Das biographische Ich-Idiom »Menschensohn« in den frühen Jesus-Biographien: Der Ausdruck, seine Codes und seine Rezeptionen in ihren Kotexten 9783666538605, 352553860X, 9783525538609

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Das biographische Ich-Idiom »Menschensohn« in den frühen Jesus-Biographien: Der Ausdruck, seine Codes und seine Rezeptionen in ihren Kotexten
 9783666538605, 352553860X, 9783525538609

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VÔR

Ernst

Käsemann

mit

allen,

die durch die von am 20. Oktober in

ihm 1953

Jugenheim

(Tagung Alter aufgestoßene gegangen

Marburger) Tür sind

* * *

»Alle Stellen, an denen irgendein Messiasprädikat erscheint, halte ich für Gemeindekerygma. Nicht einmal das Wort Mk 8,38 vermag ich als echt anzuerkennen ... Das heißt dann auch, daß Jesus nicht mit einem von sich verschiedenen Menschensohn gerechnet hat.« (E. Käsemann, ZThK 51 [1954] 50f = EVB I [1960] 211)

WOLFGANG SCHENK

Das biographische Ich-Idiom >Menschensohn< in den frühen Jesus-Biographien Der Ausdruck, seine Codes und seine Rezeptionen in ihren Kotexten

VANDENHOECK & RUPRECHT IN GÖTTINGEN

Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments Herausgegeben von Wolfgang Schräge und Rudolf Smend 177. Heft der ganzen Reihe

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaußiahme Schenk, Wolfgang: Das biographische Ich-Idiom >Menschensohn< in den frühen Jesus-Biographien: der Ausdruck, seine Codes und seine Rezeptionen in ihren Kotexten / Wolfgang Schenk. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1997 (Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments; H. 177) ISBN 3-525-53860-X

Gedruckt mit Unterstützung des Forschungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG WORT

© 1997 Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen Printed in Germany. - Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Satz: Satzspiegel, Bovenden Druck und Bindearbeiten: Hubert & Co., Göttingen

Vorwort

Den Herausgebern danke ich nicht nur für die Aufnahme in ihre honorige Reihe und Anregungen zur Präzisierung und Klarstellungen, sondern auch für mancherlei fördernde Unterstützung, die sie mir in meinen Göttinger und Bonner Jahren zuteil werden ließen. P.S. Nach der Annahme dieser Studie durch die Herausgeber erschien der Aufsatz von HOWARD C. KEE 1996: Jesus: A Glutton and a Drunkard, NTS 4 2 ( 1 9 9 6 ) 3 7 4 - 9 3 . Als eine Bestätigung meines Ansatzpunktes darf ich werten, daß auch KEE für Q 7,34 als urchristliche Schaltstelle plädiert, wir also unabhängig voneinander im Prinzip zu den gleichen Lösungsvorschlägen gekommen sind. Das habe ich, nachdem meine Studie schon abgeschlossen war, bei der Diskussion zu KEES Vortrag auf dem 50. General Meeting der SNTS in Prag 1995 erfreut bekundet. JAMES M . ROBINSON (Brief v. 16.9.1996) hat im Blick auf Q seine weitgehende Ubereinstimmung bekundet, »which takes a similar approach to mine« (vgl. ders. 1994: The Son of Man in the Sayings Gospel Q. In: C. ELSAS [u.a. hg.], Tradition und Translation [FS C. Colpe], Berlin, 314-35. Dies ist jedenfalls methodisch schlüssiger, als von der Prämisse eines (m. E. zu Unrecht) imperativisch aufgelösten >Maranatha< her in Mk 13,26 f. das »älteste Menschensohn-Logion« zu sehen, wie jüngst bei M. STOWASSER 1995: Mk 1 3 , 2 6 f. und die urchristliche Rezeption des Menschensohns, B Z 3 9 ( 1 9 9 5 ) 2 4 6 - 5 2 (im Anschluß an P. HOFFMANN). Diese Rekonstruktion blendet auch die Frage nach einer exakten Bestimmung der Q/Mk-Relation gänzlich aus. Wird diese umfassend und nicht nur punktuell analysiert, dann ergibt sich auch an dieser Stelle für die Rezeption des Ausdrucks >Menschensohn< eine dezidiert andere Entscheidung, wie inzwischen zusammenhängend HARRY T. FLEDDERMANN 1995: Mark and Q (BEThL 122), Leuven, gezeigt hat (199-201 vgl. 66-73.126-34.145-52.164-6). Meine Rez., ThLZ 122 (1997) 35 f., hat meine durchgehende Zustimmung zu diesem Standardwerk für die künftige Diskussion dieser Frage bekundet. Auf ein linguistisches Glossar konnte bei meiner Arbeit verzichtet werden. Wer sein NT-Proseminar noch vor der kopernikanischen Wende zur Semiotik absolviert haben sollte, wird dieses Defizit hoffentlich in der Fort- und Weiterbildung behoben haben. Von der Natur der Theologie als sprach-

6

Vorwort

bezogener Wissenschaft her kann vorausgesetzt werden, daß alle Studierenden und Studierten heute wenigstens H A D U M O D B U S S M A N N 2 1 9 9 2 : Lexikon der Sprachwissenschaft (Kröners Taschenausgabe 452), Stuttgart, in ihrer Handbibliothek haben. Dem Forschungs- und Beihilfefond Wissenschaft der VG WORT (München) danke ich für den Druckkostenzuschuß zur Veröffentlichung dieser Arbeit Wolfgang Schenk

Inhalt

A

Das Vorfeld der Ausgangsfragen

1.

Die Frage nach der Codierung des griechischen Syntagmas >MS< in den Jesusaussagen der Evangelien Die deiktische Rolle der Verwendung des bestimmten Artikels beim Syntagma >MS< Der idiomatische Charakter des Syntagmas >MS< Das Problem der Übersetzung Exkurs: EvThom 86

18 20 21 22

Die Rückfrage nach einem oder mehreren aramäischen Substraten Hebräisches 'adam und 'anos Der Ausschluß des Vokativs als Erklärungsgrundlage für Jesus-Worte Der determinierende Artikel ist nicht belegt Das Ausweichen auf semitische Stellen ohne Artikel Hebräisch Aramäisch Eine generische oder indefinite Codierung in Jesus-Worten? . . . . Eine mögliche, finale Codierung der Genitivwendung Eine semitistische Alternative?

23 23 24 24 25 25 27 27 28 29

1.1 1.2 1.3 1.4 2. 2.0 2.1 2.2 2.3 2.3.1 2.3.2 2.4 2.5 2.6 3. 3.1

Die Visionsgestalt von Dan 7 und ihre Rezeptionen Dan 7,13 - Die nicht mehr bestienhafte, sondern menschenartige Herrscherfunktion des kommenden 5. (Welt-)Reiches: Das jetzt seleukidisch verfolgte Israel als Subjekt der künftig endgültigen Weltherrschaft 3.1.1 Die Visionsgestalt 3.1.2 Die Funktion der Visionsgestalt 3.1.3 Ausblendung der überdehnten Allgemeinbegriffe >Messias< und >messianisch< 3.2 lHenSim: Die erwählte Weisheit als >jener Menschensohn< 3.2.0 Das Buch und die Suche nach seiner Verortung 3.2.1 Die 1. Bilderrede (lHenSim 38-44): Der >Erwählte< 3.2.2 Die 2. Bilderrede (lHenSim 45-54): Die Nebenbezeichnungen des >Erwählten< 3.2.2.1 Die Nebenbezeichnung >jene menschenartige Figur< 3.2.2.2 Die funktionale Nebenbezeichnung >Gottes Gesalbten (Mandatar) . .

15

18

31

31 32 33 34 36 36 38 38 39 42

8 3.2.3 3.2.4 3.2.5

3.3

3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.4 3.5

Β

Inhalt Die 3. Bilderrede (lHenSim 58-69) Der Epilog (lHenSim 70-71): Keine Einsetzung Henochs zum >MS< Zusammenfassung: Die Rollen und Funktionen der erwählten (menschen- und engelähnlichen) Weisheit (Ur-Gerechtigkeit) in lHenSim 4Esra 13: Das künftige Erscheinen des himmlischen Jesusalem geschaut unter dem Bild des bislang im Meer verborgenen Menschengestaltigen Der Rezeption von Dan 7 in 4Esr 13 Die Benennung der Visionsgestalt Die Funktion der Visionsgestalt Die angelologische Rezeption von Dan 7 in der Apokalypse Abrahams Zwischenergebnis: Dan 7 und seine frühjüdischen Rezeptionen . . .

Die Redensammlung Q (>The First GospelWeisheit< als weltordnender Sachverstand

58 58 59 59 60 60

4. 4.1 4.2 4.3

Die synchrone Funktion des Ich-Idioms >MS< Der Q-MS ist kein irdisch Wirkender Der Q-MS ist kein künftig als Richter Wirkender Das Ich-Idiom >MS< als Mittel der Nominalisierung und Renominalisierung

61 61 61

5. 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6

63

Die einzelnen Belegstellen 64 Die Eröffnungsstelle Q 7,(33-)34 (Mt 11,19): Wer ist der Philosoph Q-Jesus? 64 Die komplementäre Folgestelle Q 9,(57-)58 (Mt 8,19f.): Wer ist ein echter Schulgenosse dieses Philosophen Q-Jesus? . . . . 67 Q 11,30 (Mt 12,38 f.): Die gegenstandslose Beglaubigungsforderung . 71 Q 12,10 (Mt 12,32): Die vergebbare Ablehnung des vorösterlichen Jesus 73 Q 12,40 (Mt 24,44): Das Bereitsein für den Wieder->Kommenden< . 74 Q 17,24 (Mt 24,37): Der meteorologische Analogieschluß 75

Inhalt

9

5.7+8 Q 17,26.30 (Mt 24,37.39): Die geschichtlich exemplarischen Analogieschlüsse 76 5.9 Für Q nicht reklamierbare Stellen 78 5.9.1 Lk 6,22 ( 0 Mt 5,11): Die Anwendung der Einlaßbedingungen (konditionierte Makarismen) 78 5.9.2 Lk 12,8 ( 0 Mt 10,32): Die konditionierte Soteriologie für Bekenner . 78 5.9.3 Mt 19,28 ( 0 Lk 22,28-30): Die künftige Rechtsfunktion 81 5.9.4 Mt 10,23b ( 0 Lk): Die Aufgabe der Schüler bis zur Parusie . . . . 81 5.9.5 Lk 6,1-5/Mt 12,1-8 - verglichen mit Mk 2,23-28: Der Sabbat . . . 82

C

>MarkusMatthäusSohn für die Menschheit< 4.5 Mt 12,8 (= Mk): Der letzte, geborene König Israels ist als solcher Herr über den Sabbat 4.6 Mt 12,32 (= Q): Die Ironie des vergebbaren Widerspruchs gegen die Wirkungen, aber nicht der Wirkkraft 4.7 Mt 12,40 ( = Q): Die Auferweckung als endgültiges Abwendungszeichen für >Israel< 4.8-10 R-Mt 13,37.(38b).41: Der Menschen sammelnde Menschheitskönig wird alle ihm Abtrünnigen bei seiner Parusie durch seine Engel vernichten lassen 4.11 Mt 16,13 ( = Mk): Die zusammenfassende Identitätsfrage, die die richtige Identifizierung provoziert 4.12+13 Mt 16,27.28 (= Mk): Die eröffnenden, das Buchende übergreifenden Definitionen am Beginn des 2. Buchteils 4.14-16 Mt 17,9.12.22 (= Mk): Die österliche Rehabilitierung nach der Verwerfung 4.17 R-Mt 19,28 (+Q): Der Gerichtsthron 4.18-20 Mt 20,18.(21).28 (= Mk): Der Gott Auftragstreue wird nach seiner Verwerfung von Gott ins Recht gesetzt 4.21-28 Mt 24,27.30a.c.(36).37.39.44 (= Q/Mk); R-Mt 25,31: Der bald erscheinende Richter der Menschheit 4.29 R-Mt 26,2: Das Verwerfungsorakel als Überschrift 4.304-31 Mt 26,24a.b. (= Mk): Die herrscherliche Bestätigung des Auslieferer-Orakels 4.32 Mt 26,45 ( = Mk): Die herrscherliche Bestätigung durch den Vollzug der Auslieferung 4.33 Mt 26,64 (= Mk): Die souveräne Bestätigung aller bisherigen Orakel

134 134 135 136 137 138 138 139

140 141 141 143 144 144 145 149 150 150 150

Inhalt E

11

>Johannesinkarnierter Logos< Die soteriologische Verortung? Joh MS: Abstieg und Wiederaufstieg Joh MS - kollektiver Repräsentant der Menschheit?

151 153 153 154 155

2.

Joh MS - joh Gottessohn: Synonym, Komplenym oder Hyponym?

156

3.

Joh MS-Worte als Amen-Amen-Worte

158

4.

