, S. 49 ff.; Westphal, EBLR 2002, 459 (485); a. A. Grabitz, in: ders./Hilf, Art. 235 EGV Rdnr. 48 ff. 147 Vgl. hierzu auch Brühann, ZUM 1993, 600 (601).

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

c) Kompetenzgrenzen Selbst, wenn für beide „Pluralismusprojekte“ eine Kompetenzgrundlage gegeben wäre, müssten die Kompetenzgrenzen eingehalten werden: aa) Einfluss des Art. 151 EG Eine Harmonisierung des Pluralismusschutzes ist am Harmonisierungsverbot des Art. 151 Abs. 5 EG zu messen, denn der Schutz der Meinungsvielfalt und des Medienpluralismus ist ein klassischer Bereich mitgliedstaatlicher Kulturpolitik.148 Es spricht daher einiges dafür, dass schon Art. 151 Abs. 5 EG einer binnenmarktbezogenen Vereinheitlichung des Pluralismusschutzes jedenfalls dann entgegensteht, wenn wie hier der konkrete Nutzen einer solchen Regelung unklar ist.149 Dafür, eine Kompetenz aus Art. 55, 47 Abs. 2 oder 95 EG zur Vereinheitlichung des Pluralismusschutzes hier trotz Art. 151 Abs. 5 EG zu bejahen, könnte höchstens sprechen, dass die Situation eine etwas andere ist, als im Streit um die Tabakwerberichtlinie. Die möglichen Binnenmarkthindernisse durch divergierenden Pluralismusschutz sind einleuchtender als der Nutzen eines Tabakwerbeverbots für den Binnenmarkt. Auch wenn man eine Kompetenz aus Art. 55, 47 Abs. 2 oder 95 EG bejahte, wäre aber zumindest Art. 151 Abs. 4 zu beachten, vor dessen Hintergrund eine „Radikallösung“ unter Ausschluss jeglicher Abweichungsmöglichkeit für die Mitgliedstaaten kritisch zu sehen ist.150 Ein zusätzlicher Pluralismusschutz auf der europäischen Ebene parallel zu den mitgliedstaatlichen Regelungen wäre demgegenüber mit Art. 151 EG vereinbar: Eine Harmonisierung i. S. d. Art. 151 Abs. 5 EG würde nicht stattfinden und auch Art. 151 Abs. 4 EG stünde nicht entgegen, denn der zusätzliche Pluralismusschutz würde gerade kulturellen Zwecken dienen.

148 So auch Clausen-Muradian, S. 228 f. m. w. N.; a. A. Ress/Bröhmer (S. 59 f.), die annehmen, der Pluralismusschutz sei nur von einem weiten Kulturbegriff umfasst und es sei nicht ersichtlich, wie ein eng gefasster Kulturbegriff (nur „klassische“ Bereiche wie Literatur, Film, Musik und bildende Kunst) von einer Harmonisierung des Pluralismusschutzes tangiert werden könne. Letzteres überzeugt nicht, denn es ist keineswegs fernliegend, dass dann, wenn durch die Harmonisierung des Pluralismusschutzes das Schutzniveau in einigen Ländern abgesenkt wird, in diesen auch für die Kulturschaffenden in den „klassischen“ Kulturbereichen die Chancen sinken, auf ihre Leistungen in den Medien aufmerksam zu machen. Die Harmonisierung des Pluralismusschutzes kann daher (in der Terminologie des BVerfG) den „Wirkbereich“ der Kultur tangieren. 149 Ähnlich KEK-Konzentrationsbericht 2000, S. 82; Dörr, MP 1996, 87 (91); allgemein gegen eine Harmonisierung der Rundfunksysteme schon Schwartz, ZUM 1991, 155. 150 So i. E. auch Ress/Bröhmer, S. 62.

IV. Kompetenzen der EG für rundfunkbezogene Regelungen

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bb) Subsidiaritätsprinzip Ferner stellt sich in beiden Fällen die Frage, inwieweit die genannten Kompetenzgrundlagen i. S. d. Art. 5 Abs. 2 EG überhaupt in Anspruch genommen werden dürften: Geht man mit der hier vertretenen Auffassung davon aus, dass die Kompetenzen nach Art. 55, 47 Abs. 2 EG keine ausschließlichen Kompetenzen der Gemeinschaft sind, greift das Subsidiaritätsprinzip für die beabsichtigte Harmonisierung des Pluralismusschutzes ein. Wie bereits bei der Untersuchung der Kompetenzgrundlagen angedeutet, ist nicht hinreichend nachgewiesen, dass die durch Divergenzen im Pluralismusschutz bewirkten Binnenmarkthindernisse so massiv sind, dass sie sich auf mitgliedstaatlicher Ebene nicht unter dem Einfluss der unmittelbar anwendbaren Grundfreiheiten lösen ließen.151 Dass die Tendenzen zur Umgehung strenger mitgliedstaatlicher Regelungen so stark sind, dass die mitgliedstaatlichen Behörden den Pluralismus in ihrem Gebiet nicht mehr effektiv schützen können,152 ist ebenfalls unbewiesen. Noch weniger klar ist, dass eine gemeinschaftseinheitliche Regelung „deutliche Vorteile“ bringen würde,153 denn sie schadet, wie erwähnt, jedenfalls den Medienunternehmen aus Mitgliedstaaten, deren Pluralismusschutzniveau derzeit unter dem auf der Gemeinschaftsebene angestrebten liegt. Außerdem würde der Pluralismusschutz durch seine europaweite Vereinheitlichung höchstwahrscheinlich unflexibler werden, da die Besonderheiten der nationalen „Meinungsmärkte“ weniger Berücksichtigung finden könnten. Schließlich würde durch die Harmonisierung des Pluralismusschutzes zumindest in einigen Mitgliedstaaten das Schutzniveau gesenkt, was dem demokratischen Willensbildungsprozess in diesen Staaten und damit mittelbar dem demokratischen Willensbildungsprozess auf Gemeinschaftsebene schaden könnte.154 Sowohl das Insuffizienz- als auch das Effizienzkriterium des Subsidiaritätsprinzips sind hier also nicht eindeutig erfüllt.155 Da-

151 A. A. Frey (S. 243 f.), der annimmt, die Insuffizienz mitgliedstaatlichen Handelns folge schon daraus, dass es um grenzüberschreitende Sachverhalte ginge. Er vernachlässigt damit, dass die mitgliedstaatlichen Regelungen zum Pluralismusschutz im Lichte der Grundfreiheiten auszulegen und anzuwenden sind, und schon dies zu starke Unterschiede zwischen den Schutzsystemen „abschleift“. 152 In Rs. TV 10 hat der EuGH, wie bereits erwähnt, festgestellt, dass die Mitgliedstaaten in solchen „Umgehungsfällen“ ausländische Veranstalter den inländischen im Bezug auf den Pluralismusschutz trotz des Einflusses der Dienstleistungsfreiheit gleichstellen dürfen (vgl. Rs. C-23/93 (TV 10), Slg. 1994, S. I-4795 ff., Rdnr. 21 f.). 153 A. A. Frey, S. 245 f. 154 Vgl. zu diesem Zusammenhang A. Hesse, JZ 1993, 545 (548); Ress/Bröhmer (S. 63 ff.), die das Demokratieprinzip als eigene Kompetenzgrenze sehen. Es erscheint jedoch sinnvoller, statt in dieser Weise eine ungeschriebene Kompetenzgrenze zu schaffen, zunächst Anknüpfungspunkte in geschriebenen zu suchen. 155 So i. E. auch Ress/Bröhmer, S. 54 f.; Westphal, EBLR 2002, 459 (484).

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

her steht das Subsidiaritätsprinzip einer Harmonisierung des Pluralismusschutzes entgegen. Was eine zusätzliche Gemeinschaftsregelung zum Pluralismusschutz betrifft, ist zu sehen, dass einerseits eine wirklich europäische Öffentlichkeit, die des Schutzes der Meinungsvielfalt noch über den mitgliedstaatlichen Schutz hinaus bedarf, bisher kaum existiert.156 Andererseits nützen die mitgliedstaatlichen Bestimmungen zum Schutz des Pluralismus mittelbar auch dem Pluralismus auf europäischer Ebene. Der umgekehrte Nutzen eines zusätzlichen europäischen Pluralismusschutzes für den Pluralismusschutz in den Mitgliedstaaten ist demgegenüber zweifelhaft. Auch ein zusätzlicher Pluralismusschutz auf Gemeinschaftsebene ist mit dem Subsidiaritätsprinzip daher unvereinbar. cc) Verhältnismäßigkeitsprinzip Eine Harmonisierung des Pluralismusschutzes wäre mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip nach Art. 5 Abs. 3 EG vereinbar, wenn sie geeignet, erforderlich und angemessen zum Abbau von Binnenmarktschranken wäre: Geeignet wäre die Harmonisierung, wenn sie eine Verbesserung der Marktsituation für Medienunternehmen bedeuten würde. Die Marktsituation würde sich aber wenn, dann vor allem für international operierende Großveranstalter verbessern, denn Anbieter, die ihre Aktivitäten auf einen Mitgliedstaat konzentrieren, werden sich zumeist auch nur mit dem für diesen Staat geltenden System des Pluralismusschutzes auseinandersetzen. Dies könnte zu weiterer Zunahme der Konzentrationsprozesse im Mediensektor führen. Dadurch, dass es ausgeschlossen wäre, strenge mitgliedstaatliche Schutzsysteme durch Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat zu umgehen, würde außerdem ein „Wettbewerb der Schutzsysteme“ ausgeschaltet. Dieser Wettbewerb kann dafür sorgen, dass sich die Systeme behutsam aneinander angleichen, ohne dass nationale Eigenheiten unter den Tisch fallen. Schon die Geeignetheit der Harmonisierung zur Stärkung des Binnenmarktes ist daher zweifelhaft. Hinsichtlich der Erforderlichkeit ist zunächst die Möglichkeit eines völkerrechtlichen oder informellen Vorgehens der Mitgliedstaaten zur Koordinierung ihrer Pluralismusschutzsysteme in Betracht zu ziehen.157 Nur soweit hierdurch ein Abbau der angeblichen Binnenmarkthindernisse unmöglich ist, ist eine Gemeinschaftsregelung erforderlich. 156 So auch A. Hesse, JZ 1993, 545 (548 m. w. N.); Mailänder, S. 339; Schellenberg, S. 228; Ress/Bröhmer, S. 67 f.; a. A. Clausen-Muradian (S. 230), die annimmt, die europaweiten und internationalen Verflechtungen der Medienkonzerne bewiesen das Gegenteil. Dadurch vermengt Clausen-Muradian den wirtschaftlichen mit dem publizistischen Markt und setzt, ohne hierfür einen Beweis zu liefern, voraus, dass die grenzüberschreitenden Beteiligungen publizistischen und nicht nur wirtschaftlichen Zwecken dienen. Dies kann nicht überzeugen. 157 So auch Frey, S. 247.

IV. Kompetenzen der EG für rundfunkbezogene Regelungen

241

Außerdem ist auch unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit eine „Radikallösung“, die abweichende mitgliedstaatliche Vorschriften nicht zulässt, kritisch zu sehen. Erst recht, wenn man berücksichtigt, dass es sich hier um einen traditionellen Bereich mitgliedstaatlicher Kulturpolitik handelt. Die letztere Tatsache lässt auch daran zweifeln, dass eine Harmonisierung des Pluralismusschutzes angemessen wäre. Insgesamt wäre eine Harmonisierung des Pluralismusschutzes mit Art. 5 Abs. 3 EG also kaum zu vereinbaren.158 Die Geeignetheit eines zusätzlichen Pluralismusschutzes auf europäischer Ebene zur Förderung der Meinungsvielfalt ist ebenfalls fraglich. Tritt der europäische Pluralismusschutz neben die mitgliedstaatlichen Systeme, wird die Unternehmerfreiheit nämlich weiter eingeschränkt als bisher, auch weil sich Genehmigungsverfahren verlängern. Dies könnte zum Abwandern von Medienunternehmen ins Nicht-EU-Ausland führen mit negativen Konsequenzen für den binneneuropäischen Pluralismus. Unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit ist v. a. zu berücksichtigen, dass durch einen zusätzlichen europäischen Pluralismusschutz weitere Beschränkungen des Binnenmarktes bewirkt würden. Diese Beschränkungen müssten vom Nutzen der Regelung eindeutig überwogen werden, damit die Erforderlichkeit gegeben wäre. Ein solches eindeutiges Überwiegen ist schon angesichts der bereits angesprochenen Tatsache, dass eine wirklich europäische Öffentlichkeit bisher kaum existiert, fraglich. Auch ein zusätzlicher europäischer Pluralismusschutz ist daher mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip des Art. 5 Abs. 3 EG kaum zu vereinbaren. d) Kein europäischer Pluralismusschutz? Es ergibt sich somit, dass gemeinschaftliche Regelungen zum Pluralismusschutz wohl unzulässig wären. Dies heißt aber nicht, dass der Pluralismus auf europäischer Ebene nicht geschützt werden kann, denn es bleibt möglich, wie noch näher zu erörtern ist, Aspekte des Pluralismusschutzes auch auf der Gemeinschaftsebene mitzuberücksichtigen. Außerdem besteht die Möglichkeit, eine informelle Zusammenarbeit der in den Mitgliedstaaten zum Pluralismusschutz zuständigen Behörden zu fördern.159 Pluralismusschutz auch auf europäischer Ebene ist daher nicht deswegen ausgeschlossen, weil der Gemeinschaft insoweit eine Regelungskompetenz fehlt. 5. Art. 3a der Fernsehrichtlinie Durch Art. 3a Abs. 1 der Fernsehrichtlinie wird den Mitgliedstaaten, wie bereits erwähnt, die Möglichkeit eröffnet, Listen von Ereignissen mit erheblicher 158 159

A. A. Frey, S. 248. Dafür Dörr, MP 1996, 87 (89).

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

gesellschaftlicher Bedeutung aufzustellen, die im Free-TV empfangbar sein müssen. Die Listen sind nach Abs. 2 der Vorschrift der Kommission mitzuteilen, welche sie auf ihre Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht prüft, den anderen Staaten mitteilt und im Amtsblatt veröffentlicht.160 Art. 3a Abs. 3 der Fernsehrichtlinie stellt sicher, dass die betreffenden mitgliedstaatlichen Regelungen nach Abs. 1 nicht vom Ausland aus umgangen werden. Teilweise wird bestritten, dass diese Regelung mit der Kompetenz aus Art. 55, 47 Abs. 2 EG, auf die die Fernsehrichtlinie (und damit auch ihr Art. 3a) gestützt ist, vereinbar ist.161 Diese Kritik ist jedoch nicht berechtigt: Art. 3a der Fernsehrichtlinie nützt dadurch, dass „zugkräftige“ Inhalte vor einem Abwandern in den Bereich des Pay-TV bewahrt werden, privaten Free-TV-Veranstaltern, die wirtschaftlich auf diese Inhalte angewiesen sind. Die Tätigkeit der Pay-TV-Veranstalter wird durch die Regelung auf den ersten Blick beschränkt. In gewissem Umfang wird jedoch, indem der Erwerb von Exklusivrechten weniger attraktiv gemacht wird, verhindert, dass einzelne, marktstarke Pay-TV-Veranstalter versuchen, ihre Konkurrenten dadurch zu verdrängen, dass sie möglichst viele Exklusivrechte (gerade auch an Ereignissen mit erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung) erwerben. Insbesondere durch ihre Absätze 2 und 3 beugt die Regelung außerdem dem Entstehen übermäßiger Binnenmarktschranken durch die betreffenden mitgliedstaatliche Regelungen vor und verhindert zugleich, dass sich Pay-TV-Veranstalter durch „Umgehungsstrategien“ ungerechtfertigte Vorteile verschaffen. Art. 3a der Fernsehrichtlinie ist daher von Art. 55, 47 Abs. 2 EG gedeckt.162 Ein Verstoß der Regelung gegen die Kompetenzgrenzen aus Art. 5 EG ist ebensowenig ersichtlich.163

V. Duales Rundfunksystem und europäisches Wettbewerbsrecht Wie im ersten Abschnitt dieser Arbeit dargelegt, wird das Verhältnis von öffentlich-rechtlichen und privaten Veranstaltern im deutschen dualen Rundfunksystem maßgeblich durch das Wettbewerbsrecht mitbestimmt. Die Charakteristika des dualen Rundfunksystems können allerdings auch bei der Anwendung wettbewerbsrechtlicher Regelungen wie z. B. § 1 UWG oder §§ 19 ff. GWB zur Geltung gebracht und in ihrer Substanz erhalten werden. Es bleibt zu klären, ob dies auch im europäischen Wettbewerbsrecht möglich ist. Hierzu be-

160 Zur Umsetzung vgl. http://europa.eu.int /comm/avpolicy/regul/twf/3 bis/imple ment_de.htm; Helberger, AfP 2002, 292 ff. 161 Vgl. Eckstein, S. 148 ff. 162 So i. E. auch Diesbach, S. 155 ff. 163 So auch Diesbach, S. 166 ff.

V. Duales Rundfunksystem und europäisches Wettbewerbsrecht

243

darf es zunächst einiger allgemeiner Ausführungen, insbesondere zur Abgrenzung der Märkte,1 auf denen im Rundfunkbereich Wettbewerb stattfindet: 1. Unternehmensqualität der Rundfunkveranstalter Den Regeln des wirtschaftlichen Wettbewerbs im Gemeinsamen Markt unterliegen neben den (über Art. 10 Abs. 2, 3 Abs. 1 g) EG gebundenen) Mitgliedstaaten2 nur Unternehmen. Dies folgt aus dem Wortlaut der Art. 81 ff. EG und aus der Abschnittsüberschrift „Vorschriften für Unternehmen“. Der EuGH sieht, wie bereits dargestellt [B. II. 2. a)], in st. Rspr.3 als Unternehmen i. S. d. Art. 81 ff. „jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit, unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung“4 an. Auf der Grundlage dieser Definition dürfte die Unternehmensqualiät der privaten Rundfunkveranstalter unzweifelhaft sein. Dass öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten Unternehmen i. S. d. Art. 86 Abs. 2 EG sind, wurde bereits ausgeführt. Beide Teile der dualen Rundfunkordnung sind daher Unternehmen i. S. d. Art. 81 ff. EG und unterliegen somit den Regeln des EG-Wettbewerbsrechts. 2. Methodik der Marktabgrenzung Ein Verstoß gegen Art. 81 ff. EG liegt grob gesagt dann vor, wenn die Bedingungen auf zumindest einem bestimmten Markt verfälscht werden, ohne dass dies gerechtfertigt wäre. Eine solche Verfälschung lässt sich nur feststellen, wenn zunächst der betreffende Markt in sachlicher und örtlicher Hinsicht klar abgegrenzt wird (sog. relevanter Markt).5 Hierbei gilt: Je enger die Marktdefini-

1 Die Marktabgrenzung soll, auch wenn nicht verkannt wird, dass sie bei Art. 81, 82 EG und der Fusionskontrolle nicht nach genau denselben Regeln erfolgt (ganz h. M.; vgl. u. a. Emmerich, in: Immenga/Mestmäcker, EG-Wettbewerbsrecht, Bd. 1, Art. 85 Abs. 1 EGV Rdnr. 217 und Möschel, ebd., Art. 86 EGV Rdnr. 41; Jung, in: Grabitz/Hilf, Art. 82 EG Rdnr. 27; Adt, in: von der Groeben/Schwarze, Fusionskontrollverordnung Rdnr. 156), dennoch für die erwähnten Regelungsbereiche gemeinsam vorgenommen werden, da die Abgrenzungsunterschiede jedenfalls für den Medienbereich keine Rolle spielen. 2 Vgl. Grill, in: Lenz/Borchardt, Vorbem. Art. 81–86 EG Rdnr. 34 ff.; Weiß, in: Calliess/Ruffert, Art. 81 EG Rdnr. 13 ff. An Art. 86 Abs. 1 EG sind die Mitgliedstaaten unmittelbar gebunden, ebenso an die Beihilferegeln der Art. 87 ff. EG. 3 Vgl. die Nachweise bei Jung, in: Calliess/Ruffert, Art. 86 EG Rdnr. 11. 4 Formulierung nach Rs. C-41/90 (Höfner und Elser ./. Macroton), Slg. 1991, S. I-1979, Rdnr. 21. 5 Auf die Frage, ob der Markt daneben auch in zeitlicher Hinsicht einzugrenzen ist (vgl. hierzu Schröter, in: von der Groeben/Schwarze, Art. 81 EG Rdnr. 113; Jung, in: Grabitz/Hilf, Art. 82 EG Rdnr. 48) soll, da sie in der Praxis ohnehin selten relevant ist und bisher gerade im Mediensektor keine Bedeutung erlangt hat, hier nicht näher eingegangen werden.

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

tion, desto größer die Gefahr von Wettbewerbsbeschränkungen und marktbeherrschenden Stellungen, je weiter die Definition, desto geringer ist diese Gefahr. Existiert z. B. in einem Mitgliedstaat nur ein Anbieter für digitales Pay TV, hat er auf dem dortigen Markt für digitales Pay TV eine marktbeherrschende Stellung, nicht aber auf dem dortigen „Medienmarkt“ (zu dem noch free TV, Radio, Presse etc. zu rechnen wären).6 Die Kommission hat in ihrer „Bekanntmachung über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft“ (97/C 372/03)7 folgende Marktdefinitionen verwendet: „Der sachlich relevante Produktmarkt umfasst sämtliche Erzeugnisse und/oder Dienstleistungen, die von den Verbrauchern hinsichtlich ihrer Eigenschaften, Preise und ihres vorgesehenen Verwendungszwecks als austauschbar und substituierbar angesehen werden. Der geographisch relevante Markt umfasst das Gebiet, in dem die beteiligten Unternehmen die relevanten Produkte oder Dienstleistungen anbieten, in dem die Wettbewerbsbedingungen hinreichend homogen sind und das sich von benachbarten Gebieten durch spürbar unterschiedliche Wettbewerbsbedingungen unterscheidet.“

Den sachlich relevanten Markt bestimmt die Kommission also nach subjektiven (aus der Sicht der Verbraucher), den räumlich relevanten hingegen nach objektiven Kriterien. Indem die Kommission für die Frage, ob zwei Güter zu ein und demselben sachlich relevanten Markt gehören, darauf abstellt, ob diese Güter aus der Sicht des Verbrauchers gegeneinander austauschbar sind, verfolgt sie das sog. Bedarfsmarktkonzept:8 Alle Waren, die aus der Sicht des Verbrauchers oder zumindest aus der Sicht der überwiegenden Mehrzahl der Verbraucher9 geeignet sind, seinen Bedarf zu decken, sind Bestandteile desselben Marktes.10 Zur Marktabgrenzung kommt es also darauf an, die dem Kunden konkret zur Verfügung stehenden Alternativangebote festzustellen.11 Es kann hierbei neben der Nachfragesubstituierbarkeit (Wird, wenn der Preis für Produkt A erhöht wird, verstärkt Produkt B gekauft? (= sog. Kreuzpreiselastizität)) auch nach der Angebotssubstituierbarkeit gefragt werden (Sind die Anbieter in der Lage, sich bei einer Preiserhöhung für A, ohne spürbare Zusatzkosten und Risiken auf die Produktion von B umzustellen?).12 Der Nachweis, dass eine Substituierbarkeit in 6

Vgl. auch Ablasser, S. 118 m. w. N. ABl. Nr. C-372 vom 09. 12. 1997, S. 6. 8 Vgl. Jung, in: Grabitz/Hilf, Art. 82 EG Rdnr. 30. 9 So i. E. auch Adt, in: von der Groeben/Schwarze, Fusionskontrollverordnung Rdnr. 164. 10 Vgl. Emmerich, in: Immenga/Mestmäcker, EG-Wettbewerbsrecht, Bd. 1, Art. 85 Abs. 1 EGV Rdnr. 222 f. 11 Kommission, ABl. Nr. C-372 vom 09. 12. 1997, S. 5 ff., Rdnr. 13. 7

V. Duales Rundfunksystem und europäisches Wettbewerbsrecht

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diesem Sinne vorliegt, kann im Übrigen nur auf empirischem Wege erbracht werden. Die Kommission erhebt entsprechende Daten bei den Unternehmen, ihren Konkurrenten sowie den Kunden über die Eigenschaften und den Verwendungszweck der betreffenden Produkte und untersucht, ob und welche Kundenpräferenzen bestehen, ob in der Vergangenheit schon einmal eine Substitution stattgefunden hat etc.13 Zur Bestimmung des räumlich relevanten Marktes untersucht die Kommission, wie groß das Gebiet ist, in dem für das angebotene Produkt hinreichend homogene Wettbewerbsbedingungen herrschen. Hierbei verschafft sie sich zunächst einen ersten Eindruck, gestützt auf allgemeine Angaben über die Marktanteile der Betroffenen und ihrer Wettbewerber auf nationaler, Gemeinschaftsund EWR-Ebene.14 Dieser erste Eindruck wird dann anhand empirischer Nachweise der konkreten Marktbedingungen, z. B. über Preisunterschiede im betreffenden Gebiet, über die Bedeutung nationaler und regionaler Präferenzen,15 Transportkosten, Käuferverhalten etc. verifiziert. Im Übrigen kann auch bei der Bestimmung des räumlich relevanten Marktes auf die Nachfragesubstituierbarkeit abgestellt werden, indem gefragt wird, ob die Kunden in der Lage sind, bei Erhöhung der Preise durch den Anbieter am Standort A kurzfristig und wenig kostenintensiv ihren Bedarf beim Anbieter am Standort B zu befriedigen.16 Ferner berücksichtigt die Kommission bei der Bestimmung des räumlich relevanten Marktes z. B., ob eine Gebietspräsenz notwendig ist, um an dem betreffenden Ort verkaufen zu können, wie die Kosten und rechtlichen Bedingungen für den Vertrieb an den jeweiligen Orten ausgestaltet sind, wie die gegenwärtigen Handelströme beschaffen sind und welche Marktzutrittsschranken (z. B. staatliche Monopole, nationale technische Standards) jeweils gegeben sind.17

12

Kommission, ABl. Nr. C-372 vom 09. 12. 1997, S. 5 ff., Rdnr. 20 ff. Näher ABl. Nr. C-372 vom 09. 12. 1997, S. 5 ff., Rdnr. 36 ff. 14 Kommission, ABl. Nr. C-372 vom 09. 12. 1997, S. 5 ff., Rdnr. 28 ff. 15 Hierbei kann es sich z. B. um Markenpräferenzen handeln, aber auch (besonders bedeutsam im Rundfunkbereich) um Präferenzen aufgrund sprachlicher und kultureller Unterschiede (vgl. Immenga, in: ders./Mestmäcker, EG-Wettbewerbsrecht, Bd. 1, Art. 2 FKVO, Rdnr. 85; ähnlich Jung, in: Grabitz/Hilf, Art. 82 EG Rdnr. 43). 16 Kommission, ABl. Nr. C-372 vom 09. 12. 1997, S. 5 ff., Rdnr. 17, 29. 17 Zu weiteren Beispielen Kommission, ABl. Nr. C-372 vom 09. 12. 1997, S. 5 ff., Rdnr. 30 f. 13

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

3. Der publizistische Wettbewerb als Schutzgegenstand des EG-Wettbewerbsrechts a) EG-rechtliche Pflicht zur Berücksichtigung des publizistischen Wettbewerbs Im Medienbereich stellt sich, wie bereits dargelegt [A. III. 6. a)], das Problem, dass neben ökonomischem auch publizistischer Wettbewerb existiert. Häufig wird beides zugleich vorliegen, insbesondere im Bereich des Pay TV und des werbefinanzierten Fernsehens, dies muss jedoch nicht stets der Fall sein.18 Diese Unterscheidung zwischen publizistischem und ökonomischem Wettbewerb ist auch auf europarechtlicher Ebene sinnvoll. Problematisch ist jedoch, ob und wie der publizistische Wettbewerb von den Organen der Gemeinschaft in ihren Entscheidungen berücksichtigt werden kann: Art. 81 ff. EG und die FKVO befassen sich ausschließlich19 mit der Kontrolle des ökonomischen Wettbewerbes.20 Außerdem hat die Gemeinschaft, wie bereits dargelegt, keine Befugnis, den mitgliedstaatlichen Pluralismusschutz zu harmonisieren oder einen zusätzlichen Pluralismusschutz auf Gemeinschaftsebene zu schaffen [B. IV. 4.]. Nach Art. 151 Abs. 4 EG sind jedoch die Gemeinschaftsorgane verpflichtet, „bei ihrer Tätigkeit aufgrund anderer Bestimmungen dieses Vertrags den kulturellen Aspekten Rechnung [zu tragen] insbesondere zur Wahrung und Förderung der Vielfalt ihrer Kulturen“. Es ist im Vertragstext nirgends erkennbar, warum „andere Bestimmungen“ i. S. d. Art. 151 Abs. 4 EG nicht auch die Wettbewerbsregeln der Art. 81 ff. EG sein sollen. Daher sind kulturelle Aspekte, zu denen auch der Schutz des publizistischen Wettbewerbes gehört, nach Art. 151 Abs. 4 EG auch im EG-Wettbewerbsrecht zu berücksichtigen. Prinzipiell können die Gemeinschaftsorgane also Aspekte des publizistischen Wettbewerbes auch ohne eine eigenständige Gemeinschaftsregelung in ihre wettbewerbsrechtlichen Beurteilungen mit einfließen lassen.21 Nimmt man an, der Pluralismusschutz sei keine Frage der Kultur i. S. d. Art. 151 Abs. 4 EG, sondern diene allein dem Schutz des demokratischen Willensbildungsprozesses, ergibt sich aus dem systematischen Zusammenhang von Art. 6 Abs. 1 und 3 EU das gleiche Ergebnis: Wenn der „Grundsatz der Demokratie“ allen Mitgliedstaaten gemeinsam ist (Art. 6 Abs. 1 EU), ist er zugleich Bestandteil der „Identität“ der Mitgliedstaaten, die die Union und damit auch die EG „zu achten“ hat (Art. 6 Abs. 3 EU). Es ist daher zulässig bzw. sogar 18

s. o. A. III. 6. a). Abgesehen von Art. 21 Abs. 3 FKVO, der den Mitgliedstaaten die Möglichkeit einräumt, nach der FKVO zulässige Zusammenschlüsse zum Schutz der Medienvielfalt dennoch zu untersagen [näher B. V. 8. c)]. 20 Vgl. Frey, S. 118 f. m. w. N. 21 So i. E. auch Ress/Bröhmer, S. 45; Ladeur, WuW 2000, 965 (966, 968 f.). 19

V. Duales Rundfunksystem und europäisches Wettbewerbsrecht

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geboten, dass die Gemeinschaftsorgane bei ihren wettbewerbsrechtlichen Entscheidungen im Rundfunkbereich auch berücksichtigen, inwieweit hierbei der demokratische Entscheidungsprozess in den Mitgliedstaaten durch die Entstehung vorherrschender Meinungsmacht belastet wird.22 Allerdings folgt aus den Formulierungen in Art. 151 EG, insbesondere aus Abs. 5, dass die Gemeinschaft im Kulturbereich die Einschätzungsprärogative der Mitgliedstaaten strikt zu beachten hat. Dies lässt sich auch auf Art. 6 Abs. 3 EU übertragen, denn ein „Achten“ der mitgliedstaatlichen Identität wäre schon begrifflich nicht mehr gegeben, wenn die Gemeinschaft sich über Beurteilungen der Mitgliedstaaten zu Fragen von deren Identität (hier des demokratischen Prozesses) ohne weiteres hinwegsetzen könnte. Will etwa die Kommission aufgrund von Aspekten des publizistischen Wettbewerbes ein wettbewerbsrechtlich relevantes Verhalten untersagen, darf dies der mitgliedstaatlichen Beurteilung des betreffenden Sachverhaltes daher nicht widersprechen.23 Im Übrigen können Aspekte des publizistischen Wettbewerbs auf der Gemeinschaftsebene nur dann berücksichtigt werden, wenn dies mit den wettbewerbsrechtlichen Vorschriften des Vertrages und der FKVO vereinbar ist.24 Es kann also z. B. ein Zusammenschluss, der nach der FKVO an sich zu untersagen wäre, nicht deswegen dennoch zugelassen werden, weil er positive Auswirkungen auf den publizistischen Wettbewerb hätte.25 b) Möglichkeiten zur Erfüllung dieser Pflicht Das Wettbewerbsrecht des EG-Vertrages bietet verschiedene Anknüpfungspunkte dafür, die aus Art. 151 Abs. 4 EG bzw. aus Art. 6 Abs. 1 und 3 EU folgende Pflicht, den publizistischen Wettbewerb zu berücksichtigen, zu erfüllen: In Betracht kommt zunächst, Aspekten des publizistischen Wettbewerbs bei der Anwendung des Art. 81 Abs. 3 EG Rechnung zu tragen. Dieser erlaubt es, wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen und Verhaltensweisen vom Verbot des Art. 81 Abs. 1 EG freizustellen, wenn das betreffende Verhalten „unter angemessener Beteiligung der Verbraucher an dem entstehenden Gewinn zur Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung oder zur Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts [beiträgt] . . .“. Diese Formulierung spricht prima facie dafür, dass bei Freistellungsentscheidungen nur ökonomische Ziele und keine nicht-ökonomischen wie z. B. der Schutz des publizistischen Wettbewerbs verfolgt werden dürfen. Bei der Auslegung der in Art. 81 22 23 24 25

A. A. GB Pluralismus, KOM (92) 480 endg., S. 84; wie hier Ress/Bröhmer, S. 45. So auch Everling, S. 37 f. So allg. auch Frey, S. 120. So zurecht auch GB Pluralismus, KOM (92) 480 endg., S. 80.

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

Abs. 3 EG verwendeten Begriffe hat die Kommission jedoch einen Beurteilungsspielraum,26 bei dessen Ausübung sie die von Art. 151 Abs. 4 bzw. Art. 6 Abs. 3 EU aufgestellte Pflicht zur Berücksichtigung des publizistischen Wettbewerbs beachten muss.27 Prinzipiell zurecht hat daher die Kommission etwa in ihrer Entscheidung zum Eurovisionssystem der EBU [s. B. V. 6. b)] dem besonderen öffentlichen Auftrag der in der EBU zusammengeschlossenen Rundfunkveranstalter Rechnung getragen.28 Gegen ein solches Vorgehen spricht auch nicht, dass der EG-Vertrag mit Art. 86 Abs. 2 EG eine Vorschrift enthält, die es ermöglicht, den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Wettbewerbsrecht zur Geltung zu bringen.29 Art. 86 Abs. 2 EG greift nämlich erst ein, wenn die Anwendung der Vertragsvorschriften „die Erfüllung der . . . besonderen Aufgabe . . . verhindert.“ An einer Verhinderung fehlt es, soweit die betreffende Aufgabe im Rahmen anderer Vertragsbestimmungen, insbesondere Ausnahmeklauseln wie Art. 81 Abs. 3 EG Beachtung finden kann.30 Im Übrigen sind im Rahmen der Wettbewerbsaufsicht über private Veranstalter durchaus Fälle denkbar, in denen Aspekte des publizistischen Wettbewerbs eine Rolle spielen, aber nicht im Rahmen des Art. 86 Abs. 2 EG berücksichtigt werden können, weil dieser auf die betreffenden Veranstalter nicht anwendbar ist. Auch in diesen Fällen muss die Kommission ihre Pflicht zur Berücksichtigung der Aspekte des publizistischen Wettbewerbs erfüllen können. Beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk können Aspekte des publizistischen Wettbewerbs zwar durchaus im Rahmen des Art. 86 Abs. 2 EG berücksichtigt

26

Vgl. nur Schröter, in: von der Groeben/Schwarze, Art. 81 EG Rdnr. 269 m. w. N. So bezogen auf Art. 128 Abs. 4 EGV auch Everling, S. 36 f., 54. 28 Das EuG sieht dies in seiner Entscheidung, mit der es die Freistellungsentscheidung zugunsten der EBU aufgehoben hat, allerdings anders, und hält eine Berücksichtigung derartiger Aspekte im Bezug auf Art. 81 Abs. 3 EG nur im Rahmen einer Gesamtwürdigung für möglich (vgl. Verb. Rs. T-528/93, T-542/93, T-543/93 und T-546/ 93, Slg. 1996, S. II-649 Rdnr. 118 der Entscheidung). 29 So aber Frey, S. 126. Frey stützt sich insoweit zu Unrecht auf die betreffende Entscheidung des EuG (Verb. Rs. T-528/93, T-542/93, T-543/93 und T-546/93, Slg. 1996, S. II-649 ff.), denn dieses stellt (Rdnr. 116 der Entscheidung) nur fest, dass die Kommission bei ihrer Entscheidung nach Art. 81 Abs. 3 EG Aspekte berücksichtigt hat, die zum Anwendungsbereich des Art. 86 Abs. 2 EG gehören, nicht aber, dass solche Aspekte ausschließlich in Art. 86 Abs. 2 EG berücksichtigt werden dürfen. Die Formulierung in Rdnr. 117 der Entscheidung beweist dies: Hiernach können, sofern die Kommission festgestellt hat, dass Art. 86 Abs. 2 EG nicht anwendbar ist, Gesichtspunkte, die „ihrem Wesen nach diesem Artikel [scl. 86 Abs. 2 EG] entnommen sind . . . kein Kriterium für die Anwendung des Artikels 85 Absatz 3 [EGV] darstellen, sofern eine besondere Rechtfertigung fehlt.“ (Hervorhebung v. Verf.). Ist eine solche besondere Rechtfertigung vorhanden, können Aspekte aus Art. 86 Abs. 2 EG somit auch im Rahmen des Art. 81 Abs. 3 EG beachtet werden. Näher zur Entscheidung des EuG B. V. 6. a). 30 So auch statt vieler Hochbaum/Klotz, in: von der Groeben/Schwarze, Art. 86 EG Rdnr. 76. 27

V. Duales Rundfunksystem und europäisches Wettbewerbsrecht

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werden. Umfassender Rechtfertigungsgrund für im öffentlichen Interesse liegende Beschränkungen des ökonomischen zugunsten des publizistischen Wettbewerbs31 kann Art. 86 Abs. 2 EG jedoch schon nach der Vertragssystematik auch insoweit nicht sein. Ob die Tatsache, dass der EuGH es für ein Eingreifen des Art. 86 Abs. 2 EG ausreichen lässt, wenn zugunsten betrauter Unternehmen „Wettbewerbsbeschränkungen oder sogar der Ausschluss jeglichen Wettbewerbs von Seiten anderer Wirtschaftsteilnehmer erforderlich sind, um die Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgaben sicherzustellen“,32 an diesem Befund etwas ändert, ist zweifelhaft. Es bleibt nämlich unklar, wie weit der EuGH bei dieser Lockerung der an Art. 86 Abs. 2 EG anzulegenden Maßstäbe33 gehen wollte. Die Formulierung des Urteils in Rs. Corbeau, bei Art. 86 Abs. 2 EG sei zu prüfen, ob eine Wettbewerbsbeschränkung zugunsten des betrauten Unternehmens nötig sei, damit dieses die übertragene Aufgabe „unter wirtschaftlich tragbaren Bedingungen“34 erfüllen könne, deutet darauf hin, dass der EuGH hier nur klarmachen wollte, dass die Anforderungen für ein Eingreifen des Art. 86 Abs. 2 EG nicht überspannt werden dürfen und dass das Gemeinschaftsrecht auch von betrauten Unternehmen wirtschaftlich nicht mehr verlangt als von „rein“ privaten. Jedenfalls aber fordert der Gerichtshof in seiner neueren Rechtsprechung, dass eine auf Art. 86 Abs. 2 EG gestützte Wettbewerbsbeschränkung erforderlich sein muss. An dieser Erforderlichkeit fehlt es, wenn durch Abstellen auf andere Vertragsbestimmungen wie Art. 81 Abs. 3 EG die betreffende Wettbewerbsbeschränkung gerechtfertigt werden kann. 4. Sachlich relevante Märkte der Rundfunkveranstaltung Im Folgenden sollen die für EG-wettbewerbsrechtliche Entscheidungen im Rundfunkbereich35 relevanten Märkte zunächst in sachlicher Hinsicht abgegrenzt werden. Die Darstellung orientiert sich hierbei vorrangig an der Marktabgrenzung, die die EU-Kommission in ihren den Rundfunkbereich betreffenden Wettbewerbsentscheidungen getroffen hat.36 Soweit die Kommission zu bestimmten Abgrenzungsproblemen sich noch nicht geäußert hat, wird auf die von

31

So i. E. Frey, S. 144. Rs. C-320/91 (Corbeau), Slg. 1993, S. I-2533 ff., Rdnr. 14 des Urteils. 33 Strenger noch Rs. 155/73 (Sacchi); Slg. 1974, S. 409 ff., Rdnr. 15 des Urteils; ebenso Rs. C-260/89 (ERT), Slg. 1991, S. I-2925 ff., Rdnr. 33 des Urteils. 34 Rs. C-320/91 (Corbeau), Slg. 1993, S. I-2533 ff., Rdnr. 15 des Urteils. 35 Außer Betracht bleibt der Markt für Fernsehprogrammzeitschriften, da dieser mit dem Rundfunkbereich im engeren Sinne nur mittelbar verbunden ist. Zu einem diesen Markt betreffenden Fall vgl. Rs. C-241/91 (Magill), Slg. 1995, S. I-743 ff. 36 Vgl. auch zusammenfassend zur Marktstruktur des audiovisuellen Sektors im Allgemeinen: Mitteilung über die Zukunft der europäischen Regulierungspolitik im audiovisuellen Bereich (KOM (2003), 784 endg.), S. 3 ff. 32

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

Bundeskartellamt, Monopolkommission und KEK vorgenommenen Marktabgrenzungen Bezug genommen. Diese lassen sich selbstverständlich nicht direkt auf die Gemeinschaftsebene übertragen, geben aber, da zumindest Kommission und Bundeskartellamt die gleichen Marktabgrenzungskriterien verwenden, Anhaltspunkte dafür, wie eine entsprechende Marktabgrenzung auf Gemeinschaftsebene aussehen könnte: a) Pay-TV Beim Pay-TV bestehen unmittelbare marktmäßige Austauschbeziehungen zwischen Veranstalter und Abonnenten. Daher kann man unproblematisch von einem „Pay-TV-Markt“ sprechen.37 Fraglich ist lediglich, ob dieser Markt eigenständig, oder Teil eines umfassenderen „Fernsehmarktes“ ist. Letzteres wäre, abgesehen von der Frage, ob es einen solchen „Fernsehmarkt“ im Bereich des Free-TV überhaupt gibt, nur der Fall, wenn zwischen Pay- und Free-TV ein Substitutionsverhältnis bestünde.38 Gegen ein solches Substitutionsverhältnis spricht zum einen, dass die Preise für Pay-TV zumindest derzeit erheblich über den „Preisen“ für Free-TV wie z. B. den deutschen Rundfunkgebühren liegen, zum anderen die Tatsache, dass der Pay-TV-Abonnent sich einen Decoder kaufen muss, um das Programm zu empfangen. Nicht nur der finanzielle, sondern auch der technische Aufwand ist für Pay-TV also ungleich höher als für Free-TV.39 Das „technische“ Argument wird zwar an Bedeutung verlieren, wenn nach dem analogen switch-off jeder Zuschauer gezwungen sein wird, einen Decoder bzw. eine Set-top-box zu kaufen, um überhaupt noch Rundfunk empfangen zu können.40 Es bleibt jedoch das „finanzielle“ Argument, das jedenfalls bezogen auf Deutschland lediglich dann bedeutungslos werden könnte, wenn eines Tages die Rundfunkgebühren höher als die niedrigsten Abonnementgebühren für Pay-TV sein sollten. Da die Rund37 Die Frage, ob innerhalb dieses Marktes eine weitere Differenzierung nach verschiedenen Pay-TV-Formen (Pay-per-Channel, Pay-per-View und (Near-)Video-on-Demand) notwendig ist, kann für den Zusammenhang dieser Arbeit dahinstehen, da eine solche Differenzierung keine Auswirkungen gerade auf das Verhältnis des öffentlichrechtlichen zum privaten Rundfunk hätte; vgl. hierzu Entscheidung IV/M. 469 (MSG Media Service), Rdnr. 38; Entscheidung COMP/M.2211 (Universal Studio Networks/ De Facto 829 (NTL)/ Studio Channel Limited), Rdnr. 13 ff.; zum digitalen interaktiven Fernsehen: Entscheidung COMP/JV.37 (BSkyB/Kirch Pay TV), Rdnr. 30 ff.; Entscheidung IV/36.539 (British Interactive Broadcasting/Open), Rdnr. 11 ff. 38 Dies bejaht die Monopolkommission in ihren Hauptgutachten 1996/97 (Tz. 512 ff.) und 1998/99 (Tz. 611 ff.); unklar Trafkowski (S. 36 f.), der zwar annimmt, es bestünde „Substititionskonkurrenz“ zwischen Free- und Pay-TV, aber dennoch das Bestehen eines gemeinsamen Markts für Free- und Pay-TV verneint. 39 Die Monopolkommission lässt dieses Argument nicht gelten (Hauptgutachten 1998/99, Tz. 611); ähnlich Mailänder, S. 222. 40 So i. E. auch Entscheidung IV/M.993 (Bertelsmann/Kirch/Premiere), Rdnr. 18.

V. Duales Rundfunksystem und europäisches Wettbewerbsrecht

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funkgebühr, wie bereits dargestellt [A. IV. 1.], jedoch von Verfassungswegen sozial verträglich sein muss, ist zweifelhaft, ob die Länder den Eintritt dieses Zustandes nicht durch Herabsetzung der Gebühr verhindern müssten, damit kein verfassungswidriger Zustand eintritt. Nach Ansicht der EU-Kommission beweist außerdem die Tatsache, dass Pay-TV-Abonnenten bereit seien, neben den Rundfunkgebühren weitere ca. 25 A für ein Pay-TV-Abonnement aufzubringen, obwohl sie nur 10% ihres „Zeitbudgets“ auf Pay-TV-Sendungen verwendeten, dass kein Wettbewerb zwischen Free- und Pay-TV um die Einschaltquote stattfinde.41 Aus Sicht der Werbewirtschaft kann schon deswegen kein Substitutionsverhältnis bestehen, weil Pay-TV derzeit größtenteils werbefrei betrieben wird.42 Selbst soweit Pay-TV zusätzlich durch Werbung finanziert wird, bleiben die Märkte jedoch getrennt:43 Zum einen erreicht Pay-TV derzeit generell weniger Zuschauer als Free-TV. Zum anderen wäre Werbung im Pay-TV auch deswegen für die Werbewirtschaft weniger interessant, weil die Anzahl der Werbeunterbrechungen notwendigerweise sehr gering bleiben muss, denn bei vielen Abonnenten wird gerade das Fehlen von Werbeunterbrechungen der Grund für ein Pay-TV-Abonnement sein. Anders könnte die Austauschbarkeit zwischen Free- und Pay-TV aus Sicht der Inhalteproduzenten zu beurteilen sein,44 denn für sie spielt es auf den ersten Blick keine Rolle, ob die von ihnen produzierten Inhalte frei oder nur verschlüsselt empfangbar sind. Auch aus dieser Perspektive ist die Austauschbarkeit jedoch begrenzt, denn Pay-TV-Anbieter haben, da sie unmittelbar mit ihrem Programm Umsätze erzielen wollen, Interesse an möglichst (technisch) hochwertigen und speziell auf ihren Abonnentenkreis zugeschnittenen Programmen45 („premium content“). Die Inhalteproduzenten werden, wollen sie statt für FreeTV für Pay-TV produzieren also i. d. R. höhere Produktionskosten auf sich nehmen müssen. Außerdem müssen Inhalteproduzenten sich auch fragen, ob eine Übertragung im Free-TV nicht deswegen für sie wirtschaftlich sinnvoller ist, weil sie hierdurch mehr Zuschauer erreichen als bei einer Exklusiv-Übertragung im Pay-TV. 41 Entscheidung 94/922/EG, ABl. Nr. L 364/1 vom 31. 12. 1994 (MSG Media Service), Rdnr. 43; ähnlich Entscheidung COMP/JV.37 (BSkyB/Kirch), Rdnr. 25. 42 So auch bezogen auf Deutschland die Monopolkommission (Hauptgutachten 1998/99 Tz. 611). 43 So i. E. auch die Kommission: Entscheidung IV/M.489 (Bertelsmann/News International/Vox, Rdnr. 18; vorsichtiger formuliert: Entscheidung IV/M.469 (MSG Media Service), Rdnr. 32; Entscheidung IV/M.525 (VOX II), Rdnr. 17; Entscheidung (Bertelsmann/GBL/Pearson TV), Rdnr. 10. 44 So die Monopolkommission (Hauptgutachten 1998/99 Tz. 611). 45 So auch die Kommission; vgl. Entscheidung IV/M.410 (Kirch/Richemont/Telepiu), Rdnr. 15; identische Formulierung in Entscheidung IV/M.584 (Kirch/Richemont/ Multichoice/Telepiu), Rdnr. 15.

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

Trotz einer gewissen Austauschbarkeit von Pay-TV und Free-TV ist der PayTV-Markt daher nach wie vor als eigenständiger Markt anzusehen, was selbstverständlich nicht heißen soll, dass die Märkte sich nicht gegenseitig in hohem Maße beeinflussen.46 Dieses Ergebnis entspricht der Praxis der EU-Kommission47 und des Bundeskartellamtes.48 Konkret zum deutschen dualen Rundfunksystem ist festzustellen, dass derzeit im Pay-TV-Markt keine Konkurrenz zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Veranstaltern besteht. Dennoch sind die mittelbaren Einflüsse des Pay-TVMarktes auf öffentlich-rechtliches und privates Free-TV nicht zu unterschätzen: Pay-TV-Anbieter sind, wie bereits erwähnt [A. V. 2. e)], existentiell auf die Exklusivität ihrer Inhalte angewiesen.49 Je besser die Konjunktur am Pay-TVMarkt, desto eher werden die dortigen Anbieter in der Lage sein, hohe Preise für Exklusivrechte zu zahlen, und desto mehr Inhalte können dem Free-TV wenigstens vorübergehend verlorengehen. Ein starker Pay-TV-Markt schwächt also das Free-TV. Andererseits bestehen auch umgekehrte Einflüsse, da ein starkes Free-TV die Markterschließung durch Pay-TV-Anbieter erschwert.50 Außerdem kann, jedenfalls nach Ansicht der Monopolkommission, die Belastung des „Medienbudgets“ der Zuschauer durch Rundfunkgebühren die breite Markteinführung von Pay-TV hemmen.51 b) Zuschauermarkt? Äußerst umstritten ist, wie schon angedeutet, ob es außerhalb des Pay-TV-Bereichs einen ökonomischen Markt für die eigentliche Programmveranstaltung bzw. einen „Zuschauermarkt“52 gibt. Wenn sich ein solcher Markt annehmen 46

Vgl. Faull/Nikpay, Rdnr. 11.366; Mailänder, S. 220 ff. Vgl. neben den bereits erwähnten Entscheidungen: Entscheidung IV/M.110 (ABC/General des Eaux/Canal +/W. H. Smith TV), Rdnr. 11; Entscheidung IV/M. 779 (Bertelsmann/CLT), Rdnr. 16; Entscheidung IV/M.865 (Cable & Wireless/ Nynex/Bell Canada), Rdnr. 25 f. (identische Formulierung Entscheidung IV/M.853 (Bell Cable Media/Cable & Wireless/Videotron), Rdnr. 25 f.); Entscheidung IV/ 36.237 (TPS), Rdnr. 25 ff.; Entscheidung IV/36.539 (British Interactive Broadcasting/ Open), Rdnr. 24 ff. Eine Trennung zwischen analogem und digitalem Pay-TV lehnt die Kommission ab (vgl. Entscheidung IV/M.993 (Bertelsmann/Kirch/Premiere), Rdnr. 18; Entscheidung COMP/M.2211 (Universal Studio Networks/De Facto 829 (NTL)/ Studio Channel Limited), Rdnr. 13; Entscheidung IV/36.237 (TPS), Rdnr. 26; Entscheidung IV/36.539 (British Interactive Broadcasting/Open) Rdnr. 25. 48 Dazu die Monopolkommission im Hauptgutachten 1998/99 Tz. 613. 49 Vgl. Faull/Nikpay, Rdnr. 11.63 m. w. N. 50 Vgl. Entscheidung COMP/JV.37 (BSkyB/Kirch Pay TV), Rdnr. 56 f. 51 Vgl. Hauptgutachten 1996/97, Tz. 515. 52 Diesen Begriff verwendet die Monopolkommission im Hauptgutachten 1998/99 Tz. 611; vgl. hierzu auch Hoffmann-Riem, Rundfunkrecht neben Wirtschaftsrecht, S. 112 ff. m. w. N.; Giehl, S. 24 ff. m. w. N. 47

V. Duales Rundfunksystem und europäisches Wettbewerbsrecht

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ließe, könnten erhebliche Konflikte zwischen Rundfunk- und Wirtschaftsrecht entstehen,53 sowohl auf deutscher als auch auf europäischer Ebene. Unzweifelhaft konkurrieren private und öffentlich-rechtliche Free-TV-Veranstalter um die Gunst der Zuschauer. Ebenso unstreitig hängt der Preis für Werbezeiten in einem Programm unmittelbar von dessen Zuschauerreichweite ab.54 Dies heißt aber noch nicht, dass Veranstalter und Zuschauer in einem marktmäßigen Austauschverhältnis stehen.55 Fraglich ist vor allem, ob der Zuschauer für den Empfang des Programms eine Gegenleistung erbringt: Für den Empfang von Free-TV zahlt der Zuschauer jedenfalls nicht unmittelbar. Eine Gegenleistung des Zuschauers wird von der Monopolkommission darin gesehen, dass er Zeit dafür aufwendet, die empfangene Sendung zu sehen.56 Gegen diese am Grundsatz „Zeit ist Geld“ orientierte Annahme spricht jedoch, dass der Zuschauer seinen Zeitaufwand im Zweifel nicht als geldwerte Leistung verstehen wird. Ferner gäbe es, wäre bloßer Zeitaufwand schon eine Gegenleistung im wirtschaftsrechtlichen Sinne, nahezu keine unentgeltlichen Leistungen mehr. Außerdem wäre zu fragen, ob an dem Zuschauermarkt „Programm gegen Zeit“ auch diejenigen teilnehmen, die zwar das betreffende Programm einschalten, sich dann aber anderen Dingen widmen, oder ob Zuschauer, die „zappen“, mit jedem Druck auf die Fernbedienung in eine weitere marktmäßige Austauschbeziehungen treten. Das „Zeitbudget“ des Zuschauers lässt sich daher nicht als Gegenleistung für das Programm verstehen.57 Nach Klaus-Eberhard Schmidt ist die Frage, ob der Zuschauer durch die Rezeption des Programms eine Gegenleistung erbringt schon „wegen des wirtschaftlichen Wertes der Fernsehrezeption für den Veranstalter zu bejahen“.58 Diese Ansicht ist der der Monopolkommission ähnlich, versucht aber im Gegensatz zu jener nicht einmal, die Gegenleistung des Zuschauers genauer zu bezeichnen. Ferner stellt Schmidt zu einseitig auf die Sicht der Veranstalter ab. Die bereits erwähnte Tatsache, dass der Zuschauer das Programm zumindest beim privaten Free-TV subjektiv unentgeltlich empfängt, kann nicht völlig au53

So zurecht Buchholtz, ZUM 1998, 108 ff. (108). Vgl. nur K.-E. Schmidt, ZUM 1997, 472 ff. (474). 55 So aber offensichtlich Roider, S. 256; tendenziell auch Roth, AfP 1986, 287 (288 f.). 56 Hauptgutachten 1994/95 Tz. 240; so auch Mailänder, S. 219 f.; anders noch Hauptgutachten 1984/85, Tz. 584. 57 Dies erkennt auch die EU-Kommission in ihrer Entscheidung zum kartellrechtlichen Teil des Streits um die Spartenkanäle Phönix und Kinderkanal (IV/36.522) ausdrücklich an. Wörtlich heißt es: „Auf den „Qualitätswettbewerb“ bzw. den Wettbewerb um „Zeitbudgets“ der Verbraucher kommt es im Gegensatz zur Meinung der Beschwerdeführer aber nicht an, weil ein Markt im wettbewerbsrechtlichen Sinne nur dort besteht, wo wirtschaftliche Leistungen und Gegenleistungen stattfinden.“ (Hervorhebung v. Verf.); a. A. Trafkowski, S. 35 f. 58 ZUM 1997, 472 ff. (474); ähnlich Trafkowski, S. 35. 54

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

ßer Betracht bleiben. Außerdem realisiert sich der wirtschaftliche Wert der Fernsehrezeption nicht in jedem Fall unmittelbar beim Veranstalter, sondern nur, wenn es diesem auch tatsächlich gelingt, die Werbezeiten aufgrund der höheren Einschaltquote teurer zu verkaufen. In Zeiten der Rezession ist es durchaus möglich, dass höhere Einschaltquoten kaum Auswirkungen auf die Höhe der Werbepreise haben. Nach Ansicht von Christoph Giehl59 sollte auf das Erfordernis eines unmittelbaren Leistungsaustausches zwischen Anbieter und Nachfrager bei der Untersuchung der Frage, ob es einen Zuschauermarkt gibt, verzichtet werden. Der BGH habe bezogen auf die Presse angenommen, ein Lesermarkt existiere auch für gratis ausgegebene Anzeigenblätter.60 Hierzu ist anzumerken, dass es in dem vom BGH entschiedenen Fall um Zeitschriften ging, die sehr wohl einen Abonnementpreis hatten, aber größtenteils gratis verteilt wurden. Bei der Frage nach einem Zuschauermarkt für Free-TV ist die Situation jedenfalls derzeit anders. Angesichts der noch geringen Bedeutung des Pay-TV kann nicht angenommen werden, dass es sich bei Free-TV um „gratis verteiltes“ Pay-TV handelt. Außerdem hat der BGH an keiner Stelle des Urteils festgestellt, dass es sich bei dem „Lesermarkt“ um einen Markt im Sinne des Wirtschaftsrechts handelt. Aus den Formulierungen des BGH lässt sich ebenso gut schließen, dass der „Lesermarkt“ allein die publizistische Konkurrenz der Zeitschriften meint.61 Auch die Ansicht Giehls vermag daher nicht zu überzeugen. Die bisherigen Ausführungen beziehen sich weitgehend auf öffentlich-rechtliches und privates Free-TV gleichermaßen. Beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk könnte man auf die Idee kommen, eine marktmäßige Austauschbeziehung durch die Gebührenzahlung begründet zu sehen. Die Gebühr wird jedoch nicht für den konkreten Rundfunkempfang gezahlt. Außerdem hängt die Gebührenhöhe, da in technischer Hinsicht nahezu Vollversorgung besteht, jeder also die öffentlich-rechtlichen Programme empfangen kann, nur noch in geringem Maße von den Einschaltquoten ab. Die Gebühr kann daher nicht als eine Art Marktpreis verstanden werden, und begründet keine marktmäßigen Austauschbeziehungen.62 59 Vgl. Giehl, S. 24 ff.; so auch Degenhart, in: Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1 und 2, Rdnr. 876. 60 BGH, GRUR 1982, 53 ff. 61 Vgl. insbesondere BGH, GRUR 1982, 55 und BGHZ 19, 392 (394 f.), wo es um ausschließlich gratis verteilte Anzeigenblätter ging. Wörtlich heißt es dort: „. . . ergibt sich zugleich, dass ein Wettbewerbsverhältnis mittelbar auch für den Lesermarkt besteht. Zwar trifft es zu, dass die Beklagten die Bevölkerung . . . nicht als Käufer . . . zu gewinnen suchen, weil sie das Blatt unentgeltlich . . . verteilen. Andererseits muss aber [die Zeitung der Beklagten] bemüht sein, die Empfänger . . . zum wirklichen Lesen . . . anzuregen, da kein Kaufmann . . . nur um des Inserierens willen in den Zeitungen seine Werbung veranstalten wird“. Auch im Urteil zum Globalvertrag (BGH, NJW 1990, 2815 ff.) hat der BGH keinen Zuschauermarkt angenommen.

V. Duales Rundfunksystem und europäisches Wettbewerbsrecht

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Es bleibt also festzustellen, dass ein Zuschauermarkt zwar im publizistischen, nicht aber im ökonomischen Sinne existiert. Dieses Ergebnis entspricht der herrschenden wettbewerbsrechtlichen Praxis von Bundeskartellamt63 und EUKommission.64 Es steht nicht im Gegensatz dazu, dass die Ausstrahlung von Rundfunk eine entgeltliche Dienstleistung i. S. d. Art. 50 EG ist,65 denn bei Art. 50 EG kommt es, wie dargelegt, nicht darauf an, dass sämtliche Bestandteile einer Tätigkeit entgeltlich sind. Vielmehr reicht es aus, dass eine Tätigkeit nicht insgesamt unentgeltlich ist bzw. „in der Regel gegen Entgelt“ erbracht wird. Die im Wettbewerbsrecht notwendige Aufteilung in verschiedene Märkte ist den Grundfreiheiten fremd. Im Übrigen hat auch der EuGH bisher nicht festgestellt, dass es sich bei der Programmausstrahlung, wenn man sie (was im Rahmen der Grundfreiheiten eigentlich unzulässig wäre) isoliert betrachtet, um eine entgeltliche Tätigkeit handelt.66 Ebensowenig entstehen, wenn man den Zuschauermarkt nicht als ökonomischen Markt qualifiziert, Schutzlücken.67 Existiert auf dem (publizistischen) Zuschauermarkt eine marktbeherrschende Stellung, die den (ökonomischen) Werbemarkt unbeeinflusst lässt, kann sie von den Mitgliedstaaten durchaus bekämpft werden, und zwar im Wege publizistischer Wettbewerbskontrolle z. B. nach §§ 26 ff. RStV. c) Werbemarkt Auf dem Werbemarkt, der unzweifelhaft ein ökonomischer Markt ist, konkurrieren private und öffentlich-rechtliche Veranstalter um den Verkauf von Werbe62 So i. E. auch: Hoffmann-Riem, Rundfunkrecht neben Wirtschaftsrecht, S. 112 f.; Oppermann/Kilian, S. 50 f.; Petersen, S. 84 f. 63 Hierzu Parlasca, WuW 1994, 210 ff. (214). 64 Wohl anders noch die früheren Fusionskontrollentscheidungen: Entscheidung IV/ M.110 (ABC/General des Eaux/Canal +/W. H. Smith TV), Rdnr. 11; Entscheidung IV/M.176 (Sunrise), Rdnr. 17; Entscheidung IV/M.410 (Kirch/Richemont/Telepiu), Rdnr. 17; Entscheidung IV/M.489 (Bertelsmann/News International/Vox), Rdnr. 17 f. und 22 (ohne klare Trennung zwischen Werbemarkt und Zuschauermarkt); klarer („Während bei werbefinanziertem Fernsehen ein Austauschverhältnis nur zwischen dem Programmanbieter und der werbenden Wirtschaft besteht . . .“) Entscheidung Nr. IV/M.469 (MSG Media Service), Rdnr. 32; ähnlich Entscheidung IV/M.525 (VOX II), Rdnr. 16; Entscheidung IV/M.566 (CLT/Disney/Super RTL), Rdnr. 14; Entscheidung IV/M.553 (RTL/Veronica/Endemol) Rdnr. 17, 20 f.; Entscheidung IV/M.655 (Canal+/UFA/MDO), Rdnr. 9; Entscheidung IV/M.810 (n-tv), Rdnr. 9; Entscheidung IV/M. 779 (Bertelsmann/CLT), Rdnr. 14; Entscheidung IV/M.878 (RTL 7), Rdnr. 7; Entscheidung IV/M. 1574 (Kirch/Mediaset), Rdnr. 11; Entscheidung COMP/JV.37 (BSkyB/Kirch Pay TV), Rdnr. 24. 65 So aber Roider, S. 256. 66 Vgl. insbesondere Rs. 352/85 (Bond van Adverteerders), Slg. 1988, S. 2085 ff., Rdnr. 14 ff. des Urteils. 67 So aber: Engel/Seelmann-Eggebert, in: Dauses, E. V, Rdnr. 103; Trafkowski, S. 34.

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

zeiten in ihren Programmen.68 Maßgeblich ist der sog. Tausenderpreis (d. i. der Preis, um mit einer Werbesendung 1000 Zuschauer/Hörer zu erreichen69), der mit der Attraktivität des Programms steigt und fällt. Deswegen besteht ein enger Zusammenhang zwischen dem Werbemarkt und dem publizistischen Wettbewerb.70 Die Konkurrenz auf dem Rundfunkwerbemarkt ist jedenfalls in Deutschland zugunsten der Privaten verschoben, da für öffentlich-rechtliche Veranstalter umfassende Werbebeschränkungen gelten.71 Trotzdem fordert, wie bereits erwähnt, u. a. die Monopolkommission seit geraumer Zeit ein Werbeverbot für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.72 Das Bundeskartellamt grenzt außerdem in sachlicher Hinsicht getrennte, aber benachbarte Märkte für Fernsehund Hörfunkwerbung ab, während es in räumlicher Hinsicht zwischen lokalen, regionalen und überregionalen Hörfunk- und Fernsehwerbemärkten unterscheidet.73 Diese Unterscheidung hat die Kommission auch auf der europäischen Ebene getroffen,74 eine darüber hinausgehende, thematische Eingrenzung wie z. B. einen eigenen Werbemarkt für Kinderprogramme jedoch abgelehnt.75 Als eigenständigen Markt betrachtet die Kommission außerdem den Markt für die Vermarktung von Fernsehwerbezeiten.76 Innerhalb des Werbemarktes berücksichtigt die Kommission teilweise auch die Zuschaueranteile der betreffenden Sender, da ein höherer Zuschaueranteil i. d. R. auch zu einem höheren Werbeaufkommen führen wird.77 In ihrer Ent68 Vgl. Entscheidung IV/M.489 (Bertelsmann/News International/Vox), Rdnr. 17; Entscheidung IV/M.525 (VOX II), Rdnr. 16; Entscheidung IV/M.566 (CLT/Disney/ Super RTL), Rdnr. 14; Entscheidung IV/M.553 (RTL/Veronica/Endemol) Rdnr. 22 f.; Entscheidung IV/M.655 (Canal+/UFA/MDO), Rdnr. 9; Entscheidung IV/M.810 (n-tv), Rdnr. 9; Entscheidung IV/M. 779 (Bertelsmann/CLT), Rdnr. 13 ff., 19 (zum Hörfunkwerbemarkt); Entscheidung IV/M.878 (RTL 7), Rdnr. 7; Entscheidung IV/M. 1574 (Kirch/Mediaset), Rdnr. 11; Entscheidung IV/M.1889 (CLT-UFA/Canal+/VOX), Rdnr. 12; Entscheidung COMP/M.1958 (Bertelsmann/GBL/Pearson TV), Rdnr. 10. 69 Vgl. Mailänder, S. 146. 70 Vgl. Entscheidung 37.576 (UEFA-Übertragungsregelung), Rdnr. 37 ff.; Ablasser, S. 132 m. w. N. 71 s. o. B. III. 6. b) dd) (3); dies erkennt auch die Kommission in ihrer unveröffentlichten Entscheidung IV/36.522 (VPRT ./. ARD und ZDF), sub IV, ausdrücklich an. 72 Vgl. Hauptgutachten 1990/91, Tz. 802 ff.; Hauptgutachten 1996/97, Tz. 510. 73 Vgl. Parlasca, WuW 1994, 210 (215) m. w. N. 74 Vgl. Entscheidung IV/M.176 (Sunrise), Rdnr. 25 („Television advertising has different characteristics from other media . . .“), Rdnr. 26 ff. (zu regionalen Werbemärkten); Entscheidung IV/M.489 (Bertelsmann/News International/Vox), Rdnr. 17; Entscheidung IV/M. 779 (Bertelsmann/CLT), Rdnr. 14; Entscheidung IV/M.1574 (Kirch/ Mediaset), Rdnr. 11. 75 Vgl. Entscheidung IV/M.566 (CLT/Disney/Super RTL), Rdnr. 14 ff.; vgl. auch Trafkowski (S. 37 f.), der sich dafür ausspricht getrennte Märkte für Werbung in Vollund in Spartenprogrammen anzunehmen. 76 Vgl. Entscheidung IV/M.1574 (Kirch/Mediaset), Rdnr. 12 f.; Entscheidung IV/ M.999 (CLT-UFA/Havas Intermédiation), Rdnr. 8. 77 Vgl. Entscheidung IV/M.553 (RTL/Veronica/Endemol), Rdnr. 20 f., 31 ff.

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scheidung zum kartellrechtlichen Teil des Streits um die öffentlich-rechtlichen Spartenprogramme Phönix und Kinderkanal hat sie es jedoch wegen der für die öffentlich-rechtlichen Sender in Deutschland geltenden Werbebeschränkungen ausdrücklich abgelehnt, zur Bestimmung von deren Stellung auf dem Werbemarkt den Zuschaueranteil zugrundezulegen.78 d) Rechtemarkt Auf dem Rechtemarkt konkurrieren die Veranstalter um Übertragungsrechte an Programminhalten. Die EU-Kommission unterscheidet Teilmärkte für verschiedene Programme, etwa für Spielfilme,79 für unabhängige Produktionen,80 für Sportübertragungen,81 für Dokumentarfilme etc.82 Hinsichtlich der Filmrechte wird nach solchen für Free-TV, Pay-TV und Pay-per-View unterschieden.83 Außerdem trennt die Kommission zwischen einem Markt für sendereigene Programmproduktion und einem Markt für die Programmproduktion unabhängiger Produzenten.84 Im Pay-TV-Bereich nimmt die Kommission einen eigenständigen Markt auch für die Vermarktung und kommerzielle Nutzung ganzer Spartenprogramme (z. B. Film- und Sportkanäle) an.85

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Vgl. unveröffentlichte Entscheidung IV/36.522 (VPRT ./. ARD und ZDF), S. 7. Vgl. Entscheidung IV/31.734 (Filmeinkauf deutscher Fernsehanstalten), Rdnr. 22; Entscheidung COMP/JV.37 (BSkyB/Kirch Pay TV), Rdnr. 42 f.; Entscheidung (Bertelsmann/GBL/Pearson TV), Rdnr. 12; Entscheidung COMP/M.2050 (Vivendi/Canal +/Seagram), Rdnr. 17 ff.; Entscheidung IV/36.237 (TPS), Rdnr. 34. 80 Vgl. Entscheidung IV/M.553 (RTL/Veronica/Endemol), Rdnr. 24; Entscheidung IV/M. 779 (Bertelsmann/CLT), Rdnr. 17; Entscheidung IV/M. 1574 (Kirch/Mediaset), Rdnr. 14; Entscheidung (Bertelsmann/GBL/Pearson TV), Rdnr. 11. 81 Vgl. z. B. Entscheidung IV/M.110 (ABC/General des Eaux/Canal +/W. H. Smith TV), Rdnr. 11; Entscheidung IV/M. 779 (Bertelsmann/CLT), Rdnr. 18; Entscheidung COMP/JV.37 (BSkyB/Kirch Pay TV), Rdnr. 42 ff.; Entscheidung IV/36.237 (TPS), Rdnr. 34. In ihrer zweiten Freistellungsentscheidung zugunsten des EBU-Eurovisionssystems hat die Kommission angenommen, es bestünden höchstwahrscheinlich separate Märkte für die Rechte an einigen großen, meist internationalen Sportereignissen (Entscheidung IV/32.150 (Eurovision), ABl. Nr. L 151 vom 24. 06. 2000, S. 18 ff., Rdnr. 43). In der Konsequenz hat die Kommission einen speziellen Markt für FußballÜbertragungsrechte in Entscheidung 37.576 (UEFA-Übertragungsregelung), Rdnr. 24 ff. wegen der besonderen Bedeutung dieser Übertragungen für das Programmimage der Sender angenommen; zu dieser Trennung in verschiedene Sportrechtemärkte Temple Lang, S. 394 f. Faull/Nikpay weisen außerdem zutreffend darauf hin, der Unterschied zwischen Sport- und sonstigen Programmrechten bestünde auch darin, dass Sportrechte „vergänglich“ seien (Rdnr. 11.91; ähnlich Trafkowski, S. 49 m. w. N.). 82 Vgl. Entscheidung IV/32.150 (EBU/Eurovisionssystem), Rdnr. 54; Entscheidung IV/M.566 (CLT/Disney/Super RTL), Rdnr. 14 ff. 83 Vgl. Entscheidung IV/36.237 (TPS), Rdnr. 34 ff.; Faull/Nikpay, Rdnr. 11.76 m. w. N.; Trafkowski, S. 50. 84 Entscheidung RTL/Veronica/Endemol Rdnr. 24, 89 f.; Entscheidung CLT/Bertelsmann, Rdnr. 17 f. 79

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Von besonderer Bedeutung für den gesamten Fernsehbereich sind der Markt für Rechte an Filmen und Serien sowie der Markt für Sportübertragungsrechte. Der Konkurrenzkampf auf diesen beiden Märkten ist besonders intensiv, weil die dort gehandelten Rechte am ehesten hohe Einschaltquoten und damit hohe Werbeeinnahmen garantieren.86 Neben diesen Märkten nimmt die KEK noch eigenständige Märkte für die Programmrechte an Kinderprogrammen und Nachrichtenmaterial an.87 Insgesamt wird sich der Konkurrenzkampf auf diesen Rechtemärkten im Zuge der Digitalisierung sehr wahrscheinlich weiter verschärfen, da mit der Vervielfachung der Übertragungsmöglichkeiten auch das Bedürfnis nach Inhalten wächst.88 e) Märkte für technische und administrative Infrastruktur Die Kommission hat insbesondere in ihren Fusionskontrollentscheidungen im Rundfunkbereich mehrfach auch sachlich relevante Märkte für die technische und administrative Infrastruktur der Programmverbreitung abgegrenzt. So hat sie einen eigenständigen Markt für Dienstleistungen für Pay-TV (Bereitstellung der Decoder, Abwicklung der Zugangskontrollen, Abonnentenverwaltung, Abrechnung),89 einen Markt für Kabelfernsehnetze90 sowie einen Markt für die Bereitstellung von Transponderkapazität für Satellitenfernsehen und damit verbundene Dienstleistungen91 anerkannt. Ob sich diese Trennung nach verschiede85 Vgl. Entscheidung IV/M.1327 (NC/Canal+/CDPQ/Bank America), Rdnr. 15; Entscheidung IV/36.237 (TPS), Rdnr. 37 ff.; Entscheidung IV/36.539 (British Interactive Broadcasting/Open) Rdnr. 28 f.; hierzu Faull/Nikpay, Rdnr. 11.119 ff. 86 Vgl. statt vieler Parlasca, WuW 1994, 210 (215). 87 Vgl. KEK-Konzentrationsbericht 2000, S. 162 ff., 179 ff. 88 So auch Trafkowski, S. 48. 89 Vgl. Entscheidung IV/M.469 (MSG Media Service), Rdnr. 20 ff.; Entscheidung IV/M.993 (Bertelsmann/Kirch/Premiere), Rdnr. 19 ff.; Entscheidung IV/M.1027 (Deutsche Telekom/BetaResearch), Rdnr. 16 ff.; Entscheidung IV/36.237 (TPS), Rdnr. 32 f.; Entscheidung IV/36.539 (British Interactive Broadcasting/Open) Rdnr. 30 ff. Vgl. auch Entscheidung IV/M.490 (Nordic Satellite Distribution), Rdnr. 58 ff., wo die Kommission einen eigenständigen Markt annimmt für die Verteilung von Pay-TV und anderen verschlüsselten Fernsehprogrammen an direktempfangende Haushalte. 90 Vgl. Entscheidung IV/M.469 (MSG Media Service), Rdnr. 39 ff.; Entscheidung IV/M.490 (Nordic Satellite Distribution), Rdnr. 61 ff.; Entscheidung IV/M.865 (Cable & Wireless/Nynex/Bell Canada), Rdnr. 27 (identische Formulierung Entscheidung IV/ M.853 (Bell Cable Media/Cable & Wireless/Videotron), Rdnr. 25 f.); Entscheidung IV/M.1027 (Deutsche Telekom/BetaResearch), Rdnr. 19 ff.; Entscheidung COMP/ JV.46 (Blackstone/CDPQ/Kabel NRW), Rdnr. 21 ff.; Entscheidung COMP/M.2652 (Blackstone/CDPQ/Deteks NRW) Rdnr. 9; Entscheidung COMP/JV.50 (Blackstone/ CDPQ/Kabel BW), Rdnr. 20 ff.; Entscheidung COMP/M.2643 (Blackstone/CDPQ/Deteks BW) Rdnr. 9. 91 Vgl. Entscheidung IV/M.490 (Nordic Satellite Distribution), Rdnr. 56 f.

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nen Übertragungsarten im Zuge der Konvergenz wird aufrechterhalten lassen,92 hängt davon ab, ob die Rezipienten von den neuen Möglichkeiten, leichter zwischen den Übertragungsarten zu wechseln oder mehre Arten zu nutzen auch Gebrauch machen werden. In ihrer Entscheidungen zum kartellrechtlichen Teil des Streits um die öffentlich-rechtlichen Spartenprogramme Phönix und Kinderkanal hat es die Kommission ausdrücklich abgelehnt, einen eigenständigen „Markt für die Übertragung von Fernsehprogrammen via Kabel“ anzuerkennen, in dem Marktanteile aufgrund der Zahl der belegten Kabelplätze zu bestimmen wären.93 Die Kommission begründet dies damit, dass sich bei der Kabelbelegung jedenfalls in Deutschland nicht Unternehmen im Wettbewerb gegenüberstünden, sondern diese nach öffentlichem Recht durch die Landesmedienanstalten erfolge. Dem kann allerdings nur für analoge Kabelanlagen gefolgt werden. Bei digitalen Kabelanlagen ist, wie dargelegt, das Belegungsmonopol der Landesmedienanstalten durch § 52 Abs. 3 und 4 RStV aufgehoben worden. Jedenfalls bezogen auf den Kabelbereich, der dem Netzbetreiber nach § 52 Abs. 4 Nr. 2 RStV zur freien Verfügung steht, ist es durchaus möglich, einen Markt für Kabelkapazitäten anzunehmen, auf dem sich Netzbetreiber als Anbieter und Diensteanbieter als Nachfrager gegenüberstehen. 5. Räumlich relevanter Markt Die geographische Marktabgrenzung erfolgt in der Gemeinschaftspraxis aufgrund sprachlicher und kultureller Unterschiede im Wesentlichen nach Ländergrenzen oder zumindest nach Sprachräumen.94 Als räumlich relevanter Markt 92 Kritisch zu der Trennung schon unter den jetzigen Bedingungen Trafkowski, S. 53 ff. m. w. N. 93 Vgl. unveröffentlichte Entscheidung IV/36.522 (VPRT ./. ARD und ZDF), sub IV. Unklar insoweit Entscheidung COMP/JV.46 (Blackstone/CDPQ/Kabel NRW), Rdnr. 22, wo die Kommission unter Berufung auf die Entscheidung IV/M.1027 (Deutsche Telekom/BetaResearch), Rdnr. 19 ff. doch von einem eigenständigen Markt für Übertragungskapazitäten im Kabel auszugehen scheint (ebenso Entscheidung COMP/JV.50 (Blackstone/CDPQ/Kabel BW), Rdnr. 20; Entscheidung COMP/M.2643 (Blackstone/CDPQ/Deteks BW), Rdnr. 9; Entscheidung COMP/M.2652 (Blackstone/ CDPQ/Deteks NRW), Rdnr. 9). Dies verwundert um so mehr, als es in der Entscheidung IV/M.1027 (Deutsche Telekom/BetaResearch) Rdnr. 19 ff. gerade nicht um einen Markt für Übertragungskapazitäten im Kabel, sondern um einen Markt für Kabelnetze ging. 94 Vgl. Entscheidung IV/M.110 (ABC/General des Eaux/Canal +/W. H. Smith TV), Rdnr. 11 und 12; Entscheidung IV/M.410 (Kirch/Richemont/Telepiu), Rdnr. 17; identische Formulierung in Entscheidung IV/M.584 (Kirch/Richemont/Multichoice/ Telepiu), Rdnr. 17; Entscheidung IV/M.489 (Bertelsmann/News International/Vox), Rdnr. 20; Entscheidung IV/M.566 (CLT/Disney/Super RTL), Rdnr. 17 ff.; Entscheidung IV/M.655 (Canal+/UFA/MDO), Rdnr. 10; Entscheidung IV/M.810 (n-tv), Rdnr. 10; Entscheidung IV/M. 779 (Bertelsmann/CLT), Rdnr. 120 ff.; Entscheidung IV/

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

wird also z. B. das Gebiet von Deutschland und Österreich95 oder der gesamte deutschsprachige Raum (zusätzlich die deutschsprachigen Teile Belgiens und der Schweiz, Luxemburg)96 angenommen. Im Fall Nordic Satellite Distribution wurde als räumlich relevanter Markt für die Bereitstellung von Satellitentransponderkapazitäten der Bereich der nordeuropäischen Länder abgegrenzt, also ein aus mehreren Sprachräumen bestehender Markt.97 Diese Abgrenzung bildet dennoch keine Ausnahme vom Grundsatz der sprachbezogenen Abgrenzung räumlicher Märkte in der Medienfusionskontrolle, denn ein eigenständiger „nordischer Markt“ wird nur in technischer Hinsicht, bezogen auf den „footprint“ der genutzten Satelliten,98 nicht hinsichtlich der übertragenen Inhalte angenommen.99 Im Fall RTL/Veronica/Endemol wurde wegen kultureller Unterschiede und unterschiedlicher Wettbewerbsbedingungen trotz sprachlicher Gemeinsamkeiten kein einheitlicher Markt für Fernsehsendungen, -werbung und unabhängige TV-Produktionen zwischen den Niederlanden und dem belgischen Teil Flanderns angenommen.100 Dass das gesamte Gemeinschaftsgebiet räumlich relevanter Markt sein könnte, hat die Kommission entgegen ihrer Entscheidungspraxis in anderen Wirtschaftsbereichen lediglich in Bezug auf den Markt für die Rechte an internationalen Sportveranstaltungen wie den olympischen Spielen erwogen. Letztlich hat sie diese Frage jedoch offengelassen.101

M.865 (Cable & Wireless/Nynex/Bell Canada), Rdnr. 31 ff. (identische Formulierung Entscheidung IV/M.853 (Bell Cable Media/Cable & Wireless/Videotron), Rdnr. 31 ff.); Entscheidung IV/M.887 (Castle Tower/TDF/Candover Berkshire-HSCo), Rdnr. 7; Entscheidung IV/M.993 (Bertelsmann/Kirch/Premiere), Rdnr. 23 ff.; Entscheidung IV/M. 1574 (Kirch/Mediaset), Rdnr. 16 f.; Entscheidung IV/M.999 (CLT-UFA/Havas Intermédiation), Rdnr. 10; Entscheidung COMP/JV.37 (BSkyB/Kirch Pay TV), Rdnr. 28 f, Rdnr. 45 f., 41, 45 f.; Entscheidung (Bertelsmann/GBL/Pearson TV), Rdnr. 13 f.; Entscheidung COMP/M.2050 (Vivendi/Canal +/Seagram), Rdnr. 17, 20; Entscheidung COMP/M.2211 (Universal Studio Networks/De Facto 829 (NTL)/Studio Channel Limited), Rdnr. 19 ff.; Entscheidung 37.576 (UEFA-Übertragungsregelung), Rdnr. 44 f.; Entscheidung COMP/JV.46 (Callahan Invest/Kabel NRW), Rdnr. 26 ff.; Entscheidung COMP/M.2652 (Blackstone/CDPQ/Deteks NRW) Rdnr. 10; Entscheidung COMP/JV.50 (Callahan Invest/Kabel BW), Rdnr. 25 ff.; Entscheidung COMP/ M.2643 (Blackstone/CDPQ/Deteks BW) Rdnr. 10; Entscheidung IV/36.237 (TPS), Rdnr. 40 ff.; Entscheidung IV/36.539 (British Interactive Broadcasting/Open) Rdnr. 40 ff. 95 Entscheidung IV/M.469 (MSG Media Service), Rdnr. 51. 96 Entscheidung 1999/153/EG, ABl. Nr. L 53/1 vom 27. 02. 1999 (Bertelsmann/ Kirch/Premiere) Rdnr. 22 ff. 97 Entscheidung IV/M.490 (Nordic Satellite Distribution), Rdnr. 65 ff. 98 Vgl. Frey, S. 181. 99 Soweit es um Inhalte geht, werden auch hier nationale Märkte angenommen; vgl. Entscheidung IV/M.490 (Nordic Satellite Distribution), Rdnr. 72 f. und 78. 100 Entscheidung IV/M.553 (RTL/Veronica/Endemol) Rdnr. 26 ff. 101 Vgl. Entscheidung COMP/JV.37 (BSkyB/Kirch Pay TV), Rdnr. 46.

