Das Buch der Beispiele der alten Weisen, Teil 1: Text [Reprint 2021 ed.] 9783112544761, 9783112544754

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Das Buch der Beispiele der alten Weisen, Teil 1: Text [Reprint 2021 ed.]
 9783112544761, 9783112544754

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DEUTSCHE AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU B E R L I N INSTITUT F Ü R ORIENTFORSCHUNG VERÖFFENTLICHUNG NR. 61

ANTON VON PFORR DAS BUCH DER BEISPIELE D E R ALTEN WEISEN Kritisch herausgegeben nach der Straßburger Handschrift, mit den Lesarten aller bekannten Handschriften und Drucke des 15. und des 16. Jahrhunderts Erster Teil: Text

Herausgegeben von FRIEDMAR GEISSLER

AKADEMIE-VERLAG•BERLIN 1964

Erschienen im Akademie-Verlag GmbH, Berlin W 8, Leipziger Straße 3-4 Copyright 1964 by Akademie-Verlag GmbH Lizenznummer: 202 • 100/31/64 Gesamtherstellung: IV/2/14 • VEB Werkdruek Gräfenhainichen • 2133 Bestellnummer: 2013/61/1 • ES 7 D + 7 L • Preis: DM 32,50

INHALTSVERZEICHNIS

Vorbemerkung Vorrede 1. 2. 3. 4. 5.

Der Der Der Der Der

1 Schatzgräber und die betrügerischen Mietlinge unverständige Leser Eingeschlafene und der Dieb betrogene Weizendieb Arme und der geprellte Dieb

Über die Gesandtschaft Berosias' nach Indien Inhaltsverzeichnis zum „ B u c h der Beispiele der alten Weisen" 1. K a p i t e l : Von Berosias 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Der Der Der Der Der Das

K a u f m a n n , der zu billig verkaufte Dieb a m Mondstrahl Buhler, der sich nicht aus dem Hause f a n d K a u f m a n n und der harfespielende Edelsteinschleifer H u n d mit dem Knochen und das Spiegelbild Gleichnis vom Menschengeschlecht

2. K a p i t e l : Von dem Löwen und dem Ochsen 1. 2. 3. 4.

VII

Der von der Mauer erschlagene Flüchtling Der übergeschäftige Affe Der Fuchs und die Schelle Der Einsiedler und der Dieb 5. Die beiden Hirsche und der Fuchs 6. Die Kupplerin und der Geliebte ihrer Dirne 7. Die Buhlcrin und die Barbiersfrau mit der abgeschnittenen Nase . . . . 8. Der R a b e und die gefräßige Schlange 9. Der Vogel und der Krebs 10. Der Löwe und der listige Fuchs 11. Die drei Fische 12. Die Laus und der Floh 13. Der Löwe, seine Gefährten u n d das Kamel 14. Die beiden Vögel u n d das Meer 15. Die schwatzhafte Schildkröte 16. Die Affen und der Vogel 17. Die Ehebrecherin und die überlistete Elster 18. Trügner und Schnell

2 2 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 11 14 15 16 17 22 23 23 24 24 27 27 28 31 32 37 40 41 44 44 45

IV

Inhaltsverzeichnis 19. Der Vogel, die gefräßige Schlange und das Ichneumon 20. Die staubsiebende Buhlerin 21. Die eisenfressenden Mäuse

46 47 48

3. Kapitel: Vom Gerichtsverfahren gegen D y m n a 1. 2. 3. 4.

Die Der Die Die

50

treulose Zimmermannsfrau d u m m e Arzt beiden nackten F r a u e n s t a n d h a f t e Herrin und der verleumderische Diener

54 59 61 65

4. Kapitel: Von der Taube und von treuen Gefährten 1. Die u n d a n k b a r e Schlange 2. Der Fuchs und der einfältige H a h n 3. Die Mißgeschicke der Maus Sambar 4. Die F r a u , die enthülsten Weizen gegen unenthülsten tauschte 5. Der allzu gierige Wolf

67

. . . .

5. K a p i t e l : Von den R a b e n und den Aaren 1. Die Königswahl der Vögel 2. Der Elefantenkönig und der listige Hase 3. Die K a t z e als Richter 4. Der u m eine Geiß geprellte Einsiedler 5. Der alte Mann, seine junge F r a u und der Dieb 6. Der Dieb und der Teufel, die einem Einsiedler nachstellten 7. Der leichtgläubige, von seiner F r a u betrogene Zimmermann 8. Die Mausjungfrau, die sich den Mächtigsten zum G a t t e n wünschte 9. Die Schlange als Reittier des Froschkönigs

70 71 73 74 74 81

. . .

6. Kapitel: Von dem Affen und der Schildkröte 1. Der Esel ohne Herz und Ohren 7. Kapitel: Von dem Einsiedler 1. Der Pläneschmied, der das Honiggefäß zerschlug

85 86 87 90 91 92 93 95 98 100 104 107 107

8. Kapitel: Von der K a t z e und der Maus

109

9. K a p i t e l : Von dem König und dem Vogel

113

10. Kapitel: Von König Sedras

118

1. Das Taubenpaar und der Weizen

127

2. Der Affe und die Linsen

128

11. Kapitel: Von dem J ä g e r und der Löwin

133

12. Kapitel: Von dem Einsiedler und dem Waller

135

1. Die Elster, die den Gang der Taube lernen wollte

135

13. Kapitel: Von dem Löwen und dem Fuchs

136

14. Kapitel: Von dem Goldschmied, dem Affen, der N a t t e r und der Schlange . .

144

Inhaltsverzeichnis 15. Kapitel: Von des Königs Sohne und seinen Gefährten 1. Die dankbaren Turteltauben zeigen einen Schatz an 16. Kapitel: Von den Vögeln 1. Der räudige Affe 2. Der Wolf und die Katzen 3. Die Katze und die dreiste Maus 17. Kapitel: Von dem Sperling, der sich selbst nicht zu raten wußte

V" 147 151 152 153 155 158 160

VORBEMERKUNG

Im ersten Teil der Ausgabe des „Buches der Beispiele der alten Weisen" lege ich den Text Antons von Pforr nach der Straßburger Handschrift Ms. 1996 (früher L germ. 79. 2°.) vor. Der zweite Teil der Ausgabe enthält die Einleitung, in der auch die bis heute bekannt gewordenen 6 Handschriften und 17 Drucke des 15. und des 16. Jahrhunderts beschrieben werden, den Lesartenapparat mit den sachlichen Abweichungen aller 23 Texte und der Hollandschen Ausgabe, ein Namen- und ein Sachverzeichnis, Typen- und Motivregister sowie Faksimiles. Mehrere Drucke konnte ich dank des Entgegenkommens der besitzenden Bibliotheken hier in Berlin einsehen. Die 6 Handschriften sowie die anderen Drucke standen mir auf Mikrofilmen zur Verfügung. Wo Wilhelm Ludwig Hollands nunmehr über hundert Jahre alte Ausgabe der Pforrschen Übersetzung (Stuttgart 1860, Bibliothek des Litterarischen Vereins in Stuttgart, Band 56) Lücken oder Fehler aufweist, wurden diese meist durch den damaligen Wissensstand bedingten Mängel dargelegt und ergänzt bzw. berichtigt. Alle Zusätze und Streichungen des Herausgebers im Text sowie die aufgelösten Abkürzungen sind durch Kursivdruck kenntlich gemacht. Die Blattzählung der Leithandschrift Ms. 1996 — die von späterer Hand in die rechten oberen Blattecken eingetragen wurde — fügte ich in den Text ein. Um das Vergleichen mit Hollands Ausgabe und mit dem „Directorium vitae humanae" Johanns von Capua (Berlin 1960) zu erleichtern, wurden die Seitenzahlen und die Seitenenden der Hollandschen Ausgabe kursiv, die des „Directorium" recte auf den inneren Blatträndern bzw. in den Zeilen angegeben. Die Textlücken der Handschrift (S. 155-156 und S. 159-162) und die offensichtlichen Schreibfehler ergänzte bzw. verbesserte ich nach dem der Leithandschrift nahestehenden ersten Holischen Druck (vom 28. Mai 1483). Wo bei beiden die gleichen Fehler oder auch Lücken vorhanden sind, zog ich — aus im zweiten Teil dargelegten Gründen — die erste Fynersche und zugleich älteste Inkunabel des „Buches der Beispiele der alten Weisen" heran. Bei einigen geringfügigen Änderungen, die weder durch Handschriften noch durch Drucke gestützt werden konnten, richtete ich mich nach der Schreibweise der Straßburger Handschrift (so 116, 17 „Feintschafft", 147, 36 „wolchen"). Über meine Textbehandlung berichte ich in der Einleitung.

VIII

Vorbemerkung

Das „Buch der Beispiele der alten Weisen" in zwei Teilen erscheinen zu lassen, schien deshalb ratsam, weil dadurch der Einleitungs-, Lesarten- und Registerteil für den Benutzer handlicher wird und die Herstellung dieses Teiles wesentlich kürzere Zeit beansprucht und die Druckkosten senkt. Bereits an dieser Stelle möchte ich allen Bibliotheken und Institutionen sowie deren Mitarbeitern, die mich bereitwillig unterstützten und mir bei der oft recht langwierigen Beschaffung der Unterlagen und bei den Nachforschungen halfen, meinen aufrichtigen Dank sagen. Berlin, im September 1961

Friedmar Geißler

VORREDE

4

1

[ l r ] B E d i c h t ist v o n « den a l t e n « weysen der gesiecht der werlt diß b u c h des e r s t e n in i n d i s c h e r s p r a c h v n d d a r n a c h y n d i e b u c h s t a b e n d e r P e r ß e n v e r w a n d e l t , d o v o n h a b e n e s d i e A r a b i s c h e n y n i r e s p r a c h b r a c h t , f u r o i s t es z u h e b r ä i s c h e r z u n g e n b r a c h t v n d z u l e t z s t z u L a t e i n g e s e t z t v n d y e t z in d e w t s c h e zungem g e s c h r i b e n « . V n d d i ß b u c h ist ü b l i c h e r w o r t v n d k o s t l i c h e r r e d e , d a

.">

d u r c h die a l t e n h a b e n wollen«, ir w e y ß h e i t a u ß g i s s e n n , d a m i t sie i r e w e y ß h e i t durch die wort der vornufft ertzeigten«, v n d h a b e n n diß b u c h gesetzt auff g l e i c h n i s zu r e d e n d e r t h y e r v n d d e r v o g e l v n d d a s g e t h a n v m b d r e y v r s a c h : D e s e r s t e n , d a s sie s a c h e f u n d e n ires a u ß s p r e c h e n s , z u d e m a n d e r n , z u k u r t z w e y l d e r l e s e n d e n v n d d e r figuren, d a n d a r y n n e l i s t d e r v o r n u f f t i g e v n d findet d i e weysheit, vnd dem siechten einfeltige« liebei dar y n n e die kurtzweil figuren,

10

der

zum dritten, wan die lernenden seind g e n e y g t zu lesenn die beyspile

v n d s e i n y n liplich z u l e r n e n v n d b e h a l t l i c h d u r c h a n z e y g u n g d e r t h i r e v n d v o g e l . V n d o b sie die y n i r e r i u g e n t n i c h t z u e n d t l i c h e r v o r s t a n t n i ß n e m e n m ö g e n , so i s t d o c h , w a n sie y n v o r n u f f t e r w a c h s s e n , d a s y n n d i e w e y s e n d i n g

15

b e t r e c h t l i c h s e i n d . S o w e r d e n sie d a n b e d e c h t l i c h , w a s sie y n d i s e m b u c h d u r c h die b e y s p i l e d e r t h i e r v n d v o g e l g e l e s e n h a b e n « , v n d m a g k y n n d a s z u h o h e r vernufft v n d f u r b e t r a c h t u n g , zu g u t e m h u t , eren v n d gutzs f r u c h t b a r l i c h e d y n e n , d a n ein vornufftiger m a g m a n c h e r l e y meynuwg m i t der weit v b u n g des argen v n d g u t e n h i r y n n e finden. W e r d i e ß b u c h b e t r e c h t l i c h v n d m i t [ 1"J m e r c k u n g

20

d e s s y n n e s d e r figuren v n d d e r v r s a c h e e r k e n n e t , d a d u r c h e r s i c h p i l l i c h v o r « d e m a r g e n b e w a r e « v n d d a s g u t e v b e n m a g k . || D a n w e r e d i ß b u c h l i s e t , d e r m ü ß a c h t n e m e « , w a r z u es g e m a c h t s e y . D a n w e r d a s n i c h t w e y ß v n d n i t a c h t n y m p t , was die t y c h t e r h i r y n n e b e t r a c h t h a b e n , d e m geschieht als einem blinden, der die v n k u n d e n wege gehet durch berge v n d thale.//

17 Zeilen 2

25

freigelassen

B E y d e y n a n f a n g v n d ende diß buchs g e z y m p t sich eim y e d e n , der dar y n n e wil l e s e n , d a s e r die w o r t , d i e e r l i s t , v o r s t a n d v n d v f f w a s m e y n u « g d i e w e y s e n t i c h t e r d i ß b u c h s d a s g e s e t z t h a b e n « , v n d d a s e r nit e y l e z u d e m e n d e , e e e r d e n a n f a n g k v n d p r o c e ß d i ß b u c h s r e c h t merc&. D a n w e r d a s l i s t v n n d [ 2 r ] n i c h t v o r s t e h e t , d e r m a g k d a v o n « k e i n n u t z b a r f r u c h t e n t p h a e n , so e r d a s n i t z u g u t e r v o r n u f f t v n d b e s s e r u n g v b e n wil, d a n so w i r t y m e d o v o n , w i e k o s t l i c h

30

2

VORREDE

das ist, nit mere an aller frucht dan arbeyt des lesens gleich wie dem, der einen grossen schätz fandt vnd gedacht yn ym selbs: „Sol ich von disem schätze alle tage ein teyle heym tragen«, das wirdt mir vberlestig vnd das vberig sorgsam zu bewaren, vnd ist mir nicht bessers dan knecht zu dingen«, die mir das eins tags yn mein hawse tragen." Vnd gäbe yne den schätz allen, den er mit arbeyt außgrub, auff iren rucken. Dye trugen den allen iglicher heyme yn sein hawse. Vnd do er den allen außgraben hette, do ging er auch heyme yn sein hawse, seinen schätz furo zu bewaren«, vnd fandt des gantz nit vnd erkant, das ir yeder das yn sein hawse getragen hette. Also wart yme nichts von dem gefunden schätze dan alleyn sein arbeit des grabens, dan er hatte sein wercke nicht fursichtiglich betracht vnd kunt nicht behalten, das er gefunden hatte. Eynem yeden weysen manne geburt, wan er diß buch lesen wil, das er yn seinem gemute betracht vnd mercke, das diß buch zwu vorstantniß hat, die ein offenbar, die ander vorborgenn, vnd gleichet zu eyner nüß, die ist zu nicht, sie werde dan auffgebrochenn vnd das ynner vorborgen teyle versucht. Dan welcher list, das er nit zu recht verstan kan,|| dem geschieht als einem, der wolt gern gelernt habenn gezirte wort yn Latein vnd die zu vorstentniß außlegen dem schreyber. Dem schreybe einer der gelerten ein regel, wie er das reden solt, vnd schreybe yme das auff ein guldin taffei. Dar an lernt er tage [ 2"] vnd nacht, vnd do er die lesen konde, noch merckt er ir vorstentnis nicht. Vnd zu eyner zeit saß er bey gelerten», vnd redten soliche wort, die yn seiner tafel geschriben waren, vnd er meynt, sie mit seiner schrifft zu vberclugenn, vnd hübe an, nach ynhalt seiner taffei zu sagen. Do was der anhube seiner wort thorlich vnwissenheyt. Do sprach eyner seiner gesellenn: ,,Sweyg, gesell, du hast geirret." Er// sprach: „Wie mocht ich irren ? Ich habe die wort meyner taffei geredt." Vnd do er aber sagt, do verstundt er nicht, was sie zu recht bedeutten«, vnd wart des zu schäme. Vnd dar vmbe zympt einem iglichenn, was er lese, das er begire habe, das gruntlich zu vorstehenn, dan ein lere mit guter vorstentniß brengt einem man noch zu besser vorstantniß. Dan es sprechen die weysenn: „Es geburt sieh einem verstendigen« nicht dan mit weyßheit vmbezugehenn, dan die manigfeltigkeit der kunst erleuchtet des menschen« vorstentniß gleich als die sonne den glaste des Hammes von dem fewer." Aber welcher list zu guter vorstentnis vnd dem nicht nach volget, dem ist es nicht fruchtbar vnd geschieht yme als einem, der lagk nachtes an seinem bette vnd hört, das ein dip yn sein hawse ging. Vnd sprach zu yme selbst: „Ich wil sweygen vnd hören, biß diser dip zusame« gefaste, was er stelen wil, vnd darnach stehe ich auff vnd nyme von yme das gestolen mit starcken streyche«." Yn dem vberkame der schlaffe disen man«, vnd was das zu gute dem dybe. Dan do er erwacht, do was der dip mit dem dipstale hinweck. Do strafft der man sich selbs vnd befandt, das ym sein weyßheit nicht fruchtbar gewesen was, do er das nit gewbt vnd volbraeht hette. Dan es sprechen« die weysen, das die weyßheit [3?] nicht dan durch die wercke der weyßheit fruchtbare werde. Dan die weißheit ist gleich einem bawme, des frucht vbung der wercke heyssen. Dan welcher einen bösen wegk weyß vnd den gehet vnd verleßt den guten«, den er gelernt hat, den

Vorrede: Schatzgräber — Unverständiger Leser — Eingeschlafener — Weizendieb

3

magk man einen thoren schätzen.|| Dan wer allein seinem luste vnd begire nach volget vnd verachtet, das yme nutz vnd erlich ist, vnd bey den lewffen diser werlit sein bests nit erkysen noch betrachten wil, der ist gleich einem sichenw, der wol erkent, welche speyse yme gesunt oder schade ist, vnd lest sich doch seinen lust oder begirde vberkomen, das er ym selbs die schedlichst für die gesund außerkewset. REwe vnd clage sol disem vber sein eygen hewbt pillich flissen, so er das bose erwelt vnd das gute vorsmehet. Dan welcher yn seiner vornüfft das gut vor dem bösen erkent vnd sich doch seinen luste vberwinden lest, dem geschieht als dem gesehenden, der mit einem plynden vber feit wandert, vnd vielen beyde yn ein thyeff gruben, dar ynne sie beyde stürben«. Nu hat der gesehend vor dem plynden kein fortel, dan das man sprach: „Recht ist ym // gescheenn. Do er die gruben sach, solt er billich sich selbst vnd den plynden da vor gewarnt haben." Dan der weyse sol geflissen sein, gute wercke zu thün vnd andere das auch zu lere«. Vnd was er ander leret, solichs sol er auch nit vorgessen, das er nit gegleicht werde einem bronne«, der alle trenckt vnd doch von den allen keynn hilff emphehet. Aber ein weyser mann sol ander menschen die guten werck zu vben vnterrichten«, ia wen er sich selbs der yn vbung bracht hat. Dan die weysen / 3VJ sprechen«, das einem iglichenw menschen« geburlich sey, drey ding zu suchen: weyßheit, reichtumb vnd barmhertzigkeit, vnd das nymant seinen?;, eben menschenn schelten sol der vrsach, das er an ym selbs hat. Dan der wurde gleich geschätzt dem plynden, dem die awgen außgestochen seint vnd schult den, der plindt geborn« was, das er von iugent auff nye gesehen hett, vnd weren doch auff das male beyde plindt. Es gezympt auch nit, das ein man sein nütz mit schaden eins andern suche, das yme nit geschehe als einem, von dem man sagt: Es waren zwen gesellenn, die hatten waitzen kawfft gemein vnd den vff eyner kornschutten yn zwen hawffen geteilt, vnd do auch sunst vil hawffen von waitzen gesundert lagen». Der ein gedacht, wie er sein gesellen vmbe sein waitzen betrigen wolt, vnd bäte einen andern» zu yme vnd vorhiß dem halb vnd ging eins tags dar zu vnd bedeckt sein« gesellen theyl, den er stelen wolt, mit seinem mantel, so er nachts dar zu kerne, das er es do bey erkennen« wurde. Do zwusche« käme der ander zu dem waitzen vnd sähe seins gesellen mantel auff seinem weyße ligen || vnd spräche wider sich selbs: ,,Eya, wie getrewe ist mir mein geselle, das er mit seinem eygen cleyde mein weysse für den sein deckt, das mir dar ein nicht vnsawbers falle. Aber sicher, das sol nicht sein!" Vnd name den mantel vnd legt den auff seins gesellen waitze. Des nachtes käme der dip mit seinem andern gesellen, den er zu yme zu dibe machet, vnd greyff yn der finster, woe er seinen mantel auff seins gesellen waitzen ligen funde. Vnd do er den fandt, do name er da von das halb vnd gäbe seinem mit dibe das ander halb hin [4 T ] zu tragen«. Morgens frühe ging der dibe mit seinem gesellen, mit dem er den waitzen kawfft hette, auff die schütte. Do sähe er, das er yme selbs sein eygen waitze« gestolenn vnd das halp hin geben hette, vnd wart trawrig seins verlusts.

4

VORREDE

18 Zeilen

freigelassen

Hye saltu mercken, das nymant sein gelust verwolgen sol, der zu schaden seins eben menschen dynet, vnd besunder vfF zeit//lieh gute, wan es sprechen die vveysen menschen: „Werne sein gemüt strengklichen auff zeytlich gute geneigt ist, dem bleybt zu letzst nit anders dan ein hertzlichs trawrenre, so er sich mit tode da von scheyden m u ß . " Vnd sein doch zwey ding, die dem menschen n ü t z : / ^ " / r e i c h t u m b vnd gotes foreht. Dan wer gotes forcht hat, der sol auch yn armüt nit vorzweyfeln, dan durch gotes forcht, die ein anfang aller weyßheit heysset, wirt der mensche bey weylen zu reichtumb gefordert, als einem geschach, der was arme vnd ging zu seinen freunden yn seiner armüt, sein armut vnd sein gebrestenw yne vmbe hilffe zu clagenre. Vnd do yme von yn allen hilff versagt wardt, käme er gantz trawrig wider zu seinem hawse vnd läge nachts wachende an seinem bette von vnmute vnd hört yn seinem hawse einen dieb vnd gedacht: „Was magk diser dieb stelen, so doch nichtz yn deinem hawse ist dan ein wenig melbs, da durch du morgen frühe deynen hunger brote backen soltest." Der diep gedacht: ,,Du wilt vngestolenn auß disem hawse nicht komen," vnd f a n d t doch nichts dan das mele vnd zöge abe sein kappen vnd schütte das mele dar ein. An der kappen was ein zypfel, dar ynne er golt vnd silber trüge, das er ynn vorgangenn zeytten villeicht auch mit stelen vberkomen hette. Ynn dem gedacht der hawßwirdt: „Nympt der dieb das mele, so mustu morgen hunger leyden." Vnd stundt auff vnd schrey den dieb an mit lawter stymme vnd eylet dem nach mit seinem woffen. Der dyeb flogk vnd mocht die kappen nicht wol getragenn vnd must die fallen lassen, die begreyffe der hawse wirdt vnd retet sein mele vnd fandt do bey silber vnd golt zu seiner nottorift.|| 4 Zeilen

freigelassen

[5r] 17 Zeilen freigelassen Aber ein weyser man sol sich nit allein dar an lassen, das yme on vbung sein narünge beschert sey, besunder von reych zu reich faren, biß er dar durch sein nottorfft zu erzihung seiner kinde vnd außbrengung seins lebens vberkomen möge, wie wol etlich menschen on arbeytt zu reichtumb kommen sint, beraten besunder worden, ee sie zu arbeit geschickt warenw. Da von sol aber der fursichtig weyse man nicht beyspile nemwien, dan es selten geredt. Besunder sol ein iglicher weyser man mit gerechtigkeit yn gotes forcht sein narung nach seinem Stadt vberkomen vnd mit fursichtigkeitt achtung nemen, wie er sich vor dem beware, des er schaden entphaen möge, das er nicht geschätzt werde /5 V ] zu der tawbenn. Wie dicke der die iungenm von dem nehest genommen oder getot werden, dester mynwer nicht zewgt sie yn dem selben nehest aber iungen, das sie aber genomew werdenn. Es sprechen die weysen, das drey // dingk dem menschen nottorfftigk seind: Das erste ist gesetze vnd ordenuwg, das ander

König Anastres Taßri sendet Berosias nach Indien

o

narung vnd nottorfft, das dritte ist rechtfertige bewarung vnder ym selbs vnnd seinem eben menschen«. Do wider welchem menschen dise nachgeschriben vier ding nit anhangen seindt, des wesen mag nit gnügsame sein: Das erste vberfarunge geböte der gesetze, das ander vorsewung seins eygen nützs, das dritte yderman glewben, das vierde alle weyßheit vorachten. Vnd es gezympte einem yeden weysen man, bedechtlich zu handeln vnd wandeln yn seinem wesen vnd seinen rate nit vonn vnerkanten zu nemen, dan allein von den gerechte« vnd getrewen saltu rate nemen, aber vor /rage nach dem getrewen. Lege dich nicht auff zweyfellhafftig dingk, biß du den grünt erfindest, das dir nit geschehe als dem, der eynen zweyfelhafftigen wegk gingk. Ye lenger er ging, ye ferrer er von der rechten strasse was, oder als dem, der etwas ynn seinem awge befindet vnd hört nicht auff zu reyben mit seinen henden, bis es böser wirdt.//1| Hye endet sich die vorrede vnd fehet an der anfang des buchs, vnd ist genant „Das buch der beyspile der alten weysen von anbegynne der werlit, von gesiecht zu gesiechte."||

ÜBER

DIE

GESANDTSCHAFT NACH

BEROSIAS'

INDIEN

REgirender herre des reychs zu Edom was ein gewaltiger konig, bey seiner zeit genant Anastres Taßri. Der hatte bey yme einen weysen schrifft gelerten man, [ f f ] der was genant Berosias. Diser was ein furste der ertze durch sein hohe kunst der ertzney vnd enphing von dem konig hohen solt vnd ersamen stadt. Auff ein zeyt wart dem konig ein buch geschickt, darynn stunt vnter anderm geschriben yn indischer zungen also: Wan es seind yn India hoch berge, dar auff wachssen etlich bawme vnd krewter, wer die erkent vnwd conficiert nach irer gestalt, so wurde dar auß ein ertzney, mit der die thotten mit gotes verhengknis lebendig werden gemacht. Der konig begert diser sache warheit zu befinden vnd geböte Berosiam, seinem artzt, das er durch sein ersuchung gedecht, dem nachzukomen, so wolt er ynn dar zu mit golde vnd mit silber vorlegen vnd forderung thün an die konig von India, der iglichem Berosias gäbe von seinem herren bracht als gewonheit ist, die mechtigen herren an ein ander zu scliickenn. Solich gäbe vnd briue wurden denn von Berosia iglichem