Joh MS als Gegenstand der Reflexion

159

5. 5.1

Die einzelnen Belegstellen 160 Joh 1,51 als vorweisend thematisierende Anfangsklammer (A Inclusio) 160 5.2+3.7+8.10-13 Joh 3,13 f.; 6,62; 8,28; 12,23.34a.b; 13,31: Aufstieg und Rückkehr in die Präexistenzherrlichkeit durch Aufgehängtwerden . 161 Zu 5.11 + 13 Joh 12,23; 13,31: Verherrlichung und Wiederverherrlichung . 162 Zu 5.2 Joh 3,13: Die Einzigkeit des MS 162 Zu 5.3 Joh 3,14: Das (Auf)gehängt-/Gehenktwerden 164 Zu 5.8 Joh 8,28, die Zentralstelle des Verbs: Die Explikation der Henker . 166 Zu 5.11 + 12 Joh 12,34a.b: Der Rückblick (A' Inclusio) 167 5.4-6 Joh 5,27; 6,27.53: Die soteriologisch entfaltenden Stellen . . . . 169 Zu 5.4 Joh 5,27: Die Identifikation begründet die Funktion des Trenners von Licht und Finsternis 169 Zu 5.5-7 Joh 6,27.53.62 170 Zu 5.7 Joh 6,62: Nur der Aufstieg als Wieder-Aufstieg bestimmt den MS als den Herabgestiegenen 170 Zu 5.5 Joh 6,27: Nur der Herabgestiegene kann präexistentes Leben als Himmelsspeise vermitteln 172 Zu 5.6 Joh 6,53: Wer die Himmelsspeise des Herabgestiegenen nicht annimmt, kann natürlich kein präexistentes >ewiges Leben< erlangen 172 5.9 Joh 9,35: Die nachvollzogene Identifikation 173

12

Inhalt

F

Das >lukanische< Doppelwerk, die älteste >Evangelien-HarmonieMS< weist die Schüler ermutigend auf die ihrem Herrn analoge Diskriminierung hin 6.4 Lk 7,34 (= Q): Die unsinnige und von der Erfolgsgeschichte der Kirche überholte Gegnerkonfrontation 6.5 Lk 9,22 (= Mk): Die Jesus im Gebet geschenkte Einsicht in die Vorsehungsplangemäßheit seiner Verwerfung und Rehabilitierung . 6.6 Lk 9,26 (= Mk): Die Bedingung der täglichen Kreuzesnachfolge gilt für alle Teilnehmer des messianischen Banketts als Weg ins Leben 6.7 Lk 9,44 (= Mk): Die kommende Verwerfung Jesu ist die Verwerfung dessen, der seine Autorität sichtbar an den Dämonenaustreibungen demonstriert hat 6.8 Lk 9,58 (= Q): Der für die Schülerschaft prototypische Weg Jesu durch die Verwerfung als soteriologische Bedingung . . . . 6.9 Lk 11,30 (= Q): Der ironische Kommentar zur Verwerfung des >MS< 6.10 R-Lk 12,8 (+ Q): Die wiederholende Erinnerung an das Orakel von dem sich im Endgericht von den Untreuen Distanzierenden . . 6.11 Lk 12,10 (= Q): Die sich verweigernde Reaktion auf die nachösterlichen Agenten des Vorsehungsplans ist absolut heilsausschließend 6.12 Lk 12,40 (= Q): Speziell die Verantwortungsträger haben in der Stetserwartung des Wiederkommenden vorbildlich zu sein . . 6.13 R-Lk 17,22.(25): Vorausblickende Weggemeinschaft nach dem Vorbild des geheilten Samaritaners ist für den Weg per aspera ad astra unumgänglich 6.14 Lk 17,24 (= Q): Wer jetzt schon vom lk Jesus ganz durchleuchtet ist, wird es auch bei der Vollendung sein 6.15 + 16 Lk 17,26.30 (= Q): Wer (umgekehrt dazu) sein Verhalten nicht an diesem Jesusbuch orientiert, wird dem zukünftig endgültigen Vernichtungsfeuer anheimfallen

188 188 189 190 192 193

195

198 199 200 201

203 204

204 205

206

Inhalt

13

6.17

R-Lk 18,8: Die Hauptsache bleibt, der wiederkommende >MS< findet eine in Stetserwartung betende Gemeinde vor 6.18 Lk 18,31 (= Mk): Der lk MS als ständiges Objekt des lk Vorsehungsplans wird erinnert und weiter entfaltet 6.19 R-Lk 19,10, die lk zentrale MS-Aussage: Der Retter der Verlorenen 6.20+21 Lk 21,27.36 (= Mk dupl.): Die Parusie des >MS< als die Befreiung von den Verfolgungen um des >MS< willen zur ungestörten Dauergemeinschaft mit ihm 6.22+23 Lk 22,22.48 (= Mk): Die Figur des Judas als Signal der Realisierung der Vorsehungsplanetappe 6.24 Lk 22,69 (= Mk): Die Investitur des >MS< für die Zukunft des Vorsehungsplanes 6.25 R-Lk 24,7: Die Engel zitieren Jesus zum Erweis der Erfüllung der vorhergesagten, jetzigen Vorsehungsplanetappe (Erfüllungs-Rhetorik) 6.26 Apg 7,56: Die Stephanos-Vision des >MS< (die die >ErfüllungsRhetorik< abschließend überbietende Visions-Rhetorik)

G

H

HebrEv Frg. 7: Das MS-Ich-Wort Jakobo svision

207 207 209

210 212 213 214 215

des Auferweckten in der 217

ThomEv 86: >Der Sohn< (= Schüler) des Menschen (= des präexistenten Pneuma)

218

Anhang: Die nicht-anaphorische Verwendung des Syntagmas >MS< als intertextuelle Erjullungs-Rhetorik mit LXXRezeptionen

219

Hebr 2,6: Der vorübergehend zum Menschen Erniedrigte als der im Orakel LXX-Ps 8 Vorhergesagte

219

2.0 2.1 2.2

Apk 1,13; 14,14: Die Rezeption der Vergleichskennzeichnung der Visionsgestalt von Dan 7 als jesuanisierte Visionsgestalt . Die Vergleichskennzeichnungen Apk 1,13: Die erste Beauftragungsvision Apk 14,14: Die vorlaufend vorläufige Endgerichtsvision

221 221 222 224

J

Peroratio

226

I

1. 2.

Literatur

232

A Das Vorfeld der Ausgangsfragen

Man bezeichne das, was man meist als >Voraussetzungen< annimmt, besser erst als >VorfeldVoraussetzungen< ist schon eine verengende Prämisse, die ungeprüft davon ausgeht und suggeriert, daß sprachliche (aramäische), literarische und historische Vorgaben als federführend angenommen wurden. Der Ausdruck MS scheint in den Evangelien primär nur als Selbstbezeichnung des erzählten Jesus vorzukommen (sieht man vom Problem jeweiliger Autorformulierungen zunächst einmal ab); auf jeden Fall steht er nie im Munde von Erzählfiguren als Anrede oder Bekenntnis. Er steht allerdings auch dabei nicht an beliebig austauschbaren Stellen, sondern ist offenkundig akzentuiert eingebracht: »Jesus never used >SM< for >I< in mundane statements, such as >the SM wants to cross the seaIthe historical Jesus«.«10 Gerade der Inhalt des Namens >Jesus< steht nicht von vornherein fest, sondern sein Sinngehalt ist immer erst das Ergebnis einer Inferenz des Lesens der betreffenden Textganzheiten. Der sogen, historische Jesus< ist als Konstrukt der Ideale des bürgerlichen Liberalismus des 18./19.Jh. zu sehen - auch in der nicht zufälligen Renaissance in der 2. Hälfte des 20.Jh. als angeblich >neuer FrageMS
MS< global als Wiedergabe eines semitischen ben ha-'adam festnageln und ihn generell und überall als den «Sohn Adams par excellence« verstehen wollte, 20 so ist das sicher überzogen. 21 Es sollte aber angesichts der ungelösten Probleme nicht f ü r alle kreativen Stadien der griechischen Rezeption von vornherein als Möglichkeit aus dem Blick gelassen werden. Im Aramäischen jedenfalls ist >Adam< als Gattungsbezeichnung wie für Einzelwesen überhaupt nicht gebraucht worden. Der Artikel als Rückweiser könnte bei >MS< allerdings auch in bestimmten Texten eine intertextuelle Funktion haben »und nur bedeuten >der (aus Dan 7,13 bekannte) br 'ns, das br 'ns genannte Wesender Mensch (als Art), die Menschheit, die Menschen« und wird (anders als 'is >Manneinzelne Mensch« wird mit bien-'adam, der Plur. >die (einzelnen) Menschen« mit bene/benot (ha)'adam bezeichnet.«46 Ein determinierter Constructus mit Sing, ist im AT 43

VOUGA 1994: 59; FLEDDERMANN 1992: 357-9. "Vgl. CHILTON 1992: 210F.213: auch hier schiilerschaftsbezogen gg. den falschen Bezug bei SMITH 1988: 85 auf bloße menschliche Sterblichkeit. Weitere frühkirchliche Rezeptionen wie z.B. in N H C 1/4 (EpRheg/De Resurr) 44,23.31; 46,14 (Teilhabe an der menschlichen Sphäre gegenüber der göttlichen als zugleich >Gottessohn< wie OdSal 36,3; vgl. PEEL 1974: 40f.47f.69f.) oder den Zitaten bei Hippolyt (vgl. dazu SCHRÄGE 1964: 69; COLPE 1969: 477-81) bleiben im Folgenden außer Betracht, da sie Gegenstand der späteren Dogmengeschichte sind. Auch ihre Codierungen als >aktive Rezeptionen« haben ihre eigenen Probleme. Sie würden den hier gesetzten Rahmen sprengen. 45 Vgl. FITKMYER 1979: 145-83; DONAHUE 1986: 486-90; A. COLLINS 1987: 394f.; KEARNS 1988: 176-202 Anhang: »Der lexematisch entsprechende prophetologische Würdetitel im Aramäischen« und dgg. Rez. CASEY 1990: 174: »the many >Bedeutungen< which KEARNS finds for this expression in Aramic texts involve a basic confusion between meaning and reference«; HAMPEL 1990: 160-3; BURKETT 1991; 1994. 44 WESTERMANN T H A T 1,41-57.43; HAAG ThWAT 1,682-9; im Plur. nur Gen 11,5 mit,

24

Das Vorfeld der Ausgangsfragen

also gar nicht belegt; und im Hebräischen der Mischna fehlt der Constructus überhaupt. 47 Der noch strengere Kollektivbegriff 'xnos hat in der Hebr. Bibel »niemals den Artikel und begegnet nur im Singular« und »nur in poetischen Texten.« 48 Noch in dem weisheitlich-poetischen Text 4Q184 (Wiles of the Wicked Woman) steht Frg. 1,17 '"nos generisch, nimmt 75 von 1,13.14 auf und wird im Parallelismus mit bnj 'js >Mannessöhne< aufgenommen, das auch Frg. 4,4 erscheint.49 Aramäisch steht der Plur. bei Dan 2,38; 5,21 ifne'"nas-a determiniert. »Noch weniger als bei bn im Hebr. war br im Aram, nötig zur Bildung der Individuation, da 'ns allein sowohl >einen Menschern wie >die Menschendie Menschheit bedeuten kann.«50 Die »einzig mögliche Wiedergabe« des Constructus ist also immer >MenschMenschensohnMenschenkind< abzulehnen sind.«51 Diese übersetzungssemantische Einsicht kann man sich nicht oft genug einprägen.

2.1 Der Ausschluß des Vokativs als Erklärungsgrundlage für Jesus-Worte Von dem Vokativ der Anrede-Wendung von höheren Mächten an sterbliche Menschen (93mal >du sterblicher MenschmankindIsraelStammvater< und >Volk< leicht erklärt: - »Deine Hand sei über dem Mann ('is) deiner Rechten, - über dem Einzelmenschen (ben 'adam), den du dir aufgezogen hast.«56 Poetisch tritt eine solche Individualisierung meist im synonymen Parallelismus auf. - Doch (und dies ist eine entscheidende, wenn auch oft nicht bedachte

53

COLPE 1 9 6 9 : 4 0 5 ; H A A G T h W A T 1 , 6 8 3 f . ; M O U L E 1 9 9 5 : 2 7 7 f.

54

C H I L T O N 1 9 9 2 : 2 0 3 f . ; v g l . VERMES 1 9 7 6 : 2 1 f f . ; LINDARS 1 9 8 5 : 5 6 - 8 : j B e r 3 b ; 5 b ; G e n R

38,13. 55 A . Y . COLLINS 1987: 3 9 4 f . mit dem wünschenswert deutlichen Verweis auf den Ausweichcharakter dieser Prozedur! Es ist h ö c h s t bedenklich, d a ß das explicandum eines ungriechischen Idioms mit Artikel ausgerechnet durch ein semitisches explicatum ohne einen solchen Artikel erklärt werden soll ( b e n '"nos/'adam; bzw. aram. bar 'enas).

" G g . COLPE 1969: 410 nicht primär individuell.

