Das Ausland. Überschau der neuesten Forschungen auf dem Gebiete der Natur-, Erd- und Völkerkunde [57]

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Das Ausland. Wochenſchrift für Zander: und Völkerkunde, Unter

Mitwirkung

bewährter

Kacbmänner

herausgegeben

von

3. 9. Cotta'ſchen Buchhandlung in Stuttgart.

BUPLIEATE —

Siebenundfünfzigſter Jahrgang.

—1884. Mit 6 Karten und Plänen, 70 Illuſtrationen und 3 Bildniſſen.

Stuttgart und München. Berlag

der 3. ©. Cotta’ibhen 1884.

Buchhandlung.

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Inhalts-VUerzeichnis. Jahrgang

1884.

Teer al

Aufſatz.

M.= Kleinere

Europa. A. Ueber die frühere Größe

der Inſel Hel—

goland. Von Dr. G. Schneider. 27. — Die älteſten Bewohner des Gouvernements Tam— bow. Bon Dr. C. Hiekiſch. 28. — Vierter Bericht der Zentralkommiſſion für wiſſen— ſchaftliche Landeskunde von Deutſchland. 41. —

Neolithiſche

Höhlenfunde

aus

Sieben—

bürgen. Von Gabriel Teglas in Dera. 51. — Zum Namen des EN hen Höchſt— gebirges. Bon Dr, Prinzinger d. Ae. in Salzburg. 52. — Die Malaria m:Italien. 108. —

Der Johannisbrotbaum

auf Mal—

lorka. 113. — Das Reiſen in Rußland. 271. — Sizilianiſche Kinderſpiele. Von M. Benfey. 276. — Fünfter Bericht derZentralfommiffion für wifjenfchaf tliche Landeskunde von Deutſchland. 281. Die Atellanen und das heutige Volsluſtſpiel Neapels. Von Michele Scherillo. 313. — Der vierte Deutſche er zu Minden. 17. bis 19. April 1884, I. 355. — Das jüchfifhe Granulit— gebirge. 348. uf ſiſche Koſakenheere. 351. — Der Totenfultus in —— Von Hugo Klein, 370, — Der — Deutſche Geo— graphentag zu München. bis 19. April 1884. II. 372. — ee Yeineninduftvie. Bon Dr. A. Berghaus. 391. — Oporto und die Domomindung. Bon F. G. MüllerBeed. 418. — Haus und Hof bei den Siebenbürger Sachen. Bon Fr. Teutjch. ontinuation. 509. — Neuere Litteratuv zum deutſchen Landeskunde. 714. — Normalſchema für 9 die landeskundlichen Bibliographien. 721. —

Mitteilung.

N. =

Rotiz.

K. = Korrefponden;z.

Mitgeteilt von N. v. Seidlitz in Tiflis. 69. — Die Macht des Heidentums in Indien. ſchwung Antwerpens. 858. Sind Die 111. — Das Feilen und Färben der Zähne Haloreu Slawen, Kelten oder Germanen? bei den Bewohnern Südweſtborneo's, fpeziell ven Malaien der Diftrifte Batang Mai und Ru Dr. X. Berghaus. 1019. .Rabot's Forihungen in Lappland. 138. Labuan-Amas. VongF. G. Grabowsky. 125. — Aus Grodekow's Reiſe durch Afghaniſtan. — Unterfuhung des Uralgebirges. 139. Kanal zwiſchen Aſow'ſchem und Schwarzen a Bon Samarfanıd nah Mafar-i:Scerif. berg. 498. — Sächſiſche Burgen in Steben» bürgen. 558. — Der kommerzielle Auf:

Meer.

139. —

Der Salzgehalt der Schelde.

U. Bon

Meimene

über

Almar

nad)

dem

Thal des Kaifor. Ill. Herat. 126. ArabiſcheSprüchwörter und Redensarten. 199. — Ueber die Sprache der Atjeher. 195. N. M. Prſchewalsky's dritte Reife nad) Zen— tralaſien. Von Dr. Karl Hiekiſch. 221. Gymnaſialweſens. 140. — Ueber den Tauſch— handel zwischen den ruſſiſchen Strandbe- 245. 264. — Die Lubus auf Sumatra. 275. wohnern und den Bewohnern Finnmarfens. — Größe und Bevölkerung von Aſſam und Britiſch Burma. 318. — Ruſſiſche Hauſirer 140. — Ueber die Reife Bucharow's in Yappland. 179. — Ueber die ansländiichen Kolo— und Pilger in Aften. 330. — Politiſch- und niften im Zartum Polen. 199. — Eſten in wirtſchaftsgeographiſche Rückblicke. 1. Tongfing. 393. 11. Das franzöfiihe Kochinchina. der Krim, 199. — Die Kolonisten an der Murmanküfte. 199. — Die ſchwediſche Han- 428. — Der Diftrift Duffon Timor in Sitdoftdelsflotte 1880. 578. Zunahme des borneo und feine Bewohner. Bon %. Gra— Donandelta’s. 578. — Weber die drei erjten bowsky in Barabei (Borneo). 469. — Die Goldfelder Borneo's. Bon Dr. Th. Bofewitz tn ruſſiſchen Walfiihfangfompagnien. 578. — 139. — Die Dijepr:-Stromfchnellen. 139. — Montanzftatiftiiche Erhebungen in Deutjchland 1882. 139. — Fiſchfang der Nieder: lande. 139. — Entwidelung des ruſſiſchen

Erforschung

des

Volkslebens

in Finland.

578. — Ein Beitrag zur dänischen Kultur: geihichte. 578. — Nübenzuderprodnktion in Europa. 578. — Trodenlegung des Zuyderſee's. 978. — Beftrebimgen zur ntwidelung des Handel3 in Nordrußland. 578. — Aus der neueften Statiftif Yondons. 779. — Die Bevölferung der Islands in the British Seas, 779. — Wachstum der Weſtküſte

Batavia.

481. —

Ueber die ökonomiſche Tage

auf den Kommandeur-Inſeln

und in Kamt-

ihatfa. 277. — Die Erpedition zur Erforſchung

der Schan-Gebiete (Hinterindien). Bon F. ©. Miüller-Beed. 492. — Der Kulturzuftand Fapans. 495. — Politifch- und wirtjchaftsgeographiihe Rückblicke. V. Siam. 504. — Die Erfteigung des Tatht-i-Soliman im indifh-afghanijchen Grenzgebirge. Bon Emil Schlagintweit 531. — Briefe aus SumaSchleswig-Holfteins. 779. — Ein ameritra. Don Dr. Ludwig Martin in Minden. kaniſches Urteil iiber die Deutjchen. 779. — I. Die Fahrt durch das Note Dieer. Aden. Neuere Litteratur zur dentſchen Landeskunde. Die Kolonien an der Murmanküſte. 779. — — 756. 777. — Sitten und Bräuche auf den 545. II. geylon. 111, Die Ankunft in Suma— Meteorologiihe Station im Kanfafus. 780. D Halligen ſonſt und jetzt. Von Chriſtian Jenſen — Erweiterung des meteorologischen Beob— tra. 561. — Politiſch- und wirtfchaftsgeoVII. Sorea Bon auf Shit. 781. 808. 824. — Ein ver— achtungsnebes in Rußland. 780. — Der graphifhe Rückblicke. geſſenes Gebiet in Zentral-Europa. 797. See Paanajärvi in Finnland. 750. — Die Emil Metger 571. — Ethnologifhes und — Politiſch⸗ und wirtſchaftsgeographiſche Linguiſtiſſches aus Dagheſtan. Von Pro— italienische Korallenfiſcherei. 780. Das Rückblicke. IX. Die Pazifikbahnen. Bon Klima auf Nowaja Semlja. 859. — Der feſſor Dr. Arzruni. 592. — Briefe aus Su> A. Scobel. 761. — Der Aberglaube in Unter- erfte Deutjhe in Amerika. 820, — Koften matra. Bon Dr. Yudwig Martin aus München. IV. Bon Medan nad) Bedagei. 661. 684. italien. 916. — Die Auswanderungsfrage in der Seepoften- Beförderung in England. - Rußland. Bon Dr. Ep. Petri. 941. 974. — 320. — Allgemeine Statiftif des Britijchen — Die Timorlaut-Fujeln. Bon Emil Metsger. 672. — Ueber die franzöfishen Befitungen e) Die deutſche Politik nad Oft und Weft. Neichs. 829. — Stodholm. 1025. Bon Conrad Hermann. 1001. in Dftindien. 697. — Metallinduftrie in Bentralafien. Nah K. E.v. Ujfalvy. 70T. — M. Höhlenfunde und Praris. Bon Franz Aſien. En Die Bewohner der Südweſtküſte dev MalaiKraus. 117. — Gletſcherſſpuren im nördlichen Hartgebirge. Bon Dr. C. Mehlis. 297. A. Der Diſtrikt Duſſon Timor in Südoſt— iihen Halbinfel. Von Dr. B. Langkavel. nn von Borneo und ſeine Bewohner. Von F. Gra— 712. — Der Serafihan-Diftrift in Ruſſiſch— 7 — Die Durhgrabung der Yandenge ko Perefop. 318. — Ueber die präglaziale Flora bowsky in Barabei (Borneo). Bon Wilhelm Geiger. 741. — 44. — Die Zurkeftan. = und Fauna Norddeutichlands. 378. — Me- Beränderungen in der Sundaſtraße. 7. — Ein neues Reiſewerk über Syrien und Meſo— 2 N teorologische Beobachtungen auf dem Schuee- Armenische und grufinifhe Sprüchwörter. potamien von Frist Hommel, 770, — W.

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IV H. Graham's

Reifen und Bergbefteigungen

im Himälaya. 876. 895. — Die Schlangen-

not in Indien. 966. — Fit Japan tropijch? 972. — Die Eifenbahnprojefte Jaffa-Ferufalem. 1024. M. Ueber die Reife Anutſchin's in Dagheſtan 36. — Ruſſiſche Neifende in Zentralaſien. 57. — Ueber die Mineralquellen in Trans» baikalien.

Wüſte.

58. —

97.

Leffar über die Kara-Kum-



Opiumpacht

und Opium—

handel in Niederländisch Indien. 217. — Heiratsgebräuche und Feſte in Rau an der

Weſtküſte Sumatra’s. 218. — Veränderungen am Vulkan Merapi auf Java. 238. — Die Sufel Sumba und ihre Bewohner. 337. — Die Forfhungen Iwanow's im Pamir.

418.

— Iwanow über das Naturleben und die Bevölferung im Pamir. 437. —

Die Reife von

Profeſſor Julius Euting nad) Zentralarabien. 179. — Kambodſchaniſche Sitte. 658. — Die Bevölferung der niederländichen Kolo— wien in Aften. 719. — Beränderungen im Inneren Hinterindiens. 738. — Ueber die Pflanzennahrung der Tſchuktſchen. 739. — Eine chineſiſche Mahlzeit.

N. Boftverbindung Betro-Alerandromwsf.

1039,

zwischen Kafalinsf

und

59. — Der Weg Ticher-

jajew’s nah Afghaniitan. 59. — Neuer Staat in Bentralafien. 59. — Ueber eine Juſpek— tion Merw's durch Lieutenant Nezirom. 59. — Sibirjakow's Angara-Erpedition. 59. — Bon der ruffiihen Bamir-Exrpedition.

59.—

Ein Stüd chineſiſchen Kulturfortichritts. 60. — Neue Briefe Junkers. 179. — Das Heidentum unter den Tſchuktſchen. 179. — Die Anfiedelungsverfuhe im Sid -UffuriGebiet. 199. — Ueber die Berbannung nad) Sibirien. 199. — Karten von Korea. 259. — Neue Bermeffungen in Zentralaften. 258. — Die Forfhungen des Franzoſen Martin in Oftfibirien.

258. —

Durchforſchung

der

Sundaftraße. 255. — Erpedition nad) den Shan-Staaten. 258. — Neue Forihungen in PBaläftina. 258. — Fortgang des Baues der Univerfität in Tomsf. 258. — Zur Ber: bindung zwijchen dem Kafpimeer und Araljee. 258. — Runeberg über ſibiriſche Forſch— ungen 258. — Magnetifhe und meteorologiſche Objervatorien in Sibirien. 258. — Ueber

vie Berhältuiffe

Shinefen lebung

in Singapur. des

am

Amur,

259. —

Kamtjchatfagebietes

258.



Zur Be-

im Winter.

259. — Telegraphiiche Berbindung zwiſchen Java und Eumatra. 259. — Ueber den Handelöverfehr zwischen Sibirien und China 1881. 259. — Erforihung der BoninSnfeln. 458. — Ueber Potanin's Expedition. 458. — Neue Kartenaufnahmen von Dr. Regel.

458. — Die Goldausbente im Altai 1883. 458. — Aus der SKarafumfteppe. 458. — Chineſiſcher Weiberhandel. 458. — Japans Handel in 1882. 459. — Die Tempelruinen von Boro Budor auf Java. 459. — Die Zahl der Europäer, Amerikaner und Chinefen in Japan 1883. 459. — Bon der Expe— dition Prihewalsfy. 618. — Dr. Kegel trifft in Merw ein. 618. — Potanin's Ankunft in Saigon. 618. — Sacharow's Rückkehr von

Ruffiih-Turfeftan.

619. —

Aufnahme

des Sitd-Uffnrigebiets. 619. — Ein neuer Weg dur die Uft-Urtfteppe. 619. — Die Organiſation der Verwaltung auf der Inſel Sadalin. 619. — Ein Atlas von Annam. 619. — Neue Nachrichten von Prſchewalsky. 699. — Ueber die Quellen der chinefifchen Ziviliſation. 700. — Ueber die jüngfte ForIhungSreife des Franzofen Dr. P. Neis. 700. — Neneinteilung des oſtſibiriſchen und AmurMilitärbezirks. 700. —

Reſultate der Forſch—

ungen Korthals und Brions in der Sunda—

Dr. Ant. Reichenow. 841. — Die Inſel Ascenfion. 832. — Die Inſel Fernando diens. 859. — Die Univerfität Tokio, ihre Pod. 835. — MNeifeffizzen aus Negypten Geſchichte und ihre Organifation. Bon Dr. und dem Sudan. Bon Fr. X. Geyer, apoftol. Miſſionar in Kairo. 821. 854. 867. 890. A. Hofmeifter in Noftod. 1009. 909. 923. 946. 970. — Afrika. M. Südafrikaniſche Landſchaft. 498. — Die A. Siber Rahama Paſcha. 114. — Lupton Bewohner der Kapftadt. 298. — Das Ueber— Bei im Bahr-el-Ghaſalgebiet. 237. — Ueber einfommen der Internationalen KongogejellHandel und Verkehr bei den Waganda und Ihaft mit Frankreich. 497. — Aus den Wanyoro. Bon Emin Bey (Dr. Schnuitzler), letsten Briefen Juan Maria Schuver's. 317. Generalgouverneur der ägyptiſchen Aequa— — Die Stadt Berber. 659. — Ein Prärietorialprovinz. 1. — Kunſt und Wit der brand am Dbernil. 699. — Aus den Testen Neger. Bon Mar Buchner. 9.— Dr. Fiſcher's Nachrichten von Dr. Bogge. 359. — NeuigBeriht über feine Neife in Dftafrifa. 17. feiten vom Kongo. 577. — Ein Bericht — Fr. Bohndorff3 Reife nad Dar Abu Dr. Fiſchers über die Mafai. 77. — Stanley Dinga. Mit einer Einleitung von Dr. ©. und das englifche Proteftorat am Kongo. 78. Schweinfinth in Kairo. 541. — Einige Ent- — Ueber Funchal auf Madeira und feine büllungen über die Kongo-Gefellichaft. 596. Bevölkerung. 338. — Die Spanier in Al— — Betſchuauenland und der englische Handel gerien. 338. — Ueber Benguella. 458. — in Inner-Südafrika. 296. — HZeitgemäßes Dgaden. 198. — Strenge Kälte in Süd— über Sudan, Oftafrifa und Islam. 495. — jpanien. 18. — Thronfolge in Madagasfar. Reiſeſkizze aus Nordweſtafrika. Bon A Scobel. 15. — Muhdi der Mutmuhdi. 177. — Aus 361. — Bon der deutjchen Expedition in den Briefen Dr. W. Junker's an Bohndorff. Brazza am Dftafrifa. 315. — Der Aufftand im Sudan. 256. — Bon der Erpedition Don Richard —— V. 301. — Bei den DOgome. 216. — Ueber Gummi Euphorbium Die DO’DonnellBarolong. Bon DÆ Wilhelm Foeft. 461. ans Marokko. 217. — Pogge's letter Brief aus Mufenge vom Erpedition., 137. — Die deutfche Erpedition Dftober 1883. 651. — Weſtafrikaniſche Ya- in Oftafrifa. 36. — Die meteorologiſchen terite. Bon Dr. Pechuel-Loeſche. 401. 422. Berhältniffe im Innern von Angola. 157. — Nachtrag zur Abhandlung: Weſtafrikani— — Ein Fetiſchhaus an der Goldfüfte. 158.— ihe Laterite. Bon Dr. Pechuel-Loeſche. 477. Neuigkeiten vom Kongo. 597. — Ueber den — Politiſch- und wirtichafts-geographiiche Berfall des maurischen Kunftgemwerbes und Rückblicke. II Der neue Staatsvertrag Handels. 598. — Suakim. 819. — Thomſon's Expedition in Oftafrifa. 617. — Dr. zwißchen England uud Transvaal. 411. — Die neueſten Forſchungen zwijchen Helle und Böhm über das Steigen und Fallen des Kongo. Von Brir Förfter. 681. — Xerzt- Tanganila. 638. — Die Berhältniffe im (ihe8 aus Damaraland. Bon C. ©. Büttner. Bafıtoland. 517. — Ueber ſüdafrikaniſche 693. — F. Bohndorffs Neife nah) Dar Straußenfarmen. 518. — Hafenarbeiter in Abu Dinga. 565. — Moftaganem. 74. — Afrita. 980. — Die Diamanten-Ausfuhr Die Herero und ihre Toten. Von C. ©. aus Eiidafrifa. 980. — Die Korallen-In— Büttner. 386. — Die Entwickelungsfähigkeit duftrie. 978. — Borfiht! 979. — Südweſtafrika's nah dem Innern zu. Bon N. Die merfantile Bedeutung von Fernando C. ©. Büttner. 671. — Die Anerkennung Boö. 499. — Dr. Fabri iiber die Bedeutung der Internationalen Gejellihaft als Freiftaat von Angra Pequena. 499. — Die Reife am Kongo. 421. — Politiſch- und wirtſchafts— Capello's und Ivens von Mofjamedes nad geographiiche Nücblide, IV. Kongovertrag dem Kumene. 499, — Dr. A Schulz trifft in Nuftenburg ein. 439. — Schweinfurth’s zwifchen England und Bortugal. 449, — Proben aus den Ausſprüchen eines Hauſſa— Plan zu einer neuen Reife nad) der Lybi— Negers. Mitgeteilt von Robert Flegel. 455. ihen Wüſte. 499. — Ein Brief Giraud's. — Die Andree-Scobel’fhe Karte von Afrika. 498. — Thomſon's Erpedition in Oftafrifa. Bon Emil Mayr. 456. — Vou Landa nad) 4985. — Gerh. Rohlfs über die Bedeutung Bolobo. 161. — Zeitgemäßes über Sudan, Oboks für Frankreich. 299. — Dr. Colin Dftafrifa und Islam. 170. — Der Auf- am oberen il. 299. — Von der Inter⸗ ftand im Sudan. Bon Nihard Buchta. nationalen Gejellihaft am Kongo. 299. — 1. 181... 111, 226. IV. 24% — Beiträge Neue deutsche Erpedition nad) Südweſtafrika. zur Ethnographie der Bantu. Bon Dar 299, — Rogozinski erploriert den Munge. Buchner. IV, Zuſätze und Ergänzungen 319. — Giraud auf dem Wege nad) Karema. zu dem vorhergehenden Artikeln. 146. — 319. — lieber den Namen des BaringoUeber Handwerfe und technifche Wertig- Sees. 319. — Dampfer auf dem Tanga— feiten der Eingeborenen in Damaraland nifa. 319 — Das Telegraphennet im Kaplande. 319. — Bloemfontain. 660. — Die (Südafrika). Von &. ©, Büttner. 521. — Politiſch- und wirtichaftsgeographiiche Rück— Senegalbahn. 78. — Aufblühen der belgiftraße. 700. — Der Hafen von Didhiddah. 859. — Die Berbreitung der Spraden In—

blicke. VIII. Die Thätigfeit Brazza’s 1883/84. 591. — Aſſab und Obok, ein Warnungs—

zeichen. 614. — ruf

Ein beherzigenswerter Zu—

aus Weftafrifa.

96. —

Die

Anfprüce

Portugals auf den Kongo. Bon Brix Förfter. 91. — Liegt ewiger Schnee in Abeffinten? Bon Gerhard Rohlfs. 501. — Brief vom Kongo. 1. 152. 11. 208. — Der Aufftand im Sudan. Bon Nihard Buchta. II. 212,

hen Station Karema am — Die franzöfiihe Kolonie

Tanganika. 78. in Obok. 78.—

Schwierigkeiten Nevoil’s. 78. — Dſchebel Neiba

Abreije von Kapjtadt. 360, — der

Bibel

in

Sinken des

in Algier. 360. — die

Zuluſprache.

Holub’s

Ueberſetzung 400.

Miffionsdampfer auf dem Altfalabar. 400. Die Anzahl der Stationen der Afrifanischen Internationalen Gefellichaft. 400. — Girauds — Zeitgemäßes über Sudan, Oftafrifa und Kreuz: und Querzüge in Oftafrifa. 399. — Islam. 134. — Noch einmal Betichuanen- Die Temperatur am Kongo. 660. — Rieſen— land. 956. — Die Ereigniffe in Afrifa töpfe in Weftafrifa. 659. — Tomczef, Rogowährend der letzten Monate. Bon Brir zinski's Begleiter, T. 659. — Oberft de Förſter. 881. 905. 983. — Die Nilkatarakten. Winton infpiziert die Kongoftationen. 659. 865. — Die Lage im Betjchuanenlande. Brazza's Anfunft am Stanley Pool. 659. 870. — Die Goldfelder im Transvaal-Lande. — Eine neue öfterreihifche Expedition nad) 815. — Die deutsche Kolonie Kamerun. Bon Dftafrifa. 659. — Aegyptifhe Profan- und

V Tempelkunſt.

339.



Die merfantile Stell:

ung der Kapftadt und Port Elizabetbs. 35%. — Franzöfiihe Mifftonare in Afrifa 339. Eine niederländifche Expedition nad) Afrika.

339. — Ueber das Schidjal des Afrifaforſchers Roth. 339. Die Sendung Nachtigal's und Buchner's nach Weſtafrika. 338. — Unruhen am unteren Kongo. 239. — Kapitän Foot zum engliſchen Konſul für das Myafjagebiet ernannt. 239. Zur Miſſionsſache in Afrifa. 239. — Dampfer auf dem Tanganika. 239. — Revoil's Rück— kehr. 239. — Ueber die Reiſe-Ergebniſſe Giraud's. 239, Nenefte Erfolge von Stanley und Brazza. 239. — Sklaven— bandel in Marokko. 20. — Ueber die Bohne des Kongolandes. 20, — Aus der Mifftionserfahrung. 19. — Portugals Befetsung von Yandana. 19. — Revolte in Bivi. 19. — Neuigkeiten von Angra Pequena. 19. — Ausbreitung der Miffton im Vilfecengebiet. 19. — Ueber die afrifanifhe Naffeneinteilung. 19. — Die Hypotheſe von der Atlantis. 19. Berzögerumg der Expedition Nevoil. 78. Erpedition der Brüder Denhardt nah Oft: afrifa. 19. — Die Bedeutung dev Neger für die Kolonifation Afrifa’s. 599. — Die Kongogejellfchaft und die Ausstellung in Antwerpen. 999. — Der Kampf in Bolobo am 30. Auguſt 1883. 599. — Bianchi in Mafalla. 599. — Ausfendung von zwei Expeditionen nad Zentralafrifa durch die Internationale Afrikaniſche Gefellihaft. 599. — Deutjche Erpedition nah Südweſtafrika. 599. — Eine

neue

deutſche

Expedition

nach

Weſt—

afrifa. 599. — Kälte in Algier. 160. — Drummond am Sidende des Seees Schirwa. 159. — Der Stanley Pool. 159. — Sohn: fton nad) dem Kilima'ndſcharo. 159. — Dr. Fiſcher iiber die Ornis DOftafrifa's. 159. — Eine portugiefische Erpedition zum NMatiamvo. 159. — Aus Ajchanti. 159. — Zur Zoogeo—

ſchen Expedition nach Kap Horn. 536. — Die Schetimaſcha-Indianer im füdlichen Luiſiana. Bon Albert S. Gatſchet in Waſhington. 581. — Neifebriefe aus dem fiidwestlichen Nordamerifa. Bon Adolf F. Bandelier. 601. 625. — Die Tätowierung und Geſichtsverzierung bei den nordamerifantichen Indianern, Von W. J. Hoffmann. 611. —

Studien

über

Die

Ureinwohner

Bon

W. Noth.

1015.



Die Kolonifation in Guatemala. 978. — Ueber die brafilianifche Preffe. Bon Dr, W. Breitenbach), Göttingen. 961. — Die Handel$bewegung von Venezuela im Jahre 1882. 979. — DieArgentiniſcheRepublik. 811.— Deutſche Faktoreien in Patagonien. 820. — Die Ge— ſchichte der Expedition des Lieutenant Greely in kurzem Ueberblick. Rancho in Kolorado.

838. — Ein Vieh— 804. — Die Felſen—

wohnungen im Arizona. 833. — Ein Blid anf die Falklands Inſeln. 798. — Dur) Eis verurſachte Erofionen an der Baie des Chaleurs. 960. — Koloniale Zuftände in Surinam. 944. — Der Untergang des Dampfwalfiihfängers Boarhead- in der Beh—

ringsftraße.

920.

Land, Alaska. M. Ueber die



Ein

.1034. Seefiſcherei

vernadläffigtes au

der Weſtküſte

Südamerika's. 78. — Deutsche Forſchungs— reifende nach dem tropischen Südamerika. 398. — Ueber mexikaniſche Reliquien aus der Zeit

Montezuma’s

Sammlung.

998.

in

der

Anftralien und Polyneſien.

Nord—

amerifa's. Bon U. ©. Gatſchet in Wajhington. 6935. — Das Ende der brafilianischen SfHaveret. Bon D. Cannſtatt. 513. — Die Chupatkolonie in Argentinien. 268. — Neue litterariſche Erſcheinungen im den Bereinigten Staaten. Bon A. Scobel. 46. — Die Nepublif der Bereinigten Staaten von Kolumbien.

Chinefen in BritiſchGuiana. 279. — Der Kalaverasichädel. 279. — Der Pani-Sprach— ftamm. 279. — Neue Höhlenftadt in Arizona. 279. — Die Nejultate der Reife Thonart's in Süd-Bolivia. 279. — Töp— pens Studien in Paraguay. 279.— Borar: lager in Chile. 280.

Ambraſer

D ie Inſel Dominifa

und ihre Hauptftadt Roſeau. 679. — Ein boltvianisches Monftrum. 58. — Ueber den

graphie Abeffiniens. 160. — Ein äthiopifches Namen Burtloche. Bon Dr. Y. Darapsfy Zauberbuch. 160. — Bon der Senegaleijen- im Santiago de Chile. 779. — Favenct bahn. 160. — Die Eijenbahn zur Delagoa- über das von ihm erforfhte Gebiet am bay. 160. — Ein Bruder de Brazza’s geht MeArthurfluß. 116. Vulkanausbruch nach Aſſab. 159. — Ueber Stanley und ud Neubildung einer Inſel in Alaska. 117. Brazza. 159. — Ein neues Fuhrwerk für — Der Stand des öffentlichen Unterrichts Expeditionen in Oftafrifa. 99. — Korallen— in Brafilien. 278. — Eisvulkane. 859. — fiicherei an der Küfte Algiers. 99. — Neue Bon El Paſo nad) Mexiko. 697. afrifanifhe Straußenart. 98. — Handels: N. Eine patriarhaliiche Negeranſiedelung in verhältniffe Südafrika’. 98. — Vom Kongo. Nordkarolina. 199. — Ueber die Deutſchen 98. — Kameruns. 98. — Dufourcq's Ab- in Mexiko, 195. — Griimdung einer Öefellreife nah dem Kongo. 98. — Chavanne ihaft zum Schutze deutſcher Einwanderer in nah dem Kongo. 98. — Bon der Riebed’- Topefa. 199. — Die Einwanderung nach den Bereinigten Staaten im Fahre 1883. ſchen Nigererpedition. 98. ? 199. — Hauptverfammlung der American Amerika, Antiquarian Society zu Worcefter. 379. — Aufſchwung der Südftaaten Nordamerifa’s. A. Die Goldfelder des Atrato. 14. Zur Gejhichte der Geographie Amerika's. 379. — Indlaniſche Univerfität. 379. — Bon Bizefonjul Ferdinand Moos. 434. — Erforſchung der weſtindiſchen Inſeln. 878. Die Channel» oder Chonos-Indianer. 239. — Zunahme des Handels zwiſchen Mexiko — Ruinen in Guatemala und Mukatan. und den Vereinigten Staaten. 79. — Das 79. — 547. — Ueber die Kriegsgebräuche der Amherſt Kollege (Maſſachuſſets). in San Salvador. 79. — Oſage-Indianer. Bon Dr. Stoll. 559. Telegraphen — Paraguay und die deutjche Kolonifation. Der Glaube an menſchliche Vampyre in 79. Forſchungen in IT. Der Wert Paraguay's für die deutjche Britiſch-Guiana. 78. — Geiſtiger Fortſchritt der Kolonifatton. 487, UI Nod einmal die Mihoafan. 79. — dDeutihe Kolonie San Bernardino. 659. farbigen Bevölkerung in der Union. — Die Ureinwohner von Chile. Bon N. Die Reiſe von Lopez Mendez im Becken des 79. — Die Karſon Footprints Darapsty in Santiago de Chile, 748. Amazonas. — Wetterbeobadhtungen im den Vereinigten endguͤltig erklärt. 79. — Statiſtiſches von 680. — Staaten. Nach den amtlichen Berichten von den däniſch-weſtindiſchen Inſeln. PBrofeffor G. H. Schlihter. 717. — Henry Seltenheit der Verbrechen inKanada. 680. 9. Pierce's Expedition von Fort Kolville — Ein Bild des Akonkagua von Paul 680. — Hochfluten des Ohio. zum Buget-Sund. 687. — Hugo Zöller’3 Güßfeldt. „Bampas und Anden.” 772. — Ein Brief 680. — Erdbeben an der atlantiichen Küſte über Afoma. Von Adolf F. Bandelier. 241. der Union. 679. — Die Forihungen von — Die Ruinen von Ollantaytambo. Bon Hefie-Wartegg in Mexiko. 679, — Be279. — Ueber Dtto von Buchwald. 141. — Die Chinejen völferung von Venezuela. 279. — in Kalifornien. 156. — Bou der franzöft- die Bewohner des Feuerlands.

A. Kapitän W. E. Armit's erfter Bericht iiber feine Neifen in Neu-Guinea. 35. — Ueber unſere heutige Kenntnis von Neu— Guinea. 98. — Skizze von Weftauftralien. Bon E. Mayr. 115. — Reife des Mir. W. Whitefield Mills durch das weftliche Zentralauftralien. Bon Henry Greffrath. 195. — Kapitän Armit's Reiſe in Neu-Guinea. Bon Hemy Greffrath. 255. — Das NorthernTerritorium der Kolonie Südauſtralien. Von H. Greffrath. 332. — Forſchungsreiſe in Arnhemsland.

Bon

Henry

Greffrath.

3175.

— Äuſtraliſche Eiſenbahnprojekte. Von Dr. Emil Jung. 589. — Deutſchlands Handel in Ozeanien und Auſtralien. Von Profeſſor Dr. Wilhelm Stieda in Roſtock. 703. 724. —

Ueberfiht

Statiſtik

auſtraliſcher

für Die

Jahre 1873 und 1882. Bon Emil Mayr in Forihungsreife



751.

München.

an

Der

Küſte des Golfs von Garpentaria. 899). — England und die Maori. Bon Ch. Hancock. 1018. — Die Ureinwohner und die Chinefen im den auftralifchen

und insbeſon—

Kolonien

dere in Biltoria. Von Emil Mayr. 515.— 1018, — Der England und die Maori. Kimberley-Diftrift im nördlichen Weftauftrafien. Bon Heury Greffrath. ©. 1031.

dem Einwan—

bietet Queensland

M. Was

derer? 37. — Die Reifen von H.D. Forbes im Malayifhen Ardipel. 138. — Eigen138. —

Totenbeftattung.

tiimlihe

Bürger:

frieg und Chriftentum auf den ZofelauInſeln. 177. — Der Ornithorhynchus. 8. 438. Leichengebräuche auf Neu-Guinea. — Unterirdiſche Süßwaſſerbeckrn in Süd— 497.

und Queensland.

auſtralien



Neue

Nachrichten von den Marianen-Inſeln. 518. — Geldſurrogate auf den Neuen Hebriden 618.— Dber-

und den Saloͤmons-Inſeln.

fläche und Bevölkerung der Sandwich-Inſeln. 699. N. Die Forſchungen von. Julian Thomas. 99, —

Nochmals

Fidſchi.

99. —

eine auftraliiche Erpeditton

Rückkehr 99. nad) Neu-Guinea. Kapitän Armit. 99. — Landanſprüche Zum

Kulihandel

des auf

in Poly—

neften. 99. — Bevölkerung und Revenue der auſtraliſchen Kolonien. 100. — Zucker— (and auf Nen-Guinea. 100. — Die Gold— felder von Viktoria. 100. — Die deutſche 198. Auswanderung nach Neu-Südwales. — Gegen die Deportation franzöſiſcher Re— zidiviſten nach Neukaledonien. 200. — Be— ſchränkung der Einwanderung nach Queens— Yand. 200.

Expedition nach den Melville

und Bathurſt-⸗Inſeln. 480. — Die chineſiſchen Viertel in Auſtralien. 4850. —

im Jahre Maori,

1882.

Tamhiao,

480. —

Weſtauſtralien

König der

Der

480. —

in Europa.

Die

Zuckerinduſtrie in Auftralien. 639. — Re— von preffalien gegen die Einwanderung Chineſen nah Queensland. 698. — Sper finge als Landplage in Anftralien. 639. — Der

telegraphiihe

639. —

Handel

Verkehr

zwiſchen

Staaten und Auftralien.

liches aus Tasmanien.

mit Auſtralien.

Vereinigten

den

639.



Wirtſchaft—

659.

Bolarregionen. A. Betrachtungen

über Natur

und Erforſch—

ung der Polarregionen. VIII. Das Eis der

VI Polarmeere. 152. IX. Stauung, Bewegung und Aufgehen des Polareijes. 203, — Meteorologifhe Beobadhtungen im Kariſchen Meer. 196. — Lieutenant Holm's Reife an der oſtgrönländiſchen Küſte. 234. — Aus

Die Fiſche der Oſtſee. 389. — Der Mais. Bon N. v. Köppen. 827, 849. 871. 893. 13, 9936. 937. — Nachtrag zum Mais,

der Geographen an der Univerfität in Wien.— 459. Sahresberiht des Frankfurter Bereins fir Geographie und Statiftit 1881

OR

bis 1883.

M. Ueber die Moosflora der Tſchuktſchen— balbinjel. 117. — Die Nefjel. Bon Dr. W. Berghaus. 257. A. ©. Nathorſt's Stu: dien iiber die Flora Spitsbergens, 359. — Farbenpracht in den Meerestiefen. 399. — Ueber die Iofale Verschiedenheit der Tiefjeefaung in der Karaibiſchen See. 458. N. Yand- und Süßwaſſer-Konchylien im Meer. 538. — Ueber die Berwandtichaft der Meeresfauna au den atlantifchen Kitften Amerika's und Afrika's innerhalb der Tropen.

439.



Die

Generalverfamm-

Ing der Geographiichen Gefellichaft für den DTagebüchern eines deutſchen BolarThüringen 1885. 439. — Plan zu einer fahrers. 341. 363. — Südoſt-Grönland und Eeole nationale de Geographie. 439. — Nordenſtkjöld's vorigjährige Entdedungsfahrt. Das Studium des geographiichen Unter— Bon Dr. M. Lindemann. 381. 407. — Zur vihts im England durch Die Royal GeoGeographie und Urgefchichte Grönlands. Bon graphical Society. 439. — Geographiſche B. Yangfavel. 633. — Die Greely-Exrpedition. Sefellichaft in Tours. 439. — Gründung 1. Gejchichtliches. 690. II. Die Auffuhungseines geographifhen Vereins in Barcelona. und Rettungserpeditionen. 701. III. Allge— 439, — Deutfhe Borneo-Kompagnie. 439. meine wifjenschaftliche Ergebniffe. Schlitten— Compagnie Timor et Macao. 439. — reifen nad Norden und Weiten. 735. — Die Errichtung eines Ethnographifchen Muſeums antarftiihen Regionen. Bon Nic). A. Proctor. 539. in Kiel. 439. — Sanskrit-College in Bom— 787. 801 — Forſchungen in Grönland. bay. 439, — Eröffnung der argentinischen Urgeichichte, Bon Er. MWhymper.. 901. 927, 951. — Ausftellung. 439. — Stand des DefterDie Sıhlittenhunde im hohen Norden. A. Zur Diskuffton iiber Schliemann's Troja. reichiſchen Touriſtenklubs. 440. — Sektion 475. — Ein arhäolegischer Streifzug in de Edouge des franzöſiſchen Alpenklubs in 1002. der Umgebung von Wezifon. Bon Hein. Algier. 440. — Geographiſche und ethno— M. Ueber die Behringsinfel und ihre Tier welt. 97. — Der Golfftrom und der Weg Meſſikommer, Sohn. 921. — Die Nieder- graphiſche Ge — in Berlin. 559, über Nordfpisbergen in das innere Polar laffung St. Blaife. Bon H. Meſſikommer, Juliſitzung der Geſellſchaft für Erdfunde zu Sohn, in Wezifon. 1008, Sin fränkiſches Berlin. 559. — Geographiſche Gefellichaft meer. 257. — Die Henrietta-Inſel. 298. — Die Naturverhältniffe von Süd-Georgien. Srabfeld vom Rhein und der Befititand für das Arondiffement Avesnes. 559. 97. — Die Melville-Inſel 558. mige unferer Vorfahren. Bon Dr. CE.Mehlis. 1021. Geſellſchaft für Handelsgeographie in Havre. — Ueber den Gebrauch des Eifens in Alt- 999. — Die 57. Berfammlung deutſcher geographiſche Ergebniſſe der Greely-Expe Bon B. Yangfavel. 1038. dition. 658. Reſte der „Jeannette“ an der Amerifa. Naturforſcher und Aerzte in Magdeburg. 599. weſtgrönländiſchen Küſte. 719. — Schwim— M. Ein intereffanter Schalenftein. Bon 9. — Feitverfammlung der Vereine Sieben— Meſſikommer. 378. — Die neueften Aus- bürger Deutſchen in Hermannjtadt. 559. — mende Eiberge. 979. N. Ruſſiſche Expedition nach den Polar grabungen auf der Pfahlbaute Robenhanfen. Der Berlauf der argentinischen Ansftellung gegenden Sibiriens unter Dr. Bunge. 178. Bon H. Meſſikommer in Wezikon. 479. — in Bremen. 559. — Ethnographifches Mu— — Finniſche Polarftation in Sodankylä. 178. Ein galliſch-römiſches Grabfeld in der Pfalz. jeum in SHelfingfors. 559, Von der — Die Erpedition zur Aufſuchung Greely’s Bon Dr. C. Mehlis. 637. — Schliemann Royal Asiatic Society, 559. — Inter— über jeine Ausgrabungen in Tiryns. 678. 178. — Siebente PBolarfahrt des „Willem nationale Konferenz zur Beftimmung des Barents“. 175. — Expedition zur Aufſuchung — Leber die Uebergangsperiode des Steins erften Mexidians. 559. — Drientalifche zur Bronze. Bon Heinrich Miffifommer, Sohn, Lientenant Greely's. 359. 419. — des Univerfität. 559. — Preisausfchreiben zur Meeres im Igalikofjord. 360. Der Eis— Wezikon. 758. Erforſchuug des Niefengebirges. 560, — meerhandel mit Sibirien aufgegeben, 361. N. Auffindung eines Pfahlbaues in der Die Gejellihaft Kanano-Kwai. 560. — Thonſchlamm und Algen auf dem grön- Pfalz. 140. — Ein interefjanter Bronze ländiſchen Eiſe. 419. Fortgang der fund. 140. — Archäologiſche Ausgrabungen Orographie und Geologie, Methodijches und Allgemeines. Jeannette— Hunter hai in Waſhington. 419. in Samarfand. 519. A. Neue Beobahtungen über Eisbildung in — Ein weiteres Opfer der Se Expe— Geſellſchaften und Verſammlungen. den Polarmeeren. 15. — Der Zuſammen— dition. 419. — Ingenieur Melville über Polarexpeditionen. 419, — Ergebniffe der A. Die ſiebente Generalkonferenz der euro— bang zwifchen dem geologischen Alter und Von Dr. ruffischen Beobachtungen auf Nowaja-Semlja. päiſchen Gradmeſſung zu Rom im Oktober dem Artenreihtum einer Gegend. 75. — Die neueften 119. — Däniſche Erpedition nad)Weftgrön- 1883. Bon Profeſſor Dr. C. v. Bauernfeind. Palady in Lobfowis. land. 419. — Wettrennen auf Schneejchuhen 61. 81. — Der geographiſch-kommerzielle Berechnungen der mittleren Temperaturen in Zappland. 420. — Bon der amerifani- Kongreß zu Madrid. Von Ferd. Blumentritt. der Nord- und Südhemiſphäre und ihre Be— ihen Bolarftation auf Point Barrow. 519. 75. — Der vierte Deutſche Geographentag deutung für die Erflärung der Eiszeiten. — Die neueften Nachrichten von der Lena— zu München. 17. bis 19. April 1884. 121. Bon H. Habenicht. 101. — Die Erdbeben ſtation. 519. — Däniſche Expedition nad) 394. 415. — Die allgemeine Situng der und die Spannung innerer Wafferdämpfe. Franz-Joſefsland 1855. 519. — Siebente Kaiſerl. Ruſſiſchen Geographiſchen Gejellichaft Nach einem Bortrag Daubree’s in der AfaPolarfahrt des „Willem Barents“. 519. — vom 3. Oftober. 915. demie der Wiffenichaften zu Paris. 143. — LieutenantzGreely gerettet, 350 44 n. Br. M. Die Thätigfeit der Ruſſiſchen Geograpbi- Die Geographie des Eifenbahnmejens in erreicht. 599. — Eine Starte der oftgrön- ihen Gefellichaft im Fahre 1883. 157, — ihren wifjenfchaftlihen Grundzügen. Bon ländiſchen Kiſte von Nordenftjöld. 600. — Aus der Jahresſitzung der Ruſſiſchen Geo- Dr. 3. Zaftrom. 230. — Zur Erweiterung Ergebniffe der meteorologiihen Beobacht— graphifchen Gejellichaft von 18./30. Januar. der wiſſenſchaftlichen Stationsbeobachtung in ungen auf den deutschen PBolarftationen. 600, 178. — Geographifche Austellung zu Tou- fremden Ländern. Von Dr. Richard Leh— Schlechtes Wetter an der Südküſte Grön- louſe. 378. — Die internationale Polar— mann. 261. — Einige Worte über Richthofen's lands. 600. — 2 HOmDU EZ Studien über fonferenz in Wien. 457. — Ethnographiiches „Aufgaben und Methoden der heutigen die Bulfane Fslands. 600. Sibirjafow’s Mufeum in Kiel. 479. — Die allgemeine Geographie”. 273. 295. — Ueber das Vor— Expeditionen zur Erforſ fung. der Petſchora Situng der Kaiferl. Ruſſiſchen Geographi- fommen von Eisbergen im ſüdöſtlichen Teil und Der Jeniſſeii-Mündung. 600. — Si— ichen Gejellfhaft vom 15. Nopember. 998. der Siüdatlantif. 316. — ©. v. Boguslawski's birjakow's Jeuiſſei-Expedition 1884. 739. N. Geographiſche Gejellfchaiten zu Sydney a Bon Dr. Albrecht Pend. — Die Jeannette-Reſte an der weſtgrön— und Melbourne, — Die Weinproduftion der Erde. 118. — Bildung einer ländiſchen Küſte. 740, — Eine neue ameri— Finniſch-Ugriſchen Gejellihaft. 118. — — F. v. Thümen. 323. — Profeſſor kaniſche Polarerpedition. 740. — Neue Deutſche Meteorologiſche Gefellichaft. 118. Zöppritz' Leitfaden der Kartenentwurfslehre. Polarfahrt unter Nordenjfiöfd. 740. — Bon — Thätigfeit dev Geographiſchen und Natur— Bon. Profeſſor Dr. ©. Günther in Ansbach. der kanadiſchen Hudfonsbay-Erpedition. 740, wiffenfchaftlichen Gejellichaft zu Heriſau. 118. 416. — Ueber Klaſſifikation geographiſcher — Deutihe Geſellſchaft fir Natur- und Thatjahen. 452. — Die Teleologie in der Tier: und Pilanzenfunde, Völkerkunde Oſtaſiens. 118. General- Geſchichte. Von Konrad Hermann. 621. A. Ueber die Tiefenverbreitung der Meeres: verfammlung des Deutjchen Schulvereins. Hurley’s Phyfiographie. Bon A. Penck. 636. algen. Bon Th. Fuchs. 24. — Ergebniffe 118. — Jubiläum der Moskauer Natur: — Pſeudoglaziale Erſcheinungen. Von Dr. der jüngften zoogeographiichen Forſchungen forſchergeſellſchaft. 118, — Niederländiiche A. Penck. 641. — Löwl'sForſchungen über Milne Edward's an Bord des „Talisman“. folontale Vereinigung. 118. — Der Welt: Thalbildung. 697. Der Himmelsſtaub 35. — Ueber die Abftammung der Flora poftverein 1883. 118. — Alpine Ausftell- und die Landwirtſchaft. Von Dr. A. Berg— Auftraltens. 176. — Ueber die Bedeutung ung in Turin. 119. — Stand der Belell- haus. 669. — Dr. F. ©. Hahu's Inſel— der gegenwärtigen Bertifalzonen der Pflanzen|ihaft für Erdkunde zu Berlin im Januar ſtudien. 722. — Die Studien Whitney's für die Kenntnis von den allmähligen Nivean- 1884. 439. — Stand der Geographifchen Ge- über die Eiszeit und klimatiſche Veränder— peränderumgen der Erdoberfläche. 377. jellichaft in Wien 1883. 439. — Der Berein ungen. Von F. Bayberger, 729. — Sieg—

VII Der indianiſche A. Geſichtsmasken. 136. Medizinmann. Von Dr. W. J. Hoffman in Geographiſchen1.88ſellſchaft für den Inſpektor Waſhington. D. C. 175. — Nachweis des Charakters der Funde von des geographiſchen Unterrichts. 778. — Die jepuffralen Differenz zwiſchen See- und kontinentalem Hiſſarlik an ägyptifhen Analogien. Studie Klima mit Beziehung auf Begetation. 784. von Artillerie- Hauptmann Bötticher. 285. — — Der Golfitrom. Bon W. H. Balloır. Akklimatiſation und Berbreitung der Indi— 313. — Die heutigen Reſte der präglazialen viduen. Von Dr, N. Berghaus. 291. — Flora Europa's 818. — Das Elfenbein, Die Zahlen im mohammedaniſchen Bolfsjeine Ernte und feine hauptſächlichſten Märkkte. glauben. Von Ignaz Goldziher in Buda— 1029. — Ueber Ethnologiſches Reifen. Bon peſt. 328. — Bräpiftorifche Rieſen. Don B. Langkavel. 333. — Die Aftronomte der Dr. Uhle in Dresden. 1036, M. Neuere Beobachtungen über das Luft— Naturvölfer. Bon G. Miller Frauenftein. 441. meer der Erde. 76. — Dr. Snellen über 465. 484. — Eheſchließung bei den Alfuren jeine Nordlichtbeobachtungen. 96. — Ent: auf Halmaheira. 5285. — Zur Ethnologie waldung und Bewaldung im den englijchen und Urgeſchichte. 554. — Das Anftitut der Kolonien. 598. — Die größten Brücken der legalen Anarchie. Bon M. Kulijcher. 5992. Welt. 840. — Das Gift der Klapperſchlange. — Die Metalle bei den Natnrvölkern. 595. — Ein Beitrag zu dem Studium der Bilder859. Dr. W. 5. Hoffman in N, Tiefſeeforſchung und unterfeeiiche Tele- jhrift. Bon 646. 666. — Zur Geſchichte graphen. 37. — Zur Nephritfrage. 37. — Washington. Die bis jett gefundene größte Meerestiefe. der Familie und der Gefellichaft. 653. — Die Gentil-Berfaffing der ſüd— 38. — Zur Theorie über die Bildung der HT. Koralleninſeln. 38. — Mariner Ursprung amerifanischen Indianer. Bon A. S. Gatſchet. der ſibiriſchen Tundra. 33. — Rezente Do- 737. — Vene Litteratur zur Ethnographte von lomite. 38. — Biologiihe Studien von Nordamerika. 753. 7854. — Neuere Litteratur von Nordamerika. 775. Dr. Hugo Eifig. 38. — Nährwert der Kofos- zur — 792. Die nuß. 38. — Eine botanische Kuriofität. 38, — Die Haida-Indianer. — Ueber den Namen „Rotes Mer”. 39. iberifche Frage. Bon Dr. Rud. v. Scala. — Eine Echule zur Ausbildung von Topo— 861. — Die Cagots in den Pyrenäen. 886. — Die Tobas-Fndianer im Gran Chaco. graphenzeichnern. 39. — Nephrit und nephrit- 991, ähnliches Material aus Mlasfa. 5938. Beiträge zur Hydrographie des Karftes. 538. M. Lebensbedingungen und Körpergröße. Bon — Ein Bild vierzigjähriger Gletſcherarbeit. A. Kirchhoff. 17. — Die Farbenbezeichnung Bon Ar 538. — Schwankungen der Paſterze. 939. der Singhalejen und Araukauer. — Biologische Studien von Dr. Hugo Eifig. Kirchhoff. 256. — Zum Indianerproblem. 539. — Botaniihe Berfuhsftation in den 418. — Ueber den Sommambulismus unter Bayrifchen Alpen. 539. — Beobachtung des den Naturvölkern in Indoneſien. Bon Nefivent J. ©. 5. Riedl. 678. BarolongMeeresgrundes auf Ballonfahrten. 539 Apenninen-Bernftein. 539. — Nachtrag zu Namen. 919, Korreipondenzen, den größten Brücken der Welt. 1000,

mund

Penck.

er⸗ 766.

Geophyſik.

Denkſchrift

Bon Dr,

der

Londoner

Flegel. 244. — Sir Charles Lyell’3 Leben. Bon Dr. Albreht Bernd.

1. 308. III. 344.

V. 90%, M. Juan

Maria

Juver

77.

N. Henry Pierce F. 119. — Dr. Sven Nils— jon 7. 119. — Biſchof Colenſo T. 119. —

Miffionar Edgerbey *. 119. — Die Ueber-

vefte des Kapitäns De Yangle und feiner Gefährten. 119. — Vom Schickſale der Ya Beronfe-Erpedition. 119. —

Errichtung eines

Denkmals für Columbus in Hayti. 119. — Er. O'Donovan F. 119. — Dr. U. J. C. Geerts F. 119. — Paul Shumader F. 119. — Rückkehr des Afrikaforſchers L. Petit. 119. — Neue Nachrichten von Dr, Neis. 119. —

Abreife

Prſchewalsky's

von

Urga

119.

— Rückkehr des Dr. Harmand nah Frant reich. 119. — Der angebliche Tod des Afrifaveifenden Noth. 179. — Dr. Regel nad) Taſchkent zurücgefehrt. 218. — Ehrung Antonelli’s. 218. in Arabien. 218

— E. Glaſer's Forſchungen — Die Berdienfte MWitllers

torf's um die Erdfunde. 218. ES Julius Schmidt T. 219. — Der Hindu— Meformer Dajanand Narasrati F. 219. — Franz Senn *. 219. — Ingenieur Bruel T. 319. — Prſchewalsky hat die Gobi auf's Neue durchſchritten. 319. — Ankunft Yeffar's im Turfmenenlande.

319. —

Ehrung

fran

zöfischer Forfcher. 319,— Nöttger T. 320. Ehrenfried Leeder T. 320. — Preisausjchreiben für ein Honterusdenfmal. 320° — 7. 320. —

Dr. Ernſt

Bchm

dr. Aron

7.

Bernftein

239.



Entomolog

Tomwnsend

Glover

F. 400.



Hugo

von

Scoder

T.

00. — Miffionar Dr. Bronfon F. 400. — Arnold Guyot F. 400. — Briefe über Dr, Pogge's Ende. 400. — Friedrich Notter F. 400. — ©. v. Boguslawski F. 400. —

Dr. Rilhelm

Soeft

in ZTrieft.

519.



Dr. Dito Finſch geht nach Auftralien 519. — Neue Nachrichten von Böhm und Neidhhardt. 519. — Ehrung Colquhouns. 519. — Reiſe Jakobſon's nah Sibirien. 519. — Mofer in Teheran. 519. — Rückkehr der

Zur Charakteriftif der Armenier. Bon Prof. Dr, Arzeumi. 39. .— Ueber die Bedeutung von Angra Pegquena. 1220. — Die Hypotheſe 6. — Sefoftris oder Memmon? Ein Bervon der Atlantis. Bon A. Schierenberg. juch über das Felfenrelief von Karabel bei 150. — Ueber das Schieffal von Ya Peronſe. Bergführer Kaufmanı J Boß nach Lon Nymphi un Kleinafien. Bon Dr. Hugo 200. Bom Lokalkomite des vierten Deut- don. 520. — Ed. Weller F. 520. — Robert Graf. 163. 186. — J. ©. Kohl's Samnı- ſchen Geographentages. 220. 240. — Ent: Söppert T. 520. — Mitflonar Brodbed FT. fung von Karten zur älteften Geographie deckung eines entjheidenden Fehlers im Er- 520. — Enthüllung des Dufourdenkmals in von Amerifa im Department of State zu weis einer hiftorifhen Einmündung des Oxus Senf. 520. — Stanley in Europa. 619 — Wafhingten. 557. — Zur Erodusfrage. Von ins Kafpiiche Meer. Bon A. Kirchhoff. 260. Dr. W. Joeſt's Weiterreife nad) Madagas— Profeffor Dr. Lauth. 607. — Der heutige — Ueber Rechtſchreibung fudanefiicher Drts- far und der Siüdfee. 619. — Ehrung Prſche— Stand der geographiihen Entdedung. 846. namen. 320. — Zur Haustierkunde. (Baftard walsky's dur die Woga-Medaille. 619. — von Sangafuh und )Jafbullen.) Bon B. Lang— Alichanow tritt in die Leitung des Merw'ſchen Ethnographie. kavel 340. — Die‘ Heinen Städte Europas. Bezirks ein. 619. — Ferdinand von Hoch— zur Biographie A. Der Raſſenkampf. Von Friedrich Klein— Bon Dr.!. Baumann und Ch. Betzet. 360. 420. ftetter 7. 619.— Ein Beitrag wächter in Czernowitz. 21. — Proſerpinen — Farbenpracht in den Meerestiefen. Bon Dr. Stanley’s. 719. — Schweden am Kongo. — Ehrung M KaBenboriı 720. — im Malayiſchen Archipel. Von Dr. M. Uhle. B. Better, 420. — Ständige Mitglieder des 19 Pierre Félix 30. — Die Sumero-Akkader, ein altaiſches Deutſchen Geographentages. 600. — Ueber Sir Bartle Frere F. 720 A. Maximilian Volk. Von Fritz Hommel. 34. Die Stäbhenpanzer. Bon Dr. M. Buch in Hel- Fourunier — Perty . 720. — Richard Lepſius— Masten von Zeylon und der ägyptiſche fingfors. 660, — ——— Javier de Moya ea Kultus. Vergleichende Studie von Artillerie— Berfonalien, 720. — 4 BergT. 720. — Deutſche als Hauptmann E. Bötticher. 54. — Die anthro— 119. pologiſch— ethnographiſchen Samml ungen des A. Lebensſkizze des Miffionars Jäſchke. Von Mitglieder der Breeip- ——

Geſchichte der Erdkunde, A, Honterus als Geograph. Von Fr. Teutich.

K. K. naturhiſtoriſchen Hofmuſeums in Wien.

122. — Dtto Finſch über ſeine Sammlung von

einem

früheren

Dr. Heinvih

Schüler

Berghaus.

besfefßen. 104.

201,

Eduard

Srönlandmif ſſionar Uellner F. 720.

trag eines Chinefen. 720,



Bor-

VIII

Alphabeliſches Derzeichnis der im Laufe dieſes Jahrganges angezeigten und beſprochenen Werke und Schriften. Allan, James. History of Australia from 1787 to 1882. Melbourne, Mafon, Firth und MeCutcheon. 320 ©. 340, Andree, Nihard. Die Metalle bei den Naturvölfern. Mit Berücdfihtigung prä— biftorifcher Berhältniffe. Mit 57 Abbildungen im Zext. Leipzig, Berlag von Veit u. Komp. 1884. XV]. 166 ©. 595. Andree- Scobel’fhe Karte, die, von Afrika, 456.

Berenberg, Karl. Die Nordſee-Inſeln an der deutſchen Küfte nebft ihren Seebade— Anftalten. Mit einer Karte der Reiſewege und vielen Zinkographien. Bierte ver: mehrte und verbefjerte Auflage. Norden

und

Norderney,

Herm. Braams.

1884.

Siebenbürgen.

Eine

190 ©. 760.

Bergner,

Rudolf.

Darftellung

des

Yandes

Derlag von Hermann

und

der Leute.

Brudner.

1884. 420 ©. gr. 80, 500.

Bejjels,

Emil Dr,, Smith Sound

Leipzig. and its

Brüffel, National-Inſtitut für Geographie. 980.

Le Congo depuis é6Guatéur jusqu’a l'océan. Croquis etabli a l’aide des reconnaissances 6&xecutees à la boussole de poche par les Explorateurs de l’Assoeiation Internationale du Congo de Janvier à juillet 1885, Bruxelles, Institut national de Geographie, societe anonyme. 259, Oongres International

Compte-rendu de Copenhague 1885.

des Americanistes.

la Ödme session, Copenhague, Im-

Reſte im germanischen Recht und Leben, Bon Dr. Yothar Dargun. 576. Gilder, William H. In Eis und Schnee. Die Aufjuhung der FJeannette-Erpediton und eine Schlittenfahrt durch Sibirien. Au—

torifierte deutfche Ausgabe.

Mit 46 Abbild-

ungen in Holzſchnitt und3 Karten. Leipzig, F. Brodhaus, 1884. VII. 384 ©. 280. Goeze, Edmund Dr. Der Urjprung der Kulturpflanzen von Alphonfe de Kandolle,

Autorifterte Ausgabe.

LX1V.

Bd. der

internationalen wiffenschaftlichen Bibliothek. Leipzig, F. A. Brodhaus. 1884. X und

IWW S, TE. primerie de Thiele. VII. 456 ©. 776 ff. MA. The High Alps Darg un, Yothar, Dr., Privatdoz. in Krakau—. Green, ®.C© of New Zealand. London, Macmillan Urſprung und Entwidelungsgejchichte des

Eigentums. Separatabdrud aus der „Zeitſchrift für vergleichende Rechtswiſſenſchaft.“ V. Band. I. Heft. 115 ©, 654. Dehn,

Paul.

Deutihland

und der Orient

in ihren wirtſchaftspolitiſchen Beziehungen. Erfter Teil: Nah dem Orient! —

Exploration. Reprinted from Nr. 30 of Donauwärts. — Die Drientbahnen. — the Proceedings U. S. Naval Institute. Zur See. — Münden und Leipzig, ©. 1884. 780, Franz'ſche Buch- und Kunfthandlung. 1884 Bibliotheca Neerlando-Indiea. 240. XXXVII, 155 ©. 380, Bird, Y. Iſabella (Mrs. Bifhop): Der gol- Erwaſti, Suomalaiset jäämere ranala dene Cherſonnes, frei überjeßt von A. (Die Finnen am Eismeere). Helfingfors Helms. Leipzig 1884. 712. 1884. 780. Bliß, Richard. Classified Index to the Erpedition, eine, zur Erforſchung der Maps in Petermanns Geographische Obimündung. 920. Mitteilungen 1855 bis 1881. 639. Erport. 576. Boguslamsfi, Dr. ©. v., Brofeffor. Hand- Fabri, Friedrih. Bedarf Deutjchland der buch der Ozeanographie. Band I, Räum— Kolonien? Gotha, Berthes. 576. liche, phyſikaliſche und chemiſche Beſchaffen— Felir, Ludwig. Der Einfluß der Natur heit der Ozeane. Bibliothek geographiſcher auf die Entwickelung des Eigentums, Handbiiher. Band II. Stuttgart, J. EngelBerlag von Dunder und Humblot. 1883. horn. 1884. XVII. 400, ©. 80. 321. VI. 308 ©. 655. Bolt, Auguft. Ländliche Briefe von Georgios Sergujon; John. Ceylon in 1885. Lon— Drofinis. Yand und Leute in Nord-Enboea. don, Samjon Low u. Komp, 560, Deutſche autorifierte Ueberſetzung. Leipzig, Finſch, O. Dr. Anthropologifche Ergebniffe Berlag von Wilhelm Friedrich. XII. 180 einer Reife in der Siüdfee nnd dem MaS. 580, layiſchen Archipel inden Fahren 1879 bis Bonwid, of James. The Resources 1582, Bejchreibender Katalog der auf dieſer (eensland. London, S. W, Silver und | Neife geſammelten Gefichtsmasfen von Komp. 128 ©. 350. Bölfertypen. Mit 26 phyſiognomiſchen Brau de Saint-Pol Lias. Perak et les Aufnahmen auf 6 lithographiichen Tafeln, Orangs Sakeys. Voyage dans l’Inte15 Umriſſen von Füßen und Händen md rieur de la Presqu’ile Malaise. Avec 60 Körpermeflungen. 136. carte et vues du pays d’apres des Flint, Dr. v., und Marchefe de Buonfanti photographies prises par l’auteur. Neife quer durch Afrika. 920. Paris, E. Plon et Cie. 1883. III. 302 ©. Forbes, 9. D. Eine bevorftehende Expe— 159. ditton nach Neuguinea. 920. Broszus, 3. E. Die Theorie der Sonnen— Friedrichſen, %. Karte Weſt-Aequatorial— fleden. Nach den neueften wiffenjchaft- | Afrika's, zur Veranſchaulichung des deut— lichen Forſchungen dargeftellt. Verlag von ſchen Kolonialbeſitzes. 980. Julius Springer. 1854. 104 ©. 440, |Geilfus, ©. Dr., Altrektor der höheren Büttner, C. G., früherer Miffionar in Stadtſchulen und Mitglied der allgemeinen Damaraland. Das Hinterland der Wal: geſchichtsforſchendenGeſellſchaft derSchweiz. fühbay und Angra Pequena. Eine UeberDas Leben des Geographen Dr. Jakob fiht der Kulturarbeit deutſcher Miffionare Melchior Ziegler. Nach haudſchriftlichen und der feitherigen Entwickelung des Quellen. Ein Denkmal der Freundſchaft. deutſchen Handels in Südweſtafrika. HeidelMit dem Bildniſſe Ziegler's. Winterthur, berg, Karl Winter. 1884. 124 ©, (SammKommiſſionsverlag von J. Weſtfehling. lung von Vorträgen, herausgegeben von 1884. 579. W. Frommel und Friedr. Pfaff. XIL Gierke, Otto, Dr., o. Profeſſor au der Uni— 19) 615. verſität Breslau. Unterfuhungen zur Chavanne's, Dr., Karte des äquatorialen deutſchen Staats- und Rechtsgeſchichte. Afrika zwifchen dem Kongo md Ogowe. XVI. Mutterrecht und Raubehe und ihre

and Co., Melbourne, 8. Mullen. 459. Grodefow, N. J. Der Feldzug Sfobelew's gegen Turkmenien in den Jahren 1580 bis 1881. 39. Giell- Fels, Th. Dr. Nom und Die Kampagna, inklufive der Sabiner, Albaner, Bolster Gebirge, der lateinijchen Meeresküſte und Süd-Etrurien. Dritte Auf—

lage. 1. Band mit 4 Karten, 49 Plänen und 65 Anfichten. Leipzig, Bibliographiiches Inſtitut. 1884. 380, Günther, Sigmund Dr., Profeſſor. Lehr— buch der Geophyſik und Phyfifalifchen Geographie. Zwei Bände. I. Band. Mit

77 Abbildungen.

gr. 80. geh.

Preis

10 Mark. Stuttgart, Ferd. Ende. 1884. 766. Sumplowicz, Ludwig Dr., Profefjor der Staatswiffenjchaften an der Univerfität Graz. Der Raſſenkampf. Soziologiſche Unterfuhungen. Innsbruck, Verlag der Wagner'ſchen Univerſitäts-Buchhandlung. 1883, 21. Hahn, F. ©. Dr.,

Dozent der Erdkunde au

der Univerfität Yeipzig. Verſuch einer auf orographiſche und geologische Verhältnifje gegründeten Einteilung der Inſeln. Mit einer Karte in Farbendruck. Leipzig, Beit und Kompagnie. 208 ©. 722, Haller, Sofef Dr. Altſpaniſche Sprüch— wörter und ſprüchwörtliche Redensarten aus den Zeiten vor Cervantes, in's Deutjche überjeßt. Hweiter Teil. Im Selbftverlag des Derfaffers und in Kommiffion der G. J. Manz'ſchen Buchhandlung. 1883. 304 S. 240. Hartmann, Dr., Profeſſor. Das Wiſſen der Gegenwart. Deutſche Univerjalbibliothef für Gebildete. Yeipzig, ©. Freitag. Abyifinien und die übrigen Gebiete der Oftküfte Afrifa’s. 303 ©,, mit 18 Bollbildern und 83 in den Text abgedrudten Abbildungen. 172. Hellwald, Friedrich v. Amerika in Wort und Bild. Eine Schilderung der Bereinigten Staaten. 740, Hübner, Otto. Geographiſch-ſtatiſtiſche Tafel aller Yänder der Erde. 33. Auflage. Bei W. Rommel in Frankfurt a,/M. 760. Hurley, T.H. Phyfiographie. Eine Ein-

leitung in das Studium der Natur.

Fr

deutjche Xefer frei bearbeitet von Hermann Jordan. Leipzig, F. A. Brodhaus, 1854.

IX LXIII. Band der internationalen wiffen- Löwl, Ferdinand, Dr. Ueber Thalbildung. Rau, Charles. Articles on Anthropoihaftlichen Bibliothef. 530 ©. 30. 636. Prag 1884. Dominicus, 136 ©. 80. 675. logical Subjects, contributed to the Jackſon, James. Liste provisoire de Annnal Reports of the Smithsonian dach, E. Ueber die Umbildung und An— bibliographies spéciales. Publication paſſung im naturwiſſenſchaftlichen Denken. Institution from 1863 bis 1877, Verlag de la Societe de geographie. Paris Rede, gehalten beim Antritt des Rektorats des Smithſoniſchen Inſtituts zu Wafhing1881. Soeiete de Geographie. VII. | der K. K. Deutſchen Karl Karl Ferdinands— torte 19% 340 ©. 80, 500. Univerſität zuPrag. Wien, Peſt, Leipzig, Nauber, U, Dr., Profeffor. Urgeſchichte Sahresbericht, XL. bis XLII., der PolA. Hartleben's Verlag. 1884. 16 ©. 680. des Menschen. Ein Handbuch für Studielichia, naturwiſſenſchaftlicher Verein der Mang, Adolf, Lehrer für Naturwiſſenſchaften rende. Erſter Band. Die Nealien. Leipzig. Nheinpfalz. Dürkheim a.H., in Kom— Berlag von F. C. W. Bogel. i834. X. an der höheren Mädchenſchule zu Badenmiffion bei %. ©. Lang. 640. 436 ©. 535. Baden. Das zerlegbare Tellurium-Luna— Ilwof, Franz. Aus Erzherzogs Johann vum als Grundlage eines aufbauenden, |Rihthofen, Ferdinand Frhr. v., Dr. Tagebuch. Eine Reife in Oberfteiermarf Aufgaben und Methoden der heutigen Geo zerlegend-entwictelnden Unterrihts in der im Jahre 1810. Im Auftrage Sr. Erz. aftronomijchen Geographie. Zweite, ehr graphie. Akademiſche Antrittsrede, gehaldes Herrn Franz Grafen von Meran herausten in der Aula der Univerfität Yeipzig verbefferte Auflage. Mit einer Figurengegeben. Graz 1882 Leufchner md am 27. April 1885 Leipzig, Verlag von tafel. Weinheim, Verlag von Fr. AderLubensky's Univerfitätsbuchhandhung. VI Reit und Komp. 1883. 72 6©. 273. mann. 1883, 41 ©, 580. und 141. S. 440. Mayr, Emil, in München, Neufiidwales N oche, Yeön. Trente-deux ans à travers Fung, Emil. Deutſche Kolonien. Ein Beis l’Islam. Paris, Firmin Didot. 1884. im Fahre 1881. Separatabdrud aus dem trag zur befferen Kenntnis des Lebens und 495, T. und 8. Heft des VI, Jahrgangs der Wirkens unjerer Landsleute im anderen Deutſchen Rundſchau fiir Geographie und Rohlfs, Gerhard. Meine Miffton nach Erdteilen. Leipzig, ©. Freytag. Prag. Abeſſinien. Auf Befehl Sr. Majeftät des Statiftif, A. Hartleben’s Verlag. 16 ©. F. Tempsky. 18854. 308 ©. 576. Deutſchen Katfers im Winter 1880/81 680, Katalog der argentiniihen Aus— Merensfy, A. Nev. Original Map of unternommen von Gerhard Nohlfs. Mit ftellung, veranftaltet won der Geo— 20 Separatbildern und einer Karte, Yeipzig, South Africa. Bier Blätter, 50 bei graphiihen Gejellihaft in Bremen. Mai— % N. Brodhaus. 1885. XX,. 348 ©, 75 em. Berlin, Simon Schropp’iche Juni 18854. Mit einer Weberfichtsfarte 134. Yandfartenhandlung. 1884. 280. von Argentinien. Anlage zu Heft 2, Band | Meyer's Reiſebücher. Stalien in neuer Nohmeder, Dr. Wild. Zur Lage der VII der Deutjchen Geographiichen Blätter. Deutſchen in Krain. Bortrag, gehalten Einteilung. Ober-Italien, Nord-Italien Bremen 1854. Kommiffionsverlag von im Verein zum Schuße deutſcher Inter— bis inkluſive Genug und Bologna. Bon ©. A. vo. Halem. 79 ©. 540. ejfen tm Auslande” zu Minden am 7, Dr. Th. Gjell-Fels. Vierte Auflage. Mit Kuork, Karl. Mythologie und Zivilifatten | 6 Karten, 29 Plänen und Grumndriffen, März 1884. 759, der nordamerifanifchen Indianer. Zwei 60 Anfichten und 1 Panorama, Leipzig, gl amuel, Sir Saul, Agent-General for Abhandlungen. Leipzig, Berlag von Paul N.-S.-W, Handbook of New South Bibliographiiches Inſtitut. 1884, 380, Wales. London 1854, Waterlow und Srohberg. 1882. 76 ©. 775 ff. Miſchler, Ernft, Dr. Die Anſiedelungs. Kolonialzeitung, Deutiche. 576. Söhne, 77 ©, 639. und Wohnverhältniſſe in Oeſterreich. Se— N chmidt, Fr., Mitglied der K. Ruſſ. Aka— Kolonie, die, in der Tagesdebatte und paratabdruck aus der Statiſtiſchen Monats— foloniale Vereinigungen. Einige Fragedemie. Einige Bemerkungen zu Profeſſor ſchrifft. Wien 1883. Alfred Hölder. ftellungen. Berlin, Ferd. Dümmler's 50 S. 300. U. dv. Nordenſkjöld's Reiſewerk: Die Um— Berlagsbuhhandlung. 1884. 59 ©. 576. Möbius, K., und Heincke, Fr. Die Fiſche ſegelung Aſiens und Europas auf der Kleinpaul, Rudolf Dr. StalieniiherSprad)„Vega“ 1878 -1880.. Aus den Beiträgen der Oſtfee Berlin. 1883, 390. führer. VII, 454 ©. Leipzig. Biblio- Miller, Iſidor, Dr. Bon Innsbruck nad zur Kenntnis des Ruſſiſchen Reiches und graphiſches Juftitut. 185. 580. der angrenzenden Länder Aſiens, zweite Bludenz. Eine Monographie des Ober— löden, © %. vo, Dr. und %. von Folge, beſonders abgedruckt. 80. 47 S. Innthales. Wien, Verlag des Oeſterreichi— Köppen. Unſer deutjches Land und St. Petersburg 1883. 79. ſchen Touriſtenklubs. 1883. 104 S. 500. Volk. Vaterländiſche Bilder aus Natur, Müller-Mylius, Karl, Dr. RichardIrving (9 chmidt, Wilhelm Dr., Profeſſor amkk.k. Geſchichte, Induſtrie nndVolksleben. Zweite, Gymnaſium in Wien, IV. Bezirk. Be— Dodge, Oberftlientenant der Armee der Vergänzlich umgearbeitete Auflage. Mit zahl— ihreibung eines Telluriums, konſtruiert einigten Staaten, Die heutigen Indianer veichen Tertilluftrationen, Tonbildern, Karvon Dr. Wilhelm Schmidt. Wien, Eduard des fernen Weftens. Mit einer Einleitung tenbeilagen. Leipzig, Berlag von Dtto | von Willtam Blackmore. Hötzl. 579. Wien, Wet, Spamer. Bis jet 10 Bände, 714. Oskar. Naturwiſſenſchaft— Leipzig, A. Hartlebens Verlag. 1884. © hneider, Kunz, N., in Ottenbach. Bilder aus Amerika, VITERI SEN 5} liche Beiträge zur Geographie und Kultur— Nach eigener, achtjähriger Erfahrung ge- Nederlandsch geſchichte. Dresden 1883, Bleyl und Indie, Landschappen - en zeichnet. Th. Schröter’s Berlagsbuch-hand | Volkstypen. Kämmerer. 299. Haarlem, H. D. Tjeenk lung. Züri. 166 ©, 616. Schuchardt, O. Dr., in Rötha. Deutſche Willnik. 1829. 240. Yang, &,,Dr. Ergebniffe der Beobachtungen | Neumanı’d Geographiſches Lexikon des Warte. Verlag von H. Hentze. Großenhain, der meteorolog. Stationen in Bayern. 720. Sachſen. 300. Deutſchen Reiches. Leipzig. Bibliogra— La Plata-Länder, die, mit bejonderer phiſches Inſtitut. 1883. 1416 S. in Schütz-Holzhauſen, Damian Freiherr v. Illuſtrierte Bibliothek der Länder- nnd Berüdfihtigung ihrer wirtichaftlichen Ber= | 40 Heften komplett. 716. A Report on its AgriVölkerkunde. Der Amazonas: Wander— bältniffe, Viehzucht und Kolonifatton und New Zealand. bilder aus Peru, Bolivia und Nordbraſilien. cultural Conditions and Prospects, by ihrer Bedeutung fir deutſche Kapitaliften Mit 31 Holzſchnitten und 10 Vollbildern S. Grant and J. $. Foster. London, und Auswanderer, Bon Karl Friedrich. (XII. und 245 ©.); ferner: Unſere Hamburg, L. Friederichjen und Kompagnie, G. Street and Co. 87 ©, 280. 170 ©. 1884. 577. Erde”. Aftronomijche und phyſiſche GeoPolakowsky, H Chile im Jahre 1883, graphie. Eine Borhalle zur Länder und Latina’ Karte der Argentina. 60. Angaben iiber das fiir den deutjchen Aus— Völkerkunde. Bon U. Jakob. Mit 100 Leuzinger's Nelieffarte der Schweiz. wanderer empfehlenswertefte Yand. Ber: Holzichnitten, 26 Bollbildern und 1 SpefZürich, J. Wurſter und Kompagnie. 980. In 1884. Berlag von Thormann und traltafel in Farbendruck (XI und 485 ©.) Yetronne, A. J. de. Membre de l’InstiGoch. 8 ©. 615. , tut. Oeuvres choisies. Assemblees, Paſſarge, L. Sommerfahrten in NorBerlag von Herder. Freiburg im Breisgau. mises en ordre et augmentees d’un 540. wegen, Meifeerinnerungen, Natur- md index par E. Fagnan. Deuxieme serie. Kulturſtudien. Zweite umgearbeitete und Schweiger-Terhenfeld, A. v. Bon Dzean zu Ozean. Eine Schilderung des Geographie et Cosmographie, T. Ier. wejentlich vermehrte Auflage. Zwei Bände. VI. 534. T. 2d. 566. Paris, E. LeWeltmeeres umd feines Lebens. U. Hart Leipzig, Verlag von Bernhard Schlicke leben's Verlag, Wien, Peft u. Leipzig 1584. roux. 1883. 759, (Balthafar Elifcher). 1884. 740. Mit 200 Sluftrationen, 12 Farbendruck Lippert, Julius, Die Gefchichte der Fa— Paul, Ewald. Aegypten in handelspolitibildern, 15 folorierten Karten und 30 milte. Stuttgart, Verlag von Ferdinand iher Beziehung. Heft 192 der Deutjchen Plänen im Texte, 540, Ente, 1884. V. 260 ©, 675. Zeit- und Streitfragen, herausgegeben von Sepp, Dr., Profeffor. Ein Volk von zehn Lönnbeck, Albin. Studier i finska vitterFranz v. Holtzendorf. 36 ©. 640. Millionen oder Der Bayernftamm. Herhetten efter 1830. Studien über finnifche Peralta de, Don Mamıel. Costa Rica, funft und Ausbreitung über Oeſterreich, Nicaragua y Panama en el siglo, Dichtung nad) 1830. Helfingfors 1883, Kärnthen, Steiermark und Tirol. Kampfs Paris 1884. 980. Beijers Verlag. 80, 82 ©, 680,

X ſchrift wider Gehen und Magyaren. Mün—

Südfeetypen

Im Verlag von %. Fried-

vichfen und Komp. Kabinetsformat. 259. chen, 1582, Max Kellerer's Verlag. 720, T 5. Das revolutionäre Frankreich. 6. Sering, M., Dr. Ueber die Landpolitif der Taine Bereinigten Staaten von Nordamerika. 760, Sonflar, Kar, Edler von Innſtädten,

2, Abt. Autorifierte deutſche Bearbeitung von L. Katſcher, Yeipzig, Ambr. Abel. 1882, 452

©. 640,

Turner, @, L. L. D. Samoa one hundred years ago, prefaced by E. B., Taylor, F. R. 8. London. 580. ſchwemmungen im allgemeinen; Chronik Theodor. Das Baperijche der Ueberfhwenmungen und Mittel der Trautwein, Hochland und das angrenzende Tirol und Abwehr. Wien, Belt, Leipzig, A. HartSalzburg nebft Salzfammergut (mit einer lebens Berlag. 1883. VIII. 151, 759. South Australia. Its History, Productions Ueberfichtsfarte und fünf Spezialfarten). 2. Aufl. Lampart's alpiner Berlag. 540. and Natural Resources. By J. P. Stow. Adelaide, E. Spriller. 1883. 19 ©. Zylor, Edward B. Dr. Einleitung in das Studium der Anthropologie und Zivili— By, jatton. D. Aut. Ausgabe von ©. Siebert, Sowden, %. William. The Northern Oberlehrev au der Realſchule zu WiesTerritory as it is. Adelaide, W. K. baden. Braunſchweig, Drud und Berlag Thomas and Comp. 1882. 192 ©. 25). von F. Vieweg uud Sohn. 1883, XVI. Spiehler, Anton, k. Neallehrer in Mem— 538 ©. 534. mingen. Das Lechthal. Gejchichtliche 94 © Mit| Ujfalvy, 8. E. v. Aus den weftlichen und fulturele Studien. Himalaya. Erlebniſſe und Erforſchungen, Abbildungen im Texte. Separatabdrud Mit 181 Abbildungen und 5 Karten. aus der Zeitſchrift Des Deutjchen und Leipzig. F. A. Brockhaus. 1884. XVI. Oeſterreichiſchen Alpenvereins. 1883. 2. und 330 ©. 707. Teil. 380. Statiftifhes Jahrbuch fürdas Deut- Vega, die wiſſenſchaftlichen Ergebniſſe der Expedition. Leipzig. Brockhaus. Kom— Ihe Reich. Heransgegeben vom Kaiſer— plett in 12 Lieferungen. 739. ih Statiftifchen Amt. 5. Jahrgang. 1584. Berlin, Verlag von Puttfamer und Miühl- Whitney, J. D. The Climatie Changes of later geological times: a discussion breit. VIl und 200 &, Mit 3 Karten. 780. f. £. Generalmajor. Bon ihwemmungen. Enthaltend:

den HeberDie Ueber—

based on observations made in the CordillerasofNordamerica, Cambridge. 1882, 729,:

Wilfen,

©%.

Het Strafrecht

bij de

de volken van het Maleische Ras. Als Sonderabdrud aus den Bijdragen tot de Taal- Land- eı Volkenkunde

van Neer-

landsch-Indie, bei M. Nijhoff in Haag. 1883. 676. Wilſon, ET. und RW. Felfin. Uganda und der ägyptifche Sudan. Zwei Bändhen mit 35 Holzihnitten. Stuttgart, J. ©. Cotta'ſche Buchhandluug. 1883. 136. Wiß,

Eduard,

Dr.

Das

Yandgefeß

für

Irland vom Jahre 1881 in deutfcher Ueber— ſetzung und im Original. Yeipzig, Verlag von Dunder und Humblot. 1883, VI, und 241 ©. 680. Wolfenhauer, W., Dr. Die erſte phyſi— kaliſche Geographie. 859. Zentralblatt für die Intereſſen der Volks— wirtichaft. 577. Zöppriß, Karl, Dr., ordentlicher Profeffor der Erdkunde an der Univerfität zu Königsberg i.Pr. Leitfaden der Startenentwurfslehre. Für Studierende der Erdfunde und deren Yehrer bearbeitet. Mit Figuren im Tert und einer lithographiſchen Tafel. Leipzig, Druck und Berlag von B. ©. Teubner.

1884.

VII

162 ©.

416,

Das Juslaud. Wochenſchrift für Sander: und Völkerkunde, unter Mitwirkung von Profeſſor Dr. Friedrich Nabel und anderen Fachmännern herausgegeben von der

J. ©. Cotta'ſchen Buchhandlung in Stuttgart und Münden. Siebenundfünfzigiter Jahrgang. München,

1884.

7. Januar.

Jährlich 52 Nummern a 20 Seiten in Quart. Preis pro Quartal M. 7. — Zu beziehen durch alle Buchhandlungen des In- und Auslandes und die Poſt— ämter. — Rezenſions-Exemplare von Werfen der einschlägigen Litteratur find direkt an Herrn Profejjor Dr. Friedrich Natel in München, Afademieftrage Nr.5, zu jenden. — Sinjerationspreis 20 Pf. für die gejpaltene Zeile in Petit.

Juhalt: 1. Ueber Handel und Verkehr bei den Waganda und Wanyoro. Bon Emin Bei (Dr, Schnitzler), Generalgonverneur der ägyptiſchen Aequatorialprovinz. S. 1. — 2. Honterus als Geograph. Von Fr. Teutih. ©. 6. — 3. Kunſt ımd Wit der Neger. Bon Mar Buchner. (Mit Abbildungen.) &. 9. — 4. Die Goldfelder des Atrato. ©. 14. — 5. Neue Beobachtungen über Eisbildung in den Polarmeeren. ©. 15. — 6. Dr. Fiſcher's Bericht über jeine Neife in DOftafrifa. ©. 17. — 7. Kleinere Mitteilungen: ©. 17. Lebensbedingungen amd Körpergröße. Bon A. Kirchhoff. Strenge Kälte in Südſpanien. Thronfolge in Madagaskar.

8. Notizen: ©. 19.

Afrika.

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ihre kommerziellen Beziebungen zu einander geivinnen. Einige Worte bierüber bürften vielleicht manchem nicht unerwünſcht fein. Dicht hinter König Kabregas großem Gehöfte liegt ein weiter, unregelmäßiger Platz, eingefaßt von üppig grünen Bananenpflanzungen und den hoben Rohrzäunen großer Hüttenfomplere. Niefige Fikus, auf deren eigeniinnig geiwundenen grauen Neiten ganze Kolonien grotester Platy— zerien fich angefiedelt haben, gewähren Schatten und Küble, wenn gegen Mittag die Sonne gar zu empfindlich brennt. Grade um diefe Zeit aber entwidelt ſich bier ein lebhaftes Bild beweglichen Treibens. Bon allen Geiten jtrömen Leute berzu, bald als Verkäufer, beladen mit ihrer Ware, oder zum Verkauf beſtimmte Tiere vor ſich her treibend, bald als Käufer lärmend und feilfhend, auf Schnüre geveibte Kaurimuſcheln oder die zum Austausch beitimmten Waren in den Händen. Neben dem in Felle gebüllten lichtbraunen Wahuma-Hirten mit dem Schönen reinen Profile, welcher feine jauber in Bananenblätter gebüllte friſche Butter zum Verkaufe bringt, beivegt fih, von bunten Segen bedeckt, der dunkelſchwarze Witſchweſi-Paria mit Amuletten und allerlei furiofem Schmud bebangen, bettelmd und feine Künste preifend, der Zigeuner des Yandes. Lichtgelbe Masfat-Araber mit dem vollen Bewußtſein ihrer Farbe x

Ucber Handel und Verkehr bei den Waganda und Wanyoro. Von

Emin

Bei (Dr. Schnitzler), Generalgonverneur ägyptiſchen Aequatorialprovinz.

der



Im Gegenſatze zu allen übrigen Negervölkern unſeres Gebietes haben die nördlich vom Aequator anſäſſigen > Stämme der Bantu-Familie, die Waganda und die Wanyoro, ihrer höheren Kulturjtufe entjprechend auch den Handel zu größerer Entwidelung gebracht. Ob dieſer Kortichritt völlig ihrer eigenen Initiative zuzuschreiben ift oder ob nicht vielmehr die Handelszüge der Araber von Sanfıbar und die dauernde Niederlafjung einiger derjelben in den ge nannten Staaten zunäcit den Anftoß dazu gegeben, tt

ſchwer zu entfcheiden.

Jedenfalls darf man es nicht unter:

Ihäßen, da gerade die Bantu-Gruppe durch regen Handels: finn ausgezeichnet ijt und wer je die Märkte von Weranfanje in Karagua, Nubaga in Uganda und Mparo Njamoga

in Unyoro bejucht, wird dies zur Genüge erprobt haben. Durch den Zufammenfluß der verjchiedeniten Landesprodukte ‚an jenen Zentren, durch die VBerfammlung von Typen nahezu aller öftlich-äquatorialen Stämme läßt ſich bier

aber auch ein anfchauliches Bild der natürlichen und Kunft-Erzeugnifje jener Regionen, ſowie ein Einblid in Ausland

1884, Nr, 1.

und Superiorität, das hakige Dolchmeſſer, die Schamba, 1

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Ueber Handel und Berfehr bei den Waganda und Wanyoro.

im Gürtel, verfchmähen nicht, ihre Lebensbedürfniſſe an Gemüſen, Früchten, Fleiſch ſelbſt einzuhandeln; ihr weich flingendes Kiſuaheli liegt nicht jo weit ab vom Kinyoro, als daß fie nicht bald fich zu verftändigen müßten. Beweg— liche, ſchwatzhafte Waganda in faubere, ledergelbe Rinden— jtoffe drapiert, haben die Schönen weichen Matten Ugandas, feine Nindenftoffe und dicken Kupferdraht zum Austaufche berübergebracht. Unterſetzte ftämmige Leute von Nkole verfaufen in Bündeln den vorzüglichen Tabak ihres Landes. Die lichten Betvohner der Berglande im Sudan haben Vieh zum Verkaufe geftellt und die lang aufgefchoffenen Wakidi-Krieger mit ihren turmhohen Frifuren und den eifernen PBanzer-Halsbändern jchauen ſich das Treiben gleichgültig an. Kleiderftoffe find ihnen nicht nötig und was ſonſt fie bedürfen an Kupfer, Eifen, Olasperlen u. ſ. tv. gibt ihnen Kabrega reichlich als Gegengabe für das Elfenbein, das fie ihm gebracht. Es liegt ja in feinem Intereſſe, die lohnende Kundſchaft ſich zu erhalten und günstig zu ftimmen, Zwiſchen al’ diefe Leute aber drängt fich die Mafje derer, die aus den umliegenden Dörfern gefommen, um für ihre Bananen, füße Bataten, Bohnen, Kürbiffe, Kolakaſien, Mehl Abſatz zu finden, die Fischer vom Albert-See mit getrodineten und friſchen (soi-disant)

aber, wo die eriten Araber, Muſſa Mzuri und Ahmed ibn Ibrahim, der heute noch in Weranhanje lebt von Mteſa's Vater, Suna, eingeladen, Uganda betraten, änderte fich die Sachlage. Die Eröffnung der Straße nad) Sanfibar,

Fiſchen, die Frauen mit enormen Kürbisgefäßen voll ſchäu— menden Bieres, Bettler und Bettlerinnen, Brojtituierte, nadie Kinder, Ninder, Ziegen, Schafe, Hunde — alles das fchreit und lärmt in buntem Gewirr. Hin und wieder läßt ſich auch Muſik hören, gewöhnlich von Gruppen ausgeführt, die fih um volle Bierfrüge gejchart, wobei des Landes fäufliche Schönen ihnen gute Gefellfchaft leiſten. Wer feine Gefchäfte beendet und zum Geben fich rüjtet, jpricht dann gewöhnlich noch in einer der nahen Schmiede: jtätten ein, die hier, wie in allen unferen Negerländern, in getviffer Beziehung das Konverſationslokal bilden; gewiß, dort jtet3 eine Gruppe von Nichtsthuern zu finden, nimmt man noch gern den neueiten Stadt: und Hofklatſch mit fich in das ferne Heim, So geht das rege Getreibe fort, bis gegen 4 Uhr nachmittags die Leute ſich nad und nad) verlieren und jtatt des Lärmes der Käufer und Berfäufer nun das Gebell und ärgerliche Gezwitfcher der Hunde und Geier hörbar wird, die um ihre Mahlzeit fich befeinden, bis im Abenddunfel auch fie verfchwinden und im bleichen Mondlihte Flederhunde und Mafrodipteryr ibren Ge— ipenjterflug beginnen. Bevor die Araber ihren Weg nach Uganda und Unyoro fanden — von Karagua wollen wir als einer fehr alten arabifchen Niederlaffung abjehen — mag der Handel diefer beiden Yänder kaum fich über einen Austausch der zum Leben unentbehrlichen Artikel erhoben haben. Der Wert der zum Verkaufe gejtellten Dinge muß dabei natürlic) ganz vom Belieben des Verkäufers und dem mehr oder weniger dringenden Bedürfnis des Käufers und feinen Mitteln abgehangen haben. Geldwerte oder was immer jelbe vertreten fonnte, eriftierten ja nicht. Vom Momente

Noch heute findet man fie bei den öſtlichen Stämmen der Lattuka, Schuli, Yango, Wafjoga, die alle den gewölbten

damals zu Lande noch etiva fünf Monate Marſch beanIpruchend, die durch jene Straße auf einmal gebotene Mög—

lichkeit des Abſatzes bejonders für Elfenbein und Sklaven, die Niederlaffung der Araber im Lande felbit, mit Korrejpondenten in Karagua und Uniamuefi, jpäterhin auch am

See, beeinflußten natürlich audh den Markt im Lande. Maſſen von Waren, befonders Manufakturen, Gejpinnite aller Art, Kleiver, Waffen, Munitionen, Kupfer und teffing wurden von Sanſibar aus eingeführt und fanden

bei der großen Vorliebe des Volkes für Kleidung und Bus ſowie Waffen bereitivillige Abnehmer. Zugleich aber machte fih das Bedürfnis eines furrenten Wertes dringend geltend; man wählte biefür die Kauri, im Kifuaheli „Kauri“ oder „Kete“, im Kiganda und Kinyoro übereinftimmend „Sſimbi“ genannt. Die genannten Zypraeen maren ſchon lange

von der Dftfüfte her ing Innere des Kontinents gedrungen und von Stamm zu Stamm verhandelt, zu allerlei Arbeiten und Schmudgegenftänden verwertet worden: Gürtel,

Kopfbedeckungen, aus ihnen gefertigt, waren gejchäge Objekte.

Rücken der Mufchel abjchleifen und felbe dann auf Leder oder Haarfilz jo befeitigen, daß die Spalte nad außen ihaut oder auch die intakte Mufchel einfach in die hoben

Friſuren einflechten. Die Kauri aber den Negern als Gelb: wert nugbar zu machen, blieb den Arabern vorbehalten, die allerdings bei den Waganda ein rafches Verftändnis fanden. So hat ſich das Kauri-Geld bis heute in Geltung erhalten, und jowohl in Uganda als in Unyoro fann man mit dem— jelben feine kleineren Einfäufe bejorgen. Die Mufcheln find nad Abjchleifung des Nüdens zu je 100 auf eine Baſtſchnur gereiht; Fünf folder Schnüre repräfentierten den Wert eines Marien-Therefienthalers, eine Evaluation, die, von den Arabern jelbft normiert, manchmal leichten Schwankungen unterworfen war. Hatte man nun größere oder vielmehr teurere Objekte zu erfaufen, jo ging dies ganz

gut und zu fonjtantem Preiſe; jo koſtete eine fette Ziege 1200— 1500, ein Schaf 1000—1200, ein Padet Salz aus. Unyoro, etwa 2 Kgr. enthaltend, 1000, ein Badet EleufineKorn, ebenfalls von Unyoro (in Uganda baut man faum Korn) etwa 400—600, ein Ochſe aber 6000— 7000 Kauri.

Für Gegenftände geringeren Wertes teilt man die Schnüre zunächſt in Hälften zu 50, diefe aber in 5 Teile zu je 10 und fommt jo zur niederiten Stufe 5. Getrocknete Fiſche fojteten jo je nach ihrer Größe von 10—20, ein Bund

gewöhnliche Bananen zum Kochen 40—50 Kauri. Die großen, „Gondje“ genannten Bananen aber, welche jeltener und zum

Roheſſen

bejtimmt find, wurden

mit

je einer

Kauri das Stüd bezahlt. Das Volt hat ſich an dieſes Muſchelgeld jo gewöhnt, daß, abgefehen von feltenen

Ueber

Handel und VBerfehr bei den Waganda und Wanyoro.

3

Fällen. direften Waren-Austaufches, aller Verkehr jetzt da— mit unterhalten wird. Es mag übrigens bemerkt fein,

für den Handelsgeift der Araber, daß fie fo weit vordringen

daß es für den Fremden, der ohne Kauri nach Uganda fommt, oft ziemlich ſchwer hält, fi) das nötige Quantum davon zu verichaffen, da die Araber, den Drud der Um: ſtände weislich benußend, fich oft bitten laſſen, bares Geld

Bervaltung

auszutaufchen. Man kommt jo oft genug in die Lage, mitgebrachte Stoffe, vote Glasperlen, Kleider ꝛc. geradezu verkaufen zu müffen, um die zur Beftreitung der täglichen Ausgaben für Kühe

und Haushalt

nötige Scheidemünze

fonnten,

ſowie es ein

in

arger Mißgriff

den ägyptiſchen

der Gordon'ſchen

Aequatorial-Provinzen

war, daß er nicht mit allen Kräften jene Gebiete für den

diesfeitigen Handel zu eröffnen getrachtet. Der Sanfıbar

nad Norden gerichteten Handelsbeivegung von gerade entgegengefeßt entmwidelte ſich natur—

gemäßer Weiſe auch ein Abzug nah Süden: galt es doch zunächit die in den Mequator-Ländern gefammelten Waren an ihr Debouché, alfo nad) Sanfibar, zu leiten. Da diefer

zu ſammeln.

Weg aber wohl zu lang und, wenn auch fpäter durch die

Sind in Uganda die Kauri geradezu ein Geldivert getvorden, jo fann man für Unyoro faum dasjelbe fagen. Seines eigenen Vorteiles wegen beforgt und wohl aud) ein wenig aus Eiferfucht gegen Kabrega, den Herricher von Unyoro, welchen er befonders Fremden und der Wer: bältnifje Unfundigen gegenüber gern als feinen Vaſallen

Straße über den Viktoria-See und Kagehyi verkürzt, zu viele Opfer an Waren und Zeit koſtete, Jo liegt heute das Zentrum des arabifchen Handels diefer Yänder in Tabora und dem nahen Ujut. Dort haben ſich Leute angefiedelt, deren Agenten mit Waren verfehen für ihre Rechnung nad) Norden ziehen, wo fie oft Jahre lang verweilen. Neben den Arabern gehen aber aud die Waganda felbit für ihres Königs Rechnung bis nach Sanfibar, two fie gegen ihr Elfenbein, von der Regierung unterftüßt, meift Gewehre und Munitionen

darzuftellen Lebt, hatte Mtefa, der König von Uganda, den Arabern tro& wiederholter Bitten nie geftatten wollen, nad) Unyoro zu geben. War 8 doch für ihn weit ex: jprieglicher, die von diefen eingeführten Waffen und Muni: tionen für fich felbjt in Anspruch zu nehmen und nur bin und wieder einige feiner eigenen Leute mit „Geſchenken“ an Stoffen, Kupfer, Meſſing, Glasperlen an Kabrega zu jenden, welcher die Danaer-Gaben feines Nachbars mit

einer Gegenfendung von Elfenbein und Sklaven zu er: wiedern fich beeilte. Diefe dienten dann Mteſa zu neuen Anfäufen. Erſt in der jüngften Zeit, etiva vor fünf Jahren, gelang es zwei unternehmenden Händlern, dem Araber Said ibn Sfeift und dem Fundi Haffan, einem Sreigelaffenen, von Karagua aus direft die Hauptitadt Unyoro's zu erreihen, wo fie gut aufgenommen wurden und troß des üblichen Syitemes eine gute Elfenbeinernte erzielten. Es herrſcht nämlich hier ſowohl als in Uganda der Gebrauch, daß jeder Kaufmann bei feiner Ankunft etwa die Hälfte der mitgebrachten Güter, befonders Bulver,

Blei, Schrote und

Gewehre,

dem

Herrſcher darbringt,

welcher dafür dem Fremden Haus, Garten, Gaben an Vieh und Früchten zu Gebote ftellt und bei feiner Schließlich

doch einmal erfolgenden Abreife ihm ein Gegengefchent an Elfenbein macht, deifen Wert gewöhnlich dreis bis fünffach den Wert jener erften Gejchenfe darftellt. Beide Teile fahren dabei

nicht fchlecht: der Araber,

dem

fein

Kapital Frucht trägt, ohne daß er fih müht und der König, dem das Elfenbein nichts Foftet, da die getreuen Unterthbanen es liefern. Sobald nun der Sanfibar: Handel bis nad) Unyoro drang, wurden auc) hier die

Kauri als Werte eingeführt und auf dem Markte auch gern angenommen. Das Gros des Wolfes jedoch iſt dem Syſtem direkten Warenaustaufches noch immer treu ges blieben, vielleicht, weil die wenigen Händler, die bis jeßt Kabrega's Sit befucht, ein verhältnismäßig geringes Duantum Waren gebracht und demnach zu hohen Preiſen verkaufen mußten. Sedenfalls iſt es ein gutes Zeichen

eintaufchen.

Da Uganda und Unyoro in ihren vielartigen

Produkten genug Abjagftoffe befigen, müßte man eigent= lich ihnen zu dergleichen Unternehmungen Glüd wünſchen,

fäme nicht leider ein anderer Faktor in Betracht, der ſchwer genug in die Wagfchale fällt. Schon früher wurde angedeutet, dab die Araber ſich oft für Jahre in den Nequatorländern etablieren, manchmal weil der Herrſcher ihnen die Erlaub— nis zur Abreife verfagt, manchmal einfach) des Gewinnes wegen. Befucht man ein ſolches Etabliffement, fo fällt fofort die Zahl der dafelbit befindlichen Frauen und Mäd— chen auf; männliche Sklaven, oft zu 4 bis 5 aneinander gekoppelt, find nie jo häufig, da der Transport zu weit und jomit durch fie faum ein Gewinn erzielt werben würde. Anders ftebt es mit den Mädchen, von denen wieder die wirklich hübschen, meiſt ziemlich hellfarbigen Wa— huma auch ihrer Dozilität wegen am gejuchteiten find, während den Wanyoro- Mädchen die unteren Schneide— zähne fehlen und die rechten Waganda einer ihnen ans baftenden Unfitte halber weniger gefchäßt werden. Während

im Jahre 1876 gegen 30 bis 40 Pik Madapolam

gewöhn-

licher Sorte ein Mädchen von 10 bis 12 Jahren einzus taufchen tvar, hatte zwei Jahre ſpäter fich der Preis beinahe verdoppelt, jcheint aber ſeitdem ziemlich derfelbe geblieben zu fein, Die fortwährenden Nazzien ſowohl Mteſa's als auch Kabrega's haben neben dem Gewinne, welchen fie an Vieh, Elfenbein und allerlei anderen Dingen eintragen, denn auch die Erlangung von Sklavinnen im Augenmert

und alle nad) Süden gen Tabora ziehenden Händler und Karawanen find mit diefem Artikel veich verfehen. Die Wahuma Mädchen fpielen bier genau diejelbe Rolle im

Menfhenhandel,

wie weiter nördlid die Abeljinterinnen,

denen ſie in mehr als einer Hinficht gleichen.

As Hauptausfuhrware gilt für die Aequatorial— Länder wohl immer noch das Elfenbein, da vielen anderen

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Ueber Handel und Berfehr bei den Waganda md

Produkten bis jebt nahezu Feine Aufmerkfamfeit gezolft wird. Wir werden von felben noch zu Sprechen haben. Uganda ift, vom ſüdweſtlichen Uddu abgefehen, nicht reich an Elfenbein, da die Elefanten bei der jo dichten Bes völferung viel zu leiden haben. Unyoro ift bedeutend reicher an ihnen, vorzüglich die tiefer gelegenen Landſtriche. Elfenbein it bier deshalb billiger zu erwerben, als dort. In beiden Ländern gehört ein Zahn des erlegten Elefan: ten de jure dem Herrscher und für den anderen jteht ihm das Vorfaufsrecht zu, wovon übrigens gewöhnlich Fein Ge— brauch gemacht wird, da der ztveite Hahn dem Dijtriktschef zufällt und diefer außer feinen anderen Abgaben an den König auch gehalten tft, von Zeit zu Zeit einige gute Stüde Elfenbein zu liefern. Das Ungenügen der eigenen Produktion, das jährliche Oeringeriverden der Jagdbeute bat längjt zur Ausbeutung der umliegenden Länder ges führt; jo beziebt man in Uganda Elfenbein aus Uſſoga und den Waftdis(Langos) Yändern und Mtieſa iſt Flug genug, um öfter eigene Miffionen mit Gejchenfen an die Chefs diefer turbulenten Bölkerfchaften zu jenden. Oft genug auch kann man Waſſoga- und Wakidi-Chefs, die reiche Gefchenfe an Elfenbein gebracht, an Mteſa's Hofe bemerken, wo te, völlig nadt, einen frappanten Gegenſatz zu den zierlich drapierten Waganda bilden. Unyoro ans dererfeits bezieht ein gut Teil Elefanten: Zähne aus den

weitlihen LYango = Dijtrikten, wo. Kabrega’s Oheim Najka herrſcht, ſowie aus den füdlichen Gvenzländern und aus _ Zur, das immer noch feine Oberhobeit anerkennt. Ver— fehrten Maßregeln iſt es zuzuschreiben, wenn all’ dies Elfenbein, jtatt dem natürlichen Gefeße des leichteren Ver— fehrs zu folgen, noch heute nad Süden ftatt nach Norden gebt. Wie groß die Summen feien, welche der jährliche Elfenbeinumjas von Uganda und Unyoro zugeführt erhält, ließe jih nur annähernd ausrechnen. Sedenfalls ift ſowohl für Uganda als bejchräntter für Unyoro das völlige Er: löfchen diefes Handels aus Mangel an Elfenbein in nicht zu weiter Ferne. Unter denjenigen Produkten, welche, heute vernach— läffigt, in Zukunft eime größere Nolfe für den Handel Iptelen dürften, fteht obenan der Kaffee. Der Kaffeebaum, von dem in Mmen kultivierten anfcheinend nur durch ettvas größere Blätter und geringere Entividelung ver: ſchieden, wächſt im füdlichen Uganda und Unyoro beinahe überall und ſcheint dafelbft einheimifch zu fein. Sein Name, in Kiganda und Kinyoro gleichlautend: Muanni, jteht den ſonſt in Afrika für Kaffee gebrauchten Namen Mbuni (kiſuah.), Mbuna (abeff.), Bunn (avab.) recht nahe. Bis heute kann man von einer Kultur eigentlich nicht jprechen, da die Eingeborenen höchftens die Umgebung der Bäumchen, die nie hoch fverden, von Unkraut rein: halten, jonft aber die Pflanze ihrer natürlichen Entwicke— lung überlafjen. Auch der Frucht wird Feine fonderliche Aufmerkſamkeit gezollt; nahen die Kapfeln der Neife, fo werden jie noch grün gefammelt, meift in heißes Waſſer

Wanyoro.

getaucht und dann auf Matten zum Trodenen der Sonne

ausgejeßt.

Natürlich bleiben die in der Kapfel befindlichen

zwei Bohnen unenttwidelt und grün; da man fich aber der Bohnen nicht zu Abfochungen bedient, hat das feinen Einfluß. Die trodenen Kapfeln werben entweder einfach

aufbewahrt und aufgebraucht oder vor dem Gebraud ganz leicht oft mit einer Spur von Butter geröftet. Wie man nun im Orient allenthbalben dem Gafte den Kaffee bringt,

jo erfordert Kiganda= und Kinyoro-Höflichkeit, dem Frem— den in oft ſehr leicht gearbeiteten, zierlichen Körbchen ein

wenig jener Kapfeln zum Kauen anzubieten. Die Bohnen find für europätfche Zähne etwas

hart, die Schale aber

hat einen jtarf aromatischen Geſchmack. auch in Venen

ihr.

einen

Macht man ja

ſehr wohljchmedenden Trank

aus

Hier behaupten die Eingeborenen, daß einige Kaffees

bohnen zu fauen ein gutes Mittel fer, Hunger zu beſchwich— tigen, jo daß es fich vielleicht lohnen dürfte, diefe Bohnen auf Koffein-Gehalt zu unterfuchen. Auch liebt man nad) reichlihem Muenge-(Bananenbier-) Genufje, den Mund mit Naffeefapjeln zu parfümieren. Schon heute bildet der Kaffee einen gefuchten Taufchartifel zwiſchen den Bantu— Stämmen, denn die anderen haben ihn noch nicht adoptiert; troßdem aber ijt der Preis ein ziemlich fonvenabler ge: blieben und Ausfuhr würde fich jedenfalls lohnen. Wehr noch als der Kaffee bilden heutzutage Die Nindenjtoffe den Gegenftand regen Taufchhandels zwischen den äquatorialen Stämmen. Aus der abgejchälten Ninde

mehrerer Uroſtigma-Arten durch Klopfen getvonnen, bilden fie die gewöhnliche Kleidung in Uganda und die der befjeren Hlafjen in Karagua, Ruhanda, Unyoro und Ufjoga. Schon hieraus geht hervor, daß die Produktion vorzüglich)

in Uganda gejchieht.

Die Preiſe der Stüde find je nad)

Qualität und Farbe ſehr verjchieden, bejonders find die gemujterten Stoffe als Fantaſieartikel eigentlich ohne firen Preis. Je nachdem die Stüde von einem Baume ge— wonnen werden, der zum eriten Male gejchält wurde oder von einem ſolchen, der ſolcher Prozedur Schon unterzogen geweſen, denn dreimal kann man bei ftarfen Bäumen die Abſchälung vornehmen, it ihre Textur feiner oder gröber, ihre Haltbarkeit größer oder geringer, ihre Konſiſtenz weicher oder ſpröder. Die gewöhnliche Farbe ift ein helleres oder dunfleres Zedergelb, von fürzerer oder längerer Mas zevation der Ninde abhängig, manchmal bei ganz friſchen

Stoffen bis zum Semmelgelb niedergetont.

Durch einen

Oxydationsprozeß werden übrigens alle naturfarbenen Rindenſtoffe beim Tragen dunkler. Von farbigen Stoffen

findet man völlig ſchwarzgraue, gewöhnlich von den Wit— ſchweſi-Zauberinnen getragen; dunkelrote, als Crême de Luxe von Frauen ſehr wohlhabender Leute getragen und endlich ſolche, die auf ledergelbem Grunde ſehr ſaubere

und regelmäßige

Streifen

und

Fleckenzeichnungen

von

ſchwarzer Farbe zeigen, in Muſter und Ausſehen grober.

Indienne zu vergleichen. Die letzteren wurden früher überall nur in den föniglichen Familien getragen, dod)

Ueber Handel und Berfehr bei den Waganda

und Wanyoro.

bat in Uganda, wo Stoffe von Canfibar fie verdrängt, diefer Gebrauch aufgehört, während Unyoro und Ruhanda ihn treu bewahren. Verkäuflich find Stücke der lebten

Nindenftoffe arrangieren. Haltbar find dieſe Lederſtoffe allerdings nicht. Antilopen-Felle der verichtedenen Arten, mit Vorliebe die der jchöngezeichneten oder langhaarigen

Kategorie, Mtoné geheigen, gewöhnlich nicht und hat man,

Arten, wie Tragelaphus seriptus oder Hydrotragus Spekei,

um fie zu erhalten, ſich an den Herricher oder die großen Chefs zu wenden, die gegen paſſende Gegengeſchenke gern dergleichen liefern. Die roten Stoffe, meiſt ſehr fein und angenehm dunkel getont, heißen Sfango und werden im Umtaufche mit zwei bis drei Küben das Stüd oder deren Nequivalent in Stoffen erfauft. Die gewöhnlichen ungefärbten Stoffe endlich, Mibugu genannt, find bedeus tend billiger und zu 300 bis 400 Kauri auf den Markt: pläßen einzubandeln. Wie ſchon gelagt, veriteben es be— jonders die Waganda, ſolche Stoffe gut zu bereiten, und die feineren Stüde werden von dort nad Naragua, Ru— banda, Unvoro und den ſüdlichen Bergländern, ſowie nach Uſſoga und Uamara ausgeführt. Auch Die am Weſt— ufer des Albert-See's wohnenden A-Luri-Chefs lieben es, fich, un Gegenſatz zu ihren nadten oder in elle gekleideten Unterthanen, in die plaftifchen Rindenſtoffe Uganda's und Unyoro’3 zu hüllen. Ein Vergleich dieſer mit dem Noto, den Nindenftoffen, welche man in den Njamnjam-Ländern und in Monbuttu aus der Ninde von ebenfalls Uroſtig— men «bereitet, zeigt die unverfennbare Superiorität jener; alle Rokkoſtücke find grob und legig im Vergleich zu der Schmiegjamteit der Mbugu. Viel mag dabei von der Bereitungswetfe abhängen. Mit den Leuten von Karagua teilen die Wanyoro ihre Vorliebe für gearbeitete Felle und Häute. Bon den Leoparden-Fellen, deren Tragen ausdrüdlicd den Gliedern der föniglichen Familien und wenigen Begünftigten als fönigliches Huldzeichen vorbehalten tt, von den verſchie— denen Affen und Katzen-Fellen, die alle doch nur zur Zter dienen, iſt biebei abzujehben. Für Kleidung kommen nur Nindshäute, Ziegene und jeltener Schaffelle, ſowie die Deden der großen Antilopen in Betracht, Die Bearbeitung aller dieſer geichieht durch Ausjpannen und Schaben. Bei den zur Kleidung verwendeten Rindshäuten läßt man, wenn fie für Männer beſtimmt find, die Haare fteben und begnügt fich, die Haut weichzuarbeiten, auch möglichſt ſchön

werden mebr von den Yandbewohnern, und zwar am liebjten zum DBettzeug, verwandt. Ein überall bei den nördlichen Bantu febr gefuchtes Fell, das man nur mit großer Mühe ſich verſchaffen kann und ſehr teuer be— zahlen muß, iſt Das einer Otter (Lutra spec.), bier Ngonge genannt. Bon dunfelbrauner Farbe, erhält es dadurch, daß die Haare befonders des Hinterhaubtes, Nadens und Vorderrüdens jchneeig weiße Spiten baben, ein beſonders elegantes Ausſehen; dazu "behauptet man, daß wer ein Stück dieſes Felles auf fich trage, feiner weiteren Aphrodiſiaka bedürfe. Man verfertigt von Streifen desjelben hübſche Armbänder, ſowie man die aus Büffelleder gefertigten, bunt bemalten Sandalen gern Damit verziert. Bis weit nad Süden werden jowohl folche Armbänder als auch Sandalen verkauft. Nicht weniger gefucht find

gezeichnete Exemplare zu wählen. Frauen zugedachte Häute werden dagegen in ihrer ganzen Ausdehnung von den Haaren gefäubert und nur rings um den Nand ee zwei Finger breite Bordure von ihnen jtehen gelafjen. So— lange diefe Häute neu und rein find, iſt ihr Ausſehen ges

fällig, wenngleich

lange nicht jo dekorativ

als die viel

gefügfameren Nindenftoffe mit ihrem deforativen alten: wurfe. Das fcheinen aud die Waganda wohl erkannt zu haben; fie haben deshalb aus äußerſt fein, ich möchte jagen papierdünn geſchabten Siegenfellen, die in wirklich eleganter Weiſe zuſammengenäht ſind, große Stücke zu—

ſammengeſtellt, die, Buera fauft werden

genannt, ziemlich teuer ver—

und einen beliebten Buß für Chefs bilden,

welche fie wie einen Mantel über dem von ihnen getragenen Ausland

1884, Wr. 1.

die Selle von Colobus Guereza, der nicht jelten in Unyoro und Uſſoga jich findet; das ſchwarze Fell mit dem langhaarigen, weißen Rückenbehang, jowie der lange, ſchwarze Schwanz mit der weißen Quafte dienen befonders zur Ver: zierung don Guttarren, Yanzenblatt-Scheiven und Bauten. Schön und ebenfalls ein Artikel des Handels find ferner die gtegenfelle von Ufjoga, deren langes, ſchlichtes Haar an die Angoras Ziegen erinnert. Man behandelt die in Ufoga einheimiſche Htegenrafje, von welcher dieſe Felle ſtammen, jelbjt in ihrer Heimat ſehr aufmerffam, Schütt fie vor Negen und Schmuß und läßt nur febr ungern (ebende Eremplare davon ab. E3 iſt ein ziemlich allgemein befanntes Faktum, daß die öſtlichen äquatorialen Länder des Salzes ermangeln und daß man ich Deshalb eimerfeits Der Afchenfalze, andererjeitS aber auch des Kuhurins bedient, um diejem Mangel abzubelfen. Es fanın deshalb nicht befvemden, daß gerade auf dieſem Gebiete das Salz, wo es ſich findet, den Gegenjtand eines weit ausgedehnten und ſchwungvoll betriebenen Handels bildet. So ift es Weiter im Norden mit dem Salze von Nedjaf, das bis weit in's Gebiet des Bahr Gafal vertrieben wird; jo iſt es im Süden mit dem Salze von dem Dftufer des Albert-Nyanza, welches das ganze Zwiſchen-Seengebiet weit nah Süden verjorgt. Die Gewinnung des Salzes aus fonzentrierten Yaugen tft von Baker bejchrieben worden. Cs fommt in trockene Bananenblätter verpadt in langen Packeten, Div ziver bis vier Kilogramme davon enthalten, zu Markte und wird befonders in Uganda gefucht und teuer bezahlt. Das von Uzinza ber gelegentlich über Karagua eingeführt Salz kann ſchon der großen Entfernung des Produktions: Drtes und Des dadurch bedingten hoben Preiſes halber feine Konkurrenz mit dem Unyoro-Salze aushalten. Diejes it in der Farbe meist grau, mit Staub verumreinigt, im Sefchmad aber ven jalzig, wie es ſich auch bei der

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Honterus als Geograph.

Analyſe als ziemlich reines Chlornatrium

ausweiſt.

Im

Gegenſatze zu allen übrigen Waren wird Salz in Uganda mit ſehr ſeltenen Ausnahmsfällen nur gegen bar, d. h. Je nach dem am Orte befindlichen Kauri verkauft. Quantum ſchwankt der Preis der größeren Packete, ob— gleich die kleinen Päckchen des Detailverkaufes ſo ziemlich immer dasſelbe Quantum zum ſelben Preiſe geben. Neben dem Salze von Uzinza kommen von dort gelegent— lich kleine Quantitäten ziemlich reinen Natrons, die als Medikament gegen Koliken und Verdauungsbeſchwerden trotz des abſcheulichen Geſchmackes ungemein geſucht ſind Fund in Diminutivpäckchen zu 10 bis 20 Kauri verkauft iperden. Bon Metallen wäre bier noch des Eifens Erwähnung

zu thun, das in ganz

vorzüglicher Qualität überall in

Uganda und Unyoro bereitet wird; jenes iſt meicher, diefes härter. Zur Gewinnung des Eifens dienen hier, außer den jelteneren Nafeneifenfteinen des Tieflandes, Thoneifenfteine von rogenartiger oder nierenfürmiger Ge— jtalt, die auf dem Granit ruben und fih an einzelnen Orten, 3. B. den Bergen um Kiſſuga in Unyoro, außer: ordentlich reichhaltig erweifen. Das gewonnene Eiſen dürfte den Vergleich mit gutem europätfchem Eifen durch— aus nicht zu fcheuen haben. Ganz vorzüglich aber find die plaftiichen Thone des Yandes, aus welchen die ebenjo haltbaren als eleganten Töpferwaren gefertigt werden, Die man überall in jenen Yändern zu Spottpreijen erfaufen fann. Neben den Milch: und Waſſergefäßen, die jtets flein find, weil für große Mengen jediveder Alüfitgteit man die außerordentli großen Flaſchenkürbiſſe zu Ge— fäßen vorzieht, ergeht fih die Phantaſie der Töpfer, bei den nördlichen Bantu jtetS Männer im Gegenjaß zu allen übrigen Stämmen, ganz bejonders in der Fabrikation von N feifenföpfen der verfchiedenjten Formen, die an Sauber feit der Ausführung und Originalität der Form nichts zu wünſchen übrig laſſen. Auch fie find ungemein billig und würden zur Ausfuhr fh eignen. Auch außer dem Kaffee bietet das Pflanzenreich unferes Gebietes in wohlriechenden Harzen, Früchten und Hölzern viel des Schönen und Guten, wenngleich bis jeßt niemand an ein Nugbarmachen desjelben gedacht hat. Die Muskat— nüfje Ugandas, die aromatischen Schalen der Kilopta und Die gewürzigen Samen der verjchiedenen Amoinen, das eritaunlich Leichte und doch feite Holz von Aeschynomene Schimperi, hier zu Schilden verwandt, wären hieber zu rechnen. Selbjt die Gräfer find nüglich, aus EragostisStengeln macht man die berühmten Matten Ruhandas, welche in künſtleriſcher Farbenwahl den Beſchauer auf den Märkten Karagua’s und Unyoro's in Erjtaunen eben. Einfacher aber ebenfo Schön jind die Kleinen Wiatten Uganda’s,

ohne welche fein anftändiger Mann

jein Haus verläßt,

da auf der Erde zu fißen unziemlich fein würde. Die Schmiegjamfeit des Materials erlaubt eine folche etwa 1,30 m. lange Matte in eine 15 em, dicke Nolle aufzu—

wickeln, ohne daß das Geflecht bricht; ebenſo tit die Haltbarkeit und Dauer eine ſehr große. Wenngleich nun im Zwiſchen-Seengebiete, durch äußere Einflüffe geweckt und die Dispofitionen der Einwohner gefördert, fich ein veger Handel entiwidelt bat, und die Be: vührung und Vermifchung der verfchiedenen Stämme unter einander jowohl als mit den arabifchen Händlern ftets ' neue Wege zu eröffnen, neue Bedürfniſſe zu Schaffen und zu befriedigen bejtrebt ıft, fällt es um fo mehr auf, wie der Norden hierin zurüdgeblieben it. Trotz jahrelanger und jahrzehntelanger Dffupation von Norden ber bat das unglüdliche Abſperrungs- und Monopoliſationsſyſtem, das man bis jeßt als einzigen Schuß gegen Sflavenraub und Sklavenhandel zu betrachten liebte, nichts weiter ver— mocht, als den naturgemäßen Entwidelungsgang unjerer Länder aufzubalten und gegen Sklavenfauf und Verkauf wenig genug gethan. Während im Süden langfam die, Zwilifation ihren Einzug bält und Land um Yand ich dem Handel erjchließt, Liegen unjere gejegneten Bergländer brach und wir ſehen dem Fortſchritte des Handels von Süden nach Norden ber mit gefreuzten Armen zu, wo es unjer Beſtreben fein follte, vajtlos uns neue Wege zu ichaffen. Wäre es da nicht befjer, mit dem alten utopiſti— chen Syſteme zu brechen, philanthropiſchen Hirngeſpinnſten Yebewobl zu jagen und die Ausbeutung und Verwaltung dieſer gejegneten Yändern ihren Bedürfniſſen anzupafjen? Könnten diefe wenigen Worte em Anſtoß dazu fein, jo würde ihr Zweck mehr als erfüllt jcheinen.

Honterus als Geograph. Es gibt unter dem ſiebenbürgiſchen Sachſenvolk kaum

eine geiſtig bewegtere Zeit als das 16. Jahrhundert. Die leuchtenden Strahlen des Humanismus waren auch dorthin gedrungen. Der Beſuch deutſcher Hochſchulen war ſo allgemein, daß im Burzenland niemand Pfarrer werden durfte, der nicht Univerſitätsſtudien aufweiſen konnte. Und nun fam am Beginn des 16. Jahrhunderts auch die Re—

formation ins Land, welche den Zufammenbang mit Deutjchland und deutjcher Bildung noch enger knüpfte. Alle Strömungen jener Entwidelung lafjen ſich auch in Sieben: bürgen nachweifen. So tft es denn nicht zu verwundern, wenn auch das neue Leben, das auf geographiſchem Ge— biete eriwachte, feine Wellen bis nad Siebenbürgen warf.

Das 16. Jahrhundert bat eine geographiſche Willen: ſchaft nach dem Maßſtabe der damaligen Zeit auch unter den Siebenbürger Sachſen geichaffen. Ihr bedeutenditer

Geograph

war Johannes Honterus,

der zugleich Die

Neformation im Yande unter den Sachſen durchführte. Eine jener univerfalen Naturen, mie fie der italienische Humanismus öfters gezeitigt bat, verdankt ibm Sieben

Honterus als Geograph.

bürgen die Einführung des Buchdruds (1534); die durd) ihn evangelifch gewordene Kirche verehrt in ihm den Neu— gründer der Schulen; für ein einbeitliches Geſetzbuch feines Volkes hat er die eriten Steine zufammengetragen; die Einführung der antiten Haffischen Litteratur war fein Wert; hervorragend vor allen ſteht er da, ein Apoftel der neuen Zeit nad vielen Richtungen. In ibm baben wir zugleich den erjten ſächſiſchen Geographen. In Kronſtadt 1498 geboren, hatte er in Krakau und dann in Wien ftudiert, dann mehrere Jahre in der Schweiz zugebracht und fehrte 1533 in feine Vaterſtadt zurück. Aus jeinem jegensreichen Leben foll bier jedod) nur jeine Thätigkeit als Geograph kurz gekennzeichnet werden. Schon 1530 erſchien in Krakau von ibm in lateiniſcher Broja ein kleines Büchlein: „Grundzüge der Weltbeſchrei— bung“, feine erſte Arbeit diefer Art. Das erjte Buch ent: hält die Himmelsfunde, das zweite die Erdfunde. Alles, was man damals von der alten Welt wußte, var kurz zulammengefaßt, oft auch auf die griechifchen und lateinchen Quellen zurüdgegangen. Es iſt zugleich die erfte litterariiche Gabe, die der Schaffensfrohe Mann damals jeinen „treuen GSiebenbürgern” widmete, da er fern vom

Vaterland weilte. Er iſt trotz der vielen anderen Arbeiten, die ihn jpäter vollauf bejchäftigt haben, zu dieſer erjten Arbeit gern und freudig zurückgekehrt und bat die beffernde Hand immer wieder darangelegt. In Bafel gab ev 1534 eine neue Auflage der „Grundzüge der MWeltbejchreibung in 2 Büchern” heraus. Das Büchlein iſt jpäter dann noch ungemein oft aufgelegt worden; 1541 in Kronftadt, ebenjo 1542, 1548 und 1549 in drei Auflagen zu Zürich. ES kehrt in geographiichen Sammelwerken des 16. und 17. Jahr: hunderts häufig foteder, da es, wie Math. Quadus in der von ihm 1600 in Köln veranitalteten Ausgabe (Sumtibus Wilhelmi Lutzenkirchü) mitteilt, völlig vergriffen war und ſich durch anmutige Kürze auszeichnete. So wie das Wert nach mehrfachen Umarbeitungen in den Büricher Auflagen vorliegt, enthält es vier Bücher in lateiniſchen Herametern, deren Inhalt in den einleitenden Verſen

richtig gekennzeichnet iſt: Lehren will ich des Himmels Gezelt, mit den Winden die Städte

und Weiche,

Nagend

die Länder

Arbeit der Männer

Sterne, weithin durch die Meere und Fluß, mit Pflanzen und Tieren,

der Völker Zahl, mit Berg

fo mancherlei Art in der Werfe Ge:

ſtaltung, Auch der Krankheiten Zahl und vielfach wechſelnde Namen. Das erſte Buch enthält die Himmelskunde, das zweite

Hier Pannoniens

7

Land,

dem

benachbarten Polen ver— bunden, ... Ofen zuerjt, des Königs Sit, dem hoben. Dann Erlau, Kremnitz im bergigen Yand und Preßburgs weite Gefilde, Gran foloniitenbejegt, daneben Kafchau die alte, Belgrad und Weißenburg, geziert mit dem Namen des Königs,

Wardeins Markt und dort am Zibin die ragenden Mauern Und in der Zinne Schuß, der fteilen Krone gelegen, Welches der Sonne Licht von Europa’s chriftlichen Städten Früh aufiteigend zuerjt mit näherem Strable begrüßet. Die Freude des Humaniften ſpiegelt ſich bejonders wieder bei der Aufzählung der alten römischen und griech— iüchen Orte, die „im Ruhm unſterblich leben auf dem Erd—

freis.” Das dritte Buch bejchreibt Miten und Afrika, wo— bei das gelobte Yand ungemein Schön gejchilvert wird. Der Vergleich der vergangenen Herrlichkeit mit der Ver— wüjtung der Gegenwart flingt ergreifend durch: Wüſt liegt heute das Yand und verlajjen von allen Bes wohnern, Sucht von verſchwundener Zeit begrabene Spuren im Acker, Aber die Berge ſie ſtehen noch feſt und ragen zum Himmel. Ebenſo wird von Arabien ein prächtiges Bild ent— worfen. Zum Schluß zählt er die Inſeln auf, die „von

Gades bis zur Morgenröte“ im Meer liegen, um zuletzt Amerika zu nennen: Weiter noch liegt eine Inſel im Meer, vor wenigen Jahren Unbekannt noch, doch an Schätzen gar reich und an weiten Gefilden, Welche die Sucht nach Gewinn und der Trieb nach Neuem zu forſchen Nahe dem ſinkenden Strahl der weſtlichen Sonne gefunden. Das vierte Buch ſchildert nun den Menſchen, zahlt die Teile feines Körpers auf, die verjchtedenen Tiere, die Pflanzen und Früchte, dann die Aemter und Beſchäftigungen

der Menschen, die Verwandtichaftsgrade, die Werkzeuge, die Bauten, die Teile der Schiffe, der menjchlichen Be: fleidung, die Speifen, die Krankheiten — alles in einer wahrhaft überrafchenden Fülle und immer wieder mit Kunft den Herameter behandelnd, jo daß man fie mit Ges nuß auch noch heute Lieit. Es iſt eine intereffante Aufgabe, im einzelnen ein

Werk des Zeitalters des Humanismus zu zergliedern; die Beitrebungen des leßteren fpiegeln fie unverkennbar wieder von der äußeren Form angefangen bis zu den Gedanken und Anſchauungen. Intereffanter jedoch iſt für die vorliegende

Unterfuchung und für eine Würdigung der geographiichen Thätigkeit des Honterus die Thatfache, daß die Ausgabe

die Geographie von Europa, bei welcher der raſch hin—

von 1542 und dann die folgenden 16 Yandfarten haben, welche Honterus felbit in Holz geihnitten hat. Die

eilende Hexameter, deſſen Kunſt alle Benennungen in den

Karten der Auflage von 1548 jind jogar foloriert.

Rhythmus zu fügen weiß, bei den heimatlichen Gefilden kurz verweilt:

In diefen Karten tritt die Bedeutung diefes Mannes

als Geograph in vorteilhafteftem Licht hervor, Die 16 Karten



Honterus als Geograph.

umfaſſen: 1) Circuli sphaerae cum

Teile, das

mußte

auf die Darftellung

von

erfennbarem

Einfluß fein. Er gibt, der Sitte der Zeit gemäß, Kleine Bilder der darzuitellenden Orte, welche diefe oft über: Da getreu erkennen laſſen. Das Verdienjt des Honterus um die Geographie wird noch wejentlich gefteigert durch feine Yandfarte von Sieben: bürgen, d. h. mwejentlich des Sachjenlandes. Das Driginal derjelben — es jcheint fich bloß in einem Exemplar ex: halten zu haben — befindet fich im Peſter Nationalmufeum ; doch it davon ein getreues Fakſimile von K. Fabritius in den „Ertekezéſek“ 1878, VIL, 7 veröffentlicht worden. (Vgl. Kor— reſpondenzblatt des Vereins für fiebenbürgijche Landeskunde 1878, Nr. 7.) Sie iſt 1532 in Bafel herausgegeben worden

(Ornatissimo MDXXXH)

senatui

Cibiniensi

dieatum.

Basileae

und dem Sermannftädter Senat gewidmet. 0

Es iſt nicht die älteſte Karte, die wir von Sieben:

V zonis; 2) Ordo

planetarum cum aspectibus; 3) die Weltgegenden und Namen der Winde; 4) Erdkarte; 5) Spanten; 6) Frank— reich, Schweiz, ein Teil von Deutfchland und Holland; 7) Deutfehland; 8) das djtliche Europa bis zum Don; M Ungarn und die Türfer; 10) Oriechenland; 11) Stalten; 12) Baläftina, Bhöntzien, Syrien, Nefopotamien ;13) Klein: aften; 14) Mittleres Mjien; 15) Afrika bis zum Monde gebirge; 16) Sizilien. Ber allen Karten, mit. Ausnahme der Erdfarte, fehltdas Net; die Ausdehnung des Mittel: ländiſchen Meeres über 559 iſt ein Fehler ‚des Vtolemäus, welcher in den mittelalterlichen Karten wiederkehrt. Die Folge davon tt, daß die Yage der Inſeln und Halbinſeln befonders im Süden verichoben wird. Diefes tritt am auffallenditen bei Stalten hervor, welches hiedurch Die Richtung von Wet nach Dit erhält. Honterus fußt weiter auf ptolemäiſchen Anſchauungen, wenn er den Kafpiichen See ſich von Diten nah Welten ausdehnen läßt, wenn Indien nicht als Halbinfel erjeheint, dagegen Zeylon un— verhältnismäßig vergrößert wird. Die alte Anſchauung aber, daß der Indiſche Dean ein. Binnenmeer zwiſchen Aſien und Afrika fer, bat er aufgegeben; dafür erhält aud) Afrika feine richtige Geſtalt. Intereſſant it vor allem, daß Amerika auf der Erdkarte nicht fehlt: es iſt dargeftellt als eine lange, ſchmale Inſel, gegen Afrika bin fich er: jtredend. Auch aus den auf Amerika bezüglichen Verſen der Kosmograpbie gebt hervor, daß er fih den Weltteil als eine Inſelgruppe dachte, ähnlich wie Seb. Münfter „kurtzweiliges erzählen will, was „Aſiam, Indiam, die newen Inſeln und Afrikam“ anbelangt. Für einen Teil jeiner Karten haben ibm unzweifelhaft die Karten in den verjchtedenen Ausgaben des Btolemäus zum Borbilde gedient, befonders erinnern mehrere derfelben an eine folche von 1541. Die Darjtellung Amerikas ſchließt fih an jene Aptans an, die in der Ausgabe des Pomponius Mela von Vadian beigegeben wurde. Ber einem andern Teil der starten läßt ſich nachiveifen, wie Honterus die vorhandenen Bilder Durch Die eigene Anſchauung verbefferte. Ungarn, Polen, Deutfchland, die Schweiz fannte er zum großen

bürgen haben. Um nur eine andere zu erwähnen, jo bes fist die BelterUniverfitätsbibliothef eine Karte von Ungarn, auf der auch Siebenbürgen vorkommt, aus dem Jahr 1528. Sie tft von Yazarus gezeichnet, dem Sekretär des Kardinals Thomas von Gran und durch Petrus Apian Gienewitz) von Ingolſtadt veröffentlicht worden, nachdem Georg Tann jtettev (1482— 1535) ſie verbeſſert und früher Schon Cus— pintan (1473—1529) fie herausgegeben hatte. Eine neue Auflage erſchien 1553, Impressum Venetiis per Joannem Andream Valuasorium cognomine Gradagnieum (ver: öffentlicht von ©. Klöß: Kunſthiſtoriſche Ausitellung, Buda— peit, 1876, Mai, Nr. 46.) Uber die Karte des Honterus überragt ſowohl die von 1528 wie die von 1553 um ein ſehr Dedeutendes, wie fie auch größer als die beiden er: wähnten iſt und infolgedejlen zahlveichere Ortsangaben enthält. Diefelbe tt ohne Netz gezeichnet und die ganze Yage des Yandes iſt, noch mehr wie in der erwähnten Karte von 1528, verjchoben, infolgedejlen der Yauf Des Mierefh und der Kockel zu jehr nah Süden gerichtet ericheint ;im ganzen aber überrascht ſie, troß einzelner Fehler, durch die Nichtigkeit der Verhältniſſe. Yon bejonderem Iofalen Wert iſt, daß Honterus auch bier kleine Bilder von den einzelnen Orten gibt, jo naturgetreu, daß wir heute noch das Zutreffende derfelben in vielen Fällen er⸗ kennen. Das Verdienſt der geographiſchen Arbeiten des Hon— terus ſteigt noch beſonders, wenn nicht vergeſſen wird, daß er die Karten alle mit eigener Hand in Holz geſchnitten hat; einige Stöcke ſind noch in Kronſtadt vorhanden.

Und in der Methode der Arbeit zeigt ſich der Humaniſt, deſſen nie ruhendem Geiſt die Selbſtgenügſamkeit fremd iſt, der das Erreichte nur als Stufe zum Höherſteigen betrachtet. Von der neuen Ausgabe der Kosmographie 1541 ließ er nur wenige Exemplare drucken, die er an ſeine Freunde verſchickte, damit ſie ihn auf Irrtümer und Fehler aufmerkſam machen möchten. Mit derſelben Ge— wiſſenhaftigkeit arbeitete er ander Landkarte Siebenbürgens. Er hielt ſie felbjt für fo unvollkommen, daß er alle Exem— plare, deren er babhaft werden fonnte, einzog und ver: nichtete, denn er hatte die Abficht, eine genauere zu fertigen. Honterus jtand übrigens mit feinen geographiſchen Ar: beiten in jeinem Volke zu damaliger Zeit nicht allein. Chrift,

Pomarius, der an dem litterarifchen Leben jener Tage aud) ſchönen Anteil hatte (7 1565), gab eine Karte von Bijtrig und

einem

Teil Siebenbürgens heraus.

Sie ift uns

leider

nicht erhalten. 7— anderer Mann desſelben Freundes— kreiſes, Brenner (7 1553), arbeitete an einer Karte von Ungarn, die er mit dem Bonfin herausgeben ER doch

erjchten er ohne Karte (Bafel, Winter, 1534). Verantius, Biſchof von Weifenburg, nicht ein Sachſe, aber dem Honterus

eng befreundet, verfolgt gerade dieſe Arbeiten,

wie aus jenen Briefen noch nachweisbar, mit ungemeiner

Kunſt und Wi

Aufmerkſamkeit

Siebenbürgen‘,

und

hat ſelbſt eine Beſchreibung

der Moldau

und Walachei

von

geſchrieben.

Endlich veröffentlichte der Sachfe Georg Neicherstorffer 1541 eine Bejchreibung der Moldau, 1550 eine ſolche von

Siebenbürgen. Das wieder erwachte getitige Leben äußerte ſich eben auch auf dieſem Gebiete. Die Arbeiten des Honterus jelbit find Jahrhunderte lang von mapgebendem Einfluß geblieben. Nicht nur in den ſächſiſchen Schulen iſt jeine Kosmographie als Hand—

buch ſehr lange im Gebrauch geweſen, auch in Deutjchland wurde fie, wie ſchon oben erwähnt, oft nachgedruckt und viel gejucht. Die bedeutenditen. deutfchen Geographen

der folgenden Zeit kannten

und benüßten dieſelbe.

Zu:

nächjt eben die Kosmographen. Ortelius jagt in feiner Einleitung: Diejes Erdreich jampt des hohen Meeres Ge— legenheit, Ordnung der Yänder, der Krümmen der Häfen,

der großen Bögen des Meeres, jampt der Völker Sitten und Gebräuchen und was ſonſt zu wiſſen, baben ſich unterjtanden zu beſchreiben aus den Neuen: Joh. Honterus. Und es iſt faum anders möglich, als Daß unter Denen, Die nach feinen eigenen Worten Seb. Münſter „hilff baben gethan”, unter den „etlichen“ „au Stebenbürgen” auch Honterus geivejen ſei. Noch Zeiller führt unſern Gelehrten in feiner Hungaria (ergänzt von A. Stübel, Frankfurt und Yeipzig, 1691) an. Noch größeren Einfluß übte nachweisbar die Karte von Siebenbürgen auf die fpätere Kartographie. Im Jahr 1566 gab Sambucus eine Karte von Stebenbügen in Wien heraus, die im großen und ganzen auf Honterus fußte, nur daß fie zahlreiche Fehler aufgenommen hatte,

die zum Teil falſche Lesarten

der bei Honterus

richtig

vorfommenden Ortsnamen waren, zum Teil wobl auf andere Duellen zurüdzuführen jind. Dieſe Karte wurde jpäter immer wieder produziert: von Münjter (mit Aus: nahme der Ausgabe von 1578, von welcher jofort die Rede jein wird), von Drtelius, von Neicherstorffer in der

Ausgabe

von

1595.

Selbſt Mercator,

der einige Ber:

bejlerungen an dieſem Kartenbild vorgenommen, fußt noch auf jener Karte, wie vor allem eine Menge unrichtiger

dev Neger.

9

Kosmograpbie des Münfter in der Ausgabe von 1578. Auf eine andere Weiſe wenigitens laſſen ficb die Uebereinſtimmungen beider Werke nicht erklären. Die Münſter'ſche Karte gibt nämlich bei einzelnen Orten ganz genau die jelben Ortsbilder wie Honterus. Sie hat nur nicht alle Namen desjelben berübergenommen und einige Stleinigfeiten verändert.

Eine jelbjtändige Karte von Siebenbürgen in größerem Maßſtabe und auf eigener Stenntnis des Landes ruhend erjchten dann erit 1699, doch wurde fie wenig befannt; ein Exemplar beiist Die Bruckenthal'ſche Bibliotbef in Hermannjtadt, wo auch die Platten fich befinden, mit welchen fie gedrudt wurde. Sie rührt vom f, Ingenieur dem Italiener Giov. Morando Bisconti ber (auf der Karte

Gio. Mdo. Vti. invenit; Stephanus Welter de corona fecit. Johan Conrad Predtschneider de Nörimberga seulpsit in Cibinio). Die erjten amtlichen Aufnahmen für eine Karte Stebenbürgens jcheinen 1734 gemacht worden jein, „auf hohe Verordnung desfommandierenden k. Generals Herin Graf Franz Wellis“, wobei „lauter wohlgeübte Ingenieurs gebrauchet worden;“ die Karte erſchien 1735. Bor kurzem wurde im „Storrefpondenzblatt des Vereins für ſiebenbürgiſche Landeskunde“ (Nr. 6, 15. Juni) „Ein Schreiben des Honterus — angeblich an Seb. Münſter“ veröffentlicht. E83 behandelt kurz Stebenbürgen und die Moldau, beides in überaus intereffanter Weiſe. Doch ift die Unterfuchung, ob das Schriftftück wirklich von Honterus her— rühre, noch nicht abgeſchloſſen. An Münſter war das Schreiben ficher nicht gerichtet. Es iſt oft wörtlich genau derjelbe Text, den ©. Neicherstorffer in feiner Beichreibung Sieben: bürgens (Wien 1550) gibt. Intereſſant iſt übrigens auch, daß Nachrichten fich erhalten haben, Honterus jet mit Münfter in Verkehr geitanden; mit Sicherheit fann dies jedoch nicht nachgewieſen werden. Wie dem auch fer, Honterus war auch auf dem Ge:

biete der Geographie ein bedeutender Wann und die deutjche Wiſſenſchaft, Die mancher gedenkt, die minder hervorragend waren, jollte auch auf ihn nicht vergeſſen. Die lebten

ausführlichen Arbeiten über Honterus finden fich im Archiv

Namen bei ihm zeigt, die aus jener Karte genommen find, Noch im 18. Jahrhundert find die Nachwirkungen des

des Vereins für ftebenbürgische Yandesfunde. Neue Folge. Band XIU, 93 und XV 586, ſowie in der „Allgemeinen

Honterus nachzuweiſen. Die Richtung des Miereſch fait direft von Norden nah Süden, der Lauf der Kodel, die

deutichen Biographie” veröffentlicht. St. Teutich.

Lage Hermannftabts ſüdlicher als die Kronftadts, ſächſiſche Ortsnamen, wie Burglos (für Dees), Mergenburg (für Marienburg) weifen auf Sonterus bin; jo bei De I’Isle im Atlas nouveau, Almjterdam 1733, und im großen

Homannifchen Werk (Atlas Homannianus maior,

Nürn-

berg 1746). Die Richtung der Flüffe nach der Honterus’ichen Karte ift ſelbſt dort, wodie von Honterus gebrauchten Namen verſchwunden find, noch vorhanden, wie z. B. im Atlas von F. U. Schrümbl, 1790, Wien.

Die Karte unferes Humanijten hat aber mindeitens einmal auch) unmittelbar als Vorlage gedient und zwar für die Ausland

1884, Nr. 1.

Kunſt und Wib der Ueger. Bon

Mar

Buchner.

Die Neger, wie überhaupt alle Wilden, find große Kinder. Man braucht deshalb ihr geiftiges Thun nicht befonders ernſt zu nehmen. Jenes erſtaunliche Syſtem von Tiefſinnigkeiten, welches theologiſierende Stubenforſcher aus ihnen an's Tageslicht ziehen zu müſſen glaubten, hält

30

Pr

10

Kunft und Wit der Neger.

‚nicht Stand vor einer nüchternen, unbefangene Prüfung des TIhatfählihen. Um über religiöfe VBorftellungen bet Naturvölfern etwas wirklih Stichhaltiges zur Erkenntnis zu bringen, dazu gehört auch viel mehr Zeit und namentlich) auch viel mehr kritiſche Schärfe, als manchen Berichterjtattern verfügbar zu fein ſchien. Vorläufig läßt fich an einem kleinen Mädchen von fünf Jahren, das mit feiner Buppe plaudert, die ganze Mythologie der Naturvölfer beſſer jtudieren, als aus den diditen, unverdaulichiten Büchern bochgelehrter Anthropo- und Ethnographen. Man bat die Neger als „Fetiſchanbeter“ rubrizieren wollen und ihnen nachgejagt, daß ſie „Fetiſchdienſt“ be— treiben und ſich zur „Fetiſchreligion“ befennen. Sch vermochte jedoch für derlei Wortſchwall feine reelle Grund: lage aufzufinden. Weder irgend eine Art Anbetung noch irgend ein Dienft wird mit dem harmloſen Spielzeug geübt, das wir „Fetifch” nennen, wohl aber wird in dasfelbe eine geheimnisvolle, halb empfundene, halb gedachte gute oder böſe Kraft hineinpbantafiert. Sp ein Neger ſitzt häufig da und denkt an gar nichts, Yun trifft fein Auge zufällig einen Inorrigen Mit, der etwas ſonderbar gewachlen iſt und ungefähr ausfieht wie ein menschliches Antlit. Er hat feine Freude daran und nimmt jein Mefjer, um der Natur noch ein wenig nachzubelfen. Er jchnigelt die Augen, den Mund, die Naſe befjer heraus und jchlieglich blidt das Ding jo ſpaßhaft d'rein, daß er es für immer bejiten möchte und vor feine Hütte ver: pflanzt. Alle Tage betrachtet ev nun feinen „Fetiſch“ und alle Tage grinit ihn dieſer eindrudsvoll an. Der Fetisch grinft drohend. Das ift ganz gut für die Feinde, Die werden fih davor fürchten. Vielleicht läßt fich die Wirfung noch erhöhen, indem man die Augen vot macht oder in den Bauch ein Feines Spiegelchen einjeßt u. f. tv. Auf ſolche Art ungefähr denke ich mir das noch heute fich täglich twiederholende Zuitandefommen der erjten Götzenfiguren. Iſt das nun ein religiöſer Vorgang? Ich glaube nein. Ich glaube, er gehört weniger dem Begriff „Neligion”,

als

dem

verwandten,

aber

urjprünglicheren

Begriffe

„Kunſt“ an, Von dem Standpunkte vein fünftlerifcher Betrachtung aus werden denn auch die bildlichen Erzeugnifje des ur: wüchſigen Negergemütes geniegbarer fein, als wenn ir erſt in die abjtrufen Tiefen vergleichender Religionsforſchung hinabjteigen müjfen, ganz abgejeben davon, daß der moderne Menſchenverſtand an baltlofen, theologiſchen Spitzfindig— keiten überhaupt kein Intereſſe mehr hat. Gewiß bleibt es ſelten beim Schaffen aus bloßer Freude an neuen Formen. Kaum ſind dieſelben fertig, ſo bemächtigt ſich ihrer faſt ſtets das Bedürfnis einer Abwehr der dunklen Schickſalsmächte, die als Erklärungsverſuche gelegentlicher Angſtgefühle indie umgebende Welt hinaus—

Namen „Fetiſch“ oder „Götzen“ dürften deshalb Lieber die Ausdrücke „Amulette” over „Medizinen“ zu gebrauchen fein. Mit der Zeit bat fih nun aus dem angedeuteten Ur: ſprung eine zahllofe Menge religiös-mediziniſcher Vorrich— tungen berausgebildet und allentbalben ſieht man in dieſer Beziehung die ſchnurrigſten, unbegreiflichiten Dinge, meift vor den Dörfern, auf Feldern und an Kreuzwegen, oft aber auch mitten im Wald an den einfamften, abgelegenjten Stellen. Fragt man, wozu denn diefe fonderbaren Mach: werke gut jeien, jo erhält man gewöhnlich irgend eine ebenfo unverftändliche Anttvort, etwa folgender Art: „Das it für einen Toten” oder „Um den Hexer zu töten” oder „Für den Krieg“ oder „Für den Bachgeiſt“ oder „Damit fein Dieb fommt” u. |. w. Sintelligentere Neger pflegen bei folchen Ausfünften häufig verſchämt zu lächeln, als ob fie fih auf einer luſtigen Dummbeit ertappt fühlten. Statt einer etwa gewünschten ſchematiſchen Einteilung,

die ebenfo unmöglid führung

als nußlos wäre, möge die Bor:

eimiger weniger,

bier abgebildeten

Beifpiele das

Geſagte erläutern. zu

Jenen Fetiſch primitivſter Stufe, deſſen Entſtehung ſkizzieren oben verſucht wurde, ſchildert Figur 1.

dig. 1.

Zwiſchen zwei meterbohen Lianen-Doppelſpiralen, die fich um dünne Stämmchen herumgerankt batten, jtebt, in den Boden eingerammt, ein Inorriger, zu einem Fraßengeficht jtilifterter Stumpf. Das Driginal befand fih in einem Luba-Dorfe. Gleicher Stufe iſt Figur 2, ein rundliches,

doppelt

mannsfopfgroßes

Stück

Termitenbau : Subftanz,

ſtempelt ſie zu

dejfen ſchwammig poröjes Gefüge das Einbohren von Deffnungen für Mund, Nafe und Augen berausforderte — eine überall häufige, auf die bloße Erde hingelegte Verzierung der Eden von Manioffeldern.

geſetzlichen Typen. Aber zweifellos kommt dieſe praktiſch— religiöſe ABS erſt in ziveiter Linie. Statt der

Komplizierter als dieſe beiden eriten iſt der Fetiſch Figur 3, eine kleine Strohhütte, nicht höher als einen halben

projiziert werden, und die Nachahmung

Kunſt und Wit der Neger.

Meter, zu einem Fabeltier karrikiert. Im Original, welches einem Lunda-Dorfe am Ohamba angehörte, ſah das kleine Ungeheuer noch viel widerborſtiger aus, als es die Zeich— nung darſtellt. Unten in der Mitte iſt etwas Erde auf— gehäufelt und ſtürt man mit dem Stock darin herum,

ſo

Sig. 3

—11

errichten pflegen, oder einfache Kängliche Erdhügel, jene allentbalben unter den Menfchen gebräuchliche Form, oder

noch einfacher niedrige Steinhaufen.

Die beiden eriteren

Arten Stehen meist in einer Hütte, die nachträglich über ihnen errichtet worden iſt oder doch wenigſtens unter einem notdürftigen Schattendach. Die lebtere Art, die gewöhnlich einen auf der Neife verjtorbenen Träger be— deutet, findet man im frischem Zuſtande nicht felten mit dem Wanderjtabe, dem Leibgurt, der Vrovianttafche, dem Waſſerkürbis und dem Kochtopf des Betreffenden gefhmüdt. Die Lehmkatafalfe find in ihrer höchſten Vollendung weiß getüncht und mit niedlichen farbigen Arabesken und Blumen bemalt. Auch um fie und um die Erdhügel herum findet man in der Regel Töpfe, Gefäße und fonjtige Hausgeräte

verjchtedenen Datums herumliegen, welche von Mahlzeiten ergeben ſich Schnedengehäufe, Knochen und Würzelchen als

deren inhalt,

vielleicht das VBerdauungsorgan des drol—

ligen Gejchöpfes bedeutend. Unbegreiflichfeit, it Figur mitten im Wald pajfierten blinden Quergang von den der neben dem Pfade mit

Noch fomplizierter, eine völlige 4. Im Lande der Minungo wir einmal diefen fonderbaren Dimenfionen einer Kegelbahn, einem Galgenthor aus dünnen

herftammen, die man dem Toten von Zeit zu Zeit an jein Grab bringt. Die merkwürdigjten Attribute folcher Gräber jedoch find gebrannte Lehmfigürchen der obszönjten Bedeutung, veizend naiv und fräftig erfundene Darftellungen des Phallus. Manchmal enthalten die Grabmäler von demjenigen, dem fie errichtet find, weiter nichts als Haare und Nägel. Dann iſt diefer auf der Reife gejtorben und meit draußen in der Fremde begraben worden. Damit er jedoch aud) in der Heimat nicht eines Ortes entbehre, an dem feine abgeſchiedene Seele verweilen und der zeitwetligen Spenden von Speife und Trank fich erfreuen könne, ſchnitt ihm ein guter Freund die befagten Haare und Nägel ab und

brachte fie nad) dem Dorf der Familie, als Symbol des

Fig. 4.

Stämmchen begann und mit eimer runden Miniaturhütte, etiva einen Meter hoch, endigte. In diefer Hütte war weiter nichts zu entdeden, als ein leerer Topf; vom Querbalfen

des Galgenthores hingen zwei in einander geflochtene Stroh— ringe. Als ich meinen Dolmetſch Pedro nad dem Sinn diejes Nätjels frug, erhielt ich zur Antwort:

„Isso € para

apanhar pessoas“. „Das iſt um Menſchen zu fangen.” Mehr war nicht berauszubringen und hätte ich unbequem

Fig. 9.

entiveder größere Katafalfe aus Lehm mit vier Türmchen

ganzen, nicht transportierbaren Leichnams, zum feterlichen Begräbnis. Jene ſpärlichen Ueberrejte werden dann von den Verwandten völlig in derjelben Weife beweint und beitattet, als ob es ſich um den Toten, der vielleicht Schon ein Jahr lang modert, jelber handelte. Als ein folches Grabmal oder Monument tjt vielleicht auch jener Holzſtoß aufzufafen, den ich in der Nähe von Malanſch abzeichnete und in Figur 5 reproduziere. Es

an den vier Eden, jo mie die Afriko-Portugieſen fie zu

fann jedoch vielleicht auch eine Sagdmedizin jent

dringlich geforscht, jo wäre ich mit der eritbeiten Lüge be— dient worden, die Pedro gerade einfiel.

Ungemein charakteriitiih für alle Wege und Stege namentlih in Angola iſt das häufige Vorkommen von Grabmälern.

Diefe find, je nad) dem Kulturgrad und der

geſellſchaftlichen Bedeutſamkeit des Toten, den fie bergen,

Denn

1?

Kunft und Wit der Neger.

ich erhielt über denjelben ebenjo häufig die eine wie Die andere Erflärung. Vier roh behauene Stämme halten als Eckpfeiler die übereinander gefchichteten, durch) Yagen von und Reiſer zufammen. Stroh tweichgebetteten Scheite

Born in der Mitte ftedt ein geſchnitzter Göße, zu beiden Seiten ſtecken geäftete Bäumchen mit Schädeln und Unter: fiefern von Antilopen behangen, neben dem Götzen Liegt ein Topf, der in einer bräunlichen Sauce kleine Rindenftüdchen enthält. Sowohl die Eedpfeiler als auch der Götze find mit weißen und roten Tupfen bemalt. Gleich den befchriebenen immobilen Amuletten fünnen auch die mobilen Amulette unter die Rubrik „Kunſt“ ein gerechnet werden, da fie jaimmer auch als Schmud dienen, ebenjo wie man andererfeits jeden angehängten oder in die Haut eingefchnittenen Schmud als Amulett anfprechen

kann.

Doc

gibt es gewiſſe Arten, die vorzugsweiſe zu

abergläubifchen Zwecken getragen werden, jo die verſchie— denften Antilopenbörndhen, Schnedengebäufe, namentlich größere Bulimus- und Achatien-Spezies und Fleine Schild» frötenfchalen, deren Höhlungen metjt mit einer geweihten, aus Kohlenſtaub und Balmfett bereiteten Schmiere gefüllt find. Eine wichtige Rolle als Amulett jpielt das „Pemba“, ein feiner, weißer, faolinartiger Thon, der nicht überall zu finden iſt und Deshalb oft weit ber gebolt wird und einen Handelsartifel bildet. Seine Anwendung erinnert vielfach an das Weihwaſſer der Katholifen und der Aus: druck „Pemba“ wird auch oft ım Sinn von „Glück“ oder „Segen” gebraudt. Man jagt „Pemba geben”, indem man ſich die angefeuchtete Subſtanz gegenfeitig auf Die Arme oder auf die Brujt jtreiht. Schwangere, Krante, auch Bittjteller, die bei einem Höheren etwas durchjegen wollen, bejehmieren ſich damit häufig das ganze Geficht.

Ein länger fortgefegtes Herumſchnitzeln dieſer Art führt hinüber zur Ornamentif und zur Kunſt. „Kussoneka“ (angola) oder „Kunssainik* (lunda) heißt urjprüngich „eintragen“, „gravieren”, dann „verzieren“, ſchließlich auch „ſchreiben“ im europäiſchen Sinn. Mein ewiges Notizenmachen trug mir bei den vornehmen Damen Muſſumbas, denen dieſe ſonderbare Gewohnheit,

verbunden‘ mit

einer

gewiſſen notwendigen Jurüdhaltung, recht fad und langweilig vorkommen mußte, den Spignamen „Nsainigam* ein, was etwa mit „Kratzerich“ oder „Schreiberich” oder „Schreibfer” zu überſetzen jein dürfte.

Noch höher

als die Begabung

des Negers für bilpnerische Künſte iteben feine muſikaliſchen Fähig—

feiten.

Nirgends werden” die kom—

pliztertejten Trompeterfignale veiner und jchöner geblaſen als bei der Schwarzen Soldatesfa Angolas. Die BerlinerBoitillone des Herrn v. Ste— pban müßten fich jchämen vor ihnen, Wer die vofaliichen Yeiltungen der fröhlihen Inſulaner des Stillen Dzeans, die oft nur in einem rhyth— mischen Grunzen, Brummen und Bellen beitehben, noch friſch im Ge— dächtnis bat, muß jtaunen, wenn er zum erjtenmal die Elangvollen und lyriſch ergreifenden Melodien dieſer

entlaufenen

dunklen Afrikaner hört. Der Wechſel—

Sklaven geht, malt fich gerne damit einen weißen Ning um das rechte Auge, weil er glaubt, dann fchärfer ſehen zu können. Leuchtet ja doch aus einer bellen Umrahmung das dunkle Auge viel wirkjamer in die Welt hinaus! Wenn aud) eine eigentlihe Schrift bei den Negern nicht vorhanden iſt, jo find doch die Anfänge einer folchen

geſang einer größeren Trägerkolonne, wenn ſie ſo des Morgens oſtwärts zum Städtchen hinauszog, ein noch dicht geſchloſſener Gänſemarſch, war immer ein wahrer Hochgenuß für meine jonjt allerdings wenig em— pfindfamen Obren. Gewöhnlich fingt

Ein Herr,

der

auf

die Suche

nad

feinem

in der Form von Sterbhößern und Eigentumszeichen zu fonjtatieren. Oläubiger und Schuldner pflegen fich die Anzahl der geliehenen Werteinheiten, Stüde Zeug 3. D., durch Einschnitte an einem Stod zn notieren. Ebenso pflegen Kaufleute und Träger auf der Reife die Anzahl der Nacht: lager an ihrem Wanderjtab zu vereivigen, wobei bejonders wichtige Ereigniffe durch größere oder abweichend geſtaltete Schnitte markiert werden. Wächſt irgendwo ein hervorragend jchöner Kürbis heran, der ein begehrengwertes Wafjergefäß zu werden verfpricht, jo beeilt fich der Eigentümer, ihn durch ein bejtimmtes, mit dem Meſſer eingrabiertes Zeichen zu wahren, wobei wohl aud) aber: gläubijche Gefühle mitjpielen fünnen. Beifolgend (Fig. 6.) find die beiten Typen folcher Eigentumszeichen, die mir vorfamen, abgebildet.

dabei ein

älterer Träger,

J Fig. 6.

der ges

vade die beite, weiteſtſchallende Stimme befist, eine Art jodelnden Nezitatives vor und die anderen fallen darauf mit immer dem gleichen Refrain ein. Der jehr einfache, ins Endlofe wiederholte Tert iſt dabei jedesmal neu er: funden und bezieht Fich gewöhnlich auf irgend eine an fich

nicht ſehr intereffante die Waren

Berlen, Herr

des

Bulver, Souza

Thatſache;

z.B.:

Herrn Souza nah

wird

Meffingdrabt; uns

einen

„Wir tragen

Kulamuſchitu, Zeug,

Herr Souza guten

ift reich,

Schnaps

geben.”

Refrain: „Ja, Herr Souza wird uns einen guten Schnaps geben.”

Feftftehende Lieder feheinen nicht zu eriftieren.

Auch

die Geſänge, die am Abend vor den Lagerfeuern oder im

Kunſt und Wils der Neger,

beimatlichen Dorfe die Freude des Dafeins ausdrücken, find von derjelben improvifterenden Art. Nächſt feiner Stimme dient dem Neger zum Zweck der Muſik eigentlich alles, was klappert, ein paar Stück— chen Holz, alte Konjervenbüchfen, eiferne Geräte, Steine u. dgl. Doch beißt er auch eine ganze Reihe nicht zu berachtender mufikalifcher Inſtrumente, deren böchftes, Die Marimba, ſogar des Namens „Klavier würdig fein

möchte. Außer Muſik und Gefang pflegen namentlich auch Erzählungen die abendliche Gefelligfeit zu würzen, meistens Abenteuer und fonjtige Gejchichten betreffend. Hie und da jcheinen auch Tierfabeln vorzukommen, doch war es mir leider nicht möglich, deren zu erhalten. Was mir als jolche einmal von einer Mulattin in Malanſch aufgetifcht erden jollte, erwies ſich als die Ueberfegung eines portugieſiſchen Ammenmärchens. Sehr intereffant ift in den Unterhaltungen

der Neger

die Art,

wie

das Einfchalten

einer längeren Zwiſchenzeit zwiſchen zwei Greigniffe aus: gedrüdt wird. Sie machen das ungefähr fo: „Und nun wartet er einen Mond, rrrrr. .. er wartete noch einen Mond rrrrr. . .“ Jedes einmalige Schnarren mit der Junge, das unter Umftänden eine halbe Minute lang anhält, bedeutet das bejagte Zeitintervall. Ueber die Naturfenntniffe der Neger ift nicht viel zu jagen. Hauptjächlich geben hierüber faſt nur linguiſtiſche Betrachtungen einige Anhaltspunfte. Bon den Himmelsförpern werden unterfchteden Sonne und Mond, die größeren VBlaneten und die Firfterne, legtere blos ganz allgemein, ohne daß einzelne oder ge: wiſſe Gruppen eigene Namen haben. Die größeren Bla: neten beißen „Weiber des Monds”, woraus hervorgeht, daß die keuſche Luna als Mann aufgefakt wird. Um Richtungen auszudrüden dient felten Auf- oder Untergang der Sonne. Hiefür find faſt ausschließlich blos die Begriffe „aufwärts“ und „abwärts” in Bezug auf die Wafferläufe gangbar. Die Geologie der Neger bebilft fich mit den Begriffen

„Stein“ ditari, Blur.

matari, und „Erde“ maru, Blur.

von divu, was eben eine Handvoll Sand „trocener divu”, oder Schlamm „nafjer divu”“ bedeutet. Bon Erden wird „die vote”, der Yaterit, und „die weiße” (eigentlich graue),

das Alluvium, unterfchieden.

Das häufige Nafeneifenerz

üt „kitari* „das große Geſtein“ (ki Augmentativpräfix und tari),. Sonſt it von den Metallen nur noc Das Kupfer „ngondo* befannt. „Ngondo“ bedeutet in manchen

Sprachen auch den Mond. Sehr reich ift das Vokabular an Namen

und Tiere,

In der Sawane

für Bilanzen

gibt es wohl feinen Baum

13

Laubwerk heißt „muschitu“, der trodene Sawanenwald beißt „dutu*, Sonſt find mir für Faktoren der Land—

ichaft noch folgende Ausdrüde: kissanga, die Moorwieſe, musseke, die trockene Steppe des Küftengebtetes, befannt e feine getvorden. Für die jo häufigen Sümpfe gibt es eigene Bezeichnung; dieſelben werden umſchreibend „ſchlimme

Bäche“ genannt. Verſchiedene reißende Tiere, T ſo der Löwe, der Leopard, die Hyäne, werden zuweilen als böſe Geiſter oder als Zauberer aufgefaßt, ebenſo verſchiedene Nachtvögel, Eule und Ziegenmelker zum Beiſpiel. In Erzählungen wird der Löwe als „Herr Löwe“, „ogana nkosch“, angeredet. Eigentliche Farbenbezeichnungen

nämlich

(angola)

„isele“,

gibt es blos drei,

„weiß, gelb,

hellglänzend“,

„ischigellele“, „ſchwarz, blau, dunkel“, „kussuka“ „rot.“ „Grün“ wird durch „rot“ erſetzt, wie ja auch in europäiſchen Sprachen beide Begriffe häufigidentiſch ſind. Trotz der Armut des Vokabulares an Wörtern hiefür kommen jedoch die verſchiedenen Farbenempfindungen ganz ebenſo zur Geltung wie bei allen anderen Menſchen. Spezifiſche Geſchmackempfindungen können nur umſchrieben werden, da Wörter wie „ſüß“ oder „ſauer“ fehlen. Wohl aber gibt es ein Kollektivwort, welches etwa „pikant“ bedeutet. Man ſagt „pikant ſchmeckend wie Honig, wie Salz, wie Eſſig“ u.ſ. w. Im Erfinden von Spignamen find die Neger nicht weniger wißig als wir. So lebte einmal in Fondo ein deutfcher Yandsmann, der wegen feiner an ein Faß (pipa) erinnernden Leibesrundung im Volksmunde als „Coral pipado“ (eine faßförmige Perlenſorte) kurſierte. Einen andern

Herrn

von

furzer

Geſtalt hörte man

immer

nur

al3 „Kambutu“ (£leine Knoſpe) bezeichnen. In Malanſch kannte ich einen Portugieſen, von dem die Sage ging, daß er ſich vor Jahren aus Reue und Unmut über ſexuelle Maßloſigkeit ſelber der Genitalien beraubt habe. Dieſer hieß bei den Negern allgemein und durch lange Gewöhnung ganz ernſthaft „Ndala sanga“, „ſiehe den Zorn.“ Als einmal Manoel, mein Faktotum, in meiner Gegenwart rülpſte, frug ich, um ihn zurecht zu weiſen: „Was redeſt Du da für eine Sprache? Deine Worte kommen ja aus dem Bauch.“ Fortan hieß er zu ſeinem großen Aerger „der Bauchredner.“ Iſt einer ins Waſſer gefallen, ſo wird er für einige Zeit der „Bade- oder Schwimm— mensch“ genannt. Oder es hat einer eine Yamstwurzel aufge— gabelt und findet, daß ihre plump gefingerte Form an die entzündete und "geichwollene Hand feines Freundes

Muhongo erinnert. Er ruft deshalb: „Muhongo, Mus hongo, bier habe ich Deine Hand.” Dann zählt er die

oder Strauch, der eines ſolchen entbehrte, dagegen find für die Alora der Schluchten nur wenige vorhanden. Die beiden betreffenden VBegetationsformen werden durch eigene

fingerartigen Stummel der Wurzel und auch andere fonmen, fie zu zäblen und über Muhongos geſchwollene Hand zu lachen.

Ausdrüde jtreng unterfchieden: der Schluchtenwald oder überhaupt feuchter Wald mit immergrünem lorbeerartigen

Als beim Katungula meine Träger mid in Verlegen: heit und Betrübnis ſahen und glaubten, miv infolgedejjen

14

Die Goldlager des Atvato,

ein bobes Pagamento abtrogen zu können, herrſchte am Abend allgemeines Geficher über meine Noth und leife jang man den jtehenden Spottvers: „„Mundelie, mundelie, milalia ialla kuebi, Guropäerlein, Europäerleim, wo find die Tüchlein?” Damit meinten fie das Zeug, das id) ihnen zahlen follte. Ste dachten übrigens nicht daran, daß ich ſie vielleicht vwerjteben fünnte. Denn laut und und offen mich zu verhöhnen, das wagten ſie Doch nicht. Einem alten pfiffigen Ambakiſten gab ich einmal für eine kleine Beſorgung als Trinfgeld ein großes Zwei— Mafutaftüd. Der Kerl betrachtet fich dasjelbe von vorn und von rückwärts, jchüttelt den Kopf und frägt gleich: ſam mitleidig mit der Vereinſamung der unförmigen Kupfer: münze: „Este näo tem filho?” „Der hat feinen Sohn?” wonach tch nicht umbin fonnte, noch ein niedliches Kipaka— jtücd darauf zu legen.

Die Goldlager des Akrato. Den Goldminen, die in vergangenen Sabrhunderten auf dem Iſthmus von Panama, in den Negionen des Atrato u. ſ. w.den Spantern jo große Ausbeute gaben, wird neuerdings, ſeitdem die Arbeiten am Panama-Kanal jenen Gegenden eine große Zahl unternebmungsluftiger Kräfte zuführen, wieder größere Aufmerkſamkeit geichentt. Obwohl manche Traditionen, manche dem Staub der Archive enthobenen Aufzeichnungen mebr den wunderbaren Geſchichten eines Amadis de Gaules und fonftigen Biraten und Nıtterromanen als der Wirklichkeit entlebnt zu fein ſcheinen, jo iſt doch ſo viel ficher, daß feiner Zeit eine Unzahl, man fönnte jagen Hunderte von Minen im Betrieb waren, die feit bald einem Jahrhundert brach liegen und wieder der Wildnis anheim gefallen find. Dieſer Berfall hängt weniger mit deren Erfchöpfung, als mit der Vertreibung der Spanier und der Emanzipation der Kolonten vom Mutterlande zufammen, Allerdings fonnten in der Kolonialzeit Diinen ausge: beutet werden, die heutzutage, bei freier Arbeit, nur wenig vder gar Feine Rechnung laffen würden; denn die Sflavenarbeit, oder das Frohnden der Indianer, was mit eriterer ja abjolut gleichbedeutend und für die Spanier ja noch viel vorteilhafter war als das Halten von Sklaven, er:

möglichte die Bearbeitung von Yagerftätten edler Metalle, die unter der Herrfchaft menfchentwürdiger Arbeitslöhne als zu arm hätten bei Seite gelafjen werden müſſen. Die Vorteile, welche für die Bergwerksbeſitzer aus den damaligen ſozialen VBerbältniffen entiprangen, müffen

un der „jebtzeit durch die Anwendung von Mafchinen und die auf die Anlage von Verbindungsivegen vertvendete Sorgfalt — im Gegenfat zum früheren Raubbau — ausgeglichen werden. „Eine Befchreibung der reichen Minen, die zu Anfang

des Jahrhunderts in den Provinzen von Darien bearbeitet wurden

und

bon

anderen,

welche

die wilden Indianer

nicht antaften laffen” tituliert fich eine von Don Andres de Ariza im Jahre 1774 verfaßte und in Bogota ans Tageslicht gezogene Schrift. Wie aus diefen Aufzeichnungen bervorgebt, jtanden im Sabre 1713 Minen im Betrieb in: Tronfofo, Sabalos, Tayekua, Nuzagantı, Arquiata, Nufusus naqui, Akuaſiskuati und Bagre, die vollauf produzierten und von welchen die lofalen Behörden die Haufierer und Handelsleute bei einer Strafe von 100 Raftellanos in Gold fernzuhalten fich gezwungen faben, weil fie von den Ar— beitern große Quantitäten Gold erhielten, die in die Kafje des Aerars hätten fließen ſollen.

„Das Hügelland von Santa Kruz de Kana und die weiter nördlich gelegenen Diitrifte find jo goldreich, daß das, was man davon fagen fann, beinahe als Uebertreibung erſcheint.“ Die Mine von Espiritu Santo in Nana wurde bis zum Jahre 1727 bearbeitet und enthielt in der goldführen: den Schicht 22-karätiges Gold. Sie lief beinahe perpendifulär und jtellte der Ausbeutung große Schwierigkeiten entgegen. Die Arbeiter jtiegen fünf Leitern hinab, von welchen einige zwölf, andere fünfzehn Sprofjen hatten.

Das Waffer

wurde

durch vier Pumpen

nach oben ges

Ihafft, die am Kopfe jeder Leiter aufgeftellt waren. Von der oberiten floß es nach dem Flußbett ab. 200 Menfchen waren Tag und Nacht in der Mine bejchäftigt; fie arbeiteten an der Hauptader und in den verſchiedenen Abzweigungen und jchafften die Erde und

den goldhaltigen Quarz zu einem Aufzug, der die Ladung durch ein von zwei Männern in Bewegung gejehtes Tretvad an die Oberfläche brachte. Die Wine hatte vier Etagen. Der unterfte Raum mar befonders groß und ausgedehnt. Dan konnte bequem darin herumgehen. Dide Pfeiler ſtützten die Dede in gewiffen Zwiſchenräumen und wo das Erdreich zu Ioder war, mußten Holzverichläge nachhelfen. Als aber die berüchtigten GSüdfeepiraten, die den Spantern

damals fo viel zu fchaffen machten, den Platz plünderten und die Indianer aufftanden, fürchteten die Arbeiter nie dergemacht zu werden, wie andernorts vorgekommen war, und verließen die ganze Gegend. Die Arbeiter, lauter Neger, erhielten per Tag eine Schale voll Erde als Löhnung. Jeder Samjtag bracdte

ihnen demnach

ſechs Schalen,

aus

welchen fie jtets 16

bis 20 Kajtellanos, manchmal auch 40 bis 50 Kaitellanos fein Gold wuſchen. Sklaven, welche in Kana arbeiteten, puderten, wenn diejen Aufzeichnungen Glauben beigemefjen werden darf, das Haar ihrer Angebeteten mit Goloftaub, oder bejtreuten den Boden zu ihren Füßen mit Golbförnern, da fich

ihnen feine andere Gelegenheit darbot, mit ihrem Weber: fluß zu prunfen. Einer davon entdedte eine „Bolsa“ (Taſche) oder Krabbenloch, wie es genannt wurde, aus

welchem wenigſtens 20,000 Kaſtellanos — es mögen aber

Neue Beobachtungen über Etrsbildung in den PBolarıneeren.

auch 50,000 geweſen ſein — hervorgeholt wurden. Für dieſen Fund ſchenkte man ihm und ſeinem Weibe die Frei— beit und ein Haus mit Land in Panama. Dieſe Reſultate waren indeß noch nichts gegen die von Don Juan de Sbirieu erzielten, der verſchiedene Minen im Bagre ent— deckte und ausbeutete, aber das Unglüd hatte, von feinem Erfolg jo beraufcht zu werden, daß er eines Tages feinen Aufſeher dDurchpeitichen ließ. Nun war dies feine Kleinig-

feit, denn

der Mann

war ein Spanier

und war Das

Auspeitfchen in jenen Zeiten blos bei den Indianern zus

läſſig. Die Soldaten, um

die nach der Mine geſandt wurden,

die über Ibiricu

15

ländifcher Unternehmungen in diefer Gegend in den Weg jtellt, tjt der Umftand, daß alle Güter zuerft durch das Zollhaus von Karthagena zu geben haben, das 250 Metlen vom Atrato entfernt tft. Von einer Erpedition wenigitens tt es notoriſch, daß diefer in die Berechnung nicht auf: genommene Faktor fie zu Fall brachte.

Coll Handel und Mineninduftrie jene abgeſchiedenen Provinzen aufs Neue beleben, fo muß die Regierung dafür jorgen, daß an der Mündung des Mtrato eine Zollitätte eröffnet wird, welche den zufünftigen Pionnieren erlaubt, den Berationen und endlofen Verzögerungen in Kartbagena auszumerchen.

verhängte Strafe zur Vollſtreckung

zu bringen, raubten indes fo viel Gold,

daß fie es nicht

an den Mann zu bringen wußten und daß es in der ganzen Provinz von Darien im Breife fiel. — Ferner foll im Fluß Blayon goldhaltiger Quarz gefunden werden; in einem fleinen Zufluß des Sufubuti wurde Goldquarz und Wafchgold von Neifenden gejeben, aber aus Furcht vor den Indianern unangerührt gelalfen. Im Kuque, nabe bei der Mündung des Atrato, ferien Straten von Goldquarz jihtbar, welche Juan Carriola bearbeiten wollte — die feindjelige Haltung der Indianer, die ihm einige Leute töteten, nötigte ihn zurückzuweichen. Dann fer am Abbang des Mali-Gebirges, in einem Bach, der in den Vukro fliegt, Gold in Fülle, wie Durch die bedeutenden, von einer Bande weggelaufener Sklaven gewonnenen Ouanti— täten fonftatiert wurde. Bevor fie aber wieder die Küſte erreichten, wurden fie beinahe alle von den Indianern umgebracht. Was von Diejen Fingerzeigen in unferen Tagen bet näherer Brüfung Stic halten wird, tft ſchwer zu bejtimmen. Das Atrato-Thal iſt ohne Zweifel eines ber reichiten Gold— felder der Welt. Eine Menge Gold und Platina führen: der Nebengewäſſer münden in den Atrato. Wenn trogdem heute weniger Edelmetalle dort vorhanden zu jein ſcheinen als zur Zeit der Spanter, jo liegt dies nicht etwa daran, daß die Spanier Schon alle Sahne abgenommen bätten,

der Neichtum an Edelmetallen iſt in Südamerika vorder: band noch unerfchöpflich, jondern an den oft nur zu ivenig mit der Topographie, dem Klima und der jozialen Sejtaltung des Yandes rechnenden Unternehmungen, an einem manchmal vielleicht zu wiſſenſchaftlichen und zu

wenig praktiſchen Vorgehen. Manche Expeditionen von Europa und den Vereinig— ten Staaten haben diefe Negion aufgejucht, fich aber nur zu häufig mit unförmlicher Maſchinerie bejchtwert, die nicht bis an Die goldführenden Gewäſſer geichafft werben

fonnte, in welchen die Schiffahrt ſchwierig und gefährlich

Mene Beobachktungen über Eisbildung in den Polar— Meeren. Dr. Snellen, der an der Spiße der „Varna“Expe— dition geſtanden bat, veröffentlicht Mitteilungen über das „geben im Kariſchen Meer” und macht in denfelben auch mehrere Bemerkungen über einige dort bei der Bildung des Eifes beobachtete Eigentümlichkeiten. Seiner Anficht nach find die Erfcheinungen, die er befpricht, bei allem Salzwajjereis, bejonders jedoch in den Bolargegenden zu beobachten. Befanntlich gefriert Salzwaſſer nicht Jo rafch wie ſüßes Wafjer, jondern exit bei einer Temperatur unter 00 und zwar hängt der Kältegrad, bei dem es gefriert, vom Salz— gehalt ab. Wenn nun die Temperatur unter den Gefrier: punft des Waſſers fällt, dann wird bei einem beitimmten Stand des Thermometers ein Teil des Meerwaſſers feit werden und Kriſtalle bilden, welche aus einer Salzlöſung bejtehen, die der betreffenden Temperatur entjpricht. Die Meeresoberfläche bedeckt fi) mit einer Art Filz, deſſen \

Gewebe

von

Sriltallen diefer Salzlöfung

gebildet wird.

Die Zwiſchenräume jedoch find mit einer fonzentrierten Salzlöſung, die bei der eingetretenen Temperatur noch nicht gefriert, gefüllt. Sinkt die Temperatur nun noch mehr, jo fommt wieder ein anderer Teil der Löſung zur Kriitallifation und die Auflöfung, welche in den Zwiſchen— räumen bleibt, wird noch jtärfer. So wird die Eiskruſte immer feiter, doc) ſieht man leicht ein, daß fie etwas leder: artiges behalten wird, eine Eigenfchaft, die mit dem Ab— nehmen der Temperatur mehr und mehr verichwindet. Ein

Spaziergang über das Eis genügt, ſich zu überzeugen, daß die Vorgänge wirklich in diefer Weiſe jtattfinden. Wenn man über folches Eis fehreitet, bemerkt man, ſelbſt wenn

it. Das Ende vom Liede war, daß manche taufend Thaler

es fünf bis ſechs Zentimeter

nublos verausgabt wurden und die Unternehmer

dasfelbe ein wenig durchbricht, während Süßwaſſereis von der angegebenen Dide ſtark genug it, Pferd und Schlitten zu tragen. Das biegjame Salzwaſſereis tt übrigens auch ſtark genug; es beißt eine Zähigkeit, die

dem Lande den Rüden

febrten,

mutlos

ohne ſelbſt die Diftrifte

erreicht zu baben, die jo reiche Ausbeute verſprachen. Ein anderes Hindernis, das ſich dem Gedeihen aus-

Did it, Doch immer,

daß

16

Neue Beobachtungen über Eisbildung in Den Polarmeeren.

im erften Augenblick große Verwunderung erregt, da man an jo etwas ber dem Süßwaſſereis durchaus nicht gewöhnt it. Diefe Eigenſchaft zeigt fich befonders, wenn fich einige Bewegung dem Eife mitgeteilt bat, wenn 3. D. zwei Schollen alten Eifes, die in folchem jungen Eife herum treiben, ſich einander nähern; in diefem Falle wird leßteres gebogen und erhebt ſich wie eine Brüde über das Waſſer ohne zu brechen. Eine weitere Folge von diefer Art des Ges frierens des Salzwaſſers iſt Die, daß ein junges Eis— feld ausfiebt, als ob es mit Neif bedeckt wäre Der Grund iſt jedoch ein ganz anderer. Nenn bereits eine Eislage aus der ebenerwähnten, lederartigen Maſſe bes

itebend Sich gebildet bat, enthält diefelbe in ihren Höh— lungen immer noch Feuchtigkeit von jtarfem Salzgebalt, die, wenn nun die Temperatur jchnell fällt, auch die feite Form annimmt. Dabei findet jedoch eine ſtarke Erpanfton jtatt, jo daß die Maſſe kräftig aus den Höhlungen heraus— gedrüdt wird und Daher zu der Bildung der obenerwähn— ten, reifähnlichen Yage Veranlaffung gibt. Wenn man die berausgepreßten Kriltallformen in der Näbe betrachtet, bes merkt man, daß fie nicht immer dieſelbe Zuſammenſtellung haben, was wabrjcheinlich mit der verjchiedenen Art, wie jte entjtanden find, zufammenbängt, namentlich Damit, ob die Temperatur ſchneller oder langjamer finkt, ob die Yuft mehr oder weniger Feuchtigkeit entbält ze. Manchmal bes iteben fie aus dünnen Plättchen, die dann in den Farben des Prismas Schimmern, wie man das an gewöhnlichen Seifenblaſen beobachten fann. Bekanntlich Schmilzt Schnee jowohl wie Eis bei 00C. Im Kariſchen Meer und überbaupt bei Salzwaſſer iſt Dies oft anders. Wenn nämlid ein Eisfeld wie das eben be: jchriebene mit Schnee bedeckt wird, kommt leßterer mit den Krijtallen, tvelche vielSalz enthalten, in Berührung. Nun it es eine befannte Erjheinung, daß man durch Miſchung von Salz und Schnee eine breiige Cubjtanz erhält, welche ohne feit zu werden eine viel niederigere Temperatur aushalten fann, als die Stoffe, die man miteinander gemijcht bat. Ein ähnlicher Vorgang findet bier jtatt. Die unterjte Schneelage bildet mit dem Salz der Kriſtalle denfelben Brei, den man in anderen Klimaten als Kältemiſchung oft künſtlich darſtellt. An der Oberfläche eines ſolchen Gisfeldes fann man nichts befonderes bemerken. Es fam jedoch nicht jelten vor, daß die Spaziergänger das Opfer einer unangenehmen Ueberraichung waren, wenn fie bes merften, daß die Füße, ſobald fie niedergefegt wurden, in eine feuchte Mafje eindrangen. Wenn man den Fuß zu: rückzog, zeigte es fich, daß fich in der eben gebildeten Spur Waſſer anfammelte, äußerlich gerade fo, wie man es bei uns beobachten kann, wenn man bei Tauwetter über eine mit einer ziemlich dien Schneelage bedeckte Eisfläche gebt. Es machte jedoch im Karischen Meer einen unertvarteten

Eindrud, eine jolche Erfcheinung zu beobachten, wenn das Thermometer weit unter Null jtand. Alles hierbei Auffallende wird jedoch Durch das eben Geſagte erklärt.

Auch eine Folge der eigentümlichen Art des Gefrie-

vens ift die, daß altes Eis beim Schmelzen ſüßes Waſſer liefert. So häufig wird die Frage aufgeworfen, wie eine Polarexpedition fich nn das nötige Trinkwaſſer verichaffe und überhaupt alles Waſſer, das für die Haushaltung er— fordert wird. Die Antwort ift einfach: man fehlägt ein Stüd altes Eis los und ſchmilzt dasſelbe. Hierdurch bekommt man vortreffliches, vollfommen füßes Trinfwaffer. ! Man Tann jedoch nicht alles Eis zu diefem Zwecke ge brauchen, ſondern nur dasjenige, welches fchon einen Sommer alt und dadurch feines Salzes ganz beraubt ift. Wie nämlich bei dem Gefrieren erſt ſüßes Waffer in den fejten Zuſtand übergeht und danach erit nacheinander Auflöfungen bon immer jtärferem Salzgebalt fich in Eis verwandeln, jo wird auch beim Auftauen des Eiſes erſt der falzigite Teil ihmelzen, darnach werden Krijtalle von geringerem Salz gehalt die flüffige Form annehmen, während das, was übrig bleibt, ſußes Waſſer Liefert. Eis fir häuslichen Gebrauch wird einfach gejchmolzen, indem man ein Faß in die Nähe des Küchenberdes jtellt und dasselbe jtets gefüllt hält, wobei man das verbrauchte Waſſer durch Eis erſetzt. Die jtrablende Wärme des Herdes und die der umgebenden Yuft wird gewöhnlich ge— nügen, um den täglichen Wafferbedarf berzuftellen. Nur in befonderen Fällen, 3. B. an Wafchtagen, ijt es nötig, Eis in auf das Feuer gejtellten Kefjeln befonders zu jchmelzen. Unfer Süßwaſſereis jchmilzt weg, indem ſich die Außerjte Yage nad und nad in Flüſſigkeit verwan— delt. An den noch feitgebliebenen Teilen eines jolchen Stückes fchmelzenden Eiſes iſt feine Veränderung zu be merten. Auch bier zeigt ſich ein Unterfchied bei dem Salzwaſſereis. Letzteres beitebt aus gewiſſermaßen inein— andergeſchobenen Stückchen von verſchiedenen Eisſorten, die ſich bei ungleich hoherTemperatur 2 gebildet haben und natürlich auch bei ungleich hoher Temperatur fehmelzen;

daher werden auch die im Inneren

gelegenen Teile weg:

geſchmolzen, jobald für jeden jein Taupunkt eingetreten tt. Hierdurch wird der fejtbleibende Teil porös und loſe. Die Oberfläche zerfällt daher bald zu Bulver und fo ſcheint es, als ob das Eis mit Schnee bededt wäre. Im Frübjabr ſchmilzt nun zuerſt der Schnee weg und jpäter das Eis, den Uebergang kann man jedocd nicht Deutlich bemerken, weil das übrigbleibende Eis mit einer Lage lofen Eiſes bedeckt ift, die man Außerlich nicht vom Schnee zu unterfcheivden vermag. Ihrerſeits ſchmilzt diefe Yage nun auch wieder weg, doch nur, um der folgenden den Platz zu räumen. An altem, ſchmutzigem Eis jieht man jofort an der Zube, ob der Schnee verihwunden it. Bon

jungem, einjährigem Eis Tann man leßteres nicht jagen. 1 Dan hat jedoch behauptet, daß das Schmelzwaffer durch minimalen Salzgehalt ungeſund jet. Der Arzt der „Jeannette“ ließ3. B. nur Ddeftilliertes Waffer trinken. A.d,NR.

Dr. Fiſcher's Bericht über feine Neife in Oſtafrika.

Fiſcher's Bericht über feine Keiſe in Oftafrika, In der Sitzung der Samburgifchen Geographiſchen Geſellſchaft am 6. Dezember gab Dr. Fiſcher einen aus— führlichen Bericht ‚über feine Reiſe, aus welchen wir, weil die früheren Notizen im „Ausland“ 1883, Nr. 29 und 42 nur ſehr fragmentarifch fein konnten, das Nachfolgende mit: teilen. Nachdem der Nedner zuerjt über ältere Neifen in dieſem Gebiete gejprochen batte, gab er die Zuſammenſetz— ung feiner eigenen Karawane an, die aus 7 Sanfibarleuten, 110 eigenen Trägern aus Pangani und 120 Yeuten dor: tiger Elfenbeinhändler beitand, welchen letzten derſelbe

Vorſchüſſe geleijtet hatte, um fo feine Karawane durch ihre Begleitung zu verftärten. Bon Banganı aus ging es den gleichnamigen Fluß aufwärts nach dem Yande Aruſcha, das zum Teil am Fuße des Kilimandfcharo, zum Teil am Fuße des Maeruberges liegt und im Beſitzeder Wafuafı Üt, Die vor ungefäbr 80 Jahren die ganze Gegend zwischen erſterem Berge und dem Barengofee beherrfchten. Es traten damals traurige Zeiten ein für die friedlichen, Viehzucht treibenden Wafuafi, denn die kriegeriſchen Maſai vertrieben ſie aus dem tiefer gelegenen Lande und zwangen fie, in den gebirgigen Gegenden fich anzufiedeln. Bor fünf Jahren

hatten die Wakuafi noch die Gegend am Naiwaſchaſee inne; aber ein mißglüdter Berfuch, die Maſai zu vertreiben, hatte auch den Verluſt dieſes Gebietes zur Folge. Für das Mafatland führte die Karawane als Taufchmittel in eriter

Reihe Eifendraht mit fich, fodann Meſſing- und Kupferdraht, kleine eiſerne Ketten, dünne Baumwollſtoffe zu Kriegsmänteln, Kleine Gloden, Feilen, Meſſer, wenige Kauri's und Berlen. Von den lebten werden jeßt die

Kleinere Mitteilungen.



17

weiter ziehen. Der männliche, erwachſene Teil des Maſai— ſtammes zerfällt in unverheiratete Krieger und Ehemänner. Die Krieger ſind je nach ihrer Erfahrung und Tüchtigkeit in vier Klaſſen geteilt. Ihr Kriegsſchmuck beſteht in Strauß— federn und flatterndem Mantel aus Kattun. Als Waffen tragen ſie den Speer, ein kurzes Schwert und eine Keule, die älteren Pfeil und Bogen. Hat ein Krieger ſich durch Raub nun etwas Vermögen erworben, ſo verheiratet er ſich und tritt damit aus dem Kriegerſtande aus. Die männliche Bevölkerung geht faſt nackt, die weibliche hüllt ſich in eine faſt den ganzen Körper bedeckende Ochſenhaut. Die Männer tragen verſchiedene Haartrachten, bei den Frauen dagegen iſt das Haar ſtets kurz geſchoren. Ihre Hauptnahrungsmittel find Rindfleiſch und Kuhmilch, die in Zeitabſchnitten von etwa zehn Tagen abwechſelnd genoſſen werden. Auch in den Gefäßen dürfen ſich beide Nahrungsmittel nicht miteinander vermiſchen. Die Krieger eſſen nur Rind— fleiſch, trinken aber bisweilen auch das Blut lebender Tiere, die man dann, wenn ſie durch den Blutverluſt ſchwach geworden, wieder zur Herde zurücktreibt. Die Leichen werden nicht beerdigt, ſondern ausgeſetzt. Dr. Fiſcher reiſte ſodann nach dem von Wakuafi be— wohnten Gebirgslande Nguruman, von hier nach dem Naiwaſchaſee, der gutes, ſüßes Waſſer hat und viele Nil— pferde und Krokodile beherbergt. Am Oſtufer entdeckte der Reiſende eine heiße Quelle von rotbrauner Färbung, deren Keſſel einen Umfang von 80 em. beſaß. Der Weitermarſch nach dem Baringofee wurde aufgegeben, weil die Mafat mit beveutender Streitmacht den Weg dorthin verlegt hatten. Von den 40 Laäſten Eiſendraht hatten jie als

Lribut Schon 30 erhalten.

Mit dem übrigen mußte man

Schneegrenze des zirka 18,000 bis 19,000 Fuß hoben Kilimandjcharo ſchätzt der Neifende auf zirka 15,000 bis 16,000 Fuß abjoluter Höhe. Wegen der herrſchenden Winde ift fie auf

ſparſam umgeben, da Eifendrabt bier allgemeines Zahlungs mittel ift. Der Neifende ging zurück nach Nguruman und von da nach dem Vulkan Dönjo-Ngai, an deſſen Fuß ein Natronſumpf tft, aus welchem Bäche heißen Waſſers (bis 550 0.) bervorfommen. Hier herrſcht trodenes Klima,

der nordiveitlichen Seite etivas niedriger als auf der ſüd— dftlihen. Eine Tagereife jenſeits dieſes großen Schnee:

das Gebiet des Naiwaſcha dagegen bat vielen Regen. An Maeruberge ift das Yand fruchtbar, die Eingeborenen haben

berges, dejjen obiger Name, Berg und Geiſt bedeutend, ihm wohl von den Suabelt verlieben wurde, während Die

fogar ſchon mit fünftliher Bewäſſerung den Anfang ges macht. Eine europäifche Station dürfte hier fehr am Plage

an jeinem Abhange wohnenden Dibagga ihn Mangi nennen,

jein.

traf man die eriten Mafat und bald füllte ſich das Yager

Ichnellen eine Schiffahrt nicht geitattet, Fann man zum Transport der Waren von der Küſte auch Eſel verwenden. Die Wakuafi in Dieih Teil des Landes haben ſeit einigen Sahren als Waffen die Gewehre eingeführt und fürchten nicht mebr bie IAnariffe der Maſai. ot

weißen bevorzugt, während früber rote Mode waren. Die

der Neifenden mit neugierigen Weibern, jungen Kriegern und älteren Leuten. Ein unangenehmer Zwifchenfall hätte leicht Schwere Folgen haben können. Träger des Dr. Fiſcher, welche außerhalb des Lagers umbergingen, wurden von einigen jungen Striegern angegriffen, fie verteidigten fich

Weil

der Banganifluß

wegen

der vielen Strom:

Ne

mes

mit den Flinten, ein allgemeiner Tumult entjtand, eine Frau wurde jchiver verwundet, ein alter Mann getötet. Es zogen ſich die Maſai zurüd und anderthalb Tage blieb

Kleinere Mitteilungen.

der Reiſende in Ungewißheit und Sorge, was jene beginnen würden. Endlich erſchien eine Geſandtſchaft, man mwolle ſich mit dem in folchen Fällen üblichen Tribut zufrieden geben. Sie erhielten denfelben und die Karawane durfte

Lebensbedingungen Herr Dr, Bernhard Ornftein

und Körpergröße. in Athen teilte mir Nachſteheu—

des mit, was wegen der kürzlich im Anſchluſſe

anDr. Johannes

18

Kleinere Mitteilungen.

Ranke's großes Werk „Anthropologie der Bayern“! in dieſer Zeitjhrift berührten Frage über Beziehung des Wohnraumes zur förperlihen Ausbildung dev Bewohner intereffieren möchte: Die Aetiologie des Höhenwuchſes betreffend, fo glaube ich, daß zwar erbliche Anlage, aber in höherem Grade Boden und klimatiſche Verhältniffe als Hauptfaftoren desjelben zu betrachten find. In Bezug auf Yetsteve ift mir der Unterjchied des Höhenwuchſes zwifchen den Bewohnern von Doris und Emrytanien auf dem griechischen Feſt— lande und von Kalavryta (dem alten Kynätha), einer bejonders rauhen Gebirgsgegend Nordarfadiens, gegenüber den angrenzenden Thälern und Niederungen entſchieden ein zu Gunften dev exfteren in die Augen fallender. Ein weiteres Argument für dieſe An— ſchauungsweiſe finde ich in einer Anzahl von Montenegrinern, etwa 100 Mann, welche von der Iſthmusgeſellſchaft zu den Kanalarbeiten verwendet werden. Unter diejen ftarffnochigen und hochgewachſenen Söhnen der Schwarzen Berge fieht man faum ein Fünftel, welche das Maß von 164 cm. nicht erreichen. Das Höhenmaß der übrigen ſchwankt zwifchen 164 und 174 cm. Ab— gejehen von dem ungleich höheren Durchſchnittswuchs der Diontenegriner unterſcheiden fich diefelben auf den erften Bi von dem griechiſchen Bergbewohner durch die maſſige Statur, den langen, ſtark eitwicelten Leib bei verhältnismäßig fürzeren Extremitäten, durch den großen, breiten Fuß, den gänzlihen Mangel an Taille und dei fchleppenden Gang. Der Tihernagorze ift Shwerfällig, ernft und nüchtern, während der Grieche mobil, heiteren Sinnes und leichtfebig ift. Sch habe auf dem Iſthmus im Laufe von 5 Na Monaten feinen beraufchten Montenegriner gefehen, was fih von Sranzojen, Stalienern, Deutſchen, Griechen, Arabern u. ſ. w. nicht jagen läßt. Des weiteren hebt diefer gute Kenner der vielartigen Bevölkerung der Balfanhalbinfel hervor, wie man unmöglich allein auf Anerbung den Hochwuchs der Montenegriner beziehen könne, da fie ja nichts al3 Serben ſeien, die Serben aber im benachbarten Mittelgebivgs- und Niederungsland Feineswegs den Reden der Ihwarzen Berge gleihfommen. Bon den Slowenen darf man ja ganz das nämliche behaupten. Im flachen Oſtkrain wohnen die Hleineren „Dolenzen“, im alpinen Weftkvain die herkuliſchen „Sorenzen.“ Am trefflichjten aber hat J. Ranfe in oben erwähntem Werk den Nachweis geführt, daß das Gebirge (jogar ſchon die Gebirgsnähe, wie z.B. auf der Hochfläche ſüidwärts von München) in allerdings noch vätjelhafter Weife den Leib ſtreckt. Demm wer möchte fih den Glauben hingeben, es hätten eben nur Stämme Heineren Wuchjes im der Bölferwanderung die Umgebung des bayeriſchen Donauthales beftedelt, jolche mit angeftammter Größe dagegen das Gebirge und fein nächſtes Borland zur Siedlung erforen?

Halle.

A. Kirchhoff. Strenge Kälte in Südjpanien,

Die „Kölniſche Zeitung” brachte in ihrer Nummer 357 vom 26. Dezember aus Penarroya (wohl richtiger Pena-voya) in der Provinz Kordoba vom 18. Dezember die Nachricht, daß im Norden Andalufiens der Winter mit ungewöhnlicher Strenge auftrete. Nachdem am 7. ds. Mts., jo jchreibt der Berichterftatter, in dem wir wohl eimen deutſchen Bergingenieur vermuten dürfen, bei Nordwind ein leichtes Schneegeftöber den Bewohnern ein hier jeltenes Schaujpiel dargeboten, erfolgte am 8. und 9. eine Kälte, dag es Eisrinden bis zu 5 cm. Dide zu ſehen gab. Mildere Witterung fheuchte den rauhen Gaft zwar bald von dannen, aber jeit geftern fegt wieder ein fcharfer Nord bis Nordoft braufend iiber das Land und mit der vorigen Nacht hat ein Schneetreiben angehoben, wie man es fonft nur auf der Hochebene von Kaſtilieu oder in weiter nördlich gelegenen Ländern kennt und welches 27

volle 12 Stunden lang andauerte. 1 Siehe „Ausland“

Die Wege find verweht und

1885, Nr. 46. ©. 905 ff.

im Thale von Belmez die imduftriellen Werfe zu teilweifem oder

gänzlichem Feiern gezwungen, da von den Arbeitern nur wenige fich an

den Arbeitsftellen

einfirden.

Zu

verwundern

iſt dies in

der That nicht, da die Leute auh im Winter, der hier in gewöhnlichen Fahren nach deutſchen Begriffen nur einen Winter im Kalender vorftellt, die Füße vielfah mm mit Sandalen befleiben. Die älteften Bewohner diefer Gegend haben Aehnliches noch nicht erlebt. Pena-roya, von dem hier die Rede ift, Yiegt 10 Yeguas (712 D. Ml.) nordweftlic von Kordoba, an der Eifenbahı, welche durch das feiner Kohlen-, Eifen-, Kupfer: und Bleigruben wegen befannte Thal von Belmez führt, und zwar ziemlich hoch in der Sierra Morena. Jene ftrenge Kälte hat fich, wie es ſcheint und wie uns von anderer Seite zugegangene Nachrichten bezeugen, auch iiber das andalufifche Tiefland verbreitet und eine hier ſeit Menſchen— gedenken nicht erlebte Höhe erreicht. In Sevilla anf das Thermo meter auf —70 C. und in dem durch fein mildes Klima befannten Huelva zweimal auf —30 C. Die Begetation hat darımter außerordentlich gelitten. An vielen Orten find die Orangen mit dem Laub an den Bäumen erfroren. Der Schaden in den Oli— vares (Ofivenhainen) hier und anderwärts, läßt ſich noch gar nicht überbliden. Rn.

Thronfolge in Madagaskar. Aus Antananarivo ſchreibt unterm 17. Juli ein Korreſpon— dent des „Standard“: Die’ Umſtände der neueſten Thronfolge ſind merkwürdig. Wer die madagaſſiſche Geſchichte kennt, kennt auch den unausſprechbaren Namen des Königs Andrianampoinime—

rina, der von 1787 bis 1810 regierte und einen großen Teil der Inſel der Howaherrichaft unterwarf. Diefer hatte eine Lieblings— ichwejter, Rahety, und man glaubte eine Zeit lang, daß ihre Nach— fommenfchaft den Thron erben wilde. Aber fie gebar nur ein Zwillingspaar und hatte ſonſt feine Kinder. Damit nun die Abkömmlinge diefer Zwillinge nicht um die Thronfolge ftreiten möchten, fah man ganz von ihnen ab. Eine der beiden Linien ift ſeitdem erloſchen; die andere ift ſoeben zur Herrſchaft gelangt. ALS die verftorbene Königin auf ihrem Sterbebett lag, früh am Morgen ihres Todestages, da wurde in einem Haufe, weit weg vom Palaft, die junge, etwa 20jährige Bewohnerin plößlih aus dem Schlaf gewedt, vor die fterbende Monarchin gebracht, von dieſer ohne weitere Umftände zu ihrer Nachfolgerin ernannt und im einigen Abſchiedsworten ermahnt, ihr Vertrauen auf den Gott zu jeßen, an den Nanamwalona II. geglaubt. Die jo unerwartet auf den Thron gejetste ift Radichafindrahety, eine Urenkelin jener Rahety! Zu den Schulen der Quäder und zuletst der Londoner Miffionare hat fie eine gute Erziehung genoffen und man hört, fie jei begabt und das Befte von ihr zu hoffen. Bor einigen Jahren hatte fie einen Neffen der Königin geheiratet, der aber am 7. Mat v. "38. geftorben ift. Wäre letzteres nicht geſchehen, jo wäre fie ohne Zweifel nie auf den Thron gekommen. Der Premierminifter wirde feine Königin geduldet haben, die nicht zugleich feine Gemahlin hätte fein können. Jetzt ift er, wie es heißt, bereits mit der jungen Wittwe verheiratet und — wenn die Franzoſen nicht einen Strih durch die Rechnung machen — wird ev nod) viel mächtiger werden, als er je gewejen. Ja, er ift es jetzt ſchon. Zum erftenmal hat in Madagaskar ein Thronwechſel nicht mm ohne Blutvergiegen, fondern auch ohne jegliche Unruhe ftattgefunden. Das Volk hat die neue Königin als Ranawalona III. willfommen geheißen. Manche wirden freilich einen König lieber gehabt haben; aber folange der gegenwärtige Premierminifter das Ruder hält, ift hiezu nicht die geringfte Ausficht. Er ift nicht aus fönigliher Familie und kann daher nie König werden. Das weiß ev und fo begnigt ex ſich mit feiner gegenwärtigen Stellung.

Notizen.

Notizen.

häuptling David Chriftian abgejchloffen zu Haben, wonad ihr ein Tandbefiß an der Angra Pegquennabai und 50 Meilen landein-

Afrika.

ein Schiff mit Waren in die Bai. Die anfäffigen Deutfchen wehrten die freie Einfuhr und beanfpruchten die Erhebung eines Zolles. Der entftandene Konflikt veranlaßte die englifche Regierung, das Kriegsſchiff „Boadicea“ nach Angra Pequenna zu ſchicken. Deutjherjeits ift dev „Nautilus“ auf dem Wege und Mitte November in Madeira eingetroffen. Die Behauptung der Firma Spence jteht vollftändig im der Yuft. Dagegen joll ein gewiffer Kapitän Sinclair eine Art Anſpruch auf das Land füdlih von Angra Pequenna gehabt haben. Allein auch diefer ift ohne Wert, denn er befitst auch nach engliſchem Necht nur dann Giltigkeit, wenn ex durch thatjächliche Beſitznahme vealifiert worden ift, was aber nicht der Fall. Uebrigens war der betreffende Kontrakt nur ein Pachtfontrakt auf die Ausbeutung von Minen und mit dem Hottentotten David Chriſtian abgejchloffen, welcher niemals anerkannter Häuptling war md längft geftorben ift. Dagegen hat das Haus Yiderit feinen vollfommen vechtsgiltigen Befis von dem anerkannten Häuptling Joſef Frederifs in Bethanien erworben md ihn jetst ſüdlich bis zum Oranjefluß und nördlich bis zum 26.0 mit einer Breite von 20 ©. MI. Iandeinwärts ausgedehnt, jo daß er gegenwärtig in Summa 900 D. Q.-MI. umfaßt. — So berichtet die „Wejer Zeitung.”

wärts garantiert worden jei. Die Firma jandte im Oktober v. Is.

Erpedition der Brüder Denhardt nad Oftafrifa. Der Ingenieurgeograph Herr Klemens Denhardt und fein Bruder Herr Guſtav Denhardt bereiten eine neue Expedition nah Oſt— afrifa vor. Diejelben gedenfen am Zanafluffe, den fie ſchon friiher erforicht haben, eine Station zu gründen, von der aus fie Reiſen landeinwärts, namentlih auch nach dem Keniaberge ausführen wollen, während fie in der Station felbft einen jet in Sanfıbar anfäfjigen Europäer zurücdlaffen werden. Die Gebrüder Denhardt find reichlich mit wiſſenſchaftlichen Inſtrumenten aus— gerüſtet und werden Europa zu Anfang dieſes Jahres verlaſſen. Die Koften der Expedition werden teils von der Akademie der Wiſſenſchaften zu Berlin, teils von einem Privatfomite getragen, A. KR. Die Erpedition Georg Revoil! nad den Somali= md Hallaländern ift im Beginn durch die größten Schwierigkeiten verzögert worden. Anfang Mai 1885 verließ Revoil Sanftbar, landete am 14. Mai in Mafdijchu, wo er bis zum 24. Juni durch Verhandlungen mit den verjchtedenen Stämmen, welche um die Beherrihung der Wege nad dem Inneren rivaliſieren, aufge halten wurde. Am 25. Juni endlich fette ev fih in Marſch, Fam aber nur bis zu dem nur 7 Meilen entfernten Geledi, nachdem er 500 Biafter außer namhaften Geſchenken entrichtet hatte. In Geledi hielt ihn der verſchmitzte Scheif der Gobrus, Omar Zuffuf, bis zum 25. September zurüd. Endloje Quälereien durch Diebftähle, Entlaufen von Dienern 2c. ftellten feine Geduld auf die härteſte Probe, Es bedurfte eines energiſchen Befehles des Sultans von Sanfibar, um ihm endlich den Weg nah Ganane frei zu geben. Die Nachricht, daß er ſchon am 5. Dftober dort ein— getroffen jei, war aljo eine irrtiimliche, denn die Entfernung zwiſchen Geledi und Ganane beträgt 20 bis 30 Tagmärjche.

Revolte in Vivi. Die Kabindaneger, welche al3 Träger in Dienften der Internationalen Geſellſchaft ftehen, empörten fich jamt und jonders auf der Station Bivi gegen die Europäer. Es fam zum Sampf. Der Chef der Station erhielt einen Schuß dnrch die Hand, 3 Kabinda's

Ueber die afrifanijhe Nafjeneintetlung. In der zweiten Sitzung, welche die Sektion für Geographie, Ethnologie 2c. während der diesjährigen Verſammlung deutjcher Naturforscher und Aerzte in Freiburg i. B. abhielt, fprad) Dr. Paſſa— vant über den afrikanischen Raſſentypus und Schloß fih auf Grund. von Schädelunterfuhungen der Anficht derjenigen Forſcher an, welche die Negervölfer in mehrere Raſſen einzuteilen geneigt find.

Ausbreitung der Miffion im Niljfeengebiet.

Aus

Kagehi jchreibt unter dem 14. Mai Miffionar Wife, er und jet Kollege Gordon hätten eine herzliche Einladung von Yırfonge, dem König der Inſel Ukerewe, erhalten und würden dahin abreijen, jobald ihr Gepäd, auf das fie noch warteten, angekommen jei. Ueber Angra PBequenna liegen folgende neuere Nach— richten vor: Die engliihe Firma Spence und Comp. in Kapitadt

behauptet, im Jahre 1863/64 einen Vertrag mit dem Hottentotten1883, Nr. 45. ©, 898.

wurden

getötet, die übrigen ergriffen

die Flucht. Um neue Träger zu engagieren, veifte Major Vetſch (?) nad) der Yoango- und Orban nad der Kruküſte ab. Portugals Bejetung von Landana. Portugal hat ih zu einer That in der Kongofrage aufgerafit und feine angebliche Souveränität zu einer wirklichen an der Loangoküſte gemadht. Es bejettte im Dftober I. 38. nicht nur Landana am Tſchiloango 50 12° 5. Br.), jondern auch die Mündung des Maſſabefluſſes (59 5° 5. Br.), griff alfo in letzterem Fall iiber die Grenze hinaus die es bisher jelbft als die nördlichſte feiner Befitzungen an der Weſtküſte, nämlich den 5.0 12° 5. Br., bezeichnet hatte. Unter Proflamierung der portugiefishen Autorität in Kakongo und Maffabe ſchloß es einen Vertrag mit dem Fürſten von Tſchiloango ab, welcher folgende Bedingungen enthält: Verbot der Sklaverei, Freiheit des Handels für alle Nationen, Zulaffung der Miffionare jeden Glaubensbefenntniffes, Schuß und Sicherheit aller wiſſen— ihaftlihen Expeditionen. Da dieſe Bedingungen diejelben find, unter denen England nach den Andeutungen der „Times“ Portugal die Kongomündung überlafjen dürfte, jo ift die vorher eingeholte Zuftimmung der englijhen Regierung zu dieſer Beſetzung von Yandana nicht unwahrſcheinlich. ES ift ein Schachzug gegen die Offupation von Pontanegra durch die Franzofen.

Die Hypotheje von derAtlantis. Profeffor &. Doelter aus Graz verbreitete fi) während der jüngſten Berfammlung deutjcher Naturforſcher und Aerzte zu Freiburg 1. B. über die An— nahme eines früheren Zuſammenhanges zwiſchen Afrika und Amerika. Er jhilderte zuerſt die geologische Bejchaffenheit des nord— weſtlichen Afrifa und kam zu dem Nejultate, daß feine Studien auf den Kapverden und der Vergleich mit den Kanarien und Azoren ihm die Verbindung Amerika's mit Afrifa als faum denkbar erjcheinen laffen. Dagegen wäre die Eriftenz einer großen Inſel, Kanarien, KHapverden und Azoren umfafjend, nicht unwahrſcheinlich; fraglich und ‚heute noch nicht vollfommen zu entjcheiden ſei aber die Frage, ob dieſe Inſel mit dem jeßigen. afrifanischen Feſtlande je im Zujammenhang war.

1 Siehe „Ausland“

19

*

Aus der Mijfionserfahrung. Miffionar Huppenbauer erzählt in feiner „Predigtreife in Afem“: Während der Straßen predigt beobachtete ich die Zuhörer und jah manche, die aufmertjam zuhörten, manche aber auch), Die jehr gleichgiltig daftanden. Einer der Häuptlinge fühlte jich öfter gedrungen, feine Erklärungen dem gepredigten Worte beizufiigen, als Zeichen, daß er alles wohl ver ftehe. Der Alte begnügte fih damit, von Zeit zu Zeit einen Yant der Beiftimmung von fich zu geben. Das findet man auch ſonſt; beinahe an allen Orten, wo wir Predigten, habe ich gehört, daß immer einige der Männer, meistens Häuptlinge, in der Weiſe ihren Beifall geben, An einem Orte habe ich beobachtet, daß die zwei anmejenden Häuptlinge darin miteinander abwechſelten. Das ging ganz im Takt! Ampa!? Wirklich? Ajem pa! gute Botjhaft!

20

Natizen.

Nokware!

Wahrheit!

als bare Münze

u.

ſ. w. Darum

ſind derartige

Worte

nicht

anzujehen.

Die Allgemeine Zeitung

Ueberdie Bohnedes Kongolandes, CajanusIndieusSpr., berichtet eine der jüngsten Nummern

von

„Die Natur“

nach einer

Mitteilung Dr. Pechuel-Loeſches: Diefer Strauch aus der Familie der Leguminoſen liefert im den mittleren Teilen des gebirgigen Kongogebietes ein wohlſchmeckendes Hauptnahrungsmittel, ift darum Dort von großer Wichtigfeit und wird jorgfältig angebaut. Wie jein Name befagt, gebört der Straud Oſtindien an, von wo aus er nah Siüdamerifa fan. Dort kennt und genießt man feine Früchte als Angolaerbjen. Dem Namen nach zu jehltegen, ſcheint

der Strauch von Weftafrifa hierher gelangt zu fein. Sonſt kennt man ihn unter dem Namem indischer Kajanbaum oder indischer Bohnenbanm. Sflavenhandel

in Marokko.

nenefter Zeit von englischer jowohl

Es

ift auffallend,

daß in

wie von jpanifcher Seite be-

jonders häufig auf das Fortbeftehen des Sklavenhandels in Marokko

hingewieſen wird. So berichtete man am 2. November aus Gibraltar, daß während

der leisten

14 Tage

verkauft und dafiir 23, 85,45,

bezahlt wırden.

In Langer

ſchen Gejandten

Sir

Sohn

10 Doll. am Marftplage

in Tanger verkauften

in Nabat

6

Sklaven

87, 29 und 33 Doll.

öffentlich

(zu je EM.)

+ Sflaven

verkauft.

Leitartikel,

von

und

wiſſenſchaftliche und handelspolitiſche ſätze ꝛe. 20. in Nr. 358 bis 363.

die Zufunftsparteien.

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20 Pf. für die gejpaltene Zeile in Petit.

Juhalt: 1. Der Raſſenkampf. Bon Friedrich Kleinwächter in Czernowig. S. 21. — 2. Ueber die Tiefenverbreitung der Meeresalgen. Bon Th. Fuchs. ©. 24. — 5. Ueber die frühere Größe der Inſel Helgoland. Bon Dr. ©. Schneider. S. 27. — 4, Die älteften Bewohner des Gouvernements Tambow. Bon Dr. C. Hiekiſch. S. 28. — 5. Proſerpinen im Malaiiſchen Archipel. Bon Dr. M. Uhle. ©. 30. — 6. Die Sumero-Affader ein altaiſches Volk. Bon Frits Hommel. (Mit Abbildung.) S. 34. — T. Kapitän W. E, Armit's erjter Bericht über jene Reifen in Neu-Öumea. ©. 35. — 8. Kleinere Mitteilimgen: ©. 36. Die Deutſche Expedition in Djtafrifa. Weber die Reife Anutſchin's in Dagheſtan. Was bietet Queensland dem Einwanderer? — 9. Notizen: ©. 37. Al: U gemeine Erdkunde. — 10, Litteratur: ©. 39. — 11. Kovrejpondenz: Zur Charafteriftif der Armenier, Bon Profeſſor Dr. Arzruni in Breslau.

| die gedachten Schriften Jo zu jagen aus der Wogelperjpeftive | betrachtet, der wird aus denjelben und zwar mit demfelben Nechte etwas weſentlich Berjchiedenes berauslefen. Indem Als Darwin ſein epochemachendes Werk über die Ent— nämlich die Darwin’sche Theorie bemübt it, den Nachweis ſtehung der Arten ſchrieb, da war er bemüht, zu zeigen, zu erbringen, wie jenes Protoplasma unter der Einwirkung wie die einzelnen Tier- und Pflanzenarten durch Anpaſſung bejtimmter Kräfte oder Urjachen verjchtedene Formen anan die geänderten Lebensverhältniſſe ſich allmählich ver— genommen hat und wie dieje Differenzierung der Formen ändern und wie durch Vererbung dieſer kleinen Veränder— immer weiter und weiter gebt, jucht fie an einer Reihe ungen auf die Nachkommen und immer wieder erneuerte konkreter Fälle zu zeigen, wie die urfprünglich einheitliche Anpaſſung und Vererbung ſchließlich ganz neue, von den Naturfubitanz in die verichtedenartigiten Geſtaltungen ausfrüheren mehr oder weniger weſentlich verſchiedene Tier— einanderzugehen beitrebt iſt. und Pflanzenformen entſtehen. Und wer das Darwin'ſche Dieſer Prozeß wiederholt ſich bekanntlich auf ver— Werk oder etwa Haecckel's „Generelle Morphologie” oder ſchiedenen Gebieten. Er hat auf dem kosmiſchen Gebiete jeine „Natürlihe Schöpfungsgeſchichte“ Lieft und fih in | zur Zerreißung des Urweltnebels und zur Entſtehung der den Inhalt des betreffenden Buches vertieft, der wird, Weltkörper geführt; auf ihn iſt, wenn die Ahnung der und anfcheinend mit Necht, behaupten, daß dasfelbe modernen Chemie ſich bewahrheiten ſollte, die Entſtehung

Der Raſſenkampf.

thatſächlich nichts anderes jein twill, als ein Beweis dafür, wie im Laufe der Zeit infolge gewiffer Einwirkungen die heutigen Tier und PBilanzenformen ſich aus dem urjprüng:

lihen Brotoplasma berausentiidelt haben. Wer jedoch einen höheren Standpunkt einnimmt und Soziologiſche

Unterſuchungen.

Von

plowicz, Profeſſor der Staatswiſſenſchaften

Graz.

Innsbruck,

Dr. Ludwig

Verlag der Wagner'ſchen

handlung. 1883. Ausland 1884, Nr. 2.

Gum—

an der Univerſität

Univerſitätsbuch—

derjenigen Körper zurückzuführen, die wir heute noch als chemiſche Grundſtoffe oder Elemente bezeichnen; er mani feſtiert ſich inder Tier- und Pflanzenwelt als „Entſtehung der Arten“ und führt auf ſoziologiſchem Gebiete zu einer immer weiter gehenden Differenzierung der ſtaatlichen und een

fruht,

wenn



Bring

man dieſen Prozeß

Bar —

des Auseinandergehens

oder der Entſtehung der Arten auf den genannten vier Gebie—

ten ſchon heute auf das Walten einer einheitlichen Zentri— 4

22

Der Raſſenkampf.

fugal- oder Abſtoßungskraft, oder wie man jenes unbekannte Etwas nennen will, zurückführen wollte. Unſere heutige Kenntnis der Dinge geſtattet uns nicht mehr zu jagen, als daß analoge Erjcheinungen jih auf den genannten vier Gebieten: dem kosmiſchen oder ftderifchen, dem anor— gantschen, dem organischen und dem ſoziologiſchen, abjpielen. Ob aber diefe Analogie eine „reale“ it, d. b. ob es die jelbe Kraft iſt, welche die gleichen und doch verjchiedenen Wirkungen da wie dort erzeugt, das iſt eine Frage, deren Löſung erit dann wird in Angriff genommen Werden fönnen, wenn man jenen Prozeß des Auseinandergebens auf den genannten vier Gebieten genau erforfcht haben wird. Diefer Prozeß derDifferenzierung oder der Entitehung der Arten vepräfenttert jedoch nur die eine Hälfte der Vorgänge in der Natur. Jenem Bejtreben oder jener Fähigkeit der Naturfubjtang, in verichiedene Geſtalten aus: einander zu geben, jteben andere Urfachen und Kräfte gegenüber, welche auf eine Wiedervereinigung der getrennten Teile hinwirken. Der fogenannten Bentrifugalfraft, welche die Sejtirne rubelos im Weltraume umber zu ſchweifen zwingt, iteht die Gravitation, die gegenfeitige Anziehungskraft der Materie gegenüber und wer vermag zu Sagen, ob dieſe letztere Kraft im Verein mit dem Widerjtand, den der fogenannte Welt-Aether der Bewegung der Geſtirne entgegenftellt, nicht im Yaufe der Neonen den Steg davontragen und zu einem ſucceſſiven Zuſammenſtoße der einzelnen Planeten mit ihren Sonnen führen wird und ob nicht der viefige Bulammenprall zweier Himmelsförper im jtande tt, fie wieder in dasjenige aufzulöfen, was ſie nach der Kant: Zaplaceihen Hypotheſe dereinſt mwaren, in feurigen Urweltnebel, um ſodann den etvigen Kreislauf der Natur von neuem wieder zu beginnen! Auf dem Gebiete der Chemie begegnen wir der cbemichen Affinität, die in analoger Weiſe auf eine fontinuterliche Vereinigung der verjcehtedenen Grunditoffe hinwirkt. Daß auch in der Tier: und Pflanzenwelt die fortwäbrende gejchlechtliche Vermiſch— ung der Nachlommen der verichtedenen Eltern arterbaltend wirft und. eine zu bäufige Entitehung neuer Tier- und Pflanzenformen bemmt, wird Shon von Darwin und jenen Anhängern, wenn auch nur furz und beiläuftg, zugeitanden und angedeutet. Die Staats: und Geſellſchaftswiſſenſchaften find bisber allerdings an diefe Frage noch nicht herangetreten. Erklärlich iſt dies freilich; denn einerjeits find dieſe Diszi— plinen noch ſehr jungen Datums und andererfeits tritt auf ſoziologiſchem Gebiete die „Entitehung der Arten” nicht jo deutlich hervor, wie auf den übrigen Gebieten. Speziell die Staatsrechtswiffenfchaft ſteckt heute noch viel zu tief in der Syſtematik und in dem Suchen nach den ver: Ichiedenen Nubrifen, in welche die einzelnen Staaten einzureihen find, Ste halten diefe Disziplinen noch fo fehr in Atem, daß diejelbe bisher noch nicht dazu fam, die viel wichtigere Frage “s beantworten, welche Gründe es bewirkt paben, daß die Verfaffungen und die einzelnen Verwalt-

ungseinrichtungen in den verjchievdenen Staaten eine fo verjchtedene Geftalt angenommen haben. Dagegen tritt die Tendenz nach Vereinigung in der Entwidelungsgejchiehte der Menfchbeit viel deutlicher in den Vordergrund. Die Thatjachen, daß fleinere Staaten von größeren erobert und verichlungen werden, daß fleinere Völkerſchaften oder Nationalitäten verſchwinden, weil fie entiveder, wie die Nothäute in Nordamerifa, ausjterben oder in der größeren fie umgebenden Nation aufgeben, daß Sprachen ausjterben oder daß Neligionen verlafjen erden, weil das betreffende Volk einen anderen Glauben annımmt, find jo uralt und allbefannt und wieder— holen ſich jo zu jagen tagtäglich vor unferen Augen, daß man fich eigentlich darüber wundern muß, tie bisher noch niemand auf die Idee verfiel, dieſen Amalgamierungsprozeß, der fich in der Menjchheit fontinuiers [ich vollzieht, zum Gegenſtande eimer einheitlichen wiſſen—

Ichaftlichen Darftellung zu machen. Der erſteVerſuch Diefer Art iſt das angezeigte Buch von Gumplowicz. Der Grundgedanfe, von dem Gumplowicz in feinem „Raſſenkampf“ ausgeht, ijt, daß die Menfchen an vielen Bunkten der Erde ſich unabhängig von einander und mehr oder weniger gleichzeitig entwickelten und in der Urzeit in unzähligen kleinen Horden oder Schwärmen zer= jtreut lebten. Gumplowicez jelbit bezeichnet diefe Annahme als eine Vermutung, jedoch als eine jolche, die einerjeits mit der Darwin’schen Theorie nicht im Widerſpruche ſteht und die überdies, wenigſtens joweit unfere Kenntnis der Menſchheit reicht, von der Erfahrung beitätigt wird. That— jache wenigſtens tt. es, daß einerjeits den Entdedern in den neu aufgefundenen Yändergebieten allerorts eine Unzahl von

Horden,

Stämmen

oder

Wölferfchaften

entgegentrat

und andererjeits, daß alle unjere Kulturftaaten, und zwar von den Aegyptern und Aſſyrern angefangen bis herab auf unſere zwei jüngiten Einbeitsjtaaten Italien und Deutichland, aus der Vereinigung einer Mehrheit von früber jelbitändigen Staaten, Bölfern, Nationen oder Stämmen hervorgegangen jind. Innerhalb diefer Vielbeit von Horden, Stämmen, Nationen, Völfern oder Staaten nun jptelt ſich jener „ſoziale Naturprozeß“ der Amalgamterung ab, deſſen Dar: itellung den Inbalt des Gumplowicz'ſchen Buches bildet, und er vollzieht fih im Wege des Nafjenfampfes. Die Urjache des Nafjenfampfes iſt der Raſſenhaß. Jede Gruppe,

deren Angehörige ſich als Stammesgenofjen und als blutsverwandt anſehen, ftebt jeder anderen Gruppe feindlic gegenüber und lauert, wie Gumplowicz an unzähligen Beifpielen nachweift, jo zu jagen nur auf eine günftige Gelegenheit, um über fie herzufallen und ſie zu unter:

jochen.

Denn das Gefeb, welches den jozialen Naturprozeß

beberrjcht, lautet: „Jedes mächtigere ethniſche oder ſoziale Element jtrebt darnach, das in feinem Machtbereiche befindliche oder dahin gelangende ſchwächere Element feinen Sieden dienftbar zu machen.” Es klingt hart und graus

Der Raſſenkampf.

jam, was Gumplowicz jagt, aber wer die Dinge vorurteilsfrei betrachtet, wird wohl zugeben müffen, daß es in der That ift, wie er jagt. Ob irgend ein Indianer- oder Negerſtamm über den andern berfällt oder ob dereinft,

wovor uns ein gütiges Gefchtet noch recht lange bewahren möge, der ſlawiſche Dften und das germanifche Zentrum von Europa aufeinanderitoßen werden: ein anderer Grund für den Konflift als der Raſſenhaß läßt fi nicht ausfindia machen. Diefer Prozeß der Amalgamierung vollzieht ſich in der Negel in folgender Weife: Hat der eine Stamm den andern befiegt und dauernd unterworfen, jo beginnt die Einigung zunächſt auf dem Gebiete der Sprache und dies

iſt begveiflich, weil das Bedürfnis, fich gegenfettig zu ver— ſtändigen, am allereriten auftaucht. Ob dann die Sieger die Sprache des unterjochten Volkes annehmen, oder ob fie dieſem die eigene Sprache aufzwingen, oder ob durd Ver: Ihmelzung beider Sprachen eine neue Miſchſprache entitebt,

iſt jelbjtverjtändlich gleichgültig.

Sodann vollzieht fich ein

analoger Verſchmelzungsprozeß auf dem Gebiete der Ne: ligion und erjt wenn diefe beiden trennenden Scheide: wände gefallen beginnt, wenigſtens in größerem Um— fange, die Vermifchung des Blutes durd) Na Erjt wenn auf diefe Weife eine Einheit der Sprache, des Ölaubens, des Blutes, der Sitte, des Nechtes und 5 Kultur bergeftellt worden iſt, beginnen die Angehörigen

diefer neuen Einheit fih als Glieder eines Volkes oder eines Staates zu fühlen. Auf diefe Weiſe entjtehen diejenigen Einheiten, die wir als Stämme, Nationalitäten, Völker und Staaten zu

bezeichnen gewohnt find.

Schon

die erſten Wölfer oder

Staaten, denen wir am Beginne unferer —

—Welt:

geichichte begegnen, waren derartige Amalgame von Völkern, Stämmen oder Horden. Der ganze Verlauf der uns befannten Gefchichte dev Menjchbeit iſt nichts anderes als ein fortgejegter Verfchmelzungsprozeß der einzelnen Völker oder Staaten zu immer größeren Einheiten und dieſer

Prozeß ſteht begreiflicher Weife auch beute nicht ftill, ex zieht immer

theoretiih

größere

gedacht,

und

erſt

werden, wenn dereinjt Groballes, um an die nicht nur ein „einig“, Brüdern fein würden.

größere

dann

Kreiſe

als

und

beendet

könnte,

angeſehen

die gejamten Bewohner unjeres Worte des Dichters anzufpielen, jondern auch ein „einzig“ Volk von Vorausgeſetzt ſelbſtverſtändlich, daß

wir in abjehbarer Zeit überhaupt an diefes Ziel gelangen und daß nicht anderweitige Einflüffe ſich geltend machen, die den Nafjenfampf in anderer Form etwa von neuem wieder entbrennen laſſen. Dies ungefähr in Kürze der Hauptinhalt der vor— liegenden Schrift, deren Autor fich wohl rühmen darf, mit

fedem Griff eine überaus glüdliche und weittragende Idee aus dem Meere griffen zu haben.

der uns umwogenden Ideen herausge— In allem und jedem möchte ich aller:

dings unferem Autor nicht beiftimmen.

23

Zunächſt Jcheint mir Gumplowicz den Amalgamierungsprozeß zu einfeitig in den Vordergrund zu ſchieben und den Differenzierungsprogeß in der Entwidelungs: geichichte der Menſchheit zu wenig zu berüdjichtigen. Die ältejte Theorie der menschlichen Entwickelungsgeſchichte, die Bibel, lehrt befanntlich, dab alle Menjchen von dem einen Menjchenpaar abjtammen, das feiner Zeit unmittelbar aus der Hand des Schöpfers hervorging. Mit einem Worte: Was die Bibel lehrt, it, das die Menjchheit in einem fontinuierlichen Differenzierungsprozeß begriffen it. Der

einbeitlihe Stamm —

Adam und Eva, beziebentlic Noab

mit feiner Familie — gabelt ſich in einige wenige Haupt: üfte, die fih dan immer weiter und weiter verzweigen und jo die verſchiedenen Menfchenraffen, Völker, Nationen vepräfentieren. Dieſe Auffaffung der Bibel blieb bis auf den heutigen Tag die herrſchende, ja fie bat fich jo tief in unfere Bor: jtellung eingelebt, daß ſich ſogar die Darwin'ſche Theorie, beziebentlich deren eifrigjter Bertreter, Haeckel, von der: jelben nicht ganz frei zu machen vermochte. Haeckel ver: wirft zwar felbjtverjtändlich die Abſtammung des Menfchen-

gefchlechtes von einem einzigen Menjchenpaare,

allen er

it befanntlich geneigt, die Entjtebung des Menſchen— geichlechtes auf einen Kontinent zu verlegen, der zwischen dem heutigen Aſien, Afrika und Auftralien fich befunden haben und gegenwärtig in den Fluten des Ozeans be: graben jein fol. Von da aus joll ſich das urſprünglich bis zu einem gewiljen Grade einheitliche UN über die gejamte a verbreitet und im Wege der Anpaffung und Vererbung immer weiter und meiter bis auf die heutigen Raſſen und Nationalitäten differenziert haben. Diejer „Differenzierungs-Theorie”, wenn ich ſie jo nennen darf, tritt Gumplowicz und zwar nach meinem Dafürhalten bis zu einem gewiffen Grade mit Recht ent gegen, nur glaube ich andererjeits, daß er in diefem Punkte zu weit gebt. Die Thatjfache, daß auf dem Gebiete der Menjchheit, joweit unfere Kenntnis der Dinge reicht, ein fontinuterlicher Berfchmelzungsproze jtattfindet, fann man

meines

Grachtens

allein daraus

unjerem

Autor

läßt ſich noch

unbedingt zugelteben;

immer

nicht folgern,

wie

dies Gumplowicz ©. 184 thut, daß die Menjchheit nicht gleichzeitig auch dem Differenzierungsprozeß war und it. Gumplowicz geht, wie ſchon erwähnt, nahme aus, daß die Menfchen fich mehr gleichzeitig und unabhängig von einander an

denften Punkten der Erdoberfläche

unterworfen von der An— oder weniger den verſchie—

entwidelten, wo eben

die Verhältniffe für dieſen Prozeß der Menſchwerdung günftig lagen. Diefe Annahme Elingt mindeitens ebenjo plaufibel als die Annahme Haedels, dag das Menfchen:

gejchleht nur auf jenem verfunfenen Kontinent entjtand. Aber folgt denn aus jener Gumplowiez'ſchen Hypotheſe mit unbedingter Notivendigfeit, daß überall, wo fich feiner

24

Ueber die Tiefenverbreitung der Meeresalgen.

Zeit ein Fleckchen trodenen Yandes darbot, auch Menjchen darauf erwuchfen? Sit es nicht logisch wert richtiger ans zunehmen, daß die Menjchen ſich zwar gleichzeitig an vers ſchiedenen Punkten der Erdoberfläche aus ihren Vorfahren

berausentwidelten,

daß aber troßdem weite Ländergebiete

lichen Fortichritt leugnet. Der knapp zugemefjene Raum gejtattet miv leider nicht, auf diefen Punkt näher einzugehen, ich muß mich daher bier nur auf die Bemerfung beichränfen, daß auch diefe Anſchauung Gumplowicz's der Darwin'ſchen Theorie swiderftreitet. Sit nämlich dieſe Theorie oder

Die

wenigſtens ihr Kern richtig, daß in der ganzen Natur ein

günjtigen Bedingungen fehlten, menjchenleer blieben und daß Diefelben erſt nachträglich durch einen einwandernden

forttvährender Kampf um's Dafein herrſcht und daß in diefem Kampfe jedesmal die ftärferen und befjeren Elemente den Sieg über die ſchwächeren davontragen, jo involviert diefes einen fontinuterlichen Fortſchritt. Herrſcht aber ein ftetiger Fortfchritt auf dem Gebiete des pflanzlichen und tierifchen Lebens, dann iſt nicht abzufeben, warum die Menſchheit allein dazu verurteilt fein follte, fortwährend vorwärts zu laufen, ohne dabei von der Stelle zu fommen, wie dies Gumplowicz ſchildert, wenn er lehrt, daß Die Menschheit ziwar kontinuierlich vorwärts ftrebt, daß fe aber, wenn fie irgend eine Kulturftufe von beliebiger Höhe er— flommen, jedesmal wieder zurüdfinft in den Zuftand der tiefiten Barbaret.. Wer keine peſſimiſtiſch angelegte Natur iſt und ſich die Freude an dem bitteren Nachgeſchmack nicht verderben laffen will, den die Lektüre des in Rede ſtehenden Schlußfapitels zurücdläßt, fann das legtere auch ruhig überichlagen, denn es ftebt mit dem fonftigen Inhalte des Buches in feinem notivendigen Zuſammenhange und hätte ebenjogut auch ungeſchrieben oder wenigſtens ungedrudt bleiben fünnen. Czernowitz. Friedr. Kleinwächter.

oder

wenn

Stamm,

man

will

ganze

Kontinente,

wo

eben

oder eventuell auch durch ein einzelnes Menjchen-

paar und deſſen Nachkommen bevölfert wurden? War dies aber der Fall, dann mar diefer Stamm oder Diele Familie dem Differenzierungsprozeß ebenfogut unterworfen, wie etiva eine der von Darin fünftlich gezüchteten neuen Taubenarten. Gegen Gumplowicz Spricht überdies auch die folgende Erwägung: Sind die Tiere und Pflanzen, wie dies Darwin wohl unmwiderleglich bewiejen hat, dem Diffe— venzierungsprozeß unterivorfen, dann iſt nicht abzufeben, warum das Menfchengefchledht von einem Prozeſſe eximiert jein follte, dem die gefamte übrige belebte Natur unterliegt. TIhatfächlich find indeß auch die Tiere und Bilanzen nicht nur dem Differenzterungsprozeß, Jondern gleichzeitig ebenfo auch dem Amalgamterungsprozeß unterworfen, nur daß der legtere jelbitverftändlich nicht allerortS mit derjelben Intenſität aufzutreten vermag. Ein tierifcher oder pflanzlicher Organismus, der fih auf ungeschlechtlihem Wege vermehrt, kann allerdings nicht wohl afjimilierend auf

einen andern, ihm verwandten Organismus einwirfen. Wo aber eine gejchlechtliche Vermischung zweier Organismen zur Fortpflanzung notwendig tft, da iſt dem Aſſimilierungs— prozeſſe Thür und Thor geöffnet, weil fie eine fortwähr: ende Miedervereinigung der divergierenden Zweige und eine fortgejette Verichmelzung mehr oder weniger hetero: gener Elemente zur Folge bat. In noch viel höherem Maße müſſen ſich die affimilierenden Tendenzen bemerfbar machen, wo, wie beim Menſchen, zu der gejchlecht: lichen Vereinigung noch die Sprache hinzutritt, die eine

geiftige Einwirkung des einen Individuums auf das andere gejtattet und damit eine Gemeinjfamfeit des gejamten geistigen Lebens ermöglicht. Und Damit tft vielleicht die Brüde gefunden, die von der Darwin’schen Differenzierungs:

theorie zu der Gumplowicz'ſchen Lehre von

der Amal-

gamterung hinüberführt. Sind die Pflanzen, die Tiere und ebenfo die Menjchen jowohl der Differenzierung als der Amalgamierung unterworfen, jo fann nur die Frage auftauchen, welche Tendenzen überwiegen, die trennenden oder die einigenden, und da darf man ſich wohl zu der Annahme hinneigen, daß bei den Tieren und Pflanzen

die trennenden Tendenzen

die fräftigeren find, während

bei den jprachbegabten und denfenden Menschen die affimilierenden Kräfte jtärker wirken als die differenzievenden. Der zweite wejentlihe Punkt, in dem ich Gumplowicz entgegentreten möchte, ijt das Schlußfapitel feines Buches. Gumplowicz it ein Peſſimiſt und feine peffimiftifche Welt—

anſchauung äußert fih in letzterem, twelches jeden mensch:

Ueber die diefenverbreilung der Meeresalgen. Es ift feit langem befannt, daß das Auftreten der Algen im Meere eine geſetzmäßige Anordnung nach den verfchiedenen Tiefen erkennen läßt. Die grünen und braunen Algen finden fich in den oberiten Wafjerfchichten, in größerer Tiefe treten die zierlichen, formenreichen, meiſt Ihön karminrot gefärbten Florideen auf und an Diele

ſchließen fih endlich die unanjehnlichen Meloliefien Yitbotamnien, welche mit

und

ihren fruftenartigen oder trau—

bigen kalkreichen Thalomen die Tiefengründe überziehen und lange Zeit für unorganifche Kalkbildungen oder auch für Korallen angejehen

wurden, ehe man ihre pflanzliche

Natur erfannte. Dieje Kalkalgen reichen im Mittelmeer nad) Carpenter bis in eine Tiefe von zirka 150 Fd. und mit

ihnen

fcheint

alles

während Meerestiere

pflanzliche

bekanntlich

Leben

zu erlöfchen,

in noch viel größeren

Tiefen vorfommen. Im Jahre 1879 machte Falfenberg,! welcher fich mit

der Unterfuchung der Algen im Golf von Neapel bejchäf: 1 Falkenberg: Die Meeresalgen des Golfes von Neapel. (Mitt, aus der Zoologiſchen Station zu Neapel, I. 1879),

Ueber die Tiefenverbreitung dev Meeresalgen.

tigte, die Beobachtung, daß in der Grotte del Tuono, einem im Meeresnivenu gelegenen Steinbruch im Tuffe des Poſilipp, bei einer Waſſerbedeckung von nur wenigen Zoll eine Menge von Algen üppig gedeihen, welche im offenen Meere ſonſt nur in größerer Tiefe vorfommen, ja er konnte jogar beobachten, daf; man vom Eingange diefer Srotte aus nad) dem immer dunfleren Innern zu genau diefelbe Neibenfolge von Algen antraf, welche man im offenen Meere findet, wenn man von der Oberfläche aus in immer größere Tiefen binabiteigt. Diefelbe Erjcheinung wiederholt ſich in der blauen Srotte von Kapri, in den immer bejchatteten Grotten der Gajola, und Falkenberg ſchloß hieraus, daß die Gruppierung der Meeresalgen nach bejtimmten Tiefenzonen namentlic durch das Licht bedingt würde, indem die Algen, welche zu ihrem Gedeiben eine größere Lichtintenfität benötigen, fih in die Nähe der Oberfläche drängen, während jene, welche durch grelles, direktes Licht gefchädigt werden und nur im zeritreuten Tageslicht oder im Schatten gedeiben fünnen, jih in größere Tiefen zurüczteben. Teilweife von diefen Beobachtungen ausgehend, machte nun in neuerer Zeit ©. Berthold! die Verteilung der Algen im Golf von Neapel zum Gegenjtand einer äußerſt ſorg— fältigen und vieljeitigen Unterfuhung, welche, gefördert durch Die reichen Mittel der Zoologifchen Station, in ver bältnismäßig kurzer Zeit eine Neibe der twichtigiten Re— jultate zu Tage förderte, die nicht nur für die Kennt: nis der Gefeße, welche die geograpbifche und bathymetriſche Verbreitung der Meeresgewächle regeln, von babnbrechender Bedeutung find, ſondern obne Zweifel auch vielfach) befruchtend auf jene Studien wirken werben, die ſich mit der Tiefenverbreitung dev Meerestiere befchäftigen.

Die wichtigjten diefer Nefultate laſſen ſich in Kürze in folgendem reſumieren: Die phyſikaliſchen Faktoren, welche in erjter Yinie die batbymetrische Verteilung der Algen bedingen, find das Licht und die Bewegung des Waſſers. Die Tiefe des Waſſers an und fir fih, der Druck des Waſſers, ſowie die Temperatur laffen gar feinen direkten Einfluß auf die Tiefenverteilung der Algen erkennen. Die

Beichaffenbeit des Bodens übt nur infofern einen Einfluf aus, als jandige und fchlammige Ufer dem Wachstum der Algen feindlich find und im Bereiche des Wellenjchlages überhaupt feine Vegetation tragen. An mebr gejehüsten Stellen, namentlih in Buchten, überzieben fich dieje beiden

Bodenarten oft in enormer Ausdehnung mit dichten Wäld— dern der beiden Meeres:Bhanerogamen Posidonia und Phucagrostis und zwar zieht erjtere den Sand, lebtere den Schlamm vor. Posidonia fommt bei Kapri noch bei

30 Fd. in dichten Bejtänden und bei 40 bis 50 X. noch in einzelnen Cremplaren vor. Phucagrostis ſcheint nie1 Berthold: Ueber die Verteilung Neapel, nebjt

einem

Verzeichnis

der

der Algen

bisher daſelbſt beobachteten

Arten (Mitt. aus der Zoologiſchen Station Ausland

1884, Nr. 2.

im Golfe von

zu Neapel, III. 1882).