König Anastres Taßri sendet Berosias nach Indien

o

narung vnd nottorfft, das dritte ist rechtfertige bewarung vnder ym selbs vnnd seinem eben menschen«. Do wider welchem menschen dise nachgeschriben vier ding nit anhangen seindt, des wesen mag nit gnügsame sein: Das erste vberfarunge geböte der gesetze, das ander vorsewung seins eygen nützs, das dritte yderman glewben, das vierde alle weyßheit vorachten. Vnd es gezympte einem yeden weysen man, bedechtlich zu handeln vnd wandeln yn seinem wesen vnd seinen rate nit vonn vnerkanten zu nemen, dan allein von den gerechte« vnd getrewen saltu rate nemen, aber vor /rage nach dem getrewen. Lege dich nicht auff zweyfellhafftig dingk, biß du den grünt erfindest, das dir nit geschehe als dem, der eynen zweyfelhafftigen wegk gingk. Ye lenger er ging, ye ferrer er von der rechten strasse was, oder als dem, der etwas ynn seinem awge befindet vnd hört nicht auff zu reyben mit seinen henden, bis es böser wirdt.//1| Hye endet sich die vorrede vnd fehet an der anfang des buchs, vnd ist genant „Das buch der beyspile der alten weysen von anbegynne der werlit, von gesiecht zu gesiechte."||

ÜBER

DIE

GESANDTSCHAFT NACH

BEROSIAS'

INDIEN

REgirender herre des reychs zu Edom was ein gewaltiger konig, bey seiner zeit genant Anastres Taßri. Der hatte bey yme einen weysen schrifft gelerten man, [ f f ] der was genant Berosias. Diser was ein furste der ertze durch sein hohe kunst der ertzney vnd enphing von dem konig hohen solt vnd ersamen stadt. Auff ein zeyt wart dem konig ein buch geschickt, darynn stunt vnter anderm geschriben yn indischer zungen also: Wan es seind yn India hoch berge, dar auff wachssen etlich bawme vnd krewter, wer die erkent vnwd conficiert nach irer gestalt, so wurde dar auß ein ertzney, mit der die thotten mit gotes verhengknis lebendig werden gemacht. Der konig begert diser sache warheit zu befinden vnd geböte Berosiam, seinem artzt, das er durch sein ersuchung gedecht, dem nachzukomen, so wolt er ynn dar zu mit golde vnd mit silber vorlegen vnd forderung thün an die konig von India, der iglichem Berosias gäbe von seinem herren bracht als gewonheit ist, die mechtigen herren an ein ander zu scliickenn. Solich gäbe vnd briue wurden denn von Berosia iglichem

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U B E R D I E GESANDTSCHAFT BEROSIAS' NACH INDIEN

konig geantwort, die sich willig ynn der Werbung vnd irer weysesten von iren hoffen vnd landen yme zu geben erboten. Inn disem furnemen arbeyt sich Berosias zwolff monat vnd bracht zusamen von allen bawmen vnd krewternn mit vormyschung der appoteckischenw dinge vnd macht dar auß ein electuarium, alles nach außweysung des gemelten buchs, vnd vorsähe sich damit, die todten zu erkuckenn. Vnd do das nicht sein mocht, do achtet Berosias die für erlogen schrifft vnd wart trawrig, dan yme was schwere, wider zu seinem konig zu komen vngeschafft, dan er besorgt, da durch veracht zu werden, vnd fugt sich zu den weyß gelerten in India vnd öffnet ynn dise ding. Die sprachen, das soliche [6V] anzeygung sey yn iren buchern auch || funden vnd hetten dar auff furter gesucht so lange, biß sie die außleguwg ynn eim buch von den alten weysen von anbegynne der werlit ynn dise meynung funden hetten, also das die// hohen berge bedewtten die weysen meister, die bawme vnd krewter sey die kunste vnd hohe vorstentniß, die auß den selben meistern^. wachssen. Das electuariuwi, das dar auß conficirt ist, seind die bucher der weyßheit vnd der kunst. Die totten, die man durch medicin erquickt, sein die thorichten vnd vnweysen menschen, die on alle weyßheit vnd erleuchtende vornüfft ir leben schlissen, die werden erquickt von dem tode der «wwornufft vnd darnach mit der artzney der weyßheit. Wan sie die selbenn bucher lesen vnd lerne» vnd, das dar ynne stat, behalten vnd volbrengen, lebend gemacht. Vnd do Berosias diß vorname, do begerte er, dise bucher zu haben, vnd fand die yn indisscher zungen vnd bracht die yn die sprach der Perßen vnd käme wider zu seinem herren Anastren Taßri, dem konig. Vnd do der konig das vorname, do wart er begirig, die bucher zu haben der vorstentniß, vnd vbet sich mit allem vermögen, zu lernen die kunst der weißheit, vnd erhöhet die yn yme selbs vnd satzte yme das für alle ander kurtzweyle vnd reichtumb, darynn die konig pflegen zu lebenn. TRewlich bey hoher pene gebot der konig Anastres, ynn seinem konigreich schule der lere auffzurichten vnd die auß seinem trysol zu besolden, außzubreyten die kunst vnd die bucher zu meren. Vnder denen wart diß buchlein auch yn indischer schrifft funden vnd von seinen schrifft [7r] gelerten yn die sprach der Perßen gesetzt, vnd funden disen namen also: „Diß ist das buch der beyspile der alten weysen von geslechtenn der werlit." Vnd ist der anfanck des ersten capitels vnd dem nach volgen als hir nach geschribenn stet. // Das erste capitel sagt von Berosiam vnd ist von forcht vnd gerechtigkeit gotes. Das ander capitel sagt von dem leben vnd dem ochsen vnd sagt von betriglicher vorfurung. Das dritte capitel sagt von ersuchung neydischer Sachen vnd ist von endung, der sich frewet eins andern vnglucks. Das virde sagt von der tawben vnd trewer gesellschafft. || Das funffte sagt von dem rappen vnd auch von den aren vnd ist von dem, der seinem vorsonten feind glawbt vnd was yme zu letzst da von zufeilet.

Inhaltsverzeichnis zum „ B u c h der Beispiele der alten Weisen"

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Das sechste sagt von dem äffen vnd der schiltkrotew vnd ist von dem, der eine« getrewen freunt hat vnd weyß den nicht zu behalten. Das sibende sagt von einem einsidel vnd ist von dem, der schnelle ynn seinen«, Sachen ist vnd das ende nicht betrachtet. Das achte sagt von dem mawßhünt vnd der mawß vnd ist von dem feindt, der ynn der nott friden sucht mit seinen andern feinden. Das newnd capitel sagt von einem konig vnd von einem vogel vnd ist von den gesellen, die heymlichen neyd tragen» vnd wie sich eyner vor dem andern bewaren sol. Das x sagt von konig Sedra vnd ist von dem, der seinen zorn/i enthalten vnd die vntugent vberwindert kan. Das xj ist von einem ieger vnd einer lebin vnd sagt [7VJ von dem, der von argem leßt durch args, das yme beschicht. Das zwolfft sagt von dem einsidel vnd dem weller vnd sagt von dem, der sein eygenn wercke verläßt vnwd gebraucht, das yme nicht gepurt noch an ererbt ist. Das xiij sagt von dem lebenn vnd von dem fuchs vnd ist von der libe der konig, die sie nach der rachtumg haben sollen. // Das xiiij sagt von dem goltschmid, dem äffen, der nater vnd der slangen vnd sagt von barmhertzigkeit vnd das die vndanckbarkeyt nit erzeigt sol werden. Das xv ist von des konigs sone vnd seine«, gesellenn vnd sagt von der gotlichenn fursehung, wider die nymant sein magk. Das xvj sagt von den vogeln vnd ist von den, die vnder ynn selbs sich betrigenn. Das xvij sagt von der tawbenn vnd dem fuchs vnd sagt von dem, der einem andern« raten kan vnd yme selbs nicht.//||

DAS ERSTE VON

KAPITEL BEROSIAS

Hie vahet an das erste capitel vnd sagt von Berosia vnd ist von forcht vnd gerechtigkeit, als du dan wie volgt lesen wirst. »GVt, ere vnd kunst,« sagt Berosias, ein hewbt der weysen des reychs zu Edom, der dieß buch ynn die zunge der Perßen gesetzt hat, »ist mir von meynem vater vnd muter, nit dem mynsten yn dem konigreich zu India

Inhaltsverzeichnis zum „ B u c h der Beispiele der alten Weisen"

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Das sechste sagt von dem äffen vnd der schiltkrotew vnd ist von dem, der eine« getrewen freunt hat vnd weyß den nicht zu behalten. Das sibende sagt von einem einsidel vnd ist von dem, der schnelle ynn seinen«, Sachen ist vnd das ende nicht betrachtet. Das achte sagt von dem mawßhünt vnd der mawß vnd ist von dem feindt, der ynn der nott friden sucht mit seinen andern feinden. Das newnd capitel sagt von einem konig vnd von einem vogel vnd ist von den gesellen, die heymlichen neyd tragen» vnd wie sich eyner vor dem andern bewaren sol. Das x sagt von konig Sedra vnd ist von dem, der seinen zorn/i enthalten vnd die vntugent vberwindert kan. Das xj ist von einem ieger vnd einer lebin vnd sagt [7VJ von dem, der von argem leßt durch args, das yme beschicht. Das zwolfft sagt von dem einsidel vnd dem weller vnd sagt von dem, der sein eygenn wercke verläßt vnwd gebraucht, das yme nicht gepurt noch an ererbt ist. Das xiij sagt von dem lebenn vnd von dem fuchs vnd ist von der libe der konig, die sie nach der rachtumg haben sollen. // Das xiiij sagt von dem goltschmid, dem äffen, der nater vnd der slangen vnd sagt von barmhertzigkeit vnd das die vndanckbarkeyt nit erzeigt sol werden. Das xv ist von des konigs sone vnd seine«, gesellenn vnd sagt von der gotlichenn fursehung, wider die nymant sein magk. Das xvj sagt von den vogeln vnd ist von den, die vnder ynn selbs sich betrigenn. Das xvij sagt von der tawbenn vnd dem fuchs vnd sagt von dem, der einem andern« raten kan vnd yme selbs nicht.//||

DAS ERSTE VON

KAPITEL BEROSIAS

Hie vahet an das erste capitel vnd sagt von Berosia vnd ist von forcht vnd gerechtigkeit, als du dan wie volgt lesen wirst. »GVt, ere vnd kunst,« sagt Berosias, ein hewbt der weysen des reychs zu Edom, der dieß buch ynn die zunge der Perßen gesetzt hat, »ist mir von meynem vater vnd muter, nit dem mynsten yn dem konigreich zu India

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l. KAPITEL: VON BEROSIAS

zugefugt fur alle ander mein geswister damit, das sie mich yn dem sibenrfen j a r e meins alters zu schule gesetzt haben, zu lernen die bucher der ertzney. D o lobte ich meinew vater vnd die mich [ 8 T ] gebare. Vnd do ich meinem syn gesetzt hette mit der kunst der ertzney, das ich den sichen mit meyner kunst der bucher, m i t gnade des almechtigenw zu statten komera mocht, so bedacht ich, das vier ding sein, dar zu sich der menschen gemute neygen soi : edel syten, narunge, gute lewmut vnd vordyemmg kunfftigs lebens. Vnd ich erweit mir das vierde vnd gedacht, das nit gnug were, mein ertzney den armen zu irem leybe vmbe sunst zu gebenn, sunder das ich dar zu haben muste vnd gebrauchenn die medicin auß den buchern der weyßheit, damit ich nit allein die sichen gesund, sunder auch die toten erquicken mocht, vnd mich des gebrauchenn zu lobe des ewigen namenns vnd da durch gleych werden dem mertzler, der einen edlen stein vorkewfft vmbe ein pfenniwg, der vil hette mögen gelten. || Vnnd ryet dar vmbe meinem gemûte, von wollust diser werlt sich zu zyhenn, wan das ende irer frewde ist widerwertigkeit, das ich nit gleich wurde dem loffel. dan die weyl der newe ist, so braucht ynn der koch, so balde er aber altet, so wurfft er ynn an das fewer. V n d sprach zu meinem gemût : „ L a ß dich geselschafft nicht füren, do du samein mugst, da durch || du zii nicht werdest, das dir icht geschee als dem rauchfasse, das von vil koln entzunt wirdt mit // weyrach, von dem die vmbe steendere guten gesmagk entphaen, vnd yme pleybt nichts, dan das es do vonw v e r b r i n t . " I c h warnet auch mein gemute, das es sich nit ere der weltlichen hoffart betrigen liß, das es nit gleich wurde dem gepflantzten hare, das auff dem hewbt seinem treger so wert ist, vnd wan es zu der erden feit, das er es mit seinen fussen hin vnd here stosset. [8"J ,,RVhe nit mit deyner a r b e i t , " sprach ich zu meinem gemûte, ,,vnd las dich nit verdrissen der widerwertigkeit vmbe das kunfftig leben, das du dar durch den vordynten lone nicht vorlierest vnd beschee dir als einem kawffman, der ein gantzen gadem vol seydener vnd guldener tucher h e t t e vnd gedecht : ,Saltu das alles bey der elen vorkewffen, das wirt dir langweylig.' Vnd verkewfft das an einer summe. Vnd do er das gelt zalt, do h e t t er das vmbe das halb zunach geben mit seinem vorlust." || V n d vnterwand mich dar vmbe der ertzney, die toten zu erquicken, vnd erweit mir hie bey die bucher, darynne ich die erkantniß des vnterscheids funde, das vnrecht zu vormeyden vnd gutheyt zu Volbringen. D a n ich fand ynn den buchernn der medicin nicht von den gesetzen oder statutten, die sele zu reynigen, vimd vnterwand mich der bucher, darynne ich vordynen mocht kunfftigs lebenn, damit der menschen gemute von dem tode der vnuerstenlicheyt erquickt werden magk. A B e r do ich die bucher der weyßheit von den gesetzen aller gesiecht der werlit erkant vnd die meyster aller zungen der vôlcker erfragt, mich zu vnderweysen, durch welche gesetze ich die Wahrheit von der vnwarheyt vnd die gerechtigkeit von der vngerechtigkeit aller baste erkennen mocht, dar ynne zu wandeln vnd zu pleybenn mit einfeltigkeit meins hcrtzenw vnd m i t vbuwg genemer werck, do fand ich bey yn allen nichts, dan igliche nation sein gesetze zu lobenn vnd die andern zu schelten. V n d merckt da bey, das ein iglicher nach

1,1. Kaufmann verkauft zu billig. — 1,2. Der Dieb am Mondstrahl

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[9T] luste vnd gefallene seins gemüts yn seinem gesetze wandelt vnd nicht nach dem grünt der gerechtigkeit, dan ich fand bey ynn allen nit, das mir die gerechtigkeitt zeygen mocht, vnd dar vmbe wolt ich keynem vnder denen glawben, alles yn sorgen, mir wurde geschehen als dem, der leichtfertig was zu glewben. || Dan es ging eins mals ein dieb mit // gesellen yn der nacht zu eins reychen mannes hawse zu stelen. Do sie nü auff des mans hawse dach komen, do worden sie von dem hawßwirt, der bey seiner frawen an dem bette lag, erhört. Vnd von stundan merckt er, das sie von stelenn da hin komen waren, dan sie vor gar vil diebstals vnd mords ynn der stat begangen hetten, vnd sprach zu seiner frawenw: „Ich höre die morder auff vnserm dache. Die wollen das vnser stelen, vnd ob wir das weren, werden sie vns villeicht ermorden. Dar vmbe thu nach meynem rate vnd frage mich mit lawter stymme, wie ich mein reichtumb gewonnen habe, vnd ob ich dir das zu sagen vorzyhe, so las doch nit abe an deinem fragen«." Die frawe thete nach geheysse ires manwes. Der man gäbe ir mit vorstentlich stymme antwort vnd sprach: „Las dich gnügeri, das ich dich ynn groß gute vnd reichtumb gesetzt habe. Ysse vnd trincke vnd lebe ynn frewden vnnd frage mich nit vmbe sache, die dir nicht zu sagen sein, es mocht der hören, es zöge sich dir vnd mir zu grossem schaden." Die frawe sprach: „Ich bite vnd ermane dich guter trewe, der du alle wege an mir befunden hast, vnd nicht vorhele die vrsache vnsers reichtumbs vor mir, dan es ist nymants, der vns yetz horenn magk. So bistu meins vorsweygens sicher." Der man a n t [ 9 V ] worte dem weybe vnd sprach: „ Wie wol des weysen wort Warnung gebenn, die heynjlichen ding vor der, die yn deyner schösse schleift, zu bewarenw, so gibt mir doch das getrawen deyner libe, dir das nit zu vorsweygenw." Vnd sprach: „Wisse, das ich mein reichtumb alles mit stelenn habe gewonnen." Antwort die frawe: „Wye magk das gesein? Du bist doch frume von allen mewsche» geschätzt." Antwort der man: „Wisse, das ich solichs mit betrachtung vnd weyßheit gethan habe vnd heymlich vnd fursichtiglich, das des nymant hat mögen ynnen werden." Sprach das weip: „Wie was das?" Antwort der m a n : „Ich ging bey der nacht bey vollem mondscheyn vnd steyg auff die decher der hewser, darynne ich mich reichtumbs versach, vnd name wäre der dachfenster durch die decher, da durch der monne schein, vnd sprach diese beswerung zu siben malen ,Sulem Sulem' vnd begreyff dan den schein des mons vnd liß mich daran durch das hawse zu der erden on alle leydigung. Vnd wan ich also auff die erden des hawßs käme, so sprach ich aber die worte der beswerunge ,Sulem Sulem', so wardt mir durch den scheyn des mones gezeigt die stat des schatzs, vnd gingen auch damit alle sloß auff. Vnd wan ich mir gename nach meiner begirde, so ging ich wider zu dem scheyn des mondes vnd thete mein beswerüng, wie ich vor // gethan hatt, so gäbe mir der scheyn ein gut stat wider zu dem tagfenster außzugehen als ein gemachte stiege, vnd bracht also mein dipstale on alle sorge yn meynew gewalt." FRohe waren die drey diebe auff dem dach, do sie dise kunste horten vnd sprachen« zusamen»: „Nü haben wir funden, das vns besser [ 10T] ist dan aller 2

Geißler, Anton v. Pforr

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1. KAPITEL: VON BEEOSIAS

schätze golds vnd silbers, dan ietz haben wir funden die kunst, damit wir reichtumb vberkomenw mögen on alle sorge." Vnd enthilten sich so lange, biß das sie gedaucht, das der hawßwirt vnd sein gemahel wider entslieffen. Do stundt der elter vnder ynn auff vnd ging zu einem tagefenster vnd ließ sich an den monden schein ynn glawben, daran yn das hawse zu komenw, vnnd thette die wort der beswerung vnd vmbefingk damit den scheyn des mondes vnd liß sich zu tale vnd viel auff sein antlitz auff des hawß boden. Zu handt stundt auff der wirt vnd lyeff vber yn mit einem grossenn bengel || vnd begonde yme sein hawt wol zu beren vnd sprach: „Wer ist hie?" Dieser antwort vnd sprach: „Es ist eyner, der so balde glawbt hat vnd damit betrogen ist, dan das ich hört, habe ich glawbt, ee ich das zu recht erfaren hab, vnd bin dar vmbe wirdig deyner streich." 15 Zeilen

freigelassen

[ 10"] ZV glawbenn, das ich den grünt nit woste vnd da durch ich villeicht irre gan mochte, wart ich forchtsame vnd name mir aber fure, zu bleybenn yn dem gesetze meyner vorfaren. Vnd gedacht doch, ob ich also irre ginge dan ein zewberer, des vater vnd mütter vnd altfordern zewberer gewest sindt, der wirt doch yn seinem glawben gescholten, vnd yme wirt sein langer gebruch seiner fordern« nit zugelassen, dester besser zu sein. Vnd gedacht mir an ein, der was vnmessig an essen vnd trincken, vnd do er dar vmb beredt wardt, gäbe er antwort: „Also haben mein vater, muter vnd mein alt vorfarnw gelebt." Vnd verstund, das yme solichs keyne entschuldigung was, das er dar vmbe auch also leben solt. Vnd betrachtet mir hiemit, das ich dar vmbe nit vrsache hette, yn gesetze meyner vordernw zu bleyben, sunder ich name mir fure, die gesetze der rechten warheyt zu findew, dar ynne die menschen ewigs wesen vordinen mochten. Vnd befand do bey, das das end meins lebens nahet vnd das meyner tage vil vorzert waren, vnd sprach wider mich selbst: „Du weyst nit, wie behende das end deins lebens ist." Vnd // gedacht, das ich erstmals gethan hette die werck, die ich wond, zu zale der guter dyenen solt, aber mit solichem irgan wart ich vorhindert, vnd villeicht geschee mir als eynem, von dem man sagt: Es was ein weyb, die hatte ein eeman vnd zu yme eine«. bülen vnd hatte auß irera hoffe ein außgang vnder der erden bey eynem galbrun gemacht zu nottorfft, ob der man vngewarnt kerne, das der bule da durch entrynnenw mocht. Eins mals stund sie bey dem bulen vnd sach iren man zu hawse komen. Sie sprach: „Lawffe balde, bey dem galbrun findestu ein außgang!" || Er käme wider vnd sprach: „Ich finde kein bronn, [ l l r ] dan er ist zugeworffenn." Sie sprach: „Narre, ich sage dir nit von dem bronne, sunder das du den außgang dobey findest." Er sprach: „Du solst mir den bronne nit genant han, do er nit mere do was." Sie sprach: „Hebe dich vnnd mache nit vil worte, es wirt dir zu kurtz." Der narre gäbe ir wider wort, yn dem käme der eliche man vnd slugk yn gnugsame vnd antwort yne dem richter. 18 Zeilen

freigelassen

1,3. Törichter Buhler. — 1,4. Kaufmann, Edelsteinschleifer. — 1,5. Hund, Fleisch

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Wye wol ich nü hir ynne forchtet, das mir villeicht yn meynem wechssei gedenckerm mit verlengerung auch also gescheenn mocht, so gedacht ich doch zu lebenn nach meyner nottorfft yn eyner gutenn gewissen, darynne alle gerechte gemüt gehelle«. Vnd satzte mir iure, keynen menschen zu gewaldigenw [ l l v ] vnd mich vor aller vppiger hoffart bewarenn vnd nyman das sein zu nemen, nymant zu betrigen« vnd nymawt lugen zu gebenn, die yme schaden mochtenw. Vnd hüte mich vor aller vbel thatte vnd hyeß mein gemüt nichts begerenn, das wider das kunfftig leben were. Vnd thette mich von dem bosenn vnd kert mich zu dem guten vnd betracht, das dem menschenn keynn bequemlicher freuwt noch geselle ist dann die gerechtigkeit, dann sie ist yme erlicher dan vater vnd mutter, vnd were sie behelte, der bedarffe nicht forchtenn wasser noch fewer, morder oder diebe oder alle andere zufeile dieser werlit. Vnd ich name achte des, der die gerechtigkeit vorachtett, dan er woste nit ire ende vnd volget nach eyner cleynew frewde vnd wollust diser werlit, vnd die machet ynn vorgessenn des guten der zukunfftigen zeyt, vnd wart gegleychet eynem kawffman, von dem sagt man, er hette vil edel gestein. Das vordingt er eynem meyster zu paliren vnd gäbe yme eins tags dreyssig Schilling. Vnd do der meyster anfingk zu paliren, do || käme der kawffman zu dem palirer vnd fandt bey yme ein harpffew ynn // seinem gemach vnd sprach, ob er dar auff spilen kunt, vnd böte yme die harpfenn vnd bäte yne dar vff zö spilenn. Der palirer spilt dar vff den gantzen tag vor dem kawffman» vff der harpffen mit seinem gesange, vnd do es abent wart, do hysche der meyster seinen Ion. Der kawffman sprach: „Was hastu dan gearbeytt, darambe ich dir lone geben solt?" Er antwort: „Ich habe nach deynem geheysse gethann." Vnd tryben solich wechssei wort, biß der tag gantz hinwegk käme, vnd er müst dem meyster seinen lone gebenn vngebort seiner steyne vnd vngepalirt. [ 12TJ 19 Zeilen freigelassen ICh satzte mir iure, die weit, do ich ire vppige vbung erkant, zu verlassenn vnd mich ynn ein bewart abgescheydenn lebenn zu befestigen, danichmerckte, das ein abgescheydenn geystlich lebenn den menschenn bewaret als ein vater seinen sone. Dan ich syhe, das die geystlichenn abgescheyden mensche,nw, gegrosset werden, die sich dar ynne demütigen vnnd die sich lassenn benügen mit der speyse, die yne gesatzt ist, vnd scheyden sich abe von dem luste diser werlitt vnd sein gnügig mit dem, das yn von gott erachtet vnd von iren obernn zugeordnet ist vnd sein frey von der trubsaligkeit diser werlit vnd vnforchtsame ruwigs [ 12"] gemüts. Vnd name mir fure, denn obgenantenw menschen« eins zu werden, vnd wart doch yn mir gedencken, ob ich das yn die harre nit erzewgen mocht vnd das mich meyw gelüste wider zwunge zu der speyse, der ich vor gewont hette von iügent. Vnd betracht, solt ich mein wesen, dar ynne ich ersamelich erzogen was, verlassenn, vnd wurde dan das angefangenn wesen nit beharren, so geschieht mir als dem hundt, der bey eynem wasser gingk vnd trug yn seinem munde ein stuck fleyschs vnd sehe den schatwan do vonn vnd

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1. KAPITEL: VON BEROSIAS

gedacht yme, seinen mündt auffzuthün vnd das auch zu fassenn, also entphile yme das gefasst stucke auß seinem mund vnd wart berawbt der beyder. |j 18 Zeilen

freigelassen

[IX] REcht wart ich erste forchtsam mit betrachtung, solt ich das abscheydenn lebenn anfahen vnd darynnen nit beharren, vnd gedacht mir zu bleybenn ynn meynem Stadt. Das mir wart geoffenbart, das keyn frewde noch begire oder wesen diser werlit ist, es werde zu seiner zeyt vormischt mit smertzen vnd trawrigkeit oder widerwertigkeit als das gesalczen wasser: Ye mere man das trinckt, ye mere lusts zu trincken vnnd dursts darnach erwechsset, oder gleych einem hertenn beyn, do noch etwas ge//smackts von sussigkeit des fleyschs ynne ist. So das ein hunt findt, der nach dem gesmacke on alle frucht bussung seins hüngers nagt, biß ym die biller seiner zeen da von pluttig vnd seer werden, vnd hört doch dar vmbe nit auff. Vnd ye mere er nagt, ye wurser er seinen zenen thutt. Oder gleychet eynem alten weygenn, der ein klein fleysch findt, vnd so er sich damit speysen wil, so flyhenn zu yme die andern fressigen vogel, vnd muß sich der mit nott erwerenw, die weyl er das fleysche ynn seynen claen tregt, vnd mag doch des nit vor yn genyssew. Zu letzst wil er sich ruwig machen, so lest er das fleysche vnd pleybt hungericht wie vor. Oder gleychet einem vasse, das ynn seynem oberteyl mit honig verdeckt vnd ist darwnder verborgen gyfft, vnd wer des honigs sussigkeit vorsucht, der findet dobey vil der bitterkeytt. Oder yme ist gleich als eynem schlaffende, dem etwas trawmpt, der yn seinem gemüt ein frewde hat, wann der erwachet, so endet sich sein frewde mit dem slaffe. Oder als ein nacht plitzen, der gibt eynem menschenn ein dein scheyne ein weyl, darnach lest er denn menschenw ynn der finster als vor. Oder als eynem seyden wärme, der seinen fadenn vaste langk auß yme selbst spynnet vnd [ 13°] macht sich selbst dar durch zu nicht. «Sequitw aliud. »TOrlich schätzt ichs meynem gemüt, das es so wandelbarlicli geneygt was zu leben, vnnd sprach: „Es zympt sich nit, das ich mich wandl von einem stad ynn den andern vnd aber von dem yn disen vnd nicht yn gleychem wesen vnd gemute Vorliebe, das ich icht geschätzt werde als der richter, der bey alten zeyttenn gewesen ist, von dem man sagt: Es kerne eyner zu yme vnd erzalte yme sein sache, vnnd er gäbe vrteil für den selbenn. Balde käme die ander parthey vnd erscheynt yme sein sache, dem gäbe er auch vrteil nach seynem gefallen." Vnd do ich mir gedacht, was mir widerwertigs ynn dem abgescheyden lebenn zufallenn mocht, do forcht ich mir dar ein zu komenw vnd befandt an meynem gemute, yme solichs swere zu sein vnd das es yn begere was, über yn wollust diser werlit zu sein vnd zu lebenn. Vnd ich sprach scheltende zu meynem hertzenn: „Waist du nicht, das wollust diser werlit so mit komerlicher widerwertigkeit vol ist vnd das sein wollust erzeyget zu ewiger peynnigkeyt?" Vnd sprach zu yme: „Gedenke, das besser ist die bitterkeyt des wermüts, die hinder yme hat ein gesunde sussigkeit, || dan die sussigkeit, die hynter ir hatte ein lange werende bitterkeyt . Wirt einem menschenn gegundet