26

Das Vorfeld der Ausgangsfragen

Beobachtung) ein solches bn 'dm »steht an fast allen Stellen in betontem Gegensatz zu Gott«:57 - »Beim bn 'dm ist (im Gegensatz zu JHWH) keine Hilfe (Ps 146,3«; LXX hier Plur.). - »Deshalb vertraut Israel auf J H W H und nicht auf die bnj 'dm (Mi 5,6).«58 - Schon der 2. Bileam-Spruch (Num 23,18-24 E), mit dem der Seher den König Balak zurückweist, formuliert die Antithese: »Gott ist kein Mensch, daß er lüge, kein bn 'dm, daß es ihn gereue: Was er gesprochen, sollte er's nicht tun? Was er geredet, sollte er's nicht ausführen?« (Num 23,19). - Der Perioden-Pescher 4Q181 warnt Frg. 1,1 ( = Kol. III) die »Union« der Essener davor, »sich zu besudeln mit der Sünde von bnj 'dm«,59 die synonym 1,2 bnj 'rs (komplenym zu >Himmelssöhnen< = Frg. 2,1 [ = Kol. I] >Engel< vs. >[Töchter]-A-#wchildren of the worldSöhne des Weltkreiseskein Einzelmensch< = >keinerTargumjemandein Menschensohn-Ahnlicher< ist der einem gewöhnlichen Menschen< Gleichender, was auch die verschiedenen griech. Übersetzungen einhellig ohne Artikel ώς υιός άνθρώπου wiedergeben (und so auch noch l H e n Sim 46,1; 4Esr 13,3; Apk 1,13; 14,14 wie Joh 5,27 angespielt; dasselbe gilt für die Dan 7-Zitate bei Justin [ζ. B. Dial 32,1], der dagegen beim Jesus-Zitat [Dial 100,8] den Artikel setzt).62 - Aram.-griech. Bilingue aus Georgien Z.19f. (2.Jh. n.Chr.): >jemandMS< wurde die aramaistische Alternative entwickelt, für Jesus oder die ältesten christlichen Gemeinden (sofern die Stellen noch nicht von Dan 7 beeinflußt sind) eher einen generischen64 oder indefiniten Gebauch 65 als Ausgangspunkt anzunehmen. Dies trägt zwar dem aramäischen Ausgangmaterial insofern Rechnung, als es der erkennbaren Codierung von bar enas entspricht, führt aber für die synoptischen Selbstbezeichnungen Jesu in Sackgassen, da diese immer schon betonte Sendungsaussagen machen. Die Vertreter dieses aramäischen Ableitungstyps müssen darum für den Weg zu den vorliegenden Texten oder ihren unmittelbaren Prä-Texten immer

61 FITZMYER 208; gg. COLPE 1969: 405f.i3.i5 ist der aus dem 5.Jh. n.Chr. stammende Auslegungsmidrasch GenR 38,13; 79,6 nicht für galiläisches Aramäisch der Zeit Jesu auswertbar: STRACK/STEMBERGER 1982: 257-63; selbst ein indefinit umschreibender Sinn ist erst sehr spät TgNeof 1 zu Gen 4,11; CairoTg Β belegt: FLTZMYER 1979: 13 f.95 f. 152-4; 1980: 20 - aber auch da ist generischer Sinn möglich: BAUCKFÍAM 1985: 32is; BURKETT 1994: 509f. 62

COLPE 407 2 4; BORSCH 1970: 4 3 ; MOULE 1995: 2 7 7 .

63

HAAG ThWAT 1,684.

" C A S E Y 1976; 1979; 1986; 1987. 65 P o LAG 1977: 1 0 9 - 1 7 . 1 8 7 - 9 2 . 1 9 9 ; LLNDARS 1980; 1981; 1983; 1985; BAUCKHAM 1985; FULLER 1985; FITZMYER.

28

Das Vorfeld der Ausgangsfragen

einen Bruch der semantischen Codierung konstatieren. Im Banne einer evolutionistischen >Traditionsgeschichte< möchte man einerseits eine historische Jesuanizität retten, ereicht das aber nur auf Kosten einer grundlegenden semantischen Diskontinuität. 66 »Unfortunately the Aramaic evidence is not a magic wand which solves all our problems.«67

2.5 Eine mögliche, finale Codierung der

Genitivwendung

Als positive Alternative hierzu bietet sich u.U. auch eine finale Auflösung des Relationsverhältnisses an, da ein solches sogar mit Artikel aramäisch belegt ist (allerdings beim Plur.): Söhne des/der . . . = »von Gott Bestimmte zu.«bg Solche voressenischen Prädestinations-Genitive stehen: Von Gott Bestimmte - zum >Segen< (4Q548 VisAmram' ar 1,5),69 zu rechtem Handeln (ebd. 1,7), zum Licht (ebd. 1,16 vgl. 14 >Volk der LichthelligkeitZwei-Geister-Lehre< (1QS 3,13.20.22.24 f.; 4,5 f. zu >Licht/Gerechtigkeit/Wahrheit« determiniert vs. 3,21 >UnrechtLicht< vs. >FinsternisLicht< vs. >FinsternisLichtewiger KreisGerechtigkeitMagd/WahrheitVerderbenWohlgefallenSchuldUnrechtUnheilWahrheit< vs. >SchuldSchuldGnadeWahrheitWahrheitdei' ' D g g . zusammenfassend CARAGOUNIS 1986: 22 f.28-33; BURKETT 1994: 513-9; VÖGTLE 1994: 34-42. 67 STANTON 1986: 518 gg. LINDARS. 68 BEYER 1984: 536,9. 69 Vgl. BEYER 1984: 212F.; 1994: 88; MAIER 1995: 2,723. 70 BEYER 1984: 333. 71 BEYER 1984: 270; 1994: 88; MAIER 1995: 2,705. 72 Vgl. die Analyse von STEGEMANN 1988; 1993: 154-6; Übers, jetzt MAIER 1995: 1,173-7. 73 Vgl. STEGEMANN 1993: 145-8; Übers, jetzt MAIER 1995: 1,125-56. 74 Vgl. STEGEMANN 1993: 153-9; Übers, jetzt MAIER 1995: 1,166-200. 75 Übers, jetzt MAIER 1995: 1,1-36,17. 76 Vgl. STEGEMANN 1993: 151 f. und mit revidierter Übers, und korrigierten Zählung jetzt MAIER 1995: 1,45-124.

Die Rückfrage nach aramäischen Substraten

29

nes Wohlgefallensiflija'al-söhneSöhn[e der Sterb]lichkeitdie Heiligen der(/des?) Höchstem (Doppelplural wohl eher epexegetisch) funktionsgleich als Wechselbegriff ein. Dabei ist ganz wichtig, zu sehen, daß nicht gesagt werden kann, daß jene Visionsgestalt >über< jene >Heiligen< herrschen wird, sondern es liegt ein direkter Wechselbegriff als Interpretation vor. Die Vision wird natürlich nie ohne ihre Deutung bestanden haben. Diese gilt es genau zu lesen: »Die Zusammenstellung >MS< / >Heilige des Höchstem ist aber keine Parallele zur Zusammenstellung >KönigReich< in "BERGER 1994: 1 5 9 - 6 2 : »Es erscheint dringend geboten, die Gestalt des Simon, genannt Simon M a g u s , nicht von vornherein als exotischen Gnostiker oder als primitiven Simonisten (der Geist mit Geld kaufen will) zu sehen, sondern als Repräsentanten eines frühen samaritanischen Christentums« (ebd. 159). Auch ohne angelologische Implikate z u veranschlagen betont BERGER (von Sap 7,25 her: die Weisheit ist >Hauch der δύναμις Gottesaramäisches Danielbuch in chiastischer Rahmung seiner Kapitel - also besonders A D a n 2 : A' D a n 7.

32

Das Vorfeld der Ausgangsfragen

7,1.14. >Reich< ist in 7,1-14 nicht als Volk aufgefaßt, sondern steht mit >Herrschaft< und >Ehre< parallel (vgl. V. 14) Der Gedanke von corporate personality< hat also keine Unterstützung in 7,1-14. « " Der >Menschenähnliche< ist also Visions-Chiffre für das Kollektiv des wahren, (jetzt noch verfolgten) Israel. 3.1.1 Die Visionsgestalt Der >Menschengestaltige< wird in der Vision grammatisch in derselben Weise wie vorher die >Bestien< eingeführt und auch beschrieben (7,2.7.13). Das Bildwort ist wesentlich von dieser semantischen Opposition bestimmt. Auch ihnen wurde die Königswürde von Gott >verliehen< (außer dem 4. Herrscher!), so daß sie den Status von Weltregenten erhalten (7,4.5.6.14). Es ist immer >Gottes Henschafi< (3,33; 4,31; 6,27), die die Weltregenten der Imperien seit dem jüdischen Exil verwalten (2,21; 4,14.22). Vor allem die Beauftragung des ersten Weltregenten, Nebukadnezar, wurde in gleicher Weise wie für den künftigen Herrscher beschrieben (vgl. 7,13 mit 2,37; 5,18, wobei 2,37 f. auf Jer 25,5-7; 28,14 zurückweist). »Der direkte Hintergrund der Spannung Tier/Mensch liegt in Dan 4 vor, wo beschrieben wird, wie Nebukadnezar, indem er seine Königswürde verliert, von einem >Menschen< in ein >Tier< verwandelt wird. Vgl. - 7,4: Das vorderste war wie ein Löwe und hatte Adlerschwingen => 4,30 b: bis daß sein Haar lang war wie Adlerfedern. - 7,4: Ein Menschenherz wurde ihm gegeben => 4,13: Sein Menschenherz soll sich verwandeln und ein Tierherz ihm gegeben werden. - Auch in Dan 4 finden wir dieselbe Parallelität zwischen Königswürde und Menschlichkeit wie in Dan 7,1-14. Wer die >Königswürde< legitim besitzt, hat auch den Status >MenschMS< unerläßlich ist. Die Polarität >TierMensch< ist aus diesem Kapitel geformt.« 100 Offenbar wird hier noch nicht an eine feste Einzelgestalt gedacht, sondern auf die Repräsentation des Menschlichen abgehoben; das erübrigt eine Identifikationssuche wie eine Identifikation mit dem Erzengel Michael.101 99

KVANVIG 1 9 7 8 : 1 1 3 ; M . MÜLLER 1 9 8 4 ; v g l . CARAGOUNIS 1 9 8 6 : 6 1 - 8 1 , d e r a b e r d i e

Entsprechung auf den Plur. 'eljonitt beschränken möchte; andere Rekonstruktion des griech. T e x t e s b e i JEANSONNE 1 9 8 8 : 9 6 - 9 . 1 1 0 - 4 . 100 KVANVIG 1978: 115, vgl. 102 f.: »Zusammenhang zwischen Menschenwürde und legitimer Herrscherwürde ... Nebukadnezar wird Typos des MS«; vgl. 1988: 671-93; vgl. KOCH

1 9 8 2 : 3 0 0 f.; ALBERTZ 1 9 9 4 : 4 8 f. 101 GESE 1983: 378 f. »schließlich setzt das Herbeikommen eines Menschenähnlichen mit den Wolken erst den Eintritt dieses Wesens in den göttlichen Bereich voraus, es kann diesem Bereich nicht schon entstammen«; vgl. auch CARAGOUNIS 1986: 67 f. gg. die Michael-Iden-

t i f i k a t i o n v o n PROCKSCH 1 9 2 7 ; N O T H 1 9 5 7 ; KOCH 1 9 7 0 : 2 7 . 2 9 ; J. COLLINS 1 9 7 7 : 1 9 9 2 : 4 5 1 ; ROWLAND 1 9 8 2 : 1 6 1 f.; DAVIS 1 9 9 4 : 4 9 1 .

141-6;

Die Visionsgestalt von Dan 7 und ihre Rezeptionen

33

Das gilt zumal dann, wenn (wie 1QM 13; 17,6-8) auch der danielische Michael (in Dan 10,13.21; 12,1) dem obersten >Fürsten des Himmelsheeres< (8,11-17; 10,2-21; 12,5-13), der als eine Art himmlischer Hohenpriester vorgestellt ist (wie der eschatologische Befreier >Melchi-sedekWahrer König< 11Q13 2,5.8 f.13.25; 3,5 vs. >BelialMS< wird in einer eigenen Szene, getrennt von der Gerichtsszene (die mit dem 4. Tier verbunden ist) eingeführt. In V. 13-14 ist die Aufgabe des >MS< dieselbe wie diejenige der Tiere: Er ist der Weltherrscher.« 105 Die Kategorie >Gericht< wie >Endgericht< ist in sensibler Rede als für das Frühjudentum nicht beschreibungsadäquat, ja sogar irreführend, besser zu meiden. Es geht bei dem, was man kurzschlüssig mit dem Ubersetzungsausdruck >Gericht< eindeutscht, immer um die Ausrottung der Bedrücker in einer >Selektion< und >Säuberungsaktion< ohne einen Gerichtshof oder eine forensische Institution oder Situation: »Wer zu der einen und wer zu der andren Gruppe gehören wird, steht dabei offenbar von vornherein fest; die Scheidung braucht nicht erst durch eine Gerichtsverhandlung herbeigeführt werden. Das ist in der frühjüdischen Literatur bis zum l.Jh. n. Chr. auch nie die Aufgabe des >GerichtsErlösungsStrafexpeditionMelchisedek-Midrasch< genannten thematischen Pescher, der sich nach 4Q180 1,1 wohl >Darlegung der Geschichtsepochen, die Gott gemacht hatLehrer der Gerechtigkeit der amtierende Priesterfürst bis zur Okkupation dieses Amtes durch den Makkabärer Jonathan 152 v.Chr. gewesen sein, wäre die Annahme KARRERS ZU korrigieren; vgl. STEGEMANN 1992: 1 4 8 - 5 2 ; 1993: 2 0 5 f. 117

MAIER 1 9 9 5 : 2 , 3 2 4 .