V. Duales Rundfunksystem und europäisches Wettbewerbsrecht

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6. Art. 81 EG Das Kartellverbot des Art. 81 EG hat für den Rundfunkbereich, verglichen mit der Fusionskontrolle, in der Kommissionspraxis bisher eine eher geringe Rolle gespielt: a) Der Streit um den Sportrechteerwerb im Rahmen der EBU Seit nun schon mehr als zehn Jahren beschäftigt die Kommission und die Gemeinschaftsgerichte eine Freistellung nach Art. 81 Abs. 3 EG, die die Kommission am 11. 06. 1993 der EBU für den gemeinsamen Sportrechteerwerb ihrer Mitglieder und den Austausch von Sportprogrammen innerhalb der Eurovision gewährt hatte:102 Diese Freistellung erfolgte unter der Auflage, dass die EBU Dritten Unterlizenzen für gemeinsam erworbene Sportrechte einräumen und die Kommission über alle Änderungen und die Anwendung der betreffenden Regeln umfassend informieren müsse. Begründet wurde die Entscheidung u. a. damit, dass zwar der Wettbewerb zwischen den EBU-Mitgliedern eingeschränkt werde, weil diese bei den Verhandlungen um die Rechte nicht in Konkurrenz zueinander treten dürften.103 Außerdem werde der Wettbewerb zwischen EBU- und Nicht-EBUMitgliedern dadurch verfälscht, dass letztere nicht an der Rationalisierung und Kostenersparnis im Rahmen der Eurovision teilnehmen könnten, und dadurch, dass die EBU-Mitglieder durch ihr gemeinsames Auftreten erhebliche Marktmacht besäßen.104 Dennoch seien aber die Voraussetzungen des Art. 81 Abs. 3 EG gegeben, da die angegriffenen Verhaltensweisen kleineren EBU-Mitgliedern und dem Entstehen eines gemeinsamen europäischen Fernsehmarktes nützten.105 Davon profitiere der Zuschauer, da ihm mehr und qualitativ bessere Sportprogramme geboten würden. Für die Erreichung dieser Ziele seien die betreffenden Verhaltensweisen unerläßlich. Dies gelte insbesondere auch für die Beschränkung der EBU-Mitgliedschaft auf Anstalten mit öffentlichem Programmauftrag106 und flächendeckender Versorgung.107 Das auf Gegenseitigkeit und Solidarität basierende Eurovisionssystem sei nur mit von Kosten- und Einnahmeüberlegungen unabhängigen Anstalten durchführbar. 102 Entscheidung IV/32.150 (EBU/Eurovisionssystem), ABl. Nr. L 179 vom 22. 07. 1993, S. 23 ff. Beantragt worden war die Freistellung am 03. 04. 1989. Umfassend hierzu Zeller, S. 258 ff. 103 Rdnr. 47 ff. der Entscheidung. Diese Feststellung ist, wie die Kommission selbst bemerkt (Rdnr. 48), nicht unproblematisch, denn Rundfunkveranstalter, die in unterschiedlichen geographischen Märkten aktiv sind, stehen prinzipiell nicht im Wettbewerb miteinander. Da es jedoch Mitgliedstaaten gibt, in denen zwei oder mehr EBUMitglieder existieren, lässt sich eine Wettbewerbsverfälschung zumindest insoweit bejahen (vgl. hierzu auch Faull/Nikpay, Rdnr. 11.98, 11.104). 104 Rdnr. 50 ff. der Entscheidung. 105 Rdnr. 58 ff. der Entscheidung.

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

Auf Klage privater Fernsehveranstalter108 erklärte das EuG die Entscheidung u. a. deswegen für nichtig, weil die Voraussetzungen des Art. 81 Abs. 3 EG von der Kommission nicht ausreichend geprüft worden seien.109 Die Regeln zum Erwerb der Mitgliedschaft in der EBU gemäß Art. 3 Abs. 3 der Satzung der EBU, nach denen nur Rundfunkanstalten Mitglied werden können, die verpflichtet sind, sämtliche Einwohner ihres Landes zu versorgen, ein vielseitiges und ausgewogenes Programm für alle Bevölkerungsschichten anzubieten und die einen wesentlichen Teil der ausgestrahlten Programme selbst produzieren, seien nicht hinreichend bestimmt und transparent. Daher habe die Kommission auch nicht annehmen dürfen, dass durch diese Regeln i. S. d. Art. 81 Abs. 3 EG unerläßliche Wettbewerbsbeschränkungen verursacht würden.110 Außerdem kritisierte das EuG, dass die Kommission die Tatsache, dass die EBU-Mitglieder eine besondere, im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe zu erfüllen hätten, zu einem grundlegenden Gesichtspunkt ihrer Freistellungsentscheidung gemacht habe.111 Derartige Erwägungen dürfe die Kommission grundsätzlich nur bei der Prüfung des Art. 86 Abs. 2 EG anstellen. Im Rahmen des Art. 81 Abs. 3 EG könne die Kommission auf die öffentliche Aufgabe der betreffenden Rundfunkveranstalter höchstens bei einer Gesamtabwägung, in jedem Fall jedoch nur dann Bezug nehmen, wenn sie die Voraussetzungen des Art. 81 Abs. 3 EG auf der Grundlage eines Mindestmaßes an konkreten wirtschaftlichen Daten sorgfältig und unparteiisch geprüft habe.112 Diese Entscheidung des EuG hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck: Einerseits ist es zu begrüßen, dass das Gericht eine hinreichend exakte Prüfung der Voraussetzungen der Wettbewerbsvorschriften verlangt, denn dies dient der Rechtssicherheit, die gerade im sensiblen Bereich des Rundfunks vonnöten ist. Werden die Maßstäbe der Art. 81 Abs. 3, 86 Abs. 2 EG im Rundfunkbereich aufgeweicht,113 besteht die Gefahr, dass die Kommission in ihren wettbewerbsrechtlichen Entscheidungen in unzulässiger Weise Rundfunkpolitik betreibt. An106 Bemerkenswerter Weise setzt sich die Kommission in der Entscheidung mehrfach mit dem am Ziel der Meinungsvielfalt orientierten Programmauftrag der EBUMitglieder auseinander (vgl. Rdnr. 5, 13, 19, 72 ff.). 107 Rdnr. 72 ff. der Entscheidung. 108 Diesen war die Aufnahme in die EBU mehrfach verweigert worden, obwohl die EBU durchaus auch Privatsender (insbesondere Canal + und TF 1) als Mitglieder hat. 109 Verb. Rs. T-528/93, T-542/93, T-543/93 und T-546/93, Slg. 1996, S. II-649 Rdnr. 93 ff. der Entscheidung. 110 Verb. Rs. T-528/93, T-542/93, T-543/93 und T-546/93, Slg. 1996, S. II-649 Rdnr. 95 ff. der Entscheidung. 111 Verb. Rs. T-528/93, T-542/93, T-543/93 und T-546/93, Slg. 1996, S. II-649 Rdnr. 114 ff. der Entscheidung; hierzu Zeller, S. 274 f. 112 Verb. Rs. T-528/93, T-542/93, T-543/93 und T-546/93, Slg. 1996, S. II-649 Rdnr. 120 ff. der Entscheidung. 113 Hiergegen auch Temple Lang, S. 408; allgemein auch Frey, S. 120.

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dererseits folgt, wie bereits dargelegt [B. V. 3. a)], aus Art. 151 Abs. 4 EG und aus Art. 6 Abs. 3 EU, dass die Kommission dem öffentlichen Auftrag des Rundfunks bei ihren Entscheidungen in jedem Fall Rechnung tragen muss. Dies scheint das EuG zu verkennen.114 Im Ergebnis wird man dem EuG jedoch darin zustimmen können, dass ein Abstellen auf den öffentlichen Auftrag nur dort in Betracht kommen kann, wo sich nicht allein durch exakte und unparteiische Prüfung der Voraussetzungen der Art. 81 ff. EG Ergebnisse erzielen lassen, die den Wettbewerb im Binnenmarkt hinreichend schützen und zugleich die Erfüllung des Auftrages nicht wesentlich erschweren oder unmöglich machen. Am 10. 05. 2000 erließ die Kommission in dieser Sache eine erneute Freistellungsentscheidung,115 allerdings auf der Grundlage 1998 geänderter und wesentlich präziser gefasster Satzungsbestimmungen der EBU über die Voraussetzungen einer aktiven Mitgliedschaft.116 Die Freistellung wurde unter der Bedingung gewährt, dass der gemeinsame Rechteerwerb nur im Rahmen von Verträgen stattfindet, die der EBU und ihren Mitgliedern erlauben, Dritten Zugang zu den betreffenden Rechten zu verschaffen. Die Kommission bestätigte in tatsächlicher Hinsicht weitgehend ihre Entscheidung von 1993, trug jedoch der Entwicklung auf den Märkten für Sportrechte Rechnung, die durch das Erstarken kommerzieller Sender und einen intensiven Preiskampf geprägt war.117 Sie setzte sich ferner mit den 1996 und 1998 geänderten Regeln über die Mitgliedschaft in der EBU und dem erwähnten Urteil des EuG auseinander, und kam zum Ergebnis, diese EBU-Regeln stellten jedenfalls nicht eo ipso einen Verstoß gegen Art. 81 Abs. 1 EG dar.118 Auffällig war, dass die Kommission sich nicht mehr mit dem öffentlichen Auftrag der EBU-Mitglieder befasste, geschweige denn mit Art. 86 EG oder dem Rundfunkprotokoll. Insoweit fügte sie sich also vollständig, wenn nicht zu weitgehend den Vorgaben des EuG. Andererseits war die Grundlage an konkreten wirtschaftlichen Daten, auf die die Kommission 114

Kritisch auch Ladeur, WuW 2000, 965 (971); Roider, S. 260 f. ABl. Nr. L 151/18 vom 24. 06. 2000. 116 Vgl. Rdnr. 9 der Entscheidung. In diesen verbindlichen Regeln zur Auslegung des Art. 3 Abs. 3 der Satzung wurde u. a. festgelegt, dass Bewerber um eine Mitgliedschaft mit ihrem wichtigsten Hörfunk- und/oder Fernsehprogramm mindestens von 98% der nationalen Hörfunk- und/oder Fernsehhaushalte in vollständiger Form und technisch zufriedenstellender Qualität empfangbar sein müssen. Außerdem stellte die EBU klar, ein vielfältiges und ausgewogenes Programm für alle Teile der Bevölkerung bedeute im Bezug auf TV-Sportsendungen, dass zwischen 7.00 und 1.00 Uhr jährlich mindestens 200 Stunden Sportsendungen aus mindestens 12 verschiedenen Sportarten übertragen werden. Ferner müssten EBU-Mitglieder mit eigenen Mitteln und unter direkter eigener Kontrolle mindestens 30% ihres gesamten gesendeten Programms produzieren; vgl. zum derzeit gültigen Wortlaut der Regelungen: http://www.ebu.ch/ leg_membership.html. 117 Vgl. Rdnr. 50 ff., insbesondere Rdnr. 55 ff. 118 Vgl. Rdnr. 66 ff. mit dem Argument, Art. 81 EG könne keine Pflicht für Verbände wie die EBU begründen, gegen ihren Willen Mitglieder aufzunehmen, zumal Dritte ähnliche Verbände gründen könnten. 115

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ihre Entscheidung stützte, ähnlich dünn wie in der ersten Freistellungsentscheidung. Konkret nachgewiesen wurde lediglich der enorme Anstieg der Preise, die die EBU für die europaweiten Rechte an den olympischen Spielen gezahlt hatte,119 sowie die Tatsache, dass die EBU Rechte an zahlreichen Sportveranstaltungen an die privatwirtschaftliche Konkurrenz verloren hat.120 Gerade bei der vom EuG betonten Frage der Unerläßlichkeit der Wettbewerbsbeschränkungen i. S. d. Art. 81 Abs. 3 EG fehlte ein Bezug auf wirtschaftliche Daten erneut.121 Auch diese Entscheidung hat das EuG mittlerweile für nichtig erklärt.122 Das Gericht stellte fest, dass das Eurovisionssystem bzw. die Ausübung der im Rahmen dieses Systems von den Mitgliedern erworbenen Übertragungsrechte zu erheblichen Wettbewerbsbeschränkungen führe, die gemeinschaftsrechtlich nicht zu rechtfertigen seien. Dies gelte für die „Fernsehmärkte“, den Markt für Sponsoring und den Werbemarkt. Die Unterlizenzregelungen könnten diese Beschränkungen u. a. deshalb nicht rechtfertigen, weil die EBU-Mitglieder bei Ereignissen mit mehreren Wettbewerben die Vergabe einer Unterlizenz selbst dann vollständig verweigern könnten, wenn sie selbst nicht alle, sondern nur die Mehrheit der Wettbewerbe direkt übertragen wollten.123 Das gesamte Verfahren ist von einiger Bedeutung für das duale Rundfunksystem, auch in Deutschland. Ohne das System des Sportrechteerwerbs und -austausches innerhalb der EBU wäre es für öffentlich-rechtliche Veranstalter angesichts des enorm hohen Preisniveaus auf diesem Markt124 nur schwer möglich, die betreffenden Rechte zu erwerben. Wegen des großen Interesses der Zuschauer an der Berichterstattung über Sportveranstaltungen sind diese Rechte jedoch entscheidend für die Erfüllung des Auftrages des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in den Mitgliedstaaten.125

119 Anhang IV der Entscheidung. Hiernach bezahlte die EBU z. B. für die Rechte an den Sommerspielen 1984 nominal 22 Mio. US$, für die Rechte an den Spielen 2008 443 Mio. US$. 120 Rdnr. 54 ff. der Entscheidung. 121 Vgl. Rdnr. 94 ff.; Verb. Rs. T-528/93, T-542/93, T-543/93 und T-546/93, Slg. 1996, S. II-649 Rdnr. 118 ff. der Entscheidung. 122 Rs. T-185, 216, 299 und 300/00 (M6), Slg. 2002, S. II-3805 ff.; z. T. abgedruckt in ZUM 2002, 910 ff. m. Anm. Frey. 123 Rs. T-185, 216, 299 und 300/00 (M6), Slg. 2002, S. II-3805 ff., Rdnr. 70 ff. des Urteils. 124 Vgl. hierzu KEK-Konzentrationsbericht 2000, S. 179 f. m. w. N.; Zeller, S. 206 ff. 125 Auch die Kommission erkennt an, dass Sportübertragungen (zumindest bei internationalen Veranstaltungen) Bestandteil des Auftrages der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sind; vgl.: IV/32.524 (Screensport/EBU), Rdnr. 35; IV/32.150 (EBU/Eurovisionssystem), Rdnr. 13.

V. Duales Rundfunksystem und europäisches Wettbewerbsrecht

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b) Sonstige Entscheidungen nach Art. 81 EG aa) Schwerpunktmäßig öffentlich-rechtlicher Rundfunk betroffen Neben dem Verfahren um das Eurovisionssytem hat sich die Kommission noch in einigen anderen Fällen mit dem Verhalten der öffentlich-rechtlichen Veranstalter auf den Programmbeschaffungsmärkten auseinandergesetzt,126 so insbesondere mit dem Filmeinkauf der ARD.127 Diese hatte sich Exklusivrechte für 15 Jahre an zahlreichen schon produzierten und noch zu produzierenden amerikanischen Spiel- und Zeichentrickfilmen gesichert. Die Kommission erteilte eine Freistellung nach Art. 81 Abs. 3 EG erst, nachdem die ARD zugesagt hatte, die Zugangsmöglichkeiten für Dritte zu den Senderechten zu erweitern. Diese Entscheidung ist deswegen interessant, weil die Kommission feststellt, die Einräumung eines Exklusivrechts an Programminhalten verstieße nicht per se gegen Art. 81 Abs. 1 EG, wohl aber, wenn die Zahl der exklusiv übertragenen Rechte unangemessen hoch und die Vertragslaufzeit unangemessen lang sei.128 Außerdem setzt sich die Kommission auch in dieser Entscheidung mit dem Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auseinander.129 1991 hat die Kommission das sog. Eurosport-Konsortium (aus Unternehmen der Sky-Gruppe (Tochtergesellschaft von Rupert Murdochs „News Corporation“) und EBU-Mitgliedern) als Gemeinschaftsunternehmen angesehen, das gegen Art. 81 Abs. 1 EG verstößt.130 Die FKVO war in ihrer damals geltenden Fassung unanwendbar, da sie die Gründung „kooperativer“ Gemeinschaftsunternehmen, also solcher, deren Gründung zugleich die Koordinierung des Wettbewerbsverhaltens unabhängig bleibender Unternehmen bezweckt oder bewirkt, nicht erfasste.131 Eine Freistellung nach Art. 81 Abs. 3 EG wurde abgelehnt.132 Im Zusammenhang mit der Phönix/Kinderkanal Entscheidung ist die Frage aufgetreten, in wieweit die Zusammenarbeit zwischen ARD und ZDF (z. B. zur

126 Näher Holznagel, Europa, S. 166 ff.; Dörr/Beucher/Eisenbeis/Jost, S. 94 ff.; Engel/Seelmann-Eggebert, in: Dauses, E. V, Rdnr. 108 ff. 127 IV/31.734 (Filmeinkauf deutscher Fernsehanstalten); ausführlich hierzu Faull/ Nikpay, Rdnr. 11.81 ff. 128 Rdnr. 41 ff. der Entscheidung; zu einem ähnlichen Fall vgl. Entscheidung IV/ 36.237 (TPS), Rdnr. 134. 129 Rdnr. 38 ff. der Entscheidung. 130 IV/32.524 (Screensport/EBU), Rdnr. 50 ff.; auch in dieser Entscheidung hat sich die Kommission mit dem öffentlichen Auftrag der öffentlich-rechtlichen Veranstalter auseinandergesetzt (Rdnr. 34 ff., 58, 69); vgl. zu dieser Entscheidung: Temple Lang, S. 433; Zeller, S. 249 ff. 131 Hierzu Frey, S. 164 ff. m. w. N. 132 Rdnr. 70 ff. der Entscheidung; vgl. auch XXI. Bericht über die Wettbewerbspolitik, 1991, Rdnr. 77 ff.

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

Veranstaltung von Spartenprogrammen) der Kontrolle nach Art. 81 EG unterliegt:133 Soweit diese Zusammenarbeit gesetzlich vorgeschrieben ist und nicht lediglich ermöglicht wird, kommt ein Verstoß gegen Art. 81 EG nicht in Betracht, denn Art. 81 EG setzt ein freiwilliges Handeln der Unternehmen voraus.134 In derartigen Fällen wäre höchstens ein Verstoß der Bundesrepublik gegen Art. 81 i.V. m. 10 Abs. 2 EG bzw. gegen Art. 86 Abs. 1 EG denkbar.135 Es ist aber zu berücksichtigen, dass das Rundfunkprotokoll die Befugnis der Mitgliedstaaten betont, den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks festzulegen und auszugestalten. Dies heißt zwar nicht, dass die Mitgliedstaaten bei der Ausgestaltung des Auftrages gegen Art. 81 EG verstoßen dürfen. Vorschriften zur Festlegung und Ausgestaltung des Rundfunkauftrages können jedoch nicht in gleich strenger Weise wie sonstiges mitgliedstaatliches Recht an Art. 81 i.V. m. 10 Abs. 2 EG bzw. Art. 86 Abs. 1 EG gemessen werden, denn andernfalls vernachlässigte man die hohe Bedeutung, die das Rundfunkprotokoll der Erfüllung des Rundfunkauftrages beimisst. Letztlich wird man daher annehmen müssen, dass mitgliedstaatliche Vorschriften zur Festlegung und Ausgestaltung des Rundfunkauftrages nur einer Evidenzkontrolle durch die Kommission nach Art. 81 i.V. m. 10 Abs. 2 EG bzw. Art. 86 Abs. 1 EG unterliegen. Für die freiwillige Zusammenarbeit von ARD und ZDF gilt Art. 81 EG grundsätzlich in vollem Umfang, allerdings greift er nicht schon dann ein, wenn diese Zusammenarbeit Wettbewerbsvorteile verschafft.136 Neben dem auch hier zu berücksichtigenden Einfluss des Rundfunkprotokolls ist v. a. Art. 86 Abs. 2 EG zu beachten. Eine Kontrolle der Zusammenarbeit von ARD und ZDF nach Art. 81 EG darf daher die Erfüllung des Rundfunkauftrages nicht wesentlich erschweren oder unmöglich machen. Auch wenn die Entscheidungspraxis der Kommission nach Art. 81 EG somit vielfach das Verhältnis der öffentlich-rechtlichen zu den privaten Veranstaltern zum Gegenstand hatte, hat sich die Kommission insgesamt nur selten mit dem Auftrag der öffentlich-rechtlichen Veranstalter zum Schutz der Meinungsvielfalt auseinandergesetzt.137 Dies verwundert auf den ersten Blick, hält man sich die Betonung der Wichtigkeit dieses Auftrages durch das Rundfunkprotokoll vor 133 Vgl. Dörr, Spartenprogramme, S. 66 ff.; unveröffentlichte Entscheidung IV/ 36.522 (VPRT ./. ARD und ZDF) sub IV; zu einem ähnlichen Fall betreffend die Zusammenarbeit von France 2 und France 3 (IV/C-2/34.711): XXIX. Bericht über die Wettbewerbspolitik, S. 188. 134 Vgl. Stockenhuber, in: Grabitz/Hilf, Art. 81 EG Rdnr. 118 m. w. N.; zu Art. 19 Abs. 2 RStV unter diesem Gesichtspunkt: Dörr, Spartenprogramme, S. 66 ff. 135 Statt vieler Weiß, in: Calliess/Ruffert, Art. 81 EG Rdnr. 14 m. w. N. 136 So ausdrücklich die Kommission in der unveröffentlichten Entscheidung IV/ 36.522 (VPRT ./. ARD und ZDF), sub IV. 137 Dazu Holznagel, Europa, S. 171 f.

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Augen. Zu bedenken ist jedoch zweierlei: Einerseits sind bis auf die zweite Freistellungsentscheidung zugunsten der EBU alle dargestellten Entscheidungen vor Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrages (also auch vor Inkrafttreten des Rundfunkprotokolls) ergangen. Zum anderen hat das EuG in seiner Entscheidung zur ersten Freistellungsentscheidung zugunsten der EBU im Ergebnis zurecht klargemacht, dass die Kommission sich auf den öffentlichen Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks grundsätzlich nur dann berufen darf, wenn alle anderen Mittel ausgeschöpft sind, um ein wirtschaftsrechtlich klares und, gemessen an Art. 86 Abs. 2 EG, zulässiges Ergebnis zu erzielen. Ein solcher Fall wird selten vorkommen. bb) Schwerpunktmäßig privater Rundfunk betroffen Die Kommission hat, gestützt auf Art. 81 EG, auch einige Entscheidungen getroffen, von denen im Schwerpunkt private Veranstalter betroffen waren.138 Soweit ersichtlich wurden allerdings nur zwei dieser Entscheidungen im Wortlaut veröffentlicht.139 Diese sollen im Folgenden im Überblick dargestellt werden: In der Entscheidung TPS überprüfte die Kommission die Gründung der französischen Gesellschaft „Télevision par Satellite“, deren Zweck die Einrichtung und der Betrieb einer digitalen Plattform zur Vermarktung von entgeltlichen Satelliten-Fernsehprogrammen und Bildschirmdiensten in Frankreich war. An dieser Gesellschaft waren neben anderen französischen Firmen aus dem Medienund Telekommunikationssektor auch die öffentlich-rechtlichen Sender France 2 und France 3 beteiligt.140 Die Kommission sah den Tatbestand des Art. 81 Abs. 1 EG durch die Verpflichtung der Gesellschafter, ihre Programme stets zuerst TPS anzubieten, sowie durch das TPS eingeräumte Exklusivrecht zur Ausstrahlung der Vollprogramme von TF 1, France 2 + 3 und M6 als erfüllt an.141 Dennoch wurde eine Freistellung nach Art. 81 Abs. 3 EG erteilt, da sich der Eintritt eines neuen Pay-TV-Anbieters für den Verbraucher in preislicher und programmlicher Hinsicht auszahle,142 und die betreffenden Regelungen unerläßlich seien, um diesen Eintritt wirtschaftlich möglich und TPS in programmlicher Hinsicht konkurrenzfähig zu machen.143

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Vgl. zu Fällen bis 1992 Dörr/Beucher/Eisenbeis/Jost, S. 95 ff. Entscheidung IV/36.237 (TPS), ABl. Nr. L 90 vom 02. 04. 1999, S. 6 ff. und Entscheidung IV/36.539 (British Interactive Broadcasting/Open), ABl. Nr. L 312 vom 06. 12. 1999, S. 1 ff. 140 Vgl. Entscheidung IV/36.237 (TPS), Rdnr. 9 ff. 141 Rdnr. 100 ff. der Entscheidung. Die Vorschriften der FKVO waren demgegenüber nicht einschlägig (vgl. Rdnr. 1 der Entscheidung); näher Trafkowski, S. 127 f. 142 Rdnr. 120 der Entscheidung. 139

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

Die Entscheidung British Interactive Broadcasting/Open ist v. a. deswegen interessant, weil sie sich neben dem Pay-TV Markt und den diesem vorgelagerten Märkten für technisch administrative Infrastruktur und Programmrechte auch mit dem möglicherweise sehr zukunftsträchtigen Markt für digitale interaktive Fernsehdienste befasst.144 Dieser Zusammenschluss wurde von der Kommission an Art. 81 EG gemessen, da es sich bei dem gegründeten Gemeinschaftsunternehmen um ein kooperatives Gemeinschaftsunternehmen handelte, also ein Unternehmen, das i. S. d. Art. 2 Abs. 4 S. 1, 3 Abs. 2 FKVO zwar auf Dauer alle Funktionen einer selbständigen wirtschaftlichen Einheit erfüllt, jedoch zugleich die Koordinierung des Wettbewerbsverhaltens unabhängig bleibender (Gründer-)unternehmen bewirkt. Eine solche Koordinierung befürchtete die Kommission zwischen den Gründerunternehmen British Telecom und BSkyB sowohl auf den Märkten, auf denen das Gemeinschaftsunternehmen selbst aktiv sein sollte, als auch auf benachbarten Märkten wie demjenigen für Video-on-Demand-Unterhaltungsdienste.145 Die Kommission sah Art. 81 Abs. 1 EG zumindest durch die vertragliche Verpflichtung der Gründer, an einem Wettbewerber des Gemeinschaftsunternehmens nicht mehr als 20% Anteile zu haben, als verletzt an,146 erteilte aber dennoch eine Freistellung nach Art. 81 Abs. 3 EG, wenn auch nur unter erheblichen Auflagen,147 um der angesichts der Marktmacht der Gründerunternehmen bestehenden Gefahr einer Ausschaltung des Wettbewerbs auf den betroffenen Märkten vorzubeugen. 7. Art. 82 EG Mit dem Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung im Medienbereich hatte sich in zwei Fällen zwar sogar der EuGH auseinanderzusetzen.148 Die Missbrauchsaufsicht nach Art. 82 EG ist allerdings in jedem Fall erst dann anwendbar, wenn bereits eine marktbeherrschende Stellung vorhanden ist und diese nicht lediglich ausgeübt, sondern spürbar missbraucht wird. Das Entstehen einer marktbeherrschenden Stellung wird i. d. R. allein von der FKVO erfasst. Art. 82 EG greift höchstens dann ein, wenn ein Unternehmen, das bereits eine marktbeherrschende Stellung innehat, diese durch Erwerb eines anderen Unter143 Rdnr. 121 ff. der Entscheidung. Die Dauer der Exklusivrecht reduzierte die Kommission jedoch von zehn auf drei Jahre (Rdnr. 134). 144 Entscheidung IV/36.539 (British Interactive Broadcasting/Open), Rdnr. 2, 11 ff. und 141 ff. 145 Entscheidung IV/36.539 (British Interactive Broadcasting/Open) Rdnr. 139. 146 Entscheidung IV/36.539 (British Interactive Broadcasting/Open) Rdnr. 147 ff.; hierzu Trafkowski, S. 128 f. 147 Entscheidung IV/36.539 (British Interactive Broadcasting/Open), Rdnr. 172 ff. 148 Vgl. Rs. C-241/91 (Magill), Slg. 1995, S. I-743 ff.; Rs. C-7/97 (Oscar Bronner), Slg. 1998, S. I-7791 ff.

V. Duales Rundfunksystem und europäisches Wettbewerbsrecht

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nehmens noch ausbaut.149 Dies erklärt, warum Fälle nach Art. 82 EG generell und damit auch im Rundfunkbereich seltener sind als solche nach Art. 81 EG oder der FKVO. Marktbeherrschende Stellungen150 sind bzw. waren zwar in Deutschland zumindest auf dem Markt für Pay-TV und den ihm vorgelagerten Markt für technische und administrative Dienstleistungen vorhanden, auf denen die KirchGruppe mit ihrem Sender Premiere World von 1999 bis zu ihrer Insolvenz sogar nahezu ein Monopol innehatte,151 und wohl auch auf dem Markt für die Rechte an Kinderprogrammen, auf dem die EM.TV AG bisher klar dominierte152. Ferner ist an die trotz des Markteintritts der Blackstone-Gruppe153 und des Scheiterns des Verkaufs der verbleibenden Teile des Kabelnetze an Liberty Media154 noch immer bedeutende Stellung der Deutschen Telekom auf dem Markt für Kabelfernsehnetze zu denken. Auf dem Werbemarkt existiert demgegenüber keine derartige Position: Die aus der insolventen Kirch-Gruppe hervorgegangene ProSieben-SAT 1-Media AG hatte 2002 einen Marktanteil von 45,57%, konnte den Markt jedoch angesichts des ebenfalls hohen Anteils der RTL-Group (ehemals CLT-UFA) (41,90%) nicht effektiv kontrollieren. Die öffentlich-rechtlichen Veranstalter spielen auf diesem Markt mit zusammen 4,72% Anteil eine nur untergeordnete Rolle.155 Gegen dieses Ergebnis spricht 149 Vgl. statt vieler Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, EG-Wettbewerbsrecht, Bd. 1, Art. 86 EGV Rdnr. 250 ff. 150 Eine solche Stellung hat nach der EuGH-Rechtsprechung ein Unternehmen dann inne, wenn seine Machtstellung es ihm erlaubt, die Aufrechterhaltung wirksamen Wettbewerbs auf dem relevanten Markt zu verhindern, indem sie ihm die Möglichkeit verschafft, sich seinen Konkurrenten, Abnehmern bzw. Verbrauchern gegenüber in nennenswertem Umfang unabhängig zu verhalten; vgl. Weiß, in: Calliess/Ruffert, Art. 82 EG Rdnr. 7 m. w. N. 151 Dieses entstand dadurch, dass die Kirch-Gruppe den Anteil von Bertelsmann an Premiere World bis auf 5% übernahm. Obwohl zuvor EU-Kommission und Bundeskartellamt das Vorhaben von Bertelsmann und Kirch, Premiere World als Gemeinschaftsunternehmen mit je 50% Anteil für beide zu betreiben, untersagt hatten, erhoben sie gegen die besagte Anteilsübernahme keine Einwände. Das Bundeskartellamt begründete dies damit, dass durch die Entstehung des Monopols auf dem Pay-TVMarkt lediglich die ohnehin schon marktbeherrschende Stellung von Premiere World verstärkt werde, im Gegensatz zum Vorhaben, Premiere World als Gemeinschaftsunternehmen von Bertelsmann und Kirch zu betreiben, aber nicht die Gefahr bestünde, dass Bertelsmann und Kirch ihre wettbewerblichen Aktivitäten auch außerhalb des Pay-TVMarktes koordinieren würden; näher: Monopolkommission, Hauptgutachten 1998/99, Rdnr. 613 f. 152 Vgl. KEK-Konzentrationsbericht 2000, S. 162 ff.; KEK-Konzentrationsbericht 2003, S. 192 f. 153 Vgl. Entscheidungen COMP/JV.46 (Blackstone/CDPQ/Kabel NRW); COMP/ JV.50 (Blackstone/CDPQ/Kabel BW); COMP/M.2643 (Blackstone/CDPQ/Deteks BW); COMP/M.2652 (Blackstone/CDPQ/Deteks NRW). 154 Vgl. Entscheidung des Bundeskartellamts Az. B7 – 168/01 vom 22. 02. 2002, abrufbar unter http://www.bundeskartellamt.de/B7-168-01.pdf. 155 Vgl. KEK-Konzentrationsbericht 2003, S. 237.

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

auch nicht die Lage auf dem „Zuschauermarkt“: Der Zuschaueranteil von ARD, ZDF, den Dritten Programmen und den Spartenkanälen der ARD (Phönix und Kinderkanal) zusammen lag 2003 nach Angaben der GfK-Fernsehforschung zwar bei ca. 43%. Dabei ist jedoch zu bedenken, dass sich aus diesen publizistischen nicht zwingend auf die wirtschaftlichen Kräfteverhältnisse schließen lässt; insbesondere deswegen, weil die Dritten Programme der ARD und die Spartenprogramme vollständig werbefrei betrieben werden. Außerdem ist zweifelhaft, ob ARD und ZDF insoweit zusammengerechnet werden dürfen. Der Zuschaueranteil der ARD allein (mit Sparten- und Dritten Programmen) lag bei ca. 30%, der der Kirchgruppe (SAT 1, Pro 7, DSF, Kabel 1 und Premiere World) bei ca. 24%, der der RTL-Group (RTL, RTL 2, Super RTL, VOX) bei ca. 25%.156 Ferner lassen, wie dies auch die Kommission im kartellrechtlichen Teil der Entscheidung zu Phoenix und Kinderkanal angenommen hat, die Werbebeschränkungen zulasten des öffentlichen-rechtlichen Rundfunks daran zweifeln, ob sein Anteil am Werbemarkt überhaupt unter Einbeziehung des Zuschaueranteils bestimmt werden kann.157 Auf dem Werbemarkt existieren somit keine marktbeherrschenden Stellungen. Ähnliches gilt für die Märkte für Programmrechte: Die Kirch-Gruppe hatte auf dem Markt für die Rechte an Filmen und Unterhaltungsprogrammen zwar eine sehr starke Stellung inne. Zumindest die KEK ließ jedoch offen, ob insoweit von einer Marktbeherrschung auszugehen sei.158 Auf dem Sportrechtemarkt konkurrierten bisher vorrangig ISPR (KirchGruppe und Springer-Verlag), UFA-Sports (CLT-UFA) und SportA (ARD und ZDF), ohne dass sich eine marktbeherrschende Stellung einer dieser Agenturen konstatieren ließe.159 Das gleiche gilt für den Markt für TV-Produktionen (Kirch-Gruppe vor Insolvenz 14% Marktanteil, CLT-UFA 10,8% Marktanteil).160 Insgesamt ist wegen dieser Marktstrukturen auf den deutschen Medienmärkten für das Verhältnis der Teilnehmer der deutschen dualen Rundfunkordnung zueinander Art. 82 EG von geringer Bedeutung. Auch für den Schutz des publizistischen Wettbewerbes bzw. der Meinungsvielfalt kann Art. 82 EG wenig be156

Quelle www.kek-online.de/cgi-bin/esc/zuschauer.html#Diagramm. s. o. B. V. 4. c). 158 Vgl. KEK-Konzentrationsbericht 2000, S. 143 ff. (161); für den Bereich der Pay-TV-Rechte nimmt die Kommission allerdings offensichtlich eine Marktbeherrschung der Kirch-Gruppe an. Die betreffende Formulierung in der Entscheidung COMP/JV.37 (BSkyB/Kirch Pay TV), Rdnr. 81 ist allerdings etwas unklar: „By virtue of its dominant position in the pay-TV market, and as indicated by its extensive rights library, Kirch dominates the market für the acquisition of broadcasting rights, in particular for films and sporting events, in Germany.“ 159 Vgl. KEK-Konzentrationsbericht 2000, S. 184; durch die Umstrukturierung in die Gesellschaften ISPR, Infront (ehem. Kirchgruppe) und SPORTFIVE (RTL Group) auf der Seite der privaten Veranstalter hat sich keine wesentliche Änderung ergeben (vgl. KEK-Konzentrationsbericht 2003, S. 211 ff.). 160 Vgl. KEK-Konzentrationsbericht 2000, S. 154. 157

V. Duales Rundfunksystem und europäisches Wettbewerbsrecht

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wirken, da der Meinungsvielfalt schon die Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung schadet.161 Im Zuge der Digitalisierung könnte Art. 82 EG beim Abbau von Gate-keeperPositionen verstärkte Bedeutung erlangen, wenn die sachlich relevanten Märkte für technische und administrative Dienstleistung für digitalen Rundfunk so eng abgegrenzt würden, dass für jede derartige Leistung ein eigenständiger Markt anzunehmen wäre. Bisher betrachtet die Kommission jedoch offenbar den Markt für technische und administrative Dienstleistungen für digitales Fernsehen als einheitlichen Markt.162 Außerdem ist zu bedenken, dass nach Art. 82 EG nur das unzulässige Ausnutzen einer Gate-keeper-Position geahndet, nicht aber die Erlangung einer solchen Position verhindert werden kann. Im Ergebnis wird daher Art. 82 EG wohl auch im Bereich des digitalen Rundfunks in der Praxis eine eher geringe Rolle spielen.163 8. Fusionskontrolle Die Fusionskontrolle nach der FKVO hat im Rundfunkbereich größere Bedeutung erlangt als die Wettbewerbsaufsicht nach Art. 81 und 82 EG: a) Die gemeinschaftsrechtliche Fusionskontrolle Wie bereits angedeutet, dient die gemeinschaftsrechtliche Fusionskontrolle dazu, Schädigungen des Wettbewerbs im gemeinsamen Markt durch Unternehmenszusammenschlüsse von gemeinschaftsweiter Bedeutung zu verhindern.164 Den Begriff des Zusammenschlusses definiert Art. 3 FKVO. Hiernach sind Zusammenschlüsse Fusionen von bisher voneinander unabhängigen Unternehmen (Art. 3 Abs. 1 lit. a) FKVO), der Kontrollerwerb durch Unternehmen oder ein Unternehmen kontrollierende Einzelpersonen über andere Unternehmen oder Teile von diesen (Art. 3 Abs. 1 lit. b), Abs. 3 und 4 FKVO) und die Gründung von Gemeinschaftsunternehmen, die auf Dauer die Funktion einer selbständigen wirtschaftlichen Einheit erfüllen (Art. 3 Abs. 2 FKVO).165

161

So auch Clausen-Muradian, S. 217. Vgl. insbesondere Entscheidung IV/36.539 (British Interactive Broadcasting/ Open), Rdnr. 30 ff. 163 A. A. wohl Trafkowski, S. 135. 164 Vgl. Erwägungsgründe 5 und 9–11 zur FKVO. 165 In einem Fall aus dem Rundfunkbereich hat die Kommission bei der Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 2 und 3 FKVO verneint, weil es an einer dauerhaften gemeinsamen Kontrolle durch die Gründerunternehmen fehle (vgl. Entscheidung IV/M.673 (Channel 5), Rdnr. 8 ff.). 162

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

Anwendbar ist die FKVO nur, wenn der Zusammenschluss i. S. d. Art. 1 FKVO gemeinschaftsweite Bedeutung hat, was von den Umsätzen der beteiligten Unternehmen und dem Ort ihrer Erzielung abhängt. Gemeinschaftsweite Bedeutung wird angenommen: – nach Art. 1 Abs. 2 FKVO, wenn der gemeinsame weltweite Gesamtumsatz aller beteiligten Unternehmen mehr als 5 Mrd. ECU166 beträgt und mindestens zwei der beteiligten Unternehmen einen gemeinschaftsweiten Gesamtumsatz von jeweils 250 Mio. ECU haben, oder – nach Art. 1 Abs. 3 FKVO, wenn der gemeinsame weltweite Gesamtumsatz aller beteiligten Unternehmen mehr als 2,5 Mrd. ECU beträgt, der Gesamtumsatz aller beteiligten Unternehmen in mindestens drei Mitgliedstaaten jeweils 100 Mio. ECU übersteigt, in jedem dieser Mitgliedstaaten der Gesamtumsatz von wenigstens zwei der beteiligten Unternehmen jeweils mehr als 25 Mio. ECU beträgt und der gemeinschaftsweite Gesamtumsatz von mindestens zwei beteiligten Unternehmen jeweils 100 Mio. ECU übersteigt. Selbst, wenn diese Umsatzschwellen überschritten sind, hat ein Zusammenschluss nach Art. 1 Abs. 2 a. E. FKVO und Art. 1 Abs. 3a. E. FKVO keine gemeinschaftsweite Bedeutung, wenn die beteiligten Unternehmen jeweils mehr als zwei Drittel ihres gemeinschaftsweiten Gesamtumsatzes in ein und demselben Mitgliedstaat erzielen.167 Zusammenschlüsse von gemeinschaftsweiter Bedeutung sind nach Art. 4 FKVO bei der Kommission anzumelden. Diese prüft in einem Vorverfahren nach Art. 6 FKVO, ob der Zusammenschluss unter die FKVO fällt und ernsthafte Bedenken gegen seine Vereinbarkeit mit dem gemeinsamen Markt bestehen. Falls derartige Bedenken nicht bestehen oder zumindest durch Änderungen des Zusammenschlussvorhabens auszuräumen sind, erklärt die Kommission den Zusammenschluss für vereinbar mit dem gemeinsamen Markt. Anderenfalls leitet sie nach Art. 6 Abs. 1 lit. c) FKVO das eigentliche Prüfungsverfahren ein. In diesem überprüft sie den Zusammenschluss darauf, ob er eine beherrschende Stellung begründet168 oder verstärkt, durch die wirksamer Wettbewerb im Ge166 ECU und Euro stehen zueinander im Verhältnis 1:1; vgl. Häde, in: Calliess/Ruffert, Art. 123 EG Rdnr. 18. 167 Hierdurch wird das für das Gemeinschaftsrecht grundlegende Element der Grenzüberschreitung betont. Zusammenschlüsse von überwiegend nationaler Bedeutung sollen im Sinne des Subsidiaritätsgrundsatzes der Kontrolle der nationale Wettbewerbsbehörden unterliegen (vgl. Ablasser, S. 62). Dies ist problematisch, da auch bei national wirkenden Zusammenschlüssen „spill-over“ Effekte zulasten des Gemeinsamen Marktes denkbar sind (so auch Ablasser, S. 90), z. B. indem durch die Fusion der Markt des betreffenden Mitgliedstaates dadurch, dass der Marktzutritt Dritter entscheidend erschwert wird, gleichsam vom Gemeinsamen Markt abgekoppelt wird. Derartigen Problemen beugt in gewissem Umfang Art. 22 Abs. 2 FKVO vor (s. u.).

V. Duales Rundfunksystem und europäisches Wettbewerbsrecht

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meinsamen Markt oder einem wesentlichen Teil desselben erheblich behindert wird. Hat ein Zusammenschluss diese Wirkung, ist er nach Art. 2 Abs. 3 i.V. m. 8 Abs. 3 FKVO für unvereinbar mit dem gemeinsamen Markt zu erklären, anderenfalls für vereinbar (Art. 2 Abs. 2 i.V. m. 8 Abs. 2 FKVO). Sofern der Zusammenschluss befürchten lässt, dass er zugleich die Koordinierung des Wettbewerbsverhaltens unabhängig bleibender Unternehmen bezweckt oder bewirkt, misst die Kommission diese Wirkung im Rahmen ihrer Entscheidung an Art. 81 Abs. 1 und 3 EG.169 Außerdem kann die Kommission nach Art. 8 Abs. 2 UAbs. 2 S. 2 FKVO zugleich mit dem Zusammenschluss auch die mit seiner Durchführung unmittelbar verbundenen und für sie notwendigen Einschränkungen (sog. ancillary restrictions) genehmigen.170 Werden die ancillary restrictions nicht mitgenehmigt, weil sie zur Durchführung des Zusammenschlusses nicht notwendig sind, müssen die Unternehmen, wenn sie sie aufrechterhalten wollen, bei der Kommission oder (soweit diese nach Art. 81 EG i.V. m. VO 17/62 unzuständig ist) bei der nationalen Kartellbehörde eine Genehmigung beantragen.171 Die Vereinbarkeitsentscheidung kann die Kommission mit Bedingungen und Auflagen versehen, die sicherstellen, dass die Unternehmen den Zusammenschluss in mit dem Gemeinsamen Markt vereinbarer Weise gestalten. Die Entscheidungen der Kommission müssen in den nach Art. 10 FKVO festgelegten Fristen ergehen, die relativ knapp bemessen sind: Die Frist zum Ab168 Eine „Begründung“ in diesem Sinne liegt nicht vor, wenn ein Unternehmen lediglich eine bestehende beherrschende Stellung von einem anderen übernimmt; vgl. hierzu z. B. Entscheidung COMP/JV.50 (Blackstone/CDPQ/Kabel B-W), Rdnr. 30 ff. 169 Vgl. hierzu Entscheidung IV/M.1327 (NC/Canal+/CDPQ/Bank America), Rdnr. 22, 30 ff.; Entscheidung COMP/JV. 30 (BVI Television (Europe)/SPE Euromovies Investments/Europe Movieco Partners), Rdnr. 26 ff.; Entscheidung COMP/JV.37 (BSkyB/Kirch Pay TV), Rdnr. 90 f.; Entscheidung COMP/JV.40 (Canal+/Lagardère/ Canalsatellite), Rdnr. 44 ff.; Entscheidung COMP/M.2211 (Universal Studio Networks/De Facto 829 (NTL)/Studio Channel Limited), Rdnr. 35 ff. 170 Zu Fällen aus dem Medienbereich bis 1998 vgl. Ablasser, S. 224 ff. m. w. N.; vgl. aus der neueren Zeit: Entscheidung IV/M.1574 (Kirch/Mediaset), Rdnr. 28; Entscheidung IV/M.1327 (NC/Canal+/CDPQ/Bank America), Rdnr. 44 ff.; Entscheidung COMP/JV.30 (BVI Television (Europe)/SPE Euromovies Investments/Europe Movieco Partners), Rdnr. 37 ff.; Entscheidung COMP/JV.46 (Blackstone/CDPQ/Kabel NRW), Rdnr. 41 ff.; Entscheidung COMP/JV.40 (Canal+/Lagardere/Canal Satellite), Rdnr. 54 ff.; Entscheidung COMP/M.1943 (Telefonica/Endemol), Rdnr. 20 f.; Entscheidung COMP/JV.50 (Blackstone/CDPQ/Kabel B-W), Rdnr. 39 ff.; Entscheidung COMP/ M.2211 (Universal Studio Networks/De Facto 829 (NTL)/Studio Channel Limited), Rdnr. 41 ff.; näherer Untersuchung bedürfen die in diesen Fällen zu „ancillary restrictions“ getroffenen Entscheidungen nicht, da in ihnen keine rundfunkspezifischen, sondern nur allgemeine wettbewerbsrechtliche Probleme insbesondere im Bezug auf Wettbewerbsverbote erörtert wurden. 171 Vgl. hierzu Entscheidung COMP/M.2211 (Universal Studio Networks/De Facto 829 (NTL)/Studio Channel Limited), Rdnr. 44.

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

schluss des Vorverfahrens nach Art. 6 FKVO beträgt i. d. R. vier, maximal sechs Wochen ab Eingang der vollständigen Anmeldung (Art. 10 Abs. 1 FKVO). Die Frist innerhalb der nach Art. 8 Abs. 2 oder 3 FKVO entschieden sein muss, beträgt maximal vier Monate nach Einleitung des Hauptverfahrens (Art. 10 Abs. 2 und 3 FKVO). Werden die Fristen nicht eingehalten, gilt der Zusammenschluss nach Art. 10 Abs. 6 FKVO als für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt. Nach Art. 21 Abs. 1 FKVO ist allein die Kommission dafür zuständig, die in der FKVO vorgesehenen Entscheidungen zu erlassen, und die Mitgliedstaaten wenden auf Zusammenschlüsse von gemeinschaftsweiter Bedeutung ihr Wettbewerbsrecht nicht an (Art. 21 Abs. 2 UAbs. 1 FKVO). Hiervon gibt es zwei Ausnahmen und eine Erweiterung; Art. 9 und 21 Abs. 3 FKVO einerseits, Art. 22 Abs. 2 FKVO andererseits: Nach Art. 9 FKVO kann die Kommission die Überprüfung der Fusion an einen Mitgliedstaat verweisen, sofern dieser ihr innerhalb einer bestimmten Frist mitgeteilt hat, dass die Fusion: – eine beherrschende Stellung zu begründen oder zu verstärken droht, durch die wirksamer Wettbewerb auf einem Markt in diesem Mitgliedstaat, der alle Merkmale eines „gesonderten Marktes“172 aufweist,173 erheblich behindert würde (Art. 9 Abs. 2 lit. a) FKVO), oder – den Wettbewerb auf einem Markt in diesem Mitgliedstaat beeinträchtigt, der alle Merkmale eines gesonderten Marktes aufweist und keinen wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes darstellt (Art. 9 Abs. 2 lit. b) FKVO). Teilt die Kommission die Auffassung des Mitgliedstaates, kann sie den Fall entweder trotzdem selbst weiterbehandeln oder ihn ganz oder teilweise an die zuständige Behörde des betreffenden Mitgliedstaates verweisen (Art. 9 Abs. 3 UAbs. 1 FKVO).174

172 Dieser Begriff ist in der FKVO nicht legaldefiniert. Eine Definition für den „räumlichen Referenzmarkt“ enthält aber Art. 9 Abs. 7 FKVO (sie entspricht den oben dargestellten Abgrenzungskriterien zur Ermittlung des räumlich relevanten Marktes). Aus Art. 9 Abs. 3 UAbs. 1 FKVO folgt außerdem, dass „gesonderter Markt“ nur ein Markt sein kann, der sich vom Gemeinsamen Markt klar unterscheiden lässt. 173 Ob Art. 9 FKVO für den Markt, auf dem deutsche Rundfunkveranstalter aktiv sind, Bedeutung erlangen kann, ist jedenfalls soweit dieser Markt als „Markt für deutschsprachige Rundfunkprogramme“ z. B. auch Östereich und Teile Belgiens umfasst, zweifelhaft (so auch Engel/Seelmann-Eggebert, in: Dauses, E. V, Rdnr. 101). 174 Zu einer entsprechenden Entscheidung im Rundfunkbereich vgl. Entscheidung COMP/M.2485 (Sogecable/Canalsatélite digital/Via Digital), Rdnr. 118 ff.; bestätigt durch das EuG in Rs. T-346 und 347/02.

V. Duales Rundfunksystem und europäisches Wettbewerbsrecht

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Art. 22 Abs. 2, 3 FKVO eröffnet den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, auch Zusammenschlüsse, die nicht i. S. d. Art. 1 FKVO gemeinschaftsweite Bedeutung haben, durch die Kommission überprüfen zu lassen. Begründet oder verstärkt ein solcher Zusammenschluss eine beherrschende Stellung, durch welche wirksamer Wettbewerb im Gebiet des oder der betreffenden Mitgliedstaaten erheblich behindert würde, kann die Kommission diesen Zusammenschluss, sofern er außerdem den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt, für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklären. b) Begrenzte Reichweite der FKVO im Rundfunkbereich Unstreitig ist die FKVO auch auf Fusionen im Rundfunkbereich anwendbar.175 Ihrer Wirkung in diesem Bereich sind jedoch aus mehreren Gründen Grenzen gesetzt: Der Kontrollmaßstab der FKVO ist naturgemäß ein nahezu ausschließlich wirtschaftsrechtlicher. Die Kommission muss, wie dargelegt, bei allen wettbewerbsrechtlichen Entscheidungen, also auch bei jenen nach der FKVO, zwar den Aspekt der Medienvielfalt mitberücksichtigen,176 kann dies aber nur, wenn die wirtschaftsrechtlichen Voraussetzungen dafür gegeben sind. Bei der Fusionskontrolle müssen also die Anwendbarkeitskriterien nach der FKVO erfüllt sein. Daher müssen spezifisch medienrechtliche Konzentrationsvorgänge, z. B. die Übernahme der publizistischen Kontrolle über die Nachrichtenabteilung eines Rundfunkveranstalters, außer Betracht bleiben, soweit sie nicht mit einem die Anwendungsvoraussetzungen nach Art. 1 und 3 FKVO erfüllenden wirtschaftlichen Konzentrationsvorgang einhergehen.177 Außerdem ist die Tatsache von Bedeutung, dass die FKVO nur externes, nicht internes Unternehmenswachstum erfasst.178 Solange ein Unternehmen lediglich seinen Geschäftsumfang vergrößert, also intern wächst, nicht aber zugleich Beteiligungen an anderen Unternehmen erwirbt (externes Wachstum), kann sein wettbewerbliches Verhalten höchstens nach Art. 81, 82 EG, nicht je175

Statt vieler Kibele, in: Holznagel/Grünwald, S. 89. s. o. B. V. 3. a). 177 Vgl. Clausen-Muradian, S. 219 m. w. N.; ähnlich Frey (S. 161 f.) und Roider (S. 272 m. w. N.), die allerdings unzutreffend annnehmen, die Frage der Konzentration publizistischer Macht müsse bei der Beurteilung des Zusammenschlusses nach der FKVO unberücksichtigt bleiben. Sofern sich am Ende der Überprüfung nicht eindeutig die Vereinbarkeit oder Unvereinbarkeit des Zusammenschlusses mit dem gemeinsamen Markt ergibt, ist denkbar, dass die Kommission jedenfalls in einer abschließenden Gesamtabwägung gestützt auf Art. 151 Abs. 4 EG (oder Art. 6 EU) auch Aspekte der Medienvielfalt berücksichtigt. 178 Vgl. Holznagel, Europa, S. 176; Frey, S. 162; Roider, S. 271 f.; Mailänder, S. 244 f. 176

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

doch nach der FKVO kontrolliert werden. Gerade das interne Unternehmenswachstum (z. B. wenn ein Rundfunkveranstalter seinen Bestand an Exklusivrechten vergrößert) kann sich jedoch negativ auf die Medien- und Meinungsvielfalt auswirken. Weil die Fusionskontrolle nach nahezu ausschließlich wirtschaftsrechtlichen Maßstäben funktioniert, steht sie auch sog. Aufholfusionen (d. s. Fusionen noch übriggebliebener Kleinunternehmen auf einem bereits konzentrierten Markt) grundsätzlich positiv gegenüber.179 Diese Einschätzung wird die spezifisch medienrechtliche Fusionskontrolle selten teilen können, denn der Verlust einer Stimme im Konzert der Meinungen ist, von Ausnahmefällen abgesehen, (z. B. die Kosten des Marktzutritts oder des Überlebens auf dem Markt sind so hoch, dass dies nur finanzstarken Unternehmen möglich ist), eine Gefahr für die Meinungsvielfalt. Ferner sind die Umsatzschwellen, ab deren Erreichung eine Kontrolle nach der FKVO überhaupt möglich ist, sehr hoch.180 Nach der FKVO kann die Kommission daher nur das Verhalten von „global players“ auf den Medienmärkten kontrollieren, während ihr eine Feinsteuerung der Medienmärkte von vornherein versagt ist.181 Für die Kontrolle der zahlreichen unterhalb der Umsatzschwellen liegenden Zusammenschlüsse sind abgesehen von Art. 22 Abs. 2 FKVO allein die nationalen Wettbewerbs- und Medienkonzentrationsbehörden zuständig. c) Die Sonderregelung des Art. 21 Abs. 3 FKVO Nach Art. 21 Abs. 3 UAbs. 1 FKVO können die Mitgliedstaaten Maßnahmen zum Schutz anderer berechtigter Interessen als der in der FKVO berücksichtigten ergreifen, sofern diese Interessen mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind. Als ein solches berechtigtes Interesse ist in Art. 21 Abs. 3 UAbs. 2 FKVO ausdrücklich die Medienvielfalt anerkannt. Die Mitgliedstaaten können daher einen Zusammenschluss, den die Kommission für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt, zum Schutz der Medienvielfalt dennoch untersagen. Einen Zusammenschluss, der der Medienvielfalt nützt, aber dennoch den Gemeinsamen Markt beeinträchtigt, können sie hingegen trotz Art. 21 Abs. 3 nicht genehmigen,182 denn diese Genehmigung würde zugleich eine (wirtschaftliche) Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt implizieren. Letzteres zu prüfen, ist nach Art. 21 Abs. 1 und 2 UAbs. 1 FKVO jedoch allein Sache der Kommission. Die 179

So auch Clausen-Muradian, S. 220 m. w. N.; Mailänder, S. 249. Vgl. Kibele, in: Holznagel/Grünwald, S. 90 f.; Clausen-Muradian, S. 221; Frey, S. 168 ff., Roider, S. 272 f.; a. A. Mailänder, S. 245 f. 181 So auch: Altes, MP 2000, 482 (487); Roider, S. 273. 182 Vgl. Schellenberg, S. 241 m. w. N.; Holznagel, Europa, S. 175 m. w. N.; Mailänder, S. 208 m. w. N. 180

V. Duales Rundfunksystem und europäisches Wettbewerbsrecht

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Mitgliedstaaten haben daher bei Fusionen von gemeinschaftsweiter Bedeutung nur die Möglichkeit, die Medienvielfalt zu schützen, nicht sie aktiv zu fördern. Die Wirkung des Art. 21 Abs. 3 FKVO ist deswegen begrenzt, weil die Mitgliedstaaten bei der Anwendung ihres Medienkonzentrationsrechts alle Vorgaben des Gemeinschaftsrechts selbstverständlich einzuhalten haben.183 Dies folgt aus Art. 10 EG.184 Insbesondere dürfen Grundfreiheiten, wie bereits dargestellt, auch im Rahmen des mitgliedstaatlichen Schutzes der Medienvielfalt nur in verhältnismäßiger Weise eingeschränkt werden.185 Die Frage der Verhältnismäßigkeit unterliegt der vollen Kontrolle durch den EuGH. Somit ist der Spielraum, den die Mitgliedstaaten nach Art. 21 Abs. 3 FKVO haben, nicht groß. In Art. 81, 82 EG fehlt eine dem Art. 21 Abs. 3 FKVO vergleichbare Regelung. Der in Art. 21 Abs. 3 FKVO zum Ausdruck kommende Gedanke lässt sich jedoch verallgemeinern,186 denn dass die Mitgliedstaaten befugt sind, wirtschaftliche Vorgänge aus nichtwirtschaftlichen Gründen in verhältnismäßiger Weise zu beschränken, ist ein Grundprinzip des Gemeinschaftsrechts, das z. B. auch in den Grundfreiheitsschranken zum Ausdruck kommt. d) Zur Kommissionspraxis Die Kommission hatte mittlerweile schon in fast 50 Fällen die Gelegenheit, Unternehmenszusammenschlüsse im Rundfunkbereich an der FKVO zu messen.187 Diese Fälle auch nur annähernd en detail zu erörtern, würde den Rahmen dieser Darstellung sprengen. Es sollen jedoch zumindest einige im Bezug auf den Wettbewerb in der deutschen dualen Rundfunkordnung grundlegenden Probleme aus diesen Entscheidungen aufgezeigt werden: aa) Allgemeines Zunächst ist festzustellen, dass allein zweiundzwanzig der Entscheidungen den deutschen Markt betrafen, sei es dadurch, dass deutsche Unternehmen (insbesondere Bertelsmann (bzw. CLT-UFA/RTL-Group) und die Kirch-Gruppe) involviert waren, sei es, dass Deutschland oder zumindest der deutschsprachige Raum der räumlich relevante Markt war.188 Schon darin zeigt sich die in der 183

So auch Roider, S. 275 f. Nicht aus Art. 21 Abs. 3 UAbs. 1, denn diese Regelung stellt nur darauf ab, dass die zu schützenden Interessen mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sein müssen; a. A. wohl Kibele, in: Holznagel/Grünwald, S. 90 f. 185 Ähnlich Holznagel, Europa, S. 175 m. w. N. 186 So auch Faull/Nikpay, Rdnr. 11.46. 187 Vgl. http://europa.eu.int/comm/competition/mergers/cases/index/by_nace.html O. 92.20. 184

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

bisherigen Gemeinschaftspraxis erhebliche Bedeutung der FKVO für das deutsche duale Rundfunksystem. Außerdem war der Rundfunkbereich mit bisher 5 Entscheidungen am stärksten von Untersagungsentscheidungen nach Art. 8 Abs. 3 FKVO betroffen,189 was deutlich macht, dass die Kommission gerade in diesem nach wie vor zukunftsträchtigen Bereich bestrebt ist, die Märkte offenzuhalten.190 Dieses Bestreben zeigt sich auch darin, dass die für das Wettbewerbsrecht zuständige Generaldirektion der Kommission seit 1990 eine eigene Abteilung für den Bereich „Information, Kommunikation und Multimedia“ betreibt.191 Auffällig ist außerdem, dass bisher erst in einem Fall ein öffentlich-rechtlicher Rundfunkveranstalter an einer zu untersuchenden Fusion beteiligt war.192 Spezifische Probleme des Verhältnisses von öffentlich-rechtlichem zum privaten 188 Entscheidung IV/M.410 (Kirch/Richemont/Telepiù); Entscheidung IV/M.489 (Bertelsmann/News International/VOX); Entscheidung IV/M.469 (MSG Media Service); Entscheidung IV/M.525 (VOX II); Entscheidung IV/M.584 (Kirch/Richemont/ Multichoice/Telepiù); Entscheidung IV/M.566 (CLT/Disney/Super RTL); Entscheidung IV/M.810 (n-tv); Entscheidung IV/M.779 (Bertelsmann/CLT); Entscheidung IV/ M.878 (RTL 7); Entscheidung IV/M.993 (Bertelsmann/Kirch/Premiere); Entscheidung IV/M.1027 (Deutsche Telekom/BetaResearch); Entscheidung IV/M.1574 (Kirch/ Mediaset); Entscheidung IV/M.999 (CLT-UFA/Havas Intermédiation); Entscheidung COMP/M.1889 (CLT-UFA/Canal+/VOX); Entscheidung COMP/JV.37 (BSkyB/KirchPayTV); Entscheidung COMP/JV.46 (Blackstone/CDPQ/Kabel NRW); Entscheidung COMP/M.1958 (Bertelsmann/GBL/Pearson TV); Entscheidung COMP/JV.50 (Blackstone/CDPQ/Kabel BW); Entscheidung COMP/M.2643 (Blackstone/CDPQ/Deteks BW); Entscheidung COMP/M.2652 (Blackstone/CDPQ/Deteks NRW); Entscheidung COMP/M.2996 (RTL/CNN/Time Warner/n-tv); Entscheidung COMP/M.3085 (Schroders Ventures ltd./PREMIERE). 189 Siehe http://europa.eu.int/comm/competition/mergers/cases/index/by_dec_type_ art_8_3.html. Es handelt sich um die Entscheidungen IV/M.469 (MSG Media Service), IV/M.490 (Nordic Satellite Distribution), IV/M.553 (RTL/Veronica/Endemol; durch Urteil des EuG in Rs. T-221/95 (Endemol) bestätigt. In veränderter Form von der Kommission genehmigt (vgl. ABl. Nr. L 294 vom 19. 11. 1996; S. 14 ff.)); IV/ M.993 (Bertelsmann/Kirch/Premiere; derzeit vor dem EuG anhängig als Rs. T-121/98, IV/M.1027 (Deutsche Telekom/BetaResearch)). Der Zusammenschluss von Telefonica und Sogecable in Spanien (IV/M.709) kann noch hinzugerechnet werden, da er nur deswegen einer Untersagungsentscheidung durch die Kommission entging, weil er aufgegeben wurde (vgl. Temple Lang, S. 436 f.). 190 Dieses Ziel betont auch die Kommission selbst; vgl. „Erster Bericht über die Berücksichtigung der kulturellen Aspekte in der Tätigkeit der Europäischen Gemeinschaft“, KOM (96) 160 endg., S. 19 f. 191 Vgl. den Organisationsplan (http://europa.eu.int/comm/dgs/competition/direc tory/organi_fr.pdf); hierzu Frey, S. 121 m. w. N. 192 Nämlich der finnische öffentlich-rechtliche Sender YLE (vgl. Entscheidung COMP/M.2300 (YLE/TDF/Digita/JV)). In der Entscheidung IV/M.490 (Nordic Satellite Distribution) waren allerdings zwei staatliche Telekommunikationsunternehmen (NT (Norwegen) und TD (Dänemark)) an der betreffenden Fusion beteiligt (vgl. Rdnr. 4 ff. der Entscheidung). Ein weitere Fall, an dem ein öffentlich-rechtlicher Veranstalter beteiligt war (Entscheidung COMP/M.2418 (ORF/Netway/Adworx)) betraf den Bereich der Internetwerbung und bedarf deshalb hier keiner näheren Erörterung.

V. Duales Rundfunksystem und europäisches Wettbewerbsrecht

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Rundfunk, die aus der Bindung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks an seinen Programmauftrag resultieren können, wurden jedoch auch in diesem Fall nicht erörtert. Somit beeinflusst die Fusionskontrolle das deutsche duale Rundfunksystem derzeit vorwiegend mittelbar dadurch, dass wirtschaftliche Vermachtungen auf der privaten Seite verhindert werden. Dadurch hilft die Fusionskontrolle jedoch zugleich, das duale Rundfunksystem zu erhalten, denn Voraussetzung für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit dieses Systems ist, wie das BVerfG mehrfach klargestellt hat, nicht nur die Grundversorgung durch den öffentlich-rechtlichen, sondern auch der Erhalt eines effektiven Außenpluralismus im privaten Rundfunk [A. III. 1. und 2.]. In der Entscheidung RTL/Veronica/Endemol hat die Kommission außerdem gezeigt, dass sie auch im Rahmen der Fusionskontrolle durchaus willens und in der Lage ist, auf die spezifischen Verhältnisse im Bereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einzugehen. In dieser Entscheidung weist die Kommission nach, dass RTL in den Niederlanden trotz einer gegenüber den öffentlich-rechtlichen Sendern gemessen an den Einschaltquoten relativ schwachen Stellung rund 50% Anteil am Werbemarkt hat, und begründet dies überzeugend mit den für öffentlich-rechtliche Veranstalter bestehenden Werbebeschränkungen und damit, dass öffentlich-rechtliche Veranstalter aufgrund ihres Auftrages nicht in gleicher Weise ein attraktives Werberahmenprogramm gestalten könnten.193 bb) Mittelbarer Pluralismusschutz im Rahmen der Marktabgrenzung Die Kommission grenzt in ihren Entscheidungen die sachlich relevanten Märkte, wie dargelegt, grundsätzlich nach rein wirtschaftlichen Kriterien ab. Die Formulierung in der Entscheidung MSG Media Service ist symptomatisch: „Ob ein Wirtschaftsgut in beschränkter oder in hinreichender Zahl für Abnehmer verfügbar ist, bestimmt nicht über die Existenz eines relevanten Marktes für dieses Gut. Entscheidend ist vielmehr, ob es hinsichtlich eines Gutes oder einer Dienstleistung entgeltliche Austauschbeziehungen gibt“.194 Trotzdem wird aus den Entscheidungen deutlich, dass schon im Rahmen der sachlichen Markt193 Entscheidung 96/364/EG, ABl. Nr. L 134/32 vom 05. 06. 1996 (RTL/Veronica/ Endemol) Rdnr. 65 f. Vgl. auch Rdnr. 47 ff. der Entscheidung, wo die Kommission feststellt, die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten hätten zwar durch die Rundfunkgebühren eine garantierte Einnahmequelle und deswegen einen Wettbewerbsvorteil. Diesem stünden aber im Vergleich zu den privaten Veranstaltern erheblich höhere Kosten gegenüber und außerdem sei der öffentlich-rechtliche Rundfunk schon seinem Wesen bzw. seinem Auftrag nach nur beschränkt dazu in der Lage, seinen kommerziellen Mitbewerbern mit kommerziellen Mitteln zu begegnen; vgl. ferner Entscheidung 1999/153/EG, ABl. Nr. L 53/1 vom 27. 02. 1999 (Bertelsmann/Kirch/Premiere) Rdnr. 84 und 97. 194 Entscheidung 94/922/EG, ABl. Nr. L 364/1 vom 31. 12. 1994 (MSG Media Service), Rdnr. 43.

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

abgrenzung auch die Medienvielfalt zwar nur mittelbar, aber doch effektiv geschützt werden kann: Zum einen fällt auf, dass die sachlich relevanten Märkte von der Kommission relativ eng abgegrenzt werden, indem z. B. nach verschiedenen Arten von Programmrechten wie Sportrechten und Filmrechten für Pay-TV einerseits und für Free-TV andererseits195 oder nach Werbemärkten in verschiedenen Medien differenziert wird. Dies zeigt, dass die Kommission auf möglichst große Effektivität der Fusionskontrolle bedacht ist, denn je enger der sachliche Markt eingegrenzt ist, desto leichter können marktbeherrschende Stellungen festgestellt werden. Diese Steigerung der wirtschaftsrechtlichen Effektivität der Fusionskontrolle erhöht zugleich den mittelbaren Pluralismusschutz durch sie. Kritisch wäre die enge Marktabgrenzung durch die Kommission nur dann zu sehen, wenn es die Kommission unterließe, die Interdependenzen zwischen diesen Märkten zu berücksichtigen.196 Gerade dies ist jedoch nicht der Fall, wie beispielhaft die Entscheidung Bertelsmann/Kirch/Premiere zeigt, in der die Kommission mehrfach auf die Beeinflussung der Marktposition im Markt für technische und administrative Dienstleistungen für Pay-TV durch die Position im Markt für Pay-TV-Programmrechte eingeht.197 Diesen Weg der engen Marktabgrenzung bei gleichzeitiger Berücksichtigung der Interdependenzen zwischen den Märkten sollte die Kommission auch im Bereich des digitalen Fernsehens konsequent weitergehen und grundsätzlich einen eigenständigen Markt für jede relevante technische und administrative Dienstleistung abgrenzen. Zum anderen zeigt die Kommission dadurch, dass sie neben den Marktanteilen in den eigentlichen wirtschaftlichen Märkten zugleich den übergreifenden Zuschauermarkt bzw. den publizistischen Wettbewerb berücksichtigt,198 Sensibilität dafür, dass der wirtschaftliche Wettbewerb im Mediensektor durch den publizistischen Wettbewerb beeinflusst wird und sich deswegen mit dem Wettbewerb in anderen Wirtschaftsbereichen nicht ohne weiteres vergleichen lässt. Dieses Eingehen der Kommission auf den Zuschauermarkt ist kritisiert worden, weil hierdurch Rechtsunsicherheit erzeugt würde.199 Diese Kritik ist nicht berechtigt, denn ist auch der auf dem Zuschauermarkt stattfindende Wettbewerb um die Einschaltquoten kein Wettbewerb im engeren wirtschaftlichen Sinne [s. o. A. III. 6. a)], beeinflusst er den wirtschaftlichen Wettbewerb der Rundfunkveranstalter jedoch in so fundamentaler Weise, dass Rechtsunsicherheit und die Gefahr von Fehleinschätzungen gerade dann wachsen könnten, wenn man 195

Vgl. nur Entscheidung COMP/JV.37 (BSkyB/Kirch), Rdnr. 43 f. Vgl. Frey, S. 178. 197 Entscheidung IV/M.993 (Bertelsmann/Kirch/Premiere), Rdnr. 29 ff., insbesondere Rdnr. 44. 198 So besonders deutlich in Entscheidung 96/364/EG, ABl. Nr. L 134/32 vom 05. 06. 1996 (RTL/Veronica/Endemol) Rdnr. 20, 30 und 64. 199 So Frey, S. 177, ders., ZUM 1998, 985 (989). 196

V. Duales Rundfunksystem und europäisches Wettbewerbsrecht

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den Zuschauermarkt unberücksichtigt ließe. Bereits im Rahmen der sachlichen Marktabgrenzung ist somit ein mittelbarer Schutz der Meinungsvielfalt bzw. des Pluralismus möglich und wird von der Kommission zu Recht auch praktiziert. Dass die räumliche Marktabgrenzung aufgrund sprachlicher und kultureller Unterschiede im Wesentlichen nach Ländergrenzen oder zumindest nach Sprachräumen erfolgt, nützt dem Pluralismusschutz ebenfalls. Einerseits werden auch hierdurch engere Märkte definiert, was die Feststellung einer beherrschenden Position auf ihnen erleichtert. Andererseits zeigt die Kommission durch diese Art der räumlichen Marktabgrenzung, dass sie bereit ist, zu akzeptieren, dass sich die Meinungsbildung nach wie vor in nationalen politischen und kulturellen Kontexten vollzieht, und somit den Pluralismus nicht erst auf der europäischen, sondern bereits auf der Ebene der Mitgliedstaaten mittelbar zu schützen.200 Im Übrigen kann man der Kommission auch hinsichtlich der räumlichen Märkte nicht vorwerfen, sie berücksichtigte Interdependenzen zwischen verschiedenen Märkten zu wenig, wie z. B. die Entscheidung NC/Canal+/CDPQ/ Bank America zeigt.201 cc) Mittelbarer Pluralismusschutz bei der Feststellung einer Marktbeherrschung Die Feststellung einer Marktbeherrschung trifft die Kommission im Wesentlichen nach den Marktanteilen, berücksichtigt jedoch, wie bereits erwähnt, bei deren Ermittlung zumindest beim Werbemarkt auch die Einschaltquoten.202 Dies trägt den tatsächlichen Gegebenheiten im Mediensektor Rechnung und nützt parallel zur Berücksichtigung des Zuschauermarktes im Rahmen der Marktabgrenzung dem Pluralismusschutz. Außerdem geht die Kommission nicht nur auf den Marktanteil, sondern auch auf die besonderen Strukturmerkmale des jeweiligen Marktes ein: In der Entscheidung MSG Media Service hat sie z. B. klargestellt, dass es sich beim Markt für technische und administrative Dienstleistungen für Pay-TV um einen Zukunftsmarkt handelt, und deswegen eine Alleinstellung auf diesem noch nicht zwangsläufig als marktbeherrschende Stellung i. S. d. Art. 2 Abs. 3 FKVO anzusehen ist, solange sie vorübergehend ist, der Markt also offen bleibt.203 Von 200

So i. E. auch Frey, S. 181 f. In dieser berücksichtigt die Kommission Rückwirkungen eines Zusammenschlusses im französischen Pay-TV-Markt auf den spanischen Pay-TV-Markt (vgl. Entscheidung IV/M.1327 (NC/Canal+/CDPQ/Bank America), Rdnr. 31; ähnlich die Entscheidung IV/M.1574 (Kirch/Mediaset), Rdnr. 19 ff. bezüglich der Wechselbeziehungen zwischen Märkten in Deutschland und Italien. 202 Vgl. insbesondere Entscheidung IV/M.553 (RTL/Veronica/Endemol), Rdnr. 64. 201

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

einer marktbeherrschenden Stellung sei nur auszugehen, wenn der Markt abgeschottet und damit potentieller Wettbewerb beseitigt werde.204 Hier zeigt sich, dass die Beurteilung der Marktbeherrschung im Gegensatz zur Prüfung nach Art. 82 EG bei der FKVO in die Zukunft gerichtet ist.205 Dieses prognostische Element haben die europäische Fusionskontrolle und die mitgliedstaatliche Rundfunkkonzentrationskontrolle also gemeinsam, denn auch bei letzterer geht es um die Abschätzung längerfristiger, den Medien- und Meinungspluralismus bedrohender Entwicklungen. Ferner berücksichtigt die Kommission, wie bereits festgestellt, auch die wirtschaftlichen Zusammenhänge zwischen verschiedenen Märkten. Insbesondere stellt sie maßgeblich auf die Position der betreffenden Unternehmen auf den Beschaffungsmärkten für Inhalte und Sendetechnik ab. So betont sie in ihrer Entscheidung Bertelsmann/Kirch/Premiere mehrfach die Bedeutung des Zugangs zu publikumsträchtigen Premium-Inhalten, den in Deutschland vor allem Kirch und Bertelsmann sicherstellen könnten, für Pay-TV-Veranstalter.206 Ebenso nimmt sie in dieser Entscheidung zur Begründung der Marktbeherrschung mehrfach auf die starke technologische Position der Partner Kirch und Deutsche Telekom Bezug.207 Für den Schutz des Pluralismus im Rahmen der Fusionskontrolle noch wichtiger ist die Feststellung, dass es der Kommission in ihren Entscheidungen entgegen einer verbreiteten Meinung in der Literatur208 durchaus gelingt, multimediale Aspekte zu berücksichtigen, und zwar nicht nur die Wechselwirkungen zwischen Free- und Pay-TV:209 So setzte sich die Kommission z. B. damit auseinander, dass Bertelsmann neben seinen audiovisuellen Aktivitäten auch einen Buchclub betreibt und am Axel-Springer-Verlag beteiligt ist.210 In der Entschei-

203 Entscheidung 94/922/EG, ABl. Nr. L 364/1 vom 31. 12. 1994 (MSG Media Service), Rdnr. 55. 204 Entscheidung 94/922/EG, ABl. Nr. L 364/1 vom 31. 12. 1994 (MSG Media Service), Rdnr. 55 ff.; vgl. hierzu auch Entscheidung 1999/153/EG, ABl. Nr. L 53/1 vom 27. 02. 1999 (Bertelsmann/Kirch/Premiere) Rdnr. 66 f. und 102 ff., wo die Kommission darlegt, Premiere bzw. Bertelsmann und Kirch könnten bei einer Zusammenführung der technischen und programmlichen Pay-TV-Aktivitäten von Bertelsmann und Kirch die Bedingungen eines Marktzutritts anderer Veranstalter diktieren. 205 Hierzu statt vieler Adt, in: von der Groeben/Schwarze, Fusionskontrollverordnung Rdnr. 156. 206 Entscheidung 1999/153/EG, ABl. Nr. L 53/1 vom 27. 02. 1999 (Bertelsmann/ Kirch/Premiere) Rdnr. 34 ff., 48 ff., 87 ff. 207 Entscheidung 1999/153/EG, ABl. Nr. L 53/1 vom 27. 02. 1999 (Bertelsmann/ Kirch/Premiere) Rdnr. 56 ff.; 102 ff.; vgl. hierzu auch Entscheidung 1999/154/EG, ABl. Nr. L 53/31 vom 27. 02. 1999 (Deutsche Telekom/BetaResearch) Rdnr. 16 ff. 208 Vgl. Roider, S. 274 m. w. N. 209 Zu diesen vgl. Entscheidung 1999/153/EG, ABl. Nr. L 53/1 vom 27. 02. 1999 (Bertelsmann/Kirch/Premiere) Rdnr. 77 ff.