Werden u n d Wachsen des Mensehen. Mühsale des Lebens

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zu leben hundert iare vnd doch nit anders dan yn grosser arbeyt, komer, sichtagen // vnd trawrigkeit, armüt vnd aller widerwertigkeit, vnd darnach solt er ynn diser zeyt allen lust seins leybs, reichthumb habenn vnd on alle sorgfeltigkeit leben, weren yme nit die hundert iare als ein eyniger tag?" Also ermant ich mey« gemüte vnd sprach: „Ware vmbe solt ich vorsmehen [ 14*] das abgescheydenn oder ein gerecht leben, darynne ich ein cleyne zeyt widerwertigkeit vnd darnach zu ewiger frewde vnd fride komen mocht ?'' Vnd sprach zu meynem gemüte: „Syhestu nicht, das dise werlit vol trubsaligkeit ist, armüt, arbeyt vnd Widerwärtigkeit? Weystu nit, das der mensche von der zeyt seiner entphaung von muter leybe geet von einer trubsaligkeit ynn die andernn?" Eygentlich vindest du das ynn den buchern« der naturelichen meister der ertzney, wie die erste gestalt der geschopffe des menschenn yn mutter leybe, genant embrio, kompt von eynem samen eins mans mit vormischung des weybs zugebung. Vnd dar auß wirt ein scharffe puncktlein, das sich ein wenig zusamenmüschet zu eyner dicken materi. Darnach gewynt die flussigkeit vber handt mit gemüschtem plut vnd wirt dan gleich eynem wasser. Darnach wirdt es geteylt yn die glyder ynn sunder zale der tage, dan ob es ein knabe ist, so wirdt yme sein antlitz gestalt zu den lenden seiner müter, vnd ynn sechtzig tagen« wirt sein teylung der glider, vnd wirdt eingeslossenn ynn die heymlichkeit seiner mutier gebürt vnd wirt yme sein awgen vnd antzlitz gebogen, auff sein knyhe vnd magk keyn sein gelyde geregenw, sunder als ein karte bogen, zu sawgen von dem nabel seiner mütter, da von es sein narung entpheet, vnd ynn solicher arbeit pleybenn biß zu der zeyt seiner gebürt. Mit was nott es zu zeyt der geburt von seiner Stadt zu weychenn bewegt vnd mit was angstbarkeit es gebornn wirdt, ist kawme zu sprechen. Vnd was smertzenn es entpfindt, so es von mutter leybe an/24°/getastet wirdt, nit mynner dan ob einem gewachssenn sein hawt abgezogenn wurde. Darnach pleybt es yn vil arbeyt vnd smertzenn, dan mit hünger, so es drincken muß, itzt mit durst, so es essen muß, mit weetagen, den es nit sagen kan, dan wirdt es getragen«, so es gerne ruhet, dan eingebunden, so es gern« ledig were. Darnach so es die zeyt der wigen vberkompt, so muß es vnter der ruten teglicher straffe leben, mancherley sichtage« || vnd zufalle tolden. So es dan ergreyfft die tage der menlichen iugent, dan so feit es erste ynn befintlich anfechtung, hie mit begirde reichtumbs, damit für die myn«e, dort mit vberkomen eins elichen weybs vnd sorge der anfallende kind, wie er die erneren möge. Dan volgen« yme nach zufelle // der vier element, das sein complexion aufF yetweders zu vil geneigt, dar auß ym sichtagen entsteenn werden. Dan wirt er gepeyniget mit wachenn, mit trewmigen schlaffen, kelte, hitze, snehe, regen, reyff vnd vil andere mißfellegkeit, darnach kompt sein alter, ia ob er das lebet. Dan werden yme zwene knecht zugedingt. Der heyst einer der smertz, der ander sucht, die yme feintlich gnawe warten. Wan das alles nicht were, vnd sich vor aller widerwertigkeit mocht beware« vnd allein gedecht den thod, den er so mit herter grymmigkeit leyden muß, der ynn scheydet von gute, von eren, von seinem sehen weybe, kinde, vater, muter vnd gesellen vnd von alle seinem grosten wollust diser werlit. Vnnd muß faren do

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1. KAPITEL: VON BEROSIAS

hin, do er nicht weyß, wie er entphangew wirdt oder woe hin er geacht ist. So bedecht er billich vnd vorsehe sich nach seinem vormogen, zuuerlassen alle frewde diser werlit zeyt, die zu sorg kunfftiges leben brengen mag, vnd besunder vbung der ytzigen werlit, die [15r] sich so gantze ynn verkerünge gestelt hat, zu Volbringen die vntat vnd die gerechtigkeit zu i'ormeydew.. NV sehen wir, das die zeyt diser gegenwertigkeit sich so gare von gut zu vngut vorkert hat, dann die wort der gerechtigkeit werden« vortilgt, vnd die vngerechtigkeit furdringt, die gerechtigkeit wirdt geswecht, vnd die vngerechtigkeit wirdt gesterckt, die gunste der weyßheit pleybt heymliche, die torheit vnd ire gebrucher geöffnet, liebe des eben menschen vorborgen, neyt vnd haß kuntbar, die regirung wirdt genommen von den gerechten vnd geben den bosenn. Die valschheyi wacht, vnd die warheyt slafft, der bawm der lugen tregt frucht, vnd der bawme der warheit ist dürre, die wege der boßheyt scheynenw, aber die wege der gerechtigkeit sein finster. Der geylder geytzigkeit ist auff gethanw zu verslynden, || was er find, aber der gute wille ist gar vorlassen. Die bösen werden erhoet biß zu dem hymel vnd die guten vnder gedruckt ynn die thyffe. Das adelich gemute wirdt gedruckt durch die fusse der vnadelichenn. Der furste kert sich von dem stule der erbarmung zu dem sitz der grymraigkeit, vnd ist zu vnrecht vorkert dise gantz werlit, sprechent: „Ich habe verborgenn die guten dingk, vnd die bösen habe ich geoffenbart."« Sequitur. »BEtrachtlich name ich mir dar auff vorsuchuwg meyner vornufft// vnd fand, das der mensch ynn seiner geschopffe besser ist vber alle andere creatur vnd sich doch nit bewaren wil, zu gehen von eynem bösen ynn das ander, vnd weyß doch, welcher mensch ein cleyn der weißheit bey yme hat, das er dis zu vermeyden wol gedenckenn magk. Aber ich befinde do bey, das [15v] mich vorwundert, das ein clein vrsache dieser Verhinderung ist einer kurtzer wollust vnd frewde, die der mensche yn diser zeyt befindet allein durch sehen, höre«,, riehen, smecken, greyffen vnd befindung. Vnd ist möglich, das der mensch des lutzcl vbrigs habe ynn diser weit dan ein clein weyl vnd vergisset da durch, sein sele zu behaltenn. 19 Zeilen

freigelassen

Eyn solicher mensche wurde recht gleichet eynem manne, der flöhe einen lebenn, der yn iaget, vnd kerne zu eynem thyffen bronwew vnd ließ sich dar ein, vnd hübe sich mit seinen henden an zwey cleyne reyßlein, so bey ende des galebronnew [16?] gewachssenn waren. Vnd sein fusse satzt er auff einen waltzenden stein vnd sähe vor yme here gan vier thier, die mit gebückten hewbtenn vnd yne begerte« zu vorslinden. Vnd do er sein gesicht von yne zu tale keret, do sähe er einen grawselichenn trachen mit auff gethanem münde vnder yme in dem gründe des brennen, bereyt vnd yne jne seinen gile zu entphaenw. Vnd name wäre, das bey den zweyen reyßlin, dar an er sich hübe, ein swartze vnd ein weysse mawß waren, die abe zu nagenn nach irem vermögen.

1,6. Das Gleichnis vom Menschengeschlecht

15

Diser mensch, so er yn so grossen angsten stundt vnd nit weste, wan sein ende was, do ersähe er neben yme zwuschenn zweyen stein ein wenig honigsams. Do von leckt er mit seiner Zungen, vnd durch entphindung der cleinew sussigkeit vergaß er, yme selber furzusehen, wie er von seiner angst gelediget werden mocht, biß das er viel vnd vordarbe. Ich gleich den bronne diser werlit, die » vier thier die vier element, von den alle menschenw zum tode gefordert werden», die zwey reyß das leben des menschenn, die weyß mawß den tag, die swartz mawß die nacht, die stets das leben des menschenn abnagent, |[ durch den trachenn das grabe des menschew, das sein alle stünt wartet, das wenig honigsame der zugencklich wollust diser werlt, durch den sich manig mensche 10 ynn ewige vnrühe vorsencket. REchtzufertigen meynen wegk vnd die nach meynem vermögen« // yn besserung zu setzen, gedacht ich mir, zu werden ein einsidel vnd mich gotlichem dinste zu eygen, das ich mir erwerben mocht ein bestentlich rühe yn der kunfftigew werlt, ynn der die einwoner nicht sterbenn noch yne [16VJ keyner is mißfelliger zufale begegnet. Vnd strafft mein gemüt, sich zu bewarenn vor allen vnrechten dingen mit bußfertigem rewen» des, so ich yn vergangener zeyt volbracht hette, vnd pleybe also yn solicher eynigkeyt meynes lebens. Vnd do ich von Yndia wider anheymisch warde, do bracht ich ditz buch yn geschrifft der Persien, darynne ich das von indischer zungen» gesetzte hatte, vnd 20 vahet also ann.« || . Hie endet sich das erste capitel von der gerechtigkeit vnd der forcht gotes, vnnd vehet an das ander capitel von eynem lebenn vnd von einem ochssenn, vnd ist das capitel vonn trugnis vnd von vntrewe.

DAS ZWEITE VON DEM

LÖWEN

KAPITEL UND DEM

OCHSEN 35

»Gibe mir,« sprach Dißles, der konig von India, zu Sendebar, seinem weysen meister, »ein beyspile von zweyenn guten freunden, vnter den ein vorretter mit lugen sich vermittelt, so lange biß er sie zu vergissung ires pluts brengt.« Do antwort Sendebar dem konig :»Herre, ich weyß, wen trewe gesellenn durch lugen gein einander verwundt werdenn, das ire haße vngemessen« vnd ire lebenn gein einander gantz vornicht wurde, vnd yne geschieht als dem lebenn vnd dem ochssenn.« Der konig sprach: »Wie geschag das ?« Antwort Sendebar:

1,6. Das Gleichnis vom Menschengeschlecht

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Diser mensch, so er yn so grossen angsten stundt vnd nit weste, wan sein ende was, do ersähe er neben yme zwuschenn zweyen stein ein wenig honigsams. Do von leckt er mit seiner Zungen, vnd durch entphindung der cleinew sussigkeit vergaß er, yme selber furzusehen, wie er von seiner angst gelediget werden mocht, biß das er viel vnd vordarbe. Ich gleich den bronne diser werlit, die » vier thier die vier element, von den alle menschenw zum tode gefordert werden», die zwey reyß das leben des menschenn, die weyß mawß den tag, die swartz mawß die nacht, die stets das leben des menschenn abnagent, |[ durch den trachenn das grabe des menschew, das sein alle stünt wartet, das wenig honigsame der zugencklich wollust diser werlt, durch den sich manig mensche 10 ynn ewige vnrühe vorsencket. REchtzufertigen meynen wegk vnd die nach meynem vermögen« // yn besserung zu setzen, gedacht ich mir, zu werden ein einsidel vnd mich gotlichem dinste zu eygen, das ich mir erwerben mocht ein bestentlich rühe yn der kunfftigew werlt, ynn der die einwoner nicht sterbenn noch yne [16VJ keyner is mißfelliger zufale begegnet. Vnd strafft mein gemüt, sich zu bewarenn vor allen vnrechten dingen mit bußfertigem rewen» des, so ich yn vergangener zeyt volbracht hette, vnd pleybe also yn solicher eynigkeyt meynes lebens. Vnd do ich von Yndia wider anheymisch warde, do bracht ich ditz buch yn geschrifft der Persien, darynne ich das von indischer zungen» gesetzte hatte, vnd 20 vahet also ann.« || . Hie endet sich das erste capitel von der gerechtigkeit vnd der forcht gotes, vnnd vehet an das ander capitel von eynem lebenn vnd von einem ochssenn, vnd ist das capitel vonn trugnis vnd von vntrewe.

DAS ZWEITE VON DEM

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KAPITEL UND DEM

OCHSEN 35

»Gibe mir,« sprach Dißles, der konig von India, zu Sendebar, seinem weysen meister, »ein beyspile von zweyenn guten freunden, vnter den ein vorretter mit lugen sich vermittelt, so lange biß er sie zu vergissung ires pluts brengt.« Do antwort Sendebar dem konig :»Herre, ich weyß, wen trewe gesellenn durch lugen gein einander verwundt werdenn, das ire haße vngemessen« vnd ire lebenn gein einander gantz vornicht wurde, vnd yne geschieht als dem lebenn vnd dem ochssenn.« Der konig sprach: »Wie geschag das ?« Antwort Sendebar:

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2. K A P I T E L : VON DEM LÖWEN UND DEM OCHSEN

«Man sagt, es sey gewesen yn einer provintz zu India ein kawffman gare vaste reych. Der hette drey sone, die hatten nit achte zu behaltenn das reichtumb irs vaters, sunderlich das vppiglich zu verzererm. Die bcrufft ir vater vnwd sprach: „Lieben sone, es sind drey ding ynn diser werlit, [17T] die ein mensche suchen sol vnd sol doch die nit danw durch vier ding finden. Die drey seind narunge seins leybs, ein erlicher stadt bey den lewten vnd sich wissen zu bewaren. Aber die vier, damit er dise drey vberkomen sol, sind, das er sein gute erberlich vnwd gerechtiglich gewynne, das ander, das er die wisse zu meren, das dritte, das er die nottorfft mit eren wiß zu brauchen, das Vierde, das er da durch ewigen« lone wisse der kunfftigenw werlit zu vberkomen. Vnd welcher diser eins vbergehet, dem erscheint nicht das beste ende von seinem gute, dan welcher nit weiß noch wil sein gute zu mererm vnd davon alle zeytt praucht, dem geschieht als dem, der ein salben hatte zu seinen awgen«. Wie wenig man pflegt da von zu nemen, so wirt doch zu letzst nicht do. Welcher aber das, so er besitzt, II mit seiner fursichtigkeit meret vnd aber des zu seiner nottorfft nit gebraucht, der wirtt pillich arme || geschätzt, dan sein reichtumb ist sein herre, vnd zu letzst geschieht seinem schätze als eynem kruge, der vol mostes vnd beheb gestopfft ist, vnd so der nit lufft hat, so zuspringt er zu male, vnd wirdt der most zu vnnütz verloren«." Vnd do die sone das erhörten, do satzten sie ire gemüte, dem nachzukomenn. Vnd der letzst ging seiner kauffmawschatz nach ynn ein stad, dar ein er zwene ochssen treyb vnd do verkewffen wolt. Hieß der eyn Seneßöa, der andere Theneba. Vnd auff der strossc käme er yn eine«, engen wegk, der vaste thyeff vnd vnsawber was, also das yme Seneßba versanck, den er mit arbeyt wider heraußzyhenn vnd den ammechtig hinter yme [ 17"] inn eynem seins freunds hawse verlassenn. Vnd er wart also krancke, das yne der hawßwirt von yme zu felde iaget. Dieser Seneßba gingk hin durch den walt vnd fandt ein grosse weyt gar mit fruchtbarer weyde vnd fewehte vnd gedacht ym: „Hie bistu abgescheydenn von aller forchtsamkeit vnd arbeyt bey guter weyde, da du dich selber widerbrengen magst. Hie wiltu dein wesen setzen vnd dich des benftgen lassen, das dir nit auch geschee als einem, der was gangen« ynn einen walt vmbe holtze zu seiner nottorfft .Vnd was holtzs er fand, gedaucht yne vnnützlich. Vnd ging so lange fure vnd fure, biß yne ein schare wolffe betratte, ab denen er forcht name. Vnd yne zu entweichenn, flöhe er zu einer bruckenn. Vnd do nü die nach volgtenn, do sähe er, das die brück zubrachenn was, vnd gedacht: ,Vber die bruckenn magstu nit komen«, so kanstu auch nit swomen. Erbeytest du der wolffe, so bistu gefressenn. Nicht bessers, dan du lassest dich ynn das wasser, villeicht wirdt dir dar auß geholffenw.' Vndwarffe sich selbs ynn das wasser. Von geschichten waren fischer bey dem wasser, die yne horten schreyenn, die holffenn yme auß. Vor ammacht vnd des wassers, so yme yn seinen leyp gegangen was, leynten sie yne an ein mawer, vnd do er zu yme selbs käme, do erzalte er den lewten«, durch was vrsache er do hin komen« vnd wie er durch ire hilffe von dem tode erlost was. Inn sol ich er rede viel die mawer, dar an er geleynt was, vnd slugk yne zu tode." [ 1ST] 19 Zeilen

freigelassen

2,1. Der erschlagene Flüchting. — 2,2. Der übergeschäftige Affe

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Also nach kurtzenre tagen« wart Seneßba vorm der guten wayde zu seinen krefften komen« vnd fingk an, nach seiner art zu lüwen mit starcker vnd lawter stymme. Nu was nahet bey diser wayd ein wonu«g, do ein leo ynne wonet, der herre vnd regirer was aller thyer // des lands. Vnd bey yme waren vil thyer als wolffe, beren, fuchs vnd der gleichere an seinem hoffe. Dieser leo was ein grossen gemüts, eygenwillig vnd heymlich yn seinem furnemen seins ratts. Auff ein zeyt hört er die stymme von Seneßba [18v] vn«d erschrack dar ob, dan er hette bey seinen« tagen der stymme gleichenn nicht gehört noch der thyer gesehen, vnd behilt die forcht yn seinem hertzen vnd schempt sich, das nymant zu sagenn, vnd vermeyde do bey do zu wandern«., so er vor gewonlich gethän hette. Nu waren bey yme vnter seinem hoffe gesinde zwey tyer, bruder vnd gesellenn, hyeß der ein Kellila, der ander Dymna. || Vnd sprach Dymna zu seinem bruder Kellila: „Hastu nicht achte genommen, das vnser herre, der leo, nicht nach seiner gewonheit außgehet vnd wandert oder kurtzweyl thut, der er sich biß here gebraucht h a t ? " Antwort yme Kellila: „Bruder, was bewegt dich zu erfarenn, das vns nicht zustehet ? Wir haben vnsern« stat. der vns zugeordent ist, vnd dar ynne kein gebrestenn, vnd vns zympt nit nach vnserm stat, vnsers herren heymlichkeit nachzufragen, wir wurden dan durch sein anzeygen dar zu bewegt. Dan wisse, wer erfaren wil, das yme nit zustehet vnd sein hanttyrung nit ist, dem magk gescheenn als dem affenn." Sprach Dymna: „Als wie?" Antwort Kellila: „Man sagt von eynem äffen, der sähe ein zymmerman« ob einem starckenn bawme stan vnd den auffspaltenn. Vnd so dicke er mit der axst den bawme auffslugk, so styß er dar ein ein keyle vnd zöge dan die axst here auß, furo zu slahenn. Es begäbe sich, das der zymmerma«« von seiner arbeit zu essen gingk. Der äffe was behend vnd wolt das werck des zymmerman«s treybenn. E r stelt sich vber denn bawme, vnd von kurtz seiner beyn hingk yme sein zers ynn den spalt des bawms, vnd zöge die axst her auß vnd vorgaß des keyls, [ 19rJ vor dar ein zu slahenn, vnd clempt sich zwuschen dem bawme, das er do reyn verhefft was. Von seinem geschrey käme der zymmerman« vnd gäbe yme zu dem geschrey gros streych." 20 Zeilen

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„TRagkeit irret mangem man," sprach Dymna, „dan ich habe dein wort wol vorstandenn vnd dein beyspile. Dar vmbe weyß ich, das nit vbel gethan ist, darnach zu fragen«-, damit eyner seynen herrenn oder freundt frolich vnd seine« feind trawrig machen magk vnd sich gegen seinem hern« erhocht. Dan die werden pillich für thoren geschätzt, [ 19"] die sich an cleynen« dingen« gnugen lassen«, wan sie geschickt seind, grossers // zu vberkommen, vnd zu gleichen« eynem hundt, der an einem dürren beyn, das er vindt, frewd nympt. Dan einem gobornra man gnugt nicht oder geburt nicht, sich an einem cleynen lassen« zu gnugen, sunder er sol sein gemüt hoch setzenn, biß er an die Stadt

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2 . K A P I T E L : VON DEM LÖWEN UND DEM OCHSEN

kompt, do er wirdig ist als der leo. Wan er ein hasenn gefangen« hat, sieht er ein besser speyse, er leßt den hasen || vnd begert eins bessernn. Du siehst, das der hundt sein zagel wedelt so lange, biß sein herre yme brott furwurfft. Der helffant erkent seinen adel vnd nympt kein speyse, die yme furgetragenn wirt, es sey dan, das sie reyn sey vnd gesmag." „Ich sage dir, wer yn einem ersamen stadt vnd damit senfftmutig vnd barmhertzig ist, ob des tage yn diser zeyt nit lange werenw, so macht er yme selbs ein alte gedechtnis. Dan die weysen sagen, das vnder allen den der der ermst geheyssen sey, des tage ynn rvytt vnd hasse vorzert werdenn." „Tyrische ist es gelebt," sagt Dymna, „der sein speyse nit suchen vnd hunger leyde« will durch forcht gleich etlichenn vnuernufftigen bestien, die durch den neydt, den sie yn iren hertzen tragen«,, dar vmbe mangel leydenn, vmbe das ander des auch nit gefrewet werden." Kellila sprach: „Ich vorstehe dein sagen. Nu vornyme mein wort vnd vorstehe die, dan ein iglicher, der y« eynem guten stat ist, der sol sein anslege vorlassen, die yme nit zustehen, vnnd sich gnügen lassen, das yme zugeben ist. Nu sein wir nicht yn dem stadt, das vns ichts gebreste, dar vmbe wir vnsernra stat verachten sollen." Dymna sprach: [20T] „Bruder, du sagst wäre, aber das edel gemute eins gebornen oder vornufFtigenn mans gedenckt alle zeit hoher, gleicher weyse das gemute des thumraen cleinmütigen menschen hat nit achte, sich zu hoherm stat zu brewgenn, sunder ruckt es yn sich von hoem stat zu nyderm gleich dem hün. Wie wol das gefidert ist vnd geacht zu flihen, so findt man es doch vff dem myste. Vnd wisse, das gare hart von dem nydern stat an den hohem« zu gehen wirt, aber leichtiglich wirdt einer von hohen zu den nydern«, gestossen. Zu gleicher weyse ein swere bürde ist hart ynn die hohe zu hebenn, aber von ir selbs mag sie von der hohe ynn die nyder fallen«. Dar vmbe zympt vns, nach vnserm vermögen von dem nydern stat yn den hohen zu werben«, sunder so wir des vrsach haben mögen." Antwort Kellila: „Bruder, war auff hastu aber den grünt deins furnemens gesetzt?" Sprach Dymna: „Ich syhe, das mein herre, // der leo, eyner swachen weyßheit vnd cleinmutig ist, vnnd wen ich yme nahe mit gedorstigem rate, ynn freyßlich zu lobenn vnd rate zu geordensten sachenn zu gebenn, villeicht wurde er mir dadurch einen hohernn stat yme zu nahen zugebenn." Antwort Kellila: „Wer macht dicA des gewisse, das der konig sey, als du sagst?" SprachDympna: „Das wil ich durch hofflich i>urwurff vnd ersuchung erfindenn, biß ich sein heymlich thun vnd lassenn erkenne." Antwort Kellila: „Wie magstu dich eins hoen stats vom konig vorsehenn, || dan du bist yme nye so nahet gewest, das du sein thün vnd lassen, oder was yme gefellig oder vngefelligk sey, wissest." Sprach Dympna: „Weystu nit, das ein senfftmütiger starcker eyner sweren bürden nit acht, dan ein gesunder ist geschickt zu wandern, ein weyser [20"] zu handeln, ein senfftmütiger zu vberkomen«." Antwort Kellila: „Du weist, das zu dem konig nymantz Zugang hatt, dan die zu yme geordent seint. Woe durch meynstu, dich zu einem hohem« stat zu bringen«, so du doch der selben eyner nit bist ? Dan wirt dich der konig nit selbs beruffenn, wie wiltu dan den zugangk haben, so es des konigs gewonheit nit ist, ymandts zu yme zu gehenn, den er nit beruift?"