25

mals in jo bedeutende Tiefen zu reichen und erfcheinen daher die Schlammgründe in größeren Tiefen jtets voll fommen vegetattionslos. Das Bedürfnis nach Bewegung tt bei verjchiedenen Arten ſehr verjchieden und fann man in dieſer Beziehung dieſelben in eine fontinuterliche Neibe ordnen, welche mit denjenigen Arten beginnt, twelche die jtärfite Bewegung beanfpruchen und mit jenen jchließt, welche der meiſten Nube bevürfen. Nachſtehendes Verzeichnis möge als Beifptel einer

jolchen Neihe dienen: Corallina mediterranea, Selidium corneum, Cystosira ericoides, Cystosira abrotanifolia, Stypocaulon Haliseris, Cystosira granulata, Dictyola,

Cystosira barbata, Caulerpa und Posidonia. Das größte Bedürfnis nach Bewegung des Wafjers unter allen Algen zeigt Corallina mediterranea. An Felſen, welche dem direkten Anprall der Wogen ausgejeßt find, bildet diefe Alge oft mit Ausfhluß aller anderen Arten dichte Filze, wogegen ſie in ftillen Buchten vollfommen fehlt und gegen die Tiefe zu bald verſchwindet. Steine und Felſen, welche in der Nähe der Ebbegrenze liegen, tragen an ihrer vorderen, dem direkten Andrange der Wellen ausgejegten Seite einen Filz von Corallina mediterranea und Selidiume orneum, während die Seiten: flächen, über welche die Wellen nur feitlich binlaufen, von

Stypocaulon,

Podina, Cyſtoſiren und anderen Arten eins

genommen werden, die für rubigeres Waſſer charakteriſtiſch ind. Wo Meeresftrömungen in größere Tiefen reichen, veicht auch die Algenvegetation in größere Tiefen binab. Es iſt dies namentlich in der Bocca piecola (zwiſchen Kapri und Sorrent) der Fall, wo die Flora von 45 bis 50 Fd. noch auffallend reich tt. Vie in Bezug auf das Bewegungsbedürfnis, jo laffen ih auch in Bezug auf das Yichtbevürfnis verjchiedene Gruppen unter den Algen unterfcheiden, welche in ähnlicher Were in eine bejtimmte Neibe gebracht werden fünnen. Es iſt biebei jedoch zu bemerken, daß diefe beiden Neiben durchaus nicht parallel verlaufen, d. b. daß großes Bewegungsbedürfnis durchaus nicht immer mit großem Licht: bedürfnis und umgekehrt geringes Bewegungsbedürfnis durchaus nicht immer mit geringem Yichtbedürfnis Hand in Hand gebt. Im Gegenteile gibt es Arten, welche ein großes Yichtbedürfnis haben, dagegen einen ſtarken Wellenſchlag durchaus nicht vertragen und umgefebrt. Das größte Yichtbedürfnis zeigen mit wenigen Florideen und Chlorojporeen die Mehrzahl der braunen Algen, welche daher für die jonnigen, jeichten Küſtenſtrecken charak— teriſtiſch find. Es iſt jedoch zu bemerken, daß auch diefe Algen das grelle, direkte Sonnenlicht des Hochſommers nicht ertragen und ihre Begetationszeit in den Winter fällt. Im Hochfommer und Herbit find die ruhigen, jonnigen Standorte in geringer

Tiefe vollfommen öde und kahl, nur bededt mit der Nu: Dimenten der vorbergegangenen Vegetation. An jehattigen Standorten jedoch, welche der direkten Inſolation entzogen .)

26

Ueber die Tiefenverbreitung dev Meeresalgen.

ſind, findet dieſe Unterbrechung der Vegetation nicht ſtatt und findet man hier die litoralen Arten das ganze Jahr hindurch. Merkwürdigerweiſe findet dasſelbe auch an ſonnigen Standorten ſtatt, wenn ſie ſich im Bereiche einer beſtändigen Brandung befinden. Die Urſache dieſer Erſcheinung iſt wohl einerſeits darin zu ſuchen, daß durch die Brandungs— wellen das Licht vielfach gebrochen und abgeſchwächt wird, andererſeits darin, daß durch die Bewegung der Wellen die Algen fortwährend hin und her bewegt werden, ſo daß die Punkte der Thalome, welche direkt vom Lichte getroffen werden, fortwährend wechſeln und dadurch die Ueberreizung eines Punktes verhindert wird. Ein geringeres Lichtbedürfnis als die grünen und braunen Algen zeigte die Mehrzahl der zierlichen, durch ihren großen Formenreichtum und ihre ſchön karminrote Farbe ausgezeichneten Florideen. Dieſe fliehen das direkte Sonnenlicht und finden ſich vorzugsweiſe in jener Tiefen— region, in der an die Stelle des direkten Sonnenlichtes ein diffuſes Tageslicht getreten iſt, inwelcher Region das Algenwachstum überhaupt den Höhepunkt ſeiner Entwicke— lung erreicht. Eine noch größere Empfindlichkeit gegen das Licht bezw. das geringſte Lichtbedürfnis zeigen unter den Algen die kalkigen Lithotamnien und Lithophyllen, welche daher auch Die unterſte Algenzone charakteriſieren. Sie finden ſich noch reichlich wuchernd an den tiefſten Punkten des Golfs von Neapel in einer Tiefe von 65 Id. jo daß bier die untere Grenze des Algenwachstums überhaupt nicht fonjtatiert werden fonnte. Nach Carpenter findet fich diefelbe im Mittelmeer bei einer Tiefe von zirka 150 Fd. Co deutlih ausgeſprochen nun auch die eben ge: jchilderte zonenförmige Verteilung der Mlgen it, wenn man bloß die normalen Berbältnifje ins Auge faßt und die Sache im großen betrachtet, jo wenig iſt man doch im

itande, auch im einzelnen für das Vorkommen der Arten bejtimmte Tiefen anzugeben, da dasjelbe durch bejondere Berhältniffe in der mannigfachiten Weiſe abgeändert mwird. An Stellen, an denen fih Poſidonien in dichtem Wuchſe ausbreiten, findet man den Boden jehr häufig bereits in einer Tiefe von 10 bis 15 FId. mit mafjenhaft zerjtreuten Lithophyllen und Yithotamnien bevdedt, welche in der Regel erit in viel beveutenderen Tiefen gefunden werden, bier jedoch im Schatten der Boftdontawäldchen in verbältnismäßig feichtem Waſſer üppig wuchern. Die größeren braunen und roten Tange tragen auf der Unterjeite ihrer blattartigen Thalome in der Negel eine veiche Flora von Tiefjeeformen, welche bier Schub vor dem Einfluß des direkten Sonnenlichtes finden. Viele Arten haben dabei die Fähigkeit, ſich in eigentümlicher Weiſe diefen Standorten anzupafjen, indem fie im jtande ſind, ſich, unbeschadet ihrer Kortpflanzungsfäbigfeit, faſt ins Unbegrenzte zu verkleinern, jo daß ſie zuleßt wahre Zwerg— formen Ddarftellen, welche man auf den eriten Bli für bejondere Arten halten möchte. An Stellen, an denen eine dauernde Trübung der

oberen Waſſerſchichten das Eindringen des Lichtes erfchwert, wie dies z. B.im Golf von Bajae oder dei Santa Lucia an der Rhede von Neapel der Fall ift, rüden alle Zonen näber an die Oberfläche heran und kann man bier in einer Tiefe von 3 bis 7 52. Ichattenliebende Formen finden, welche ſonſt nur in viel beveutenderer Tiefe angetroffen werden. Auf Felsblöden und Steinen, welche in geringer Tiefe im Waſſer liegen, fann man auf den vom Lichte abgewendeten Seiten zahlreiche Tiefenformen finden und ebenjo wurde bereits eingangs erwähnt, wie im Dunfel der Grotten und Höhlen die Arten der größten Tiefe bis unmittelbar an die Oberfläche des Waſſes vorrüden. Manche Arten haben die Fähigkeit, in verichiedenen Zonen und unter verjchiedenen Beleuchtungsverhältnijjen zu gedeihen, doch zeigen dieſelben dann ſtets in ihrem Wuchfe, ſowie im Bau und in der Färbung ihrer Thalome eine deutliche Anpaſſung an ihre Verhältnifie. Slorideen, welche an offenen Stellen in feichterem Waſſer wachſen, nehmen die braune Färbung der Vhafosporeen an und Phakosporeen werden an fchattigen Stand orten und in größerer Tiefe rot. Algen, welche in tieferen Lagen einen loderen, gejtredten Wuchs zeigen, verkürzen ihre Zweige in der Litoralzone und nehmen einen gedrängten,

jtruppigen, bejenartigen Wuchs an und zu gleicher Zeit verdict fich die Epidermis und jtellen fich die Zellen der: jelben mit ihrer Längsachſe in die Nichtung der Sonnen: ſtrahlen. Manche Algen, welche an jchattigen Standorten weich und glatt find, überziehen ſich an ſonnigen, zum

Schuge gegen das Licht mit einer Ausjcheidung von kohlen— jaurem Kalt oder auch mit Haaren, welche bisweilen jo veichlich entwidelt werden, daß die Alge jchlieglich wie in einen weißen Pelz eingewickelt erſcheint. Von großem Intereſſe ſind auch die Beobachtungen, welche Berthold über den Einfluß der Jahreszeiten auf

die Vegetation der Algen machte, da durch dieſelben der geringe Einfluß, welchen die Temperatur ausübt, beſonders klar hervortrit. Während der Wintermonate findet man in der Litoralregion ein reiches Algenleben, während das— ſelbe in den tieferen Schichten vollkommen ruht, obwohl die Temperatur um dieſe Zeit in den tieferen Schichten

höher iſt, als an der Oberfläche.

Sowie

der Frühling

naht und die Sonne höher ſteigt, erwacht auch allmählich das Pflanzenleben in den Tiefen, obwohl die Temperatur daſelbſt noch gar keine Erhöhung zeigt und auch im weiteren Verlaufe des Sommers nur ſehr unbedeutend zu— nimmt. Die offenen, dem direkten Sonnenſchein ausge—

ſetzten Meeresküſten ſind, wie bereits erwähnt, während des Hochſommers ganz ohne Algenvegetation. An ſchattigen Standorten findet jedoch eine jolche Unterbrechung der Vege— tation nicht jtatt und bier erhält fich das reiche Algenleben gleichmäßig das ganze Jahr über, obwohl die Algen an ſolchen Standorten nach den Jahreszeiten außerordentlichen Differenzen der Temperatur unterworfen find, welche bis: mweilen 9 bis 170 C, betragen!

Ueber die früihere Größe der Inſel Helgoland.

27

Die eben erwähnten Beobachtungen Berthold's haben nach verſchiedenen Richtungen ein großes Intereſſe. Co ergibt ſich aus ihnen eine ſehr einfache Erklärung der auffallenden Thatfache, daß die tropischen Meere eine ver: bältnismäßig Schwache Algenvegetation beißen, daß; namentlich die litoralen Küftenftreden oft gänzlich der größeren Algenformen entbehren und das die Algenflora bauptjächlich aus Florideen beitebt, welche die tieferen Zonen beleben. Die tropischen Meere befinden fich eben gewiffermaßen im Zuftande eines fontinuierlichen Sommers und die ununterbrochene, intenfive Beleuchtung verfcheucht das Algenleben aus den oberen Schichten, in denen ſonſt die grünen und braunen Tange ihren Sit haben. Umgefehrt befinden fich die borealen und arktifchen Meere das ganze Jahr über in ähnlichen Verhältniffen, wie fie das Meer bei Neapel zur

feine Algen mehr vor. Die Wände find bier vielmehr ausfchließlich von verſchiedenen lebhaft gefärbten Spongien überfleivet, während der Algenwuchs in verhältnismäßig geringer Entfernung von der Eingangsöffnung erliſcht. Es geht hieraus hervor, daß das Sonnenlicht tiefer in das Meer einzudringen im ftande ift, als der Algen: wuchs reicht und wenn man mit Carpenter im Mittelmeer als unterste Grenze für das Borfommen der Lithophyllen und Yithotamnien die Tiefe von 150 FD. annimmt, jo ergibt ſich hieraus, dab ſchwache Lichtmengen noch in Tiefen von unter 150 58. dringen müſſen.

Winterszeit zeigt und es iſt daher die enorme Entividelung begreiflich, welche in diefen Meeren namentlich die braunen Tange der Litoralzone erreichen, während die zierlichen

Meber die frühere Größe der Infel Helgoland.

Sloriveen, die Bewohner größerer Tiefen, regelmäßig ſehr zurüdtreten. Die Südſpitze Patagoniens zeichnet fich durch ein außerordentlich gleichmäßiges fühles Klima, ſowie durch eine fait beſtändige Bewölkung des Himmels, mithin durch Berhältniffe aus, welche dem Gedeihen der Algen bejonders zuträglich find. Thatſächlich finden mir aber

auc hier das Marimum der Algenvegetation überhaupt, jene riefigen Algenwälder, welche von jeher das Erſtaunen

aller Neifenden erwedt haben und gegen welche die Algen der Tropen geradezu al3 Kümmerlinge erfcheinen. Bon ganz befonderer Wichtigkeit erfcheinen die in Rede jtehenden Verhältniffe

jedoch

in einer anderen Richtung.

Wenn es nämlich erwieſen iſt, daß zwiſchen dem Vor— kommen der Algen und gewiſſen Intenſitätsgraden des Lichtes ein beſtimmter Zuſammenhang exiſtiert, ſo bietet nun das Auftreten dieſer Pflanzen einen Maßſtab für das

Eindringen des Lichtes

indas Meer.

Das Eindringen des

Lichtes in das Meerwaſſer iſt bekanntlich eine der dunkelſten

Partien in der Phyſik des Meeres.

Nach den Beobacht—

ungen von Lorenz ſollte die untere Lichtgrenze bei zirka 30 Fd., nach jenen von Secchi und Pourtalés, ſowie nad)

der Berechnung Bouguer's zwiſchen 42 bis 50 50. liegen. Verſchiedene Umſtände jegen es zwar außer Zweifel, daß

Th. Bude.

Bon Dr. G. Schneider

in Bremen.

Unter den Beispielen für die zeritörenden Wirkungen, welche die Meerestvogen im Lauf der Jahrhunderte auf das Feftland zu üben vermögen, verdient die Inſel Helgoland unftreitig eine hervorragende Stelle. Die Trennung der Düne von der Hauptinfel und der Einfturz zahlreicher Felspartien an der Weſtkuſte find in der That hiſtoriſch vollfommen beglaubigt, ja ein Teil diefer Veränderungen, z. B. der Einjturz vom Mörmersgatt 1865, tft unter den Augen der noch Lebenden gefchehen. Die Ueberlieferung geht aber viel weiter. Vor einem Jahrtaufend ſoll die Inſel etwa die 100-fache Größe wie jet gehabt haben, und es follen im 11. Jahrhundert nicht weniger als neun Kirchfpiele darauf geweſen fein, von denen eine große Flut im Jahre 1216 fieben verfehlungen habe. In mehreren

Handbüchern der Geographie!

finden fi Karten, welche

die Geftalt der Inſel im 8., 13. und 17. Jahrhundert wiedergeben und welche eine wahrhaft erjchredende Ab— nahme veranichaulichen. Wenn man foldhe Karten in modernen, das Material fonit kritiſch fichtenden Werfen steht,

fann man leicht zu dem Glauben fommen, als handle es ſich hier um biftorifch durchaus verbürgte Veränderungen der Inſel. Bei näherer Betrachtung jtellt ſich jedoch heraus, daß dem nicht fo iſt.

diefe Werte für das Eindringen des Lichtes überhaupt viel zu gering bemeſſen jeten, doch lagen bisher feine weiteren Beobachtungen vor, um ſich über diefen Gegen:

Diefe Erkenntnis verdanfen wir hauptlächlicd den Herren Hiftorifer Lappenberg? und dem Naturforjcher

ſtand ein genaueres Urteil bilden zu können. In diefer Beziehung tft nun bejonders das Verhalten

13.8. Hann, Hochftetter und Pokorny, Allgem. Erdkunde. 3. Aufl. S. 357. Laut gütiger Mitteilung des Herrn Verfaſſers ift derſelbe inder Darftellung von Helgoland engliſchen Werken (Lyell) gefolgt. — Daniel, Illuſtr. Heineres Handb. dev Geogr.

der Algen in den Höhlen der Litoralvegion von großem Intereſſe. Es zeigt fich hier nämlich, daß diejenigen Formen,

welche am tiefiten in die Höhlen vorbringen, welche dem: nad) das geringfte Lichtbedürfnis befien, doch ſchon früher verſchwinden, als das für das menfchliche Auge wahrnehm: bare Licht aufhört. In der blauen Grotte von Kapri z. B. in welcher man befanntlic noch ganz gut Gegen— ſtände zu unterfcheiden im Stande tft, kommen doch gar

2. Band, ©. 617. Bergl. auch Daniel, Handb. d. Geogr. 3. Band ©. 5. — Reclus, Nouv. Géogr. univers. III p. 737 erwähnt diefe Karten ebenfalls. 2 Lappenberg: „Ueber den ehemaligen Umfang und die alte Geſchichte Helgolands.“ Bortrag auf der Natnrforſcher-Verſamm— fung in Hamburg 1830. Die Abhandlung it den auf ihrer Fahrt nach Helgoland in Kurhaven gelandeten Naturforjchern

vorgefefen worden.

IR

Ueber die früihere Größe der Inſel Helgoland.

Nebel ! und es dürfte nachgerade an der Zeit fein, auf ihre Forfhungen über den Gegenftand einmal hinzuweiſen, da dies jelben wohl nicht in dem Grade befannt geworden find, wie ſie es verdienen. Zu den älteſten beglaubigten Zeugniſſen über die Inſel gehört das Adams von Bremen. Aus der Be— ſchreibung, die er uns von dem Helgoland des 11. Jahr— hunderts gibt, können wir ohne Zwang die heutige Inſel wiedererkennen. Sie war baumlos, von ſchroffen Fels— klippen eingeſchloſſen, bis auf eine einzige Stelle unzu— gänglich, und in der Nähe dieſer Stelle befand ſich eine Süßwaſſerquelle, alſo alles wie heute, denn auch eine ſolche Quelle iſt vorhanden. Sie liegt unten links von der Treppe, die nach dem Oberlande führt.“ — Eine Schwierigkeit bieten dagegen die beiden Zahlenangaben, daß die Länge der Inſel faum 8, ihre Breite 4 milliaria betragen babe. Erſtens iſt uns unbefannt, welche Yänge Adam von Bremen unter einem milliare oder milliarium veritanden hat, und zweitens tft das Verhältnis der Yänge zur Breite ein ganz anderes wie gegenwärtig.

der zwei Karten

Inwieweit die hierüber aufgeitellten Konjekturen Lappenbergs (©. 11) und Wiebels (©. 17) der Wahrbeit nahe fommen, dürfte wohl nicht leicht zu entjcheiden fein.

ungen

Sp

viel tft ficher, daß jene Zablenangabe

für Johann

Meyers beim Entwurf der ältejten von den Karten mitbejtimmend geweſen tft, deren Kopien im Eingang erwähnt find. Sein Helgoland von 800 ıjt im oſtweſtlicher Nicht: ung etwa doppelt fo weit ausgedehnt als in nordjüdlicher. Es bat in feiner Form eine entfernte Aehnlichfeit mit einem umgefebrten Epheublatte. Wir finden darauf vier Tempel, zwei Klöjter, verfchiedene Dörfer und Burgen, zehn Flüffe und mehrere Waldungen. Eine Linie trennt

das um 1300 übrig gebliebene Stüd der Inſel ab. Daß Meyer eine ältere Karte vorgelegen babe, tt nicht anzunehmen, feine ganze Kenntnis bat ex vielmehr, wie fein Mitarbeiter Danckwerth jagt, „ex traditionibus, sed humanis“ geſchöpft. Er tft nad) jeiner eigenen Aeußer— ung in Begleitung alter glaubwürdiger Männer des Yandes an der Hüfte den Tiefen nachgefabren und bat jich beſon— ders mit den Stellen befannt machen laſſen, wo eimit Kirchen und Dörfer ftanden. Das unzuverläffige Ergebnis older Erfundigungen zufammen mit dem Inhalte alter Sagen und unbaltbarer gelebrter Hypotheſen bat Meyer die Dreiftigfeit gehabt, jeinen Zeitgenofjen unter der Firma

von 800

und 1300 vorzulegen.

Süthen: und Viethenburg ettvas Wahres fer.”

2 Herrn Dr, med. Schwarz Mitteilung, umgebenen

daß

auf Helgoland verdanfe ich die

Die Nach—

läffigfeit, mit der Meyer beim Entwurf einer Karten ver fahren ift, geht beionders aus dem wahrbaft lächerlichen

Umjtande hervor, daß fein Helgoland von 1649 um ein Erhebliches Kleiner ift als die heutige Infel! Was jollen ung darnad) feine beiden älteren Karten mit ihrem flachen Lande, das an zahlreichen Stellen leicht zugänglich er— {cheint, mit ihren Tempeln und Dörfern, von denen Adam von Bremen nichts erwähnt, mit ihren Waldungen, wäh: rend diefer die Inſel ausdrücklich baumlos nennt? Es find Phantafiegebilde und weiter nichts. Gegen die frühere beträchtliche Größe der Inſel und gegen das Vorhandenfein der 9 Kirchſpiele Spricht auch die Thatjache, daß Helgoland in den fchriftlichen Heberliefer:

aus der Zeit von 1072 bis um

die Mitte des

14. Jahrhunderts immer nur dem Namen nad er: wähnt wird. Eine Inſel von der behaupteten Ausdehn: ung, ſelbſt ohne Kirchipiele, hätte viel mehr von jich veden

gemacht. Als fie um 1400 unter Hamburgs Oberherr— lichkeit fam, war aller Wahrfcheinlichkeit nach Fein ges ichriebenes Necht dort vorhanden und zu feiner Zeit haben fih auf der Inſel auch nur Spuren einer jelbjtändigen Ichriftlichen Ueberlieferung gefunden, durch die die Behaup— tungen von ihrer einftigen Größe ſich erhärten Liegen. Bon der Deden? erwähnt zwar, noch 1809 hätten ver— ichiedene Helgoländer, ohne irgend eine Beichreibung ihrer Inſel zu fennen, zur Zeit der Ebbe, joweit das Auge veicht, in der Umgegend der Inſel die Stellen zu bezeichnen gewußt, wo einst heidnifche Tempel, Kirchen, Klöjter und Schlöffer gelegen geweſen feien. Aber es bleibt doch wohl feine andere Annahme übrig, als daß die Kenntnifje diefer Helgoländer indireft von der Meyer'ſchen Darftellung her: jtammten. Bei genauerer Nachforſchung erjcheint die Sage von der früheren Größe als eine tendenziöje Er— findung; ſie iſt allmählich entjtanden, nachdem der Herzog. von Schleswig um 1500 die Inſel in feinen Beſitz ge: bracht hatte.? Die Ueberlieferung von den 9 Kirchfpielen fällt auf den nordfriefischen Chroniſten Heimreich (1. Ausgabe

1666) zurüd, der fie Meyer 1 Wiebel: „Die Inſel Helgoland. Unterfuhungen über deren Größe in Vorzeit und Gegenwart, vom Standpunkte der Gejchichte und Geologie.” Hamburg 1848,

Man

muß fich billig wundern, daß er damals und fpäter über: haupt Glauben gefunden, zumal da fchon fein Mitarbeiter Dandwertb „ſehr zweifelt, ob aus den Alten zu erweiſen, daß dergleichen Schlöffer . . .jemals auf Helgoland be— legen geweſen feien, auch nicht dafür hält, daß an der

bauptet.? Das

nacherzählt

bedeutfamjte Ereignis,

zu haben be=

das in hiltorifcher Zeit

die Inſel betroffen, iſt unjtreitig die Trennung der Düne

das Waſſer diefes von einer hölzernen Faſſung

Brunnens

ein gutes Trinkwaffer

darftellt.

3 J. Meyer und C. Dancdwerth: „Neue Yandesbejchreibung der 2 Herzogtümer Schleswig und Holftein.“ 1652. Die beigegebenen Karten find von Meyer gezeichnet, der Text ift von Dandwerth. Der Grumdriß von Helgoland fteht zwiſchen ©. 112 und 113,

I Meyer und Dandwerth, S. 154. 2 2.2. Deden: Die Inſel Helgoland ihre Bewohner. Hannover 1826. ©. 24.

3 Wiebel ©. 33. » Yappenberg ©. 12.

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oder Heiligeland und

Die älteften Bewohner

des Gonvernements

einen überaus friedlichen Sinn auszeichnete, war er ſtets den Angriffen der Polowzer, Chaſaren und anderer kriegeri— ſchen Steppenvölker ausgeſetzt, hauptſächlich hat aber das Tatarenjoch auf demſelben gelaſtet, welches zu deſſen all—

mählichem Ausſterben und Aufgehen viel beitrug. Die einzigen Erinnerungen an dieſes Volk bildet gegenwärtig nur noch die Nationaltracht der Frauen und die eigen— tümliche Ausſprache vieler ruſſiſcher Wörter, welche man

preisgegeben und twich daher immer mehr zurüd. Co geben zwei mir vorliegende Karten von 1719 und 1763 weſent—

hauptſächlich inden Dörfern Kirilowa, Sjademka und Kraßnaja-Dubrowa beobachtet. Zäher als das Meſchtſcherentum hat ſich das Volk der Mordwinen behauptet. Daß die Mordwinen ſchon vor der ruſſiſchen Einwanderung das Gouvernement Tambow bewohnt haben, beweiſen zur Evidenz die mordwiniſchen

lich verfchiedene Bilder. Schon 1770 hatte fi) der Durch: bruch auf 1500 Fuß erweitert und fo vertieft, daß Kauf— fahrer von dem Nord» in den Südhafen ſetzen konnten.! Im Verhältnis zu den Veränderungen der Gejtalt der Düne bat die Hauptinfel infolge ihrer felfigen Natur nur wenig gelitten. Um ein Urteil über die Geſchwindig— feit zu erhalten, mit welcher die Auswaſchung in unjeren Tagen vor ſich geht, jtellte Wiebel an verjchiedenen, dem Anprall der Wogen befonders ausgejegten Stellen vergleichende Meffungen an, welche um einen Zeitraum von 7 Jahren auseinander liegen. Es bat fi ein Erofionsfoeffizient von überrafchender Kleinheit herausgeitellt, näm-

Bezeichnungen der Städte, Dörfer und Grenzorte. Selbſt die Benennung der Gouvernementsſtadt Tambow iſt aller Wahrſcheinlichkeit nach mordwiniſch. In der Sprache der Mordwinen bedeutet „Tambow“ ſoviel als „eine tiefe Stelle im Waſſer“. In der Nähe der Stadt Tambow befindet ſich der Fluß Naru-Tambow. Zieht man nun das Lexikon der mordwiniſchen Sprache zu Rate, ſo wird

man darüber belehrt, daß die Bezeichnung Naru-Tambow

lich im Jahrhundert ein Nüdzug der Hüfte um nur 21/, Fuß,? fo daß feinerlei Grund zu der Befürdtung vorhanden tft, die Inſel werde im Verlaufe weniger Jahrhunderte von der Erde verſchwinden. Zugleich liegt in dem Ergebnis jener Mefjungen eine gewiſſe Stütze für die Anficht, daß die Inſel vor 1000 Jahren, wenn auch jedenfalls größer als gegenwärtig, jo

in der Sprache der Mordwinen eine „graſige tiefe Stelle im Waſſer“ bedeutet, was den Charakter des genannten Fluſſes binlänglich fennzeichnet.

Bis auf die Gegenwart haben fich bei den Mord— winen im Tambowgebiete nur dürftige Ueberlieferungen aus der legten Weriode ihrer Gelbjtändigfeit und der Zeit der Ueberfälle feitens der Tataren erhalten. Friſcher leben jedoch in dem Gedächtniſſe derjelben die Ueberlieferungen aus der Zeit der Angriffe von Seiten der Nogai— Tataren fort. In den mordwiniſchen Dörfern hört man noc in unferer Zeit Gefänge erfchallen, deren Hauptinhalt von der troftlofen Lage und dem unfäglichen Elend des Volfes der Mordivinen handelt. Vor der Bekehrung desfelben zum Chriftentum, welche ih endgültig unter der Negterung der Kaiſerin Eliſabeth

doch nicht von der vielfachen Ausdehnung ihrer heutigen Größe geweſen jet.

Die älteften Bewohner des Gouvernements Inmbow. dem „Prawitelſtwenny Weſtnik.“)

Als die ursprünglichen Bewohner des Tambotvgebietes können unftreitig die Mefchtfeheren und Mordivinen be zeichnet werden.

Petrowna vollzog, war dasjelbe der Vielgötterei ergeben. Der Hauptgott der Mordivinen hie Wjardja-Schkoi, doch beteten diejelben ihn fajt nie an, indem fie ihn für ein den Menſchen durchaus unzugängliches Wefen hielten. Die

Aus den Mitteilungen, die in dem Werfe des Herrn Dubafjow: „Hiſtoriſche Skizzen aus dem Tambowgebiete“, über die erwähnten Völferichaften enthalten find, gebt

übrigen Götter dieſes Volkes jollen in beiden Geſchlechtern ihre Vertretung gehabt haben. Diefe waren: Maftarsate

hervor, daß die Mefchtjcheren ſich ſchon längjt mit der ruſſiſchen Bevölferung vermifcht haben und daß aus diefem Grunde keinerlei nationale Weberlieferungen bei dieſem

Volke zu finden find.

(Vater der Erde) und Maſtar-awa Mutter der Erde), Wed⸗ate (Vater des Waſſers) und Wed-awa (Mutter des

Geit den erjten Anfängen der ruſ—

Waſſers) u. a. m.

jiichen Gefchichte bis zum 17. Jahrhundert war das Tambomwgebiet hauptjächlich unter dem Namen des Mejchticheren(andes befannt und diefer Umstand Spricht dafür, daß den Hauptteil der Bevölkerung dieſes Gebietes die Mefchticheren

Bon den heidnifchen Feten der Mordivinen find in der Gegenwart nur noch zwei befannt, das eine zu Ehren der Feldgötter und das andere zu Ehren der Hausgötter.

Das erſtere Felt wurde

von jeher bildeten. 1 Wiebel ©. 206. 2 Wiebel

S. 205.

Ausland

1884, Nr, 2.

29

Da ſich der Volksſtamm der Meſchtſcheren immer durch

von der Felſeninſel. Dieſe Kataſtrophe trat am 1. Januar 1721 ein. Zehn Sabre vorber war bereits der legte Reſt der auf der Düne gelegenen Witten Kliff verſchwunden, auf welcher noch 1618 ſchwunghaft ausgebeutete Kalfbrüche geweſen, und die fich jelbit noch auf Meyers Karte von 1649 als eine ſehr anjebnliche Erhöhung verzeichnet findet. Tach dem Durchbruch des Steinwalles zwischen der Felſen— injel und der Düne war leßtere dem Angriff der Wellen

Nah

Tambow.

J

auf dem Felde abgehalten und

bejtand hauptfächlih aus einem allgemeinen Schmaufen mit Gefang und Tanz verbunden, wobei die Knochen, welche vom Mahle übrigblieben, ins Waſſer geworfen 6

30

Die Älteften Bewohner

des Gouvern ments

wurden. Am Fluſſe Tſchiuſch, welcher längs dem Dorfe Pokrowskije Seliſchtſchi (im Kreiſe Spaßk) fließt, zeigt man noch gegenwärtig die Stelle, wohin die Knochen von den Opfermahlzeiten geworfen wurden, um dieſelben vor der Gefräßigkeit der Haustiere zu ſchützen; dieſe Stelle heißt Pakarn-Tamba, d. h. Knochengrube. Die Zeremonie zu Ehren eines Hausgottes fand bei den Mordwinen ſchon ohne eigentliches Feſtgepräge ſtatt, und zwar wurde dieſelbe von jeder Familie einzeln auf dem betreffenden Hofe veranſtaltet. Derſelben ging ein Gebet voraus, ſodann wurden von alten Leuten zur Nacht kleine Brötchen auf Pfähle gelegt und fand man dieſelben am nächſten Morgen auf letzteren nicht mehr vor, ſo wurde dieſes als eine gute Vorbedeutung angeſehen und dahin erklärt, daß der Hausgott das Opfer angenommen babe. Bei Gelegenheit der Geburten fanden bet den heidni— ſchen Mordwinen feine bejonderen Zeremonien ftatt, der Neugeborene erbielt feinen Namen von der Hebamme. Bes fand ſich der Vater des Neugeborenen während deſſen Geburt im Walde, jo erbielt legterer einen Namen, der irgend ein Attribut des Waldes auspdrüdte; hielt er ſich jedoch während der Zeit auf dem Felde auf, jo wurde dem Kinde der Name derjenigen Getreidegattung gegeben, twelche derjelbe gefäet oder geichnitten, oder der Name desjenigen Drtes, an welchem er gearbeitet hatte.

Der Ueberlieferung

zufolge fanden bei den Mord—

winen bei Gelegenheit der Hochzeiten die Zeremonien in folgender Weise jtatt: Der Vgter des zukünftigen Bräu— tigams ging auf die Suche nad einer Braut für den— jelben aus und fand er ein Mädchen das ihm gefiel, jo verjorgte er fich mit einem mit Honig beitrichenen Brötchen, ritt an die Wohnung des Mädchens heran, warf das Brötchen über den Zaun berüber auf den Hof, bei welcher Gelegenbeit er jih bemühte, unbemerkt zu bleiben und ritt fodann ftrafs nach Haufe zurüd. Der Vater des Mädchens oder die Brüder desjelben jagten unmittelbar darauf hinter ihm ber und hatten fie nicht die Abficht, in veriwandtichaftliche Beziehungen zu ihm zu treten, jo holten fie ihn ein und gaben ihm das mit Honig bejtrichene Brötchen zurüd; im entgegengejegten Falle aber jagten te demfelben nur zum Scheine nach, luden bei ihrer Rückkehr nad) Haufe die Verwandten und Nachbarn zu fich ein und verfpeiiten gemeinschaftlih mit ihnen das zugeivorfene Brötchen. Die Zeremonie bei der Trauung wurde don irgend einer bejahrten Frau vologen, welche dem Bräutigam die Müße und der Braut das Stirnband abnahm, mit diefen Gegenjtänden über den Häuptern des Bräutigams und der Braut mehrmals einen Kreis bejchrieb, der Braut die Mübe aufjebte und dem Bräutigam das Band anlegte und mit diefer Manipulation die Trauung beichloß. Eine nahe Verwandtichaft bildete durchaus fein Hindernis für die Eheſchließung. Aus einem Liede der Mordivinen gebt

Tambow.

=

hervor, daß die Witttven die Brüder ihrer verjtorbenen Männer, die Wittwer aber ihre Schwägerinnen hewaten mußten. Bezüglich

der Zeremonien

bei den Beerdigungen tt

nur befannt, daß die Mordivinen ihren Toten deren Lieb(ingsgegenftände und ihr. Handiverfszeug in die Gruft mit bineinlegten, ſowie auch verjtorbenen Kindern das Spielzeug und diejenigen Gefäße mit in das Grab gaben, deren ſich die Kleinen beim Eſſen bedienten. Darauf werfen

die Unterfuchungen der alten Gräber der Mordwinen hin. Auch feiner Toten gedachte diefes Voll. Zu dieſem Zwecke befuchten die Mordmwinen die Gräber ihrer Ver wandten hauptſächlich in der Nacht, banden Ochſen oder Hammel an die Umzäunungen derjelben und nad) dem fie ihre Gebete gefprochen, fchlachteten fie diejelben und verſchmauſten fie. Bezüglich der Sitten und Gebräuche der Mordwinen

der Gegenwart find in dem bereits erwähnten Werte des Heren Dubafjow einige intereffante Mitteilungen enthalten. Unter anderem lenkt der Verfaſſer feine Aufmerkfamteit auf die zur Zeit bei den Mordivinen bejtehenden eigen: tümlichen Begriffe über das Anftandsgefühl und führt beifpielsweife an, daß eine junge Mordwinin nie und nimmer vor ihrem Schtviegervater oder einem anderen be— jahrten Verwandten barfuß oder ohne Kopftuch ericheint.

Anläßlich des fo entwickelten Anftandsgefühles

legen Die

Mordivinen ſelbſt zur Nacht ihre Fußbekleidung nicht ab und Schlafen in Felle eingehüllt und mit hohen Stiefeln Unter den Ehegatten wird der Anjtand jo angethan. minutiös betrachtet, daß ftez. B.einander nie beim Namen nennen, fich ftatt deſſen aber der Fürtvörter oder Cigenſchaftswörter bedienen, die irgend welche Mängel des Einen

oder de3 Anderen bezeichnen. Mas nun die Sprache der Mordwinen anbetrifft, jo muß bemerft werden, daß diefelbe in lexikologiſcher Sinficht arm ift und gegentvärtig ihrem Untergange entgegengeht. In der Sprache der Mordivinen werden die Hauptwörter nicht nach dem Gejchlecht unterfchieden und die Zeitwörter haben fünf Modi, nämlich: den Infinitivus, Indikativus, Konjunktivus, Optativus und Konzeſſivus. Eine reine mordwiniſche Sprache eriftiert gegenwärtig nicht mehr, und diefes ift hauptſächlich aus den Volks⸗ liedern erſichtlich, welche von Ruſſizismen durchſetzt ſind. In vielen mordwiniſchen Dörfern, z. B. in Lepleika, Wetſchutkino und Kelgenino, miſcht ſich die mordwiniſche Be— völkerung ſchon bedeutend mit der ruſſiſchen und die Zeit iſt nicht mehr fern, in welcher erſtere im ruſſiſchen Element

vollſtändig aufgegangen ſein wird.

Dr. C. Hiekiſch.

Broferpinen im Malaiiſchen Archipel.

Proferpinen im Malaiifchen Ardipel. Die griechifche Broferpina gilt uns als der Typus einer unterirdischen Gottheit, welche in der Borftellung mit der Herrfchaft über das Neich der Toten das Scheinbar Konträre der Fürforge für das pflanzliche Yeben der Ober:

welt vereinigt.

Obwohl uns diefe Kombination von Bes

griffen bejonders ſinnig erfcheint, jo it fie doch bemerfenstvert jelten in Mythen gedacht worden. Zwei malaiiſche Seftalten, die von der Art find, dürften darum befonderes

Intereſſe verdienen. Zunächſt liegt eine Art Broferpina von Süd-Borneo vor. Schwaner thut in feinem Buch „Borneo“ (I, 176) einer in der Unterivelt wohnenden Gottheit Erwähnung, die die Pflanzen befchüst und den Namen führt: „Kaloe

Tunggal Tufjoh.”

Indem Schmwaner diefen Namen mit

„Käla (der indische Gott des Todes), der Alleinige, Peini— gende” überjegte, ſchien er auch eine verberbliche Geite an diefer unteriwdiichen Pflanzengöttin aufzudeden. Doch it jeine Ueberſetzung des Namens (befonders „Tuſſoh“ als tussok, jtechen und jtechen tropiſch als peinigen gefaßt) gewaltſam und darum auf jeden Fall unglaubwürdig. Bei Hardeland (im Dajakſch-Deutſchen Wörterbuh ©. 624)

fommt ein Wort tusoh, mit der Bedeutung „vBruſt“ (malaiiſch susu) vor. Nehmen wir dies für die Meitere Erklärung einjtweilen ad akta. Von Süd-Borneo werden noch einige andere Geftalten ähnlichen Namens und aucd in der Unterwelt wohnend genannt, aber bei anderen Autoren und mit einer bemerfenswerten Abweichung in ihrer Funktion. Es find Kaluä bet Hardeland (a.a.D. ©, 216), Kloweh bei Berelaer (Ethnographiiche Beichrijving der Dajaks ©. 22), Kloä bei

Hupe

(Tijds. v. Ned. Ind. 1846, IL, 134), bei Weddick

(Indisch Archief I, 450) und Kalu& bei Temmind (Verhan-

delingen over

de natuurlijke geschiedenis

ete.

Teil

Land-en volkenkunde ©, 405). Bei Temmind allein erfcheint

Kalu& als eine im allgemeinen todbringende Geftalt.

Dei

allen übrigen iſt der Geſtalt Kloä, Kaluä zc nur die Ipezielle Thätigfeit, daß fie dem Leben der Neugeborenen heimtückiſch nachitellt, zugefchrieben. In diefer Weiſe wird fie bei Hupe geſchildert. Ber Harbeland heißt es ſpezieller, daß „ste die Kraft hat, das Gebären zu verhindern.” Bei

Weddick, daß „te den Neugeborenen in den Naden faßt und ibn in ein Wahnbild (Pehingen) verändert.” Aus Furcht vor ihrem verderblichen Einfluß, heißt es bei Harde—

land, jtreuen ihr ſchwangere Frauen oft Neis zum Opfer auf die Erde.

Von Kloweh führt Berelaer nur an, daß

fie die dajakiſche Luzinia (Luzina) jet, der Schwangere Frauen opfern. Dffenbar hat er diejelbe Geftalt tie Hardeland und die anderen im Auge. Der Vergleich mit der römischen Zuzina aber hinkt dann und it nicht ganz richtig gewählt. Von dieſer Gejtalt heißt es nun mehrfach, daß fie nur eine Brut habe mitten auf dem Leibe. Darin haben

31

wir eine maßgebende Berührung mit der die Pflanzen be— ſchützenden Gottheit Kaloe bei Schwaner. Kalos Tunggal Tuſſoh heißt (nit Tuſſoh — Tuſo, Bruſt) offenbar nur die „Kalo& mit der einen Bruſt“. Die Pflanzengöttin Kaloé und der Spukgeiſt, der das Leben, befonders der Kinder beeinträchtigt, Kaluä, Kloä, Kloweh, find daher eine Perſon. Es it eine mythologiſche Geſtalt der Unter: welt, an die zwei Scheinbar fonträre Funktionen, die Ver: waltung des Todes und die Beihüsung des pflanzlichen Lebens, ähnlich wie an Broferpina, jene finnige, griechiiche Geſtalt, angelmüpft find. Dem Gefchlechte nach iſt Kaloé entfchteden weiblich. Ihr Name knüpft an die indische Göttin Kalı (nicht Kala, wie Schwaner meinte) an. Ihrer Stellung nad aber ſchwankt fie zwischen der Geltung als Gottheit und der als gewöhnliche Spufgeftalt. Kaluä bei Harbeland und Kloä bei Weddick bezeichnet ein ganzes Geſchlecht von Spufgeiftern, welche alle ein und diejelbe

Aunftion ausüben, (Göttin Kali)

Die geringere Auffaffung von Kaloe

als Spukgeiſt

iſt darin am jchärfiten zum

Ausdrud gelangt. Die andere proferpinaäbnliche Gejtalt begegnet ung im Malaiiſchen Archipel auf Java in einer der bis jebt wenig geachteten Inſchriften von Surabaja. ES heißt in der zweiten derjelben: „Es fer aber fund dem Landmann,

daß der, welcher über das Adergerät gejegt it, der Sohn eines Dewata, Namens Sang ywang Kalamerta it. Er it fehr gut, er beſchützt alle Ucerbauer des Landes. Sang ywang Stalamerta erregte von Anbeginn Schreden allen jolchen, die nicht den Befehlen Batara Guru's gehorchen, weil er Macht erhalten bat, von Batara Guru zu verderben, zuerit alle lafterhaften Berfonen, zweitens die Uebelſprechen— den und drittens die Lügner. Diefe drei Yalter merfet von Euch und ihr werdet wohl thun, VBerzeibung zu er: bitten von dem Batara, daß ihr entgeht der Wut Sang ywang Salamerta’s (cf. Naffles, History of Java Il, OXXXIV). Hier iſt Kalamerta offenbar eine Gottheit der Aderbauer und des Todes zugleih. Wilhelm von Hum— boldt (Kawiſprache, 1, 228) bemerkt richtig, daß die Ver: bindung beider Zunftionen in Kalamerta als Gottheit der Unterwelt gejucht werden muß. Die Notiz der Inschriften von Surabaja tft bis jeßt die einzige Nachricht über eine derartige Geſtalt von Java. Ihre Iſoliertheit läßt jedoch nicht an ihrer Nichtigkeit zwei— feln und es würde verkehrt fein, weil man die bisherige

Yefung

der viel fremdartiges

bietenden

Ochriften über:

haupt anzweifelt, darum auch über Dieje proferpinaähnltche Geſtalt von Java den Stab zu brechen. Deren Richtig: feit ft durch die Parallele der borneaniſchen Kaloe garan— tiert und fo dient die Notiz von Sang ywang Kalamerta in den Inſchriften von Surabaja gerade umgekehrt dazu, das Vertrauen auf die allgemeine Glaubwürdigkeit ihrer bisherigen Leſung um ein bedeutendes zu erhöhen. Als auf einen zweiten Beweis für die allgemeine Richtigkeit der Lefung weiſe ich auf die zwar eigenartige, aber

32

Proſerpinen im Malaiiſchen Archipel.

doch mit der ſonſtigen Stellung genau harmonierende Auf— faſſung von Batara bin, wie ſie nach dieſer Leſung in den Inſchriften erſcheint (vgl. meine Behandlung des Gottes Batara Guru, Verh. der Berliner Geſellſchaft für Erd— kunde,

1883, Heft 3.

Rechten läßt ſich uber den Namen Kalamerta. Der zweite Beſtandteil merta (ſterblicher Menſch) oder amerta (unfterblich) ſcheint überflüffig und kann leicht irrig ſein. Auch die männliche Natur der Gottheit, die durch die gegenwärtige Faſſung des Textes angezeigt wird, iſt wenig: ſtens nicht über jeden Zweifel erhaben. Aber dies berührt nur die Accidenzien der Geitalt. Die Geftalt an ich ift echt und darf nicht in Ziveifel gezogen werden. So bieten alfo Java und Borneo zugleich je eine der jeltenen Barallelen zu der jinnigen griechischen Proſer— pinagejtalt dar, zu der ſelbſt in der vorderindifchen Mytho— logie die Parallelen fehlen. Offenbar aber lehnen fih Kalamerta und Kaloe an diejelbe Gejtalt oder verwandte Öeftalten der hinduiſchen Mythologie an, an Kali und Sala, die indischen Gott: heiten des Todes. Der Umfang ihrer Funktionen entjpricht einigermaßen dem von Siwa und Kala, namentlich aber dem von Parvati, der Gemahlin Siwa's, und Kali, welche die Ummandlungsform von Parvati iſt, zufammen. Bar: vati, die Gemahlin Siwa’s, des vernichtenden, aber auch Iichaffenden Gottes, iſt jelbjt auch und vor allem eine pofitiv ihaffende Gottheit, die Göttin der Fruchtbarkeit: in ihrer

Form als Bhavanı geradezu die Göttin der zeugungsfräftigen Natur. Von Frauen wird fie daher auch in Nöten angerufen. In der bindujavanischen Mythologie find Kalı und Kala beide befannt. Wie in Vorderindien, ift Kali auch in dem japanischen Wert „Manik Maja” die Um— wandlungsform der Gemahlin Batara Guru =Siwa’s, Uma Parvati.

Von Batara Guru verſtoßen, wird Uma in ein Un— geheuer verwandelt und als Kali, als Göttin der Unter— welt eingejegt. Als ihr Sohn gilt Batara Kala. Diejer fommt ſonſt noch in javaniſchen Epen als ein jchreelicher Gott vor, als Gottheit der Pflanzenwelt aber, wie Kala—

merta es iſt, anjcheinend nirgends. Es iſt jehr möglid, daß Kalamerta und Kalosé als den Menjchen todbringende und das Leben der Pflanzen beihügende Gottheiten die Kombination der ſchaffenden indischen Gottheiten Barvati oder Siwa und der vernichtenden Kali oder Sala wiedergeben. Bei der borneanifchen Kaloé legt ſich der Vergleich von Kali und Barvati am nächſten. Warum auch stellt Kaloe gerade dem Leben der neugeborenen Kinder befonders nach? Die Vermutung ltegt nahe: Wie Barvati die Geburten fördert, jo mußte ihr jchredliches Gegenbild den Geburten feind fein, und jo ſpiegelt ſich vielleicht darin eine Eigenschaft der einen Seite der Doppelnatur Barvatisftali in einer Weife, welche dienen kann, die Beziebungen beider Seiten zu einander bier enger als jonjt geknüpft erjcheinen zu lafjen.

Aber gejebt auch, es entiprächen Kalamerta dem in-

dischen Siwa,

Sala, Kaloe

der indischen Parvati Kali,

ejjentiell nach dem Umfang ihrer Funktionen, fo tft doc) Hay, daß nur Kalamerta und Kalo& proferpinaähnliche Natur haben, jene indifchen Gottheiten nicht und daß eine Verschiedenheit zwifchen ihnen vorhanden tft, die noch einer

bejonderen Erklärung bedarf. Barvatisftali und Siwa— Kala find gewifjermaßen Zichtgottheiten, welche auch eine Funktion in der Unterwelt verjehen, gewiſſermaßen eine indische Auflage des ägyptiſchen Oſiris, der um feiner vers nichtenden Sträfte als Sonnengott willen auch eine Funk tion im Totenreiche ausübt. Kalamerta und Kaloe aber

haben als Verwalter des Todes

und pflanzlichen Yebens

ihren Schwerpunft, fozufagen den Fokus ihrer Aeuferungen,

in der Unterivelt, und dies macht bei der fonjtigen Aehn— lichkeit der Funktionen ihre befondere proferpinaähnliche Natur und eine generelle VBerfchiedenheit von jenen indischen Gottheiten aus. Nalamerta und Kalos entjprechen alfo vielleicht im ganzen Siwa-Kala und Parvati-Kali, aber das mytho— logiſche Genus iſt dann an dieſen gemwechjelt. Schiverwiegend ift die Veränderung, einfach und leicht erfcheint der Äußere Prozeß, durch den fie fich vollzogen hat. Es bat anjfcheinend nur eine andere Striftallifation der Mole— füle jtattgefunden, um aus den vorderindijchen Gottheiten eine von ihnen ganz verſchiedene javanische und borneanifche bervorzubilden — ein Beweis, wie äußerlich einfach ſchwer— wiegende, innere mythologiſche Umwandlungen vor jich zu geben pflegen. Die Umwandlung felbjt hat zweifelsohne das malai{che Volfselement herbeigeführt. Auch Kalamerta, obwohl eine hindujavaniſche Gottheit, iſt zweifelsohne viel mehr eine malaiiſche Gottheit, als eine hinduische. Sch benuße diejen Geſichtspunkt, um ihn auf’3 Neue der Auffaffung entgegenzujtellen, als babe man in. den geiſtigen Erzeugnifjen der Hinduzeit immer nur vorwiegend oder ausschließlich folche

hindutschen Geijtes zu jehen. Im Gegenteil, das binduifche Java, ſoweit wir es fennen, trägt zum großen Teil viel: mehr den Stempel des malatijchen Beiftes an fich, als den des hinduischen. Man wird auch in den geiftigen Erzeug— nifjen der Hinduzeit Java’s im Durchſchnitte deutlicher die

Spuren de3 malaiiſchen Geiftes, als die des hinduifchen Geiſtes wieder finden fünnen und hat darum wohl Grund, ber allein einschlägigen Fragen das malaiiſche Element im allgemeinen weit mehr in Rechnung zu zieben, als es bis jeßt für gewöhnlich gejchieht.

Welcher pſychologiſche Zug aber hat den Malaien den Anſtoß zur Umformung von Kala oder Kali, oder von Siwa-Kala und Parvati-Kali in projerpinaähnliche Ge-

Italten gegeben? deuten.

Darauf darf man nur jcehüchtern bin-

Erdgottheiten

nicht rein negativer Art fommen

bei den Malaien mehrfach vor.

Vielleicht hat das frühere

Vorhandenſein jolcher auf demfelben Boden die Umgeſtal— tung herbeigeführt over gefördert. Sicher aber ift fo viel

Proferpinen im Malaiiſchen Archipel.

daß die Umwandlung von Kala und Kali in eine proſer— pinaähnliche Geſtalt mit einer ganz beſtimmten Bewegung der hinduiſchen Mythologie bei den Malaien übereinkommt, derſelben Bewegung, durch die auch Batara Guru ſeinen

endgültigen

javaniſchen

Charakter

gewonnen

bat.

Der

indiſche Olymp ſondert ſich bei den Malaien einigermaßen

in geographiſche Elemente von ähnlicher phyſiſcher Bedeu— tung auseinander. Um Himmel und Erde und ihnen ana— loge Teile des gefannten Weltalls müſſen fich die mytho— logischen Figuren konzentrieren, um dem Malaten denkrecht zu ſein.

Wie Batara

Guru

auf Java fi dadurch als eine

Urt reiner Himmelsgott berausgefondert bat, jo ſcheinen durch denjelben Zug Kala und Kali zu feiter geprägten Gottheiten der Erde, ihrer böfen und guten Kräfte, gewor— den zu fein. Sehr bemerkenswert würde es fein, wenn an Kala— merta und Kalv& fich noch die Idee anlebnte, Daß die Erde

aud für den Menſchen

nur der Durchgangspunkt vom

iwdiichen Tod zum neuen Leben ift. An den Elementen dazu fehlt es der malatischen Pſychologie nicht. Ein über: aus charakfterijtiicher Zug derſelben iſt die mweitverbreitete

Herleitung des Menfchen von der Pflanze bei ven Malaien. Wie unfere Borftellungen alle darauf zugejchnitten find, daß der Menſch ein Erdenklos ift, wie Adam aus Erde gebildet wurde, ähnlich durchgehend tft bei den Malaien die Boritellung, daß der Menſch von der Pflanze abſtammt, ja zum Teil iſt es Anficht, daß er auch fortdauernd von diefer her feinen Uriprung nimmt. So erzählen die Ta— galen, daß der Menjch mit jeinem Weibe von dem Halme eines Schilfrobres, das auf Sumatra wächſt, berfamen, die Viſayer auf den Bhilippinen, daß ein Geier einen Bambus jpaltete, aus welhem Mann und Frau entitans

den, welche viele Kinder erzeugten (Blumentritt, Ahnen: fultus der philippiniſchen Malaien ©. 40). Auf Selebes joll die erjte Fürftin

diden Rattan

der Yandichaft Suwawa

aufgeiproßt

Holontalo ete. €. 75).

fein (Niedel,

aus einem

Landschappen

In der Minabafja heißt es, daß

Wailanwangko aus einem Kofosbaum, den er zerbrach, den Menjchen hervorgehen lieg (Graafland, Minahaſſa, r 79.) Sn einer ſüdborneaniſchen Mythe entſteht der erite Mann der eriten Frau aus einem Baumftamm. Dieſe jelbjt entitebt, indem das Blatt eines Baumes, das vom

Vogel Sinang in den Geifterfluß geworfen it, bon der nad) ihm ſchnappenden Meltichlange an das Land geſpült und dort wie durch magische Berührung mit derfelben zur Frau umgeitaltet wird (Schwaner, Bornev 1, 178). Gerade

das Blatt iſt es, das noch mehrfach ebenfo oder ähnlich bon der Mythe verwendet ift. Sp in zwei Werfen des binduischen Java. Im Kanda pflüct Tunggal ein Blatt des Kaftuba-Baumes und fchafft ſich daraus eine Ge— mahlin;

fein Sohn

Batara

Guru folgt fpäter dem von

ihm gegebenen Beifpiele. In dem Brata Yubda dagegen heftet einmal Batara Guru dem Iofe ſpottenden

33

Narada ein Blatt auf den Nüden, aus dem ein Affe entjtebt, für den Narada ferne eigene Vaterschaft zugeftehen muß. Bon befonderem Intereſſe tft, wie bisweilen die itete Erneuerung des menjchlichen Yebens an die Pflanze angefnüpft wird. Darüber liegt je ein Zeugnis von Süd— und von Nord-Bornev vor. In Süd-Borneo heißt es, daß die Seele des Menfchen in dem Baſt, Blatt, der Blume und Frucht der Nährpflanzen enthalten ſei. „Wird nun die Frucht, die Blume, das Blatt oder der Baſt durch ein Gefchöpf gegeſſen, dann ıjt das Mefen im jtande, zur sortpflanzung des Menjchengefchlechts mitzumirfen.” Gebt der Pflanzenteil in einen Menschen über, jo wird ein Menjch daraus, wenn in ein Tier, jo ein Tier. Der Kreislauf des menjchlichen Werdens und Vergehens wird jo geichlojfen, daß es beißt: Die Seelen der Ge: ſtorbenen gelangen unter die Erde und nach jtebenmaliger Erneuerung ihres unterirdiſchen Lebens durch die Pflanze wieder zurück im das Menfchtum (ef. Perelaer a. a. O. S. 17). In Nord-Borneo beißt e8: „Wer jtirbt, kommt unter die Erde und wird Bejawi, jtirbt er als Bejamwı, dann Begutur (ef. übrigens Begu, die böfen Geiſter der Batta und Niaſſer), jtirbt er als Begutur, jo kehrt er in die Stämme der Bäume zurüc (St. John, Life in the Forests I, 172).! Man fiebt alfo, es fehlt der malaiiſchen Pſychologie nicht an den Elementen, durch die eine unters irdiſche Proſerpina-Natur als Todbringerin und Erzeugerin des pflanzlichen Yebens auch die Bermittlerin zwiſchen dem ewigen Vergeben und Neuerſtehen fpeziell der Menjchen: welt werden fonnte. Es find aber diefe Vorftellungsbezüge niemals in der Weiſe angeflungen, um daraus den Schluß, dab Kalamerta und Kaloe wirklich eine ſolche Stellung

einnahmen, zu rechtfertigen.

Der finnigite Bezug für dieſe

Geſtalten und ihre Erklärung entfällt damit anjcheinend, und e8 würde gewagt fein, jeine Spur weiter zu verfolgen. Das Motiv der Erdfruchtbarfeit iſt das neue Motiv, das zu den Todbringern Kala und Kalt in der malatifchen

Pſychologie hinzugetreten

iſt. Es it interefjant, nun zu

bemerken, wie dasjelbe an einem entfernteren Punkte, auf den Philippinen, bei Kala reſp. Kali jogar allein auf der Bildfläche erfcheint. Die ſchätzbaren Zufammenftellungen über die philippinischen Mytbologien bet Blumentritt (Ahnen: fultus der philippinischen Malaien) geben das Material zu diefen Beobachtungen an die Hand. Die Namen Kalaſakas und Kalaſokos (a. a. O. ©. 37) für Gottheiten, die das Getreide reifen laſſen und die Ernte befchüßen, bei den Zambales knüpfen zweifelsohne an die indifche Gott:

beit Kala refp. Kali an.

Ber den Tagalen haben mehrere

Gottheiten auffallender Weife Namen,

die mit Yafa oder

1In Japan entitand der Gott Kuni tofo tati aus einem Srianthus-Strauch. (De Rosny in Compte Rendu du Congres ethnographique von 1878, ©. 4. S. 15.) Eine Anzahl ähnlicher Schöpfungserzählungen aus anderen Gebieten der Erbe gibt Bafttan in der Zeitjchrift für Völkerpſychologie und Sprad) wiſſenſchaft 5, 308 ff.

34

Die Sumero-Affader

Lacha anlauten (Blumentritt a. a. D. ©, 36). Der Ber: gleich dieſer Anlaute mit dem erſten Bejtandterl in den borerwähnten pbilippiniichen Götternamen und die Ver: mutbung eimer Stlbenumijtellung, jo wenig diefe auch itrengen Geſetzen lautlicher Umwandlung entjprechen würde,

liegt nahe.

ein altaiſches Volk.

unbedingt

ausgefchloffen,

wie

denn

überhaupt

die aus

Tello jtammenden (jet im Louvre aufbewahrten) Funde zu den älteiten Sprach: und Kunſtdenkmälern (zirka 4000 vor Chr.) gehören.

Chaldäa’s

Lachambakor als Gottheit der Ernten würde

dann ſtatt Kalambakor jtehen und ſich mit Kalaſokos, der Erntengottheit der Zambales vergleichen lafjen. Für La— fanpate, den hermaphroditiſchen Yıiebesgott, erbielte man Kalanpate, i. e. „der Herr Kala“ (Kala pati). Wan ver: gleiche dafür Kala und Kalt, oder Siwa und Parvati in ihrer hermaphroditiſchen Vereinigung, In Berbindung mit der Bedeutung von Yachambakor tt diefe Deutung auf Kala nicht obne Wahrſcheinlichkeit. Sp würde Kala auf den Bhilippinen faſt ausichließlich eine Gottheit der Pflanzen, die hermaphroditiſche Natur von Lakanpate als Yiebesgott der einzige milde Nachklang der wüſten ſiwaitiſchen Natur des indischen Kala auf den Philippinen fein. Der bindujavanische Kalamerta und die ſüdborneaniſche Kaloe mit ihrer zweifeitigen Natur jteben gewiſſermaßen in der Mitte zwiſchen dem indifchen

Gott des Todes und den genannten philippinifchen Pflanzen: gottheiten und fie bezeichnen ſonach vielleicht Durchgangs— punfte der malatischen Entwidelung der indischen Gottheiten Kala und Kalt, welche mit neu und anders geflärten ErIheinungen auf den Bhilippinen ihren Abſchluß fand. Dr. M. Uble.

Die Sumero:Akkader ein alkaiſches Dolk. (Vorläufige Mitteilung.) Bon

Fritz

Hommel.

Im Anſchluß an den von mir im Sommer 1882 in diefer Wochenschrift veröffentlichten Aufſatz „Sumir und Akkad“,! deſſen gegen Dr. Baul Haupt aufgeitellten Reſul— tate ſich durchweg beftätigt haben, erlaube ich mir heute, anfnüpfend an die jumerifchen Zahlwörter, ein furzes Reſumé meiner neuejten Forſchungen über jene ältejte Kulturiprache mitzuteilen. Danach) kann es feinem Zweifel mehr unterliegen, daß das Sumerifche in engem Verhältnis zu den ſog. Turkfprachen (der öftlichen oder noch befjer mittleren Gruppe des großen uralaltaiſchen Sprachſtammes) itebt, wozu der fürzlih von de Sarzec aufgefundene Statuenfopf (fiehe die untenftehende, nad) der Revue archeologique gegebene Abbildung) nur eine willfommene Beitätigung bildet. Da der Ort, wo diefer Kopf ausgegraben wurde, dag an einem Geitenfanal des Euphrat gelegene Tello (das alte Sir-tilla), nur ſumeriſche Inschriften als Ausbeute lieferte, jo iſt ſemitiſche Provenienz bier ohnehin 1 Siehe „Ausland“

1882, Nr. 23.

Was nun zunäcit die Zahlwwörter anlangt, ſo tritt uns bier das intereffante Faktum entgegen, daß in der älteften Zeit die Sumerter nur für 1 bis 5, für 10 und noch für 100 felbftändige Bezeichnungen hatten; für 6 bis 9, wie für die Zehner (20, 30 20.) wurden zuſammen— gefeßte Ausdrüde angewendet. Nur für die heilige Zahl 7, pie für einige Zehner famen dann mit der Zeit auch neue, etiva unfern „Duzend“, „Schock“, „Mandel” ähnliche Wörter daneben auf. Die Lilte, deren Aufftellung nur durch Yenormant’3 und die fie teils beftätigenden, teils erweiternden Entdedungen von Theo. ©. Pinches! ermöglicht wurde, lautet: 1. gish (dialektiſch dish) und daneben ash. 2. min, daneben kas. 3. bish, vish (noch in der Form vush erhalten), und daraus weiter ish. shimu (urfprünglich shib?), daneben nin. ur 5. a (urfprünglich „Hand“), daneben var, vas (ges jchrieben bar und mash), 6. äsh (aus at ash, dv... 5 +1). « 7. iminna (aus a + min, d. i. 5 + 2), daneben shisinna. 8. ussa (au8 a vus, d.1. 5-43). 9, ishimu (au$ a-- shimu, d. i. 5 +4). 10. gun, dial. vun, un und daraus u. 30. ishin und shivu (beide aus ish und vun, d. i. 3x 10 entitanden). 40, ninnavi (d. i.4>< 10) und blos nin, 50. ninnu (d. 1.40 + 10) und parab (d. i. 5 10). 100. mi (aus min?) Nun vergleiche man alttürkiſch ash-ni „zuerſt“, iki

(aus ikir, ikis, ef, jigir-mi 20) „zwei“, ütsch (jafutifch 1Vgl. zulegt in der „Academy“ vom 1. September 1883 ©. 145: gi (au$ gish), min, esh, shimu, a, ash, imina, ussa, ishimu, gu für 1 bis 10,

Kapitän W. E. Armits erſter Bericht über feine Neifen in Neu-Guinea—

üs, tſchuwaſſiſch visse) „drei“, tſchagataiſch neben törta „vier“ auch noch nil-au (aus nin-au) „der vierte”, alttürf. besh (jpr. vesh) „fünf“, on (jafutifch uon) „zehn“ und mün „hundert.“ Unter alttürfisch verſtehe ich hier immer die gewöhnlich mit uiguriſch bezeichnete Sprache des zirka

1050 nach Chr. verfaßten Kudatku-Bilik (ed. Vambery),

3

1883), hat einen eriten Bericht eingefandt. Derjelbe datiert von emem Orte, welcer 40 E. Ml. = 64 Km. öſtlich von Port Moresby in 90 20° ſ. Br. und 1470 30° öſtlich von Gr. liegt.

Die Eingeborenen

von Neu-Guinea wurden bis jeßt

des älteſten Denkmals der Turkſprachen. Nimmt man noch dazu Wörter wie jum. dingir Gott (alttürfifch tangry, tingri), tin Yeben (alttürf. tin Seele, Hauch), vushtu hören (alttürk. ishit), igi-bar, givar jehen (alttürf. gör), igish Auge (alttürf. gös), vud Ochs (alttürf. öt, üt), val fein, werden (alttürf. bol, vol) :c., ferner die faft durchgängige Gleichheit der MWortitellung,

gewöhnlich in die nordmweitlichen Stämme, welche determinierte Totjchläger, und in die ſüdöſtlichen, welche als abgefeimte Diebe und Yügner galten, geteilt. Kapitän Armit erklärt nun, daß, wenn auch die leßtere Bezeichnung den Stamm der Motu am Port Moresby treffend charak— terifiere, jo doch für den großen und wichtigen Stamm der Koijari, deren Gebiet er bisher bereifte, durchaus Feine Anwendung finde. Die Motu wanderten wahrſcheinlich

die Ngglutination, Vokalharmonie, die Identität der Poſt—

in VBorzeiten

pofitionen

er berührte und oben alttürf. teker, ferner valla-bi und auch bloß valla er war, jtatt ba-galla, nigin-an-shib jtatt

angibt, von irgend einer Inſel der Südſee, während die Koijari, fern von der Küſte wohnend, für die eigentlichen Urbewohner von Neu-Guinea zu halten find. Sit dies der Fall, jo läßt jih aus der Stimmung und der tadelloſen Ehrlichkeit der Koijari, wie Kapitän Armit ſie fennen lernte, Schließen, daß die Seindfeligfeit gegen Fremde, durch welche fih die Küſtenſtämme auszeichnen, im Innern von Neu-Guinea aufhören werde. Dan muß fich ihnen nur nicht mit Flintenſchüſſen, jondern in freundlicher Weife mit einigen Geſchenken nähern. Unſer Reiſender bejchreibt die Koijari als wahrbeitsliebend, tugendhaft, bis ins Kleinſte ehrlich und arbeitfam und fleißig für ſich und andere, Niemals fühlte er fih mit feiner Habe ficherer ala gerade unter ihnen. Den unbedeutenditen Gegenitand, welchen man verloren oder weggeworfen hatte, Lieferten fte, wenn fte ihn fanden, immer gleich wieder ab. Dabei waren jte nicht ohne Kultur. Das eheliche Verhältnis war em beſſeres, als man es jonjt bei wilden Eingeborenen findet. Die Frauen wurden gut behandelt und fühlten fich heimisch und zufrieden. Die Anlegung ihrer Häufer verrät Ein— ficht, Neinlichkeit zeigte fih in allen Dingen und die Pflanzungen waren hübſch eingehegt und forgfältig ge pflegt. Kurz, Kapitän Armit jchreibt begeijtert über jeine neuen Freunde, wie er fie nennt, und das iſt eine Garantie, daß feine Neife nicht eine Wiederholung jener traurigen Expedition des befannten italiſchen Neu-Guinea-Reiſenden D'Albertis, den Fly-Fluß binauf, ſein wird, auf welcher fich derfelbe feinen Weg aufwärts und zurück geradezu

an-shib-niginna :c.), jo daß alſo bier von einem prinzi— piellen Gegenſatz durchaus nicht die Rede fein ann.

erichoß. Kapitän Armit

(gimmi

fie, ta aus,

in, ka

in, gi in und

Genitivpartifel, ra und ru zu, türfifch gibi, gimi; dan, da; ga; ing; ra und ru) und Bronominalftämme (1. sing. m, 2. sing. z, 3. sing. n, b und sh) pie der Optativ— partifel (ſum. ghi, alttürk. ghai, z. B. bol-ghai, heute olä er ſei) u. a. jo iſt Klar erfichtlich, dap das Sumeriſche binfort nicht mehr tjoliert dafteht und daß der Altatsmus (was O. Donner in Helfingfors noch 1882 verneinen zu müfjen glaubte) die jichere Ausficht getvonnen hat, „den Ruhm einer glänzenden Entwidelung feiner frühejten Ge— ichichte einverleiben zu können.“ Was zum Schluß den Einwand anlangt, die präfigierende Konjugationsweiſe des Sumerifchen ftehe ja doch diametral der nur juffigterenden

der Turfiprachen gegenüber (vgl. ſum. in-tig er grenzt an, berührt, in-nab-tig er es berührt, ba-rab-tig aus ba-zabtig er dich berührt), fo ift 1. zu bemerken, daß zum min— deiten 4000 Sabre Entwidelung zwijchen der Blüte der jumerifchen Litteratur und dem älteften Sprachdenkmal des Türkischen liegen, daß 2. auch Schon im Sumerifchen in-tigish fie berührten, in-tiggini fie berühren, tigämu ic) berührte, in-tiggä-zu und blos tiggä-zu du berührteft (vgl. altürk, teker er berührt, teker-lar fie berühren, tek-

di-m ich berührte) heißt und daß 3. im jüngeren Dialeft des Sumktischen, dem Akkadiſchen, bereits ein deutliches Streben zu Tage liegt, Suffigierung jtatt Präfigterung in möglichjt ausgedehnter Weife anzuivenden (vgl. tivva-ra

ein

und

famen

wohl,

wie

ihre Tradition

ift feſt überzeugt, daß Europäer ſich

in dem von ihm bisher bereiften Dijtrikte eines freund: lichen Empfanges verfichert halten dürfen, wenn ihr Be

Kapitän W. €. Armits erſter Bericht über feine Heilen in Keu-Guinen. Der Kapitän William E. Armit, welcher im Auftrage und auf Koften der Beſitzer der in Melbourne erjcheinenden „Argus“ und „Ihe Auſtralaſian“ die in ihrem Innern unbefannte Inſel Neu-Guinea bereift (ſiehe ©. 717,

tragen darnach eingerichtet iſt. Ste können dort unter billigen Bedingungen Yand erwerben, ohne daß die Ein: geborenen dadurch eine Beſchränkung erleiden, indem letztere

gerade ſolche Striche, welche für Europäer

von beſon—

Sie ziehen die derem Werte ſind, nicht gerne anbauen. Feinde fühlen, ihre gegen ſicherer ſich ſie wo Berghöhen, die Thäler, Flüſſen, den vor, während ſie die Ebenen an und die Hügelſeiten größtenteils nicht weiter benützen.

36

Kleinere Mitteilungen.

Ueber die Bonität des Bodens äußert ſich Kapitän Armit in Worten des höchſten Yobes. Die beiten Zuckerrohrgegen— den in Queensland jteben dagegen zurüd, Die Erwerbs— quellen des reichen und fruchtbaren Thales, welches ſich von Bootleg Inlet, einer Meeresbucht wenige englifche Meilen unterhalb Bort Moresby, landeinmwärts zieht, brauchen nur befannt zu werden, um Anfiedler dahin zu führen. Nicht minder wertvoll ijt das Laloki-Thal, welches an der jen— jeitigen Seite der Aſtrolabe Nanges binläuft. Hier findet der Squatter das grasreichite Weideland und der Pflanzer den ſchönſten Boden für Zuderrohr, Mais, Tabak u. |. w. Kapitän Armit verfichert, daß, wenn die Eingeborenen einmal Yand verfauft haben, fie auch, nad) ihrem Charafter, das Necht des weißen Mannes rejpeltieren werden, aber er Schärft den zufünftigen Anftedlern ins Gewiſſen, daß auch fie, um ſchlimme Kollifionen zu vermeiden, ſtets ge— vecht und ehrlich mit den Eingeborenen verfahren ſollen. (Wird wohl, fügen wir hinzu, erfabrungsgemäß nicht der

Fall fein!)

Aber damit dies geichebe, ſei es abjolut nötig,

dab Neu-Guinen zuvor in gejeglicher Form annektiert und eine jtaatlihe Vertvaltung und Beaufſichtigung eingeſetzt werde, um dem Abſchaum (scum) der menjchlichen Gefellichaft, welcher gewöhnlich immer zuerſt am Plate tft, von vornherein den nötigen Zaum anzulegen. Der Aufhiſſung der engliichen Flagge auf Neu-Guinea werde Jicherlich eben jo ſchnell eine friedliche und gedeihliche Okkupation der Inſel folgen, wie dies mit den Fidſchi-Inſeln der Fall war.

Kleinere Mitteilungen. Die Deutſche

Expedition in Ojftafrifa.!

Seit dem am 8. November bejteht

1852 erfolgten Tode Dr. Kaiſers

die Deutſche oftafrifanische

Expedition

nur

mehr aus

zwei

Mitgliedern, Dr. Nihard Böhm und Paul Meichardt. Beide Reiſenden waren auf dem Wege von Fabora nad) dem Tanganifajee am

12. Februar

1885

in der belgischen

Station

Karema

an—

gelangt und vollendeten am 8. Juli ihre Ueberſiedelung nad) Mpala? am

wejtlichen

Ufer des Tanganifa,

am

Einfluſſe

des Lofuku,

im

Lande der Wahololo. Mpala it derjelbe Punkt, welchen Livingſtone bei jeiner Rückreiſe vom Moeroſee im Februar 1869 berührte und deſſen

Umgegend

ihm

als

das

Yand

WParra

bezeichnet

wurde.

Dr. Böhm hatte mancherlei Mißgeſchick zu beſtehen. Kaum hatte er fih von heftigen Fieberanfällen in Karema einigermaßen erholt, als er in einem Gefecht mit den Eingeborenen am 26. März 1883 bei der Erſtürmung des Ortes Katakwas (?) durch zwei Schüſſe in den rechten Oberjchenfel verwundet wurde, jo daß er bis Ende Juni an das Yager gefeffelt war und infolge der Schwächung der Kräfte ftetS unter den heftigften Fiebern zu leiden hatte, Trotzdem iſt es ihm gehmgen, wertvolle Sammlungen 1 Siehe „Ausland“ 1883, Nr. 33, ©. 658. 2 Mpala auf der Karte Chavanne’s, ift identiſch mit Stanley's Mompara und Ravenſtein's Makowiri und Mampara. 3 Möglicherweiſe iſt damit das Kap Kapopo oder Kapapwe mehr ſüdlich von Mpala gemeint.

nach Karema zu ſchicken, darunter auch eine prächtige Süßwaſſer— meduſa mit breitem Schirm und vielen Fangfäden. Paul Reich— hardt hat über den von Stanley zuerſt hier bemerkten, menſchen— ähnlichen Affen, den Sofo, genauern Bericht eingeſendet. Stanley ſagt darüber im 2. Bande (S. 46) ſeiner Reiſe „Durch den dunklen Weltteil“: „Die bewaldeten Abhänge und Schluchten — in der Umgegend des Fluſſes Lunangwa, ſüdlich von Mpala —

ſind die beliebteſten Aufenthaltsorte

für die „Soko“

(eine Art

Gorilla oder Schimpanſe). Ich hörte ihre Stimmen; konnte aber keinen bedeutenden Unterſchied zwiſchen dem von ihnen verurſach— ten Beräuſch und demjenigen bemerken, das eine Menge Dorf— bewohner bei einem lebhaften Gezänk macht.“ Der Soko Reich— hardts hat eine Größe von 1,3 m. Er iſt won ſehr ſtarkem Bau. Schenfel und Arme feinen äußerſt muskulös, die Bruft enorm, die Schultern breit, der Hals ſehr furz, Die Arme lang. Das Fell iſt langhaarig und glänzend Schwarz, das Geſicht dunkelviolett. Sie leben in Herden von 6 bis 20 Stück und bauen fich auf den Bäumen Nefter, welche einen Durchmefjer von 1 bis 1,2 m. haben. Die Nefter stehen S bis 10 m. über dem Boden. Neichhardt fand Wohnftätten,

die SO Nefter zählten.

Die Eingeborenen fürch—

ten den Sofo mehr als den Löwen. Zwei Tage vor der Ankunft der Neifenden wurde ein Neger von einem Soko getötet, indem er ihm den Kopf auf einem Steine zerfchmettert haben joll — nad der Ausjage der Eingeborenen. 1 Da unſere Forjcher bisher od) feinen Sofo gefangen oder erlegt hatten, jo kann die hier geliejerte Bejchreibung nur als Vorläufer einer künftigen, auf Antopfie beruhenden Darjtellung betrachtet werden. Ueber die Reiſe Anutſchin's in Daghejtan. Am 15,/28. November 1885 hielt die ethnographiſche Abteihung der 8. Ruſſiſchen Geographiichen Gejellfhaft eine Situng, in welcher unter anderen: der Vorſitzende einen Bericht iiber eine intereffante Neife des Herrn Anutſchin uach Dagheſtan verlas. Derjelbe wurde von der Geographiichen und Archäolo— giſchen Sejellihaft beauftragt, im Kaukaſus iiber die Ueberrefte der älteften Bewohner des Gebirges und im allgemeinen auch über Spuren aus der Steinzeit Forſchungen anzuftellen. VBeranlafjung zu dieſer Reife gaben einerjeitS die negativen Reſultate der früheren Expeditionen, die dasjelbe Ziel ſich gejtellt hatten, wie diejenigen von Milaſchewitſch und Stein, adererjeits ein bekanuter Fund des Herren Favre im Gebiete des Nion, welcher die älteren An— nahmen beftätigte. Anutſchin befuchte den Bezirk Temir-han-ſchur, die Gebirgsanfiedelung Kubatſchi und einige andere Orte. Die Unterfuchungen der Höhlen waren von feinerlei Nefultaten beziiglich der Eriftenz von Spuren aus der Steinzeit im Kaukaſus begleitet. Diefe und andere Gründe veranlaßten Anutſchin zur Hppothefe, daß der Kaukaſus in jehr alter Zeit weniger zugänglich als in jpäteren Perioden gewejen ift, und auch wenig Anziehendes für eine Einwanderung bot, weshalb man überhaupt annehmen darf, daß dieſes Gebirge verhältnismäßig jpät bejiedelt worden ift. Obgleich Anutſchin Feinerlei Daten über die Eriftenz einer Steinzeit im Kaukaſus geliefert hat, jo ift ſeine Neife doch nicht frucht— los geblieben, da es ihm gelungen tft, ein reiches archäologiſches und geographifches Material zu ſammeln. — Ein bejonderes Intereſſe bieten die von ihm gemachten Forihungen über Kubatſchi uud jeine Bewohner, da nur einige der früheren Reiſenden in Kubatjchi fich aufgehalten haben und dann ihre Schlüſſe immer auf ältere Quellen allein bezogen. Dieſe Gebirgsgegend wurde erſt zu Ende des vorigen Jahrhunderts etwas bekannt. Die Benennung Ku— batjcht bezeichnet einen PVerfertiger von Ningpanzern umd im der That find auch die Kabutſchinzen als die beften Waffenjchmiede im Kaukaſus befannt. Da fie alle ihre Nachbarn mit Waffen ver1 Berliner Tagblatt vom 19. Dezember 1883.

dotizen. jorgen, jo find fie den Anfeindungen derjelben nicht ausgejett. Die Kubatſchinzen wähnen von den Franken abzuftammen. Indem einige Forſcher die Sprache dieſes Volkes und feine Kunſtfertig— feit in verſchiedenen Induſtriezweigen im Betracht ziehen, leiten ſie jeine Abftammung von den Genuejen her, andere hingegen wiederum von den Griechen. Auch jollen die Kubatſchinzen urſprünglich Chriften gemwefen fein, die erft im 15. Jahrhundert zum Islam übertraten. Aehnliche Anfichten finden jih auch in ausführlichen Daten, die der Afademifer Dorn auf jeiner Reife nah Maſan— deran gejammelt hat, während welcher er auch Kubatjchi bejuchte. Jedoch auch jeine Mitteilungen find dürftig. Nach einer anderen Annahme follen die Kubatichinzen die Nachkommen won griechifchen Waffenſchmieden jein, welche auswanderten, anfänglich in Devbent wohnten und ſich im 9. Jahrhundert vor den Arabern in's Gebirge zurüczogen, wo ſie einige Zeit ihre Unabhängigkeit behaupteten, fich aber unterwarfen und den Islam annahmen. Die Legenden der Kubatſchinzen sprechen wenigftens dafür, daß fie den Islam weit jpäter angenommen haben müffen als ihre Nachbarn, ferner, daß fie in friiherer Zeit mit denfelben häufige Kämpfe geführt und eine höhere Kultur als dieſe bejeffen haben. In den Wohnungen und an den Metallgerätjchaften der Kabutſchinzen findet fich manches, was im europäiſchen Stil gehalten ift, allein darans ſchon den Schluß ziehen zu wollen, dieſes Volk wäre aus Europa ein gemwandert, dürfte wohl allzu gewagt fein. Wahrſcheinlich haben erſt im vorigen Jahrhundert europäische Induſtrieerzeugniſſe unter ihnen zufällig Eingang gefunden, die ihnen ſpäterhin als Mufter dienten.

37

Die Goldgräberei wird eiſrig betrieben; Kupfer, Silber, Kohlen und Eiſen ſind auch in großer Menge vorhanden. Da auch Ueber— flug an Holz befteht,

hat

man

bis

jett feine

Kohlen

abgebaut,

doch beabjichtigt man dies in Zukunft dev Ausfuhr nad) Indien und China wegen zu thun. Die Kolonie führt bis jest all ihr Eifen ein, doch hat die Regierung eine Prämie von 1000 Pf. St. für die erſte Tonne und eine ſolche von 10,000 Pf. St. für die erften zehn Tonnen im Lande fabrizierten Eifens ausgejegt. Die Nahfrage nach Arbeitskräften ift jehr groß und wird noch zu— nehmen; für ale ift Raum, mit Ausnahme von Männern, die nicht arbeiten und Frauen, die nicht heiraten wollen. Aderbauer fönnen freie Bafjage und 160 Acer Yand à 25 6d befommeen, die fie in fünf Fahren zu bezahlen haben. Nach fünf Jah— ven iſt dieſes freies Eigentum, ohne jede Abgabe. Es ift nur nötig, ein Haus zu bauen und es eimzuzäunen. Wer mehr Land haben will, kann bis zu 5120 Ader & 10 s (bezahlbar in 10 Sahren à 1 s) befommen. Einwanderer, welche ſich dem Acerbau widmen wollen, thun am beiten, etwa ein Jahr lang auf einer beftehenden Unternehmung zu arbeiten. Kinder von 5 bis 15 Jahren werden auf Koften der Regierung unterrichtet; jedes Kind, welches am Ende diefes Zeitraumes ein Eramen befteht, Fam noch zwei Jahre lang eine höhere Schule befuchen. Nur auf Zucder, Reis md Kleidern befteht ein Einfuhrzoll. Letztere bezahlen 71/2, exfterer 250/, vom Werte, Reis 1d per Pfund, letzteres hauptſächlich, um die Chinefen, die beinahe mur von Reis feben, zu den Staatslaften heranzuziehen. Unter gewiffen Bedingungen gibt

Die

Regierung

den

Auswanderern

Beihilfe.

Schuhmacher

und Schneider und alle Arten mechanischer Arbeiter werden, wenn Was

bietet Queensland

unter

dem Einwanderer?

Die Kolonie Queensland ift 1300 E. Meilen lang und 300 E. Meilen breit, enthält aljo eine Dberflähe von etwa 420,000,000 Ader. Die Bevölkerung beträgt nicht ganz 300,000 Seelen. Die Hilfsgnellen des Yandes find ſehr bedeutend und man bedarf nur noch tüchtiger Arbeitskräfte und genügender Kapi— talien, um diejelben auszunützen. Das Klima ift angenehm, weder ftarfe Winde noch itbermäßige Kälte fommen in der Kolonie vor. Mit Ausnahme der beiden Negenmonate ift das Wetter troden und gefünder als die meisten warmen Klimate. Todesfälle kommen nur 13 auftaufend Seelen. Für die Anlage einer Wollenfabrif hat die Negierung eine Prämie von 1000 Pf. St. geboten; die Wolle ift berühmt am Londoner Markt. Sie erzielte durch— ſchnittlich 2s 6A per Pfund; jett find etwa 10 Millionen Schafe in der Kolonie, deren Weiden jedoch 50 Millionen ernähren fünnen. Cine Schwierigkeit, die Schafzucht auszubreiten, bildet der

mühjame

Transport

aus

dem

Innern, da

keine

ſchiffbaren

Flüſſe vorhanden find; allerdings fucht man dieſem Webelftande durch Anlage von Eijenbahnen abzuhelfen. Auch mit der An— pflanzung von Wein hat man Proben gemacht und damit gute Nefultate erzielt. Die Schäfer erhalten 1 Pf. St. in der Woche und Die Koft. — Eine wichtige, fih immer mehr ausbreitende Induſtrie ift die Zuderkultur. Bor 18 Monaten waren 20,000 Ader für diefelbe bebaut, jetst find e$ deren mehr als 200,000. — Dadurd) werden verjchiedene Techniker und Handwerker nötig. Schmiede verdienen 50—70 Pf. St. im Fahr und die Yebensmittel, Mechaniker 7s bis 165 per Tag ohne Nahrung. Ver— heiratete Berjonen werden am meiften gejucht, fie erhalten zwei Nationen, jede beftehend aus 10 Pfd. Mehl, 16 Pfd. Rind- oder Schaffleiſch, 2 Pfd. Zuder, 7, Pfd. Thee in der Woche. Die Preife der Nahrungsmittel find nicht Hoch. Rind- und Schaffleijch von guter Beihaffenheit werden zu 119 bis 3d per Pfund vers kauft. Diehl ift ungefähr ebenfo teuer wie in England, Melonen uud Bananen, Früchte verjchiedener Art, Gemüſe überhaupt kann man zu mäßigen Preifen befommen. Die Hausmiete iſt teuer,

doch jeder gejchiete Mann

kann fich ſelbſt ein Haus aufjchlagen.

40 Jahre,

fir 4Pf. St., wenn über 40 Jahre, für 6 Pf. St.

befördert. Berheiratete erhalten den Borzug; die Frau erhält fir 2Pf. St. reſp. 4Pf. St. Beförderimg. Die Nachfrage nad Frauen, welche fich verheiraten wollen, ift jehr groß. Nach dem letsten Zenſus war das Berhältnis dev Männer zu den Frauen wie 5:8. M.

Notizen. Allgemeine Erdkunde. Zur Nephritfrage Profeſſor U. Arzruni in Breslau veröffentlicht im Der Zeitjchrift fir Ethnologie „Neue Beobahtungen am Nephrit und Kadett“, im welchem die Ergebnifje mikroſtopiſcher Unterfuhungen an einer größeren Reihe voher und verarbeiteter Nephrite mitgeteilt werben und als ethnologi— ſcher Schluß ausgejprochen wird: Die typijchen, konſtanten ſtrukturel— fen Unterſchiede der einzelnen Nephrit- und Jadeit-Barietäten laſſen ſich meift mit einer Provenienz derjelben aus räumlich getreunten Lokalitäten im Einklang bringen, was die Annahme eines exotijchen und gemeinjchaftlichen) Urſprungs aller iiber die ganze Erde verſtreuten verarbeiteten Objekte überflüffig, ja unhaltbar macht. — Man fieht, dieſes Ergebnis mineralogifcher Unterfuchungen deutet nach derjelben Nihtung, wie die Schlüffe, welche auf anderem Wege Dr. U. B. Meyer in Dresden gewonnen hat.! Um jo mehr fvent es ums, in Arzruni's Arbeit die Yeiftungen der zu anderen Reſultaten gelangten Borarbeiten und beſonders des großen Fiſcher'ſchen Nephritwerkes offen und warm anerkannt zu finden. Tieffeemejfung und unterfeeifhe Telegraphie. Am 20. September verließ J. 9. Buchanan, der die ChallengerErpedition mitgemacht hat, an Bord eines Schiffes der „India Nubber, Gutta Perha and Telegraph Works Cy.“ Yondon, um 1 Siehe „Ausland“

1883, Nr. 5, 23, 26.

38

Notizen.

als wiljenfchaftliher Begleiter der Legung des Kabels Kadir— Kanariihe Zufem— Senegal und den vorhergehenden Tiefjeemeffungen beizumwohnen. Im gegenwärtigen Augenblick ift eine wiffenschaftliche Unterfuhung gerade dieſes Gebietes doppelt ev: wünſcht. Man erinnert fi), daß bei der Yegung des Kabels Liffabon— Madeira durch eimen reinen Zufall, nämlich durch un— vermutetes Zerreißen des Kabels in einer zu 2000 Faden nieder: gelegten Meerestiefe "das VBorhandenfein einer Banf in nicht mehr als 110 Faden Tiefe nachgewiefen ward. Wenig ſüdlich davon bat vor wenigen Wochen das franzöfiiche Schiff „Zalisman“, welches die franzöfifche Tiefjee- Expedition unter Milne Edwards trägt, eine 50 Km, fange und 10 Km. breite Bank von jogar nur 70 Faden Tiefe nachgewiefen. Beide Bänke fcheinen ziemlich iſolierte Erhebungen aus bedeutender Tiefe zu fein md haben daher für unſere Vorſtellungen von der einftigen Konfiguration des Yandes im dieſen Gebieten eine hervorragende Bedeutung, Herr Buchanan wird übrigens and die Salvage-Inſeln zwiſchen Madeira und den Kanarien einer genauen Unterfuchung unterwerfen. Dieje Eilande find fast unbefannt und es wird vor alleın intereffant fein, ihren geofogijhen Bau kennen zu fernen. Die bis jeßt gefundene größte Meerestiefe liegt nach dem 11. Heft der „Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie” im Nordatlantiichen Qzean, wo der amerifanifche Dampfer „Blafe”

in 190 39% 10%

u. Br, und

660

26°

5"

w.

%

eine

Ziefe von 8341 m. oder 45661 Fr. (a 6 Fuß) lotete. Eine zweite größte Meerestiefe liegt bei 190 23° 30° ı. Br. und 660 11°45" w. 2. im Atlantifchen Ozean und beträgt 7723 m. Zur Theorie über die Bildung der Koralleninſeln. Den Angriffen gegen die allgemeine Gültigkeit der Darwin'ſchen Theorie von dev Bildung der Korallenviffe ſchließt fich nun auch) Agaſſiz au, geftütt auf Beobadhtungen an Süd-Florida und deu Zortugas. Hier ſcheinen offenbar die Vorgänge, welche die Bilding von Süd-Florida verurſachten, noch im derjelben Weife fortzudanern. Die ganze Südſpitze der Halbinfel befteht aus konzentriſchen Niffen mit Anhäufungen von Schlamm dazwifchen. Der Schlamm ift aber fein Miffiffippifchlamm, den man niemals öftlich von der

Strommindung

findet,

fondern

befteht nur

aus feinzer-

viebenen Teilen des Niffes, welche die Stürme dariiber hinaus— werfen und die Gegenſtrömung dann zurücführt. Se älter das Riff, defto größer die Anſammlung hinter ihm. Bei den Tortugas, als den jüngften Bildungen, fehlt fie noch. Neue Riffe entjtehen immer

auf untermeerischen

Erhöhungen,

die ſich durch Ablager-

ungen infolge von Strömungen und vorherrichenden Winden bildein. Es jheiden ſich da, wie die legten Drakeunterſuchungen gezeigt haben, mitunter ganz erheblich große Kalffonfretionen ab. Die Erhöhungen werden anfangs nur von Mollusfen und anderen Seetieren

bewohnt,

deren

Weberrefte

ihren

Umfang

vermehren.

Sobald jie aber auf der Winpdfeite der Oberfläche nahe genug gefommen find, fiedeln fich die Korallen an und bauen bis zur Wafferlinie. Ein folches, im erften Anfang befindliches Riff wurde weitlih von den Tortugas beobachtet. — Der Kern von Florida wurde durch eine Erdfalte gebildet, aber ſchon in der nördlichen Abteilung dev Everglades begimmen die fonzentriichen Niffe, welche die Halbinfel immer weiter füdlich verlängern. Auf die Atollbildungen in dev Südſee dehnt Agaffiz feine Studien nicht aus. Es iſt iiberhaupt von Intereſſe, daß alle Angriffe gegen die Senfungstheorie auf Material beruhen, das außerhalb der eigentlichen Koralleninjelgebiete (von Semper an den Palaos, von Rein an den Bermudas) beobachtet wurde. Cine genauere Unterfuchung in der Südſee wäre fehr zu wünſchen. Kto. Mariner Urfprung der fibirifhen Tundra. Der ruſſiſche Paläontolog Fr. Schmidt brachte von feiner Expedition nad der Jeniſſei-Tundra im Jahre 1866 53 Arten fubfofjiler Konchylien nad St. Petersburg. Auch Nordenffiöld, welcher in

der zweiten Hälfte des Auguft 1876 auf der vechten Seite der Ausmündung des Jeniſſei bei Korepomwsfoje und einem etwas jüdlicher gelegenen Punkte Unterfuchungen anftellte, fand außer den erwähnten

53 Arten

noch

eine

oder

die andere neue Form

und

meift in zahlreichen, wohl erhaltenen Exemplaren. Die Ablagerungen, welche zeitlich weit zurückreichen, vielleiht mit dei poſt— glazialen von Uddevalla und der norwegischen Küfte zufammenfallen, weijen auf das damalige VBorhandenfein eines Eismeeres von der nämlichen Bejchaffenheit wie das jetige hin. In feinem neneften Werf (Siberia in Asia) gibt Seebohm auf ©. 187 einen Bericht über jeine Nachforſchungen bei dem noch nördlicher gelegenen Goltichiga. Die dortigen Mufchelanhäufungen liegen wenigftens 500 e. F. über dem Meerefpiegel. Edgar A. Smith beftimmte

die dort gefammelten

Exrpemplare.

Es find ſolche, die

noch jett dort im Meere vorfommen, nämlich: Peeten islandicus, Astarte borealis, Nactiaea alfinis, Saxicava arctica, Fusus (Neptunea) Kroyeri, F. (Neptunea) despectus und von Cirripedien Balanus porcatus. BAR Nezente Dolomite. Angefihts der Streitigfeiten über die Entftehung der Dolomite ift von großem Intereſſe, daß bei den amerikaniſchen Golfſtromforſchungen mehrfah aus größerer Tiefe Konfretionen heraufgebracht worden find, welche in der Zu— jammenjegung

den - Dolomiten

nahefommen

und

bis

zu 270,

Magnefia enthalten. Eine diefer Maſſen in 640 Faden Tiefe war 29 Zoll Yang, 14 Zoll breit und 6 Zoll did, die anderen waren meift Kleiner. Sie find petvographiih aus feinen Sandpartifeln zufammengejetst, welche durch Foraminiferenjchalen verfettet jind, meift dich Eifenbraum gefärbt und oft von Anneliden oder Schwämmen angebohrt; viele enthalten auch Berfteinerungen rezenter Arten, z. B. Aſtarte. Aehnliches Geftein ift an der Küſte nirgends bekannt, die Maſſen ſind offenbar an der Fundſtätte ge— bildet. Ein Gehalt an phosphorſaurem Kalk rührt offenbar von den Knochen von Seetieren her, welche bei ihrem mehrfachen Gang durch die Verdauungsorgane von Fiſchen und niederen Seetieren ihre erkennbare Struktur vollſtändig eingebüßt haben. Ko. Biologiſche Studien. Dr. Hugo Eiſig, welcher drei ſehr wertvolle Studien über tiergeographiſche und verwandte Erſchein— ungen

in den

Nummern

35,

39

und

42 des „Ausland“

1882

veröffentlichte, wird die Ergebniſſe ſeiner weiteren, bekanntlich in der Zoologiſchen Station zu Neapel angeſtellten eingehenden Be— obachtungen auf dieſem Gebiete im „Kosmos“ mitteilen. Und zwar hat er an dieſer Stelle bereits Abhandlungen über das Ruhen der Fiſche, die Funktion der Seeigelſtacheln, die Ausdehnbarkeit des Bonellia-Rüſſels, den Zweck des elektriſchen Organs von Torpedo, den Bau der Wohnröhre von Diopetra und die dabei zur Verwendung kommenden Organe niedergelegt. Nährwert der Kokosnuß. Die „Fidji Times“ erzählt, daß ein Schiff mit Kokosnüſſen, welches 80 Tage zwiſchen Fidſchi und Sydney unterwegs war, ſich gezwungen ſah, ſeine Manu— ſchaft mit Kokosnüſſen und zwar ad rationem Eine Nuß per Mann und Tag zu ernähren. Das Experiment ſoll vortrefflich gelungen, der Ernährungs- und Kräftezuſtand vortrefflich geweſen fein, Zwei ſchiffbrüchige

Seeleute,

die ſieben Jahre

auf Quairsinſel

Kokosnüſſen und gelegentlich einigen fliegenden ſollen dabei gleichfalls vortrefflich gediehen ſein.

um. won

Fiſchen lebten,

Eine botaniſche Kurioſität iſt durch den Naturfor— ſcher Alphons Forrer in St. Gallen kürzlich bekannt geworben. Derjelbe fand nämlich auf der Halbinſel Kalifornien eine von den Eingeborenen Siempre vive genannte Pflahze (Selaginella redi-viva), welche auf der Schattenjeite der höchjten Berge

jenes Ge—

bietes wählt. Beinahe das ganze Zahr hindurch bleibt dieſelbe braun und vertrodnet. Höchſtens drei bis vier Mal im Fahre, nur nach einem heftigen Platsvegen, öffnet fie fi) und grünt, um fi)

Litteratur. —

3)

Korrefpondenz.

nach drei bis vier Stunden vor der eingetretenen heftigen Sonnen— hige zu ſchließen. Dieſer Prozeß der Natur läßt fie nachahmen. Wird die Pflanze in friſches Waſſer gelegt, jo öffnet fie ſich volljtändig im der Zeit von 12 bis 36 Stunden und geht dabei vom

jeitens des Chans ruft das Mißtrauen des Volfes wach und kann ihm feine Stellung foften. Für feinen dem Volke gemidmeten Dienft erhält der Chan einen feftbeftimmten Gehalt. Die Tekinzen ſind tapfer, zuverläfftg md wahr; Lüge amd falfches Zeugnis fommen

Braun

bet ihnen nicht vor.

zum

jcehönften Grün

über.

Sie mißt dann

15 bis 17 cm.

Sp lange man die Pflanze im Waffer behält, bleibt fie grün und febend, nur muß fie vom Waſſer bedeckt ſein. So wie fie heraus genommen wird, trodnet jie wieder ein und kann jo Monate, ja Zahre lang gehalten werden, bis man fie dadurch, daß man ſie in's Waſſer legt, auf's Neue zum Grünen bringt. Ueber

den

Namen

„Notes

Meer“.

Ueber

die Herkunft

der Bezeichnung „Notes Meer“ wurden bisher mannigfache An— fichten aufgeftellt, won denen einzelne recht jonderbar fingen. Man 309 die voten Ufer, vote Algen und vote Anwohner zur Erklärung des Namens herbei. In jüngfter Zeit ſprach Dr. Konrad Stelle hieviiber eine Free aus, welche vielleicht mehr als manche andere verdient, vegiftriert zu werden. Diefer Forſcher fand nämlich in diefom Meeresarm die ziemlich lebhaft voja gefärbte gemeine Ohrenqualle (Aurelia aurita) bejfonders zahlreich) und außerdem noc eine andere Art, Himanthostoma lorifera, welche in den Tönen von dunkelrot bis amethyftfarben erjcheint. Ihm will daher natürlich ericheinen, daß die roten Medufen, welche zeitweije in großen Schwärmen die Oberfläche des Meeres bededen, zu Der Bezeihnung „Notes Meer” Anlaß gegeben haben. Durch Erlaß des franzöfiichen Kriegsminifters ist eine Schule zur Ausbildung von Typographen-Zeihnern für den jpeziellen Dienft der Geographie errichtet worden. Der Kurſus ift auf zwei Jahre berechnet und können jährlich fünf neue Eleven eintreten.

litteratur. Der Feldzug Skobelews gegen Turkmenien in den Jahren 1880 bis 1851. Bon N. J. Grodekow. Unter obigem Titel erſchien im ruſſiſcher Sprache unlängſt der erſte Band “eines Werkes, das, abgefehen von jenem jpezifisch militäriſchen Inhalte, auch für die Yänder- und Völkerkunde von Wichtigkeit tft. Der Berfaffer erzählt nicht nur mit der größten Ausführlichkeit die Geichichte des Feldzuges, er teilt auch viele neue Thatſachen ans dem Leben und Treiben, aus der Organifation und den Ge— wohnheiten des Volkes mit. ‘So berichtet er u. a., daß die Turko— manen von Achala (die Achalteten) neben ihrem Chan, welcher meiftenteils einer Volfswahl feine Erhebung verdankt, auch einen Nat, eine Art Parlament, beſitzen. Dieſer Nat befteht aus den vom Chan ausgewählten Notablen, won denen jeder Das Necht hat, noch einen bis zwei Bevollmächtigte aus jedem Gejchlechte jeines Auls mitzubringen. Dieſes Parlament berät iiber alle inneren und äußeren Angelegenheiten; die Beſchlüſſe werden, wenn irgend möglich, einftimmig gefaßt. Falls eine Einigung nicht zu ftande fommt, werden die Verhandlungen drei Tage lang wtederholt, ift auch danın noch feine Uebereinftimmung erztelt, jo wird die Frage als ımerledigt auf unbeſtimmte Zeit vertagt. Falls eine Angelegenheit von großer allgemeiner Wichtigkeit vorliegt, die feinen Aufſchub erleiden darf, jo genügt auch, Majoritätsbeſchluß,

aber nur im der Boransfetsung einer Zuſtimmung des ganzen Volkes. Der Chan ift, wie die Tekinzen jagen, der erfte Diener feines Bolfes. Seine Ratſchläge, als die des würdigſten und angejehenften Mannes, find Befehlen gleich zu achten. Sie werden ohne Widervede befolgt, wenn fie die herfömmlichen Sitten und Gewohnheiten nicht verlegen. Eine willkürliche Nichtbeachtung der Gebräuche

das Faktum

Ein

vor

Gericht

feines Verbrechens

geftellter Uebelthäter

wird

nie leugnen, höchſtens ſucht er es

anders als der Gejchädigte oder Ankläger zu erklären oder es auf eine

andere

Weiſe

darzuftellen.

Bor

ihrer Unterwerfung

hatten

die Tekinzen eine ganz eigentümliche Borftelung von Rußland. Sie hielten es für das größte und mächtigfte Neich der Welt, das ruſſiſche Volk

aber als fittlich verfommen.

Sie nannten die Rufen

„Karagjaur“, jchwarze Gjaurs, zum Unterjchied von den Eng(ändern, die Muſulman-Gjaurs heißen, alfo im Gegenjat zu den Rufen einen Ehrennamen tragen, Den Einfall der Ruſſen in ihr Yand jchreiben die Tefinzen

dem ewigen Winter

zu, der in Rußland

herrjche, weshalb die Nuffen genötigt jeten, wärmere Yänder aufzujuchen. Ste bilden fih ein, daß die Ehe in Rußland nicht eriftiere und daß die ruſſiſchen Soldaten in der Art wie die Pferde geziichtet werden. Zukunft dieſes Bolfes nad Die jener Unterwerfung ift ſchwer voraus zu beftimmen; einftweilen muß

fonftattert

ſein Scheint.

werden,

daß

es im

Niedergange

begriffen

zu

Die Bevölkerung des Landes ift im Abnehmen.

W. H.

Korreſpondenz.

8

Zur Charakteriſtik der Armenier. Nach einer im „Ausland“ 1883, Nr. 40 auszugsweiſe mitgeteilten Notiz hat ein Herr James Breagh im „Globe“, der Original-Artikel iſt mir nicht zugänglich gewejen, eine Charafteriftit der Armenier liefern wollen und dabei behauptet, daß ei Armenien infofern nicht erifttert, alS die Armenier jelbft nirgends mehr eine kompakte Bevölferung bilden. Es werden dann weiter die Armenier mit den Juden verglichen, denn wie diefe jeien fie im der ganzen Welt zerſtreut und häufig an ſolchen Punkten

in größerer Zahl anfällig,

die außerhalb ihres urſprünglichen Vaterlandes gelegen find. Wie Berlin nicht als Paläftina oder Brooklyn als Irland gelten könne, ebenjowenig dürfe Diarbefr 3. B. zu Armenien gerechnet werden. — Nun, will man durch Vergleiche etwas beweijen, jo muß man wenigſtens nach richtigen Bergleichen fih umſehen. Analogien zwiſchen Armeniern

und

Juden hervorzuheben

ift aber ebenſowenig

originell, wie es irrig ift. Wer jemals in Armenien jelbft gewefen ift, oder wenigjtens fich iiber dieſes Yand orientiert hat, wird jedenfalls

erfahren

baben, daß den Armeniern

ein nationales

Be-

wußtſein innewohnt, ebenjo wie eine natürliche Anhänglichkeit fiir den vaterländiichen

Zeiten haupten,

Boden,

dieſe beiden

während

Gefühle

daß Diarbekv

den Juden

abhanden

für die Armenier

gefommen dasfelbe

ſeit undenklichen

find.

Bu be-

ift, wie für die

Juden Berlin, mag vielleicht ein geiftreicher, muß immerhin aber ein unglücklich gewählter Vergleich genannt werden, denn Diarbekr it thatſächlich armeniſcher Boden geweſen, alfo befindet fich die dortige armenische Bevölkerung auf heimatlihem Boden, Un— jtveitig gibt es auch ſolche armenifche Anſiedelungen, die fern von dem

Baterlande,

von

fremden

Elementen

umgeben

find, z. B. in

Kalkutta u ſ. w. Wollte man aber jolche Thatjachen in der Weife verwerten, daß man daraus den Schluß zöge, Armenten jelbft fei von dem Armeniern

verlafjen, jo wäre dies ebenjo kühn, als menu

man behaupten wollte, es gäbe in Deutjchland feinen Dentjchen mehr, weil ır. a. in Sid-Nußland und Kaukaſien zahlreiche deutjche Kolonien ſich angefiedelt haben. Zwar wollen einige türken— freundliche Poliktiker Armenien in ein „Kurdiſtan“ verwandeln

Korrefponden;.

40

darum ift aber Armenien nichtSdeftoweniger in überwiegenden Maße von Armentern bevölkert, Die trotz der Jahrhunderte langen SKuechtung durch die Mohamedaner, troß bejtändiger, ſyſtematiſcher, barbarischer Maffenvernichtungen von Seiten ihrer Bedrücker, troß der an ihnen fort und fort gelibten gewaltjamen Befehrungen zum Islam, troß aller Demiütigungen, Mißhandlungen,

Beihimpfungen,

die fie von

die Forſcher, welche uns über noch weniger befammte Gebiete berichten, durch gewiffenhafte Beobachtung gewonnene Nefultate verfinden und nicht in ähnlicher Weife verfahren, wie Herr Breagh, welcher über den Nuten von Länder- und Völkererforſchungen einige Zweifel erwecen fünnte,

Breslau.

Sejellfchaft, welche ſich Paſchas, Walis, Kaimakams u. ſ. w. nennt, erleiden, demmoch nicht nur ihre Sprache und nationale Eigenart nicht eingebüßt haben, jondern unleugbar in der Kultur fortſchreiten. Die zahlreihen Zeitungen und Monatsichriften, die alltäglich ericheinenden neuen Bücher, Nomane, dramatijche, Populärwiffenfchaftlihe und andere Schriften, Lehrbücher, Kinder-

Anzeigen. Verlag der d. G. Gottaschen Buchhandlung in Stuttgart.

bücher u. dgl. mehr, die Ueberflutung der unter ruffischer Herrichaft,

das nationale Syſtem

alfo in geregelteren joztalen Berhältuiffen a

mit Dorfſchulen —

find das

eines auf feinem heimatlichen

nicht mit Beweiſe für die Eriftenz Boden lebenden,

an alten nationalen

Traditionen hängenden und dazu noch geijtig aufjtrebenden Volkes? Feder, der mit dem in Nede ftehenden Yande halbwegs bekannt ift, wird auch wiffen, daß man dort und zwar in dei angebih vorwiegend von Mohamedanern bewohnten Landftrichen, tagelang reifen kann, ohne auf andere Dörfer zu ftogen als auf jolche, in denen die ganze Einwohnerjchaft eine unvermifcht armenische ift. Unzmeifelhaft haben fremde barbariihe Invaſionen nicht nur das Yand vielfach verwüftet, ſondern auch die Bevölkerung dezimiert, was jetzt noch nad Kräften von Kurden und Tſcherkeſſen

fortgefett wird, haben Majfenauswanderungen veranlagt; aller was beweift das anderes, als daß das Fand jetzt dünner bevölkert ift im Vergleich zu ehemals? Darum haben die Zurückgebliebenen nicht minder ihr Nationalbewußtjein bewahrt. — Daß bie und da ganze Auswandererfolonten von den fie aufnehmenden Natio— nalttäten affımiliert worden find, wie dies mit den armeniſchen Niederlaffungen in Polen oder Ungarn der Fall war, ift befannt, Dafür haben aber andere, wie Diejenigen im fiidlichen Rußland, in Indien, bei Isfahan u. j. w. ihre Nationalität bewahrt und find mit dem Mutterlande in beftändigem Konnex geblieben, dem fie 3. B. jest Lehrer und Lehrerinnen für ihre Schulen entnehmen, dem fie Häufig ihre Neichtümer zumenden, wohin ihre Söhne nicht ſelten zurückkehren, um dafelbft fir immer zu bleiben. Wenn einft durch die Gewalt äußerer Verhältniſſe zeutrifngale Beftrebungen

fih in ganzen Yandftrichen Armeniens zeigten, jo gravitieren

dieje fernen Kolonien jetzt merklich zu jenem Yande, deffen Ber: gangenheit mit der ihrigen eine gemeinſame ijt und deſſen gegen— wärtiges Aufblühen fie wiederum an ſich lockt, ihnen ein glücklicheres Dafein verjprehend als ehemals, als ihre Borfahren aus dem Lande in die Fremde flohen. Merkwindig und unglaublich fajt it es, daß fih in Europa über ein Land, welches vor defjen Thoren liegt, jo iwrige Vorftellungen behaupten können, die momen— tan zerftieben würden, wen man nur mit offenen Augen beobachten wollte, Allein falſche Vorſtellungen jcheinen chronischen Krankheiten zu gleichen. Derjenige, der von ihnen befallen tft, ift meift infurabel. Es können aber andere davor gejchütt werden,

um

nicht

durch

leichtfertige

Aeußerumgen

ein

jchweres

Unrecht an einer ganzen Nation zu begehen, welche das einzige Kulturvolk Borderafiens ift. Dem ein Unrecht ift es, die Eriftenz einer Nation zu verleugnen uud ihr damit die Teilnahme der zivilifierten Welt zu entziehen, deren moralische Unterſtützung ſie, die vielgeprüfte,

ſich wünſcht;

Profeffor Dr. Arzruni.

der ganzen brutalen

denn

fie hat Jahrhunderte

hindurch

mit dem Blute ihrer Söhne die individnellen Nechte gegen vie Barbarei verteidigt und ein großer Zeil derſelben ftöhnt and) jeßt unter dem Drud türkischer Willkür. Es ift zu hoffen, daß

palitifchen ‚Orkonomir Heiedeich

Kı it.

Siebente Auflage, mit eimer hiſtoriſchen und kritiſchen Einleitung

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Prof. Dr. K. Ch, Eheberg. 80,

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Jahrgang 1884. In monatlichen Heften, Preis vierteljährlich 4 M. 50 Pf. „Unſere Zeit“, eine der gediegenften und vielfeitigften dentjchen Revuen, bringt zeitgefchichtliche Aufſätze, Novellen, Reifejfizzen, literarifche Eſſays, biographiſche Porträts, Aufſätze über Volkswirthſchaft und Verkehrsweſen zc. Das fo eben erfchienene erſte Heft des neuen Jahrgangs iſt in allen Buchhandlungen zu haben.

Verlag der 3, 6, Cotta’ ſchen Buchhandlung in Stuttgart. Sp eben wurden vollftändig und find im brofchirten und elegant gebundenen Eremplaren durch jede Buchhandlung des In— und Auslandes zu beziehen:

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ämter, — enden, —

21. Januar.

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Juhalt: 1. Vierter Bericht der Zentralfommiffion fiir wiffenschaftliche Kandesfunde von Deutſchland. S. 41. —2. Neue litterariſche Erjheinungen in den Bereinigten Staaten. Bon A. Scobel. ©. 46. — 3. Neolitijhe Höhlenfunde aus Siebenbürgen. Bon Gabriel Teglas ..52.— ©. 51. — 4. Zum Namen des falzburgiihen Höchftgebirges. Bon Dr. 3. Prinzinger d. Ne. in Salzburg. in Deva. 5. Die Masken von Zeylon umd der ägyptiſche Kultus. Vergleichende Studie von Artillerie-Hauptmann E. DBoetticher. IS (9) 54. — 6. Die Veränderungen in der Sundaſtraße.

lleber

die Mineralquellen

(Mit Karte.) S. 57.

in Transbaikalien.

Vierter Bericht der Zentralkommiſſion



für wiſſen—

ſchaftlihe Fandeskunde von Deutfchland.' In ihrem letzten, dem Frankfurter Geographentag erſtatteten und mit einem Anhang vom 9. Juni d. J. ver— ſehenen Berichte ſtellte die unterzeichnete Kommiſſion in Ausſicht, daß ſchon im Juli ein neuer erſcheinen werde. Da indes die Drucklegung des erſteren ſich durch mehrere Umſtände ſo verzögerte, daß ſeine Verſendung vor dem Auguſt kaum beginnen konnte, ſo glaubte ſie, den neuen Bericht lieber bis zum Spätherbſt hinausſchieben zu ſollen, zumal es zweckmäßig ſchien, dem Inhalt des vorigen und namentlich jenes Anhanges zu demſelben erſt etwas Zeit zu laſſen, ſeine Wirkung zu thun. Die nachfolgenden Mitteilungen über den gegen— wärtigen Stand der landeskundlichen Sache befolgen zu leichterer Ueberſchau eine rein geographiſche Anordnung, mit dem Nordoſten des Deutſchen Reiches beginnend.

Die Zuſammenſtellung der landeskundlichen Litteratur der Provinzen Oſt- und Weſtpreußen bat in freund: lichiter Bereitiwilligfeit 1 Siehe „Ausland“ und Nr, 29, ©. 561. Ausland

Herr

Mitteilungen:



8. Notizen:

©. 57T. Ruſſiſche Neifende —

©. 59. Aſien. —

in Zentralaften.

9. Litteratur: ©, 60,

Reicke in Königsberg 1. Pr. übernommen und fo nachdrüd:lich gefördert, daß diejelbe bis auf eine legte Durchlicht und Ordnung bereits vollendet iſt und ihrer baldigen Beröffentlihung entgegenfiebt. An auswärtigen privaten Beiträgen dazu tt bejfonders eine Sendung des Herrn Dberlehrer Thomas in Tilfit, betreffend den Littauifchen Anteil Dftpreußens, danfend zu erwähnen. Eine größere landesftundlihe Monographie über Dftpreußen, verfaßt von Herrn Stadtſchulrat Dr. Krojta in Stettin, gelangt

demnächſt in den Drud. Die bibliographiiche Bearbeitung Hinterpommerns it nunmehr von dem Berein für Erdfunde zu Stettin in Angriff genommen worden, welcher zu diefem Behufe vier

Sektionen gebildet hat und im Yaufe des nächiten Jahres feine Zufammenjtellung publizieren zu können hofft. Für Vorpommern liegt bereits ſeit mehreren Mo— naten ein landesfundliches Yitteratur-Nepertorium vor, welches unter Leitung des Herrn Brofefjor Dr. Gredner in Greifswald von Mitgliedern der dortigen geograpbifchen Geſellſchaft zufammengeftellt worden iſt.!“ Iſt es aud, wie dies bei der Kürze der Zeit faum anders möglich war,

Univerfitätsbibliothefar Dr.

1883, Nr. 2, ©. 21; Nr. 13, ©. 241

1884, Nr. 3.

7, Kleinere

Ein bolivianiſches Monſtrum.

I Die landesfundliche Litteratun von Vorpommern und Nigen. Separatabdruf aus dem 1. Jahresbericht der Geographiichen Gejellfihaft zu Greifswald 1882/83. Greifswald 1883, 36 €. 7

4)

Vierter Bericht der Zentralkommiſſion fir wiſſenſchaftliche Landeskunde von Deutjchland.

noch feine erjchöpfende Sammlung alles Einfchlägigen, fondern nur eine Grundlage, der eine weitere Vervoll— jtändigung und fpätere endgültige Ausgabe folgen joll, jo wird doch niemand, der das jtattliche Heft Durchblättert, fich der Wahrnehmung entziehen können, wie anregend zu den bezüglichen Studien und welche danfensiverte Erleichterung derſelben ſelbſt jolche vorläufige Zufammenitellungen des Michtigiten ſchon fein können. Mit ganz befonderer Freude aber begrüßt die unterzeichnete Kommiſſion, daß die genannte Gefellfchaft es Tich, wie es in der Vorrede heißt, von vornherein al3 eine Hauptaufgabe ihrer Thätigfeit bingeftellt bat, „die Yandesfunde der beimatlichen Provinz zu fördern und bei den Vereinsmitgliedern und in weiteren Kreifen Intereſſe für diefelbe zu erwecken“, ſowie daß es „in der Abficht ihres Vorſtandes liegt, ihren Jahresbericht mehr und mehr zu einem Organ für die Zandesfunde VBorpommerns und Nügens zu gejtalten.” Aus Medlenburg hatte Herr Brofeffor Dr. Geinitz in Noftod die Güte, eine von ihm bereitS vor mehreren Jahren veröffentlichte Zufammenjtellung der geologifchen Yitteratur über diefes Land einzufenden. Aus Bofen erbielt die Kommilfion von dem ftellvertretenden VBorfigenden des dortigen Naturwiſſenſchaft— lihen Vereins, Herrn Profeſſor Dr. Wagener, eine von ihm und mehreren anderen Mitgliedern des Vereins zus jammengebrachte reichhaltige Sendung von Titeln landesfundlicher Zitteratur der Provinz. In der Provinz Brandenburg bat fih der Kom: miſſion leider noch nirgends die Neigung gezeigt, auch bier eine Uebersicht der vorhandenen Yitteratur aufzuftellen. Doc iſt ihr wenigitens für ihre weiteren Bejtrebungen von bedeutenden Berliner Fachgelehrten die thatkräftigite Unterftügung zugefichert. Was ferner die Provinz Schlejien betrifft, fo nehmen die dajelbit namentlih in Breslau — wo außer den im vorigen Bericht genannten Gejellfchaften auch der Verein für Geſchichte und Altertumsfunde Schlejiens der landesfundlichen Sache ſein Intereſſe zugewendet hat — und

in Görliß bereits vor längerer Zeit begonnenen Arbeiten ihren unausgejeßten Fortgang. In Dresden hatten jchon zu Anfang d. J. der Berein für Erdfunde, der Gebirgsverein für die Sächſiſch-Böhmiſche Schweiz und der Verein für Altertumskunde gemeinjam einen Ausschuß für die Yandesfunde des Königreichs Sachſen gebildet. Derſelbe bat sich fogleich an die übrigen mwiljenschaftlichen ©ejellfchaften des Landes ſowie an einzelne Fachmänner um ihre Mitwirkung getvendet und iſt dann zunächſt an die Zufammenjtellung der reichen landesfundlichen Litteratur des Königreichs gegangen, wo— bei wegen der innigen natürlichen und gejchichtlichen Ber:

bindung beider Gebiete auch die allgemeine Litteratur über den preußiichen Teil der Oberlaufig mit berüdfichtigt wird.

Wiewohl

die Arbeit

eine ſehr meitjchiehtige ift und mit

der größten Gründlichkeit vorgenommen

wird, hofft man,

dank dem allfeitig entfalteten Eifer, doch fchon bis Ende dieſes Jahres mit dem Sammeln

fertig

zu werden,

und

darf demnach der Veröffentlichung im Yaufe des nächiten Jahres zuverfichtlich entgegengefehen werden. Nicht minder jchreitet in Thüringen die durch die Geographiſche Gefellfchaft zu Jena begonnene Zufammenjtellung der Litteratur des Thüringertvaldes und feiner Vorlande rührig fort. Hier find, wie fich dies zu gründlicherer Durcharbeitung des Stoffes ſehr empfiehlt, die einzelmen in Betracht fommenden Fächer jedes an einen oder mehrere fpezielle Vertreter verteilt. Mit der Ver— öffentlihung wird je nach Fertigjtellung der einzelnen Abteilungen vorgegangen, und wird demnächſt wieder ein Teil, die von Herrn Dr. Lehmann in Nudoljtadt zuſammen— gejtellte meteorologiſche Litteratur des Gebietes, zur Ver— öffentlichung gelangen. Weitere landesfundliche Forſchungen über dasjelbe bat, wie jchon früber mitgeteilt werden fonnte, zunächit der Thüringeriwald-Verein in die Hand genommen und eine bejondere twifjenfchaftlihe Kommiffton mit der Yeitung derjelben beauftragt. In einer unlängjt abge: haltenen Sitzung bat die legtere nun bejchlofien, ſogleich mit der Herausgabe zmwanglofer Hefte zur Landes- und Volkskunde des Thüringerwaldes vorzugeben. Die Nedaktion hat der um die landesfundlichen Beitrebungen hochverdiente

Schriftführer

der Geographiſchen

Gejellihaft

zu Sena,

Herr Dr. 5. Negel dafelbit, übernommen, und find für das im nächiten Sommer erjcheinende erjte Heft bereits Beiträge verfchiedenfter Art aus dem Kreiſe der Mitglieder der Kommiſſion gefichert. In noch näherer Ausficht ſteht die Publikation einer bejonderen Monograpbie des Herrn Dr. Regel, welche die Stedelungsverhältniffe des nordweſt— lichen Teiles des Thüringerwaldes in dem ganzen natür= lichen, hiſtoriſchen und wirtfchaftlichen Raufalzufammenbange behandelt. Außerdem bereitet Herr Geb. Hofrat Profeſſor Dr. Bardeleben in Jena eingehende anthropologifche Meſſungen vor, welche ſyſtematiſch und in großem Stile in Thüringen vorgenommen werden jollen und für welche der Thüringische Nerzteverein bereitwilligjt feine Mitwirkung zugefichert bat. Für die Provinz Sachſen, das Herzogtum Ans

halt und den zu Braunfchtweig und zur Provinz Hannover gebörigen Teil des Harzes, ſowie die Schwarzburgiſchen Unterherrichaften ift die 11 Bogen umfafjende Zufammen:

itellung der landesfundlichen

Litteratur joeben in Halle

erſchienen.“ Em vom Verein für Erdkunde dafelbit gejeßter Ausſchuß bat, unterjtüßt durch zahlreiche wärtige Freunde der Sache ſowie durch wohlwollende derung feitens der Herzoglich Anhaltiichen Negierung

ein= aus: För— und

1 Die landesfumdliche Literatur fiir Nordthüringen, den Harz und den provinzialfächfischen wie anhaltiſchen Anteil an der norddeutjchen Tiefebene, herausgegeben vom Verein für Erdkunde zu Halle, (Separatabdrud aus den Mitteilungen des Vereins, Jahr-

gang 1883.) 174 ©.

Halle a./S.

Verlag von Tauſch u. Groffe, 1884, i

Vierter Bericht der Zentralkommiſſion

für wiffenschaftliche Landeskunde von

des Königlichen Provinzial-Schulfollegiums zu Magdeburg, die Materialien zufammengetragen und der Vorfigende des Ausſchuſſes, Herr Profeffor Dr. Kirchhoff, die endgültige Auswahl und Anordnung des Stoffes beforgt. Zwar iſt auch diefe Zufammenftellung troß ihrer großen Neichbaltig:

feit noch keineswegs eine abjchließende, vielmehr iſt eine fpätere ergänzte und verbefjerte Ausgabe, für welche die Mitwirkung aller Intereſſenten erbeten wird, in bejtimmte

Ausficht genommen.

Doch

dürfte Wichtiges

darin wohl

faum noch viel überfeben jein und begrüßt die Kommiſſion dieſe erjte größere Bibliographie mit lebhafteſter Freude

und aufrichtigem Danf. Derfelbe Verein bat es ſich troß der ihm ſchon durch den Drud jenes Yitteraturrepertoriums erwachſenden be— deutenden Koſten nicht nehmen laffen wollen, auch in anderer Beziebung mit dem Beispiel rühmlicher Dpfertwilligfeit für die landesfundlide Sache voranzugeben. Um dem Studium der Heimatslandichaft und jeiner allges meineren Berbreitung einen Fräftigeren Impuls zu geben, bat derjelbe Schon im Mat d. J. „für die beite wiſſen— Ihaftlic) gehaltene Abhandlung zur Landes- und Wolfe: funde Thüringens (einschließlich des Harzes), des außer: thüringischen Teiles der Provinz Sachen, ſowie des Herzog: tums Anhalt” einen namhaften Preis ausgefeßt. Die bis ſpäteſtens Ende Januar 1884 einzuliefernden Arbeiten jollen im allgemeinen drei Drudbogen nicht überiteigen und die mit dem Preiſe gefrönte wird in den nächitjährigen Mitteilungen des Vereins Aufnahme finden. Es beiteht die Abficht, je nach dem Make der vorhandenen Mittel in dieſer Weiſe auch weiter fortzufahren. Endlih hat der genannte Verein durch Bewilligung einer beträchtlichen Subvention (300 Mark) zugleich den Beginn eines Unternehmens ermöglicht, welches die reichten und erfreulichiten Früchte verjpricht und in der Art des Vorgehens möglicherweife eine allgemeinere vorbildliche Bedeutung erlangen wird. Während nämlich, wie oben erwähnt, von Jena aus die anthropologiiche Seite der thüringischen Volkskunde in Angriff genommen wird, baben jich zwei auf dem Gebiete thüringifcher Lokalforſchung bereits twohlbewährte Männer, die Herren Realgymnaſiallehrer Dr. Rackwitz und Lehrer K. Meyer in Nordhaufen, die hiftorifche Seite jener Volkskunde zur Aufgabe geitellt.

Weil aber hierzu das bereit3 vorhandene Material weitem

nicht ausreicht,

iſt man

bei

darauf bedacht geweſen,

neues und befjeres in großem Maßſtabe aus der unmittel: bariten Quelle, dem Volke ſelbſt, zu beſchaffen. Ein mit ebenſoviel Umficht als Sachkenntnis aufgeftellter Frage bogen, welcher fih in 53 Hauptnummern und zahlreichen Unterabtetlungen auf die verjchtedenjten Seiten des Volks—

lebens jener Gegenden in Emricdhtungen, wie in Sprache, in Sitte und Brauch, ſowie endlich auf allerlei Altertümer erjtreckt, wird, verjehen mit der entjprechenden (den Meß— tifehblättern der Generalftabsfarte entnommenen) Alurfarte behufs Eintragung der Flur, Wüftungs: und anderer

Deutjchland.

43

Lokalnamen in jede Ortſchaft des ganzen Gebietes ver: fendet, in Dörfern namentlich an die Lehrer, und mird bebufs Einziehung der beantiworteten Bogen die Hilfe der vorgejeßten Auffichtsbehörden in Anfpruch genommen. Die Verfendung erfolgt indem Maße, als die zugehörigen Slurfärtchen fertig werden, und was an Reſultaten bereits

vorliegt, it recht ermutigend.

Das jo gewonnene reiche

und wertvolle Material wird eine mannigfaltige Ver: arbeitung geitatten, und iſt mit der Verwertung desſelben auch bereits ein Anfang gemacht worden. Die Bentralfommiffion bat es fich ſelbſtverſtändlich angelegen ſein (alien, das Schöne Unternehmen, dem fie recht viele Nach— folge in allen deutjchen Yanden wünscht, auch ihrerjeits nad Kräften zu fördern. Da ſie übrigens vorausfegen durfte, dab der erwähnte Fragebogen aud in anderen Gegenden Deutichlands Intereſſe finden, vielleicht jogar zu äbnlichem Vorgeben anregen würde, jo hat jte nicht nur eine Anzabl von Eremplaren desselben an Vereine verfendet, jondern auch für eine ausführliche Erläuterung und Begründung feines Inhaltes Sorge getragen. Der betreffende, auf ibren Wunſch von Seren Dr. Rackwitz ver faßte und von einer lebrreichen Kartenbeilage begleitete Aufſatz ſoll baldigit veröffentlicht werden. Um des lofalen Zufammenbanges willen ſei ferner gleich an dieſer Stelle eines anderweitigen Schrittes ges dacht, den die Kommilfion unlängjt zu unternehmen Sid) veranlagt ſah. Der Broden, jener Punkt, der, wie fein anderer in ganz Norddeutichland, von der Natur ſelbſt dazu bejtimmt feheint, als meteorologifche Beobachtungs— jtelle eriten Nanges zu dienen, iſt bisher in diefer Beziehung vecht färglich beſtellt geweſen. Es fehlte dort in neuerer Zeit vor allem ſehr an einem jtändigen und geübten, in feinen Aufzeichnungen gehörig zuverläffigen Beobachter, und jelbjt dem hochberzigen und opferwilligen Eintreten des

BorftebersderMagdeburger Wetterwarte, Herrn Dr. Aßmann, und des von ihm gebildeten Brodenflubs war es wegen unzureichender Mittel nicht möglich, diefe Schwierigkeit dauernd zu überbrüden. Da nun aber gerade die Broden: beobachtungen nicht bloß für die meteorologische Wiſſenſchaft im allgemeinen ſowie für deren praktische Nutzbarmachung

zur Wetterprognofe von großer Wichtigkeit find, jondern aud) das Intereſſe der wiſſenſchaftlichen Landeskunde dabei ſehr lebhaft beteiligt tft, jo bielt die Zentralkommiſſion es für ihre Pflicht, zu verfuchen, ob fich bier nicht anderweitig at Schaffen Tiefe. Daß eine gründliche und dauernde Abhilfe nur durch ſtaatliche Unterftügung zu erzielen ſein würde, fonnte nach allen vorliegenden Erfahrungen feinem Zweifel mehr unterliegen. Nachdem die Kommiſſion ſich daher durch ihren Schriftführer an Drt und Stelle von allen obwaltenden Mängeln und Schiierigfeiten überzeugt, erfuchte fie Herrn Dr. Amann, die ganze Sachlage ſowie die Bedeutung des Punktes für die Wiſſenſchaft in einer Denkſchrift näher zu beleuchten und feine Borfchläge hinzu— zufügen, Diefe mit großer Einficht verfaßte Denkichrift

44

Vierter Bericht der Zentralkommiſſion fir wifjfenfchaftliche Landeskunde von Deutschland.

hat fie dann dem Königlich Preußiſchen Minijtertum geiftlichen, Unterrichts: und Medizinalangelegenheiten der Bitte um geneigte Unterjtügung eingereicht.

der mit

Wunſch hat allerfeits das freundlichite Entgegenfommen gefunden, und ift die Publikation in den Schriften des Naturwiſſenſchaftlichen Vereins zu Bremen bereits im Werte,

Bon den eifrigen Arbeiten, welche die Geographiſche

Was ferner das Großherzogtum Oldenburg betrifft,

Gefellihaft zu Lübed im Intereſſe der landestundlichen Sache in Angriff genommen hat, wurde ſchon im vorigen Berichte gefprochen. Diefelben nehmen ihren unausgejeßten rüftigen Fortgang. Auch der Hanſiſche Gefchichtswerein dafelbft bat für das Gebiet feiner ſpeziellen Forſchungen der Kommiſſion feine Unterftüßung verfprochen. Sn der Provinz Schleswig-Holſtein batte es zwar an wohlwollendem Intereſſe für die landesfundliche Sache bisher keineswegs gefehlt, doch hatte teilweiſe ein obivaltendes Mifverftändnis von aktivem Borgeben zu guniten derjelben abgehalten. Nachdem nun diefer Irrtum

jo nimmt dort der Chef des Großherzoglichen Statiſtiſchen Bureau's, Herr Negierungsrat Dr. Kollmann, ſich fort dauernd der Iandesfundlichen Sache in freundlicher Weife

fih aufgeklärt,

it auch dort eine rege Bethätigung

zu

erhoffen, und bat namentlich Herr Brofeffor Dr. Krümmel in Kiel, welcher die Arbeiten der Kommiffion Schon von Hamburg aus in freundlicher Weiſe unterftüßt hatte, jeine eifrige Mitwirkung zugelagt. Die Bibliographie des Hamburger Gebietes bat der Verein für Hamburgifche Geſchichte zu übernehmen ſich bereit erflärt und find hierzu bereits gute Vorarbeiten vor: handen. Man gedenkt, wie auch im Intereſſe der Sade durchaus wünſchenswert it, diefe Arbeit in Verbindung mit den Nachbargebieten vorzunehmen, und wird fich dieſes Zuſammengehen wohl am beiten mit der Provinz Schleswig: Holſtein heritellen laſſen.

Um

auch für die Provinz Hannover

ein Reper—

torium der landesfundlichen Yitteratur in's Yeben zu rufen, wofür teils durch dankenswerte Einjendungen von einzelnen Vereinen wie von Privaten (vgl. den vorigen Bericht), teils durch die eigenen Sammlungen der Kommiſſion ein anfehnlicher Grunditod bereits vorhanden ift, hat fich Die: jelbe zunächjt mit dere Geographifchen Gefellihaft zu Han— nover in Verbindung gelebt. Die betreffenden Verbands lungen find zur Zeit noch nicht abgeſchloſſen, laſſen aber nunmehr mit ziemlicher Sicherheit das gewünjchte Nefultat erhoffen, daß Die genannte Geſellſchaft die Sache in die Hand nehmen und ji mit den anderen Vereinen der Provinz darüber in Beziehung fegen wird. Ebenso ift der Kommiffion aus Braunschweig einige Hoffnung auf Mitwirkung eröffnet worden. Seit langem aber it in Bremen ein engerer Kreis von trefflichen Sachgelehrten, vor allen die Herren Pro— feffov Dr. Buchenau und DOberlehrer Dr. Wolkenhauer, eifrig im Intereſſe der landesfundlichen Sache tbätig. Da eine von Heren Profeſſor Buchenau angefertigte Zufammenftellung der ganzen Litteratur über die Oftfriefischen Inſeln bereits in drudfähigem Zuftande vorlag, jo hat die Kom: miſſion gebeten, diefe wertvolle Sammlung über ein wenn auch räumlich kleines, doch in fich felbjtändiges Gebiet nicht erſt noch auf unbejtimmte Zeit ruhen zu lafien, ſon— dern jogleih der Deffentlichkeit zu übergeben. Diefer

an. Hoffentlich wird es feinen Bemühungen gelingen, aud) dort bald eine fürmliche und dauernde landesfundliche Kommiffion in’3 Leben zu rufen. In Kaffel iſt der Verein für Naturkunde und namentlich fein Vorfisender, Herr Oberlehrer Dr. Adermann, von vornherein den landestundlichen Beftrebungen mit wärm— ſtem Intereſſe entgegengefommen und war im vorigen Jahre unter den erſten, welche reichhaltige Einfendungen machten. Auf Wunsch der Kommiffton hat diefer Verein die Bibliograpbie für den ganzen Regierungsbezirk Kaffel übernommen und mit joldher Energie gefördert, daß der Druck bereit3 hat beginnen fünnen und wohl noch vor Ausfendung diefes Berichtes beendigt fein wird. Ebenſo forinte aus den preußischen Rheinlanden jchon im vorigen Bericht mitgeteilt werden, daß der Naturwiſſen— ichaftliche Verein zu Elberfeld mit großem Eifer auf die landesfundliche Sache eingegangen ſei. Die auf Verans laffung des Vorfigenden, Herrn Oberlehrer Dr. Kaiſer, da= ſelbſt zufammengetretene Kommiſſion iſt unausgeſetzt in voller Thätigkeit und verſendet eben jetzt einen Aufruf an die anderen wiſſenſchaftlichen Vereine ſowie an eine Reihe von Privaten in der Rheinprovinz und Weſtfalen, um dieſelben zur Mitwirkung, zunächſt an einer gemein— ſamen Bibliographie, aufzufordern. In dem ſüdlichen Teile der Rheinprovinz haben unſere Beſtrebungen beſonders in Trier Intereſſe gefunden, wo Herr Realgymnaſialdirektor Dr. Dronke und ganz beſonders der Direktor des Pro— vinzialmuſeums, Herr Dr. Hettner, lebhaft für dieſelben eingetreten iſt. Auf des letzteren Veranlaſſung hat ſich der Verein für nützliche Forſchungen daſelbſt entſchloſſen, zunächſt die bibliographiſche Bearbeitung des Regierungs—

bezirks Trier in die Hand zu nehmen. rungsbezirks

Wiesbaden

wird

Des Regie—

ſich hoffentlich

die

bereits vor längerer Zeit aus Mitgliedern des Vereins für Geographie und Statiſtik in Frankfurt a. M. gebildete Kommiſſion annehmen, und dann wird es vielleicht möglich, was ſehr wünſchenswert wäre, die Litteraturzuſammenſtel— lung über die ganzen preußiſchen Rheinlande, wenn ſie

auch zu leichterer Bewältigung von verſchiedenen Zentren aus bearbeitet iſt, doch ſchließlich in einer gemeinſamen Bibliographie der Oeffentlichkeit zu übergeben. Was ferner das Großherzogtum Heſſen

be—

trifft, ſodarf die Zentralkommiſſion mit ganz beſonderer Zuverſicht der Zukunft entgegenſehen, da ihr hier die überaus wertvolle Mitwirkung der Großherzoglichen Geolo— giſchen Landesanſtalt in Darmſtadt zuteil wird. Der Direk—

tor derſelben, Herr Profeſſor Dr. Lepſius, hat die Güte gehabt,

Vierter Bericht der Zentralkommiſſion für wiſſenſchaftliche Landeskunde von Deutjchland.

ihr im Gebiete des Großherzogtums die thatkräftigite Unter: ſtützung der Anjtalt zuzufihern und hat den Afjiitenten an derfelben, Heren Dr. Karl Chelius, mit der Zuſammen— ſtellung der landesfundlichen Litteratur beauftragt. Ein Verzeichnis der geologischen Fıtteratur für das Großherzog: tum Hefjen iſt bereits ausgearbeitet. Zur Mitarbeit an der Zufammenitellung der gefamten übrigen geographijchen

Litteratur

des Großherzogtums

ladet ſoeben ein Aufruf

der Yandesanftalt ein.

Für das Königreich Bayern war jchon zu Anfang diefes Jahres auf Veranlaffung der Geographiſchen Geſell—

Ihaft zu München eine aus hervorragenden Fachmännern zufammengejeßte Kommiſſion das ganze Staatsgebiet diese meinjfam die landestundliche In einem befonderen Aufruf

in's Xeben getreten, um für und jenſeits des Rheines ge Litteratur zufammenzuitellen. ! hat diefelbe fih an Vereine

wie Private um ihre Mitwirkung bei der Sammlung des Materials gewendet und damit nicht vergeblich angeflopft.

Die Ordnung, Prüfung und eventuell Wervollftändigung de3 jo Zufammengetragenen

aber

iſt für die einzelnen

Fächer beftimmten Spezialfennern übertragen worden.

Bei

der weiten Ausdehnung des Gebietes und der Neichhaltig:

feit der vorhandenen Yitteratur kann troß eifrigen Schaffens die Arbeit natürlich bier nicht fo ſchnell beendigt werden als anderwärts. Indeſſen wird ein erheblicher Teil dieſer Yıitteraturfammlung doch ſchon zu Ditern erfcheinen. In der Pfalz, wo man fi unter Xeitung des Heren Profefjors

Dr. Mehlis

in Dürkheim

Sammelarbeit

verbunden

a. d. Hardt und

zu gefonderter

die verjchtedenen

wiſſen—

ſchaftlichen Vereine fich in diefelbe geteilt haben, hofft man ebenfalls binnen wenigen Monaten das gemeinfame Werk jogar ſchon abjchliegen zu können. In Württemberg batfich troß mehrfacher Bemühungen der unterzeichneten Kommiffion bisher eine Ausficht für ein gleiches Vorgehen nicht gezeigt. _ Man verweiſt dort vielfach auf die vorzüglichen topographiſch-ſtatiſtiſchen Speztaliverte, tvelche feit langem von dem um die württembergijche Landes— funde hochverdienten Königlichen Statiſtiſch-Topographiſchen Bureatı zu Stuttgart herausgegeben werden und an ges höriger Stelle immer aud die einfchlägige Litteratur in

großer Neichhaltigfeit und von fundigiter Hand gefammelt mit aufführen.

Die Kommiſſion

erfennt

voll und rüd:

baltslos den außerordentlihen Wert diefer grundlegenden Werke, jowie auch der betreffenden Yitteraturüberfichten an; daran aber muß fie doch fejthalten, daß eine analoge

landesfundliche Bibliographie, wie fie nunmehr bereits für jo viele deutsche Lande im Werke ift, auch für Württem— I Da diefer Aufruf in einer fehr zur Nachahmung zu em— pfehlenden Weije zugleich das Programm und den Plan der Bibltographie etwas näher entwicelt, jo hat die Zentralkommiſſion eine größere Zahl von Eremplaren desjelben, die ihr von dem Vor— ſitzenden diejer bayerischen Kommiffion, Herrn Schulrat Dr. Rohm— eder in München, freundlichft hiefür zur Verfügung gejtellt wur— den, an außerbayeriſche Vereine zur Kenntnisnahme verjendet, Ausland

1884, Nr. 3,

45

berg keineswegs überflüfftg fein und den weiteren Studien, die ja doch auch dort nicht ausbleiben werden, zu mannigfachem Nutzen gereichen würde. Da diefe Arbeit nach den genannten Zufammenftellungen und einer im Sabre 1875 von derjelben Körperfchaft herausgegebenen Ueberficht der ſtatiſtiſchen Litteratur des Landes ſehr große Schwierigfetten nicht mehr bieten fann, jo gibt die Kommiſſion Die Hoffnung nicht auf, daß ihre bezüglichen Bemühungen ichlieglich auch bier den gewünfchten Erfolg haben werden. Für das Großherzogtum Baden bat die Geographiſche Geſellſchaft zu Karlsruhe Schon vor längerer Zeit in bereitwilligjter Weife die Sammlung der landestundlichen Lit— teratur in die Hand genommen und gedenft diefelbe in ihrem nächiten Jahresbericht zur Veröffentlichung zu bringen. Sleichzeitig tft dort ein größeres Werk über das Groß— berzogtum in Vorbereitung, welches von hervorragenden Fachmännern der genannten Gefellfehaft bearbeitet wird.

Was

endlih das Neihsland

betrifft, jo gehörte,

wie Schon im vorigen Bericht angedeutet, der Verein für Erdfunde zu Meb zu den allereriten, welche der landes— fundlichen Sache das volle Intereſſe zumwandten. Er iſt jeitdem unausgefeßt im gleichen Sinne tbätig geweſen und bat, da im Elſaß eine jelbjtändige Initiative nicht ergriffen wurde, feine anfangs auf Deutjch-Lothringen beſchränkte

Thätigkeit über das ganze Neichsland

ausgedehnt.

Die

von ihm eingejeßte Spezialkommiſſion hat ſich durch Koop— tation ausmwärtiger Herren erweitert und beabjichtigt zu— nächit Die Litteraturzufammenftellung derartig zu fördern, daß fie im nächiten Sabre veröffentlicht werden kann. Was nun weiter die außerbalb des Deutjchen Reiches gelegenen Länder Mitteleuropa's anlangt, jo hat die Kom: milfion zunächſt aus Böhmen eimen erfreulichen Fort: Ichritt der landesfundlihen Sache zu verzeichnen. Der Nordböhmiſche Erkurfionstlub zu Böhmisch :Yeipa ſandte nicht nur durch Herrn Dr. Sr. Hantjchel dajelbit abermals

freundliche Beiträge zur Yitteraturfammlung,

jondern bat

dann auf Wunſch der Kommiſſion auch bereitwilligit die jelbitändige Heritellung einer landeskundlichen Bibliograpbie jeines VBereinsgebietes und der angrenzenden Yandesteile in die Hand genommen. Ein darauf bezüglicher Aufruf vom 20. November wird jveben verjendet. Dagegen it die Kommiffion über den Stand der Angelegenheit in Mähren und Oeſterreichiſch-Schleſien ohne Nachricht. In Wien ift die feitens dev Kommiſſion lebhaft befürwortete Veröffentlichung der ſchon im vorigen Bericht erwähnten Yitteraturzufammenitellung des Herren Univerfi-

tätsbibliothefsfuftos Dr. Grafjauer auf einige materielle Schiwierigfeiten geſtoßen, die indes gewiß nicht unüberwindlich bleiben werden. Bei der hoben Bedeutung, welche eine ſolche in langjährigem, emfigem Fleiß über das ganze öjterreichifche Staatsgebiet ausgedehnte Sammlung für alle einschlägigen Studien haben muß, und bei dem lebendigen Intereſſe, welches gerade in Deutjch-Defterreich der 5

46

Neue litterariſche Erſcheinungen im den Vereinigten

landeskundlichen Sache entgegengebracht worden iſt, darf man ſicherlich hoffen, daß auch die Mittel zur Drucklegung ſchließlich auf die eine oder die andere Weiſe werden flüſ— ſig gemacht werden und demnach ein ſo wertvolles Hilfs— mittel nicht mehr lange der allgemeinen Benützung vor— enthalten werden wird. Außerdem iſt man aber auch in den meiſten öſter— reichiſchen Alpenländern ſowie in dem deutſchen Teile von Siebenbürgen eifrig mit der Sammlung der betreffen— den landeskundlichen Litteratur vorangegangen. Im letzt— genannten Gebiete, wo man von Anfang an die landes— kundlichen Beſtrebungen mit beſonderem Eifer unterſtützt hat, iſt dieſe Arbeit dem Abſchluß nahe und wurde der geſchichtliche Teil derſelben ſchon vor längerer Zeit der Zentralkommiſſion eingereicht. In Salzburg üt man, dank der opferwilligen Energie der Geſellſchaft für Salzburger Yandesfunde, damit fogar ſchon feit einiger Zeit fertig und ift das baldige Erfcheinen diefer Sammlung nunmehr bejtimmt zu erhoffen. Auch in Kärnten und Tirol find die bezüglichen Zufammenftellungen in erfreulicher Weiſe vorgejchritten. Der Ausschuß für die leßtgenannte Provinz bat ſich unlängjt an Herrn Dr. Graſ— jauer mit dem Erfuchen um zeitteilige Ueberlafjung des von diefem zufammengetragenen tiroler Materials geivendet, um dasfelbe zu fichten und eventuell zu vervoll: itändigen — ein Worgeben, welches gewiß Nachahmung verdient. Auch in der Schweiz hat die landesfundliche Sade nunmehr angefangen, Boden zu gewinnen. In St. Gallen bat die Oftfchweizerifche Geographiſch-Kommerzielle Geſell— ſchaft einige Ausfiht auf Mitwirfung eröffnet und Die Geographiſche Geſellſchaft zu Bern bat fürzlich in einem ſehr freundlichen Schreiben der Kommiſſion ihre volle Sympathie für die Sache ausgedrückt und erklärt, dieſelbe nach dem Maße ihrer Kräfte beſtens unterſtützen zu wollen. Inden Niederlanden hat vor allen Herr Profeſſor Dr. Kan in Amſterdam den landeskundlichen Beſtrebungen fortdauernd das lebhafteſte Intereſſe zugewendet. Auf ſeinen

Antrag

bat die Aardrijkskundig

Genootschap daſelbſt

die Sache für das ganze Staatsgebiet eifrig in die Hand genommen und in allen Teilen desfelben Verbindungen angefnüpft, um zunächſt die landesfundliche Yıtteratur zu— Jammenzuftellen. Natürlich gebt man dort in voller Selbitjtändigfeit vor, wird aber mit der unterzeichneten Kom— million regelmäßige Beziebung und die freundichaftlichite Fühlung balten. Yebhaft zu wünfchen wäre, daß dieſes Beispiel auch) bei den Vereinen Belgiens Nachahmung fünde Die Kommiſſion bat auch dort an eine Anzahl wifjenichaftlicher Geſellſchaften ihre Zuſendungen gemacht, aber bisher von feiner derjelben irgendwelche Antwort darauf erhalten, Um jo danfenswerter it es, daß der Direktor des Institut

national de G&ographie zu Brüffel, Herr Th. Falk-Fabian, in freundlichiter Bereitiwilligfeit die Serjtellung einer landes-

Staaten.

fundlichen Bibliographie des Königreiches auf fih genom— men bat. Derjelbe fördert die Arbeit, welche natürlich bier eine völlig felbjtändige, belgifche, fein wird, mit Energie und läßt auch die Kommiſſion fich angelegen durch Hergabe deſſen, was Ste ſelbſt gejammelt hat

noch jammelt, dazu ein menig mitzuhelfen.

aud) aller jein, und

Doc it bei

der Fülle und Zerjtreutheit der betreffenden Yitteratur Die

Arbeit eine ſehr meitjchichtige und darf daher ein baldiger Abſchluß derjelben fürs erſte noch nicht erwartet werben, wenn nicht mehr Kräfte mit eintreten. Die Kommiffion erlaubt fich daher, an die Vereine des Yandes, namentlich an die beiden großen Geographiſchen Gejellichaften, die ergebene Bitte, das durchaus gemeinnüßige, auch ihnen:zu gute fommende Unternehmen durch ihre Mitwirkung unter: ſtützen zu wollen. Bon Dorpat liegen der Kommiſſion neuere Nach— richten nicht vor, dody hat fie Grund anzunehmen, daß auch die dort jo eifrig begonnene Yitteraturzufammenftel: lung inzwifchen nicht gerubt hat. Mit diefen thatjächlichen Mitteilungen, melde den gegenwärtigen Stand der landesfundlichen Sache darlegen,

joweit uns jelbjt darüber Nachricht zuteil geworden

iſt,

Ichliegen wir für diesmal unfern Bericht. Von meiteren Maßnahmen, bezüglid) deren die Verhandlungen nod) ſchweben, wird bejjer der nächite Bericht Kunde geben fünnen, welcher dem zu Dftern 1884 in München tagenden Öeographentage, und zwar bereits gedruckt, vorgelegt werden fol. Die für denjelben erforderlichen Notizen bitten wir uns recht volljftändig und bis jpätejtens zum 10. Februar einjenden zu vollen. 1. Dezember 1883, Die Zentralkommiſſion für mifjenfchaftlihe Landeskunde von Deutichland. Ingenieur-Hauptmann ©. Kollm, Straßburg i. E. Dr. Rich. Yebmann, Halle a. ©., Schriftführer. Profeſſor Dr. Fr. Nabel, München, Vorſitzender. Profeſſor Dr, ©. Nuge, Dresden. Profeſſor Dr. K. Zöpprig, Königsberg i. Pr., ſtellver— tretender Vorſitzender.

Hene litterariſche Erfheinungen in den Dereinigten

Staaten. Bon

und

Die Arbeitsteilung Statiftif bejcheert

A. Scobel.

auf dem Gebiete der Geographie uns in höherem Maße als fich

früher ahnen ließ eine reiche Fülle von Gaben.

Nicht

allein mit außerordentlicher Schnelligkeit werden ung die Berarbeitungen aller Erhebungen zugänglich) gemacht, fondern die verfchtedenartigjten Gebiete der Wiſſenſchaft werden

Neue litterariſche Erfcheinungen in den Bereinigten Staaten,

47

in getrennten Departements fo fpeziell berüdjichtigt, daß

Doll., in denen über 21, Millionen Menschen bejchäftigt

wir von dem großen Staatenfompler der Union eine wahre Sundgrube von Material zur Beurteilung der Kultur: und Zebensverhältniffe erhalten. Berücfichtigt man dabei

zweibändiges „Compendium of the tenth census of the ‚United States“, herausgegeben vom Zenfusamt des Depart-

wurden. Die gezahlten Arbeitslöhne betrugen 947,953,795 Doll., der Wert der Produktion 5,369,579,191 Doll. An Dampf: und Wafferfraft wurden gebraucht in Baummollfabrifen 275,504, in Getreidemühlen 771,201, in Eiſen— und Stahlfabrifen 397,247 und in Sägmühlen 321,928 Pferdekräfte. Die Produktion von Gold bezifferte ſich auf 33,379,663 Doll. Wert, von Silber auf 41,110,957 Doll. Kalifornien produzierte für 17,150,941 Doll. Gold, für 1,150,887 Doll. Silber, Nevada für 4,888,242 Doll. Gold, für 12,430,667 Doll. Silber. Die Produktion von bituminöſer Kohle war 41,860,055 Tonnen zu je 2000 Pfd. (52,427,868 Doll.), An— thrazitfoble 28,621,371 Tonnen (42,139,740 Doll.), Eiſen— erz 7,064,829 Tonnen (20,470,756 Doll), Kupfererz 1,007,245 Tonnen (8,886,295 Doll.). Gifenbahnen waren am 30. Juni 1880 in Betrieb von 1146 Geſellſchaften 87,891 E. Ml., deren Baufojten im

ment of the Interior.

Durchſchnitt pro Meile 47,387 Doll. betrugen.

die oft ſchwierigen Vorbereitungen zur Grlangung eines jo weitſchichtigen Stoffes, ferner die große Ausdehnung der an Areal fat Europa gleichen Republik, fo twird man der ganzen Organiſation und Arbeitsleistung volle Aner: fennung zollen müfjen, ganz abgejehen von den reichen, vom Staate zu publiziftifchen Zwecken beivilligten Geldern.

Mit großer Pünktlichkeit wurden die Aufnahmen des zehnten Zenfus

von

1880

in Quartheften veröffentlicht,

von denen befonders die Abteilung über Bevölferung mit lehrreichen Kartenbeigaben gefhmüdt it. Um aber das gejamte Jenfusmatertal in gedrängter Form einem größeren Publikum zugänglih zu machen, erſchien vor furzem ein

In zahlreichen Tabellen find bier Bevölferung, Yand-

Dampf:

5139

mit 1,221,206.93 Tonnengebalt.

wirtichaft, Induſtrie, Metallproduftion und Minenbetrieb,

Die Länge der Kanäle

war insgefamt 2515.04 MI. und

Eiſenbahnen, Schiffahrt, Kanäle und Telegrapben, Zivil:

A11.14 MI. kanaliſierte Slußftreden. Die Länge der Telegrapbenlinien wurde zu 110,726 DU. Länge angegeben, mit 291,213 MI. Drähte und 12,510 Stationen; Tele: phondrähte hatte man bereits 32,734 MI. In nachfolgende vier Arbeitsgruppen gehörten von der Bevölkerung zufammen 17,392,099, nämlich: Yandwirtichaft Treibende 7,670,493, Dienfteleijtende 4,074,238, Handel Treibende 1,810,256, induftriell Thätige (einſchließ— lich der Bergleute) 3,837,112. Die Zahl der Wohnungen belief fich auf 8,955,812, alfo per Wohnung 5.60 Perfonen; die Zahl der Familien auf 9,945,916, pro Familie 5.04 Köpfe. Die Volkszahl Alaska's it nad ihren Nafjenbeftandteilen angegeben: 430 Weiße, 1756 Miſchlinge, 17,617 Esfimos, 2145 Mleuten, 3927 Tinneh, 6763 Tlin: fiten (Tlinfet) und 788 Haidas (Hyda), total 33,426

ſtand der Bevölkerung, Fischerei, Lebens

und Feuerver:

fiherung, Belteuerung, öffentliche Verſchuldung, Zeitungen, öffentliche Schulen, Analphabeten, Kranfe und Berbrecher, Mortalität berüdjichtigt, und ein befonderer Artikel handelt von Alaska. Da über Bevölferungsverhältnife ſchon viele Einzelheiten in Deutfchland befannt find, ſeien bier nur wenige Bemerkungen hierüber gemacht. Von der Geſamt—

bevölferung von 50,155,783 Seelen wohnten in den 286 Städten (Cities) 11,318,547 und das Vorbringen der Bevölkerung nah Weſten bin zeigte die Verſchiebung

des Bevölferungszenirums, das in 390 4/8“ n. Br. und 840 39° 40° w. L. gefunden wurde, gegen 390 12’. Br. und 830 35,7 w.%. in 1870 und 390 16,1 n.Br., 760 56,5’

w. X. in 1800 (Statisties of the population, by Franeis A. Walker, p. XXXIII). Von den Weißen tvaren in den Bereinigten Staaten geboren 36,843,291, von den Farbigen 6,632,549; Die fremdgeborne Bevölkerung betrug 6,679,943,

davon waren in Deutjchland geboren 1,966,742, in Großbri— tannien und Irland 2,772,169. Im Jahre 1880 zählte man 4,008,907 Farmen (gegen

ichiffe zählte man

Bewohner. Das Grundeigentum beträgt 13,036,766,925 Doll. im Wert, das beivegliche Eigentum 3,866,226,618 Doll., welches zufammen zu 302,200,694 Doll. Steuerertrag veranlagt

it. — Die Schuld der Vereinigten Staaten (ausſchließ— lich der Schuld der Staaten und Gemeinden) betrug

2,659,985 in 1870), von denen 28,578 mehr als 1000 Afres umfaßten, im Geſamtwert von 10,197,096,776 Doll. Der Viehſtand belief fih auf 10,357,488 Pferde, 1,812,808 Maultiere und Eſel, 993,841 Arbeitsochjen, 12,443,120 Milchtühe, 22,488,550 Stüd gewöhnliche Kinder, 35,192,074 Schafe, 47,681,700 Schweine, zufammen einen Wert von

2,120,415,370.63 Doll. — Zeitungen und periodische Zeit: Schriften zählte man 11,314. Darunter 971 täglich er— icheinende, lettere in zufammen 3,566,395 Exemplaren Auflage, die übrigen in 28,213,291 Exemplaren. — 1880 gab es in der Union 164,832 Schulbauten für öffentliche, d.h. Elementar: und Hochſchulen, mit 236,019 Lehrkräften —

1,500,464,609 Doll. vepräfentierend. Die aus der Vieh: zucht herührenden Produkte waren 155,681,751 Pfd. Wolle,

von leßteren ivaren 15,834 Farbige — und 9,946, 160 Schülern. (Spezielle Nachweiſe liefert der Report ofthe Commissioner

530,129,755 Gallonen Mil, 777,250,287 Pfd. Butter und 27,272,489 Bid. Käſe. Ssnduftrielle Etabliffements wurden 1880 in der Union

of Education for the year 1880, Waſhington 1582, mit überfichtlihen Diagrammen und Berüdfichtigung ſämt— licher Schulen, von den Univerfitäten bis zu den Kinder:

253,852 gezählt, mit einer Kapitalanlage von 2,790,272,606

gärten und mit kurzem Abriß der Schulverhältnifje in den

48

Neue litterariſche Erfcheimungen in den Bereinigten Staaten.

europäischen Kulturſtaaten.) Von der Geſamtbevölkerung im Alter von 10 Jahren und darüber, der Zahl nad) 36,761,607, fonnten nicht leſen 13.4%,, nicht ſchreiben 17.0 9%. — Im Gebiet der Nepublif wurden außerdem ge: zählt 91,997 Wahnfinnige, 76,895 Idioten, 48,928 Blinde und 33,878 Taubitumme; Inſaſſen von Gefängnifien 59,255, darunter 531 Chinefen und 161 Indianer; und 88,665 Almojenempfänger. Die Sterblichkeit zeigte 1880 756,893, von denen faſt die Hälfte Kinder unter 5 Jahren

waren. Vom

Treaſury

Department

wurden

drei wertvolle

Hefte herausgegeben, die Importe und Exporte, den aus— wärtigen Handel und die für den Konſum importierten Waren tabellariich verarbeitet enthalten, und vereinigt mit einem Bericht über Einwanderung und Schiffahrt den

Annual report of the Chief of the Bureau of Statisties on the Commerce and Navigation of the United States for the fiscal year ended june 30, 1882 (Wajhington, 1883) bilden. Hier zeigt fich, entgegen den Nefultaten der legten Jahre, für das Jahr 1882 ein Nüdgang des Exports von 750,542,257 Doll. Wert gegen 902,377,346 Doll. 1881, aber einer Zunabme des Imports, 1882

724,639,574 Doll. 1881.

gegen

Dieje Zahlen

Edelmetallen

642,664,628

Doll.

gelten für Waren;

im Sabre

anders bei den

(in Münzen und Barren), bei denen 1880

und 1881 der Import die Ausfuhr übertraf. 1882 wurden für 49,417,479 Doll. exportiert und nur für 42,472,390 Doll. importiert. Hier werden gewiß die Auffchliegungen neuer Silberminen in Kolorado und Nevada eine fortdauernd erhöhte Produktion vermuten laffen. Von einheimischen Waren wurden 1882 für 733,239,732 Doll. exportiert und der Wert der amerikaniſchen Produkte für den Welt: markt wird Far, wenn für einzelne Gattungen der pro:

zentuale Anteil am Gefamterport betrachtet wird.

Baumes

wolle (einschließlich Manufakten) bildete 29.050%/, der Ge: ſamtausfuhr, Oetreide und Brotjtoffe 24.91%,, Provisionen 16.46 9/9, Mineralöle 6.99%, Holz und Holzwaren 3.27 0/0, Tabake 2.92%, Eiſen und Stahl einfchließlih Waren

2.33 0/9, lebende Tiere 1.33%, u. ſ. f. Für die drei erften Ausfuhrgegegenftände iſt ein Vergleich der Werte mit den: jenigen von zwei Jahrzehnten vorher intereffant: Ausfuhr von: Jahr Brotſtoffen Roh-Baumwolle Proviſionen 1862 84,183,754 1,180,113 34,686,292 Doll.

1872

84,586,278

180,684,595

1882

182,670,528

199,812,644

59,696,670, 120,655,701

er Totalwert des Imports und Exports im Handel der Vereinigten Staaten mit Deutfchland beträgt 7.50) des ganzen Außenhandels. Nach Deutfchland wurden von der Union Waren für 54,228,953 Doll. ausgeführt, von

Deutichland für 56,368,542 Doll. eingeführt. Im Fiskaljahre 1882 landeten 788,992 Einwanderer, von denen 250,830 aus Deutjchland famen, 1881 210,485,

gleich 19.07%/, Zunahme,

Welch eine außerordentliche Ein=

nabmequelle die Vereinigten Staaten in ihren Einfuhrzöllen befigen, zeigen die Einfuhrliften der Zollämter, und daß nicht am geringften gerade diefe Zollpolitif der einheim-

iſchen Induſtrie zu intenſivſter Thätigfeit verhalf, das ſehen wir an den überraschenden qualitativen und quantitativen

Fortfcehritten der Produktion. von

716,213,947

Vom

Geſamtwarenimport

an

Zöllen 216,138,916

Doll, wurden

Doll. bezahlt vder 30,11 des Wertes. Die Handelsmarine zeigte 1882 einen Tonnengehalt von 4,165,933, davon Segelſchiffe 2,361,251 Tonnen, Dampffchiffe 1,355,826 Tonnen, Barfen und Kanalboote 448,856 Tonnen. Hievon famen aber nur auf Schiffe langer Fahrt 1,259,492: Tonnen, auf Küftenichiffahrt 2,795,776 Tonnen, auf Walfang 32,802 Tonnen und auf Stodfifchfang 77,863 Tonnen. Bei dem Nüdgang der amerifanifchen Sandelsmarine, wie er an maßgebender Stelle jeit Jahren betont wurde, fängt man jest endlic) an, den Schiffbau energifcher zu betreiben. 1882 wurden gebaut 1371 Schiffe von zufammen 282,269 Tonnen, von

denen 502 Dampfer waren

von 121,843 Tonnen.

Eins

gegangen waren von amerifanifchen und fremden Schiffen im Sabre 1882 Segeljhiffe von zufammen 6,136,472 Tonnen, Dampfer von 8,520,027 Tonnen. Von dem Gefamttonnengebalt entfallen auf den Hafen von New—

York 50.22,

auf Boston 9.66%, auf San Franzisto

7.6209, auf Philadelphia 7.20%.

Ueber den Stand der öffentlichen Yändereien gibt der treffliche N. C. Me Farland, der Chef des General-Land— Office, einen eingehenden Annual-Report for the year 1882. Nächft den Bewilligungen von Ländereien an Gifenbahnen, Schulen oder für Militär-Reſervations befaßt fich die Dffice befonders mit der Ueberweifung von Land

an Anſiedler zu Kulturzwecken. Deshalb iſt ein Neb von Land-Bureaus über den ganzen Weiten verbreitet und von diefen Filialen geben die Berichte nicht nur Nachricht über Berkauf, Sondern auch über Unterfuchung neuer Yändereten, die fich für Agrikultur ze. eignen. Im Fiskaljahre 1882 wurde über die enorme Maſſe von 13,998,780 Akres ver: ügt und über 310,386 Akres AIndianerland, eine Steiger: ung gegen das Vorjahr um faſt 25%. Die gefamten Einnahmen des Departements betrugen 8,392,968 Doll. Vrivatverfäufe fanden bei 1,924,496 Ares jtatt, unter dem VBorfaufsrechte wurden überwieſen 1,351,381 Akres,

unter dem Heimjtättengefeß

nachgefucht 6,348,045 Ares,

davon endgültig 2,219,727 in Befit genommen, unter dem Baumfulturgefeß 2,566,686, bezw. 23,371. Die eigent-

lichen Barzahlungen beliefen fih für 4,728,238 Akres auf 6,628,776 Doll. oder durchjchnittlih pro Akre 1.40 Doll. Der öffentliche Berfauf von 7933 Akres, meist bei Toledo

(Ohio), brachte pro Afre 3.38 Doll. Für Anfang des Jahres 1883 waren 3 Millionen Mfres Baumland in Minne— jota zum Verkaufe bejtimmt und auf Grund der Wüften: landafte wurden 164,956 Afres abgegeben. Ländereien mit zuſammen 799 heißen Quellen in Arkanſas u, a. wurden

Neue litterariſche Erſcheinungen in den Vereinigten Staaten.

verfauft,

dagegen

Brunnen

referbiert.

‚Gebiete

in Stolarado

für

artefische

Für Bergiverfsbetrieb wurden

4)

nicht allzu bedeutend, wenn man erwägt, dahin letter ab auc das öffentliche Yand des Territoriums Alaska entbalten it. Als Sumpfland oder überflutetes Land wurden im

36,769

Ares abgegeben, davon 8634 Akres Kohlenland. Das gefamte bisjegt überhaupt in Bearbeitung genommene Areal der öffentlichen Yändereien beläuft ſich auf nicht weniger als 831,725,363 Ares, dem als noch unfultiviert

Sisfaljahre

648,032

Ares

beansprucht.

Die

enormen

Sortjchritte in der Bejtedelung und die damit verbundene Verringerung dev disponiblen Yändereien ift die Urjache,

ein geſchätztes Areal von 983,063,759 Akres gegenüberfteht

a8 1320

SUMATRA PS ‚OTIGA T: o

Timskl.

a —

fi —

SEBPSSII. 32

32

STEERS Ö “s 18

61 ‚Mafsstab 1: 200. 000 Pr Kilometer (11924) Hl tn geograph ‚Meilen (15>1°)

Ih Krakatoa soweit stehen geblieber, versunkener noradl. Theıl, ee Kalmeyer, 2neuw erstundeneInseln +Re Hohen u Tiefen inMetern.



östliche ger

Länge

105°30°







——



ee

35

2

v.l.Koermig.

Die Sundaftraße nach der Kataftvophe vom 26.97.

Augnſt 1853, Nah den erjten amtlichen Beröffentlihimgen des Hydrographiſchen Amtes von Niederländifch-Fndien.

daß die Regierung ihre Aufmerkfamfeit auf die großen, jeßt noch unbrauchbaren Yändereien richtet, die durch Melio— ration 20. zu Kulturland umgewandelt werden können. In dieſer Hinſicht iſt beſonders Florida noch reich an Ge— bieten, die einem Unternehmer freilich große Aufgaben

ſtellen.



An

Eiſenbahnen

Land bewilligt und

wurden

1882

176,407 Akres

der Bau derartig unterſtützter Eiſen—

Ausland 1884, Nr. 3.

bahnen belief ſich 1882 auf 16,239 E. Ml.

Wie weitgehend

Unternehmungen öffentlicher Arbeiten mit Landüberwei jungen unterſtützt wurden, zeigt die Geſamtzahl der über— haupt an Eifenbabnen bis zum 30. Junt 1882 überlaffenen 47,827,864 Akres; an Kanalverwaltungen wurden total 4,424,073 Akres überlajjen. Zur Ergänzung diefer Publikationen dient die Map J

50

Neue litterariſche Erſcheinungen in den Vereinigten Staateı.

ofthe United States, compiled from the official surveys of the General

the Hon.

Land

N. C. Me.

Office,

under, the direktion of

Farland,

Commissioner,

By

©. Roeser, 1882. Maßſtab zivfa 1:3,180,000. 4 Blätter. Zinkographiſch bergeitellt, zeigt die Karte in Sinficht auf ihren Hauptzweck das Terram nur in leichter Ausführung, berüdjichtigt aber beſonders die Yandämter, die Townſhip— grenzen der Gebiete, in welchen öffentliche Ländereien disponibel find; ferner die Cifenbahnen, Kanäle, Militär: refervations, bewilligte Brivatländereien und Indianer vefervations. Die Topographie bietet im Südweſten manches Neue und gegenüber der Fryhold'ſchen Karte gerade dort eine Bereicherung an Ortjchaften, deren Exiſtenz wohl teilweis durch die Südpazifikbahn begründet iſt. In einem Karton iſt Alaska dargeftellt und zwar gegen früher völlig ver: ändert, da die Petroff'ſche Arbeit ſchon benüßt werden fonnte. Bon der Smithſonian Inſtitution, jener großartigen

Stiftung,

zu welcher zablveiche

Gelehrte

ibre Arbeiten

liefern und deren Publikationen einen univerſell wiſſen— Ichaftlihen Wert haben, wurde feiner Zeit ein bejonderes Bureau für Ethnologie eingerichtet, um alles auf Die Bolfsfunde der Indianer bezügliche zu ſammeln. Von diefem Bureau wurde vor kurzem der erſte Bericht heraus: gegeben, ein Brachtband unter dem Titel: First annual

report of the bureau of ethnology to the secretary of the Smithsonian Institution 1879—1880, by J. W. Powell,

director

Sluftrationen

(Wajhington

1881),

in Chromolitbographie

mit

zablweichen

und Holzſchnitt be

veichert. Der verdienſtvolle Leiter des Ganzen, Powell, jelbjt bat bier Mitterlungen gemacht über die Entwidelung der Sprache, über die Mythologie der Indianer, über die

mebr fonventionelles. Gepräge haben. Sm ganzen jind aber beide identisch und e8 finden fich zahlreiche Synonymen. Der Unterschied zwischen den Steroglyphen von Balenque und der Steininfchrift von Kabah (Yukatan) iſt nicht größer als zwischen leßterer und den verfchtedenen Manuffripten. —

G. C. Royce veferiert über Yandabtretung der Indianer an die Union in Nücjicht auf den Staat Indiana, von welchem eine Karte in 1:636,000 beigegeben ift. Garrid-Mallery gibt eine ehr interefjante Arbeit über die Zeichenfprache der nordamertfanischen Indianer, mit Vergleichen derjenigen anderer Bölfer und der Taubjtummen. Unterjtüßt von einer großen Anzahl Abbildungen werden jämtlihe Anwendungen der Zeichen erläutert, von einer einfachen Wortdeutung bis zum Signalweſen ſprachlich

völlig getrennter Völker, und die Wichtigkeit dieſer Ver— ſtändigung von auch räumlich geſchiedenen Tribus tft nicht zu verfennen. Daß dieſe Fortentiwidelung der Zeichen: Iprache von Süd nach Nord vorgedrungen ſei, von Komanches zu den Cheyennes und Sioux ꝛc., wird als Tradition be— zeichnet und ferner wird betont, daß die Anwendung von Zeichen überhaupt feine Beziehung mit einer Armut der Sprache haben. Alle Theorien von den früher hieraus

abgeleiteten Armfeligfeiten

der amerifanifchen

Sprachen

müßten heute verlafjen werden, jedenfalls wohl auch die allgemeinere Anwendung von Tylor's Ausſpruch, daß der Gebrauch von Gejten abnimmt, je nad) der fortgeſchrittenen Zivilifation. — James C. Billing gibt eine Ueber: ficht der linguiſtiſchen Manuskripte, welche in der Biblio: thek des Bureau's für Ethnologie vorhanden find. Am

Schluſſe it ein furzes Beifpiel über die Methode

der

Sammlung indianischer Sprachen gegeben, mit Proben von

Regierung und die foziale Organijation der Wyandot und

Dorſey, Gatſchet und Riggs. In dem Annual Report of the Smithsonian Insti

über die Grenzen der Anwendung antbropologischer Daten. Eine große Abhandlung gibt Dr. 9. C. Yarromw über die Totenbräuche bei den nordamerifanischen Indianern und unterfcheidet folgende ſieben Arten der Berfeßung: Beer— digung, Mumifizierung, Urnenbegräbnis, Beiſetzung auf der Grooberfläche (in heiligen Bäumen oder wenig bededt mit Erde, Steinbaufen 2e.), Verbrennung, Beiſetzung über

tution für 1880 find außer dem Berichte über die Thätigfeit des Bureau's wichtig der General-Appendir, enthaltend das Jahresreferat über die Forſchritte der verſchiedenen Dis» ziplinen der Wiſſenſchaft. Der Band enthält u. a. Nachrichten von allen aftronomifchen Obſervatorien Amerika's und vielen der übrigen Erdteile und eine Bibliographie der Herfchellitteratur. Geographic bemerkenswert it Die

der Erdoberfläche (Aerial Sepulture; Beifegung in Toten-

Schilderung

häufern, auf Gerüften oder Bäumen), Beifebung auf dem Waſſer (in Kanots). In den jebr ſpeziellen Ausführungen find ſämtliche Begräbnisarten reich illuftriert und Vergleiche von Naturvölfern der alten Welt oft herangezogen; ferner werben berüdjichtigt Die Zeremonien der Trauer, Opferungen, Salten, Speiſen, Gejänge und Tänze, Spiele, Feuer und alle mit den Begräbniffen zufammenbängenden abergläubtIchen Bräuche. Intereſſant find die bei den Sioux üblichen Spiele mit verſchieden markierten Bflaumenjteinen zum

Kounty (Virginia) feitens einiger Abgefandten der Smith: jon’schen Stiftung. Die Höhle Liegt etwa 1 E. MI. weitlich

Zwecke der Verteilung des Eigentums eines Verjtorbenen. Eduard ©. Holden lieferte eine, hübſche Arbeit über zentralamerikaniſche Bilderjchrift. Die Injchriften von Kopan

jind als älter zu betrachten als die von Palenque, welche

eines

Befuches

der Lurayhöhle

im Bage

der Stadt Luray und ift erſt 1878 in ihren Details ent= det worden. Die Felfen diefer Negion find jtarf dis: loziert und haben Faltungen aufzuweiſen, wie das ganze Appalachiſche Gebirgsland. Das Geftein der Höhle tft ein bläulicher Kalkjtein, nach) den darin gefundenen wenigen

Foflilien

eine Ablagerung

des unteren Silur.

In Bes

zug auf die Entjtehung unterfcheidet man wie bei ähn— lichen Höhlen zwei Perioden, die der eigentlichen Höhlen:

bildung dur Erofion und Zerfegung durch Kohlenfäure, und die der Ornamentation, gebildet aus fohlenfaurem Kalt, in Form von Stalaftiten, Stalagmiten, Tuff, Travertin,

Neolitiſche

Höhlen funde aus Siebenbürgen.

Kriftallen 20. Der Eingang führt auf breiten Quadern etwa 15 m. tief, und nad kurzem Weg gelangt man in ein Veſtibul, zirka 11m. hoch und 61m, im Durchmeffer. Jeder der folgenden Räume tft bejonders benannt, jo der Garten, der Schlammfer, über den eine hölzerne Brüde führt, das Theater. Ueberall find die Wände mit den bizarriten Formen verkleidet. Der Fiſchmarkt ift einer der interejjantejten Teile der Höhle, wo hunderte von blätterähnlichen Stalaftiten ganze Reihen von großen Fiſchen imitieren. Von anderen Näumen jeien nur erwähnt die Plutoſchlucht, zirka 20 m. tief und 160 m, lang, in welcher bei Magnefiumlicht die weißen Kalkbildungen mit dem Dunfel der Tiefe fontraftieren ; Die Kathedrale mit phantaftiichen Säulen, faltenreichen Vorhängen in zahlreichen kalkigen Muftern und der fchönften Partie diefer Unter: welt, Giant's Hall; ferner Campbell's Hall, zirka 16 m. hoch, 60 m. im Durchmefjer. DBollitändiger als die Luray— böhle dürfte faum irgend eine andere mit Kalfgebilden geſchmückt fein, denn auch nicht die geringite Stelle ift nadter Fels, und in Half modellierte Fontänen und Kas— faden wechſeln mit jtalagmitifchen Geyſern und formen: reichen Blumengärten.

51

bededt, welcher einige Felsſtürze ausgenommen, aus Schwemmerde beſteht, ſtellenweiſe iſt er aber durch jchotter-

artiges Material

und

Fragmente

des bier anjtehenden

Kalkſteines bededt. Der anjtehende Boden beſteht aus einem gelben, ſehr fein geblätterten, jandigen Lehm. Diefe Höhlenerde it in der Vorhalle, wie auch auf der jchiefen

Ebene mit einer dunklen, bumusreichen Kulturjchichte be— det, während ich die Seitenwände zum Teil von Half: finter überzogen fand.

Die Kulturfchichte

verbreitet

ſich bis zu 1 m, Tiefe

und bei 30 em. Tiefe find die meilten Tierreite vorge fommen. In dem eigentlichen diluvialen Yehme fand Sofie dv. Torma (eine auch in Deutjchland mohlbefannte Schriftitellerin) bereits im Jahre 1876 zwei Gemweihe von

Cervus megaceros Hardtm. und ein Teil von den übrigen Knochen fann auch allerdings als foſſil angejeben werden.

Die Geweihe von Cervus

megaceros Hardtm. find

verftümmelt. Der Umfang des Roſenſtocks beträgt 27 em., an der Augenjproffe 10 em. Der erjte Zweig iſt 13 em. lang; von bier verbreitet fih das Geweih fo, daß es an dem oberen Ziveige 15 em. Breite hat, in der Mitte aber nur 3 em. und am Saume nur 15 mm. did iſt. Die ganze Länge beträgt 37 em.; da dies ungefähr nur

ein Drittel des Ganzen fein kann, mußte das Geweih in unverftümmeltem Zuſtande 1,10 bis 1,20 m. lang ge:

Neolitifche Höhlenfunde aus Siebenbürgen.

wejen

Im Thale des Petak, eines Nebenfluffes der Gserna,

waren

»

befinden jih in der Nähe der Gemeinde

Naudor,

unweit

der

Hunyad,

einige

befannten

Nitterburg

in Vajda

die erjten

vorgejchichtlichen

fein.

Bemerkenswert

find die Einfchnitte an den

oberen Nebenzweigen. Vom anderen vorgefundenen Geweihe der

eine Zweig

und

der Augenfnoten mit einem

Schneivewerfzeuge bejeitigt. Solche Geweihe fand man

noch im Siebenbürgen

in

aus

der Umgebung von Deezs zwiſchen den Gemeinden Apa—

Siebenbürgen lieferten. Gleich neben der wallachifchen Gemeinde Naudor bildet der Kreidekalk zwei parallele Nüden mit teil abfallenden

nagyfalu und Droszfalu. Bei Cfobanfa wurde ein ganzer Schädel mit wohlerbaltenem Geweihe aus diluvi— alem Löß ausgegraben. Beide Cremplare find Zierden des Klauſenburger Univerfitätsmufeums. Unfere Ausgra— bungen bieten noch die folgenden Reſultate: Von der Hyaena spelaea der untere Kiefer mit einem Ursus spelaeus Blumb., mehrere vorderen Badenzabn. Zähne, welche wahrjcheinlich mit Schnedengebäufen und anderem Weiberkram zufammengefchnürt als Schmud ges dient haben. Rhinoceros tichorhinus, ein Badenzahn. Diejes Tier jcheint in Siebenbürgen an den feichteren Ufergegenden des Diluviums fehr verbreitet geweſen zu fein, denn der Univerfitätsprofeffor Dr. Anton Koch aus laufen: burg bat mehrere Eremplare bei Alſo Rakos, Hammers— dorf (neben Hermannstadt), Beresmort, St. Agnethen und Kolozs-Monoslor getroffen, jedoch ift dieſes das erite Exem— plar, welches in der unteren Maros-Gegend entdedt wurde. Equus primigenius, durch Badenzähne repräfenttert, gerade wie bei den Pfahlbauten in der Schweiz. Cervus elaphus, ein Stüd des Geweihs, mehrere Tibia, Fibula in aufge: jpalteter Lage. Bos primigenius, ein einziger Badenzabn. Bos urus, der Stamm vom Gehörn). Bos taurus, Von diefem find die meiſten Knochen und zivar in gebrochenen

Höhlen,

welche

Funde

AUbhängen, die von einander durch ein enges, von Weiten nad) Diten ziehendes Thal getrennt find. Der Berg,

welcher fich rechts zeigt, wird wallachiſch „Dealu Peſteri“ (Höhlenberg) genannt, weil in diefem eine größere und fünf Eleinere Höhlen und Grotten vorkommen. Ihm gegen: über erhebt fich der Dealu Kukuluj (Kukukberg) noc mit zwei,

und der Dealu Betriceli (Schotterberg) mit drei Fleinen Höhlen.

Die zwei größten derjelben find von den prähi—

ſtoriſchen Menſchen bewohnt gemwejen. Vor dem Beginn der Ausgrabung habe ich die Kul— turſchichte des Dealu Peſteri unterſucht und auf den Felſen— terraſſen ſind Thonſcherben, Steinſplitter und Tierknochen zum Vorſcheine gekommen. Vom Thale 50 m. hoch hinauf— ſteigend, befanden wir uns in einer 4. m. breiten und 5 m,

hoben Vorhalle, auf die ein viel niedererer Stollen folgt. Durch beide genannten Stollen gelangt man in eine ge: räumige und 38 m, lange Halle. Die Temperatur der Höhle zeigt Sommer und Winter 8 bis 90 C., ganz ent: Iprechend der jährlichen Durchſchnittstemperatur dev Umge— bung.

Der

Boden

der Höhle iſt überall

mit Detritus

—532 —

Zum Namen des ſalzburgiſchen Höchſtgebirges.

Zuſtande. Es ſind jüngere und ältere Exemplare reprä— ſentiert; aber die Wirbelbeine ſind ſelten. Am häufigſten kommen die Extremitäten und die Rippenknochen vor. Capra hircus. Ovis aries. Alle beide ſehr zahlreich. Cervus

capreolus, mehrere Knochen der Endglieder und ein Unter— fiefer. Sus seropha domestica. Canis familiaris (der untere Kiefer),

Canis

lupus,

Castor fiber,

ein Bruchitüd

dem linfen Kiefer mit 4 Badenzäbnen.

von

So viel mir bes

Ipaltenen Zähne der Bären und Hyänen zu zählen, welche, wie erwähnt, mit Schnedengehäufen als Schmuck am Halſe getragen wurden, Die metallenen Gegenſtände repräfentiert nur em Kupferdraht, welchen Fräulein Sofie dv. Torma in einer kleinen Seitennifche mit einem ſchönen Thongefäße und Steinmeſſer nebjt menschlichen Knochenreſten gefunden bat. Noch zu erwähnen wären die vielen Holzfohlen und die

fannt tft, twurden noch in feiner ungarischen Höhle analoge

vote eifenbaltige Thonerde.

Funde gemacht.

Gefäße und zur Verzierung des Körpers, Unter den gemachten Sunden flößen uns die Menſchen— vejte das meiſte Intereſſe ein; nur find leider auch die aus der Nebengrotte durch Fräulein Sofie dv. Torma ausge: grabenen Schädelfnochen viel zu Flein, al daß man mit Beltimmtheit daraus urteilen fünnte. Ein anderes Stüd eines Schädelfnochens, welches auch Profeſſor Dr. Lenhoſſek in Budapeft für rezent erklärte, macht uns ganz wahr: Icheinlich, daß es von einem durch Näuberhände gefallenen Unglüdlichen herrührt. Ber Berüdfihtigung aller Erſcheinungen der Naudorer Höhlen gelangen wir zu dem Schluß, dab die Bildung diefer Höhlen gleichzeitig mit der des Thales begonnen hat und fortgegangen tft. Nur während gelegentlicher Trocken— heit, wenn die Bäche verfiegt waren, jcheint die Höhle von Tieren befucht worden zu fein, denn Ueberreſte find in der Schicht der quarternären Periode jehr felten. Aus der großen Menge von Artefakten, Topficherben und Tierfnochen ergibt ſich aber, daß die zwei größeren Höhlen von neolitifchen Menſchen als Zufluchtss und Begräbnis— jtätten gebraucht worden find. Sehr zahlreich waren die Knochen von Schaf, Ziege und Rind; die von Reh, Hirſch, Hafe, Pferd, Biber und Dachs dagegen verhältnismäßig jelten. Faſt alle Knochen waren zerbrochen und einige von Hunden benagt. Die einzig denfbare Annahme, mie eine Anbäufung von ſolchen Tierreſten entitanden jein fann, it die, daß dort ein Hirtenvolk gewohnt hat, das jedod) zum Teil noch auf Jagd angewiefen war. Auch in Thonarbeit haben die Urmenjchen einen großen Fleiß enttvidelt und um fich zu wehren, dem Feind aber Nejpekt einzuflößen, bereiteten fie aus Feuerſtein, Jaspis, Horn:

Meles taxus, ein Schulterblatt und Ober:

arm. Daß die Ueberrefte des Dachfes jelten find, beweiſt eben, daß deſſen Fleisch auch in der vorgejchichtlichen Zeit nicht als Delifateffe gegolten baben mag. Lepus timidus, in zahlreichen Knochen und zwar find einige verbrannt, ein Beweis, daß die Urmenjchen den Hafen auch nicht verfchmäht haben, obwohl noch) heutigen Tages viele Volks— jtämme ihnverabfcheuen. Nicht nur die alten Briten ver ihmäbten ihn, fondern die Lappländer und Somalen ſchau— dern auch beute noch davor. Thonſcherben wurden von zweierlei Arten ges funden und zwar von dickwandigen, bis 10 bis 15 mm, ftarfen,

votgebrannten

ausgebauchten

Gefäßen,

aus einem

mit Quarzſand und Kalkkörnchen verfegten Thon. Ste find an der Oberfläche vaub und roh aus der Hand gear:

beitet.

Die Scherben der zweiten Art find bis 6 mm,

die und unterfcheiden ſich außerdem von der erjten durch die Feinheit des Materials, durch ihre verschiedenen Ver: zterungen, fotwie auch durch den Umſtand, daß fie nur ſchwach Schwarz gebrannt find. Ihre Außenfläche iſt wahr: jcheinlich mit Zuhilfenahme von Knochen und Waſſer ſchön geglättet und manchmal auch die Innenfläche mit Nötel ausgeftrichen. Ein Teil der Gefäßftüde, die eine Bear: beitung mit der Scheibe erfennen laſſen, deutet auf römischen Urſprungs, da in nicht großer Entfernung von

den Höhlen,

zwifchen Naudor und

Naudor

Balya, eine

römische Kolonie fich befindet.

Nur eine einzige kleine Kanne war unverjehrt, die in einer Seitennifche der großen Höhle gefunden wurde. Die gefundenen Werkzeuge und Waffen waren meiſtens aus Stein, vorwiegend aus dentritiſchem Jaspis, Hornſtein, Feuerſtein, Amphibolit, Glimmerſchiefer, Quarzit gefertigt. Von den zweiſchneidigen Meſſern iſt ein Hornſtein— Meſſer bis 12 cm. lang. Handbeile find nur auf den Felſen— terrafjen vorgefommen, Hämmer und Meißel wurden öfters ausgegraben. Die größeren Werkzeuge waren alle poliert. Das Material, aus dem die Inſtrumente bejtehen, fonnte aus der in der Nähe fich binziebenden Kalkkette und aus den kriſtalliniſchen Schiefern der Nusfa Pojana berbeigeichafft werden. Su den gefundenen Anochenwerfzeugen gehört eine zu einer Säge verarbeitete Nippe und ein am Ende durd Schleifen zugeſpitzter Hauzahn eines Schweines. Mehrere Schaffnochensplitter fcheinen als Schneide: oder Glättwerk— zeuge gebraucht worden zu fein. Hiezu find noch die ges

Yebtere diente zum Bemalen der

jtein, Glimmerſchiefer, Amphibolit, Sandjtein und Quarzit gar gefährliche Waffen, Werte, Pfeilipigen, zweischneidige Mefjer, Hämmer und nad den eierförmigen Gewichten zu urteilen, waren fie auch in Fiſchfang und Weberei geübt, Deva. Gabriel Teglas.

Zum Aamen des ſalzhurgiſchen Höchſtgebirges. Bon Dr. J. Prinzinger

d. Ne, in Salzburg.

Der Name des öftlichen Aſtes des Höchitgebirges iſt in den verſchiedenen Schriften verfchteden. Der Name Tauern für den ganzen Gebirgszug wurde lediglich älteren Schriften

Zum Namen des falzburgiichen Höchitgebirges.

53

entnommen, ohne Erwägung, ob er vor der Wirklichkeit und der Logik der Sprache auch zu beſtehen vermöge. So viel ich bisher zu erheben im ftande war, wird er zuerft in

Das neue „Lehr: und Handbuch der Geographie des Dejterreichifchen Kaiſerſtaates“ Wien 1850) nahm den geo— graphiſchen Tauernbegriff Kleinmayrns, VBierthalers und

dem „Allerneuejten Staat des Erzbistums Salzburg” von

Hübners wieder auf, ſchwankt aber unjtät bin und her, indem

oh. Jakob Schmauß (Halle 1712, ©.10, 8 7) für das ganze

es bald den ganzen Höchjtgebivgszug und bald nur Scharten

Gebirg, welches Salzburg gegen Often, Süden und Weiten umschließt, alſo für das Urgebirge fowohl als das Kalt:

und Wege diefes Zuges darunter begreift. Auch Anfang und Ende diefer Tauern tft völlig unficher. Sonflar teilte jodann den ©ebirgszug in die hoben und fleinen Tauern ab, welche legteren man jeit 1870 niedere Tauern nennen hört. Der Anfang der hoben Tauern und das Ende der niederen Tauern tft bis zur Stunde im Fluß, jener ſchwankt vom Brenner bis zum Krimmler-Tauern, dieſes ſchwebt zwilchen Balten=Liefingtbal in Oberiteter und dem Wechfel.

gebirge (die Ur- und Kalkalpen) des Yandes angewendet. Der keltiſche Spuf Scheint Schon damals den Gelehrten

eingeredet zu haben, daß tur, tor oder taur ein feltisches Wort jet und Gebirge überhaupt bedeute. Etwas engere Grenzen zieht Kleinmayın dem Namen in feiner „Juvavia“ (1784, ©. 4, 8 7), indem er jenes Hochgebirge damit be= legt, „womit“, wie er ſich ausprüdt, „die ganze mittel:

ländifche Gegend

im ungetrennter Reihe dick beſäet ft.“

Ihm folgten aud) Viertbaler (Geographie von Salzburg, 1796, ©. 43, 45, 46 20.) und Hübner (Bejchreibung des

Yandes ıc., ©. 1796, 8. I ©. 443, 480, 581; B. III ©. 767), worin jedoch die Einzahl und Vielzahl des Tauernamens bereitS bunt durcheinander Schwimmen. Winfelbofer faßt das ganze Urgebirge der Tauern in der Einzahl (Salzach: freis, 1813, ©. 35, S 7). Kod:Sternfeld ſetzt endlich in feinen „Tauern“ (2. Aufl, Münden 1820, ©. 121 bis 128) dem gelehrten Spuk die Krone auf, indem er be hauptet, daß unfere Tauern nur noch einzelne Fährten, ein Trümmerftüd des großen Tauernzuges vom aftatifchen Baropamifus bis zum genueſiſchen Meerbufen feien, welchen folgend die keltiſchen Taurisfer ihren Einzug in Europa hielten. VBernünftiger iſt die Benennung Tauernfette, welche ev dem Gebirgszuge von Pfitſch in Tirol (Schluß des Hillerthales) bis Nottenmann in Oberjteier gibt, wo in der That der lebte Tauern (Hochweg über den Haupt:

famm) fich befindet. Doch

graphen,

fehlte es auch in jener Zeit nicht an

welche dem

wirklichen

QTauernbegriffe

Geo—

näher

famen; ivie Florian Neichfiegel (Einleitung zur allgemeinen

Wiſſenſchaft der Erdbejchreibung, Salzburg 1773) und Rafael Kleinforg (Geographie des Erzſtifts Salzburg, 2. Aufl,, 1787), welche die Tauern als Berge bezeichnen, worüber ein Weg oder eine Straße gebahnt tft. Ihnen

ſteht der treffliche Schmeller zur Seite (Bayr. Wörterbuch)

1827, 1, 452).

nur in der Yitteratur, nicht aber in der Wirklichkeit bee

Als Salzburg, das frühere Erzitift und jpätere Her:

zugtum, 1816 an Dejterreich kam und im darauffolgenden Jahr die öfterreichiiche Schulverfaffung

Seitdem nun das Schlagwort und feine Unterteilung ausgegeben worden war, folgte der ganze Chor der Geo— grapben, Kartographen und Reiſebeſchreiber, mit Ausnahme der dfterreichiichen Mappterungsfommilfion, nad; es wird jeither ein fürmlicher Alpenſport befonders mit dem prun— fenden Worte der hohen Tauern getrieben. Allen, wie gejagt, diefer altneue Tauernbegriff tft eine Berfündigung an der Landes- und Bolfsiprache, welche mit dem Tauern-Namen nur beitimmte Einfattlungen und Wege des Hochgebirges belegt, eine VBerfündigung gegen die Yogif, welche bejonders grell in den jogenannten Hochtauern zu Tage tritt. Sch glaube dies in den Mit: teilungen der Gefellichaft für Salzburger Landeskunde (B. VII, 1877), in der „Sabzburger Zeitung” Wr. 68 vom 24. März 1877 und in meinem Vortrage auf der Wiener Anthropologenverfammlung im Auguſt 1881 überzeugend nachgeiviefen zu haben, Die Fels- und Eisipigen des Sroßvenedigers, des Kitzſtein- und Wiesbachhorns, Des Großglockners und Ankogels Tauern zu heißen, tjt eine Ungebeuerlichfeit, eine für den Einheimischen ganz und gar unfaßbare Verwirrung. Ebenjo verwundert als der Salz— burger über feine Tauernbejcheerung wird der Stetermärfer über die Zumutung fein, daß der Hochſchwab ein Tauern fei und daß Eifenerz, Vordernberg, Mürzfteg und Mürzzuſchlag fortan in den Tauern gelegen fein jollen. Allerdings habe ich mit meinem Beweife bisher nichts anderes erzielt als das Eingejtändnis eines unferer landeskfundigiten Schriftiteller,! „daß die Namen hohe und niedere Tauern

eingeführt wurde,

entfiel der geograpbifche Unterricht in der Volksſchule; Die Gymnaſialſchulbücher aber fannten für unfer Hochgebirge nur den Namen „die Norifchen Alpen.” Doch lief neben— her ziemlich allgemein der Name Tauernkette für das Höchit-

gebirge vom Krimmler- bis zum Rottenmanner-Tauern. Diejen Namen hat aub Schaubach für das Höchitgebirge in jeiner früheren, von ibm ſelbſt beforgten Auflage ge: wählt (Die Deutichen Alpen, Jena 1845). So blieb es vom Sahre 1817 bis zum Sabre 1850.

jtehen” und die Thatjfache, daß jebt anjtatt der Fleinen Tauern von den niederen gefprochen wird. Wenn die neue Benennung nicht3 anderes als einen geographiichen

Begriff bezweckt, fo hätte man es ganz gut und bejjer bei den Norifchen Alpen belafjen können; man hätte wenigſtens die thatfächlichen Verhältniſſe nicht geradezu umgekehrt und den Leuten nicht die Köpfe verdreht. Denn jeder Leſer ward Schon aus dem Namen Norifche Alpen inne, daß er 1 ‚Länder und Völker Oeſterreichs.“ V. Band, Ceite 7 und 72, und Feftichrift zur 54. Naturforicher-Berfammlung von 1881, Seite 2.

54

Die Masken von Zeylon und der altägyptifche Kultus.

es daber nicht mit einer Wirklichkeit, ſondern mit einem eingebildeten oder Schriftnamen zu thun babe. Zur Rechtfertigung des neuangelegten Tauerngewirrs beruft man ſich darauf, daß gerade in dem Höchſtgebirgs— zuge auch die vom Volke fogenannten Tauern ich befinden und daß die Geographie den Namen Ghats (Bälle) in

Borderindien ebenfalls der nächitliegenden Gebirgsgruppe anbeftet. Das Volk gibt nun allerdings den Tauern: namen einem Ding, das in demfelben Gebirgszuge liegt, allein einem Dinge, welches gerade das Gegenteil von dem tft, was man mit dem geograpbifchen Namen Tauern oder hohe Tauern bezeichnen will; und macht die geograph— iſche Nomenklatur in fernen Ländern einen Fehler, jo tft nicht Die Folge, daß man ihn auch in der Heimat nad): abmen müſſe. Der Mißgriff it hier nur um fo größer, weil man daheim nicht bloß Gruppen um den Ba, fondern die Gebirgszüge jelbjt Bälle nennen will und den Gegen ſtand und die nachteiligen Folgen des Mißgriffes doch vor Augen bat. Sollte e8 ferner richtig fein, daß die Geographie beim Balkan denjelben Fehler wie bet unferen Tauern gemacht babe, fo it das nur ein weiterer Beweis der ihrer Nomenklatur anbaftenden Mängel und der Not: wendigkeit, dieſelben womöglich zu verbeſſern. Frägt man endlich, welcher Name unſerem Höchſt— gebirge anſtatt des veralteten und unbeſtimmten Namens der Noriſchen Alpen gegeben werden ſoll, ſo verweiſe ich auf den bezeichnenden Namen, welchen das Volk dieſem Gebirgszuge laut der beiden letztberufenen Schriften that— lächlih gibt und welcher mit jenem Namen überein: ſtimmt, den ich Schon in den Mitteilungen der GefellIhaft für Salzburger Yandestunde B. VII von 1867 vorgejchlagen babe. Wird er nicht anwendbar befunden, jo belafje man’s doch bei der Tauernfette oder felbft bei den Norifchen Alpen. Hat man aber für die Eiskette Salzburgs vom Zillertbal bis zur Arlfcharte einen Namen ausfindig gemacht, dann kann man auch die jteterifchen Ketten als nördliche, mittlere und füdliche (oder als öfter: reichiſch-ſalzburgiſch- und kärntneriſch-ſteieriſche) bezeichnen, während fie gegenwärtig auf die verſchiedenſte Art und

teilweife (vom Palten-Lieſingthale zum Wechſel) gar nicht benannt find. Sedenfalls aber hätte die Namengebung aud im Einvernehmen mit den öſterreichiſchen geographiſchen Geſell— ſchaften zu gejcheben, um endlich eine Einigkeit und eine den wirklichen Verhältniſſen entjprechende, für deutjche Gebirge auch zweifellos deutsche Benennung zu erzwecken. Nachtrag. Bühler bemerkt in feinem Führer durch Stadt und Umgebung von Salzburg, „daß man unter Tauern im Bolfsmunde nicht bloß die Zentralbergkette, ſondern vorzugsweiſe die Jochübergänge über diejelben, die Tauern-

wege verſtehe.“

Der Sat iſt etwas unklar; iſt er fo ge

meint, daß der Volksmund auch die Bergfette Darunter veriteht, jo iſt er entſchieden falſch. Sch habe im Wolf den Tauern-Namen niemals auf etwas anderes anwenden

gehört oder felber angewendet, als auf die gemwilfen acht Uebergänge der jalzburgifchen Höchſtgebirgskette. Den Uebergang über den Rauriſer Goldberg (jebt der neunte jalzburgifche Tauern in der Zentralfette) nannte man meines Wiſſens vor 5 bis 6 Jahrzehnten noch nicht einen Tauern. Die VBolfsbezeihnung für die Gebirgsfette ift, wie oben gezeigt, „Schnee: oder Keesgebirge;“ Kees (Gekäſe) iſt nämlich mundartlihe oder Bolfsbenennung (in Salzburg, Kärnten, Steiermarf und Zillerthal) für Gletſcher. In neueſter Zeit wiſſen allerdings viele Leute in unſerem Hochgebirge, daß die Zentralkette ſelbſt von den Fremden und in Schriften Tauern und hohe Tauern ge— nannt wird; die Bergführer unter ihnen werden ſogar auf die Kenntnis dieſer Schulnamen geprüft (Bergführer—

Ordnung in der „Salzburger Landeszeitung“ vom 6. Mai 1863). Es iſt alſo immerhin möglich, daß Herr Bühler auf ſeinen Reiſen in unſerem Gebirge aus dem Munde von Bergführern, Lehrern, welche aus dem Flachlande und der Schule ins Hochgebirge verſetzt wurden, oder ſelbſt von Landleuten, die ihre Schriftgelehrſamkeit vor dem Fremden leuchten ließen, den Tauernnamen für die Zentral— fette gehört bat; volkstumlich aber war und iſt dieſer Name nicht.

Die Masken von Zeylon und der altägyptiſche Kultus. Bergleichende Studie von Artillerie-Hauptmann E. Boetticher.

Wie dringend die Erforſchung der mehr und mehr dahinſchwindenden Nejte urältejter Völker geboten tft, lehrt auch wieder die jo bochverdienitvolle Sammlung von Dr. Riebeck (Halle), von ihm unter großen Gefahren und vieler Mühſal zufammengebradht.! Die darin befindlichen Masten von Zeylon führen zu den allerwichtigiten Auf: ſchlüſſen über die Darftellung tierföpfiger Götter der alten Aegypter. Die über diefe Masten vom „Führer“ auf ©. 9 gegebenen Auffhlüffe treffen nur teilweiſe zu. Die ägyptiſchen Analogien jcheinen unbemerkt geblieben zu fein. Obwohl Zeylon die heutige Inſel des Buddhismus ift, hat fich dort ein Net der urälteften Religion erhalten, der mit den Morten „ſüdindiſcher Teufelsfultus“ und „Volksaberglaube“ feinesivegs abgethan fein darf. Der „Führer“ jagt ©. 9: „Dieſe Masken gehören dem Teufels» tanze an, welcher in Zeylon bei Erkrankungen aufgeführt

wird. Der Teufelstänzer baut ein Haus mit vielen Bellen für die einzelnen Teufel; dorthin bringt er jedem einzelnen Reis, Früchte u. |. w. als Opfer und tanzt mit der Maske des Dämons einen tobenden Tanz vor dem Stranfen.”

Wohl!

Neligiöfe Tänze findet man überall und zu allen

1 Ausgeftellt jeit 27. November 1883 bis 1. Februar 1884 im Königlichen Kunftgewerbemufenm zu Berlin.

Die Masken von Zeylon umd der altägyptijche Kultus.

Zeiten.

Auch David tanzte vor der Bundeslade, und im

füdlichen Spanien, z. B. in der Kathedrale von Kordova, tanzt man noch heute um den Altar der heiligen Jungfrau. Auch der jogenannte Teufelstanz auf Zeylon charakterifiert fich als ein priejterlicher Ait und ift, wenn der alte Kultus diefer Inſel wirklich ſchon untergegangen fein follte, ein

Reſt desjelben, ein Nachklang aus Zeylon’s Urzeit. Damals haben zweifellos die Priejter, jo wie fie bei Beſchwörungen;

die Masken der Krankheiten und Dämonen

anlegten, bei

anderen Zeremonien andere von den ausgejtellten Masten,

nämlich immerbin,

die von

Göttern

und Tieren,

angelegt.

Mag

wie die Unflarheit des ‚Führers über die Vers



zu jtülpende, teils nur das Geficht bevedende waren. Die Bogelmasfen waren bier wie dort volle. 2.

Verzerrte Masten

(erfl. Krankheitsmasken.)

Es ſind die eigentlichen Teufelsmasken. Dieſen Typus finden wir auch in Aegypten, und zwar im Gott Beſa von Denderah. Vgl.! Königliche Muſeen Berlin, ägyp— tiſche Abteilung Hypoſtil Nr. 361, Saal V, Nro. 8238 (kopfloſe Statue, welcher ſolche Maste ſchief über der Bruſt bängt), ebendort im Schaufenster 9 die Wr. 2489 und und endlich die bloße Maske unter den Amuletten im Shre13 Mr. 4057),.Shf, 2: Ce. 5789) u:7 a.

wendung der leßtgenannten Masten vermuten läßt, dieſe ursprüngliche Bedeutung vergejjen jein, es ift feine andere denkbar. Das Merkwürdige it nun aber, daß die Masken von Zeylon diejelben Typen, die im altägypti— ihben Kultus eine jo große Nolle ſpielen, dar itellen, ihnen fogar in Form und Narbe zum Teil kon— gruent find.! T:

Menjchlic) gebildete Masken.

1. Masten

ohne Verzerrungen.

Der von ihnen dargeftellte Typus iſt ein dem altägyptiſchen ſehr ähnlicher: abjtehende Obren, jcharfgefchnittene, feine, leichtgebogene Naſe, hochgeſchwungene, kräftige Augenbrauen, Fleiner Mund mit ſchmalen Yıppen. Dies it aber auch der Typus heutiger Völker von Süd- und Dftaften, fo namentlich der Ariftofratie Japans, die z. D. im Kopfe Namfes IL. (Muſeum Turin) — vergl. das

öftliche Vejtibul der Königlichen Muſeen in Berlin, Nr. 36 — jo zu fagen porträtiert ift. Das gibt zu denfen! Auf Inſeln und inmitten mächtiger Gebirgsländer, abjeits der Völkerſtraßen, muß man die Nejte der Urvölfer juchen. Die gelbe, braune, rote, Shwarze und grüne fichtsfarbe diefer Masten entipricht der befannten tümlichfeit der Aegypter, ihre Götter in einer dieſer darzuftellen. Die ägyptiſchen Masten find ebenjo

(vgl. Kol. Muf. Berlin,

ägyptische Abteilung,

(!) Ge— EigenFarben gefärbt

Saal IL,

Schrank 4, woſelbſt auch eine grüne). Sollte der Bededung des Gefichtes der Mumien mit ihnen fein tieferer Sinn beigewohnt haben, bei diefem tiefjinnigen Bolfe? Der gerecht befundene Tote wurde ja ein Ofiris, und eine Sym— bolif, ihn mit der Maske einer Gottheit zuzudeden, wäre ebenjo verjtändlich wie naheliegend. Bekanntlich tragen auch die

Toten Altperu's Gefichtsmasfen, deren Uniformität ebenſo— wenig auf beabfichtigte Porträtierung deutet, wie die der ägyptiſchen. Noch wäre zu bemerken, daß wie auf Jeylon jo auch in Aegypten die Masten teils volle, über den Kopf 1 Daß diefe Analogien nicht auf Aegypten mag vorerft hier nur kurz angedeutet fein.

bejchränft find,

3. Der

Kopfſchmuck

der menſchlich Masken.

gebildeten

Einige Zeylonmasfen tragen eine Federkrone, andere eine Schlangenfrone. Beides iſt auch ägyptiſcher Typus. Vgl. Beſa mit Federkrone, Saal V, Schf. 21, Nr. 5802, 5803, Schf. 13, Nr. 4057 und die Hatbor mit Schlangen frone, eine Statue aus dem alten Neich, im Gräber: faal. Andere Zeylonmasken tragen einen fronenartigen Kopfihmud. Ein ägyptiſcher Zug daran iſt feine Zus jammenfeßung aus zabllojen einzelnen Symbolen und die Verwendung des Kreuzes als DOrnament. Das Ueber: vajchendfte ijt aber wohl die Erſcheinung der Schlange (nach Dr. Riebeck eine Kobra), die geradejo wie die Uräus— ſchlange des Kopfichmudes der ägyptiſchen Götter und Pharaonen über der Stirne der analogen Zeplonmasten ſich ringelt. Höchſt bemerfenswert iſt die der ägyptiſchen völlig identiſche Darſtellung. Der ſpitze Kopf der ſich ſenkrecht aufbäumenden Schlange iſt horizontal nad) vorn gerichtet. Der Leib zeigt gegen den Kopf bin die befannte Erweiterung; dieje iſt mit Schuppen befleidet, der wurm— fürmige Teil aber (auch innerhalb der Erweiterung ſichtbar) quer gerippt. Seitliche Anſätze gleichen verfümmerten Füßen. Die ägpptifche Skulptur zeigt die Gleichheit beijer als die Malerei. Vgl. den ſchon erwähnten Kopf Namjes Il, öjtliches Veſtibul, Nr. 36 und die Schlange mit

Meiberfopf (ſchöne Bronze) Saal V, Schf. 11, Wr. 2529. Die Malerei verivendete in Aegypten und auf Zeylon die gleichen Farben an diefer Schlange, nämlich blau, vot, grün, gelb, aber in verjchtedener Kombinierung. Die na=

türliche Darftellung ſcheint in erjterem Lande in Symbolik aufgegangen zu jein. Ganz ägyptiſch it das ſphinxartige Kopftuch, das, die Ohren freilaffend, auch die weiblichen Masten von Zeylon

umgibt.

Vgl. die Sphinx der Königin Hatjcheps, Nr. 236,

im Saal V, an welcher es genau jo arrangiert tt. Auch die Farbe, Schwarz und gelb, reſp. grün und gelb gejtreift, it die gleiche. Sogar die ägyptiſche jogenannte 1 Sm Nachftehenden beziehen ſich die Angaben fir ägyptiiche Vergleichsobjekte immer auf die ägyptifche Abteilung der Königlichen Mufeen in Berlin, weshalb ich dies nicht jedesmal hinzufüge.

Die Masten von Zeylon und der altägyptiiche Kultus.

56

Geierhaube kehrt an zeplonefischen Masken in einer Bogelhaube ivieder, deren weiß-rot-blaue oder gelb-ſchwarz-rote

Federn feitlich von der Maske niederhängen. 11 Masken von gemifchtem Typus.

Die Kombinierung von Bogeljchnabel mit menschlich gebildetem Antlitz, einer der merkwürdigſten ägyptiſchen Typen,! ift auch auf Zeylon heimisch. Das Einemal gleicht der gefrümmte Schnabel dem des ägyptiſchen Sperbers, tjt ſtark und kurz, trägt aber hinten ein barod geformtes Zahngebiß. Cine andere Kombination zeigt, wie der Ibis im ägyptischen Kultus, menjchlich gebildete Augen an einem langjchnäbeligen Vogelkopf Marabu?). Nach unferem „Führer“ Seite 9 ſtellt dieſe zeyloneſiſche Maske den mythiſchen Vogel Garuda vor, der die Schlangen vernichtet. Beiläufig geſagt bringen einen ähnlichen Typus noch heute die japaniſchen und chineſiſchen Malereien. II. Tiermasfen.

Andere Tierwelt, andere Masten! Statt des Wil pferdes finden wir feinen Verwandten, das Nashorn und

jtatt der Löwin

die Tigerfage.

Aber gerade dieſe Wahl

von Nepräfentanten derfelben Familien, alſo von Trägern ähnlicher Eigenfchaften, it für Kultusmasken jebr vieljagend. Außerdem bemerken wir lauter ägyptiſche Defannte: Stier (vergleiche Masfe mit Schädel Nr. 1156 im Gräber: jaal), Kub, Krofodil (grün), Schafal, eine kurz- und eine langſchnäbelige Vogelart. Man wolle bier bemerken, daß vorjtehende Klaſſi— fisterung der Masten I bi3 III die gleiche iſt, welche ich für die Geſichtsurnen aufgeitellt babe. Nie die Masken von Zeylon, jo find zweifellos auch die Theatermasfen der Birmanen und Japaner von heute und die der Nömer und Griechen von ehemals urſprüng—

lic) Kultusmasfen gewejen. Es ift unnötig, Dies an der Enttwidelung des Theaters erit noch darzulegen! Was tft das Medufenhaupt anderes als eine der jcheußlichen, von Schlangen umringelten Dämonenfragen von Zeylon! Sollten aber gerade in Aegypten die Masken nur eine Mumienhülle gewejen fein, dort, wo fo viele Fäden der Kulturgefchichte zufammenlaufen und wo wir die tierföpfigen Höttergejtalten finden? Schauen wir zu! 1. Darjtellung menfhenbäuptiger Gottheiten. Der Masfenrand verrät die Maskieruug. Die bezüg-

liche Linie kann nicht als Begrenzung

des Unterfiefers

vejp. der Wangen (nach unjerer Malweiſe) gedeutet werden, da ſie vor dem Ohre herläuft und bei Berfonen ohne gött— 1 Bergleihe des Berfafjers Abhandlung: „Analogien der Funde von Hiffarlif” und zwar sub. 1. Geſichtsurnen. Zeitſchrift für Ethnologie 1885. 4. (Separatabdrücde bei Aſher und Eo., Berlin.)

liche oder priefterliche Attribute fehlt.

Mumien, weil mit

Masten bevedt, haben auch jene Linie. Erſchien der Briejter mit göttlichen Abzeichen, jo erforderte deren Befejtigung häufig den Gebrauch einer vollen, über den Kopf zu jtülpenden Maske. Eine ſolche fann, wenn fie abgebildet wird, die fragliche Linie natürlich nicht aufiweifen. Die fongruente Bildung des Unterförpers der Gottheiten beiverlei Geſchlechts deutet ebenfalls auf ihre Daritellung dur mastterte Briefter, deren Bollmasfe auch den Bujen der Göttin fingierte. (Solche Bollmas en ſiehe Saal I, Schr. 4.) Die religiöfe Malerei und Skulptur haben die Maskierung getreu fopiert, daher der von der Bruſt abwärts gar nicht

weibliche Bau diejer Göttinnen. 2. Darjtellung der Öottheiten von gemiſchtem Typus und 3. Darjftellung tierföpfiger Götter. Wir können beide Gruppen zufammen betrachten. Die Masfenränder find ſowohl in der Malerei als aud in der Skulptur gar nicht zu verfennen. (Vergleiche die faſt lebensgroßen Abbildungen von. Opferjjenen in der Säulenballe und im Saal 1, befanntlih mathematiſch genaue Kopien.) Ein farbiger Ueberwurf verbüllt den

Hinterkopf und foll die Maskterung verbergen.

Auch zu

den Zeylonmasken gehört ein ſolches Kopftuch. — Eine ägyptiſche Löwinmaske als Amulett vgl. Saal V, Schf. 23, Nr. 6085. Wach alledem dürfte nunmehr die bisher unbefannte Ihatjache erwieſen fein, daß auch in Aegypten Kultus masten im priejterlichen Zeremoniendienſt eine große Rolle jpielten. Yängft it man überzeugt, & der Tierdienit der Aegypter Symbolik im Sinne der Verehrung fleijche gewordener göttlicher Eigenjchaften war, gleichivie im alten Teitament in zahllofen Sleichniffen der Herr Zebaoth in jeinen Eigenschaften mit Tieren vergliden wird. Es lag für die Prieſter nahe, die Eigenjchaften, deren Bethätigung die Andächtigen begehrten, durch Maskierung zu verfürpern, alfo den Gott in der Geſtalt des einen oder des anderen Tieres ericheinen zu laſſen. So fonnte die Gottheit, welcher ja stets viele Eigenschaften beiwohnen, in vielen Wandelungen, wie in einem Saleidoffop, vor der Menge ericheinen. Analogien liegen nabe. War nun ein Fremder,

etiva ein Grieche, unter dem Volke, jo nahm er das Schau: jpiel jo, wie noch heute manche Protejtanten den Katho— liken vorwerfen, te beteten Bilder an, furz es entitand im Nuslande die bis auf uns gefommene Mär von der

Anbetung von Tieren und tierföpfigen Göttern in Negppten. Unter dem Gefichtspunft folcher Wandlungen der Gott—

beit im ägyptiſchen Kultus fiele auch auf die Entjtehung der griechiſchen Mythologie ein neues Licht. Auch die Kunftgefchichte würde das Moment masfierter Götter: geitalten zu berüdfichtigen haben. Bor allem aber, wenn es gelänge, die anfcheinende

Vielgeitaltigfeit der Götterwelt Aegyptens aus Mißver— ſtändnis jolcher Wandlungen zu erklären, fie auf die altägyptifche Trias, auf die urewige Trias, deren Namen

Die Veränderungen

in der Sundaftraße.

Kleinere Mitteilungen.

57

mit Zeit und Volk wechſeln und neben welcher wie überall ein böjes Prinzip (hiev Seth oder Typhon mit der Schlange Apep) ſteht, zurückzuführen, dann träte die uralte ägyptiſche Religion in eine bedeutſame Stellung

Krater

neben Chriſtentum und Buddhismus, und Spuren wie die

Nach den erjten Berichten über die Eruption in der Sundaftraße war zwiſchen der Stelle, wo Krafatoa ver:

Kultusmasken von Zeylon und anderes könnten eine ſolche Ausdehnung derſelben vermuten laſſen, daß Se. Heiligfeit der

Pharao nicht mit Unrecht fich „Herr der beiden Welten” genannt haben dürfte.

befände,

der voll Waſſer

gelaufen

ſei. An

der

Stelle, wo früher Yand war, findet man eine jehr große Tiefe; an einzelnen Stellen war es nicht möglich, Leinen von 360 m. Grund zu finden.

mit

funfen war und Sebeffi eine Anzahl (man ſprach von vierzehn, ja jechzehn) vulkaniſcher Inſelchen entitanden; der Bericht des Leutnant zur See van Doorn, der

mit der Leitung

der bydrographifchen Neuaufnahme

der

Sundaftraße beauftragt war, gibt die einfache Erflärung diefer Berichte. Er fagt hierüber: Selbſt jetzt noch liegen die neuentftandenen Inſeln wie eine Gruppe

Die Veränderungen in der Sundaftrake.'

vauchender

(Hiezu die Karte Seite 49.)

Als Ergebnis der im Dftober beendeten hydrograph— üchen Neuaufnahme der Sundaftraße, welche unter Leitung des Leutnant zur See M. C. van Doorn ftattgefunden hat, wäre zu verzeichnen, daß der nördliche Teil von Krafatva ganz verſchwunden ift. An der jeßigen Nordfeite der Inſel erhebt fich der Pik mit beinahe ſenkrechter Wand, die einen ungeheuren Vertikal-Durchſchnitt der Inſel bloß: legt und entfprechenden Abſturz bezeugt. „Verlaten Ei: land” iſt gegenwärtig etwa dreimal fo groß wie früher, obwohl man an verfchiedenen Stellen deutlich bemerfen

fann, daß dagegen auch große Stüde vom Ufer weg— geriffen find. „Lang Eiland” ift, ſoweit e3 die Form betrifft, ganz unverändert geblieben. Beide Inſeln find vollftändig unter Bimsftein begraben, während Sebeffi von unten bis oben mit Aſche bedeckt tft, aus der bie und da Schon wieder verbrannte Baumftämme auftauchen. Auf

Sebufu iſt die Zerftörung nicht jo jtark wie weiter ſüd— lich, doc ift der Eindrud,

den es macht, noch größer, da

man bier Gelegenheit zu Vergleichen hat.

Aus den Lot:

ungen bat ſich mit großer Wahrfcheinlichkeit ergeben, daß die Veränderungen feine Folge von Erhebungen des Meeresbodens find, jondern von dem zerjtörten Teile der Inſel

herrühren. rajchend,

Die ſtarke Abwechslung der Tiefen war über: die neuentjtandenen

Felſen

jchienen

aus

dem

und

dampfender

Felſen

da, welche

im der

Ferne den Eindrud thätiger Vulkane machen. Wenn man näher fommt, bemerkt man, daß diefe Steinhaufen ganz und gar aus fehr heißen Bimsfteinftüden, ver: mischt mit Eruptionsmaſſen, bejtehen, die voller Riffe und Sprünge find, in denen fich bei heftiger Brandung Wafjerdampf entiwidelt. Dasjelbe kann man an den jtehengebliebenen Abhängen von Krafatva beobachten; dieſelben find mit einer graugelben Lage bededt, die, wie man deut— lich Steht, in geſchmolzenem oder flüffigem Zuftand geweſen ift und ebenfalls zahlreiche Riffe und Sprünge zeigt, aus denen forttvährend Wafferdampf auffteigt. Aehnliche Wafjer: dampfbildungen finden auch in den tieferen Sprüngen, welche man an der Nordfeite bemerkt, von Zeit zu Zeit statt. Manchmal ift dies von leichten Erploftonen — der

Bericht

ift im Dftober

gefchrieben



begleitet, wobei

Wolfen von braunem Staub fih aus den Spalten erheben

und Steine in das Meer ftürzen, welche häufig jo groß find, daß das Waſſer am Fuße des ganzen Berges in Unruhe verjegt wird. Ueber „Lang”= und „VBerlaten Eiland” wird noch bei— gefügt: Nah reichlichem Negen kann hier die Waſſer— dampfbildung jo jtark fein, daß diefe Inſeln, aus der Ferne gefeben, hier und da wie befchneites Bergterrain erfcheinen. Durch das Fernrohr fonnte man deutlich jehen, daß Diele weißen Felder durch eine große Anzahl Wolfen, die fich in Dampfforn aus den Kiffen erhoben, gebildet wurden.

glühenden Zuftande plößlich abgefühlte Broden zu fein; beinahe überall brachte das Lot Schwarzen Sand und Schutt nad) oben, die manchmal mit Kleinen, wie es ſchien plöß-

lid abgefühlten Steinchen vermifcht waren.

Sobald man

über die Grenzlinie der ausgewvorfenen Mafjen hinaus: fommt, hören dieſe Erjcheinungen mit einem Male auf

und man findet die früheren Tiefen wieder.

Wenn man es

mit Erhebungen des Meeresbodens zu thun hätte, würden

die Bodenwellen regelmäßiger jein und fich weiter vom Mittelpunkt der Eruption ausdehnen. Bei der Unterfuhung an der Nordfeite von Krakatoa befam man den Eindrud, als ob man fich über einem

Siehe „Ausland“ 1883, Nr. 46, 50, 52.

Kleinere Mitteilungen. Ruſſiſche Neijende in Zentral- und Oſtaſien. In der allgemeinen Situng der Ruſſiſchen Geographiſchen Sejellihaft in St. Petersburg vom 7./19. Dezember verlas der Sekretär den Bericht über die Thätigkeit der ruſſiſchen wiſſenſchaft— lichen Expeditionen fir die Zeit, welche feit der im November v. J. ftattgehabten allgemeinen Sitzung verfloffen war. In der letzteren wurde die Gejellichaft iiber den Aufbruch der Expedition unter Leitung des Herrn N. M. Brihewalsty telegraphiich benad)vihtigt, welche am 8. November Urga verlafjen und ihre Richtung

58

\

Kleinere Mitteilungen.

nah Alaſchan eingefchlagen hat. Eine andere Expedition unter Leitung des Herrn G. N. Potanin befindet ſich auch ſchon auf dem Wege nah der hinefifchen Provinz Kanſu. Was nun die ErpeDition unter Leitung des Herrn Dr. A. Regel betrifft, jo hat der— jelbe der Gefellfhaft eine Karte (bisher ohne Text) über feine Neiferoute in Darwas und Schugnan am Abhange des Pamir eingefandt, welche dieſes intereffante Gebiet in einem ganz neuen Lichte erſcheinen läßt. Auf andere Reifen übergehend, die unter Mitwirfung der Geſellſchaft ins Werk geſetzt worden find, erwähnte der Sekretär auch diejenige des Direktors des Obfervatoriums zu Peking, des Herrn Dr. Fritſche, im dem ſüdlichen und öftchen Zeile Chinas. Auf erjterer Neife wurden von ihn 46 Punkte aſtronomiſch und magnetisch beftimmt; die Richtung feiner Reife fällt mit derjenigen des Arhimandriten Palladius zuſammen. Auf dem Firzeften Wege von Peking über Zizifar und Mufden nach Blagoweſchtſchensk am Amur, den Herr Fritiche eingeschlagen hatte, beftimmte er 62 Punkte magnetifh. Die erwähnte Neife hatte eine Dauer von 32 Tagen umd ging vielfach durch bisher unberührte Gebiete. Gegenwärtig befindet er fih in St. Petersburg. Auf dem Pamirplateau in der Quellgegend des AmuDarja war eine Expedition unter Leitung des Kapitäns vom Generalftabe, Herrn Butjata, thätig. Nachdem verjelbe im Srühling des vorigen Jahres Tajchfent verlaffen hatte, begab er fi mit feinen Begleitern, den Herren Bergingentenv Iwanow und dem Topographen Bendersfi, von Oſcha nah dem großen Karakul und betrat alsdann das Pamirgebiet. Hier teilte fich die Expedition im zwei Abteilungen, welche, zwei verjchiedene Richtungen verfolgend, ſich mehrmals vereinigten und dann wieder trennten, Die Reſultate der Arbeiten diefer Expedition waren die Herftellumg einer Karte des ganzen von der Expedition durch— wanderten Gebietes im Maßftabe zu 5 Werft auf einen Zoll, eine reichhaltige geologische Sammlung und zahlreiche Temperaturbeobachtungen. Auf der erwähnten Karte lenkt der See Schiwa, der ſich in einer Höhe von iiber 3500 m. befindet, durch feinen bedeutenden Umfang die Aufmerkſamkeit auf fih. Die Expe— dition des Herrn Putjata hat die Zweifel hinfichtlic) der Identität der Quellen des Oxus mit denjenigen des Murghab befeitigt. Nah Beendigung der Erpedition kehrt Herr Jwanow nad) St. Petersburg zurück, um das gejainmelte. Material zu bearbeiten. Ueber die Mineralquellen

in Transbaifalien.

Im Transbaifalgebiete befinden ſich viele verjchiedenartige Mineralquellen, welche durch ihre Heilkraft bekannt find, wie die Kukuinski'ſche,

Ober-Tſchitinski'ſche,

Emarowski'ſche,

Jaſchkunski'—

ſche und andere. Zu beklagen iſt es, daß bisher feine wiſſenſchaft— lichen, auf den praktiſchen Gebrauch anwendbare Beobachtungen hinſichtlich der Heilkraft dieſer Mineralwäſſer gemacht worden ſind; die Unterſuchung des chemiſchen Gehalts derſelben iſt indeſſen auch nur an vier Quellen vorgenommen worden: an der Daraſunski— ſchen, Makowejewski'ſchen, Turkinski'ſchen und Emarowski'ſchen. Die erſteren drei Quellen erfreuen ſich ſchon längſt eines Rufes und werden daher häufig von Kranken beſucht, um ſo mehr als ſich bei denſelben Wohngebäude mit den erforderlichen Einricht— ungen befinden. Die Daraſunski'ſche Quelle liegt unweit des Dorfes gleichen Namens, im Bezirk von Tſchita und beſteht eigentlich

aus zwei Quellen, dem

alten und dem

neuen

Daraſun,

die ſich durch den chemiſchen Gehalt ihres Waſſers unterſcheiden. Aus den chemiſchen Analyſen, die von dem Gehilfen des Direktors des Laboratoriums für Goldwäſcherei in Irkutsk, Herrn Schemachin, gemacht worden ſind, geht hervor, daß die alte Quelle

von Daraſun

zu den ftärkjten eifenhaltigen Quellen gehört (auf ein Pfund Wafler ein Gran doppelfohlenfauren Eifens), der neue Daraſun hingegen zu den magnefia-falfhaltigen. Die Makojewski'ſche Quelle befinde

fich bei der Staniza gleichen Namens, im Bezivfe Tſchita. Ihr Waſſer ift jeinem chemischen Gehalt nach mit demjenigen der Duelle von Neu-Daraſun verwandt und unterſcheidet ſich von demſelben nur dadurch, daß es vorwiegend kalkhaltig, während dasjenige der erſteren eiſenhaltig iſt. Die Turkinski'ſchen Mineral— quellen liegen in einer ſchönen Gegend, in der Umgebung des Baikal-Sees, unweit des Dorfes Brjatſchinsk, im Bezirke Barguſinsk, und werden zu den älteſten bekannten Heilwäſſer Transbaikaliens gerechnet. Ihrem chemiſchen Gehalt nad) gehören die Turkinski'ſchen Mineralquellen zu den jchwefelhaltigen und enthalten worwiegend jchwefelfaures Natron und Kalzium, als auch leicht frei— werdenden Schwefelwafferftoff. Die Temperativ des Wafjers erreicht 420 R., aus welhem Grunde die Turkinski'ſchen Duelle auch die „Heißen“ genannt werden. In der Nähe derjelben befindet fih ein Hojpital mit 20 Betten, fowie auch Wohnungen für Kurgäfte. Die Emarowski'ſche Quelle liegt im Bezirk von Werchne-Udinsk, am mittleren Laufe des Fluffes Tſchikoi, in der Gemeinde

Urlufst,

in einer Entfernung

von 55 Werften

Dorfe Schimbelif, in einer öden und unbewohnten Gegend.

von

dem

Seinem

chemischen Gehalt nach gehört das Waſſer diefer Quelle zu den laugeneifenhaltigen und ift mit demjenigen der wegen ihrer Heil» fraft in Europa berühmten Quelle von Krinizf in Galizien ver— wandt. In der Umgebung der Quelle von Emarowsk befinden fi) etwa 20 Holzhäuschen, welche mit Badeeinrichtungen verfehen find. Eine heiße Mineralguelle, die Byljerinski'ſche genannt, bes findet fich in einer Entfermumg von 50 Werften von dem Wacht: hauſe Kiransk an dem Flüßchen Byljera, welches fi) in dei Fluß Kira (ein Nebenfluß des Onon) ergießt. Diefe Quelle wird hauptfählih im Winter und zwar von Burjäten und Zungufen bejucht. Alle Bäder in Transbaifalien leiden infofern unter einer großen Unzulänglichkeit, als in dieſelben fich nur felten einmal ein Arzt verirrt und die Kranken infolgedefjen jedes ärztlichen Nates entbehren und ihre eigene Kombinationsfähigfeit bei der Kur zu Hilfe zu nehmen gezwungen find. C. 9. Nah dem „Prawitelſtwenny Weftina.“) Ein bolivianisches Monjtrum. Der „Panama Star and Herald“ brachte. feiner Zeit unter der Ueberſchrift: „Ein bolivianiſches Monftrum” die Notiz, der braſilianiſche Gejandte in Ya Paz habe dem Minifter der aus: wärtigen Angelegenheiten in Nio de Janeiro die Photographien von Zeichnungen eines abjonderlichen Sauriers gejandt, der im Bent getötet wurde, nachdem er 36 Kugeln erhalten hatte. Auf Befehl des Präfidenten von Bolivien wurde der getrodnete Körper, der in Aſunzion aufbewahrt worden war, nah Ya Paz gejandt. Er ift von der Schnauze bis zur Schwanzſpitze 12 m. lang; letz— tere ift abgeplattet. 4 m. hinter den Borderfopf fpringen aus dem Rücken zwei Feine aber vollftändig ausgebildete Köpfe hervor. Alle drei haben eine ausgeſprochene Aehnlichfeit mit Hundsköpfen. Die Beine find kurz und endigen in fürchterliche Klauen. Die Beine, der Unterleib und der untere Teil der Kehle find durch eine Art von Schuppenpanzer geſchützt und ift der ganze Rüden mit einem vom Kopf bis zum Schwanz veichenden, viel dideren und jtärferen Panzer bededt. Der Hals iſt lang, der Bauch breit und berührt beim Yaufen dem Anfcheine nach beinahe den Boden. Profeſſor Gilvetti, der das Tier unterfuchte, glaubt, daß man es nicht mit einem Monftrum, fondern einem Nepräfentanten einer feltenen oder beinahe verloren gegangenen Gattung zu thun habe, da die Indianer in einigen Teilen Boliviens Fleine irdene Gefäße in Gebrauch haben, die von gleicher Geftalt und wahr— Iheinlich nach der Natur fopiert find. — Troß der offiziellen und wiſſenſchaftlichen Antoritäten, welche der Erzählung zum Schmude dienen, mußte die Sache doch als Schwindel angejehen werden. Da zufällig ein feit Jahren in jener Gegend anfäffiger Freund

Notizen. gegenwärtig in Europa weilt, fo beihloß ich der Sache auf den Grund zu gehen. Seine Antwort lautet: „Die Gefchichte mit dem „Saurier“ vom Bent bat mich lachen gemacht, hHauptiächlich weil das Beaft ein alter Bekannter von mir ift. Ich ftand jozujagen bei feiner Taufe zu Gevatter. Wenige Tage vor unſerer Abreife von Santa Ana nah Brafilien im September 1882 wurde befamut, dag ein Einwohner von Eraltazion (nicht Aſunzion) namens Gumercindo Pozo einem Freund in Trinidad, der Hauptftadt vom Beni, dem Notar Duran mitgeteilt habe, es jet (oder er jelbjt habe) in Eraltazion ein kaimanähnliches Monftrum mit drei Köpfen duch 15 Schüfje erlegt worden, man möge es ver: öffentlichen. Letzteres geſchah zunächit in dem Wochenblättchen von Trinidad, nachdem der Brief dem Präfekten und anderen vorgelegen hatte. Kedermanı war begierig, näheres-zu erfahren. Als wir am 4. September unfere Reife antraten

umd in dem

von

Santa

Ana

eine Tagreife entfernten Eraltazion anlangten, erkundigte fich der Subpräfeft, mein Freund, der ums bis dorthin begleitet hatte, nach der Gejchichte. Pozo erwiderte ihm mit werlegenem Lächeln, er babe fih einen Scherz erlaubt. — Es jcheint mir mm, der Saurier habe jeinen Weg weiter im andere Blätter verfolgt, dem ich zweifle faum, daß obige Schilderung der ganzen Fabel zu Grunde liegt.“ Ch. N.

Notizen. Nfien. Vonder ruſſiſchen Pamir-Expedition. In dem verflof ſenen Sommer ſind auf dem Pamir-Plateau der Generalſtabsoffizier Putjata, der Bergingenieur Jwanow und der Topograph Benderski thätig geweſen. Dieſelben haben das ganze Hochland in verſchie— denen Richtungen durchkreuzt und aufgenommen, zugleich wurden aber auch die ruſſiſchen Aufnahmen mit den engliſchen verbunden. Die neuen Unterſuchungen erweiſen, daß eine Parallelkette am Oſtrande von Pamir, die von früheren Reiſenden angegeben wird, in der Wirklichkeit nicht exiſtiert Die Expedition unterſuchte auch die Berggruppe Tagarma und ihre Gletſcher. Es ſtehen uns in nächſter Zeit ausführliche Nachrichten, ſowie auch Karten und Sammlungen hierüber in Ausſicht.! Die von Sibirjakow zur Unterſuchung des Fahrwaſſers der Angara ausgerüſtete Expedition? iſt, wie die „Nowoſti“ berichten, zu günſtigen Reſultaten gelangt und hat infolgedeſſen Herr Sibirjakow die Fabrik „Vega“ mit dem Bau eines beſon— deren, dem Charakter der Angara entſprechenden Dampfers be— auftragt. Nach der „Morning Poſt“ hat der ruſſiſche Generalſtab aus Taſchkent einen wichtigen Bericht über eine vom Leutnant Nezirow geleitete Inſpektion von Merw erhalten, im welchem es heißt: Zur Invaſion von Merw ftehen den Nuffen drei Hauptronten offen, nämlich von Asfabad, Chiwa und Samarfand via Tſchardſchui. Die erſte wurde von Alttanow im Beginn vorigen Jahres, die zweite von Leſſar im letsten Herbſt inſpiziert. Zur Prüfung der dritten entjandte die Negierung Leutnant Nezirow, einen Offizier aftatischer Abftammung, der Turki ſpricht, mit der Weiſung, in Verkleidung von Aftrabad nach Tajchfent iiber Merw und Tſchardſchui, eine Diftanz von iiber 1500 Meilen zu reiten, Derjelbe begab fich nad Mejched und von da nad) Merw, wo er einige Zeit weilte und die Oaſe erforſchte. Später ging er nad) Siehe näheres hierüber unter „Kleinere Mitteilungen“

2 Siehe „Ausland“ 18833, Nr. 42.

er S.58.

59

Tihardjhui, einem bucharifchen Fort am Oxus, und von da über Buchara und Samarfand nah Taſchkent. So gründlich verheimlichte er feine Bewegungen, daR nicht einmal ein Gericht davon von Perfien nah Europa oder Indien drang. B. 8 In Zentralasien, auf der Straße von Indien nach dem ruſſiſchen Turkeſtan, hat fih ein neuer mohamedaniſcher Staat gebildet, der nun dazu berufen jcheint, bei einem Kampfe zwijchen England und Rußland über die Herrſchaft in Afien eine bedeutende Rolle zu jpielen. Jenſeit des Amu-Darja liegen vier kleine Khanate: Kulab, Darwas, Wafja nnd Schadumani, die teils von Kirgiſen, teils von anderen tiirkiichen Stämmen bewohnt jind und bald ter der Botmäßigfeit Bucharas, bald Afghaniftans ſtauden. Bor kurzem brach zwijchen zweien dieſer Khanate eine blutige Fehde ans und der Emir von Afghaniſtan wollte ſie be— nutzen, um ſeine Oberhoheit über jene vier wieder herzuſtellen. Doch kamen ihm die vier Fürſten zuvor, indem ſie ihren Amts— bruder, den Emir von Kulab, zum Oberhaupt ernannten und ihm den Oberbefehl über das Bundesheer übertrugen. Mir-Kuſch, der in der Stadt Sayad reſidiert, gehört ſomit heute zuden Khanen Mittelaſiens. Be Der Weg Tiherniajews vom europäifhen Ruß— laud nah Afghaniftan. Der Generalgonvernenr von Turkeſtan, Generallentenant Tſchernjajew, hat bekanntlich einen neuen Weg zur Berbindung des europäiſchen Rußland mit Zentralaften ausfindig gemacht, der viel näher und bequemer ift als der alte von Drenburg nad) Kafalinst am Syr-Darja führende. Wir ſind heute im ftande, näheres iiber denjelben mitzuteilen. Diejer Weg geht von Kungrad am unteren Laufe des Amu-Darja dem Bette des ausgetrockneten Aibugirgi entlang auf einer Strede von 60 Werft oder 815 ©. Mi. und zwar in der Nihtung WNW. fort, dann

weiter

bequem

nah

Tſchink

fir die Bewegung

auf dem von

Höhenzuge

Fuhrwerfen

Tſchibin,

der jehr

ift, wendet

fich nach

den Brunnen Alibef, Kara-Kudut, Irbaſan, Tortſchi-Tjulei und Sumbe und führt von letzterem Brunnen nach der Bucht Jaman— Airakty im Mertwyi Kultuk oder Toten Buſen. Die Länge des Weges beträgt gegen 442 Werſt oder 64 G. Mi. Die waſſer— (oje Strede auf demjelben überjteigt nicht 45 Werft oder 62 Mt. Der Boden erwies fih als fruchtbar. General Tſchernjajew will auf der leßteren einen Brummen

graben

lafjen, die Arbeit joll je-

doch nicht leicht jein, da die Dertlichfeit etwas erhaben tft und ſich Salzgriinde finden. Diejer Weg hat natürlich hohe Bedeutung in militärifcher wie fommerzieller Hinfiht. Am 5./17. Auguft ift bereits das erjte Schiff aus Aſtrachan nah der Jaman-Airakty— bucht abgegangen, um dort eine Ladung Wolle aufzunehmen. Wie es heißt, wird ſich binnen kurzem eine Amu-Darjadampfichiffahrtsgejellihaft, wahrjcheinlich mit Negierungsjubvention, bilden. Auf dem Kaſpiſchen See wird die Gejellichaft „Kawkas-Merkur“ es übernehmen, mehrere große Dampfihiffe zu bauen und in Betrieb zu jeßen. Seitens der ruſſiſchen Regierung iſt der Gefellichaft eine gewifje Zahlung per Werft zugefichert worden. EN Archäologiſche Ausgrabungen bei Samarfaud. In Afrosnab, einer der Vorjtädte Samarkand's, finden gegen— wärtig archäologiſche Ausgrabungen ſtatt, welche höchſt interefjante Ergebnifje zu Tage fürdern. Es find Zierftide in Marmor, Mojaik, jowie verſchiedene Gegenftände in Bronze, Thon und Glas aufgefunden worden. Alle diefe Sachen gehören den avabijcheı, griechiſch-baktriſchen und altiraniſchen Kulturepochen an, welde einſt hier geherrſcht haben. In einer Tiefe von 3 bis 4 m. hat man chineſiſche Münzen gefunden. Nachrichten aus Taſchkent beſagen, daß zwiſchen Kaſalinsk und Petro-Alexandrowsk eine Poſtverbindung mit Kamelen hergeſtellt werden ſoll. Die Poſt wird für die Kor— reſpondenz und Paſſagiere zweimal in der Woche befördert werden.

60

Litteratur.

Auf der Strecke von Kaſalinsk bis Petro-Alexandrowsk 10 Stationen eingerichtet.

werden

Ein Stückſchineſiſchen Kulturfortſchritts. Die Be— hörden von Jünnan und Kwangſi haben ſeit Jahren fremde Feuerwaffen gekauft, verſäumten aber, die Mechaniker mitzuerwerben, welche dieſen Schatz inOrdnung halten und, wenn nötig, Her— ſtellungen beſorgen konnten. Die Kriegsbefürchtungen haben ſie nun bewogen, ſich an die Regierung in Peking zu wenden und um Ueberlaſſung einiger gewehrkundiger Leute zu bitten, um die verroftete Waffen wieder in Stand zu feten. Das Arjenal von anfing hat infolgedefjen eine Kleine Expedition von Waffenhand— werfern nah Süden gejandt.