Das Vorfeld der Ausgangsfragen

36 3.2 lHenSim:

Die erwählte Weisheit als >jener Menschensohnes seien ja »nur 5%« des ganzen Henoch-Pentateuch in Qumran gefunden worden,121 überzeugt nicht, da diese pauschale Rechnung ja suggestiv die Verteilung der Fragmente vernachlässigt.122 »Deshalb ist anzunehmen, daß es erst nach der Mitte des 2.Jh. v.Chr. von Nicht-Essenern verfaßt wurde. Man geht aus diesem Grund meistens davon aus, daß das Buch der Bilderreden erst in 1.Jh. n.Chr. entstanden ist, sei es schon in vorchristlicher Zeit oder erst, als es bereits Christen gab ... Erst die Qumran-Funde haben die Brisanz der Sachlage voll bewußt gemacht.«123 Auf jeden Fall wird man sagen dürfen: »The community of the righteous< presupposed in the Similitudes (e.g. 38,1) was a different conventicle from that of Qumran.«124 Die Frage der Datierung bleibt schwierig zu lösen:125 - Ob dabei lHen 56,5-7 (a) integral zum Sim-Buch gehörte126 und wenn, ob es dann (b) zeitgeschichtlich für den Parthereinfall in Palästina 40 v. Chr. "»Übers.: BEER AP (1900

3

1975) 2,258-78; UHLIG JSHRZ (1984): 5,573-634; dazu:

SJÖBERG 1 9 4 6 ; VIELHAUER 1 9 6 5 : 8 3 - 5 . 1 3 0 - 3 ; HOOKER 1 9 6 7 : 3 1 - 4 6 ; COLPE 1 9 6 9 : 4 2 5 - 9 ; U . MÜLLER 1 9 7 2 : 3 6 - 5 1 ; THEISOHN 1 9 7 5 ; CASEY 1 9 7 6 ; COPPENS 1 9 8 3 ; SAHLIN 1 9 8 3 : 1 5 5 - 6 1 ; M . MÜLLER 1 9 8 4 ; DAVIS 1 9 8 4 ; CARAGOUNIS 1 9 8 6 : 8 4 - 1 1 9 ; NICKELSBURG 1 9 8 7 : 5 6 - 6 4 ; 1 9 9 5 : 3 3 9 f . 3 5 1 ; J. COLLINS 1 9 8 0 ; 1 9 9 2 : 4 5 1 - 9 ; HAMPEL 1 9 9 0 : 4 1 - 7 ; REDDISH 1 9 9 0 : 1 6 3 - 6 ; BLACK

1992: 145-68; VANDERKAM 1992: 176-90: VÖGTLE 1994: 90-4.122-8; SLATER 1995: 193-5. "'FITZMYER 1981: 208 f. Die Übersetzung folgt im folgenden UHLIG 1984. 120

G g . BORSCH 1 9 6 7 : 1 4 6 f . ; GREENFIELD/STONE 1 9 7 7 : 5 5 f .

m

S o BLACK 1 9 8 4 : 2 0 1 .

m

Leider folgen dieser Argumentation auch UHLIG 1984: 574; CARAGOUNIS 1986: 93 f.; VöGTLE 1994: 123.126. Dabei ist z.B. völlig übersehen, daß alle vier Kopien des (jetzt äthiopisch vierten) des Astronomischen Buches< (lHenAstr 72-82), 4Q208-21 l/HenAstr a " d ar (wohl der ältesten jüdischen Apokalypse überhaupt als Kult-Weisheit), auf einer je eigenen Rolle und noch ohne einen Zusammenhang mit anderen Teilen des 1 Hen stehen: STEGEMANN 1983: 504-7; 1993: 133f.; Text BEYER 1984: 251-8: Übers. MAIER 1995: 2,159-64. 123

STEGEMANN 1 9 9 3 : 1 3 4 .

m

J . COLLINS 1992: 451 f., wie es analog von den in Qumran auch nicht belegten Büchern PsSal und TestMose gilt. 125

V g l . z u r D e b a t t e SUTER 1 9 8 1 .

126

D g g . z . B . KNIBB 1 9 7 9 .

Die Visionsgestalt von Dan 7 und ihre Rezeptionen

37

auswertbar sei,127 ist fraglich, ebenso aber auch die Auswertung für eine Spätdatierung, einen Parthereinfall unter Trajan.128 - Im literarischen Verhältnis von lHenSim zur Apokalypse >Jubiläenbuch< ist diese als wesendich älter zu bestimmen (und sogar schon voressenisch in CD A2 16,3 f. Ausführungsbestimmung zu Jub als Programmschrift zitiert).129 - Auch die Berührungen von lHenSim mit 4Esr wie 2Bar, z.B. erstmalig hinsichdich ihres spätapokalyptischen Konzept von >2 Äonen< (lHenSim 48,6f.: »dieser Äon der Ungerechtigkeit« vs. 71,15 »zukünftiger Äon«)130 weisen eher auf eine zeitliche Nähe zwischen diesen drei Schriften um 100 n.Chr. 131 Gegen eine Beanspruchung von lHenSim für die Entstehungsphase einer urchristlichen >MSHenoch redivivus< beruht, wobei der Epilog dann auch als redaktioneller Nachtrag aus dem l.Jh. n.Chr. angesehen wird.136

127

S o UHLIG 1984: 575; BAMPFILDE 1984; VöGTLE 1994: 123.

m

So HINDLEY 1968; extrem spät MILIK 1971 wie SANDERS 1977: 374: erst juden-christlich um 270 n.Chr.; LEIVESTAD 1982: 234 wie SPARKS 1984: 1 7 4 f . l 7 8 f . halten Sim für judenchristlich die Entstehung früher möglich; christlicher Ursprung wurde seit HILGENFELD 1857: 150-84; 1861 und VOLKMAR 1861 angenommen; für früh juden-christlich um 40 n.Chr. votierte wieder MEARNS 1978; 1979; vgl. dgg. CARAGOUNIS 1986: 88.91 f. M

STEGEMANN 1993: 131 f. gg. das D a t i e r u n g s a r g u m e n t v o n UHLIG a.a.O.

130

Vgl. HARNISCH 1969: 9 2 . 131 KNIBB 1979: 3 5 9 ; BIETENHARD 1982: 3 4 1 - 4 ; SCHWEIZER 1975: 101; HOOKER 1992: 190. 132

So auch noch VÖGTLE 1994 passim.

133

THEISOHN 1975: 1 4 9 - 8 2 . 134 S o LINDARS 1973: 5 7 - 6 0 . 135

So aber BIETENHARD 1982: 338.

136

S o UHLIG a.a.O.; d g g . BLACK 1992; VANDERKAM 1992: intergraler Bestandteil d e s

Buches.

38

Das Vorfeld der Ausgangsfragen 3.2.1 Die 1. Bilderrede (lHenSim 38-44): Der >Erwählte
Weisheit/ (37,1) wird in der 1. Bilderrede (lHenSim 38-44) in der Visionsvorbereitung 38,2 eingeführt mit der Aussage »wenn die Gerechtigkeit««, »das >Licht der Gerechten und Auserwählten< erscheinen wird«. Bei seinem Aufstieg in den Himmel (nach der Thronvision lHen 14,8-25 aus dem 1., dem vordanielischen >Angelologischen Hen-Buch< modelliert), sieht Henoch sie als >den Erwähltender Erwählte der Gerechtigkeit und der Treue< (40,5 abgekürzt renominalisiert in der Audition des Erzengels Rafael, der >den Erwählten< preist). Die 1. Bilderrede kennt also nur zweimal diese Hauptbezeichnung >Erwählten (in Relation zur »Gerechtigkeit«). Dabei ist weiter kennzeichnend, daß diese Figur »Weisheit« (von Prov 8 her) nirgends »unter den >MenschenkindernEngeln< nahm« (42,1 f. während V. 3 im Gegensatz dazu die Ungerechtigkeit kam »und wohnte unter ihnen«!). Das ist nicht nur eine Zurückweisung jedes Toraoptimismus,137 sondern geradezu »eine Parodie auf Sir 24 und Bar 3,5-4,4.«138 Dieses Schema entspricht der griechisch bekannten Sendung der »Philosophia< und ihrer (weinenden) Rückkehr in den Himmel nach vergeblicher Wanderung unter Barbaren und Griechen.' 39 Im Bildfeld (»Menschenkinder« vs. >EngelWeisheit< (Rückweiser auf die Überschrift 37,1!). 3.2.2 Die 2. Bilderrede (lHenSim 45-54): Die Nebenbezeichnungen des >Erwählten< Die 2. Bilderrede (lHenSim 45-54) setzt zunächst ein mit der zuvor eingeführten Hauptbezeichnung (und zwar höhepunktlich betonend) in einer direkten Gottesrede (Inclusio A): 45,3 a »an jenem Tag wird mein Erwählter sitzen auf dem Thron der Herrlichkeit« (v.l. auch V.3b); V. 4 »an jenem Tage werde ich meinen Erwählten unter ihnen wohnen lassen« (2mal). Diese Erwählung fand nach 48,3 schon vor der Schöpfung von Sonne und Sternen statt, was klar auf die Präexistenz dieser Figur »Weisheit< hinweist.140 137

KOCH 1982:

138

NICKELSBURG 1 9 8 2 :

139

221. 216.

Lukian Fug 5 - 7 , auch die Dike bei Aratos; vgl. LLPS 1990: 78 f. 140 J. COLLINS 1992: 454 f.; vgl. CARAGOUNIS 1986: 114 f.: darauf weisen im Wortfeld auch die Komplenyme »enthüllt werden< bzw. >erscheinen< 48,7; 62,7; 69,29.

Die Visionsgestalt von Dan 7 und ihre Rezeptionen

39

Sie wird dann (7mal) gegen Ende dieser 2. Bilderrede renominalisiert (Inclusio A'), und dabei wird sie zunächst berichtend fortgeführt: 49,2 »denn der Erwählte ist vor dem Herrn der Geister aufgestanden« (V. 4 verbalisiert »denn er ist erwählt vor dem Herrn der Geister«; vgl. verbal schon 48,6). Die wiederum betonend direkte Gottesrede in 51,3 renominalisiert dann den Ausdruck von 45,3 (»der Erwählte wird in jenen Tagen auf meinem Thron sitzen«), wie 51,5 berichtend auf 49,2 zurückgreift (»in jenen Tagen wird sich der Erwählte erhoben haben«). Die Deutung der geschauten Metallberge erklärt 52,6 »sie alle werden vor dem Erwählten wie Honigwachs vor dem Feuer sein«, wozu V. 9 erinnernd ergänzt »wenn der Erwählte vor dem Angesicht des Herrn der Geister erscheinen wird.« Weiter erklärt die Deutung des geschauten Vernichtungstales die positive Folge 53,6 »danach wird der Gerechte und Erwählte das Haus seiner Gemeindeversammlung erscheinen lassen«. Den Abschluß markiert wiederum höhepunktlich eine (dritte) direkte Gottesrede 55,4 »Ihr Könige ... euch steht bevor, meinen Erwählten zu sehen, wie er auf dem Thron der Herrlichkeit sitzt« (wichtig ist dabei auch das Auftauchen des Ausdrucks als Antonym 56,3, daß sogar die dämonischen Engel >ihre Auserwählten und ihre Geliebten< haben). 3.2.2.1 Die Nebenbezeichnung >jene menschenartige Figun Zwischen diesen beiden Blöcken (A : A') wird in lHen 46-48 die Fiktion der Himmelreise Henochs unterbrochen durch eine selbständige Vision eines >Betagten< und >jener menschenartigen Figurnach der Schablone< von Dan 7 >verzückt< (um Th. M A N N S Diktum aufzugreifen).143 - Diese Ergänzungsvision hat die Funktion, die zu erwartende >Endsäuberung< zu verstärken: »Und ich sah dort einen, der ein Haupt der Tage ( = betagtes Haupt) hatte, und sein Haupt (war) wie Wolle so weiß, und bei ihm (war) ein anderer, dessen Gestalt wie das Aussehen eines Menschen (war), und sein Angesicht voller Güte wie (das) von einem heiligen Engel« (46,1). In lHenSim ist er also nicht nur >menschenähnlichengelähnlichSM< is distinguished from other angels (Michael in 60,4-5; 69,14;

" ' T H E I S O H N 1 9 7 5 : 54. 142

E b d . 15 ff.; M . MÜLLER 1 9 8 4 ; CARAGOUNIS 1 9 8 6 : 9 6 - 1 0 1 ; g g . SCHENKE 1 9 9 0 :

126-9

ist die Annahme von voneinander unabhängigen MS-Spekulationen in Dan 7 und l H e n nicht zu halten, zumal sie so die Basis für eine breite Front von MS-Gestalten abgeben soll. 143

M A N N 1 9 4 9 : 1 0 3 f.; vgl. SCHENK 1 9 6 9 : 8 4 2 f.