Zwiesprache zwischen Kellila und Dymna. Dymnas Pläne

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„ES ist wäre, " sprach Dymna, „das du sagst, aber wisse, das die, so yn des konigs kamer ietz bey yme sind, nit von dem tage irer geburt alle zeyt bey yme gewest sein. Allein durch etlich anfenge irer schickunge vnd fursichtigkeit vnd des glucks vorhengüng haben sie iren stadt hoher wirdigkeit bey dem konig erworbenn. Vnd ich hoffe, wen ich mich dar zu schicke, wie sie sich geschickt habenn, mir sol das gluck auch zulassen, das yne zugelassenn ist, oder meynstu, das ich durch gepürt oder berawbung der element glucks mynner dan sie emphingklich sein sol ? Dan ich magk leydenn, das sie gedult habenn, dan es haben die weysen gesprochen: ,Es kompt keyner enphengklich ynn dinste des koniglichenn sals, dan der hochmutigkeit hin legenn vnd auff seinen achsseln mancherley widerwertigkeit tragen kann.' Dan also sagt der sprüch der weysenn: ,Leydet ynn gedultt, das ir erhöht werdt.' " Sprach Kellila: „Werestu yetz zu dem konig yn sein gemach komen, was wurde ordenung deyner rede sein, dar durch du dir selbs ein hohem stat bey dem konig erobernw vermeinst ?" Antwort Dymna: „Wan ich des dings, konigs wesen vnd sytten erkennen« wurde, so wolt ich mich des ersten der wort fleyssenn zu gebrauchen, die ich vormeynte yme zu ge//fallenn vnd frewdsame sein, vnd [21T] die mit sussigkeit der geberde vnd stymme lawtenn lassenn vnd yme nit widerspenig sein. Vnd wan er ichts hette vor yme zu thün, das recht were, solt ich ynn dar vmbe lobenn vnd sagenn, was guts da von komen wurde, vnd yne darynne sterckenn vnd meynen fleyß ankeren, das yme solichs mit frewden gelinge. Wen yme aber etwas vngleichs ynn seinen mute viel, darynne sorglichkeit were, so wolt ich yme mit meynen Worten» entschlissen, was args dar auß entspringen mocht, vnd das thun mit demütiger zungenn. Vnd ich hoffe, das ich das bas itz zu thun wisse dan keyner, ietz an des konigs hoffe sey." || Antwort Kellila: „Nach dem du dein gedenck hast gesetzt zu nütz vnd ere des konigs, so bedarffstu sorge, das du do von nicht beswert werdest oder ymants durch die beswert werden mocht. Dan es spreche« die weysenn: ,Es sein vier ding, der sich nymant vnterzyhe dan ein thore, vnd möge yn nymant entrynnen dan der vornufftig. Das erste ist heymlicher rate vnd dyner des konigs, das ander heymlich sache offenbaren seinem weybe, das dritte nyessung vorgifftiger dinge vncl das vierd i'ber das mere zü faren. Dan die weysen schätzen der herren dinst gleich eynem hohen berge, dar auff bawme stehenn guter lustiger frucht, vnd seind aber bey den bawmen vil hole der beren, wolffe vnd der andern tückischen thyre. Vnd welcher der frucht gewynnen wil, der muß wol gewappent vnd mit mancher were bewart sein vnd alle wege ynn sorgen lebenn.'"Sprach Dymna: „Itz vorstehe ich an deynen Worten, das du ein getrewer warner bist. Doch so wisse, wer vorzaglich lebt vnd sich forcht yn widerwertigkeit zu setzenn, der magk selten yn hoen stat komew. Dan man spricht, es sein drey ding, darzü nymant komen magk dan mit hielff eins grossenn gemütts: [21"] dem konig zu dynen, ein merefart zu thün vnd seinen feind zu beschedigenn. Auch sprechen die weysen, das man einen hochvernufftigen man allein on zwey orten vinden sol: ynn dinste seins naturlichenn herren oder yn dinste gotes yn der ewigkeit gleich demhelffant, das durchsein hochmütigkeit vnd wirde allein fundennwirt yn dem

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2. K A P I T E L : VON DEM LÖWEN UND DEM OCHSEN

hoffe der konig oder ynn eynigkeit der werlit." Antwort Kellila: „Gehe hin, vnd der herre beware dich ynn deynem furnemen!" Also ging Dymna zu dem konig vnd grust yn, vnd der leo fragt die, so vmbe ynn stunden, wer diser were. Sie sprachen: „Herre, es ist auch eyner ewers hoffe gesinds vnd des son, des geslechts." Antwort der leo: ,,Ia, ich habe seinenw vater wol erkent," vnd rufft yme vnd fragt ynn: „Wa ist dein wonurag ?" Antwort Dymna: „Herre, ich habe itz manig jare nye vormyden zu dynen bey der thure // deins sals, gedenckt, es kompt etwa die stund, das du dem konig zu etwas nütz sein magst. Wie wol ich mich nit hoher geburt oder vornufft erkenne, so bin ich auch nicht bey den mynsten, das villeicht etwas nutzlichs durch mich gewurckt werden mocht. Dan wie schnöde vnd vnwerd die agen ist, die auß dem hanffe gcschwüngenw vnd hin auff das ertrich geworffen, so wirt sie etwa zu nütz gebraucht, das sie ein man sein zeen zu rawmew gebraücht. Dan die thire, den der werlit lauff vnd handel allermeinst kunt vnd wissen sein, die werden pillich von dem konig vor andere gewirdiget." 3 Zeilen freigelassen [22T] 21 Zeilen freigelassen „Mir gefeit," sprach der konig, „die rede vnrad wort Dymne, vnd bin frohe, dan ich hoffe bey yme guten vnd weysen rate zu finden." Vnd sprach || zu seinen dynernw: „Wisset, das dieß ein vorstendiger vnd weyser ist vnd das mir bey seiner zucht vnd demutigkeyt verstand, das der edel vnd sein adel nit kuntbar ist, so zeygt doch sein nature, das er nit vorburgenn pleybenn magk gleich dem fewer. Wenn das entzunt wirt, so leßt es sich dan nit verbergen«." Dymna erhört die wort des lebenn vnd vorstundt, das sie yme geneme [22"] warenn vnd das er gnade bey yme fundenw hette. E s wart auch den heymlichsten retten vnd dynernw vom konigk entpholen, des konigs heymlichkeit vnd des reychs sachenre yme nit zuuerhaltenn, sunder mit seinem rate zu handeln. Dar auff fleyß er sich, bey dem konig zu sein vnd von yme nit zu weychenn vnd damit zu sagenn, das er des konigs gunste erwarbe vnd yme sein weyßheit erzeygen mocht, vnd sprach: „So lange die weyßheyt yn einem man verborge«, leyt vngeübt, so ist sie gleich dem samen ynn der erdenn, der nit gelobt wirt, biß er sein frucht erzeigt. Dan es gezympt sich einem konig, des acht zu nemen vnd ¡glichen zu setzen nach seiner wirde. Dan man spricht, das zwey ding sein, die nymant gezymen, auch dem konig nit: Dan für ein thoren wurde er geschätzt, der sein schuhe an sein hende leyt vnd sein hentschug an sein fusse, des gleichenn, das der weyse man gesetzt wurde an die stat des narrenw vnd der thore an die stat des weysen." Vnd sprach: „Herre konig, wiltu yn deynen Sachen deynes reychs auff gehenn vnd rugig regiren, so habe deyner dyner acht, war zu iglicher dir der nutzest sein möge vnd wie iglicher sein dinst vorbringe. Dan nit ynn vil zale deyner dyner steet das heyl deins reichs, sunder in nützbarnre dynern, ob der nit so vil ist. Dan ob eyner eynen grossen vnnutzen stein ein //

Dymna vor dem Löwen

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gantzen tag auff seiner achssel trage, er mag da von nit so vil krafft oder nütz entphaen als der ander von einem vaste cleynen edelstein, den er an seinem finger tregt. Sunder die dyner der betrignis vnd list, die man forchten muß, die sindt dem konig nicht nütz. E s gezympt sich auch nit, das der konig adelich getat vnd vornufftigs gemüts bey ymant vorachtet, auch ob er das bey einem -r> vnachtbarnw [23T] man funde. Dan gar dick sieht man, das wenig ynn vil wachset vnd das voracht zu nütz kompt als das gederme, von |[ einem thotten thyer hin geworffenn, dar auß scyterm gemacht werden, da mit dem konig zu kurtzweyle gespilt wirt oder zu einer sennen eins bogen gemacht, des sich der konig zu schimpffe vnd ernste gebrauchen magk." 10 Vnd Dymna wolt nit, das man gedecht, das ynn der konig dar vmbe lip haben solt, als er gesprochen het, er hette sein vater wol erkant, sunder er vberhube sich seiner weyßheit, do er hört, das sie dem konig wol gefile, das er ynn dar vmbe lip gewönne vnd für ander hoher geburt eren solt. Vnd sprach: „Der konig sol nymants lieb habenn von irer vater vnd muter. E r sol auch nymant hassenn vmbe vrsach vater vnd müter, sunder er sol acht nemen der vornufft vndkunst seiner dyner vnd wes er iglichs bedarffe vnd den iglichen achtenw yn die stat seiner wirde, da durch er sein leip beware. Dan die mawß ist dem konig aller nehest, dan sie wont des nachtes bey yme ynn seiner kamer, bey weylenn vnter seinem bette, vnd ist yme doch zu keynem nütz oder ergerunge, besunder zu seiner mercklichenn vnrüe. Aber der sperber wirt ferre von dem konig erzogenn, vnd durch sein adelich geberde vnd syten wirt er dem konig so lip, das er ynn auff sein eygen hant nympt vnd streicht yn. Dar vmbe sol der konig acht nemen, were yme zu dynen nütz oder vnnütz sey, vnd sie erkennen an irem wandel irer vbung. Dan es sein zweyerley gesiecht der menschenre, die ein, die allein yn irem luste vnd mütwillen leben mit allen bösen sitten, der selben sol sich der konig bey zeyt abe thun dan eynem, der vnwisseni ist gegangen vber vorgifft. wurme, das sie yne nit vor/2

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Vnd es machet sich auff ein zeyt, das Dymna allein bey dem leben yn seiner« gemach pleybe, do alle andere dyner an ire ruhe gegangenn waren«.// 35

18 Zeilen freigelassen „BEtrupt bistu, herre konig, ynn deynem gemüt vnd forchtsame. Das zeigt dein gesicht. Nü sprechen die weysen, das trawrig gemüte [24*] derret das 40 gebeyn, dar vmbe ist dir das nit nütze zu vorsweygen. Nü ist nit arges ynn meyner frage dan zuuerkomen dein beschwerde nach meynem vormogen." Vnd do sie also mit ein ander redten, so hebt Seneßba aber an vnd schreyt seinen schrey mit lawter stymme, vnd der leo erschrack von solicher stymme vnd

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2. K A P I T E L : VON D E M L Ö W E N TJND D E M O C H S E N

sprach: „Dise stymme hat mich gehindert vnd forchtsam gemacht, von meynem gemach zu ganra, dan ich gedenck mir, das || sein persone groß vnd starcke als sein stymme vnd dem nach mechtig, vnd wenn das also were, so hetten wir nit pleybens an disem ende." Des antwort yme Dymna: „Ist nit args, dar vmbe mein herre der konig trawret, so sol der konig dar vmbe sein wonunge nit lassen, dan disem ist gute myttels zu finden, dan wer allein ob eynem geden erschrickt, dem geschieht als dem fuchs.'' Der leo sprach:, ,Wie geschach dem ?'' Antwort Dymna: „Es hatt ein fuchs wandel bey einem wasser. Do bey hing an eynem bawm ein schelle, vnd wen der wynd die este des bawms erwegte, so gäbe die schelle iren done. Vnd do der fuchs das helle gedone hört, das bracht yme forcht, vnd gedacht, das solichs ein starcks thire sein müst, das solich gedone von yme liße, vnd besorgt, von dem vortryben zu werden seiner wonuwg, vnd sleych tugentlich dar zu. Vnd do er die schellen sach, das die groß vnd aber gantz hole, lere vnd crafftlos was vnd nichts dan ein gedone dar hinder was, do sprach er: ,Nit mere will ich glawben, das alle ding, die grosser erzeygung vnd grawsamlicher stymme seind, dar vmbe dester mere stercke habend.' 2 Zeilen freigelassen [24"] 18 Zeilen freigelassen GRawsamlich stymme betrewgt dir dein gehöre, dar vmbe habe ich dir gesagt, das ich hoffenn wil, sehestu dan des stymme, die dich erschreckt hat, es wurde dir leichter, dan du dir es gedenckst. Vnd wil es dem konig gefallen, mich zu yme zu schicken vnd yme warheit vnd gestalt des thirs zu erfaren?" Diß gefiel dem konig, Dymna ging an die stat, do er Seneßba fant vnd erkant ynn, durch was vrsach er yn das land komew were, || vnd käme wider zu dem konig vnd sprach: „Ich habe das thier gesehenn." Der leo fragt yne, was geslechts vnd natur er were. Antwort yme Dymna: „Es hat n\t sunder stercke oder macht, dan ich habe es senfftmutiglich // [25T] versücht vnd befunden«., das nit sunderliche forchtsam stercke ynn yme ist." Der leo sprach: „Du salt dich nit lasse betrigen an seiner stercke. Sihe, der wyndt wehet nit abe das gras auff der wysenn vnd webet doch vmbe die starcken bewe vnd grossen bawme. Also thün gewonlich die starcken, die ire stercke nit gegen den krancken vnd onmechtigen erzewgen, sunder gegen den sterckercm oder ires gleichen." Dymna sprach: „Herre konig, nit biß schreckhafftt! Ist es dir gefellig, ich brenge dir yn zu deynem angesicht." Der konig sprach: „Gehe hin nach yme!" Dymna ging zu Seneßba vnd redet mit yme tugentlich, das er sich nit forchten solt vnd sprach: „Der leo hat mich zu dir gesant, das du zu yme komest vnd eylest, sein geböte zu Volbringen. Vnd vorgibt dir hie mit das vnrecht, das du so lange hie ynn seinem lande gewonet vnd dich yme nit selbs erzeigt hast, vnd ob du des vngehorsame sein wilt, || des gibe antwort, dem konig zu sagen." Antwort Seneßba: „Wer ist, der dich zu mir gesandt h a t t ? " Dymna sprach:

2,3. Fuchs und Schelle. — 2,4. Einsiedler und Dieb. — 2,5. Hirsche und Fuchs

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„Es ist der konig aller thier." Antwort Seneßba: „Wiltu mir den glawben thfin, das mir nit args vom konig zugefugt werde, so bin ich willig zu des konigs geböte." Dymna swüre yme des den glawben vnd ging dar auff mit yme für den konig. Der konig grüßt ynn vnd fragt ynn tugentlich: „Wie bistu ynn das landt kommen, oder was vrsach hat dich ynn dise wiltniß bracht?" Seneßba erzalte dem konig alle sache vnd zufeile, die yme von dem anfangk biß dar begegnet waren. Der leo sprach: „Seneßba, habe dein wonuwge bey vns vnd forcht dich nit, ich wil dich an meynem hoffe halterm vnd dir guts t h ü n ! " Seneßba dancki dem konig demutiglich. Vnd do [25"] Seneßba also ein cleyne zeit bey dem konig gewont, do name ynn der konig zu seinem rate vnd satzt yne zu einem vitzthumb seins lands, dan er fandt bey yme vornufftigew rate vnd nutzbare weyßheit vnd satzt vff in die heimlicheit aller seiner sachenn vnd gewane yne von tage zu tage ye liber vnd ye lieber vnd nehet yme selbs, biß das er ynn erhoet, vnd eret ynn vber alle, die an seinem hoffe waren, vnd gäbe yme die obersten stat ob allen seinen rettenw. Vnd do Dymwa sähe, das der konig Seneßba an sein Stadt vber yne vnd alle sein rette gesatzt vnd gehohet hatt vnd das er nü sein aller heymlichster was, das wart yme vaste sweher vnwd name des trawrigen müte vnd fingk ynn an zu neyden vnd gingk zu seinem bruder Kellila vnd sagt yme sein schwerde vnd sprach: „Bruder, wundert dich nicht meins törichten radts vnd meyner vppigen vorsehuwg, die ich mir selbs gethan habe, das ich dem konig zu gut Seneßbam zu yme geschafft habe, das er mich außtreibt von meynem stadt? // 31 Ich habe yme das swert yn sein hant gebenn, damit er mich schediget." Antwort Kellila: „Dir ist geschehenn, als eins malseinemeinsidelgeschach." Dymna sprach: „Wie geschach yme?" Antwort Kellila: „Man sagt, es sey gewesen ein einsidel, dem gäbe ein konig kostlich gewand. Diß sähe ein dib vnd gedachtt, wie er yme das gestelen mocht, vnd ging zu dem einsidel vnd sprach: , 0 heyliger man, ich bite dich, ich bin nacket vnd arme vnd höre vil sagen von deyner Seligkeit vnd bin dar vmbe von ferren landen komenre, das ich bey dir wonurag neme, dir zu dynen vnd von dir zu lernenw.' 72 Der einsidel sprach: ,Dusalt||nachtseldhiebeymirhabenn. 'Vnd morgens gefiel yme des dibs [26T] wesen, das er yne badt, bey yme zu pleybenn. Vnd der diep wonet bey dem einsidel vnd dynt yme wol vnd andechtiglich also, das er glawbenn an yn gewarm vnd yme gantz getrawet vnd yme yn seinem hawse gantzen gewalt gäbe. Auff ein tag gingk der einsidel ynn ein stat, zu bitten vmbe sein nottorfft. Do erhübe sich der dieb vnd name dem einsidel alle sein cleyder vnd floch hinwegk. Vnd do der einsidel wider heym käme, do befand er, das yme der dieb sein cleyder gestolen hette, vnd gedacht, yne zu suchen vnd kert sich gein eyner stadt. Do zwuschenn ynn einem walde fandt er zwehenw hirße mit ein ander kempffen biß auff vorgissung ires pluts vnd sähe, wie ein fuchs dar käme vnd leckt von der erden das plut, das von ynn abe ran, vnd was yme des so nott, das er von den hirßen getretten vnnd auch plut rüstig gemacht wart, das er thodt pleybe.

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2. K A P I T E L : VON DEM L Ö W E N U N D DEM OCHSEN

14 Zeilen freigelassen [26"] Also verharret der einsidel, den diep zu suchen«, vnd käme nachts ynn ein Stadt vnnd wart beherberigt ynn eyner frawen hawse. Die was ein düppel. Vnd die hatte ein hawß dirne bey ire, die mit irem leybe gelt vordynen solt vnd irer frawen« das antworten. Vnd die hawse dirne hatte eynen bulen gewonnen, der ire gefiel, vnd wolt sich sunst nymant anders gebenn. Do das die frawe befandt, das es wider iren nütze was, do gedacht sie, wie sie ire den bulen getotten mocht. Vnd auff den abent schickt die mayt nach irem bulen vnd gäbe yme essen vnd guten getranck zu trincken, das er do bey entslyeff. Des name die frawe achte vnd käme heymlich zu dem slaffende mit einem rore, dar ein sie puluer von gifft gemacht hette, vnd wolt yme das ynn sein nase locher plasen. Vnd do sie yme das rore an sein naß//locher satzt, dar ein sie das vorgifft gethann hatte, vnd als sie anfinck zu plasen vnd iren mündt dar zu auff thette, do edampt der slaffende ynn das rore, das dem weybe das puluer ynn iren mundt. käme, die von stunde ann da von starbe. 9 Zeilen freigelassen [27r] 19 Zeilen freigelassen MOrgens frühe gingk der einsidel forter, zu suchen den dieb, vnd wart nachtz beherbergt ynn einem seins freunds hawse. Der befalch seiner frawenn, das sie diesen man gnügsam vorsehen thett, dan er were ein gaste geladen, vnnd ging also vom hawse ynn erzeygung, das er der nacht nit wider anheymisch werden wolt. Nü hette diese frawe ein bülen, vnd ire nachbewrin, eynes scherers weip, was ir kupplerin. Der befalch sie, das sie ire den bulen des nachtes heymlich durch ire hawse, do sie eine« heymlichen gangk zusamen hetten«, brengen wolt. Das geschach. Ynn dem käme ire elicher man || vnd wart des [27"J bulen geware yn dem hawse, vnd do yme der entrann, do slugk er sein weyb vnd bandt sie darnach yn dem hawß an ein sawl mit einem seyle, vnd er legt sich an ein bette. Der bule schickt die schereryn vnd bäte sie zu erfragen«, wie es seinem bulen ginge. Die fandt sie an der sawle gebunden vnd sagt ir, das ire bule noch yn irem hawse were. Die frawe bäte sie mit hoher vermanuwg vnd sprach: ,0 libe gespile, las dich here an mein stat binden, das ich die zeyt zu meynera bulen kome.' Die schererin thete nach der frawen bete vnd liß sich an die sawle binden, biß sie von irem bulen wider käme. Yn dem erwacht der hawßwirt vnd flucht seinem weybe, dan die schererin gäbe nit antwort, wan sie forcht, das er sie an der stymme erkant. Vnd do er zu dem dickern male rufft vnd yme nit antwort wart, von zorn lyeff er zu der sawle vnd sneyt der frawe« die nasen abe vnd meynt, er hette das seinem weybe gethan«, vnd sprach: ,Gehe, brenge die nasen deinem bulen!' 13 Zeilen freigelassen

2,t>. Kupplerin und Geliebter ihrer Dirne. •— 2,7. Bulilerin und Barbiersfrau

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[28*] Vnd do die frawe wider von irem bulen käme, do befandt sie, wie die schererin vmbe ire nasenn komen was, vnd bant sich selbs wider an die sawle, vnd gingk die schererin wider ynn ire hawse. Diß hatte der einsidel alles gesehenn. Nü gedacht die frawe, wie sie sich entschuldigen wolte irer getat, vnd rufft mit lawter stymme, das ir man das wol hören mocht: , 0 gott, herre Sabaoth, syhe vnd schawe die kestigung deiner dynerin, meyn krangkheit vnd die vnsehult meyner werck vnd das ich gefangen bin von mevnem manree on alle schuld. Gott vnd herre, gibe mir mein nasen wider vnd erzeyge hewt an deyner dynerin ein zeychen der vnsehult,' vnd schweig damit ein weyle. Darnach schrey sie mit lawter stymme gegen irem manne: ,Stand auff, du boßwicht, vnd nyme // achte der wunder gotes, die an mir volbracht sein! Mein vnsehult vnd dein vngerechtigkeit zu befindenn, ist mir mein nase wider angesetzt wie vor.' Der man name sich des wunder vnd redt wider sich selbst: ,Wie mag das gesein V Vnd stünt auff vnd entzünt ein licht vnd eylet zu der frawenw. Vnd do er ir nasenn gantze an irem antlitz sähe, do entbandt er sie von der sawle vnd file für sie bitten, das sie yme vorzige, vnd bekant sein vnrecht gott vnd bäte gnade vnd ablo/J. Ynn der zeyt betracht auch die schererin, durch was auffsatzs sie vor irem elichen manne sich diser geschieht entschuldigen macht. Morgens frii käme der scherer, der die nacht ynn der taffern« gesessen was, vnd wackt sein weib, das sie auffstunde vnd yme bereytsehafft gäbe. Er müst eylent gan, ein vbel verwundten zu vorbindenn. || Die frawe beharret mit auffsatze ynn irer kamer, biß das denn [28"] scherer ires langen«, außpleybenws verdrösse vnd mit zornw vnd drewe wortenn ruffenn wart. Sie gäbe yme raytzende worte hinwider vnd ging damit auß irem gemache. Mit zorne warffe der scherer mit eym scharsach zu ire. Das weip schrey mit lawter stymme: ,0we,o we,meynernasenn,diemirmeinman mit einem scharesach abgeworffenn hat! Hey, hey, des mordes!' Der frawen freund kamen zugelawffen, vnd do sie den schaden irer swester sahenn vnd wonten, das ire das von irem manne geschehenn were, do clagten sie das dem richter. Do er dar zu nit antwort geben kondt, do hieß ynn der richter binden vnd mit knütteln vnd gertenn durch die stat slahenn. Vnd als er ietz gebunden vnd ein grosse volcke zusamen. gelauffen was, zuzusehenn vnd yne also außzuslahen, do käme der einsidel hinzu gegangen vnd fragt, war vmbe der also gebunden were, vnd fandt do selbst stan sein diep, der sein cleyder an seinem hals hette. Vnd do er die vrsache vorname, do gingk er zu dem richter vnd sprach dise worte: ,Die cleyder, die der dip gestolen hat, waren meyn cleyder. Oder haben nit die zwehenw hirssen den fuchs, der ires plwtes begirig was, ertötet? Hatt nicht die frawe mit dem rore sich selbst vorgifftet? Vnd diser scherer hat nicht seinem weybe die nasen abe geschnyttenn ?' Vnd auff frage des richters, do lewtert er diese worte."« Sequitwr aliud capitulum. 5 Zeilen

freigelassen

[29T] 19 Zeilen 3

Geißler, Anton v. Pforr

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2. K A P I T E L : VON DEM L Ö W E N UND DEM OCHSEN

»DAr auff sprach Dymna: „Ich vorstehe deine worte, vnd es gleycht sich wol vnser sache, doch hat mir nymant schaden getharm dann ich mir selbs. Dar vmbe so gibe rate, was sol oder magk ich dar zu thün." Antwort Kellila: „Bruder, laß mich deyn meynuwge vor mercken." Do sprach Dymna: „Ich forcht, das ich nit forter hoffen bedorffe an ein hohem stat, allein wider dar ein zu komen, da von ich von // Seneßba vorruckt bin. Dan yn dreyen Sachen sol sich ein yeder weyser man acht nemen vnd furdencken: Das erste, das er vnterscheydt neme vnter gutem vnd bösem vnd das er sich vor dem bosenn beware vnd das gute yme selbs [29"] nahenn möge. Das ander, das er bey seinem stat, der yme erlich ist, sich behaltenn, vnd ob er da vonre gestossen wurde, sich wider dar ein brengen möge. Das dritte, das er ynn allen seinen sachenn dieser zeytt das gute für das arge welen könne. Wan ich nü syhe meine«, gegenfale, so ist mir nottorfft zu achten, wie ich mich wider yn meine»?, stad brenge vnd den, der mich des vorstossen hat, vberwindtlich sey. Vnd weyß für mich nit bessers dan anschlege wider /Seneßbam zu suchen, biß ich yne vom lebenn brengen möge. Vnd wan ich das volbringe, so weyß ich, das ich wider zu meynem stadt komenn mag bey dem konig. Vnd ich mein, das solichs auch für den lebenn sey, dan die vber grosse libe, die der leo zu Seneßba hat, macht ynn vorsmehet || ynn dem volcke." Dar zu sprach Kellila: „Mich wil nit beduncken, das sein der konig entgelten möge, das er mit Seneßba sunder heymlichkeit hatt vnd das yme dar vmbe icht args entstehen möge." Antwort Dymna: „Es seind sechs vrsache hir ynne, da durch der konig geleydigt wirdt: Durch vorkerung des glucks, durch widerspenigkeit seiner dyner, durch wollust, durch die zeyt, durch leichtfertigkeit des hewbts, durch vntugentlich worte. Des ersten heyßt es pillich ein vorkerung des glucks, so ein herre seinen bestenn vnd weysesten rate vnd dyner vorlewret vnd das er sein gute syttenn vorwandelt. Zum andern, wan er vrsache gibt, das sein lands lewte gein einandere krigenn. Zum dritten, das der herre souil wollust hat mit weyben, mit trincken, essen, iagen, do mit er nottorfft seins reichs vorsewmpt. Zum Vierden, durch leichtfertigkeit seins hewbts, wan der herre leichtfertig ist mit seinen sytten. Zum funfften, durch die zeyt, wan dem [30TJ herrenn durch lewffe der zeyt yn sein land komet sterben?;, vnd tewre. Das sechst, durch widerwertig wercke, wan der konig thüt, das yme zu thun nit gebürt, vnd vnterwegen lesset, das er thun sol. Also hat der leo seine«, glawbenn ynn Seneßba gesatzt vnd hat yme geoffenbart alle sein heymlichkeit, dar vmbe wirdt er von Seneßba verachtet." Sprach Kellila: „Wie vormeynstü, Senesba zu schedigen, so er stercker ist dan du, auch grosser ynn der wirde vnd ynn hoherm stadt, vnd ist liber gehalten vonw dem konig vnd dem volcke dan du, hat auch mere freunde, gesellen vnd anhanger?" Antwort yme Dymrea: „Bruder, nit acht es disen wegk, dan die getat wirt nit allein mit // stercke vnd gewalt volbracht, dan gare vil krancker ires leybs, armer ires guts sein durch ire fursichtigkeyt ann soliche stette komen, da hin gare sterck, mechtig vnd reyche nicht komen mochten. Oder dir ist villeicht nicht gesagt, wie der rabe mit seiner fursichtigkeit vnd list die slangen tötet?" Kellila sprach: „Wie was dem?" Antwort Dymna:

2,8. Rabe und gefräßige Schlange. — 2,9. Vogel und Krebs

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,,Es was ein rabe, der hette ein nehest auff einem bawme. Vnter dem bawme was ein loch, darynne was ein slange. Vnd wie dicke der rabe sein iungen außbrutet, so dicke vorgifft sie yme die slange vnd trug die seinen« iungen zu speyse. Des wart der rabe trawrig vnd ging zu dem fuchs vnd öffnet yme sein clage vnd sprach: ,Deucht dich icht gute, wenn die slange slefft, das ich yme sein awgen außbeysse vnnd mich an yme reche? Ich bite dich, zeyge mir deynen rate!' Antwort der fuchs: ,Das, so du willen hast, mag nit gescheenn mit gewalt oder mit gedorstigem freuel, besunder so suche dar ynne fursichtigkeit, dan [30v] mercke auff mein worte vnd habe dich darnach zu richte«.