Jitteratur. Latzina's Karte der Argentina. Bon Franc. Latzina, dem Direktor der National-Statiftit der Argentiniichen Republik, ift Mitte vorigen Jahres in Buenos-Aires (Verlag der „Union“ von Stiller und Laaß) in fpanifcher, franzöftfcher und deutſcher Sprache eine Karte der Argentina erjchienen, welche bejonders auf die Intereſſen der Kolonifation md europäiſchen Einwanderung Nücdfiht nimmt. Sehr wertvoll find die auf der Rückſeite der Karte angeführten ftatiftiihen Daten. So finden fich glei auf dem Umjchlage der Karte die auf Einwanderer und Koloniften bezüg— lichen argentinischen Geſetze, wonach der Einwanderer jeine Möbel, Werkzeuge ꝛc. frei einführen darf, die Nation für ihn die Koften der Ausſchiffung bezahlt, ihm in bejonderen Emigrantenhäufern in allen größeren Hafenftädten 5 Tage lang koftenfrei Wohnung und Koft gibt, ihn mit feinem Gepäd :c. gratis nach dem Plate im Innern des Yandes befördert, wo er fich miederlafjen will ꝛc. Weiter ſchildert Herr Yabina im Texte feiner Karte die Vorteile, welche Argentinien dem europäiſchen Einwanderer bietet, wobei er die große perjönliche Freiheit und Sicherheit rühmt. Gewiß ift es in diefer Beziehung in der Argentina bejfer als in Brafilien, Benezuela oder Peru beftellt, ja auch wohl beſſer als in eimem großen Teile der Vereinigten Staaten; aber es bleibt doch eine ftarfe Uebertreibung,

wenn

gejagt wird,

daß die Verhältuiffe

in

diefer Beziehung in den zivilifierteften europälichen Staaten nicht beſſer als in Argentinien ſeien. — Im eigentlichen erflärenden Texte werden nun kurze und gute Angaben iiber Lage, Größe, Bevölferung (2,942,000), politifche Organifation, Klima und Acerbau, die Exnteerträge und die Anzahl der Fultivierten Hektaren in verſchie— denen Provinzen gemacht. Es folgt dam eine kurze Schilderung der Situation der Aderbaufolonien. Es gibt deren in ganz Argentinten 55 mit 54,869 Einwohnern, wovon 31,751 Fremde. Sie umfafjen 720,638 Ha., von deien bereit 276,241 Fultiviert find. Die äÄltefte aller Kolonien datiert aus dem “Jahre 1856 (La Esperanza) und hat heute 3299 Einwohner. Die weiteren An— gaben bejchäftigen

ſich mit

der

Bonität

des Terrains

am ver-

ſchiedenen Stellen des Gebietes, dev Biehzucht und der Induſtrie, dem Handel; jie enthalten ferner einen Auszug aus den Zollgeſetzen, ſowie jehr intereffante Angaben über die vorhandenen veichen Berfehrsmittel des Yandes. In kurzer Zeit werden 5638 Km. Eifenbahnen dem DBerfehr übergeben fein, Auch iiber die Entwidelung des Poſt-, Telegraphen- und Telephonverfehrs werden genane Mitteilungen gemacht. Letztere find bejonders interefjant und ergeben, daß Buenos-Aires in der. Verwendung des Telephons alle anderen großen Städte überragt. In Buenos-Aires

fommt auf je 173 Einwohner ein „Zelephon-Abonnent”, in Baris erft auf 865, in Wien auf 1179, in Berlin auf 1930, Weiter werden die Einnahmen und Ausgaben der verichiedenen Minifterien nad dem Budget-Entwurfe fir 1883 gegeben und Angaben über Münzen, Gewichte 2c. gemacht. Das Ganze jchliegt eine jehr wertvolle Schilderung der Stadt Buenos-Aires, Nachrichten über den Unterricht, die Bibliotheken, die Preſſe und die Armee, Sehr wichtig fir den Auswanderer ift auch die Tabelle über die Pafjagepreije zwijchen Euvopa und Argentinien, iiber die Löhne, welche daſelbſt gezahlt werden, iiber die Preife der nötigften Lebensmittel 2c. — Was die Karte felbft betrifft Maßitab 1: 6,000,000), fo ift dieſelbe vorzüglich. Beſonders iſt auch die Beifarte, welche die Lage der Kolonien in der Provinz Santa FE angibt, von hohem Werte. Eine ſolche Karte wurde von allen fih für die Kolonifation Süd— amerifa3 intereffierenden Geographen bisher ſchmerzlich vermißt. Wir empfehlen die Karte des Latina befonders allen auswanderunggInftigen Emopäern zum eingehenden Studium. Das Erſcheinen in drei Sprachen iſt geeignet, die aufklärende und belehrende Wirkung dieſer ſtatiſtiſch-geographiſchen Publikation in den weiteſten Kreiſen zu verbreiten. 5

Anzeigen. Im Berlag von Oscar Parrifins, Berlin,

erſchien:

Der pyrrhiſche Krieg, Duellenmäßig dargeitellt bon

Dr. Rom's

Rutdolt

v.

Seal.

Mit Situationsplan: Harnifonfyftem im Jahre a.

0:

281.



4. Size

Die Allgemeine Zeitung (mit willenfhaftliher Beilnge und Handelszeitung)

——

früher in Augsburg erihienen —

iſt in Deutſchland und Oeſterreich durch die Poſtanſtalten für 9 Mark viertel— jährlih (6 M. für die 2 letzten Monate, 3 M. fur den letzten Monat bes Quartals) zu beziehen. Preis bei divecter Verjendung unter Streifband monatlich 4 Mark (M. 5. 60 für die anderen Länder des Weltpoftvereing). Quarxtalpreis bei wöhentl. Verfendung im Weltpoftverein M. 12.

Probenummern Leitartikel,

nebſt neueſtem Ouartal-Regiiter gratis.

wiſſenſchaftliche und handelspolitiſche ätze ꝛe. ꝛc. in Nr. 5 bis 14.

Auf:

Das Jahr 1883. (VI. Schlußartikel.) — Die Parteien in Oeſterreich. (1/I1.) — Die Grundzüge für den Entwurf eines Gejeges über die Unfallverfiherung der Arbeiter nebit Begründung. — Die Pforte und das griechiſche Patriardat. — Das Parteileben Rumäniens. — Die nationale Pilgerfahrt der Italiener. Eine neue Theorie über die Entjtehung und Tendenz der angeblichen Schen— fung Gonftantins. Von G. Kaufmann. (1) — Die libyihe Wüſte. Von Mt. Neumeyr. — Wiener Briefe. (CLXVIII.) — Ein philojophiicher Mahnruf. Bon Prof. U. Palm. — Boccaceio's „‚Filostrato*. — Nafaels Parnaͤß. Bon 9. Schrott. Afrikaniſche Reiſeſtizzen. Von M. Buchner. — Südſlaviſche Voltks— poejie. Künſtleriſche Vorlagewerke. — Die Juden in Oeſterreich. — Fremd— wörter in den deutſchen Volksmundarten. Bon K. BraunsWiesbaden. — Organi— jation und Wrbeitsplan der hiftorifchen Vereine. Bon F. Thudichum. — Tod und

Xeben.

Die Arlbergbahn und ihre Concurrenz mit den bayeriihen Bahnen. — Handels-, Bank: und Börjenzuftände in Frankreich. (Das Wiederaufleben der Börſe. Budget-Erſparniſſe und Anlehen.)

Aufträge für Streifbandfendungen

an die

Grpedition in Münden.

Drud und Verlag der J. ©. Cotta'ſchen Buchhandlung in Miinchen und Stuttgart. -

Mar Auslaud. Wochenſchrift für Länder: und Völkerkunde, unter Mitwirkung von Profefjor Dr. Friedrich Nagel und anderen Fachmännern herausgegeben von der

J. ©. CLotta'ſchen Buchhandlung in Stuttgart und Münden. Siebenundfünfzigiter Jahrgang.

Ar. 4.

München,

28. Januar.

1884.

Jährlich 52 Nummern A 20 Seiten in Quart. Preis pro Quartal M. 7. - Bu beziehen durch alle Buchhandlungen des In- und Auslandes und die Pojt Ämter, — Rezenjions-Eremplare von Werfen der einjchlägigen Litteratur find direkt an Herrn Profefjor Dr. Friedrich Natel in München, Akademieſtraße Nr. 5, zu enden. — Injerationspreis 20 Pf. für die gejpaltene Zeile in Petit.

Suhalt: 1. Die jiebente Oeneralfonferenz der europäischen Gradmeffung zu Nom im Oftober 1835. Bon Profefjor Dr. E. v. Bauernfeind, Diveftor der Techniſchen Hohjhule in Münden. S. 61. — 2, Armeniſche und grufiniihe Sprichwörter. Mlitgeteilt von N. v. Seidlis in Tiflis. ©. 69. — 3. Der Zufammenhang zwifchen dem geologijchen Alter und dem Artenreichtum einer Gegend. Bon Dr. Balady in Lobkowitz. S. 73. — 4. Moftaganem. ©. 74, — 5. Der geographifch-fommterzielle Kongreß zu Madrid, Bon Ferdinand Blumentritt. S. 75. — 6. Kleinere Mitteilungen: ©. 76. Neuere Beobachtungen über das Yuftmeer der Erde. Juan Maria Schuver FT. Ein Beriht Dr. Fiſcher's über die Maſai. Stanley und das englische Proteftorat am Kongo. — 7. Notizen: S. 78. Afrifa. Amerifa. — 8. Litteratur: ©. 79.

Die fiebente Genernlkonferen; der europäischen Grad: meſſung zu Kom im Oktober 1883. Bon Brofeffor Dr.

C. v.Bauernfeind, Direktor der Tehnijchen Hochſchule in München. I:

Seit zwanzig Jahren beitebt befanntlich eine Ber: einigung fait aller Regierungen Europa’s zu dem wiſſen— Ichaftlichen Zwecke, die Geftalt und Größe der Erde genauer als es bisher möglih war durch eine Anzahl von ihnen

aufgejtellter Kommiſſäre aus dem Kreiſe der Aitronomen und Geodäten erforjchen zu laſſen. Diejes in feiner Art einzige Unternehmen, die europäische Gradmeſſung, ift

durch Die Bemühungen des Königl. preußifchen Generalleutnants Baeyer in's Leben gerufen worden, eines jebt neunzigjäbrigen G©reifes, der vom Gymnaſium weg als freiwilliger Jäger die Feldzüge von 1813 bis 1815 mitmachte) hierauf in die von Gneifenau in Koblenz vorüber: gehend

errichtete

Kriegsſchule

eintrat,

dann

unter

dem

General von Müffling dem Vermeſſungsweſen oblag und unter jeinem Yehrer, als derjelbe 1821 Chef des preußi-

Verbindung alter Landesvermeſſungen geltend machte. In den Sahren 1830 bis 1836 ließ ihn der berübmte Aitronom und Geodät F. W. Beſſel zu Königsberg an feiner ojtpreußifchen Gradmeſſung teilnehmen, von da ab leitete Baeyer als Oberſt und jpäter als Generalmajor jelbjtändig die trigonometrifchen Arbeiten des preußischen Generalſtabes, bis er 1858, erſt 64 Jahre alt und förperlich wie geiftig noch jehr rüftig, als Generalleutnant zur Dispofition ge— itellt wurde. Der theoretifch und praftiich wohl gejchulte Geodät glaubte in feiner unfreiwilligen Muße nichts befjeres thun zu fünnen, als in einer Denkſchrift das Unbefriedigende der zu jener Zeit vorliegenden älteren Gradmeſſungen, worin er durch Beſſel einen tieferen Einblid erhalten hatte als jeder andere feiner Sach: und Beitgenofjen, eingehend zu erörtern, die Mittel zur Löſung der noch ſchwebenden offenen ‚ragen zu unterfuchen und die Negierungen von Mitteleuropa aufzufordern, auf ihren Territorien eine neue Grad— meſſung gemeinfam anzuordnen. Bereits im April 1861 überreichte er feine Schrift: „Entwurf zu einer mitteleuropät-

ſchen Gradmeſſung“ der Königl. preußischen Regierung und legte darin

dar, daß in diefer Hinficht

der Welten und

ſchen Generalitabes wurde, in diefem Stabe weiter diente,

Diten Europa’3 zwar größere Leiſtungen aufzuweiſen babe

zu einer Zeit, two fi) aud in Norddeutſchland das Be-

als Mitteleuropa, daß aber in den Yandesvermeflungen des leßteren ein Material vorliege, veich genug, um bei

dürfnis der Herjtellung Ausland 1884, Nr. 4.

neuer

und

der trigonometrischen

10

62

Die ſiebente Generalkonferenz der europäiſchen Gradmeſſung zu Rom im Oktober 1883.

geſchickter Vergleichung und Ergänzung eine Gradmeſſung zu ermöglichen, welche die gleichnamigen Meſſungen im Weſten und Often, namentlich durch Berüdfichtigung deſſen was man früher bei Seite ließ und abjichtlich vermied, in mebrfacher Beziebung ficherlich übertreffen werde. Allerdings diene ein folches Unternehmen zunächſt der Wiſſenſchaft, vielleicht aber fünne es im Laufe feiner Entwidelung auch großen praftiichen Nutzen Schaffen, jedenfalls würden fich die an demfelben teilnehmenden Staaten ein rubmvolles Dentmal jeßen. Worin liegt nun das Unbefriedigende der in der Zeit von hundert Jahren (1735 bis 1836) zwischen dem Aequa— tor (Beru) und dem nördlichen Bolarfreife (Yappland) ausgeführten und jowohl von Airy in Greenwich (1833), als von Befjel in Königsberg (1841) kritiſch unterfuchten und nach wiljenjchaftlicher Methode ausgeglichenen älteren Gradmeſſungen? Haben diefe Unterfuchungen nicht viels mebr mit einer durchſchnittlichen Genauigkeit der Meſſungen von etwa 1 auf 100,000 gezeigt, daß der Geſamtheit aller von den Kulturitaaten Aranfreih, England, Stalten, Schweden, Rußland, Defterreich und Deutjchland in Europa, Aſien und Amerika ausgeführten Gradmeſſungen eine ideale Sejtalt der Erdoberfläche entipricht, welche von einer Ellipfe von 12,755 Km, großem (äquatorialem) und 12,712 Km. fleinem (polarem) Durchmeſſer mittelit Drehung um den letteren hervorgebracht wird? Genügt diefes nach Beſſel benannte kurzaxige Umdrebungsellipfoid mit einer Abs plattung von 1 auf 299 allen praktischen Anforderungen, welche von Seite der Ajtronomie, Geodäfie, Geographie und Geologie an die allgemeine Form und Größe der Erde gejtellt werden fünnen, was will dann eine moderne Sradmeffung, und welches Ziel verfolgt die Generalkon— ferenz, über welche bier berichtet werden ſoll? Wohl haben die Beſſel'ſchen und Airy'ſchen Unter: ſuchungen für die mathematiſche Erdform ein abgeplattetes Ellipſoid von den bezeichneten Abmefjungen feitgeitellt und wohl fann diefe Form und Größe allen derzeitigen wiſſen— ſchaftlichen Berechnungen der Aitronomen und Geodäten, ſowie den geometriichen Betrachtungen der Geographen und Seologen zu Grunde gelegt werden. Aber jene Unterfuchungen haben dejjenungeachtet mit aller Sicherheit erkennen laſſen, das das Beſſel'ſche Ellipſoid nur ſehr annähernd die Form der Grvoberfläche aber nicht dieje jelbit gibt, welche wir von nun an Geoid heißen und darunter die frumme Oberfläche des ruhig jtehenden, über den feiten

Erdkern

ausgebreitet

gedachten

Meeresipiegels

verjteben

tollen, auf welcher an allen Orten der Erde die durd das Bleilot angezeigte wirkliche Schwererichtung ſenkrecht ſteht. Abweichungen des Ellipſoids vom Geoid haben die Unterfuhungen von Airy und Beſſel mehrfach nachgeiviefen. So hat ih aus der Vergleihung der auf dem Feitlande von Europa und auf den Britifchen Inſeln ausgeführten Gradmeſſung mit Beitimmtbeit ergeben, dab das metallveihe England eine größere Abplattung bat als der euro:

päiſche Kontinent, und an andere Bergleichungen fnüpfen

fich die berechtigten Fragen, ob nicht auch Italien, Schiveden und Norivegen je eine befondere Abplattung zufomme

wie England,

welches die Abplattung

der Nord» und

Oſtſee, des Adriatiſchen und des Mittelländischen Meeres jei, und welche Krümmung das Geoid nicht bloß in ver

Richtung der Meridiane, ſondern auch in den darauf ſenk— vecht jtebenden Ebenen der Parallele und in beliebigen, durch den Erdmittelpunft gelegten Vertifalebenen babe, Faßt man alle bis zu Beſſel's Zeit befannten Abweichungen ſeines Ellipſoids von der wirklichen Erdgeſtalt in’s Auge, jo Tann man jagen: das Geoid unterjcheidet ſich dom Ellipſoid durch zahlloſe geringe wellen- und mantelförmige Erhöhungen und Vertiefungen, oder nach Beſſel's Ausdrud dadurch, daß es fich überall zum Ellipfoid verhält mie die

Oberfläche eines leicht bewegten See's zum Spiegel eines ruhig ſtehenden. Diefe Abweichungen des Geoid's vom Beſſel'ſchen Ellipſoid zu erforschen, d. b. für das Geoid, wenn möglich, eine ebenfo Klare mathematische Definition zu fchaffen, wie jie für das Umdrehungsellipfoid bejtebt, ijt die Hauptauf: gabe der europäiſchen Gradmeſſung, und ihre Löſung be

ruht darauf, mitteljt feinjter geodätiſcher Mefjungen und mathematischer Berechnungen die Eleinen, jtet3 weniger als eine Bogenminute betragenden Winkel zu bejtimmen, welche an möglichjt vielen Punkten die Normalen des Beſſel'ſchen Ellipſoide mit den daſelbſt jtattfindenden wirk— lichen Schwererichtungen machen.

Dieſe kleinen Winkel (Lotabweichungen) ſtimmen ſelbſt— verſtändlich mit jenen überein, welche an den betreffenden Stellen die Böſchungsflächen der Erhöhungen und Ver— tiefungen des Geoid's mit der regelmäßig gekrümmten Oberfläche des Ellipſoid's machen, und darum iſt die bei früheren Gradmeſſungen unberückſichtigt gebliebene Ermit— telung der Lotabweichungen jetzt die vornehmſte Aufgabe der europäiſchen Gradmeſſung geworden. Da nun für die hierauf bezüglichen Unterſuchungen gerade die Länder Mitteleuropa's von Palermo bis Chriſtiania über dreißig Sternwarten beſitzen, deren geographiſche Längen und Breiten entweder ſchon genau beſtimmt ſind oder noch

beſtimmt werden können, und da die Hauptpfeiler dieſer Sternwarten mit den Punkten erſter Ordnung der

ſchon

phiſcher

ausgeführten

Aufnahmen

oder

im

Intereſſe

noch auszuführenden

topogra—

Landestrian—

gulationen mit gleicher Genauigkeit trigonometriſch ſchon verbunden ſind oder es noch werden, ſo hat General Baeyer in der erwähnten Denkſchrift und ſpäter in einer Abhandlung: „Ueber die Größe und Figur der Erde“ gerade auf dieſes, wenn auch nur mit großer Anſtrengung zu erreichende Hauptziel hingewieſen, ſowie er perſönlich mit allem Eifer zunächſt die preußiſche Landesregierung für die Sache zu gewinnen ſuchte, was ihm auch vollkommen

gelang.

Denn bereits unter dem 20. Juni 1861 erging

eine königl. Kabinetsordre,

welche befahl, daß der von

Die fiebente Generalfonferenz

der europätfhen

General Baeyer eingereichte Plan in’s Leben gerufen werde, und infolge dieſes Befehles ftrebte die genannte Negierung energiich die Verwirklichung des Baeyer'ſchen Entwurfes an. Ihre mit ebenſoviel Sachfenntnis als Geiſt verfaßten diplomatischen Noten legten überzeugend dar, wie das ihon vorhandene Material für die Gradmeſſung beitmög: lichit verwertet und das neu gejchaffene zugleich als Grund— lage für etiva in Ausficht zu nebmende Yandespermeflungen bearbeitet werden folle, und bewirkten in furzer Zeit falt bei allen mitteleuropätschen Regierungen die Zulage ihrer

Mitwirkung

an einem internationalen Unternehmen, das

unter allen Umjtänden em Fortſchritt in den eraften Wiſſenſchaften und der mechanischen Technik, wahrſcheinlich aber auch gerade durch das genaue Studium der Yotablenfungen den materiellen Intereſſen förderlich zu werden

verfpicht.

Denn

nachdem die Erfahrung beveits gelehrt

bat, daß dieſe Yotabweichbungen nicht überall lediglich in der Anziebung nabegelegener Oebirgsmafjen begründet find, da ſie ebenjooft auch in ganz flachen Gegenden (3. B. bei Mosfau) vorfommen und am Fuße mancher böchiter Berge (z. B. dem Himalaya) fehlen, jo bat die Vermutung große Wahrſcheinlichkeit für fih, daß ſie auch

teils durch die Anziehungskraft

großer, unter der Erd:

oberfläche. angebäufter dichter Maffen, teils durch den großen Hohlräumen entjprechenden Mangel jolcher anziehender Elemente verurjacht werden. Die genaue Kennt: nis bejtebender Yotabweichungen muß alfo auch folgerichtig den umgefehrten Schluß gejtatten, daß an gewiſſen

Stellen

dichte Mineralmafjen

(Erzlager) vorbanden

find.

Aber jelbit wenn derartige Schlülfe durch die Erfahrung nicht bejtätigt würden, dürfte dies der Wiſſenſchaft feinen Eintrag tbun, die ja, unbefümmert um praftiichen Nußen, zunächſt nur der Wahrheit nachforjcht. Sm Oftober des Jahres 1864 nun fam es in Berlin zur eriten allgemeinen Konferenz der 24 Kommiljäre,

welche von

14 Staaten

aufgeftellt worden waren.

Es

wurden bier die Prinzipien für die Ausführung der Ar: beiten vereinbart und eine Organiſation des ganzen Unter: nehmens beraten und feitgejtellt, welche mit geringen Ab— änderungen beute noch beſteht. Die wiſſenſchaftliche Yertung der Gradmeſſung und die Verbindung der damit betrauten Gelehrten und höheren Offiziere wurde einer permanenten Kommiffion aus fteben von der Stonferenz gewählten Mit: gliedern übertragen und ibr als ausführendes Organ em von der Königl. preußifchen Regierung allein unterbaltenes und mit dem Generalleutnant Baeyer als Bräfidenten be— jeßtes „Zentralbureau” beigegeben. Gleichzeitig wurde feitgefeßt, daß weitere internationale Berfammlungen ſämt—

licher Kommiſſäre (allgemeine Konferenzen) alle drei Sabre und der gewählten Borjtandsmitglieder (Konferenzen der permanenten Kommiffion) jedes Jahr jtattfinden und bei diefen Verfammlungen, wie in dem gefamten gejchäftlichen

Verkehr, die deutſche und franzöfiiche Sprache gleichberechtigt jein jollen. In der Zwischenzeit verfehren permanente

Gradmeffung

zu Rom

im Oftober

1883.

63

Kommiffion und Bentralbureau unter ſich und mit den Gradmeſſungskommiſſären in einer der genannten Sprachen nur ſchriftlich. In der That fand Ende September und Anfang Dftober 1867 die zweite en Konferenz, und zwar wiederum in Berlin ftatt. Da bis dahin alle Staaten Europa’s mit Ausnahme der Türkei, Griechenlands und Englands (welches auf den Brittichen Inſeln bereits eine gute Gradmeſſung befist) ihren Beitritt zur mitteleuropäischen Gradmeſſung erklärt hatten, fo wurde dieſelbe durch einmütigen Beſchluß nunmehr zur „Europäiſchen Gradmeſſung“ erhoben und die permanente Kommiſſion um zwei Mitglieder vermehrt. Von den nunmehrigen neun Mitgliedern tt der Gründer der europäischen Gradmeſſung und Präſident des Zentralbureau’s, General Baeyer, ſtän— diges Mitglied, von den übrigen acht haben alle drei Sabre vier Mitglieder auszuſcheiden, find aber von der gleichzeitig tagenden allgemeinen Konferenz wieder wählbar. Die permanente Kommiſſion jet ihr Bureau felbit ein, nämlich: einen Bräfiventen, einenVizepräfidenten und zwei Schriftführer, wovon der eine das deutjche, der andere Das frangöfifche Protokoll führt und beide zufammen in den Sikungen den geſchäftlichen Verkehr vermitteln, inſofern fie die zur Beratung oder Abjtimmung gelangenden Anz träge in beiden Sprachen mitteilen. Die dritte allgemeine Sonferenz wäre nad) den Statuten in das Jahr 1870 gefallen, wurde aber wegen des deutſch-franzöſiſchen Krieges auf das folgende Jahr verlegt, und fand vom 21. bis 29. September 1871 in dem Prachtbau des Militärgeographiſchen Inftituts zu Wien in der Were jtatt, wie wir in den Betlagen Nr. 1 bis 6 der „Beilage zur Allgemeinen Zeitung” von 1872 aus— führlich gefchildert haben. Bon den folgenden Generals verfammlungen wurde die vierte Ende des Jahres 1874 in Dresden, die fünfte vom 27. September bis4. Dftober 1877 in Stuttgart, die jechite vom 12. bis 17. September 1880 in dem ebenfo ſchönen al3 geräumigen Gebäude der Techniſchen Hochſchule zuMünchen abgehalten. (Bergl. unferen Bericht über legtere in der „Allgemeinen Zeitung” von 1880 Nr. 313 bis 316.) Alle diefe Generalfonferenzen hatten fich jo wenig wie die, worüber wir zu berichten tm Begriffe jteben, mit Organiſationsfragen zu befaffen und

fonnten daher ihr volles Augenmerk den unter der Aegide der organischen Beitimmungen von 1864 und 1867 aus: geführten gevdätifchen und ajtronomtschen Arbeiten zu: wenden. Nur im gegenwärtigen Jahre trat zu den eigent— lichen Gradmeffungsaufgaben ein neuer Beratungsgegen:

itand hinzu, welcher

von

dem

an der internationalen

geodätifchen Vereinigung teilmehmenden Senate der freien und Hanfaftadt Hamburg angeregt worden war. Es handelte ſich nämlich um ein fachverjtändiges technisches Gutachten, welches die jiebente allgemeine Konferenz auf Grundlage eines von der permanenten Kommiſſion ausgegangenen

Entwurfes über die Wereinbeitlichung Yängen

und

der geograpbiichen

der damit in engem Zuſammenhang

ſtehen—

64

den

Die ftebente Generalfonferenz der europäischen Gradmefjung zu Nom im Dftober 1885.

Zeiten

abgeben

jollte, zum

Zweck

der Anbahnung

eines internationalen Vertrages aller Staatsregierungen über die Feitfegung eines Anfangsmeridians, von dem aus in Zufunft allenthalben die geographiſchen Yängen und die im MWeltverfebr eine jo große Nolle jpielenden Zeiten zu zählen ſeien. Die Beratung ‚über das vom Hamburger Senat ver: langte Gutachten erforderte, da ein gemeinfamer Aus: gangspunft der geograpbifchen Yängen und der Weltzeit vorzugsweiſe für Mitronomie, Nautif und Geographie hohe Bedeutung befigt, die Einvernabme von Vertretern diefer Fächer und namentlih der Vorjtände ſolcher In— jtitute, denen die Herftellung aſtronomiſcher und nautijcher Sahrbücher obliegt. Die permanente Kommiſſion bat alles btezu Erforderliche mit ſolchem Erfolge durchgeführt, dag die Beratung und Beſchlußfaſſung über die Unifizierung der geographiſchen Yängen und der dem großen Verkehr dienenden Zeiten auf das Arbeitsprogramm der jtebenten Seneralfonferenz der europäischen Gradmeſſung gefeßt werden fonnte. Nach diefer Skizzierung der Hauptaufgabe einer modernen Gradmeſſung und der Vorgeſchichte der lebten Seneralfonfereng wird der aufmerfjame Leſer früherer Sradmeflungsberichte faum erwarten, daß der gegenwärtige das gleiche Arbeitsprogramm aufweiſe, wie feine Borgänger. Gleich den früheren beginnt zwar auch diefes Programm mit den Sahresberichten der permanenten Kommiſſion und des Zentralbureaus und gebt dann zu den Berichten der Bevollmächtigten über die Fortſchritte in den Arbeiten der don ihnen vertretenen Yänder über, darauf folgen die von den Spezialveferenten vorgetragenen Neberfichten über den gegenwärtigen Stand der einzelnen Arbeitsgebiete einer Gradmefjung, nämlich über das Fortjchreiten der altronomischen Beitimmungen von geographiſchen Yängen, Breiten, Azimuthen und Lotablenkungen, ferner der Trian— gulationen mit Einfchluß der Baſismeſſungen, dann der Präzifionsnivellemente und der Waſſerſtandsbeſtimmungen an den Meeresfülten, endlich der Beitimmung der Erb: ſchwere mit Bendeln und der Unterfuhungen über den Einfluß der atmosphärischen Strahlenbrechung auf trigonometrische und aftronomische Höhenbeitimmungen. Während aber ſonſt eine Generalfonferenz mit der Wahl zum Erſatz der ſtatutenmäßig alle drei Jahre austretenden vier Mit— glieder der permanenten Kommiſſion und Deren neuer Konftituierung endigte, jtand heuer am Schluſſe die Be: ratung über die Wahl eines Anfangsmeridians für die geographiichen Yängen und über die Einführung einer

neben den Yofalzeiten zu gebrauchenden Univerfalzeit.

itabsoffiziere, welche an der Spitze von militärgeograpbifchen Inſtituten jteben oder bei denjelben dienen, und in Profeſſoren der Geodäfte und Aitronomie, melde

zugleich Yeiter von Obfervatorien

ihrer Fächer find und

denen einige praftiiche Aſtronomen, Geodäten und In— genieure beigezäblt werden fünnen. Folgende nad alpha— betiicher Neibenfolge der Staaten geordnete Weberficht der Zufamenfeßung aller zur Zeit in Europa tbätigen Grad— mefjungsorgane läßt weiter erkennen, daß die hiefür not: wendigen Kräfte fat ausjchlieglih an wiſſenſchaftlichen Akademien, Univerfitäten, technifchen Hochſchulen und mili— tärgeographifchen Inſtituten zu finden find. Sn Bayern

bejtebt die Gradmeffungstommiffton

bei

der Königl. Akademie der Wiffenfchaften in München und aus drei Mitgliedern derfelben, zwei Brofefjoren der Uni: verfität und einem Profeſſor der Technischen Hochſchule; den Vorſitz der Kommiffion führt der jeweilige Präſident der Akademie. In Belgien iſt Die dreigliederige Gradmeſſungskom— miſſion aus Zivil- und Militärperſonen zuſammengeſetzt: dem Kommandanten der Militärſchule, dem Direktor des Militärgeographiſchen Inſtituts und dem Direktor der Sternwarte in Brüſſel. In Dänemark beſteht eine beſondere Kommiſſion für die ihrer Vollendung entgegengehende däniſche Gradmeſſung, und der Direktor dieſer Kommiſſion iſt der einzige däniſche Bevollmächtigte bei der europäiſchen Gradmeſſung.

In Frankreich leitet das aus Mitgliedern des Inſtituts (der Akademie der Wiſſenſchaften) zuſammengeſetzte Längen— bureau die Gradmeſſungsarbeiten, und von dieſen ſind zwei Aſtronomen und ein Geodät Bevollmächtigte der europäiſchen Gradmeſſung. In Hamburg beſorgt der Direktor der dortigen Stern— warte die Gradmeſſungsarbeiten und in Heſſen der Pro—

feſſor der Geodäſie an der Techniſchen Hochſchule in Darmſtadt. In Italien beſteht eine von dem Miniſter des öffent— lichen Unterrichts gewählte Kommiſſion von zwölf Mit— gliedern, wovon

ſechs Profeſſoren der Geodäſie und Aſtro—

nomie, zwei Ingenieure, drei Stabsoffiziere und einer Direktor des Militärgeographiſchen Inſtituts iſt, welcher zugleich den Vorſitz führt. In den Niederlanden zählt die Gradmeſſungskommiſſion ebenfalls fünf Mitglieder, zu denen je zwei Profeſſoren der Aſtronomie und Geodäſie nebſt einem Ober-Ingenieur gehören, mit einem Vorſitzenden, welcher Mitglied der Akademie der Wiſſenſchaften ſein muß. In Norwegen beſteht die Kommiſſion aus drei Pro—

Die Berufsfreife, aus denen die Staatsregierungen ihre Bevollmächtigten zur Gradmeffung nehmen, find zum Teil nad) der Größe und Einrichtung der Staaten, mehr aber noch nach den Anfchauungen der maßgebenden höchjten Behörden verfchieden; im weſentlichen zerfallen fie jedoch

feſſoren und dem Vorſtand der trigonometriſchen Abteilung des Topographifchen Bureaus, Borfigender ift der Direktor

nur in zwei Stlaffen, nämlich in Generale oder General:

der Geodäſie

der Sternwarte in Chrijtiania.

In Deiterreich wird die fiebengliederige Gradmeſſungs— fommifftion

aus je zivei Brofefjoren

der Aſtronomie und

nebjt drei Stabsoffizieren des Militärgeo:

Die ftebente Generalfonferenz der europäiſchen Gradmeſſung

zuNom

65

im DOftober 1883,

graphiichen Inſtituts gebildet, den Vorſitz bat ein Profeſſor

(Argentiniſche Republik) und in Aſien: der Generaldirektor

der Geodäſie. In Bortugal bejorgt das Militärgeograpbifche In— jtitut zu Liſſabon die Gradmefjungsarbeiten und dejjen

der indiſchen Landesvermeſſung zu Kalkutta.

Direktor it Bevollmächtigter der Gradmeſſung. Sn Breußen find die Gradmefjungsarbeiten dem Geo— dätischen Inſtitut übertragen, deſſen Präſident General: leutnant Baeyer tft, dem zwer Mitglieder der Akademie der Wiſſenſchaften und vier Profeſſoren (letztere als Abteilungs— vorſtände) beigegeben ſind. In Rumänien gehören zwei höhere Offiziere, ein General und ein Oberſtleutnant, zu den Bevollmächtigten der europäiſchen Gradmeſſung. In Rußland beſteht die Gradmeſſungskommiſſion aus Mitgliedern der Akademie der Wiſſenſchaften, wovon zwei, der Direktor des Militärgeographiſchen Inſtituts und der Direktor der Hauptſternwarte in Pulkowa, das Reich bei der europäiſchen Gradmeſſungsgeſellſchaft vertreten. In Sachſen bildeten früher drei Profeſſoren, ſpäter zwei, einer der Aſtronomie und einer der Geodäſie, die Gradmeſſungskommiſſion, zur Zeit iſt die durch Todesfall erledigte Stelle des aſtronomiſchen Mitgliedes noch unbe— ſetzt, ſo daß nur ein Profeſſor der Geodäſie ſächſiſcher

Kommiſſär der Gradmeſſung iſt. In Schweden iſt die Kommiſſion eine Abteilung der Akademie der Wiſſenſchaften und zählt zwei Mitglieder, einen Aſtronomen und einen Geodäten.

In der Schweiz

beſorgt die Gradmeſſungsarbeiten

eine direkt unter dem Bundesrat ſtehende Kommiſſion von

fünf Mitgliedern, wovon drei Direktoren von Sternwarten, einer Direktor des Topographiſchen Bureaus und einer Direktor der Landesvermeſſung iſt; den Vorſitz führt der

Direktor der Sternwarte in Zürich. In Spanten find die Gradmefjungsarbeiten dem zum Minijterium der öffentlichen Arbeiten refjortierenden Militärgeographiſchen Inſtitut übertragen, dejjen Mitglieder, ſämtlich höhere Offiziere des Generalftabs, einem dirigierenden General unterjtellt find. In Württemberg endlich bejtand früher eine aus drei, jet nur mehr aus zwei Profefjoren der Technischen Hochichule gebildete Kommilfion, wovon der eine die geodätischen, der andere die aftronomischen Arbeiten leitet und beide

Mitglieder der europäifchen Gradmeſſung find, Es gibt alfo zur Zeit in den 19 verbündeten Staaten 64 Sradmefjungsfommiffäre und darunter 21 Generale oder Stabsoffiziere, 40 Profeſſoren oder Akademiker und 3 Oberingenieure, fo daß alfo die Mitglieder der euro⸗ päiſchen Gradmeſſungsgeſellſchaft zu zwei Dritteln dem Gelehrtenſtande und zu einem. Drittel dem Offiziersſtande angehören. Außerdem find noch von ihren Negierungen beauftragt, an den allgemeinen Konferenzen der euro:

päiſchen Gradmeſſung teilzunehmen: In Amerika: zwei höhere Beamte der Küſtenvermeſſung

in Waſhington und der Direktor der Sternwarte in Kordoba Ausland 1884, Nr. 4.

Es iſt wohl ſelbſtverſtändlich,

daß die verbündeten

europäiſchen Staatsregierungen, deren Zahl ſich mit Ein— rechnung von dem noch immer durch das Zentralbureau vertretenen Großherzogtum Baden auf 20 belaufen würde,

zu den Generalfonferenzen der Koſten wegen nicht alle ihre Kommiſſäre abordnen, fondern nur einzelne derſelben, weshalb auch die Zahl der an einer folchen Konferenz teilnehmenden Negierungsbevollmächtigten jelten dreißig erreicht und noch jeltener überjchreitet. Wenn aber bei dergleichen Konferenzen gleihwohl 50 bis 60 Perfonen verfammelt find, jo rührt es daher, daß die jeweiligen leitenden Geſchäftsausſchuſſe mit Genehmigung der betreffenden Landesregierung ſtets einige hervorragende ein— heimische Gelehrte und Offiziere, deren Fächer zur Grad: meſſung in naber Beziehung jteben, zur Teilnahme ein:

laden, was in der Negel gerne angenommen wird. I;

Nach der

voranftehenden Einleitung

und

unter der

Borausfeßung, daß dem Leer das Weſen und die hauptjächlichiten Benennungen einer Gradmeffung noch von der Schule her oder aus bejonderen diefem Gegenjtande gewidmeten Schriften befannt find, beginnen wir nun unferen Bericht über die eigentlichen Oradmefjungsverhandlungen und die ausnahmsweiſe mit denjelben verbundenen Beratungen und Bejchlüffe, betreffend Die Bereinbeitlichung der geographi— ſchen Yängen und der Zeiten für den Weltverfehr. Zu denjelben hatten Bevollmächtigte abgeordnet: Bayern: Heren dv. Bauernfeind, Profeſſor der Geo— däſie und Direktor der Technifchen Hochſchule in München.

Belgien: Heren Hennequin, Major und Direktor des Militär-kartographiſchen Inſtituts in Brüſſel. England: Herrn Chriſtie, Aſtronom und

der Sternwarte

Direktor

in Greenwich; Herrn Clarke, Ingenieur—

Oberſt und Direktor des engliſchen Vermeſſungsweſens, beide aus London. Frankreich: Herrn Faye, Mitglied des Inſtituts von Frankreich und Präſident des Längenbureau's; Herrn Mon Villarceau, Mitglied des Inſtituts und des Längenbureau's; Herrn Oberſt Perrier, Mitglied des Inſtituts und des Längenbureau's; Herrn Kommandant Baſſot, korreſpon— dierendes Mitglied des Längenbureau's und Profeſſor an der Kriegsſchule; Herrn Loewy, Mitglied des Inſtituts und des Längenbureau's, ſämtlich in Paris. Hamburg: Herrn Rümker, Reichsprüfungs-Inſpektor und Direktor der Sternwarte in Hamburg. Heſſen: Herrin Well, Brofeffor der Geodäfte an der

Technischen Hochſchule in Darmitadt. Italien: Heren Ferrero, Oberſt und Bräfident der der italienischen Geodätiſchen Kommiſſion in Nom; Herrn Betocchi, ebemaligen Profeſſor, Inſpektor des Zivil⸗

ingenieurweſens

in Rom; Herrn Magnaghi, Schiffskapitän 11



66

Die ſiebente Generalkonferenz der europäiſchen Gradmeſſung

zuRom im Oktober 1883.

und Direktor des Hydographiſchen Bureau's in Genua; Herrn Schiaparelli, Profeſſor der Mitronomie und Direk—

mächtigten gaben in wichtigen Sragen nur 31 ihr Votum ab, weil die durch 13 ftimmberechtigte Kommiſſäre ver-

tor der Sternwarte in Mailand; Herren Celoria, Ajtronom

tretene italienische Geodätifche Kommiſſion aus Zartgefühl ibr Stimmrecht nur auf die Voten der vier Mitglieder ihrer Erefutivfommiffion, d. i. auf die Herren Ferrero, Be— toecht, Magnagbi und Schtaparelli befchräntte, um feinen überwiegenden Einfluß auf die zu faſſenden Beſchlüſſe auszuüben. Zu den 40 Bevollmächtigten fommen noch etwa 20 eingeladene Gäſte aus dem Offiziers- und Gelehrtenitande, jo daß die Zahl der berechtigten Teilnehmer an den Plenarfigungen häufig 60 betrug. Ausgeſchloſſen von

an der Sternwarte in Mailand, Heren Fergola, Profeſſor und Aitronom an der Sternivarte von Kapodimonte in Neapel; Herrn dv. Gasparis, Senator, Profefjor und Direktor der ebengenannten Sternwarte in Neapel; Herrn Zorenzoni, Profeffor der Ajtronomie und Direktor der

Sternwarte in Padua; Heren Mayo,

Generalmajor

und

Brigadefommandant in Bergamo (Ehrenmitglied der italtenischen geodätifchen Kommiſſion); Herrn Oberholger, ehe— maligen Ingenteurmajor und Profeſſor, Zivilingenieur in Kom; Herin Reſpighi, Profeſſor und Direktor der Sternwarte auf dem Kapitol in Nom; Herrn Schiavont, Pro— feffor der Geodäfte an der Univerfität in Neapel; Herrn

de Stefanis, Oberftleutnant am Milttärgeograpbiichen In— jtitut zu Florenz. Niederlande: Herrn van de Sande Bakhuyzen, Pro— feffor der Aftronomie und Direktor der Sternwarte in Leiden; Herrn Schols, Profefjor der Geodäfte an der Technischen Hochjchule in Delft. Norwegen: Herrn Fearnley, Profeſſor der Ajtronomie und Direktor der Sternwarte in Chriſtiania. Dejterreih: Herrn dv. Oppolzer, Negterungsrat und Profefjor der Aitronomie, Herrn v. Kalmär, Korvettenfapitän und Triangulierungspdireftor; Herrn Hartl, Major und Mitglied des Kaiſerl. Königl. Militärgeographiſchen In—

jtituts, ſämtlich in Wien. Preußen: Heren v. Helmholtz, geheimen Regierungsrat und Univerfitätsprofefjor; Herrn Föriter, Profeſſor der Aſtro— nomie und Direktor der Sternwarte; Herrn Sifcher, Pro— feffor der Geodäfte und Seftionschef am Königl, Geodäti— ſchen Inſtitut, jämtlih in Berlin.

Rumänien:

Herrn Barozzi, General

und Vorſtand

des allgemeinen Kriegsdepots in Bukareſt. Rußland: Heren von Forſch, Generalleutnant und Direktor der militärtopograpbiichen Abteilung des Generaltabs in St. Petersburg. Schweiz: Herrn Hirſch, Direktor der Sternwarte in Neuchätel und Sekretär des Internationalen Komite’s für Maße und Gewichte in Barıs. Spanien: Herrn Ibanez, Divifionsgeneral, Generaldireftor des Spanischen Geographiſchen und Statiftifchen Inſtituts in Madrid und Präſident des Snternationalen

Komite’3 für Maße und Gewichte; Herrn Barraquer, GenieOberjt und Mitglied des Königl. Geographiſchen und Stati— ſtiſchen Inſtituts in Madrid; Heren Bujazon, Schiffsfapitän und Direktor der Marinefternwarte zu San Fernando. Nordamerifa: Herrn Cutts, General und Direktor der nordamerifanifchen Küſten- und Yandespermejlung. Nicht vertreten waren die zur Gradmeſſungsgeſellſchaft

gehörigen Staaten: Dänemarf, Bortugal, Sachen, Schweden und Württemberg.

Bon

den aus

16 Staaten abgenrdneten 40 Bevoll-

diefen Sitzungen waren, weil ihnen die Verhandlungsgegenftände zu ferne lagen, die Vertreter der Preſſe. Zu Ausflügen und gewiſſen Feſtlichkeiten wurden fie jedoch

beigezogen. Die Eingeladenen, unter denen fich mancher glänzende wifjenjchaftliche Name, wie Cremona, Blaferna, Gannizaro befand, einzeln aufzuführen, verbietet ung leider der diefem Berichte gewährte Naum. Auf Einladung des Präſidiums der permanenten Kommiffion, welches mit der Königl. Italieniſchen Negterung Zeit und Ort der Öeneralfonferenz vereinbart hatte, verfammelten ſich am 15. DE tober vor. 8. nachmittags 2 Uhr in dem von der Stadt Nom bereitiwilligit zur Verfügung geitellten und für den vorliegenden Zweck noch befonders gefchmücten großen Saale des Senatorenpalaftes auf dem Kapitol außer den namentlich aufgeführten Bevollmächtigten und Eingeladenen auch der Stellvertreter des erjten Bürgermeifters der Stadt und die in der Nefivenz anweſenden Minijter des öffentlichen Unterrichts, der Suftiz, der Finanzen und des Krieges zur feierlichen Eröffnung der fiebenten allgemeinen Konferenz der europäischen Gradmefjung. Die Bevoll— mächtigten und Eingeladenen nahmen auf den parallel zu den Xangfeiten des’ Saales, die Staatsminister und die Mitglieder der permanenten Kommiſſion auf den dazwischen und emander gegenüberſtehenden Sitzreihen Platz; der Bräfident der leßteren, General Ibanez, erklärte die Sitz— ung für eröffnet und lud Se. Erzellenz den Minifter dee öffentlichen Unterrichts, Heren Bacelli ein, das Wort zu nehmen. Dieſer, früher Profefjor der Medizin an der Univerfität in Nom und einer der beiten Latiniſten des

Landes, begrüßte die Berfammlung

nicht, ‚wie es fonft

üblich it, in franzöfifcher oder deutſcher Sprache, ſondern in dem für den Ort und die internationale Zuſammen— jegung einer gelehrten Verſammlung befonders pafjenden

kräftigen und fchönen Idiom der alten Betwohner Latiums. Seine lateinische Rede lautete in freier Ueberſetzeng etwa fo:

„Die Bilege der Wiffenfchaften, die bejte Freundin des Friedens, welche Sie, hochgelehrte Herren, von der Höhe des Kapitol's in neuem Lichte erglänzen laſſen, jet für ganz Europa eine gute und glüdliche Vorbedeutung des Friedens! Das freie, auf König Humbert’S und feines

Volkes unverbrüchliche Treue und Tapferkeit vertrauende Italien begrüßt Sie alle von ganzem Herzen! Denn e8

Die fiebente Generalfonferenz der europäiſchen Gradmeffung

zu Nom

im Dftober 1883.

67

fühlt als jeine heiligſte Pflicht, jede Gelehrfamteit zu für:

gemacht hatte, welche einſtimmige Annahme fanden. Dem:

dern und

gemäß wurde der abweſende Senior der Gefellichaft, General Baeyer, zum Ehrenpräfidenten, der Vorſtand der italienischen Gradmeſſungskommiſſion, Oberft Ferrero, zum wirklichen Bräfiventen, die Abgeoroneten aus Frankreich

allen Vertretern

Hochachtung

Bund

des Wiſſens mit Liebe und

entgegenzulommen.

Ein fo feit gefchlofjener

wie der Ihrige reicht über Berg und Meer und

gibt der menfchlihen Familie den Troft höherer Weihe. Befonders denkwürdig aber iſt dieſe fiebente Generalfonferenz, weil fie an den ziwanzigjäbrigen Beitand ihrer Ver-

einigung erinnert, weil fie ein europätfches Inſtitut zu einem MWeltinjtitut erhebt und feinem Gründer und Neftor, den leider hohes Alter in die Heimat bannt, eine feierlihe Anerkennung feiner VBerdienfte bringen fol. Möge

Baeyer's Name, dank feinem Werke und Ihrer Huldigung, noch bei den

Sie mih

Enfeln

im Namen

fortilingen!

Zum Schluffe

laſſen

Italiens Ihnen allen, bochgeehrte

Herren, den tiefgefühlteiten Dank ausjprechen. Glüdlich, wem es vergönnt fein Wwird, ein jo edles, nüßliches und erjehntes Ziel zu erreichen! Heil und Segen ihrer Arbeit,

die den heutigen Tag für immer der Vergefjenbeit ent: reißen wird!” Diejer mit Beifall aufgenommenen Ansprache des Herrn Miniters folgte die Erwiderung des Herrn PBräfidenten der permanenten Kommiſſion, General's Ibañez, welche ber-

vorhob, daß die Königliche Negierung

wie vor vierzehn

Jahren der permanenten Kommiffion, jo heuer der fiebenten Generalfonferenz der europätichen Grabmefjung mit größ-

tem Wohlwollen gejtattet habe, fich in Stalien zu verjammeln, damals in Florenz, jet in der ewigen Stadt. Die gegenwärtige VBerfammlung, welche außer den ihr jtatutenmäßig zufallenden Arbeiten auch eine neue Frage von allgemeinem Intereſſe, die Vereinheitlichung der geo— grapbifchen Yängen und der dem Weltverfehr dienenden Zeiten, zu erledigen habe, begrüße es lebhaft, daß ihr eben dieje neue Frage das Vergnügen verfchaffe, zum erſten— male Abgeordnete des Britifchen Reiches unter fich zu feben, ſowie ſie es andererfeits tief bedauere, daß fie ebenfalls zum eritenmale der Mitwwirfung ihres berühmten Gründers, des Herrn General’3 Baeyer in Berlin, entbebren müſſe, der wegen hohen Alters die Reife nach Nom zu unternebmen nicht wagen fonnte. Die Freude der Verfammelten,

gerade in Nom tagen zu dürfen, ſei jo mächtig und iverde von jedem gebildeten Manne jo lebhaft mitempfunden, daß es unnüß wäre, ſich meiter Darüber zu verbreiten. Mit diefen freudigen Gefühlen verbinde ſich aber noch die Hochachtung und Dankbarkeit gegen die Staltener, welche

zu allen Seiten die Geodäſie und ihre Silfswiljenjchaften gepflegt und jeit dem Bejteben der internationalen geodätischen Bereinigung wohl am meiften beigetragen haben,

die Arbeiten einer Geſellſchaft zu fördern, deren letzter Mitarbeiter fich erlaubt, der Negierung Sr. Majeftät des Königs von Stalien für ihre mächtige und fojtbare Mit: wirkung öffentlich zu danken. Der Herr Präfident der permanenten Kommiffion trat

von jeinem Plate zurüd, nachdem er der Konferenz noch Vorſchläge über die Zufammenfegung

ihrer Vorjtandichaft

und Deutjchland, Akademiker

Faye: Paris und Profeſſor

v. Bauernfeind- München zu Vizepräfidenten, die Herren Abgeordneten aus der Schweiz und aus Defterreich, Profeſſor Hirsch Neuenburg und Profeſſor v. Oppober- Wien, zu Schriftführern gewählt. Die genannten Herren nahmen die

auf fie gefallene Wahl an, Präſident Ferrers nicht ohne jeinen lebhaften Dank für die ihm erwiefene Ehre zugleich mit der Hoffnung auszufprechen, daß ihm mit Hilfe der ebenfo gelehrten als erfahrenen Herren Schriftführer und bei dem Wohlwollen der übrigen hochgeebrten Herren Kollegen die

Durchführung

eines Auftrages gelingen werde, der unter

anderen Umjtänden feine Kräfte überjtiege. Hierauf ver: (teen die Herren Minister und der Stellvertreter des Herren Bürgermeifters den Konferenzfaal und die Sitzung begann mit der Feititellung der in deutfcher und franzöſi— jeher Spracde verlefenen Gefchäftsordnung. Nunmehr wurde der von der permanenten Kommiſſion itatutenmäßig zu eritattende und von ihr in einer voraus— gegangenen Situng feitgeitellte Geichäftsberiht von den

Herren Schriftführern v. Oppolzer und Hirsch vorgetragen. Diefer Bericht Hätte fich eigentlich aufbie dreijährige Verwalt— ungsperiode 1880 bis 1883 erjtreden follen; da aber die genannte Kommiffion über ihre Gefchäftsleitung von 1880 bis 1882 bereits im vorigen Jahre bei Gelegenheit ihrer im Haag abgehaltenen Spezialfonferenz Nechenjchaft ab-

gelegt und fie gedrudt

an alle Herren Kommiſſäre vers

jendet hatte, fo fonnte fie fich diefesmal auf die 1882/85 innerhalb der Gradmeſſungsgeſellſchaft vorgefallenen und

die oberfte Leitung des Unternehmens berührenden Greigniffe und Leiſtungen bejchränten. Weberzeugt, daß die technischen Einzelheiten des Berichts der permanenten Kommiſſion für den größten Teil unferer Yefer nur wenig Intereſſe bieten dürften, übergehen wir fie mit dem Des merken, daß in fait allen verbündeten Staaten eine vege Teilnahme an den Gradmefjungsarbeiten und eine den biefür aufgewendeten öffentlichen Mitteln entfprechende Förderung derjelben fonitatiert werden fonnte, ſowie daß

die Gradmeſſungsgeſellſchaft im verfloſſenen Jahre glüdlicherwweife fein Mitglied durd) den Tod verlor, während ihr in den Jahren 1881 und 1882 nicht weniger als fünf verdienitvolle und hochgeehrte Mitarbeiter entriffen wurden: der ehemalige Direktor der italieniſchen Gradmeſſungs—

fommiffion, Turin,

Generalleutnant

der Direktor

a. D. Marchefe

Ricci in

des belgischen Militärgeographiſchen

Inſtituts, Oberſt Adan in Brüfjel, der Direktor der Königl. Sächſiſchen Univerfitätsjternwarte, Profeſſor K. Brubns in Leipzig, der ehemalige Direktor der Polytechniſchen Schule in Delft, Profeſſor Stamkart in Amſterdam und der Direktor der Kantonsſternwarte, Profeſſor E. Plantamour in Genf,

68

Die fiebente Generalfonferenz dev europäiſchen Gradmeſſung

zu Rom

im Oftober 1889. -

treten. Diefe Kommiſſion, mit Heren Faye als Vorſitzendem und Herrn Hirſch als Berichterftatter, trat am folgenden

Auf den Bericht der permanenten Kommifftion folgte jener des Zentralbureaus, welchen der abwejende General Baeyer eingefandt hatte und Brofeffor v. Oppolzer in deuticher Sprache vortrug. Eine Mitteilung diefes Be— vichts in Franzöfifcher Sprache mußte unterbleiben, weil

Bormittag um 10 Uhr zu einer Speztalfonferenz zufammen.

das Original erſt unmittelbar vor der Sitzung eingelaufen

Mitglieder nicht von den in der Negel um 2 Uhr begin—

war. Sieht man von der wiederholten Erörterung einer Ichon ſeit längerer Zeit ſchwebenden Streitfrage über Maß: vergleichungen ab, jo enthielt der Bericht im Grunde nur eine Aufzählung der Leiſtungen des Königl. Geodätiſchen Inſtituts in Berlin für die Gradmeflungsarbeiten in— Preußen, jo daß es fcheint, als würden von den Mitteln dieſes Inſtituts in der lebten Zeit nicht mebr jo viele auf das Zentralbureau verwendet wie früher. Als eine vein preußiſche Ihngelegenbeit betrachten wir auch die im Bericht des Zentralbureaus zur Sprache gebrachte Frage, ob der von Herrn General Bacher vorgefchlagene Mittel: waſſerſtand der Ditjee oder der auf Betrieb des Direktors der Königl. Preußiſchen YLandesaufnabme, Generals v. Moro— zowicz an der Sternwarte zu Berlin befeitigte und auf das Mittelwaſſer der Nordjee bezugene Normalböbenpunft . als Ausgangspunkt zur Berechnung der Meeresböhen aller Feſtpunkte der deutſchen PBräzifionsnivellements dienen joll. Denn da in Preußen alle Minifterien bis auf das der Medizinale und geistlichen Angelegenheiten, dem das Geodätiſche Institut untergeorbnet ift, den letteren Null: punkt bereits angenommen haben, jo dürfte es nur mebr eine Frage der Zeit jein, welcher Nullpunkt Schließlich auch

nenden Plenarſitzungen abzuhalten) Um 5 Uhr ſchloß die erfte diefer Sigungen, die zweite folgte am andern Tage und galt nad DVorlefung und Feitftellung der im zwei

in Breußen der einzige fein wird.

Mit der allgemeinen Anz

nahme aber des vorhin erwähnten Normalböbenpunftes in Preußen und Sachen gilt derfelbe im ganzen Deutjchen Neiche, da ihn die Zivil und Milttärbehörden der füddeutfchen Staaten jchon ſeit mehreren Jahren bei ihren wiſſenſchaftlichen und technischen Nivellements benüßen. Nachdem hiemit der erite Bunkt des Programms der Generalfonferenz erledigt war, wurde zur Vorbereitung der Plenarfigung über den lebten der im Namen und Auf: trage der permanenten Kommiffion von Herin Brofefjor Hirſch verfaßte und vorgetragene Bericht über die Verein: heitlichung der geographifchen Längen und der Zeiten des Weltverfehrs entgegengenommen und befchloffen, denfelben druden zu laffen und einer Spezialfommiffton zur Prüfung zu überwerfen, bevor die Generalfonferenz zur Beratung und Beihlußfaffung fchreite. In diefe Kommiffion wurden auf Vorſchlag des Vräfidenten nur folche Konferenzmits glieder aufgenommen, welche wegen der Meridian: und Zeitfrage bejonders abgeordnet oder bei der Antragitellung und Berichterftattung befonders beteiligt waren, nämlich die

Herren Chrijtie aus Greenwich, Faye aus Paris, Förfter aus Berlin, Fearnley aus Chrifttania, Magnaghi aus

(Diefe Stunde wurde überhaupt für den Beginn aller befonderen Sigungen angenommen, um die daran beteiligten

Sprachen abgefagten Protokolle über die vorausgegangene Sikung zunächſt einem Antrage des Herrn PBrofefjors Fergola in Neapel auf Anerkennung feiner neuen Methode zur Beitimmung der geograpbifchen Längen. Der Präfident überwies die Prüfung diefes Antrages ebenfalls einer Sublommiffion, welcher die Herren Bakhuyzen aus Leiden als Vorſitzender, Schiaparelli aus Mailand als Bericht: eritatter, Chriftie aus Greenwich, Cutts aus Waſhington

und Villarceau aus Baris als Beifiser angehörten. Hierauf Schritt man zur Erledigung des zweiten Punkts des Programms, der Berichterftattung der Bevollmächtigten über die Fortjehritte in. den Gradmefjungsarbeiten der von ihnen vertretenen Zänder. Es nabmen das Wort für Bayern Herr v. Bauernfeind, für Belgien Herr Hennequin, für Frankreih die Herren Perrier, Faye und Billarceau, für Hoffen Herr Nell und für Stalten die Herren Ferrero, Schiaparelli und de Stefanis. In der vierten Sitzung wurden die Berichte über die Arbeiten in den einzelnen Ländern fortgejeßt nnd zivar für die Niederlande von den Herren Bakhuyzen und Schols, für Norwegen von Herin Fearnley, für Deiterreid von den Herren v. Oppolzer, von Kalmär und Hartl, fir Preußen von Herrn Fiber, für Numänten von Heren Barozzi, für Rußland von Herrn dv. Forſch, für die Schweiz von Herrn Hirſch und für Spanien von den Herren Ibañez und Barraquer. An diefe Berichte, deren weſentlichſten Inhalt mir, um Wiederholungen zu vermeiden, erſt bei Beſprechung des dritten Brogrammpunftes (Ueberficht des gegenwärtigen Standes der europätfchen Gradmeſſung) nad Arbeits: Stategorten berühren werden, jcehloffen ſich in der Regel furze Debatten über vein technische Fragen an, auf die hier nicht einzugehen ift. Eine befondere Plenar-Sitzung, und zwar die dritte

am Mittwoch den 17. Oftober abgebaltene, war der feier: lichen Uebergabe der großen goldenen Medaille gewidmet, welche die italtenifche Kommiſſion für den Senior und Begründer der europäischen Gradmeſſungsgeſellſchaft, Generalleutnant Dr. Baeyer, durch den ausgezeichneten Graveur Luigi Gori in Florenz anfertigen und in fupfernen

Abdrüden an ſämtliche KRonferenzmitglieder verteilen ließ.

Genua, Nümfer aus Hamburg und Hirsch aus Neuchätel. Herrn Villarceau aus Paris wurde geftattet, feinen Ver—

Die Medaille hat einen Durchmeffer von 7 em., ein Golb-

beſſerungsvorſchlag, betreffend die Zentefimalteilung der Zeit, Schon in der Kommiffion zu begründen und zu ver:

wohlgetroffene Bildnis des Gefeierten, auf der anderen folgende von einem Lorbeerkranz umgebene Snichrift:

gewicht von 370 gr., und enthält auf der einen Seite das

Armeniſche und gruſiniſche Sprichwörter,

69 e

J. J Baeyero

Armeniſche und gruſiniſche Sprichwörter.

qui ad terrae mensuras communi studio eruendas nationum sodalitium exeitavit Itali Jaborum socii in conventu septimo Romae MDCCCLAXXI.

Mitgeteilt von N. v. Seid litz

Armeniſche Sprichwörter.

Die Uebergabe der Medaille an den preußifchen Kom:

miffär, Herrn

Geheimrat

v. Helmholtz,

geſchah

durch

Herrn Oberſt Ferrero in ſeiner doppelten Eigenſchaft als Vorſtand der italieniſchen Geodätiſchen Kommiſſion und als Präſident der allgemeinen Konferenz mit folgender, in franzöſiſcher Sprache gehaltenen Rede: „Als die italieniſche Kommiſſion ſich mit einem wür— digen Empfang der hochgeehrten Herren Bevollmächtigten und Kollegen zu beſchäftigen hatte, galt ihr erſter Gedanke

dem ehrwürdigen Begründer der europätichen Gradmeſſung, weil jie wohl wußte, daß den Neftor der Geodäten ehren zugleich diejenigen ehren bieß, welche jeiner Initiative folgten, ebenfo wie die Chrentitel der Befehlshaber von Armeen auf die Armee ſelbſt zurüdfallen. General Baeyer hatte gehofft, an der gegenwärtigen Konferenz teilnehmen zu fönnen, und wir hatten feine Hoffnung bis zum leßten Augenblid geteilt. Wie jchön, wäre er anweſend! Auf dem Kapitol hätten die Italiener ihm ihre Ehrerbietung

"und Bewunderung

dargebracht.

Sp aber muß es durch

Vermittlung gefcheben, wozu Herr dv. Helmholtz die Sand zu bieten jo freundlich it. Die Medaille, welche die italienische Kommilfion mit Genehmigung der SKönigl.

Regierung ausführen ließ, bezeichnet jelbit Baeyer’s Haupt: verdienft: die Schöpfung der internationalen Vereinigung,

welcher wir angehören.

in Tiflis,

Es war in der That nur einem

1. Wenn der Schweif des. Kamels den Boden erreicht, bloß dann wirſt du es verfteben. 2. Dem Nachbarn wünſche Eine Kuh, damit dir Gott deren zwei gebe. 3. Mache, dab weder der Spieß (bier zu Yande meist aus Holz geſchnitzt) noch der Spießbraten verbrenne. 4. Der Ejel verdient, das Werd verzehrt. 5. Das Zicklein bleibt nicht unter dem Korbe. 6. Aus Achtung vor dem Herrn fchlage den Hund nicht, 7. Wirf aufden Hund feinen Stein, damit er nicht beiße. 3. Je mehr man Steine auf den Hund wirft, deito mehr beilt er. 9. Gegen das breite (leid) gibt es ein Mittel, gegen das

enge keins. 10. 11. 12. 13.

Se mebr Wer viel Was du Was du

du denfen wirft, deito mehr alterft du. Lieit, fommt von Sinnen. ſagſt, wirst du auch hören. fäelt, wirjt du ernten.

14. Wer viel vedet, hört wenig. 15. Jedes Ding bat feinen Platz. 16. Je mehr der Baum Früchte trägt, deſto mehr fenft er jein Haupt. (De gebildeter jemand, deſto befcheidener it er.) 17. Sebe dich nicht höher, um nicht herabgeben zu müſſen, 18. Se undichter du die Ziviebeln ſäeſt, deito größer werden die Knollen. 19. Se öfter man eine junge Melone bevedt, deſto jchneller nimmt jie zu (an Größe). (ES it dies Die feine Melonenforte Dutma, die in Eriwan während der Entwickelung ibrer Frucht bejtändig mit Erde bededt wird.) ſtechen dem Feinde das Auge aus. ©=. Salz und Brot . Eine gute Birne frißt im Walde der Bär.

Manne von feinen reichen Kenntniſſen, jeinen vielfachen Erfahrungen und feinem eifernen Willen möglich, mit Hilfe feiner Zandesregierung einen Bund zu Schaffen, in welchem fich wie in dem unferigen Gelehrte aus allen Weltteilen zu einem gemeinfamen twiljenjchaftlichen Zwecke zuſammen— finden und diefen mit wahrer Kollegialität fürdern. Man wird es daher auch nur natürlich finden, wenn Fremde dem General Baeyer ihre Anerkennung bezeigen und damit aussprechen, daß er zu jenen Berfünlichkeiten gehört, deren Vaterland die ganze Welt ift. Somit habe ich die Ehre, die

. Der Appetit pflegt unter den Zähnen zu je. . Hebſt du den Stod auf, läuft der diebifche Hund davon. + wo ro TOEND DIET

für ihn bejtimmte Medaille

6)ir

feinem Herrn Vertreter zu

überreichen, überzeugt, daß im feinem mie in Ihrer aller Herzen die Gefühle der Italiener für Herrn General Baeyer ein lautes Echo finden.”

Die Berfammlung

gab ihre Zultimmung durch Auf:

jtehen und Händeklatſchen

war beendet,

zu erfennen, und die Sitzung

. Eine Nadel fticht das Auge aus.

Fängt das Kind nicht zu weinen an, nährt die Mutter es nicht.

26. Aus Worten entiteht feine Freundichaft. 27. Was thut dem Berrüdten eine Ermahnung, Schwarzen — die Seife?

was dem

28. Wie fann ein Ejel willen, was für ein Ding die Mandel it! 1 Die erfteren von Herrn Selinsky, Lehrer in Eriwan, die leßteren vom Fürften Dſhawachow, Schulinfpeftor in Gori, dem Kurator des kaukaſiſchen Lehrbezirks, eingefandt und in deſſen Materialienſammlung zur Beſchreibung von Gegenden und Völkern des Kaukaſus im II., kürzlich in Tiflis ruſſiſch erſchienenen Hefte abgedruckt.

Ausland

1884, Nr; 4.

12

Armeniſche und gruſiniſche Sprichwörter.

I==

Das Gottesſchaf frißt kein Wolf auf. Beim Weibe iſt das Haar lang, der Verſtand kurz. Nach der Decke ſtrecke den Fuß. Eine leichte Waſſermelone pflegt leer zu ſein. (Vom 8: 8m « VO Se Charakter des Menſchen geſagt.) Einem gab Gott Appetit, dem anderen Plow (Reisbrei). . Wer einem andern eine Grube gräbt, fällt ſelbſt hinein. — Le‘

68. Starker

ſtört es. . Dem Klugen

. . 2. 3.

. 7.

Waſſer fault).



Ehe du den Tataren gejchlagen, fennt ex dic) nicht. 54. Dem Hausgeiftlihen jagt man nicht: „Segne mein Vater!” Or Der Name it da, er ſelbſt nicht. STERN Sie wurden Hund und Kate (ftreiten mit einander wie Hund und Kabe). OT7 . Der Hungrige ſieht im Schlafe Brot, der Durftige Waſſer. 58. Fände der Glatzkopf ein Mittel, heilte er zuerſt ſich ſelbſt. 59, Er aß als Eſel, wuchs als Eſel auf. 60. Er ſchläft für ſich, träumt für andere. (oh Einer kaut dem andern ſein Fleiſch (ſtreiten unter einander). . Iß Brod und Käſe, aber arbeite auch. 3. Pferd und Maultier ſtritten und zwiſchen ihnen ver— endete der Eſel. 64. Berg und Thal (finden Blab) im Bauche des Bfaffen. 65. gu Saufe ein Satan, draußen ein Pfaff (d. b. bei fih zu Haufe böfe mie der Teufel, draußen aber jcheinbar jo fromm wie ein Pfaff). 66. lieben tft auch eine Kunft. 67. Das Huhn trinft einmal Waffer, ein andermal lobt es Gott. .

ı oo.

ſoviel du willſt.

X —

. Ein fchlechter Menſch iſt auch zu Oſtern ſchlecht. . Mit einer Hand klatſcht man nicht in die Hände. . Mas man einbrodt, it man.

.Auf SE et

die Spite der Ahle kann man

nicht mit der

Kauft jchlagen.

Der Stiefſohn iſt kein Sohn. Das Eiſen ſchmiedet man ſo lange es heiß iſt. Klopfſt du an die Thür, bellt der Hund. Sprichſt du zur Wand, ſprichſt du zu ihm — alles gleich. Wer die Wahrheit vedet, hat einen löcherigen Hut. Wer ins Waffer fiel, fürchtet den Negen nicht. Wer ein Ei ftiehlt, jtiehlt auch ein Pferd. Ehe ein Dieder abmagert, gibt ein Magerer den Geiſt auf. Zum Beſuche geht man nicht des Eſſens, fondern der Ehre wegen. Geduld ift Leben. Unrecht eriworbenes Gut leuchtet im Dunkeln. Sünden (enden) mit Thränen, die Schuld mit Zahlung. Der Fiſch fault vom Kopfe an. Der Satte brodt dem Hungrigen ſparſam ein. Ein lahmer Hund verendet nicht.

. 50, 5l. Das Licht leuchtet nicht unter fich. 52. Waſſer fault an feinem Ursprungsorte (d. b. jtehendes 2

einmal, dem Dummen

I.

Erſt denke, dann beginne.

.

Eſſig ſprengt das Geſchirr.

69.

. Gewalt ijt nicht Geſetz. ;. Der Name des Efels tft Ejel, aber .

. . ‚

der Dumme

ſchlechter als ein Efel. Das Krächzen der Krähe bringt zu Chriſti Verklärung doch feinen Schnee. Der Hund verendet bellend. Das Meffer liebt feinen Scherz. Mit Wafler fann man nicht fcherzen. Sm Haufe des Lügners brach Feuer aus, doch niemand glaubte dem.

. Befreunde dic) mit dem Hunde, leg aber den Stod ⸗ nicht aus der Hand. 3. Fünfmal miß, einmal ſchneide ab. . Ein Schlange beißt zuerſt denjenigen, der fie erwärmt hat.

.Wo's Brot gibt, bleibe. . Wo Wein tft, da nächtige. . Ein Beil wird feinen Griff nicht behauen. 3. Wer da eilt, dem mißlingt es. . Da ein dicker und dünner Faden in einem Preiſe find, jo heißt es: „Wehe dem, der fein ſpinnt.“ . Der Habe ein Spiel, der Maus — der Tod. . Hätte der Bettler Brot und Käfe, fo Ichliefe er nachts nicht. . Das Waffer wird dort fließen, wo es früher geflofjen. Rätſel. .Binde ich es, geht es davon, laſſe ich es los, geht es nicht. — Baſtſchuh. die Mutter nicht eine halbe Elle hineingejtedt, u .Ehe

wird es nicht Schlafen. — Thürriegel. . Ein langer Strid nad Nachitſchewan zu (ausgejtredt).

— Meg. . Welcher Gegenftand hat feinen Schatten? — Waſſer. . Ein langer Schlauch (Darm), mit einer Blume Ende. — Lidt. . Werfe es vom Berge, zerfchellt es nicht, thue es Waſſer, zerbricht e8. — Bapter. 7: Der Fuchs ſitzt auf dem Schober und windet Schweif um den Hals. — Spinnroden. . Klein und rund und in der Mitte vote Perlen. Sranate. SH Welches Haus hat weder Thür noch Fenjter, aber Innern leben taufend Leute? — Granate. 10. Bon einer Seite ein Berg, don der anderen

Berg, in der Mitte rüttelt es nicht. — Wiege.

am ins den — im ein

Armenifhe

uud gruſiniſche Sprichwörter.

AR Habe ein Haus, in dem taufend Seelen, aber fein Schober Bla findet. — Ameifenbaufen. 12. Mer ward vom Vater geboren? — Eva. .Zwei Zimmer haben Eine Stüße. — Nafe. 14. Was für ein Ding bat einen Fuß, doch wenn es ausgeht, trägt e8 der Wolf davon? — Schwamm

Bil). . Morgens geht ex auf vieren, mittags auf zweien, abends auf dreien. — Der Menſch in verſchie— denen Xebensaltern, . Vier Brüder ftehen unter Einem Hute. — Tiſch.

. Zaules Holz ward ausgefchnitten und Blut hinein: gegraben. — Säbel (in hölzerner Scheide). 18. Nimmſt du es in die Hand,

den Boden, ſchweigt

es. —

weint es, legſt es auf

Tſchungur (muſikaliſches

Inſtrument). 19. Eine Waſſermelone mit ſieben Oeffnungen. — Kopf. 20. Iß, Bruder, einen runden Knopf, der wie ein reiner a

Strahl Honig! — Feige. Ein ſchwarzer Strang zog ſich am Berghange hinab.

— Frauenhaar. 22. sch habe eine Kuh aus Wan, Euter aus Ispahan; fie gibt Milch, kommt aber nicht nah Haufe. — Garten. 23. Geht und geht, doch ijt feine Spur zu fehen; läuft,

doch ijt Fein Staub zu fehen. — Schnee. Aga (Herr), Tags ein Diener.

24. Nachts ein Stiefel.



. Ein Schwarzer Teufel hängt an der Wand. — Filz mantel (Barko). . Sechs Säulen, zwei Zimmer und ein Querbalfen.



Wage. . Bon allen Seiten ein Meer,

Theemaſchine Feuerrohr ringsum).

in

in der Mitte Feuer. —

(der ruſſiſche Samowar, der Mitte

und

dem

mit dem

36. Eine ſilberne Wand mit goldenem Safte darin; wenn ſie einfällt, iſt es unmöglich, ſie neu aufzubauen.



.Ich bin nicht ſo alt, um dich, Schuhwerk, nicht zu vertragen. . Frage hundert Leute und erfülle deinen Wunſch. . Ein gutes Haus macht mich zu guter Wirtin, ein T & ichlechtes zu einer jchlechten. . Einen Kranfen fragt man: Willft du ejfen oder nicht? einen Gefunden nicht. OT. Sch war nicht in Erzerum, wei aber alles nad) Bes rechnung. . Dem Kranken hilft das Zurechtlegen des Kiſſens nicht. . Möge der früh Aufſtehende und ſpät Ejjende fidh er— freuen ! . Leibe beim gewiffenlofen Gläubiger Aſche und fchütte fie ihm in die Augen. . Der Wert der Familie iſt taufend Rubel; der Wert der Höflichkeit ziweitaufend; wenn der Menſch ſchlecht, fo ift auch feine Abſtammung ſchlecht (hat feine Be— deutung). . Sch war in deiner Nähe und du befuchtet mich nicht, von weitem ſendeſt du mir Liebenswürdigkeiten. . Thue fein Uebel und fürchte e8 nicht. 2, Wie fih’3 gehört, ift die Hirſe in die Erde gefäet. 3. Wenn der Abfchlagende dir nicht thut, was du millit, thue ihm das, was er will. . Halt es veriprochen, erfülle! . Was befitt die Fliege, das fie der Krähe mitteilen könnte? 3. Das Ende frönt das Werk. . Man fragte ein Kind: „Warum weinjt du?" — „Weil ich Vorteil ziehe, weine ich.” De

. Viel Kinder — viel Blage. . Der Blinde verlor feine Frau. Wie follt’ er joldhes er— fahren? Sie wird nicht neben ihm Liegen, jo erfährt

. Ein Sarg aus Holz, der Tote aus Eiſen; ſobald ex

jtirbt mit den Jahren, Waizen.

gebt auf mit

Segen. —

hat feinen Mund und verihlingt. — Waſſer. ein enter, unten

eine Deffnung,

im Innern

Feuer und Waſſer. — Theemaſchine. . Stein auf Stein, doch fein Stein; weidet und tft dod) fein Vieh; legt Eier und ift doch fein Huhn, — Schildkröte. . Welche Pflanze wächſt ohne Erde

und

ohne Waſſer

und treibt ohne Blätter Zweige? — Hirſchgeweih. . Tags ein Herr, Nachts ein Diener. — Bett. . Mit der Feder gejäet, mit den Mugen geerntet; mit dem Kopfe gegeſſen, mit dem Gedächtnis verdaut. — Unterridt.

er e8, wu ne

. Dem Berrüdten gibt es immer Hochzeit. . Gib und nimm nichts vom Verrüdten. . Nichts taugt beim Verrüdten (in Bezug auf Sachen und Thaten desjelben). 3. Kummer bring’ ich dir und Kummer mach’ ich Dich

DD

.Schwankend bewegt es fich; hat feine Füße und gebt, . Oben

Ei. Gruſiniſche Sprichwörter.

Wafjerbehälter

aufjchreit, erdröhnt die Welt. — Flinte . Nehme es mit der Hand, fäe es mit der Tabe; es

71

auch vergeſſen. 24. Der Niedrige erreicht den Hohen nicht; bringt das Haupt nicht herab. 5. Viel Kleinere wurden geboren, ich erniedrigte wuchſen auf, ich erhöhte mich. . Sch ward alt, ward gebrechlich, grau mein Haufe begann meine Familie mich zu bafjen,

der Hohe mich; ſie Bart; zu und dem

Gutsherrn ward ich zur Laſt.

. Hier der Eſel, bier die Leiter! (Wird gefagt, um einen

un u =!

Lügner

zu überführen,

der

einer

Erzählung

nad)

verficherte, fein Efel könne eine Leiter hinaufiteigen.)

Armeniſche und gruſiniſche Sprichwörter.

12 28. Dieſer 29.

Tatar

nennt

meinen

Sack

ſeinen

Tſchuwal

(tatariſche Bezeichnung des Sackes). Eine hübſch redende Zunge lockt eine Schlange aus

ihrer Höhle. 30. Ein Brot rollt ein Jahr lang. 31. Der Langzüngige beſiegte den Kurzzüngigen. 32. 33.

Die Zunge bat neun Wendungen. Die Zunge fann man nicht unter Schloß thun.

34. Diefer Jagdhund

jagt diefen Hafen, wen jagt aber der

Haje? 5. Wer Bitteres nicht verfucht, ſchätzt den Geſchmack des Süßen nicht. . Wen foll man zuerſt bedauern? Die Schwiegermutter am Herde des Schwiegerjohnes. . Wer da ftarb, that es für ſich; die Uebrigbleibenden mögen ſich freuen. Wer hörte von einer grufinifchen Kneipe und einem Pfluge? (Ein oftgrufinisches Sprichwort, da bier die Grufiner dem Ackerbau obliegen und die Schanfwirtichaft den Armeniern überlaffen — was aber für Weſtgruſien, Smeretien und Mingrelien feine Gel tung bat). 39, Der Efel ſagte: „Hundert Eſelfüllen erzog ich und doch ward ich meine Yaft nicht los.” 40, Der eine liebt den Popen, der Andere die Bopenfrau. 41. Tarhan! (Taufname.) Die Lüge wird dir nicht immer ungeſtraft bingeben. . Dem Geizigen gerettet zu werden iſt dasſelbe, wie dem Ejel in den Himmel einzugeben. 3. Willft du mit einem Menschen befannt werden, erfahre zuvor über jeine Freunde. . Möge dich der Winter jo überfallen, wie du die Wahrheit gelagt halt. . Ich bin ein unnüßer Imeretiner: eſſe, trinfe bei dir und gebe jo fort. 46. Angenehm it ein guter Menſch und ein Schön ger wachſener. 47. Beſſer iſt es, einen Biſſen nicht zum Munde zu laſſen, als den Arbeitern auf's Feld kein Eſſen zu tragen. 48, Matſihabeli verſündigte ſich und der Jude mußte es büßen. (Im Liachwa-Thale über Gori haben die Fürſten Matſihabeli beim Handelsorte Zchinwal aus— dehnte Ländereien und unter ihren Hörigen viele Juden. 49. Den Hohen wie den Niederen hat Gott geſchaffen. 50. Den Popen erkennt man ſelbſt in der Baſtmatte. 51. Der Bauch wird dem Bauche nicht helfen. 22 . Ein umherſchweifender Fuchs iſt beſſer als ein Liegen: der Löwe,

53. Der Molla jtarb und dann brachte man ihm Blow (Reisbrei). . Die Sonne wird untergehen, der Abend kommen. .Ich habe mich nicht an Liebe zu ihm gefättigt, er nicht an Haß zu mir.

;. Der Arbeiter findet für einen Pfennig ſtets Arbeit. 37. Waife, wen wirft du fchaden? — Wer mich erzogen. Eine Schwangere entgeht der Entbindung nicht.

. Laß’ den guten Bäder ein Brot baden und zahle ihm 60, 61. 62. 63.

64. 65.

für ein Brot mebr. Nach der Dede jtrede Die Füße. Was it am ſpitzigſten? — Die Zunge. Was it am bitterjten? — Die Zunge. Was it am ſüßeſten? — Die Zunge. Armut vertrug mein fojtbares Kleid.

Das Wiffen ift jtetS dein und mit dir. Wenn der Menſch fein Wiſſen hat, wird das Yeben ihn ermüden.

66. Der Armenter

67. Wo

ijt dem Grufiner eine Motte. iſt Muchrani und wo Zilkani Gmwei benachbarte

Kirchdörfer,

30 Km. nördlich von Tiflis)?

Wo die

Ziege werdet und wo das Zidlein, Gerechtigkeit hängt von der Macht ab. 69. Wenn eine Ware dem Juden gefällt, beginnt er feinen Rückzug zu nehmen. . Einen Gewiſſenloſen in's Haus nehmen, beißt jeine Familie auf den Hof weiſen. . Ungerechtigkeit darf fjelbjt gegen einen Hund nicht ſtatthaben. 2. Herr, der Nußheher iſt verendet. — Ich habe nicht ein— mal von ſeinem Erſcheinen gehört. .Unzeitiges Weinen macht ſelbſt den Toten ſeinen Fuß bewegen. . Für den Juden war jelbjt das Schwein fchiver, da fügte man noch ein Ferkel binzu. . Wer Brei liebt, muß den Löffel am Gürtel hängen baben. . Wäre e3 in der Hütte, hätte man bloß etivas. . Der Eid iſt bloß für Gerechte. . Den Dieb lieg man zum Eide zu, um fein Haus zu erfreuen (d. b. über das ihm geſchenkte Vertrauen). 68.

9. Der Topf fällt, die Speife wird vergoffen. . Das Huhn jagt: „Ob man den Ochfen oder das Schaf Ihlachte, mic) wird man doc dazu Schlachten.” sl. Den Dieb kennt der Dieb. 82. Katholikos! (der Primas-Erzbifchof von Örufien) jegne die Welt! — Wenn ich nicht mehr fein werde, möge nicht ein Stein auf dem andern bleiben, 83. Für den Tauben lieſt man die Meſſe nicht zweimal. 84. Wenn der Kadi dich zu Grunde richtet, wen wirft du

über ihn klagen? . Wenn das Sind vor dir nicht ſchreit, mache ihm feinen Cauglappen. . Die Krähe, welche die Wachtel im Gange nachahmt, ver gißt ihren und erlernt den fremden nicht. . Die Angft hat neun Augen.

. Sucht gebiert Liebe, 89, Beſſer freiwillig gehen,

90. Mein

verdammter nicht fragte.

als gewaltſam geholt werden. Sohn ſchwatzte das aus, was ich

Der

Zufammenhang

zwoifchen dem geologifchen Alter und

91. Bei leerem Sade pflegt auch das Maß leer zu fein. 92. Mit leerer Schale ftoße ich eine volle an und fehütte 2

9 oO

fie aus. . Feuer und Heu befreunden fich nicht.

94. Ber weſſen Thor das Schaf blöft, dem gehört es. 95. Lafjen wir, fchlechtes zu veden;

reden

wir von den,

was nüßlicher. 96. Haft du den

Hund

genannt,

fo lege den Stod in

deine Nähe. 97. Selbſt der Hund wird rubig, während er ift. 98. Wer fragt auf einer Hundshochzeit nad) Gerftenbrot? 99. Die Kuh ſchlug man auf den Kopf, damit fie das

Kalb vergeffe. 100. Alles erlebte ich, bloß ein Mühlftein drehte ſich nicht auf meinem Kopfe. 101. Geh und ich hole dich ein.

102. Was im Krug ift, gießt man aus ihm aus. 103. Der Baum trug Früchte; der Sohn geriet nad) dem Bater. 104. Den Ochjen binde beim Ochſen an, und er wird jeine Farbe oder feine Natur verändern. 105. Wenn du Früchte ift, warum fragft du nach dem Fruchthändler?

106. Ein Geiſtlicher ſagte dem anderen:

„Seelenmeſſen

gibt's in Rußland und wenn das wahr iſt, ſo iſt das gar nicht zu weit (um dahin zu fahren).“ 107. In der Hölle ehrt man Gott nicht. 108. Noch nicht geboren nannte man ihn Peter.

Der Infammenhang zwiſchen dem geologiſchen Alter und dem Artenreichtum reiner Gegend. Für die Lehre vom Entſtehen und Verſchwinden der Urten wäre es gewiß interejfant, wenn man zwischen dem Artenreichthbum einer Gegend und ihrem geologifchen Alter

einen Zufammenhang fände. Die Anficht Mori Wagners

dem Artenreichtum einer Gegend.

Die Tropen find im allgemeinen

mäßigten

Zonen,

3

veicher als die ge:

die füdlichen Gegenden hierin wieder

veicher, originaler als die nördlichen. Die Armut der nördlichen Hemifphäre ſtammt aus der Eiszeit, vor derjelben war die Flora und Fauna reicher. Nun iſt aber die geologische Geſchichte der meiiten außereuropäifchen Länder noch ziemlich unvollftändig; befonders in Afrika, Aſien und Amerifa find weite Streden unbefannt. Doch ſcheinen die älteren Forma: tionen in der füdlichen Hälfte beſſer erhalten, als in der nördlichen. Auftralien, Afrika, Brafilien find meiſt geologisch alt und die neuen Tertiärbildungen fcheinen ſtärker in den Tropen und im Norden als im Süden. Nichtiger gefagt, Die Tropen haben mehr Formen der älteren Tertiär: periode — bis zum Miozän — erhalten, der Süden mehr noch ältere Formen (Strauße, PBroteazeen, Wraufarieen, Zykadeen, Marſupialien 2c.) In dieſer Beziehung iſt z. B.das Verhältnis Queens— lands, des Nordoſtens von Auſtralien, zum ganzen Konti— nent intereſſant. Queensland, das die meſozoiſchen Forma— tionen am meiſten entwickelt beſitzt, hat die meiſten tropi— ſchen (indiſchen) Formen, aber auch den geologiſch ſo intereſſanten Ceratodus, der im Weſten nicht vorkommt. Weſtauſtralien, das geologiſch arm ſcheint, hat die eigen— tümlichſte Flora, iſt aber nur reich an Spezies ein— heimiſcher Genera. Das Wiaranonbeden iſt reich an Fiſchen und Palmen, iſt aber geologiſch jung. Madagaskar iſt reich an Reptilien, mitunter ſehr eigener Art, arm an bei Hodgſon 657, Birma bei Blyth 656, Papuaſien 862). Hierauf folgt erft Afrifa — der Nordoften bei Heuglin 948 (872), der Heften bei Hartlaub 800 (758), der Südoſten (Deden) 457, der Süden 663. China hat bei David 807 Sp., fast gleich ſind Europa (658 Gould, Degland und Gerbe nur E31 — Dreſſer bildet mehr Spezies), Auftralien (650, Gold) und Nordamerifa (738, Baird). Die einzelnen Gegenden pflegen 200 bis 300 Sp. zu haben. Sana 424 (Schomburge), Bogota 510 (Sclater), Mexiko 621 Müller), Zeylon 311 (Tennent), Philippinen 218 (Walden), Jünnan 233 (Anderjon), Jarfand 158 (Hume), Kaſchmir — Ladak 189, Anda

über den Zufammenhang zwischen dem Alter und der Varia—

manen 155, Amurland 190 (Schrent), Japan 313 (Blafifton), Süd—

bilität einer Spezies dürfen wir wohl als befannt vorauss

oftfibivien 210

jegen. Nun find die Thatfachen in der oben angebeuteten Hinſicht teilweife befannt. Tropifch-Amerifa hat wohl den größten Formenreichtum in Pflanzen und Vögeln.

Triſtram),

Tropiſch-Aſien iſt ärmer und nur der füdoftindische Archipel (Sundainfeln bis zu den Moluffen) ift wieder reicher. Afrika it arm wie Auftralien und Europa, am ärmſten

Ozeanien und die nördliche gemäßigte Zone überhaupt. ! 1 Wir nehmen

als Beispiel die Bögel.

Die Geſamtſumme

(Radde),

Zelebes

195

(Walden),

201

(Wallace),

Yentralpolynefien 100 (Finſch), Nifobaren 175, Nenfeeland 145 (Bullen), Sandwichsinſeln 485 (Dole), Masfarenen 284, Madagasfar 220 (Hartlaub), Aegypten 352 (Sharpe), Paläftina 322 Perſien

354

(Blauford),

wie

Turkeſtan

(Severzom),

Zentralaften 170 (Brandt), Algier 357 (Locke), Bogosland 227 (Antinori), Natal 283 (Gurney), Gabım 300 Marche), Azoren 30 Morelet), 53 (Godmar), Spanien 325 (Brehm), Griechenland 245 (Lindermeyer),

Polen 304

(Takanovsky),

Faröer 124 (Müller),

Island SO Newton), Grönland 118 (Reinhardt), Nowaja Semlja 16 GPelzeln, koll. Wilczek), Malta 278 (Wrigth), Hainan 172, Formoſa 144 (Wallace), Java 270, Timor 160, Neu-Guinea 350,

der Spezies der Handlist of Birds of the British Museum

Borneo

(ohne Zufäße) ift 11,162. Das Marimum fällt auf TropijchAmerifa. Der Sclater'ſche Katalog (1873) hat hier 3565 Sp., Drafilien im Pelzeln'ſchen Verzeihnis 1680. Zunächſt kommt Indien (bei Jerdon 1016 — Tenafferim bei Hume 771, Nepal

landsinſeln 67 (idem),

400, Norfolt 15, Chathaminſeln

(Landvögel),

Sokorro

40, Salapagos 57, Falk—

Auckland 6 (Landvögel), 14,

Antillen

mudas 180, Zypern 85 (GKotſchy), Damaraland 428 (Anderjon) ꝛc.

203

Juan Fernandez 4

(Yandvögel,

Abeffinien 298

idem),

Ber

(Blanford),

14

Moftaganent.

Vögeln und Säugetieren und fcheint geologifch alt.

Die

Moſtaganem wird ringsum von arabiſchem Gebiete umgeben und zeigt darum vielmehr arabiſches Leben als

an Reptilien und Pflanzen ſehr reichen Sundainfeln haben eine mächtige Entwidelung der Tertiärformation , find

eine der anderen Städte, die wir bisher beſucht.

aber nicht ſehr reih an eigentümlichen DWogelfpezies, die wieder in den Mioluffen und Neu-Guinean faſt Das

Strafen war das Treiben entſprechend bunt. Es bat einen eigenen Reiz, diejes unvermittelte Nebeneinanderjtehen

Marimum des Endemismus befiten. Leider find uns die geologischen Verhältniffe von Bapuafien faſt unbefannt. Das geologisch alte Neusstaledonien ift reich an ende: mischen Bilanzen, das geologifch alte Neufeeland iſt arm

von Zivilifation und Barberei; aber je länger man das Leben in Algerien beobachtet, um jo mehr fommt man zu der Ueberzeugung, daß der Araber im großen und ganzen

an Tieren und Pflanzen.

Die Galapagosinfeln find nicht

Auf den

für die europäische Zivilifation abſolut unzugänglich ift. Die fünfzig Jahre Franzofenberrfchaft find fpurlos an ihm vorübergegangen. Gr fiebt die Ernten der Koloniften, aber es fällt ihm bei aller Geldgier nicht ein, feinen Ader

reich, aber befisen eine geologiſch ſehr intereffante Form, die legte Meereseidechfe (Amblyrhineus cristatus), deren in den mefozoifchen Zeiten jo viele beitanden. Die geologiſch alten Inſeln des nördlichen Atlantischen Ozeans haben wenig ZYandtiere, aber eine Vegetation von tertiärem Typus (gleich dem franzöfifchen Pliozän. Saporta). Ozeanien, dag man für ein finfendes, altes Land halt, tt arm an Bilanzen und Tieren, Griſebach bat ſchon in den An— tillen auf merkwürdige Gegenfäße zwischen Alter und Neichtum einzelner Inſeln hingewieſen. Es fcheint nach dem bisherigen Stande, daß man zwifchen den einzelmen Tier: gattungen und Pflanzenfamilien unterfcheiden muß. Ge— wife Samilien haben in früheren Zeiten eine größere Rolle geſpielt als jet, jo Marfupialien, Karnivoren, Eden— taten, Zykadeen, Koniferen, Myrikazeen. Ber diefen Samt: lien, die fich meiſt nur lokal erhalten, ift die Zahl der Spezies ftetS geringer, ja vor dem Ausſterben meift auf eine oder zwei Formen reduzirt (Strauße, Dididen, Meeres: eidechſen, Süßwaſſerſchlangen). Die an Verbreitung und Individuen zunehmenden

Berber. Der Berber aber oder der Kabyle, wie man ihn in Europa meistens nennt — mit Unrecht, denn Kabil it ein arabiiches Wort, das einfah „Stamm“ bedeutet — it ein anderer Menjch, an eine feite Heimat gewöhnt, mit

Familien haben nicht immer eine größere Spezieszahl. Die

unverbrüchlicher Treue

Kiefer und die Heide (Calluna vulgaris), die nicht variiren, haben vielleicht die größte Zahl von Exemplaren. Aber die größte Variation fcheint in der Periode zwiſchen Zus nahme und Abnahme einzutreten. So hat das alte Neu: jeeland nur zwei Broteazeen, das geologifch junge Zentral:

beivohner, dem Aderbau und dem Handwerk zugethan, darum bei allem Fanatismus und aller Wildheit eher für die Zivilifation zu gewinnen. Es hat lange gedauert, bis die Franzoſen die freien Bergvölfer unterjochten, nod) länger, bis fie deren Cigentümlichfeiten begreifen und achten lernten. Der Berber ijt ein ftarrer Demofrat, der feinen geborenen Oberherrn über fich anerkennt; frei wählt jede Gemeide ihre Exekutivbehörde und über jede wichtigere Angelegenheit entjcheidet die Gemeindeverfammlung. Seit die Sranzofen die altherfömmliche Selbjtvertvaltung aner= fannt haben, fit der Kabyle ruhig in feinen Bergen, pflanzt Delbäume oder treibt ein Handiverf, zu dem dieſe

auftralien ebenfalls wenige.

Die größte Variation, 5. B.

Brafilien, trifft weder die ältejten noch die jüngſten For: mationen. Die geologifh an der Oberfläche modernen Pampas, ſowie die junge nordeuropäifche Ebene haben feinen Neichtum an Formen. Das Mittelmeerbecden ift veicher, weil geologifch Fomplizierter, Der Anteil der

Fruchtbarkeit des Bodens an der Variation

ift bis jebt

noch unentivirrbar, liegen.

Fakta

weil hierüber zu wenig

Lobkowitz.

vor:

Dr. Palacky.

ſorgſamer zu beitellen; er fit gern im Schatten der Bäume und nafcht vom Obſt, aber darum pflanzt er doch feinen Baum neben feinem Duar. Sahrtaufende haben nicht

vermocht, feine Sitten zu ändern, die Berührung mit der Ziviliſation wird das auch nicht thun, jo wenig wie fie in Europa

den Zigeuner

bringen können.

von feinem Wanderleben

hat ab:

An dem unwiderſtehlichen Wandertriebe

de3 Nomaden fcheitern alle noch jo wohlgemeinten Ber: ſuche der Franzofen, der Araber wird Nomade bleiben und Schließlich vor der fortfchreitenden Ziviliſation in Die MWüfte weichen müffen. Man stellt zwar gewöhnlicd den jpanischen Mauren als leuchtenden Beweis für die Zivili—

jationsfähigfeit der Araber bin, aber die Eroberer Spaniens waren nur zum kleinſten Teile Araber, zum größten Teile

an

ihr hängend,

wie alle Berg:

Stämme merkwürdige Befähigung haben, oder wenn er fein Grundeigentum hat, gebt er als Taglöhner in die nächite Stadt und arbeitet mit raſtloſem Fleiß, bis er genug zufammengejcharrt hat, um ſich ein Häuschen und

ein Stüd Land anfaufen zu fönnen. In der Provinz Dran fieht man Kabylen nur jelten,

Moſtaganem.

am häufigiten noch in Moftaganem; den letzten Vorpoften

„Nach den Säulen des Herkules“ folgendes Bild von der

ihres Gebietes, den Dahra, fieht man von diefer Stadt aus jenjeits der Mündungsebene des Schelif emporragen. Dort haben ſie den Franzofen den letten blutigen Wider:

Bevölkerung und

ſtand geleiftet; am Dahra war es, wo der fpätere Herzog

W. Kobelt entwirft im 5. Kapitel ſeiner Reiſeſkizzen natürlichen Ausſtattung

Moſtaganems:

Der geograpdifch-fommerzielle

von Malakoff den ganzen Stamm der Beni Rama in einer Höhle zu Tode räuchern ließ. Die Berber dieſes Gebirgszuges ſind auch heute noch den Franzoſen nur

nominell unterworfen, aber ſie halten ſich ruhig und damit iſt man gerne zufrieden. Man erkennt den Berber ſofort an ſeinem bloßen Kopfe, der Araber geht niemals ohne Kopfbedeckung. Aber nicht nur die arabiſche Umgegend läßt das Leben

in Moſtaganem ſo viel fremdartiger erſcheinen als in Oran und Maskara. Moſtaganem hat, was dieſen beiden Städten fehlt, eine eingeborene mauriſche Bevölkerung. Oran iſt

zu kurze Zeit in den Händen der Türken geweſen; dreißig Jahre haben nicht genügt, um La Blanka den ſpaniſchen Charakter zu nehmen; die wenigen Maurenfamilien, welche nach der Räumung der Feſte herüberkamen, ſind beim

Einzug der Franzoſen wieder nach Moſtaganem und Arzew zurückgekehrt, wo ſie herſtammten. Dieſe beiden Städte haben darum einen viel mehr orientaliſchen Charakter, und in Moſtaganem ſind noch viele Handwerke und auch noch manche Landgüter in den Händen echter Mauren. Dieſelben bilden eine eigentümliche Raſſe, ein Zwiſchen—

Kongreß zu Madrid.

noch höher in die Luft.

75

Unter den dichtjtehenden Frucht:

bäumen dehnten fich üppige Gemüfefelder; die VBorgärten vor den Yandhäuschen, melde fich der Straße entlang weit hinaus ziehen, waren mit Geranten und Nofen erfüllt. Schlingrofen und Abutilon bildeten prächtige Lauben. An den Nainen blühte unjere Petunie verwildert, mweiterbin fam eine prachtoolle Allee von Judenbäumen (Cereis siliquastrum), dicht bedeckt mit ihren fyringenartigen Blüten. Bon der afrikanischen Hitze war wenig zu ſpüren, die Seebrife wehte und es war fühl wie auch bei uns nach einem Gewitter. Bon dem jteilen Abhange zogen fich zahlreiche kurze Navinen dem Meere zu, in jeder hatte man oben einen Brunnen gegraben und das Wafjer zur Bewälferung auf die Felder geleitet. Yange vor dem Auftreten des Quellenfinders Paramelle hatten bier die Mauren ſchon dieſelbe Theorie entwidelt und aus dem Einſinken des Bodens die Eriftenz eines Wajferlaufes darunter geabnt. Die Umgebung von Mojtaganem und Mazagran wird dadurd) fat unabhängig vom Negen und tft üppig grün zu allen Sabreszeiten.

ding aus Berbern und Arabern, aus deren Vermiſchung ſie ja auch entſtanden iſt. Vom Berber haben die Mauren die Liebe zum feſten Wohnſitz und die Vorliebe für das Handwerk, von dem Araber mehr die Körperbeſchaffenheit und Geſichtsbildung. Ihre Zeit in dem franzöſiſchen Afrika iſt übrigens um; fie find ſeit der Emanzipation der Juden diefen nicht mehr gewachjen. Denn bei allem Fleiß

und aller Gejchielichkeit fehlt ihnen jeder Spekulations— geist; fie arbeiten nur auf Bejtellung, jparen und für die Zufunft forgen haben jte nicht gelernt. In die neuen

Berhältniffe und Gefege wiſſc fie ſich nicht zu ſchicken; ebenfo gutmütig wie leichtjinnig Spricht immer einer für den andern gut, fie verarmen raſch und auch ihre Zahl nimmt jehr jehnell ab, um jo Schneller, als die Töchter der armen Mauren fat ausnahmslos der Broftitution anheim— fallen. Deren Kinder bilden dann die Uled Blaſa, die Kinder der Straße, und aus ihnen entjteht das vafjelofe Broletariat der franzöſiſch-arabiſchen Städte. Moftaganem liegt in einer ſehr fruchtbaren und reich bewäfjerten Umgebung, etwa eine halbe Stunde vom Meere

entfernt. Ein tief eingefcehnittener, mit der üppigiten Vege— tation erfüllter Ravin trennt die neue Franzofenftadt mit

den Milttärgebäuden von dem mauriſchen Quartier, das mit jeinen terrajjenförmig emporjteigenden weißen Häufern und deren platten Dächern ein echt arabijches Bild bietet. Ganz befonders fruchtbar und reich bewäſſert iſt die Meeres: füjte bi3 zu dem eine halbe Stunde entfernten Dörfchen

Mazagran. Hier jahen wir eine Vegetation, deren Heppigfeit jelbjt die Goldmuſchel von Balermo in den Schatten itellte. Der Negen batte alles aufgefrifcht und vom Staube gefäubert. Vier bis fünf Meter hoch erhoben fih Heden, nur von blühendem Yantana gebildet; dahinter jtredite das gewaltige Rohr des Südens (Arundo donax) feine Halme

Der geographiſch-kommerzielle Kongreß zu Madrid. Bom

6. bis 12. November

1883

tagte in Madrid

der Congreso espaiol de Geografia colonial y mercantil, den zahlreiche Vertreter der Spanischen geographiſchen und fommerziellen Gejellichaften, fowie eine ftattliche Anzahl von Privat-Öelehrten, Induſtriellen, Schiffsrhedern und anderen Intereſſenten befuchten. Den Gegenfjtand der eriten Beratung bildete die Stellung Spaniens zu Marokko—, das Yıeblingsthema nicht allein der politifchen Kreife im Reiche Alfonfo XII. Man einigte ſich in diefer Beziehung in folgenden Punkten: Es liegt im Intereſſe Spaniens, gemischte Tribunale an den Küftenjtreden Marokko's zur

Beilegung aller zwischen Spaniern und Mohamedanern entjtandenen Streitigkeiten zu fonjtituieren. Desgleichen jet den in Marokko geborenen Söhnen Spanischer Nenegaten die Spanische Staatsangehörigfeit zuzufprehen. Die Zahl dieſer Zeute in den nördlichen Küſtenſtädten iſt nämlich eine beträchtliche, viele von ihnen wünfchen fich unter den Schuß der ſpaniſchen Konfulate zu jtellen, welchen An— juchen die Spanische Gejeßgebung die Gewährung verjagt (bejonders den Söhnen der Deferteure). — Wichtiger find noch die Beichlüffe bezüglich der Zukunft der fpanijchen

Befisungen an der Nordfüfte von Maroffo, von denen Ceuta, Melilla und die Chafarinas-nfeln als die bedeutend— jten erfcheinen. Bisher bildeten diefe feſten Plätze einen inte grierenden Beitandteil der ſüdſpaniſchen Provinzen Kadiz ꝛc.

Nach dem Vorfchlage des Kongrefjes jollen dieje „Preſidios“ zu einer einzigen neuen Provinz vereinigt werben, in welcher

diefelben Gefege und Wunizipaleinrichtungen Geltung haben follen, tie fte im europätfchen Spanien beſtehen; nur ſolche

76

Kleinere Mitteilungen.

Aenderungen ſeien in der Verfaſſung dieſer neuen Provinz vorzunehen, welche ſich mit den Eigentümlichkeiten des Landes vertragen. Dieſe feſten Plätze dienten bisher zur Deportation politiſcher und gemeiner Verbrecher, von nun an ſollen ſie nach den Beſchlüſſen des Kongreſſes

nur zu militäriſchen Zwecken dienen und nur militäriſche Verbrecher (in die Disziplinar-Kompagnien) aufnehmen. Um dieſe marokkaniſche Provinz zu heben, ſeien regel— mäßige Verbindungen zwiſchen dieſen Häfen, welche erheb— lich zu beſſern und mit einer größeren Anzahl von Leucht— türmen zu berfehen wären, und Spanien in der Weife berzuftellen, daß Poſtdampfer auf dem Wege von den Häfen des Mutterlandes nach den Stanarifchen Inſeln jene „Preſidios“ und alle wichtigeren Küſtenplätze des Sul— tanats Marokko anlaufen. Desgleichen ſeien, abgejeben von Ifni, an der Weſtküſte Marokko's für die fanarijchen Fiſcher ein oder zwei Niederlaffungen zu begründen. Zum Schluſſe diefer Nordafrika betreffenden Emanationen be antragte der Kongreß die wiſſenſchaftliche Durchforſchung des N und die Bildung einer afrikanischen Gefellfchaft, welche mehr fommerziellen als wiſſenſchaftlichen Zwecken dienen ſoll, ſowie die Gründung eines Journals, das gleichzeitig in Spanischer und arabiſcher Sprache auf den Kanarien erfcheinen foll. Ein folches erfcheint bereits in Ceuta.

Eine befondere Beachtung widmete

der Kongreß den

ſpaniſchen Beſitzungen im Golfe von Guinea: Fernando Po, Annobon, Korisko und den Yandern am Kap ©. Juan. Um die Ausbeutung diefer an Bodenſchätzen reichen Kolonie zu fördern, empfiehlt der Kongreß die Einwanderung fubanischer Neger, ſowie die Freilaffung der dort Deportierten, denen ihre Jamilien nachzufenden wären. In den höher gelegenen Teilen von Fernando Vo wären aud) weiße Aderbauer und zwar die an ein heißes Klima ges wöhnten Bewohner der Azoren und Kanarien anzufiedeln, Desgleihen wünſcht der Nongreß die Errichtung von Handelsfaktoreien an der afrikaniſchen wie arabischen Küſte des Noten Meeres. Die Bejchlüffe, welche der Kongreß bezüglich der amerikaniſchen Beſitzungen Spaniens faßte, verdienen um ſo mehr Beachtung, als ſie offenbaren, daß die Spanier ihre Kolonien nicht mehr als eine bloße Melkkuh betrach— ten; ſo fordert der Kongreß eine möglichſt weitgehende Ausdehnung der Autonomie für Kuba und Puertoriko, ſowie die Errichtung von Freihäfen. Denſelben Geift atmen die Worfchläge, mit den fpanifch-amerifaniichen Re— publifen Handelsverträge auf liberaljter Bafıs abzufchliegen, um fo den ſpaniſchen Handel zu beleben und die „Bande enger zu knüpfen, welche die Spanische Nation mit jenen Brudervölfern verbinden.” Die europäiſche Auswanderung joll auch nad Kuba gelenft werden und zwar Durch eine Geſetzgebung, welche der diesbezüglichen der Vereinigten Staaten von Nordamerika entjpricht. Für die Bhilippinen fordert der Kongreß Durchgreifende

Neformen; jo foll zunächit die offizielle Kaften-Einteilung (Spanier, Indier, Chinefen, ſpaniſche und chineſiſche Meſtizen) befeitigt werden, alle Kaften follen von nun an „Spanier” offiziell genannt werben. Der Unterricht it in Spanischer Sprache und frei von der Bevormundung der GHeiftlichfeit zu erteilen. Desgleihen wäre die politische Verfaſſung auf denfelben Fuß wie im Mutterlande zu jegen, die Bewohner des Archipels follten alle jene politijchen Nechte genießen, welche mit der Sicherheit der Snfelgruppe und dem Mbhängigfeitsverhältniffe vom Mutterlande verträglich ericheinen. Aufzubeben wäre die Zenfur, an deren Stelle Preßfreiheit zu treten hätte, Der

Kongreß hält es ferner für notivendig, die Zahl der Leucht: türme im Archipel erheblich zu mehren und in Manila jelbit ein Dod aufzuftellen. Der Kongreß befürwortet die Errichtung einer Schiffsitation auf den Karolinen und die Erklärung eines Freihafens auf den Marianen. Der Kongreß befchäftigte fich auch mit fozialen Ver—

hältniſſen des Mutterlandes.

Es wurde hervorgehoben,

daß die Landwirtſchaft zu wenig intenfiv und extenſiv be-

trieben würde, eine Folge bievon wäre die geringe Vermebrung der Bevölkerung Spaniens; um diefem Uebelftande abzubelfen, bejchloß der Kongreß, die Negierung und Be: börden aufzufordern, der Bewäſſerungsfrage ihre eingehende Sürforge zu widmen. Was die Spanischen Auswanderer anbelangt, jo bezeichnet der Kongreß es als wünſchens— wert, daß der Emigrantenftrom nach den Philippinen und

Kuba geleitet wide,

doch joll die Negierung jeder Ein—

flußnahme in diefer Beziehung fich entjchlagen und die Ausführuung diefes Projektes privaten Gefellfehaften überlaſſen.

Die letzte Sitzung hattz reine Merkantil- und Marine— Intereſſen zum Gegenſtandé ihrer Beratungen gewählt. Der Kongreß verlangte eine Schiffahrts-Akte nach dem Mufter

der englifchen

vom

Jahre

1854,

eine Vermehrung

der

Hafenbauten und Sreibäfen, die Subvention von Dampferlinien nach Südamertfa, Guinea und Angola, Marokko, den Kanarien und (von Manila aus) nach Japan. Zum Schluß fordert der Kongreß eine Neorganifation der

nautischen Schulen

und eine größere Neform der Kriegs:

marıne, Ferdinand Blumentritt.

Kleinere Mitteilungen. Neuere Beobadjtungen über das Luftmeer der Erde, In der Situng der Geographifchen Geſellſchaft von HamburgAltona am 12. Januar hielt Herr Geheimrat Dr. Neumayer einen längeren Vortrag tiber die im den legten Monaten neuge— wonnenen Beobachtungen in Bezug auf das die Erde umgebende Luftmeer. Die von dem Berliner Ajtronomen Dr. Förfter veröffentlichten Beobachtungen an dem Barographen des Berliner

7

Kleinere Mitteiluugen. Normal:Aihungs-Amtes bieten einen neuen Beweis fir die über— vajhende Wahrnehmung, daß Durch den am 27. Auguft v. J. auf Java jtattgefundenen Vulkanausbruche eine Slutwelle im Luftmeer veranlaßt wurde, welche bei ihrem Fortſchreiten mach verschiedenen Seiten jowohl auf dem oſtweſtlichen als auch auf dem weftöftlihen Wege fonftatiert werden fonnte und innerhälb 36 Stunden 47T Minuten die Erde umkreiſte. Ihre mittlere Gejchwindigteit betrug 670 E. MI. in der Stunde. Eine auf die Annahme diejer Geſchwindigkeit begründete Rückrechnung bezüglich des Zeitpunftes der Eruption ergab die völlige Webereinftimmung mit einer au Ort und Stelle gemadten Beobadtung. Intereſſant ift, daß auch auf Süd-Georgien vermittelt des dorthin mitgenommenen Sprung'jhen Apparates eine atmoſphäriſche Störung wahrgenommen wurde. Sie äußerte fih in einem Zeitraum von 3/, bis 1 Stunde, wobei die Barometer-Amplitude 2,5 mm. betrug; auch eine zweibis dreimalige Wiederkehr des Phänomens wurde dort beobachtet und außerdem eine ganz ungewöhnliche Beunruhigung des Meeres. Wir gehen wohl nicht fehl, wenn wir die im Lauf der legten vier Monate wahrgenommenen eigenartigen Morgen- und Abendröten, jowie die jonderbaren Farbenerſcheinungen an der Sonne und die ihwarzen Niederjchläge bei Schneefällen auf diefe javaniſche Eruption zurückführen. Achnliche Wahrnehmungen wurden im Anſchluß an einen Ausbruch auf Island Schon im Jahre 1781 gemacht und 1831, als am 10. oder 11. Juli die Bulfaninjel Ferdinandea bei Sizilien vorübergehend entſtand. Die ſchwarzen Niederſchläge in der Rheinprovinz und an der holländischen Grenze rühren dann wohl von dem vulkaniſchen Staube her, welcher dem Gejetse der Schwere folgend dort auf die Erde zurücgelangte. 1831 blieben die am 15. August in den Vereinigten Staaten bemerkten Staubwolfen ein Rätſel. Die chemiſche und mikroskopische Unterſuchung der eingeſchickten Proben wird hoffentlich näheres ergeben. Für die Verfolgung der Luftwellen werden wahrſcheinlich auch die in den Schiffsjournalen der Seewarte enthaltenen Notizen wertvolle Anhaltspunkte darbieten, um eine chronologiſche Verfolgung dieſer Erſcheinung und die Zuſammenſtellung einer Karte zu ermöglichen. BU Juan Maria Schuver F. Schon wieder hat Afrika ein Dpfer gefordert, ſchon wieder ift ein Menjchenleben dahingegangen, welches noch joviel für eine Wiſſenſchaft veriprad), der es große Opfer gebracht und der es wichtige Dienfte hatte leiften fünnen: Juan Maria Schuver iſt unter den Händen einer feindlichen Bevölkerung im 34. Yebensjahre gefallen. Es ift dies das zweite Opfer, welches die Niederlande der Afrikaforihung haben bringen müffen. Ein PrivatTelegramm

der

„Nieuw.

Rottd.

Gt”.

enthält

iiber

Schuver's

Ende folgende Mitteilungen: Nähere Berichte aus Kairo beftätigen den Tod des niederländischen Reiſenden Schuver. Bor 6 Monaten ift er an Bord des Nildampfbootes „Ismaila“ aus Khartum abgereift, hat aber das Schiff verlaffen, um, trotz aller Warnungen, zu Fuß den Weg nad) Bahr-el-Ghazal fortzufetssen. Auf dem Wege dorthin wurde er durch die Dinka's angefallen und getötet; feine Leiche ift noch nicht aufgefunden. Die Nachricht won feinem Tode hat der Neifende Bohndorff mitgebracht.” Bahr-el-Ghazal ift an der 1 Siehe „Ausland” 1882, ©. 79, 139, 358; 1883 ©. 199, 437, 878. 2 Bohndorff, welcher Junker als Präparator und Sammler von Naturalten gute Dienfte leiftete und mit dieſem Forſcher im Februar 1880 von Khartum aus in die Niammtamländer ud weiter in die am Welle gelegenen Monbuttureiche veifte, iſt nach den jüngften Nachrichten mit dem Dampfer „Ismaila“ aus der Mejchra-el-Rek in Khartum angefommen. Dr. Junker aber befindet fih nad) einem in der „Deutjchen St. Petersburger Zeitung“ veröffentlichten Privattelegramm aus Khartum vom 15. Januar gefund und wohl im Niammiamlande, Dieje Nachricht ift um jo

Nordſeite ganz abgefhnitten, der Befehlshaber Lupton Bet, ein Engländer, hat fih nur nah der Seite von Sanfibar vetten fönnen. — Dermjenigen, was wir früher iiber Schuver's Reifen und Leben berichtet haben, bejchränfen wir uns, vorläufig folgendes nachzutragen:

Im Fahre 1882

Blauen Nil an, die unruhigen

Zeitverhältniffe

zufehren,

wo

von

fing er feine Neifen im Gebiet des

wobei ihm Famafa nötigten

als Ausgangspunkt

diente;

ihn nach Khartum

zurück—

er, wie oben fchon angegeben

ift, im Juni 1883

wieder ftromanfwärts ging. Der fette Bericht an feine in Amſter— dam lebenden Verwandten trug das Datum des 3. Auguft und fam aus Faſchoda am Blauen Nil. — Hiezu fügen wir noch folgende Angaben der „Daily News”, eingehendere Schilderung und Wirdidigung der Yeiftungen Schuver's uns vorbehaltend: Schuver war 34 Fahre alt und intimer Freund O’Donovans, des „Daily News“Korrejpondenten, welder im Stabe Hids Paſcha deſſen trauriges Los teilte, Schuver war der Sohn eines reihen Kaufmanns zu Amfterdam md leidenschaftlich zu Abenteuern geneigt. Seine Neifen in Afrika machte er auf eigene Koften. Schuver war ein vortrefflicher Yinguift. Da er auch jehr gut verftand, fi in die Eigen heiten fremder Völker förmlich einzuleben, jo kann ſein Tod fein zufälliger, jondern muß ein abfichtlicher und planmäßiger Mord gewejen jein. Schuver und D’Donovan waren Krtegsfameraden im Karliftenaufftand,

außerdem

war

Schuver

in Marokko;

auch

beftieg er den Ararat. Gin Bericht Dr. Fiſcher's über die Majai. Fu der Sitzung Altona

am

der Geographiichen Gejellichaft von Hamburg—

12. Januar

gab Dr. Fiiher

mehrere

Mitteilungen

iiber die Maſai im öftlichen Afrika. Diefer mit den alla und Wakuafi verwandte Stamm bat dunkle Farbe und Negerhaar, ift aber viel woblbeleibter als die hageren Wakuafi. Durch die borvagenden oberen Schneidezähne erhält das Gebiß eine eigentümlihe Stellung. Bon Begetabilien nähren die Maſai ſich nur in Zeiten Schwerer Not, Zagdtiere und Fiſche verihmähen te gleichfalls; nur Nindfleifh und Milch bilden ihre Nahrung. Die Gedanken des Iebhaften und unzuverläffigen Stammes find nur auf Krieg und Bente gerichtet. Jeder Krieger hat feinen jpeziellen Kameraden; fällt einer von beiden, hat der andere dejjen Waffen und Schild nah Haufe zu bringen. Die Hauptwaffe iſt der Speer, außer ihm führen fie noch ein Schwert und eine kurze Keule; der Schild ift aus Ochjenhaut. Als Schmud des Kriegers dienen ein großartiger Kopfputz auf den mwohlfrifierten Haare, umfangreihe Ohrringe, Armbänder aus Elfenbein, Horn oder Perlen, weithin jehallende Schellen, ein Kleiner fiber der vechten Schulter hängender Fellmantel und zuleßt ein großer Kattun— mantel von hellen Farben. Auch die Frauen tragen große Ohr: vinge, aber ihr Haar ift geſchoren; die Kleidung der verheirateten befteht in einer weiten Ochſenhaut. Schwere Arbeit tft ihr Yoos und ihre Stellung eine wenig geachtete, wie es auch ſchon Die Bielweiberei mit fi bringt. Wenn aud die Braut ein Geſchenk an Rindern erhält, jo beruht die Heirat doch nicht auf Kauf. Die Sprachen der Galla, Wakuafi und Mafat unterfcheiden ſich wejentlich von denen der Küſtenvölker, zeigen unter ſich Dagegen nicht unbedeutende Aehnlichkeit, 3. B. hinfichtlich dev Zahlwörter, deren es nur bis 50 gibt. Die Autorität des Vaters tft eine unbe— deutende. Ein befonderer Kultus exiftiert nicht, jedoch befitst ihre

erfrenlicher, als durch die Sperrung des Weißen Nil bei Duem durch verſenkte Steinfchiffe die Nequatorialprovinzen jowie die am Gazellenfluſſe gelegenen Gebiete von Khartum abgejhnitten find und dadurch die Beforgnis für das Schidjal Emin Ber’, Junker's ud des Stalieners Cafati um fo mehr berechtigt ift, al$ die Ermord ung J. M. Schuvers und die Bedrängnis Yuptons Bei's ein düfteres Licht auf die in dieſen Ländern herrichenden Zuſtände wirft HR R,

18

Notizen.

Sprade einen, Ausdrud fir ein Höchftes Wefen, der jedoch auch für alles Wunderbare und alle Zauberei gebraucht wird. Zauberer beten hier großen Einfluß. Die Maſai find vorzügliche Nedner, wißbegierig und der leivenfchaftlichiten Erregung jehr zugänglich. Während feines Bortrages zeigte Dr. Fiſcher Sandale, Milch— gefäße, Viehgloden, Zangen und Hammer für die Waffenbereitung, Meffer, die zwei Hölzer zum Feueranmaden, Bogen, Pfeife, einen Fetisch, geflochtene Gefäße, Säde, Streitärte, Pfeifen u. a. m. vor, welhe Sachen zum größten Teil von Majai, der Neft von anderen Stämmen jener Gegenden ftammen. Stanley und das englifche Proteftorat am Kougo. Nach dem Briefe Stanley’ vom 23. Juli 1883 1 ift e8 wohl feinem Zweifel unterworfen, daß fein Trachten daranf gerichtet ift, den unteren und mittleren Kongo nebft anliegenden Ländereien . mindeftens unter englisches Proteftorat zu fielen. Da Stanley durch Die zahlreichen Stationen das rechte Kongo-Ufer und in kluger Berechnung das Thal und das Miindungsgebiet des Niart in Defi genommen hat, jo gebietet ev über ein beträchtliches Territorium, wenn aud nur ſtreifenweiſe und zeitweilig. Allein es ift ſchon beträchtlich genug, um einer europäischen Macht angeboten zu werden, welche die Machtmittel befitst, um dauernde vechtliche und politifche Verhältniſſe bier zu ſchaffen. Stanley hat nur in der Art mit den einzelnen Häuptlingen Verträge abgeIhloffen, daß dieje, aber

find.

nicht deren Unterthanen,

ihm verpflichtet

Es fam ihm in erfter Linie darauf an, fich und

nehmen

vor

etwaigen

Willfürlichkeiten

fein Untere

der Negerfürften

ficher zu

ftellen und dafür zu forgen, daß fie Perfon und Eigentum der Anſiedler al3 geheiligt betrachten, daß es ihnen nicht in den Sinn fomme, die Wege zu verfperren und Abgaben auf den Flüffen zu erheben 2c. Damit ift aber nur der erfte Schritt zur wirkſamen Offupation, zur Durchführung des ziviltfatorischen Zweckes gethan; der zweite befteht in dem Necht, fich in die Berhältniffe

der Ein—

geborenen zu miſchen und dieſelben nach europäiſchen Begriffen politifh zu regeln. Diejen zweiten Schritt aber kann nur ein Staat mit den Machtmitteln feiner Sonveränetät unternehmen und der Staat, für den Stanley in diefem Sinne arbeitet, ift eben England.

Wir

glauben

nicht,

falſche Schlüffe

zu ziehen, wem

wir die Vermutung ausſprechen, daß Stanley hauptjächlich deswegen Stationen im Thal und am der Mündung des Niari angelegt bat, um feinem „Königreih“ einen territorialen Abſchluß zu geben und jo ein ganzes Stück Erdteil dem bevorzugten britifchen Löwen anbieten zu können.

Notizen. Afrika. Schmwierigfeiten Sanſibar

Revoils.

den 25. Dez. 1883:

ES

Man

jchreibt

uns

aus

diirfte Sie wohl intereffieren,

etwas über den franzöfischen Neifenden Revoil zu hören, welcher im Mai Sanfibar verließ, um das Somaligebiet zu erforschen. SH war vor zirka 14 Tagen in Marla (10 46° n. Br.) an der Benadinfifte und hörte dort von Yenten aus Makudiſcha (Magadora), welches ja der Ausgangspunkt Nevoil’3 war, daß Nevoil nad) einem Marſch von 5 Stunden von den Somali aufgehalten und bis jetzt noch nicht weiter gelaffen wurde. Ein Araber behauptete fogar, daß die Somali den Neifenden nicht zurücklaſſen wollen, bis jeine jämtlichen Güter, beftehend aus 25 Kamellaften, verausgabt wären; doch ift dieſe Nachricht unwahrſcheinlich, da I Siehe „Ausland“ 1883, Nr. 43. ©. 855.

Nevoil durchaus

dem hiefigen franzöfiihen feine

Gefahr

Konful gejchrieben hat, dager

Taufe, aber eben verhindert

wäre, weiter

vorzudringen. Ueber die Stadt Marka md die dortige Bevölke— ſchreibe ih Ihnen näcftens. Die franzöfifhe Kolonie in Obof fommt nicht zu ruhiger Entwidelung; fie iſt den Sflavenhändlern ſüdlich der Tadſchurra-Bai, der ägyptijchen Negierung und vielleicht auch den Engländern ein Dorn im Auge. Es hat fi) dort wieder folgendes zugetragen: Die Regierung von Kairo hatte an Ai Radi Paſcha, den Gouverneur von Harvar, den Befehl geichidt, in Yatela die ägyptiihe Fahne, welche zum Schutze eines Durchziehenden Sklaventransportes kürzlich entfaltet, jpäter aber von den Fran— zofen wieder entfernt worden

war,

neuerdings aufzupflanzen,

denn

Aegypten beanfprucht, wenn auc ohne alles Net, jenes Territorium, wie es diejes auch 1880 gegenüber Nivoyre gethan.? Yatela liegt nur S Km. vom Hafen von Obof entfernt. Die Triebfeder zu dieſen feindfeligen Schritten ift der berüchtigte Sultan Abu Bekrs in Sela (Zeila); er ift der Herr der beiden Handelsftraßen aus Schoa und zwar eimerjeitS derjenigen, welche nur erlaubte Waren aus dem Innern nach der Küfte führt und bei Sela mitndet, andererſeits jener, anf welchem feine heimlichen Sflaventransporte nad) Ambobo an ver Tadſchurra-Bai geſchafft werden. Die Anweſenheit der in dem nahegelegenen Obok angefiedelten Franzoſen beunruhigt jein lohnendes, aber verbotenes Geſchäft mit ſchwarzem Elfenbein; deshalb benützte Abu Bekr jofort Die Gelegenheit, als die ägyptische Fahne von den Fran— zojen verletst wıryde, die ägyptifche Regierung zu gewaltfamem Einichreiten gegen die Kolonie Obof zu veranlaffen. Denn er befitst gute Freunde unter den Wiürdenträgern tm Kairo, jelbjt der Premierminifter Scherif Paſcha foll feinen Ratſchlägen Gehör ihenfen. Vorläufig fteht ſoviel feft, daß ägyptifhe Truppen in Latela ftationiert find und verjuchen, die Eingeborenen gegen die eigen in Obok aufzuhegen. Die belgifhe Station Karema am Tanganika-See befindet fich nach den neueften Berichten Storms in einem blühenden Zuftand. Im Anfang betvugen die Koften der Unterhaltung jährlich 30,000 Fres., jest gar nichts mehr (2). Demm die zur Station gehörigen Neger erwerben aus dem Betrieb des Aderbaues nicht nur ihren eigenen Lebensunterhalt, jondern auch einen Ueberſchuß, mit welchem lukrative Tauſchgeſchäfte gemacht werden können. Die Senegalbahn. Die Franzoſen fühlen allmählich, daß ihre Kolonialunternehmungen einen etwas abenteuerlichen Beigeſchmack bekommen haben. Einige Millionen für die Reklame als welt— beherrſchende Nation werden willig geopfert, aber dann aus Kon— ſequenz noch Millionen auf Millionen zahlen, gefällt ihnen nicht vet. So haben fie denn auch der früher vielgerühmten Senegalbahn, deren Bau faum begonnen worden tft, ein energijches „Halt“ geboten, indem fie in der Situng der Nationalverſamm— fung vom 17. Dezember v. 3. mit 234 gegen 197 Stimmen auf Antrag Ya Vieille's und troß der Reden Faure's, des Sefretärs im Marineminiftertum, die Bewilligung eines erneuten Kredits für dieſen Zweck verwarfen. Welche Ausfiht Hat da wohl Brazza’s Niari-Kongo-Bahn? Amerika. Forſchungen in Michoakan. Die mexikaniſche Regierung hat einem Ingenieur, Herrn A. Tardy, die Unterſuchung des ge— nannten Gebietes aufgetragen, mit der Abſicht, Angaben über die Hilfsquellen des Landes, was den Acker- und Bergbau ſowie das Soeben trifft an ven franzöſiſchen Konſul die Nachricht ein, daß Nevoil nah Makudiſcha zurückgekehrt fein joll. 2 Siehe „Ausland“ 1882, ©. 319. "3 Siehe „Ausland“ 1883, ©. 634.

Litteratur.

Forſtweſen anbelangt und über die zu der Ausnützung derſelben wilnfchenswerten Verkehrsmittel zu erhalten. Herr Tardy jelbjt hat fich jedoch vorgenommen, die Intereſſen der Wiffenjchaft in möglichjter Ausdehnung im Auge zu behalten und dieſe Gegenden, die er mehr als einmal durchwandert hat, jowohl in naturwiſſen— ichaftlicher Beziehung zu erforjchen, als auch dort photographijche und topographiiche Aufnahmen zu machen. Forihungsreife

Ende April

vor.

Forſchungsreiſenden

3.

im Beden

kam

des

Amazonenftromes.

im Buenos-Aires

Antonio

Lopez

Mendes

der

portugieſiſche

au,

welcher

ſich

nach Rio de Janeiro, Pernambuko und Para begeben und dann im Becken des Amazonenſtromes und ſeiner Zuflüſſe aufwärts gelangen wollte, um ſpäter die pazifiſche Küſte zu erreichen. Mendes

hofite,

dieſen

Januar

wieder Buenos-Aires

erreichen zu

fünnen. Die Karſon Footprints1 find nun definitiv erledigt, nad)dem man bei genanerer Unterfuhung neben den großen Spuren der Hinterfüre auch unverfennbare Spuren der Vorderfüße gefunden. Marih gibt im „American Journal of Science and Arts“ 1883, Vol. U, ©. 139 die Abbildungen der Fußſpuren, wie fie wirklich find, ohne Ergänzung und daneben die des HinterDanach kann es feinem Zweifel fußes von Mylodon robustum. unterliegen, daß die Fährten von einem vriefigen Edentaten, Mylodon oder Morotherium, hevrühren. Ko. Der Glaube an menſchliche Bampyre ift nicht nur in Europa heimifh. Sp berichtet man aus Demerara Britiſch Gujana), daß als Beweis, wie ſehr die Landleute im jener Ge— gend noch an dem Aberglauben ihrer Voreltern hangen, ſechs Neger aus dem Dorfe Neboklis vor den Richter gebracht wurden, die eine alte, kränkliche Frau angefallen hatten, weil ſie ſteif und feſt davon überzeugt waren, ſie habe dem Kinde eines der Ange— klagten das Blut ausgeſaugt, bis es zu einem Skelett zuſammen— geſchrumpft war.

Die geiſtigen Fortſchritte des farbigen Bevölke— rungselementes in den Bereinigten Staaten Zur Zeit des Ausbruchs des Bürgertrieges gab es in den Vereinigten Staaten nur 30,000 Farbige, welche leſen und jhreiben konnten und auch dieje lebten mit jehr wenigen Ausnahmen im den Nord— ſtaaten.

Nach dem neueften Zenſus

fünnen 500,000 Farbige

leſen

und jchreiben umd von den farbigen Kindern im jchulpflichtigen Alter nehmen 480/, am Unterrichte teil. Die Zahl der farbigen Lehrer beträgt 16,000 und es gibt 44 Normalſchulen, welche von 7400 farbigen Zöglingen befucht werden, ferner 15 „Kolleges“ und 30 andere höhere Lehranftalten, die ungefähr 7000 Schitler zählen. Dazu fommen noch 22 theologijche Seminarien, 3 Rechts: und 2 mediziniſche Schulen fir Farbige. Die Zahl der in den Vereinigten Staaten von Neger vedigierten Zeitungen beträgt ungefähr 100. Telegraphen in San Salvador. Nad dem deutſchen Konfulatsberiht aus der Departementshauptitadt Santa Ana waren während des Jahres 1880/81 in San Salvador TOO E. Mi. Drabt mit 48 Aemtern im Betriebe. Durch Yegung des unter jeeischen Kabels zwifhen Salina Kruz (Mexiko) und Kallao Ber), welches den Freiftaat San

Salvador

in dem

Hafen La Yibertad

berührt, wojelbft eine Station fir Salvador, Guatemala und Honduras errichtet worden ift, hat der Freiftaat direkte telegraphiiche Verbindung mit den übrigen Weltteilen erhalten. Das Amdberft-Kollege Mafjahnjetts). Amherſt, am Konnektikut-River, mit 4035 Bewohnern, ift infolge jeiner wunder— vollen Lage inmitten der Berge, welche das Flußthal einſchließen, und jeiner gemäßigten Temperatur eine vielbefuchte Sommerfrijche,

79

wenn in dein großen Städten des Oſtens der Vereinigten Staaten das Thermometer oft 409 0. überfteigt. Hier ift ein Nendezvous der gebildeten Welt Neu-England's, ſoweit fie nicht im Seebad zu Long-Beach weilt. In dieſem Ort ift auch von Pro feffor Sauveur ein Sommerfollege für Sprachen gegründet wor— den, welches fich fteigender Beliebtheit erfrent und von-Jahr zu Jahr eine bedeutendere Frequenz aufweist. Der Unterricht ſelbſt währt nur jehs Wochen. Das Lehrerkolleginm ift ſeinen Leiſtungsfähig— feiten nach ein ehr gewähltes und das Programm der Schule für die verfloſſene Seffion 1883 zeigte eine Studentenzahl von 302 beiderlei

Geſchlechts.

Sc.

Die Zunahme Vereinigten

1883, Nr. 2 und 33.

zwiſchen Mexifo

iſt am

beſten aus

folgenden

und den Zahlen

erſichtlich. 1880 exportierte Mexiko nach den Vereinigten Staaten von Amerika für 5,864,000 Doll., empfing aber aus der Union für 6,633,000 Doll. Im Fiskaljahre, welches im Juni 1882 endete, exportierte die Union dagegen nach Mexiko für 35,480,000 Doll. und Mexiko nach dort nur für 8,461,000 Doll., darunter für 1,817,000 Doll. Kaffee. Du

ditteratur. Einige Bemerkungen zu Profejjor A. v. Nordenſkiöld's Neijewerf: Die Umjegelnng Ajiens und Euvopas auf der „Bega“ 1878—1880. Bon Fr. Schmidt, — der K. Ruſſ. Akademie. Aus den Beiträgen zur Kenntnis es Ruſſiſchen Reiches und der angrenzenden Länder Aſiens, zweite J beſonders abgedruckt. 80, 47 ©. St. Petersburg 1883.1 In dem

vorliegenden

Aufſatze

macht

der Verfaſſer

nicht den ge-

jammten Inhalt des Reiſewerkes von A. v. Nordenfiöld zum Gegenftande der näheren Bejprehung, da derjelbe, wie er Seite 4 bemerkt, ſchon wiederholt in Zeitichriften und auch im „Ausland“, 1882 Nr. 47 bis 50, beſprochen und gewürdigt worden ift, Nachdem Herr Schmidt in Fürzeren, einleitenden Worten jeinerjeitS dem Neifewerf die vollite Anerkennung und Wirdigung gezollt, gebt er auf das Kapitel der hiſtoriſchen Weberficht der früheren Eis— meerfahrten und Forſchungen iiber und hebt aus jehr triftigen Gründen

ſpeziell

Die ruſſiſchen

Reifen

im

Eismeer

und

an den

stüften desſelben hervor. Wer mit diejen Reifen einigermaßen vertraut ift, dem kann es beim Leſendes Nordenſkiöld'ſchen Werkes —

entgangen

ſein, daß Heifende, die fih um

die Erweiter—

ung der Kenntnis jener Gegenden minder verdient gemacht haben, jo zu jagen auf often beriihmter gelehrter Forſcher mit bejonderer Bevorzugung hervorgehoben werden. Wrangell und Baer haben wiederholt ungerechtfertigte Angriffe zu erdulden und Lüttke wird, weil ev nicht weiter als jeine Vorgänger gefommen ift, nur kurz behandelt. Dieſe Berhältniffe werden mun von Herrn Schmidt näher beleuchtet und berichtigt, ohne daß er dabei die Abficht hat, eine Polemik

hervorzurufen,

jondern

indem

er weſentlich

bemüht

it, Beiträge zur Entdedimgsgefhichte des Sibirifchen Etsmeeres zu liefern. Daher hebt er zunächſt das ungerechte Berfahren Nordenſkiöld's Wrangell gegenüber hervor, welcher, ganz Peter mann's Beijpiele folgend, den Namen Wrangelland es umgerechtfertigt findet und den Koſaken Andrejew als den wahren Entdecker der bewußten Inſel betrachtet, eine Thatjache, die Schon Dr. &. Hiekiſch bejprochen hat („Neue Dörptihe Zeitung“, 1883 vom 16. und 17. Februar). Mit Ausführlichkeit bringt nun Herr _ 1 Wir haben aus dieſer Schrift bereits die Anficht des Ver— faffers über die Namen Waigat, Waigatz, Waigatſch mitgeteilt. Siehe „Ausland“

1 Siehe „Ausland“

des Handels

Staaten

1883, Nr. 50.

2 Bol. auch „Ausland“

1882, ©. 141, 265 und 34T,

Litteratur.

0

Schmidt in ſeinem Aufſatze gleichfalls alle Beweiſe für die richtige Behauptung Wrangell's, der die ganze augebliche Entdeckung Andrejew's für eine Lüge erklärt. Hiebei finden auch noch Be— merkungen in Bezug auf Baer's Aufſatz: „Das neuentdeckte Wrangelland“ Platz, in welchem dieſer berühmte Gelehrte Wrangell gegen Petermann verteidigt. Nordenſkiöld gibt zu, dieſe Schrift nicht gekannt zu haben. Sodann betont der Verfaſſer aber die Original-Rapporte des Oberſten Plenisner aus den Jahren 1771 bis 1772, die 1876

durch

Herrn Polonsky

nach St. Petersburg

geſchickk und von Herrn L. v. Helmerſen veröffentlicht wurden. Auch dieſe Rapporte hat Nordenjfiöld nicht geleſen. Dieſe Doku— mente beſeitigen aber jeglichen Zweifel über die Richtigkeit der Behauptungen Wrangell's, wie ſie zugleich die zutreffenden Be— weiſe Baer's beſtätigen; leider iſt dieſes Schriftſtück im Auslande überall totgeſchwiegen worden. Ferner erwidert Herr Schmidt auf die Angriffe,

die Nordenſkiöld

gegen

Baer

ausſpricht,

indem

Nordenſkiöld deſſen Unterfuhungen auf Nowaja Semlja nur flüchtige nennt und zugleich behauptet, Baer habe faljche Anfichten über das Karifche Meer

verbreitet.

Diefe gänzlich unbegriindeten

Wichtige Preisherablegung! Grote, G. Geſchichte Griechenlands, 6 Bde. 2. Aufl. 1882, Statt 60 M. nur 27 M. Damel u. Guhraner, ©. €. Leſſing, j. Leben und ſ. Werke, 2 Bde. 2. Aufl. v. Maltzahn u. Borberger. 1881. Statt 15 M. ur 8 M. Alordan, Mar, Vom Kreml| zur Alhambra. Culturſtudien. 2 Bde, 2, Aufl. 1881, Statt 12 M. nur 5 M. Eleg. in 2 Driginalbänden 7 M. Nordau, M., Paris unter d. 3. Nepublif. 1881. Statt 6 M. nur 2 M. Geb. 3 M.

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Anſchuldigungen werden von dem Berfaffer gründlich widerlegt, die hervorragenden Berdienfte des weltberühmten Gelehrten um

Zanth, F. 3., Aus Negyptens Borzeit.

Nowaja

Biepert, Graff ete., Großer Handatlas des Himmels u. der

Semlja

in das richtige Licht geftellt.

Auch unterläßt

der

DBerfaffer nicht, daranf Hinzumweifen, wie jehr Baer berechtigt war, das Karifche Meer mit dem fpäter fo vielfach verfeterten Aus— drude „Eisfeller” zu bezeichnen und daß Baer ıie das Karijche Meer für abſolnt unjchiffbar gehalten habe. Auch der große wiffenjchaftlihe Wert von Lüttke's Neifen im EiSmeer, die von Nordenſkiöld Zum

verfannt

Schluffe

Notizen

werden,

gibt der

wird

Verfaffer

mit Nachdruck hervorgehoben. noch

über einige Polarreifende,

zahlreiche

wie Anjou,

wiſſenſchaftliche

Hedenftröm

1881.

Erde. 72 Blätter, Neueſte Auflage. 1882. Imper.Format. Gebunden ftatt 110 M. nur 45 M. Wir garanfiren für tadellos nene und coniplete Exemplare!

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Es

allen,

ift diefer

intereffante

Auffat

die fih für die Entdedungsreifen

des

Herrn Fr,

im

Sibiriſchen



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München, 4. Februar.

1584.

Jährlich 52 Nummern A 20 Seiten in Quart. Preis pro Quartal M. 7. — Zu beziehen durch alle Buchhandlungen des In- und Auslandes und die Pojtämter. — Rezenfions-Eremplare von Werfen der einjchlägigen Litteratur jind direft an Herrn Profefjor Dr. Friedrich Natel in München, Akademieſtraße Nr. 5, zu jenden, — Snjerationspreis 20 Pf. für die gejpaltene Zeile in Petit.

Juhalt: 1. Die fiebente Generalfonferenz der europäischen Gradmefjung zu Nom im DOftober 1883. Bon Profeffor Dr. ©. v. Bauernfeind, Direktor der Techniſchen Hochſchule inMünchen. (Schluß) ©. 851. — 2. Die Anfprüche Portugals auf den Kongo. Bon Brir Förfter. ©. 91. — 3. Ueber unſere heutige Kemmtnis von Neu - Guinea. ©. 95. — 4. Ergebnifje der jüngſten zoogeo— graphifchen Forſchungen Milne Edward’S an Bord des „Talisman“. S. 95. — 5, Ein beherzigenswerter Zuruf aus Weftafrifa. S. %. — 6. Kleinere Mitteilungen: ©. 96. Dr. Snellen über feine Nordlichtbeobachtungen. Leffar tiber die Kara-Kum-Wüſte. Ueber die Beringsinjel und ihre Tierwelt. — 7, Notizen: S. 98. Afrifa. Auftralien. m

Die fiebente Generalkonferenz der europüiſchen Grad: 2 R meffung zu Kom im Oktober 1885.

| Gradmeſſung, joweit es bier möglich tft, zu erläutern; die übrigen mit einer modernen Gradmeſſung verbundenen Beitimmungen aber follen nad) der Zeit ihrer Aufnahme

Bon Profeſſor Dr. C. v.Banernfeind, Direktor der Tehnifhen Hochſchule in Miinchen.

| umter die Aufgaben Be —

bochſch

III. Der dritte Abſchnitt

des Programmes

der ſiebenten

Jede Gradmeſſung,

allgemeinen Konferenz forderte eine Ueberſicht des gegenwärtigen Standes

der

europäischen Gradmeffung

und es

der Gradmeffung

eingeordnet

und

bei jeder die Gründe angegeben werden, aus welchen ihre Aufnahme erfolgte. mag

ſie längs eines Meridians

oder eines Parallels auszuführen, | Längen-Öradmefjung

alſo Breiten-

over

fein, erfordert vor allen Dingen die

war diefer Teil im Herbſte 1882 von der permanenten Kommiffion den Herren Baeyer, Bakhuyzen, Bauernfeind,

Beltimmung eritens der Ausdehnung eines Bogenjtüds | des Meridians oder des Parallels und zweitens des von

Ferrero, Hirſch, Sbanez und Oppolzer übertragen worden.

|

Alle dieſe Herren erledigten ihren Auftrag bis auf Herrn Baeyer, der eine Ueberſicht der ſeit 1880 neu erfchienenen Gradmefjungs-Bublifationen zu geben hatte, an melcher

iſt eine geodätiſche, letzteres eine aſtronomiſche Aufgabe. | Die Längenmeſſung geſchieht nun ſeit dem Jahre 1615, wo der berühmte niederländische Mathematiker Willebrord

gegenwärtig ftatt des Präfidenten der Seftionsvorftand des Königl. preußifchen Geodätifchen Inftituts, Herr Mbreht arbeitet, jo daß fie mit in die zu dDrudenden Verhandlungen der Generalfonferenz aufgenommen werden fann. Die übrigen Referate über den Stand der Grad-

| Snell die Triangulation erfunden hat, nicht mehr unmittel| bar mit Mapjtäben, jondern mittelbar durch Mefjung und Berechnung eines zwischen den Bogenendpunften ausgeſpann— ten Netzes von jehr großen Dreieden (Dreieden eriter | Drdnung). Im jedem folden Netze wird mindeſtens eine,

mefjungsarbeiten oronen mir bier aus Zweckmäßigkeits— gründen in anderer Reihenfolge als fie zum Bortrag famen, und zwar werden

wir für die eigentlichen Grad—

diefem Bogenfjtüde

umſchloſſenen

Zentriwinkels.

Erſteres

in der Negel die Kleinite, aber immerhin noch 10 bis 15 Kilometer lange Seite mit metallenen Mepitangen aufs genauefte bejtimmt,

um der Berechnung aller übrigen oft

70 bis 80 Km, langen Dreiedsfeiten als Bafis zu dienen. mefjungsarbeiten ihre Aufeinanderfolge bei der wirklichen diefe berechneten Seiten mit den bis auf eine Damit | einer Gang den aud daran um einhalten, Ausführung Ausland 1884, Nr. 5.

|

13

82

Die fiebente Generalfonferenz der europäifhen Gradmeffung zu Rom im Dftober 1883.

Sekunde richtig gemeſſenen Winkeln gleichen Genauigkeits— grad erhalten, müſſen ſie bis auf den zweihunderttauſendſten Teil ihrer Länge ſicher beſtimmt ſein, ein Ziel, welches wegen der unvermeidlichen Beobachtungsfehler nur erreicht

werden kann, wenn jede einzelne der vier oder fünf Meß— ſtangen eines Baſisapparats bis auf etwa den dreihundert— tauſendſten Teil ihrer Länge (alſo z. B. eine 4 m, lange Stange bis auf den hundertſten Teil eines Millimeters) an einem Normalmeter abgeglichen iſt. Es iſt und bleibt daher eine der wichtigjten Sorgen des Geodäten, jeinem Bafısapparate und den damit auszuführenden Mefjungen den höchſtmöglichen Oenauigfeitsgrad zu verleihen; es bildet deshalb auch die Berichterftattung bierüber in den Arbeitsprogrammen der Generalfonferenzen einen ſtehen— den Boften und es nehmen begreiflicherweife alle Geodäten das größte Intereffe an den Bemühungen der in Paris be— jtehenden Internationalen „Meterkommiſſion“, welche jedem an diefer Vereinigung teilnehmenden Staate einen voll: fommen richtigen und feiner Definition entjprechenden Normalmeter verichaffen wird. Hängt ja doc die Ge:

nauigfeitt

einer

Baſismeſſung

und die Gleichwertigkeit

mehrerer Baſismeſſungen in erjter Linie nur davon ab, daß die angemwendeten Bafisapparate nach einem und demfelben Urmaße und innerhalb der oben angegebenen Genauigfeitsgrenze abgeglichen worden find. Seit einer Neihe von Jahren nun war das Mitglied des Längenbureau's, Herr Oberjt Berrier in Baris, mit der Berichterjtattung über Baſisapparate und Baſismeſſungen betraut, und er hat fich derjelben in Nom auf der ſiebenten Generalfonferenz ebenjo bereitwillig unterzogen. wie 1880 in München auf der jechiten und 1877 in Stuttgart auf der fünften diefer Konferenzen. Seine bei den legtgenannten Berfammlungen abgegebenen Referate find in den bei

Neimer

in Berlin 1878

und

1881 gedruckt erfchtenenen

„Verhandlungen der Allgemeinen Konferenzen der Euros päiſchen Gradmeſſung“ bereits veröffentlicht und der in Nom eritattete und auf die lebten drei Jahre fich er: itredende Bericht des Herrn Perrier wird demnächſt in gleicher Weife wie die früheren veröffentlicht werben.

Sachfenner

|

Auf die Meſſung der Bafıs eines Dreiedsnetes oder gleichzeitig mit derjelben folgt die Winkelmeſſung in den Hauptdreieden, welche ihrer langen Geiten wegen nicht als ebene, ſondern als ſphäriſche Dreiede zu behandeln find. Die Meffung der Winkel gejchieht mittelft ver feinſten Winfelmeginftrumente (Theodolithe) und es werden in jedem Dreiede alle drei Winkel gemefjen, obwohl man

aus zwei richtig bejtimmten

auf die Größe des Dritten

Ichließen fünnte. Wan zieht dieſen Schluß aber nicht, weil man wegen der unvermeidlichen Beobachtungsfehler eine unbedingte Nichtigkeit der beiden zuerjt gemejjenen Winkel nicht vorausjegen darf, ſondern mißt auch noch den dritten Winfel direft, um dann aus dem Grade der Uebereinitimmung der durch Beobachtung gefundenen Summe aller drei Winfel mit der jedem fphärifchen Dreied

zufommenden

und ſtets befannten

theoretifchen Summe

auf den Genauigfeitsgrad der Meſſung zu ſchließen.

Eine Winkelmeſſung

wird nun unter jonjt gleichen

Umftänden um jo genauer, je ſchärfer man die Abjehlinie des Fernrohrs des Theodolithen auf die Mittellinie des in einer Entfernung von oft zehn bis zwölf Meilen im Winkelſchenkel jtehenden Signalpfeilers einftellen fann und diefe ſcharfe Einftellung wird durch den Heliotrop, einen von Gauß bei Gelegenbeit der hannoverſchen Gradmeſſung erfundenen Apparat, erreicht, welcher auf der Are des

anzudijierenden Pfeilers aufgeitellt ift, um fie durch Zurück— werfung des Sonnenlichts nad) dem Beobachtungsort dem

daſelbſt thätigen Geodäten Alles nun, was

deutlich

jichtbar zu machen.

ſich auf die Winkelmefjungen und deren

Ausgleihungen am Beobachtungsorte und im ganzen Dreiecksnetze, ſowie auf die Berechnung der Dreiedsfeiten aus

der Baſis und den ausgeglichenen Winfeln bezieht, wird mit dem Namen Triangulation bezeichnet, und hierüber hatte der Präfident der italieniſchen Geodätischen Kommiffion, Herr Oberſt Ferrero zu berichten, was dadurch gejchah,

daß er jeine bereits vor drei Jahren in München vorge: legte Karte der in Europa beftehenden Hauptdreiecksnetze bis auf die gegenwärtige Zeit fortfeßte

vorläufig

als Manuffript

gedrudten

und

in einem

„Rapport sur les

auf diefe Verhandlungen verweiſend, be,

triangulations* alle auf die Feſtlegung der Hauptdreiecks—

merfen wir bier nur, daß um Laufe des gegenwärtigen Sahrhunderts in Europa im ganzen nahezu hundert Grunde Iinten für Dretedsnege erjter Ordnung mit großer Sorg— falt, aber bei der Bereinzelung diefer Unternehmungen mit den verjchtedenartigiten Bafisapparaten bejtimmt worden find. Des lebten Umftandes wegen fünnen die auf den Meeresipiegel reduzierten Bafıslängen nur dann mit Sicher: heit in die mathematischen Unterfuchungen über die Erd: geltalt eingeführt werden, wenn fie vorber alle auf Eine noch zu Ichaffende und etwa bei der Meterfommiffion in

punkte bezüglichen Zahlenangaben der Gradmeſſungskom—

um die Triangulation des ganzen weſtlichen Baſſins des

Paris zum allgemeinen geodätifchen wiſſenſchaftlichen Gebrauche zu binterlegende internationale Bafismeßftange

Mittelmeeres abzuschließen. Zweitens bringt er in Er— innerung, daß es nicht bloß wünſchenswert, fondern not:

bezogen und mindeitens bis auf den dreibunderttaufendften

wendig jei, Die Inſel Sardinien über Korfifa mit dem Feſtlande trigonometrifch zu verbinden, um längs der

Teil ihrer Länge richtig befunden worden find.

miſſionen überfichtlich zufammenitellte.

Bon den allgemeinen Bemerkungen und daran gefnüpften Wünfchen des Heren Ferrero über die Triangulierungsarbeiten der europäischen Gradmeſſung teilen wir folgende mit: Erſtens rügt er es, daß die von ihm bereits im

Jahre 1880 angezeigte und zur Ausfüllung empfohlene Yüde im tuneſiſchen Dreiedsnebe noch immer befteht und verlangt dringend die Heritellung der erforderlichen Dreiede,

Die fiebente Generalfonferenz der europäiſchen Gradmeffung zu Nom im Oftober 1883,

Meridiane von 260 und 270 5. L. eine ununterbrochen

gabe durch

von Sardinien bis Norwegen über mehr als 20 Breiten= grade jich eritredende Dreieckskette ſchließen zu können. Endlich knüpft Herr Ferrero an die Anweſenheit englifcher

überfichtliche tabellarifche Zufammenftellung desjelben in dankbar anzuerfennender Weife. Aus feinen Tafeln läßt fich zunächft entnehmen, daß die Aitronomen, obwohl fie nicht minder fleifig find als die Geodäten, doch noch viel zu thun haben, bis fie ihr Penſum namentlich in Bezieh— ung auf Zotablenfungen als erledigt anfehen fünnen. Es geht aber auch zweitens daraus hervor, daß die aſtronomi— ſchen Beltimmungen namentlih in jenen Staaten am flaueſten betrieben werden, in denen die Landesvermeſſung bereitS vollendet und daher das Intereſſe der Regierung an bloß der Gradmeffung zu Gute fommenden aftronomtichen Beitimmungen meift nur ein geringes tft. Außer den Lotabweichungen find aud die Pendel:

Vertreter bei der fiebenten Generalfonferenz die Hoffnung, daß Großbritannien jchlieglich Doch noch der europäischen Gradmeſſung beitreten und die Inſel Malta mit Sizilien trigonometrifch verbinden werde, wodurch die von Sizilien

bis Norwegen jich erſtreckende Dreiedsfette um einen ganzen Breitengrad nad) Süden verlängert und fo ein von 36° bis 66° n. Br. ſich ausdehnender, 30 Breitengrade ums

fajjender Meridianbogen rechnerisch geprüft werden könnte. Durch die vollzogene Triangulation wird zwar bie gegenfeitige Lage jämtlicher Dreiedspunfte bejtimmt, aber das Dreiedsneß entbehrt noch immer der Orientierung auf dem Erdſphäroid, d. h. der Feitlegung gegen den Aequator und einen beſtimmten Meridian der Erdoberfläche. Diefe Feftlegung erfordert erſtens die genaueſte Beltimmung der geographifchen Breite und Länge eines Dreiedspunktes (in der Negel der Sternwarte eines Landes), der dann

als Normalpunft der Vermefjung gilt; fie erfordert aber auch noch zweitens, daß der horizontale Neigungsiinfel der das Azimuth einer vom Normalpunkt ausgehenden Dreiedsfeite mit dem Meridian des Normalpunftes un: mittelbar gemefjen werde. Sind diefe drei Winkel bekannt, lo laſſen fich unter Zugrumdelegung des Beſſel'ſchen Erd:

ellipfoids Die Neigungswinkel der Normalen aller Dreiedspunkte gegen den Mequator der Erde und gegen einen Anfangsmeridian

und

auch die Azimuthe aller Dreied3-

jeiten durch Rechnung ableiten. Die jo gefundenen Breiten und Längen der Dreiedspunfte heißen deren geodätifche Breiten und Längen, zum Unterfchiede von den aſtronomi— Ihen Breiten und Längen, welches die auf aſtronomiſchem Wege unmittelbar beitimmten Neigungswinfel der in den

Einfammlung

83

reichhaltigen

Materials

und

beobachtungen ein vorzügliches Mittel, die ideale Geitalt, welche der Erdoberfläche am nächiten kommt, zu erforschen. Waren ja doch die Pendeluhren für Newton und Huyg— hens Veranlaffung zur Aufitellung des Satzes, daß die mathematische Erdoberfläche Feine Kugel, ſondern ein an den Polen abgeplattetes Umdrehungsellipfoid fer! Ihre theoretische Behauptung ſtützte fih auf die ſchon vor mehr als 200 Sahren gemachte Beobachtung, daß ein Pendel, welches Sefunden fchlagen Soll, in Gegenden näher am Aequa— tor fürzer fein muß als in Gegenden näher an einem Pole; und die Theorie hat feitgeftellt, daß die für jeden Ort der Erde gültige Länge des Sefundenpendels von der dafelbit wirkenden Schwerkraft abhängt, die legtere aber in gewiſſer

Weiſe mit der geographifchen Breite des Drtes wächſt, weil die fie vermindernde Schwungfraft der ſich drehenden

Erde

vom Aequator

zum Vol abnimmt.

Die vereinten

Wirkungen von Schwer: und Schwungfraft haben, als ſich die Erdmafje noch im flüffigem Zuftande befand, die Abplattung erzeugt und es beſteht daher zwiſchen ihr und den fie bedingenden Kräften eine durch Clairaut aufge:

Dreiedspunften ftattfindenden wirklichen Schwererichtungen gegen Aequator und Anfangsmeridian find. Da fi aus dem Unterfchiede der aftronomifchen und geodätiſchen Breite eines Dreiedspunftes deſſen Lotabweich— ung in der Meridianebene und aus der Differenz der in gleicher Weiſe bejtimmten Längen eines folchen Bunftes deſſen Lotablenfung in der Ebene feines Parallels ergibt, jo haben diefe beiden Arten von Beitimmungen der gev: graphiichen Bofitionen für eine Gradmeffung der Neuzeit

fundene und von der Dichtigfeit der Erdſchichten unabhängige

eine bejondere Bedeutung; denn erſt mit ihrer Erhebung

Sekunden macht.

mathematische Beziehung, welche gejtattet aus Pendelbeob—

achtungen die Abplattung zu finden. Solche Beobachtungen beftehen entweder darin, daß man an möglichit vielen Orten von den verſchiedenſten Breitengraden die Länge des Sefundenpendels bejtimmt, oder daß man die Schwing—

ungen

zählt, welche ein und

dasjelbe Pendel in einer

überall auf das genauefte angebbaren gleichen Bett, näm—

[ich während eines Sterntages von 24 x 60 x 60 = 86400

an möglichjt vielen Bunften ift das Material beigefchafft,

Die bis zum Beginne der europäiſchen Gradmeſſung

auf welches die reine Mathematik ihre Betrachtungen über Form und Größe des Geoids ſtützen kann. Die Berichteritattuug über den gegenwärtigen Stand der Beitimmungen von Breite, Länge und Azimuth, twelche bis zu feinem frühen Tode das verdienftvolle Mitglied der

ausgeführten Pendelbeobachtungen haben eine durchſchnitt—

europäiſchen

Gradmeſſung,

Profeſſor Bruhns

in Yeipzig

liche Erdabplattung von 1:292 ergeben, während Beſſel aus 10 Gradmeſſungen

1:299

fand.

einen mittleren Abplattungsivert von

Diefer Unterfchied

bedarf noch der Auf:

klärung und man hofft fie durch die im Gange befindliche große Gradmeffung zu erhalten. Es wird nämlid) ver

beforgt hatte, ging infolge Beichluffes der permanenten

mutet, daß derjelbe vorzugsweife in der Konftruftton der

Kommiffion

Pendelapparate

vom

Sahre

1882

auf den Profeſſor van de

Sande-Bakhuyzen in Leiden über,

Ex erledigte feine Auf:

begründet

fei, welche

troß aller auf fie

verwendeten mechanischen Kunft doch das Mitfchtvingen der

54

Die fiebente Generalfonferenz der europäifhen Gradmefjung zu Nom im Oftober 1883.

Pendelgeftelle nicht zu hindern vermag. Auf diefe Ver: mutung und die Ergebnifje ausgeführter Beobachtungen bin wurde vor drei Jahren auf der fechiten General: fonferenz in München eine Kommiffion von fünf Mit:

gliedern ernannt, welche die Pendelfrage, namentlich auch

fo daß das Net der doppelt nivellierten Linien bald fo groß fein wird als das europäifche Eifenbahnnet felber.

Auch haben verfchiedene topographifche Bureau's und militärgeograpbifche Inſtitute, ſowie Oeneraldireftionen von Gifenbahnbauten und Yandesvermeffungen auf Grund der von den Gradmefjungstommiffionen ausgeführten Prä—

die Konftruftion der Pendel näher itudieren und auf der jiebenten allgemeinen Verſammlung über den Erfolg ihrer Unterfuchungen berichten jollte. Als Berichterftatter war da— mals der inzwiſchen leider verjtorbene vorzügliche ©elehrte und Beobachter Profeſſor Plantamour in Genf gewählt worden; an feine Stelle trat dann auf Wunfch der per: manenten Kommiſſion PBrofeffor v. Oppolzer in Wien. Plantamour’3 Nachfolger hat nun in Nom durch fein Neferat, welches eine eingehende Darlegung und Kritik aller hiehergehörigen Punkte enthält, jeiner Aufgabe in vollitem Maße genügt. Da Sachverſtändige feinen Be: vicht in einiger Zeit in den gedrudten Konferenz-Verhand— lungen ſowohl in deutjcher als franzöſiſcher Sprache leſen fönnen, fo fer bier nur bemerkt, daß Oppolzer zwar die

von befannter Dichtigfeit) theoretifch beitimmen Tafjen. Alle auf dem europätfchen Feſtlande ausgeführten Präzifionsnivellements finden ihre natürlichen Abſchlüſſe an den Meeresfüften und zwar an den bajelbit aufge: jtellten PBegeln, welche, wenn ſie lang genug und genau beobachtet worden find, einen mittleren Waſſerſtand abzu— leiten geftatten. Da nun die urfprünglichen Pegel von den dafür aufgeftellten Bedienteten bloß zu bejtimmten

Hoffnung

Tageszeiten abgelefen, die inzwischen eingetretenen Wafjer:

auf praktische Befeitigung

des Mitſchwingens

der Pendelſtative nicht teilt, dafür aber Formeln angibt, welche den ſchädlichen Einfluß des gedachten Schtwingens genau genug zu berechnen gejtatten, und daß er jchliehlich die nach Beſſel's Angaben von Repſold in Hamburg aus:

geführten Neverfionspendel als die zur Zeit vorzüglichiten Pendelapparate für Schwerebejtimmungen empfiehlt. Die Geſtalt der Erdoberfläche würde nur unvollftändig befannt werden, wollte man lediglich ihre Krümmungs— verhältniſſe an entjprechend zahlreichen Punkten erforschen, wie e8 dur Triangulierungen und Bendelbeobachtungen geichteht, zur völligen Geſtaltsbeſtimmung gehört auch die Kenntnis der Höhen diefer Punkte in Bezug auf einen bejtimmten Meeresipiegel und der Lage dieſes Spiegels gegen den mittleren Wafjeritand anderer Meere. Deshalb hat es die erſte allgemeine Konferenz vom Jahre 1864 auf Antrag der Herren Bevollmächtigten Oberfteuer-Direftor Hügel aus Darmitadt und Profeſſor Hirſch aus Neuen: burg als wichtig erkannt, daß in allen bei der europätjchen Gradmeſſung beteiligten Ländern neben den trigonometrifchen Höhenbejtimmungen auch geometrische Nivellements eriter Ordnung oder Bräzifionsnivellements ausgeführt werben,

welche, den Eifenbahnen

und Landſtraßen folgend, die

Meeresipiegel an den Küſten Europa’3 verbinden und in allen Ländern des europäischen Feſtlandes eine große Zahl von Fixpunkten als Grundlagen für Höhenmeffungen zweiter Drdnung, wie fie von Zivil-Ingenieuren für Straßen: und Wafjerbauten und von Militäringenteuren für Die Herjtellung topographifcher Karten ausgeführt erben, Ichaffen follen. Nah dem umfaſſenden Referate, welches Profeſſor Hirſch auf der fiebenten Generalfonferenz erjtattet hat, ift der im Jahre 1864 gefaßte und 1867 wiederholt bejtätigte Beſchluß in allen europäifchen Staaten in großartiger Weife entweder ſchon durchgeführt oder in der Ausführung begriffen,

ziftonsnivellements

in Gebirgsgegenden aus Höhenbejtim-

mungen zweiter und dritter Ordnung Scichtenlinien kon— ſtruiert, aus denen ſich Inhalt und Anziehung der Gebirgs— maſſen und damit Lotabmweichungen (unter VBorausjegung

einer völligen Ausfüllung der Erhebungen mit Gefteinen

itandsveränderungen alfo nicht beobachtet wurden, welche man zur richtigen Beftimmung der Mittelwaſſerhöhe doch auch hätte fennen follen, fo ſah ſich bereit3 im Jahre 1871 die permanente Kommiſſion veranlaßt, die eben da= mals vom Ingenieur Reitz in Hamburg erfundenen ſelbſt— vegiitrierenden Meerespegel (Mareographen) allen an der Gradmeſſung teilnehmenden Küftenftaaten aufs wärmſte zur Einführung zu empfehlen. Schon 1880 fonnte fie

aus dem von General Ibanez an die Münchener General: verfammlung erjtatteten Bericht entnehmen, daß für die europäische Gradmeſſung bereits ehr viele Mareographen in Thätigfeit find. Auf der römischen Generalfonferenz erfuhren wir von demfelben Herrn Neferenten, daß nicht nur an den vor drei Jahren ſchon beitandenen Begeln die Auf— zeichnung der Waſſerſtände fortgejeßt, fondern auch an einer Anzabl neuer Mareographen begonnen wurde, jo daß in Bezug auf Verbreitung der Beobahtungsmittel faum ein weiterer Wunsch beiteht. Dagegen bat General Ibañez aus

den ihm gewordenen fommifjarischen Mitteilungen erfannt, daß über die Behandlung der Apparate und die Berechnung der mittleren Waſſerſtände zum Teil verfchiedene Ansichten beftehen. Er ſchlug deshalb mehrere die Auf: jtelung und Benüßung der Mareographen vegelnde BeItimmungen vor, welche alle von der Generalfonferen;z

genehmigt wurden. Vorſchlägen

Manche Bevollmäcdhtigte traten dieſen

bei, weil

fie ein einheitliches Verfahren in

der wiſſenſchaftlichen Verwertung

der Pegelangaben felbjt

dann für geboten erachten, wenn man auch ihrem Mittel: werte nur einen geringen und jedenfalls feinen höheren Genauigfeitsgrad zufchreiben kann, als ihn etwa der auf langjährigen Beobachtungen berubende und in gleicher Weiſe wie der Wafferftand des Meeres von Luftdrucks—

ſchwankungen Drtes beſitzt.

abhängige mittlere Barometerftand eines Mit Rückſicht hierauf läßt fich ſchon jetzt

Die fiebente Generalfonferenz der europäifchen Gradmeffung

behaupten,

daß die durch vorläufige

Präziſionsnivellements

nachgewieſenen

Abſchlüſſe

einiger

geringen

Höhen—

unterſchiede der Meeresſpiegel, ſelbſt wenn ſie bis zu einem halben Meter anſteigen ſollten, hauptſächlich in den Schwank— ungen der meteorologiſchen Faktoren, teilweiſe auch, wo

nämlich das Terrain

dazu geeignet iſt, in den Maſſen—

anziehungen der Gebirge beruhen, in allen Fällen aber im Vergleich zum Erdhalbmeſſer verſchwindend klein ſind. Gilt auch der nächſte Zweck einer Gradmeſſung nur der genaueren Beſtimmung der Erdgeſtalt, ſo reicht doch ihre Bedeutung viel weiter, da erfahrungsgemäß an jede Erdmeſſung eine unmittelbare Förderung der exakten Wiſſen— ſchaften ſich anſchloß. Hat doc die erſte nach den Prin— zipien von Snell ausgeführte und im Jahre 1670 vollen— dete Gradmeſſung zwiſchen Paris und Amiens durch ihr alle früheren Angaben über die Größe der Erde an Genauigkeit übertreffendes Reſultat zur Beſtätigung der größten wiſſenſchaftlichen Entdeckung, des Newton'ſchen

Gravitationsgeſetzes gedient; gab doch ferner die auf Koſten der franzöſifchen Regierung im Sabre 1736 in Lappland vollzogene Erdmeſſung dem dabei beteiligten Mathematiker

Clairaut die nächſte Veranlaſſung zu feiner berühmten Formel, welche die Abplattung der Erde unabhängig von den Dichtigkeiten der Maſſen lediglich durch die Schwung: und Schwerkraft am Aequator ausdrüdt; und haben end-

lich doch nur die Gradmeſſungen das zeitmefjende Pendel in ein feines geodätisches Inſtrument verivandelt! Eine exakt miljenjchaftliche Aufgabe phyſikaliſcher Natur hat die europäiſche Gradmeſſungsgeſellſchaft in den direkten Bereich ihrer Arbeiten gezogen, die genauere Er: forſchung der Geſetze der atmoſphäriſchen Strahlenbrechung, oder jenes Vermögens der Erdatmofphäre, alle von einem leuchtenden Punkt ausgehenden und in unfer Auge ge langenden Lichtjtrahlen bei ihrem Eindringen in die dazwiſchenliegenden Luftjchichten zu brechen, d. b. fie dadurch von ihrer geraden Richtung abzulenken und zu Tangenten einer Kurve zu machen, welche bei regelmäßiger Lagerung

der Luftjchichten Itets ihre hohle Seite der Erdoberfläche zu: wendet. infolge dieſes Umſtandes jehen wir jeden Gegenſtand etwas höher als er liegt und zwar um den Betrag

des kleinen Winfels, den die Abjehlinien nach dem wirk— lichen und fcheinbaren Gegenftande an unferem Auge bilden. Es leuchtet fofort ein, daß jede Höhenmefjung,

zu Kom

im Oftober 1883.

85

von Jahren mit diefem Gegenjtande fich beſchäftigt, jo ward er ſowohl bei der jechiten als bei der fiebenten General: fonferenz zum Bertchterftatter über den jeiveiligen Stand der Lehre von der terreftrifchen Refraktion erwählt, und er bat feine Berichte von 1880 und 1883 auf je ein der Berfammlung vorgelegtes Heft der von ihm in den DentIchriften der Münchener Akademie der Wiſſenſchaften publizierten Abhandlung „Ergebnifie aus Beobachtungen der terreſtriſchen Refraktion“ geſtützt, ja ſtützen müfjen, weil in dieſer Zeit kein anderer Gradmeſſungskommiſſär in dieſem zugleich koſtſpieligen und mühſamen Fache der Forſchung ſeine Kräfte verſucht hat, mit Ausnahme des Adjunkten der Pulkowaer Sternwarte, der eine dem Bauern: feind’schen Referate beigefügte „Ueberſicht der neuerlich in Rußland ausgeführten Arbeiten über terreitrifche Nefraftion“

durch einen Bevollmächtigten

einfenden ließ.

Den Sach—

fenner auf die oben angeführten Dentjchriften und die beit Neimer in Berlin erjchienenen und demnächſt weiter ericheinenden Verhandlungen der jechiten und fiebenten Generalkonferenz der europäischen Gradmeſſung in Münden (1880) und Nom (1883) verweifend, führen wir bier als wichtigjte Ergebniffe der Bauernfeind’schen Arbeiten an: eritens, daß den Kurven, welche die beobachteten Nefraftionswerte und die hierauf beruhenden trigonometrijchen Höhen bejtimmungen daritellen, die gleiche tägliche Beriode zu: fommt, welche derjelbe VBerfaffer vor mehr als 20 Jahren für die barometrifch gefundenen Höhen nachgewiefen bat; zweitens, daß auch die Perioden der terreitriichen Nefrattionen und der trigonometrifch bejtimmten Höhen wie jene der barometrisch gemefjenen Höhenunterfchiede von der Temperatur der Luft und eigentlich von dem dadurch be— dingten Einflufje der Bodenftrahlung auf die Thermometer abhängen; endlich drittens, daß die in den Jahren 1864

und

1866

von

Bauernfeind

aufgejtellte

Theorie

der

atmoſphäriſchen Strablenbrehung auch allen berechtigten Anforderungen zur Beitimmung der terreftrifchen Nefraktion genügt, wenn das ihr zu Grunde gelegte Dichtigkeitsgeſetz auf die unterjte von der Bodenjtrahlung beeinflußte Luft—

Ihichte mit einer geringen Modifikation angewendet wird. Was den vierten Punkt des Programms, den Erjat der nach den organifchen Beftimmungen austretenden bier Mitglieder der permanenten Kommiſſion betrifft, jo baben

wir darüber nur furz zu bemerken, daß eines diefer Mit:

jei e8 eines Sternes (aftronomische Nefraktion) oder eines irdiſchen Gegenftandes (terreitriiche Nefraktion), um den

glieder, General Baulina in Florenz, infolge feiner Ver: ſetzung aus der Gradmefjungsgejellfchaft ausgefchteden und

fraglichen Winkel zu groß ausfallen würde, könnte man ihn nicht berechnen und von dem gemefjenen jcheinbaren

daher nicht wieder wählbar war.

Höhentvinfel abziehen.

Genaue Höhenmefjungen erfordern

jelbitverjtändlich auch zuverläffige Beitimmungen der Re— fraftionswinfel, und da die aftronomischen Nefraktionen zur Bett Schon befjer befannt find als die terreitrijchen, jo find es vorzugsmweife lettere, welche die permanente

Kommiffion der europäiſchen Gradmefjung genauer erforscht wünscht. Da nun Profeſſor Bauernfeind feit einer Neihe Ausland

1884, Wir. 5.

Die übrigen drei Mit:

glieder Bauernfeind, Hirſch und Sbanez wurden in einer befonderen nur von ftimmberechtigten Vertretern befuchten Sitzung mit Allen gegen ihre eigenen Stimmen fvieder gewählt und an Stelle des Generals Baulina feste Die Konferenz mit der gleichen Stimmenzahl ihren Bräfidenten, den Oberſten Ferrero. Nach diefer Wahlhandlung fonftituierte fich die permanente Nommiffion in folgender, für die Sabre 1883 bis 14

86

Die ſiebente Generalfonferenz der europäiſchen Gradmeſſung

1886 gültigen Weife: Ehrenpräfident: General Baeyer in Berlin, Bräfident: General Ibanez in Madrid, Vizeprältdent: Profeſſor v. Bauernfeind in München, Schriftführer: Profefjor Hirſch in Neuchätel und Profeſſor v. Oppolzer in Wien, Mitglieder ohne Auftrag: Akademiker Faye ın Paris, Oberft Ferrero in Florenz, General v. Forſch in St. Petersburg, Profeffor Nagel in Dresden. Von den Mitgliedern dieſes geichäftsleitenden Ausſchuſſes gehören demnach drei Deutfchland und je eines Frankreich, Italien, Oeſterreich, Rußland, der Schweiz und Spanien an. iv:

Viele deutſche und italienische Zeitungen glaubten der jtebenten ©eneralfonferenz der europäifchen Gradmeſſung namentlich deshalb eine große Bedeutung zufchreiben zu müſſen, weil fich diefelbe mit Sragen höherer Ordnung zu befaſſen babe, nämlich) mit der Wahl eines gemeinjamen Anfangsmeridians, von welchem aus alle Nationen die geographifchen Längen zählen follten, und mit der Eine führung einer Univerfalzeit für den Weltverkehr. Nun, eine Aufgabe höherer Ordnung als die von der Grade meſſungsgeſellſchaft amtlich zu löfende tft, war die Meridiane und Zeitfrage zwar nicht, aber daß fie die der Erdgeftalt geltenden geodätifchen und ajtronomischen Fragen wenige ſtens an praftifcher Wichtigkeit übertraf, iſt richtig. Ge— langte fie ja doch von der Negierung eines eminent prak— tischen Gemeinwvefens, dem Senate der freien und Hanjaftadt Hamburg, an den ftändigen Gelehrtenausshuß der euro: päiſchen Gradmeſſung, um ein Gutachten zu veranlafien, welches ein in nächjter Zeit durch Vermittlung des Präſi— denten der DBereinigten Staaten von Nordamerika nach Wafhington zu berufender internationaler diplomatischer Kongreß als technifche Grundlage für die Beratung und Schlußfaſſung über einen hierauf bezüglichen völferrechtlichen Vertragsentwurf benützen fünnte. Die permanente Kommilfion der geodätifchen Ver: einigung durfte anfangs zweifeln, ob fie das von ihr geforderte Gutachten auf das Arbeitsprogramm der fieben: ten Generalfonferenz jeßen und die Verhandlungen da— rüber durch eine Neibe von Gelehrten verjtärfen jolle, welche vorzugsiverfe mit aftronomifchen und nautifchen Sahrbüchern zu thun haben. Aber die Heberzeugung, daß

zuNom im Oktober 1883.

macht und die bedeutendſte Sterntvarte verfügenden Briti— ſchen Snfelreiches ein Beſchluß über die Frage eines erjten Meridians und einer Univerſalzeit unmöglich und es daher dringend geboten fei, die englifche Regierung zur Teil: nahme einzuladen. Die Negierung Ihrer Majeſtät der Königin von England antwortete jofort mit der Abord— nung zweier getvichtigen Vertreter der ajtronomischen und geodätischen Forſchung. Geben wir nun an der Sand des fchon in der eriten Sitzung vorgetragenen, und in den diesbetreffenden joeben erichienenen Verhandlungen ! abgedrudten klaren und aus— führlihen Berichtes des Profeſſors Hirſch über die Ber:

einbeitlihung

der Längen

und

die Einführung

einer

Univerfalftunde etwas näher auf die Sache ein und erör-

tern zuerſt die Nüblichfeit einer jolchen Neuerung, dann die dafür jprechenden Gründe. Die Frage nad einem erjten Meridian wurde ſchon im Altertum aufgeworfen und bat hauptfächlich ſeit der Epoche der großen geographiſchen Entdeckungen die Geo— grapben, die gelehrten Gejellfchaften und die Regierungen der zioilifterten Staaten bejchäftigt. Die Hauptſchwierigkeit, zu einer befriedigenden Einigung über die Wahl eines Anfangsmeridians zu gelangen, lag in dem Umjtande, daß die um ihre Achje fich drehende Erde feinen Meridian

befißt, der durch befondere Kennzeichen von den übrigen unterjchieden und dadurch ebenfo geeignet wäre, als An— fang der Yängenzählung zu dienen, wie der Mequator die natürliche Nulllinie für die geographifchen Breiten ift. Die Wahl des erjten Meridians war deshalb von Anfang an twillfürlich, und vein praftifchen Erwägungen anheimgegeben. Sp fam es, daß nicht etiva nur die Durch See: macht oder wifjenfchaftliche Stellung bedeutenditen Länder ihre befonderen Anfangsmeridiane hatten und noch haben,

jondern auch Länder von minderer Bedeutung die Längen von einem beliebigen Meridiane aus zählten, ja manche Länder ſogar verjchiedene Anfangsmeridiane für verfchiedene Zwecke feitfegten. Diefe Mannigfaltigfeit der Zählweiſen für geographiiche Längen hat fich zwar durd) die

wachjende

Macht

des

internationalen

Verkehrs

in der

Neuzeit weſentlich vermindert, jie ijt aber noch immer groß genug, um als gemeinfames Uebel und ernftliches Hindernis des wiſſenſchaftlichen und mwirtjchaftlichen Fortjchrittes der

es niemand einfallen werde, die Zuftändigfeit der die geo—

Völfer empfunden zu werben, zumal in einer Zeitepoche,

graphifchen Längen und mittleren Zeiten mifjenfchaftlich beitimmenden und fortwährend benügenden Ajtronomen und Geodäten in der vorliegenden Frage zu beftreiten, dann die Erwägung, daß e3 fich hiebei nicht um praftifche Intereſſen allein, jondern auch um Vereinfachung der Kartograpbie und Geographie handle, beftimmten” den Gelehrten-

wo der Weltpoſt- und Telegraphenverein in's Leben trat, wo Map und Gewichtseinheit in faft allen Kulturftaaten

ausichuß der Gradmeffung, auch den Entwurf diejes Gut-

1 Unification des longitudes par l’adoption d’un meridien unique et Introduction d’une heure universelle. Extrait des Comptes rendus de la septitme Conference generale de l’Assoeiation geodesique internationale reunie & Rome en Octobre 1883, redige par les Secr6taires A. Hirsch et Th. v. Oppolzer, publie par le Bureau central, Berlin 1883,

achtens unter die Beratungsgegenftände der fiebenten Ge— neralfonferenz aufzunehmen. Dabei fonnte man fich aber nicht verheblen, daß ohne Vertretung des der geopätischen Vereinigung nicht angehörigen, aber über die größte See:

angenommen zu erden im Begriffe jteht, und wo die faft von allen Staaten Europa's einheitlich durchgeführte Gradmeſſung am jchlagenditen die Macht des wiſſenſchaft—

Die fiebente Generalfonferenz der europäifhen Gradmefjung zu Nom

lichen Gedankens beweiſt. türlich, eine

endgültigen Vorteil

In ſolcher Zeit iſt es nur na—

alte Frage

praktiſchen

wieder

Löſung

der Wiſſenſchaften

und

aufzunehmen und einer

entgegenzuführen,

zum

des Weltverkehrs.

Der

Vorteil beruht aber in folgendem: Diejenigen Geographen und Geodäten, welche häufig die Verzeichniſſe geographi— icher Bofitionen nachzufehen oder Karten mit verjchtedenen Anfangsmeridianen zu vergleichen haben, gewinnen die beträchtliche Zeit, welche fie auf Umwandlung von Längen verichiedener Zählung in andere verivenden müſſen und eriparen fich ein geiftlojes Geſchäft. Das Gleiche ift der Fall bei den Ajtronomen, welche mit den Erbmeridianen deshalb viel zu thbun haben, weil fie die davon abhängigen Lofalzeiten bejtimmen und in leßteren ihre Himmelsbeo— bachtungen ausdrüden. Wollen fie nun, was oft not-

wendig ift, ihre Beobachtungen mit den Ephemeriden aftronomifcher Jahrbücher vergleichen, jo jind wieder wegen der verfchiedenen Anfangsmeridiane umjtändliche Neduftionen erforderlich, die wegfallen würden, wenn alle Ephemeriden nad) einem und demjelben Meridian berechnet wären.

Ebenfo gewinnen die Meteorologen und diejenigen Phyſiker, welche fich mit Gromagnetismus bejchäftigen, wenn fie bei gewiſſen Unterfuchungen und behufs Herjtellung von Ueber: fichtsfarten die beobachteten Yofalzeiten auf bejtimmte phyſiſche Augenblide zurüdführen müſſen. Schon der 1879 in Nom tagende Meteorologiiche

Kongreß hatte deshalb auf einen eingehenden Bericht des zu früh verjtorbenen Mitgliedes der Gradmeſſung, Pro— fefjors Karl Bruhns in Leipzig, die Unififation der geographiichen Längen und der Weltzeiten verlangt, alſo zwei Sahre früher als der Geographiſche Kongreß von 1881 in Venedig. Größer noch als in den mit der Geographie

verivandten Wifjenichaften

wäre der Gewinn,

den praf-

tiſche Inſtitute, wie die Seefchiffahrt, die internationale Telegrapbie u.a. mehr von einheitlich ausgedrüdten Längen und Stunden ziehen würden. Denn der Seefahrer fünnte jeine täglichen Kursberechnungen ficherer und kürzer durch— führen und fich über die von ihm berührten Feſtländer bejjer und fehneller orientieren, wenn feine Almanache und

im Oktober 1883.

87

Was den zu mählenden Anfangsmeridian betrifft, jo gibt es, wie wir wiſſen, feinen fo zu fagen von der Natur vorgezeichneten, und es bleibt vom reinwiſſenſchaft— lichen Standpunkte aus gleichgültig, welcher Meridian als erjter gewählt wird, wenn er nur der einzige, feſt beitimmt und behuf3 der Ermittelung von Zeit- und Längenunter— Ihieden leicht zugänglich ift. ES leuchtet aber ein, daß

feite Beftimmung nur eine Sternwarte erjten Nangs liefern fann, denn fchon die moderne Schiffahrt fordert Zeitangaben bis auf 2 Sekunden genau, indem eine jolche Zeit: Differenz unter dem Aequator einem Wegunterjchied von 1 Km. entjpricht. Die geodätifchen und aftronomijchen Beitimmungen aber jegen hundertmal größere Genauigfeit der Zeitangabe voraus, weil ihre PBräzifionsinjtrumente geitatten, Winfel bis auf Zehntel von Bogenfelunden zu mefjen. Auf einer ſolchen Sternivarte muß der erite Meridian dur die Are des maffiven Pfeilers ihres Hauptinjtruments feitgelegt und der materielle Träger diefer Are gegen die geringjte Ortsveränderung gefichert, oder wenn dieſes bei den überall wahrgenommenen Kleinen Bewegungen der Erdrinde nicht möglich ift, Doch in der Nähe von anderen vorzüglichen Sternwarten aufgeitellt jein, um allenfallfige Yagenveränderungen des Meridian: trägers aufs genaueſte erkennen zu lafjen. Nach diefen Erörterungen über die Erfordernifje eines Anfangsmeridians kann von der Beibehaltung des in der Mitte des fiebenzehnten Jahrhunderts eingeführten eriten

Meridians, den eine von Nichelieu berufene Berfammlung von Mathematifern und Geographen am Weltrande der Inſel Ferro wählte, um fo weniger die Nede fein, als derfelbe von Anfang an nur fehr ungenau bejtimmt und Maske des um 200 öſtlicher gelegenen Meridians von Paris war. Er hat fih zwar troß feiner Unbeſtimmtheit bis in unfere Zeit in Gebraud erhalten, aber wohl bloß deshalb, weil alle von ihm aus gezählten Längen für die alte Welt nur öftliche und für die neue nur weſtliche jind. Diefer Vorteil verſchwindet jedoch, wenn man Die geo— graphifchen Längen bloß in Einem Sinne, etiva in der

Richtung Weſt-Oſt von 0 bis 3609 zählt.

Ebenſowenig

Karten nur von einem einzigen Meridian ausgingen, und beim Telegrapbenverfehr würden die befannten auf der Mannigfaltigfeit der Lofalzeiten beruhenden, dem gevgraphischen Laien aber als fonderbar erfcheinenden Auf:

wie der Meridian auf Ferro kann der von Alerander vd. Humboldt empfohlene Mittagskreis des Pik von Teneriffa oder der in neuefter Zeit von Beaumont de Boutillier

fälligfeiten nicht vorkommen, daß 3. B. eine in München um

Anfangsmeridian in Betracht kommen, da der eine wie der andere den wiſſenſchaftlichen Anforderungen eines eriten Meridians nicht genügt. Fügen wir noch die praf-

12 Uhr mittags aufgegebene und fofort mit der Geſchwin— digkeit der Elektrizität beförderte Nachricht in Petersburg doch erſt um 11/, Uhr, in Kalfutta um 5 Uhr und in

hartnädig verteidigte Mittagskreis der Behringsftraße als

tiihe Anforderung

hinzu, daß die fragliche Sternwarte

Peking um 7 Uhr abends, dagegen in Liſſabon Schon um 101, Uhr, in Rio Saneiro um 84, Uhr und in Meriko um 5 Uhr morgens, in Peking alfo Scheinbar ſieben Stunden

eriten Ranges auch der Sit eines Inftituts für die Berech—

nah und in Mexiko ebenfoviele Stunden vor dem Abgange eintrifft, obgleich es jedesmal zur Beförderung (ohne

von Greenwich, Paris, Berlin, Wafhington beſchränkt. Wenn es nun auch in theoretischer Hinficht gleichgül:

nung und den Verlag aftronomifcher oder nautifcher Jahr: bücher fein muß,

Rückſicht auf Uebertelegraphieren) weniger als einer ©e-

tig ift, welcher

funde Zeit bedurfte.

dient, fo können

fo bleibt

die Wahl

auf die Meridiane

von diefen vier Mittagstreifen als erſter

doch die praftifhen Erwägungen

dem

88

Die ſiebente Generalkonferenz der europäiſchen Gradmeſſung zu Rom im Oktober 1883.

einen vor dem anderen den Vorzug geben. Es fragt ſich hier nämlich, welcher Meridian hat die meiſte Wahrſchein— lichkeit, allgemein oder doch von der überwiegenden Mehr— zahl der Kulturſtaaten angenommen zu werden, und welcher erfordert den geringiten Arbeitsaufivand für die Abändes rungen in Karten, Almanachen, Handbüchern und geo— graphifchen Sammlungen, die feine Einführung nad ſich zieht. In dieſer Hinficht bleibt fein Zweifel, daß die Wahl auf den Meridian von Greenwich fallen muß, mel: cher zur Zeit thatſächlich der mweitverbreitetite tft und eben deshalb den geographischen, nautischen, aftronomifchen und kartographiſchen Anforderungen aller Staaten, welche ihn nur teilweife oder überhaupt noch nicht angenommen haben, mit den geringjten Koſten ſich fügt. Die größere Ber: breitung des Greenwicher Meridians wird aber jeder zus geben, der weiß, Daß das in zwei Erdteilen gelegene Bri— tische Neich mit feiner Fläche von 20 Millionen Q.-Km, und 250 Millionen Einwohner über 40,000 Sandelsichiffe mit 6 bi8 9 Millionen Tonnengehalt und 370,000 Wann Beſatzung gebietet und dab die großen Handelsmarinen von Nordamerika, Deutjchland, Dejterreih, Italien gleich: falls nach dem Meridian von Greenwich ihre geographi: Ihen Yängen bejtimmen. Was ferner die aftronomifchen Ephemeriden betrifft, jo find die für den Greenwicher Me— ridian berechneten englifchen und amerifantfchen „Nautical Almanad’s” in den Sternwarten gleichfalls viel verbrei— teter als die den Barifer Meridian gebrauchende „Con-

naissance des Temps* und

das für den Meridian ber

preußischen Reſidenz gültige „Berliner aftronomifche Jahr— buch”, obgleich die beiden letztgenannten Werfe den erfteren an Fülle und Genauigkeit der aftronomifchen Daten nicht im mindeiten nachjteben. Dazu fommt endlich, daß die nach dem Greenmwicher Meridian gezeichneten Land» und Seefarten einen ungleich größeren Teil der Erdoberfläche

Drehung jtüßte vor 200 Jahren der britifche Neichsaftronom Flamfteed die Einführung der aftronomifchen Uhr als geodätifches Winfelinftrument und eben darauf beruht die

Möglichkeit, geographifche Längen, welche zunächſt Winkel find, in Zeiten auszudrüden. Dabei ift der Winkelwert ſtets das fünfzehnfache

der Zeitgröße,

graphifche Yänge von München entiveder

gleich 46

110 36° 30°

Minuten

in Bogen.

alſo 3. B. die geo—

in Bezug auf Greenwich 26 Sekunden in Zeit oder

Bon

Seite der Wiſſenſchaft

ftünde alfo der DVereinheitlichung der Zeiten nichts im Wege, fobald über den Anfangsmeridian der Längen entfchieden wäre. In unferen Tagen find es aber bauptfächlich die modernen, dem internationalen Verkehr dienenden Sinftitute, wie Eiſenbahnen, Dampfichiffahrt und Telegraphen, welche vor allen das Bedürfnis einer einheitlichen allgemeinen Zeit für den auswärtigen Ver— fehr und die Beibehaltung der Lokalzeiten für den in: neren Dienst eines Landes empfinden. In der Abficht, diefen beiden Bedürfniffen beſtmöglichſt zugenügen, bat man zuerft neben der Lokalzeit eine fogenannte nationale eingeführt, indem man die mittlere Zeit einer größeren Stadt für die Verfehrszeit des ganzen Landes gelten ließ,

fo die Münchener

Zeit für das

ganze

vechtsrheinifche

Bayern. Diefe Einrichtung war überall durchführbar, wo fih das Yand mehr in der Richtung der Mittagskreiſe als in jener der Parallelfreife ausdehnt, wie der Hauptteil von Bayern, wo die Lokalzeiten der am meiſten öftlich und weſtlich gelegenen Grenzftädte Paſſau und Michaffenburg nur um 8 bis 10 Minuten von der nationalen Münchener Zeit verichieden find. Sie ließ ſich aber ohne mejentliche Ab-

änderungen nicht durchführen in Yändern, welche ſich mehr in der Nichtung von Welt nach Oſt als in der von Süd nach Nord eritreden, wie in Dejterreich-Ungarn, wo die an der Oſt- und MWejtgrenze um je eine halbe Stunde von

darftellen als alle, deren Längen von anderen Mittagfreifen

den in Wien abweichenden

aus gezählt find. Mit der Annahme des Meridians von Greenwich als Anfang der Yängen ift für die wiffenschaftliche Welt, welche ihre nach Lokalzeiten gemachten Beobachtungen in allge mein gültigen Zeiten auszudrüden hat, wie e3 bei Aſtro— nomen, Geodäten, Meteorologen, Geophpfifern und an: deren der Fall tft, auch die Frage der allgemeinen Stun— venzählung entjchteden, da die geographifche Länge eines Ortes der Zeit proportional iſt, welche die Umdrehung der Erde vom Augenblide des Zufammentreffens ihres Anz

weftlichen Teil des Reiches die Prager, und für den öſtlichen die Peſter mittlere Zeit als nationale Verkehrszeit feſtzu— ſetzen. Um ſolchen Unzukömmlichkeiten und Willkürlichkeiten

fangsmertdtans

mit dem

Oonnenmittelpunfte

bis

zum

Durchgange de3 Drtsmeridians durch den gleichen Punkt erfordert. Auf der unumſtößlich feſtſtehenden Thatſache nämlich, daß die Erde vollfommen gleichmäßig um ihre Are fich drehe, folglich ein jeder Punkt des Aequators oder eines PBarallelfreifes in 24. Stunden einen Winkel von 360°, in einer Stunde alfo einen Winkel von 150 und in einer Beitfefunde einen Winkel von 15 Raums oder Bogenjefunden beſchreibt: auf diefer gleichmäßigen Axenum—

Lokalzeiten nötigten, für den

zu begegnen, hat die Akademie von Kanada vorgeſchlagen, die Erdkugel vom Anfangsmeridian an durch 12 Haupt— meridiane in 24 gleich große Zonen zu teilen und in jeder die Lokalzeit ihres öſtlichen Randes als allgemeine Zeit gelten zu laſſen, ſo daß alſo beiſpielsweiſe die Lokalzeit

von, Greenwich die allgemeine bis zum Meridiane von 150 mweitlicher Yänge und die Lokalzeit von Prag die allgemeine Zeit bis Greenwich, d. b. für den größten Teil von Europa

wäre

Sn der richtigen Einficht, daß hiedurch (auch ab:

geſehen von der aftronomifchen Zeitgleichung, die felbft eine Henderung von plus oder minus 15 Minuten nach fich zieht) die beiden Tageshälften für den einen Zonenrand um eine Stunde verfchieden werden würden, was durch die Uhren

ztveter zu beiden Seiten eines Hauptmeridians in defjen Näbe gelegenen Eifenbahnen für jedermann zur Anſchauung

Die fiebente Generalfonferenz der europäischen Gradmeffung zu Nom im Oftober 1883.

käme:

In dieſer Erwägung

hat

der ſchwediſche

Aſtro—

nom GEyldén vorgeſchlagen, ſtatt 24 Zonen deren ſechsmal ſo viele, nämlich 144 anzuwenden, wodurch die eben be— rührten Zeitunterſchiede von einer Stunde auf 10 Minuten

herabſinken würden. Finden auch bei dieſem Vorſchlage unſere die Zeit betreffenden Lebensgewohnheiten beſſere Be— rückſichtigung, ſowürde ſich doch die Arbeitslaſt der Ver— kehrsbeamten nicht mindern, welche nunmehr mit 144 ver— ſchiedenen Zeiten jtatt mit einer zu vechnen hätten. Hieraus geht zur Genüge hervor, daß fich nicht alle auf die Zeitmeſſung gerichteten Anforderungen des bürgerlichen Lebens, des Weltverfehrs und der Wiſſenſchaft durch eine und diejelbe Einrichtung befriedigen lafjen, und daß deshalb für den Yandesverfehr die Lokal- oder die National: zeit fortbeitehen fann, für den Weltverfehr aber und die Wiſſenſchaft eine allgemeine Zeit eingeführt werden muß,

welche im Anfangsmeridian der geographifchen Längen beginnt und von O bis 24 Uhr zu zählen it. Diefes Nebeneinanderbejtehen zweier Zeiten ändert gar nichts in. den bürgerlichen DVerhältnifjen und erfordert von den Verfehrsanftalten nur, daß in den Geſchäftsräumen dop— pelte Uhren für die Iofale oder nationale und für die allgemeine Zeit angebracht und eine Anzahl von Verkehrs: beamten und Schaffnern mit Tafchenuhren verſehen werden, welche zwei Bifferblätter haben. Der von Herrn Hirſch eritattete Bericht Schlägt zum Schlufje der Generalfonferen; fieben Bunfte zur Beſchlußfaſſung vor; infolge der von der Schon genannten Spezialkommiſſion gepflogenen Vor: beratung aber hat die Generalfonferenz neun Beichlüffe gefaßt, von denen fieben nur wenig von den im Be richte enthaltenen Anträgen abweichen. Bon den zmei weiteren Bejchlüffen bezog ſich der eine auf die dezimale

Teilung der die Zeit und die Yängen bejtimmenden Kreife, der andere empfahl der engliichen Regierung den Beitritt

zur Meterfonvention vom Sabre 1875. Wir gehen über die Abweichungen zwifchen den Vorſchlägen und den Be: ichlüffen umfomehr hinweg, als fie in dem oben Seite 86 angeführten und vom Bentralburcau herausgegebenen „Ex-

trait des Comptes rendus* und

nachgelejen werden fünnen,

teilen daher hier jofort das durch namentliche Ab—

ſtimmungen fejtgeitellte Gutachten mit, jobald über diefe Abftimmungen felbit noch folgendes bemerkt ift: Die beiden niederländifchen Kommifjäre, Profeſſor Bakhuyzen aus Leiden und Profefjor Schols aus Delft gaben eine Erklärung ihrer Negierung befannt, wonach diefe die Beratung und Entſcheidung über die beregten Fragen deshalb über die Aufgabe der Gradmefjungsfonferenz hinausgehend erachtet, weil hiefür bereits die Einberufung eines internationalen Kongreſſes nah Washington ange bahnt ſei.

Infolge

diefer Erklärung

enthielten

fich die

beiden niederländischen Abgeordneten der Abjtimmung. Die franzöfifhen Mitglieder der Generalfonferenz fonnten fih jamtlih von der Notivendigfeit der Wahl des Green: wicher Meridians als Ausgangspunfts der Längen und der Ausland

1884, Nr. 5.

89

Univerfalzeit, welche auch fie für wünſchenswert halten, nicht überzeugen; ſie bejtritten die Notwendigfeit gleicher altronomifcher Ephemeriden und waren im Gegenteil für das Fortbeitehen der gegenwärtigen, auf verjchtedene Me— vidiane bezogenen Almanache aus dem Orunde, weil ſolche Bublifationen das heilige Feuer für das Studium der

Aftronomie erhalten. Die auf den Barifer Meridian be: zogenen 210 Bände der „Conaissance des Temps“ ver: dienten die höchjte Berüdfichtigung, die franzöfiichen Nitro: nomen würden fich nicht leicht entjchließen, alle ihre wiſſen— Ihbaftlihen Tafeln umzurechnen, und noch ſchwerer würde

ih die franzöfiihe Marine

an einen anderen Meridian

gewöhnen als den Barifer, den fie jchon zwei Jahrhun— derte lang benüßt. Wenn fie gleichwohl, bis auf Herrn Profeſſor Löwy, der fich der Abjtimmung überhaupt ent hielt, für die Annahme der verbefjerten neun Reſolutionen jtimmten, jo gejchebe es nur unter dem Vorbehalte, das ih die englifche Ntegierung baldmöglichit zur Annahme des metrischen Maß- und Gewichtsſyſtems entjchließe. Ueber die nachfolgenden Sätze, welche das von der verftärtten fiebenten Oeneralfonferenz verlangte Gutachten

über die Vereinbeitlihung

der Längen

und der Zeiten

bilden, wurde exit einzeln beraten und abgejtimmt, und Ihließlih nahmen von den 31 jtimmberechtigten Mitgliedern alle bis auf die genannten 3, welche fich der Ab: ſtimmung enthielten, das nachſtehende Öutachten an. Zäblt man die jchriftlich eingefchieften bejabenden Voten der abmwejenden Bevollmächtigten Baeyer und Nagel den 28 perfönlich abgegebenen bei, jo haben eigentlich 30 Mit-

glieder der Gradmeſſung für das twie folgt lautende Gut: achten gejtimmt:

1. Die Vereinheitlihung der Längen und der Stun— den iſt ſowohl im Intereſſe der Wiffenfchaften als in dem des Handels, der Schiffahrt, des Eiſenbahn- und Telegrapbenverfehrs höchſt wünfchenswert. 2. Trotz mehrfacher Vorteile, welche die Dezimalteilung des Sreisquadranten in wifjenschaftlicher Sinficht zu bieten

vermag, kann ſie bei der Vereinheitlihung der Yängen und Stunden

aus

eminent

praftifchen Gründen doch nicht in

Betracht fommen. 3. Die Konferenz fchlägt den Staatsregierungen vor, den Meridian von Greenwich, welcher durch die Pfeilerare des Meridianinjtruments der dortigen Sternwarte gebt, als Anfangsmeridian zu wählen. 4. Es empfiehlt fich, die geograpbifchen Längen vom

Greenwicher Meridian aus in der einzigen Nichtung von Weit nach Oft mit 0 bis 3600 auszudrüden, 5. Die Konferenz hält aus wifjenfchaftlichen und wirtIchaftlichen Beivegaründen die Einführung einer allgemeinen Zeit neben den lokalen oder nationalen, welche fortbejteben jollen, für notwendig. 6. Die Konferenz empfiehlt, die allgemeine Stunde und das fosmopolitiiche Datum auf den mittleren Mittag

von Greenwich zu beziehen, welcher mit dem Eintritt der

15

90

Die ſiebente Generalkonferenz der europäiſchen Gradmeſſung zu Rom im Oktober 1883.

Mitternacht oder dem Beginn des bürgerlichen Tages auf dem um 180% von Greenwich abliegenden Punkte desſelben Meridians zuſammenfällt. Die allgemeine Zeit ſoll von

0 bis 24 Uhr gezählt werden. 7. Es iſt wünjchenswvert, daß die Staatsregierungen, welche behufs des Anſchluſſes an Die Bereinheitlichung der Längen und Zeiten den Meridian wechjeln müffen, das neue Längen: und Stundenſyſtem jobald als möglich und auc beim Unterrichte einführen. 8. Die Konferenz hofft, daß wenn der Meridian von Greenwich als Anfang der Yängen: und Weltzeiten allge mein angenommen wird, Großbritanien hierin einen Bes weggrund mehr finden wird, fich der Meterfonvention vom 20. Mat 1875 anzujchliegen. 9. Die vorſtehenden Beichlüffe follen den Staatsre— gierungen zur Kenntnisnahme mit dem Wunſche zugeſtellt werden, daß behufs Beitätigung derfelben ſobald als mög: lich eine Spezialfonferenz berufen werde, wie fie die Re— gterung der Vereinigten Staaten ſchon vorgejchlagen hat.

Am

Schluſſe der neunten Sitzung jprad der Abge

ordnete Herr Betocht nod) den Wunſch aus: es möge, wie dor drei Jahrhunderten die Neform des Kalenders vom Vatikan, jo jet die neueinzuführende Zeit vom Ka— pitol aus über die ganze Welt fich verbreiten, damit man beide wichtige Unngejtaltungen nad) hundert Sabren in der Stadt Nom gleichzeitig und gemeinfam feiern fünne. Herr Ferrero übernahm es auf Erfuchen, das vorftehende Gut— achten der Königl. italienischen Regierung mit der Bitte vor— zulegen, es auf diplomatishem Wege den übrigen Staats:

rück; aber er will ſeinen Platz nicht verlaſſen, ohne Ihnen

ſeinen tiefgefühlteſten Dank für das Wohlwollen, womit Sie ihn beehrten, ausgeſprochen zu haben.“

Obwohl unſer Bericht viel länger ausgefallen iſt als wir beabſichtigten, können wir es uns doch nicht verſagen,

der ausnehmenden ſiebente

Liberalität

Generalkonferenz

zu gedenken,

der europäiſchen

womit

die

Gradmeſſung

von der Königl. italieniſchen Staatsregierung, der Muni— zipalität von Nom und dem Land- und Stadtrat von Neapel geehrt und ausgezeichnet worden ift.

Schon die Wahl und Eimrichtung der Sibungslofalitäten in dem Nathauje auf dem Kapitol ließen eine rück— jihtsvolle Teilnahme für die bier tagenden Männer der Wiſſenſchaft erkennen. Mit größter Zuvorfommenheit

wurden ihnen, die mit einer für die „Settima conferenza geodetica internazionale* eigens geprägten Bronzemes daille ausgerüftet waren, nicht nur alle wifjenichaftlichen Snjtitute, welche zu ihrem Berufe in naher Beziehung ſtehen, ſondern auch) die zahlreichen und großartigen Kunſt— injtitute geöffnet, welche der allgemeinen Bildung dienen oder das Leben erheitern. Auch für Unterbrechungen der mit zehn Plenar- und mehreren Kommiffionsfigungen ver— bundenen anftrengenden Arbeit wurde gejorgt: durd) eine

von der Königl. Regierung im Hotel Quirinal gegebenes großes Feſtmahl; durch einen Empfang im fapitolinischen

am 23. Dftober wurden am folgenden Tage in der zehnten

Mufeum, wozu der Stadtrat 500 Berfonen eingeladen hatte; durch Abendgefelliehaften ſowohl bei dem ehemaligen Minister Herrn Sella, als bei der Gräfin Gaetani Lova— telli, welche auch in ihrer Eigenihaft als Mitglied der Römiſchen Akademie der Wiffenjchaften an dem fonjt nur für Herren bejtimmten Negierungsbanfett teilgenommen hatte. Den Glanzpunkt aller Ehren aber bildete der von

und letzten Sitzung noch zwei wiſſenſchaftliche Vorträge

der Königl. Negierung

gehalten, nämlich der bereits im dritten Abſchnitt beſprochene von Herrn dv. Bauernfeind über terreſtriſche Nefraftion, und ein anderer von Herrn Schiaparelli über ein von dem Aſtronomen Herrn Fergola angegebenes neues Verfahren, von zwei Punkten eines Parallelkreiſes aus die Polhöhe und damit die Stabilität der Erdaxe zu beſtimmen. Da— mit waren nach der Erklärung des Konferenzpräſidenten

vom 25. bis 29. Dftober durchgeführte Ausflug nach Neapel und feine Umgebung Am eriten Tage wurde die in einem Grtrazuge nad Neapel beförderte Herren und

vegierungen mitzuteilen und zur Annahme zu empfeblen. Nach der Erledigung der Meridiane und Beitfrage

die Geſchäfte der ſiebenten Generalkonferenz erledigt. Hie— rauf nahm Herr General Ibañez das Wort, um im Namen

aller auswärtigen Mitglieder der Negierung des Königs von Italien und der Munizipalität der Stadt Nom für den ebenjo ehrenvollen als jompathifchen Empfang zu danken und die Verfammlung aufzufordern, ihren Ges

fühlen Ausdrud zu geben, was durch Erhebung von den Sitzen und lebhaftes Händeklatſchen geſchah. In gleicher Weiſe wurde dem Dankesvotum des Herrn Kommandanten Baſſot für das Bureau der Konferenz zugeſtimmt, welches

ſo geſchickt und liebenswürdig die Sitzungen leitete, worauf Herr Oberſt Ferrero noch folgende Worte ſprach: „Meine Herren! Die ſiebente Generalkonferenz iſt beendigt und Ihr Präſident tritt wieder in ſeine frühere Stellung zu—

Damengejellfchaft Vertretern

der

veranitaltete

bei ihrer Ankunft jtädtifchen

und

und

in den Tagen

im Bahnbofe

fönigl.

Behörden,

von von

zahlreichen Stab3offizieren und Notabilitäten der Wiſſen— ichaft empfangen und als Gaſt der Regierung im Grand Hotel einlogiert. Daran reibten fich am zweiten Tage, je nach der Wahl der Gäfte, Beſuche hervorragender Berfünlichfeiten oder pwiffenjchaftlicher Anjtalten, der Kunjtmufeen oder des in

TIhätigfeit begriffenen Befups.

Am dritten Tage wurden

über hundert Perſonen, darunter der Stellvertreter des Prä—

felten, einige Generale, mehrere Parlaments- und Land» vatSmitglieder aus Neapel, mitteljt Sonderzugs der Eifenbahn nad) Pompeji befördert und dort von dem Direktor des Mufeums, Herrn Profeffor de Petra und mehreren jeiner Unterbeamten zu allen hervorragenden Stellen der Totenftadt geleitet, nachdem in dem Auskleideſaal ver

Stabtant/shen Thermen ein vorzügliches Frühſtück einge— nommen war, zu dem die Muſik des vom Bräfidenten

91

Die Anſprüche Portugals auf den Kongo.

Ferrero fommandierten, in Voghera jtehenden Regiments neben den Nationalbymnen aller auf dem Kongreß ver: tretenen größeren Staaten heitere Werfen fpielte, wie fie am beiten zu einer jo fröhlichen Geſellſchaft ſtimmten.

Nach einem kurzen Aufenthalte auf dem Forum, wo der Wunſch eines Photographen, ein Oruppenbild der zablreichen Geſellſchaft aufnehen zu dürfen, gern gewährt wurde, verfammelte man ſich in einem Haufe des Dekumanum, um einer Ausgrabung beizuwohnen, welche in zwei Zim—

Die Anſprüche Portugals anf den Kongo. Bon Brir Förfter.

In früheren Jahrhunderten war der Erwerb von Be— ſitzungen in fremden Weltteilen den europäiſchen Staaten vollfommen freigegeben. Wer zuerjt mit genügenden Macht: mitteln Fam, war und blieb im Recht, jelbjt wenn die thatjächliche Okkupation jahrzehntelang unterbrochen wurde. Die Welt war groß, man ftörte fich nicht gegenfeitig, man

mern glüdliche Zunde von Eleineren Bronzen, Terrafotten,

griff zu, wo es am bequemiten gefchehen fonnte.

Gläſern u. dgl. lieferte. Von hier aus ging es zum Forum

fang. des 19. Jahrhunders war im allgemeinen die Welt verteilt. Nur Afrika, das unerforfchte und deshalb am mwenigjten begehrte, befand fi) noch zum größten Teil in dem unbejtrittenen Befis der Eingeborenen. Selbſt aus: gedehnte Küftenftreeden kannten feine europäiſchen Herren.

zurüd, das in feiner glänzenden bengalifchen Beleuchtung mit dem im Sintergrunde feuerfpeienden Veſuv einen groß:

artigen Anbli bot, bis der Bahnzug nad) Neapel zurüdrief. Am Sonntag den 28. Dftober fand fich die glän— zende Gefellfchaft des vorigen Tages auf dem Kriegsichiff „Eiploratore” zufammen, um an einer Rundfahrt im Golf von Neapel teilzunehmen. Plan wollte Kapri und Kaſa—

micciola bejichtigen; der Brudy fejjel führenden Wafjerröhre

einer zum Schiffsdampf—

und deren Wiedererfag ver:

binderten indejjen die Ausführung des ganzen Brogramms, es wurde nur an der Inſel Ischia angelegt und das un—

glüdliche Kaſamicciola,

deſſen Ruinen

ſichtbar waren, beſucht.

zwiſchen Zitronenwäldern

ſchon von weitem

In ernſter Stimmung

ſtieg man

und Weinpflanzungen

auf der

ſchmalen, vielfach gewundenen Straße von den Holzbara— ken an der Marine hinauf bis zur Stelle des Grand Ho— tels des Etrangers, deſſen zerbrochene Balken und Sparren noch in die Luft hinausragten und den frohen Genuß der dort gebotenen ſchönen Ausſicht nicht recht aufkommen ließen. Die einer elementaren Gewalt zum Opfer Ge— fallenen ſchien eine glänzende Abendbeleuchtung des Meeres zu verklären, während der „Eſploratore“ und die im Golf ankernde ruſſiſche Fregatte „Svetlana“ ſich begrüßten, deren Kommandant ſich ebenfalls unter den Gäſten der Königl. italieniſchen Regierung befand.

Den Schluß der Feierlichkeiten bildete eine Einladung des Provinzialrates von Neapel zur Beſichtigung ſeiner landwirtſchaftlichen Schule in Portici mit darauffolgendem Lunch

im Bosko.

Der Präſident

des Landrates,

San Donato, hatte die Einladungen

Duca

ergehen laſſen und

Zu An:

Während Amerika, Aſien und jelbjt Aujtralten zur Grün— dung mächtiger Kolonien verlodten, betrachtete man das zentrale Afrika nur als ein Abſatz- und Handelsgebiet untergeordneten Nanges. Ye mehr aber die imduftrielle Thätigkeit Europa's zum gefteigerten Export trieb, deſto mehr drängten fich die europäischen Kauffahrteifchtffe in den wenigen Häfen der Oſt- und Weſtküſte, bis in der Gegen— wart aus der ehemaligen friedlichen Berührung eine heftige Konkurrenz der KHandelsintereffen unter den europätichen Völkern entitanden ift. Zur Zeit, d. i. nach der dur Stanley angebahnten Eröffnung des Kongo als der mächtigiten Waſſerſtraße nach dem Inneren, fonzentriert ſich der Kampf auf jene Gebiete, welche den riefigen Strom einfchließen und welche

von einer bunten Menge vereinzelter, unabhängiger Neger: ſtämme bewohnt werden. Hier ift esPortugal, fißers für ſich beanſprucht.

welches das Necht des BeWollen wir ung diefe Nechte

des genaueren bejehen. Am Ende des 15. Jahrhunderts ſetzte fi) Portugal förmlich in den Befit der von Diego Cam 1486 okkupier— ten Kongomündung, verlor diefelbe ſpäter an Spanten, entriß aber fie und Loanda endgültig mit Waffengewvalt im Anfang des 17. Jahrhunderts den Holländern. Seit diefer Zeit blieb Portugal in dem ungejtörten Beſitz der

Weftküfte, aber nur auf der Strede von Ambriz-Loanda— Moffamedes; denn es unterhielt hier Garniſonen, Gerichts—

empfing mit ſeiner Gemahlin die aus Herren und Frauen beſtehende Geſellſchaft. Es verſteht ſich wohl von ſelbſt, daß es bei allen dieſen Beweiſen von Wohlwollen und Gaſtfreundſchaft an verbindlichen Reden und Gegenreden nicht fehlte, und es kann nicht auffallen, wenn vor der Rückkehr nach Rom, am Abend des 29. Oktober, die per—

jtrittige Strede, um derentivillen Bortugal ſeit 1846 un:

manente Kommiſſion im Namen der ſiebenten Generalkon—

ausgejeßt in Unterhandlung

ferenz der europäiſchen Gradmeſſung noch eine beſondere

Anerkennung der portugiefifchen Nechte bisher verweigert

Adreſſe an das Königl. italieniſche Staatsminiſterium richtete, um ihm für den ganz ungewöhnlichen Empfang der Kongreßmitglieder inRom und Neapel nochmals den tiefgefühlteſten Dank auszuſprechen.

hat.

behörden ꝛc., übte mit einem Worte die Funktionen eines Spuveräns aus. Aber Portugal beanſprucht die Sour

veränität

auch nördlich

von Ambriz,

nämlich

über die

Kongomündung hinaus bis zum 5.0 12, und dies ijt jet Die mit England fteht, welches die

Seit der Aufhebung des Sflavenhandels hat die Gegend am unteren Kongo nicht mehr

Portugal

offupiert;

weder

portugiefifche

Polizei,

noch portugie-

ſiſche Gerichte, noch irgend welche politifh-adminijtrative Einrichtungen exiftierten dort und exiſtieren bis zur

92

Die Anſprüche Portugals auf den Kongo.

Stunde. Der Zutritt zum Kongo war und iſt allen Nationen vollkommen frei. Es war bisher ein Gebiet, das von keinem Staat ausſchließlich und dauernd be— gehrt wurde. Portugal ſah ſich deshalb auch nicht ver— anlaßt, ſeine Souveränität irgendwie deutlich zu dokumen— tieren. Es begnügte ſich, dann und wann ein Kriegsſchiff erſcheinen zu laſſen, katholiſche Miſſionare in das Land zu ſchicken und einige Fürſten, wie den König von Kabinda und den König von Kongo (in San Salvador), als feine Unterthanen zu erklären, als welche jte fich bereitwillig und jederzeit befannten. In Wirklichkeit vernachläfftgte Portugal jeine weſtafrikaniſchen Befisungen nahezu gänzlich, gab aber niemals fein Hoheitsrecht ausdrüdlih auf. Im Gegenteil, es bebielt ſtets jeinen moralischen Einfluß, jo daß dieſer weit übertviegender blieb, als der der übrigen Nationen. Sp ift die Sprache der Dolmetjcher längs der ganzen Küfte auch heute noch portugiefifh, man rechnet ſelbſt in den holländischen Faktoreien nad) portugiefiihen Münzen u. ſ. w. Trotzdem müßte die portugiefische Souveränität in diefen Gegenden mehr als fragwürdig erjcheinen, be— jtänden nicht zwei gewichtige Thatſachen, welche offenbar die Anerkennung portugiefiicher Herrichaft enthalten.

1. Während des deutſch-franzöſiſchen Krieges

1870

flüchtete ein deutsches Schiff in den Hafen von Banana (Kongomündung), e8 wurde von einem franzöſiſchen Kreuzer

gefapert. Frankreich lieferte e3 aber auf die Voritellungen Portugal's hin aus. Damit war Banana, d. i. die Kongo:

rufen, teils um gegen drohende Gefahr geſchützt zu wer— den, teil3 um die Eingeborenen wegen räuberischer Angriffe zu züchtigen. Bon ſchwerwiegender Bedeutung ift ferner, dab Portugal niemals den Kriegsschiffen fremder Nationalität den Zugang in den Kongo verwehrt hat. Auf der anderen Seite fünnte die öffentliche Meinung in Europa jeden Staat außer Portugal des gewaltthätigen Eingriffes zeihen, der es jeßt unternähme, feine Flagge gebietend und berriich an den Ufern des unteren Kongo aufzupflanzen, da die portugiefischen Anfprüche durch eine Reihe von Indizien nicht unweſentlich unterjtüßt werden. Nach unferem Dafürhalten muß demnach unter den obſchwebenden Berhältniffen die Frage nicht dahin formu—

ltert werden: Hat irgend eine Macht außer Portugal ein Necht, die Kongomündung zu befigen? fondern: Soll Bortugal diejes Gebiet überlaffen bleiben oder nicht?" Die Nechtsfrage wird vernünftigerweiſe eine Utilitätsfrage. Die öffentliche Meinung in England fprach fich bisher jehr entjchieden gegen Portugal aus, aus fol-

genden Gründen: Die Sklaverei würde unter irgend einer Form dort mieder eingeführt werben; mit der unaus— bleiblihen Einrichtung von Bollämtern würde die bisher unbehinderte Freiheit des Handelsverfehrs auf das empfindlichjte eingefhräntt; mit einem Worte: es würde die ganze Mijere portugiefischer Beamtenmirtfchaft, wie fie fich längs

der Weſtküſte in Ambriz, Loanda, Benguela und Mofja: medes jtetS dofumentiert, in einem Strich Landes eingebürgert werden, der gerade bei der völligen Unabhängigfeit

mündung, als neutrales portugiefisches Gebiet thatlächlich anerkannt. 2. 1877 forderte der englifche Konful in Angola Por: tugal auf, den Ausfchreitungen europäischer Anfiedler gegen die Eingeborenen in der Kongogegend Einhalt» zu thun. Vortugal übernahm den Auftrag als jeine Pflicht. Beide Fälle find in der diplomatischen Depesche Bor: tugal’s vom Ende Dftober 1883 angeführt und bisher von niemandem, auch nicht von England bejtritten worden. Was iſt nun Rechtens? Das allgemeine Völker: vecht verlangt für den Begriff des unantaftbaren Belitrechtes eine dauernde Dffupation des betreffenden Gebietes, oder mindejtens die unausgefehte Uebung von Souveräni— tätsrechten. Portugal muß auf einen ſolchen Nachweis verzichten. Da aber das Völkerrecht in feinem allgemein ſanktionierten Geſetzbuch enthalten tt, jo bat auch jene Definition des Befitrechtes nur theoretiſchen Wert. Sollte alfo irgend eine andere Macht feiten Fuß am Kongo faſſen, io hätte nach unferer Meinung Bortugal feinen präzıs berechtigten Anspruch, über Verlegung feiner Souveränität zu flagen. Denn wenn man nad) dem lebten Strohhalme greift, um die fortgefette Ausübung feiner Hohheits— vechte zu beweiſen, und bervorbebt, wie gelegentlich durch

räumung der Kongomündung eine Solleinnahme fich zu jichern trachten würden, die den ganzen Handel lahm legen fönnte, fondern auch, daß, wenn man fie auch durch Vertrag auf die Einhebung von nur geringen Gebühren vorfichtig zu beſchränken verfuchte, fie dennoch mit der Zeit dur allerhand Kniffe eine allmäbliche, den Handel ſchwer

portugtefiiche Schiffe die Polizei am unteren Kongo aus-

Ihädigende

geübt wurde, jo muß dem entgegengebalten werden, daß die europäischen Anfievler dort jedes Schiff irgendwelcher Nationalität, welches eben in der Nähe liegt, zu Hilfe

würden, Das Nefultat unferer Betrachtungen geht alfo dahin: Der Beſitz der Kongomündung iſt Portugal zu überlafien,

von irgendwelchen behördlichen Schranfen im raſchen Aufblühen begriffen tt. Dem gegenüber muß nun folgendes gejagt werden: Es iſt richtig, daß die Portugieſen in ihren weitafrifanischen

Kolonien die Sklaverei

in der Form von lebenslänglich

gedungenen Arbeitern jtillfehweigend aufrecht erhalten. Allein in diefem Punkte darf man nicht zu ſkrupulös inquirieren. Das „Ausland“ hat 1882 in Nr. 31 darauf bingeiviefen, wie auch die Engländer, gewiß das philanthropiſchſte aller Völker, durch die afrikanischen Verhältniffe ſich gelegentlich gezwungen fehen, die Arbeit von Sklaven zu benußen, wenn jte die Arbeit von Freien nicht erhalten. Wasnun die Schädigung des freien Handelsverfehrs betrifft, jo dürfte eben unter feinen Umjtänden den Bortugiefen die Erhebung irgend eines Zolles gejtattet werden. Gewiß ift

nicht nur, daß die Bortugiejen bei bedingungsloſer Ein-

Steigerung der Zölle zu erzielen

verſtehen

Ueber unſere heutige Kenntnis von Neu-Öninea.

aber nur unter der Bedingung vollfommenjter Sreibeit für Schiffahrt und Handel auf dem Kongo. Daß Bortugal fih Bedingungen aufbürden läßt, 3. B. von Seiten Eng: land’s, it nicht gerade ganz ausfichtslos. Hat doch Bor: tugal jeine Anfprüche bedeutend herabgejtimmt! Früher griff es in fühner Phantaſie von Yoanda bis zur Mün— dung des Sambeſi hinüber, von Banana weit in’S Innere binein, den ganzen jchiffbaren Kongo entlang. Freilich, mit dem Worlaut ivgend einer offiziellen Depeſche können wir dieſe Ausdehnung jeiner Ansprüche nicht belegen, aber das Verhalten feiner Delegierten auf dem Internatio— nalen Kongreß für SHandelsgeograpbie in Paris 1878 Ipricht dafür, dag man fi) damals in Liſſabon mit ſolch weitgehenden Plänen die Köpfe erhitzte. Als nämlich der Kongreß die Erforfchung und kommerzielle Ausbeutung des Kongobedens auf die Tagesordnung jeßen wollte, erklärten jene Delegierten: „Im Falle diefe Frage zur Diskuffion aufgeiworfen würde, müßten ſie den Kongreß verlafjen; denn fie fünnten nicht durch ihre Anweſenheit eine Debatte oder Nejolution in einer Frage legalifieren, twelche direkt oder indirekt eine fremde Einmifchung in die Politik und Kolonialverwaltung Portugals implizieren, welche die

unbezweifelbaren Rechte Portugals

auf den Kongo ver:

legen würde.” Auch beweiſt die offizielle Depefche vom Dftober v. Is. in ihrem Ton und in ihrer gegen den Bol: ferrechtlihen Internationalen Kongreß zu München 1883 gerichteten Spite deutlich genug, daß Portugal das mora: liche Bedürfnis fühlte, von Anfchuldigungen fich vein zu waſchen, die nur durch das eigene Gebahren entjtanden find, während fie von dem Völferrechtlichen Kongreß mit feiner Silbe angedeutet tvorden waren. Diefer hatte bes fanntlich folgenden Beichluß gefaßt: „Es wird der Wunſch ausgeſprochen, daß die Prinzipien der freien Schiffahrt für

alle

Nationen auf den Kongo und feine Nebenflüffe an-

gewendet iverden jollten und daß alle Mächte zu einem Ein:

verjtändnis in Bezug auf die Maßregeln fommen möchten, welche geeignet wären, Stonflikte zwiſchen

den zivilifierten

Nationen in Aequatorial-Afrika zu verhindern.” (4. Sep: tember 1883.) Darauf antwortet höchjt auffallend die portugtefifche Depeche: „Der Kongreß babe entgegen der Wahrheit die Annahme ausgefprochen, Portugal trachte in dem Wunfche, jene Territorien zu befiten, eifrig dar: nad, die mächtige Waſſerſtraße zu fequeitrieren und für jeinen eigenen erflufiven Vorteil zu monopolifieren.”

93

liegt, mag wohl früher es für das Beſte gehalten haben, deſſen Anſprüche glattweg zurückzuweiſen; aber das jetzige Hervortreten Frankreichs mit der Expedition Brazza, die Beſetzung von Ponta Negra durch die Franzoſen hat ihm die Gefahr gezeigt, welche aus einer definitiven Zurück— weiſung Portugal entſtehen könnte. Einen kleinen Staat, wie Portugal, kann das mächtige England kontrolieren; aber Frankreich gegenüber hätte es immer mit ſchwerdrohenden Konflikten zu kämpfen. Wollte es ſich ſelbſt an die Stelle von Portugal ſetzen und die Kongomündung mit Beſchlag belegen, wie ein großer Teil, namentlich die geſchäftliche Welt des engliſchen Publikums noch in letzter Zeit es dringend verlangt, ſomüßte es gefaßt und Willens ſein, kampfbereit und ſchroff gegen Frankreich aufzutreten. Das würde es zweifellos thun, wenn die Exiſtenzfrage wichtiger Handelsintereſſen auf dem Spiele ſtände. Aber dieſe Be— deutung hat die Kongofrage in den Augen der engliſchen Regierung offenbar nicht. Bei den immerhin nicht völlig unbegründeten Anſprüchen Portugals kann England mit gutem Gewiſſen die Kongomündung dieſem Staat über— laſſen, aber unter Auferlegung ganz ſtrikter Bedingungen, welche die Freiheit und Sicherheit des Handels in jenen Regionen gewährleiſten. Wie die „Times“ vom 5. November andeutet, dürfte die engliſche Regierung die Anſprüche Portugal's auf die afrikaniſche Weſtküſte vom 50 12° bis 120 ſ. Br., ſpeziell auf den Unterlauf des Kongo, unter folgenden Bedingungen anerkennen: 1. Freiheit der Schiffahrt und des Handels; keine läſtigen Abgaben und Zölle, am beſten gar keine. 2. Abgrenzung des portugieſiſchen Gebietes nach dem Inneren. Das wäre von weſentlichſter Bedeutung am mitt— leren Kongo, weil dort gerade auf der Unabhängigkeit der Völkerſchaften das Aufblühen der neugegründeten Faktoreien zu beruhen ſcheint. 3. Zulaſſung der Miſſionare aller Glaubensbekennt— niſſe. Mit der Zulaſſung der engliſchen Miſſionare wird in Verbindung mit engliſchen Waren der engliſche Einfluß unter den Eingeborenen geſichert. Als vierter Punkt mag vielleicht, um größere Sicher— heit inder Ausführung zu erlangen und den Schein der Unparteilichkeit zuwahren, die Errichtung einer „Inter— nationalen Kongo-Kommiſſion“ als notwendig aufgeſtellt werden.

Die übertriebenen Ansprüche Bortugals auf das Kongo: gebiet eriltierten einmal, wenn vielleicht auch nicht in offi— zieller Form; fie find jest in der Oktoberdepeſche feierlichit auf den Befit des unteren Stongolaufes beſchränkt worden; ebenfo feierlih wurde der ganze Kongo als vollfommen frei für den Handel und die Schiffahrt aller Nationen proflamtiert. Was wird nun gefhehen? England jteht bier als die entfcheidende Macht. England, welches feit 37

Jahren mit Portugal

wegen der Kongofrage im Streite

Aeber unſere heutige Kenntnis von Ueu-Guinen. Sn der Sitzung der Royal Geographical Society vom 12. November 1883 gab der Präſident Lord Aberdare in

jeiner Eröffnungsrede einige Mitteilungen über Neu-Guinea, die eine gute Ueberficht über den Stand der auf dieje Inſel bezüglichen Fragen vom geographiſchen Standpunft aus enthalten.

34

Ueber unſere heutige Kenntnis von Neu-Guinea.

Er jagt darin etwa folgendes: Die Erforfhung Neu: Guinea's iſt eine Frage, welche ſeit unferer legten Ver: ſammlung das Interejje des Publikums in hohem Maße erregt hat. Früher Schon hat Herr Powell in einer Ab: handlung auf die Lücken unferes Wiffens, foweit es dieſe große Inſel betrifft, hingeiviefen. Er hat gezeigt, daß die Küftenlinie und die vorliegenden Inſeln nur fehr unvollfommen befannt find, und was das Innere betrifft, jo hat ji) fein Bordringen auf einen Weg von wenigen in einem Tage gemachten Meilen befchränft, während er 18 Monate längs der Hüfte Freuzte und bier einige taufend Meilen zurüclegte. Auch andere Forscher, welche denselben Teil der Küfte bereilt haben, worunter der berühmte ruffifche Ethnolog Miklucho-Maclay, der einige Monate bei den Eingeborenen in der Aſtrolabebai zubrachte, find nicht viel weiter in's Innere vorgedrungen. Im füdlichen und weite lichen Teil der Inſel tft man in der Nähe von Port Moresby, wo Herr Lawes und andere Miſſionare der Londoner Geſellſchaft ſich das Zutrauen der Eingeborenen —*

erworben haben, etwa 30 E. Ml. weit in das Innere vor— gedrungen, Der deutſche Naturforfcher Dr. A. B. Meyer, einer der bedeutenditen Neifenden in Neu-Guinea, ver: fuchte im Jahre 1873 mit treuen eingeborenen Begleitern die Landenge, durch welche die weitliche Halbinfel mit dem Hauptlörper der Inſel zufammenhängt, zu durchqueren;

doch auch er fonnte nur etwa 10 MI. weit vordringen, Später überfehritt er den kleineren Iſthmus zwifchen der Geelvinkbai und dem Mac Gluergolf und einige Mit: glieder feiner Expedition erreichten ebenfo ie Herr d'Albertis die Arfaffette im nördlichen Teil der Halbinfel. Thatſächlich it man nur längs der Flüſſe tiefer in das Innere vorgedrungen. Herr d'Alberti's ſchätzt den Abſtand, den er auf dem Fly River 1876 zurückgelegt bat, auf etiva 500 M. Doc bewegte fih mit Ausnahme der erjten 100 MI. fein kleines Dampfihiff zwiſchen zwei Ufern, welche mit hohen Bäumen bejett waren, die ſich aus ebenem Alluviallande erhoben. Letzteres ſchien ganz von Bewohnern entblößt zu fein und jo haben wir mit Ausnahme der Erforfhung des Flußlaufes durch dieſe

Neife wenig

oder nichts in Bezug auf Yand oder Leute

fennen gelernt.

Wenn man die Beichreibungen, die Dr. A. B. Meyer vom Weiten, Leutnant D’Armit vom Südoſten gegeben, als allgemein gültig für das Yand anfehen will, jo ift dasjelbe veich gegliedert und ſchwer zu durchkreuzen. Gleich von der Küſte weg führt der Weg jteil bergauf und bergab über Eleinere Hügel und etwas weiter fieht man im Innern, ſoweit das Auge reicht, Bergketten, die ſich bis zu 3000 m. und mebr Höhe erheben. Auf der Nordoftküfte

einem

tiefen

Abgrunde

durchfchnitten

Flußdelta's ift die Bevölkerung

wurde.

In den

zahlreich, ebenfo auf den

ſchmalen, ſumpfigen Strichen flachen Landes an der Küjte. Sie ſcheint jedoch im Hügelland, wo auch die Stämme den Europäern eine ausgefprochene Feindfeligfeit beiviefen haben,

ſehr Schwach zu fein.

Außer feinem Gepäd muß der Rei—

fende auch die Lebensmittel mit ſich führen. Ebenſo fehlen die Transportmittel für weitere Streden gegenwärtig, da feine Zafttiere vorhanden find und es unmöglich it, eins geborene Träger zu befommen, auf die man fid) verlaſſen kann. Dies ſind die Hinderniſſe, welche dem, der die Reiſe—

beſchreibungen der wenigen ins Innere des Landes einge— drungenen Forſcher lieſt, ſogleich auffallen müſſen. Sie werden indes wahrſcheinlich mutige Reiſende nicht zurüdhalten, zudem die Flüffe einladende Zugänge in das Yand bieten. Wir dürfen daher bald Entwürfe zu Expeditionen nad) Neu-Guinea erwarten, von denen manche durd) andere Hoffnungen und Beltrebungen als folche zu Nußen der geograpbifchen Forſchung bejeelt jein werden.

In der Mbficht, eine gut geleitete, wifjenjchaftliche Expedition nach dem Innern zu veranlaffen, tjt die „British

Assoeiation“ mit dem Komite der „Royal Geographical Society“ in Beratung getreten und man wird Feine Zeit verlieren, dem Gegenstand die Aufmerkſamkeit zu ſchenken, die er verdient. Vor allem fcheint es wünjchensivert, daß

man fich, ohne Nüdficht auf Handelsfpefulationen und die Beftrebungen, ausgedehnten Länderbeſitz zu erwerben, volle und vertrauenswürdige

Berichte

fo jchnell wie möglich verbreitet.

verfchafft

und

diejelben

Lord Aberdare glaubt,

daß eine folche Orientierung über das Land, welche jedem entfcheidenden Schritt in Hinfiht auf die Zukunft des: jelben vorausgehen follte, am beiten auf dem Wege der

wiffenschaftlihen

Forſchung, die je nad dem

Reſultate

der Beratungen fi) auf einem oder mehreren Wegen nad)

dem Innern zu wenden hätte, zu erreichen ift. Zu handeln, jo lange man fich ſowohl im Ungewiſſen

über den Charakter des Volkes, dem man begegnen wird, als die Art des Landes, welches man folonifieren till, befindet, jceheint nicht nur der höchſte Grad von Weber: eilung, fondern auch ein Verfahren zu jein, welches den guten Ruf Englands ernftlih in Gefahr bringen und Schande auf die werfen Fünnte, denen ihr Name lieb tft, während es das, was unjere bitterften Feinde in Bezug auf unfere unerfättlihe Ländergier und die gewaltſame und gewiſſenloſe Weife, wie wir diefe Yeidenjchaft zu bes friedigen fuchen, gejagt haben, zu beweifen fcheint.

Was

nun Herr Powell

über die wenigen Stämme,

Powell gegeben hat, teraffenförmig aus dem Meere; die einzelnen Flächen find durch ſteile Abhänge verbunden und an dieſelben fchließt fich in bedeutender Höhe eine

mit denen er in Berührung fam, mitgeteilt hat, macht auf " uns den Eindrud, als ob die Eingeborenen ftolz auf ihre perfönliche Unabhängigkeit und ſich ihres echtes wohl bewußt jeien. Wir müſſen alfo mehr von ihnen erfahren und nicht unfere Gleichgültigfeit gegen die Verlegung ihrer

Hochfläche, welche an der Stelle, wo er fie befuchte, von

Rechte, das Aufopfern ihres Lebens, durch Unwiſſenheit zu

erhebt fi das Land nach der Beichreibung,

welche Herr

Ergebnifjfe

der jüngſten zoogeographiichen Forſchungen Milne Edward’s

an Bord des „Talisman.”

05 ur

verteidigen fuchen.

Burke hat in Karben, welche nie ihre

Kraft verlieren werben, das Bild eines zivilifierten Volkes gezeichnet, welches ohne pflichtmäßige Beſchränkung und Selbitbeherrfchung Eroberungen auf Koften einer unter geordneten ſchwächeren Raſſe macht: „Befeelt von allem Geiz des Alters und dem Ungeftüm der Jugend kommen fie, einer nach dem andern, wie ebenfoviele einander nach-

folgende Wellen erfcheint

nur

und

eine

vor den Augen

Zukunft

der Eingeborenen

ohne Hoffnung,

erfüllt

von

immer neuen Zügen von Raub- und-Wanderbögeln, deren jtetS neu erwachende Gier fich fortwährend auf Das Futter richtet, welches unaufbörlich verzehrt wird.“

Zum Schluß jagt Lord Aberdare: Wir rühmen uns, in einem Zeitalter zu leben, in welchem das Gewiſſen empfindlicher ift nnd in welchem die Berüdfichtigung der Rechte anderer mehr in den Vordergrund tritt, als dies in der Vergangenheit der Fall war. Ich vertraue, daß unfer Benehmen gegenüber diefer großen Inſel und ihren Einwohnern, deren auf Millionen gejchäßte Zahl uns un:

befannt

ift, die eben ausgefprochene Behauptung

fertigen

wird.

Doch

ich mwiederhole,

vecht-

es muß mehr Licht

fommen, ehe wir uns zu einer entjcheidenden Handlung entjchliegen und diefes Licht ſei ein klares, ruhiges Licht, es ſei das der wiſſenſchaftlichen Forſchung. Mit einem jo bedeutenden Zweck vor Augen dürfen mir uns der ſan— guinifchen Hoffnung bingeben, ſogar die Hilfe und den Beiftand der Negierung zu erhalten.

Ergebniſſe der jüngſten zoogeographiſchen Forſchungen Milne Edward’s an Bord des „Talisman“. Der Ausflug, welchen Profeſſor A. Milne Edwards an Bord des Dampfers „Talisman” Mitte vorigen Jahres in die Gewäſſer des Atlantischen Ozeans unternahm, war außerordentlich reich an wiſſenſchaftlichen Reſultaten. Der Hauptzived, Sondierungen vorzunehmen, wurde durch An: wendung von Scharrnegen und Stahlfabeln neueiter Kon: ftruftion auf die befriedigendfte Weife erreicht. Zwei Dampf:

majchinen beforgten das Aufiwinden des Stabels, das eine Spannung im Gewicht von 4500 Kilo auszuhalten fähig war. Die Nebe hatten eine Mundweite von 2 bis 3 m,, wodurd man in Stand geſetzt wurde, den Fang auch auf größere Tiere auszudehnen. Sn der weſtlich

von

der Sahara

gelegenen

Bone

an einem Standort, bis zu welchem Fein Licht dringt. Oft brachte ein Zug eine fo große Mafje Gefangener ein, daß ein Tag nicht hinreichte, um fie alle zu klaſſifizieren. Bon den Kapverden befuchten die Naturforscher nur Santiago und San Vizente, dann die £leine Inſel Branko, deren Zugang aber jo jchwierig tft, daß ſie diefelbe ſchwim— mend zu erreichen hatten. Dort finden fich große Eidechfen vor, deren Gattung nirgendivo wieder getroffen wird. Die Kanäle, welche die Sapverdifchen Inſeln von einander trennen, ſind ſehr tief und das tierische Leben ift dort außerordentlich üppig enttwidelt. Aus einer Tiefe von 6000 m. brachte ein einziger Nebzug 1000 Fische und

nahezu 2000

Krebstiere

(Crevettes)

verjchiedener Arten

zu Tage. Die Oondierungen des „Talisman” ergaben, daß von den Inſeln des Kap Verde an der Meeresboden bis zum 25. Breitegrade gleichmäßig abnimmt. Her wurde eine Tiefe von 6267 m, fonftatiert. Dann erhebt er ji nach und nach wieder den Azoren zu, wo unter dem 35. Breitegrade das Senfblei nur noch 3000 m. zeigte. Man darf vielleicht die Kapverdifchen und Kanar— iſchen Inſeln, Madeira, Teneriffa und die Azoren als die Spitzen einer ungeheuren, der afrikanischen Küſte parallel: laufenden vulfanischen Kette anfeben; denn der Grund des Sargafjo-Meeres ſcheint mit einer dicken Krufte bimsfteinartigen Schlammes bedeckt zu fein, welcher Bimsfteinfragmente und vulfanifches Gejtein überziebt. Nirgends begegnet man jenen ſchwimmenden Wiefen, von welchen die alten Seefahrer fabelten. Der Tang Ihwimmt in größeren oder kleineren Klumpen, welche die Linien verfolgen, die vom Wind oder von den Strömungen vorgezeichnet werden. Auf dieſem Sargaſſo wohnt eine zahlreiche pelagische Bevölkerung, deren Farbe ausgezeichnet mit derjenigen des Seetangs barmoniert, auf welchem fie Zuflucht findet.

Ein eigentümlicher Fleiner Fisch baut dort Nefter, indem er aus den Flebrigen Tangfafern Kugeln bildet, welchen er jeine Gier anvertraut. Neben ihm haufen Mollusten, Krabben und Krebstiere, alle mit der Sargaffolivree be: fleidet, die e3 jchwer macht, fie von ihrer ſchwimmenden Wohnung zu unterfcheiden. Die unregelmäßig gelb, braun,

ſchwarz und weiß gefledten Körper verbergen fich in dem Gewirre von grünen Blättern, braunen Stengeln oder den mit einem falfhaltigen Anſatz inkruſtierten Abfällen. Auf der Rückkehr von den Azoren nach Frankreich, die von ruhigem Wetter begünjtigt war, arbeitete das

Schleppneg jeden Tag in einer Tiefe von 4000 bis 5000 m.

an die Oberfläche, daß ihre Zabl die Einbildungstraft

In diefen ungeheuren Tiefen, unter diefem enormen Drude, in einer Umgebung von Finſternis und Vegetations(ofigkeit, leben, wie die Naturforjcher feititellten, Tiere, wovon einige eine ganz erkledliche Größe befigen und ſehr hoch ausgebildeten zoologischen Gruppen angebören.

überjteigt. Es befanden ſich neue Arten darunter. Die Formen diefer Meeresbewohner find fremdartig; viele find blind. Bemerkenswert tft die Verſchiedenheit ihrer Farben

Melanocetus fcheinen dort nicht jelten zu fein. Der Meeres: boden ift in dieſer Region mit einem dicken, weißen, Bimsjtein

brachten 120 Züge aus einer Tiefe von 1000 bis 3000 m. eine ſolche Menge lebender Wefen, Stiche, Schalentiere, Mollusfen, Würmer, Korallen, Seeiterne, Schwänme u. |.w.

Große Fiſche der Arten

Maerurus,

Scopelus

und

%

Ein beherzigenswerter Zuruf aus Weſtafrika. —

und elfenfragmente verfchtedener Natur einhüllenden Schlamm belegt; an einigen Geſteinsproben wurden foſſile Eindrüde, unter anderem auch von Trilobiten bemerft. Was aber am meiſten überrafchte, war, auf eine Ent— fernung von mehr als 700 Seemeilen von der europätjchen Küfte Kiefel zu finden, die vom Eis gefchliffen und ges viefelt waren. Die Schärfe der Streifen läßt nicht die Annahme einer Fortbewegung der Steine durch Ströme: ungen zu. Ihr Auftreten iſt vielmehr den Eisfeldern zus zufchreiben, welche in der quaternären Epoche ficd) viel

weiter gegen den Süden

als heutzutage vorjchoben und

die, indem fie in dem zwiſchen den Azoren und Frankreich gelegenen Teil des Atlantifchen Ozeans ſchmolzen, die Steine, welche den nordiſchen Gletſchern entjtammten, zu Boden fallen Liegen. Am 30. Augujt hielt das Net jeine letzte Ernte auf dem Grund des Golfes von Bisfaya und fügte der Fauna der franzöfifchen Gewäſſer eine Anzahl neuer oder inter: eſſanter Arten bei.