40

Das Vorfeld der Ausgangsfragen

71,3; the four archangels in 71,8.9.13), his rank is higher than theirs.« 144 Das ist genau das, was der Figur der >Weisheit< zukommt. - Die Rückfrage Henochs erkundigt sich »nach jenem (Anaphora!) MS, (a) wer er sei, (b) woher er stamme, (und) (c) weshalb er zu dem (Anaphora!) H a u p t der Tage ginge« (46,2). - Die Deutung eines Deuteengels prädiziert dann zunächst die Antwort auf die Frage nach der Person und Herkunft, indem er die doppelte Verzahnung mit der Gestalt jenes erwähnten >Erwählten< herstellt: »Jener MS ist der, der die >Gerechtigkeit< hat, . . . denn der H e r r der Geister hat ihn >erwähltErwählten< = >sein Name< durch »Licht der Völker« V. 4 = 38,2.4; 49,4; 50,1 wie durch »dazu ist er erwählt« V. 6 = 46,3; 49,2.4). D a er schon vor Sonne und Sternen und auch vor der Erde geschaffen wurde (48,3), hat er die Präexistenz im Himmel, die der Figur >Weisheit« zukommt. Hier ist in allen Fällen durch das Demonstrativum ein Rückweiser auf die Visionsgestalt gegeben. Es liegt weder ein >Titel< noch gar ein >Name< vor. 145 Man sollte auch nicht vorschnell unsensibel von »Messiastiteln« bzw. »messianischen Titeln« reden, 146 da das überdehnende Adjektiv >messianischeschatologisch< verwendet ist; es gibt höchstens »the temporary messianic Kingdom«, ein »messianisches Intermezzo«, das immer auf der Erde stattfindet und das das Endheil als Vernichtungsaktion einleiten kann, aber nie mit dem Reich Gottes identisch ist.148 Entgegen einer verbreiteten Tendenz ist hier nicht >jener MS< als vermeintlicher Haupttitel der Figur des >Erwählten Gottes< vor- und überzuordnen. Die Relation ist vielmehr in umgekehrter Reihenfolge zu bestimmen. Außerdem ist zu sehen, daß der Dan 7,13 nur innerhalb der Vision auftretende vergleichende Ausdruck, dem dort in der Deutung keine verbale

144 145

J. COLLINS 1 9 9 2 : 4 5 3 f. S o M . R . T ö D T 1 9 5 9 : 2 4 f.; BALZ 1 9 6 7 : 6 7 . 7 7 ; COLPE 1 9 6 9 : 4 2 5 Í . 4 2 8 g g . JEREMIAS 1 9 7 1 :

256; SAHLIN 1983: 156 »als Eigenname findet sich >der MSthe Son of Manjene< = >die gesehene Gestalte Die beiden Ausdrücke (>ErwählterErwählterHerr der Geister< neben allen Engelklassen und Mächten auch >den Erwähltem (61,10). Höhepunktlich erscheint er abschließend in der Gottesrede an die Könige: »Erhebt eure Hörner, wenn ihr >den Erwählten< zu erkennen vermögt! Und der >Herr der Geister< setzte ihn auf den Thron seiner Herrlichkeit und der Geist der Gerechtigkeit ist über ihm ausgegossen, und die Rede seines Mundes tötet alle Sünder, und alle Frevler werden vor seinem Angesicht vertilgt« (62,1 f.). In der gleichen Schilderung, die eine Entfaltung von 46,4-8 darstellt,168 geht die Redeweise 62,5 unversehens zu dem Bildwort >MS< (Block B: 9mal) wiederum mit einer kennzeichnenden demonstrativen Anaphora über: »Schmerz wird sie ergreifen, wenn sie >jenen MS< sitzen sehen auf dem Thron seiner Herrlichkeit.« Die Verschränkung ist durch eine unmittelbare Renominalisierung der Thron-Wendung noch unterstrichen. In einer direkt leserbezogenen Parenthese wird dann 62,7 damit an die Weisheit (40,1; 42,1 ff.) erinnert, »daß der MS zuvor verborgen war«. Die Machthaber werden dann vergeblich »ihre Hoffnung auf jenen MS setzen und ihn anflehen« (62,9). Dagegen werden >die Gerechten und Auserwählten< »mit jenem MS speisen und sich (zur Ruhe) niederlegen und sich erheben von Ewigkeit zu Ewigkeit« (62,14). 63,11 wiederholt den Hinweis auf die Strafausrottung der Machthaber: »danach wird sich ihr Angesicht mit Finsternis und Scham vor jenem MS erfüllen, und sie werden vor seinem Angesicht verstoßen werden, und das Schwert wird vor seinem Angesicht unter ihnen hausen.« Die hierzu positiv komplementäre Ergänzung wird anschließend in dichter Abfolge169 nochmals erinnert: Freude unter den Gerechten, »weil ihnen der Name jenes MS offenbart worden war« (69,26). »Und sie Summe des Gerichts wurde ihm, dem MS, übergeben« (69,27); »denn der (Anaphora: erwähnte) MS ist erschienen, und er hat sich auf den Thron seiner Herrlichkeit gesetzt« (69,29 a), »und sie werden sprechen zu jenem MS, und er wird mächtig sein vor dem Herrn der Geister« (69,29c).170

168

169

NICKELSBURG 1 9 7 2 : 3 0 - 4 .

Die Kap. 6 5 , 1 - 6 9 , 2 5 dazwischen scheinen eine sek. Erweiterung zu sein: UHLIG 1984: 618.630. 170 Vgl. REISER 1990: 5 2 - 4 zur Erlösungs-Strafexpedition.

46

Das Vorfeld der Ausgangsfragen

Einer aufmerksamen Beobachtung war selbst im Banne des pan-forensischen Gerichts-Konzepts nicht entgangen, daß dies in lHenSim nicht vorliegt: »Sein >Gericht< erstreckt sich über die bösen und guten Engel und die sündigen Menschen, merkwürdigerweise [?! W.S.] nicht auf die Gerechten; für sie ist er der Erlöser. Die Bestrafung der bösen Engel und Menschen mit völliger Vernichtung wird weit ausführlicher geschildert als die Erlösung und Seligkeit der Gerechten. Deren Erlösung besteht vor allem in der Befreiung von ihren gottlosen Bedrückern (51,2; 62,13) - aber nicht in der Vergebung der Sünden - und dann im ewigen Leben auf der verklärten Erde (58,3-6; 45,4 f.); >die Gemeinde der Heiligen und Auserwählten« tritt in Erscheinung (62,8; vgl. 38,1; 53,6), lebt in ständiger Gemeinschaft mit dem MS (62,14; 7 1 , 1 6 ) . . . Er hat nicht nur beim Gericht über die Welt, sondern auch in der neuen Welt seine Funktion.« 171 3.2.4 Der Epilog (lHenSim 70-71): Keine Einsetzung Henochs zum >MS< Im Epilog (lHenSim 70-71) von der Entrückung Henochs wird in rahmender Inclusio dieses Bildwort noch 2mal aufgegriffen: - (a) »Sein ( = Henochs) Name wurde bei Lebzeiten erhoben zu jenem MS und zu dem H e r r n der Geister« (70,1). - (b) »Und so wird die Länge der Tage sein bei jenem MS, und es wird Heil sein für die Gerechten . . . im Namen des Herrn der Geister für immer und ewig« (71,17). Innerhalb dieses Rahmens wird der entrückte Henoch bei seiner damaligen Ankunft im Himmel vom Engel anredend als gewöhnlicher Mensch begrüßt: »Du >Menschensohn< bist zur Gerechtigkeit geboren« (71,14 vgl. V. 15 Heil »wird auch dir zuteil werden«). Diese Stelle entspricht als Anrede der von 60,10 als >du Menschgeborenerthat SMdaß der MS Vollmacht hat, Sündern zu vergeben< (Mk 2,10), ist in der Apokalyptik nicht präformiert.« 172

SAHLIN 1983: 1 5 9 f . ; ISAAC O T P 1 , 5 0 ; MICHAELIS 1942: 9 0 f . ; MOWINCKEL 1954: 4 4 2 f . ; U . MÜLLER 1972: 5 1 ; BERGER 1984: 2 3 6 ; CARAGOUNIS 1986: 9 1 . 1 1 0 f. 173 J. COLLINS 1992: 4 5 3 - 6 gg. OTTO 1934: 2 0 1 - 1 0 ; SJÖBERG; MANSON; SCHWEIZER 1 9 6 5 ; VIELHAUER 1965: 90; PERRIN 1966 a: 23; HOOKER 1967: 4 4 ; BALZ 1967: 9 6 - 1 0 7 ; COLPE 1969: 428 f.; BLACK p a s s i m ; PESCH 1977: I I 7 3 f.; CASEY 1979: 9 9 - 1 1 2 ; MEARNS 1979; GRUNDMANN 1984: 2 2 2 . 2 2 3 , A . COLLINS 1987: 4 0 6 ; HOFFMANN 1991: 179; 1992: 4 5 2 f.; DAVIS 1994: 4 9 6 . 4 9 8 ; VÖGTLE 1994: 1 2 9 Í . 1 3 3 . 138.

Die Visionsgestalt von Dan 7 und ihre Rezeptionen

47

Mit dem Wegfall dieses »nächsten Analogon« zu Jesus als MS fällt ein Stützpfeiler des pan-eschatologischen »apokalyptischen Paradigmas« in der synoptischen MS-Forschung und alle darauf gebauten Konstrukte für einen Ursprung oder für eine Weiterbildung. Die Behauptung »Enoch was préexistent«174 beruht auf einem Irrtum und verkehrt die tatsächlich vom Text gegebenen Relationen:175 »The SM is the pre-eminent Righteous One in heaven, the supranatural double not of the individual Enoch but of all righteous human beings . . . Enoch is first among the earth-born righteous. H e must still be distinguished, however, from his heavenly counterpart.« 176 3.2.5 Zusammenfassung: Die Rollen und Funktionen der erwählten (menschen- und engelähnlichen) Weisheit (Ur-Gerechtigkeit) in lHenSim »The Similitudes were not composed for the sake of expounding Daniel, but to articulate the world view of a particular group of Jews in the first century CE. The SM is an integral part of the symbolic world of the Similitudes. Fundamental to that world view is the belief in a hidden world where the power structures of this world are reversed.«177 Dabei kommt der schlußendlichen Enthüllung jener präeistenten Weisheit eine stärker aktive Rolle als jener MS-Gestalt in Dan 7 zu, zumal sie hier nun nicht erst nach der Strafausrottung, sondern davor und zu ihrem Zweck erscheint:178 a) Die präexistente Urgerechtigkeit erscheint endlich als universaler Weltherrscher (48,8ff.; 62,6f.l2-16; 63,4.7.11; 71,15-17). Das umschließt zweierlei Hauptaufgaben: b) Ausrottung der bösen Mächte im Himmel (55,4) wie auf Erden (46,4-6; 62,2-11; 69,27-29). Diese Rolle als >Strafausrotter< sollte nicht unscharf und mißverständlich als >Richter< bezeichnet werden. c) Die Rechtfertigung der verfolgten Gerechten (>vindicatioGerechte< auf Erden kann es vorher überhaupt nur geben, weil die im Himmel verborgene Urgerechtigkeit schon als Offenbarer (von den erwählten >Patriarchen< an: Inclusio 37,2; 70,4!) gewirkt hat (46,3; vgl. die Prädikation als >Licht< 38,2.4; 45,4; 48,4). M

CASEY 1 9 8 0 :

175

CARAGOUNIS 1 9 8 6 :

106. 114f.

176

J . COLLINS 1 9 9 2 :

457.

177

J . COLLINS 1 9 9 2 :

459.

M

C A R A G O U N I S 1 9 8 5 : 1 1 5 - 9 ; J . COLLINS 1 9 9 2 : 4 5 7 f .