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19 Zeilen freigelassen E S muß mit auffsatze gescheenn, das dir nit noch ergers dar auß erwachsse vnnd dir geschee, als eins mals geschag einem vogel mit einem krebs.' Antwort der rabe: ,Wie was das ?' Sprach der fuchs: 15 ,Es was ein vogel, der hatt sein wonunge bey einem sehe vol vische. Nun do der vogel alt wart, do mocht er nicht mere sein speyse von den fischenn eriagen, als er vor gethan hette. Dar vmbe saß er eins mals gar trawrig auff dem so gestade des sees. Zu dem käme von vngeschicht ein krebs || ynd sprach :»Nachgebawer, was ist vrsach deiner trawrigkeyt?« Antwort [31r] er: »Gute freundt, 20 was guts oder gluckseligkeit ist nach dem alter? Mein lebenn ist biß here gewesenn von der speyse der fische. Hewt sein fischer für gangenn vnnd habenn gesprochenn: «-Wir wollen die fische des sees alle zu male vahenn.» Antwort eyner vnter ynn vnd sprach: ecNeyn, itzt nit. Ich weyß einen sehe, dar ynne vil grosser fische seind, den wollen wir vor außfischenw, darnach wollen wir zu 25 disem sehe.» Nü weyß ich, das sie solichs thun werden. Das wirt mein vorderbniß, dan so habe ich nicht speyse, das ich mein lebenn gefristenn magk.« Der krebs gingk balde zu eyner grossen schare seiner gesellenn vnd sagt ynn, was er vornomen hat von dem vogel. Die kamen alle gemeynlich zu dem vogel vnnd begertenn seins getrewen rats, dan ein vornüfftiger verbirgt seinen rate nit, auch 30 vor seinem feinde, der von yme hilffe begert. Der vogel antwort: »Ire wissent, das ich den vischernw mit gewalt nit widerstan magk. Aber ich weyß eynen guten lustiglichenn sehe, dar ynne vil frischs wassers ist, dar ynne vill bawme lygenn, das man die garn dar ynne nicht wol gebrauchenn kan. Wolt ir, so wil 36 ich euch II do hin tragenn.« Sie dancktenn yme vnd sprachenn: »Wir habenn 35 sunst keynenn nott helffer dan dich.« Der vogel sprach: »Ich wil es thün zu ewrem nütze.« 6 Zeilen freigelassen [31v] 19 Zeilen freigelassen AVff das name der vogel der fische alle tage zwene vnd trugk sie auff eynen hoen berg vnd frasse sye. Auff ein male käme der krebs zu dem vogel vnd 3*

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2 . K A P I T E L : VON DEM LÖWEN UND DEM OCHSEN

sprach: »Ich forcht mich hie zu pleybenn. Ich bitc dich, trage mich zu dem seht; zu meynen gesellenn.« Der vogel name den krebs vnnd trugk yne, do er sein gesellenn gefressenn hette. Vnnd do er den krebs ynn die hohe bracht, do sähe er das gebeyne der zuzerten fische. Do merckt er die betrugniß des vogels vnd das yme auch des gleichen« gescheen« wolt vnd gedacht yn yme selbs: »Es gezympt einem iglichenn, sein leben zu redten nach seinem vermogenn.« [32T] Vnd legt dem vogel sein schere vmbe seinen« hals vnd drückt den so hart, das er thodt zu erden viel. Vnd er gingk wider ynn denn sehe vnd sagt seinen gesellenn falscheit des vogels, vnnd wie er sie an ym gerochenn hette. Dise gleichnis habe ich dir gesagt, das du mercken salt, das ein vngetrcwer rate seinen eygen herren« ertötet. Hir vmbe rate ich dir, das du acht nemest vnd flyhest yn ein Stadt, woe sich die frawen auff des hawß obdach wasche«, die ir cleynat von yne legen, der eins zu neme«. Dan werden die lewte dir nach lawffen, so wurffe das cleynatt ynn das loch, do die slange ynne wonet. || So lauffen sie dir nach vnd finden die slangen, also wirt sie von yne getot.' Der rabe thet nach rate des fuchs, vnd wart die slange tot geslagen, vnnd er dar durch ynn rühe gesetzt. 17 Zeilen freigelassen f32"J ICh habe diß exempel dar vmbe gesagt zuuorstehenn, das fursichtigkeitvnd gescheydigkeit bey weylen besser sindt, ein sache zu Volbringen dann mit stercke oder gedorstigkeit des mans." Antwort Kellila: „Du sagst wäre, dan Senesba itzt nit zu hohem stat komen were, das du das Volbringen« mochtest. Dan ietzt hat er vbung seiner weyßheit vnd beystawt vnd ist für den oberstem i vnd weysten geschätzt, vnd biß gewiße, das er sich bewaren wirt von allem dem, dar ynne er yme schadenn erkenne« magk, besunder so er dein furnemen mercken wirt." Antwort Dymna: „Ware ist, das sich Seneßba durch sein sitige vornüfft bewaren kan, aber nit vor mir, dan er hat sein person gantze ynn mich vertrawt vnd glawben yn mich gesetzt von dem tage, als ich yn zu dem konig pracht hab. Aber es wirt mein nottorfft erheyschcn, yne vonn diser werlit zu bringen« zu widerbrengung meins stats, also das es mit bescheydigkeit II vnd lysten muß gescheenn, als der fuchs dem lewen thet." Sprach Kellila: „Wie was das?" Antwort Dymna: „Es was ein leo ynn eyner wiltniß, vmbe den vil thyre allerley gesiecht wontenn. Nü was die weyde vnd der wandel nach allem irem wünsche, allein die forcht des leben, dan er käme alle tage, die zu schedigen, des sie sich nicht erweren mochten. Nu berufft sie der fuchs vnd gäbe ynn ein rate, wie sie des lebenn abe komen mochten. Vnd nach erfindung irer weyßheit des rats schickten sie den fuchs, dem auch des rats gevolgt was, zu dem leben also sprechend: ,Herre leo, wisse, das es nit ynn die harre sein mag, das du alle tage speyse von vn«s haben must dan mit mercklicher arbeit vnd nach [33TJ iagerms. Nü habenn wir ein wegk gedacht, für dich nutzlich vnd für vns geruglich. Also du sagst vnns sicher vnd sorglos, so wollen wir dir alle tage williglich ein thyre von vns,

2,10. Der Löwe und der listige Fuchs

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auff welchs ongeuerlich das loß feilet, zu der stünt deins essens zu deyner speyse schicke», vnd das wil ich dir alle tage antworten.' Diß gefile dem lebenn, vnd versprach dem fuchs, die beredung zu halten. Der fuchs käme wider vnd sagt das seine» mitdiren. Des morgens frühe do sprach aber der fuchs: ,Sehent, das ich euch mit trewenn bey sein wil, so wil ich der erste sein, der dise abentewer bestan wirt.' Vnd macht sich vff die fart zu der wonunge des leben vnd verbärge sich do selbst, doch das er des leben wol acht nemen mocht. Vnd do es sich dem mittag schire nahet, do fingk der leo an, mit zornn zu bromen von grosser vngedult, seiner speyse zu wartenn. || Do diß der fuchs ersähe, das sich der leo von vngedult seiner stat erhübe, do lieff er snelliglich gein dem lebenn, als ob er vaste /erre here gelawifenn were, vnd viel für den leben vff sein hertz. Der lebe sprach auß zorn: ,Wie verharrestu so lange, mein speyse, die mir durch dich zugesagt ist, zu bringenn ?' Der fuchs antwort: ,Herre, mein gesellen haben mich hewte zu guter tagezeit außgeschickt mit eynem andern fuchs, der dir hewte nach der wale zu speyse gefallenn was vnd der vaste gnügig was. Vnd so ich denn nit ferre von diser wonung bracht, so bekompt mir ein ander leo, fragent, was ich begynne. Ich sagt yme, das ich dir, meynem herrenn dise speyse brengen wolt. Der sprach, er war herre vnd nit du, vnd yme geburt solich speyse, er wolt ims, gnediger herre,vor dir wol beschirmen vnd name mir damit dein [33v] speyse.' Ynn grossem grymmen fragt der leo, ob er yme den weysen mocht. Er sprach: ,Ja, ich bin ym nach gewolgt biß ynn sein hole, die nit ferre hie von ist.' Der leo bäte sich dar zu // füren. Der fuchs ging für den leo nach biß zu einem bronnen, der ynn der erden thieff was vonn wasser. Der fuchs sprach: ,Yn diser hole ist der leo.' Der leo eylet auff den bronne, der fuchs mit yme vnd stund yme zwuschen sein forder beyn vff dem bronne. Der leo schawbet mit zorrm yn den bronne vnd sähe yn dem wasser sein selbs schein vnd des fuchs scheyn zwuschenn seynen beynen. Der fuchs sprach: ,Eylent, ich syhe den lebenn vnd den fuchs noch vnuorsert bey yme stan.' Von grymmigkeit des zorns sprang der leo yn den bronne, zu streytten mit dem andernn lewen, vnd ertrangk. Also ging der fuchs zu seinen gesellenn vnd erzelt, wie er gehandelt hette vnd den loben, iren durchechter, vom leben zum tode pracht hette." 14 Zeilen freigelassen [34*J ANiwort Kellila: „Magstu Seneßbam also geschedigen, das der konig da von nit schadens befinde, so ist es dester besser, das dir nit args do von auff stehe, dan er hatt dir vnd mir vnd manchem vom hoff schaden gethann. Wil aber der konig ynn deynem furnemen mißfallen habenn, so rate ich, das du es nicht volbrengest, dan biß nit widerspenig deynem herren, dan das were das aller boste vnd dir stunde dar auff grosser vorlust." Also name yme Dymna für, den lebenn etlich tage zu meydenn, vnd nach etwan manigem tage käme er zu dem konig, als ob er vaste trawrig vnd vnmutig were. 19 Zeilen freigelassen

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2. K A P I T E L : VON DEM L Ö W E N UND DEM OCHSEN

[34v] Vnd do der konig Dymna sähe, do sprach er: „War vmbe habe«, wir dich so lange nit gesehenn? Ist es ynn gutem?" Antwort Dymna: „Es ist etwas vorborgens vnd grosse heymlichkeit." Der leo antwort vnd sprach: „Mache mir das offenbar, wir seind doch an eyner heymlichen stad!" Antwort Dymna: „Was ein man argwonen mag ynn eyner sache, darynne er gewarnet wirt, das yme schade sein mocht vnd doch nit glewben wolt, der sol den furbrengenra nit melden, wen er den sunst guts wandels, einfeltigs lebens vnd getrews rats weyse. Besunder er vermain das vnd mercke vnd luge, was guts vnd boß darynne sey. Dan ist guts oder args darynne, das berürt allein den, der gewarnt wirt, besunder so gehet dem warne?- do von weder guts noch boßs für sich selbs, allein das er gnüg thun der pflicht vnd der libe, so er zu seinem herren hat. Darvmbe, mein herre vnd konig, du bist weyse vnd vorstendig, ich wil dir eins sagen vnd weyß, das du das nicht gern?!, hörest, vnd vorsyhe mich, das du des nit glewben werdest vnd woltest doch nit, das es dir vorswigen plybe, dan wenn ich betracht vnd syhe, das die schare diser thire deines || volckes nit gutes oder lebens haben mögen dan yn dir, so magk ich nicht finden, das ich // die warheit vorsweygen sol, sunder dir das zu offenbaren, das du dich selbst darynne ersuchen mogst, vnd forcht doch, das du des nit glewbenn werdest. So zympt es doch mir nicht zu vorhelenn, dan welcher dyener seinen getrewen rate oder warnuwg vorhielt vor seinem herren vnd vor dem artzt seinen sichtagen?!. vnd vor seinem getrewew freund sein heymlichkeit, der thüt vnrecht, vnd ge[¿^/deicht yme billich der schade auff sein selbs hewbt." Der leo sprach: „Sage, was ist diß?" Antwort Dymna: „Mir ist gesagt von einem meynem trewen gesellenn, das Seneßba rate gepflegenw habe mit dem obersten» deyner schare vnd gesprochenn: ,Ich bin so lange bey dem konig gewont vnd habe sein weyßheit vnd stercke erkent vnd ynn dick vorsucht vnd finde ynn krancks gemuts vnd der synne, auch des leybs, vnd der seins volcks gantz nichts achtet oder liep hat.' Nu so solichs für mich komen ist, vnd das du yme ere vnd gnade erzeigt hast vnd yne dir zum nehesten gesetzt hast vnd eynen vicarien des reychs gemacht vnd yme alle heymlichkeit getrawet, vnd das er solich verreterey yn yme haben sol, dan er vnter stehet sich, dir zu gleichenn, vnd ist zu bedencken, er habe hoffenüng, nach dir dein reych zu besitzen, ob er wege finden mocht, dich da von« zu dringen. Dar vmbe, her konig, biß nit hinlessig yn diser sache, dan es sprechen die weysenn: ,Wan ein konig befindet vnder seinem volck etlich, die begirig sein, ynn seynem stat auffzusteyge» vnd mit heymlichen vnd eygen retten vnd anschlegew solichen gewalt für nemmen, so geburt sich dem konig, die zu temmen, dan verbiert er sie zu nichtigen, er wirt vornicht.' Nu bistu, herre, weyser vnd furbetrechtlicher dan ich. Aber mich dunckt pillich, das du ein fursehen habst deiner persone vnd zu yme greyffest, ob er dir entgehenn wurde auß deynem gewalt, vnd biß hir ynne nit sewmig, dan da durch mocht dir schade zugefugt werdenn, dem du darnach nit wider stehen mochtest. Dan man sagt, das dreyerley lewte sein ynn der werlit: Die ersten sein fursichtig vnd künnen [ 35v] mit irer weysen betrachtung vwgrefellc für komenra als vil als des mogelich zu thun ist, als sich der gesunt behut vnd bewart vor sichtagen?«.. Die andern»

Dymna beim Löwen. — 2,ll. Die drei Fische

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seind sorgfeltig vnd emßig ynn der widerwertigkeit vnd zufellenw vnd sein dar ynne vnuerzagt, wege zu suchenn, biß sie wider dar auß komeim. Die dritten sein swers gemuts vnd liderlicher wissen, nit wissent yetzundt zuuerkomera vnd noch vil mynder, so sie yn sorgen sind, sich wissen dar auß zu richten, vnd seind dar zu irrig yn allem irem furnemen || gleich dreyen fischenn." Sprach der leo: „Wie was das?" Antwort Dymna: „Man sagt, es sein drey vische gewesen yn einem wage. Der ein // was trege, der ander fursichtig, der dritte vornüfftig. Auff ein zeyt kamen zwehen fischer mit iren garen vnd spreytenn die ynn das wasser. Diß sähe der fursichtig vnd merckt, was die fischer thün woltenn, das sie do hin vmbe nicht komen waren, dan sie zu vahenn, vnd hatte furgedencken, wie er yme selbs sein lebenra retten mocht, vnd schwame eylend auß dem wage ynn das wasser, das yn den wag floß, vnd wie cleynn das was, doch enthyelt er sich dar ynne, das er yme selbs sein lebenn redte. Der weyse was stille gestanden, biß er die fischer sähe, den außlawffe des wassers vorlegenn. Do sprach er wider sich selbst: ,Itzt hastu dich vorsewmpt. Es gilte dir dein lebenn!' Vnd gedacht, sich selbst on verzyhenn zu erlosenn, betrachtenden: ,Dan lang verzyehenn selten langt zu fruchtbarm ende yn Sachen, die nit beyte haben wollen. Vnd ein vornufftiger sol ynn notten betrechtig sein vnd yme keyn forcht lassen so nahet, das er dar ynn verzage, den das gluck hilfft den gedorstigen.' Vnd diser fische swame auff [36T] das wasser vnd swebet do, gleich als ob er tod were. Do yme die fischer nahenten, sie schätzten ynn für vnnutz vnd wurffen ynn auff das land, von dannen er ynn dem myttel ires vischens wider ynn das wasser käme vnd wart erlost. Der trege schwame slechtiglich hin vnd herwider vnd was yn yme selber irrig, woe er hin solt, biß er gefangenn wart." 20 Zeilen freigelassen DEr leo sprach: „Ich habe dein worte vorstanden, aber wie mag ich bosß von Seneßba gedenckenn, das er args gegen mir begere vber die grossen liebe, so ich zu yme habe ? Ich habe ynn doch ge/3ß°/eret vnd gesatzt vber alle andere ynn meynem hoffe." Antwort Dymna: „Nit vmbe ander vrsachenn sucht Senesba dich zu schedigenn, dan das er von dir nit leydigüng emphindt oder empfunden hat vnd das du keynenn so ynn erlichen stat ynn deynem hoffe gehabt hast, du hast ynn des lassen waltenn. Nü merckt er, das kein hoher stadt mere vorhanden ist vnd dar ynne er sich erhohenn möge, dan das er herre vber dein reych wurde. Dan ein iglicher vntrewer, der etwa weyßheit hat vnd wol reden kan, vor dem ist sich zu huttenn, dan sie trachtenw alles an die ende, der sie nit wirdig sein, vnd ob man ynn ein wesen zugefugt, das yn billichenn zu vil were, noch lassen sie ire gemüte nit hoer zu gedenckenn, vnd ob sie dar vmbe iren herren ann leybe oder an gute schedigen solten. Dan der selben keyner dynet seinem herrenn vmbe nütz seins herrenw, sunder seinen nütz alle zeyt dar ynne zu suchen, wie er reich werden vnd hoch komen möge. Vnd ob er des erstenw ynn gutem, getrewem dinste erscheynet, so balde er aber zu reych-

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2. K A P I T E L : VON DEM LÖWEN UND DEM OCHSEN

frumb vniid gewalt kompt, // so hebt er an, zu Volbringen« die wercke, die auß gründe seiner bosenn wurtzel vrsprung habenn, gleych dem wadell an eim hünd, der krampe ist. So lange du den yn gewalt deyner hende hast, so bleipt er siecht. So balde du yme sein gewalt leßt, so wirt er wider krompe als vor. Vnd ich sage dir, herre konig, welcher nit glewbet seinen rettenn |l der dinge, die yme nach nütze geraten werden, der ist nicht zu loben, vnd ob ym ioch guts auß seinem rate ginge, dan er wirt gleichtt eynem siechen, der den rate eines artztes vorlaßt vnd braucht sein selbs gelust. Dan man sagt, der beste vnter [37*] den reychenw sey, der nit ein knecht sey seinws eygen gelusts, vnd der beste vnter den gesellen, der nit zornt noch krigt. Vnd man sagt, lige ein man am gestade des meres bey dem wasser oder auff vorgifften slangenw, so mocht er sicher rühenn, dann dem getrewenn, der yme auff sein lebenn gehett. Nü wil mich bey diser rede bedüncken, der konig wolle hin lassig sein, mere dan gut sey, vnd wurde wol gleicht dem helffant, das nympt keyner dinge acht, die vor yme gescheenw." DEr lebe sprach: „Du hast dein rede lang gemacht, aber woe von du gesagt hast, das sein nit sache vnder frewnden. So weyß ich itzt keynenfeind, der mir geschadenn möge, vnd ob mir Senesba gehaße were, als du für gibst, noch mocht er mir nicht geschadenn. Wie mocht er args wider mich vben, so er grasse vnd krawt ysset, vnd ich ysse fleysch, vnd er mocht mir zu speyse sein vnd ich yme nit. Ich habe auch ynn Senesba nye args fündenn noch boße gemerckt noch keynew aberwandel als vmb ein trytt, nach dem vnd ich ynn zu meynem knecht vnd ynn eyd genommen habe. Vnd so ich ynn nü vor allermeniglich gelobt vnd erhocht habe vber alle meyw fursten vnd volck, sol ich das on offenbar schult andern, so werde ich billich für einen thoren yn mir selbs gehalten, dan ich vorlewgent meyner trewe vnd ginge von dem wege der gerechtigkeit." Dymna antwort: „Herre, dein hertze sol diese warnuwg nicht also verachtenn, also sprechend: ,Ich mag yme nit zu speyse sein.' Sunder wisse, woe Senesba durch sein macht dich nit geschedigen mag, so sucht er aber ander. Dan man spricht: ,Stunde bey dir ein vorsmachte oder [37v] krancke persone ein zeyt, noch magstu nicht wissenn iren sytten seiner vbung.' Dar vmbe saltuyme nicht vertrawenw, sunder beware dich vor yme, das dir nit wider fare ein gleichnis, von der man geschriben findt." Der konig sprach: „Wie was das?" Do antwort yme Dymna vnd sprach: || 22 Zeilen

freigelassen

„MAn sagt, es sey ein lawß bey einem edelman gewesenn yn einer stadt seins leybs vnd vil seins // pluts gesogenn, das er das nye [38r] acht genommen hette. Auff ein nacht käme ein floche vnd gingk für. Die lawse sprach: ,Bleyb heint bey mir! Hie wollenn wir dise nacht guter speyse gnug habenn vnd ein weych bette.' Diser floch pleyp vnwd wont, der man slyffe, vnd fingk an vnd bayß nach der speyse so harte, das der man rufft, yme ein licht zu brengenn vnd an dem bette suchenn. Die lawß wart vff stund funden vnd getodt, aber der floch, so bald sie das licht sähe, do sprang er hin vnd wider so lange, biß sie entran.

Dymna verleumdet Senesba. — 2,12. Die Laus und der Floh

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Dis beyspil habe ich dir gesagt, das du merckst, das der bose nit von boßheit leßt, vnnd was er selbs durch sich allein nit gethun m a g k , das er ander dar zu beruffe. V n d ob du nicht widerwertigs an dir selbs v o n Senesba e n t p f u n d e « hast oder zweyfels zu y m trägst, so sol mich doch pillich dein frome folck erbarmen«, der hertzen er von diner libe zeucht v n d vorwandelt dir zu hasse. Vnd •> ich w e y ß , das er wider dich personlich fechten wil v n d das n y m a n t anders befelenn." V n d auff diese worte w a r t des lebenn gemute bewegt, des zu glewbew. v n d sprach: „ W i e sol ich disen dingen t h ü n ? " A n t w o r t D y m n a : „ N i t besser* dan y n n v o n diser werlit abscheydenn, dan ein mensche, das einera fawlen zan h a t y n seinem münde, den vorleßt sein weetag nicht, die w e y l er den nicht auß- 10 bricht. Z u gleicher weyse der mage, der v o l böser speyse ist, h a t nit ruhe, die speyse sey dan hin wegk geschickt. Also ist auch vor dem feinde, der zu forchten. vor dem ist sich nit baß zu hüte«, dan y n n v o n dem lebenn zu brengen." Der leo sprach: „ D u hast mich itzt abwurffig gemacht der geselschafft [38v] Senesba. Ich wil nach yme senden« v n d erfaren, was y n n seynem hertzen sey wider mich, i .-> v n d y m sagen, das er yme selbs ein ander Stadt suche." D y m n a geryet sorge zu habenn, dan er woste, w a n der konig mit Senesba reden v n d yne wider hören, er wurde yme glawben, v n d besorgt da b e y , das y m e der konig nicht vorswige, was y m e D y m n a furbracht h a t t , v n d sprach zu dem leben: „ E s dünckt mich dir nicht ein guter rate, nach Seneßba zu schickenn 20 vnd yme sein schult furzuhalten, dan er m e y n t , du seyst des nicht wissenn. Du hast doch gewalt v b e r y n , dann wirt er v o n dir dar v m b e zu rede gestelt oder bericht, das du die heymlichkeit weyst. So ist z u besorgenn v n d zu forchtenn, er werde schicklichkeit v n d eylend wege suchenn dir zu bösem, v n d gedenckt als der schuldig, wie er y m e sein leben selbs wisse v o r dir z u bewarenw, v n d 2.-, wurde er den vnterstan, mit dir zu fechtenn als sein nott v n d gestalt der sachenn erheyscht, dan er ist gar wol geschickt zu fechten v n d vaste starcke. W i r t // 43 94 er aber || iutzünt von dir hinwegk gehen, so k o m p t er, das er vor dir wol sicher mag sein, v n d auff ein zeyt, so du vngewarnet bist, so m a g k er dich vberwinden. Nü ist wäre, tugent des konigs ist, nymants behendlich z u todten dan allein den, 30 des v b e l t a t offenbar ist. A b e r des getat nit kuntbar ist, der sol gefragt wer denn, v n d nach erfindüng gescheenn." A n t w o r t der leo: „ D u salt wissenn, welcher durch heymlich handel gefragt wirdt vnd nach eygentlicher ersuchung erfunden, das solichs auff y n n gesagt nicht warlich erkant wirt, alles das bose, das auff ynn gesagt worden ist, wirdt auff dem lugner außkomen, z u [39r] busse gesatzt auff :sr> sein lebenn. V n d ich magk y e nicht glewben, das Senesba solichs wider mein leip v b e . " D y m n a sprach: „Herre leo, ich mercke, das dein wille dar auff stehet, das er für dich komen sol. So ist mein rate do b e y also, luge, das du dich wol v o r yme bewarest, das er dich icht schedigenn möge. D a n n y m e sein wäre, so er zu dir y n n dein gemach kompt, wie er sein locke an seinem hals auff rucke v n d v o n 40 zornw nach seiner arte zytternn wirdt v n d von beyden wenden sehen seiner* wadel hin v n d wider werffen v n d sein horn für keren«, als ob er itz fechten w o l t . " Der leo sprach: „ W o l hin, ich wil deynen rate auff nemen, v n d syhe ich, als du mir für gibst, so magk ich wol glewbenn, das du mir wäre gesagt h a s t . "

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2. K A P I T E L : VON DEM LÖWEN UND DEM OCHSEN