Ein beherzigenswerter Zuruf aus Weſtafrika. Alle Unternehmungen, mögen ſie nun größerer oder kleinerer Art ſein, mögen ſie einen kaufmänniſchen oder einen wiſſenſchaftlichen Charakter tragen, müſſen, wenn ſie gut organiſiert ſind, ein vollſtändiges, ineinandergreifen— des Räderwerk vorſtellen.

Bei den Unternehmungen

nun in dem Tropengebiet

von Afrika ſcheint mir noch eine Lücke in dem Räder— getriebe zu ſein und ich bin überzeugt, daß durch Ausfüllen dieſer Lücke Afrika erſt dann recht für alle ſegensreich und gewinnbringend wird. Die Lücke, welche ich in dem Rädergetriebe ſehe, iſt die, daß man es, man kann wohl ſagen, ganz unterlaſſen hat, in einem Lande, wo der heim— tückiſche Feind, das Sumpffieber, für den Europäer ſo verderbenbringend iſt, aus den Eingeborenen junge Männer in der Medizin auszubilden, alſo daß man geeignete Leute hier im Lande zu gewinnen ſucht und ſie dann auf einige Jahre zu ihrer Ausbildung in den mediziniſchen Fächern nach Europa ſendet. Schreiber dieſes iſt nicht unbekannt geblieben, daß eingeborne Aerzte ſchon vorhanden ſind. Aber wie viele ſind das? Und dann ſind von den mediziniſch Geſchulten es meiſtens junge Leute von Liberia, ſolche, die in Teile des Landes, welche nicht unmittelbar an der Küſte liegen, Von einem an der Goldküſte anſäſſigen deutſchen Lands— manne geht uns obenſtehender beherzigenswerter Zuruf unter dem Titel zu: Ein Wort zur Beherzigung an alle, welche Weſt-, Oſt— und Zentral-Afrika zum Gegenſtand der Chriſtianiſierung oder zu rein wiſſenſchaftlichen Forſchungen, wie zum Gegenſtand von Kultur— und Handelsintereſſen gemacht haben oder noch Willens ſind, es zu thun! A

Kleinere Mitteilungen.

ungern gehen; aber was noch mehr iſt, es würde der Zweck nicht ganz erzielt werden, welchen man von Ein— geborenen erreichen würde, welche aus dem Lande genommen ſind, wo man ſein Arbeitsgebiet hat, oder aus dem Teil des Landes, welchen man Willens iſt, für ſeinen Zweck einzunehmen. Und für dieſes iſt es gut, ja von unberechen— barem Vorteil für die heimatlichen Leiter und Unternehmer, wie für die, welche in den äquatorialen Ländern weilen. Genießen werden beide Teile! Jene indirekt, leßtere direkt; viele Leben könnten nach meinem Dafürbalten erhalten werben, wenn ein jchnelles, ſachverſtändiges und energijches Eingreifen Platz finden würde. Uns dieſen Dienjt zu leiten, ijt der Neger fähig!

Sch glaube nicht, daß, wenn ic) fage, Afrika ver: liert, wenn es jo weit fommen wird, jeinen eigenartigen, fremd FElingenden Namen Sumpffieber- und Todesland,

ich zuviel gejagt habe. Das Fieber wird wohl feinem volljtändigen Ausrottungsverfuche weichen, aber den Stachel wird es verlieren. Möge obige Anregung, denn mehr will es nicht ſein, dazu dienen, daß ein Schritt vorwärts gethan werde, durch welchen alle, Miſſionare wie Naturforſcher, Kauf— leute wie Kultivateure, unendlich viel Zeit, Kraft und Geld gewinnen würden! Ja, auch den Eingeborenen würde dadurch die Hand gereicht werden, mehr als es bisher geſchehen iſt und hat geſchehen können, um ſich aufzuraffen, um ein Volk zu werden, frei von allem, was dieſelben noch gefangen, noch feſthält

an dem alten Götzendienſt, welcher der Träger aller Stumpf— heit und Gleichgültigkeit bei ihnen iſt. Nur durch eine innere Umwandlung, durch die wahre Kultur wird es mög— lich ſein, Afrika zum Segen für ſich ſelber wie für uns zu erſchließen. Und folgen wir Livingſtone, dem Bahn— brecher des ſchwarzen Erdteils, in ſeinem beharrlichen Streben, Afrika mit ſegensreichen Unternehmungen zu be— glücken, ſo, hoffe ich, wird auch die Zeit nicht mehr fern ſein, wo die Söhne Afrika's ſelber die Träger der wahren chriſtlichen Kultur pflegen werden!

Kleinere Mitteilungen. Dr. Snellen über jeine Nordlichtbeobacdjtungen. Ueber die von Dr. Snellen während feines jüngften Aufenthalts im Kariſchen Meere vorgenommenen Nordlichtbeobachtungen jagt diefer Forſcher: Es ift mir geglüct, einige Nefultate zu erhalten, die vielleicht dadurd wichtig find, daß meines Wiffens das Nord» icht noch nie während eines ganzen Winters im Karifchen Meer beobachtet worden ift. Dasjelbe war im diefem Fahre jehr veränderlich. Einen Bogen, wie ihn Nordenſkiöld während der Riſe der „Vega“ beobachtet hat, der ftundenlang unveränderlich iiber dem Horizont fihtbar war, haben wir nicht gejehen, wiewohl die Stelle, wo wir iiberwinterten, ebenfoweit von dem von ihm ange»

Kleinere Mitteilungen. nommenen Nordlichtpol entfernt war als das Winterquartier der „Vega“. Vielleicht kommt dies daher, daß unſere Beobachtungen dem Maximum der elfjährigen Periode näher waren. Wenn ſich ein regelmäßiger Bogen zeigte, ſo wurde er bald unregelmäßig und ging in die Bandform über. Dieſes Band näherte ſich dem Zenith und ſchien wie eine Gardine in der Luft zu ſchweben. Die eben über dem Horizont gelegenen Teile waren meiſt farbig, der obere Rand war undeutlich begrenzt und grün, der untere ſcharf und rot. Hier war auch die wallende Bewegung am ſtärk— ſten und bot das Schauſpiel, welches unter dem Namen „Merry dancers“ bekannt iſt. Hieraus entſtand, wenn die Erſcheinung kräftiger wurde, eine Krone, welche ſich immer ſehr nahe dem aſtrono— miſchen Zenith bildete; fie war meiſt grünlich-gelb, hatte alſo die gewöhnliche Färbung des Nordlichtes. In einzelnen Fällen zeigte ſich auch die rote und grüne Färbung, während fi) das Ganze in vuhelojer Bewegung befand. Die Kronen dauerten immer nur kurze Zeit und deutliche Strahlen wurden ſowohl bei der Krone als bei dem Bande nie bemerkt. Die Beſtimmung der Höhe des Nordlichts durch Beobachtung der Parallare mußte leider unter: laffen werden, da es mit Nidjicht auf die Bewegung im Eife zu gefährlich jchien, zwei Perſonen einige Zeit lang nach einer etwa eine Stunde entfernten Stelle zu jhiden. Aus den Mefjungen, welche Dr. Suellen gemacht hat, berechnet ev nad) der von Nor— denſkiöld aufgeftellten Formel die Höhe des Nordlihts über der Erde auf 0,03 des Erdradius oder 1S0 Km. Der Konvergenzpunkt der Kronen fonnte nicht mit dev Genauigkeit bejtimmt werden, welche nötig ift, um daraus nach Galle den Abftand bis zur Erdoberfläche zu beſtimmen. Leſſar über die Kara-Kum-Wüſte.“ In der Situng der Ruſſiſchen Geographiichen Gejellihaft won St. Petersburg am 7./19. Dezember ſprach Herr Leſſar itber die jandigen Gegenden der Kara-Kum-Wüſte und das fogenannte Tichardihuiflußbett des Oxus. Der Berichterftatter teilt die ſan— digen Gegenden der Wüſte Kara-Kum in drei Kategorien ein und zwar: a) in folche, die ein Gebiet darjtellen, welches von Kleinen Hügeln bedeckt und von Geſträuch bewachjen ift; b) Gegenden, die Hügel enthalten, welche aus Treibſand zujammengeweht find und eine jpärlihe Vegetation haben und c) Gegenden, die nur aus Sand beftehen und jeglicher Vegetation entbehren. Mit Nachdruck hob Leſſar hervor, wel ſchlimme Folgen die Vernichtung der früher in der Kara-Kum befindlichen Brummen und Zifternen gehabt hat. Die Mehrzahl diefer Brummen erhält das Waſſer entweder aus dei tieferliegenden Erdſchichten oder es iſt das in den Gruben gefammelte Regenwaſſer. AlS die Kara-Kum-Wüſte noch von Nomaden bevölkert war, jorgten dieſelben für die Erhaltung der Brunnen, während fie gegenwärtig entweder ganz ver— nachläffigt oder auch von dei umherziehenden Räubern verjchüttet find. Das Wafjer in den noch ftehenden Brummen verbreitet infolge der in denjelben enthaltenen faulenden Stoffe einen widerwärtigen Geruch. Was nun das Biehfutter betrifft, jo ift jolches auf dem ganzen Gebiete reichlich vorhanden, demm außer dem Strauchwerk findet man fogar auch recht zarte Gräfer. Im allgemeinen tft die ehemals jehr belebt gewejene Kara-Kum gegenwärtig vollfommen menfchenleer. Bezüglich der Frage des Verkehrs in der Kara-Kum bietet derjelbe nach den Worten des Herru Leſſar feine bejondere Schwierigkeiten an den Nändern derjelben, doch wachjen fie im der Richtung zum Zentrum zufehends. Um das in der Kara-Kum verſchwundene Yeben wieder herzujtellen, wäre daher vor allen Dingen für eine Verbefferung des Trinkwaſſers im den Brunnen und die Erhaltung der letsteren zu jorgen. Außerdem wäre die Errichtung von Wegweifern auf den Pfaden notwendig. 1 Siehe „Ausland“ 4

1885, Nr. 51, S. 1015.

97

Als Beweis für die unumgängliche Notwendigkeit ſolcher Wegweifer kann angeführt werden, daß die Khane aus dei benachbarten Gebieten die Errichtung derjelben ſich won jeher haben angelegen jein laffen. Schließlich wäre auch noch die Errihtung von Karawanfereten in der Kara-Kum winjchenswert. Zur Anwendung aller der erwähnten Mittel wäre vor allem, wie Leffar bemerkt, ein Friedenszuftand in der Gegend erforderlich, indem die Haupt— quelle fir die Eriftenz der Nomaden die Viehzucht fei, welche nur in friedlichen Berhäftniffen blühen kann. Die Herftellung des Friedens unter den Merw-Turkmenen wird die Konfolidierung ruhiger Berhältniffe zur Folge Haben, zu deren dauernder Befeftigung nach der Meinung der Tefinzen die Unterwerfung Merw's eine Notwendigfeit fet. Ueber die Beringsinfel und ihre Tierwelt bat Nordenſkiöld, welcher das entlegene Eiland auf feiner großen Fahrt um den Nordrand Aſiens bejuchte, tır der dänischen „Geografisk Tidskrift* eine Abhandlung zu Ehren Berings veröffentlicht, in welcher er mannigfache, in geographifcher und' naturhiſtor— iſcher Hinficht intereſſante Mitteilungen macht. Zur Zeit der Forfhungsreifen Berings war auf der nach ihm benannten Inſel vor allem die Tierwelt reichhaltig vertreten und es gab viele Arten, welche heute dort nicht mehr vorfommen. Zu den merfwürdigſten derfelben gehörte die Seefuh (Rhytina Stelleri), ein „ſchwimmender Didhäuter.” Sie war dunkelbraun von Farbe und mit Haaren bedeckt, die zu einer Art von Außenhaut zufammtengewachjen waren, welche der Ninde einer alten Eiche glich. Die Fänge der Seefuh betrug nad) Steller, einem Begleiter Berings, welcher nach deifen Tode die naturwiſſenſchaftlichen Forſchungen auf dem Eiland fortjette, gegen 10 m. und das Gewicht 500 Zentner. Zu Berings Zeiten graften dieſe Tiere, in großen Herden wie Hornvieh vereint, Überall längs der Küfte und ev wie jeine Begleiter töteten eine große Anzahl derſelben. Mau jah fie beftändig die am der Küſte veichlih vorfommenden Seepflanzen abweiden, wobei fie fih durch die Gegenwart von Menſchen nicht ſtören ließen. Später bildete die Jagd auf die Seekühe einen wichtigen Nahrungszweig für die Auffen, welche von Kamtſchatka nach den Aleuten Herüberjegelten ; fie wurden faft ausgevottet, jo daß fie zu Stellers Zeiten nur noch auf der Beringsinfel vorfamen. Die genaueften Unterſuchungen, welche die berühmten Afademifer dv. Baer und v. Brandt fpäter angeftellt haben, ergaben die auffallende Thatjache, daß die Rhytina Stelleri überhaupt niemals friiher von jemand gejehen worden ift, als im ‘Jahre 1741, und daß nachweisbar das letste Eremplar diefer Tierart im Fahre 1768 getötet wurde. Wie die Unterfuhung der Weidepläße der Seefuh durch den Botaniker der „Vega“, Dr. Kjellmann, ergab, hatte das Tier feinen Aufenthaltsort an einem der algenreichſten Meere gewählt. Der Meeresboden zeigt fich hier an günftigen Stellen mit Algenwäldern bededt, welche eine Höhe won 20 bis 30 ın, erreichen und in welchen die Stämme jo dicht ftehen, daß das Schabeifen bet Grundnetzunterſuchungen nur ſchwierig unten zwifchen ihnen eindringen fan. Dergeftalt waren die Berhältnifie als Nordenſkiöld mit dem Gelehrtenftabe der „Vega“ feinen Beſuch auf der Inſel machte. Es mußte ihm daranliegen, iiber die See— kuh Stellers genaue Informationen zu erhalten, Nordenjttöld juchte daher möglichft viele Skeletteile des Tieres zu erwerben und iiber jeine Geſchichte Auskunft zu erhalten. Beides gelang über Erwarten. Die Harmlofigkeit und Zutraulichkeit, welche zu Zeiten Stellers auf der Beringsinjel die Seefühe auszeichnete, hat ſich aud bei einer Neihe von anderen Tiergeſchlechtern der Inſel bis jetst erhalten. Nordenſkiöld gibt in dem vorliegenden Aufſatz hierüber Anskunft. Es betrifft zunächſt den ſchon zu Steller's Zeiten in ungeheurer Anzahl auf der Inſel vorhandenen Seebär. Die Alasfa-Kompany,

welhe

das Alleinrecht auf die Jagd der See—

98

Notizen.

bären beſitzt, erlegte im Jahre 1879 als Nordenfkiöld die Inſel beſuchte an 13,000, Bei Eintritt der Jagdzeit umringt eine An— zahl Fäger die Tiere und treibt fie die Küſte hinauf bis zu einem bejtimmten Schlachtplatz. Es bietet einen wunderlichen Anblic, wie die Männer, an Ort und Stelle angefommen, jedes Tier, das fie erft auf die Schnauze Schlagen, dann einfach mit einem Meſſer erftechen. Wie der Landwirt anderswo Herden von Rindern oder Schafen zieht, jo behandelt die Alasfa-Kompany die zahlreichen Herden von Seebären faft wie Herden zahmer Tiere.

Holisen. Afrika. Die Niebed’iheNiger-Erpedition verließ am!l. Januar Leipzig, um fich über Hamburg nad) Liverpool zu begeben, von wo die Einſchiffung nah der Mindung des Niger erfolgen foll. Ihr Leiter, Herr ©, A. Kraufe, aber benachrichtigte ung, daß er Hamburg faum vor Mitte Januar werde verlaffen können. Chavanne nah dem Kongo-Gebiet. Der bekannte Schriftfteller und Kartograph Chavanne aus Wien wird im Monat Februar 1884 im Auftrag des Institut National de Geographie in Brüffel eine Forſchungsreiſe nah) dem Kongo und deffen nördlichen Zuflüffen antreten. Er beabfichtigt, infofern die neueften Berichte auf eingehender Information und nicht auf oberflächlichen Hörenfagen beruhen, dem Kongo aufwärts bis zum Ufere (20 n. Br.) zu folgen und dann nordöſtlich in das noch tiefverfchleierte Geheimnis der Waſſerſcheide zwiſchen Kongo, Schari und Welle vorzudringen. Iſt dem wirklich jo, jo hat er fi) die ruhmreiche Aufgabe geftellt, das wichtigfte Problem der neueften Afrikaforſchung zu löfen! Dufourcg, Chef der Expedition, welche im Auftrag des franzöſiſchen Kultusminifteriums Brazza's Unternehmung am Kongo verjtärken ſoll, hat fih mit 6 Begleitern am 21. November 1885 in Bordeaur nad Gabun eingefchifft. Die eingehende In— ſtruktion, welche Dufourcq vom Miniftertum für die Reife erhalten, lautet nach der „Gironde“ jo wiffenshaftlih und harmlos als nur möglih: „Erforfhung des Yandes, Fartographiiche Aufnahme des— jelben, Studium der Volferichaften und der Bodenprodufte, freundIhaftliher, zur Zivilifation befehrender Umgang mit den Einge— borenen, Anbahnen

eines

fiir beide Teile gewinnreichen

Handels-

verfehrs, Etablierung von Stationen zwiihen Kap Yopez und der Mündung des Kuilu und damit „die jo zu jagen moralifche und fommerzielle Befisergreifung“ der befagten Küftenftrede für Frankreich. Letzteres jcheint uns des Pudels Kern der „friedlichen“ Expedition Dufourcq zu fein. Kameruns. In einem Bericht, welchen Herr Dr. Paſſavant während der vorjährigen Verſammlung deutſcher Naturforicher und Aerzte in der erjten Situng der Sektion für Geographie, Ethnologie 2c. von dem Schauplatz feiner afrifanifchen Forſchungen mitteilte, wird die Umgebung von Kameruns al3 jehr wajjerund fumpfreich gejhilvert, indem der Kamerunfluß einige Stunden oberhalb jeiner Einmündung in's Meer fih zu einem großen Beden erweitert. Diejes Beden ift umgeben von einem labyrinthartigen Flußſyſtem, in welhem fi maſſenhaft mit Mangrove bewachſene Inſeln befinden, Die DMangrovebäume bedingen ſumpfigen Boden und find fomit Haupturfache des dort herrjchenden Fiebers. Infolge diejer eigentiimlichen Terrainverhältniffe fünnen größere Ausflüge nur zu Waffer gemacht werden. Als Hauptjchwierigkeit beim Eindringen in's Innere bezeichnet Herr Paſſavant die Eifer-

jucht, mit welcher die Küftenneger ihre Handelsintereffen wahren. Diefe leben nämlich beinahe ausjchlieglih von dem Ertrage des Zwiſchenhandels zwifchen den Weißen und den weiter im Inneren wohnenden Negern. Da fie nun bis zu geleiftetem Gegenbeweis jeden Weißen als Händler betrachten, Yafjen fie weder den Weißen in's Innere, noch Neger aus dem Inneren an die Küfte gelangen. Erſt durch feinen längeren Aufenthalt, ſowie durch viele Ausflüge und Bejuche bei den ummwohnenden Häuptlingen gelang es dem Keifenden, von den Negern die Zufiherung einer ungehinderten Paſſage zu erlangen, da fie fchlieglich einfahen, daß er abjolut feinen Handel treibe, ; Bom Kongo. Authentiichen Informationen zufolge wünſcht die Internationale Afrifanifhe Gefellihaft eine möglichſt zahlreiche Anftedelung auf dem von Stanley eingenommenen Gebiete und hat ihren Delegierten beauftragt, falls ſich die Erpeditionen irgendwelcher Nation dafelbft niederlaffen mwollten, ihnen den notwendigen Grund und Boden unentgeltlich abzutreten. Vor allem wünſcht man Anftedelungen bei den am Kongo gegründeten Sta— tionen, um aus diefen eine Art freier Städte entftehen zu ſehen. Eines der herporragendften Mitglieder der Afrikaniſchen Geſellſchaft Hat ſich vor kurzem dahin geäußert, es wäre bald Zeit, daß deutjche Induſtrielle und Kaufleute fih an den Kongoftationen niederliegen, damit ihnen nicht die anderen Nationen zuvorfämen. Ach würde fi die Einrichtung eines Konfulats dafelbft ohne Koſten bemwerfftelligen Yaffen, wodurch ſowohl deutſchen Kaufleuten, al3 deutjchen Forſchern große Vorteile erwachſen würden. Daß man ander— wärts die merkantile Bedeutung Afrika's voll zu würdigen verfteht, geht aus mancherlei Anzeichen hervor. Zunächſt ift eine neue monatliche Dampferlinie von Antwerpen nad der Weſt— füfte von Afrika durch die „Anglo-African Steamjhip Company“ eingerichtet worden. Am 15. September vorigen Jahres war das Schiff „Chigwell” abgegangen. In Belgien haben fi) ſchon ſechs Gejellichaften zur Ausbeutung des Kongogebietes gebildet.

A. 3) Handelsverhältnifje in Südafrika. In der Situng des „Bentralvereins für Handelsgeographie” in Berlin vom 2, November 1883 berichtete Dr. A. Fick über die Produftionsund Handelsverhältniffe der Kapfolonie und der umliegenden Länder. Während eines vierjährigen Aufenthaltes dortjelbft hatte er reihe Erfahrungen gefammelt. Die Erportartifel des Kap— fandes bilden außer Häuten und den Haaren der Angoraziege wejentlih Wolle, Straußenfedern und Diamanten. Die Wolle erzielt feine hohen Preife, da man nicht durch Einführung guter Zuchttieve fir Verfeinerung derjelben forgt. Die Straußenzucht, die anfangs der fiebziger Jahre jehr rentabel war, befindet ſich durch das außerordentliche Sinfen der Preife für Stranßenfedern jehr ftarf im Rückgang. Der Erport der Diamanten hat durch den Krach von 1881 jehr gelitten. In diefen Urfachen liegt Die gegenwärtige Handelskrifis begriindet. Trotzdem bietet dag Kapland noch ein günftiges Feld fin thätige Kapitaliften. Der Eifenbahnbau im Oranjeſtaat und in Transvaal hat noch nicht begonnen und

bietet

eine

große

Zukunft.

Ebenfo

der Bergbau,

denn

an

Kohlen, Kupfer und Eifen ift fein Mangel. Die Handelsgejchäfte werden auf eigentimliche Weife betrieben. Die Großhändler geben mittellofen Zwiſchenhändlern, ihren „Vaſallen“, die Waren zum Vertrieb und zwar auf Kredit bis zu 10,000 Po. St. Die Zwiſchenhändler führen die Teilung der Arbeit fort bis zu den „Untervafallen und Hanfierern.” Da der Bauer nur alljährlich zur Beit der Schafſchur und zwar mit Wolle bezahlt, jo mindert natürlich der lange Kredit und das damit verbundene Riſiko ziemlich beträchtlich den Gewinn der Unternehmer. Neue afrilaniihe Straußenart. Ein unlängft an— geblich aus dem Somalilande nad) Europa gelangter Tiertransport hat ung, wie die „Zeitſchrift für Ornithologie“ meldet, einen

Notizen. neuen Strauß zugeführt. Ein Exemplar befindet fich jeit wenigen Monaten im zoologishen Garten zu Berlin, andere jollen nach Köln,

Hannover und Paris gefommen

jein.

Der im Berliner Garten

befindliche Bogel, ein altes männliches Individuum, hat ſchwarzes Gefieder mit weigen Flügeln und Schwanzfedern wie jet Better Struthio camelus, welcher bisher als einzige Art der Gattung befannt war, denn die früher verfuchte Sonderung von nördlicher und ſüdlicher Kaffe ift nicht aufrecht erhalten worden. ° Er unter— ſcheidet fih von leßterem aber höchſt auffallend darin, daß alle nacten, ımbefiederten Körperteile, wie Kopf, Hals und Beine, nicht hellvot wie bei dem bisher befannten Strauß, jondern graublau gefärbt find, während der Schnabel ſowie die Horntafeln an der Vorderjeite des Laufes durch blaßmennigrote Farbe grell ſich . abheben. Die Verbreitung diefer neuen Straußenart, für welche der wilfenjchaftliche Name Struthio molybdophanes vorgejchlagen wurde, dürfte fich über die Ebenen des Somali- und wejtlichen Gallalandes von 10,0 n. Br. bis zum Nequator erftreden. Die Korallenfijcherei au der Hüfte Algeriens wurde nad dem „Annuaire statistique de la France“ vom Jahre 1882 während des Jahres 1879 von 197 franzöfifhen, 9 italienischen, 3 ſpaniſchen und von 3 Fahrzeugen verjchiedener anderer Nationen ausgeübt, Diefe 212 Schiffe gewannen 17,576 Kilogramm Ko— rallen im Werte von 53,628 Francs. Im DVorjahre waren 234 Schiffe damit bejchäftigt gewejen und hatten 34,298 Kilogramm im Werte von 102,840 Frances erlangt, An derſelben Stelle wird angegeben, daß im Jahre 1879 der Export von Halfa, Lygeum spartum, aus Algerien nach Frankreich 1252, nach Eng(and 47,761, nad) Spanien 11,600, nah Portugal 1182, nad Belgien 734, nah anderen Yändern 17 Tonnen, alſo im ganzen 62,596 Tonnen betrug. Bad Ein neue? Fuhrwerf für Erpeditionen in Afrika. Man hat in Paris einen Karren fonftruiert, welcher auf den nu— wegjamen Pfaden am oberen Senegal ſich prafttich erwiejen hat und voriges Jahr von der Expedition Desbordes in 60 Exemplaren benittt wurde; für die fommende Winterfampagne wurden aber: mals 70 Stüd in Toulon verladen. Der Karren befteht aus Eijenblech, hat Räder und Deichjel aus Eifen, ift 1,50 m. lang und 0,80 m. breit. Die gejchloffenen Karren haben ein Gewicht von 187 Kgr., die offenen von etwas mehr al$ 22 Kgr. (?). Alle Teile laffen fich leicht auseinandernehmen und können auf Manltieren verpadt werden; je 2 Maultiere tragen die Laſt eines Karrens. Für gewöhnlich werden die Maultiere davorgeſpannt und ziehen per Wagen und Tier eine Yaft von 6 bis 7 Kgr. Die Käften der Karren find mwafjerdicht; fie dienen zugleich als fleine Kähne oder als Bontons zum Ueberjchreiten von Bächen und Moräften, Bei einem Angriff der Eingeborenen ſchiebt man die Karren in einander, jehlägt die Dedel auf und hat dann eine jehr fefte Wagenburg, an der die Geſchoße der Feinde machtlos abprallen. Abjolut notwendig zur Verwendung diefes neuen Fuhrwerks ift eine genügende Anzahl einheimifher Maultiere (die europäiſchen vertragen das Klima nicht) und vor allem das Borhandenfein einer zahlreihen Begleitmannihaft. Denn da man beim lleberjhreiten auch geringfügiger Hinderniffe, iiber welche der gemöhnliche Träger mit feiner Laſt auf dem Kopfe oder den Schultern bequem hinübergekommen wäre, den Karren zerlegen und gelegentih) aus- und einpaden muß, jo bedarf man vieler Hände, um nicht zu viel Zeit zu verbranchen und das Vorwärtskommen außerordentlich zu erſchweren. Anftralien, Nohmals eine auftralifhe Erpedition nad Neu— Guinea. Auch der Befiter der in Melbourne täglich erjcheinenden Zeitung „Age“ hat es dem „Argus“ und „Ihe Auftralafian“

99

nachgemacht

md

den

Mir.

Morrifon

nad)

Neu-Guineag

gejchic,

um das unbekannte Innere dieſer Inſel zu bereifen. Die erfte Nachricht iiber ihn meldet, daß ihm in der Entfernung von 14 E. Mt. von der Kitfte fast feine ganze Habe von den Eingeborenen gejtohlen wurde. Es muß alfo mit der von Kapitän Armit gepriefenen Treue und Ehrlichkeit der Eingeborenen von Neu-Guinea! fern von der Küſte Doch wohl nicht weit her fein. Mr. Julian „Argus“

und

ſchickt wurde,

Thomas,

„Ihe Auftralafian” um

welher

Befitern

der

nach den Neu-Hebriden

von

den

ge-

dieſe Inſelgruppe zu erforjchen, ift am

16. Auguft

auf der Inſel Bate oder Sandwich-Island im Süden des Archipels eingetroffen. Er wurde im Numea vier Wochen aufgehalten. Der Gouvernenr von Neu-Kaledonien hatte, der vielen dortigen unbejchäftigten Nezidiviften aus Frankreich wegen, den Import von Kanafas aus den Neu-Hebriden bis auf meiteres unterſagt, ſo daß es an der Verbindung dahin fehlte. Endlich gelang es ihm, mit einem Dampfer der New-Hebrives Kompany befördert zu werden. ES ift Dies eine von englifchen Kapitaliſten gegründete Aftiengefellihaft mit Sit in Numea und fteht unter franzöfiihem Schutze. Sie hat fehr beträchtliche Ländereien auf den Neu-Hebriden Fäuflich von den Eingeborenen an ſich gebracht und ihr dortiger Verwalter, manager, wohnt in Havannah Harbon, dem Hafen der Inſel Sandwich. Ueber die franzöfiiche stolonie Neu-Kaledonien ſpricht ſich Mr. Thomas in der wegwerfendften Weife aus, alles ift dort abſcheulich! Freilic) mag der Aufenthalt unter franzöſiſchen Rezidiviften und etlichen taufend Stanafas nicht der angenehmfte fein. Aus Brisbane (Kolonie Queensland) wurde am 13. Oftober berichtet: Kapitän W. Armit, der Leiter der Neu-Guinea-Expe— dition, und die ihn begleitenden Meſſrs. Loftus und Irving, jowie die beiden Söhne des Profeſſor Denton find Hier joeben auf dem Miffionsihuner „Ellangowan” eingetroffen. Brofeffor Denton iſt am 26, Auguſt in Neu-Guinea 90 E. DU. Tandeinwärts dem Sieber erlegen. Die Eingeborenen zeigten ſich überall freundlich. 9. ©. Landanſprüche auf Fidſchi. Deutſche Bürger erheben Anfprühe auf Yand in Fidſchi, die in die Zeit vor der englischen Befigergreifung zurückreichen. Seit Jahren bilden vdiefelben einen Gegenftand der Verhandlungen zwifchen Deutjchland und England. Deutſchland behanptet, daß ein großer Teil des früher in gejetlicher Weife an Deutfche in Fidſchi abgetretenen Landes den Eingeborenen oder den SKolonialdomänen wieder zugeführt worden jet, ohne daß dabei ein rechtmäßiger Weg verfolgt wurde. Deutſchland schlug vor, daß alles Land, das in Formen abgetreten worden fei, welche umter der früheren Herrjchaft, d. h. unter den eingeborenen Häuptlingen, gültig geweſen, dei deutſchen Beſitzern zurückgegeben werden jolle, worauf Yord Derby erwiderte, daß nad) dem alten Recht der Fidjchianer Fein Häuptling das Recht gehabt Habe, das Land feiner Unterthanen zu verkaufen, Diefe Behauptung deckt erftens nicht die deutſchen Anfprüche und it zweitens ethnographiſch unvichtig, wie wir nächftens näher zu beweiſen hoffen. Zum Kulihandel in Bolynefien. Der franzofijche Marineminifter Admiral Peyron hat die Verordnung feines Vor— gängers, laut welcher die zwangsweife Einführung von Eingeborenen der Neuen Hebriden nah Neu-Kaledonien unterjagt fein jollte, wieder aufgehoben, In diefer Maßregel liegt einfach die Wiedereinführung der Sklaverei in eine franzöfifhe Kolonie. Die fran— zöſiſchen Koloniften von Numea haben in der That, da ihnen jelbft landwirtſchaftliche VBerrichtungen des Klima's wegen ſchwer falle,

bei der Regierung darıım petitioniert, billige und geeignete Arbeits1 Siehe „Ausland“

1884, Nr, 1.

100

Notizen.

fräfte importieren zu dürfen. Die vegierungsfeitig nun erfolgte Bewilligung diefes Berlangens wird zu Menſchenraub und Gewaltthätigkeiten aller Art auf den umliegenden Inſelgruppen im Stillen Ozean führen. Die Bevölkerungund die Revenueder auſtraliſchen Kolonien ſtellte ſich in runder Zahl am Schluſſe des letzten Finanzjahres, am 30. Inni 1883, auf folgende Höhe: Bevölkerung Revenuen

Viktoria

920,000

110,000,000 ME.

Neu-Südwales Neu-Seeland Siüd-Auftralien Queensland Tasmanien Weſt-Auſtralien

850,000 550,000 310,000 250,000 125,000 33,000

112,000,000, 30,000,000 95,000,000 45,000,000 10,000,0000, 5,000,000,

Total 3,038,000

14

u

2

>

hem Text in deutjcher Sprade — (fiehe „Ausland“ v. 21. Januar) ift a 1 Mark durch alle BudHandlungen, jowie gegen Einfendung des Betrages in Briefmarken,

fr. zu beziehen vom XBeltpoft- Verlag, Leipzig.

417,000,000 Mt.

Mit 1 Tafel und 10 Zeichnungen.

8. Preis 1M. 60 Bi.

BWirtjhaftlihes aus Tasmanien. Der Wert der gejamten Einfuhr im diefe Kolonie vepräfentierte 1880 die Summe von rund 1,369,220 Pf. St.; jener der Ausfuhr dagegen rund 1,511,93Pf. 0 St. Ferner famen im genannten Jahre 654 Schiffe mit 205,217 Tonnen auf der Inſel an und gingen 655 jolche mit 208,056 Tonnen ab. Die britiihe Flagge dominierte vollſtändig; von Schiffen anderer Nationen führt die Statiftif des ‚Jahres 1850 nur 6 Segelfchiffe als angefommen auf, nämlich 3 deutſche mit 690, 2 amerikanische mit 378 und 1 franzöſiſches betrug 750,040,

7

Bon Dr. €, Mehlis.

In Neu-Guinea find 15,000 Ader gutes BZuderland für ein zu Sydney gebildetes Syndifat angefauft worden und zwar zul Benny per Ader. Gegen diefen Vorgang, der zum Nachteil der Eingeborenen ftattgefunden hat, wird proteftiert.

an Weizen

.

7. Abtheilung.

99

Die Ernte

Latzina's Karte von Argentinien — mit ftatiftifc

Studien zur älteften Geſchichte der Rheinlande

Die Goldfelder von Viktoria. Unter den Goldfeldern der auſtraliſchen Kolonien ſind die von Viktoria die ergiebigſten. Ihre Entdeckung fällt in das Jahr 1851 und von da bis Ende 1882 wurde Gold im Werte von 205,743,348 Pf. St. = 4,114,866,960 Marl gefunden. Die größte Menge Gold Yieferte das Jahr 1853 im Betrag von 12.60 Millionen Pf. St. Das Jahr 1882 ergab einen Ertrag von 898,535 Unzen, 35,636 mehr als im Borjahre, im Werte von 3,594,140 Bf. St. = 71,882,800 ME. Die Zahl der Goldſucher belief fi) auf 36,890 gegen 38,568 im Jahre 1881, jo dag im Durchſchnitt auf den einzelnen Mann ein Gewinn von 972 Pf. St. oder 1950 ME. entfiel. Die mit Goldſuchen beſchäftigten Chinefen hatten fi” von 7941 im Sahre 1881 auf 7274 verringert. Das meifte Gold wurde aus Quarzriffen gewonnen. Das zu Goldfeldern erklärte Areal der Kolonie hatte am Schluffe des Jahres 1882 einen Umfang von 1299 E. O.Ml. = 833,689 Km, Der tieffte Schaft war bereits 2409 6. Fuß = 133 m. gejenft.

mit 439 Tonnen.

Anzeigen.

die an

Hafer 439,446, jene an Gerfte 169,156 Bujſhels. Auch Hopfen, Kartoffeln und europäiſche Obftjorten werden in großen Quantitäten gezogen und bilden wichtige Ausfuhrartifel. Die Geſamt— zahl der Pferde wurde auf 25,267 Stück geſchätzt; Rinder hielt man 127,187, Schafe 1,783,611 Stück. Im Segenfat zu einem lari Sieiliane per cura di Giuseppe Pitre. Vol. XII. Palermo, Lauriel, 1883,

Kleinere Milteilungen.

die verichiedenen Völkern, ja verjchiedenen Raſſen gemein: jam find. Natürlih muß man auch auf diefem Gebiete des Studiums der Entiwidelung des Menſchengeiſtes, tie auf den verwandten der Mythen- und Märenforichung, das Spontane vom Ueberfommenen jcheiden, und die ein: fachen Orundelemente aufzufinden jtreben. Herr Pitrè bat fich, wie in den meiſten feiner ftoffreichen Sammlungen, auch bier vorwiegend auf Beihaffung von Material be: ſchränkt. Die wiljenjchaftliche Verwertung des Gebotenen überläßt er in gewohnter Bejcheidenheit ſpäteren Bearbeitern diejes Gebietes. Er ſchickt ſeiner Sammlung nach einem

orientierenden Vorwort eine Eleine Abhandlung über Kinder: ſpiele voraus, eine Notiz über die Bibliographie der Kinder:

277

noch zu Zwecken dienen, von denen fich der Verfaffer, der

jo eifrig für wilfenschaftliche Zwecke arbeitet, wohl faum etwas träumen läßt. Sollte es in die geeigneten Hände fallen, jo möchte es leicht als Fundgrube benüßt werden zur ſtets mwillfommenen Vermehrung an Zeitvertreib und Beihäftigung für unfere Kinderwelt. Zum Schluß nur nod ein Wort des Danfes an den emſig arbeitenden Sammler, der jchon eine jolch’ Itattliche Reihe einſchlägiger Arbeiten geliefert, und nach Kräften dazu beiträgt, die reiche Entwidelung feiner Heimat, die jeit älteften Zeiten ein Zentralpunft des Kulturlebens geivefen, vor einftiger Vergeſſenheit zu bewahren. M. Benfey.

jpiele in Stalien, das Verzeichnis der Orte, wo die hier mitgeteilten Spiele gefammelt wurden, einige allgemeine Bemerkungen und Spielregeln, und jchlieglich ein Kapitel

über die Liedeben und Kettenfprüche, die zum Abzählen dienen. Ein beigefügtes Gloſſar gibt die italienische Ueberſetzung vieler unverjtändlicher fizilianischer Ausdrücke, und veranjchaulicht den häufigen Reichtum von Dialekt:

worten zur Bezeichnung des gleichen Gegenitandes. Auf die furzen Vorbemerkungen folgt das reiche Material. 316 verſchiedene Spiele, darunter einige Spielapparate, werden kurz und bündig, klar und anjchaulich bejchrieben, öfter auch verdeutlicht durch Slluftrationen nad) Vhototypen, auf denen die ausgeprägt italienischen Züge der kleinen Welt dem deutjchen Auge auffallen. Die Zahl 316 genügt an fich, den Neichtum zu beweiſen, deſſen ſich der an allem fo reihe Süden auch an den Spielen feiner Kleinen erfreut. Und dabei find es doch nur die Spiele, welche die fizilianische Jugend übt, die hier gefammelt tvorden. Es finden fih darin wiederholt Anflänge an Befanntes. Im deutfchen Norden beluftigt fich die Kinder: welt an manchem Spiele, das auch die feurige Jugend

Stziliend

unterhält.

(Siehe 3. B. 61. 76. 268.

281.

285. 20.) Anderes, dejjen ich mich bei uns nicht entjinne, erinnert an Englisches (92. 99.); jo fcheint mir 85 den

Keim zu dem fo vielbeliebten Krofet zu enthalten. Doch iſt es unmöglich, hier näher auf Einzelheiten einzugehen. Auffallend war es mir, daß nur eine vers ihivindend

kleine Anzahl

diefer Spiele

als für Knaben

und Mädchen gemeinschaftlich zu jpielen bezeichnet werben, Bei weitem die meisten find nur für Knaben, ſchon durch ihren Charakter, der Unerfchrodenheit, ja Wildheit, ſowie

große Kraft und Gewandtheit

in förperlichen Uebungen

bedingt; bei einigen find verſchiedene Formen angegeben, je nachdem fie von Knaben oder Mädchen gejpielt werden. Diefe Spiele enthalten natürlich manch' intereffanten Zug des Volfscharakters, der jo entjchieden fchon in dem Knaben

den fühnen, leivenschaftlihen und gewandten Mann im Keime zeigt. Vielleiht dürfte das Buch, das hauptjächlich für Forfcher auf dem Gebiet der Völferpfychologie beſtimmt

iſt und ihnen fchägbares Material

zur Verfügung ftellt,

Kleinere Mitteilungen. Ueber die ökonomiſche Lage auf den Kommandeur-Inſeln in Kamtſchatka. In der allgemeinen Verſammlung Geographiſchen

Geſellſchaft

vom

und

der Kaiſerlich Ruſſiſchen

7./19. März

machte

Herr W.

J. Dybowsky intereſſante Mitteilungen über die ökonomiſche Lage der Kommandeur-Inſeln und der Halbinſel Kamtſchatka. Der Vortragende bekleidete während fünf Jahren das Amt eines Arztes im Petropawlow'ſchen Bezirk des öſtlichen Küſtengebiets und fand als ſolcher häufig Gelegenheit, weit ausgedehnte Reiſen machen zu müſſen. Dieſer Umftand bewog ihn denn auch, ſich die Auf— gabe zu ſtellen, das erwähnte Gebiet in ethnographiſcher, zoo— logiſcher, botaniſcher und mineralogiſcher Hinſicht zu erforſchen. Herr Dybowsky erwähnte, daß ſeine Sammlungen ſich noch gegen— wärtig in Warſchan befänden und daß er daher vorläufig nur allgemeines über die wirtichaftlihe Yage der Kommandeur-Inſeln und der Halbinfel Kamtſchatka, ſowie einige ftatiftiiche Notizen über diefen Gegenftand bieten fönne, indem die Sammlungen nod) der Bearbeitung bedürfen. Die Gruppe der Kommandeur-JInſeln befteht aus der Berings- und der Kupfer-Inſel, und zwei kleineren Eilanden. Diefelben wurden im Fahre 1741 vom Kommandeur Bering

entdeckt,

deſſen Schiff,

der Segel und des Steuerruders

beraubt, durch den Sturm an das Ufer einer diefer Juſeln ge— trieben wurde. Anfänglich wähnten die aus dem Schiffbruch gevetteten 44 Mitglieder der Mannſchaft, an das Feſtland gejpült worden zu fein, allein Schiffsarzt Dr. Steller ftellte feſt, daß fie fih auf einer unbewohnten Inſel befänden. Dank der unermüd— fichen Energie diefes Mannes wurde die durchweg Franke Manıichaft gerettet; der kühne Seefahrer Kommandeur Bering jedoch ſtarb auf der Inſel, wurde auch hier beftattet, und ihm zu Ehren wurde diefelbe Berings-Infel genannt, Auf den KommanbdeurInſeln finden fich viele außerordentlich fiſchreiche Flüßchen und Seen. Auch die 110 Werft lange und 30 bis 40 Werft breite Berings-Inſel weift großen Neihtum an Wiejenland, Seen und Wafferläufen auf, und erjeheint daher zum Aderbau geeignet. Die Kupferinſel iſt von geringerer Ausdehnung und ungemein reich an Kupfer, das oft in mehreren Pfund ſchweren Klumpen zu Tage gefördert wird. Die Eingebornen behaupten, auf derſelben ſei auch ſchon Gold gefunden worden. Die Handelsgejellichaft der Kommandeur-Inſeln aber, welche ſich hauptſächlich mit der Ausbeutung der natürlichen Hilfsquellen beihäftigt, hält es für zweckdienlicher, die Mineralſchätze der Inſeln vorläufig noch ruhen zu laſſen. Der Pflanzenwuchs auf den Inſeln iſt kein

378

Kleinere Mitteilungen.

üippiger; doch) bat ſich der Berichterftatter davon überzeugt, daß Waldanpflanzungen auf denjelben möglih und der Anlage bon Strauchwerk vorzuziehen wären, Der Neichtum am Renntiermoos geftattet, Nenntiere

zu zlichten, von denen

gefetst worden find. Inſeln

15 auf den Juſeln aus—

Im allgemeinen kann das Klıma

als ein ftark veränderliches bezeichnet werden.

auf den

In manchen

Wintern ift die Temperatur fo milde, daß das Meer nicht zu: friert. Es werden indes aber auch jehr ftrenge Winter beobachtet, und dieſem Umftande jchreibt Dybowsty das Berjchwinden der Seekuh zu. Bon Säugetieren kommen gegenwärtig auf den Inſeln noch vor: der Seebär, die Seeotter und der blaue und weiße Fuchs. Die Bewohner der Inſeln find Aleuten, eine Mifchlinggraſſe von tatarifcher und nordamerikaniſch-indianiſcher Abſtammung, von kräftigem und gedrungenem Körperbau, mit kurzen Hälſen, vollen,

dunkelbraunen

Geſichtern,

ſpärlichem Bartwuchs,

langem,

ſchlichteem, ſchwarzem Haupthaar und ſchwarzen Augen. Die Frauen ſind durchſchnittlich als hübſch zu bezeichnen. Die Aleuten ſind treuherzig und friedliebend, fleißig, von religiöſem Sinn und zeichnen ſich durch einen heiteren Charakter aus; zu ihren Lieblings— zerſtreuungen gehört der Tanz. Leider iſt der Hang zu geiſtigen Getränken unter ihnen ſehr groß. Außer den Aleuten findet man noch auf den erwähnten

Inſeln Kreolen

und

eine geringe Anzahl

Amerikaner. Früher wohnten die Eingeborenen in äußerſt ſchmutz— igen Behanfungen, finfteren Erdhöhlen, welche mit hölzernen, mit Gras und Erde bededten Dächern verjehen waren, durch welche der Eingang in die Wohnung führte. Jetzt aber baut die Handelsgejellfchaft fiir diefelben Häufer mach europäiſcher Art, welche von Holz aufgeführt werden, das aus Amerika importiert wird. Auf dev Kupferinjel kann man im den Hänfern ſchon einigen Komfort vorfinden, obgleich in der Umgebung derjelben nad) wie vor ein eutſetzlicher Schmuß herrſcht. Die Aleuten kleiden ſich nach Art europäiſcher Arbeiter und erhalten fertige, aus San Franzisko ein— geführte Kleider. Die wirtſchaftliche Lage der Kommandeur-Inſeln verglich Dybowsky mit derjenigen auf Kamtſchatka. Die Kamtſcha— dalen befinden ſich in materieller Beziehung in völliger Abhängig— keit von den Kaufleuten,

die ſie auf jede Art ausbeuten.

Dieſelben

verkaufen ihnen die verſchiedenartigſten Kleinigkeiten, wie auch un— nötige Luxusgegenſtände: Spiegel, Atlas, ſilberne und goldene Schmuckſachen

u, a. m.

Aus

dieſem Grunde

reicht die Geſammt—

einnahme des Kamtſchadalen nur dazu aus, ſeine Schulden bei dem Kaufmann zu tilgen. Die Handelsgeſellſchaft der Kommandeur— Inſeln befolgt indeſſen ein ganz anderes Syſtem; ſie iſt auch mit auf die Wohlfahrt der Einheimiſchen bedacht und liefert ihnen ausſchließlich nur ſolche Produkte, welche ihre Lebensbedürfniſſe erheiſchen, als: Thee, Fleiſch u. a. Schließlich entwarf Dybowsky noch ein Bild des Erwerbslebens auf den zwei größeren der Kommandeur-Inſeln und auf der Halbinjel Kamtſchatka. Auf der Berings-Inſel gibt es weit mehr Arbeitsträfte als auf der stupferinjel, und trogdem beträgt ihre Produktion nur 410/, von dem Geſammtwert der Produktion der ganzen Sufelgruppe; der Wohlſtand auf dem verjchtedenen Inſeln ift daher auch ein une gleicher. Auf der Kupferinfel entfällt auf jeden erwachfenen Arbeiter eine jährlihe Einnahme von 135 Nbl., während er auf der Berings-Inſel fih nur auf 64 Rbl. jährlich ftellt, und auf der Halbinjel Kamtſchatka derjelbe blos die winzige Summe von 62 Rbl. im Fahre erwirbt. Die Hanptbefhäftigung der Aleuten bildet der Pelztierfang, der ihnen 45,000 Rbl. jährlich einbringt. Gemüſebau wird faft gar nicht betrieben, ebenfo ift die Viehzucht noch jehr zurid. Man kann hoffen, daß das Yeben auf den Inſeln fih allmählich gedeihlich entwicelt, wenn die Gejellichaft fortfahren wird, für die Berbefferung der lokalen Verhältniſſe mit der bisherigen Konſequenz zu forgen.

Der Stand des üffentlichen Unterrichtes in Brafilien. Ueber den Stand des Unterrichtes in Braſilien jchreibt die „Deutſche Poſt“ aus S. Yeopoldo: Für die Schulen wird von der Regierung Geld genug verausgabt, und wenn in den Negierungsſchulen doch nicht genug geleiftet wird, liegt e8 wirklich nicht daran, daß die Negierung Geld jpart. Dan jehe fi nur die folgende Tabelle an: Jährl. Ausg. für FJährliche Einnahme öffentl, Unterricht. Milreis à 2,20 ME, Amazonas

1,664,000

Pars

112,991

2,742,000

372,603

733,996 349,421 808,700 308,527 460,141

108,912 38,175 198,560 81,689 854,663

Maranhao Piauhy Ceara Mio Grande do Norte Barahyba Bernambuto

2,136,457

725,790

Alagoas Sergipe Bahia Espirito Santo Rio de Janeiro ©. Paulo Minas Geraes Barana Santa Katharina

692,355 716,653 3,484,687 358,980 6,258,684 3,743,460 3,084,440 797,000 342,354

145,352 120,718 556,503 92,518 915,484 532,816 760,340 115,740 91,107

Rio Grande

2,917,280

546,713

do Sul

Goyaz

222,234

36,000

Matto Groffe

241,286

52,260

32,662,058

5,686,943

Anzahl der Schulen. Minas Geraes S. Paulo Pernambuko Rio de Janeiro Bahia Rio Grande do Sul

1,085 774 211 602 598 408

Bara

289

Ceara Sergipe Alagoas

224 206 188

Barana Santa

185 Katharina

Maranhao Espirito Santo Parahyba Amazonas Rio Grande do Norte Goyaz Piauhy Matto Groſſo

151

150 104 91 86 84 66 61 57

6,180 Im Jahre 1874 gab es nur 4012 Schulen; ſomit hat die Zahl derjelben fich in den letzten 9 Jahren um 2168 vermehrt. Nechnet man nah dem lebten Zenſus die Zahl der freien Bewohner Brafiliens auf 8,193,639 Seelen, jo fommt eine Schule auf 1239 Bewohner.

Notizen.

Notizen.

ud die Trennung hat daher wor nicht allzu langer Zeit ftattgefunden. Infolge Aufnahme genauerer Vokabularien hat ſich in neuefter Zeit gezeigt, daß die ſüdlichen Stämme der Witchita (oder

Amerifa.

Pawnee-Pikts),

Bon Dr. Töppen find bei der Geographiichen Gefellichaft in Hamburg neue Nachrichten eingelaufen iiber einen Ausflug, den er in Baraguay von Aſunzion nach der jitdöftlich gelegenen Stadt Villarifa unternahm. Dieſe Stadt zählt nicht, wie öfters angegeben wird, 12,000 Einwohner, jondern höchftens 4000, Die Ihon auf Petermanıs Karte 1875 (im Ergänzungsheft Wr. 39) als projeftiert bezeichnete Eifenbahn zwischen beiden Städten tft noch

immer

nicht

fertiggeftellt.

Man

fieht

mit Ungeduld

der

Beendigung der Arbeiten entgegen, um dann endlich den erhofften Warenabjat nad) Europa zu erlangen. Die Umgegend PVillarifas iſt äußerſt fruchtbar, die Bevölferung zum großen Teile eine aderbanende. Beſonders wird Tabaf kultiviert, dann auch Wein u. a. Die Preife des Tabaks find durch die Konkurrenz Argentiniens neuerdings jo jehr gefallen, dag man 1000 Zigarren für 1 Mark faufen kann. Einige größere Beſitzungen find in deutſchen Händen. BES, Das welcher von

Nefultat von

der

140 Mann

der Neije

bolivianischen von

Tarija

des

Franzoſen

Regierung

mit

in Siüd-Bolivia

Thonart,

einer Bedeckung (unter 640 w. 8,

v. Gr.) zur Erforſchung des großen Flufjes Pilfomayo ausgefandt wurde, ift ein befriedigendes. Er ift nach zwei Monaten jetzt glücklich inAſunzion angekommen. Zwei Tage hindurch hatte er ernſtliche Gefechte mit 700 Indianern zu beſtehen; ſpäter verſuchte man

das Geſtrüpp

in

der

Nähe

der Expedition

in Brand

zu

ſtecken. Thonart hat den Umfang der diefen Fluß begleitenden Simpfe, die Höhe der Flußufer, ſeine Stärfe, Breite und Tiefe feftgeftellt. Derjelbe ift überall jhiffbar, kann fomit einen bequemen Verkehrsweg abgeben. Dr 2, Neue vom

Höhlenftädte

U. S. Geological

in

Survey

Arizona. berichtet

James

an

Major

Stevenjon Bowell

von

neuen Höhlenftädten, die er in den San Franzisfo-Bergen (San Juan-Bezirk, Arizona)-entdedt hat. Eine derjelben, in der Nähe des Gipfels von einem der vulkaniſchen Borberge dieſer Kette angelegt, bejteht aus lauter unterivdijchen Gruppen von Näumen, die durch Schächte zu erreichen, aber untereinander ohne unter— indische Verbindung find. Die Miindungen der Schädhte waren in einzelnen Fällen von Mauern umgeben. Man fand von Reſten der Bewohner ftarke Feuerſpuren, Steinärte, Mühlſteine (Metates), irdene Waren von mannigfaltiger Geftalt, Nadeln und Ahlen aus Knochen, Schmudjtüce aus Dbfidian und Muſcheln. Möglicherweiſe ftand dieſes Dorf in Verbindung mit einer in geringer Entfernung

gelegenen

„Cliff

City”,

die

in

die faft jenkrechten

Wände eines Kanon in der aus Neumexiko befannten Weije eingegraben war. Hier fand man einen Wirtelftab, der an die Pueblos Neumexikos erinnert, Nejte von Mais und Walnuß umd gewobenes Zeug von unbefannter Safer. Wir enthalten uns, die Spefulationen wiederzugeben, auch mm im aller Kürze, welche amerikanische Blätter an dieſe Kunde fnüpfen. Fir den nüchternen Erhnographen bedeuten fie nichts als die tuterefjante Ausdehnung des Gebietes,

in dem

ähnliche Höhlen- und

in der Gebirgsregion Neumerifos Der Bani-Spradftam m. der Pani-Indianer (englifch Pawnee)

Abgrundftädte

und Arizonas

ſchon

befannt waren.

Das urjprüngliche Yändergebiet erjtrecdte fi) vom

Niobrara-

Fluſſe ſüdlich bis zum Arkanfas-Fluffe und vor längerer Zeit aweigten fi) won den Pani die Arifari ab, welche eine Strede Yandes

am

oberen

Miffonri

379

befiedelten

und

fich ſelbſt Sanifh

nennen. Dorthin gelangten fie umftreitig infolge ihrer jährlichen Büffeljagden; jett find fie eine geraume Strede unterhalb Fort Berthold angefiedelt. Die Sprache beider Stämme ift faft identiſch

Kaddo

dev Tawakone,

Spraden

der Kitchai, Weko

reden, die dem Pani verwandt

jelben das ganze Gebiet des Ned heutigen Texas bewohnten,

Niver

jo gewinnen

(Huefo) und der find und da die-

und etwa

die Hälfte des

wir dadurch

einen Sprach—

ftamm, der ein ungeheueres, dem des Dakota-Stammes faft gleichfommendes Gebiet eingenommen hat und aus demfelben evft feit etwa 100 Fahren allmählic) verdrängt worden if. Die den Pant angeborne Tapferkeit hat einft gewiß nicht wenig zu weiterer Ausbreitung derjelben beigetragen. Alle diefe Sprachen find nicht ſehr konſonantiſch, endigen ihre Silben vokaliſch und befiten eine formenreiche DVerbalflerion. Der Kalaveras- Schädel. Gegen das tertiäre Alter des im goldführenden Kies in Stalaveras County gefundenen Schädels erhebt Cope jchwere Bedenken. Er macht zumächft darauf auf merfjam,

daß der Schädel

gleiht und daß ud

die mit

Steinwaffen

ganz

völlig

den

rezenten

Indianerſchädeln

ihm zujfammengefundenen mit

denen

Gegenftände

übereinftimmen,

welche

die

Indianer bis im die neueſte Zeit verfertigten; befonders die Stein— waffen aus Obſidian find von ausgezeichneter Schönheit und fehen völlig frisch aus. Die Bildung von Konglomeraten aus dem Goldkies

dauert

aber

immer

noch

fort.

Die

Hauptſache

ift

indes, daß der Kies in Kalaveras County jehon früher von den Eingeborenen auf Gold bearbeitet worden iſt. Gerade am Table Mountain, unter welchem der Schädel gefunden wurde, bejchreibt Schoolcraft einen alten Schacht, den die Indianer bis zu 70 m. Tiefe abgeteuft hatten und gerade in der Gegend dieſes Schachtes wurden in einem unter die Bafaltplatte getriebenen Stollen Geräte und Steinwaffen gefunden. Es wäre alfo der Exiſtenz des ter— tiären Menjchen gegenüber immerhin noch einige Reſerve zu beob achten. Ko. Chinejen in Britiſch-Gujana. Ein Korrefpondent des „Yondon and China Telegraph“ jhätt die Zahl der heute in Britiſch-Gujanag befindlichen Chinejen auf 4000 bis 5000. Die hinefiiche Einwanderung hat ihm zufolge hier, wie im übrigen Britische Weftindien, wenig Ausfichten, da die jeit Jahren hier unter fünfjährigen Kontrakten eingeführten Indier angeblich) ebenjogut arbeiten, dabei aber friedlicher, ehrlicher und genügſamer find. Der brafilianifchen Regierung, welche ſich bekanntlich um chine fiiche Arbeiter bemüht, wird, wie man hört, der Bezug von In diern (als Kontraftarbeiter) empfohlen. Bevölkerung

Voltszählung

VBenezuelas.

Nah

den Ergebniffen

von 1881 hatte die Republik Venezuela

der

eine Ge—

jamtbewölferung von 2,075,545 Seelen. Die Zahl der fich dort aufhpaltenden Fremden betrug in diefer Zeit 35,619; hierunter waren 11,544 Spanier, 4041 Engländer, 3237 Staliener, 3206 Holländer, 2186 Franzoſen und 1171 Deutjche. Ueber die Bewohner Feuerlands welcher von einer wiffenjchaftlichen Expedition lich nad Frankreich

zurückkehrte,

folgendes

teilt Dr. Hyades, zu denfelben kürz

mit:

Die angeftellten

Zählungen und Nachforjchungen laſſen nicht auf ein jchnelles Aus fterben dieſes Menſchenſchlages ſchließen. Die Blutkügelchen fcheinen in dem Blute der Feuerländer weniger zahlreich zu fein als bei den Europäern. Die Nahruug iſt ansſchließlich tieriſchen Urſprungs. Die Feuerländer leben hauptſächlich von gekochten oder halbgeröſteten Fiſchen und trinken keinerlei geiſtige Ge tränke. Rot iſt ihre Lieblingsfarbe, während ſie die übrigen Farben leicht verwechſeln. Die Kleidung beſteht aus Seehund und Otterfellen,

welche über die Schultern

geworfen

werden.

Die

Feuerländer wiſſen nichts von Tanz und Muſik, ebenſowenig von bildenden Künſten. Von den Zahlen wiſſen dieſelben nur die drei

280

Litteratur.

erſten mit Worten den Fingern.

zu bezeichnen,

Von Charakter

darüber

hinaus zählen ſie an

ſind ſie munter

und mitteilſam, mit

Hang zur Melancholie. Menſchenfreſſerei kennen ſie nicht. Toten— und Beerdigungsgebräuche ſind bei ihnen nicht beobachtet worden. Sie ſcheinen auch keinen religiöſen Glauben, keinen Begriff von der Unſterblichkeit derSeele zu haben. Vielweiberei bildet eine Ausnahme. Es gibt weder Häuptlinge noch Sklaven. Die ge— ſellſchaftliche Gliederung gebt nicht über die Familie hinaus, weshalb auch felten eine größere Anzahl Familien zufammenbhalten. Schuß— waffen find unbekannt; die Angriffswaffen beftehen in Spießen und Harpımen mit Spigen aus Knochen. Dieſe Menſchenraſſe ift beffer als ihr Auf und troß der unvollfommenen Sprade einer höheren Bildung fähig. Borarlager

in

Ehile

An der Mündung

des Rio Yoa

(210 50° ſ. Br.) find ungeheure Yager von Borar entdeckt worden.

Der Rio Yoa bildete früher die Grenze zwijchen Bolivia und Peru, gehört aber heute zu Chile. 9.8,

Jitleratur.

haben ſich ihrer Aufgabe

William H. Gilder: In Eis und Schnee Die Aufſuchung der „Jeannette“-Expedition und eine Schlittenfahrt durch Sibirien.

Antorifierte

deutsche

wonnen hat, entjchloß fich dev DVerfaffer, feine Zeichnung weiter auszudehnen. Sie umfaßt den ſüdlichen Teil des Kontinents bis jenfeit des Sambeft, jo daß auch auf der Wejtfüfte noch ein Teil des portugiefischen Gebietes (Moſſamedes) eriheint. ES ift eine große Fülle von Material mit Fleiß und Sorgfalt verarbeitet und der Maßftab von 1:2,500,000 geftattete die Eintragung genügender Spezialangaben. Die Ausführung ift ſauber und deutlich in Lithographie; der Tert ift in englifcher Sprache abgefaßt, da für den Abjab vorzugsweiſe anf England und Südafrika gevechnet werden mußte. Bei den wachjenden Beziehungen unſeres Baterlandes zu jenem Gebiete diirfte auch bei uns diefe Karte einem Bedürfnis entgegenfommen, Wir bemerken, daß auf der Weftfüfte das von der Firma Yiiderits erworbene Gebiet mit bejonderer Farbe angegeben ift. New Zealand. A Report on its Agricultural Conditions and Prospects, by S. Grant and J. 8. Foster. London, G. Street and Co. 87 S. Ein lejenswertes Büchlein. Die Verfaffer waren von mehreren hundert Farmern in Linfolnjhire, York— ſhire und Norfolf (England) nad Nen-Seeland delegiert worden, um diefe Inſeln zu bereifen und fich iiber die dortigen Boden— verhältniffe und Agrikulturzuftände genau zu informieren. Cie

Ausgabe.

Mit

46 Abbildungen

in Holzihnitt und 3 Karten. Yeipzig, F. A. Brodhaus, 1884. VII. 384 ©. William 9. Gilder madte als „Herald-“Korre— ſpondent die Reife des „Rodgers“ zur Aufjuchung der „Jeannette“ mit, umjchiffte Wrangell3-Land, erlebte den Brand des „Rodgers“, war bei dem gefährlichen Rückzug nad Kolymsk, half im YenaDelta die Toten

der „Jeannette“ auffuchen

allen Eindrücken und Erfahrungen

ſich gewachſen glaubenden, ſchnellfertigen Weiſe der amerikaniſchen Journaliſten geſchildert wird. Die für europäiſche Leſer wenigſt anmutenden

Seiten

ſind

jene,

wo

Anzeigen.

das Humorhaſchen

ſich breit

So

eben

Geographie

wie ſie entſtehen,

wenn von den Tſchuktſchenweibern geſagt wird, ſie ſähen aus, als ob ſie im Ballet „The Black Crook“ aufträten. Die Illnſtrationen find primitiv. Rev.

A. Merensky:

Original

Map

of South

Africa.

Bier

Blätter, 50 bei 75 cm. Berlin, Simon Schropp’iche Landfartenhandlung. 1884. Der Berfaffer, welcher 20 Fahre lang als Miffionar der Berliner Mifftionsgejelliehaft in Transvaal wirkte, hatte bereitS

1868

im Verein

mit dem

Boftmeifter F. Jeppe die

erite zuverläfftge Karte des genannten Yandes bearbeitet, die unter Dr. Petermanns

Nedaktion

erjchien

und

eine Neihe von

Fahren

die einzige Quelle blieb, aus der die kartographiſchen Darftellungen des Transpaal-Yantes gejhöpft wurden. Jene Arbeit war, wie es in der Natur der Sache liegt, in manchen Beziehungen un— vollfommen und iſt durch die ſchnell fortichreitende Entwichung jegt weit überholt, Die neue Karte bringt gerade in Bezug auf diefen Zeil wichtige Berihtigungen und Bervollftändigungen. Bei dem Intereſſe, welches das ganze Südafrika in neuefter Zeit ge—

159.

und

Beisen.

1924 Nummern. Frankfurta.M.

FSolephb Baer j

Rossmarkt

& Gm, 18.

Neuester Verlag

und die, welche die ausführlich mitgeteilten Tagebücher de Longs bringen. Die deutſche Bearbeitung iſt im ganzen lobenswert, vermieden,

erschien:

Lagerkatalog

macht, ohne welches ein Reiſeſchilderer im„New-HYork Herald“ unmöglich zu denken iſt; die anziehendſten ſind die mit Schilder— ungen thatſächlicher Zuſtände, beſonders ethnographiſcher, erfüllten,

hätte aber beſſer Unverſtändlichkeiten

dieſen follten NeuGr.

und reiste iiber Irkutsk

nach Europa und Amerika zurüd. Ein inhaltreihes, aber echt modernes, flüchtiges, raſch wechſelndes, faſt launenhaftes Neifeleben, das hier in der bekannten,

mit Einfiht und Geſchick entledigt. Aus—

wanderer nad Neu-Seeland, namentlich jolche, welche auf fruchtbaren Inſeln Ackerbau und Viehzucht betreiben wollen, diejes Büchlein nicht ungeleſen laſſen. Eine gute Karte von Seeland ift beigegeben.

der

J. 6. Cottaschen Buchhandlung in Stuttgart, (Zu beziehen durch alle Buchhandlungen des In- u. Auslandes.) So eben erschienen:

Anonymi

de situ orbis libri duo.

Aune primum ed. M. Manitius.

E codice Leidensi

8. XVIu. 84 Seiten.

Schmid, Prälat Dr. K. A, Geschichte der Erziehung vom Anfang an bis auf unsere Zeit, in Gemeinschaft mit

einer Anzahl von Gelehrten und Schulmännern bearbeitet, Erster Band: Die vorchristliche Erziehung, bearbeitet von K. A. Schmid und G. Baur. gr. 8. VI u. 333 Seiten. M. 10.— Simrock, Karl, Altdeutsches Lesebuch in neudeutscher

Sprache.

Zweite,

Auflage

8

teils vermehrte,

XIV u. 414 Seiten.

teils verkürzte

M.5. —

Ulmann, Dr. Heinrich, Kaiser Maximilian I. Auf urkundlicher Grundlage dargestellt. 870 Seiten. M. 14.—

Erster Band.

Hiezu ein Profpeftus

8. XVII u.

der Verlagsbuch—

handlung Ferdinand Hirt in Breslfan und Leipzig.

Drud und Verlag der 3. ©. Cotta'ſchen Buchhandlung

im Miinchen und Stuttgart.

Mas Jusland. Wodenfhrift für Zander: und Dölkerkunde, unter Mitwirkung von Profefjor Dr. Friedrich Nagel und anderen Fachmännern herausgegeben von der

3. ©. Kotta’fhen Buchhandlung in Stuttgart und Münden. Siebenundfünfzigiter Jahrgang.

Ar. 15.

Münden,

14. April.

1884.

Yährlih 52 Nummern A 20 Seiten in Quart. Preis pro Quartal M. 7. — Zu beziehen durch alle Buchhandlungen des In- und Auslandes und die Poſt— ämter, — Nezenjions-Eremplare von Werken der einjchlägigen Litteratur find direft an Herrn Profefjor Dr. Friedrich Natel in Münden, Akademieſtraße Nr. 5, zu jenden. — Inſerationspreis 20 Pf. für die gejpaltene Zeile in Petit.

Inhalt: 1. Fünfter Bericht der Zentralflommiffion für wifjenschaftliche Yandesfunde von Deutſchland. ©. 281. — 2. Nachweis des jepulfvalen Charakters der Funde von Hiffarlif an ägyptiichen Analogien. Studie von Artilleriehauptmann Ernft Bötticher. (Mit Abbildungen.) ©. 285. — 3. Atlimatifation und Berbreitung der Individuen. Don Dr, A. Berghaus. S. 291. — 4, Einige Worte iiber Richt hofens „Aufgaben und Methoden der heutigen Geographie.” (Schluß.) S. 295. — 5. Betſchuanenland und der englische Handel mit Inner-Südafrika. S. 296. — 6. Kleinere Mitteilungen: S. 297. Gletſcherſpuren im nördlichen Hartgebirge. Bon Dr. C. Mehlis. Die Bewohner der Kapftadt. Die Hemiettainfel, — 7. Notizen: S. 299, Afrifa. — 8. Litteratur: ©. 299,

Fünfter Bericht der Zentralkommiſſion für willen Schaftlihe Inndeskunde von Jeutſchland. N HAST % tachdem die unterzeichnete Kommiſſion in ihrem leb:

63

Liegen

nun

biervon bis heute die folgenden Samm—

RR Hexeits: ferflapgerudt her!

1. Die landesfundliche Litteratur von Vorpommern und Nügen, im Auftrage des Vorftandes der Geographie schen Gefellfchaft zu Greifswalde zufammengeftellt unter

ten (vom 1, Dezember v. Is. datierten, aber infolge äußeren | Leitung des Norfigenden.

Separatabdrud aus dem erſten

Hemmniffe erjt gegen Ende Januar d. Is. zur Berfendung fertig geivordenen) Bericht fich eingehender über den Fort:

Jahresbericht der Geographiſchen Gefellfhaft wald, 1882/83. Greifswald 1883, 36 ©

gang reſp. die Ausſichten der landeskundlichen Beſtreb— ungen in den einzelnen Teilen ihres Arbeitsgebietes aus—

2. Litteratur über die Oſtfrieſiſchen Inſeln, zu— ſammengeſtellt von Franz Buchenau. Abhandlungen des

geſprochen, glaubt fie diesmal den Stand der Angelegenheit

Naturwiſſenſchaftlichen Vereins

/

fürzer refumieren zu dürfen, zumal fich bei dem naturges mäß langjamen

Borjchreiten der begonnenen Arbeiten in

der furzen Zeit feit jenem Bericht nicht ſehr viel geändert bat.

Cie jtellt daher zunächſt nach den Gegenſtänden ge:

ordnet in gebrängter Ueberſicht zuſammen, was an that—

.

_

zu Greifs—

*

zuBremen, Band VII,

S. 573 bis 588 (1884).

3, Die landesfundliche Literatur für Nordtbüringen, den Harz und den provinzialſächſiſchen, tifhen Teil ander

wie anhal-

norddeutichen Tiefebene,

gegeben vom Verein für Erdkunde zu Halle,

heraus:

(Separat-

ſächlichen Erfolgen in der Sache bisher zu ihrer Kenntnis | abdruck aus den Mitteilungen des Vereins für Erdkunde zu Halle a. d. Saale, 1883.) Halle a. d. S., Verlag von gelangt iſt.

Als erſte Maßregel zur Erfüllung ihrer Aufgabe und als notwendige Vorbereitung weiterer Schritte war die

Tauſch u. Groffe, 1884. 174 ©. 4. Bufammenftelluug der auf thüringiſche Zandes-

Bufammenftellung der gefamten landeskundlichen Literatur | Funde bezüglichen Litteratur,! im Auftrage des Vorftandes

ins Auge gefaßt, und zwar follte hierin zunächſt in den einzelnen Landſchaften jelbjtändig vorgegangen erden. A Die früheren Berichte fiehe „Ausland“ 3. und 29, Jahrgang 1884, Nr. Ausland, 1884, Nr. 15

1885, Wr, 2, 13

1 Die Geographiihen Gefellichaften zu Halle und Jena haben in diefer Beziehung Thüringen fo unter fich geteilt, daß die erftere das zujfammenhängende preußifche Gebiet bis Erfurt, ein— schließlich der ſchwarzenburgiſchen Unterherrichaften, die letztere die 43 2

Fünfter Bericht der Zentralfommiffton fiir wifjenfchaftliche Landeskunde von Deutjchland.

282

der Geographiſchen Gefellfchaft zu Jena herausgegeben von deren Schriftführer Dr. Ar. Regel. des Amtes Kahla, von Rechts— a, Pitteraturüberficht anwalt Lommer in Orlamünde, Mitteilungen der Geographiſchen Geſellſchaft (für Thüringen) zu Jena

Mehrere diefer Zufammenftellungen find zunächit vor— läufige Bublifationen, denen jpäter vervollftändigte Ausgaben oder Nachträge folgen follen.

Außer diefen bereit3 gedruckten Bibliograpbien find die folgenden in Arbeit:

Band I. ©. 21 bis 32 (1883).

b. Literatur zur Flora Thüringens, unter Mitwirfung von Profeffor Haußknecht (Weimar), M. Schulze (Sena), Dr. J. Nöll (Darmftadt) u. a. zufammengeftellt von Fr. Negel. Ebendaſelbſt

©. 32 bis 55 (1883).

und

Kurorte

Geh. Medizinalrat Dr. 2. Ebendaſelbſt ©. 56 bis 90

(1883).1 d. Bibliotheca nosologiea thuringensis, von Dr. K. H. Lübben

Gebiet: . Provinzen Oft- und Weftpreußen.

Nachträge ©. 179 ff.

c. Litteratur der Mineralquellen

Thüringens, von Pfeiffer in Weimar.

A. Deutſches Neid).

MWaltershaufen).

Ebendaſelbſt

2. Hinterpommern nebft Stettin md Umgebung. ‚Provinz burg.

Branden-

Stadtrat E, Friedel, Direktor des Märki— jhen Provinzialmuſeums in Berlin, und Oberlehrer Dr. Kuntzemüller in Spandaı.

4. Provinz

Schleften.

Kiefengebirgs-Berein, Sektion Hirſchberg i. Schl.

5. Königreich Sachen.

Landeskundliche Kommiſſion für das Königreich Sachſen namens des Ver— eins für Erdkunde, des Altertums— vereins und des Gebirgsvereins für die ſächſiſch-böhmiſche Schweiz zu Dresden Worſitzender: Profeſſor Dr, Ruge).

>. Thiiringerwald und feine Vorlande.

Geographiſche Geſellſchaft zuJena (Dr. Fr. Negel). Die bereits vorliegenden

©. 90

bezirk Kaſſel, bearbeitet von Dr. Karl Adermann. Kaffel, Verlag von F. Keßler. 1884. 10 Bogen. 6. Chronologiſche Ueberſicht der geologiſchen und mineralogiſchen Litteratur über das Großherzog— tum Heſſen, bearbeitet von Dr. C. Chelius, Geologe an der heſſiſchen geologiſchen Landesanſtalt. Darmſtadt. 1884. 59 ©, (Erſter Beitrag zur landeskundlichen Bibliographie für das Großherzogtum Heſſen, ſiehe unten). 7. Bon der Zufammenftellung der landestundlichen Yitteratur des Königreichs Bayern find die folgenden Abterlungen joeben erſchienen: a. Kartographie, bearbeitet von Trigonometer U. Waltenberger. b. Sanitäre Werbältniffe der Bewohner, inkl. Balneographie, bearbeitet von General-

arzt Dr. Besnard.

thüringiſch-ſächſiſchen Herzogtiimer, die preußifchen Enklaven, die Ihwarzenburgischen Oberherrſchaften und beide Neuß bearbeitet. Die yenaer Yitteraturzufammenftellung erſcheint, in der Negel nad) den Fächern geordnet,

Abteilungen fiehe oben. Geographiſche Geſellſchaft zu Lübeck. Hr. Fr. Voigt namens des Vereins für Hamburgiſche Geſchichte.

7. Lübeck. 8. Hamburg. ‚Herzogtum jchmeig.

Braun—

zunächſt ftüchweife,

je nachdem

die von

Dr. W. Petzold in Braunſchweig.

1 ). Westfalen und Rheinprovinz außer dem Reg.Bez. Trier.

Naturwiſſenſchaftliche Geſellſchaft in El— berfeld (Oberlehrer Dr. Kaiſer).

1 . Neg.-Bez. Trier.

Geſellſchaft für nützliche Forſchungen in Trier (Dr. Hettner, Direktor des Pro— vinzialmuſeums daſelbſt).

Großherzogtum

Großherzogliche Geologiſche Landesanſtalt in Darmſtadt (Dr. K. Chelius). Die bereits vorliegende erſte Abteilung ſiehe oben.



ii

ec. Forſtwirtſchaftliche Litteratur,

bearbeitet von Forſtmeiſter K.Klaußner. d. Prähiſto— riſche und frühhiſtoriſche Verhältniſſe, bearbeitet von Profeſſor Ohlenſchlager. (Mehrere andere Abteilungen ſind ebenfalls bereits druckfertig und werden bald folgen). Unter der Preſſe befindet ſich: 8. Verzeichnis der Quellen zur Zandesfunde des Herzogtums Salzburg, mit Be merfungen und Zufäßen von Dr. U. Brinzinger d. Ae.

Verein fir Erdkunde zu Stettin (Stad'ſchulrat Dr. Kroſta dafelbft).

os

bis 99 (1883). e. Meteorologiſche Litteratur Thüringens, von Dr. Lehmann in Nudolitadt. (Separatabdrud aus derjelben Zeitſchrift. Band U, ©. 152 bis 178). Sena, Verlag von ©. Fiſcher, 1884. 5. Bibliotheca Hassiaca, Nepertorium der landesfundlichen Litteratur für den preußischen Regierungs—

Herausgeber: Dr. Neide, Kuftos an der Königl. Uni— verſitätsbibliothek zu Königsberg i.Pr., namens der dortigen Geographiſchen Geſellſchaft.

DD

Heſſen.

1 osKönigreich Bayern.

Landeskundliche Kommiſſion für das Königreich Bayern namens der Geo— graphiſchen Geſellſchaft zu München. Vorſitzender: Schulrat Dr. Rohmeder). Die bereits vorliegenden Abteilungen ſiehe oben.

14. Großherzogtum

Badiſche Geographiſche Geſellſchaft zu Karlsruhe (Profeſſor Dr. Kienitz).

Baden,

be-

5. Reichsland

ſonderen Berfaffern bearbeiteten einzelnen Abteilungen fertig werden, ! Die unter b md e genannten Zuſammenſtellungen berüdfihtigen, um den Zuſammenhang nicht zu zevreißen, auch das nördliche Thüringen.

Lothringen.

Elſaß—

Landeskundliche Kommiſſion für Elſaß— Lothringen namens des Vereins für Erdkunde zu Metz. Direktor Dr, Scheuffgen in Metz.)

Fünfter Bericht der Zentralfommiffion für wiſſenſchaftliche Landeskunde

B. Kaiſertum Dejterreich. Gebiet. 16. Nordböhmen. 17. Kärnten.?

18. Deutſche Sprad)inſeln in Sieben: bürgen.>

Herausgeber. Nordböhmiſcher Exkurſionsklub zu Böhmijch-Yeipa (Dr. Fr. Hantjchel.) Kärntnerischer Geſchichtsverein und Naturhiftorifhes Landesmufenm von Kärnten in Klagenfurt. Berein fiir fiebenbürgische Landeskunde und Stebenbürgifcher Verein fir Naturwiffenfchaften in Hermannſtadt.

C. Niederlande nebjt Luxemburg 19, Königreich der Niederlande, 20. Großherzogtum Luxemburg.

Aardrjikskundig Genootschap in Am—

fterdam, Sektion „Nederland“. (Vor— figender: Herr J. Kuyper in Haag.) Institut Royal Grandducal de Luxembourg, Section Historique (Dr, NW. van

21. Königreich Belgien.

22. Deutſche Sprach— inſeln in den Oſtſee— Provinzen Ruß— lands.

und Belgien,

Werveke).

Herr Falk-Fabian, Diveftor des Institut National de Geographie zu Briffel. Profeſſor Dr. Stieda und Prof. Dr. Braun in Dorpat namens der Gelehrten Eſthniſchen Geſellſchaft daſelbſt.

Eine Anzahl dieſer Bibliographieen

dürfte noch in

diefem Jahre zur Drudlegung gelangen, der Reſt wohl jedenfalls im nächſten. Was aber die in dem Vorftehenden nicht mitgenannten Teile Mitteleuropas betrifft, fo jind auch da jeitens der Kommiffion Verhandlungen ans gelnüpft worden, welche teiltveife gute Ausficht geben, daß man auch dort über furz oder lang mit den analogen biblio— grapbiichen Arbeiten vorgehen wird.

von Deutſchland.

285

Zur Unterftügung diefer landichaftlihen Samınlungen bat die Kommiſſion auch ihrerfeits fich fortdauernd bemüht, etwas beizutragen. Soviel fie fonnte, hat fie Materialien zufammengetragen und tt dabei andererfeits mehrfach durch freundliche Einjfendungen unterftüßt worden, unter denen fie namentlich ſehr reichhaltige der Herren Gymnaſiallehrer Dr. Lübbert in Halle a/©. und Kreditanftaltsbeamter

Wenzlisfe in Brünn danfend zu nennen hat. Was in folder Weiſe zufammengebradht wurde, iſt von Zeit zu Zeit den betreffenden landichaftlichen Ausſchüſſen zugeitellt worden; da aber, wo die zu wünſchenden Zuſammen— itellungen noch nicht in Arbeit find, bleibt es einjtweilen als Grunditod für dieſelben aufgehoben. Es werden daher auch alle weiteren Beiträge jolcher Art fortwährend mit bejtem Dank entgegengenommen, Endlich hat die Kommiſſion es ſich angelegen fein laſſen, auch für die Zufammenjtellung der Litteratur über ganz Deutſchland eine Arbeit, die nicht wohl unter einigen Jahren beendet ſein kann — bei Zeiten die nötige Vor— ſorge zu treffen. Die Verhandlungen darüber ſind im Augenblick noch nicht abgeſchloſſen, doch iſt Hoffnung, hie— für einen namhaften und auf ſolchem Gebiet bereits treff— lich bewährten Bibliothekar zu gewinnen. Da durch die erwähnten bibliographiſchen Arbeiten die Aufmerkſamkeit und finanziellen Mittel derjenigen Vereine, welche überhaupt den landeskundlichen Beſtreb— ungen ein freundliches Entgegenkommen bewieſen, zunächſt noch vorzugsweiſe in Anſpruch genommen waren, ſo iſt für darüber hinausgehende Unternehmungen im landes— kundlichen Intereſſe nur erſt vereinzelt Raum geweſen. Doch konnte ſchon der dritte und vierte Bericht manche Anfänge ſolcher namhaft machen und iſt an den betreffen: den Stellen inzwiſchen rüſtig in dieſem Sinne weiter ge— arbeitet worden. So ſchreitet die von der Geographiſchen Geſellſchaft zu Lübeck unternommene Landeskunde des Lübeckiſchen Freiſtaates ſtetig vorwärts und dürfte etwa in Jahresfriſt fertig vorliegen. Das ebenfalls bereits ſignali— ſierte Werk über das Großherzogtum Baden aber, an welchem einige Mitglieder der Geographiſchen Geſellſchaft zu Karlsruhe Mitarbeiter ſind, iſt bereits im Erſcheinen

Ob ſich die Schwierigkeiten, welche der Drudlegung der großen, das ganze öſterreichiſch ungariſche Staatsgebiet umfaffenden Yitteratinzufammenftellung des Herrn Dr. Graſſauer (fiehe den vorigen Bericht) bisher entgegenftanden, nunmehr ausgeebnet haben, dariiber fehlt der Kommiffton leider noch jede Nachricht. 2 Dieje Bibliographie ift von einem aus beiden Vereinen gebildeten Ausihuß fir Landeskunde Kärntens bereits vollftändig zujammengeftellt und wird ihre Veröffentlichung vorausfichtlich noch im Yaufe diefes Sommers erfolgen. 3 Der von dem Naturwifjenfchaftlich-medizinischen Verein zu Inusbruck eingeſetzte Ausſchuß hat, wie ſchon friiher mitgeteilt wurde, den auf Tirol bezüglichen Teil der Graſſauer'ſchen Sammlung einer Revifion und Bervollftändigung unterzogen und demgemäß vorderhand auf die Herausgabe einer jelbftändigen landeskundlichen Bibliographie für Tirol verzichtet. 4 Bei diefer Gelegenheit muß die Kommiffion einem bedauerlihen Mißverftändnis entgegentreten, zu dem die Worte ihres vierten Berichtes: „Auch in der Schweiz hat die landesfundliche Sade nunmehr angefangen, Boden zu gewinnen” (S. 18 des Separatabzuges) Anlaß gegeben haben. Diejelben find von hoch— gejhäßter Seite fo verftanden worden, als hätte die Kommiſſion damit jagen wollen, in der Schweiz liege Yandesfundliches noch) wenig vor und al3 wüßte fie demmach nicht, welche Fülle wertvollfter Arbeiten auf diefem Gebiete gerade dort feit langem vorhanden ift. Es ift flar, daß der Kommiffion nichts ferner gelegen

Kommiſſion zu bezeichnen. Und dieſe hatten allerdings erſt in der letzten Zeit auch in der Schweiz einiges Entgegenkommen gefunden. Nur dies und durchaus nichts weiter ſollte die betreffende Stelle bejagen. 1 N. Rackwitz: Zur Volkskunde Thüringens, insbeſondere des

ſein konnte,

Helmeganes

als diefes.

Sondern

der

Ausdruck

„landesfundliche

Sache“ ift in dem ganzen Bericht häufig als Abkürzung gebraucht worden, um damit die ganzen Beftvebungen und Maßnahmen der

begriffen.

Der im vorigen Bericht erwähnte, auf Wunſch

der Kommiſſion verfaßte Aufſatz, welcher den volkskund— lichen Fragebogen der Herren K.Meyer und Dr. R. Rack— witz in Nordhauſen näher erläutert, iſt inzwiſchen gedruckt.!

Derſelbe Bericht gedachte ſodann eines Preisausſchreibens,

(mit Karte).

Mitteilungen

des Vereins

für Erdkunde

zu Halle a./S. Jahrgang 1884. Halle a/S., Verlag von Tauſch und Groffe, 1884. (Auch als Separatdrud im Buchhandel.)

984

Fünfter Bericht der Zentralfommiffton fir wiffenfhaftliche Landeskunde von Deutſchland.

das der Thüringiſch-Sächſiſche Verein für Erdkunde zu Halle im vorigen Jahre für die beſte Abhandlung zur Landes: und Volkskunde feines Vereinsgebietes erlafjen.

53 find hierauf vier Arbeiten

eingelaufen,

von denen

zweien der Preis zuerfannt werden konnte. Beide gelangen in den diesjährigen Mitteilungen des Bereins zur Ver— öffentlihung und befinden ſich bereits unter der Preſſe. Unlängjt hat der genannte Berein nun auch eine Kommiſſion eingefeßt, um eine wifjenfchaftliche Heimatskunde von Halle und Umgebung ins Leben zu rufen. Endlich iſt von den jeitens des ThüringerwaldBereins in die Hand genommenen Arbeiten weiter zu berichten, daß die Beantwortungen des von ihm verjandten Fragebogens des Herrn Profeſſors Kirchhoff (Halle) nunmehr ihrer Berwertung entgegen: leben.! Ferner gedachte der vorige Bericht eines Gefuches, tvelches die Kommiffion unter Beifügung einer bezüglichen Denkfchrift des Heren Dr. Amann in Magdeburg behufs

Einrichtung eines ftändigen und regelrechten meteorologis ihen Dienjtes auf dem Broden an das Königl. Breußifche Miniſterium der getjtlichen, Unterrichts: und Medizinal—

Angelegenheiten gerichtet.

Unter dem 20. Februar d. J.

funde inzwischen näher erwogen und Fürzlich die eriten Schritte zu feiner Ausführung gethan. Der leitende Ge: danfe daber iſt, daß möglichſt alle die verjchtedenen fach: lichen Gebiete, welche in ihrem gegenfeitigen Ineinander— greifen bei der wiſſenſchaftlichen Landes- und Volkskunde

in Betracht fommen, wie 5. B. Aufbau und Relief unferes deutfchen Bodens, Klima, Hydrographie, Pflanzen und Tiergeographie, ferner Ethnologie, Siedelungskunde,

Wirtichaftsgeographie

u. ſ. w.

zunächſt alle gejfondert für ganz Deutjchland große Teile desfelben von hervorragenden,

Bevölferungsverteilung,

oder doch ſpeziellen

Fachmännern in der Weife behandelt werben follen, daß dadurch einerfeit3 der gegenwärtige Stand des Wifjens von den betreffenden Gebieten, joweit er irgendwelche Landes:

fundliche Beziehung hat, überfichtlich dargelegt, andererfeits die Ziele bezeichnet werden,

auf die e8 bei der meiteren

Forſchung darin hauptſächlich ankommen muß. So follen der weiteren Einzelforſchung einerſeits der große Ueberblick über das Ganze gewährt und die höheren Geſichtspunkte gezeigt, andererſeits die geeigneten Wege gewieſen und ſie demnach ebenſoſehr geklärt als vertieft werden, was dann wiederum natürlich auch dem großen zuſammenfaſſenden

des Herin Kultusminiſters Dr. v. Goßler ergangen, daß

Werke im höchſten Maße zu gute kommen wird. Die praftifche Ausführung dieſes Planes iſt nach Ueberwindung

er von dem Inhalt der Denkſchrift „mit Intereſſe Kennt:

von mancherlei entgegenſtehenden Hemmniſſen nunmehr ſo

nis genommen habe und die Förderung diefer Angelegen:

weit gediehen, daß für eine Anzahl der ins Auge ge—

heit fortgefeßt im Auge behalten werde.“ Mit lebhaften Dank hat die Kommiſſion auch der jebr wohlivollenden Gefinnung Erwähnung zu thun, welche den landesfundlichen Beitrebungen unlängft in den Ver: handlungen des preußifchen wie des bayerifchen Abgeord— netenhaufes befundet worden tft. Die warm empfehlenden Worte der Herren Abgeordneten Dr. Kropatjchef und Frhr. v. Stauffenberg und die jehr freundliche Erwider— ung de3 Königl. preußischen Regierungskommiſſärs Herrn Geh. Oberregierungsrat Dr. Althoff gewähren die freudige und jehr beruhigende Zuverficht, daß, wenn einmal der Fortgang des begonnenen Werkes eines Eintretens ſtaat— licher Hilfe bedürfen follte, dieſelbe nicht vergeblich ex: beten werden wird. Was nun die weiter im Intereffe der landesfundlichen Sache zu ergreifenden Mafnahmen betrifft, jo hält die Kommilfion nad wie vor die Zeit für noch nicht gekom— men, um ſchon an das geplante, große, landesfundliche Werk über Deutfchland unmittelbar heranzutreten. Da— gegen hat fie als eine mannigfachen Nutzen verjprechende

faßten Themata die feſt gewonnen ſind bezüglichen Verträge nächſten Zeit erfolgen

it hierauf

der

ſehr freundliche

Beſcheid

Sr. Erzellenz

Vorbereitung diefes Werkes den ſchon im dritten Bericht angedeuteten Gedanken einer Sammlung von Monogra— phieen über die einzelnen Seiten der deutſchen Yandes: 1 Bon zahlreichen neuen Publikationen zur deutjchen Landes— funde, deren gar manche vecht wertvolle zu nennen wäre, muß natürlich hier abgefehen werden, da die Kommiffton an diejer Stelle nur iiber ihre eigene Thätigfeit und die damit in beſtimmtem Zuſammenhang ftehenden Unternehmungen Bericht zu erftatten hat.

darüber

Autoren bereits mehr oder minder und für einige der Abſchluß der vorausſichtlich ſchon in der aller— wird. Sobald dies geſchehen, wird

nähere Mitteilung

gemacht werden.

Die Kom—

miſſion iſt unausgeſetzt bemüht, auch für die übrigen in Betracht kommenden Gegenſtände die geeigneten Kräfte zu gewinnen. Außer dieſer Sammlung von Monographieen, deren thatſächliches Erſcheinen natürlich früheſtens erſt im Laufe des nächſten Jahres ſeinen Anfang nehmen kann, hatdieKom— miſſion noch eine Sammlung von Abhandlungen über die ver— ſchiedenſten Einzelthemata unſerer wiſſenſchaftlichen Landes—

und Volkskunde von Deutſchland ins Auge gefaßt, welche nach der Art mehrerer bereits vorhandener Bortragsfammlungen jowohl jede als felbjtändiges Heft für fih, als auch je eine Anzahl zufammen in einem Bande vereinigt erjcheinen

jollen.

Doch find die Verhandlungen hierüber noch nicht

jo weit gediehen, um davon ſchon Beltimmteres jagen zu fünnen.

Damit ſchließt die Kommiffion ihren Bericht unter dem berzlichiten Dank an alle, welche ihr in ihren Bemüh— ungen

ein freundliches

Entgegenfommen

bewiefen haben

und mit der Bitte, daß Feiner müde werden möchte, eifrig weiter zu helfen mit Rat

und mit That.

Aber auch an

die bisher noch fühl von ferne Stehenden geht die erneute Bitte um geneigte Mitwirkung. Es find der Helfer immer noch viel zu wenig, und eine Sache wie diefe landeskund—

Nachweis des fepulfvalen Charakters der Funde von Hiſſarlik an ägyptijchen Analogien.

liche ift es ja wert, daß zum Opfer bringt. 1. April 1884.

man

ihr etwas Zeit und Kraft

Die Zentralfommiffion für wiſſenſchaftliche Landeskunde von Deutjchland. IngenieursHauptmann G. Kollm, Straßburg 1./E.; Oberlehrer und Privatdozent Dr. Nich. Lehmann, Halle a./©., Schriftführer; Profeſſor Dr. Fr. Nabel, München, Vorſitzender; Profeſſor Dr. S. Ruge, Dresden; Profeſſor Dr. K. Zöppris, Königsberg i/Pr. ſtellvertretender Vorſitzender.

Uachweis des ſepulkralen Charakters der Funde von

Hiffarlik an ägyptiſchen Analogien. Studie von Artilleriehanptmanm

Ernſt Bötticher.

Bon den faft über den ganzen Erdkreis ausgebreiteten Analogien der Kunde von Hiſſarlik follen uns heute nur die ägyptiſchen bejchäftigen. Einige erwähnt Dr. Schlie— mann in feinem Werfe Ilios! und Brofeffor Virchow, indem er die Funde von Elfenbein, Schmelz, Hippopotamosfiguren und feinen Ooldarbeiten betont, will den chrono— logiſchen Anſchluß für Hiſſarlik an Aegypten und Aſſyrien fuchen. Aber beide ausgezeichnete Forſcher erklären das reichhaltige und für die Archäologie fo wichtige Material als trojanischen Hausrat. Hier joll nun an der Hand neuer Analogien feine Identität mit Relikten des Todtenfultus nachgeiviejen werden. Das Vergleichsmaterial liefert uns die ägyptiſche Abteilung der Königlihen Mufeen in Berlin. Die Ab: bildungen desjelben auf Tafel 1 bis 6 find vom Verfaſſer nach den Originalen gezeichnet. 1

Gefäße.

(Hiezu Tafel I und 2.)

Die Meberlieferer ältefter Zormen, Bilder und Amulette? zeigen deutlich, daß in der ägyptiichen Keramik eine gleiche Entwieelung von eigen geformten Anfäßen zu Henfeln wie in Hiſſarlik jtattgefunden bat. (Sig. 1 bis 3.) Aegyp— tiſche Thongefäße aus Gräbern des alten Nteiches gleichen durch Technik und deformiertes Neuere dem Material von Hiſſarlik ganz befonders. Belege dafür enthält der Gräber: jaal der obengenannten Muſeen. Auch in der Form entIprechen fie ihm. (Fig. 5, 6, 8 und Ilios s. Nr. 432, 1 Flios, Stadt haus) 1881, 2 Die

und

Verwendung

Land

der Trojaner.

gewilfer

Gefäßarten

Yeipzig

als Amnulettmotiv

beweift, daß fie heilige Gefäße waren, Kultusgerät. Ausland

1884, Nr. 15

(Brod-

Zafel 1,

286

Nachweis

des ſepulkralen

Charakters

der Funde

1140 u. a., Fundtiefe 5 bis 9m.) Unſer Beispiel Fig. 8 (Thon) ift ohne Zweifel die Urform der jchön entwidelten

Vaſe Fig. 7 (Mlabafter).

von

Hiſſarlik an ägyptiſchen

Analogien.

16.

Ein jo Schönes Eremplar beſitzt

Hiſſarlik nicht, wohl aber die Urform (v. Ilios, s. Nr. 1315, 3 m, Kundtiefe) und deren zahlreiche Entwidelungsitufen (3. B. Slios s. Nr. 297 u. dv. a.), jämtlih aus Thon.! Die in Fig. 4 abgebildete ägyptiſche Amphora iſt das ge— treue Miederfpiel einer gleichen in Hiſſarlik (v. Ilios, s. Nr. 435, 8 bi$ 9 m. Fundtiefe), fogar in der flüchtigen oder oben Bildung der Henkel. Solche Flaſchen find linfenförmig flach.? Fig. 9a zeigt ein auf einem ägypti— ihen Opferfteine in Nelief angebrachtes Kultusgefäß, das einer mit Stülpdeckel bedeckten Silbervaſe unter Schliemanns Schäßen (Fig. Ib) ganz entipricht. Wahrjcheinlich wurde in ihre Dejen ein Griff gleich dem ägpptifchen eins gejegt. Flaſchen und Schalen von einer in Hiſſarlik ganz allgemeinen Form figurieren in Nultusbildern, welche Grab- und Tempelwände ſchmücken und find auch in natura in Gräbern gefunden. Sie find teils fugel- und eifürmig, teils linſenförmig flab (Fig. 10 bis 13 und Ilios s. Wr. 411, '407, 1129, 377, 455 bi3 468 aus Sundtiefen von 4 bis 10 m.). Mathematiſch treue Kopien folcher Bilder, meiſt Opferſzenen, ſchmücken die Wände der ägyptiſchen Abteilung der Königl. Muſeen. Prieſter und Könige libieren aus dieſen Flaſchen und bringen auf rotbraunen Schalen (Fig. 13) gleich denen, welche Dr. Schliemann für Teller feiner Trojaner hält, den ägyptiſchen Oottheiten Iomboliiche Gaben dar. Bon manchen ägyptischen Gefäßen befigen wir nur verkleinerte Gremplare, zweifellofe Botivgaben. Dahin gehören fchön verzierte aus Bronze (Fig. 14); e3 jind Analoga zu den im Ilios s. Nr. 347 und 1184 abgebildeten (aus 7 und 9 m, Fzundtiefe). Eine dem alten Reich angehörige Flaſche aus rotem Thon ohne Politur (Fig. 15) erinnert durch ihre eigentümliche Form an eines jener Gebilde, welche Dr. Schliemann ihrer Henkel wegen hartnädig augpexuneiie nennt. Sie be: fit zwar feine Henkel, aber wie jenes aus 3, fo ift fie aus 2 Hohllugeln zufammengefeßt (gefuppelt!). Vgl. in Ilios Nr. 1083 (5 m. Fundtiefe) aus rotem Thon. Das wichtigſte aller Gefäße von Hiffarlif ift der viefige Pithos, der VBerbrennungsofen von Hiſſarlik,“ ab: gebildet als „großer Krug” in JIlios s. Nr. 156, 344, 1362 und überall im Trümmerberg von oben bis unten zahlreich vorhanden. Ein Gefäß von fongruenter Geftalt (Fig. 16) iſt in einer ägyptiſchen Kultſzene aus der Zeit



1 Solche aus Kugel und Zylindern, reſp. umgefehrtem ftumpfen Kegel zuſammengeſetzte Formen find auch in nordifchen Gräbern häufig. 2 Gleiche Amphoren find auch in Aſchengräbern am Euphrat und Tigris gefunden worden, 3 Siehe meine Abhandlung: „Schliemann's Troja eine ur zeitliche Fenernefropole.” „Ausland“ 1883, Nr. 51 und 52. + Ein gleiches Gefäß (1 m. Hoch) aus der Laufit findet ſich in der Sammlung nordiſcher Altertiimer der Königl. Muſeen in Berlin. Tafel 2.

Nachweis des fjepulfralen Charakters der Funde von Hiffarlif an ägyptifchen Analogien.

des puritaniihen Sonnendtenjtes dargeitellt, wie denn überhaupt diefer hochgefchulterte Typus durchaus ägyptiſch it. Indeſſen find Pithoi von der Größe derer von Hiſſarlik bis jest in Aegypten ebenfowenig wie Ajchenurnen bes fannt. Dagegen überrajht in Hiſſarlik eine prinzipielle Uebereinftimmung feiner Gefichtsurnen mit den ägyptiſchen, ‚die, Kanopen genannt, befanntlih die Eingemweide des Balfamierten aufnahmen. Wie, wenn in Hiffarlif, mie es noch heute in Burma der Fall, der Verbrennung eine Balfamierung vorausgegangen wäre? Aegyptiſche Gefichtsurnen tragen 1) Vogeltypus (Der heilige Sperber) Fig. 175 2) menſchlich gebildeten und 3) gemischten Typus mit menjchlich gebildeten Ohren, aber mit Vogelfchnabel jtatt Mund, Fig. 18. Genau jo find die Gefichtsurnen von Hiſſarlik gebildet ! (ſiehe Fig. 19, 20,21). Mund und längliche, balbgefchlofjene Augen charafterifteren deutlich menschlichen Typus. Wie Dr, Schliemann dies ignorieren kann, iſt unbegreiflih (v. Ilios 318 bis 332 und 372). Gewiſſe Kannen mit Ausguß am Baud) nennt der geehrte Forſcher „Saugfläſchchen für Kinder.” Es find aber Libiergefäße, die einzeln oder gefuppelt in Nord und Süd Grabfunde bilden.” Ihr Gebrauch tft aus ägyptiſchen Aultizenen im Totenbuch und auf Grab- und Tempelwänden zu erkennen. Aus ſolchen Kannen wurden

Weibgüffe den Manen

der Toten, Opfer den mächtigen

Göttern gejpendet (Fig. 22). Sie find entiveder einzeln oder in zwei-, dreis und bierfacher Ruppelung abgebildet. Wir dürfen aus ihrem Gebrauch in Aegypten auf einen gleichen in den Mittelmeerländern zurüdjchließgen, da diefe von ägyptiſcher Kultur befruchtet wurden. Fig. 24 und 25 zeigen wieder, daß die älteiten ägyptiſchen Formen Hiſſarlik— Ihem am meijten entiprechen. In die Kategorie der ſoge— nannten Zwillings- und Drillingsgefäße gehört Fig. 27, entjtanden durch Kuppelung der in Fig. 8 und 12 abge bildeten Kultusvafen. Der Modus entfpricht dem Hiſſarlik— ſchen (Sig. 26). „Sefuppelte Gefäße” möchte ich diefe Kategorie (inklu— five Sig. 15) nennen, Sie ſcheint mir beiläufig dem viel:

erörterten Yugpeeunelhov?

beifer als irgend eine andere

zu entiprechen. Artjtoteles Vergleich desfelben mit Bienen: zellen paßt auf Formen mie Fig. 28 (nordifche) und Sig. 29 (aus Hiſſarkik) ganz vorzüglid. In Hiſſarlik find auch pielerlei tiergeitaltige Gefäße gefunden, was auf ägyptiſche Tierfombole gedeutet werden kann. Bevorzugte Miodelle find Echwein und Flußpferd, die beide im ägyptischen 1 Gleiches iſt an nordischen Gejichtsurnen wahrnehmbar. 2 Siehe „Gefihtsurnen und Libiergefäße“ in des Verfaſſers Abhandlung „Analogien 2c.” in der „Zeitſchrift fir Ethnologie“, 1883, Seite 177 ff. nebft Tafel IV., deren unzutreffende Bezeich— mg: „Orientaliſche Geſichtsmasken“ ꝛc. nicht vom Berfaffer herrührt. 3 Kunelioy iſt ein ftreitiges Wort. Könnte darin mit gleicher Wurzel diejelbe Bedeutung fteden, wie in unſerem „kuppeln?“

287

Totenkult eine wichtige Rolle ſpielen.“ Solche Gefäße werden ebenfalls zu Libationen gedient haben. Diminutiva gleich Schliemanns „Liliputvaſen und Kinderſpielzeug“ (!) werden auch in ägyptiſchen Gräbern häufig gefunden. Es waren Opfergaben im Sinne ſymboliſcher Nachbildung. Das Material der älteſten ägyptiſchen Gefäße iſt Thon und zwar wie in Hiſſarlik roter, gelber und ſchwarzer, poliert und unpoliert. Nach alledem können wir ſagen: Die Gefäßtypen in Hiſſarlik entſprechen in allen Schichten genau dem in Aegypten dem Totenkult gewidmeten Opfergerät. Das Vorwiegen der aus dem alten Reich ſtammenden Ana— logien läßt den chronologiſchen Anſchluß in einer Zeit vor 1600 v. Chr. ſuchen. II.

Wirtel, Spinn- oder Spindelwirtel. (Hiezu Tafel 3.)

So lochten,

iſt der archäologische teils

jcheibenförmigen,

Name diefer zentral durch» teils im Querſchnitt

ellip-

ſoidalen, teils fegelgejtaltigen Körper. Noch glauben viele an den Durch dieſe Benennung angebeuteten vermeintlichen Zweck, obwohl ſchon die ungeheure Menge? derjelben in Hllarlif einen ganz andern anzeigt. Welcher fünnte es gemwejen fein? Sollte nicht wieder Aegypten, deſſen uralte Kultur auch in Kleinaftien ihre Spuren binterlaffen bat, darüber Auffhluß geben? In der That enthält Die ägyptiſche Abterlung der Königl. Muſeen in Berlin Wirtel. Diefelben find meiſt Scheibenförmig. Alle find zentral Durch: bohrt. In dem Loche ſteckt ein lofer Stift. Merkwürdiger— weiſe tragen fie ein an Hiſſarlik erinnerndes Ornament, das auf Nr. 7959, 7960 und 7961 fogar identifch iſt mit demjenigen eines im Ilios (s. Nr. 1925, 10 m. Fundtiefe) abgebildeten Wirtels (Fig. 1 und 2). Was jtellen dieſe Scheiben vor? Zweifellos Votivgaben, denn als ſolche

ſind ſie, ebenſo verziert, in Kultſzenen

abgebildet.

Sie

liegen dort auf Altären neben anderen Opfergaben (Fig. 3). Solche Bilder fchmüden Grabwände (Denim. III, 235) und in Gräbern find auch die in Nede ftehenden Scheiben gefunden. Somit ijt die direkte Beziehung dieſer Körper zum Totenfult fonftatiert und da diejelben, obwohl ander: wärts Spinnwirtel genannt, überall in der Welt ın Gräbern

gefunden

werden, dürfte der fepulfrale Charakter

der Wirtel überhaupt nicht zweifelhaft fern. Das in Figur 1 abgebildete Ornament, auch Geivandmufter äghptifcher Göttinnen (Lepfius, Wandgemälde der

ägyptiſchen

Abteilung, Taf. 3,3. La. dag. 21,1.) iſt ein

1 Das Flußpferd fungiert als Ankläger im unterirdiſchen Totengeriht. Die unwürdig befundene Seele fährt in Schmeinegeftalt auf die Oberwelt

zurück,

um

ihre Wanderung

anzutreten.

2 Ilios S. 470 auf 18,000 Stüc beziffert, wobei aber zu berückjichtigen, daß ſelbſt heute nur der kleinere Teil von Hiſſarlik ausgegraben iſt.

288—

Nachweis des ſepulkralen Charakters der Funde von Hiſſarlik an ägyptiſchen Analogien.

geometriſches: die Schnittpunkte eines idealen Quadrat— netzes ſind mit gleichen Radien (Fig. 5) umkreiſt. Auch unverzierte Wirtel findet man auf ägyptiſchen Denkmälern abgebildet. Es iſt dies die Opfergabe (Fig. 4 und 6). Symboliſche Opfer derart ſind regelmäßig auf Grabſtelen dargeſtellt. Als häufig wieder— holte Hieroglyphe erſcheint auf Architraven und Inſchrifttafeln der Gräber des alten Reiches. Die Skulptur läßt hier natürlich deutlicher als die Malerei den Wirtelcharakter teils an der Scheibenform der einen, teils an dem ellipſoidalen Querſchnitt der anderen Zeichen erkennen.

jein geheiligter Charakter fchon um 3000 v. Chr., iſt gewiß bemerkenswert. Im Atardienft des Totenfults ift die Symbolik einer der bier fo häufigen kombinierten Opfergaben merfwindig: „Ein Grab-Eingang, darin eine Gefichtsurme (Kanope) und über ihr das zur Grörterung jtehende Symbol.”

Mag letteres auf die Sonne oder auf die

Vulva ges

deutet werden (wir erinnern an gewilje indische Geräte), in beiden Fällen wäre es Symbol des Yebens und bedeutet über einer Graburne, wie obige Opfergabe lehrt: „Leben nad) dem Tode.” Die Darbringung diefer Opfergabe hätte alfo den Sinn einer Bitte um das ewige Leben und wird fie, wie auf Bildern zu fehen, der Iſis überreicht, Die als Mutter des Har (Horus) neben Oſiri, dem Totenrichter, erscheint, jo will dies die Bitte um ihre Fürſprache bei

Oſiri bedeuten. Nie in Aegypten dieſes Symbol auf die Grabespforte gemeißelt und dem Toten in das Grab gelegt wurde, jo fann ja unbeftreitbar auch anderswo in gleicher Ideen— Afjoziation verfahren worden fein. Daher auch die unge: beuere Menge Wirtel in den Ajchengräbern von Hiſſarlik. Uebrigens fehen wir das Kreisſymbol nicht nur hier, ſon— dern überall, wo Wirtel gefunden werden, als Drnament an mancherlei Gerät verivendet. In Hiſſarlik gibt es nicht nur Scheiben und ähnliche Körper mit einer zentralen, ſondern auch folche mit zwei erzentrifchen Durhbohrungen. Auch dieſe Scheiben Sind als Dpfergaben in ägyptischen Kultbildern dargeitellt, (Lepfius, Wandgemälde, Taf. 22,2), auch auf Grabjitelen in Relief angebracht. Noch mehreres deutet auf ägyptische Art: Dem Pflanzen: Ornament des Wirtels im Ilios s. Nr. 1902 (Fig. 7) Liegt ohne Frage das Palm-Motiv zu Grunde. Gerade jo zeichneten die Aegypter ihre Palmen (Fig. 8, Lepſius, Wandgemälde,

Taf. 10).

Die Verwendung des Motivs ift eine finnige:

Steht der Wirtel auf feiner Baſis, jo ahmt die Zeichnung auf dem Mantel die herabbängenden Blätter der gefiederten Palmart nah und die Bogenlinien darunter ſcheinen Die Abblätterungen anzudeuten, die der Balne, wo die Krone ausjtrablt, eigen jind. Auch dies it Symbolik! Neue

Blätter über den abgeitorbenen, d. i. Yeben nad) dem Tode! Eine jteinerne Orabjtele mit einem Relief: „Der Ver: jtorbene unter dem Baum des Lebens” Symbolik der Balme im Totenfult.

Tafel 3.

zeigt ung die

II.

Das

einzige.

Ornament,

welches Fig. 1 zeigt, iſt nicht das

So finden ir

eine

zierung, die auch in Hiſſarlik häufig tft. Wo der „Wirtel” Deutung zwischen „Sranatapfel” erſcheint, ſei esplaftiih (Gräber jet es ın den Papyrus, da trägt

Kreuzes in fih.

Art

Sternblumen :Ver:

(u. a. auf Totenfchmud) als Hieroglyphe (deren und „Sonne” ſchwankt), der 4. und 5. Dynaſtie), er häufig das Zeichen des

Der ſymboliſche Gebrauch diefes Zeichens,

Schrift. (Hiezu Tafel 4.)

Aus allem bisher Mitgeteilten leuchtet ſchon eine fo auffallende Uebereinftimmung des Ideengangs der Völker am Nil und in Stffarlif hervor, daß es faum noch wunder: nehmen kann, gleiche Schriftzeichen hüben und drüben zu finden. Auf den Hiffarlifwirteln erfcheinen in der That nicht wenige auch den Papyrus eigene Zeichen. Unfere

239

Nachweis des jepulfvalen Charakters der Funde von Hiffarlif an ägyptiſchen Analogien.

a

Tafel 4. 1 Hieroglyphiſche

BITRENI

Schrift.

I

HAN

NNOO

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857

1223 und 1229. N



\

N

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1857 1935.

1923, FREE

1010|

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261.

1946.



— 1993.

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1892,

1813 u. a

BEAA

dA®®S

1919.

1900,

482, 483.

Bi Se 1407. Hieratiſche

Schrift.

A: 1884,

J Antiqu.



1560.

© x (0) (0 af ee)

1560,

1830.

1961.

1983.

| \

( \

ODER (

()

-

)

1519,

1857,



BE 1557

die Mebereinitimmung

anderer

Wirtelzeichen

mit

ägyptiſcher Schrift fällt ins Auge. Es bedarf nicht ihrer Drehung und Wendung! Sie zerfallen in zwei deutlich unterIchtedene Klaffen, deren eime der hieroglyphiſchen, Die andere der hieratiſchen Schrift der Aegypter entfpricht. Merkwürdigerweiſe find die Zeichen vielfach nicht dem Steinmaterial entjprechend ausgeführt, vielmehr mit an— und abjchwellenden Strichen, genau wie die mit Rohr auf Papyrus gejchriebene Ägyptische oder die mit dem Pinſel auf Neispapier gemalte chinejische und japanische Schrift. Daraus möchte man ſchließen, daß auch das Volf von Hffarlit gewohnt war, auf ein ähnliches Material zu ichreiben und daher die Zeichen ebenfo in den Stein und

Thon grub, wie fie auf feinem Papyrus ausjahen.

ägyptiſche Analogien, auch giebt 8 chineſiſche refp. japan-

1851.

ae

Auch

Profefjor Sayce hat (Ilios ©. 766 bis 781) Anklänge der Schrift von Hiſſarlik an ein Syllabartum nachgeiviefen, welches vor dem griechifchen oder phöniziſchen Alphabet in Kleinaſien gebräuhlid mar. Hier haben wir nun

nr —

Sammlung (Taf. 4) würde vorausfichtlich noch bedeutend vermehrt werden, wenn das gejamte, mehrere Zehntausende zählende Wirtelmaterial Dr. Schliemanns uns zur Verfügung ſtände. ch lefe die Wirtelzeichen fo, wie fie zur äußeren Peripherie gerichtet find, wozu mich die Betrachtung der regelmäßig über diefer aufrechtitehenden Tierfiguren veranlaßt. Die Vergleihung der legteren mit folchen in

den Papyrus lehrt, daß wir es feinesivegs, wie Einige jagen,

—J

1830.

1978. sale

mit rohen Krißeleten einer unentwidelten Kunft, ſondern mit traditionellen Zeichen einer Bilderjehrift zu thun haben. Zypr.

1972.

1874. 19%,

— ern

1557

iſche, wie ich ein andermal darlege, und manchmal haben alle diefe räumlich und zeitlich getrennten Bölfer das gleiche Schriftzeihen. Die Thatjache iſt unabweisbar. Ihre Erklärung können wir in der Annahme finden, daß Schrift und Sprache ſich einſt bis zu einem gewiſſen Grade überall gleich entwicelt haben. Nachdem fie getrennte

Kulturbahnen befchritten, blieben hier und da Nudimente ! Die Zahlen geben die Nummer dev Abbildung dev Zeichen in Schliemanns JIlios. Die nicht mummerierten Zeichen find ägpptifche und den Papyrus der Totenbücher in den Muſeen in Berlin entnommen. Ausland

1884

Nr. 15.

der gemeinfamen Urftufe erhalten. Diefe Annahme jtimmt mit der Meberlieferung der Bibel von der bis zur Sprach—

verwirrung einheitlichen Sprache aller Menſchen überein. 45

29)

Nachweis des fepulfvalen Charakters der Funde von Hiffarlif an ägyptiſchen Analogien.

Der Sinn der Schriftzeichen auf den Wirteln ent: Spricht zuverläffig dem religiöfen Zwecke dieſes Symbols. Bekanntlich pflegten die Aegypter gewilfe Hauptformeln aus dem großen Totenbuch auf die Totenbinden oder den Sarg zu fehreiben, auch Papyrusrollen mit Teilen des Totenbuchs dem Toten mitzugeben. Er erhielt jo: zufagen die Marfchroute fürs Jenſeits,! und derart werden wir

uns

auch

den

Sinn

der Schrift

Wenn wir berückſichtigen, daß die Fundſtätten aller ägpptifchen Dinge, aud) der profanen, Gräber find, jo werden wir uns zu büten haben, in Hiſſarlik (und an

anderen Orten) aus folhen Funden alsbald auf Wohn: jtätten zu ſchließen.

auf den Wirteln

in Hiffarlik denken dürfen. Die auf unferer Tafel 4 auf: geführten Beispiele kehren in den Totenbüchern häufig wieder. Der Wirtel 1857 jcheint außerdem den Beweis zu liefern, daß auch die bieratifche Schrift von Hiſſarlik von vechts nad) Links lief. Die Aegypter liebten es auch, TIhongefäße, natürlich Kultusgerät, mit Schrift zu bededen. Ein Beispiel tft der im Saal I der ägyptiſchen Abteilung itebende über und über eng befchriebene Krug.? Sind unfere Schlußfolgerungen aus den Wirteln von Hiſſarlik und ihrer Schrift richtig, und alle Wahrſchein— lichfeit Spricht dafür, jo bat das um 2000 v. Chr. dort wohnende bochkultivierte Volk an die Unfterblichfeit der Seele geglaubt. IV.

Allerlei Gerät. (Hiezu Tafel 5.)

Auf Fig. l und 2 (aus Hiſſarlik) und 3 bis 5 (ägypti— ſchen Grabfunden) herrſcht das Kreis-Ornament, und doch wird man dieſe Verwendung nicht als Verzierung bezeichnen wollen. Sie muß einen tieferen Sinn haben. Nach Art eines Planetariums geordnet (wie auf Fig. 1) finden wir O Zeichen auch auf ägyptiſchen und zypriſchen Grab— funden. Fig. 6 und 7 ſtellen genaue Analogien zu kleinen Bürften und Polirſteinen aus Hiffarlif dar. Dr. Schlie: manns Talente aus Feinfilber ähneln in der Form G. B. Ilios s. Nr. 788) gewifjen Neliefs auf ägyptifchen Opfers jteinen, natürlich Opfergaben. (Fig. 8.) Wie follten aud) die Priefter nicht dafür geforgt haben! Fig. 9 und 10 zeigen uns 2 Intaglios mit merkwürdigen und identifchen Charakteren, das eine aus Hifjarlif, das andere aus einem

ägyptischen Grabe.

Aegyptiſches Gold und Silbergerät

fönnte in Gußformen aus Hıfjarlif gegofjen fein, fo genau pafjen die legteren, und Diminutiv-Pyramiden, ägyptiſche Opfergaben, find Funde auch in Hiſſarlik (Ilios ©. 494) und in Hanai (©. 788). ' Der Jnhalt des Totenbuchs, des einzigen erhaltenen großen Yitteraturwerfes der alten Aegypter, bezieht ſich auf Be— gräbnis, Auferſtehung, Rechtfertigung, Wanderung, Aufenthalt im Himmel, Begegnung mit Göttern und Totengericht. 2 Auf photographiihem Wege lafjen ſich Spuren gleicher Aufſchrift auf Hiffarlifgefägen, wenn meine Beobachtung nicht trügt, feſtſtellen. Sind diefe in Thon zuvicgebliebenen Spuren au für das bloße Auge unfichtbar, jo können fie doc) fichtbar auf Papier mit Hilfe der Photographie übertragen werden, was vielleicht zu wichtigen Nefultaten führen würde. Vielleicht haben auch noch andere Bölfer ihre Urnen bejchrieben!

Die Schäge und der Schmuck von Hiffarlif. (Hiezu Tafel 6.)

Dr. Schliemanns Schäße bejteben aus Gefäßen von Edelmetall, aus Gold und Silber in eigengeformten Barren

und aus Goldſchmuck von geradezu bewunderungswürdig jubtiler Arbeit. Sind doch jo funftvolle Sachen darunter, daß es nad dem Urteil eines berühmten Fachmannes räthſelhaft bleibt, wie fie ohne Hilfe einer Line hergejtellt werden fonnten.

Alle diefe Schäbe Ihmud.

find Grabbeigaben

Dieſe Ueberzeugung

gewinnt

man

und

Toten:

ſchon durd)

ihren Vergleich mit den in unferen Mufeen enthaltenen analogen Grabfunden. (Siehe Königl. Mufeen in Berlin im Antiquarium, in der Sammlung nordifcher Altertümer und

in der Ägpptifchen Abteilung.)

Dev Nachweis ift aber

auch direkt erbringlich. (Vgl. des Verfaffers Abhandlung: Schliemanns Troja eine urzeitliche Feuer-Nefropole, „Aus: land” 1883, Nr. 51.) Hier wollen wir nur wieder kurz die Verwandtſchaft zu Aegyptiſchem hervorheben. Dr. Schliemann bildet im Ilios Kopfihmud ab, den er Diadem nennt. Ein damit

geſchmücktes Frauenbild foll diefe Tracht zeigen. Die Dar: itellung tft verfehlt, denn feine Dame würde diefen Schmud



°

Nahmweis des jepulfvalen Charakters der Funde von Hiſſarlik an ägyptiſchen Analogien.

tragen, ohne die Seitengehänge hinter das Ohr zu ftreichen

und im Haar mit einer Nadel feitzubalten.

Wie ein auf

dem Funde Nr. 1434 (Slivs) erhalten gebliebenes Bildnis lehrt, (Fig. 1) war fo in der That die Kopftracht der Frauen von Hiſſarlik. Bergleicht man es mit ägyptiſchem Typus (Fig. 2), jo tritt außer der analogen Tracht auch die ägyptiſche Daritellungsart hervor, das Geficht im Profil, das Auge aber von vorn zu zeichnen. Die Nafe tt zerftört. Schiefe Yugenitellung, ein Merkmal mongolifcher

Raſſe, werfen aud alle ägyptischen Statuen auf. Eine Menge verfchiedenartig geftaltete Körperchen von

Gold haben offenbar Schmud, Halsfetten und Kragen ges bildet. Ber ihrer Auffindung lagen fte loſe durcheinander. Kleine Perlen und amulettartige Anhängſel gleichen auf: gereiht ägyptiſchen Halsfetten aus dem alten Neich. (Fig. 3.)

Andere Körperchen,

lanzettförmige, zylindriſche, glocken—

und blütengeſtaltige (Fig. 5 bis 9), laſſen ſich zu Kragen

A

Q,

Um

N

] Je

Q, man

u

291

Unſere Sammlung ägyptiſcher Analogien beanſprucht nicht, eine vollſtändige zuſein. Manches würde bier zu weit führen. Mögen die Idole von Hiffarlif mit ihrer an die ägyptiſche Hieroglyphe des h. Sperber erinnernden

Zeichnung (Ilios ©. 373 bis 379) menschliche Geſtalt oder gewiſſe Gefäße nahahmen, immer entiprechen fie Aegypti— Ichem, den Totenftatuetten und den Amuletten in Gefäßform. Die robe Arbeit fann an Dingen, die alsbald mit dem Toten den Flammen übergeben wurden, ftatt in funitvollen Gräbern bewahrt zu bleiben, nicht wunder: nehmen. Nur Gegenftände, die urfprünglich nicht direkt für den Totenfult gefertigt waren, mancherlei Schmud und Gefäße von Edelmetall, tragen den Stempel hoch— entwidelter Kultur. Daher die Schroffen Kontrajte in

Hiſſarlik! Waffen waren vor allem die männerehrende Toten— beigabe. In dieſer Nekropole lehren kurze Dolche, Pfeil— und Lanzenſpitzen, daß auch die Bewaffnung des Volks von Hiſſarlik der ägyptiſchen entſprach. Auf das Steingerät einzugehen, iſt nicht Raum. Der Schule iſt, wie ſie bisher z. B. die eiſerne Meſſer— klinge im Kannſtätter Kalktuff ignoriert, wo nach ihren Regeln nur Steinbeile exiſtieren dürfen, auch die Verge— ſellſchaftung von Stein-, Bronze- und Eiſengerät im Hügel von Hiſſarlik ſehr fatal. Vorläufig hilft ſie ſich dadurch, daß ſie dies Steingerät von dem der ſogenannten Stein— völker verſchieden nennt! Damit iſt aber nicht erklärt, wie Feuerſteinmeſſer und -Sägen ſowohl bei Steinvölkern, als auch bei dem hochkultivierten Volk von Hiſſarlik und in ägyptiſchen Gräbern gefunden werden können. In Aegypten dienten ſie, von Herodot äthiopiſche Steine ge— nannt, der Chirurgie, u. a. auch zur Leichenöffnung vor der Balſamierung. Bekanntlich litten die Aegypter keinen Mangel an Metallen. Die Eiſenfunde von Hiſſarlik (aus 0,5 und 4 m Tiefe) haben die Form ägyptiſcher Geräte von Eifen und Bronze. Die gefammten Verhältniſſe fordern zur Erwägung auf, ob in der Theorie der Steine, Bronze- und Eifenzeit

die außerordentliche Oxypdierbarfeit des Eifens genügend

in 8.

OO

oO) oO

berückſichtigt ift. Eifen überzieht ſich befanntlich nicht mit einer Oxydhaut, wie ſolche Kupfer und Bronze gegen den

Fortfchritt der Oxydation ſchützt. Sit alfo Eiſen nicht zus fällig, wie etwa zu Hiſſarlik, in Holzaſche eingehüllt, jo fann es längft pulverifiert fein, wo gleichzeitig deponterte Bronze erhalten, Steine und Thongerät unverwüftlich tt. Hiermit Schließen wir die ägyptiichen Analogien, um nordiichen und anderen nachzugehen. Die Funde von

Hiſſarlik find von außerordentlicher Wichtigkeit; aber weil vereinigen, wie ſolche in ägyptiſchen Bildern als Schmud und Dpferfpendegericheinen (Fig. 4. Zuweilen bilden zierliche, gitterförmige Stäbchen den Halt für die Schnüre.

Auch ſolche find, von Gold gefertigt, unter den Kleinen BZierraten von Hifjarlif ſtets paarweiſe gefunden worden. (Fig. 10.)

fie nicht in die Schablone paffen, überlieferte Anfchaus ungen gar umzuftogen drohen, bleiben die Leuchten der

Wiſſenſchaft ihnen fern.

9,

Akklimatiſation

Akklimatiſation und Berbreitung der Individuen.

und Verbreitung der Individuen. Bon Dr. U. Berghaus.

Tiere und fogar Bilanzen find vermöge ihrer Organi— ſation befähigt, ſih manchen Veränderungen des Wohn— ortes und manchen Wechſeln des Klimas anzubequemen. Der größte Teil der Kulturgewächſe, die in der Ebene des europäiſchen Nordens angebaut werden, entſtammt ſüd— licheren Regionen. Zu Plinius' Zeiten wurde noch keine der Agrumenarten in Italien kultiviert. Vergeblich be— mühte man ſich, den Zedrat zu ziehen, deſſen Kultur erſt im 3. Jahrhundert gelang. Zitronen und Pomeranzen kamen erſt viel ſpäter nach Italien und gedeihen jetzt ſelbſt im ſüdlichen Tirol. Ebenſo gelang es zu Plinius Zeiten noch nicht, den Maulbeerbaum zu kultivieren, der jetzt bis

nach Norwegen reicht.

Zu Ariſtoteles Zeiten waren die

Pfirſiche nicht einmal in Griechenland ſaftig, ſelbſt auf Rhodus brachte die Blüte nur eine ſpärliche, holzige Frucht; jetzt iſt der Pfirſichbaum über alle Gärten des mittleren Deutſch— land und in ganz Frankreich verbreitet. Die Kaſtanie, urſprünglich im wärmeren Aſien einheimiſch, gedeiht jetzt nicht bloß in Italien, ſondern auch im weſtlichen Deutſchland. Manche Pflanzen, zumal aber die Zerealien, haben im Laufe der Jahrhunderte eine außerordentliche Verbreitung ge— funden und werden jetzt faſt in allen Teilen der bewohnten Erde angebaut. Unſere Haustiere, wohl beinahe ſämtlich aus Aſien ſtammend, haben ſich mit dem Menſchen faſt nach allen Gegenden der Erde verbreitet und es iſt jeden— falls äußerſt merkwürdig, daß gerade die Zerealien und die Haustiere, welche ich für den Menſchen am nutzbarſten erweiſen und fein ganzes Kulturleben bedingen, die weiteſte Verbreitung haben und in vorzüglichem Grade die Fähig— feit befigen, fich allen Klimaten anzupaſſen und die ver— ſchiedenſten Varietäten zu erzeugen. Am höchſten jedoch finden wir das Vermögen, ſich in allen Klimaten halten zu fünnen, beim Menſchen ausge bildet. Er ift weniger als jedes andere Weſen an eine beitimmte Zone gebunden und jchon deshalb der weiteſten Verbreitung fühig, weil er, auf feine bejtimmte Nahrung angemwiejen, im volliten Sinne des Wortes omnivor iſt. Er iſt nicht bloß durch die Organifation feines Körpers, jondern vorzüglich durch feine geiftige Kraft und die Energie feines Willens vor allen anderen Gejchöpfen befähigt, die ungleichartigjten Einflüffe, die von außen an ihn heran—

treten, auszugleichen, das Fremdartigſte, zumal bei all mählicher Gewöhnung, zu ertragen oder fich Doc) wenigitens erträglich zumachen. Er lebt bis an die Außeriten Grenzen des organischen Lebens und erträgt eine Kälte, die felbit das Quedjilber gefrieren läßt. So hielten ſich drei Ruſſen jteben Jahre lang auf Spisbergen auf, ohne an ihrer Geſundheit Schaden zu erleiden; der Admiral Wrangell beobachtete 1820 im Lande der Tiehuktichen eine Kälte von 450 0. und doch tummelten fih die Leute, wie er jagt, jo friſch und fröhlich, als wäre e8 Sommer; ja, eine noch größere Kälte ertrugen Parry und Franklin. Auf

der anderen Seite fann der Menjch die Hitze bis zu einem

fajt unglaublichen Grade aushalten.

Der berühmte Arzt

Boerhave glaubte zwar, daß fein mit Zungen verjehenes Geſchöpf in einer Atmojphäre leben könne, melde dem Wärmegrade feines Blutes gleichfomme. Hienach würde der Mensch bei einer Temperatur von 380 0. fterben. Allein Banks fand auf dem Senegal in der Kajüte feines Schiffes 50 bis 550 und blieb doch gefund. An der Süd: weitfüjte von Afrifa und in anderen heißen Gegenden leben Menſchen, unter deren Füßen der Sand eine Hibe bon 60, ja ſogar 650 erreicht. Der Menfch vermag in den tiefiten Schachten der Bergwerke oder in der Taucher: glocde den Druck einer Atmojphäre von 30,000 Kilo, wie einen bon nur 8000 Kilo auf den höchjten Bergen auszu— halten. Caſſini meint, fein Tier fünne in einer Höhe von 4700 m. leben. Aber es gibt manche Wohnorte, welche höher liegen, z. B. Gartok im Himalaya, A. v. Humboldt be jtieg den Chimborafjo, 6057 m, body, ohne Schaden an jeiner Gejundheit zu erleidven.! Der atmoſphäriſche Drud it in diefen Höhen allerdings jo gering, daß nah M. v. Humboldts VBerficherung die wilden Tiere, wenn fie in dieje Negionen getrieben werden, aus Mund und Nafen bluten. Nur der Hund, fein treuefter Begleiter, folgt dem Menſchen fo weit und jo hoch als möglich; aber er verliert in Kongo wie in Syrien den Geruch, in Surinam und in bedeutenden Höhen die Fähigkeit zu bellen und fann, wenigjtens in feinen edleren Raſſen, in einer Höbe von 3760 m. nicht mehr ausdauern, während es auf der Andesfette Ortſchaften gibt, die, wie 3. B. Antifana, 4080 bis 4230 m. hoch liegen. Doch feine Negel ohne Ausnahme! Wlan findet Gegenden, in denen der Menſch zu grunde gebt, welcher Kaffe er auch angehört, auch wenn er aufs Beſte vor— bereitet zu fein Scheint, den ſchädlichen Einflüffen diefer Gegenden zu twiederftehen. Dahin gebört die breite Gabun Niederung, in der felbjt der Neger verfümmert, Die dortigen Bewohner baben eine entichieden jchwächere Körperfonftitution, die der Neproduftion dienenden Ver: richtungen ſcheinen bejonders darniederzuliegen und das weibliche Geſchlecht bat ein entjchteden numerifches Ueber: gewicht über das männliche. Das dortige Klima it allen Europäern im böchiten Grade gefährlih und es wird fich zeigen, ob die Pauins dem verderblichen Einfluffe dieſes Stüjtenftriches, dem fie immer näher und näher rüden, zu widerſtehen im ſtande fein werden. Wir haben aber auch derartige Gegenden, die ung näher liegen. Wer fennt nicht die fogenannten Maremmen, desgleichen die Sümpfe in Korſika? In Frankreich jelbit waren die von der Dombe gefüllten Teiche und ebenfo die Charente an ihrer Aus: mündung bis vor furzem nicht minder ®gefährlich. Auch Iheint der Aufenthalt in den großen Städten auf die Reproduktion einen befonderen Einfluß auszuüben. Boudin ! Der am 23. Juni 1802 gemachte Berjuch, den Gipfel des Chimboraſſo zu erfteigen, mißlang bekanntlich. RB je;

Afklimatifation und Berbreitung dev Individuen.

fonnte feine reinen Barifer auffinden, die über drei Gene— rattonen hinaus als ſolche fh erhalten hatten. In Der fancon jterben die eigentlichen jtädtifchen Familien im allgemeinen in nicht ganz einem Jahrhundert aus und werden durch Familien vom Lande erſetzt; ebenfo iſt dies mehr oder weniger der Fall in London, in Berlin ꝛc. Iſt es begründet, daß auf Schiffen, wo die Menſchen Monate lang in der Geſundheit keineswegs zuträglichen Verhältniſſen zuſammengepfercht leben, beſondere Schäd— lichkeiten ſich entwickeln, an die ſich zwar die Schiffsmann— ſchaft nach und nach zu gewöhnen vermag, die aber unter einer bis dahin ganz geſunden Bevölkerung ſchwere Er— krankungen hervorzurufen geeignet ſind? Hat man, wie Darwin annimmt, dieſem Verhältniſſe die erſchreckende Mortalität und die zunehmende Unfruchtbarkeit der poly— neſiſchen Raſſen beizumefjen? Gehört auch die Lungen: ſchwindſucht, die auf den polynefischen Inſeln epidemiſch auftritt und fich vererbt, zu jenen Krankheiten, die durch die europäischen Schiffsmannfchaften eingefchleppt tvurden? Weder das Yand noch der Himmel haben eine Veränder: ung erfahren, feitdem die polyneſiſchen Archipele entdeckt worden find und dennoch nimmt die pazifische Bevölkerung in einer wahrhaft erfchredenden Weife ab, während ihre Baſtardnachkommen und ebenfo die reinen Europäer um jo größere Fruchtbarkeit entivideln. inwieweit die mehr oder weniger ausgejprochene Gefährlichkeit einer Yofalität dur normale Bedingungen oder durch zufällige Schädliche Einwirkungen veranlaft wird, das iſt nicht allemal leicht zu ermitteln. Die Boden: beichaffenheit, die hohe und niedrige Temperatur, die Trockenheit und Feuchtigkeit find es nicht allein, die den Charakter eines Landes bejtimmen. Den Beweis dafür

finden wir darin, daß die Akklimatiſierung in beiden Hemi— ſphären nicht gleich Leicht der füdlichen Hemiſphäre beffer fort, als in den Yändern der nördlichen

erfolgt. In den beißen Yändern kommen die weißen Raſſen weit die gleiche Breite aufweifenden Hemiſphäre. Zivifchen 300 und

350 n. Br. liegt Mlgier und

ebenfo auch ein Teil des

Südens der Vereinigten Staaten die Afflimatifierung der Europäer feiten verbunden. In der ſüdlichen jüdlichite Teil des Kaplandes und

Norpamerifas; hier ift mit großen Schwierig: Hemifpbäre liegen der ebenfo Neu-Südiwales

unter den nämlichen Breitegraden

und im dieſen Yändern

gedeihen alle europäischen Raſſen aufs beſte.

ſiſchen und

englifchen Truppen

meifen

Die franzd-

in unferer nörd—

lihen Hemifpäre etwa ein elfmal größeres Mortalitäts— verhältnis auf, als in der anderen Hemifphäre und diefer auffallende Unterfchied ift durch die größere Frequenz und und Intenſität der miasmatischen Fieber bedingt. Nörd— ich vom Aequator kommen dieje Sieber in Europa nod bis zum 59. Grad hin vor, ſüdlich vom Aequator überIchreiten fie nur ſelten den Wendekreis, ja fie erreichen

ihn meiftens nicht einmal. Tahiti liegt unter 180 ſ. Br. und tjt fieberfrei. Die franzöfiichen und englischen Truppen,

299

die in der ſüdlichen Hemiſphäre jtattonieren, zäblen zus ſammen im Mittel auf 1000 Dann jährlich 1,6 Fieberkranke, wogegen bei den in der nördlichen Hemiſphäre ftattonterten Truppen im Vüttel jährlich 224,9 Fieberkranke auf 1000 Mann entfallen. Nördlich vom Nequator treten fomit die miasmatijchen Sieber zweibundert Mal häufiger auf, als jübli vom Aequator, obgleih doch in Südamertfa und in Auftralten ausgedehnte Streden mit ftebenden Gewäſſern bedeckt find, auf die eine brennende Sonne einwirft. Dazu kommt aber noch bejonders, daß die Fieberanfälle in der üblichen Hemiphäre meit weniger ſchwer find. In den ausgedehnten Yagunen von Korrientes treten nur leichte Sieber auf und wie gefährlich find fie dagegen in den Pontiniſchen Sümpfen, die doch jo weit vom Aequator entfernt find! Es wird einem Europäer eher gelingen, in Südamertfa an den Ufern des Barana zu leben, als in Stalten an den Ufern des Gariglian. Es hat zwar nicht an Berfuchen und Theorien ges fehlt, wodurch diefe Berfchtedenbeiten zwiſchen Yofalttäten, die im allgemeinen unter gleichen phyſikaliſchen Verhältniſſen zu ftehen ſcheinen, erklärt werden ſollen; doch genügt Feine der bisherigen Erklärungen. Indeſſen ſcheint jo viel feſt— zujteben, daß in den Sumpfmiasmen das größte, ja oft mals das einzige Hindernis gelegen tft, warum die Euro— päer in den meiften Yofalitäten, wohin fie ihr Unter: nebmungsgeift führt, ſich nicht akklimatiſieren können. Wir wiſſen, daß verfchiedene Umstände zujammentveffen müffen, um folche verderbliche Miasmen zu erzeugen und wir wiſſen auch, daß der Mensch dagegen anzufämpfen im ſtande iſt. Es it dem Menſchen möglich, wohn er aud) geben mag, den Kampf mit der Natur zu eröffnen und beſſere Verhältniſſe für feine mögliche Aftlimatifierung herbeizuführen. Doc war man bisher außer ftande, ein ganzes Land raſch in einen der Geſundheit zuträglicheren Zuftand zu verfegen; nur die Zeit ſcheint ein ſolches Wert zu Ende führen zu fönnen, dem oftmals zahlreiche Menſchen— (eben zum Opfer fallen müfjen. Durch Anpflanzungen von Cufalyptus jcheint Die Menge diefer Opfer wenigſtens erheblich herabgefeßt werden zu können, wenn auch die Kultur dieſer harzigen Yaubbäume in der römischen Kampagna an dem alten Stlojter der „Tre Fontane” das Auftreten des Fiebers in feiner Hef— tigfeit wenigitens im vergangenen Jahre noch nicht vermin— dert hat. Soll diefer auftraliiche Baum, der jedenfalls große Maſſen Hol in unglaublich Furzer Zeit Liefert, Stämme von 31% m. Umfang und 18 m. Höhe in 15 Jahren, den Erwartungen in Bezug auf Erzeugung von fieberfreier Luft entjprechen, fo wird es darauf anfommen, daß man ihn auch am rechten Orte anpflanzt. Auch in den gefährlichiten Yolalitäten fommen manchmal kleinere Punkte vor, wo die Afklimatifterung faſt ohne weiteres gelingt. Diefe bevorzugten Punkte müßten natürlich die Neuan— fommenden zur Niederlaſſung ſich erwählen; meijtens ges ſchah und geſchieht noch jebt das Gegenteil. Die Schön:

Einige Worte iiber Richthofens „Aufgaben und Methoden der heutigen Geographie.“

44

beit und Fruchtbarkeit des Alluviums

an der Mündung

eines Gewäſſers, die dem Handelsbetrieb günftige Yage einer Dat beftimmen meiſtens den Ort der Anfiedelung, ohne dat man daran denkt, ob an diefem Orte Gefahr droht. Man richtet fi ein und führt Bauten auf, ohne fih um das Menfchenfapital zu kümmern, das durd) die neuen Yandungspläße verſchlungen wird, weiterhin aber denkt man nicht daran, ſchädliche Plätze wie z. B. Batavia, twiederaufzugeben.

oder Cook zu übergehen vermöchte. Wir finden demgemäß in neueren Sammelierfen zur Weltgefchichte die Gefchichte

der Geographie allein

von

allen Gefchichten der Wifjen-

ichaften vertreten. Damit ift aber diefer Teil vielmehr ein Zweig der allgemeinen Gefchichte als der unferer Wifjenſchaft geworden und jedenfalls teilt er die Methode des Studiums in den gejchriebenen oder gedrudten Quellen ganz mit der Geschichte. Nur ein Gefchichtsforicher iſt im itande, die Gefchichte der Geographie zw erforichen und zu jchreiben, und wenn irgend ein Zweig unferer Wiſſen— Ichaft ein unabhängiges Leben führt oder von der Geo— graphie ab- und anderen Wiffenfchaften ſich zuneigt, jo iſt

Finige Worte über Richthofens „Aufgaben Methoden der heutigen Geographie“.

und

Schluß.)

Daß es Getjter gibt, denen die Geographie in dieſer Bes ſchränkung faßbarer tft, als in den weiten Grenzen, welche Richthofen ihr ziebt, muß ohne weiteres zugegeben werden. Was man beitreiten kann und muß, das tjt die innere Notwendigkeit diefer engeren Abgrenzung. Der niederländtiche Kritiker bat uns diefe Beltreitung leicht gemacht, indem er jelbjt ſich berbeiließ, feine Begriffsbegrenzung der Geographie ins Praktiſche zu überjegen, d. b. die Aufgabe zu be— zeichnen, welche er der jelbjtändigen Thätigfeit feines Geo— graphen jtellen würde. Und zwar bejtehbt nach ihm die— jelbe: 1) Im Studium der geographiichen und karto— grapbijchen Litteratur, die durd) feinen Geophyfifer, Biologen oder Anthropologen bearbeitet wird; 2) ım Studium der Grooberfläche, namentlich was das Relief des Bodens be: trifft und in Verbindung damit der Stromſyſteme, der Yage und des Entjtehens der Orte in der Richtung der großen Verkehrswege; 3) in der Mitwirkung zur Erreichung einer vollfommeneren Kenntnis der ganzen Erde in dem Sinn, daß durch jeine Beihilfe unbefannte Gebiete farttert werden und an der Vermehrung und Verbeſſerung der Karten fortwährend

gearbeitet wird.

Der erfte Punkt gibt der Gefchichte der Geographie eine hervorragende Wichtigkeit. Daß jte dieſelbe vertient, bezweifelt niemand. Wir jelbjt haben es an einem anderen Orte verfucht, nachzumweifen, daß und warum gerade in unjerer Wiſſenſchaft die eigene Geſchichte eine jo viel be— deutendere Stelle einnimmt, als in irgend einer anderen. Man fann kurz und gut jagen, daß der enge Zuſammen— bang der Geſchichte der Geographie mit derjenigen der Erweiterung des gefchichtlihen Schauplaßes durch Ent: dedung neuer Länder und Meere jener eine unmittelbare Beziehung zur allgemeinen Geschichte der Menſchheit verleiht, jo daß man ſich zwar eine Weltgefchichtichreibung denken kann,

Die Linné

oder

I Siehe „Ausland“

Cuvier,

feine

1884, Nr. 14.

aber, die Kolumbus

es dieſer. Unzweifelhaft braucht auch der Geograph Quellen— kunde und Litteraturkenntnis. Was unſer niederländiſcher Fachgenoſſe darüber ſagt, iſt beherzigenswert. „Jeder wird dieſes gerne einräumen, der das, was in den letzten fünfzig Jahren durch Regierungen, Geſellſchaften und ein— zelne Perſonen ſowohl auf dem Gebiet der Reiſen und Aufnahmen als auf dem der geographiſchen Schilderung verrichtet worden iſt, verfolgt hat. Es iſt eine andere Sache, eine Karte, wie ſie in dem beſtem Atlas vorkommt, als unverbeſſerlich zu betrachten und dieſelbe ander Hand eines mehr oder weniger ausführlichen Handbuches zu ſtudieren, oder bis zu den Quellen, die bei der Zuſammen— ſtellung gedient haben und bis zur Geſchichte der Karte aufzuſteigen, Kritik zu üben und ihre Vorzüge, Mängel

und Lücen zu beurteilen.

Es ift aud) etwas ganz anderes,

feine Kenntnis von Ländern und Völkern nur aus Sammel: werfen zu ſchöpfen oder dagegen fein Wiffen aus der ur: iprünglichen Zitteratur, in diefer Beziehung hauptſächlich den Neifebefchreibungen, zu bereichern und dadurch jene

Vorftellungen zu verbeffern und lebendiger zu geftalten. Nie mand wird denn auch ein fo aufgefaßtes Studium der Erdbeichreibung anders als wiſſenſchaftlich und ſelbſtändig nennen. Diejenigen, welche fich nur oberflächlich mit dem Stand der Aufnahmen in den verjchtedenen Staaten Europas befannt machten, wie v. Sydomw denfelben in „Petermanns Mitteilungen” befchrieben hat oder wie bievon im der Regi— jtrande des preußischen Generalitabes Mitteilung gemacht wird,! fie, die verfolgten, welche Quellen ein Haſſenſtein bei der Zufammenftellung der Karten von Ländern und Weltteilen außerhalb Europas zu Nate ziehen mußte oder

die auch der Entdedungsgefchichte, fer e8 nur eines Weltteils, gefolgt und mit den zabllofen Fragen befannt geworben find, welche hiebei entjteben: fie werden wiſſen, mie viele

Quellen

man zu Nate ziehen, wie viel Kritif man üben

muß und werden feinen Augenblid zweifeln, ob die Thätigfeit des Geograpben wohl den Namen eines twiljenfchaft1 Auch in den Titterarifchen Wegweiſern des fo trefflichen Lehrbuchs der Geographie won Guthe-Wagner, Göttingen 1885, findet man MWeberfichten dieſer Yitteratur, welche beweifen, wie groß das Bedürfnis eines vertieften Quellenftudiums geworden ift. UNE

Einige Worte

iiber Nichthofens

„Aufgaben

lichen Strebens tragen darf und an die Universität gehört. Sie werden felbjt bald zu der Ueberzeugung kommen, daß diefe Thätigfeit, wenn fte ſich über alle Staaten von Europa, über alle Yänder außerhalb diefes Erdteils aus: dehnt, für eine Berfon viel zu umfafjend ift und daß an Arbeitsteilung gedacht werden muß. Wie der Hiftorifer

nicht alle Völker, nicht alle Perioden zum Gegenſtand des Studiums machen kann, ebenſowenig kann es der Geograph

in Bezug auf alle Völker, auf alle Weltteile.

Doch wie

ein und dieſelbe Perſon dieſe ſo umfangreiche, mehr hiſtoriſch— litterariſche Arbeit noch außerdem zu vereinigen im ſtande iſt mit geophyſiſchen, biologiſchen und anthropologiſchen Studien auch wieder für alle Staaten von Europa und die Länder außerhalb dieſes Weltteiles, das bleibt uns, wir ſagten es oben ſchon, ein unerklärliches Rätſel.“ Der Kritiker bat ſich bier das Weſen der wiſſenſchaft— lichen Arbeit offenbar nicht ganz klar gemacht, welche nicht in einem geradlinigen Vordringen auf beſtimmte Ziele hin aufgeht, ſondern ihrem Weſen nach gleichzeitig umfaſſend und ſich beſchränkend ſein muß. Bedingt doch ſchon der Bildungsgang des Forſchers eine breite Grundlage von Erlerntem, die gelegt ſein muß, ehe zum Selbſtforſchen weitergeſchritten wird. Und ſetzt doch nach der Meinung

Richthofens

der Bildungsgang

gerade

des Geographen

ſogar das Selbſtforſchen auf gewiſſen Gebieten voraus, welche vielleicht weit ab von dem Felde liegen, auf dem der werdende Humboldt oder Ritter ſpäter Geſetze ſuchen wird. Der Unterſchied der Geographie von den meiſten anderen Disziplinen liegt hauptſächlich darin, daß ſie die breite Grundlage noch viel beſtimmter vorausſetzt, eine größere Notwendigkeit in derſelben erkennt, als jene und

daß

ſie an

derſelben

aber

auch

ganz anders

feſtzu—

halten hat. Die Geographen der Zukunft werden jedoch in dieſer Beziehung ebenſo verſchieden ſein von einander, wie es die Geographen der Vergangenheit waren. Es wird immer einige geben, welche keinen weiteren Kreis über— ſchauen, als der niederländiſche Kritiker ihn in ſeinen oben angeführten Definitionen umſchrieben hat, während aber auch das Geſchlecht der Humboldte und Ritter glücklicher— weiſe nie ausſterben kann. Ja, wir glauben, daß die Zukunft mehr ſolche umfaſſende Geiſter zeugen werde, als die Vergangenheit, weil die Tendenz der Wiſſenſchafts— arbeit im großen nicht fortwährend auf Sondern und Spezialiſieren ausgehen kann, ohne daß um ſo raſcher der Trieb zur Empfindung gelangt, ſich auch wieder zuſammen— zufaſſen. Dieſer letztere wird ebenſo beſtimmt immer mehr in der Zukunft hervortreten, wie jene in der hinter uns liegenden Zeit geherrſcht hat. Die bedeutenderen Geiſter vom Schlage Richthofens ſcheinen daher manchem kritiſchen Betrachter

vom Wege zu irren, wenn ſie ihrer Zeit voraus—

eilen und nicht alle Biegungen und Windungen der Pfade wiederholen, auf welchen minder gut ausgeſtattete Vor— gänger dem gemeinſamen Ziele zuzuſtreben ſich bemühten.

Aber ſo gut wie jede Zeit durch ihren eigenen Gewinn an

und Methoden

der heutigen

Geographie.”

2,

Wiſſen den Schatz der vorhergegangenen mehrt, ſo gut bat auch jede Zeit in der Art ihrer wiſſenſchaftlichen Arbeit einen VBorfprung vor den Zeiten, welche früher waren. Um auf die Frage der Heranbildung junger Geographen zurüdzufommen, welche auch Nichthofen in feinem Vortrage behandelt, jo meinen wir, daß über wenige Runfte mit geringerem Nutzen vorläufige Geſpräche zu führen wären, wie über diefen. Co gut es nach dem alten Worte feinen Königsweg, d. b. feine Landſtraße zur Mathematik gibt, fo gut läßt auch für den jungen Geographen feine Marfchroute fich niederlegen. Jeder angehende Forfcher muß feinen eigenen Weg fih babnen und nur die allerallgemeinften Direftiven fünnen ihm nüßen. Nichthofen jcheint der Meinung zu fein, dag die geologiſche Vorbildung am eheſten als notwendig anzujeben wäre, weil fie die Grundlage aller geographifchen Ericheinungen, die Erdoberfläche, am eindringendjten kennen lehrt. Dem iſt aus praftifchen Sründen zuzujtimmen für die Geographie mie fie beute it, weil in ihr fein Gebiet verhältnismäßig fo gut durch— gearbeitet vorliegt, wie Das an die Geologie grenzende; aber aus Gründen der Logik würden wir uns diefem Po— ſtulat nicht anschließen. Nur das geht notwendig aus dem Mefen der Geographie hervor, daß ibre Jünger viel ausgedebntere Vorjtudien zu machen haben, als die irgend einer anderen Wiſſenſchaft. Wir können uns’ die Einführung eines jungen Mannes als jelbitthätiger Forſcher in jeder andern Wiffenjchaft leichter voritellen, als in die Geographie. Auf manchen Spezialgebieten fann ja heute ein Forſcher erbebliches leiften, ohne auch nur ein Mann von allgemeiner Bildung zu jein; in der Geographie muß eine weltweite Bildung den Blid für alles empfänglich gemacht haben, was an der Erde tft und vorgeht. Und aus diefer notivendigen Forderung einer großen, geijtigen Expanſion ergibt ſich aber ſofort auch als Folgeſchluß die Notwendigkeit der Vertiefung an irgend einem peziellen Punkte, welche der Gefahr der Berflachung entgegen wirken muß. Für diefen Zweck arbeitet nun die Geographie, indem Sie ſich immer ſelbſtändiger entwidelt, eine wachjende Fülle von Problemen auf eigenem Boden heraus, fo daß die Hinweiſung auf die Geologie von dem Augenblid an aufhört eine gebotene zu fein, wo Geophyſik, Hydrographie, Dreanographie, Klimatologie, Anthropogeograpbie weit genug gefördert jein werden, um ähnlich methodiſch ſchulend

wirken zu fünnen.

Nimmer aber mwird die Heranbildung

der Geographen dem jeßt jo allgemein üblichen Bildungs: gang der Gelehrten faſt aller Fächer gleichen dürfen, welcher mit einem Speztalproblem beginnt, um über dasjelbe oft nie mals weit hinauszulommen. Und in diefer pädagogiichen Beziehung ift der von unferem Nieverländer jo jehr per borreszierte Vergleich zwijchen Geographie und Philoſophie gewiß vollberechtigt und es will uns jcheinen, als ob ans gefichts fo mancher Erjcheinungen der jüngiten Zeit es noch mehr im Sintereffe dev Geographie gelegen ſei, bei ihren Süngern die geiftige Exrpanfion zu pflegen als

296

Betſchnanenland

und der englische Handel

dieſelbe im Streben nach frühen Erfolgen auf Spezial— gebieten zurückdrängen zu laſſen. Gerade darum auch haben wir an der Hand eines Kritikers der älteren Schule aus— führlicher hervorheben wollen, warum Richthofens Schrift uns von Bedeutung erſcheint und wir ſchließen, indem wir ſie wiederholt allen jenen beſonders dringend empfehlen, welche ſich uber das Weſen unſerer Wiſſenſchaft und über den wünſchenswerteſten Gang des Studiums derſelben Klar— heit zu verſchaffen wünſchen.

Betſchuanenland und der engliſche Handel mit Inner:

Sidafrikn.

mit Inner-Südafrika.

wenn wir fie gewähren laſſen. So bald te fich bier feſt— gefeßt haben, werden fie hohe Zölle auf alle durchgehenden Maren legen und Munition werden fie, wie gejagt, übers haupt nicht mehr durchlaſſen. Aber in Hintergrunde hat die Sache noch ganz andere Bedenken. Werden fih die Boeren mit dem, was fie jebt

beanspruchen, zufrieden geben? Sicherlich nicht. Niemand fann jagen,

dagegen

erleichtert,

indem

die Negterung

vderjelben

feine

ungebörigen Feſſeln auferlegt, jo daß Pulver und Blei bier billiger werden, fo wird mehr Jagd getrieben und in: folgedeffen nimmt der Handel durch die reichlicheren Er— träge der Jagd alsbald einen neuen Auffchiwung. Nun iſt es aber eine befannte Thatjache, dab die Regierung von Transvaal den Munitionsbandel mit den Eingeborenen gänzlich verbietet, weil fie nicht wünſcht, daß diefe gleiche Waffen mie die Boeren baben jollen. Schwere Bußen werden auferlegt oder auch, wie das bei einem Händler in Goſen der Fall war, den man im Gebiet der Cinge: bornen mit Munition antraf, Diefelbe wird Fonfisziert.

Das zeigt, wie durch die Boeren auf diefe Weiſe unfer ganzer Handel lahm gelegt, ja ruiniert werden muß. Als im Jahr 1878 während des Weſt-Griqua-Land-Krieges die Einfuhr von Munition verboten wurde, waren alle Händler gezwungen, das Yand zu verlaſſen und manche von ihnen machten Bankerott. Das einzige Bulver, das wir Damals erhielten, fam aus Damaraland, war aber natürlich in— folge der ungebeuren Entfernung furchtbar teuer. Die Boeren halten den Schlüffel zum Innern in der Hand oder juchen wenigſtens denfelben in die Hand zu befommen,

werden.

Sie werden,

wie bisher, immer weiter voran dringen .und innerhalb weniger Jahre werden wir jeben, daß der Sambeft ihre Grenze ift und daß die Tatı und die nördlichen Gold— felder unter ihrer Herrfchaft ſtehen. Die mineralifchen Reichtüumer des Innern brauchen nicht erit noch entdedt zu werden, fie find fonftatiert, und es fehlt nur noch an der Kommunikation und an der Erlaubnis von Seiten der

eingebornen Ein Engländer, der Gelegenheit hatte, an Ort und Stelle diefe Frage zu unterfuchen, jchreibt von Schofchong am Ende des vorigen Jahres an den „Cape Argus”: Ganz von ſelbſt drängt ſich Die Frage auf, welchen Einfluß dieſe PVefisergreifung durch Die Boeren auf den Handel haben und inwieweit diejelbe ihn von Der Kapkolonie ablenfen wird. Um dieſe Frage gründlich zu beantworten, muß man fi zuerſt klarmachen, worin diefer Handel mit dem Innern befteht und mit was für Maren er es zu thun bat. Da jind zu nennen Elfen— bein, Straußenfedern, Felle und Vieh, von denen die drei zuerft genannten nur Durch die Jagd erzielt werden, zu twelcher die bedeutenden Quantitäten von Munition, die aus der Kolonie bier eingeführt werden, bauptjächlich gebraucht werden. Fällt diefe Munition fort, jo it es aus mit dem ganzen Handel. Wird die Einfuhr der Munition

wo jie Halt machen

Stämme,

dann

wird

die Sache

fofort in

Angriff genommen werden. Wenn auch augenblielich der Handel im Bergleich mit früheren Jahren nur gering ift, jo liegen doch noch weite unerfchlojjene Gebiete vor uns, das Sambefitbal hinauf bis nach Bihe und San Bemba. Jenes erjte Gebiet iſt ſchon feit einiger Zeit in unſeren Händen, und die wenigen portugtefiichen Händler, die man dort trifft, müjjfen uns das Feld bald räumen, weil ihre Waren den Vergleich mit den unſerigen nicht aushalten fünnen. Man könnte noch fragen, ob denn dieſer Handel mit dem Innern auch der Mühe wert it. Ohne allen Zweifel it ev das wegen der vielen Taufenden von Eingeborenen, die bis zum Sambeſi bin wohnen, und die ſchon in einem ſolchen Grabe zivilifiert find, daß mancher fich über die vielerlei Waren wundern würde, die wir bier, auf Yager halten müſſen, um ihren Bedürfniffen zu begegnen. Andere Taufende leben noch jenfeit des Sambefi und auch der Handel mit diefen Gegenden wird fich ganz von jelbit hierher wenden, jobald nur erſt die Eiſenbahn zwiſchen Kimberley und Port Elizabeth fertig iſt. Dann find noch die bis jeßt nicht ausgebeuteten Goldfelder da, weiter der große Viehhandel, den ich noch gar nicht genannt habe, der aber einen bedeutenden Zweig unjeres Handels ausmachen wird. Denn das Land ijt ein ganz ausge zeichnetes Weideland und wird Kapſtadt verforgen können, jobald man nur erſt die Eifenbabn zum Transport des

Viehes benüsen

kann.

Man

könnte

mich noch fragen,

ob denn nicht, wenn nuk eine ordentliche Negierung, Sei es denn auch die von Transvaal, bier etabliert würde, alles zurechtiommen würde. Durchaus nicht. Freilich ein Boer fann dann alles mögliche fertig bringen und un: gejtraft thun, dagegen ein englifcher Händler iſt überall

im Lande eine verdächtige Berfon. bedeutende wir jeien gebornen, vergefen,

ES bejteht eine fehr

Antipatbie gegen uns, da man uns fchuld gibt, die Anftifter von allen Fehden mit den Ein: indem mir fie mit Munition verforgen. Sie daß wir die Munition nur um des Handels

willen in$ Land bringen.

Läßt man die Eingebornen in

Kleinere Mitteilungen.

27

Ruhe, jo gebrauchen fie ihr Bulver zur Jagd; greift man

feffor Fraas aus Stuttgart dafelbft am ſogenannten Heidenfels 1881

fie freilich an, jo verteidigen ſie fich und ihr Yand. Ic ſehe zwar auch ein, daß die Zeit fommen wird, wo dieje jo dünn bevölferten Gegenden den Weißen in die Hände fallen werden; aber wenn dies der Fall fein

Gletſcherſchliffe

wird, jo laßt es doch um alles in der Welt ſolche Weihe jein, die nicht bigott, intolerant und unwiſſend und Gegner von allem und jedem guten Werk find, das zum Bejten der Eingebornen unternommen wird, und die niemals jelbjt auch nur einen Finger austreden um der Eingeborenen twillen, außer um fie zu unterdrüden. Die jüngiten Er:

eigniffe feit der Miederheritellung von Transvaal haben es beiwiejen, wie wenig bei einem Häuptling der Eingeborenen dazu gehört, um auf fich und feinen Stamm den Zorn der Boeren herab zu rufen. Sie find allem Fort: Ichritt der Eingebornen grundſätzlich feindlich, fie betrachten

denjelben mit einer Geſinnung und einem Neide, die völlig unverjtändlich find, außer wenn man meint, fie fürchten,

die Eingebornen fünnten fie überflügeln.

Soviel kann man

jedenfalls getrojt behaupten: die Thatfache wird ihnen allmählich Kar, daß manche Eingeborene fich ſehr wohl mit ihnen mefjen fünnen, was Intelligenz, Fleiß und Mohlſtand betrifft, und feit die eingebornen Stämme zivilifierter geworden find, haben die Boeren ſich völlig unfähig er-

wieſen, diefelben zu beherrſchen oder zu fontrolieren. Auf Grund einer zehnjährigen Erfahrung hier im Yande bin ich völlig davon überzeugt, daß wir ziviliſierten und chriſtlichen Weißen nichts ins Yand bringen fünnen, was die Eingebornen jo vollitändig verderben und de: moralifieren muß, als der Branntwein, obwohl ich leider jagen muß, daß auch wir Weißen felbjt diefem Verderben mit ausgejegt find; denn es tötet die Meißen ebenfogut

wie die Farbigen.

Dank der Weisheit unferes Häuptlings

hier (Rhama), der andere Stämme fih hat zur Warnung

dienen lafjen, find hier bei einer farbigen Bevölferung von 14,000 Seelen doch Trinffucht und ihre böfen Folgen un: befannte Sachen, aber weiter im Süden find bedeutende Stämme dur den Branntwein geſchwächt und verarmt und ihre einſt mächtigen Häuptlinge find durch ihn elende

Schwächlinge geworden.

Kleinere Mitteilungen. Gletſcherſpuren im nördlichen Hartgebirge. Bekanntlich find von einer Reihe von Geologen, wie Dollfuß u. a., Gletſcherſpuren, bejonders Gletjcherichliffe, im den ſüdlichen Bogejen nahgewiefen worden. Für die nördliche Fortfegung des Bogejenwaldes, das Hartgebirge, hat man zwar die Theſe aufgeftellt, daß auch feine Höhen vormals unter mächtigen Eisrücken begraben gewejen wären, allein den Beweis konnte man bis zur Evidenz bisher nicht beibringen. Bei einem Beſuche des Petersfopfes, des nördlichen Ausläufers des Hartgebirges, der nach der

bayerifchen Generalftabsfarte in 1703 F. Seehöhe liegt, glaubte Pro-

entdeckt

zu haben.

Die XV,

VBerfammlung

ober

vheinifcher Geologen befichtigte zu Dftern 1882 diefe Stelle, konnte fih jedoch der

über den Thatbeſtand

Verfaſſer

dieſer

Zeilen

nicht einigen.

feine

Unterdeſſen

Lofalunterfuchungen

an

fette den

Hängen des Petersfopfes fort, und fand im Laufe des Jahres an den Höngen des ſüdlichen Ausläufers diefes Gebirgsftoces, dem Wintesrberge, zahlreiche tfolierte Felfen mit parallelen Schram— men, und zwar an den Seiten, bededt, welche ihrer einfeitigen Tage und ihres von den Schichten des Gefteines unabhängigen Yaufes halber nicht von der Gewalt der Eroſion herrühren fonnten. Die Richtung diefer Schliffe geht ftändig won Süd— weit nach Nordoft. Bemerkt ſei hier, daß die Wirkung der Sfetfhermaffen auf das jedimentäre Lager des Buntjandfteines eine ganz andere jein muß, als auf die Urgefteine, wie Granit, Gneiß, Horublende. Beim Buntjandftein bringt diefer feitliche Druck Feine förmlichen Abjchleifungen hervor, jondern teils flacher, teils ſenkrechter einfallende Mulden und Kerbe. Die mechanijche Thätigkeit des Eijes erzeugt beim Urgeftein Schliff und Ritzungs— flächen, beim Sedimentgeftein Ausſchürfungen und Kehlungen.

Die

vorhergehenden Beobachtungen wurden nun in der Mitte des März durch die Entdedung einer faktifchen Gletſchermoräne am Nordofthange des Petersfopfes ergänzt und beftätigt.! Der nordöftlihe Hang diejes Maſſives fällt mit 30 bis 400 Steigimg fteil hinab zum großen Wintersthale. Vom Orte Leiftadt zieht nun am Hange des Berges ein breiter Waldweg zur Höhe des Petersfopfes. Etwa 150 %. unterhalb feines Gipfels beginnt zirka 350 Schritte von dem Plateau abwärts ein alter Weg, der Steig genannt. Diefer ift nun genau in der Einfattelung angelegt zwifchen der Endmoräne des Peterskopfes und jeinem Nordabhange. Hunderte von viefigen Sandfteinblöden liegen am Hang und bilden mit Schutt: und Griesmaffen den Wal der Moräne, welche auf zirfa 350 Schritte deutlich erfennbar bleibt. An faft allen Felſen dieſes Berghanges find nun die regelmäßigen Rillen und Rinnen fihtbar, mit welchen der vorwärts oder rüdwärts jchreitende Gletſcher die Felfen, welhe an feinem Ende lageır, gefurcht hat. Diefe Spuren find bejonders deutlich an den Seitenwänden diefer Einzelblöde und haben durchgehend die Richtung von Süd-Nord bis Südweft-Nordoft. Ein mächtiger, 5 m. hoher Fels ift an der Nordweitjeite in Jutervallen ordentlich ausgehobelt. Am unteren Beginn der Moräne tritt eine Quelle zu Tage, welche, wie der nah Süden gelegene Geiersbrunnen ſowie das nach Südweſt zu Tage tretende Hirſchbrünnlein, nichts anderes jein kann als eine Moränenquelle. Für den letsteven Quell hat dies bereits Fraas angenommen, für die zwei anderen beftätigt es die Analogie. Durch dieſe Thatfahen erklärt fih auch der den Nordofthang des Petersfopfes bededende mafjenhafte Sad und Gries. Es find die feineren Zerreibungsprodufte des Gletſchers, welche ihrer Leichtigkeit halber weiter Hinunter in das Thal gejhoben wurden. Durch die Beobachtungen am Wintersberge, welcher oberhalb Hardenburg liegt, find wir in die Tage verjegt, nad) den Felfen mit Gletjherichliffen, welche im Norden und Süden die Endmoräne bilden, die nordjüdliche Ausdehnung dieſes Petersfopfgletichers zu bemefjen. Er bededte eine Weglänge von mebr als 3 Kilometern. Nach der Yage der geologiſchen Verhältniſſe ift anzunehmen, daß diefer Gletſcher aus der Zeit der legten Ber eifung herrührte, Weitere Beobahtungen werden vorausfichtlich auch fir andere Theile des Hartmaffives die Nichtigkeit des Satzes beweifen, daß noch im Yaufe der neolithijchen ‘Periode die höchften Kuppen der das Nheinthal begvenzenden Gebirge von dei fetten Eisriiden der Glazialperiode bededt waren. Dr. &. Mehlis.

I Konftatiert von Herrn Gernsheim, Konjervator zu Dürkheim, im Verein mit dem Berfafjer.

u}

298

Kleinere Mitteilungen.

Die Bewohner

der Kapjtadt.

Ein ausgezeichneter Beobachter und vorurteilsfreier, weitge— veifter Forſcher entwirft in der Kölnischen Zeitung von den Bewoh— nern der Kapftadt nachfolgende anziehende Schilderung: Ich hatte wohl einen Winter in den Mittelmeerländern des nördlichen Afrika und am Nil verlebt, war einige Zeit in Senegambien gewejen, den Neger kannte ich aber eigentlich nur von Amerifa her oder von Weftindien und Braftlien; wie jehr war ich daher überrajcht, im SKaffern Südafrikas ftatt des komiſchen, fchlechtgewachjenen, dickbäuchigen, plattfüßigen, mit den Armen jchlenfernden Niggers einen meist wundervoll gewachjenen, bemeidenswert ftarfen, in jeiner Art Shönen Menſchen zu treffen! Sch Spreche hierbei hauptjählih vom nackten Menſchen, Kleider gibt es wohl für den Ethno— graphen, nicht fiir den Anthropologen, nur der nadte halb oder ganz Wilde ift ſchön, intereffant wohl der beffeidete; und der arme Kaffer, der durch das Gejets gezwungen ift, Rod und Hofe zu tragen, der wie ein Affe in Uniform ausfieht, ev zeigt, wenn er unbekleidet ift, eine oft vollendete Schönheit der Glieder und Formen Eben jo ſchön im ihrer Art wie die Männer find die Ihwarzen Frauen und Mädchen; ich beeile mich zu betonen, daß id hier von den befleideten rede. Die Männer haben eine Art des Sehens

fie beneiden freien, etwas

an fih, um

wilden;

die Mimen,

die Mädchen

die bei uns

dagegen

Könige fpielen,

tänzeln

einher mit

herausfordernden Blicken, den ſtets lachenden

Mund

mit den blendend weißen Zähnen und den aufgeworfenen Yippen halb geöffnet. Von einer volfstümlichen Tracht der Männer fann feine Nede fein, fie tragen meift abgelegte Stücke der Europäer. Die Weiber

dagegen

haben

es verftanden,

ſich aus buntem

euro:

päiſchem Kattun eine ziemlich eigenartige Tracht zufammenzufegen, die ihnen vecht gut fteht: ein überall enger Rod aus hellem Stoffe, darüber eine möglichft bunte Schürze, die iiber und unter der Taille eng angezogen wird, und um den Kopf ein grellvotes Tuch geſchlungen, welch letzteres fich vecht vorteilhaft von der tiefIhwarzen Haut abhebt. Diejes Tuch dient nicht nur dazu, deu wolligen Negerſchädel zu verhüllen und zu verjchönern, ſondern die Trägerin widelt all ihre Heinen Schätze und Habjeligfeiten, oft auch Obft und falte Bratkartoffeln, in dasjelbe, jo daß es weitab turbanartig noch oben ſich erhebt. Der Fluch des Schwarzen, ein nicht

zu verkennender

durchdringender

Geruch,

fiel mir bei

den Kaffern viel weniger auf alS bei den Neger; erſtere halten allerdings auch jehr viel auf fürperliche Neinlichkeit. Neben den Schwarzen find es die fogenannten Malaien, die den Straßen Kapitadts ein charafteriftiiches Gepräge verleihen. Es find die ſtark mit Negerblut verjegten Nachkömmlinge malaiiſcher Sklaven, die zur Zeit der holländifchen Herrſchaft durch die oftindifche Kompagnie aus dem malatischen Archipel nach dem Kap über— geführt wurden. Ihre Sprade haben fie längſt vergeffen, dabei aber den mohamedanifchen Glauben ihrer Väter und einen Teil der Kleidung ihres Vaterlandes beibehalten. Den Turban tragen nur die Glüclihen, die an der Kaaba in Mekka gebetet haben, alle andern ſchmücken fih mit malaiiſchen, oft javaniſchen Kopftüchern, während fie fih zum Schu der unteren Extremitäten der arabifchen Holzjohlen auf Stelzen bedienen, welche fie mit ver großen und zweiten Zehe, die einen hölzernen Stift feftkneifen, unter fortwährendem Klippklapp fortbewegen. Ihre Weiber Heiden fih noch ganz auf türkiſch-arabiſche Weife in lange, unförmlich weite Kattunfleider ohne Taille und darunter bunte Unterröce in ungezählter Menge. Den Oberkörper verhüllen fie mit einer kurzen Jacke und ſchlagen darüber ein grell-buntes, weites Tuch, während vom Kopf, den fie durch eine mit Kokosöl und Wachs hoch aufgefteifte Friſur zu verſchönern fich beftreben, wiederum ein buntes Tuch hevabhängt, das den größten Teil des Gefichtes bevedt. Neben den genannten Naffen find es Indier, meift aus Madras, die dem Fremden, der zum erften Mal afrifanifchen Boden am

Kap betritt, in den Straßen auffallen. Meift Kulis, die auf den Zucerpflanzungen Natals ihre Zeit abgedient haben, ziehen fie vor, ftatt im ihre Heimat zurüczufehren, in den Städten der stolonie bis weit ins Innere hinein als Obft- und Gemüſehändler ihren Lebensunterhalt zu ſuchen. Chinefen gibt es merfwiirdigerweife erſt wenige in Kapftadt, doch find Anzeichen vorhanden, daß auch) Sidafrifa einft mit ihrer Maffeneinwanderung beglüct wird. Zu diefem Gemifh von Raſſen und Nationen fommen nun noch Hottentotten und die Kaffern all der verjchiedenften Stämme des Innern. Dazwiſchen treibt ein holländifcher Boer feinen ſchwer— fälligen Wagen mit 16 Ochſen bejpannt unter möglichft viel Geſchrei und Peitſchenknallen dur die Menge, deutſche Bauern— jungen, wahre Hünen, bringen die Produkte ihrer Felder in Maul— tierwagen zur Stadt, andere lange, ungewafchene und ungekämmte Bengel in hohen Stiefeln und breitfrämpigem Hut galoppterei, nahläffig im Sattel hängend, über Stod und Stein; es find Afrifander, weiße Söhne des Landes. Kurz, jelbft in den Straßen Kapſtadts, troß Staub und Hiße, findet der Beobachter manches, was ihm neu und intereffant fein mag, ohne daß es darum ſchön oder anziehend wäre. Die Henrietta-Inſel. In den als Aktenſtück des amerikanischen Kongreſſes gedruckten Verhandlungen des Unterfuhungsfomites in Sachen der „Jeannette-Expedition“ findet fi ein Bericht des Ingenieurs Melville über die Henrietta-Inſel, dem wir auf Grund einer bezüglichen Mitteilung im 1. Heft des VII. Bandes der „Deutjchen Geographiſchen Blätter“ das Folgende entnehmen: Sch fand, jagte Melville, daß die Inſel aus einem kahlen Felſen beftand, der durch die Zeit und die Einwirkung von Hige und Kälte gejpalten und zerflüftet war. Das fteile dunkle Borgebirge nah NO zu ift ohne Zweifel vulkaniſch. Die Bodenerhebing läuft von D nad) W, die Abfallslinien und Trennungslagen ziehen nah W in einem Winkel von 300, Die Oberfläche des fteilen Borlandes ift jchwarz gejprenfelt dur) große Flecken von Eifen und ſchwammige, Ihladenähnlihe Maffen von ſchwarzem und rotem Geftein. Die Inſel wird von zwei Gebirgsrüden durchzogen, welche in nord» öftliher und ſüdweſtlicher Richtung verlaufen. Der höchfte der: jelben beginnt mit einem zivfa 360 m. hohen Borland und verfiert fi) unter der die ganze Inſel überlagernden Eisdede. Der niedrigere Rüden beginnt mit einer Hügelſpitze auf der nord» westlichen Fläche und fteigt nach einer leichten Abſenkung zu einer beträchtlihen Höhe in SI au, wo er in einer Entfernung von 5 Miles verſchwindet. An der nordöftlichen Seite der Inſel find fünf fteile VBorgebirge: zunächſt das fteile, ſchwarze, zirka 360 m. hohe Kap in der Nähe unferer Yandungsftelle, dann Cairn Point, zirka 150 m., auf dem der Cairn errichtet, die Urkunde niedergelegt und der Pikenſchaft aufgepflanzt wurde, ferner die äußerſte Nordipite, melche ein zwifchen der jenfeitigen Spite und dem Zentralviiden liegendes Thal einjchließt, endlich das große Doppelvorgebirge im SW, jenjeitS des Thales. Auch zwiſchen Kap Cairn und dem Gebirgsrüdgrat ift eine leichte Abfenfung, die vor dem Doppelgebirge zurüctritt. Dieſer ganze Teil der Inſel ift leichtgefärbter Trapp, Schiefer und Schieferthon. Die Inſel wird von einer permanenten Eiskappe bededt, und die große Deffuung, welde wir an Bord für eine Bat an der NO-Seite der Inſel hielten, ift ein beftändig abfließender Gletſcher; in der That löſt ih an der ganzen NO-Seite ununterbrohen Eis ab, Einige der abgefallenen Stücke ergaben eine Stärke des Eiſes von 15 m. Eis und über 1 m. Schnee. Fünf Heine Gletjcher er— gießen fich zwifchen den Borgebirgen auf diefer Seite der Küſte, abgejehen von den längs der ganzen oberen Kante der Inſel von dem Hauptrücen abgleitenden Teilen. Zwiſchen der Grundfläche der Inſel und der Flarde ift ein hoher Rüden gebrochenen

r

Notizen. — Gletſchereiſes; hier ift das Flardeneis beftändig mit den abſtürzen— den Gletſcherteilen im Kampf. Ich vermute, daß dieſe Seite der Inſel feinen beftändigen Eisfuß hat, da das ftändig entlang ichleifende Packeis alle Gletſcherabſtürze fortführt. Ich fand den Gletſcher noch 2,5 Miles weit von der Inſel. In den Feljenviffen war eine diinme Dede von Moos oder ſchwarzer Dammerde. Es fanden ſich feine Foſſilien oder ZTierrefte irgend welcher Art, ebenfowenig Treibholz. Nur Teiften waren in den Felfenklippen.

Holigen. Afrika. Deutjhe Neifende nah dem Dvambolande. In der Situng der Geographifchen Gefellichaft zu Bremen am 28. März 1884 teilte der Vorſitzende mit, dag ein junger deutscher Naturforfcher fih in Begleitung des Dr. Höpfner für mehrere Fahre nah Ovamboland in Weftafrifa und weiter nach dem Juneren zu begeben beabjichtigt, und daß demfelben auf jeinen Wunſch von einem Mitgliede der Bremer Geographijchen Geſellſchaft die Mittel zur Anſchaffung guter aſtronomiſcher Beobahtungsinftrumente gewährt worden find, wogegen fich der Reiſende verpflichtet Hat, feine Fartographiichen Aufnahmen der Geſellſchaft zu überweiſen und ihr auch von Zeit zu Zeit Berichte tiber ſeine Reifen zugehen zu lafjen. Bon der Internationalen Gefellfhaft am Kongo. Noger ift Ende März 1884 nach Belgien mit ffarf erjehütterter Geſundheit zurücgefehrt. Er hat im Alter von nur 29 Fahren ein vielbewegtes Afrifa-Reifeleben hinter fih. Sm September 1850 ging er mit Popelin von Sanftbar nad) Tabora und Karema am Tanganifa, wojelbft ev bis zum Inni 1881 blieb. Sodann fehrte er nah Sanfibar zurück und führte von dort eine Schaar Sanfibariten zu Schiff über die Kapftadt nach dem Kongo. Hier | wurde er der ftändige Begleiter Stanleys, auch auf defjen letster Fahrt nach den Stanley Falls, oberhalb des Aruwimi. Er evzählt, daß fie diefe Expedition mit 3 Dampfern unternommen

haben; der mittlere Kongo befitst an manchen Stellen eine Breite von 26,5 Km., ift aber dann von fo unvegelmäßiger Tiefe, daß fie, bei der natürlich ungenügenden Kenntnis des Fahrwaſſers, oftmals auf den Sand fuhren und ausfteigen mußten, um die Boote wieder flott zu machen. Die letzten Feuerwaffen trafen fie bei den Eingeborenen von Rubunga (zivfa 20n. Br. und210 ö. L. Gr.). Roger kam mit Stanfey am 28. Januar 1884 nad) dem ‘Pool zurücd, war am 18. Februar in Banana und am 15. März in Liſſabon. Auch er ſprach von der baldigen Rückkehr Stanleys nach Europa. — Elliot, welcher mit van der Belde das Niarithal durchforſcht und hier fünf Stationen angelegt hat, mußte in Madeira Erholung von feinen Strapazen juchen; auf kurze Zeit nad Belgien zuriicgefommen, ging er am 1. April 1884 wieder nach der Weftfüfte ab, und zwar jet in der Eigenschaft eines Gouverneurs der Yänder am Niari. Mit ihm zu gleicher Zeit geht der englifche Oberft Srancis de Winton nad dem Kongo; diefer foll die Yeitung ſämmtlicher Stationen der Internationalen Sejellihaft übernehmen und jcheint an der Stelle Gordons zum Nachfolger Stanleys auserjehen zu jet. Dr. Colin follte in Bure am oberen Niger im Sommer 1853 die etwa vorhandenen Goldlager prüfen nnd für Frankreich erwerben („Ausland” 1883, Ver. 45, ©. 899); feine Marſchroute wurde aber verändert und wir vernehmen von ihm, daß er im Sanıar 1884 in Kaſſama (?), in dem unerforſchten Gebiet von Diebedugu (?), am Oberlauf des Bafing eingetroffen ift. Die

299

Fitteratur.

Lage von Diebedugu, das fi) auf feiner Karte findet, wird durch die umgebende Nachbarſchaft von Konkodugu (Bambuf), Djallonfadugu und Manding etwas genauer angedeutet. Diefes Land, ungefähr 140 Km. ſüdlich von Bafırlabe, fteht im gleichen Rufe des Goldreihtums als Bure; außerdem liefert es Hirje, Erdnüſſe, vorzüglihen Reis, Kautſchuk, vegetabiliihe Seide von bejonderer Art und in Fülle vegetabiliihe Butter.

Gerhard

Rohlfs über

die Bedeutung

von

Obof,

In einem der Aufjäte, welche Gerhard Nohlfs unter der Aufihrift: „Städte am Noten Meere” in der Neuen Freien Preſſe veröffentlicht, charakterifiert ev die Bedeutung Oboks wie folgt: Für Frankreich ift es viel zu jpät, um irgendwie am Noten Meere neben England noch eine Rolle jpielen zu können. Der einzige Punkt, den die Franzofen im diefen Gegenden unbeſtreitbar beſitzen, Obok, und welchen fie jest in aller Eile anfangen, militäriſch zu bejegen, Itegt gar nicht mehr am Noten Meere, fondern in der Tſchadſchurabucht, außerhalb der Straße von Bab el Mandeh. Und eine ebenfogroße Uebertreibung ift e8, wenn Franzoſen ihren Yandsleuten verfprechen, Obof habe diejelbe Wichtigkeit wie Aden, ja beherrfche noch bejjer das Note Meer al3 die englifche Feftung. Dem gegenüber fteht die Thatſache feft, daß Aden eine Feftung erften Ranges ſeit lange ift, während Obof noch im vergangenen Fahre durch weiter nichtS kenntlich war, als durch eine franzöfische Flagge, bewadht von einem Eingeborenen. Bon Häufern, von einer Ortſchaft, ift in Obof aber bis zur Stunde feine Spur. Die hingeſchafften Truppen finden Obdach unter Selten, bis Kaſernen errichtet find. Der eigentlihe Schluß, die Beherrichung des Noten Meeres geht von der in der Bab el-Mandeb gelegenen Periminfel aus. Und Perim ift jeit 1857 von den Engländern bejeßt ımd befeftigt.

Perim

im Süden,

Suez

im

Norden,

was

bleibt da für Frankreich?

Sitteratur. Oskar Schneider: Naturwiſſenſchaftliche Beiträge zur Geographie und Kulturgeſchichte. Dresden 1883. Bleyl und Kämmerer. Wertvolle Beiträge zur Handels- und Verfehrsgeographie, Geſchichte und Kulturgeſchichte. Folgendes find die Titel der fünf Aufſätze, welche in dem Buche vereinigt find: 1. Weber Anſchwemmung von antifem Arbeitsmaterial an der Alerandriner Küſte. 2. Die Schwefelminen am Nas el Gimje und der Prozeß der Soeiete soufriere d’Egypte, 3. Ueber den voten Porphyr der Alten. 4 Zur Bernfteinfvage, insbejondere über fizilifchen Bernftein und das Lynkurion der Alten. 5. Ueber die faufafische Naphtha - Produktion. Aus der Mannigfaltigkeit der Gegenftände leuchtet uns doch eine gewiffe Einheit in der Bevorzugung jolcher Themata hervor, welche mit Geographie und Gejchichte dev Produktionen des Steinreiches zufammenhängen. Entjprechend iſt die Borphyr-Monographie nicht nur die umfangreichite, Sondern auch die anziehendfte und an Belehrung reichite. Sie ift außer dem durch die Beigabe von zwei Karten, acht Tafeln mit Ab bildungen von Porphyrwerfen und einem großen Panorama auszeichnet. -Zu dem zweiten Abjchnitte, der die Herkunft des Bor phyrs behandelt, hat Profeffjor Schweinfurth auf S. 97 bis 110 eine eingehende Bejchreibung, eine SKartenaufnahme und ei Panorama des Mons PVorphyrites (Heute Gebel Duchan), welcher den foftbaren Stein in alter Zeit lieferte, beigeftenert, eine kleine Arbeit für fih, welche ihres berühmten Verfaſſers vollfommen würdig ift. Wir betreten vorwiegend antiquarifchen Boden in den ſechs letzten Abſchnitten dieſes Auffages, wo von der Verwendung des roten Porphyrs, „des faiferlichen Gefteines der Kunft“, mit

300

Fitteratur.

Zuhilfenahme einer reichen Litteraturkenntnis gefprochen wird. Das Ganze aber legt uns den Wunſch nahe, ſoviel Wiffen und

Ludwig Roth, ein Bild aus dem Stebenbürger Die Deutſchen in Siebenbürgen u. ſ. f.

Scharffinn

Die Anfiedelungsund Wohnverhältniffe im Dejterreih. Von Dr. Ernft Mifchler. Separatabdrud aus

auf ein

faft umbearbeitetes

Gebiet,

die Handelsgeo—

graphie der mineralifhen Erzeugniſſe in alter und neuer Zeit, gerichtet zu jehen, für defjen fruchtbringenden Anbau der Verfaſſer in diefem Werke fih als vollfommen vorbereitet erweift. Dentihe

Warte.

inter diefem Titel

Dr.

DO. Schudhhardt

einen orginellen Kalender

in Nötha

bat

verfaßt (Verlag

von

H. Hente, Großenhain, Sachen), welcher im echt deutſchem Geift geschrieben, die Intereſſen des deutſchen Schulvereins zu fürdern nicht verfehlen dürfte. Wir enthalten uns jeder Anpreifung diejer Arbeit, da ja genügend folgende in ihr enthaltene Artikel für fie ſprechen: Deutſche

Das

Bolfsrefte

Erftiden der

des

Sigipeden

Deutſchtums

an

in der Zips.

der

Adria.

Dentjches und

Slaviſches. Der Rückgang der deutjhen Schulen in Ungarn. Der Kampf gegen die Deutſchen in Ungarn-Siebenbürgen. Stephan

der Statiſtiſchen Monatsſchrift.

Wien 1883.

Sachjenlande.

Alfred Hölder.

50 ©,

Eine auf reiches und kritiſch gefichtetes Zahlenmaterial geftütte fulturgeographiiche Studie zur Landeskunde Oefterreihs, welche nicht allein die Wohnverhältniffe im den einzelnen Gebieten diefes Staates näher erörtert, fondern aus den dadurch gewonnenen Ergebnifien auch Schlüffe allgemeinerer Natur zieht. So wird durch das Detail der berührten Berhältniffe die Erſcheinung eines Parallelismus im der zeitlichen und räumlichen Entwicelung der Wohnverhältniffe aufgezeigt und dargelegt, daß dieſelben Kultur— epochen, welche die menschliche Gefellfchaft in der Zeit durchlebt, un den Größenflaffen der Anfiedelungen im räumlichen Nebeneinander erjcheinen,

Anzeigen.

Die Allgemeine Beitung

Die Vereinigten Staaten von

(mit wiſeenſchaftlicher Beilage und Handelszeitung)

NORD-AMERIKA.



Von

Professor Dr. Friedr. Ratzel. Erster Band: Physikalische Geographie und Naturcharakter der Vereinigten Staaten von Nord-Amerika. Lex.-8. (XIV u. 667 $.) Mit 12 Holzschnitten und 5 Karten in Farbendruck. Preis geh. M. 14, in eleg. Leinwandband M. 16. Zweiter Band: Kulturgeographie der Vereinigten Staaten von Nord- Amerika unter besonderer Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse. Lex.-8. (XVI u. 762 S.) Preis geh. M. 18, in eleg. Leinwandband M. 20. Einige Worte der Presse über dieses Werk: . . . Allen, die sich über Amerika unterrichten wollen, können wir die Anschaffung des g:o s angelegten Buches,

das einen

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Anartalpreis bei wöchentl. Jerſendung imWeltpoftverein 34.12. Probenummern Leitartikel,

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„Kölnische Zeitung“.

. . Keine Nation besitzt über dieses unendlich zukunftsreiche Machtgebiet der Vereinsstaaten der Neuen Welt ein der Grösse dieses Gegenstandes in so hohem Grade ebenbürtiges Werk als die unserige in diesem. „Literarisches Oentralblatt“. ... Noch auf lange hinaus wird es (Ratzel’s Werk) als Quellenwerk dienen und von deutschem Fleiss a

und TE

deutscher TE

Gelehrsamkeit rn

EEE

Verlag von R. Oldenbourg

zeugen. —

——

„Gaea“. ||

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wiſſenſchaftliche und handelspolitiihe fäße ꝛe. 20. in Nr. 92 bis 97.

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21. April.

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Jährlich 52 Nummern A 20 Seiten in Quart. Preis pro Quartal M. 7. — Zu beziehen durch alle Buchhandlungen des In- und Auslandes und die Poitämter. — Rezenfiond-Cremplare von Werfen der einjchlägigen Litteratur find direft an Herrn Profefior Dr. Friedrih Nabel in Münden, Akademieſtraße Nr. 5, zu jenden. — Inſerationspreis 20 Pf. für die gejpaltene Zeile in Petit.

Inhalt: 1. Der Aufftand im Sudan. Von Nihard Buchta. Lyells Leben. Bon Dr. Mbreht Pend, Privatdozent in München. II. Neapels.

Von

Michele Scherillo.

S. 313. —

4. Von

der deutſchen

V. (Mit Karte und Abbildung.) ©. 301. — 2. Sir Charles ©. 308. — 3. Die Atellanen und das heutige Bolfskuftipiel

Expedition

in Oſtafrika.



S. 315.



5. Ueber das Vorkommen

von Eisbergen im ſüdöſtlichen Teil der Südatlantik. ©. 316. — 6. Kleinere Mitteilungen: S. 317. Aus den letzten Briefen Juan Maria Schuvers. Größe und Bevölferung von Affam und Britiſch Burma. Die Durchgrabung der Yandenge von Perefop. — 7. Notizen: S. 319. Afrika. Perſonalnachrichten. — 8. Korrefpondenz: S. 320. Leber Nechtichreibung fudanefischer Ortsnamen. Von Richard Budta.

Der Jufſtand im Sudan. Bon Richard

Die Vernichtung des Mahdi erichten in Khartum ums ſomehr ein Gebot der Selbiterhaltung, als Emifjäre des—

Budta.

jelben die Bewohner Khartums ſelbſt aufzumiegeln juchten

v1

Sm

Sommer

1883

herrſchte

nach

Abd

el Kaders

glüdlichem Feldzuge in Sennar und General Hicks Sieg bei Marabia über Achmed el Mafafchef in den ftlichen Sudanprovinzen verhältnismäßige Ruhe. Es fehlte zwar nicht an Anzeichen, daß die Erregung der Araberjtämme bei jedem gegebenen Vorwand wieder auflodern könne,

aber die Behörden in Khartum hofften mit der Beſiegung des Mahdi auch feine Anhänger in Sennar und am Weißen Nil endgültig

zur alten Ordnung

zurüdzuführen.

War Mohamed Achmed aus dem Wege geräumt, jo glaubte man, wohl nicht ganz mit Unrecht in Khartum und Kairo, jo mußte der Aufitand fein Ende finden. Dem Nate Lord Duffering, Kordofan und Darfur ihrem Schidjale zu überlaffen und die Herrschaft Aegyptens auf Sennar, Kbartum,

Berber und Suakin zu befchränfen, war man in Kairo durchaus nicht gewillt zu folgen. Die Wiedereroberung des verloren gegangenen Korbofan wurde bejehlofjen und eifrig betrieben. Wenn ich fchreibe eifrig, Jo iſt Dies aller: dings nur im ägyptiſchen Sinne verftanden. 1 Siehe „Ausland“ 1884, Nr. 10, 11,12 und 13. Ausland

1884

Nr. 16,

und aus Obeid von den, nun zu Mohamed Achmed balten= den ägyptiſchen Offizieren der früheren Beſatzung von Kordofan Briefe an die Garnifon von Khartum einlangten, mit der Aufforderung, fih der Sache des Mahdi anzu: ſchließen. Der Brief Iskander Bei's, des früberen Kom: mandanten von EI Oberd, fann als das erite offizielle Dofument, welches aus dem Xager Mohamed Achmeds an die Khartumer Behörden gerichtet wurde, angejehen werden. Dieſer Brief ijt zweifellos von Mohamed Achmed ſelbſt diktiert, e3 dürfte daher gerechtfertigt fein, denjelben bier mitzuteilen: „Von den Dienern Gottes, dem Sched) Mohamed Iskender und dem Schech Yuſſuf Manfur, vordem Offiziere der Kordofanarmee, nun Gebilfen des Mahdi, mit dem der Friede fer, an alle mohamedanifchen Offiziere der Armee in Khartum. Wir warnen Euch, Freunde, und raten Euch gewiſſenhaft, gemäß den Traditionen des Pro— pheten, Gruß und Friede fei mit ihm, wir wurden nicht gezwungen, Euch diefe Warnung zu fchreiben, ſondern aus Furcht vor Eurer Vernichtung und böjem Ende, geben wir Euch diefe unfere freien Ratſchläge. Freunde, mir find mit dem Mahdi, und da wir es regelmäßig die lebten ſechs Monate geweſen, und alles hören, was er jagt, jo 46

302

Der Aufftand im Sudan.

haben mir nicht ein Körnchen Böfes in ihm gefunden oder feiner heiligen Miffion Ungehöriges. Bei dem großen Gott, und dem vortrefflihen Koran ſchwören wir, daß er der wahre Mahdi tft, der Erwartete. Ein Beweis defjen tft, daß die großen Beträge von Gold und Silber, welche in feinen Befit gefommen, für ihn gar fein Intereſſe haben, fie liegen in dem Moslim— ſchatz, verwaltet von einem treuen und vertrauenstpürdigen Manne, welcher diejelben verteilt unter Wittwen, Waiſen, jeinen Gebilfen und Auswanderern. Der Mahdi ſpricht höflich zu allen (was den in Khartum Furfierenden Ge— rüchten miderfpricht), er verabjcheut Falſchheit, fein Stolz it die Verbreitung des Nuhmes unferer Religion. Er ift immer lächelnd, fein Antlig ift ftrablend wie der Voll mond. Seine Erjcheinung iſt wie die der Söhne Iſraels (Ismaels), und an feiner rechten Wange iſt eine Warze, chal, und andere Zeichen, welche in den Büchern des beiligen Geſetzes gejchrieben find. Wir alle erhalten ge:

nügend aus dem Schabe, haben aber feinen regelmäßigen Sold. Wenn wir Euch alle guten Eigenſchaften des Mahdi beſchreiben ſollten, müßten wir einen langen Brief ſchreiben; doch wenn ihr gute Moslims ſeid, ſo verachtet irdiſche Dinge und blicket nach dem Ende und dem Paradieſe. Der Weg dahin tft die Ergebung an den Seyd el Mahdi—. Hütet Euch, gegen Moslims zu fämpfen. Wir und Ihr, jo Gott will, wollen Ungläubige befämpfen, die Feinde des Glaubens, Wenn Ihr Gläubige in Gott und feinen Propheten jeid, lafjet ab Ungläubigen zu belfen, und gebenfet, daß der

Sieg von Gott fommt, und daß Er ihn gibt, wie es Ihm beliebt. Mit der zahlreichen Armee des Mahdi, an Zweihundert— taujend jtreitbare Männer, haben wir Nemingtonfanonen und Granaten, welche ven Türken abgenommen wurden. Trotzdem, wird der Mahdi, mit dem der Friede jet, den Kampf mit Feuerwaffen verhindern. Speere und Schwert werden allein gebraucht. Bei dem großen Gott, dem Gott aller Zeiten, er (ver Mahdi) hat es ung nicht geheißen dies zu fchreiben, wir thun es jelbit, aus freiem Willen, aus Sorge für Euer Heil. Scheb Yuſſuf Manfur. Schech Mohamed Iskender.“ Um die Erfolge des Mahdi zu paraliſieren, wurden

im Mai 1883 Boten zu Adam, dem Herrſcher der Berg— landjichaft Tefele, gejandt, mit Briefen an ihn und den daſelbſt wohnenden Agenten der ägyptiſchen Regierung, Ali Effendi, um König Adams Unterftügung zu gewinnen.

Tefele, welches ſüdlich von Kordofan, wejtlich vom Weißen Nil, um den 12 Breitegrad liegt, ift ein in runder Summe 19,000 bis 20,000 Q.-Km, mefjendes Land, von 2000 bis 3000 F. mittlerer Höhe, bewohnt von Nubanegern, der Sprache nad mit den am Nilthale wohnenden Nubiern

verivandt und von den, die herrichende Klafje bildenden Abkömmlingen der Jung, zu deren Neich auch Tefele ge:

hörte. Die Bewohner Tefeles zeichneten ſich ſtets durch friegerifche Eigenſchaften aus und hielten fi die Aegypter vom Leib,

fie blieben

bis zum

heutigen Tage in einer

thatjächlichen Unabhängigkeit. Die Souveränität des Khedive war faum eine nominelle. Einige ägyptifche Expeditionen, zur Unterwerfung des tapferen Bergvolkes ausgeſandt, haben ihren völligen Untergang gefunden. Als im Jahre 1856 ein Schwarzer aus den Bergen Tefeles, welcher in ägyptiſche Dienjte getreten, und einen höheren Offiziers-

grad erreicht hatte, Osman Bei el Aswad mit einer Truppe, welche zum guten Teil aus Sklaven gebildet war, die aus Tefele jtammten, den Berfuh machte, dieſes Land der ägyptiſchen Herrichaft zu unterwerfen, bezahlte er das

Unternehmen mit jeinem Kopf, nachdem beim ZufammenItoße mit Sultan Nafr, dem Nationalbelden Tefeles, der größte Teil der Schwarzen zu Nafr übergingen. Eine, in der erjten Negierungszeit des Vizefönigs Ismael Paſcha ausgebrochene Erbfolgeitreitigfeit in Tefele, bot den Aegyp— tern den willlommenen Anlaß und Gelegenheit, in dem Berglande Fuß zu fafjen. Die Berichte der beiden aus Khartum an den Sultan geſchickten Boten lauteten dahin, daß fie nach einer Neife von 14 Tagen, vom Weſtufer des Weißen Wil aus, in der Hauptjtadt (Taffin?) Sultan Adams angefommen. Die Stadt liegt an der Kuppe eines Berges und hat eine bedeutende Größe. Sie fanden dafelbjt eine bedeutende Streitmadt, ſowohl FJußtruppen, als Reiter. Die Stadt it mit Wafjer gut verforgt, große, natürliche Nefervoirs jammeln das Regenwaſſer des Charifs und erhalten eine

für das ganze Jahr ausreichende Menge. Die Boten blieben acht Tage bei Sultan Adam, von dem fie einen Brief brachten, ebenfo einen von Alı Effendi dem ägyp— tiihen Agenten. Diejer, vor Jahren nad) Tefele gefandt, um Steuern zu jammeln, melde er nie erhielt, war ein= fihtspoll genug, ſich auf freundichaftliden Fuß mit dem Sultan zu jtellen und fich mit der alljährlich wiederfehrenden

Forderung der Steuern zu begnügen, dadurch die Dberhoheit Aegyptens in der Form aufrechthaltend. Der jehr kurze Brief Sultan Adams enthielt nach den im orientalifchen Brief: jtil üblichen Höflichkeitsformeln die Verficherung, daß er

jebt, mie ſtets bisher, der Khartumer Negierung treu ges blieben, hiebei berief fih der Sultan auf den Agenten Aegyptens, Alı Effendi und fügte hinzu, daß, wenn die ägyptifche Armee den fünlichen Weg auf dem Marjche nad) El Obeid nehmen wollte, er fi mit feiner ganzen Macht anjchliegen werde, ebenjo wie fein öjtlicher Freund der Scheh Aſaker; für feinen Fall aber, wird er dem

Mahdi den Durchzug durch Tefele gejtatten. Ali Effendi bejtätigte die guten Gefinnungen des Sultans und fügte die Warnung hinzu: „Hütet Euch vor dem Rebellen, er iſt

äußerſt Schlau, er Schläft bei Tag, marfchiert bei Nacht und überfällt Euch beim Morgengrauen. Seid vorfichtig, ſtets vorfichtig und hütet Euch vor MWeberfällen.“ Die Folge zeigte, daß die Warnung dieſes fimplen Leutnants

305

Der Aufftand im Sudan.

nicht überflüſſig

geweſen,

wenn

fie auch nicht beachtet Behörden,

ſich mit

den Kababiſchſtämmen ins Einvernehmen zu ſetzen und ihre aktive Mitwirkung gegen den Mahdi zu gewinnen, blieben erfolglos, da die Khartumer viel verlangten, aber nur ſehr wenig gewähren wollten.

| und die Brunnen angemwiefen ift, welche oft bi zu einer Tiefe von 30 bis 50 m. herabreichen.

wurde. Mehrere Verſuche der Khartumer

Die wichtigſte Sorge,

des einen Feldzug nach Kordofan leitenden Offiziers, mußte die Verſorgung der Armee mit Waſſer bilden. Wie ſchon geſagt, iſt Kordofan ein waſſerarmes Land, welches während der trockenen Jahreszeit auf die wenigen Waſſerreſervoirs

Xebensfrage

war

daher die Wahl der Straße, welche die Armee nah El Obeid führen follte und die Jahreszeit des Vormarſches, welcher feinesfalls vor Eintritt der Negenzeit, des Chariſ, ſtattfinden dürfte. Man kann El Obeid auf drei vielbereiften Straßen von Khartum aus erreichen. Einer nördlichen von Om— dermann, dem Khartum am linfen Ufer des Weißen Nil

gegenüberliegenden Dorfe aus ziemlich direkt dahinführen— den; einer mittleren,

der gewöhnlichen

Karamanenftraße

SENMUSENEENN:

Anſicht von dem blauen Nil bei Khartum.

dieſe mundet

bei Turra

el Hadra,

am Weißen Nil und

geht beim Gebel Araſchkol vorbei über den, nördlich von El Obeid gelegenen Ort Bara, und endlich einer ſüdlichen Straße, welche den Weißen Nil flußaufwärts bis Duem, 140 n. Br. und von da durch die Steppe nad) der Haupt— ſtadt von

Kordofan

führt.

Se nach der Ergiebigkeit der

Nah einer Photagraphie von R. Buchta.

furze, aber brunnenarme, über ausgedehnte Afaba, waſſer— lofe, unbewohnte Streden führende Norditrage gar nicht in Betracht. Entweder konnte der Weg über die Turra el Hadra, oder Duem gewählt werden. Oeneral Hide entIchloß fich für den legtern. Die Vorbereitungen mußten bis zum Eintritt der Negenzeit, das ift alfo bi3 Anfang vollendet fein, damit ſich die Armee

baldigit

auf den Wegen gelegenen Brunnen, werden nördliche oder

September,

füblihe

in Bewegung ſetzen konnte, denn nicht nur find Die vielen Brunnen vom Sanuar bis zum Oftober nahezu, oder gänzlich troden, jondern e8 bietet auch die Verprovian—

Ummege

von

den Karawanen

genommen.

Yür

eine, mehrere taufend Mann zählende Expedition, mit den taufenden von notwendigen Xajtfamelen, fam die, zwar

304

tierung in der findet, Boden

Der Aufftaud im Sudan.

in diefer Zeit die größten Negenzeit der Anbau von fobald die Feuchtigkeit nur eingedrungen, welcher an

Schwierigkeiten, während Durrah und Dochn ſtatt— eine Spanne tief in den den bebauten Stellen der

unterbrochen wurde. Bon Duem ging am 27. September General Hicks mit der Armee ſüdweſtlich und ſüdſüdweſt— lich über Schatt und Serega vorwärts.

Aus Serega datiert eine der lebten direften Nachrichten

Steppe aus feinem, mit wenig Erbteilen gemengtem Flug—

von diefer Armee.

fand befteht, und in der vorgejchrittenen Zeit die Armee darauf rechnen fonnte, die neue Ernte zu ihrer Verpfleg— ung heranzuziehen und auf diefe Weife von der Operations— bafis Khartum — Weißer Nil unabhängiger zu erben. Der Weg, den General Hids für feine Armee be jtimmte, ging von Duem nad) ſüdweſtlicher Richtung am Gebel Kohn vorbei an den Birket Schirfele und obwohl nad) den vom General eingezogenen Erfundigungen, eine pofitive Kenntnis der Straßen und ihrer Brunnen ſchien unbe: greiflicherweife in Khartum zu fehlen, diefer Weg derjenige war, welcher die Schwierigkeit der Wafjerverforgung zu einer relativ geringen machte, wurde der Öeneral doc) von der Notwendigkeit überzeugt, den Wafjerbedarf für die ganze Armee tagelang mit transportieren lafjen zu müſſen. Dieje Schwierigkeit, welche den Erfolg des Feldzuges jo leicht in Frage jtellen fonnte, bätte verringert werden können, dur Mitnahme ausreichender Erbbohrer, durch Aufitellung artefifcher Brunnen. Aber bei der allgemeinen Unzugäng— lichkeit der Ausrüftung der von Hids Paſcha geleiteten Armee, von welcher nur die Bewaffnung auszunehmen it, fonnte es nicht befremden, daß an diefe Sache nicht gedacht wurde. Diefer Bortvurf trifft eigentlich viel weniger Hicks Paſcha perfönlich, welcher mit der Indolenz und der unter der Maske der Unterwürfigfeit verjtedten Feindjeligfeit der ägyptiſchen Offiziere zu kämpfen hatte, aber er durfte, da er fich der kritiſchen Yage feiner Unternehmung bewußt war, wie dies fein ſchon im Juli 1883 nach Kairo ges vichtetes Demiffionsgefuch bewies, die zu einer Katajtrophe treibenden Uebelftände in der von ibm befehligten Armee nicht mit feinem Namen deden. Am 8. September v. %. bielt General Hicks Nevue über die Armee und am folgenden Tage erfolgte der Ab— marjch von Omderman. Die Marfchordnung ermöglichte eine jofortige Defenfivaufitellung, um jeder Ueberraſchung vor: zubeugen. Die Armee ſetzte ſich aus 7000 Mann Infanterie, 400 Bajchibozufs, 100 Gepanzerten, 20 Kanonen (4 Krupp’ hen, 10 Gebirgsfanonen und 6 Nordenfeldt-Mitrailleufen), 500 Pferden und 5500 Kamelen im Troß zufammen. Hiezu fan noch die Oarnifon von Dawa und Duem; nad) offiziellen Angaben bezifferte ſich General Hicks Armee auf 10,500 Mann. Der Vormarfch der Armee ging vecht langfam von jtatten. Bon Omderman bis Duem brauchte jie 12 Tage, während die gewöhnliche Neifedauer der

„Wir verließen Khartum den 9. September und gingen am Meftufer des Weißen Nils vorwärts und mit Ausnahme

Karawanen nur 4 Tage beträgt. mit der feftigter angelegt führung

Um die Kommunikation

Operationsbaſis zu erhalten, jollte eine Lager zwifchen dem Weißen Ni und werden; eine Maßregel, tweldhe .nicht fam oder mindeſtens erfolglos blieb, da

Major Evans Schreibt am 30. September:

einer viertägigen Naft in Duem marfchierten wir feitdem ununterbrochen. Die Hige iſt fürchterlich. An 30 Mann

ftarben an Erfhöpfung und Kamele fallen täglich nad) Duzenden. Montag waren wir 12 Stunden im Sattel, für 16 Tage machten wir durchjchnittlic) 8 Stunden im Tag. Wir hielten in diefem elenden Dorfe von 20 Hütten,

um Menfchen

und Tieren eine Feine Raſt zu gewähren.

Das Waſſer iſt abſcheulich. Der Feind joll in großer Stärfe 30 e. MI. vor uns fein, wir werden alfo in vier Tagen zufammenjtoßen. Der Weg hinter uns ift gejchloffen

und

nach

diefer Mitteilung

kann

nichts

mehr

nad)

Khartum gefandt werden, bis wir den Hauptrebellen vers nichten.“

Schon von Khartum aus war die ägyptiſche Armee mit Spionen des Mahdi umgeben, jede Bewegung der: jelben fam mit der größten Eile zur Kenntnis desjelben, während General Hids durch verräterifche Führer und Berichterftatter getäufcht wurde. Die Rebellen, welche fich am Chor en Nil in einer Anzahl von 10,000 Mann ge:

fammelt hatten, zogen fi) auf das Gros der Armee des Mahdi zurüd. General Hicks, welcher mit dem Hofmdar, dem Generalgouverneur. Allah ed Din Paſcha, wegen der Führung und des Weges in Streit und Hader lag, teilte

die Armee bei Birket Rahad und nahm mit einem Teil derjelben die Tete, Allah ed Din mit dem anderen Teil zog einen anderen Weg. General Hicks wurde durch den verräterischen Führer in das felfige bewaldete Defile von Kaſchgil geführt und daſelbſt am 1. November von dem nach Hunderttaufenden zählenden Feind angegriffen. Der Kampf dauerte drei Tage, wohl bildeten die Aegypter Carré ,Taufende und Taufende der Anhänger Mohamed Achmeds fielen, aber Schließlich trat Munitionsmangel ein, es fam zum Handgemenge, zum Kampf von Mann gegen Mann und die ermatteten, feit drei Tagen durftenden Aegypter, erſchöpft durch Durſt und Hiße, erlagen nad)

verzweifeltem Kampfe.

Faft alle Offiziere wurden getötet.

Außer den englischen, Hids, Oberft Farquhar, Major Evans, Warner, Maſſy, auch zwei deutfche Herren, Alfred

Freiherr v. Sedendorff und der Arzt Dr. Nofenberg, zivei Defterreicher, Arthur Herlth und Matyuga, Georgi Bei, der Generalarzt,

Allah ed Din Paſcha mit der größten

Zahl der ägyptiſchen Paſchawats und Beis, im ganzen über 1000 Offiziere. Diefe Verluſtliſte fpricht Schon allein für die verzweifelte Tapferkeit der gefamten Armee. Zwar

Nette be— EI Obeid zur Aus: fogar die

tauchten ſpäter wiederholt Gerüchte auf, daß ein Teil der Armee unter Allah ed Din Paſcha gar nicht in den Kampf

Ihriftlihe Verbindung zwischen Khartum und der Armee

kam und fich bei Birfet Rahad verſchanzt hätte, doch hat

Der Aufftand

händler

in Khartum, Nah

Herr Marquet,

Marquets

Armee im Defile von Kafchgil in finfterer Nacht aufeinander gejtoßen ſein und, fich gegenfeitig für den Feind haltend | gegeneinander gefämpft haben; am Morgen, als der

als glaubtwürdig

Gewährsmann

follen

305

beiden getrennt marfchierenden Abteilungen der ägyptiſchen

bis heute eine thatjächliche Bejtätigung dieſer, wie auch der Nachrichten gefehlt, welche ein frangöfifcher Groß— publizierte.

im Sudan,

die

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Karte des Aufftandgebietes im Sudan, Wohnfite der Araber: und Bedjaſtämme.

fürdhterliche Srrtum gewahr wurde, fam Mohamed Achmed mit feinen Leuten und vollendete das Vernichtungswerk. Dieſe Darftellung trägt jo jehr den Stempel der Untwahr:

blid ernst genommen werden fonnte,

Icheinlichfeit an fih, daß fie auch nicht für einen Augen:

der Schlacht und werden wohl, wenn überhaupt, erſt nad)

Ausland

1884, Nr, 16.

Trotzdem ein halbes

Jahr feit den für die Aegypter jo verhängnispollen Tagen

von Kafchgil vergangen,

fehlen uns eingehende Berichte 47

306

Der Aufftand im Sudan.

der Löfung der nun jo verworrenen Sudan-Frage zu unferer Kenntnis fommen. Der erjte und bisher auch ber trauenstwürdigfte Bote, welcher die Unglücksbotſchaft am 30, November nah Khartum brachte, war ein Aegypter, welcher der Beivegung des Mahdi fern jtand, er war nicht Zeuge der Schlacht, hatte aber drei Tage nad) derjelben den Mahdi gefeben, welcher, mit den grünen Propbetens Turban und gelbjeidenen Oberfleid angethan, als Trium— pbator nach El Obeid zurüdfehrte. Nach dieſem fürchterlihen Schlage war der Sudan für Aegypten verloren und nur durch Englands Hilfe fönnte eine Wiedereroberung möglich gemacht werden. England, obwohl den Sudan als ein außer jeinen Inter— effen liegendes Gebiet erflärend und feine völlige Räumung dem Khedive kategoriſch befehlend, ſah ſich gezwungen, als es einmal zur Sicherung von Suakin eine Flotte da— bin ſchickte, von den Ereigniſſen und der öffentlichen Meinung getrieben, feine eigene Armee gegen die Rebellen ins Feld zu führen. Ich darf die jeit der Schlacht von Kaſchgil in vorderiter Neihe die Tagesprefje befchäftigen: den Ereignijje der legten Monate jo weit als befannt voraus—

jeßen, daß ich mich

mit einer ſummariſchen Aufzählung

derfelben bier begnügen darf, welche ich in einem chrono— logischen Ueberblid der Geſamt-Geſchichte des Aufjtandes als Schluß meiner Aufjäße bier folgen lafje: 1881. Ende Juli. Noauf Bajcha erhält Nachrichten von dem Auftreten Mohamed Achmeds als Mahdi. 6. Auguft. Abu Saud wird nach der Inſel Aba gefandt, um den Mohamed Achmed nach Khartum zu bringen; er kehrt rejultatlos zurüd. 10. August. Die erite Expedition gegen den Mahdi ausgelandt, zwei Dampfichiffe mit 300 Soldaten; am Abend des 11. werden die Aegypter niedergemeßelt. 15. Auguft. In Khartum zeigt fich bereits Aufregung. Gerüchte einer beborftebenden Chriſtenmetzelung fur: fieren in der Stadt. Aus Berber, Tafa, Sennar und Faſchoda werden Truppen zufammengezogen und mit denen in Kordofan unter dem Mudir Mohamed Said Paſcha vereinigt, welcher Befehl erhält, gegen den Mahdi zu marjchieren. Mohamed Achmed verläßt die Umgegend von Aba und geht nach dem Gebel Gedir in den Tefele-Bergen. Mohamed Said Paſcha kehrt unverrichteter Dinge zurück. 8. Dezember. Raſchid Bei mit 400 Mann Soldaten, 1000 Schilluknegern zieht von Faſchoda gegen den Mahdi und wird geſchlagen, faſt die ganze Truppe von den Baggara niedergemacht. Karl Berghoff fällt. 1882.

23. Februar. Roauf Paſcha, der Nachfolger Gor— dons als General-Gouverneur, geht nach Aegypten zurüd, Giegler Paſcha übernimmt interimiftifch vie Verwaltung des Sudan.

15. März.

Yuffuf Paſcha verläßt Khartum, um mit einer

aut ausgerüfteten Armee, welche aus den Dftpropinzen und aus Kordofan und Darfur zufanımengezogen wird,

13 Kompagnien regulärer, 1500 irregulärer Truppen, über 1000 Stamelen den Mahdi anzugreifen, 6. April. Depeiche des Mudir Huffein Ber Schufri an Giegler, daß der Nebellenchef Amr el Makaſchef mit

mebreren 1000 Dann vor Sennar ſteht und die Stadt bedrobt, nächiten Tag Ausfall der Sarnifon, die Nee. bellen ſchlagen dielelbe, dringen in die Stadt und richten ein Blutbad an. Die Truppen ziehen ſich nad der Kaſerne zurüd und werden daſelbſt belagert ge balten. 15. April, Giegler Paſcha gebt nach Sennar. Vor feiner Ankunft Befreiung der Stadt dur Salah Aga. 4. Mat. Ein Yeutnant des Mahdi, der Scherif Moha— med Taba, Schlägt die ihn angreifenden Regierungs— truppen.

6. Dat. Nach Ankunft von Verſtärkungen aus Dalabat und 2500 Schufuri unter Auad el Kerim der Scherif angegriffen, gejchlagen, getötet. Greuelſzenen. 12. Mai.

Abd el Kader, der neue Mintiter für den Sudan,

trifft in Khartum ein. Pitte

Dat. Haljanie

Truppenfendungen nach Kordofan. Die plündern die Narawanen. Der Kopf des

Mohamed

Taha

wid

am

Marktplag

in Khartum

ausgeftellt. Die Organifierung von irregulären Sande ihads aus den Scheighie und Dongolanern, 3000 bis 4000

11. Juni.

Wann,

Maſſakre

in Aegypten.

eifrigit betrieben.

in MAlerandrien.

Auftreten Arabis

Die Nachricht hievon näbrt den Aufſtand

im Sudan. 13. Juni. Die Nahriht von der völligen Niederlage Yuſſuf Paſchas in Khartum eingetroffen. Alle Offiziere gefallen. Große Beute des Mahdi. Mohamed Achmed verläßt die Berge von Tefele und zieht nach Kordofan. Die Truppen werden fon: zentriert und El Obeid belagerungstüchtig gemacht. 24. Juni. Bara in Kordofan angegriffen, die Rebellen mit großen Verlusten zurüdgejchlagen.

In Khartum wird ein Nebellenführer aus Sennar gehängt. Die katholiſche Mifftonsftatton in Melbes unmeit von EL Obeid eingeäfchert. Die Miffionsangebörigen flüchten nad El Obeid.

Anfang Auguft, Der Ort Schatt auf dem Wege von Dem nah Kordofan geplündert, die Eintvohner getötet, nur die jungen Weiber mitgeführt. 3., 11., 14. September. Angriff von El Obeid, mit blutigen Verluften der Aufjtändifchen zurüdgefchlagen.

12. September. Schlacht bei Tell el Kebir. lage Achmed Arabis.

Völlige Nieder

307

Der Aufftand im Sudan. ,

Ende September. Anfang Oftober.

12. November.

Gefechte am Weißen Nil zwischen | Dama und Marabie. Die Abu Roof / Araber üben Verrat. Die Negterungs? truppen erleiden Niederlagen.

Sieg der Aegypter bei Duem.

Der Bezter

des Mahdi zwei Tage ſpäter in Khartum gehängt. 15. November. Die Befeftigungsarbeiten von Khartum in Angriff genommen. Dezember Anfang. Erite Truppenfendungen aus Aegypten. Die Negimenter Arabis nach dem Sudan gejchidt. Mitte Dezember. Neue Unruben in Dawa, Später in Sennar, Meſſalamia und Detena, Poſt- und Tele: graphenleitung unterbrochen. Yeutnant

um

Colonel Stewart

fommt

in Khartum

an,

einen Bericht über die Yage im Sudan an die

englijche Regierung zu erjtatten. 1883. 2. Januar. Abd el Kader, der Sudan-Gouver— neur, gebt nad) Diefalamia, um die Provinz Sennar zu pazifizteren. 5. Januar. Bara in Kordofan fällt in die Hände des

Mahdi. 17. Januar. El Obeid gefallen, nachdem die Garnifon ausgehungert wurde. 20. Januar. Gefecht bei Detena, die Hafjanie werden auseinander getrieben.

Ende Januar.

Bildung eines Yagers bei Omderman aus

regulären Truppen, welche aus Negypten kommen unter Befehl von Huſſein Paſcha. 27. Januar. Abd el Kader befiegt die Snjurgenten unter Woad Kerif bei Maduf, ſüdweſtlich von Mejalamta. 24. Februar. Konſul Hanfal in Khartum jchiet einen Takruri: Pilger zum Mabdi nach El Oberd, um die Auslieferung der gefangenen Miſſionare zu betreiben.

4. März. General Hids trifft in Khartum ein. 22. März. Abd el Kader jchlägt die Nebellen bei Karkodj. 26. März. Allah ed Din Paſcha aus Maſſaua wird zum Generalgouverneur ernannt. berufen.

Abd el Kader wird ab»

3. April. General Hids geht nad) Qawa, wohin bereits 5000 Mann gejchiet wurden. 26. April. Abd el Kader kehrt nad) Kairo zurüd. Meld— ungen aus Kordofan, operiert.

daß der Mahdi gegen Darfur

29. April. General Hids jchlägt die Nebellen bei Marabia. Ahmed Makaſchef wird getötet. Anfang Mai. Weiterer Sieg bei Djebelein. Juni und Juli, Ankunft von Truppen aus Aegypten, Vorbereitungen zu einem Feldzug nad) Kordofan. 13. Auguft. Im Diftrift von Abut bei Woad Medine neuerdings eine Erhebung.

Bei Suakin, Sinfat Auftreten Osman Digmas, eines Veziers des Mahdi, er attaftert Sinfat, wird geichlagen.

Cholera in Aegypten.

20. Auguit. Oeneral Hids wird zum Oberfommandanten an Stelle Suleiman Paſchas ernannt

31. Auguft.

Ernſt Marno 7 in Khartum.

9, September. Aufbruch der Armee von Omderman nad Kordofan.

1. bis 4. November.

unter General Hids

Schlacht bei Kaſchgil, die ägyptiſche

Armee, 10,000 Mann mit über 1000 Offiziere nad verzweiflungspollem Kampfe niedergemacht. 6. November. Gefecht bei Tofar, die Aegypter gefchlagen, Konful Monerieff, 11 Offiziere, 142 Mann getötet, 1 Kanone, 300 Gewehre verloren. 26, November bis Dezember. Die Forts von Cuafın von Aufjtändischen angegriffen. 2. Dezember. Die Aegypter unter Kaffım Bei bei Suafın, Wady Ekowil aufgerieben, 500 judanefiiche (ſchwarze) Truppen,

200 Baſchibozuks,

1 Kanone

verloren.

Suakin wird durch ein englijches Kriegsjchiff,

den

„Ranger“, verteitigt. Sinkat und Tofar zerniert, ihr Fall wird befürchtet. 18. Dezember. Baker Paſcha geht von Kairo nad) Suafin. 26. Dezember. Ankunft der Dampfer und Schleppichiffe in Khartum, welche die Beamten und die Bejabung von Fafchoda, welche jeit 1864 eine befeitigte, ägyp— tiſche Station im Schilludlande gemwejen, zurüdzubringen. Die Mudirie von Faſchoda iſt aufgelöft, das Land geräumt. 1884. 8. Januar. Nubar Paſcha übernimmt das Mini— Iterium in Kairo. Pur 40 Km, von Khartum bei EL Afun jteht Schech El Obed, ein Schwager des Mahdt auf. An beiden Seiten des Blauen Nil erklären jich die Bervohner für den Mahdi; die telegraphiiche Ber: bindung mit Sennar gänzlich zerjtört. 14. Januar. Ankunft des Dampfers „Ismailia“ aus dem Bahr Ghazal-Öebiete in Khartum, Bohndorf, Dr. Sunfers Begleiter, an Bord. Nachrichten von Lupton Bei, daß auc die Neger feiner Provinz im Aufftand find, die Verbindung der Mejchra ev Req mit Dem Suleiman unterbrochen. Der Reijende Juan Maria Schuver von den Dinfanegern am 21. Auguft 1883 erichlagen worden. Die Befabung von Khartum, 6100 Mann, wird unter den Befehl des englifchen Oberjten Goetlogon geitellt. 20. Januar. Vorbereitungen in Khartum zum Verlaſſen der Stadt. Rufa am Blauen Nil in großer Be drängnis. 21. Januar. General Gordon übernimmt eine Miſſion

des engliſchen Miniſteriums, die Räumung des Sudan zu vollziehen und eine neue Ordnung zu ſchaffen. 24. Januar. Gordons Ankunft in Kairo. 3. Februar. Bakers totale Niederlage bei Sinkat. 9. Februar. Admiral Hewett zum Militär: und Zivil: gouverneur von Suakin ernannt.

908

Sir Charles Lyells Leben.

11. Februar. Fall von Sinkat, Niedermebelung der tapferen Garnifon mit Tewfik Bei, dem Kommandanten, 18. Februar. Gordons Ankunft in Khartum. Er erläßt eine Broflamation, welche den Mahdi als Emir von Kordofan anerkennt, Steuernachlaß bewilligt und eine freie Praxis des Sflavenhaltens geftattet; er wird von der Bevölkerung Khartums mit Enthuſiasmus em— pfangen. 19. Februar. Das englifche Erpeditionsforps, 5000 Mann unter General Graham, geht nach Suakin. 21. Februar. Tofar fällt. 29, Februar. Schlacht bei den Brunnen um Teb. Schwer

erkämpfter Sieg der Engländer. 13. März. Schlacht bei Tamanieb. Osman Digmas Lager wird genommen. Außerordentliche Tapferkeit der Nubier. Als Abſchluß möge hier noch ein Brief folgen den ich von einem, den Sudan durch viele Jahre bewohnenden, hohen ägyptiſchen Funktionär erhalten, in welchem ſich dieſer über die mit dem Aufſtand des Mahdi zuſammen— hängenden Fragen wie folgt äußert: „Die Sklavenfrage ſieht ſich ganz anders an, wenn

man ihr in amtlicher Stellung begegnet.

Humanitäre, die

gemütlich zu Hauſe ſitzen und beim Glaſe Wein menſchen— freundeln, finden nichts leichter inder Welt, als Sklaven— handel und Sklaverei abſchaffen; ganz anders macht ſich die Sache, wenn man die Verantwortung auf ſich hat, für die Ruhe, Sicherheit, Ordnung und Zufriedenheit in einem großen Lande wie der Sudan zu ſorgen. Keinen geringen Teil der jetzigen traurigen Zuſtände im Sudan tragen die Hetzereien gegen die ägyptiſche Re— gierung, die ſich dadurch veranlaßt ſah, ſo ſtrenge Maß—

regeln gegen Sklaverei anzuordnen.

Die Regierung kann

nun ganz logiſch fragen: „War es beſſer, als wir im Sudan nach unſerem Syſtem und nach unſeren Ideen

regierten, wie jetzt, wo die Früchte euerer Ideen, die ihr uns aufgedrängt, reif ſind? Ich bin kein Beſchöniger des türkiſchen Syſtems, aber es hat uns im Sudan muſterhafte Ordnung geſchaffen und niemand, reſp. keine fremde Regierung hätte ſo ſinnlos dagegen arbeiten ſollen, ohne gegebenen Falles beſſeres dafür zu ſchaffen. England hat ſich in dieſe Lage gebracht und nun, to 8 feine Pflicht wäre, Truppen nad dem Sudan zu ſchicken, um Ordnung zu Schaffen, fagt es, wir haben dort feine Intereſſen. Gut, wenn, dem fo ift, dann muß der Sudan ſich jelbjt überlaffen werden, denn Aegypten fann ohne fremde Hılfe, die es nicht befommt, den Sudan fich nicht wieder untertbänig machen. Folgerichtig follen die Völker im Sudan thun, was fie wollen und daß der Sflavenhandel

wieder blühen wird, ift felbjtredend die erſte Folge einer . ſolchen Entmwidelung der Frage. So nehme ih an, faßt Gordon die Sache auf und ich ftimme ihm ganz bei und beivundere ihn, daß er den

Mut hat, der ganzen Welt und feinem eigenem Lande die ungeſchminkte Wahrheit zu jagen.

Bis nicht eine andere Sudan bemädhtigt, kann

Fräftige Negierung

fich des

feine Hoffnung vorhanden

fein,

dem Uebel entgegen zu treten. Vor allem follten Miffionare in ihrem albernen Dünfel, in der Sache Erfolg zu haben, eines befjeren belehrt werben. Gordon ſagte mir hier: „Der Sudan tft eine rau, die bisher mit Aegypten ver: ebelicht war. Dieſe Ehe ift nun getrennt. Will ſich dieſe

Frau wieder verehelichen mit einem anderen (andere Macht), fo fann fie es thun und

Sudan machen lafjen.”

dann wird fich etwas aus dem

Das Gleichnis ift ein ganz rich:

tiges und bis dies gejchieht, wird ſich auch nichts in der Sflavenfrage tbun lafjen. Daß Gordon während feiner früheren Adminiftration nicht nur oft zwei Augen zuge: drückt bat, fondern die Sache noch infoferne begünftigt

hat, indem er Kontrafte

für Lieferung

von Sklaven als

Soldaten ausgegeben bat, it uns Sudaneſen allen befannt.

Auch hier würde ich ihn durch dick und dünn verteidigen. Die Anfchuldigung, daß Gordon einen Durchgangszoll 24, Thaler per Kopf in Galabat erhob, iſt falih.

von So

weit iſt er nicht gegangen.

und

anderen Plätzen

mögen

Beamte

in Galabat

dies jchon auf ihre eigene Fauft

gethban haben, natürlich für ſich felbft, d. i. zu ihrem eigenem Vorteil. Daß die Nehabilitierung der alten Sultanfamilien den permanenten Bürgerkrieg im Sudan zur Folge haben wird iſt leider eine andere Folge der Löſung der Frage, wenn nicht England droht und diefe Drohung unter Um—

ſtänden verwirklicht. Die englische Regierung, wird indefjen, ohne daß fie es will, immer mehr dur die Verhältnifje gezwungen erben, thatfräftig einzufchreiten, was die Bor: gänge am Noten Meere beweifen und follte Gordon oder einem High-Kommiſſionar, der vielleicht für den Sudan ernannt wird, etwas pafjieren, dann wird man auch noch diefen Knoten mit dem Schwert durchfchneiden müfjen.“

Sir Charles Iyells Jeben.“ Bon

Dr. Albrecht Penck, Privatdozent in Minden. IT,

So groß war das Auffehen, welches Lyells Principles of Geology erregten, daß der erſte Band, melcher eine

Seichichte der Geologie, ſowie Betrachtungen über die frühere Intenſität geologifcher Kräfte enthält, beim Er: Icheinen des ziveiten, 1832, neu aufgelegt werden mußte; dieſer leßtere wiederum war kei Herausgabe des dritten Bandes vergriffen, und 1834 erfchten eine neue Auflage 1 Siehe „Ausland“ 1882, Nr. 32, ©. 629. Life, Letters and Journals of Sir Charles Lyell. London, Murray 1881.

ene ee ur e e e

Sir Charles Lyells Leben.

des ganzen

Werkes.

Bemerkenswert

ift auf den eriten

>09

mit welcher troß dieſes

und Lyell hatte bei Herausgabe des Buches mehrfach ge— fürchtet, man werde dejjen Inhalt, der jo beredt ein hohes

Erfolges die neuen Ideen von Seiten der Geologen auf:

Alter der Erde fordert, der fih jo energisch gegen alle

Blie vielleicht die Zurüdhaltung, genommen

wurden.

Die Schidjale der Brinziples gleichen

in dieſer Beziehung

überrafchend

denen

von

Darwins

„Urſprung der Arten”. Ste werden mit wahrem Enthu: ſiasmus von den weiten Kreifen des gebildeten Bublifums

begrüßt, man

fetert die ‚überzeugende Logik der Beweis:

führung, man tft gefefjelt von dem Klaren, eleganten Stile; fie tragen hell die goldene Medaille der Königl. Gefell: Ihaft ein. Den Fachleuten hingegen find fie zu vevoluttionär, da ſie Gefichtspunfte enthalten, welche vielfach von den herrjchenden abweichen. So erregten die Prin— ziples unter den Geologen mehr Angriffe, als billigende und beiftimmende Urteile. Es bedurfte der Zeit, bis man fih mit den in ihnen enthaltenen Theorien befannt und vertraut machte. Jahre waren nötig, bis die neuen Ideen

in Fleisch und Blut übergegangen waren. Lyell bat fih hierüber nie Täuſchungen hingegeben.

Er hoffte, vielleicht in zehn Jahren den Grundſatz in der Geologie adoptiert zu fehen, daß in der Vorzeit feine anderen Kräfte wirkten als heute, Unabläffig war er bemüht, diefem Fundamentalfage neue Stüßen zu geben. Sede neue Auflage der Brinziples trat in einer verbeflerten

Gejtalt an die Deffentlichkeit. Wenn alfo auch Lhyell mit feinen Anfichten eine Zeit lang nach dem Erjcheinen der Brinziples allein daſtand, wenn jelbjt feine Freunde, mie fein Neferent, Boullet Serope, ihm nur teilweiſe beizujtimmen vwermochten, jo

war doch der inhalt des Werkes zu reihlih und zu Klar verarbeitet, als daß man nicht gezwungen gemwejen wäre, Lyell unter die leitenden Geifter zu rechnen. Wan rühmt jeine Verdienfte mehrfach, aber man feiert ihn nicht als

Ueberflutungen richtet, als religionswidrig bezeichnen. Aller:

dings hatte man

auc Bedenken gebegt, Lyell das Lehr:

amt für Geologie zu übertragen. Die Prälaten erklärten jedoch, wie Lyell mitteilt, „daß fie feine Anfichten zwar für böchft überrafchend hielten, aber daß fie nur finden könn— ten, diejelben feien nicht anders al3 geradwegs entmwidelt und logiſch aus Thatfachen herzuleiten. Möchten nun jene Thatjachen wahr fein oder nicht, möchten die Folger: ungen logiſch jein oder nicht, fein Grund läge vor, an—

zunehmen, daß die Theorie aus irgendwelchen religions— feindlichen Gefühle entiprungen fer.” So bleibt Lyell jener ſchwere Vorwurf erfpart, den man jeinem Borgänger Hutton gemacht hatte, nämlich der, daß er die Religion untergraben wolle; und als er dem Bilchofe Copleſton erklärte, „er ftimme mit denen gern überein, welche annehmen, daß feit 4000 Sahren Feine große Sintflut jtattgefunden habe, daß es ferner wohl möglich wäre, viele Menſchen ſeien in den Ländern ertrunfen, welche zu Noahs Betten nach mweislich bewohnt geweſen“, jo war jeine Ernennung zum Profeſſor gefichert. Allerdings tadelten ihn feine Freunde wegen eines folchen jophiftiichen Bekenntniſſes, und Lyell jelbft äußerte, er hätte ftatt 4000 Jahren wohl auch 40,000 jagen können. Allein ihm lag damals daran, mie aus einem Briefe an feine Schweiter Marianne hervorgeht, eine Stellung zu erlangen, in welcher er feinen Anfichten und Lehren Einfluß und Geltung verjchaffen konnte. Bes greiflih it in der That au, daß er, nachdem er dem vichterlichen Berufe entjagt hatte, in jeiner neuen Lebens— aufgabe auch nad) einer öffentliche Wirkſamkeit jtrebte, die ihm als Bräutigam befonders erwünjcht fein mußte.

Neformator, fondern als Begründer einer neuen Richtung.

Bald jedoch erkannte Lyell, hierin einen Mißgriff ges

Sp mancher Brief gibt davon beredtes Zeugnis, am deutlichiten wohl ein Schreiben an Leonard Horner vom 12.

than zu haben. Er fühlte fih durch die Pflichten feiner Vrofeffur eingeengt, und jah feine Zeit für wiſſenſchaft— liche Arbeiten bejchränft. Sein Beitreben ging aber weiter als blos dahin, eine angejehene und angenehme Stellung zu erlangen. Aus feinen Tagebüchern und Briefen leuchtet eine große, wahrhaft ideale Begeifterung für reine Pflege

März 1838.

Darwin hatte feine Beobachtungen über die

ſüdamerikaniſchen

vorgetragen,

Vulkane

der Geologiſchen

welche Lyells Anſichten

Geſellſchaft

weſentlich

ſtützten

und Phillips, ein älterer, engliſcher Geologe, pries Lyells Prinziples. „Jahrhunderte lang werden zwei entgegengeſetzte Lehren die Geologen teilen. Einige werden frühere größere Kräfte fordern, andere, wie Lyell und Darwin, werden ſich mit der Intenſität begnügen, welche die Natur jetzt an—

wendet.“ So nennt man ſchon 1838 Lyell und Darwin in einem Zuge, und merkwürdig nimmt es ſich aus, wenn man den Brief, aus welchem obiges entnommen iſt, wohl durch ein Verſehen, auch als vom 12. März 1858 datiert, im vorliegenden Werke wieder angeführt findet. Man muß fih den Erfolg der Prinziples vergegenwärtigen, wenn man verjtehen will, warum Lyell uns mittelbar nach Erſcheinen des eriten Bandes derjelben eine Profeſſur am Kings Kollege in London angetragen wurde. Kings Kollege war damals unter ſehr orthodorer Leitung, Ausland, 1884, Nr. 16.

der Wiſſenſchaft hervor.

Er fühlte fih nur glüdlich, wenn

er nad) einem bejtimmten Ziele jtreben konnte; aber diejes

Biel ift ihm nicht blos Ruhm und Erwerb, twie er allerdings einmal ausfpricht, fondern er wollte Großes leiften. Um groß in der Wiffenfchaft zu werden bevarf „es nicht blos des Talentes, fondern der völligen Hingabe an die Sache. In ſtrenger Befolgung diefer Anſchauungsweiſe lehnte er

die Präſidentenwürde der Geologijchen Geſellſchaft ab, die ihm fchon 1832 angeboten wurde. Er bezeichnet dieſes Anerbieten als eine Verfuchung, welche entjcheivet, ob ein

Mann in der Wiffenichaft groß wird oder nicht, und als ihm die genannte Würde 1835 doch zufiel, ſchrieb er an Darwin, welcher eben von feiner Weltumfegelung zurüdges fehrt war, er möge nicht Chrenämter annehmen, dieſe gehörten 48

310

Sir Charles Lyells Leben.

für die Leute, welche eine ſolche Würde zur Anſpornung Dem Wunſch, lediglih der Wiffenfchaft zu bedürften. (eben, entjprechend, legte er denn ſchon 1832 feine Pro—

feffur am Kings Kollege wieder nieder.

Man kann wohl

begreifen, wenn Lyell dies bei alledem als einen Aft der Selbitverleugnung bezeichnet; denn feine Borlefungen waren von ungewöhnlichen Erfolge begleitet gewejen. Mehr als 200 Hörer batten denfelben beigewohnt, namhafte Ges lehrte, darunter Fachleute, welche auf tüchtige Leiſtungen in der Geologie zurüdbliden konnten, die weiten Kreife des

in objeftiver befcheidener Form. So berichtet er freimütig, mit feiner zweiten Vorleſung in Kings Kollege einen großen Erfolg gehabt zu haben. „Sch jchreibe dies offen und ehrlich, weil Du weißt, daß es nicht aus Eitelfeit gefchieht, und zwijchen ung bleibt.“ Ausführliche, für den Geologen

zwei injfribierte Studenten von Kings

oft hochintereffante Briefe an jeinen Schwiegervater Leonard Horner vermögen nicht den Ausfall zu decken, welchen der Leſer beim Abbrechen der Tagebücher in dem vor: liegenden Briefwechſel empfindet. Es war bejonders der Wunſch geweſen, auf Reifen jeine in den Prinziples niedergelegten Anfichten zu prüfen und zu erweitern, welcher Lyell veranlaßte, feine Profeſſur

Kollege folgten den Vorträgen. Freilich meinte die Yeitung des Kollege, daß die Anweſenheit der Damen jchäpdlich

am Kings Kollege niederzulegen. Redlich hat er diefes Bejtreben bis in ſein böchites Alter verwirklicht. Kaum

auf die Aufmerkfamfeit der beiden Studenten eintirke, und es murde daraufhin dem weiblichen Geſchlecht der Beſuch von Borlefungen nicht mehr gejtattet, worauf fich die Zahl von Lyells Hörern allerdings beträchtlich minderte. So groß aber war fchon jeine Popularität geworden, daß ihn nunmehr die Königl. Gefellihaft in London zur Ab:

ein Jahr feines langen Xebens verſtrich, ohne daß er dieſe oder jene Reiſe unternommen hätte, auf welchen feine Frau

wiſſenſchaftlichen Publikums von Yondon, Damen,

aber nur

darunter viele

haltung öffentlicher Vorlefungen einlud, welchen auch Damen beiwohnen durften, und welche ungeteilten Beifall fanden. Sm Suli 1832 feierte Lyell in Bonn feine Ber:

mählung

mit Marie Horner, einer Engländerin,

melche

ihn gewöhnlich

begleitete.