V. Duales Rundfunksystem und europäisches Wettbewerbsrecht

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dung RTL/Veronica/Endemol ging die Kommission auf die Beteiligung des niederländischen Verlagshauses VNU an RTL sowie darauf ein, dass Veronica die größte niederländische Programmzeitschrift herausgebe, und dass Endemol im „Theater und Tourengeschäft“ tätig sei und eine Konzertagentur betreibe.211 Hinzuweisen ist schließlich auch darauf, dass es die Kommission mehrfach abgelehnt hat, die Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses im Rundfunkbereich deswegen positiv zu beurteilen, weil dieser i. S. d. Art. 2 Abs. 1 S. 2 lit. b) FKVO dem technischen und wirtschaftlichen Fortschritt diene.212 Begründet hat sie dies damit, dass der Zusammenschluss nicht i. S. d. Art. 2 Abs. 1 S. 2 lit. b) FKVO im Verbraucherinteresse liege, weil er entweder zur Schädigung konkurrierender Veranstalter führe oder sich die Programmvielfalt verringere.213 dd) Behandlung der Zusagen der Parteien Bereits in den früheren Entscheidungen der Kommission zur Fusionskontrolle im Rundfunkbereich, insbesondere in den Entscheidungen MSG Media Service und Nordic Satellite Distribution wurde deutlich, dass die Kommission rein verhaltensbedingten Zusagen der beteiligten Unternehmen zur Ausräumung der wettbewerbsrechtlichen Bedenken kritisch gegenübersteht, da sich die Einhaltung dieser Zusagen nur schwer überprüfen lässt.214 In ihrer Entscheidung Bertelsmann/Kirch/Premiere schien die Kommission von dieser Haltung wieder abgerückt zu sein, da sie die betreffenden verhaltensbezogenen Zusagen der Parteien einer detaillierten Prüfung unterzog, sie also wohl nicht für prinzipiell ungeeignet hielt, den Vorwurf der Unvereinbarkeit mit dem gemeinsamen Markt zu entkräften.215 Erstmals einen Zusammenschluss im Medienbereich aufgrund verhaltensbedingter Zusagen der Parteien für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt hat die Kommission in der Entscheidung NC/Canal+/ CDPQ/Bank America.216 Ähnlich verfuhr sie im Verfahren BSkyB/Kirch Pay 210 Vgl. Entscheidung 94/922/EG, ABl. Nr. L 364/1 vom 31. 12. 1994 (MSG Media Service) Rdnr. 79. 211 Entscheidung 96/364/EG, ABl. Nr. L 134/32 vom 05. 06. 1996 (RTL/Veronica/ Endemol) Rdnr. 46 und 93. 212 Vgl. Entscheidung IV/M.490 (Nordic Satellite Distribution), Rdnr. 151; Entscheidung IV/M.553 (RTL/Veronica/Endemol), Rdnr. 110; Entscheidung IV/M.993 (Bertelsmann/Kirch/Premiere), Rdnr. 122. 213 Hierzu Frey, S. 206. 214 Entscheidung 94/922/EG, ABl. Nr. L 364/1 vom 31. 12. 1994 (MSG Media Service), Rdnr. 94 ff.; Entscheidung 96/177/EG, ABl. Nr. L 53/20 vom 02. 03. 1996 (Nordic Satellite Distribution), Rdnr. 153 ff. 215 Entscheidung 1999/153/EG, ABl. Nr. L 53/1 vom 27. 02. 1999 (Bertelsmann/ Kirch/Premiere) Rdnr. 123 ff.; kritisch zu derartigen Tendenzen Altes, MP 2000, 482 (488). 216 Entscheidung IV/M.1327 (NC/Canal+/CDPQ/Bank America), Rdnr. 40 ff.

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

TV.217 Im letzteren Fall handelte es sich allerdings um sehr umfangreiche Verpflichtungen, deren Einhaltung der Kontrolle durch ein im Einvernehmen mit der Kommission zu bestellendes unabhängiges Schiedsgericht unterworfen wurden. In neueren Entscheidungen ist die restriktive Haltung gegenüber verhaltensbedingten Zusagen wieder klarer erkennbar.218 Die Formulierung in der Entscheidung Vivendi/Seagram/Canal+ zeigt dies:219 „. . . the undertakings given were unsatisfactory because they were essentially behavioural. . . . structural undertakings . . . would be sufficient . . .“. 2001 hat die Kommission außerdem eine Mitteilung über bei der Fusionskontrolle zulässige Abhilfemaßnahmen herausgegeben,220 die in Übereinstimmung mit der neueren Rechtsprechung feststellt, dass verhaltensbedingte Zusagen nur ausnahmsweise zulässig sein könnten.221 Diese Haltung der Kommission ist auch unter dem Gesichtspunkt des Pluralismusschutzes zu begrüßen, denn die Entstehung vorherrschender Meinungsmacht wird häufig in subtilerer Weise vonstatten gehen als die Entstehung wirtschaftlicher Marktbeherrschung, weshalb sich effektiver Pluralismusschutz i. d. R. nicht auf verhaltensbedingte Zusagen der Unternehmen verlassen kann. 9. Ergebnis Insgesamt ist deutlich geworden, dass die Gemeinschaft, insbesondere die EU-Kommission willens und in der Lage ist, im Medienbereich nicht nur wirtschaftlichen Wettbewerb, sondern mittelbar auch Meinungspluralismus zu erhalten. Dies darf jedoch über einen entscheidenden Punkt nicht hinwegtäuschen: Die Kommission darf den Meinungspluralismus, weil sie nur wirtschaftsrechtliche Kompetenzen hat, im Gegensatz zu den Mitgliedstaaten nicht unmittelbar schützen. Sie kann lediglich garantieren, dass auf den medienrelvanten Märkten ökonomische Vielfalt erhalten bleibt. Gegenüber Vorgängen, die die ökonomische Vielfalt unangetastet lassen, aber der Meinungsvielfalt schaden, ist die Kommission machtlos. Daraus folgt, dass effektiver Schutz der Meinungsvielfalt in 217 Entscheidung COMP/JV.37 (BSkyB/Kirch Pay TV), Rdnr. 92 ff. i.V. m. Anhang 1. Das EuG hat in seinem Urteil über eine Klage der ARD gegen diese Entscheidung das Vorgehen der Kommission gebilligt (vgl. Rs. T-158/00 (ARD ./. Kommission), Rdnr. 182 ff.). 218 Entscheidung COMP/M.2050 (Vivendi/Canal+/Seagram), Rdnr. 72 ff.; Entscheidung COMP/M.2300 (YLE/TDF/Digita/JV), Rdnr. 41; vgl. zum Verhältnis zwischen verhaltensbedingten und strukturellen Zusagen der Parteien auch Rs. T-102/96 (Gencor), Slg. 1999, S. II-753 ff., Rdnr. 313 ff. 219 Entscheidung COMP/M.2050 (Vivendi/Canal+/Seagram), Rdnr. 72 und 73. 220 Vgl. ABl. Nr. C 68 vom 02. 03. 2001, S. 3 ff. 221 Vgl. Rdnr. 9 der Mitteilung.

VI. Rundfunkfinanzierung und EG-Beihilfenrecht

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Europa nur durch Zusammenwirken von Gemeinschaft und Mitgliedstaaten möglich ist. Bei der Pluralismussicherung nehmen außerdem die öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter nach wie vor eine äußerst wichtige Rolle ein, die nicht nur im Rundfunkprotokoll, sondern auch und gerade in den wettbewerbsrechtlichen Entscheidungen der Gemeinschaft zurecht anerkannt ist. Gelingt es den öffentlich-rechtlichen Veranstaltern ihre Aufgabe, Programme zu veranstalten, die allein am Zielwert der Meinungsvielfalt ausgerichtet sind, zu erfüllen, nützt dies zugleich dem ökonomischen Wettbewerb unter den privaten Veranstaltern, denn dieser wird in geringerem Maße durch staatliche Vielfaltsvorgaben belastet. Die Erhaltung dualer Rundfunksysteme liegt daher nicht nur im politischkulturellen, sondern auch im ökonomischen Interesse der Gemeinschaft. Ein effektiver Schutz sowohl des wirtschaftlichen als auch des publizistischen Wettbewerbs im Rundfunkbereich kann am ehesten dann gelingen, wenn die drei genannten Komponenten (wirtschaftliche Wettbewerbskontrolle auf Gemeinschaftsebene, wirtschaftliche und publizistische Wettbewerbskontrolle auf nationaler Ebene, öffentlich-rechtlicher Rundfunk) auch weiterhin harmonisch zusammenwirken.

VI. Rundfunkfinanzierung und EG-Beihilfenrecht Das seit längerem wohl am meisten diskutierte Problem im Verhältnis des Europarechts zum mitgliedstaatlichen Rundfunkrecht ist die Frage, ob die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit dem Beihilfenverbot des Art. 87 Abs. 1 EG vereinbar ist:1 Anfang der neunziger Jahre erhoben einige private Fernsehveranstalter bei der Kommission Beschwerden gegen die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit der Begründung, es handle sich bei dieser um eine unzulässige staatliche Beihilfe i. S. d. Art. 92 f. EGV. Beschwerden gingen u. a. ein von Gestevisión Telecinco (Spanien) am 02. 03. 1992 und am 12. 11. 1993,2 TF 1 (Frankreich) am 10. 03. 1993,3 SIC (Portugal) am 30. 07. 19934 und speziell gegen die Finanzierung der Spartenprogramme Phoenix und Kinderkanal in Deutschland vom VPRT im Juni 1997.5 Der Wettbewerbsbericht der Kom1 Überblick über den Diskussionsstand bis 1999 bei Bartosch, EuZW 1999, 176 ff.; steuerrechtliche Fragen, insbesondere zu § 8 Abs. 1 S. 2 KStG bleiben im Folgenden außer Betracht. 2 Rs. T-95/96 (Gestevisión), Slg. 1998, S. II-3407 ff., Rdnr. 4 und 7 des Urteils. 3 Vgl. Uphoff, S. 192. 4 Rs. T-46/97 (SIC), Slg. 2000, S. II-2125 ff., Rdnr. 3 des Urteils. 5 Dörr (Spartenkanäle, S. 13) nennt den 30. 06.1997 als Datum der Zustellung der Beschwerdeschrift durch die Kommission an ARD und ZDF.

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

mission von 1999 spricht von mehr als 10 derartigen Beschwerden.6 Einige der Beschwerden hat die Kommission mittlerweile abschließend entschieden.7 Die Gemeinschaftswidrigkeit der staatlichen Finanzierungsmaßnahmen wurde allerdings in keinem der Fälle festgestellt. Die Klärung der in diesen Verfahren aufgeworfenen, beihilferechtlichen Fragen ist gerade für den vorrangig gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland von fundamentaler Bedeutung. Ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk ohne Gebührenfinanzierung wäre, wenn er im Markt überhaupt überleben könnte, jedenfalls nicht mehr in der Lage, seinen Verfassungsauftrag zur Grundversorgung zu erfüllen. Grundversorgung muss in weitgehender Marktunabhängigkeit geleistet werden. Sie ist also nur dann möglich, wenn die Anstalten sich ohne Schaden für ihre wirtschaftliche Existenz entschließen können, auch ein Programm zu produzieren, das einen Beitrag zur Meinungsvielfalt leistet, jedoch in einigen seiner Teile nur eine Minderheit interessieren wird. Die Unvereinbarkeit der Gebührenfinanzierung mit Art 87 Abs. 1 EGV könnte also das Ende der Grundversorgung und damit de facto das Ende des dualen Rundfunksystems in Deutschland bedeuten. 1. Der Begriff der Beihilfe i. S. d. Art. 87 Abs. 1 EG Zur Klärung der Frage, ob die Gebührenfinanzierung des deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunks und/oder die mit ihr verbundenen Maßnahmen der Rundfunkfinanzierung gegen Art. 87 Abs. 1 EG verstoßen, ist es notwendig, sich zunächst über den Begriff der Beihilfe klar zu werden: Der EG-Vertrag enthält keine ausdrückliche Definition dieses Begriffs. Aus Art. 87 Abs. 1 EG ergeben sich jedoch die einzelnen Tatbestandselemente: – Es muss sich um eine Maßnahme handeln, die bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige (wirtschaftlich) begünstigt. – Die Art der Maßnahme ist bedeutungslos. – Die Begünstigung muss staatlich sein oder aus staatlichen Mitteln gewährt werden. – Durch die Begünstigung muss der Wettbewerb verfälscht werden oder seine Verfälschung muss zumindest drohen. 6 Vgl. SEK (2000) 720 endg., S. 94; zu einer Beschwerde gegen die Finanzierung der italienischen RAI vgl. ABl. Nr. C 351 vom 04. 12. 1999, S. 20 ff.; zu einer Beschwerde gegen die Finanzierung des dänischen Senders TV2 vgl. ABl. Nr. C 59 vom 14. 03. 2003, S. 59 ff. 7 Vgl. neben den im Folgenden näher erörterten Fällen die Hinweise im Wettbewerbsbericht von 2002 (SEK (2003), 467 endg., Rdnr. 607 f.) sowie in der Mitteilung über die Zukunft der europäischen Regulierungspolitik im audiovisuellen Bereich (KOM (2003), 784 endg., S. 8 FN 19).

VI. Rundfunkfinanzierung und EG-Beihilfenrecht

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Liegen diese Voraussetzungen vor, ist eine Beihilfe i. S. d. Art. 87 Abs. 1 EG gegeben, die unzulässig ist, soweit sie den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigt. 2. Begünstigungseffekte der deutschen Rundfunkfinanzierung Zunächst ist zu untersuchen, inwieweit die Finanzierung des deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunks i. S. d. Art. 87 Abs. 1 EG eine „Begünstigung bestimmter Unternehmen“ bewirkt: Dass es sich bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten um „bestimmte Unternehmen“ handelt, ist schon aufgrund ihrer überschaubaren Zahl unproblematisch.8 Es kommt somit entscheidend darauf an, ob Maßnahmen der Rundfunkfinanzierung begünstigend wirken. Zur Beantwortung dieser Frage muss der Begriff der Begünstigung i. S. d. Art. 87 Abs. 1 EG in abstracto näher beleuchtet werden: a) Der Begriff der Begünstigung i. S. d. Art. 87 Abs. 1 EG Die Frage, wann eine Begünstigung i. S. d. Art. 87 Abs. 1 EG im Allgemeinen gegeben ist, ist in der Literatur und in der Entscheidungspraxis der Gemeinschaftsorgane kaum umstritten: Das EuG qualifiziert den Begriff der Beihilfe als objektiven Begriff, der sich nur danach bestimme, ob eine Maßnahme einem oder mehreren bestimmten Unternehmen Vorteile verschaffe. Auf die Gründe und Ziele der Maßnahme käme es nicht an, sondern nur auf ihre Wirkungen.9 Der EuGH hat diese Rechtsprechung ausdrücklich bestätigt und ergänzend festgestellt, eine Beihilfe läge vor, wenn das begünstigte Unternehmen eine wirtschaftliche Vergünstigung erhalte, die es unter normalen Marktbedingungen nicht erhalten hätte.10 Ferner haben EuG und EuGH in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass der Begriff der Beihilfe weiter als der der Subvention ist und nicht nur positive Begünstigungen, sondern auch Maßnahmen, die in verschiedener Form die Belastungen vermindern, die ein Unternehmen normalerweise zu tragen hat, von Art. 87 Abs. 1 EG erfasst sind.11 Die Sicht der Kommission lässt sich dahin8 Allg. M.; vgl.: Oppermann, Beihilfen, S. 50 f.; Ruttig, S. 162 f.; i. E. auch Uphoff, S. 126. 9 Vgl. Rs. T-67/94 (Ladbroke Racing), Slg. 1998, S. II-1 ff., Rdnr. 52 des Urteils; Rs. T 106/95 (FFSA), Slg. 1997, S. II-229 Rdnr. 195 des Urteils. 10 Vgl. Rs. C-39/94 (SFEI), Slg. 1997, S. I-3547 ff., Rdnr. 60 des Urteils; Rs. C-342/96 (Spanien ./. Kommission), Slg. 1999, S. I-2459 ff., Rdnr. 41 des Urteils. 11 Vgl. Rs. C-53/00 (Ferring), Slg. 2001, S. I-9067 ff., Rdnr. 15 des Urteils; Rs. T 106/95 (FFSA), Slg. 1997, S. II-229 Rdnr. 167 des Urteils; Rs. C-295/97 (Piaggio) Rdnr. 34 des Urteils; Rs. C-387/92 (Banco Exterior de España), Slg. 1994, S. I-877,

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

gehend zusammenfassen, dass eine Beihilfe dann vorliegt, wenn aufgrund einer staatlichen Zuwendung beim Empfänger eine ökonomische Privilegierung eintritt, die gemessen an den üblichen Marktbedingungen12 einen Vorteil darstellt.13 Die übrigen Gemeinschaftsorgane haben sich zum Begriff der Beihilfe bisher nicht dezidiert geäußert.14 Die Literatur versucht teilweise den Begriff der Beihilfe positiv zu bestimmen;15 andere lehnen eine positive Begriffsbestimmung ab, da diese auf eine mit dem Wortlaut des Art. 87 EG („Beihilfen gleich welcher Art“) unvereinbare Einengung hinauslaufe.16 Im Ergebnis sind die begrifflichen Abweichungen von den Gemeinschaftsorganen jedoch geringfügig. b) Begünstigung bei Gegenleistungen für die Erfüllung von Aufgaben? Umstritten ist demgegenüber, unter welchen Voraussetzungen Zuwendungen an Unternehmen für von diesen erbrachte Leistungen als Begünstigungen anzusehen sind: aa) Sicht der Rechtsprechung Der EuGH hat im „Altöl-Fall“17 entschieden, dass es sich bei von der Richtlinie 75/439 vorgesehenen Zuschüssen an Unternehmen, die aufgrund derselben Richtlinie staatlicherseits zum Sammeln von Altölen verpflichtet worden waren, nicht um Beihilfen i. S. d. Art. 92 EGV handle, sondern um Gegenleistungen für die von den Unternehmen erbrachten Leistungen.

Rdnr. 13 des Urteils, Rs. 30/59 (De Gezamenlijke Steenkolenmijnen in Limburg), Slg. 1961, S. 3 (43). 12 Insoweit stellt die Kommission auf den „Grundsatz des nach marktwirtschaftlichen Prinzipien handelnden Kapitalgebers“ ab (vgl. nur die „Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften über Staatliche Beihilfen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk“, ABl. Nr. C 320 vom 15. 11. 2001, S. 5 ff., Rdnr. 17 m. w. N.). 13 Vgl. Damm, S. 78 m. w. N. 14 Die Verfahrensverordnung des Rates VO Nr. 659/1999/EG (ABl. Nr. L 83 vom 27. 03. 1999) über die Anwendung des Art. 93 EGV stellt in Art. 1 nur tautologisch fest, Beihilfen im Sinne der Verordnung seien „alle Maßnahmen, die die Voraussetzungen des Artikels 92 Absatz 1 des Vertrages erfüllen“. 15 Nachweise bei Damm, S. 78. 16 Statt vieler Mederer/van Ysendick, in: von der Groeben/Schwarze, Art. 87 EG, Rdnr. 5. 17 Rs. 240/83 (ADBHU), Slg. 1985, S. 531 ff., Rdnr. 18 des Urteils. Auf diese Rechtsprechung hat sich ein Großteil der Literatur bei der Diskussion des Begünstigungscharakters der Gebührenfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bezogen (vgl. nur Oppermann, Beihilfen, S. 35; Otten, ZUM 1997, 790 (793); Uphoff, S. 119); kritisch hierzu Ruttig, S. 153 ff.

VI. Rundfunkfinanzierung und EG-Beihilfenrecht

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Das EuG stellte demgegenüber in seinem Urteil in Rs. FFSA fest, eine der französischen Post gewährte Steuervergünstigung verschaffe dieser einen Vorteil und sei deswegen als Beihilfe anzusehen, auch wenn die Steuervergünstigung nur dazu diene, die von der Post im öffentlichen Interesse übernommenen Mehrkosten auszugleichen.18 Die Kommission hatte in diesem Fall, obwohl auch sie in der Steuervergünstigung einen Vorteil im Vergleich zu anderen Steuerpflichtigen gesehen hatte, angenommen, es liege keine Beihilfe vor, da nur die erwähnten Mehrkosten i. S. d. Art. 86 Abs. 2 EG ausgeglichen würden.19 Zu Art. 86 Abs. 2 EG betonte das EuG, diese Regelung sei nicht für das begriffliche Vorliegen einer Beihilfe relevant, sondern nur im Hinblick darauf, ob diese Beihilfe mit dem gemeinsamen Markt vereinbar sei.20 In einem Urteil, das sich auf die Finanzierung des portugiesischen Rundfunks bezog, bestätigte das EuG diese Rechtsprechung ausdrücklich.21 Der EuGH entschied demgegenüber zu einer französischen Abgabe auf den Direktverkauf von Arzneimitteln, die bei Großhändlern nicht erhoben wurde (Rs. Ferring), ein Vorteil i. S. d. Art. 87 Abs. 1 EG liege nicht schon deswegen vor, weil Unternehmen unterschiedlich behandelt würden.22 An einem Vorteil fehle es, wenn die unterschiedliche Behandlung aus Gründen gerechtfertigt sei, die systemimmanent seien.23 Wörtlich hieß es im Urteil: „Daher ist (. . .) zu prüfen, ob (. . .) die Nichterhebung der Direktverkaufsabgabe bei den Großhändlern dem Grundsatz nach eine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 92 Absatz 1 des Vertrages darstellen kann, und bejahendenfalls ist zu prüfen, ob die Beihilfenatur dieser Maßnahme wegen der besonderen gemeinwirtschaftlichen Pflichten, die das französische System den Großhändlern bei der Versorgung der Apotheken mit Arzneimitteln auferlegt, auszuschließen ist“.24 Bei der Durchführung der so vorgezeichneten Prüfung nahm der EuGH ausdrücklich auf seine Recht18

Vgl. Rs. T-106/95 (FFSA), Slg. 1997, S. II-229 ff., Rdnr. 165 ff. des Urteils. Vgl. Rs. T-106/95 (FFSA), Slg. 1997, S. II-229 ff., Rdnr. 16 des Urteils; dieser Praxis folgte die Kommission auch eine Zeitlang im Rundfunkbereich (vgl. Ruttig, S. 148 f. m. w. N.). 20 Vgl. Rs. T-106/95 (FFSA), Slg. 1997, S. II-229 ff., Rdnr. 168–172 des Urteils; dem folgend Entscheidung SG (99) D/10201 (BBC News 24) Rdnr. 26 (veröffentlicht soweit ersichtlich nur auf der Website der DG-Wettbewerb); ebenso Entscheidung NN 70/98 (Phoenix/Kinderkanal), S. 6. 21 Rs. T-46/97 (SIC) Rdnr. 79, 81 und 84; a. A. Eberle (AfP 2001, 477 (479)), der das Urteil dahingehend auslegt, das EuG habe die Freistellungsentscheidung der Kommission nur aus formalen Gründen aufgehoben. Insbesondere der Wortlaut von Rdnr. 84 des Urteils spricht m. E. gegen Eberles Auslegung. 22 Rs. C-53/00 (Ferring), Slg. 2001, S. I-9067 ff., Rdnr. 17 des Urteils; hierzu Eberle, AfP 2001, 477 (479 f.). 23 Rs. C-53/00 (Ferring), Slg. 2001, S. I-9067 ff., Rdnr. 17 des Urteils unter Bezug auf Rs. C-353/95 P (Tiercé Ladbroke), Slg. 1997, S. I-7007 ff., Rdnr. 33 und 35 des Urteils. 24 Rs. C-53/00 (Ferring), Slg. 2001, S. I-9067 ff., Rdnr. 18 des Urteils. 19

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

sprechung zum Altölfall Bezug25 und kam zum Ergebnis, dass „Art. 92 des Vertrages so auszulegen ist, dass eine Maßnahme (. . .), die nur Direktverkäufe von Arzneimitteln durch Pharmahersteller betrifft, nur insoweit eine staatliche Beihilfe zugunsten der Großhändler darstellt, als der Vorteil, den diese daraus ziehen, dass sie der Abgabe auf Direktverkäufe von Arzneimitteln nicht unterliegen, die zusätzlichen Kosten übersteigt, die ihnen für die Erfüllung der ihnen (. . .) auferlegten gemeinwirtschaftlichen Pflichten entstehen“.26 Im Urteil in Rs. Altmark Trans GmbH27 hielt der EuGH an dieser Rechtsprechung ausdrücklich fest, obwohl Generalanwalt Léger in seinen Schlussanträgen das Urteil Ferring eingehend kritisiert und die Aufgabe der in ihm aufgestellten Grundsätze gefordert hatte.28 bb) Sicht der Literatur In der Literatur wird überwiegend angenommen, eine Begünstigung i. S. d. Art. 87 Abs. 1 EG liege nicht vor, soweit es sich bei der zu beurteilenden Zuwendung um eine angemessene Gegenleistung für ein Handeln des Zuwendungsempfängers handle.29 Umstritten ist jedoch, wann die Gegenleistung angemessen ist. Es werden im Wesentlichen zwei Ansätze vertreten: Der eine bestimmt die Angemessenheit allein nach der Kostenlast des begünstigten Unter25 Rs. C-53/00 (Ferring), Slg. 2001, S. I-9067 ff., Rdnr. 26 des Urteils. Die „Einmaligkeit“ des Altölfalls, auf die Engel (Beihilfen, S. 20) und Ruttig (153 f.) abstellen, besteht somit nicht mehr. 26 Rs. C-53/00 (Ferring), Slg. 2001, S. I-9067 ff., Rdnr. 29 des Urteils. 27 Rs. C-280/00 (Altmark Trans GmbH); näher zu den Auswirkungen dieses Urteils auf die beihilfenrechtliche Beurteilung der Rundfunkgebühren: König/Haratsch, ZUM 2003, 804 ff. 28 Vgl. Rs. C-280/00 (Altmark Trans GmbH), Rdnr. 75 ff. der Schlussanträge vom 19. 03. 2002 und Rdnr. 22 ff. der ergänzenden Schlussanträge vom 14. 01. 2003. Der EuGH präzisierte seine Ansicht (Rdnr. 89 ff. des Urteils) dahingehend, dass der Tatbestand des Art. 87 Abs. 1 EG bei der Finanzierung gemeinwirtschaftlicher Aufgaben nicht erfüllt sei, wenn: 1.) das begünstigte Unternehmen tatsächlich mit klar definierten gemeinwirtschaftlichen Aufgaben betraut sei, 2.) die Parameter, anhand deren der Ausgleich berechnet wird, zuvor objektiv und transparent aufgestellt wurden und 3.) der Ausgleich nicht über das hinausgeht, was unter Berücksichtigung der Einnahmen aus der Aufgabenerfüllung und eines angemessenen Gewinns erforderlich ist, um die Kosten der Aufgabenerfüllung ganz oder teilweise zu decken. 4.) Soweit das betraute Unternehmen nicht im Wege eines Verfahrens zur Vergabe öffentlicher Aufträge ausgewählt wurde, sei die Höhe der erforderlichen Kosten am Maßstab eines gut geführten Durchschnittsunternehmens zu bestimmen. Ob diese Kriterien auf die Rundfunkfinanzierung anwendbar sind, ist noch weitgehend ungeklärt (näher: König/Haratsch, ZUM 2003, 804 (805 ff.)). 29 Vgl. Bär-Bouyssière, in: Schwarze, Art. 87 EG Rdnr. 27; Damm, S. 80; Dörr, in: Stern/Prütting, 5 (12 ff.); Dörr/Cloß, ZUM 1996, 105 (112 ff.); Holzer, ZUM 1996, 274 (276); Koenig/Kühling, in: Streinz, Art. 87 EG Rdnr. 31; Oppermann, Beihilfen, S. 34 ff.; von Wallenberg, in: Grabitz/Hilf, Art. 92 EGV Rdnr. 7; alle m. w. N.; a. A. Trzaskalik, S. 20; wohl auch von Wallenberg, in: GS Grabitz, 867 (872); kritisch auch Engel, Beihilfen, S. 20 ff.

VI. Rundfunkfinanzierung und EG-Beihilfenrecht

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nehmens.30 Werde diese durch die staatliche Zuwendung gerade ausgeglichen, liege keine Beihilfe vor. Der andere Ansatz bestimmt die Angemessenheit bezogen auf den jeweiligen Markt („marktrelative Günstigkeit“31).32 Hiernach liegt eine Begünstigung schon dann vor, wenn für die Leistung ein gemessen am (u. U. fiktiven) Marktpreis zu hoher Preis gezahlt wird, selbst wenn die Kostenlast des Unternehmens nicht vollständig ausgeglichen wird. Dieses Konzept der „marktrelativen Günstigkeit“ wird v. a. von Engel noch weiter ausgedehnt. Er nimmt an, an einer Begünstigung fehle es nur, wenn der Staat am Markt Güter und Leistungen nachfrage. Gewähre der Staat nur einen Nachteilsausgleich für öffentlich-rechtliche Pflichten, liege keine Gegenleistung vor.33 Insbesondere fielen auch Zahlungen unter den Beihilfebegriff, mit denen der Staat die Produktion bestimmter Güter oder Leistungen erreichen wolle, „die unter Marktbedingungen gar nicht, oder nicht in diesem Umfang zur Verfügung stünden (sog. meritorische Güter)“.34 cc) Stellungnahme Erbringt der Staat für eine von ihm in Auftrag gegebene Leistung eine Gegenleistung kann, wie der EuGH zuletzt im Urteil Altmark Trans GmbH zurecht betont hat, eine Begünstigung i. S. d. Art. 87 Abs. 1 EG nur dann vorliegen, wenn die Gegenleistung unangemessen hoch ist, der Zuwendungsempfänger sie also wenigstens teilweise unentgeltlich erhält.35 Läge auch bei einer angemessenen Gegenleistung eine Beihilfe vor, könnte der Staat (abgesehen von den Ausnahmeklauseln in Art. 86 Abs. 2, 87 Abs. 2 u. 3 EG) wirtschaftlich kaum ohne Verstoß gegen das Beihilfeverbot handeln. Dies kann vom EG-Vertrag nicht gewollt sein.36 Entscheidend ist also die Frage, wann eine angemessene Gegenleistung vorliegt.

30 So Dörr/Cloß, ZUM 1996, 105 (112 ff.); Oppermann, Beihilfen, S. 35; Otten, ZUM 1997, 790 (795); kritisch Damm, S. 81. 31 Begriff von Müller-Graff, ZHR 152 (1988), 403 ff. (418); zu ähnlichen Begriffen vgl. Oppermann, Beihilfen, S. 36. 32 Vgl. Damm, S. 80 ff. m. w. N.; so auch Entscheidung NN 70/98 (Phoenix/Kinderkanal), S. 6. 33 Vgl. Engel, Beihilfen, S. 22 m. w. N.; ähnlich Selmer/Gersdorf, S. 26 f.; bezogen auf Anstaltslast und Gewährträgerhaftung bei öffentlich-rechtlichen Kreditinstituten auch Koenig, EuZW 1995, 595 (599). 34 Vgl. Engel, Beihilfen, a. a. O; ähnlich: Damm, S. 82; Uphoff, S. 120 f.; zum Begriff: Andel, Finanzarchiv n. F. 42 (1984), 630 ff.; Mailänder, S. 151 m. w. N. 35 So auch: Oppermann, Beihilfen, S. 35; Damm, S. 80; jeweils m. w. N.; diesem Prüfungsansatz folgt im Rundfunkbereich neuerdings auch die Kommission (vgl. Montag/Leibenath, in: Heidenhain, § 31 Rdnr. 56 m. w. N.). 36 So i. E. auch die wohl h. M. in der Literatur; vgl.: Selmer/Gersdorf, S. 25; Müller-Graff, ZHR 152 (1988), 403 (418); jeweils m. w. N.; ähnlich Oppermann, Beihilfen, S. 35.

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

Bestimmt man die Angemessenheit der Gegenleistung allein nach der Kostenlast des Unternehmens, ist das Ergebnis zwar stets einfach und ohne umfangreiche Marktanalysen zu ermitteln. Man läuft aber Gefahr, den Zuwendungsempfänger dazu zu ermutigen, kostenintensiv, also unwirtschaftlich zu produzieren. Außerdem wären nach dieser Ansicht Gewinne, die unproblematisch auch in Rechtsgeschäften mit dem Staat erzielt werden dürfen,37 Beihilfen, da sie die Kostenlast übersteigen.38 Daher ist zur Bestimmung der Angemessenheit der Gegenleistung grundsätzlich auf die Marktbedingungen abzustellen.39 Bei den von Engel in die Diskussion eingebrachten meritorischen Gütern ist die Frage, wann eine Gegenleistung angemessen ist, anders zu beantworten: Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass Engel bei seiner Definition der meritorischen Güter einen wichtigen Aspekt weitgehend unberücksichtigt lässt. „Meritorische Güter“ sind jedenfalls nach wohl h. L. in den Wirtschaftswissenschaften nur Güter, die grundsätzlich „marktfähig“ wären, die der Markt also hervorbringen könnte, die nach Ansicht des Staates auf dem Markt jedoch nicht in ausreichender Menge oder Qualität angeboten werden.40 Bei diesen Gütern kann zur Ermittlung der angemessenen Gegenleistung nicht auf die realen Marktbedingungen abgestellt werden, da eben diese dafür verantwortlich sind, dass die Güter nicht in (aus staatlicher Sicht) aureichender Weise erbracht werden. Abzustellen ist daher auf einen fiktiven Marktpreis. Bei dessen Ermittlung ist dem Staat ein Einschätzungsspielraum insbesondere dort zuzubilligen, wo es um Güter aus einem Bereich geht, in dem der EG-Vertrag besondere Zurückhaltung gegenüber den Kompetenzen der Mitgliedstaaten übt, wie im Kulturbereich (Art. 151 EG).41 Die staatliche Förderung solcher meritorischer Güter ist i. S. d. Art. 87 Abs. 1 EG eine Begünstigung, wenn sie den fiktiven Marktpreis übersteigt. Es bleibt die Frage, wie sich die Angemessenheit bestimmen lässt, wenn für das betreffende Gut kein Markt existiert bzw. das Gut notwendigerweise nur in Marktunabhängigkeit produziert werden kann. Gemeint sind reine öffentliche Güter und Mischgüter. Hierbei sind unter reinen öffentlichen Gütern solche zu verstehen, von deren Nutznießung niemand ausgeschlossen werden kann und 37 Hiervon geht auch der EuGH in Rs. C-280/00 (Altmark Trans GmbH), Rdnr. 89 ff. des Urteils aus. 38 So i. E. auch: Müller-Graff, ebd.; Selmer/Gersdorf, S. 25 f. 39 Sog. „market investor“- bzw. „reasonable investor“-Test (näher hierzu Ruttig, S. 158 ff.); a. A. Oppermann, Beihilfen, S. 36. Der EuGH stellt zurecht klar, dass dies diejenigen Marktbedingungen sind, die zum Zeitpunkt der Beihilfengewährung vorlagen (vgl. Rs. C-482/99 (Stardust Marine), Rdnr. 72 ff.). 40 Vgl. Andel, S. 425; ders., Finanzarchiv n. F. 42 (1984), 630 (648); Brümmerhoff, S. 113 f.; Vahlens Großes Wirtschaftslexikon, 2. Aufl, Stichwort „meritorisches Gut“; Gabler-Volkswirtschafts-Lexikon, 3. Aufl., Stichwort „meritorische Güter“; kritisch zum Konzept der meritorischen Güter Never, S. 136 ff. 41 So i. E. auch Holznagel/Vesting, S. 18.

VI. Rundfunkfinanzierung und EG-Beihilfenrecht

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bei denen die Grenzkosten für einen zusätzlichen Nutznießer Null sind.42 Mischgüter sind Güter, bei denen die beiden zuletzt genannten Merkmale nicht in vollem Umfang vorliegen, so etwa Güter, von deren Nutzung zwar niemand ausgeschlossen werden kann, bei denen jedoch zusätzliche Nutzer Kosten für die bisherigen Konsumenten verursachen43 oder auch Güter, bei denen zwar die Kosten durch zusätzliche Nutzer nicht steigen, die Ausschließung von Nutzern aber jedenfalls möglich ist.44 Als Beispiel für öffentliche Güter wird in der Literatur die Rechtsordnung genannt,45 ein Beispiel für Mischgüter sind die öffentlichen Straßen, denn grundsätzlich kann niemand von ihrer Nutzung ausgeschlossen werden, durch erhöhte Nutzung steigen jedoch die Kosten für den Straßenbau, die dann über Steuern refinanziert werden müssen.46 Nur auf der Grundlage einer ultraliberalen Wirtschaftstheorie lässt sich annehmen, bei öffentlichen und Mischgütern läge eine Beihilfe schon deshalb vor, weil der Staat Aufwendungen für etwas tätigt, das der Markt nicht erbringen kann47. Diese Wirtschaftstheorie findet im EG-Vertrag keine Stütze. Die Existenz von Art. 86, 87 Abs. 2 und 3 und insbesondere 16 EG beweist vielmehr, dass der EG-Vertrag ein Vertrauen allein auf Marktkräfte gerade nicht für ausreichend hält. Außerdem ist daran zu erinnern, dass der Schutz unverfälschten Wettbewerbs nur eines von mehreren gleichrangigen Zielen der Gemeinschaft i. S. d. Art. 3 EG ist.48 Daher muss in Fällen, in denen der Staat die Produktion eines notwendigerweise marktunabhängigen Gutes fördert, da sich ein „Marktpreis“ nicht ermitteln lässt, doch auf die Kostenlast abgestellt werden.49 Regelmäßig wird allerdings der Zuwendungsempfänger, der ein solches Gut herstellt, bei der Kostenentstehung die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit einzuhalten haben. Eine Beihilfe kann daher auch dann vorliegen, wenn eine Kostenlast gedeckt wird, bei deren Entstehen gegen diese Grundsätze verstoßen wurde.

42 Vgl. Andel, S. 421; Brümmerhoff, S. 94 f.; bezogen auf den Rundfunk Never, S. 126 ff. 43 Vgl. Brümmerhoff, S. 110. 44 Vgl. Andel, S. 424. 45 Vgl. Andel, S. 423; Brümmerhoff, S. 94. Dies ist m. E. allerdings zweifelhaft, da sich mit der Zahl der Rechtssuchenden auch die Zahl der einzustellenden Richter erhöht und diese wiederum u. U. nur finanziert werden können, wenn die Steuereinnahmen erhöht werden. 46 Vgl. Andel, S. 423 f. 47 So aber Engel, Beihilfen, S. 22; wie hier: Betz, MP 1997, 2 (9 f.); Oppermann, Phoenix/Kinderkanal, S. 11. 48 So auch Oppermann, Phoenix/Kinderkanal, S. 11 f. 49 So i. E. auch der EuGH in verb. Rs. C-83/01 P, 93/01 P und 94/01 P (La Poste/ SFMI-Chronopost), Rdnr. 33 ff. des Urteils.

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

c) Begünstigungseffekt der Gebührenfinanzierung? Anhand des so präzisierten Begriffs der Begünstigung i. S. d. Art. 87 Abs. 1 EG ist zu prüfen, ob die Gebührenfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und die mit ihr verbundenen Regelungen eine Begünstigung bewirken: aa) Gebührenfinanzierung der Grundversorgung Bei der Beurteilung der Gebührenfinanzierung der Grundversorgung muss man sich zunächst noch einmal deren Konstruktion und Begründung durch das BVerfG vor Augen halten:50 Grundversorgung ist keine Mindestversorgung, sondern Versorgung mit technisch für alle empfangbarem in – vom Grundversorgungsauftrag selbst abgesehen – voller Programmfreiheit produziertem Rundfunk. Sie umfasst inhaltlich den klassischen Rundfunkauftrag einschließlich der kulturellen Funktion des Rundfunks und soll die für die Demokratie essentielle, freie öffentliche und individuelle Meinungsbildung ermöglichen. Grundversorgung muss, damit sie ihre verfassungsrechtliche Funktion erfüllen kann, in Marktferne, nicht jedoch in gänzlicher Marktabstinenz geleistet werden. Die teilweise Anbindung der Grundversorgung an den Markt ist jedoch – und dies ist entscheidend – keine wirtschaftliche, sondern eine rein publizistische bzw. eine Anbindung an den Meinungsmarkt. Schon deswegen ist Grundversorgung kein meritorisches Gut,51 denn meritorische Güter sind, wie dargelegt, nur solche, die auch der (wirtschaftliche) Markt erbringen könnte. Der Markt kann Rundfunkprogramme erbringen, nicht aber von wirtschaftlichen Bedingungen notwendig unabhängige Güter, also auch nicht Grundversorgung. Selmer und Gersdorf vertreten die These, die Gebührenfinanzierung sei beihilferechtlich nur insoweit gerechtfertigt, als Programme finanziert würden, die am Markt nicht finanzierbar seien.52 Diese Ansicht widerspricht dem Verständnis der Grundversorgung durch das BVerfG und ist schon deswegen abzulehnen. Grundversorgung kann nur dann dauerhaft unabhängig (d. i. wirtschaftlich unabhängig und in Programmfreiheit) geleistet werden, wenn der Staat nicht selektiv finanziert, denn Grundversorgung setzt die Gewährleistung der ganzen Breite des klassischen Rundfunkauftrages voraus.53 Hierzu gehören auch massenattraktive Programmteile. Dass dieses Verständnis der Grundversorgung nach deutschem Verfassungsrecht der beihilfenrechtlichen Analyse zu Grunde zu legen ist, folgt auch aus dem Rundfunkprotokoll, das von dem „öffentlich-rechtlichen Auftrag, wie er von den Mitgliedstaaten den Anstalten übertragen, festgelegt 50 51 52 53

Näher s. o. A. III. So aber wohl Ruttig, S. 63 ff. Vgl. Selmer/Gersdorf, S. 85 ff. So i. E. auch Ruttig, S. 201.

VI. Rundfunkfinanzierung und EG-Beihilfenrecht

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und ausgestaltet wird“ (Hervorhebung v. Verf.), spricht.54 Daher muss entgegen Selmer und Gersdorf nach dem begünstigenden Charakter der Finanzierung der Grundversorgung insgesamt, nicht nach dem begünstigenden Charakter der Finanzierung ihrer einzelnen Programme oder gar Sendungen gefragt werden.55 Die Rundfunkgebühren dienen als nach §§ 11 Abs. 1, 12 Abs. 1 RStV vorrangige Finanzierungsquelle des öffentlich-rechtlichen Rundfunk dazu, diesen in die Lage zu versetzen, seine verfassungsmäßigen und gesetzlichen Aufgaben zu erfüllen. Schon aus diesen Regelungen wird deutlich, dass die Rundfunkgebühren den Charakter einer Gegenleistung für die Leistung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks haben.56 Dieser Entgeltcharakter der Rundfunkgebühr lässt sich nicht deshalb in Frage stellen, weil zwischen Rundfunkanstalt und Gebührenzahler kein synallagmatisches Verhältnis in dem Sinne besteht, dass der Gebührenzahler jeweils nur für tatsächlich empfangene Programme zahlt.57 Beihilferechtlich entscheidend ist allein das Verhältnis Rundfunkanstalten – Staat.58 Dieses ist (abgesehen von der Staatsfreiheit des Rundfunks) in der dualen Rundfunkordnung so ausgestaltet, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten vom Staat bzw. aufgrund der Verfassung mit der Grundversorgung beauftragt sind. Dieser Auftrag wird dadurch „bezahlt“, dass den Rundfunkanstalten das Gebührenaufkommen zur Verfügung gestellt wird. Beide Leistungen (Grundversorgung und zur Verfügung Stellen des Gebührenaufkommens) sind von Verfassungswegen bedingungsmäßig miteinander verknüpft.59 Zwischen Staat und Rundfunkanstalten besteht daher ein Synallagma60 bzw. Veranstaltung der Grundversorgung und Gebührenfinanzierung stehen im Verhältnis von Leistung und Gegenleistung.61 Ob ein Synallagma im engeren Sinne gegeben ist, kann im Übrigen dahinstehen, denn Art. 87 Abs. 1 EG erfasst auch Zuwendungsverhältnisse, die nicht im engeren Sinne synallagmatisch sind, weil es im 54 Hierauf stellt auch Wittig-Terhardt (in: Liber Amicorum Oppermann, 727 (745, 749)) ab. 55 So auch Holzer, ZUM 1996, 274 (280). 56 So auch Oppermann, Beihilfen, S. 37; a. A. von Wallenberg, in: GS Grabitz, 867 (872). 57 So aber Uphoff, S. 121 f.; wohl auch Holzer, ZUM 1996, 274 (277 f.); i. E. wie hier Holznagel/Vesting, S. 92. 58 So zurecht Bleckmann, Spartenprogramme, S. 117; i. E. auch Damm, S. 89 f. 59 Vgl. BVerfGE 90, 60 (90 f.). 60 A. A. Badura, in: Liber Amicorum Oppermann, S. 571 ff. (582); wohl auch Damm, S. 89 f. 61 An diesem Befund ändert sich auch dann nichts, wenn man die Frage, ob ein synallagmatisches Verhältnis gegeben ist, ausschließlich nach dem Europarecht entscheiden will, denn auch öffentlich-rechtlicher, gebührenfinanzierter Rundfunk ist europarechtlich gesehen eine entgeltliche Leistung i. S. d. Art. 49, 50 EG [s. o. B. III. 5. c) dd)]. So auch Dörr, in: Stern/Prütting, 5 (16 ff.); ders./Cloß, ZUM 1996 (105), 113]; vgl. auch Otten, ZUM 1997, 790 (793); ablehnend: Holznagel/Vesting, S. 92 f.; Engel, Beihilfen, S. 26.

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

Beihilfenrecht nur auf die begünstigende Wirkung einer staatlichen Zuwendung ankommt, nicht auf den Grund für diese.62 Gegenleistungen des Zuwendungsempfängers schließen auch dann einer Begünstigung i. S. d. Art. 87 Abs. 1 EG aus, wenn sie den gewährten Vorteil nur objektiv mindern.63 Es bleibt die Frage, ob die Finanzierung der Grundversorgung durch den Staat, letztlich also die Gebührenhöhe, angemessen ist: Insoweit kann nicht auf Marktbedingungen abgestellt werden, weil es, wie dargelegt, keinen Markt für Grundversorgung geben kann. Grundversorgung ist auch kein meritorisches Gut, denn dies würde voraussetzen, dass der Markt Grundversorgung erbringen könnte. Erbringen kann er jedoch nur einzelne Programme, in die die Grundversorgung, soll sie ihren Zweck erfüllen, nicht zerlegt werden darf.64 Die Grundversorgung steht den Mischgütern, wenn nicht gar den öffentlichen Gütern näher als den meritorischen: Dadurch, dass die Zahl der „Nutzer der Grundversorgung“ bzw. der Zuschauer/Hörer wächst, steigen die Kosten für die übrigen Nutzer nicht etwa, sondern sinken u. U. sogar, denn je mehr Gebührenzahler hinzukommen, desto eher ist es möglich, die Höhe der Gebühr zu senken. Außerdem soll Grundversorgung, wie das BVerfG formuliert, Grundversorgung für alle sein, es darf also grundsätzlich niemand vom „Konsum“ der Grundversorgung ausgeschlossen werden.65 Hieraus den Schluss zu ziehen, die Finanzierung der Grundversorgung sei schon deswegen eine Begünstigung, weil sie außerhalb des Marktes stattfindet,66 wäre unzutreffend, weil es dem Sinn und Zweck des Art. 87 EG, Marktverzerrungen zu verhindern, klar widerspräche. Wo es keinen Markt gibt, müssen Marktverzerrungen nicht verhindert werden. Ebensowenig überzeugt die Annahme, Art. 87 Abs. 2 und 3 EG hätten nur dann einen eigenen Anwendungsbereich, wenn unter das Beihilfenverbot auch alle Zuwendungen fielen, mit denen eine einzelstaatliche Zielvorgabe verfolgt wird, für die auf dem Markt kein Kapital zur Verfügung steht.67 Anwendungsvoraussetzung der Art. 87 62

So auch Damm, S. 89 f. So auch Holznagel/Vesting, S. 92 f.; bezogen auf Anstaltslast und Gewährträgerhaftung für öffentlich-rechtliche Kreditinstitute Koenig, EuZW 1995, 595 (600). 64 s. o. A. III. 3. a). 65 BVerfGE 73, 118 (158); ähnlich: BVerfGE 74, 297 (326); 83, 238 (298). 66 So Damm, S. 91; Engel, Beihilfen, S. 24 f.; Ruttig, S. 159 f.; Selmer/Gersdorf, S. 26 f.; i. E. auch Koenig/Kühling, EuZW 2000, 197 (198); in diese Richtung auch die Formulierung der Kommission in Entscheidung SG (99) D/10201 (BBC News 24) Rdnr. 30 (veröffentlicht soweit ersichtlich nur auf der Website der DG-Wettbewerb): „It is sufficient to argue that the possibility for an undertaking to offer a service on conditions which cannot be matched by any other commercial operator may put other undertakings in an unfavourable position.“ (allerdings bezogen auf das Nachrichtenspartenprogramm BBC News 24); wie hier: Bartosch, EuZW 1999, 176 (177); Holzer, ZUM 1996, 274 (281). 63

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Abs. 2 und 3 EG ist eben, dass eine Beihilfe i. S. d. Art. 87 Abs. 1 EG bzw. eine wenigstens potentielle Marktverzerrung vorliegt. Der Anwendungsbereich der Art. 87 Abs. 2 und 3 EG würde unzulässig erweitert, wenn auch Zuwendungen erfasst wären, die diese marktverzerrende Wirkung nicht haben. Die Angemessenheit der Rundfunkgebühr kann sich daher nur nach anderen Maßstäben bestimmen. Diese Maßstäbe hat das BVerfG in seiner Gebührenentscheidung von 1994 aufgezeigt68 und sie sind auch in Art. 13 RStV enthalten, nämlich Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit.69 Die KEF überprüft in regelmäßigen Abständen unabhängig, ob die Rundfunkanstalten bei ihren Bedarfsanmeldungen diese Maßstäbe einhalten70. Eine Begünstigung der Anstalten i. S. d. Art. 87 Abs. 1 EG wäre lediglich dann anzunehmen, wenn die Überprüfung durch die KEF die Einhaltung der besagten Maßstäbe nicht hinreichend sicherstellen würde. In ihrer Entscheidung in Sachen Phoenix und Kinderkanal hat jedoch auch die EU-Kommission das KEF-Verfahren als insoweit ausreichende Kontrolle bestätigt.71 Es besteht entgegen der Ansicht von Engel72 auch kein Grund die Kontrollfähigkeit der KEF deswegen anzuzweifeln, weil sie die programmlichen Ausweitungen der öffentlich-rechtlichen Veranstalter im Zweifel gebührenmäßig honoriert. Maßstab der Entscheidung der KEF muss primär die auch den öffentlich-rechtlichen Veranstaltern (abgesehen von der Verpflichtung zur Grundversorgung) uneingeschränkt zukommende Programmfreiheit des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG sein. Von seiner Programmfreiheit macht der öffentlichrechtliche Rundfunk (wie jeder andere Rundfunkveranstalter) dadurch Gebrauch, dass er neue Programme, neue technische Sendeformen und sonstige programmbezogene Innovationen erprobt. Die KEF muss sich nicht, wie offenbar Engel meint, dafür rechtfertigen, dass sie programmliche Ausweitungen bei der Gebührenerhöhung berücksichtigt, sondern gemessen an Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG dafür, dass sie sie nicht berücksichtigt. An der Angemessenheit der Gebührenfinanzierung der Grundversorgung könnte man ferner zweifeln, weil sich der Inhalt des Grundversorgungsauftrages schon aufgrund der Programmautonomie der Anstalten nicht so präzise bestimmen lässt, dass es möglich wäre, die Kosten der Grundversorgung auf Euro und Cent genau zu ermitteln. Es ist allerdings daran zu erinnern, dass den Mitglied67

So Damm, S. 94 m. w. N. BVerfGE 90, 60 (102 ff.). 69 Vgl. hierzu auch Dörr, in: Stern/Prütting, 5 (18 ff.); ders., K&R 2001, 233 (235). 70 Vgl. nur 14. KEF-Bericht, S. 138 ff. 71 Entscheidung NN 70/98 (Phoenix/Kinderkanal), S. 12 f.; wörtlich (S. 13): „Die Europäische Kommission hat keine Veranlassung, die Prüfung und Berechnung der unabhängigen KEF in Zweifel zu ziehen.“; vgl. ausführlich zum Prüfungsverfahren der KEF König/Haratsch, ZUM 2003, 804 (808 f.). 72 Vgl. Engel, Beihilfen, S. 8 ff.; gegen diese Ansicht auch Holznagel/Vesting, S. 95 f. 68

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

staaten ein Beurteilungsspielraum bei der Frage zukommt, ob ihre Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks angemessen ist.73 Nach der klaren Aussage des Rundfunkprotokolls muss die mitgliedstaatliche Rundfunkfinanzierung dem öffentlich-rechtlichen Auftrag „dienen“, ohne dass durch die Finanzierung „die Handels- und Wettbewerbsbedingungen (. . .) in einem Ausmaß beeinträchtigt werden, das dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft . . .“ (Hervorhebung v. Verf.). Daraus folgt, dass die Rundfunkfinanzierung die Handels- und Wettbewerbsbedingungen in einem Ausmaß, das dem gemeinsamen Interesse noch nicht zuwiderläuft, beeinträchtigen darf. Eine geringfügig unangemessene Rundfunkfinanzierung ist demnach gemeinschaftsrechtlich tolerabel.74 Außerdem stellt das Protokoll klar, dass die Erfüllung des Rundfunkauftrages in Zweifelsfällen Vorrang vor dem gemeinsamen Interesse haben kann. Der Grundsatz „im Zweifel Unangemessenheit der Gegenleistung und damit unzulässige Beihilfe“ kann im Bereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks also nicht (mehr) gelten. Die Gebührenfinanzierung der Grundversorgung ist auch insoweit nicht unangemessen.75 Die Gebührenfinanzierung der Grundversorgung stellt daher im Ergebnis keine Begünstigung dar, weil sie eine angemessene Gegenleistung für die Leistung Grundversorgung ist.76 bb) Gebührenfinanzierung von Spartenprogrammen (1) Fehlender Begünstigungseffekt Die Gebührenfinanzierung von Spartenprogrammen wäre ebensowenig wie die Gebührenfinanzierung der Grundversorgung als Begünstigung anzusehen, wenn Spartenprogramme Bestandteil der Grundversorgung wären: Dagegen sprechen die bereits erwähnten [A. III. 3. c)] Ausführungen des BVerfG im Baden-Württemberg-Beschluss,77 wo das Gericht diese Programme ausdrücklich nicht der Grundversorgung zugeordnet hat, weil sie sich nur an einen begrenz73 So auch Dörr (in: Stern/Prütting, 5 (20 ff.)), der den Beurteilungsspielraum zusätzlich aus Art. 151 EG und 6 Abs. 3 EU herleitet; ähnlich ders./Cloß, ZUM 1996, 105 (114). 74 So auch Greissinger, S. 217; Eberle, in: FS Brohm, S. 60 f. 75 So bereits vor Geltung des Rundfunkprotokolls auch Holzer, ZUM 1996, 274 (282 ff.). 76 So auch (allerdings z. T. auch bezogen auf die Gebührenfinanzierung insgesamt: Dörr/Cloß, ZUM 1996, 105 (110 ff.); Eberle, ZUM 1995, 763 (766); ders., AfP 2001, 477 (480); Holzer, ZUM 1996, 274 (276 ff.); Holznagel/Vesting, S. 97; Oppermann (Beihilfen, S. 41 ff.), der sogar von einer „Unterkompensation“ der Grundversorgung ausgeht; Otten, ZUM 1997, 790 (792 ff.); Wittig-Terhardt, in: Liber Amicorum Oppermann, 727 (745). 77 BVerfGE 74, 297 (344–346).

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ten Teilnehmerkreis richten, thematisch begrenzt sind und daher umfassende Informations- und Meinungsbildung nicht ermöglichen.78 Ob das BVerfG diese Feststellung auch in der heutigen Zeit treffen würde, ist fraglich. Die Digitalisierung bringt, wie dargelegt, eine Vervielfachung der Übertragungskapazität mit sich, die dadurch den Veranstaltern auch mehr Möglichkeiten zur Verspartung bietet. Werden diese von privater Seite umfassend genutzt, ist zweifelhaft, ob Grundversorgung allein durch Vollprogramme noch erfüllt werden kann.79 Außerdem hat das BVerfG betont, dass der Grundversorgungsauftrag dynamisch zu verstehen sei.80 Bedenkt man zusätzlich, dass bereits im jetzigen analogen Rundfunk eine Tendenz zur Verspartung nachgewiesen wird,81 spricht einiges dafür, Spartenprogramme schon jetzt zumindest beihilferechtlich als Bestandteil der Grundversorgung zu sehen.82 Grundversorgung ist auf Dauer nur möglich, wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk sein Programm neuen technischen und gesellschaftlichen Entwicklungen anpassen kann. Aufgrund dessen genießt er in der dualen Rundfunkordnung nicht nur eine Bestands-, sondern auch eine Entwicklungsgarantie.83 Im Rahmen dieser Garantie sind die Spartenprogramme jedenfalls dann zu verorten, wenn man die eben angedeutete Prämisse von der „Verspartungstendenz“ des Rundfunks teilt.84 Allerdings sind Programme, die der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Rahmen der Entwicklungsgarantie veranstaltet, (noch) keine Bestandteile der Grundversorgung. Siedelt man die Spartenprogramme daher im Bereich der Entwicklungsgarantie an,85 ist die Frage, ob ihre Finanzierung eine Begünstigung i. S. d. Art. 87 Abs. 1 EG darstellt, gesondert zu untersuchen. Ebenso wie die Gebühren als Gegenleistung für die Grundversorgung anzusehen sind, sind sie auch Gegenleistung für die Veranstaltung von Spartenpro78

So auch Engel, Beihilfen S. 24. In diese Richtung auch Betz, MP 1997, 2 (7 f.); Holznagel/Vesting, S. 54; zur Frage einer Grundversorgung ausschließlich durch Spartenprogramme: Dargel, S. 165 ff. 80 BVerfGE 83, 238 (299). 81 Vgl. Betz, MP 1997, 2 (7 m. w. N.); Dargel, S. 155 f. 82 So Dargel (S. 160 ff.) für Phoenix und Kinderkanal. 83 Vgl. BVerfGE 83, 238 (298 ff.); § 11 Abs. 1 RStV und die Landesmediengesetze und -staatsverträge normieren diese Bestands- und Entwicklungsgarantie einfachgesetzlich; vgl. auch oben A. III. 4. 84 Die Länder haben im dritten Rundfunkänderungsstaatsvertrag die Spartenprogramme in den Bereich der Entwicklungsgarantie eingeordnet. Wörtlich heißt es in der Begründung zum Staatsvertragsentwurf (zitiert nach Betz, MP 1997, 2 (2 f.)): „[Mit den Spartenprogrammen] soll auch dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk die Möglichkeit eingeräumt werden, mit diesen Fernsehprogrammen an der Ausdifferenzierung des Programmangebots teilzuhaben. Dies trägt der verfassungsrechtlich abgeleiteten Entwicklungsgarantie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Rechnung.“; vgl. auch Oppermann, Phoenix/Kinderkanal, S. 7. 85 A. A. Bleckmann, Spartenprogramme, S. 63 ff. 79

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

grammen, denn nach § 11 Abs. 1 RStV hat „die Finanzausstattung [mit Gebühren, Werbeeinnahmen etc.] den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in die Lage zu versetzen, seine verfassungsmäßigen und gesetzlichen Aufgaben zu erfüllen“. Finanziert wird also die „Gesamtveranstaltung Rundfunk“.86 Eine solche gesetzliche Aufgabe ist nach § 19 Abs. 2 RStV auch die Veranstaltung der Spartenprogramme. Die KEF prüft deren Finanzierung an den Maßstäben der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Daher stellt auch die Gebührenfinanzierung der Spartenprogramme keine Begünstigung dar. Dieses Ergebnis ändert sich auch dann nicht, wenn man annimmt, die Spartenprogramme seien meritorische Güter: Hierfür könnte sprechen, dass der Markt in der Lage wäre, Programme ähnlichen Inhalts und Umfangs zu produzieren. Gegen die Einordnung der Spartenprogramme als meritorische Güter spricht jedoch, dass sie im Rahmen der Entwicklungsgarantie veranstaltet werden, also die Grundversorgung „weiterbringen“ sollen. Die Grundversorgung ist jedoch selbst kein meritorisches Gut. Gleichgültig, ob man der Einordnung als meritorische Güter zustimmt oder nicht, ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass zwischen den von der KEF überprüften Kosten für die Spartenprogramme und einem fiktiven unter Berücksichtigung eines mitgliedstaatlichen Einschätzungsspielraums ermittelten Marktpreis ein Unterschied besteht, der es rechtfertigt, die Finanzierung der Spartenprogramme als Beihilfen zu sehen. Bleckmann nimmt an, das Gebührenaufkommen diene ausschließlich der Finanzierung bzw. der Aufrechterhaltung der Grundversorgung.87 Da Spartenprogramme nicht der Grundversorgung zuzurechnen seien, sei die Gebührenfinanzierung keine adäquate Gegenleistung für die Veranstaltung dieser Programme und damit eine Begünstigung.88 Diese Ansicht ist schon deswegen nicht zutreffend, weil die Gebührenfinanzierung der Anstalten durch den Grundversorgungsauftrag jedenfalls nach der Interpretation des BVerfG nicht begrenzt ist.89 Das BVerfG hat aus der Programmautonomie hergeleitet, dass der Gesetzgeber verpflichtet ist, alle Programme der öffentlich-rechtlichen Anstalten zu finanzieren, mit denen diese ihren spezifischen Verfassungsauftrag erfüllen.90 Daher besteht eine Finanzierungspflicht jedenfalls für Spartenprogramme mit meinungsbildenden Beiträgen, die von den privaten Veranstaltern nicht zu erwarten sind.91 Diese Qualität weisen die derzeit existierenden öffentlich-rechtlichen Spartenprogramme zum größten Teil auf: ARTE, 3sat und der Theaterkanal aufgrund 86

Vgl. BVerfGE 31, 314 (330). Vgl. Bleckmann, Spartenprogramme, S. 77 ff., 117. 88 Vgl. Bleckmann, Spartenprogramme, S. 117. 89 Vgl. Holznagel/Vesting, S. 53, 95. 90 Vgl. BVerfGE 90, 60 (91); 87, 181 (201). 91 Enger Damm (S. 42), der annimmt, nur in diesen Fällen sei eine Gebührenfinanzierung zulässig. 87

VI. Rundfunkfinanzierung und EG-Beihilfenrecht

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ihres kulturellen Schwerpunktes, BR-Alpha aufgrund seines Bildungsschwerpunktes, der Kinderkanal wegen seines gewaltfreien und pädagogisch wertvollen Programms. Phoenix konkurriert zwar mit privaten Programmen wie N24 und n-tv, ist im Gegensatz zu diesen jedoch werbefrei und daher wirtschaftsunabhängig und außerdem darauf ausgerichtet, stärker auch Live-Übertragungen aus den Parlamenten und Hintergrundberichte zu bringen. Auch insoweit besteht also ein typisch öffentlich-rechtliches Programmprofil, dass eine Gebührenfinanzierung erforderlich macht.92 Die Gebührenfinanzierung der derzeitigen öffentlich-rechtlichen Spartenprogramme begünstigt die Anstalten somit nicht i. S. d. Art. 87 Abs. 1 EG. (2) Die Gegenansicht der Kommission In der Entscheidung zur Finanzierung von Phoenix und Kinderkanal nahm die Kommission an, die öffentlich-rechtlichen Veranstalter dieser Programme hätten gegenüber ihren privaten Konkurrenten einen Vorteil, weil die diesbezüglichen Gebühren den Privaten nicht zufließen würden. Dieser Vorteil enthalte auch eine Begünstigung, da es sich bei den Gebühren um keine unter Marktbedingungen festgesetzte Gegenleistung handle. Zu Marktbedingungen werde eine Gegenleistung für im Auftrag eines Mitgliedstaates zu erbringende Dienstleistungen nur dann festgesetzt, wenn allen interessierten Unternehmen die Möglichkeit gegeben werde, die Höhe der Gegenleistung anzugeben, und das betreffende Unternehmen anschließend nach objektiven Kriterien ausgewählt würde.93 Diese Ansicht ist in mehrfacher Hinsicht problematisch: Es wird unterstellt, dass der von der KEF festgesetzte „Gebühren-Preis“ schon deswegen nicht dem Marktpreis entspricht, weil keine Ausschreibung stattgefunden hat.94 Selbst wenn man annimmt, eine solche Ausschreibung hätte durchgeführt werden können, ist aber nicht bewiesen, dass dann ein niedrigerer „Preis“ hätte erzielt werden können. Dieser Beweis wäre nur entbehrlich, wenn Art. 87 Abs. 1 EG auch potentielle Begünstigungen als Beihilfen verstehen würde, was nicht der Fall ist. Es reicht nach dem Wortlaut des Art. 87 Abs. 1 EG zwar eine potentielle Wettbewerbsgefährdung und Handelsbeeinträchtigung aus, nicht aber eine potentielle Begünstigung. Dies gilt für das gesamte Beihilfenrecht, muss jedoch erst recht dann gelten, wenn es um die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks geht, die, wie das Rundfunkprotokoll betont, gegenüber dem „Zu92

So i. E. auch Damm, S. 42. Entscheidung NN 70/98 (Phoenix/Kinderkanal), S. 6 f.; allgemein zu derartigen Ausschreibungsverfahren Bartosch, WuW 2001, 673 ff. 94 Zurecht kritisch zu diesem Schluss auch Montag/Leibenath, in: Heidenhain, § 31 Rdnr. 73. 93

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

griff des Gemeinschaftsrechts“ eine besonders starke Stellung haben soll. Außerdem ist zweifelhaft, ob der „market-investor-test“, den die Kommission hier anwendet, auf die Spartenprogramme überhaupt passt.95 Sieht man diese Programme als Bestandteil der Grundversorgung, ist dies zu verneinen. Sieht man sie als von der Entwicklungsgarantie gedeckt, zumindest aber als der Funktion der öffentlich-rechtlichen Anstalten entsprechend an, ist die Anwendbarkeit des „market-investor-tests“ ebenfalls zweifelhaft, denn die Spartenprogramme sind höchstens meritorische Güter. Bei solchen ist jedoch, wie dargelegt, ein fiktiver Marktpreis zu berechnen, bei dem dem Mitgliedstaat ein Einschätzungsspielraum zukommt.96 Dass dieser Spielraum überschritten wurde, hat die Kommission nicht nachgewiesen, obwohl sie bezüglich des Vorliegens einer Begünstigung die Beweislast trägt.97 d) Begünstigungseffekt der Bestands- und Entwicklungsgarantie? aa) Allgemeines Staatliche Garantien können Begünstigungen i. S. d. Art. 87 Abs. 1 EG sein.98 Dies heißt aber noch nicht, dass auch die Bestands- und Entwicklungsgarantie und die daraus folgende Finanzierungsgarantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine Beihilfe wäre. Zwischen (Finanzierungs-)Garantien im Sinne des Beihilfenrechts wie etwa Anstaltslast und Gewährträgerhaftung im Sparkassenrecht99 und der Bestands- und Entwicklungsgarantie bestehen gravierende Unterschiede:100 Zunächst folgt die Bestands- und Entwicklungsgarantie nicht wie Finanzierungsgarantien i. S. d. Beihilfenrechts aus privatrechtlichen Vereinbarungen oder einfachem Gesetzesrecht, sondern unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG. Außerdem schützt die Bestands- und Entwicklungsgarantie grundsätzlich nicht einzelne Rundfunkanstalten.101 Ferner ist sie kein Sicherungsmittel für private Kreditgeber, sondern wirkt allein im Innenverhältnis zum Staat.102 Dass die Kreditfähigkeit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten durch die Bestands- und Entwicklungsgarantie dennoch erhöht ist, spielt keine Rolle; sie 95 So i. E. auch: Bartosch, EuZW 1999, 176 (178); Koenig/Kühling, EuZW 2000, 197 (198); generell gegen die Anwendung des „market-investor-tests“ im Kulturbereich Slot, S. 15. 96 So i. E. auch: Bartosch, EuZW 1999, 176 (178); Dörr/Cloß, ZUM 1996, 105 (114 f.); a. A. Koenig/Kühling, EuZW 2000, 197 (198). 97 So zurecht i. E. auch Bartosch, WuW 2001, 673 (678). 98 Vgl. nur Damm, S. 97 m. w. N. 99 Vgl. hierzu Koenig, EuZW 1995, 595 (601). 100 A. A. wohl Ruttig, S. 160 f. 101 Näher hierzu A. III. 4. 102 So zurecht Damm, S. 97 f.

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reicht nicht weiter als jene, die alle öffentlichen Unternehmen genießen, weil der Staat finanziell „hinter ihnen steht“. Öffentliche Unternehmen sind jedoch, wie Art. 86 EG zeigt, prinzipiell gleichberechtigte Marktteilnehmer. Daher kann aus dem möglichen Einstehen des Staates für Verbindlichkeiten nicht auf das Vorliegen einer Beihilfe geschlossen werden. Die Bestands- und Entwicklungsgarantie unterscheidet sich schließlich auch insoweit von sonstigen Finanzierungsgarantien, als sie der Erfüllung des Grundversorgungsauftrages dient, also der Leistung eines marktfernen Gutes. Auf die Frage, ob auch ein privater Investor dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk die Bestands- und Entwicklungsgarantie gegeben hätte, kommt es somit nicht an. Die Bestands- und Entwicklungsgarantie ist daher keine Begünstigung i. S. d. Art. 87 Abs. 1 EG.103 bb) Unzulässigkeit eines Insolvenzverfahrens Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten unterliegen, wie das BVerfG festgestellt hat, aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht dem Verfahren nach der KO104 und damit auch nicht dem Verfahren nach der InsO. Der öffentlichen Hand obliegt jedoch eine unmittelbar aus der in Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG verankerten Pflicht zur Finanzierung des Grundversorgungsauftrages folgende Einstandspflicht bei Gefahr der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung.105 Uphoff sieht hierin eine Beihilfe i. S. d. Art. 87 Abs. 1 EG in Form einer staatlichen Garantieleistung. Die Begünstigung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten folge daraus, dass diese nicht wie andere Unternehmen Zahlungen im Rahmen der Insolvenzsicherung nach § 17 BetrAVG zu erbringen hätten.106 Die Kommission hat außerdem in einer Mitteilung vom 13. 11. 1993 festgestellt, dass „öffentliche Unternehmen, deren Satzung einen Konkurs ausschließt . . . praktisch im Besitz einer Dauerbeihilfe [sind], wenn die Satzung es den betreffenden Unternehmen erlaubt, Darlehen zu günstigeren Bedingungen aufzunehmen, als ihnen sonst eingeräumt würden“.107 Abgesehen davon, dass sich, wie die Kommission zutreffend feststellt, die Begünstigung, wenn überhaupt, dann aus der Erhöhung der Kreditwürdigkeit ergeben würde, ist diese Ansicht bezogen auf die deutschen Rundfunkanstalten unzutreffend. Die Einstandspflicht des Staates für Schulden der Anstalten folgt unmittelbar aus der ihrerseits aus der Bestands- und Entwicklungsgarantie resul103

So i. E. auch Damm, S. 98 f. BVerfGE 89, 144; vgl. landesrechtlich z. B. § 1 Abs. 4 SWR StV (hierzu Flechsig, in: ders., SWR-Staatsvertrag, § 1 Rdnr. 71 ff.). 105 BVerfGE 89, 144 (154). 106 Vgl. Uphoff, S. 122 f. 107 ABl. Nr. C 307, S. 3 (13). 104

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tierenden Finanzierungsgarantie. Diese aus verfassungsrechtlichen Gründen eng auszulegende [s. o. A. IV. 1.] Garantie beinhaltet, wie gezeigt, keine Begünstigung i. S. d. Art. 87 Abs. 1 EG. Daher kann sich aus der Tatsache, dass die Anstalten keinem Konkurs-/Insolvenzverfahren unterliegen, eine Begünstigung nur ergeben, wenn dadurch die finanzielle Absicherung der Anstalten noch über die allgemeine Finanzierungsgarantie hinaus gestärkt wird. Eine solche zusätzliche Absicherung liegt aber nicht vor. Das BVerfG leitet die Unmöglichkeit eines Konkurs-/Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Anstalten aus der Programmfreiheit her. Daher ist diese Unmöglichkeit strikt auf den Bereich der Programmveranstaltung zu begrenzen. Aus der Entscheidung des BVerfG lässt sich in keiner Weise ableiten, dass auch wirtschaftliche Tochterunternehmen der Anstalten keinem Konkurs-/Insolvenzverfahren unterliegen können. Im Ergebnis stellt daher die Unzulässigkeit eines Konkurs-/Insolvenzverfahrens über das Vermögen der öffentlich-rechtlichen Anstalten jedenfalls dann keine Begünstigung i. S. d. Art. 87 Abs. 1 EG dar, wenn man sie entsprechend der im Urteil klar erkennbaren Intention des BVerfG eng auslegt.108 e) Begünstigung durch bevorrechtigte Kabeleinspeisung? Gegenstand der Kommissionsentscheidung zur Finanzierung von Phoenix und Kinderkanal war auch die Frage, ob die gegenüber privaten Programmen bevorzugte Einspeisung dieser Programme in die Kabelnetze109 eine Begünstigung i. S. d. Art. 87 Abs. 1 EG darstellt.110 Die Kommission stellte fest, dass durch diese Regelungen den öffentlichrechtlichen Anstalten weder staatliche Mittel unmittelbar zufließen, noch die Anstalten von Abgaben befreit würden, und zwar auch nicht gegenüber den Netzbetreibern.111 Daher liege keine staatliche Beihilfe vor. Diese Lösung überzeugt und macht zugleich deutlich, wo die Kommission vor der PreussenElektra-Entscheidung des EuGH112 die Grenze zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Mitteln i. S. d. Art. 87 Abs. 1 EG gezogen hat. Die Gebühren hatte die Kommission, weil sie aufgrund einer verbindlichen staatlichen Regelung an die Anstalten fließen, in der Phoenix-Kinderkanal-Entscheidung noch als staatliche Mittel angesehen. Das bloße Vorliegen einer mitgliedstaatlichen Regelung, mit der kein Fluss von Finanzmitteln einhergeht, reichte hingegen (auch vor der 108

So i. E. auch Damm, S. 98. Siehe hierzu als Problem der Grundfreiheiten B. III. 6. b) ee); vgl. auch Dörr, Spartenkanäle, S. 15–27. 110 So Engel, Beihilfen, S. 85 f.; a. A. Dörr, Spartenkanäle, S. 40 f.; vgl. auch Greissinger, S. 167 ff. 111 Entscheidung NN 70/98 (Phoenix/Kinderkanal), S. 7. 112 Zu dieser sogleich B. VI. 4. b). 109

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PreussenElektra-Entscheidung) nicht aus, um eine Begünstigung aus staatlichen Mitteln i. S. d. Art. 87 Abs. 1 EG anzunehmen. f) Begünstigung privater Rundfunkveranstalter? Werbebeschränkungen zu Lasten der öffentlich-rechtlichen Anstalten (z. B. das Verbot der Werbung nach 20 Uhr) werden meist nur als den Beihilfetatbestand ausschließende Kompensation des Rechts zur Gebührenerhebung erörtert.113 Bisher offenbar allein von Selmer und Gersdorf untersucht ist die Frage, ob in den Werbebeschränkungen eine Begünstigung des privaten Rundfunks liegt.114 Auf den ersten Blick ist die Frage zu bejahen, da bei unbegrenzter Werbemöglichkeit auch der öffentlich-rechtlichen Anstalten der für den Werbemarkt maßgebliche sog. Tausenderpreis sinken würde.115 Dennoch sind die Werbebeschränkungen keine Begünstigungen i. S. d. Art. 87 Abs. 1 EG, denn diese Regelung kann nur die unmittelbare Begünstigung durch den Staat, i. d. R. nicht jedoch Benachteiligungen bestimmter Unternehmen, die die Begünstigung anderer Unternehmen nur zur mittelbaren Folge haben, erfassen.116 Anderenfalls wäre jede Belastung bestimmter Unternehmen einer Branche automatisch eine Beihilfe zugunsten ihrer Konkurrenten. Eine Beihilfe kann höchstens dann vorliegen, wenn der Staat diese mittelbare Begünstigung beabsichtigt.117 Die Werbebeschränkungen dienen jedoch, wie dargelegt, nicht der (mittelbaren) Begünstigung der privaten Veranstalter, sondern sollen die öffentlich-rechtlichen vor übermäßiger Wirtschaftsabhängigkeit bewahren. Selmer und Gersdorf sehen sogar die Nichtbeteiligung der privaten Veranstalter am Rundfunkgebührenaufkommen als eigenständige Beihilfe an.118 Dies überzeugt aus mehreren Gründen nicht: Zum einen greift auch insoweit die Überlegung, dass Benachteiligungen bestimmter Unternehmen grundsätzlich keine Beihilfen sind.119 Zuwendungen aus dem Gebührenaufkommen an private Veranstalter wären außerdem nur dann beihilferechtlich tragbar, wenn diese Veranstalter ebenfalls eine adäquate Gegenleistung erbringen würden, also

113

So etwa Uphoff, S. 130 ff. Vgl. Selmer/Gersdorf, S. 27 f. 115 So i. E. auch Selmer/Gersdorf, S. 28. 116 So auch Engel, Beihilfen S. 30; Müller-Graff, ZHR 152 (1988), 403 (417 m. w. N.); i. E. auch GA Tizzano, Rs. C-53/00 (Ferring), Slg. 2001, S. I-9067 ff., Rdnr. 35 ff. der Schlussanträge bezogen auf die bloße Nichterhebung einer Abgabe in Abgrenzung zur Gewährung eines Steuervorteils. 117 So auch GA Tizzano, Rs. C-53/00 (Ferring), Slg. 2001, S. I-9067 ff., Rdnr. 41 der Schlussanträge. 118 Vgl. Selmer/Gersdorf, S. 85 ff.; dies., DVBl. 1992, 79 ff. (92). 119 So auch Damm, S. 96; Uphoff, S. 130 FN 143. 114

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

Grundversorgung leisteten. Dies ist jedoch, wie dargelegt, verfassungsrechtlich nicht möglich, weil Grundversorgung markt- bzw. wirtschaftsunabhängig erfolgen muss. Gegen die These von Selmer und Gersdorf spricht außerdem ihre Inkonsequenz. Wenn man schon die Gebührenfinanzierung der öffentlich-rechtlichen Anstalten als Beihilfe versteht, kann man sich bei einer Gebührenfinanzierung privater Veranstalter nicht anders entscheiden. Private Veranstalter würden als Empfänger der Gebühren zwar nicht gegenüber ihren öffentlich-rechtlichen Konkurrenten begünstigt, wohl aber gegenüber anderen inländischen Medien und gegenüber ausländischen Rundfunkveranstaltern. Dann aber würde, legte man die Ansicht von Selmer und Gersdorf zugrunde, eine Beihilfe (zugunsten der öffentlich-rechtlichen) durch eine weitere Beihilfe (zugunsten der privaten Veranstalter) kompensiert. Dies ist, wie der EuGH festgestellt hat, gemeinschaftsrechtlich verboten.120 Eine Gebührenfinanzierung des privaten Rundfunks in Deutschland wäre daher entweder verfassungsrechtlich oder beihilfenrechtlich unzulässig. g) Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis kann somit festgehalten werden, dass die Gebührenfinanzierung des deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunks und die mit ihr verbundenen Maßnahmen der Rundfunkfinanzierung keine Begünstigung der Anstalten i. S. d. Art. 87 Abs. 1 EG beinhalten. Die Kommission sieht dies jedenfalls bei der Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Spartenprogramme Phoenix und Kinderkanal anders. Das Fehlen eines Begünstigungseffektes ist jedoch, wie im Folgenden zu zeigen ist, nicht der einzige Grund, weshalb ein Verstoß gegen das Beihilfeverbot ausscheidet.