Das Vorfeld der Ausgangsfragen

48

3.3 4Esra 13: Das künftige Erscheinen des himmlischen Jesusalem geschaut unter dem Bild des bislang im Meer verborgenen Menschengestaltigenm Diese 6. Vision des Buches unterbricht ebenso wie die voranstehende (5.) Adler-Vision (10,60-12,49, die verschlüsselt auf die römischen Kaiser Vespasian, Titus und Domitian, gestorben 96 n. Chr. verweist) die Zusammengehörigkeit von Vision 4 (9,26-10,59 Zion)180 mit 7 (13,57-14,47 als dem Höhepunkt durch direkte Gotteserscheinung und Testament des Sehers). Diese möglicherweise »späteren Ankristallisationen«181 geben einer »Eschatologie Ausdruck, die national-terrestrisch orientiert bleibt und sich darin mit einer durch PsSal 17 f. bestimmten Tradition pharisäischen Denkens berührt.«182 »Sollte der in 4Esra sonst dominierende Dualismus der Zwei-Äonen-Lehre retrospektiv entschärft werden?«183 Die Datierung der Schrift nach der Zerstörung Jerusalems (um 100 n. Chr.) als eine sehr spezifische Antwort auf die damit gegebene drängende Theodizeefrage, wie sie in anderer, mehr traditioneller Weise etwa gleichzeitig 2Bar gibt (die Inititative liegt bei Gott; das Leiden dient der Erziehung).184 Beide Schriften bilden die Epoche einer frühjüdischen >SpätapokalyptikZwei Aonen< nicht zum Schlüssel der älteren frühjüdischen Apokalyptik gemacht werden sollte. Das singulare Pseudonym >Esra< bzw. »Ego Salathihel qui et Ezras' (3,1 ff.)186 remains a conundrum.«187Es »gibt vor, die Krise sei im Jahr 587 v.Chr.

179 Text: Biblia Sacra (Vulgata) 1969: 1962-5; Übers.: GUNKEL AP (1900 = 3 1975) 2,295-8; SCHREINER J S H R 2 (1981) 5, 393-400; STONE 1990: 207-13; dazu: VIELHAUER 1965: 85 f.;

HOOKER 1967: 4 9 - 5 6 ; COLPE 1969: 4 2 9 - 3 1 ; U . MÜLLER 1972: 9 3 - 1 3 4 ; MYERS 1974 z.St.; SANDERS 1 9 7 7 : 2 0 9 - 1 8 ; COPPENS 1 9 8 3 ; SAHLIN 9 8 3 : 1 5 3 - 5 ; M . MÜLLER 1 9 8 4 ; CARAGOUNIS

1986: 1 1 9 - 3 1 ; KVANVIG 1988: 5 2 2 - 3 1 ; STONE 1989; HAMPEL 1990: 47 f.; REISER 1990:

99-110; J. COLLINS 1992: 459-64. 180 Nur diese drei sind typische Visionen, während die ersten drei im wesentlichen Dispute - als dem besonderen Charakteristikum dieser Schrift - sind »mit dem Anschein des Visionären«: BRANDENBURGER 1981: 14f. 181

HARNISCH 1 9 8 3 : 46921 m i t STECK 1 9 6 7 : 1 9 1 ; d g g . s k e p t i s c h BRANDENBURGER

1981:

92-107. 182

183

E b d . m i t U . MÜLLER 1 9 7 2 : 8 3 ff. 1 0 7 ff.

Ebd.; vgl. KEARNS 1980: 253-62: isolierte, unabhängige Vision; STONE 1989: 123-5: 13,29-38.40-46.52 redaktionell überarbeitet; vgl. J. COLLINS 1992: 461 f. gg. CASEY 1979: 122-9; KVANVIG 1988: 527-9. 184 Vgl. die Gegenüberstellungen bei WILLEIT 1989. 185 KOCH 1970: 27 »jüngere Apokalyptik«. 186 Vgl. KRAFT 1979: 119-36; STONE 1982: 1-3: die 3,1 ff. einleitende Selbst-Identifikation mit >Salathiel< - ein Bezug auf diesen davididischen Vater des >Serubbabel< (Esr 3,2; 5,2; Neh 12,1) wird nicht weiter expliziert! 187 STONE ebd. 3 - sollte >Esra< erst sekundär durch die Vorschaltung der christlichen Kap. 1 - 2 eingebracht sein?

Die Visionsgestalt von Dan 7 und ihre Rezeptionen

49

mit der Zerstörung Jerusalems durch Nebukadnezer eingeleitet worden und Esra habe 30 Jahre später, in Babel befindlich, seine Klagen angestimmt« (3,29-31).188 Die Wahl des Namens beansprucht eine Mose analoge Autorität (vgl. den Buchschluß 4Esr 14, von Esr 7,6.11 her); er beansprucht nun >Prophetcarved out without hands< - a detail, not mentioned in the vision« (vgl. 13,36: 6 f.).192 (e) Umgekehrt werden »die Wolken des Himmels« der Vision 13,2 ( = Dan 7,13) in der Deutung nicht aufgenommen.193 3.3.2 Die Benennung der Visionsgestalt Der erste Beschreibung der Gestalt in der Vision 13,3 fehlt im lat. Text (durch Homoioteleuton).194 Meist ergänzt man von der äthiopischen Version her »quasi similitudinem hominis«,195 doch die syrische Fasssung hat >jk dmwt< dbrns (was von Dan 7,13 wie lHen 46,1 her wohl wahrscheinlicher ist.196 Diese Bezeichnung beschränkt sich aber auf diese eine mögliche Stelle und hebt dabei auf die bloße Ähnlichkeit ab. M

BRANDENBURGER 1981: 13.

189

U . MÜLLER 1972: 1 0 1 - 3 4 ; M . MÜLLER 1984; J. COLLINS 1992: 4 5 9 - 6 2 g g . d i e B e h a u p -

tung einer Unabhängigkeit durch KEARNS 1980: 52-93; bzw. KVANVIG 1988: 522 f., der beide unabhängig voneinander auf eine babyionische Vorgabe zurückführt. ' » V g l . CARAGOUNIS 1986: 128f.

" ' E b d . 122. M

J . COLLINS 1992: 461.

1.3

COLPE 1969: 430216; vgl. z u d e n B e z ü g e n a u f D a n a u c h BRANDENBURGER 1981: 1 0 7 - 1 4 .

1.4

GUNKEL 1 9 0 0 : 3 9 5 f.

M

COLPE 1969: 4 3 0 ; KVANVIG 1988: 517. CARAGOUNIS 1986: 127 f.; m ö g l i c h : J . COLLINS 1992: 4 6 0 .

50

Das Vorfeld der Ausgangsfragen

- Innerhalb der Vision selbst wird auf diese Gestalt immer mit ille/ipso homo anaphorisch zurückverwiesen (13,3.5.12): Demonstrativum analog zu lHenSim nur in der Deutung. - In der Deutung aber steht dafür durchgehend vir (13,25.32.51) - und zwar immer mit der auf V. 3 zurückweisenden Näherbestimmung (wie schon V. 5) des >(aus dem Meer) Aufsteigenden« (= dessen Verborgenheit dir vorübergehend gelüftet wurde, wie es V. 51 f. abschließend deutet). - Diese Figur wird vom Deuteengel zugleich 13,32.27.52 (wie schon 7,28) >mein Sohn< genannt. Diese Bezeichnung wird meist unbegründet selbstverständlich für einen Titel als >Gottes Sohn< reklamiert,197 meist um einen davididischen Messiasbezug herzustellen (bzw. auf παις zurückzuführen).198 Doch es redet ja immer der Deuteengel Uriel, der auch über Gott 13,26.28. 44.47 in der 3. Person redet (allenfalls wäre das Possessivum von 7,26 her als Verkürzung für: der »von mir vorausgesagte« zu nehmen; dgg. spricht aber die betonte Häufung). Es geht also um dessen >SohnHalbevangelium< bei SCHNELLE 1994: 2 1 4 - 3 3 . 2 2 7 - 9 ; denn man kann nicht spätere Rezeptionen und Erweiterungen (>PassionsgeschichteGattung< erklären. Vgl. dgg. zur präzisen Gattungsbestimmung als philosophischer >Lehrer-Biographie< DOWNING 1994 in Anwendung der von BURRIDGE 1992 präzisierten Kriterien und Methoden. Überholt ist d a d u r c h auch die antithetische Diskussion d e r Q - G a t t u n g zwischen den dualistisch überdehnten Allgemeinbegriffen >Weisheit< (ROBINSON-Schule 1971 - vor allem KLOPPENBORG 1987 u.ö.) oder >Prophetie< (SATO 1988 und die, die ihm wie TuCKETT 1995 im pan-eschatologischen Ansatz folgen) - vgl. die Kontroverse ROBINSON/SATO 1993 wie die einleuchtende Zurückweisung beider bei DOWNING 1994. Dabei ist die Bezeichnung in den Komposita mit >-Quelle< ein Relikt der Anfänge der Forschung, die primär intertextuell von der späteren Rezeption ausging, während wir jetzt dieses Textkorpus primär synchron und intratextuell analysieren können. V o r allem sollte die irreführende Bezeichnung >Logienquelle< inzwischen d e r Vergangenheit angehören (und zwar nicht nur, weil es sich nicht um eine >SpruchsammlungRedensammlung< handelt): Sie beruht auf einem übersetzerischen Mißverständnis des Ausdrucks τα λόγια bei Papias Frg. 2,15 durch SCHLEIERMACHER 1845 (Vgl. SCHULZ 1972: 13), den er d o r t zu >Aussprüchen< verallgemeinerte; t ò λόγιον bezeichnet aber seit H d t 1,64; 4,178.203; 8,60.62.141 (vgl. Eur Heracl 405; Aristoph Eq 120; Plut Fab 4,4 + M a r c 3,4 [auf Sibyllenorakel bezogen]; Thes 26,4; Lys 22,6 - auch L X X - E x 28,26; Ψ 11,6; Ps-Arist 97.158.177; XIITestLevi 8,2; Philo Post 28 a.b; VitMos 1,57 u. ö; 2,56 u.ö; Jos Bell 6,311) präzis >Orakel< (== χρησμός, wovon es erst später künstlich als m e h r prosaischen Orakeln differenziert wurde) als verläßliche Vorhersagen und nicht >Aussprüche< überhaupt (PASSOW II, 74 a; L / S / J 1056 a), was so ganz konkret auch f ü r Röm 3,2 und die Rezeptionen in H e b r 5,12; I P t 4,11; Apg 7,38 gilt (BAUER/ALAND 967 mangelt es dabei noch an lexikologischer Präzision, wie sie heutiger Lexikologie entsprechen müßte; vgl. dgg. jetzt LOUW/NIDA 1988 (»based on semantic domains«)

und

die

Charakterisierung

BAUERS in

der

Rez.

von

GRAYSTON

1990:

200:

»unsystematic arrangement and pre-semantic style«; grundsätzlich vgl. SCHWARZE/ WUNDERLICH 1985; HAAGSTRUP 1991). Auch >Sentenzen< sind also keine >Logia< (vgl. LÜHRMANN 1995: 97-116). Z u r Rekonstruktion des Einzelstoffes wird man neben anderen in jedem Fall auf SCHULZ 1972 und KLOPPENBORG 1988 zurückgreifen. Speziell zum Q - I d i o m M S vgl. vor allem TÖDT 1959 passim (der den paneschtologischen Ansatz verfestigte); LÜHRMANN

1969;

EDWARD

1969;

1970;

HOFFMANN

1972:

81-233;

1991;

1992;

1994;

SCHÜRMANN 1 9 7 5 ; POLAG 1 9 7 7 p a s s i m ; SCHENK 1 9 7 9 : 1 4 6 - 9 p a s s i m ; 1 9 8 1 ; HAVENER 1 9 9 0 : 7 2 - 7 ; NEIRYNCK 1 9 9 1 : 4 4 9 - 5 2 ; JACOBSON 1 9 9 2 ; WEISER 1 9 9 3 : 3 3 - 7 ; ROBINSON 1 9 9 4 ; TUCKET

1995. Zitiert wird mit SBL-Q-Seminar nur mit Q (Lk-Stelle, nicht mit Lk-Fassung identisch).

56

Die Redensammlung Q als urchristliche Primärquelle

1. Die synchrone Häufigkeit

Alle 8 (sicheren) MS-Worte in der >Philosophen-Biographie< Q sind pointierend und provoziernd verstärkte Ich-Wo rte Jesu. Sie erscheinen hier nicht nur ausschließlich in seinem Munde, sondern weisen auch hier seit dem Einsatz in Q 7,34 durch den deiktischen Artikel auf sein hier literarisiertes Person-Ich zurück, woraus sich die primär anaphorische Funktion des Artikels erklärt. Für diese Verwendungsweise gibt es keine semitischen Vorgaben.2 Wie F r r z M Y E R und CASEY so auch »LINDARS (1983) shows, that there was never a SM Christology in the Early Church: the use of >SM< was purely a feature of literary editing of the sayings of Jesus ... Although in the Gospels >SM< becomes at least quasi-titulatur, it is not understood as a true messianic title but as a self-designation of Jesus.«3 In positiver Hinsicht ist auf jeden Fall zu beachten, daß im Unterschied zu wirklichen Titeln und Funktionsbezeichnungen bei MS keine Prädikation vorliegt. Das unterscheidet beide Arten des sprachlichen Erfassens von Sachverhalten, der >Partizipation< eines Partizipatum durch seinen Partitipanten, grundlegend: Hier liegt die Form der >Indikativität< vor, d.h. der Sachverhalt wird als gegeben angenommen, so daß darauf verwiesen werden kann; das andere Prinzip der semantischen Partizipation, das der >PrädikativitätChristus< prädiziert. - Akklamiert wird er (wie urchristlich seit Rom 10,9 f.12 f.; 14,8; Phil 2,11; IKor 12,3 gemeinhin üblich) als Kyrios: Q 6,46; 7,6; 9,59 sowie von daher auch in den zugeordneten >Knechtsgleichnissen< Q 12,42-46; 13,25; 19,16.18. 20.5 - >Sohn Gottes< steht einleitend Q 4,3.9 als Subjekt (im Munde des Teufels) und wohl da schon rückweisend auf die Taufstimme 3,22 als Prädikation durch Gott selbst.6 2

G g . VERMES; M . MÜLLER; SCHWARTZ; HARE ist e i n e s e m a n t i s c h e G l e i c h s e t z u n g

mit

>Ich< unmöglich, weil das nur die referentielle Relation betrifft. 3

BAUCKHAM 1 9 8 5 : 2 8 .