Nach jeiner Hochzeit gebt er

rheinaufwärts nach der Schweiz, wo er Bernhard Etuder, „einen intelligenten Schweizer”, und J. de Charpentier fennen lernte, welch' legterer jeine epochemachenden Glazial— jtudien noch nicht begonnen hatte. 1833 wendet fich Lyell wieder nach dem jüdlichen Deutfchland, er befucht Soln—

hofen und die reiche Betrefaktenfammlung

Münfter in Bayreuth, welche heute eine Zierde des paläonto-

logiſchen Mufeums

in München bildet.

auf deutjchem Boden am beine aufgewachlen war, wo ihr Vater, Leonard Horner, ſich der geologiſchen Er:

kehr kreuzt er Belgien,

forfhung des Siebengebirges gewidmet hatte.

deſſen berühmte Höhlenausgrabungen

Lyell war

mit ihr einige Sahre verlobt geweſen; die Tagebücher und Briefe, welche er feiner Braut jandte, bilden einen Haupt—

beftandteil des

erſten Bandes feines Briefwechjels

und

bewirfen, daß derjelbe über feine Zeit von Lyells Wirk ſamkeit beſſer unterrichtet, als über die Sabre 1830 bis 1832. Aber gerade in diefe Zeit fällt das Erjcheinen der Prinziples und Lyells entjchievenfter Erfolg. So fommt denn jenen Aufzeichnungen großer Wert zu. Wenngleich fie hier und da etwas chronifenhaft gebalten find, und mandmal nur eine Aufzählung der Erlebnifje eines Tages daritellen, jo feſſeln ſie doc) in den meisten Fällen den Leſer nicht bloß durch die Zeit, aus welcher fie datieren, jondern auch durch ihre Vielfeitigkeit, durch die einfache,

ungeſchminkte Weife, in welcher fie die Yondoner wiſſen— ſchaftlichen Kreiſe ſchildern. Lyell verkehrte viel im Haufe der durch ihre mathematischen und aftronomischen Werte einzig daftebenden Frau Somerville, er pflegte viele Be— vührungen mit dem Mathematiter Babbage, welchem ein Band der Prinziples gewidmet ift, er zählte John Herſchel zu feinen Freunden. Selbſtverſtändlich wird der zeitge: nöſſiſchen engliſchen Geologen öfters gedacht, Sir Noderid Murchiſon, A. Sedgwid, Fitton, Phillips, Conybeare, Sleming und Mantell werden vielfach erwähnt, und manche Bemerkung, manches Urteil über diefelben ift den Tagebüchern eingeflodten. Das alles gefchieht aber in einem Tone, welcher fern von aller Gehäffigfeit ift, und wo Lyell einen Erfolg von fich regiftriert, ſchreibt er es

des Grafen

Bei feiner Rück—

ev trifft in Lüttich Schmerling,

die Gleichzeitigfeit

des Menfchen und Mammuth ſehr wahrfcheinlich machten, wodurch demjelben freilich die Mißgunſt der eben an der Univerfität Lüttich zur Herrichaft gelangten Sefuiten in hohem Maße eingetragen worden war. 1834 gebt Lyell allein nad) Dänemark und Schiveden. Die Tagebücher, welche er für feine Frau führte, unter: richten Schritt für Schritt über jeine Reiſe, welche bei weitem nicht jo bequem von jtatten ging, als es heute möglich iſt. Treu find jeine Schilderungen der Schwedischen Szenerie und des ſchwediſchen Yandvolfes; intereffant Lieft fih, mie er mehr und mehr von der Nichtigkeit der von ihm früher nicht für ganz wahrjcheinlich gehaltenen (val.

Prinziples, 1. Auflage) Theorie der ſäkularen Hebungen und Senfungen überzeugt wird. Die Annahme diejer Theorie, welcher er bis zu feinem Tode treu blieb, ihre Befeftigung duch neue Beobachtungen, ferner die Aus: bildung der Theorie des Transportes erratifcher Blöcke

durch ſchwimmendes Eis, der vielfach umftrittenen Drifttheorie, find die beiden großen Erfolge von diefer 70 tägigen Reife nah Skandinavien, wozu fih noch reichliche Erweiterungen von feinen Kenntniſſen gejellen, welche ibm durch den Umgang mit dem Konchpliologen Bed in Kopenbagen wurden, Das Jahr 1835 trug ihm die nur ungern angenommene Ehre des Präfidenten der Geologifchen Ge— jellichaft ein. Den Sommer desjelben Jahres verbrachte er wieder auf dem Kontinente. Er reifte über Paris nach

Süddeutjchland und der Schweiz.

In Paris traf er mit

Sir Charles Lyells Leben.

ſeinen

beiden

Gegnern

Leopold v. Buch

und Elie de

Beaumont zuſammen. Mit beiden hatte er lebhafte De— batten über die Theorie der Erhebungskratere, welche ſich auf der deutſchen Naturforſcherverſammlung in Bonn fort—

ſetzten.

Vielleicht werfen die Worte, welche Lyell darauf

über den großen deutſchen Geologen an Mantell Sedgwick ſchrieb, ein gewiſſes Licht auf dieſe und

und jene

Eigentümlichkeit in der Entwicklung der deutſchen Geologie. Er fand ſich durch v. Buch wohl angeſprochen. „Da ich einige ſeiner Anſichten heftig angegriffen habe, und da er vielleicht zuſehr gewohnt iſt, unbegrenzte Ehrerbietigkeit

ſeitens der meiſten ſeiner Landsleute, und von niemandem mehr als von Elie de Beaumont zu genießen, ſo hatte ich keine Urſache, auf einen ſehr herzlichen Empfang zu rechnen;

aber er begegnete mir mit der größten Freimütigkeit, und ſetzte mir in beſter Laune zu, indem er gegen meine zahl—

reichen und jchreienden Ketzereien protejtierte, von welchen feine, nicht einmal meine Anficht über die Erbebungsfratere, jo viele Entrüftung erregt zu haben ſcheint, als mein jüngjter Verſuch, den Transport einiger ſkandinaviſcher

erratifcher Blöde mit Hilfe des treibenden Eiſes erklären zu tollen.“ Im Sommer 1836 bejuchte Lyell ſeine ſchottiſche Heimat. Das Jahr darauf ging er abermals, und zwar mit feiner Frau, nad) Skandinavien. Am Hofe zu Kopen— bagen fand er jeitens des Brinzen Chriſtian diefelbe liebens— würdige Aufnabme und die gleiche Förderung mie 1834, und feßte mit Bed feine konchyliologiſchen Studien fort. Darauf machte er einen Abjtecher nach Chrijtiania. Während dieſer kurzen Reife Jah feine Frau zwar nicht einmal einen Waſſerfall, er aber jtudierte die prächtigen Kontaktwirkungen, welche der Granit von Chriftiania auf die umgebenden ſiluriſchen Schiefer ausgeübt hat, wodurch fich feine Anjihten über den allgemeinen Metamorphismus mwejentlich befeitigten. Lyell befand fich bier auf einem Boden, welcher am Anfange des Jahrhunderts durch Leopold dv. Buch jtudiert worden war. v. Buch batte den Granit noch für ein Sediment gehalten, und es it gewiß ein Beweis für Lyells feinen Takt, wenn er in feiner Schilderung der Kontaktphänomene lediglich des Verdienites v. Buchs ge denkt, den Granit für jünger als die Oraumwadenformation erkannt zu baben. Ausdrücklich bemerkt er gegenüber Horner, er wolle jede Kollifion mit v. Buch meiden, welchen er zu lieb gewonnen babe, um vielleicht den Gedanken zu weden, daß er ihn nur immer angreifen wolle. In den eriten fünf Auflagen enthielten die Brinziples nicht blos eine Schilderung der heute auf der Erde wirken—

den Kräfte, jondern auch einen kurzen Abrif der Geologie. Schon 1835 batte ſich Lyell entjchloffen, dieſen Teil des Werkes

1838

zu einem

erjchtenen

felbjtändigen

die „Elemente

Buche

zu geftalten, und

der Geologie”.

Beide

Werke, Brinziples und Elemente, jteben auf ſehr ver: Ihiedenem Boden, wie Lyell ſelbſt am deutlichſten in der

Vorrede

der 10. Auflage der Prinziples dargelegt.

Die

311

Prinziples, jagt er, handeln von jenen Teilen der belebten und unorganischen Schöpfung, welche zum Berftändnis der Geologie führen. Die Elemente hingegen behandeln den Aufbau und die Beitandteile der Erdfrufte, welche, wenn fie mit Hilfe der eben erwähnten Erfcheinungen

jtudtert werden, die Annalen einer großen Neibe von Er: eignifjen einer vergangenen Gefchichte offenbaren. Die Vrinziples werben alfo zum Schlüffel geologijcher Forſch— ung, die Elemente stellen deren Nefultate dar. Die Prinziples find eine phyſikaliſche Geographie, die Elemente jind die eigentliche Geologie, und jo, indem Lyell die geographiiche Forſchung als die Vorausfegung der geologischen binftellt, verfnüpft er beide Wifjenfchaften, ohne fie irgendwie zu vermengen. Gleich den Prinziples fanden die Elemente eine fehr gute Aufnahme, und ſchon 1841 war eine Neuauflage derjelben nötig. Dem deutjchen Publikum wurden fie erſt 1558 durch eine unter Cottas Yeitung beforgte Ueberſetz— ung näher gebracht, während die Brinziples fchon 1842 dur) eine minder gelungene Uebertragung Hartmanns in Deutjchland befannt geworden waren. Lyell fteht in den Elementen natürlich ganz auf dem Boden der Prinziples, und indem er bier zum erjten Male den Namen Metamorphismus und hypogene Bildungen anivendet, ſchließt er jich noch mehr als in den Brinziples den An— Ihauungen an, welde Hutton fchon im vorigen Jahr: hunderte zu Zeiten Werners entwickelt hatte und welche durch Playfair lebhaft verteidigt worden waren, Mehr: fach hatte man Lyell ſchon betreffs der Prinziples vor— gehalten, daß er Huttons Verdienſte nicht gebührend be— tont habe; denn Hutton war es geweſen, welcher ſchon 1795 ausgeſprochen hatte, daß in der Vorzeit keine anderen Kräfte auf der Erde wirkten als heute. Beim Erſcheinen der Elemente machte nun Fitton auf dieſe Unterlaſſung in der Edinburgh Review beſonders aufmerkſam. Ein ausführlicher Brief an Fitton hellt Lyells Anſichten viel— leicht noch beſſer auf, als die Worte über Hutton in der Geſchichte der Geologie, welche die Prinziples einleiten. Er ſetzt auseinander, daß er Huttons Verdienſte ſehr zu würdigen wiſſe, und wohl bedaure, daß derſelbe auf dem Kontinente, wie leider heute noch, faſt gänzlich übergangen werde. Allein, wenn man Hutton mit ſeinem Zeitgenoſſen Werner vergleiche, ſo ſähe man, „daß Werner durch ſeine Beredſamkeit, Popularität und Stellung hinſichtlich des Einfluſſes auf die Entwicklung der Geologie ebenſo hoch über Hutton geſtellt ſei, wie dieſer Werner durch die Wahrheit ſeiner Theorien überrage“. Mit anderen Worten, wenngleich Hutton und Playfair Lyells Anfichten meit näber jtehen als Werner, und wenngleich ſie der modernen

Geologie verwandter Leopold v. Buch,

geringer,

find, als 3. B. der weit jüngere

jo iſt ihre hiſtoriſche Bedeutung

als die von Werner

doc)

und v. Buch, weil fie

nicht jo entichieden in die Entwidlung der Geologie ein= griffen, wie jene. Der Umftand, daß zur Zeit ihrer Wirk:

919

Sir Charles Lyells Leben.

ſamkeit der Kontinent abgejchloffen war, bat der Nerbreite

ung ihrer Anfichten entjchieden hemmend entgegengemwirkt, und fie in eine unverdiente Vernachläſſigung gebracht. Es iſt keineswegs alfo, wie man vielleicht denfen Fünnte, eine gewiſſe Nivalität, welche Lyells Urteil gegenüber Sutton beeinflußte, es iſt vielmehr die Gerechtigkeit eines Hiltorifers, welcher den Wert einer Perfon nad dem Maß des Einfluffes tariert, welchen diefelbe auf die Ent: wicklung ausgeübt hat. Es verdient diefe Auffaffung im vorliegenden Falle umfomehr Anerkennung, als Hutton und Playfair Yandsleute Lyells waren, deren Namen durch die der Fontinentalen Geologen unverdient verdunfelt wurden. Es iſt überhaupt ein glänzender Zug in Lyells Charakter, dab ex frei von übertriebenem Nationalbewußt— jein var. Unterſchätzung fremder, ausländischer Verdienſte war ihm fremd; er verfolgt die ausländische Yitteratur mit gleicher Aufmerkſamkeit, wie die britifche. Als er die deutſchen Leiſtungen auf dem Gebiete der Geologie fennen lernte, juchte er jich des Deutjchen zu bemächtigen; feine Frau ward ihm häufig in ſchwierigen Fällen ein Dolmetjch und ein Vermittler deutſcher Schöpfungen. Dieje kosmo— politiſche Richtung erjtredt fich aber nicht blos auf Lyells geologifche Arbeiten, fie beherrſcht ſein ganzes Denken, jo daß fein Urteil über ausländische Verhältniſſe ſtets den Eindrud des gerechten macht, und feinen Reifeerinnerungen immer neue Seiten abgewinnen läßt. Anfänglich, in jeinen erjten Neifefchilderungen freilich, iſt dieſe Seite weniger entiwidelt. Man begegnet manchem Vorurteile. Der allerdings faum Zwanzigjährige wußte an franzöfischen Einrichtungen mancherlei auszufegen; weder Bildungs: anitalten, noch politifches Leben, noch jelbit das Militär wollte ihm der heimischen Inſtitution ebenbürtig fein, Später jedoch hören wir manch' tadelndes Wort über britifhe Verhältniſſe. Er bedauert die zu geringe Bildung des Volkes, er betrachtet die ausschließliche Erziehung durch Elaffiihe Sprachen als ein entjchiedenes Hemmnis der Verbreitung naturhiftorifcher Kenntniffe; am ent: ſchiedenſten bat er ſich aber gegen die Einrichtung der engliihen Univerfitäten ausgeiprochen. Mehrmals äußert er in Briefen, daß der dominierende Einfluß der Geiſtlich— feit in Schulen und Univerfitäten geradezu verderblich auf das Gemeinwohl wirke. Diefe unparteiifche Auffafjung fremder und einheimischer Verhältniſſe äußert fich am eindringlichiten in der Stellung Lyells zu den Ver— einigten Staaten von Nordamerifa, und es ift nicht zu bejtreiten, daß er in dieſer Richtung einen namhaften politiſchen Einfluß ausgeübt hat. 1839 hatte Lyell nur kleinere Reifen in England ges macht. Seine Reife in die Tourraine im Jahre 1840 war hauptjächlich der Sonftatierung eines Stüdes tertiärer

Geographie gewidmet, welches in dem Nachweife gipfelte, daß ſeit tertiären Zeiten gänzliche geographifche Veränder— ungen Platz gegriffen hätten. Im SHerbite 1841 endlich

ı folgte er einer Einladung, an der Lowell Inſtitution in Bofton Vorlefungen zu halten. Ein ganzes Jahr ver— brachte er in den Vereinigten Staaten. Zwei Monate widmete er den Vorlefungen, zehn volle Monate hingegen den Neifen. Aufmerkſam verfolgte er die phyſiſchen Vers änderungen auf dem Boden der neuen Welt; befannt find

feine Beobachtungen über das Nüdjchreiten der Niagara— fälle, feine Studien über die Spuren auf Schlamm, feine Forfchungen über port durch Eis auf dem Lorenzjtrome. Verhältniſſe beobachtet ev mit dem ihm ihen Gefühle; er betrachtet fie nicht

amerifanifche Phänomene,

von Negentropfen den GejteinstrangDie geologifchen eigenen geographi— als ſpezifiſch nord—

ſondern ftets im Vergleich mit

den entiprechenden europäiſchen, unter Berüdfichtigung des dazwischenliegenden Atlantif. Ganz bejondere Teilnahme aber widmet er den politifchen und jozialen Zuftänden

der Vereinigten Staaten.

Er ‚findet namentlih

in den

Neuenglanditaaten allenthalben einen lebhaften Auf: ſchwung; er erkennt, daß diefer Fortfehritt fein gefünftelter ift, wie man in England annahm, fondern auf gefunden vepublifanischen Boden erwächit, während in den damaligen Weitftaaten, in Ohio 5. B., die Ultrademofratie, melde durch Deutjche gepflegt wurde, den Aufſchwung arg untere

drüct. Als ein zweibändiges Werk, die Reifen in Nord» amerifa, erſchienen 1845 die reichen Ergebnifje diefer Reife. Diefelben find nicht blos geologifcher Natur, fie find aud) die Früchte der Beobachtung politiſcher Zuftände; fie

führen

aber Altengland

nicht bloß eindringlich den Auf:

ihwung der Vereinigten Staaten vor Augen, jondern predigen auch, daß England felbjt in vieler Hinficht ſtehen

geblieben.

Insbeſondere wendete fich Lhyell gegen die Ein-

richtung der englifchen Univerfitäten, und er hatte die Genugthuung, an den jenfeitS des Ozeans gewonnenen Freund, den Yitterarhiftorifer George Ticknor, berichten zu

fünnen, daß feine Vorſchläge nicht unbeachtet blieben. Die Jahre 1843 und 1844 waren fleineren Reifen in England gewidmet, und im Jahre des Erfcheinens feiner

Reifen in Nordamerika

folgte Lyell abermals der Auf:

forderung, in Boſton Vorlefungen zu halten. Er widmete dießmal neun Monate den Vereinigten Staaten, und dehnte

jeine Reifen vorzugsmweife

nach dem Süden

aus, über

Gebiete, welche feine erjte Neife nicht berührt hatte. Er lernte die Swamps Virginiens fennen, er bejuchte das Delta des Miſſiſſippi, und indem er folchergejtalt die

Südſtaaten bereifte, drängten fih ihm lebhafte Vergleiche diefer leßteren mit dem Norden auf. Die Sflavenfrage beichäftigte ihn jehr.

Er findet die Sklaverei

nicht fo

hart und ſchwer, als fie häufig dargeftellt wurde. meint, bei plöglicher Aufhebung derjelben würden Sklaven

nur

verlieren,

fie würden

Er die

nicht mehr als koſt—

bares Beſitztum betrachtet werden, fondern gleich den Iren im Norden als Arbeitsmafchinen ungebübhrlichem Drude unterliegen. Ihre jeßige Lage fer beffer, als die der Handarbeiter im Norden. Nur ganz allmählich könne die Sklaverei

Die Atellanen und das heutige Volksluſtſpiel Neapels.

aufgehoben werden; indem jedoch die Ultrademofratie des Nordens erjtrebe, dies plößlich zu bewirken, fürdere fie nur Erbitterung auf Seiten der Süpftaaten und eine

ihärfere Oppofition gegen die unumgänglich

nötige Auf-

hebung der Sklaverei, als fonft eriftieren würde. Man möge jedoch auf Grund diefer Aeußerungen nicht etwa meinen, daß Lyell während des Bürgerfrieges den Stand: punft der überwiegenden Mehrzahl feiner Landsleute ges

teilt und dem Süden

moraliihe

Unterftügung

geliehen

babe. In einem vom 12. März 1865 datierten Briefe an Thomas Spedding tadelt er entichieden die Barteinahme

für den Süden.

Der Süden

ift in Nebellion begriffen

und zubor durchaus nicht in feinen Nechten bejchränft gewejen. Es iſt dies ein Schreiben von überzeugender Klarheit, welches allein Schon Lyell die Sympathien, die er in

Nordamerika

bei feinen Lebzeiten erworben, dauernd er—

halten fünnte.

In dem „zweiten Befuche in Nordamerika”

hat 1849 Lyell die Früchte feiner zweiten Bereifung Nord: amerifas niedergelegt.

Lyell ift Feineswegs, wie man erſt neuerlich fagte, bloß ein Geologe geweſen. Seine Prinziples erteilen ihm den Nang eines allgemein gebildeten Philofophen, jo aus: gedehnt iſt das Material, welches in ihnen nach philoſophi— Ihen Gefichtspunften verarbeitet ift. Die beiden Werke über feine Neifen in Nordamerika find ein weiterer Sprechen: der Beweis für feine Vielfeitigfeit, und die vielen, an

Tienor

gerichteten Briefe lehren,

wie Lyell unabläffig

politiichen und fozialen Berhältnifjen eine von hohem Ver: tändnifje getragene Aufmerffamfeit widmete. So Tann es nicht wundernehmen, wenn er bald eine einflußreiche

Popularität gewann. Die öffentliche Stimme bezeichnete ihn 1844 als den Geeigneten, um die Urfachen einer ent— jeglichen Orubenfataftrophe in Durham aufzudeden, welcher Aufgabe er, anfänglich nicht ohne Widerftreben, im Ver: ein mit Faraday nachfam. 1848 wurde er zum Nitter (knight) ernannt, und 1849 wurde ihm zum zweiten Male



313

Die Atellanen und das heutige dolkslufifpiel Ueapels.“ Schon zu Horaz Zeiten ſtanden die Oszier in dem Rufe, die Poſſenreißer unter den Völkern Italiens zu fein. Und eine ihrer Städte, Atella, gab einer fpeziellen drama: tiichen Form den Namen, welche dann zu Ehren gelangte, als die urjprünglichen ſzeniſchen Spiele fich nad) griechtſchem Mufter umgeftalteten. Die römifchen Sünglinge, jo erzählt uns Titus Livius, erlaubten bei diejen Poſſen den handwerksmäßigen Schauspielern nicht, mitzuwirken; te übernahmen ſelbſt die Nollen, ohne darum ihre bürger: lichen Rechte zu verlieren oder an ihrer Würde einzubüßen. Das charakteriftiiche Element der Atellanen, wodurch

fie fich von anderen Darftellungen gleicher Gattung unter: icheiden, find einige bejtimmte lokale Typen, melde in allen Komödien gleichen Namens und Charakters auf: treten. Auch hatten die Atellanen bejtimmte Masken, und wurden deshalb Personnati genannt. Diefe Masten waren häßlich und grotesk, um Lachen oder Schreden hervorzu— rufen. Die Haupttypen waren: Maceus, Bucco, Pappus, Doſſennus, welchen ſich dann nod andere ſekundäre Typen zugejellten wie: Manducus, Vito ꝛc. Nach den uns von den lateinischen Schriftitellern über: fommenen Andeutungen fünnen mir einen Berfuch machen, uns jene Charaktere zum Teil wieder aufzubauen. Maccus bezeichnete die Figur des Dummen. Apuleius gebraucht diefen Namen in feiner Apologia als gleichbedeutend mit

Simpler.?

Durch

den Grammatiker

Nonius Marcellus

ſind uns einige Titel von Atellanen überkommen, in welchen der Name Maccus folgendermaßen bezeichnet wird: Maccus miles, Maceus sequester, Macci gemini, Maccus virgo,

Maccus caupo, Maccus exul ete. Es ijt mir unbefannt,

Weltausitellung im Hydepark des Jahres 1851, und nad): dem er im Herbite 1852 zum dritten Male an der Lowell Inſtitution zu Boston Borlefungen gehalten, lud man ihn

weshalb Flögel in feiner „Geſchichte des Groteskkomiſchen“ dem Maccus die Benennung „weißer Mimus“ beilegt, von dem Feltus fagt, er fei einer der Hilaroden. Im Sahre 1727 zog man bei den Ausgrabungen auf dem Esquilin eine Bronze-Statuette hervor, welche Augen von Silber hatte, und in den Mundwinfeln Kügelchen, ebenfalls von Silber, fodann zwei Höder und eine dicke, berabhängende Nafe; bekleidet war die Figur mit einem Antonio furzen, bis an die Kniee reichenden Hemd.

wegen jeiner genauen Kenntnis der Vereinigten Staaten ein, Lord Ellesmere als Kommiſſionär auf die Ausftellung

Francesco Gori glaubte darin den Maccus zu erkennen; ich zweifle jedoch daran. Ebenſo wenig ſcheint mir Die

in New-York zu begleiten. So freuzte er den Ozean zum vierten Male, diesmal als Abgefandter des britischen Volkes. Durch Krankheit von Lord Ellesmere fiel ihm

Glaubwürdigkeit

die Bräfidentenwürde der Geologifchen Gefelljchaft zu Teil. 1850 ernannte man ihn zum Kommiffionär an der großen

fait ausfchlieglich

die Arbeit

der Kommilfion

zu.

Man

fonnte aber jchwerlich einen bejjeren Vertreter Groß: britanniens in New-York haben als ihn, den warmen Freund des Aufſchwunges der Union.

diefer archäologifchen Behauptung

durch

die folgenden Worte Flögels beftätigt: „Wer mit der römischen Narrengefchichte befannt iſt, kann aus dem Aus: ſehen desſelben leicht urteilen, daß er einen Narren, Morio, poritellen ſoll.“ Und wenn es auch einen Narren daritellt, 1 Vincenzo de Amieis: La commedia popolare latina e la commedia dell’ arte. Studio. Napoli. Morano, 1882. 2 Omnes isti quos nominavi. ... . macci prorsus et buccones videbuntur. Das Wort macei tft nichts deftoweniger eine beftimmte Schreibweife, denn in den Manuffripten von Nom, Florenz und denen des Aldo Mannzio heißt es „Machi“,

314

Die Atellanen und das Keutige Volksluſtſpiel Neapel2.

warum muß es deshalb gerade Maccus fein? Micali fpricht in feiner Gefchichte der alten italienischen Völker die

Anficht aus, daß ein in Bompeji ausgegrabenes, ſzeniſches Gemälde gerade eine Szene aus der Maccus miles betitelten Atellane darstelle. Indeſſen, wenn auch diefe An: nahme begründet wäre, jo fann fte doch von feinem Nußen bei der Erforschung des Charakters und der Masfe des fomischen Typus der Atellanen fein. Bucco war ein Blappermaul und vielleicht hatte ex jeinen Namen vom Aufblaſen der Baden; inflare buccas bedeutet aufſchneiden. Auch ev wäre auf jenem pompeji: anischen Gemälde, welches nach Micali eine Szene aus dem Maceus miles darjtellen jollte. Pappus war ein Alter, derfelbe, der nach Varro von den Osziern Casuar genannt wurde. Doſſennus ſtellt böchjt wahrjcheinlich einen Alten dar, welcher den Philoſophen Spielt, und Manducus einen großen Eifer. Einige Titel von Atellanen, die ung erhalten find, erinnern an verichiedene jener Masten, als: Pappus agricola, Pappus praeteritus, Duo Dossenni, Hirnea Pappi, Sponsa Pappi etc. Die Atellanen, urſprünglich ländliche Daritellungen, nahmen in den Städten eine gewiſſe ſatiriſche Färbung an, die fie vielleicht zuerft nicht hatten. Zur Zeit Sullas ſchrieben Pomponius und Novius befondere, dem höheren Luſtſpiel angepaßte Atellanen. Die gewerbsmäßigen Schaujpteler bemächtigten fich derfelben, und brachten die Atellane dem Mimus nahe. Suetonius erzählt, daß in den Atellanen die Laſter und die Nuchlofigfeiten des Tiberius ganz öffentlich gekennzeichnet wurden, daß Galigula, als er eines Tages in einem ziveideutigen Scherz (ob ambigui ioei verticulum) einer Atellane eine Anſpielung auf ſich zu finden glaubte, den beklagenswerten Darjteller desjelben, der auch zugleich der Verfaſſer war, lebendig im Amphi— theater verbrennen ließ. Gr erzäblt ferner in dem Leben Neros, da ein Schaufpieler mit Namen Datus e8 wagte, den Claudius, wie er den ihm von Agrippina dargereich— ten Giftbecher trinkt, mimiſch Darzuftellen, und wie dieſe dann durh Schwimmen dem vom ohne ihr geplanten Tode entgeht. Mit den legten Worten: Orcus vobis ducet pedes bezeichnete ev den Senat, um zu jagen, daß Nero, nachdem er den Claudius getötet und die Mutter zu töten verfucht hatte, die ganze Klaffe der Senatoren vernichtet hätte, — Nah ungefähr fünfzehnhundert Jahren finden wir auf einem der ſchmutzigen Plätze des damals von Vize: königen beherrichten Neapels, umringt von einem Haufen Meugteriger, einige wunderlich Fojtümierte Scaufpieler, ein Feines Luſtſpiel improvifierend. Einer unter ihnen, der ganz weiß gefleidet war und einen zuderbutförmigen Hut auf hatte, jcheint dem Aeußeren und den Geberden

wegen feinem feinen Sabnenftimmchen

(pullieino -pulli-

cenus = Hahn). Ein anderer heißt Coviello (Jacoviellodim, di Giacomo). Er ift ein ſchlauer Bedienter, ein

Schelm, der den Bauer Bullieinella überliften möchte. Dann ift noch ein verfappter ſpaniſcher Kapitano mit einem langen Stofdegen da, welcher den Großſprecher ſpielt, aber aus Furcht, daß die Sache ernjt werden fünnte, ausreißt, Ferner ein dummer Kalabrefe, Giangurgolo genannt, eine fleine, neapolitanifche Dienftmagd, Zeza, ein Schlaubans, Bascariello. Und woher famen fie, diefe armen Schaufpieler? Es find heimatlofe, zerlumpte, verftoßene, ausgehungerte Menz ichen. Sie befigen nichts als etwas angeborenen Verſtand und Suchen fich damit, auf den Jahrmärkten herumziehend, ihr Brot zu verdienen. Sener Bulcinella joll aus Akerra ftanımen, einem Flecken bei Neapel, nicht weit don dem alten Atella. tan: gurgolo ift ein Kalabrefe; die anderen find neapolitaniiche

Lazaroni.

Diefelben verbanden fich zu dem gleichen Zwecke,

um Brot zu verdienen!

Sie erfanden das Lujtipiel, das

jpäter dann Commedia

dell’ arte over a soggetto ge—

nannt wurde; und nachdem fie ſich den herumziehenden Gefellfehaften, die fich in der Lombardei, im Venetianiſchen,

in Umbrien gebildet hatten, anfchloffen, gingen fie über die Alpen, verpflanzten ihr Theater nach Paris, und bildeten für die Bühne den jungen Tapezier Boquelin, der fpäter unter dem Namen Moliere allgemein befannt wurde, Unter diefer erſten Schaufpielertruppe war em in der Gefchichte des alten Iheaters ziemlich beivanderter Mann, Luigi Niccoboni, genannt Lelio, welcher, um diejer dramatifchen Form einen gemwiffen Adel zu verleihen, in einer Zeit, in welcher felbjt die Litterarifche Form, um ans erfannt zu werden, ihr Wappen haben mußte, die De: hauptung aufjtellte, daß die Commedia dell’ arte direkt

von den Atellanen abſtamme. unferm

Buleinella

einen

Sogleich erfannte man in

Abkömmling

des Maceus,

in

unferem Capitano Spavento della Valle Inferna den Maccus miles oder den Miles gloriosus des Plautus, ſowie man im Arlechino den Mimus centunculus erblidte. Ohne Zweifel läßt das Vorkommen diefer neuen Masten genau auf demfelben Boden und bei demfelben vszifchen

Volke, wo einjt die Atellane blühte, jogleich an einen ges fchiehtlihen Zufammenbang denken. Aber ich zweifle, ob es fih hier nicht um einen rein ethnographifchen Zus

jammenbang handelt.

Gern gibt man zu, daß die Atel-

lanen jowohl, als auch die Commedia di maschere dem einen Geiſte entfloſſen feien; aber es fehlen uns die Beweiſe, um behaupten zu fünnen, daß zwiſchen der alten und der neuen dramatifchen Form eine ununterbrochene

Tradition geweſen ſei. Müſſen wir auch die Aehnlichkeit

nach ein Bauer zu fein, und ſpricht mit einem fehrillen,

der Commedia

feinen Stimmen. Er ift voller Wis und Schlauheit, dem ein Flein bischen Einfalt und Gutherzigfeit jtets bei—

der Atellane wiſſen, anerkennen, jo dürfen wir uns dabei doc feiner Täuschung

gemischt it.

fpiel aus den Händen von Poſſenreißern und ungebildeten

Er wird Bullieinella geheißen, vielleicht eben

delle maschere bingeben.

mit dem, was ir bon Denn

als unjer Luft:

315

Bon der deutfchen Expedition in Oftafrifa.

Schauspielern in die von geübteren und mit einer gewiſſen Bildung begabten überging, brachten dieſe ſoviel als möglich von ihrer eigenen Gelehrſamkeit mit hinein. So nahm der ſpaniſche Kapitano, der in der erjten Commedia dell’ arte jeine bejondere Rolle bat, nad) und nad

die Färbung und die Manieren des Miles von Plautus an. In einem meiner gefchichtlichen Verfuche über Pulei— nella ! jegte ich die Geburt des neapolitanifchen Spaß— machers zwilchen das Ende des 16. und den Anfang des

17. Jahrhunderts,

derten aus dem alten Maceus

geworden jet, wenigſtens

eine einzige Bemerkung in irgend einem Chronijten vor dem 16. Jahrhundert! Und fo lange, jagte ich, wir dieſe Beweiſe nicht haben, begnügen wir uns damit, an die ſpontane Entjtehung unſerer Commedia dell’ arte zu glauben!

Vincenzo de Amicis nimmt im Gegenteil in feinen fürzlih erichienenen Studien über die Commedia popolare latina und die Commedia dell’ arte eine fortlaufende Ueberlieferung zwiſchen den alten Atellanen und dem modernen Luſtſpiel an; aber die Beweiſe, die ich für die Annahme dieſer Ueberlieferung verlangte, gibt er nicht,

Mangel an Raum als Entſchuldigung vorſchützend.

Ohne

Beweiſe verliert hiedurch aber ſeine Arbeit ſehr an Wert und hat weiter kein Verdienſt, als eine große Menge

Notizen über das alte und über die bekannteren Rollen des modernen Luſtſpiels geſammelt zu haben. Sein Buch enthält viele Aufzeichnungen, aber, wie mir ſcheint, hat die Menge nicht dazu beigetragen, ihre Güte zu erhöhen; denn viele darunter, welche nur als Hypotheſen erſcheinen, mehr oder weniger willkürliche Uebertreibungen der Kritiker und Erklärer, gibt de Amicis als unbeſtrittene Thatſachen, indem er noch ein gut Teil eigene Anſchauung binzufügt. So bat er, geſtützt auf die wenigen und geringen Beweiſe,

welche uns von der Atellane und den darin beteiligten Typen erhalten find, und welche ich bereits hier erwähnte, eine bis ins Detail gebende Erzählung aufgebaut, worin

alle Einzelheiten

jeder

dieſer alten Berfönlichkeiten

(Maschere) bejchreibt. Auf jeden Fall veripricht Herr de Amicis uns die Haren Beweiſe zu liefern, welche das

Fortbeitehen der Atellane und der daber beteiligten charak— teriſtiſchſten Typen in den Sabrhunderten, welche zwiſchen der Zeit Neros und der Mitte des 16. Jahrhunderts Liegen. Wir erwarten fie, und unterdejfen begnügen wir ung zu wiederholen, dag, um uns die Entitehung der nenpoli-

tanifchen Commedia dell’arte, ſei es in ihren einzelnen Teilen, oder ihrer ganzen, der alten Atellane entjprechenden Natur nach, erklären zu fünnen, die ethnographiſche Vers wandtichaft zwiſchen den Osziern und den modernen 1 Puleinella Verſuch.

Ankona.

Michele Scherillo.

und jtellte an diejenigen, welche das

Gegenteil behaupten, die Forderung, daß fie Beweiſe beis bringen möchten, welche zeigen, was in den 17 Jahrhun—

er

Kampanern vollſtändig hinreichend erſcheint. Es iſt nicht notwendig, daß die Atellane in ununterbrochener Reihen— folge fortbeſtanden hat; aus derſelben zum Komiſchen neigenden Naturanlage des Volkes, das in einem ſchöpferi— ſchen Moment dieſe geſchaffen hat, entſprang auch das populäre neapolitaniſche Luſtſpiel des Puleinella, der Colombina, Corriello und Matamoros!

vor

dem

XIX.

Civelli, 1880.

Jahrhundert.

Don der deutſchen Expedition in Oflafrika. Die Mitteilungen der Afrikaniſchen Geſellſchaft in Deutſchland, Band IV. Heft2, 1884, bringen ausführliche Briefe von Böhm und Reichard März, Mar und Juli 1553), über ihre Reife von Gonda nad dem Tanganika— See und zur neuelten internationalen Station Mpala, am Weftufer desjelben Sees, worüber wir ſchon in Kürze berichtet. Am 29. Dezember 1352 fand der Aufbruch von Manamjtagı, etwas füdlich von Gonda, mit 210 Trägern und Bedelungsmannfchaften Statt. Nach fünfwöchentlichem Marfche wurde am 10. Februar 1883 die belgische Station Karema erreicht. Die Neiferoute, welche in einer jebr ſchön gearbeiteten Karte niedergelegt üt, Fällt von Kıfinde— Simba, jest Nienefu, mit jener von Thomfon, und von Dua Seroma — Karema mit der von Carter ungefähr zus jammen, jo daß nur die zirka 90 Km, lange Strede zwifchen Simba und Qua Seroma als zum erjtenmal von Euro: päern betreten erjcheint. Im Vergleich mit der Raven— jtein’fchen Karte wird der mittlere Yauf des Katuma

oder

Mkafu zirka 20 Minuten nah Weſt verrüdt. Der Kafıra erhält den Namen Yuago und der obere Mſagina eine mehr öftliche Direktion. Endlich nimmt der bei der Station Karema miündende Ndolo oder vielmehr Muſſenguſi bei dem Negerdorfe Karema den von DSD ftrömenden Sfume auf, während der Kamavi unter den 7.0 5. Br. verwieſen wird. Der Charakter der Gegend blieb ſich nabezu gleich; leicht gewelltes Hügelland im Quellgebiet des Nitambo und Ugalla, weitausgedehntes Steppenland zwiſchen Simba und dem DOftufer des Tangantfa. Ber Njenefu, auf der Waſſerſcheide zwiſchen Ugalla und Katuma, wurde die ſchon früber aufgeftellte Vermutung fajt bis zur Ueberzeugung beitätigt, daß diefe ganze Negion fich gehoben bat. So

ericheint auch die Boga Kataui, jenes Steppengebiet zwiſchen dem Katuma und dem Sfume, als das Beden eines früheren Sees, deſſen jett wohl auch allmählich verfumpfender Reſt durch den Rikwaſee gebildet tft. Die Neifenden wurden auf das liebenswürdigite in der Station Karema von Yeutnant Storms aufgenommen. Aus Dankbarkeit ftellten fie ibre Bedeckungsmannſchaft,

Geſchichtlicher 1 Siehe „Ausland“

1884, Ar. 2, ©. 36,

316

®

Leber das Vorkommen

von Eisbergen im fitdöftlichen Teil der Südatlantik.

die Asfari, den Belgiern zur Verfügung, als die Züch— tigung der Einwohner von Katakwa, 40 Km. nordöſtlich von Karema, welche Kuriere der Internationalen Gejellichaft ermordet hatten, einen Kriegszug gegen diefelben notwendig machte. Ber diefer Gelegenheit, d. h. bei der Erjtürmung

wurden

des Dorfes Katakwa, am 26. März, wurde Dr. Böhm von zwei Kugeln im Oberjchenfel verwundet und blieb bis zum

Geſamtſtrecke von zirfa 350 Km. durchzogen und den Rungwa als öſtlichen Nebenfluß des Katuma, welcher in feinem Unterlaufe Kawu genannt wird, entdedt. Er wandte fich etwa unter 70 20° |. Br. und 320 10° d.%. von der füd-

12. Sunt bettlägerig in Karema. Während feiner Erkrankung wurde die Ueberführung der deutschen Expedition und die Neuanlage einer inter nationalen Station auf dem Wejtufer des Tanganifa ins Merk gefegt. Am 27. April 1883 morgens 3 Uhr fchiffte fich Neichard mit Leutnant Storms und 55 Mann in dem als Kutter aufgetafelten Schiffe der Station Karema ein und erreichte an demfelben Tage abends 6 Uhr noch jenen Teil von Marungu, welcher auf der Navenftein’schen Karte mit dem Namen Songtwve bezeichnet ift, etwa unter dem 7.0 10° 5. Br. „Steile, zirka 1600 bis 1800 m. hohe Berge erheben fich aus dem See. Unzählige Sturzbädhe ergießen fich in denfelben, deren Ninnfale mit echt tropifcher Vege— tatton beftanden find. Ihre ſandigen Mündungen bilden

die einzigen zum Landen geeigneten Stellen.

Die Abhänge

find an den dem See zunächſt liegenden Bergen bis zum Gipfel mit Wald beitanden. Beim Annähern an die Küſte war die Landſchaft in Farben getaucht, wie fie nur den Tropen eigen find. Der Tanganika in feinem tiefen Ultras marinblau, der weiße Strand, die Felſen bis zur alten Alutlinie himmelblau, die näheren Berge im reinjten Smaragdgrün, während die ferneren im jchönften Kobalt bis tiefem Violett fpielten. Der Himmel, vom glühenden ot der untergehenden Sonne überzogen, war durchſchoſſen von jtahlblauen Dämmerungsitrablen.” Marungu tft außerorventlich bevölfert. Die Bewohner bauen fich vom Fuße bis zu den höchſten Gipfeln an, da man bier überall Wafjer findet und Negen das ganze Jahr hindurch fällt. Nach dreitägiger Küjtenfahrt traf man am 1. Mai in der Mündung des nicht jchiffbaren Lufuko ein, und hier wurde in der Nähe des Häuptlings Mpala auf dem Kap die neue Station gegründet, wo Aderboden in Menge vorhanden und von ausgezeichneter Qualität it. Am 6. Mai kehrte Neichard nah Karema zurüd, brachte vom 24. Mai bis 4. Juni das Gros der Expedition zum Teil von Kirandu aus, das 60 bis 70 Km. ſüdlich von Karema liegt, nad) Kapapa, das Kapampa Raven— ſteins, zirka 70 30° ſ. Br., und gelangte mittelit Fußmarſches durch unerforſchte Gebiete Marungus am 21. Juni wohl behalten in der neuen belgifchen Station am Lufufo an. Am 9. Juli 1883 fam endlich auch der mwiederbergeitellte

Dr. Böhm nad). Ueber die lebte Neife und die letzten Xebenstage des leider jo früh veritorbenen Dr, Kaifer bringen die Mitteilungen die erjten ausführlichen Berichte. Es find Aus:

züge aus den Tagebuchnotizen aftronomischen Beobachtungen

des Berftorbenen.

Die

und Kartenffizzen desfelben

in der oben

erwähnten,

neuangefertigten Karte

verwertet. Dr. Kaifer war am 1. September 1882 von Gonda aus in füdlicher Nichtung nach dem Rikwaſee aufgebrochen. Er bat als erjter Europäer den öftlichen Teil

von Ukonongo

und

den nordöjtlichen von Ufipa in einer

lichen Direktion ab nad) Weiten und erreichte am 28. September das durch Carter und Cadenhead berühmt gewor— denen Mpimbue, zirka 70 15° 5. Br. und 310 18° 5.8. Längs

von

der über 800 m. hohen Ljambabergfette

bier aus den jüböftlih führenden Weg

jchlug er

nad dem

Rikwaſee ein und erblidte diefen endlih am 5. Dftober bei Kia am Nordende. Vor ihm hatte Thomfon als der erite Weiße den Rikwaſee am 27. April 1880 von dem

jteil abfallenden Bergrande am Nordweſtende flüchtig er— blikt. Auch Dr, Kaiſer war es nicht bejchieden, ihn im vollen Umfange zu erforfchen; denn ſchon am 8. Dftober wurde er von Schwäche und Schmerzen in den Gliedern ergriffen; dem folgte eine von den Füßen und Händen langſam fortjchreitende, jchmerzlofe Lähmung, bis Dr. Kaifer am 19. Dftober 1882 verfchted. Man vermutet, daß er an Chininvergiftung geitorben ift. Seine Leute beitatteten ihn in der Nähe des Ufers des Rikwaſees.

Ueber das Dorkommen von Eisbergen im ſüdöſtlichen Teil der Südntlantik. In den Heften 9, 10 und 12 der „Annalen für Hydro— graphie und Maritime Meteorologie”, 1883, finden ſich nach den Berichten verfchiedener deutſcher Kapitäne an die Seewarte zu Hamburg Mitteilungen ‚über das Borfommen von Eisbergen in Teilen der Südatlantik, welche jehr niedrigen Breiten angehören. Wir jtellen dieſe für die Phyſik des Meeres interejjanten Beobachtungen im folgenden zuſammen.

Kapitän Bonnhorſt von der deutſchen Barke „Capella“ berichtet inſeinem meteorologiſchen Journal: Auf unſerer Reiſe von Greenock nach Ragun paſſierten wir am 30.

Dezember 1882 auf 420 9° ſ. Br. und 10 29° 6. L. einen großen Eisberg ungefähr 11%, SM. im Süden von uns. Die Temperatur der Meeresoberflähe war von 11,50 auf

9,90 ©, heruntergegangen.

Am 31. Dezember um 12 Uhr

40 Minuten morgens, als der Schiffsort 420 8°. Br. und 20 8° 5. L. war, hatten wir einen großen Eisberg in unjerer Nähe, der etwa 11, SM. in See vor uns lag.

Die Waffertemperatur

hatte bis 10,50 ©. zugenommen.

Um 4 Uhr 5 Minuten

morgens

des

31. Dezember

auf

420 6° ſ. Br. und 20 44° 5, %, kam Eis voraus in Sicht.

Kleinere Mitteilungen.

317

Der erite Eisberg diefer Bartie, den wir paſſierten, hatte

jelden aus

eine Höhe von 54 bis 60 m. und eine Yänge bon 240 m, Die Höhe des zweiten Berges, welcher 1S.-M. ſüdöſtlich

betrug 3,30 C., jene des Wafjers

von von 3); auf bei

dem eriten lag, ſchätzte ich zu 45 m. bei einer Länge 120 m., während der dritte Berg, melcher wiederum SM. füdöftlih von dem zweiten entfernt war und deſſen Nordende fich eine Eisfäule von 45 m. erhob, einer Länge von 60 m. eine mittlere Höhe von 9 m,

haben mochte.

Auf diefen folgten zunädit

20 bis 25

kleinere Berge und eine Menge Schollen, zmwifchen denen

wir hindurchjegelten.

Weiter nah SD. waren dann noch

drei andere Eisberge zu fehen, deren Höhen mir zu 30 bis 60 m. jchäßten, während die Längen derſelben an—

Icheinend 54 bis 120 m, betrugen. Als wir uns recht in Lee der Hauptmaffe des Eifes befanden und Eisfchollen nicht weiter als 9 bi3 12 m, vom Schiff entfernt trieben,

Eis

gewahren.

Die

Temperatur

— 0,80,

der Luft

Im Laufe des

Vormittags wurden einzelne kleine Eisjtüde paffiert.

An

29. Juli mittags 12 Uhr lief der Schuner in 580 40° j. Br. und 619 21° w. L. auf ausgedehnte Eisfelder. Die Temperatur des Meerwafjers war bier — 0,60, die der Luft 3,70 C. Das Eis war fehr mürbe und beftand

bauptfächlich aus Schneeeis.

Die öftliche Grenze desselben

war nicht zu jehen. Da Winpitille berrfchte, mußte das Schiff bis 6 Uhr abends in der Nähe des Eifes bleiben. Als fih jedoch dann ein leichter NNWB.- Wind erhob, kam

diefes bald

außer Sicht.

Die Temperatur

des Meeres

jtieg alsdann auf 0,60, jene der Luft nahm bis 40 C, zu. Am 30. Juli, als der Schiffsort 580 10° ſ. B. und 620 8 mw. 2%. war, wurde nördlid von ihm das lebte kleine

Eisfeld gejehen.

betrug die Meerestemperatur 10,50 und war nur um 0,4 bezw. 0,10 0. niedriger als die mittlere Waſſerwärme an

den Tagen, während welchen fein Eis in Sicht Fam. Kapitän W. van der Bring, vom Schiff „Fürſt Bismard”, meldet: Am 28. September 1882 ſahen wir morgens

Kleinere Mitteilungen.

9 Uhr auf 430 11 S. Br. und 80 41° 5.8. einen großen

Aus den lebten Briefen Juan Maria Schuvers.

Eisberg nebjt vielen Eisfchollen.

Um 3 Uhr nachmittags

paffierten wir in 430 27° 5. B. und 90 14° 6. L. abermals

einen großen Eisberg und von 6 bis 7 Uhr abends zwischen aa in IV 3U 5,8 und 430 37° 5,3. in 90 44° 5. 2, viele Eisichollen. Die beobachtete Temperatur der Meeresoberfläche ſchwankte am genannten Tage zwiſchen 9,9 und 9,49 0.

Weiter

berichtete Kapitän

N. Nienburg

von dem

deutſchen Vollſchiff „Antares“, daß ihm am 27. Dezember

1882 in 420 37° ſ. B. und 0° 47° w. L. vormittags 10 Uhr ein etwa 90 m, hoher Eisberg begegnete. Von 4 bis 6 Uhr nachmittags paffierte das Schiff in gleicher Breite noch drei Eisberge von beveutender Höhe und großem Umfang. Zwei derjelben waren höher und umfangreicher, als der am Morgen beobachtete Berg und der Hleinjte der: jelben fonnte, was Höhe, Umfang und auch Geſtalt anbetrifft, mit Helgoland verglichen erben, wenn dieſe

Inſel aus der Ferne gejehen wird. Derjelbe Seemann fand an diefem und dem folgenden Tage in 420 51° bis 420% 19° noch verſchiedene Fleine und größere Eisberge. Die niedrigite Waffertemperatur während der ganzen Heit

Die „Nieuw. Rotterd. Ct.“ teilt den Brief mit, welchen Schuper

kurz vor feinem Tode an den öfterreihifhen Konful in Khartum, Hanfal, gefchrieben hat. Wir legen hier eine Ueberſetzung desſelben vor. Der Brief ift datiert aus Meſchra-el-Rek vom 16. Auguft 1853 und lautet: Mit Vergnügen kann ich Ihnen mitteilen, daß die „Ismaila“ uns heute nach einer glücklichen Reife ang Yand ge— jetst hat. Wir fanden die kleine, 100 Mann ſtarke Garniſon feit zwei Monaten blodiert und durch die aufrührerifchen Neger ganz und gar abgefehnitten. Dura war beinahe nicht mehr vor— handen, fo daß die Soldaten fih mit dem Samen des Lotus er— nähren mußten. Der Mudir Lupton Bei hatte ftrengen Befehl gegeben, daß bei Ankunft des Dampfers „Meniand“ auch die Poft nicht weiter gefendet werden folle; nur ein Neger mit einem wohl verborgenen Bericht follte nad) Dem Suleiman geſchickt werben, um die Nachricht won der Ankunft des Schiffes dorthin zu bringen. Da es mir num nach einem fiebenmonatlihen Aufenthalt in Khartum unmöglich war, Hier noch zwei Monate lang in einem Sumpfe gefangen zu fiten, fo habe ich unter Berufung auf die mir von Khartum mitgegebene Befehlichrift mir einen Wegweiſer und einige unbewaffuete Träger zu verichaffen gemußt. Cine Perſon, die hier Land und Wege fennt, war bald gefunden. Ich ließ aljo eine Erklärung zurüd, welche den hier ftationierten Naffr Mahmud

Effendi

von

aller Berantwortlichfeit

für meine Perjon

Horn dur die Windverhältniffe in eine jehr jüdliche Po— fition fam, befand fih am 29. Juli morgens 2 Uhr 58°

In dem unwahrſcheinlichen Fall, daß die Neger freiſpricht. Sympathie für die Reiſenden verleugnen jollten, alte ihre diesmal bin ich allein für meine Perfon und mein Eigentum verantwortih. Sch hoffe diefen Morgen früh einen Verſuch zu machen, durch den im Aufftand befindlichen Kandftrich zu reifen, Dem Suleiman oder irgend einen anderen Plats zu erreichen, wo Lupton Bei fi) möglicherweife jetst befindet. Karl Nagy geht mit miv mit. Ih bin jehr mit ihm zufrieden und wir find beide gejund. Außer dem Anführer begleiten uns noch fünf bewaffnete Bafıngers. Ich hoffe, Ihnen fpäter mit demfelben Dampfichiff gute Nachricht iiber meine Begegnung mit Lupton Bei geben zu können. — Später wurde noch) der letzte an Verwandte in Holland gejchriebene Brief veröffentlicht, aus dem ſich gleichfalls ergibt, dag Schuver einen längeren Aufenthalt mehr fürchtete als die Gefahren der Reife,

49° |, Br. und 619 56° w. 2%. und man fonnte von dem-

die er eben nicht hoch genug anſchlug.

wurde

betrug

am

28. Dezember

morgens

8 Uhr gefunden und

10,40 C,, worauf diefelbe um

12 Uhr mittags

wieder bis 11,10 ©. zunahm. Diefen Beobachtungen fügen wir nod) eine Meldung des Führers des deutſchen Dreimaftihuners

„Johann Hinrich”,

Kapitän N. Meyer, über Vorfommen von Treibeis bei Kap Horn an. Sein Schiff, das auf der Neife von Pi— fagua nah Hamburg während der Umfegelung von Kap

18

Kleinere Mitteilungen.

Größe und Bevölkerung Dem British

engliihen India

nehmen wir von Aſſam:

Konfularberiht

1870/71

bis 1879/80)

nachfolgende Zahlen

Diſtrikt

Sylhet Kachar Goalpara Kamrup Darrang Nowgong Sibiagar Lakhimpur Garo Hills Khaft und Jaintia Hills Naga Hills!

4

(St. Abstract, Nr. 15, London

über Areal Areal u

und Bevölferung

|

Quadrat-Miles 5440 3750 4433 3631 3418 3415 2855 3724 3180 61573 5300

relating 1881, ent»

Bevölkerung,

Zenſus 1872. 1,719,539 235,0272 407,714 561,681 236,009 256,390 296,589 120,267 80,000 141,838 68,918

45,303

4,124,9725

In Aſſam find 7,531 Q.-Mil. fultiviert und 18,823 Q.-Mil.

fulturfähig.

Die Durchgrabung der Landenge von Perefop.

von Affam und Britifch Burma,

Ueber die Garo Hills und Naga Hills find feine

Details angegeben. Nach dem Bericht der British Burma Administration für 1578/79 betrug in diefem Gebiet das Areal und die Bevölferung: Diftrifte Arakan

Areal in Q.-Mil.

Bevölkerung.

146,000 56,342

25 GouvernementS

und

2 Territorien,

melde

95,179 305,549 221,059 319.212

Henzada

1,948

297,170

Erde

Tharrawaddy Brome Thayetmyo Tenafjerim

2,014 2,887 2,397

240,945 286,498 155,941

hundert jhon hat ihre Ausbeute angefangen; 1838 erhielt man 100,000 Pud aus den Gruben von Liſſitſchansk, welche dem Staate gehörten. Nah dem Krimkrieg nahm der Ertrag zu und die Kohle wurde als Bremuftoff für die Flotte gebraucht. In den letzten 5 Jahren ftellte fich die Produktion folgendermaßen: 1879 49 Mill. Pud, 1880 86 Mil. Pud, 1881 91 Mill. Bud, 1882 126 Mill. Pud, 1883 166 Mil. Pud. Dies entjpricht ungefähr der halben SKohlenproduftion von ganz Rußland. Die dritte

Tomi

4,309 3,667

Von

22 4,236 5,413 1,047

Moulmein

305,616 19,731

empfängt.

das Gebiet des Schwarzen Meeres bilden, gehören 14 zum ſüd— lichen Beden und 5 zu dem der Wolga, weldhe am Don einander nahe berühren. Diefe ganze an Getreide reihe Gegend hat eine Oberfläche von 60,000 Werft. Bon den 195 Millionen Tſchetwert Getreide, welche 1870 im europäischen Rußland geerntet wurden, famen 123 Mill. auf das „Schwarzland”. Was den Getreidehandel betrifft, jo lieferte Rußland dem übrigen Europa bis bor einigen Jahren etwa 400/, jeines Bedarfes. Im Jahre 1880 betrug infolge der schlechten Ernte die ruſſiſche Getreideausfuhr nur noch etwa 24 Mill. Tſchetwert. Namentlih jchaden dem Getreidehandel die Koften, welche durch den Eifenbahntransport entftehen; die Koften des Umladens allein belaufen fi auf 10 Mill. Nubel. Eine andere Schwierigfeit Liegt in der Verſendung von den Häfen des fiidlichen Meeres aus. Die ſüdlichen Eifenbahnen haben den Weg, den die Getreidefendungen nehmen, ganz und

Akyab N. Arakan (ausfhlieglih Hügel— jtriche) Kyouf-pyoo Sandoway Pegu Nangoon Towun Hanthawaddy Thonegwa Baſſein

Amherſt

5,337 1,213

Die ruffiichen Zeitungen befchäftigt in neuefter Zeit mehrfach die Frage einer Verbindung des Schwarzen mit dem Aſow'ſchen Meer, welche man dur Anlage eines Kanals, der die Landenge von Perefop durchfchneidet, zu ftande bringen will. Das Aſow— jhe Meer ift in Bezug auf das Schwarze ein Binnenmeer, ebenfo wie letzteres ein folhes in Hinfiht auf das Mittelländifhe Meer darftellt. Die mittlere Tiefe des Aſow'ſchen Meeres beträgt 5 Safhen. In Zaganrog felbft beträgt die Tiefe gewöhnlich nur 8 Fuß, fo daß die Fahrzeuge 15, an manchen Stellen jelbft 40 Werft von der Kiüfte entfernt bleiben müffen. Der Hafen Peter der Große ift nur drei Fuß tief, zu Mariupol beträgt die Tiefe 14 bis 20 F., zum Berdiansf 12 %. Roſtow am Don (Sefaterinoslam) ift ganz vom Meere getrennt, jo daß es feine Ladungen nah Taganrog jendet und fremde Waren über Odeſſa

14

57,882

15,189

245,765

Tavoy

7,150 od. 7,200

Mergui

7,810

54,429

Schwaygyin Toungoo Salween

5,567 6,354 4,646

143,157 95,902 25 Do

In Britiſch Burma gejammelt.

82,580

87,220 3,154,4706 wurden von 3,070,528 Afres die Ernten

1 In einigen Diftviften find VBerbefferungen gemäß ven fetten Affam Adminiftration Reports gemacht worden. 2 Inkluſive 30,000 Ureinwohner. 3 Suflufive 3,997 Square miles, die zu den Native States gehören, welche in abhängigem Verhältnis ftehen, mit einer Bevölkerung von 78,992 Seelen. % Ueber diefen Diftrift giebt es feine zuverläffigen Schätzungen! 5 Die Bevölkerung belief ſich am 17. Februar 1881 auf 4,815,157. 6 Die Population betrug am 17. Februar 1881 3,707,646

Seelen.

gar

verändert;

fo beläuft fih die Ausfuhr

über Odefja,

welche

1865 340/) der ganzen Ausfuhr betrug, heute un noch auf 17,809. Der Reft des ruffischen Getreides geht über Königsberg und Libau. Die Häfen des Aſow'ſchen Meeres litten unter diefem Umftande nod mehr; früher betrug der Halbmeffer ihres Gebietes 200, jetzt nur noch 50 Werft. Ein anderer Reihtum der Schwarzen ift die Kohle des Donetz-Beckens.

Hilfsquelle diefes vuffischen Gebietes

Bor einem halben Fahr:

find die Eiſen- und Graphit-

bergwerfe von Kriwoi Nog, deren Ausnutzung für die Flotte des Schwarzen Meeres, wenn diejelbe jemals wieder erftehen jollte, umentbehrlich fein und dem ganzen Sande, namentlich aber dem Handel der füdlichen Häfen Rußlands, die größten Vor— teile im Ausficht ftellen würde.

Was

die anderen

Handelsartikel,

Hafer, Salz, Naphtha, Fett, ungegerbte Häute, Delfrüchte, rohe Wolle, Nahrungsmittel ꝛc. betrifft, fo beträgt ihre Ausfuhr im ganzen 40 Mill. Pud. Die Häfen des Aſow'ſchen Meeres em— pfangen vom Ausland Thonerde, Zement, Gemüſe, Früchte, Wein, Del, Gußwaren, Eifenbahnfchtenen, Lokomotiven 2c. Damit die neue Katharinen-Eijenbahn, welche parallel den Küſten des ſüd— lichen Meeres läuft, größere Dienfte leiften könnte, müßte man die äußerſten Enden der ſüdlichen Eifenbahnen, nämlich die Häfen des Schwarzen und die des Aſow'ſchen Meeres, durch eine Transberjallinie verbinden. Mehrere Zeitungen glauben auch, daß dur) die Verbindung diefer Meere mittelft eines Kanals der Handel de3 Südens ficherlih einen großen Auffhwung nehmen werde.

Zn ee a Se a DL nn Zn Zu ut a A a a

Notizen. Andere fprechen fich gegen eine folhe Unternehmung aus und glauben, daß es vorteilhafter fein würde, die Pforten des Aſow— jhen Meeres mehr zu erweitern. Ein Schiffahrtsfanal wiirde das Meer nicht tiefer machen und, wie wir oben erwähnten, ift

e8 gerade die Seichte an der Küſte, welche die Hauptichwierigfeit ausmacht. Ste find aljo der Anficht, daß es vernünftiger fein wilrde, die Straße von Kertjch zu vertiefen.

Antizen. Afrika. Giraud auf dem Weg nah Karema. Wie wir in Nr. 12 des „Ausland“ 1884 vermutet hatten, find die jüngften Nachrichten iiber die Reiferoute des Franzofen Giraud faljch und zu feinen Gunften übertrieben gewejen. Ledoulx, der franzöfiiche Konful in Sanfibar, teilt auf Grund eines Berichtes von Giraud jelbft folgendes unter dem 4. Februar 1884 dem Minifterium des

Ausmärtigen mit:

Giraud

verließ am 17. Dezember 1882 Dar

es Salaam (ſüdlich von Sanfibar an der Oftfüfte) und drang auf der Straße Burton durch Uzaramo und Khutu nad) Ujagara vor, wendete fih dann ſüdlich nach Uhehe, überfchritt den als Rufidſchi inden Indiſchen Ozean fließenden Nuaha und den am Nordende des Nyafja gelegenen Berg Merere von zirka 2200 m. Höhe, und erreichte den See felbft bei der Nefidenz des Königs Mahura. Auf dem Weitermarjch nad) dem Bangweolo-See wurde er durch Pladereien und Feindjeligfeiten der Heinen Negerfürften nah Norden, und zwar nah Ketimfuru (2), gedrängt. Die zerrütteten Berhältniffe innerhalb feiner Karawane zwangen ihn jett, nach der belgischen Station Karema am ZTanganifa zu wandern, um fih aufs Neue zu einem Mari nad) den Quellen des Kongo-Lualaba auszurüften. Geringe Streden ausgenommen, hat Giraud bis jetst noch fein unerforschtes Gebiet betreten. Rogozinsky unternahm, wie im „Ausland“ 1883, Nr. 47 angefündigt, am 13. Auguft 1883 eine Exploration des in den Golf von Guinea mündenden Mungo; es gelang ihm, die Waflerjcheide der Zuflüffe des Kamerun und des Kalabar und die Quellen des Rio del Rey zu erreichen. ine Niederlage jedoch, welche die ihm befreundeten Befarenganja durch die den Weitermarjch jperrenden Mofonje erlitten, zwang ihn am 27. November zur Umkehr längs der Gebirgsfette des Kamerun nach feiner Station Mondole, einer Inſel nahe dem Südfuße des Kamerun, Er beabfihtigt nun, von neuem fich auszurüften und mit Hilfe der Befarenganja auf einem großen Ummeg das Yand des Königs

Mfonga von Bajong

zu gewinnen und endlich nach dem Biel

jeiner Wünſche, na dem See Liba, vorzudringen. Der Baringo-See, weldhen Dr. Filher durch das Land der Maſai zu erreichen fuchte und der ſeit Krapf und Kinzelbach auf allen oftafrifanifchen Karten als Mbaringo oder Bahr Ngo erjcheint, joll nach) einer Mitteilung Makays vom Viktoria Nyanza gar nicht eriftieren, da das Wort Baringo nicht einen See, fondern ein Volf, und zwar das Leopardenvolf bedeutet. Ba oder Wa ift das Präfix Plural für die Bezeihnung der Stämme (wie Wa-Ganda, Wa-nioro 2c.); und ngo oder engo heißt in einem meiten Kreife der Bantufprache der Leopard. Wie die Waganda jene Bölferfchaften, welche ſich vorzüglich” mit dem Felle des Löwen (Mporogoma) befleiven, Bamporogoma nennen, ebenfo erhielten die Ba-r-ingo ihren Namen von der Benütung des Leopardenfelles als Kleidungsftüd. Das Mißverftändnis verjchuldeten vie arabijhen Händler, welche bei Baringo den Nachdruck auf die erfte Silbe Tegten und dabei nur an Bahr (wie 3. B. Bahr Ghaſal zc.), das Waffer, dachten.

219

Dampfer au dem Tanganifa-See. Obſchon der Transport des Dampfbootes „Morgenftern“ der Londoner Miffionsgejellihaft vom Nyaffa nad) dem Tanganika

in Nr. 12 des „Aus-

land“ 1884 mitgeteilt worden ift, jo fommen wir doc noch ein— mal darauf zurück, weil die erften Berichte, wie das ja immer der Fall, teilweiſe Unvichtigfeiten und Unvollftändigfeiten in wejentlichen Details enthalten. Stewart, welchem das Hauptverdienft an der gelungenen Durchführung des wichtigen Unternehmens zugejhrieben werden muß, da er der Erbauer der Straße vom Nyafja zum Tanganika ift, jollte den Triumph feiner mühevollen Arbeiten nicht erleben; er ftarb bekanntlich ſchon am 30. Auguft 1883, Sein Nachfolger war fein langjähriger Gefährte in diefem Teile Afrikas, Moir. Er verlud das zweite Dampfboot derfelben Geſellſchaft,

„Good News”,

welches im Januar 1883

von England

abging und dann den Sambeſi und Schire aufwärts in den Nyaſſaſee geführt wurde, in Karongo am Nordende des Nyafja und bradte es in der unglaublich furzen Zeit von 31 Tagen nah) dem 467 Km. entfernten Pambete am Tanganifa. Bon hier wurden die einzelnen Sektionen nad Fiendwe (am Südweſt— ende des Sees)

eingejchifft

und

dann

am

8. Oftober

1883

englif hen Kapitän Hore übergeben.

dem

B. F.

Das Telegraphennetz im Kaplande. In der Zeit von 1874 bis 1882 hat fi) in der Kapfolonie die Länge der be— jtehenden Telegrapbenlinien auf das 3efache und die Drahtlänge auf das Tafache ausgedehnt. Die Zahl der Bureaus ftieg 1882 auf das 6fache, die der vermittelten Telegramme auf das 14fache der Beträge von 1874, Denn es betrug: Jahr Länge der Länge der Zahl der Zinien in Km, Drähte in Km. Zelegramme

1574 1880 1882

1512 5024 5546

1512 6564 11,122

45,534 398,277 621,269

Perſonalnachrichten. Ehrung franzöſiſcher Forſcher. In der Sitzung der Geographiſchen Geſellſchaft zu Paris vom 7. März iſt die große goldene Medaille für 1884 der Expedition, welche ſich an Bord des „Talisman“ befunden hatte, zuerfannt worden. Eine meitere goldne Medaille erhielten Herr Thouar und Herr Defire Charnay. Ingenieur Leſſar ift wieder zu neuen Aufnahmen an der perfifchen Grenze, welche ein bis anderthalb jollen, im Turkmenenlande eingetroffen.

Fahre

dauern

Prihemwalsfy fandte unter dem 20. Januar aus Alaſchan die Nahricht an die Geographiiche Geſellſchaft in St. Petersburg, daß er die Gobi glücklich Durchjchritten habe und nad dem Kufunor aufbrede. Bortrag eines Chinejen. Unter den Perjonen, welche durch öffentliche Vorträge für die Verbreitung der allgemeinen Bildung wirken, möge hier ein gelehrter Chinefe, Herr TongHuen-Hien erwöhnt fein, ein Greis von 70 Jahren, der in Paris eine Borlefung über das himmlische Reich und Tongking gehalten hat. Der Nebner,' der mehr als 30 Fahre in dem Minifterium des öffentlichen Unterrichts in Peking angeftellt war, machte in ſehr gutem Franzöfisch recht intereffante Mitteilungen, wobei er nament— ih über den geringen Preis der Handarbeit ſprach, die faum bezahlt wird. In Bezug auf Tongfing meinte er: Ob das Land unabhängig oder eine Beſitzung Frankreichs wird, ift für China ziemlich gleichgültig; im letzteren Fall jedoch wird Frankreich eine große zivilifatorische Aufgabe unternehmen, deren Löſung China zum Vorteil gereichen werde, 7 Der franzöfiiche Forſcher Ingenienr Bruel wurde auf der Grenze von Kambodſcha und dem Gebiet der Laos von den Eingeborenen getötet,

320

Karl

Korreſpondenz. 7 Der Begründer und Herausgeber der Ruſſiſchen Revue, Röttger, welcher eine rege Thätigfeit als Bermittler

deuticher und ruſſiſcher Geiftesbildung

entfaltete, ift zu Wiesbaden

einem ſchweren Lungenleiden erlegen, + Ehrenfried Xeeder, der DVerfaffer mehrerer meitverhreiteten Handfarten und Atlanten, ſowie einer Anzahl Schulwandfarten, verftarb Ende Februar zu Görlitz, wo er al$ Lehrer an der Knabenmittelſchule Dr.

+ Am Aron

12. Februar Bernftein,

wirkte. verſchied zu Lichterfelde bei Berlin einer der erften Mitarbeiter an dem

großen Werke der VBerallgemeinerung der Naturwiſſenſchaften. Das Komite zum Errichtung eines Honternsdenfmals

in

Kronftadt jchreibt einen Preis von 400, eventuell 600 Gld. aus für die befte Arbeit iiber Honterus. Als Einfendetermin fiir die—

felbe ift ver 31. Dezember 1884 feftgejett.

Korreſpondenz. Ueber Rechtſchreibung ſudaneſiſcher Ortsnamen. Erlauben Sie mir, in den Spalten des „Ausland“ die ziemlich verworrene Frage der Rechtſchreibung jetzt viel genannter Städte— namen des Sudan für einige derſelben mit ein paar Zeilen klar zu ſtellen. Bei vielen derſelben wird auf die arabiſche Schreib— weiſe, die allein maßgebende, keine Rückſicht genommen, ſondern oft die

vollkommen

Deutſchen befolgt.

willkürliche

engliſcher

Tagesblätter

So gleich der Name Charthum,

ſches, auch in der nubiſchen Sprache

gebräuchliches

anch im

fälfjht werden? Daß die franzöfiihe Schreibweife Abyjfinien unrichtig ift, ergibt die Ableitung vom jemitifchen Habescha; aber auch diejem Fehler begegnet man im Deutjchen. Mit mehreren Ausnahmen kann die Orthographie der Orts- und Bölfernamen

von

Aegypten,

G gaf.

von

Diejes

nie mit F ausgejproden.

In unferem Berlage erjchtenen fo eben:

nos

der

von

100. Auflage. Jubiläums-Ausgabe in Groß-Oftav. M. 7. —

Laut jehr häufig,

nicht geſchloſſen),

In den jemitischen Sprachen ift dieſer

bebräifh 7, arabiich

Wir

Deutiche haben

in unferer Sprache den Laut, welcher der arabifchen Ausſprache vollfommen entjpricht, in dem ſcharfenſch z. B. in Krach, lachen, Mache u. j. w. Unter den europäiſchen Schriften befitt nur die jpanifche und die Für

den

arabijchen

griechische ein

Gebrauch

des

traten

einfaches

griechischen

außer

Yepfins

Zeichen für den

Buchſtaben auch

oh.

Yant,

y an Stelle des Müller,

Rapp,

Bunfen u. a. ein. Die Engländer, welchen gleich den Franzoſen und Italienern diefer Yaut fehlt, ſchreiben nun Charthum Khartoum und diefe falſche von

Orthographie,

welche

Dr. Schweinfurth angenommen

merkwürdigerweiſe

wurde,

hat nun

im Deutjchen

nieren und dazu helfen, daß die von allen des Arabijchen mächtigen

Neifenden, wie 3. B. auch von Th. v. Heuglin, angewandte richtige Drthographie verdrängt wird. Ein gleiches findet bei Suafin ftatt, zwar nicht im „Ausland“;

in neuerer

Die Ausftattung ift eine hochelegante: zweifarbiger Drud auf jehwerftem Papier, das Porträt des Dichters in Lichtdruck, der Einband mit Goldſchnitt nad einer Zeihnung des Profefjors Fr. Wanderer in Nürnberg. Diefe Ausgabe war bejtimmt, am erjten Ofterfeiertage dem Dichter durch Enfelhand überreicht zu werden, welde Abjicht aber der jühe Tod desjelben vereitelte: nun möge fie feinem Gedächtniß gewidmet jein! Das deutiche Volk aber empfängt in diejer ſchönen Ausgabe, die Würde mit Cinfad)heit vereint, ein Vermächtniß feines Lieblingsdichters, wie es finniger nicht gedacht werden kann. Stuttgart,

Zeit finde ic) das n

am Schluß überaus Häufig durch ein m erfegt. Warum? Muß der ohnedies bequem zu fjchreibende und zu fprechende Name ge—

April 1884.

3. 6. Cotta'ſche Buchhandlung.

auch

die richtige mit Ch vielfah verdrängt. Da feine Notwendigkeit für uns vorliegt, Khartum zu fchreiben, fo jollte meiner Anficht ein Fachblatt wie das „Ausland“ dieſe Schreibweife nicht ſanktio—

auf den Karten

Dem Andenken des Dichters gewidmet,

S mit — geſchrieben, nach dem Lepfiug’-

ch (die Kehle wird am Gutturalpunkte

Sudan

Anzeigen.

ſchen Standard-Alphabet yartum tranfſkribiert, und im Lande ſelbſt ſtets mit

dem

qaf, im Worte Korosfo-Dorosfo 3. B. wie K

Bedeutung: Tiernaſe, Elefantenrüſſel, welchen man der Landzunge Ras el Charthum am Zuſammenfluß des Bahr el abjad mit dem Bahr el aſraq, ihrer Form wegen, gegeben und ihn auch auf die unweit dieſer Landzunge gegründete Stadt übertrug. Im Arabi—

ſchen wird Charthum *

und

ausgeſprochen, wird in Dongola zum weichen Laute g, wie ja _ überhaupt in Syrien und Aegypten das qaf zumeift uur als ein leichter, vofalifcher Hauch geſprochen wird. Ich wiirde daher ” der Ausſprache der Dongolaner jelbft Rechnnng tragend, das qaf durch ein g jubftituieren, wie dies auch Burdhardt, Lepſius, Heuglin und viele gethan. ES wide vielleicht Feine überflüſſige Arbeit jein, ein Lexikon arabiſcher geographifher Namen mit Hinzufügung der richtigen Drthographie und Ausſprache zufammen zu ſtellen. Münden. Richard Buchta.

ein arabi—

Wort

Nubien

des Stieler/ihen Atlas als richtige bezeichnet werden. Wir haben da eine Jedermann zugängliche Ausfunftsquelle.. Zu den Ausnahmen zähle ih auch den Namen Dongola, auf Stielers Karten Donfola, gemäß der arabijchen Schreibart Dongola mit

Don höchſtem aktuellen Intereffe! 3m Derlage der 3. 6. Cotta'ſchen Buchhandlung in Stuttgart

Uganda und der ägyptiſche Sudan von

C. T. Wilfon und R. W, Felkin. 2 Bände.

(VII u.) 339 Seiten

mit 35 Holzſchnitten.

I.

80,

Zu beziehen durch jede Buryhandlung des In- und Auslandes.

Drud und Berlag der J. ©. Cotta'ſchen Buchhandlung in Minen

und Stuttgart.

Mas Jusland. Wochenſchrift für Lander: und Völkerkunde, unter Mitwirfung von Profefjor Dr. Friedrich Nabel und anderen Fachmännern herausgegeben von der

3. 6. Cotta'ſchen Buchhandlung in Stuttgart und Münden. Siebenundfünfzigiter Jahrgang.

Münden, 23. April.

Ar. 17, |

1884.

Preis pro Quartal M. 7. — Zu beziehen durch alle Buchhandlungen des In- und Auslandes und die Poſt— Jährlich 52 Nummern A 20 Seiten in Quart. ämter. — Rezenfions-Eremplare von Werfen der einjhlägigen Litteratur find direft an Heren Profefjor Dr. Friedrich Natel in München, Akademieſtraße Nr. 5, zu jenden. — Inferationspreis 20 Pf. für die gejpaltene Zeile in Petit.

Bon Dr. Albrecht Penck. S. 321. — 2. Die Weinproduktion der Erde. Inhalt: 1. ©. v. Boguslawski's Ozeanographie. Von F. v. Thümen. S. 323. — 3. Die Zahlen im mohamedaniſchen Volksglauben. Von Ignaz Goldziher in Budapeſt. S. 328. Bon Henry — 4. Ruſſiſche Hauſierer und Pilger in Aſien. S. 330. — 5. Das Northern Territory der Kolonie Südauſtralien. Greffrath. S. 332. — 6. Prähiſtoriſche Rieſen. Von B. Langkavel. ©. 333. — 7. Der vierte Deutſche Geographentag zu Miinchen. 17. bis 19. April 1884. I. ©. 335. — 8. Kleinere Mitteilungen: S. 337. Die Inſel Sumba und ihre Bewohner. Die Spanier Ueber Funchal auf Madeira und feine Bevölkerung. — 9. Notizen: ©. 338. Afrifa. — 10. Litteratur: ©. 340. — in Algerien. 11. Korreſpondenz:

S. 340.

Zur Haustierkunde.

Bon B. Yangfavel.

winnen.

6. v. Boguslawski's Ozennonraphie.' Daß fich exit jpät das wiſſenſchaftliche Intereſſe den Dzeanen zumandte, liegt in der Natur der Sache. Schoben ih doch die Weltmeere gleihjam nur als Zwiſchenglied zwischen die bewohnbaren Landmaſſen ein, den Berfehr zwar erleichternd, aber nur jelten und zwar ausſchließlich an den Küſten dem Menſchen Schätze darbietend. Nichts anderes

als

Schiffahrtsſtraßen

waren

bis zum

Beginne

diefes Sahrhunderts die Ozeane und jene großen Erpeditionen, welche die Meere auftralifcher Fernen freuzten, hatten als alleinige Aufgabe, die Grenzen von Wafjer und Land fejtzuitellen.

Heute ift deren Berlauf erkannt. umgrenzt

und

nicht

mehr

bloß

ihre

Die Meere find Ränder,

fondern

namentlich aud ihre Tiefen ziehen die Aufmerkſamkeit auf fih. Schon belehrten die Weltumfegelungen der früheren Jahrzehnte dieſes Jahrhunderts über manche wiſſens— werte Verhältniffe der Meerestiefen; aber die damalige

Technik geftattete nicht, fichere Ergebnifje hierüber zu ge— 1 Handbuh der DOzeanographie, Band I. Räumliche, phyiifalifche und chemische Beichaffenheit der Ozeane. Bon Profeffor Dr. ©. v. Boguslawsfi.

Band III. Stuttgart. Ausland

1884

geographiiher

Handbücher.

J. Engelhorn. 1884. XVII.

Bibliothef

400 ©, 80,

Nr. 17.

Weder Lotungen nody Temperaturmefjungen jener

Zeit fünnen vor der heutigen Kritik bejtehen. Da famen die erſten Verfuche, durch eleftrifche Telegra= phen die einzelnen Erbteile zu verbinden. Die Meerestiefen traten in den Vordergrund der Erwägung, ihnen jollte der Kabel anvertraut werden. Neu aufgegriffen mußten die frühes ven Forſchungen werben, um in verbefjerter Geſtalt fortgeſetzt

zu werden.

Dankt der Weltverfehr jenen Unternehmungen

die Möglichkeit, die Erdfernen mit der Schnelligkeit des Gedankens zu durchmefjen, jo dankt ihm die Wiljenfchaft die neue Methode der Tiefjeeforfhung uud die eriten, Erſtaunen wedenden, geficherten Thatfachen über die Tiefen des Meeres. Ausgeftattet nun mit foftipielig gewonnenen Vorver: fuchen, konnte eine wiſſenſchaftliche Durchforſchung der Ozeane beginnen und in den legten zehn Jahren wurde reichlich

nachzuholen bejtrebt, was

die Ungunſt

der VBerhältnifje

früher kennen zu lernen verfagte. Für und Deutjche ge jellt fich dazu das erhebende Gefühl, an diefer Arbeit neben den erjten feefahrenden Nationen mitgewirkt zu

haben. Nicht mehr, wie zu Anfang des Jahrhunderts, bloß den wiſſenſchaftlichen Stab für die Expeditionen liefernd, bliefen wir heute auf die Fahrt der „Gazelle“, welche im Verein mit „Challenger“, „Tuskarora“ und „Porkupine“

den Schleier der Meerestiefen zuerſt lüftete, und mir find

49

339

G. v. Boguslawski's Dzeanographie.

ſtolz darauf, die heimatlichen Meere den Gegenſtand einer ſtetigen wiſſenſchaftlichen Erforſchung bilden zu ſehen. Mit der Arbeit hielt die Veröffentlichung der Reſultate

gleichen Schritt.

Die Annalen der Hydrographie, Mitteil-

ungen der Seewarte und der Kommiſſion zur wifjenjchaftlichen Erforfhung der deutichen Meere zu Kiel metteifern, neue Studien und Ergebnifje raſch zu verbreiten. Freilich be= darf auch der Binnenländer befonderen Hinweiſes auf dieje neuen Arbeiten und oft empfand er den Mangel eines Führers durch die reiche Fülle des Gebotenen. Aber dieſer

Führer ift nicht ausgeblieben und es erfüllt uns mit be— fonderer Freude, die eriten Handbücher einer Ozeano— graphie in deutfcher Sprache vor uns zu fehen. Gleiche zeitig, aber auf verjchiedenem Boden, entjtanden die Grund züge der Ozeanographie in Wien und G. v. Boguslawski's Werk in Berlin. Zwar haben die Britten auch nicht ges jäumt, die Ergebniffen ihrer Arbeiten zu veröffentlichen.

Uber was auch Wyville Thomfon über die Tiefen der See und über den Atlantik fchrieb, was auch fein Aſſiſtent J. J. Wild als Thalafia herausgab — es find dies pro= viſoriſche Arbeiten, Herolde des vielbändigen Werkes über die „Challenger:""Exrpedition und feine Monographien der

Ozeane. Eine ſolche aber

verſpricht

G. v. Boguslawski's

Ozeanographie zu werden nach dem erſten vorliegenden Bande, welcher uns in die räumlichen, phyſikaliſchen und

chemiſchen Verhältniſſe der Ozeane,

alſo in deren Statik

einführt. Es iſt dies ein Band fleißiger und umſichtiger Arbeit, eine kritiſche Kompilation im beſten Sinne des

Wortes.

Anders

kann

ein ſolches Werk

nicht gedacht

werden, ſo lange die Unterſuchungen, auf denen es beruht, noch bedeutende Lücken aufweiſen, wie z. B.“im geſamten Indiſchen Ozean, im mittleren Teile der Oſtpazifik, ſolange die Kunde von der Tiefſee ſich beinahe täglich vermehrt.

Gibt doch Boguslawski's Buch ſelbſt Zeugnis raſchen Fortſchritt der Arbeit.

von dem

Es wird auf Seite 75 und

126 die größte Tiefe des Atlantik nad) dem „Challenger“ zu 7086 m, angegeben, während am Schlufje des Buches (©. 392) v. Boguslawski bereitS mitteilen fann, dab Kom— mandant Brownſon kürzlich (1883) auf dem Blafe 8341 m. gelotet hat, wodurch der Atlantik unmefentlich tiefer ala der Pazifik (8513 m.) erjcheint. Ebenfo verhält es fi hinfichtlich der größten Tiefe des Indischen Ozeans, welche

während

der Abfaffung

des Buches von

5523 m, auf

5664 m. wuchs (S. 126 und 396); die legtere Tiefe wurde

gleichfalls

erſt 1883

befannt.

Daß

derartige Korrek—

tionen dem Verfaſſer nur zur Ehre gereichen, verfteht fich von jelbit. v. Boguslawski beginnt mit einer Darlegung feiner Aufgaben in der Einleitung und geht dann zur Schilder:

ung der Meeresräume über, Hier wird des Meeresniveaus gedacht, wobei allerdings das Drudfehlerverzeichnis mit

dienftlicher „Morphologie der Meeresräume” gefolgt wird. Gegenüber Krümmels Zahlen für die mittlere Tiefe jedoch bält ſich v.Boguslamsfi etwas referviert, ebenjo gegen— über Betermanns Vorschlag, in der Benennung der größten Meerestiefen die Namen von Schiffen und Schiffahrern zu verewigen, welchen die Ozeanographie ihre Errungens

Ichaften dankt.

Das dritte Kapitel, die Chemie des Meeres,

it, entjprechend feinem Thema, das wenigit umfangreiche, denn es gilt hier nur den Salze und Luftgehalt des Meeres zu Schildern. Ausführlih wird bei der geographijchen Verbreitung des eriteren vermweilt. Sehr ansprechend ift die Erörterung im 4. Kapitel über das jpezifiihe Gewicht oder die Dichtigfeit des Meerwafjers. In lichtvoller Weife

wird bier der Einfluß

von Erwärmung

und Salzgehalt

geſchildert und klarer als in irgend welchem anderen Hand— buche die Möglichkeit auseinander geſetzt, aus dem ſpezi— fiichen Gewicht des Meerwafjers deſſen Salzgebalt herzu— leiten. Nicht ganz leicht hingegen läßt ſich der Schilder: ung über die geographifche Verbreitung des pezifijchen

Gewichtes folgen. wird

um

Der Mangel eines Ueberſichtskärtchens

fo lebhafter empfunden, als die Atlanten meijt

der Karten von Meeresräumen ermangeln.

Bielleicht etwas

zu furz find die optifchen Berhältniffe der Meere, nämlich Farbe, Leuchten und Durchſichtigkeit, im 5. Kapitel behan— delt, wohingegen das 6. Kapitel eine durchaus erfchöpfende Schilderung der Wärmeverhältniffe der Ozeane bringt. Hier erfahren mir zunächit einiges über maritime

Meteorologie und erhalten dann eine genaue Bejchreibung der Temperaturvertetlung

in den großen Ozeanen und den

Nande und Mittelmeeren. Schritt für Schritt geht bier die Erörterung vorwärts; fie jteigt von der Oberfläche hinab in die Tiefen, die verſchiedene Wärmefchichtung durch Tabellen erläuternd. Diagramme, wie fie Wild in feinem

Thalaſſa zuerit gab, würden zwar häufig an Stelle jener Tabellen die Ueberficht des Vhänomens erleichtert haben, aber für einen ſachgemäßen Einblid und ein gründliches Studium find die Tabellen völlig genügend. In diefem

Abjchnitt muß mehrfach den im zweiten Bande folgenden 8., 9. und 10. Kapitel vorgegriffen werden; e3 bringt Dies in Erinnerung, daß die Meeresitrömungen in ihrem Ver: laufe meist durch Temperaturmeffungen erkannt werden.

In gerechter Weife find hier die Ergebniffe der „Challenger:”, „Gazelle-⸗“ und „Böringen="Erpedition referiert, wozu als völlig neu die Nefultate der Fahrt des „Drache” kommen (S. 263), welche lehren, daß die Nordſee im Norden durd)

einen Streifen warmen Wafjers völlig gegen den falten Polarſtrom abgejperrt ift, weswegen vie falten Boden: waſſer dieſes Nandmeeres als Winterwaffer zu gelten haben. Mit einer Schilderung der Eisverhältniffe der Meere jchließt das umfangreiche, mehr als die Hälfte des

zu berüdfichtigen iſt; es werden die Hüften befchrieben und

Bandes einnehmende 6. Kapitel. Der Glazialiſt vermif;t hier die Erwähnung des Eisfuffes und auch der eigentümlichen gallertartigen Beichaffenbeit, welche das Meer-

Ihlteßlich die einzelmen Meeresräume, wobei Krümmels ver:

waſſer vor

dem

Gefrieren annimmt.

Vielleicht

zu ſehr

329

Die Weinproduftion der Erde.

folgte dv. Boguslawski hier Weyprechts Metamorphofen des Polareiſes. Als Anhang folgt fodann eine Nedufttonstafel zur Verwandlung der engl. Faden in Meter und umgefehrt, deren Antvendung der Verfafjer jedoch durch faft durchgängige Angaben in Metern vorgebeugt bat. Daran fchließt fich eine Zufammenftellung der mwichtigiten Meereserpeditionen feit Mitte des vorigen Sahrhunderts

an, welche nur mit Freuden begrüßt werden fann. Aus allen dieſen Mitteilungen erhellt wohl zur Genüge, in welch' trefflicher Weife v. Boguslawski feine Aufgabe gelöft hat.

Ein Buch, das als erſtes feiner Art auftritt,

trägnis ein derartig

wechſelndes tft, als das des Wein:

jtods, und zwar gilt dies nicht etwa nur von den nörd— lichen Orenzgebieten

der Nebfultur,

fondern

in gleichem

Maße auch von den Weinländern im gepriefenen fonnigen Süden, von Spanien, Italien, Franfreih u. ſ. w. Wit— terungseinflüffe, Krankheiten aller Art, hervorgerufen durch vegetabilifche und animaliſche Parafiten, verurfachen ein alljährliches Schwanken des produzierten Duantums, fie wir e8 nirgends anders wieder finden, Aber nicht allein

die Eruierung zuverläffiger Daten für die Produftion ganzer

einer ſchärferen Kritif, als ein Werk, das auf altem Boden

Länder wird durch die genannten Umftände erheblich er— ſchwert und unficher gemacht, fondern es hält häufig fogar ungemein ſchwer, für ein ganz Fleines Gebiet, ſelbſt eine

ich aufbaut. ES ift von ihm zu verlangen, daß e8 einen Grundftod ſpäterer Arbeiten bildet. Boguslawski's „Dzeanographie” erfüllt diefe Bedingung. Sein Inhalt kann

einzelne Gemeinde, genaue Angaben zu erhalten. Nach: läffigfeit in der Ermittelung, falſches Mißtrauen, abfichtliche unrichtige Einſchätzung und dergleichen mehr verur—

durch kommende Entdeckungen wohl bereichert, aber faum wejentlich geändert werden, da in ihm das thatjächliche

jachen gar nicht jelten Differenzen von hundert und noch mehr Prozent. Aus diefen Gründen muß denn befonders betont werden, daß es in folgenden Mittetlungen fich nicht um abjolut fichere und über jeden Zweifel erhabene Zahlen handeln fann, fondern daß wir ung damit begnügen müfjen,

it zwar ſtets willkommen,

aber e8 lockt auch leichter zu

Material vor den Kombinationen vorwiegt.

Für die Les-

barfeit des Buches ift damit zwar einer verlodenden An: regung entjagt, aber jolche Bücher follen nicht bloß gelefen, jondern vor allem ftudiert werden.

Die Kritik foll von perfönlichen VBerhältniffen fich nicht beeinfluffen lafjen. Aber es wäre in diefem Falle ungerecht, nachdem wir das Bud auf feinen Inhalt geprüft haben, nicht auch dem Verfafjer für dasfelbe zu danken, umfomehr da wir wiſſen, unter welch’ erfchwerenden Umftänden er

lediglicy Mitteliverte zu geben, entitanden aus amtlichen Erhebungen und Berechnungen, tie -Schäßungen fach: verftändiger, verläffiger Perſonen. Weitaus größere, ja vielfach unbedingte Genauigkeit wohnt aber im Gegenſatze allen jenen Ziffern inne, welche ſich auf den Merfantil-

verkehr, den Export und Import von Weinen

beziehen.

fein Werk vollendete. Eine ſchwere Erkrankung feſſelte ihn ans Lager bei Abſchluß desjelben. Möge es ihm er: möglicht jein, den zweiten Band, die Dynamik des Meeres,

Offizielle ſtatiſtiſche Publikationen, in erfter Reihe aber die bortreffliche Statiftif der Weinproduftion in dem foeben

bald

der Kellerwirtichaft, von v. Babo und Mach (Berlin, Paul Tarey) dienten uns als Subſtrat für nachitehende, in mehr als einer Hinficht intereffante Zufammenftellung. Die erite Stelle gebührt fraglos Frankreich, dem bedeutenditen Weinlande der Erde; denn fein anderes Land fommt ihm gleih in der Quantität feiner Produkte und fein anderes erzeugt Produkte, melche ſich ſo einer allge: meinen Anerkennung erfreuen, jo Weltweine find in der

dem

erjten

folgen zu lafjen und das Denkmal zu

vollenden, das er durch Widmung des Buches dem Kom— mandanten Sr. Maj. Schiff „Gazelle“, dem verdienten Präſidenten der Berliner Gefellfchaft für Erdkunde, Admiral

Frhrn. v. Schleiniß, feßte. München.

Albrecht Penck.

erjehtenenen großen Werfe: Handbuch des Weinbaues und

vollften Bedeutung des Wortes, wie vor allem die Weine

Die Weinproduktion der Erde, Hält es ſchon überhaupt jchiver, ſtatiſtiſche Angaben, mögen diejelben nun was immer für VBerhältniffe betreffen,

für eine größere Anzahl von Gebieten oder wohl gar für die ganze Erde derart zufammen: und einander gegen-

von Bordeaur, von Burgund und der Champagne. Nirgendwo ift aber auch der Konjum ein jo bedeutender, mie in Frankreich, denn im Durchfchnitt fommt auf jeden Kopf

der Bevölferuug jährlih ein Hektoliter Wein. Wie ſehr die Natur das Land fozufagen für den Weinbau prädeiti-

der Art und Weife ihrer Ermittelung und der Zeit, für welche fie Geltung haben, als äquipollent betrachtet werden

niert hat, erbellt Schon allein aus dem Umſtande, daß unter den 86 Departements e3 nur 9ſind, in welchen gar feine Rebkultur ftattfindet, nämlich Nord, Bas de Calats, Somme, Manche, Orne, Kalvados, Seine inferteure, Cotes du Nord

fönnen, jo ift folches insbefondere dann der Fall, wenn e3 ih um Objekte handelt, deren Quantum ein fo fluftu: terendes iſt, wie bei allen Erzeugniffen der Bodenproduftion.

und Finiftere, Bekannt ift, welche Verwüſtung die Neb(aus feit noch nicht ganz zwei Dezennien in den franzöftchen Weingebieten anrichtet und was für unheilbare Wun—

Nie und nirgends treten aber diefe Schwierigkeiten greller zu Tage, als bei der Ermittelung über den Ertrag der

den durch diefe Kalamität dem geſamten Volkswohlſtande

überzuftellen, daß diefelben binfichtlich ihrer Zuverläffigfeit,

„göttlichen“ Rebe.

Es gibt feine Kulturpflanze, deren Er:

gefchlagen wurden. Wie enorm diejelben waren, erhellt am beiten aus nachitehender Tabelle, welche die mit Neben

324

Die Weinproduftion der Erde.

bepflanzte Fläche, die Produktion derjelben und die Ein— und Ausfuhr an Wein während der legten 11 Jahre ein:

mitveranlaßt Durch die Neblausfalamität

in Frankreich,

ander gegenüberftellt.

des heimischen Produftes, laffen der Zuverficht Naum ge:

und die dadurch ftetig wachſende Erfenntnis von der Güte winnen, daß Italiens Weinbau fi ftarf in aufjteigender

Jahr- Weingärten. gang. Seltar. 1871

Produktion. Import. Heftoliter.

Export,

Linie bewegt. waren

1880

In den zwölf Regionen des Königreichs 1,870,109 Ha. mit Neben

bepflanzt,

deren

2,369,484

56,901,000

148,000

3,319,000

1872

2,373,139

56,155,000

518,000

3,430,000

1873

2,380,946

35,710,000

654,000

3,981,000

1874

2,416,862

63,146,000

681,000

3,231,000

ficher nicht zu gering auf eine Milliarde Lire veranfchlagen. Die Einfuhr von Weinen it in Stalien nur eine ganz minime, fie beträgt im Durchfchnitt noch feine 50,000 Hl. im Jahr. Die Ausfuhr hingegen wächſt, wie oben ſchon bemerkt wurde, in ganz folofjalen Dimenftonen; wurde diefelbe doch für 1870 auf 239,690 HI., für 1880 aber auf 2,198,000 Hl. berechnet, innerhalb einer I1jährigen Periode eine Steigerung um nahezu das Zehnfache. Nach

1875

2,421,247

83,836,000

292,000

3,731,000

1876

2,369,834

41,447,000

676,000

3,331,000

1877

2,346,497

1878

2,295,989

707,000

3,102,000

48,720,000

56,405,000

1,603,000

2,795,000 3,074,000

1879

2,341,447

25,770,000

2,938,000

1880

2,204,159

29,677,000

7,219,000

2,138,000

1881

2,099,923

34,189,000

6,513,000

2,094,000

Die dem Weinbau gewidmete Bodenfläche nimmt, fie man fteht, feit dem Jahre 1876 fait ftetig ab, trotzdem in Diftrikten, in welchen die Neblaus noch nicht wütet, neue Weingärten in großer Ausdehnung angelegt werden. Die Einfuhr andererfeits ift eine rapid wachſende, der Ausfall in der Produktion muß eben auf jeden Fall ge

deckt erden. Spanien, Portugal, Stalien, Defterreich Ungarn und Serbien partizipieren daran. 1880 war der Import bereit3 um faſt fünfzigmal höher, als er zehn Jahre früher geweſen und überragte den Erport um mehr als das Dreifache. Selbit der Geldwert der Einfuhr ftellte fich gegen jenen der Ausfuhr in den lebten Jahren höher.

durchfcehnittliche Gejfamtproduftion mit 27,136,534 Hl. fal£uliert war, fo daß auf 1 Ha. fich ein Ertrag von 14 1%, Hl. ergab.

Den

Wert

des

ganzen Erträgnifjes

wird

man

Sranfreich ging von diefem Ausfuhrgquantum allein eine Menge von 1,230,000 Hl., alfo mehr als die Hälfte. Außerdem aber wurden in dem genannten Jahre auch noch, und zwar namentlich durch VBermittelung des großen Handelshaufes Girio, 138,728 Meterzentner Trauben im Werte von 3,468,200 Lire erportiert. Das dritte, Italien fat an Höhe der Produktion er: reichende Yand Europas ift Spanien, denn defjen jähr:

licher Weinertrag wird auf 22 Mill. HI. berechnet.

Auch)

bier erfcheinen alle Brovinzen bei der Kultur der Nebe be— teiligt, doch ift das erzeugte Produkt ein ganz außerordent:

lich verfchiedenartiges.

Weltweine

im wirklichen Sinne

1880 wurden eingeführt für 189.9 Millionen Frs., aus: geführt hingegen für 133.3 Mill. 1881 aber ftellten diefe

des Wortes

Zahlen fich bereits 200.2 gegen 128.7 Mill., fo daß der Import fihb um 71.5 Mill. Fres. höher bezifferte. Die weinreichſten Departements find natürlich die jüdlihen. In dem allerdings fehr geringen Erntejahr von 1880 produzierten deren fieben mehr als 1 Mill. HI, nämlich Herault 5,066,000, Aude 4,500,000, Pyrendes orientales 1,732,000, Gironde 1,660,000, Gers 1,237,000, Haute Garonne 1,008,000 und Charente inferieure

welche allerdings überall auf der Erde gefannt find und eine reiche Einnahmequelle des Yandes bilden. Aus dieſem Grunde mit tft denn auch der Export Spaniens ein nod) twejentlich höherer, als jener Staliens. Nach den von Babo und Mac zitierten Berichten des öſterreichiſchen Konfuls in Barzelona befist das Yand 1,408,704 Ha. Meingärten, wovon auf Katalonien allein 312,585 Ha. entfallen. In der Ebene rechnet man im Durchſchnitt vom

1,873,000

Hektar 12 bis 13, im Gebirge aber 16 bi8 17 HI. Erträgnis. Die Provinz Barzelona erzeugt am meiften, nämlich

des

Mil. HI.

Als Durchfchnitts =Sahresergebnis

franzöſiſchen Weinbaues

nehmen

die GStatiftifer ein

find nur die im Süden wachjenden,

alfoholreihen

Likbrweine,

Malaga,

ſtarken,

Xeres (Sherry) ꝛc.

Quantum von 56 Mill. Hl. an.

1,880,000

Italien nimmt mit einem jährlichen Durchſchnitts— ertrage von 27 Mill. Hl., alfo ungefähr halb foviel wie Frankreich, die zweite Stelle unter den weinproduzierenden Ländern der Erde ein, fünnte aber vecht wohl, da feine einzige Provinz des Königreiches gänzlich der Nebkultur entbehrt, demfelben binfichtli des erzeugten Quantums

1,540,000 Hl.; die Provinz Kadiz, wo der berühmtefte und

weit näher fommen und auch in Betreff der Qualität fünnte es, angelicht3 der ausgezeichneten Elimatifchen Bedingungen, weit Bortrefflicheres leiften, als dies thatfählih der Fall it. Die große Sorgfalt und Aufmerkſamkeit, welche man

Hl.;

ihr ſteht am

nächiten

Saragoſſa

mit

befanntejte aller Spanischen Weine, jener von Keres, wächſt, produziert durchſchnittlich 1,387,000, jene von Malaga

990,000 Hl. Während der legten Jahre ftieg der Weinerport aus Spanien in ganz enormer Progreffion, und zwar namentlich jener nach dem benachbarten Frankreich. Er bezifferte ſich im Jahre 1878 auf 1,33,861 Hl., 1879 auf 1,782,585 Hl. 1880 auf 6,079,530 Hl. und 1881 auf mehr als 8 Mill,

wovon nad Frankreich allein 5,639,483 Hl. gingen. Der

von Seite der Regierung neuerdings der Kultur der Rebe

Geldwert der Ausfuhr von 1880 wird auf 241 Mill. Peſetas

jedoch zuwendet, der rapid fteigende Export,

berechnet. Die erwähnten

größtenteils

feinen und teuren Liföriveine

Die Weinproduftion der Erde.

gehen hauptſächlich nach den nordeuropäiſchen Ländern und nach Amerika; ihr Export bezifferte ſich imJahre 1880 auf 174,600 Hl. Erheblich iſt auch aus den Südprovinzen der Rofinenerport, vornämlih aus Malaga. Man kann

denjelben zu 14 bis 16 Mill. Kgr. im Jahre annehmen, während der Geldwert dafür ein ziemlich ſchwankender ift. Mit rund 14 Mill. durchfchnittlichem Jahreserträgnis nimmt die Dejtereihiih=- Ungarifhe Monarchie unter den weinbauenden Yändern Europas die vierte Stelle ein. Dieſe Produktion wird zum meitaus größten Teile vom inländischen Konſum in Anjpruch genommen, die Aus: fuhr iſt feine jehr erhebliche, obwohl fie in den legten Jahren regelmäßig fteigt. Im Jahre 1880 wurden erportiert: Schaumteine 44, fonjtige Flaſchenweine 6076, Faß— weine 897,650 Meterzentner im Werte von 14,616,720 Gld., außerdem noch 16,212 Meterzentner Trauben. Dem gegenüber jtebt für dasjelbe Jahr eine Einfuhr von 3708 Meter: zentner Schaummeine, 5302 Meterzentner Flaſchen- und 20,851 Meterzentner Faßweine im Totalwerte von 1,120,790 Gld. daneben noch 39,800 Meterzentner Trauben und 61,600 Meterzentner Korintben. Mit einziger Ausnahme von Schlefien, Oberöfterreich

und Öalizien wird in allen öfterreichifchen Kronländern Rebkultur betrieben. 1880 waren 181,920 Ha. mit Wein: jtöden bepflanzt. Davon famen auf Dalmatien 65,834, auf Niederöfterreich 40,548, auf Steiermark 32,669, auf Mähren 14,970, auf Krain 9645, auf Sitrien 8977, auf Tirol 6100, auf Öörz und Gradisfa 1039, auf Trieft 872, auf Böhmen 845, auf Vorarlberg 245, auf die Bukowina

56 und auf Kärnten 50 Ha.

Der Totalertrag betrug im

Jahre 1880, einem Mißjahr, nur 1,731,002 Hl., während er in dem guten “Jahre 1875 6,426,585 Hl. ausmadte. Als Durchjchnitt der fieben Jahre 1874 bis 1880 ergibt jih ein Jahresquantum von 3,795,000 Hl. Davon ent:

fallen zirfa 2 Mill. auf Weißweine,

1,670,000 auf Not-

weine und

Schillerveine.

121,000

auf jogenannte

Der

durchfchnittlihe Wert unmittelbar nach der Leſe, alſo noch als Maiſche, wurde für das Jahr 1870 bei einem Geſamt— erträgnis von 3,814,289 HI. Mojt auf mehr als 36 Mill.

Gulden geſchätzt. Böhmen, Niederöfterreich, Iſtrien und Tirol erzeugen die teueriten, Dalmatien die billigjten Sorten; doc gerade dieſe legteren find für den Export die am meiſten gejuchten. Der weitaus bedeutendere Teil der Weinproduftion entfällt auf Ungarn und feine Nebenländer. Die an: jebnlihe Ausfuhr, welche fich erſt feit einigen Jahren

aus Heinen Anfängern entwicelte, wird ficherlich nicht nur von Beitand fein, ſondern auch jtetig wachſen. Die Wein: gärten des Landes verteilen fich auf rund 6000 Gemein-

den und nahezu eine Million

Eigentümer.

Die Fläche

wird zu 425,314 Hl. angegeben, welche ein Durchſchnitts— erträgnis von 10,327,350 Hl. im Jahr liefern. 1879, ein

leidliches Mitteljahr, erzeugte 3,265,597 Hl. gewöhnlichen und 43,979 Hl. feinen Weißwein, 991,391 Hl. gewöhn— Ausland

1884, Nr. 17.

lihen

und

325

6,014

Hl.

feinen

Rotwein,

Schillerivein und 5584 Hl. Ausbruch.

1,195,284

Außerdem

Hl,

wur—

den in gedachtem Jahre 832,827 Kgr. Trauben exportiert und gegen 3 Mill. Kgr. im Inlande ſelbſt fonfumiert. Die feinen und teuren Lilörweine, befanntlich eine Spezialität Ungarns, werden übrigens in weit geringerer Menge erzeugt, als man im allgemeinen annimmt. Nad den Angaben von Keleti ſchwankt der Sahresertrag zwiſchen 3000 und 26,000 Hl. Im 12jährigen Durch: Ichnitt ftellte er fih auf 10,717 Hl., wovon nur 341 Hl, auf die Nebenländer Siebenbürgen, Kroatien und die Militärgrenze entfielen. Mit einem durchfchnittlihen Jahreserträgnis von 5 Mill. Hl. ftelt Bortugal fih auf die fünfte Stufe unter den europäischen Weinländern. Ein großer Teil diefer, für das fleine Land riefigen Produktion wird ausgeführt, und zwar find dies fpeziell die im Norden ge wachjenen Sorten, von den Ufern des Douro, welche unter dem Kolleftionamen Portwein aus dem Hafen von Porto bejonder® nad) Großbritannien und Südamerika gehen. Im Sabre 1880 betrug das Quantum derjelben 331,449 Hl.

im ungefähren Werte von 50 Mill. Fres. Neuerdings impor: tiert auch Frankreich jehr bedeutende Quantitäten gewöhn— licher, portugiefifcher Weine. Die Menge derfelben ftieg im Sahre 1882 ſchon aufrund 11/, Mill. Hl. Uebrigens tritt auch

in Bortugal, und zwar befonders in den beiten Weingegenden am Douro, jeit mehreren Jahren die Phylloxera ſehr ſtark auf und ſchlägt heute Schon der Nebfultur ſchwere, faum zu heilende Wunden.

Den ſechſten Rang als Weinproduftionsland

nimmt

das Deutjche Neich ein, erflärlich genug, da nur ein jehr kleiner Teil des Landes für die Kultur des Wein: itodes fich eignet. In Bezug auf die Qualität jeiner Vrodufte jedoch jteht Deutjchland nicht nur feinem andern Yande nach, jondern feine edlen Weine ſtehen jogar einzig da. Nur zirfa 127,000 Ha. find im Reiche mit Neben bepflanzt und diejelben Liefern einen durchjchnittlichen jähr-

lichen Ertrag von 3,6 Will. Hl.

Bon

diefem Areal ent-

fallen auf Elſaß-Lothringen 32,706, auf Württemberg 26,000, auf Bayern 22,000, auf Baden 20,672, auf Preußen 16,889 und auf Heſſen 9,303 Ha. Außerdem wird noch das Areal, welches im nördlichen Deutjchland: Kurheſſen, Thüringen, Sachſen, Brandenburg, Schlefien, Vofen, der Weinfultur gewidmet tft, auf 5000 Ha. angegeben, eine Zahl, welche wohl eher zu hoch, als zu niedrig tft, da in den genannten Gebieten der Weinbau fraglos in ftetigem Rückſchreiten begriffen tft, ebenjo wie auch der btefür angenommene Jahresertrag von 50,000 Hl. wohl als

zu hoch anzufeben ift. Die Weinproduftion Deutjchlands tft bei weitem nicht genügend, den eigenen Konfum zu deden, und fo muß denn ein ſehr anfehnliches Quantum eingeführt werden; ſpeziell gejchtebt jolches aus Frankreich) und Oeſter— reich-Ungarn. Der Import betrug in den Jahren 1877 bis einfchließlich 1880 aus Frankreich anjteigend 170,000 50

>96

Die Weinproduftion der Erde.

7

bis 260,000 Meterzentner, worunter 16,000 bis 29,000 Meterzentner Flaſchenweine; aus Defterreich-Ungarn in

dem gleichen Zeitraume 57,000 bis 75,000 Meterzentner, darunter aber nur 1094 bi3 2392 Meterzentner in Flaſchen. Im Sahre 1880 bezifferte fi die gefamte Werneinfuhr auf 486,370 Meterzentner; es ftand derfelben eine Aus— fuhr von 151,290 Meterzentner gegenüber, doch repräſen— tierten diefelben einen im Verhältnis weit beträchtlicheren Wert. Schaummeine fabriziert Deutfchland alljährlich im Durchschnitt 36,000 Hl. Es folgt nunmehr das eine Gejamtproduftion von rund 2 Mill. Hl. aufweifende Kaiſertum Rußland. Hier find es begreiflicherweife nur die ſüdlichen Provinzen am Schwarzen und Kafpischen Meere, in denen die Rebe ges deiht; namentlich die Halbinjel Krim und Kaufafien find

für den Weinbau vorzüglich geeignet. Will doch Koch Wing: velien und Kachetien als die eigentlichen Stamm: und Heimatländer des Weinjtodes angejehen wiſſen. Nach den Berechnungen von Hamm jtellt fih die jährliche Durch: jchnittsproduftion in der Krim auf 104,450, im Gouver— nement Befjarabien auf 369,000, im Gouvernement Cherjon auf 18,550, in’ Bodolien auf 1840, im Lande der Doniichen Koſaken auf 30,750, im Gouvernement Stawropol auf 393,600 und im Gouvernement Aitrachan auf 1230 Hl., während auf Kaufafien 1,250,000 Hl. entfallen; lettere repräfentieren einen Wert von vier, Die erfteren zuſammen von 3,6, mithin die Produktion von ganz Rußland einen jolden von über 71, Mil. Rbl. Angaben von irgend größerer Zuverläjfigfeit über die von der Nebfultur in Anspruch genommene Bodenfläche im Nuffischen Reiche vermochten wir leider nicht zu eruieren. Matthaei gibt das Gefamtareal an Weinländereien auf 133,383 Ha. an, wovon zirfa ein Drittel auf das Niongebiet entfällt. Der Ertrag an frifhen Trauben joll nad demſelben Ge: währsmann zwilchen 110 Bud im Donifchen Kofafenlande und 350 Bud im Gouvernement Stawropol per Defjatine ſchwanken. Einen Ertrag von durchſchnittlich 1, Mill. Hl. Wein vindiziert fih das Königreih Griechenland; doc fann man als feititehende Thatjache annehmen, daß diefes’ Quantum ein jährlich jteigendes iſt und daß überhaupt die Rebkultur im Lande bedeutende Fortichritte macht.

87 Mill. Kgr. geitiegen. Auch der Erport von Wein bewegt fih in immer fteigender Progreffion. 1870 betrug er blos 36,000 Hl., 1875 aber jchon 58,000 Hl. im Werte von mehr als 1 Mill. Drachmen. Namentlich feine Süß- und Likörweine werden neuerdings viel ausgeführt, ſeitdem durch deutſche Stablifjements ein Produkt hergeftellt wird, welches in einzelnen Sorten ſogar die weltberühmten Erzeugnifje Süd— Spaniens weit überflügelt. Unter den Inſeln Griechen: lands nimmt das vulfanifche Santorin oder Thyra den erſten Rang ein, und zwar jowohl an Qualität, wie an

Quantität. Das jährliche Oejamterträgnis beträgt gegen 50,000 Hl.; der fünfte Teil diefer Menge ungefähr befteht in einem fchweren, dicken, Bino Santo genannten, fojte baren Süßwein. Es folgt nunmehr die Schweiz mit einer zirka 1, Mill. Hl. ausmachenden, durchſchnittlichen Jahres— produktion. Da man einen Ertrag von 42 Hl. auf ein

Hektar annimmt und im ganzen Gebiete 30,500 Ha, mit Neben bepflanzt

find, jo erhöht fih das Jahresquantum

jogar auf 1,280,000 Hl.

Dies genügt jedoch bei weitem

nicht für den internen Bedarf und fo ijt denn die Schweiz auf einen nicht unerheblichen Weinimport angewieſen. Für das Jahr 1880 ftellte derjelbe fih auf 1,041,611 Hl.,

welchen für dasjelbe Jahr nur 16,177 Hl. an Ausfuhr gegenüberftehen. In der Schweiz konſumiert alfo der Kopf der

Bevölkerung in einem Jahr im Durchſchnitt das erhebliche Quantum von 80 Liter. Die Europäische Türkei follrund im Jahr 1Mill. Hl, Bein erzeugen, eine Angabe, welche fich jedoch auf ihre Genauigkeit nicht prüfen läßt. In jeder der Provinzen, ſowie in Bulgarien und Dftrumelien, wird Nebfultur ges trieben, am ausgedehntejten in Mazedonien und Theſſalien, von wo aud nicht ganz unbedeutende Mengen erportiert werden. Ganz neuerdings berichtet man aber auch, daß

aus der Gegend von Konjtantinopel alljährlich ein großes Quantum Notwein nad Frankreich ausgeführt wird, um dafelbit zu Bordenurwein umgeändert zu werden. Der Weinbau im Königreih Rumänien, namentlich jener der Moldau, ift auch ein nicht ganz unerheblicher.

Die Angaben über die Produftionshöhe find jedoch außer: ordentlich ſchwankend. Während eine vom italienischen

eigentliche Weingärten 87,108 Ha. und auf das, was man als Korinthenfelder bezeichnet, 36,631 Ha., alſo mehr als ein Viertel. Es ift Dies nicht zu verivundern, da die Korinthen unbedingt Griechenlands mwichtigiter Ausfuhr: artifel find. Der Erport derfelben repräfentierte im Jahre

Aderbauminifterium aufgeftellte Lifte die Zahl von 661,874 Hektoliter aufführt, beziffert andererfeits Hamm den Jahres: ertrag auf 1,200,000 Hl. Was den Er: und Import von Bein anbelangt, jo wurden 1880 nad) Ungarn 4136 Meter: zentner Wein und 5248 Meterzentner Trauben ausgeführt, dagegen aus dem Auslande überhaupt 4942 Meterzentner Wein importiert. Serbien foll im Jahre durchſchnittlich Y, Mill. Hl. erzeugen. Indes fehlen verläffige Daten hierüber, ebenfo auch ſolche über die mit Neben bepflanzte Areare. Gar feine

1875 einen Wert von mehr als 30 Mill. Drachmen; 1850

Angaben liegen für den Weinbau

Namentlich tragen die immer mehr in Griechenland fich nieberlafjenden Deutjchen zu dieſem Aufſchwunge bei. Nach

offiziellen Angaben beißt das Yand 123,739 Ha., welche der Kultur der Nebe gewidmet find.

Davon entfallen auf

betrug die Gejamtproduftion nur 72 Mill, Pfo., 1871 bes

reits 173 Mill. Pfund und

1877 war

die Menge auf

Den

unbedeutenditen

Europas hat Belgien

Weinbau

aufzuweifen.

Montenegros von

vor.

allen Staaten

Auf 146 Ha, wird

>



*

Die Weinproduftion der Erde.

dort nah Hamm

in der Umgegend der Städte Liege und

Huy die Rebe gepflanzt.

2397

erzeugten Produktes unausgefegt an Güte, fondern auch die Quantität

wächſt in ftarfer Progreſſion.

Die heute

Diefen vierzehn, hier von uns in der Neibenfolge ihrer

mit Neben bepflanzte Fläche beträgt 23,724 Ha., wovon

Produftionsquanta aufgeführten, weinbautreibenden Staa:

auf die Provinz Algier 9253, auf die Provinz Dran 10,541 und auf die Provinz Konjtantine 3930 Ha. entfallen; 2578 Ha. davon werden von Eingeborenen beftellt.

ten unſeres Erbteils ſtehen nur vier gegenüber, melche abjolut feine Kultur der Nebe aufzuweiſen haben; nämlich) Großbritannien, die Niederlande, Dänemark und Schweden: Norwegen. Man kann darnach in ganz Europa den durch—

Ichnittlichen Weinertrag auf rund 135 Mill. Hl. im Sabre

Seit dem Jahre 1878 ergibt dies ein Plus der Weingärten von 6110 Ha. Der Ertrag der 1882er Ernte be lief fi auf 429,197 Hl., gegenüber einem folchen von nur

berechnen, ein Quantum, von welchem ein nicht unbeträchtlicher Bruchteil den anderen vier Erdteilen zugeführt wird, während von diefen leßteren, bisher wenigſtens, nur

328,220 Hl. im Jahre vorher. Das größte und bervorragendite

Weingebiet

dunklen

wo

im Verhältnis

vertriebene franzöſiſche Hugenotten die Nebe eingeführt wurde. Leider erijtieren auch für diefes Gebiet genaue und zuverläffige jtatijtifche Angaben nit. P. Hahn be: siffert die Areara des mit Weinſtöcken bepflanzten Landes auf 8,588 Akres und den Ertrag davon auf 16 Will. SGallonen. Im Fahre 1879 wurden exportiert: für 1940 Pfund Sterling feiner Konftantia= und für 14,955 Pfd. Et. gewöhnlicher Wein. Ganz unbedeutend iſt der Weinbau im Dranje-Freiftaat. Die Zahl der Stöde beträgt höchſtens eine halbe Million. In Transpaal war bereits mehrmals verfucht worden, die Nebfultur einzuführen; die itrenge Winterfälte foll bisher jedoch immer einen Erfolg ver: hindert haben. Was die zu Afrifa gehörenden Inſeln anbelangt, jo it der Weinbau, wie befannt, auf den Kanariſchen Inseln, ſowie auf den Azoren vor einigen Jahrzehnten durch die Traubenfranfheit nahezu vernichtet worden. Wohl bat er neuerdings fich wieder etwas erholt, doch den Ertrag von ehedem, der fich für jede der beiden Inſelgruppen auf mehr als 100,000 Hl. belief, bei weiten noch nicht wieder erreicht. Auf Madagaskar wachen nad v. Babo ebenfalls Neben, deren Früchte jedoch für giftig gelten. Trotzdem verfuchen die Franzofen daraus Wein für den

ganz unerhebliche

Mengen

nad Europa

gejendet werden. sn Alien ift der Weinbau nur wenig ausgebreitet. Vor allem ift hier der Nebkultur Kleinafiens und feiner Inſeln zu gedenken, ſowie der fonftigen, zum türkischen

Reiche gehörenden Gebiete.

Statiftische Angaben mangeln

bier natürlich ebenfo, wie bei der Europäifchen Türkei, Bon der Inſel Samos weiß man, daß fie 1880 für 80,700 Pfd. St. Nofinen und für 19,250 Pfd. St. Wein erportierte. Sonft wird noch Wein erzeugt, troß des

Trinkverbotes

des Propheten,

auf jäntlichen Inſeln, in

Anatolien, bei Smyrna, bei Trapezunt, Sinope und anderen Orten an den Küften des Pontus Eurinus, ferner

in Baläftina an den Abhängen des Libanon und bei Hebron. Auh in Arabien follen Juden und Chriften bier und da Weinbau treiben. PBerfien, two der Wein bei weitem nicht jo ſtreng verpönt tft als in anderen mohamedaniſchen Ländern, iſt überaus reich an Neben in allen feinen Provinzen, doch liegt die Weinbereitung arg

darnieder.

Dasfelbe gilt auh von Afghaniftan

dem Chanat Buchara,

und

fowie von den wenigen Strichen

Dftindiens, wie 5. B. Labore, wo in geringem Umfange Rebkultur eritiert. In den trogdem bier zahlreiche indigene Teil ein recht gutes Produkt fommen, doch der Weinbau bis In Kochinchina werden ganz

oftafiatifchen Staaten ift, VBitis-Spezies, welche zum zu liefern fcheinen, vor— heute noch äußerſt gering. geringe Mengen durch die

Franzoſen erzeugt, während China, wo das Weintrinfen unterfagt tft, in einzelnen Provinzen, wie Kanton, Chanft,

Kontinents

iſt das Kapland,

des

ſchon durd)

Bedarf ihrer dortigen Anfiedelungen zu erzeugen. Amerika ift nach Europa der weinreichſte Erbteil, und es ift fogar gegründete Ausficht vorhanden, daß die

Vereinigten Staaten in nicht allzu langer Zeit dem alten. Kontinent eine gewaltige Konkurrenz auch in dieſer Hinficht bereiten werden. Steht doc der Aufſchwung der

Hunan, Petſchili u. ſ. w. nur Rofinen fabriziert. In Japan gibt man fich in neuerer Zeit die erdenklichite Mühe, Wein berzuftellen; doch haben alle, namentlich in der Umgebung von Kioto angeftellte VBerfuhe bisher nur Mißerfolge ergeben. Eine mweit höhere Stufe als in Aſien nimmt der Weinbau in Afrika ein, und zwar ſowohl im Norden,

Weinfultur

als im Süden.

Derjelbe Gewährsmann berechnet die Oejamtproduftion des Landes fir 1880 mit 23,453,000 Gallonen, alſo rund 1 Mill. HI., was einem Erträgnis von 14,5 Hl. vom

Aegypten

erzeugt beute nur mehr Ro—

finen. In Abeffinien ift die ehemals recht blühende Kultur der Rebe fo gut wie verſchwunden. In Marokko prefjen Juden geringe Mengen; in Algerien bingegen dürfte man ein Zufunftsweinland

berechtigt fein.

par excellence zu jehen

Nicht nur gewinnt die Qualität des hier

in diefem

gejegneten Lande

geradezu

ohne

Beispiel da. In nicht weniger als 35 Staaten und Terris torien wird der Weinftod kultiviert. Nach Dr. Wim. Mac Mutrie umfaffen die Weingärten 181,583 Akres oder 73,541 Ha. Davon entfallen am meilten auf den Staat Kalifornien mit 32,368 Ares, welchem New-York mit

12,646, Ohio mit 9979 und Miffouri mit 7376 folgen.

Hektar entfpricht.

Der Wert diefer Produktion wird auf

rund 16 Mill. Doll. angegeben. Mehr als ein Viertel davon, 4,046,000 Doll., fommen auf Kalifornien, welcher Staat

328

Die

Zahlen

im mohamedanifchen

die ftaunenswertejten Fortfchritte in der Nebfultur madt. Rechnet man doch auf einen jährlichen Zuwachs von zirka 2000 Afres neuangelegter Weingärten. Begreiflicherweiſe veicht aber troß alledem die Produktion nicht für den Konfum des Yandes aus und jo wird jedes Jahr eine

noch größere Quantität europäischen Weines importiert als die Union jelbit erzeugt.

Im Jahre 1880 importierten die

Vereinigten Staaten 29,642,396 Öallonen oder 1,333,908 Hl,

Wein. Die Ausfuhr an joldhem mar aber eine ganz minime und bejchränft fih nur auf Kalifornien. Bon fo gut wie gar feinem Belang tft der Weinbau in anderen Teilen Amerifas. In Merifo wird an eine zelmen Orten auf die primitiojte Weiſe Nebjaft gewonnen, in Brafilien ſteht es nicht beffer, nur in der Argen: tina bemüht man fich in neuerer Zeit, auf rationelle Weife den Weinftod zu züchten und hat auch Schon, wenn auch erſt nur geringe, doch recht günftige Erfolge zu regiftrieren. In Peru werden unbedeutende Mengen eines ſehr guten Weines, befonders in der Gegend von Pisko, gewonnen. Namentlich aber in Chile jcheint dieſer Wirtfchaftsztveig einer recht gedeihlichen Zufunft entgegenzugeben; deutſche Kolontiten führten daſelbſt die Ntebe ein und das von ihnen ‚gefelterte Produkt gibt zu den ſchönſten Hoffnungen für den dortigen Weinbau gegründete Veranlaffung. Wenden wir ung nunmehr dem fünften Erdteil, Auſtralien zu, jo finden mir dajelbit die Kultur der Rebe in einem ganz außerordentlichen Aufſchwunge be: griffen. Noch nicht viel älter als vier Jahrzehnte tft hier der Weinbau und doch vermag er bereit3 hervorragende Reſultate zu verzeichnen. Alle Kolonien partizipieren daran. Neu-Südwales beſitzt jeßt ſchon 4724 Akres Weingärten, welche im Jahre 1881 an friſchen Trauben 1575 Tonnen (zu 10 Meterzentner), an Wein 584,282 Gallonen und an Branntwein 6625 Gallonen produzierten. In Viktoria fverden

1906

Ha.

Rebfelder

mit

einem

Ertrage

von

21,671 Hl. angegeben, in Südauftralien 1822 Ha. mit einer Produktion von 22,195 Hl., in Queensland 209 Ha. mit einem Grtrage von 4233 Hl, Wejftauftralieng Weinland endlich umfaßt 314 und jenes Tasmaniens 281 Ha.; doch fehlen verläffige Angaben über die Höhe der durchſchnittlichen Jahreserträgniffe. Jedenfalls ſteht, troß der auch bier graffierenden Neblaus, dem Weinbau Auftraliens eine ſchöne Zukunft bevor.

F. von Thümen.

Die Zahlen im mohnmedanifden Volksglauben. Bon Ignaz

Goldziher

in Budapeft.

Die Rolle der Zahlen im Bolfsaberglauben bildet uns ftweitig einen der intereffanteften Abfchnitte der Ethnologie,

Ich beabfichtige nicht, denfelben mit Bezug auf den Volks— aberglauben im Islam zu erfchöpfen; nur nad) einer Nicht-

Volksglauben.

ung möchte ich hier Anregungen bieten und zu fpeiterer Sammlung von Daten für diefe gewiß nicht uninterejjante Frage veranlaffen. Es iſt befannt, daß ſich auch im Islam die Hoch— haltung gewiſſer ſymboliſcher oder kanoniſcher Zahlen ent: widelt hat und daß auf diefem Gebiete manches Reſiduum aus den älteren PVolfsanfchauungen der zum Slam be= fehrten Völker von den urfprünglich femitifchen oder arab— ischen Elementen zu fondern tft, ſowie auch von jenen Anz ihauungen, welche für den erjten Blid als jpezifiich moha—

medanifche kenntlich

find.!

Aber

nicht auf dieſe Volfs-

anfchauungen möchte ich hier eingehen, für deren Dar— ſtellung auf die älteften Quellenfchriften der mohamedanifchen Iheologie (auf die Ausfprüche Mohameds und der „Ges noffen”) zurüdgegangen werden müßte,? fondern auf die Kehrfeite derjelben, jene Erſcheinung nämlich, daß in ver:

jchtedenen Kreifen mohamedanifcher Völker neben der Hoch— haltung mancher Zahlen die Scheu und Furcht vor anderen beobachtet wird, jo fehr, daß man fich jelbjt des Ausjprechens der entjprechenden Zahlwörter enthält und dies jelben im Verkehre durch ſynthetiſche Umſchreibungen er— ſetzt. Es iſt in kulturhiſtoriſcher Beziehung intereſſant, dieſe Erſcheinungen auf ihre Motive zurückzuführen. Vor allem lenkt ſich auf dieſem Gebiete unſere Auf— merkſamkeit auf die Furcht der Mohamedaner Marokkos vor der Zahl fünf. „Sn Gegenwart des Königs fünf zu jagen”, fo erzählt uns Höft, „iſt auch nicht anjtändig; jondern es heißt alsdann bier und eins, vierzehn und eins, vierundzwanzig und eins u. ſ. w. Die Urſache it, daß es, da eine Hand fünf Finger bat, jo ausgelegt werden fönnte, als wollte man gleichfam Hand an den König legen; oder auch, daß es jo ausgebeutet werden möchte, als ob der König mit böfen Augen auf fie fähe, gegen welche fie fich mit der Zahl fünf bewaffnen wollten. Denn es herrſcht unter ihnen ein großer Aberglaube in Sinficht böfer Augen,

welche die Franzofen Mauvais regards und die Portu— giefen Quebranto nennen, gegen welche fich die Mauren mit ihren fünf Fingern bewaffnen, jo fie gegen das An— gefiht wenden oder aud über das Thor ihrer Häufer

ſetzen.““

Wir finden diefelben Nachrichten auch bei Ger:

hard Nohlfs, der fich dabei auf Jackſon als Quelle beruft.‘ Es läßt ſich nicht bezweifeln, daß die Scheu der Maroffaner vor der Zahl fünf auf das bei Höft an legter Stelle ver: mutungsweife angeführte Motiv zurüdzuführen it. In 13 erwähne nur die mohamedanische Anſchauung von der Borzüglichkeit der ungeraden Zahlen (Witr), welche Allah und der ‘Prophet vor den gepaarten Zahlen bejonders bevorzugen, 3. B. Al-Buchari's ZTraditionenfammlung, Idein 4 und die Kommen— tare zu den St. u. a. m. 2 Auch die fpätere theologifche Litteratur hat ſich vielfah mit diefen Anſchauungen bejhäftigt; z. B. M-Sujutis Schrift über die Giebenzahl u. a. m. 3 Nachrichten von Maroffo und Fes (Kopenhagen 1781) ©. 238, » Mein erfter Aufenthalt in Marokko. S. 300.

e e M t e e A

Die Zahlen im mohamedanischen Bolfsglauben.

der That wird die ausgebreitete Hand in Norbafrifa als wirkſamer Zauber gegen den böſen Blid betrachtet und noch heute gilt, was Shato in feiner nordafrikaniſchen Reiſe berichtet: daß fowohl Türken als auch Mauren in Nordafrifa die Figur der offenen Hand den Kindern an einer Schnur um den Hals binden und diefelbe Figur an Häufern und Schiffen anbringen. Dies fommt, jo jchließt

er, wahrfcheinlich daher, weil fünf als ominöfe Zahl betrachtet wird. Darum hört man auch folgende Beſchwör— ungsformel: „Fünf fomme in Eure Augen!”, wenn ſie die feindlichen Nänfe eines Widerfachers hintertreiben twollen.? Auch Daumas jpricht in eingehender Weife über die Rolle der offenen Hand als Schugmittel gegen den böſen Blid

in Algerien. malt

Sie wird in roter oder gelber Farbe

über dem Hausthor angebracht;

ge:

den Kindern wird

eine goldene oder filberne Sand als Amulett um den Hals gebunden oder an ihre Mütze befeitigt. Die Aermeren pflegen ihren Kindern eine Neihe von fünf Münzen zu demfelben Zwecke an die Kopfbedeckung zu fnüpfen.? Die fünf Finger vor dem Hausthor bemerken wir auch in

Syrien häufig, ebenfo gewöhnlich find fie auch in Paläſtina zu jehen;* ferner begegnet man ihnen in Aegypten. Es fei bier gelegentlich bemerkt, daß es mit der eben befprochenen Bedeutung

diefer Figur

im morgenländifchen

Volksaber—

glauben zufammenhängt, wenn wir auf den alten türkiſchen Kriegsfahnen in der Negel neben dem Schwert des Alt (Du-kfifar) mit der Doppelklinge eine Hand mit ausge breiteten Fingern in das Zeug hineingeftict ſehen; das böſe Auge jollte hiedurch von den unter der Fahne fämpfenden vechtgläubigen Kriegern abgewendet iverben. Die Befucher der hiftorifchen Ausstellung Fonnten im legten Sommer in Wien eine ſchöne Sammlung folcher Fahnen

im Saale des Kara Muftapha

nebeneinander jeben.

In

denjelben Zuſammenhang gehört auch die große jteinerne Hand, welche auf dem großen bufeifenfürmigen Bogen

über dem Bäb-al-sari’a (Puerta della Justizia), dem Hauptportal der Alhambra, eingehauen it. Man hat vielfad) verfucht, dieſe fteinerne Hand als einen finnbildlichen Aus:

druck zu deuten. Aber der Araber hat wenig Sinn für Symbolik; er hat gar Feine Empfänglichfeit für die Anſchauung,

daß

ein Bild

vergeblich verfuchen, die formalen Elemente der maurischen 1 Alfo in derjelben Bedeutung, wie man in Aegypten jagt: „Das Salz komme in die Augen deffen, der den Propheten nicht ſegnet.“ (Salz ift ein Mittel gegen den böſen Blid), Lane, Manners and customs of the modern Egyptians. 5. Auflage (1871) II. ©. 243. Stanley, Lane Poole, Arabian Society in the middle age. London 1883. ©. 188. 2 Shaw, Voyages. GFranzöſiſche Ueberſetzung, La Haye, 1743), J. ©. 397, 3 Daumas, La vie arabe, ©. 120,

4 Bol. Balmer, The desert of Exodus, Ausland,

1884, Nr. 17.

©, 466,

329

Architektur zu ſymboliſchen Darftellungen zu erhöhen. Aud) die jteinerne Hand der Alhambra tft alfo nicht Sinnbild, oder Symbol der Wiffenfchaft,! noch auch das der fünf Hauptgebote des Jslam, an welche nad) Schad? vor dem Thore des Nechtipruches erinnert werden follte. Aber auch

„pas Blaſon der andalufishen Mauren, defien fie fich feit ihrem Einbruch in Spanien bedienten,” 3 ift fie nicht; dafür fehlt jede glaubwürdige Begründung. Hingegen tft es jehr wahrjcheinlich, daß diefe Hand diefelbe amulettische Bedeutung habe, welche dasjelbe Zeichen über dem Thore des gewöhnlichen Maurenhaufes beanfprucht. Dasjelbe

jollte den böfen Blit abwenden von dem Prachtbau und jeinen Bewohnern. Wenn diefe Vermutung der Wahr: beit entjpricht, jo bietet die Thatfache, auf welche fie gerichtet iſt, zugleich einen hiſtoriſchen Anhaltspunkt für das Alter des Aberglaubens von der magischen Bedeutung der Zahl fünf und des Zeichens der Hand bei den arab-

iſchen Mohamedanern. Co wie nun die Scheu vor der Zahl fünf ihre Wurzel im Bolfsaberglauben bat, jo bat in anderen Kreifen der mohamedaniſchen Bölfer die Scheu vor anderen Zahlen ihre Begründung im Seftenfanatismus Wan weiß, mit welcher fanatischen Gehäffigfeit die Anhänger des Schiitismus alles dasjenige meiden, was mit den Traditionen der rivalifterenden Sekte, des Sunnismus, zufammenbängt. Klaſſiſch find für diefe Neigung jene kindiſchen Neußerungen des wütenden Haſſes, welche fich gegen die Namen der eriten Khalifen kehren. Auch an gewiſſe Zahlen hat fich Diefer Haß bin und wieder gebeftet. Der treffliche Neifende Fon Batuta evzäblt uns von dem Dertchen Sarmin bei Meppo: „Seine Bewohner find Schmäher (Sabbäbün, d. h. Ultraſchiiten 9, welche die zehn Genoſſen des Propheten bafjen.? Wunderbar it es, daß fie die

Zahl zehn nicht ausfprechen wollen.

Wenn ihre Waren:

ausrufer auf den Märkten die Waren verfteigern und in ihren Ausrufen des angebotenen PBreifes zur Zahl zehn gelangen, jo rufen fie: neun und eins... Daſelbſt iſt auch eine Mofchee mit neun Kuppeln infolge diejer ihrer häßlichen Satzung.“ß Auch Jalüt erwähnt diefes Sarmin als Sfraelitennejt? und Al Mejdäni identifiziert es mit

oder eine Form Bertreter eines

Begriffes oder eines Gedanfens fer. Seine Religion ſowie auch feine Kunſt find frei von aller Neigung, das Abjtrafte durch Sichtbares zu veranichaulichen. Man wird ſtets

|

buch. 9.

1 Wafhington Jrving, Die Alhambra oder das neue Skizzen— Ueberſetzt von Pröſcholdt. (Speemann'ſche Sammlung.)

2 Poeſie und Kunſt der Araber in Spanien und Sizilien. II. ©. 340 (der erften Ausgabe). 3 Theodor Simons Prachtwerk über Spanien. ©. 29. % Bol. über diefe Benennung meine Ausführungen in der Zeitſchr. d. D.M. ©. XXAVI. ©. 280, 5 Es find dies die zehn Auserwählten des Propheten, denen der Prophet nach der funmitischen Xegende ihr Anteil am Paradies verhieß. Sie heißen daher „die zehn, denen frohe Botjchaft“ ward oder perfifh: Freunde des Paradiejes (Järibihisht). Bgl. Reinaud, Monumens du cabinet de M, le duc de Blacas. I. S. 304. 6 Ibn Batüta, Voyages I. ©. 146, 7 Säfüt III, ©, 83.

Ruſſiſche Haufierev und Pilger in Afien.

390

Sodom, ein Beweis mehr für die bon mir anderivärts! auseinandergefeßte Thatfache, daß man oft aus purem Raſſen- und Geftenfanatismus die, böfe Stadt Sodom mit den Wohnſitzen verhaßter Nafjen und der Anhänger von verpönten Sekten identifizierte und infolge diefer Tendenz das Tote Meer in Syrien finden wollte. Sn diefe Gruppe von Aeußerungen des Sektenfanatis— mus gehört nun auch, was ung ein indischer Mohamebaner von den fanatifchen Schiiten der Gegenwart in Indien berichtet. Diefe beftreben fich mit der peinlichjten Aengſt— lichfeit, die Zahl vier zu vermeiden. Einige gehen darin jo weit, ftatt der vierbeinigen Bettjtatt eine mit ſechs Beinen zu gebrauchen. Wenn jemand vor diefen Fana— tifern aus Unvorfichtigfeit das Zahlwort vier ausfpricht, Jo beeilt ex fich feine Gurgel auszufpülen, jo wie er, wenn er unverfehens einem Sunniten die Sand küßt, fich beeilt, diefes Vergehen durd die Bollziehung der rituellen Waſch— ung gut zu machen.? Nur individuelle Bedeutung hat eine Erzählung des Berfafjers des „Buches der Geſänge“ Der Verehrer einer Ihönen Frau, die von ihrem Gemahl verftogen wurde, wollte die Zahl drei nimmermehr ausfprechen, weil fie ihn an die jener Dame zugefügte Schmac erinnerte. (Die mohamedanifche Ehejcheidung muß dreimal ausgeſprochen werden, ehe ſie rechtskräftig wird.) Wenn er zu zählen hatte, jagte er eins, zwei, vier, die drei überging er jtets, Und dies Gefühl verewigte er durch folgenden Vers: „Gott möge ein Haus nicht jegnen, in welchem die Verſtoßung Dhalfas hergezählt ward — weder da3 Haus noch die Stadt; „Nie jage jemand fürder „drei” — denn ich finde, daß drei die unglüdjeligjte der Zahlen tft.”3

menten.

Die Mehrzahl find Leute, welche an der ruffifchen

Küfte des Sapanischen Meeres dienftliche Stellen einnehmen ſollen: zwei veiften nach Peking, einer zur geiftlichen, der andere zur diplomatifchen Miffion,; dahin zieht auch ein Kalmücke vom Don, ein Anhänger Buddha’s, um meiter zu den SHeiligtümern Tibets zu wandern und daſelbſt

Bücher und andere Gegenftände des Buddha-Kultus zu eriverben. Unter den Baffagieren der 3. Klaſſe machen fich zivet Gruppen bemerkbar. Die erſte Gruppe beiteht aus zehn tfchernigorfchen Bauern; fie reifen in das Süd-Uſſuri— Gebiet, um daſelbſt Plätze zu Niederlaffungen für ihre Heimatsgenofjen, welche mit ihren Familien auf demfelben Wege im Februar 1883 nachfolgen follen, auszujuchen. Die andere Gruppe bilden — Haufterer.

Mer kennt fie nicht die Haufterer? Wer it ihnen nicht begegnet mit ihren Körben auf den Schultern, auch in weit abgelegenen Gegenden? Sie find bis nach Jakutsk gedrungen; fie find in Transbaifalten zu finden, nur am Amur ſah man fie bisher nicht. Aber von der Kon: furvenz bedrängt, haben fie fih in diefem Jahr auch in jene weitentfernte Gegend aufgemacht. Einige Unternehmer

haben fich entjchloffen, auch dahin ihre Leute zu ſchicken. Aber das gleichzeitige Auftreten verfchiedener Händler erzeugt eine nachteilige Konkurrenz; deshalb hat der unternehmendjte der Händler es verfucht, das betreffende Gebiet von zwei Seiten anzugreifen, d. h. er hat einen Teil der Waren dur Sibirien an den Amur befördert und hat gleiche

zeitig 4 bei ihm im Dienft ftehende Haufierer direkt per Dampfer nach Wladiwoſtok geſchickt, damit diejelben, ohne die Anfiedelungen des Uſſuri-Gebietes zu befuchen, jofort,

den Amur jtromabmwärts eilend, fih nad Nikolajewsk bes geben fünnen; um den anderen Haufierern Feine Zeit zu laffen, ihnen zuvorzufommen, follen fie jene Wegftrede zur

Winterszeit in Schlitten zurüdlegen. Unsere 4 Neifegefährten ftammen aus dem Gouvernes

Kuſſiſche Haufierer und Pilger in Aften.‘ Der Dampfer der Flotte „Niſchnii-Nowgorod“

Odeſſa am

15. Auguft 1882, um

ment Wladimir (Kreis Wjäsnikow); fie repräfentieren den

verließ

nad Wladiwoſtok

zu

gehen. Die Fahrt dahin iſt Schon oft befchrieben worden; ich werde Befanntes nicht wiederholen, und begnüge mich mit der Schilderung einzelner Epifoden und folcher Gr: Iheinungen, welche allgemeines Intereſſe verdienen.

Am eriten Tage der Reife betrachtete jeder Paſſagier

Typus der echten Haufierer. Die beiden älteren waren bereits in Safutsf und in Streteosf, fie fennen bereits den Sibirier und feine Bedürfniffe, aber in Betreff des Amur haben fie nur dunkle Vorftellungen. Sie haben etwa von den

Städten

Blagoweichtichenst,

Chabarowa und Nikolajeivst

gehört; fie wiffen, daß die Bevölferung an den Flußufern wohnt, wie aber die Natur dafelbjt beichaffen, was für Transportmittel daſelbſt vorhanden, das wiſſen fie nicht,

er Freud

und Leid im

aber machen ſich darüber auch feine Sorgen.

Berlaufe der 5Otägigen Fahrt teilen follte.

Diefe unfrei:

ftehende Seereife ift für fie ein Nätfel, welches zu löſen fie bisher gar nicht verfuchten: fie find überzeugt, daß man fie für ihr Geld nad Wladiwoſtok fchaffen wird. Das Meer fürchten fie nicht — auch auf dem Schiffe gibt es ja Chriſten — an Wafferfabrten find fie ihrer Anficht nach gewöhnt, obſchon fie nicht einmal die Wolga in

jeine Reifegefährten,

mit

denen

willige Geſellſchaft beiteht aus jehr verſchiedenartigen Ele: I Der Mythos bei den Hebräern. ©. 312. 2 Qanoon-e-Isläm or the Customs of the Mussulmans of India by Jaffur Shurreef; transl. by G. A. Herklots (2. edit.), Madras 1863. p. 6-7. 3 Ritäb al Agäni VII. ©, 131. » Nach”einem Aufſatz von Th. Buffe im „Golos“,

Die bevor:

ihrer ganzen Länge befahren haben. Mehr weiß der Groß: händler ihr Prinzipal auch nicht; er hat ihnen, als feinen

Ruſſiſche Haufterer und Pilger in After.

Handlungsdienern, Päſſe ins Ausland beſorgt, hat 250 Bud (zirka 4100 Kilo) Waren auf das Schiff geſchickt und einige

Rubel ihnen auf die Reife mitgegeben, damit fie für die erite Zeit etwas hätten; alles fpätere ift ihnen felbft und dem Zufall überlaffen. Der Unternehmungsgeift diefer

Haufierer iſt noch lebendig; weder die Eifenbahnen, noch) die Entwidelung eines regelmäßigen Sandelsverfehrs haben die Energie diefer SHandelspionniere unterdrüden fünnen. Der Dampfer „Niſchnii-Nowgorod“ hatte in KonItantinopel fi aufgehalten, um die Meffapilger zu er:

warten, welche fich zum 23. Auguft verfammeln follten. Es müfjen diefe Pilger nach Dſchidda befördert werden. Konftantinopel ift der Sammelpunft

der Pilger aus

dem Norden der; Balfanhalbinfel, Kleinafien, den WolgaGoudernements, Drenburg, Turkeftan, Raufafien und einem Teil Perfiens. Die Wallfahrer ziehen zu den heiligen Stätten des Jslams zum Herbitfeft Kurban-Bairam, d. h.

331

Die Agenten haben ihre Gehilfen, denen fie 8 bis 100% der Baflagiergelder zahlen. Wenn nur ein Schiff zur Abfahrt im Hafen bereit liegt, jo werden die Billete um den fejtgejeßten Preis ausgegeben; menn zwei Schiffe gleichzeitig oder unmittelbar nacheinander abfahren follen, jo beginnt die Konkurrenz und alle Agenten fommen in eine gewaltige Aufregung. Die Unteragenten loben den Dampfer, welcher ihnen zahlt und tadeln ihren Konkur— venten, behaupten, daß der Baflagierraum eng fei, daß Trinfwaffer in unzureichendem Maße verabfolgt erde, daß die Mannfchaft grob ſei. Man erniedrigt daber um

dev Konkurrenz

willen den Preis für die Ueberfahrt;

fo

finft der gewöhnliche Preis von 6 türkischen Lires (138 Fres.)

auf 4, ja fogar bis auf 3 Lire.

Bisweilen fchließen die

Konkurrenten unter einander einen Vertrag; fie teilen die Paſſagiere mit der Verpflichtung, den Preis nicht zu er—

mäßigen

und

gleichzeitig aus dem Hafen

auszulaufen.

ih in Janbo auszufchiffen, aber ſowohl der Aufenthalt in der Stadt als auch der Marſch durch die Müfte find

Eine folhe Bedingung einzuhalten ift aber ſchwierig, meil die Paſſagiere jelbit aus verfchtedenen Gründen den einzelnen Schiffen einen Vorzug geben; ſchließlich kommt es zu Mißhelligfeit und Streit zwifchen den fonfurrierenden Geſellſchaften. Diejenigen Kompagnien, welche regelmäßige Fahrten längs der fyrifchen und ägyptiſchen Küſte machen (die Ruſſiſche Dampfſchiffahrts- und Handelsgefellichaft, der Defterreichifche Lloyd, die Franzöfiihe Meſſagerie),

wegen

deshalb

Ichiefen ihre Dampfer nicht gerade nach Dſchidda, jondern

landet die Mehrzahl der Pilger in Dſchidda und betritt von bier aus die arabifche Wüſte.

viele Wallfahrer; einer unferer Mitreifenden, ein Raufafier,

übergeben ihre Paſſagiere der ägyptiſchen Gefellichaft „Khedive“ in Mlerandria. Der Eifer der Unteragenten überfteigt alle Begriffe; fie ftehlen einfach die Leute. Im Auguft 1881 machten neun vuflifche Unterthbanen aus Turfeftan beim General— fonfulat die Anzeige, daß fünf ihrer Landsleute von unbe— fannten Leuten entführt und fpurlos verſchwunden feien. Das Konfulat ermittelte folgendes: Der ruffifche Dampfer „Olga babe faum Zeit gehabt, am Goldenen Horn die Anker auszuwerfen, als zwei Berfer erfchienen waren, fünf Tur— feftaner nebit ihrem Gepäd ergriffen und mit ihnen ſich aus dem Staub gemacht hatten. Sie hatten dann thre Gefangenen auf einem ruſſiſchen Dampfer untergebracht, welcher nach Alexandria beſtimmt war, von wo die Turfeftaner der ägyptiſchen Geſellſchaft „Khedive“ übergeben und nad) Dſchidda gefchafft werden follten. Aber die Räuber eriviefen fih als Schiffsagenten, welche die Kommiſſionsprozente ver:

behauptet, daß alljährlich über Poti bis 1500 Köpfe nad)

dienen wollten.

Mekka reifen, doch find dabei die perfifchen Unterthanen

vaubten

mitgerechnet. Weber die Zahl der aus der Krim pilgernden

Konftantinopel herrfchendes Gerücht fennt: Auf die eben

Tartaren

angelangten Dampfſchiffe kommen Spisbuben, welche unter dem Vorwande, den neueingetroffenen Paſſagieren bequeme

zur Feier der Geburt und des Todes beginnen ihre Wallfahrt von Medina

Mohameds. Sie aus und befuchen

der Reihe nach alle Orte, welche durch Ereigniffe aus dem Leben Mohameds und der anderen Heiligen geweiht find. Um Medina zu erreichen, wäre es eigentlich zweckmäßiger,

der

Bebuimenüberfälle

nicht

gefahrlos;

Die Beteiligung der Wolga- und aftrachan’schen Tataren it nicht fehr bedeutend. Ali, feiner Abftammung nad)

ein Tatare aus Kafan, derzeit Mulla an der Mofchee, in welche die frühere Sophienfirche umgetvandelt ift, teilte mir mit, daß alle feine Landsleute aus Rußland ſich an ihn zu enden pflegen, er vermöge daher die Zahl der Pilger wohl zu bejtimmen. Im Sahre 1879 paffierten Konftan:

tinopel 275 Pilger, im Jahre 1880 150, im Jahre 1881 250;

im Jahre 1882

waren

bis zum

21. Auguft nur

55 Pilger eingetroffen; die letztere Zahl wird fich faum vergrößern,

teil

den

Tataren

am Suezfanal befannt geworden

die politischen Ereignifje

find und ihnen Veran-

laffung gegeben haben zur Vermutung, daß die Seefahrt nah Dſchidda unmöglich fei. Die Kaukaſusländer fenden

Alle

habe ich feine Nachrichten diefe

Wallfahrer

kommen

jammeln nur

über

können. Odeſſa,

Der Schreden

Tafchfenter

wird

der Gefährten

erflärlich,

wenn

man

jener ge ein in

Sebaftopol und Poti zur See nach Konftantinopel und bleiben, auf eine Gelegenheit zur Weiterbeförderung wartend, entweder in befonders gemieteten Wohnungen oder in Her:

und billige Wohnung zu verichaffen, die Pilger auf ihre Segelboote nehmen und mit ihnen in das Marmara-Meer

bergen; die Armen wohnen in den Höfen der Mofcheen. Auf

Habfeligfeiten bemächtigen.

dieje anfpruchslofen, daher vorteilhaften Paſſagiere machen die Agenten

der verfchiedenen

Dampfer-Gefellfhaften

Jagd.

binausfahren, woſelbſt fie diefelben ertränfen und ſich ihrer Jeder Wallfahrer muß mindeitens 100 türfijche Yires

(2300 Fres.) haben, um fowohl die Reiſekoſten zu beitreiten

2339

Das Northern Territory der Kolonie Sidauftralten.

als auch in den Mofcheen die nötigen Geſchenke machen zu können. Der Dampfer „Niſchnii-Nowgorod“ hatte einen Kon— kurrenten in dem engliſchen Dampfer „Mulla.“ Man einigte ſich dahin, die Pilger zu teilen, jedoch mit der Klauſel, daß alle Pilger aus Rußland dem ruſſiſchen

Schiffe zufallen ſollten.

Infolgedeſſen

kamen

auf das

ruſſiſche Schiff 184 Pilger, dev „Mulla“ dagegen nahm nur 95 auf. Außerdem nahm der „Niſchnii-Nowgorod“ in den Dardanellen 14 und in Port-Said 25 Pilger auf und jchiffte mit 238 Pilgern in den Suezkanal hinein, Das Verdeck des Dampfers bietet ein buntes Bild dar: Auf Teppichen und Filzdeden haben fich die Vertreter der verfchiedeniten Nationalitäten gelagert; jede Natron bildet eine Gruppe für fih. Unter den Pilgern gibt es eine Menge wohlbabender Leute, welche fomfortabel ein— gerichtet find; fie haben ihre eigene Bedienung, vauchen aus filbernen Pfeifen, find reichlich mit Lebensmitteln und Geſchirren verfeben. Darunter find eine Anzahl Mullas,

einige davon

hohe Würdenträger;

ein alter Mulla

aus

dem Gouvernement Ufa bat die Würde eines Iman. An jedem Abend beim Untergang der Sonne wird zuerjt der melancholifche Aufruf der Gläubigen hörbar, dann

hört man die eintönige Stimme des Gebete leſenden Mulla. Die Hälfte aller Wallfahrer hatten ihre Billete

Sanbo

gelöſt.

Am

3. September

lief der Dampfer

die bei der Stadt befindliche Bucht ein.

bis

in

Die Gegend tft

troftlos: nichs als eine fandige Wüſte, von Schluchten und hohen Bergen (2000 m.) durchzogen; fein Grashalm iſt zu jeben: alles hat die Sonne verbrannt. Nur der Menſch allein hat ſich hinter den mächtigen fteinernen Mauern der Gebäude des Städtchens verborgen. Janbo, eine feine Stadt, hebt fich in der Ferne vom gelben Ton des Sandes ab. Sie repräfentiert den allgemeinen Typus einer afiatischen Niederlaffung ; vorn liegt das Haus des Paſcha's und der Polizei, bewacht von türkiſchen Soldaten in der

verfchiedenartigften Ausrüftung.

Der notdürftig mit Holz

ganzen Arjenal von Feuer: und falten Waffen verfeben. Sie zeichnen fich dadurch aus, daß das weiße oder bunte

Tuch auf dem Kopfe durd zwei untereinader verbundene Schnüre zufammenfnüpft ıft.

Die Karawan-Baſchi treten

jofort mit den Wallfahrern in Unterhandlung in Betreff der zu leitenden Zahlung

für die Kamele fowie für den

Schuß der Pilger bis Medina; die Karawanen follen nad 5 Tagen aufbrecden.

In Janbo verließen etwa 100 Wann, vorzugsmweife Tataren, den Dampfer, die übrigen fuhren weiter bis Dſchidda, woſelbſt das Schiff nah 4 Tagen, d. b. am 5. September, eintraf.

Dſchidda ift ein Hauptfammelpunft für alle zu Waffer anfommenden Bilger. Die Zahl aller Wallfahrer beträgt ettva im Jahre Durchnittlich 42,000 Mann. Das Haupt: fontingent liefert Indien und die anliegenden Snfeln, darnach Aegypten, die afrikaniſche Küſte des Mittelmeeres, die türkiſchen Provinzen, am wenigjten Rußland und Perſien. Im Jahre 1880 fand eine befondere religtöfe Feier ftatt; die Zahl der Pilger war faft 60,000. Dagegen üt das Jahr 1882 ſehr ungünftig, infolge der Ereignifje in Aegypten fehlen faſt alle Afrikaner und die Zahl der nordiichen Pilger iſt geringer; man tariert die Anzahl der Pilger in diefem Jahr nur auf etwa 20,000.

Die Nähe Mekka's und der Fanatismus der Bewohner von Dſchidda

ift in der jtrengen Weife bemerkbar, durd)

welche die Giaurs vom islamitiſchen Kultus fern gehalten werden; um fein Geld läßt man den Europäer in die Moschee. Nur eine Ausnahme

wird

hierin mit dem Europäer

gemacht: es ıjt ihm gejtattet, das Grab Chana’s, d. i. Eva's zu bejuchen. Nach dem eingezäunten Ort, wo unfere Ahnherrin rubt, ijt Eva etwa 100 m. lang und von fräftigem

Körperbau geweſen —

fit war 3 m. did.

Der Platz ift

in feiner ganzen Ausdehnung von einer fteinernen Mauer umgeben, auf dem Kopf der Eva ift eine Kleine Moſchee erbaut.

gedeckte Bazar enthält einige kleine Verfaufsläden, Kaffees

bäufer und eine Karawanſerei;

hier arbeiten die Schmiede,

die Schuhmader und andere Handiverfer, hier lagern bie Ramele, eben angefommene oder zum Abmarſch bereit. Kaum batte der Dampfer die Anker ausgeworfen, als ſchon Boote anlegten und die Nraber zu Klettern anfıngen. Die ausprudsvollen und ſchönen Gefichter mit den feurigen Schwarzen Augen, der athletiihe Bau des faft nadten oder nur in eine Dede eingehüllten Körpers, die bunten Turbane: alles überrafht den Europäer. Unter den an Bord Gelangten machen ſich die Karawan— Baſchi bemerkbar, dies find die Führer und Beſchützer der

Starawanen beim Marfch durch die Wüſte, in welcher die nomabdifierenden Beduinen herrſchen; Ießtere finden es zwedmäßig, ihr Lager gerade an der Straße aufzufchlagen und entiveder von den Vorüberziebenden Zoll zn erheben oder fie zu berauben. Die Karawan-Baſchi find mit einem

Das Horthern Territory der Kolonie Südauſtralien. Das nannte

der Kolonie Northern

Süd-Auftralien

Territory

umfaßt

zugehörige

den

zentralen

ſoge— und

nördlichen Teil diefer Kolonie und hat einen Flächeninhalt von 24,626 D. ©. QM. Die dortige Anfiedelung am Bort Darwin, an der Nordfüfte in 120 25° ſ. Br. und 1300 48° 6. v. Gr., hat in den ungefähr 15 Sahren ihres Beſtehens nicht viel Fortjcehritte aufzu—

weifen.

Sie zählte am 1. Juli 1883

erſt 4593 Seelen,

Chinejen bildeten die große Mehrheit.

Den Hauptermwerb

liefern die 200 bis 320 Km. ſüdlich von Port Darwin liegenden Goldfelder; fie find aber nicht fehr lohnend. Sie

Prähiftorifche Riefen.

333

ergaben im Jahre 1882 einen Ertrag von 23,016 Unzen im Werte von 80,721 Pf. St., und in den erften ſechs

Adelaide

Monaten des Jahres 1883 den von 12,398 Unzen mit 43,448 Bf. St. Bon den im Dftober 1881 am Me. Kinlay River, unweit Mount Wells in 130 30° ſ. Br.

oder 654 Km. in Betrieb und wird von da über HerrgottSprings und Strangways Springs bis Primroſe Springs in 280 7° . Br. und 136° 18° d. v. ©r., eine Zänge

und 1390 48° d. dv. Gr., entdedten Zinnlagern veripricht man ſich, jobald hinreichendes Maſchinenwerk aufgeftellt

von 213 e. MI.

it und

Erträge. man

ein billigerer Transport möglich geworden,

Mit der Anlegung

von

gute

Zuderplantagen

vor etlichen Sahren begonnen,

bat

ohne daß bis jebt

ein bejonderer Erfolg erzielt wäre; ja die Plantagen an den Flüffen Daly und Adelaide find, nachdem ein nicht unbebeutendes Kapital nutlos darauf verivendet worden, iwieder aufgegeben und verlaffen. Nur die Pioneer Sugar Plantation Company tar bisher im ftande, ein erites Quantum Zuder, ungefähr acht Tonnen, von geringer

Qualität am 12. September 1883 in Adelaide in öffentlicher Auktion zu verfaufen. Dagegen follen Cinchona suceirubra und namentlich Kaffee, mit dem man jeßt einen erſten Verſuch gemacht hat, vorzüglich gedeihen.

bis Farina

300 8° |. Br. und

Territory nicht vorzukommen.

Gums,

in

oder 343 Km., weiter gebaut.

Ebenſo

bat das jüdauftralifche Parlament die Geldmittel in der Höhe von 959,300 Pf. St. für den Bau einer erjten Bahnftrede von Balmerjton am Port Dartvin füdlich bis zum Bine Greef, alfo bis in den Golominendiftrikt,

1481, e. MI. oder 239 Km., Ende Auguft vorigen Jahres bewilligt. Ueber die Vollendung der dann noch fehlenden langen Strede im zentralen Auftralien, wo große Baus

Ichwierigfeiten zu überwinden find, dürfte wohl noch eine lange Reihe von Jahren vergehen, da die Finanzen der Kolonie Südauftralien zur Zeit keineswegs günftig ſtehen. Henry Greffrath.

Der große

Feind des Kaffees, Hermilia vestatrix, jcheint im Northern treibt man die Viehzucht.

oder The Government

1380 17° d. v. ©r., 4061, e. MI.

Prähiſtoriſche Kieſen.

Erſt jeit vier Jahren be:

Nindvieh und auch Pferde ge-

deihen gut, was ſich jedoch von Schafen nicht fagen läßt. Es fehlt zwar nicht an Gras für fie, aber es ift grün ſtarr und rohrartig, und wenn troden, ift e8 mürbe und

brüchig wie Stroh und ohne allen Nabrungsftoff.

Die

Schafe wollen es nicht freien und fterben in Maffe.

Die

Wolle jcheint indeß in der Bonität gerade nicht zu verlieren, und man hofft dur Anſäen mit der Zeit einen bejjeren Graswuchs 1. Suli 1883 zählte der Viehſtapel vieh, 2918 Pferde und 3000 Schafe. für die erften ſechs Monate des

beijerer Grasarten zu gewinnen. Am 61,000 Stüd Nind: Die Nevenue ergab Jahres 1883 nur

9249 Pf. ©t. Namentlich durch Herabjeßung des Aus: gangszolles auf Gold von 2.50 ME. pro Unze auf 1 ME.

In denjenigen Ländern, wo in frühen hiſtoriſchen oder dieſen vorausgehenden Zeitabſchnitten bei ſeßhaft gewordenen oder noch wandernden Völkern die Sitte herrſchte, Verſtorbene zu begraben, finden wir häufig auch Sagen von erdgeborenen Giganten und Heroen, deren „Rieſenmaß der Leiber hoch über menſchliches hinaus—

ragt.“ Wenn in Folge von Erdbeben an Spaltungen der oberen Erdſchichten Reſte vorweltlicher Tiere zum Vorſchein kamen, wenn man beim Graben in der Erde nach Metall oder Waſſer auf dieſelben ſtieß, wenn die Gewalt an— geſchwollener Flüſſe ſolche aus den Ufern herausſpülte oder bloslegte, dann erblickte die Phantaſie deutungs—

ſüchtiger Menſchen, wie zur Zeit der Konquiſtadoren

auf

hatte fich dieſelbe erheblich vermindert. Die Kolonie Süd— auftralten im engeren Sinne bat auf das Northern Territory bereitS 526,137 Pf. St. über die Einnahmen hinaus verausgabt. Der Import bewertete im Sabre 1882 113,030 Pf. ©t., der Erport dagegen 83,982 Pf. St. (im eriten Halbjahr 1883 44,049 Bf. St.) und beftand meiſtens in Gold.

den Hochebenen von Mexico, Neu-Granada und Peru in den Campos de Gigantes, in ihnen Reſte früherer, ge— waltigerer Menjchengejtalten, verehrte fie, jargte fte förm— (ich wieder ein und gab dadurch bei einer wiederholten Auffindung fpäteren Gefchlechtern einen um fo triftigeren Grund, diefelben für Menfchengebein zu erachten. War ja doch auch jener bei Deningen gefundene Wafjerfalamander

Nah den neuejten Nachrichten aus Port Darivin hätte man auch an der dortigen Hüfte an einigen Stellen

Kulturländern um die Gejtade des Mittelmeeres, aus der

Scheuchzers ein Homo diluvii testis.

Daß aus den alten

griechischen und römischen Welt, ung deren Literatur am

Perlmuſcheln gefunden. Bekanntlich bildet die Verlfifcherei an der Nordfüfte von Queensland und an der nördlichen Weſtküſte von Weftauftralien einen wichtigen Erwerbszweig.

zahlreichjten mit den Funden ſolcher Gigantenknochen be: fannt gemacht hat, darf nicht wundernehmen, Aber je

Die Kulturentividelung des Northern Territory, fo: weit jie überhaupt möglich ift, wird durch die projeftierte

andere Gebiete des Erdballs

häufiger und

gründlicher

in diefem Jahrhunderte

aud)

fich unferer Kenntnis zu er

zentrale Nordeifenbahn ficher weſentlich gefördert werden. Diejelbe foll von Adelaide aus, in 340 57° ſ. Br. und

ichliegen beginnen, um jo zahlreicher ertennen wir Parallelen

1380 35° ö. v. Gr., durch das zentrale Auftralien nad)

tritt hervor, wie allgemein verbreitet der Glaube an einitige

Port Darwin

Ktiefengefchlechter zum Teil noch heutigen Tages iſt.

an

der Nordfüfte

laufen.

Sie

ift von

mit jener griechifcherömifchen Anſchauung,

um jo deutlicher

334

Prähiſtoriſche Rieſen.

(4

Auf diefe Art find wol zu deuten die fieben Ellen großen Gebeine des Dreftes (Herodot 1, 68. Plin. 7, 16, 74. Gellius 3, 10, 11. Solin. 1, 91. Salmas, Erercitat. Plin— 31 fg.), des Niefen Orion oder des Mloiden Otos (Plin. 7, 16, 73. Solin. ebenda), die ftaunend D. Metellus und fein Legat 2. Flaceus in Kreta betrachteten (vgl. Philodemus' Schrift bei Büchler im Nheinifchen Muſeum, 1865, ©. 311), des Aſterios nahe bei Milet (Pauſan. 1, 35, 6), des Geryones (ebenda), des Drontes (8, 29, 3), des Hopladamos im Tempel der Artemis Agrotera in Megalopolis (8, 32,4).

Phlegon

(Ausg. v. Keller, Mir. 12) erzählt uns

nad

Apollonius von 16 Ellen meſſenden Rippenknochen vieler Leiber in der fogenannten Grotte der Artemis in Dalmatien und (Mir. 14), daß man an einem Orte, wo die Erbe auseinanderflaffte, Ueberreite von Körpern einer ungeheuren

Größe gefunden und zur Probe von einem derjelben einen Zahn, der mehr als einen Fuß maß, an Tiberius gejandt hätte mit der Anfrage, ob man den ganzen Herven nach— jenden follte. Der Kaiſer aber mollte die mohlverdiente Ruhe des Herven im Grabe nicht jtören; er ließ nur, um fih von feiner Größe eine Vorftellung zu machen, von einem Geometer namens Pulcher das Modell eines Kopfes in der Größe anfertigen, die er nach der Yänge des Zahnes gehabt haben mußte, und ſchickte den Zahn wieder zurüd. Auch zu Nitriae in Megypten (ebenda 15; vgl. Gellius 3, 10, 11) fand man Rieſenknochen, und zwar nicht in der Erde verborgen, fondern auf dem Erdboden in georoneter Reihe liegend. Auf die Nefte eines dort vielleicht ange: triebenen Wales bezieht fich auch wohl die Sage, welche in der „geitichrift für Ethnologie” (1878 ©. 223) Dr. Zachariae von Lingenthal mittheilt: Der Statthalter Menas von Aegypten habe als Augenzeuge an den Kaifer Mauricius (Theopbylact. hiſt. 7, 16) berichtet, daß um den erjten Morgenftrahl fihb aus den Lagunen des Nildeltas ein viefengroßer Mann erhebe und in der dritten Morgenftunde ein Ähnliches meibliches Weſen, welche er auch vom Kopf bis zum Unterleibe, der mit den Füllen im Wafjer ver: borgen geblieben, genau bejchrieb. Gegen Sonnenuntergang tauchten beide wieder unter. Dr. Zachariae fügt noch eine Notiz des Neifenden Breuning von und zu Buochenbach an (aus deſſen Neifebejchreibung, gedrudt 1606), daß er 1579 in Damiette gejehen „infonderheit eine rip, etliche Stüde vom Nüdgrat, item einen großen ſchwarzen Bart bon einem Moor oder Waffermann, jo Anno 1577 gegen Mitternacht auf dem Sand eine halbe Tagereiſe von binnen gefunden. Die rip iſt dreizehnhalb Spannen lang... die fürnämften glieder haben fie dem türkischen Keyſer nad) Conſtantinopel geſchickt ... ehe er gejtorben, joll er ſich aufgerichtet ... ſoll eine gantze ſchwarze Haut gehabt haben”. Phlegon (16, 17) berichtet auch von Niefengebeinen auf

Sertorius nach der Einnahme von Tingi (Tanger) das Grab des Anteus geöffnet und deſſen 60 Ellen lange Ge— beine bewundert, wie Sidi Daud,

das alte Miſua,

noch

jetzt bekannt ſei wegen ſeiner ſogenannten Rieſengräber. Nur wenige Tage vorher war der Grieche Andrea Kalekoni in Gegenwart des amerikaniſchen Konſuls Dr. Merrit und des engliſchen Vice-Konſuls Ch. Cubiſol dort geweſen, Man hatte ein Grab geöffnet und darin ein Skelett von 4 m. Länge gefunden. Der Durchmefjer des Kopfes be— trug gegen 60 em,, die Zähne waren mindeitens 25 cm. lang. Es würden fomit diefe Grabftätten den 5 bis 12 m,

langen Sepolture dei giganti auf Sardinien entiprechen. Nach langem, vergeblichem Graben fam endlich der Kinn— baden des Niefen zum Vorschein. Davis betrachtete ihn genauer; e3 war der eines Efels, und die Gejchichte vom

folofjalen Skelett eine grobe Züge. Bei Utifa aufgefundene Jtiefenfnochen erwähnt Schon der heilige Auguftin (15, 9). Die von Phlegon (19) erwähnten, durch ein Erdbeben im fimmerischen Bosporus ausgeworfenen Niefenreite fanden ihre Barallele in dem Berichte des Dr. Emil Nitter v. Habdank Dunikowski (Peterm. Mitth., 1881 ©. 165) über das podoliiche Dnieſtergebiet, wo „m Löß zahlreiche Einfchlüffe von Sfeletteilen des Mammut, Höhlenbären, der Hyäne, des Rhinoceros tichorhinus u. a. fich finden, und diefe Knochen, welche nach jedem größern Negen zum Vorschein fommen, noch heutiges Tages von der Yandbevölferung als Heiligen und Niefenmenjchengebeine hoch in Ehren gehalten werden. Als Iwan Lepechin (Tage: buch der Reife durch verſch. Prov. des ruff. Neiches, 1774 I, 183) im Gouvernement Simbirsk war, hörte er, daß von dem kleinen Fluffe Birjutich gewaltige Knochen aus— gewaschen würden, die das Volk für Rieſenknochen hält. Er fand dort einen im Bruch 15 em, ftarfen, ſchon ganz morfchen Elephantenzahn. Weil dort jedoch einige Tage vor feiner Ankunft auch Menfchenfnochen und Stüde von eifernen Spiefen gefunden worden waren, jo meinte er,

daß dort einſt eine Schlacht jtattgefunden, in welcher auch afiatifche Elephanten verwandt wurden, daß jene Knochen nicht taufende, nur hunderte von Jahren alt fein fünnten. Gr warf nah dem damaligen Stande der Wiſſenſchaft präbiftorische und antediluviale Reſte zufammen mit hiſtori— ſchen Funden. In ſeinen Reiſen im armeniſchen Hochlande (Petermanns Mitt. 1873 ©. 177) ſchreibt Guſtav Radde: „Oberhalb der Juniperus-Zone ſtiegen wir bis auf 8713 F. an. Hier waren viele Kurden ſtationiert bei dem Orte Ochoslar, d. h. die Rieſengräber. Auch hierher iſt die

Sage von

gigantiſchen Menſchen

nicht nur

gedrungen,

Rhodus und Euboea und (18) über Sfelette, welche die

ſondern hat feſten Fuß gefaßt. Es liegen hier näm— lich mehrere ganz enorme flache Steine auf und zum Teil horizontal indem Boden. Die Kurden behaupten, es ſeien Grabſteine, unter welchen die Rieſen liegen. Jeden—

Karthager einjt auffanden. Davis (Karthago und feine Ueberreite, 1863. ©. 178 fg.) erzählt höchſt draftifch und ausführlih, nachdem er erwähnt, dag Plutarch zufolge

falls haben Menſchen dieſe regelmäßigen, 51/, m. langen und 30 em. dicken Steine hierhergebracht und ihnen auch die jeßige Form gegeben. Die Kurden hatten nichts da—

Der vierte Deutſche Geographentag

gegen, daß wir an einem zu graben anfingen;

zu Miinchen.

17. bis 19. April 1884.

>35

doch fand

einem Örabe gefunden und über 1 m. lang tar; der Niefe

man in 2 Arfchin Tiefe nichts als hellen Lehm. Sch hoffe in der Folge bier Grabungen zu veranftalten.” Ibn

muß mehr als 4 m. lang gewejen fein. Wenn man beim Zerichlagen eines Steines den Abdrud eines Gefichtes fand, jo erinnert das an die Steinbrecher aus den Pariſchen

Batüta

aus

Tanger,

deſſen

Werk feinem

Gebalt

nad)

mit Necht mit dem Marco Bolos verglichen werden fanı,

Marmorbrühen

jab in El Rabha (vgl. Sam. Xee, The travels of I. B.,

Virgil Yen. 6, 471), welche einft ein natürliches Silensbild berausgefpalten baben follen.

1829 ©. 229 Syria) a thigh bone of one of the giants, the length of which is three eubits, its width is that of two spans,

(des Berges

Marpeftos.

Servius

zu

B. Langkavel.

Sehen wir von den befannten Funden großer Foſſilien im nördlichen Aſien ab, jo berichtet Botanin (Reife in die

Mongolei,

vgl. Deutſche Rundſchau für Geographie und

Statiſtik V, 279), daß die Chalchas dortige große Stein-

auffhüttungen, bei ihnen Kereffur, bei den Urjanchaizen Kirgifen-Jur genannt, für Gräber einer längit ausge— ftorbenen gigantischen Menjchengattung halten. Aus dem Süden diejes Erdtbeiles ſchreibt B. Ball (Jungle Life in

India ©. 225) aus Bofraband:

In several

these hills, as on the Mhowagurhi

hill, there are cal-

heutigen geographiichen Forſchung begründet. Alle Beitrebungen auf diefem Gebiete, der raſche Fortgang mannig— faltigfter Studien in Nord und Süd, die Vertiefung unferer Kenntnis vom heimatlichen Boden und jenen Yändern, welche längit zum Schauplatz der Gefchichte wurden, die Fülle von Problemen, an deren Löſung von verjchiedenen Punkten aus gearbeitet wird, endlich die ausgedehnte Berührung der Erdfunde mit den naturwilfenfchaftlichen und hiſtoriſchen Disziplinen fordern von den Tagungen der deutfchen Geographen den Charakter von Arbeitsverjammlungen. Zudem liegt die Gründung jener in einer uns fo nahen Heit, daß die Befeitigung ihres Anſehens, ſowie das Streben, den Arbeiten und Betrachtungen derfelben eine jtet8 vermehrte Geltung zu verichaffen, feinen Naum läßt

Auch mit den Rieſenknochen Vatagoniens haben.

Die Bedeutung der Öeographentage für unfere Wifjen-

haft Liegt im Wejen der Erdfunde und der Tendenz der

(vgl. das „Ausland“ 1883, ©. 360) wird es mol eine äbnlihe Bewandtnis

T:

places in

careous deposits which, as I mention in other places in these pages, are called by the natives „asahar‘ or giants bones,

Der vierte Deutſche Geographentag zu Münden. 17. bis 19. April 1884.

Weber die riefigen Menſchen—

jfelette in Bertie County, Nord-ftarolina, die in fitender Lage aufgefunden zwiſchen 2,12 und 3 m, Länge variieren, fehlen noch genauere Nachrichten und Unterfuchungen des

Staatsgeologen. Daß nicht alle foſſilen Ueberrejte aus der Klaſſe der Mammalia im Altertum ähnlich gedeutet wurden, iſt aus Xenophanes erfichtlich, welcher zu feiner Lehre von der zeitweifen Auflöfung der Erde durch das feuchte Element als Beweis auch die Abdrücke von Phoka-Arten in den

für den

Steinbrügen

Geographentage jollen, wie das der Vorfigende des Mün—

von

Syrakus

anführte

(vgl. Strabo ed.

Stramer I ©. 75, 21 und 77, 2) und ebenjo aus Plinius und Theophraft über das Ebur fossile, aus Bemerkungen über ſchwarzes und weißes Elfenbein, welche Schon Isbrand

des

(Driejarige Reize naar China.

1704 ©, 31) für

richtig erklärte. Wer aber wollte ſich darüber wundern, daß im Altertum häufig Tier: und Pflanzenabdrücke ver: fannt wurden, da ja noch in Praetorius Weltbefchreibung 1666.(©.

65.88.

535.

:582.

:579..

591.

597.:605.

617.

624) ähnliches wiederfehrt, und Kuß (Jahrbuch denkwürdiger Naturereigniffe 1825) vom Sabre 1749 berichtet: Als in

diefem Jahre die Kirche in Galmsbüll abgebrochen ward, mußte ein Sarg von unglaublider Größe ausgegraben iverden.

Als er geöffnet ward, fand man

das Gerippe

eines Rieſen darin, wovon jedes Glied beinahe die doppelte Länge wie die an gewöhnlichen Menfchen hatte.

Er fügt

hinzu: Oebeine von unglaublicher Größe, die in Toten: bügeln in SchleswigsHoljtein oft gefunden find, bezeugen e8, daß unter den alten Einwohnern Xeute von 11/, bis

21, Manneslänge gemwejen find. Cimbrien”

gedenkt

©. 75

eines

Major im „Bevölferten Hüftknochens,

der in

Luxus

anderer

Wanderverfammlungen.

Die

chener Lofalfomites, Profeffor Dr. Nagel, laut hervorhob, nad) außen hin die Kunde von dem, was innerhalb unferer Wiſſenſchaft geleitet und gewollt wird, in einer wirkſamen Form tragen. Das Beſtreben zu lernen und zu lehren, den geographiſchen Wiſſenſchaften zu nügen, ihrem Studium weitere Verbreitung zu geben, war der Boden, auf welchen man fih in München jtellte. Wenn aber in leßterer Hin— ficht der diesjährige Oeographentag gerade bei uns in Süddeutſchland ernite, tiefergehende, nicht mit den Feſt— tagen verraufchende Anregungen gegeben haben jollte, jo wäre dieſes nach unferer Meinung jeine erfreulichite Wirk— ung. Und wir erhoffen jolches ſchon alleın wegen des Anfpornes, welchen jener Saal der geographiichen Aus: jtellung in fich barg, der ſpeziell unfere älteren einheimifchen Karten vorführte, und damit die Blicke auf die in der ejchichte

der Geographie immer bedeutungsvollen Werke der Väter zus rücklenkte, denen mit den Mitteln unferer Zeit nachzuftreben jeder in den Dienft der Erdfunde fich ftellenden Kraft würdig ift.

Auch dadurch erhielt die Phyſiognomie

des vierten

Der vierte Deutsche Geographentag zu München.

2336

Deutſchen Geographentages einen befonders erfreulichen und erbebenden Zug, daß ein Sprofje des Wittelsbacher: baufes, Prinz Ludwig von Bayern, das Ehrenpräſidium

und dadurch

übernahm

die hiftorifch und fachlich gleich

begründete Vorliebe, mit welcher Bayerns Fürſten unfere Wiſſenſchaft feit lange pflegten, aufs neue befundete, Ebenſo regiftrieren mir die Anmefenheit der Minifter und anderer Mürdenträger bei der Eröffnung als einen Ausdrud der Wertſchätzung unferer Wiffenfchaft in leitenden Streifen. In Hinsicht auf die Drganifation feiner Verhandlungen wich der Geographentag zu München von feinen Vorgängern zu Berlin, Halle und Sranffurt ab. Wir glauben erfahren zu haben, zum Nuten der Inſtitution, für deren Yebensfähigfeit das ftarre Felthalten an den einmal

erwählten oder mehrmals geübten Grundſätzen bei Feltstellung

des

Programms

ficherlih

nicht Bedingung

tft.

Der Geographentag ift jung und die Wifjenfchaft, der er dient, iſt eine aufftrebende, wie follte er ſich in eiſerne Formen feffeln laſſen? Eine die fachlichen Intereſſen jtets unterjtügende und fördernde Weiterenttvidelung der ein mal gegebenen Grundlagen ift bier allein geboten. Es galt vor allem, den ermüdend breiten Naum, welcher bi3ber den Vorträgen eingeräumt ward, und deren zeritreuende Vielartigfeit wefentlich zu bejchränfen, und durd) die Be— handlung der die geographifche Welt zur Zeit befonders beiwegenden Fragen in Form von Referaten und Kor: referaten und durch ausgiebige Diskuſſionen eine Fräftigere Weckung und ftarfe Feffelung der Teilnahme an den Ber:

bandlungen

des Geographentages

zu ermöglichen.

Es

durfte nicht vorfommen, daß die Teilnehmer mit dem Ge— fühle jchievden, zwar viele hervorragende Einzelborträge gehört zu haben, ſich aber dennoch auf feinem bejtimmten Punkte mwejentlich tweitergefördert oder geklärt zu wiſſen. Da wir beim Geographentag der Sektionsſitzungen entbehren, wie die Naturforiherverfammlungen fie bejigen, war eine gewiſſe Konzentration hinfichtlich der Oegenftände und der Perſonen um jo mehr geboten. Der Starke Befuch (400 Teilnehmer an den Verband:

lungen und 1400 Abnehmer von Eintrittsfarten

zu der

Ausftellung, welche im ganzen von zirfa 4000 Menfchen in den Tagen vom 16. bi3 21. April befucht worden tft) ihien menigitens bis zu einem gewiſſen Grabe die Maß: nahmen des Lofalausfchuffes zu rechtfertigen, zumal derfelbe in Bezug auf feitlihe Veranftaltungen fich innerhalb der engiten Grenzen gehalten und jedenfalls damit niemanden

angelodt hatte.

Wir fuchen aber natürlich das Endurteil

über das Gelingen dieſes Geographentages nicht in der— artigen äußeren Erfolgen, fondern in der Meinung jener Teilnehmer, welche gefommen waren, um Förderung ihrer poifjenschaftlichen Spntereffen zu erfahren, und welche nun befennen, daß fie gefunden, was fie juchten.

Wir ftellen an die Spite unferes Berichtes über die Verhandlungen

die gefaßten Beichlüffe

in autbentischem

17. bis 19. April 1884.

Wortlaut, nachdem fie vielfach unrichtig in den Blättern reproduziert worden waren.

Im Anschluß an den von Direktor Dr. M. Neumayer erftatteten Beriht über die deutjchen Unternehmen Spitem der internationalen Polarforſchung, ſowie

im die

ichriftlichen Gutachten und Mitteilungen über Wege und Ziele weiterer Polarforſchungen von Brofefjor Dr. Börgen und Kapitän Koldewey wurde folgender von den Herren Brofeffor Dr. Th. Sicher, Brofefjor Dr. ©. Günther, Profefior Dr. Partſch, Dr. A. Penck, Brofeffor Dr. F. Nabel und Profeſſor Dr. H. Wagner eingebrachte Antrag in der 2. Sitzung einjtimmig angenommen:

Der vierte Deutjche Geographentag glaubt die durch den dritten Deutjchen Geographbentag gefaßte Nefolution bezüglid der Polar-Forſchung erneuern und präzifer dahin faffen zu follen, daß er ausjpricht, es jet in erjter Linie die geographiſch-phyſikaliſche Durchforſchung der antarftiſchen Negion zu fordern. Zur Einleitung und Durchführung der zur Förderung der Ziele diefer Reſolution erforderlihen Schritte erhält der permanente Ausschuß des Geographentages den Auf: trag, die geeigneten Maßnahmen zu treffen. Es iſt als wünjchenswert zu bezeichnen, daß ein befonders dafür niedergejegtes Komite ſich mit der deutjchen Polarkommiſſion in Verbindung fegte, damit die innerhalb dieſer Nommiffion gemachten Erfahrungen zugänglich ge-

macht werden können und Einheitlichfeit in dem Vorgeben zu Zwecken der Polarforſchung angebahnt. werde.

Das Komite hat dem fünften Deutfchen Geographen— tag Bericht zu erſtatten.!,

Auf Grund der Beratungen über die Feſtſetzung eines einheitlihen Meridians wurde nad) den eine leitenden Worten von Direktor Dr. M. v. Bauernfeind 1 Den Fremden der arktiſchen Forſchung, deren Zahl gewiß noch immer in Deutschland groß ift, mag diefe Nefolution des Münchener Geographentages überraſchend fommen; doch mögen fie bedenken,

daß

diejelbe in unmittelbarer

Folge an die Refolution

des Frankfurter Geographentages anſchließt, welche erklärte, daß der Deutſche Geographentag die Wiederaufnahme der Polarerpeditionen ſeitens Deutſchlands im Intereſſe der Wiſſenſchaft und der Nation gelegen erachte, und daß nach dieſer allgemeinen Reſolution eine das rein geographiſche Intereſſe an der Sache ſchärfer bezeichnende geboten ſchien. Die Namen der dieſe Reſolution Unterſtützenden bezeichnen den theoretiſch-geographiſchen Charakter derſelben in unzweifelhafter Weiſe. Wenn aber geſagt würde, daß ſchon aus Gründen der Pietät für Deutſchlands frühere Anſtrengungen im arktiſchen Gebiete das oſtgrönländiſche Forſch— ungsgebiet wenigſtens nicht ganz auszuſchließen geweſen wäre, jo geben wir zwar die Berechtigung dieſes Grundes gerne zu, müſſen aber doch feſthalten, daß es notwendig war, wenn ſchon der Geographentag ſich in der Sache ausſprechen ſollte, das über— wiegende

Intereſſe

unmißverſtändlich

zu

betonen,

welches

die

wiſſenſchaftliche Geographie an der Aufhellung der dunkelſten Stelle auf der Erdkugel des 19. Jahrhunderts hat, und dieſe Stelle iſt trotz Arktis und Zentralafrika unzweifelhaft die Antarktis. Dies ſchließt nichtaus, daß alle Geographen und nichtzuletzt diejenigen, welche ihre Namen unter obige Reſolution geſetzt haben, die Wiederaufnahme

Kleinere Mitteilungen.

und den Referaten Brofefjor Dr. ©. Günther's und Profeſſor Dr. 9. Wagners folgende, von den drei Vortragenden dem verſammelten ©eographentage vorgefchlagene Nefolution in der 4. Sitzung einftimmig angenommen: Der Deutjche Geograpbentag fchließt fich den Be— ſchlüſſen der 7. Generalfonferenz der internationalen Grad» meſſung betreffend die Unififation der Längen: und Zeit angaben voll und ganz an, insbefondere der allgemeinen Annahme des Meridians von Greenwich als Null-Meridian und der Zählung der Längen von Greenwich ausgehend von Weften nad Dften. Der Deutjche Geographentag wendet ſich vor allem an die deutfchen Kartographen und Herausgeber von Hand: und Schulatlanten, Wandfarten und Handfarten mit der dringenden Aufforderung, fortan durch ausfchliegliche An:

wendung des Meridians

von Greenwich bei neu zu ent:

werfenden Karten und möglichjt ausgedehnte Umformung der älteren nad) dem neuen Syſtem der baldigen obligatorischen Einführung desjelben auf allen Stufen des

Unterrichts Vorſchub zu leiften. Der Vortrag von Dr. E. Pechuel-Loeſche über die ethnographiſche Beobachtung auf Neijen und die von Profejjor Dr. A. Kirchhoff daran gefnüpfte Diskuffion

gab dem Geographentag VBeranlaffung, nachitehenden, von den genannten Forjchern entworfenen Antrag ebenfalls einftimmig in der 4. Sitzung anzunehmen: Der Deutfche Geographentag wolle 1) die deutschen Miffionsgefellichaften auf die Wich—

tigkeit

der

geographifch-ethnologifchen

Ausbildung

der

fünftigen Miffionare aufmerffam machen; 2) die Direktionen der deutſchen Miſſionsgeſellſchaften

um gefällige Angabe von Adreſſen ſolcher Mifftonare an den geichäftsführenden Ausſchuß des Geographentages angehen, welche ihnen geeignet erjcheinen zu verläßlicher Beantwortung etwaiger geographiſch-ethnologiſcher Ans fragen; 3) diejenigen Geſellſchaften Deutſchlands, welche ent-

iprechende

Forſchungszwecke

verfolgen,

einen Bruchteil ihrer Geldmittel mäßig vorgebildeten Reiſenden

dringend

bitten,

zu beiilligen, um fach: ein gründliches ethno—

logisches Studium bei dauerndem Verweilen unter Natur: völfern zu ermöglichen. arktischer Forſchungen jeitens Deutſchlands mit Freuden begrüßen wür— den. Zu bedauern bleibt allerdings, daß Männer wie Koldewey, Bayer, Lindeman ſich nicht jelbft auf dem Geographentage einfinden fonnten, um ihre der arktifchen Forſchung mehr zugewandten Anfihten mit dem Gewicht ihrer Berjönlichkeiten zu vertreten. Bielleiht und hoffentlih wird Hamburg beſſer als das binnen— ländische München der Ort fein, um die Intereſſen der theoretijchen Geographen, wenn nötig, mit denjenigen der praftiihen Polarforjcher zu vereinigen. UHR,

337

Kleinere Mitteilungen. Die Inſel Sumba

und ihre Bewohner,

Einem von dem Miffionar van Alphen zu Batavia gehaltenen Vortrag entnehmen wir folgende Mitteilungen über die Inſel Sumba: Die Inſel, welche zur Reſidenz Timor gehört, ift zwar telfig, hat aber fruchtbaren,

qutbewäfferten

Lehmboden.

Das

be-

fanntefte Produkt derſelben bilden die viel genannten Sandelwordpferde, deren Ausfuhr jedoch als Frevel betrachtet wird und ftreng verboten ift; diejelben leben frei, in von den Eingebornen

als heilig

betrachteten Wäldern. In ihrem Aeußern und in ihren Charaftereigenfhaften haben die Bewohner mit der Bevnölferung der Süd— ſeeinſeln die meifte Aehnlichkeit. Sie find von großer Geftalt und muskulös, haben eine hellbraune, manchmal olivenfarbige

Haut umd zeigen den Javanen oder Malaien gegenüber im allgemeinen auffallende Unterfehiede. Unter ihren vom Nedner an— geführten Eigenjchaften überwiegen bei weitem die ſchlimmen. Ex bezeichnet fie als mißtrauiſch,

falſch,

feige, graufam,

dreiſt, un

höflich und ſchmutzig, aber auch als thätig, fromm und gaſtfreund— lich. Kein Gaſt wagt es übrigens, Speiſe oder Trank zu genießen, ehe der Gaſtherr davon gekoſtet hat. Seinen Körper reibt der Sumbaneſe

mit Kokosnüſſen

ein

und

trägt

die Kleider,

ſoweit

man nämlich überhaupt von ſolchen ſprechen kann, da die Leute im Innern der Inſel nur den Kopf und die Lenden mit Baum— rinde bedecken und im übrigen ganz unbekleidet find, bis ſie in Fetzen vom Körper hängen. Die Strandbewohner, welche mehr Gelegenheit haben, baumwollene Stoffe einzukaufen, ſind im all— gemeinen beſſer gekleidet. Das Volk iſt in drei Kaſten oder Klaſſen geteilt. In die Merambas, Fürſten und angeſehene Perſonen,

die Kabiſus,

freie Bürger, und die Atas

oder Sklaven.

Wer die meiſten Sklaven beſitzt, hat die Macht in Händen, raubt und führt ſelbſt Menſchen

mit, wenn

ſie ihm nicht überlegen

ſind.

Von Bildung iſt auf Sumba keine Rede. Die Zahlen werden durch die Finger angedeutet, die geſchloſſene Fauſt bedeutet fünf. Eine Buchſtabenſchrift fand van Alphen auf der Inſel nicht vor; auch hat man nie von Inſchriften auf Gräbern gehört, aus welchen man auf eine Buchſtabenſchrift hätte ſchließen können. Einen eigentlichen Gottesdienſt kennen die Sumbaneſen nicht, ſie verehren

nur

zwei

unſichtbare

Geiſter,

den Ombu

awan,

Herr

der Luft, und dem Ombu tanah oder Herr der Erde; demſelben ſtehen eine große Anzahl Erdgeiſter zur Seite, denen fie bei manchen Gelegenheiten Opfer bringen. Dies gejhieht z. B.wenn jte in den Krieg ziehen, wenn fie pflanzen und ernten, wenn fie eine Reife antreten. Die Opfer beftehen aus Hühnern, Schweinen, erden und Büffeln. Wenn die Thiere gejchlachtet find, werden die Eingeweide der Hühner, die Leber der größeren Tiere unter— sucht, um durch gewiffe Zeichen zu erfahren, ob die Götter das Opfer annehmen. Bethäufer beftehen auf Sumba nicht, aber Altäre. Die Frau wird als Handelsartifel betrachtet und als solcher teuer bezahlt. Vor der Heirat führt fie ein ſehr freies veben. Wenn jemand geftorben ift, wird die Leiche in Zeug eingewidelt und in fisender Haltung an einen Pfahl gebunden, der vor dem Haufe des Berftorbenen in die Erde geftedt wird; die Leihen der Fürſten läßt man dort bis fie ganz verweſt find, Die von anderen Perfonen bleiben zwei bis drei Tage in diefem Zu— ftand umd werden dann in ein Grab verfenft, welches die Form eines Brummens hat und von oben mit einem ſchweren Stein geichloffen wird. Die Kleider des BVerftorbenen und fein Schmuck werden neben ihn auf das Grab gelegt. Während der Zeit, daß die Leihe an den Pfahl gebunden ift, kommen Freunde und Bekannte des Verftorbenen, um Gefchenfe zu bringen, die aus Zeug und allerlei Waren beftehen. Die Gräber Liegen mitten im Dorfe und werden durch die Bewohner forgfältig bewacht.

338

Notizen,

Die Spanier in Algerien. Die Bedeutung des ſpaniſchen Elementes in der Kolonial: bevölferung Algeriens wurde zwar ſchon vielfah won Kennern der dortigen Berhältniffe hervorgehoben (f. aud „Ausland“ 1883 S. 986). Indes erſcheint fie felten fo eingehend gewürdigt, als in einer Ende Dftober v. J. datierten, aus der Hauptftadt des Landes jelbft herrührenden Korrejpondenz der „Allg. Ztg.” Die hiefigen Spanier, heißt es in diefer, bilden ein höchſt wichtiges, man kann fagen ein unentbehrliches Element in ver Stolonialbevölferung. Den 235,000 Franzoſen, welche das Land bewohnen, ftehen 190,000 andere Europäer gegenüber, und von diefen find wolle 115,000 Spanier, alfo gegen 600/, aller Fremden. Eine Ausweifung derjelben diirfte demnach

ziemliche Schwierigkeiten

haben.

Aber ab-

gejehen hievon würde Algerien fi) der Hände berauben, ohne welche manche Arbeiten überhaupt nicht verrichtet werden könnten, SH erinnere an die Gewinnung des für das Yand fo wichtigen Halfagrafes, bei deffen Ausfuhr es fih um Millionen Francs handelt! Ohne ſpaniſche Arbeiter wäre dieſes Geſchäft nicht mög⸗ lich. Ebenſo wird der algeriſche Gemüſebau von Spaniern be— trieben, meiſtens von Leuten aus den Baleariſchen Inſeln, den ſogenannten Mahoneſen. Als Handlanger aller Art, Maurer, Fuhrleute, Kohlenbrenner

u, ſ. w. leiſten die Bewohner

der iberi—

ſchen Halbinſel nützliche Dienſte, in welchen ſie von anderen Europäern nicht leicht erſetzt werden könnten, um ſo weniger, als ſie dem Klima viel mehr Widerſtand zu leiſten vermögen als Nord- und Mitteleuropäer, welche für ſchwere Arbeiten an der Küſte und in den heißen Strichen des Innern ſchwerlich je ſich eignen werden. Dazu kommen ihre größere Genügſamkeit und die geringeren Löhne, welche ſie beanſpruchen. Freilich kann nicht geleugnet werden, daß die ſpaniſche Bevölkerung manche Schatten— ſeiten darbietet. Es fehlt nicht an ſchlechten Elementen, aber ſolche finden ſich auch bei den Franzoſen ſowohl als den Italienern, welch letztere nach den Spaniern unter den Fremden der Zahl nach den erften Rang einnehmen. Zugegeben muß werden, daß die Nachteile der fpanifchen Einwanderung mehr in die Augen jpringen, als die der anderen Europäer. Gefindel aller Art, Zagediebe, Näuber und Zigeuner wandern untermifcht mit den abgeriffenen, Hungernden, aber wirtſchaftlich brauchbaren Tag— löhnern Andaluſiens nach Oran ein, um dann das ganze Kolonial— gebiet zum Feld ihrer mehr oder weniger das Licht ſcheuenden Thätigkeit zumachen. Die öffentliche Sicherheit hat nicht wenig darunter zu leiden; ein großer Teil der Raubanfälle und Einbrüche iſt auf Rechnung der Spanier zu ſetzen, von welchen manche ſich als Araber verkleiden, damit auf dieſe der Verdacht falle. Trotz aller dieſer Schattenſeiten wiirde die franzöſiſche Regierung un— fing handeln, wollte fie der jpanischen Einwanderung Hinderniffe un den Weg legen. Natürlich ift fie berechtigt, eine Kontrole zu üben und die notoriſch ſchlechten Zudividuen nah Haufe zu des fördern. Eine andere Frage ift es, ob die franzöfifche Negierung wicht weife handeln wiirde, wenn fie alle ihr zu Gebote jtehenden Mittel anwenden wollte, um die Bildung einer eigenen hiſpano⸗ afrikaniſchen Nationalität zu verhindern, Obſchon es richtig iſt, daß die Kinder der eingewanderten Spanier ſich bisher ſchnell franzöſierten, ſo iſt esebenſo wahr, daß ſich hierin eine Veränder— ung bemerkbar macht. Durch die zunehmende Zahl der Ein— wandernden werden die anderen in ihrer Nationalität geſtärkt. Am meiften tritt dies in der Provinz Oran zu Tage; hört man doh in den Straßen der Stadt Dran mandmal mehr ſpaniſch als franzöfifch reden. ES erjcheinen dafelbft auch ſpaniſche Beitungen. Die Hauptftadt Algier hat jogar ein fpanijches Theater,

Ueber Funchal auf Madeira

und feine Bevölkerung

entnehmen wir einer längeren Schilderung eines ſachkundigen Gewährsmannes in der „Köln. Ztg.“ nachſtehende charakteriſtiſche

Züge: Wir hatten kaum den Fuß auf die Inſel geſetzt, als wir auch ſofort mit drei Eigentümlichkeiten Funchals bekannt wurden, die ſich uns ſpäter bei jedem weiteren Schritt und Tritt, täglich und ſtündlich in widerwärtigſter Weiſe bemerklich machten: Ich meine das fürchterliche Pflaſter, den ſchlimmen Geruch des Strandes und der Straßen und endlich die widerliche Bettelei der Einge— borenen. Keine Minute kann man ins Freie treten, ohne ange— bettelt zu werden; ſcharenweiſe folgt dem Reiſenden das ſchmutzige, ekelhaft kranke Geſindel, Jung und Alt umdrängt ihn in unver— ſchämteſter Weiſe, und „Da reisinho“, ſchenk ein Reislein, iſt das erſte und letzte Wort, das der Fremde auf Madeira hören wird. Schlimmer noch als die Menfchen jelbft find die Gerüche, die ihnen ihr Dafein verdanken; zumal der Meeresftrand oder die, Gegend

in der Nähe

ver Bäche,

dann

auch

alle die horizontal

Yanfenden Gaſſen der Stadt find vor Schmuß und üblen Gerüchen einfach nicht zu paffieren. Das Pflafter dev Stadt ift oft befchrieben worden und verdient auch bejondere Beachtung: dünne, flache, thalergroße Stücke Bafaltgeröll oder ebenſolche Steinfetzen find mit der ſcharfen Kante nach oben in die Erde eingeftampft, jodaß der Fuß jedesmal auf 5 bis 6 diefer fpiten, ftechenden Kanten ruht. Als wir unfere Blide über die am Strande verfammelte Menſchenmenge ſchweifen ließen, bot fi) wenig Erquidlices. Ein madeiriſcher Typus ift nicht findbar, Um dieſes edle Gejchlecht zu erzeugen, dazu haben feit vier Jahrhunderten Angehörige faft aller Nationen, Naffen und Farben ihr Scherflein beigetragen. Das Ergebnis ift auch danach. Unter den Männern der arbeitenden Klaffe Funchals, zumal den Schiffern und Trägern, fieht man immerhin, wenn auch jelten, gut gewachfene Menjchen mit ziemlich) anftändigem Kopf; die große Mehrzahl dagegen, zumal der Landbevölferung, ift ein unfchönes, ſchwaches und ungefundes Gejchlecht. Beinahe jedermann Huftet und die Sterblichkeit infolge von Luft— vöhrenleiden und Cholerine joll ungemein groß fein, Die jungen Leute aus den befferen Ständen erinnern an karikierte Brafilianer oder Zentralamerifaner. Auch die Frauen find ungraziöfe, Schlecht gekleidvete und unſchöne Weſen. Nur felten zeigen fie fi) auf der Straße, dann aber find fie aufgedonnert, gepudert und angeftrichen,

daß es eine wahre Funchal faum noch merkwürdige, Kleine, auslaufende Mütze

Luft ift. Bon Nationaltracht trifft man in eine Spur; der letzte Neft einer folden, die blaue, in einen rattenſchwanzähnlichen Zipfel iſt nur noch bei wenigen Alten zu finden.

Die Tracht der Männer

befteht jegt aus Hemd, Hofe und Fade,

leßtere häufig aus ftarfem, auf der Inſel jelbft angefertigtem Wollenftoff verfertigt, und einer wollenen Zipfelmüte. Die Frauen tragen weite,

jchlotternde Kattunröcke

und Faden,

dabei

bunte,

meiſt rote Kopftücher; die alten, jelbftgewebten, bunt geftveiften Röcke werden leider mehr und mehr durch europäiſche Einfuhr verdrängt. Kinder laufen nackt oder in ſchmutzige Yumpen ge— fleidet herum.

Notizen. Afrika. Dr. Nahtigal wurde vom auswärtigen Amte in Berlin beauftragt, in Begleitung Dr. Buchners eine politiſch-kommerzielle Refognoszierungsreife auf dem Aviſodampfer „Möve“ längs der Weſtküſte Afrikas

von Tunis nad 27. April eintreffen an Bord nehmen 675 Pferdefräften, Kapitän Hoffmann

zu unternehmen.

Dr, Nachtigal

ift am 17. April

Yiffabon abgeveift, mwojelbft Dr. Buchner am und das deutſche Kriegsfehiff die beiden Herren wird. Die „Möve“, mit 848 Tonnen und deren gegenmwärtiger Kommandant Korvettenift, hat eine Bemannung von 127 Köpfen und

Notizen, eine Armierung von 1 Mantelfanone und 4 (12 cm.) Ringfanonen. Der deutſche Handel an der Weſtküſte ift hauptſächlich durch Hamburg und Bremen vertreten; Hamburg befitt dort 14 Firmen (mit mehr als 60 Faktoreien) und Bremen 6. Zwei Dampfſchiffslinien mit monatlichen Fahrten unterhalten die Verbindung zwijchen Hamburg und diefem Zeil Afrikas, wohl der fchlagendite Beweis für die Bedeutung des deutſchen Handels in jenen Gegenden. Ueber das Schidjal des Afrifaforfhers Roth ſchreibt uns der apoftolifche Miſſionar Fr. Kaver Geyer aus Schellal bei Aſſuan: In der Angelegenheit des Herrn Roth fann ich Ihnen mitteilen, daß derjelbe im lebten Jahre fich in Schakka (Süd-Darfur) befand. Ueber das Loos dieſes vortrefflihen Mannes ift abjolut nichts Beftimmtes bekannt. Die An— gabe, von der ich auch in Katrener Journalen gelefen, daß Herr Roth in Gefangenschaft des Mahdi geftorben jet, jcheint ein Irr— tum zu fein, indem man Herrn Roth mit dem Inſpektor der Sflaverei in Nuba, Herrn Noverfi aus Bologna verwechſelte, der in Gefangenjhaft am 3. November 1885 in Kasghe, einige Meilen von EI Obeid, ftarb, wie wir beftimmt aus den Briefen unferer gefangenen Miffionare in El Obeid wiffen. ES begibt fi) in kurzem ein Araber nah El Obeid (über Dongola, denn die Route iiber Khartum ift total von Nebellen bejett), um Briefe mit unferen Miffionaren zu vermitteln; ich werde die Gelegenheit benüßen, um auch über Herrn Roth Nachricht zu erhalten und im Falle ich von irgendwelcher Seite eine glaubwirdige Notiz befomme, diejelbe ſofort Ihnen mitteilen, Eine niederländifhe Erpedition nah Afrika. Zum Teil mit Hilfe der Niederländijchen Geographiſchen Gefellihaft wird Herr D. Beth im Auguft eine Reife nah Siid- und Mittel-Afrifa unternehmen. Sein Plan ift, in Benguela, der zweiten Hafenftadt der Kolonie Angola, zu landen und die Bagage größtenteils nah Mofjamedes vorauszuſchicken. Auf dem von Serpa Pinto, Capello und Ivens eingejchlagenen Wege beabfichtigt Beth nad) Quillengues zu gehen um von dort aus iiber

das hohe Gebirge zwijchen Kunene und Kalunga das Gebiet der Tredburen zu erreichen; jodann will er die Bagage abholen und zu Humpata fein Hauptquartier aufjchlagen. Veth beabſichtigt dort bis zum Mai 1885 zu bleiben und den Kunene und das Yand weftlih von diefem Fluß zu umnterjuchen und aufzunehmen. Die übrig bleibende Zeit fol zum Einbringen geologiſcher, zonlogijcher, anthropologifcher und ethnologiiher Saminlungen dienen. Nach der Regenzeit wird Veth den in feinem mittleren Yauf noch ganz unbefannten Kubango möglichft nördlich zu erreichen fuchen, dann demfelben ftromabwärts folgen, um von da in movdöftlicher Nicht ung an den Kuando zur gelangen und demjelben bi$ zur feiner Mindung in ven Sambeſi zu folgen. Vermutlich wird Herr Beth noch von drei anderen Niederländern begleitet werden, Die Träger, die er nur bis Huila nötig zu haben hofft, wird er in Benguela aumerben müſſen; für den weiteren Verlauf der Neife hofft Beth Gebrauch von Ochjenwagen machen zu fünnen. Franzöſiſche Miffionare in Afrika. Wie ziemlich bekannt, kauften in Afrika englifche Miſſionare gelegentlich Negerkinder, um fie in die riftliche Gemeinde mit Leichtigkeit aufnehmen und um vor allem an die Zentralftelle im Heimatlande über ftetigen Zuwachs der Gläubigen in der Miffionsftation zufriedenftellende Berichte erftatten zu können. Die franzöftichen Mifftonare in Afrika fcheinen mu dieſes Gejhäft im großen zu betreiben, wie Wilfon und Pearſon als Augenzeugen kürzlich erzählten; gleich 50 Knaben auf einmal wurden 3. B. von den Arabern in Uganda nah Tabora in Uniamweſi verbracht und ſofort getauft, um, wie angedeutet wird, fie vorerft in der Sklaverei zu belaffen. Wenn diefe Art der Chriftianiftierung regelmäßig und ſyſtematiſch betrieben wird, jo muß natürlih die Sklavenjagd und der Sklavenhandel einen

339

erneuten Antrieb erhalten. Darf diefe Sache auch nicht gar zu tragiſch, ſondern vom nüchternen Gefichtspunft aus betrachtet werden, indem in Zentralafrika der Europäer ebenſo wie der eingeborene Häuptling faft einzig auf die Arbeitskräfte von Sklaven angewiefen tft, jo erhält fie doch eine eigentümliche Beleuchtung dich den jüngften Erlaß des franzöfifchen Marineminifteriums, wonach man fich entjchloffen hat, „der katholiſchen Miſſion einen hervorragenden Anteil an der Ausdehnung der Kolonien einzuräumen; die Jeſuiten könnten in diefem Sinne wichtige Dienfte leiften; fie bilden eine Macht, welche bisher vernadhläfftgt, jetzt aber ausgenüßt

werden

ſoll.“

Wäre

es

nicht möglich und

auf

diefe Weiſe erflärtich, daß in nicht jehr ferner Zeit ımerwartet da und dort franzöſiſche Kolonien mitten im Herzen von Afrifa auftauchteu? Die

merfantile

Stellung

der

Kapftadt

und Port

Elizabeths. Demfelben sKorrejpondenten der „Köln. Ztg.“, deſſen Schilderung des Volkslebens in der Kapftadt wir unſeren

Leſern jüngft vorlegten, entnehmen wir einen Vergleich über die merfantile Stellung der Kapftadt und Port Elizabeths: Ein Bergleih der Ein- und Ausfuhr der Städte Kapftadt und Port Elizabeth gibt uns fein richtiges Bild der verhältnismäßigen Bedeutung der beiden Handelspläße jelbit, weil beide die Emporien bedeutender Hinterländer find und die Ausfuhr von 60 Millionen Mark Diamanten jährlich zu ſehr zu gunften des Hafens wiegt, in dem die Steine nach London verjchifft werden. Kapſtadt genießt den Borteil, daß es Europa näher gelegen und überhaupt die alte Hauptjtadt der Kolonie ift; Port Elizabeth jcheint mir aber, danf dem Unternehmungsgeift der dortigen Kaufleute, bevufen zu jein, feine Nebenbuhlerin zu überflügeln und der bedeutendfte Handelsplat ganz Süd-Afrikas zu werden und fo lange zır bleiben, als die Kapfolonie jamt dem Oranje-Freiſtaat und Transvaal überhaupt noch von Süden her ihre Waaren beziehen, gen Süden ihre Brodufte

zur Berichiffung

nad Europa

wandern

laffen.

Port

Elizabeths Einfuhr von über 180 Mill. DE, die Ausfuhr von 70 Mill. (ohne die Diamanten) wurde im Jahre 1882 vermittelt durch 372 Dampfer und 179 Segeljchiffe. Die hauptjädhlichen Ausfuhrartifel find Wolle, Straußfedern, Mohair, Häute und Felle, Hörner, Kupfererz u. j. w. Elfenbein fommt nur noch wenig zur Bai, die wilden Elefanten find nach Norden verdrängt worden und die Zähne werden jett in Sanfibar verſchifft. Der intereffantefte Artifel find jedenfalls die Straußfedern. In den zwet fetten Jahren

wurden

im Port Elizabeth allein 169,651 Kgr.

Federn im Wert von über 31 Mill, ME. verkauft. Diejelben finden ebenfogut ihren Weg ins Publifum, wie die Diamanten für 60 Mill. ME. Ueber die ägyptiihe Profan- und Tempelkunſt. Bei der legten Windelmann-Feier am 9. Dezember 1885 zu Bonn ipra Dr. Wiedemann über Winfelmanns Urteil iiber die ägypti— ihe Kunft.

Er führte aus, wie die neugefundenen

und tt veicher

Menge die Mufeen füllenden Denkmäler der ägyptiſchen Tempel funft deffen Anſicht, daß die ägyptiſche Kunſt in ihrer Entwicklung jtehen geblieben ſei, vollfommen.beftätigten,

daß dieſe Monumente

einen feften Kanon der Proportionen zeigten, daß ihnen alle Lebens— wahrheit fehle. Aber wie man einen Unterſchied machen müſſe zwijchen den Aegyptern der Gräber- und Tempelwelt, welche als fteife, ftetS an den Tod und das Jenſeits denfende Männer uns entgegenträten, und denen des wirklichen Yebens, deren Grundſatz ein frohes Genießen geweſen jei, jo unterjcheide ſich auch die Tempelfunft

von

der des biirgerlichen Lebens,

von

der Profan—

kunſt. Letztere, von der uns nur wenige Ueberreſte in Statuen, beſonders des ſogenannten alten Reiches, in Reliefs und auf Papyris erhalten geblieben ſeien, zeigte wirkliche künſtleriſche Reg— ungen. Ihre Ueberbleibſel bewieſen, daß die Aegypter richtig ſehen und zeichnen konnten, es aber in den Darſtellungen dev

340

Litteratur. —

Gräber und Tempel unter dem Drude einer in ftrengem Schemas tismus

verfnöcherten

Winckelmanns fannte

und

Hierarchie

Urteil

kennen

jett zugänglich

fir

die

konnte,

nicht

durften.

Tempelkunſt,

die

als volllommen

werdende Profankunſt

So

erweife

einzige,

richtig,

fi

Die

er

fir die uns

dagegen müſſe es geändert

werden.

Sitteratur. The Resources of Queensland, by James Bonwick. London, SW. Silver und Komp., 123 ©. Wir haben dies Heine Wert mit Intereſſe gelefen, es ift voll gefunden Urteils. Es macht uns mit den natürlichen Hilfsquellen von Queensland bekannt und behandelt

den

Acerbau,

die Viehzucht,

die Mineralien

(Gold,

Kupfer, Zinn, Kohle) und die Nutzhölzer. Das Kapitel iiber die Buderplantagen z0g uns bejonders an. Eine gute Karte von Queensland

ift beigegeben.

Mir. Bonwick

ift auch Berfafier einer

Geographie von Auftralten, History of Australia from, 1787

to 1882,

by James

Melbourne, Mafon, Firth und Me. Eutcheon, ©. 320. ein Publizift von Man

hat

über 42 Fahre

in Auftralien

hätte daher wohl ein felbftändiges Werk

fönnen, Er

Auf,

während was er

nennt

ſich deshalb

bietet

Allan,

Mr. Allan, gelebt.

von ihm erwarten

meift nur eine Kompilation ift.

auch nur

mehr

einen Kompiler

als einen

Writer. Immerhin empfiehlt fi) das Werf als eine gedrängte Ueberſicht der Gejchichte der auftraliihen Kolonien mit Einſchluß von Tasmanien und Veu- Seeland. Karten und überfichtliche Tabellen fehlen. Gr. Die Mythen, Sagen und Yegenden der Jamaiten (Yıtauer). Gefammelt und herausgegeben von Dr. Edmund Veckenſtedt, DOberlehrer am Nikolai-Gymnaſium zu Yiban. Heidelberg, Karl Winters Univerfitätsbuchhandlung. 1883. Eine ethnographiiche Studie eigener Art, in welcher alle Ueberliefer— ungen geſammelt find, die auf die Götter- und Dämonenwelt der Zamaiten Bezug haben. Es entrollt ſich vor uns ein veiches Phantafieleben, ein Zeugnis fiir die urwüchſige, geftaltende Kraft des Bolfsgeiftes,

welcher fih nicht jowohl der Spuren

heidnifchen

Glaubens,

riftlichen

Lehre

Ihaffen,

denen

E. Veckenſtedt

ungen

fondern

bemächtigt,

vielfach

auch um

einer

hat ſich bemüht,

zuerkannt

werden

ein eimpiertelblütiger Yakbaſtardbulle

14 Donate

wie bei Paarung

mit

erwiejen, da jelbft noch

ſich völlig unfruchtbar zeigte,

alten Baftardes

desfelben Muttertieres,

bei welchem

ein Gayalbulle verwendet wurde, Durh das Bullenfalb wird obige noch offene Frage bald ihre Entjcheidung finden. Hamburg. B. Yangfavel.

Anzeigen. Verlag von Ferdinaud Enfe in Stuttgart. Sp eben ijt erſchienen:

Die

Geſchichte der Familie. Suliuns 8. geh.

JSippert. Preis M. 6.—

ſprachliche

Erläuter-

(mit wißlenfAjaftlidjer Beilage und Handelszeitung)

tiefer zu erſchließen,

als dies

Momente

ihnen

neue

Gehalt

kurze

ſelbſt vermag

aus

der

Gebilde

zu

und dadurch

ihm für die Mühen

während

muß.



früher in Augsburg eridienen —

it in Deutſchland und Defterreih durch die Poftanftalten für 9 Mark vierteljährlih (6 M. für die 2 lebten Monate, 3 M. für den letzten Monat des Quartals) zu beziehen. Preis bei directer Verfendung unter Streifband monatlich 4 Mark (M. 5. 60 für die anderen Länder des Weltpoftvereing).

Qunttalpreis bei wörjentl.DerfendungimWeltpoftverein 31.12, Probenummern Leitartikel,

Korreſpondenz. Zur Haustierkunde. Aus dem berühmten Haustiergarten des landwirtjchaftlihen Inſtituts der Univerfität Halle Eonnte das „Ausland“

im Haustiergarten,

jo war damit die fpezifiiche Berfchiedenheit von Yak und europätihem Hausrind zweifellos fiher feftgeftellt. Welches Verhältnis befteht aber zwischen dem Yak und dem Zebu, dem afiatijch-afrifanıtjhen Hausrinde, das nach dev Vermutung Sanſons, eines der ausge— zeichnetften Forſcher Franfreihs, als Unterart der gemeinfamen Grundform variterend jo weit vorgejchritten fein könnte, daß bei der Paarung mit dem ak fich vielleicht ein abmeichendes Ver— halten zeigen wiirde? Um hierüber Klarheit zu gewinnen, paarte Profeffor Kühn eine rot und weiß gefledte Kuh der Ianghörnigen, afrifanifhen Zeburaſſe (Sanga) mit einem weißen Yakbullen. Nach einer Tragezeit von 261 Tagen, die genau dem Mittel von 17 Geburten bei Paarungen von HYak mit dem europäifchen Hausvinde entjpriht, gebar die Kuh am 28. Februar ein Bullenfalb, das 17,5 Kg. oder zirfa U23 vom Lebendgewicht der Mutter wog. Das auffallende Vorwiegen des Einfluffes des Hakblutes auf Die Körperbildung und insbeſondere auf die Kopfform des Kalbes bildet einen interefjanten Gegenjat zu der Beichaffenheit eines

alte

der Sammlung, Sichtung und Gruppierung des überreichen Sagen— materials

Yakbaftarden

weiblihen Tieren einer der Stammarten

Die Allgemeine Zeitung

durch

erhöht, welches

weiblichen

mangelt.

in einzelnen Fällen die Ueberlieferung das große Verdienſt

Nak und europätfchen Hausrinde vermutet. Da aber die männ— lichen Baftarde fih als völlig fteril jowohl bei Paarungen mit

nicht

einzelner aus

poetiſcher

das Weſen dieſer Geſtalten

des

Korrefpondenz.

1883 ©. 319 über den Baftard

vom Gayalbullen

und

einer Kuh der langhörnigen afrifanifchen Zeburaſſe berichten. Eine neue Mitteilung des Geheimvats Profeffor Dr. Julius Kühn von 2. März d. 3. referiert über die Geburt eines Yaf-SangaBaftardes. 9. v. Nathuſus-Hundisburg hatte in feinen Vor» trägen über Viehzucht und Raſſenkenntnis die Artidentität vom

nebft neueſtem Quartal-Regiſter gratis.

wiſſenſchaftliche und handelspolitiihe fäße rc. 2c. in Wr. 106 bis 111.

Auf:

Aufgaben und Arbeiten des deutſchen Rothen Kreuzes und die bevorftehende internationale Gonferenz in Genf. (II) — Der Staatsrath in Preußen, (I/U.) — Organiſcher Ausſchuß für ein Reihs-Sprachengeje in Oeſterreich. — Das gewerbliche Bildungswejen in der Schweiz. — Leon Say iiber den Staatejocialismus. (1) 3 N. v. Summer. (Mekrolog) — Bon verjchollenen Tiroler-VBergwerfen. Von A. Schlojjar. — Overbeds Pompeji in neuer Bearbeitung. Von P. Knapp. — Das Neid der Zaren. (Schluß) — Die vorlegte Dogin von Venedig. — Spanijche Gäjte auf deutjchen Bühnen. (1.) — Die Geißel der Chriftenheit. — Der Aufjhwung Griechenlands unter Wittelsbachiſcher Herrſchaft. Von Dr. 9. Sepp. Ein franzöſiſcher Satiriter. — Die „Monumenta Germaniae paedagogica.“ Bon Prof. Dr. A. Horawit. — Wiener Briefe. (CLXXIV.) Zur landwirtbjaftlichen Frage. (III) — Das Valjugana-Bahn-Project. Deutſcher

Erportverein.



Verſicherungsweſen.

Aufträge für Streifbandfendungen

Drud und Berlag der J. ©. Cott a'ſchen Buchhandlung

an die

Grpedition in München.

in München und Stuttgart.

Das Jusland. Wochenſchrift für Länder und Völkerkunde, unter Mitwirfung von Profefjor Dr. Friedrich Nagel und anderen Fachmännern herausgegeben von der

3. ©. Cotta'ſchen Budhandlung in Stuttgart und Münden. Siebenundfünfzigiter Jahrgang.

Wr. 18.

Münden, 5. Mat.

Jährlich 52 Nummern

A 20 Seiten in Quart.

Preis pro Quartal M. 7. —

Zu beziehen dur

alle Buchhandlungen

des In- und Auslandes

ämter. — Rezenſions-Exemplare von Werken der einjchlägigen Litteratur find direft an Heren Profefjor Dr. Friedrich Natel in Münden, jenden. —

AInferationspreis

und die Poſt—

Akademieſtraße Nr. 5, zu

20 Pf. für die gejpaltene Zeile in Petit.

Inhalt: 1. Aus den Tagebüchern eines deutschen Bolarfahrers. S. 341. — 2. Sir Charles Lyells Leben. Bon Dr. Albrecht ©. 348. — 4. Ruſſiſche Kofafenheere. ©. 351. Pend, Privatdozent in München. II. ©. 344. — 3. Das jähftsche Grannlitgebirge. 17. bis 19. April 1884. II. ©. 354. — 6. Kleinere Mitteilungen: S. 359. — 5. Der vierte Deutſche Geographentag zu München. Aus den legten Nakhrichten von Dr. Bogge. A. ©. Nathorſts Studien iiber die Flora Spitbergens. — 7. Notizen: ©. 359. Polarregionen. Afrifa. — 8. Korrefpondenz: S. 360. Die Fleinften Städte Europas. Von Dr. Baumann.

Aus den Tagebüchern eines deutſchen Polarfahrers. Ein deutfcher Bootsmann, welcher an den Entdedungsfahrten des „Nodgers” teilnahm und den Untergang diejes Schiffes an der Tſchuktſchenküſte miterlebte, überließ uns

feine Tagebücher zur Benübung.

Wir haben aus denfelben

die geographijch beveutfamen Stellen ausgewählt und legen im nachſtehenden die Mitteilungen unjeres Yandsmannes

über Heraldinfel, Wrangellinjel und die Fahrten des „Rodgers“ zwifchen beiden vor. Er fchreibt hierüber: Am Nachmittag des 24. Auguft 1881 fam „Nodgers” an die Herald-Inſel. Es wurde jofort ein Boot bemannt, um um die Inſel herum zu fegeln und Nachrichten von ung dort unter einem Steinbaufen zu vergraben, vor allen Dingen aber auf etwaige Zeichen von der „Jeannette“ zu achten. Das Boot fam am Abend zurüd, ohne jedoch etwas von der „Seannette” erfahren zu haben. Herald Island, eine unbedeutendes Eiland, iſt ſehr jteil und felfig. Die Yand-

ung ſcheint nur in den fleinen Küftenfchluchten ermöglicht zu fein. Außer wenigen Eleinen Blümchen und jpärlichem Gras ijt feine Vegetation vorhanden. Wir

fteuerten

nun

gegen

Wrangell- Land

und

famen am 25. Auguft um 1 Uhr nachmittags wieder ins Eis.

ES mußte fehr vorfichtig gefahren werden, da zivar Ausland

1884, Nr. 18.

etwas offenes Waſſer zwischen dem Eis war, mitunter diefes aber auch bei Seite gefchoben oder auch wieder zurüdgedampft werden mußte, um günjtigere Paſſagen zu juhen. Wir famen aber doch ſchließlich um 10 Uhr abends in verhältnismäßig eisfreiem Waſſer ganz in der Näbe des Landes zu Anker. E3 wurde jofort ein Boot ans Yand geſchickt, um die amerikanische Flagge aufzuhiſſen, welches auch ſehr bald gethban war in dem feiten Glauben, dab wir das erite Schiff ſeien, welches jemals dort gelandet war. Am Morgen de3 26. Auguft wurde ein Boot abge: ichieft, um fich nach einem Hafen umzufehen, da es nicht vatfam ſchien, das Schiff im Eis liegen zu lafjen. Gegen Mittag kam das Boot zurüd und hatte einen Hafen zirka 5 e MI. weitlich gefunden, welcher vollftändig verichloffen war und nur eine enge Einfahrt im Südoften hatte. Wir (ichteten jofort die Anker und dampften in den Hafen, wo— jelbft guter Anfergrund und tiefes Waſſer war; bet Ebbe fanden fich nämlich noch 3, auf einigen Gtellen jogar 4 Faden Wafler. Des Nachmittags wurden ſodann drei Erpeditionen ausgerüftet, zwei Boot und eine Yanderpe-

dition und zwar wurden die Boote für 16 Tage, die Zanderpedition für acht Tage ausgerüftet. Am Nachmittage des 27. August waren die Expeditionen bereit und verließen um drei Uhr das Schiff. Ein Boot ging füdlich, das andere nördlich. Der Zweck der Expe: 52

Aus den Tagebüchern eines deutſchen Polarfahrers.

342

ditionen war, nad) Zeichen der „Jeannette“ zu juchen, womöglich einen bejjeven Hafen zu finden und, wenn Rrangell-Land eine Inſel wäre, diefe wenn möglich zu umjegeln. Die Ueberlanderpebition Fam in jechs, bezw. fieben Tagen zurüd, die füdliche Expedition in 17 Tagen und die nördlide in neun Tagen. Die Ueberland— erpebition war ungefähr bis zur Mitte der Inſel ge: fommen und fonnte von einem bohen Berge aus Diele Die höchjte Erhöhung erreicht faft ganz überfhauen. 3500 e. F. Die füdliche Expedition fam bis zum Nordweſt— fap der Inſel, fand aber nichts bejonderes. Die nördliche Expedition hatte Unglüf. Wir verließen nämlich das Schiff mit den anderen Expeditionen und jegelten mit günftigem Winde ungefähr 15 e. ML, woſelbſt wir hielten, um zu übernachten und eine Flagge aufzuhiffen. Es fand fich jehr viel Treibholz, jo daß es an Feuer nicht fehlte. Auch wurde ein großer Wafjer: vogel geſchoſſen. Zu Mitternacht betrug die Temperatur 230 Fahr. Am 28. Auguft morgens 7 Uhr machten wir uns wieder auf den Weg. Als wir ungefähr 10 MI. gefegelt waren, famen wir zu flachem Land. Hier fand jich auch eine Bucht. Wir gingen näher, um diefe Bucht genauer zu unterfuchen, fanden aber nur zwei Faden Wafjer; in der Mitte der Bucht war eine fleine Inſel, welche wir Sceleton land nannten, weil auf derjelben unzählige Stelette von Walroſſen waren.

Hierauf gingen wir mit dem Boot etwas

der Küfte entlang und bemerften zwei aufrecht jtehende Stüde Holz, um welche große Haufen Steine gepadt waren. Die Steine wurden befeitigt, um zu jehen, ob vielleicht etivas Darunter vergraben ſei; man fand jedoch nichts. Als wir uns weiter umfahen, bemerften wir ganz frische Sußfpuren. Wir folgten denſelben und kamen ſchließlich auf eine Anhöhe, auf der an einem Pfahl die amertfantjche Slagge aufgehißt war und fanden aus Bapieren, welche

fih in einer Heinen Blechbüchle befanden, daß der Zoll freuzer „Ih. Corwin“ bier geweſen jet und zwar jchon 14 Tage vor uns. Eine Zeitung („New-York Herald“) war ebenfalls in der Blechbüchje mit folgendem Schreiben: „Ber dieſes findet, wird gebeten, die Zeitung an „New- York Herald” zu ſchicken. „Corwin“ landete am 11. Auguft 1881 an der Nordoſtküſte von Herald Island; am 12. Auguft bier; am Bord alles wohl; ein Faß voll Broviant iſt ver: graben am zweiten Kliff nördlich von bier. Hooper, Kapitän.“ Wir nahmen die Zeitung und das Schreiben heraus und ließen unferen Bericht zurück. Dann gingen wir wieder ins Boot und jegelten weiter. Um 5 Uhr nachmittags trafen wir

ſchweres

Badeis am Nordoſtkap und fteuerten dann NND der

Küſte entlang, jo gut es ging, da die Strömung gegen ung und es zuletzt jehr jchivierig war, vorwärts zu kommen. Ber: ihiedene Male mußten wir das Boot aufs Eis ziehen, dann 10 bis 20 m. übers Eis wieder ins Waffer fchleppen. Gegen 61 Uhr ſahen wir einen großen Eisbären auf dem Lande. Da nun etwas offenes Waffer nahe am Strande war, fo banden wir eine Leine ans Boot. Vier

Mann mußten dasjelbe dann ziehen und wir machten auf diefe Weiſe noch ganz guten Fortſchritt, bis es ſchließlich dunkel und das Eis zu dick wurde Wir fchlugen hierauf unfer Nachtlager auf und gedachten am nächjten Morgen weiter zu fahren. Xeider gelang uns diefes nicht, denn

am nächiten Morgen war das Eis ganz dicht an die Küjte gepadt, jo daß fein offenes Waſſer zu jehen war. Unjer Dffizier und Arzt gingen dann der Küjte entlang, um zu jeben, wie das Eis weiter fer, beabjichtigten aber gegen 12 Uhr wieder zurüdzufommen. Schon um 10 Uhr trieb ein großer Teil des Eifes mit der Strömung fort, jo daß mafjenbaft offenes Waſſer vorhanden war, um das Boot bindurchzuarbeiten. Da wir aber nicht genau mußten, nad) welcher Nichtung die beiden gegangen waren, jo fonnten mir es nicht wagen, abzufahren, ſondern mußten die gute ©elegenheit unbenüßt lafjen. Den ganzen Tag hatten wir Schon nach den beiden gefucht und beabfichtigten am Abend ein großes Feuer anzuzüden, falls fie noch nicht zurüd feien. Wir fanden jte aber Schlieglich zirka 4 MI. vom Boot vollſtändig matt, Jo daß mir fie verfchtedene Male tragen mußten. Das Eis fam in der Nacht wieder zurüd und am nächlten Morgen war e8 jo dicht gepadt, wie vorher. Wir ‚machten uns aber doch bereit, um beim Wechjel der Strömung fertig zu fein. Gegen 9 Uhr brach das Eis an verjchiedenen Stellen und ging langjam ſüdlich. Wir arbeiteten uns dann in verhältnismäßig offenem Wafjer durch, bis wir nach ungefähr dreiftündigem ſchwerem Rudern an ein hohes Klıff famen, woſelbſt die Strömung ſehr ſtark var, fo daß wir faum vorwärts fommen fonnten. Der

EU ee de Ze n

Wind ging nad Norden und in furzer Zeit famen ganz ungeheure Eismaſſen an die Hüfte, jo daß es fortwährend jcehwieriger für ung wurde, weiter zu fahren. Endlich famen wir auch um das Klıff herum, wo fich in einer kleinen Bucht faſt gar fein Eis befand. Wir liefen in diefelbe ein, landeten jofort, ſchoſſen zirfa 60 Schnepfen und jegelten gleich darauf weiter. Da aber der nördliche Wind immer ftärfer wurde, jo fam auch das Eis jchneller an die Küfte und mir hatten jehr viele Mühe durchzu— fommen; verjchiedene Male mußte das Boot wieder aufs Eis gezogen und über dasjelbe in offenes Waſſer ge— Ihleppt werden, bis jchlieglich vor uns und nach See zu gar fein offenes Waffer mehr zu ſehen war. Wir beichloffen nun, unjer Boot fofort ans Land zu bringen, da an eine Weiterreife gar nicht mehr zu denken war; mir arbeiteten unfer Boot dann fo gut es ging über das Eis und etwas Waffer ans Land, woſelbſt wir ungefähr um 6 Uhr an: famen. Das Land ift an dieſer Strede der Nordweſtſeite im allgemeinen auf zirfa 10 MI. fehr flach. Dann ſteigt eine

Hebirgskette auf, verläuft.

welche von Nord

bis Süd-Süd-Weſt

Das Gebirge ift vollftändig öde; in den Thälern

wuchs ſehr ſpärlich Gras und einige gelbe Blümchen. Da aud am nächſten Tage, 31. August, Teine Veränderung

tn eh e e Z e e e e

d ZI u

348

Aus den Tagebüchern eines deutſchen Bolarfahrers.

im Eis eingetreten und weiter nichts zu tbun mar, fo bejchloffen mir, mit 3 Berfonen etwas nach dem Weften zu gehen, um zu jehen, wie das Land und Eis dort ſei, erhielten aber Befehl, gegen Mittag wieder zurüd zu fein, da em Wechſel der Witterung erivartet wurde, Wir

gingen aljo weſtlich bis zu einer zirka 7 MI. weit entfernten offenen Bucht. Die nördliche Seite derfelben wurde durch eine zirka 30 MI. lange niedrige Bank aus

Sand und Kieſel gebildet.

Hier war das Eis dicht ge-

padt, während an der anderen Seite offenes Waſſer ich befand. Die Bucht war zirka 30 MI. lang und 2 MI. breit, und fonnte man deutlich jehen, wie das Land nad)

SW lief.

|

ALS wir zum Boote zurüdfamen, fanden wir, daß mit dem nördlichen Winde das Eis gar nicht mwechlelte; de8 Nachmittags hatten wir leichten Schnee. Da auch am folgenden Tage, 1. September, die Eisverhältniffe Feine befjeren waren, beabfichtigten wir wieder nach Weiten zu gehen und zwar mit Kompaß und Telestop. Sch hätte gern unferen Offizier mitgenommen, er gab jedoch vor, er müfje bleiben, um, falls die Sonne heraus fäme, Beobachtungen machen zu fünnen. Diefesmal gingen wir

bi3 zirka 14 MI. vom Boot weſtlich. Um 2 Uhr nachmittags fanden

mir den großen Hauer

eines Mammuths.

Zwei

Mann blieben zurüd, um mit ihren Meffern den Hauer auszugraben, was jedoch nicht gelang. Sch ging noch auf eine Fleine Anhöhe, welche fpäter nach mir Bruchpoint genannt wurde, um die genaue Yage des Landes feitzuitellen; ich jah denn auch, daß zirka 6 MI. von uns das Yand jchon nah SW lief. Die ganze Küfte war vollſtändig mit Treibholz beſäet. Da aud am folgenden Tage, 2. September, noch feine Veränderung eingetreten war, jo jchlug unfer Offizier vor, das Boot zurückzulaſſen und die Reife zum Schiffe über Land zu machen, da doch, wie er glaubte, feine Oelegenheit ſei, das Boot zu befreien. Wir, 3 Mann, fchlugen ihm dann vor, zu Juß nach dem

Südweſten bin zu reifen; dazu wollte er feine Erlaubnis nicht erteilen und bejtand darauf, daß die Neife nad) dem Schiffe ſobald als möglich angetreten werden follte. Wir machten darauf alles zur Neife fertig; es ſchneite den ganzen Tag. Unfer Boot brachten wir hoch auf den

Strand, drehten es Kiel nad) oben und legten das ganze Bootsinventar darunter ; dann gruben wir den Bootsmaft

ein, jo daß ex ſenkrecht ftand und nagelten ein ſchwarzes Stück Tuch als Flagge daran. Hierauf wurde das Reſultat und die Abfichten der Expedition in einer Flaſche an den Bootsmaft gebunden, jo daß, wenn ung vielleicht etwas zuftoßen und der Blab gefunden würde, doch menigjtens zu ſehen wäre, wohin wir ung getvendet hätten.

Wir machten dann noch für einige Tage Proviant für uns zurecht und warteten auf einen Wechſel der Witterung,

Am 3. September morgens 3 Uhr machten wir ung reife: fertig; alles, was wir nicht mitnehmen fonnten, wurde in das Zelt gelegt. Dann wurde dasſelbe herabgelaffen und

mit Sand verdedt, nur einen Sad mit Salzſchweinefleiſch liegen wir für die Bären am Strande liegen. Um 5 Uhr waren toir mit allen Borbereitungen fertig,

verließen unter Nebel und leichtem Schneefall die Küſte und gingen in ſüdöſtlicher Nichtung landeinwärts. Wir fanden den March fehr ſchwierig, da der Schnee meiftens jofort ſchmolz und da man nicht jeben fonnte, wo Berg oder Thal war. Ungefähr alle 10 Minuten mußte der Kompaß niedergefeßt werden, um die genaue Richtung bei— zubehalten, bis jchlieglich gegen Mittag der Schnee in leichten Negen überging und ſich das Wetter zum größten Zeil aufflärte. Die Reife ging dann beveutend beſſer. Des Nachmittags um 4 Uhr famen wir nach Sceleton Bat in

in der Nähe der Corwin’schen Flagge, machten dort Halt und bereiteten etwas zu ejjen, da wir ſchon alle ziemlich müde waren. Nach beendigter Mahlzeit marjchierten wir weiter und gedachten noch am felben Tage nad) unjerem eriten Halteplage zu fommen. Wir trafen aber nichts als Berge und das Gehen wurde fehr jchivierig, da dieſe jebr teil und die Schluchten voll Schnee und Wafjer waren. Schon ſeit 2 bis 3 Stunden waren der Doktor und der Offizier bedeutend zurüdgeblieben, jo daß wir fort: während warten mußten, bis jchlieglich gegen 11 Ubr abends der Doktor liegen blieb, und zwar am Abhange eines teilen Berges. Da er zum Weitergeben nicht mehr zu bewegen war, fo mußten alle bier bleiben und zwar

jehr gegen

ihren

Willen.

Wir

verbrachten

auf Diele

Weiſe im Negen und auf jceharfem Schiefer liegend die furze Nacht. Um 3 Uhr machten wir uns wieder zitternd vor Näſſe und Kälte auf die Neife, erreichten um 6 Ubr unfere erſte Halteftelle, bereiteten eine Mahlzeit und machten uns nach 2 ftündiger Ruhe wieder auf den Weg. Unfer Offizier jchlug vor, unfer Gepäd abzuwerfen; fir fonnten uns aber nicht dazu entjchliegen. Da wir doch ihon jo weit gefommen waren, fanden mir es nicht für notwendig, dasſelbe zurüdzulajjen. Nachdem wir nod) zirka 2 Stunden zufammen gegangen waren, blieben vier

der Leute zurüd, und da mir mußten, daß fie doch das Schiff erreichen würden, wenn auch etwas fpäter, jo ihritten wir aus und ſahen auch jehr bald von einer fleinen Anhöhe das Schiff. Zirka 5 Ml. vom Schiffe ſahen wir einige unferer Leute, welche dort 2 Bären abzogen, die Tags vorher gejchoffen waren. Die Leute gingen den zurücdgebliebenen Berfonen entgegen, fanden auch den Doktor und Dffizier, welche aber ſchon alles Gepäd abgetvorfen hatten und fait erfchöpft waren. Gegen 6 Ubr abends famen wir wieder an Bord und konnten das Schiffsleben wieder genießen, welches zwar nicht viel wert, aber doch einer Booterpedition im Eis vorzuziehen ift. Am 11. September gingen wir nachmittags ans Yand und errichteten ein 20 5. hohes Kreuz, unter welchem wir den Neifebericht des „Rodgers“ und die Abjichten desjelben vergruben. Gegen Abend fam das füdlich geweſene Boot

wieder zurüd,

Es war bis zirfa 50 MI. von dem zurüd: *

>44

Sir Charles Lyells Leben.

eo

gelaffenen Boote vorgedrungen, mußte aber dann des ſchweren Eifes wegen umfehren; ein Bär war während der Neife erlegt worden, Füchſe wurden ſehr viele gejeben, auch verfchiedene Hauer von Mammuth. Die Ueberland: erpedition brachte 2 Hauer und. eine Fleine Ratte mit. Renntiere oder jonftiges Wild wurde nicht angetroffen. Am 12. September wurde wieder alles feefertig gemacht. Am 13. September gingen wir wieder nach 18tägigem Aufenthalt in Nodgers Harbour nad) See, und zwar die Küfte hinauf, um womöglich das zurüdgelafjene Boot zu holen. Nachmittags 5 Ubr famen wir in die Nähe des Landes, blieben aber bald im Eis ftecfen und hatten Mühe, wieder herauszufommen. Es wurde nochmals ein Ver: ſuch gemacht, vorzudringen, aber vergebens, und jo mußte Ichlieglich von dem Vorhaben Abſtand genommen erden. Wir fteuerten dann abermals Herald Island zu und trafen am Morgen des folgenden Tages 2 Walfıischfänger, mit welchen mir unfere erjten Nachrichten ſchickten. Bon den Schiffern erfuhren wir auch, daß der „Corwin“ Tſchuktſchen an der Nordfüfte Sibiriens getioffen hätte, welche 2 Wrade, mwahrjcheinlih den Schiffen „Vigilant“ und „Mount Wollafton” gehörig, gejehen hätten; jedoch fonnte man auf das Gerücht fein Gewicht legen. Wir jteuerten jodann Herald Island zu, woſelbſt wir wieder einige Stunden verbrachten, um die zurüdgelafjenen Nach: richten des „Corwin“ zu fuchen, mußten aber wieder ohne diefelben abgeben. Bon hier aus wollten wir nach Norden gehen, da man vermutete, daß dort noch Land ſei. Es wurde aud) in früheren Jahren fchon von Kapitänen der Walfiſch— fänger berichtet, daß fie Land im Norden gefehen hätten, einige wollten jogar bis 730 N. an der Küfte von WrangellLand entlang gefegelt fein. Wir fteuerten direft nah Nord und famen um Mitternacht an ſchweres Padeis. Da e8 etwas neblig war, jo blieben wir hier bis 3 Uhr nächſten Morgen liegen. Hierauf dampften wir an der äußeren Kante des Eifes entlang, kamen aber fchlieglich ins Eis und konnten hier wenig Fortjchritt machen. Nach 2 Uhr

ungebrochene Eisfläche, zirka 30 3. did. Wir arbeiteten ung aber noch weiter durch 2 bis 3 Zoll frifches Eis, welches ſich ſchon in den Spalten ziwifchen dem ſchweren Eiſe gebildet hatte, bis endlich am 17. September um 5 Uhr nach—

mittags vollitändiger Stilljtand eintrat, und mir weder vorwärts noch rückwärts fommen fonnten.

fing an zu ſchwingen und zwar ſchwang das Eis jo, daß um 3 Uhr morgens des 18. September eine offene Paſſage nach dem SD war; dann wurde den Kanal herunter ge: dampft, bis nach ungefähr 2 Stunden das Eis bedeutend dünner wurde. Um 9 Uhr waren wir wieder volljtändig aus dem Eis, und da man jeßt, foweit man nur jehen konnte, nad Norden fein Ei3 wahrnahm, jo wurde wieder nad Norden gefteuert. Um 1 Uhr traf man wieder Eis

und wir liefen an deſſen Außenfante entlang bis abends 8 Uhr, dann

NN,

Arbeit wurde ftündlich beforgt, nämlich Loten. Wir fanden, daß je böber nah Nord wir famen, deito tiefer das

Waſſer war.