3. Fehlende Freiwilligkeit der deutschen Rundfunkfinanzierung Ein Verstoß gegen Art. 87 Abs. 1 EG könnte auch deswegen ausgeschlossen sein, weil die Gebührenfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks den Anstalten nicht freiwillig, sondern aufgrund einer Verfassungspflicht gewährt wird. Ob eine Beihilfe i. S. d. Art. 87 Abs. 1 EG nur bei freiwilligem Handeln des sie gewährenden Staates vorliegt, ist umstritten:121 Einigkeit besteht insoweit, als es i. d. R. nicht darauf ankommen kann, ob erst eine förmliche Rechtsgrund120

Vgl. Rs. 78/76 (Steinike), Slg. 1977, S. 595 ff., Rdnr. 24 des Urteils. Bejahend: Oppermann, Beihilfen, S. 43 ff.; Bär-Bouyssière, in: Schwarze, Art. 87 EG Rdnr. 26; von Wallenberg, in: Grabitz/Hilf, Art. 92 EGV Rdnr. 84; Mederer/van Ysendick, in: von der Groeben/Schwarze, Art. 87 EG Rdnr. 6; Selmer/Gersdorf, S. 28 f.; verneinend: Uphoff, S. 110 ff.; Damm, S. 84 ff.; Engel (Beihilfen, S. 27), 121

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lage zur Beihilfegewährung geschaffen wird.122 Eine solche Selbstverpflichtung des Staates kann den Beihilfecharakter einer Zuwendung grundsätzlich nicht ausschließen, denn ansonsten wäre Art. 87 Abs. 1 EG zu leicht umgehbar. Ebenso ist klar, dass bei staatlichen Erstattungs-,123 Entschädigungs- oder Schadensersatzleistungen124 keine Beihilfe vorliegt, denn der Staat kann sich nicht unter Berufung auf den EG-Vertrag seinen allgemeinen Rechtspflichten entziehen dürfen.125 Es bleibt die für die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zentrale Frage, ob eine Beihilfe auch dann ausscheidet, wenn der Staat durch ihre Gewährung seinen verfassungsrechtlichen Verpflichtungen nachkommt: Zumindest nach Meinung des EuGH geht Europarecht nationalem Verfassungsrecht umfassend vor.126 Nach dieser Auffassung kann auch das Verfassungsrecht einen Mitgliedstaat nicht von seinen gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen (z. B. aus Art. 87 ff. EG) freistellen. Dem steht die insbesondere im MaastrichtUrteil entwickelte Ansicht des BVerfG entgegen, der deutsche Staat habe der Gemeinschaft nur so weit Hoheitsrechte übertragen können, wie er es verfassungsrechtlich (insbesondere nach Art. 79 Abs. 3 GG) durfte.127 Nach dieser Ansicht kann es verfassungsrechtliche Verpflichtungen geben, die dem Gemeinschaftsrecht vorgehen. Die Entscheidung dieses Streites kann allerdings dahinstehen, soweit die Gemeinschaftsverträge selbst den betreffenden verfassungsrechtlichen Verpflichtungen Vorrang einräumen, oder zumindest die Gemeinschaftsorgane zwingen, ihre Politik mit diesen Verpflichtungen in Einklang zu bringen. Einen solchen möglichen Vorrang verfassungsrechtlicher Verpflichtungen der Mitgliedstaaten beinhaltet Art. 6 Abs. 3 EU, der die Identität der Mitgliedstaaten schützt.128 Die Veranstaltung der Grundversorgung durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit der aus ihr folgenden Bestands- und Entwicklungsgarantie ist ein Kernelement des deutschen Rundfunkverfassungsrechts und damit Teil deutscher mitgliedstaatlicher Identität i. S. d. Art. 6 Abs. 3 EU.129 Dennoch ist fragder dieses Merkmal allerdings nur im Rahmen der Feststellung einer Begünstigung prüfen will. 122 Vgl. Oppermann, Beihilfen, S. 43. 123 Vgl. Rs. 61/79 (Denkavit italiana), Slg. 1980, S. 1205 ff., Rdnr. 31 f. des Urteils. 124 Vgl. Bär-Bouyssière, in: Schwarze, Art. 87 EG Rdnr. 27 m. w. N. 125 So auch Bleckmann, Spartenprogramme, S. 117 f. 126 St. Rspr. des EuGH seit Rs. 6/64 (Costa ./. ENEL), Slg. 1964, S. 1141 ff., Rdnr. 12 des Urteils. 127 Vgl. BVerfGE 89, 155 (172). 128 So zurecht Oppermann, Beihilfen, S. 43 ff. Art. 6 Abs. 3 EUV statuiert, wie bereits dargelegt [B. II. 3.], zwar schon seinem Wortlaut nach („achtet“) keinen absoluten Vorrang der nationalen Werte (so auch Puttler, in: Calliess/Ruffert, Art. 6 EU Rdnr. 217). Dies heißt aber nicht, dass nicht im konkreten Einzelfall sich ein Vorrang der mitgliedstaatlichen Regelungen ergeben kann.

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lich, ob Art. 6 Abs. 3 EU es von vornherein ausschließt, die Maßnahmen zur Finanzierung des deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunks als Beihilfen anzusehen. Wie dargelegt [B. II. 3.], statuiert Art. 6 Abs. 3 EU keinen absoluten Vorrang mitgliedstaatlicher Identität, sondern erfordert lediglich eine Abwägung. In diese Abwägung ist einzubeziehen, dass die Vorgaben des deutschen Rundfunkverfassungsrechts auch noch bei der Anwendung der Art. 87 Abs. 3d und 86 Abs. 2 EG sowie im Beihilfeverfahren des Art. 88 EG Berücksichtigung finden können. Dies spricht dagegen, allein aufgrund der verfassungsrechtlichen Verpflichtung zur Rundfunkfinanzierung den Beihilfecharakter der Rundfunkgebühren und der mit ihr verbundenen Maßnahmen der Rundfunkfinanzierung auszuschließen. Nimmt man also entgegen der hier vertretenen Auffassung an, die besagten Finanzierungsmaßnahmen wirkten i. S. d. Art. 87 Abs. 1 EG begünstigend, ist ein Verstoß gegen das Beihilfeverbot nicht deswegen von vornherein ausgeschlossen, weil insoweit eine Verfassungspflicht erfüllt wird.

4. Staatlich oder aus staatlichen Mitteln Gegen das Verbot des Art. 87 Abs. 1 EG können selbst Maßnahmen, die unzweifelhaft als Begünstigungen wirken, nur dann verstoßen, wenn sie staatlich oder aus staatlichen Mitteln gewährt werden. Spätestens seit dem Urteil des EuGH in Rs. PreussenElektra130 ist in hohem Maße zweifelhaft, ob die Gebührenfinanzierung des deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunks dieses Kriterium erfüllt: a) Meinungsstand vor dem PreussenElektra-Urteil Vor dem PreussenElektra-Urteil waren nach allg. M. „staatlich“ und „aus staatlichen Mitteln“ in Art. 87 Abs. 1 EG nicht nur Mittel unmittelbar aus dem Staatshaushalt, sondern alle einem Hoheitsträger zuzurechnenden Zuwendungen, die eine Belastung öffentlicher Mittel bewirken131 oder zumindest bewirken können.132 Ebenso bestand Einigkeit darüber, dass es prinzipiell nicht darauf ankommt, ob es sich bei dem Zuwendenden um den Mitgliedstaat selbst handelt oder um einen innerstaatlich ganz oder teilweise autonomen Hoheitsträger, da 129 A. A. Neun (S. 298), der zu Unrecht allein auf den interpretationsoffenen Wortlaut des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG abstellt und die ständige Judikatur des BVerfG unberücksichtigt lässt. 130 Rs. C-379/98 (PreussenElektra), Slg. 2001, S. I-2099 ff. 131 So EuGH in Rs. 82/77 (van Tiggele), Slg. 1978, S. 25 ff., Rdnr. 23/25 und Verb. Rs. 213 u. 215/81 (Norddeutsches Vieh- und Fleischkontor), Slg. 1982, S. 3583 ff., Rdnr. 22 f. 132 Z. B. bei staatlichen Garantieleistungen (vgl. nur Mederer/Triantafyllou, in: von der Groeben/Schwarze, Art. 87 EG Rdnr. 27).

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dem Mitgliedstaat nach Art. 10 EG die Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts auch gegenüber seinen Untergliederungen obliegt. Zuwendungen von privater Seite seien dann als staatliche Beihilfen zu betrachten, wenn sie als „parafiskalische Abgaben“ erhoben würden.133 Streitig war demgegenüber, ob es für das Vorliegen des Merkmals „staatlich oder aus staatlichen Mitteln“ schon ausreicht, wenn die Zuwendung auf einem dem Staat zuzurechnenden Verhalten beruht, sie etwa durch staatlichen Hoheitsakt verbindlich festgesetzt wurde,134 oder ob zusätzlich eine Belastung öffentlicher Mittel eingetreten sein muss.135 Der EuGH hat letzteres in den meisten seiner Urteile zum Beihilfenrecht angenommen, den Beihilfecharakter also beim Fehlen einer Belastung öffentlicher Mittel verneint.136 Die Kommission prüfte demgegenüber gerade in zwei Entscheidungen zu Beihilfen im Rundfunksektor die Frage, ob öffentliche Mittel belastet sind, nicht näher. Vielmehr nahm sie an, diese Maßnahmen seien schon deswegen staatliche Beihilfen oder Beihilfen aus staatlichen Mitteln, weil sie „verbindlich, gesetzlich festgelegt“ seien.137 Die staatliche Herkunft der Gebührenfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wurde in der deutschen Literatur u. a. deswegen bestritten, weil sie der Rechtsprechung des BVerfG folgend in einem staatsfernen Verfahren festgesetzt wird.138

133 Hierzu statt vieler Damm, S. 102 ff. Ein Teil der Literatur sah die Rundfunkgebühren als solche parafiskalischen Abgaben an: vgl. Engel, Beihilfen, S. 32; Koenig/Kühling, EuZW 2000, 197 (199); Ruttig, S. 164 f.; Selmer/Gersdorf, S. 31 ff.; Uphoff, S. 114; a. A.: Damm, a. a. O; Eberle, ZUM 1995, 763 (767); Oppermann, Beihilfen, S. 48 f. 134 So Bleckmann, Spartenprogramme, S. 118; Damm, S. 108 ff.; Dörr, in: Stern/ Prütting, 5 (24); Dörr/Cloß, ZUM 1996, 105 (116); Holzer, ZUM 1996, 274 (277); Selmer/Gersdorf, S. 33; von Wallenberg, in: GS Grabitz, 867 (872 f.); wohl auch Koenig/Kühling (EuZW 2000, 197 (199)) und Ruttig (S. 164). 135 Näher Damm, S. 106 ff.; Oldiges, NVwZ 2001, 280 (282); Soltesz, EuZW 1998, 747 ff.; GA Jacobs, Rs. C-379/98 (PreussenElektra), Rdnr. 114 ff. der Schlussanträge. 136 Vgl. nur Rs. C-72 u. 73/91 (Sloman Neptun), Slg. 1993, S. I-887 ff., Rdnr. 18 ff. des Urteils; vgl. im Übrigen die Nachweise bei Ruttig (S. 165 ff.) und Soltesz (EuZW 1998, 747 (748 ff.)). 137 So wörtlich Entscheidung NN 70/98 (Phoenix/Kinderkanal) S. 6; ähnlich Entscheidung SG (99) D/10201 (BBC News 24) Rdnr. 22 f. (veröffentlicht soweit ersichtlich nur auf der Website der DG-Wettbewerb). 138 So Dörr, in: Stern/Prütting, 5 (24 f.); ders./Cloß, ZUM 1996, 105 (115 f.); Eberle, ZUM 1995, 763 (767); Oppermann, Beihilfen, S. 46; Otten, ZUM 1997, 790 (797); a. A. Damm, S. 112 f.; Selmer/Gersdorf, S. 31 f.; Uphoff, S. 115 f.

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b) Die maßgeblichen Aussagen in Rs. PreussenElektra In Rs. C-379/98 (PreussenElektra) präzisierte der EuGH seine Rechtsprechung zur Frage, ob Art. 87 Abs. 1 EG eine Belastung öffentlicher Mittel erfordere: Zu beantworten war die Vorlagefrage, ob eine mitgliedstaatliche Regelung, durch die private Elektrizitätsversorger verpflichtet werden, den in ihrem Versorgungsgebiet erzeugten Strom aus erneuerbaren Energiequellen zu über dem tatsächlichen wirtschaftlichen Wert liegenden Mindestpreisen abzunehmen, gegen Art. 87 Abs. 1 EG verstößt. Der EuGH stellte klar, dass die Unterscheidung zwischen staatlichen und aus staatlichen Mitteln gewährten Beihilfen nicht bedeute, dass alle von einem Staat gewährten Vorteile unabhängig davon Beihilfen seien, ob sie aus staatlichen Mitteln finanziert würden.139 Die Festsetzung von Mindestpreisen führe hier nicht zu einer unmittelbaren oder mittelbaren Übertragung staatlicher Mittel auf die Erzeuger von Strom aus erneuerbaren Energien.140 Insoweit käme es auch nicht darauf an, dass die Verpflichtung zur Abnahme des betreffenden Stroms gesetzlich festgesetzt sei, oder dass sich diese Abnahmeverpflichtung negativ auf das wirtschaftliche Ergebnis der dieser Verpflichtung unterliegenden Unternehmen und damit auch negativ auf die staatlichen Steuereinnahmen auswirke.141 GA Jacobs kam in seinen Schlussanträgen zum selben Ergebnis und begründetet dieses vorwiegend mit systematischen und teleologischen Argumenten:142 Nähme man an, es komme vorrangig auf die Festsetzung der Beihilfe durch den Staat an, wären „staatliche Beihilfen“ i. S. d. Art. 87 Abs. 1 EG nur solche Beihilfen, die eben nicht aus staatlichen Mitteln finanziert sind. Obwohl im Wortlaut des Art. 87 Abs. 1 EG die „staatlichen Beihilfen“ an erster Stelle genannt sind, und der Titel von Abschnitt 2 des ersten Kapitels des Titels VI des EGVertrages „Staatliche Beihilfen“ lautet, wären staatliche Beihilfen dann nur eine Auffangkategorie. Dies widerspräche der üblichen Gesetzgebungspraxis.143 Außerdem gehe aus dem Wortlaut des Art. 87 Abs. 1 EG nicht klar genug hervor, dass vom Beihilfeverbot auch Maßnahmen erfasst werden sollten, die zwar staatlich festgesetzt seien, jedoch lediglich zur Belastung privater Mittel führten.144 Darauf, dass die betreffende mitgliedstaatliche Regelung Steuerminder-

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Rs. C-379/98 (PreussenElektra), Slg. 2001, S. I-2099 ff., Rdnr. 58 des Urteils. Rs. C-379/98 (PreussenElektra), Slg. 2001, S. I-2099 ff., Rdnr. 59 des Urteils. 141 Rs. C-379/98 (PreussenElektra), Slg. 2001, S. I-2099 ff., Rdnr. 61 und 62 des Urteils. 142 Rs. C-379/98 (PreussenElektra), Slg. 2001, S. I-2099 ff., Rdnr. 150–159 der Schlussanträge. 143 Rs. C-379/98 (PreussenElektra), Slg. 2001, S. I-2099 ff., Rdnr. 152–154 der Schlussanträge. 140

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einnahmen bewirke, komme es nicht an, weil dies nur ein Nebeneffekt sei. Der Fall, dass eine Begünstigung durch Verzicht auf Einkünfte des Staates finanziert werde, liege im konkreten Fall nicht vor, sondern die Begünstigung stamme hier aus privaten Mitteln.145 Diese privaten Mittel würden auch nicht, wie etwa bei parafiskalischen Abgaben, in staatliche umgewandelt, denn der Staat erlange zu keinem Zeitpunkt durch seine Behörden die Kontrolle über diese Mittel und habe auf sie auch keinen Anspruch. Staatliche Mittel seien nur Mittel, die staatlichen Behörden zur Verfügung stünden.146 c) Werden die Rundfunkgebühren „aus staatlichen Mitteln“ gewährt? Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung lässt sich kaum begründen, dass Rundfunkgebühren staatliche Mittel belasten und insoweit den Tatbestand des Art. 87 I EG erfüllen: Darauf, dass die Gebühren letztlich durch Staatsvertrag der Länder festgesetzt werden, kommt es nicht an, weil eine Begünstigung nicht schon deswegen zur „staatlichen“ wird, weil der Staat sie per Gesetz oder Hoheitsakt anordnet.147 Klar ist auch, dass der Fluss der Rundfunkgebühreneinnahmen zu den Anstalten seinen Ursprung bei den privaten Haushalten hat.148 Es zahlt derjenige, der ein Empfangsgerät bereithält und nicht der Staat. Als aus staatlichen Mitteln i. S. d. Art. 87 Abs. 1 EG stammend könnten die Gebühren daher nur dann angesehen werden, wenn sie auf dem Weg zu den Anstalten in einen öffentlichen Haushalt flössen oder hätten fließen müssen. Dass die Gebühren an sich der öffentlichen Hand „zustehen“ kann ausgeschlossen werden. Der Staat ist zwar verfassungsrechtlich verpflichtet, für die funktionsgerechte Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Anstalten zu sorgen,149 er erfüllt diese Pflicht jedoch nicht dadurch, dass er auf ihm zustehende Einnahmen verzichtet. Der Staat darf von Verfassungswegen nicht einmal einen Anspruch auf die Gebühren haben, denn dieser stünde mit dem Grundsatz einer möglichst weitgehenden Staatsfreiheit der Rundfunkfinanzierung150 in Wider-

144 Rs. C-379/98 (PreussenElektra), Slg. 2001, S. I-2099 ff., Rdnr. 155 der Schlussanträge. 145 Rs. C-379/98 (PreussenElektra), Slg. 2001, S. I-2099 ff., Rdnr. 162 der Schlussanträge. 146 Rs. C-379/98 (PreussenElektra), Slg. 2001, S. I-2099 ff., Rdnr. 163–167 der Schlussanträge; ähnlich mittlerweile auch der EuGH (vgl. Rs. C-482/99 (Stardust Marine), Rdnr. 37 des Urteils). 147 So auch Eberle, in: FS Brohm, S. 61; Koenig/Kühling, ZUM 2001, 537 (542). 148 So auch Eberle, AfP 2001, 477 (480); Hoffmann-Riem, in: R. Schmidt, S. 601 f. 149 St. Rspr. des BVerfG, vgl. nur BVerfGE 90, 60 (90 ff.). 150 BVerfGE 87, 181 (199); 90, 60 (90).

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spruch.151 Aus verfassungsrechtlichen Gründen muss der Anspruch auf die Rundfunkgebühren daher allein bei den Anstalten liegen. Entscheidend ist somit, ob die Gebühren auf dem Weg vom Teilnehmer zu den Anstalten in einen öffentlichen Haushalt fließen: Insoweit ist zunächst das Verfahren der Gebührenfestsetzung kurz in Erinnerung zu rufen. Die Rundfunkanstalten melden ihren Bedarf bei der staatsunabhängigen KEF an, die die Bedarfsanmeldungen u. a. daraufhin überprüft, ob die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit beachtet wurden. Auf der Grundlage dieser Überprüfung erarbeitet die KEF einen Vorschlag für die Änderung oder die Beibehaltung der Gebührenhöhe. Falls die KEF eine Änderung der Gebührenhöhe vorschlägt, schließen die Länder aufgrund des KEF-Vorschlages einen neuen Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag. Die Länderparlamente dürfen vom KEF-Vorschlag nur aus Gründen abweichen, die vor der Rundfunkfreiheit bestand haben (insbesondere Sozialverträglichkeit der Gebühr).152 Die so festgesetzten Gebühren werden im Namen der Anstalten durch die GEZ eingezogen, die hierbei lediglich als gemeinsame Rechnungsstelle der Anstalten handelt, während allein die Anstalten Gläubiger der Gebühren sind.153 Anschließend leitet die GEZ die Gebühren an die Anstalten weiter, die ihrerseits einen Anteil u. a. an das ZDF weiterleiten.154 Letztlich fließen somit die Gebühren auf direktem Wege von den Teilnehmern zu den Anstalten.155 Die Gebühren gelangen nicht in den Haushalt der KEF, denn deren Kosten werden zwar nach § 6 Abs. 1 RFinStV aus der Gebühr gedeckt. Zum einen ist die KEF jedoch gerade keine staatliche, sondern eine (verfassungsrechtlich zwingend) staatsfreie Einrichtung, was schon wegen Art. 6 Abs. 3 EU auch auf europäischer Ebene nicht unberücksichtigt bleiben kann. Zum anderen ist die KEF am Einzug und der Verteilung der Rundfunkgebühren nicht quasi auf der „Geberseite“ beteiligt. Auf den maßgeblichen Einfluss der KEF auf die Gebührenhöhe kann es nicht ankommen, denn wenn schon die Festsetzung einer Begünstigung durch den Gesetzgeber nicht allein ausreicht, diese als „staatliche“ oder „aus staatlichen Mitteln“ stammende Bei-

151 So auch: Damm, S. 99; Gersdorf, Rundfunkrecht, Rdnr. 563 ff. Den verfassungsrechtlichen Zwang zur möglichst staatsfreien Ausgestaltung der Gebührenfinanzierung verkennt Ruttig, der annimmt (S. 170 f.), bei der staatsfernen Ausgestaltung des Finanzierungsverfahrens handle es sich gerade um einen „gezielten, selektiven Finanzierungsmodus, der die Gebühren zur parafiskalischen Abgabe“ mache. 152 Zum ganzen statt vieler Koenig/Kühling, ZUM 2001, 537 (539). 153 Näher zur Rechtsstellung der GEZ Ohliger, in: Hahn/Vesting, § 7 RGebStV Rdnr. 17 ff. 154 Vgl. Koenig/Kühling, ZUM 2001, 537 (540 m. w. N.). 155 Dies erkennt auch Uphoff (S. 113) an, auch wenn er insoweit zu einem anderen Endergebnis kommt.

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hilfe anzusehen, kann der Einfluss eines staatsfreien Gremiums nur auf die Höhe einer Begünstigung diese Eigenschaft erst recht nicht begründen. Ebensowenig gelangen die Gebühren in den Haushalt der GEZ, die lediglich als unselbständige Einzugsstelle der Anstalten fungiert, die Gebühren passiv (d. h. ohne jede Entscheidungskompetenz über Art, Zeitpunkt und Umfang der Weiterleitung) an die Anstalten weiterleitet, und zu keinem Zeitpunkt in die Gläubigerstellung der Anstalten einrückt.156 Bei der GEZ ist ferner zu berücksichtigen, dass sie von den Rundfunkanstalten, also von denjenigen eingerichtet wurde, die Empfänger der Gebühren sind.157 Der Wortlaut des Art. 87 Abs. 1 EG spricht klar dafür, dass es beihilferechtlich keine Rolle spielen kann, ob die Empfänger einer Begünstigung diese direkt oder mit Hilfe einer von ihnen eingerichteten Stelle entgegennehmen. Da es vielmehr allein auf die „Geberseite“ ankommt, ist es prinzipiell auch gleichgültig, dass die Rundfunkanstalten juristische Personen des Öffentlichen Rechts sind.158 Die öffentlich-rechtliche Rechtsstellung der Anstalten wirft allerdings die Frage auf, ob zumindest die Weiterleitung der Gebühren an andere Anstalten z. B. das ZDF oder sonstige Einrichtungen als „staatliche“ oder „aus staatlichen Mitteln“ stammende Zuwendung angesehen werden kann, weil der Haushalt der Anstalten belastet wird.159 Träfe dies zu, entstünde das relativ absurde Ergebnis, dass die von den ARD-Anstalten vereinnahmten Gebühren nicht aus staatlichen Mitteln kämen, wohl aber der Anteil des ZDF. Dies kann aus folgenden Gründen nicht zutreffen: Erstens ist die öffentlich-rechtliche Rechtsstellung der Anstalten eine v. a. „formelle“ Rechtsstellung. Die Anstalten sind nicht wie die übrigen juristischen Personen des Öffentlichen Rechts in erster Linie Hoheitsträger, sondern staatsfreie Grundrechtsträger. Zweitens haben die ARD-Anstalten wegen abschließender Festlegungen in den Staatsverträgen auf den Umfang und andere Modalitäten der z. B. an das ZDF weiterzuleitenden Gebühren keinerlei Einfluss. Drittens wäre die logische Konsequenz der Ansicht, die ein „Staatlichwerden“ der Gebühren durch die Weiterleitung bejaht, dass rein private Unternehmen mit privaten Zuwendungen wettbewerbsrechtlich machen dürfen, „was sie wollen“, nicht jedoch öffentliche Unternehmen. Dies wäre mit 156 So auch Koenig/Kühling, ZUM 2001, 537 (545); Ohliger, in: Hahn/Vesting, § 7 RGebStV Rdnr. 18, 21. 157 So auch: Damm, S. 102; Gersdorf, Rundfunk, Rdnr. 565; a. A. Kruse (ZHR 165 (2001), 576 (590)), der die GEZ aufgrund ihrer Befugnisse beim Gebühreneinzug und der Verwaltung des Gebührenaufkommens dem Staat zurechnet. 158 A. A. Uphoff (S. 114), der annimmt, die Gebühren flössen in den Haushalt der öffentlich-rechtlichen Anstalten und würden aus diesen Haushalten für die öffentlichrechtlichen Sender verwendet. Für diese Trennung zwischen öffentlich-rechtlicher Anstalt und öffentlich-rechtlichem Sender liefert er allerdings keinerlei Belege. 159 Dies i. E. bei der Weiterleitung an sonstige, insbesondere private Einrichtungen bejahend Koenig/Kühling, ZUM 2001, 537 (546 m. w. N.).

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dem Grundsatz der gemeinschaftsrechtlichen Gleichbehandlung von öffentlichen und privaten Unternehmen aus Art. 86 I EG kaum vereinbar.160 Die Weiterleitung der Gebühren macht diese also nicht zu Mitteln staatlicher Herkunft i. S. d. Art. 87 Abs. 1 EG161. d) Zwischenergebnis Eine staatliche Herkunft der Gebühren i. S. d. Art. 87 Abs. 1 EG ist also nicht gegeben.162 e) Staatliche Herkunft der sonstigen Maßnahmen der Rundfunkfinanzierung Die Werbebeschränkungen sind notwendige Folge des Grundversorgungsauftrages und belasten als solche nicht die öffentlichen Kassen. Außerdem stehen sie in engem Zusammenhang mit der Gebührenfinanzierung. Da diese jedoch nicht zulasten der öffentlichen Hand geht und deswegen nicht i. S. d. Art. 87 Abs. 1 EG staatlicher Herkunft ist, kann für die Werbebeschränkungen nichts anderes gelten.163 Ebensowenig ist die Finanzierungsgarantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk staatlicher Herkunft i. S. d. Art. 87 Abs. 1 EG. Diese Garantie belastet staatliche Haushalte nicht aktuell, da die Finanzierung der Anstalten derzeit über die (staatsfreien) Gebühren hinreichend gesichert ist. Auch eine potentielle Belastung liegt nicht vor, denn wenn die Gebührenfinanzierung auf Dauer nicht ausreichen sollte, dürfte die Finanzierungspflicht von Verfassungswegen nur „auf möglichst staatsfreiem Wege“ erfüllt werden, d. h. ohne Belastung staatlicher Mittel. Die Finanzierungsgarantie ist daher ebenfalls nicht i. S. d. Art. 87 Abs. 1 EG staatlicher Herkunft. Das gleiche gilt für die mit dieser Garantie in engem Zusammenhang stehende Unzulässigkeit eines Insolvenzverfahrens. Zum privilegierten Zugang der öffentlich-rechtlichen Programme zu den Kabelnetzen hat die Kommission in der Entscheidung zur Finanzierung von Phoenix und Kinderkanal zurecht festgestellt, ein hierauf beruhender wirtschaftlicher 160 Vgl. in diesem Zusammenhang auch Rs. C-482/99 (Stardust Marine), Rdnr. 50 ff. des Urteils, wonach eine Beihilfe nicht schon deswegen i. S. d. Art. 87 EG staatlicher Herkunft ist, weil sie von einem staatsbeherrschten Unternehmen gewährt wird, sondern zusätzlich nachgewiesen werden muss, dass der Staat seinen Einfluss auch ausgeübt hat. Selbst, wenn man (unzutreffend) die Anstalten oder die GEZ als öffentliche Unternehmen ansähe, würde sich also am Ergebnis nichts ändern. 161 So i. E. auch Gersdorf, Rundfunkrecht, Rdnr. 566. 162 So auch: Bartosch, NVwZ 2001, 643 (644 f.); Eberle, AfP 2001, 477 (480); König/Kühling, ZUM 2001, 537 (546); i. E. bereits vor dem PreussenElektra-Urteil: Damm, S. 109; Oppermann, Beihilfen, S. 48 f.; a. A. Neun, S. 321 ff. 163 So auch Ruttig, S. 171; i. E. auch Selmer/Gersdorf (S. 33 f.) mit der Begründung, die Werbebeschränkungen führten zu keinem „öffentlichen Finanzopfer“.

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Vorteil werde nicht aus staatlichen Mitteln gewährt, denn der Staat verzichte weder auf Einnahmen, noch wende er aktiv staatliche Mittel zu. Insbesondere nehme der Staat auch keinen Einfluss auf die an die (private) Deutsche Telekom zu entrichtenden Kabelgebühren.164 Ein Verstoß gegen Art. 87 Abs. 1 EG scheidet deswegen auch insoweit aus.165 5. Wettbewerbsverfälschung Nimmt man entgegen der hier vertretenen Auffassung an, dass Maßnahmen der deutschen Rundfunkfinanzierung staatliche Begünstigungen sind, wären sie nur dann i. S. d. Art. 87 Abs. 1 EG unzulässig, wenn sie den Wettbewerb verfälschten oder zu verfälschen drohten: a) Inhalt des Tatbestandsmerkmals Ob eine Verfälschung oder die Gefahr einer Verfälschung des Wettbewerbs besteht, kann anhand eines Vergleichs der Marktposition des begünstigten Unternehmens vor und nach Erhalt der Beihilfe bestimmt werden.166 Eine in der Literatur verbreitete Meinung sieht hierbei die Verfälschung oder Verfälschungsgefahr als schon durch die Bejahung des Beihilfecharakters der betreffenden Maßnahme indiziert an.167 Die Haltung des EuGH zu dieser Frage ist nicht ganz klar, die einschlägigen Urteile sprechen jedoch dafür, dass der Grundsatz „im Zweifel wettbewerbsverfälschend“ nicht gilt, sondern stets eine Marktanalyse durchzuführen ist. Der EuGH hatte in Rs. Philip Morris zur Annahme einer Handelsbeeinträchtigung (!)168 durch die Kommission noch entschieden: „Verstärkt eine von einem Mitgliedstaat gewährte Finanzhilfe die Stellung eines Unternehmens gegenüber anderen Wettbewerbern im innergemeinschaftlichen Handel, muss dieser als von der Beihilfe beeinflusst erachtet werden“.169 Im späteren Urteil in Rs. Leeuwarder Papierfabriek stellte der Ge164 So auch die Begründung in der Entscheidung NN 70/98 (Phoenix/Kinderkanal), S. 8; außerdem stellt die Kommission zurecht fest: „Die Finanzierung der öffentlichen Kanäle und die Zugangsrechte zum Kabelnetz sind rechtlich und wirtschaftlich nicht verknüpft.“ (ebd.). 165 So auch Ruttig, S. 171. 166 Vgl. Rs. 173/73 (Italien ./. Kommission), Slg. 74, S. 709 ff., Rdnr. 38 u. 40 des Urteils; Rs. 730/79 (Philip Morris), Slg. 1980, S. 2671 ff., Rdnr. 11 des Urteils. 167 Vgl. nur Bär-Bouyssière, in: Schwarze, Art. 87 EG Rdnr. 38; Cremer, in: Calliess/Ruffert, Art. 87 EG Rdnr. 12 m. w. N.; Ruttig, S. 176; a. A. Dörr, in: Stern/Prütting, 5 (25). 168 Also nicht einer Wettbewerbsverfälschung; der EuGH trennt zwischen den Merkmalen allerdings auch in neuerer Rechtsprechung nicht klar (vgl. Oldiges, NVwZ 2001, 280 ( 282 m. w. N.)). 169 Vgl. Rs. 730/79 (Philip Morris), Slg. 1980, S. 2671 ff., Rdnr. 11 des Urteils.

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richtshof jedoch klar, dass eine Marktanalyse für die Annahme einer (potentiellen) Wettbewerbsverfälschung i. d. R. nicht entbehrlich ist.170 Eine solche Marktanalyse171 verlangt eine genaue Bestimmung des relevanten Marktes und der Konkurrenzsituation auf diesem. Besteht für das betreffende Gut kein Markt, da wenigstens gemeinschaftsweit keine auch nur potentielle Konkurrenz existiert, kann die Beihilfe den Wettbewerb nicht verfälschen.172 Die Monopolstellung des begünstigten Unternehmens auf einem Markt schließt eine potentielle Wettbewerbsverfälschung allerdings dann nicht aus, wenn es denkbar ist, dass ein Konkurrenzunternehmen hinzutritt und dadurch Wettbewerb entsteht.173 Nach wie vor umstritten ist die Frage, ob die Wettbewerbsverfälschung (potentiell) spürbar sein muss, damit eine unzulässige Beihilfe vorliegt. Dafür spricht die Stellung des Art. 87 EG im Wettbewerbsrecht des EG-Vertrages, denn auch bei Art. 81 und 82 EG müssen Wettbewerbsverfälschung und Handelsbeeinträchtigung spürbar sein.174 Die Kommission nimmt sog. „de-minimis“-Beihilfen vom Beihilfeverbot des Art. 87 Abs. 1 und sogar von der Anzeigepflicht des Art. 88 Abs. 3 EG aus.175 Diese Ausnahme lässt sich zu einem Spürbarkeitserfordernis auch im Beihilferecht verallgemeinern.176 Im Übrigen verlangt auch der EuGH zumindest bei der Frage, ob ein Konkurrent nach Art. 230 Abs. 4 EG, gegen die Beihilfegewährung klagen kann, dass dessen Wettbewerbsposition durch die Beihilfe spürbar beeinträchtigt ist.177 In der beihilfenrechtlichen Entscheidung Rs. 248/84 (Deutschland ./. Kommission) hat der EuGH außerdem die Spürbarkeit der Wettbewerbsverfälschung jedenfalls 170 Vgl. Verb. Rs. 296 u. 318/82 (Leeuwarder Papierwarenfabriek), Slg. 1985, S. 809 ff., Rdnr. 24 des Urteils; wörtlich: „In bestimmten Fällen kann sich zwar bereits aus den Umständen, unter denen die Beihilfe gewährt worden ist, ergeben, dass sie den Handel (. . .) beeinträchtigt und den Wettbewerb verfälscht (. . .). Stets hat jedoch die Kommission diese Umstände in der Begründung ihrer Entscheidung zu nennen. Im vorliegenden Fall hat sie dies unterlassen. Die streitige Entscheidung enthält nicht die geringste Aussage zur Situation des betroffenen Marktes, zum Marktanteil (. . .), zu den Handelsströmen (. . .).“ 171 Vgl. auch Koenig, EuZW 1995, 595 (601); Koenig/Kühling, EuZW 2000, 197 (200). 172 Ähnlich bezogen auf Forschungsbeihilfen Cremer, in: Calliess/Ruffert Art. 87 EG Rdnr. 13. 173 Vgl. Cremer, in: Calliess/Ruffert, Art. 87 EG Rdnr. 14. 174 Vgl. statt vieler Brinker, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 81 EG Rdnr. 39 f. 175 Vgl. „Gemeinschaftsrahmen für Beihilfen an kleinere und mittlere Unternehmen“ ABl. 1992, Nr. C 213, S. 2 ausgeweitet durch Mitteilung vom 24. 01. 1996, ABl. 1997, Nr. C 68, S. 9; der Schwellenwert liegt bei 100.000 ECU innerhalb von drei Jahren. 176 So auch Mederer/Strohschneider, in: von der Groeben/Schwarze, Art. 87 EG Rdnr. 45; wohl auch Greissinger, S. 195 f.; a. A. die wohl h. M. (Nachweise bei Mederer/Strohschneider ebd.; s. auch Damm, S. 127; Ruttig, S. 174). 177 Rs. C-106/98P (Comité d’entreprise de la Société française de production), Slg. 2000, S. I-3659 ff. Rdnr. 40 ff. des Urteils.

VI. Rundfunkfinanzierung und EG-Beihilfenrecht

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implizit geprüft.178 Eine Beihilfe ist daher entgegen der Ansicht der wohl h. M. in der Literatur nur unzulässig, wenn sie den Wettbewerb spürbar beeinträchtigt oder beeinträchtigen kann. b) Verfälschen deutsche Maßnahmen der Rundfunkfinanzierung den Wettbewerb? Bei der Beantwortung der Frage, ob die Finanzierung der deutschen öffentlich-rechtlichen Spartenprogramme den Wettbewerb verfälscht oder zu verfälschen droht, macht es sich die Kommission sehr einfach. Sie stellt in ihrer Entscheidung zu Phoenix und Kinderkanal lediglich fest, dass auf dem deutschen Markt zahlreiche in- und ausländische Rundfunkunternehmen operieren, die z. T. auch in mehrere Länder ausstrahlen. Da Rundfunkprodukte außerdem international gekauft und verkauft würden, könne eine staatliche Maßnahme in diesem Bereich, die ein oder mehrere Unternehmen begünstige, den Wettbewerb verfälschen und den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen.179 Die Kommission vertritt hier offensichtlich (wie dargelegt, entgegen der EuGHRechtsprechung) die Ansicht, die Beihilfequalität einer Maßnahme indiziere ihre Wettbewerbswidrigkeit. Auf der Basis einer auch nur geringfügig exakteren Marktanalyse fiele das Ergebnis weniger klar aus: Es sind, wie auch im Übrigen Wettbewerbsrecht, die verschiedenen Märkte der Rundfunktätigkeit getrennt zu untersuchen. Sachlich relevante Märkte i. S. d. Art. 87 EG sind der Markt für Rundfunk- und Fernsehwerbung und der Markt für Programmrechte. Ein „Zuschauermarkt“ existiert jedenfalls nicht als Markt im wirtschaftsrechtlichen Sinne.180 Dies gilt für das Beihilfenrecht genauso wie für das übrige Wettbewerbsrecht. Der Pay-TV-Markt kann unberücksichtigt bleiben, da der öffentlich-rechtliche Rundfunk in diesem nicht aktiv ist. Fraglich ist also, ob der Werbemarkt und der Programmrechtemarkt durch die Finanzierung des deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunks zumindest potentiell verfälscht werden: Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass von einer Wettbewerbsverfälschung nur die Rede sein kann, wenn es um eine unnatürliche Beeinflussung der Marktkräfte geht.181 Natürliche Marktvorgänge wie 178 Vgl. Rs. 248/84 (Deutschland ./. Kommission), Slg. 1987, S. 4013 ff., Rdnr. 18 des Urteils. 179 Ziffer 6.1 der Entscheidung. 180 So auch Selmer/Gersdorf, S. 46; a. A. bezogen auf das Beihilfenrecht: Damm, S. 120 ff.; Greissinger, S. 191 ff.; Ruttig, S. 178; Uphoff, S. 134 f.; von Wallenberg, in: GS Grabitz, 867 (874); wohl auch Oppermann, Beihilfen, S. 59 f.; offen gelassen von Bartosch, EuZW 1999, 176 (179). 181 So zurecht auch Oppermann, Beihilfen, S. 65.

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

etwa der Marktzutritt eines neuen Konkurrenten sind keine Verfälschungen. Dass die bloße Existenz der (zudem werbefreien) öffentlich-rechtlichen Spartenprogramme bewirken kann, dass andere Sender geringere Einschaltquoten haben und dadurch deren Position auf dem Werbemarkt geschwächt wird, muss also unberücksichtigt bleiben. Ebenfalls Beispiel für einen natürlichen Markteffekt ist die u. a. von Engel kritisierte Tatsache, dass die öffentlich-rechtlichen Veranstalter zu den Zeiten, in denen sie Werbung veranstalten dürfen, möglichst attraktive Programme senden.182 Grundversorgung muss, wie dargelegt, nicht in (publizistischer) Marktabstinenz erfolgen. Ferner muss auf dem Werbemarkt, damit der Wettbewerb nicht von vornherein verfälscht ist, jeder werbefinanzierte Rundfunkveranstalter in prinzipiell gleicher Weise berechtigt sein, seine Einnahmen zu mehren. Daher wäre es gerade nicht marktkonform, zu Zeiten, in denen Werbung betrieben werden darf, weniger oder nur durchschnittlich attraktive Programme zu senden. Solange sie dadurch nicht ihren Grundversorgungsauftrag verletzen, sind die Anstalten außerdem verpflichtet, nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit ihren Gebührenbedarf gering zu halten. Dass die Anstalten zu Zeiten, in denen sie werben dürfen, attraktive Programme senden ist also nicht nur marktkonform, sondern auch rundfunkverfassungsrechtlich geboten. Es geht um die Frage, wie die Rundfunkfinanzierung den Wettbewerb beeinflusst. Auf die Tatsache, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk schon durch die Erteilung des Grundversorgungsauftrages in eine unnatürliche Marktposition gebracht wird, weil er veranlasst wird, diesen Auftrag durch größtenteils nicht marktkonformes Verhalten zu erfüllen, kann es somit nicht ankommen. Im Übrigen bestätigt das Rundfunkprotokoll, dass die Übertragung des Auftrages allein Sache der Mitgliedstaaten ist. Andererseits kann ein Wettbewerbsnachteil für private Veranstalter auch nicht daraus hergeleitet werden, dass diese für Sendungen, die wirtschaftlich nicht sinnvoll sind, jedoch dem Grundversorgungsauftrag gerecht würden, keine Gebührenfinanzierung erhalten,183 weil sich, wie im ersten Teil dieser Arbeit ausgeführt [A. III. 3. a)], die Grundversorgung nicht in einzelne Programme aufspalten lässt. Die Tatsache, dass die Rundfunkgebühr schon vor dem Aufkommen privater Rundfunkveranstalter eingeführt wurde, steht dem Vorliegen einer potentiellen Wettbewerbsverfälschung demgegenüber nicht entgegen.184 Es ist durchaus denkbar, dass die (Weiter-)Gewährung einer Beihilfe, die in monopolistischen Marktstrukturen zulässig war, schon in oligopolistischen nicht mehr zulässig ist, 182

Vgl. Engel, Beihilfen, S. 36; ihm folgend Greissinger, S. 196. So jedoch Greissinger, S. 196; Selmer/Gersdorf, S. 51. 184 So auch Damm, S. 123 f.; Greissinger, S. 197–199; a. A. Oppermann, Beihilfen, S. 65 f. 183

VI. Rundfunkfinanzierung und EG-Beihilfenrecht

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weil sie den neu entstandenen Wettbewerb verfälscht. Zwar muss man für die Frage nach der Wettbewerbsverfälschung durch eine Beihilfe grundsätzlich auf die Lage abstellen, die vor der Einführung der Beihilfe bestand. Dies macht jedoch nur dann Sinn, wenn zu diesem Zeitpunkt auch Wettbewerb bestand, denn andernfalls wäre jede einem Monopolisten gewährte Begünstigung stets auch nach Ende des Monopols noch zulässig.185 Fraglich ist jedoch, wie es sich auswirkt, dass die Position der öffentlichrechtlichen Anstalten auf den sachlich relevanten Märkten gegenüber den Privaten von vornherein durch Werbebeschränkungen und den Grundversorgungsauftrag geschwächt ist.186 Genauer: Darf der Staat, nachdem er Wettbewerbsnachteile geschaffen hat, diese durch Zuwendungen wieder ausgleichen? Klar ist, dass der Staat Nachteile, die durch den Markt selbst entstehen („natürliche Nachteile“), abgesehen von Art. 87 Abs. 2 u. 3 EG nicht ausgleichen darf, denn sonst wäre das Beihilfeverbot sinnlos. Die Beschränkungen für die öffentlichrechtlichen Anstalten sind jedoch keine „natürlichen Nachteile“, sondern künstliche, bzw. ein staatlicher Markteingriff. Dies gilt sowohl für die Werbebeschränkungen als auch für die Übertragung des Grundversorgungsauftrages, weil dieser Auftrag zu einem nicht marktkonformen Verhalten zwingt. Der Ausgleich dieser Nachteile durch Zahlungen in angemessener Höhe stellt daher keinen weiteren Markteingriff dar, sondern stellt gerade die Marktpositionen her, die ohne den ersten Eingriff, also „natürlicherweise“ bestünden.187 Von der Angemessenheit des Ausgleichs ist, wie auch die Kommission bestätigt hat,188 aufgrund der Prüfung durch die KEF auszugehen. Dieses Ergebnis entspricht der neueren Rechtsprechung des EuGH, der in Rs. Ferring festgestellt hat, eine Maßnahme, die nur bewirke, dass Wettbewerber vergleichbaren Wettbewerbsbedingungen unterworfen seien, sei beihilferechtlich nicht unzulässig.189 Nicht vernachlässigt werden dürfen bei einem Vergleich der Wettbewerbslagen mit und ohne Gebührenfinanzierung auch die verfassungsrechtlichen Folgen, die ein Verzicht auf die Gebührenfinanzierung hätte.190 Bei einem solchen 185 Darauf, dass die Gebühren mehrfach erhöht wurden, was eine neue Beihilfengewährung darstellen könnte (so Greissinger, S. 198), kommt es somit gar nicht an; zu hiermit zusammenhängenden Problemen im Rahmen des Art. 88 EG s. u. B. VI. 9. b). 186 Oppermann (Beihilfen, S. 63) spricht hier zutreffend von einem „hinkenden Wettbewerb“. 187 So auch Eberle, ZUM 1995, 763 (767); Holzer, ZUM 1996, 274 (281 f.); Oppermann, Beihilfen, S. 66 f.; Otten, ZUM 1997, 790 (798 f.); a. A.: Selmer/Gersdorf, S. 49 f.; Engel, Beihilfen, S. 37; Koenig/Kühling, EuZW 2000, 197 (200); Damm, S. 125 f.; Zeller, S. 295 f. 188 Vgl. Entscheidung NN 70/98 (Phoenix/Kinderkanal), S. 12. 189 Vgl. Rs. C-53/00 (Ferring), Slg. 2001, S. I-9067 ff., Rdnr. 27 des Urteils; so i. E. auch Rs. C-280/00 (Altmark Trans GmbH), Rdnr. 85 ff. des Urteils. 190 So zurecht Oppermann, Beihilfen, S. 65 f.; a. A. Greissinger, S. 199 f.

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

Verzicht würde, wie bereits angedeutet, das bestehende duale Rundfunksystem in sich zusammenbrechen. Die vom BVerfG aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG hergeleitete Forderung nach einem Höchstmaß an gleichgewichtiger Meinungsvielfalt im Rundfunk bliebe jedoch bestehen. Diese verfassungsrechtlich zwingende Forderung könnte in einem Rundfunksystem, in dem mangels Gebührenfinanzierung die Grundversorgung nicht mehr geleistet werden kann, nur dann erfüllt werden, wenn die Vielfaltsanforderungen an den privaten Rundfunk verschärft würden.191 Ob diese Belastung im Vergleich zur nach verbreiteter Literaturansicht vorliegenden Wettbewerbsverfälschung durch die Gebührenfinanzierung spürbar geringeres Gewicht hätte, ist äußerst zweifelhaft. Durch diese Argumentation wird auch nicht, wie Greissinger meint, in unzulässiger Weise die nationale Sichtweise auf die europäische Ebene übertragen.192 Es geht um die Analyse des nach ständiger Praxis der Kommission national oder zumindest nach Sprachgrenzen strukturierten Rundfunkmarktes. Schon deshalb (und auch wegen Art. 6 Abs. 3 EU) müssen die Vorgaben des nationalen Verfassungsrechts Berücksichtigung finden. Auch der Wortlaut des Rundfunkprotokolls („. . . Auftrag, wie er (. . .) übertragen . . .“) bestätigt dies.193 Im Ergebnis sprechen somit die überzeugenderen Argumente gegen das Vorliegen einer auch nur potentiellen Wettbewerbsverfälschung i. S. d. Art. 87 Abs. 1 EG. Diese Argumente wurden hier zwar vorwiegend anhand des Werbemarktes entwickelt, lassen sich jedoch auf den Rechtemarkt bruchlos übertragen. 6. Handelsbeeinträchtigung Schließlich ist beim Tatbestand des Art. 87 Abs. 1 EG zu prüfen, ob die untersuchten Maßnahmen der Rundfunkfinanzierung unterstellt, sie wären (potentiell) wettbewerbsverfälschende staatliche Begünstigungen, den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen könnten: Aus dem Wortlaut des Art. 87 Abs. 1 EG folgt, dass eine Beihilfe zulässig sein kann, wenn zwar der Wettbewerb innerhalb eines Mitgliedstaates tatsächlich oder potentiell verfälscht wird, dies aber keine Auswirkungen auf den grenzüberschreitenden Handel hat. Ob die Beeinträchtigung des grenzüberschreitenden Handels tatsächlich gegeben sein muss, oder ob eine potentielle Beeinträchtigung ausreicht, lässt der Wortlaut offen. Für die erstere Alternative spricht, dass in Art. 87 Abs. 1 EG eben nur von einer „drohenden“ Wettbewerbsverfälschung, nicht aber auch von einer „drohenden“ Handelsbeeinträchtigung die Rede ist. Eine drohende Wettbewerbsverfälschung in einem Mitgliedstaat kann jedoch i. d. R. den zwischenstaatlichen Handel nicht schon tatsächlich 191 192 193

So i. E. auch Betz, MP 1997, 2 (10). Vgl. Greissinger, S. 199. A. A. Greissinger, S. 199.

VI. Rundfunkfinanzierung und EG-Beihilfenrecht

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beeinträchtigen. Daher muss es für die Unzulässigkeit der Beihilfe ausreichen, dass sie den zwischenstaatlichen Handel potentiell beeinträchtigt.194 Eine solche potentielle Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels kann, da ein Zuschauermarkt als wirtschaftlicher Markt nicht existiert, nicht schon darin liegen, dass ausländische Sender, die in Deutschland empfangbar sind, durch die Konkurrenz der inländischen öffentlich-rechtlichen weniger Zuschaueranteil haben.195 Dieser Effekt kann höchstens mittelbar als Beeinflussung des Werbe- und Rechtemarktes Berücksichtigung finden. Uphoff hält eine potentielle Handelsbeeinträchtigung schon deswegen für gegeben, weil die deutschen Rundfunkanstalten am Wettbewerb auf zwischenstaatlichen Märkten (Werbe-, Programmverwertungs- und Programmproduktionsmarkt) beteiligt sind.196 Hierbei übersieht er zwar, dass diese Märkte nach ständiger Kommissionspraxis gerade nur in sehr geringem Umfang grenzüberschreitend und in allererster Linie national oder nach Sprachräumen strukturiert sind.197 Nach dem Wortlaut des Art. 87 Abs. 1 EG („. . . Handel zwischen Mitgliedstaaten . . .“) reicht es jedoch aus, wenn ein Markt beeinträchtigt wird, der wenigstens eine Staatsgrenze überschreitet, was bei einem sprachraumbezogenen Markt (z. B. Deutschland und Österreich) der Fall wäre.198 Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass der EuGH festgestellt hat, auch verhältnismäßig geringfügige Beihilfen könnten den zwischenstaatlichen Handel beeinträchtigen, wenn in dem betreffenden Wirtschaftssektor erheblicher Wettbewerb herrsche.199 Ein solcher Sektor, in dem erheblicher Wettbewerb herrscht, ist auch der Rundfunksektor. Nähme man also an, die untersuchten Maßnahmen der Rundfunkfinan-

194 Vgl. Rs. 730/79 (Philip Morris), Slg. 1980, S. 2671, Rdnr. 11 des Urteils; Selmer/Gersdorf, S. 52 m. w. N. 195 So aber: Greissinger, S. 204 f.; Engel, Beihilfen, S. 38 f.; Koenig/Kühling, EuZW 2000, 197 (200). 196 Uphoff, S. 140 f.; so auch: Damm, S. 129 m. w. N.; Ruttig, S. 185. 197 Dies betonen auch Oppermann (Beihilfen S. 108, Phoenix/Kinderkanal S. 14) und Damm (S. 156); a. A. Greissinger (S. 205), Selmer/Gersdorf (S. 53 f.), Bleckmann (Spartenprogramme, S. 120) und Engel (Beihilfen, S. 38 f.). Letzterer leitet aus der EuGH-Rechtsprechung her, eine potentielle Handelsbeeinträchtigung läge auch dann vor, wenn bisher nicht existierende (i. e. potentielle) Märkte beeinträchtigt würden. Diese Ansicht Engels kann nicht überzeugen, denn, wenn ein „potentieller Markt“ als Schutzobjekt des Art. 87 Abs. 1 EG ausreichen würde, wäre das Merkmal der Handelsbeeinträchtigung in Art. 87 Abs. 1 EG bedeutungslos. Die theoretische Möglichkeit, dass zwischenstaatlicher Handel entsteht, wird nahezu immer gegeben sein (so i. E. auch Damm, S. 128 f.). 198 Dies deutet auch die Kommission in ihrer „Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk“ Rdnr. 18 an (ABl. C 320 vom 15. 11. 2001, S. 5 ff.). 199 Vgl. GA Tizzano, Rs. C-53/00 (Ferring), Slg. 2001, S. I-9067 ff., Rdnr. 47 der Schlussanträge m. N. aus der Rechtsprechung; vgl. auch Oldiges, NVwZ 2001, 280 (283 m. w. N.).

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

zierung bewirkten eine zumindest potentielle Wettbewerbsverfälschung, wäre auch eine zumindest potentielle Handelsbeeinträchtigung gegeben. 7. Ergebnis zum Tatbestand des Art. 87 Abs. 1 EG Die analysierten Maßnahmen der Rundfunkfinanzierung erfüllen den Tatbestand des Art. 87 Abs. 1 EG jedenfalls deswegen nicht, weil sie keine Begünstigungen darstellen und nicht staatlicher Herkunft sind. 8. Zulässigkeit der Gebührenfinanzierung nach Art. 87 Abs. 3 lit. d) und 86 Abs. 2 EG Der Vollständigkeit halber ist zu untersuchen, ob, hielte man entgegen der hier vertretenen Auffassung Rundfunkgebühren für Beihilfen, die Gebührenfinanzierung zumindest nach Art. 86 Abs. 2 EG oder 87 Abs. 3 lit. d) EG zulässig wäre.200 Insoweit ist Art. 87 Abs. 3 lit. d) EG vor Art. 86 Abs. 2 EG zu prüfen, denn Art. 86 Abs. 2 EG setzt seinem Wortlaut nach voraus, dass durch die Anwendung der Vertragsvorschriften die Erfüllung einer im öffentlichen Interesse übernommenen Aufgabe „verhindert“ wird. Eine solche Verhinderung kann nur vorliegen, wenn auch durch Anwendung von Ausnahmeklauseln wie Art. 87 Abs. 2 und 3 EG die Auftragserfüllung nicht ermöglicht werden kann.201 Betz nimmt an, die Gebührenfinanzierung könne auch als Beihilfe zur Förderung eines wichtigen Vorhabens von gemeinsamem europäischen Interesse nach Art. 87 Abs. 3 lit. b) EG gerechtfertigt sein.202 Auch wenn ihm sicherlich darin 200 Die Untersuchung beschränkt sich im Folgenden auf die beihilferechtliche Rechtfertigung der Gebührenfinanzierung, da die übrigen analysierten Maßnahmen entweder vollkommen eindeutig den Tatbestand des Art. 87 Abs. 1 EG nicht erfüllen (Werbebeschränkungen, Ausschluss privater Veranstalter vom Gebührenaufkommen) oder sich der Beihilfencharakter der Maßnahme schon durch deren verfassungskonforme Auslegung beseitigen lässt, ohne dass die Tatbestandsmerkmale des Art. 87 Abs. 1 EG detailliert geprüft werden müssten (Bestands- und Entwicklungsgarantie, Unzulässigkeit des Konkurs-/Insolvenzverfahrens). 201 So auch Damm, S. 144 f.; Ruttig, S. 144 ff.; i. E. auch Dörr (in: Stern/Prütting, 5 (9 ff.)), der betont, Art. 86 Abs. 2 EG sei seinem Wortlaut nach vorrangig, da er die Anwendbarkeit des Art. 87 EG ausschließen könne, dann jedoch, um festzustellen, ob i. S. d. Art. 86 Abs. 2 EG die Erfüllung einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse verhindert wird, ebenfalls zuerst zumindest Art. 87 Abs. 1 EG vollständig prüfen muss. Hieran ist zutreffend, dass Art. 86 Abs. 2 EG seinem Wortlaut nach keine Rechtfertigungsklausel, sondern ein Tatbestandsausschluss ist (a. A. Damm, S. 76). Ob eine „Verhinderung“ gegeben ist, soweit Rechtfertigungsklauseln eingreifen (z. B. Art. 87 Abs. 2 und 3 EG), lässt der Wortlaut des Art. 86 Abs. 2 EG jedoch offen. Die generalklauselartige Formulierung des Art. 86 Abs. 2 EG spricht für die hier vorgeschlagene Prüfungsreihenfolge. 202 Vgl. Betz, MP 1997, 2 (11 f.).

VI. Rundfunkfinanzierung und EG-Beihilfenrecht

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zuzustimmen ist, dass die Gemeinschaft mehrfach die Bedeutung des öffentlichrechtlichen Rundfunks betont hat, begegnet diese Ansicht Bedenken. Die innere Systematik des Art. 87 Abs. 3 EG spricht dafür, dass dann, wenn das gemeinsame Interesse ein vorrangig kulturelles ist, Art. 87 Abs. 3 lit. d) EG lex specialis ist.203 Ferner setzt Art. 87 Abs. 3 lit. b) EG voraus, dass es sich um ein transnationales Vorhaben handelt.204 Die Tätigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland dient jedoch vorrangig nationalen Interessen205 und höchstens dadurch, dass auf der Ebene der Bundesrepublik Meinungsvielfalt geschützt und gefördert wird, mittelbar dem Gemeinschaftsinteresse. Auch das Rundfunkprotokoll betont im Übrigen die Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks „in den Mitgliedstaaten“. Im Folgenden wird daher die gemeinschaftsrechtliche Zulässigkeit der Gebührenfinanzierung des deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunks ausschließlich an Art. 87 Abs. 3 lit. d) und 86 Abs. 2 EG überprüft. a) Rechtfertigungsmöglichkeit nach Art. 87 Abs. 3 lit. d) EG Nach Art. 87 Abs. 3d EG könnte die Gebührenfinanzierung vom Beihilfeverbot freigestellt werden, sofern sie der Förderung der Kultur und der Erhaltung des kulturellen Erbes dient, und die Handels- und Wettbewerbsbedingungen in der Gemeinschaft nicht in einem Maße beeinträchtigt, das dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft: aa) Rundfunkgebühren als Förderung der Kultur i. S. d. Art. 87 Abs. 3 lit. d) EG (1) Der Kulturbegriff des Art. 87 Abs. 3 lit. d) EG Zur Beantwortung der Frage, ob die Rundfunkgebühren der Förderung „der Kultur und der Erhaltung des kulturellen Erbes“ i. S. d. Art. 87 Abs. 3 lit. d) EG dienen, ist zunächst zu klären, wie der Begriff „Kultur“ in Art. 87 Abs. 3 EG zu verstehen ist: Ebenso wie in Art. 3 lit. q) und 151 EG, wird der Begriff auch in Art. 87 Abs. 3 lit. d) EG nicht definiert. Andererseits ergeben sich aus der Zusammenschau dieser drei Vorschriften auch keine Anhaltspunkte für eine unterschied203

So Oppermann, Phoenix/Kinderkanal, S. 18. Vgl. Bär-Bouyssière, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 87 EG Rdnr. 54; Mederer, in: von der Groeben/Schwarze, Art. 87 EG Rdnr. 188; a. A. Cremer, in: Calliess/ Ruffert, Art. 87 EG Rdnr. 32 f. 205 Dies wird in BVerfGE 73, 118 (156) deutlich, wo das BVerfG die Einstrahlung von Rundfunk aus dem europäischen Ausland eher als Bedrohung der gleichgewichtigen Vielfalt in Deutschland begreift. 204

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

liche Interpretation des Kulturbegriffs je nach Regelungsbereich.206 Unstreitig dürfte sein, dass Art. 87 Abs. 3 lit. d) EG, obwohl er von Beihilfen „zur Förderung der Kultur und der Erhaltung des kulturellen Erbes“ spricht, nicht so zu verstehen ist, dass nur Beihilfen, die beiden genannten Zwecken dienen, gerechtfertigt sein können. Dies folgt auch aus Art. 151 Abs. 1 und 2 EG die zeigen, dass eine exakte begriffliche Trennung zwischen „kulturellem Erbe“ und „Kultur“ gemeinschaftsrechtlich nicht notwendig ist. Darauf, ob Rundfunkfinanzierung auch der Erhaltung des kulturellen Erbes dient, kommt es deswegen nicht an.207 Ebensowenig ist für Art. 87 Abs. 3 lit. d) EG von Bedeutung, dass Art. 151 Abs. 2 EG nicht vom audiovisuellen Bereich insgesamt, sondern nur vom künstlerischen und literarischen Schaffen „im audiovisuellen Bereich“ spricht.208 Diese Formulierung lässt sich, wie bereits dargelegt [B. IV. 3. c)] nicht dahingehend verstehen, Rundfunk sei keine Kultur im europarechtlichen Sinne. Aus der Systematik des Vertrages wird ferner deutlich, dass der Bereich der Kultur von dem der Forschung und Bildung entgegen dem traditionellen deutschen Verständnis zu trennen ist, denn für die letzteren Bereiche existieren eigene Vertragsregelungen (Art. 149 f. EG und Art. 163 ff. EG).209 Es bleibt jedoch offen, welchen näheren Inhalt der Kulturbegriff des Art. 87 Abs. 3 lit. d) EG hat, und vor allem, wer diesen Inhalt zu definieren hat: Für eine Definitionskompetenz der Gemeinschaft spricht, dass es sich um einen Begriff des EG-Vertrages handelt. Bei den Begriffen des Vertrages liegt die Definitionskompetenz grundsätzlich bei der Gemeinschaft, um die einheitliche Geltung des Gemeinschaftsrechts zu sichern.210 Für eine Definitionskompetenz der Mitgliedstaaten spricht demgegenüber Art. 151 EG. Daraus, dass Art. 151 EG von „den Kulturen der Mitgliedstaaten“ spricht (Abs. 1 und 4), die Kompetenzen nach Art. 151 Abs. 5 auf Fördermaßnahmen und Empfehlungen beschränkt sind und ein ausdrückliches Harmonisierungsverbot statuiert wird, folgt, dass den Mitgliedstaaten im Kulturbereich eine weitreichende Einschätzungspräroga206 So i. E. auch Koenig/Kühling (EuZW 2000, 197 (201)) und Oppermann (Beihilfen, S. 83 f.), der die gemeinsame Entstehungsgeschichte der Vorschriften, die den Begriff „Kultur“ verwenden, betont. 207 Nach Ansicht von Oppermann (Beihilfen, S. 82) ist dies offensichtlich nicht der Fall. So offensichtlich ist dies m. E. aus zwei Gründen nicht. Zum einen ist angesichts von mehr als 50 Jahren Rundfunkentwicklung zu fragen, ob historische Rundfunkaufnahmen nicht Teil des „kulturellen Erbes“ sind. Zum anderen können Rundfunkberichte über Gegenstände des kulturellen Erbes wie architektonische Kulturdenkmäler mittelbar deren Erhaltung dienen. 208 So aber Engel, Beihilfen, S. 43; a. A. (wie hier) auch Ruttig, S. 200. 209 Ganz h. M.; vgl. nur: Dörr, Europa, S. 29; Hochbaum, BayVBl. 1997, 641 (642 f.); Ruttig, S. 194 m. w. N.; Zeller, S. 197. 210 So auch Ruttig, S. 193; für die Entwicklung eines „gemeinschaftsautonomen normativen Kulturbegriffs“ Koenig/Kühling, EuZW 2000, 197 (201).

VI. Rundfunkfinanzierung und EG-Beihilfenrecht

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tive zukommt.211 Auch Art. 151 Abs. 4 EG deutet mit der Formulierung „zur Wahrung und Förderung der Vielfalt ihrer Kulturen“ (Hervorhebung v. Verf.) in diese Richtung.212 Maßgeblich ist also vorrangig das mitgliedstaatliche Kulturverständnis. Greissinger leitet aus dem Rundfunkprotokoll her, dass Art. 87 Abs. 3d EG nur dann eingreifen kann, soweit ein Mitgliedstaat dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk in seinem Gebiet einen dementsprechenden Auftrag ausdrücklich übertragen hat.213 Dagegen spricht jedoch nicht nur der Wortlaut des Protokolls, der in der eigentlichen Auslegungsregel den Begriff der Kultur nicht verwendet, sondern nur im Erwägungsgrund. Greissingers Auslegung des Protokolls widerspricht auch dessen Sinn und Zweck, der unstreitig darin besteht, die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gemeinschaftsrechtlich abzusichern. Eine Einengung des Art. 87 Abs. 3 lit. d) EG wäre dem abträglich. (2) Rundfunkgebührenfinanzierung und Kultur in Deutschland Für die Frage, ob Art. 87 Abs. 3 lit. d) EG eingreift, kommt es also primär darauf an, ob in Deutschland Rundfunk als Teil der Kultur214 betrachtet wird und die Rundfunkgebühren objektiv der Förderung der Kultur dienen.215 Maßgeblich sind zunächst die Aussagen der Rechtsprechung des BVerfG. Dieses hat zwar den Rundfunk stets mit der Kultur in Verbindung gebracht bzw. ihn als „auch ein kulturelles Phänomen“216 betrachtet und seine Bedeutung für das kulturelle Leben herausgestellt,217 es hat den Rundfunk jedoch nie als ausschließlich oder auch nur in erster Linie kulturell apostrophiert, sondern die kulturelle Funktion immer nur als eine Teilaufgabe gesehen. Im Vordergrund stand stets die Bedeutung des Rundfunks für die demokratische Meinungsbildung. Die Grundversorgung soll in erster Linie dieser demokratischen Funktion des Rundfunks dienen, auch wenn sie die kulturelle Funktion des Rundfunks mitumfasst.218 Unter Art. 87 Abs. 3 lit. d) EG fiele die Gebührenfinanzierung der Grundversorgung daher nur dann, wenn auch die demokratische 211 So auch: Damm, S. 149 f.; Dörr/Cloß, ZUM 1996, 105 (116 f.); Oppermann, Beihilfen S. 85 f.; ders., Phoenix/Kinderkanal, S. 17; Otten, ZUM 1997, 790 (799); Ruttig, S. 191 ff.; Selmer/Gersdorf, S. 73. 212 So auch Greissinger, S. 214. 213 Vgl. Greissinger, S. 214–216; in diese Richtung geht auch die „Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk“ Rdnr. 27 (ABl. C 320 vom 15. 11. 2001, S. 5 ff.). 214 Zum Kulturbegriff vgl. statt vieler Geis, S. 181 ff. 215 So auch Oppermann, Beihilfen S. 85 f.; Damm, S. 150; Selmer/Gersdorf, S. 59 ff.; Uphoff, S. 159; von Wallenberg, in: GS Grabitz, S. 867 (875 f.). 216 BVerfGE 12, 205 (229). 217 Vgl. BVerfGE 73, 118 (157 f.); 74, 297 (324); 90, 60 (90).

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

Funktion des Rundfunks unter den Begriff der Kultur subsumiert werden könnte. Wäre der Kulturbegriff eng zu verstehen,219 ergäbe sich, dass Beihilfen, die der demokratischen Meinungsbildung dienen, abgesehen von Art. 86 Abs. 2 EG unzulässig wären, weil keine der Ausnahmevorschriften des Art. 87 EG greift. Wettbewerbsrechtlich wäre dann die Kultur besser gestellt als die demokratische Meinungsbildung. Dieses Ergebnis ist mit einer an Art. 10 EMRK bzw. am entsprechenden Gemeinschaftsgrundrecht orientierten Auslegung des Wettbewerbsrechts des EG-Vertrages kaum vereinbar.220 Außerdem ist nach Art. 6 Abs. 1 EU das Demokratieprinzip ein tragender Grundsatz der Union, und die demokratische Funktion des Rundfunks ist Teil der nationalen Identität wohl aller Mitgliedstaaten i. S. d. Art. 6 Abs. 3 EU.221 All dies spricht dafür, unter „Kultur“ i. S. d. Art. 87 Abs. 3 lit. d) EG auch die demokratische Funktion des Rundfunks zu subsumieren.222 Daher dient die Gebührenfinanzierung der Grundversorgung der Kultur i. S. d. Art. 87 Abs. 3 lit. d) EG auch insoweit, als sie den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als Medium und Faktor freier öffentlicher und individueller Meinungsbildung stärkt. Bei der Gebührenfinanzierung der Spartenprogramme ist nach den unterschiedlichen Programmen (3sat, ARTE, BR-Alpha, Theaterkanal, Phoenix und Kinderkanal) zu unterscheiden: Unproblematisch unter den Kulturbegriff i. S. d. Art. 87 Abs. 3 lit. d) EG fallen aufgrund ihrer klaren kulturellen Schwerpunktsetzung 3sat, ARTE und der Theaterkanal.223 Beim Kinderkanal kommt zwar ein pädagogischer Ansatz hinzu, der Hauptteil der Sendezeit wird jedoch Filmen, insbesondere Zeichentrickfilmen für Kindern gewidmet. Diesen Filmen lässt sich kultureller Gehalt i. S. d. Art. 87 Abs. 3 lit. d) EG höchstens dann absprechen, wenn man (unzutreffend) unter Art. 87 Abs. 3 lit. d) EG nur „Hochkultur“ (was auch immer dies sein mag) versteht.224 Auch die Finanzie-

218 Näher hierzu Scheble, S. 100. Dörr (Europa, S. 33) nimmt demgegenüber an, Grundversorgung und kulturelle Aufgabe des deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunks seien deckungsgleich. 219 So ausdrücklich die Kommission in der „Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk“ Rdnr. 26 (ABl. C 320 vom 15. 11. 2001, S. 5 ff.); ebenso: Engel, Beihilfen, S. 43 ff.; Selmer/ Gersdorf, S. 70; von Wallenberg, in: GS Grabitz, 867 (878). 220 Vgl. Damm, S. 150; Oppermann, Beihilfen, S. 77; Selmer/Gersdorf, S. 66 ff.; auch Art. 11 Abs. 2 der Grundrechtscharta betont die besondere Rolle des Rundfunks; a. A. wohl Koenig/Kühling, EuZW 2000, 197 (201 f.). 221 So auch Oppermann, Beihilfen S. 75 ff. 222 So auch Ruttig, S. 203 ff.; a. A. wohl Zeller, S. 297. 223 So bezogen auf letzteren auch Ruttig, S. 232. 224 So aber: Engel, Beihilfen S. 43 f.; i. E. auch Poll, S. 380 f.; kritisch zur Reduzierung des Kulturbegriffs auf „Hochkultur“: Greissinger, S. 222; Koenig/Kühling, EuZW 2000, 197 (201); Oppermann, Beihilfen, S. 89; Ruttig, S. 200.

VI. Rundfunkfinanzierung und EG-Beihilfenrecht

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rung für den Kinderkanal fällt daher unter Art. 87 Abs. 3 lit. d) EG.225 Phoenix fällt als Nachrichtenkanal nach der hier vertretenen weiten Auffassung des Kulturbegriffs, die auch die demokratische Funktion des Rundfunks mit einschließt, ebenfalls unter Art. 87 Abs. 3 lit. d) EG. Problematisch ist die Anwendbarkeit des Art. 87 Abs. 3 lit. d) EG somit allein bei BR-Alpha, denn dessen Programm dient vorrangig Zwecken der Bildung.226 Die Gebührenfinanzierung dieses Programms könnte nur auf Art. 87 Abs. 3 lit. d) EG gestützt werden, wenn der Begriff der Kultur i. S. d. Art. 87 Abs. 3 lit. d) EG auch Bildung umfassen würde, was, wie dargelegt, der Vertragssystematik widerspräche. Dass diese Trennung für Art. 87 Abs. 3 lit. d) EG aufgehoben sein soll, ist nicht ersichtlich. Dass somit Programme, die der demokratischen Funktion des Rundfunks dienen, sich noch unter den Kulturbegriff i. S. d. Art. 87 Abs. 3d EG subsumieren lassen, nicht jedoch Bildungsprogramme, stellt keinen Wertungswiderspruch dar, denn das Demokratieprinzip ist nach Art. 6 Abs. 1 EU ein tragender Grundsatz der Union und daher bei der Auslegung des gesamten EG-Vertrages zu berücksichtigen. Ein gleichrangiges Prinzip für den Bildungsbereich ist EUund EG-Vertrag nicht zu entnehmen. Die Grundrechtscharta enthält zwar in Art. 14 ein Recht auf Bildung, die Verbindung zwischen diesem Recht und dem Rundfunk ist jedoch jedenfalls nicht so eng wie zwischen der freien Meinungsbildung im/durch Rundfunk und Art. 10 EMRK bzw. Art. 11 der Grundrechtscharta. Die Finanzierung von BR-Alpha dient daher zwar nach deutschem Verständnis der Kulturförderung. Da der EG-Vertrag zwischen Bildung und Kultur klar trennt, kann dieses Ergebnis auf der Gemeinschaftsebene jedoch keine Geltung beanspruchen. Daher greift Art. 87 Abs. 3 lit. d) EG insoweit nicht ein. (3) Entscheidung der Kommission in Sachen Phoenix und Kinderkanal Die Kommission hat in ihrer Entscheidung zur Finanzierung von Phoenix und Kinderkanal anders entschieden. Sie nimmt an, Freistellungen vom Beihilfeverbot seien generell eng auszulegen. Dies gelte auch für Art. 87 Abs. 3 lit. d) EG. Daher sei unter Kultur im Sinne dieser Vorschrift nur das zu verstehen, was „nach allgemeiner Auffassung der „Kultur“ zugeordnet werde“.227 Die Finanzierung der Spartenprogramme Phoenix und Kinderkanal, so wörtlich, „kann nicht als Förderung der Kultur . . . im Sinne von Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe d) EG-Vertrag angesehen werden, sondern scheint vielmehr demokratischen und erzieherischen Bedürfnissen der deutschen Gesellschaft zu dienen“.228 Diese 225

So auch Oppermann, Phoenix/Kinderkanal, S. 17 f. Insoweit ist auch darauf hinzuweisen, dass das BVerfG im Bezug auf Schulprogramme im Gegensatz zu sonstigen Rundfunkprogramme nicht ausschließlich auf Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG, sondern auch auf Art. 7 GG abstellt (vgl. BVerfGE 83, 238 (340)). 227 So wörtlich unter 6.2 der Entscheidung. 226

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

Begründung ist inhaltlich und methodisch höchst fragwürdig.229 Die Kommission war sich im Unklaren darüber, welchen Zwecken die beiden Spartenprogramme dienen („scheint“), war jedoch zugleich sicher, dass der Zweck jedenfalls kein kultureller ist. Sie hielt es auch nicht für notwendig, auf die Argumente der Bundesregierung hinsichtlich der kulturellen Bedeutung des Rundfunks näher einzugehen230 und bemühte sich ebensowenig, näher darzulegen, warum es der „allgemeinen Auffassung“ widersprechen soll, Programme mit demokratischer und erzieherischer Funktion unter den Begriff der „Kultur“ zu fassen. Außerdem ging die Kommission offenbar davon aus, ein Rundfunkprogramm könne auch nur einem einzigen Zweck dienen. Insgesamt vermag die Entscheidung daher nicht zu überzeugen. bb) „Verhältnismäßigkeitsklausel“ des Art. 87 Abs. 3 lit. d) a. E. EG Nach der Klausel des Art. 87 Abs. 3 lit. d) a. E. EG sind „Kulturbeihilfen“ nur zulässig, „soweit sie die Handels- und Wettbewerbsbedingungen in der Gemeinschaft nicht in einem Maß beeinträchtigen, dass dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft“. Dem „gemeinsamen Interesse“ laufen jedenfalls („Kultur“-) Beihilfen zuwider, die zur Erreichung der kulturellen Ziele nicht geeignet oder nicht erforderlich sind. Daher kann Art. 87 Abs. 3 lit. d) a. E. EG als eine Art Verhältnismäßigkeitsklausel verstanden werden.231 Der Wortlautunterschied zwischen Art. 87 Abs. 3 lit. c) und d) EG („verändern“, „beeinträchtigen“) macht außerdem deutlich, dass die Beihilfe, damit Art. 87 Abs. 3 lit. d) EG nicht eingreift, eindeutig unverhältnismäßig sein muss.232 (1) Geeignetheit der Gebührenfinanzierung Die Gebührenfinanzierung dient in erster Linie der Sicherung der Grundversorgung durch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Dieses Ziel ist nach 228 6.2 der Entscheidung der Kommission; ausdrücklich bestätigt, in der „Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf den öffentlichrechtlichen Rundfunk“ Rdnr. 26 (ABl. C 320 vom 15. 11. 2001, S. 5 ff.); ähnlich auch Entscheidung SG (99) D/10201 (BBC News 24) Rdnr. 36 (veröffentlicht soweit ersichtlich nur auf der Website der DG-Wettbewerb). 229 Kritisch auch Greissinger, S. 211; Ruttig, S. 146; Wittig-Terhardt, in: Liber Amicorum Oppermann, 727 (739 ff., 747); positiver demgegenüber die Bewertung von Koenig/Kühling, EuZW 2000, 197 (201). 230 Wörtlich heißt es unter 5. der Entscheidung: „Die Bundesregierung unterstreicht die kulturelle Bedeutung des Rundfunks und die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten in diesem Bereich . . .“. 231 So i. E. auch: Damm, S. 150 ff.; Greissinger, S. 216 f.; Oppermann, Beihilfen, S. 91 ff.; Selmer/Gersdorf, S. 72 ff. 232 So auch Oppermann, Beihilfen, S. 92; a. A. Ruttig, S. 216.