" V g l . SEILER/PREMPERS 1 9 9 1 . 5

EDWARDS 1 9 7 1 : 5 8 - 6 2 .

'Für Q

r e k l a m i e r t v o n KOSCH 1 9 8 9 : 2 3 6 ; CATCHPOLE 1 9 9 2 : 2 1 8 ; LAMBRECHT 1 9 9 2 :

3 6 6 - 9 ; vgl. SCHÜRMANN, 1 9 7 , u n d MARSHALL, 1 5 0 , b z w . L u z , 1 5 0 f., z. S t D e r E i n l e i t u n g s t e i l

von Q ist eine Ringkomposition:

Die synchrone Verteilung

57

- Q 10,22 b.c.d steht ein absolutes ό υιός in Wortfeld-Relation zu dem hier eingeführten πατρός μου im Munde des Q-Jesus selbst,7 was in der bis dahin laufenden Textabfolge von Q nicht als selbständiges Wortfeld bestimmt werden darf, und das auch deshalb, weil selbst hier eine Anschluß herstellende Nominalisierung eines voranstehend pronominalen Jesus->Ichs< vorliegt. Der diachronisch-evolutionistische Versuch, den Jubelruf Q 10,21 f. zum Ausgangspunkt und Schlüssel des MS-Konzepts in Q zu machen,8 war vielleicht doch überanstrengt.9 Neuerlich wird der ebenso atomisierende evolutionistische Versuch beliebt, Q 13,34 f. im Sinne von Jesu »Entrückung zur Ankunft als MS« eine anfängliche Schlüsselrolle zuzusprechen:10 »Q-Lk 13,35 zeigt, daß Jesus auch für Q-R eine einmalige Position im Endzeitgeschehen einnimmt, die sich durchaus mit dem traditionellen [!? W.S.] Bedeutungsgehalt des MSTitels [!? W.S.] in Korrepondenz bringen läßt.«11 Doch das ist (textlinguistisch gesehen) atomisierend gedacht; dem widerstreitet deutlich die Sequenz in der Akoluthie des Q-Textganzen selbst, als dem Weg, den der intendierte Leser geführt wird. Denn neben der Häufigkeit ist auch auf die Verteilung der Belege in der Textsequenz zu achten. Außerdem schlägt hier immer noch der alte pan-eschatologische Ansatz durch, der die futurischen Aussagen traditionsgeschichtlich als die primär vorgegebenen ansah: Die Aussagen über ein künftiges >Kommen< des Q-Jesus werden von vorherein semantisch verengend auf ein Parusie-Konzept bezogen und dadurch interpretiert, als ob sich diese Decodierung von selbst verstünde.

2. Die synchrone

Verteilung

Alle MS-Worte sind in ihrem unmittelbaren Kotext literarisch fest verankert (evtl. rückweisend bzw. Q 9,58 vorweisend) und kaum isolierbare Einzel>Logien< (Sentenzen). Sie erscheinen von ihren Kotexten unablösbar - seien A 3,2-22 Täufer-Chrie A' 7,18-35 Täufer-Chrie Β 4,1-11 Antogonist-Chrie B' 7,1-10 Protagonist-Chrie Cr 6,20-49 Grundsatzrede 7

V g l . D'ANGELO 1 9 9 2 .

8

HOFFMANN 1 9 7 2 : 1 0 2 - 4 2 .

'ZELLER 1 9 7 5 : 7 1 ; JACOBSON 1 9 9 2 A : 4 0 7 . 10

ZELLER 1 9 8 5 .

"HOFFMANN 1992: 438 vgl. ebd. 433: die Stelle belege, daß »die Gerichtsankündigung auch christologisiert wird«. Dabei ist die Text-Akoluthie des Q-Ganzen so vorausgesetzt wie in meiner Q-Synopse 1981. Internationaler und interdisipliärer Gepflogenheit zufolge wird zwischen >Kotext< ( = literarisch) und >Kontext< ( = situativ) terminologisch unterschieden.

58

Die Redensammlung Q als urchristliche Primärquelle

es Chrien, Erläuterungen und Analogiebildungen (Bezugs- und Kommentarworte). 12 Die Zukunftsworte erscheinen aber hier synchronisch zunächst erst als ein 2. Komplex (5.-8. Stelle: Q 12,40; 17,24.26.30) nach dem 1. Komplex der Vergangenheitsworte (1.-3. Stelle: Q 7,34; 9,58; 11,30), während die mittlere 4. Stelle (Q 12,10) deutlich den Übergang zwischen beiden Komplexen markiert. Ein Bezug auf die Visionsgestalt von Dan 7 (und ihren Rezeptionen) kommt bei Q noch niemals in den Blick, so daß man nicht entgegen der klaren, den Leser leitenden Text-Sequenz in Q von den nachfolgenden Parusiestellen ausgehen und von da aus auf die voranstehenden Stellen, die auf die Vergangenheit des Q-Jesu bezogen sind, semantisch extrapolierend zurückprojizieren darf.

3. Die synchrone

Strukturierung

Es finden sich in der Q-Verwendung des Ich-Idioms MS drei relativ ähnliche Plausibilitätsstrukturen:

3.1 Das Schema des vergleichenden

Analogieschlusses

Von diesen Segmenten sind als häufigste homogen strukturierte Gruppe die vier vergleichende Analogieschlüsse mit korrelatven Adverbien >wie so auch< zu erkennen: Q 11,30; 17,24.26.(30?).13 Dieses Analogie-Schema findet sich so nie mehr bei Mk verwendet. In R-Mt 13,40 f. wurde diese Form redaktionell gebrochen adaptiert. Lk 17,28-30 liegt zwar inhaltlich eine redaktionelle Adaption von Noah auf Lot vor (da er neben 17,35 auch R-Lk 9,62 mit Anspielung an Lots Frau kreativ war, 14 dürfte aber als Form (und ergänzende Noahzeit-Erläuterung) zu Q gehören. 15 12 WANKE 1980; 1981; doch die von SCHÜRMANN 1975 her inaugurierte Kategorie >Kommentarworte< ist wenig hilfreich, da damit urpsrünglich angeblich isolierte Sprüche, also Sentenzen, unter der Hand inauguriert sind, die erst sekundär im Q-Wachstum eine kommentierende Funktion erhalten haben sollen. Dieses evolutionistische Modell des >Wachstums< ist aber eine irreführende Metaphorisierung, die in einem biologistischen Evolutionsmodell von >Tradition< wurzelt, das textlinguistisch fragwürdig ist: Auch >Traditionen< haben Tendenzen (und zwar durchaus wechselnde!). 13 EDWARDS 1971: 4 7 - 5 8 , die allerdings als solche keine >apokalyptisch< zu nennende >Gattung< bilden: SCHMIDT 1977 gg. EDWARDS. 14

FLEDDERMANN 1 9 9 2 : 5 5 1 f.

15

LÜHRMANN 1 9 6 9 : 7 2 - 4 ; EDWARDS 1 9 7 1 : 5 0 f.

Die synchrone Strukturierung

59

Q 17,24 bietet dabei eine temporal neutrale Natur-Analogie (Blitz MS), die den Augangspunkt bilden dürfte und von der her die anderen, geschichtlich exemplifizierenden Verwendungen erst nachbildend abgeleitet sein können.16 Mit Q 11,30 (Jona) ist das Formschema historisiert und auf den irdischen Q-Jesus übertragen.17 Da diese vier Stellen in Q alle den beiden ersten (7,34; 9,58) erst sequentiell nachfolgen, so sind sie wohl erst nach diesen ersten und von ihnen her als Plausibilitäts-Argumentationen entworfen umd kommen nicht als älteste Prä-Q-Schicht infrage.18

3.2 Die Anwendungen von Vergleichen Rhetorisch funktionsgleich mit dieser argumentativen Gruppe sind zwei ähnliche, sofern sie anwendende Erläuterungen von Vergleichen sind (Q 7,34 Kinder; Q 12,40 Dieb). Auch hier wird das rhetorische Mittel des Analogieschlusses verwendet. Es ist an sich ein eher schwaches Mittel der Argumentation, das nur motivierend auf Geneigte wirkt (also bloß einschärfungsethische >ParäneseErfahrung< fungieren, sondern inferenzielle Aussagen darstellen. 16

V ö G T L E 1 9 9 4 : 1 4 0 ; v g l . SCHENK 1 9 8 1 : 1 2 0 f.

17

JACOBSON 1992; 1992 a gg. die erneute eschatologische Deutung der Stelle bei VÖGTLE

1994: 18

148-63.

G g . EDWARDS 1 9 7 1 : 5 0 f.

" Vgl. zur Unterscheidung und zur Kritik an den Defiziten der von der >Formgeschichte< unzureichend definierten Kategorie WOLBERT 1981: 13-68. 240-51 und die Bestimmung der »Morphology of a Secondary Genre« >Paränese< bei GAMMIE 1990 und die ganze dort in Semeia 50 geführte Diskussion. 20

BERGER 1 9 8 4 : 9 3 .

60

Die Redensammlung Q als urchristliche Primärquelle 3.4 Die Abwesenheit eines expliziten

Gottes-Bezugs

Ein direkter Bezug auf Gott liegt (ganz im Unterschied zu Dan 7) dabei in keinem dieser >weisheitlichen< MS-Texte vor; es werden keine theologischen Aussagen gemacht (ganz genauso wie etwa auch bei dem Verfasser der >10-Wochen-Lehre< lHen 93/91, dem geschichtsphilosophischen >Hegel< des Frühjudentums. 21 Nur das zentrale Ubergangswort Q 12,10 ist ein Rechtsnormensatz, der aber auch objektiv allgemeingültig formuliert ist und >Gott< nicht erwähnt. Man kann höchstens sagen, daß der >WeisheitGott< semantisch impliziert ist. Das bedingt aber zugleich eine spezifische Definition dieses impliziten Gottesbegriffs. Auch von daher sind die theologischen >VaterSohnJubelrufes< Q 10.21 f. nicht zum Ausgangspunkt für den Ansatz des Q-Idioms zu erheben.

3.5 Die > Weisheit< als weltordnender Sachverstand Das Ich-Idiom MS in Q ist dominiert vom übergeordneten Konzept einer sich immer wieder offenbarenden >Weisheit< (revelatio continua). Er ist Kind und Gesandter der Weisheit neben anderen vor und nach ihm.22 MS meint in Q überall einen >Gesandten der WeisheitPropheten< (und dem >Engel< Johannes) vor ihm dadurch unterscheidet, daß er wieder->kommen< wird. Sein >Kommen< bezeichnet ihn Q 7,34 (einst) wie Q 12,40 (künftig) als >GesandtenGesandtschaft< ist das umfassende Wortfeld. Der semantische Gehalt ist an der Eröffnungsstelle dadurch vorbereitet, daß der Täufer Q 7,26 »mehr als ein Prophet« ist, den Q 7,28 als »mein Engel«, »gesandt« (und darum V. 33 »gekommen«) »vor dir« präzisiert, was dann V. 34 mit dem Ich-Idiom MS zusammenfaßt.

21

V g l . KOCH 1983.

22

SUGGS 1970: 4 8 - 5 5 ; HAMERTON-KELLY 1973; MACK 1973.

Die synchrone Funktion des Ich-Idioms >MS
MS< 4.1 Der Q-MS

ist kein irdisch

Wirkender

Der Q - M S als solcher erscheint nie als aktiv handelnde Figur, weder in den fünf ersten vom irdischen Gekommenen noch in den drei letzten vom zukünftig Wieder-Kommenden sprechenden Stellen. Es gibt also keine Q-Gruppe vo einem »irdisch wirkenden MS«. 23 Als Irdischer erscheint er immer in der Funktion des Abgewiesenen. Dennoch gibt es in Q noch keines der (erst von M k her belegten) Worte von einem verworfenen und danach wieder gerechtfertigten MS 24

4.2 Der Q-MS

ist kein künftig als Richter

Wirkender

Als Wieder-Kommender ist dieser Gesandte zwar eine unübersehbare Erscheinung. Ihm direkt wird aber auch hier für die Zukunft keine aktiv handelnde Funktion zugeschrieben - weder im Blick auf seine pflichttreuen Anhänger (belohnend) noch im Blick auf seine und deren Feinde (bestrafend). Selbst Q 17,26 ist ja nicht er der Verursacher einer der Flut entsprechenden Naturkatastrophe. Der Q - M S »is not a savior figure.« 25 Das spricht gegen das Axiom von VÖGTLE,26 der auf der Basis des urkirchlichen >Maran atha< ( I K o r 16,22) das vorgegebene Leitwort des >Kommens< von lHenSim her soteriologisch entfaltet sieht, »weil einzig der erhöhte himmlische H e r r der als Richter und Erlöser zu erwartende MS sein kann.« 27 Das aramäische maran "ta ist IKor 16,22 als asyndetische Begründung zu dem voranstehenden konditionalen Warnsatzgefüge eher als Ausssage im perfektischen Präsens >Unser H e r r ist jetzt da< zu verstehen. Außerdem kennt das apostolische Christentum ja noch kein Gebet zu Jesus (und kann es von der Sache her nicht kennen, da die neuschöpferische Auferweckung nicht als Vergöttlichung gedacht ist), wie es aber die Imperativische Auflösung im Gefolge des >pan-eschatologischen< Paradigmas verstehen will. Zudem wäre im jüngeren Aramäisch als Imperativ eher maran "ta zu erwarten als das ältere maraña ta.