So nü Dymna den lebenn auff sein furnemen bracht hette, do gedacht er zu gehenn zu Senesba, das er yme sein hertze vorkerte gegen dem konig vnd eynen haß zwuschenn ynn machen mocht. Vnd wolt doch nit vn wissen des konigs zu Senesba gehenn vnd sprach : „Herre konig, wiltu, so wil ich gehenn zu Senesba zu erfaren, was er thu vnd was wandels er habe, vnd sein worte vornemmen, an den ich villeicht etwas dieser meynuwg entstehenn mochte, dir wider zu sagenn." Der leo sprach: „Gang hin vnd habe auch achte seiner vbung vnd berichte mich der." Dymna ging zu Seneßba ynn sein hawse ynn trawriger gestaltt, vaste swere mutig, vnd name Senesbam mit züchte« ersamlich vnd sprach: „Ware vmbe habe ich dich ynn so vil tagenn nit zu hoffe gesehenn? Es ist icht newes?" [39"] 17 Zeilen

freigelassen

Vnd fingk an vnd redet mit Senesba dise wort: „Welcher frommer leßt || seinen« willen vnd mere yn willenn vnd gefallenn seins hernw, des er ein dyner ist, wie wol das ynn dem selbenn weder trewhe noch glawben ist, dar an sich ein getrewer dyner einger stund gewisse lassen mocht?" Antwort Senesba: „Was ist das, da von du sagst? Ist ichts newß zu hoffe?" Sprach Dymna: „Ia, // aber wer ist, der furkomen magk, das geordnet ist, oder wer ist diser, der zu grosser ere vnd wirde komet vnd darnach nit wütrich, oder welcher volget nach seinem eygen lust, das er nit feilet, oder welcher vorpflicht sich der weybe liebe vnd wirt [40rJ nicht betrogenn, oder bittet einen« narren« vmbe ein gäbe, das es ynn nit gerewe, oder wer hat geselschafft mit den bösen vnd pleybt vngeletzt, oder wer wont ynn der fursten hoffe, das yme sein guter lewmüt nicht gekrenckt werde vnd sein ere. Gerecht ist das wort der, die gesprochenn habenn: ,Die liebe vnd die trewe der furstew gegen iren dynern« gleicht sich wol eyner vppigenn frawen«, die hangt an eynem nach dem andern vnd dem letzstenn dem libsten?'" Antwort Senesba: „Ich muß an deynen worten vorstehen, als ob dir etwas newß mit dem konig begeget sey." Dymna sprach: „Ia, es ist wäre, doch so berurt es mich nicht. Aber wolt gott, das es mich berurt, ich wolte mich dar ein schickenn. Aber die freuntschafft, die zwuschenn mir vnd dir ist, vnd die glubde vnd voreynu«ge, die ich dir schuldig bin zu haltenn, auch das ich dir mein geselschaft zugesagt habe seind der zeit, do mich der leo zu dir schickt, so weste ich keynen wegk, do mit ich dir den selben« glawbenn nützlicher gehalten mocht, dan ich schwüre dir, das ich dich nymmer betrigen oder mein glubde der voreynigung zwuschenn vns brechen«, besunder ich wolte dir offen, was mir kundig wurde alles des, darynne dir schadenn begegen« mocht." Do antwort Senesba: „Was ist das ?" Dymna sprach: „Mir ist durch eynen guten getrewen« gesellenn heymlich gesagt wordenn, das der leo zu eynem seynem dyner habe gesprochenn: ,Mich wondert sere von Senesba, das er so groß vnd mechtig vnd so fayst vnd ist mir doch gantz nichts nütz dan meynen hunger mit yme zu setten vnd euch des auch zu gebenn.' Do ich das vor/40 v Jnommen habe, han ich do bey vorstanden« des konigs vngetrewe vnd sein boßheyt, dich also ynn den tod zu gebenn, vnd habe dir das also wollen nicht lange vnuorkundt zu lassenn

Senesba sucht nach dem Anlaß der Feindschaft des Löwen

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der vorbuntniß halbe zwusschenn vns beyden gethan vnd han allein hir ynne sorge deyner persone." Do nü Senesba das hört, do erschracke er des vnd wart betrübt vnd sprach zu Dymna: „Es gezympt dem leben nicht, boßs wider mich furzunemen, wan ich 98 habe || yme nye args gethanw oder nymant nicht ynn der werlit. Aber villeicht 5 hört er erlogene wort, die do wider mich zu ruck gebraucht werdenn, dan ich weyß, das etlich wandel zu yme haben, die vol aller boßheit sein, vnd yme smeychel wort vor sagen w, als ob sie wäre seind. Nu bey wonuwg der lugner vnd bösen geburt haß vnd neyd, dan ich weyß, das vil herren des hoffs // sindt, die mich neyden vmbe den Stadt, der mir von dem konig zugeachtet ist. Nu ist der 10 konig souil vnd manigs male von seinen« getrewernm dynern, ynn die er doch glawben gesetzt hat, betrogenn worden vnd gefelscht, das er gantz trewloß worden ist vnd yetz von den getrewen vnd fromen vnd einfeltigen des gleichen glewbt, das er an den bösen funden hat. Vnd wirt eins mals gleich thun als ein wasser vogel. Der schwame des nachtes auff dem sehe vnd sähe eine« schatwanw 15 von einem stern vnd sähe das für eynen fisch vnd daucht sich vnter das wasser vnd sucht ynn die gantzen nacht vnd kunt den nicht finden. Zu letzst ließ er von seinem suchenn. Morgens yme tage sähe er eynen fische vnd gedacht, es were das, so er ynn der nacht gesehenn hette, vnd achtet das nit zu suchen oder zu fahenn [41*] vnd leyt do bey hunger. Wie, ob lugenhafftige wort von mir an 20 den konig gelangt sein vnd er vorsieht sich, nach dem im vor von den andernn gescheen sey, das solichs gein mir auch wäre sey, vnd gedenckt, mich dar vmbe zu vortilgenn vnd betracht nit, das ich seinem gemüt so gantze gewilligt habe, alles das vormyden, das ich woste, yme widerwertig zu sein. Wan nü zornoder neytt vmbe vrsachen aufferstat, so ist ein hoffenuwg oder besserung, das er 25 etwen gemiltert werden möge. Aber wenn sich haß, neyd oder zornw on vrsach aufferstehet, so ist nit hoffenuwg einer besserung, den wen die vrsach furgehaltenn vnd nit erfunden wirt , so wirdt der zorn hingelegt oder die vrsach wirt verantwort nach pillicher meynuwg oder durch gnade aberbetenn, aber was mit falsch zu ruck geschieht on furgehaltenrc vrsach, das wert biß yn den tod. Nuhe 30 weyse ich gantz kein vrsach, dar vmbe mich der konig so harte hassenn sol. Ich weyß auch nit, das ich mich mit yme nye gezweyt habe, ich habe dan zu zeyten ynn seynem heymlichenn rate wider ynn geredt, so mir sein furnemen nicht gefiel, vnd so er etwan also sprach: , Ich wil das also vnd nit anders,' vnd 100 ich yme sagt, was args yme do von entstünde vnd was || guts da von komen 35 mochte, wen er das vormytte. Vnd habe das nit offenbar vor nymawts, sunder alle wege heymlich vor yme allein geredtte. So geburt doch einem konig, das vnrecht seiner dyner zu wegen«, vnd nach grosse der Verschuldung peynn zu setzenn. Aber er sagt wäre," sprach Senesba, „welcher oder wer sich auff das mere gibt, der ist vrsach seins vntergangs. Vil mere, der sich gibt ynn dinste des 40 konigs, [41v] dan ob der konig frome vnwd getrewe ist, so ist doch mogelicher, das ein vnschuldiger durch etlich vntrew mitwoner ynn solich strick falle, dar auß yme die andern« nit gehelffenn mögen. Wer weyß, ob mir das allein geschieht ¡1 durch das gute vnd getrewe rate, so ich dem konig gethan habe, do

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2. K A P I T E L : VON D E M L Ö W E N UND D E M OCHSEN

mit. ich sein gnade furter dan meins gleichenn vberkomen habe. Dan der bawme, der gute ist, muß dick entgelten der vil seiner guten frucht, so er tregt, dan die este brechen von swere der frucht, vnd wirt auch bey weylen auff die erdenn zubrachenn. Des gleichen der vogel Kost, des flugel edler speyse, dan was sunst 5 an yme ist, vnd sein yme doch zu sunderm grossen schaden, dan wen er geiaget wirdt, so beschweren sie ynn, das er zu letzst zu der erden feit. Ein gute pferdt entgilte seiner stercke, dan es wirdt dester vester vberladenn vnd gebraucht, biß es vmbe kumpt. Des gleichen ein weyser fromer man, dem ist dick sein weyßheit zu schaden, dan er wirdt da durch von seinem mitwoner vorneydt, das io yme zu schaden dynt, dan an allen steten« findt man der bosenn mere dan frommen. Ist aber, das yme zufeile durch keyner der vrsachenn, so ist es villeicht ein vrtel gottes, die keyn mensche widerruffenn magk." Sprach Dymna: „Du salt wissenn, das die feintsehafft, die der leo tregt, ist durch kein der erzaltenn vrsach, sunder durch eygen gesamelt vrsache vnnd boßheit seins hertzenw, wan 15 sein anfanck ist alle wege süsser honig vnd sein end todtlicher vorgifft."

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Antwort Senesba: „Itz glewbe ich deinenw wortenra, das sie wäre sind, dan ich habe solich honig vorsucht, vnd daucht mich vaste süsse ynn der entpfindung. Nü finde ich, das [42rJ ich vff die gifft komen» bin, da von du mir sagest. Dann were mein begirde nit sunder zu dem leben gestanden» durch sein süssen willenn, wandel vnd wort, ich were bey yme nicht plybenn, sunder so er fleysche ysset vnd ich grasse. Aber mein wille vnd gelüste zu dem leben habenn mich ynn dise stricke geworffenn, vnd mir ist gescheenn als den bynen, || die 102 bey der sonne auffganck, so sich die plumen auffthün, dar ynne sitzen vnd durch die süsse, so sie dar ynne befindenn, vorharren biß zu der sonnen vntergang, da sich die plumen wider zuthün vnd dar ynne vorderbenn. Dann wer sich nicht leßt benügen mit zymlicher naruwg ynn diser zeyt, sunder des awgen nach volgenn der vppigen ere diser werlit, vnd kunfftiges nit bedenckt, der ist gleich der fligenn, dye nit gnugig ist, zu sawgenn die feucht der frucht, sunder die setzt sich an die korper der mechtigen thyer. Von den wirt sie dan zu tode gequescht. Welcher auch mit getrewem rate vnd liebe ynn arbeyt vnd müt seins gemuts beladet sein leybe durch dew, der es nit bedencket, der ist gleich dem, der sein heymlichkeit sagt einem, der nit gehört." Dymna sprach: „Vorlasse dise wort vnd suche wege dir zu fristung!" Antwort Seneßba: „Was rates mag ich gewynwen, wil mich der leo tod habenn? Dan // ich erkenne des lebenn 47 syttenn vnd seinen rate, vnd ob er mir guts gönnet vnd aber die rete, die vmbe ynn sind, bose, so mögen sie mit irer boßheit vnd auffsetzen mich leydigenn, biß sie zwuschenn mir vnd yme feindtschafft machenn. Denn wann ein gantze samlung der vorreter sich voreynen wider eynen, vnd ob der vnschuldig ist, noch mögen sie denn vmbe brengenn, [42v] vnd ob er wol mechtig vnd stargk ist vnd sie krangk, gleich als dem kamele von dem wolffe, rabenn vnd fuchs geschähe." Dymna sprach: „Wie was das?" Antworte Senesba: „Man sagt, es sey gewesen ein lewe, der hette drey mitgesellenn seiner dyner, ein wolff, ein fuchs vnd eynen rabenn. 19 Zeilen freigelassen

2,13. Der Löwe, seine Gefährten und das Kamel

AVff ein tag gingk do füre ein kawffmanw vnd ließ do ein kamele, das vor müde nit forter komen mocht. Das gingk vnd sucht sein weyde, do mit es sich wider zu krafft brengen mocht. Von geschieht käme es zu der stadt, do es den leben vnd [437] sein geselschafft fand. Zu dem sprach der leo: ,Durch was vrsache bistu hie ?' Antwort das kamele: ,Ich bin hie, zu dynen dem konig, ob er a mein geruchte, vnd zu ersattew sein geböte.' Antwort der leo: ,Gefeit dir vnser geselschafft, vnd wiltu mir getrewe sein, so magstu sicher bey vns seyn vnd pleybenn mit ruhe vnd on forcht aller widerwertigkeit.' Also pleybe das kamele bey dem leben manig zeyt. Auff ein zeit, als der leo was außgangenw, zu suchen sein speyse, do käme zu yme ein helffant, das sich i« streits gegen yme an name, vnnd wundet den leben mit seinen zenen vnd reyß ynn an mangen enden, also das der leo von dem helffant mit ommacht entran, wöndt vnd plutig zu seiner wonuwg, vnd mocht furbas sein speyse nicht mere suchenw. Es begäbe sich, das den leben sein hunger bestundt, vnd sach auch, das seinen gesellen speyse gebrache. Dis pracht dem lebenn trawren, vnd sprach i;> zu yne: ,Ich syhe vnd mercke ewren mangel. Nuhe were ich schuldig, euch als iüngen vnd mein dyner zuuersehen.' Die gaben antwort vnd sprachenn: ,Wir trawren nicht alleyn vnser nottorfft dan vaste mere vmb dich, vnsernn herren«. mit betrachtung, was an dir gelegen ist, mit grossen begirdenn deynen bresten zu wende« mit vnserm vermögend, das wir auch biß here nit gespart habenn.' »o Antwort ynn der leo: || ,Ich habe biß here ewernn vleiß vnd ernst befunden vnd getrewen rate, vnd mochtent ir außgan, villeicht fundet ir speyse, der ir vnd ich erfrewet werden mochten.' Vnd als sie auff des lebenn vorschaffenn auff das veldt kamen, do teylten sie sich von dem kamele, das sich [43v] nühe ynn ire geselschafft gethann hatte, vnnd trüge«, ann eynen rate vnd anschlag vnd 25 sprachen zusamew: // ,Was sol bey vns das camele, so es krawt isset vnd wir fleysch? Es ist doch nicht vnser natur.' Vnd sprach der fuchs: ,Nit bessers, wir gehen zu dem leben vnd raten yme, das kamele zu essen, vnd sagen yme, das es yme vnd vnser gantzen geselschafft vnnutz sey, vnd das wirt yme vnd vns zu gutem.' Antwort der wolff: ,Das mag nit wol sein vnd gezympt vns auch nit wol, 30 dem lebenn das zu raten, angesehenn den glawbenn, denn das kamele yme gethan hatt.' Sprach der rabe: ,Pleybt ir hye an vnser stadt vnd laßt mich mit dem leben redenn!' 16 Zeilen freigelassen

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[44?] Vnd do ynn der leo ersähe, do sprach er: ,Hastu icht e r i a g t ' Er sprach: ,Neyn, allein der vornüfftigk vorstat, vnd der awgen hat, der sieht, aber der konig hat vns die beyde genomew, doch haben wir eins gedacht, do mit wir hoffen, das leben für dich zu behaltenn vnd auch für vns.' Fragt der leo: ,Was 40 ist das?' Do sprach der rabe: ,Vns dunckt geratenn sein, das du nemest das kamele dir vnd vns zu speysew, dan es ist nicht vnsers geslechts oder wir des seynerm. Es gehört auch gantz nicht ynn vnsernn rate.' Der leo erzornt vber den rabenn vnd sprach: ,Sweigk, du vorfluchter! Got muß dich sehenden! Wie

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2. K A P I T E L : VON D E M L Ö W E N UND DEM OCHSEN

schnöde ist dein rate, es ist ynn dir weder trewe noch glawbe. Wie saltu so gedorstig sein, mir diesen rate zu geben, oder weystu nit, was ich dem kamel mit rneyncw wortew zugesagt vnd gesichert habe bey meynem glawben, vnd das ynn der werlit kein grosser gerechtigkeit nit ist dan zu hilffe komen dem vnschuldigen, des plut vnuerschuldet vergossen sol werdenw.' Antwort der rabe: ,Herre konig, du sagst wäre, aber durch einew leybe werden alle leybe diß hawßs erlost, vnd die leybe des gantzenrc geslechts vnd des konigs volck alles, das durch deynen tode verwysen wurde.' Der rabe käme wider zu seinen gesellen« beyden vnd sagt yne, was er geredt vnd wie yme der konig geantwort hette, vnd waren forter zu rate, wie sie die sache Volbringen wolten. Sprach der fuchs: ,Ich merck, das der leo allein sein glubde ynn disen Sachen besorgt. Do wider mästen wir diser sache ein solich gestalt geben, das der leo von seiner glubde gelediget wurde. YWf 44v]\a\c\it wurde er volgenn.' Sprach der rabe: ,Herre fuchs, wir losen gantz deynes rates zu vnserm heyle.' Der fuchs sprach: ,Mich wil gute bedüncken, wir gehen mit einander für das kamele vnd erzelen yme die vorgangen güttat, so wir von dem leben on alles myttel entphangenw habenn || mit erzelung, das wir schuldig sein, yme das zu widergeltenn, wie wol wir yme eins vierzigisten // nit.habennmochten zu vorgeltenn, der vns guts gethane habe. So mögen wir nicht finden, das wir yme gebenn, dar vmbe wollen wir yme vnd iglicher ynn sunderheit vnser selbs persone vber antworten, das er vns zu speyse habe, vnser iglicher also sprechend: »Herre konig, ich wil, das du mich essest, vmbe das du nicht hungers sterbst.« Wann vnter vns dreyenn das eyner spricht, so stehe der ander vnder vns für vnd spreche das selbe wort biß an das kamel. Domit erwerben wir gegen dem konig grossen willen, vnd wan es zu letzst an das kamele kompt, das es auch also spricht, so gehellenn wir dar ynne vnd bezewgenn, das yme vff sein glubde nit vnrecht geschieht.' Der fuchs gingk vor zu dem lebenn vnd sprach: ,Herre konig, der rabe hat vormals mit dir geredt, wie du deynen hunger vff diß male bussen mochtest, do mit wir, dein dyner, vnd dein gantze landt nicht durch deynen todt beswert wurdenn. 4 Zeilen [45rJ 20 Zeilen

freigelassen freigelassen

NV merck ich, das dir der rabe rohe meynuwg für gehalten hat, die yn dir als yn einem konig gantz keyn gestalt hat, dan der konig on glawben ist gleich eyner glocken on eynen don oder kalle vnd ein figur aller boßheit. Dar vmbe, herre konig, wollest mich, deynen knecht, vorstan, so findestu yn meynem rate, das dir dein hunger gebusset vnd von dir dein glawbe nit vorruckt wirdt.' Antwort der leo vnd sprach: ,Ich mag deines rates losen.' Der fuchs sprach: ,Herre, hastu nit woll vmbe alle dein dyner vorschult mit deyner trewen«, [45v] bewarung aller nottorfft, so du vns erzeygt hast die vorgangen zeyt, das wir vns selbst dir zu speyse crbitcmi ? So geburt dir, deins willens zu leben, dan die

2,13. Der Löwe, seine Gefälutcn und das Kamel

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recht sagen, das an dem, der vorwilligt, nit glawben gebrochen wirdt.' Antwort der leo vnd lobt den rate des fuchs vnd sprach: ,Von den weysen hört man weyßheit vnd von den getrewenw die guten rette.' Auff das ging der fuchs zu seinen gesellenn vnd sagt yn, wie er vom leo gescheyden was. Es gefiel ynn vnd beschicktenn das kamele vnd gingen zu dem lebenn. Also fingk der rabe an zu reden mit dem leben» vnd sprach: ,Herre konig, ietz bistu gleich dem tode genahet vnd betrachtest nit, dir selbs zu helffenn, aber vns gezympt, dir vnser eygen person zu gebenn durch die trewe vnd barmhertzigkeit, so du vns alle zeyt erzeigt hast. Dan von dir haben wir gelebt vnd hoffen, noch vnser nach komen von dir leben sollenn. Nu wil ich, herre, das du mich essest!' Do sprach der wolffe: ,Sweyg du, rabe, dan dein fleysche ist nicht gute, es were auch dem konig nit nütze, dan vngesünt fleysche meret die sichtagen. Nu bistu gantz ein swartz fleysche, von dem // ethica wechset. Mein fleysche ist gute, der konig sol mich essen.' Balde antwort der fuchs dem wolffe: ,Dein fleysche magk dem konig nymmcr mere gesundt seyn, dan wer sich gernn toten wil, der esse deynes fleyschs, so wirt er von stundt mit dem tode vmbe gebenn,' vnd sprach:,Herre konig, ysse mich, ich bin dir gesundt.' Das kamele tet auff seinen mundt vnd sprach: ,Fuchs, sweig, du weyst, das dein fleysch suchtig ist vnd dein leip gantze vol vnreynigkeit.' Vnd vorsähe das einfeltig camele, es [46'] solt vonn sein gesellenn auch also mit wortenn abgeret werden, vnd das solich worte allein hoffe worte sein solten, vnd sprach yme selbs zu grossem schaden: ,Herre, ysse mich, dan ich magk dich gesettigen, vnd mein leyp ist vol lustiger speyse vnd guts gesmackts, vonra plute vnd gutem fleysch durch zogen, mit guter feyste, dar vmbe, herre, nyme mich zu speyse!' 20 Zeilen freigelassen DEr rabe sprach: ,Herre der konig, das kamel hat wol geredt', vnd sprach wider das kamel: ,Du hast hofflichenn gethan, vnd ich magk [46v] auch, herre der konig, das euch wol gerattenw. Es magk dir deynen krancken, hitzigen leyb wol erfeuchtenn.' Der fuchs sprach: ,Kamel, deyn gesiecht nach dir sol des billichenn von dem konig genyssen, das du dich zu auffenthalt seins leybs geben wilt', vnd redet zu dem konig: ,Herre, wer sich begibt, an dem wirt nit gefreuelt oder keynerley glubde vberfarn. So das kamel so williglichen dir als seinem herren sich opfern wil, das das die gotlichenn gesetze habenn, das sie lebendig opfer mit vorgissung des pluts entphangen« habenn.' Der wolff sprach: ,Herre konigk, ich sage dir, das die bucher der rechten sagen, das ynn notten alle dingk des furstenn sein yme zu seyner nottorfftigenn nyessung vnd ob das on willen der vnterthanen geschieht, vil mit besserm gewissen angesehenn deynen krancken leip an des tode dem reyche mergklicher schade vnd abgangk ligen wurde. Nu ist mir nit zweyfels, dich sol das kamele mit seinem leybe mit gesundem, wol smeckenden fleysch also speysenn vnd settigen, das dir da von gare behende gesuntheyt entstan werde, dan sein fleysch ist alleyn von guten wolsmeckendenn krewternw erwachssen, da von dir wider ein gesundes, newes

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2. K A P I T E L : VON DEM LÖWEN UND DEM OCHSEN

plute geniert werden magk.' Vnd gingen die drey dar auff zusamenn vnd zugen das kamcl zu der erden vnnd gaben das dem konig vnd yne selbst zu speyse, wie wol der leo, als ob er erbarmung da mit hette, erzeigt. [47r] 19 Zeilen

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Dls beyspile habe ich dir furbracht, zu gleichen meynem konig, dem lebenn, vnd seinen gesellenn, dan ich merck, das sie vber mich vorsamelt sein, mich zu totten. Vnd ob der konig nit des willens ist, // so tragen sie deglichen die wort ynn sein oren, do mit sie doch zu letzste iren anschlag volbrengen. Aber es sprechen die weysen: ,Der loblichest vnter allen kongin ist, der do gleychet eynem adeler, vmbe den alle wegen vil todter korper sind. Der vnlobelichst konig ist, der do gleichet eynem todten korper, vmbe den alle wege vil geyren seind.' [47v] Dan hette der konig ein recht fridesam hertze vnnd eynen gerechten« willen gegen mir, doch so mochten yne zu letzst soliche vnnutz worte vmbe wenden oder sein gutigkeit || vorkerenn, dan du syhest, das die tropffenn des wassers so lange auff eynen harten stein fallenn, biß sie ein loch dar eyn machend." Dymna sprach: „Was dunckt dich gute, das ich hir ynne thun soll?" Antwort Senesba: „Ich weyß nit bessers, dan wege zu suchen zu eyner erredtüng meyner persone. Dan ich weyß keynen gerechternn streytt, dan das eyner seinem gesellen, zu dem er vortrewt ist, glawben heltet, vnd der für seynen eygen leip getrewlich flehtet wider die, so yme sein leben mit falscheit kurtzen wollen. Dan yme begegent zwev gute: Das eine, wirt yme do zwuschen sein leben genommen, so hat er ewigs lebenn, wan er ist vmbe die vnschult gestorbenn. Das ander, mag er sein leben geredten, biß die falscheit an den tag kompt, so vberwindt er seinen feindt vnd macht den zu schänden." Antwort Dymna: „Es geburt sich nit einem vorstendigen man, sich yn arbeyt des todes zu gebenn, so er doch entsagen magk mit andern fugsamen anschlegenn. Dan stürbe er also, er wurde an yme selbst schuldig vnd sundet, dan ein weyser sol sein anligende kriege zu ende setzenn vor allen andernn seinen geschefften. Es ist ein gesprochen wort, das nymant seinen feind vorachten sol, vnd ob der vaste swach vnd nit achtbare were, so weystu doch die stercke des lebenn vnd auch sein macht. Dan wer seins feindes gescheffte vor acht, dem geschieht [48T] als einem vogel, der was ein furste des meres gegenn zweyen wasser vogeln." Senesba sprach: „Wie gcschag dem?" Antwort Dymna: „Es waren zwehen vogel an des meres gestadt, ein man vnd ein weip. Vnd do das weip iünge gemacht, do sprach sie zu dem manne: ,Besyhe vns vmbe ein ander Stadt, die sicherer sey dan die, do wir vnser iungen erzyhenn mögen, biß sie selbst gewandern mögen/ Antwort der man: ,Ist nicht diß ein sicher stadt! Hie ist wasser vnd lufft vnd lustiglich gestadt mit guten krewternn vnd besser dan wir lust finden mögen.' Das weyp sprach: ,Gedencke, was du sagst! Syhestu nit, das das mere auff gan vnd vns Vilser nehest mit den iungenn hinfuren magk?' Der man sprach: ,Ich magk das nicht glawbenn, dan der furste des meres wurde vns an yme rechen.' Antwort das weip: ,Wie torlich redestu! //

2,14. Die beiden Vögel und das Meer. — 2,15. Die schwatzhafte Schildkröte

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52 lio W e y s t du nit, || das nymarit so starcke ist ynn der werlit, der des meres gewaltig sey oder yme vnd seinen fursten wider stehen möge? E s ist noch wäre, das man spricht, es sey keyn schedlicher feindt dann ein man y m e selber. D a s bistu auch. Volge vns vnd laß vns von vnser stad weychenn!' Vnd do der man dem rate seines weybes nit volgen wolt, do sprach sie: ,Wolcher nit guts rates s seiner freund volgen wil, dem geschieht zu letzst als der schiltkroten.' D e r man sprach: ,Wie was das ?' Also sprach die frawe: ,Es waren ynn einem felde bey einander bey eynem bronne ein geselsehafft, zwehen vogel vnd ein Schildkröte. Vnd vff ein zeyt begäbe es sich, [ 4 8 v ] das es lange nicht regent, vnd vorsyg der bronnew vnd wart das ertrich vaste dürre. Des halbe wurdenw die vogel zu rate, sich von der stadt an ein andere, do nit gebresten des wassers were, zu thün, vnnd gingen zu der schiltkrotten, vrlaup von ire zu nemenw, vnd sagten iren gebresten des wassers. Die schiltkrott gäbe ynn antwort vnd sprach: »Ich weyß, das euch nit wassers gebresten mag. I r mögt das alle wege zu ewer nottorfft erholenn, aber mir armen, die allein y n n wasser lebenn muß, magk dar an gebrestenn, vnd bite euch, thünd mir gnade vnd nempt mich mit euch.« Sie sagtenn ir das zu vnnd sprachenn: »Nun luge, wann, so wir dich durch die lufft füren, bekompt dir ymandts, das du nit redest, oder fragt dich ymandts, das du nicht antwort gebest.« Sie sagt ynn das zu thuw. Sie sprachen zu ir: »Nyme ein cleins holtzlin ynn deine«, mundt vnd behalt das auch gare harte ynn deynen zenen, so wil ich das an einem ende vnd mein geselle an dem andernre ortt nemen vnd dich also flygennde m i t vns durch die lufft füren an die Stadt, die wir außerweit habenn.« Das geschach also, vnd do sie ynn durch die lufft ynn der hohe fürten, do sahen das etliche seins geslechts, das sie schwuren zu yme wunder: »Sehent vnd schawet wunder, do flewcht die schiltkrote durch die lufft zwuschen zweyen vögeln.« D o das die schiltkrote erhört, gäbe sie a n t w o r t : »Iahe, ich flewge hie, ob euch das we thut.« Vnd als sie iren mundt auff thete zu reden, do entging ir das holtzlin auß iren zenen, vnd viel her nyder zu der erdenn, das sie starbe.'