VI. Rundfunkfinanzierung und EG-Beihilfenrecht

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hier vertretener Auffassung ein kulturelles Ziel i. S. d. Art. 87 Abs. 3 lit. d) EG. Da Grundversorgung ein marktfernes Gut ist, muss eine Finanzierung, die zu ihrer (nachhaltigen) Sicherung geeignet sein soll, ebenfalls unabhängig von den Gesetzen des Marktes sein. Eine solche marktunabhängige Finanzierung ist die Gebührenfinanzierung. Eine reine Werbefinanzierung würde die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten vollständig den Marktkräften ausliefern und wäre somit zur Sicherung der Grundversorgung ungeeignet. Eine Finanzierung direkt aus dem staatlichen Haushalt wäre mit dem Grundsatz der Staatsfreiheit nicht vereinbar. Die Gebührenfinanzierung ist daher jedenfalls zur Erreichung des mit ihr verfolgten Ziels der Sicherung der Grundversorgung i. S. d. Art. 87 Abs. 3 lit. d) EG geeignet.233 Die Gebührenfinanzierung der Spartenprogramme ist, soweit es sich um „kulturelle“ Programme handelt, ebenfalls zu deren markt- und staatsunabhängiger Produktion und Ausstrahlung geeignet. Selmer und Gersdorf überprüfen an Art. 87 Abs. 3 lit. d) EG auch den Ausschluss der privaten Veranstalter von den Rundfunkgebühren, der ihrer Ansicht nach den „zweiten Förderstrang“ bei der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks darstellt.234 Dass es sich hierbei um keine Beihilfe handeln kann, wurde bereits dargelegt. Selbst, wenn man sich den Autoren bezüglich des Beihilfecharakters anschließen wollte, ließe sich die Geeignetheit zur Kulturförderung i. S. d. Art. 87 Abs. 3 lit. d) EG aber bejahen: Angenommen, auch private Veranstalter könnten am Gebührenaufkommen partizipieren, würde dies in absehbarer Zeit die Gebühreneinnahmen der öffentlich-rechtlichen Anstalten schmälern, denn das Gebührenaufkommen lässt sich aus sozialen Gründen nicht unbegrenzt erhöhen. Notwendige Konsequenz einer teilweisen Gebührenfinanzierung der privaten Veranstalter wäre im Übrigen, wie bereits dargelegt, dass diese ebenfalls zur Grundversorgung, zumindest aber zur Erhöhung ihrer programmlichen Vielfalt verpflichtet würden.235 Andernfalls bestünde die Gefahr, dass die privaten Veranstalter ihre Gebührenbeteiligung nur zur Verbesserung ihrer Marktposition gegenüber in- und ausländischen Konkurrenten nutzen. Unterlägen private Veranstalter aber strengeren Verpflichtungen bezüglich programmlicher Vielfalt, dürften sie sich in geringerem Maße an Einschaltquoten orientieren. Dies wiederum könnte die Werbeeinnahmen vermindern, d. h. gewinnorientierte Programmgestaltung wäre für den privaten Rundfunk erschwert.236 Dann stünden die privaten Veranstalter wirtschaftlich und damit auch hinsichtlich ihrer publizistischen Leistungsfähigkeit durch eine teilweise Gebührenfinanzierung zumindest nicht besser da als ohne. Die öffentlich-recht233 234 235 236

So auch Oppermann, Beihilfen, S. 95 ff.; Ruttig, S. 218. Vgl. Selmer/Gersdorf, S. 75 ff. So auch: Damm, S. 152; Oppermann, Beihilfen, S. 99. So auch Oppermann, Beihilfen, S. 100 ff.

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

lichen Veranstalter aber wären in jedem Fall finanziell und in der Konsequenz auch publizistisch geschwächt. Daher ist der Ausschluss der privaten Veranstalter vom Gebührenaufkommen ebenfalls zur Sicherung der Grundversorgung als kulturellem Ziel i. S. d. Art. 87 Abs. 3 lit. d) EG geeignet.237 (2) Erforderlichkeit der Gebührenfinanzierung Die einzelnen „beihilfeverdächtigen“ Elemente der Rundfunkfinanzierung wären i. S. d. Art. 87 Abs. 3 lit. d) EG nicht erforderlich, wenn die mit ihnen verfolgten Ziele auch auf „marktverträglicherem“ Wege zu erreichen wären. Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass nicht etwa, wie offensichtlich Bleckmann annimmt,238 die kulturelle Zwecksetzung auf ihre Erforderlichkeit hin zu überprüfen ist, sondern die Finanzierung dieser Zwecksetzung. Nach Ansicht von Selmer und Gersdorf ist die Gebührenfinanzierung, soweit sie Programmdarbietungen dient, die auch über Werbeeinnahmen zu finanzieren wären, nicht i. S. d. Art. 87 Abs. 3 lit. d) EG erforderlich.239 Abgesehen davon, dass diese Ansicht die Fragen aufwirft, wer darüber zu entscheiden hätte, welche Programme in diese Kategorie fallen,240 und wie sich eine solche Einschränkung mit der Programmautonomie der Anstalten vereinbaren ließe,241 beruht die Ansicht auch auf einem Fehlverständnis der Grundversorgung: Wie bereits ausgeführt, ist Grundversorgung nicht als Mindestversorgung, sondern als „Grundversorgung für alle“ in programmlicher und technischer Hinsicht zu verstehen. Auch massenattraktive Programme sind daher Bestandteile der Grundversorgung.242 Außerdem muss die gesamte Grundversorgung staats- und marktunabhängig geleistet werden. Könnten die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten massenattraktive Programme nur noch aus Werbeeinnahmen finanzieren, wäre die Leistung der Grundversorgung teilweise marktabhängig. Angesichts der ohnehin geringen Höhe der Werbeeinnahmen der Anstalten und der explodierenden Preise für Übertragungsrechte insbesondere im Sportsektor243 bestünde sogar die Gefahr, dass sich einige massenattraktive Teile des 237

So i. E. auch Damm, S. 151 ff. Vgl. Bleckmann, Spartenprogramme, S. 121. 239 Selmer/Gersdorf, S. 80 ff.; so auch Uphoff, S. 163 ff. In ähnliche Richtung ging das mittlerweile wieder zurückgezogene „Diskussionspapier der Kommission zur Anwendung der Artikel 90, 92 und 93 EG-Vertrag im Rundfunksektor“; hierzu Ruttig, S. 221 ff.; s. auch B. I. 2. c) bb) (1). 240 Hierzu Oppermann, Beihilfen, S. 105 f.; Ruttig, S. 225; beim Inhalt dieser Entscheidung sehen Selmer und Gersdorf (S. 89) „Keine ins Gewicht fallenden Schwierigkeiten“. 241 Diesen Aspekt betont zurecht Greissinger, S. 221 ff. (223). 242 Vgl. BVerfGE 73, 118 (158) und 74, 297 (325 f.); vgl. auch Damm, S. 154; Oppermann, Beihilfen, S. 39. 238

VI. Rundfunkfinanzierung und EG-Beihilfenrecht

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öffentlich-rechtlichen Programms gar nicht mehr finanzieren ließen. Die Grundversorgung könnte so zu einer bloßen Komplementärversorgung verkümmern. Auch eine Lockerung der Werbebeschränkungen244 würde daran nichts ändern. Im Gegenteil, sie würde den öffentlich-rechtlichen Rundfunk noch marktabhängiger machen und somit unabhängige Grundversorgung ausschließen. Ferner wäre, wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk bei der Veranstaltung von massenattraktiven Programmen allein auf Werbeeinnahmen angewiesen bliebe, er nicht mehr in der Lage auch hier auf Dauer das Qualitätsniveau zu halten, zu dem ihn das BVerfG verpflichtet245. Es könnte schließlich auch zu folgender Situation kommen: Eine öffentlich-rechtliche Anstalt produziert eine vollkommen neue Sendung, die zunächst wenig massenattraktiv ist und deswegen aus Gebühren finanziert werden darf. Aufgrund der gesicherten Finanzierung durch die Gebühren kann die Anstalt die Attraktivität der Sendung steigern. Je attraktiver die Sendung wird, desto größer wird aber auch die Gefahr, dass sie nur noch aus Werbung finanziert werden darf. Letztlich würden die öffentlich-rechtlichen Anstalten für die Suche nach Weiterentwicklungen der Grundversorgung durch neue Sendungen also in finanzieller Hinsicht bestraft. Das Modell von Selmer und Gersdorf könnte daher auch die Entwicklungsfähigkeit der Grundversorgung lähmen und kann daher letztlich keine Zweifel an der Erforderlichkeit der Gebührenfinanzierung i. S. d. Art. 87 Abs. 3 lit. d) EG wecken246. Ebensowenig ist die derzeitige Mischfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks deswegen nicht i. S. d. Art. 87 Abs. 3 lit. d) EG erforderlich, weil auch eine ausschließliche Gebührenfinanzierung möglich wäre. Auf diese Weise würde der öffentlich-rechtliche Rundfunk, wie Ruttig zutreffend bemerkt,247 vom wirtschaftlichen Markt abgekoppelt. Damit würde er mittelbar jedoch auch etwas vom publizistischen Markt entfernt. Dies könnte der Erbringung der Grundversorgung, die eine vollständige Marktabstinenz der Anstalten verbietet, schaden. Außerdem würde ein vollständiger Verzicht auf Werbung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine Erhöhung der Rundfunkgebühren nahezu zwangsläufig bedingen.248 Eine Änderung in einem Finanzierungssystem, die in dieser Weise zulasten der Verbraucher ginge, kann kaum i. S. d. Art. 87 Abs. 3 lit. d) a. E. EG für „geeigneter“ gehalten werden. Die Höhe sowohl der Gebührenfinanzierung der Spartenprogramme als auch der Grundversorgung i. S. d. Art. 87 Abs. 3 lit. d) EG kann schon deswegen als erforderlich angesehen werden, weil die KEF in regelmäßigen Abständen die 243 Vgl. KEK-Konzentrationsbericht 2000, S. 179 f.; vgl. auch Oppermann, Beihilfen, S. 63. 244 Dafür Selmer/Gersdorf, S. 86 f. 245 So auch Oppermann, Beihilfen, S. 100 m. w. N. 246 So auch: Damm, S. 153 ff.; Greissinger, S. 221 ff.; Oppermann, Beihilfen, S. 106. 247 Vgl. Ruttig, S. 243 f. 248 So auch statt vieler Greissinger, S. 220.

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

Finanzierung dieser Programme an den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit überprüft.249 (3) Angemessenheit und Kommissionsermessen Schon der Wortlaut des Art. 87 Abs. 3 lit. d) EG macht deutlich, dass zwischen dem Gemeinschaftsinteresse an der möglichst störungsfreien Erhaltung der Handels- und Wettbewerbsbedingungen und dem mitgliedstaatlichen Interesse an der Kulturförderung abzuwägen ist: Hierbei wird zunächst aus Art. 3 EG deutlich, dass die in lit. g) (Vertragsziel freier Wettbewerb) und q) EG (Vertragsziel Kultur) genannten Ziele der Gemeinschaft gleichberechtigt nebeneinander stehen. Andererseits folgt nicht nur aus dem Wortlaut des Art. 151 EG, sondern auch aus dem des Art. 3 lit. q) EG („. . . Entfaltung des Kulturlebens in den Mitgliedstaaten“; Hervorhebung v. Verf.), dass im Kulturbereich die Ebene der Mitgliedstaaten klar die Gemeinschaftsebene dominieren soll. Was den Rundfunk betrifft, ist außerdem, wie schon erwähnt, dessen Bedeutung für Demokratie und Grundrechtsverwirklichung zu berücksichtigen. Beides ist nach Art. 6 Abs. 1 und 2 EU auch auf der Gemeinschaftsebene von Bedeutung.250 Angesichts dessen könnte die Gebührenfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks daher nur dann unangemessen und deswegen nicht nach Art. 87 Abs. 3 lit. d) EG gerechtfertigt sein, wenn sie trotz ihrer Geeignetheit und Erforderlichkeit zur Erreichung des mit ihr verfolgten Zwecks aus anderen Gründen gegen das Prinzip des freien Wettbewerbs schwerwiegend und eindeutig verstieße. Dies käme etwa in Betracht, wenn die Gebührenfinanzierung zur Diskriminierung von ausländischen Veranstaltern oder sonstigen Staatsangehörigen aus dem EU-Ausland führen würde, was jedoch nicht der Fall ist, denn in- und ausländische private Veranstalter sind gleichermaßen von der Beteiligung am Gebührenaufkommen ausgeschlossen.251 Ebensowenig verlagert die Gebührenfinanzierung Wettbewerbsprobleme von einem in den anderen Mitgliedstaat.252 Sie ist somit auch nicht unangemessen. 249 So auch die Kommission in der Entscheidung NN 70/98 (Phoenix/Kinderkanal), S. 12 f. allerdings bezogen auf Art. 86 Abs. 2 EG; Greissinger, S. 234; Ruttig, S. 220; a. A. Uphoff, S. 160 f. Wittig-Terhardt (in: Liber Amicorum Oppermann, 727 (749 f.)) sieht das detaillierte Eingehen der Kommission auf das KEF-Verfahren als Kompetenzmissbrauch an. Wenn man wie Wittig-Terhardt (und auch der Verfasser) davon ausgeht, dass das Rundfunkprotokoll die Kontrolle der Finanzierung des öffentlichrechtlichen Rundfunks auf eine Evidenzkontrolle reduziert, ist dieses Vorgehen der Kommission in der Tat befremdlich. Zum Entscheidungszeitpunkt war, wie die Kommission selbst (S. 9 der Entscheidung NN 70/98 (Phoenix/Kinderkanal)) feststellt, das Protokoll jedoch noch nicht in Kraft. Daher lag ein Kompetenzmissbrauch insoweit (noch) nicht vor. 250 Vgl. auch: Oppermann, Beihilfen, S. 107; Ruttig, S. 206. 251 So auch Damm, S. 156; Greissinger, S. 225. 252 Vgl. Greissinger, S. 225; Oppermann, Beihilfen, S. 107; Uphoff, S. 170 f.

VI. Rundfunkfinanzierung und EG-Beihilfenrecht

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Nach dem Wortlaut des Art. 87 Abs. 3 lit. d) EG steht eine Freistellung vom Beihilfeverbot prinzipiell im Ermessen der Kommission. Dieses Ermessen ist jedoch schon deswegen zugunsten der Gebührenfinanzierung reduziert, weil die Voraussetzungen des Beihilfetatbestandes nach Art. 87 Abs. 1 EG wenn überhaupt, dann alles andere als eindeutig erfüllt sind.253 Ferner verpflichtet Art. 6 Abs. 3 EU die Gemeinschaft, wie schon erwähnt, zur Achtung der nationalen Identität ihrer Mitgliedstaaten auch und gerade im Bereich des Rundfunks.254 Außerdem ist der Einfluss der Gemeinschaftsgrundrechte der Meinungs- und der Medienfreiheit zu beachten, die die Gemeinschaft auch zur Beachtung der Wirkung ihrer Entscheidungen auf den Medien- und Meinungspluralismus verpflichten.255 Schließlich stellt das Rundfunkprotokoll die Auslegungsregel auf, dass in Zweifelsfällen die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gemeinschaftsrechtlich zulässig ist. Das Ermessen der Kommission im Rahmen des Art. 87 Abs. 3 lit. d) EG ist hinsichtlich der Gebührenfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland daher auf Null reduziert.256 cc) Zwischenergebnis Sieht man die Gebührenfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland entgegen der hier vertretenen Auffassung als Beihilfe an, ist sie zumindest nach Art. 87 Abs. 3 lit. d) EG gerechtfertigt. b) Art. 86 Abs. 2 EG Soweit die Rechtfertigung nach Art. 87 Abs. 3 lit. d) EG reicht, kann die Anwendung der Beihilfenregeln die Erfüllung des Rundfunkauftrags nicht i. S. d. Art. 86 Abs. 2 EG verhindern. Art. 86 Abs. 2 EG kann allerdings bei der Finanzierung des Spartenprogramms BR Alpha sowie dann zur Anwendung kommen, wenn man wie z. B. die Kommission in der Entscheidung zu Phoenix und Kinderkanal, die Gebührenfinanzierung als Beihilfe ansieht, die nicht nach Art. 87 Abs. 3 lit. d) EG gerechtfertigt ist. Im Folgenden ist daher zusätzlich die Einwirkung des Art. 86 Abs. 2 EG zu erörtern:

253

So i. E. auch Oppermann, Beihilfen S. 110. So auch Ruttig, S. 210 f. 255 So auch Ruttig, S. 206 f. 256 So i. E. auch: Damm, S. 148, 169; Ress, in: GS Grabitz, 595 (602); a. A. Ruttig, S. 208 f.; Uphoff, S. 181 ff. 254

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

aa) Anwendbarkeit des Art. 86 Abs. 2 EG Teilweise wird vertreten, Art. 86 Abs. 2 EG sei zur Rechtfertigung von Beihilfen im Rundfunkbereich generell nicht anwendbar257 und Art. 87 Abs. 3 lit. d) EG verdränge außerdem bei kulturell motivierten Beihilfen Art. 86 Abs. 2 EG vollständig.258 Gegen die erstere Annahme, die vorwiegend auf eine enge Auslegung des Begriffs des „allgemeinen wirtschaftlichen Interesses“ gestützt wird und der herrschenden Gemeinschaftspraxis widerspricht, sprechen die oben [B. II. 2. c)] dargelegten Argumente.259 Im Übrigen ist daran zu erinnern, dass der EuGH die Aufrechterhaltung eines pluralistischen und nichtkommerziellen Rundfunkwesens mehrfach als zwingenden Grund des Allgemeininteresses angesehen hat, der unterschiedslos geltende Grundfreiheitsbeschränkungen rechtfertigen kann.260 Es ist nicht ersichtlich, dass das „Allgemeininteresse“ im Sinne der Grundfreiheiten und das „allgemeine Interesse“ i. S. d. Art. 86 Abs. 2 EG nach unterschiedlichen Maßstäben zu bestimmen sind. Art. 86 Abs. 2 EG gilt also auch im Rundfunkbereich. Wäre es zutreffend, dass Art. 87 Abs. 3 lit. d) EG den Art. 86 Abs. 2 EG vollständig verdrängt, wäre der Anwendungsbereich des Art. 86 Abs. 2 EG ausgerechnet bei der Kultur, die nach Art. 151 Abs. 4 und 5 EG vor dem „Zugriff“ der Gemeinschaft besonders stark geschützt ist, eingeschränkt. Die von Art. 151 EG betonte „Kulturkompetenz“ der Mitgliedstaaten wäre empfindlich beeinträchtigt, weil durch die exklusive Anwendbarkeit des Art. 87 Abs. 3 lit. d) EG gerade der für innerstaatliche Kulturpolitik wichtige Bereich der Kulturförderung letztlich dem Kommissionsermessen unterstellt würde. Dass dies der Wille der Mitgliedstaaten bei der Einführung des Art. 87 Abs. 3 lit. d) EG gewesen sein soll, kann kaum angenommen werden. Art. 86 Abs. 2 EG ist daher neben Art. 87 Abs. 3 lit. d) anwendbar.261

257

Vgl. hierzu Ruttig, S. 139 ff.; wohl auch von Wallenberg, in: GS Grabitz, 867

(870). 258

So Selmer/Gersdorf, S. 43 ff.; wohl auch Ruttig, S. 145. Vgl. auch Damm, S. 137 ff.; Greissinger, S. 241 ff.; Uphoff, S. 151 ff. 260 s. o. B. III. 6. a) bb); hierauf stellt auch Damm (S. 136 f.) ab. 261 So die wohl h. M.: vgl. nur: Damm, S. 142 ff.; Frey, ZUM 1999, 528 (534); Oppermann, Beihilfen, S. 54. Auch die Kommission prüft in der Entscheidung Phoenix/Kinderkanal sowohl Art. 86 Abs. 2 EG als auch Art. 87 Abs. 3 lit. d) EG (vgl. S. 9 f. der Entscheidung NN 70/98 (Phoenix/Kinderkanal)). 259

VI. Rundfunkfinanzierung und EG-Beihilfenrecht

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bb) Gebührenfinanzierung und Art. 86 Abs. 2 EG (1) Betrauung mit Grundversorgung und Spartenprogrammen Wie bereits angesprochen, sind Rundfunkanstalten öffentliche Unternehmen i. S. Art. 86 Abs. 2 EG. Dies erkennt auch die Kommission in der Entscheidung Phoenix/Kinderkanal an:262 Zwar spricht sie sich dagegen aus, alle Programme aller öffentlich-rechtlichen Anstalten als Teil des öffentlichen Auftrages und damit als rechtmäßig aus öffentlichen Mitteln finanziert anzusehen, weil dann die Einschränkungsklausel in Art. 86 Abs. 2 EG („. . . nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt . . .“) sinnlos wäre. Andererseits stellt die Kommission aber fest, der Begriff der „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse“ sei nicht mit dem deutschen Begriff der Grundversorgung identisch, sondern weiter. Auch Programme, die nicht zur Grundversorgung zu rechnen seien, können daher unter Art. 86 Abs. 2 EG fallen.263 Ob die Grundversorgung als „Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse“ i. S. d. Art. 86 Abs. 2 EG anzusehen ist, hat die Kommission in der Entscheidung Phoenix/Kinderkanal zwar offengelassen,264 wie bereits dargelegt [B. II. 2.] ist dies jedoch zu bejahen: Darauf, dass die Grundversorgung weniger „wirtschaftlichen Interessen“ als vielmehr Demokratie und freier öffentlicher und individueller Meinungsbildung dient, kommt es für Art. 86 Abs. 2 EG nicht an. Mit der Grundversorgung sind die Anstalten außerdem i. S. d. Art. 86 Abs. 2 EG betraut und zwar nicht nur von Gesetzes (bzw. Staatsvertrags), sondern sogar von Verfassungs wegen. Die Grundversorgung ist daher eine „Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“, mit der der deutsche öffentlich-rechtliche Rundfunk i. S. d. Art. 86 Abs. 2 EG betraut ist.265 Dies gilt erst recht, wenn man den Einfluss des Rundfunkprotokolls berücksichtigt [vgl. hierzu B. II. 2. c)] und sich vor Augen hält, dass nach Rechtsprechung und Kommissionspraxis die Mitgliedstaaten bei der Festlegung gemeinwirtschaftlicher Aufgaben generell einen weiten Einschätzungsspielraum haben, der nur für eine Missbrauchskontrolle Raum lässt.266 Die Kommission erkennt in ihrer Entscheidung Phoenix/Kinderkanal außerdem an, dass die deutschen Behörden beide Spartenprogramme als „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ ansehen. Hierin sieht sie 262

6.3 der Entscheidung NN 70/98 (Phoenix/Kinderkanal). So S. 11 der Entscheidung NN 70/98 (Phoenix/Kinderkanal). 264 6.3 (S. 9) der Entscheidung NN 70/98 (Phoenix/Kinderkanal). 265 So auch: Bartosch, EuZW 1999, 176 (179); Damm, S. 145; Oppermann, Beihilfen, S. 55 f.; Selmer/Gersdorf, S. 39 ff. 266 Vgl. GA Tizzano, Rs. C-53/00 (Ferring), Slg. 2001, S. I-9067 ff., Rdnr. 51 des Urteils; Rs. T-106/95 (FFSA), Slg. 1997, S. II-229 ff., Rdnr. 8 des Urteils; zur Kommissionspraxis Montag/Leibenath, in: Heidenhain, § 31 Rdnr. 63 f. m. w. N. 263

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keinen Missbrauch der mitgliedstaatlichen Befugnis zur Bestimmung des öffentlich-rechtlichen Auftrages.267 Leichte Zweifel hat die Kommission am Vorliegen einer Betrauung i. S. d. Art. 86 Abs. 2 EG, da § 19 Abs. 2 RStV die öffentlichrechtlichen Anstalten zur Veranstaltung der Spartenprogramme nicht ausdrücklich verpflichtet. Sie kommt aber dennoch zum Ergebnis, dass eine Betrauung vorliegt, da sie aus den Protokollen zum RStV und der Billigung der Programmkonzepte für Phoenix und Kinderkanal eine Verpflichtung zur Veranstaltung dieser Programme herleitet. Dass insoweit der Rundfunkstaatsvertrag keine ausdrückliche Betrauung enthält, liegt v. a. an der grundrechtlichen Stellung der Anstalten.268 Die aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG folgende Programmfreiheit, die den öffentlich-rechtlichen wie den privaten Veranstaltern in prinzipiell gleichem Maße zur Verfügung steht, verbietet grundsätzlich strikte Verpflichtungen zur Veranstaltung eines bestimmten Programms.269 Daher muss es für eine Betrauung i. S. d. Art. 86 Abs. 2 EG ausreichen, wenn sich wie im Fall von Phoenix und Kinderkanal letztlich klar ergibt, dass die Länder eine Veranstaltung der betreffenden Programme wünschen. Nach diesen Maßstäben können ARD und ZDF als betraut i. S. d. Art. 86 Abs. 2 EG mit der Veranstaltung der in Art. 19 RStV erwähnten Programme in analoger und digitaler Technik angesehen werden.270 Eine Betrauung des Bayerischen Rundfunks mit der Veranstaltung von BR-Alpha ergibt sich aus Art. 1 Abs. 2 S. 2 BayRG, wonach der Bayerische Rundfunk auch neue Formen von Rundfunk veranstalten kann. (2) Sonstige Voraussetzungen des Art. 86 Abs. 2 EG Da Grundversorgung größtmögliche Unabhängigkeit vom Markt voraussetzt, ist eine rein werbefinanzierte Grundversorgung nicht denkbar. Wären die Rundfunkgebühren unzulässige Beihilfen, könnte Grundversorgung aber nur noch aus Werbung und sonstigen Einnahmequellen (Sponsoring, Merchandising etc.) finanziert werden. Die Anwendung der Beihilferegeln könnte unter der Prämisse, 267

Entscheidung NN 70/98 (Phoenix/Kinderkanal), S. 10. Kritisch Greissinger, S. 229 f. 269 Vgl. hierzu auch Dörr (Spartenkanäle, S. 38), allerdings im Kontext der Untersuchung, ob Phoenix und Kinderkanal gesetzlich bestimmte Programme im Sinne der landesrechtlichen Kabelbelegungsregelungen sind. Auch die Kommission erkennt die Besonderheiten des deutschen Rundfunkverfassungsgrechts in der Entscheidung NN 70/98 (Phoenix/Kinderkanal) an; wörtlich (S. 11): „Auch sind die offensichtlich komplexen Vorgänge, die mit der Festlegung und Übertragung der öffentlichen Aufgabe verbunden sind, im Rahmen der verfassungsrechtlich garantierten „Rundfunkfreiheit“ in [ihrer] spezifischen Ausprägung in Deutschland zu sehen.“ 270 Vgl. hierzu auch die amtliche Begründung zu § 19 RStV in der Fassung des 4. Rundfunkänderungsstaatsvertrages (abgedruckt bei Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/ Stettner, B 5 § 19 RStV). 268

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dass Art. 87 Abs. 3 EG nicht eingreift, also i. S. d. Art. 86 Abs. 2 EG die Grundversorgung vereiteln.271 Dass ein beihilferechtlich motiviertes Verbot der Gebührenfinanzierung der öffentlich-rechtlichen Spartenprogramme deren Veranstaltung verhindern würde, leitet die Kommission zutreffend schon daraus her, dass diese Programme kraft Staatsvertrages werbefrei bleiben sollen.272 Allein aus Pay-TV-Entgelten und Sponsoring ist eine Finanzierung dieser Programme nach der derzeitigen Marktlage offensichtlich unmöglich. Art. 86 Abs. 2 Satz 2 EG fordert, dass die Freistellung nach Art. 86 Abs. 2 EG die Entwicklung des Handelsverkehrs nicht in einem Ausmaß beeinträchtigen darf, das dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft. Damit ähnelt der Wortlaut des Art. 86 Abs. 2 EG stark dem des Art. 87 Abs. 3 lit. d) EG mit dem einzigen Unterschied, dass Art. 87 Abs. 3 lit. d) EG im Gegensatz zu Art. 86 Abs. 2 EG nicht ausdrücklich von der „Entwicklung“ der Handels- und Wettbewerbsbedingungen spricht. Da allerdings schon im Beihilfetatbestand des Art. 87 Abs. 1 EG künftige Entwicklungen der Handels- und Wettbewerbsbedingungen zu berücksichtigen sind,273 ist dieser Unterschied letztlich rein sprachlicher Natur. Art. 87 Abs. 3 lit. d) a. E. EG und Art. 86 Abs. 2 S. 2 EG sind daher weitgehend identisch auszulegen. Sowohl die Höhe der Gebühren für die Grundversorgung als auch für die Spartenprogramme wird von der KEF in regelmäßigen Abständen am Maßstab der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit auf ihre Angemessenheit überprüft. Hierbei nimmt, wie die Kommission in der Entscheidung Phoenix und Kinderkanal zutreffend festgestellt hat,274 die KEF die Finanzbedarfsanmeldungen der Anstalten nicht lediglich zur Kenntnis, sondern führt eine effektive Angemessenheitsprüfung durch.275 Dies beweist insbesondere der 13. KEF-Bericht, in dem die KEF zum Ergebnis kommt, die derzeitige Höhe der Gebühren reiche zur sachgerechten Erbringung des öffentlichen Auftrages weiterhin aus.276 Die 271 Bartosch (EuZW 1999, 176 (179 f. m. w. N.) weist im Übrigen zutreffend darauf hin, dass der EuGH in seiner neueren Rechtsprechung es für ein Eingreifen des Art. 86 Abs. 2 EG ausreichen lässt, dass die Erfüllung der betreffenden öffentlichen Aufgabe zwar nicht verhindert, jedoch erschwert wird. 272 Entscheidung NN 70/98 (Phoenix/Kinderkanal), S. 12. Greissinger (S. 246) kommt zwar zum gleichen Ergebnis, prüft jedoch insoweit, ob die Erfüllung des gesamten verfassungsmäßigen Auftrages des öffentlich-rechtlichen Rundfunks verhindert wird. Dies ist m. E. unzutreffend, denn die Veranstaltung der Spartenprogramme erfolgt aufgrund eines gegenüber der Grundversorgung eigenständigen Auftrages. 273 Dies folgt daraus, dass auch potentielle Wettbewerbsverfälschungen und Handelsbeeinträchtigungen zur Bejahung des Beihilfecharakters einer staatlichen Begünstigung ausreichen. 274 Entscheidung NN 70/98 (Phoenix/Kinderkanal), S. 13. 275 So auch Oppermann, Beihilfen, S. 42; Otten, ZUM 1997, 790 (795); a. A.: Engel, Beihilfen, S. 9 ff.; Uphoff, S. 160 f.

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Höhe der Rundfunkgebühren kann daher als erforderlich zur Erbringung der Grundversorgung und der Spartenprogramme angesehen werden. Außerdem akzeptiert Art. 86 Abs. 2 EG eine „bestimmte Beeinträchtigung von Wettbewerb und Handel als Folge der Sicherstellung des öffentlich-rechtlichen Auftrages“.277 Nimmt man wie die Kommission an, dass schon bei Spartenprogrammen das zulässige Maß dieser Beeinträchtigung nicht überschritten ist, muss dasselbe für die Grundversorgung gelten, denn um die Erbringung der Grundversorgung besteht, wie dargelegt, kein wirtschaftlicher Wettbewerb. Im Übrigen gelten hier die Erwägungen, die oben zu Art. 87 Abs. 3 lit. d) EG angestellt wurden, entsprechend. Die Gebührenfinanzierung von Grundversorgung und Spartenprogrammen kann daher auch als vereinbar mit dem Gemeinschaftsinteresse i. S. d. Art. 86 Abs. 2 S. 2 EG angesehen werden. Die Gebührenfinanzierung wäre also unter der Prämisse, dass sie eine unzulässige Beihilfe i. S. d. Art. 87 EG ist und nicht nach Art. 87 Abs. 3 EG zu rechtfertigen ist, zumindest nach Art. 86 Abs. 2 EG zulässig. 9. Rundfunkfinanzierung und Beihilfeverfahren Sieht man entgegen der hier vertretenen Auffassung Teile der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als Beihilfen i. S. d. Art. 87 Abs. 1 EG an, stellt sich die Frage, ob und wie die in Art. 88 EG und der Verfahrensverordnung des Rates VO Nr. 659/99278 festgelegten Regelungen über das Beihilfeverfahren im Rundfunkbereich anzuwenden sind: a) Anwendbarkeit des Art. 88 EG und der VO 659/99 Bereits die Anwendbarkeit von Art. 88 EG und der Verordnung Nr. 659/99 auf Maßnahmen der Rundfunkfinanzierung ist nicht unproblematisch. Dagegen könnten Art. 86 Abs. 2 EG und das Rundfunkprotokoll sprechen, sofern schon die Durchführung des Beihilfeverfahrens die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und damit letztlich die Erfüllung seines verfassungsmäßigen Auftrages verhindern würde. Ein solcher Effekt könnte sich aus der Sperrwirkung des Art. 88 Abs. 3 S. 3 EG279 ergeben. Hiernach dürfen die Mitgliedstaa276

13. KEF.Bericht Tz. 412 ff. So wörtlich die Kommission in der Entscheidung NN 70/98 (Phoenix/Kinderkanal), S. 15. 278 ABl. Nr. L 83 vom 27. 03. 1999, S. 1 ff.; vgl. hierzu Oldiges, NVwZ 2001, 280 (283 ff.). 279 Diese Sperrwirkung könnte sogar vor deutschen Gerichten durchgesetzt werden, da Art. 88 Abs. 3 S. 3 EG unmittelbar wirkt (vgl. Rs. C-39/94 (SFEI), Slg. 1996, S. I-3547 ff., Rdnr. 48 des Urteils; Rs. T-17/96 (TF 1), Slg. 1999, S. II-1757 ff., Rdnr. 78 des Urteils). 277

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ten beabsichtigte Beihilfen vor einer abschließenden Entscheidung der Kommission nicht durchführen. Eine Maßnahme der Rundfunkfinanzierung könnte auf diese Weise (theoretisch) so lange verzögert werden, bis Finanzierungslücken entstehen, die die Erfüllung des verfassungsrechtlichen Auftrages gefährden. Die Sperrwirkung des Art. 88 Abs. 3 S. 3 EG tritt jedoch nur ein, soweit es sich bei Maßnahmen der deutschen Rundfunkfinanzierung um neue Beihilfen handelt.280 Ob die Gebührenfinanzierung der Grundversorgung eine solche neue Beihilfe wäre, ist nicht unproblematisch.281 Außerdem ist zu beachten, dass die Sperrwirkung des Art. 88 Abs. 3 S. 3 EG entfällt, wenn die Kommission entweder die Beihilfe für mit dem gemeinsamen Markt vereinbar erklärt, oder nach Notifizierung der Beihilfe zwei Monate untätig bleibt und der betreffende Mitgliedstaat die Durchführung der beabsichtigten Maßnahme anzeigt.282 Im Bereich der Rundfunkfinanzierung wird die Kommission ferner regelmäßig verpflichtet sein, die Maßnahme nach Art. 87 Abs. 3 lit. d) EG oder nach Art. 86 Abs. 2 EG (jeweils ausgelegt im Lichte des Rundfunkprotokolls) vom Beihilfeverbot innerhalb angemessener Frist freizustellen. Außerdem kann die Bundesrepublik durch rechtzeitige Anmeldung der Finanzierungsmaßnahme bei der Kommission Finanzierungslücken durch die Sperrwirkung des Art. 88 Abs. 3 S. 3 EG vermeiden.283 Schon deshalb kann ein Dispens vom Beihilfeverfahren nach Art. 86 Abs. 2 EG letztlich nicht in Betracht kommen. b) Notifizierungspflicht Nach Art. 88 Abs. 3 S. 1 EG i.V. m. Art. 2, 1 lit. b) und c) VO 659/99 wäre die Bundesrepublik verpflichtet, Maßnahmen der Rundfunkfinanzierung der Kommission anzuzeigen, soweit es sich bei diesen Maßnahmen um „neue Beihilfen“ handelt.284 Neue Beihilfen sind nach Art. 1 lit. b) und c) VO 659/99 alle Beihilfen, die keine bestehenden Beihilfen sind, sowie die Änderung bestehender Beihilfen. Die Gebührenfinanzierung der Grundversorgung könnte eine bestehende Beihilfe nach Art. 1 lit. b), i) oder v) S. 1 VO 659/99 sein. Dafür müßte sie entweder vor Inkrafttreten des EG-Vertrages eingeführt worden und nach diesem Zeitpunkt noch anwendbar sein (Art. 1 lit. b), i)), oder es müßte nachgewiesen werden können, dass die Gebührenfinanzierung bei ihrer Einführung keine Beihilfe

280

Vgl. Art. 3 i.V. m. Art. 2 Abs. 1 VO 659/99. Näher dazu sogleich. 282 Vgl. Cremer, in: Calliess/Ruffert, Art. 88 EG Rdnr. 10 m. w. N.; Art. 4 Abs. 5 und 6 VO 659/99. 283 So i. E. Rs. T-17/96 (TF1), Slg. 1999, S. II-1757 ff., Rdnr. 78 des Urteils. 284 Zusammenfassend hierzu bezogen auf den Rundfunk Montag/Leibenath, in: Heidenhain, § 31 Rdnr. 57 ff. 281

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war, und später aufgrund der Entwicklung des Gemeinsamen Marktes zu einer solchen wurde (Art. 1 lit. b), v) S. 1). Die Einführung der Rundfunkgebühr vor Inkrafttreten des EG-Vertrages (01. 01. 1958) kann zumindest für die Anstalten, die wie das ZDF oder der MDR erst nach dem 01. 01. 1958 entstanden sind, nicht angenommen werden.285 Die Gebühren als eine Beihilfe anzusehen, die bei ihrer Einführung noch keine war, aber später zu einer solchen wurde, überzeugt auf den ersten Blick mehr. Es könnte jedoch Art. 1 lit. b), v) S. 2 VO 659/99 eingreifen, wonach Maßnahmen, die im Anschluss an die gemeinschaftsrechtliche Liberalisierung einer Tätigkeit (hier: die Fernsehrichtlinie) zu Beihilfen werden, nach dem für die Liberalisierung festgelegten Termin nicht mehr als bestehende Beihilfen, sondern als neue gelten. Letztlich können beide Fragen jedoch dahinstehen, wenn jede Rundfunkgebührenerhöhung sowie die Änderung der Anzahl der zum Gebühreneinzug berechtigten Rundfunkanstalten286 als Änderung/Umgestaltung bestehender Beihilfen i. S. d. Art. 88 Abs. 3 S. 1 EG, 1 lit. c) VO 659/99 anzusehen wäre. Der EuGH hat den Begriff der Änderung/Umgestaltung einer Beihilfe noch nicht abschließend geklärt,287 zumindest aber festgestellt, dass die Frage, ob eine neue oder umgestaltete Beihilfe vorliegt, „nicht danach beurteilt werden kann, welche Bedeutung die Beihilfe für das Unternehmen im Laufe des Bestehens jeweils hatte und wie hoch sie insbesondere jeweils war“.288 Maßstab seien die Bestimmungen, in denen die Beihilfe vorgesehen sei, sowie die dort vorgesehen Modalitäten und Beschränkungen.289 In der Literatur wird in Anlehnung an diese Rechtsprechung unter der Änderung/Umgestaltung einer Beihilfe die Erhöhung der Beihilfeintensität, die Verlängerung der Geltungsdauer der Beihilferegelung und die Veränderung des Begünstigtenkreises verstanden, sofern hiermit eine Änderung der ursprünglichen Förderungsbestimmungen verbunden ist.290 Die Festsetzung der Rundfunkgebühren und ihrer jeweiligen Höhe erfolgt nach §§ 13 Abs. 4 RStV, 7 Abs. 2 RFinStV durch Staatsvertrag auf Grundlage des Gebührenvorschlags der KEF, d. h. zur Erhöhung der Rundfunkgebühr ist jeweils ein neuer Staatsvertrag erforderlich. Dieser Abschluss eines neuen Staatsvertrages stellt eine wesentliche Änderung der Rechtsgrundlage der Ge285

So auch Damm, S. 158; Ruttig, S. 249; Uphoff, S. 174. Durch die Teilung des NWDR in NDR und WDR, die Gründung des ZDF, den Zusammenschluss von SWF und SDR oder durch die Entstehung neuer Anstalten in den neuen Bundesländern. 287 Vgl. aber Rs. C-44/93 (Namur), Slg. 1994, S. I-3829 ff. 288 Rs. C-44/93 (Namur), Slg. 1994, S. I-3829 ff., Rdnr. 28 des Urteils. 289 Rs. C-44/93 (Namur), Slg. 1994, S. I-3829 ff., Rdnr. 28 f. des Urteils. 290 So Cremer, in: Calliess/Ruffert, Art. 88 EG Rdnr. 7 m. w. N.; ähnlich von Wallenberg, in: Grabitz/Hilf, Art. 88 EG, Rdnr. 15. 286

VI. Rundfunkfinanzierung und EG-Beihilfenrecht

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bührenfinanzierung dar. Daraus lässt sich ableiten, dass die Gebühren mit jeder Erhöhung als neue oder zumindest als umgestaltete Beihilfe anzusehen wären.291 Es bestünde also mit jeder Gebührenerhöhung oder sonstigen materiellen Veränderung eine neue Notifizierungspflicht nach Art. 88 Abs. 3 S. 1 EG.292 Die Gebührenfinanzierung der Spartenprogramme wurde erst zusammen mit diesen eingeführt, also jedenfalls nach Inkrafttreten des EG-Vertrages. Es kann sich insoweit also, wenn überhaupt, dann nur um neue Beihilfen i. S. d. Art. 88 Abs. 3 S. 1 EG gehandelt haben. Mittlerweile ist jedenfalls die Finanzierung der Spartenprogramme Phoenix und Kinderkanal aber beihilferechtlich durch Kommissionsentscheidung genehmigt, und stellt daher derzeit eine Altbeihilfe nach Art. 88 Abs. 1 EG, Art. 1 lit. b) ii) dar.293 Allerdings würde auch insoweit die Notifizierungspflicht mit jeder Gebührenerhöhung wieder aufleben. c) Keine Rückzahlungspflicht für die Gebühren In der Literatur wird als Folgeproblem erörtert, ob die Rundfunkgebühren wegen einer Verletzung des Art. 88 Abs. 3 EG beihilferechtlich schon formell unzulässig und deshalb zurückzuzahlen wären.294 Der EuGH hat mehrfach entschieden, dass die bloß formelle Rechtswidrigkeit einer Beihilfe nicht ausreicht, damit die Kommission die Rückforderung anordnen kann295 und zugleich klargestellt, dass nationale Gerichte einer auf vorläufige Rückforderung durch den Mitgliedstaat gerichteten Konkurrentenklage grundsätzlich stattgeben müssten.296 Zumindest einer Pflicht zur vollständigen vorläufigen Rückzahlung stünde jedoch schon die Aussage des Rundfunkprotokolls entgegen. Das Rundfunkprotokoll will garantieren, dass die öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten auch weiterhin ihrer Aufgabe nachkommen können. Die Aufgabenerfüllung wäre aber auf einige Zeit unmöglich gemacht, sofern die Rundfunkgebühren auch nur vorübergehend zurückzuzahlen wären. Die Rückzahlungspflicht kann daher ohnehin nur so weit reichen, wie die Aufgabenerfüllung noch nicht verhindert wird. Außerdem stellt Art. 11 Abs. 2 VO 659/99 ein Rückzahlungsverlangen unter die Voraussetzungen, dass es sich eindeutig um eine Beihilfe handelt, ein Tätigwerden der Kommission dringend ge291

So i. E. auch Oppermann, Beihilfen, S. 73; Uphoff, S. 175. So auch Oppermann, Beihilfen, S. 73; Ruttig, S. 249 ff., der zusätzlich darauf abstellt, dass sich die Zahl der zum Gebühreneinzug berechtigten Anstalten verändert hat. 293 So zurecht Ruttig, S. 251 f. 294 Vgl. Ruttig, S. 252 ff.; Damm, S. 159 f.; allgemein Oldiges, NVwZ 2001, 280 ff. (285 f.). 295 Vgl. Rs. C-39/94 (SFEI), Slg. 1996, S. I-3572, Rdnr. 43 des Urteils. 296 Vgl. Rs. C-39/94 (SFEI), Slg. 1996, S. I-3572, Rdnr. 64 ff. des Urteils. 292

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boten und ernsthaft zu befürchten ist, dass einem Konkurrenten ein erheblicher, nicht wieder gutzumachender Schaden entsteht, wenn die Rückzahlung nicht erfolgen würde.297 Diese Tatbestandsmerkmale (v. a. das erste) liegen nicht vor. Deshalb käme eine Rückzahlungspflicht derzeit in keinem Fall in Betracht.298 10. Ergebnis Die Gebührenfinanzierung des deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist keine Beihilfe nach Art. 87 Abs. 1 EG. Hält man den Tatbestand des Art. 87 Abs. 1 EG für erfüllt, kommt man an einer Rechtfertigung nach Art. 87 Abs. 3 lit. d) EG oder zumindest nach Art. 86 Abs. 2 EG nicht vorbei. Durch die Einwirkung des Rundfunkprotokolls würde außerdem eine Verpflichtung zur Rückzahlung der Gebühren ausscheiden. Somit ist die deutsche Rundfunkfinanzierung gegenüber den Vorgaben des europäischen Beihilfenrechts vollständig stabil. 11. Rundfunkfinanzierung und EG-Transparenzrichtlinie In engem Zusammenhang mit dem Beihilfenrecht steht die EG-Transparenzrichtlinie299. Daher soll im Folgenden untersucht werden, ob die deutschen Rundfunkanstalten den von dieser Richtlinie statuierten Pflichten unterliegen: a) Quersubventionen als wettbewerbsrechtliches Problem Gegenstand der Transparenzrichtlinie sind die Finanzbeziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und Unternehmen, die unter Art. 86 EG fallen, also öffentliche Unternehmen, Unternehmen, denen besondere oder ausschließliche Rechte gewährt wurden und solche, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut sind. Werden derartige Unternehmen nicht ausschließlich innerhalb des ihnen übertragenen besonderen Auftrages („Sonderrechtsbereich“) tätig, sondern auch in anderen Bereichen des Wirtschaftslebens („Wettbewerbsbereich“),300 besteht eine Gefahr für die Unverfälschtheit des Wettbewerbs im Binnenmarkt, wenn Quersubventionen stattfinden. Diese liegen vor allem dann vor, wenn ein Unternehmen staatliche Zuwendungen zur Erfüllung eines Auftrages i. S. d. Art. 86 EG erhält, sie aber nicht ausschließlich zur Erfüllung dieses Auftrages einsetzt, sondern stattdessen seine Aktivitäten auf anderen Gebieten des Wirtschaftslebens quasi „mitsubventioniert“.301 Auch der 297

Hierzu Oldiges, NVwZ 2001, 280 ff. (285 f.). So i. E. auch Ruttig, S. 254. 299 RL 80/723/EWG vom 25. 07. 1980, ABl. Nr. L 195/35 ff., zuletzt geändert durch RL 2000/52/EG vom 26. 07. 2000, ABl. Nr. L 193/75 ff. 300 Terminologie von Gabriele Britz, DVBl. 2000, 1641 (1642). 298

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umgekehrte Fall ist denkbar: Ein Unternehmen erwirtschaftet im Wettbewerbsbereich Gewinne, verwendet diese im Sonderrechtsbereich und kann dadurch Mittel zur Vermögensbildung einsetzen, die für die Finanzierung des Sonderrechtsbereich gedacht waren. Solche Quersubventionen sind nicht per se wettbewerbsrechtlich unzulässig, insbesondere dann nicht, wenn nur durch sie der i. S. d. Art. 86 EG übertragene Auftrag wirtschaftlich sinnvoll erbracht werden kann.302 Die „Umleitung der Finanzströme“ kann jedoch dazu führen, dass i. S. d. Art. 86 Abs. 2, 87 Abs. 2 oder 3 EG zulässige Beihilfen zu unzulässigen werden, weil sie zu anderen Zwecken eingesetzt werden, als zu denjenigen, die ihre Gewährung allein im Sinne der vorgenannten Vorschriften rechtfertigen können. Sofern das Beihilfen empfangende Unternehmen auf einem bestimmten Markt eine beherrschende Stellung innehat, kann es ferner mithilfe von Quersubventionen diese gegenüber seinen Wettbewerbern unter Verstoß gegen Art. 82 EG ausnutzen, z. B. indem es im „Wettbewerbsbereich“ Kampfpreise bildet, die ohne die Quersubvention aus dem „Sonderrechtsbereich“ zu untragbaren Verlusten führen würden.303 Quersubventionen sind daher geeignet, wettbewerbsverfälschend zu wirken. Damit Wettbewerbsverfälschungen dieser Art vermieden werden können, bedarf es einer effektiven Kontrolle der Finanzbeziehungen zwischen Mitgliedstaaten und Unternehmen i. S. d. Art. 86 EG. Weil diese Kontrolle nur dann effektiv sein kann, wenn die Kommission die Finanzbeziehungen der zu kontrollierenden Unternehmen durchschaut, verpflichtet die Transparenzrichtlinie die betreffenden Unternehmen dazu, ihre finanziellen Beziehungen zur öffentlichen Hand und ihre unternehmensinternen Finanzströme304 durchsichtig zu machen. b) Inhalt der Transparenzrichtlinie Der für den Rundfunkbereich (möglicherweise) relevante Inhalt der Transparenzrichtlinie ist folgender: Art. 1 Abs. 1 i.V. m. 2 Abs. 1 lit. a) und b), 3 TP-RL verpflichtet die Mitgliedstaaten, die Finanzbeziehungen öffentlicher Unternehmen zur öffentlichen 301 Die Definition der Kommission entspricht dem (zitiert nach Gabriele Britz, DVBl. 2000, 1641 (1644): „Quersubventionierung bedeutet, dass ein Unternehmen die in einem räumlichen oder sachlichen Markt anfallenden Kosten ganz oder teilweise auf einen anderen räumlichen oder sachlichen Markt abwälzt.“). 302 So implizit der EuGH in Rs. C-320/91 (Corbeau), Slg. 1993, S. I-2533 ff., Rdnr. 17 des Urteils. 303 Zu weiteren Möglichkeiten der Quersubventionierung Schnelle/Bartosch, EWS 2001, 411 ff. 304 Diese Einbeziehung der unternehmensinternen Situation ist erst durch die Änderungsrichtlinie RL 2000/52/EG erfolgt; vgl. Art. 1 Nr. 1 der Änderungsrichtlinie, ABl. vom 29. 07. 2000 Nr. L 193/76.

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Hand, sowie die tatsächliche Verwendung der öffentlichen Mittel in diesen Unternehmen offenzulegen. Die durch die Änderungsrichtlinie 2000/52/EG eingefügten Art. 1 Abs. 2 i.V. m. 2 lit. d)–g), 3a TP-RL sehen für Unternehmen, denen besondere oder ausschließliche Rechte nach Art. 86 Abs. 1 EG gewährt wurden, oder die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse i. S. d. Art. 86 Abs. 2 EG betraut sind, eine Pflicht zur getrennten Buchführung vor, sofern diese Unternehmen staatliche Beihilfen erhalten und in verschiedenen Geschäftsbereichen (i. e. neben dem von Art. 86 EG geschützten noch in einem anderen Bereich) tätig sind. Aus den getrennten Büchern muss nach Art. 1 Abs. 2 lit. a) und b), 3a TP-RL eine nach den verschiedenen Geschäftsbereichen getrennte Aufstellung der Kosten und Erlöse und die angewandte Methode der Kostenberechnung klar ersichtlich sein. Von diesen Transparenzpflichten stellt Art. 4 TP-RL u. a. folgende Unternehmen frei: – Öffentliche und andere unter Art. 86 Abs. 1 oder 2, 1. Var. EG fallende Unternehmen, welche die Erbringung von Dienstleistungen betreffen, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten nicht merklich zu beeinträchtigen geeignet sind (Art. 4 Abs. 1 lit. a), Abs. 2 lit. a) TP-RL), – öffentliche Unternehmen mit einem Jahresnettoumsatz von weniger als 40 Mio. A in den beiden Rechnungsjahren, die der Bereitstellung der öffentlichen Mittel vorangehen (Art. 4 Abs. 1 lit. d) Satz 1 i.V. m. 1 Abs. 1 TP-RL), – Unternehmen mit einem Jahresnettoumsatz von weniger als 40 Mio. A in den beiden Jahren, die einem Jahr vorangehen, in dem sie ein von einem Mitgliedstaat i. S. d. Art. 86 Abs. 1 EG gewährtes besonderes oder ausschließliches Recht hatten oder mit der Erbringung von Dienstleistungen i. S. d. Art. 86 Abs. 2 EG betraut waren (Art. 4 Abs. 2 lit. b) TP-RL) und – Unternehmen, die mit der Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse i. S. d. Art. 86 Abs. 2 EG betraut wurden, sofern die ihnen gewährten staatlichen Beihilfen für einen angemessenen Zeitraum im Rahmen eines offenen, transparenten und nicht diskriminierenden Verfahrens festgesetzt wurden (Art. 4 Abs. 2 lit. c) TP-RL). c) Anwendbarkeit der Richtlinie auf den deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunk Nach hier vertretener Auffassung sind die dem deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunk zufließenden Gebühren keine Beihilfen i. S. d. Art. 87 Abs. 1 EG und die Transparenzrichtlinie auf das Finanzgebaren der Rundfunkanstalten somit nicht anwendbar. Die Kommission nimmt demgegenüber, wie dargelegt,

VI. Rundfunkfinanzierung und EG-Beihilfenrecht

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an, zumindest die Gebührenfinanzierung von Phoenix und Kinderkanal erfülle den Tatbestand des Art. 87 Abs. 1 EG. Eine klärende Entscheidung eines Gemeinschaftsgerichts zu dieser Problematik existiert bisher nicht. Da somit die Frage, ob die deutschen Rundfunkanstalten Beihilfenempfänger i. S. d. Art. 87 Abs. 1 EG sind, noch nicht abschließend beantwortet ist, ist im Folgenden die Anwendbarkeit der Transparenzrichtlinie auf den deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunk unter der Prämisse zu untersuchen, die Gebührenfinanzierung erfülle den Tatbestand des Art. 87 Abs. 1 EG: aa) Transparenzrichtlinie und Rundfunkprotokoll Der fünfte Erwägungsgrund der Richtlinie zitiert wörtlich eine entscheidende Passage aus dem Rundfunkprotokoll, wonach: „die Bestimmungen des EG-Vertrages nicht die Befugnis der Mitgliedstaaten berühren, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu finanzieren, sofern die Finanzierung der Rundfunkanstalten dem öffentlich-rechtlichen Auftrag, wie er von den Mitgliedstaaten den Anstalten übertragen, festgelegt und ausgestaltet wird, dient und die Handels- und Wettbewerbsbedingungen in der Gemeinschaft nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt, das dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft, wobei den Erfordernissen der Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags Rechnung zu tragen ist“. Die Kommission versteht diese Formulierung, wie sie in einem späteren Dokument deutlich gemacht hat, dahingehend, dass auch öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten den Pflichten aus der Richtlinie unterliegen.305 Diese Ansicht der Kommission ist mit dem Inhalt des Rundfunkprotokolls vereinbar: Zunächst kann das Protokoll entgegen der Ansicht von ARD und ZDF nicht als die Transparenzrichtlinie verdrängende lex specialis angesehen werden, da es lediglich eine auslegende Bestimmung ist.306 Ferner lässt sich zwar aus dem Protokoll ableiten, dass die Kommission bei der Frage, ob die Rundfunkfinanzierung mit dem EG-Vertrag vereinbar ist, auf eine Evidenzkontrolle beschränkt sein soll.307 Auch diese Evidenzkontrolle bedarf aber einer umfassenden Informationsgrundlage. Eine doppelte Einschränkung der Kommission dahingehend, dass sie nur bei eindeutigen Mißbrauchsfällen einschreiten darf, und sich darüber, ob solche Fälle vorliegen, nur oberflächlich informieren darf, würde den Inhalt des Protokolls überdehnen.

305 Vgl. „Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk“, ABl. Nr. C 320 vom 15. 11. 2001, S. 5 ff., Rdnr. 52. 306 So auch Hain, MMR 2001, 219 (220); a. A. ARD und ZDF in ihrer gemeinsamen Stellungnahme zum Richtlinienentwurf (S. 3 f.). 307 Dies betonen auch ARD und ZDF (Stellungnahme S. 3) unter Bezugnahme auf die Entscheidungen der Kommission „Phönix/Kinderkanal“ und „News 24“.

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

bb) Die einzelnen Anwendbarkeitsvoraussetzungen Es kommt daher darauf an, ob die deutschen Rundfunkanstalten, unterstellt, sie wären Beihilfenempfänger, die Tatbestandsmerkmale der Art. 1 und 2 TP-RL erfüllen würden: Öffentliche Unternehmen i. S. d. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 lit. b), Abs. 2 TP-RL wären die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, wenn die öffentliche Hand auf sie unmittelbar oder mittelbar beherrschenden Einfluss ausüben könnte. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist in Deutschland jedoch verfassungsrechtlich zwingend staatsfrei zu organisieren und zu betreiben. Deshalb sind die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten keine öffentlichen Unternehmen i. S. d. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 lit. b), Abs. 2 TP-RL.308 Dennoch könnten die Anstalten nach Art. 1 Abs. 2, 2 Abs. 1 lit. d)–g) TP-RL zumindest der Pflicht zur getrennten Buchführung unterliegen, da sie mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse i. S. d. Art. 86 Abs. 2 EG betraut sind.309 Voraussetzung wäre, dass die Anstalten im Sinne der Richtlinie in verschiedenen Geschäftsbereichen aktiv sind. Unter „verschiedenen Geschäftsbereichen“ sind nach Art. 2 Abs. 1 lit. e) TPRL „auf der einen Seite alle Produkte und Dienstleistungen [zu verstehen], für die ein Unternehmen besondere oder ausschließliche Rechte erhalten hat, oder alle Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse, mit denen ein Unternehmen betraut worden ist sowie auf der anderen Seite jedes andere getrennte Produkt oder jede andere Dienstleistung des Unternehmens“. Bereits unmittelbar aus dem Wortlaut dieser Definition ergibt sich, dass es nicht darauf ankommen kann, ob ein Unternehmen eine oder mehrere verschiedene Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse anbietet. Das Unternehmen ist nur dann in verschiedenen Geschäftsbereichen aktiv, wenn es neben allen Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse noch andere Aktivitäten entfaltet. Dass ARD und ZDF neben der Erfüllung des Grundversorgungsauftrages z. B. noch die Spartenprogramme Phönix und Kinderkanal betreiben, ist, da die Kommission ausdrücklich anerkannt hat, dass diese Programme unter Art. 86 Abs. 2 EG fallen,310 somit ohne Bedeutung. Die Kommission hat in ihrer „Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk“311 außerdem deutlich gemacht, dass der von Seiten der Mitgliedstaaten festgelegte öffentlich308

So auch Eberle, in: FS Brohm, S. 63 f. Vgl. B. II. 2. Ob die Rundfunkanstalten schon deswegen zugleich als Inhaber besonderer Rechte i. S. d. Art. 86 Abs. 1 EG anzusehen sind, kann, da die Rechtsfolge der Pflicht zur getrennten Buchführung hier die gleiche ist, dahinstehen; hierzu Bartosch, ZIP 1999, 1787 (1791). 310 Vgl. Entscheidung Nr. NN 70/98 (Phönix/Kinderkanal), S. 9 ff. 311 ABl. Nr. C 320 vom 15. 11. 2001, S. 5 ff. 309

VI. Rundfunkfinanzierung und EG-Beihilfenrecht

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rechtliche Auftrag Dienste umfassen dürfe, die keine „Programme“ im traditionellen Sinne sind, sofern diese – auch unter Berücksichtigung der Entwicklung und Diversifizierung der Tätigkeiten im digitalen Zeitalter – den selben demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnissen der Gesellschaft dienen.312 Solange die Tätigkeiten der Rundfunkanstalten dem in dieser Weise weit gefassten öffentlich-rechtlichen Auftrag dienen, agieren diese nicht in verschiedenen Geschäftsbereichen. Teilweise wird angenommen, der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland sei schon deswegen nicht in verschiedenen Geschäftsbereichen aktiv, weil er nach der Rechtsprechung nicht außerhalb seines Funktionsbereichs tätig werden dürfe und auch Hilfstätigkeiten und Randnutzungen sich stets innerhalb des Funktionsbereichs bewegen müssten.313 In der Tat hat das BVerfG angenommen, wirtschaftliche Betätigungen der Anstalten seien „durch den Rundfunkauftrag bedingt und begrenzt“.314 Dies heißt aber lediglich, dass wirtschaftliche Tätigkeiten der Anstalten stets ihrem Auftrag dienen müssen, um zulässig zu sein. Das BVerfG hat nicht angenommen, dass die wirtschaftlichen Aktivitäten Teil dieses Auftrages sind, oder auch nur, dass ihre Zulässigkeit davon abhängt, dass sie zur Erfüllung des Auftrages zwingend notwendig sind. Wirtschaftliche Aktivitäten sind erst dann unzulässig, wenn sie dazu führen, dass sich eine Rundfunkanstalt „zu einem quasi-privaten Großunternehmen [wandelt], das im Kern rein wirtschaftliche Ziele verfolgt“.315 Bis zu dieser Stufe der „Selbstprivatisierung“ ist ein weiter Bereich an Wirtschaftstätigkeiten der Anstalten möglich. Die Annahme, die deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten seien nicht in verschiedenen Geschäftsbereichen tätig, weil alle ihre Tätigkeiten der Erfüllung des Rundfunkauftrages dienen müssen, kann daher nicht überzeugen. Im Übrigen ist es denkbar, dass die Anstalten auch Aktivitäten entfalten könnten, die ihrem Auftrag nicht entsprechen. Damit besteht grundsätzlich auch die Gefahr unzulässiger Quersubventionen. Aus den Erwägungsgründen der Richtlinie folgt, dass sie nicht nur die Aufdeckung tatsächlich stattfindender unzulässiger Quersubventionen zum Ziel hat. Die finanziellen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den unter Art. 86 EG fallenden Unternehmen sollen transparent sein, damit der Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung von vornherein „verhindert wird“, und unzulässige Beihilfen gar nicht erst „gewährt werden“.316 312

Rdnr. 34 der Mitteilung. So Dörr, K&R 2001, 233 (237 m. w. N.) unter Bezugnahme auf BVerfGE 83, 238 (298 ff.) und BVerfG, NJW 1999, 709; ähnlich: Eberle, in: FS Brohm, S. 65 f.; Seidel, ZUM 2001, 13 (16). 314 Wörtlich BVerfG, NJW 1999, 710; vgl. auch BVerfGE 83, 238 (304 f.). 315 So wörtlich BVerfGE 83, 238 (302). 316 Vgl. wörtlich den zweiten Satz des zweiten Erwägungsgrundes der Änderungsrichtlinie. 313

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

Nicht unproblematisch ist andererseits die Annahme von Trzaskalik, die Rundfunkanstalten seien schon deswegen in verschiedenen Geschäftsbereichen tätig, weil sie neben ihrer Programmtätigkeit auch Werbung betreiben.317 Zutreffend ist zwar, dass die Anstalten i. S. d. Art. 86 Abs. 2 EG mit der Programmproduktion und -austrahlung beauftragt sind und nicht mit dem Verkauf von Werbezeiten. Auch die Kommission stellt fest: „Die Definition des öffentlichen Auftrags ist nicht mit dem Finanzierungsmodus zu verwechseln, der für diese[n] (. . .) gewählt wird. Demnach können öffentlich-rechtliche Sendeanstalten zu Einnahmezwecken zwar kommerziellen Tätigkeiten nachgehen (z. B. Verkauf von Sendeplatz für Werbung), doch sind diese nicht als Teil des öffentlichrechtlichen Auftrags anzusehen“.318 Dennoch konstatiert die Kommission weder in der Transparenzrichtlinie, noch in der „Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften über Staatliche Beihilfen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk“, dass mischfinanzierte öffentlich-rechtliche Rundfunkveranstalter quasi automatisch in verschiedenen Geschäftsbereichen tätig sind.319 Gegen die Annahme, schon aufgrund ihrer Werbetätigkeit fielen die deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten unter die Bestimmungen der Transparenzrichtlinie spricht, dass die Richtlinie dann einen Zwang zur reinen Gebührenfinanzierung auslösen würde. Ein solcher Zwang wäre äußerst kritisch zu sehen: Zum einen greift er in die im Rundfunkprotokoll ausdrücklich anerkannte Kompetenz der Mitgliedstaaten ein, die Finanzierung des öffentlichrechtlichen Rundfunks zu regeln. Zum anderen lässt sich aus einer Gesamtschau der Art. 86, 87 EG und der Grundfreiheiten der Grundsatz herleiten, dass der Einfluss des Staates auf die Wirtschaft möglichst gering sein soll. Dieser Einfluss würde zumindest de facto wachsen, wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk vollständig aus Gebühren finanziert würde, was nicht nur verfassungsrechtlich bedenklich wäre. Auch unter einem europäischen Blickwinkel kann es nicht sinnvoll sein, Einrichtungen, die wie die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Verwirklichung der Grundrechte der Bürger dienen sollen, näher an den Staat zu rücken, und sei es auch nur durch die Vorschreibung eines bestimmten Finanzierungsmodus. Eine Auslegung der Transparenzrichtlinie nach dem Grundsatz des effet utile stützt hingegen Trzaskaliks Ansicht: Wenn es Sinn und Zweck der Richtlinie ist, unzulässige Quersubventionen effektiv zu verhindern, müssen als von der eigentlichen Auftragserfüllung verschiedene Geschäftsbereiche schon diejenigen 317

Vgl. Trzaskalik, S. 21. Vgl. die bereits zitierte „Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk“, Rdnr. 36. 319 In Rdnr. 52 der Mitteilung bemerkt sie nur: „Die Vorschrift der Kostentrennung gilt nicht für öffentlich-rechtliche Sendeanstalten, die ihre Tätigkeiten auf die Leistung von Diensten von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse beschränken und außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Dienste (. . .) keine Tätigkeiten ausüben.“ 318

VI. Rundfunkfinanzierung und EG-Beihilfenrecht

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Wirtschaftstätigkeiten angesehen werden, die zwar der Auftragsfinanzierung dienen, in denen jedoch Defizite oder Gewinne entstehen können, die Quersubventionen ermöglichen. Dass die deutschen Rundfunkanstalten insbesondere Defizite, die im Bereich der Werbung entstehen, durch Gebühreneinnahmen in unzulässiger Weise auszugleichen versuchen, ist zumindest in der Theorie denkbar. Letztlich bleibt zur Klärung der Frage, ob mischfinanzierte öffentlich-rechtliche Rundfunkveranstalter schon aufgrund ihrer teilweisen Werbefinanzierung i. S. d. Transparenzrichtlinie in verschiedenen Geschäftsbereichen aktiv sind, also die Gemeinschaftspraxis abzuwarten. Eindeutiger ist die Rechtslage, soweit die Rundfunkanstalten wirtschaftliche Aktivitäten entfalten, die der Finanzierung und Erbringung des öffentlich-rechtlichen Auftrages zwar dienen, hierfür jedoch nicht zwingend notwendig sind. Solche Aktivitäten sind durchaus vorhanden. Zu denken ist etwa an Merchandising320 und die Herausgabe von Druckwerken mit programmbezogenem Inhalt.321 Rundfunkanstalten, die derartige Tätigkeiten betreiben, sind i. S. d. Transparenzrichtlinie in verschiedenen Geschäftsbereichen aktiv. d) Ausschluss der Anwendbarkeit nach Art. 4 TP-RL Die Richtlinie wäre auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland dennoch unanwendbar, wenn seine Tätigkeit unter eine der Ausnahmeklauseln des Art. 4 TP-RL fiele: Mit Sicherheit ausschließen lässt sich ein Eingreifen von Art. 4 Abs. 2 lit. b) TP-RL, wonach Unternehmen, die unter Art. 86 Abs. 2 EG fallen, aber einen Jahresnettoumsatz von weniger als 40 Mio. Euro haben, von der Transparenzpflicht freigestellt sind. Im Übrigen sprechen der zentrale Gebühreneinzug durch die GEZ und die Regelungen über die Zusammenarbeit der Rundfunkanstalten innerhalb der ARD dafür, die ARD insoweit als Einheit zu betrachten.322 Ob stattdessen Art. 4 Abs. 2 lit. a) eingreift, der Unternehmen freistellt, die Dienstleistungen erbringen, die den Handel zwischen den Mitgliedstaaten nicht merklich zu beeinträchtigen geeignet sind, ist zweifelhaft. Zwar hat sich der Markt für grenzüberschreitenden Rundfunk aufgrund der nach wie vor gegebenen Zersplitterung in sprachraumbezogene Einzelmärkte nicht in dem Maße entwickelt, wie es die Kommission bei der Entstehung der Fernsehrichtlinie ver320 Diesen hat auch das BVerfG für zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Auftrages nicht notwendig gehalten; vgl. BVerfG 1 BvR 341/93 sub II. 2. b) aa). 321 Vgl. insoweit BVerfGE 83, 238 (312 ff.). 322 So auch Neun, S. 311; vgl. auch Stellungnahme des VPRT zum Richtlinienentwurf, S. 14 f.

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

mutet hatte. Ein solcher Markt ist aber zumindest in Ansätzen dennoch zweifelsfrei vorhanden und daher auch vor potentiellen Verfälschungen zu schützen. Damit Art. 4 Abs. 2 lit. a) TP-RL zugunsten der deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten eingreifen könnte, müßte die Bundesrepublik beweisen können,323 dass auch derartige potentielle Verfälschungen ausgeschlossen sind. Ein solcher Beweis ist kaum zu führen.324 Entscheidend kommt es somit auf Art. 4 Abs. 2 lit. c) TP-RL an. Hiernach sind unter Art. 86 Abs. 2 EG fallende Unternehmen nicht von der Transparenzpflicht des Art. 1 Abs. 2 TP-RL erfasst, wenn „die ihnen gewährten staatlichen Beihilfen in jeglicher Form einschließlich Zuschüssen, Unterstützung und Ausgleichsleistungen für einen angemessenen Zeitraum im Rahmen eines offenen, transparenten und nicht diskriminierenden Verfahrens festgesetzt wurden“. Maßgeblich ist also – und dies ist entscheidend – nicht, dass der Auftrag, den die Unternehmen ausführen, in einem solchen offenen, transparenten und nicht diskriminierenden Verfahren festgelegt wird, sondern dass die Beihilfen in einem solchen Verfahren festgesetzt werden. Die Rundfunkgebührenfestsetzung durch die KEF könnte ein solches Verfahren sein: Gegen diese Annahme spricht zwar eine Aussage der Kommission in ihrer „Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk“.325 Dort heißt es wörtlich:326 „Öffentlichrechtliche Sendeanstalten unterliegen den neuen Vorschriften (sc. der Transparenzrichtlinie), weil sie staatliche Beihilfen erhalten und mit einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut sind, für die die staatlichen Beihilfen nicht im Rahmen eines offenen, transparenten und diskriminierungsfreien Verfahrens für einen angemessenen Zeitraum festgesetzt wurden“. Unklar ist jedoch, ob die Kommission diese Äußerung konkret bezogen auf das KEF-Verfahren oder nur als generellen Grundsatz gemeint hat. Sowohl der Wortlaut der zitierten Äußerung, als auch die Tatsache, dass die Kommission an anderer Stelle der Mitteilung die Notwendigkeit einer Einzelfallprüfung betont, spricht für die Aufstellung eines nur allgemeinen Grundsatzes. Zur Auslegung des Art. 4 Abs. 2 lit. c) TP-RL ist zunächst die Entscheidung der Kommission in Sachen Phönix/Kinderkanal in Erinnerung zu rufen. Hier hatte die Kommission angenommen, dass eine Begünstigung (und damit eine 323 Nach Sinn und Zweck der Richtlinie kann die Beweislast für ein Eingreifen der Ausnahmeklausel des Art. 4 TP-RL nur bei den Mitgliedstaaten liegen. 324 Zum engen Anwendungsbereich der Klausel vgl. auch Bartosch, EuZW 2000, 333 (336) m. w. N. 325 ABl. Nr. C 320 vom 15. 11. 2001, S. 5 ff. 326 Rdnr. 52 der Mitteilung; kritisch hierzu Montag/Leibenath, in: Heidenhain, § 31 Rdnr. 73.

VI. Rundfunkfinanzierung und EG-Beihilfenrecht

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Beihilfe) grundsätzlich nicht vorliegt, wenn im Wege eines Ausschreibungsverfahrens allen interessierten Unternehmen die Möglichkeit gegeben wird, die Höhe der Gegenleistung anzugeben, die sie für die im staatlichen Auftrag zu erbringende Dienstleistung fordern würden, und das schließlich betraute Unternehmen nach objektiven, geeigneten Kriterien ausgewählt wird.327 Würde Art. 4 Abs. 2 lit. c) TP-RL ein solches Ausschreibungsverfahren meinen, dann wäre diese Regelung sinnlos, denn wo keine Beihilfe vorliegt, kann es auch nicht zu wettbewerbswidrigen Quersubventionen kommen.328 Im Wortlaut von Art. 4 Abs. 2 lit. c) TP-RL ist jedoch der Begriff „Beihilfe“ enthalten. Dies spricht neben der Systematik (Art. 4 TP-RL kann nur eingreifen, wenn eine Buchführungspflicht nach Art. 2 Abs. 1 lit. d) besteht, die ihrerseits die Stellung als Beihilfeempfänger voraussetzt) dafür, dass Art. 4 TP-RL etwas anderes meint, nämlich ein Verfahren dass für einen angemessenen Zeitraum zwar eine Beihilfe i. S. d. Art. 87 Abs. 1 EG festsetzt, im Übrigen aber offen, transparent und nicht diskriminierend ist. Da die Gebührenhöhe nach § 3 Abs. 5 RFinStV von der KEF mindestens alle zwei Jahre überprüft wird, werden die Gebühren für einen „angemessenen Zeitraum“ festgesetzt. Das Verfahren der Gebührenfestsetzung ist jedenfalls insofern transparent, als die Berichte der KEF veröffentlicht werden. Gegen die Transparenz könnte sprechen, dass die KEF bei der Beurteilung, ob ein zu finanzierendes Vorhaben sich im Rahmen des Auftrags des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hält, in gewissem Umfang an die Gebührenanmeldungen der Anstalten gebunden ist.329 Dies ist jedoch notwendige Folge der Programmfreiheit i. S. d. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG, die auch öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten grundsätzlich in vollem Umfang zustehen muss. Daher kann es letztlich hierauf nicht ankommen. Die Merkmale „offen“ und „nicht diskrimierend“ beziehen sich auf die an dem Verfahren der Beihilfenfestsetzung teilnehmenden Unternehmen. Offen und nicht diskrimierend kann das betreffende Verfahren jedoch nur gegenüber denjenigen sein, die ihrer inneren Struktur nach auch daran teilnehmen können. Dies sind Unternehmen, die den subventionierten Auftrag erfüllen könnten. Private Rundfunkveranstalter können jedenfalls Grundversorgung ihrer inneren Struktur nach nicht erbringen.330 Damit kann es insoweit nur auf die Offenheit und Nicht-Diskriminierung gegenüber den öffentlich-rechtlichen Anstalten ankommen. Diese ist aber gegeben. Damit spricht einiges dafür, dass das KEF-Verfahren die Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 2 lit. c) TP-RL erfüllt. Es ist auch daran zu erinnern, dass die Kommission das KEFVerfahren in der Entscheidung Phönix-Kinderkanal ausdrücklich gutgeheißen 327

Entscheidung Nr. NN 70/98 (Phoenix/Kinderkanal), S. 6 f. So aber wohl Trzaskalik (S. 12 f. und 24) und Gabriele Britz, DVBl. 2001, 1641 (1648 f.). 329 Hierauf stellt offensichtlich Trzaskalik (S. 23 ff.) ab. 330 Dies einräumend auch Trzaskalik, S. 13. 328

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

hat. Der Zweck des Art. 4 Abs. 2 lit. c) TP-RL wird außerdem dadurch gefördert, dass die Mittelverwendung durch die Rundfunkanstalten von deren internen, binnenpluralistischen Aufsichtsgremien und nachträglich durch die Landesrechnungshöfe kontrolliert wird.331 Nach Art. 4 Abs. 2 lit. c) TP-RL ist die Transparenzrichtlinie in Deutschland also jedenfalls, was die Gebührenfinanzierung der Grundversorgung betrifft, nicht anwendbar.332 e) Konsequenzen Somit wäre die Transparenzrichtlinie auf den deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, selbst wenn man ihn als Empfänger von Beihilfen i. S. d. Art. 87 Abs. 1 EG ansehen würde, höchstens teilweise anwendbar. Da die Kommission dies, wie dargelegt, in ihrer „Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk“ anders zu sehen scheint, sind die möglichen Konsequenzen aus einer Anwendbarkeit der Transparenzrichtlinie auf die deutschen Rundfunkanstalten zu untersuchen: Erste Konsequenz wäre eine verstärkte behördliche Kontrolle der Verwendung der für die Erfüllung des Rundfunkauftrages erhaltenen Mittel. Es stellt sich die Folgefrage, wie die Kontrolle erfolgen, vor allem aber wer sie durchführen soll. Beim „Wie“ der Kontrolle muss klar sein, dass diese nicht zulasten der Programmfreiheit der Anstalten gehen darf. Das Kontrollverfahren müsste daher von Verfassungs wegen ebenso staatsfrei sein wie das Gebührenfestsetzungsverfahren. Die Pflicht zur getrennten Buchführung kann im Übrigen relativ einfach umgesetzt werden, soweit die Rundfunkanstalten Aktivitäten in Tochterunternehmen ausgegliedert haben, denn wenn sogar getrennte Unternehmen existieren, ist es unproblematisch über deren Aktivitäten auch getrennt Buch zu führen (sofern dies nicht schon erfolgt).333 Als Stellen, die die Kontrollen durchführen könnten, kommen am ehesten die Rundfunkräte und die KEF in Betracht. Die KEF wäre deswegen geeignet, weil sie im Gebührenfestsetzungsverfahren ohnehin mit der Prüfung der Auftragserfüllung und der Mittelverwendung befasst ist und sie sowohl staats- als auch „rundfunkfrei“ zusammengesetzt ist. Dafür, den binnenpluralistischen Aufsichtsgremien die Kontrolle zu übertragen, spricht, dass diese schon seit längerem mit derartigen Aufgaben befasst sind; außerdem, dass, wollte man die KEF zur ef-

331 Die Kontrollfunktion der Rechnungshöfe betont auch die „Gemeinsame Stellungnahme von ARD und ZDF zu dem Entwurf einer Änderung der Transparenzrichtlinie“, S. 5; vgl. auch Hahn, ZUM 2001, 775 ff. 332 So auch (für die Gebührenfinanzierung insgesamt) Eberle, in: FS Brohm, S. 64 f.; a. A. Neun, S. 312. 333 Vgl. auch Hain, MMR 2001, 219 ff. (224 FN 67).

VI. Rundfunkfinanzierung und EG-Beihilfenrecht

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fektiven Kontrolle einsetzen, deren Verwaltungsunterbau entscheidend vergrößert werden müsste. Ferner ist zu berücksichtigen, dass ein Einsatz der Aufsichtsgremien dem bestehenden Föderalismus im Rundfunkwesen besser Rechnung tragen könnte, als ein Einsatz der KEF. Trzaskalik lehnt eine Kontrolle der Einhaltung des Rundfunkauftrages durch die Gremien der Anstalten gleichwohl ab, weil es sich hierbei um eine Eigenkontrolle handle.334 Dabei verkennt er jedoch, dass es sich bei den Rundfunk- und Verwaltungsräten um eine staatsferne, zugleich aber auch anstaltsferne, gesellschaftliche Kontrolle handelt.335 Letztlich wäre es daher ebenso möglich, wenn nicht besser, künftige Kontrollaufgaben den internen Aufsichtsgremien der Anstalten zu übertragen. In ihrer „Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk“ erläutert die Kommission außerdem, wie weit die aus der Richtlinie folgende Pflicht zur getrennten Buchführung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk reicht.336 Die Passage sei hier auszugsweise wörtlich zitiert: „In der Rundfunkbranche stellt die Trennung der Konten auf der Einnahmeseite keine besonderen Schwierigkeit dar, könnte sich auf der Ausgabenseite jedoch als nicht ganz unproblematisch, wenn nicht gar als unmöglich erweisen. Grund dafür ist, dass die Mitgliedstaaten (. . .) das gesamte Programm der Sendeanstalten als vom öffentlich-rechtlichen Auftrag gedeckt betrachten, gleichzeitig aber dessen kommerzielle Nutzung gestatten können. Das heißt, dass unterschiedliche Tätigkeiten zu einem großen Teil aus ein und derselben Quelle finanziert werden. Die Kommission ist deshalb der Auffassung, dass die Sendeanstalten auf der Einnahmeseite Herkunft und Höhe aller Einnahmen aus nicht dem öffentlich-rechtlichen Auftrag zuzuordnenden Tätigkeiten angeben sollten. Auf der Ausgabenseite sollten die nicht dem öffentlich-rechtlichen Auftrag zuzuordnenden Kosten klar ausgewiesen werden. Darüber hinaus sollten, wann immer dieselben Ressourcen (. . .) sowohl im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Auftrags als auch anderweitig eingesetzt werden, die dabei entstehenden Kosten unter Zugrundelegung des Unterschieds zwischen den Gesamtkosten des Unternehmens mit und ohne öffentlich-rechtliche Tätigkeiten zugeordnet werden. Daraus ergibt sich, dass im Gegensatz zu der in anderen Versorgungsbranchen üblichen Vorgehensweise die Ausgaben, die in voller Höhe auf die mit dem öffentlich-rechtlichen Auftrag zusammenhängenden Tätigkeiten anrechenbar sind, jedoch auch kommerziellen Tätigkeiten zugute kommen, nicht aufgeteilt werden müssen, sondern in voller Höhe dem öffentlich-rechtlichen Auftrag zugeordnet werden können.“. Die Kommission zeigt hier, dass sie bei der Anwendung der Transparenzrichtlinie durchaus bereit ist, den Besonderheiten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Rechnung zu 334 335 336

Vgl. Trzaskalik, S. 24. Vgl. A. Hesse, Rundfunkrecht, S. 153 ff. Rdnr. 53–56 der Mitteilung.