In der Umgegend von Wrangell-Land und

Herald Island hatte man durdhfchnittlich 20 Fd.; das Meer wurde allmählich tiefer und am 19. September hatten wir 84 50. Waller. Am Abend des 14. Septembers um 8 Uhr mußten wir halten, da das Eis zu ſchwer und das Wetter zu neblig wurde. Um 3 Uhr morgens fteuerten wir wieder nach Nord und trafen um 11 Uhr

das ſchwerſte Eis, welches wir bis jebt gejehen hatten. Soweit das Auge fehen fonnte,

ſah man nichts als eine

jteuerten

Hierauf

fir

Eis und drehten daher um, da es nicht ratſam ſchien, noch fo ſpät in der Jahreszeit weiter nördlich oder über haupt ins Eis zu geben, da es ſchon fortiwährend fror; die Temperatur der Luft betrug an diefem Tage 230 F., jene des Waſſers 210 8. So dampften wir denn ſüdlich, da mir beabjichtigten, eine angegebene Strömung zwischen Wrangell-Yand und Herald Island feitzuitellen. Am Morgen des 21. Sep: tember wurde es wieder nebelig, jodaß langjam gefahren werden mußte. Nachmittags famen wir in 15 Fb. Waller und ließen Anker gehen. Wir lagen hier bis 5 Uhr nad): mittags und fanden wenig oder gar feine Stömung nad) Norden, jedenfalls hielt aber der zur Zeit herrſchende leichte Nordwind die Strömung zurüd. Dann ging «8 wieder füdlih und am 22. September morgens 7 Uhr war die Nordoftfüfte von Wrangell-Land in Sicht.

(Schluß folgt.)

Sir Charles Iyells Jeben.“ Bon Dr. Albrecht Penck, Privatdozent in München.

Stunden wieder in freiem Waſſer. An diefem Tage wurde Proviant und Munition an Ded gebracht und zwar erhielt jedes Boot eine bejtimmte Quantität, jo daß im Falle

Noch einige wichtige

gehalten.

wurde

trafen aber um 91, Uhr wieder jehr ſchweres

nachmittags jteuerten wir öftlih und waren in einigen

eines Unfalles alles vorbereitet war.

Gegen 10 Uhr

abends trat etwas nördlicher Wind ein; Eis und Schiff

LITE

Die englifche Geologie bat fih in vieler Hinfiht un—

abhängig

von

der

Fontinentalen

entwidelt.

Theorien,

welche durch Jahrzehnte die Geologen Deutjchlands und Franfreihs bejchäftigten, fanden häufig nur wenig, oft

gar feinen Anklang

auf der britischen Inſel.

Einfluß, fo hoch er auf dem Feitlande

it, it in England gewordene

Streit

Werners

zu veranfchlagen

gering gewejen; der faft berüchtigt zwischen Neptuniften

und

Vulkaniſten

ihlug nur geringe Wogen in einem Yande, wo Hutton, Playfair und Sames Hall auf dem Wege der Beobachtung und

des

Erperimentes

1 Siehe „Ausland“

den

vulfaniichen

Urfprung

1882, Nr. 32 und 1884 Nr. 16.

des

Sir Charles Lyells Leben.

Granits außer Zweifel geftellt hatten.

Den erjchütternden

Rataftrophentheorien Cuviers jtellte Lyell in England ſchon 1830 feine Prinzipien der Geologie entgegen, während ſich ihre unbeſchränkte Wirkung auf die kontinentale Geo— logie noch durch lange Jahre äußerte.

Während

des Erſcheinens

der Prinziples

>45

rüftige Kraft der faſtSechzigjährige dem Studium der Vulkane widmet. Den Winter 1853 verbringt er mit feiner Frau und jeinem Schtwager Bunbury auf Madeira und ftudiert genau im Vereine mit Hartung den Bau diefer Infel. So thätig

war

er im Felde, daß nur ein einziger Brief an feinen

veröffent—

Schwiegervater Horner diefem Aufenthalt zu danken ift, ein

lichte Elie de Beaumont feine Ideen über die Erhebung der Gebirge, welche ganz von Cuviers Geiſte atmen; nod) bis über feinen Tod hinaus huldigte die franzöſiſche Geologie diefen Anfichten über die plößliche konvulſiviſche

Brief allerdings, der in wenigen Worten ein abgerundetes

Quenftedt, nur beichränft zur Geltung kam, jo tt doch nicht zu verfennen, daß Agaſſiz durch die glänzende Vers

Bild von dem Bau der Inſel und von den Hauptzügen ihrer Geographie gibt. Die Infel dankt ihre heutige Geftalt teils der fubaerilen Anbäufung von vulkaniſchem Material, teils Hebungen, teil endlich den erodierenden Kräften. Im Frühjahr 1854 feßt er mit Hartung diefe Studien auf den Kanaren Tenerifa, Gran Canaria und Palma fort, welche Inſeln die Hauptftügpunfte der Erhebungsfratertheorte waren. Er legte hier den Grund zu jenen ausführlichen und eingehenden Unterfuchungen, welche fpäter Hartung, v. Fritſch und Reiß erfolgreich und zwar, wie die vorliegenden Bände von feinem Briefwechfel lehren, unter direkter Inspiration Lyells ins Werk ſetzten, zu Unterjuchungen, welche die Unrichtigfeit von v. Buchs Anfichten

teidigung einer wiederholten Neufchöpfung der belebten Welt,

an ihrem grundlegenden Objekte eriviefen.

einen um fo energifcheren Einfluß auf die Geologen des Kontinents und felbjt Englands ausübte. War alfo troß

In den Jahren 1857 und 1858 wandte fich Lyell wieder den beiden großen italienischen Vulkanen zu, die ihm vor 30 Jahren jo viele Anregung geboten batten. Es war nur ein furzer Befuch, welchen er 1857 mit Frau denfelben widmen konnte. Gr ſah am Veſuv Lava— ſtröme fontinuierlih über Abhänge ergofjen, welche eine Neigung von 270 beſitzen, eine Thatfache, welche von Klie de Beaumont und Dufresnoy in Zweifel gezogen var. 1858 verbrachte er ganze zwei Monate mit dem ausſchließ— lichen Studium des Veſuv und Aetna. Ausführliche Briefe an feine Frau unterrichten über jeine Arbeiten. Sie find geeignet, die höchite Bewunderung für die Leiſt— ungen Lyells zu erregen. An der Schwelle de3 Greifen: alters ftehend, dringt er am Veſuv zu Stellen vor, welche fein Geologe vor ihm bejucht hatte; Tage verbringt er auf der Casa inglese auf dem Aetna inmitten eines Schneegeftöbers, und indem er feine Auſmerkſamkeit be—

mährend

Gebirgsbildung,

in

Deutjchland

v.

Buchs

Theorie der Erhebungskrater in ähnlicher Weiſe die Geo— der ausgezeichnetiten Paläonto— logen fefjelt. Einer logen, Meide d'Orbigny, lehrte in Uebereinjtimmung mit den Kataftrophentheorien von Guvier und Blie de Beau— mont eine 27malige Erneuerung der organischen Schöpfung, und wenn auch diefe Anficht in Deutjchland, dank der Gründlichkeit und des tiefen Wifjens eines Bronn und

Lyell ein guter Teil von Cuviers Lehren durchaus nicht erjchüttert worden, fo ſchien es jogar, als ob einigen der— jelben durch neue Entdedungen eine Fräftige Weiterent-

wickelung gegeben würde.

Cuvier hatte das Fataftrophen-

artige Hereinbrechen von Kälteperioden gemutmaßtz und wenn auch Lyell diefer Anficht die Fundamente entzogen hatte, indem er eine natürliche Erklärung über das Vorkommen von Mammutbfadavern im gefrorenen Boden Sibirtens gab, fo erhielt diefelbe Doch neue Stügen durch die Entdedungen ausgedehnter Gletjcherfpuren in den Alpen im Norden Europas und Nordamerikas. Wenn Elie de Beaumont durch die plögliche Erhebung ganzer Gebirge die belebte Melt erlöfchen ließ, jo waren es nach Agafliz die wieder— fehrenden Eiszeiten, welche zu wiederholten Malen die organische Welt endeten.

Mit dem Ausbau feiner eigenen Anfichten beichäftigt, hatte ſich Lyell während der vierziger Jahre gegen dieje Neubelebungen von Cuviers Anfichten, welche auf allen Gebieten erwuchſen, nur paſſiv und abmwehrend verhalten, Gr hatte Elie de Beaumonts Anfichten in feinen Prin— ziples zu widerlegen gejucht, denn ſofort nach ihrer erſten

Beröffentlihung hatte er ihre Unhaltbarfeit erfannt, wie aus einem Briefe an Boullet Serope zu entnehmen tft. Auch gegen v. Buchs Theorie der Erhebungsfratere war er immer auf Grund feiner in früheren Jahren gefammelten

Erfahrungen aufgetreten. Allein die glänzende Beredtfamfeit v. Buchs und die Beiftimmung A. v. Humboldts ſchufen diefer Theorie mehr und mehr Verbreitung und Anerkennung. Unter ſolchen Umjtänden wandte Lyell von neuem jeine Aufmerkſamkeit den vulfanischen Territorien zu. Es ift erftaunlich, welchen nachhaltenden Eifer, welch’ ausdauernde Ausland

1884

Nr. 18,

jonders

auf das Bal

de Bove

richtet,

naht

ex fidh

Orten, die ein Sartorius v. Waltesbaufen nicht zu be— treten gewagt. Dazu fommt, daß die Berpflegung eine außerordentlich mangelhafte war, daß, um Milch zu er: halten, wahre Anftrengungen gemacht werden mußten. Führer und Maultiertreiber find nötige, aber äußerſt unzuverläſſige und furchtjame Neifebegleiter, die Gaſthäuſer felbit in größeren Orten ſchmutzig, der nötigiten Bequemlichkeiten bar. Lyell fand faſt feinen Fortſchritt im füdlichen Italien feit feinem erften Befuch. Diefer war zu einer Zeit geweſen, als dem Bildhauer Gibfon in Nom dur) die Zenſur aus jener Erklärung eines Frieſes am eben vollendeten Welling:

ton-Denfmals der Paſſus geitrichen wurde: Engel tragen die Seele des Herzogs zum Himmel”, da joldhes unmöglich mit der Seele eines Ketzers gejchehen könne; es var um eine Beit, al3 ein für Falkoner beſtimmter Gypsabguß 53 ı))

546

Sir Charles Lyells Leben.

eines foffilen Nhinozeros von der neapolitanifchen Negierung als Höllenmafchine mit Beſchlag belegt und erſt nad) langen Bemühungen wieder freigegeben wurde. Der Erfolg von diefen mühevollen Studien var ein ſehr bedeutender. Nicht nur vergemwiljerte ſich Lyell, daß weder Somma noch Aetna Erhebungstratere find, jondern

Thatſachen zu äußern, mie es ſpäter in wenig glück— licher Weiſe durch Sartorius v. Waltershauſen in ſeinen Klimaten der Vorzeit geſchah. Lyell behielt vielmehr das

er gewann auch eine Menge Daten über den Aufbau beider Vulkane. Er verfolgt Lavaſtröme, deren Erguß in die jüngjte

Umfang äußerte, was zuerſt im Alter des Menſchengeſchlechtes

Beite fällt, ununterbrochen über fteil geneigte Abhänge; er findet, daß fie da, wo fie fteil, unter einem Winfel von 190 bis 269, geneigt find, dünn find, während ſie auf minder steilen Gehängen an Mächtigfeit zunehmen. Er

fiebt am Aetna einen Lavaftrom füulig abgefondert.

Am

Veſuv hatte er das Glück, einen eben ſich ergiegenden Lavaſtrom zu beobachten; trefflich ſchildert er, wie Die weißglühende Maffe ſich raſch in einen Ichladigen Mantel hüllt, welcher ihre Fortbewegung hemmt. Zwei hoc) wichtige Arbeiten über jteinige Lava auf jteilen Gehängen des Aetna (Roy. Soc. Proc, 1858) und über die Ver:

feftigung der Lava und über Vulkane (Roy. Inst. Lect, 1859) enthalten die Ergebnifje diefer Beobachtungen. Die angeführten Veröffentlichungen, ſowie die Schilderung der

Geologie von Madeira (Quart. Journ. Geolog. Soc. 1853)

Glazialphänomen durch Jahre fortwährend in den Augen, er widmete der geologiſchen Wirkung der Gletſcher eine eingehende Unterſuchung, bevor er ſeine Anſichten in vollem 1863 geſchah.

Schon

als er 1850 Norddeutſchland beſuchte, beach—

tete er das dortige erratiſche Phänomen. Er hebt her vor, daß dem Harze alle Spuren glazialer Wirkſamkeit

fehlen,

ſowohl

Felsbuckel

als

auch

Felsſchliffe

und

erratiſche Blöde. „Welcher Kontraſt mit dem ſuüdlichſten Teile Schwedens und den entjprechenden Breiten Nordamerifas!” Und doch erreicht die ſkandinaviſche Drift die

ſüdliche Bafıs des Gebirges.

Auch dem Löß fchenft er

Aufmerkfamfeit.

Er jieht ihn zwischen Machen und Köln und hebt hervor, daß er hier auf der Wafjerfcheide zwischen

Rhein und Maas liege, und er fonftatiert denfelben zur größten Ueberraſchung des Älteren Römer und v. Strombach's an der Porta Weſtfalika 500 F. über der Wefer. Als er 1855 wieder nach Norddeutſchland kommt, fühlt er -fich zu lebhaften Bedauern darüber veranlaßt, wie wenig man

brachten die Theorie der Erhebungsfratere entjchteden zu Fall und die noch neuerlih von Klöden jo geſchmähten Anfichten von Poullet Serope wieder zu den ihnen ges bührenden Ehren. Zugleich war damit aber eine Nata-

ſich mit der Ölazialfrage beichäftige, was er auf den Ein-

itropbentheorie wieder aus der Geologie befeitigt.

eingehender und allfeitiger Erörterung getreten ift. Während einer ausgedehnten Reiſe auf dem Kontinente im „Sabre 1856 fcheint ſich Lyell weniger mit den Olazialphänomen befaßt zu haben. Ihn feſſelten andere Auf:

Durch

Verleihung der Copley-Medaille ehrte die Königliche Ger ſellſchaft inLondon dieſe hochwichtigen Arbeiten Lyells.

Lyell hatte gleich Darwin mit Lebhaftigkeit den Ge—

fluß von Leopold v. Buch zurüdführt. Gerade diefe Aeußer— ungen laſſen bejondere Freude darüber empfinden, daß

jest die Glazialfrage in Norddeutichland in ein Stadium

danken von Venetz und J. de Charpentier erfaßt, daß die

gaben.

Gletſcher in früheren Zeiten eine größere Ausdehnung beſeſſen hätten. Schon 1840 ſchilderte er Gletſcherſpuren

Schule

aus ſeiner ſchottiſchen Heimat Forfarſhire, während Darwin das gleiche von den Gebirgen in Wales that. Als jedoch durch das Eingreifen von Agaſſiz aus der Gletſchertheorie die Lehre einer Eiszeit wurde, als man die ausgedehnten Länder im Norden Europas, welche mit erratiſchen Blöcken bedeckt ſind, zu alten Gletſcherherden machte, vermochte Lyell nicht mehr der ſoweit ausgedehnten Theorie beizuſtimmen, da ſie kataſtrophenartige Umwälzungen des Klimas zu erfor— dern ſchien. Er hatte zudem ſchon 1834 ausgeſprochen, daß der Transport großer erratiſcher Blöcke durch treibendes Eis erfolgen könne, er hatte dieſe Anſichten 1840 fixiert und während ſeiner erſten Reiſe in Nordamerika durch weitere Beobachtungen geſtützt. Dieſe ſeine Drifttheorie war er nicht nur geneigt geweſen, auf die mit erratiſchen Blöcken überſäten nordiſchen Länder anzuwenden; er meinte ſie ſelbſt auch auf gewiſſe Phänomene der Schweiz ausdehnen zu können. Allerdings war eine derartige Uebertragung der Drifttheorie von Schweizer Geologen ſtets bekämpft worden, und Lyell hatte in gerechter Würdigung dieſes Einſpruches ſich wohl gehütet, ſeine Meinung ohne eigene Prüfung der

Er ging, wie er jich gelegentlich ausprüdt, in die zu jüngeren

und jungen Geologen.

In Breslau

traf er mit Oöppert zufammen, in Prag erneuerte er die in Paris 1830 gemachte Bekanntſchaft mit Barrande, deſſen Anfichten über die Kolonien in Silur ihn lebhaft bejchäftigten. In Wien ftudierte er das Tertiär mit Zepharovich; nachdem er das Salzkammergut durchreift batte, traf er in Berchtesgaden

welcher damals

mit Gümbel

zufammen,

feine epochemachenden Unterfuchungen im

Alpengebirge ausführte. In München hatte er Berührungen mit Liebig und A. Wagner; in Tübingen fand er in Uuenjtedt einen „ſcharf arbeitenden, enthuftaftifchen und

originellen Mann“, in Zürich erörterte er mit Heer und Eicher von der Linth das Alter der Kaffianer Schichten und des Flyſches; in Paris endlich konnte er mit Deshayes jeine damals befämpfte Abgrenzung zivifchen Eozän und Miozän wieder befprechen. 1857 widmete er fodann feinen

Beſuch der Schweiz ausfchlieglich dem Studium der Gletjcher. Er unterfucht den Bau der Endmoränen,

er zählt die ge-

Fristen nnd geſchrammten Gefchiebe im alten Gletſcherbette, er jtudiert das evratiihe

und Grundmoränen. er zur vollen Annahme

Phänomen,

die Gletfcherfchliffe

Nach dem, was er gejehen, kommt der Anfichten

von Venetz, Char:

Sir Charles Lyells Leben, pentier und Agaſſiz. „Die heutigen Gletfcher find Zwerge gegenüber den früheren; berüdfichtigt man die demzufolge viel größere Wirkſamkeit der lebteren, jo wird man bie Slazialtheorie annehmen müffen und fann die früher auf: geitellte FJoee vom Transporte erratifcher Blöde aus den Alpen bis zum Jura nicht länger halten.”

Die drei ausführlichen Briefe, in welchen Lyell das Ergebnis diejer feiner Glazialſtudien an Horner berichtet, find wohl das Beite, was in jo furzen Sätzen an Ergeb:

nilfen über das Glazialphänomen gejchrieben worden it. Sie wirken bejonders durch die große Unbefangenheit, mit welcher aller Thatjachen gedacht wird. Lyell fieht am Gletſcher nicht bloß die Scheueriteine, er fieht auch zahl: reiche ungekritzte Gejchtebe, er ſieht, worauf man erft neuerdings die Aufmerkſamkeit wieder lenkte, daß die Gletſcher beim VBorrüden den Wiefenboden zufammenjchieben und illujtriert dies durch mehrere Beiſpiele. Ihm entgeht auch nicht, daß das quartäre Glazialphänomen am intenſivſten nicht nahe den jegigen Gletſchern entmwidelt iſt, ſondern an der Beripherie der erratifchen Gebiete, kurz,

eine Menge jener Thatjachen, auf welche das jüngit er— wachte Glazialjtudium die Aufmerkſamkeit findet fich in jenen drei Briefen erwähnt.

wieder

lenkte,

Hat Lyell zwar die Glazialtheorte für die Alpen im vollen Umfange angenommen, it er jelbjt der Anſchauung von Morlot über mehrere Vergletſcherungen raſch beige: treten, jo hat er doch bis zu jeinem Ende die Anwendung jener Theorie auf das erratifche Phänomen des Nordens nicht zulafjen wollen, obwohl er mehrfach ſelbſt die große Uebereinitimmung der „Drift” mit den Schweizer Ölaztal-

bildungen hervorfehrt. Er glaubte eben, daß treibendes Eis zu ganz analogen Wirkungen führe, wie das Oletjcher: eis, daß es im ‘gleicher Weife den Boden ſchrammen und furchen fünne

Nun

iſt zwar wahr, daß nichts mehr in

der Geologie gejchadet bat, wie eine Uniftfation der Ur: jachen, und daß man fich hüten muß, in ähnlichen Phäno— menen immer das Produkt gleicher Wirkungen zu erfennen.

Aber die Aehnlichkeit der ſchweizeriſchen Olaztalformation mit den Driftablagerungen des Nordens tft zu fchlagend, als daß fie nicht auf gleiche Urſachen zurüdgeführt werden jollten, und es kann fi wohl fragen, wie es fam, das;

Lyell bei feiner jonft jo bewundernswürdigen Gabe, neues aufzunehmen, doch der Drifttheorie bis zu feinem Ende gehuldigt hat.

Der Grund biefür fcheint in dem Umftande zu liegen, daß Lyell dur Annahme der Driftheorie zugleich die Erklärung des Olazialphänomens zu liefern meinte, Sn jeinem „Alter des Menjchengefchlecht3” fette er auseinander, wie Durch die in der Drifttheorie geforderte Ueber:

flutung großer Teile des Nordens eine Abkühlung des Klimas bedingt worden fei, welche die Gletscher ausdehnen hieß. Die Annahme hingegen, daß alle die Gebiete, welche mit erratifhem Materiale bedeckt find, früher ver— gletjhert waren, jcheint eine allgemeine Temperatur:

347

erniederigung auf der Erde vorauszufegen und eine folche anzunehmen, war unvereinbar mit Lhyells Anfichten über die Uniformität der geologischen Agentien. Neuere Forſchungen haben mehr und mehr zu der Anficht geführt, daß wirklih das, was Lyell beftritt, der all geweſen und es ijt nicht bloß der Ausdrud einer Spekulation, es it das Ergebnis forgfältiger Unterfuchungen, wenn von einer Vergletfcherung Nordeuropas und Nordamertfas gefprochen wird. Weiter aber haben eingehende Studien gelehrt, daß die Vergleticherungen jo ausgedehnter Diſtrikte jih unter heutigen gevgraphiichen Umſtänden entiwidelten und damit iſt auch eine der von Lyell am meilten gepflegten Lehren, daß die Elimatifchen Veränder— ungen auf der Erde hauptjächlich, ja fait ausschließlich Die Folge von geographiichen Veränderungen jeten, mindeitens in ihrem Umfange ſehr bejchräntt worden; neue Erflär:

ungen find für die jtattgehabten Verschiebungen des Klimas nötig und in der That iſt eine Reihe einschlägiger Hypo— thefen bereits verbreitet worden, Welchen diefer zahlreichen Erflärungsverjuche die meiste Wahrſcheinlicheit zufommt, iſt hier nicht der Drt zu ent— icheiden; fo viel ift aber ſicher, daß Lyell von allen denſelben nur einem befondere Aufmerkjamfeit gewidmet hat. Cs find dies die Anfichten von James Croll, welche derjelbe am ausführlichiten in feinem trefflihen Werke „Climate and Time* darlegte, das von der engliſchen Kritif als ein Seitenftüd zu Lyells „Brinziples” bezeichnet worden it. Als Croll 1864 zum erſten Male mit feinen Anfichten an die Deffentlichkeit trat, ſchrieb Lyell einen ausführlichen Brief an Sohn Herfchel, welcher zuerft den von Croll fo energisch verfolgten Gedanken ausfprach, daß die wechjelnde Erzentrizität der Erdbahn das Klima beeinfluffe und äußerte: „Sch fühle mich mehr denn je überzeugt, daß

Veränderungen

in der Lage von Waſſer und Yand die

Haupturfache vergangener flimatifcher Schwankungen waren; aber aftronomische Urſachen müffen natürlich auch ihren Einfluß gehabt haben; die Frage ift nur, bis zu welcher Ausdehnung haben fie gewirkt.” In gleicher Weiſe äußerte er fih ein Jahr fpäter gegenüber Oswald Heer. In der 10. Auflage der Brinziples entwidelte er ſodann 1866 jeine Anfichten über diefen Punkt bejtimmter, indem er darlegte, dab aftronomifche Urfachen das Klıma nur im befcheidenem Maße beeinfluffen würden. Seitdem hat man nicht nur erfannt, daß die nam— haftefte Elimatifche Schwanfung der Vorzeit, die Eiszeit, jih auf dem heutigen Boden bei der jeßigen Verteilung von Waffer und Land entwidelt hat, jondern es haben fich auch Stimmen geltend gemacht, welche die Annahme

einer zu leichten Verfchiebbarkeit der Grenzen von Wafjer und Land befämpfen. Die Theorie der ſäkularen Hebungen und Senfungen, durch welche jene Mobilität erklärt werden

follte, ift angegriffen worden und es hat fich namentlich in England die Lehre von der Bermanenz der Kontinente enttvidelt, während Lyell jtets der Meinung var, daß die

“ >48

Das ſächſiſche Granulitgebirge.

heutigen Kontinente erſt ſeit tertiären Zeiten beſtünden. Es muß alſo betont werden, daß die Lyell'ſche Anſicht über die vorzeitlichen klimatiſchen Schwankungen nicht mehr ausſchließliche Anwendbarkeit beſitzt. Lyell verfolgte die heutigen Veränderungen auf der Erdoberfläche mit geologiſchem Intereſſe, und alle ſeine einſchlägigen Beobachtungen ſollen zur Erklärung geo— logiſcher Phänomene dienen. Behandelt er alſo häufig zwar Objekte, welche in das Bereich der phyſikaliſchen Geographie fallen, ſo erörtert er ſie in geologiſcher Methode und es kann nicht geſagt werden, daß er jene Gegenſtände von irgendwelcher geographiſchen Seite erfaßt habe; weder ſchildert er je die Geographie der Vulkane, noch betrachtet erdie Wirkungen der Ebbe und Flut, die des rinnenden Waſſers von ihrer geographiſchen Seite. Er

iſt dagegen

ein entſchiedener

Geograph

in der klimato—

logiſchen Frage, allein, indem er in geographiſchen Verän— derungen die Haupturſache der klimatiſchen Schwankungen erkennen wollte, berückſichtigt er zu wenig den Einfluß aſtronomiſcher Veränderungen auf die Temperaturverteilung und wenn ſein Grundſatz lautete, daß geographiſche Ver— änderungen das Klima beſtimmen, ſo liegt heute die Frage nahe, inwieweit auf aſtronomiſche Veränderungen zurück— führbare klimatiſche Schwankungen geographiſche Ver— ſchiebungen nach ſich ziehen.

ſowie durch malerische Bartien aus. Nur im füdlichen Teile des Gebivges finden fich einige hervorragendere Erz hebungen, wie der Nußdorfer Berg, Hochbuſch, Windberg, die Hartmannsvorfer Höhe und der Tauraftein, welcher als fchroffer Gneiskamm bervortritt. Die größten Er— bebungen find der Nußdorfer Berg mit 392 m. und die Zimmersfuppe mit 390 m, Meereshöhe, während in dem

an landfchaftlichen Schönheiten überaus reichen Zirkus: walle von Gneis und Glimmerfchiefer die Yangenberger Höhe bei Hohnftein 492 m. erreicht. Sm allgemeinen ftellt ſich diefer Wall

aus Gneis,

Slimmerfchiefer und Phyllit wie ein Mantel dar, welcher den Granulit mit unregelmäßigen Konturen umgibt und nach außen hin flach abfällt, während er nad) innen von

einem fteilen Nande begrenzt wird. Diefes interefjante Gebirge lenkte fchon frühzeitig die Aufmerkfamfeit auf fi und wurde von Geologen wiederholt bereift und befchrieben. Unter ihnen find befonders zu nennen: Engelbredht 1802,

Weiß 1803, Friedrih Hofmann 1829, Fallou 1842 und 3. C. Naumann 1854. So wertvoll ihre Unterfuchungen waren, gelang es ihnen doch nicht, die gewünschte Klar: heit über die Entſtehung des merkwürdigen jächfifchen Öranulitgebirges zu verbreiten. Wir verdanten dieſes erit

in neuefter Zeit einem tüchtigen Geologen und fleißigen Forfcher, Dr. Johannes Lehmann, Privatdozent für Mineras logie und Geologie an der Univerfität Bonn. Dieſe ihtwierige Aufgabe iſt ihm gelungen nad mehrjährigen, im Intereſſe der geologifchen Landesaufnahme des König:

Das ſächſiſihe Granulitgebirge.

reichs Sachſen 1874 bis 1878 ausgeführten Bereifungen und nach) eingehendem petrographifchem und mikroſkopiſchem

Eines der geologiſch intereſſanteſten und auch durch landſchaftliche Schönheiten ausgezeichneten Gebirge Deutſchlands iſt das ſächſiſche Granulit- oder Mittelgebirge. Dasſelbe bildet vor dem Erzgebirge eine dieſem parallel laufende Vorſtufe nach der norddeutſchen Ebene hin. Es trägt ſeinen geologiſchen Namen von dem vorherrſchenden Auftreten des Granulits oder Weißſteins, der durch ſeine petrographiſchen Eigentümlichkeiten ſchon früh die Auf— merkſamkeit der Mineralogen erregt hat. Das Gebirge erſtreckt ſich inGeſtalt einer von SW nah NO gerichteten 45 Km, langen Ellipſe von Hohnſtein bis Döbeln, und mit einer Breite von etiva 19 Km, zwiſchen Sachſenburg und Rochlitz. Die Ellipfe wird wie ein rieſiger Zirkus bon einem es 50 bis 100 m,, in der Zangenberger Höhe bet Hohnſtein etwa 150 m. überhöhenden Walle von Gneis, Olimmerjchiefer und Phyllit Franzartig umgeben, dejjen Breite von 7 bis 15 Km. wechjelt. Der mittlere Teil dieſes Ninggebirges, das eigentliche Granulitgebiet, zeigt eine wellenförmige Oebirgsflähe ohne hohe Kuppen oder Scharfe Kämme. Es wird von einigen tief eins jchneidenden Thälern durchbrochen, namentlich dem ver Zwickauer Mulde am Weftrande und dem der Chemnit, Zſchoppau und GStriegis, ihrer Nebenflüffe. Diefelben

Studium des eingefammelten Materials im Laboratorium,

zeichnen fich befonders durch ſchöne Felfen- und Bergformen,

Dr. Lehmann bat die Nefultate feiner überaus mühe: vollen Arbeit in dem folgend bezeichneten Brachtiverfe ver

öffentliht: „Unterfuhungen über die Entftehung der altfryftallinifchen Sciefergefteine mit be— jonderer Bezugnahme aufdas ſächſiſche Granulit— gebirge, Erzgebirge, Fichtelgebirge und bayriſch— böhmiſche

Orenzgebirge”

Mit 5 lithographierten

Tafeln und einem Atlas, enthaltend 28 Tafeln mit 159 photographifchen Abbildungen von 9. B. Obernetter in Münden und J. Grimm in Offenburg. Bonn, 1884, oliv. In Kommiffion bei M. Hochgürtel. (Subffriptionspreis 60 ME, Ladenpreis 75 ME) Der Berfaffer be: arbeitete für die geologische Spezialfarte des Königreiches Sachſen den füdlichen Teil des Oranulitgebirges, während die Aufnahme des nördlichen, weniger durch Störungen beeinträchtigten Teiles Dr. E. Dathe, jegt Aſſiſtent bei der preußischen geologischen Landesanſtalt in Berlin, über: tragen war. Die von beiden Geologen verfaßten Karten-

jeftionen find bereits veröffentlicht und fo kann das obige Werk recht eigentlih als der erläuternde Tert zu denjelben, mit vergleichender Heranziehung ähnlicher Erſchein—

ungen im Erzgebirge, Fichtelgebirge und bayrischen Wald betrachtet werden.

Das ſächſiſche Grannlitgebirge.

Die Erforſchung der altkryſtalliniſchen Schiefergeſteine bietet ungleich größere Schwierigkeiten dar, als die Unter— ſuchung der ſchon früher mit beſtem Erfolge in die Hand genommenen eruptiven und unzweifelhaft ſedimentären Geſteine, weil ihre petrographiſche Beſchaffenheit nicht ſo einfach und deutlich iſt wie bei dieſen. Vielmehr tritt bei den altkryſtalliniſchen Schiefergeſteinen eine durch ihre metamorphiſche Entwicklung bedingte, ſo überaus große Mannigfaltigkeit auf, daß nur eine fleißige Beobachtung in der Natur, verbunden mit den eingehenditen petro:

349

Serpentin mit meist plattenförmiger Abfonderung, dann Maſſen von körnigem, flaferigem, feltener fchiefrigem Gabbro als untergeordnet zu erwähnen. Der Glimmerfchiefer des Zirkuswalles iſt grünlichgrau, glänzend, fehr reich an Hlimmer und enthält zumeilen Granat; in unmittelbarer

Nähe des Oranulites

wird

er mehr grobflaferig,

mit

wünfchte Aufklärung über ihre Genefis geben fann. Des: halb war zur Erreichung des Zieles die Heritellung einer jebr großen Anzahl (über 300) von orientierten Durch— ſchnitten und Dünnschliffen der zu prüfenden Geſteine er:

Linſen von Quarz, Feldjpatb oder rotem Granit und zeigt dann eine gneisartige Entwidelung, während er nad außen hin allmälich in Phyllit und Thonfchiefer übergeht. Nach der Auffafiung von Weiß und Naumann wäre das merkwürdige Gebirge durch eine mächtige Eruption von Sranulit gegen Ende der Devonzeit entftanden, wobei der Ningwall der älteren Geiteine in die Höhe gepreßt wurde und dur das langjam erjtarrende Feldfpathgeftein eine Metamorphifierung der Schiefer zu Glimmerfchiefer und

forderlih.

Gneis

graphifchen und

mikroſkopiſchen Unterfuchungen,

Dieſe

äußerſt

mühevolle

und

Die ge:

zeitraubende

Arbeit wurde teils vom Verfaſſer felbjt, teils bon E. Adermann in Weißenſtadt im Fichtelgebirge, N. Fueß in Berlin und E. Wild in Idar-Oberſtein ausgeführt, um die Präparate für die prachtvollen photograpbifchen Abbildungen berzuftellen, die alle Eigentümlichfeiten der Zufammenfegung und Strufturmodififationen mit einer fo abjoluten Naturtreue wiedergeben, wie jie wohl vordem noch niemal3 bei photograpbiichen Bildern erreicht worden it. Unter den in diefem Gebiete auftretenden Geſteinen herrſcht der Granulit vor, meist in Tafeln gejchichtet, welche von wenigen Zentimetern bis zu zwei Metern Dice

ftattfand.

|

Entgegen diefer älteren Auffaffung ftellen ſich nad) ven Unterfuchungen von Lehmann und Dathe dieſe Ver— hältnifje nicht unwesentlich anders heraus. Der Wall von Glimmerſchiefer und Phyllit zeigt ſich nach SO diskordant

von Schichten des Silur und Karbon überlagert, während

baben und da, wo fie eben und glatt brechen, in zahl:

gegen NW, z. B. in der Gegend von Remſe bei Glauchau, ein allmählicher und konkordanter Lagerungsanſchluß des Kambriſchen und Unterſilur an ſie ſtattfindet und erſt von da an eine Diskordanz eintritt. Der Kranz der meta— morphiſierten Schiefer und Phyllite muß daher größten— teils für kambriſch (huroniſch), vielleicht zum Teil noch für ſubkambriſch (laurentiſch) angeſehen werden. Er beſteht zum Teil aus unzweifelhaften Sedimentgeſteinen, wie die

reichen Steinbrüchen,

Phyllite von

wie

bei Falken

und

Oberfrohna,

gewonnen werden. Bismweilen find die Tafeln aber aud) gebogen und mellenfürmig gewunden, wie im Chemnitz— Thale bei Niederfrohna, ganz bejonders aber in der Sranulitpartie bei Tirſchheim, wo das Gejtein in unregelmäßigen, zylinder- und walzenförmig überjchobenen Formen vorfommt. Der Granulit bricht gewöhnlich ſcharfkantig, daher alle feine Felfen ein zadiges Ausfehen haben, wo— dur fie fich Schon von weitem von dem mehr zerflüfteten Gneis und dem gerundeten Granit unterjcheiden. Der Granulit wird von Gängen, Yagern und Mafjen

eines feinfürnigen roten Granits durchbrochen, der Sich auch zumeilen mit Bruchjtüden des durchbrochenen Ge— jteines erfüllt zeigt. Er iſt immer maffig in Pfeiler oder Bänke abgejondert, bildet oft Schroffe Felfen an den Thalgebängen und fcheivet ſich meist ſcharf vom Granulit ab. Zum Teil iſt er großfipftallinifch, befonders auf Gängen, als Pegmatit ausgebildet und zeichnet fich dann durch

Remſe

und

Waldenburg,

zum Teil aus

kryſtalliniſch gewordenen Schiefern mit eingedrungenem plutoniſchem Material. Die Maſſe des inneren Gebirges gehört dagegen überwiegend dem plutoniſchen Granulit

an.

Nach ihrer Ausbildung, welche jedoch für das geo—

logiſche Alter nicht notwendig maßgebend iſt, laſſen ſich dieſe Geſteine in drei weſentlich verſchiedene Gruppen oder Formationen ſondern, nämlich in eine Phyllitformation, Glimmerſchieferformation und Granulitformation, welche ſämtlich durch metamorphiſche Prozeſſe weſentlich verändert ſind, am meiſten die Glimmerſchieferformation. Sie fallen der Zeit nach mit der Gebirgshebung durch Stauung und Preſſung zuſammen und ſind jünger als das Devon, aber älter als das Karbon. Daher zeigen die einzelnen Formationen eine überaus mannigfaltige petrographiſche Ausbildung. So enthält die Phyllitformation: Thonſchiefer, Alaunſchiefer, Kieſel— ſchiefer, Hornblendeſchiefer, Quarzit, kryſtalliniſchen Kalk—

ſich im

ſtein, Diabasſchiefer, Epidotſchiefer, Knotenſchiefer, Chia—

Sranulit Scheinbare Inſeln und Zungen von Gneis, welche

End:

ſtolitſchiefer und Serizitgneis; dagegen die Glimmerſchiefer— formation: dieſelben Geſteine nebſt Quarzſchiefer, Anda— luſitſchiefer, Granatglimmerſchiefer, Gneisglimmerſchiefer, Granitgneis, Syenitgneis, Augengneis, Muskovitgneis, Amphibolit, Dioritſchiefer, Gneisgranulit und Granulit;

von

endlich die Granulitformation: von ſchichtenartigen jüngeren

großen

Miineralreichtum

aus.

Ferner

finden

legtere feilfürmig vom Nande her einzugreifen feheinen. Er iſt meiſt dunkel gefärbt, mit pechſchwarzem PBiotit, zu— weilen auch mit blauem Kordierit im Muldethale, ftets

grobflaferig und in Bänfen oder Tafeln entivicelt. lich find

von Ausland,

Gruptivgefteinen 1884, Nr. 18,

zahlreiche

Stöde

54

350

Das ſächſiſche Granulitgebirge.

Gliedern Biotitgneis, Granitgneis, Gabbro, Pyroxenolivin— fels, Bronzitſerpentin, Amphibolſchiefer; von älteren Gliedern Granulit, Andaluſitgranulit, Glimmergranulit, Augengranulit, Pyroxengranulit, Pyroxengranatfels und Granatſerpentin; endlich von gangartigen Bildungen Granit, Quarzporphyr, Felſitporphyr, Syenit, Glimmer— porphyrit und Erzgänge.

In dieſen bunten Geſteinsgruppen iſt eine Schicht— folge mit Sicherheit bis jetzt nicht nachweisbar, namentlich wegen der zahlreichen Verwerfungen und Verſchiebungen, von denen fie beeinflußt find. Doc glaubte Dathe im nördlichen Teile des regelmäßiger gelagerten Gebietes ſechs Horizonte unterscheiden zu fonnen, und zwar von unten nach oben: unterer Granulit, Serpentinhorizont, mittlerer Oranulit, unterer Gneis mit Piotit, oberer Sranulit, oberer Gneis und Glimmerſchiefer. Die Schicht: ung iſt nur bei den ſedimentären Gefteinen urfprünglich, bei allen anderen iſt fie eine fefundäre Erfcheinung, ganz bejonders bei den Granuliten und Gneifen, und ergiebt ih als eine Folge der Preſſung bei der Faltung und Erhebung des Gebirges. Im Süden des Oranulitgebietes, 3. B. bei Penig, tritt die ſekundäre Schiehtung in Anti— flinalfalten auf, mit oberer welliger Begrenzung des Granu— lites gegen die Schiefer, ſowie fteiler Stellung der Oranulitlagen, die häufig durch Stauung nach oben in horizontale Falten gelegt find. In der Mitte findet fich der Oranulit meift in flach bogenförmiger Yagerung, wie bei Erlebach und Königshain, doch läßt fich nad) Süden eine geftredte Sattellinie als Zentrum der Schichtenfalten erfennen. Aus diefen Beobachtungen ift zu folgern, daß man den Bau des Granulitgebirges nicht al3 auf einem urfprüngs lichen Schichtenſyſtem berubend auffafjen darf, weil vie Strufturformen großenteils fefundärer Entftehung find und zahlreiche Gefteinlagen erft infolge von Zerfpaltungen, Dislofattonsmetamorphofen oder Eindringen von Eruptiv— majjen hervorgebracht wurden. Die Beweiſe für vdiefe Folgerung find in den vorliegenden Unterfuchungen und den prachtvollen naturgetreuen Abbildungen erbracht, welche ein ebenfo genaues, überdies noch viel bequemeres Studium gejtatten als die mafroffopifchen und mifroffopiſchen Driginalpräparate felbft. Die mechanische oder Dislofationsmetamorphofe, tvelche für die Erklärung aller diefer Erfeheinungen den Schlüffel gibt, findet in Lehmanns Arbeit ganz befondere Berüd: ſichtigung und ift- durch zahlreiche Beispiele aus dem Öranulitgebiete erläutert. Namentlich zeigen fie zur Evi— denz die ftofflichen Umſetzungen duch mechanifche Einwirkungen, welche die mineralogifche Zufammenfegung der: jelben Gefteine oft ſehr weſentlich verändern. Daß feſte Körper unter hohem Drude einen gewilfen Zuftand von Plaftizität annehmen fünnen, wurde von Tresca, Spring u. a. ſchon vor längerer Zeit erkannt, für ftarre Gefteine auch von Daubree als möglich und wahrſcheinlich hinge— stellt, für diefe aber durch die Arbeiten Lehmanns beiviejen.

Diefelben zeigen (befonders Tafel 13 bis 19) eine mechaniſche Berfchiebung der Teilchen, ohne Aufgabe des Zuſammen— banges der Mafje, durch bruchlofe Faltung, z. B. beim Sranulit, dur Stredung, Breceienbildung, Gleitung, Flaferung, Bänderung und Schieferung zufammen mit gleichzeitiger Ttoffliher Metamorphofe durch chemifche Ein: wirkung, bedingt durch Anweſenheit von Wafler oder Feuchtigkeit bei gleichzeitig ftattfindender Erhitzung durch Neibung der Teilchen an einander. So entitehen Neu:

bildungen von Biotit auf den Gleitflächen im Granulit aus Granat, dagegen im Amphibolſchiefer, Diabasichiefer, Divritichiefer, Gabbrofchtefer aus Pyroxen und Horn— blende; im Granulit Sillimanit aus Diſthen, Musfovit aus Drthoflas. Im Gabbro werden Blagioflas und Quarz durch Zertrümmerung, Auflöfung und Kryſtalliſation neu gebildet und bewirken die Verwachſung früherer Riſſe und Brüche; Drthoflas wird faferig oder bleibt zum Teil als Einfprengling ebenfo wie die anderen Feldſpathe im Knotenſchiefer, Augengranulit, Gabbrofchiefer augenartig erhalten, während ein Teil der verriebenen Maſſe ſich zu beiden Seiten als Schweif an den Kern anbängt. Die

Miederverfittung durch Duarz zeigt ſich dabei recht deut— li an den quarzitiichen Schiefern des Pfahls im bayrifchen Walde, dem Gneis und dem dichten felſitiſchen Granulit. Da an der allgemeinen Umformung der Maſſe die Sranulite und kryſtalliniſchen Schiefer zugleich teilnahmen, jo erklärt ih das jeltene Auftreten von abweichender Lagerung in den großen, gemeinfam gepreßten Kompleren, die gleichen durh Drud bewirkten Richtungen und die gleiche Lage der Platten, Schieferung u. ſ. f. Nach endlicher Ser: Iprengung der aufgeltauten Gewölbededen fonnten dann die jüngeren Eruptivgeſteine, namentlich der vote Granit, in alle Spalten bis in die feinjten Riſſe eindringen und fie jo wieder verheilen.

Dieſe VBerhältnifje zeigen fih an fajt allen Gefteinen des Granulitgebietes

Sranulit,

in deutlichiter Weife.

ein ächtes Orthoklasgeſtein,

Der gemeine

urfprünglich

als

Syenit anzufehen, zeigt den Drthoflas ſtets faferig, mit pärlihem Plagioklas, häufigem Glimmer und reichlichem

Duarz in Körnern oder geftredten Lamellen, zumeilen in jefundär gebildeten Kıvftallen; der rothe Granat in Körnern it meist in Biotit umgewandelt, während der hellblaue Diſthen eben fo häufig auf den Schieferflächen zu Büjcheln

von Sillimanit verändert ift. Der Pyroxengranulit zeigt vorherrſchend Blagiotlas, feltener Orthoflas, dann Pyroxen, Hornblende, Quarz und Granat, diefen und Hornblende oft zu Biotit verivandelt, während Pyroxen nicht jelten

grüner Chlorit getvorden ift, oder eine Serpentinifierung zu Oranatjerpentin jrattgefunden hat. Die Augengranulite und Augengneife, befonders an der Peripherie der Granulit:

maſſe (Höllmühle bei Benig, Tirfchheim), find ausgezeichnet gebändert mit weißen, braunen und Schwarzen Lagen, die

ih um die Augen der flachrundlichen Körner und Knollen von

Feldſpath

herumbiegen,

Die

mit

ihnen

eng

ver:

Ruſſiſche Koſakenheere. bundenen Gabbro- und Amphibolgeſteine, in zahlreichen Modifikationen ausgebildet, enthielten urſprünglich Diallag, Hyperſthen oder Bronzit, Labrador und Titaneiſen und waren nicht ſelten porphyriſch durch größere ausgeſchiedene Kryſtalle von Labrador und Diallag entwickelt; durch Metamorphoſe entſtanden aus ihnen Amphibol, Magneſia— glimmer, Sauſſurit mit Hinzutreten von Quarz, Magnetit und Eiſenkies. In den aus zertrümmertem Materiale gebildeten Schiefern, die ſchwarzgebändert und oft felſitiſch dicht ſind, erkennt man den Labrador an der Zwillings—

ſtreifung,

während

Augit in Hornblende,

Labrador

in

Sauſſurit verwandelt ſind und durch chemiſche Neubildung beſonders Quarz und Plagioklas ſich hinzugeſellen. Die

Gneiſe endlich ſtellen ſich als durch Granitinjektion ver— änderte Thon- und Glimmerſchiefer dar, beſonders durch Ausſcheidungen von Biotit, Kordierit und Granat, ſowie durch Annahme einer gebänderten Struktur bis zur Aus— bildung eines flaſerigen Gneisglimmerſchiefers. In ihnen iſt dann der Muskovit ſekundär aus kalihaltigen Minera—

lien, namentlich Orthoklas, entſtanden und der ebenfalls ſekundäre Biotit

oft in Chlorit umgewandelt,

während

351

Slimmergranulit, Felſitſchiefer; Hornblendegranit, Horn— blendegneis, Hornblendegranulit, Felſitſchiefer; Kordierit—

granit,

Kordieritgneis,

Felſitſchiefer;

Musfovitgranit,

Musfovitgneis, Felſitſchiefer; Turmalingranit, Turmalin: granulit, Felfitichiefer; Oranitporphyr, Augengneis, Augen: granulit, Borphyroid (Felfitiicher Granulit); Felfitporphpr, Felfitichiefer; Syenit, Syenitgneis, Oranulit, Felfitjchtefer; Diorit, Divritgneis, Divritgranulit (2), Amphibolſchiefer (zum Teil); Gabbro, Gabbrogneis, Gabbrogranulit (2), Gabbrofelfit u. |. f. Die ausnahmslos durch Dislofationsmetamorphofe entitandenen metamorphifchen Schiefer zer: fallen in die folgenden Gruppen: Gneisglimmerfchiefer, Glimmerſchiefer, Bhyllite. Die unziveifelbaften Sedimentärgefteine endlich in Thongeiteine, Kiefelgefteine, Grauwacken Arkoſen, Syaragmite (2)] Tuffe, Kalkgejteine und Koblengeiteine. Eine Bereifung des jo leicht zugänglichen ſächſiſchen Sranulitgebirges an der Hand eines fo bewährten Führers wird für jeden Geologen und Geographen ein Genuß und eine reiche Quelle der Erkenntnis jein, daher fie nur dringend empfohlen werden kann.

der Kordierit in Pinit zerſetzt iſt. Endlich zieht ſich durch alle dieſe Geſteine

Granits

ein weit veräſteltes Gewebe des roten

in Gängen,

Lagern,

Apophyſen,

Trümmern,

Schmitzen und Flammen, bis zu den kleinſten Dimen— ſionen, injiziert zu einer Zeit, als die heute entblößten Geſteine noch eine höhere Bedeckung hatten. Nicht ſelten jind die Granite ebenfo wie die anderen Eruptivgeiteine (Spenit, Diorit, Gabbro) als ſchieferige Eritarrungsgefteine gneisartig zu Oranitgneis, Syenitgneis, Dioritgneis,

Gabbrogneis ausgebildet, namentlich da, wo fie lager: oder dedenartig zwiſchen den Schiefergefteinen auftreten. Diefe gedrängte Darftellung wird von der außer: ordentlichen Fülle und der Beweisfräftigfeit der von Dr. Lehmann vorgeführten Beobachtungen einen Begriff geben, und es iſt zu wünſchen, daß ſolche Unterfuchungen in ähnlicher Weife auch auf andere Gebiete von alt: kryſtalliniſchen Schiefergeiteinen ausgedehnt würden, meil wir durch fie in der Erkenntnis der Gefchichte unferes Planeten ein großes Stüd gefördert werden. Dr. Lehmann hat es am Schluſſe nicht unterlafjen, die Ergebniffe jeiner Forſchungen zu jchematifieren, indem er dadurch in dem

großen Chaos der altkryſtalliniſchen Schiefergefteine einen Schlüſſel

für den

Zufammenhang

derfelben,

ihre ver:

Ihiedenen Fazies-Ausbildungen und ihre Abhängigkeit von einander aufitellt.

Dieſes Schema tft befonders intereffant

für die plutonifchen Erftarrungsgefteine, welche in urfprünglicher Beichaffenheit als vollkryſtalliniſch, dann durch Drud und Dislofationsmetamorphofe

verändert, gefchiefert

und gebändert als Gneis, grob zertrümmert und ver— fittet als Granulit, endlich fein zerrieben und verfittet als Felfitfchiefer oder Hülleflonta auftreten fünnen. So ergeben fich folgende

Gneisgranulit,

Molefularzuftände:

Felfitfchiefer;

Oranitit,

Kuſſiſche Koſakenheere. Zu den interefſſanteſten Bewohnern des weiten Ruſſi— ichen Neiches gehören die Koſaken. Eine jeder Zeit kampf— bereite Kriegerfchar, deren Mitglieder in Unerſchrockenheit, Kühnheit und Energie ihres gleichen juchten, haben fie fich nicht jelten in DOppofition gegen die Otaatsgewalt

befunden und zu mannigfachen Sagen und Legenden Ans (aß geboten. In unfern Tagen find fie treue Hüter des ruſſiſchen Kaiferhaufes geworden. Seit dem Jahre 1832 gehören prächtig in Not uniformierte Kommandos ber faufafifchen Linienfofafen zur Esforte der Zaren. So tft es nicht auffallend, daß man in der Litteratur ſich mehr: fach mit ihnen befchäftigt hat, und erſt neuerdings wieder mehrere Schriften über fie die Preſſe verlafen haben.

Das Buch des Generalftabs-Oberjten Choroſchſchin, welches im Sahre 1881 in ©t. Petersburg in ruſſiſcher Sprache veröffentlicht wurde, ift eines der gediegenjten und zuver— läſſigſten. Auf ihn und andere neuere Quellen fich jtügend, bat fürzlich Fr. v. Stein eine bemerfensiverte Schrift geliefert: „Die ruffiichen Koſakenheere“, welche nebit einer Karte über die Verteilung der Koſaken im Ruſſiſchen Neiche einige Aufmerkſamkeit wohl verdient. ! Der Urfprung der Koſaken verliert fih im Dunkel der Zeiten. Allerdings erwähnt Kaifer Konjtantinus VII. Vorphyrogenitus eine Yandichaft, Kaſachia, zwischen dem Kaukaſus und Schwarzen Meere gelegen; twohl berichten

Granit, Gneis,

Oranititgneis,

171. Ergänzungsheft zu Petermanns Mitteilungen. 1882,

Gotha,

392

Ruſſiſche Koſakenheere.

die ruſſiſchen Chroniken, daß Mſtislaw, ein Sohn Wladimir des Großen, einen tſcherkeſſiſchen Volksſtamm, die Kofagi, bezivungen hätte. Aber der Zufammenbang diefer Mitteilungen mit dem ruffiihen Namen Kaſaki iſt nicht verbürgt, gefehichtlich nicht nachweisbar. Das Wort Kajak it altorientalifch nnd bedeutet ſoviel wie Yanditreicher und Straßenräuber, deutet mithin auf feine ſehr Vertrauen erweckende Entjtehung diefer Kriegerkaſte. Wirklich iſt das

einzige, was man mit Sicherheit weiß, die Thatjache, daß Männer von energifcher Natur und kühnem Unternehmungse geift, die aus irgend einem runde die Heimat zu meiden Urfache hatten, in die menfchenleere Wildnis flohen, welche ſich zwifchen der Südgrenze der ſlawiſchen und der Nord: grenze der tartarischen Befigungen über ungemefjene Räume ausdehnte und die Benennung Feld (Bolje) führte. Auf diefe Weife kamen Kleinruffen dazu, ſich etwa im 14. Jahr— hundert oder ſpäter unterhalb der Stromfchnellen des Dnjepr niederzulaffen, von wo fie auf ihren Booten leicht Naubzüge ausführen fonnten, und woher fie den Namen der Saporoger, d. b. jenfeits der Stromfchnellen Wohnende, erhielten. Weiter nach Dften, am Don, erfcheinen Koſaken großruſſiſchen Stammes, die nach einigen ſchon um 1380 dort gebauft haben follen. Aus diefen beiden KofafenElaffen, den Saporogern und den doniſchen, haben ſich alle die anderen, die fubanifchen, terefischen, aſtrachani— ſchen, uralifchen, orenburgifchen, fibirifchen, ſemiretſchins— kiſchen, transbatfaliichen, amurischen und andere mehr entwickelt. Darüber gingen die erſteren freilich ſelbſt zuGrunde: ein tragiſches Schickſal, aber nicht ohne eigenes Verſchul— den herbeigeführt. Die kleinruſſiſchen Koſaken oder Sapo— roger ordneten ſich erſt im 17. Jahrhundert, während der Kämpfe der Ruſſen mit den Polen, den erſteren unter, wobei ſie zunächſt ihre eigene Verfaſſung behielten. Dem Zaren Peter dem Großen machten ſie unter ihrem kühnen Führer Mazeppa viel zu ſchaffen, ſo daß ſie teils vertrieben, teils ihrer Selbſtändigkeit beraubt wurden. Gleichwohl hatten ſie bei alledem noch lange Zeit hindurch ihren be— ſonderen Hetman, nach deſſen Tode erſt im Jahre 1743 die Verwaltung völlig an die Generalkanzlei überging. Kaiſerin Elifabetb, die den Gebrüdern Raſumowski, klein— ruſſiſchen Rofafen, ihre Gunſt zugewandt hatte, ftellte zwar für Kyrill Raſumowski im Jahre 1750 die Hetmansmwürde wieder ber, allein Kaiferin Katharina ließ fie 15 Jahre jpäter abermals eingeben. Die nah der Schlacht von Poltawa entflobenen Saporoger wurden Unterthanen der forte und gründeten im Sabre 1711 in der Nähe der heutigen Stadt Aleſchki am Dryjepr eine neue Sjetjch, jo nannten fie den Zentralfiß ihrer Berbrüderung, der fich urfprünglich auf der Dnjeprinſel Khortiza, an einem un: zugänglichen Orte befand. Diefe türkisch gewordenen Koſaken verleugneten indes ihr Nationalgefühl nicht und trugen beim Ausbruch des Strieges zwiſchen Nußland und der Türfer der Kaiferin Anna ihre Dienfte an. Die Zarın

| nahm das Anerbieten an und die Saporoger richteten nun— mehr am Fluſſe Podpolnaja ihre Sjetſch ein; für alle Fälle wurden ihnen jedoch ruſſiſche reguläre Truppen in Garni—

ſon gelegt. Infolge des Friedens von Belgrad im Jahre 1739 wurden die Ländereien der Saporoger dann dem Ruſſiſchen Reiche einverleibt, aber ihnen gleichzeitig, um dieſe Striche beſſer zubevölkern, Zuzügler aus Rußland und Oeſterreich zugewieſen. Zwiſchen dieſen neuen, fleißig ackerbautreibenden Anſiedlern und den freibeuteriſchen Neig— ungen huldigenden Koſaken kam es bald zu Reibungen, die derartige Dimenſionen gewannen, daß die Regierung einſchrei— ten mußte. Anfangs konnte ſie es nicht energiſch genug, weil der ausgebrochene Krieg mit der Türkei, 1768 bis 1774, ſie daran hinderte. Nach Beendigung desſelben wurde jedoch die Sjetſch von regulären ruſſiſchen Truppen umzingelt und aufgehoben. Ein Teil der Saporoger floh von neuem in die Türkei, ein anderer begab ſich indie Donaugegend, oder ließ ſich irgendwo im Reiche nieder. So endete im Mai 1775 das ſaporoger Heer, nachdem ſchon vorher, im Jahre 1764, das kleinruſſiſche Koſakenheer als geſchloſſenes Ganzes zu beſtehen aufgehört hatte.

Befonders günftig für die Entwidelung des Kofafentums waren das 16. und 17. Jahrhundert. Zunächit wirkte auf die Verſtärkung der Banden die Aufhebung der Freizügigfeit der Bauern. Als am Ende des 16. Jahr: hunderts diefe an die Scholle gefejjelt worden, wodurch

man zivar ihrem Vagabondieren ein Ende bereitete, gleichzeitig aber auch die Nechte des freien Mannes, fich feinen Wohnſitz beliebig wählen zu können, ſtark beeinträchtigte,

zogen die energischeren

Naturen

es vor, ihre bisherige

Ungebundenheit durch die Flucht zu den Koſaken zu wahren. Weiteren Zuzug erhielten diefe nach dem Exlöfchen des Moskauer Zarengefchlechts aus dem Haufe Rurik. Damals hatten die Nachfolger des gejtorbenen Feodors, zuerit Boris Godunow, jpäter Waſſilij Schuiski, beftändig mit Uſur— patoren zu kämpfen, löſten ſich alle Bande der Ordnung,

waren Streit und Plünderung das Gewöhnliche. Erſt die Erhebung unter Minin und Fürſt Posharski, die zur Wahl eines neuen Herrſchers, Michael Romanow, führte, machte im Jahre 1613 dieſer Bedrängnis ein Ende. Bei der nunmehr vorgenommenen Reinigung des Reichs von all den unſauberen Elementen, die ſich im Laufe der Jahre angeſammelt hatten, flohen Reſte der zertrümmerten Ban— den, mie überhaupt viele, die Strafe zu fürchten hatten, in das Feld und vermehrten die dortigen Heere. Endlich trug auch die Kirchenreformation unter dem Patriarchen

Nikon im Sabre 1666 dazu bei, die Scharen nicht unmejentlich zu vergrößern. Bon der beiten Abficht befeelt, in dem Wunfche, die alten Kirchenbücher von den ſchweren Fehlern zu reinigen, welche durch mwiederholtes Abfchreiben

in diefelben hineingefommen waren, erregte der Patriarch doch nicht geringen Anftoß. Viele blieben bei den alten Sebräuchen, die fogenannten Starowjery, und nahmen

Ihlieglih, von den ortbodoren Neformen bedroht, ihren

BED)

Ruſſiſche Stojafeuheere.

Weg gleichfalls zu den Koſaken, bei denen ſie in ihrem Glauben ungehindert blieben. Aus all' dieſen zuſammengewürfelten, vom Schickſal mannigfach hin- und hergeworfenen Männern hat ſich mit der Zeit eine Truppe gebildet, die dem Ruſſiſchen Reiche

in Striegszeiten ſchon manchen weſentlichen Dienſt geletjtet bat. „Es iſt eine wahrhaft impofante Macht, über welche Rußland neben feiner regulären Armee gebietet”, jagt Herr v. Stein, und die Zahlen, welche dafür beigebracht werden fünnen, bejtätigen dies durchaus. Die Kontingente aller Kofakenbeere betragen im Frieden 293 Sotnien oder

Wehrpflicht die koſakiſche Kaſte als Striegerfafte völlig be: jeitigt. Loskauf und Stellvertretung find nicht geitattet, und alle Bewohner des Heereslandes, welche zum 1. Januar des betreffenden Jahres 18 Jahre alt werden, gehören zur dienftpflichtigen Altersklaſſe. Junge Leute, die den Kurſus einer Univerfität, eines Gymnaſiums oder einer Xehranftalt dritter Kategorie beendet baden, fünnen als Freiwillige eintreten, als welche fie ſechs Monate bis zu drei Jahre, je nach dem Grade ihrer Bildung, zu dienen haben. Diefe

gehören nach abjolviertem Dienft für 12 Sabre der dienſt—

Esfadronen, 22 Sotnien zu Fuß und 116 Geſchütze, und

pflichtigen Klaffe und bis zum 38. Jahre der Nejerve an. Die anderen dienen 20 Jahren, nad) deren Ablauf der

im Kriege 879

Koſake in die Heereswehr, die Woisskowoje

Sotnien,

66 Sotnien

zu Fuß und

248

opolschenije,

Geſchütze. Die Armee feßte fich im Jahre 1880 zufammen aus 8 Generalen, 3622 Offizieren und 156,341 Kofafen. Bon diefen fommen 239 Dffiziere und 10,572 Koſaken

tritt, in der er verbleibt, fo lange er fähig ift, die Waffen

auf die Artillerie, der Reſt auf die Truppenteile zu Fuß

jegigen Gardefofafen, von denen jchon oben die Rede var,

und

Sie wurden im Jahre 1775 aus zwei doniſchen Koſaken— fommandos und aus der Yeibhufarenesfadron als eine Esforte für die Kaiferin Katharina II. gebildet. Daraus ging 1798 das noch heute bejtehende Leibgarde-Koſaken— vegiment hervor. Gleichzeitig war damals 1775 aus doniichen Koſaken eine Muftere und Lehrtruppe organiſiert worden, die den Namen des „Atoman'ſchen Regiments“ erhielt, im Jahre 1827, als verfügt wurde, daß der jedes: malige Großfürft-Thronfolger Hetman aller Koſakenheere fein follte, nad) Petersburg kam, und hier einen Beſtand— teil des Gardekorps bildete, als welcher es im Jahre 1859

zu Pferd.

Die Zahl der Pferde beläuft ſich auf

156,158, darunter find 137,353 Kavalleries, 5397 Artillerie: und 13,408 Laſtpferde.

Auch für die Koſaken gilt das Gefeß vom 1. Januar 1874 über die allgemeine Wehrpflicht, das auf das doniſche Heer im Jahre 1375, auf das orenburgische im Jahre 1876, auf das transbaikaliſche im Jahre 1878, auf das ſemi— retſchinskiſche, amurifche, fibirische und aftrachanische Heer

in den Jahren 1879 bis 1881

ausgedehnt wurde.

Nur

das uraliihe Heer bat feine alte Verfaſſung, die aller: dings im Jahre 1874 etwas modifiziert wurde; das ku— banische und terefifche Heer haben die ihnen im Jahre 1871 verliehene Drganijation beibehalten. Es bejtehen jomit bei den Koſakenheeren drei verjchtedene Arten der Dienft-

zu fragen,

Ein intereffanter Beſtandteil des Koſakenheeres find Die

Treue ab und treten in die Armee ein, in der fte fünf Sabre für den inneren Dienjt, 15 Jahre im äußeren, dem Felddienſt, und jchlieglich wieder fünf Jahre im innern Dienjt verivendet werden. Dann werden fie entlafjen, fünnen aber noch in den nächiten 10 Jahren zu Dienft-

die Nechte der jungen und im Jahre 1878 die der alten Garde zugeftanden befam. Von beiden Negimentern for mieren je zwei Esfadronen im Frieden das Fombinierte Leibgarde =Kofafenregiment. Im Sabre 1798 Tam auch noch eine Sotnie der uralifchen Kofafen zur Garde, der ipäter eine donifche Batterie angereiht wurde. Bei der numerisch großen Zahl der Kojafen liegt die Frage nabe, inwieweit diefelben für auswärtige Kriege disponibel gemacht werden können und ob ihre militäriiche Ausbildung den Anforderungen der Sebtzeit entjpricht. Die Mehrheit der Koſaken iſt gegenwärtig als leichte Neiterei organifiert, es gibt indes auch koſakiſche Infanterie und Artillerie. Das Verhältnis der verfchiedenen Waffengat-

leiftungen herangezogen

Dienft

tungen ift etwa diefes: Von der entjprechenden Waffe der

werden Freiwillige der an der Reihe jtehenden Dienitklafje genommen und wenn dieje nicht ausreichen, muß das Loos entſcheiden. Hierbei wird eine jehr alte, ſonderbare Sitte

vegulären Armee macht die koſakiſche Infanterie noch nicht

leiftung, von welcher die des uralifchen Heeres noch am meilten den früheren Zuftänden ‘gleichfommt. Ber diefen bilden die 17 jährigen Sünglinge die fogenannte Klaffe der Minderjährigen, die gewiſſe Dienjte im Inneren zu leiten bat. Sm Alter von 19 Jahren legen fie den Eid der

werden.

Zum

aftiven

beobachtet, nach welcher jeder eintretende Koſak von dem andern eine Entfchädigung erhält, über deren Höhe eine gütliche Vereinbarung getroffen wird. Bon diefer muß er ein ge: wiſſes Prozent an alle mit ihm gleichzeitig, aber in andere Teile Eintretenden abgeben, von denen er gleichfalls ein ſolches empfängt. Die Abrechnungen dabei find höchſt fomplizierter Natur, werben aber mit großer Geduld ab-

jolviert. Im übrigen tft Durch die Einführung der allgemeinen

19/9, die Artillerie 50%, die Kavallerie 770%, aus.

Die

Koſaken überhaupt bilden etwa 60/, der regulären Armee, in Weftfibirien ſchon 79%), in Obſtſibirien und Turkeſtan

ungefähr 22%. Im allgemeinen fcheint der Friegerifche Geift der Ko— faten im Schwinden begriffen. Am Ende des 17. Jahr— bunderts galt bei ihnen als Negel: „Wer Land pflügen und Getreide ſäen wird, foll totgefchlagen werden.” Jetzt

mehrt ſich die nichtkoſakiſche Bevölferung und der Land— bau dehnt ſich auf weitere Kreife aus. Unter einer Bes völferung von 2,912,969 Köpfen im Jahre 1850 fanden

994

Der vierte Deutsche Geographentag zu Münden.

fih bereits 762,132 Nichtkoſaken. Der Aderbau iſt für die Koſaken die wichtigfte Quelle des Wohljtandes gewor— den, obwohl wegen Ungleichheit des Bodens die Befchäf:

17. bis 19, April 1884.

Der vierte Deutſche Geoaraphentag zu - Minden. 17. bis 19. April 1884.

tigung mit demfelben eine ſehr ungleichmäßige iſt. Man baut Weizen, Noggen, Gerfte, Hafer, Hirfe, Buchweizen und Kartoffeln. Dazu fommt eine ausgedehnte Viehzucht, namentlich Pferdezucht. Ferner wird die Bienenzucht überall getrieben, ebenfo die Fischerei, lauter friedliche Beichäftig: ungen, welche die Koſaken ihrem eigentlichen Handwerke immer

mehr und mehr entfremden.

Um fo eher aber fonnte die Sachlage fich in diefer Weiſe gejtalten, als die an den ruffifchen Grenzen haufen: den aſiatiſchen Stämme faſt gebändigt find und zur Aufrechterhaltung der Ordnung fleinere Kommandos in der Negel ausreichen. Co ruft denn nicht mehr das nächt: liche Allarmſignal beim Brande der benachbarten Staniten die Koſaken in den Gattel; fie eilen nicht mehr an die Surten der Flüſſe, um den mit der gemachten Beute ent— fliebenden Tataren nachzufegen, mit einem Worte, fie find nicht mehr die Wächter einer ftetS bedrohten Grenze, d. h. feine Kofafen mehr in früherem Sinne. Die ruffishe Negierung, die dies fehr wohl wahr: nimmt, bat Maßregeln ergriffen, die militärische Ausbild— ung der Koſaken zu heben. Die dienftthuenden 20 Regie menter des doniſchen Heeres find der regulären Kavallerie beigezählt worden und andere Negimenter des fubanifchen, terefifchen, orenburger Heeres find bereits, oder follen demnächſt gleichfalls der ruſſiſchen Armee einverleibt werden Cin kaiſerlicher Befehl vom 18. Auguft 1882 hat ſämt— liche Hufaren- und Wlanen-Regimenter der Linienarmee zu Dragonern umgeftalten laffen, fo daß alle die ſchweren Pflichten, welche in den Kriegen der Neuzeit der leichten Kavallerie zufallen, die Koſaken allein zu erfüllen haben werden.

Hierin, ſowie in dem Nutzen, welchen die Koſaken bereits in allen auswärtigen Kriegen dem Reiche gebracht haben, liegt es begründet, daß man von der Auflöfung der Koſakenheere in maßgebenden Kreifen nichts wiſſen will. Das Miniftertum des Inneren regte nad) Einführ: ung der allgemeinen Wehrpflicht allerdings dieſe Frage an, weil es meinte, daß die Kofafen gegenüber anderen ruſſiſchen Staatsangehörigen eine zu ftarf bevorzugte Stellung einnehmen. Aber das Kriegsminifterium hat ablehnend

darauf geantwortet und der alte friegerifche Geift der Ko— ſaken, der keineswegs erloſchen ift, wird unter der Pflege, welche ihm neuerdings die Regierung angedeihen läßt, in die ihm entprechenden Bahnen gelenkt, vorkommenden Falls gewiß fich ebenfo wie früher bewähren, W. ©,

11.1

In der eriten Sitzung, welche am Bormittag des 17, April ftattfand, Itand die Frage der Bolarforfhung auf der Tagesordnung. Die angekündigten Mitterlungen

von Sulius dv. Bayer und Dr. Peter Vogel mußten leider ausfallen; erjtere wegen Unwohlſeins Ihers und Künftlers, Tettere infolge un Hinblid auf die dann fpäter vom genommene Nefolution zu Gunſten der

des berühmten For— eines Irrtums, der Geographentag an— antarktijchen Forſch—

ung doppelt zu bedauern it. Immer blieben aber noch die Namen Neumayer, Börgen und Koldewey auf der Yilte. Die erjteren beiden hatten e3 möglich gemacht, per: Jönlich zu ericheinen, trogdem die Bolarfonferenz Durch ein unliebfames Zufammentreffen, das in Wien hätte ver: mieden werden müffen, an demjelben Tage mie der Geo— graphentag ihre Sitzungen begann: ein Opfer, das die Leiter der Verfammlung um jo danfbarer anzuerkennen

hatten, al3 noch vor einigen Sahren der Anteil der Geo— graphie an der Polarforſchung und die Berüdfichtigung geographifcher Gefichtspunfte beim Entmwurfe des Syſtemes der internationalen Bolarftationen entweder offen abgelehnt,

oder ihrer doch nur in einer weit zurücdliegenden Linie ges dacht morden war. Die Nefolution des Frankfurter Gevgrapbentages zu Gunſten der Wiederaufnahme der

geographifchen Bolarerpeditionen hatte in erjter Linie ein: geitandenermaßen den Zweck der Verwahrung. An das echt der Geographie, in diefen Dingen ein entfcheidendes

Wort zu fprechen, follte endlich einmal, nachdem die Wey— precht'ſchen Thefen in der wiſſenſchaftlichen und halbwiſſen—

Ichaftlichen Welt überall und immer wieder affichiert wor— den

waren,

eindringlich

erinnert werden.

Die heurigen

Verhandlungen haben beiviefen, daß jene Verwahrung nicht wirkungslos verhallte und daß die herborragenditen deutſchen Kenner und Erforjcher der Bolarregionen Wert darauf legten, die Bolarfrage auf dem Geographentage verhandelt zu ſehen.

Man fah ein, daß e3 fich hier nicht nur um den Streit hohler Nivalität handelte, fondern um die Dffenhaltung ver: ſchiedener gleichberechtigter Wege, welche auf ein nur durd) gemeinfame Arbeit Bieler zu löjendes Problem hinführen. Hoffen wir das Beite von der damit angebahnten Beteilig-

ung der Geographen an den Vorarbeiten zu Polarexpedi— tionen der Zufunft! In den einleitenden Worten zu feinem Bericht betonte

Direftor Dr. M. Neumayer, kommiſſion

daß die deutfche Polar:

für fich die Nefultate des großartigen Unter:

nehmens im ganzen nicht fejtzutellen im ftande fei.

Es

it dies Aufgabe der in Wien tagenden internationalen Polarkonferenz, welche zum erſtenmale die Ergebniffe ſämt— 1 Siehe „Ausland“

1884, Nr, ilel.

Der vierte Dentfche Geographentag

licher Stationen vergleicht und prüft. Hieraus wird ſich ergeben, inwieweit die Verwirklichung des Weyprecht'ſchen

Gedanken? den erhofften Nefultaten für die geophyſika— liſche Forſchung entipricht und welche Mittel und Wege fünftig auf diefem Gebiete zu erwählen ſein werden.

Zunächſt gab nun Dr. Neumaper einen Furzen Rück— blif auf die Anordnungen, welche der Exekutivausſchuß der deutihen Polarkommiſſion traf, um die Expeditionen im Kingawafjord und auf Südgeorgien in die Heimat zu:

rüczuführen.

„Germania“,

das mit der Gejchichte der

deutjchen Nordfahrten eng verfnüpfte Erpeditionsichiff, ging am 23. Juni 1883 in See, um die deutjche arftifche Station aufzufuchen. Ste erreichte bald den Eingang in den Rumberlandfund, mußte aber 34 Tage lang unter den Eismaffen, welche fih um Kap Mercy gefammelt hatten,

verteilen.

Erſt am 28. Auguſt konnte diefelbe in eriteren

eindringen und nahe einer Schottischen Walfiſchfahrerſtation anfern. Da indes füdliche Winde das Eis fo ſehr nad Norden gedrängt hatten, daß es den ganzen nördlichen Teil des KRumberlandfundes erfüllte, jo begab ſich Dr. Boas

mit 6 Esfimos und einem Boote nach dem Kingatvafjord, und teilte den Mitgliedern der Station in den erjten Tagen des September die Nachricht von der Ankunft des Schiffes mit. Ein amerikaniſcher Walfischfabrer, welcher

durch die gleichen Cüdivinde

und

Cismafjen

nad dem

Kingawafjord gedrängt worden war, exbot fich fofort, un-

jere Gelehrten an Bord der „Germania” zu bringen. Am 7. oder 8. September hörten die Beobachtungen auf; die Obſervatorien wurden belafjen und zugleich eine Gedenk— tafel befeitigt, daß diejes die Station der deutjchen Nation geweſen jet, man diejelbe dem Schuße der zivilifierten Welt empfehle und fie zu erhalten wünſche für fünftige Ent: deckungsreiſen. Schon am 16. September fonnte die „Germania“ mit ihrer teueren Laſt an Bord abjegeln; am 15. Oftober fam fie nad Helgoland, am 16. nad Kurhaven und am 17. begrüßte man fie in Hamburg. Allen Forſchern war das Jahr harter mifjenjchaftlicher Arbeit in ihrer Abgefchiedenheit von der Zivilifation ganz wohl befommen. Nahezu gleichzeitig mit der Expedition famen die Kopien, welche vorfichtshalber von allen Beobachtungen angefertigt und auf einem ſchottiſchen Walfifchfahrer: ver: Ihifft wurden, auf deutſchem Boden an. — Dr. Koch, welcher befanntlich auf Zabrador eine Station leitete, war Ihon am 12. September mit feinen Gefährten wohlbebalten in der Heimat gelandet. Es läßt fih erwarten, daf;

die Vergleichung der Journale diefer beiden arktifchen Er: peditionen ein interefjantes Licht auf die dortigen meteorologiichen

Vorgänge

werfen

dittion auf. Südgeorgien

wird. —

Die deutfche Expe-

erreichte auf Sr. Maj. Schiff

zu München.

17. bis 19. April 1884.

355

Forſchungen auf dem ſüdamerikaniſchen Kontinent zurück. Zu erwähnen tft auch, daß, um die Unterfuchung der atmojphärifchen Vorgänge auf Südgeorgien zu unterjtüßen und gleichzeitig die Verbindung einerfeitS nach dem amerikaniſchen Kontinent und deſſen meteorologifchen Stationen, andererjeit3 nach der franzöfifchen Station am Kap Horn berzuftellen, eine vein meteorologische Station auf den Falklandsinſeln in Port Stanley eingerichtet ward. Mas nun die auf den Stationen in der Arktis und Antarktis gewonnenen Refultate anlangt, fo glaubt Dr. Neumayer ausfprechen zu fünnen, daß diefe im großen ganzen die gehegten Erwartungen nicht täufchen. Es ergab jih an den zwei Hauptjtationen Deutfchlands die Thatjache, dag in vieler Hinficht die Verteilung der erdmagnetifchen Kraft fi anders geftaltet, als man erwartet hatte und daher mannigfache Korrekturen unserer magnetischen Karten notwendig fein werden. Außerordent— lich wichtige Nejultate erlangte man: auf Südgeorgien.

Hier handelt

es fih in der That um

die Ausfüllung

einer großen, ſchwer fühlbaren Lüde in unferer flimato-

logifchen Arbeit.

Die Inſel liegt mitten im Atlantischen

Dzean, ſehr entfernt vom amerikanischen Sontinent, und zeigt höchit wunderbare Erſcheinungen in ihren meteorologiſchen DVerhältniffen. Niemand konnte erwarten, daß bier, wo fich die mittlere Jahrestemperatur auf 1,70 C. jtellt, nach den jelbftregijtrierenden Inſtrumenten nicht ein Monat eisfrei war. Auch zeigt die Verteilung der Tem:

peratur im allgemeinen eine jo auffallende Differenz 3. D. gegen jene der naheliegenden Jalklandsinjeln, daß die Beobachtungen zu erheblichen Betrachtungen Veranlaſſung bieten. Das Naturleben it auf dem an Gletſchern jo reichen Südgeorgien ſehr ärmlich und die Landſchaft, wie die von Ingenieur Mofthaff entworfenen Skizzen in der geo—

graphiichen Ausitellung bezeugten, in hohem Grade fteril. Dagegen iſt die Vogelwelt bier reich vertreten. Die von unferen Gelehrten aus ihr zu uns gebrachten Cchäße werden jpäter Gelegenheit zu interefjanten embryologiſchen Unterfuchungen geben. — In Hinſicht auf geologijche

Forſchungen hätten die Stationen wohl auch der Wiffenſchaft ſchätzenswerte Dienjte letiten fünnen. Doc waren ihnen nach ihrer Inſtruktion größere Expeditionen zu diefem Zwede unterfagt und fo hatten fie ſich denn auf ihre un: mittelbare Umgebung zu bejchränten. Don den fakultativen Forfchungen find bejonders bei der Expedition nach dem Norden die ſyſtematiſchen Beobachtungen über Refraktionserſcheinungen, bet jener im Süden die Pendelbeobahtungen von Dr. Schrader zu nennen. Im Süden wurde vorzüglich auch die hydro—

graphiſche

Arbeit

bedeutend

gefördert.

Man

beob-

„Marie“, das bereits am 1. September im Moltfehafen eintraf, am 24. September gefund und friſch Montevideo. Während aber Dr. Schrader nach kurzem Aufenthalt mit der Mehrzahl der Mitglieder feiner Station nad) Deutſch—

achtete bier am 28. Auguft die Krafatoawelle, die einen Tag vorher von der Sundaftraße ausging und konſtatierte jo ein Fortichreiten diefer Erfcheinung auf eine Entfernung von 10,000 Km. Auch die von den Cruptionen auf

land zurückkehrte, blieben mehrere der leßteren zu meiteren

Krafatoa erzeugte Lufttvoge, welche die Erde dreimal um—

>56

Der vierte Deutſche Geographentag zu Minchen.

freifte, wurde auf Südgeorgien beobachtet und Klar ver: Bedenkt man, daß die ganze Schwanfung des seichnet. Quedjilberbarometerd nur 2,5 mm, betrug, während Die Entfernung 10,000 Km. war, jo muß man das Inſtrument betvundern, welches diefe Bewegung anzeigte. Ueber die Weröffentlihung der in Nord und Süd gemachten Beobachtungen und die Einfügung der deut— ichen Quote der Arbeit in das internationale Syſtem hat die Bolarfommiffton bereits ein Programm aufgeitellt, Das aber gleichfalls erſt der Billigung des internationalen Kongreffes bedarf. Nach demfelben foll das Werk in drei Abteilungen erfcheinen: der 1. Teil wird die Gefchichte der deutfchen Unternehmen umfafjen, mit Berüdjichtigung der topograpbifchen, hydrographiſchen und naturwiſſenſchaft— lichen Forfchungsergebniffe, der 2. und 3. Teil die deut— ihen Beobachtungen in extenso influfive der Beobachtungen in Göttingen und namentlich jener des magnetischen Obfervatoriums zu Wilhelmshaven enthalten. Im Anſchluß hieran charafterifierte Dr. Neumayer den Wert einer ſpezifiſch deutſch-däniſchen Arbeit, der Here ſtellung ſynoptiſcher Wetterkarten. Ihre Bedeutung ruht darin,

daß fie einen

detaillierten

Blid auf die Lage der

meteorologifchen Verhältniffe zwischen 600 Nord und 600 Süd gewähren und fte tritt vor allem in einem Beobachtungsjahr, wie jenes 1882/83 var, und bei einem Vergleich mit den Beobachtungen in höheren arktifchen Negionen hervor. Indem der Nedner zum Schluß noch die Frage be: rührte, was wohl für die Zufunft auf dem Gebiete der Polarforſchung zu thun fer, bob er hervor, daß man vom Anfang an dem Gedanken fejtgehalten babe, das jegige Unternehmen folle lediglih der Vorläufer größerer, über längere Perioden ſich eritredenden Arbeiten fein. Näheres hierüber zu fagen werde erſt möglich fein, wenn die Nejultate jämtlicher Stationen zufammengefaßt ſeien; dann exit laffe ſich entſcheiden, in welcher Weile man ſowohl mit den magnetischen Forſchungen im Süden, ie mit den meteorologischen Forſchungen im Süden und Norden zu einem erfolgreichen Ende gelangen könne. Eines könne er beute ſchon als durchaus notwendig bes zeichnen, nämlich eine befjere Lagerung der Stationen. Insbeſondere müſſe auch die große Lücke, welche in der Klimatologie noch beitehe, durch meteorologiſche Beob— achtungen der Winterzeit in der antarktifchen Region aus: gefüllt werben. Dr. Neumayer legt perfönlih bierauf auch aus dem Grunde befonderen Wert, weil es Bayerns König Maris milian II. geweſen, der ihn vor 30 Jahren Schon hinaus ges Jandt habe, um das Programm, an dem man beute arbeite, wenigſtens für die füdlihe Hemiſphäre zu verwirklichen. Damals galt es, in Melbourne eine Zentralſtelle zu er— richten; zugleich habe man aber auch den Plan gehabt, bon dieſer Yentralftelle aus die antarftifche Negion zu er: forschen. Der erſte Teil des Planes gelang und die

17. bis 19. April 1884.

Station erfreut ſich heute in jeder Nichtung der größten Blüte. Politiſche Verhältniſſe und der andererjeits ange: regte Gedanke der Polarforſchung traten dem zweiten

Teile des Planes hindernd entgegen. Für wie bedeutfam man nun aber mit einem Male wieder die Erforfchung der füdlichen Hemiſphäre erfannte, Das geht aus der That: jache hervor, daß, als die deutjche Polarkommiſſion 1881 in Berlin verfammelt war, die Anficht vertreten wurde, daß die Deutfchen eigentlich alle Stationen im Norden aufzugeben und nur im Süden zu arbeiten hätten. Dr. Neumayer habe dagegen auftreten müfjen, da man auch die fonoptifchen Arbeiten in der nördlichen Hemi— ſphäre nicht aufgeben dürfe. Es wäre eine hohe, wahrhaft große Sache, ſchloß der Nedner, wenn der deutjche Geiſt

fih noch entjchliegen fünnte, den Gedanken der antarftiſchen Forſchung nad diefen Grundzügen bin durchzu— führen. Es wäre das eine Gerechtigkeit gegen den hohen Sinn eines edlen großen Königs; es wäre aber auch fernerbin ibm, der vom Studenten durch den Matrofen hindurch zum Gelehrten wurde, eine Genugtbuung, wenn diefe Sache zur Durchführung fommen fünnte und es dem deutſchen Geifte vergönnt wäre, dieſe gewaltige Lücke erfolgreich auszufüllen. Auf die von der Verfammlung mit lebhaftejtem Bei:

falle aufgenommene

Rede

von Direktor

Dr. Neumayer

folgte das Referat Brofeffor Dr. Börgens, in welchem das Verhältnis der eigentlich geographiichen und der geophyſikaliſchen Forschung, mie fie das Jahr 1882/82 ange: babnt, mit der vollen Sachkenntnis des Fachmannes dar— gelegt wurde. Börgen bat die Ueberzeugnng, daß beide Standpunkte ihre volle Berechtigung haben, der eine den

anderen nicht ausschließt, jondern diejelben fich gegenfeitig ſehr wejentlich unterjtügen können. Nur glaubt er freilich nicht, daß fie in derſelben Expedition vertreten fein jollten, was zu einem Widerſtreit der Intereſſen Anlaß gäbe, welcher auf beide lähmend einwirken würde. Die Erfahrung, welche man im Sahre 1882 bei Ausfendung der Expeditionen zu twifjenfchaftlichen Beobachtungen innerhalb der Polarzonen gemacht hat, wird ficher dahinführen, daß man die Errichtung der Stationen, die ‚ein unerjegliches Beobachtungsmaterial liefern und von denen die allerwwichtigiten Auffchlüffe über die Phyſik

der Erde zu erivarten find, den Mechjelfällen arftifcher Reifen nicht mehr, als unbedingt erforderlich tft, ausfegt. Mit anderen Worten: man wird dahin fommen, die Stationen an jolchen Punkten zu errichten, welche zwar arktiſchen Charakter haben, deren Erreichbarkeit aber entweder außer Zweifel jteht oder doch mit einem hoben Grade von Wahr: Icheinlichkeit angenommen werben fann. Die geographifchen Entdedungsreifen hintviederum müffen in bisher unerforfchte Gebiete einzudringen fuchen, auch auf die Gefahr bin, die Rückkehr nur unter großen Schwierigkeiten bewirken zu

fönnen, reichen,

oder auch ihren Zweck überhaupt

nicht zu er

Der vierte Deutſche Geographentag

Beide Standpunkte jchliegen ſich demnach bezüglich des Schauplaßes der Wirkjamfeit aus, ergänzen fich aber in Bezug auf ihre Zwecke und Ziele in erfreulichiter Weife. Und nun erinnert Profeffor Dr. Börgen daran, welche hervorragende Bedeutung die Verteilung von Waſſer und

Land für die meteorologifchen Verhältniſſe befist, wie durd hohe Gebirge die Luftftrömungen beeinflußt werden, wie Yänderfomplere auf die Zugſtraßen der barometrifchen Minima einwirken ꝛc. Da iſt es denn durchaus nicht

gleichgültig

zu willen, ob im Norden

größere Ländermaſſen

befinden,

oder Süden

fich

und wenn dies der Fall,

wie fie verteilt find und melchen Charakter fie tragen. In erdmagnetifcher Beziehung tft gewiß die Kenntnis der Berteilung von Waffer und Yand innerhalb der Polar: gürtel von gleicher Wichtigkeit, wenn auch in diefer Hin: jiht ein Zuſammenhang

bis

jeßt nur

geahnt

erden

fann. Es möchte, jagt der Nebner, doch wohl mit der Berteilung von Land und Meer zufammenbängen, daß die Nordhemifphäre zwei Sammelpunfte der magnetischen Energie an räumlich weit von einander getrennten Orten innerhalb der beiden großen Kontinente Amerika und Ajien befist, während diefelben auf der Südhemifphäre nahe bei einander zwiſchen dem Kontinente von Auftralien und der einzigen größeren Ländermaſſe der antarktifchen Zone liegen. Aus diefen Betrachtungen ergibt fich, daß die geographiichen Forichungserpeditionen eine notivendige Er: gänzung für die rein wiſſenſchaftliche Erforihung der Phyſik der Erde bilden müſſen, wenn auch die leßtere vielleicht exit in fehr ſpäter Zukunft den vollen Nugen aus diefer geographijchen Erforjchung ziehen wird. Eine andere wertvolle Ergänzung der geophyſikaliſchen Beobachtungen fünnen aber arktiſche Expeditionen liefern, wenn ihre Aufgabe nicht zu eng gejtedt iſt. Es wurde vorhin erwähnt, daß aus praftiichen Rückſichten wiſſen— Ichaftlihe Beobachtungsjtationen an Leicht zugänglichen Bunften errichtet werden ſollen. Nichtsdeſtoweniger tt aber wünjchenswert, Beobachtungen aus Meniger leicht zugänglichen Gebieten zu erbalten, welche zu gewiſſen Zonen oder Punkten eine derartige Lage einnehmen daß Beobachtungen dort bejonders wertvoll fein würden. So

liegt die nördliche Oſtküſte Grönlands unzweifelhaft nörd— lic ſowohl von der Hauptitraße der Minima über Island, als auch von dem fogenanten Nordlichtgürtel. Meteoro— logiſche Beobachtungen an diejer Stelle würden eine äußerſt

wertvolle Ergänzung zu denjenigen auf Island, San Mayen und Norwegen gebildet haben, welche teils auf, teils füdlic) von genannter Zone liegen. Bei Ausjendung der deutjchen Expeditionen war daher auch in eriter inte Oftgrönland ins Auge gefaßt, aber es war in der zur

Verfügung ftehenden furzen Zeit eine pafjende Fahrgelegenheit nicht zu bejchaffen.

Man könnte nun, fährt Brofeffor Dr. Börgen fort, ein: wenden, daß durch eine ſolche Berquidung rein naturwiſſen— Ihaftlicher und geographifcher Forihungsziele beide leiden

zu Miinchen.

17. bis 19. April 1884.

357

fönnten. Es fommt ſelbſtverſtändlich darauf an, wie eine geo— graphifche Expedition ausgerüftet ift, mit welchem Berfonal fie verſehen fein wird, ob man ihr auch die Aufgabe phyſikaliſcher Beobachtungen übertragen fann. Der geographiſche Zived jteht natürlich in erjter Linie. Wenn man aber bedentt, dag das Schiff oft zu monatelangem Stillliegen verurteilt it und daß ein Teil der Wannjchaft jtets an Bord bleiben muß, jo wird man zugeben, daß während der Zeit, wo das Fahrzeug an demfelben Ort ſich befindet, jehr wert: volle Reihen von Beobachtungen geliefert werden fünnen. Rolarerpeditonen haben eben das Eigentümliche, daß man von ihnen außer geographiſchen Nefultaten in hohem Maße auch wiſſenſchaftliche, in eriter Linie geophyſikaliſche Ergebnifje erwartet, und die Expeditionen werden am höchſten geſchätzt und haben einen unvergänglichen Ruhm, welche beides vereinigen konnten. Börgen mutet natürlich einer geographiſchen Forſch— ungsexpedition nicht die Ausführung des ganzen Pro— grammes eines internationalen Unternehmens, wie e8 jenes im vergangenen Sabre war, zu. Er denkt ſich eritere vielmehr jo organifiert, daß ſie als Hauptziel die geo— graphifche Entdedung und Aufnahme verfolgt, daneben aber mit Inftrumenten und einem gut vorgebildeten wiſſen— ihaftlihen Berjonal ausgerüftet ft, um während der erzioungenen Muße geophyſikaliſche und andere natur: pwiffenfchaftliche Beobachtungen anftellen zu können. Als Termin einer folchen Expedition würde das Jahr am geeignetjten erjcheinen, in welchem ein internationales Beobachtungsnetz um die Pole fih mit dem Studium geo— phyſikaliſcher Erſcheinungen bejchäftigt, wodurch natürlic) die Ausſendung einer Entdeckungsexpedition zu anderer Zeit und ohne Anſchluß an ein internationales Unter— nehmen nicht ausgeſchloſſen erſcheint. Auch Börgen be— trachtet es, ähnlich wie Koldewey, als Ehrenpflicht Deutſch— lands, falls eine neue Expedition zu geographiſchen Zwecken ausgeſandt werden ſollte, dieſe in ein Gebiet zu ſenden, wo Deutſche nicht ganz ohne Erfolg bereits thätig waren, nach Oſtgrönland. Und ſo ſchloß er denn ſein Referat mit dem berechtigten Wunſch, daß die Beſtrebungen des Geographentages, die geographiſche Polarforſchung wieder zu beleben, von Erfolg gekrönt ſein und wir bald in die Lage kommen möchten, einer ausgehenden Expedition guten Erfolg zu wünſchen und die heimgefehrte mit Stolz ob der erzielten Nefultate willfommen zu heißen. Im Anſchluß an den Vortrag Dr. Börgens berichtete Profeſſor Dr. Natel über den Inhalt des ſchriftlichen Gutach— tens von Kapitän Koldewey, der auf Grund der Er— fahrungen über die Phyſik der Polarmeere dem Geographentag jene Vorfchläge über Erfolg veriprechende Ausgangs: punkte und Wege künftiger Forſchungen im arktifchen Gebiete unterbreitete, welche die Weranftalter des Geographentages

von ihm erbeten hatten. Wie der Berichterjtatter her— vorhob, charakteriſiert fi das Gutachten in feinem erjten Abschnitt als ein hiftorifcher Rückblick auf die deutſche Polar—

358

Der vierte Deutfche Geographentag zu München.

forschung, welcher indes weit mehr als eine bloße Zuſammen— itellung aus der Geſchichte der Entdedungen und der

phyſikaliſchen Geographie darftellt. As im Fahre 1865 Dr. Petermann zuerjt in der allgemeinen Verfammlung deutſcher Geographen zu Frank— furt a. M. die Idee einer deutichen Nordfahrt anregte, fand feine Anficht über die mehr oder weniger leichte Schiffbarkeit der Polarmeere und feine Hypotheſe über die Zugänglichfert des inneren Bolarbedens bis zum Pole auch unter den deutſchen Geographen vielfache Anhänger. Wenn nun au die fpäteren Erfahrungen ein ganze Summe von Thatfachen darbieten, welche von einem „offenen Bolarmeere” heute vollitändig abſehen laffen, jo ıjt doch gerade Petermanns Meinung ein gewaltiger Impuls für die Förderung arftifcher Entdefungen in den jüngiten Jahrzehnten geworden. Sp wurde 1868 die erite deutjche Nordfahrt und zugleich eine ſchwediſche Expedition unter Nordenjktöld ausgerüftet, die erjtere mit der Abficht, längs der Djftfüfte von Grönland fteuernd in das vermutete innere Polarmeer vorzudringen, die lebtere auf Grund des Planes, durch das Vordringen nördlid von Spitz— bergen den Bol zu erreichen. Sn diefer Sinficht hatten nun aber beide Expeditionen negative Nefultate, ja Norden: jftöld wurde durch feine Reife fogar zu der Idee angeregt, über das ſchwere Badeis hinweg mit Nenntierichlitten fich dem Bol zu nähern. Trotzdem beharrte Dr. Petermann auf feiner Hypo: * theſe und ſchlug nun zur Erreichung des offenen Meeres um den Bol in eriter Linie den Weg zwifchen Nowaja Semlja und Spißbergen vor. Indes erfuhr aud die zweite, an allgemein wifjenjchaftlichen Erfolgen fo reiche deutjche Nordfahrt, daß die Idee eines offenen Fahrwaſſers an der oſtgrönländiſchen Küfte irrig und die Schiffbarfeit

längs derjelben von der Konfiguration

des Landes und

den jeweilig herrfchenden Winden abhängig ei. Noch einmal erhielt Petermanns Anficht,

Entdefungen in arktifchen Gegenden gegenüber der rein phyjifaliichen Forfhung für irrelevant erklären. Zur jelben Zeit verwieſen auch die amerifanifche Expedition unter Hall und die darauf folgende englische unter Nares das offene Polarmeer von Hayes in das Bereich der Mythen.

Sie erfuhren zugleich, daß die Ebbe: und Flutbeobadhtungen verbunden mit den Forſchungen der deutfchen Expedition auf Sabineinfel ganz unzmweideutig auf ein tiefes und aus: gedehntes Meerbeden im Norden und Nordoften von Grön— land ſchließen lafjen. Seit der denfwürdigen Umfegelung des Nordrandes von Aſien durch Nordenſkiöld und den für die Geographie der Arktis keineswegs bedeutungslofen, aber unglüdlichen

Fahrten der „Seannette” und des „Rodgers“ hat die jeit 1868 faſt ununterbrochen thätig gewefene eigentliche Ent: dedungsepoche zur Erforſchung der arktiichen Gegenden abgefchloffen und es fcheint, als ob damit auch vorläufig ein Stillitand in derjelben eingetreten fer. Die Nefultate der mehr als zehnjährigen Beitrebungen, jagt Koldewey, dürfen als fehr bedeutend und als den auf gewwendeten Mitteln vollfommen entjprechend angejehen erden. Manche Irrtümer, wie der des offenen Polar: meeres, find befeitigt und die Geographie des Volarbedens ſoweit gefördert, daß mit meit mehr Berechtigung Hypo— thefen über die Verteilung von Yand und Wafjer heute afgejtellt werden können. Die gemachten Beobadhtungen lafjen darauf Schließen, dab wahrſcheinlich das noch un— befannte Gebiet um den Nordpol größtenteils Meer tft. Diefes Meer fpottet unferer bisherigen Hilfsmittel und jeder nach diefer Nichtung bin unternommene Verſuch würde den Totalverluft der Expedition oder eine erfolge lofe Nüdfehr zur Folge haben. Es bieten ſich demnach zur weiteren Förderung arktifcher Entdedung nur zwei Wege: die Fortführung der Entdeckungen an der Dit:

füfte von daß der

Eingang in das innere Volarbeden durch die Ausläufer der warmen atlantischen Strömung zwischen Nowaja Semlja und Spibbergen gezeigt fer, bei der Rückkehr Payers und Weyprechts von ihrer Nefognoszierungsfabrt eine Stütze, da beide das Meer in eben jenen Gegenden ungewöhnlich offen gefunden hatten. Und jo wurde denn die öfter veichticheungarische Expedition mit dem Programm ausge gejandt, nordöftlih von Nowaja Semlja vorzudringen,

das vermutete Meer im Norden von Sibirien aufzusuchen und womöglich dur die Beringsitraße zurüdzufebren. Doch wurde der „Tegetthoff” bereits 24 Stunden nad) Verlaſſen der Küften von Nowaja Semlja vom PBadeife eingefchloffen, um nie wieder von demfelben befreit zu wer: den. Die unfere Kenntnis von der Arktis bedeutend er: weiternden unfreiwilligen Entdeckungen Bayers und Weyprecht3 find befannt; nicht minder die auf den Erfahrungen während diefer Expedition fußenden Borfchläge des letteren, welche weitere Anftrengungen zur Förderung geographifcher

17. bis 19. April 1884.

Grönland

und die Feitlegung

und Erforjche

ung der Nordfüfte diefes Landes; ſodann eine weitere Erforfhung der Ausdehnung des von der öſterreichiſchen Expedition entdeckten Inſel-Archipels im Norden von Spitz— bergen. Beides ift möglich und ausführbar ohne bejonderes Riſiko für Menfchenleben. Auf den erjteren Weg, als denjenigen, welcher die größten wiſſenſchaftlichen Re—

jultate verspricht und den zu verfolgen Koldewey gewiſſer— maßen Ehrenfache der deutſchen Nation zu fein jcheint, richtet er insbeſondere die Aufmerfamfeit des Geographen— tages. Nach feinem Dafürbalten dürfte erſt durch gründ— liche Erforschung der geographischen und Flimatifchen Ber: hältnifje der Nord: und Weſtküſte diejes ins ungeheure

Firngebiet des Nordpolgletſchers, Meer

um

den

als welchen man das

Pol wohl bezeichnen

fann, am weiteften

hineinreichenden Landes die geeignetfte Bafıs zur Beur: teilung der Nefultate gleichzeitiger Beobachtungsftationen im Sinne Weyprechts gefchaffen werden.

stleinere Mitteilungen. —

A. G. Nathorſts Studien über die Flora Spitzbergens.!

Kleinere Mitteilungen. Aus den Testen Nachrichten von Dr. Bogge. Am letzten Situngsnachmittage des 4. Deutjchen Geographentages gedachte Profeffor Dr. Nagel der traurigen Nachricht von dem Tode eines der beften und thätigiten Afrifareijenden, welche Deutſchland jemals beſeſſen und gleichzeitig eines Menjchen, deſſen vorzügliche Charaktereigenſchaften für jeden, der glücklich genug war, in feine Nähe zu kommen, unvergeßlich find: unſeres Pogge! Damals glaubte der Redner noch, es jei möglich, an der Richtigkeit dieſer einfachen Zeitungsnachricht,

die wohl nur durch Privatmitteil-

ungen an die Küfte gekommen jein konnte, zu zweifeln. Heute jehen wir diefe Trauerfunde leider durch zuverläffigere Mitteilungen be—

ftätigt.

ve

No am 12. März berichtete. Yieutenant Miller von der

Wipmann’ihen Expedition, daß er Pogge gejprochen habe, und zwar im Hafenorte von Angola, in ©. Paul de Yoanda. Am Morgen des 17. März war Pogge tot. Unmittelbar nach dem Eintreffen der Todesuahriht langte ein Brief Dr. Pogge's au Profefjor A. Bafttan in Berlin an. Derjelbe ift datiert aus Dondo, den 22, Februar 1884 und geftattet, Einiges über die legten Exlebniffe des Forjchers zu erfehen. Zum näheren Verſtändnis diejes Schreibens mögen nah der „Täglihen Rundſchau“ die Schlußworte desjenigen Briefes, welchen Pogge fiebzehn Monate früher an den Vorſtand der Afrikaniſchen Gejellichaft von der von ihm gegründeten Station Mukenge in Inner-Afrika aus jandte, bier mitgeteilt werden: „Ich habe mich entichloffen, meinen Dolmetjcher Germano

von

hier aus nah Malanſch

zu ſchicken.

Sollte

er dort

weder Neifende noch Nachrichten für mich antreffen, jo ift er beauftragt, für mid zehn Träger mit Waren zu belaften und hierher nach Mukenge zurüdzufehren. Nach meiner Rechnung kann er innerhalb acht Monaten wieder bei mir fein. Bringt ev mir danı feine Nachrichten, jo werde id) won hier abreiſen.“ — Der Brief an Profefjor Baſtian lautet im Auszuge: Hocgeehrter Herr Brofefjor! Für Ihren mich jo hoch beehrenden Brief danfe ic) Shnen beftens; derjelbe traf im Mufenge mit Germano ein und hat mir große rende bereitet. Die legten von mir fir das Berliner Muſeum gemachten ethnologiſchen Sammlungen fallen aus dem

Grunde

399

Notizen.

nicht reichhaltig aus, weil es in Mukenge

nicht

viel zu handeln giebt. Nördlich davon traf ich jehr ſchön gearbeitete Waffen, Speere und namentlich viele verjchiedene und originell geformte eiferne Pfeile, die aber unveräußerlic waren, Mein ganzes Gepäd geht von Loanda mit dem englischen Dampfer nad) Hamburg. Ich gedente mit dem nächften portugieftschen Dampfer nad) Madeira zu gehen; von dort nad) irgend einem englijchen Hafen oder nah Bordeaux mit dem nächſten Schiff, und von da direft nah Berlin auf 2 oder 3 Tage, um den Borftand zu bitten, mir eine Friſt von 4 bis 5 Wochen zu gewähren, um meine Verwandten in Mecklenburg zu befuchen und mid auf meinen Vortrag vorzubereiten. Meine Ankunft in Europa werde ic) jofort dem PBräfidenten der Afrikaniſchen Geſellſchaft in Deutihland, Herru Admiral von Schleinit, per Telegramm mitteilen, Mit ausgezeichneter Hochachtung und den beften Grüßen Ihr Dr. P. Pogge.“ Aus diefem Schreiben, welches 23 Tage vor dem Tode des Reiſenden gejchrieben ift, geht hervor, daß er ih damals in gutem Wohlbefinden auf der Rückreiſe befand und bereits in Dondo, welches etwa im der Mitte zwifchen Malanſch und der Weftfüfte von Afrifa liegt, angefommen war. Somit mochte er etwa im Dftober 1883 Mukenge verlaffen haben, um fih nad) der Heimat zu begeben, welche er etwa Ende April erreicht habe würde. Als er diejen Brief ſchrieb, hatte ev wohl noch feine Ahnung davon, daß fein Fremd und ruhmreicher Reiſe— gefährte Yieutenant Wißmann, von weldem er 22 Monate früher in Nyangmwe Abjchied genommen hatte, ſich auf feiner neuen gegenwärtigen großen Expedition in feiner unmittelbaren Nähe befand,

Nach den neueften Unterfuchungen der ſchwediſchen Expedition nach Spitbergen befteht die Flora diefer Inſel aus 122 Gefäßpflanzen, von denen 116 auf die Phanerogamen und 6 auf die Gefäßkryptogamen fallen. Die 7 größten Familien, welche zujammen

mehr

als

2/3

der

gejamten

Arten

umfafjen,

find:

Sramineen (23), Kruziferen (15), Karyophyllazeen (12), Syperazeen (12), Sarifragazeen (11), Ranunkulazeen (8), Rojazeen (7). Der größte Pflanzeureichtum Fonzentriert ſich um die großen, tief in das Innere

des Yandes

einfchneidenden

Fjorde,

während

vie

äußeren SKüftengegenten der Inſel verhältnismößig arm an Pflanzen find. Die frühere Annahme, daß die mweftlichen Teile Spigbergens unter dem Kälte mildernden Einfluffe des Golfſtromes pflanzenveicher feien als die übrigen, hat fi durchaus nicht beftätigt. Der große, von Norden tief in das Innere einjchneidende Fjord, die Wijdebai, ift viel reicher an Pflanzen als die Heinen Fjorde der Weftküfte, und das am meiften weſtlich gelegene Prinz Charles» Foreland ift jogar bejonders arm an Pflanzen, Ein ſich vom Kap Berlegen zum Horn-Sund erftrecfender und die Gebiete der Wijdebai und der Eisfjorde umliegender länglih ovaler Raum umfaßt das pflanzenreichite Gebiet Spitzbergen, innerhalb deſſen alle Pflanzen gefunden werden,

welche

überhaupt

von

dieſer Inſelgruppe

befannt

find,

In Bezug auf die ftandörtlichen Verhältniſſe kann man auf Spitbergen 3 Gruppen von Pflanzen unterſcheiden: Strandpflanzen, Sumpfpflanzen und Pflanzen der (trodenen) Abhänge. Die Strandpflanzen bilden die ärmſte, die Pflanzen der trocdenen Abhänge die reichſte und intereffantefte Gruppe. Biele Pflanzen Spitbergens werden nur äußerſt jelten mit Blüten und Früchten getroffen und einige davon ſcheinen ihre Früchte überhaupt niemals zur Reife zu bringen. Dieje Pflanzen ſcheinen zu einer Zeit in Spigbergen eingemwandert zu fein, als das Klima daſelbſt noch wärmer war als gegenwärtig und fich jest im Zuftande des Aus— jterbens zu befinden. Auf ein friiheres milderes Klima Spitbergens weift auch der Umstand Hin, daß in den gehobenen Strandbänfen der Inſel allenthalben in großer Maſſe Litorina litorea,

Cyprina

islandica,

Mytilus

edulis

fowie

Fucodium

canaliculatum gefunden werden, welche Organismen gegenwärtig nicht mehr an den Küften Spitsbergens leben, jondern erſt weiter ſüdlich

an

den

ffandinavifchen

Küſten

angetroffen

werden.

Die

friihere Anfiht, daß die Flora Spitsbergens näher mit jener Srönlands als mit der Europas verwandt fer, ift durchaus un— richtig. Von allen Pflanzen Spitsbergens find bisher nur 3 aus dem

Norden

Europas

unbefannt,

während

nicht weniger als 14

auf Grönland fehlen, unter denen auch die häufigfte Pflanze Spitbergens, die Salix polaris, ſich befindet. Th. F.

Notizen. Polarregionen, Aus New ort wird umter dem 24. April berichtet: Der Marinejefretäv hat dem Befehlshaber jener Flotte, welche zur Aufjuhung der Greely-Erpedition beftimmt ift, feine endgültigen Befehle überfandt. Der Dampfer Bear wird als das erfte Schiff der Flotte heute won hier abdampfen, die Thetis joll am 1. Mat und Mert am 10. Mat folgen; der Dampfer Bear wird S. Zohns (Neufeundland) und die Disko-Inſel an— laufen, die drei Schiffe jollen bei Upernivif (Grönland) zuſammen— 1 Englers Botanische Jahrbücher,

1883,

Korrefpondenz.

360

Die däuiſche Negierung hat die Behörden von Grönland angewiejen, jo weit als tunli die Zmede der Expedition zu

niemals beobachteten daturerſcheinung ſtände. Ein Nordlicht wurde am Himmel, der gerade ziemlich dicht bewölkt war, nicht bemerft. Afrika.

treffen.

unterſtützen.

Der Eismeerhandel mit Sibirien aufgegeben. Wie wir aus verjchtedenen Blätter erjehen und aus Bremen vernehmen, hat fih Baron Knoop mit Rückſicht auf die bisherigen Rejultate entichloffen, feine Berfuche, eine regelmäßige Handelsverbindung mit Sibivien durch das Kariſche Meer herzustellen, nicht fortzufeßen und jeine Niederlaſſungen, Magazine u. ſ. w. am Jeniſſei aufzugeben. Freiherr v. Nordenſkiöld

tritt immer

noch für die Straße

Dr. Holub. Dr. Holub

hatte, ob es im leßten

Sommer

einen Teil

Kommandant der „Dymphna“ jfiöld darauf

Hin,

daß

fei, den Feniſſei

welche Frage der frühere

bejaht hat.

der dänische

Außerdem wies Norden:

Forſcher auch 1882

des Kapſommers

zweifel-

los die fibirifche Kiüfte erreicht haben wiirde, wenn er fich nicht gezwungen gejehen hätte, den eisfreien Kanal längs der Küfte zu verlafjen,

um

Hilfe zu eilen.

der „Varna“,

welche

Der Nedner

im Packeis

wies befonders

bejetst

während

ftillen

Wetters

und

ruhiger

auf der Meeresfläche grenzten Lichtgürtel.

See

in der

ſahen

dem

zu

unterſuchen.

Es

war

dunklen

1 Siehe „Ausland“ 1883,

geftraht wurde,

der

an dem Fahrzeuge

Ein Zug von zahllofen Fiſchen würde Bewegung vollfommen

zu

erkennen

gegeben

jpiegelglatt war

vorbeigefhwommen

war.

fi) auch durch irgendeine

haben,

da

zufällig

das Waffer

und die von den Fischen herrührende

Phosphoreszenz ein bläuliches, nicht jo goldähnliches Licht wie diefes, das fich hier zeigte, vermjacht haben würde. Die Esfimos erklärten, daß ein im der Nähe jich ergiegender Gletſcherbach eine dünne Lage von Salzärmerem Lehmwaſſer über dieOberfläche des

Fordes ausbreite, und glaubten, daß dies im irgend welchem Zufammenhange mit diefer großartigen, bisher von ihnen noch 1 Ein ruſſiſcher Korrefpondent meldet uns das Gleiche mit den Worten: Von JFeniſſeisk berichtet die Zeitung „Sibir”, daß das

Handelshaus Knoop jeinen Dampfer „Dalman“ nd die in Jeniſſeisk zum Erport angehäuften Waaren verkauft hat. Seine mehrjährigen

erfolglojen Kämpfe

wobei er riefige Summen zu reſignieren.

mit

den

Eismafjen des Bolarmeeresg,

geopfert, haben ihn jchließlich bewogen,

Nr. 21, S. 420,

Anzeigen. Verlag von Ferdinand So

eben

Enke in Stuttgart.

ist erschienen:

Lehrbuch der

Geophysik

von

anderer Art, als das gewöhnliche blaumeige Meeresleuchten, das fich zu derfelben Zeit ganz Klar im Kielwaſſer des Schiffes zeigte. Da der Schein vollfommen gleihmäßig war, jo kann ev nicht von Phosphoreszenz herrühren, die von irgend einem Fischhaufen aus—

Er hat zugebracht

1533, ©. 23 zählt im Großherzogtum Bofen Schiedlitz nur 60, Kruſchwiß nicht einmal ſoviel Einwohner. Donaueſchingen. Dr, Baumann.

wir plößlic)

eutſchieden

in den Somerjet-Bergen

Neumanı, Beiträge zur Gejchichte der DBevölferung in Deutſchland feit dem Anfange dieſes Jahrhunderts I, Tübingen

hinter uns einen breiten, aber ſcharf beDerjelbe leuchtete mit einem gleihmäßigen,

Spektroſkop

wahrſcheinlich

anden Limpopo.

Nah

etwas goldenen Schein, ähnlich dem Lichte verjchiedener phosphoreszierender Subftanzen. Trotzdem wir mit einer Schnelligkeit von 4 bis 6 Knoten dahinfuhren, näherte fi) uns der Schein mehr und mehr. AS er dem Fahrzeug ganz nahe war, jah es aus, als ob wir uns in einer See von Feuer oder geſchmolzenem Metall befänden. Nach einer Stunde war der Yichtjchein an dem Fahrzeuge vorübergegangen und verſchwand ſchließlich weit am Horizont. Ich hatte bedanerlicherweiſe nicht Zeit, dieſes Phänomen mit

aufzubrechen,

Die kleinſten Städte Europas.“ Meine Angabe, deß Hauenſtein die kleinſte Stadt in Europa ſei, muß ich berichtigen.

Ein auffallendes Leuchten des Meeres im Jgalifofiord beobachtete Nordenſtiöld während jeiner vorjährigen Grön— landfahrt am frühen Morgen des 24. Auguft. Als wir, jchrieb er,

Innere

Korreſpondenz.

war, zur

auf diefen Punkt Hin,

da man das Mißglücken der Neife der „Dymphna“ als einen Beweis dafiir vorgebracht habe, daß feine Theorie über die Befahrbarfeit des Kariſchen Meeeres unhaltbar jet.

Macht über den ſchmalen Fjord hindampften,

ins

und dort bereits eine reiche Sammlung von Naturgegenſtänden angelegt. Der Dſchebel Neiba bei Bona in Algerien, eine iſolierte Bergmaſſe von 800 w. Höhe, ſoll im Verſinken begriffen ſein und mit ihm ein Stück ſeiner Umgebung. Es iſt das um ſo inter— eſſanter, als ſich in nächſter Nähe der Fezzara-See, der größte See Algeriens befindet, der nachweisbar zur Römerzeit noch nicht exiſtierte und auf deſſen Grund die Trümmer einer römiſchen Stadt liegen.

durch das Kariſche

möglich gewejen

Wie der „Cape Argus“ meldet, beabfichtigte April

über Freiſtaat und Transvaal zunächſt

Meer ein, mwenigftens bat er in der Sitzung der Geographifchen Geſellſchaft zuStodholm vom 19. Oftober v. 8. ein Telegramm des Leutnant Hovgaard vorgelefen, dem er die Frage vorgelegt durch das Karijche Meer zu erreichen,

Ende

Physikalischen Geographie. Von Professor Dr, Siegmund Günther, Zwei Bände. I. Band.

Mit

gr. 8.

77‘ Abbildungen.

geh.

Preis M. 10.

QAAAARRARAAAAAAAAAAAAAAAAAARAARAA AD 2 Verlag von Friedrich Vieweg & Sohn in Braunschweig. ie ce

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Probe-Nummern können durch jede Buchhandlung bezogen werden. — Abonnements nimmt jede Buchhandlung und Post- Anstalt entgegen.

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Drud und Verlag der J. ©. Cotta'ſchen Buchhandlung

in Minden

und Stuttgart.

Ds Auslaud. Wochenſchrift fir Sander: und Völkerkunde, unter Mitwirkung von Profefjor Dr. Friedrich Nagel und anderen Fachmännern herausgegeben von der

J. 6. Cotta'ſchen Buchhandlung in Stuttgart und Münden. Siebenundfünfzigiter Jahrgang.

Münden, 12. Mai.

Gr. 19.

1884.

Hährlich 52 Nummern A 20 Seiten in Quart. Preis pro Quartal M. 7. — Zu beziehen durch alle Buchhandlungen des In- und Auslandes und die Pojtämter. — Rezenfiong-Eremplare von Werken der einschlägigen Litteratur find direft an Herrn Profefjor Dr. Friedrich Ratzel in Münden, Akademieſtraße Nr. 5, zu ſenden. — Imferationspreis 20 Pf. für die gejpaltene Zeile in Petit.

Inhalt:

Bon A. Scobel. ©. 361. — 2. Aus den Tagebüchern eines deutjchen Polar— Bon Dr. Abreht Pend, Privatdozent in München. IV, Schluß.) ©. 367. — 4. Der Totenfultus in Ungarn. Bon Hugo Stein. S. 370. — 5. Der- vierte Deutjche Geographentag zu München, Bon Henry Greffratd. ©. 375. — 7. Ueber die 17. bis 19. April 1884. II. ©. 372. — 6. Forihungsreife in Arnhemsland. Bedeutung der gegenwärtigen Bertifalzonen der Pflanzen für die Kenntnis von den allmählichen Niveanveränderungen der Erdoberflähe. S. 377. — 8. Kleinere Mitteilungen: ©. 378. Ueber die präglaziale Flova und Fauna Norddeutſchlands. Geographiiche Ausſtellung zu Toulouſe. Ein intereſſanter Schalenſtein. Von H. Meſſikommer. — 9. Notizen: S. 378. Amerika. — 10. Litteratur: S. 380. fahrers.

1. NReifeffizzen aus Nordweſt-Afrika.

(Schluß)

©. 363. —

3. Sir Charles Lyells Leben.



Keiſeſtigen aus VYordweſt-Ifrika. Es ſind vorzugsweiſe franzöſiſche Quellen, die uns über Senegambien und deſſen weitausgedehnte Hinter— länder Aufklärung geben und man kann den Franzoſen die Anerkennung nicht verſagen, daß ſie dort in neueſter Zeit mit aller Energie und Ausdauer vorwärts ſchreiten. Nach den wechſelvollen Reſultaten der Unternehmungen von Magu (1862) war es erſt 1879 und 1880 Gallieni

und Vallière

beſchieden,

weiter

nach Oſten zu gehen,

Militärſtationen zu gründen und verſchiedene Gebiete unter

franzöſiſche Protektion

zu ſtellen.

Die Expedition über-

ſchritt den Niger und zog in deſolatem Zuſtand bis Nanga im Reich Segu, von wo ſie nach neunmonatlicher Gefangen— ſchaft zurückkehren mußte. 1881 zog Desbordes mit zahl—

reicher Mannſchaft nach Kita, 1882 in einem zweiten Feld— zuge bis über den

Niger.

1879

ſandte

der Kaufmann

Verminck eine Expedition nach Falaha und der Thätig— keit ihrer Fuhrer Zweifel und Mouſtier verdanken wir die Entdeckung der Nigerquellen. 1880 und 1881 unter— nahm Olivier zwei Reiſen nach Timbo, der Hauptſtadt des Futah Dſchallon, von deſſen Herrſcher er ſich die Er—

laubnis zum Bau einer Eiſenbahn nach der Küſte erwirkte. Ebenſo wurde 1881 von der franzöſiſchen Regierung Bayol zur Vertretung handelspolitiſcher Intereſſen nach Timbo Ausland

1884, Nr. 19.

gefandt und die Landſchaften Beledugu und Bambuf unter franzöfisches Protektorat geftellt. Ende 1880 famen übrigens englifche Abgefandte von Bathurft (Sierra Leone) nad) Timbo, mit denen ebenfalls alle möglichen Freundſchafts— verficherungen ausgetaufcht wurden und 1881 wurde mit der englifchen Expedition unter Gouldsbury und Dumbleton ein faktiſcher Handelsvertrag abgeichlojjen. Maren in diefen Gebieten alfo ausſchließlich nur Franzofen und Engländer thätig, jo iſt es doppelt beachtenswert, der Nefultate eines deutſchen Reiſenden zu gedenken, der zwar nicht viel über die Küftenlandjchaften hinausgefommen ift, der aber als Privatmann und ohne friegerifch ausgerüftete Mannjchaft veifte. 1880/81 ging Profeffor Dölter aus Graz über die Kapverden nad) dem Rio Grande und fein anfpruchslofer Neifebericht Liegt ung in einem ſchön ausgeitatteten Bande nun vor.! Der

Befuch der Kapverden ergab ganz treffliche Schilderungen der Natur und Lebensverhältnifie unter befonderer Rückſicht auf die Geologie, der zu Liebe Dölter Die Bevöllerung manche unbequeme Hochtour unternahm. ift auf San Vinzent total, auf San Antao vielfach ges 1 Ueber die Kapverden nad dem Rio Grande und Futah Mit zahlreichen Holzſchnitten und einer 263 S. Dſchallon. Karte, Leipzig. Paul Frohberg. 1584, en or

Keifeftizzen aus Nordweft-Afrifa.

362

mifcht, auf San Thiago hat fich aber der Negerjtamm ziemlich vein erhalten. Zwei Drittel der Bevölkerung find

von

ungemifchter

ſchwarzer Farbe.

Es find meiſt hohe,

690. Das Barthaar ſcheint faſt völlig zu fehlen. Die Hautfarbe ijt ein ſchönes Schwarzbraun, die unteren Extremitäten find meiftens mager und nad) innen ber-

hagere Geſtalten mit langen Armen und Beinen, die, durch Kreuzung der verſchiedenen ſenegambiſchen und Guinea— ſtämme entſtanden, mit jenen Nigritiern in Körper- und Geſichtsbau im großen und ganzen übereinſtimmen. Auch

dreht.

Die Weiber find verhältnismäßig groß, aber nur

die Mulatten männlichen und weiblichen Geſchlechts zeigen nichts von der auf San Antasô beobachteten Körper—

Fullahs botmäßigen Diftriften, welche, durch fchlechte Behand-

wenig hübjch, da fie gewöhnlich ziemlich mager find.

Am

Rio Grande find in den legten Jahren auch Kolonien von Fullahs entjtanden.

Es find Einwohner

der den Futah

lung aus ihren Wohnfisen vertrieben, namentlich in der Nähe der Faktoreien am Rio Grande fich angefievelt haben.

fülle und Schönheit, ſondern nähern ſich inihrem Typus mehr den reinen Negern. Sitten und Gebräuche ſind durch das Chriſtentum nur wenig modifiziert worden und einige erhalten durch das Gemiſch von Chriſtentum und Heidentum ein merkwürdiges Gepräge. Die wichtigſten Landesprodukte ſind Purgueirabohnen, Mais, Zucker, Kaffee, Baumwolle und Indigo. Nach Erreichung des Feſtlandes war der Reiſende oft an der freien Bewegung gehindert, fo daß die Errungenſchaft der Neife nicht in der Löſung großer geographifcher Fragen beſtand; aber wir erhalten deshalb ſehr wertvolle Detail ichilderungen, bejonders in anthropologiſch-ethnologiſcher Hinficht. Die in der Umgegend Bolamas mohnenden

auf den Kauf von Erdnüſſen beichränft. Obgleich die Vortugiefen die Biſſagos-Inſeln als ihr Gebiet betrachten, find fie dennoch mit Ausnahme der Inſel Das Galin: has unabhängig und e8 find die portugiefifchen Ansprüche nur auf Freundjchaftsbündnifje gegründet. In der That jtehen die Biſſagos jest mit den Portugiefen auf dem

Mandjags haben viele Aehnlichkeit mit dem in Weftafrifa

beiten Fuße und der Handel

jo verbreiteten Stamm der Mandingas. Manche von ihnen find über 1,83 m. bach, im Durchſchnitt ſchwankt die Größe zwischen 1,70 bis 1,80 m. und in den meisten Fällen find diefe hoben Geftalten von großer Magerfeit. Arme und Beine find von bedeutender Länge, die Gelenke jehr jchmal, die Füße platt, die Lippen fehr mwulftig. Das Haar tft ganz vollig, die Nafe breit und ftumpf, die Zähne

Inſeln und den portugiefiichen Anftedelungen auf Bolama it ein jehr reger. Tagtäglich landen die großen, über 8 m, langen und 12 m, breiten Biroguen der Bifjagos, nicht jelten über ein Duzend Inſaſſen führend und mit Drangen, Mil Mais), Bataten, Erdnüffen und Wachs

Sie find ethnographiſch von den eigentlichen Fullahs ver: ſchieden und haben fie auch „Schwarze Buha iſt die Grande, die außer

ſchwärzere Hautfarbe als diefe, weshalb Fullahs“ heißen. lebte portugiefiihe Kolonie am Rio der Garniſon etwa 150 bis 200 Köpfe

zählen dürfte, darunter drei Weiße.

beladen, in Bolama,

zwiſchen

Der Handel ift hier

diejen fruchtbaren

wo fie ihre Produkte gegen Schieß—

pulver, Baumwollſtoff, Tabak und Glasſchmuck vertaufchen.

jehr regelmäßig, die Ohren abjtehend, der Gefichtswinfel beträgt 670 und darüber. Die Mandjags find eine der

Die Biljagos haben einen musfulöfen ſchönen Wuchs, ihr

beiten

find fürzer und musfulös und weniger ſchmal und lang als bei den übrigen Nigritiern, Arme und Waden voller; die Körperlänge überjteigt faum 1,65 m., bleibt aber häufig

jenegambifhen

Völkerraſſen

züglich zur Kolonifation.

und

eignen

fich vor:

Sie find von all’ den Stämmen

jener Landſtriche der friedlichite und, was jedenfalls zu den Ausnahmen zählt, Freunde der Weißen. Sie find der

Bruſtkorb tft außerordentlich entwwidelt, ihre Arme und Beine

einzige Volksſtamm, welcher fich bereit findet, Aderbau zu

unter 1,55 m. Das Geficht hat einen fühnen, energifchen Ausdrud, die Nafe ijt breitflügelig, doch niemals ftumpf,

betreiben.

der Mund breit und der Schädel zeigt eine weniger läng—

Als Wertmefjer dient hier meift die „Guinee“,

d. 1. ein Stüd blauen Baummwollftoffes

von zirka 10 m.

Zänge und 0,60 m, Breite, der hauptfächlih in Süd— frankreich gearbeitet und von Marfeille aus exportiert

liche Form, als die der topifchen Guineaneger. Das Haar üt wollig, Bart kaum vorhanden, der Geſichtswinkel unge: fahr 699, die Hautfarbe ſchwarzbraun. Das einzige Produkt,

wird.

Die

welches die Biſſagos erzeugen, find große irdene Vaſen

leuten

an

„Guinee“ der Wejtfüfte

gilt bei den franzöfifchen 15 Fre,

während

Kauf:

fie in Mar:

jeille faum den Preis von 7 Fres. erreicht. In den franzöſiſchen Kolonien Afrikas ift fie am billigften, da dort nicht hohe Zölle zu entrichten find, wie in den portugieſiſchen Niederlaffungen. Die an den Ufern des Rio Grande twohnenden Biafaden find von kleinerer Statur als die Mandjags, mehr

gedrungen,

lang, Ihre Naſe breit,

aber von fräftigem

Bau.

Die Arme

find

die Gelenfe ſehr ſchmal, die Füße unſchön und platt. Gefichtszüge find hie und da nicht gar häßlich, die ziemlich breit, doch nur wenig ftumpf, der Mund iſt die Zähne blendend weiß, der Geſichtswinkel über

zum Aufbeivahren der Feldfrüchte, ſowie Trinfgefäße. Da— gegen konſtruieren fie aus den riefigen Stämmen des Benthenbaumes die erwähnten Biroguen; ferner find fie tüchtige Aderbauer, Fiſcher und Handelsleute, Bifjad, früher einer der wichtigſten portugiefiichen

Pläße, it jet weit unbedeutender als Bolama.

Die um:

wohnenden Bapels hindern jede weitere Entwidelung der Unternehmungen der Weißen, die daher notivendigeriveife nur auf den Handel mit Bauholz, Erdnüſſen, Wachs und Kautſchuk bejchränft find. Der nad dem Innern vorge:

ſchobenſte portugiefische Poſten, die kleine Kolonie Geba, bildet einen wichtigen Handelsplab, in dem ein reger

Aus den Tagebücher

Taujchbandel in Elfenbein, Wachs, Erdnüffen, Gold von Burre, getrieben wird. Von bier aus wurde namentlic)

früher ein guter Teil Futah Dſchallons

verpropiantiert,

während jeßt die franzöſiſchen Plätze in den jenegambifchen Ländern im Aufblühben begriffen jcheinen. Trotzdem erkennt Brofeffor Dölter eine Brofperität der portugiefiichen

Kolonien und nimmt die Negierung gegen fo manche Vor: würfe in Schuß. Hier hatman nicht nur mit dem Klima, jondern auch mit der natürlichen Faulheit und dem Wider-

jtande der Bevölkerung

zu kämpfen.

Und will man die

ausgedehnten Yänder erjchließen, jo find vor allem Arbeits: fräfte und Kapitalien nötig, namentlich zur Heritellung von Verfehrsiwegen, die dem Handel neue Bahnen öffnen

jollen; denn

der Austausch

der Landesprodufte

gegen

europäiiche Waren wird immer die Hauptquelle des Neich: tums für die afrikanischen Kolonien fein. Eiſenbahn-, Straßen:, Kanal und Hafenbauten find dringend not:

wendig. Eine alte Klage, befonders der größeren Grund: befiger, bildet der Mangel an Arbeitsträften, an Koloniſten. Seit der Abſchaffung der Sklaverei mangelt es an legteren, da die freigetvordenen Sklaven nur jo lange arbeiten, als zur Dedung ihrer Lebensbedürfniffe unbedingt notivendig it. Sedenfalls werden aber für die Zukunft manche Uenderungen in der Organijation der Verwaltung nötig

jein, denn unter den jeßigen Verhältniffen kann 5.8. die Rechts- und Sanitätspflege nur mit größter Schwierigkeit

ausgeübt werden.

Schulen exiſtieren in allen Hauptſtädten,

ühnlih unferen Bollsihulen, aber aud auf dem Lande beſtehen, dank der vielfach freiwillig ſich zur Verfügung itellenden Lehrer, die fih aus Kaufleuten und weißen

Pflanzern vefrutieren, Schulen, in denen die ſchwarzen Kinder notdürftig lefen und jchreiben lernen können. Bei der weiteren Daritellung geht der Berfaffer von jeinen eigentlichen Neifefchtlderungen ab und bejpricht unter Berüdfichtigung anderer Reiſewerke (deren Quellenangabe wir ungern vermiſſen) im fpeziellen die ethnographiſchen und geographiichen WVerhältniffe des geſamten Futah Diballon. Die echten oder roten Fullahs, im Gegenſatz zu den oben erwähnten Schwarzen, find im allgemeinen von kleinem Wuchfe, Schlanker, gut proportionterter Oeftalt, mit zierlihen Händen und Füßen. Die Sullahs haben ſchöne

Augen, eine große gebogene, oft gerade Nafe, hohe, etwas gewölbte Stirn mit großem Gefichtsivinfel (über 729), Ihwachen Bartwuchs. Das Haar tft wenig mwollig, bei den Frauen fällt es lodenartig fat bis zu den Schultern. Die Frauen zeigen meift üppige Formen und find Elein und die, Rind- und Pferdezucht find bei den Fullahs

bedeutend, doch wird auch Aderbau betrieben und das Volk jteht im Verhältnis zu den übrigen Bewohnern Weit: afrifas auf einer fehr hohen Kulturſtufe. Ebenfalls als Kulturnation find die Mandingas zu betrachten, der meitverzweigte, einjt jo mächtige, jebt zerfplitterte Stamm, deſſen Gebiet fi vom Hinterland der

Goldküſte bi zum Senegal und oberen Niger ausdehnt.

969

eines deutschen Polarfahrers.

Ihre Farbe it ſchwarzbraun (es it hier nur von den zwiſchen Kaſamanga und Rio Grande mwohnenden Mans dingas die Nede), ihre Größe bedeutend, denn Menige haben unter 1,70 m. hr Typus it im allgemeinen ein ſehr häßlicher, gejchlitte Augen, prognather Schäbelbau, plattgedrüdte Stumpfnafe, breiter Mund mit mwulitigen Lippen, abjtebende Ohren charakterifieren ihre Phyſiog— nomie, während ihr Körper durch magere Schenkel, frumme lange Säbelbeine, Schwache Waden, große Wlattfüße und lange dünne Arme gekennzeichnet wird. Das Haar it furz und vollfommen wollig, der Bartwuchs minimal. Der Geſichtswinkel beträgt zirka 690, der Schädel iſt dolicho: fephal. Die Mandingas übertreffen ihre Nachbarn in Bezug auf ihre Fähigkeiten in Handel und Induſtrie, und

ihre Bildungsfähigfeit iſt nicht unbedeutend. Selbjtredend verbreitet ſich der Verfaſſer eingehend über Sitten, Gebräuche, Induſtrieerzeugniſſe, Bekleidung, Sprache ꝛc. der betreffenden Völkerſchaften und zieht in den Nahmen feiner Unterfuhung auch die Eleinen Stämme der Papels, Flups und Balantas, die hier nur furz er— wähnt ſeien. Bei der Frage: Iſt der Rio Grande mit dem Komba identisch? neigt Dölter zu der Anficht, daß der Komba, den Molten 1816 überjchritten, mit dem Rio Geba identisch fein mag, alſo als Fluß bedeutender tft, als der Rio Grande, Naturcharakter, Klima, Pflanzen: und Tierwelt der durchreiiten Gegenden erfahren ebenfalls befondere Beſprechung, jo daß dieſes Werk jeden, der ſich über die einjchlägigen Verhältniſſe Nordweſtafrikas unterrichten will, zum Studium angelegentlich empfohlen werden kann.

U. Scobel.

Aus den Tagebüchern eines deutſchen Polnrfahrers.' Schluß.) Ueber die Yebensweife der Tſchuktſchen ſpricht fich unfer Landsmann in feiner unbefangenen, einfachen

Weiſe wie folgt aus: Die Lebensweiſe

Eskimos.

der Tſchuktſchen entjpricht jener der

Sie find von mittlerer Größe und

ſehr fried—

(ich gefinnt, weßhalb fie fich ſelbſt auch die Meſinkes nennen, während fie den Mlaskaindianern den Namen

Nakurohs beilegen.

Die Tſchuktſchen leben von der Jagd

und dem Fiſchfang. Walroßfleiſch iſt ihre Sauptnahrung; außerdem efjen fie noch Walfiſche, Seehunde, mehrere Gattungen Eleinere Fiſche, Enten, Rennttere, Kaninchen,

Füchfe, Eulen; Seegras und einige andere Sträuter und Wurzeln. Da fich ihnen im Winter aber wenig Gelegen— heit bietet, um etwas zu jagen oder zu ſammeln, fo müfjen Speifevorräte im Sommer und Herbit eingelegt werden. 1 Siehe „Ausland“ 1884, Nr. 18, ©. 341,

>04

Aus den Tagebüchern eines deutschen Polarfahrers.

Ihre Hütten find folgendermaßen aufgebaut: Zuerit wer— den Pfähle im Kreife in die Erde gegraben und dann zirka 4 0. F. hobe und 11% F. breite Rafenftüde darum aufge: jtellt. An der füdöftlichen Seite, von welcher der mwentgite Wind fommt, läßt man ein Loch als Eingang. Auf diefe Unterlage wird ein hölzerner Rahmen gelegt, welcher in der Mitte zufammenläuft, fo daß er ein flaches Dad) bildet. Das Ganze wird dann mit Walrophäuten über: zogen und mit Streifen von Seehundfellen, an welche ſchwere Steine angebracht find, niedergebunden, jo daß der Wind die Hütte nicht abdeden fann. In diefem runden

Haus jtelt man hierauf das eigentlihe Wohngebäude ber: Gegenüber der Thüre wird ein vierediger, zirka 6.0. F. bober und 10 bis 12 F. breiter Nahmen aufgeftellt; bie Yänge desjelben richtet fih ganz nad) der Größe des Haufes. Auf den Boden wird eine Yage getrodnetes Gras und darauf eine Walroßhaut gelegt; der ganze Rahmen wird dann mit Nenntierfellen überdedt, fo dag außer dem Eingang gar fein Luftloch vorhanden ift. Der Ein: gang iſt aber auch mit Fellen behangen, welche an ihrem oberen Ende befeftigt find, fo daß man beim Hineinfriechen in die Hütte das Fell aufheben muß. Diefer innere Raum it der Wohn: und Schlafraum; es befinden fich bier je nad) Größe des Haufes 2 bis 4 Dellichter, welche folgender: mafjen bereitet werden: Man macht aus Lehm ein rundes, zirka 3 em. tiefes Gefäß, in welches das Del, meiſtens Seehundöl, gegoſſen wird; unter diefes wird ein anderes, ebenfalls aus Lehm bergeitelltes tieferes Gefäß zum Auf: fangen des Deles gejtellt, welches durch das obere Gefäß träufelt. Dann wird getrodnetes Renntiermoos ganz fein gejchnitten und in den Delbebälter gelegt. Nachdem es mit Del getränft ift, wird etwas davon auf den Nand der Lampe herausgenommen und angezündet. Je größer man die Flamme haben will, deito mehr Moos wird auf den Nand gelegt. Zur Beichaffung von Licht werden Streichhölzer und Feuerfteine gebraucht, oft wird aud) dasselbe durch Neiben zweier Holzitüde erzeugt. In der Hütte befinden fich drei Waſſerbehälter. Unter der Decke des Raumes find Leinen zum Aufhängen der Kleidung gelpannt. In dem Äußeren Naume befinden fich die Felle,

welche de3 Abends Schlafſtelle

im innern Naume

hingelegt

werden,

Waffen,

zur Bereitung der Geräte aller Art

und Die Hunde,

Winter ift, das heißt wenn es nutzlos wäre, aufs Eis zu geben, werden Spiele veranitaltet. So unter anderem Ringkämpfe, wobei der Oberförper entblößt wird. Auch Laufen ift ein Hauptvergnügen; zumeilen ſammeln fich die

Zeute, jeder hat einen Stod in der Hand und dann geht einer

hinter dem

3 Stunden

anderen

weiter,

wobei

ohne Unterbrehung laufen.

Springen, hoch

und weit, jpielt ebenfalls eine Hauptrolle gnügungen, ebenfo das Heben von großen Beichäftigung des Mannes beiteht Jonft nur Reinhalten feines Geſchirres. Die Frauen haben langes, geflochtenes

häufig mit buntfarbigen

Perlen

und

fie oft 2 bis in ihren Ver: Steinen. Die im Jagen und Haar, welches

blanken Knöpfen

geſchmückt iſt. Das Geſicht derſelben iſt tätowiert, und zwar haben ſie zwei Streifen auf der Naſe, von oben nach unten 10 bis 12 Streifen am Kinn und einige

Streifen

und

Figuren

auf den Backen,

auch ſind ihre

Arme tätowiert. Die Frau iſt Sklavin des Mannes und wird mitunter ſehr ſchlecht behandelt. Sie beſorgt

die ganze

häusliche Arbeit.

Hat der Mann

Beute er—

legt, 3. B. einen Seehund, jo bleibt er vor dem Haus, bi3 die Frau mit einem Gefäß voll Waſſer fommt und dasjelbe um den Seehund, oder was es fein mag, ge: jchüttet hat; dann wird der Fang ins Haus gebracht, und die Frau bejorgt das Abziehen desjelben. Das Zubereiten

der Häute und die Verfertigung der Kleidung iſt ebenfalls die Arbeit der Frau. Zum Zwirn werden Sehnen des Itenntieres verwandt; letztere zerteilt man erſt in ganz dünne Fäden und dreht fie dann zufammen. Beim Ver: fertigen der Stiefel müfjen die Frauen die Sohlen fauen,

um fie in die richtige Form zu bringen. — Die Leute find ſehr intelligent und begreifen jehr vafch, nachdem man ihnen etwas gezeigt bat. Die Tihuktichen rechnen nur nach dem Monde; wenn fie von etwas fprechen, was jchon lange ber tft, zeigen fie

gewöhnlih

auf eine Berfon und jagen, als der oder die

noch jo und fo flein war. Im Winter jtehen diefelben gewöhnlid um 2, 3 oder 4 Uhr auf, je nachdem jte wach werden, und dann gehen mitunter einige direkt auf Beſuch in andere Häufer. Die Frauen nehmen die Felle und bringen fie wieder ins äußere Haus. Hierauf werben die Nenntierfelle ausgeflopft, die Gegenftände in der Hütte reingepußt und nach dieſer Arbeit nimmt man ein Früh—

Als Kleidung werden Ntenntierfelle gebraucht. Der Anzug der Männer bejtehbt aus Soppe, Hofe, Stiefel und Kapuze, der Anzug der Frauen in einem Stüd Fell, Stiefel und Kapuze; bei jehr kaltem Wetter ziehen die Leute noch eine zweite Joppe an. Die Tiehuftichen haben eine dunkle Farbe und fchivarzes Haar, Bartwuchs ift

jtüd ein. Wenn es Tag wird und es it zum Sagen günftiges Wetter, dann gehen die Männer aufs Eis, während die Frauen ihre häuslichen Arbeiten beforgen.

nur jehr wenig vorhanden.

wieder eine gute Mahlzeit, jo lange Nahrung vorhanden it; die Tſchuktſchen wiſſen nämlich nicht, was e3 heißt,

Die Männer rafieren hier die

topfhaare ab und lafjen nur einen Außenfeite jtehen. Sie find ſehr Dies muß förperlichen Uebungen welche fie pflegen. Denn folange

dünnen Kranz an der Fräftig und gewandt. zugejchrieben erden, günftiges Wetter im

An einigen Tagen wird 4 bis 5 mal gegeſſen, an anderen aber nur zweimal und e3 fceheint in diefer Hinficht Feine

genaue Zeit eingehalten zu werden. Des Abends gibt es aber

fih einfchränfen. geſſen,

So lange viel da ift, wird viel ge-

tt nichts mehr da,

wird gehungert.

Was den

Leuten jetzt fehr viele Sorgen macht, find die Walfiſchfänger.

Aus den Tagebiichern eines deutſchen Polarfahrers.

Ohne diefe fünnten die Tſchuktſchen allerdings nur mühjam fortleben. Kämen die Schiffe nicht, jo müßten ſie Gewehre, Pulver, Nadeln und anderes entbehren, und wieder zu ihren Knochen und Elfenbeingerätichaften zurüdfehren.

In früheren Zeiten haben jte allerdings weniger Mühe gehabt zu jagen; jet aber fangen die Schiffe fehr viel Walfiſche und Walrojje weg, jo daß dieſe ſchon jelten werden, und jo manches Jahr baben die Tiehuktichen fehr viele Mühe, fih den Winter hindurch zu ernähren. Die Tſchuktſchen trinken jehr gern Schnaps, und die Walfifchfänger ſowohl als Handelsſchuner können Elfenbein, Fiſch—

bein u. dgl. für ſehr wenig Schnaps (Alkohol und Waſſer) befommen. Es tft zwar von der ruffiihen und amerikani— chen Negierung jtrenge verboten, den Eingebornen im Norden Schnaps zu verabfolgen; aber es wird dennoch gethban, weil auf dieſe Weiſe die beiten Gefchäfte zu machen find. Erhalten die Tſchuktſchen Schnaps, fo werden fie jehr faul und ftreitfüchtig, folange noch ein Tropfen hievon zu haben it, wird nicht gejagt und diefer Umjtand trägt viel dazu bei, daß der Winterborrat mitunter jo knapp tft. Wenn fie betrunten find, werden gleich die Meſſer gezogen; dann kann man mit ihnen nicht um— geben, und ſie erzählten uns, daß jogar oft Leute arg zerjchnitten oder auch erjtochen werden. Tabak wird viel von den Leuten gebraucht, die Männer rauchen und fauen ihn; leßteres lieben auch die meilten rauen. Die Pfeife it jehr Elein und beiteht aus zwei Stüden. Sie ift eigenes Fabrikat. Der Tabak wird ſehr fein gefchnitten; ift wenig von demjelben vorhanden, jo wird er auch wohl mit etwas feingefchnittenem Holz vermengt. Nach 2, böchitens 3 guten Zügen ift die Pfeife leer. Die Tſchuktſchen machen ſehr viele Geräte felbjt. So

3. B. ſah ich, wie ein junger Mann eine kleine Harpune aus einem alten, jechszölligen eifernen Nagel verfertigte, und hiezu gehörte gute Geduld. Ferner jah ich, wie ein Mann einen

Hängetopf aus Blech machte; gelötet wurde natürlich nicht, fondern er ſchlug mit 2 Steinen die Kanten des Bleches um und jchob die umgejchlagenen Kanten zujammen, fo daß eine Naht entitand und dieſe wurde dann mit Steinen dicht zufammengehauen. Ein anderer Tichuktiche machte

Löffel aus altem Kupferbleh. Weiter ſah ich einige Knaben, welche Schiffe, Nenntiere und andere Sachen jehr gut zeichnen fonnten. Die Leute, welche in der Nähe des Oſtkaps wohnen,

305

baben nur eine ganz Eleine Hütte, welche, in Stücke genommen, ſehr bequem auf einen Schlitten geladen werden kann. Bei einer Geburt werden alle Gegenſtände, welche zum Jagen oder Fiſchen gebraucht werden, aus dem Hauſe getragen und ſodann zwei große Blöcke Schnee aufeinander gelegt und in das äußere Haus gebracht. In den oberen

Block werden

kleine Steine kreisförmig

eingeſteckt,

und

es bleibt der Schnee dort in einer Ecke liegen, bis er ſchmilzt. Diejenigen Leute, welche ſpäter gemeinſam leben ſollen, werden meiſtens als Kinder zuſammen beſtimmt und wachſen miteinander auf. Iſt der Mann fähig, ſelbſt zu jagen, dann fangen ſie den eigenen Haushalt an. Im Falle eines Mordes wird der Mörder durch Verwandte des Ermordeten oder durch Augenzeugen des Mordes eben— falls getötet, meiſtens erſchoſſen. Bei einem Todesfall muß der ſogenannte Medizin— mann, welcher überhaupt bei allen außergewöhnlichen Begebenheiten zugegen iſt, eine großartige Zeremonie vor—

nehmen.

Die Leiche wird vollſtändig entkleidet und aus dem

Hauſe gebracht, aber nicht aus der als Thür dienenden Oeff— nung, ſondern es wird ein neues Loch in die Seite des Hauſes gebrochen. Der Tote wird alsdann auf den Schlitten ge— legt, gebunden und eine gute Strecke von der Nieder— laſſung womöglich auf einen Berg gebracht, woſelbſt der Schlitten ſamt der Leiche gelaſſen wird. Nach einigen Tagen, wenn die Raben der Leiche die Augen ausgehackt haben, wird der Schlitten wieder zurückgeholt, da dann der Geftorbend nicht ſehen kann, ter dieſes vornimmt. Die Leute haben feine Fertigkeit im Nechnen und fünnen faum zählen; ihre Zahlen geben bis 20 und dann wird wieder von vorn angefangen. Kommt ein Reifender und wenn er auch fremd ift, fo find ihm die Bewohner des Haufes fofort behilflich, die Hunde auszufpannen. Er beträgt fih, als ob er ins Haus gehörte. Es iſt nämlich unter den Tſchuktſchen Sitte, daß man in alle Häuſer auf Beſuch gebt und fich einige Zeit dort aufhält; deßhalb meinten die Leute auch, es müßte diefes ihnen auf den Schiffen erlaubt werden. Die Frauen fammeln in den furzen Sommermonaten die nötigen Kräuter und Wurzeln für den langen Winter,

Die Männer bejehäftigen fich mit Jagen. Walroſſe werden Ihon im Frühjahr getötet. In dieſer Zeit liegen fie

gehen jeden Winter meitlich und handeln mit den Bewohnern, da die Schiffe höchit jelten weit nach dem Weſten

meiltens in Scharen auf dem Eiſe. Sie werden dann geſchoſſen, in Stüde gefchnitten und ans nächite Yand ge— bracht. Dort wird die Beute ziemlich weit vom Waſſer

gehen. Auch fommen im Somner Eingeborene von Mlasfa in ihren Booten mit hölzernen Gefäßen und taufchen die-

weg in Haufen gelegt und mit Häuten zugededt. Sie bleibt alsdann liegen, bis der Vorrat in den Häufern ver-

jelben gegen Renntterfelle um. Da die Küftenbetwohner jelbjt feine Nenntiere befigen, jo müſſen fie, wenn fte

braucht ift; dann wird im Winter von den Vorratsbaufen geholt. Dft werden Walroffe aber auch am Lande erlegt, wohin fie fommen, um fich zu fonnen. Seehunde werden

Felle oder Fleifch haben wollen, auch wieder Handelgartifel, am beiten Del, mitnehmen. Die Nenntiere find alle Brivateigentum und gebören den Nomadenvölfern,

welche fortwährend Ausland

1884

ihren Wohnſitz Nr. 19

mechjeln.

Diefelben

ebenfalls oft auf dem Lande erlegt, häufiger aber auf dem Eis, und im Winter nur im Eis oder, wo das Eis gebrochen, im offenen Waſſer. Wenn alles gefroren iſt, 56

366

machen

Aus den Tagebüchern eines deutſchen Polarfahrers.

die Seehunde

Löcher

ins Eis,

um

Luft zu

holen; diefe Löcher find vom Jäger bewacht, welcher mit einem Speer bewaffnet ijt. Sobald der Seehund mit dem Kopfe über die Oberfläche des Eiſes kommt, wird er erlegt und fofort nah Haufe gejchleppt. Enten werden mitunter gefchoffen, aber meiftenteils geworfen. Zu diejem Zweck haben fie 5 bis 6 zufammenhängende dünne Leinen; am Ende jeder derfelben iſt ein Kleiner, rundgeschnittener Knochen befeftigt,; das Ganze wird dann zwiſchen die

Enten geworfen und

es umwideln

die mit Knochen bes

ihwerten Leinen die Flügel der Enten, jo daß fie nicht vom Plate kommen, und ſehr leicht gefangen erden fünnen. Füchſe werden geſchoſſen oder in Fallen gefangen, Kaninchen werden gefchoffen. Man muß jehr vorfichtig dabei jein. Die Yeute haben dann gewöhnlich einen weißen Ueber: wurf an; wenn fie in die Nähe kommen, legen fie ſich auf die Erde oder vielmehr den Schnee und friechen ganz vorfichtig bis auf Schußweite heran; jelbitverjtändlich ſchießen die Leute nicht eher, bis fie der Beute ficher find, da Munition zu viel Wert für fie bat, um diefelbe nußlos zu verschwenden, Zum Schluß will ich noch eine Handlung anführen, twelche vorgenommen Wurde, um ein gutes Handelsjahr zu befommen. Es wurden nämlicd alle nächiten Ber: wandten eingeladen und als fie verfammelt waren, wur— den ſämtliche Handelsartifel, als Elfenbein, Fiſchbein, Fuchsfelle, Schube und eine Menge anderer Sachen ins Freie getragen, dann wurde viel gefprochen, gerufen und um die Sachen berumgelprungen. ‚Dies dauerte zirka eine Stunde, dann wurde Eſſen aus dem Haufe geholt und im Freien eine Mahlzeit verzehrt. Ueber die Behandlung der Mannſchaft de3 „Rodgers“ durch die Tſchuktſchen jagt unjer Gewährs— mann: Als wir am 2. Dezember 1881 in die Häufer der Tſchuk— tſchen famen, wurde uns jofort ein bejtimmter Platz angezeigt, welcher aber von niemand mehr betreten wurde, außer von denjenigen, welche ihn reinigten. Das vom Schnee durchnäßte Schubzeug wurde von den Frauen fofort zum Trocknen gebängt. Da es meiftens zu warm in den Hütten ift, um die Kleidung anzubehalten, fo wurde alles bis aufs Unterzeug abgelegt. Man batte fih um gar nichts zu befümmern, da die Frauen alles beforgen. Als wir uns etwas eingerichtet hatten, wurde gegeſſen. Die Mahlzeit beitand aus Gras mit Seehundfett, dann getochter Walroßhaut, einigen gefochten Wurzeln, gefoc)tem Walropfleifch und zuleßt aus einer Brühe Wir mußten einen guten Appetit haben, fonjt hätten wir nichts eſſen Fünnen, denn die Leute find fehr ſchmutzig. Tifche, Stühle oder fonjtiges Mobiliar ift nicht vorhanden und daher fißt man auf dem ebenen Boden. Beim Eſſen wird ein zirka Ze. Fuß langer, 9 Zoll breiter und 4 Boll tiefer hölzerner Trog auf die Erde geftellt, das Fleiſch darauf gejchüttet und von der Frau in Heine Stücke gefchnitten. Dann langt ein Jeder mit den Fingern zu. Die Brühe wird

in kleinen hölzernen Gefäßen oder auch) kleinen Blechbüchjen verteilt und fchmedt im allgemeinen gut, d. b. unter den

obwaltenden

Verhältniſſen.

Nach dem Eſſen legten fich

die Eingeborenen gleich Schlafen, während wir noch plau— derten oder auch Karten fpielten. ES waren nämlich ſechs bis acht Spiele Starten gerettet worden. Gegen acht Uhr legten wir uns dann auc fchlafen, wurden aber jo ſehr von Uns geziefer geplagt, daß wir lange nicht einfchlummern fonnten. Des Morgens gegen 2 Uhr verzehrten die Eingeborenen eine falte Mahlzeit. Sie boten uns auch etwas davon an, je— doch war der Geruch derjelben Schon vollftändig genug füruns und wir waren doch noch nicht in dem Maße hungrig, um das Angebotene zu ejjen. Um ſieben Uhr jtanden wir auf; man hatte ſchon wieder etwas gefocht. Die Mahlzeit war diefelbe wie vorher; nachdem fie beendet, verfammelten wir uns alle und befragten uns gegenfeitig, wie es uns gefiel. Alle waren der Anficht, daß es ein miferables Leben jei,

für jehs Monate unter diefen Leuten in Schmuß und Ungeziefer zu leben. Wir mollten uns aber damit zu= friedenftellen und froh jein, daß wir wenigſtens warmes Obdach und etwas zu efjen hatten.

Die Leute behandelten uns im allgemeinen ganz gut. Im Haufe durfte niemand unferen Platz einnehmen; wir erhielten immer das Belte zu eſſen, jo lange etwas vor— handen war. Oft wurde uns Fleisch gebracht und glaubten die Frauen, daß wir es nicht eſſen fünnten, fo merften fie auf, was für Mienen beim erjten Biffen gemacht wurden; taugte es uns nicht, dann brauchten wir es nicht zu ejfen, fondern es wurde etwas bejjeres geholt. Ich hatte mir einen Kalender angelegt und jtrich jeden Abend einen Tag aus. Die Leute merkten darauf jo gut auf, daß fie mir das Papier jofort gaben, wenn ich es einmal vergejjen

hatte.

Das Lefen konnten ſie nicht begreifen; nachdem fie

uns mehrere Male lefen gefeben hatten, nahmen fie auch) eine Zeitung oder ein Buch in die Sand und hielten es

jtundenlang

vor ſich.

Ueber das Schreiben fonnten fie

fich nicht genug wundern, bejonders war es ihnen rätfelhaft, wie es möglich jet, daß zwei Perſonen ſich Mitteil-

ungen machen fönnten, ohne fich zu fehen.

War man bei

faltem Wetter auf Reifen, fo achteten die Leute ganz beſon— ders darauf, daß man fich nichts erfror; bemerkten fie die

geringfte Spur von Froſt an Nafe, Baden oder Kinn, fo zogen fie jofort ihre Handſchuhe aus und tauten die Sroftfleden mit der warmen Hand wieder auf. Bei Schnee: wehen wollten fie ung gar nicht allein aus dem Haufe lajjen. Dasjelbe war aber auch manchmal fo ſtark, daß wir öfters drei bis vier Tag nit aus dem Haufe

geben konnten.

Sir Charles Lyells Leben.

Sir Charles Iyells Feben. Bon Dr. Albrecht Bend, Privatdozent in München. IV.

(Schluß.)

Wie ſehr auch Lyell eine allmähliche Entwickelung des Erdkörpers verfocht, wie reiches Material er auch ſammelte, um darzuthun, daß die heute wirkenden Kräfte intenſiv genug ſeien, um die Veränderungen der Vorzeit zu erklären, in einem Punkte war fein Syſtem unvoll— jtändig geblieben. Hatte er evident gemacht, daß die an: organische Natur in einer allmählichen Entwidlung be griffen jet, jo befämpfte er doch 30 Sabre lang den Ge: danken eines fortlaufenden Sneinandergreifens der belebten Schöpfung, und erſt in hohem Alter, als Darwin feine Ideen über den Urſprung der Arten in überzeugender Klarheit darthat, nahm er die Anficht einer allmählichen Entiwidelung der Lebewelt in fih auf. So naturgemäß heute eine folche Verfnüpfung des Gedanfenganges er: ſcheint, ſodaß ſich ſogar Schon Stimmen äußerten, Lyell gehörte Deswegen, weil er fie nicht aus fich heraus ges Ihöpft habe, nicht zu den erften Geistern, fo ſchwierig war es jedoch, fie zu erreichen. Geologifche Forſchungen laffen erkennen, daß die anorganische Natur feine Sprünge macht; biologische Unterfuchungen bingegen allein fünnen eine Entwicklung der organischen Natur erweiſen, und fo bedurfte es des Zuſammenwirkens zweier verfchiedener Wiſſenſchaften, welche voll zu erfaffen wohl feinem Sterblichen möglich it, um mit Nachdruck ausjprechen zu

können, daß die gefammte Natur, die belebte und une belebte, in einer fortlaufenden Weiterbildung begriffen it. Lyell ſteht keineswegs unter Darwin, er war vielmehr fein naturgemäßer Vorläufer; und wenn man heute Tells und Darwins Namen in einem Zuge nennt, fo geichteht

dies nicht bloß in Würdigung einer langjährigen Freund— ſchaft, welche beide Gelehrten verband, nicht bloß in An—

erfennung ihres häufigen Zuſammenwirkens, fondern in dem Bewußtfein, zwei zujfammengebörige Kräfte, von twelchen feine ohne die andere

exiſtieren

kann, in ihrer

Bollbedeutung zu ſchätzen. Lyell hat nicht blos durch ſeine Stellungnahme zur anorganiſchen Natur Darwin vorgearbeitet; er ſchuf ihm

vor allem einen Boden durch ſeine objektive Darſtellung über das Erſcheinen und Erlöſchen der Arten in der Ver— gangenheit, durch die Erkenntnis zoogeographiſcher Geſetze,

welches alles er ſchon in den erſten Auflagen ſeiner Prin— ziples ausſpricht. Hier lehrt er in dem dritten, 1833 er— ſchienenen Bande, daß eine jede Art eine beſtimmte Lebens— dauer beſitzt, daß ſie zu irgend einer Zeit erſcheint und

darauf wieder verſchwindet. Dieſes Kommen und Gehen der Geſchöpfe habe ſich zu allen Zeiten ereignet, und dürfte

367

auch heute noch gejchehen. Cs find Arten in hiftorifchen Zeiten ausgeftorben, und wenn von dem Auftauchen neuer nichtS berichtet werde, jo Liege dies wohl an unferer zu geringen Kenntnis der Natur, Gefchöpfe derfelben Art find ſtammverwandt, und wenn fie ſich heute an ver: Ichtedenen, durch Meere getrennten Ländern finden, fo ift

dies die Folge jtattgehabter Verfchtebungen der Grenzen von Waffer und Land, und nicht, tvie man wohl annahm,

das Werk verfchiedener Einzelfchöpfungen. Man bat Lyell Schon beim erſten Erſcheinen der Prinziples, zumal in Deutfchland, vorgeworfen, daß er diefe beiden hochwichtigen Erfenntniffe, deren Bedeutung gegenüber den damals fo lebhaft verfochtenen Hypotheſen über allgemeine Neufhöpfungen nicht hoch genug zu veranfchlagen tft, nicht näher illuftriert hat, und auseinandergejeßt, wie man fich die Neuericheinung von Arten vor-

zuftellen babe.

Ein Brief

an Sohn Herfchel von 1834

offenbart Lyells Anficht hierüber. Er fchreibt, er wiſſe nicht, wie das Erjcheinen von neuen Arten gefcheben fei, und da in diefer Hinficht eine Lücke in den Erfahrungen vorhanden jet, jo halte er jede Spekulation hierüber für verfrübt. Jedenfalls aber bekämpft Lyell entſchieden Yamards Anfichten über die unbeſchränkte Vartabilität und Transformation der Arten, ſowie aud) jede progreflive Entwidelung in der Natur. Er war höchſtens geneigt, eine begrenzte Veränderlichkeit der Spezies zuzugeſtehen, wie ſie durch den Begriff Varietät angedeutet wird, während er die progreſſive Entiwidelung tie ſie Lamarck forderte gerade auf Grund geologischer Forſchungen in Frage jtellte. Er wies darauf bin, dab keineswegs das geologische Auftreten der Tierflaffen ihrer Entwidlungsitufe entfpräche, und indem er fortwährend auf die Un— vollitändigfeit der geologiſchen Ueberreſte hinweiſt, wird ihm die Genugthuung, zu ſehen, wie ſich nach und nach das erſte Auftreten der Tierklaſſen rückwärts verſchiebt. Galt es für Cuvier als eine Thatſache, daß der Menſch ſich bloß in rezenten Schichten finde, ſo entdeckte man bald Menſchenreſte im Quartär im Vereine mit einer ausgeſtorbenen Fauna; war es als wichtige Doktrin aufge— ſtellt worden, daß die Säugetiere erſt im Tertiär er— ſchienen, ſo wurden ihre Reſte doch bald auch aus den

Grenzſchichten zwiſchen Trias und Jura bekannt.

Gerade

auf die Schwierigkeit der Erhaltung und Aufbewahrung von Tierreften, zumal von Landbewohnern bintveifend, trug fih Lyell in früheren Jahren jogar mit der Hoffnung, da oder dort in uralten Schichten Nefte höherer Organis—

men aufzufinden. Hielt Lyell folchergeftalt Lamarcks Hypotheſe für un: zuveichend begründet, fo glaubte er in ihr auch nicht ein— mal einen Fortfchritt zu erkennen; denn Zamard brauchte, um das Auftreten niederer Tiertppen neben höheren zu

erklären, immer noch die Vorausfegung, daß die Schöpfung bon den niederften Organismen nicht aufgehört habe,

1 Siehe „Ausland“ 1882, Nr. 32 und 1884 Nr. 16 u, 18.

fodaß der ganze Unterfchied

von Lyells und Yamards

368

Sir Charles Lyells Leben.

Anfichten lediglich darin bejteht, daß erjterer das Neu: erfcheinen hoch und nieder ftehender Geſchöpfe annimmt,

während

Ießterer nur

die niedrigiten

fortwährend

neu

auftauchen läßt. Zudem vermißte Lyell in Lamarcks Hypothefe ein wichtiges Glied, nämlich die Urfache der Umwandlung der Arten. Solches war die Anficht Lyells, als Darivin feine Seen über den Urjprung der Arten 1858 veröffent: lichte, durch 9 Auflagen der Prinziples war fie verbreitet worden, ſodaß nicht wundernehmen fann, wenn Lyell zu den Hauptgegnern der Transmutationstheorie gelegentlich

gezählt werden konnte.

Allein Lyell zeigte fih als ein

zu objeftiver Forfcher, als daß er nicht eine langgehegte Anficht gegenüber einer neueren bejjeren hätte aufgeben fünnen. Die Kenntnis foffiler Floren und Faunen war außerordentlich gewachfen, und indem man in verfchiedenen Ländern auf allen Kontinenten reichlihe Ausbeute machte, indem vor allem durch D. Heer die Paläophytologie einen jehr beträchtlichen Aufſchwung erhielt, waren die Argumente gegen eine in großen Zügen progreffive Entwidelung etwas erjchüttert worden, denn feiner der vielen Foſſilfunde hatte Ausnahmen von einem fulzeffiven Erfcheinen höherer

Ordnungen

und

Klaſſen

ergeben.

Darwin

nun

lernte

eine wichtige Urfache der Fortentwidelung der Drganismen in der natürlichen Zuchtwahl fennen, und alles dies war

dazu

angethan,

Lyells Dppofition

gegen

Lamarck

zu

ſchwächen. Heußerte er nod) 1856 gegenüber Sofeph Hoofer die Befürchtung, daß wenn Darwin eine unbegrenzte Bartabilität der Arten zugeitünde, Spielraum für die größte Willkür in der deſkriptiven Naturwiſſenſchaft er: wüchſe, jo wurden diefe Bedenken doch bejchiwichtigt durch das Erfcheinen des Ursprunges der Arten, zu deffen Heraus: gabe er im Vereine mit Hoofer Darwin gedrängt hatte; am 3. Oftober 1859 drückt er Darwin bereits in einem Briefe feine Zuſtimmung und Bewunderung aus, und beginnt jein „Alter des Menfchengefchlechts”, die Trilogie vom Alter des Menfchen, von Eis und Darivin, wie die Saturday Review emphatiſch fehrieb. Mit der Ausarbeitung dieſes Werfes befchäftigt, unternahm Lyell nur Eleinere Reifen. Sm Sommer 1859 hatte er Paris und die Auvergne wieder befucht, 1860

verbrachte

er einige Wochen

auf dem Kontinente,

in

Thüringen; feiner Oefundheit halber mußte er 1861 Kiſſingen befuchen, und 1862 führte ihn der Tod feiner Schiviegermutter Horner nad) Florenz. Im März 1863 er— Ihien dann „Das Alter des Menfchengefchlechtes”, ein Buch, welches nicht geringeres Auffehen erregte, als die Prinzipien und Elemente der Geologie, und zwar vornehmlich wegen

jeiner Stellung zu Darwins „Hypotheſe“. Lyell hatte diefelbe im großen und ganzen in fich aufgenommen. Allein er war davon entfernt geblieben,

diefelbe als ein Dogma hinzuftellen, und behandelt fie in gemäßigter Form,

ja, indem

er

vom Menschen

fpricht,

bezeichnet er deſſen geiftige, ihm hoch über die Tiere er-

hebende

Fähigkeiten

als

das

Werk

eines

jchöpferiichen

Aftes, welcher die Uniformität der Entwidlung unterbrad). Er glaubte, daß durch die natürlihe Zuchtwahl vieles, aber nicht alles erklärt werde, zumal nicht die von ihm früher bezieifelte,

im

großen

und

ganzen

progrejjive

Entwidlung. So erregte das Buch nach) zwei Seiten hin vielleicht Enttäufhung: die Gegner Darwins hatten von Lyell das Beharren bei feiner früheren Anficht erivartet, Darwin ſelbſt aber, wie es fcheint, auf eine umfajjendere Zuftimmung gehofft. Es fiel Lyell Schwer, ganz und gar den neuen Ideen zuzuftimmen, wie einige Briefe an

Darivin deutlich genug bezeugen. Sch fehe mich, ſchrieb er, nachdem ich ein ganzes Kapitel lang zu Guniten der Abftammung des Menſchen von den Tieren gejprochen habe, wieder in meine alten Anjichten zurüdfallen, wenn

ih einige Seiten der Prinziples wieder leſe, oder ber: geblih nach foſſilen Uebergangstypen ſuche. Allein ge: vade die maßvolle Zuftimmung für Dartoin bewirkte, daß er diefem den Beifall vieler bis dahin ſchwankend Gebliebener zuführte. ö

Wird „Das Alter des Menjchengefchlechtes” ſtets der denkwürdige Ausdruck dafür bleiben, wie Lyell jelbjt in ſpäten Sabren fi bis dahin befämpften Anfchauungen anzuschließen vermochte, fo fommt in anderer Hinficht dem Werke falt noch größere Bedeutung zu, da es eine neue Richtung anthropologifcher Forſchung beginnt. Zum eriten Male wird verfucht, den Menschen als Zeugen der tief: greifenden Ereigniſſe hinzuftellen, welche die Duartärperiode auszeichnen, und wenn auc die neueren Unterfuchungen eine wejentlih andere Chronologie und Auffaffung der

quartären

Vorgänge

lieferten, als die von

Lyell auf:

geitellte, jo treten Doch neuere Werfe immer wieder in die Bahnen, welche durch Lyell vorgezeichnet wurden. Die Slazialfrage, damals etivas in den Hintergrund gedrängt, erhielt neue Smpulfe und wurde vielfach jelbjt da populär,

wo man ihr früher feine Beachtung gefchenft hatte, Drei Auflagen des Werkes erſchienen in furzer Aufeinander: folge im Sabre 1863 und befeitigten meiter die große Popularität, welche Lyell in Englands gebildeten Kreifen

genoß.

Selbſt die Königin, wie ibn ein Beſuch in Osborne

lehrte, hatte das Buch jtudiert.

Ein wie glänzender Abſchluß feiner wiffenfchaftlichen TIhätigfeit „Das Alter des Wienfchengefchlechtes” auch geweſen wäre, Lyell hörte nach deſſen Erſcheinen nicht auf, troß feines hohen Alters

von

66 Jahren,

unabläffig

an

der

Verbeſſerung und Neuberausgabe feiner Werfe zu arbeiten; es lag ihm daran, die Prinzipien und Elemente der Geologie auf die Höhe des „Alter des Menjchengefchlechtes“ zu bringen. So ſetzte er auch noch nicht mit den Reifen aus, welche er alljährlich zu unternehmen pflegte; hatte er doc) noch 1861 verfchiedene hohe Ehrenämter, die ihm angebotene Würde eines Vertreters der Univerfität London

im Parlament abgelehnt, um fich bis zu feinem Lebens: ende feiner Lieblingswiſſenſchaft widmen zu fünnen.

Sir Charles Lyells Leben.

1864 machte er mehrere Erfurfionen im füdlichen England und präfidierte der Britischen Naturforfchergefell-

jchaft bei ihrer 34. Verfammlung in Bath.

m

felbigen

Sabre, in welchem ihm fein Schiwtegervater Leonard Horner

entriffen wurde, erhielt er den Rang eines Baron.

Nach:

dem er die 6. Auflage der Elemente vollendet hatte, ver: brachte er den Jahreswechſel 1864/65 in Berlin bei feinem Schtwager v. Pertz; und im Sommer 1865 bejuchte er mit Frau die Alpen. Er ftudierte genau den Märjelen:

See und die Erdpfetler von Boten. Erfurfionen

1866 unternahm er

an der Küſte von Suffolf, und

ging fpäter

nah Schottland. Am Ende des Jahres, welches ihm die MWollaftonMedaille der Geologiſchen Geſellſchaft eintrug, erſchien der erſte Band der Prinziples in der 10. Auflage, und nachdem Lyell 1867 die Pariſer Ausitellung befucht hatte, gab er im März 1868 den zweiten Band gleichfalls in der 10. Auflage heraus. Die Brinziples batten eine durchgreifende Neubearbeitung erfahren. Ganze Kapitel waren neu gejchrieben worden; das über Elimatiihe Schwankungen handelnde erichien in ganz veränderter Geftalt, den Abfehnitten über den Bau der Bulfane waren feine reichen Erfahrungen beim Beſuch des Veſuvs und Metna einverleibt worden,

die Schilderungen der Erdbeben erweitert, die Anfichten über die Entjtehung der kryſtallinen Schiefer modifiziert.

Gänzlich, und zwar im Darwin'ſchen Sinne, waren alle die Kapitel umgearbeitet, welche über die Entwidelung organischen Lebens handeln. Aus einem Bande

des mit

800 Seiten waren zwei Bände mit 1250 Geiten geworden. Sp waren denn die feit 1853 nicht neu aufgelegten Prin— ziples zu einem faſt neuen Werfe getvorden, welches feinen Beweis von einem Stillitande des greifen Verfafjers gab. Ueberall waren die neueften Forſchungen in ihnen verwertet, überall ſpürte man den regen perfönlichen Anteil,

welchen Lyell an neuen Entdedungen nahm, die er thunlichſt ſelbſt kontrollierte.

In dieſer Geſtalt erfuhren die

Prinziples bei Lebzeiten ihres Verfaſſers 1872

noch eine

und nach deſſen Tode 1875 eine weitere, 12. Auflage, und in dieſer Form werden ſie ein ſchönes Denkmal der nie erlahmenden Schaffenskraft Lyells, ſeiner offenen Begierde, das Neue, falls es ſich ſtichhaltig erweiſt, zu ver— werten, den kommenden Erdkundigen vorleuchten, während ihre erſte Auflage aus den Jahren 1830 bis 1833 einen der

wichtigſten Abſchnitte in der Geſchichte der Geologie bezeichnet. Trotz ſeines mit dem Alter ſehr zunehmenden Augen— leidens, trotz abnehmender Rüſtigkeit, unternahm Lyell auch in den Jahren 1868, 1871 Reiſen in England und arbeitete an einem Auszuge aus ſeinen Elementen der Geologie, welcher 1871 als „The Students Elements of Géology“ erſchien und 1874 eine Neuauflage erforderte,

Sir Charles Lyell hat hierin dem Studierenden der Geologie das getban, was Str Sohn Herfchel für den Aitronomen

in feinen unvergleichlichen „Dutlines”

>69

Die lebten Jahre feines Lebens wurden Lyell durch überhandnehmende förperliche Schwäche, ſowie durch fein zunehmendes Augenleiden ſehr verfümmert. Zwar var er noch 1872 im ftande, mit feiner Frau eine Reife nach dem füdlichen Frankreich nach den Höhlen des Auregnac zu unternehmen; aber im Srühjahre 1873 ward ihm durch) den Tod feiner Frau ein unerfeglicher, ſchwer zu tragender Verluft. Lady Lyell war eine Frau großer Begabung geweſen, welche fih, wenn fie nicht durch ihre Ehe mit Lyell eine befondere miffenfchaftliche Nichtung erhalten hätte, wohl einen eigenen Namen gemacht hätte. Co wird in einem Nefrologe von ibr gefchrieben. Sie nahm den regjten Anteil an Lyells wiſſenſchaftlicher Thätig— keit und begleitete ihn auf der Mehrzahl ſeiner Reifen. Ihr Bildnis, welches gleich zwei Porträts Lyells den vorliegenden Briefivechjel begleitet, läßt anmutsvolle, zarte

Züge erfennen. Lyell hat den Tod feiner Gattin nicht lange überlebt.

1873 befuchte er in Begleitung feiner Schwefter Profeſſor Heer in Züri, Juni 1874 ging er nach Rambridge, um den Titel eines Ehrendoktors zu empfangen, und befuchte darauf zum legten Male feine fchottifche Heimat, Erinnerungen an feine Jugend wedend und nochmals die Phäno— mene prüfend, welche ihm vor einem halben Sahrhundert das Thema feiner erſten Publikationen gegeben hatten. Am 5. November desjelben Jahres ſprach er mit über:

raſchender Kraft beim 50. Stiftungsfefte des Geologifchen Sejellihaftsflub; dann nahmen feine Augenjchtväche und jein förperliches Mißbehagen vafch zu, und am 22. Februar 1875 verjchted der große englifche Geolog. Er wurde in der Weitminfterabtei begraben. Sein Grabſtein nennt ihn als Berfafjer der Prinziples, feines großen Werkes. Str Charles Lyell betbätigte fein hohes Intereſſe an dem Fortgange geologifcher Forſchungen nod über den Tod hinaus durch ein Vermächtnis von 2000 Pfund, welches er der Geologiſchen Gefellfehaft zu London zu— wies, und deſſen Zinſen alljährlich als ein befonderer Preis den Geologen aller Nationen zuwendbar find. Wird diefer Lyell-Preis alljährlich das Gedächtnis an den großen Geologen neu beleben, jo werden feine großen Werke, voran die Brinziples, als leuchtendes Denkmal fünftigen Sejchlechtern vorjchiweben und feine grundlegenden Ideen fommenden Forſchern überliefern, während jeine Briefe

und Tagebücher,

deren Herausgabe

jeiner Schwägerin

Frau Lyell zu danken tft, ihm noch nad) feinem Tode die perfönlichen lebendigen Sympathien derer zuführen erben, denen nicht vergönnt war, des Meiſters Worten jelbt zu lauſchen, und fie werden demjenigen, welcher die Gefchichte einer der denkwürdigſten Berioden der geologifchen Forichung jchreibt, reichliches Material an die Hand geben, die Einführung neuer Ideen und ihren Ausbau zu verfolgen.

that.

So lautete das Urteil über dieſes legte Werk Lyells, Ausland,

1884, Nr. 19,

57

° 370

. Der aZotenkultus84 in Ungarn.

Dahingefchiedenen eingefhlagen. Die Bahre war tvertvollen QTüchern belegt und unter dem Haupte

Der Rotenkultus in Ilngarn. In dem polyglotten Reiche der Stefansfrone, wo zahlweiche, einander fremde Nationalitäten beiſammen wohnen, knüpfen fih an Yeben und Tod der Menſchen grundverjchiedene Sitten und Gebräuche. Grundverfchieden find bei den einzelnen Nationalitäten die Zeremonien, mit welchen der Säugling begrüßt twird, wenn er das Licht der Welt erblidt, grumdverfchieden die Feſte, welche das Yeben des Mannes verfchönen, grundverfchieden Der Kultus, wenn der Greis zu Grabe geleitet werden ſoll. In den großen Städten haben die einzelnen Kulte aller: dings bereits viel von ihrer Originalität abgeftreift; aber auf dem flachen Yande finden wir noch feltfame, gewiß beachtensmwerte, häufig überrafchend finnige Gebräuche, welche felbjt jene, die ihnen ganz fremd gegenüberftehen, mit ergentümlichem Zauber berühren. Bon ganz befonderem Intereſſe ift der bei den einzelnen Nationalitäten differierende Kultus des Todes. ES ift das ein düſteres Kapitel; wohl wahr. Die ethnographiichen und fulturellen VBerfchtedenheiten ſind indefjen fo vielfach anziehbend, daß auch dieſes unheimliche Thema den Hiltorifer zum Studium reizt. Was uns menfchlich berührt, was die vielgejtaltige Trauer her: vorruft und die Thränen, die ſich immer gleich bleiben, das iſt der Tod des Menfchen; aber wie die Wölfer jterben, wie fie trauern und Gräber bauen, das gehört in den Bereich der miljenfchaftlichen Befchreibung. Und fo fajjen wir einmal ins Auge, wie man in Ungarn Trauer: kränze windet. Ber den Magyaren iſt überall noch das Totenmahl im Gebrauche, das von den Vertvandten und Freunden des Verſtorbenen mit den Trauergäften nad) der Beltattung desjelben abgehalten wird. In manchen Gegenden wird das ZTotenmahl von frommen Gefängen begleitet. Be: jonders ſchön iſt dieſe Sitte in Palota, wo die Toten: gefänge angejtimmt werden, wenn die Trauergäfte aus: einandergehen. Man ſetzt den Gefang auf den Straßen fort und in allen Teilen der Ortfchaft hört man die fanft verflingenden Töne der Trauerchöre. In Agard pflanzt man Objtbäume um die Gräber, um diefe auch nad

mit des

Toten lagen prächtige Kiffen. Dem Manne gab man feine Waffen mit in das Grab, den Frauen ihr Gejchmeibe, das oft den Wert von vielen Taujenden hatte, ebenjo wie ihre Gewänder, die man mit Gold: und Silberjpigen benäbte. Das Totengevand der Frauen war immer ganz weiß und beitand aus den feiniten Stoffen. In allen Dörfern, die zu dem Grundbefiße veicher Lerdtragender gehörten, läutete man vom Totestage bis zur Bejtattung zweimal täglich die Gloden und alle Familien im Lande,

die zu dem

Befanntenkreife

der Verblichenen

gehörten,

wurden zum Begräbnifje geladen. Die Trauergäjte Itrömten denn auch von allen Seiten herbei und füllten nicht nur das Trauerbaus, fondern gewöhnlich die ganze Drtjchaft,

in der es lag und welche die Maffe der Fremden faum fafjen fonnte. Beſondere Hausbeamten übertwachten das Begräbnis; man baute Bavillons, in welchen die Auf: bahrung der Toten vor fi) ging. Den Traueriagen boran vritten zwei gepanzerte Waffenträger mit herabgelaſſenem Bifier, dem Wagen folgte das prächtig gejchirrte Lieblingsroß des Verſtorbenen. Ein Diener in Galatracht trug neben dem Xeichenwwagen das in Silber ausgeführte Wappen des Toten oder, wenn er ein jolches nicht beſeſſen,

eine goldene Fahne mit der Grabjchrift.

Die Gäſte er-

Schienen ſelbſtredend auch in prächtigen Trauergewändern, die Schwarz oder violett waren, da beide Farben die Trauer bedeuteten. Der kirchliche Vomp, der bei der Beltattung entfaltet wurde, war nicht minder groß. Man verteilte unter den Trauergäften das auf Seide geſtickte Wappen,

oder auf Seide

gedrudte Trauerwverfe.

Der Trauerzug

war immer impofant, Studenten fangen Trauerlieder, Trompeter und Flötenfpieler beſorgten die Trauermufif.

Der ganz außerordentliche Trauerpomp

wurde jelbjt von

Unbemittelten

auf

Gütern Wochen

entfaltet.

Viele

ließen

allen

ihren

lang für die VBerftorbenen Gebete jagen,

Jahren wieder zu erkennen, denn der Windfturm enttvurzelt

ganze Kirchen mit ſchwarzem Tuche überziehen, eine Legion bon Dienern in ſchwarze Gewänder kleiden, Hunderte von Sadeln zum Begräbniffe anzünden; nach mandem Toten blieben ganze Bibliothefen teuer bezahlter Predigten Trauerreden und Trauerverfe zurüd, die feine Verdienſte

die hölzernen Grabkreuze und der Negen verwiſcht ihre Inſchriften. In Bonghad begleitete man früher die Toten mit brennenden Fadeln zur ewigen Ruhe. In vielen magyariichen Dörfern ift die Beltattung der Toten, fo arm auch die Bevölkerung ſei, immer eine befonders prächtige.

fam oft auf 10= bis 12,000 Gulden zu ftehen, was in jenen Hgeiten eine riefige Summe war. Manche Familien ver: jhleuderten ihre Güter, um ihre Toten im funeralen Prunfe zu ehren, fo daß ein behördlicher Erlaß im Sabre 1747 dem Begräbnispomp Schranken ziehen mußte, damit

Das gilt namentlich für die Magyaren

in Sieben:

bürgen, wo in alten Zeiten fogar ein funeraler Pomp entfaltet wurde, der jeder Befchreibung fpottet. Beſonders fojtbar war die Ausftattung der Särge, die gewöhnlich außen und innen mit Sammt ausgefchlagen wurden, Den Samımt bededten prächtige Goldftidereien. In den Sammt wurden filberne Nägel mit dem Wappen des

im Leben verfündeten.

Das Begräbnis einzelner Perſonen

derjelbe nicht das ganze Land ruiniere. Bei aller Ueber: treibung liegt indeſſen in diefem, teuren VBerblichenen gewidmeten Aufwande ein rührender Zug. Höchit bemerkenswerte Momente bieten ſich im Totenfultus der Palovzen, eines ungarischen Stammes, deſſen Ahnen jene Kumanier getvefen fein follen, welche dem ungariichen Heerführer

Arpad bei Kiew gehuldigt haben

Der Totenfultus in Ungarn.

und mit ihm nad Pannonien gezogen jind. In den Friedhöfen der Palovzen im Borſoder und Heveſer Komitate findet man hie und da pyramidenfürmige, aus Stein errichtete Säulengebilde, in deren vier Flachſeiten

ſich vier Nifchen mit Heiligenbildern befinden.

Das ift

ein Ueberbleibjel der alten heidniſchen Altäre diefes Bölfchens, errichtet zu Ehren des Sonnengottes, wie man denn auch heute noch auf vielen Palovzenhäufern das Poramidenzeichen mit dem Baalsauge ſieht, das fich von Generation auf Generation vererbt bat, ohne daß die heutige, die es gedankenlos auf ihre Bauten fügt, über

jeine Bedeutung etwas zu jagen wüßte. Sehr charakteriftifch werden in der Nähe der erwähnten Säulengebilde jene Kinder beftattet, welche von binnen gejchieden find, obne die Taufe empfangen zu haben; unbewußt bat fich alfo jene Pyramide als eın Symbol des Heidentums erhalten. In den Palovzendörfern geht die Sage, daß die Kleinen,

welche in der Nähe der Baalsfäule beftattet werden, nad) jieben Jahren um Mitternacht ihre Gräber verlaffen; wenn dann eine gute Seele in die Nähe fommt und die Worte Spricht: Ich taufe euch im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geiſtes, jo zieben die Aermſten als Eleine Engel in den Simmel ein. Unterbleibt die ver: jpätete Taufe, jo müfjen die Kleinen noch fieben Sabre harren, bis jemand ihre Erlöfung unternimmt. Noch

manche andere Neminiizenzen an den Baalsfultus haben fih bei diefem Völfchen erhalten; fo umwindet die Mutter, deren Kind früh veritorben iſt, ibr Haupt zum ‚Zeichen der Trauer mit einem feuerroten Tuche. Daß die Leichenverbrennung bei den Palovzen lange im Gebrauch war,

beweiſt der Umfjtand, daß man heute noch die Kleidungs— ſtücke, welche der Verftorbene zulegt getragen, verbrennt. Im Haushalte der Balovzenfrau finden ſich auch heute, genau in Form und Geftalt beibehalten, die Thränen— früglein der Alten, wenn ihre Beitimmung im Yaufe der

Zeiten aud eine ganz andere geworden tft. Rührend iſt ein eigentümlicher Gebrauch der Palovzen beim Totenmahl. Bet demfelben fteht nämlich ein von niemandem berührtes Tellerchen mit Salz und Brod auf dem Tiſche, damit die Seele des Verblichenen Atzung finde, wenn fie noch einmal

im reife der Verwandten

erjcheinen jollte.

Die Serben drüden ihren Toten brennende Kerzen in die Hand und befeftigen ein Heiligenbild an ihrer Bruft. Geweihte Kerzen brennen rings um die Bahre und

zu Häupten

Yampe.

der DVerblichenen

ſteht eine

brennende

Alle Gefäße im Haufe werden umgejtürzt, damit

fich die Seele, die fi) vom Körper losgelöft, nicht verirre. Durch einige Tage trägt man auch hie und da Speife und Tranf auf die Gräber der Verftorbenen, als bebürften

fie der Nahrung wie die Lebenden. Bei den Rumänen, welche ihre Abjtammung auf die Nömer zurüdführen, berrfchen in der That funerale Ge:

brauche, wie fie bei den Alten vorgefommen jind. Es werden Klageweiber aufgenommen, melde mit ihrem

371

Jammern und Wehklagen das Haus füllen, bis der Tote bejtattet it. Die Sitte, den Verſtorbenen einen Obolus mitzugeben, damit fie dem Fährmann in der andern Welt den ſchuldigen Zoll entrichten fönnen, beſteht heute überall noch bei den Rumänen, mie einft bei den Griechen und Römern. Die Männer, die ihre Frauen durch den Tod verloren, geben zum Beichen der Trauer ſechs Monate baarhaupt, die trauernden Frauen tragen dunkle Kleider. Ueberſchwänglich it das Wehklagen der Nuthenen, wenn ein Todesfall bei ihnen eintritt. Site ringen die Hände, füllen mit ihrem Sammer das Haus und find die Beute der lebhafteiten Verzweiflung. Der Tod tit bei diefem Bolfe ein beſonders gefürchteter Saft, und dort, wo er eintritt, ruft er den heftigjten Schmerz hervor.

Die Verstorbenen werden entkleidet und forgfam gewaschen, den Männern der Bart rafiert und das Haar zierlich ges kämmt. Man legt den Toten die Feittagskleider an, die fie im Leben getragen, und gibt ihnen alle Gegenjtände mit in das Grab, die ihnen befonders wert geivejen waren. In alten Zeiten legte man den Toten ihre Waffen in den Sarg; heute erfegen deren Stelle Pfeife und Tabafsbeutel. Wenn die Seligen im PBaradiefe zu ſchmauchen pflegen, fo haben fte dann jedenfalls die Nequifiten dazu bei ber Hand. Man findet übrigens auch Pfeifen und Hirten: ftäbe, Meffer 2. in den Särgen der Ruthenen. Bevor man die Verftorbenen aus dem Haufe trägt, rüdt man alle Möbel von der Stelle, damit die entflobene Seele durch die altgewwohnte, Liebgewordene Einrichtung der Stube nicht zurüdgehalten werde, was bei aller Naivität eine tief ergreifende Sitte genannt werden muß. Wenn man den Sarg fortträgt, ſetzt man ihn auf dev Schwelle nieder, damit auch die Mauern des Haufes willen, daß fie einer ihrer Bewohner verlaffen hat. An den Gräbern fingt man Trauerlieder, welche in Verſen die Verdienſte der Verblichenen preifen; hoffen wir, daß Gott aud auf die Verfififation nicht ſieht. Die Sitte des Obolus beſteht merkwürdigerweiſe auch bei den Slowaken in Nordungarn, die mit den alten Römern nie etwas zu thun gehabt haben. Wie die Rumänen, jo legen auch fie ihren Toten Heine Silber: münzen unter die Zunge. Der Sarg der verjtorbenen Mädchen ift vot, ihre Stleider find ſchwarz, denn bet dieſem Volke ift Schwarz die Farbe der Unſchuld. In die Hand der Sungfrauen fügt man aud einen Rosmarinziveig. Zu Häupten des Sarges fteht eine brennende Kerze und eine von einer Zitrone überragte Blumenfrone, der Preis der Tugend, den auch der Tod nicht vauben kann. Wan

beflagt die Tote in Liedern als eine frühgebrocdhene Blume, welche in der andern Welt, von Engeln gewartet und gepflegt, zu neuem Leben erblüben wird; der Winter, ichliegt das Lied, war der Aermiten auch ein Arühling,

nun ift ihr der Frühling des Lebens zum Winter geworden. Die Verwandten, Freunde und Bekannten werfen auf den Sarg, bevor die Erde auf ihm gefchüttet wird, je einen

372

Der vierte Deutſche Geographentag zu München.

Blütenziveig und jeder, der die Verftorbene liebte, pflanzt eine Blume auf ihr Grab. Man Ffann nicht umbin, die meiften diefer Zeremonien höchſt poetiſch zu finden, eine vührende Poeſie auf den Feldern des Todes. . . . Sie wiegt allen Prunf auf, der, wie wir gejeben baben, auf anderen Kircchhöfen entfaltet wurde. Cin rührendes Lied und eine Blume, die ein Sinnbild fein joll, darin erfchöpft fh bier der funerale Vomp. Hugo Klein.

17. bis 19. April 1884.

die großen Handelsmarinen von Nordamerika, Deutſchland, Oeſterreich und Italien, ſowie die engliſchen und ameri— kaniſchen aſtronomiſchen und nautiſchen Jahrbücher. Endlich ſtellen die nach dem Greenwicher Meridiane gezeichneten Land- und Seekarten einen ungleich größeren Teil der Erdoberfläche dar, als alle übrigen, die Längen von ver— ſchiedenen Mittagskreiſen aus zählenden zuſammengenommen. Redner empfahl daher warm jene drei Reſolutionen der römischen Gradmeljungsfonferenz zur Annahme, die fich auf den Anfangsmeridian der geographiichen Längen be—

ziehen und welche auch die Grundzüge des erjten Teiles

Der vierte Deutſche Geoaraphentag

zu Münden.

17. bis 19. April 1884. 111.1

der in jeiner vierten Sitzung vom Geographentage angenommenen Nefolution (jtehe „Ausland“ 1884, Nr. 17, ©. 336) über diefen Gegenftand bilden. Profeſſor Dr. ©. Günther rechtfertigte in dem ihm übertragenen Neferate die Einführung des Greenwich— Meridians, indem er eine biftorisch-Fritiiche Darftellung

Der Nachmittag des 17. April war vom Lokalkomite

der bisherigen Beitrebungen nad) einem Einheitsmeridian

für die Berichterftattung über den einheitlihen Meridian beftimmt worden und zwar referierte zuerjt Direktor

vorführte. Zuerſt ertvähnte der Nedner das Intereſſe, welches die Meteorologie und zivar jpeziell bei Herftellung ihrer

Dr. C. M. v. Bauernfeind in einer einleitenden Beſprech— ung auf Grund der Beichlüffe der ftebenten Konferenz der Europäischen Gradmeſſung über deſſen allgemeine Ein: führung. Er erwähnte, daß mir von Natur Fein folches Merkmal für die Zählung geograpbifcher Yängen haben, pie es fich für die Zählung der geographiichen Breiten im Erdäquator darbietet. Praktiſch befiten zur Zeit nur die Meridiane von Greenwich, Baris, Berlin und Washington

die einen

internationalen

Nullmeridian

fennzeichnenden

Eigenschaften, nämlich mit aller möglichen Senauigfeit aftro= nomifch bejtimmt und gegen Fixpunkte geodätijch feitgelegt zu fein, zweitens behufs Ermittlung von Zeit: und Längen— unterschieden an einem leicht zugänglichen Orte fich zu

befinden und drittens einem Inſtitut für die Berechnung und den Verlag der jährlich erſcheinenden ajtronomifchen und nautifchen Jahrbücher anzugehören. Die Frage, welchen von den genannten vier Meridianen man als einheitlichen, internationalen wählen joll, iſt wegen ihrer Unabhängigkeit von tbeoretifchen Erwägungen gleichbedeus tend mit der anderen: Welcher von den genannten vier Meridianen veranlaßt den geringiten Arbeits und Koſten— aufwand für die mit feiner Einführung verbundenen Ab: änderungen in Karten, Globen, aftronomifchen Jahrbüchern, nautischen Almanachen u. dgl? Die fo formulierte Frage

haben von 33 Negterungsfommifjären in Nom 16 Geodäten, 9 Aftronomen

und

5 Nautifer mit aller Entfchiedenheit

dahin beantwortet, daß nur der Meridian von Greenwich Ausſicht hat, von einer internationalen diplomatischen Kon: ferenz aller Kulturftaaten als gemeinfamer Nullmeridian angenommen zu erden, da er der weitverbreitetſte iſt. Denn es zählt nicht nur das in zwei Weltteilen gelegene Britiſche Reich nach Greenwich, ſondern dasſelbe thun auch

Ipnoptifchen Karten an der Frage nach dem Nullmeridian habe und daß auf der meteorologischen Konferenz, troßdem Pujahan mehr für einheitliche Projektion, Smith, Plant: amour und Brault für völlige Areiheit in der Wahl des Anfangsmeridians eintraten, der von Buys Ballot (ver: treten durch Snellen), Hoffmeyer, Wild, Mohn, Neumaper, Seott unterjtügte Antrag, den Greenwicher Anfangs: meridian für ſynoptiſche Karten zu wählen, angenommen wurde. Sp lange man mit Schubert und Clarke die Erde für ein dreiariges Ellipfoid hielt, fonnten nur der größte, durch Spißbergen, Mefjina und Tjabfee führende Meridian, oder der Kap Tſcheljuskin berührende kleinſte natürliche Linien in der Zählung geographifcher Längen darftellen. Aber auch fie fielen mit diefer Hypotheſe als Nullmeridiane. Die Griehen (Marinus von Tyrus, Ptolemäus) ver: legten den erften Meridian auf die glücklichen Inſeln und er war dadurch feiner Lage nach als Weftrand der Terra cognita von ſelbſt gegeben. Bei den Arabern wählte jeder Ge: lehrte den Nullmeridian nach dem Orte feiner Thätigfeit. Viel: fach wurde auch die Linie von Aryn, 10 Grade öftlich von Bagdad, biezu gebraucht. Gleiche Anarchie, wie bei den Arabern, herrſchte durchs ganze Mittelalter: Negiomontan

zählte feine Yängen nach Nürnberg, Kopernifus nad) Krafau. Philipp Apian benüste die Nullfurve der magnetifchen Mißweiſung

als Anfangsmeridian.

1884, Nr, 17 und 18.

von Ba:

dajoz 1524, auf welder Spanien und Portugal die Melt unter fich teilten, war für die Wahl einer Nulllinie ohne Bedeutung, da die Moluffen ftrittiges Gebiet blieben. In Spanien waren damals nicht weniger als fieben ver-

ſchiedene Meridiane im Gebrauch. Die holländischen Karten— zeichner gingen gewöhnlich

1 Siehe „Ausland“

Die Junta

ſchen Inſelgruppen

aus.

von

einer der drei

afrifani-

Auf Nichelieus Anregung berief

Der vierte Deutfhe Geographentag zu Minden.

Ludwig XI. von Frankreich eine Konferenz, welche die Linie von Ferro als Anfangsmeridian wählte. Bald darauf legte Delisle den Nullmeridian 209 weſtlich von Paris. Neuerdings waren Laplace und Humboldt für die

Feftfegung eines Einheitmeridians thätig.

Erſterer twollte

diefen aſtronomiſch fixiert haben, eventuell plaidierte er für Teneriffa. In der Neuzeit traten die Belgier Adan, Du Fief, Delporte, Bauffe, Wauvermans in längeren Aus: einanderfeßungen für einen ozeanischen Nullmeridian, welcher mit dem von Ferro faft zufammenfällt, auf. Bou— thillier de Beaumont aber legte feine Nulllinie für die Yängenmejjung, welche man Mediator nennen fönnte, durch die Beringsitraße. Außerdem find zahllofe Vorfchläge aufge taucht: der Drientalift Sedillot war für ein neues Aryn, Sohn Herrichel für Teneriffa, Monelar für eine ozeanifche Inſel, die Schweizer Salomon, Du Merffier, de la Harpe empfahlen

Serufalem, Beguyer de Chancourtois fprach für die Azoren,

17. bis 19. April 1884.

373

Nationalmeridians entbehren und uns daher die Einführung eines einheitlichen Nullmerivians leichter werde, als unter anderem den Franzoſen, welche ihre Zählung der geographiichen Längen von Paris aus aufgeben müßten, Was die Frage anlangt, ob der Greenwicher Meridian auf allen unjeren Karten eingeführt werden folle over ſich je nach dem Zweck der einzelnen Karten auch ein verſchie— dener Grad der Notwendigkeit eines einheitlichen Meridians ergebe, jo glaubt Profefior Wagner, daß die Arbeiten

und Koſten einer Verfchiebung

des Gradneges für die in

ihren Anfängen faft ohne Ausnahme fo weit zurüdgehen: den deutſchen topographifchen Karten nicht im Verhältnis zu ihrer Benübung fteben würde. Die Einführung des Meridians von Greenwich in dieſe Kartenwerke fer feine Notwendigkeit, es ericheine indes ſehr wünschenswert, daß bei Herjtellung neuer Karten die Regierungen den Meridian von Greenwich einführen möchten.

Für die Meberfichtsfarten

ganzer Länder

im Maß—

Da nun aber des Hennequins letzter Grund, die

itabe 1:500,000 bis 1: 700,000 iſt eine Orientierung nad) dem Meridian von Greenwich wünjchenswert. Sie jteben auf der Grenze zwiſchen den die kleinſten Detail vorführenden topographifhen Karten und den Atlanten, die ung in großen Zügen ein Bild von der Erdoberfläche ſowie ihrer einzelnen Teile entwerfen, und ihre Benügung bejehränft fich nicht mehr auf eine verhältnismäßig Heine Anzahl von Fachleuten. Durchaus notwendig aber erweiſt fih die Einführung des Greenwicher Meridians in Die Handatlanten. Alle Zreunde der Geographie find auf das Material der Atlanten angewiefen und diejes dient vers ſchiedenen Zwecken, je nachdem es ſich in der Hand des Gelehrten oder in der des Laien befindet. Bon welcher Bedeutung aber das Gradnet bei Handatlanten für die Orientierung, die Firierung der Lage einzelner Punkte und die Einprägung der Kartenbilder it, hat jeder Fachmann erfahren; ebenfo, wie ſchwierig es iſt, auf einer Karte die Meridiane zu verfchieben und in eine nach Ferro orientierte Karte fi) das Meridianfyitem von Greenwich

Vermeidung poſitiver und negativer Längen in einem Erd—

hineinzudenten. Seder Atlas muß einheitlich orientiert jet.

teil, hinfällig iſt, dadies ja durch Zählung von 00 bis 3609 umgangen werden fann, fo iſt nach Günthers An:

Sp zählt der Kiepert’fche Handatlas ganz nad Ferro, der Andree'ſche ganz nach Greenwich; der Stieler'ſche Dagegen bald von Greenwich, bald von Ferro aus, und leßteres iſt bei

Piazzi Smyth, Moigno und Thury entfchieden fich für die große Pyramide von Gizeh und leßterer wies darauf hin, daß

diefer Nullmeridian, faft identifch mit jenem von Pulkowa, die relativ größte Landmaſſe durchichneidet. Gegen al’ diefe Vorfchläge wandte ſich nun Henne: quins und behauptete, daß die Sternwarte, nach welcher gerechnet werden folle, direft in das große geodätiſche Dreiedneß einbezogen fein müffe, um etwaige kleine Ber: Ihiebungen der Erdrinde Eonftatieren zu können. Sonach

dürften nur die Sternwarten von Greenwich, Baris, Berlin und Wafhington zur Diskuſſion geftellt werden. Um nun aber der Eigenliebe feines Volkes nahezutreten und zu vermeiden, daß in einem Erdteil zugleich pofitive und nega—

tive Längen

vorkommen,

befürwortete

Hennequins

als

Nullmeridian einen vzeanifchen, twelcher auf dem Green— wicher ſenkrecht ſteht. Mit dieſem Vorſchlag decken fich jene der Amerikaner Sandford Fleming, Cleveland Abbe und Barnend; auch Förſter, Struve und Gyldén ſtimmten

ihm bei.

Ihauung ein Eintreten für die Befchlüffe der geodätiſchen Konferenz in Nom geboten. Diefen Standpunft nahm auch die in vorliegender Frage völlig unintereifierte, alfo

objektive Schweiz,

vertreten

durch Wolf und Hirſch, ein,

und Nedner bat daher um Annahme des die Einführung des Greenwicher Merivians als Nullmeridian betreffenden

Antrags. Nachdem fo durch die Berichte v. Bauernfeinds und

Günthers einheitlichen

die theoretifche Seite Meridian

beleuchtet

der Frage wurde,

hob

nad dem Profeſſor

Dr. Hermann Wagner in feinem Korveferate die Bedeutung ihrer praftifchen Seite hervor. Er wies darauf hin, daß wir Deutsche, obſchon in unferen Karten aus langgepflegter Gewohnheit die Nulllinie von Ferro bevorzugt fei, eines

den meiften europäifchen Karten der Fall. Man mende fich daher an hervorragende Kartographen, überzeuge fie von dem Wert einer Einheitlichkeit des Längenſyſtemes und von der Notivendigfeit derfelben. Zwar tft bei dem großen Kapital, welches die Kupferplatten repräfentieren, nur eine allmähliche Umbildung denkbar. Aber neue Karten orien— tiere man nur nad) Greenwich, alte erjege man bald mög: lichſt durch neue. In den Schulatlanten ift der Meridian von Ferro noch weit mehr als in den Handatlanten verbreitet. Und doch

iſt jeder Augenblick, den man noch an der Zählung nach Ferro feſthält, man möchte ſagen eine VBerfündigung an der Iernenden Jugend vom Gymaſium herab bis zu den

374

Der vierte Deutfhe Geographentag

zu München.

17. bis 19. April 1884.

Elementarfchulen. Man appelliere daher in diefem Sinne an alle Lehrer der Geographie und die Kartographen. Autoren von Lehrbücern find unſchwer in den Stand ges jeßt, in neuen Auflagen ihre Längen nach Greenwich zu zählen. Ber Schulatlanten find ähnliche Umänderungen Ichtwieriger. Aber e8 rechnen bereits eine Anzahl beiter Schuls atlanten nach Greenwich und fie werden gewiß guten Ein: fluß ausüben. Sollte aber auch eine Neihe von folchen Atlanten infolge der obligatorischen Einführung der Green: wicher Yängen verſchwinden, um nicht wieder zu erfcheinen, fo wäre dies fein befonders hoch anzufchlagender Verluft.

reichiſcher Profefforen und Lehrer der Geographie ein, welche in Prag zu Ende des Jahres 1877 vieles zur that: ſächlichen Klärung Schulfartographifcher Fragen beitrug. Er erwähnte ferner einer vor der K. 8. Geographijchen Sefellfehaft zu Wien am 26. April 1881 erfolgten Rund» gebung Profeſſor Dr. Friedrich Stmony’s auf diefem Ge: biete, der ſich in wahrhaft fortfchrittlichem Sinne über das Thema „Schulwandtarten” ausſprach. Eine lebte derartige Arbeit verdanken wir dem Verein für Erdfunde in Kaffel, deſſen Vorfigender Seminarlehrer ©. Eoordes im Mai 1883 eine Schrift unter dem Titel: Welche Grundſätze Jollen

Und

bei Herftellung

fo ftellte

denn

Referent

im

Berein

mit

Diveftor

Dr. M. v. Bauernfeind und Profeſſor Dr. S. Günther jeine Refolution, durch deren Annahme der Georgraphen: tag die Notwendigkeit der Orientierung nad dem Ein: heitSmeridian von Greenwich einſtimmig Ddofumentierte, Möge hiedurch manches Hindernis befeitigt werden, welches der Verwirklichung dieſes Gedanfens noch entgegenitebt! Sn der Diskuſſion, welche ſich an den mit jo über: zeugenden Thatjachen belegten Vortrag Hermann Wagners fnüpfte, wies Herr Kartograph Vogel darauf bin, daß fait alle Länder Europas ihre topographiichen Karten nach Ferro

orientieren.

Er babe die Anficht, daß, um den Vergleich

der Handatlanten mit den topographiichen Karten nicht all: zufehr zu erfchiweren, auch bier ein Deibehalten der alten Stoordinaten am Blaße fei. Die Nefolution möge fich daher auf die Schulfarten befchränfen und die Karten der Sandatlanten ausnehmen, bei denen eine Markierung der Greentvicher Länge am Rande genügen würde. Zdenef bemerkte, daß auch die öſterreichiſche Generalitabsfarte nach Ferro orientiert und die ganze VBrojeftionsmethode der Zählung der Grade von diefer Nulllinie aus angepaßt ſei. Man folle überhaupt die großen topographiichen Kartenwerke nicht in die Reſo— lution einfchliegen. Profeſſor Wagner erwiderte, daß dies ohnehin der Fall ſei. Kartograph Vogel müſſe er direkt widerfprechen, obwohl er feinen Standpunkt vollftändig begreiflich finde. — Bon anderer Seite wurde angeführt, daß wohl der Appell an die Kartograpben allein die Ein: führung des Meridians nicht fördern werde. Man möge

den Regierungen die Bitte vorlegen, eine Verordnung zu erlafjen, nad mwelder in Zufunft nur nach Greenwich orientierte Karten veröffentlicht werden dürften. Gegen diefen Vorſchlag trat Profeffor Wagner wieder mit aller Entjchiedenheit auf, indem er betonte, der Zeitpunkt für eine obligatorische Einführung des Meridians von Green: wich jet noch nicht gefommen. Un die Berichte über die einheitlihen Meridian Ichliegen wir ſofort die leitenden Ideen aus den Referaten an, welche in der Nachmittagfigung des 18. April über die Herltellung von Schulmwandfarten eritattet wurden. Ritter Vinzenz v. Haardt, der Leiter der geo— graphiſchen Anſtalt von Eduard Hölzel in Wien, leitete einen Vortrag mit einem Blick auf die Konferenz öſter—

von

Schulwandfarten

maßgebend

jein?

als diesbezügliche pädagogiſch-geographiſche Vorarbeit ver: öffentlichte. Herr v. Saardt würde es nun nad) feinen Erfahr: ungen und Ueberzeugungen nicht für zweckmäßig erachten, wenn ſich der deutſche Geographentag oder ſonſt irgend eine Verſammlung von Fachmännern damit befaſſen wollte, ein förmliches Regulativ für den ausübenden Kartographen aufzuftellen und ihm bis in die kleinſten Details gehende

Vorschriften an die Hand zu geben. Ein folches Vorgehen wäre ohne praftiichen Nuten und gewiß würden derlei enge Schranfen die frifche und freie Entwidlung der Schulfartographie nur hemmen, zum Schaden ihrer felbjt und damit zum Schaden der Schule. Er faßte daber die wich: tigjten leitenden Prinzipien ins Auge, welchen Schulivandfarten nad) feiner Anfchauung gerecht werden follen und bat, fih dann, wenn diefe Prinzipien als richtig anerkannt wurden, ganz beruhigt den ausübenden, fachmänniſch ges bildeten Kartographen anzuvertrauen, die ja doch vermöge ihres Berufes immer in dem engjten Kontakte mit Männern der Schule bleiben und Hand in Hand mit diejen der Löſung ihrer Aufgaben entgegengeben müffen. Wenn wir den vornehmlichiten Zweck einer Schul wandfarte ins Auge faſſen, ein in jeder Hinficht Flares und überfichtliches Bild der natürlichen Verhältniffe, alfo vorzugsiveife des Flußnetzes und der Bodenerhebungen, zu bieten, jo erjcheint für einen rationellen geographifchen Unterricht diejenige Wandkarte als die bejte, welche, von Schrift vollftändig frei, die letzteren Verhältniffe mit Klar: heit zum Ausdrude fommen läßt. Es Tann Fein Zweifel darüber obwalten, daß der ſtummen Schulwandfarte die Zukunft gehört und daß die Zeit nicht ferne ift, in welcher man gewiffe Materien, mie die orographiſchen und hydrographiſchen Kapitel, ausfchließ-

lich nach derlei Karten in Behandlung nehmen wird. Die Sydow'ſchen Prinzipien, vereinbart mit der vorgefchrittenen Methodik des geographifchen Unterrichtes, befruchtet mit den heutigen Erfahrungen in der Technif der Kartographte und mit den gegenwärtigen, meift vorzüglichen karto— graphiichen Grundlagen, fie müßten nad) Haardt's Meinung dasjenige in vollitem Umfange leiften, was wir von einer guten Schultvandfarte verlangen können. Es iſt nicht zu verfennen, daß es kaum angeht, fofort

ve

319

Forſchungsreiſe in Arnhemsland.

mit dem Bejtehenden zu brechen und alles, was mit Mühe und großen Koſten gejchaffen worden ift, über Bord zu werfen; aber der Blid in die Zukunft muß gethan werden, und wir müſſen wiſſen, wohin wir jteuern wollen, wenn uns der Maßſtab für die nächjten Arbeiten nicht verloren gehen ſoll. Iſt nun die Anficht richtig, daß der ſtummen Schul: twandfarte die Zufunft gehört, jo würde für uns die For— derung entjpringen, ung nad) und nach von den anderen Karten zu emanzipieren und fchrittiweife der ausschließlichen Anwendung ftummer Schulwandfarten entgegen zu gehen. Ein weiterer, bei Herftellung von Schulwandfarten wohl

zu beachtender Punkt betrifft die Ausführung des Terrains. Die zweckmäßige und notwendige Generalifterung desjelben darf niemals in eine gänzliche Ignorierung thatjächlic) bejtehender, nach dem Mapitabe der Karte überhaupt dar— itellbarer Bodenerhebungen ausarten. Es ſcheint dies jelbitverjtändlich ; aber dieſe Forderung tft in den wentgiten Schulwandfarten erfüllt und es gibt genug Beiſpiele, wo jelbjt in der abfichtlichen Ignorierung folcher Bodenerhebungen geradezu ein Vorzug der Karte gefucht wird. Mas die Darftellungsmanteren des Terrains auf

Schulwandkarten anlangt, jo wird bald die Frage zur Er: wägung fommen müfjen, ob und in welcher Ausdehnung die Anwendung hypſometriſcher Wandfarten in der Schule Platz zu greifen babe. Weber dieſe Frage beitehen noch die widerſtreitendſten Anſchauungen; einzelne verlangen die Anwendung hypſometriſcher Wandkarten ſchon für die elementaren Stufen des geographiichen Unterrichts, andere perborreszieren fie jelbjt für die höheren Stufen und fo tft es far, daß diefe Frage noch lange nicht Tpruchreif tft.

Ein wejentlihes Moment

für die Aufitellung allge:

meiner Gefichtspunfkte tft die Menge des in die Sıchulwandfarten aufzunehmenden Stoffes. Auch im geographiichen Unterricht muß man aufeine möglichite Vereinfachung des

Lebritoffes

und

auf die Beichränfung desjelben auf das

Wejentlichite bedacht fein.

Dies gilt auch bei Heritellung

der Wandkarten. Aber es gibt gewiß Grenzen, unter welche bei jonjtiger Gefahr einer direkten Schädigung des Unterrichtszwedes nicht hinabgegangen werden follte. Bon diefem Gefichtspunkte aus iſt auch Die oft gehörte Forderung als nicht ganz zweckmäßig anzuerkennen, in die Wandfarte nur jenen Stoff aufzunehmen, der gerade in den Lehrbüchern vorgezeichnet erſcheint. Wie viele ivrige Boritellungen über die natürlichen Verhältniſſe mancher Gegenden werden dadurch wachgerufen? Insbeſondere betrifft dies die hyprographiichen Verhältniſſe, bei denen eine ausichließlih dem Lehrbuch angepaßte ſchematiſche Dar: itellung vielfach zu den unwahrſten Schlüffen verleiten müßte. Am Schluffe feines durch und durch praktisch gehal—

tenen Berichtes richtete Herr dv. Haardt, ohne Beantragung irgendwelchen feiten Beichluffes, an alle geographiſchen Pädagogen, ſowie an die Schulgeographen die Bitte, mit:

einander jtetS in engem, vegem Kontakt bleiben zu wollen,

jich harmonisch zu vereinigen, damit durch gegenfeitiges Ergänzen ihrer Stenntniffe und Erfahrungen ein gutes Reſultat erreicht werde! Herr Brofefjor 3. ©. Gerſter aus Wyl wünjchte zu Beginn jeines Neferates über die Herſtellung der Schul:

wandfarten, e8 möchten die fünftigen Geographielehrer mit der VBorbildung gründlicher Rartographen wenigſtens info: weit vertraut gemacht werden, daß fie die Kartographie nicht allein von allgemeinen, geographiich =methodischen Geſichtspunkten, fondern auch fpeziell von denen des Tech— niferd aus zu beurteilen vermögen. Kartographen bes ziehungsweiſe Hartolitbographen aber möchte man in das Weſen der heutigen geographifchen Wiſſenſchaft und in die Didaktik derfelben einführen, bevor fie Karten publizieren oder zu gemeinfamer Thätigkeit ſich vereinigen. Zur Erzielung größerer Genauigkeit und Meßbarkeit der Karten foll nach Profeſſor Gerjter jeder Bearbeitung das Horizontalenneß zu Grunde gelegt werden, gleichviel, vb die Kurven in der Terramgzeichnung deutlicher ausge zogen werden oder nicht. Um größere Lesbarkeit und Naturtreue zu erreichen, follen ferner die Vertikalerſchein— ungen ſowie die innerhalb der Kurven liegenden, aber von denfelben nicht zum Ausdrud gebrachten Objekte fo viel wie möglid und ohne bedeutende Raumüberjchreitung dar: gejtellt werden. In danfenswerter Weije illuftrierte Nedner an einer Anzahl Karten die verjchiedenen Arten feiner Terrainbehandlung, ſowie die Vorzüge derjelben. Unter anderem zeigte er auch an einer Starte der Urſchweiz den Uebergang von der Horizontalfurvenmanter zu den Natur: bildfarten. Aus der den Referaten folgenden Debatte erwähnen wir, daß Brofeffor Dr. Hermann Wagner nachdrüdlich für möglichit große Maßſtäbe, fowie für ftumme, mit prägifer Plaſtik verfehbene Schulwandfarten eintrat und mit Necht bervorhob, daß er die in den letzteren häufig angebrachten fleinen Höbenprofile in diefer Form nicht für zweckdienlich erachten fünne,

Forſchungsreiſe in Arnhemsland. Von Henry

Greffrath.

Das dem Golf von Karpentaria anliegende nordweſt—

liche Gebiet, welches bis jet fo gut wie unbefannt war, führt den Namen Arnhems Land und gehört zum ſoge— nannten Northern Territory, alfo zur Kolonie Südauftralien. Seine ungefähren Grenzen bilden im Norden der Indiſche Dean, im Süden der Noper- Fluß, im Dften der Oolf von Karpentaria und im Weſten die Alligatorälüffe Di e füdauftralifhe Negierung beorderte um Mitte vorigen Jahres ihren in Bort Darwin an der Nordfüfte jtattonierten Oberfeldmeſſer Mr. David Lindfay, diefes Gebiet näher zu

ee Forihungsreifen in Arnhemsland.

316

Sein fehr ausführlicher Neifebericht ift im Drud

Fluß, der Walter, den man in gerader Nichtung 40 e. MI.

erschienen und wurde im Februar diefes Jahres dem Parla—

oder 64 Km, hinaufging. Es fand ſich vorzügliches Weide— land, fonft war das Terrain gebirgig und zeigte viele Naturfchönheiten. Die nordöftlihe Spite von Arnhems

erforschen.

ment der Kolonie vorgelegt. Wir entnehmen daraus das Nachitehende: Die Zeit vom 30. Juni bis zum 30. Juli 1883 dere ging mit den nötigen Vorbereitungen und der Reife nad) der Katherine-Station des Ueberlandtelegraphen in 140 30° j. Br. und 1320 25° d. v. Gr. Am 23. Juli verließ man diefe Station und verfolgte auf 45 e. MI. oder 72 Km, den Ueberlandtelegraphen weiter ſüdlich. Von da aus

Land (Kap Arnhem

in 129 15°5. Br. und 137 d. v. Or.

und Kap Wilberforce in 110 50° 5. Br. und 1360 40° d. v. Gr.) zu erreichen bot jo viele Schwierigkeiten, daß man davon abjtand. Die Expedition überfchritt die Waſſer—

ſcheide und ſtieß jofort auf Waſſer mit nörblichem Laufe, welches ſich allmählich

zu einem Fluſſe erweiterte.

Der:

wollte Lindſay in öftlicher Richtung reifen und das Tafel-

jelbe Tief zunächſt über eine leidlich begrafte Gegend; als

land erreichen; aber bei der außerordentlichen Dürve, es fehlte an Gras und Waffer, war diefes unausführbar und

er aber das bergige Terrain verlaffen hatte, fchlängelte er über eine Ebene mit dem ſchönſten Boden, ſowohl zu

er mußte nad) dem Noperfluß, welcher in 1409 44° ſ. Br. und 1350 30° ö. v. Gr. in Limmens Bight (Golf von

Weiden al3 zum Anbau, hin. Mr. Lindfay ijt überzeugt, dag im ganzen Northern Territory fein bejjeres Land für

Karpentaria) mündet, ablenfen. lichen Ufer vesfelben entlang

Zuderplantagen eriftiere. Dieſe ausgezeichnete Ebene zog jih in der Länge von 40 e. MI. oder 64 Km. bis zur

Man reifte nun am nörd— und fam mit Ausnahme

kurzer Strecken über ausgezeichnetes Gras- und Agrikultur—

Caſtlereagh-Bai

land. Sn.149 43°. Br. und 134% 38° 5. v. ©r.’ge langte Lindfay an die Mündung des Wilton in den Noper.

hin. Mr. Lindſay hielt den Fluß anfänglich für einen noch unbefannten, glaubt aber jetzt, daß es der Goyder jei, welcher in 120 15° f. Br. und 1350 15’ 8. p. &r. in die Gajtlereagh-Bat mündet. Wenn nicht in feinem Bette Barren exiſtieren, was unwahrſcheinlich fchien, jo

Man verfolgte den Wilton auf 60 e. MI. oder 96,5 Km, bi3 zu feinen Quellen und er erivies ſich als ein ſchöner Fluß mit großen, leicht zugänglichen Wafferlöchern. Ber: flüfteter, mit Spinifer (Triodia irritans) bejtandener Sand: jtein, Thäler mit vorzüglichem Graswuchs und offene, aber ebenfalls gut begrajte Ebenen wechjelten mit einander ab. In der Nähe feiner Quellen breitete ſich ein teites, von einem Gebirgszuge umfchloffenes Areal im Umfange von ungefähr 2000 e. oder 94 d. Q.⸗“Ml. aus; es war wellig, leicht beivaldet und gut begrajt. Lindſay ſetzte dann die Neife nördlich vom Noper weiter öftlich fort und pafjierte die eriten Tage wieder gutes Gras: und Agri— fulturland, bis er in eine ziemlich jchlechte, der Ueber: ſchwemmung ausgefeßte Gegend fam. In 149 37° 5. Br. und ungefähr 20 e. MI. oder 32 Km. von der Küfte traf man an großen Yagunen (Woornunyan-Woorie) zahlreiche Eingeborene, die fich ſehr feindlich zeigten. Da fie den Neifenden nichts anhaben fonnten, jo ſpießten fie in der Nacht vier Pferde, darunter drei tötlih. Von hier ab bis an die Küfte und dann nordwärts gelangte man in die erbärmlichite Skrubgegend (Geftrüpp von ufalypten, Akazien u. ſ.w.). Man war 36 Stunden ohne Waffer, doc Fonnten ſich Die Neifenden wenigſtens aus den jaftreichen Stämmen gemwifler Bäume eine erquidende Flüffigfeit verjchaffen. Der Parſons oder Nofe, auf den man jtieß, war ein fchöner Fluß, aber das ihm anliegende Land war ein ſehr erbärmliches. Man verfolgte ibn, bis fein Bett troden wurde und fand dort eine offene, ſpärlich

betvaldete Gegend mit gutem Graswuchs.

Nachdem man

wieder 38 Stunden ohne Waſſer geweſen war, erreichte man endlih in 130 30° |. Br. und 1369 ö. v. Gr. die Blue Mud-Bai, um melde ſich jehr grasveiche Ebenen ausbreiteten. Die dortigen Eingeborenen zeigten ſich ausnahmsweiſe freundlich. In die Bat mündete ein jchöner

in 120 10°. Br. und 1350 15° d. v. Gr.

dürfte er auf feiner ganzen Länge durch die Ebene jchiffbar fein. Die dortigen Eingeborenen zeigten fich wieder feindlich. Die Weiterreife führte nun nach dem Liverpool: Alu, deſſen Mündung in 120 5° |. Br, und 1340 10/

ö. dv. Gr. liegt.

Man

Fam über ein jchönes Tafelland

mit offenem Walde, gut begraft und reichlich bewäſſert, und hatte den Blyth zu überjchreiten, der zwar ebenfalls

ein nicht unbedeutender Fluß war, doch mit dem Goyder nicht zu vergleichen it. Auf diefem Plateau verlor man fünf Tage lang die Pferde, wurde von den jehr feindlichen

Eingeborenen angegriffen und mußte zur Selbftverteidigung von den Schießwaffen Gebrauch machen. In Betreff des Liverpool fühlte man fich jehr getäufcht. Man hatte einen

ausgezeichneten Fluß erivartet, allein fchon 20 e. MI. oder 32 Km. von der Hüfte hörte er auf zu fließen.

Auf der Nüdreife folgte man dem Laufe des Liverpool durch ſtark zerflüfteten Sandſtein, bis man fich zulett zu beiden Seiten völlig eingeengt fand und weder vor—, noch rückwärts fonnte. Die Neijenden waren ſchon willens, alles zurüdzulaffen und die noch übrigen 200 e. MI. oder 322 Km. bis zur Katherine Station zu Fuß zu wandern. Nach unfäglihen Anftrengungen fand man endlich einen Ausgang, welcher auf eine Ebene führte. Cine Anzahl

der Pferde war aber fo erjchöpft, daß fie nicht weiter fonnten und zurüdgelaffen werden mußten. Auch die Lebensmittel gingen auf die Neige und man ſah fich auf Pferdefleiſch angewieſen. Man hatte nun den ones Creef erreicht und von da ab bot die Nüdreife Feine befondere

Schwierigkeit.

Es ergab fich, daß der Flying For Greef

in 130 45° |. Br. und 1320 48° d. dv. Gr., welcher dur) ein jchönes breites Thal fließt, den oberen Lauf des

Ueber die Bedeutung der gegenwärtigen Vertikalzonen der Pflanzen zc,

Katherine

bildet.

Im November

gelangte man

wieder

auf der Katherine-Station an. Von den 30 mitgenommenen Pferden hatte man nur noch 13. Im allgemeinen, ſchließt Mr. Lindſay feinen Bericht,

zeigten die von uns bereiften Gegenden einen guten Gras: wuchs. Wo es daran fehlte, war das Gras meijtenteils furz zuvor abgejengt worden. Unfere Pferde hatten des— balb jo ſehr zu leiden, weil fie des Morgens vor Aufbruch) nicht jaufen wollten und da fam es denn häufig vor, daß

fih den ganzen Tag über fein Waffer für fie fand. Unfere eigenen Leiden wurden durch die faftreichen Bäume, Water trees, weſentlich gelindert. Unübertreffliches Land für Zuderplantagen

eriftiert an den Flüffen Noper und

Goyder. Die Ufer beider Flüſſe liegen höher als das anliegende Land, wodurch ſich die Koften der Srrigation vermindern würden. Die Eingeborenen find an der Küfte entlang zahlreich und mehr oder iveniger von feindlicher Gefinnung.

Dies gilt namentlich von denen an der Mund—

ung de3 Noper und in der Gegend von Woornunyan— Woorie. Bereijte ich diefe Gegend noch einmal, fo würde ih den eriten Eingeborenen, der mir zu Geſicht käme, niederschtegen, um ihnen Furcht beizubringen.(!) Wir verdanken unfer Leben unter ihnen nur der außerordentlichen Borficht, welche wir namentlich des Nachts gegen Ueberfälle nahmen. Wir reiften im Juli 361, im Auguſt 512, im September 365, im Oktober 415 und im November 263, zulammen 1916 e. MI. oder 3083 Km,

Ueber die Bedeutung der gegenwärtigen Dertikal: sonen der Pflanzen für die Kenntnis von den all mählichen Nivennveränderungen der Erdoberfläde. Fr. Kraſan hat in Englers Botanifchem Jahrbuch IV,

1883, eine Abhandlung veröffentlicht, in welcher er die Idee zu begründen fucht, daß gewiſſe Anomalien in der vertikalen Verbreitung der Gewächſe, welche man bin und wieder findet, darin ihren Grund haben, daß die betreffen: den Gebirge oder Gebirgsteile in jüngjter Zeit eine Hebung oder Senfung erfahren haben. Co

fommt

in manchen Thälern der Schweizeralpen

die Stieleihe in ungewöhnlich großer Höhe vor, indem fie z. B. am Beatenberg bis 1200 m. und bei Wengen bis 1300 m, angetroffen wird und hier unter Elimatifchen Ver: hältniſſen lebt, welche erfahrungsmäßig ſonſt überall ihr Vorkommen ausschließen. Die Eichenbejtände ſcheinen fich aber in diefen Höhen auch nicht mehr fortzupflanzen, fon: dern werben allenthalben von den Rotbuchen durchbrochen

und verdrängt, find alfo gewiljermaßen auf den Ausiterbe: etat geſetzt. | In Süpdfterermarf

am

Humberg

bei Tüffer

findet

man in der Höhe von 250 bis 450 m, teilweiſe mitten zwiſchen Weingärten

und in Gefellihaft

von

echten Mes

371

diterrangewächſen, wie Rhus Colinus, Ornus europaea, Östrya u. a., eine merkwürdige Anhäufung von echten Alpenpflanzen

Globularia longiflora,

wie Scabiosa

lucida,

cordifolia, Ranunculus Thesium

Gentiana acaulis,

Thora,

alpinum, Campanula

Asperula thyrsoides,

Rhododendron hirsutum, Bellidiastrum, Valeriana tripteris, Rosa alpina 2c. und im Bergland von Neubaus nördlich von Gilli, deſſen höchſte Spiten 950 m. erreichen, finden fi) nicht weniger als 51 Arten, welche ihr nor: males Vorkommen in der Fichten: und Krummbolzregion haben. Der Humberg bei Tüffer liegt 5 bis 6 MI. von dem nächiten alpinen Gipfel entfernt und die alpinen Nflanzen fommen auf ihm nicht etwa nur in einzelnen veriprengten Eremplaren, fondern vielmehr in großer Menge üppig vegetierend als vollfommen akklimatiſierte Boltandteile der Flora vor Die Sade wird nod vätfelhafter, wenn man erwägt, daß das Gebirgsland zwiſchen Graz und Brud nur jehr wenig alpine und prä— alpine Arten aufzumweifen hat, obwohl «3 ſich bis 1000 m. erhebt und nur durch das Murthal von dem 1730 m. hohen Rüden des Lantſch getrennt ift, der eine veiche Flora fubalpiner und alpiner Gewächſe beherbergt. Krafan weiſt auch auf die Pyrenäen bin, wo eine große Menge von Gewächſen auffallend tief hevabreicht, und werden nicht weniger als 65 folder Arten mit genauer

Angabe ihres Niveaus in den Alpen und Pyrenäen nam: haft gemadt. Auf den erſten Blick möchte man freilich glauben, daß mit den Erhebungen und Senfungen des Gebirges ich auc die Vegetationsgürtel am Gebirge verjchieben müßten ; doch meint Krafan, daß dies durchaus nicht unbedingt notivendig ſei. Die Vegetationsgrenzen der Pflanzen tverden nämlich nicht nur direft durch die phyſikaliſchen Verhält— niffe, fondern ebenfo auch durch die Mitbetverbung anderer Pflanzen bedingt. Sehr viele Mpenpflanzen fünnen, was die klimatiſchen Verhältniffe anbelangt, jehr gut auch in

den unteren Bergregionen,

ja jogar in der Ebene leben

und wenn fie hier fo jelten angetroffen werben, jo bat dies feinen Grund darin, daß fie hier bald von den größeren und Schneller twachjenden indigenen Pflanzen überwuchert und verdrängt erben. Denkt man fich aber ein ganzes Gebirge oder doc)

einen Gebirgsteil in Hebung oder Senkung begriffen, jo gelangt eine ganze Flora im gefchloffenen Verbande in eine fremde Negion und es läßt fih dann wohl denten,

daß diefelbe im ganzen lange Zeit dem Eindringen fremder Elemente Widerftand leiften und fich länger in einer ihr ur: fprünglich fremden Zone behaupten kann, als wie eine ver— einzelte Pflanze. In einzelnen Fällen fann dies nach Anſicht Krafans fo lange dauern, daß ein Teil der Pflanzen Zeit findet, fi) den neuen Verhältniffen zu affommodteren und

fich dauernd

zu behaupten.

Tüffer und Cilli vorliegen.

Diefer Fall würde z. B. bei Th. 9.

378

Kleinere Mitteilungen.

Kleinere Mitteilungen. Ueber

die präglaziale

Junerhalb

Flora

des weiten

und

Gebietes,

Fauna welches

Norddeutichlands, in Norddeutſchland

während der Dilmvialzeit unter der unmittelbaren Einwirkung des ſkandinaviſchen Gletjchereifes ftand und von erratiſchen Bildungen bedeckt ift, gehört die Auffindung von Neften quaternärer Pflanzen und Tiere noch immer zu den Seltenheiten. Es ift daher als ein Äußerft erfreulicher Fortfchritt im diefer Richtung zu bezeichnen, daß es Herrn Keilhacd neuerer Zeit gelungen ift, an nicht weniger als 6 neuen Punkten teils in der preußiſchen Provinz Sachen, teils in der Lüneburger Heide, im Liegenden der nordiichen GeIhiebeformation quaternäre Süßwafferbildungen aufzufinden, welche Nefte von Tieren und Pflanzen enthielten. Bon Säugetieren wurden allerdings nur Reſte vom Edelhirſchen, jorwie fragliche Spuren vom Reh und Rind aufgefunden, dagegen fanden fi an einigen Punkten in außerordentlich großer Menge Nefte und ganze Sfelette vom Flußbarſch, Hecht und Karpfen, ſowie eine ganze Neihe von Süßwaſſerkonchylien, welche fämtliche mit den auch) jetzt wieder in Mittel- und Nordveutichland Lebenden Süßwaſſer— foncdhylien übereinftimmen. Von Pflanzen wurden nachgewieſen: die Steineiche, Quercus robur, welche damals den Hauptbeftandteil des Waldes gebildet zu haben ſcheint, ferner: die Wintereiche, Quercus sessiliflora, die Rotbuche, Fagus sylvatica, die Birke, Betula alba, die Erle, Alnus glutinosa, der Feldahorn, Acer campestre, der Spitsahorn, Acer platanoides, die Kiefer, Pinus sylvestris, ſowie verſchiedene Pappel- und Weidenarten, Alle diefe Pflanzen und Tiere weifen auf ein Klima, welches etwas wärmer ift als dasjenige Norddeutſchlands und beiläufig demjenigen Mitteldeutfchlands entipricht, wobei namentlich das Vor— herrſchen der Eichen den Ausfchlag giebt. Die Reſte vom Edelhivfch zeigen bisweilen im Zahnbau einige Kleine Abweichungen und eine Annäherung an den Cervus Canadensis Nordamerifas, die übrigen Arten ftimmen jedoch ganz mit den jeßigen überein, Es zeigt dies abermals, daß die Pflanzen- und ZTierbevölkerung Europas vor der Eiszeit im ganzen genommen vdiefelbe mar, wie mac derjelben und daß dieſe großen klimatiſchen Veränder— ungen wohl ein Wandern der Pflanzen und Tiere zur Folge hatten, aber keineswegs eine Veränderung der Formen bemirkten; ein warnendes Beispiel für diejenigen, welche die Veränderungen, welche die Lebewelt der Erde im Berlaufe der geologischen Perioden erlitt, als eine Folge Flimatifcher Beränderungen auffaffen wollen. Geographiſche Ausſtellung zu Toulouſe. Am 1. Juni wird die Geographiſche Geſellſchaft zu Toulouſe gelegentlich des nationalen Kongreſſes der franzöſiſchen geograph— iſchen Geſellſchaften eine geographiſche und eine ethnographiſche Ausſtellung veranſtalten. Zu dieſem Zwecke hat ſich in obiger Geſellſchaft ein Komite gebildet. Zugelaſſen werden alle Arbeiten und Gegenſtände, welche in einer der programmlich feſtgeſetzten Gruppen untergebracht werden können und welche dem Komite ausſtellenswert erſcheinen werden. Die Gruppen ſind folgender— maßen feſtgeſetzt: 1. Sektion: Geographie, Topographie, Hydro— graphie: handſchriftliche und noch nicht herausgegebene Arbeiten. 2. Sektion: Geographie, Topographie, Hydrographie: herausge— gebene oder veröffentlichte Arbeiten. 3. Sektion: Photographien, Landſchaftsbilder. 4. Sektion: Geologie, Mineralogie. 5. Sektion: Anthropologie. 6. Sektion: Mediziniſche Geographie, mediziniſche Hydrologie, Meteorologie, Zoologie, Botanik. T. Sektion: Retro— ſpektive Geographie, retroſpektive und moderne Ethnographie. Nach den Studien Keilhads: Jahrbuch der Königl. preußi— ſchen geologiſchen Landesanſtalt für 1882.

8. Sektion: Schulgeographie. Die Ausſtellung wird ſtattfinden im ſogenannten Ancien college Sainte-Marie, place SaintSermin zu Toulouſe. Die für die Ausstellung beftimmten Arbeiten und Gegenftände müſſen vom 5. bis 20. Mai d. 38. eingefandt werden; vor dem 5. Mai werden Feine Sendungen angenommen und nach dem 20. Mat kann das Komite nicht wegen Arbeitsüberhöufung für Berücdfihtigung etwa noch einlaufender Sendungen garantieren, Keiner der in der retroſpek— tiven Ausftellung befindlichen Gegenftände darf ohne schriftliche Bewilligung des Ausftellers abgezeichnet, kopiert oder durch irgend ein Verfahren reproduziert werden; auf alle Fälle behält ſich die Seographiiche Gejellihaft zu Touloufe das Recht vor, die Repro— duftion von Enfemble-Bildern zu genehmigen. Die Anmeldungen zur Ausftellung haben an den Vorfitenden des Ausftellungsfomites, Rue Sainte-Rome 28, vor dem 30. April zu geſchehen. Die Anmeldungsschreiben müffen angeben:

1. Namen,

Vornamen, Pro-

feffion und Wohnung des Ausftellers; 2. die Art und Zahl der auszuftellenden Gegenftände; 3. den Kaufpreis oder die Wertangabe derſelben; 4. die Größe des beanfpruchten Raumes; 5. deu Namen des Bertreters des Ausftellers in Tonlouſe. Der Ausfteller erhält dafür: 1. einen Berechtigungsſchein mit Drdnungsnummer; 2. ein auszuflillendes und abzulieferndes Formular; 3. Etifetten im genügender Zahl. Die Sendungen geben auf Koften und Gefahr der Abjender. Glasfäften werden nicht geliefert, doch wird der Plat unentgeltlich gegeben. Auszeichnungs— ihreiben, Ehrendiplome, Medaillen und Belobungen fönnen die Ausfteller der geographiichen Ausftellung erlangen, die der retrojpeftiven aber Dankſchreiben und befondere Medaillen. Ein interefjanter Schalenftein. Während eines längeren Aufenthaltes am Nenenburgerjee hatte ih das Vergnügen, neben den vielen prähiſtoriſchen, reichhaltigen Niederlafiungen einen Schalenftein Kennen zu lernen, der feiner eigentüimlichen Lage wegen das Intereſſe weiterer Kreife in Anſpruch nimmt. (Siehe hierüber auch: „Antiqua“ 1884, Nr. 2.) Der Stein, am linken Ufer des Neuenburgerjees nahe der Ortſchaft Petit Cordaillot gelegen, befindet fich auf einer Pfahlbauanfiedelung der Steinzeit. Bon Herrn Ob in Cordaillod ſchon vor beinahe 20 Fahren entdect, fiel er wieder gänzlicher Bergefjenheit anheim, bis der befannte Foricher Herr Vonga aufs neue auf denfelben aufmerffam machte. Herr Vonga fchreibt mir: „Vor einigen Tagen grub ich nun rings um diefen Stein und war fehr überrajcht zu jehen, daß derjelbe auf der einen Seite durd einen großen Kiefel unterftütst wurde und ohne Zweifel auf künſtlichem Wege auf diefe Unterlage gebracht worden war, um ihn vor dem Berfinfen zu bewahren; ebenfo ruhte er feiner ganzen Länge nad) auf einem Stücke Holz, das wiederum durch Pfähle gehalten wurde,

wie ſolche auf der nur 20 Schritte

weiter vom Rande

des

Sees entfernten Niederlaffung der Steinzeit vorfommen. Auf dem Stein (Gneiß) befinden fih drei äußerſt charakteriftiihe Schalen. Die Holzftüide der unter dieſem intereffanten Steinmonumente befindlichen Pfähle jcheinen mit vollftändiger Sicherheit zu bemeifen, daß dasjelbe in vorhiftorischer Zeit an den Ort, wo es ſich heute befindet,

transportiert

worden

und zwar am

Ende der Steinzeit

oder am Beginne der helvetifchen Periode.“ H. Meſſikommer, Wezikon (Kt. Zürich.)

Notizen. Amerika. Erforfhung der weftindifhen Inſeln. In der Ver— jammlung der Niederländiichen Geographiſchen Gefellihaft vom

Notizen. 12. April wurde u. a. die Mitteilung gemacht, daß die Profeſſoren Martin md Suringar in den nächften Wintermonaten eine wiſſenſchaftliche Neije zur Erforfhung der weſtindiſchen Inſeln machen werden. Außer der Gefelfchaft wird auch die Regierung dem Unternehmen ihre Unterftügung verleihen. Die gehobenen Korallenriffe, welde Kuba faft in jeiner ganzen Ausdehnung umgürten, find von Crosby einer eingehenden Unterfuchung unterworfen worden, iiber welche er in den Proceedings of the Boston Society of Natural History beberichtet.

Er fand faft iiberall, namentlich deutlich ausgeprägt

an

der Nordküfte, vier Terraſſen, fteil gegen einander abfallend, mitunter nad) inmen geneigt und jo offenbar ehemalige Barriere-Niffe darftellend. Die unterfte ift zirfa 10 m. hoch, die zweite erhebt fih teil zu 60 bis 80 m., die dritte fenfrecht zu 150 m., die vierte, die aber nur teilweife erhalten ift, zu 250 bis 300 m. und an manchen Stellen, z. B. im Berge el Yunk, weftlih von Barakoa, ift fie offenbar gegen 650 m. hoch gewefen. Crosby nimmt an, daß die gewaltigen Niffe troß der bedeutenden Hebung doch offenbar während einer früheren Senfung gebildet worden find, ganz entiprechend der Darmwin’schen Theorie und im Widerspruch mit den Beobachtungen von Agaffiz in Florida, wo es fi) allerdings, nebenbei bemerkt, nicht um eigentliche Storallenriffe, jondern um mit einer Krufte von Korallen bededte Anſchwemmungen handelt. Die ausgezeichneten Häfen, an denen die Nordfüfte Kubas fo reich ift, verdanfen der Hebung ihre Entſtehung. Sie liegen alle an der Mündung von Flüffen und beftehen aus geräumigen Beden mit engem, jehr tiefem Eingang. An den Flußmündungen fonnten die Korallen nicht ſolche Entwickelung erreichen wie fonft, und bei Hebungen mußte das Riff hier eine Lücke zeigen, hinter welcher, joweit früher das Brackwaſſer reichte, ein offenes Baſſin blieb. Daß die gegenwärtigen Flüffe und Flußthäler Kubas älter find als die Niffe und deren Hebungen, geht auch aus der Verteilung der Gejchiebe auf den Terraſſen zweifellos hervor. Ko. Aufſchwung der Siidftaaten Nordamerifas. Ueber den eritaunlichen Fortjchritten des Nordens möge man den Aufſchwung nicht iiberfehen, den der Süden der Vereinigten Staaten feit einer Reihe von Fahren nimmt, nachdem diefer von der Natur großenteils jo hoch begünftigte Teil der neuen Welt lange Jahre nad dem

Sezeſſionskrieg

nicht geradezu

fi in der ımerfvenlichften Stagnation,

im Nickjchritt befunden

hatte.

Nachdem

wenn

fchon der

Zenſus von 1880 einen erheblichen Kortichritt über den von

1870

feitgeftellt hatte, weift in den vier Jahren 1880 bis 1883 das Stenerfapital in den acht Staaten Alabama, Arfanfas, Florida, Georgia, Lonifiana, Miffiffippi, Tenneffee, Texas eine Zunahme von 1,215,662,128 auf 1,710,498,798, alfo um nahezu 2 Mil. Doll., auf. 1879 gab es in den genannten 8 Staaten 11,604 e. MI. Siienbahnen, 1883 17,891. In derjelben Periode ift der Wert von Erzengniffen der Land- und Forjtwirtichaft in diefen 8 Staaten um 169 Mill. Dol., der der Mineralerzeugung des eifenveichen Alabama von 4 auf 15 und der des Holzes von Arkanſas von 1,790,000

auf 8,000,000

Doll. geftiegen.