23

G g . CONZELMANN 1 9 6 7 : 1 5 3 f.

24

Gg. BAYER 1986: 256 kann Q 11,30 nicht als Schlüssel für Jesu Vorhersage seiner eigenen rejection/vindication beansprucht werden: VÖGTLE 1994: 149. >Pan-eschatologisch< (DOWNING 1994) statt >konsequente Eschatologies 25

JACOBSON 1 9 9 2 a: 4 1 9 .

26

VÖGTLE 1994: 129-44. Ebd. 135.

27

62

Die Redensammlung Q als urchristliche Primärquelle

Er >erscheint< >an jenem Tage< im Prinzip nicht anders als die verfolgten Anhänger (Q 6,23), die Bewohner Sodoms (Q 10,12), Tyros', Sidons, Chorazins, Bethsaidas, Kafarnaums (Q 10,14 f.) und die Südkönigin oder die Niniviten nebst >dieser Generation (Q 11,31 f.), von denen ja auch ein entsprechendes Wieder-,Kommen< explizit ausgesagt ist. Selbst von einem spezifischen >Tag des MS< (als Adaption des theophanen >Tages des HerrnTage< V. 26.38) aber kein fester Terminus (wie die red. Fortsetzung V. 31 zeigt). Der Sing, ist in der ganzen Rede nur ein inklusiver Teil des Plur., nicht aber umgekehrt der Plur. eine Ableitung von einem festen Terminus. Auch das abschließende αποκαλύπτεται V. 30 ist nur ein Rückweiser auf das einleitende Sichtbarwerden von V. 24. Das »apocalyptic paradigma«31 hat (von BULTMANN her) eine Rückkehr Jesu in der Rolle des himmlischen MS als >Richter< postuliert. Doch »the rather odd term >apocalypticapocalyptic< is to remain a useful scholarly construct.«33 Vielmehr ist in allen zukunftsbezogenen »MS-Worten von Q die Richterfunktion zumindest nicht explizit ausgesprochen«, weshalb es »unzulässig ist, in den Ausdruck MS das nur in den Bilderreden des lHen belegte Verständnis des endzeitlichen Richters einzutragen.«34 Im pan-eschatologischen apokalyptischen Paradigma< stand deutlich das Konstrukt von Q als einer >Weiterverkündigung< Jesu im Visier, wobei die Q-Worte vom irdischen MS< primär zu >Prolepsen< oder >Antizipationen< eines kommenden Weltenrichters MS erklärt wurden.35 Auch im Hinblick auf das >mes28

G g . HIGGINS 1 9 6 3 : 9 0 f.; SCHULZ 1 9 7 2 : 2 7 9 . 2 8 4 ; MARSHALL, 6 6 1 ; SCHWEIZER [ L k ] ,

1 7 9 ; SCHENK 1 9 8 1 : 1 2 0 ; ERNST [ L k ] , 4 8 5 ; GNIKA [ M t ] , 1 1 , 3 1 9 ; VÖGTLE 1 9 9 4 : 1 4 2 f .

" G N T C o m 167. 30

G g . MARSHALL, 6 6 1 ; FITZMYER, 1 1 7 0 z . St.

"JACOBSON 1992 a: 404 ff. Das substantivierte Adj. ist a se irreführend. "JACOBSON 1 9 9 2 a: 4 1 3 . 33

Ebd. 419. "HOFFMANN 1991: 166.193 in Korrektur seiner früheren Bestimmung 1972 als >Gerichtsankündigung< und >kommender Richtern 35 So z.B. TöDT 1959: 217.245F.; MADDOX 1969; vgl. gg. dieses Denkmodell m.R. auch BERGER 1994: 36, der die Klassifikationskategorie in ihrer Anwendung auf frühchristliche Sachverhalte als inadäquat nachweist; erst recht ist das analoge Reden »von >schon und noch nicht< bezüglich der Zukünftigkeit des Heils . . . nur ein logischer Widersinn« (ebd. 37).

Die synchrone Funktion des Ich-Idioms >MS
schon und noch nicht< abzuweisen. Sie beruht auf der Verkennung der Eigenständigkeit der Zeitphase des Messias und verdankt sich der Übergewichtung der Eschatologie seit dem Ende des 19. Jh.«37 Eine der klassischen Formulierungen des >apokalyptischen< QModells behauptete: »Nicht Jesus ist der Verkündigte, sondern der Inhalt der Verkündigung ist das kommende Gericht, in dem Jesus als MS seine Gemeinde retten wird.«38 Es ist darum zwar system-immanent, aber dennoch irreführend, die Q Paränesen als »Tora des MS« zu bestimmen, da deren >Sprecher< zugleich der >Richter< sei,39 so wenig wie die >radikale Ethik< von Q explizit und konkret mit der >Gottesherrschaft< verbunden ist.40 Der endgültige Verlust oder Gewinn der Existenz ist, sofern Q von ihr redet, nie explizit an das MS-Idiom gebunden (3,7-9.15 f.; 6,47-49; 10,13-15; 12,8-10; 13,26 f.28 f. 34 f.; 17,26 f.34 f.).

4.3 Das Ich-Idiom >MS< als Mittel der Nominalisierung und Renominalisierung

Wenn aber der Q-Jesus im Ich-Idiom MS weder als irdisch Handelnder der Vergangenheit noch als zukünftig Handelnder Und schon gar nicht als >RichterBiographie< kennzeichnend sind,41 so ist das nominale Ich-Idiom "Vgl. GLASSON 1990 »the temporary messianic kingdom«. 37

BERGER 1 9 9 4 : 3 8 .

38

LOHRMANN 1969:

39

S o K O S C H 1 9 8 9 , d e m ZELLER 1 9 9 2 : 4 0 0

40

93-6. zustimmt.

J A C O B S O N 1 9 9 2 a : 4 1 6 g g . ZELLER 1 9 7 5 ; 1 9 7 7 : 1 8 1 a l s W u n s c h b i l d .

41 WILLIAMS 1988; BURRIDGE 1992: 134f.261-74 vgl. 163: »Bios literature is characterized by a strong concentration and focus on one person, and this is reflected even in the verbal syntax.« In Anwendung auf Q heißt das mit DOWNING 1994: 7 f.: »We are told around 33 times that Jesus >said< or >did< something, 26 times that some other(s) did (of these the Devil comes next with 7 or 8 references ... ) Jesus is the utterer of between 630 and 700 verbs; others of only around 60.« Besonders fällt dabei ins Gewicht, daß diese Redehandlungen

64

Die Redensammlung Q als urchristliche Primärquelle

primär in diesem Zusammenhang zu sehen und zu verstehen. Als Funktion ergibt sich: Eine Nominalisierung ist für die Textkohäsion ein noch stärkeres Mittel als es eine Beschränkung auf eine bloße Pronominalisierung in dem wiederholten Personalpronomen der 1. Pers. Sing, allein wäre. Deshalb ist die pointierte Ich-Aussage durch das nominale Idiom MS ein integraler Bestandteil dieser Biographie eben als einer Biographie. Darin besteht die primäre Kennzeichen und die wesentliche Funktion des Gebrauchs dieser Wendung. Sie dient dabei zugleich dazu, die Person-Identität des vergangenheidich >Gekommenen< (>Gesandtenpan-eschatologischen< Ansatzes. Die eine reine Pronominalisierung verstärkende Nominalisierung dient dem intendierten Leser/Hörer zur Identifizierung und zur verstärkten Rezeption des Gefälles, den Q-Jesus von seiner Vergangeheit auf seine Zukunft hin als Einheit zu begreifen.

5. Die einzelnen

Belegstellen

5.1 Die Eröffnungsstelle Q 7,(33-)34 (Mt Wer ist der Philosoph Q-Jesus?

11,19):

Die Eröffnungsstelle ist red. Erläuterung, denn es steht ein erklärendes γάρ statt eines vergleichend anwendenden ούτως καί: Es ist ein Zusatz- und nicht eigentlich ein >Kommentarwortdieser Generation mit den des Haupthandlungsträger »both in« Lukian's »Demonax and in Diogenes Laertius' Diogenes are introduced in the first person, >I tell you ...Weisheit< (gg. ROBINSON, KLOPPENBORG 1987: 263-306) wie von den Gottesorakeln der Prophetie (gg. SATO 1988) unterscheidet

Die einzelnen Belegstellen

65

über die Spielverderber beleidigten Kinder Q 7,31 f. Das ist ein geläufiger Topos, der so schon in der Fabel vom vergeblich flötenden Fischer Aesop Fab 26 auftaucht, die auch Hdt 1,141 kennt (οτε ηύλουν ούκ ώρχείσθε).42 Im Unterschied zu und im Zusammenhang mit dem Täufer (rhetorische Synkrisis) und im Gegensatz ist >dieser Generation (V. 31)43 erscheinen beide als >Gesandte< ( = ήλθεν als resultatives Komplenym zu άποστέλλειν V. 27) der Weisheit (V.35 vgl. Sap 7,27 >macht ProphetenKinder der Weisheit< sind hier eher (kausal determiniert) der Täufer und Jesus als die >Zöllner und SünderWer ist dieser Q-Jesus ?MS< ist eindeutig für ein >Ich< Jesu als pointierter und provokativer Ausdruck verwendet und offenbar als Antithese zum V. 34 b zitierten Vorwurf ιδού άνθρωπος gebildet, oder als dazu analoger Ausdruck ironisch von den Opponenten übernommen. Das >Gleichnis< mit seiner Erweiterung ist ein für Q typischer Reden-Höhepunkt (vgl. die Schlußvergleiche 6,47-49; 11,11-13; 13,18-21) und der Abschluß der Täuferrede als ganzer (7,18ff.) samt der sie 7,18 f. einleitenden Chrie.47 Sie ist außerdem durch den zitierten Gegnerbezug in sich selbst eine umgeformt referierende Chrie.48 Der hier zitierte Vorwurf ist weit mehr als eine moralische Entrüstung, sondern ein justiziables Vergehen: »During the inter-Testamental period, 42 Vgl. JÜLICHER 1910: 2,26 f.; die Parallele ist nicht notiert bei KLOPPENBORG 1988: S21; vgl. weitere Sachpaarllelen bei DOWNING 1988: 39. 43 S o temporal seit Gen 7,1; Ps 95,10f. Jub 23,26 und von daher dann auch Ps 12,8 modal >FrevlerGottder, den sie als gewöhnlichen Menschen bezeichnen, auf den man im Gegensatz zu Gott nicht vertrauen und von dem man keine Hilfe erwarten darf...< (vgl. LAB 19,9 wie phönikisch KAI I 48,4; s.o. S.12)

49

FEELEY-HARNIK 1 9 8 1 : 1 9 . 1 0 7 . 1 6 5 ; vgl. HOLMBERG 1 9 9 5 : 7 6 8 f.

50

V g l . HOLMBERG 1 9 9 5 : 7 6 9 f.

51NEYREY 1991: 362 f.374-7.378-81 ; CROSSAN 1991: 262 f. In der Makrosyntax entspricht diese abschließende Inclusio des Eineitungsteils (A') als Rahmen der im Proömium (A) vom Täufer aufgestellten Antithese Q 3,7 f. zu der beanspruchten Abraham-Kindschaft.

Die einzelnen Belegstellen

67

Es ist also genau die Diastase, mit der im 2. Bileam-Spruch der Seher den König Balak zurückwies: »Gott ist doch kein Mensch (ούχ ώς άνθρωπος ό θεός), daß er lüge, bzw. nicht ein gewöhnlicher Mensch (ού δέ ώς υιός ανθρώπου), daß es ihn gereue« (LXX-Num 23,19). Jesus erscheint in dem hinter Q 7,37 stehenden Vorwurf nicht an der Seite des Gottes der mosaischen Wertordnung, sondern auf der Seite der Lügner und Schwätzer. Eine solche pointierte und polemische Übernahme einer Gegenerabwertung zur positiven Kennzeichnung der eigenen Lehrautorität wäre denkbar, wie eventuell ja auch bei dem Ausdruck >Pharisäer< eine Umwertung von einer ursprünglichen Fremd- zur späteren Selbstbezeichnung vorliegt (vgl. analog auch später >GeusenMethodistenQuäker