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

tragen und die sich aus der Pflicht zur getrennten Buchführung ergebenden Probleme pragmatisch zu lösen. Im Ergebnis stellt die Transparenzrichtlinie, wenn sie auf den öffentlichrechtlichen Rundfunk in Deutschland denn überhaupt anwendbar ist, das duale Rundfunksystem vor keine unlösbaren Schwierigkeiten.

VII. Das duale Rundfunksystem und das Gemeinschaftsgrundrecht der Medienfreiheit Wie im ersten Teil dieser Arbeit dargestellt, beruht das deutsche duale Rundfunksystem maßgeblich auf einer spezifischen Grundrechtsinterpretation. Durch Auslegung des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG als dienende Freiheit wird sowohl die durch Bestands- und Entwicklungsgarantie abgesicherte Stellung des öffentlichrechtlichen Rundfunks als auch die freiere aber dennoch von Vielfaltsverpflichtungen geprägte Stellung des privaten Rundfunks unmittelbar aus der Verfassung abgeleitet. Zu Beginn der dualen Rundfunkordnung drängten die Fragen der Grundrechtsinterpretation die des Wettbewerbs zwischen den Veranstaltern klar in den Hintergrund. Mittlerweile erkennt jedoch das BVerfG implizit an, dass die sich im Rahmen der dualen Rundfunkordnung stellenden Fragen auch wettbewerblicher Natur sind.1 Den quasi umgekehrten Weg ging der EuGH: Von Beginn seiner „Rundfunkrechtsprechung“ an maß er das Verhalten der Rundfunkveranstalter an den Normen des Wettbewerbsrechts und an den Grundfreiheiten.2 Den Einfluss der Grundrechte erwähnte er erstmals in Rs. Bond van Adverteerders.3 In den neunziger Jahren prüfte er dann sogar ansatzweise die Vereinbarkeit von Regelungen des mitgliedstaatlichen Rundfunkrechts mit den Gemeinschaftsgrundrechten.4 Außerdem hat im gesamten Gemeinschaftsrecht die Bedeutung der Grundrechte seit den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts immer mehr zugenommen und wird noch weiter zunehmen, betrachtet man die im Jahr 2000 verabschiedete EU-Grundrechtscharta und die derzeitige Diskussion um eine europäische Verfassung.5

1

Vgl. BVerfGE 74, 297 (332). Vgl. bereits Rs. 155/ 73 (Sacchi), Slg. 1974, S. 409 ff, Rdnr. 8 ff. und 12 ff. 3 Vgl. Rs. 352/85 (Bond van Adverteerders), Slg. 1988, S. 2085 ff., Rdnr. 40 des Urteils. 4 Vgl. Rs. C-353/89 (Kommission ./. Niederlande), Slg. 1991, S. I-4067 ff., Rdnr. 30 des Urteils; Rs. C-288/89 (Stichting Collectieve Antennevoorziening Gouda), Slg. 1991, S. I-4007 ff., Rdnr. 23 des Urteils (vgl. hierzu auch Gersdorf, AöR 119 (1994), 400 (411 ff.)); Rs. C-260/89 (ERT), Slg. 1991, S. I-2925 ff., Rdnr. 41 ff. des Urteils. 5 Vgl. etwa Scholz, ZG 2002, 1 ff.; konkret zur Grundrechtscharta z. B.: Nettesheim, Integration 2002, 35 ff.; Lenaerts/de Smijter, CMLR 2001, 273 ff. 2

VII. Gemeinschaftsgrundrecht der Medienfreiheit

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Rundfunk wird also sowohl auf deutscher als auch auf europäischer Ebene an Grundrechten gemessen. Dies führt zu der Frage, ob die Grundrechtsinterpretationen beider Ebenen miteinander vereinbar sind: 1. Die Grundrechte als allgemeine Rechtsgrundsätze des Gemeinschaftsrechts Seit geraumer Zeit kennt auch das Gemeinschaftsrecht Grundrechte, die der EuGH in seiner Rechtsprechung als allgemeine Rechtsgrundsätze entwickelt hat.6 Die Grundrechtsbindung der Gemeinschaft ist seit dem Maastrichter Vertrag in Art. F Abs. 2 EUV bzw. 6 Abs. 2 EU primärrechtlich verankert, und seit dem Amsterdamer Vertrag ist durch Art. 46 lit. d) EU ausdrücklich anerkannt, dass der EuGH überprüfen darf, ob Handlungen der Gemeinschaftsorgane diese Bindung einhalten.7 Mit dem Vertrag von Nizza wurde durch die feierliche Verkündung der Grundrechtscharta die Bedeutung der Grundrechte auf der Gemeinschaftsebene zusätzlich betont. Diese Charta ist zwar bisher rechtlich unverbindlich, da sie nicht förmlich in das Primärrecht (insbesondere in Art. 6 EU) eingegliedert wurde,8 sie soll aber Bestandteil der künftigen EU-Verfassung werden.9 Die Gemeinschaft verfügt im Ergebnis also über Grundrechte, (noch) nicht aber über einen verbindlichen geschriebenen Grundrechtskatalog. Der EuGH muss deshalb Grundrechtsgehalte auf der Gemeinschaftsebene nach wie vor im jeweiligen Einzelfall aus bestimmten Rechtserkenntnisquellen ableiten:10 a) Rechtserkenntnisquellen der Gemeinschaftsgrundrechte aa) Rechtserkenntnisquellen i. S. d. Art. 6 Abs. 2 EU Zwei der Rechtserkenntnisquellen sind in Art. 6 Abs. 2 EU ausdrücklich genannt: die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) und die gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten. Die Grundrechtsgehalte werden aus diesen Quellen im Wege einer „wertenden Rechtsvergleichung“11 ermittelt, d. h. der EuGH sucht nicht 6 Grundlegend die Entscheidungen des EuGH in Rs. 29/69 (Stauder), Slg. 1969, S. 419 ff.; Rs. 11/70 (Internationale Handelsgesellschaft), Slg. 1970, S. 1125 ff.; Rs. 4/73 (Nold), Slg. 1974, S. 491 ff. 7 Dies betont Oppermann, Europarecht Rdnr. 489. 8 Vgl. Alber, EuGRZ 2001, 349; Pache, EuR 2001, 475 (485 f.). 9 Hierzu Oppermann, in: Stern/Prütting I, S. 39 (45 ff.); Schwarze, AfP 2003, 209 ff. 10 Kritisch zu dieser Vorgehensweise Calliess, in: Ehlers, § 19 Rdnr. 2. 11 Hierzu statt vieler: Mailänder, S. 115 ff.; Roider, S. 141 f.

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner, sondern nach der im Einzelfall „besten Lösung“, um Grundrechtsschutz und Gemeinschaftsinteresse in Einklang zu bringen. Den einschlägigen Urteilen lassen sich rechtsvergleichende Erwägungen zwar kaum entnehmen.12 Zugunsten des EuGH wird man aber annehmen können, dass es sich hier nicht um methodische Nachlässigkeit, sondern „nur“ um fehlende Transparenz des Entscheidungsprozesses handelt.13 Der EuGH hat teilweise auf beide Quellen,14 teilweise nur auf die gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen15 oder auch nur auf die EMRK Bezug genommen.16 Eine einheitliche Linie der Rechtsprechung ist kaum erkennbar, es scheint jedoch, als ob der EuGH vorrangig auf die Verfassungsüberlieferungen nur dann abstellt, wenn die EMRK das Grundrecht nicht enthält.17 Die EMRK steht also im Vordergrund der Prüfung,18 auch wenn der EuGH stets betont, dass die EG nicht EMRK-Mitglied sei, und deshalb die EMRK im Gemeinschaftsrecht nicht unmittelbar gelte.19 Auffällig ist auch, dass der EuGH bei der Auslegung der EMRK z. T. intensiv die Rechtsprechung des EGMR erörtert.20 Demgegenüber ist kein Fall ersichtlich, in dem der EuGH sich näher mit der Rechtsprechung eines mitgliedstaatlichen Verfassungsgerichts auseinandergesetzt hätte. Diese Betonung der EMRK ist durchaus sinnvoll, weil deren Sinn und Zweck gerade ist, zwischen den Europaratsmitgliedern einen gemeinsamen grundrechtlichen „Mindeststandard“ zu schaffen. Sowohl die Grundrechte der EMRK als auch die Gemeinschaftsgrundrechte sind aber den Mitgliedstaaten, die allesamt Mitglieder des Europarates sind, gemeinsam. Legt der EuGH also ein Grundrecht der EMRK bei seiner Prüfung zugrunde, ist die Gefahr einer „Fehlermittlung“ des gemeinschaftlichen Grundrechtsinhalts gering. Durch sein verstärktes Abstellen auf die EMRK vermeidet der Gerichtshof außerdem, dass die Mitgliedstaaten in Konflikt mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen aus der EMRK geraten. Als primäre Rechtserkenntnisquelle der Gemeinschaftsgrundrechte ist daher die EMRK anzusehen.21 12 Ehemalige Richter des EuGH haben jedoch die immense Wichtigkeit der Rechtsvergleichung in der Gerichtspraxis des EuGH betont (vgl. die Nachweise bei Kühling, S. 59). 13 So i. E. auch Kühling, S. 60 ff. 14 Vgl. z. B. Rs. 44/79 (Hauer), Slg. 1979, S. 3727 ff., Rdnr. 17 ff. des Urteils. 15 Vgl. z. B. Rs. 11/70 (Internationale Handelsgesellschaft), Slg. 1970, S. 1125 ff., Rdnr. 4 des Urteils. 16 Vgl. z. B. Rs. C-368/95 (Familiapress), Slg. 1997, S. I-3689 ff., Rdnr. 18 und 25 f. des Urteils. 17 So auch Kingreen, in: Calliess/Ruffert, Art. 6 EU Rdnr. 34 m. w. N.; Puissochet, in: GS Ryssdal, S. 1139 ff. (1142 ff.). 18 Vgl. Petersen, S. 172 m. w. N. 19 Vgl. das Gutachten des EuGH zum EMRK-Beitritt der Gemeinschaft: Gutachten 2/94, Slg. 1996, S. I-1763, Rdnr. 34 ff. 20 Besonders deutlich in Rs. C-274/99 P (Bernard Conolly), Rdnr. 39, 41 f., 45 und 49 des Urteils.

VII. Gemeinschaftsgrundrecht der Medienfreiheit

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bb) Weitere Rechtserkenntnisquellen? Neben den durch Art. 6 Abs. 2 EU ausdrücklich anerkannten Rechtserkenntnisquellen werden noch zusätzliche diskutiert: Als weitere Rechtserkenntnisquelle hat der EuGH andere völkerrechtliche Verträge über den Schutz der Menschenrechte, an denen die Mitgliedstaaten beteiligt sind, anerkannt.22 Auf derartige Verträge wie z. B. den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte nimmt er jedoch in weit geringerem Umfang Bezug als auf die EMRK. Da diese Verträge, wie Kühling nachweist,23 außerdem sich im Bereich der Kommunikationsfreiheit von Art. 10 EMRK inhaltlich nicht unterscheiden, können sie hier außer Betracht bleiben. Eine Rechtserkenntnisquelle könnte ferner in der Grundrechtscharta zu sehen sein. Diese nimmt jedoch auf die EMRK Bezug bzw. gewährleistet gemäß Art. 52 Abs. 3 S. 1, soweit die Charta-Grundrechte den von der EMRK garantierten Grundrechten entsprechen, zumindest nicht weniger an Grundrechtsschutz als den EMRK-Standard. Die Berücksichtigung der Grundrechtscharta als Rechtserkenntnisquelle widerspricht außerdem dem Wortlaut des Art. 6 Abs. 2 EU,24 so dass, wollte man sie als solche ansehen, eine Vertragsänderung nötig wäre.25 Außerdem ist die Charta, wie erwähnt, bisher rechtlich unverbindlich.26 Dies alles spricht dagegen, die Charta derzeit schon als Rechtserkenntnisquelle für die Gemeinschaftsgrundrechte zu sehen. Sie ist jedoch aufgrund ihres engen Bezuges zur EMRK schon heute eine maßgeblich zu berücksichtigende Interpretation der EMRK-Grundrechte durch die Gemeinschaft.27 21 Vgl. Rs. C-260/89 (ERT), Slg. 1991, S. I-2925, Rdnr. 41 des Urteils; Rs. C-274/ 99 P (Bernard Conolly), Rdnr. 37 des Urteils; vgl. auch: Ehlers, in: ders., § 14 Rdnr. 8; Kingreen, in: Calliess/Ruffert, Art. 6 EU Rdnr. 42 m. w. N.; noch weitergehend Kühling (S. 58), der gestützt auf Aussagen des damaligen Präsidenten des EuGH eine faktische Bindung an die EMRK vertritt. Die Ansicht Dörrs (Europa, S. 51; ähnlich Mailänder, S. 119 f.), die Grundrechte der EMRK seien Gemeinschaftsgrundrechte widerspricht hingegen klar dem Wortlaut des Art. 6 Abs. 2 EU. Die Grundrechte der EMRK sind, solange die Gemeinschaft nicht der EMRK beitritt, nur Rechtserkenntnisquellen. Man muss allerdings zugeben, dass der EuGH dies nicht immer ganz klar herausarbeitet (vgl. die Nachweise bei Mailänder ebd.). 22 Vgl. Rs. 4/73 (Nold), Slg. 1974, S. 491 ff., Rdnr. 13 des Urteils; Rs. 44/79 (Hauer), Slg. 1979, S. 3727, Rdnr. 15 des Urteils; vgl. auch Lenaerts/de Smijter, CMLR 2001, 273 (277). 23 Vgl. Kühling, S. 202 ff. 24 A. A. wohl Zuleeg, EuGRZ 2000, 511 (514); wie hier Schmitz, JZ 2001, 833 (835). Zu Zuleegs Ergebnis könnte man wohl nur kommen, wenn man das „wie“ in Art. 6 Abs. 2 EU als ein „wie beispielsweise“ liest. 25 So auch Alber/Widmaier, EuGRZ 2000, 497 (500). 26 Insoweit ist sie noch „soft law“; so auch Schmitz, JZ 2001, 833 (836). 27 In diesem Sinne wurde die Charta von den Generalanwälten bereits mehrfach in Bezug genommen; z. B.: Schlussanträge des GA Alber, Rs. C-340/99 (TNT Traco), Rdnr. 94; Schlussanträge des GA Tizzano, Rs. C-173/99 (BECTU), Rdnr. 26 ff.;

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

Teilweise wird vertreten, Rechtserkenntnisquellen der Gemeinschaftsgrundrechte seien auch die Vertragsbestimmungen und das gemeinschaftsrechtliche Soft-Law.28 Diese Ansicht ist nicht unproblematisch: Einigen Bestimmungen des Primärrechts insbesondere dem allgemeinen Diskriminierungsverbot in Art. 12 EG, den Grundfreiheiten und Art. 141 EG kann man in der Tat nicht absprechen, dass sie wie die Grundrechte das Ziel verfolgen, dem Gemeinschaftsbürger Rechte gegenüber der Gemeinschafts- und/oder der mitgliedstaatlichen Gewalt zu verleihen.29 Bei diesen Bestimmungen handelt es sich daher zumindest um grundrechtsähnliche Rechte.30 Der EuGH trennt allerdings, auch wenn er dies bisher nicht explizit ausgesprochen hat, in seiner Rechtsprechung klar zwischen Grundfreiheiten und Grundrechten.31 Außerdem ist, soweit durch Vertragsbestimmungen ein Recht auf Gleichbehandlung gewährt wird, unklar, ob die Bestimmungen selbst Grundrechte (im engeren Sinne) sind oder nur Ausprägungen eines grundrechtlichen allgemeinen Gleichheitssatzes. Ob sich dem geschriebenen Gemeinschaftsrecht Grundrechte (im dogmatisch engeren Sinne) entnehmen lassen, ist daher zweifelhaft.32 Ebenso begegnet es Bedenken, das Soft-Law der Gemeinschaft als Rechtserkenntnisquelle anzusehen, denn Soft-Law ist kein verbindliches Recht, Grundrechte müssen aber, sollen sie dem Einzelnen effektiven Schutz gewähren, verbindlich sein. Soft-Law, insbesondere die Präambeln der Gemeinschaftsverträge und die Erklärungen der Gemeinschaftsorgane zu den Grundrechten33 sind daher bei der Auslegung der Grundrechte heranzuziehen, nicht jedoch zur Ermittlung der Grundrechtsgehalte.

Schlussanträge des GA Mischo, Rs. C-122/99 P und C-125/99 P (D und Königreich Schweden ./. Rat), Rdnr. 97; Schlussanträge des GA Léger, Rs. C-309/99 (Wouters), FN 181; Schlussanträge der GAin Stix-Hackl, Rs. C-49/00 (Kommission ./. Italien), FN 11; auch das EuG hat sich bereits in einigen Urteilen auf die Charta bezogen (vgl. z. B.: Rs. T-54/99 (max mobil), Rdnr. 48 und 57 des Urteils; Rs. T-177/01 (JégoQuéré), Rdnr. 42 und 47 des Urteils; Rs. T-224/00 (Archer Daniels), Rdnr. 93 des Urteils)), scheint die Charta aber eher als Beleg für die gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen anzusehen (so auch Ehlers, in: ders., § 13 Rdnr. 16). 28 So Chwolik-Lanfermann, S. 54; kritisch hierzu Kingreen, in: Calliess/Ruffert, Art. 6 EU Rdnr. 37 ff. 29 So auch Gersdorf, AöR 119 (1994), 400 (404); vgl. auch Zuleeg (EuGRZ 2000, 511 (513 m. w. N.)), der feststellt, Grundfreiheiten wirkten „wie Grundrechte“. 30 So auch Chwolik-Lanfermann, S. 42 und 74 ff. 31 Vgl. zuletzt: Rs. C-60/00 (Carpenter), Rdnr. 40 ff. des Urteils; Rs. C-112/00 (Schmidberger), Rdnr. 74 ff. des Urteils; so auch Beutler, in: von der Groeben/ Schwarze, Art. 6 EU Rdnr. 42. 32 So i. E. auch Kühling (S. 102 ff.), der außerdem u. a. darauf abstellt, dass die Grundfreiheiten sich im Gegensatz zu den Grundrechten stärker an die Mitgliedstaaten als an die Gemeinschaft richten, und dass umgekehrte Diskriminierungen dem Wesen der Grundfreiheiten weniger widersprechen als dem Wesen der Grundrechte. 33 Zu letzteren Kingreen, in: Calliess/Ruffert, Art. 6 EU Rdnr. 24 ff.

VII. Gemeinschaftsgrundrecht der Medienfreiheit

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Im weiteren Verlauf dieser Darstellung werden als Rechtserkenntnisquellen daher nur die EMRK und die Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten herangezogen. b) Stellung und Reichweite der Grundrechte im Gemeinschaftsrecht aa) Grundrechte als Primärrecht Nach allg. M. sind die Gemeinschaftsgrundrechte Primärrecht.34 Auch die Rechtsprechung des EuGH deutet, obwohl sich der Gerichtshof nicht ausdrücklich mit der Frage befasst hat, letztlich klar in diese Richtung.35 Im Übrigen müssen Grundrechte auch deswegen zumindest den gleichen Rang haben wie das übrige primäre Gemeinschaftsrecht, weil der gemeinschaftliche Grundrechtsschutz sonst ineffektiv wäre. In gewissem Umfang können die Grundrechte sogar über dem sonstigen primären Gemeinschaftsrecht stehen: In Rs. Schmidberger hat der EuGH zurecht implizit festgestellt, dass soweit Grundrechte bereits nach der EMRK nicht eingeschränkt werden dürfen (z. B. das Folterverbot), eine Einschränkung auch nicht auf Grund von Gemeinschaftsrecht zulässig sein kann.36 Außerdem ist an die Entscheidung in Rs. Wachauf zu erinnern, in der der Gerichtshof betont hat, dass nur Eingriffe in Grundrechte zulässig sind, die dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen und den Wesensgehalt der Grundrechte unangetastet lassen.37 Im Ergebnis sind die Grundrechte also Primärrecht, das u. U. sogar über dem sonstigen Primärrecht stehen kann. bb) Reichweite der Gemeinschaftsgrundrechte Unstreitig gewähren die Gemeinschaftsgrundrechte den Gemeinschaftsbürgern Rechte gegenüber der Gemeinschaft, und zwar im Verfahren vor EuG und EuGH, bei der Schaffung von Sekundärrecht und beim unmittelbarem Verwaltungsvollzug des Gemeinschaftsrechts (gemeinschaftseigene Behörden (z. B. Kommission) handeln „direkt“ gegenüber Bürgern).38 Problematischer ist die Reichweite der Gemeinschaftsgrundrechte bei mittelbarem Verwaltungsvollzug 34

Vgl. nur Kingreen, in: Calliess/Ruffert, Art. 6 EU Rdnr. 31. Vgl. Rs. 5/88 (Wachauf), Slg. 1989, S. 2609 ff., Rdnr. 18 des Urteils; Rs. T-30/ 99 (Bocchi), Slg. 2001, S. II-943 ff., Rdnr. 80 des Urteils m. w. N.; Rs. C-60/00 (Carpenter), Rdnr. 40 ff. des Urteils; Rs. C-112/00 (Schmidberger), Rdnr. 74 ff. des Urteils. 36 Vgl. Rs. C-112/00 (Schmidberger), Rdnr. 80 des Urteils. 37 Vgl. Rs. 5/88 (Wachauf), Slg. 1989, 2609, Rdnr. 18 des Urteils; st. Rspr.: vgl. nur Rs. T-30/99 (Bocchi), Slg. 2001, S. II-943 ff., Rdnr. 80 des Urteils m. w. N. 38 Vgl. statt vieler Kühling, S. 67. 35

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

des Gemeinschaftsrechts (Vollzug von Gemeinschaftsrecht durch mitgliedstaatliche Behörden), wenn die Mitgliedstaaten sich auf Ausnahmen vom Gemeinschaftsrecht, insbesondere von den Grundfreiheiten berufen, und bei der Richtlinienumsetzung: Der EuGH fasst die Reichweite der Gemeinschaftsgrundrechte sehr weit. Voraussetzung dafür, eine mitgliedstaatliche Maßnahme an den Gemeinschaftsgrundrechten zu messen, ist nach ständiger Rechtsprechung, dass diese Maßnahme im Rahmen des Gemeinschaftsrechts liegt bzw. in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts fällt.39 Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat der Gerichtshof jedenfalls dann bejaht, wenn ein Mitgliedstaat sekundäres Gemeinschaftsrecht in Form von Verordnungen40 und Entscheidungen41 vollzieht, und wenn er sich auf eine geschriebene Ausnahmeklausel von den Grundfreiheiten beruft.42 Im Urteil Familiapress hat der EuGH außerdem die Berufung eines Mitgliedstaates auf eine tatbestandsimmanente Schranke der Warenverkehrsfreiheit (i. S. d. Cassis-Rechtsprechung) an den Gemeinschaftsgrundrechten gemessen.43 Diese Rechtsprechung ist angesichts der aufgezeigten „Konvergenz“ der Grundfreiheiten für alle Grundfreiheiten verallgemeinerungsfähig.44 Streitig ist die Geltung der Gemeinschaftsgrundrechte im Bereich des Richtlinienrechts. Insoweit ist zwischen herkömmlichen und unmittelbar anwendbaren Richtlinien zu unterscheiden: Die Gemeinschaftsorgane sind beim Richtlinienerlass selbstverständlich an die Gemeinschaftsgrundrechte gebunden. Dies spricht dafür, die Gemeinschaftsgrundrechte auch bei unmittelbar wirkenden Richtlinien anzuwenden, denn die Bindung an die Gemeinschaftsgrundrechte kann nicht quasi auf dem Weg von Brüssel zum Mitgliedstaat verloren gegangen sein, obwohl die Mitgliedstaaten insoweit nur als „verlängerter Arm“ des Gemeinschaftsrechts handeln.45 Bei unmittelbar wirkenden Richtlinien müssen

39 Verb. Rs. 60 u. 61/84 (Cinéthèque), Slg. 1985, S. 2605 ff., Rdnr. 26 des Urteils; Rs. 12/86 (Demirel), Slg. 1987, S. 3719 ff., Rdnr. 28 des Urteils; Rs. C-260/89 (ERT), Slg. 1991, S. I-2925 ff., Rdnr. 41 ff. des Urteils; Rs. C-159/90 (Society for the Protection of Unborn Children), Slg. 1991, S. I-4685 ff., Rdnr. 31 des Urteils. 40 Verb. Rs. 201 und 202/85 (Klensch), Slg. 1986, S. 3477 ff., Rdnr. 8 und 9 des Urteils; Rs. 5/88 (Wachauf), Slg. 1989, S. 2609 ff., Rdnr. 19 des Urteils. 41 So implizit schon Rs. 29/69 (Stauder), Slg. 1969, S. 419, Rdnr. 3 ff. 42 Zu Art. 56, 66 EGV: Rs. C-260/89 (ERT), Slg. 1991, S. I-2925 ff., Rdnr. 43 des Urteils; verallgemeinert für alle Fälle, in denen sich ein Mitgliedstaat „auf eine Vertragsbestimmung beruft, um eine nationale Regelung zu rechtfertigen, die geeignet ist, die Ausübung einer vom Vertrag garantierten Freiheit zu behindern“ (wörtlich Rs. C-62/90 (Deutsches Arzneimittelrecht), Slg. 1992, S. I-2575 ff., Rdnr. 23 des Urteils). 43 Vgl. Rs. C-368/95 (Familiapress), Slg. 1997, S. I-3689 ff., Rdnr. 24 ff. des Urteils; anders noch Rs. 60 und 61/84 (Cinéthèque), Slg. 1985, S. 2605 ff., Rdnr. 21 ff. des Urteils. 44 Vgl. auch Rs. C-23/93 (TV 10), Slg. 1994, S. I-4795 ff., Rdnr. 23 ff. des Urteils. 45 So auch Kingreen, in: Calliess/Ruffert, Art. 6 EU Rdnr. 58 m. w. N.

VII. Gemeinschaftsgrundrecht der Medienfreiheit

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daher die Gemeinschaftsgrundrechte Anwendung finden. Sind Richtlinien dagegen nicht unmittelbar anwendbar, ist einerseits zu bedenken, dass sie nach Art. 249 Abs. 3 EG nur bezüglich ihres Ziels verbindlich sind und sich somit im Regelfall nicht direkt an Grundrechtsträger wenden. Mit diesem Wesen der Richtlinien wäre es kaum vereinbar, wären die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung ausschließlich an Gemeinschaftsgrundrechte gebunden.46 Andererseits dürfen die Mitgliedstaaten sich nicht unter Berufung auf ihre nationalen Grundrechte ihrer Verpflichtung zur Umsetzung der Richtlinie entziehen.47 Daher kann bei der Umsetzung von Richtlinien, die nicht unmittelbar anwendbar sind, nur eine parallele Geltung von mitgliedstaatlichen und Gemeinschaftsgrundrechten in Betracht kommen. Praktisch relevant dürfte die Frage, ob bei der Umsetzung der Richtlinie eines der beiden Grundrechtssysteme oder beide anwendbar sind, wohl nur werden, soweit die Richtlinie den Mitgliedstaaten Umsetzungsspielräume einräumt.48 Bestehen solche nicht, ist kaum vorstellbar, dass der Mitgliedstaat durch seine inländischen Grundrechte gezwungen ist, von den strikten Vorgaben der Richtlinie abzuweichen, die Richtlinie aber zugleich mit den Gemeinschaftsgrundrechten vereinbar ist. Unproblematisch ist demgegenüber der Fall, dass Richtlinien, wie z. B. die Fernsehrichtlinie in Art. 3, Abweichungsmöglichkeiten eröffnet. Diese Abweichungen müssen insbesondere mit den Grundfreiheiten vereinbar sein und die Bindung an Gemeinschaftsgrundrechte kann daher insoweit nicht weniger streng sein als bei sonstigen Beschränkungen der Grundfreiheiten. Der EuGH hat in Rs. Kremzow49 die Reichweite der Gemeinschaftsgrundrechte außerdem negativ eingegrenzt und festgestellt, die rein hypothetische Aussicht auf die Ausübung gemeinschaftsrechtlicher Freizügigkeitsrechte stelle „keinen Bezug zum Gemeinschaftsrecht her . . ., der eng genug wäre, um die Anwendung der Gemeinschaftsbestimmungen zu rechtfertigen“.50 Er lässt das entscheidende Problem allerdings ungelöst, nämlich wie stark die gemeinschaftsrechtliche Anbindung des Sachverhalts sein muss, damit die Gemeinschaftsgrundrechte anwendbar sind bzw. in der Sprache des Urteils: wann die Berufung auf Freizügigkeitsrechte rein hypothetisch ist und wann nicht. Auch die Nachfolgeentscheidung in Rs. Annibaldi51 hilft kaum weiter. Zwar prüft der EuGH, ob der Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts eröffnet ist,52 eine Systematik ist aber nur schwer zu erkennen. 46

Ähnlich Jürgensen/Schlünder, AöR 121 (1996), 200 (209 f.). So statt vieler Pieroth/Schlink, Rdnr. 191. 48 So auch Jürgensen/Schlünder, AöR 121 (1996), 200 (212 f.); Chwolik-Lanfermann, S. 184 ff.; Kingreen, in: Calliess/Ruffert, Art. 6 EU Rdnr. 59. 49 Rs. C-299/95 (Kremzow), Slg. 1997, S. I-2629 ff. 50 Rdnr. 16 des Urteils. 51 Rs. C-309/96 (Annibaldi), Slg. 1997, S. I-7493 ff. 52 Rdnr. 14–25 des Urteils. 47

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

Ohne, dass es notwendig wäre, die Argumente in der Literatur für und wider einen möglichst weitreichenden Schutz der Gemeinschaftsgrundrechte53 hier im Einzelnen darzustellen, ergibt sich jedenfalls, dass die Reichweite der Gemeinschaftsgrundrechte in keinem Fall unterschätzt werden darf, sondern davon auszugehen ist, dass ihre Nichtanwendbarkeit die Ausnahme darstellt. Die Mitgliedstaaten sind somit bei ihren Handlungen, u. U. bis zu drei Grundrechtssystemen (z. B. EMRK, GG, Gemeinschaftsgrundrechte) unterworfen.54 c) Verhältnis von BVerfG, EuGH und EGMR zueinander Das Verhältnis von BVerfG, EGMR und EuGH/EuG ist hier zu behandeln, weil dadurch auch die Frage geklärt werden kann, welches Gericht letztlich über grundrechtliche Fragen im Rundfunkbereich entscheidet und damit (freiwillig oder unfreiwillig) auf das deutsche duale Rundfunksystem einwirkt. Dieses Verhältnis der Gerichte zueinander ist jedoch seit Jahren umstritten und z. Z. auch dadurch in einer Entwicklungsphase, dass sich die EU in Form der Grundrechtscharta einen Grundrechtskatalog gegeben hat, der als Bestandteil einer EU-Verfassung Primärrecht werden soll. Daher soll hier nur die derzeitige Situation im Überblick dargestellt werden. Zunächst zum Verhältnis BVerfG – EuGH/EuG: Das BVerfG hatte bereits in seiner Entscheidung „Solange II“55 festgestellt, dass, solange die EG einen wirksamen Schutz der Grundrechte gegenüber der Gemeinschaftsgewalt generell gewährleiste, der dem vom Grundgesetz als unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz im Wesentlichen gleich zu achten sei, zumal den Wesensgehalt der Grundrechte generell verbürge, Richtervorlagen nach Art. 100 GG zur Überprüfung sekundären Gemeinschaftsrechts am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes, unzulässig seien. Die Maastricht-Entscheidung56 hatte an diesem Ergebnis Zweifel geweckt, da das BVerfG in ihr von einem „Kooperationsverhältnis“ zum EuGH sprach, und annahm, „ausbrechende Rechtsakte“ (d. h. kompetenzwidrig erlassenes Sekundärrecht) könnten die Bundesrepublik nicht binden. In seinem „Bananen-Beschluss“ vom 07. 06. 200057 stellte das BVerfG jedoch klar, dass die Maastricht-Entscheidung an der Grundaussage des Solange-II-Urteils festgehalten habe und somit eine Kontrolle sekundären Gemeinschaftsrechts am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes nur in Betracht käme, wenn der EuGH den jeweils als unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz generell nicht gewährleiste. Dies lässt zwei Fragen offen, nämlich, ob 53 54 55 56 57

Hierzu Ruffert, EuGRZ 1995, 518 (523 ff.). Vgl. Ress, in: GS Ryssdal, S. 1173 ff. (1190). BVerfGE 73, 339 (378 ff.). BVerfGE 89, 155. BVerfGE 102, 147.

VII. Gemeinschaftsgrundrecht der Medienfreiheit

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die Kompetenzkontrolle gegenüber der Gemeinschaft allein vom EuGH oder auch vom BVerfG ausgeübt wird,58 und, wie „schlecht“ der Grundrechtsschutz auf europäischer Ebene sein muss, damit das BVerfG wieder zuständig wird.59 Deutlich wird jedoch, dass das BVerfG aller Wahrscheinlichkeit nach bis auf weiteres keine Grundrechtskontrolle über sekundäres Gemeinschaftsrecht ausüben wird.60 Dies gilt auch hinsichtlich der Rundfunkfreiheit. Der Bananen-Beschluss und die Solange-II-Entscheidung beziehen sich allerdings nur auf die Frage, ob das BVerfG sekundäres Gemeinschaftsrecht an den Grundrechten des Grundgesetzes überprüfen darf. Unklar ist demgegenüber, wie das Verhältnis von EuGH und BVerfG zu bestimmen ist, wenn die Mitgliedstaaten Umsetzungsmaßnahmen treffen oder Grundfreiheiten beschränken.61 In diesen Fällen gelten, wie dargelegt, i. d. R. zwar die Gemeinschaftsgrundrechte, angesichts der Bedeutung des Gemeinschaftsrechts für nahezu alle mitgliedstaatlichen Rechtsbereiche, kann jedoch ein judicial self restraint des BVerfG ähnlich der Solange-II-Rechtsprechung hier nicht in Betracht kommen. Da auch das BVerfG als deutsches Gericht der Bindung aus Art. 10 EG unterliegt,62 muss es jedoch den ihm vorgelegten Sachverhalt gemeinschaftskonform interpretieren. Alber und Widmaier haben ferner zurecht betont, dass auch das BVerfG verpflichtet sein kann, dem EuGH die Sache, soweit es um Fragen des Gemeinschafstrechts geht, nach Art. 234 EG vorzulegen.63 Das Verhältnis des BVerfG zum EGMR ist weniger umstritten: Zwischen der Bindung an die Grundrechte des Grundgesetzes und an die EMRK besteht schon deshalb ein Unterschied, weil die Bindung an die EMRK eine rein völkerrechtliche ist.64 Da es sich bei den Regelungen der EMRK zumeist65 auch nicht um allgemeine Regeln des Völkerrechts i. S. d. Art. 25 GG handelt, haben sie grundsätzlich den Rang einfacher Bundesgesetze oder stehen im Rang zu58

So auch Nickel, JZ 2001, 625 (628). Vgl. hierzu das bei Limbach (NJW 2001, 2913 (2917)) wiedergegebene Zitat von Jürgen Schwarze und Günther Hirsch wonach unabdingbare Grundrechtsstandard erst dann als vom EuGH nicht mehr gewahrt angesehen werden könnte, „wenn sich der EuGH mit seiner Rechtsprechung zu den Kompetenzgrundlagen für das Gemeinschaftshandeln und zum Grundrechtsschutz in der Gemeinschaft offensichtlich, schwerwiegend und anhaltend – also nicht nur im Einzelfall – außerhalb der Gemeinschaftsordnung“ befände. 60 So auch Ehlers, in: ders., § 13 Rdnr. 14. 61 So auch Alber/Widmaier, EuGRZ 2000, 497 (501). 62 Zur Wirkung des Art. 10 EG (= 5 EGV) auf die mitgliedstaatliche Judikative Rs. 14/83 (von Colson und Kamann), Slg. 1984, S. 1891 ff., Rdnr. 26 des Urteils; näher zu den insoweit bestehenden gemeinschaftsrechtlichen Pflichten der Rechtsprechung von Bogdandy, in: Grabitz/Hilf, Art. 10 EG Rdnr. 53 ff. 63 Vgl. Alber/Widmaier, EuGRZ 2000, 497 (501). 64 Ähnlich Limbach, NJW 2001, 2013 (2915 m. w. N.). 65 Zu Ausnahmen vgl. Ehlers, in: ders., § 2 Rdnr. 3. 59

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

mindest unter dem Grundgesetz.66 Die Grundrechte des Grundgesetzes sind also – abstrakt dogmatisch betrachtet – höherrangiges Recht als die Grundrechte der EMRK und das BVerfG ist bei seiner Grundrechtsinterpretation an die des EGMR nicht gebunden. Das heißt aber nicht, dass die EMRK und ihre Auslegung durch den EGMR für die Rechtsprechung des BVerfG bedeutungslos wären. Dies folgt schon daraus, dass der EGMR stets „das letzte Wort“ hat, da er erst nach Erschöpfung des innerstaatlichen Rechtsweges einschließlich des Rechtswegs zum BVerfG entscheiden kann.67 Ein „overruling“ des EGMR durch das BVerfG ist demgegenüber nicht möglich.68 Außerdem muss das deutsche Recht in Übereinstimmung mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik (z. B. aus der EMRK) ausgelegt werden.69 Daher ist das BVerfG zurecht bestrebt, sich in der Praxis auch an der Rechtsprechung des EGMR zu orientieren.70 Zum Verhältnis des EuGH zum EGMR ist zunächst festzustellen, dass der EuGH nicht direkt an die Entscheidungen des EGMR gebunden ist, weil die Gemeinschaft nicht Mitglied der EMRK ist.71 Andererseits hat der EGMR gerade in neuerer Zeit mehrfach betont, dass die Bindung der EU-Mitgliedstaaten an die EMRK selbst dann in vollem Umfang besteht, wenn sie im Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts handeln.72 Daraus folgt, dass der EuGH, da alle Mitgliedstaaten der Gemeinschaft an die EMRK gebunden sind, die Rechtsprechung des EGMR maßgeblich zu berücksichtigen hat, will er die Mitgliedstaaten nicht zur Verletzung ihrer völkerrechtlichen Verpflichtungen aus der EMRK zwingen. Mögliche Rechtsprechungsdivergenzen zwischen EuGH und EGMR ließen sich durch einen Beitritt der Gemeinschaft zur EMRK zwar beseitigen, ein solcher Beitritt ist wie der EuGH in seinem ablehnenden Gutachten73 festgestellt hat, auf der Basis des geltenden Gemeinschaftsrechts aber 66

Vgl. statt vieler Limbach, NJW 2001, 2913 (2915 m. w. N.). Dies betont auch Limbach (NJW 2001, 2913 (2914) und EuGRZ 2000, 417 (418)) und folgert zu Recht, dass es Kompetenzkonflikte im eigentlichen Sinne zwischen BVerfG und EGMR nicht geben könne. 68 Vgl. Nickel, JZ 2001, 625 (626). 69 Näher Ehlers, in: ders., § 2 Rdnr. 3. 70 Dies hat das BVerfG z. T. auch schon getan (vgl. Nickel, JZ 2001. 625 (626); Limbach, NJW 2001, 2913 (2915)). Limbach (EuGRZ 2000, 417 (418)) hält es sogar für „des Nachdenkens wert, ob nicht das Bundesverfassungsgericht aus prozeßökonomischen Gründen eine umfassende Prüfung sowohl am Maßstab des Grundgesetzes als auch der EMRK vornehmen sollte“. 71 Vgl. nur EGMR (Matthews), Rdnr. 32; so auch schon EKMR (Melchers), DR 64, 138 (144). 72 Vgl. EGMR (Cantoni), Rdnr. 30; EGMR (Matthews) Rdnr. 32; vgl. hierzu auch die Urteilsanmerkungen von S. Winkler (EuGRZ 1999, 181 ff. und EuGRZ 2001, 18 ff.) und Chr. Lenz (EuZW 1999, 311 ff.) sowie Ress ( in: GS Ryssdal, S. 1173 ff. (1181 ff.)). 73 Gutachten 2/94 gemäß Art. 228 EGV, Slg. 1996, S. I-1759 ff. 67

VII. Gemeinschaftsgrundrecht der Medienfreiheit

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nicht möglich74 und dürfte politisch auch nur schwer durchzusetzen sein.75 Ähnliches gilt für die Einführung eines Art. 234 EG ähnlichen Vorabentscheidungsverfahren, in dem EuGH und EuG dem EGMR Fälle vorlegen könnten, bei denen die Auslegung eines EMRK-Grundrechts entscheidungserheblich ist.76 Daher muss es im Interesse der Rechtssicherheit für den Gemeinschaftsbürger zumindest eine Zusammenarbeit der beiden Gerichte auf informeller Ebene geben. Diese Zusammenarbeit findet de facto auch bereits statt: Der EuGH berücksichtigt die Rechtsprechung des EGMR ohnehin, soweit er die EMRK als Rechtsquelle der Grundrechte heranzieht und soweit zu dem betreffenden Thema Rechtsprechung des EGMR besteht.77 Für den Zusammenhang dieser Arbeit ist insoweit besonders auf das Urteil des EuGH in Rs. Familiapress hinzuweisen, in dem er ausdrücklich die Entscheidung des EGMR in Sachen „Informationsverein Lentia“ rezipiert.78 Ferner kam die mittlerweile aufgelöste Europäische Kommission für Menschenrecht (EKMR)79 in der Sache Melchers zum Ergebnis, dass die Mitgliedstaaten zwar trotz der Übertragung von Hoheitsrechten auf die EG sich ihrer Verantwortung nach der EMRK nicht entziehen könnten. Die Grundrechtsprüfung anhand der EMRK stehe aber so lange zurück, wie der EuGH adäquaten Grundrechtsschutz in der betreffenden Angelegenheit gewährleiste. Beschwerden, die sich auf Handlungen der EG bezögen seien daher grundsätzlich ratione materiae unzulässig.80 Damit hat die EKMR nicht etwa die Verantwortung der Mitgliedstaaten für Handlungen der EG verneint,81 sondern lediglich judicial self restraint zugunsten des EuGH geübt. Das 74 Alber/Widmaier (EuGRZ 2000, 497 (506)) weisen außerdem zurecht darauf hin, dass vor einem solchen Beitritt auch die EMRK geändert werden müßte, da derzeit nur Staaten Mitglied werden können. 75 Vgl. zu den Argumenten für und gegen einen Beitritt Alber/Widmaier, EuGRZ 2000, 497 (505 ff. m. w. N.). 76 Hierzu Ress, in: GS Ryssdal, S. 1173 ff. (1184). Alber/Widmaier (EuGRZ 2000, 497 (508)) halten die Einführung eines solchen Verfahrens gemessen an der „Vertragsletztauslegungsbefugnis“ des EuGH i. S. d. Art. 220 EG für problematisch; ebenfalls kritisch Puissochet (GS Ryssdal, S. 1139 ff. (1151)), der insoweit dieselben Kompetenzprobleme wie bei einem Beitritt zur EMRK für gegeben hält, und stattdessen langfristig eine Fusion (!) von EGMR und EuGH befürwortet. 77 Alber/Widmaier (EuGRZ 2000, 497 (504)) weisen zurecht darauf hin, dass alle Urteile in denen der EuGH anders entschieden hat als der EGMR zeitlich vor dem jeweiligen EGMR-Urteil ergingen. 78 Darauf weist Kühling (EuGRZ 1997, 296 (297 f.)) zurecht hin. 79 Zu ihr statt vieler Grabenwarter, S. 53 f. 80 Vgl. EKMR (Melchers), DR 64, 138 (145 f.); die Betonung der mitgliedstaatlichen Verantwortlichkeit nach der EMRK durch die EKMR trotz Übertragung von Hoheitsrechten auf die EG übergeht Chr. Lenz in seiner Anmerkung zum MatthewsUrteil des EGMR (EuZW 1999, 311 (312)). 81 So aber Chr. Lenz, EuZW 1999, 311. Die EKMR formuliert (DR 64, S. 146): „The Commission has also taken into consideration that it would be contrary to the very idea of transferring powers to an international organisation to hold the member States responsible for examining, in each individual case before issuing a writ of exe-

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

Urteil im Fall Matthews, in dem der EGMR erstmals eine Verletzung der EMRK durch Gemeinschaftsrecht bejahte, bestätigt diese Entscheidung letztlich:82 Der EGMR führt hier zwar, obwohl es um eine Maßnahme im Rahmen des Gemeinschaftsrechts geht, eine eigene Grundrechtsprüfung durch. Bei der betreffenden Maßnahme handelte es sich jedoch um einen völkerrechtlichen Vertrag zwischen den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft, der als solcher vom EuGH nicht überprüfbar war.83 Der Regelfall, in dem der EGMR entsprechend der Melchers-Entscheidung die Grundrechtsprüfung dem EuGH überlassen kann, lag also gerade nicht vor. Letztlich ist das Verhältnis EGMR – EuGH daher ähnlich wie das zwischen BVerfG und EuGH nach dem Solange II-Urteil zu bestimmen. 2. Das Gemeinschaftsgrundrecht der Medienfreiheit Im Folgenden soll der Inhalt des Gemeinschaftsgrundrechts der Medienfreiheit anhand der Vorgaben des Art. 10 EMRK und der mitgliedstaatlichen Verfassungsüberlieferungen ermittelt werden. Dazu ist zunächst eine terminologische Klärung notwendig: In der Literatur wird (z. T. sogar bezogen auf Art. 10 EMRK) nach einem „Grundrecht der Rundfunkfreiheit“ gefragt.84 Ob ein solches „Spezialgrundrecht“ in Art. 10 EMRK oder auf Gemeinschaftsebene existiert, ist jedoch fraglich. Art. 10 Abs. 1 S. 3 EMRK erwähnt zwar Hörfunk und Fernsehen, billigt diesen jedoch – jedenfalls seinem Wortlaut nach – im Gegensatz etwa zu Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG keine spezifischen Freiheiten zu, die von der allgemeinen Kommunikationsfreiheit des Art. 10 Abs. 1 S. 1 EMRK unterscheidbar wären. Nur ca. die Hälfte der Mitgliedstaaten nennt ferner, wie noch zu zeigen sein wird, den Rundfunk ausdrücklich in ihrer Verfassung. Schließlich spricht Art. 11 Abs. 2 der Grundrechtscharta, der, wie dargelegt, zumindest als „gemeinschaftsspezifische“ Interpretation des Art. 10 EMRK betrachtet werden kann, von der „Freiheit der Medien“. Im Folgenden wird daher das „Gemeinschaftsgrundrecht der Medienfreiheit“ untersucht.

cution for a judgement of the European Court of Justice, whether Article 6 of the Convention was respected in the underlying proceedings“. Diese Formulierung bezieht sich nicht auf die EMRK insgesamt und besagt nur, dass die Mitgliedstaaten EuGHUrteile nicht in jedem Fall an Art. 6 EMRK prüfen müssen. Damit schließt die EKMR Ausnahmen von diesem Grundsatz nicht aus. Schon deswegen ist der Schluss, die Kommission verneine die Verantwortung der EMRK-Mitglieder für EG-Rechtsakte generell, nicht gerechtfertigt. 82 A. A. Ehlers, in: ders., § 2 Rdnr. 23 f. 83 Vgl. EGMR (Matthews), Rdnr. 33; hierzu Lenaerts/de Smijter, CMLR 2001, 273 (291); Winkler, EuGRZ 2001, 18 (23). 84 Vgl. nur den Titel der Arbeit von Astheimer; vgl. auch Grabenwarter, S. 273; Roider, S. 155; vgl. demgegenüber Kühling (S. 143 ff.), der von „Kommunikationsfreiheit“, und Holoubek (AfP 2003, 193 ff.), der von „Medienfreiheit“ spricht.

VII. Gemeinschaftsgrundrecht der Medienfreiheit

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a) Art. 10 EMRK und seine Auslegung durch den EGMR aa) Schutzbereich (1) Äußerungs- und Informationsfreiheit Art. 10 EMRK schützt die Meinungsäußerungsfreiheit85 und, wie Art. 10 Abs. 1 S. 2 EMRK klarstellt, auch die Informationsfreiheit.86 Eine Beschränkung auf bestimmte Inhalte, Äußerungsformen oder Kommunikationsmittel besteht abgesehen von Art. 10 Abs. 1 S. 3 EMRK, der nur für den Rundfunk gilt,87 grundsätzlich nicht.88 Ebensowenig von Bedeutung ist nach Ansicht des EGMR prinzipiell aus welchem Grund oder zu welchem Zweck die Freiheit des Art. 10 EMRK ausgeübt wird.89 Umstritten war einige Zeit, ob auch kommerzielle Werbung vom Schutzbereich des Art. 10 EMRK erfasst ist. Dies bejahte der EGMR zunächst für den Fall, dass Werbung mit Meinungsäußerung und Information gemischt auftritt.90 Im Urteil „Markt intern“91 stellte der Gerichtshof außerdem fest, Art. 10 EMRK erfasse auch „information of a commercial nature“. Man wird aber zumindest auf der Schrankenebene den primären Zweck der Meinungsfreiheit berücksichtigen müssen, der darin liegt, freie Meinungsbildung und -äußerung im politischen Bereich zu ermöglichen, um die Demokratie zu schützen und zu fördern.92 Daher können Werbemitteilungen stärker eingeschränkt werden als sonstige Äußerungen.93 Streitig ist ferner, ob auch die aktive Suche nach Informationen oder nur die passive Informationsaufnahme geschützt ist:94 Dass die passive Informations-

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Vgl. statt vieler Frowein/Peukert, Art. 10 Rdnr. 5. Ob die Freiheit der Meinungsbildung von Art. 10 EMRK oder von Art. 9 EMRK erfasst wird, ist umstritten (vgl. Probst, S. 22 m. w. N.; Uwer, S. 80 f. m. w. N.). 87 Zu weitgehend daher Engel (EMRK, S. 39 f.), der annimmt, Art. 10 EMRK unterscheide nicht zwischen den verschiedenen Kommunikationsmitteln oder Individualund Massenkommunikation. 88 Vgl. z. B. Frowein/Peukert, Art. 10 Rdnr. 5; Harris/O’Boyle/Warbrick, S. 378 f.; Marauhn, in: Ehlers, § 4 Rdnr. 4 ff. 89 Vgl. EGMR (Autronic), Rdnr. 47 (= EuGRZ 1990, 262). 90 Vgl. EGMR (Barthold), EuGRZ 1985, 170 (172 f.). 91 EGMR (Markt intern Verlag ./. Bundesrepublik) Rdnr. 26; bestätigt in EGMR (Casado Coca), Rdnr. 35. 92 Vgl. Probst, S. 23. 93 So auch: Frowein/Peukert, Art. 10 Rdnr. 9 m. w. N.; Marauhn, in: Ehlers, § 4 Rdnr. 46; ähnlich Harris/O’Boyle/Warbrick, S. 378; so wohl auch der EGMR (vgl. EGMR (Hertel), Rdnr. 48–50) und GA Fennelly, verb. Schlussanträge zu Rs. C-376/98 u. C-74/99, Slg. 2000, S. 8419, Rdnr. 158 f. 94 Vgl. Frowein/Peukert, Art. 10 Rdnr. 11; Probst, S. 24 m. w. N. 86

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

aufnahme bzw. Empfangsfreiheit und damit auch die Freiheit des Rundfunkempfangs unter Art. 10 Abs. 1 EMRK fällt, hat der EGMR bereits in der Entscheidung Autronic festgestellt.95 In der Entscheidung Groppera hat er den Schutz durch die aus Art. 10 Abs. 1 EMRK folgende Informationsfreiheit auch speziell für den Empfang von Rundfunksendungen via Kabel anerkannt.96 Vom Schutz durch die Informationsfreiheit sei außerdem die Verwendung der technischen Empfangsmitttel (z. B. Parabolantennen) erfasst.97 Aus den zuletzt genannten Entscheidungen folgt, dass die Entscheidungen der Landesmedienanstalten über die Kabelbelegung Eingriffe in das Grundrecht aus Art. 10 Abs. 1 EMRK sind. Diese Eingriffe können allerdings nach Art. 10 Abs. 2 und/oder Abs. 1 S. 3 EMRK gerechtfertigt sein [dazu sogleich B. VII. 2. a) cc)], wenn sie in verhältnismäßiger Weise dem Schutz des Medien- und Meinungspluralismus dienen.98 Bei der aktiven Suche nach Informationen, ist zu trennen zwischen der Frage, ob gegenüber staatlichen Stellen ein Informationsanspruch besteht, und derjenigen, ob die Recherchearbeit der Medien geschützt ist. Die letztere Frage wird sich kaum verneinen lassen, da ohne Schutz der Recherchearbeit die von Art. 10 Abs. 1 EMRK unzweifelhaft umfasste Berichterstattungsfreiheit nicht sinnvoll ausgeübt werden kann.99 Die Frage, ob ein genereller Informationsanspruch gegenüber staatlichen Stellen aus Art. 10 Abs. 1 S. 2 EMRK folgt, hat der EGMR demgegenüber verneint.100 Aus dem Wortlaut des Art. 10 Abs. 1 S. 2 EMRK („ohne behördliche Eingriffe“) wurde in der Literatur außerdem, obwohl die EMRK dies nicht ausdrücklich erwähnt, ein umfassendes Verbot staatlicher Vorzensur abgeleitet.101 Ob der EGMR diese Sicht teilt, ist unklar. Er hat jedenfalls festgestellt, dass präventive Eingriffe besonders streng zu prüfen sind.102 Generell hat der EGMR ähnlich dem BVerfG im Lüth-Urteil die fundamentale Bedeutung der Meinungsfreiheit für eine demokratische Gesellschaft be-

95

EGMR (Autronic), EuGRZ 1990, 261 ff. Vgl. EGMR (Groppera), EuGRZ 1990, 255 (256). 97 Vgl. EGMR (Groppera), EuGRZ 1990, 255 (261); hierzu: Dörr, Spartenprogramme, S. 31 ff. 98 Näher hierzu Dörr, Spartenprogramme, S. 36 ff. 99 So auch: Probst, S. 24 f.; Marauhn, in: Ehlers, § 4 Rdnr. 12. 100 Vgl. EGMR (Leander ./. Sweden), Rdnr. 74. 101 Vgl. Astheimer, S. 52; Engel, EMRK, S. 195 ff. m. w. N.; so i. E. auch Kühling, S. 181. Uwer (S. 100 f.) will demgegenüber die Zulässigkeit einer Vorzensur allein an Art. 10 Abs. 2 EMRK messen, und kommt zum Ergebnis, dass diese „in einer demokratischen Gesellschaft“ nicht notwendig sei (ähnlich Engel, EMRK, S. 197; Marauhn, in: Ehlers, § 4 Rdnr. 13). 102 So i. E. EGMR (Wingrove) Rdnr. 58; vgl. auch: Grabenwarter, S. 286; Holoubek, AfP 2003, 193 (198). 96

VII. Gemeinschaftsgrundrecht der Medienfreiheit

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tont.103 Den Massenmedien hat er als „purveyor of information and public watchdog“ insoweit eine besonders geschützte Sonderstellung eingeräumt.104 (2) Medienfreiheit Eine eigenständige Medienfreiheit für Presse und/oder Rundfunk ist dem Wortlaut des Art. 10 Abs. 1 EMRK nicht unmittelbar zu entnehmen. Dies ist die Konsequenz daraus, dass Art. 10 EMRK im Gegensatz etwa zu Art. 5 GG als einheitliches Kommunikationsgrundrecht konzipiert ist.105 Dass aber auch Äußerungen im Rundfunk vom Schutzbereich des Grundrechts erfasst sind, folgt aus Art. 10 Abs. 1 S. 3 EMRK, der Rundfunkunternehmen anspricht.106 Da außerdem Art. 10 EMRK nicht danach unterscheidet, welchen Inhalt Äußerungen haben, ergibt sich für den Rundfunk mittelbar aus Art. 10 Abs. 1 EMRK eine grundsätzlich umfassende Programmfreiheit, die von der Recherchearbeit bis zur Ausstrahlung der Sendung reicht und in technischer Hinsicht Sendeund Empfangsfreiheit beinhaltet.107 (a) Art. 10 Abs. 1 EMRK als dienende Freiheit? Frowein/Peukert untersuchen, ob eine gezielt einseitige Berichterstattung und Beeinflussung im staatlichen Rundfunk und Fernsehen einen Verstoß gegen die Freiheit der Meinungsbildung darstellen könnte.108 Man kann diese Frage, wie Probst zutreffend feststellt, in der dualen Rundfunkordnung ebenso für die Berichterstattung im privaten Rundfunk stellen.109 Sie betrifft aber nicht nur das Problem der Drittwirkung des Art. 10 EMRK.110 Vielmehr stellt sich wie im deutschen Verfassungsrecht das Problem, ob die Meinungsfreiheit den Staat nicht nur daran hindert, unliebsame Äußerungen ohne verfassungsmäßige Rechtfertigung zu verbieten, sondern ihn auch verpflichtet, dafür zu sorgen, 103

Vgl. schon EGMR (Handyside), EuGRZ 1977, 38 (42). Vgl. Uwer, S. 136 m. w. N.; Kühling, S. 180. 105 Vgl. Kühling, S. 143 ff.; Engel, EMRK, S. 114. 106 Allg. M.; vgl. EGMR (Groppera), EuGRZ 1990, S. 256, Rdnr. 55; EGMR (Informationsverein Lentia), EuGRZ 1994, S. 549 Rdnr. 27; Frowein/Peukert, Art. 10 EMRK Rdnr. 18; Harris/O’Boyle/Warbrick, S. 278; Probst, S. 40 m. w. N.; Petersen, S. 253 f. m. w. N. 107 Vgl. schon EGMR (Autronic) Rdnr. 47 (EuGRZ 1990, 262), wo der EGMR annimmt, jede Beschränkung der Übertragungs- und Empfangsmittel greife notwendig in das von Art. 10 Abs. 1 EMRK gewährleistete Recht zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten ein. 108 Vgl. Frowein/Peukert, Art. 10 Rdnr. 4. 109 So Probst, S. 27. 110 So aber: Probst, S. 27; Marauhn, in: Ehlers, § 4 Rdnr. 26; zur Drittwirkung bezogen auf die EMRK allgemein: van Dijk/van Hoof, S. 22 ff. 104

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

dass eine einseitige Berichterstattung im Interesse der freien öffentlichen und individuellen Meinungsbildung unterbleibt. Es geht also um die objektiv-rechtliche Seite des Art. 10 EMRK111 und letztlich darum, ob diese sogar so weit reicht, dass Art. 10 EMRK als dienende Freiheit zu sehen ist:112 Der EGMR hat vorrangig die individualrechtliche Seite des Art. 10 EMRK betont, und staatliche Regelungen zum Schutz des Medienpluralismus nicht als Ausgestaltung der Kommunikationsfreiheit, sondern als ihre Einschränkung interpretiert. Insbesondere hat er es mehrfach abgelehnt, Art. 10 Abs. 1 S. 3 EMRK als Rechtsgrundlage von mitgliedstaatlichen Regelungen zur Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit anzusehen.113 Ansatzpunkt einer Interpretation der aus Art. 10 EMRK folgenden Medienfreiheit als dienende Freiheit könnte der erste Halbsatz des Art. 10 Abs. 2 S. 1 sein. Dort heißt es, die Ausübung der durch Abs. 1 verbürgten Freiheiten sei mit Pflichten und Verantwortung verbunden.114 Zumeist wird in dieser Formulierung aber keine zusätzliche Schranke, sondern nur eine Begründung für die im zweiten Halbsatz des Art. 10 Abs. 2 S. 1 vorgesehene Beschränkungsmöglichkeit erblickt.115 Diese Auslegung wird durch den verbindlichen englischen Wortlaut der Vorschrift („The exercise of these freedoms, since it carries with it duties and responsibilities, . . .“, Hervorhebung v. Verf.) bestätigt.116 Der EGMR hat daher auf Art. 10 Abs. 2 S. 1 EMRK zumeist nur erläuternd bei der Prüfung, ob eine Einschränkung i. S. d. Art. 10 Abs. 2 EMRK in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist, Bezug genommen.117 Ein weiterer Ansatzpunkt für eine Interpretation der Medienfreiheit i. S. d. Art. 10 Abs. 1 EMRK als dienende Freiheit ist eine Feststellung des EGMR in den Urteilen Autronic und Informationsverein Lentia, nach der die Einhaltung des den Mitgliedstaaten im Rahmen des Art. 10 Abs. 2 EMRK obliegenden Beurteilungsspielraums je nach den Umständen des Einzelfalls, bei Eingriffen in die Rechte aus Art. 10 Abs. 1 EMRK aber streng kontrolliert wird.118 Daraus 111 So zurecht Frowein/Peukert, Art. 10 Rdnr. 4. Damit geht es mittelbar um die objektiv-rechtliche Seite des Gemeinschaftsgrundrechts der Medienfreiheit; zur objektiv-rechtlichen Seite der Gemeinschaftsgrundrechte und der EMRK-Grundrechte allgemein vgl. Gersdorf, AöR 119 (1994), 400, 402 ff. 112 Anklänge hierzu sieht Dörr (Europa, S. 52 ff.) in der Rechtsprechung zu Art. 10 EMRK; a. A. Gersdorf, AöR 119 (1994), 400, 415 ff. 113 Vgl. EGMR (Groppera), Rdnr. 61; EGMR (Autronic), Rdnr. 52; EGMR (Informationsverein Lentia), Rdnr. 29; a. A. Petersen, S. 294 ff. 114 Kühling (S. 165) weist zurecht darauf hin, dass diese Formulierung Art. 10 Abs. 2 EMRK von den ansonsten ähnlich formulierten Schranken der Art. 8, 9 und 11 EMRK abhebt. 115 So ausdrücklich Engel, EMRK, S. 450. 116 So auch Kühling, S. 165 f. m. w. N. 117 Vgl. Engel, EMRK, S. 61 f. m. w. N.

VII. Gemeinschaftsgrundrecht der Medienfreiheit

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könnte man schließen, dass es auch staatliche Regelungen geben muss, die noch keine Eingriffe in Art. 10 EMRK darstellen und daher weniger streng kontrolliert werden. Solche Regelungen unterhalb der Eingriffsschwelle könnten Ausgestaltungsregelungen ähnlich der Rechtsprechung des BVerfG zu Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG sein. Gegen diese Auslegung spricht jedoch, dass der EGMR in der Entscheidung „Informationsverein Lentia“ das in Österreich bestehende Rundfunkmonopol als einen Eingriff in die Rechte aus Art. 10 Abs. 1 EMRK angesehen hat. Die Errichtung eines öffentlich-rechtlichen Rundfunkmonopols wäre nach der Rechtsprechung des BVerfG aber eine Ausgestaltungsregelung, kein Eingriff. Wenn der EGMR an der betreffenden Stelle der Entscheidungen Autronic und Informationsverein Lentia angenommen haben sollte, dass es auch staatliche Regelungen gibt, die einer geringeren Kontrolle unterliegen, kann diesen Urteilsformulierungen daher wohl nicht entnommen werden, dass er die Medienfreiheit als dienende Freiheit betrachtet. In der Literatur wurde in Abweichung zur Rechtsprechung des EGMR, die auch Genehmigungssysteme i. S. d. Art. 10 Abs. 1 S. 3 EMRK an den Voraussetzungen des Art. 10 Abs. 2 EMRK misst,119 z. T. Art. 10 Abs. 1 S. 3 EMRK als Möglichkeit angesehen, die Rundfunkfreiheit ohne eine Bindung an die Schranken des Art. 10 Abs. 2 auszugestalten.120 Dieser Ansicht steht die Konzeption des Art. 10 Abs. 1 EMRK als einheitliches Grundrecht zwar nicht entgegen,121 denn auch das BVerfG hat das Konzept der dienenden Freiheit nicht spezifisch auf die Rundfunkfreiheit, sondern auf alle Freiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG bezogen. Ebensowenig lässt sich annehmen, dass das „primär individualrechtliche Grundverständnis der EMRK“ eine Interpretation der aus Art. 10 EMRK folgenden Medienfreiheit als dienende Freiheit von vornherein verbietet,122 denn der Nachweis für ein solches Grundverständnis lässt sich wohl nur aus der Tatsache ziehen, dass EGMR und EKMR bisher nur wenig Gelegenheit hatten, sich zu objektiven Gehalten der EMRK-Grundrechte zu äußern. Dies heißt aber noch nicht, dass solche objektiven Grundrechtsgehalte in der EMRK nicht vorhanden wären. Außerdem hat der EGMR gerade im Bezug auf Art. 10 EMRK objektive Grundrechtsgehalte durchaus anerkannt,123 allerdings bisher ohne aus ihnen konkrete Handlungspflichten der Staaten oder gar Einschränkungsmöglichkeiten im Sinne einer „dienenden“ Freiheit herzuleiten. Dennoch ist der Meinung, die eine Interpretation der aus Art. 10 EMRK folgenden Medienfreiheit als dienende Freiheit ablehnt, letztlich zuzustimmen, denn eine sol118

Vgl. EGMR (Informationsverein Lentia), Rdnr. 35; EGMR (Autronic), Rdnr. 61. Näher dazu sogleich B. VII. 2. a) cc). 120 Vgl. insbesondere Petersen, S. 272 m. N. in FN 481 und S. 282 ff. 121 So aber Kühling, S. 152. 122 So aber Kühling, S. 152. 123 Vgl. EGMR (Handyside), Rdnr. 49 und bezogen auf den Pluralismus in den Medien: EGMR (Informationsverein Lentia), Rdnr. 38. 119

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

che Grundrechtsinterpretation lässt sich auf der Ebene der EMRK nicht hinreichend eindeutig nachweisen.124 Da aber die Interpretation eines Grundrechts als dienende Freiheit selbst im deutschen Verfassungsrecht einen Sonderfall darstellt, müßte für die Anwendung auch auf europäischer Ebene ein klarer Nachweis erbracht sein. Die aus Art. 10 EMRK folgende Medienfreiheit kann daher jedenfalls derzeit125 nicht als dienende Freiheit entsprechend der Rechtsprechung des BVerfG interpretiert werden. (b) Medienfreiheit i. S. d. Art. 10 Abs. 1 EMRK als Veranstalterfreiheit? Mit dem soeben gefundenen Ergebnis scheint die Frage, ob Art. 10 Abs. 1 EMRK eine Rundfunkveranstalterfreiheit enthält, schon positiv beantwortet. Klar ist jedoch nur, dass der EGMR Art. 10 Abs. 1 EMRK subjektive Rechte für Rundfunkveranstalter entnimmt, deren Einschränkung nach Art. 10 Abs. 1 S. 3 i.V. m. Abs. 2 EMRK oder Nach Art. 10 Abs. 2 EMRK (direkt) gerechtfertigt werden kann.126 Ob Art. 10 Abs. 1 EMRK eine Veranstalterfreiheit enthält, die über die Äußerungs- und Empfangsfreiheit, welche auch die Programmfreiheit der Rundfunkveranstalter umfasst, noch hinausgeht, lässt sich den Urteilen des EGMR nicht so eindeutig entnehmen wie es teilweise dargestellt wird: In der Autronic-Entscheidung hat der EGMR lediglich festgestellt, dass sich Art. 10 Abs. 1 EMRK nicht nur auf den Informationsinhalt, sondern auch auf die Übertragungs- und Empfangsmittel bezieht, da alle diesbezüglichen Beschränkungen notwendig in das Recht zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten eingreifen.127 Er hat hier also eine mittelbare Beschränkung der Äußerungs- und Empfangsfreiheit angenommen, nicht aber konstatiert, dass eine über diese Freiheiten hinausgehende Veranstalterfreiheit existiert. Ähnlich ging der EGMR in der Groppera-Entscheidung vor: Er stellte fest, Rundfunk sei in der EMRK gerade im Zusammenhang mit der Meinungsäußerungsfreiheit erwähnt. Das von Art. 10 Abs. 1 EMRK garantierte Recht umfasse daher sowohl die Sendung von Rundfunkprogrammen über den Äther als auch die Weiterübertragung solcher Programme durch Kabel, ohne dass eine Notwendigkeit bestünde, irgendwelche Unterscheidungen nach dem Programminhalt zu treffen.128

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So i. E. auch Frey, S. 57. Für eine Interpretation der „EU-Medienfreiheit“ ähnlich der Interpretation des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG durch das BVerfG Stock, K & R, 2001, 289 (292); so i. E. für Art. 10 EMRK auch Petersen, S. 294 ff. m. w. N. 126 Engel (EMRK, S. 38 f.), Probst (S. 41) und Kühling (S. 152) meinen offenbar, dass dies zur Annahme einer Rundfunkveranstalterfreiheit aus Art. 10 EMRK ausreicht; ähnlich: Stock, K & R 2001, 289 (293 f.). 127 EGMR (Autronic) Rdnr. 47. 128 Vgl. EGMR (Groppera) Rdnr. 55. 125

VII. Gemeinschaftsgrundrecht der Medienfreiheit

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Auch hier geht es dem EGMR also erkennbar nur darum, die Äußerungs- und Empfangsfreiheit vor mittelbaren Beeinträchtigungen zu schützen. In der Entscheidung „Informationsverein Lentia“ hat der Gerichtshof zunächst geurteilt, dass das österreichische Rundfunkmonopol einen Eingriff in das aus Art. 10 Abs. 1 EMRK folgende Recht zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten gegenüber demjenigen darstelle, der in Österreich einen privaten Radiosender betreiben wolle.129 An anderer Stelle der Entscheidung wird dies dahingehend erläutert, dass der Staat den Medienpluralismus zwar garantieren müsse, damit die Medien ihre Aufgabe in der Gesellschaft erfüllen könnten. Ein öffentliches Rundfunkmonopol sei von allen Mitteln, die „die Einhaltung dieser Wertentscheidungen sicherstellen können“130 (gemeint ist wohl die Aufrechterhaltung des Pluralismus) jedoch dasjenige, das die Meinungsäußerungsfreiheit am meisten beschränke.131 Letztlich stellt der EGMR also auch hier auf den mittelbaren Schutz der Meinungsäußerungs- und Empfangsfreiheit ab. Insgesamt lassen die Urteile sowohl den Schluss zu, dass der EGMR eine Rundfunkveranstalterfreiheit anerkennt als auch den, dass er lediglich die Äußerungs- und Empfangsfreiheit umfassend vor mittelbaren Eingriffen schützen will. Somit stellt sich die Situation auf der Ebene der EMRK ähnlich dar wie auf der des Grundgesetzes: Rundfunk genießt Schutz seiner Programmfreiheit bereits vor mittelbaren Eingriffen. Ob darüber hinaus ein (wirtschaftliches) Recht besteht, Veranstalter zu werden, ist auch Art. 10 Abs. 1 EMRK nicht eindeutig zu entnehmen. bb) Träger des Grundrechts auch öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten? Unumstritten Träger des Grundrechts aus Art. 10 EMRK sind Privatpersonen und Privatunternehmen, also auch private Rundfunkveranstalter. Bisher noch nicht entschieden ist die Frage, ob auch öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten Träger des Grundrechts sein können. Prinzipiell muss, selbst wenn dies vom EGMR noch nicht explizit festgestellt wurde, auch auf europäischer Ebene der allgemeine grundrechtsdogmatische Grundsatz gelten, dass der Staat, weil er Verpflichteter der Grundrechte ist, nicht zugleich grundrechtsberechtigt sein kann.132 Dies folgt mittelbar aus Art. 34 EMRK, der eine Befugnis zur Individualbeschwerde nur Privatpersonen, nichtstaatlichen133 Organisationen und Personengruppen zuerkennt.134 Die 129

Vgl. EGMR (Informationsverein Lentia) Rdnr. 27. Vgl. EGMR (Informationsverein Lentia) Rdnr. 39 deutsche Übersetzung (EuGRZ 1994, 550); im verbindlichen englischen Wortlaut: „. . . ensuring that these values are respected . . .“. 131 Vgl. EGMR (Informationsverein Lentia) Rdnr. 38 und 39. 132 So auch Dörr, Europa, S. 55 f. 130

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

EKMR hat insoweit schon 1974 zu Art. 25 EMRK a. F.135 entschieden, dass Gemeinden keine „nichtstaatliche Organisationen“ in diesem Sinne sind.136 Wörtlich heißt es: „The Commission . . . finds that local government organisations such as communes, which exercise public functions on behalf of the State are clearly „governmental organisations“ as opposed to „non governmental organisations“ mentioned in Article 25“. In einer Entscheidung von 1991137 hat die EKMR diese Auslegung des Art. 25 EMRK a. F. bestätigt und ergänzend ausgeführt: „. . . in international law the expression „governmental organisation“ cannot be held to refer only to the Government or the central organs of the State. Where powers are distributed along decentralised lines, it refers to any national authority which exercises public functions“. Außerdem hat die EKMR in beiden Entscheidungen festgestellt, dass derartige staatliche Unterorganisationen auch nicht als „Privatpersonen“ oder „Personengruppen“ angesehen werden können, da dies der Systematik des Art. 25 EMRK a. F. widerspräche.138 Die EKMR hebt in beiden Entscheidungen also darauf ab, dass Organisationen staatliche Funktionen ausüben d. i. hoheitlich oder zumindest anstelle des Staates handeln,139 nicht aber darauf, dass es sich um private Organisationen im eigentlichen Sinne handeln muss.140 Der EGMR hat sich mit der dargestellten Problematik bisher nur im Fall „The Holy Monasteries vs Greece“ befasst, in dem es um die Frage ging, ob orthodoxe Klöster als „non-governmental organisations“ anzusehen sind. Der Gerichtshof konstatierte in Rdnr. 49 der Entscheidung, die Klöster würden keine Hoheitsgewalt (wörtl.: „governmental powers“) ausüben. Sie sollten geistlichen, sozialen und kulturellen Zwecken dienen, und seien nicht etwa gegründet worden, um wie staatliche Einheiten Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen. Daraus, dass die Klöster gesetzlich als juristische Personen des öffentlichen Rechts ausgestaltet seien, folge lediglich, dass der Gesetzgeber ih133 In den nach der Postambel zur EMRK allein verbindlichen englischen und französischen Fassungen ist von „non-governmental organisations“ bzw. „organisation non gouvernemental“ die Rede. 134 Ähnlich schon Art. 25 Abs. 1 EMRK für die Individualbeschwerde zur EKMR. 135 Dieser betraf die Individualbeschwerde zur mittlerweile abgeschafften EKMR und nannte wörtlich denselben Kreis von Beschwerdeberechtigten wie Art. 34 EMRK n. F. 136 Joined Application No. 5767/72, 5922/72, 5929/72–5931/72, 5953/72–5957/72, 5984/73–5988/73, 6011/73, Yearbook of the European Convention on Human Rights 1974, S. 338 ff. (352). 137 Application No. 15090/89, DR 68, April 1991, S. 209 ff. 138 (FN 136), S. 352; (FN 137), S. 215. 139 Ähnlich Abraham (in: Pettiti/Decaux/Imbert, S. 585), der das Problem der Grundrechtsberechtigung juristischer Personen des öffentlichen Rechts parallel zur Frage lösen will, ob das Handeln einer Person einem Staat als sein eigenes Handeln zuzurechnen ist. 140 So aber van Dijk/van Hoof, S. 46.

VII. Gemeinschaftsgrundrecht der Medienfreiheit

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nen gegenüber Dritten eine ähnlich sichere Rechtsstellung wie anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts verschaffen wollte. Außerdem würden die Klöster nicht der Aufsicht des Staates unterstehen und seien von diesem vollständig unabhängig. Aus der letzteren Entscheidung folgt, dass „nicht-staatliche“ Organisationen auch Organisationen sein können, die zwar eine öffentlich-rechtliche Rechtsform haben, aber wie die deutschen Rundfunkanstalten von Verfassungswegen staatsfrei sein sollen, und daher i. d. R. auch nicht anstelle des Staates handeln.141 Mit der Situation der Gemeinden ist diejenige der Rundfunkanstalten nicht vergleichbar, denn die Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft könnten theoretisch auch durch den Gesamtstaat erfüllt werden, unabhängige Meinungsbildung durch den Staat im Wege der Hoheitsverwaltung ist demgegenüber undenkbar. Auch die deutschen Rundfunkanstalten sind daher aus Art. 10 EMRK grundrechtsberechtigt.142 cc) Schranken (1) Art. 10 Abs. 1 S. 3 EMRK als eigenständige Schranke? Ob Art. 10 Abs. 1 S. 3 EMRK, wonach die Staaten nicht gehindert sind, für Hörfunk, Fernseh- und Kinounternehmen eine Genehmigung vorzuschreiben, gegenüber dem allgemeinen Schrankenvorbehalt des Art. 10 Abs. 2 EMRK eine eigenständige Schranke darstellt, oder ob auch ein derartiges Genehmigungsverfahren den Voraussetzungen des Art. 10 Abs. 2 EMRK zu genügen hat, ist nach wie vor umstritten. Der EGMR hat sich mehrfach zur letzteren Sichtweise bekannt. So hat er in der Entscheidung „Informationsverein Lentia“143 im Anschluss an die Entscheidungen „Groppera“144 und „Autronic“145 festgestellt, dass „Ziel und Zweck des dritten Satzes von Art. 10 Abs. 1 sowie sein Anwendungsbereich im Gesamtzusammenhang des Art. 10 zu sehen [seien], insbesondere in Bezug auf die Anforderungen des Abs. 2, dem auch Genehmigungsverfahren unterworfen [blieben]“. Zweck des Art. 10 Abs. 1 S. 3 EMRK sei es, klarzustellen, dass die 141 Aus BVerfGE 31, 314 (329), wo das BVerfG festgestellt hat, dass die Rundfunkanstalten eine Aufgabe der öffentlichen Verwaltung erfüllen, folgt nichts anderes. Denn diese Feststellung wird nur in Abgrenzung zu Privatpersonen bezogen auf steuerrechtliche Fragen getroffen. 142 So i. E. auch Ehlers, in: ders., § 2 Rdnr. 17; Gornig, S. 284; Grabenwarter, S. 69, 273; Kühling, S. 159, 377 f.; Uwer, S. 107 f.; Probst, S. 17; a. A.: Oppermann, Europarecht, Rdnr. 85; Villiger, Rdnr. 101. 143 Vgl. EuGRZ 1994, S. 549 ff. 144 Vgl. EuGRZ 1990, 257 ff. 145 Vgl. EuGRZ 1990, 262 ff.

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

Staaten die Organisation des Rundfunks auf ihrem Gebiet durch ein Genehmigungsverfahren regeln dürfen.146 Einen eigenständigen Gehalt billigt der Gerichtshof Art. 10 Abs. 1 S. 3 EMRK nur insoweit zu, als hiernach die Rechte aus Abs. 1 auch zur Verwirklichung anderer als der in Abs. 2 ausdrücklich genannten Ziele beschränkt werden dürften, sofern die weiteren Voraussetzungen des Art. 10 Abs. 2 EMRK erfüllt seien. Im Rahmen des Art. 10 Abs. 1 S. 3 EMRK dürfe die Genehmigungserteilung grundsätzlich auch von anderen als technischen Bedingungen wie z. B. dem Zweck des Senders und seiner anvisierten Zuhörerschaft abhängig gemacht werden. Daher könne auch ein Genehmigungsverfahren, das der Qualität und Ausgewogenheit der Programme diene, gerechtfertigt sein.147 Im Ergebnis sieht der EGMR Art. 10 Abs. 1 S. 3 EMRK also nicht als eigenständige Schranke, sondern nur als Erweiterung der in Art. 10 Abs. 2 EMRK genannten Rechtfertigungsgründe. Art. 10 Abs. 1 S. 3 EMRK hat somit mehr als nur deklaratorischen Gehalt.148 Unbeantwortet lässt der EGMR allerdings die systematische Frage, warum ein weiterer Rechtfertigungsgrund für Eingriffe in Art. 10 Abs. 1 EMRK in Art. 10 Abs. 1 S. 3 EMRK geschaffen wurde und nicht in den Katalog der in Art. 10 Abs. 2 EMRK genannten Rechtfertigungsgründe aufgenommen wurde.149 Zwar hat der EGMR in der Groppera-Entscheidung angenommen, der historische Zweck des Art. 10 Abs. 1 S. 3 EMRK bestünde darin, in Abgrenzung zu Art. 19 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR) klarzustellen, dass die Staaten die Rundfunkorganisation durch ein Genehmigungsverfahren regeln dürfen,150 dies erklärt aber höchstens die Existenz des Art. 10 Abs. 1 S. 3 EMRK, nicht seine systematische Stellung.151 Dennoch überzeugt die Auffassung des EGMR, Art. 10 Abs. 1 S. 3 EMRK nicht als eigenständige Schranke zu behandeln, denn andernfalls wäre rein nach dem Wortlaut jedes mitgliedstaatliche Genehmigungssystem für Rundfunk zulässig. Die Mitgliedstaaten könnten die Rundfunkveranstaltung beliebig beschränken, d. h. Art. 10 EMRK bliebe im Rundfunkbereich ineffektiv. Auch die Festsetzung solcher Genehmigungssysteme muss daher Schranken unterliegen. Es dient jedenfalls der Rechtssicherheit, wenn man, wie der EGMR, diese aus Art. 10 Abs. 2 EGMR herleitet.