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DO sprach der man zu dem weybe: ,Ich habe deyn worte vorstanden, a b e r a c h t nit des meres.' E s geschag, do das weyb ire vogelein außbrutet, do Vorname der furste des meres, das ynn der vogel so gare vorachtet, vnd wolt 35 merckenn, wie der vogel sich sein erweren wolt, oder wes r a t e er darynne habenn wolt, vnd schuffe das mere zu wachsen, also das er dem vogel sein iungen mit dem nehest hin füret. D o das weyb dis befandt, sie sprach zu dem 53 m a n n e : ,Nu ist vns dein thoreheyt vff vnsernn // hals gefallen m i t vorlust vnser kinder.' Antwort der f49"] m a n : ,Du wirst noch befinden^, das vnras der furste 40 112 des meres vnser kinder vndancks wider geben muß', || vnnd hübe sich auff vnd gingk zu seinen gesellen vnd allenn andern vogeln bey dem mere vnd clagt yne, was yme zugefugt were durch den fursten des meres: ,Vnd woe das nit furkomen wurde, so wissent ir nicht, woe euch des gleichenn begegenn magk.' Die vogel 4

Geißler, Anton v. Pforr

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2. K A P I T E L : VON DEM L Ö W E N UND DEM OCHSEN

gaben yme antwort alle: ,Vns myßfelt, das dir geschehenn ist, vnd dunckt vns billich, dir hilffe zu thun. Aber was mogenn wir wider das mere vnd seinenw fursten fechten» ? Aber vnser hilffe nach vnserm vermögen«, saltu an vns finden.' Antwort er: ,So ist mein rate, das wir alle gemeinlich gehenn zu der kongin der 5 vogel, das ist der storch, vnd ist vns zu suchenn.' 17 Zeilen freigelassen io

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[50r] Vnd do sie die suchtenn, do funden sie die bey irem volck vnd clagten ire des vogels mangel, der im durch den fursten des meres zugefugtt were: ,Nu bistu vnser kongin, vnd deyn man ist stercker dan der furste des meres.' Die storchin name die clage auff vnd schreybe irem man wo, das er eynen streytt vbte wider den fursten des meres. Do der furste des meres das hört, do weste er sich gegen dem fursten der vogel zu krangk vnd hyeß, dem vogel sein kint wider antworttenw. D l ß beyspile habe ich gesagt, das dir nit nütz ist, den konig zuuerachten vnd wider ynn zu fechten vnd dich do mit ynn sorge des todes zu gebenn." Antwort Senesba: „Nichts dunckt mich besser, ich gehe dan zu dem konig vnd erscheyn gleich frolich vor yme, das ich yme kein argen willen erzeyge, den gleich wie ich vor zii yme gangen bin, biß ich von yme syhe, das er zu forchten ist." Do diß Dymna hört, hatt er dar ob mißfale vnd gedacht, wirt der leo nit die zeichen an yme sehenn, die er yme vor gesagt hette, so mocht der konig gedenckenn, das sein Vortrag argwenig were, vnd mochtenn da durch sein anschlege offenbar werden, vnd sprach zu Senesba: „Nahe dich zu dem konig, so machstu warlich befinden durch sein geberde, was ynn yme i s t . " Antwort Senesba: „Wie magk ich das wissenn?" Sprach Dymna: „Wen du zum konig kompst, sychstu yn dan frolich stan vnd gegen dir sehenn, als ob er zu fechten bereyt sey vnd wegt sein hewbt gein dir vnnd sieht dich mit gesperten awgen an, mit eingedruckten?! oren, vnd das er mit seinem wadel auff die erdenn klopfet, so wisse, das du todt bist, vnd hut dich vnd biß [50v] bereyt zu der were." Antwort Seneßba: „Syhe ich vonn dem lebenn, das du mir sagst, so mercke ich, das du mir wäre hast gesagt." || Do nun also Dymna das gemute des lebenn // wider Senesba vnd das n * si hertz Senesba wider den lebenn bewegt vnd irrig gemacht hette, do ging Dymna zu seinem bruder Kellila. Der sprach zu yme: „Durch was vrsach kompstu zu mir ynn deyner sache?" Antwort Dymna: ,,Yetz nahet heyl vnd gluck nach meyner begirde vnd deynem gefallen, dan ich habe soliche widerwertigkeit zwuschen dem konig vnd Senesba gemacht, das ich weyß, das Senesba von des konigs henden sterbenn wirdt." 19 Zeilen freigelassen [51T] DO mit stund Kellila auff, vnd ging er vnd Dymna zu dem lebenn. Ynn dem käme Seneßba auch zu dem lebenn gangenw. Der leo name wunder abe Senesbas zukunfft vnd gedacht an die wort Dymnas vnd besähe Senesba mit sorgenn vnd mit zorn. Vnd do Senesba von dem lebenn die zeychen,

Der Löwe tötet Senesba

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die yme Dymna vor gesagt hette, ersähe, das er gegen yme mit zorniglichen geberdenn auff stund vnd sein oren smuckte vnd mit seinem wadel auff die erden schlugk vnnd ynn mit gespertenn awgen ansahe, auff stundt gedacht er, das yme Dymna vor gesagt hette, vnd sprach zu ym selber: „Vnselig ist der,der ynn der konig sal wesen sol, dan er muß ynn den grostenn sorgen lebenn » gleych dem, der bey slangenn vnd gyfftigen thyren wonet ynn iren kamerrm, dan es magk bey denn gut ende nemen on mercklichen schaden ires leybs oder der crenra," vnd gedacht auch, da mit vmbe sich zu lugenn vnd mit vorteyl ynn den sale zu stan auff die redde Dymnas, das er dem lebenn entweychen mocht oder zuuerkomew, biß durch ymant gescheydenn wurde. Do der leo sähe 10 Seneßbam vorteylig stan vnnd sein vmbe sehenn, erste glawbet er, was yme Dymna gesagt hette, was geberde Senesba habenn würde, vnd slugk ynn vbel, vnd Senesba weret sich, so beste er mocht, doch mit erbittung fridelicher wort. Aber des leben müte was so yme zornw erbronnen», vnd slugk Senesba so grosse wonden, das Senesba tod pleybe. Der leo sache Senesba todt lygenn vnd besähe 15 ynn vnd wart betrübt ynn seinem gemute, das er on rechtlich erfindung der warheytt vnd rechts Senesba von dem lebenn zum tode vnnd yme sein plut vorgossenn hette.« Sequitwr aliud caspitulum.

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»Als nü Kellila dis gesehenn hatte, sprach er zu Dymna: „Luge das end deyner werck vnd deyner rette, die freylich bose seindt gewest, dan du hast den lebenn betrübt vnd Senesba ertotte vnd das die hertzenn des gantzen hoffs verkert 25 gegen dem konig, das sie schreckenn dar ab ob diser sache gewonnen, so sie den konig biß here alle zeyt guttig gefünden vnd yetz so tyrannische ersehenn habenn. Vnd zu dem allem ist zu besorgenn, das dein gute worte, do mit man dich biß here gelobt hat, gantz zu hasse komen ist, vnd so sie diese dein vbel55 thatt befindenn, dan // es ist gantz vnmogelich, das es nit offenbar werde. Hastu 30 nye gehorett, das es ein vnnutzer rate ist, were krieg oder plutvorgissuwg [52r] sucht, dan es solt ein weyser sich vor kriege bcwarenw, so ferre er kundt vnd mochte, auch seinem herren den on mercklich vrsache anzufahenn nit ratenn, dan sein außgang ist zweyfelhafftig. Vnd man spricht, das nye sache hoher synne bedorffent dan krigk vnd hoher weyber liebe, wer die an mißgluck 35 116 treybenn sol. || Ich sage dir, Dymna, ich besorge, das dir dein vbergelust eren vnnd gewaltes durch disen falschenn anschlagk zu bösem ende brengen werde vnd werdest zu letzste samein, das du gezwickt hast, vnd schneyden, das du gesebt hast, vnd böses vber dich vnd mich gehenn werde. Ich habe dich vom anfangk gestraffet vnd dir geoffenbart, was dir nach volbrachter sache nach 10 118 volgen werde, || aber ich habe gefunden, das mein lere an dir nit verfangen hatt, vnd ich volge pillich dem, der do spricht:,Nicht bekomm er dich, den zu weysenn, der nit volgen wil, lerne nit, der nit lernen magk, straffe auch den nit, der vngestrafft sein wil.'" Dymna sprach: „Wie was das?" Antwort yme Kellila: 4*

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2. K A P I T E L : VON DEM L Ö W E N UND DEM OCHSEN

„Man sagt, es sein gewesenn auff einem berge ein schare der affenn. Nachts auff ein male was es kalte, vnd sie sahenn eynen scheynn vonn einem nachtwormlein vnd sie wonten, das es ein fewer were, vnd sie samelten vil holtzs vnnd legtenn das vber den scheynn vnd plysenn die gantze nacht mit munde vnd mit henden. Nähe was des wormleins scheynn vnder einem grossen bawme, dar auff vil vogel waren, der etlich her abe kamen« vnd sprachen zu den äffen: ,Ir werckend vmbe sunst, dan diß ist nit solichs, das ir wenendt.' Vnd do sie das nit vormeyden woltenn, do strafft sie der ein vogel ires törichten gemuts. Zu dem ging eyner vnter den [52"] affenre vnd sprach: ,Liber, nit weyse, das nit vnterwysen wil sein, vnd nit lerne, das nit lernen magk, vnd nichtt straffe, das sich nit straffen last! Dan ein stein, den ein bickel nicht brechenn mag, sol keyner mit seinem guten swert vnterstan zu hawbenn, vnd nichtt vnterstan zu eyner wide zu machen, das sich nicht bygenn lest. Dan wer sich des vnderstehet, der nympt des keynen nütz.' Vnd do der vogel sich dar an nit kerenn vnd von seiner straffe nit lassen wolt, begreiff ynn eyner vnd tratte ynn mit seinen fussen, das er starbe. 19 Zeilen freigelassen [ 5 ^ ] NVn, so ich syhe, das du des gemutes bist, so hilfft an dir mein straffe noch lere nicht, dan dein hertze ist vmbe fangen mit vppiger ere vnd betrigniß, die beyde bose sytten wol vornomen ynn den fabeln, so du mir gesagt hast, biß das der leo Senesbam thodt slugk. Nü offne mir, wye [61T] sich Dymnas sache begäbe biß auff die zeyt, das der leo ynn auch totten ließ.«- Antwort Sendebar: »Herre konig, man sagt, das der leo Senesbam ertot het. Nach etlichen tagen 40 dar nach rawe es ynn hart, das er solichs so schnelle vnd on gute vor betrachtniß gethon, ynn auch nit vor zu rede gestellet oder komen lassen hette, dan er was // an gedenck seins guten getrewen radts, seiner vornufft vnd adelichenn gemessen wandels. Vnd dar vmbe name sich der leo an, vil zu sitzen vnd zu wonen ergetzlichs geschaffte, da durch er diß seins widermuts vorgessenn vnd den yn

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Dymna und Kellila. — Der Löwe und seine Mutter

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frewden gewandel mocht. Nu was vnder den selben seiner dyner eyner, der leopart, nach dem vnd er eltest vnd der edeler was für die andernn des konigs dyner. Do name ynn der konig zu seinem sundernw vnd heymlichen ynn seiner kamer, von den er auch alle tage rate name, vnd handelt mit yme heymlich ding vnd behilt ynn stets bey yme. Es begäbe sich auff ein zeyt, das diser leopart abents bey der nacht durch das hawse gehen ward, do Dymna vnd Kellila ynn wonten, vnd hört die wort Kellile, wie er Dymna strafftt vmbe die grossenn vorreterey, die er gegen dem konig getriben, do mit er ynn zu dem tode slag Senesbe gereytzt vnd bracht hette. Dan Kellila woste allen handel, den Dymna wider Senesba on alle schult gewbt hette, vnd vorweyst ynn, das er von dem leben dar vmbe nymmer mere vngestrafft kerne, dan es were vnmogelich, das solicher mort, dan er durch sein lygen vnd auff satz getriben hette, zu letzste nit geoffenbart vnd lone dar vmbe nemen solt. Des [61v] antwort Dymna: ,,Neyn, es ist nü so ferre komen, || das es nit mogelich ist, das es mere geöffnet werden möge. Vnd dar vmbe ist der worte furter zu sweygen vnd wege zu suchen, wie man des leben gemute von seiner trawrigkeit wider brengen mocht vnd dem nit wider wach zu betrachtenn, dan es ist gescheenn vnd hat mich doch selbs gerawenw, das ich des ein vrsach gewesen bin, vnd hat mich doch mein gelüste dar zu gedrungene." Diß alles hört der leopart vnnd ging zu des lebens mutter vnd sagt, was er von disen zweyen gehört hette. Morgens vaste frühe hübe sich des leben mutter auff vnd gingk zu irem sone. Vnd do sie ynn trawrig fandt, do merckt sie, das es vmbe nicht anders was, dan das er Senesbam on vrsach getodt hatte, vnd sprach zu yme: „Wisse, sone, das dein rewhe vnd sewfftzehen dir nit wider geben mogenw, das du verlorn hast, sunder sie krencken dir dein leybe vnd gemüte vnd vorliren dir dein vornufft. Dar vmb offne mir, was ist die vrsach deyner betrupniß? Dan es ist ein sache, dar vmbe pillich zu trawren ist, so wisse, das keyner deins hoffe gesindes, er hett mit dir mit leyden, vnd ob das wider pracht mocht werden seins fieyss. Ist aber das allein dar vmbe, das du Senesba ertotei hast, so ist offenbar vns allen, das du vbel an yme gethan hast vnd das er vnuerschuldt tot ist. Hettest du aber deynen zornigen willen zu der // stund deins zorns gemeistert vnd betracht das leyt vnd smertzew, das du yetz dar vmbe hast, so were dir warheytt geoffenbart worden. Dan es sprechen die weysenn: ,Wer ein ding hasset, des gemut habe auch erschrecken oder schewhung dar ob.' Nü sage mir, wie was dein [62r] gemüte gegenn Senesba, ee du ynn ertötest, vnnd wie dar nach." Antwort der leo: „Ich habe yetz zu vil ynn meynem hertzen betracht diser geschieht vnd ynn meynem gemute bedacht vrsach wider ynn vnd kan das nit finden, war vmbe ich das gethan habe. Dar vmbe rewet es mich vnd brengt mir wider mute vnd trawrenw, dan alle vornufftige meins hoffs haben es da für, das Senesba vnschuldiglich tod vnnd, was wider ynn gesagt, trugniß sey vnd das er eynes gerechten vnd einfeltigen hertzen gewesen sey. Doch so hat wider ynn gefordert der gryme Dymna, ich mein mit lugen vnd mit schalckheit, vnd mir von yme gesagt, das ich meyn, Senesba nye gehört oder gethane noch ynn sein hertze zu thün genomen habe.

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3. K A P I T E L : VOM GERICHTS V E R F A H R E N G E G E N DYMNA

Aber, mfiter, ich merck, das du da von etwas gehört hast. Sage mir, was ist das!" || Antwort die mutter: „Mir ist gesagt von einem getrewen freundt, Dymna 136 habe diß wider Senesba gehandelt mit grosser falscheyt vnd habe dich vorfurt vnd dein hertz vorkert, vnd die vrsache, das er Senesba hat gehassett vmbe 5 die wirde, so du an ynn gelegt hast vnd das du yme so gnedig gewesen bist." Sprach der leo: „Mutter, wer hat dir das gesagt?" Antwort die mutter: „Der mir das gesagt hat, der hat mir verbotenn, ynn nit zu melden. Wann nü eynem ein heymlichkeit vortrawt wirt, so sol er getrewe sein ynn dem, das yme vertrawt ist. Der betrewgt seinen«, freundt, der yme das sagt, vnd gewynt da 10 durch eynen schnöden lewmoth, das yme forter nit zu getrawen ist, keynerley sache hinder ynn nit zu verbergenn." [62"] 18 Zeilen

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„ 0 , frawe mutter," sprach der leo, „du sagst wäre, vnd es ist vrsache, wie du meldest. Doch sol nymant sein freunden die warheit vorschweygenn, besunder die offnen, das da durch vnschuldigs plute gerochen werde. Dan wer die schuldigen hilfft vorlegenn, der wirt nit emphaer des getaters. Der konig sol auch nymant vnrecht thün. Ich wil auch auff dein worte nymant peynnigen« oder 2 0 vrteylenn, biß ich die warheit erfare, dan plut vorgissen ist swere gegen got. Vnd ob ich vbel an Senesba gethan habe, on schuldt yn zu totten, das ist mein rewhe. Vnd des gleychenn sol von mir nit mere geschehenn gegen Dymna an zu gan vnd erfarung der warheit. Vnd [63TJ ich syhe, das du weyst denn, der dir das gesagt hatt, dan du gewynst schuld, das // zuuerdrucken." Antwort die «s 2 5 mutter: „Du hast recht gericht, aber ich wonte, das du nit zweyfeln soltest an den dingen, die ich dir sagte, vnd an meyner sage solt die gezewgnis gnugsame sein." Sprach der konig: „Ich acht dich gein mir nicht anders dan getrewe vnd warehafFtig, aber ich wil, das du den öffnest, der dir das gesagt hatt. Da durch wirt mein gemüte dester ruwiger." Antwort die mutter: „Bin ich ynn deynen 3 0 awgen getrewe vnd gerecht geschätzt, so peynnig disen grymmenw verfurenn, als du denn andernw on schuld gepeynnigt hast." Sprach der leo: „Dir kann noch mag keyn vngleychs da von enstan, das du mir den öffnest." Antwort die mutter: „Iahe, mir mag groß args da vonn entstan, dan ich wurde pillich dar vmbe schnöde geschätzt ynn des awgenn, der mir sein heymlichkeitt geöffnet 35 hat, das ich denn betrüge. Forter wurde mir keyner heymlichkeit mere vortrawet." Vnd do der leo das vorname, do merckt er, das yme sein müter solichs nicht offenn wolt. Do ließ er sie freuntlich von yme scheydenn. || Morgens frühe 138 geböte der konig allenn seinen alten vnd weysenn seins volcks auß aller seiner schare vnd schickt nach seiner mütter vnd nach Dymna. Vnd do das gantze «0 hoffe gesinde zusamen käme vnd alle sein rete, do saß der leo vor ynn mit trawrigem geneygtem hewbt, schemig, das er Senesba getott hatte. 2 Zeilen

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[63"] 18 Zeilen

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Die Gerichtsverhandlung

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Sprach Dymna ynn seinem gemüte: „Ich merck, das hewt der tag meyner rechtfertigung komen vnd das plut Senesba vber mich schreyenn wil." Vnd sprach zu den, die vor yme stunden: „Ware vmbe erzeigt der konig so ein trawrig antlitz ? I s t aber icht newes vorhanden, dar vmbe er vns besamelt hat ? " Dar auff antwort des lebenn mütter wider D y m n a : „Alle trawrigkeit vnd r> rewhen, die du am leben siehst, ist alleyn dar vmbe, das er dich bey dem leben gelassen hat, vmbe das du vnderstanden, auch volbracht, das du den konig durch dein vorkerte vnd lugenhafftige wort bewegt, Senesba zu todten." Antwort Dymna: „Ich syhe [64*] nit anders, dan was dieweysenngeredet,das sie wäre gesagt habenn also: ,Wer sich fleysset, alle wege recht zu thün, dem ist 10 rewhe vnd widerwertigkeit alle wege nahet.' Aber diß exempel berurt den konig nicht vnd sein hoffe gesinde, dan sprechen die weysen: ,Wer den bösen anhengt, vnd ob er bose yn seinem gemute mit yme nit vbet, der magk doch von yne vngelestert nit komenw, wie vaste er sich hutt. Dan es ist nymants ynn der werlit, der gutz vmbe gutz gebe dan allein got ynn dem hymel, wie wol das 15 66 von art vnd recht auch zustan solt. Aber wer das finden wil, der darff // das yn der konig hoffe nicht suchen, sunder yn dem abscheyden lebenn, die allein got dynen vnd vmbe die libe gotes vmbe boßs guts gebenn.' Aber ich habe mein liebe vnd getrewenn dinst allein geleyt an den konig vnd mein getrewen rate mit yme geteylt, behut vnd bewart wider den, der sich gericht hat wider die 20 gerechtigkeit. Mein gedancken haben mich zu diser widerwertigkeit vnd arger schuldigung gewisen, yme zu offnen, was ich von ymands argwons befunden habe. Vnd die vorretniß von Senesba wider den konig ist gantz offenbar gewest, vnd ist yme die warheit kunt worden durch erfaruwg. Vnd wil der konig, so erfragt er noch von diser Sache vnd sehe dar ynne mit den awgenw der wareheyt, 25 so findt er die gerechtigkeit meyner wort ynn allem dem, das ich yme geoffenbart habe. Dan das fewer, das yme stein ist, mag dar auß nit gezogen werden dan durch list. So mag auch das vbel nit vorborgen pleyben, dann so man das 140 mere erfragt vnd ergrundt, || ye mere es lawtbare wirdt [64v] vnd scheinlich als ein vbelsmeckende grübe. Y e mere man die vbt, ye mere man boßs gesmacks do 30 befindt. Dan were ich der schuldig geteter, ich were freyliche gewichenn biß zu ende der werlit, sie ist doch wol als weyt, das ich mich da durch entseyt haben wolt. Ich bleyb für wäre nit ynn des konigs hoffe, allein das ich meyner gerechtigkeit getrawe vnd der vnuorteylkeit meins hertzenn. Vnd ynn der vnschuldigkeit meins hertzenw vnd meyner hende bin ich plyben vnd nit 35 geflohen. Aber ich bite den konig, ob vor yme gemyscht worte gebraucht wurden diser sache, so lasse er dar nach erfaren vnd die warheit ergrunden, also das der, so zu solicher erfarung geordnet werde, ein fromer, slechter, berichter man sey, der nicht zwey antlitz trage vnnd das ynn disem erfaren nit vorteyl sey vnd das der konig mich vnschuldigen nit vom leben zum tode 40 brengenw wolle, vnd das verhorer geschickt sein, dem konig mein vnd andere wort anzubrengenn. Dan so sehe der konig vnd gebe recht vrteyl vnd vrteylt nit nach den Worten der neydigen vnd die mich hassen, besunder der erbern« warheyt nach, dan seintmals itz geoffenbart wurde, der konig habe auff falsch

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3. K A P I T E L : VOM G E R I C H T S V E R F A H R E N GEGEN DYMNA

vnd neydig wort, die y m e f u r b r a c h t sind, S e n e s b a e r t o t on schult, vnd er h a b e der w a r h e y t vor n i t n a c h erfarung gethan, so ist y m e itz billich, forter zu h u t t e n , das er solichs a n mir n i t auch thü, ee er die rechten warheyt erfundenn h a b e . D a n ich h a b e v o m konig ein hohen Stadt, den vil ander neben m i r begerenw. D a r v m b e sein sie m i r neydig, v n d weyß, das sie den konig gernw gein m i r vorkertenn. V n d wil der konig iren verfurlichen wortew glawbenn, so weyß ich, das er gedencken wurde, // mich [65T] vmbezubrengenn, vnd das mir do von nymaret dan allein got gehelffen mag, der allein die hertzen der m e n s c h e n » erkent. N u n spricht m a n , wolcher etwas zweyfelt vnd die warheit an das licht nit b r e n g t t vnd bedenckt, was er t h u , des sache wirt zu letzst als die g e t a t eyner frawenw, die der k n e c h t betröge durch iren b u l e n . " S p r a c h der leo vnd alle ander y n n der s c h a r e : „ W i e was d a s ? " D o hübe auff Dymwa vnd s a g t : „ E S ist gewest y n n eyner s t a t ein zymmerman, der h a t t e ein hübsche weyb, die h a t t e ein bulen, der was ein maier. Zu dem sprach die f r a w e : , I c h wil, das du mir ein zeychen m a c h s t , do b e y ich dich n a c h t e s erkenne, das dir n i t n o t t sey, zu ruffenw oder zu klopfenn.' D e r bule s p r a c h : ,Ich wil m a c h e n n ein cleydt halp w e y ß vnd swartz, v n d wen du das cleyt siehst, so merck, das ich do sey.' D a s gefiel dem weyb. D i ß erhört der h a w ß k n e c h t vnd n a m e dar auff a c h t vnd sähe den bulen n a c h t s also vor der thure, vnd die frawe dem zeychenn nach zu y m e j a h e . V n d auff ein male begäbe sich, das der maier a b e n t s y n n des konigs hoffe a r b e y t t e n m ü s t vnd der z y m m e r m a n n i c h t do h e y m was, do zwuschen gingk der k n e c h t zu des maiers weip vnd b ä t e sie, y m e zu leyhen das || gemalt cleyt ires mannes, vnd legt das an vnd ging gegen» seynes meisters ws hawse. S o balde die frawe das cleyt erblickt, on forter erfarung oder frage entpfing sie den k n e c h t vnd t h e t e seinen willen. D a r nach b r a c h t er der malerin ir cleyd wider. D a r n a c h k ä m e der maier h e y m v n d legt diß cleydt a n vnd gingk gegen des z y m m e r m a n s hawse. Die frawe ging y m e entgegen?» [ 6 5 v ] zu der thüre vnd s p r a c h : , W a s gemeynt, das du so balde auff dise n a c h t wider kompst, so du doch vor vnlangens m i t mir deinen willenn v o l b r a c h t h a s t ?' D o diß der maier h ö r t , er erschrack v n d ging heym v n d m e r c k t , das y m a n t anders b e y ire gewesen was, v n d erfure, das sein weip das cleyt h a t t e h y n gelyhen. D o slugk er sein weyb vnd vorbrandt das cleydt. 20 Zeilen

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R E g i r u n g , die n ü t z b a r end nemen, sol n i c h t eyle habenn v n d besunder y n truglichenn Sachen dan m i t guter eygentlicher erfarung. [66r] D a r v m b e h a b e ich diß beyspile gesagt. D a n h e t t e die frawe zum ersten b a ß erfarung gethan?«. v n d n i t dem ersten z ü f a R glawbt, so were sie nit betrogen wordew. D a r v m b e 40 sol der konig yn truglichen?i Sachen nicht eylen, dan die sunde wurde auff y m e auß g a n , v n d ir alle bedorfft n i c h t zweyfeln, das ich das vor forcht des todes rede, dan ich weyß, das der t h o d einem iglichen menschenn k o m p t v b e r sein willen v n d das sich des n y m a n t erweren mag. D a n was lebt, // das m u ß sterben, ob es h u n d e r t menschen leben y n y m e h e t t e . D a r v m b e weste ich, das der