New-Orleans,

Metro-

pole und Barometer des jüdftaatlihen Wirtichaftslebens, hat von 1881/82 auf 1882/83 feine Ausfuhr einheimiſcher Erzengniffe von 68 auf 95 Mill. gefteigert. Indianiſche Univerjität. Während die große „HowardUniverfität“ der Neger zu Waſhington troß aller Unterſtützung durch den Bund. erlojch, haben es ſelbſt die Indianer in den Ver— einigten Staaten zu einer Univerfität nach amerikanischen Begriffen gebracht. Sie befindet fih zu Tahlequah, dem Negierungsorte der Nation

der. Cherofefen

im Indianer-Territorium,

und wurde

von indianischen Mitgliedern der Baptiftenfirche ing Leben gerufen. Sm mwejentlichen erſcheint diejelbe als Prediger- und Lehrerſeminar; denn ihr Hauptzweck befteht darin, für die verjchiedenen, mehr oder minder ziwilifierten Indianerſtämme des Territoriums Lehrer

379

und Prediger zu Tiefen. Mit der Anftalt ift auch eine ElementarIle verknüpft. Die höheren Klaſſen find aber ähnlich eingerichtet wie in „Univerfitäten” der amerikanischen Weißen. Außer dem Englifhen wird auch etwas Franzöfifh und Deutjch und für die Theologen Yatein und Griechiſch gelehrt. Unter den höheren Tehrzweigen find phyſikaliſche Erbbefchreibung, Geologie, Volkswirt— ihaft, Moralphilofophie

uud

für die Theologen

die Hauptzweige

der Gottesgelehrtheit vertreten. Die Zahl der Zöglinge, unter denen auch mehrere Mädchen, beträgt 68: darunter befinden fich 55 Cherofefen, 5 Delawaren, 2 Choftaws, einzelne Angehörige anderer Indianerſtämme und jogar einige Weiße. Die American

A tiquarian

Society

zu Worcefter

in Maſſa—

Ahufetts, eine der bedentendften wiſſenſchaftlichen Geſellſchaften in den Bereinigten Staaten, hielt neulich ihre Jahresverſammlung. Den Hauptgegenftand bildete eine Abhandlung des beriihmten Bancroft zur Gefhichte

von

Alerander

Hamilton,

welcher in jehr

nahen und wichtigen Beziehungen zu Wafhington geftanden hat. Ein zweiter Hauptgegenftand betraf die „Emblematifchen Hügel der Vereinigten Staaten” Trotz der Verschiedenheit diefer Indianerhügel in Wisfonfin, Ohio und Georgia liegt eine einheitliche religioje Fdee zu Grunde. Die in Wisfonfin find von Erde und ftellen Tiere und Menſchen vor. Der Bortragende, Profeſſor Putnam,

grub die Hügel bei Ya Kroffe in Wisfonfin aus;

ſchildkrötenförmigen

fand

er menschliche

Nefte

Die Tierknochen, welhe außerdem gefunden als wertlos, weil fie wahrſcheinlich von

in einem

und Thonwaren—

wurden, erwiejen fich den Füchſen herein—

gejchleppt worden waren. Während die Wisfonfin-Hügel unten an fließenden Gewäſſern fich befinden, find die in Ohio mehr in der Höhe und ihr Grund ift aus Stein; die im Georgia find ganz aus Quarzfels errichtet und haben die Geftalt von Vögeln. Putnam erforjchte den berühmten Schlangenhügel

Ohio.

Er ift 20 m, hoch; nahe dabei

Feuerfteine

21.

Putnam

mehrere Jahrhunderte bewachſen

fieht

in

fanden

in

fich Pfeilſpitzen,

dieſen Higeln,

alt fein müſſen,

find, Denkmäler

im Paint-Creek-Thale die

zum

Teil

da fie mit viefigen Bäumen

und Beftattimgspläße.

Chilenifhe Handelsftatifti Das ftatiftiihe Bureau der Nepublif Chile hat über dei Außenhandel des Jahres 1580 jüngſt folgende Statiftif veröffentlicht, welche die Angaben in ven Konfularberichten zu vervollftändigen geeignet find: Die gefamte Einfuhr belief ſich auf 29,716,004 Peſos, wovon 8,3 Mill. auf Tertilfabrifate, 6,1 auf Nahrungsftoffe, 3,7 auf Robftoffe, 2,5 auf Mafchinen, 1,9 auf Kleider und Schmucdwaren fommen. Die Hauptländer für die Einfuhr find: England mit 13,4, Deutſchland unit 4,8, Frankreich mit 4,4, die Vereinigten Staaten mit 1,7 Mill,

In der Ausfuhr von 51,648,549 beziffern die Metalle 37,5 und die Erzeugniffe des Ackerbaues 11,7 Mill. Peſos. Der ausländifche Handel der Vereinigten Staaten hat, einem Bericht des ftatiftifchen Bureaus in Wafhington zu— folge, in dem mit 1. Juli v. J. beendeten

Fiskaljahr

den irgend eines vorhergehenden Jahres übertroffen. und

Import

erreichte

einem

Wert

von

an Umfang

Der Export

1,547,000,000

Dollars.

Die Ausfuhr üiberftieg die Einfuhr um 100,000,000 Doll. Der Handel mit Großbritannien belief ſich auf 614,000,000 Doll. d. 1. 520/, der ganzen Ausfuhr und 260/0 der Einfuhr. Der Handel mit Sranfreich belief ſich auf 150,000,000 Doll, mit Deutſchland auf 123,000,000 Doll., mit Weftindien auf 121,000,000 Doll, und mit Kanada

auf 91,000,000

Doll.

Der Handel New-Yorks

ſtellte fi) auf 857,000,000 Doll. oder 55 20/0 des Geſamthandels. Die merifanifhe Zentralbahn, welde an der Grenze Staaten am Rio Grande begimmt, wurde am Vereinigten der 8. März bis zum Stadt Mexiko vollendet und 2 Tage jpäter dem

Verkehr übergeben.

380

———

litteratur. Das Wert: La Cochinchine contemporaine par A. Bouinais

et A. Paulus. Paris 1884, verdient wegen Angaben über die Sterblichfeit in den verschiedenen franzöſiſchen Kolo— nien Beachtung. Nach demfelben ftellt ſich die durchſchnittliche Sterblichkeit in Kochinchina anf 4,8200, während fie am Senegal mehr als 100/9, in den Antillen und in Guyana mehr als 90, in Réunion 4,720/9, in Tahiti 0,98 0/9 und in Neukaledonien 0,97 0/g

beträgt. Auch hier Hat man die in tropifchen Gegenden gemachte Erfahrung beftätigt gefunden, daß nämlich in den erften Jahren nad) der Befitergreifung die Sterblichkeit viel größer war und nad) und nach abnahm; fie betrug in Kochinchina 11,56 0%/,, 7,230), und 8,210, und in Algier im Anfang dev Kolonijation 80/9. Dentihland und der Drient in ihren wirtichaftspolitischen Beziehungen. Bon Paul Dehn. Erſter Teil: Nach dem Orient! — Donauwärts. — Die DOrientbahnen. — Zur See. — Minchen

und Leipzig.

1884. XXXVII

und

G. Franz'ſche

155 ©. —

Eme

Buch-

und Kunfthandlung.

von

patriotiichem Geifte

getragene Arbeit, in der auch die Beobachtungen,

Preſſel

als projektierender

Generaldirektor

heit hatte, Dehn ſtrebt

der türkiſchen Bahnen

in freier, an,

Ingenieur

daß

welche Wilhelm

der rumeliſchen

ſelbſtändiger Bearbeitung vorliegen. Deutſchland

und als

in Aſien zu machen Gelegen— ſeine friedenfördernde

Paul Miſſion

mannigfaltigften Darftellungen von der Neliefbeichaffenheit und dem Naturcharafter des Hochgebirges entjchieven in den Hintergrund. Zeigt fi) nun auch der in den „bejcheivenen Tiefen”, am Fuße und den Flanken der Gipfel oder längs der Wafferläufe haufende Bergbewohner dem Tomriften nicht in gleich auffälliger Weife, wie die zinmengezacten Höhen mit allen ihren Naturfchaufpielen, jo ift doch feine ganze Eigenart nicht minder einer aufmerkſamen Betradhtung

würdig

auch im Orient bethätigen möge, indem es durch! wirtſchafts— politiiche Kräftigung und Selbftändigmahung der Drientländer für das mittelenropäifche Intereſſengebiet nene, Fonjumationsfähige Abſatzländer zu Schaffen ſucht und zugleich auf die Herftellun eines wirtſchaftlichen Gleihgewichts in Europa drängt. : Meyers Reiſebücher. Italien in neuer Einteilung. OberItalien, Nord-Ftalten bis inkluſive Genua und Bologna. Bon Dr. Th. Gjell- Fels. DVierte Auflage. Mit 6 Karten, 29 Plänen und Grundriſſen, 60 Anfichten und 1 Panorama. Yeipzig. Bibliographiſches Inſtitut. 1854. — Rom uud die Kampagna, inkluſive der Sabiner, Albaner, Volsker Gebirge, der latinifchen Meeresfüfte und Süd-Etrurien. Bon Dr. Th. Gfell- Fels. Dritte Auflage. 1. Band mit 4 Karten, 49 Plänen und 65 Anfichten. Leipzig. Bibliographiihes Inſtitut. 1884. Neifebiicher, die mit der Gründlichkeit angelegt und durch immer neue Auflagen hindurch verbefjert und vervollftändigt wurden wie das vorftehende, erlangen den Wert topographiiher Handbiiher, welche von dem Seographen mit Vorteil Fonfultiert werden können. Die reiche Ausftattung mit Plänen erhöht diefen Wert mefentlih. Die Reiſenden fcheinen außerdem in der Meinung itbereinzuftimmen, daß Gfell-Fels’ Ftalien gegenwärtig das vorzüglichſte aller italienihen Neifehandbücher für den praktiſchen Gebraud ſei und wir vegiftrieren dieſes Urteil mit Vergnügen, weil wir unfererfeits das Bestreben beftändig größerer Genauigkeit und Vollftändigfeit in den aufeinanderfolgenden Auflagen wahrnehmen. — Ein Italieni— ſcher Spradführer von Dr. Rudolf Kleinpanl (VIL, 454 S.), den derjelbe Berlag joeben nach dem Muſter jeiner engKüchen, franzöſiſchen, türkischen und arabijchen Sprachführer herausgegeben, bietet in anderer, nicht minder notwendigen Richtung ein praftiihes Hand- und Hilfsbuch beim

Neifen in Ftalien.

Das Lechthal. Gefhichtlihe und Kulturelle Studien von Anton Spiehler, f. Neallehrer in Memmingen. 9 S. Mit Abbildungen im Texte. Separatabdrudf aus der Zeitfchrift des Deutjchen und Defterreihifchen Alpenververeing. 1883. 2. Teil. Schilderungen der ethnographiichen und Fulturellen Berhältniffe in den deutjch-öfterreichifchen Alpenthälern traten bisher gegen die

als

jene.

Und

beſonders

auch

darıım,

weil

defjen altgewohnte Sitten und Bräuche, Trachten und Einrichtungen heute dem Zwang der Zeit und dem durch diejen ge= ihaffenen Aenderungen in gar intenfiver Weife unterliegen. Daher begrüßen wir auch die mit ebenfoviel Gejhid als Fleiß entworfene Monographie des mittleren Lechthales mit bejonderer rende. Sie hebt fi in vornehmer Weife von den flüchtig hin— geworfenen Skizzen ab, welche man über das Volk der Alpen in der Neifelitteratur vielfach zu lefen gewohnt ift. Anton Spiehler hat ins volle Menſchenleben hineingegriffen und wie intereffant er e3 gefunden, davon geben vor allem feine Abſchnitte über Bauart und Einrihtung der Häufer, Volkstracht, Sitten und Gebräuche, Sagen, wirtichaftlichen Betrieb, Nahrungs- und Genußmittel im mittleren Yechthal volles Zeugnis. Sie allein würden feiner Ar— beit dauernden Wert verleihen, der aber noch erhöht wird durch die enge Fühlung, welche Spiehler überall mit der Gejchichte des von ihm durchforſchten Gebietes behält und durch die Schwierigfeiten, welche fih ähnlichen Studien jo vielfach entgegenftellen.

Anzeigen.

Die Allgemeine Zeitung (mit wiſſenſchaftlicher Beilage und Handelszeitung)

——

früher in Augsburg erſchienen —

ift in Deutſchland und Oeſterreich

durch

die Poſtanſtalten

jährlih (6 M. für die 2 letzten Monate, des

Quartals)

zu beziehen.

Preis

für 9 Mark viertel

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bei divecter Verjendung

unter Streifband

monatlicd 4 Mark (M. 5. 60 für die anderen Länder des Weltpoftvereing).

Qunttalpreis bei wörhentl.DerfendungimWeltpoftverein 1.12, Probenummern

Leitartikel,

nebſt neueftem Quartal-Regiſter gratis,

wiſſenſchaftliche

und handelspolitiſche

Auf—

ſätze ꝛe. ꝛe. in Nr. 119 bis 125. Deutſcher Reichstag. — Konferenz über ägyptiſche Finanzen. — Zur Lage in Aegypten. — Deutſchland und Südamerika. — Anticipationen. (11) Der culturgeographiſche Charakter des Oſtſudan. Von E. Deckert. — Ein Rückblick auf Heidelberg. Von G. Weber. (IHIV.) — Das Goethe-Jahrbuch. Bon 9. Düntzer. -- Zur Congo-Frage. — Calderons „Richter von Zalamen“ in neuer Geftalt. Von W. Bormann. — Friedrich Notter. (Nekrolog.) Von 9. Fiſcher. — Ins Mlorgenland. (1) Von L. Steub. — Berthold Auerbadys Briefe an jeinen Freund Jakob Auerbach. — Internationale Spradhftudien eines alten ZTouriften. Bon K. Braun-Wiesbavden. (II.) — Das evangelijhe Bisthum zu Serujalem. Die Publicität im Wetienwejen, (II) — Handels-, Bank- und Börjenzuftände in Frankreich. (Zur Handelstrifis und zur „Enquéête“. Colonien und Miffionen.) — Gejhäftsberichte zc. 2c.: Hopfenbau=Statiftif. — Badiſche Anilinund Sodafabrif. — Frankfurter Bankverein. — Deutſche Gffecten- und Wechſel— bant. — Defterreihiiche Yänderbant. — Pilſen-Prieſener Eiſenbahn. — Bant für Handel und Industrie, Darmſtadt. — Yebensverjicherungsgejellichaft zu Leipzig. — Handel und Gewerbefammer zu Stuttgart. — Yandwirthicdaftliche Betriebsftatiftit im Königreiche Bayern, — Podewils'ſche Fäcalertractfabrifen. — Bereinigte Fabriken landwirthſchaftlicher Maſchinen, vormals Epple u. Burbaum. Berliniſche Lebensverſicherungsgeſellſchaft. — Magdeburger Lebensverficherungsgejellihaft. — Dur-Bodenbader und Prag-Durer Bahn. — Bujchtiehrader Eijenbahn. — Heſſiſche Ludwigsbahn. — Zur Regelung des Arlberg-Verkehrs. — Allgemeine Renten-, Capital- und Lebensverſicherungsbank „Teutonia“ in Xeipzig. Deutſche Grundereditbant in Gotha.

Aufträge für Streifbandfendungen an die

Erpedition in Münden.

Drud und Verlag der J. ©. Cott a'ſchen Buchhandlung in München und Stuttgart.

Das Jusland. Wochenſchrift für Länder: und Völkerkunde, unter Mitwirfung von Profefjor Dr. Friedrich Nagel und anderen Fachmännern herausgegeben von der

3. ©. Kotta’fhen Buchhandlung in Stuttgart und Münden. Siebenundfünszigiter Jahrgang.

Ar. 20.

München,

1884.

19. Mat.

Yährlih 52 Nummern A 20 Seiten in Quart. Preis pro Quartal M. 7. — Zu beziehen durch alle Buchhandlungen des In- und Auslandes und die Pojtämter. — Rezenfions-Gremplare von Werken der einjchlägigen Litteratur find direkt an Herrn Profefjor Dr. Friedrich Natel in Minden, Akademieſtraße Nr. 5, zu jenden, — Snjerationspreis 20 Pf. für die gejpaltene Zeile in Petit.

Inhalt: 1. Südoſt-Grönland und Nordenſkiölds vorigjährige Eutdeckungsffahrt. Bon Dr, Di. Lindeman. (Mit Karte). ©. 381. ©. 386. — 3, Die Fiſche der Oftfee. ©. 389. — 4. Irlands Leinen— Herero und ihre Toten. Bon C. ©. Bittner. ©. 395. — induftrie. Bon Dr. A. Berghaus. ©. 391. — 5. Politifh- und wirtſchaftsgeographiſche Rückblicke. 1. Tongfing. Ueber merifanische Reliquien aus 6. Kleinere Mitteilungen: S. 398. Deutſche Forihungsreifende nach dem tropischen Sidamerifa. der Zeit Montezumas in der Ambrafer Sammlıng. Farbenpracht in den Meerestiefen. — 7. Notizen: ©. 399. Afrika. Perſonal —

2. Die

nachrichten.

Sidoft: Grönland und Hordenfkiöld’s vorigjährige Entdekungsfahrt, *

Don

M. Lindeman.

(Mit Karte.)

Während die geographiichen Verhältniſſe der Wejtfüfte Grönlands uns, dank den neueren dänischer Forfchungen

und den zahlreichen, durch die Davisftraße vordringenden Nolarerpeditionen, ſowie überhaupt durch die nunmehr 11a Jahrhundert mwährende Befiedelung im großen und

ganzen ziemlich befannt find, iſt die Oberflächengejtaltung des eisbededten Innern ſowohl, wie die Beichaffenheit der Oftfüfte ung zum großen Teil noch unbefannt. Von der (eßteren wiſſen wir allerdings mehr als vom Innern. In beiden Beziehungen hat uns die vorigjährige Expedition Nordenſkiölds neue, zum Teil unerwartete Ergebnifje ge liefert. Uns möge bier zunächſt die Fahrt längs der Südoftfüfte und die Landung dafelbit bejchäftigen. Ein furzes Einleitungswort wird zur Drientierung willkom— men fein. Sedermann, der fi) mit der Gefchichte der Oſt-Grön—

land-Fahrten befchäftigt hat, weiß, daß die Bereifung oder richtiger ein Treibeisgürtel, die Banquife, wie die fran— zöſiſchen

Kabljaufifcher Ausland

1884

es nennen,

Nr. 20,

die ganze Küfte fait

unnabbar macht. Befonders gilt dies von dem Island gegenüber gelegenen Teil, während weiter nach Norden und weiter füdlich zwiſchen dem 70. und 74, Breitegrade jene einfamen Geftade wiederholt von den befannten Sees fahrern Clavering, Scoresby, Koldewey zum Teil unter geringen Schwierigfeiten im Hochſommer erreicht wurden. Die Breite und Dichtigkeit dieſes Treibeisgürtels iſt von Wind und Wetter abhängig. Vorherrſchende Oſtwinde verlegen die Grenze des Treibeifes weiter nad Weſten, nad) Oft-Grönland zu und machen es durch Zufammendrängen

unzugänglicher;

bejtändige Weſtwinde lodern den Gürtel,

ichteben feine Grenze meiter nad Oſten vor und werden daher einem zur Küfte ftrebenden Schiffe, befonders einem Dampfer, eher Deffnungen bieten, durch welche das Fahr: zeug die Küfte erreichen fann. Ein im vierten Bande der Deutfchen Geographifchen Blätter veröffentlichtes Kärtchen des ſchottiſchen Kapitäns David Gray, ſowie der begleitende Tert des Kapitäns Koldewey veranichaulichen diefe Verhältniſſe ſehr klar. Ueber die Meeresftrömungen innerhalb des Treibeisgürtels und nahe der Küfte im fogenannten Yandwaſſer erfuhren toir durch Scoresby (1822), Clavering (1823) und neuerdings durch die „Hanfa” und „Germania“ (1369 bi8 1870) näheres. An der Außenfante des Eiſes und im Treibeis felbft bis zu den Eisfeldern innerhalb der Banquiſe

eriftiert hienach zwiſchen den Breiten 70 und 75 eine be: 58

382

Südoſt-Grönland

und Nordenſkiöld's vorigjährige Entdeckungsfahrt.

beftändige, ſüdwärts gerichtete Strömung von durchfchnittlich 8 bis 10 Seemeilen Gejchwindigfeit in 24 Stunden, welche indes je nach dem Winde und dem daraus hervorgehenden Treiben des Eifes oftmals beträchtlich oftwärts oder weſt— wärts abgelenft wird. Unmittelbar an der Küfte it, mie Koldewey im miffenfchaftlichen Teile des großen Werkes über die zweite deutjche Nordpolerpedition näher nachweilt, die Strömung ſchwächer als an der Außenkante des Eiſes. Die durchſchnittliche ſpätherbſtliche und winterliche Trift des Eisfeldes, auf dem ſich die Hanſamänner befanden, betrug 43/, Seemeilen in 24 Stunden. Im Sommer be: fonders, wenn mehr füdliche Winde eintreten, die Nordwinde ſchwächer werden, zeigt ſich oft gar feine Strömung; dieſen Zeitpunft traf Clavering, der infolgedefjen feine Strömung beobachten fonnte. Im Winter iſt das Treiben des Eiſes nac Süden wegen der dann am ſtärkſten und andauernd wehenden Nordivinde bedeutender als im Sommer. In einem bor einigen Jahren durch die Zeitfchrift der Däniſchen Geographiſchen Geſellſchaft veröffentlichten Aufſatz, welcher die Schwierigkeiten des Schiffahrtsverkehrs in den weſtgrön— ländiſchen Gewäſſern ſchildert, heißt es: Ein großes Hinder— nis für die Segelſchiffahrt iſt das Treibeis, welches aus dem Meer bei Spitzbergen längs der Oſtküſte Grönlands bis Kap Farewell treibt, wo es herum biegt und weiter mit dem Strom gegen Nordweſten und Norden geführt wird. Hier liegt es beſonders vor den ſüdlichen Diſtrikten Julianeshaab und Frederikshaab, es nähert ſich Godthaab und Sukkertoppen. Dieſes Treibeis, das auch Großeis genannt wird, kann zu irgend einer Jahreszeit bei Julianeshaab ankommen, aber regelmäßig liegt es vom Februar bis zum Spätſommer; es ſchließt die Küſten bei Julianeshaab vollſtändig ein, ſo daß die Schiffe nicht direkt aus der See nach der Kolonie, ſondern längs der äußeren Eiskante nördlich ſteuern müſſen, um zu ver— ſuchen, durch irgend eine Oeffnung nach Julianeshaab zu gelangen” u. 1. f. Einen eflatanten Beweis für diefe Fortfeßung der ojtgrönländifchen Treibeistrift um die Südſpitze Grönlands herum nach Norden finden wir ferner in folgender Stelle des Brotofolles der Sitzung des „Vereins für die Deutjche Nordpolarfahrt” in Bremen am 2. November 1870 ver: zeichnet: „Herr Kapitän Hegemann teilte mit, die Miffionare bon Friedrichsthal hätten ihm angezeigt, daß diefelbe Scholle, welche die Hanfafabrer in ihren Booten am 7. Mai 1870 auf 610 12° n. Br. und 420 w. L. verlaffen hätten, bei Sriedrichsthal gefeben und von den Grönländern ge: plündert worden ſei“ 20. Es iſt auch andermweit befannt ges worden, daß einzelne auf der Scholle von den Hanfaleuten zurüdgelafjene Gegenftände bier von grönländifchen Kajak— leuten geborgen wurden. Diefe Treibeisfchranfe war es alfo, die das Vordringen der Schiffe aus See zur Südoſtküſte Grönlands erfchivert oder verhindert hat. Jahrhunderte hindurch wurden diefe Verſuche mit fürzeren oder längeren Unterbrechungen immer

von neuem fortgeſetzt, mit wenigſtens für uns jetzt licher Chroniſten über die der Oſtküſte, welche jene

geringem Erfolg. Es waren die, ſagenhaften Berichte mittelalter— einſtige umfangreiche Beſiedelung Reiſen veranlaßten. Dieſe be—

ginnen mit dem Jahre 1579.

Nordenſkiold zahlt ſie alle

in jeinem „Napport” über feine vorigjährige Neife chronologisch auf; es find an 20; faſt immer fam man in Sicht der Küfte, aber eine Landung war wegen des die Ufer belagernden Eifes nicht möglich. 1833 ging das fran—

zöfifche Kriegsſchiff „Lilloife” bei ſolchem Verfuch mit Mann und Maus verloren und das im folgenden Jahre zur Aufſuchung nach der Dänemark-Straße ausgejandte KriegsIhiff „Necherche” kehrte unverrichteter Dinge zurüd. Zu bemerken iſt, daß ein erniter Berfuch, mit einem Dampfer die Südoftfüfte zu erreichen, bisher wohl noch nicht gemacht wurde. Nordenftiöld zählt allerdings in feiner Lite auch den dänischen Marinedampfer „Ingolf“, Kapitän Mourier, auf, welches Schiff im Sommer 1879 zu Bermeilungen und hydrographiſchen Unterfuchungen in die Dänemark-Straße gelandt wurde und er fügt hinzu, daß auch diefem Schiff,

—— — —

als es in Sicht der Süpdojtfüfte fam, die Yandung wegen Eifes nicht gelang; indefjen hatte der „Ingolf“, ſoviel befannt, feinen Auftrag, die Yandung zu erzwingen, zumal er auf eine Ueberwinterung in feiner Weife vorbereitet war. | So ijt denn die vorigjährige Fahrt der „Sofa“ zur

Südoſtküſte der erſte Berfuch, mit einem Dampfer dahin zu gelangen. Wenn er, freilich mit Ueberwindung von einigen Schwierigkeiten, glüdte, ja, wie es jcheint, fogar eine zweite und dritte Landung möglich war, hätte man überwintern wollen, jo it das wiederum ein entjcheidender pofitiver Beweis der Meberlegenheit von Dampfern gegenüber

Segelfchiffen auf arktifchen Neifen, während ein negativer Beweis

auch

in diefen

Gewäſſern

„Hanfa” geliefert worden Hegemanns

Berichten,

mar;

jchon

1869 von der

wir wiffen aus Kapitän

daß er die im Eife fich öffnenden

Straßen zur Küfte nur deshalb nicht benügen fonnte, weil die Windrichtung eine Segelung nicht gejtattete, während ein Dampfer durch jene Straßen hindurd mit Leichtigkeit die Hüfte erreicht haben würde.

Unfere Kenntnis von der Beichaffenheit der Südoſt— Küfte verdanfen wir hauptſächlich den Bootreifen des dänischen Yeutnants Graab. Im März 1829 drang er von Nennortalif, wo er nahe Kap Farewell überwintert hatte, zur Oftfüfte und erreichte unter vielen Schwierig: feiten feinen nördlichiten Punkt in der Danebrog-Snfel auf 65% 15° n. Br. Graah fand eine mehrere taufend Fuß

hohe, vielfach ausgebuchtete, hie und da mit Inſeln beſetzte Felſenküſte, die fich auf der ganzen verfolgten, in der Richtung ERW zu NO verlaufenden Strede in einer größeren Zahl von Fjorden gleichjam auszahnt und von zahllofen Heineren und größeren Gletſchern überlagert ift. Auf ge: Ihüßtem Borland des Feftlandes wie der Infeln fand fich eine dürftige, bie und da ſelbſt üppigere Vegetation und an ſolchen Stellen, im ganzen 13, fanden ſich die Seehundfell:

— —

— nd

Südoſt-Grönland und Nordenſkiöld's vorigjährige Entdedungsfahrt.

Belte der „Ditländer”, deren Zahl er auf 436 angibt. Graah gibt in feinem Reiſewerk eine ausführliche Schilder:

leben findet Inſel, wobei

ung von diefen „Djtländern”, die für fie, felbft im Ver: gleich zu den Weitgrönländern, nicht ungünftig lautet. Sie

Karte von König Oskar's-Hafen

an der Oſtküſte von Grönland.

380

natürlid) von Fischerei und Jagd; zur Sommerzeit auf einer nahe der Südſpitze Grönlands gelegenen Alluf, ein Taufchverkehr mit Weftgrönländern ftatt, ſich die Ditländer gegen ihre Felle allerlei euro:

Nach dem Driginal von C. J. O. Kjellſtröm.

U cap Horring 7

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Fogeloarne

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.

Ruinen von Wohnſtätten.

4

A

Zeltplätze.

&

Steinmale

Die geographiiche Länge bezieht fih auf den Nullmeridian von Greenwich.

Seezeichen (gute Seemarke).

päiſche Artikel verſchaffen. Bewohnung

Ahnferplaß der „Sofia“. — Die Berghöhen und die Tiefen find in Metern angegeben.

für Spielplätze.

Gräber. Gutes

Eriter Landungsplatz.

der Küſte

Wie

weit nach Norden dieſe

reicht, iſt nicht feſtzuſtellen.

Die

Küſtenſtrecke zwiſchen Graahs nördlichſtem und Scoresbys ſüdlichſten Punkt, 690 13° n. Br., iſt uns unbekannt;

nördlich von diefem unbefannten

„Egedes

Land”

fand

Scoresby Spuren von Eingeborenen. Glavering traf im folgenden Sommer noch weiter nördlich, an der Südſeite

der Clavering-änfel,

eine Gruppe Eingeborner

während

>84 0)

Siüdoft-Grönland und Nordenftiöld’S vorigjährige Entvedungsfahrt.

Dr. Panſch von der Deutjchen Expedition hier nur die verlajfenen Behaufungen fand. Wir laffen nun den Bericht Nordenfkiölds über feine vorigjäbrige Fahrt nad) Südoſt-Grönland folgen: „Am 26. Auguft morgens verlich die „Sofia“ Julianes— haab. Da ich dort feinen Eskimo-Dolmetſcher hatte finden fönnen, bejchloß ich, den Verfuch zu machen, mir einen folchen dadurd zu verschaffen, dal ich einen der in Süd-Grön— land wohnhaften Miffionare zu überreden fuchte, ſich uns anzufchliegen. Es mußte alfo die an der Südfpite Grön— lands belegene Miffionsftation Friedrichstbal angelaufen

werden. Das Wetter war herrlih. Ungefähr um 10 Uhr vormittags paffierten wir das hohe Vorgebirge, welches von verſchiedenen Grönlandforichern mit dem in den isländischen Sagen oft ertvähnten Hjvarf identifiziert wird. Bermutlich iſt dies ein Mißverftändnis. Sch hielt mich bier eine Weile auf, einmal um die prachtvollen Berge photographieren zu laffen, jodann um Schleppnegarbeiten und bydrographiiche Meffungen vorzunehmen. Schon auf dem Wege hieher war uns mancher Eisberg begegnet; im Verlaufe des Tages trafen wir nicht nur Eisberge und Kalbeis (von den Gletfchern in die See geltürztes, d. t. gefalbtes Eis), ſondern auch eine vecht bedeutende Menge Meereis, ein nicht jonderlich günftiges Zeichen für unfere Fahrt zur Oſtküſte. Halb 4 Ubr nachmittags anferten wir in Sriedrichsthal. Hier empfing uns jehr freundlich Paſtor Brodbed, befannt durch feine intereſſante Bootfahrt während des Sommers 1881 nad) dem an der Dftküfte unter 60025°n. Br. belegenen Fjord Kangerdlugsſuaitſiak.! Er hatte bier an der Nordfeite des Meerbufens eine Nor: mannenruine gefunden, die erite, die man in Oſt-Grönland angetroffen hat und ferner eine Menge interejfanter Nach: richten in Betreff der gegenwärtigen Bevölkerung, des Klimas, der Vegetation ꝛc. von den Dftländern gefammelt, welche zum Einkauf europäischer Waren Handelsreifen nach Friedrichſthal unternahmen, ſelbſt von einem ftarf bevölferten Fjord ber, der gerade gegenüber Island gelegen ſein foll.

Ich ſprach Herrn Baltor Brodbed

meinen

Wunsch

aus, einen der grönländischen Sprache mächtigen Europäer als Dolmetscher zu engagieren. Herr Brodbed war jelbit geneigt, mitzugeben, wünſchte jedoch hierüber vorab die Anfichten feiner in Lichtenfels, einer einige Meilen weiter außen nad) Norden belegenen Herinhuter-Station, wohnen— den Vorgefegten einzuholen. Diefer Umftand, ſowie der Wunſch, daß die Keſſel der „Sofia“ gereinigt und die Maſchine nachgeſehen werde, bevor wir die Reife nach der Oſtküſte antraten, veranlaßte es, daß wir uns bis zum 29. August in Sriedrichsthalaufbielten. Der nach Lichtenfels geſandte Kajak-Expreß fehrte mit der Botjchaft zurüd, 1 Siehe „Ausland“

1882,

Nr.

22, worin

fich ein ausführ-

fiher Bericht über dieſe Fahrt Brodbeds und feine Entdeckung einer ächten Normannenruine am Nordufer des genannten Fjords findet.

daß Herr Brodbed die Expedition nach der Oſtküſte und, wenn die Verhältniffe es jo fügten, bis nad) Europa be— gleiten dürfe. Außerdem nahm ich für die Fahrt während der nächjten Tage zwei Eskimo an Bord, welche dem Fahrzeug den Weg durch die etwas nördlich gelegenen Sunde nad) der Oſtküſte zeigen follten. Einer dieſer Lootſen

hatte einen

großen Teil feines Lebens am Sunde Ikek

nördlich von der Südſpitze Grönlands zugebraht und war da vielfach mit den Dftländern in Berührung ges fommen. Er twar ein gefpräcdiger Mann, welcher mir durch DVermittelung von Paſtor Brodbed viele Aufklär— ungen in Betreff jenes für die Gefchichte der Geographie fo interefjanten Teils von Grönland gab. Das Wichtigite daraus war folgendes: Nach verichiedenen Mitteilungen über die gegenwärtigen Bevölferungsverhält: niffe und Wohnpläße an der Djtfüfte, die mit den von dem dänischen Premierleutnant Holm während feiner Reife nach der Südoftfüfte im Jahre 1881 gefammelten gleich:

artigen Berichten völlig übereinjtimmen, ſagte der Lootſe, Timotheus Kujanangitjof war fein Name, daß Ueberreſte von Wohnftätten, welche nicht von Esfimos herrühren, beinahe in jedem großen Meerbufen an der Oſtküſte, befonders in dem großen Fjord von Umanaf,! fowie in den Fjorden

Ekallumiut und Jgdluluarfuit fih fänden. vollftändig erhaltenen Hausmauern

Die Mauern

find immer

Irgendwelche

findet man

bier nicht.

niedrig, aber die Ausdehnung

der Ruinen iſt zuieilen ſehr groß; die größten follen ſich

bei Igdluluarſuit befinden.

Ein vortrefflicher

Talkſtein

wird in einem Berge oder auf einer Inſel gleich ſüdlich von Umanaf gefunden. Die größten daraus verfertigten

Gefäße haben einen Durchmejjer von !/, bi8 1 m.

Das

Vorkommen dieſes Minerals, das Schon von Graah in feinem Neifeberichte erwähnt wird, iſt für die Gengraphie des alten Grönland von Bedeutung, da Spar Baardſön in feiner befannten Befchreibung Grönlands angibt, daß der beite Talkſtein Grönlands auf Nend außerhalb des Eina-Meerbufens gefunden werde und daß man daraus

Gefäße, die bis zu 10 und

12 Tonnen Raum haben,

machen fünne. Sollten nicht Renö und die Stelle des heutigen Vorkommens des Talfiteines ſüdlich von Umanak identiſch ſein? Könnte dies ermittelt werden, und das wäre am Ende nicht ſo ſchwierig, wenn man den Talk— ſteinbruch genau unterſuchte, ſo hätte man einen feſten

Ausgangspunkt

für die Entſcheidung

über die Lage der

alten grönländiſchen Bauten. Dieſe und andere ähnliche Aufklärungen, welche Paſtor

Brodbeck und der Kolonieverwalter Lützen von den Oſt— ländern, mit welchen ſie verkehrten, erhalten hatten, ſowie Bekanntlich kommen dieſelben Namen oft an einer Menge Stellen der Küfte vor. Diefes Umanaf an der Oftfüfte auf etwa 6930 ı. Br. darf daher nicht mit den in vielen anderen Teilen Grönlands belegenen Borgebirgen, Inſeln und Inſelchen verwechjelt werden, welche mit diefem Namen belegt find und welche in der Phantafie der Grönländer ein herzförmiges Ausfehen haben.

Südoft-Grönland und Nordenſkiöld's vorigjährige Entdedungsfahrt.

die, wie fchon Egede bemerkte, ausgeprägt nordifchen Ge— fichtsgüge eines Teils der Ditländer ſcheinen eine wirkſame

Wivderlegung der Deutung zu bieten, welche verjchiedene Forſcher den alten isländischen Sagen dadurd gegeben haben, daß fie die Oftwohnungen nicht auf die Oſt-, fondern auf die Südweſtküſte verlegten, eine Deutung, die offenbar

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diefer lange Sund öfter als die ſüdlichen Sunde durd) Eis gefperrt iſt und daß dort ſchwere, mit den Tiden wechſelnde Strömungen vorherrſchen; ich bejchloß Daher, das eisfreie Küſtenwaſſer durch die füdlicheren, Fürzeren,

aber breiteren Sunde Pamiagdluk und Ikek zu erreichen.

peditionen zuzufchreiben it, die Dänemark unter großen Opfern nach feiner alten und, wie man ſich damals einbildete, jehr wertvollen Beſitzung in der neuen Welt aus:

Bei rubigem, herrlichem Wetter in einer vollfommen ſtillen, mit zerjtreuten Eisjtüden überfäten See dampften wir anfänglich ohne Hindernis raſch vorwärts, vorbei an der ſüdlichſten dänischen Ausliegeritelle Pamiagdluk bis Kungmiut, wo der Ikek- und Ikareſak-Sund einander

ſandte.

freuzgen.

zu nicht geringem Teile dem Mißlingen der vielen Er-

Sch werde jpäter auf diefe Frage zurückkommen.

Nie nun auch ſchließlich die Löſung ausfallen möge, ficher war, daß die Berichte der Eskimos von uns mit geſpanntem Sinterefje angehört wurden, als ein vollgültiger Beweis für die Lage der alten Oftwohnungen auf der ſchwer zu— gänglichen Küſte, der wir uns nun näherten.! Daß Grönlands Dftküfte füdmwärts von Ssland von

der Meerfeite für Fahrzeuge vollkommen unzugänglic) fei, war noch bei Abgang der Sofia-Erpedition ein Glaubens—

artikel der Arktifer und Geographen.

Sp erhielt ih vor

der Abreife von einem der ausgezeichnetiten Kenner des Nordens einen Brief, worin er mich aufforderte, mich nicht auf ein Unternehmen einzulaſſen, das mit fo außerordentih großer Gefahr und jo geringen Ausfichten auf Erfolg

verbunden uns

von

ſei. Aehnlid

motivierte Mahnungen

zwei herborragenden

gingen

und erfahrenen englifchen

Arktikern zu, welche beide die Yandung an der Südoſtküſte vergeblich verfucht hatten und nahe am Untergang geweſen waren. Kapitän A. Mourier, Befehlshaber des Kriegs: Ichiffs „Ingolf“, ſucht am Schluß des Berichts über feine merkwürdige Kreuze im Dänemark-Sund zu beweisen, daß für ein Fahrzeug feine Ausficht ſei, von der Meerjeite ber den Eisgürtel, welcher ſüdlich von Island die Oſtküſte Grönlands abjperrt, zu durchbrechen. Nun nahm ich an, daß vieles von dem, was gegen die von mir beabfichtigte

Weiterhin jedoch, in der Mitte des Kanals, der

uns nach der Oſtküſte führen follte, wurde das Eis ſchon

dichter und dichter.

ES bejtand vorzugsweiſe aus ziemlich

grobem Meereis, zwischen melchem bie und da der eine oder andere große Eisberg jeine eignen Wege ging. Um die Wahrfcheinlichfeit zu vermindern, in diefem völlig un— befannten Fahrwaſſer auf eine unterfeeische Klippe zu itoßen, bielten wir uns anfänglich in der Witte des Sundes. Hier wurde indejjen das Eis bald gar zu dicht; ich fuchte daher offeneres Waſſer am nördlichen Strande, wo ich, im Fall ich nicht weiter fommen fonnte, zu anfern beabfichtigte. Dies gelang jedoch nicht. Der Sund am

Kap Farewell ift von einem milden, in ſpitze Berggipfel zerriffenen Alpenlande umgeben, welches bei unferem Be— ſuch bis auf einige größere, in den tiefen Thälchen zwischen den Bergſpitzen zurücgebliebene Schnee: und Eisfelder ſchnee— frei war. Bis ans Meer reichende Gletſcher ſahen mir nicht, auch Fein Inlandeis. Das Meer vorn draußen war zum Ankern zu tiefz leßteres wurde auch dadurd unmöglich, daß hier Eisjtüde mit der Tide hin und ber, dicht an den Strandflippen vorübertrieben. Da ic) weder weiter fommen, noch ankern und eine günftige Veränderung in der Lage des Eifes abwarten fonnte, fo ſuchte ich hinaus nach dem füblicher fich erſtreckenden Sunde Ikareſak zu fommen. Aber auch bier trafen wir Eis und es begann

Reiſe geltend gemacht wurde, auf zufälligem Mißgeſchick und auf Borurteilen berube, welche die in früheren Jahr— hunderten gemachten vergeblichen Verfuche, mit Segelfchiffen

ihon zu dunfen.

der Küſte zu nahen, haben entjtehen laſſen. Jedenfalls wollte ich das Ziel auf einem neuen, noch nicht erprobten

unferer Zootjen wohl befannt, denn er hatte mehrere Jahre

Wege zu erreichen juchen, nämlich in der offenen Waſſer— rinne des Fahrwaſſers nehmen, daß leßteres wie für Meereisblöde, unfer flach gebendes

nächſt der Küfte, man konnte anzu ſeicht für die großen Eisberge, doch aber jedenfalls tief genug für Fahrzeug ſei. Diefe Ninne wollte

ih durch einen der langen und fchmalen Sunde erreichen, welche nörblih vom Kap Farewell verjchiedene größere Inſeln von dem grönländischen Feſtland trennen, und zwar wollte ich anfänglich durch Prinz Ehriftiang-Sund

gehen. Nach den in den füdgrönländiichen Kolonien ein= gezogenen Erfundigungen jtellte fih nun aber heraus, daß 1 Nah Graah ift allen ſolchen Ausſagen der Oftländer wenig

oder gar nicht zu trauen. Ausland

1884, Nr. 20.

M. L.

Zum Schuß für die Nacht wählte ic)

in Ermangelung eines Beſſeren die an der nordöftlichen Seite von Ikareſak belegene Bucht Kangerblugfiak, einem bier in der Gegend gewohnt. Auch diefe Bucht it jo tief, daß wir nur mit Schwierigkeit eine Stelle finden fonnten, wo der Anker auf 20 bis 30 Id. Waller Grund finden konnte. Kaum war dieß gejcheben, jo wurden wir durch) in die Bucht treibende große Eisjtüde gezwungen, den

Anker wieder zu lichten.

Dieß geſchah mehrmals in der

finftern Nacht. Wir waren daher froh, daß mir, als es tagte, die Fahrt ohne Schaden fortfegen Fonnten. Anfangs wurde der Weg ſüdwärts in den Ikareſak-Sund genommen. Es begegneten uns hier indejjen bald undurchdringliche Eismaffen, fo daß ich umkehren mußte. Ein neuer Verfuch, da vorwärts zu dampfen, wo uns am Tage vorher Eis gehindert hatte, traf auf noch dichteres Eis. Es blieb

uns daher nichts weiter übrig, als durch den Sund bei Pamiagdluk wieder hinaus und dann meiter, am liebſten 59

386

Die Herero und ihre Toten.

längs hatten geſtern maſſen

des Strandes, zu dampfen. Auch auf dem Rückweg wir anfangs große Schwierigkeit, durch die ſeit in den Pamiagdluk-Sund hineingetriebenen Eis— vorwärts zu kommen. Draußen fanden wir, daß

das Eis im Fahrwaſſer bei Kap Farewell ganz dicht am Lande lag.

Ich mußte alſo von dem Plan,

die Oſtküſte

durch die vermutete offene Strandrinne zu erreichen, ab— ſtehen. Vielmehr handelte es ſich nun darum, das während des größten Teils des Jahres bei Kap Farewell gelagerte Eisfeld zu umgehen und ſodann längs des Eisrandes nordwärts, und zwar ſo nahe dem Lande als möglich, zu ſegeln, um zu ſehen, ob nicht irgendwo im Eisrande eine Oeffnung ſich finde. Der Umweg war bedeutend, er führte uns wieder auf die Höhe von Friedrichsthal. Ich verabjchiedete bier meine Eskimo-Lootſen; jeder erhielt 6 Kronen, etwas Zuder, Kaffee, Tabaf, Brot u. a Wir waren ziemlich fern vom Lande, doch gingen fie ohne Bedenken in ihren Fleinen Fellbooten ab, offenbar fehr bez friedigt von ihrem Aufenthalt an Bord und der guten Bezahlung. Schwerlich hätte es langer Heberredungskünfte bedurft, um fie zu beivegen, mit nad der Oſtküſte zu fahren.

fommen alle, die es irgend ermöglichen fönnen, zu dem Haufe, in welchem der Kranke liegt. In den Bonthof jelbit drängen fih dann jo viele von den Bejuchern hinein, als

irgend hinein fünnen.

Da

liegt dann

auf der einen

Seite der Kranke; zu feinem Haupte fißt einer der nächiten Verwandten, der Mann, die Frau, der Bruder, die Schwejter und hält das Haupt des Schwer Atmenden auf dem Schoße. Während die Herero nämlich in gefunden Tagen nur auf der platten Erde und ohne alle befondere Unterlage unter dem SKopfe, welche etwa ein Kopfkiſſen vertreten möchte,

Ichlafen, gehört es zu der volfstümlichen Krankenpflege, daß ein Schwerfranfer feinen Kopf in den Schoß eines neben ihn auf der Erde Sitzenden legt; es erijtiert für

diefen Akt jogar ein bejonderes Wort (okuhunga), welches dann erit im meiteren Sinne überhaupt einen Sranfen pflegen bebeutet. Der übrige Naum des Haufes ijt von den Bejuchern, welche dicht nebeneinander auf der Erde oder auf kleinen Stühlen boden, völlig angefüllt. Sch habe in Hererohäufern, welche etwa 5 m, Durchmefjer auf der

Erde hatten und die in der Mitte faum 21%, m. hoch waren, neben dem Kranken bis 25 Menfchen gezählt;.

Das Tierleben in dem von uns während der letten

diejes in einem Haufe ohne Fenſter und mit einer etiva 60 em, hohen Thüröffnung, durch die ich mich eben nur

beiden Tage durchdampften Fahrwaſſer war fehr arm; mir

durchwinden fonnte und in dem obendrein meijt noch ein

hatten einen Wal, einige wenige Seehunde und eine geringe

Feuerchen qualmt, und ich glaube manchem Schwerfranfen allein dadurch das Leben gerettet zu haben, daß ich alle überflüffigen Bejucher hinausjagte und das Feuer aus: löfchen ließ. Die übrigen, welche im Haufe felbjt feinen Bla mehr finden, fiten außen herum und wenn man zu

Anzahl Vögel gejeben. Das Element, welches den Natur: Izenerien Spigbergens und Nowaja Semljas Leben ver:

leiht, fehlt alfo hier in hohem Maße. Die Urfache dürfte in der großen Meerestiefe bis dicht an Land liegen; Wögel und Seehunde werden dadurd gehindert, fich ihre Nahrung am Grunde des Meeres zu holen. Es mag auch mwohl der Vernichtungskrieg dazu beigetragen haben, welchen die Eingebornen Jahrhunderte hindurch gegen alles ſich ihnen

darbietende Tierleben führten. Immerhin werden hier auf den Klippen außerhalb Kap Faremwell Alke und Teifte in großen Mengen niften. Nach dem Bericht des Eskimo— lootfen erzählen alte Leute, daß ehedem der Geiervogel (Alea impennis, grönländiih Iſarukitſok) bier vorfam. (Schluß folgt.)

einem folchen Schwerfranfen

gerufen wird, ift man nie

im unflaren, zu welchem Hauſe

auf der Werft man fich

zu wenden bat, da eine jolche große Verfammlung fich Ichwerlich aus einem andern Grunde zufammenfindet. Und nicht bloß die auf der Werft ſelbſt wohnenden Leute verfammeln fich in der angegebenen Weife um das Sterbebett. Auch ſonſt halten die Verwandten e8 für ihre

Pflicht, wenn

ihnen von der ſchweren Erfranfung eines

Familiengliedes berichtet wird, zu dem Wohnorte desjelben, auch wenn er jehr weit entfernt ift, binzueilen, um wo—

möglich bei dem Tode zugegen zu fein. Wenn aud in vielen Fällen dabei das Interefje an der Erbjchaft mit: jpielen mag (vergl. „Ausland“

Die Herero und ihre Roten. Bon C. ©. Büttner.

1882, Nr. 42, 43), jo iſt

doch ohne Zweifel auch ein Siemliches von Pietät dabei mit im Spiele und während die Herero im allgemeinen zu ausgelafjener Fröhlichkeit fich hinneigen, habe ich fie meift

durch die Nachricht von dem Tode eines verftorbenen Ver: Schon wenn es einem Kranken bei den Herero fo Ihleht geht, daß man fein Ende befürchten muß, zeigt fich eine Erſcheinung, welche bei ſonſt fo gefühllofen Leuten, die für gewöhnlich fih nur um ihr Vieh fümmern, auf:

fallen muß und welche es bezeugt, daß auch im Grunde ihrer Herzen ein menjchliches Fühlen fich regt. Sobald ih über die Werft die Nachricht verbreitet, daß es mit dem N. N. höchſt wahrfcheinlich zum Sterben gehe, fo

wandten

tief ergriffen

gejehen.

Sie fünnen

Tage lang betrübt und ftill für ſich dafisen. ich folgende Anekdote

aus meinen

dann auch

Auch möchte

Erlebniffen dafür an:

führen, welche wenigſtens darauf hindeutet, daß ein Be: wußtſein von den Pflichten der Pietät bei ihnen vorhanden it, wenngleich die Erfahrung lehrt, daß nur höchit felten

diejes Bewußtſein wirklich praftifche Folgen hat: Ein heid— niſcher Mann brachte weit aus. dem Innern des Landes fein

Die Herero und ihre Toten.

franfes Kind zu mir, um Nat und Medizin für dasfelbe zu holen, und ich fragte ihn nach dem Namen des fleinen Mäd— chens. Es wurde mir gejagt, fie hieße Katunokuvezembako. Nun geben die Herero ihren Kindern die Namen ganz in

ähnlicher Weife, wie wir dies etwa

im Alten Teftament

bei den Patriarchen erzählt finden. Der Name ift eigentlich meiſt ein ganzer Sat, wie ihn der Vater oder die Mutter ‚oder jonjt ein bedeutender Verwandter bei der Geburt des

387

wandten, den fte zu beerben hoffte, verurfacht zn haben und das Volfsgericht hatte fie fchuldig befunden. Es ge: lang mir, diejenigen, welche fie verurteilt hatten, und welche zum Teil Chriften waren, zu beivegen, daß die Sache in Gegenwart der am Orte antvefenden Europäer noch ein-

mal verhandelt wurde und eine jolche Verhandlung (welche,

auf unferer Station Dtyimbingue höchſt intereffant. Eine alte und durch ihren Geiz und ihre Habjucht berüchtigte

beiläufig gejagt, in fünf Sprachen geführt wurde, hevero, namaqua, holländiſch, engliſch, deutich), bei melcher ich mit als Dolmetjcher zu fungieren hatte, bietet reichen Stoff für mannigfacdhe Beobachtungen. Der Berftorbene war, wie fich Schließlich herausitellte, am Starrkrampf nad einer anfcheinend geringfügigen Verwundung gejtorben und da diejer Zufammenhang den Eingeborenen unbefannt it, jo hatten einige eine Strychninvergiftung vermutet, andere hatten einfach gemeint, daß jene Frau durch ein vor Zeiten ausgefprochenes Fluchwort den Tod herbei: geführt hätte, Nach langen Verhandlungen gelang es, nachzuweiſen, daß man der beklagten Frau doch nicht direkte Schuld zumefjen fünne, obwohl diefelbe, was beſonders charakteriftisch iſt, im erſten Verhöre ihre Schuld bereits völlig eingeſtanden hatte. Und zwar war keine andere Folter, als die moraliſche eines tagelangen Ver— hörs bei dem erſten Prozeſſe angewandt worden. Auch ſtellte ſich hinterher heraus, daß der ganzen Anklage wohl nichts weiter als ein Erpreſſungsverſuch anderer Ver— wandten des Verſtorbenen zu Grunde lag. Denn als ſie mit ihrem Hexenprozeß an unſerem Orte nicht durchdrangen, fanden ſie heraus, daß vor Jahren ein anderer Mann durch Zufall dem Verſtorbenen, als er einmal tief unten im Brunnen war, einen kleinen Stein auf den Kopf ge— worfen. Nun mußte dieſes die Urſache ſein, und es gelang auch richtig, an einer andern Stelle es herbeizuführen, daß nunmehr dieſer Schuldige ein Wehrgeld von zehn Hammeln zahlen mußte. Wenn ein Menſch geſtorben iſt, ſo muß er auch bald begraben werden, da die Leiche bei der gewöhnlichen Hitze bereits in wenigen Stunden zu riechen beginnt. Dann wird raſch ein großer Ochſe geſchlachtet und die Leiche in die noch naſſe Haut eingenäht oder eingebunden, meiſt zu einem Knäuel zuſammengebogen, den Kopf an den Knieen. Zur Begräbnisitelle wählt man meiſt einen Ort, der dem Haufe des Verſtorbenen nahegelegen; oft wird auch der Tote an der Stelle ſelbſt, wo er geitorben tt, begraben, zumeilen wird dazu die Leiche erſt noch bejonders in das Wohnhaus hineingebradht. In Dtyimbingue hatte em bornehmer Mann, Kabirarapi, jih ein Haus nad) Art der Europäer zu bauen angefangen und die Mauern waren bereits bis an die Fenſterhöhe, zum Teil noch weiter, auf: geführt, als er im Gefechte nahe bei dem Drte fiel. Da wurde ihm ein Grab in dem angefangenen Haufe gegraben und dasjelbe blieb nunmehr als unfertige Ruine liegen. Sehr böfe Leute, von denen man auc nad) dem Tode bejonders Schlimmes fürchtet, werden auch wohl weit weg—

Frau war bejchuldigt, durch Zauberei den Tod eines Ver:

gebracht.

Kindes ausgefprochen hat; meiſt wird dann für gewöhnlich nicht der ganze Sat, fondern nur ein einzelnes Stich: wort als Name gebraucht (vergl. ettva Genefis 29, 31 ff.). Katunofuvezembafo heißt nun: wir werden fie nicht ver: geifen; und

der Name

war mir merkwürdig

genug, daß

ich den Vater fragte, twie das Kind zu demfelben gefommen war. Da fagte er mir: Als das Kind geboren wurde, fvaren gerade mehrere nahe Verwandte geftorben, die man bejonders lieb gehabt; jo hatte man gefagt: Und wenn fie gejtorben find, werden wir fie doc nicht vergefjen. Um dies deſto befjer zu behalten, hatte nun das Kind den

Namen befommen: „Wir werden fie nicht vergefjen.” Bezeichnend mag e8 übrigens fein, daß die Herero in ihrer Sprache fein beftimmtes Wort für jterben haben over vielmehr jie gebrauchen das Wort fterben auch ohne weiters für bloße Ohnmachten u. dgl. Es war mir im Anfange meines Aufenthaltes wunderlich genug, wenn die Leute

mir meldeten, daß irgend ein Kranker, den ich ärztlich bes handelte, gejtorben fei, zugleich mich bittend, ich möchte doch geſchwind hinzukommen und ihn befehen und wenn ich dann in das Haus hineinfam, faß mein Toter ſchon wieder auf feinem Bette und erzählte weiter, Ebenſo

wird auch das Mort für töten (Oku-zepa) im weiteſten Sinne gebraucht, wenn einer dem andern aud) nur etwas geringes zuleide gethan hat. Ich vermute ſehr ftark, daß die Herero im Innerſten ihres Herzens überzeugt find, daß niemand ohne Äußerliche Urſache nur an einer Krankheit ftirbt. Die Leute find im

allgemeinen mit dem Ausfpruche der Meinung ihres Herzens jehr vorfihtig und man

muß immer nur aus dem That:

jächlihen auf ihre Beweggründe fchließen. Ach glaube aber in vielen Fällen die Bemerkung gemacht zu haben, daß wenn irgend jemand geftorben war, vor allem ein Erwachſener, auch bald davon erzählt wurde, tie und

von wenn er eigentlich getötet war. Wenn einer dem an dern auch vor vielen Sahren irgend einen unbedeutenden Schaden zugefügt hat, fo wird der Betroffene oder doch wenigſtens feine Bertvandten bejtändig daran gedenfen und

werden ſchon bei Lebzeiten immer wieder daran erinnern; wenn dann endlich die Natur ihr Necht fordert, fo werden viele meinen, ja der Mann fei eben an jenem Schlage gejtorben, den er als Knabe empfangen. In diefer Hin:

jiht waren mir die Verhandlungen

eines Herenprozefjes

So hörte ich einmal von einem Zauberer, deijen

388

Die Herero und ihre Toten.

Leiche man über zwei Stunden in ein unwirtbares, wüſtes Gebirge hinausgetragen hatte, in der Hoffnung, daß er nun wohl nicht wieder zurüdfinden würde, Das Grab wird, oft in der Nähe eines großen Baumes, in der Weife gegraben, daß zunächjt eine manns— tiefe Grube, wie wir es zu thun pflegen, ausgegraben wird, dann wird auf dem Boden der Grube an der einen Zängsfeite eine Nifche ausgehöhlt, wie wenn man einen Stollen anfangen wollte. Sm diefe Nifche wird hierauf die Leiche hineingelegt und dann wird dieſelbe durch eine Wand von Stangen und Buſchwerk zugeſchloſſen. Nun erit wird die eigentliche Grube zugefchüttet und die Erbe feitgeftampft, fo daß aljo feine Erde auf die Leiche ſelbſt geworfen wird; vielmehr bleibt dieſe unberührt und unver: jehrt in ihrer Kammer fiten. Ueber dem Grab wird dann ein Haufe Steine errichtet, doch find die Grabhügel faſt nie jo hoch, mie man fie bei uns zu machen pflegt. Um das Grab werden dann meist dide Paliſaden gejebt und gewöhnlih auch noch eine Dornhede herumgelegt. Ob den Toten etwas ing Grab mitgegeben wird, babe ich nicht erfahren fünnen und glaube es faum, da die Schmudgegenftände, melche der Verftorbene zu tragen pflegte, zu den michtigen Stüden der Erbſchaft gehören, über welche meiſt von den beteiligten Hinterbliebenen viel bin und her geftritten zu werden pflegt. Dagegen werden wohl einzelne Gegenſtände an die Nejte des dem Grabe zunächit ftehenden Baumes gehängt, jo etiva hölzerne Schalen und Tragförbe. Ebenſo werden auch, was für den Herero im Grabe das wichtigite it, an diefem Baume die Ninderjchädel aufgehängt, von denen ſpäter gefprochen erben wird,

Alles, was zu einem folchen Grabe gebört, tjt heilig (Tyi zera) und wird von niemandem tveggenommen. So war z. B. in Dtyimbingue Brennholz ſehr knapp, mußte von weit hergeholt werden und alles Hol, das uns bewacht liegen blieb, war bejtändigen Diebjtählen ausgejeßt. Dagegen dachte niemand daran, etwas von den Pfählen der vielen nahen Gräber zu nehmen, obwohl fich kaum irgend ein Menſch um den Verbleib der Pfähle gefümmert haben würde. Während ſonſt jedes Stückchen Reiſig forg: fältig zufammengefucht wurde, moderten die Örabpalifaden Ichon feit Jahren unangerührt. Ebenjo wenig freilich ge— Ihieht irgend etwas, um die Gräber auch jpäter zu ihmüden oder um etwa die Hede zu erneuern, fondern

diejelben werden einzig dem Spiele der Naturfräfte über: lafjen. So findet man meiſt bei den legten Nejte der Dornhede und der gebrochen, wenn der Negen fie nicht die einft auf einem Aſt aufgehängten

alten Gräbern die Pfähle zufammenmeiter gefpült hat, Rinderſchädel am

Boden liegend, nachdem jener Aſt verdorrt und vom Winde abgebrochen iſt und oft weit zerjtreut, wie die Schafale und Hyänen fie verichleppt haben mögen. Auf das Begräbnis, welches freilich, wie gefagt, faft

unmittelbar nach dem Tode

gefchieht, folgt die Leichen:

flage.

Wenn der Verftorbene ein vornehmerer Mann war,

jo wird auch wohl das Haus, in dem er gewohnt und gejtorben, abgebrochen und die Stangen und Stäbe desjelben auf die Seite, auf den Klageplatz getragen. Dort verfammeln fih nun die Frauen und fingen den Klagegeſang, der meift aus bloßen Ausrufen und in dem ewig wiederholten

Uululululu .... fammelten

bejteht.

groß tft, kann

das 6AoAvkew

Wenn man

der Haufe

der Ver—

das Slagegeheul (vergl.

der Griechen) weit hören; ich habe ihn

einmal über eine halbe Stunde weit gehört. Auch werden nun die Ozo-hivirikua des Verftorbenen, die Rinder, welche jeine Lieblinge waren, die Gewaltigiten feines Viehes, ges Ihlachtet, damit ihre Hörner das Grab zieren mögen. Und während fonit das Vieh durch Eritiden getötet werden muß, wird diefen, welche den Toten gemwiffermaßen in das

Grab begleiten follen, der Hals abgejchnitten. Schlachten,

melches

der

letzte Ueberreſt

eines

Opfers zu fein fcheint, heißt oku-ondyoza.

Dieſes rituellen

Das

hin-

geichlachtete Vieh wird dann von den nächſten Verwandten des DVerftorbenen ſelbſt nicht gegeſſen, aber es finden fich

immer andere genug, welche, um ein Stüd Fleisch zu erlangen, ih dem Haufen der Klagenden anfchliegen. Uebrigens werden dieſe Ninder nicht alle auf einmal gejchlachtet, jondern alle Tage etiva eines oder zwei, jo wie das Fleiſch

verzehrt werden fann, jo daß die Totenflage, zumal bet den Neichiten, oft mehrere Wochen fortdauert. Da ift denn der große Haufe und freut fich, daß es wieder einmal ein Stüd Fleisch gibt; und während die Männer die Stammes bäume des hinterlafjenen Viehes nachrechnen, um die Erb» ichaft regulieren zu fönnen, weinen die Frauen dazu, daß ihnen die hellen Thränen über die Baden laufen, finden freilich dabei immer noch die Zeit, um einen Fremden, der, etwa durch das Klagegeheul angezogen, herzufommt, um ein Stüd Tabak zu bitten. Dft und befonders wenn der Hausvater oder einer jeiner nächſten Verwandten gejtorben ift, zieht die Werft nach einem anderen Platz fort. Sch wäre geneigt, den Grund darin zu finden, daß in Damaraland ein großer Prozentfab von Todesfällen, befonders von Erwachſenen, durch Malaria-Epidvemien verurfacht wird. Und zwar tt

die Malaria in Damaraland nicht alljährlih an derſelben Stelle, fondern jedesmal eben nur da, two es im lebten Jahre befonders jtarf geregnet bat. Somit wäre e3 allerdings eine fehr wichtige Maßregel, wenn die Leute den Wohnplatz wechſeln, falls ein Todesfall fie belehrt, daß die Malaria-Epidemie an der Stelle, wo fie wohnen, einen

gefährlichen

Charakter

annimmt.

Doch mag

aud zum

großen Teil der Grund für die Sitte darin liegen, daf ihnen eben vor der Stelle graut, wo jemand geftorben ift. Nur felten und mit befonders feierlichen Zeremonien

dürfen die Kinder die Gräber ihrer Eltern befuchen, um von den Ahnen ein Drafel zu erlangen. Ausnahmsweiſe verfündet dann auch wohl einmal das Drafel, daß die Verſtorbenen fich mwieder einmal am Gebrülle des Viehes

Die Fiſche der Dftfee.

389 e

ergögen wollen; dann zieht der Sohn wieder mit den Seinen zum Grabe des Vaters, So wohnt der gegenwärtige Oberhäuptling der Herero, Kamaharero, auf Grund folchen Drafels wieder in Dfahandya, wo jein Bater Katyamuaba begraben tft. Aber jonjt haben fie es nicht gern, wenn in der nächiten Nähe ihrer Toten viel Lärm und Unruhe gemacht wird, und ich bin einmal mit einem Herero in ziemlichen Konflift gefommen, weil ich mir erlaubt hatte, in der Nähe jenes oben erwähnten Haufes und Grabes des Kahirarapi Ziegel formen und zum

Trodnen auslegen zu lafjen. Mit befonderer Pietät wird dasjenige befolgt, was der Tote furz vor feinem Sterben

als letztwillige

Ver:

ordnung verfügt hat (Oku-virikiza). Meiftens bezieht fich dieſes Oku-virikiza bei den alten Heiden auf das Vieh, in deffen Liebe fie lebten und webten; der Sohn möge ein guter Herero werben, auf die Rinder gut aufpafjen, ihnen zu rechter Zeit Waſſer geben, zu rechter Zeit die friiche Weide auffuhen, die Sitten der Ahnen befolgen nnd ähnliches. Und mancher Alte mag dann wohl auch, dem Volksglauben vertrauend, die Kinder erinnern, daß er auc nach dem Tode ab und zu mwiederfommen werde, um nachzufeben, ob die Kühe auch im guten Stande geblieben

baren Sachen der Eingeborenen zufammenfaufte, gelang es mir wohl, ihre Scheu ſoweit zu überwinden, daß fie mir, dem Miffionar, auch eine ganze Anzahl Zaubermittel verkauften; aber wirklich einen Totenfchädel zu bringen, dazu Fonnte fich feiner, troß des gebotenen hoben Preifes, entjchließen. Ja, eine längere Kifte, in welcher ich ganz

öffentlich nicht® anderes

als Yanzen, Bogen und andere

lange Öegenftände eingepadt hatte, die aber zugenagelt einem rohen Sarge glich, wurde fehr bald für alle meine Hausleute ein Öegenftand des Grauens, weil fie fich bald gegenfeitig damit zu ängjtigen anfıngen, als ob in diefer Kifte die Menfchenfnochen, die ich kaufen wollte, enthalten jeien. Es war ſpaßhaft zuzufehen, mie die Leute, die mit dieſer Kifter fpäter zu hantieren, fie auf den Magen

zu jegen hatten u. ſ. w, immer ſich mit großem Entfeßen beeilten, die lange Kite wieder aus der Hand zu befommen.

dem gewohnten Yauf der Dinge zumider find, weiß id) fein

So iſt es denn auch jehr ſchwer, Leute zu finden, die willens find, einen Menfchen, der aus irgend einer Urfache allein im Felde veritorben ift, zu begraben. So weiß ich, wie einmal eine Leiche viele Wochen an der großen Heer: jtraße von Otyimbingue nach der Walfiſchbai unbeerdigt gelegen bat, weil jeder ſich fcheute, fie anzurühren. Ebenfo haben einige unferer Miffionare, melde im früheren tamaquafriege die in einer Schlacht Erſchlagenen beerdigen wollten, dies ohne die Hilfe ihrer eingeborenen

Beifpiel, daß die Hinterbliebenen nicht den Willen des Ber:

Leute thun müfjen.

itorbenen geehrt hätten. So weiß ich Fälle, wo alte vor— nehme Zeute, welche bis an ihren Tod in der heidniſchen Sitte verblieben waren, doch zuletzt noch anordneten, daß fie nach chriftliher Sitte mit Vermeidung aller heidniſchen

oder gar böfe Abficht, jondern Uebelkeit und Entfeßen ver: binderten fie, die allerdings Schon mehrere Wochen daliegen— den Leichen anzufajien. Da nun im übrigen die Bantuvölfer in ihren Charafter-

Zeremonien begraben werden wollten.

Und dieſe Verord—

eigentümlichfeiten jo ungeheure Vebereinftimmung zeigen,

nungen wurden befolgt, jo ſehr fich viele ſchon auf das Schmaufen der zu opfernden Ninder gefreut haben mögen.

jo möchte ich glauben, daß auch diefes Grauen vor den Toten allen Bantus mehr oder weniger gemeinfam ift und möchte daher meinerjeit3 denken, daß die Erzählungen von den Menfchenfreffern in Zentral: und Südafrika, die ja nicht jelten find, nur mit fehr großer Borfiht aufzunehmen feien. Es fann ja bie und da in einzelnen Fällen von befonderer Nohheit und durch befondere Umftände hervor: gerufener Vorworfenheit vorgekommen fein, dag Menſchen— fleisch verzehrt worden iſt und Nenommiften mögen ſich deſſen vielleicht gerne rühmen, um ihren Feinden deſto größeres Entjegen einzujagen; aber im allgemeinen liegt ihnen doch wohl auch der Gedanke daran ebenfo fern wie uns,

find.

Aber auch dann, wenn die legtiwilligen Verordnungen

Der Herero ift überhaupt dem Tode und den Toten gegenüber durchaus nicht jo gleichgültig, wie man es von jo rohen, wilden Naturmenfchen erwarten möchte. Zunächſt find fie ganz allgemein jo graufig und furchtfam vor

Geſpenſtern, wie irgend ein Kind in Europa; beſtehen doch die Märchen, welche von Geſchlecht zu Geſchlecht meiter überliefert werden, zum großen Teil aus Geſpenſtergeſchich—

ten

von

zurüdgefehrten

Toten.

Niemand

mill gerne

in ftocfinfterer Nacht allein ausgehen und wenn wie es öfters geſchah, in der Nacht zu Kranken

ich, ge:

rufen wurde, waren es meift zwei, die mich zu holen kamen. Nichts in der Welt würde fie beivegen, etiva in ein ana—

Und zwar war diejes fein Eigenfinn

tomifhes Mufeum zu gehen oder einer Sektion beizuwohnen. Sp wenig irgend einer fich ſcheut, beim Schlachten

eines Tieres Hand anzulegen,

jo wenig

empfindlich fie

find, um nicht bei jeder auch noch jo ſchmerzhaften Operation itille zu halten, jo wenig wollen fie etwas von einem menschlichen Leichnam obne die größte Not anfafjen. Schon die Bilder meines anatomischen Atlafjes waren ein Gegen:

itand des Schredens. Als ih in den lebten Monaten meines Aufenthaltes in Damaraland alle irgend erreichAusland

1884, Nr, 20.

Die Fiſche der Offer. Die Fiſcherei, diefer wichtige Zweig der Volkswirtſchaft, bat, nachdem er fo lange in man möchte jagen milder Weife betrieben wurde, in neuerer Zeit allenthalben die Aufmerkſamkeit der vollswirtichaftlichen Kreife und der

öffentlichen Behörden auf fich gezogen und auf dieſe Weife fo 60

390

Die Fiſche der Oſtſee.

wohl auf wiſſenſchaftlichem, als auch auf legislativem Ge— biete eine Bewegung hervorgerufen, welche noch immer in raſcher Steigerung begriffen iſt. Zeugnis davon ſind die

Die Dftfee Tann in Bezug auf ihre Fauna in 3 Ge: biete eingeteilt werden: 1. die weſtliche Ditfee, ſüdlich des Sundes und der beiden Belte bis zum Meridian von

zahlloſen Fiſchereivereine, welche ſich eine rationelle Dez

Rügen; 2. die füdöftliche Oftfee, vom Meridian von Rügen bis beiläufig in die Breite der Inſel Dagö nördlich von

treibung dieſes Erwerbszweiges zur Aufgabe geſetzt haben, die zahlreichen Kommiſſionen, welche von den meiſten Re— gierungen eingeſetzt wurden, um durch ein allſeitiges, wiſſen— ſchaftliches Studium der Frage die Grundlage zu einem zweckmäßigen legislativen Eingreifen zu ſchaffen, Zeugnis deſſen endlich die großen, teils regionalen, teils internatio— nalen Fiſchereiausſtellungen, welche ſich in raſcher Folge folgen und in immer erhöhterem Maße das Intereſſe auch des großen Publikums wecken. Unter den verſchiedenen Kommiſſionen, welche ſich mit der wiſſenſchaftlichen Seite der Frage beſchäftigen, war es wohl von Anfang an die „Kommiſſion zur wiljfenjchaftlichen Erforſchung der deutſchen Meere”, welche mit größtem Er: folge tätig war und deren auf ftreng wiſſenſchaftlicher Baſis rubende, und doch das praktische Ziel niemals aus dem Auge lafjende Studien in diejer Nichtung als Mufter bingejtellt werden fönnen. Ein neues Zeugnis biefür bietet der 4. Bericht Der Kommiffion, welcher foeben unter dem Titel: Die Fiſche der Oſtſee, Berlin 1883, erſchienen ift und die Herren K. Möbius und Fr. Heinde zu Verfaffern bat. Diefer Bericht, auf vieljährigen eigenen Beobachtungen ruhend, bietet in gebrängter Form und in einfacher, allgemein ver— ſtändlicher Sprache ein vollftändiges und erfchöpfendes Kom— pendium der Naturgefchiehte der baltischen Fiſchwelt mit einer Fülle neuer Thatfachen und Gefichtspunfte. Man fann e3 daher dem preußifchen Miniftertum für Landwirtſchaft nur zu Danf wiſſen, daß dasjelbe den Bericht auch in einer Separatausgabe als eigenes Buch erjcheinen ließ und es auf diefe Weife auch meiteren Streifen zugänglich machte. Der Inhalt des Werkes zerfällt in vier Teile, Der erite Teil gibt eine gedrängte Neberficht über den Bau der Fiſche im allgemeinen mit befonderer Berüdfichtigung jener Teile, welche vorzugsweise zu Unterfcheidung der Gattungen

und Arten benüßt werden.

Der zweite Teil enthält eine

ſyſtematiſche Meberficht aller in der Dftfee vorkommen: den Spezies mit kurzen Diagnofen der Oattungen und Arten und foll gewiſſermaßen als Schlüffel zum Beſtimmen der Fifche dienen. Der dritte Teil enthält eine ausführliche, genaue Beichreibung der Arten in ihren verfchiedenen Lebensjtadien, ſowie in ihren verjchtedenen Varietäten und Raffen, nebit Angabe ihrer geographifchen Verbreitung,

ihrer Wohnplätze, Laichzeit und fonftigen Lebensweiſe, nebjt Litteraturnachweis.

Dabei ift von jeder Art eine getreue

Oeſel; 3. die nordöftliche Dftfee, welche den Finniſchen und Bottnifchen Meerbufen umfaßt. Die weftliche Dftfee ift Meitaus am reichten an verfchiedenen Formen und zählt nicht weniger als 95 Arten, von denen 54 als ftändige Betvohner angejehen

werden können. Von diefen 54 Arten fommen 25 in der Strandregion im Gebiete der Seegras- und Tangwieſen vor, 7 halten fi) in der Tiefe auf ſchlammigem Grund auf, während ebenfalls 7 eine pelagifche Lebensweiſe führen.

Unter den litoralen und pelagifchen Arten finden ſich vor— zugsweiſe folche, welche ihrer Herkunft nad) auf märmere Gegenden hintveifen, während die Bewohner der ichlammigen TViefengründe faft ausnahmslos Arten nordiſchen Urſprungs find. Sn Bezug auf die Laichzeit kann man Sommerlaicher Unter den Sommers und Winterlaicher unterfcheiden.

(aichern befinden ſich ſämtliche Süpfifche, während die Ninterlaicher ausnahmslos Nordfiſche find. Die meiften litoralen Fische ziehen fich während des Winters in etwas

tiefere Waſſerſchichten (10 bis 20 Meter) zurüd, da das Waſſer um dieſe Zeit bier wärmer ift als an der Dber: fläche. Nur die Gottusarten, als Fiſche nordifchen Urs iprungs, bleiben auch den Winter über in der Nähe der Küſte.

Zu dieſen 54 Standfiſchen der weſtlichen Oſtſee kommen noch 42, welche ſich nur ſelten und ausnahmsweiſe finden und daher als gelegentliche Gäfte zu betrachten find.

Darunter finden fih 10 Sußwaſſer- und 32 Meeresfiiche. Die Süßwaſſerfiſche gehen nicht in das offene Meer, jondern halten fih nur in bradifchen Buchten auf. Unter den Meeresfiſchen, welche als Gäfte zu betrachten find, kann man ebenfalls, wie bei den Standfifchen, Arten nördlichen

und Arten füdlichen Ursprungs unterfcheiden. Die ſüd— lichen Gäfte halten fich ausfchlieglich in den oberen Waſſer— ichichten auf und erfcheinen regelmäßig im Spätfommer und Herbſt zu einer Zeit, in welcher die oberen Waſſer—

Schichten ſalzreich, warm und mit Futterfiſchen, namentlich Heringen und Sprotten, erfüllt find. Die nördlichen Gäfte find hingegen faft ausnahmslos Tiefenfifche und erjcheinen. vorzugsweiſe im Frühling zu einer Zeit, in welcher die

tieferen Wafferfchichten Falt und falzreich find. Die Anzahl der Arten, welche al3 jtändige Bewohner

Der vierte Teil endlich behandelt die

der füdöftlichen Dftfee betrachtet werden können, beträgt noch immer 52 und ift mithin nur unbedeutend geringer

geographiiche Verbreitung der Fiſche der Dftfee nebit anderen allgemeineren Fragen.

als in der weitlichen Dftfee; doch ift dafür die Anzahl der Säfte außerordentlich reduziert, indem bloß 8 Arten als

Abbildung gegeben.

Bir fönnen es uns nicht verfagen, von diefem 4. Teile,

jolche namhaft gemacht werden können. Bon den Meeres: welcher voll von allgemeinem Intereſſe ift, einen gedrängten fiichen, welche mehr oder minder häufig in der weitlichen Auszug zu geben. Oſtſee vorkommen, fehlen bier nicht weniger als 38 Arten

Irlands Peineninduftrie. und deren Stellen werden durch Bradwaffer-, Sußwaſſer— und Wanderfifche erfegt. Die Fifchfauna der füpöftlichen

Oſtſee iſt auf diefe Weife faſt zu gleichen Teilen

391

eine Abſchließung, Verbauung oder andauernde ruhigung diefer bradijchen Meeresteile.

aus

Beun—

Th. F.

Meeresfiichen und Süßwaſſerfiſchen zufammengefeßt, und es iſt biebei zu bemerken, daß die Süßwaſſerfiſche keineswegs

auf bradifche Küftenlagunen

befchränft find, wie in der

Irlands Zeinenindufrie.

vorhergehenden Negton, jondern daß viele Arten in großer Menge auch auf offenem Meere zufammen mit den Meeres: fiichen gefunden werden. Sehr bemerkenswert ift, daß

nur zwei Arten die Schlammigen Tiefen betvohnen, während alle anderen Arten ſich in den oberen Wafferfchichten auf: halten. Unter den marinen Arten diefes Gebietes find weniger füdliche Formen als in der eftlichen Oſtſee, und die Zauna bat daher im Ganzen einen mehr nordischen Charafter.

45 Arten, welche zum größten Teil Brackwaſſer- und Süßwafjerformen

find, find als ftändige Bewohner

der

nordöftlihen Dftjee zu betrachten, wozu noch 9 Gäſte fommen.

Die 45 jtändigen Arten find jedoch nicht gleich-

mäßig über das ganze Gebiet verteilt. Der Bottnifche Meer— bujen enthält faft nur Brackwaſſer- und Süßwaſſerfiſche,

etwas mehr Meeresfifche enthält der Finnische Meerbufen und verhältnismäßig am veichiten an marinen Arten tft die Schwedische Küfte bis zu den Alands-Inſeln. Bemerfenswert iſt, daß die größeren Tiefen diefes Gebietes faſt gänzlich verödet find, nur die Nalmutter, Zoarces viviparus, findet fich bisweilen hie und da in geringer Anzahl.

Ihrer Herkunft nach finden ſich unter den 54 vorfommenden Arten blos 7 echte Südfifhe, alle übrigen haben einen nordiſchen Charakter, und finden fich darunter

namentlich 3 Arten, Cottus quadricornis, Liparis vulgaris, Stichaeus islandieus, welche zu den charakteriftiichiten

Arten des Eismeeres

gehören und in der Dftfee nur in

diefem Gebiete gefunden werden. Das Vorkommen diefer 3 Arten ſcheint darauf hinzuweiſen, dab die Ditfee vor verhältnismäßig furzer Zeit noch mit dem Eismeere in Ver: bindung jtand, wie denn namentlich der Bottnische Meerbufen auch heutzutage in feinem phyſikaliſchen Verhalten mehr dem Eismeere als den übrigen Theilen der Ditfee gleicht.

Es fönnte in diefer Nichtung noch darauf hingewieſen werben, daß der Bottniſche Meerbufen in früheren Beiten eine große Menge von Seehunden beherbergte und noch im Mittelalter der Nobbenfchlag in diefen Gewällern eine ſchwunghaft betriebene Erwerbsquelle bildete, welche all:

jährlich ganze Flottillen von Nobbenjchlägern anlodte.

Bon Dr, U. Berghaus.

Wie

alle die wohlthätigen

edlen

Erzeugnifje

der

Pflanzenwelt, welche im höchſten Altertum das Menfchen: gefchlecht auf feinem Enttwidelungsgange zur Kultur be: gleiteten, fih eng mit den religiöfen Vorjtellungen der Völker verfnüpften, wie das Griechenvolf in feinem heiligen Delbaume ein Gefchenf feiner Schuggöttin Athene, im Wein: itode eine Gabe des Dionyſos, der ihn von feinen fabelbaften Zügen im fernen Indien heimgebracht, und in dem nährenden Weizenhalm eine Spende der milden Geres erfannte, jo haben auch die Ahnen unferes Volfes das lteblihe Pflänzchen der Spinnerinnen, den Flachs, unter den Schuß ihrer großen Göttin Freya geftellt. Ihr, die noch heute in vielen Bauen unjeres großen VBaterlandes im Munde und in den Sagen des Volfes als Perachta vder Bertha, als Hulda oder Frau Holle fortlebt, war der zarte, Schlanke, fröhlich grünende Halm gebeiligt, der auf

jeiner Spitze die wundervollen Blütenfterne von der Azur: bläue des Himmels trägt; fie it nach der Mythe das vollfommenfte Vorbild der rüjtig Spinnenden Hausfrau,

die nach dem Worte des Dichters ohne Ende die fleißigen Hände regt. An der VBhantafie des Volkes lebte fie nur als Spinnerin; wenn fie nach der Weihnachtswoche ihren jegnenden Umzug durchs Land antrat, war das Katzen— gefpann, welches ihren Wagen zog, mit Strängen von blühenden Flachs angefchirrt; in ihrer Hand ruhten als ihre Symbole der aufgerüſtete Noden und die eilenden Spindeln. In diefen feitlihen Tagen wurden zu Ehren der hohen Schirmerin in Hütten, Burgen und Ochlöfjern, denn auch die Fürftentöchter ſpannen, wie wir dies aus dem Nibelungenliede und aus der Gudrun wiſſen, mächtige Rocken glänzenden Flachies von allen Frauen und Mägden neu aufgeiteet; denn jo verlangte es nach dem frommen Glauben, der fich tief hinein bis in Die chriftliche Zeit erhielt, die Göttin, welche ihre Dienerinnen zur Arbeit gerüftet antreffen wollte. Wenn fie es jo traf, dann half fie auf geheimnisvolle Weife bei nächtlicher Weile den fleißigen Dirnen bei ihrer Arbeit, Sprach ihren Segen über das Haus und fchenkte ihren Lieblingen Spindeln, die in wunderbarer Schnelligkeit Ihwirrten und fich drehten; den

Ein bejonderes Gewicht wird Schließlich von den Berfaflern auf die bradischen Buchten der Dftfee gelegt. Dieſe bradifchen Buchten zeichnen ſich durch ihren außer: ordentlichen Pflanzen- und Tierreichtum aus und find zu: gleich die beliebtejten Yaich» und Brutpläge einer Menge von Fiſchen. Die Erhaltung und Schüßung dieſer bradifchen Buchten muß daher die erite Sorge jener fein, welche den Fiſchreichtum der Dftfee zu erhalten wünfchen, und nichts

Aehnlich ift es bei den Sren, wo die Kultur des Flachſes

fönnte der Fifcherei der Oſtſee jo verberblich werden als

eine uralte ift. Das irische Wort für die Pflanze iſt Lin

Faulen aber zerzaufte und verwirrte fie das Gefpinnit, wenn nicht noch härtere Strafen diejelben trafen. Zahlreiche andere Sagen find bei uns mit dem Spinnen

des Flachſes, überhaupt mit der Leintveberei

verknüpft.

399

Irlands Leineninduſtrie.

in Uebereinſtimmung mit den Namen, die wir im Griechi— ſchen, Lateiniſchen und Sächſiſchen dafür finden. Das deutet uns die gemeinſame Bekanntſchaft mit dem Linum usitatissimum für die verſchiedenen Stämme des ſüdlichen und öftlichen Europa an. In Aegypten war die Kultur des Flachſes eine fehr alte und in den Pfahlbauten der Schweizer Seen hat man ihre Spuren gefunden. Sonach iſt es nicht unwahrfcheinlich, daß Die vom Kontinente nad) Irland berübergefommenen Einwanderer, jeien es die Kelten oder ein jpäterer Stamm geweſen, diefe Kultur mitgebracht haben. Das altirifche Wort Lin findet ſich in einer überaus großen Zabl von alten Ortsnamen über ganz Irland bin. Soolaleen in der Grafſchaft Limerik ift der Flahswinfel, Krokaleen bei Ennisfillen der Flache: bügel, Oortaleen in der Grafichaft Kork das Flachsfeld. Und fo liegt ſchon in der Verbreitung diefer Namen ein Hin— weis darauf, daß die Kultur des Flachſes einjt weiter in Irland verbreitet war, als fie es jet ift und daß die Ans fänge einer Induſtrie, Die jetzt nur noch in einem Teile des Landes blübt, in der Dämmerung der hiftorifchen Zeit allüberall im ganzen Lande gefunden werden fonnten. So war aud) das leinene Gewand immer ein bevorzugtes in Irland und mit Stolz erfchienen die irischen Fürften und Sirieger im gelbleinenem Hemde. In den Schriften des mittel: alterlihen Giraldus Cambrenfis iſt der leinenen Kleider der Seländer, der gelben Gewänder Erins, Erwähnung gethan; es war diejelbe Tracht, in der noch zu den Seiten der Königin Elifabeth die Begleiter Shane (Sohn) OMNeill’s, des Königs von Uljter, am Hofe zu London erjchienen.

ber nach der vollfommenen Unteriverfung von Uliter unter das engliſche Szepter, zur Zeit Cromwells, nahm die Leineninduftrie eine höhere Bedeutung durch den Erport an, nachdem Flachs, Spinner und Weber unter Karl. aus den Niederlanden und aus Frankreich eingeführt worden waren. In dem Prozeſſe gegen den unglüdlichen Grafen Strafford, Karl I. Günftling, der auf dem Blutgerüſte Itarb, ward es ihm zu einer der Anklagen gemacht, daß er durch Einführung neuer, früber nicht gefannter Methoden in der Bearbeitung des Flachſes die Hauptinduftrie Eng— lands, die MWollenmanufaftur, geſchädigt habe, indem er

iwishen Leinwand- Manufaktur,

den Dank

votierte. Die in der Baumwoll-Manufaktur

der

Nation

durch Einführung

von Spinnmaſchinen und Kraftwebſtühlen zur Anwendung gebrachten mechaniſchen Verbeſſerungen gingen unter ge— eigneten Abänderungen, wie ſolche durch die ſprödere Natur des Stoffes geboten waren, allgemach auch in die Flachsinduſtrie über; dennoch muß auch jetzt noch ein Teil

der Arbeit der Menſchenhand nahm

John Kendrew

Flachsſpinnmaſchine;

überlaſſen bleiben.

ein Patent

1787

zur Anfertigung einer

bald darauf errichtete Marſhall mit

Hilfe des Mechanikers Murray ſein großes Etabliſſement auf Spinnmaſchinen ein. 1812 jtellten Charles Turner und

Komp. den erjten mechanischen Webjtuhl für Flachs auf und Barter Brothers und Komp. bauten 1836 eine Lein— wandfabrif für mehr als 200 Kraftjtühle in Dundee. Auf diejer Gattung von Webſtühlen fönnen wöchentlich je 2 Stüd Leinwand gewebt werden, jedes Stüd von 60 e. Ellen Länge Zur Bedienung zweier ſolcher Stühle bedarf es nur der Aufficht einer Frauensperfon, welche ſomit 4 Stüd Leinwand per Woche fertig bringt, während der gejchidtefte Arbeiter auf einem ordinären Stuhl faum mehr als 4 oder 5 Ellen per Tag, alſo höchſtens 30 Ellen oder 1, Stüd wöchentlich anzufertigen im ftande tft. Aehnliches it der Fall mit den Spinnmafchinen, bei welchen ein Mädchen

mit Zeichtigfeit 160 arbeitende Spindeln beforgt, die, weil nie ermüdend, auch bei langjamer Umdrehung mehr Garn erzeugen fünnen, als das duch Menſchenkraft bewegte Spinnrad. Daß übrigens der Handiverfer ein funftvolleres Er—

zeugnis zu liefern vermag, als die monotone Machine, tft leicht begreiflih. Ein Weber in Kirriemuir webte etiva im Jahre 1770 auf feinem Stuhle drei „Hemden ohne Naht”, mit Krauſen und Sinopflöchern, von welchen Hemden eines dem König und eines dem Herzog von Athole zum Ge— Ichenfe gemacht wurde. Ein anderer Handiveber, Anderfon in Dumferline, webte 1321 ein Hemd aus feinftem Stoffe mit dem britiihen Staatswappen in beraldifchen Farben

und Goldfäden auf den Bruftteilen.

Georg IV. belohnte

das ihm verehrte Meifterjtüd mit 50 Pf. St. und Anderfon

auf eigene Koſten für 30,000 Bf. St. — zu jener Zeit

produzierte bald nach der Thronbefteigung der gegenwärtigen

ein jehr bedeutendes Kapital — vlämische Arbeiter hinüber: brachte, um das irische Volk in der Kunſt der Flachsbereitung und Weberei noch mehr zu vervollflommnen. Bald jedoch hörte diefe Mißgunſt gegen die Leineninduftrie auf,

Königin ein Ähnliches Kunſtſtück in Geftalt eines anderen fertig gewebten Hemdes aus Seiden- und Zwirnfäden, am Vorderteile das Porträt der jungen Jürftin, umrahmt von Blumenguirlanden und anderen Emblemen, darjtellend. Iriſche Cambrics auf ordinären Handjtühlen erzeugt, hatten mitunter eine folche Feinheit, daß die Elle mit 2 Guineen

und 1697 bewilligte das Parlament bereits die Mittel zur weiteren Förderung diejer Induſtrie in Irland. Wilbelm II. [ud den Franzoſen Louis Crommelin zur Ueberſiedelung ein, welcher 1000 Webjtühle und Spinnvorrichtungen mit-

bezahlt wurde.

Sogar das Garn für dergleichen Selten:

der föniglichen Leinwand: Jabrifen jowohl den Anbau wie die Verwebung des Flachſes in Irland mit fo bes deutendem Erfolg betrieb, daß das damals noch felbft:

heiten war noch Handgefpinnft. Von 1711 bis 1828 beivilligte da3 Parlament an: jehnliche Summen, welche, mit 6000 Pf. St. beginnend, bis auf 20,000 Bf. St. ftiegen, zur Förderung ſowohl des Flachsanbaues als aud behufs Vervollfommnung des

ſtändige irische Parlament ibm, als dem Begründer der

Spinn- und Webeprozeffes.

brachte und unter dem

offiziellen Titel eines Auffehers

Außerdem wurden bis zum

Politiſch- und wirtſchaftsgeographiſche Rückblicke.

Jahre 1830 hohe Ausfuhrprämien für den Export von Leinwand gewährt, welche noch im Jahre 1829 die enorme Summe von 300,000 Pf. St. erreichten, geradezu

der ſiebente Teil des deklarierten Wertes der damaligen Geſamt-Leinen-Ausfuhr. Dieſes Vorgehen der früheren eng: liſchen Handelspolitik ſtand ganz im Einklange mit einem Ausſpruche Wilhelms III., der, als ihm 1698 in einer von beiden Parlamentshäuſern zugehenden Adreſſe vorſtellig

gemacht wurde, daß die Entwickelung der Wollmanufaktur in Irland jene in England ſchädigen würde, wörtlich antwortete:

„Ich werde alles thun, was in meiner Gewalt

liegt, die iriſche Wollinduſtrie einzufchüchtern (to discourage) und die Leinenindujtrie daſelbſt zu fördern.“ An die Stelle der Staatsjubventionen traten fpäter zu gleichem Zwecke Unterftügungen von Seiten gut fun— dierter Privatgejellfchaften, wie 3.8. von der im Sabre

1841 gegründeten

„Royal

Flax Improvement Society

of Ireland“, an deren Spibe die Königin und der Prinz Albert ſtanden. Nachdem dieſe Gefellihaft ihre Thätig— fett 1859 eingeftellt hatte, bildete ſich die in ähnlicher Richtung wirkende „Flax Supply Association in Belfast.“ Sn Irland bejtanden vor zehn Jahren nicht weniger

als 1380 Schwing und Hechelmühlen, „Scutching mills“, wovon 1295 in der Provinz Uliter ſich befanden; jte haben fi jedoch in den lebten Jahren infolge der herrſchenden

politifhen und fozialen Berhältniffe bedeutend vermindert. Die dortigen Arbeiterzujtände werden

als böchit traurige

gefehildert. Dr. Hamilton, Bezirksarzt in der Öegend von Ulfter, berichtet in den „Factory Reports‘ des Jahres 1875, daß in der Umgebung

von Kookstown, dem größten

Flachsmarkte Srlands, wo während der Herbit- und Winter: fatfon wöchentlich mehr als 2000 Zentner Rohflachs abge— jeßt werden, die Arbeiter, Männer ſowohl wie Weiber,

der Billigfeit wegen Schwefeläther trinken. fröhnen diefem Laſter.

Selbſt Kinder

Es jet ihm der Fall vorgefommen,

berichtet der genannte Arzt weiter, daß eine Arbeiterin am Sonnabend Nachmittag die Werkjtätte verlaffen habe und nächſten Montag morgens wieder dahin zurüdaefehrt jet, nachdem fie in der Zwifchenzeit einem jungen Weltbürger das Leben gegeben.

393

diefelben doch nur dazu dienen, um einzelne wichtige Punkte zu befegen. Schon mit Nüdficht auf die nahende Negenzeit fann ihnen feine Weitergehende Bedeutung beigemefjen werden. Diefer Zeitpunkt ſcheint uns daher geeignet, den Yefern des „Ausland“ einen Rückblick auf die dortigen Berhältniffe vorzulegen. Der fnapp zugemejjene Raum geftattet nicht, nach allen Richtungen hin auf den inter: effanten Gegenſtand einzugeben, jo daß wir die hiſtoriſche Entwidelung der Tongfingfrage ganz übergehen müſſen, umfomehr, als die eigentümlich vermwidelte Yage etwas ausführlicher beſprochen zu werden verdient. Faſſen wir das Berhältnis zwischen Frankreich) und China zunächſt ins Auge: China behauptet, die Oberhoheit über Annam zu beſitzen, erklärt daher, die von Frankreich mit leterem Lande abgejchlofienen Verträge ſeien ohne feine Zuftimmung ungültig, und proteftiert gegen die Nechte, welche die Franzofen auf Grund derjelben auf Tongfing geltend zu machen ſuchen. Es jchiet Truppen dorthin und erfkärt, daß es einen Angriff auf Sontay oder BalNinh als Kriegserflärung betrachten werde, Nach einigem Zigern nehmen die Franzofen beide Städte ein, vollenden hiemit die Beſetzung des Deltas, des wichtigiten Teiles des Landes, und bejegen bie und da weiter vorgefchobene Orte. Trotzdem alfo wirklicher Kriegszuftand eingetreten iſt, fommt e3 nicht zu offenem Kampfe. Beide Staaten haben Gründe, den Streit, fofern von einem folchen geiprochen werden kann, zu lofalifteren. Um diefen eigentümlichen Zuftand zu verjtehen, müfjen wir zunächit das Ziel ins Auge faſſen, welches Frankreich durch den Beſitz von Tongfing zu erreichen hofft, oder zu deffen Erlangung die Befibergreifung von Tongfing viele mehr der erſte Schritt ift. Diejes Ziel wird laut verfündet: Das ganze Annam, der ganze ditliche Teil von Hinter indien, von Siam bis zur chinefischen Grenze, vielleicht noch etwas über diefelbe hinaus, wird als künftige franzöfifche Beſitzung betrachtet. Es iſt dies ein foloniales Reich,

deffen Schäte für das, was man in Indien verloren hat, entjchädigen follen, welches die Herrlichfeiten zu verwirk—

lichen bejtimmt ift, von denen Dupleiv einmal geträumt bat. Diefer Gedanke ſpuckt nicht etwa nur in den Köpfen hauviniftiicher Kolonialpolitifer, fondern ruhige Leute iprechen ihn in deutlichen Worten aus.! Den erjten Schritt

zur Ausführung desjelben that man in Tongfing, einmal,

Politiſch- und wirkſchaftsgeographiſche Kückblicke.

weil man bier gerade eine günftige Gelegenheit zum Ein: greifen fand, dann, weil man erfannte, daß diefer Teil

IE

des annamitifchen Reiches ein wohlhabendes, gut bevölfertes

Tongfing.

Seit der Einnahme von Bak-Ninh am

12. März tft

in Tongfing eine gewiſſe Nuhe eingetreten, die ſich aud) bei uns injofern fühlbar macht, als hie und da ein Tag vorbeigeht, ohne daß der Name des Landes in den Zeit: ungen genannt wird ;und wenn noch) von weiteren Zügen der Franzofen außerhalb des Deltas die Sprache ft, jo können

1 Seroy-Beaulien, der hier gewiß genannt werden, darf, jagt: (De la Colonisation chez les Peuples Modernes, Paris 1882, p.417) Si nous ne savons pas nous établir aussi solidement dans tout l’Annam que les Anglais le sont dans l’Inde, nous aurons manqué

encore une

fois A notre mission colonisatrice,

alors qu’il est si facile de la remplir. D’antres plus perspicaces ou plus persöv&rants viendront, qui feront la recolte oil nous aurons sem£.

394

Politifh- und wirtichaftsgeographifhe Rückblicke.

Land it, deffen Befis in furzer Zeit Vorteile abmwerfen fann. Wichtiger noch iſt er als Baſis für ein meiteres Bordringen nach den füdlichen Provinzen von China durch Erſchließung der Handelsitraße längs des Songka oder auch die Cröffnung anderer Wege, vielleicht aud) einer Straße nach dem oberen Mefong. Indem Frank: veich diefem Ziele nachjtrebt und überhaupt feinen Eins flug in Indo-China auszubreiten fucht, verfolgt es aller: dings zunächit fein eigenes Intereſſe. Bon einem höheren Geſichtspunkte aus betrachtet tritt esaber auch als Vor— fämpfer für die Intereffen von ganz Europa ein, und zivar nach zwei verfchiedenen Richtungen hin, Einmal nämlich wird es, wenn ihm die Löſung feiner Aufgabe glüdt, zu: gleich Europa den ſüdweſtlichen Teil Chinas und die dahinführenden Handelsftraßen erjchließen, alfo ein neues Han— delsgebiet eröffnen, wenn es vielleicht auch anfänglich verfuchen follte, fich bier ein Monopol zu fichern. Dann aber wird es für ſich und für Europa im allgemeinen eine breite Baſis Schaffen, auf welcher der wirtichaftliche Kampf mit Amerika mit Ausficht auf Erfolg aufgenommen mer: den kann. Wiewohl jest Schon der amerifanifche Einfluß ih in jenem Gebiete geltend zu machen fucht und au) geltend macht, jo iſt doc) die Bedeutung der Union in dieſem Himmelsſtrich bisher noch gering im DBergleich zu dem, was fie vorausfichtlich päter fein wird, wenn die Eröff— nung des Banamafanals den Schiffen, welche das Sternen: banner führen, einen bedeutenden VBorfprung über diejenigen gewährt, welche von der alten Welt her die Geftade des Stillen Ozeans zu erreichen ſuchen. Wenn nicht alles trügt, liegt e8 überhaupt im Intereſſe Europas, fih nad Diten bin neue Bahnen zu eröffnen und wenn dies glüct, wird es ſich einmal an der weltlichen Küfte des Pazifik ent: Icheiden, wem, in wirtichaftlicher Beziehung wenigſtens, die leitende Nolle in der Welt zufallen wird, ob Europa oder Amerika berufen it, an die Spite zu treten. Aug dem eben Geſagten erklären ſich manche Borgänge während de3 bisherigen Streites. Außer China Sieht namentlich England das Vorgehen Frankreichs mit nicht gerade freundlichen Augen an. Seine Eiferfucht tritt Frankreich bei der Ausführung feiner Bläne in den Weg und gönnt ihm die direkten Vorteile nicht, welche die Briten am liebjten für ſich ſelbſt behalten möchten. Wir brauchen wohl nicht daran zu erinnern, welche An ftrengungen man auf englifcher Seite gemacht hat und noch macht, um das ſüdweſtliche China auf einem anderen Wege zu erreichen. Ber diefer offenen Mitbeiwerbung blieb man jtehen; vielleicht hat man hier und da mit gejchieter Hand einige Steine aufden von Frankreich eingefchlagenen Pfad gerollt, vielleicht auch fich einen Fleinen oder großen Vorteil im geheimen als Entſchädigung gefichert. Direkt aber tjt man den Franzofen nicht entgegengetreten und wird es wohl nicht thun, da der Gedanke fih mehr und mehr Bahn bricht, daß die Zeit drängt, um dem Weltverfehr eine neue Bahn zu eröffnen, und daß Frankreich augen:

blilich am beiten die Gelegenheit hat, es zu thun. Biel: leicht auch überläßt England ihm gewne die bejchwerliche Aufgabe, deren Löfung, wie wir weiter unten jehen mer: den, immer noch eigentümliche Schwierigkeiten bietet. Um

die bejtehende Eiferfucht Englands vom thätigen Eingreifen zurüdzubalten, wirft noch ein anderer Umſtand mit. Wie

groß aud der Wetteifer zwifchen den verſchiedenen Natio— nen fein mag, fo jchließen fie fich doch in Oft-Afien, na— mentlich gegen die Chinefen, enge zufammen.

Der Einzelne,

welcher durch längeren Aufenthalt im Auslande etwas fosmopolitifch angehaucht ift, die Kolonien, welche ſich auf fremder Erde bilden, fühlen es im allgemeinen, daß es auch Intereſſen gibt, welche allen Europäern gemeinschaftlich

find, und unwillkürlich dringt dies Gefühl bei großen Na— tionen

durch, deren Angehörige vielfach in Kolonien vers

fehren.

England gönnt feiner von beiden Parteien einen

entjcheidenden Borteil, wie auch die Würfel fallen mögen.

Man glaubt, die Folgen wären für die Europäer im allge meinen nachteilig; ein Sieg der Franzofen würde die Inter— eſſen Aller im Reiche ver Mitte den größten Verfolgungen aus: fegen, ein Sieg der Chinefen aber dem Hochmut diejes Volfes zu Sehr fchmeicheln, das Uebergetwicht derjenigen unter ihnen,

welche von gar feinem Verfehr mit Europäern hören wollen, zu ſehr fteigern und durch einen offenen Kampf beider Mächte würden jedenfalls die englischen Handelsinterefjen und die Europas im allgemeinen fehr zu leiden haben.

Auch auf chinefisher Seite machen fich verjchiedene Nüdfichten geltend, welche dazu beitragen, daß man auch

dort alle entſcheidenden Schritte zu vermeiden jucht.

Ab—

gefehen davon, daß man ſich in China recht wohl bewußt ift, man fer nicht im jtande, den Kampf mit Frankreich allein mit Ausfiht auf Erfolg aufzunehmen, find die

Chinefen, wie die Nachbarn dankbar erkennen müſſen, feine friegerifche Nation; fie wünjchen gewiß feinen Kampf, wo

ev fich vermeiden läßt. Ein jehr zufälliger Umftand trägt aber gerade jeßt jehr viel Dazu bei, jede entjcheidende Maß— vegel für die, welche jte nehmen fünnten, ſehr gefährlich zu machen.

Es iſt die die Minderjährigkeit des Kaifers, Wenn er im Juli mündig fein wird, haben nad) chinefifcher Sitte alle Beamte, denen während feiner Minderjährigfeit die Ausübung irgend eines Teiles der Faiferlihen Autorität anvertraut war, „dem hohen Hofe der Zenforen” Rechenschaft von ihrer Amtsführung zu geben. Bei Prüfung ihrer Berantivortung wird aber der Schwerpunft darauf gelegt,

ob die Fatferlichen Vorrechte durch die Amtsführung der MWürdenträger gefchädigt oder auch nur in Gefahr gebracht worden find und jede Berfon, fer fie auch von fatferlichem Blute, wird zum Verräter erflärt und als ſolcher beftraft, wenn ihr nachgewiefen werden kann, daß fie den ihren Händen anvertrauten Teil der faiferlichen Autorität irgend: wie hat ſchwächen laffen. Hieraus erklärt ſich zum großen Teil die unfichere Haltung der. hinefifchen Würdenträger;

denn bei jedem entfcheidenden Schritt, in welcher Nicht:

Politiſch- und wirtſchaftsgeographiſche Rückblicke.

ung er auch gethan würde, geht es für ſie, wenn der Er— folg fehlt, um den Kopf. Beiſpiele hiefür ſind durchaus nicht alt. Im Jahre 1861 verurteilte der Hof der Zen— ſoren, welcher nach dem Tode des Kaiſers Hien-Funh ſeines Amtes waltete, die Gegner des Fortſchrittes zum Tode; es waren Prinz Tſai-Men, Prinz Tſchun und Su-Schun, alle drei Tartaren und die beiden erſten Verwandte des

kaiſerlichen Hauſes. Alle drei hatten den Fremden jeder— zeit eine große Abneigung bewieſen und die Anklage gegen ſie lautete: „Sie haben ſich den Feinden gegenüber einer Pflichtvergeſſenheit ſchuldig gemacht und dieſelben gereizt, wofür ſich letztere durch die Zerſtörung von YMen-Ming— Men rächten, welchen Platz unſer verſtorbener Kaiſer auf— geben mußte, ſo daß ſein Herz vor Kummer brach.“ Das Urteil lautete auf Tod der Rebellen, d. h. die Verurteilten ſollten in Stücke zerſchnitten werden. Die beiden erſt— genannten Prinzen wurden „zum Selbſtmord“ begnadigt

und Su-Schun

wurde

enthauptet.

ficht auf ſolche Gefahr

die Luft,

Daß nun mit Nüceinen

Schritt zu thun, bei den Würdenträgern

entjcheidenden

des Neiches der

Mitte nicht eben groß fein kann, ift, wir wiederholen es, einleuchtend. ! i Auch die inneren Zuftände Chinas jcheinen nicht ganz befriedigend zu jein, da man die geheimen Gejellichaften mit einer gewiffen Unruhe betrachtet. Es heißt, daß die Gefellfhaft der „Dreiheit”, San-ho-hui, und die der

395

wohl einfieht. Sit doch felbit im erſten Freudentaumel nach der Beſetzung von Bak-Ninh der Kurs der franzöfischen

Staatspapiere um einige Gentimes gefallen. Wir wollen nun die dreifache Aufgabe und das Feld, auf dem fie gelöjt werden muß, näher ins Auge faſſen. Die Berichte über Land und Volk ftimmen durchaus nicht überein; daher begnügen wir ung, einige wenige verbürgte Angaben herauszugreifen, die für die Beurteilung der Sadlage nötig find. Das Delta von Tongfing, auf

dem die bisherigen Vorgänge fich abgefpielt haben, bildet ein ziemlich gleichjchenfeliges Dreied, deffen von Nordweſt nah Südoſt laufende Bafis von den Städten Quang— Yen im Norden und Ninh-Binb im Süden begrenzt wird; die Spike des Dreieds liegt etiva in Sontay. Die Berge, welche bis dem genannten Dirt gegenüber den Flußlauf auf dem Iinfen Ufer begleitet haben, treten in öftlicher Richtung zurüd und erheben fich zwischen Sontay und Quang-Yen jtufenförmig in nördlicher Richtung; die böchften, von Quang-NYen aus fichtbaren Gipfel erreichen

eine Höhe von 1100 bis 1300 m.

Dur) die Spite des

fommen find und dort der Zukunft mit einer gemwifjen Ruhe

Dreieds bei Sontay tritt der Rote Fluß (Songka) ein, nachdem er furz vorher die bedeutenditen feiner Nebenjlüffe, den Schwarzen und den Klaren Fluß, aufgenommen bat, Dieſe Bereinigung tft von furzer Dauer, dann teilt ih der Strom in zwei Teile, mit vielen durch Kanäle verbundenen Armen; aud von der Nordfeite durchbricht ein Fluß, der Thai-Binh, die Gebirgsmafje, welche das Delta begrenzt und ſcheidet ſich bei Bak-Ninh in zahlreiche Hefte. Alle diefe vom Songfa und vom Thai-Binh ſich abzweigenden Waſſerläufe, zwiſchen denen viele Fünftliche Verbindungen bejtehen, bilden ein Ne im Delta, von dem man ſich ohne eine Karte in ziemlich großem Maß— ſtabe faum ein deutliches Bild zu machen im jtande it. Zwiſchen dem 20. und 21. Breitegrad zählt man

entgegenfehen fünnen, von Seite der Chineſen entjcheidende

etwa 20 vom Songfa und vom Thai-Binh fich abzweigende

Schritte zu erwarten hat. Die Aufgabe, die Frankreich zu löſen berufen ift, wird alfo eine dreifache fein: Es

und mit dem Meere in Verbindung ftehende Fluß: und Kanalmündungen. Die des Gongfa find beinahe alle dur) Sandbänfe gefperrt. Es gibt nur einen Eingang, der für Schiffe bis zu etwa 3 m, Tiefgang brauchbar tt (Trasli); beffer ift der Eingang in die zum Thai-Binh gehörige Kam-Mündung, wo Schiffe bis zu 6,5 m, Tief gang! einlaufen und bis Haiphong fommen fünnen, Iſt ichon der Eintritt und die Fahrt auf dem unteren Teil des Fluffes ſchwierig, jo wird fie noch beſchwerlicher auf dem obern Lauf, wo fie ſehr von der Negenmenge abhängig tft und

„Weißen Lilie”, Pe-Lien-Kiao, ſich vereinigt haben, um die herrſchende Dynaſtie zu ſtürzen;

ſolche Verſchmelzung

doch auch ohne eine

find dieſe Gefellfchaften

gefährlich

genug, da fih in ihnen allerlei revolutionäre Elemente zufammenfinden.

Wir glauben daher nicht, daß man gerade jebt, wo die Franzofen thatfächlih in den Belit des Deltas ge

hat fich zunächſt im Delta einzurichten, vielleicht auch über die Grenzen hinaus zur Verteidigung und zum Schutze de3 Gewonnenen einen Guerillafrieg zu führen.? Zweitens

muß e8 die Teile des Landes, welche es außerdem zu be ſitzen mwünfcht, erobern und endlich muß

es die Zugänge

zum ſüdweſtlichen China erjchliegen. Mit der Beſitznahme des Deltas ift alfo nur eine Bafis für die weiteren Schritte gewonnen, aber durchaus noch Fein entjcheidendes Nefultat erreicht, wie man in Paris an maßgebender Stelle recht 1 Während wir dies jchreiben, hören wir, daß die Kaiſerin Prinz Kung und fünf Mitglieder des Rates ihrer Stellen enthoben hat. Diefer Prinz, der Bater des jungen Kaijers, ftand an der Spitze der Kriegspartei; jollte vielleicht Kong gelefen werden miffen? Dieſer gehört der Friedenspartei an. 2 Nah den letten Nachrichten ift diefe Möglichkeit durch einen chinefifch-franzöfischen Vertrag, der Tongking an Frankreich abtritt, bejeitigt. A.d.N.

in der trodenen Jahreszeit beinahe unmöglich wird; übrigens jtimmen englische und franzöfifche Quellen nicht immer in ihren Angaben überein. Allem Anfcheine nad) können leichte Fahrzeuge das ganze Jahr bindurh bis Konenele fommen, von hier bis Laokoi findet man viele Sandbänte,

Felfen und Steomfchnellen; 1 Edmond

Cotteau:

Un

1884, jpricht von 4 bi$ 5 m,

in der trodenen touriste

dans

Jahreszeit

l’Extreme

Orient,

Politiſch- und wirtſchaftsgeographiſche Rückblicke.

396

können nur Boote unter vier Tonnen Tragvermögen den Fluß befahren. Stromaufwärts von Laokoi, der chineſiſchen

Grenze, an ſcheint der Fluß für den Handelsverkehr keine große Bedeutung mehr zu beſitzen, bis bei Mauhao jede Schiffahrt aufhört. Der Schwarze Fluß, der übliche

Nebenfluß

des

Songka,

ift nur

zwei Tagreifen

weit

von der Mündung des Tſong Vo befahrbar, während der Klare Fluß und feine Nebenflüffe, ebenfo wie der ThatBinh, ein Vordringen bis über die Grenze hinaus gejtatten. In nördlicher Richtung führen verfchiedene, worunter zwei größere Straßen nad) China; den füdlichen Teil mit der Strafe nad dem Mefong fönnen wir, als zunächit weniger wichtig, bier unberüdfichtigt laſſen. Das Delta trägt ein eigentümliches Gepräge; mehrere Meter hohe Dämme follen zum Schuß gegen die Ueber: ſchwemmungen dienen, die fie aber nicht immer verhüten fünnen. Schon im April, fpäteftens im Mai, fangen die Ges wäſſer an zu fteigen; die ganze Feuchtigkeit, welche die nafje Sahreszeit über das beinahe rechtiwinfelige Dreied zwiſchen den Höhen, welche die Waſſerſcheide nad) dem Kantonfluß einerfeits, nach dem oberen Mefong bis etwa zum 20. Breiten= grade andererfeits bilden, ausfchüttet, muß durch das verhältnismäßig fleine Delta ihren Ausweg finden. Im Auguft find die Neisfelder des unteren Teils desfelben in eine ungeheure Wafferfläche verwandelt, aus der fich hie und da, wie ebenso viele Inſeln, einzelne Baumgruppen, Dörfer, Pagoden 2c. erheben. Aus diefen periodiſchen Ueberſchwemm— ungen erklärt es ſich leicht, daß die Schiffahrt in dem Unterlauf der Flüſſe immer ſchwieriger wird, da die Negen ſtets mehr Erde und Gerölle anjpülen. Hanoi joll bei feiner Erbauung im 8. Jahrhundert am Meere gelegen haben; im 17. Jahrhundert noch war das Yand, welches jich heute zwiichen der genannten Stadt und dem Meere befindet, zur Hälfte mit Waffer bededt. Der angeſchwemmte Boden befist eine große Fruchtbarkeit, welche die zahlreichen,

fleißigen Bewohner nad) Kräften ausnußen.

Zweimal im

Jahre wird Reis gepflanzt, daneben werden viele Produkte für den Außenhandel gewonnen. Das Bild, welches das Delta bietet, iſt, troßdem e3 ich Schon beinahe an der Grenze der beißen Zone be: findet, ein vollfommen tropifches. Das Klima iſt reich an Abwechslung. In der fühlen Jahreszeit fällt das Thermo: meter bis auf 80 und 10°, fo daß bei feuchter Luft die Kühle empfindlich wird, im Sommer jteigt die Hibe bis über 40%, Die mittlere Temperatur wurde in Hanoi in zwei Beobachtungsjahren auf 23,50 feſtgeſtellt; die höchſte Monatstemperatur im Juni betrug 31,49, die niedrigfte im Sanuar 14,30, die mittlere Negenmenge 1,302 m.

Wiewohl man e8 der Lage und den Elimatifchen Verhältniffen nad faum glauben follte, ftimmen alle Driginalberichte darin überein, daß das Klima gefund, jedenfalls viel gefünder als das des Hügellandes und das der angrenzenden binterindifchen Länder iſt; vielleicht trägt die ftarfe

Abwechslung dazu bei, den Körper widerftandsfähiger zu

machen. Die Städte des Landes haben eine vollfommen chinefische Phyfiognomie, da der Handel, defjen Zentrum in Hongfong liegt, von Chineſen beherrſcht wird; an denjelben läßt fich ettvas wie verfallene Größe bemerfen, troßdem nennt ein Franzoſe Hanoi das Paris des annamitifchen Kaiferreichs: „ES erfindet neue Stoffe, drudt Bücher, beherrſcht Mode und Gejchmad, jedenfalls ift es der Mittel:

punkt der Ziviliſation in Tongking!“ Das über das Delta hinausgelegene Land ift beinabe

ganz

unbefannt,

Chinefen, ſowie

nur

Berichte

vereinzelte

Die Grenze der Wälder,

von

von

Eingeborenen

Miffionaren

welche

und

liegen vor.

einen breiten Gürtel

bildet, der das Land im Norden und Nordweſten umfaßt und beinahe undurchdringlich fein foll, wird als nicht weit vom Fuße der Hügel entfernt angegeben. Diefer Strich iſt dünn bevölfert und fehr ungefund. Hier herrſcht das furchtbare Waldfieber, welches durch die zwiſchen den

Wurzeln der Bäume

znrüdbleibende

Feuchtigkeit verur—

jacht wird. Noch weiter nach der fehr verfchieden ange: gebenen chinefilchen Grenze befindet ſich das „beftrittene”

Land.

Wie es jcheint, ift der Metallreichtum fehr groß.

Ein wertvolles Kohlenlager von 110 Km. Länge, welches

jih von Dong-Trieu

bis Baho ausftreft und 15 Km.

Breite bejißt, liegt im Delta und defjen nächſter Nähe und viele mertvolle Metalle ſcheinen nicht nur auf fran-

zöfischen Karten, wo ihre Namen in angenehmer Abwechs— lung erjcheinen, vorzufommen, fjondern der Wirklichkeit anzugebören.

Die meilten der Fundſtellen, welche exploi—

tiert werden, Liegen im nördlichen Gebirge, nur eine Gold» mine in der Provinz Bak-Ninh.! Nachdem wir ein allgemeines Bild von der Natur des

Landes zu geben verfucht haben, wollen wir jeßt die Be— völferung und mas diefelbe bis jett geleistet hat ins Auge fafjen.

Mit den Annamiten, welche füdlicher wohnen,

nahe verivandt, jcheinen die Tongfinefen doc) jeßt einen abweichenden Typus angenommen zu haben; einesteils der häufige und innige Verkehr mit den Chinefen, andererfeits der Umgang mit den SHügelbewohnern, den Laos, im Weiten hat zur Veränderung der Nafje beigetragen. In

ihrem Neußeren, in ihrer Kleidung und ihrer Arbeit unter: ſcheiden fie fi) von den jtammverwandten Völferfchaften; mancher Zug bei ihnen erinnert lebhaft an Eigentümlichfeiten der Malaien. Weichlich, einfach, arbeitfam, intelligent, erden fie genannt, dabei fröhlich, lärmend und ohne Sorge für die Zukunft. Die franzöfifchen und ſpaniſchen Miſſionare, die dort ſchon lange wirken, haben etiwa eine halbe Million derfelben zum Chriftentum befehrt. Daher it den Tongfinefen auch im Innern des Landes der Anblick von Europäern nicht fremd und fie haben Gelegenbeit gehabt, auch die guten Seiten derjelben fennen zu

lernen.

Wirklich fchienen

fie früher Sympatbie

! Ueber die Metallſchätze Tongfings Nr. 13,

fiche „Globus“

für die XLV.

Poliliſch- und wirtſchaftsgeographiſche Nitckblice.

Franzoſen zu bejigen, jeßt heißt es, diejelbe ſei verſchwun— den. Ob dies nur eine Anficht des „Times-“Korreſpon— denten (Colquhoun) tft, der alles, was in Tongking Bezug auf die Franzoſen hat, mit Vorliebe grau in grau malt, oder ob vielleicht die Heldenthaten der Zephyrs und der Fremdenlegion, welche gegenüber wehrlofen Eingeborenen verübt wurden, zu diefer Entfremdung beigetragen haben, wagen wir nicht zu unterfcheiden, möchten uns jedoch zu leßterer Anficht hinneigen.

Das Delta ift fehr gut bevölfert.

Die Zahl der Be-

wohner des Landes wird auf 10 bis 20 Millionen gejchäßt.

Nimmt würde

man fih

eine Mittezahl eine

von

Durchſchnittszahl

15 Millionen an, fo von

33

Geelen

per

397

die franzöfifche mit 50%, teil, übrigens fiel der Anteil der letteren größtenteils einer fubventionierten Dampferlinie zu. Ob daher der Verkehr bei weiterer Erfchließung des Yandes, wie die Franzoſen hoffen, fih nad Saigon, dem Mittelpunkt des künftigen indoschinefischen Kolonialveiches ziehen wird, iſt eine Frage, die wohl wenigftens für die nächfte Zukunft um jo mehr verneinend beanttwort werden muß, als auch der Handel im Innern ausfchlieglich in Händen von Chinejen iſt. Daß der Handel bei einer ge Ichieften Zeitung einer ſehr großen Entwidelung fähig ift, daß Haiphong wahrjcheinlich beitimmt tft, einen der erjten Plätze in der Reihe der oftafiatischen Handelsjtädte einzu: nehmen, ſcheint uns ziemlich ficher; ebenfo aber, daß die

Quadrat-Kilometer ergeben, was mit der Durchfchnittszahl

direkten Vorteile für Frankreich nicht jo groß fein werden,

von

den Angaben nad), welche den Zollbehörden gemacht worden

wie man dies höchſt mwahrjcheinlich erivartet, wenn man nicht, wie Schon oben angedeutet, fih ein Monopol zu fichern fucht. Doc abgejehben von den Handelsvorteilen it die folonifatorifsche Aufgabe, welche die Sranzofen in Tongking zu erfüllen haben, ſchön und vorausfichtlich auch lohnend. Es handelt ſich zunächſt darum, im Delta Ruhe und Sicherheit wiederherzuſtellen, das Land wieder auf— zurütteln, dem beſtehenden Ackerbau durch höhere In— telligenz einen größeren Aufſchwung zu geben und nament— lich die Eingeborenen zu bewegen, Stapelprodukte für den Kolonialmarkt, die ſich immer noch recht gut bezahlt machen, in größerer Quantität als bisher anzubauen. Voraus— fichtlih wird man ſchon aus militärischen Nüdfichten gleich anfangs über die Grenzen des Deltas hinausgreifen müffen, um fich einen ungejtörten Aufenthalt in demſelben zu fichern, ferner, um ſich der ergiebigiten Minen im Hügel(ande zu bemächtigen. Man wird geziwungen fein, Etappen— itraßen nad) denfelben anzulegen, die durch militärifche Poſten gedeckt werden und endlich wird man die Handels: ftraßen nad) dem ſüdlichen China eröffnen oder richtiger

waren,

gejagt erjt anlegen.

ganz Europa

ungefähr übereinftimmt.

In Annam—

Tongfing iſt aber die Bevölkerung jehr ungleich verteilt. Die Bevölkerung des Hügellandes wird auf 300,000 bis 400,000 Seelen gejhäßt; um jo dichter natürlich ift die Bevölkerung der mehr bewohnten, fruchtbaren und bebauten

Landſtriche und unter diefen fteht, wie auch direfte Beob— achtungen nachweifen, das Delta obenan. — Wenn man den Drud berüdfichtigt, unter dem das Volk hier gelebt, jo muß man ſich über das wundern, was es dort noch ges leistet hat, befonders, wenn man die entnervende Sonnen: bite im Delta bedenkt. Wir benügen die Mitteilungen, welche Herr v. Kergaradec, der 1881 als franzöfischer Konful in Haiphong lebte, über die Handelsbewegung des Jahres 1880 gemacht hat. Spätere Angaben können nicht unbedenflih angenommen werden, teils weil fie unvollſtändiger find, teils weil die Umftände, auf welche fie fich beziehen, ſchon unter dem Einfluß äußerer VBerbältniffe zu abnormalen geworden waren und die Ergebnifje nicht als durchichnittliche angenommen werden fünnen. Die Einfuhr betrug 5,5 Millionen, die Ausfuhr 7,5 Millionen Fres.,

erheben.

um

danach

die Abgaben mit 5%, vom Werte zu

Dieſe Angaben find jedoch ficherlich zu nieberig;

In ihrem jetzigen Zuſtande können

Hongkong, 20/, aus annamitischen Häfen, 1/,0/, aus Sai—

fie den Bedürfniffen des Handels, der feinen Weg längs derfelben zu nehmen bejtimmt ift, mit Nüdjicht auf die gehoffte Entwicklung keineswegs entiprechen. Der Waſſer— weg iſt in feinem jegigen Zuftande doch nur ſehr unge: nügend und die Franzofen erkennen es teilweise ſelbſt ſchon an, daß zur Ausnüsung der füdlichen Provinzen Chinas auch eine Eifenbahn angelegt werden müſſe. Vom Yandweg weiß man fehr wenig. Herr v. Kergaradec hat denjelben von Baf-Ninh bis Thai-Nguyen, Herr Aumoitte von Bak-Ninh bis Lang: Son (beide 1881) zurüdgelegt. Der „Temps“, der an diefe Neife erinnerte und eine Be—

gon eingeführt.

figurierte Neis mit

ichreibung des Weges mitteilte, machte ſelbſt den Vorſchlag,

39%, rohe und gewebte Seide mit 21%), Zinn mit 160/0,

zwiſchen den franzöſiſchen und chineſiſchen Beſitzungen einen breiten, unberührten Streifen beſtehen zu laſſen, deſſen Neutralität die Natur ſelbſt noch lange beſchützen werde. Man ſieht aus dieſen kurzen Andeutungen, daß in

nimmt man biezu noch die Ausfuhr von bavem Oelde und den Opiumbandel, womit die Zollbehörde nichts zu thun hatte, jo kann der Geſamtwert des Außenhandels auf 18, vielleicht auf 20 Millionen Fres. veranschlagt

werden. An der Einfuhr partizipierten verjchiedene eng: liſche Waren mit z, Opium, das größtenteils über Hong: fong von Benares fam mit !/; des Gejamtbetrages, der Reft der Waren beftand aus Thee, Tabak und verschiedenen Artikeln; der größte Teil, 97 1,0, der Einfuhr wurde von Unter

der Ausfuhr

Lad mit 6%), verschiedene Waren mit 180%.

790), der

Ausfuhr ging nad Hongkong, 16%, nad) Saigon, 5%, nach der Küſte. An derfelben nahm die englische Flagge mit 350/,, die amerifanifche mit 20%), die hinefische mit

23,5 0/0, Die deutfche mit 11%), die holländifche mit 5,500,

Tongking noch ſehr viel geſchehen muß und es wäre zu wünfchen, daß die Umſtände ſich in einer Weiſe geſtalteten,

398

Kleinere Mitteilungen.

welche Frankreich möglich machte, ſich dieſer Aufgabe mit

aller Energie hinzugeben.

Traurig wäre es, wenn man,

abgeſehen von den oben angedeuteten, vielleicht notwen— digen Eroberungen ſich irgendwie veranlaßt fühlte, ſich weiteren Beſitz ſchnell anzueignen, ſei esin Chuſan, Hai— nan oder dem ſüdlichen China, damit eigentliche Eroberungs— politik zutreiben und den Beſitzungen größere Ausdehn—

ung zu geben auf Koſten des intenſiven Wertes, den ſie jetzt ſchon beſitzen und der verhältnismäßig ſicher, wenn auch mit Aufopferung und Anſtrengung ſehr erhöht wer— den könnte. Ob nun aber Frankreich ſich der intenſiven Entwick— lung ſeiner neuen Kolonie zuwenden wird, iſt eine Frage, deren Beantwortung wir der Zukunft überlaſſen müſſen. Nicht, daß wir an den Fähigkeiten der Franzoſen, den inneren Wert Tongkings durch gute Organiſation der

Verwaltung, durch wohlüberlegte Ausnützung ſeiner Hilfs— quellen zu erhöhen, zweifelten, ſondern wir glauben nur, daß ſie vielleicht nicht geneigt ſein werden, ſich dieſer friedlichen, emſigen Arbeit ruhig und ausdauernd zu widmen, oder auch, daß die Verhältniſſe ihnen nicht erlauben werden, dieſes ſchöne, wenn auch wenig ſchimmernde Ziel mit Ruhe

zu verfolgen.

Wir haben oben ein Wort niedergeſchrieben,

welches vielleicht noch einer näheren Erklärung bedarf. Häufig wird es als eine Thatſache hingeſtellt, daß den Franzoſen, die Fähigkeit zum Koloniſieren mangelt. Wir können dem durchaus nicht beipflichten. Das Verhältnis der Franzoſen, als Raſſe betrachtet, gegenüber den Be— wohnern ihrer Beſitzungen, welche ſogenannten niedrigen Raſſen angehören, iſt ganz gewiß zu keiner Zeit und an keinem Ort der Erdoberfläche ein ſchlechteres geweſen als das anderer Nationen. Wie ſie es verſtanden haben zu koloniſieren und wie ihr Geiſt da, wo ſie ſich niederließen, durchdrang, lehrt uns die Geſchichte und auch die Gegen— wart. Daß ihre ſpäteren Koloniſationsverſuche nicht den Erfolg hatten, den man erwartete, liegt wohl zunächſt in politiſchen Verhältniſſen; dann aber möchten wir den Haupt: nachdruck darauf legen, daß es vom Staate unternommene Koloniſationen waren und für folche fehlt jeder Maßſtab

der Vergleihung. Wir glauben faum, daß wenn andere Staaten zur Gründung derartiger Kolonien übergehen wollten, der Erfolg

ein größerer

fein würde.

mögen diefe twenigen Worte genügen.

Für jest

Wir hoffen näch:

tens eine der jüngften franzöfiichen Kolonien und ihre Entwidlung ausführlicher zu befprechen und werden dann vielleicht Öelegenheit haben, diefen Punkt eingehender zu behandeln.

Kleinere Mitteilungen. Deutſche Forſchungsreiſende nach dem tropischen Südamerika, Während die Afrikas wetteifern,

europäiſchen Nationen in der Erforſchung geſchieht fir Südamerika nur jehr wenig,

obwohl dort in geographijcher und insbeſondere ethnographiſcher Beziehung noch fo ſchöne Nefultate erzielt werden fünnen. Mit um fo größerer Freude ift es daher zu begrüßen, daß einige unferer Landsleute ſich die Erforfchung jenes Kontinents zur Auf: gabe gemacht haben. Die Expedition befteht aus den Herren Dr. Carl v. d. Steinen, Dr. Otto Clauß und Wilhelın v. d. Steinen; die beiden exfteren Herren waren Mitglieder der deutjchen Expe— dition nach Süd-Georgien, der erfte, der ſchon vorher eine Reife um die Erde gemacht hatte, als Arzt und Boologe, Dr. Clauß als Phyfifer; W. v. d. Steinen ift Yandihaftsmaler. Die Herren find wohl jett ſchon won Aſunzion, wo fie Mitte März waren, mit dem brafiltanischen Poftdampfer nad) Koruimba und von dort auf einer Chata nad Kuyaba gefahren. Bon letzterem Drte aus wollen fie nach dem Xingu, einem Nebenfluffe des Amazonas, der unjeres Wiffens bisher nur einmal und zwar im Jahre 1862 vom Prinzen Adalbert von Preußen bis zum 60 f. Br. befahren wurde, durchdringen. Sollte diefes nicht möglich fein, jo gedenken fie fi dem Tapajos zuzumendeu, um diefen Hinunterzufahren. Die Forſcher reifen auf eigene Koften, die brafiltanifche Regierung hat ihre Unterftägung durch Eskorte 2c, zugefichert. Die Eleine Expe— dition ift wiffenfchaftlich gut vorbereitet; die anthropologiſche Seite wird Herr Dr. C. v.d. Steinen vertreten, die Ortsbeftimmungen wird Herr Dr. Clauß machen Wir wünſchen den Herren zu ihrem

ebenfo jehwierigen,

wie

wiſſenſchaftlich

wichtigen

Unter—

nehmen viel Erfolg und vor allem unter den Tropen denjelben trefflihen Gefundheitszuftand, deſſen fie fi während ihres eiu— jährigen Aufenthaltes im antarftiichen Gebiete erfveuten. Weber merifanifche Neliguien aus der Zeit Montezumas der Aubraſer Sammlung.

in

Ferdinand v. Hochftetter legte der Kaiferlihen Afademie der Wiſſenſchaften im Wien vor kurzem eine fir die Denfichriften der— jelben beftimmte Abhandlung iiber merifanifche Neliquien aus der Zeit Montezumas vor. Diefelbe bezieht ſich auf ein Prachtſtück altmexikaniſcher Federnfhmucdarbeit, welches in der Ambrafer Sammlung jehon jeit dem Jahre 1596 imventiert, aber bis jetst faft unbeachtet

geblieben

ift und

auch unrichtig gedeutet wurde.

Es hat im allgemeinen die Form eines ſehr großen, ausgejpannten Fächers und ahmt gleichzeitig die Geftalt eines Vogels mit aus— gebreiteten Flügeln nad, dem nur der Kopf fehlt, der jedoch, nad) einer Bemerkung des älteſten Inventars zu fchließen, in welchem von einem ganz goldenen Schnabel die Rede ift, unjprünglich vorhanden geweſen fein muß. Der untere oder innere Teil des Fächers befteht aus konzentriſchen Farbenbändern, welche aus blauen, roten, grünen und braunen, weißgeſpitzten Federn zu— ſammengeſetzt und mit mehreren Reihen von Goldplättchen beſetzt ſind. Dieſem inneren Farbenſaum iſt ein Mittelſtück aufgeſetzt, mit denſelben farbigen Bändern und in gleicher Weiſe mit Gold— blechen beſetzt. Von dieſen Farbenbändern ſtrahlen dann lange, in metalliſchem Goldgrün ſchimmernde Federn (chwanzfedern vom Prachttrogon oder Paradies-Suruku, Pharomacrus Mociuno Gray, dem von den Azteken heilig gehaltenen und „Quetzal“ ge— nannten Vogel) aus, gegen 500 an der Zahl und bilden einen Fächer, deſſen größte Breite 170 cm. hat, während die größte Länge im Mittelftüct 110 cm. beträgt. Die aus diinnem, gefchlagenen Goldblech geſchnittenen Goldplättchen find auf die verjchiedenfarbigen Bänder des Fächers aufgenäht, waren aber im Laufe der Zeiten abgefallen. Die Rückſeite zeigt, daß Holzftäbchen das Gerippe des Fächers bilden, zwijchen welchen ein aus feinen Fäden ſehr ſchön gearbeitetes Net ausgeſpannt ift, an welches ſämtliche Federn be— feftigt erjcheinen. Die früheren Anfichten bezüglich der Deutung des Stückes als Kopffhmud, Schürze oder Mantel find ſchon durch die Art der Konſtruktion desſelben widerlegt, da es für

feinen dieſer Zwede paßt.

Dagegen läßt fi aus den Bejchreib-

Notizen. ungen Spanischer Schriftfteller, forte aus den gemalten Darftellungen aztefifcher Krieger nachmweifen, daß ſolche Fächer, auf eine Stange aufgejett, als Standarten oder Banner im alteı Mexiko von den Großen des Neiches, namentlich) von großen Heerführern, getragen wurden. Geradezu bemeijend für dieje Auffaffung ift aber ein gegen 200 Fahre altes, in Mexiko angefertigtes Delbild eines altmexikaniſchen Kriegshelden in voller Ausrüſtung,

der eine ſolche Standarte,

welche mit derjenigen der

Ambrafer Sammlung die größte Aehnlichfeit hat, trägt. Derartige Banner oder fäherfürmige Standarten waren es wohl auch, welche nach einem vom 16. Juli 1519 dati.vten Briefe von Cortez an Kaifer Karl V. unter den foftbaren Gegenftänden erwähnt werden, welche Cortez von Montezuma als Gejchenf erhalten und dem Kaiſer nach Antwerpen überſandt hatte; ja man darf mit einiger Wahrjcheinlichkeit fogar annehmen, daß das Pracht—

399

wenig fihtbar,

denn

fie ftrahlen

ja

eben

fein

votes Licht aus,

duch welches allein fie unter dem roten Glaſe fichtbar werden können. Ebenfo werden unter einem blauen Glaſe alle orangefarbenen Gegenftände unſichtbar. Dies liefert das Berftändnis für jene merfwürdigen Farbenericheinungen. In jenen Dämmerigen Tiefen, in welche nur noch blaues oder griinblaues Licht hinabdringt, find orange oder votgefärbte Tiere nur ſehr schwer zu er kennen; fie entgehen daher Leicht ihren Feinden und können ih wor denfelben verbergen. Ihre, für unfere Augen im vollen Tageslichte Tebhaften Farben find alfo in Wahrheit Schußfarben, welche fih im Yaufe langer Zeiträume heraus— gebildet haben, ebenſo wie die bräunlichgeſbe Farbe vieler Wüſtentiere und die weiße Farbe vieler Schneetiere. In jenen Tiefen wächſt die edle Koralle,

dort

wachjen

herrlich vorgefärbte

Sammlung glüdlih die Wechjelfälle dreier Jahrhunderte über— dauert hat, jenes Banner ift, welches im Prescott's Geſchichte der Eroberung von Merifo unter den Gejchenfen des Eroberers von Merifo an Kaifer Karl V. als „Fächer aus verjchiedenfarbigem Federnſchmuck mit 37 Strahlen (das ift die Anzahl der halbmond— förmigen Goldplättchen an dem Stick der Ambrajfer Sammlung)

Algen und zwiſchen ihnen treiben ſich rote, gelbe und orange: farbene Krabben, Seefterne, Seewalzen und andere Tiere umher. Es iſt aber dabei noch eine Thatjache aufzuklären. In großen Tiefen (00, 1000 m, und darüber) find gegen 750/, aller Tiere, Pflanzen leben dort nicht mehr, tiefer oder heller purpurfarbig. Wie erflärt fich dies fiir Tiefen, in welche fiher nicht ein Strahl unferes Lichtes mehr hHineindringt? Nun, lichtlos, alſo abjolut dunkel find jene Tiefen darum doch nicht. ES eriftiert dort ein

und

Meeresleuchten,

ſtück

altmerifanifher

mit

Goldplättchen

merifanifchen von

Kunftinduftrie,

Tirol,

befett“

Merkwirdigfeiten dem

Gründer

der

weldes

erwähnt

in der

ift und

Ambrafer

nebft anderen

jpäter dem Erzherzog Ferdinand Ambrafer

Sammlung,

verehrt

wurde. Das feltene Stiid wurde von Frau Chr. v. Luſchan aufs jorgfältigfte reftanviert und tft jetst tn die ethnographiſche Abteilung des K. K. Naturhiſtoriſchen Hofmuſeums eingeteilt. Hofrat dv. Hoch—

ſtetter beſpricht inderſelben Abhandlung noch ein zweites Stiick aus der Ambraſer Sammlung, eine berühmte, angeblich von Montezuma herrührende Streitart. Dieſe Streitaxt beſteht ans einer halbmondförmigen Steinklinge aus Syenit, die mittelſt eines Zapfens in einen langen Holzſtiel eingelaſſen iſt, der an der Verbindungsſtelle eine außerordentlich ſorgfältig und elegant aus— geführte Verſchnürung von gedrehten Baumwollfäden trägt. In der

Ambraſer

Sammlung

fand

ſich,

jedoch

ohne

Etikette, noch

eine zweite, dieſer ganz ähnliche Streitaxt mit etwas kürzerem Stiele und einer Verzierung von Federquaſten an der Verbindungs— ſtelle der Steinklinge und des Stieles.

welches

oft recht intenfiv ift.

Außer

den

mikro—

jfopifchen Tieren, welche das allgemeine Meeresteuchten bedingen, gibt es dort auch leuchtende Korallen, Manteltiere, Fiſche mit prächtigen Leuchtflecken und zahlreiche leuchtende Struftazeen. Dieſe Tiere beleuchten fich jelbft ihren Weg in jener „purpurnen“ Finfternis. Es iſt das Berdienft Moſeleys, des nun ſchon ver-

jtorbenen Zoologen der Challenger-Erpedition, jenes Licht zuerft ipeftroffopifch unterfucht zu haben. ES enthält namentlich grüne Strahlen; gelbe und vote Strahlen, welche ihm beigemengt find, werden vom Meerwaſſer raſch abforbiert. Nun ift aber Burpur die Komplementärfarbe von Grün. Die purpurfarbenen Tiere find alfo bei dem grünen Lichte nur wenig fichtbar und werden jo vor ihren Feinden gejhütt. Während die einen Tiere Die dunkle Tiefe erleuchten, haben die anderen in ihrer uns jo auffallenden Färbung den beften Schutz gegen eben dieſe Tiere, ihre Feinde.

Wie

verwidelt

find

auc

in diefen Tiefen die Lebens—

verhältniffe und wie lange Zeit muß erforderlich geweſen jein, um fo wunderbar verwicelte Beziehungen herauszubilden!

Farbenpracht in den Meerestiefen. Der bekannte Zoologe Prof. Dr. C. Keller hat die Thatſache, daß jehr viele tierifche Bewohner der Tiefjee ungemein lebhafte Farben haben, neuerdings eingehend ftudiert und auf Beziehungen zum Lichte zurückgeführt. Aus feinen Unterfuchungen ergiebt fi nad dem „Deutjchen Tageblatt“ Das Folgende: Es ift befannt, daß das von oben her eindringende Licht verhältnismäßig raſch vom Waffer verschluckt wird. Schon in geringen Tiefen vefleftiert das Wafjer grünblaues und zuletst veinblaues Yicht, ein Beweis, daß die roten und blauen Strahlen darin fehlen. Nach den Unterſuchungen von Sechi, Pourtales und Bougiter werden ımfere Augen in 86 bis 100 m. Tiefe abjolut Fein Yicht mehr wahrnehmen können. Gerade in der Tiefe von 70 bis 150 m. lebt mm aber eine Menge rot, orange und gelb gefärbter Tiere und von den Pflanzen, welche überhaupt nicht in große Tiefen hinabfteigen, da fie an das Licht gebunden find, find alle tiefer mwachjenden purpurrot gefärbt. Wie ift daS zu erflären? Man ftellte fich früher vor, daß das Tageslicht gleichjam erweckend auf die Farben wirfe. Dieje Auffaffung muß jett verlafjen werden; dagegen gibt die Betradtung der Komplementärfarben den richtigen Aufichluß. Grünblau

und

vot

find Komplementärfarben,

ebenfo orange

und

blau. Sie geben zufammen weiß. Unter einem roten Glaſe erjcheinen die weißen und roten Gegenftände alle rot, die grünblauen dagegen verschwinden; fie find nicht oder doch nur fehr

Notizen. Afrika. Girauds

Kreuz-

und

Nätfel, welche Reiſeroute Giraud

Querzüge

in Oftafrifa.

in Wirklichkeit vom Nyaſſaſee

Das aus

eingefchlagen, um endlih in Karema am Tanganifa-See anzu fommen, wird durch einen Brief gelöft, der am 24. Januar 1884 in Karema gejchrieben wurde und an den Präfidenten der Inter— nationalen Geſellſchaft in Brüffel gerichtet ift.! Vom Nordende des Nyaffa-Sees ging Giraud quer iiber das Gebirgsland nad) dem Bangweolo-See. Diefer ift aber nichts als ein unermeßliches Sumpfgebiet, zu deſſen Meberfchreitung ev einen ganzen Monat gebrauchte. Der Luapula, der jpäter Yıralaba und Kongo genannte Ausflug, tritt im Sidweften aus dem See, wie nad) Wainright auf der Ravenſtein'ſchen Karte angegeben ift. Hier wurde er von Tauſenden von beutegierigen Eingeborenen angegriffen, mußte fic) ergeben ımd blieb zwei Monate in Gefangenſchaft, dem Hunger

1 „Xe Temps“, 22. April 1884,

400

Notizen.

und der Not mit feinen Tetten acht Begleitern preisgegeben. Glücklich entkam er zum Kazembe, wo er mit feiner früher dort hin abgefchictten Karawane wieder zufammentraf. Aber auch hier wurde er nahezu des Neftes feiner Waren und Eriftenzmittel beraubt,

fo daß

er

den

Plan

eines weiteren

Bordringens

auf-

geben mußte und mur amter den erfhöpfendften Mühſeligkeiten nah anderthalb Monate langem Mari durch Itawa ad) Liendwe am Südweſtufer des Tanganifa gelangen konnte. An diefem Drte traf er mit zwei englifchen Miffionaren zufammen,

Weiterreife nad) Karema ermöglichten. März

bleiben, danı

welche ihm die

Dort wollte er bis Mitte

vom jenfeitigen Ufer aus durch Marungu

den

Lualaba wieder gewinnen und feine Forſchungsreiſe nach Leopold— ville

am

Stanley

jechften Breitengrade“

Die

Anzahl

Pool, „möglihft

in

gleicher

Yinie

mit dem

(l), wie er ſich ausdrückt, fortfegen.

der

Stationen

der

Afrifanifchen

Anternationalen Ajjoziation beträgt jett 30, die der darauf Angeftellten 1800 Neger und 128 Weiße, wovon 40 Belgier, 39 Engländer, 23 Schweden und 11 Deutfche find. Die Flottille auf dem Kongo zählt jegt 13 Schiffe. Miffionsdpampfer auf dem Altfalabar. Die Miffion am Altfalabar wird demnächſt zur Verbindung ihrer einzelnen Stationen einen Dampfer erhalten. Derjelbe befindet fich bereits . im Ban ımd wird die fchon lange geplante Ausdehnung der Miffion nach den oberen Teilen des Stromes erleichtern. Er fol ven Namen „Daniel Williamjon“ tragen. Die Ueberfeßung der ganzen Bibel in die Zulmſprache wurde vor kurzem zum Abſchluß gebracht. Diejes Werf, welches Miffionar Grout vor mehr als 50 Fahren begommen, ift um jo bedeutfamer,

als die Zulufprache

auch manchen

Stämmen

Sımerafrifas leicht verftändfich ift. Berfonalnachrichten. Ueber Dr, Pogge's Ende find bei der Afrifanischen Gejellihaft aus Loanda Briefe eingelaufen, Leutnant Wißmanı ift noch mit feinem alten Reijegefährten zufammengetroffen. Derjelbe meldete am 22. Februar aus Malanſch, er habe den aus dem Innern Afrifas zur Kiüfte zurückkehrenden Pogge getroffen und babe wenige Tage mit ihm vereint zugebradht. Er erichien jetst nach 1 Yajähriger Trennung als ein durch Strapazen und Kranfheiten gebrochener Greis. Eine hochgradige Nerpofität, die wohl momentan durch das unverhofjte Wiederfehen und die Fülle von neuen Nachrichten aus der Heimat noch gefteigert ward, ließ das Schlimmfte befürchten. Doch konnte Pogge, unterſtützt durch die von Wißmann ihm geliehenen Geldmittel, tiber Dondo den Hafen— platz Yoanda erreichen, von wo er die Heimreiſe anzutreten ge— dachte. In Loanda fand er im holländischen Haufe, deſſen Chef gleichzeitig interimiſtiſch Die deutſchen Konſulargeſchäfte verfieht, für feine legten Lebenstage gaftlihe Aufnahme. Eine innerhalb 24 Stunden ſchnell fih entwicelnde Lungenentzündung machte jedoch in der Frühftunde des 17. März dem Yeben des kühnen Forichers ein Ende. Pogges Leichnam fand auf dem proteftante iſchen Kirchhof neben dem Grabe jeines im November verjtorbenen Freundes Niemann feine Ruheſtätte. Sämtliche Milttär- und Bivilbehörden fowie alle Honoratioren der Stadt hatten dem allgemein geachteten Manne das letzte Geleite gegeben, Gliüicklicher— weise find die Aufzeichnungen des Neifenden dem Untergange entzogen worden. Als er fein Ende herannahen fühlte, verlangte er von feinem Gaftgeber, daß feine Tagebücher verbrannt werden jollten, weil diefelben wehl jo manche Ungenanigfeiten und Fehler enthalten dürften, welche ev nur jelbft und ſpäter nach der

Rückkehr Wißmanns mit diefem gemeinfam zu berichtigen im ftande fein könnte. Diefem Berlangen Pogges trat der Gaſtfreund entjchieden entgegen. Vielleicht bringt Schon die nächſte afrifantjche Poſt den Nachlaß des BVerftorbenen nad) Deutjhland. (A. 3.) 7 Profefior ©. v. Boguslamsfi, Seftionschef im Hydrographiihen Amt zu Berlin und Herausgeber der „Annalen für Hydrographie und maritime Meteorologie”, wırde am 4. Mai aus dem Leben abgerufen, Boguslawski war eine hervorragende Autorität als Ozeanograph und Hat fein veihes Wiffen erſt noch vor furzem in dem 1. Teil feiner, als ein Band der „Bibliothrf geographifcher Handbücher“ erjchienenen „DOzeanographie” in den Dienft der Erdkunde

ausführlicheres können. F Arnold in

den

geftellt.

Bild

feines

Guyot,

Vereinigten

Wir hoffen, unſeren Leſern bald ein

Lebens

Profeſſor

Staaten,

und Schaffens der Geographie

iſt am

8. Februar

vorlegen zu zu Prinzeton im Alter von

77 Jahren verſtorben. Seine Name war vor einem Menſchen— alter viel genannt, denn er gehörte damals zu den wenigen, welche von der Bedeutung des phyſikaliſchen Elements für die Ent— wickelung des Menſchengeſchlechtes

im Sinne

Ritters

und Hum—

boldts wußten. Guyot erforſchte das Alleghanny-Gebirge, beſtimmte barometriſch die höchſten Gipfel der White Mountains und Black Mountains und widmete fich jpäter der Durchforſchung der Catskill Mountains. Auch für Hebung der Meteorologie in Nordamerifa bat er viel gethaır. 7 Friedrih

Notter,

der Neſtor ſchwäbiſcher Schriftfteller

und Dichter, ein ebenſo raſtlos

ftrebfamer Geift, als verehrungs-

würdiger Charafter, ift Mitte Februar, faft 83 Fahr at, zu Etuttgart

aus

dem

Leben

gejchieden.

Sein Name

ift auch mit der

früheften Gefchichte des „Ausland“ verkuüpft, in deſſen Nedaktion er neben Mebold 1829 eintrat ımd einige Jahre mit Gefchick bejonders die damals in unſerer MWochenfchrift zum Ausdruck ge— langenden naturwiſſenſchaftlichen Beſtrebungen leitete. 7 Am 11. April ftarb zu Stuttgart Profefior Dr. Hugo von Schoder, Borftand der meteorologishen Abteilung des K. württembergiſchen ftatiftiich-topographifchen Bureaus, welcher ſich um die klimatologiſche Erforſchung Württembergs große Ver— dienſte erwarb. 7 Am 10. November 1883 ſtarb in Michigan, TI Jahre alt, der baptiftiiche Miffionar Dr. Bronſon, der von 1837 bis 1879 in Affam gewirkt, drei Stationen gegründet, ein affamefiich-engliſches Wörterbuch herausgegeben, die Erftlinge der Affamejen getauft, Schulen errichtet und auch durch Ueberſetzungsarbeiten ſich verdient gemacht hatte. 7 TZownsend

Glover,

der zu den bedeutendften

Entomo-

flogen Amerifas zählte und jehr wertvolles Material zur entomologijchen Fauna der Vereinigten Staaten zuſammentrug, ift kürz— ih in Baltimore verftorben,

Anzeige. Im Berlag der J. G. Gotta’ — gart erſchien vor kurzem:

Hellwald,

Friedr.

v., Im

Buchhandlung in Stutt—

ewigen

Eis.

Geſchichte der

Nordpolfahrten von den älteſten Zeiten bis auf die Gegenwart. Mit zahlreichen Illuſtrationen und Karten, Eleg. geb. M. 24

Druck und Verlag der J. ©. Cotta'ſchen Buchhandlung in München und Stuttgart.

Da: Suslam. Wochenſchrift für Länder: und Dölkerkunde, unter Mitwirfung von Profeſſor Dr. Friedrich Nabel und anderen Fachmännern herausgegeben von der

3. ©. Cotta'ſchen Buchhandlung in Htuttgart und Münden. Siebenundfünfzigiter Jahrgang.

München,

1884,

26. Mat.

Jährlich 52 Nummern A 20 Seiten in Quart. Preis pro Quartal M. 7. — Zu beziehen durch alle Buchhandlungen des In- und Auslandes und die Poſt— ämter. — Rezenfions-Eremplare von Werfen der einjhlägigen Litteratur find direft an Heren Profeſſor Dr. Friedrich Natel in Minden, Akademieſtraße Nr. 5, zu jenden. — SInjerationspreis 20 Pf. für die gejpaltene Zeile in Petit.

©. 401.— 2. Sidoft-Orönland und Inhalt: 1. Weſtafrikaniſche Laterite. Bon Dr, Pechuel-Loeſche. (Mit Abbildungen) Nordenſkiölds vorigjährige Entdeckungsfahrt. Bon Dr. M. Lindemann. (Schluß.) ©. 407. — 3. Politiſch- und wirtichaftsgeographiiche ©. 411. — 4. Der vierte Deutſche Geographentag zu Rückblicke. II. Der neue Staatsvertrag zwifchen England und Transvaal. München.

17.

bis

19.

Dr. Sigmund Günther

April

1884.

IV.

©. 413.



5. Profeſſor

Böpprit’

Yeitfaden

der

Kartenentwurfslehre.

Bon

Profefjor

in Ansbach.

©. 416. — 6. Kleinere Mitteilungen: ©. 418. Die Forſchungen Iwanow's im Pamir. Andianerproblem. — 7. Notizen: ©. 419. Polarregionen. — 8. Korrefpondenz: S. 420. Die Hleinften Städte Europas. Von Dr. B. Vetter. Dr. Baumann und Chr. Petzet. Farbenpracht im den Meerestiefeit.

Weſtafrikaniſche Interile. Bon Dr. Pechuel-Loeſche.

Not

ift die vorherrfchende

Farbe des Bodens

im

tropischen Afrika. Sie entjtammt dem allenthalben jich findenden Eifen, ift namentlich den Lateriten eigentümlich

und

bat ihre charakteriftiiche Benennung

bedingt.

Die

Laterite bilden eine Gruppe von Gefteinen, deren Eigen: art noch durch Fünftige eingehende Unterfuchungen feſtzu— jtellen ift. DVorläufig werden mit dem Namen noch jehr verschiedene, jelbit äußerlich ſich kaum ähnelnde Geſteins— arten bezeichnet. Sie ſind nicht nur für den Geologen,

Zum Bon

durch Herrn Profeſſor v. Nichthofen in China nachgewieſen worden, mo fie von Anſchwemmungen der Neuzeit über: (ngert find; nah Mr. Voyſey follen fie auch am Kap der guten Hoffnung vorkommen. Den indifchen Lateriten hat Mr. Blanford ein eigenes Kapitel gewidmet, ! in welchem er die Anfichten anderer Forfcher erörtert und einschlägige Arbeiten ſowie Analyjen mitteilt. Hier fer einfach auf das genannte, jehr inhalt: reiche Kapitel vertviefen, zugleich aber vorausbemerkt, daß das im folgenden über weitafrifanische Laterite Mitgeteilte nicht durchaus mit den von Mr. Blanford gefundenen

biete, fofern deren Kulturwert, die Crtragsfähigfeit des

Reſultaten übereinjtimmt. Ueber den Laterit Innerafrifas im Süden des Kongo berichtet Herr Dr. Buchner und teilt zugleich die von Herrn A. Schwager ausgeführte Baufchanalyje des betreffenden Gefteins von Malanſch mit.” Herr Dr. Lenz erwähnt den Laterit des Ogowe-Gebietes und in dem bortrefflihen Werke des verjtorbenen Bergingenieurs und Kaufmanns Monteiro? beziehen fich viele Stellen auf das

Bodens, in Frage fommt. Die Laterite find den Tropenzonen eigentümlich, aljo jenen Ländern, in welchen eine mehr oder minder ftrenge Scheidung von Negenzeit und Trodenzeit die Negel it, wo die größte Wärme zugleich mit den ſtärkſten Nieder:

1 Medlicott and Blanford: A Manual of the Geology of | India, Caleutta 1879. Part I, Chapter XV. ikaniſchen ſüdweſtafr des fter Naturchara den Ueber 2 Buchner: „Ausland“ 1883, ©. 850. Hochplateaus.

ſondern wie Lehm, Löß, Tſchernoſom, namentlich auch für den Agronomen von hohem Intereſſe. Denn da ſie die Oberflächenſchicht vieler Landſtriche von ungeheuerer Aus— dehnung zuſammenſetzen, beſitzen ſie eine ſehr große, bisher aber kaum gewürdigte Bedeutung für die betreffenden Ge—

ſchlägen eintritt. Ausland

Außerhalb der Wendefreife find Laterite 1884, Nr, 21.

3 Monteiro:

Angola and the River Congo.

London

61

1875.

402

Weſtafrikaniſche Laterite.

fragliche Gebilde (Ferruginous red clay), ohne es jedoch näher zu charafterifieren. Die von Seren Dr. Schwein:

ftehung, mit dem befonderen Zwecke, ihre Bedeutung für die natürliche Vegetation und ihren Wert für den Aderbau

furth zwiſchen dem achten und dritten Grabe nördlicher

darzulegen. Vorläufig laffen fi die interejjanten Gejteine folgendermaßen charakterifieren: Die Laterite jind leb— baft gefärbte, eilenfhüfjige Lehme, DVBermitterungsprodufte verjchiedener Felsarten, die

Breite beobachtete und als vötliche, äußerſt mächtige, ſowie gleichmäßig ausgebreitete Dede bejchriebene „Raſeneiſen— jteinplatte”, aus welcher Hügelrüden und Kuppen von Gneiß aufragen, darf ohne Bedenken den Lateriten einges veiht werden.! Wer mit der Eigenart derjelben vertraut geworden ift, würde ſchon aus den Schilderungen, welche der Foricher von dem Charakter des Landes, der Waſſer— läufe und der Vegetation entwirft, auf das bedeutungs—

volle Vorhandenſein der Laterite in dem betreffenden Ge— biete Schließen dürfen.

Herr Profeſſor Dölter, welcher den Laterit auf den Biſſagos-Inſeln und am Rio Grande unterfuchte, betont zuerft das Ungenügende der Bezeichnung, die Unflarheit de3 Begriffes und meist auf die Unzuläffigfeit des Ber: fahrens bin, den Zaterit willfürlich auf geologifchen Karten zu markieren, ohne eine Definition des Gefteins zu geben

und

hebt zugleich

hervor, daß der Yaterit das Produkt

einer eigentümlichen LOberflächenzerfegung ſei und zur genaueren Unterfcheidung nad dem Muttergeſtein benannt werden jollte, aus dem er entitanden.?

Weſtafrikaniſche Yaterite babe ich zu Sierra Leone, an der Liberiae und Goldfüfte (wo aus ihnen Gold ge— waſchen wird), auf Fernando Bo, am Kamerun und Gabun, in der Korisfobat, an der Loangofüfte und Kongofüfte

bi3 Kinfembo ſowie im Gebirge

bis zum Stanley

Pool

gefunden und gejammelt, ſowie aud) von ſüdlicheren Küſten— ſtrichen durch Beauftragte erhalten. Ihnen gleichwertig dürften Gejteine fein, welche ich ſowohl in Brafilien, mie auf Weſtindiſchen Inſeln und den Sandwichinſeln beob— achtete. In einer Reihe von Aufſätzen habe ich bereits jener Laterite mehr oder minder eingehend gedacht und was ich darüber zu wiſſen vermeinte, in dem Werke der Loango-Expedition zufammengefaßt.?

Während meiner letzten Reiſe bot ſich nun Gelegen— heit, meine Anſchauungen über die intereſſanten Geſteine weſentlich zu erweitern. Für eine genauere petrographiſche Charakteriſierung derſelben fehlen allerdings auch jetzt noch

die wichtigſten

Anhaltspunkte,

jedoch werden

dieſe ſich

ergeben aus einer umfaſſenden fachmänniſchen Unterſuchung der von mir geſammelten Handſtücke und derer, die mir auf mein Erſuchen aus vielen Tropenländern zugehen werden.

Im folgenden ſchildere ich die Laterite des weſtlichen Kongo⸗-Gebietes, alſo der von der Küſte bis zum Stanley Pool fi) ausdehnenden Länder, nach ihrer äußeren Be: Ihaffenheit, der Art ihres Vorfommens und ihrer Ent: 1 2 Yeipzig 3 dition,

Schweinfurth: Im Herzen von Afrika. Band I. ©. 195, 534. Dölter: Ueber die Kapverden nah dem Rio Grande, 1884. ©. 220 bis 225. Güpfeldt, Falfenftein, Pechuel-Loeſche: Die Loango-ExpeAbteilung II. ©. 8 bis 15, 39,

in tropifchen

Gebieten

unter

der Einwirkung

der Atmoſphärilien entjtehen. Nach Außerlicher Beichaffenheit und Vorkommen jind zwei Gruppen zu unterjcheiden: Laterite von zelligem Gefüge in urfprüng: liher Zagerung. Laterite von dichtem Gefüge in fefundärer Yagerung. Die Gefteine der erjteren Gruppe beſitzen in der

au u r

Regel eine viel geringere Mächtigfeit als die der zweiten, welche überdies mehrfach geſchichtet auftreten und nicht jelten, namentlih in den unteren Gtagen, Geröllbetten führen. Beide Gruppen entiprechen ungefähr denen, welche Mr. Blanford in Indien als high-level und low-level Laterite unterſchieden bat. Biele Fennzeichnende Eigenschaften find den Lateriten beider Gruppen gemeinfam. Sie braufen in Säuren nicht

r aa

auf, enthalten feine Reſte von Landtieren. Sie führen allenthalben fein verteiltes Eifen, welches an einzelnen Dertlichfeiten fogar in überwiegender Menge auftritt und auch Eifenfonfretionen. Sie zeigen vornehmlich eine ziegelrote oder unvein farminrote

(bolusrote) oder warm

ocker—

gelbe Farbe, die in manchen Gegenden in eine bräunliche oder matt violettrötliche übergeht. Die an friſch gebrochenen Stellen gleich fräftig wie die entjprechenden eines Tuſch— faftens wirkenden Farben verbleichen jedoch unter der Einwirfung von Luft und Licht und verlieren ſich in nicht unbedeutendem Maße felbit an wohl verwahrten Hand:

ſtücken.

Die echten Yaterite

find mürbe

und

brödlich,

laffen fi mit den Fingern zervrüden und mit Spaten oder Meſſer ohne bejondere Anjtrengung bearbeiten, befigen jedoch Feltigfeit genug, um in jenkrecht abjtürzenden Wänden anzuftehen und unter dem erodierenden Einfluß des fließenden Waſſers wie des Regens höchſt auffällige Formen ans

zunehmen.

Auc) lafjen fich aus der benegten Maſſe Ziegel

formen, die lufttroden verwendbar find, und durch Stampfen oder Schlagen Tennenböden beritellen, obwohl beiden Er-

zeugnifjen eine befriedigende Widerftandsfähigfeit nicht eigen it. Ferner find fie außerordentlich porös und durchläffig für Waffer, fo daß namentlich auf den in urfprünglicher Zagerung befindlichen jelbjt bei fehr jtarfen Negengüffen

ſich kaum Pfüßen bilden oder doch in fürzefter Zeit ver: ſchwinden. Die eingefunfenen Gewäſſer treten darum auch als Quellen nicht in ihnen ſelbſt, jondern erſt auf dem unterliegenden feiteren Geſtein zu Tage. Die Erofion der Lateritmaffen vollzieht ſich in | doppelter Weife: von oben durch ablaufendes Regenwaſſer

ae A u e e u u

Weſtafrikaniſche Laterite, von unten durch Quellwaſſer. So werden in manden Gebieten höchſt wunderbare Gebilde erzeugt: ſcheinbar abfluß— lofe und unzugängliche tiefe Kefjel, weit geöffnete Schlünde, enge, jteilwandige Schluchten; dazwiſchen ſcharfe rate, hohe dünne Mauern und in der Tiefe wie an den Seiten vielgliederige Pfeiler, Obelisfen, Pyramiden, ausladende Türme Sie erinnern an die Bad lands Nordamerikas,

im kleinen auch an abflußreiche Lößlandichaften.

In den

dichten Lateriten treten die Erofionsgebilde bizarrer hervor,

als in denen mit zelliger Struftur, doch ift bei beiden die Wandelbarkeit der Formen ziemlich bedeutend und zu dieſer tragen nicht unerheblih die Negentropfen durch ihre mechanische Kraft, die Winde und Sonnenstrahlen durch)

ungleiche Austrodnung und Erwärmung bei. Je nach dem Charakter der Landſchaft, der Vegetation und des geologischen Aufbaues find auch die Vorbeding: ungen für die Entitehung der Erofionsgebilde verjchieden. Daher findet man fie in manchen Gegenden gar nicht, in

anderen überaus mannigfaltig und ausgedehnt entwidelt. An noch anderen Orten ift der Vorgang zum Stillitand gefommen: Die bizarren Formen find größtenteils ver: Ihwunden

und

nur die ſchroffe Modellierung der wieder

403

von der Vegetation in Beſitz genommenen Höhen und Tiefen läßt noch erkennen, welche Kräfte einſt dafelbit wirkten. Wo das Erdreich feitgetreten, alfo feine Struftur ober: flächlich zerjtört worden tft, vornehmlich an Siedelplätzen und auf Pfaden, da wird das Negenwafjer nicht aufge: jaugt, Jondern zum Abfließen gezwungen. Se ftärfer die Neigung des Bodens, um fo Fräftiger äußert es feine erodierende Wirkung. Diefe beginnt mit ſchmalen, tiefen Niffen, die ſich allmählich vergrößern. So findet man Elaffende Spalten und Schluchten, wo einjt an jteilen Hängen Pfade entlang führten und die neu betretenen, die gewöhnlich hart am Abfall entlang laufen, werben ebenfalls bald wieder ungangbar und infolgebefjen feitlich verlegt. Die jüngeren Riſſe find von den älteren oft nur durch dünne,

mauergleich aufragende Lateritwände gejchteden. Allmählich verfallen

auch diefe und

die Einjchnitte verjchmelzen zu

einem Schlund, in welchem die oben befchriebenen Gebilde als Nefte der einstigen Scheidewände länger ſichtbar bleiben. Die Einwirkung der von oben beginnenden Erofion tft befonders ſchön im Gebirge zu beobachten, am beiten wohl

in der Landſchaft Mpakambendi am Kongo, eine Tagreife öftlih von Manyanga.

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Eroſionen zu Mpakambendi.

Im Küſtengebiete, wo mächtige Bänke des dichten Laterites auf horizontal geſchichteter Unterlage ausgebreitet ruhen,

iſt außer der beſchriebenen Art

der Eroſion auch

die zweite, die durch Quellen bewirkte, nachzuweiſen. Das am Fuße der Abfälle hervorrieſelnde Waſſer unterwäſcht das mürbe Geſtein und veranlaßt das Nachſtürzen der oberen

Partien.

Dabei

iſt es bedeutungslos,

wie

die

Oberfläche der Ablagerungen

geneigt, wie die Vegetation

auf der Höhe beſchaffen iſt. Vorzügliche Beiſpiele dieſer Eroſion bietet das Plateau von Buala an der Loangobai, deſſen überaus reizvolle Partien ich bereits an anderer Stelle geſchildert habe.“ 1 Die Loango-Expedition.

Abteilung UL. ©. 39.

404

Weftafrifanische Laterite.

Laterite

von zelligem Gefüge

in urſprüng—

oberen Bartien, gewöhnlich durch Humus ſowie Kohle und Aſchenrückſtände der Grasbrände dunfel gefärbt, find von

licher Yagerung. Diefe find vollkommen ungejchichtet, bewahren jedoch in feltenen Fällen nod einigermaßen den Schichtenbau des Muttergefteins, wenn Ddiejes befonders thonreich und horizontal gelagert iſt. Sie find, wie bereits erwähnt, mürbe und brödlich, mit den Fingern zerbrüdbar. Aus: gehobene Stüde erhärten zwar etwas an der Luft, werden aber nicht fteinartig. Sie befißen ein unregelmäßiges zelliges Gefüge, deſſen Mafchen nicht felten mit bellerer Subftanz ausgefüllt find und enthalten Quarzpartifel von der Geftalt der im Muttergeftein vorkommenden. Die

Wurzeln oder diefen entjprechenden röhrchenförmigen Hohl: räumen durchfeßt,

die in feinem Falle tiefer hinabreichen,

als die gegenmwärtig

vorhandene

nährungsorgane treibt. Die zelligen Yaterite

entjtehen

Begetation

ihre Erz

im Kongogebiet

vor—

zugsweiſe aus Erpftalliniichen Schiefern, mehr oder minder falfreichen Thonfchiefern, Oraumaden, ſowie aus roten Sandfteinen unbekannten Alters, welchen ein thoniges Bindemittel eigentümlich ift. Dem Muttergeftein unmittelbar auflagernd und Höhen wie Hänge in verjchtedener

Erofionen im Plateau von Buala.

Loangobai.

Bartie der Kite ſüdlich vom Kongo.‘

Mächtigfeit überkleidend, bilden fie eine fehr harakteriftische Dede de3 gefamten mweitafrifanischen Schiefergebirges vom Küftengebiete bis zum Stanley Pool. Nur dort fehlen fie, wo in den Schluchten die Gewäſſer das feite Geftein frei: gewaschen haben oder two auf Gipfeln und Lehnen einzelne ſcharf hervortretende und gewöhnlich nicht mehr geſunde Selspartien von Negengüfjen entblößt worden find. Die in den Einfchnitten ſich findenden natürlichen Auffchlüffe find leider nur einige Monate im Sabre zugänglich, weil fie zur Regenzeit in der Negel von mißfarbigen, tojenden Gewäſſern verhüllt find. Daher erfchweren die nahezu allge genwärtigen Yaterite in ſehr bemerfenswerter Weife den Einblick in den geologischen Aufbau des Gebirges und der Forscher müßte außer dem Hammer auch Grabjcheit und Haue führen. Die Mächtigkeit dieſer hinderlihen Dede fcheint im

Durchſchnitt

nur

einige Meter

beftehenden Erhebungen, joweit aus der Beichaffenheit der oben gefchilderten Erofionen zu jchließen ift, bis auf den innerften Kern in Yaterit verwandelt zu jein. Wo in Gruben fünftliche Auffchlüffe gefchaffen worden find, laſſen fich günitigen Falls alle Stadien der Zerſetzung vom vollfommenen Yaterit bis zum gefunden Fels ver-

folgen.

von der Hoffnung

verlodt,

Neichtümer zu er:

werben, einige Tagebaue in das Geftein getrieben haben. In diefen Einjchnitten wird auf das Beſte der Umwand— lungsprozeß veranjchaulicht, welchem der Glimmerfchiefer unterliegt; die Uebergänge find fo allmählich, daß ſich nirgends eine Grenze feitjtellen läßt. Zu unterft, ein Mittelglied zwifchen den oberen mürben Partien und dem

vollfommen

gefunden grauen Gejtein bildend, finden fich

zwar noch harte, aber doch jchon rot gefärbte Stellen des Slimmerfchiefers, welche alfo durch den beginnenden Um— wandlungsprozeß gekennzeichnet find.

zu betragen; beim Nach:

graben trifft man in diefer Tiefe gewöhnlich

So namentlich bei Boma am Kongo, vo einige

Kaufleute,

auf feiteres

gefunden

Hehnliches iſt zu Sfangila zu beobachten, wo ein

Mutterfels. An fteilen Hängen ift die Schicht getwöhnlich von geringerer Mächtigfeit als auf horizontalen Flächen. Dagegen jcheinen in den Landſchaften von Kibindifa und Mpafambendi (je eine Tagreife weitlih und öftlich von Manyanga) manche der aus roten, thonigen Sandfteinen

mächtiges, den Strom durchjegendes und den jchon durch Tudey befannten Fall bedingendes Diabasriff riefige

Geſtein,

obwohl

darum

noch nicht auf den

! Weitere Abbildungen folgen in nächfter Nummer,

| Trümmer von Grauwacke emporgehoben hat. Diele der: | jelben find zum Teil in Laterit verwandelt, von diefem |

faft gänzlich überlagert oder nur teilmeife umhüllt. Sowohl an jenfrecht abfallenden, tie unteren fonfaven Partien

freiliegender

Graumwadenblöde

hat fi) eine

bisweilen

Weſtafrikaniſche Laterite.

ſchalig ablösbare Berwitterungstrufte gebildet. Ihre äußerſte Schicht ijt dem umlagernden Laterit bereits ſehr ähnlich und enthält ihm vollfommen gleichende Partien, während die Lagen von außen nach innen entjprechend weniger zerfeßt und weniger lebhaft rot gefärbt find. Nicht alle Bartien derjelben Felsart zerſetzen fich gleich jchnell. Daher enthalten die zelligen Laterite außer Grus und den unverwüſtlichen Quarzgängen nicht felten auch weniger vermwitterte Reſte des härteren Muttergefteins: Bruchſtücke und Platten von Glimmerſchiefern, Gneißen,

Thonſchiefern,

deren

Lagerung

dann

gewöhnlich

Schichtenbau des geſunden Felſens entſpricht.

dem

Beim Zer—

ſchlagen dieſer Reſte ergibt ſich, daß die Mehrzahl derſelben bis auf den Kern die Farbe des Laterits angenommen haben.

In der tief eingerifjenen Schlucht des Ntombi-

Fluſſes,

einige Kilometer

öftlih von Iſangila, fand ich

fingerdide Tafeln eines jonjt grauen Thonfchiefers, die bei

faum

veränderter

Feſtigkeit

durchaus

hell pompejanifch

rot gefärbt waren. Obgleich einem ſehr kalkreichen Geſtein angebörend, brauften fie doch in Säuren nicht mehr auf.

Unter

günftigen

Umftänden

bewahrt auch der voll:

fommene Laterit noh Spuren vom Schichtenbau des Muttergejteins, namentlich wenn diejes, wie der feldſpath— reiche Sanditein in der Gegend von Mpakambendi, hori— zontal gelagert ift. An den fteilen Gipfelpartien der vielfach fegelfürmigen Erhebungen, wo das Regenwaſſer nicht vollftändig aufgefaugt wird, daher teilweife abrinnt, hat es oft ringsum verfolgbare treppenfürmige Stufenreihen ausgewafchen, welche der Schiehtung des ehemaligen Sand— jteines entfprechen.

In einem Gebirge, wo unverfennbare Merkmale bedeu— tende Beränderungen namentlich der Betten der Wafferläufe

bezeugen, wird es auch Dertlichfeiten geben, an welchen eine erhebliche

Umlagerung

der urjprünglich

zelligen Yaterite

zu beobachten ift. Der Kongo floß einjt auf weiten Streden, die im Durchſchnitt etwa 40 bis 50 m, über feinem gegenwärtigen

Niveau liegen, in einer Höhe, in welcher ich vor Jahren auch am Kuilu, dem Hauptfluß der Loangoküſte, deutliche Uferterraffen auffand. Nebenflüſſe und Bäche haben entIprechende Wandlungen erfahren. So finden fich denn in Thälchen und Nifchen, die ehemals Buchten waren, beſchränkte Ablagerungen von dichtem Laterit, pie wir fie weiterhin in großartigem Maßſtabe im Küftengebiete fennen lernen werden. Jene Ablagerungen find aber noch durch eine befondere Cigentümlichfeit ausgezeichnet. Sie bildeten fich in Buchten, in welche während der Negenzeit die Fluten des Hochwaſſers eintraten, aus welchen fie fich während der Trodenzeit zurücdzogen. Die von den Gewäſſern mitge führten Verwitterungsprodufte der Geſteine, welche zugleich

einem Saigerungsprozeß unterlagen, wurden dafelbft je nad Umftänden in verfchiedener Weife abgefett. So finden ih Bänfe von leicht verfittetem Sande, ſowie Bänke von Ausland

1884

Nr. 21.

405

reinem, gleichmäßig gefärbten, dichten Zaterit und wiederum ein Gemenge von beiden oder dünne Schichten beider mehr oder minder rein wechjellagernd. Zuweilen find die während der Trodenzeit entblößten Schichten des Laterits unter der heißen Sonne geborjten und in edige Kuchen

zerfallen, deren Zwiſchenräume durch eine fpätere Hochflut wieder ausgefüllt wurden. Manche der vorzugsweife aus Sanden bejtehenden und darum urfprünglich weniger ge:

bundenen Teile der Bänke haben ausgezeichnet vegelmäßige ellenfurchen bewahrt, welche genau denen gleichen, die auch heute noch der Wind auf den Sandmaſſen im Snundationsbett des Stromes hervorbringt. Wo nachmals ein Waſſerlauf die Ablagerungen durchjchnitten und fomit einen Aufſchluß geichaffen bat, ijt deutlich zu verfolgen, wie im Hintergrunde der ehemaligen Buchten die feinjten Subjtanzen, am Eingange die groben Sande zu Boden janfen. Die mwechjelnde Ausbreitung und Mächtigfeit der Schichten gibt Kunde, wie mannigfaltig einft, ganz mie in der Sebtzeit, die Hochfluten und deren VBorbedingung, die Negenzeiten, aufgetreten find. Sn der Gegend von SKalubu bis zum Luoſchifluß (etwa halbwegs zwischen Iſangila und Manyanga), wo ebemals der Kongo jtrömte, finden fich verfchiedene Thäl⸗ chen mit ſehr mächtigen Ablagerungen von dichtem Laterit erfüllt. Dieſer ſteckt voller Gerölle, die in einigen engen und ſehr tiefen, an Laufgräben erinnernden Bachriſſen be— ſonders gut zu beobachten ſind. Ueber den Nelalaſchnellen hängt, wahrjcheinlih in eine Niſche der Glimmerſchiefer— wand eingefeilt, eine interefjante Konglomeratmafje, welche aus fauſt- bis fopfgroßen Geröllen und teilweife noch um— fangreicheren Gejchieben beiteht. Allentbalben find in den Inundationsbetten die Anz ſchwemmungen und Schlammabjäge des letzten Hochwaſſers zu bemerken, welche fi) nad äußerer Beichaffenheit von jenen älteren nur in einer Hinficht unterfcheiden : fie be— jien nicht das charakteriftiiche lebhafte Kolorit, obwohl die Fluten des Hauptjtromes, mehr noch die der Nebenflüffe und Wildbäche, während der Negenzeit entjchieden (ateritfarbig find. Die jpärlichen jüngiten Abſätze werben, wie im geringeren Grade auch die erponterten Teile der älteren, durch Luft und Licht gebleicht, find durch organische Subjtanzen verunreimigt und fönnten erſt im Yaufe der Zeit die Farbe des urfprünglichen Geſteins wieder ge= winnen. Eine zweite, nicht tief greifende Umlagerung erleidet der zellige Laterit durch die ſtarken Regengüſſe. An ſteilen, mit kümmerlicher Vegetation bekleideten Hängen wird von dem nicht aufgeſaugten und darum abrieſelnden Waſſer etwas Erdreich mitgeführt, welches an günſtigen Stellen wiederum zurückbleibt. Daher finden ſich bisweilen in Mulden, ſowie auf Stufen nicht unbeträchtliche Einlagerungen von mehr oder minder dichtem Laterit in ſolchem von entfchieden zelligem Gefüge. Die Nebergänge von dem einen zum anderen find unmerflich, namentli in den 62

Weftafrifanifche Laterite.

406

oberen Partien, two die ſtarken Niederfchläge und andere Urfachen die Tertur des Gefteins etwas zerjtört haben, Infolge dieſer oberflächlichen Umlagerung entitehen wohl auch die Klümpchen und tellergrogen Kuchen von unreinem, ziemlich plaftiichem weißen Thon, welche ſich bie und da an der Oberfläche der Laterite finden. Sie find befonders der vorherrfchend aus thonreichen Sand— fteinen aufgebauten öſtlichen Hälfte des Gebirges eigentümlich. Auf Grund ihres Borfommens hat fih in manchen

charafterifierte Glimmerfchiefer aniteht. Die Schichten aller Gefteine ftreichen Südoſt—Nordweſt und fallen unter einem mittleren Winkel nach Südweſten ein. Vielleicht iſt das Geftein, welchem die Einſchlüſſe angehörten, durch Verwitterung vollfommen zerjtört. Es iſt anzunehmen, daß der Zaterit mit den Quarzreſten allmäh— li) abwärts gewandert tft; denn daß er eine bereits oben erörterte teilweife Umlagerung erlitten hat, iſt mit

Landſchaften (Kibindifa, Manyanga) das Töpferhandierf

die Erhebungen befleidet, find die oberflächlich vom Regen ausgewafchenen Quarzreſte auch fehneller als die Yateritmafje jelbit abwärts gelangt und haben fich fo nad) unten

in nicht unerheblicher Weiſe entmwidelt. Auf fanft geneigten Pfaden, wo in NRiffen und Löchern die vom Regenwaſſer gefchlämmten Thonteilchen ſich abſetzen können, findet man häufig Stellen, wo die Eingeborenen nad) dem begehrten

Material gefhürft haben. von

Ihrer Entjtehungsweife gemäß enthalten die Yaterite zelliger Struktur feine Gerölle. Indeſſen find der

Bollftändigfeit

halber einige bemerkenswerte Ausnahmen

zu erwähnen. Zunächſt fünnen Gerölle im Yaterit vor— fommen, wenn diefelben dem Muttergeftein eigentümlich find, wie z. B. die nuß- bis fauftgroßen Duarzgerölle des

voten Sanditeins der Gegend von Nſinga, am Luvubifluß (Edwin Arnold) und Pocock Baſſin. Zum anderen fünnen fie fich namentlich oberflählich da finden, wo ehemals ein Wafferlauf über ein Felsbett ſtrömte und feine Gerölle zurüdließ. Die härtejten derjelben bleiben übrig, während der Fels verwittert und eine Zateritvede bildet, mie Dies z. B. bei Boma der Fall geweſen zu fein jcheint, wo der auf Glimmerschiefer und Hornblendegneiß ruhende Yaterit mit Geröllen und Broden von Quarz überfäet iſt. Wie die erfteren unter gewiſſen Bedingungen in jcharffantige Stüde zerfallen, darüber weiter unten. Einen ſehr ungewöhnlichen Reichtum an Einjchlüffen befißt der Laterit in einem eng begrenzten Gebiete von Vivi. An den Steilhängen der Erhebungen bis etwa zu 150 m. Höhe über das gegenwärtige Niveau des Kongo verfolgbar, finden fich im zelligen, warm gelb gefärbten

Zaterit allenthalben vegellos verteilt, aber von oben nad) unten an Häufigfeit zunehmend, durchſchnittlich nuß- bis eigroße Bruchftüde von Quarz in auffälliger Menge. Kopf große jcharffantige Stüde desjelben Geſteins find ebenfalls nicht jelten und verjchiedene fehr große QDuarzflumpen, von denen einige viele Tonnen wiegen mögen, ſchimmern weiß wie Eisblöde auf Höhen und an Hängen. Ein Geftein, welches diefe Einjchlüffe in entjprechender Menge noch

gegenwärtig enthielte, fonnte nicht entdeckt werden. Der geologische Aufbau des Gebirges um Vivi ift der folgende: Das Liegende bildet ein fehr interefjanter Glimmerfchiefer, welchem 0,5 Cm. bis 1 CM. große Feld:

jpathe eine porphyrartige Struktur verleihen; auf diefem rubend, auf Hügelgipfeln in 70 bis 100 m. Höhe, finden ſich mehr oder minder vermitterte und im Yaterit einges bettet Schichten von Quarzit und Duarzitjchiefer, während auf größeren Erhebungen bis zu 270 m. wieder der bereits

Sicherheit nachzumeifen. Da nur eine fpärliche Vegetation

vermehrt,

während

darüber

wieder umfchloß. Sie wiſſermaßen verdichtet Laterits troß ftetiger weil fie vom Negen

geſchwemmtes

Erdreich

fie

werden auch zweifellos dadurch ges worden fein, daß die Quantität des Neubildung ſich nicht vermehrt hat, ausgelaugt und meggeführt wird.

Einige Einlagerungen von dichtem Laterit, welche fih an ebenen Stellen im zelligen finden, enthalten feine der un:

mittelbar angrenzend vorkommenden Quarzbroden. E3 unterliegt feinem Zweifel, daß an geneigten Flächen die Lateritvede in ihrer Geſamtheit unmerflich

abwärts

gleitet.

Das raſch durchfidernde

Regenwaſſer,

welches fich auf dem unterliegenden Geitein anfammelt und

niederriefelt,

ijt der beſte Vermittler

dieſes Vorganges,

Infolgedeſſen entjtehen charakteriftiiche NRiffe und Sprünge

in der Maffe, welche oft viele Meter weit verfolgbar und mittelft einer biegfamen Rute ziemlich tief zu jondieren find. Namentlih in den meitlihen Zügen des Gebirges, welche aus kryſtalliniſchen Schiefern beitehen, wo bier und dort riefige, weithin leuchtende Duarzblöde neben den allenthalben auftretenden Klumpen von Brauneifenjtein das Auge feſſeln, find diefe, ſowie unzerjegte Reſte des anstehenden Felfens, bald mit, bald ohne die Lateritmaſſen

an ſpärlich bewachſenen Abhängen

lamwinengleich nieder:

gegangen. Mo nur einzelne Blöde abgerollt find, da verraten pfadähnlihde Schlippen in der Vegetation ihre Bahn, während Abrutfchungen und Niederbrüce in größerem Maßſtabe ganze Halden entblößt haben. In den Einfenf-

ungen

wurde

das mürbe

Erdreich von den Wildwaſſer

binweggeführt, Blöde und Bruchſtücke blieben als wüſtes Haufwerk liegen, oft derart gelagert, daß ein phantaftevoller Beobachter leicht auf Gletſcherwirkungen jchließen fünnte. Die vermeintliche Entdedung von Spuren der Eiszeit in Brafilien entfprang wohl bauptfächlich eben diefer falfchen Deutung ganz ähnlicher Erjcheinungen. So wenig mie zugeführte Gerölle fünnen den Yateriten von zelliger Natur organische Reſte eigen fein, außer dort, wo zugleich die oben gefchilderten teilweifen Umlagerungen

nachzuweiſen find oder wo ferner nicht unerhebliche, von vegetationslofen Stellen entführte Staubmengen fih an— gefammelt haben, namentlich alfo an der KLeefeite von Erhebungen, ſowie in Terraineinfchnitten. An folchen

Stellen

findet man

eingefchloffen bismweilen

etliche Ge—

Ze e r r

407

Weſtafrikaniſche Laterite.

häuſe noch jetzt gedeihender Helixarten, mweit häufiger aber Kopale.

Intereſſanter noch iſt das ſporadiſche Vorkommen von Kohlen, wobei allerdings nur an Reſte verbrannter Hölzer gedacht werden darf. Beſonders an einem Terraſſenabſtich zu Leopoldville am Stanley Pool, 25 m. über dem mitt—

Stüde irdener oder geſchickt durchbohrter fteinerner (Sand:

jtein) Düfen, welche die Luft aus den primitiven Gebläfen in die Defen leiteten. Mehrfach bekannt find auch Lagerftätten von Malachit, jo bei Manyanga und bei Kudondo am Oberlauf des Luemme in den Weitketten des Gebirges an der Loango—

leren Niveau des Kongo, finden fich in den oberen dunflen,

füfte.

teilweis durch Humus bereicherten Partien des mehr zelligen Laterits bis zu etwa 1,5 m. unter Oberfläche und im allgemeinen parallel mit derjelben geordnet ſowohl vereinzelte Broden, wie Bänder

Sflavenfarawwanen das ſchwere Material mit nach den Faktoreien; jeßt liegt die Zuführung gänzlich darnieder, weil fie zu wenig lohnt, und nur KRupferbarren werden noch zeitweilig in verfchwindenden Quantitäten angeboten. Monteiro gibt ehr gute Befchreibungen von den Malachitfundftätten ! in den mweitlichen Zügen des Gebirges ſüdlich vom Kongo, die er teilweiſe bereit3 vor 25 Jahren unterfucht und ausgebeutet hat (im Auftrage englischer Sefellfcehaften, und ohne Gewinn). Nur an einem Bunte, bei Moffamedes, fand er Kupfererze in situ, im übrigen ruhten die Malachitblöde lediglich in Thälern, und zwar eingebettet im wohl umgelagerten Laterit. Er it der

nicht der an— und

Neiter von Holzkohlen. Ste find rezent. Das Holz der Charafterbäumden der Savane ergab beim Verbrennen die gleichen Kohlen. Sene rühren alfo von Lagerfeuern oder Savanenbränden her, find zum Teil vom Regen zu: ſammengeſchwemmt, vorzugsmweife wohl aber von Staub bedeckt worden: denn gerade diefe Dertlichkeit ift ein merk: würdiger Schauplab überaus häufiger und befonders in den Mittagsjtunden ihr Spiel treibender Kleiner Wirbelwinde. Zum Schluß ift noch der Erzvorfommnifje in den

Yateriten

zu gedenken.

verteiltes und

Allenthalben

die lebhafte Färbung

vorhandenes, bedingendes

fein Eifen

it eine charakteriftifche Eigentümlichkeit derjelben; fie find Ihlechthin eifenführend zu nennen. Daß bei Verteilung und Konzentrierung des Gifengebaltes durch Neduftion und Orydation unter Beihilfe des Wafjers die Vegetation eine hervorragend wichtige Rolle fpielt, ift mit Sicherheit anzunehmen. Stagnierende Gewäſſer zeigen die verräterifche

ſchillernde Oberfläche; Nafeneifenftein bildet fich allenthalben auf den kleinen verfumpften Streden; manche träge Ichleichenden Bäche überrafchen durch den leuchtend orange: farbenen Ueberzug ihres Bettes. Eiſen findet fich überall im Gebiete; es fehlt nirgends— wo, iſt aber auch nirgendswo in abbauwürdigen Mafjen vorhanden. Klumpen und Stüde eines mit blafigen Hohlräumen erfüllten Brauneifeniteins lagern an manchen Orten

in Menge;

an anderen

find Partien des Yaterits

überaus reih an Eifen und zu fteinartigen Waffen zus fammengefittet.

Zumeilen entiprechen die Berhältnifje des

Don diefen Plätzen brachten in früherer Zeit die

Ueberzeugung,

daß nur die Kraft des Waſſers fie dahin

befördert haben könnte. Es ergibt fi) aus dem Angeführten, daß die Laterite von zelligem Gefüge unmittelbar aus dem Geſtein ent— standen find und noch entjtehen, dem fie auflagern. Als eine Gefamtheit find fie nicht charakteriſiert durch weſent— (iche Beitandteile, fondern durch ihre Struktur, Lagerung und Entjtehung. Se nach der petrographifchen Eigenart des Muttergefteins wird auch die ihre eine verſchiedene fein, wie fie auch Schon äußerlich durch entiprechende abmweichende Färbung und geringe Verſchiedenheit des Gefüges angedeutet wird. Der Oenauigfeit wegen jollten fie darum in wichtigeren Fällen einzeln als Gneiß-, Thonfchieferz, SanditeinsLaterite 2c. oder doc in größeren Gruppen je nach ihren kryſtalliniſchen oder klaſtiſchen Muttergeſteinen angeführt werden. Da die zelligen Laterite lediglich das unterliegende verhüllte Myttergeftein im Zuftande vorgefchrittener Vers witterung vepräfentieren, iſt es unzuläflig, fie auf geo— logiſchen Karten als Einheit zu marfiven, weil ſonſt das

der den Aufbau des Yandes be:

Vorfommens denen, welche das Tapanhoanfanga genannte

viel wichtigere Element

Geftein Brafiliens charakterifieren. Erdiger Roteiſenſtein findet fich befonders häufig in der Landſchaft Mpakambendi; einzelne Dertlichfeiten find mit gerundeten Stücken des—

dingenden Gefteine dem Auge verloren gebt.

jelben vollftändig überfäet, welche die Eingeborenen

zu

einer jehr wirkſamen Schmudfarbe (Ntoba nsi) für Haut-

bemalung

verreiben.

dort gebracht

Auch Eifenglanz

wurde

(Schluß folgt.)

mir von

und von einem anderen Orte Magneteijen,

welches als Schrot VBerivendung findet. Das Land ermangelt jedoch wirklicher Erzlageritätten; der Eifenreichtum iſt zu allgemein verteilt. Die Einges borenen haben allezeit wohlbedacht nur an begünftigten Orten die reicheren Stüde oberflächlich gefammelt, zer: Ihlagen, gefichtet und ausgeſchmolzen. Die Werfpläße find gekennzeichnet durch Erz und Schladenhaufen ſowie

Sido: Grönland und Hordeufkiöld’s vorigjährige Enkdeckungsfahrt. Von M. Lindeman.

(Schluß.)

Das Kreuzen im eiserfüllten Sunde und zwiſchen den | Eisfeldern nahm faſt den ganzen Tag ein, erſt ſpät am 1 Monteiro:

Angola and the River

bis 195; II, 161, 191.

Kongo,

I, p. 191

408

Siüdoft-Grönland

Nachmittag

erreichten wir offnes Waſſer.

und Nordenſkiöld's vorigjährige Entdeckungsfahrt.

Als es dunkel

wurde, mußten wir bald ganz ftill liegen, bald nur in äußerft

langfamer

Fahrt

vorrüden.

Zudem

batten wir

hier einen ftarfen Gegenſtrom; den folgenden Tag mußten wir den treibenden Eisfeldern auf einem großen Umweg nad) Süden und Oſten aus dem Wege gehen. So hatten wir denn am 1. September Vormittag noch nicht den 62.0 n. Br. erreicht. Das Wetter war herrlich. Nördlich von uns zeigte ſich eim dichtes Treibeisfeld, welches fich von dem durd) die Umiaffahrer längs der Küſte gefürchteten Puiſortok-Gletſcher weit ins Meer hinaus erftredte; ſüdlich von diefer Eiszunge ſchien das Meer landmwärts eisfrei,

Nicht einmal vom Maft herab fonnte man eine Spur von Eis erbliden. Es ſah in der That fo aus, als ob das bisher jo breite Eisband an diefer Stelle unterbrochen fei, und ich gab deshalb Drdre, den Kurs auf das Yand zu richten. Erſt nachdem wir einige Stunden in diefer Nicht: ung vorwärts gedampft waren,

Tonnte man an den dunflen

Strandabhängen bemerfen, daß die Küfte auch hier von einem vielreihigen Perlenbande blauweißer Eisblöde ums geben fer, welches eine Breite von ungefähr 6 Minuten zu haben fchien. Das Band war ziemlich dicht und ein förmliches Durchbrechen wäre nötig gewefen, um die Küfte zu erreichen. Da die Hüfte hier nach den Ausfagen der Oſtländer unbewohnt tft, war ich wenig geneigt, mich dem Abenteuer eines ſolchen Durchbruchs auszufegen. Ich dampfte daher, nachdem die Küftenberge photographiert waren, weiter, um das Land ungefähr auf 630 n. Br. aufzufuchen; bier in den großen Fjorden von Umanaf und Gfallumiut follen

nad) den Angaben des erwähnten Timotheus Kujanangitjof eine Menge Grundmauern im Stil der Normannenhäufer vorkommen.

Die fih 25 bis 30 Minuten

vom

Land

aus

Schollen gebliebenen Reſten, welche den verzehrenden Ein— wirkungen der Sommerwärme und des Golfſtromes wider— ſtanden. Weiter hinein trifft man Eisflächen von größerer, Ausdehnung, felten aufeinander gejchoben und oft durch ichmale oder breitere Wafjerrinnen getrennt. Zwiſchen dem Treibeis ſah man bie und da den einen oder anderen großen Eisberg; an der Oftfüfte fommen jedoch Eisberge in weit geringerer Zahl vor al3 an der Weſtküſte. In der Hoffnung, bald bei Umanak oder Cfallumiut landen zu fünnen, wollte ich mich bier nicht gar zu lange mit Verfuchen aufhalten, das Eisband zu forcieren, welches faum mit befonderen Schwierigkeiten verbunden geweſen wäre, Sch dampfte daher weiter, aber nun änderte ſich das bisher jo ſchöne Wetter; ein dichtes Schneetreiben hüllte die ganze Küfte und die umliegenden Eisfelder ein.

Um

Nördlich von 62° n. Br. wurde das Eisband wieder fo breit, daß ich faft die Hoffnung aufgab, das Land zu er— reichen. Aber ſchon um Mittag öffnete fich eine fo tiefe Bucht nach dem Lande zu, daß es wiederum fchien, als ob bier ein vollftändiger Einfchnitt in den Eisgürtel längs der Küfte vorhanden fer. Wieder dampfte ich dem Yande zu und abermals wurden ir durch ein fchmales Eisband an der Erreichung unferes Zieles verhindert. Die Küfte

als ein wildes Alpenland.

Es beiteht, ſoweit wir vom Meere aus ſehen fonnten, aus hohen, dunklen, jchneefreien Bergkuppen. Die Thälchen

nicht während

diefes Schneegejtöbers

zwiſchen dem

Treibeis eingefchlofjen zu werden, um ferner nicht plößlich auf eine wegen des Schneetreibens zu ſpät erblidte Eis: flippe zu ftoßen und endlich auch, um nicht im Dampfen

gegen den Strom zu viel Kohlen zu verbrauchen, Tieß ich die „Sofia ettvas weiter vom Lande wegiteuern, aus dem falten vom Norden fommenden, in den warmen, nordwärts gehenden Strom.

Am Abend

er

Itredende Treibeisfpige bei Puiſortok wurde umfegelt und die Fahrt längs der Eisfante nordwärts fortgefegt. Wir famen jedoch nur ſehr langjfam vorwärts, teils in Folge der vielen Winkel, welche wir, indem mir der Eisfante folgten, bejchreiben mußten, teils wegen des ftarfen nörd— lichen Stromes, der im Bereich des falten Waſſers längs der Küfte herrſchte. Man brauchte ſich aber fein be: deutendes Stüd vom Yand zu entfernen, jo fam man plöglich in einen warmen (bis zu + 60) füdlichen Strom.

zeigte jich bier fortwährend

zwiſchen ihnen find oft mit größeren oder kleineren Schnee— und Eisanfammlungen erfüllt, welche jedoch nur an wenigen Stellen wirklich bis ang Meer reichende Schneefelder zu bilden fcheinen. Nirgends fah man bier, wie an manchen Stellen der Weftküfte, vom Meere aus die Mwagerechten Eiswälle des Inlandseiſes. Das Treibeis, welches von nun an die Eiswände längs der Oſtküſte bildete, beſtand an ſeinem äußeren Rande aus dem, was die Fangmänner Knattér-is, Brocken— eis, nennen, d. h. kleinen Eisſtücken, den von größeren

des 3. September

legte ſich der Wind

wieder, das Wetter klärte fih. Der ſüdliche Strom hatte die „Sofia“ ſchon an der Stelle, wo ich zu landen gedachte, vorübergeführt. Die Nüdfiht auf die vorgejchrittene Jahreszeit und auf den Kohlenvorrat ließen es mir ratſam erfcheinen, nicht zu wenden; ich ließ deshalb, wiewohl ſehr ungern, den früheren Plan der Landung fallen, um ſtatt deſſen irgendwo ſüdlich von Kap Dan die Landung zu verſuchen, an einer Landſpitze, welche, im Fall der Ejnafjord bei Umanak oder Ekallumiut läge, dem Herjulfs— näs der alten Grönländer entſprechen würde.

Am

Morgen

des 4. September

bekamen

wir Kap

Dan in Sicht. Die See ſchien in der Richtung nach dieſem Vorgebirge vollkommen eisfrei zu ſein. Ich dampfte

wiederum die

auf das Land zu, dieſes Mal mit der Abſicht,

Forcierung

des

Eisbandes

ernſtlich

zu

verſuchen,

welches, wie ich annahm, uns auch hier entgegentreten würde. In der That traf ich es ungefähr 20 Minuten vom Lande. Das Treibeis war, nachdem der dichtgepackte äußerſte Rand durchfahren war, ziemlich paſſierbar. Es be— ſtand

aus

ebenen,

nicht emporgeſchobenen

Eisblöcken,

Siüdoft-Grönland und Nordenſkiöld's vorigjährige Entdedungsfahrt.

tvelche fich nur einige wenige Fuß über den Wafjerfpiegel erhoben und felten mehr als 30 bis 40 Fuß Durchmefjer hatten. Sie und da zeigten ſich Eisberge. Nach der Landfeite wurde das Eisband wiederum von einem dichteren Rand beſetzt, dann Fam eine jo gut wie eisfreie 3 bis 4

Minuten breite Küſtenrinne; das Waffer war hier jo ruhig wie in einem Teich, fo daß man überall am Strand mit Booten hätte anlegen fünnen. Die Küftenberge reichten an den meilten Stellen mit fajt quer abgejtuften Ab: hängen in die See hinaus, ohne irgend welches niedrige mit Gras bewachjene Borland. Uns gegenüber reichte

eine offene Bucht in das Land hinein. Ich wollte anfangs bier anfern, um, bevor der Tag fich neigte, einige Sonnen höhen zu nehmen. Allein, als wir weiter fuhren, ergab ſich, daß die Bucht feinen Schuß für das Fahrzeug dar: bot, ja in Folge der Meerestiefe und der Beichaffenheit des Grundes nicht einmal eine gute Anferftelle abgab. Auf alle Fälle ging ich bier für einige Stunden mit den wiffenschaftlichen Begleitern ans Yand, ſandte auch einige Leute aus, um von den Höhen die nächite Küſtengegend

zu vefognoszieren und auszufchauen,

ob nicht ein ordent-

licher Hafen in der Nähe ſich vorfände. Um 4 Uhr waren alle wieder an Bord, die Gelehrten mit einer über Er: warten reichen Ernte von den fchroffen, aber an manchen Stellen mit üppiger Vegetation bededten Abbängen, die zur Nefognoszierung Ausgejandten mit dem willfommenen Beicheid, daß dem Anjchein nach ein von Wind und Treib: eis gefchüßter Hafen fih ganz in der Nähe vorfinde, Sofort dampfte ich bin und ließ um 6 Uhr nachmittags dort Anfer werfen. Es war ein ſchöner, in mehrere Arme geteilter Fjord, der freilich nur durd eine ſchmale Münd— ung mit dem Meere in Verbindung ſtand, aber in feinem Innern an verjchtedenen Stellen vortreffliche, wohlgeſchützte Anferpläße darbot. Selbſt an der Küfte Sfandinaviens, die doch an guten Häfen reich iſt, würde diefer Hafen zu den allervorzüglichiten gerechnet werden.

Se. Maj. König Dsfar hat genehmigt, daß der Hafen nad ihm benannt werde.! Seit Jahrhunderten hat bier, an Grönlands DOftküfte, ſüdlich vom Polarkreis, zuerit ein Fahrzeug geanfert. Wenn Kap Dan das alte Herjulfsnäs fein follte, dann würde König Oskars Hafen vielleicht dem

bei Herjulfsnäs gelegenen, von Spar Baardjön fo genannten Hafen Sand, „allgemein beſucht von Norbmännern und Kaufleuten”, entiprechen. Daß die Nordmänner bier waren, Darauf deuten zwei auf den Berghöben aufgeführte Stein:

male bin, die vermutlich als Erfennungszeichen für die durch Klippen verborgene Mündung des Fjords dienten. Ferner findet man bier Steinmauern von einem Eleineren Haus derjelben Art, wie die Grundmauern der Normannen: bäufer an der Weſtküſte. Gewiß find dieſe Heberrefte der

Borzeit zu unbedeutend, als dal man aus ihnen mitSicherheit jchließen fünnte, daß man bier in der That I Siehe die Karte desjelben in Nr. 20. Ausland

1884, Nr. 21.

409

eine der alten Grönlandniederlafjungen vor fich babe. Aber fie verdienen jedenfalls als Fingerzeige für wei— tere Unterfuhungen auf der grönländifchen Oſtküſte Be— achtung. Gleich nachdem der Anker gefallen, gingen wir ans Yand und zerjtreuten uns nach verichiedenen Nichtungen für die Unterfuhung. König Oskars Hafen wird an mehreren Stellen von Schönen Thälchen mit ebenen, dichten SGrasmatten und üppigen Bufchgruppen umgeben. Die Vegetation ſchien mir eine reichere, die Grasmatten weniger mit Moos gemischt, als an den von mir befuchten, auf dem gleichen Breitengrad belegenen und von granitijchen Geſteinen umgebenen Fjorden der grönländischen Weſtküſte. In einem der Thälchen floß ein Büchlein, deſſen Ufer: abhänge an mehreren Stellen aus lofen, nicht von Gras» ‚matten bedeckten Sandlagern bejtanden. Hier fanden wir Spuren von Eskimos. Einige diefer Spuren waren mehrere Tage alt, andere fo friſch, daß der durch das Eindrücken des Fußes feucht gewordene Sand noch nicht batte wieder trodnen fünnen. Wahrjcheinlih waren die Eskimos gefloben, als fie zum eriten Mal ein Fahrzeug die Eismauer durchbrechen ſahen, welche ihre Küjte fo jiher vor unliebfamem Beſuch geſchützt hatte. An ver ichiedenen Stellen des Strandes fand man teilweiſe ziem— (ich erhaltene Ktejte von aus Stein und Torf aufgeführten Gsfimohäufern, von Eskimogräbern, von labyrintbförmigen, wie für Spielpläge errichteten Steinlegungen, von Feuer: jtätten, Spedgruben, Juchsfallen 20. Xeßtere waren offenbar noch ganz fürzlid gebraucht worden und auf eine ganz neue finnreiche Weife aus Steinfließen und Gerölle ohme Beihilfe von Holz oder Knochen verfertigt. In einem Kindergrabe, einem Steinhaufen am Fuße einer hervorspingenden Klippenwand, fand man ein jehr gut ver:

fertigtes Miniatur-Fanggerät. Die Naturforscher fammelten viele neue Beiträge zu Dftgrönlands Fauna und Flora. Darunter mag bejonders das von Skandinaviens Hofplägen, Hausüberreiten und

Zäunen

wohlbekannte

Gänfefraut (Potentilla anserina)

erwähnt werden, das bisher in Grönland vorzugsweife bei den Normannenruinen angetroffen wurde und deſſen Vor— fommen bier daher vielleicht als ein Anzeichen dafür bes trachtet werden fünnte, daß Normannen einft auch hier wohnten. Es wurden Spuren von Nenntieren, aber nicht von Mofchusochfen getroffen, dagegen wurden weder Bären noch Walroſſe, noch Seehunde gefeben. Die ganze Jagd— beute beftand in zwei Schneehühnern. Daß die Esfimos Ich würde fonjt von entwichen, war ſehr unangenehm. ihnen wohl ganz fiher manche Andeutung betreffs diejes Teiles von Grönland und feiner Bewohner erhalten haben, Aufflärungen, welche möglicherweife manche Streitfrage in

Betreff der Lage der alten nordifchen Kolonien hätten enticheiden fünnen. Da ich nun hier feine Eingeborenen traf, auch nicht weiter ins Land dringen fonnte, Lichtete ich ſchon

am

folgenden Tage die Anker,

um

weiter, womöglich 63

410

Südoft-Grönland und Nordenfkiöld's vorigjährige Entdedungsfahrt.

nad) dem großen, an feinen Ufern ftark bewölferten Fjord

zur DVergleihung der Entfernung vom Meere aus.

zu dampfen, welcher laut den von den Dftländern dem Premierleutnant Holm und dem Paſtor Brodbed gemacht Mitteilungen im Norden von Kap Dan anzutreffen fein fol. Bor der Abfahrt hatte ich zwei Fangleute in die Berge zur Nefognoszterung gefchidt. Ste famen mit der Erklärung wieder, daß das Eisband außen vor der Küfte jet fchmaler fei, als da wir hereinfamen. Dies beitätigte fih auch anfangs. Allein auf die Dauer war es ſchwierig, bei dem niedrigen Tafelwerf unferes Fahrzeugs den beiten

klarem Wetter, befonders bei gewiſſen Beleuchtungen, fommt

Weg hbinauszufinden und bald mußte ſich die „Sofia“ durch gepadte Treibeisfelder ihren Weg bahnen. Am ichlimmften war es an der Außengrenze des Eisbandes. Hier war das Treibeis nicht nur äußert dicht, ſondern es rollte ab und an, frachend in der heftigen Dünung. In der That ſchien es bedenklich, ſich mit dem gebredhlichen Fahrzeug in diefe vollenden, jtampfenden Eismaſſen hinein: zumwagen, in denen die gewaltigſten Eisblöde zerdrüdt und zermalmt wurden. Allein es blieb uns nichts anderes übrig, wollten wir uns nicht einer Ueberwinterung oder einem neuen, unter weit ungünftigeren Umftänden zu unternehmen den Durchbruchsverfuch ausjegen. Glücklicherweiſe war der in dieſer Weiſe rollende und ftampfende Streifen des Eid: bandes ſehr ſchmal und wir brachen, fo gefährlich es auch ausſah, glüdlih und ohne anderen Schaden durch, als daß unfere „Softa” überall mit der roten Mennigfarbe ihres Anftrichs die Stellen bezeichnete, wo fie den blau: weißen Eisgürteldurchbrochen hatte. Nachdem wir hinaus: gefommen waren, dampften wir weiter, anfangs längs der Eisfante um eine von Kap Dan ſüdwärts ſich erſtreckende Eiszunge. Darüber verging der größte Teil des Tages. Nachts mußten wir wegen der Dunkelheit langfam fahren, jo daß wir am Morgen des 6. uns noch ungefähr auf dem 66° n. Br. befanden, Merkwürdig war die Armut

des Tierlebens zwischen diefen Eisfeldern; mir ſahen nur wenige Seehunde, einen Walfiſch, feinen Eisbären, fein Walroß. Wir vermißten die ſonſt im Polareis fo häufig vorfommenden Vogelſchwärme, auch einzelne Vögel waren jpärlich, was ſich vielleicht durch die ſpäte Jahreszeit er: Härt; mehrmals jahen wir große Steine auf den Eis— bergen, an denen wir vorbeidampften, Liegen, eine Wahr: nehmung, die ein gewiſſes Intereſſe für die Geologie der quartären Erdlager bei uns hat. Eine Strede nördlih von Kap Dan ſchien das Meer bis ans Land vollfommen eisfrei zu fein. Indeſſen hatte ich Schon lange gelernt, dergleichen Ausfichten zu mißtrauen. Während ein 2 Fuß über dem Waſſer aufiteigender Eis: gürtel von Bord der „Softa” aus in einem Abitand von 11 bis 12 Km, geſehen werden kann, find die hohen Küftenfelfen Oſt-Grönlands ſchon 100 Km. vom Lande ab

fichtbar.

Bei

es einem fo vor, als ob das Land ganz nahe wäre; man kann dann ftundenlang auf ſcheinbar nahe gelegene Berg: höhen losdampfen,

ohne fie zu erreichen und ohne elbit

das die Küfte fperrende Eisband

zu erfennen.

Eine be:

fondere DVeranlaffung zu einer Aenderung des Planes, weiter nordwärts vorzudringen, lag nun nicht vor, anderer— feit8 hatte aber der weite Umweg nah Süden zur Um— gehung der Eismaffen bei Kap Dan meine fchon nicht mehr bedeutenden Kohlenvorräte erheblich vermindert; eine Berehnung ergab, daß der Vorrat nur noch für 3 Tage Volldampf reiche, alſo ſoviel wie notivendig, um, wenn man etwa einige Tage wegen Sturmes beidrehen müſſe, nach Neyfjavif zurüdfehren zu fünnen. Uebrigens war e3 feinestvegs ficher, wo man den nad) der Behauptung der Dftländer fo guten und von einer zahlreichen Bevölkerung an feinen Ufern befiedelten Fjord zu ſuchen habe; die

Mündung desjelben konnte gleich ſüdlich vom Ingolfsffjell liegen, wo ein tiefer Meerbufen zwischen die Felfen einzus dringen ſchien. Unter Abänderung meines Planes beichloß ih deshalb, an diefer Stelle eine Landung zu verſuchen. Zange ſchien es, als ob feine ernften Hinderniffe durch das

Eis uns begegnen würden; allein ungefähr

10 Minuten

vom Land trafen mir ein dichtes Cisband, das fich bis ganz an die Küfte zu erjtreden ſchien. Es wäre nun vielleicht nicht fo fehwierig für die „Sofia“ geweſen, hier durchzubrecben, wenn nicht die meiter hinaus herrjchende

Dünung fih no an der Kante des Eifes bemerkbar ges macht und bejtändig die Eisfelder in einer vollenden Bes wegung erhalten hätte; einem durchbrechenden Fahrzeug hätte das leicht gefährlich werden fünnen. So verdrießlich es nun aud war, Schon um diefe Jahreszeit unfere Unter: fuhungen an der Küfte Oftgrönlands abzubrechen, jo gab ih nun doch Drdre, zu wenden und den Kurs auf Rey— fjavif zu nehmen, wo twir am 9. September ankamen.” Dies der Bericht Nordenſkiölds, ſoweit er fich auf jeine Oſt-Grönland-Fahrt bezieht. Für jeden mit arktiſchen Neifen und befonders mit der Entdeckungsgeſchichte Oſt— Grönlands PVertrauten bietet er des Sntereffanten viel. Ber Abſchluß dieſes Artikels wird der Beichluß des

zu Münden verfammelten Geographentags zu Gunſten der Fortfeßung der Polarforſchung ſeitens Deutſchlands befannt und zwar wurde, vie die Zeitungen berichten, eine Forſchungs- und Entdeckungsreiſe nad) den antarftifchen Regionen als ideales Ziel hingeftellt.!

Diefer Beſchluß tft

gewiß freudig zu begrüßen. Eine der wichtigſten Vorbe— dingungen für eine fo großartige Unternehmung tie diefe, die mehrere

Jahre

in Anspruch

nehmen, zwei bis drei

Schiffe erfordern und darum auch einen fehr bedeutenden Koftenaufwand verurfachen wird, ift eine in der Eismeer—

Es fommt hinzu, daß auf jenen öden Felfen

weder Häufer noch andere hervorragende Gegenjtände ges

jehen werben

können, es bietet jich daher fein Maßitab

N Siehe den Wortlaut diefer Reſolution und unfere Bemerk— ung zu derjelben in Nr. 17, ©. 336. A. d. R.

a a Z di

ec y W

Politifch- und wirtſchaftsgeographiſche Rückblicke.

fahrt geübte, mit ihren Unbilden und Gefahren vertraute, abgehärtete Mannſchaft. Dieſe Unbilden und Gefahren find ja, wie befannt, z. B. wegen der größeren SHeftigfeit und längeren Dauer der Stürme, wegen der ſchwereren Beichaffen-

heit und größeren Mafjenhaftigfeit des Eifes, wegen der völligen Untirtlichfeit des Landes, nad) vielen Berichten weit bedeutender als in den Nordpolarregionen. Sie find der Urt, daß man in England feiner Zeit im Hinblid auf eine jpätere Expedition nach dem antarftifchen Meere die leßte große Expedition unter Nares veranftaltete; es wurde

als eines der Motive für diefe Unternehmung geltend ge: macht, ſich für jene weit ſchwierigere Südpolarreife einen Stab von in der Eismeerfahrt überhaupt erfahrenen Leuten beranzubilden. Wenn fich daher die Ausfiht auf Verwirk— lihung jenes großen vom Geographentag bingeitellten Zieles bieten und eine große Deutſche Südpolarerpedition a la Sames Clark Roß, Wilfes ꝛc. zu ftande fommen

jollte, wird man

deutſcherſeits

es wohl auch für nötig

finden, zuvor auf einer kleineren arktifchen Reife Erfahrung

und Bertrautheit mit dem Eismeere zu gewinnen. Könnte ſich für eine folche Reife ein geeigneteres Ziel bieten, als Oſt-Grönland? Und ift es nicht überhaupt eine Ehren: pflicht der Deutfchen, wenn es fich einmal um Bolarreifen handelt, das von unjeren Forſchern und Seeleuten an jener Europa jo nahe gelegenen Küfte fo rühmlich begonnene Werk weiter zu führen und zu einem gewiffen Abschluß zu bringen? Ein ledender Dampffefjel war 1870 die Urfache, daß die deutſchen Entdeckungen in jenem, nach dem Kaifer von Deiterreich genannten prächtigen Fjord faum begonnen, abgebrochen werden mußten. Der Engländer Dr. Copeland, Teilnehmer der Germania-Fahrt, ſchrieb mir noch vor furzem: Man leſe das 17. und 18. Kapitel unferes Werkes und man wird ſich überzeugen, welch' reiches danfbares Feld. ſich den deutſchen Forſchungen dort bietet. Oder will man biejes allein den Dänen, Engländern, Schweden über: lajien? Man verfäume doch über großen idealen Zielen nicht das Nächſte! Wird diejes doch erjt naturgemäß die Stufe zu jenem Höheren bieten, das ſonſt wohl unerreicht

bleibt,

weder England mit Waffengetvalt feinen Willen durchzus jegen trachten oder jene Konvention von PBretoria einer durchgreifenden Nevifion unterziehen mußte, Da England feine derartigen Intereſſen in Transvaal gefährvet fah, daß es ihnen zu Liebe einen koſtſpieligen, langtvierigen

Krieg wagen wollte, jo juchte es durch friedliche Verein: barungen mit der füdafrifanischen Republik das im Unter: gehen begriffene Anſehen britiicher Majeftät zu retten; außerdem offenbarte ſich in den Boers fo viel gejeglicher Sinn, daß fie bereit waren, aus den thatjächlichen Ver: hältniſſen, die ſie ja leicht hätten ertragen fönnen, recht: liche zu geſtalten, die Nechtsbejtändigfeit an die Stelle des paffiven Widerſtandes und der Gewalt zu ſetzen. So machte ſich denn eine Deputation des Transvaalitaates auf den Weg nad) England. Es landeten am 29. Dftober

1883 Präſident Krüger, General Smit und der Minifter des Unterrichts Du Toit in Plymouth. Das englische Volk empfing fie mit wenig Behagen und Freundlichkeit. Alle die alten Gefchichten von der Grauſamkeit gegen die Eingeborenen, von dem Verbrennen von Kaffernfindern wurden durch die philanthropiſche Partei von neuem auf: geiwärmt, der Lord Major verweigerte ihnen in unquali— figterbarer Weife den Zutritt zum Manfion Houfe, in feiner Höhle ſchüttelte der britifche Löwe feine ftolzge Mähne. Die Boers aber liefen ſich nicht einſchüchtern; in einem ent: ſchiedenen, in feiner Einfachheit überzeugenden Manifeit

gegen die Anti Slavery Society ! erklärten fie das Yügen: bafte der Erzählungen über ihre Landsleute und miefen auf die abnormen Berhältniffe hin, unter denen fie zu leben haben und einen zivilifierten Staat zu organifieren hatten. Bon Woche zu Woche gewannen fie mehr Boden. Der Abſcheu verwandelte jih zwar nicht in Sympathie, aber doch in eine Art von Öleichgültigfeit, welche es dem Kolonialminiſter Derby ermöglichte, ohne Kampf gegen die öffentliche Meinung allein die wirklichen Intereſſen vom itaatsmännifchen Standpunkte aus ruhig ins Auge zu faffen, den Anfprüchen der Boers im weſentlichen nach— zugeben und den neuen Staatsvertrag endlich am 27. Februar 1884 abzufchliegen. Die meiste Schivierigfeit verurfachte die Regulierung

der Weftgrenze.

Politiſch- und wirkſchaſtsgeographiſche Rückbliche. II. Der

neue

Staatsvertrag

zwiſchen

England

und

Transvaal.

Aus den Grenzitreitigfeiten mit den Betichuanen, aus den Eroberungszügen der Freibeuterbanden, welche Stella: land gründeten und dasfelbe unter die Negierung von Pretoria zu ftellen wünfchten, endlich aus der Erfolglofigfeit der Interventionen des englischen Nefidenten ergab ſich im Sahre 1883 die Haltlofigfeit der in Pretoria 1881 abgeichloffenen Konvention in jo evidenter Weife, daß ent:

411

Die Boers wünfchten, daß das Gebiet

der ihnen befreundeten Häuptlinge Maſſow und Mofchette, und zivar auf deren Wunfch, dem Transvaaljtaate ein: verleibt würde. Doch dadurch wäre die von Weſt-Griqua— (and nach Norden und nad dem Inneren führende Ver: fehrsitraße, auf welcher ſich hauptjächlich dev Import und Export der Engländer bewegt, zum Teil in den Bereich der Boers gefallen und die Unabhängigkeit derjelben alteriert worden. In diefem Punkte zeigte ſich England hartnäckig; es nüßte der Deputation nichts, darauf hinzuweiſen, daß durch 1 Siehe „Daily

News“ vom

13, November

1885.

412

Politiſch- und wirtfchaftsgeographijche Rückblicke.

die neue engliſche Grenzlinie das Gebiet der befreundeten Häuptlinge zum Teil innerhalb und zum Teil außerhalb Transvaals liegen und dieſe deshalb nicht einverſtanden

ward ein Generalfonful; jede Einmifchung in die innere Verwaltung, namentlich in Bezug auf die Angelegenheiten der Eingeborenen, wurde ausgejchlojjen. Nur ein Fleiner

fein würden,

Neft britischer Oberhoheit erhielt fih in dem Artikel 4:

und

daß man

mit einer Neutralitätsertlärs

ung der Handelsjtraße allen etwaigen Nachteilen vor— beugen fünnte. Lord Derby blieb auf feinem Borjchlag bejteben; das merfantile Intereſſe gab offenbar den Aus— ichlag. Die Deputation willigte endlich ein, ſetzte aber die Annahme der Beitimmung durch, nach welcher Die Negierung von Transvaal nicht verpflichtet fein ſoll, militärische Hilfe bet der neuen Grenzregulierung zu leiften. In diefer Stelle des Vertrags liegt der Keim zu neuen Verwicklungen; die Boers gaben fofort die Erklär— ung ab, daß ſie für diefe Eventualität niemals veranttportlic) gemacht werden dürfen, was Lord Derby auch anerkannte. Nicht nur werden Maffow und Mofchette ihre Souveränitätsrechte in den ihnen gehörenden Gebiets— teilen auch jenfeitS der Grenze von Transvaal ſtets geltend zu machen juchen, jondern auch die Freibeuter werden in Stellaland das Necht der Waffen gegen den jchwachen, aber von den Engländern begünſtigten Manfarvane ge: brauchen; jollen ſie ja Schon Anfang März in hellen Haufen bereit gejtanden jein, um dieſen Häuptling ganz und gar aus jeinen Yändereien zu vertreiben, ehe die englifche Grenz polizeiwache am Hart Niver eingetroffen fein wird. Was werden da folgende Paragraphen des neuen Bertrages helfen? „Die Regierung von Pretoria mwird ihr Aeußerſtes thun, um Uebergriffe ihrer Unterthbanen nad) Ländereien jenfettS der Grenze zu verhüten; fie wird wie England Kommifjäre ernennen, welche Orenzverlegungen entgegen: treten ſollen.“ Gewiß mwird dies alles geſchehen; aber in jenen Gegenden tft die Unternehmungsluft und die Erz panfionsfraft der Boers jtärfer als das Anſehen eines iſoliert ſtehenden königlichen oder republikaniſchen Kom— miſſarius; nur die Exiſtenz mutiger und ſtaatlich feſt— organifierter Bölferfchaften kann die Oſt- und Weſtgrenze Transvaals auf die Dauer in den Schranken erhalten, welche die Artikel des Londoner Vertrags gezogen. Die übrigen Bunftationen der Konvention von Pretoria wurden mit überrafchender Leichtigkeit erledigt. Die vorbandene Suzeränttät verſchwand gänzlih, an die Stelle

des Territoriums von Transpaal trat in alter Frifche der Name der jüdafrifanischen Republik wieder auf; man machte dem hochfliegenden Optimismus und PBatriotismus aller auf dem Südende Afrikas wohnenden Boers lächelnd die ſchmeichelhafteſten Konzeffionen, gewiß in der ficheren Erwartung, daß, wie die Suzeränität ein Scheinbild ge-

weſen war, auch die allumfafjende Nepublif ein Phantom jein und bleiben werde.

Aus

dem

englifhen

1 Ju der vorzüglich tiberfichtlich ausgearbeiteten Merensky,

Berlin

1884

(fiehe „Ausland“

1884.

Nefidenten Karte von

Nr, 14) ift zum

erften Mal die neue Grenze eingetragen. Der Gebietszuwachs iſt danach für Transvaal fein gerade beträchtlicher,

„Die Negierung der ſüdafrikaniſchen Nepublif wird feinen Vertrag mit irgend einem anderen Staate oder Volke, außer mit dem Oranje-Freiſtaat, zum Abſchluß bringen, welcher nicht zuvor von der englifchen Regierung

gebilligt worden tft. Jeder derartige Vertrag gilt als gebilligt, wenn 6 Monate nad Empfang der Abfchrift eines ſolchen England notifiziert hat, daß er die Intereſſen Großbritanniens und der ſüdafrikaniſchen Kolonie nicht beeinträchtigt.“ So einfchneidend diefer Artikel werden kann, fo enthält er doch eine wejentliche Erleichterung gegen die big-

berigen Beltimmungen, nach denen fon die diplomatische Anfnüpfung von Verhandlungen mit dem Auslande ganz und gar in die Hände der Engländer gegeben war. Eine merkwürdige Klaufel enthält diefer Artifel 4 in dem Paſſus über die Erzeption des Dranje-Staates. Da diefer vollfommen unabhängig tft, jo kann er gelegentlich fogar dem englifchen Intereſſe entgegengefeste Verträge abjchließen und dann Transvaal diefe durch Anfchluß für ſich er— werben. Man fcheint aber diefe Eventualität in England faum für möglich zu halten, einerfeitS weil der DranjeStaat als England befreundet gilt, andrerfeits weil er mit Ausnahme der Nordfront ganz von englischen Kolonien umſchloſſen iſt. Dagegen wird eine Berfchmelzung beider

Boersſtaaten von England weder vermutet noch auch ges fürchtet. In der Frage der Staatsjchuld zeigte fi England jebr foulant; die ganze Summe der Kriegsentſchädigungs— gelver im Betrage von 120,000 Bf. St. wurde fallen ges laffen, ferner von den 265,000 Pf. St. Verwaltungskoſten während der Annerion 15,000 Pf. St. geftrichen, fo daß

jtatt einer Schuld von 475,000 Pf. St. jeßt nur. mehr eine jolche im Betrage von rund 360,000 Pf. St. zurüdzuerftatten bleibt, welche durch 60/, Verzinfung amortifiert werden ſoll. Letztere beträgt 21,600 Pf. St., immerhin

eine nicht unbedeutende Belaftung des Budgets bei einer Jahreseinnahme von nur 188,000 Pf. St., wie 1883, Mit dem Abjchluffe des neuen Vertrages kann für Transvaal eine Blütezeit beginnen; geordnete ftaatliche

Verhältniffe erlauben eine intenfive Ausbeute der in dem weiten Neiche verborgen rubenden Schäße. Allein der Fort: ſchritt wird fein energisch amertfanifcher, fondern ein bes dächtig holländischer fein. Denn der Boer bat zwar Unter: nebmungsgeift, aber nur den des Jägers und Abenteurers, Herrichen über meilenweite Streden eigenen Grund und Bodens iſt fein durch jahrzehntelanges Wandern ererbtes Trachten; intenfives Bearbeiten eines Yandgutes von ge tingeren Dimenfionen, induftrielle, moderne Ausnüßung der vom Lande dargebotenen Naturprodukte it nicht nad jeinem Geſchmack. Er hängt mit ftarrer Zähigfeit am

Der vierte Deutſche Geographentag

Altgewohnten und neue Gefichter find ihm zuwider. Darum möge man fich ja nicht dem Gedanken bingeben,

in Transvaal

jeßt ein erfolgverfprechendes

Gebiet

für

Auswanderer erhalten zu haben; denn dort ift die Maſſe der Weißen Großgrundbefiger, die Maſſe der Arbeiter find die verachteten Kaffern. DB. 8%.

zu München.

17. bis 19. April 1884.

in der That jenen Grundmoränen, welche wir an der Sohle der heutigen Gletſcher eingefroren im Eis wahr: nehmen fünnen. In der norddeutſchen Ebene und an den briti— ichen Küften gewahrt man, von twelch’ gewaltiger Ausdehnung der Steintransport unter dem Eis war. Indes ıjt das Material der Orundmoräne jedenfalls zweierlei Urjprungs, einerfeits durch erodierende Prozeſſe dem Bette des Gletſchers

entnommen,

Der vierte Deutſche Geographeniag zu Münden. 17. bis 19. April 1884. IV.1

Zu den durch die Behandlung der Referate und den

Berlauf

der Diskuffionen

an

Ergebniſſen

fruchtbariten

Sitzungen des Münchener Geographentages gehörte der Morgen des 18, April. Seit einer Reihe von Jahren beihäftigen ſich Geographen mie Geologen mit den

Wirfungen

der Glazialzeit

auf die plaſtiſchen

Berbältniffe der Erdoberfläde. Es ijt vor allem ein morphologisches Problem, durch welches die Lehre von den alten Gletichern unfer Intereſſe feſſelt: die Beob— achtung, daß gewiſſe charakteriſtiſche Reliefformen in allen einjt der Herrichaft glazialer Eisjtröme unterivorfenen Gebieten ſich vorfinden und innerhalb derjelben in den verschiedeniten Ausprägungen wiederfehren. Während alfo jene eiſigen, ſchuttbedeckten Maſſen längſt geſchwunden, blieben ihre Werke zurück und geſtatten einen Schluß auf die Kräfte, welche ſie entfalteten, um den Boden, über den ſie wegzogen, umzugeſtalten. Nun wurden zwar die durch den Geſchiebetransport der früheren Gletſcher erzeugten, in den mannigfaltigiten Formen der Aufſchüttung unzwei— deutig vorliegenden Einflüffe der Eiszeit auf die Boden— plajtif längft erfannt. Allein vie jo tief in die Xehre von

der Entjtehung zahlreicher, eigenartiger Züge um Antlit unferer Erde eingreifende Frage nach den negativen Wirk ungen der glazialen Eisjtröme auf ihre Unterlage, der

Eiserofion, ift, wie eben die Berhandlungen in der dritten Sitzung des vierten Deutjchen Geographentags zeigten, noch lange nicht fpruchreif. Wir glauben indes, daß durd) die gründlichen, objektiv nur mit Thatfachen vechnenden Meferate von Dr. U. Penck, Brofeffor Eduard Richter und Brofefior Dr. E. Gerland der Weg vorgezeichnet wurde, auf welchem man fich Durch das Zuſammenwirken von Öletjcher:

funde, Klimatologie und Ölazialgeologie ihrer endgültigen Löfung nähern fann. Alle früher vergleticherten Areale, führte Dr. Penck aus, find mit Block-

oder Geſchiebelehm bedeckt, den wir

geologifch als Grundmoräne auffafjen. dern

wo

immer,

überall

iſt dieſes

Mögen wir wan— Geftein von

gleich:

bleibendem, faum twechjelndem Habitus und es gleicht auch 1 Siehe „Ausland“

1884, Nr. 17, 18 und 19.

413

andererſeits

aus

älteren

Schutthalden

von

Berivitterungsproduften herrührend, welche die Erbober: tläche vwerhüllten, bevor die Olazialepoche eintrat. Die erszeitlichen Öletfcher waren nun im Stande, dieſes Material auch bergan zu beivegen, aufwärts zu verfrachten und hieraus, ſowie aus den erjt erwähnten Thatfachen refultiert ihre Fähigkeit, jelbjt Beden ausfchürfen zu fünnen. Dies Ihließt jedoch feineswegs die Mitwirkung anderer Kräfte bei der Bildung des Seephänomens aus. Xebteres bietet daher der Lokalforſchung noch Probleme genug und es gilt deswegen vor allem, die Seen ehemals vergleticherter Areale einzelm zu unterfuchen und zu entjcheiden, ob jie Eroſions— beden find oder nicht. Für das Alpenvorland gelingt der Nachweis zu Gunſten der Gletfchererofion. Zugleich) finden wir aber auch hier, wie ungemein einflußreich die Stonfiguration des Yandes und dejjen geologijcher Bau auf die Lage der Seen tft. Die Länder, welche die charakteriftifchen Oberflächen: verhältniffe ehemaliger Gletfchergebiete tragen, nehmen ein Fünftel des befannten Landes ein und lafjen daher auf früher enorme Eisausdehnungen fehließen. Hiedurch wird die Vermutung gemwedt, es fer während der Quartärzeit große Kälte, ein Schüttelfroft der Erde eingetreten. Ein genaueres Studium lehrt aber, daß in der Glazialepoche nur eine Depreffion der Schneelinie fjtattfand, Die im Mittel 1000 m, nicht überjtieg. Daraus läßt ſich auf eine jehr geringe Temperaturerniedrigung ſchließen und ein Ueberbli über die heutige Lage der Firnlinie im Vergleich zu derjenigen während der Eiszeit, welche der Redner auf mehreren Kärtchen vdargeitellt hatte, lehrt, daß nur eine Klimaverfchiebung ftattgefunden hatte, durch welche das Klima Norivegens nad Süddeutſchland, das der Alpen über das Mittelmeergebiet verfchoben erfcheint. ES ergibt fich demnach, daß in der mediterranen Region die Eiszeit ſich nicht als ſolche, d. h. als eine Gletjcherperiode, entfaltete, fondern als ein anderweitiger Klimawechſel. Auf gabe der Klimatologie ift es, die Verfchtebung der Firm: linienhöhe während diefer Epoche zu erklären. Dazu Liefert ihr die Geologie auch noch die Thatjache, daß ſich die Slazialphänomene auf der heutigen Landoberfläche ent: falteten und während derjelben die Gletſcher ſehr beträchtliche Dfzillationen erlitten. — Dr. Penck ſchloß mit dem Hinweis auf pfeudoglaziale Erfcheinungen und betonte, daß nicht alles, was als Spur eiszeitlicher Gletſcher be:

ichrieben fei, wirklich die Probe beſteht. Namentlich iſt ficher, daß in der Gegend von Paris ſich nirgends Andeutungen einer alten Vergletfcherung finden.

414

Der vierte Deutfhe Geographentag zu Miinchen.

Profeſſor Eduard Richter leitete mit dem Gabe, daß die Erforfhung der Eiszeit nur eine Tochter der

Unterfuhungen über die rezenten Gletfcher in den Alpen jei, von ih und

den Ausführungen Dr, Pends formell gleich hervorragenden

zu feinem fach: Referate über,

in welchem er fi über die Schwankungen

der heutigen

Gletſcher und ihre Urjachen verbreitete. Seit mehr als 30 Jahren find die alpinen Gletſcher in ſtarkem Nüdgang begriffen und haben zum Teil bis !/; ihrer früheren Dimenfion verloren. Mehrere Unternehmungen haben ich zur Aufgabe gejeßt, das Maß des Nüdgangs zu konſta— tieren. Sp werden ſeit 10 Jahren Beobachtungen am Nhonegletfcher mit dem größten Aufivande betrieben. Als Nichter 1879 diefen Eisjtrom und die Arbeiten in Augen: ſchein nahm, welche feine Dszillationen markieren, fahte er den Entſchluß, für feine Berfon in Eleinerem Maßſtab ähnliche Meffungen zu veranftalten. Er that dies befannt: ih am Oberſulzbach-⸗, Mittelberge und Großgurgler: gletfcher. Der Forſcher felbit hat uns hier an diefer Stelle die Methode feiner Mefjung und die ziffermäßige Felt: jegung der Quantitäten vorgeführt, um welche fich der Oberſulzbach-Gletſcher zwischen 1880 und 1882 verkleinerte. Damit gab er für die Bedeutung des Gletfcherrüdganges ein verläffiges Maß an die Hand. Auch feinen Erklär— ungsverfuch der jeßigen ©letfcheroszillation hat er ung damals nicht vorenthalten und jo können wir nunmehr die Skizze über fein Referat ohne Schädigung der Sadıe furz fafjen. Der Nüdgang alpiner Gletfcher führt nicht etwa auf eine Minderung der Temperatur, fondern auf große, anz dauernde Schwankungen in den Mengen der Niederfchläge zurüd. Schneereiche Jahre mehren die Schneeanfamme lungen in den Firnfeldern, welche infolge der Streng:

flüffigteit

des

Eiſes

Jahre hindurch

dort

aufgeftapelt

werden, Der Öletjcher wird an feinem Ursprung mächtiger, beginnt bier vafcher zu fließen und auf die tiefer gelegenen Partien zu drüden. Er fchiebt diefelben vor fich ber und

es zeigt nun

das Gletjcherende einen rafchen Vorwärts:

gang, einen Vorſtoß, wie folder am Hochvernagt-Öletfcher und Sulden-Öletfcher genau unterfucht wurde. Sft die

17. bis 19. April 1884.

in ihr Gegenteil

zu verkehren.

jährlichen Schwankungen,

Deshalb jehen wir feine

fondern nur große, Dezennien

lang dauernde Borftoße und Nüdgangsperioden. Die örtliche Lage eines Gletſchers, das gegenfeitige Berhältnis von Firnmulde und Eiszunge regeln den Vor: und Rückgang.

Richter glaubt beſonders

auch darauf

aufmerkſam

machen zu müſſen, daß die heutige Meteorologie wenig brauchbare Reſultate für das Glazialſtudium gewährt. Einerſeits ſind die Regenmengen nur für die letzten Jahre genau bekannt und zweitens ſind die in den Thälern ge— wonnenen Ergebniſſe nicht maßgebend für die Höhen. Auch iſt zu beachten, daß die Sommerniederſchläge in Geſtalt von Regen am Firn zehren, während ſie den— ſelben inForm von Schnee mehren. Zum Schluß ſprach ſich der Redner auf Grund ſeiner Studien gegen die Muldeneroſion der Gletſcher aus. An

keinem der rezenten Gletſcher bemerkte er jene Funktionen, welche man in dieſer Richtung den eiszeitlichen Gletſchern zuſchreibt. Er fand, daß der Geſteintransport unter und

neben dem

Zweifel ſei, daß der Gletſcher erodiere. Allein er entdeckte niemals eine Spur davon, daß der Gletſcher eine Mulde bilde. Es ſei übrigens höchſte Zeit, die Alpengletſcher nach dieſer Richtung hin zu unterſuchen; denn wie es ſcheine, ſei die Periode des Rückganges derſelben am Ende

und damit

auch die äußerſt günſtige Gelegenheit,

dieſer Richtung mentieren.

hin an

den

Alpengletſchern

nach

zu experi—

Während Albrecht Penck die Einflüſſe der Eiszeit auf die Bodenplaſtik von allgemeineren geographiſchen Geſichts— punkten aus überſchaute, Eduard Richter aber die Eroſions—

kraft glazialer

Eisſtröͤme

an den

Wirkungen

rezenter

Alpengletſcher maß, ſtellte ſich Profeſſor Dr. E.Gerland auf den Boden der Lokalforſchung und führte nach einer äußerſt anſchaulichen Skizze von der geognoſtiſchen Struktur der Vogeſen jene Spuren vor, welche die einſtige Ver— gletſcherung dieſes Gebirges dort zurückließ. Er fand,

daß die weſtliche Lage des Gebirges, vorherrſchende Süd— weſtwinde und die durch ſie verurſachte große Feuchtigkeit, ſowie das aus allen dieſen Gründen entſpringende kühlere,

unternormale

maritimere Klima in den Vogeſen

Niederichlagsverhältniffe

zurückgekehrt,

fo

normalen Nachſchub ſich herausſtellen und infolgedeſſen ein bedeutender, langdauernder Rückgang eintreten. Gegen— über dieſen großen Schwankungen, welche alſo durch die öfter vorkommende Aufeinanderfolge mehrerer Fühler, niederfchlagsreicher Jahre hervorgerufen terden, ver:

ſchwinden die Eintvirfungen der anderen meteorologiſchen Saltoren

(Sommerwärme,

Bewölkung,

Windrichtung

ıc.)

oder fie vermögen höchſtens die Intenſität der Vor- oder Nüdwärtsbewegung 1 Siehe „Ausland“

zu beeinfluffen, nicht aber diefe jelbft 1883, Nr. 38.

— “

Gletſcher ſehr groß und auch darüber kein

aufgeftaute Mafje abgefloſſen und find normale oder gar wird die erreichte Oletfcherlänge als viel zu groß für den

u R

eine intenſivere Ver—

gletſcherung als im Jura, dem Schwarzwald, Rieſengebirge, ja vergleichlicherweiſe ſogar als in den Alpen bedingte. Doch zeigen dieſelben nur im Süden Ueberreſte einer

früheren Vereiſung und zwar auf ihrer kurz abfallenden Oſtſeite weit weniger, als auf dem langgeſtreckten franzö— ſiſchen

Weſtabhang.

Hier

lagern

namentlich

aE b a z e e

auch zahl:

reiche erratiſche Blöde längs der Berglehnen und über die Nüden der einzelnen Höhenzüge bin. Sie beftehen meilt aus Graniten, Porphyren und Oneißen, auf der Oſtſeite finden ſich ſeltener auch Graumwaden und Schiefer. Kalfe und Buntfandfteine fehlen unter den Blöden, fie auch in den alten Moränen, mit Ausnahme des äußerften

n e S

Der vierte Dentſche Geographentag zu Miünchen,

Weftrandes, wo mir fie nebjt Trümmern von Notliegen: dem 3. B. bei Nemiremont im alten Öletfcherfchutt finden. Auc der „Kerlinfin”, ein mächtiger ifolierter Buntjandjteinfonglomeratblod ſüdöſtlich von Nemiremont, kam nicht durch Sletjchertransport an feine Stelle. Die fryitallinis ichen Blöde zeigen nach ihrer petrograpbifchen Struftur große Mannigfaltigfeit und ihre Herkunft ift oft jchmwierig zu erforschen. Im Oſten zwar, wo fie zum Teil auf Sciefern oder Grauwacken liegen und fich deutlich als zum Kammgranit gehörig ausweiſen, iſt dies noch leichter. Der ganze Weiten aber bildet bis zur Moſel ein fait ununterbrochenes, natürlich vielfach gegliedertes Granitmaſſiv,

17. bis 19. April 1884.

415

der Zentralfommiffion für wiſſenſchaftliche Lan— desfunde von Deutſchland erftattet. Die Bericht:

erftattung hatte der Vorſitzende der Kommiffion, Profeſſor Dr. Friedrich Nabel übernommen. Den Xefern des „Ausland“ iſt der weſentliche Inhalt diefes Berichtes aus ro. 15 diefer Beitfchrift befannt, wo derjelbe zum

Abdruf

gebracht it.