146

EGMR (Informationsverein Lentia), Rdnr. 32; EGMR (Groppera), Rdnr. 61. So EGMR (Informationsverein Lentia), Rdnr. 32 f. 148 So schon vor Ergehen der Entscheidung „Informationsverein Lentia“: Astheimer, S. 57; Engel, EMRK S. 54; a. A. Petersen, S. 285 ff. 149 Ähnlich die Kritik von Petersen (S. 284 f.) und Mailänder (S. 126). 150 EGMR (Groppera), Rdnr. 61 (= EuGRZ 1990, 257); vgl. auch Petersen, S. 290 ff. 151 Frowein/Peukert (Art. 10 Rdnr. 19) bezeichnen die Entscheidung des EGMR auch auf Art. 10 Abs. 1 S. 3 EMRK die Rechtfertigungsvoraussetzungen des Art. 10 Abs. 2 EMRK anzuwenden zurecht als „systematisch nicht leicht erklärbar“. 147

VII. Gemeinschaftsgrundrecht der Medienfreiheit

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(2) Art. 10 Abs. 2 EMRK Beschränkungen der Freiheiten des Art. 10 Abs. 1 EMRK sind i. S. d. Art. 10 Abs. 2 zulässig, wenn sie dem Schutz der dort aufgeführten oder von Art. 10 Abs. 1 S. 3 umfassten Ziele dienen, gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind. Hierbei ist Art. 10 Abs. 2 EMRK grundsätzlich eng auszulegen.152 Der EGMR hat allerdings in den Entscheidungen Groppera und Autronic eine eher weite Auslegung der Klausel bevorzugt.153 „Gesetzlich“ vorgesehen ist ein Eingriff bereits dann, wenn er durch ein Gesetz im materiellen Sinne oder eine andere verbindliche, für den Betroffenen hinreichend zugängliche und in ihren Folgen vorhersehbare, u. U. auch ungeschriebene Regelung ermöglicht wird.154 „Notwendig in einer demokratischen Gesellschaft“ ist ein Eingriff, wenn er einem „dringenden sozialen Bedürfnis“ entspricht.155 Insoweit wird den Staaten ein Beurteilungsspielraum zugebilligt, dessen Einhaltung einer europäischen Kontrolle unterliegt, deren Intensität nach den Umständen des Einzelfalls variiert156 und die sich sowohl auf die Gesetzgebung als auch auf die Gesetzesanwendung bezieht.157 Ein strenger Kontrollmaßstab gilt nach Ansicht des EGMR, sofern in die Rechte aus Art. 10 Abs. 1 EMRK eingegriffen wird. In diesem Fall müsse der Mitgliedstaat die Notwendigkeit jeder Beschränkung überzeugend nachweisen.158 Man gewinnt aus den Entscheidungen „Autronic“, „Groppera“ und „Informationsverein Lentia“ ferner den Eindruck, dass der EGMR um so strenger prüft je weitergehend der Mitgliedstaat eine Äußerung im Rundfunk durch sein Verhalten unmöglich macht.159 Nicht „notwendig“ i. S. d. Art. 10 Abs. 2 EMRK sind unverhältnismäßige Eingriffe. Beruft sich ein Staat auf Art. 10 Abs. 2 EMRK, führt der Gerichtshof daher eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durch,160 bei der er auch ver152

Vgl. Kühling, S. 133 m. w. N. Vgl. EGMR (Groppera), Rdnr. 69 f. (= EuGRZ 1990, 255 (258 f.), gerade auch bezüglich des Pluralismusschutzes als Rechtfertigungsgrund; EGMR (Autronic), Rdnr. 59 (= EuGRZ 1990, 261 (263)); kritisch hierzu: Petersen, S. 289. 154 Näher Kühling, S. 167 ff. 155 St. Rspr. des EGMR; vgl. die Nachweise bei Petersen, S. 277. 156 EGMR (Informationsverein Lentia), Rdnr. 35 (= EuGRZ 1994, 549 (550)); vgl. auch GA Fennelly (verb. Schlussanträge zu Rs. C-376/98 und C-74/99, Slg. 2000, S. I-8419 ff., Rdnr. 164), der bezogen auf die Gemeinschaftsgrundrechte feststellt, je einschneidender die Wirkungen einer gesetzgeberischen Maßnahme seien, desto größer sei die Beweislast des Gesetzgebers dafür, dass eine weniger belastende Maßnahme nicht genügt hätte. 157 Deutlich in EGMR (Groppera), Rdnr. 72 (= EuGRZ 1990, 259). 158 EGMR (Informationsverein Lentia), Rdnr. 35 (= EuGRZ 1994, 549 (550)); EGMR (Tele 1), Rdnr. 34; EGMR (Radio ABC), Rdnr. 30; so auch schon EGMR (Autronic), Rdnr. 61 (= EuGRZ 1990, 261 (263)). 159 So auch Petersen, S. 280. 160 Vgl. EGMR (Groppera), Rdnr. 72 (= EuGRZ 1990, 255 (259)). 153

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

gleichbare Situationen in anderen Mitgliedstaaten mitberücksichtigt.161 Daraus, dass die Mitgliedstaaten einen Einschätzungsspielraum haben, folgt, dass der EGMR die Frage der Angemessenheit in seinen Entscheidungen nicht oder zumindest nur sehr zurückhaltend prüfen kann.162 In der Entscheidung „Informationsverein Lentia“163 hat der EGMR, wie erwähnt, festgestellt, dass die Errichtung eines öffentlich-rechtlichen Rundfunkmonopols die Meinungsäußerungsfreiheit in Form der Rundfunkfreiheit am stärksten beschränke und daher nur gerechtfertigt sein könne, sofern für sie ein dringendes Bedürfnis bestünde. Ein solches könne in der heutigen Zeit nicht mehr in der Knappheit der Sendefrequenzen gesehen werden. Außerdem gäbe es in anderen Ländern in Form von aus öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunkveranstaltern bestehenden Systemen weniger einschneidende Alternativlösungen. Implizit hat der EGMR in „Informationsverein Lentia“ aber anerkannt, dass ein öffentlich-rechtliches Rundfunkmonopol geeignet ist, den Pluralismus zu schützen. Diese mittlerweile mehrfach bestätigte Entscheidung164 stärkt daher letztlich beiden Säulen des dualen Rundfunksystems den Rücken. b) Art. 11 Grundrechtscharta Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union enthält in Art. 11 eine Kommunikationsfreiheit.165 Diese kann zwar, wie dargelegt, nicht als eigenständige Rechtserkenntnisquelle der Gemeinschaftsgrundrechte herangezogen, zumindest aber als Ausdruck einer „EU-spezifischen“ Interpretation des Art. 10 EMRK angesehen werden. Wörtlich heißt es: Abs. 1 „Jede Person hat das Recht auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt die Meinungsfreiheit und die Freiheit ein, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben.“ Abs. 2 „Die Freiheit der Medien und ihre Pluralität werden geachtet.“

Diese Regelung soll, so die Erläuterungen des Präsidiums des Konvents zur Ausarbeitung der Charta,166 inhaltlich Art. 10 EMRK i. S. d. Art. 52 Abs. 3 S. 1, 53 Grundrechtscharta sowohl hinsichtlich des Schutzbereiches als auch hinsicht161

Vgl. Petersen, 281 f. m. N. aus der Rechtsprechung. So auch Petersen, S. 278 m. w. N. 163 Rdnr. 39 ff. der Entscheidung (= EuGRZ 1994, 549 (550 f.)). 164 Vgl. EGMR (Radio ABC), Rdnr. 31; EGMR (Tele 1), Rdnr. 35. 165 Zu ihrer Entstehungsgeschichte Stock, K&R 2001, 289, 297 ff.; vgl. auch die während der Entstehung der Charta erschienen Beiträge von Sporn (ZUM 2000, 537) und Stock (ZUM 2000, 533). 162

VII. Gemeinschaftsgrundrecht der Medienfreiheit

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lich der Schranken entsprechen,167 „allerdings unbeschadet der Beschränkungen, die die Möglichkeit der Mitgliedstaaten, Genehmigungsregelungen nach Art. 10 I 3 EMRK einzuführen durch das gemeinschaftliche Wettbewerbsrecht erfahren kann“. Dieser engen Anlehnung der Grundrechtscharta an die EMRK widerspricht es, Art. 11 Grundrechtscharta ähnlich Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG als dienende Freiheit zu interpretieren.168 Auch wenn man aus Art. 11 Abs. 2 Grundrechtscharta eine Schutzpflicht der Gemeinschaft zugunsten des Pluralismus herleiten könnte,169 heißt das außerdem noch nicht, dass die Rechte aus Art. 11 Abs. 1 Grundrechtscharta im Sinne einer dienenden Freiheit weitergehend beschränkt werden dürfen, als dies Art. 10 EMRK i.V. m. Art. 52 Abs. 1 S. 3 Grundrechtscharta erlaubt. Da der EGMR den Vorbehalt des Art. 10 Abs. 2 i.V. m. Abs. 1 S. 3 EMRK aber weit auslegt, können Aspekte des Pluralismusschutzes und der Gedanke des „Public Service“ bei Art. 11 Grundrechtscharta dennoch effektiv zur Geltung gebracht werden. Die Gefahr, dass die dort gewährleistete Medienfreiheit u. U. in Verbindung mit der unternehmerischen Freiheit aus Art. 16 Grundrechtscharta zu einer „grobschlächtigen Medienunternehmerfreiheit“170 zulasten des Pluralismus wird, ist daher nicht groß.171 Ferner stellt das Präsidium des Konvents in seiner zweiten Erläuterung zu Art. 11 Grundrechtscharta interessanterweise fest, Art. 11 Abs. 2 stütze sich nicht nur auf die Rechtsprechung des EuGH (insbesondere Rs. C-288/89 (Stichting Collectieve Antennevoorziening Gouda) und die Fernsehrichtlinie (insbesondere deren siebzehnten Erwägungsgrund)), sondern auch auf das Rundfunkprotokoll. Daraus folgt, dass entsprechend dem oben für Art. 10 EMRK gefundenen Ergebnis die deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten auch aus Art. 11 Grundrechtscharta grundrechtsberechtigt sind,172 und, dass bei der Auslegung von Art. 11 Abs. 2 die auch im Rundfunkprotokoll betonte kulturelle und pluralismussichernde Funktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit zu berücksichtigen ist.173 Außerdem wird dadurch, dass Art. 11 166 Abgedruckt z. B. in der Sonderbeilage zu NJW 2000 „Charta der Grundrechte der EU“ S. 9; zur Bedeutung dieser Erläuterungen als Interpretationshilfe Alber/Widmaier, EuGRZ 2000, 497 (499). 167 Vgl. bezüglich der Schranken Schmitz (JZ 2001, 833 (838 f.)), der allerdings kaum nachvollziehbar trotz dieser Erläuterung die Frage stellt, ob die Schranken des Art. 10 Abs. 2 EMRK auch für die Medienfreiheiten des Art. 11 Abs. 2 Grundrechtscharta gelten; kritisch zur Orientierung des Art. 11 Grundrechtscharta an Art. 10 EMRK Stock, K&R 2001, 292 (298). 168 Für diese Auslegung aber Stock, K&R 2001, 289 (301); wie hier Schwarze, AfP 2003, 209 (211). 169 Hierzu bezogen auf die Charta allgemein Schmitz, JZ 2001, 833 (840). 170 Formulierung von Stock, K&R 2001, 289 (301); vgl. zu dieser Problematik auch Bernsdorff, in: Meyer, Art. 11 Rdnr. 16. 171 So i. E. auch Streinz, in: ders., Art. 11 GR-Charta Rdnr. 14. 172 So i. E. auch Bernsdorff, in: Meyer, Art. 11 Rdnr. 21. 173 So auch Schwarze, AfP 2003, 209 (212).

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

Abs. 2 den Gedanken der Medienvielfalt betont, wie bereits erwähnt, das duale Rundfunksystem insgesamt gestärkt.174 Die Regelung des Art. 11 Grundrechtscharta ist in der Literatur bisher vorwiegend negativ aufgenommen worden.175 So wird insbesondere kritisiert176 dass im Gegensatz zu früheren Entwürfen der Charta die Pluralität der Medien nur noch „geachtet“, nicht mehr „gewährleistet“ oder „garantiert“ werde.177 Dies verhindere letztlich eine Pluralismussicherung auf europäischer Ebene.178 Auch dadurch, dass die Grundrechtscharta subjektive Rechte der Medien nicht ausdrücklich erwähne und keine präzisen Schranken normiere, werde sie der Bedeutung der Medienfreiheit für eine freiheitlich demokratische Gesellschaft nicht gerecht. Die Grundrechtscharta sei für die Medien fast überflüssig,179 so dass es beim Schutz der Medienfreiheit gegenüber Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht weiter vorrangig auf die mitgliedstaatlichen Verfassungen ankäme.180 Vor allem dieser letztere Schluss überzeugt jedoch nicht, denn daraus, dass sich die Grundrechtscharta mehrfach eindeutig „auf die Seite der EMRK schlägt“, kann wohl kaum ein Bedeutungszuwachs für die mitgliedstaatlichen Verfassungsüberlieferungen als Rechtserkenntnisquelle der Grundrechte abgeleitet werden, sondern wohl eher das Gegenteil. Was die Pluralismussicherung auf europäischer Ebene betrifft, so wurde bereits deutlichgemacht, dass diese auch von der der Mitgliedstaaten profitieren kann, und deswegen eine eigenständige „europäische Lösung“ nicht notwendig und im Übrigen mit den Kompetenzbestimmungen des EGV unvereinbar ist [B. IV. 4.]. Als zweifelhaften Effekt des Art. 11 Grundrechtscharta betrachtet Stock die Tatsache, dass die Grundrechtscharta letztverbindlich durch den EuGH interpretiert werde und damit die „medienrechtliche richterliche Suprematie des BVerfG“ in Deutschland zu Ende sei. Diese Diagnose Stocks trifft zwar sicherlich zu, der Effekt wurde jedoch nicht erst durch die Grundrechtscharta ausgelöst, sondern besteht schon wegen der Interpretationshoheit des EGMR über Art. 10 EMRK. Ob es ferner gerade in der heutigen Zeit einer Konvergenz der Medien und Übertragungswege besser gewesen wäre, wie während der Entstehung der Charta gefordert,181 einzelne 174

s. o. B. I. 4. h). Vgl. Stock, K&R 2001, 289 ff.; Dörr, NJW 2001, 2837 (2842); Schmittmann/ Luedtke, AfP 2000, 533 f.; vgl. demgegenüber „neutraler“ Schwarze, AfP 2003, 209 (210 ff.). 176 Vgl. Schmittmann/Luedtke, AfP 2000, 533 (534); ähnlich Stock, K&R 2001, 289 (301 f.); zurecht gegen diese Kritik Streinz, in: ders., Art. 11 GR-Charta Rdnr. 14 f. 177 Die letzteren Formulierungen hatten frühere Entwürfe der Charta verwendet. Der Konvent nahm von ihnen Abstand, weil die beteiligten Kreise befürchteten, die Charta könne in diesem Fall als Kompetenzgrundlage mißbraucht werden (vgl. Stock, K&R 2001, 289, 300 f. m. w. N.; Schwarze, AfP 2003, 209 (210 ff. m. w. N.)). 178 So. i. E. Stock, K&R 2001, 289 (301). 179 So i. E. Dörr/Zorn, NJW 2001, 2837 (2842). 180 Vgl. Schmittmann/Luedtke, AfP 2000, 533 (534). 175

VII. Gemeinschaftsgrundrecht der Medienfreiheit

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Medien wie Presse und Rundfunk ausdrücklich zu erwähnen, ist zweifelhaft, denn dies hätte neue Probleme hinsichtlich neuer Techniken und Dienste gebracht. Insgesamt hat die in Art. 11 Grundrechtscharta getroffene Regelung entgegen der bisher wohl h. M. also durchaus ihre positiven Seiten, zu denen man auch den Effekt rechnen muss, dass das Gemeinschaftsgrundrecht der Medienfreiheit aus dem Richterrecht gelöst und damit transparenter gemacht wird.182 c) Mitgliedstaatlicher Schutz der Rundfunkfreiheit im Überblick Es würde zu weit führen, an dieser Stelle den Schutz der Rundfunk- oder zumindest der Medienfreiheit in allen Mitgliedstaaten umfassend zu erörtern. Außerdem steht, wie bereits dargelegt, die EMRK bei der Ermittlung von Grundrechtsgehalten auf Gemeinschaftsebene ohnehin im Vordergrund. Daher sollen auf den Schutz der Rundfunkfreiheit in den Mitgliedstaaten hier nur einige Schlaglichter geworfen, und es soll v. a. nach Abweichungen von den zu Art. 10 EMRK gefundenen Ergebnissen gefragt werden: Auffällig ist zunächst, dass nur in 6 von bisher 15 Mitgliedstaaten (die 10 Beitrittskandidaten bleiben insoweit außer Betracht) der Rundfunk ausdrücklich in der Verfassung erwähnt ist. Es sind dies Deutschland (Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG), Griechenland (Art. 15 griechische Verfassung183), Irland (Art. 40 Abs. 6 Nr. 1 lit. a) irische Verfassung), die Niederlande (Art. 7 Abs. 2 niederländische Verfassung), Portugal (Art. 38 und 39 portugiesische Verfassung) und Schweden (Kap. 2 § 1 schwedische Verfassung). Spanien erwähnt in Art. 20 Abs. 1 lit. a) und d) seiner Verfassung den Rundfunk nicht explizit, sondern nur als „anderes Medium“ bzw. „Verbreitungsmedium“. Ähnlich ist die Rechtslage in Italien, wo Art. 21 der Verfassung feststellt, dass jedermann das Recht habe, „die eigene Meinung in Wort und Schrift und jeder sonstigen Weise zu äußern und zu verbreiten“.184 Die anderen Mitgliedstaaten erwähnen in ihren Verfassungen entweder nur die Presse185 oder sogar nur die Meinungsfreiheit.186 Es ergibt sich somit, dass der überwiegende Teil der Mitgliedstaaten jedenfalls dem Wortlaut seiner Verfassungstexte nach dem Rundfunk keine grundrechtliche Sonderstel181

Vgl. Stock, K&R 2001, 289 (298 f.). Zu diesem Transparenzeffekt der Grundrechtscharta: Lenaerts/de Smijter, CMLR 2001, 273 (281); Nettesheim, Integration 2002, 35 (37); Schwarze, AfP 2003, 209 (211); Zuleeg, EuGRZ 2000, 511 (514 f.). 183 Diese und die folgenden mitgliedstaatlichen Verfassungsbestimmungen zitiert nach Kimmel, Verfassungen der EU-Mitgliedstaaten, 5. Aufl., Stand: 1. Juni 2000. 184 Zitiert nach der deutschen Übersetzung von Kimmel, S. 251. 185 So Belgien (Art. 25 belgische Verfassung), Dänemark (implizit: § 77 dänische Verfassung), Frankreich (implizit: Art. 11 der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte vom 26. August 1789), Luxemburg (Art. 24 luxemburgische Verfassung) und Österreich (Art. 13 Staatsgrundgesetz). 186 So Finnland (§ 12 finnische Verfassung). 182

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

lung einräumt. Dies beweist zusätzlich, dass es sinnvoller ist, nach einem Gemeinschaftsgrundrecht der „Medienfreiheit“, nicht nach einer „Rundfunkfreiheit“ zu fragen. aa) Länder, die Rundfunk in ihrer Verfassung erwähnen Im Folgenden soll zunächst ein Blick auf die verfassungsrechtliche Lage in denjenigen Staaten geworfen werden, die Rundfunk ausdrücklich oder zumindest implizit in ihren Verfassungstexten erwähnen, wobei im Bezug auf Deutschland auf die Ausführungen in Teil A dieser Arbeit verwiesen werden kann: (1) Griechenland In Griechenland garantiert Art. 14 Abs. 1 der Verfassung das Recht, seine Gedanken unter Beachtung der Gesetze mündlich, schriftlich und auch durch die Presse auszudrücken und zu verbreiten. Art. 14 Abs. 2 stellt klar, dass die Presse frei ist und die Zensur sowie andere präventive Maßnahmen verboten sind. Die genannten Bestimmungen finden nach Art. 15 Abs. 1 aber auf Hörfunk und Fernsehen keine Anwendung. Diese stehen vielmehr nach Art. 15 Abs. 2 unter unmittelbarer Kontrolle des Staates und „haben zur Aufgabe, sachlich und gleichmäßig Informationen und Nachrichten zu übertragen und Werke aus Literatur und Kunst zu vermitteln; dabei haben sie in ihren Sendungen einen ihrer sozialen Aufgabe entsprechenden Qualitätsstandard zu wahren, um die kulturelle Entwicklung des Landes zu fördern“.187 Eine Rundfunkfreiheit auf Verfassungsebene besteht in Griechenland daher prinzipiell weder in Form der Programmfreiheit noch in Form eines Individualrechts auf Rundfunkveranstaltung. Dennoch existiert kraft einfachen Rechts ein duales Rundfunksystem, das sich aus der staatlichen ERT (Aktiengesellschaft mit dem griechischen Staat als Alleinaktionär) und privaten Sendern, denen durch den pluralistisch zusammengesetzten Nationalrat für das Rundfunk- und Fernsehwesen befristete Sendelizenzen erteilt werden, zusammensetzt.188 (2) Irland Die irische Verfassung betont in ihrem Art. 40 Abs. 6 Nr. 1 lit. a) S. 2 die Bedeutung der Massenkommunikationsmittel wie Rundfunk,189 Presse und Film für die öffentliche Meinungsbildung und billigt diesen nicht nur die nach Art. 40 Abs. 6 Nr. 1 lit. a) S. 1 allen Bürgern zustehende Äußerungsfreiheit im Allge187 188

S. 16.

Zitiert nach der deutschen Übersetzung von Kimmel (S. 168). Vgl. Liehr, S. 186 m. w. N.; Dimitras, in: IHB, Teil B 2, S. 92 ff.; Dörr, Europa,

VII. Gemeinschaftsgrundrecht der Medienfreiheit

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meinen, sondern insbesondere das Recht zu, die Regierung zu kritisieren. Damit verknüpft die irische Verfassung ähnlich der EMRK und enger als das Grundgesetz Meinungsäußerungsfreiheit und Rundfunkfreiheit bzw. betrachtet die letztere als Spezialfall der ersteren. Allerdings wird in Art. 40 Abs. 6 Nr. 1 lit. a) S. 2 klargestellt, dass der Staat sicherstellen müsse, dass die genannten Medien nicht dazu gebraucht würden, die öffentliche Ordnung oder Moral oder die Autorität des Staates zu untergraben.190 Der Schutzbereich der Äußerungsfreiheit in der irischen Verfassung wird von der Rechtsprechung jedoch enger gezogen als bei Art. 10 EMRK und auf die Äußerung von Meinungen und Überzeugungen begrenzt. Kommerzielle Werbung wird vom Schutzbereich ebenfalls nicht erfasst.191 Da ferner die Gründe, aus denen der Staat nach Art. 40 Abs. 6 Nr. 1 lit. a) S. 2 der Verfassung den Rundfunk beschränken darf, sehr weit gefasst sind, kann angenommen werden, dass das Niveau des grundrechtlichen Schutzes für den Rundfunk in Irland eher unterhalb des EMRK-Standards liegt.192 Außerdem werden durch die irischen Rundfunkgesetze sowohl der öffentlich-rechtlichen RTÉ als auch privaten Veranstaltern weitreichende Verpflichtungen im Hinblick auf Inhalt und Ausgewogenheit der Programme auferlegt und dem Staat umfangreiche Eingriffsmöglichkeiten zugestanden.193 (3) Italien Art. 21 Abs. 1 der italienischen Verfassung schützt als subjektives Recht die Freiheit der Äußerung und Verbreitung der „eigenen Meinung“194 in Wort, Schrift und jeder sonstigen Weise, also auch im Rundfunk.195 Daraus ergibt 189 Die entsprechende Verfassungsbestimmung erwähnt das Fernsehen nicht ausdrücklich, es ist aber nach h. M. vom Schutzbereich des Grundrechts erfasst; vgl.: Petersen, S. 213 m. w. N.; Kühling, S. 308 m. w. N. 190 Wörtlich heißt es (Art. 40 Abs. 6 Nr. 1 lit. a) S. 2): „The education of public opinion being, however, a matter of such grave import to the common good, the State shall endeavour to ensure, that organs of public opinion, such as the radio, the press, the cinema, while preserving their rightful liberty of expression, including criticism of Government policy, shall not be used to undermine public order or morality or the authority of the State“; kritisch insbesondere zum Einschränkungsgrund der „morality“ Grehan, in: Grabitz, Grundrechte, S. 290. 191 Vgl. Petersen, S. 211 f. m. w. N. Für sonstige Kommunikationsvorgänge gilt nur das Auffanggrundrecht des Art. 40 Abs. 3 Nr. 1 der Verfassung (näher Petersen ebd. und Kühling, S. 308). 192 So i. E. auch Petersen, S. 214; die irische Rechtsprechung berücksichtigt allerdings die EMRK (vgl. Kühling, S. 307 m. w. N.). 193 Vgl. Petersen, S. 215 f. 194 Zitiert nach Kimmel, S. 251. Trotz dieses Wortlauts wird der Schutzbereich, was die kommunizierten Inhalte betrifft, von der italienischen Literatur (vgl. die Nachweise bei Kühling, S. 313) weit interpretiert, so dass z. B. auch fremde Meinungen und Tatsachenbehauptungen erfasst sind.

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

sich jedenfalls eine Rundfunkfreiheit als Programmfreiheit. Es lässt sich außerdem aus Art. 21 Abs. 2 S. 1 ein Umkehrschluss ziehen: Art. 21 Abs. 2 S. 1 bestimmt, dass die Presse weder einem Genehmigungszwang noch der Vorzensur unterworfen werden darf. Da der Rundfunk hier nicht erwähnt wird, ist zu folgern, dass für ihn weder eine Vorzensur, noch die Einführung eines Genehmigungssystems von vornherein ausgeschlossen ist.196 Ob damit die italienische Verfassung sich gegen ein Individualrecht auf Rundfunkveranstaltung entscheidet,197 ist allerdings nicht eindeutig. Mehr spricht für das Gegenteil: Die Corte Costituzionale (im Folgenden CCo) hat in ihren Entscheidungen zum Rundfunkbereich stets auch auf die wirtschaftliche Handlungsfreiheit aus Art. 41 der Verfassung abgestellt.198 Diese Freiheit darf, wie alle Grundrechte der italienischen Verfassung, nur in verhältnismäßiger Weise eingeschränkt werden.199 Ferner hat die CCo bis 1976 das öffentlich-rechtliche Rundfunkmonopol der RAI zwar wegen der Frequenzknappheit für vollständig verfassungsgemäß erklärt,200 in der Entscheidung 202/76 wurde jedoch festgestellt, dass im lokalen Bereich genügend Frequenzen zur Verfügung stünden, die Gefahr privater Mono- oder Oligopole gering sei und deshalb ein staatliches Monopol in diesem Bereich eine unzulässige Einschränkung des Gleichheitssatzes aus Art. 3 und der Meinungsäußerungsfreiheit des Art. 21 der Verfassung beinhalte.201 Daraus folgt, dass die CCo hier auf einer Linie mit der späteren Rechtsprechung des EGMR ein staatliches Rundfunkmonopol nicht als Ausgestaltung der Kommunikationsfreiheit, sondern als Eingriff ansieht. Diese Aufweichung des Rundfunkmonopols wurde von der CCo auch für die Übertragung von Rundfunksendungen ins Ausland gefordert.202 Insgesamt kann aus der Rechtsprechung geschlossen werden, dass auch die italienische Verfassung ein Individualrecht auf Rundfunkveranstaltung anerkennt.203

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Vgl. Ritterspach, EuGRZ 1976, 342; Roider, S. 205 m. w. N. So auch Petersen, S. 217 m. w. N. 197 So wohl Petersen, S. 217. 198 Vgl. Entscheidung der CCo 202/76, Foro it. 1976, 2066 (2069 f.); dt. Übersetzung in EuGRZ 1976, 334 f.; Roider, S. 205 f. m. w. N. 199 Vgl. Roider, S. 214. 200 Vgl. Petersen, S. 218 f. m. w. N.; Donati, in: Hofmann/Marko/Merli/Wiederin, S. 206; Holznagel/Vollmeier, in: Holznagel/Grünwald, S. 64 f. 201 Vgl. Entscheidung der CCo 202/76, Foro it. 1976, 2066 (2069 f.); dt. Übersetzung in EuGRZ 1976, 334 f.; hierzu: Gornig, S. 698 f.; Pfeifer, S. 23 ff.; Roider, S. 211 f.; ähnlich bezogen auf das Kabelfernsehen im örtlichen Bereich schon Entscheidung der CCo 226/74 (Foro it. 1974, 1945 (1950)) und bezogen auf die Verbreitung ausländischer Programme Entscheidung der CCo 225/74 (For it. 1945 (1953)).; die CCo nennt hier (202/76) außerdem die Bereiche, die der Gesetzgeber aufgrund der besonderen Funktion des Rundfunks regeln müsse. 202 Vgl. Entscheidung des CCo 153/87, Foro It. 1987, 1965. 203 So auch Roider, S. 210 ff. 196

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Die CCo hat sich in ihren Urteilen außerdem intensiv mit der Funktion des Rundfunks auseinandergesetzt. Insoweit wurde festgestellt, der Rundfunk sei eine wesentliche öffentliche Dienstleistung und trage durch Erfüllung seiner Informationsaufgabe zur Bildung der öffentlichen Meinung bei.204 Aus dieser Sonderrolle des Rundfunks hat die CCo die notwendige Unabhängigkeit der RAI von staatlichem Einfluss205 und die Pflicht des Staates abgeleitet, den Pluralismus zu schützen, sowie Konzentrationen im privaten Rundfunk nach dem Modell des Außenpluralismus unter Einbeziehung multimedialer Verflechtungen zu verhindern.206 Hinsichtlich des Pluralismus differenziert die CCo zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Programmen:207 An den öffentlich-rechtlichen Rundfunk seien insoweit höhere Anforderungen zu stellen, insbesondere müssten binnenpluralistische Maßnahmen zur Vielfaltssicherung getroffen werden.208 Dafür müsse aber der Staat die Finanzierung gewährleisten und ausreichende Frequenzen zur Verfügung stellen. An den privaten Rundfunk seien wegen des Grundrechts der Wirtschaftsfreiheit aus Art. 41 der Verfassung geringere Vielfaltsanforderungen zu stellen, es müsse jedoch für funktionierenden Außenpluralismus gesorgt sein.209 Die EMRK hat in Italien den Rang eines einfachen Gesetzes, hat für die Rechtsprechung zu den Grundrechten der italienischen Verfassung bisher aber nur wenig Bedeutung erlangt.210 (4) Niederlande In den Niederlanden garantiert Art. 7 der Verfassung die Freiheit der Meinungsäußerung auch im Rundfunk, im Fernsehen und durch andere Mittel.211 Nach Art. 7 Abs. 2 S. 1 gelten für Hörfunk und Fernsehen „gesetzliche Vorschriften“.212 Eine Vorzensur für Hörfunk- und Fernsehsendungen ist gemäß 204 Entscheidung des CCo 202/76, Foro it. 1976, 2066; 225/74, Foro it. 1974, 1945, 148/81, Foro it. 1981, 2094; 153/87, Foro it. 1987, 1665. 205 Entscheidung des CCo 225/74, Foro it. 1974, 1945; näher zur Rechtsstellung der RAI Pfeifer, S. 60 ff. 206 Vgl. insbesondere Entscheidung des CCo 148/81, Foro it. 1981, 2094 und 826/ 88, Foro it. 1988, 2477; Holznagel/Vollmeier, in: Holznagel/Grünwald, S. 65 f.; Petersen, S. 221 ff.; Donati, in: Hofmann/Marko/Merli/Wiederin, S. 206 ff. 207 Eingehend zur Pluralismusdogmatik der CCo: Schellenberg, AöR 1994, 427 ff. (434 ff.); Roider, S. 207 ff. 208 Vgl. Roider, S. 209 m. w. N. 209 Vgl. Petersen, S. 222 m. w. N.; Roider, S. 209 f. m. w. N. 210 Vgl. Kühling, S. 311 m. w. N.; Gornig (S. 707), der auf die insoweit unklare Verfassungslage hinweist. 211 Eine Rundfunkfreiheit wird zwar nicht ausdrücklich angesprochen (so zurecht Gornig, S. 678), aber jedenfalls in Form der Programmfreiheit indirekt dadurch garantiert, dass Art. 7 Abs. 2 eine Vorzensur für den Rundfunk ausschließt.

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

Art. 7 Abs. 2 S. 2 ausgeschlossen, nicht aber ein Genehmigungssystem für privaten Rundfunk. Art. 7 Abs. 4 der Verfassung nimmt die Wirtschaftswerbung vom Schutzbereich der Äußerungsfreiheit aus. Die in Art. 7 Abs. 2 der Verfassung verankerte Rundfunkfreiheit wird in der Literatur nicht nur als subjektives Abwehrrecht, sondern auch als institutionelle Garantie interpretiert.213 Dieser objektiv-rechtliche Gehalt der Rundfunkfreiheit verpflichte den Staat dazu, die Ausübung des Grundrechts und seine gesellschaftliche Funktion gesetzgeberisch zu stärken, d. h. die Rundfunkordnung auszugestalten.214 Insoweit dürften trotz Art. 7 Abs. 2 S. 2 der Verfassung allgemeine Anforderungen an den Inhalt der Programme gestellt werden. Die Formulierung des Art. 7 Abs. 2 S. 1 („gesetzliche Vorschriften“) lässt dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Rundfunkordnung zwar weitgehend freie Hand, nach Ansicht der Literatur muss sich die Rundfunkgesetzgebung jedoch vorrangig am Prinzip der Freiheit der Meinungsäußerung und des Pluralismus ausrichten und darf den Rundfunk nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip nur soweit als nötig regeln.215 Da außerdem Art. 94 der Verfassung bestimmt, dass innerhalb der Niederlande gesetzliche Vorschriften nicht angewandt werden, wenn die Anwendung mit allgemeinverbindlichen Bestimmungen von Verträgen und Beschlüssen völkerrechtlicher Organisationen (wie z. B. der EMRK) nicht vereinbar ist,216 ist die Gefahr von erheblichen Divergenzen zwischen der kommunikationsspezifischen Rechtslage in den Niederlanden und der von Art. 10 EMRK geforderten gering.217 (5) Portugal Nach der portugiesischen Verfassung218 ist die Meinungsfreiheit sowohl als grundlegende Staatszielbestimmung (Art. 2) als auch als Grundrecht (Art. 37) geschützt. Ebenfalls von Art. 2 umfasst ist der Meinungspluralismus, der gemäß Art. 288 lit. i) selbst gegen Verfassungsänderungen abgesichert ist. Speziell mit dem Rundfunk befassen sich Art. 38 Abs. 3–7, 39 und 40. Diese Regelungen sind für eine Verfassung auffallend detailliert:219 So wird mehrfach die Unabhängigkeit der Massenkommunikationsmittel gegenüber staatlicher, 212 Zitiert nach der Übersetzung von Kimmel, S. 293; gemeint sind sowohl Gesetze im materiellen als auch im formellen Sinn (vgl. Petersen, S. 229 m. w. N.). 213 Vgl. Petersen, S. 228 m. w. N. 214 Vgl. Mailänder, S. 81 f. 215 Vgl. Petersen, S. 232 f. m. w. N.; Kühling, S. 319 f. 216 Vgl. Kimmel, S. 306. 217 So auch Gornig, S. 680; Kühling (S. 319 m. w. N.) zur EMRK als „Schattenverfassung“ der Niederlande. 218 Vgl. Petersen, S. 233 ff.; Kühling, S. 328 ff.

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politischer und wirtschaftlicher Macht betont (Art. 38 Abs. 4, 6 und Art. Art. 39 Abs. 1), und der Staat verpflichtet, Konzentrationen (auch in multimedialer Form) zu verhindern (Art. 38 Abs. 4). Nach Art. 38 Abs. 5 gewährleistet der Staat die Existenz und den Betrieb eines öffentlichen Rundfunks und Fernsehens.220 Über die Unabhängigkeit der Massenkommunikationsmittel und u. a. auch über die Anforderungen an die programmliche Vielfalt der Veranstalter wacht gemäß Art. 39 der „Hohe Rat für Massenkommunikation“, ein pluralistisch aus einem Richter, Mitgliedern der obersten Staatsorgane und repräsentativen Personen aus dem Bereich der öffentlichen Meinung, Massenkommunikation und Kultur zusammengesetztes Gremium. Private Rundfunkveranstaltung ist gemäß Art. 38 Abs. 7 im Gegensatz zur Gründung von Zeitungen (Art. 38 Abs. 2 lit. c) allein aufgrund einer nach Maßgabe des Gesetzes auf dem Wege der öffentlichen Ausschreibung zu erteilenden Genehmigung zulässig. Bei privaten Fernsehkanälen ist nach Art. 39 Abs. 3 zusätzlich ein Gutachten des „Hohen Rates für Massenkommunikation“ einzuholen.221 Der Vergleich von Art. 38 Abs. 2 lit. c) und Art. 38 Abs. 7 spricht dafür, dass die portugiesische Verfassung kein Individualrecht auf Rundfunkveranstaltung garantiert. Die EMRK genießt in Portugal nach Art. 8 Abs. 2 der Verfassung zwar keinen Verfassungsrang, ist aber Bestandteil des geltenden Rechts.222 (6) Schweden In Schweden besteht verfassungsrechtlich eine besondere Situation, weil neben der eigentlichen Verfassung („Regeringsformen“, im Folgenden: R) und dem Thronfolgegesetz gemäß Kap. 1 § 3 der Regeringsformen auch das Pressegesetz („Tryckfrihetsförordningen“, im Folgenden: T) und das Grundgesetz über die Freiheit der Meinungsäußerung („Yttrandefrihetsgrundlagen“, im Folgenden: Y) Verfassungsrang haben.223 In Kap. 2 § 1 Nr. 1 und 2 R werden Meinungs- und Informationsfreiheit ohne Beschränkung auf bestimmte Inhalte224 oder Kommunikationsmittel garantiert.225 Außerdem betont Kap. 1 § 1 R die Bedeutung der Freiheit der Meinungsbildung als Grundlage der schwedischen Demokratie. Gegen Eingriffe 219 Hierzu allgemein Thomashausen, in: Grabitz, Grundrechte, S. 608 ff.; vgl. auch Dörr, Europa, S. 12. 220 Dörr (Europa, S. 21) schließt hieraus, die portugiesische Verfassung enthalte eine Bestands- und Entwicklungsgarantie für öffentlich-rechtlichen Rundfunk. 221 Vgl. Moreiro Teixeira, in: IHB, Teil B 2, S. 520. 222 Vgl. Gornig, S. 695; Kühling, S. 330. 223 Näher Kühling, S. 332 f. 224 Auch Werbeinhalte sind geschützt, können aber als „Meinungsäußerung im gewerblichen Bereich“ erleichtert eingeschränkt werden (näher Kühling, S. 492 f.). 225 Vgl. Kühling, S. 334.

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sind Meinungsäußerungs- und Informationsfreiheit nicht nur durch ein in Kap. 2 § 12 Abs. 2 S. 1 und 2 R normiertes Verhältnismäßigkeitsprinzip226 geschützt, sondern Grundrechtseingriffe dürfen nach Kap. 2 § 12 Abs. 2 S. 2 a. E. R in keinem Fall die „freie Meinungsbildung“227 als einen der Grundpfeiler der Demokratie gefährden. Außerdem dürfen Grundrechtseinschränkungen nach Kap. 2 § 12 Abs. 2 S. 3 R grundsätzlich nicht wegen politischer, religiöser, kultureller oder sonstiger Anschauungen erfolgen. In Kap. 2 § 13 R bestehen weitere Schranken für Eingriffe in Meinungs- und Informationsfreiheit: Zum einen sind solche Eingriffe nur, wenn sie aus in Abs. 1 S. 1 genannten oder i. S. d. Abs. 1 S. 2 besonders wichtigen Gründen erfolgen, zulässig. Zum anderen ist bei der Frage, ob ein Eingriff zulässig ist, nach Abs. 2 „die Bedeutung einer möglichst weitgehenden Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit in politischen, religiösen, gewerkschaftlichen, wissenschaftlichen und kulturellen Belangen besonders zu beachten“.228 Die Rundfunkfreiheit und sonstige Rechtsfragen des Rundfunks werden durch das Y geregelt, wobei in Anlehnung an das T Beschränkungen nur sehr eingeschränkt zulässig sind, und die Vorzensur vollständig verboten ist.229 In Schweden existiert seit den neunziger Jahren ein duales Rundfunksystem.230 Die EMRK wurde von Schweden zwar ratifiziert, aber erst 1995 in das schwedische Recht inkorporiert, so dass ihr Einfluss auf den Grundrechtsschutz noch gering ist.231 Dennoch spricht angesichts des umfangreichen verfassungsrechtlichen Schutzes der Kommunikationsfreiheiten in Schweden einiges dafür, dass das dortige für den Rundfunk relevante, grundrechtliche Schutzniveau eher über dem von der EMRK garantierten liegt. (7) Spanien Spanien spricht wie Italien in seiner Verfassung den Rundfunk zwar nicht explizit an, Art. 20 Abs. 1 lit. a) garantiert und schützt jedoch das „Recht auf freie Äußerung von Gedanken und Meinungen in Wort, Schrift oder jedwedem anderen Medium“, also auch im Rundfunk, und Art. 20 Abs. 1 lit. d) S. 1 gewährleistet das „Recht auf freie und wahre Berichterstattung sowie deren Emp226 Eingriffe sind nur zulässig, wenn sie Zwecken dienen, die in einer demokratischen Gesellschaft annehmbar sind, und dürfen nicht weiter gehen, als erforderlich (vgl. Kimmel, S. 490); allgemein zu den Schranken von Meinungsäußerungs- und Informationsfreiheit in Schweden Gornig, S. 472 f. 227 Zitiert nach Kimmel, S. 490. 228 Zitiert nach Kimmel, S. 491; dies ähnelt der „Wechselwirkungslehre“ des BVerfG. 229 Vgl. Kühling, S. 337. 230 Vgl. Liehr, S. 189 f. 231 Vgl. Kühling, S. 333 m. w. N.

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fang über jedwedes Verbreitungsmedium“.232 Hierdurch wird nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofs (Tribunal Constitucional) in begrenztem Umfang auch das Recht geschützt, „Kommunikationsinstallationen und -instrumente“ zu schaffen,233 woraus man ableiten könnte, die spanische Verfassung garantiere ein Individualrecht auf Rundfunkveranstaltung.234 Zugleich hat der Tribunal Constitucional aber angenommen, der Gesetzgeber sei von Verfassungswegen zur Schaffung von privatem Rundfunk nicht verpflichtet.235 Somit steht die Einräumung eines Individualrechts auf Rundfunkveranstaltung in Spanien unter dem Vorbehalt der rundfunkpolitischen Entscheidung des Gesetzgebers.236 Schranken der Kommunikationsfreiheiten regelt Art. 20 Abs. 4 der Verfassung in ähnlicher Weise wie Art. 5 Abs. 2 GG (Gesetze, Jugendschutz, Schutz der Ehre). Eine Vorzensur ist nach Art. 20 Abs. 2 der Verfassung ausnahmslos verboten.237 Der Tribunal Constitucional erkennt ferner eine objektiv-rechtliche Seite der Kommunikationsfreiheiten in Gestalt der freien öffentlichen Meinung und der Meinungsvielfalt als Grundlage der Demokratie an.238 Hieraus folgt ein Auftrag an den Staat zur Ausgestaltung der Rundfunkordnung, der in Art. 20 Abs. 3 hinsichtlich des öffentlich-rechtlichen Rundfunk konkretisiert wird:239 Nach Art. 20 Abs. 3 regelt das Gesetz „die Organisation und die parlamentarische Kontrolle der vom Staat oder irgendeiner öffentlichen Einrichtung abhängigen sozialen Kommunikationsmedien und garantiert den bedeutenden sozialen und politischen Gruppen den Zugang zu den genannten Medien unter Wahrung des Pluralismus der Gesellschaft und der verschiedenen Sprachen Spaniens“.240 In Spanien existiert ein duales Rundfunksystem241 in der Weise, dass Radio und Fernsehen als „essentielle öffentliche Dienstleistungen, deren Trägerschaft dem Staat zusteht“ betrachtet werden, die aber nicht nur unmittelbar durch den Staat, sondern auch mittelbar durch private Aktiengesellschaften erbracht werden können, denen aufgrund öffentlicher Ausschreibung Lizenzen erteilt wer232

Zitiert nach Kimmel, S. 522 f.; vgl. zum Schutzbereich auch Gornig, S. 682 ff. Vgl. González Encinar, in: Hofmann/Marko/Merli/Wiederin, S. 404; Kieserling, S. 83; Petersen, S. 244; jeweils m. w. N. 234 So insbesondere Kieserling, S. 83. 235 Vgl. Kieserling, S. 84 f.; Petersen, S. 245 m. w. N.; a. A. Gornig, S. 684 m. w. N. 236 So i. E. auch Kieserling, S. 85. 237 Näher zu den Schranken: Gornig, S. 685 ff.; Kühling, S. 342 ff. 238 Vgl. Petersen, S. 241 m. N. aus der Rechtsprechung; González Encinar, in: Hofmann/Marko/Merli/Wiederin, S. 417 f.; Kühling, S. 340 m. w. N.; Gornig, S. 684 f. 239 Näher Kieserling, S. 84 ff. 240 Zitiert nach Kimmel, S. 523. 241 Vgl. González Encinar, in: Hofmann/Marko/Merli/Wiederin, S. 394; zur Entwicklung dieses Systems vgl. Kieserling, S. 37 ff. 233

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den.242 Sowohl öffentlich-rechtlicher als auch privater Rundfunk sind in ihrer Programmgestaltung grundsätzlich frei, der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist gegen staatlichen und Parteieinfluss aber nur schwach geschützt.243 Die Aufsicht über den privaten Rundfunk führt die Regierung als Lizenzierungsbehörde.244 Die EMRK ist in Spanien nach Art. 96 der Verfassung Teil der innerstaatlichen Rechtsordnung und nach Art. 10 Abs. 2 sind die Grundrechte der spanischen Verfassung in Übereinstimmung mit den von Spanien ratifizierten internationalen Verträgen im Bereich der Menschenrechte auszulegen.245 Der Tribunal Constitucional hat in seiner Rechtsprechung außerdem bereits mehrfach die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 10 berücksichtigt.246 Daher sind die Differenzen zwischen Art. 10 EMRK und der spanischen Verfassung gering.

bb) Übrige Mitgliedstaaten (1) Belgien Die „Freiheit, zu allem seine Ansicht kundzutun“ wird in Art. 19 der belgischen Verfassung garantiert.247 Art. 25 schützt die Pressefreiheit und verbietet die Einführung der (Vor-)zensur. Eine Garantie der Rundfunkfreiheit lässt sich somit der belgischen Verfassung nicht ohne weiteres entnehmen.248 In Belgien gilt aber die EMRK kraft Verfassung unmittelbar und im Rang über den einfachen Gesetzen.249 Daher hat der belgische Schiedshof 1996 ein belgisches Gesetz direkt an Art. 10 EMRK messen können.250 Beim Schutzbereich der Kommunikationsfreiheit nach der belgischen Verfassung sind deswegen Unterschiede zu Art. 10 EMRK in der Auslegung durch den EGMR kaum feststellbar. Zwar ist zu bedenken, dass geschriebene Schranken der Kommunikationsfreiheit in der Verfassung nicht existieren und dass der Schutz der Grundrechte gegenüber dem Gesetzgeber in Belgien ähnlich wie früher in Frankreich bisher

242 Vgl. González Encinar, in: Hofmann/Marko/Merli/Wiederin, S. 404, 406; Petersen, S. 243 ff.; Liehr, S. 160 ff.; Kieserling, S. 87; jeweils m. w. N. 243 González Encinar (in: Hofmann/Marko/Merli/Wiederin, S. 405) spricht insoweit vom „dunkelsten Punkt unseres Rechts der Kommunikationsmedien“. 244 Vgl. González Encinar, in: Hofmann/Marko/Merli/Wiederin, S. 406. 245 Näher Kühling, S. 339 m. w. N. 246 Vgl. Kühling, S. 339; González Encinar, in: Hofmann/Marko/Merli/Wiederin, S. 416 m. w. N. 247 Zitiert nach Kimmel, S. 3. 248 So auch Gornig, S. 673. 249 Vgl. Kühling, S. 291; Gornig, S. 673. 250 Vgl. Kühling, S. 292 m. w. N.

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eher schwach ausgeprägt ist,251 da aber die Schranken des Art. 10 EMRK angewendet werden können, ist auch insoweit der Unterschied zwischen der Situation nach der belgischen Verfassung und derjenigen nach der EMRK letztlich marginal. Belgien besitzt ferner seit den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts ein duales Rundfunksystem.252 (2) Dänemark Die dänische Verfassung garantiert in § 77 S. 1 jedermann das Recht, „unbeschadet seiner Verantwortlichkeit gegenüber den Gerichten – . . . seinen Gedanken in Druck, Wort und Schrift öffentlich Ausdruck zu verleihen“. Außerdem bestimmt § 77 Abs. 2, dass „Zensur und andere vorbeugende Maßnahmen . . . niemals wieder eingeführt werden [dürfen]“.253 Eigenständige Medienfreiheiten garantiert die dänische Verfassung demgegenüber nicht.254 Der Grundrechtsschutz in Dänemark ist mit den bisher dargestellten Rechtsordnungen nicht ohne weiteres vergleichbar, denn nach der dänischen Verfassung wird den Grundrechten von der Rechtsprechung bisher nur in geringem Umfang der Charakter einklagbarer subjektiv-öffentlicher Rechte zugestanden, und Grundrechtsschutz wird vorwiegend durch, nicht gegen den Gesetzgeber gewährleistet.255 Andererseits kommt der dänischen Freiheitstradition eine wichtige Rolle als ungeschriebener, aber alle Gewalten bindender Grundrechtsschranke zu.256 Außerdem ist auch in Dänemark die EMRK, die seit ihrer Inkorporation in das dänische Recht 1992 konventionswidrigem dänischen Gesetzesrecht vorgeht und schon vorher von den dänischen Gerichten und der Gesetzgebung bei der Grundrechtsinterpretation berücksichtigt wurde, von steigender Bedeutung.257 In Dänemark existiert, obwohl die Verfassung den Rundfunk nicht erwähnt, ein duales Rundfunksystem.258 (3) Finnland In Finnland ist die Situation insofern ähnlich wie in Dänemark, als auch hier die Grundrechte in der Rechtspraxis eine eher geringe Rolle spielen und die Grundrechtssicherung in aller erster Linie nicht durch die Gerichte, sondern 251 252 253 254 255 256 257 258

Vgl. Kühling, S. 291. Vgl. Dörr, Europa, S. 11. Jeweils zitiert nach Kimmel, S. 52; hierzu Gralla, S. 322 ff. Vgl. Gralla, S. 321. Vgl. Kühling, S. 297; Gornig, S. 466 f. Näher Kühling, S. 297. Vgl. Kühling, S. 298 m. w. N. Vgl. Liehr, S. 178 f.

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

durch den Gesetzgeber erfolgt.259 Die finnische Verfassung bzw. „Regierungsform“ garantiert in § 10 Abs. 1 S. 1 und 2 die Freiheit der Meinungsäußerung unter Einschluss des Rechts, „Informationen, Meinungen und eine andere Kommunikation ohne Einmischung von irgendwem mitzuteilen, zu veröffentlichen und zu empfangen“. Diese Formulierung deutet darauf hin, dass alle Kommunikationsinhalte und Übermittlungs- und Empfangstätigkeiten erfasst sind, also auch der Rundfunk. Das finnische Parlament hat sich außerdem dafür ausgesprochen, auch Werbemitteilungen als vom Schutzbereich des § 10 der Regierungsform erfasst, aber unter weniger strengen Voraussetzungen als sonstige Äußerungen einschränkbar anzusehen.260 Ein ausdrückliches Verbot der Vorzensur enthält die Regierungsform seit einer Verfassungsänderung nicht mehr. Die EMRK wurde von Finnland erst 1990 inkorporiert und hat dort Gesetzesrang. In Finnland existiert seit 1993 ein duales Rundfunksystem.261 (4) Frankreich Untersucht man den Schutz der Rundfunkfreiheit in Frankreich, ist zunächst, wie schon bezogen auf Belgien angedeutet, zu bedenken, dass der Grundrechtsschutz lange von der Lehre Jean Jacques Rousseaus geprägt war, nach der das Handeln des Gesetzgebers als Ausdruck der „volonté générale“ nicht gegen die Verfassung und damit auch nicht gegen die Grundrechte verstoßen kann. Ein Grundrechtsschutz gegen den Gesetzgeber war daher lange Zeit nicht vorstellbar und die Grundrechte wurden primär als objektiv-rechtliche Gewährleistungen verstanden.262 1985 löste sich der Conseil Constitutionnel (im Folgenden: CC) jedoch vom Rousseauschen Dogma und entschied, dass auch soweit man Gesetze als Ausdruck der volonté générale verstehe, sie den Bindungen aus der Verfassung unterlägen.263 Dennoch steht in Frankreich nach wie vor das Verständnis der Grundrechte als objektiver Rechtsgrundsätze insofern im Vordergrund, als bisher kein Verfassungsbeschwerdeverfahren existiert und Gesetze nur vor ihrem Inkrafttreten überprüft werden können.264 Von wachsender Bedeutung ist in Frankreich die EMRK, die nach Art. 55 der französischen Verfassung als von Frankreich ordnungsgemäß ratifizierter völkerrechtlicher Ver259

Vgl. Kühling, S. 301 m. w. N. Vgl. Kühling, S. 483 m. w. N. 261 Vgl. Liehr, S. 191; Technau, MP 1997, 157 ff.; Tapper, in: IHB, Teil B 2, S. 58 ff. 262 Vgl. Kühling, S. 253 m. w. N.; Petersen, S. 204 m. w. N.; Gornig (S. 648 f.), der zurecht auch auf Art. 6 der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 hinweist. 263 Entscheidung vom 23. 08. 1985, AJDA 1985, S. 607 (wörtlich: „La loi votée, qui n’exprime la volonté générale que dans le respect de la Constitution“); hierzu Arnold, JöR n. F. 38 (1989), S. 197 ff. (200). 264 Vgl. Kühling, S. 255. 260

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trag den Gesetzen vorgeht. Insbesondere auf Art. 10 EMRK wurde in der Rechtsprechung bereits Bezug genommen.265 In Art. 11 der Erklärung der Menschenrechte von 1789, die nach der Präambel der Verfassung Verfassungsrang hat,266 wird die Bedeutung der freien Kommunikation von Gedanken und Meinungen als „un des droits les plus précieux de l’homme“ betont, und daher die Freiheit zu reden, zu schreiben und zu drucken geschützt.267 Eine Rundfunkfreiheit wird aber ausdrücklich weder durch die Verfassung noch (historisch bedingt) durch die Erklärung der Menschenrechte garantiert. Dennoch hat der CC mehrfach aus Art. 11 der Erklärung der Menschenrechte abgeleitet, dass die audiovisuelle Kommunikation frei sein müsse.268 Daraus folgt, dass auch in Frankreich die Rundfunkfreiheit jedenfalls als Programmfreiheit geschützt ist269. Bis 1982 bestand in Frankreich ein Rundfunkmonopol, das durch das Loi no. 82-652 vom 29. 07. 1982 abgeschafft wurde. Dieses Gesetz stellt in Art. 1 Abs. 1 klar: „La communication audiovisuelle est libre“270 und legt damit die Grundlage für das französische duale Rundfunksystem. Außerdem gewährte die Urfassung des Gesetzes den Bürgern in Art. 2 ein Recht auf freie und pluralistische audiovisuelle Kommunikation.271 Da diese Regelung im Loi no. 82-652 aber ebenso wieder abgeschafft wurde wie eine andere, die die Freiheit des Errichtens und Betreibens von Telekommunikationsanlagen vorgesehen hatte,272 ist unklar, ob nach französischem Recht ein Individualrecht auf Rundfunkveranstaltung besteht.273 Aus Art. 34, 1. Spiegelstrich der Verfassung, wonach durch Gesetz „die Bürgerrechte und die den Staatsbürgern zur Ausübung ihrer Grundrechte gewähr265

Vgl. die Nachweise bei Kühling, S. 258 f. Vgl. Entscheidung des CC vom 16. 07. 1971, J. O. 1971, S. 7114; Petersen, S. 201; Gornig, S. 651; Roider, S. 197 f. 267 Der Schutzbereich des Art. 11 wird von Rechtsprechung und Literatur sowohl hinsichtlich der Inhalte als auch hinsichtlich der Übertragungsmittel weit gefasst, ob auch Werbemitteilungen geschützt sind, ist aber noch nicht geklärt (vgl. Kühling, S. 266 f., 484 ff.). Ein Zensurverbot besteht nach französischem Verfassungsrecht nicht (vgl. Kühling, S. 288 m. w. N.). 268 Vgl. Entscheidung des CC vom 27. 07. 1982, J. O. 1982, S. 2422; Entscheidung des CC vom 25. 07. 1984, J. O. 1984, S. 2492; Entscheidung des CC vom 17. 01. 1989, J. O. 1989, S. 754; Entscheidung des CC vom 21. 01. 1994, RFDA 1994, S. 1178. 269 So i. E. Petersen, S. 202 m. w. N.; Roider, S. 198; a. A. Gornig, S. 661. 270 Zur aktuellen Fassung dieses Gesetzes durch das Loi no. 89-25 vom 17. 01. 1989 vgl. J. O. 1989, S. 728. 271 Vgl. Petersen, S. 203. 272 Vgl. Petersen, S. 205 m. w. N. 273 Auch die Rechtsprechung des CC hilft insoweit wenig weiter, denn dieser hat nur festgestellt, dass der Gesetzgeber berechtigt (nicht verpflichtet) sei, für privaten Rundfunk ein Genehmigungssystem zu schaffen (vgl. Petersen, S. 206 m. w. N.), und dass Regelungen zum Pluralismusschutz dem Verhältnismäßigkeitsprinzip entsprechen müssen; a. A. Roider (S. 199, 202), die ein solches Individualrecht bejaht. 266

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

ten grundlegenden Garantien“274 geregelt werden, folgt eine Kompetenz des französischen Gesetzgebers zur Grundrechtsausgestaltung275 und damit auch zur Ausgestaltung der Rundfunkordnung.276 Hierbei hat der Gesetzgeber nach Ansicht des CC nicht nur die Grundrechtsgewährleistung als solche, sondern auch den Stand der Technik (Frequenzknappheit), den Schutz des „ordre public“, die Rechte anderer und insbesondere den Schutz des kulturellen und politischen Pluralismus zu beachten.277 Der CC stellt bei seiner Auslegung der Rundfunkfreiheit insoweit primär auf die Sicht der Rezipienten ab und geht davon aus, dass die von Art. 11 der Erklärung der Menschenrechte vorgesehene Freiheit der Kommunikation nur dann gewährleistet sei, wenn Rezipienten sowohl im öffentlich-rechtlichen als auch im privaten Rundfunk aus einer Vielfalt von Informationen frei und ohne staatlichen Einfluss auswählen könnten.278 Aus diesem Grund dürfe der Gesetzgeber den Rundfunk auch nicht den Marktkräften vollständig überlassen, sondern müsse Regelungen zum Schutz des Pluralismus treffen279 und z. B. eine unabhängige Aufsichtsbehörde für den Rundfunk installieren.280 Diese Regelungen dürften an die Gewährleistung des Pluralismus im öffentlich-rechtlichen strengere Anforderungen als im privaten Rundfunk stellen,281 müssten jedoch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen.282 In dieser letzten Erwägung des CC liegt die entscheidende Parallele zur Rechtsprechung des EGMR und ein Unterschied zur Rechtsprechung des BVerfG.283

274

Zitiert nach Kimmel, S. 147. Vgl. Arnold, JöR 38 (1989), S. 196 ff. (200 f.); Roider, S. 203 f. 276 Vgl. Entscheidung des CC vom 19. 03. 1964, J. O. 1964, S. 3095; Entscheidung des CC vom 18. 09. 1986, J. O. 1986, S. 11294; Roider, S. 199. 277 Vgl. das wörtliche Zitat bei Roider, S. 200; vgl. auch Petersen, S. 207 m. w. N.; näher zu den einzelnen Gründen zur Einschränkung der Kommunikationsfreiheit Kühling, S. 271 ff. m. w. N. 278 Vgl. Entscheidung des CC vom 18. 09. 1986, J. O. 1986, S. 11294; Kühling, S. 267 m. w. N. 279 Vgl. zum Doppelcharakter des Pluralismus als Inhalt und Schranke der französischen Kommunikationsfreiheit: Kühling, S. 285; Schellenberg, AöR 119 (1994), 427 ff. (446). 280 Vgl. Petersen, S. 208 m. w. N.; Gornig, S. 664 m. w. N. Diese Aufgabe übt seit 1994 sowohl für den öffentlich-rechtlichen als auch für den privaten Rundfunk die CSA aus (vgl. Bullinger, Funktionsauftrag, S. 55). 281 Vgl. Entscheidung des CC vom 18. 09. 1986, J. O. 1986, S. 11294; zur derzeitigen rechtspraktischen Ausgestaltung dieser Vorgaben in Frankreich, insbesondere zu den Programmauflagen gegenüber den öffentlich-rechtlichen Veranstaltern und diesbezüglichen Reformüberlegungen: Bullinger, Funktionsauftrag, S. 52 ff. 282 Vgl. Entscheidung des CC vom 17. 01. 1989, J. O. 1989, S. 754 (757); vgl. zum „principe de proportionnalité“ als Schranken-Schranke Kühling, S. 286 f. 283 So auch Dörr, Europa, S. 42. 275

VII. Gemeinschaftsgrundrecht der Medienfreiheit

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(5) Großbritannien und Nordirland Die Verfassungssituation im Vereinigten Königreich ist nach wie vor insofern singulär, als jedenfalls in England und Wales keinerlei verbindlicher Verfassungstext oder Grundrechtskatalog existiert284 und die Stellung des Parlaments so stark ist, dass es sich über die einfachgesetzlich normierten oder ungeschriebenen „civil liberties“ prinzipiell ohne weiteres (insbesondere ohne eine verfassungsgerichtliche Kontrolle) hinwegsetzen kann.285 Daraus folgt jedoch nicht, dass der Schutz der Grundrechte im Vereinigten Königreich defizitär wäre. Einerseits ist das Vereinigte Königreich wohl das europäische Land mit der ältesten Freiheitstradition, die von Gesetzgeber und Gerichten auch respektiert wird.286 Diese Tradition zeigt sich auch und gerade im Bereich des Rundfunks. Nicht von ungefähr war es die BBC, die in der Nachkriegszeit zum Vorbild des deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunks wurde.287 Andererseits hat die EMRK auch im Vereinigten Königreich erhebliche Bedeutung,288 die durch die förmliche Inkorporation der Konvention durch den Human Rights Act von 1998289 noch zunehmen wird.290 Der Human Rights Act verpflichtet die britischen Gerichte bei der Entscheidung über Fragen im Zusammenhang mit der EMRK, die Entscheidungspraxis und sonstige Äußerungen der Konventionsorgane zur Auslegung dieser Rechte zumindest zu berücksichtigen und das britische Recht, wenn irgend möglich, EMRK-konform auszulegen. Ist eine solche Auslegung nicht möglich, kann das betreffende Gericht die britische Regelung für unvereinbar mit der EMRK erklären, was allerdings reine Feststellungswirkung hat und keine Nichtigerklärung darstellt.291 Gemäß § 6 des Human Rights 284 Vgl. statt vieler Fenton, JURA 2000, 330 (331); zu Verfassungstexten und Grundrechtskatalogen in Nordirland und Schottland vgl. Kühling, S. 345 m. w. N. 285 Vgl. Kühling, S. 345; Wiedemann, S. 23 ff.; Rivers, JZ 2001, 127 (128 f. m. w. N.). 286 Vgl. Wiedemann, S. 24; Rivers, JZ 2001, 127 (128 f.). 287 Vgl. Holznagel, Europa, S. 12; Grünwald, in: Holznagel/Grünwald, S. 37; Bullinger, Funktionsauftrag, S. 64; zur Entwicklung der BBC Roider, S. 215 f. 288 Bereits vor dem Human Rights Act 1998 wurde in der britischen Rechtspraxis die EMRK berücksichtigt, obwohl sie wegen des dualistischen Ansatzes der britischen Völkerrechtslehre eigentlich kein im Vereinigten Königreich anwendbares Recht darstellte. Die britischen Behörden gingen bei der Auslegung des britischen Rechts davon aus, der Gesetzgeber habe nicht von seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen (aus der EMRK) abweichen wollen; vgl.: Wiedemann, S. 26 ff.; Fenton, JURA 2000, 330 ff. (331); Kühling (S. 346 ff.) und Rivers (JZ 2001, 127 ff. (129)) unter Bezugnahme auf den Fall Derbyshire County Council ./. The Times; Baum, EuGRZ 2000, 281 ff. (288 ff.). 289 Dazu die Einschätzung von Fenton (JURA 2000, 330 ff. (330)): „The Act promises to be the most significant development in the United Kingdom’s constitutional history in the last three hundred years“; zur diesbezüglichen Politik der Labour Party, ebd.; allg. zum Human Rights Act Baum, EuGRZ 2000, 281 ff. (294 ff.). 290 Rivers (JZ 2001, 127 ff. (132)) sieht im Human Rights Act sogar den möglichen Beginn einer Gesamtkodifikation der britischen Verfassung.

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

Act ist ein Handeln der öffentlichen Gewalt (wobei das Parlament wohl nicht miterfasst ist), das im Widerspruch zur EMRK steht, rechtswidrig.292 Der Human Rights Act zeigt außerdem in § 12 die Bedeutung der Kommunikationsfreiheit auf, indem für gerichtliche Anordnungen gegen Veröffentlichungen in den Medien strenge Voraussetzungen festgeschrieben werden.293 Damit wird an eine schon seit längerem bestehende Tradition im britischen Recht angeknüpft, Schutz für Meinungsäußerungen innerhalb und außerhalb der Medien möglichst weitreichend zu gewähren, einschränkende Gesetze restriktiv auszulegen und Vorzensur nur in Ausnahmefällen zuzulassen.294 Auch Großbritannien295 gewährleistet einen grundsätzlich adäquaten Schutz der Programmfreiheit für private Veranstalter.296 Nach wie vor ist der britische Rundfunk jedoch stark am Public-Service-Modell ausgerichtet. Ein Individualrecht auf Rundfunkveranstaltung wird nicht anerkannt, was ursprünglich mit der Knappheit der Frequenzen und derzeit v. a. mit dem Pluralismusschutz und der Bedeutung des Rundfunks für die öffentliche Meinungsbildung begründet wird.297 Großbritannien hat, wie mittlerweile alle Mitgliedstaaten der Gemeinschaft, ein funktionierendes duales Rundfunksystem mit der binnenpluralistisch kontrollierten BBC auf der einen und privaten Sendern auf der anderen Seite.298 Neben der BBC existiert als weiterer öffentlich-rechtlicher Rundfunkveranstalter noch Channel 4, der von der unabhängigen Aufsichtsbehörde Independent Television Commission (ITC)299 getragen wird und sich aus Werbeeinnahmen finanziert. Auch Channel 4 ist trotz der Werbefinanzierung streng dem Modell des Public Service und damit zu möglichst weitgehender Marktferne verpflichtet300. Die privaten Free- und Pay-TV-Sender (ITV bzw. Channel 3 (d. i. ein 291

Vgl. Fenton, JURA 2000, 330 ff. (332); Rivers, JZ 2001, 127 ff. (130). Rivers (JZ 2001, 127 ff. (130)) betrachtet diese Regelung als den Kern des neuen Systems. 293 Rivers, JZ 2001, 127 ff. (130); Baum, EuGRZ 2000, 281 ff. (302). 294 Vgl. Kühling, S. 348 ff. m. w. N.; Wiedemann, S. 39 ff. allerdings bezogen auf die Presse. 295 Gemeint ist die Rechtslage nach den Broadcasting Acts von 1990 und von 1996. 296 Die weitreichenden Eingriffe in die Programmfreiheit, die bis Ende der achtziger Jahre erfolgten, weil man die private Rundfunkveranstaltung in ähnlicher Weise dem Gedanken des public service verpflichtet sah, wie die öffentlich-rechtliche (kritisch sub specie Art. 10 EMRK: Wiedemann, S. 73 ff.), sind durch die neuere Rundfunkgesetzgebung zumindest teilweise abgebaut worden; vgl. Holznagel, Europa, S. 65 ff. 297 Vgl. Wiedemann, S. 64 ff. 298 Vgl. Grünwald, in: Holznagel/Grünwald, S. 37 ff.; Roider, S. 216 ff. Dieses duale System existiert für den Bereich des Fernsehens seit 1954 (!), für den des Hörfunks seit 1973 (vgl. Wiedemann, S. 63 ff.). 299 Näher zu ihrer Struktur und Funktion: Broadcasting Act 1990, Part I, Chapter 1, 1 ff.; Bullinger, Funktionsauftrag, S. 64; Grünwald, in: Holznagel/Grünwald, S. 40 f. 300 Näher: Holznagel, Europa, S. 66 f.; Bullinger, Funktionsauftrag, S. 65 ff. 292

VII. Gemeinschaftsgrundrecht der Medienfreiheit

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Verbund aus 16 Privatsendern), Channel 5, BSkyB usw.301) dürfen sich in ihrer Programmgestaltung marktkonform verhalten, solange sie gewisse Mindestanforderungen an Qualität, Jugendschutz, Werbung und Konzentration erfüllen. Sie müssen um ihre Programme senden zu können, eine Programmlizenz bei der ITC ersteigern und unterliegen der Kontrolle durch die ITC und die Broadcasting Standards Commission (BSC).302 (6) Luxemburg Die Grundrechte nach der luxemburgischen Verfassung werden von der dortigen Literatur und Rechtsprechung ähnlich der deutschen und im Gegensatz etwa zur dänischen oder finnischen Tradition vorwiegend als einklagbare subjektiv-öffentliche Rechte interpretiert.303 Allerdings stand auch in Luxemburg wie in Frankreich und Belgien lange Zeit der Grundrechtsschutz durch, nicht gegen den Gesetzgeber im Vordergrund.304 Art. 24 Abs. 1 der Verfassung garantiert die „Freiheit, seine Meinung in allen Dingen mündlich zu äußern“ und die Pressefreiheit.305 Eine Rundfunkfreiheit wird von der luxemburgischen Verfassung also nicht anerkannt.306 Art. 24 Abs. 2 verbietet in Anlehnung an die entsprechende Bestimmung der belgischen Verfassung307 die Einführung der (Vor-)zensur. Auch im Hinblick auf die Geltung und Bedeutung der EMRK ist die Situation in Luxemburg ähnlich wie in Belgien, d. h. die Bestimmungen der EMRK gehen im Konfliktfall dem luxemburgischen Recht vor.308 In Luxemburg existiert mittlerweile, nachdem das Monopol der CLT aufgebrochen wurde, ein duales Rundfunksystem.309 Einen Sonderfall bildet Luxemburg insoweit, als die CLT eine private Gesellschaft ist, das duale Rundfunksystem hier also im Gegensatz zu den anderen europäischen Ländern durch Einführung eines öffentlich-rechtlichen Senders geschaffen wurde.310

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Vgl. die Übersicht bei Grünwald, in: Holznagel/Grünwald, S. 37 ff. Diese befasst sich vorrangig mit Fragen des Persönlichkeitsschutzes und der Programmqualität (vgl. Broadcasting Act 1996 Part V 106 ff.). Vgl. zum Vorläufer dieser Kommission, der Broadcasting Complaints Commission Holznagel, Europa, S. 67. 303 Vgl. Kühling, S. 316. 304 Vgl. Kühling, S. 317. 305 Zitiert nach Kimmel, S. 279. 306 So i. E. auch: Kühling, S. 317; Gornig, S. 674. 307 Näher hierzu: Kühling, S. 316; Gornig, S. 674 f. 308 Vgl. Gornig, S. 675. 309 Vgl. Liehr, S. 176 f. 310 Vgl. Dörr, Europa, S. 15 f.; Hirsch, in: IHB, Teil B 2, S. 450 ff. 302

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

(7) Österreich In Österreich sind Abweichungen von der Rechtsprechung des EGMR schon deswegen nahezu ausgeschlossen, weil die EMRK dort im Gegensatz etwa zu Deutschland Verfassungsrang hat311 und sich der österreichische Verfassungsgerichtshof bei seinen Entscheidungen eng an ihrer Auslegung durch den EGMR orientiert.312 Der Verfassungsgerichtshof stellt gerade bei seiner Rechtsprechung zur Äußerungs- und Informationsfreiheit parallel auf Art. 10 EMRK und auf die verfassungsrechtlichen Gewährleistungen ab und entwickelt hieraus ähnlich wie der EGMR eine allgemeine Kommunikationsfreiheit, die unter Ausschluss der Vorzensur grundsätzlich alle Äußerungsinhalte und Äußerungsmittel erfasst und auf der Rezipientenseite sowohl das passive Empfangen von Informationen als auch die aktive Suche nach diesen beinhaltet.313 Auch bei den Schranken dieser Kommunikationsfreiheit lehnt sich die österreichische Rechtsprechung eng an die des EGMR an, geht daher von einem weiten Eingriffsbegriff aus und hält Eingriffe nur dann für rechtmäßig, wenn sie den in Art. 10 Abs. 2 EMRK aufgestellten Voraussetzungen entsprechen.314 Nachdem der EGMR in der Entscheidung „Informationsverein Lentia“ 1994 das öffentlich-rechtliche Rundfunkmonopol für konventionswidrig erklärt hat, existiert mittlerweile auch in Österreich ein duales Rundfunksystem, privater Rundfunk hat allerdings bisher eher geringe Bedeutung.315 d) Zwischenergebnis – das Gemeinschaftsgrundrecht der Medienfreiheit Die Abweichungen der Mitgliedstaaten vom EMRK-Standard sind bei der Rundfunk- bzw. Medienfreiheit zu gering, als dass sich annehmen ließe, das durch das Gemeinschaftsgrundrecht der Medienfreiheit gewährleistete Schutzniveau läge unterhalb des durch Art. 10 EMRK garantierten. Das sich somit aus Art. 10 EMRK und den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen ergebende Gemeinschaftsgrundrecht der Medienfreiheit ist ein aus der Meinungsäußerungsfreiheit folgendes Individualrecht auf Rundfunkveranstaltung, das auf der Ebene des europäischen Primärrechts neben die subjektiven Rechte aus den Grundfreiheiten tritt. Diesem Recht auf Rundfunkveranstaltung steht der Pluralismus als objektiver Rechtsgrundsatz gegenüber, aus dem Einschränkungen des betreffenden Individualrechts folgen können. Dieser Pluralismus der Medien- bzw. Rundfunk311 312 313 314 315

Vgl. Kühling, S. 322 m. w. N. So bezogen auf Art. 10 EMRK Berka, Rdnr. 553 ff. Vgl. Berka, Rdnr. 544. Vgl. Berka, Rdnr. 558 ff. Vgl. Berka, Rdnr. 578 ff.

VII. Gemeinschaftsgrundrecht der Medienfreiheit

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inhalte dient dazu, die freie Meinungsbildung zu befördern; dadurch bedingte Einschränkungen sind am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu messen. Vor allem in diesem letzteren Punkt besteht der Unterschied zwischen dem Gemeinschaftsgrundrecht der Medienfreiheit und Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG. Sowohl die mitgliedstaatlichen Gesetzgeber als auch der Gemeinschaftsgesetzgeber sind verpflichtet, dem Pluralismus zur möglichst weitgehenden Entfaltung zu verhelfen. Wie oben dargelegt [B. IV. 4.] ist der Gemeinschaftsgesetzgeber jedoch aufgrund der Kompetenzschranken aus Art. 5 EG und Art. 151 EG nicht befugt, dieser Pflicht selbstständig nachzukommen, sondern muss sich auf die entsprechenden mitgliedstaatlichen Regelungen verlassen. Garanten des Pluralismus in der Gemeinschaft sind somit primär die Mitgliedstaaten, die zur entsprechenden Ausgestaltung ihrer Rundfunkordnung verpflichtet sind. Die EU-Mitgliedstaaten haben sämtlich ein duales Rundfunksystem eingerichtet, in dem dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine Sonderrolle zukommt. 3. Bindung der Mitgliedstaaten an das Gemeinschaftsgrundrecht der Medienfreiheit a) Medienfreiheit und Einschränkung der Grundfreiheiten Der EuGH hat mehrfach auf das Gemeinschaftsgrundrecht der Medienfreiheit oder zumindest auf Art. 10 EMRK im Zusammenhang mit Einschränkungen der Grundfreiheiten aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses Bezug genommen.316 Insoweit hat er festgestellt, die Aufrechterhaltung eines pluralistischen Rundfunkwesens in den Mitgliedstaaten stünde „in einem Zusammenhang mit der durch Art. 10 [EMRK] garantierten Meinungsfreiheit“317 und die Medienvielfalt trage „zur Wahrung des Rechts der freien Meinungsäußerung [i. S. d. Art. 10 EMRK] bei“.318 Damit entnimmt der EuGH dem Art. 10 EMRK bzw. dem inhaltsähnlichen Gemeinschaftsgrundrecht eine Schutzpflicht der Mitgliedstaaten zugunsten des Pluralismus319 und stellt klar, dass die Mitgliedstaaten bei der Beschränkung der Grundfreiheiten nicht nur die geschriebenen und 316 Vgl. für die Dienstleistungsfreiheit: Rs. C-288/89 (Gouda), Slg. 1991, S. I4007 ff, Rdnr. 23 des Urteils; bestätigt in: Rs. C-353/89 (Kommission ./. Niederlande), Slg. 1991, S. I-4069 ff., Rdnr. 30 des Urteils; Rs. C-148/91 (Veronica), Slg. 1993, S. I-487 ff., Rdnr. 9 des Urteils; Rs. C-23/93 (TV 10), Slg. 1994, S. I-4795 ff., Rdnr. 18 ff. des Urteils; Übernahme dieser Rechtsprechung für die Warenverkehrsfreiheit in Rs. C-368/95 (Familiapress), Slg. 1997, S. I-3689 ff., Rdnr. 18 des Urteils. 317 So wörtlich Rs. C-353/89 (Kommission ./. Niederlande), Slg. 1991, S. I4069 ff., Rdnr. 30 des Urteils. 318 So wörtlich Rs. C-368/95 (Familiapress), Slg. 1997, S. I-3689 ff., Rdnr. 18 des Urteils. 319 So auch Kühling, S. 365 ff.