««

3,1. Die treulose Zimmermannsfrau. — Die Gerichtsverhandlung

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konig sunder gefallene ynn meynem tod hette, ich Sprech selber vnschuldiglich, ich were des zygs schuldig. Allein laß ich das dar vmb, das der konig sein handt nit beletz mit vnschuldigem plut, dan wie er mir das thette, so wurde er bedacht, das er solichs noch vil andenrn auch thun mocht vor erfarung der warheit. Vnd das were dan dem konig ein groß hinderniß, vnd gebe got, das 5 auff hewt mein vnschult offenbar werde! Dar nach wolt ich mit willen auff stund sterbenn! Aber ich forcht mir, zu sterben on erfindung meyner vnschult, vnd das ich disen lewmot hinter mir lassen must." Des antwort yme eyner auß der schare vnd sprach: „Dymna, du sagst nit wäre, das du dise warnuwge durch liebe, die du zu dem konig hast, thust. Dan i ) allein vmbe rettung deins lebens suchst du dise list, das du zwusschen entrynnen mochst dem strigk, dar ynne du gefallen bist." Antwort Dymna: „Verflucht seystu! Ist das vnbillich, das ich mir selbs mein lebenn redt, so ich den tod nit verschult habe ? Oder hat ymandt [66v] etwas, das yme neher sey dan sein eygen persone? Vnd es sey dan, das ich mich selbs gedenck zuuersprechenn 15 vnd vrsach meyner erretung such, wer ist vnter euch allen, der es für mich thw ? E s sprechen die weysen: ,Wer yme selber nit getrewe sey, guts zu thun, der thu es auch nymant anders.' Dan yetz hat sich deyn neyt vnd haß geoffenbart durch deynen mundt, den du gegen mir nit vorbergen magst. Vnd alle, so dise deyne wort gehört habenn, vorstehen, das du dich selbs zu erkennen geben 20 must als eyn neydiger vnd deyn boßheyt nit von dir selbs vorsweygen, dir zu schaden. Wie vil mynder magstu dan andern nütz oder gut sein, vnd gehörst wol vnter das vnuernufftig flehe vnd nit vnder die thier des konigs hoffe!" Vnddo Dymna dyse worte gesprach, do ging diser vngeantwort vnd gesmeht hinwegk. || 144 Auff das sprach des leben mutter: „Mich wundert nit dan deyn behende 25 zünge mit den Worten der fabel, die du iglichem wider dich redent erbiten kanst, so du doch die vorretrische sache volbracht hast.'' Antwort D y m n a : , , War vmbe sichstu allein mit eym awgenra vnd hörst mit eim oren vnd losest nit mit den oren der gerechtigkeit oder lugest mit den awgen der trewe? Dan du volferst nach deynen synnen, vnd ich syhe, das nü vngefelle mich vorwandelt hat vor 30 deynen awgen vnd höre keyn, der die warheit vnd gerechtigkeit nach rede, sunder sie alle mit falsch vnd nach irem eygen gefallenn vnd besunder die 69 vornüfftigen vom hoffe des // konig, die teglich des konigs liebe vnd barmhertzigkeit, nottorfft vnd ander [67T] erfarenw vnd warten sind, die Schemen sich nit, zu reden«, nach irem eygen willen, vnd bezewgen selbs die vwwarheyt 35 vnd den falsche, mir den konig trewlich zu machew ynn hoffenuwg, wurde mir der konig mein leben trawen, das er seiner worte nit wider ging. Vnd dar ynn sein sie pillich streiflieh vnd ynn wer dar auff wol gleichnis zu sagen, wer es vorfengklich." Des leben mutter sprach zu irem sone: „Syhe diesen grymmen vorreter, der gethan hatt alles, das von yme gesagt wirt, noch wil er alle 40 vnser awgen zuschlissen mit seiner falscheytt vnd vnsernn rate zustrewen, da mit er sich vnschuldig erzeyge." Antwort Dymna: „Das sind die, die solichs thund, da von du sagst, die heymlichkeit sagen, die ynn vortrawt, vnd ein man, der das cleyt seiner frawen an thut, vnd ein weip, die das cleyt ires mannes

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3. K A P I T E L : VOM G E R I C H T S V E R F A H R E N G E G E N D Y M N A

an thut, vnd ein pilgerin, der sich hawß wirt schätzen will, vnd der vor eynem konig redet vnd seinem volck, das er nit gefragt wirdt." D a r auff sagt die lebin: „ E R k e n n e die boßheyt deyner gethat vnd nyme des forcht vnd vorstand die sunde deins geswetz, dan du entgehest nicht on grosse räche." Sprach D y m n a : „Wer sundet vnnd frome lewte nit liep hat, der forcht sich nit vor dem vnrechtenn, ob er ioch das thun m o c h t . " Antwort die lebin: „ D u vorreter vnd widerspenniger, wie bistu so gedorstig, solichs vor dem konig zu redenn, dann mich hat wunder, das er dich hat lassen leben biß vff hewt." Antwort D y m n a : „Diser, den du nennest, ist ein man, dem zugehört vnd gezympt guter vnd gerechter rate, das yme sein feind ynn sein handt [67v] werde, der ich nit bin, vnd weyß, das er mich nicht ertodt on schult vnd eins weybs rate vber mein vnschuldigs plut nit verwolget. Er gedenckt, d a s Adam, der erste man, seins weybs rate verwolgt vnd wart geschent von gote, vnd was seyd her man von erwolgung weybes rate gescheen i s t . " Sprach des leben m u t t e r : „ D u falscher vnd vnwarhafftiger, nympst du dir für, zu entrynnen von solichem vbel, du gethan hast, mit deynen lugen, die du dem konig furbracht h a s t . " Antwort D y m n a : „Wer furgibt, das nit ist, der leydet pillich, das du gewrteilt hast, dan ich habe die warheit gesagt vnd die bestetigt vnd die dem konig furpracht vnd da mit meyner glube gnüg gethan vnd ynn meynem hertzen nye gedacht, vnrecht zu thun oder luge zu redenn, vnd wil hoffen, mein trewe werde noch offenbar vnd mein gerechtigkeyt bezewgt vnd die vnschult meyner hende vnd mein einfeltigkeit werdenn an das // licht komenw." || Vnd do sie den lebenn io 146 sähe gantz nichtz dar zu reden oder antwort gebenn zu den worten Dymne, do gedacht sie yn irem gemüte: „ E s ist villeicht falsche vnd gelogenn alles,was wider D y m n a gesagt ist, vnd ist villeicht alles vnschuldig. D a n wer sich offenberlich vnd so tretzlich vor dem konig vnd seinem volck entschuldigt vnd yme nymant do wider redet, ist nü zu gedencken, das der wäre sage, dan schweygen ynn seynen eygnen sachenn ist gehellen. Vnd es sprechen die weysenn: ,Wer schweyget, der bestetiget.''' Vnd die lebin stund auff vnd ging von dem lebin vol zorns. Do gebot der leo, das man Dymna ketten an [68] seinen hals legenn vnd ynn yn einen« kercker beschlissen solt vnd yne dar ynne eygentlich die sache erforschen vnd auff das genawest ersuchen vnd dan solichs an ynn langen lassenn. Vnd er wart also yn den kercker gefürtt.

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DArnach redet die mutter zu dem leben, irem sone, vnd sprach: „Mir sein yetz sache gesagt von disem schemlichen vorreter, die ich vor von keynem nye 40 gehört habe. Vnd die zungen alles hoff gesinds sein dar ein einhellig, noch vnterstät er sich, das zu verkeren, vnd sein getat ist nit heymlich vor allen [68°] vorstentlichenn menschen« diß hoffs. Vnd dar zu ist mir heymlich gesagt vnd hinder mich vorborgen« durch ein, der es gehört hat, sein boßheyt vnd sein vorfuruwg. Vnd gibst du yme gunst, er vberfurt dich mit seinen

Die Gerichtsverhandlung. — Kellila ermahnt Dymna von neuem

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falschen lysten. Vnd der mir das gesagt hat, ist ein glauphafftiger man, vnd ich rate dir mit trewen, das du dich nicht an sein worte kerest, sunder so ferre yn von dir ab sunderst, vnd setze dein volck yn ruhe." Der leo antwort vnd sprach: „Mutter, habe fride! Ich werde sein sache auff das genewst ersuchen, dan für wäre, er ist weyse vnd fursichtig. Dar vmbe wurde ich emsig sein, zu 5 fragen dise geschieht vnd ernstlich dar zu sehen«, vnd nit hinlessig dar ynn zu sein vnd dar ynne nit auff mein sele ladenn, gnugk zu thün allen den, die zweyfel haben diser sache, ob es were oder durch feintschafft auff ynn gelegt sey. Dar vmbe zeyge mir, wer ist diser frome man, den du meynst, vnd sage mir seinen namen, dan bey weylen hasset eyner den andern vnd begert eyner des 10 andern» stats." Antwort yme sein müter: „Wisse, das diser frome vnd schrifftweyser, der mir dise heymlichkeit hat gesagt, ist der leopart, deyn heymlicher kammerer." Sprach der leo: „Des ist gnügk. Du wirdest sehenn, wie mein furnemen« gegen yme gethan ist, dar auff gangk dein weg an dein gemach!" Als nü Kellila vorname, das sein bruder Dymna yn gefencknis genomen was, 71 name er des erbarmuwge durch die teglich // bey wonuwg, bruderschafft vnd 148 geselschafft, || so sie teglich bey ein ander gehabt hettenn, vnd erhub sich vnd ging heymlich zu der kercker zu mitter nacht. Vnd do er ynn also sähe gebunden an ein eyserin ketten [69T] vnd gefangenn so gare hart, do fingk er an, heysse zu weynen, vnd sprach zu yme: „Du hast ein sache gethan«., dar vmbe ich dich nit straffen wil, bistu auch mein angedenck vnd des, das ich dir vor mals auch gesagt vnd geraten habe, vnd dar zu hette ich dich gern gewissen vff den rechten pfad der gerechtigkeit. Aber do was keyn volgen, alleyn du woltest dein homüt vnd dein selbs furnemen nach komen. Nu ist gesprochen: ,Der vngerecht stirbt vor der rechten zeytt,' nit alle wege, das yme sein leben genomen werde, sunder so er yn solicher gefengknis peynlich gehalten wird, als du yetzt gefangen bist, do eym ein behender tod weger wer." Vnd sprach: „Wee deyner vornufft vnd weyßheit, die dich gefellet haben, dan yetz haben sie dich gefurt biß an die thure des todes, vnd von dir wirt pillich gesprochenn: ,Wer nympt dem weysen sein vornufft vnd gibt den thoren weyse w o r t ? ' " 14 Zeilen

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[69v] ANtwort ym Dymna: „Ich weyß, bruder, von der zeit, das du mich bekant hast, so hastu nicht vorlassenn, mir guten rate zu geben vnd hast mir 35 guten rate gebenn vnd hast mir die warheit nit vorswigenn vnd mich gernn bewegt zu rechtem weg vnd mir den angezeigt. Ich habe aber dein getrewen dinst vnd rate nit angenommen durch gelüste der boßheytt, der mich des vberwunden hat, das ich gernn den hohernn stat gehabt hette yn eim solichen wirdigenn wesen, das mir zu vil was. Dar vmbe: ,Wer gewünt wirt mit der 40 wänden der hoffart, des end wirt allein die rewe seiner werck.' Vnd yetzt ist mir die selb stund, die ich geforcht habe, komen. Aber was kan ich forter wider die hoffart vnd neydige begirde meynes hertzew, die mangem gerechtem man sein synne gebrochen vnd die rechten vrteil gefelscht hat vnd die weyßheyt der 5

Geißler, Anton v. I'forr

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3 . K A P I T E L : VOM G E R I C H T S V E R F A H R E N G E G E N D Y M N A

weysen vorkert gleich, dem sichen, der sein sichtag weyß, yme allein zugefallenn sein durch vbrigenn lust zu vngesunder speyse, die yme sein sichtage meren, vnd wil doch dem selben lust nicht wider stehenn, biß er des stirbt. Nu ist mir nit vmb mich, sunder vmbe dich, das du durch geselschafft teglicher 5 bey wornrng vnser beyder herre zu behaft vnd zu gefencknis peynlicher erfarung gefurt vnd gezwungen«., zu offen mein heymlichkeit, vnd das ich durch dich, auff den sie glawben setzen, getodt werde, das du nach meynem tode nit von dem hoffe erledigt werden mogst." || 10

2 Zeilen freigelassen [TO7] 20 Zeilen freigelassen

ANtwort Kellila: „Yetzt erkenne ich, das seltenn ymant sein arg // leben, 15072 iß die weyl er yn seiden stat, ändert, allein wen er ynn ersuchuwg vnd betrubniß feilet, dan wirt er bewegt zu erkennen vnd bey weylen mere, dan er gethan hat, vmbe das yme sein leyden dester rynger sey. Nym wäre, ich wil hin gan mein weg, das mich nit ymants bey dir finde des hoffs, vnd bite dich, nach meynem rate zu volgen, das du deyn vbel tat vnd den handel voriehest, dan du bist doch 20 todt. Dan besser ist, du habst vmb dein verschuldigung hie peyn vnd leyden, dan das [70"J dir solichs auff die kunfftig ewige zeyt gespart werde." Sprach Dymna: „Du bist gerecht vnd hast mir ein nutzen rate gebenn, aber ich wil vor die worte des lebenn vornemen vnd warten, was er mit mir wurcken wolle." Also schied Kellila von yme trawrig ynn sein hawse, forchtent, das die boßheyt 25 Dymne auff yn auch ersuchet werden mocht. Vnd yn solicher forcht, widerwertigkeit vnd smertzende sewffzen wart er vmbe gebenn so strenglich, das er die selbenn nacht starbe. NV was nahe bey dem kerker ynn einem andern kercker der wolffe ynn gefencknis, der beyder wort gehört, alles, das sie geredt hatten«, vnd wie eyner 30 dem andern« geantwort hette, vnd thette das eygentlich ynn seiner gedechtniß behaltenn. Frühe an dem andern tage, als Dymna ynn gefencknis komen was, hübe sich des lebenn mutter auff vnd gingk zu irem sone vnd sprach: „Bedenck an die worte, die du mir zugesagt hast ynn der sache des vorreters, vnd was er wider dich vnd zu schände deynem hoffe geübt hat, dan ich weyß nit grosser 35 vordiemmge, so eyner yetz yn zeyt thün mocht, dan er diser werlit der bösen creatur abhilfft. Dan es ist geschribenn: ,Wer gehilt mit den bösen iren wercken, der ist der mit teylhafftig.'" Dar auff befalch der leo dem leopart vnd dem richter, auch allen seinen retten für sich vnd das sie zu gericht sitzen soltenn vnd Dymna für sich vnd alles hoffe gesinde bescheydenn vnd verhören 40 vnd aller seiner worte acht nemen, was wider ynn gerette vnd was er antwort dar auff gebenn wurde, auff schreybenn soltenn, das sie yme eygentlich anbrengenw mochten vnd sich dar ynne nymant betrigen lissen, auch nymants antlitz dar vmbe ansehenn, besunder das alle ding volbracht wurdenn [ 7 1 r ] nach der gerechtigkeit. Also gingk der leopart, der richter vnd die rette vnd

Kellilas Tod. — Die Gerichtsverhandlung. — 3,2. Der dumme Arzt

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satzten sich zu gericht ynn bey wesenn alles volcks, vnd Dymna wart vor gericht, gebundenn an sein hals mit zwuen ketten, pracht. 20 Zeilen freigelassen r,

Also hübe an der leopart vnd sprach: „Ire menner von dem hoffe des konigs, horte! Von dem tage, als der konig Äewesba erschlagen hat, ist er biß here 73 trawrig vnd widermütig gewesen, dan vnuerschuldet // ist das geschehenn, sunder durch list vnd vorfurureg Dymne, durch haß, den Dymna zu iSemeßba gehabt hette vmbe die ere vnd wirde, die iSewesba vmbe den konig [71v] vor- 10 dynt hette. Wer nu vnder euch von disen dingenw etwas weyß oder vornommen hat, der wolle bey seiner vorpflicht vns das sagenn, das wir das furter an den konig nach seyner begirde brengen mogenn, dann es ist ye nit des konigs 152 meymmg, das er ymant mere thotten wolle |[ dan nach gnügsamer erfarung vnd nach erfinduwg der sache vnd nicht nach eygem /urnemen volfaren werde." 15 Dar zu sprach der richter: „Secht auff vnd vorstandt eben alles, das der gesetzt, wiß here leopart mit euch geredt vnd auß gerufft h a t ! E s sol ewer keyner nichtz dar ynne vor haltenn, was yme wissen sey vmbe vil vrsach. Die erste sol ewer keyner zu vngut schätzen: Das vrteil, das gehen wirdt, es sey bose oder gute, wen ir nit vor da von sagen woltent, das euch zu wissen ist, dan zewgnis der 20 warheyt, ob der lutzel ist, so ist sie dar zu gute, das der konig nymants on vrsach ertott. Zu dem andernn: Wen der vbel thetter gestrafft wirdt nach seiner gethat, das brengt schreckenn den andern«., die das vorneinen, sich vor des gleichenn zu bewaren, vnd das kompt zu gute dem reych. Das dritte: Wenn ein vorrether vnd hingeber vnd der sein sache durch lüg handelt von der weit 25 komet, so ist es dem volck ein grosse rewhe, dann eins vorreters oder lugenhafftigen menschen beywonuwg brengt grosse irrung vnd mißhellung des volcks, dar vmbe euch der warheyt hir ynne nicht zu vorsweygenn i s t . " Do diß das volck erhört, do sage iglicher den anderem an vnd schwygenn. Do sprach Dymna: „War vmbe sweigt ir? Sage ein iglicher, was er weyß, vnd sorget nit, 3" das ir mir damit myßhelligkeit erzeygent. Dan hette ich gesundet, als man mich zeyhet, so frewt ich mich ewers sweygens. Aber ich weyß mich vnschuldig, dar vmbe sagt, was ir wissent, vnd seyt do bey gewarnet, dan ich [ 7 2 T ] wil zu eins iglichenn sache sunder reden. Dar vmbe sage iglicher, was er wisse, das do wäre sey, dan eyner wenet villeicht gesehen habenn, das er nit gesehen hat, 35 oder gehört, das er nye gehört hat. Dem geschieht als einem thorichten artzt." Der richter vnd der leopart sprachen?»: „Wie geschag y m e ? " Dymna sprach: „Man sagt, es sey ynn eyner stadt zu Indien gar ein geübter vnd gelercer artz gewesenn, der vaste liep gehaltenn was. Dem hatte gott durch sein frome lebenn gnade gethann, das er alle sichen mit der hielff gotes vnd seiner kunst 40 gesunt machtt. Do der starbe, do sahen sein nach komen yn sein bucher vnd studirten ynn den, das sie dar auß gute lere nemenw mochten. Auff ein zeyt // 1* käme eyner ynn das selbe landt, der gäbe sich auß für ein artzt vnd was sein doch nicht. Nu hatt der konig des lands ein dochter, die yme liber was dan alle

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3. K A P I T E L : VOM G E R I C H T S V E R F A H R E N G E G E N DYMNA

andere kindt. Die gingk groß eins kinds, vnd do schire die zeyt der geburt käme, do fiel ire ein mercklicher sichtag zu mit namen der rate schad. Der konig geböte balde, nach einem artzt, der yme kund was, zu schickenn, ynn hilff zu komen seiner dochter. Do der böte zu yme käme, do was der artzt plindt, vnd do er nit komen mocht, do gäbe er dem boten yn geschrifft, das man der dochter ein solichenn tranck geben solt. Der konig hieß yme ein artzt suchenn, der || ein solichen trangk conficieren kondt von den auff geschriben stucklin. Von vngeschicht käme man zu dem, der sich auß gäbe, ein artzt zu sein. Der sprach zu dem konig, er were des meyster zu machen vnnd hyeß yme dar setzenn auß der apteckenn die buchssen, die des guten bewerten artzs, der nu tod was, gewest warew. Vnd do yme die dar gesetzt wurden, ergreyff er ein fleschlein, ynn dem gyfft vorslossenn was, vnd name do [72"] von vnwd vormyscht das vnter ander ertzney, die er auß andernre buchssen genommen hette, vnd gäbe die dem konigk vnd sprach: ,Diß ist die ertzney deyner dochter.' Vnd do der konig die behendigkeit des artzs sähe, do gedacht er, das diser ein bewerter artzt were vnd eret ynn mit gabenn eins mercklichenn gelts vnd becleydigung vnd name die ertzney vnd gäbe die seyner dochter. So balde sie der ein teyl getranck, do geschwale sie vaste, das sie auff stund an starbe. Do der konig diß befandt, do geböte er balde, den artzte zu fahenn vnd das man yme das vbrig des trangks zu trincken geben solt. Vnd do er das getranck, do geschag yme, gleich als der dochter geschehenn was, vnd starbe. Diß gleichniß habe ich gesagt, das ewer eyner ni t sage, do von yme nit wissen sey, oder das ire andernw gefallen damit thun wollent, vnd ist doch wäre, das ein iglich mensche von seinem eygen hertzenw vberredt wirt, den Worten eynes gelertenn artztes mere zu glewben dan yme selbs. Nähe bin ich ye vnschuldigk diser dingk, die mir furgehalten sind, vnd bin doch yn ewernn hendenn. Aber habt got lieb nach ewrem vormogenn!" 10 Zeilen [7 was das?" Antwort Dymna: „Man sagt, es sey ynn eyner grossen stadt yn India gewest ein reycher kawffman, der hette ein schone frome weyb gehabt, weyse vnd vornufftig. Der kauffman« h a t t ein knecht, der das weip gern gebult hette, vnd do sie yme zum dickern male abgeschlagen« vnd yme sein worte vbel emphangenn hette, do gedacht der schalck, wie er die frawenn zu schandenn brengcrm mocht. Auff ein zeyt ging der knecht auß vnd fingk zwen sittickus vnd ein papagey vnd bereyt den ir gemach, dar ynne er sie zyhen wolt [79 T ] vnd lernt den eynenn yn edomischer sprach zu reden«: ,Ich sähe den portner bey meyner frawen ligen.' Den andern lernt er sprechen«: ,Wie schentlich ist das gethan.' Den dritte« 168 lernt er sagenn: ,Ich wil forter nit reden.' || Vnd dise sache lernet er sie alle ynn edomischer züngen, das sie sunst keynn mensche des lands vorstehenn mocht. Auff ein zeytt saß der man bey seinem weybe, do bracht der knecht die vogel. das sie der herre horent solt yn ire sprach, vnd der man dar vmbe so grosse wolgefallenn hette, do befale er sie seinem weybe, das sie ire hin fure pflegt ynn irem gemache on allen mangel vnd ir schone wartet. Auff ein zeyt kamen zu dem man etlich pilgerin auß dem lande zu Edom, vnd er lüde sie mit yme zu essen. Vnd nach dem essen wurden die vogel durch abentewer irs geswetz dar getragen«. wie wol das dem man vnd dem weybe vnuorstentlich was. Vnd do die pilgerim horten die vogel ire geswetze treybenn, do erschracken sie vnd bestunden mit geneygten hewbten an einander an zu sehenn vor schände vnd sprachen zu dem si kauffman: .Vorstehest du icht, was die vogel reden«?' E r // antwort: ,Neynn. dan allein an irer stimbe vnd geberde habe ich wolgefallenn vnd kurtzweyl.' Sie sprachen: ,Las dir nicht mißfallen, was wir reden. Der ein vogel sagt, der pfortner sey bey deiner frawen gelegenn. Der ander sagt, er habe schentlich mit ire gelebt. Der dritte spricht, er wolle nicht mere redenn.' Dar zu so spricht der hawse knecht, der auch do bey stundt, vnd bezewgtt, was die vogel sagten«. Der man hyeß auff stundt sein weybe totten». [79"] 17 Zeilen

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Die frawe katt vornüfft vnd merckte, das ir solichs von dem hawß knecht zu gerichtt was, vnd sprach: ,Herre, ersuche dise sache eygentlich, so findest du disen lugner vol falsche. Vnd des ersten, so frage die pilgerin, die dise sprach der vogel vorstehenn, mit den vogeln zu reden, ob sie ynn der sprach anders dan dise wort künden. Dan ich mercke, das deyn vngetrewer knecht diß die vogel gelernet hatt, der seinen gelust gerne mit mir volbracht hette, vnd so ich yme des nit habe wollen stadt thün, so hat er diß auff mich geschobenn.' Der kauffmanw bäte die menner, mit den vogeln zu reden. Vnd was sie mit yne redten, [80T] so konntenn doch die vogel kein ander worte, dann wie sie vor geredte hatten. Do bey erkant der man, das der knecht dar an schuld hette, vnd berufft den knecht. Zu dem sprach die frawe: ,We dir, du schalck! Wie wolst du mich gegen meynem manne vorwntrewt haben!' Der knecht voriahe sein schult, vnd der herre hieß ynn thotten, vmbe das er gezewgniß geben den vogeln, die er gelert, das er nye gesehenn noch gehört hette. Ich habe euch dise fabel gesagt, dan wolcher thut, als diser gethan hat, der nympt dar vmb pillich seinen lone." Nach diser rede liß der richter aber auff schreybenn, was mit Dymna gerett was vnd sein antwort mit der wider rede, vnd wart do mit Dymna wider ynn den kercker gefengklich gefurt vnd redt vil hinder sich gein dem richter, als man yn von dem gericht furt, aber sein wort worden forter nicht gehört. Der richter vnd die andernn alle gingen yn des konigs hoffe. Do sprach die lebin aber zu irem sone: „Lest du Dymna lebenn, so er doch diß gethan hat, so wirdt er noch vil boß zu wegenn brengenn, da mit er dich vnd dein volck zu falle brengt, da vor ir euch nicht behutten mögt."

NVn begäbe sich, das die lebin || dise worte teglichew gegen irem sone braucht, J vo 25 das sie der konig zu hertzen name vnd erfure do bey, wie sie das angelangt was, vnd wart der leopart, der solichs zwuschen Dymna vnd Kellila gehört hatt, do er durch ire hawse gangen«, was, dar gestellet vnd wart auch nach dem wolff geschickt, der ynn dem kercker neben // Dymna gelegen was vnd gehört, was sg Dymna geredet vnd was yme Kellila dar auff geantwort hette vnd [80v] wie er 30 ynn gestrafft hette, des gäbe der wolff gezewgnis. Dar auff satzt der leo seynen glawbenn vnd erkennet, das Dymna yn wider Senesba verfurt hette, vnd gebot, das man Dymna für ynn brecht vnd yn seiner angesicht todt slug. Das geschag.« Darnach sprach Dißles, der konig, zu seinem weysenn: »Es muß sich ein vornufftiger man bewarenn vnd hüten vor solichcw dingen, dan wer seinen 35 nutz suchen wil mit eins andern schadenn, der sundet wider seinen eben menschen«, vnd ist mogelich vnd wol, das er zu letzst behänge yn der boßheit seiner wergk, als diesem Dymna gescheenn ist.« 18 Zeilen w

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Hye endet sich das dritte capitel von der erfarunge Dymnes handel vnd das nymant seinen nütz mit [81T] schadenn des andernn suchen sol, vnd fehet nü hynach an das Vierde capitel vonn getrewenn gesellenn. ||

DAS VON DER TAUBE

VIERTE

KAPITEL

UND VON TREUEN

GEFÄHRTEN

NAch diesen dingen sprach Dißles, der konig, zu Sendebar, seynem weysenn: »Nühe sage mir von fromen lewten, die bey ein ander wonen vnd ein ander liebe gewynnen, wie ire libe vnd freundtschafft gewestet werde, vnd do der ein dem andern« gutz erzeygt yn trewer geselschafft.« Antwort Sendebar dem konigk: «Ein weyser vorstendiger ist ein helffer seiner freund, vnd das heyssenn freund, die ynn selbs vnder ein ander helffen vnd getrewe sein vnd der liebe vmbe keyn vrsache zubrachen wirt, ia biß ynn den todt. Des findet man beyspile, die dar zu dynent als die fabel von der tawbe vnd den tawbenn, der mewß, raben vnd dem hirschenw.« Do sprach der konig: »Wie was das?