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

ungeschriebenen Rechtfertigungsgründe und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, sondern auch die Grundrechte zu beachten haben. Hierbei ist mangels gegenteiliger Aussagen des EuGH davon auszugehen, dass bei der Frage, ob die Beschränkung der Grundfreiheiten zugunsten des Pluralismus den Vorgaben des Art. 10 EMRK genügt, die gleichen Maßstäbe anzulegen sind, wie sie der EGMR im Rahmen des Art. 10 Abs. 2 EMRK an Regelungen der Pluralismussicherung anlegt.320 Allerdings ist der EuGH dabei, Grundfreiheitsbeschränkungen auch an den Grundrechten zu messen, nicht immer konsequent: So hat er in den Fällen de Agostini und ARD ./. Pro 7321 (jeweils entschieden nach Ergehen der Entscheidung in Rs. Familiapress) mitgliedstaatliche Beschränkungen für Rundfunkwerbung als mit Art. 30 EGV nach der Cassis- bzw. der Keck-Rechtsprechung vereinbar angesehen, ohne diese Regelungen zusätzlich an Art. 10 EMRK bzw. dem entsprechenden Gemeinschaftsgrundrecht zu messen.322 Bereits zuvor hatte der EuGH in drei Fällen staatliche Maßnahmen im Werbebereich auf ihre Vereinbarkeit mit Art. 30 ff. EGV überprüft und Art. 10 EMRK ebenfalls nicht erwähnt.323 In Rs. Leclerc-Siplec ging der EuGH ähnlich vor und rechtfertigte eine französische Werbebeschränkung nach den Grundsätzen der Keck-Rechtsprechung, ohne auf Art. 10 EMRK Bezug zu nehmen.324 Zwar ist anzumerken, dass es sich in all diesen Fällen um Vorabentscheidungen gehandelt hat und die vorlegenden Gerichte nicht nach einer Vereinbarkeit der mitgliedstaatlichen Maßnahme mit den Gemeinschaftsgrundrechten gefragt hatten. Dies trifft aber auch für die Entscheidung in Rs. Familiapress zu.325 In dieser hatten sich die Kommission und die österreichische Regierung allerdings ausdrücklich auf den Schutz der Medienvielfalt und damit implizit auf Art. 10 EMRK berufen.326 Wiederum ähnlich war die prozessuale Situation in Rs. Veronica, wo der EuGH Art. 10 EMRK mit keinem Wort erwähnte, obwohl es um die Rechtfertigung einer Dienstleistungsbeschränkung gerade aus Gründen des 320 Ähnlich Probst (S. 75), der überzeugend feststellt, „wenn der EuGH . . . Art. 10 EMRK nicht weiter präzisier[e,] die Mitgliedstaaten gehalten seien, nicht nur dem Wortlaut des Art. 10 EMRK, sondern auch der Rechtsprechung des EGMR Beachtung zu schenken“. 321 Verb. Rs. C-34 u. 35/95 (de Agostini), Slg. 1997, S. I-3843, Rdnr. 39 ff.; Rs. C6/98 (ARD ./. Pro 7 u. a.), Slg. 1999, S. I-7599 ff., Rdnr. 45 ff.; vgl. demgegenüber Rs. C-245/01 (RTL Television), Rdnr. 67 ff. 322 Kritisch zur Entscheidung in Rs. de Agostini: Ress, in: GS Ryssdal, S. 1173 ff. (1188 ff.). 323 Vgl. Rs. C-126/91 (Yves Rocher), Slg. 1993, S. I-2361, Rdnr. 12 ff.; Rs. C-320/ 93 (Ortscheit), Slg. 1994, S. I-5243, Rdnr. 13 ff.; Rs. C-470/93 (Mars), Slg. 1995, S. I1923 ff., Rdnr. 15 ff. 324 Rs. C- 412/93 (Leclerc-Siplec), Slg. 1995, S. I-179, Rdnr. 18 ff. 325 Rs. C-368/95 (Familiapress), Slg. 1997, S. I-3689 ff., Rdnr. 5. 326 Rdnr. 13 ff. der Entscheidung.

VII. Gemeinschaftsgrundrecht der Medienfreiheit

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Pluralismusschutzes ging.327 Nimmt man an, der EuGH habe die genannten Fälle aus rein prozessualen Gründen unterschiedlich behandelt, bleiben also Unklarheiten. Sie verschwinden auch nicht, wenn man davon ausgeht, der EuGH habe, solange der EGMR die Frage, ob Werbemitteilungen den Schutz des Art. 10 EMRK genießen, noch nicht entschieden hatte, diesem nicht vorgreifen wollen. Zumindest die Entscheidungen in Rs. de Agostini und Leclerc-Siplec sind nämlich nach den Entscheidungen des EGMR in den Fällen „markt intern“ und „Casado Coca“, mit denen die sog. commercial speech klar dem Schutzbereich des Art. 10 EMRK zugeordnet wurde,328 ergangen. Denkbar wäre, dass der EuGH bis zum Urteil in Rs. Familiapress zwar Maßnahmen im Bereich des freien Dienstleistungsverkehrs, nicht aber im Bereich des freien Warenverkehrs als Eingriffe in den Schutzbereich des Art. 10 EMRK angesehen hat. Für diese dem Grundsatz der Parallelität der Grundfreiheiten widersprechende Differenzierung ist aber kein plausibler Grund ersichtlich. Außerdem hat der EuGH, wie dargelegt, Art. 10 EMRK auch in Rs. Veronica unberücksichtigt gelassen, obwohl es in diesem Fall nicht um die Warenverkehrs-, sondern um die Dienstleistungsfreiheit ging. Warum der EuGH in seiner Rechtsprechung zu den Grundfreiheiten Art. 10 EMRK teils erwähnt und teils unerwähnt lässt, lässt sich also kaum erklären. Man kann sich aber, berücksichtigt man zusätzlich noch das Urteil über die Tabakwerberichtlinie, in dem die Grundrechtsprüfung ebenfalls umgangen wurde,329 zumindest des Eindrucks nicht erwehren, dass der EuGH Grundrechte nur prüft, wenn es unbedingt notwendig ist.330 Dies schadet einem effektiven Grundrechtsschutz auf Gemeinschaftsebene. Zwar könnte man annehmen, es reiche aus, wenn die Verhältnismäßigkeit einer mitgliedstaatlichen Maßnahme zumindest einmal (unter dem Gesichtspunkt der Grundfreiheiten oder der Grundrechte) geprüft wird. Sofern der betreffende Sachverhalt aber grundrechtliche Implikationen aufweist, müssen diese spätestens bei der Abwägung im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung Berücksichtigung finden. 327

Rs. C-148/91 (Veronica), Slg. 1993, S. I-487, Rdnr. 9 ff. Darauf nimmt auch GA Fennelly in seinen Schlussanträgen zum Urteil über die Tabakwerberichtlinie Bezug; vgl. verbundene Schlussanträge zu Rs. C-376/98 u. 74/ 99, Slg. 2000, S. I-8419 ff., Rdnr. 153 f. 329 Rs. 376/98 (Tabakwerberichtlinie), Slg. 2000, S. I-8419 ff. GA Fennelly hatte demgegenüber in seinen Schlussanträgen die Meinungsfreiheit und andere Grundrechte umfangreich geprüft (Rdnr. 146 ff., zur Meinungsfreiheit: Rdnr. 152–176). 330 So i. E. auch Ress, in: GS Ryssdal, S. 1173 ff. (1192 ff. m. w. N.). Diesen Eindruck bestätigt nicht zuletzt auch die Entscheidung in Rs. C-159/90 (Grogan) (Slg. 1991, S. I-4685 ff.), in der es um Maßnahmen gegenüber einer irischen Studentenvereinigung ging, die gegen ein irisches Verbot der Verbreitung von Informationen über ausländische Abtreibungskliniken verstoßen hatten. Der EuGH ging, obwohl GA van Gerven in seinen Schlussanträgen umfangreich kommunikationsfreiheitsrechtliche Aspekte erörtert hatte, auf solche Aspekte in seinem Urteil nicht ein. Begründet wurde dies damit, dass die betreffende irische Maßnahme nicht in den Rahmen des Gemeinschaftsrechts fiele, weil die Verbindung zur Dienstleistungsfreiheit nicht ausreichend eng sei. 328

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

Grundrechte, wie der EuGH in den entsprechenden Entscheidungen, nicht zu erwähnen, ist daher höchstens dann akzeptabel, wenn die betreffende mitgliedstaatliche Maßnahme schon allein an den Grundfreiheiten gemessen eindeutig unverhältnismäßig ist. Hält man die Maßnahme wie in Rs. de Agostini, Veronica und Leclerc-Siplec für mit den Grundfreiheiten vereinbar, darf das Grundrecht aus Art. 10 EMRK nicht unerwähnt bleiben. Es ist daher zu hoffen, dass der EuGH sich in seiner zukünftigen Rechtsprechung vorrangig an den Urteilen orientieren wird, in denen Art. 10 EMRK berücksichtigt wurde.331 b) Medienfreiheit und Wettbewerbsrecht Das Gemeinschaftsgrundrecht der Medienfreiheit hat auch im Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft bereits eine Rolle gespielt, und zwar sowohl in der Entscheidungspraxis der Kommission als auch in der Rechtsprechung des EuGH: Den Anfang machte der Gerichtshof mit der Entscheidung in Rs. ERT.332 In dieser stellte er fest, dass ein öffentlich-rechtliches Rundfunk- bzw. Fernsehmonopol mit dem Gemeinschaftsrecht einschließlich des Grundrechts aus Art. 10 EMRK vereinbar sei, wenn es aus im öffentlichen Interesse liegenden Gründen nichtwirtschaftlicher Art eingeräumt und es ohne Verstoß gegen die Grundfreiheiten und das europäische Wettbewerbsrecht ausgestaltet und ausgeübt werde.333 Probst hat allerdings zurecht darauf hingewiesen, dass dieses Urteil vor der Entscheidung des EGMR in Sachen Informationsverein Lentia erging, in dem der EGMR die Vereinbarkeit öffentlich-rechtlicher Rundfunkmonopole mit Art. 10 EMRK für den Regelfall verneinte.334 Ob das Urteil heute noch so getroffen würde, ist somit zweifelhaft, kann aber dahinstehen, denn öffentlichrechtlicher Monopolrundfunk existiert in keinem Mitgliedstaat mehr. In der Sache VTM335 hat das EuG die Vereinbarkeit eines öffentlich-rechtlichen Monopols im Bereich der Rundfunkwerbung in Belgien mit dem Gemeinschaftsrecht verneint, sich dabei allerdings nicht auf die Grundrechte, sondern allein auf die Niederlassungsfreiheit und das Wettbewerbsrecht gestützt.336 Damit hat das Gericht angedeutet, dass es die Ansicht des EGMR bezüglich der Rundfunkmonopole im Ergebnis teilt. Die Kommission hat in ihren wettbewerbsrechtlichen Entscheidungen das sich aus Art. 10 EMRK und den betreffenden mitgliedstaatlichen Verfassungsüberlieferungen ergebende Gemeinschaftsgrundrecht bisher nur einmal aus331 332 333 334 335 336

So i. E. auch Kühling, EuGRZ 1997, 296 (302 f.). Rs. 260/89 (ERT), Slg. 1991, S. I-2925 ff. Rs. 260/89 (ERT), Slg. 1991, S. I-2925 ff. Rdnr. 12 des Urteils. Vgl. Probst, S. 72 f.; vgl. auch Mailänder, S. 125. Rs. T-266/97 (VTM), Slg. 1999, S. II-2329. Näher Gundel, ZUM 2000, 1046 (1053 ff.).

VII. Gemeinschaftsgrundrecht der Medienfreiheit

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drücklich angesprochen: In der Entscheidung zum Filmeinkauf der deutschen Fernsehanstalten337 formulierte sie in Rdnr. 39: „Eine andere Betrachtung ist auch nicht durch das Grundrecht der Rundfunkfreiheit geboten. Dabei kann dahinstehen, inwieweit auf Gemeinschaftsebene ein solches Grundrecht besteht und ob es, . . . einen Programmauftrag an die öffentlich-rechtlichen Rundfunkund Fernsehanstalten umfasst und unter Umständen auch deren Programmbeschaffung schützt. Jedenfalls ist nicht ersichtlich, dass durch die Anwendung der Wettbewerbsregeln im vorliegenden Fall der Programmauftrag . . . vereitelt würde . . .“. Die Kommission erkennt die für die duale Rundfunkordnung entscheidenden Fragen der Grundrechtsauslegung also durchaus, lässt sie aber unbeantwortet. In ihren übrigen Entscheidungen hat sich die Kommission auf wettbewerbsrechtliche Ausführungen beschränkt. Zwar hat sie in einigen Entscheidungen ähnlich der schon erwähnten zum gemeinsamen Filmeinkauf der deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bezüglich des öffentlichrechtlichen Rundfunks Erwägungen angestellt, die nicht nur wettbewerbsrechtlich bedeutsam, sondern auch im Zusammenhang mit den Grundrechten interessant sind. So hat sie in der ersten Freistellungsentscheidung zugunsten der EBU338 den am Leitbild des Pluralismus orientierten Auftrag der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten mehrfach berücksichtigt339 und außerdem implizit festgestellt, dass pluralistisches Fernsehen letztlich dem Zuschauer nützt, da er größere Auswahl hat.340 Hieraus kann man zumindest schließen, dass auch die Kommission den Schutz des Pluralismus in Übereinstimmung mit EuGH und EGMR grundsätzlich als legitimen Zweck für staatliche Eingriffe in den Rundfunkwettbewerb erachtet. Insgesamt ist die Kommission bei der Prüfung von Grundrechten aber entweder außerordentlich zurückhaltend oder legt ihre Prüfungen (wenn sie sie denn durchführt) in den Entscheidungen nicht offen. Beides ist nicht überzeugend, denn wenn Grundrechte in der Gemeinschaft effektiv gelten sollen, müssen alle Organe an sie gebunden sein,341 also auch die Kommission, und alle Organe müssen sich in ihren Entscheidungen auch mit den Einflüssen der Grundrechte befassen. Im Interesse der Rechtssicherheit für den grundrechtsberechtigten Gemeinschaftsbürger und für die Mitgliedstaaten sollten grundrechtliche Erwägungen in den Entscheidungen daher nicht nur tatsächlich angestellt, sondern auch offengelegt werden.

337

ABl. Nr. L 284/36 vom 03. 10. 1989. ABl. Nr. L 179/23 vom 22. 07. 1993; näher s. o. B. V. 6. a). 339 Vgl. Rdnr. 13, 19, 20, 45, 56 der Entscheidung; ähnlich die Entscheidung IV/ M.553 (RTL/Veronica/Endemol), ABl. Nr. L 134/32 vom 05. 06. 1996, Rdnr. 53. 340 Rdnr. 62, 68 und 73 der Entscheidung; ähnliche Überlegungen auch in der Nachfolgeentscheidung (ABl. Nr. L 151/18, vom 24. 06. 2000) Rdnr. 91. 341 Insoweit wäre eine Klarstellung in Art. 6 Abs. 2 EUV denkbar, der bisher nur davon spricht, dass die „Union die Grundrechte achtet“ und die Grundrechtsbindung der Organe nicht eigenständig betont. 338

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B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts

Wie dargelegt, gelten die Grundrechte nicht nur für wettbewerbsrechtliche Einzelfallentscheidungen der Gemeinschaft, sondern auch für die Rechtsetzung durch die Gemeinschaftsorgane. Daraus ergibt sich die Frage, ob ein EG-Medienkonzentrationsrecht mit dem aus Art. 10 EMRK und den entsprechenden mitgliedstaatlichen Verfassungsüberlieferungen abgeleiteten Gemeinschaftsgrundrecht vereinbar wäre:342 An anderer Stelle wurde bereits dargestellt, dass für eine derartige Gemeinschaftsregelung de contractu lato keine Rechtsgrundlage vorhanden wäre. Aber auch unter dem Gesichtspunkt des Grundrechtsschutzes für Medienveranstalter und Zuschauer/-hörer wäre eine solche Regelung fragwürdig. Soweit sie nämlich Fusionen von Medienunternehmen oder insbesondere die Beteiligung der Presse an Rundfunkveranstaltern verhindert, beschränkt sie jedenfalls dann, wenn man mit der h. M. die Gründung von Medienunternehmen als vom weit zu fassenden Schutzbereich der gemeinschaftsrechtlichen Kommunikationsfreiheiten erfasst ansieht, eben diese Freiheiten.343 Eine solche Beschränkung muss i. S. d. Art. 10 Abs. 2 (i.V. m. Abs. 1 S. 3) EMRK gerechtfertigt sein, damit sie grundrechtskonform ist, d. h. einem legitimen Zweck dienen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig bzw. verhältnismäßig sein. Der Schutz des Pluralismus ist zwar ein solcher legitimer Zweck,344 an der Verhältnismäßigkeit eines gemeinschaftlichen Medienkonzentrationsrechts bestehen aber die bereits oben aufgezeigten Zweifel. Eine solche Gemeinschaftsregelung begegnet daher auch grundrechtlichen Bedenken.345

342 343 344 345

Vgl. dazu zuletzt Ress, in: GS Ryssdal, S. 1173 ff. (1178 ff.). Vgl. Ress, in: GS Ryssdal, S. 1173 ff. (1178). Vgl. nur EGMR (Informationsverein Lentia). So auch Ress, in: GS Ryssdal, S. 1173 ff. (1180 f.).

Zusammenfassung A. Das duale Rundfunksystem in Deutschland I. In Deutschland existieren private und öffentlich-rechtliche Rundfunkveranstalter. Für dieses Rundfunksystem hat das BVerfG den Begriff „duales Rundfunksystem“ eingeführt. Ein „Dualismus“ zwischen beiden Veranstaltergruppen besteht vorwiegend im Bezug auf Finanzierung und Vielfaltssicherung. II. Das deutsche duale Rundfunksystem wird maßgeblich durch die Rechtsprechung des BVerfG geprägt: Dieses versteht die Freiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG als dienende Freiheiten, bei denen im Gegensatz zu den übrigen Grundrechten die objektiv-rechtliche Dimension die subjektiv-rechtliche in den Hintergrund drängen kann. Alle Freiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG dienen nach Ansicht des BVerfG der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung. Die Rundfunkfreiheit betrachtet das BVerfG nicht nur als dienende, sondern als ausgestaltungsbedürftige Freiheit. Der Rundfunk sei im Verhältnis etwa zur Presse aufgrund der technischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen seiner Veranstaltung und seiner besonderen Breitenwirkung, Aktualität und Suggestivkraft in einer Sondersituation. Der Gesetzgeber müsse eine positive Rundfunkordnung schaffen und dürfe den Rundfunk nicht dem „freien Spiel der Kräfte“ überlassen. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG beinhaltet in subjektiv-rechtlicher Hinsicht eine Programmautonomie für Rundfunkveranstalter, die von der Bewerbung um eine Veranstalterzulassung bis zur Aufbewahrung ausgestrahlter Sendungen reicht. Die Kritik, das BVerfG verkenne den subjektiv-rechtlichen Gehalt der Rundfunkfreiheit ist unzutreffend. Aus der Interpretation der Rundfunkfreiheit als dienende und ausgestaltungsbedürftige Freiheit schließt das BVerfG, dass staatliche Regelungen zur Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit keine an Art. 5 Abs. 2 GG zu messenden Grundrechtseingriffe sind. Dennoch müssten auch solche Ausgestaltungsregelungen zur Ermöglichung freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung geeignet sein und dürften private Rundfunkveranstaltung nicht wesentlich erschweren. Durch diese Schranken nähert das BVerfG die verfassungsrechtliche Überprüfung von Ausgestaltungsregelungen derjenigen von Eingriffen i. S. d. Art. 5 Abs. 2 GG an. Eine Rundfunkveranstalterfreiheit lässt sich in publizistischer Hinsicht Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG als Programmfreiheit entnehmen. In wirtschaftlicher Hinsicht folgt sie für Deutsche aus Art. 12 Abs. 1 GG, für Ausländer aus Art. 2 Abs. 1 GG.

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Veranstalter aus dem EU-Ausland können sich wegen Art. 19 Abs. 3 GG auf Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG nur berufen, soweit sie natürliche Personen sind. Auch soweit sie juristische Personen sind genießen sie allerdings den Schutz der Grundfreiheiten des EG-Vertrages, der Gemeinschaftsgrundrechte und, da alle Mitgliedstaaten der EU auch Mitglieder des Europarates sind, auch der EMRK. III. Die Pflichten zur Meinungsvielfalt und damit zur freien öffentlichen und individuellen Meinungsbildung beizutragen, sind im dualen Rundfunksystem ungleich verteilt: Prinzipiell sind beide Veranstaltergruppen in vollem Umfang verpflichtet. Der private Rundfunk ist zu einer vollständigen Erfüllung seiner Vielfaltspflicht jedoch aufgrund seiner Wirtschaftsabhängigkeit nicht in der Lage. Diese Vielfaltsdefizite des privaten Rundfunks sind (so das BVerfG) hinnehmbar, solange durch kontrollfähige Vielfaltsbindungen verhindert wird, dass sie übermäßig groß werden. Außerdem müsse der öffentlich-rechtliche Rundfunk eine Grundversorgung leisten, die keine Mindestversorgung sei, sondern die volle Breite des klassischen Rundfunkauftrages umfasse, technisch für alle empfangbar sein müsse und bei der gleichgewichtige Vielfalt auf Dauer zu sichern sei. Diese Grundversorgung lässt sich nicht sinnvoll programminhaltlich eingrenzen, sondern muss vorrangig als eine Verhaltenspflicht der Rundfunkanstalten verstanden werden. Um Grundversorgung auf Dauer erbringen zu können, genießt der öffentlich-rechtliche Rundfunk eine Bestands- und Entwicklungsgarantie. Private Veranstalter sind zur Grundversorgung als Wirtschaftsunternehmen nicht in der Lage. Zur Programmveranstaltung jenseits der Grundversorgung sind beide Veranstaltergruppen in chancengleicher Weise berechtigt. Beide Veranstaltergruppen stehen nicht nur im publizistischen, sondern auch im ökonomischen Wettbewerb (v. a. um Werbeeinnahmen und Programmrechte) miteinander. Der publizistische Wettbewerb wird nach §§ 25 ff. RStV und den Landesmediengesetzen kontrolliert. Der ökonomische Wettbewerb unterliegt der Kontrolle nach UWG und GWB. Zwischen beiden Kontrollsystemen besteht kein Rangverhältnis, sondern sie sind so auszulegen und anzuwenden, dass sie sich ergänzen. In jedem Fall ist bei der Auslegung und Anwendung von GWB und UWG jedoch der Einfluss der Rundfunkfreiheit zu beachten. Insbesondere darf durch Anwendung des Wettbewerbsrechts die Erfüllung der Grundversorgung durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht verhindert werden. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk genießt eine Finanzierungsgarantie. Der Staat muss alle Aktivitäten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die dessen Funktion entsprechen, programmneutral und programmakzessorisch finanzieren. Solange diese Grundsätze gewahrt sind und außerdem Staatsfreiheit gewährleistet ist, hat der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks freie Hand. Er darf die Finanzierung begrenzen, um die Bevölkerung vor übermäßigen finanziellen Belastungen zu schützen und ihr Interesse an einem möglichst ungehinderten Zugang zu Informationen zu wahren.

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IV. Vorrangige Finanzierungsquelle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist die Rundfunkgebühr, bei der es sich um keine Gebühr im abgabenrechtlichen Sinne, sondern um eine Art Beitrag handelt. Eine überwiegende Werbefinanzierung wäre unzulässig, weil sie (wirtschafts-)unabhängige Grundversorgung unmöglich machen würde. Die Höhe der Gebühren wird in einem dreistufigen Verfahren festgesetzt, in dem die binnenpluralistisch, rundfunkunabhängig und staats-/politikfrei zusammengesetze KEF die Bedarfsanmeldungen der Anstalten auf ihre Vereinbarkeit mit der Funktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und mit den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit überprüft. Aufgrund des Gebührenvorschlags der KEF beschließen die Länder gegebenenfalls über eine Gebührenerhöhung. Solange die funktionsgerechte Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks insgesamt gewährleistet ist, darf der Staat ihm Werbefinanzierung untersagen oder sie einschränken. V. Das duale Rundfunksystem steht vor den Herausforderungen des digitalen Zeitalters: Die Digitalisierung der Übertragungswege für Rundfunk und Telekommunikation bewirkt, dass diese sich vervielfachen, Netze und u. U. auch Empfangsgeräte zusammenwachsen (Konvergenz) und „rückkanalfähig“ werden. Dadurch werden interaktive Dienste möglich, die die bisherige Trennung von Individualund Massenkommunikation in Frage stellen können. Die Konvergenz ist bisher noch nicht soweit fortgeschritten, dass medienspezifische Regelungen verfassungsrechtlich unzulässig wären oder dass die Rundfunkfreiheit ihre Funktion als dienende und ausgestaltungsbedürftige Freiheit schon eingebüßt hätte. Es ist jedoch von Verfassungswegen mehr als bisher darauf zu achten, dass sich die Regelungssysteme ergänzen („Interoperabilität der Regulierung“) und nicht widersprechen. Außerdem muss der Gesetzgeber berücksichtigen, dass private Anbieter technischer und administrativer Dienste, die nicht im eigentlichen Sinne Rundfunkveranstalter sind, soweit sie programmgestaltende Leistungen erbringen, dennoch aus der Rundfunkfreiheit berechtigt sein können. Vielfaltssicherung im digitalen Rundfunk muss v. a. verhindern, dass Netzbetreiber und Diensteanbieter „gate-keeper-Positionen“ erlangen und diese zu Lasten ihrer Konkurrenten und der Rundfunkrezipienten ausnutzen. Auch wenn die Vervielfachung der Übertragungsmöglichkeiten eine Vervielfachung der übertragenen Inhalte bewirken sollte, muss ferner durch sog. must-carry-Regelungen gewährleistet werden, dass die Vielfalt auch in ausreichendem Maße erhalten bleibt. Entsteht trotz der neuen Möglichkeiten lediglich ein „more of the same“ sind die bisherigen Maßnahmen der Vielfaltssicherung aufrechtzuerhalten. Die Länder haben durch die Änderung von §§ 52 und 53 RStV versucht, die neuartigen Fragen zu lösen. Problematisch ist, dass § 52 Abs. 3 Nr. 1 RStV

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seinem Wortlaut nach allen „gesetzlich bestimmten“ Programmen und Programmbouquets des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Must-carry-Status einräumt. Da jenseits der Grundversorgung Chancengleichheit herrschen muss, ist diese Regelung eng auszulegen. Derzeit ist nicht erkennbar, dass im Zuge der Digitalisierung und Konvergenz Grundversorgung durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk unnötig oder unmöglich wird. Daher ist dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk die Teilnahme an neuen technischen Möglichkeiten zu ermöglichen. Eine nähere Definition des verfassungsrechtlichen Auftrages des Rundfunks (Funktionsauftrag) ist verfassungsrechtlich nicht notwendig und verfassungspolitisch nicht sinnvoll. Soweit der öffentlich-rechtliche Rundfunk eine Verdrängungsstrategie gegenüber privaten Veranstaltern entfalten sollte, kann diese mit bereits vorhandenen Mitteln bekämpft werden. Eine mit Digitalisierung und Konvergenz einhergehende Gefahr für die freie Meinungsbildung ist das zunehmende Exklusivwerden meinungsbildender Inhalte. Dieses Problem ist auf europäischer und deutscher Ebene erkannt und wird durch Regelungen wie § 5a RStV zu bekämpfen versucht. Die Bekämpfung darf nicht so weit gehen, dass die private Veranstaltung von Pay-TV, die auf exklusive Inhalte angewiesen ist, unmöglich gemacht wird.

B. Das duale Rundfunksystem als Gegenstand des Gemeinschaftsrechts I. Die EG-Organe befassen sich mit den Problemen, die das duale Rundfunksystem aufwirft, nicht erst seit der Schaffung des Rundfunkprotokolls durch den Amsterdamer Vertrag. Die Herangehensweise der Organe an diese Probleme ist hierbei, wie z. B. die Diskussionen um die Fernsehrichtlinie aber auch die neueren Mitteilungen und Grünbücher der Kommission zeigen, keineswegs undifferenziert. Zwar hatten in den achtziger und frühen neunziger Jahren Gemeinschaft und Bundesrepublik bei ihrer jeweiligen Rundfunkpolitik unterschiedliche Ausgangspunkte: Die Gemeinschaft versuchte einen gemeinsamen Rundfunkmarkt zu schaffen und rückte daher die wirtschaftliche Seite des Rundfunks in den Vordergrund, auch wenn man ihr nie vorwerfen konnte die Bedeutung des Rundfunks für Kultur und freie Meinungsbildung vollständig zu verkennen. Demgegenüber setzte sich bei den Bundesländern (und auch beim BVerfG) die Erkenntnis, dass Rundfunk nicht nur publizistisch-kulturelle, sondern auch in hohem Maße wirtschaftliche Bedeutung hat, erst allmählich durch. Mittlerweile sind sich beide Seiten darin einig, dass Rundfunk ein publizistischer und wirtschaftlicher Mischtatbestand ist. Maßgeblichen Anteil an dieser Annäherung der Positionen hatten die Vertragsänderungen von Maastricht (insbesondere die Einführung der „Kulturartikel“), und Amsterdam. Durch das

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Rundfunkprotokoll wurde die Problematik des dualen Rundfunksystems sogar auf die Ebene des Primärrechts gehoben. II. Das primäre Gemeinschaftsrecht liefert mehrere Ansatzpunkte, um eine Sonderstellung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auch auf der Gemeinschaftsebene begründen zu können: An erster Stelle ist das Rundfunkprotokoll zu nennen, da es sich bei diesem um die einzige Stelle des EG-Vertrages handelt, an der der (öffentlich-rechtliche) Rundfunk ausdrücklich angesprochen wird. Dieses Protokoll ist zwar gemäß Art. 311 EG vollwertiger Bestandteil des Primärrechts. Seinem Wortlaut nach ist es jedoch eine „auslegende Bestimmung“. Es betont die Funktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für Kultur, Demokratie und Meinungspluralismus und ist bei der Auslegung aller Bestimmungen des primären und sekundären Gemeinschaftsrechts heranzuziehen. Die Frage, ob Rundfunkgebühren Beihilfen i. S. d. Art. 87 Abs. 1 EG sind, beantwortet das Protokoll weder positiv noch negativ. Ebenso zwingt es die Mitgliedstaaten nicht dazu, den Auftrag „ihres“ öffentlich-rechtlichen Rundfunks ausdrücklich zu definieren. Es statuiert lediglich, dass staatliche Finanzierung öffentlich-rechtlichen Rundfunks europarechtlich grundsätzlich zulässig ist, sofern sie dem festgelegten Auftrag dient, und dass in Zweifelsfällen stets auch das Interesse an der weiteren Erfüllung des Rundfunkauftrages zu berücksichtigen ist. Ein weiterer Ansatzpunkt ist Art. 86 Abs. 2 EG: Die Rundfunkanstalten sind, soweit sie Leistungen erbringen, zu deren Erbringung sie staatlicherseits verpflichtet sind, entsprechend der Praxis der Gemeinschaftsorgane i. S. d. Art. 86 Abs. 2 EG als Unternehmen anzusehen, die mit „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut“ sind. Außerdem ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk als Leistung der Daseinsvorsorge i. S. d. Art. 16 EG anzusehen und Teil der nationalen Identität i. S. d. Art. 6 Abs. 3 EU. III. Die Grundfreiheiten des EG-Vertrages gehen mitgliedstaatlichem Recht, soweit dieses mit ihnen unvereinbar ist, vor und haben maßgeblichen Einfluss auf die Ausgestaltung des deutschen dualen Rundfunksystems. Sowohl die öffentlich-rechtlichen als auch die privaten Rundfunkveranstalter sind aus den Grundfreiheiten berechtigt, soweit deren Anwendungsbereich eröffnet ist. Aus den Grundfreiheiten folgen das Sendestaatsprinzip und das Anerkennungsprinzip, d. h. Rundfunk darf prinzipiell nur von dem Staat kontrolliert werden, von dem aus der Veranstalter sendet, und die Mitgliedstaaten, in die die Sendung eingestrahlt wird, müssen das Ergebnis dieser Kontrolle anerkennen. Programmneutrale Regelungen können nach den Grundsätzen der Rechtsprechung in Rs. Keck vom Anwendungsbereich der Grundfreiheiten ausgenommen sein, sofern sie unterschiedslos gelten und den Zutritt zum jeweiligen Rundfunkmarkt rechtlich und tatsächlich nicht stärker erschweren als für Inländer. Mittlerweile

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sind alle Grundfreiheiten Beschränkungsverbote, d. h. jede unmittelbare oder mittelbare, tatsächliche oder potentielle Beschränkung ist grundsätzlich verboten. Diskriminierende Beschränkungen sind nur zulässig, soweit sei sich auf geschriebene Rechtfertigungsgründe stützen können. Nicht-diskriminierende und faktisch/versteckt diskriminierende Regelungen können auch aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses zulässig sein. Gegenüber Rundfunkveranstaltern, die nicht grenzüberschreitend tätig sind, können Beschränkungen als „Inländerdiskriminierungen“ gerechtfertigt sein. Diese Inländerdiskriminierungen bedürfen jedoch auch verfassungsrechtlicher Rechtfertigung und sind medienund wirtschaftspolitisch i. d. R. fragwürdig. Der Handel mit Sendematerialien, Sendungen auf Datenträgern, Empfangseinrichtungen und Merchandisingprodukten fällt grundsätzlich unter den freien Warenverkehr i. S. d. Art. 28 ff. EG. Beim Teleshopping ist nur der Produkthändler, dessen Waren mit Hilfe des Rundfunks vermarktet werden, aus Art. 28 EG berechtigt; die Veranstalter können sich auf Art. 49, 50 EG berufen. Der EuGH hat ferner seine Rechtsprechung in Rs. Keck mittlerweile mehrfach auf Produktwerbung im Rundfunk angewendet. Für unselbständige Tätigkeiten im Rundfunk ist die Arbeitnehmerfreizügigkeit der Art. 39 ff. EG einschlägig. Die Ausnahmeklausel des Art. 39 Abs. 4 EG ist auf Arbeitsverhältnisse im öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht anwendbar, da die Rundfunktätigkeit nur in eng begrenzten Ausnahmefällen eine Tätigkeit der „öffentlichen Verwaltung“ darstellt. Privater wie öffentlich-rechtlicher Rundfunk ist i. S. d. Art. 43, 48 EG eine selbständige Erwerbstätigkeit. Daher ist der Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit eröffnet. Art. 45 EG ist auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ebensowenig anwendbar wie Art. 39 Abs. 4 EG. Jede feste Einrichtung, die ein Rundfunkveranstalter in einem anderen Mitgliedstaat schafft ist eine Niederlassung i. S. d. Art. 43, 48 EG. Nicht als Niederlassung anzusehen ist demgegenüber die dauerhafte Programmeinstrahlung in einen anderen Mitgliedstaat. Die Ausstrahlung von Rundfunksendungen fällt unter den freien Dienstleistungsverkehr i. S. d. Art. 49 ff. EG: Das vom EuGH aufgestellte Kumulationsverbot, wonach eine Berufung auf die Dienstleistungsfreiheit in dem Mitgliedstaat unzulässig ist, in dem eine Niederlassung unterhalten wird, ist im Rundfunkbereich nur in geringem Umfang anwendbar. Beim terrestrischen, beim Satelliten- und beim Kabelrundfunk sind zahlreiche grenzüberschreitende Leistungsbeziehungen denkbar. Um Kabelrundfunk effektiv durch die Dienstleistungsfreiheit zu schützen, ist es entgegen der bisher h. M. nicht notwendig, auch dann, wenn auf dem Weg vom Veranstalter zum Rezipienten einige Vorgänge (z. B. zwischen Kabelnetzbetreiber und Teilneh-

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mer) rein innerstaatlich ablaufen, eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Da auch mittelbare Beschränkungen einer grenzüberschreitenden Dienstleistungsbeziehung unzulässig sind, kann auch die Beschränkung innerstaatlicher Vorgänge eine unzulässige Einschränkung der grenzüberschreitenden Sendetätigkeit sein. Grenzüberschreitendes Pay-TV und grenzüberschreitender Kabelrundfunk sind unproblematisch als entgeltliche Leistungen i. S. d. Art. 49, 50 EG anzusehen. Nichts anderes gilt für werbefinanzierten Rundfunk: Für die Anwendbarkeit der Art. 49, 50 EG reicht es aus, wenn eine grenzüberschreitende Leistung vorliegt, die mittelbar finanziert wird und zwar selbst dann, wenn die Finanzierung als solche rein innerstaatlich erfolgt. Die Entgeltqualität von Rundfunkgebühren lässt sich nur bei weiter Auslegung der Art. 49, 50 EG bejahen, die aus Gründen des effet utile aber geboten ist. Die Regelungen zur Ausgestaltung des deutschen dualen Rundfunksystems sind mit der Niederlassungs- und der Dienstleistungsfreiheit größtenteils vereinbar: Regelungen, die dem Schutz demokratischer und kulturpolitischer Belange dienen sind nur zulässig, soweit sie unterschiedslos gelten, denn Art. 46 EG ist insoweit nicht anwendbar. Außerdem können Regelungen gerechtfertigt sein, die davor schützen sollen, dass das innerstaatliche Rundfunkrecht gezielt vom Ausland aus umgangen wird. Demokratisch-kulturpolitische Belange, insbesondere die Aufrechterhaltung eines pluralistischen und nicht-kommerziellen Rundfunksystems, stellen zwingende Gründe des Allgemeininteresses dar, die unterschiedslose Regelungen legitimieren können. Nach diesen Maßstäben sind folgende Regelungen zur Ausgestaltung des deutschen dualen Rundfunksystems europarechtlich unzulässig: – Regelungen, die Veranstalter verpflichten, Wohn-, Geschäftssitz oder ständigen Aufenthalt in Deutschland zu nehmen sowie Regelungen, die die studiotechnische Abwicklung des Programms im Inland oder die Förderung inländischer Produktionseinrichtungen verlangen, – das Verbot einer mehrfachen Programmträgerschaft und Programmzahlbeschränkungen, – das generelle Verbot für Nachrichtensprecher in Werbe- und Teleshoppingsendungen aufzutreten sowie – Regelungen, die bei der Kabeleinspeisung Programme bevorzugen, deren Veranstalter sich im betreffenden Bundesland medienwirtschaftlich engagieren. Die übrigen Regelungen zur Ausgestaltung des deutschen dualen Rundfunksystems einschließlich der Gebührenfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sind mit Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit vereinbar. Die Freiheit des Kapitalverkehrs ist auf grenzüberschreitende Beteiligungen im Rundfunk anwendbar. Ihre Bedeutung für den grenzüberschreitenden Rundfunk wird eher unterschätzt.

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IV. Die Kompetenzen der EG folgen dem Prinzip der begrenzten Einzelzuständigkeit, d. h. im Gegensatz zu den Bundesländern hat die Gemeinschaft keine Allzuständigkeit bzw. Kompetenz-Kompetenz. Nichts Gegenteiliges folgt aus Art. 308 EG. Mittlerweile lässt sich nicht mehr vertreten, dass der Rundfunk aufgrund seines in erster Linie demokratisch-kulturellen Charakters dem Zugriff des Gemeinschaftsrechts generell entzogen ist. Besonderheiten dieses Bereichs können bei der Auslegung der Kompetenznormen und der Anwendung der Kompetenzgrenzen z. B. aus Art. 5 EG berücksichtigt werden. Das Rundfunkprotokoll ist keine Kompetenznorm. Art. 151 Abs. 2 i.V. m. Abs. 5 EG ist zwar eine Kompetenznorm, jedoch, da nur Förderungs- und Unterstützungsmaßnahmen zulässig, Harmonisierungen aber ausdrücklich verboten sind, zur Schaffung rundfunkspezifischer Regelungen wenig geeignet. Außerdem kann nach Art. 151 Abs. 2 i.V. m. Abs. 5 EG nur künstlerisches und literarisches Schaffen im audiovisuellen Bereich geregelt werden, nicht der Rundfunk als solcher. Im Rundfunkbereich sind ungeschriebene Gemeinschaftskompetenzen grundsätzlich nicht anzuerkennen. Die Grenzüberschreitende Sendetätigkeit kann nach Art. 55, 47 Abs. 2 EG, die Niederlassung von Veranstaltern nach Art. 47 Abs. 2 EG (direkt) geregelt werden. Nach diesen Normen sind jedoch nur Regelungen zulässig, die die Aufnahme und Ausübung der Rundfunktätigkeit erleichtern. Zur Regelung des Handels mit Sendematerialien und Empfangseinrichtungen ist Art. 94, 95 EG anwendbar. Art. 83, 86 Abs. 3 und 89 EG können dazu dienen, die wettbewerbsund beihilfenrechtlichen Verhältnisse im Rundfunkbereich zu regeln. Da somit zur Regelung des Rundfunks ausreichende geschriebene Gemeinschaftskompetenzen vorhanden sind, hat Art. 308 EG insoweit geringe Bedeutung. Unzulässig wäre es, gemeinschaftsrechtliche Regelungen allein auf das Gemeinschaftsgrundrecht der Medienfreiheit zu stützen. Die Rechtssetzungstätigkeit der Gemeinschaft im Rundfunkbereich unterliegt den Kompetenzgrenzen aus Art. 5 EG, 16 EG, 151 Abs. 4 und 5 EG sowie aus den Gemeinschaftsgrundrechten. Das Subsidiaritätsprinzip des Art. 5 Abs. 2 EG ist lediglich bei den Kompetenzen aus Art. 86 Abs. 3 und 89 EG nicht anwendbar, da diese ausschließliche Gemeinschaftskompetenzen sind. Die Kompetenzgrenzen sind außerdem im Lichte des Rundfunkprotokolls auszulegen. Da in ausreichendem Maße geschriebene Kompetenzgrenzen für Regelungen im Rundfunkbereich existieren, brauchen das Prinzip der Gemeinschaftstreue i. S. d. Art. 10 EG und Art. 6 Abs. 3 EU als Kompetenzgrenzen nicht herangezogen zu werden. Eine Gemeinschaftsregelung zum Schutz der Medienvielfalt und des Meinungspluralismus, wie sie zum Abbau von Binnenmarkthindernissen und/oder zur Schaffung eines eigenständigen europäischen Pluralismusschutzes gefordert

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wurde, wäre problematisch: Zunächst ist zweifelhaft, ob die Unterschiedlichkeit der mitgliedstaatlichen Vorschriften zum Pluralismusschutz Hindernisse für den Binnenmarkt schafft, die durch Harmonisierung gestützt auf Art. 55, 47 Abs. 2 oder 95 EG effektiv abgebaut werden könnten. Art. 55, 47 Abs. 2 EG dürfen gerade im sensiblen Bereich des Pluralismusschutzes nicht dazu dienen, rein abstrakte Binnenmarkthindernisse abzubauen. Eine Kompetenz aus Art. 83 EG setzte voraus, dass die mitgliedstaatlichen Unterschiede im Pluralismusschutz spürbare Wettbewerbsbeeinträchtigungen bewirken, was bisher unbewiesen ist. Für einen eigenständigen europäischen Pluralismusschutz kämen als Grundlagen höchstens Art. 308 oder 151 Abs. 5 EG in Betracht. Mit dem Subsidiaritäts- und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip nach Art. 5 EG wäre eine Gemeinschaftsregelung zum Pluralismusschutz kaum vereinbar, was erst recht gilt, wenn man das Verbot der Harmonisierung im Kulturbereich nach Art. 151 Abs. 5 EG berücksichtigt. V. Öffentlich-rechtliche und private Teilnehmer des deutschen dualen Rundfunksystems sind Unternehmen i. S. d. Art. 81 ff. EG. Ihr wettbewerbliches Verhalten unterliegt daher der Kontrolle durch die Gemeinschaftsorgane nach Art. 81 ff. EG und der FKVO. Von großer Bedeutung für die Wettbewerbskontrolle ist die Abgrenzung der relevanten Märkte. Hierbei gilt: Je enger die Marktabgrenzung, desto intensiver die Kontrolle. Die Kommission grenzt die Märkte in sachlicher Hinsicht nach den Verbraucherpräferenzen ab, während sie sich bei der räumlichen Abgrenzung nach objektiven Kriterien richtet. Im Rundfunkbereich existieren im Wesentlichen folgende sachlich relevante Märkte: – Markt für Pay-TV, wobei kein Substitutionsverhältnis zwischen Pay- und Free-TV besteht auch wenn sich beide gegenseitig beeinflussen, – Markt für Rundfunkwerbung, der sich in lokale, regionale und überregionale Teilmärkte für Hörfunk und Fernsehen untergliedert, – Markt für Senderechte, bei dem Teilmärkte insbesondere für Rechte an Sportübertragungen und Teilmärkte je nach Übertragungsart (Free-TV, Pay-TV, Pay-per-view) existieren, – Markt für technische und administrative Infrastruktur mit Teilmärkten insbesondere für Kabelfernsehnetze, Satellitentransponderkapazitäten und technischen und administrativen Dienstleistungen für Pay-TV Ein „Zuschauermarkt“, auf dem die Veranstalter um Einschaltquoten konkurrieren existiert nur als publizistischer, nicht als ökonomischer Markt. In räumlicher Hinsicht sind die relevanten Märkte im Rundfunkbereich nach Ländern oder zumindest nach Sprachräumen abzugrenzen.

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Die Gemeinschaftsorgane sind, obwohl der EG-Vertrag den Pluralismusschutz nicht erwähnt und die Gemeinschaft auch nicht berechtigt wäre, den mitgliedstaatlichen Pluralismusschutz zu harmonisieren oder einen eigenen europäischen Pluralismusschutz zu schaffen, verpflichtet, Aspekte des publizistischen Wettbewerbs zu berücksichtigen. Diese Verpflichtung folgt aus Art. 151 Abs. 4 EG oder, soweit man Pluralismusschutz nicht als kulturelle Frage ansieht, zumindest aus Art. 6 Abs. 3 EU. Bei der Erfüllung dieser Verpflichtung dürfen sich die Gemeinschaftsorgane nicht in Widerspruch zu den wettbewerbsrechtlichen Regelungen des Gemeinschaftsrechts setzen und müssen die Einschätzungsprärogative der Mitgliedstaaten achten. Ansatzpunkte zur Berücksichtigung von Aspekten des publizistischen Wettbewerbs bieten Art. 81 Abs. 3 und 86 Abs. 2 EG. Einen wichtigen Anwendungsfall der gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsaufsicht nach Art. 81 EG stellt der Streit um den Sportrechteerwerb im Rahmen der EBU dar. In diesem hat das EuG zwar zurecht betont, dass die Kommission, wenn sie Aspekte des Medien- und Meinungspluralismus bei der Prüfung des Art. 81 Abs. 3 EG berücksichtige, dies im Einklang mit den allgemeinen Grundsätzen des EG-Wettbewerbsrechts tun müsse. Das EuG beachtet jedoch zu wenig, dass die Kommission mit der Berücksichtigung der Pluralismusaspekte einer gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtung nachkommt. Bei der Zusammenarbeit von ARD und ZDF greift Art. 81 EG nur ein, soweit die Zusammenarbeit freiwillig erfolgt. In jedem Fall ist der Einfluss des Art. 86 Abs. 2 EG zu beachten. Die Kommission hat, abgesehen von der ersten Freistellungsentscheidung zugunsten der EBU, Aspekte des Pluralismus in ihrer Praxis zu Art. 81 EG bisher kaum berücksichtigt. Art. 82 EG hat für den Rundfunk bisher kaum eine Rolle gespielt, da in diesem Bereich nur wenige marktbeherrschende Stellungen existieren. Im Zuge der Digitalisierung könnte Art. 82 EG verstärkte Bedeutung beim Abbau von Gatekeeper-Positionen erlangen. Größere Bedeutung hatte die Fusionskontrolle, auch wenn die Wirkung der FKVO im Rundfunkbereich von vornherein begrenzt ist: Die FKVO kann nur eingreifen, wenn Unternehmenszusammenschlüsse erheblicher Größe stattfinden. Ferner steht sie sog. Aufholfusionen, die aus publizistischer Sicht kritisch zu sehen sind, eher positiv gegenüber. Nach Art. 21 Abs. 3 FKVO haben die Mitgliedstaaten zwar die Möglichkeit, Fusionen, die die Kommission für unbedenklich hält, zum Schutz der Medienvielfalt dennoch zu verbieten. Bei solchen Entscheidungen müssen aber die übrigen Vorgaben des Gemeinschaftsrechts eingehalten werden. In der Praxis hatte sich die Kommission schon fast 50 mal mit Fusionen auseinanderzusetzen, die den Rundfunk betrafen. In 22 dieser Fälle ging es um

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private Firmen, die auf den deutschen Rundfunkmärkten aktiv sind. Durch ihre Vorgehensweise in diesen Fällen hat die Kommission gezeigt, dass sie in der Lage dazu ist, den Pluralismus durch Offenhalten der Märkte mittelbar zu schützen. Dieser mittelbare Pluralismusschutz profitiert davon, dass die Kommission die sachlichen und räumlichen Märkte eng abgrenzt und auch die Wirkungen des Zusammenschlusses in publizistischer Hinsicht analysiert. Entgegen einer verbreiteten Meinung gelingt es der Kommission außerdem, multimediale Konzentrationsvorgänge zu berücksichtigen. Dass die Kommission verhaltensbedingte Zusagen der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen in aller Regel nicht akzeptiert, erhöht das Schutzniveau zusätzlich. Insgesamt betrachtet nützt die gemeinschaftsrechtliche Wettbewerbsaufsicht dem mitgliedstaatlichen Pluralismus. Effektiver Pluralismusschutz kann allerdings nur im Zusammenwirken von Gemeinschaft und Mitgliedstaaten gelingen. Hierbei nehmen auch die öffentlich-rechtlichen Veranstalter eine wichtige Rolle ein. VI. Ein zentrales Thema der letzten Jahre war die Frage, ob die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in den Mitgliedstaaten mit dem Beihilfenrecht vereinbar ist. Für die Rundfunkfinanzierung in Deutschland ist dies aus mehreren Gründen zu bejahen: Mit der neueren Rechtsprechung des EuGH ist davon auszugehen, dass eine Begünstigung i. S. d. Art. 87 Abs. 1 EG nur vorliegt, wenn Verpflichtungen, die ein Unternehmen gegenüber dem Staat übernommen hat, überkompensiert werden. Zur Klärung der Frage, wann dies der Fall ist, ist auf die in der Literatur vertretene Theorie der marktrelativen Günstigkeit abzustellen, soweit für das staatlich geförderte Gut ein Markt existiert. Bei meritorischen, öffentlichen und Mischgütern ist vorrangig darauf abzustellen, ob die Förderung gegen die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit verstößt. Sowohl die Gebührenfinanzierung der Grundversorgung als auch diejenige der Spartenprogramme bewirkt keine Begünstigung der Anstalten. Zwar ist die Begünstigungswirkung nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil insoweit ein Verfassungspflicht erfüllt wird. Die Gebührenfinanzierung wird aber durch die KEF in ausreichendem Maße auf ihre Angemessenheit hin überprüft. Sie ist auch nicht deshalb unangemessen, weil sie marktfern erfolgt. Ebensowenig stellen die Bestands- und Entwicklungsgarantie, die Unzulässigkeit eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen von Rundfunkanstalten und die bevorzugte Kabeleinspeisung für öffentlich-rechtliche Programme Begünstigungen i. S. d. Art. 87 Abs. 1 EG dar. Als staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen sind nach dem Urteil des EuGH in Rs. PreussenElektra nur Zuwendungen anzusehen, die zu einer Belastung öffentlicher Haushalte führen. Die Rundfunkgebühren gelangen auf ihrem Weg vom Gebührenzahler zu den Anstalten nicht in einen öffent-

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lichen Haushalt und werden daher nicht i. S. d. Art. 87 Abs. 1 EG staatlich oder aus staatlichen Mitteln gewährt. Auf die Frage, ob die Haushalte der Anstalten, die Teile des Gebührenaufkommens an andere Anstalten weiterzuleiten haben, als öffentliche Haushalte anzusehen sind, kommt es nicht an. Unterstellt, die Gebühren wären Begünstigungen aus staatlichen Mitteln, ist zweifelhaft, ob sie den Wettbewerb i. S. d. Art. 87 Abs. 1 EG zu verfälschen drohen. Es wird letztlich nur die durch Werbebeschränkungen und Grundversorgungsverpflichtung geschwächte Wettbewerbsposition der öffentlich-rechtlichen Veranstalter derjenigen der privaten angeglichen. Hält man die Gebührenfinanzierung für eine Beihilfe i. S. d. Art. 87 Abs. 1 EG, ist sie jedenfalls nach Art. 87 Abs. 3 lit. d) EG oder wenigstens nach Art. 86 Abs. 2 EG gerechtfertigt: Zur Klärung der Frage, wann eine Beihilfe i. S. d. Art. 87 Abs. 3d EG der Förderung der Kultur dient, ist vorrangig auf den mitgliedstaatlichen Kulturbegriff abzustellen; allerdings nur insoweit, als dieser nicht Wortlaut oder Systematik des EG-Vertrages widerspricht. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland dient der Kultur. Unter „Kultur“ i. S. d. Art. 87 Abs. 3 lit. d) EG lässt sich auch die demokratische Funktion des Rundfunks subsumieren, wegen Art. 149 f. EG jedoch nicht seine bildende und weiterbildende Funktion. Daher kann die Förderung der Grundversorgung und einiger sonstiger Programme (3sat, ARTE, Theaterkanal, Phoenix und Kinderkanal) nach Art. 87 Abs. 3 lit. d) EG gerechtfertigt sein, nicht hingegen die Förderung reiner Bildungsprogramme wie BR-Alpha. Die Gebührenfinanzierung der Grundversorgung und der genannten Programme beeinträchtigt auch nicht i. S. d. Art. 87 Abs. 3 lit. d) a. E. EG die Handels- und Wettbewerbsbedingungen übermäßig. Wie auch die Kommission in ihrer Entscheidung zur Finanzierung von Phoenix und Kinderkanal angenommen hat, greift zugunsten der Gebührenfinanzierung zumindest Art. 86 Abs. 2 EG ein, da Grundversorgung und Spartenprogramme Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse sind. Hielte man Rundfunkgebühren für Beihilfen, bestünde für sie eine Notifizierungspflicht nach Art. 88 Abs. 3 S. 1 EG i.V. m. Art. 2, 1 lit. b VO 659/99. Die Verletzung dieser Pflicht könnte jedoch in keinem Fall dazu führen, dass die Gebühren zurückzuerstatten wären. Die von der Kommission nach Art. 86 Abs. 3 EG erlassene Transparenzrichtlinie hat zum Ziel, den Wettbewerb davor zu schützen, dass unter Art. 86 EG fallende Unternehmen, die Beihilfen erhalten, sich durch unzulässige Quersubventionen Vorteile verschaffen. Diese Richtlinie ist auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland schon deswegen nicht anwendbar, weil er nicht Empfänger von Beihilfen ist. Außerdem ist zweifelhaft, ob die Anstalten im

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Sinne der Richtlinie in verschiedenen Geschäftsbereichen aktiv sind. Dies lässt sich derzeit wohl nur bejahen, soweit Anstalten wirtschaftliche Aktivitäten entfalten, die ihrem Auftrag zwar dienen, hierfür jedoch nicht zwingend notwendig sind. Zumindest ist die Anwendbarkeit der Transparenzrichtlinie auf den deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunk nach Art. 4 Abs. 2 lit. c) der Richtlinie ausgeschlossen. Hielte man die Richtlinie auf den deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunk dennoch für anwendbar, wäre ihre Umsetzung in der Praxis durchaus möglich. VII. In Deutschland ist das duale Rundfunksystem vor allem ein Problem der Grundrechtsinterpretation. Auch soweit sich die Gemeinschaft mit Rundfunk befasst, spielt das Gemeinschaftsgrundrecht der Medienfreiheit zunehmend eine Rolle: Bisher existiert trotz der Grundrechtscharta noch kein verbindlicher Grundrechtskatalog der Gemeinschaft, sondern Grundrechtsgehalte sind im jeweiligen Einzelfall aus der EMRK und den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen zu ermitteln. Im Vordergrund steht hierbei, obwohl ihr die Gemeinschaft nicht beigetreten ist, zurecht die EMRK, denn diese bildet einen allen Mitgliedstaaten gemeinsamen Mindeststandard der Grundrechte. Die Gemeinschaftsgrundrechte stehen im Rang des Primärrechts. Sie binden die Gemeinschaftsorgane und die Mitgliedstaaten, jedenfalls soweit diese Grundfreiheiten beschränken und soweit Richtlinien unmittelbar anwendbar sind. Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Gemeinschaftsgrundrechte ist generell ein ausreichender Bezug zum Gemeinschaftsrecht. Mit grundrechtlichen Fragen des dualen Rundfunksystems sind EuGH/EuG, EGMR und BVerfG befasst. Das BVerfG übt gegenüber der Gemeinschaftsgewalt in aller Regel keine Grundrechtskontrolle aus. Der EGMR ist in der Lage, sich über Entscheidungen des BVerfG hinwegzusetzen. Noch nicht abschließend geklärt ist das Verhältnis EuGH/EuG – EGMR. Da weder die EMRK noch die überwiegende Zahl der EU-Mitgliedstaaten in ihren Verfassungen ein „Spezialgrundrecht“ der Rundfunkfreiheit gewährleisten, kann auf der Gemeinschaftsebene nur nach einem Grundrecht der „Medienfreiheit“ gefragt werden. Nach Art. 10 Abs. 1 EMRK geschützt sind alle Äußerungen im Rundfunk einschließlich der Werbung sowie der Rundfunkempfang, gleichgültig, ob er terrestrisch, via Kabel oder via Satellit erfolgt. Die hieraus folgende Programmfreiheit für Rundfunkveranstalter ist von der Recherchearbeit bis zur Ausstrahlung der Sendung gewährleistet. Der EGMR ist sich wie das BVerfG der Bedeutung der Medien in der demokratischen Gesellschaft bewusst. Art. 10 Abs. 1 EMRK ist allerdings im Gegensatz zu Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG keine „dienende Freiheit“, sondern primär Individualrecht. Daraus folgt im Gegensatz zu einer

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verbreiteten Ansicht noch nicht, dass Art. 10 EMRK eine „Rundfunkveranstalterfreiheit“ garantiert. Es besteht lediglich ein umfassender Schutz der Äußerungs- und Informationsfreiheit, der auch Äußerungen im Rundfunk und Rundfunkempfang beinhaltet. Ob das wirtschaftliche Recht besteht, Rundfunkveranstalter zu werden, lässt Art. 10 EMRK ebenso wie Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG offen. Träger des Grundrechts aus Art. 10 EMRK sind auch die deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Einschränkungen des Art. 10 Abs. 1 EMRK sind nach Art. 10 Abs. 2 EMRK nur dann gerechtfertigt, wenn sie gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind, sowie einem der in Art. 10 Abs. 2 EMRK genannten Schutzziele dienen, zu denen der EGMR auch den Schutz des Medien- und Meinungspluralismus rechnet. Art. 10 Abs. 1 S. 3 EMRK hat demgegenüber rein deklaratorische Bedeutung. Art. 11 Grundrechtscharta ist, solange diese noch nicht rechtsverbindlich ist, als maßgebliche Interpretation des Art. 10 EMRK auf Gemeinschaftsebene zu sehen. Die Bedeutung des Pluralismus im Medienbereich wird durch Art. 11 Abs. 2 Grundrechtscharta anerkannt. Nur 6 der 15 EU-Mitgliedstaaten erwähnen den Rundfunk ausdrücklich in ihrer Verfassung: Deutschland, Griechenland, Irland, die Niederlande, Portugal und Schweden. In der italienischen und spanischen Verfassung wird der Rundfunk als „anderes Verbreitungsmedium“ angesprochen. In Griechenland und Irland liegt das grundrechtliche Schutzniveau für Rundfunk eher unterhalb des EMRK-Standards. Die „Rundfunkrechtsprechung“ der italienischen Corte Costitutionale ähnelt derjenigen des BVerfG, Regelungen zum Schutz der Meinungsvielfalt werden jedoch als Eingriffe gegenüber den Veranstaltern gesehen. Ähnlich ist die Rechtslage in den Niederlanden und Schweden. Die portugiesische und die griechische Verfassung garantieren kein Individualrecht auf Rundfunkveranstaltung. In den Mitgliedstaaten, die Rundfunk in ihrer Verfassung nicht erwähnen, ist das grundrechtliche Schutzniveau für die Rundfunkveranstaltung größtenteils dem des Art. 10 EMRK ähnlich. Ein Individualrecht auf Rundfunkveranstaltung wird allerdings in Großbritannien und wohl auch in Frankreich nicht anerkannt. Alle EU-Mitgliedstaaten haben mittlerweile duale Rundfunksysteme und die EMRK steht im Rang zumindest über den Gesetzen, in Österreich hat sie sogar Verfassungsrang. Das sich somit aus Art. 10 EMRK und den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen ergebende Gemeinschaftsgrundrecht der Medienfreiheit ist ein aus der Meinungsäußerungsfreiheit folgendes Individualrecht auf Rundfunkveranstaltung, das auf der Ebene des Primärrechts neben die Grundfreiheiten tritt. Zum Schutz des Pluralismus sind verhältnismäßige Einschränkungen dieses Rechts gerechtfertigt. Garanten des Pluralismus sind allerdings aus kompetenzrechtlichen Gründen in aller erster Linie die Mitgliedstaaten.

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Die Rechtsprechung des EuGH und die Praxis der Kommission zu den Gemeinschaftsgrundrechten allgemein und damit auch zur gemeinschaftsrechtlichen Medienfreiheit ist noch eher uneinheitlich. Eine Systematik, wann Gerichtshof und Kommission Grundrechte in ihren Entscheidungen erwähnen, ist kaum erkennbar. Diese Unklarheiten schaden der Effektivität des Grundrechtsschutzes auf Gemeinschaftsebene. Daher ist zu hoffen, dass die Organe sich zu einer einheitlicheren Dogmatik in diesem Bereich entschließen.

Schlussbemerkung Als Gesamtergebnis kann festgehalten werden, dass das deutsche Rundfunksystem dem Einfluss des Gemeinschaftsrechts weitgehend standhält. Dies gilt zwar nicht in vollem Umfang für seine landesrechtlichen Ausformungen [s. o. B. III. 6.], uneingeschränkt aber für die Grundkonzeption. Europa und die deutschen Bundesländer haben sich in der Rundfunkpolitik immer mehr auf einander zu bewegt; die deutsche Rundfunkpolitik wurde von Brüssel stärker „ökonomisiert“, während die EU-Rundfunkpolitik „kulturalisiert“ wurde. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass dieser Trend aufhören oder gar sich umkehren könnte. Um erneut an das bereits in der Einleitung dieser Arbeit angesprochene Zitat des VPRT-Präsidenten Jürgen Doetz anzuknüpfen: Die Brüsseler Karte „sticht“ nicht mehr gegen das duale Rundfunksystem (wenn sie dies denn je getan haben sollte). Sie kann sich vielmehr, denkt man etwa an zukünftige Verhandlungen im Rahmen der WTO über die Liberalisierung des Handels mit audiovisuellen Dienstleistungen, zu einer Trumpfkarte für das duale Rundfunksystem entwickeln. Im Verlauf der Darstellung hat sich auch gezeigt, dass die derzeitige Rolle der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten im deutschen Rundfunksystem europarechtskonform ist. Dies könnte aus Sicht des privaten Rundfunks auf den ersten Blick als etwas enttäuschend angesehen werden. Ein vorschneller Schluss: Erstens war es nicht das Ziel dieser Arbeit, ein Loblied des deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu singen. Es ging vielmehr um die Frage einer europarechtlichen Rechtfertigung des deutschen dualen Rundfunksystems insgesamt. Zweitens hat sich zwar gezeigt, dass Tätigkeiten und Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks derzeit mit dem Europarecht vereinbar sind. Zugleich aber wurde deutlich, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk unter Rechtfertigungsdruck auf der innerstaatlichen wie auf der europäischen Ebene steht. Das deutsche duale Rundfunksystem war wohl nie und ist erst recht durch den Einfluss des Europarechts kein „Selbstbedienungsladen“ für die Anstalten. Dass der private Rundfunk, indem er „die Brüsseler Karte“ spielt, diese Tatsache immer wieder aktualisiert, ist legitim und verhindert, dass das deutsche duale Rundfunksystem in eine Schieflage gerät. Drittens garantiert ein duales Rundfunksystem, in dem die öffentlich-rechtlichen Sender Meinungsvielfalt effektiv und nachhaltig bewahren, auch die größere wirtschaftliche Freiheit des privaten Rundfunks: Je besser der öffentlich-rechtliche Rundfunk Vielfalt gewährleistet, desto geringer sind die Vielfaltsanforderungen an privaten Rundfunk und desto besser sind seine wirtschaftlichen Entwicklungschancen. Somit

Schlussbemerkung

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nützt die europarechtliche Stabilität des deutschen dualen Rundfunksystems auch dem privaten Rundfunk. Wird dies alles so bleiben? Eine Frage, die sich angesichts der rasanten technischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in der heutigen Zeit kaum seriös beantworten lässt. Klar dürfte aber sein, dass das deutsche duale Rundfunksystem, jedenfalls solange die Entwicklungen noch im Fluss sind, eindeutig erhaltenswert und zukunftsfähig ist. Dies gilt für das innerstaatliche wie für das europäische Recht.

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Sachwortverzeichnis allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) 35, 37 f., 54 Amsterdamer Vertrag (s. auch Rundfunkprotokoll) 129, 140, 267, 355 Anerkennungs- und Herkunftslandprinzip 144 Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 39 ff. EG) 143, 145, 154 ff. ARD 265 f., 270, 313, 336, 349, 400 ARTE 301, 326 Außenpluralismus 20, 30, 88, 119, 187 f., 235, 279 authentische Interpretation 131 f.

Beteiligungsmodell 190 Betrauung i. S. d. Art. 86 Abs. 2 EG 119, 138 ff., 335 f. Bildung 301, 324, 327 Binnenpluralismus 19 f., 30, 53 f., 87, 92, 187 f. BR Alpha 301, 327, 333, 336

BBC 91, 395 f. Begünstigung i. S. d. Art. 87 Abs. 1 EG 287 ff. Beihilfen (Art. 87 Abs. 1 EG) 285 ff. – Begünstigung (s. dort) – Handelsbeeinträchtigung 320 ff. – staatliche Herkunft 308 ff. – Wettbewerbsverfälschung 315 ff. Beihilfenbeschwerden privater Rundfunkveranstalter 285 f. beihilfenrechtliche Zulässigkeit der Gebührenfinanzierung 322 ff. – Rechtfertigung nach Art. 87 Abs. 3 lit. d) EG 323 ff. – Zulässigkeit nach Art. 86 Abs. 2 EG 333 ff. Beihilfeverfahren (Art. 88 EG und VO 659/99) 338 ff. Belgien 390 f. Bertelsmann 277, 280, 282 Berufsfreiheit (Art. 12 GG) 35, 37 f., 78, 86, 96, 149 Bestands- und Entwicklungsgarantie 48 ff., 299, 302 ff., 308

Dänemark 391 Dassonville-Formel 144, 171, 184, 199, 219 De-minimis-Beihilfen 199, 316 demokratisch-kulturpolitische Ziele – als Schutzgut des Art. 46 EG 179 ff. – als zwingende Gründe des Allgemeininteresses 182 Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse 116 ff., 134 ff., 140 f., 333 ff., 342 ff. Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 ff. EG) 99, 143 ff., 151 f., 160 ff., 166 ff. Digitalisierung 71 ff., 222, 258, 271, 299 – Exklusivwerden meinungsbildender Inhalte 95 ff. – Folgen für die Interpretation des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG 75 ff. – Folgen für die Rolle des öffentlichrechtlichen Rundfunks 89 ff. – Folgen für die Vielfaltssicherung 81 ff. – Sicht der Gemeinschaft 114 ff., 125 ff. – technische Fragen 72 ff.

Cassis-Rechtsprechung 106 f., 182, 194, 360, 400 Conditional Access 73, 76, 81, 83 f., 122 Cross-Media-Ownership 55, 282 f.

444

Sachwortverzeichnis

Dritte Programme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks 270 Drittwirkung der Grundfreiheiten 155 f. duales Rundfunksystem (Begriff) 19 ff. EBU (s. Sportrechteerwerb) EGMR 362 ff. Eigentumsfreiheit (Art. 14 GG) 78, 81, 86, 96 f. EMRK 355 ff. – als Rechtserkenntnisquelle der Gemeinschaftsgrundrechte 355 ff. – Art. 10 EMRK – Äußerungs- und Informationsfreiheit 367 ff. – Art. 10 EMRK – Medienfreiheit 369 ff. entgeltliche Leistungsbeziehungen bei grenzüberschreitendem Rundfunk 171 ff. Entscheidungen nach Art. 81 EG 261 ff. EPG 74, 77 f. essential facilities 82 Europäischer Verfassungsvertrag 127 europäisches duales Rundfunksystem 128 europäisches Fernsehprogramm 100 ff. Fernsehrichtlinie 99 ff., 102 f., 123 ff., 177 ff. – Art. 3a 96, 123, 241 f. – Einfluss auf das deutsche Rundfunkrecht 147, 177 ff., 361 – Entstehungsgeschichte 99 ff. – kompetenzielle Fragen 218, 241 f. – Niederlassung i. S. d. Art. 2 165 – Quotenregelung für europäische Werke 102 f., 122 – Regelungsgehalt 103 – Revision 123 ff. – Sendestaatsprinzip 102, 144 Finanzierungsgarantie 64 f., 302 ff., 314 Finnland 391 f. Frankreich 392 ff.

freie Meinungsbildung 22 ff., 33, 38, 40 ff., 52 f., 62, 80, 89 f., 93, 95 f., 187 ff., 281, 325 f., 367, 369 ff. Funktionsauftrag 90 ff. funktionsgerechte Finanzausstattung 64 f., 311 Fusionskontrolle 56 ff., 271 ff. – nach der FKVO 271 ff. – nach GWB 56 ff. Gate-keeping 82 f., 122, 271 Gebührenfinanzierung (s. auch Rundfunkgebühr) 66 ff., 133 f., 294 ff. Gemeinschaftsgrundrecht der Medienfreiheit 366 ff. – Einfluss im Bereich der Grundfreiheiten 399 ff. – Einfluss im Bereich des Wettbewerbsrechts 402 ff. – Herleitung 366 ff. Gemeinschaftsgrundrecht der Meinungsfreiheit 223 f., 232 Gemeinschaftsgrundrechte 223 f., 232, 355 ff. Grünbücher der EU-Kommission 101 f., 107 ff. Grundfreiheiten 39 f., 142 ff., 217 ff., 358, 360, 399 ff. Grundrechtscharta der EU 127, 224, 327, 357 f., 378 ff. Grundsätze und Leitlinien für die audiovisuelle Politik im digitalen Zeitalter 116 Grundversorgung 40 ff., 63 ff., 86 f., 89 ff., 119, 136 ff., 187, 189, 286, 294 ff., 308, 318 ff., 325 ff., 335 ff. GWB 56 ff. Hörfunk 103, 193 Informationsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) 28, 79 Inländerdiskriminierung 149 f. Interaktivität 72

Sachwortverzeichnis Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte 357, 376 Irland 382 f. Italien 383 ff. Kabelbelegung 76 ff., 202 ff., 259, 304 f., 314 ff., 368 Kabelnetzbetreiber 76 ff., 81, 86, 104, 120, 164, 168 ff. Kabelrundfunk 41, 71 ff., 104, 120, 162, 168 ff., 172, 222, 258, 269 Kapital- und Zahlungsverkehrsfreiheit (Art. 56 ff. EG) 207 ff. Keck-Rechtsprechung 144 ff., 153 f., 171, 178 Kinderkanal 21, 136, 139, 198, 206, 265 f., 285, 301 f., 305, 317, 326 ff., 335 f., 341, 350 f. Kirch-Gruppe 59, 269 f., 277 klassischer Rundfunkauftrag 41 ff., 294 Kommerzialisierung 69, 71, 91, 93, 100, 185, 196 f. Kommission zur Ermittlung der Konzentrationen (KEK) 54 ff., 258, 270 Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) 68, 92 f., 201, 297, 300 f., 312, 319, 331, 337, 340, 350 ff. kommunikative Chancengleichheit 24 Kompetenzen der EG im Rundfunkbereich 209 ff. – einzelne Kompetenzen 165, 218 ff. – Kompetenzarten (allgemein) 211 f. – Kompetenzgrenzen 224 ff. – Medien- und Meinungspluralismus als Regelungsgegenstand 233 ff. – Prinzip der begrenzten Einzelzuständigkeit 209 ff. – ungeschriebene Kompetenzen 212 f. Konvergenz 72 ff., 109 ff., 120, 125 f., 259, 380 Konzentrationskontrolle 54 ff., 187 ff., 242 ff.

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– ökonomische nach Art. 81 ff. EG 242 ff. – ökonomische nach GWB 56 ff. – publizistische nach §§ 25–40 RStV 54 ff., 187 ff., 282 Kooperationen öffentlich-rechtlicher – privater Rundfunk 64 künstlerisches und literarisches Schaffen im audiovisuellen Bereich 104, 212, 216, 230, 324 Kultur 41 ff., 101 f., 104, 107, 124 ff., 133, 136 ff., 179 ff., 204 f., 213 ff., 230 f., 238, 246 ff., 323 ff. Kumulationsverbot 166 f. Landesmedienanstalten 54 f., 76, 78, 83 ff., 202 ff., 259, 368 Luxemburg 397 Marktabgrenzung im EG-Wettbewerbsrecht 243 ff., 249 ff., 259 f., 279 ff. MEDIA-Programme 122, 222 Merchandising 52, 62, 152, 349 meritorische Güter 291 ff. Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung (Art. 82 EG) 268 ff. Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk 118 f., 346 ff. Mitteilung über Leistungen der Daseinsvorsorge 116 ff., 140 f. mittelbarer Pluralismusschutz bei der EG-Fusionskontrolle 279 ff. Multiplexing 73, 76, 83 Must-carry 76, 78 f., 85 ff., 121, 203 ff. nationale Identität (Art. 6 Abs. 3 EU) 141, 233, 247, 308, 326, 333 Navigatoren (s. EPG) Netzeigentum 78 Niederlassungsfreiheit 39, 106, 146, 154, 156 ff., 177 ff.

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Sachwortverzeichnis

öffentlich-rechtliches Rundfunkmonopol und Gemeinschaftsrecht 99, 105 ff., 216 f., 371 ff. öffentliche Aufgabe des Rundfunks 40 f., 262 Österreich 398 „Oreja-Bericht“ 114 f. Pay-TV 59, 70 f., 74, 80 ff., 95 f., 172, 207, 242, 250 ff., 257 f., 267 f., 281 f. Phönix 21, 136, 139, 198, 206, 265 f., 285, 301 f., 305, 317, 326 ff., 335 f., 341, 350 f. Portugal 386 f. positive Rundfunkordnung 27 ff., 69, 74 f., 78, 81 f., 95 Presse und Pressefreiheit 22 ff., 27 ff., 35, 52, 70 f. 77 f., 82, 254, 381 Programm (Begriff) 32 Programmautonomie (s. Rundfunkfreiheit) Programmrechte 52, 135, 257 f., 270, 280, 317 ff., 95 ff. Programmzahlbeschränkungen 51, 93, 189 Protokoll über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk (s. Rundfunkprotokoll) publizistischer Wettbewerb 52 ff., 187 ff., 246 ff. – als Schutzgegenstand des deutschen Rundfunkrechts 52 ff., 187 ff. – als Schutzgegenstand des EG-Wettbewerbsrechts 246 ff. Quersubventionen (s. Transparenzrichtlinie) räumlich relevante Märkte im Rundfunkbereich 259 f., 281 Rechtserkenntnisquellen der Gemeinschaftsgrundrechte 355 ff. Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und Dienste 125 Rundfunk als Medium und Faktor 25, 41, 43, 95, 118, 326 Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG) 21 ff.

– als ausgestaltungsbedürftige Freiheit 27 ff. – als dienende Freiheit 22 ff. – als Rundfunkveranstalterfreiheit 33 ff. – Auswirkungen von Digitalisierung und Konvergenz 75 ff. – Grundrechtsträger 38 ff. – Programmautonomie 32 f. – Zulässigkeit von Ausgestaltungen und Beschränkungen 31 Rundfunkgebühren 66 ff., 176 f., 294 ff. – als Beihilfen i. S. d. Art. 87 Abs. 1 EG 294 ff., 306 ff., 311 ff., 317 ff. – als Entgelt i. S. d. Art. 50 EG 176 f. – Festsetzungsverfahren 67 ff., 92 – Rechtsnatur 66 f. Rundfunkprotokoll 98, 105, 114 ff., 122, 125, 129 ff., 147 ff., 181, 212 f., 217, 222, 228 ff., 266 f., 294 ff., 325, 333, 341, 345 ff., 379 Rundfunkveranstalterfreiheit – aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG (s. Rundfunkfreiheit) – aus Art. 10 EMRK (s. EMRK, Art. 10 EMRK – Medienfreiheit) sachlich relevante Märkte im Rundfunkbereich 59 ff., 249 ff., 279 ff., 317 ff. – Märkte für technische und administrative Infrastruktur 258 f. – Pay-TV-Markt 250 ff. – Rechtemarkt 257 f. – Werbemarkt 255 ff. – Zuschauermarkt 252 ff. Satellitenrundfunk 41, 71 ff., 164, 168, 204 f., 234, 258, 260, 267 Schweden 387 f. Sendestaatsprinzip (s. Fernsehrichtlinie) Set-Top-Boxen 74, 152 Sitzerfordernisse für Rundfunkveranstalter 183 f. Smart Cards 74, 152 Sondersituation des Rundfunks 27 ff., 79 ff.

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Spartenprogramme (s. auch: Phönix; Kinderkanal) 21, 46, 70, 140, 257, 266, 298 ff., 317 f., 326 ff., 335 ff., 341, 346 Sponsoring 52, 70, 158, 192 f., 195 f., 264 Sportrechteerwerb im Rahmen der EBU 261 ff. Spürbarkeitserfordernis im Wettbewerbsrecht 220, 237, 316 f. Staatsfreiheit 28, 32, 39, 68, 77, 92, 143, 155, 157, 185, 221, 311 ff., 346, 352, 375 Subsidiaritätsprinzip (Art. 5 Abs. 2 EG) 224 ff.

Vertrag von Amsterdam (s. Amsterdamer Vertrag)

technische und administrative Dienstleistungen für digitalen Rundfunk 73 f., 76, 258 f., 269, 271, 280 f. Telekommunikationsrecht 74, 77, 107 ff., 120, 125 ff. Teleshopping 152, 192 ff. terrestrische Übertragung 73, 88, 121, 164, 168 ff., 204 f. Transparenzrichtlinie 112, 119 f., 220 f., 342 ff.

– des privaten Rundfunks 41, 71, 192 ff.

Unternehmen i. S. d. Art. 81 ff. EG 135, 220, 243 UWG 61 ff., 59, 93

ZDF 19, 265 f., 313 f., 340

„Van-Miert-Papier“ 111 ff. Verhältnismäßigkeit 31, 36 f., 50 f., 63, 117, 147, 181, 229 ff., 240 f., 328 ff., 377 f.

Vertrag von Maastricht 104, 215 f. vorherrschende Meinungsmacht 54 ff. 187 ff. Warenverkehrsfreiheit (Art. 28 ff. EG) 99, 151 ff. Werbebeschränkungen 69 ff., 153 f., 192 ff., 257, 305 f., 314, 317 ff., 331 Werbefinanzierung 41, 69 ff., 192 ff., 346 ff. – des öffentlich-rechtlichen Rundfunks 69 f., 346 ff.

Werbemarkt 255 ff., 269 f., 317 ff. Werbeverbote 69 f., 153 f., 200 f. wirtschaftliche Betätigungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks 51 f., 346 ff. Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit 68, 92, 293, 297, 300, 331 f., 337 f.

ZDF-Medienpark 61 f. Zulassung privater Rundfunkveranstalter 30, 32, 33 ff., 182 ff. Zuschaueranteilsmodell 190 f. Zuschauermarkt 54 ff., 59 f., 252 ff., 269 f., 280 f., 317, 321

SUMMARY Since the early eighties of the last century private broadcasting companies have become more and more established in Germany alongside the public broadcasting corporations. The „dual broadcasting system“ which developed as a result of this has been fundamentally formed not only by the decisions of the Federal Constitutional Court but also by the influence of Community law. This „European“ influence is analysed in this book in order to answer the question, whether the German dual broadcasting system can withstand the pressure from Brussels. The freedoms (especially the freedom to provide services and the right of establishment) are examined as well as the Community’s competences, the competition rules, the rules on state aids including the directive on the transparency of financial relations and the European fundamental rights. It will become clear that the way the problems of the dual broadcasting system have been treated by the EC-organs cannot be regarded as undifferentiated. The book tries to find out whether the German broadcasting system just as it exists is compatible with EC law. As such the dual broadcasting system is not challenged with regard to constitutional law, media policy or economical considerations, e.g. by analysing if public broadcasting is dispensable. The influences of digitalisation and convergence are, however, taken into account.

RÉSUMÉ Depuis les années quatre-vingts du siècle dernier en Allemagne des stations de radiodiffusion privées se sont de plus en plus établies à côté des Offices de radiodiffusion de droit public. Le «système dual de radiodiffusion», qui s’est développé de ce fait, n’était pas seulement fondamentalement influencé par les décisions du tribunal constitutionnel fédéral, mais aussi par le droit de la C. E.. Cette influence «européenne» est analysée dans cet ouvrage pour donner réponse à la question, si le système dual de radiodiffusion allemand peut résister à la pression de Bruxelles. Les libertés fondamentales (en particulier la liberté d’établissement et de prestation de services) sont examinées aussi bien que les compétences de la C. E., les règles de concurrence, les règles des aides d’Etat y compris la directive relative à la transparence des relations financières et les droits fondamentaux européens. Il sera démontré que la manière dont les organes de la Communauté traitent les problèmes du système dual de radiodiffusion ne peut pas être considérée comme indifférenciée. Cet ouvrage cherche à savoir si le système de radiodiffusion allemand en existence actuellement est compatible avec le droit communautaire. Ainsi le système dual de radiodiffusion n’est pas remis en question en vue du droit constitutionnel, de la politique des médias ou des considérations économiques comme par exemple l’analyse de la question si la radiodiffusion publique est superflue. Les influences de la numérisation et de la convergence sont tout de même considérées.