Es

genügt

bier, hervorzuheben,

welches petrographifch keineswegs genügend unterfucht it.

daß die Verfammlung dur Erneuerung des Mandates und durch ein befonderes, von Dr. Wilhelm Neis aus Berlin beantragtes Danfesvotum der Zentralfommiffion ihre Uebereinſtimmung mit den bisher verfolgten Zielen und den Plänen für die weitere Arbeit, ſowie ihre Aner: fennung des Geleiſteten ausprüdte, und daß fie die gewünſchte

Granit und Gneiß treten in den verſchiedenſten Varietäten auf; es fehlt nicht an Porphyren und anderen Durch:

fefjoren

bruchgejteinen und diejelbe Vielheit teilen die erratifchen

Lepfius in Darmjtadt vornahm. An der folgenden Situng

Blöcke. Aus den Forſchungen Gerlands reſultiert nun, daß die Weſtvogeſen auch auf ihren Höhen mit fremden Granit-, Gneißblöcken ꝛc. überſtreut ſind, daß letztere namentlich in der mittleren Höhe der Bergzüge zahlreich auftreten und ſo darauf hinweiſen, daß dieſer Teil des Gebirges mit einem einzigen Gletſcher überdeckt war, welcher die Thäler ausfüllte und die Höhen überſtieg. Sein Aus— gangspunkt war der Hauptkamm der Vogeſen, namentlich der Hoheneck. Dieſer ſelbſt aber kann unmöglich von einer „Kalotte“ von Eis überdeckt geweſen ſein. Die Blöcke auf dem Hoheneck, aus welchen Dollfus-Auſſet auf jene Kalotte ſchloß, gehören dem Hoheneckgranit ſelber an, ſind wohl nur vielleicht ſehr alte lokale Verwitterungs— reſte. Später aber iſt dieſer große Geſamt-Gletſcher zurück—

jorgte jte außerdem durch Annahme der von Profeſſor Dr. Hermann Wagner in Göttingen vorgefchlagenen Sta: tuten des Geographentages für eine dauernde finanzielle Fundierung der landesfundlichen Arbeit, foweit ſolche der HSentralfommiffion zufällt.! Ebenfo mie voriges Jahr in Frankfurt gewannen wir auch in München den Eindrud,

gegangen; es blieben nur einzelne, die Thäles ziemlich hoch ausfüllende Einzelgletſcher, welche nach dem Gebirgs— kamm hin zuſammenhingen. Hiefür ſpricht die große Häufig— keit der Blöcke an der mittleren Höhe der Gehänge, ſo— wie das Vorhandenſein der Endmoränen, welche in den Hauptthälern ſich in verſchiedenen Etappen finden; ſo bei Eloyes, dann zurückweichend an verſchiedenen anderen Stellen des Moſelthales, im Thal des Cleury am Aus— gang, dann auch hier zurückweichend bei Le Tholy, bei

Ergänzung der Zentralfommiffion durch die Herren Pro— Dr. Alfred Kirchhoff

in Halle und Dr, Richard

daß die Anregung zu landesfundlicher Arbeit, welche vor zwei Jahren in Halle gefallen, fräftige Triebe entiwidelt bat und daß der Gevgraphentag eines jeiner größten Berdienjte darin ſehen fann, fi) zum Patron diefer Ans gelegenbeit gemacht zu haben. Dem Vernehmen nad) bezeichnet der vierte Deutjche Geographentag auch injofern einen Fortjchritt der landesfundlichen Beitrebungen, als durch Verabredung mit einem der anmwejenden Berleger

eine fichere und zufriedenftellende

gejchäftliche Bafıs für

die Herausgabe der Monographien zur Deutfchen Landes— funde (f. Nr. 15, ©. 284) getvonnen wurde. Sm Anschluß an diefe Berichterftattung machte Alfred Kirchhoff einige Bemerkungen zur Methode landes— fundliher Forſchungen, melde er an A. v. Hum—

boldt und Karl Nitter anfnüpfte. Mit Humboldts Essai politique sur le royaume de la Nouvelle Espagne

Gerardmer u. ſ. w. Das Thal der Thur zeigt im Oſten

von 1811 .beginnt nad) ihm die gegenwärtige Nera der Länderfunde. Aber in diefem Werke liegt das Schwer— gewicht nicht auf der phyſiſchen Seite der Landesbeſchaffenheit,

dieſe Moränen am ſchönſten. Schutthügel, welche als Stirn-, Seiten- und Grund— moränen angeſprochen werden müſſen, finden ſich überall.

1 Seitdem hat die Zentralfommiffion vom preußifchen Kultus— minifter eine Unterftütgung von 500 ME. erhalten. Dieje Zu—

Sie durchziehen quer die Thäler und ihr Material, ſowie

wendung

ihr Aufbau laſſen an ihrer Natur keinen

Gletſcherſeen

zeigen die Vogeſen

in ihrem Weſtflügel; Longemer die bedeutendſten derſelben. Die

ſind vielfach von

den Gletſchern

Zweifel.

Auch

und wieder beſonders und Gerardmer ſind Höhen des Gebirges

gerundet,

die Felſen

gerundet und gekritzt. Indes waren die Thäler ſchon vor der Uebergletſcherung nahezu ſo angelegt, wie wir ſie heute finden. — In der fünften Sitzung wurde der Jahresbericht

ift als ein Beweis

des Vertrauens,

das

man

an hoher

Stelle für die Arbeit diefer vom Geographentag niedergefetsten Kommiſſion hegt und als weiterer Beitrag zur Fundierung der (andesfundlichen Zentralarbeit hoch erfreulich und wird in allen geographifchen Kreifen mit um fo lebhafterem Danke begrüßt werden,

als

bei der Zentralkommiſſion,

ſoviel

wir

wiſſen,

der

Beſchluß feftftand, erft dann nach ftaatliher Hilfe auszuſchauen, wenn auf abgefchloffenere Leiftungen von ihrer Seite hingemiejen werden

fünne,

Wenn

man

trots diefer anerfennenswerten Zurück—

haltung ihre Thätigfeit ſchon jetst unterſtützte, fo eröffnet dies einen wohlthuenden Blick auf die weitere Förderung ihrer Arbeit. AD N.

416

Profeſſor Zöppritz' Yeitfaden der Kartenentwurfsichre.

fondern auf deren fulturellen Rückwirkungen.

Humboldt

beabfichtigte eigentlich, wie ſchon der Titel zeigt, gar feine geographifche, ſondern eine ſtaatswiſſenſchaftliche Arbeit, eine „Statiftil”, aber in des Wortes vornehmiter Bedeutung. Darum verfolgt er die Kulturverhältniffe der Aztefen, insbefondere jedoch die ziffermäßig beſſer über: ſchaubaren Zuftände des neufpanifchen Königreichs nad) den verfchtedenften Nichtungen bin. Es find weſentlich die wirtſchaftlichen Entwidelungen, welche er feiner Analyſe unterzieht; aber diefe find durchwebt von klaren geo— graphifchen Gedanken, indem er fie bis auf ihre tief gegründeten Fundamente unterfucht. Da uns Humboldt Merifo nicht als Yand, fondern als Staat jchildern wollte, ſchuf er uns fein großes Mufter einer Landes: funde ohne eigentliche geographiſche Abficht; er verfaßte den Essai politique nicht als Geograph, nicht als Natur: forscher, fondern als Staatswiljenschaftler. Karl Nitter unternahm bewußtvoll geograpbifch Die Erforfhung des Erdganzen in der Vielheit feiner Länder—

geftaltung. Er nannte fein monumentales Werk „ver gleichende Erdkunde”, um damit die organische Verbindung aller landesfundlichen Elemente zu einer harmonischen Einheit auszudrüden und gedachte die Erbdteile als große, in fich gefchloffene Individuen darzuitellen, die einzelnen

Länder aber als deren natürliche Sonderungen,

gewiſſer—

maßen als Individuen zweiter Ordnung. Hier tritt ung der allein naturgemäße Einteilungsgrund der Stoffgruppierungen überall entgegen: die natürlichen Abteilungen jedes Erdraumes werden uns nach einander vorgeführt, die Darlegung der oro- und hydrographiſchen, der Naturund Bevölferungs-VBerhältniffe wird verfolgt für jedes ein: zelme Gebiet im engjten mwechjeljeitigen Zufammenfchluffe, und jo erhält man ein Gemälde des gefamten Natur: und Hulturlebens im Rahmen eines einzelnen Landbezirkes. Der Sache nah müfjen wir in diefem Nitter’fchen Sinne „vergleichende Erdkunde” erjtreben. Aber es bleibt noch die Frage zu löſen: Welche aus den unzähligen

Dingen des Natur: und Völferlebens, die fih im Grenz bereich auch des kleinſten Landes zujammenfinden, follen wir als Baufteine verwerten, um das willenschaftliche Ge— bäude einer innerlich verfnüpften Yandesfunde aufzuführen? Bor allem darf Länderkunde nie in Staatenfunde auf: geben, falls ſie ihrem Weſen nicht untreu werden till. In diefem Einne ift auch die Behauptung Peſchels zu verwerfen, welche will, daß wir, um Länderkunde im höheren Stil zu treiben, fie zu dem Nange eines ftaatswifjenjchaftlichen Faches nach Humboldts Borgang erheben müſſen. Wir müffen allerdings dauernd Humboldt’s Muſter, das er in dem vorerwähnten Meiſterwerk geftiftet, zunächft in der phyſiſchen Zandesfunde vor Augen behalten. Nur, daß wir ung nicht auf den bloßen Entwurf eines ffiszenbaften

„Tableau physique“ bejchränfen und vornehmlich darnach jtreben müfjen, Bodenbau und Gewäſſer nicht nur zu beſchreiben, wobei es Nitter beivenden ließ, fondern auch)

geologifch

zu erflären.

Kein Streit bejteyt wohl dar

über, daß die Klimatologie fo eingehend und nunmehr, dem Fortfchritte der Wiſſenſchaft gemäß, noch eingehender als bei Humboldt berüdjichtigt werden muß, ferner, daß Flora und Fauna ebenfalls durchaus einzubeziehen find, jomweit fie den Yandescharafter mit ausmachen, andererjeits von ihm ſich abbängig erweiſen. | Alle Schtwierigfeit häuft ſich auf die zweite Hälfte der Landeskunde, die kultur- oder anthropogeographiiche. Hier kann weder Humboldt noch Ritter unfer Yeititern jein; denn erjterer überfchritt abfichtlich Die Grenze des rein Geographi— jhen und leßterer erjchöpfte umgefehrt das Maß der gene

graphiſchen Bedingtheit des Völkerdaſeins bei weitem nicht. Es fol auf diefem Gebiete vor allem dem getvichtigen biftorifchen Moment der Sievelung in feiner Abhängigkeit von der Ortsnatur nachgegangen werben; außerdem iſt das Volksleben nad allen ſeinen materiellen Seiten zu betrachten, vielfah auch Sitte und Braud, Gemüt und Intelligenz, Sprache und künſtleriſch-wiſſenſchaftliche Leiftungen, Neligion und VBerfaffung. Eine geographifche Arbeit in dieſem hochivealen Einne iſt die „Bavaria“, eines der Ihönjten Gedächtnismale, Durch melches die Erinnerung an den wiljenjfchaftlichen Sinn des Königs Mar IL noc) ſpäter fortdauern wird. Der Natur der Sache nach feblt diefem köſtlichen Werke, weil die ſämtlichen einzelnen Abſchnitte von verschiedenen Fachgelehrten bearbeitet wurden, Die vechte geograpbifche Totaleinheit und wäre es ein herr: liches Unternehmen für bayerifche Geographen, das hier jo wohlzufammengefügte Material zu einer Yandesfunde zu verjchmelzen, zu einer nach Nitters Lehre organisch ver: bundenen Daritellung des bayerischen Donaulandes, Main:

landes und der Pfalz! Für das projektierte große Werk einer | Landeskunde von Deutjchland wird die „Bavaria“ immer: dar ein wertvolles Muſter treueifrigen Heimatſtudiums fein. — Wenn es wahr 1jt, was man gejagt hat, daß nur

die zeitgenöflifchen Ereigniſſe den Stoff für echte Gefchichtjchreibung bieten fünnen, jo liegt gewiß noch mehr Wahr: heit darin, daß eine Landeskunde in voller Vertiefung eigentlich nur möglich it, wenn wir unfer Vaterland, uns jere eigene Heimat genau und vollitändig kennen. Die Arbeit wird um fo füßer durch das Bemwußtfein, daß mwir eine Dankesſchuld abtragen gegen unfer Heimatland. Schaffen wir alfo eine Landeskunde, würdig eines Ritter, eines Humbolet! Forſchen wir allfeitig tie Humboldt, echt geograpbifch wie Nitter, meinen wir gründlich, wie beide!

Profellor Zöpprib” Feitfaden der Kartenentwurfslehre.“ Es iſt ſtets eine hocherfreuliche Erfcheinung, wenn ein anerkannter Meifter des Faches ſich dazu berbeiläßt, als 1 Für Studierende der Erdfimde und deren Lehrer bearbeitet von Dr. Karl Zöppritz, ordentlicher Profeffor der Erdfunde an der ‘ +

Brofeffor Zöppritz' Leitfaden der Kartenentwurfsiehre.

didaktiſcher Schriftiteller den Wünfchen der Anfänger ent-

gegenzufommen. Herr Profefjor Zöppris, den die Geo— graphen bisher bauptfächlich als Afrikaforfcher und als Geophyſiker kennen gelernt haben, bat nunmehr auch durch

417

jeftionen zu, ſchildert ausführlich Vorzüge und Mängel der geonomifchen Abbildung, indem er dabei auf das graphiiche Moment Gewicht legt, geht dann zur orthographiichen und jtereograpbifchen Projektion über und fchließt dieſen eriten

die vorliegende Schrift gezeigt, in vie hohem Grade er es

Abjchnitt des erſten Kapitels

veritebt, den mathematifch-graphifchen Teil der Erdkunde zu fördern. Im engen Berbande mit jener fteht ein Auf-

wähnung der fogenannten „externen Projektionen”.

ſatz des Herrn Verfaſſers, welcher unlängft in der „Zeit: Ihrift der Berliner Gefellfehaft für Erdkunde” erfchtenen it und defjen wejentliche Punkte wir noch mehr, als dies geihehen, gerne in das Lehruch ſelbſt aufgenommen ge: jehen hätten. Wir haben in jüngfter Zeit eine reiche

gehandelt, ſpezieller wird nur bet Yamperts flächentreuer Zenitalprojeftion verweilt. Auch von den als konventio— nell bezeichneten Verfahrungsweiſen bält der Verfaſſer nur die Globularprojeftion für erwähnenswert. — Bisher bandelte e8 ſich einzig und allein um die direkte Uebertragung von der Kugel, reſp. in feltenen Fällen vom Sphäroid, auf die Ebene. Nunmehr fommen jene Methoden daran, welche von der Kugel zuerft auf eine abmwidelbare Fläche und von diefer dann wieder auf die Ebene die Uebertrag: ung vorgenommen wiſſen vollen. Zuden wahren Zylinder:

Litteratur über Kartenprojeftion erhalten und find feineswegs gewillt, die relativen Vorzüge der Werfe von Fiorini, Möllinger, Wenz u. |. w. zu verfennen; allein tn mehr denn einer Hinficht geht unfere Vorlage, ſowohl wenn wir den theoretifchen, als auch wenn wir den pädagogiſchen Gefichtspunft voranftellen, denn doch weit über

ihre Borgängerinnen hinaus. Sollen wir in kurzen Worten diefe eigentümlichen Vorzüge charakterifieren, fo fönnen wir etiva jagen: Zöpprit bleibt durchaus im ſtrengſten Wort— jinn elementar, er reicht mit den einfachften Hilfsmitteln

der Trigonometrie aus, während z. B. Wenz eines ziemlich umfafjenden analytiſch-geometriſchen Apparats nicht entvaten zu können glaubte.

Trogdem aber gelingt es erfteren,

und darin gipfelt das fzientifische Verdienſt des Büchleins, die neuen Anfchauungsweifen des franzöfifchen Geometers Tiſſot, die bislang einen exrflufiv-mathematischen Stempel

trugen, der Fartographifchen Praxis dienitbar zu machen und ferner eine Eritifche Neberficht über eine Reihe befannter und viel gebrauchter Abbildungsmethoden zu liefern, durch

welche manch’ zähe fejtgehaltenes Vorurteil erfchüttert wird. Lernen wir nad) Vorausſchickung diefer allgemeinen Be: merfungen den Inhalt des Zöpprig’fchen Buches noch näher fennen, Dasfelbe beginnt mit einer Auseinanderfegung über das Wejen geometrifcher und geographiſcher Drtsbeftimmung, wobei die Rückſicht auf die fphärifche Oeftalt des Erdförpers ſtark in den Vordergrund tritt. Sodann erörtert der Verfaſſer den Begriff der Abbildung, welche ftets einem bejtimmten

Prinzipe oder einer Gruppe folcher Prinzipien entfprechen joll, da abfolutes Entfprechen zwischen einem nicht develop: pablen Flächenſtücke und deſſen ebenem Bilde nicht herbei: zuführen ift. Winfeltreue, Slächentreue und Mittelabſtand—

treue,

jo überjett

„Automekrismus“,

Zöppris find

die

das Tiſſot'ſche drei

wichtigſten

Kunſtwort Kriterien,

tvelche beim Entwerfen einer Karte maßgebend find. Als: dann wird ein kurzer Blick auf die frühere Geſchichte und Litteratur der theoretischen Kartographie geworfen. So— dann wendet fich der Verfaſſer den perjpeftiviichen Pro— Univerfität zu Königsberg i. Pr. Mit Figuren im Text und einer lithographifchen Tafel. Leipzig, Drud und Verlag von B. ©. Teubner. 1884.

VII

162 ©.

mit einer nur furzen Er: Mit

Recht kürzer werden die nichtperfpektivischen Methoden ab:

projeftionen gehört natürlich in erfter Linie die Mercator'ſche, deren Bedeutung für die Schiffahrtsfunde Klar gejtellt wird, zu den konventionellen zählt die befannte homalographiſche. Sehr eingehend unter Beigabe von Tabellen bejchäftigt fich der Verfaffer mit den „echten“ Kegelprojeitionen; von den „modifizierten” verdienen die polyedrifchen, reſp. poly: fonischen Methoden Berüdfihtigung, während Bonne's Verfahren, zur Zeit noch ein Schoßkind mancher Karten— zeichner, al® mangelhaft und irreführend erfannt wird. Im dritten Kapitel, deffen Wert wir (f. o.) befonders hoc) veranfchlagen, popularifiert Herr Zöppritz in jehr gelungener Weiſe Tiſſots allgemeine Theoreme über Deformation von Oberflächen und gelangt dazu, für jede Abbildungsmanier gewiſſe Fundamentalgrößen einfacher Berechnung zu unters itellen. Als wir in unferem fartographiichen Berichte im 9. Bande von Wagners geographiſchem Jahrbuche unlängjt die Anficht ausfpracdhen, Tiſſots neue Anſchau— ungen würden ihrer Kompliziertheit halber nur ſchwer Eingang finden, hatten wir allerdings nicht gedacht, daß diefelben jo raſch eine Interpretation diefer Art finden würden. Die zweite iſt Soweit reicht die erſte Abteilung. chorographiſcher und topographiſcher Natur. Forſchungs— reiſende werden mit Intereſſe und Nutzen namentlich die Nachweiſungen ſtudieren, welche ihnen über die Aufzeichnung der, ſei es zu Schiff, ſei es zu Fuß, ſei es mit Reittier, zu—

vüdgelegten Wege gegeben werden. mit Proportionalzivkel

und

Auch die Reduktion

Storchſchnabel

wird

gelehrt.

Zum Schluffe erhalten wir eine Einführung in das Ver— zeichnen der Iſohypſen, ſowie auch der Böſchungslichttöne, und ferner noch eine jehr dankenswerte Einleitung in die viel zu wenig gewürdigte, aber nichts weniger als leichte Kunſt Ein Anhang führt dem Leſer einige des Kartenlefens.

Grundregeln Gedächtnis dienen, eine des Wiffens

für das Zeichnen mit Zirkel und Lineal ins Dieſe Inhaltsüberficht möge dazu zurück. ungefähre Vorftellung von dem reihen Schabe zu geben, welcher durch Zöppriss „Leitfaden“

418

Kleinere Mitteilungen,

in einfacher und das Verſtändnis Feines wirklichen Geo: grapben überjteigender Weiſe vermittelt wird. Ansbach, ©. Günther.

Kleinere Mitteilungen. Die Forſchungen Iwanow's

im Bamir,

In der Sitzung der Ruffischen Geographiichen Gejellichaft zu St. Petersburg vom 11. April fprad) der Bergingenienv Jwanow über feine Reife nach) dem Pamir im Sommer 1883, welche er mit dem Generalftabsfapitän Putjata und dem Topographen Bendersfi unternahm. Die Expedition wurde auf Anregung des Generalgouverneurs von Turkeftan ansgefandt und hielt fi) vom Dat bis September im Bamir auf, Namentlich) war das ruffiichkaſchgariſche Grenzgebiet mit der Stadt Taſchkurgan im Often und das Weftgebiet bis Harm am Curghab das Ziel ihrer eingehendjten Unterfuchungen. Wie ſchon Sewerzow friiher hervorhob, bildet das Bamirgebiet fein eigentliches Plateau, fordern ftellt ein Bergland mit zahlreichen niedrigeren Gebirgszügen und weiten Ihälern dar, die von altem Moränenfchutt und teilweife gefchichteten Thonlagern, ebenfalls glazialen Ursprungs, erfüllt find. Gras als Futter findet ſich nur längs der Flüffe; die Berge find meift waldlos. Verkehrswege gibt es im eigentlichen Pamirgebiet nicht, doch kann man jo ziemlich überall, wenn auch mit einigen Schwierig: feiten, durchfommen. Die Flußthäler find beim Uebergang in die angrenzenden Berglandihaften Schugnan, Darwas und Kavategin meist tief eingefchnitten und oft bewaldet. Im Pamir-Berglande liegt auch die Mafferfcheide zwifchen dem Gebiet des Amu-Darja und dem des kaſchgariſchen Tarym; fie ift aber durch fein hohes Ge— birge markiert. Der kaſchgariſche Mustag, nad einem Fluß aud) als Tagarma bezeichnet, grenzt allerdings öftlih an. Derſelbe wird aber ſchon von den Quellflüffen des Tarym, die auf dem Pamir entfpringen, durchbrochen. Bon großer Bedeutung find die topographiichen Aufnahmen der Expedition; durch dieſelben ift das Quellſyſtem des Amu-Darja und die dazwifchenliegenden Gebirgsfetten mit ihren Päffen auf der Karte ficherer feftgeftellt worden. — Am 20. April machte Herr Iwanow in der Situng der Abteilung für phyfifaliiche Geographie der K. Ruſſiſchen Geographiſchen Geſellſchaft ſpeziellere Mitteilungen über die Orographie und Hydrographie des Pamirgebietes. Das Pamirgebiet, welches von vierſeitiger Geſtalt iſt, wird imNorden durch das Alaigebirge, im Oſten durch die Gruppe des Mustag-Ata und die ſüdlich von ihm gelegenen hohen Bergmaſſen und im Süden durch den Hindukuſch begrenzt. Im Weſten iſt es durch keine ſcharfe Grenze markiert und iſt dieſelbe daher in verſchiedener Weiſe willkürlich angenommen worden. Iwanow unterſcheidet im Pamir zunächſt das Steppen— gebiet ohne Baumwuchs, mit leicht zugänglichen Gebirgszügen von höchſtens 1000 bis 4000 Fuß relativer Höhe, weiten Thälern, deren Sohle zwiſchen 10,000 bis 12,000 Fuß Höhe variiert und zahlreichen Seen, in welchen die Quellflüſſe des Amu-Darja einer— ſeits und des Tarym andererſeits ihren Urſprung haben. Nach Weſten ſchließt ſich daran das Berggebiet mit tief einſchneidenden ſchwer zugänglichen, waldreichen Thälern und ſteilen Gebirgsketten. Dasſelbe geht dann weiter in die bevölkerten Landſchaften Darwas, Roſchan, Schugnan und Badakſchan über. Nach der Meinung Iwanows müßte die Weſtgrenze des Pamirgebietes in einer nord— jüdlihen

Linie

angenommen

werden,

welche

die

äußerſten An—

jiedelungen nad Dften mit einander verbindet: Altyn-Majar am Surghab, Seres am Murghab, Sardym am Hund und Kila-Pändſch am Wakhan. Weſtlich von dieſen äußerften Dertlichfeiten findet ih Shon Bodenkultur, Das große Knie des oberen Amu von

Kalaihu iiber Kalaiwamar nad) Bar-Pändſch, welches früher ala Grenze angefehen wurde, bezeichnet Iwanow als zu weit nad) Weſten gerücdt. Die topographiihen Angaben Dr. Regels über die Stufenlandjchaften des Pamir zweifelt Herr Iwanow au, Die oftweftliche Richtung der Flüffe und Ketten herrſcht auf dem Pamir felbft und in den Grenzgebirgen vor. Meridionale Gebirgsfetten, welche früher Humboldt annahm und auch noch Sewerzow aufrecht zu erhalten fuchte, indem er eine Zickzacklinie von Furzen, meridionalen Erhebungen nachzumeifen fich beftrebte, die thatjächlich nicht Konftatiert werden kann, fehlen durchaus. Im Often ſcheinen fich die hohen Gebirge in eine Anzahl von Nordweſt nad) Südoſt ftreichende Ketten aufzulöfen, zwiſchen denen Thäler verlaufen. Iwanow wies die Annahme eines meridionalen Gebirgszuges Bolor, der nur durch ein Mißverſtändnis Klaproths eine Berzeihnung auf den Karten gefunden habe, durchaus zurüd. e. 9. Zum Indianerproblem. Einen höchſt intereffanten und wertvollen Beitrag zur praftiſchen Löſung der Indianerfrage Tiefert General Beale, Beſitzer mehrerer großer Ranchos im füdlichen Kalifornien. Ex hatte dei voten Mann im Kriege wie im Frieden genau kennen gelernt, als er vor 35 Fahren feine jetigen Befiungen übernahm; und als er dort eine Bande Digger-Indianer vorfand, die fich nicht von der Negierung auf eine entfernte Reſervation hatten bringen laſſen wollen, beſchloß er einen Verſuch zu machen, fie zu zivilifieren. Ueber feine Beftrebungen jehreibt General Beale folgen: des: Indianer find menschliche Wefen, jo gut wie wir Weiße, nur fehlt ihnen eine 2000 jährige Zivilifation. Wir find ein ungeduldiges Volk und wir erwarten, daß fie in wenigen Jahren und unter den ungünftigften Umftänden fi zu einer Höhe emporihwingen follen, welche wir exft im Berlauf von Jahrhunderten erreicht haben. Die unter mir ftehenden Indianer waren vor 35 Fahren die ſchlimmſte oder vielmehr die fümmerlichfte Sorte. Sie waren auf Wurzeln, Grasfamen und die jpärliche Jagdbeute angewieſen, welche ihnen ihre untauglichen Waffen lieferte. Die meiften meiner alten Freunde find tot, aber die gegenwärtige Generation vermag ebenfo gut felbft für fich zu jorgen, wie irgendwelche weiße Leute. Sie zählen jetst ungefähr 300 und ihre Zahl vermehrt fih. Es ſchien miv damals, und meine Anficht hat fi) nicht geändert, daß das Erfte, was man einem Indianer oder einem verfommenen Weißen beibringen miüffe, der Wert des individuellen Eigentums al3 Ergebnis individueller Arbeit fei. Im Stamme herrſcht Bis zum gewiffen Grade Gütergemeinſchaft. Selbft

der

nominelle

Befiter

von

50

Ponies

betrachtet fie für

alle praktiſchen Zwecke als Eigentum des Stammes.

Jh

bin

immer der Anficht gemwejen, daß dieſe fommuniftifche Idee eine Gefahr für die Zivilifation ſei und ich fchaffte daher die Stammes— organifation ab. Es jchien mir ferner von jeher, daß jeder Menſch den jehr natürlichen Wunſch hege, ein Stüc Land zu befigen und zu bebauen. ch überwies daher jeder Familie ein Stüd Laud, lehrte fie pflügen und ſäen und erwecte unter ihnen einen natür— lichen Wetteifer, möglichft viel zu leiften und zu ernten. Dann lehrte ich fie ferner Schafe fcheeren, womit jeder fleigige Man

in Kalifornien vier Monate lang im Jahre 5 Doll. an einem Tag verdienen fann. Nach und nach entftand in meinen Schutbefohlenen dev Wunſch, etwas von der Ernte zu erübrigen, um es zu verfaufen und dann aus dem Erlös andere Bedürfniffe zu befriedigen. Auf diefe Weife wurden die Indianer an Arbeit und Sparfamfeit gewöhnt und fie ftehen heute durchſchnittlich auf einer ebenjo hohen Stufe, wie die weißen Farmer der Umgegend. Sie find zwar bei weitem feine Engel, aber aud wir Weiße find es

nit. ES ärgert mich, wenn ich fagen höre, daß dieſer oder jener den Indianercharakter genau kennt. Es gibt feinen In—

De —

FT a DE

Notizen. dianerdharafter. ES ift der menjchlihe Charakter, den wir bei ihnen finden, wie bet ung. Es gibt unter ihnen gute, fehlechte und indifferente Xeute, gerade wie bei ung. Aber nach meiner Erfahrung würde es mir jehr leid thun, wenn ich jener Autorität beizupflichten hätte, welche ung verfichert, daß der einzige gute Indianer der tote Indianer ift. — Was General Beale jagt, findet jeine vollfommene Beftätigung in den erfrenlichen Erfolgen, welche die Zivilifierungsbeftrebungen katholiſcher Geiftlichen auf der Flat— theadrejervation in Montana aufzumeifen haben, und man kann es num von Herzen beflagen, daß die Löſung der Indianerfrage nicht ſchon längft in dieſer praftifchen und humanen Weife durch— geführt worden ift. (Weftliche Poft.)

Bolarregionen, Expedition zurAuffuhung Yeutnant Greelys. Am 24. April jegelte der „Bear“, das erjte Schiff der „Öreely Relief— Expedition“, von Brooklyn Navy Yard, am 30, April die „Thetis“ von New-York, am 10. Mai der „Alert“. Die „Ihetis“ unter Leutnant Schley wird die Führung der Expedition haben und mit dem „Bear“ unter Leutnant Crosby in der erſten Juliwoche in Upernivif zufammentveffen, um den Kennedy-Kanal zu durchſuchen „Alert“ wird und wenn nötig bis Disfovery-Bai vorzudringen. als Reſerve folgen. „Thetis“ und „Bear“ gehören beide der Walfiſchflotte Dundees ar, „Alert“ ift durch die Nares'ſche ErErpedition

nah

Weftgrönland

Von

Kopenhagen ift eine neue Expedition nach Grönland abgegangen. Sie befteht aus dem Premierleutnant der Marine, Jenſen, welcher bereitS mehrmals in Grönland Unterfuchungen anftellte, ſowie aus dem Affiftenten Lorenzen als Geologe und dem Maler Riis Sarftenfen als Zeichner. Der Zweck der Expedition ift die Erforfhung der Weſtküſte zwiſchen Holftenborg und Suffertoppen, wo das Außenland zwifchen Küfte und Binnenlandeis eine auf zirfa 20 Meilen veranfchlagte Breite befitt. Diefe Gegend wurde bisher von feinem Europäer befucht und unfere Kenntnis von derjelben beſchränkt fi) auf einige Ausjagen von Eskimos. Die Expedition hofft bereits Ende Oktober wieder in die Heimat zuriidfehren zu können. Ergebnifje der ruſſiſchen Beobadhtungen auf Nowaja Semlja,. Leutnant Andrejew und fein Gehilfe Wolodkowsky find gegenwärtig mit dem Ordnen des von ihnen gejamIhren Meitteilungen melten Beobadhtungsmaterials beſchäftigt. zufolge war der kälteſte Monat der Januar mit einer mittleren Temperatur von 210 C. Im ganzen waren ftarfe Fröſte nicht anhaltend nnd mußte nur jelten länger als eine Woche zu Spiritusthermometern gegriffen werden. Die vom Dezember bis Mai anhaltenden Stürme waren gefährlicher, als die Fröſte. Am 23. Januar 1883 zeigte ſich am Horizont von neuem die Sonne, nachdem fie am 31. Oftober

1882

zum

legtenmal

ditton zur Auffuhung

des Leutnant Greely

auf dem

„Bear“ mit-

zumachen.“ Befragt, welches die Vorteile feien, die durch derartige Erpeditionen erreicht werden fünnten, fagte Melville: „Wen der Pol einmal erreicht ift, wird man wichtige Aufichlüffe für vie Geſetze, nah melden Stürme und Winde fich richten, erlangen, Wir werden die Geographie vervollftändigen und die Abplattung an den Polen mefjen können. Unſere Kenntniffe auf dem Gebiete der Aftronomie, Meteorologie, der Phyfif des Ozeans werden fich bedeutend erweitern und dadurch wird in größerem Maße zur Sicherheit der Seefahrt beigetragen werden. Ich bin tm Diefer Beziehung Enthufiaft und gern bereit, mein Xeben nochmal aufs Spiel zu ſetzen.“ Ein weiteres Opfer der „Zeannette“-Erpedition. Jack Cole, der auf dem traurigen Rückzug durch das Lena-Delta (September und Dftober 1881) den PVerftand verloren, ftarb am 28, April im Negierungs-Frrenhaus von Washington D. E., wo er die lebten zwei Jahre im Verwahr gewefen. Seine einzige Beihäftigung war al’ diefe Zeit Singen und Zeichnen von Bolarfarten,

Notizen.

pedition befannt. Däniſche

419

gejehen worden

war.

Die

erften Frühlingsboten, die Vögel, erſchienen im April, das erſte Gras aber erft Mitte Juni. Der Sommer war furz und kalt. Ingenieur Melpille, der die verunglüdte Nordpol— Expedition auf der „Jeannette“ mitmachte, ſcheint von dem Nordpolfahren noch immer nicht genug zu haben. Nach der „Weftl. Boft“ äußerte er jüngft: „Niemand hat einen Begriff davon, wie feſſelnd eine Nordpolfahrt fiir diejenigen iſt, welche daran Zeil nehmen. Wer einmal dabei gewejen, kann es nicht laſſen. Es ift damit gerade wie mit dem Hazardipiel. Ich hoffe, die Erpe-

Zhonihlamm und Algen auf dem grönländifchen Eife. Auf feiner jüngften Expedition in das Innere Grönlands machte Nordenſkiöld eine Beobachtung, welche für unſere Anſchau— ung über das Verſchwinden der Gletſcherſtröme der Eiszeit won Bedeutung ift. Der jchwedische Forſcher fand nämlich das ganze Eis von der Küſte bis ins weitefte Feftland hinein durchſetzt von Heinen freisförmigen Bertiefungen, die einen thonartigen Schlamm enthielten. Bei genauerer Unterjuchung ftellte es fich heraus, daß diefer Schlamm eine eigentümliche Miſchung darjtellte von irdi— ihem Staub, welcher durch die Winde über das Eis hin vermeht war, und von fosmischem Staub. Diejer letstere bildete den über— wiegenden Beftandteil, wie fich jhon daraus ergab, daß man mit dem Magnete jehr leicht eine Unzahl von feinen grauen Körnchen entfernen fonnte, die fi) bei genauerer Unterfuhung als Nideleifen ermiefen. Eine eingehende Unterfuhung des Schlammes lehrte weiter, daß er die Unterlage bildete für das Wachstum einer Anzahl von mifroffopifhen Algen, die teilmeife ſich über den Thonſchlamm hinaus auf das Eis jelbft fortjeßten. Diefe Algen jpielen aber ganz zweifellog eine überaus wichtige Rolle. Denn ihre bräunlihe Farbe befähigt fie in weit höherem Maße Wärme zu abforbieren, al$ das bläulichweiße Eis dies vermag.

Im Folge

defjen

aber

tragen

fie zur Schmelzung

und

Zerftörung der ungeheuren Eisſchicht das Wejentlihe bei. Ohne alle Frage, jo lautet der Schluß Nordenſkiölds, haben wir dieſen Organismen in nicht geringem Grade das Wegſchmelzen der Eis— ſchicht zu danken, welche einft die ganze ſkandinaviſche Halbinfel bedeckte. Nordenjfiöld nannte dieſes Konglomerat von belebter und lebloſer Materie

Eisftaub

oder Kryokonit.

Die „Seannette*-Unterfuhung in Waſhington D. C. hält noch immer Sibungen, deren Gefamtergebnis fein günſtiges fiir die Beurteilung des Geiftes ift, der an Bord dieſes unglüdlichen Polarſchiffes geherricht hat. Der gelehrte Begleiter der Expedition, Dr. Collins, den feine Freunde im den Vereinigten Staaten al3 ein Opfer der Härte des Kapitäns und Der Offiziere der „Jeannette“

darftellen

wollten,

ſcheint

nach allen Ausjagen

vor dieſer Unterfuhungstommiffion durch Mangel an Disziplin ein ftörendes Element gewejen zu fein. Aehnlich wie einft Chamifjo an Bord des „Rurik“ Fonnte ev nicht begreifen, daß er, der Ge— lehrte, ſich der Kriegsſchiffsdisziplin zu unterwerfen habe. Im

übrigen iſt aus den Verhandlungen der Kommiſſion nur bemerkens wert

die

Ausſage

Melvilles,

daß

ſeiner Anſicht

nach

Leutnant

Chipps Boot, das dritte, (De Long führte das eine, Melville das andere) ſchon in dem Sturm untergegangen ſei, welcher in der Nacht wütete, die der Erreichung des Lena-Deltas vorherging. Außerdem behauptet Melville, er habe den Befehl gehabt, direkt

420

Korrefpondenz.

nach einer ruſſiſchen Niederlaffung zu gehen den Kapitän noch Chipp zu kümmern.

und fi) weder um

Das Wettrennen auf Shneefhuhen, welches Dr. Didion in Lappland veranftaltet hatte, um die Entfernungen beurteilen zu können, welche die der Grönlanderpedition des Freiherrn v. Nordenſkiöld folgenden Lappländer auf dem Inlandeiſe Grön— lands zurückgelegt hatten, fand am 3. und 4. April ds. Is. ſtatt. Es zeigte ſich dabei, daß die von den Lappländern angegebenen Entfernungen richtig waren. Die erſte Prämie erhielt der Grön— landsfahrer Pava Lars Tourda, welcher die 20,6 Meilen lange Bahn in 21 Stunden 22 Minnten durchlief. (Mit Einſchluß der zum Ausruhen benutten Zeit, 119 Stunde.) Es kamen neun Prämien, Geldbeträge von 250 bis 25 Kronen zur Berteilung. Mehrere der Prämiierten hatten am Tage vorher 6 bis 9 MM. Norweger hatten fich nicht eingefunden. zurückgelegt.

In Bezug auf die in umferer Teßten Nummer enthaltene fleinere Mitteilung: „Farbenpracht in den Meerestiefen“ bemerken ſchreibt,

wir

noch,

urfprünglich

Band XI,

daß

diefelbe,

aus dem

wie uns Herr Dr, B. Better

„Kosmos“

©. 37 nuter dem Titel:

Tieffeeorganismen”

ftammt,

„Der

wo

fie in

Farbenfchut

bei’

erjchien.

Anzeigen. Bibliothek Versteigerung

Pelonken.

der wertvollen Privat-Bibliothek englischen Sammlers

eines

am 7. Juli 1884 und folgende Tage. Haupt-Inhalt: Deutsche und englische schönwissenschaft]. Litteratur, Biographien und Memoiren; Kunst und Kunstlitteratur;

Korreſpondenz. Die kleinſten Städte Europas. Herr Dr. Baumann aus Donaueſchingen ſchreibt uns in Bezug auf ſeine in Nr. 18, ©. 360 des „Ausland“ enthaltene Korreſpondenz: Lebhaft bedaure ih, Ihnen eine unrichtige Angabe über die fleinften Städte zugefandt zu haben. Ich hatte feinen Grund, an Neumanıs Angabe zu zweifeln und doch ift diefelbe völlig unrichtig. Velhagen und Klaſing jenden mir nämlich foeben ihr Feines Staatshandbuch

Deutſchen

Reiches

Birgermeifter

1884,

des

und in dem auf den Mitteilungen der

jelbft beruhenden

Verzeichniſſe

das diefes Büchlein enthält, hat Krufchwig

der deutſchen Städte,

1250

Einwohner,

eine

Stadt Schiedlitz aber findet fi) nirgends, auch nicht im amtlichen Berzeihniffe der Städte der preußifhen Monarchie. Wie dem gegeniiber Neumann in dem von mir zitierten Werk zn feinen Angaben gekommen ift, weiß ih nicht. Nah Belhagen und Klafing bleibt eben doch Hauenftein Deutjchlandg kleinſte Stadt. —

Zu derfelben Frage jandte uns Herr Chr. Petzet zu Miinchen eine Mitteilung, nach welcher das Städtchen

Kruſchwitz

in der Provinz

Poſen, wie dag Städteverzeihnis im neueften preußiſchen Staats— handbuch nachmweift, bei der letzten Zählung (1880) 744 Ein— wohner hatte, eine „Stadt” Schiedlitz aber in feinem der zuver— läffigen

ſtatiſtiſchen

Quellenwerke

erifttert.

Vielleicht,

fügt Herr

Peret bei, hat Herr Neumann, wenn man nad) dem Titel feiner von Dr. Baumann angeführten, mir unbekannten Schrift „Beiträge zur Gefchichte der Bevölkerung in Deutjchland jeit dem Anfange diefes Jahrhunderts“ eine Vermutung wagen darf, jene Angaben auf Zuftände Poſen'ſcher „Städte” zu Anfang unſeres Jahr— hunderts ausgedehnt, die der Gegenwart nicht mehr entjprechen. Auch das ruffiihe Königreich Polen zählte zu jener Zeit nnd bis vor einem Sahrzehnt eine ziemlich große, Anzahl ſolcher Städte Karrifaturen entfinne ich

Länder-

und

Völkerkunde;

schaften; Ingenieur-Wissenschaften, auf die sanitäre Technik. Der 1891 Nummern umfassende gratis zu beziehen von

und aus friiheren Arbeiten iiber polnische Statiftif mich z. B. eimer „Stadt“ Jarczow, Gouvernement

Siedlce, welche in den jechziger Jahren 185 Einwohner, und zwar 5 Chriften und 180 Juden, zählte. Die ruffische Negterung hat zu Anfang der fiebziger Fahre ungefähr 170 Keine „Städte“ Polens zu Dörfern degradiert und ſeitdem diirfte das Privileg, die Hleinften Städte Europas zu befiten in der That, wie Herr Dr. Baumann feiner Zeit, in Nr. 21 des „Ausland“ von 1883, nachwies, auf Baden übergegangen fein. Auch Preußiſch-Polen mwenigftens hat feine fo Heine Stadt aufzuweiſen wie Hanenftein.

THEODOR

Naturwissen-

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ift in Deutſchland

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Auf:

Deutjcher Neichstag. — Das Recht auf Arbeit. (II) — Die Ruſſen in Sarachs. — Oppojition und Negierung in Rumänien. — Franfreih und Marokko, — Bismard und Windthorft. Der neueſte Roman Edmond de Goncourts. — Rückblicke auf die 300jährige Jubelfeier der Univerjität Edinburg. Von E. Stengel. — Geographiſche Bilders werte. — Gonrad Deubler. (Nekrolog.) Bon Dr. F. Sueti. — Ein Frankfurter Poet. (Friedrich Stolte) Bon ©. Schott. — Gin Rüdblid auf Heidelberg. Von G. Weber. (VII. Schlupartifel.) — Giovanni Prati. (Nekrolog.) — Prinz Leopold Herzog von Albany. (MNekrolog.) — Das WagnerMufikfeit in Bojton. Von K. Kabenberger. — Grlebtes und Erſtrebtes. 1809—59. (Grinnerungen von Georg Bejeler). — W. H. Riehls „Deutiche Arbeit“.

Handels, Bank- und Börjenzuftände

in Frankreich.

(Der Quartalausweis

des franzöſiſchen Handels- und der Staatseinnahmen. Nachwehen des Finanz— trachs und Budgetrejultate) — Die ruſſiſchen Staatsjchulden, deren Entitehung und Tilgung. — Handelstammern im Ausland. — Gejhäftsberichte 2c.: Der Gentralverband deuticher Induſtrieller und die Unfallverfiherung. — Vom öſter— reichiieheungarischen Getreidemarkt. — Der Seehandel Defterreichs. -— Buchhändler— Oſtermeſſe. — Deutſche Yebensverfiherungsgejellichaft. — Dux-Bodenbacher und Prag-Durer Eiſenbahn. — Dberbayeriiche Actiengejellihaft für Kohlenbergbau. — Jahresbericht der Handelstammer zu Frankfurt a. M. — Bank für überjeetichen Handel, — Zur Yage der Industrie im Königreiche Sachſen. — Dejterreichiſche Nordweſtbahn. — Defterreihiiche Sidbahn. — Generalverjammlung der deutſchen Niübenzuders industriellen. — Statiftiihes über die ſächſiſche Indus ſtrie. — Theilung des Arlbergverfehrs. — Die Converſion der osmaniſchen Schuld. — Gentral-Bacifie-Bahn.

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Nordpolfahrten von den älteſten Zeiten bis auf die Gegenwart. Mit zahlreihen Flluftrationen und Karten. Eleg. geb. M. 24

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Da; Jusland. Wochenſchrift für Länder: und Völkerkunde, unter Mitwirtung von Profefjor Dr. Friedrich Nabel und anderen Fachmännern herausgegeben von der

I. ©. Cotta'ſchen Buchhandlung in Stuttgart und Münden. Siebenundfünfzigiter Jahrgang. men

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München, 2. Juni.

1884.

Jährlich 52 Nummern A 20 Seiten in Quart. Preiß pro Quartal M. 7. — Zu beziehen dur alle Buchhandlungen des In» und Auslandes und die Poſt— Ämter. — Rezenfiond-Eremplare von Werken der einjchlägigen Litteratur find direft an Heren Profefjor Dr. Friedrich Nabel in Münden, Akademieſtraße Nr. 5, zu jenden. — Injerationspreis 20 Pf. für die gejpaltene Zeile in Petit.

Inhalt: 1. Die Anerkennung der Internationalen Gejellihaft als Freiftaat am Kongo. ©. 421. — 2. Weftafrifanische Laterite. (Schluß) Bon Dr. Pechuel-Loeſche. (Mit Abbildungen) ©. 422. — 3, Politifh- und wirtſchaftsgeographiſche Rückblicke. IN. Das franzöfiihe Kochinchina. S. 428. — 4. Zur Geſchichte der Geographie Amerikas. Bon Bizefonful Ferdinand Moos. ©, 434, — 5. Kleinere Mitteilungen: ©. 437. Iwanow iiber das Naturleben und die Benölferung im Pamir, Leichengebräude auf Neuguinea. — 6. Notizen: ©. 439. Geographiihe Geſellſchaften, Muſeen ꝛc. — 7, Literatur: S. 440.

Die Anerkennung

der Internationalen

als Freiſtant am

Geſellſchaft

Kongo

Der Kampf gegen den englifchsportugiefifchen Kongo— Vertrag ift in eine neue Phaſe getreten; die internationale Afrikanische Gefellfchaft jtellt fich als ebenbürtige Macht dem Staate Portugal am Kongo gegenüber und hat von den

Bereinigten Staaten von Nordamerifa die Anerkennung ihrer Flagge erlangt. Der Hergang it folgender: Am 22. April 1884 wurde von der Internationalen Geſellſchaft nachitehende PBroflamation im Weißen Haufe

in Waſhington abgegeben:! „Die Internationale Gefellichaft am Kongo erklärt, daß ihr durch Verträge mit den legitimen Fürſten am

Kongo, Niadi Kuilu und in den angrenzenden Küſten— Itrichen Yändereien zum Wohle und Nuben von Freiitaaten abgetreten wurden, welche unter dem Schuß dieſer Gefellihaft gegründet worden find und im Begriffe ftehen, gegründet zu werden. Die Freien Staaten haben diefe Zeſſionen in rechtsverbindlicher Form angenommen.“ „Die Geſellſchaft und mit ihr die Freien Staaten haben als Flagge eine blaue Fahne mit goldenem Stern

gewählt.“

1 „Zimes“, 8, Mai 1884, Ausland 1884,

Nr. 22

|

|

„In den Freien Staaten werden

feine Zölle auf

Handelswaren erhoben, damit der Verkehr ungehindert bi8 in das äquatoriale Afrika fich entwickle.“ „Allen Fremden wird vollfommene Freiheit im Handel

und in der Errichtung von Faktoreien zugefichert, infofern fie fih den Gefegen

unterwerfen.

Die

Geſellſchaft

ver:

bürgt fih, allen Bürgern jeder Nation die gleichen Bor: vechte einzuräumen und mit allen Mitteln den Sklaven— handel zu unterdrüden.“ Henry Sanford, der Bevollmäcdhtigte der Freien Staaten in Wafbington, wurde mit der Webermittelung diefer Erklärung beauftragt.

Daraufhin notifizierte der Staatsfefretär Frelinghuyſen im Namen des Präfidenten

der Bereinigten Staaten der

Internationalen Gefellfchaft am Kongo, daß die Negterung der Vereinigten Staaten gemäß ihrer traditionellen Politik, welche jtets auf die kommerziellen Intereſſen ihrer Mit:

bürger Bedacht

nimmt, zugleich) aber jede Verwickelung

mit fremden Mächten zu vermeiden fucht, ihre Sympathie | für die humanen und fegensreichen Unternehmungen der Geſellſchaft ausiprehe und daß fie ihren Beamten den Befehl erteilt babe, die Flagge der Internationalen Ge—

jellfchaft als die Flagge einer befreundeten Negierung zu achten. Mit dem offiziellen Sendjchreiben an die Negierung 64

422

Weſtafrikaniſche Laterite.

der Vereinigten Staaten ift der Schleier des Geheimnifjes von den Abfichten der Internationalen Geſellſchaft teil: meife gefallen:

fie will nicht mehr in frommer Denkungs—

richt, die durchaus nicht in der Konſequenz des Ermwarteten liegt, plößlih auftaucht, jo jtedt immer in ihr ein Kern von Wahrheit verborgen.

Iſt das alſo hier wirklich der

art ſelbſtlos philanthropiſche und zivilifatorische Zwecke ver folgen; nein, fie till entweder eine fonfurrenzfähige Macht

Fall, jo fann man ſich fein Fläglicheres Bild von dem

fein, ausgerüftet mit allen Inſignien eines modernen Staates, oder vielleicht nur ein begehrensmwertes Objekt

gegenwärtigen machen, indem fie einerjeitS in jouveränem Eigendünfel ein glänzendes Banner entfaltet und anderer: ſeits dasfelbe fofort heimlich einem zahlungsfähigen Nach—

für zahlungsfähige Käufer. Wahrſcheinlich durch den englifch-portugiefifchen Ver: trag gedrängt, ift fie zu frühzeitig mit ihren wirklichen Abfichten an das politifche Sonnenlicht getreten; denn fie iſt noch nicht fertig, wie fie in vorjtehender Proflamation befundet, wenn fie von Freien Staaten jpricht, „Die noch

im Begründen

begriffen find.”

Auch verlangt fie Be

folgung der Geſetze; niemand aber weiß, welcher Gejete. Sn dem in der „Times“ veröffentlichten Dokument fehlt jeder Name, welcher etwa im Auftrage der Gejellichaft

unterzeichnet wurde.

Mit dem Nechtstitel der erworbenen

inneren Zuftand

der Internationalen Gejellihaft als den

bar in die Hände drüdt! Sollten die „unermeßlichen Schätze“ Innerafrifas wirklich zu lange auf fih warten lafjen, und follte die Geduld der leitenden Herren in Brüffel auf eine zu peinliche Probe jetzt gejtellt worden fein? Befjer wäre es freilich, ehe die nadte Ausfichtslofigfeit des jo enorm

lukrativ

gejchtlderten

fichtigften

der Summe

Unternehmens

ſelbſt dem

Kurz

in die Augen jticht, noch rechtzeitig einen Teil

in die eigene Tajche zurüdfließen zu laffen,

geheuren Gebiete auf viele Tagereiſen mweit, meit aus— einander. Nur das Abkommen mit dem Häuptling

welche angeblih nur für „ideale Zwecke“ großmütig ver— ausgabt wurde. Was allem Anſchein nach wahrhaften Vorteil für den europäischen Handel am Kongo hervor: zaubert, liegt in dem regenreichen und fruchtbaren Litoral verborgen, und nad) diefem haben die neuen „reiten Staaten” am Unter: und Mittellauf des Kuilu die beutegierigen Hände ausgejtredt. Die hier intereffierten euro—

Manipambo ! fpricht

zuſammen—

päifchen Mächte werden aber faum gejtatten, daß dieſes

Die Sreiftaaten jind

Territorium einer Geſellſchaft überlaſſen wird, die jo abenteuerlicher Weife Staaten ohne Land und Unterthanen zu gründen die Stirne hat. Durch ſolche Thatjachen, welche die internationale

Länderftreden

mag

es ziemlich bedenklich ausſehen;

denn

bis jetzt wiſſen wir nur von foldhen Verträgen, welche den Erwerb von Grund und Boden in unmittelbarer Nähe der Stationen

bezweckten;

von

dieſe liegen aber in dem uns

einem

hängenden Territorium am Kuilu.

größeren

allem Anfcheine nach noch fehr im Werben begriffen.

Ein Engländer bemerkt in der „Times“ fehr richtig: „Ber ijt denn die Internationale Afrifanifche Gefellfchaft? Manche fcheinen zu glauben, das fei eine große, mächtige Gejellihaft von Bhilanthropen aus aller Herren Länder,

die Freiheit im Handel und Wandel am Kongo jchaffen will. Aber nichts derart! Es iſt weder eine englifche, noch eine belgische Gejellichaft, es ft überhaupt gar feine Geſellſchaft, wenigitens feine juriftiich anerkannte, Es ift

der König der Belgier unter einem angenommenen Namen, aber nicht als Souverän feines Staates, fondern als Privatmann, ohne die Laft irgend einer VBerantivortlichkeit. Mit der Zeit wird die ganze Unternehmung zu foitjpielig für die Geldbörfe eines Privatmanns werden; wer in aller Welt fünnte dann verhindern, daß jämtliche Freiftaaten mit ihren Ländereien, Stationen, Verträgen, Hoheits— rechten und mit ihrer Schönen Flagge um den höchiten Preis an den nächiten Beiten Iosgejchlagen werden?” Hier Liegt die Anjpielung auf die jüngit ruchbar ges wordenen geheimen Abmachungen und Berbandlungen, wonach die Internationale Gefellihaft „Frankreich allein

zum Erben ihrer Gebiete und Nechte am Kongo einjebt, für den Fall —

ihrer Auflöfung”,

d. h. wonad fie ihre

Befigungen am Kongo an Franfreih zu ver kaufen geneigt tft. Natürlich it diefe Nachricht fofort und zum Teil dementiert worden; 1 Siehe „Ausland“

wenn aber eine Nach-

1884, Nr. 11, ©. 210,

Geſellſchaft jelbjt in den leßten Monaten zur Löſung des Nätjels ihrer millionenhaften Ausgaben „ohne jede Abficht auf Gewinn” lieferte, find mir allmählid von dem vorfichtigen, dann argwöhnifchen, zudem gegenwärtigen ftrengen Urteil gefommen, daß hier Lediglich ein „Geſchäft“ im

großen Stil gemacht werden follte, welches bei nahezu er: ihöpften Mitteln, freilich noch mit verhüllter Masfe, der Liquidation entgegeneilt.

Weſtafrikaniſche Zaterite. Bon Dr. Pechuel-Loeſche.

Schluß.) Laterite von dichtem Gefüge in ſekundärer Lagerung. Wer die Waſſerläufe des tropiſchen Afrika während der Regenzeit geſehen hat, wenn ſie ihre hoch ange— ſchwollenen, lehmfarbigen Fluten in das Meer wälzen, kann ermeſſen, welch eine ungeheure Menge feſten

Materiales ſie im Laufe der Zeit dem Ozean zugeführt haben

A

und noch zuführen. Was binnenwärts im kleinen

geſchieht, vollzieht ſich hier im großen. Wo die miß— farbigen Gewäſſer zur Ruhe kommen, beginnen ſie ſich zu

N a

Weftafrifanifche Laterite.

flären; die groben und endlich auch die feinſten Teilchen der Flußtrübe finfen zu Boden. Eine Hebung der be: treffenden Meeresgebiete würde mächtige fandige Schlamm: betten zu Tage bringen: die fünftigen dichten Yaterite,

genau jo wie eine frühere Hebung die gegenwärtig hoch und troden liegenden

dichten Yaterite der Geftadeländer

der Einwirkung der Atmofphärilien zugänglich gemacht bat.

und der Vegetation

Entjprechend der nach Jahreszeiten wechſelnden Waſſer— menge und Triebfraft der Flüffe, der Einwirkung von Meeresjtrömungen, der ſchwankenden Gezeiten, je nad)

gegebenen Unebenheiten des Bodens und der vielartigen gegenſeitigen Beeinfluffung aller diefer Faktoren wird der Saigerungsprozeß fompliziert. Die Ablagerungen werden jowohl neben und hintereinander wie auch übereinander, in kurzen wie langen Zeitabſchnitten verfchtedenartig aus:

425

nirgends älteren Sormationen als dem Tertiär und der Kreide anzugehören. Die dichten Laterite überlagern ausnahmslos alle Er: bebungen

des

DBorlandes

und

find

in

entprechender

Mächtigfeit zwischen vereinzelten Rüden und Bänfen von unreinem

plaftiichen

oder jteinartigen Thon,

im Süden

der Kongomündung aud zwischen Kalfen eingefchaltet. Ebenjo umlagern jie die Granitdurchbrüche im Norden und Süden, haben fi auch noch in geſchützten Mulden zwifchen deren Kuppen erhalten, und find namentlich bei Muferra rings um dieje jtarf zerflüfteten und vermitterten

Selfenmafjen mit Grus

und zu Thal gerollten Blöden

überjäet. Un einigen Orten finden fich teilweiſe deutlich hori— zontal gejchichtete, rote, thonige Sanditeine, welche nad

oben tie feitwärts unmerflih

in den fie umfchließenden

fallen, einen Wechſel dünner Lagen oder überiviegende Anhäufung grober wie feiner Maffen bedingen. Es wird fih jene Mannigfaltigfeit in der Anordnung der Sedi:

Zaterit übergehen und ſich in der That äußerlich durch feine andere Eigenfchaft als durch ihre Feitigfeit von ihm unterfcheiden. Es ift anzunehmen, daß fie aus Yaterit

mente

entftanden find; vielleicht haben fih an anderen Flach: füften und Meftuarien die in bebeutenderer Ausdehnung

ergeben,

welche im Aufbau

Küftengebiete Klar bervortritt.

der bereits gehobenen

Die Geneſis derjelben tft

um fo Schärfer zu erkennen, als das mürbe Material, von

auftretenden voten, thonigen Sandfteine in ähnlicher Weife

der nimmer raftenden Kalema (dev eigenartigen Brandung ausgeprägter Flachküſten) angegriffen, über dem fandigen

gebildet.

Strandwall

ofen dichten Yaterit und den unter ihm ruhenden Er— hebungen von Kalfen, Thonen (bei Kinfembo unweit des Granitdurchbruches von Muferra auch Kaolin) ijt ebenfowenig wie zwiſchen den zelligen Lateriten und ihrem

in vorzügliche Auffchlüffe bietenden Steilab-

jtürzen anfteht. Da liegen in gewaltigen bis etwa 100 m, mächtigen Mafjen, von der Brandung benagt, von Waſſer— läufen durchſchnitten und geteilt, die uralten Verwitter— ungsprodufte des Feitlandes von Afrika, und vor ihnen

in der falzigen Fluth breiten

immer

neue

ſich aus und

verflachen mweithin das Meer.

Beſſer als an der felfenreicheren Küfte von Ober: guinea iſt diefe Erfcheinung in Unterguinea zu beobachten. Bejonders jo im Küftenftrih des Kongogebietes, zwiſchen dem Schiefergebirge und dem Meere, im Norden und Süden abgefchloffen durch binnenmwärts zum Gebirge über-

leitende Granitdurhbrüdhe in Yumba (30 25°. Br.) und bet Muferra (70 45° ſ. Br.).

An den weitlichen Ketten des Gebirges, welche wie eine ehemalige Küftenlinie die Gejtadeländer abgrenzen, brandete einjt das Meer. Noch zur Tertiärzeit wurden hier Lateritmaffen im Dean abgefeßt, die jebt hoch und troden liegen, im vollften Sinne des Wortes ein Vorland des Gebirges bildend. Ueber die Entftehung desselben als Delta, vorzugsweife des gewaltigen Kongo, habe ich an anderem Orte ausführlich berichtet! Wo immer die den mehr oder minder fteil nah Südweſten einfallenden kryſtalliniſchen Schiefern unmittelbar angelagerten Gefteine eine Schichtung zeigen, verläuft diefelbe horizontal,

Diefe

Geftadezone, welche ſich mit bemerfenswerter Gleich— mäßigfeit durch das ganze Unterguinea erftredt, jcheint 1 Die Loango-»Erpedition. Umformung des Fitorales p. 15.

Abteilung III p. 13.

Kalema,

Eine Scharfe Grenze zwischen dem auflagernden, zweifel—

Muttergeftein

zu entdeden,

ſelbſt dort nicht, wo friſche

Niederbrühe an den Steilwänden

der Küfte die beiten

Aufſchlüſſe liefern. Allenthalben befist das unterliegende feftere Geftein eine mehr oder minder mächtige Verwitter— ungsfrufte von der entfprechenden lebhaften Färbung. Nicht Selten zeigt diefe annähernd das charafteritiiche

Gefüge des zelligen Laterits, brauſt aber jelbjt dann nicht mehr in Säuren auf (wie die angegriffenen Teile der ſehr Falfreichen Thonfchiefer oſtwärts von Iſangila), wenn fie Kalken angehört, obwohl eine wenig tiefere Schicht derjelben bei der Probe ihre Kohlenfäure ſehr willig abgibt. Im Niveau des Meeres und darum ſchwer zugänglich, getwiffermaßen als Liegendes des Laterits, finden ſich vereinzelt und mie es ſcheint nur in geringer Ausdehnung

Platten

von Brauneifenftein

oder

doch überaus

eijen-

ſchüſſigem, fteinartig verfittetem Sande, ſowie auch Bohn: erzbetten. In Erofionsgebieten treten Kies: und Schotter:

bänfe zu Tage, wahrfcheinlich die Lage früherer Aeſtuarien marfierend. Gefchiebe von den im Gebirge anftehenden Gefteinen, Duarzgänge und Quarzblöde find nirgendswo zu entdeden.

Häufig

find dagegen

an

manchen

Orten

Serölle, ſo an der Loangobai bis fauftgroße von Quarz und eines Quarzites, welcher weit landein im ©ebirge am Kuilu anjteht, und bei Kakongo im Süden des Kongo wiederum Quarzgerölle, in Größe Nehpoften und Flinten-

Meftafrifanifche Laterite,

|

494

fugeln gleichend und gerundet wie diefe,

Kalfgerölle, in

Form und Größe Broten entfprechend, find bei Mafulla in den unterften Schichten des Yaterits in folcher Menge zufammengepact, daß fie zu Bauzwecken fortgejchafft werden;

fie fcheinen einer früheſten Strandlinie anzugehören. Blöcke von Brauneifenftein und Klumpen von beſon— ders eifenreichem, zufammengebadenem Sande, auch verein: zelt eingelagerte Bänfe desſelben find den dichten fie den zelligen Lateriten eigentümlid. Malachit foll an der Loangoküſte in einer ſchmalen Zone am Fuße des Gebirges vorfommen. Asphalt findet fih um Kabinda oberflächlich in Kleinen Kuchen. Im Süden des Kongo tritt er häufiger auf und hat einzelne Schichten des Yaterites, ſowie mancher Kalke derartig durchträntt, daß fie an Steilwänden ſchon von weitem durch ihre ſchwarze Färbung auffallen. Ihr Anblid bat den Wahn erzeugt, daß Kohlenlager vorhanden jeien. Binnenwärts von Kinfao, im Süden des Kongo, foll ein nicht unbedeutender Asphaltfee liegen. Den Beſuch des: felben wollen die Eingeborenen nicht gejtatten, doch erhielt ih durch einen Vertrauten einen Topf voll fehr reinen

Asphaltes. Nach Angaben von Walfängern quillt 5 bis 69% genau wejtlih von der Kongomündung Erböl in Menge auf und bevedt mweithin das Meer. Kopale

ſcheinen nur

in oberflählihen

Partien,

manchen Dertlichfeiten aber in Menge vorzufommen.

an

Bette:

fakten, ausfchlieglih von Meeresbewohnern herrührend, finden fih an einigen Stellen. Spuren von Infuſorien

nachzuweiſen ift bisher noch nicht gelungen. Die Farbe des dichten Laterits iſt vorherrſchend ein unreines Karmin oder bräunliches Not. In dem bereits erwähnten, ausgezeichneten Erofionsgebiet an der Loango— bai find vegellos vorkommende, einzelne Bartien, Streifen und Flecken jowohl rein weiß, wie auch leuchtend chrom: gelb oder dunkelkirſchrot gefärbt, ohne ſich jedoch in ihrem Gefüge von den angrenzenden zu unterfcheiden. An den

Steilabjtürzen der Küfte im Süden des Kongo zeigen manche Streden auch eine fatte gelbbraune und einige Schichten eine düſter violette Färbung. Beſonders an der Loango— bat it, auf dem roten Laterit ruhend, eine gleichmäßig ausgebreitete, der Oberflächenform im allgemeinen parallel verlaufende und mehrere Meter mächtige Dede von hell

gelbbraunem oder lebhaft ockergelbem Laterit zu beobachten. Er iſt Ioderer, fandreicher und darum weniger gebunden als die Hauptmafje, aus welcher er wohl unter dem Ein: flufje der Atmoſphärilien und der Vegetation entſtanden ift.

Die Farbenwirfung

der am Strande

fenfrecht ab-

fallenden Lateritmaſſen ift, ſchon vom Meere aus gefehen, eine wahrhaft überrafchende und überaus fremdartige, na— mentlich an den Baien von Loango und Kabinda, wenn diefelben im vollen Sonnenschein leuchtend rot herüberſchim— mern. Wie diefe Ablagerungen wiederum der Erofion

jedoch ebenfowenig

in den Dichten, wie in den zelligen

Lateriten, ſondern erſt auf dem unterliegenden feiteren Geftein, obwohl erftere nicht ganz fo porös und durchläſſig find, mie die urfprünglichen. Sene find infolge ihrer Ab: lagerung bejjer gebunden und befiten im trodenen Zu: ſtande in den feltenjten Fällen die Feitigfeit einer weichen Kreide. Die allerdings weder aus bedeutender Tiefe noch in großer Entfernung von der Küfte vom Meeresgrunde heraufgebolten Bodenproben unterschieden ſich äußerlich nicht weſentlich von den dichten Lateriten und den jüngjten

Abſätzen im Snundationsbette der Flüffe; doch ermangelten fie wie diefe der charakteriftifchen, lebhaften Färbung. Diefe Scheint demnach erſt nach der Trodenlegung durd

die Einwirkung

der Atmofphärilien

und der Vegetation

wieder erzeugt zu erben. Schließlich it noch zu erwähnen, daß der rötlichgelbe Pafjatjtaub, den zu ſammeln ich auf Seereifen mehrfach Gelegenheit hatte, fehr wohl Laterititaub fein fann. Diefer Staub wird jedoch überhaupt nicht in der engeren, äquas torialen Zone bemerkt. Er fommt nicht aus diefer, jones dern aus nördlicheren, vegetationslojen Gebieten Afrikas,

und zwar mit einem Winde, welcher nad) Richtung, Heftig: feit und Dauer

in der Nähe

des Nequators volljtändig

unbefannt ift. Darum würde, auch menn die Art und Weife der Ablagerung dichter Laterite im Songogebiete nicht klar erfichtlih wäre,

ihre Anhäufung,

mie die des

Löß, nicht den Winden zugefchrieben werden fünnen. Aus dem Borftehenden ergibt fich, daß der dichte Yaterit ein Sedimentgeftein ift, gebildet aus abgejchwenmten und

einem Satigerungsprozeß unterzogenen Maſſen der zelligen Yaterite. Bei feiner bedeutenden Ausdehnung und Mächtigfeit fann es unter Umständen wichtig fein, ihn auf geo— logischen Karten als felbitändiges Gejtein zu markieren. Er wird fih auch in Seebeden des Inneren nachweiſen lafjen, oder in trodenen Mulden anftehen, welche einjt mit Waffer erfüllt waren. Reſte von Lebeweſen des fejten Bodens und Erzeugnifje menjchlicher Thätigfeit wird er nur dann umjchliegen, wenn diefelben zufällig hinein— geſchwemmt worden find.

Entitehung der Laterite, Die Yaterite find nur wenig jünger als die Erbteile, deren heigen Zonen fie eigentümlich find. Shre Bildung begann, fo:

bald die erjten Geſteine troden gelegt waren. Sie wird fort: jchreiten, fo lange die Borbedingungen fortbeftehen. Ein ein: facher Prozeß der Verwitterung, befchleunigt und modifiziert

durch befondere Berbältniffe, mechanische Aufloderung und

ſionsgebieten enteilenden Bäche führen nach heftigen Ntegen-

chemifche Zerſetzung der Felſen erzeugte die Laterite. Wie in Ländern mit falten Wintern das feſteſte Ge: jtein mechanisch zerjtört wird durch die Kraft des eingedrungenen, zu Eis eritarrenden Waſſers, jo übt eine ähnliche Wirkung in den Tropen eine übermäßige Erhitzung und oft plögliche Abkühlung der Felfen. Die Wärme,

güfjen bolusrot gefärbtes Wafjer.

welche eine mächtige Infolation namentlich dunfelfarbigem

unterliegen, ift bereit gefchildert worden.

Die den Ero-

Ihre Quellen entfpringen

425

Weſtafrikaniſche Laterite.

Geſtein verleiht, iſt jehr bedeutend, tiefgreifend und darum

nachhaltig. DVegetationslofer Boden wird derart erhißt, daß die barfüßigen Eingeborenen, troß ihrer jehr abge: härteten Sohlen, lieber einen Umweg über bejchattete Stellen nehmen oder doch die heike Fläche eilig überjchreiten.

Hunde ahmen ihnen nad. Dft babe ich diefe vor Schmerz winfeln hören, wenn ſie unachtfam oder notgedrungen befonnte Plätze paffierten. Während der heißen Negenzeit ijt eine Inſolation 60 bis 709 durchaus normal, höhere Werte, bis zu find fehr häufig, nicht jelten noch bedeutendere, und mal wurden zu Tſchintſchotſcho 84,60 abgelefen. Es

voll von 750, ein: wer:

den ich weder im Gebirge, noch im fernften Inneren fvejentlich andere Werte ergeben. Die Temperatur des Regens dagegen ſchwankt zwiſchen 210% und 240%.

Erofionen

Da nun

befonders bei den Nachmittagsgemwittern auf eine bedeutende

Erhitzung

der Gejteine

eine plößlihe

Abkühlung durch

mächtige Negengüfje erfolgt, da infolgedeffen jähe Tem: peraturdifferenzen von 400 bis 500 eintreten, muß das Gefüge, auch des härtejten Felſens, fich lodern. Hiezu gejellt fih nun die chemische Einwirfung des

Waſſers, die unter den bejonderen Umftänden

in hohem

Grade verihärft wird durch die Säurebildung bei Ge— pwittern. Die Menge der erzeugten, raſch in Salpeterfäure übergebenden jalpetrigen Säure tt ſehr hoch zu veran-

ichlagen bei Gewittern, die während mancher Negenzeiten noch für normal gelten, wenn fie 20 bis 30 Blitze in der Minıte entjenden, und erjt dann für heftig oder furchtbar gehalten werden, wenn ſich die Anzahl der Entladungen verdoppelt. Allerdings Liegen derartige zuverläffige

m Plateau von Buala.

Loangobai.

als gewaltige Blisjtrahlen aufzufaffen find, die ſich aus

dem charakteriſtiſchen Geröll zuſammenfügen laſſen. Da— rum iſt es ratſam, wo immer unter verdächtigen Umſtän— den Quarzbrocken vorkommen, genauer zu unterſuchen, ob ſie nicht die bedeutſame, einſeitige Abrundung zeigen; ſonſt könnten die Befunde zu falſchen Schlüſſen verleiten. Der allgemeine und teilweiſe ſehr hohe Eiſengehalt der Laterite, welcher doch den entſprechenden Verwitterungs— produften eftropifcher Gebiete fehlt, ijt vorläufig durch die

mehreren jehr großen, in fürzejter Zeit dieſelbe Bahn durd)-

vielartige Einwirkung der Vegetation zu erklären.

Ihlagenden Funken zufammenfeßen. Die Einwirkung der jähen Temperaturwechjel auf Quarzgerölle ift jehr bemerkenswert. Die oberflächlich zer-

leicht vollzieht fich eine Anreicherung des loderen, Luft: erfüllten Gefteines injfofern, als auf die Reduktion ſogleich wieder die Oxydation folgt, das Eifen alſo großenteils zurüdbleibt und fich Scheinbar vermehrt, weil gleichzeitig die Lateritmaffe von der raſch durchſickernden Flüſſigkeit

Beobachtungsreſultate bisher nur von der Yoangoerpedition

vor und von einem Gebiete, dem in meteorologischer Be— ziehung eine Ausnahmeſtellung zuzugeiteben it. Dennoch werden andere Gebiete nicht jo bedeutjame Abweichungen zeigen, daß dieje befondere Säurebildung auf ein unweſent—

lihes Minimum

ſänke.

Auch iſt noch zu beachten, daß

jene gezählten Blige nicht einfacher Art, fondern vorwiegend

freuten ſcheinen größtenteil3 nur kurze Zeit ihre urfprüng:

liche Geftalt betwahren zu fünnen. Sie zerfallen in Stüde, die oft fo dicht bei einander liegen, daß fie fich wieder zu

V

Ausland

1884

Nr. 22.

durch Auslaugung und Wegführung verringert wird. 65

Viel:

426

Weſtafrikaniſche

Die durch jäh wechſelnde Temperaturdifferenzen be— bedingte mechaniſche Auflockerung der Felſen wird nach

der Tiefe abnehmen und bei genügender Mächtigkeit der ſchützenden Lateritdecke wird ſich eine Grenze finden, von welcher an nur die chemiſche Zerſetzung noch wirkſam bleibt, alſo um vieles langſamer den Fels zerſtört. Bei günſtiger Beſchaffenheit des letzteren vermag ſie jedoch immerhin noch ſo mächtig fortzuſchreiten, daß, wie in der Landſchaft Mpakambendi, äußeren Anzeichen nach ganze Erhebungen bis aufs Herz in Laterit verwandelt worden ſind. Die Thatſache, daß Temperaturdifferenzen in einer gewiſſen Tiefe nicht mehr zerſtörend einwirken, daß die Niederſchläge größtenteils einſinken und unterirdiſch einen Abzug finden, daß endlich die Waſſerläufe während der Regenzeit hoch anſchwellen, liefert wohl die beſte Erklärung für die vielgliederige Ausgeſtaltung des Gebirges. Es fehlen ihm die Thäler im vollen Sinne des Wortes. Statt deren haben die Waſſerläufe vielmehr ſteilwandige Schluchten

ausgefurcht.

In bedeutenderem Maße

allerdings in der

weſtlichen Hälfte des Gebirges, wo die Schichten der Ge— ſteine geknickt, als in der öſtlichen Hälfte, wo ſie horizontal gelagert auftreten. Immerhin iſt ſowohl die Zahl der

Waſſerrinnen,

wie auch ihre weit überwiegende ſenkrechte

Laterite.

Entwickelung eine ungewöhnlich bedeutende, ſodaß in vielen Landſchaften alle Erhebungen gewiſſermaßen iſoliert aufragen.

Demzufolge

iſt das breit hingelagerte

Gebirge im

Verhältnis zu ſeiner geringen Höhe ein außerordentlich unwegſames, vielleicht das unwegſamſte von allen. Mit

Ausnahme jehr geringfügiger Streden führen die Wege in jeder Nichtung

immer

wieder

durch tiefe Einfchnitte, die

anders als zu Fuß und kletternd nur auf Viadukten zu paffieren wären. Diejfe wiederum dürften der Inſekten wegen niemals aus Holz ſein und müßten der alljährlich wiederkehrenden Hochfluten wegen in beſonders vorſichtiger Weiſe konſtruiert werden. Kulturwert

der Laterite,

Den Yateriten fehlt die wafjerhaltende Kraft. Von dem ungehindert durch fie gebenden, fäurereichen Regenwaſſer wer— den fie jtetig ausgelaugt. Sie find mehr als gut durchlüftet und werden bei der jtarfen Befonnung bis zu bedeutender Tiefe nicht unerbeblich erwärmt. Demzufolge trodnen fte Scharf und

ſchnell aus.

Die Ertragsfähigfeit des Yateritbodens wird

daber in erfter Linie wäſſerung abhängen.

von einer reichlichen, ſtetigen Be: Seine Struktur erweiſt ich viel

Partie dev Kiüfte an der Bat von Loango.

nachterliger als feine Armut an den für die Vegetation jo wichtigen Näbhrftoffen. Der von Herin Dr. Buchner aus Innerafrifa, Malanſch, mitgebrachte zellige Yatertt, Sawanenboden, unterfcheidet ſich in feiner Zufammenfegung den nennenswerten Beftandsteilen nach nicht twefentlich von dem Lößlehm der Gegend um Leipzig, welcher einen anerkannt trefflichen Aderboden bildet. Erjteren hat Herr A. Schwager analvfiert; die den legteren betreffenden Mitteilungen verdanke ich Herrn Dr. U. Sauer. Kieſelſäure

Yaterit. 80,5

Thonerde

115147

Lößlehm. 83,3

8,0

Eiſenoxyd

4,0

2,6

Kalt

0,2

0,5

Magnefia

0,1 0,1 Kali 0,2 0,8 Natron 0,2 0,4 Waſſer 4,0 3,0 Allerdings ift mit Sicherheit anzunehmen, daß in den

meiften Zateriten fich viel bedeutendere Mengen von Eifen

finden, tote denn auch bereit3 in den indischen die vier- bis zehnfache Menge nachgewviefen worden ift.1

Ob dem poröfen Boden, two nicht eine überaus günftige Vertetlung der Niederfchläge dem Pflanzer zu Hilfe fommt, oder mühſame,

künſtliche Bewäfferung

durch entprechende Düngung

angewendet

und Bearbeitung

wird,

eine bes

friedigende Ertragsfähigfeit zu verleihen ift, bleibt zu er: proben, doc iſt es faum zu erivarten. Gerade infolge jeiner Beſchränkung auf die Tropenzonen mit ihrem itrengen

Wechjel von ausgeprägter Negen und Trodenzeit wird feine phyſikaliſche Konftitution fo verhängnisvoll, weil fie Y die günftige Einwirkung erjterer vermindert, die ungünjtige

leßterer in hohem Grade verfchärft.

Im Inneren

großer LZändermaffen

und im Regen

hatten von Gebirgen liegend, empfangen die ausgedehn: tejten Yateritgebiete vorzugsweiſe blof Henithalvegen, welche

ihnen kraft ihrer geographifchen Breite zufommen. Reich: licher bemwäfjert find jene weniger umfangreichen Gebiete, welche unfern vom Meere zu genügender Höhe aniteigen, ! Medlicott and Blanford:

Geology of India. I. p. 350.

2

Weſtafrikaniſche

|

um die Seebrife zum Abgeben ihres Ueberfchufjes an Feuch— tigfeit zu zwingen. Sie erhalten nicht nur die ihnen zus fommenden Zenithalregen, jondern auch eine erhebliche Menge nichtperiodifcher Niederſchläge, und zwar in ders artig glüdlicher Verteilung, daß meiftbegünftigte Yandichaften felbit in der Höhe der Trodenzeit gar nicht oder faum einige Wochen regenlos bleiben. Diefe find Wald— gebiete, jene Steppen= und Sawanengebiete. Die tropischen Negenzeiten verlaufen jedoch feinesivegs regelmäßig, jondern zeigen von Jahr zu Jahr bedeutende

Schwankungen

in Dauer

den Gemittern

entijtammenden

und Menge

der vorzugsweiſe

Niederjchläge.

Unter

ab-

normen Zuftänden, bei mangelhaften oder gänzlich aus— bleibenden Negen, kommen die verhängnisvollen Eigen: ihaften der Laterite zur übeljten Geltung. Die Sawanen— vegetation verfchmachtet, jelbjt die genügfamiten Feldfrüchte welfen und jterben ab. Und die Eingeborenen, die in gewohnter Unbedachtjamfeit Feine Vorräte auffpeichern, find jogleih ohne Eriftenzmittel. An eine hinreichende Zuführung derjelben it bei der Ausdehnung und Unweg— jamfeit der heimgejuchten Gebiete nicht zu denken. Eine übermäßie lang andauernde Trodenzeit, ein teilweiſes oder gänzliches Ausfallen der Zenithalregen bringt entjegliches Elend über ungeheure Yandftriche, Hungersnot und Seuchen, unter welchen die Eingeborenen hilflos ver-

geben.

So

find die Yateritgebiete vermöge ihrer Boden-

itruftur in ihrer größten Ausdehnung nicht bloß Sawanen— und Steppengebiete, ſondern auch Hungergebiete im ſchlimm— ten Sinne des Wortes, und die Gefchichte Indiens mie Afrikas und Brafiliens liefert furchtbare Beispiele dafür. Im tropischen Afrika befundet die Anordnung der natürlichen Vegetation in nicht mißzuverſtehender Weife nicht bloß die durchjchnittliche Verteilung der Negen, fon: dern auch die verhängnisvolle Eigenjchaft der Yaterite.

Endloje Steppen und Sawanen dehnen fich, two ein beffer ‚gebundener, mit größerer wafjerbaltender Kraft ausgeftatteter Boden allenthalben noch Waldungen bervorbringen fünnte, Der bejtandbildende Baumwuchs it an die Wafferläufe oder unterirdiihe Waflerfammlungen gebunden. Diele Gebiete beiten ausschließlich die charakteriftiichen Gallerie: wälder. Die durch Lage und Erhebung metitbegünitigten kleineren Diſtrikte dagegen entivideln eine fräftige Vegetation auch fern von den Wafjerläufen. Sie grünen in fraftitrogender Fülle auf Koſten unendlich größerer Ge— lände des Inneren, denen fie alle nichtperiodifche und doc) überaus wichtige Niederfchläge entziehen. Ste find mit Wäldern bejtanden, die im Gegenfab zu den Gallerie: wäldern als Negenwälder bezeichnet werden fünnen. In den Gebieten, wo die Elimatifchen Bedingungen ein Ausbreiten des Waldes noch geitatten würden, wenn nicht die verhängnisvollen Eigenschaften der Laterite entgegenwirften, trägt in bedeutfamer Weiſe ein anderer Faktor zur fortichreitenden Verödung bei: der Menfch, der mit ‚Eifen und Feuer die Entwaldung befördert. Indem er

427

Laterite,

gewohnheitsmäßig große Strecken der Grasbeſtände alljähr— lich niederbrennt, verhindert er jeglichen Anwuchs waldbildender Holzgetwächje. Indem er in den Terrainfalten verſteckte Waldreſte abbolzt, um den veichiten Boden für einmalige Bepflanzung zu gewinnen, gibt er das bald darauf verlajjene Gelände der echten Satwanenvegetation preis, fo daß, was in Furzer Zeit vernichtet wurde, faum in Generationen wieder erjegt werden fann. Wo alle nachteiligen Einwirkungen der Yaterite durch die nichtperiodifchen Niederfchläge aufgetvogen werden, wo der Menſch nicht minder zahlreich angeſiedelt ift und nicht weniger verwüſtend hauſt, bleibt ex freilich nicht allenthalben Sieger im Kampfe mit der üppigen Vegetation. Die Mehrzahl der fünftlich erzeugten Lichtungen innerhalb des vollwüchfigen Negenwaldes beginnt fich bald nach dem Verlaſſen wieder zu Schließen. Manche dagegen bleiben erhalten; die Charafterpflanzen der Sawane nehmen fie in Beſitz und die Entwidelung der Individuen beweiſt das bobe Alter der Plätze. So finden fich mitten in fraft: Itrogenden Forſten Sawanenjtreifen eingejprengt, rätſel— bafte Waldiviefen, welche in jeder Hinsicht den Patnas oder Pateenas Zeylons gleichen. Sie bleiben bejteben, meil die Verhältniffe des Untergrundes gar zu ungünftig wirken, nachdem der ſchützende Wald entfernt wurde. Aehnliches wiederholt fich in größerem Umfange an den Grenzen der Waldungen. Die Nachteile des Xateritbodens erlangen übertviegende Geltung, auch wenn feine willfürlichen Ein: griffe mehr jtattfinden. Das nicht mehr bejchattete Erd—

veich bat die Kraft verloren, bejtandbildende Bäume zu ernähren. An ſolchen Orten, deren Yage nicht ungünftiger iſt als die der benachbarten, die noch im Schmude üppigiter Vegetation prangen, reden nicht felten auch die Rieſen des Pilanzenreiches und der offenen Landſchaft, die Adanfonien, ihr mächtiges Geäſt empor. Ste find die zuver— läfligften Zeugen, daß fein Wald mehr die Stellen beſchattete, ſeitdem fie ſich darauf zu enttwideln begannen; denn ihr fchlimmfter Feind iſt der Wald, in dem fie vettungslos zu Grunde geben. Daß die ungebeuren Yateritgebiete, aucd wenn der Menſch niemals mehr Sawanenbrände veranitaltete, ſich in abjehbarer Zeit nicht wieder bewalden fünnen, iſt mit Sicherheit anzunehmen. Der ungejchügte, im Sonnenbrand dörrende Boden tft humuslos und höchitens ſtellenweiſe von Kohlenteilchen

geſchwärzt;

die

von

ihm aufjteigende

erhitzte Luft zerteilt das Gewölk und macht nichtpertodifche Negenfchauer felten. Auf dem barten, nadten Erdreich zwifchen den groben, büfchelförmig aufichießenden Gräfern fünnen nur die genügfamjten Holzgewächle, die charafteriftifchen Leitpflanzen der Sawane, gedeihen. Dieje haben fich den Bedingungen angepaßt; fie überdauern Brandſchäden und für einige Zeit auch die größte Trodenheit.

Sie wachfen locker zerftreut, zufrieden mit Luft und Licht. Steben

fie einmal

dichter zufammengedrängt, dann fehlt

Politiſch- und wirtſchaſtsgeographiſche Niückblide,

428

es nirgends an abjterbenden Exemplaren zwiſchen den (ebensfräftigeren und es ift intereffant zu beobachten, wie einzelne im Ningen nach größerer Freiheit ihr knorriges, krauſes Wachstum verändern und lange Schößlinge treiben, die über die Umgebung aufragen. Niemals treten jedoch diefe Sträucher und Bäume waldbildend auf, ni— mals find fie dem Walde eigentümlich. Zu bemerken ift jedoch, daß fie unter

Umjtänden

mefentlichen Beihilfe des Menſchen. Das Feuer wird von den Wohnſitzen ferngehalten; daſelbſt werben auch zufällig wie abfichtlich genügfame Frucht: und Schatten: bäume angefiedelt. Zugleich erhält der Boden nicht uner— hebliche Mengen von Feuchtigkeit und Abfallitoffen, die ibn anderswo nicht bereichern würden. Die abgehärteten Sawanengewächſe und die mit dem Menſchen gefommenen Bäume, Gebüfhe und Unfräuter, welche bald auch von Schlingern überiponnen werden, verdichten ſich allmählich

in welcher allerdings die Sawanen—

gewächje abjterben, dafür aber andere Holzpflanzen die Bedingungen ihres Gedeihens finden, die jonjt nur in den Galleriewäldern gejeben werden. Diefe bilden jedoch beiten Falls immerhin nur einen geringen Bruchteil der Indi— piduen. Selbſt Weinpalmen (Raphia) find unter folchen Umständen im Anwuchs auf fonft fahlen Höhen anzu treffen, die freilih durch nichts mehr an die fraftvolle Entwickelung erinnern, die fie auf günftigen Standorten erreichen. Der Beichauer darf fih durd das Vorkommen der: artiger Gehölze nicht täufchen lafjen. Das einigermaßen

geübte Auge vermag

auf undurchläſſigen Schichten abwärts ſickert

und ſich anſammelt. Die Gehölze, die in Einſenkungen und an Berglehnen der Sawanengebiete gedeihen, ſind darum nicht weniger Galleriewälder, auch wenn die ihre Exiſtenz bedingenden Waſſervorräte nicht zu Tage treten. Die zuflußlojen Höhen erjteigen fie nicht, es wäre denn

in jenen meijtbegünjtigten Landfchaften,

einigen Waldwuchs vorbereiten fünnen und zwar unter der

zu einer Vegetation,

Lateritdecke

fie bereit3 aus der Entfernung von

jenen Waldfappen, echten Regenwäldern, zu unterfcheiven, welche im ausgeprägten Samwanengebiete einzelne, zu unge: mwöhnlicher Höhe aufragende Erhebungen fehmüden. Eine oberflächliche Unterfuhung ihrer Zufammenfegung verrät ihre Herkunft, auch wenn die Eingeborenen längft den Plat geräumt haben. Wie anderwärts Nuinen, fo fennzeichnen dieſe lichten Haine die Stätten, wo einjt Menfchen gehauft haben. Sie find nicht als Maldreite aufzufafien, jondern als Siedelhaine. Der charakteriſtiſche Wald, wenn man will Waldreft,

wo der Menſch

und nicht die Dauer der Trodenzeit ihnen gefährlich wird. Sonach wird die Ungunit der Elimatifchen Verhältniſſe

durch die phyſikaliſche Konititution der Yaterite wejentlich verschärft und der natürlichen Vegetation ungeheurer Ge— biete ihr fümmerliches Gepräge verlieben. Die Pflanzen: formation der Samwane beberrijht noch Streden, melde bei bejjer gebundenem Boden im Schmud der Wälder prangen würden. Unter den obwaltenden Umjtänden find zu deren Enttwidelung die Zenithalregen nicht genügend, e3 bedarf noch fortgejeßter, nichtperiodifcher Niederjchläge während der Trodenzeit. Dieje wiederum fommen nur den kleinſten Teilen der Yateritgebiete zugute, die in fraftſtrotzender Fülle auf Koſten verſchmachtender Hinterländer grünen.

Die Feldwirtichaft der Eingeborenen bat fich den gegebenen Bedingungen naturgemäß angepaßt. Wollte man den Unterjchted zwilchen den Waldbewohnern und den Samwanenbewohnern übertrieben jcharf hinitellen, jo liegen fih die einen als Bilangefjer, die anderen als Maniokeſſer bezeichnen. Eine lohnende Sicherheit der Produktion, und zwar

zugleich des gefamten Bodens, tft nur in den meijtbegünftigten Gebieten zu erivarten. Dieſe find glüdlicherweile am zugänglichiten, da jie dem Meere in der Regel am nächiten liegen. Die Sawanenbewohner fünnen nur untergeordnete Bodenitreden ihrer Heimat mit Ausficht

auf Erfolg bebauen.

Sie find in ihrer Wahl bejchränft,

ſowohl hinfichtli der Dertlichfeiten wie der Pflanzen. Auf immer neuen Rodungen betreiben jie eine Raubwirt— Ihaft mit jenen genüglamen und darum allgemein ver: breiteten Kulturgewächſen, welche entweder ſelbſt in einer mittelmäßigen Regenzeit noch zur Reife gelangen oder eine normale Regenzeit ungeſchädigt überdauern können.

der Samwanengebiete, der Galleriewald, nimmt einen fehr untergeordneten Raum ein. Er grünt in den Terrain: falten und fommt darum im Landſchaftsbilde oft gar nicht

zur Geltung.

In den Einfenfungen wird er vom Grund»

waſſer genährt und bleibt unabhäng von der Verteilung der Niederjchläge. In feiner Zuſammenſetzung weicht er des: wegen vielfach von derjenigen der Negenwälder ab. Er folgt den Wajjerläufen, befleidet die Wände fühler Schluchten, füllt einzelne Mulden aus und flimmt an teilen Hängen empor. Immer ift aus feiner Anweſenheit auf oberflächliche oder unterirdifche Waſſerzüge zu ſchließen, obwohl die legteren oft nur dadurch gejpeift werden, daß das Regen: waſſer von den nädjftliegenden Erhebungen unter ver

Politiſch- und wirkſchaftsgeographiſche Rückbliche. III.

Das franzöſiſche Kochinchina.

Wenn vor noch nicht zwanzig Jahren Adolf Baſtian mit vollem Recht ſchreiben konnte, daß das Studium der hinterindiſchen Halbinſel auffallend vernachläſſigt werde, ſo hat ſich dies ſeitdem ſehr geändert und namentlich der Teil, den die Franzoſen an der Südſpitze in Beſitz ge—

nommen haben, iſt ſo vielfach bereiſt und durchforſcht worden,

Politiſch- und wirtſchaftsgeographiſche Rückblicke.

daß er jetzt in verſchiedener Hinſicht ſehr gut bekannt iſt. Wenn wir uns nun erlauben, dieſe Niederlaſſung zum Gegenſtand der nachfolgenden Zeilen zu machen, ſo beab— ſichtigen wir weniger, alles über dieſelbe Bekannte kurz zuſammenzufaſſen, als vielmehr uns mit der dort von den Franzoſen entwickelten koloniſatoriſchen Thätigkeit ein— gehender zu beſchäftigen und im übrigen die geographi—

ihen Verhältniſſe

nur injofern furz zu berühren,

als

fie für diefelbe wichtig find; dann aber möchten mwir bes fonders auf die gegenwärtigen dortigen Zuftände näher eingeben.

Durch die Ermordung

zweier Bischöfe veranlaßt, be-

ichlofjen Franfreih und Spanien, Annam zu züchtigen. Am 31. Auguft 1858 erfchien Admiral Rigault de Ge— nouilly vor Turan, nahm es am 2. September und begab fih dann nach Saigon, welches am 17. Februar 1859 in jeine Hände fiel. Der Krieg gegen China erforderte die Gegenwart aller verfügbaren Streitkräfte auf dem dortigen Kriegsſchauplatz. Kapitän Daries mußte ſich mit feinen unzulänglichen Truppen darauf bejchränfen, Saigon zu

halten.

Erſt nad) Beendigung

des dhinefischen Krieges

fonnten die Franzoſen mehr aktiv auftreten und im Sabre

1862 wurde der Friede unterzeichnet, durch den fie feiten Fuß im Lande faßten. 1867 erhielt ihre Niederlaſſung den jeßigen Umfang und 1868 erwarben fie das jpäter auch von Siam anerkannte Brotektorat über Kambodſcha. Anfänglich beabfichtigte Frankreich, nur den Beſitz einer

maritimen Station in Hinterindien zu erreichen; an bie Gründung eines Stolonialveiches dachte man damals nod) nicht. Selbjt bei miral Page dahin zöſiſchen Konfuln langen. Nach und

den Ariedensunterhandlungen war Ad» injtruiert, nur die Zulaffung von fran— in drei Städten außer Saigon zu ver nad) erjt gelangte man zum Berjtändnis,

daß ein derartiges Ziel die vielen Anftrengungen nicht wert ſei, welche man darauf verwenden müſſe und beichloß

nun, dort eine wirkliche Niederlafjung zu gründen; 1863 erfannte man Kochinchina als franzöfische Kolonie an. Wenn Franfreich jet dort eine wertvolle Beſitzung hat, jo verdantt es dies. hauptſächlich dem Admiralde la Gran

diere. Wie gewöhnlich folgte, nachdem einmal der Wunſch, dort ein neues indifches Reich zu gründen, zum Durchbruch) gefommen mar, eine Epoche der Sllufionen, welche durch) die von Saigon aus erweckten Hoffnungen unterhalten

wurden,

Man

ließ ſich dadurch bejtimmen, manches zu

übereilen, wie wir weiter unten werden.

näher auseinanderjeßen

Die Beſitzung liegt zwiſchen 102 und 1050 ö. L. von Paris und in 8 bis 110 30° n. Br. Die größte Aus— dehnung von NO nah SW beträgt 385 Km., die Breite von D nad W 330 Km,, die Oberfläche etwa 60,000 Q.-Km, Zu derjelben gehört die Gruppe der Kondorinfeln, deren größte als Aufenthaltsort für diejenigen Strafgefangenen dient, deren Strafe die Dauer von zehn Jahren nicht über-

fteigt.

Das Land ift in 6 Provinzen mit 21 Bezirken, Ausland

1884, Nr. 22.

429

207 Kantonen und 2425 Gemeinden eingeteilt. Der Mefong, welcher von NW nad SD fließt, teilt es in zwei beinahe gleiche Teile. Bet feinem Eintritt in das franzöfifche Gebiet tft er Schon in zwei Arme gefpalten, deren meitlicher, der Hintere Fluß, wie er in Munde der Eingeborenen beißt, fi) mit nur wenigen Krümmungen dem Meere nähert und durch zwei Mündungen in dasjelbe eintritt. Der zweite Arm, der Bordere Fluß, läuft mit dem zuerſt erwähnten ziemlich parallel bis an Vin-Long, wo er fich in vier Arme Spaltet, die durch jehs Mündungen mit dem Meer in Berbindung treten. Weiter öftli wären vier Flüffe von furzem Lauf, aber bedeutender Tiefe zu nennen: der Donnai, der Saigonfluß und die beiden Vaiko. Sie ver: einigen fich zu je ziveien und ergießen fich durch die Miündungen von Soi Rap und St. Jaques ins Meer, Der Hintere Fluß ſteht durch zwei Kanäle mit dem Golf von Siam in Verbindung. Der Gedanke Liegt nahe, daß an Stelle des gegen: wärtigen Kochinchinas fi einmal ein Golf des indochinefiichen Meeres befunden bat, daß nad und nad Inſeln in demjelben entjtanden find, aus denen durch weitere Anſchwemmung ein ausgedehntes Feſtland hervor: gegangen tft; denn der größte Teil des Landes von Weſten an bis über Saigon tt ziemlich flach, von vielen Waſſer—

läufen, Arroyos, durchſchnitten, hinter deren dicht bewach— jenen Ufern ſich endlofe Flächen ausdehnen. In dieſem Teile unterjcheivet man die Neisfelder, Wälder mit dünnem Baumwuchs und endloje, mit langem Gras und Rohr bewachjene Steppen. Das Alluvium it jehr fruchtbar und für den Neisbau geeignet, der auch die Hauptfultur des Landes bildet. Hinter Saigon erit erhebt fich das Land, um ſich mit der großen Bergfette, welche durch Annam bis nach China läuft, zu vereinigen; auch im weſtlichen Teile gibt e8 einzelne Höhen, Ausläufer der Elefanten: fette in Siam. Die höher gelegenen Teile des Yandes find dicht bewachſen. Bon befonderer Wichtigkeit für Kochinchina, obwohl ſchon außerhalb der Grenzen desſelben gelegen, tft der Tonle-Sap-See, dejjen bedeutende Waſſer—

fläche die Mafferverteilung im Gebiet des Mekong wohl thätig vegelt. Die Temperatur beivegt fi in den Grenzen zwiſchen 230 und 300; in der trodenen Jahreszeit pom November bis zum April fteigt fie manchmal bis zu 36%, Zu Saigon fand man als Ergebnis einer fiebenjährigen Beobachtung eine Durchfchnittstemperatur von 27,010; im wärmſten Monat, April, maß man 29,850, im fältejten Wionat, dem

Februar, 279 (größter Unterſchied 2,850).

Die Regen:

menge betrug 1,740 m. Die höher gelegenen Teile der Provinz haben ein bei weiten fühleres Klima. Die najje Jahreszeit fängt im Mat an und endet im Dftober, Die Regen fallen gewöhnlich nicht anhaltend, ſondern meiftens eine bis zweimal täglich als Platzregen. Die in Kodinchina herrſchenden Winde find der Norboft-Monjun, vom Dftober bis April und der Südweſt-Monſun, während der 66

430

Polttifch- und wirtichaftsgeographifche Rückblicke.

Regenzeit, vom Mai bis September. Während des lebteren treten heftige Stürme ein, jedoch richten Zyklonen nur felten Schaden an. Die höchjte Flut erreichte 3,80 m. über dem niedrigſten Waſſerſtand.

An der Spite jeder Provinz in Kochinchina ftand ein Tong-Dof genannter Beamter, an deſſen Seite der Quanbo fich befand, twelcher das Steuerivefen, den Landbau, die

Die Gefundheitsverhältniffe müffen wir etwas

wejen zu leiten hatte, Neben beiden war der Quanan oder Oberrichter mit der Yeitung des Nechtsiwejens be— auftragt. Jede Provinz war in eine gewiſſe Zabl Abteilungen und Unterabteilungen geteilt, an deren Spite der Phu und Huyen Standen; eriterer hatte die richterliche, letzterer die adminiftrative Gewalt. Unter dem Huyen ftanden direkt die einzelnen Gemeindevorfteber; für manche Ange: legenheiten bildeten eine gewiffe Anzahl von Dörfern einen Kanton, Caitong. m allgemeinen behielten die Sranzofen diejes Syſtem bei, nur die höchiten Beamten, die TongDof, die Quanbo, die Quanan, erjegten fte durch ſoge— nannte Adminiſtrateurs, über deren Befugnijje wir gleich weiter jprechen wollen, nachdem twir die Gemeindeverwalt— ung, wie fie fih nad und nach geitaltet, etwas näber betrachtet haben. Der Gemeindevorjteher wird durch den Mat der Aelteſten auf ein Jahr gewählt und durd) den Gouverneur bejtätigt. Er vertritt die Gemeinde nad) außen bin, forgt für Aufbringung der Leiſtungen in Geld, Frohn— dienjten und Nefruten für die Miliz; er iſt Richter und Borjtand der Bolizei in feiner Gemeinde. Doch iſt er durch— aus nicht unumschränfter Herr in derfelben, fondern ihm zur Seite, eigentlich über ihm, ſteht der aus erblichen Mitgliedern beitehende Dorfrat, deſſen Beichlüjfe er nur auszuführen hat. Der Gemeindevorfteber hat zwei Negtiter zu führen. Das eine enthält die Namen aller Grund: eigentümer mit Angaben über Art, Wert und Ertrags: fähigkeit ihres Befites, das zweite die Namen derer, welche irgend ein anderes Eigentum befigen. Mit Nüdficht auf die Angaben diejer Bücher wird die Kopffteuer, welche der Einzelne zu bezahlen bat, fejtgejtellt. Schon in der Zeit der annamitiſchen Herrjchaft waren fehr ftrenge Strafen auf ungenaue Führung der Negijter geftellt. Für jede Perſon, welche er aufzunehmen vergejjen hatte, empfing

ein—

gebender befprechen, einesteils, weil ſich in ihnen die Elimatifchen Einflüffe ziemlich deutlich ausdrüdten, dann aber, weil fie eime der wichtigſten WVorbedingungen für das Gedeihen des Landes bilden und der ſtets günjtiger werdende Gefundheitszuftand einen Beweis für die Wirk: ung der Mapregeln Liefert, welche die Franzofen zur Ver: befjerung desfelben getroffen haben. Alles, was man dort im Intereſſe der Gefundheitspflege getban bat und immer noch thut, wird vielleicht dieſe Kolonie noch zu einer der gefündejten von allen in den Tropen gelegenen Niederlaſſungen machen. Die Sterblichfeit unter den europäischen Truppen bes trug nad) Gande von 1861 bis 1879: 11,56; 9,235 8,21;

5,42; 4,78; 4,17; 6,09; 3,09; 3,14; 4,62; 5,25; 3,09; 3,82; 3,46; 3,40; 3,835 4,41; 2,10; 1,22%. Dies ergibt einen Durchſchnitt von 4,82%. Im Sahre 1881 ftarben nach offiziellen Angaben bei einer durchfchnittlichen Stärfe von 690 Offizieren und 4072 Mann: 16 Offiziere und 60 Mann oder 2,3%, und 1,50, der Stärke (hievon an epidemiſchen Krankheiten, von denen Dyfenterie die meisten Opfer forderte, nur 1,028%/9). Die Zahl der Behandelten betrug 348 Offiziere und 4390 Mannfchaften, twelche 6532 reſp. 94,778 Verpflegungstage hatten. Nach Frankreich wurden 209 Offiziere und 956 Mann gefchiet. Auf die europäische Bevölkerung, etwa 2000 Seelen, hatte man 1881 41 Todes: fälle, alfo etwa 2%, zu verzeichnen. Eingeborene ftarben 21,167 oder 1,32%). Kochinchina hatte 1882 in rundet Zahl 1,600,000 Betvohner, tworunter 1900 Franzofen, etwa 150 fremde Europäer und 65,000 fremde Afiaten. Die bedeutenditen Städte find Saigon mit 14,000 Eintvohnern, tworunter über 1000 Europäer, ohne die Truppen und die Marine, und das nahe gelegene Cholen mit 40,000 Eintvohnern, wovon beinahe die Hälfte Chinefen find. Um ein richtiges Bild der Entividelung der von den Franzoſen befolgten Kolonialpolitif zu befommen, müfjen wir von den Zuftänden, welche fie bei der Befisergreifung Kochinchinas vorfanden, ausgehen. Das annamitische Syſtem fann in feinen Einrichtungen mehr oder weniger als ein demofratifches angefehen werden, an deſſen Spite ein Fürft ſtand. Daß dem aftatifchen Defpotismus in der Praris ein weites Feld blieb, braucht wohl kaum beigefügt zu werden; troßdem herrſchte ein gewiſſer Grad von Auto: nomie der Gemeinden, von perfönlicher Freiheit und von Bevorzugung des VBerdienftes, Die Beamten mußten einen gewiffen Rang in der Armee eingenommen, eine gewiſſe Stufe der Gelehrſamkeit erreicht haben, ebe fie zu ihrem Ant ernannt werden fonnten. Die Erlangung ihrer Stel: lung hing ebenfo, wie in China, von einem Examen ab.

Angelegenheiten der Bevölferung und das Rekrutierungs—

der Gemeindevorſteher 60 Stodjchläge.

Hatte er mehr als

20 Berfonen nicht in den Kilten verzeichnet, jo fam außer den entjprechenden Prügeln noch die Strafe der Berbannung hinzu. Die in beide Regiſter aufgenommenen Berfonen bilden die Klaſſe der Befigenden, d. h. der Steuerzahler. Diejenigen, welche nichts befisen und alfo nicht eingejchrieben find, bilden eine zweite Kategorie. Die erjteren dürfen, im Falle eine Stelle im Gemeinderat frei wird, mitwählen,

fie find aber auch ausſchließlich milizpflichtig.

Die Ans

gehörigen der zweiten Klaſſe werden wohl durch die Häuptlinge viel mehr gedrüdt, doch fie haben nichts zu verlieren und bilden großenteils eine herumziehende Bevölkerung, über welche die Polizei ein um fo fchärferes Auge walten läßt, als die Gemeinde für die auf ihrem Grundgebiete verübten Verbrechen verantwortlich ift. Auch die Frohn— dienite laſten ausschließlich auf den Eigentümern, doch hat

e ee

451

Politiſch- und wirtſchaftsgeographiſche Rückblicke.

die franzöfifche Negierung fchon im Sabre 1871 Erlaubnis gegeben, einen Teil derfelben abzufaufen. Uebrigens fcheinen in diefen Beziehungen Veränderungen eingetreten zu fein, über welche jedoch die uns vorliegenden, offiziellen Berichte mit einander im Widerfpruch find. In feiner, zur Er—

Öffnung des Kolonialrates am 5. Dezember 1881 ge haltenen Rede jagte der Gouverneur: „Une deeision presidentielle

supprime la corvée, l’impot le plus imDagegen meldet ein vom der Marine und Kolonien im Sabre 1883

populaire et le plus lourd“, Miniftertum

herausgegebener Bericht mit Bezug auf die Klaſſe der nicht Eingefchriebenen: „Is sont tenus de fournir les corv&es, la garde, les transports des notables.“ Die franzöfifhe Negierung hat unmittelbar, nachdem fie in den Beſitz des Landes Bodens erklärt, Grundjteuer von fauf des Landes

nehmigung

getreten, ſich zum Befiger des unbebauten und ſich auch das Necht zugefprochen, dem bebauten Boden zu erheben. Ver— an nicht Eingeborene darf nur mit Ge—

der Regierung

ftattfinden.

Die unbebauten

Ländereien gibt die Regierung gegen Baarzahlung von 10 bis 70 Frs. für eine Ha. ab. Seit 1874 geſchieht dies auch,

um die Anfiedelung zu befördern, gratis.

Die gewöhn—

lichen Steuern follen mit dem achten Jahre, für Weiden nach dem zehnten Sahre erhoben werden. Den Anftedlern wird freie Reife, mit Ausnahme der Nahrung, die fie mit 70 18. zu vergüten haben, nad der Kolonie auf den Staatstransportichiffen gewährt; fie haben fich jedoch vorber über ihre Unbejcholtenheit auszuweisen. Bis jeßt find erſt 200 Ha. gratis und etwas mehr als 400 Ha. gegen

Bezahlung abgetreten worden. Im ganzen Lande waren nach dem offiziellen Bericht von 1883 bepflanzt mit: Reis 522,040 Ha., Zimmt 4400 Ha., Betel 2110 Ha., Maulbeerbäumen 3383 Ha., Arekapalmen

25,463 Ha., Kofospalmen 2880 Ha., verichiedenen Frucht: bäumen 2025 Ha., Erdnußbäumen 10,040 Ha., Mais 2103 Ha,, Kaffee 70 Ha., Tabaf 2182 Ha., Indigo 231 Ha., Baumwolle 369 Ha., Ananas 44 Ha., chinefifschem Gras 149 Ha., Wafjerpalmen 6672 Ha. Gärten und Wohn: ungen nahmen 38,224 Ha. ein. An Zugtieren und Rind» vieh zählte man 4505 Pferde, 187,590 Büffel und 49,657 Ochſen, Kühe und Jungvieh. Es ift der Regierung bis jest noch nicht geglüdt, Pflanzer in größerer Zahl in das Yand zu ziehen, trotzdem fie biefür bedeutende Opfer ges bracht, worunter auch der botanifche Garten zu Saigon erwähnt zu werden verbient, den fie mit freigebiger Hand ausgeitattet hat, um auf dem Gebiet der Landwirtſchaft

Berfuhe zu machen. Von dem bebauten Yande fordert die Regierung Steuern pro Hektar. Von der Salzge—

winnung bezahlen die Befiter 5%, vom Neinertrag. Die milizpflichtigen Eingeborenen haben, infofern fie feine per— lönlichen Dienfte leisten, 10 Frs. jährlich zum Unterhalte der Miliz beizujteuern. Die Erploitation der Wälder lieferte

40,000 bis 50,000 Ca, Holz. Die Unternehmer bezahlen an die Regierung eine Grundtare für die Erlaubnis, Holz

zu fällen und dann eine Abgabe nad) Verhältnis des Er—

trages,

Als weitere Einnahmequelle der Regierung wäre

die Patentjteuer zu nennen; 1881 trugen 21,116 Ein: wohner zu derfelben bei, worunter 13,000 Eingeborne, 7600 Chineſen, 124 Europäer, ferner Indier und Malaien. Es waren 8 Stufen angenommen, deren Steueranlaß 1000, 600, 400, 200, 100, 50, 25, 12, 5 13. betrug. Der

Ertrag der Steuer war 858,000 Frs.; nicht eingeborene Aſiaten zahlen ein fehr hohes Kopfgeld. Sehr wichtig für die ökonomischen Verhältniffe des Yandes find die Fiſchereien. 1881 zählte man 421 Neviere am Meer, 2292 an den Flüſſen und mehr als 20,000 an Teichen, Fiſchgräben ꝛc. Der Ertrag der Pachten belief ſich auf etwa 250,000 Frs. See- und Flußfahrzeuge werden mit 12 bis 60 Irs. an— geſchlagen. Aus dem Vorhergehenden ergibt ſich, daß die Einwohner hoch beſteuert ſind. Man kann für jeden Steuerzahler etwa 25 Frs. rechnen. Dieſe Laſt iſt viel größer als fie zur Zeit der annamitifchen Herrjchaft war, wenn auch andererjeits der Schuß gegen Willfür größer it und der Ertrag auch großenteils dem Lande wieder zugewendet wird, da ja troß der 2,2 Millionen Frs. welche Kochinchina jährlich an Frankreich zahlt („Uusland” 1883, Ir. 11, ©. 211), das Mutterland darauf verzichtet, direkten Nutzen aus der Kolonie zu ziehen. An Stelle der höheren annamitifchen Beamten traten, nachdem die Franzoſen von dem Lande Beſitz genommen hatten, wie wir oben ſchon gefeben haben, die Adminiſtra— teure, Marineoffiziere à la suite ihres Korps, welche die vichterliche und adminiftrative Gewalt in ihrer Berfon ver: einigten. Bis zum Jahre 1881 beitand nur ein einziger französischer Gerichtshof, zu Saigon; an allen anderen Orten behandelten die Adminiftrateure als Einzelvichter die vor— fommenden Angelegenheiten, Sie bejaßen die Befugnifje eines Hofes erfter Inftanz und eines Handelsgerichts. Uebrigens darf man daraus, daß diefe Beamten der Marine als Offiziere angehörten, nicht gerade auf eine allzu militärifche Regierung ſchließen; fie wurden aus Perfonen, die fic) meldeten, ausgewählt und erſt in Franfreih, dann in Saigon als Adjunkt-Adminiftrateure für ihre zufünftige Stellung vorbereitet. Man unterrichtete ſie in dev Sprache, den Einrichtungen, ſowie der Verwaltung des Yandes, im Steuerweſen, in Sinanzpolitif und Baufunde und machte fie mit der Flora von Kochinchina befannt; für jeden höheren Nang hatten fie ein neues, ziemlich ſchwieriges Cramen ab: zulegen, jo daß fte immerfort neben ihrem Beruf geiftig thätig bleiben mußten. Nur für die Beförderung zum

höchiten Nang,

dem des Inſpektors,

war

Feine weitere

Prüfung vorgejchrieben. In anderer Beziehung war ihre Stellung vecht angenehm, die Regierung gab ihnen ein ziemlich gutes Einkommen, möblierte ihnen Wohnungen und forgte in jehr liberaler Weife für ihre Zukunft. Seit 1881 find fieben weitere franzöfifche Tribunale eingeſetzt, wodurch der autofratifchen Nichtung der Negierung ein Damm gefeßt wurde, umfomehr, als aud) die

Politiſch- und wirtſchaftsgeographiſche Rückblicke.

482 Macht

im Laufe der Zeit eine Ein-

des Gouverneurs

ichränfung erlitten hatte. Schon jeit 1865 hatte man immer wieder den Verfuch gemacht, die Zivilherrichaft an Stelle der Militärgewalt treten zu laffen. Wenn aud) die Umftände hie und da ein Stillftehen auf dem eingejchagenen Mege nötig gemacht haben, iſt man im ganzen jet auf

diefer Bahn meit, vielleicht zu weit vorgefchritten. Man wollte den Europäern, welche fich in der Kolonie nieder ließen, möglichfte Freiheit gönnen, man wollte die Einge— borenen zu aftatifhen Franzofen machen, die man an den Vorteilen der Zivilifation, welche man ihnen brachte, gern und uneigennüßig teilnehmen ließ. Bis zum Sabre 1879 war der Gouverneur ganz unbefchräntt, war Geſetzgeber und böchite Inftanz, verfügte felbjtändig über die Mittel der Kolonie, legte Steuern auf u. ſ. w. 1880 wurde die Rechtspflege in die Hände eines von ihm unabhängigen Appellhofes gelegt und 1881 trat eine Organtfation ins Leben, welche die Verwaltung von Kochinchina ganz auf den in anderen franzöfifchen Kolonien üblichen Fuß brachte. Wir fchliegen an diefe flüchtige Skizze der Entiwidelung eine Ueberficht der jetzigen Organiſation der Verwaltung an, wie fie offiziell gegeben wird. Kochinchina wird in der Kammer durch einen Deputierten vertreten. An der Spite der Kolonie fteht der Gouverneur in Saigon, ihm zur Seite befinden fich ein Kommandant der Truppen, ein Kommandant der Marine, ein Direltor des Innern und der Generalprofurator; der Chef der Verwaltung beauffichtigt das Rechnungsweſen und die Milttärveriwaltung. Das „Conseil prive* jtellt fih aus diefen Beamten, zwei vom Gouverneur ernannten anjehnlichen Einwohnern und zwei Stellvertretern zufammen. Neben demfelben bejteht

noch der Verwaltungsgerichtshof und der foloniale Nat; in legterem

Bürger

haben

Site,

jechs franzöfifche

welche

find, ſechs Aſiaten,

oder

naturalifierte

von ihren Yandsleuten

welche

erwählt

franzöſiſche Unterthanen find

und durch Vertreter der Gemeinden ernannt werden, zivei

Präfident fungiert ale Maire, ev hat drei Gehilfen, einen Europäer, einen Annamiten und einen Chinefen. Alle anderen Orte haben die wurfprüngliche annamitische Ger meindeverfaffung, deren Orundzüge wir oben bereits J

geteilt haben.

Für die Nechtspflege beiteht, wie ſchon erwähnt, jet x

ein Appellbof, fieben Gerichtshöfe erjter Injtanz (außerdem noch einer in Kambodſcha) und ein Friedensgericht in’ Saigon. Die Kriminalrechtspflege wird durch Kriminal— gerichte ausgeübt. Für das Zivilrecht find im allgemeinen die franzöfiichen Geſetzbücher maßgebend ; jeit 1880 bejteht

für die Eingeborenen ein Kriminalgefeßbnch, welches die Härten des früheren Geſetzes zu mildern fucht. Große Aufmerkfamfeit hat man dem Unterrichtsivefen

und den Miffionen geſchenkt.

200 Irs. direfte Steuer

bezahlen.

Der



f

An der Spite des erjteren

ſteht ein Inſpektor. In den Elementarfchulen wird anna mitisch und die Anfangsgründe des Franzöfiichen gelehrt. €

443 Schulen mit 473 Lehrern wurden 1882 von 13,299 Schülern befucht, darunter waren 127 Mädchen. In joge: nannten

Schulen erjten Grades,

es find ihrer fieben in

den Hauptorten der Provinzen, lehrt man franzöfisch lefen

und fchreiben, die Anfangsgründe der Grammatik, des Rechnens und der Geographie; 13 europäifche, 34 einheim: iſche Lehrer unterrichteten hier 1062 Schüler. In den Schulen ° des zweiten Grades, deren es nur zwei gibt, empfangen die Kinder beinahe denjelben Unterricht, wie in den franzöfiſchen Elementarfchulen; 1882 zählte man dort 35 Lehrer mit 279 Schülern. Später foll der Unterricht jo weit ausge

dehnt werden, daß er den beiden eriten Jahren der fran— zöfifchen Mittelfehulen entjpricht. In einer großen Zahl von Dörfern beiteben Volksſchulen, wo die Kinder die chinefische oder kambodſchaniſche Schrift erlernen. Dieſe Schulen werden durch Beiträge von Angehörigen der Kinder oder anderen Perſonen erhalten. Ihre Zahl wird 1882 auf 414 angegeben, an melden 417 Lehrer be: ihäftigt waren; fie wurden von 6008 Schülern, worunter 30 Mädchen, befucht. Endlih wurden in 64 Miſſions—

Mitglieder des Conseil prive und zwei von der Handels: kammer ernannte Vertreter. Die Mitwirkung eines folojchulen 1839 Knaben und 1545 Mädchen durch 97 Lehrer unterrichtet. nialen Rates iſt für alle franzöfischen Kolonien, namentlich für die Feſtſtellung des Budgets, vorgejchrieben. Verſuchs— Der riftliche Kultus befindet fich in den Händen der Mifweile find jeit 1882 auch Vertretungen für die Arrondifjes jion. Bis 1881 zahlte die Regierung einen Beitrag, jeßt unter: ments eingeführt, wozu jeder Kanton ein bis zwei Abger hält fie nur noch das bijchöfliche Gebäude in Saigon und ordnete delegiert, Saigon und Cholen haben einen Ge: |" baut auf ihre Koſten die Kathedrale aus. 1882 waren meinderat nach europäifchem Mujter. Für Saigon bejteht in Kochinchina anweſend: 1 apoftoliicher Vikar, 2 Bro: er aus acht franzöfifchen und vier eingeborenen Mitglie: vifare, 47 franzöſiſche Miffionare, 32 eingeborene Prieſter, dern, welche durch ihre Yandsleute erwählt werden; der 25 Elemantarlehrer, 80 Elementarlehrerinnen. Man zählte Gemeinderat mählt den Maire und feine Gehilfen. In 35 Diftrifte mit 197 Gemeinden, 166 Kirchen und Kapellen Cholen bejteht der Gemeinderat aus einem Präfidenten und ein großes ſowie ein fleines Seminar. Die Zahl der und drei europäischen Mitgliedern, welche von der Handels: Konvertierten wird auf 46,000 angegeben. Den öffent: fammer in Vorſchlag gebracht und von dem Gouperneur\ lichen Bauten hat die Negierung eine fehr große Aufmer!ernannt werden, dazu vier Annamiten und vier Chinefen, ſamkeit gejchenft. Namentlich) verdient die Verbeſſerung welche die betreffende Bevölferung erwählt. Um Wähler der Binnengewäſſer zur Erleichterung des Verkehrs erwähnt zu werden, müfjen die Annamiten wenigſtens 100 Frs., zu erden. Zwiſchen Saigon und Cholen bejtebt eine

die Chinefen

E

Fi

Trambahn und verjchiedene Eifenbahnen find in Ausficht

433

Politifch- und mirtichaftsgeographifche Rückblicke.

genommen.

Auch auf die Anlagen zur Sicherung und

Erleichterung der See-Schiffahrt verwendet man große Sorge. Im ganzen werden jährlich etiva 6,000,000 Frs. für öffentliche Arbeiten ausgegeben. Die Verbindungen über See finden alle 14 Tage direkt mit Marfeille und in der andern Nichtung nad) Tongfing Statt, mit Sin: gapur beſteht jehr häufige Dampffchiffahrtsverbindung.

Zölle und Abgaben werden durch Defret des Gouverneurs auf Vorſchlag des Kolonialvates eingeführt. Bis jebt werden nur Abgaben auf importierte Spiritualien als Erſatz der Fabriffteuer und auf erportierten Neis als Erja für die verminderte Grundfteuer erhoben. Einfuhr und Ausfuhr, infofern es die Schiffe für die große Fahrt betraf, bewerteten in Piaſter:

Im Lande jelbjt beiteht ein regelmäßiger Dienft auf den Flüffen und ferner im Innern durch eingeborne Poſtboten. 1881 wurden im inneren Dienjt 355,102 Briefe, 118,279 Sendungen anderer Art, im Weltverfehr 403,574 Briefe, 210,094 Sendungen anderer Art beforgt. Der Ertrag des Poſtweſens beträgt jährlich ungefähr 100,000 Fre. Eine überjeeilche Telegrapbenverbindung bejteht mit Singapur und mit Hongkong, ferner finden ſich im Innern des Landes verſchiedene Linien mit zufammen 1720 Km. Länge. 1881 wurden 33,753 Depejchen im Lande befördert, auch einige Telephonleitungen find angelegt. Nach dem „Journal offieiel* der Kolonie vom 23. Januar 1884 jtellt fich das vorläufige Nefultat des abgelaufenen Verwaltungsjahres folgendermaßen feſt: Ein: nahmen 4,973,891 Doll., Ausgaben 4,660,657 Doll. darunter für Schuldentilgung 388,561 Doll. Der Ueberſchuß beträgt demnad) 313,234 Doll. Die Haupt-Einnahmequellen jind: direfte Steuern 1,172,630 Doll., Orundfteuer 14,500 Doll, Walditeuer 38,700 Doll., indirefte Steuern 3,492,221 Doll., Poſt 26,000 Doll., Verſchiedenes 138,840 Doll. Die Ausgaben ftellten fih wie folgt: Gouverneur mit dem Rat 57,265.75 Doll., Zentralverwaltung 115,694.40 Doll., innere Verwaltung 494,489.62 Doll., Militär 293,943.26

Doll., Juſtiz 269,800.00 Doll., Erziehung 200,757.98 Doll, Kultus 720.00 Doll., Gefängnifje und Polizei 107,736.10 Doll., Medizinalmwefen 28,706.77 Doll., Häfen 6,903.00 Doll., Druderei 45,573.20 Doll., Handel, Ackerbau 49,438.83 Doll.,

öffentliche Arbeiten

860,172.46 Doll.,

Zolleinrichtungen

674,374.64 Doll., Berichiedenes 153,481.78 Doll., Nejervefond3 40,000.00 Doll., Ipezielle Ausgaben 411,214.95 Doll., abbezahlte Schuld 388,561.44 Doll. Die wirkliche Einnahme würde demnach den Boranfchlag um 551,530.79 Doll., die wirkliche Ausgabe denſelben um 176,580.00 Doll. über:

treffen.

Opium

und Ausfuhrzoll

auf Neis

haben

bei

weitem am meijten zu diefem nicht vorbergejehenen Ueber:

Ihuß beigetragen.

Die Nefervefaffe

betrug

gegen zehn

Millionen France.

Die gejeblihe Münze

ift der Piaſter zu 4,56 Frs.

Die indochinefifhe Bank hat bier ein Zweiggeſchäft; der Umfab belief ſich 1882 auf 60 Millionen Frs., der Gewinn auf 8%. Auch einige englifche Gefchäfte haben bier

Suffurfalen. Der Ausfuhrhandel der Kolonie findet bauptjächlich mit Hongkong, Batavia und Singapur Statt, die Fracht: preife variieren nach der Jahreszeit wohl um 500%/5. Meift ſind mittelgroße Dampfer in der Fahrt, die Segelfchiffahrt

wird immer

mehr verdrängt.

Saigon tft ein Freihafen,

Einfuhr: 1879

7,704,612 Verſchiedenes

Reis

1,396,628

10,360,254,

1880

1881

1882

7,543,249 7,690,292 Ausfuhr: 1,825,179 3,504,143

9,224,735

7,821,536

8,767,267

6279,067

3045,148

19,461,494 17,159,964 17,473,502, 21,037,150 Wegen der hohen ökonomischen Bedeutung der Reis— ausfuhr teilen wir bier noch die Quantität in Pidul (zu 61,280 Kgr.) mit. Sie betrug: 1789

1850

1881

1852

6,010,274

4,733,322

4,129,470

6,075,810

Nach dem Bericht des englischen Konful zu Saigon über das Jahr 1883 belief fich die Neisausfuhr im genannten Jahr auf 8%; Mil. Pickul, was im Vergleich zu 1882 einer Zunahme von mehr als 21, Mill. Pickul entfpricht. Die Hafen verließen 524 Schiffe mit 564,688 Tonnen Inhalt. Darunter waren 239 britifche mit 227,902 T.; 100 deutjche mit 86,000 T.; 33 franzöfifche mit 52,971 T.; 24 holländifche mit 28,376 T.; 16 Spanische mit 10,878 T.; 8 ruffifche mit 6084 T. Noch Eleiner war die Zahl der unter anderer Flagge fahrenden Schiffe. Im ganzen betrug die Anzahl 428 Schiffe mit 415,083 T. Inhalt; dazu fommen 96 Schiffe der Mefjagerie mit 149,605 T. Inhalt. gu ihrem großen Bedauern müfjen die Aranzofen erfennen, daß der Anteil der franzöfifchen Flagge an diefem Verkehr unverhältnismäßig ſchwach iſt; der Lömwenanteil fiel der chineſiſchen, englifchen und deutjchen Flagge zu. 1882 war das Verhältnis der Einfuhr aus Frankreich zu der aus anderen Yändern wie 135:788, der Ausfuhr wie 16:249. Wenn auch die Ausfuhr an allen anderen Artikeln im Jahre 1878 nur etiva 1; der Neisausfuhr betrug, jo jtieg das Verhältnis doch 1882 bis auf mehr als ein Drittel; die wichtigjten Artikel derjelben find: geflochtene Säde, Matten, Büffele, Ochſen-, Hirſch- und Tigerfelle, Schweinslevder, Elfenbein, Elefantenfnocen, Bogelfedern, Hörner, Ebenholz, Ziegel, eingelegte Möbel, Haare ꝛc. Einfuhrartifel find : Wein, Spiritualien, Pfropfen,

Kerzen, Kaffee, Kohlen, Zigarren, Zement, Seiliverf, Wiehl | und verjchiedene Lebensmittel, Segelleinwand, gewebte Stoffe, Kleider ꝛc. Wenn man den Grfolg, den die Franzofen erreicht haben, beurteilt, darf man den großen Anteil nicht ver— geſſen, welchen ihre Miffionare, die ſich jene Gegend ſeit mehr als 200 Jahren zum Arbeitsfeld erwählt haben, an

demfelben nahmen; gerade diefe Vorbereitung, welche viele

Zur Geſchichte der Geographie Amerikas.

494

aufeinanderfolgende Gefchlechter umfaßt, ift für die Ein führung einer höheren Ziviliſation von unberechenbarer

noch durch Geld erzielen, wenn der richtige Unternehmungs—

an diefe Thätigfeit anfnüpfend, fonnten die

Kolonie immer noch einen Ueberſchuß und das wird wohl

Franzofen namentlich dur die Schulen auf die heran— wachjende Generation wirken, franzöfifhe Sprache und Schrift im Lande verbreiten, fonnten die Impfung obne befondere Mühe einführen (1881 über 100,000 Berfonen). Ueber den Nuten, den e8 in der Zukunft bringen wird, die Eingeborenen zu franzöfifchen Minten zu machen, läßt ſich ſtreiten; jeßt aber gehört e8 zu dem einmal angenommenen Syſtem, diefe Abficht zu verfolgen. Gewiß gibt es Feine zweite Kolonie in der Welt, welche in wenigen Jahren jo jehr ſich verändert hat, wie Kochinchina. Alle Parteien haben troß der Unglüdsfälle, welche Frankreich betroffen

auch vorläufig ſo bleiben, ſelbſt wenn keine neuen Hilfs—

Wichtigkeit;

haben,

gewetteifert,

um

alles mögliche

zu thun, was

zur DVerbefjerung der Lage der Eingeborenen dienen kann, ja unferer Anficht nach iſt man hierin zu weit gegangen, bat zu viel, namentlich zu plößlich abgebrochen und hat Dies

wohl auch ſchon fchmerzlich empfunden.

Es mußte

dies um

fo mehr bervortreten, als man den Eingeborenen, den man plößlich in den Genuß einer ungewohnten reis beit ftellte, mit Neuerungen gemwiljermaßen überjchüttete, die ihm unbequem waren, namentlich ihn mit Abgaben drückte, die wohl zur Erhöhung des Nationalmwohlitandes führten, dabei aber dem Einzelmen, der dies nicht erfafjen fonnte, vecht Schwer fielen. Diefen Fehler, der ſich bei der Re— produktion fühlbar machte, hat man verbefjert, indem man die Grundfteuer auf die Neisfelder auf ein Minimum gebracht und zur Kompenfation die Neisausfuhr beiteuert hat. Doch welche Fehler man auch in diefer Beziehung begangen haben mag, man beging fie aus Mangel an Erfahrung und in der beten Abficht für das Wohl der Eingeborenen. Allerdings bilden die Dpiumpacht und die Schon feit zehn Jahren abgeichafften Spielbanfen einen fchreienden

Gegenſatz biezu.

Die Opium-Regie iſt 1882 mit 7 Mill,

Franke in das Budget aufgenommen, der Ertrag bat fich jeit 1862 verzehnfacht. Das Feld, auf dem man gewirkt hat, var durchaus nicht günſtig; es erforderte ſehr viele Anftrengung, um die Bearbeitung desjelben möglich zu machen. Hätte man 1862 geivußt, was man jegt weiß, man würde Sicherlich eine andere Stelle zur Gründung einer Kolonie in Hinter-Indien ausgefucht haben, jeßt aber hat diefes Fledichen Erde eine hohe Bedeutung gewonnen und wenn der Nußen auch nicht Frankreich in den Schoß fällt, was vom franzöfiichen Standpunkt natürlich ſehr zu beflagen it, fo fann man vom Fosmopolitifchen Standpunkt aus doch diefem Lande nicht genug danken, daß es jo manche ſchwere Opfer gebracht hat. Gewiß darf man jagen, Frank—

reich bat der Kolonie gegenüber eine wohlwollende Politik befolgt und was zur großartigen Entiwidelung des Landes nötig wäre, das Entjtehen von Pflanzungen von Kolonialproduften, wenn nämlich mit Nüdficht auf den Stand des Meltmarkts derartige Unternehmungen noch empfohlen werden können, fann feine Negterung weder mit Gewalt

geiſt im Lande fehlt.

Wie wir geſehen haben, liefert die

quellen erſchloſſen werden ſollten.

Zur Geſchichte der Geographie Amerikas. Bon Bizefonful Ferdinand

Manuel Drozco 9 Berra,

Moos.

der vor Jahresfriſt

ver-

ſtorbene Verfaffer einiger umfafjenden und fehr gefhäßten Werke über die Geographie, Gefchichte und die Indianer

Iprachen Zentral-Amerikas, veröffentlichte unter dem Titel Apuntes para la Historia de la Geografia en Mexico (Mexico,

Imprenta de Franeisco Diaz de Leon, Calle

de Lerdo) ein die Gefchichte der Geographie im zentralen Amerika

bebandelndes

Werf,

ichichte der Geographie

das

in Teras,

namentlih

die Ger

Kalifornien, Mexiko,

Yufatan und den Republifen des heutigen Zentral-Amerifa gründlich erörtert. Die Einleitung greift bis auf das Jahr 1506 zurüd, in welchem ſchon Juan Diaz de Solis und Vicente Jannez Binzon Spanien verließen, um die Entdefungen des Columbus zu verfolgen. Ihre Entdedung von Honduras und Yufatan wird nur furz gejtreift; ebenjo

die Fahrt (1512) des Ponce de Leon von Puerto Nifo nad) Florida. Ponce de Leon erreichte feinen Zweck freilich nicht; er fand weder Gold noch die geträumten Quellen der Jugend. Aber jeine Neife hat, nach dem Zeugnis Navarretes, der Schiffahrt damals große Dienjte eriviefen, vornehmlich durch die Kenntnis des Bahama-Kanals und jeiner Gefahren. Die Expeditionen, welche der Gouverneur von Kuba,

Diego Velasquez (1517), unter dem Befehl von Francisco Hernandez de Cordoba, ſowie ein Jahr fpäter unter dem entichlofjenen Juan de Grijalva ausjchidte, find, ſamt ihren verbienftlichen Nejultaten, nur kurz erwähnt; des—

gleichen die 1519 beginnenden Expeditionen, die von dem Gouverneur von Jamaika, Francisco Garez, ausgerüftet wurden.

(Alexander

vd. Humboldt:

Examen

critique

de

l’histoire de la geographie du Nouveau Continent.) Um den gefuchten Seeiveg nach Aften zu finden, rüftete Fernando Gortez gleich nach der Eroberung Merifos, 1523, die erite Expedition aus, deren Nefultate die Kenntniſſe über Florida vermehrten. In der Verfolgung dieſer Unter: nehmungen zeigte ſich, wie bei den früheren, die Größe des Eroberers. Bald folgten die Expeditionen unter Criſtobal de Olid und Diego Hurtado de Mendoza. Im Jahre 1526 erhielt Gortes vom Kaiſer Karl V. den Befehl, eine Slottille nach den Moluffen zu ſchicken. Im November

1527 liefen drei Schiffe unter dem Befehl von Alvaro de Saavedra

Geron

aus

dem

Hafen

von

Cihuatlan

aus

435

Zur Geſchichte der Geographie Amerifas.

und erreichten in der That die Moluffen, konnten aber nicht nad) der Kolonie zurüdfehren. Von einer Reife nad) Spanien zurüdgefehrt, rüſtete Gortes neue Expe: ditionen aus. 1532 verließ Hurtado de Mendoza den Hafen von Mfapulfo, um die Inſeln der Südfee zu er-

forfchen; er entdedte die Magdalenen=nfeln, las Marias, und gelangte bis Kuliafan im Staate Sinaloa. Die

Engländers Franzis Drake, der mit fünf gut ausgerüfteteten und bewaffneten Schiffen einen Kriegs: und Beutezug gegen die ſpaniſchen Kolonien unternahm. Er drang durch die Magellan-Straße, verweilte auf der Inſel Mocha

und zerjtörte einen großen Teil der Niederlaffungen längs

nommen hatte, landete als eriter auf dem Boden Kalt: forniens, mwahrjcheinlih in dem Hafen von Santa Kruz, dem heutigen La Paz. Widerſtand der Indianer zwang

der pazifischen Küfte. In jenen Kolonien tft das Andenken Drafes noch heute lebendig, aber nicht in der Bedeutung des fühnen Seefahrers, jondern in derjenigen des Piraten. Drafe gelangte bis nad Kalifornien, das er Neu: Albion nannte. Seit der Reife Drafes verbreitete fih auch die Meinung, daß Kalifornien eine Inſel fer, ein Irrtum, der jih bis in das 18. Jahrhundert erhielt, obgleich es leicht war, an der Hand der in den Archiven Spaniens und

ihn zur Nüdfehr, auf welcher feine Schiffe Nunno de Guz—

Mexikos

man, dem ‚Feinde des Eroberers, in die Hände fielen.

früheren Expeditionen zu widersprechen. In Bezug darauf find zwei Werfe vorhanden: Geographia o moderna

folgende Expedition, unter Hernando de Grijalva, hatte unter anderem die genauere Beitimmung der Küften von Tehuantepef zur Folge. Fortun Kimenez, der nach dem

Tode

des Diego Becerra

den Befehl der Schiffe über:

Um dem Gefchied die eigene Stirn zu bieten, über: nahm nunmehr Gortes jelbjt den Befehl der nächiten Erpebition. Er fegelte am 15. April 1535 von Chiametlan

ab und gelangte bis nad) dem heutigen Ya Paz, damals Santa Kruz, wo er große Anftrengungen machte, eine Kolonie zu gründen und zu erhalten,

Er fehrte im Sabre

1537 zurüd und rüjtete jofort zu Kuernavaka

eine Gr:

pedition nach Peru aus, unter dem Befehl des Hernando de Grijalva. 1539 folgte eine neue Expedition nach

Kalifornien.

Diefe Expeditionen würden allein hingereicht

haben, die geihichtliche Größe des Cortes zu begründen. Zu jener Zeit tauchte in der Kolonie Neu-Spanien die Erzählung von den „Sieben Städten” auf. Zur Entdedung derjelben ſchickte der Vizefünig Antonio de Men—

doza in Mexiko eine Expedition zu Yande unter den Befehlen des Francisco Vasquez Coronado, und eine zu Waſſer

unter

den

Führern

Domingo del Gaftillo

aus.

Hernando

de Mlarcan

und

Die Landerpedition gelangte

vorhandenen

Karten

und Aufzeichnungen

der

deseripeion del mundo y sus partes, dividida en dos tornos, y eompuesta por D, Sebastian Fernandez de Medrano, General de Batalla y Director de la Academia Real y Militar del Exereito de los Paises Bajos. Enriquerica de Cartas gengraphicas y otras Estampas. Amberes. 1709. Kalifornien zeigte auf der Harte die Form einer fchmalen und langen Inſel und eritredte fich von unter: balb des Tropicus Cancri bis 45 n. Br. ; im Norden befindet fich das Fretum Antani, das im Norden eine Schmale Küfte mit der Bezeichnung Terra Efonis aufweiſt. — Das zweite

Werk führt den Titel:

El Atlas abreviado,

o compen-

diosa geographia del Mundo Antiguo y Nuevo conforme a las ultimas Pasez Generales del Haya, ilustrada con quarenta y dos mapas. La dedica al Atlante

Catolico D. Carlos Segundo

del Rey Nuestro Senior,

que lo es de ambos Mundos. Don Francisco Afferden, Doctor en ambos Derechos, etc. ete.

de En

bi3 an den Fluß Kolorado, damals Buena Guia. Die Erpedition zu Waſſer fuhr die Küfte entlang bis in den

Amberes MDCCXXV. Darin zeigt Kalifornien dieſelbe Form, wie in dem eriten Werk.

Golf von Kalifornien. Domingo del Gajtillo fertigte die erſte Karte dieſer

Spaniens, Die nächite Expedition, unter Juan Rodriguez Cabrillo, erforjchte den öjtlichen Teil Kaliforniens und drang 1542

Nach der Reife Cabrillos hörte man eine Zeit lang auf, ſich mit Kalifornien zu beihäftigen. Man Fannte jeßt den Süden des amerikanischen Kontinents und mußte, daß die gefuchte Durchfahrt dort nicht vorhanden jet. Pan fuchte diefelbe jebt im Norden. In dieſe Zeit, 1576 bis 1587, fallen die Fahrten der Engländer nad) Grön— land und Labrador. Die Spanier fuchten die Durchfahrt jeßt im Nordojten, jo Francisco Gali auf der Neife von Akapulko nach den Philippinen und Makao. Die apokryphe Neife des Lorenzo Ferrer Maldonado, der von Liſſabon nad) Labrador gereift fein und die ges fuchte Durchfahrt paffiert haben wollte, wurde in das Jahr 1588 verlegt. Die gleichfalls apokryphe Reiſe des Suan de Fuca, der jene Durchfahrt zwischen dem 47. und 48. Breitegrad paſſiert haben wollte, jollte 1592 jtatt-

weiter nad) Norden

gefunden haben.

Küften an; tie anzunehmen ift, mit Zuhilfenahme ver Angaben der früheren Erpeditionen, namentlich der Biloten

des Cortes.

Dieſe Karte it in dem Werfe des Erzbifchofs

von Mexiko, D. Francisco Antonio Lorenzano, enthalten:

Historia de Nueva-Espana, escrita por su esclarecido conquistador Hernan Cortes, aumentada con otros documentos y notas. Mexico, Imprenta de Joseph Antonio de Hogal. 1770. Diejes Merk iſt in der Haupt:

ſache die von Cortes felbjt gejchriebene, von dem Erzbischof mit Dokumenten

und

Notizen

verjebene

Geihichte

Neu:

vor, bis die jtrenge Kälte zur Um:

fehr zwang. Sn das Sahr 1577 bis 1578

fällt die Reife des

Die lebten Expeditionen des 16. Jahrhunderts bildeten die Fahrt des Schiffes San Aguftin nad) San Franzisto,

Zur Geſchichte der Geographie Amerikas.

496 1595,

und

die auf Befehl

des

Königs

von Spanten,

Philipp IL, von dem Vizekönig Orafen de Monterey geordnete

Erpedition

des

Kapitäns

Sebaftian

ans

Bizcaino

nad Salagna, Mazatlan und in den Golf von Kalifornien. Die Abficht Philipp IL, Kalifornien zu erforfchen und zu bevölfern, wurde indeſſen damals nicht erreicht. Eine der wertvolliten Karten jener Zeit war die von dem P. Grijalva vom Orden der Auguftiner angefertigte Karte der VBhilippinen. Das Original diefer Karte muß fih in Spanien befinden. Die ältejte Karte, welche die Entdeckungen in der neuen Welt daritellte, gehört Chriftoph Columbus an.

Sein Bericht über feine dritte Neife erwähnt derſelben ausdrüdlih.

Diefe Karte

ıft im Sahre 1498

von

den

cum quibusdam geomeftriae ac astronomiae prineiplis ad eam rem necessariis. Insuper quatuor Americi Vespucij navigationes. Universalis Cosmographiae descriptio tam in solido; plano iis etiam. insertis quae Ptolomaeo ignota a nuperis reperta suut. Finitu vij. kl’Maij. Anno

ein Buch

supra sesqui millesimum

Fleinen Formats

vij.

von 52 Blättern,

gegenwärtig in Lyon befindet.

Es ift

das

fi)

Waldſeemüller begann in

der eriten Ausgabe den Irrtum zu behaupten, daß Amerigo R Veſpucio der Entdeder der neuen Welt fei, und vor

zufchlagen, daß der neue Weltteil den Namen Amerifa erhalte. Als Waldfeemüller den begangenen Irrtum ein— jab und denfelben 1513 berichtigte, hatte fich die Bezeich-

nach Spanien fegelten, nad) Spanien gebradt worden. Daß diefe Karte nicht verloren gegangen iſt und in der That vorhanden war, beweiſt das Zeugnis des Alonfo de Hojeda in feiner Antwort auf die zweite Frage in

nung Amerika fchon feitgefegt und, tie Orozco 9 Berra jagt, zwiſchen dem unbeabfichtigten Irrtum und der ver: jpäteten Wahrheit fonnte die Wahl der Maſſe nicht zmeifelhaft ein. Die ältefte Karte, welche den Namen Amerika führt, it aus dem Sahre 1520; jpäter, 1524, fommen die

den Probanzas

Arbeiten von Apianus;

fünf Schiffen, welche am 18. Dftober des genannten Jahres

lechas por el fiscal del Rey.

(Siehe:

que Coleceion de los viajes y desccubrimientos hicieron por mar los espanoles desde fines del siglo XV, con varios documentos ineditos, concernientes ä la historia de la marina castellana y de los

dennoch wurde die Bezeichnung

Amerifa im 16. Sahrhundert nicht allgemein. Die Spanier behielten die Bezeichnung Las Indias bei. Die ältejte

englifche Karte, 1522,

en las Indias, co-

ordinada € ilustrada por D. Martin Fernandez de Navarrete, etc, Madrid, en la imprenta Real, ano 1825.

Atlas zur Entdedungsgeichichte Amerikas u. |. w., heraus:

de los espanoles

Tomo I pag. 253.) Da die Karte des Columbus, joweit befannt, nicht veröffentlicht wurde, jo muß als bie ältejte der veröffentlichten Karten die Karte des Juan de la Coſa bezeichnet werden, der Columbus auf den Fahrten nah Kuba und Jamaika begleitet hatte, Die Karte führt die Anmerkung: Juan de la Cosa la fizo en el puerto de Santa Maria en ano de 1500. Das Original, das ſich früher im Befib des Baron de Waldenaer befand, muß fich jetzt in Madrid befinden. Santarem jagt von diefer Karte, daß fie nicht blos Amerika, ſondern auch Europa, Wien,

und Afrifa daritelle. eritiques

(Siebe:

et bibliographiques

ses voyages,

Recherches

historiques,

sur Amerie Vespuce et

par M. le Vicomte de Santarem.)

it auf Bergament gezeichnet.

Die Karte

Die erite Ausgabe

dieſes

Planes enthält der Atlas Mlerander v. Humboldts aus dem Jahre 1814. Die von Columbus feit 1493 entdedten Länder er: hielten die Bezeichnungen: Insulis Indie supra Gangem; Insulis in mar Indico; Columbus ſelbſt nannte fie Las Indias. Im Beginn des 16. Jahrhunderts verbreiteten die Berichte des Amerigo Veſpucio die Bezeichnung

haben. Sie dienen als Grundlage dem befannten Werke: gegeben von Friedrich Kunſtmann, Karl von Spruner, Georg W. Thomas. München 1859. Die erften Aufzeichnungen über Yufatan erfannten dasselbe als Halbinfel auf Grund der Entdelungen von Juan Diaz de Solis und Vicente Yanez Pinzon; ſpäter wog jedoch die Auffaffung des Anton de Alaminos bor und man hielt Yufatan lange Zeit für eine Snfel. Das it auch der Fall auf den alten Karten von 1527 bis 1529 des Diego de Nivero, die auf Befehl Kaifers KarlV. ans

gefertigt find.

Die

anfcheinend

ältejte Torrefte Karte,

welche Yufatan als Halbinsel behandelt, iſt in dem dritten Band der Colleceion de Ramusio 1556, enthalten.

Der Golf von Mexiko Namen Fernando

befaß im Jahre 1750 diejen

noch nicht unbeftritten.

Catayum;

Girava

die anderen Bezeichnungen Cortes,

Fi n u

führt die Bezeichnung Armenifa,

Es würde zu weit führen, bier aller Werfe zu erwähnen, welche feitdem die dortigen Entdedungen zum Gegenjtand

establecimientos

j

Golfo Florido

und

nennt ihn Mar

waren

Golfo de

Golfo Mericano.

Die ältejte veröffentlichte Karte der pazifischen Küften tft die von Domingo del Gaftillo, 1541. Sie ftellt Kalifornien als Halbinjel dar, welchem Beifpiel die meiften jpäteren Karten folgten, troß des von Drake verurjachten Irrtums, daß Kalifornien eine Inſel fei. Eine der merfwürdigiten Epifoden jener Zeitgefchichte

Mundus Novus; diefe Bezeichnung hielt an bis 1507, als

bildeten die Erzählungen von dem Neichtum und der Pracht

das Wort Amerika auffam. Der Urſprung der Bezeihnung Amerika

ift in dem

der fabelhaften „Sieben Städte”. Man hegte die phantaftiſchſten VBorftellungen, nicht blos in den Kolonien, jondern

1507 in ©t. Die, Lothringen, gedrudten Werke von Martin Waldſeemüller zu finden: Cosmographiae introductio

aud in Spanien. Die erſte Erzählung ftammt aus dem Jahre 1530. Nunno de Guzman, der in den nördlichen

s el

Kleinere Mitteilungen. Teilen Merifos großen Einfluß beſaß und der fich durch feine Gegnerjchaft gegen Cortes auszeichnete, erhielt zuerit nach den Angaben des Pedro Caſtañeda de Najera Kennt: nis davon. Guzman ſelbſt machte fich auf den Weg, um Cibola, eine der Sieben Städte, zu fuchen. Auch die 1536

zurüdfehrenden Mitglieder der Expedition, welche Panfilo de Narvuez 1527 nah Florida geführt hatte, erzählten Wunder aus den von ihnen befuchten Landesteilen. Gedrängt von der allgemeinen Anficht, ſchickte der Vize fönig Antonio de Mendoza den Marcos de Niza, vom Orden der Franziskaner, aus. Derſelbe trat feine Neife im Jahre 1538 von San Miguel de Kuliafan aus an. An

der Grenze

von

Sonora

erreichte

derfelbe eine große

Wüfte, an deren Rand ihm von Indianern die Mitteilung wurde, daß dreißig Tagereifen entfernt das Land Gibola gelegen jei, in deſſen Bereich die Sieben Städten fich befänden. Dieje Städte follten aus prachtvollen fteinernen Häufern gebaut fein, in deren Ornamenten eine große Anzahl wertvoller Türkifen angebracht fei. Marcos feste darauf jeine Reife fort und erhielt unterwegs von den

Indianern die Beitätigung jener Angaben, ſowie die Nach— riht don dem Vorhandenfein dreier großen Königreiche Maratu, Aus und Potonteaf. Nah 21 Tagen erreichte Marcos nach feinen Angaben die Stadt Cibola, die er jedoch nicht betrat, weil ex fürchtete, daß man ihn töten

würde und daß in diefem Kalle die Kenntnis von der Lage der Stadt verloren fein würde. Die Beſchreibung, welche Marcos von den Häufern der erblicdten Stadt gab,

lautete über alles Maß glänzend. Gr nannte das Yand Nuevo Reino de San Franeisco, errichtete im Anblick der Stadt Cibola ein Kreuz aus Steinen und trat die Nüdreife nach Kuliakan an. Der geichriebene Bericht, welchen Marcos dem Bizefönig erjtattete, ift vom 2. September 1539 datiert. Im Jahre 1539 beftätigte der auf diefelbe Weiſe gefandte Melchor Diaz die Nachricht von Gibola und den Sieben Städten. Nunmehr fchidte der Vizefönig 1540 ein Heer unter dem Befehl des Vasquez Coronado aus. Aber dasjelbe fand in jenen Ländern nur fleine arme Dörfer vor und Marcos mußte aus Furcht vor den ſpaniſchen Soldaten, die ihn einen Betrüger nannten, nah Mexiko zurüdfebren.

Immerhin war diefe Reife von einigem Wert für die Bes teicherung der geographifchen Kenntnis des Landes. Der Glaube an die Sieben Städte war jedoch ſo feſt eingewurzelt, daß fogar die Karten des 17. Jahrhunderts nod)

die fabelhaften Städte Cibola und Duivira anführen. Genaue geograpbifche Angaben über die Lage derjelben finden fih in den Werfen von Givara Gomara und Herrera. Die Expeditionen, welche Quate 1597 bis 1599

und Pedro de Montoza 1583 nad) Quivira führen wollten, verliefen gleichfalls refultatlos. Es folgte noch eine Reihe fruchtlofer Expeditionen nach den geträumten Sieben Städten, ohne daß man den Glauben an fie aufgeben wollte. Noch in dem lebten Dritteil des 18. Jahrhunderts

437

war diefer Glaube lebendig und erjt die Mitteilungen des Frater Silveftre Velez de Kscalante aus Santa Fé in

Neu Merifo vom 2. April 1778 babnten der Erfenntnis den Weg. Die fabelbaften Sieben Städte, welche fait zwei Jahrhunderte bindurh Spanien und die Kolonien in Atem gehalten batten, erwieſen ſich zuleßt als die Indianerdörfer Neu Mterifos.

Die ältefte Karte, welche von den beiden Küften Neu: Spaniens vorhanden tt, findet fih in dem dritten Bande

der Colleceion de Ramusio Yandes

iſt nur

jpärlich

1556.

bedacht.

Das Innere

Die

Karte

des

ſchien den

Zweck zu haben, die Lage der Steben Städte zu erflären. Dann folgen die Karten von Girava 1570, von Portachi 1576 und die Ausgaben des Vtolomäus 1562 und 1579. Aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts jcheinen feine Karten mehr vorhanden zu fein; es ift jedoch anzunehmen, daß diefelben wenigjtens vorhanden waren. Bon bejonderem Wert war die von Humboldt berüd-

fichtigte Karte aus dem Jahre 1787: Carta manuserita de todo el Rejno de Ja Nueva Espafa por Don Antonio Forcadu y la Plaza. Die beften Karten Neu: Spaniens hatten zur Grundlage die Karte von Siguenza, verbeffert von Alzate und veröffentlicht von der Akademie der Wiffenichaften in Paris, ſowie von dem Deposito Hydrografieo in Madrid. Diefe Veröffentlihungen ent— bielten Irrtümer, ebenfo wie die Karten MWejtindiens von omas Sefferys (Yondon 1794) und Arrowſmith (1803). Erſt die Arbeiten Alexander v. Humboldts, deſſen „Essai

politique sur le royaume

de la Nouvelle Espagne“

die Geographie und Statiftif NeusSpaniens enthält, brachte die notwendige Aufklärung.

Kleinere Mitteilungen. Jwanow

über das Naturleben und die Bevölferung im Pamir.

Herr Jwanow hielt in der allgemeinen Sitzung der St. Ruſſiſchen Geographiſchen Geſellſchaft am 2. Mai ſeinen dritten Vortrag Pamir-Hochland,

über

das

und

die Bevölkerung

eigentlichen Hochlandes,

zum

welcher

die Vegetation, die Tierwelt

Gegenftand

hatte.

des Steppen-PBamir,

Die

Flora

des

weiſt ausschließlich

Wiefengräfer und Sträucher auf, die durch die Menge von Stipa einerfeit8 den Charakter der Steppe und andererſeits den der Das Berg-Pamir iſt jehon mit Alpenwiefen an ſich tragen. Waldungen bededt. Auch die Fauna ftellt eine Miſchung von alpinen und Steppentieren dar. Neben dem Jak findet ji im Berg-Pamir noch das wilde Bergiehaf, welches in der Umgebung des großen Pamir-Sees noch in zahlreichen Herden vorkommt. Bon anderen Tieren find noch die wilde Bergziege zu erwähnen, welche auf dem höheren Gebirge ſich mehr vereinzelt vorfindet, jodanıı Wölfe,

die

den

wilden

Schafherden

gefährlich

find und

fleine braune Bären. Der Sommer zeichnet fih im Pamir meift durch Mare Tage aus; Nachtfröfte kommen felbft in den heißeften Sommermonaten vor. Der Winter Hat Durchfchnittlich eine Dauer von fieben Monaten, fo daß die Flüſſe ſich mit einer feften Eis,

498

Kleinere Mitteilungen.

frufte überziehen. Die Schneedede ift nicht gleihmäßig verteilt, fo daß es den Tieren möglich wird, auch im Winter ihre Nahrung

zu finden.

Bodenkultur

wird

auf dem

Hochlande

nicht ge-

welches die Kirgiſen gewöhnlich Parykol nennen. Abgeſehen von der Bezeichnung „Pamir“ fir die ganze Landſchaſt trägt nur

noch ein beftimmtes Flußthal diefelbe, welches mit dem glei

trieben, wohl aber in den TIhälern, wo Gerfte und Waizen gebaut

namigen

wird. Bei Kalaihum Die Bevölkerung des

Bolor-Gebirge nicht verzeichnet werden, da es im ganzen Gebiete feine meridtonalen Erhebungen gibt. C. 9.

finden fih fogar Baumwollpflanzungen.— Pamir fett ſich aus zwei Stämmen zu«

fammen, den das Steppengebiet bewohnenden Kirgifen und den Tadſchiks (Berwandten der Perſer) im Berggebiet. Erftere, Die dem Stamm der Karasftirgifen angehören, unterſcheiden ſich weſentlich

von

den

ruffischen

Kirgiſen,

deren

größter

Teil zum

Stamm der Kirgis-Kaifafen gehört. Unter dem Kirgifen des Pamir herrſcht bittere Armut, indem fie mir eine geringe Anzahl Pferde und höchft felten Kamele befiten.

ihre Herden. thanenverbande

Gegenwärtig an, daher

gehören hat ſich

Jaks und Schafe bilden

fie eigentlich

feinem Unter—

auch das Räuberweſen mächtig

bei ihnen entwidelt; früher waren fie Unterthanen des Khans von Khofand. Jakub-Beg, der ehemalige Beherricher von Kaſchgar, Ind

fie fpäter

ein, ihn in feinen Kämpfen

mit den Chinefen

zur

unterftiüigen, welcher Aufforderung fie auch, durch Berjprehungen gebfendet, willig folgten. Die Folge aber davon war, daß zuerft von ihm und jpäter auch von China Anfprüche auf fie erhoben wurden. Die Frage wegen der Staatsangehörigfeit der Pamir— Kirgifen befindet fi noch gegenwärtig in der Schwebe, da Ruß— land ımd China bezüglich derjelben noch feine Einigung erzielt haben. Sowohl im Sommer al$ aud im Winter wohnen viefe Kirgifen im ihren primitiven Filzjurten und ziehen fich daher verichiedene Krankheiten zu. Beſonders ift der Nheumatismus unter ihnen verbreitet. Ste nähren fi) meift von Milch. Im Herbſt gehen diefelben gewöhnlih nah Schugnan, wo fie Salz gegen Brot eintaufhen. Tatariſche Händler tragen für ihre jonftigen Bedürfniffe Sorge. Die Tadſchiks bewohnen die Flußthäler des Berg-Pamir. Ihre Hanptbefhäftigung ift der Aderbau, den jie mit großem Fleiß

betreiben.

Der Drud

der Begs laftet

ſchwer auf ihnen, gleichzeitig find fie auch von den Machthabern von Afghaniftan und Buchara einigermaßen abhängig. So unjcheinbar ih ihre aus zufammengehäuften Steinen erbauten Behaufungen von außen

auch ausnehmen,

jo wohnlid

und gefhmadvoll

ſind fie

im Innern eingerichtet. Ihr Hausgerät weiſt zierliche Ornamente auf. In der Hausinduftrie haben es die Tadſchiks weit gebracht, namentlich aber bejhäftigen ſie fi) mit der Anfertigung von Holzihuhen, die fie verfaufen. Die Frauen nehmen bei ihnen eine den Männern ebenbürtige Stellung ein und gehen unverjchleiert. Sehr ansprechend find die Gefänge der Tadſchiks. Fmanom bemerkte, daß er im ihrer Sprade viele Anklänge an europätjche Spraden gefunden hätte. Sie befien nur wenig Vieh, welches aus Kühen von Keiner Raſſe, Schafen, Ziegen, Ejeln und zum geringften Teil aus Pferden befteht. Im Sommer treiben fie dasjelbe höher auf die Berge, wo es gute Weidepläße gibt. Die ſunnitiſchen Kirgifen, die ſich ihnen, den Schtiten, gegenüber alles erlauben,

flößen ihnen

eine fo große Furcht ein, daß fie es nur

jelten wagen, ihre Heimat zu verlaffen. Der Handel wird, wie im Steppengebiet, durch zum Teil buchariihe Händler bejorgt. Einen verhältnismäßig geringen Wert hat bei ihnen das Geld. Shre Produkte kann man im Tauſch befonders für Baummollenzeuge jehr billig erftehen. — Zum Schluß faßte Iwanow die Reſul— tate der Expedition zufammen. Elf Punkte find von ihr aftrongmijch beftimmt worden, darunter zwei für die englifchen Aufnahmen wichtige Verbindungspunkte. Außerdem ift eine Karte (d Werft auf einen Zoll) des bereiften Gebietes angefertigt worden. Die Höhe von 300 Punkten wurde barometrisch beftimmt. Ebenſo wurden geologiſche Sammlungen und ein kleines Herbarium angelegt, ſowie eine Anzahl Zeichnungen verfertigt. Durch die Expedition wurde der Begriff des Pamir als die Quellgegend des Amu— Darja genauer beſtimmt.

Als mit derſelben geographiſch zuſammen—

gehörig iſt auch noch das Quellgebiet

des

Tarym zu betrachten,

See

verbunden

tft.

Auf

ferneren

Karten

darf

das

Leichengebräude auf Neuguinea. Die Gebräuche bei Leichenbeftattungen, wie fie unter den Eingeborenen von Neuguinea herrichen, find die scheußlichften ihrer Art, Schreibt im April dieſes Jahres ein Korrefpondent von einer dortigen Miffionsanftalt aus an ein auftralifhes Blatt. Folgender Tal wird das hinreichend beweifen: Ein Knabe war bei einem Knabenſpiele unvorſichtiger Weife ſchwer verwundet worden und dabei ums Leben gefommen. Die Aufregung darüber war eine außerordentlihe und es wäre daraus nad) dem bei den Eingeborenen

geltenden

Straffoder

„Leben

um

Leben“

ein

biutiger

Kampf entftanden, wenn nicht der Miffionar Never. James Chalmers! glücklich) interventert hätte. ES heißt dann weiter: In der nur durch den Eingang Schwach erhellten Hitte der Eltern, welche von Eingeborenen angefüllt und draußen dicht umſtanden war, lag der Leichnam. Alle jammerten, beulten und fchrieen, namentlich die mächften Anverwandten. Frauen und Mädchen, anfcheinend in Schmerz ganz verloren, ſaßen und lagen um die Teiche herum, deren Kopf auf dem Schoße einer Frau ruhte und zerfleischten fih Bruft und Gefiht. Bündel von Blättern, welche in den Ausflug der Wunde des Toten getaucht waren, wurden an die Umftehenden verabreicht und aud bon jedem verlangt. Später am Nachmittag wurde die Yeiche mit einer Matte bededt. Am Kopfende jaß die Mutter, am Fußende acht Frauen mit zerfleifchtem Geſicht und den Körper mit [hwarzer Farbe beftrichen, Sie hatten den ganzen Tag über ohne Nahrung zugebradht und fühlten nunmehr Hunger. In einer großen Schale wurden ihnen Klöße aus Sago vorgefett, aber fie durften fie nicht mit den Fingern berühren, fondern jtedten fie auf einen langen Stab und verzehrten fie jo. Unfer Gewährsmann wollte ihnen etwas Tabaf, den fie über alles lieben, ſchenken; allein fie weigerten ſich, ihn aus der Hand zu nehmen, weil der Geber ſonſt unvein wiirde und baten, den Tabak hinzulegen. Gegen Sonnenuntergang erfolgte endlich die Beftattung. Um die Leiche herum, welche bereits un ſtarke Verweſung übergegangen war und einen entjeßlichen Gerud) verbreitete, lagen acht Weiber unter Zeichen des größten Schmerzes. Ste warfen fich auf diefelbe, beſchmierten fi) mit dem ſcheußlichen Ausfluß, küßten die Glieder und Lippen des Toten und verteilten wieder eingetauchte Blätter. Noch andere Vorgänge vor der Beerdigung waren zu gräuli und zu unſittlich, um fie mitteilen zu können. Die Miffionare in Neuguinea haben gegen fonft ſchon manche Reformen in dem Gebräuchen bei Leihen durchgeſetzt und hoffentlih wird es ihnen gelingen,

aud

noch den ſcheußlichen Reſt

zu bejeitigen. Früher blieben die Leichen mehrere Wochen, ja Monate lang frei auf der Erde fiegen, bis dann die Hleineren Knochen vom Skelett losgelöft und als Zierraten getragen ‚wurden. Man denke an die Folgen, melde bei bösartigen, anftedenden Krankheiten aus jolhen Gebräuchen entſtehen müſſen. Als vor einigen Jahren die Blattern an der Küſte von Neuguinea errichten, wurden die Eingeborenen dezimiert. 9. ©r.

cn ge Zu ze M S Z

1 Der Rewer. James Chalmers, welcher feit dem Jahre 1877 in Neuguinea ftationiert ift, hat den Miffionsdiftrift von Bald Head in 70 45° 5. Br. und 1440 46° 8. von Gr. bis Drangerie

Bai in 100 30° |. Br. und 1490 35° 6. von Gr. unter feiner fpeziellen Yeitung. »

>

Notizen.

Notizen. Geographiſche Gefellichaften, Mufeen

2c.

Die Gejellfhaft für Erdfunde zu Berlin Januar 1884 1008 Mitglieder, gegen 974 im Januar jahres; darunter befanden ſich 837 ordentliche, 101 dierende und 70 Ehrenmitglieder, von welch’ letzteren 6 Nachtigal, Neumayer, Pogge, Richthofen, Wißmann) 1883 ernannt wurden.

zählte im des Borforrejpon(Buchner, im Jahre

Nah dem Bericht des Generaljefretärs der K. 8. Geo— graphiſchen Gejellihaft in Wien, Dr. D. Yenz, iiber die inneren Xrgelegenheiten des Vereins (XXVII. Band der Mitteilungen desjelben,

Ar. 3 und 4) betrug mit Schluß

ihaftsjahres

die

1883

Anzahl

der Ehrenmitglieder

des Gejell98, der for-

rejpondierenden Mitglieder 143, der lebenslänglichen und gründenden, außerordentlihen und ordentlichen Mitglieder 720. Als Ehrenmitglieder wurden von der Gejellihaft im letzten Jahre Bizeadmiral Marimilian Freiherr Daublebsty von Sterned und Ehrenftein, Profeffor Dr. Simony, Regierungsrat Steinhaufer und Linienſchiffsleutnant Emil v. Wohlgemuth ernannt. Der Berein der Geographen au der Univerſiät Wien hielt in feinem 9. Bereingjahr (18. Januar bis 15. November 1883) 3 Plenarverjammlungen, 16 Ausfhupfisungen und 5 Vor— tragsabende ab. In den Tetteren ſprach Wilhelm Hein iiber Sidarabien und Siegfried Yanger; Robert Sieger über Holzflößeret auf dev Donau und ihren öfterreichiichen Nebenflüffen; Julius Benes iiber Heiligenkreuz und Umgebung; Dr. Paulitſchke iiber die Berhandlungen des dritten Deutjchen Geographentages, und Wilhelm Hein über die Schrift von Coordes: Welhe Grundſätze ſollen bei Herftellung von Schulwandfarten maßgebend jein? Den Bericht des Vereins jchliegt ein Auszug aus dem Bortrage Dr. E. Holubs: „Defterreih und die europäischen Staaten als Kolonijatoren und Zivilifatoren Afrikas.” Der uns vorliegende Fahresberiht des Frankfurter Bereins für Geographie und Statiftif (Jahrgang XLVI bis XLVI, 1881 bis 1883) zählt bis zu Anfang des jüngjt vergangenen Jahres 360 Mitglieder auf. Außer einer Ueberficht der Vorträge, welche eine reiche Anzahl won Gelehrten zwiſchen dem 27. April 1880 und 8. Februar 1882 in der Gefellichaft gehalten, und den Erwerbungen ihrer Bibliothek feffeln unſer Sntereffe ganz befonders im wifjenjchaftlichen Teil des Berichtes die Abhandlung

Kobelts:

„Mollusfengeographiiches vom

Mittelmeer”

Arbeit „Zur Morphologie der Meridiangebirge”

und

eine

von Dr. F. Höfler.

Die diesjährige Generalverjammlung der Geographiſchen Geſellſchaft für Thüringen fand am 18. Mai zu Weimar ftatt. Den Bejuchern war eine Anzahl Fartographiſcher Seltenheiten aus der großherzoglichen Bibliothek zu Weimar zugängig gemacht, außerdem war im den Räumen des Vereins— lofales eine geographifhe und naturwifjenfchaftlihe Ausftellung arrangiert, zu welcher die in Weimar wohnenden Foricher und Keifenden aus ihren PBrivatfammlungen beigetragen hatten. Ferner hatten das Geographijche Juftitut zu Weimar und andere Berlagsfirmen eine Anzahl Karten ausgeftellt. Bei der gemeinfamen Berfammlung der Geographiichen Gejellihaft für Thüringen und des Botanischen Vereins fiir Gejfamtthüringen ſprach Dr. Schwabe über Olympia und die dortigen Ausgrabungen und E. E. Schmid behandelte die Borgänge auf Ischia und in der Sundaftraße während des Jahres 1883. Die Societeßde Topographie zu Paris verjendet ein Zirkular au

die

hervorragendften

Gelehrten,

Profeſſoren

der Geographie

und Geſchichte und die geographiichen Gejellichaften, in welchem fie den Plan einer Ecole nationale de Geographie entwidelt, deſſen

rl

439

Autor Dr. Ludwig Drapeyron ift. Dieje Schule, der eine Vor— gängerin in der Ecole des Geographes der Republif von?1795 heraufbefhworen wird, joll auf Staatsfoften unter Verwendung der in Paris vorhandenen Lehrkräfte und. Gründung einiger neuen Tehrftüihle ins Leben gerufen werden. Als LehrfächerZwerden aufgeführt:

Allgemeine

Geographie,

Geodäfie

und

praftifche Topo-

graphie, angewandte Topographie, Handels- und Verkehrsgeo— graphie mit Statiftif, Kolonifationswiffenichaft, Ethnograpbie, Sejchichte dev Geographie, politifche Geographie, Anwendung der Geographie auf das; Studium der Gefchichte. Auch, Kurje der Geologie, Botanik, Zoologie und Anthropologie wären nicht auszuſchließen. Es würden dergeftalt dreizehn verjchiedene Fehrftellen gefhaffen, won denen fünf durch befonders anzuftellende Profefjoren zu befegen wären. Aus der Schule! follen vor alleın die Geographielehrer hervorgehen, dann aber auch Fachgeographen! und Nartographen. Sie joll zugleich eine Borbildungsftätte; für Reiſende jetm. Der Pland iſt utopifh und teilweife jogar dem Weſen der Geographie widerjprehend. Wir führten ihn hier an, weil ev ein Zeugnis der nah Bewältigung geographiihen Wiffens ‚ftrebenden Gährung mancher Geiftertin unjerem weftlichen Nachbarlande bietet. Die Royal Geographical Society in Yondon? hat?beſchloſſen, einen fompetenten Mann ein Jahr lang mit! dent” eingehenden Studium des geographifchen Unterrichts Englands und des Kon— tinentS zur betrauen. Die Gejellichaft gewährt 250 Pfd. St. inft. Neifefoften und verlangt dafiir Berichte über die bejte geographiiche Yehrmethode, iiber Lehrbücher, Modelle, kurz alle Unterrichtsmittel. Eine Auswahl der letteren ‚wird die Gejellichaft” anfaufen. Auch in Tours hat fi nunmehr eine geographiſche Geſellſchaft definitiv Fonftituiert, welche ſich hauptjächlich mit der Erforfhung der Tonraine !und;des’zentralen!Weftfrankreich

bejchäftigen

wird.

Die

monatlihen

Berichte

des Vereins

jollen bejonders die hierauf bezüglichen Nefultate und jene der meteorologischen Beobadhtungenim genannten Gebiete umſchließen. In Barzelona wurde unter dem Namen „Spantjche Gejellihaft fir Handelsgeographie” ein neuer geographijdher Berein gegründet, zu vefjen*, Präfidenten dert Kontreadmiral Jakobo Mac Mahon gewählt wurde. Die Gejellichaft wird allmonatliche Berichte über ihre Thätigfeit erjcheinenzlaffen. Deutfhe Borneofompagnie Am 23. Februar wurde winter diefem Namen in Hamburg eine Gejellichaft gegründet, welche von der British North Borneo-Company ein Areal von zirka

10,000

Akres

als

Eigentum

erworben

hat,

auf welchen

fie Plantagen tropifher Produfte errichten will. Sn Liſſabon hat fi unter dem Namen Compagnie Timor et Macao eine neue Bereinigung gebildet, welche die agrikolen und mineralischen Hilfsquellen des portugiefiichen Anteils an der Inſel Timor ausbeuten und den Handel Portugals "mit feinen orientaltifehen Kolonien, jowie mit China und Ozeanien fördern will. Sn behörde werden ſprechen

Kiel wurde unter der Proteftion der Spitzen der Marine ein Muſeum für Bölferfunde gegründet, wir auf deſſen Enmwichtung in kürzeſter Zeit ausführlicher zu kommen.

Sanskrit College in Bombay. Seit dem 8. Februar beſitzt Bombay ein Sanskrit College, deſſen ausſchließliche Aufgabe die Pflege der alten brahmaniſchen Litteratur und Wiſſenſchaft iſt. Es wurde

von

einem

reichen Kaufmann,

Sheth Golkaldas

Tejpal

aus Katſch, laut teſtamentariſcher Verfiigung gegründet. In Kal— kutta und Benares ſind ähnliche Lehranſtalten ſchon ſeit längeren Jahren in Thätigkeit. Am 25. Mai wurde in Bremen die von der Bremer Geo graphiſchen Geſellſchaft mit Hilfe der argentiniſchen Regierung Dieſelbe veranſtaltete jargentiniſche Ausſtellung eröffnet. bietet in ſeltener Vollſtändigkeit eine Auswahl der Naturprodukte

Litteratur.

440

Guß erwarten, ſondern aus der Fülle des Gebotenen mag jeder das ihm Zufagende wähleıt. 3

und Fabrikate jener ſüdamerikaniſchen Republik und foll, wie George Albrecht bei der Eröffnungsfeier betonte, die Kunde don den PVerhältniffen des argentinifchen Staates vermitteln, der jetst für Deutſchlands Handel und Induſtrie eine fteigende Be— deutung gewonnen hat. In der Ausftellung zeigt eine 4 m. hohe Karte die Bodenbejchaffenheit und phyfifaliichen Verhältniſſe

Bon der arhäologijihen Yandesaufnahme von Indien liegt der 16. Band vor, welcher die Arbeiten in Nord und Sid-Bihar in den Fahren 1880 und 1881 jchildert. Die wichtigften Entdeckungen, welche gemacht wurden, beziehen fi auf ‚4

des iiber 33 Breitengrade

die ältere Gejhichte

noch

wenig

fich erſtreckenden Gebietes.

ausgebenteten

Neichtum

nutsbaren Mineralien veranfchaulicht

Den großen,

der bergigen Gegenden an

eine von Profeffor Brackebuſch

in Kordoba zufammengebrahte Sammlung. Das Xeben der Bampas-Bewohner wie der wilden Judianer des Südens und Nordens ift durch mancherlei Gegenftände, Geräte, Waffen, Ge— webe ꝛc. verfinnlicht. Eine litterariiche Abteilung führt ung in einer großen Anzahl wiffenfchaftliher und belletriſtiſcher Werke und vielen Karten das geiftige Xeben der Argentiner vor. Photographifche Anfichten, Gemälde und Bilderwerfe ftellen die ver— ihiedenen Szenerien der großen Pampas-Ebenen wie der in dei Kordilleren gelegenen Berggegenden dar. Der Defterreihifhe Touriſtenklub zählt nah dem 70. Zirkular jeines Zentralausihuffes nunmehr 36 Sektionen; der Mitgliederftand desjelben hat die Zahl 6000 beträchtlich über— ſchritten. Auch

in Algier

franzöſiſchen

hat

Alpenklubs

ſich nunmehr gebildet,

eine

Sektion

nämlich die „Section

des de

Edouge“ zu Bona. Uebrigens ſoll auch die Jahresverſammlung des „Club Alpin Français« kommenden September im Djur— djura-Öebirge ftattfinden.

Sitteratur.

Biologie. Ferner im Anſchluß hieran Band II big VI: Spezielle Erd—

finde oder die Yänderbejfchreibung der fünf Weltteile. Herausgegeben von hervorragenden Fachgelehrten. Erſcheint in Lieferungen oder in ſechs ftattlihen Bänden in groß Oktav, mit fehr vielen Holzftichen, Karten und Bollbildern in Warbendrud. Leipzig, Verlag von G. Freytag. 1884. Ein neues großes Handbuch der Geographie, an deſſen Ausarbeitung hervorragende Fachmänner teilnehmen und das reich illuftriert fein wird. Man kann iiber die Notwendigkeit eines jolhen Werkes feine Zweifel hegen, man muß aber immer von Neuem die Negjamfeit md Unternehmungsluſt unſerer Berwie den Fleiß bewundern,

Viele der Stätten und

Aus Erzherzogs FZohanns Tagebuch. Eine Reife in Oberfteiermarf im Jahre 1810. Im Auftrage Sr. Erz. des Herrn Franz Orafen von Meran herausgegeben von Franz n

Ilwof.

Graz 1882.

Leuſchner und

Lubenskys

Univerfitäts-

buchhandlung. VI und 141 ©. Die innigen Beziehungen deg Erzherzogs Johann zu den Alpenländern find längft befamut, F Indes treten fie ung hier, im den von dem hohen Freunde der. Gebirgswelt jelbft niedergefchriebenen Aufzeichnungen in fo vielfachen Formen entgegen daß uns ihre Bedeutung für die Auffchließung und Erforihung nicht ſowohl der oberfteierifchen Berge, als der öſterreichiſchen Alpenketten insgeſamt erjt jo vecht klar erfcheint, In F den ſchmuckloſen Reiſeberichten wird in der That ein Kulturbild vom fteiriihen Salzfanımergut, den niederen Tauern, Admont, Seffau und Umgebung vorgeführt, wie es ſich 1810 darftellte, Ein offener Sinn und ein warmes Herz für eine großartige Natur J und ihre Reichtüümer, ſowie für den Menſchen, welcher hier ſeinen Herd baute, und die Förderung ſeiner Intereſſen tritt uns ent— J gegen. Mit der Veröffentlichung dieſer Schilderungen wurde dem Erzherzog kaum ein geringeres Denkmal geſetzt, als man ihm zu Graz aufgerichtet. Denn man wird dieſelben nicht aus der Hand legen, ohne ſein edles Forſchen, Streben und Wünſchen gewiirdigt

zu haben.

Unfer Wifjen von der Erde. Band I: Allgemeine Erdfinde oder aftronomifche und phyfiiche Geographie, Geologie und

leger ebenfo

des Buddhismus.

Denfmale, welche in den Berichten der hinefiichen Pilger befchrieben werden, wie vor allen der Tempel von Buddha Gaya, find wieder J aufgefunden. J

welchen unſere Gelehrten

diefen miühevollen und wiffenihaftlih wenig lohnenden Arbeiten zuwenden. Der erjte Band wird in dem Abjchnitten: „Die Erde als Weltförper”, „die feſte Erdrinde nach ihrer Zuſammenſetzung, ihrem Bau und ihrer Bildung“ und „die Erde als Wohnplat der Pflanzen, Tiere und Menjchen“ eine neue, im Text und in den Abbildungen wejentlich vermehrte Ausgabe der befannten und ans erfannten Allgemeinen Erdkunde von Hann, Hochſtetter und Pokorny darftellen; an den folgenden Bänden find unter A. Kirch— hoffs Leitung tüchtige Kräfte thätig, welche die Erde bereits großenteils rüſtig unter fich geteilt Haben. Ohne Zweifel wird jo dieſes Werk fir weite Kreife wie für Fachmänner ſich nützlich erweiſen, wenn es auch infofer einigermaßen an dag horaziſche Fiſchweib erinnert, al3 der Kopf, nämlich die Allgemeine Erdkunde, dag wenigft geographijche Glied feines Körpers fein wird. Ber jolchen Unternehmungen muß man indeſſen nicht eine Arbeit aus Einem

Frühlingsfahrten durch die Heilſtätten der Riviera, die Jnſel Korſika, ſowie das ſüdliche, weſtliche und zentrale Frankreich, von Bernhard Schwarz. Leipzig 1883. Verlag von Paul Frohberg. 235 S. Anziehend geſchriebene Reiſebilder, inwelchen der Schilderung ein wohlbemeſſener Raum gegönnt iſt. Die Be— ziehungen auf Volk und Geſchichte drängen die landſchaftlichen

Vorzüge

eh a

der genannten, zu den ſchönſten Strichen Südeuropas

gehörigen Gebiete nicht in den Hintergrund, ſondern laſſen die— ſelben nur um fo klarer und anſchaulicher hervortreten. Die Theorie der Sonnenflecken. Nach den neueſten wiſſenſchaftlichen Forſchungen dargeſtellt von J. E.Broszus. Verlag von Julius Springer. 1884. 104 S. Ein ſchätzens— werter Beitrag zur aſtronomiſchen Geographie, nicht ſowohl wegen der Betrachtungen über die Sonnenflecken, ihre Häufigkeit und Bedeutung, als beſonders durch die Darſtellungen vom Weſen der Sonne, der atmoſphäriſchen und eruptiven Lichterſcheinungen, ſowie den meteorologiſchen Verhältniſſen auf derſelben. In Hinſicht auf die Theorie der Sonnenflecken ſchließt ſich der Autor an Zöllners Anſicht von der ſchlackenartigen Natur derſelben an.

Anzeigen.

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Im Verlag der J. ©. Cotta'ſchen Buchhandlung in Stuttgart erjchien vor furzem:

Hellwald,

£riedr,

vw, Im

ewigen

Eis.

Geſchichte der

Norppolfahrten von den älteften Zeiten bis auf die Gegenwart. Mit zahlreichen Jlluftrationen und Karten. leg. geb. M. 24,

Drud und Verlag der 3. ©. Cotta'ſchen Buchhandlung in München und Stuttgart.

Ey IE.PU

Mas Ausland. Wochenſchrift für Länder: und Völkerkunde, unter Mitwirkung von Profefjor Dr. Friedrich Nagel und anderen Fachmännern herausgegeben von der

J. ©. Cotta'ſchen Buchhandlung in Stuttgart und München. Siebenundfünfzigſter Jahrgang.

Ar. 3.

München, 9. Juni.

1884.

Jährlich 52 Nummern A 20 Seiten in Quart. Preis pro Quartal M. 7. — Zu beziehen durch ale Buchhandlungen des In- und Auslandes und die Poſt-— Ämter. — Rezenſions-Exemplare von Werken der einjchlägigen Litteratur find direft an Heren Profefjor Dr. Friedrich Natel in Münden, Akademieſtraße Nr. 5, zu jenden. — Inſerationspreis 20 Pf. für die gejpaltene Zeile in Petit.

Juhalt: 1. Die Ajtronomie der Naturvölker. Bon ©. Mürller-Frauenftein. ©. 441. — 2. Der Diftrift Duſſon Timor in Südoft-Borneo und feine Bewohner, (Mit Abbildungen.) Bon %. Grabowsky in Barabei (Borneo). ©. 444. — 3. Bolitifch- und wirtfhaftsgeographifche Rückblicke. IV. Kongovertrag zwifhen England und Portugal. S. 449. — 4. Ueber Klaffififation geographiſcher Thatjadhen. I. ©. 452. — 5. Proben aus den Ausiprüchen eines Hauffanegers. Mitgeteilt von Robert Flegel. ©. 455. — 6. Die Andree-Scobel’iche Karte von Afrifa. Bon Emil Mayr. ©. 456. — T. Kleinere Mitteilungen: ©. 457. Die internationale Bolarfonferenz in Wien. Ueber die lofale Verſchiedenheit der Tieffeefaunain der Karaibijchen See, Ueber Benguella. — 8. Notizen: ©. 458, Aſien. —

9. Litteratur: ©. 459.

jptelerfunftjtücchen imponieren.

:

-

|



die Alronomie der Antnrvölker. Von Georg Müller-Frauenſtein. Vielen

jcheint

e3 ein gewagtes

Die Jahrhunderte, worin

die abenteuerlichen und wunderbaren Erlebniffe eines un-

Unternehmen,

' glüdlihen Schiffbrüchigen oder goldgierigen Glüdsritters die Vorſtellungen nicht nur der Gebildeten, jondern auch | der Gelehrten beitimmten, find unwiderruflich vorbei; wir große

|

befigen

heute ethnologische

Sammelwerfe,

welche

die Re—

Gebiete des geiftigen Lebens bei den Naturvöltern heute

| fultate manches ganzen Lebens und eines außerordentlichen

ichon foftematifch

| Bienenfleißes

behandeln zu tvollen.

Daneben jchallt

von einigen der bevedtejten Stimmführer immer lauter der warnende Ruf, beim Sammeln des ethnologifchen Stoffes der Ordnung nicht zu vergeſſen.

Zwiſchen dieſen

darftellen

und denen die verfloffenen Jahr—

taufende nicht3 an die Seite stellen fünnen. Von den abgelegenjten Gegenden des Erbballes giebt es Befchreib| ungen und meiſt nicht nur einzelne, ſondern mehrere, die

beiden Strömungen jteht heute der Arbeiter auf dem Felde

ſich gegenfeitig fontrolieren, und meift nicht von zufälligen,

der vergleichenden Wölferfunde, und da man die leßtere fajt allgemein für eine moderne, noch recht junge Wiſſen— ſchaft hält, jo meinen diejenigen gerade einen Beweis bee vechtigter Vorficht zu geben, melde dem beginnenden Spitematifieren fich entgegenjtemmen. Doch ich glaube, unfere Disziplin iſt gar nicht fo jung; denn die erite geo— graphiſch-wiſſenſchaftliche Benutzung einer Reifebefchreibung war ihr Anfang, die Zeiten find nur andere geworden. Nicht mehr lauert im Hintergrunde die Gefahr, daß leichtfertig einzelne beobachtete Fälle unbeſehen Gefeßesrang erhalten fünnten; nicht mehr fünnen Gelehrte, wo ihnen

| unvorbereiteten Beobachten, fondern von Leuten, die Auge und Verſtand zu brauchen wußten. Natürlich finden ſich noch Lücken, weitklaffende, ſchmerzlich empfundene Lücken | in unferer Kenntnis der Menſchenwelt; aber wenn fie ge: füllt fein werden, iſt troßdem noch fein vollfommener Zus | jtand eingetreten. Im ewigen Fluſſe der Heiten mechjelt | alles, und was heute ift, davon beleuchtet Die morgende | Sonne oft faum eine Spur mehr. Sp erſcheint es wohl angemefjener, mit der Gattung von Vorarbeiten, welche ein buntes Zufammenftellen von oft recht fleißig gefammelten Leſefrüchten darftellt,

Beijpiele fehlen, unter der Hand deren fonftruieren und

zu brechen,

der verblüfften Zunft jahrelang durch dergleichen Taſchen-

wundern über die Wilden, alles Mögliche unerklärlich zu

Ausland 1884

Nr. 23.

Es iſt thöricht, heute noch immer nur ſich zu 67

Die Aftronomie der Naturvölker.

442

finden, weil man damit der meitverbreiteten Sehnſucht nad dem Geltfamen und Fremdartigen entgegentommt. Allerdings muß jeder zuerft Sammeln, möglichjt aus den veinften Quellen fchöpfen, allerdings merden jedem noch) Rätſel und unbejtimmte Kontouren ringsum entgegens

malen fih dann meiter phantaſtiſch die Verhältnifje des Meeres aus. DBerglandbewohner, die, mie die alten

ftarren; aber was

Hellenen, zugleich den Meeresitrand erbliden, denken ſich ihre Erde als ein Beden, eine vertiefte Scheibe, in melcher das Meer zufammenfließt. Dieſe griechiſche Anſchauung

er Gleiches oder Gleichartiges findet,

blieb im Grunde bis zu den Kreuzzügen, jelbjt in Einzel:

faffe ev num kurz zufammen und erprobe am Kleinen feine

heiten, unverändert, und noch heute hängt ihr der Zazzaroni

divinatorifche Kraft, um fie für das Große zu üben!

von Neapel an. Ein Volk, das in hohen Gebirgen wohnt

So

fommt doch in manche Partien des wüſten Chaos endlich etivas Ordnung, und felbit wenn hie und da einem Stoffe eine falfche Stellung angewiefen worden ift, der Leer, welcher die Schtwierigfeiten fennt, wird über dem Miß— (ungenen nicht die wirklichen Fortſchritte überfehen, und, was das MWichtigfte, die Ethnologie kann dann endlich anfangen der vergleichenden Pſychologie abgeflärtere An— ſchauungen, feitere Steine zu ihrem Bau zu liefern, einem der intereffanteften und menſchenwürdigſten Werke, das fünftige Zeiten erbliden werden. Denn wenn man bie Philoſophie als die höchite Wiſſenſchaft proflamiert, als den Brennpunkt, in dem alle geiftige Arbeit unferes Ge— ichlechts fih vereinigen foll, jo muß die Ethnologie ver: langen, daß auch ihren Nefultaten der gebührende Anteil eingeräumt, daß den höheren, aber auch den niederen Schichten der Menfchheit, den aktiven wie den paffiven Raſſen oder jagen wir den Kultur- und den Naturbölfern und ihrer gefamten Gedankenwelt gründliche Beobachtung zu teil werde. Neben der rein theoretifchen Arbeit einzelner philoſophiſcher Syſteme bat eine gejchichtliche Gedanken: ſtatiſtik derVölker ihre unbeitrittene Berechtigung, ihren gleichmäßig bleibenden, praftiichen Wert. So dürften 3. B. auch neben den geographiſchen Anſchauungen der Kulturvölfer diejenigen der niederen Raſſen ein nicht nur etbnologijches, ſondern ein pſycho—

und feinen Blid niemals über meite Flächen verbreiten fann, hält die Erde für ein erhabenes Gebirge, für ein Gewölbe, auf dem ſich Berg auf Berg türmt, pie die Staufafier, oder als Kegelberg, wie die Tibetaner, i

logisches Sntereffe bieten.

die Jagdgründe für die abgejchiedenen Seelen verlegen, oder wenn die Betvohner von Chiloé ihren höchſten Gott nach dem Vulkan von Oſorno benennen. Die natürlichen eriten Vorftellungen fünnen alfo auf zwei Prinzipien zurüdgeführt werden: Da der Menfch feine Anfıcht an der Stelle bildet, auf der er felbjt fteht, fo wird erjtens fein Standpunft der Mittelpunkt der Wahrnehmungen fein, wie der Augenschein ihn lehrt. Was er aber jchaut, zeigt fich ibm zweitens als eine Scheibe, die rings im SKreife der gejenfte Nand der lichten Simmelswölbung umgürtet. Der Himmel erfcheint wie ein vorjpringendes Dach, an feinen Enden die Erde umſchließend; man fünnte hinaufflettern, wenn man einen Steg hätte. Alſo die Erde ift flach und endet fchroff am Horizont; darauf bafieren die weiteren Vorftellungen. So erklärten die Tongainjulaner Dumont d'Urville, jo fagen nod) jest die Sätersdaler in Norwegen: Sie ift flach ie

Auf diefem wenig bearbeiteten

Gebiete beivegen ich die folgenden Seiten. Die gewaltigjten Erſcheinungen der Außenwelt find es, die bier in ihren Eindrüden auf die bewegliche Phantaſie und den weniger tief eindringenden Geiſt unferer der Natur näher jteben: den Mitmenfchen verfolgt werden follen. Die Ideen über Erde und Welt bei den fogenannten Natur=

völfern,

zu denen ich der Kürze halber alle, auch die

toltefifchenzteftfchen und die Inka-Amerikaner rechne, ſpeziell die Anfchauungen derjelben von der Geſtalt unferes Planeten und von den wichtigiten fiderischen Erfcheinungen bilden den Gegenſtand, der hier behandelt wird. Doch erivarte man, jo bitte ich im voraus, nicht zu viel; dem kühnen Deuten babe ich ebenfo ausweichen wollen als dem bloßen, trodenen Zufammenftellen. se nad feinem Standpunkte faßt der Menſch ein

anderes Bild von Himmel und Erbe.

Anfangs erjcheint

Auf ſolchen Vorjtellungen fußen wohl alle die religiöfen Syſteme, welche auf irgend einer Bergjpige oder einem Gebirge den Sitz der Götter einrichten, mag dieſer

nun an das Ende der Erde oder mit einer gewijjen Er— wweiterung des Horizontes mehr in die Mitte gerüdt er— Iheinen, oder die Erzählungen, welche die Urheimat der Menfchen auf einen hohen Berg oder endlich die, welche den Aufenthaltsort der Toten dahin verlegen. Und an diejen Ausmalungen nehmen auch die Völker der Kefjellant: Ichaften, jelbjt der Hochebenen teil. Die Hindus ernannten den Meru, die Thrafer den Olympos zur Götterrefidenz;

die Mafat,

eine der wichtigſten Nationen

zwiſchen den

Nilquellſeen und dem Indischen Ozean, einen Berg, auch Meru mit Namen, der höher als der Kilimandfcharo fein joll, nah Cl. Denhardt wohl den Samba, mährend die

Wakamba, die Mafai, Wakwafi und die Galla, aud ein Teil der Manika, neben ihm den Kilimandfcharo oder den Kenia als Wohnfis des erjten Menjchenpaares betrachten, wie J. M. Hildebrandt mitteilte. Aber auch indianifche Prairtevölfer neigen denfelben Ideen zu, wenn fie das

Selfengebirge als Spite der Welt bezeichnen und dabin

ein Kuchen, Norwegen liegt in der Mitte. Und von ähn— lichen Orundideen ausgehend nennen gewiffe Südamerifaner

die leßtere als eine unüberfehbare Fläche, dann macht ſich die menschliche Einbildungskraft ein den überjehbaren Verhältniſſen entjprechendes Bild. Inſulaner im weiten

den Himmel Mumeſeke, d. i. Erde in der Höhe, geben ihm

Dzean ſehen zunächit ihre Gruppen als ihre Welt an und

| Bewohner und laffen aus feinen Löchern den Negen ftrömen,

445

Die Aftronomie der Naturvölfer.

Je nachdem man fihb nun den Nand der Erde vorftellte, it auch die Anſchauung über die entfernteiten Enden derjelben im einzelnen verfchieden. Die hijtorifche Erweiterung des Horizontes zwar berührt uns hier weniger, ih verweife in Betreff desſelben auf den Aufſatz von Sophus Ruge, Globus 36. Jahrgang, 1879 ©. 61, 72, 87, wohl aber das Verhältnis von Himmel und Erde, das nad der Findlihen Muffaffung und derjenigen vieler Völker ein befonders inniges fein fol. Sm klaſſi— ſchen Altertum ließ man befanntlich entiveder das Meer,

den Dfeanos, alles umgeben, oder Gebirge und einzelne Berge waren es, auf denen, z. B. dem Atlas, das Himmelsgewölbe

rubte.

Ganz

dasfelbe

wurde

noch

in

neueren Zeiten Neifenden der verfchiedenften Erdſtriche er: zahlt. Die Bewohner der Karolinen bezeichneten ganz bejtimmt die Gegend hinter dem Marianenarchipel, alfo nördlich von ihrer Heimat, als diejenige, fih immer mehr der Erde nähere und feititehe. Doc ließen fie das Firmament weiſe nur jo an dem Grdrande lehnen,

tvo der Simmel endlich auf ihr eigentümlicherdaß man nod)

zwiſchen beiden durchfriechen fünne. Sie mögen dabei, wie Schück meint, vielleicht an die Geftirne gedacht haben, die fie im Kreife des Horizontes verſchwinden und an der entgegengejegten Seite wieder hervortauchen fahen. Grön— ländischen Esfimos erjchten der Himmel auf einem hohen ſpitzen Berge im Norden liegend, um den die Sterne fich

drehten. ruhenden

Die Erde aber faßten fie als einen auf Stüßen Körper auf, die, vor Alter morſch,

manchmal

frachten und längjt eingefallen wären ohne das Flickwerk der Zauberer. Einmal übrigens fei fie doch gefentert und alle Menjchen ſeien damals ertrunfen,! eine von den zahl: lojen anderen Gintflutmytben etwas abweichende Form. Damit find wir ſchon in die Erweiterung des Geſichts— freifes eingetreten, die auf die erſten natürlichen Voritellungen allmählich folgt und auch die Nüdenfeite der Erde

in Betracht zieht.

Eine kamtſchadaliſche

Ueberlieferung

3. B. berichtet, die Erde fei platt, die Rückſeite bilde die

Unterwelt und unter diefer folge abermals eine Erde oder, wie nach Steller die Stelmen es ausbrüden:

die Erde iſt

die Kehrſeite eines Himmels, welcher noch eine darunter bededt; fo gleicht ihre Welt einem Faſſe 3 Böden. Die Grundvorftellung von der Erde Scheibe bleibt aber auch bei diefen mythologiſchen religiöfen Ausmalungen diefelbe.

Erbe mit als oder

ch erinnere nur an die

Termini techniei: das lateinifche Orbis terrarum, das angelfächfifche Ymbhryrft, das nordifche Heimskringla und Oegisheim,

die vom Ozean umflofjene Heimat, end»

lich das althochdeutfche Erdrine und Mitti- oder Mittilgart, Merigarto, das rings vom Meere Umzäunte; fie alle geben Belege für unfere bisherige Darjtellung. Doc) jelbjt rohe Völker ſchwingen fih manchmal Schon zu einer

Newbold die Erde für eirund halten. Wenn man auch natürlih von der Annahme irgend welcher wiſſenſchaft— lihen Gründe für diefe Idee abjehen muß, fo it doch un—

beftreitbar hierin eine Vertiefung der Anſchauung zu finden, von

welcher

felbjt die große Mafje der alten Aegypter

und Hellenen noch fern war; denn ihnen galt allgemein die Mitte ihrer befannten Scheibe als der Nabel der Erde (Delphot), ste blieben im großen und ganzen bei dem Bilde der runden Fläche Ganz eigenartig erjcheinen ihlieglich die Erzählungen der Chippeways und Winepagoes, die nad) Lawſon die Erde für eine große vieredfige Inſel halten, wozu ich ein Pendant nur bei den Duphlas in Aſſam gefunden babe, die auch 4 Eden der Erde ans nehmen. Diefe Form der Linien, in welcher fich Himmel und Erde vermählen follen, it gewiß nur ganz felten ans genommen worden. Nie Schwer es aber den Naturvölfern wird, von den alten, liebgewonnenen Anfchauungen zu jcheiden, erzählen viele Neifende; eins der befannteiten Beiſpiele Liefert Dtto von Kogebue, den Tahitis Königin fragte, vb die Erde wirflih rund fer und der auf feine Antwort: a, ev babe fie ſelbſt umfahren, fie fer eine Kugel, nur em energifches KRopfichütteln der wißbegierigen Dame evntete und wenig Glauben fand.

Wer aber hält diefe ganze fichtbare Welt, wie hält fih die Erde in ihr? Auch dieſe weiteren Fragen liegen dem Naturmenfchen nabe genug, der fich über die Oberund Unterwelt, über den als Dach, Gewölbe oder auch als großes Zelt die Erde bedeckenden Himmel und die beivohnte Scheibe Gedanfen macht.

Sie bilden geradezu den Mittelpuntt in dem Beftreben, auffällige Einzelerfcheinungen auf der legteren, z.B. Er— ichütterungen der Erdfeſte, zu erklären. In ihnen erprobt fich alfo weiter die ausmalende Einbildungsfraft. Da meint man die Erde mit einem Ei in einem Gefäße mit Waffer oder mit dem Dotter in einem Ei vergleichen zu können. Diefer Glaube tritt 4. B. in Süd— afien, Polyneſien und Melanefien tweit verbreitet auf in der fosmogonischen Vorftellung vom Weltei. Die Tonga—

infulaner nennen Speziell den Gott Maut al3 denjenigen, der die Erde auf feinem Rücken oder feinen Schultern trage und von deſſen Bewegungen die Erdbeben herrühren,

fei e8, daß er ſich einmal auf die andere Seite drehen oder etwa gar einniden will, Man pflegt dann unter dem heftigften Geſchrei den Boden mit Stöden zu ſchlagen,

damit Maui ſich ruhig verhalte.

Die Khaſia in Aſſam

fagen dagegen vertrauensvoll, durd Erdbeben würde alles zu Grunde gehen, wenn Gott die Erde nicht im feiner

Hand bielte. In Hawaii

läßt!

die alte priefterliche Philoſophie

befjeren Vorftellung empor, fo, wenn mande Malaien nad)

unter der durch fich ſelbſt gefeitigten Erde als großer Maffe den Erderfchütterer oder Erdbebengott auf dem

1 Mehr darüber bei D. Cranz, Hiftorie von Grönland, S. 294.

1 Baftian: Heilige Sage der Polynefier, Leipzig 1581, ©. 112,

Der Diſtrikt Duſſon Timor in Südoſt-Borneo

444 Bentralfeuer liegen. doppelt

Die Erde ihrerfeits aber ſtützt durch

oder vierfach gedachte Säulen den Himmel,

mie

bei den Maori und wie es in den indischen Veden Soma ja auch vermittelit Säulen thut. Der Prozeß, wie im Anfange der Melt der Himmel über der Erde diefe Stüßpunfte erhielt, wird auf Mangaia ganz forgfältig in der Weiſe ausgemalt, daß die Götter Maui und Nua gemeinfam den Himmel erit auf den Knieen, dann auf dem Nüden und höher auf den Händen

erhoben haben, während ſonſt in Polyneſien erzäblt wird, daß der auf den breiten Blättern der Tevapflanze auf: liegende Himmel anfangs durch Nua mittels Feiner unter: geſchobener Stödchen etivas höher gefchoben worden Jet, bi8 Maut energifch zugegriffen babe. In Tahiti gelten die Tevapflanze jelbjt und in zweiter Snftanz nur Rua als die Motoren, welche den auf der tweiblich gedachten Erbe liegenden Himmel empordrängten und ſchließlich ganz ab— Ihoben. Gründlicher würde davon die Rede fein müſſen, wenn wir die Fosmogonifchen ragen in den Rahmen diefer Darjtellung mit bereinzteben wollten. Auf Zelebes werden die Erdbeben mit dem Eber in Verbindung gebracht, welcher nach dortigem Glauben die Welt trägt; zu Zeiten Icheuert er jich gegen einen Baum, und das verurfacht die Erſchütterung feiner Bürde. Der welttragende Froſch & & R br ® der Mongolh-Lamas, der Weltſtier der Moslems, der gigantijche Omophore der manichäifchen Kosmologie! find alles Geſchöpfe, welche die Welt auf ihrem Nüden oder Kopfe tragen und fie erichüttern, wenn fie jich recken oder umlegen. Ebenjo twindet in der europäifchen Mythologie der Skandinavier Loft, der mit eifernen Niemen in feiner unterirdiſchen Höhle feitgebunden ift, fich jedesmal, wenn die über ihm hängende Schlange Gift auf ihn herab» tröpfeln läßt, oder Prometheus bemüht fih unter der Erde feine Fefjeln zu zerbrechen, oder der lettifche Drebfuls oder der Erderjchütterer Poſeidon macht den Boden unter den Füßen des Menjchen wanken. Diefer Lifte fünnte ich noch) manchen Namen hinzufügen; erinnert jet wenigſtens an die indianischen und polyneſiſchen Erdbebenmythen, wie 3. B. die Kutchans, ein Yumaſtamm im Kolorado: gebiet, ihren „böjen Geift”, der hoch oben auf dem Berge Avikome Schläft, im Schlummer unruhig werden und fich ſchütteln laſſen, fobald ein ſchwaches Erdbeben entfteht; dreht er jih aber ganz um, fo gerät alles in Schwanfen und es ijt Gefahr im Anzuge. Auf der Samvagruppe fehüttelt der Gott Tat in jeinem Zorne die Erde, wie bei den Hügelftämmen Aſſams Yıfıbar, der im Inneren unferes Geftirnes wohnt. Zum Glück ıft ihm im Kampfe mit Opolu der eine Arm ab: gedreht worden, ſonſt würde alles zu Grunde gehen. Und Baſtian hat in dem Malaiifchen Archipelagus noch vielerlei 1 ©o

ftellt fie Tylor in feinen Anfängen der Kultur, deutſche

Ueberfegung von Spengel und Poste. ſammen.

Leipzig 1873, I, 359, zu-

und ſeine Bewohner.

Verſionen gefunden, in Timor und anderswo mit Auf— klopfen verbunden, um den Unterirdiſchen zu benachrichtigen, daß oben auch Leute wohnen.!“ Bei dem engen Zufammenhange, der zwischen der Vor: jtellung von dem Erdträger und der von den Erdbeben bejteht, führe ich noch einige verwandte Deutungen der letteren biev an. Nach den Kamtjchadalen fehütteln die Hunde

des Erdbebengottes, der unter dem Boden

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im Schlitten

fährt, Flöhe oder Schnee ab, und fo entjteht die Erſchüt— terung des Bodens. Die Sapanejen aber halten in einer fünftlicheren, weniger diveft dem Zeben entnommenen Deut: ung große Walfifche, welche unter dem Boden hinfriechen, für die böfen Nubeftörer, was Tylor, dem wir auch diefe rs Berjpiele entnommen haben, mit den foffilen Anochen in ha— Berbindung bringt, welche die Ueberreſte jolcher unter: irdischen Ungetüme zu fein fcheinen. Es wird dies wohl mit Necht zufammengeftellt mit dem Wahne der fibirifchen °

Sügervölfer, welche ja die meisten Anochen und Fangzähne von Mammuths u. dgl. finden. Diefe find nämlich der Meinung, das feien Körperteile großer, in der Erde wühlenden Betten, deren Umbherfriechen den Boden ebenfo zum Heben und Sinfen bringe. Einen ganz originellen,

gut verbürgten Erklärungsverſuch endlich finde ich bei Lipingitone.? Da heißt e8: Die Eingeborenen in Magomero erzählten, als einſt ein jehr heftiges Erdbeben Steine von den Bergen herabgetvorfen hätte, hätten ſich alle weiſen Männer des Yandes verfammelt und jeien zu dem Schluſſe gefommen, es fei ein Stern ing Meer gefallen,

und das fiedende Aufwallen des Meeres habe die ganze Erde in zitternde Bewegung verjeßt. (Fortſetzung folgt.)

Der Diftrikt Duſſon Timor in Südoſt-Borneo and feine Bewohner. Bon F. Grabowsky

in Barabei (Borneo).

Borneo und Dajaken: dieſe Worte ſcheinen in der Borneo— litteratur ſo unzertrennlich, daß es manchen Leſer wundern wird, auch von einem anderen Stamm auf Borneo zu hören, der ſich in Sprache, Sitte und Ueberlieferungen, ja

für einen Kenner hieſiger Volkstypen auch ſofort in äußerer Erſcheinung, weſentlich von den Dajaken, richtiger Oloh ngadju, unterſcheidet. Es find dies die den Diſtrikt Duſſon Timor beivohnenden Dlon Maanjan ie fie fich ſelbſt nennen, während man fie in Bandjermafin

„Dloh Patai“

oder „Oloh Sihong” nennen hört, nad) zwei der hauptſächlichſten Landſchaften ihres Diſtriktes. Zeitſchrift für Ethnologie. Berlin, 1881, ©. 187. 2 Letzte Neife in Zentralafrifa. Deutſche Ausg. 133 und 134. Anm.

-

Der Diftrift Dufjon Timor

in Sidoft-Borneo und feine Bewohner.

Drientieren wir uns zuerſt über die Lage von Duffon Timor. Dejtlich vom Barito, im Oberlauf Duſſon, gelegen, umfaßt e8 das Stromgebiet der Flüſſe Patai und Karau,

von denen der erjtere etwa unter 10 37%, der lettere unter 20 3° ſ. Br. in den Barito mündet, und lehnt fih im Often an eine Bergfette an, die als Ausläufer des Meratusgebirges zu betrachten iſt und die Waſſerſcheide bildet zwischen den Quellen des Patai-Karau und denen des

445

Babanra, einem Bruchland am Fuße des 14 m. hohen Wunfur (Hügel) Awang, und im Karau nah Schwaner bei Gunung Wumwung und bildet ein melliges Hügel— land (tertiär), bis böchitens 70 m. im Wunfur Art bei Bentut ſich erhebend. Im Verhältnis zu der schwachen Bevdlferung, 36 Köpfe

auf

1G. D.-MI., ungemein devaftiert, ſieht man die Folgen

des Naubbaues, d. h. der Gewohnheit,

zum

Anbau

von

Tabalong kiri und Tabalong fanam, welche als Quellflüſſe

Reis immer neue Wälder

des mächtigen

brennen, um einer Bemiftung des nad) 5 bis 6 Jahren erfehöpften Bodens zu entgehen, in Dufjon Timor deut:

Negaras

oder Bahanfluffes

zu betrachten

find. Es umfaßt ungefähr das Land zwifchen 10 3°bi8 20 3° j. Br. und 1149 50° bis 1150 31° 85.2. Der Bataifluß it an feiner Mündung zirfa 40 m, breit und 9 m. tief und wird dort Sungei Sirau genannt. Banjert ! erwähnt am rechten Ufer des Sirau zwei Hügel als alte Grab:

jtätten, von denen der größere, Tambaf Mofatir, 70 Ellen Durchmefjer bei 16 Ellen Höhe haben fol.

Mir konnten

die Eingeborenen des Kampongs Sirau, der !/, Stunde Ruderns von der Mündung entfernt liegt, durchaus feine Auskunft darüber geben; fie Tannten den Namen nicht einmal. Der Sirau teilt fih etwa eine Stunde oberhalb

jeiner Mündung; der linfe Arm beißt Sungei Patai und läuft von NO zu SW, Imfs und rechts viele Fleinere Flüßchen aufnehmend, von denen die hauptfächlichiten Sungei Serapat und Sungei Djar find. Der rechte Arm fließt aus nördlicher Richtung, wo er die Namen Krambas und Napo führt, iſt ſehr filchreic) und gibt etwa zehn Stunden oberhalb feiner Bereinigung mit dem Patai einen

Arm nah Weiten ab, der fih im Sumpfland

verliert.

Der linfe Arm fommt in einem großen Bogen aus Diten

und heißt Sungei Sihong. Er nimmt den Telangfluß auf. Der Karau entitehbt aus den Flüffen Toluam, Taijan mit Gunoto und dem Paku, der nad) Schiwaner? auf dem

Gunung Butung feine Quelle bat.

Alle dieje Flüſſe jind

nieverzufchlagen

und

zu ver

licher als in irgend einem anderen Diſtrikt Südoft-Borneos. Teilweife durch dieſe Devaltation bedingt, Tann man Duſſon Timor in vier Zonen teilen, die ſchon landichaftlich einen fehr verſchiedenen Charakter tragen. Die erite it das alluviale Sumpfland am Unterlauf der Flüffe, Sicht mit Busch bededit, mit mehreren Sumpfleen, Danaus, unzugänglich und während der Negenzeit überjtrömt. Aus:

gedehnte Wälder von Blangiranbäumen, faſt ohne Unter: holz, bilden auf diluvialem Boden den Mebergang zur zweiten Zone, einem Teile des nah Schwaner tertiären Hügellandes. Die Hügel, oft große Blateaus bildend, find bisweilen mit blendend weißem Sande bebedt, in den man tief einfinft, und der in der Mittagszeit jo heiß it, daß die Eingeborenen diefe mit niedrigem, jehr ein= tönigem Krüppelholz ſpärlich bevedten Flächen nur auf dicken Sandalen von Baumrinde zu betreten wagen. Solche Flächen heißen Djowong und tragen durchaus Haidecharakter. Andere Hügel find zwiſchen jehr mäßigen Holzwuchs mit einem undurchdringbaren Farrenwald be— det. Die Abhänge find bejjer mit Holz beitanden, vor: berrfchend find es hier armdide Koniferen, 2 Arten Arau— farien, die ich in ganz Südoſt-Borneo nicht wieder fand. Sie jpielen, da ſie durch Boſtrychiden nicht angetajtet

einem ſehr großen Wechjel des Wafjeritandes unterworfen,

werden,

der 3. B. im Sungei Patai in einer Stunde 6m. betrug,

geborenen. Der Boden iſt nafjer, jaurer Sand, unter dem eine dicke, gelbe Lehmſchicht lagert. Mooſe und Nepenthes— arten bedecken auf weite Streden den Boden, während eine Schlingpflanze mit Kleiner, unfcheinbarer Blüte, die ſehr durch ihre lederartigen, gelben Haftorgane auffällt, Bäume oft unter ihrer Maffe erftidt. Die Thäler endlich, größere heißen Loau, fleinere Waloh, meiſtens verfumpft,

und daher ſchwer befahrbar,

bei niedrigem Waſſerſtand

wegen der vielen in ihnen liegenden Baumftämme,

bei

hohem gefährlich wegen der durch die Krümmungen ver: urjahten Strudel. In ihrem Unterlauf fliegen ſie durch

niedrige, Jumpfige, alluviale, vollitändig unbewohnteStrecken. Man erkennt eine foldhe Landſchaft in den verfchiedenen Jahreszeiten faum wieder; denn während man in der trodenen Zeit, Dftmonfun, nur mit Mühe mit Kleinen Fahrzeugen vorwärts fommt, fährt man in der Negenzeit, Weitmonfun, an vderfelben Stelle im größten Boot über unabjehbare Wafierflächen, oft mitten durch den Wald, dadurch bedeutende Krümmungen des Flußbettes fürzend.

Im Laufe des Pataifluffes erhebt ich der Boden bei der Mündung

des

Sungei

Serapat;

im

Sihongfluß

bei

! Verslag der reis in de binnenwaarts gelegene strecken van Doessoen Hir door Banjert in: „Tijdschrift voor Indische Taal-Land en Volkenkunde“ IX, 59—60 pag. 134 ff, 2 Borneo, J. Deel. ©. 97 ff. Amfterdam 1853. Ausland

1884, Nr. 23

eine wichtige Nolle beim Häuſerbau

der Eins

weil fie feinen genügenden Abfluß haben, bieten im Gegen— fat zu den

eben gejchilverten

Djannas

und

Djowongs

ein Bild fo ſpezifiſch-tropiſcher Urwaldüppigkeit, daß das Auge im Anfange Einzelheiten in diefem Chaos von riefenhaften, über und über mit den herrlichſten Schma— rogern bededten Bäumen, diefem Gewirr von Yianen, diefem Neichtum an Farbennüaneen faum zu untericheiden vermag. Der Uebergang it oft ein fchroffer, plößlicher, und wirkt darum um fo jtärfer auf Auge und Gemüt der Neifenden ein. Auch das tierifche Leben Fonzentriert ſich in dieſen Loaus, Während man über ein Djowong wandernd oft 68

446

Der Diſtrikt Duffon Timor in Sidoft-Borneo und feine Bewohner.

ftundenlang weder ein lebendes Wefen fieht, noch hört, birgt das Loau Leben in Hülle und Fülle. Herden von

zacten Spiten einer fernen Burg gleichend und dahinter fäumt den Horizont das tiefblau erfcheinende Meratus

Affen bevölfern die Bäume und erheben beim Anblid des Reiſenden ein furchtbares Gefchrei, ohne befonders viel Furt zu zeigen. Am häufigſten fieht man hier einen

Gebirge

Zangarmaffen (Hylobates Mülleri), Tolumpian, den gleich—

farbig roftroten, häßlichen Klahi (Semnopitheeus rubicundus); feltener ift der jonit überall auf Borneo fo häufige

Cereocebus eynomolgus, hier Warik genannt, und nur

ein, deſſen von

bier fichtbare höchite Spitze, der

fegelförmige Kafale, wohl eine Höhe von 2000 m. erreichen dürfte; dort wohnen die Dion Lowangan, von den Dlon Maanjan durh Sprache verjchieden. Zur vierten Zone endlih muß man das nordweſt— ih vom Karaufluß bis zu den großen Sumpfjeen Danau Santing und Danau Libong Bahalja fich erjtredende

in der Nähe des Sumpflandes trifft man auch den Naſen— affen, Semnopithecus nasieus. Wildfchweine, Nehe, Zwerg: hirfche, Viverren und Paradoruren find häufig und ein Heer von Vögeln bewegt fih in den Wipfeln, mworunter

Hügelland

befonders der feheue Burung Talaung (Platysmurus ater-

trum

rimus) durch feine langſamen melodifchen Töne den Jäger immer tiefer in die Wildnis hineinlodt. Vergebens fucht man dem gefiederten Flötenbläfer auf Schußmweite nahe: zufommen. Durch das für uns Europäer äußerſt ans ſtrengende, jelbit gefährliche Klettern über morjche Baum: Stämme, die unter der Laſt oft zufammenbrechen und den Eindringling fnietief in den ſchwarzen Sumpf fallen lajjen, müde, fvürde man gerne einen Augenblid in dem uns heimlichen Halbdunfel Naft machen, wenn nicht eine Armee von feinen Egeln, Alimantek, die fic) von jedem Zweige auf den Körper fallen laſſen und ſtark blutende, ftechende Wunden erzeugen, zum eiligen Nüdzuge triebe. Sn folchen Loaus trifft man zuweilen Eleine, offene Stellen an, fandig, mit nieverem Gras bewachlen, ent: weder von einem Ninnfal durchfloſſen oder mit einer quellenartigen Vertiefung. Das Waſſer iſt ſalzhaltig und viel Wild fommt dort zur Lecke. Die Eingeborenen nennen jolche Stellen Sopan und e8 liegen zwei Sopans, das größere

ſcheue Argusfafan und die Schöne comus pyronotus bejonders erwähnt.

Sopan tuen, das fleinere Sopan tano genannt

in der

Nähe des Tumpuf (Dorf) Patong. Dr. Poſewitz! er wähnt ähnliche Salzſümpfe zwiſchen den Nebenflüfjen

Sefadau und Serawai des Kapuas Murung. An den Nändern der Loaus, wo fich ein reicher Blumenflor entfaltet, ſchwirrt es von Inſekten aller Ord— nungen; glänzende Bupreitiven und große goldjchillernde Holzweipen feſſeln das Auge durch ibre Farbenpracht. Die dritte Zone umfaßt jene meilenmeiten, nur mit hohem Gras bewachjenen Hügelrüden, entitanden durch Ab-

bolzen der Wälder

zum Zwecke

des Neisbaues; jährlich

itattfindende Brände verhindern bier ferneren Baumwuchs. Unter dem Namen Padangs befannt, zeigen fie nur an den die Thäler durchfchneidenden Heinen Bächen [pärliche Ueber: vejte früheren Waldes. Zahlreiche Hirſche (Cervus equinus) in fleinen Nudeln bevölfern dieſe Padangs. Von den Gipfeln

der Hügel genießt man eine unbejchräntte Ausficht auf die zwiſchen Tabalong kiri und Tabalong Tanan fich erbebenden Berge, mit ihren eigentümlich) mauerartig geN Ynfere geologischen Kenntniffe von Borneo. Seite 14,

Budapeft 1882.

it.

buko dem

rechnen,

das

mit

jchwerem

Urwald

bevedt

Hier lebt der Drang Utan, von den Maanjan

genannt,

die feltene

nicht minder ſchwer

und

Ptilocerus

Gymnura

Raflesii

zu erlangenden Tarsius

Lowii.

Bon

Vögeln

Käu

{

neben spec-

ſei der

Hühnerart EuploAuch hier beginnt

3.

bereit3 der Maanjan den Wald zu verwüjten und im wenigen Sabrzehnten werden mogende Grasfelder fteht jein,. # herrlicher Urwald two jeßt noch faſt ausschließlich Don Seiten des holländischen Gouvernements wird nichts gegen diefe unfinnige Verwüftung der Wälder gethan. D Die Bewohner von Duſſon Timor, das trotz feiner

ausgedehnten wüſten Streden auch viele fruchtbare Daſen birgt, find die bereits oben genannten Olon Maanjan. Ihre Zahl belief fi) 1881 auf 8000 Seelen, die auf 29 Tumpufs, Dörfern, verteilt waren, von denen der größte 668 Einwohner zählte. Alle diefe Dörfer find neueren Urſprungs, auf Befehl der holländischen Regierung angelegt, jteben jedoch eines großen Teils des Jahres fait leer, nur durch einige alte Männer und Frauen bewacht,

da die Bevölferung, wie früher auch jest noch aderbaus treibende Nomaden, oft zwei Tagreifen weit ihre Neisfelder vom Tumpuk liegen baben, teil fie in der Nähe der

Tumpufs fein brauchbares

und

fruchtbares Land findet,

Befucht jedoch ein Beamter den Diftrift, was übrigens recht felten gejchieht, da die den Kontroleurs unterftellten Bezirke viel zu ausgedehnt find, um felbjt bei gewiſſen— : hafter Kontrole ein öfteres Erſcheinen möglich zu machen, jo ruft der Befehl des Diltriftshäuptlings von allen Eden

und Enden die Leute herbei, die Wege werden jchnell ausgebejfert — ich ſah verichiedene große Löcher mit Gras füllen und darüber Erde treuen — die Zäune in den Tumpufs ausgebefjert, die ſonſt ſoöden Kampongs find‘ belebt und der fontrolierende Beamte nimmt einen ganz falfchen Eindrud mit, viel befjer ficher als der Zuftand

in facto iſt. Schwaner zählte im Jahre 1843 (2) 66 Tumpuf3 mit 4286 Seelen, jo daß in 40 Jahren ſich die Einwohnerzahl verdoppelt hat und die Zahl der Tumpufs auf "/; reduziert ift, von denen nur wenige die früheren Namen führen. Alle Dörfer liegen auf einem Hügel, oft mehrere hundert Schritte vom Waſſer entfernt, in einem dichten Wald von Fruchtbäumen als Durian (Durio zihethinus), Lehat (Lansium domesticum), Mangis (Gareinia mangostana), Tonreket (Nephelium lappaceum),

Der Diſtrikt Dufjon Timor in Sidoft-Borneo und feine Bewohner.

447

Taitungen und Nanakean (Artofarpus-Arten), über welche ungemein hohe Kofospalmen, „Nioi*, ihre Kronen aus— breiten. 700, der Kokosnüſſe fallen aber ficher den bier ungemein ſtark verbreiteten Seiurus-Arten, als Memai, Marau, Pukang, Pukang tunring, Monsong, Wihikak, Pihoi und Mintjong (?) zur Beute. Der Boden iſt förm—

vermischte fich mit anderen Stämmen, bis der Großvater von Suta Ono, namens Suta Wana, fein Vol wieder jammelte. Um diefe Zeit kam durch den mit dem Sultan geſchloſſenen Traktat ein Teil der Maanjan unter Die Herrschaft der Holländer und die Zuftände wurden beſſer. Die Maanjan find von mittlerer Größe, ſchlankem

lidy mit den leeren Nüſſen bedeckt.

Wuchs und gelblihbrauner Hautfarbe. Männer und Frauen

Die Maanjan zerfallen in 6 Stänme, durch Eleinere Abweichungen in Sprache und Sitte erkennbar. Es find die Sihonger, Pataier, Bentuter, Dajuer, Karauer und

haben langes ſchwarzes Haar, und nicht jelten fieht man

endlih

Die nicht mehr in Duffon Timor,

Kamatang

witu (Barito)

den Dlon witu.

fondern am

von Buntof aufwärts wohnen:

Mit Ausnahme der leßteren erfannten

früher alle einen gemeinfamen Oberhäuptling an. Auch gegenwärtig, obwohl jonjt die Verwaltung durch die Re— gierung geregelt ift, wird der tapfere Suta Ono im Kam:

pong

Telang

von

feinen

Stammesgenofjen

als

recht—

mäßiger Oberhäuptling betrachtet; denn nach der Tradition war diefe vom Vater auf den Sohn erblide Würde feit urdenklichen Zeiten in der Familie Suta Onos. Jetzt ein Mann von zirka 60 Jahren, dabei nocd äußerſt rüftig, lebhaft und gefpräcig, hat Suta Ono im Aufitande des Sahres 1859 den Holländern jo gute Dienite geleijtet, daß er mehrere Orden, darunter den Wilhelms-Orden 4. Klaſſe, erhielt und gegenwärtig eine Penſion genteßt, während fein Sohn, ein ganz unbedeutender Menſch, Diſtrikts— häuptling von Dufjon Timor ift. Die Tradition bezeichnet Tjandi, in der Nähe von Amuntai (am Bahan-Fluß), als

den Stammesherd. Dort lebten fie, beherrfcht von der mächtigen Hindudynaſtie von Madjapait, nad) deren Fall fie jelbjtändig wurden, um dann von neuem unter die Herrſchaft der islamitiſchen

Sultane

von Martapura

zu

gelangen. Seder Sultan mußte in einem bei Tjandt befindlihen Teich baden, um von den Maanjan als Sultan anerfannt

Islam

mar

zu

erden.

Jedem

anderen

Belenner

des

das Baden im Teich bei Tjandi bei Todes:

jtrafe verboten. Von Tjandi nun läßt die Sage 7 Brüder ausgeben, die den Titel Aria führten. Alle ihre Nach— fommen find Stammesgenofjen, mit Ausnabme der Nach— fommen von Aria Mudong, der zum Islam überging

und als Stammvater der Sultane von Martapura be: trachtet wird. Aria Napo langit wurde Stammvater der Sihonger Aria Bunä a — — Aria Renda — „Dajuer Aria Napas — „Bentuter Aria 2 R — „ Sarauer Ada 2? — „Olon witu. Von Aria Napo langit leitet Suta Ono in direkter Linie ſeine Abkunft her. Die Stämme lebten mit Aus— ‚nahme der Olon witu ſtets in guter Harmonie und auch gegen die Sultane von Martapura lehnten ſie ſich nie auf, obwohl der Drud diefer Regierung ſehr hart empfunden wurde;

ein großer Teil

des Volkes floh und

Maanjan mit dem Kebas.

vollfommene Lockenköpfe mit ausgefprochenen ſemitiſchen Häufig ſieht man ſchöne Männer und Gefichtszügen. Frauen und letztere betvegen ſich jelbft dem Fremden Nur beiden Dt Danom gegenüber frei und ungezivungen. eine annähernd freie ich fand im Oberlauf des Kapuas

Stellung gewöhnlich

der Frau. aus

Die Kleidung der Männer

beſteht

einem Lendengurt aus geklopfter Baum—

Der Diftrift Duffon Timor in Sidoft-Borneo und feine Bewohner.

448

vinde oder farbigem Baumwollenzeug, Kinret, einer ärmel— loſen Jacke aus Rinde, Keang, oder einer mit Aermel ver: febenen aus Kattun, Lamba. Das Haar wird in einem unter einem Kopftuch ver: und elt aufgewick Knoten feften oder Markttagen filberne Feſten bei ſteckt, intwelches Ringe ꝛc. eingefnüpft werden,

um

nicht ausgenommen, gefunden. Dieſe Neinlichkeit, die ſie auch an ihrem Körper beobachten, trägt ficher dazu bei, daß Hautkrankheiten bei ihnen weit feltener find, als bei

anderen Stämmen, 5. B. den Dt Danom, two ficher ?/; der

fi) dadurch die Gunſt

n Un)

einer Schönen zu erwerben. Die Waffen, ohne welche man

on

außerhalb des Dorfes antrifft, find die langichaftige Yanze, zutveilen veich verziert und ein Mandau nad) Art der Dloh ngadju oder ein Die bei der Arbeit gebrauchtes Waldmeſſer, Taroh, voter von Vorliebe mit Kopftuch das Frauen tragen Farbe fehr malerifch: es umrahmt das Geficht, läßt bei jüngeren Frauen oder Mädchen die ponnymäßig abgefehnittenen Stirnhaare noch eben hervorguden und füllt ichleierartig in den Naden, wird aber nur außerhalb Ein bis kurz über die Kniee des Haufes getragen. feinen Mann Kudjur,* eine

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veichendes, um die Hüften getvundenes Stüd Zeug, Tapis, vielfach von eigenem Gewebe und dann fehr dauerhaft

und ein um die Brüfte gefchlungenes recht buntes Stück Zeug, das über den Tapis fällt, vollendet den Anzug der Frau. Seltener fieht man Jaden nad) Art der malaiiſchen rauen gebrauchen. Entjtellt find viele Männer und Frauen durch große Kröpfe, eine Folge der Gewohnheit, Laſten an einem Stirn— band mit Beihilfe von Schulterriemen zu tragen, und da der Verkehr zu Waſſer faſt gleich Null ift und Laſttiere nicht exiſtieren, wird alles entiweder in offenen, aus Nottang geflochtenen Traggeitellen, Kebas, oder in mwafjerdichten Tragförben, Tangalopans, getragen, jowohl vom Feld

und Garten heimmwärts als auch nad) den Märkten, Pakkan. Der Handel auf diefen Pakkans ift meist Taufchhandel. Sie finden wöchentlich einmal, aber nur in den größten Tumpuks jtatt und bieten mit ihren bunten Gruppen ein farbenreiches Bild. Ein offener Plaß in der Nähe des Dorfes, von wenigen offenen Hütten umgeben, iſt der Marktplab, wohin man nicht nur zum Kauf und Verkauf geht, fondern auch des Vergnügens halber, denn faft regelmäßig finden Hahnen— kämpfe ftatt, der beliebtejte Sport der Maanjan. Früchte, Reis und verichiedene einheimifche Gemüfearten iverden

gegen Sal,

Zwirn,

Nadeln

und Kattun

eingetaufcht.

Daarzahlungen fieht man feltener. Auch malatifche Händler aus Kalua, Diſtrikt Amuntai, bejuchen diefe Märkte, die um 10 oder 11 Uhr Vormittag bereit beendet find. Die Häufer Liegen ziemlich gebrängt zu beiden Seiten des jedes Dorf in der Längsrichtung durchſchneidenden Weges, von dem fie durch zierlihe Zäune getrennt find. Sie find dauerhaft gebaut; im Zentrum findet fi ein oft mit Schnitzerei verzierter Pfeiler, von dem das Oerippe für das jteile Dach feinen Ausgang nimmt. Die unmittelbare Umgebung wird rein gehalten und unter den Häuſern herrſcht nicht jener entjeglihe Schmuß, wie ich ihn bei

allen andern Bewohnern

Südoft-Borneos,

die Malaien

Geſchnitzte Figur am Eingang in einen Tumpuf.

Bepölferung

über und über mit der von den Holländern

Ringworm genannten Hautkrankheit bedeckt find, die den Körper völlig gejchuppt erfcheinen läßt (Kihis). Grüne Seife abwechjelnd mit einer nicht zu ſtarken Karbolſäure— löfung gebraucht, tötete die die runden Gänge erzeugende

Milbe und ein mich begleitender Dt Danom war inner: halb ſechs Wochen ganz rein von Kihis, hatte aber mehrere Sieberanfälle, da er am ganzen Körper häutete. Während

| der Kur durfte er nur jeden dritten Tag baden.

Mit

Politiſch- und wirtſchaftsgeographiſche Rückblicke.

449

einigen Zentnern grüner Seife könnten die Holländer ihre Unterthanen, die Dt Danoms, von Kihis befreien, wofür dieſe Leute jehr dankbar fein würden.

auf der Weſtküſte Afrikas zwiſchen dem 8.0 und 50 1% ſ. Br. an. Landeinwärts wird die portugiefische Herrfchaft

Mitten im Dorfe erhebt ſich die Balei, eine große, offene Halle, in der die öffentlichen Verfammlungen und Fefte ſtattfinden und wo durchreifende Händler und Fremde ihren Aufenthalt nehmen. Nimmt ein Fremder von einigem Anſehen feinen erjtmaligen Aufenthalt in der Balei, jo

1) auf dem Kongo bis nad Nofi; 2) längs der Küſte jo weit, al3 die Herrfchaft der

bringt alsbald

der Pembakal, Dorfhäuptling,

oder in

feiner Abweſenheit defjen Frau, Neis, Eier und ein weißes

Huhn zum Gefchenfe und fragt dann nad dem „Woher“

zugejtanden:

dort anſäſſigen Negerfürften nah dem Snneren reicht. Portugal wird die Grenzlinie eruieren und firieren und

hierüber England Mitteilung machen, deſſen Zuftimmung zur endgültigen Feſtſetzung der Grenzen notivendig ift. Artikel 2. Diefes portugiefische Territorium wird allen Nationen zu freiem Verkehr, zur Anlegung von Fak—

führt von jedem Dorf

toreien, zur Errichtung von Miffionzftationen jeder Kon—

nad) dem Badeplatz, wo beide Gejchlechter nadt nebeneinander baden, doch mit großer Behendigfeit ihre Neize

feſſion und zur Kolonifation eröffnet, unter Gleichitellung mit den Untertbanen Bortugals.

zu verbergen wiſſen. Ihre Sprache hat ein bejonderes Wort für das Zudeden der Scham mit der flachen Hand. Un den Badeplägen, meist teichartige Erweiterungen der

der Schiffahrt auf dem Kongo.

und „Wohin.

Ein guter Weg

feinen Flüſſe, fieht man eine Anzahl vohgefchnigter Holzpuppen im Waffer jtehen, alte, zum Teil verrottete, neben neuen, noch mit Flechtwerk verzierten. Sie werben bei

gewiffen Opfern dort aufgerichtet.

Am

Dorfes fteht bei den meilten QTumpufs

Eingange

des

eine zirfa 5 m.

hohe, geihnigte Figur, mit ungemein großen Schamteilen, in einer Hand den Schild, in der anderen den Speer haltend. Sie wird am Ende des. Siwah—-Feſtes, der Nachfeier des

Artikel 3. Artifel 4.

allen Flüffen

Vollkommene

Freiheit

des Handels und

Freier Handel und freie Schiffahrt

und Gemwäfjern diefes Territoriums

allen Nationen gleichmäßig garantiert

auf

wird

und jede Art von

Monopolifierung ausgefchloffen, vorausgeſetzt, daß nicht Beichränfungen durch diefen Vertrag oder durch Spätere Vereinbarungen zwiſchen England und Bortugal auferlegt erden, %

Eine von Delegierten Englands und Portugals ge

mit vielen Bere:

miſchte Kommiſſion foll Negulative für die Schiffahrt und für die Handhabung der Bolizei auf dem Kongo verfaffen.

monien aufgerichtet und bleibt dort bis zum nächiten der: artigen Feit als Schutzgeiſt des Dorfes ftehen. (Schluß folgt.)

Der Kommiffion wird die Ueberwachung des Schiffahrt: verfehrs übertragen. Die Negulative follen Schiffahrtsgebühren nur in

Djamä-

oder Leichenverbrennungsfejtes

dem DBetrage erheben, als notivendig erfcheint, um die Ausgaben zu deden, welche die Herjtellungsarbeiten für Erleichterung des Verkehrs 2c. und die Befoldung der ge: milchten Kommiffion verurfachen. Die Kommiffion wird mit der portugiefifchen Negier-

Politiſch- und wirkſchaftsgeographiſche Rückblicke. IV.

ung vereinbaren, wo Zeuchttürme, Grenziteine und Marken zur Bezeichnung des günftigen Fahrwaſſers errichtet und

Kongovertrag zwiſchen England und Portugal,

Weſtküſte Afrikas und über die Freiheit des Handels und

erhalten werden jollen. Artikel 5. Tranfitzol für Waren, welche auf dem Wafjerwege transportiert werden, foll nicht erhoben wer—

der Schiffahrt auf dem Kongo, welche den 26. Februar 1884 zwiſchen England und Portugal abgefchloffen wurden,

den; ebenfowenig für ſolche Waren, melche zum Zwecke des Weitertransports zu Schiff an einem Yandungsplat

lauten im abgefürzten Wortlaut wie folgt:!

umgeladen werden müfjen. Die Umladung aber joll zur Verhütung von Defraudationen unter Kontrole der por—

Die

Beitimmungen

Anerkennung

der

des Staatsvertrages

portugiefiichen

Souveränität

„Die Königin von England und Portugal haben fih zur Abjchliegung

über

die

an

der

der König bon eines Vertrages

vereint zu dem Zwecke, um erſtens alle Streitigkeiten be— zuglich der Souveränität über die Diftrikte an der Münd- ' ung des Kongo, welche zwifchen dem 50 12° und 89 |. Br. liegen, endgültig beizulegen; zweitens um die vollftändige Ausrottung des Sklavenhandels zu bewirken und drittens um die Entiwidelung des Handels und der Zivilijation in

Afrika zu fördern.” Artikel 1. England erkennt Portugal als Souverän

|

I Siehe „Times“, 4. März 1884. Ausland

1884,

Nr. 23,

tugiefifhen Beamten ftehen. Die Koften der Kontrole find von den Kaufleuten oder deren Agenten zu bezahlen. Die Höhe derjelben wird von der gemifchten Kommiſſion bes jtimmt.

Artikel 6. Alle Wege und Straßen nad) dem inneren find allen Händlern, Karamwanen und Neifenden zur Des nützung freigeftellt. Artikel 7. Vollkommene Freiheit und geficherter Schub jeder hriftlichen Konfeffion zum Zwecke der Neligionsausübung und der Miffionsthätigfeit.

Artikel 8.

Nechte und Eigentum

der Eingeborenen

69

Politiſch- und wirtſchaſtsgeographiſche Rückblicke.

450

ſollen unangetaftet bleiben, infofern fie nicht mit der portu— gieſiſchen Souveränität follidieren.

Artikel 9. Der Eingangszoll in diefes portugieſiſche Territorium foll auf die Dauer von 10 Jahren nicht die

Kongogebiet ſich begnügen zu wollen und bezeichnete dieſen Tarif als „äußerſt liberal“. Die engliſchen Kaufleute waren in letzterem Punkte nicht dieſer Meinung und be

ſtimmten ihre Regierung, auf einer Ermäßigung des Zolles zu beſtehen, was

von Mozambik

Höhe des Tarifs von Mozambik überfchreiten. Englifhe Schiffe unterliegen den gleichen Gebühren, wie portugiefifche. Ebenso follen Waren, welche entiveder

indem

auch ſchließlich geſchah,

der Zoll auf alle Waren,

Schießpulver,

mit Ausnahme von

Branntwein und Tabak,

auf

100%, ihres

Bisher betrug er nämlich

Eigentum von Engländern oder auf englischen Schiffen

Mertes herabgefebt wurde ꝛc.

verfrachtet oder englifchen Ursprungs find, ganz gleich tie portugielifche jederzeit behandelt werben. Artikel 10. In allen afrikaniſchen Befigungen Por: tugals wird den Unterthanen Großbritanniens das Necht der meiftbegünftigten Nation eingeräumt. Artikel 11. Allen an der weitafrifanifchen portugieſi— hen Küfte gefcheiterten Schiffen wird vollfommener Schuß zugefichert. Artikel 12. Englifhen Kreuzern wird das Necht eins geräumt, zur Unterdrüdung des Sflavenhandels in allen

24 bis 40%. Der hohe Zoll 72%, vom Wert für Schieß— pulver und 120%, für deitillierte Getränke foll aljo nicht

tugiefiichen Territoriums, alfo noch bis oberhalb Noki, ſchiffbar ift. Portugal trat den entgegengejesten Anfichten

jenen Häfen,

der englifchen

Baien

und Flußmündungen

einzulaufen

u

alteriert werden.

Die Freiheit des Tranfitverfehrs wurde nur aufden

?

Waffer, nicht auch auf dem Lande zugejtanden, obwohl Lord Granville zu Gunften des leßteren eifrigſt agitierte,

Der hier einschlägige

Artikel 5 tft aber nur dann bon

praftiichem Wert, wenn

der Kongo bis jenfeits des por=

Handelswelt

mit faktiſchen Beweiſen

ent”

und verdächtige Schiffe anzuhalten, two fich Feine portugiefi= chen Beamten befinden. Unterzeichnet ift diefer Vertrag von Granville und Miguel Martins D’Antas. Die diplomatischen Verhandlungen, welche dem AbIhluß des Vertrages vorausgingen und in dem „Weiß: buch” enthalten find,! laffen die Bedeutung und den Sinn

gegen, der Kongo fei mit großen Schiffen bis Vivi be fahrbar und berubigte dadurch offenbar die englifche Re— gierung. Die thatfählichen Berhältniffe jcheinen aber” derart gelagert zu fein, daß man nicht bei jedem Wajjerſtand mit den gewöhnlichen großen Ozeanfahrzeugen, mit mehr als 18 Fuß Tiefgang, jelbjt nur über Porto da

einzelner wichtiger Artikel erfennen.

Lenha hinauf fahren fann, welches etwa 100 Km, näher der Mündung liegt als Nofi, daß jedoch andererfeits bez londere, für den Kongo bejtimmte Schiffe die Seefahrt

Auf eine Depefche der portugiefifchen Negierung vom 24. Januar 1876 antwortete England fofort, man möge in feiner Weife verfuchen, die beanfpruchten Territorien faktisch zu bejegen, da die englifchen Kriegsschiffe den Auf:

e Ze 2

beitehen und dann ſtromaufwärts bis Vivi gelangen fönnen. Urſprünglich wollte Bortugal von einer Firierung der

trag erhalten hätten, jeder Erweiterung des portugiefifchen Machtgebietes nördlih von Ambriz mit Waffengemwalt

Grenzen nach dem Inneren des Kontinents nichts wiſſen. „Das jei ein Ding der Unmöglichkeit, da die Grenzen je

entgegenzutreten. Im Uebrigen verfpreche England, die Anfprühe Portugals einem eingehenden Studium unter:

Sollte Portugal auf eine Ausbeutung feiner Souveränität

werfen zu wollen.

Am 8. November

1882 drängte der

portugiefiihe Gefandte in London, Serpa Pimentel, auf eine baldige Löſung der ftrittigen Fragen. Kaum fvar dies in England befannt, als die Handelsfammern Proteft und Warnung gegen die Einführung des den Verkehr lähmenden portugiefiichen Zollunweſens und gegen die

mögliche Wieperbelebung des Sflavenhandels erhoben. Eng: land wies die Abficht Portugals, nur innerhalb der nächiten drei Jahre engliihen Schiffen die Unterdrüdung des Sklavenhandels in den portugiefifchen Gewäſſern Afrikas zu gejtatten, mit Entjchiedenheit zurüd, Trotz der Er: Härung Bortugals, das ſei eine „schreiende Ungerechtigkeit”, und ein Beweis „unverdienten Mißtrauens” Fam doc) Artikel 12 in den neuen Bertrag zur Aufnahme, nur mit

jener Einjchränfung am Schluß.

Gerade diefen Artikel

empfindet die portugtefiiche Preſſe als eine ſchwer Fränfende

Demütigung. in Bezug auf die Zölle erklärte fich Portugal von Anfang an bereit, mit dem Tarif von Mozambik im 1 ©iehe „Ind&pendance belge“* vom 4. und 8. April 1884.

nad) der Thätigfeit in der Richtung

der SKolonifatoren

landeinwärts

ſich verſchieben“.

verzichten, fo füme das

einer Demütigung gleich; e8 würde dann von dem Rechte aller übrigen europäischen Mächte ausgefchloffen fein, im Inneren von Afrifa Territorien zu erwerben. Allein Schon hatte der belgische Generalfefretär des auswärtigen Amtes

°

die perfönlichen Abfichten Brazza's zur öffentlichen Kenntnis ; gebracht, daß diefer die ganze Gegend zwischen Gabun und Kongo für Frankreich zu eriverben gedenfe, und ferner darauf aufmerffam gemacht, daß die Stationen der Inter—

nationalen Geſellſchaft durch rechtsmäßige Verträge Eigen: tum

an Grund

und

Boden

weit nad) dem Inneren ges

wonnen haben. England jelbjt widerſetzte fich diefem Ans finnen Portugals auf das Heftigite. Es wollte ihm Porto da Lenha als äußerite Grenze am Kongo einräumen,

bes

gnügte ſich aber fchlieglich, den Gegenvorfchlag Portugals, d. h. die Grenze von Nofi anzunehmen. In dem ganzen Depeſchenwechſel offenbart ſich eine hervorragende Bereitivilligfeit von Seiten der engliſchen Regierung, den Wünſchen des Königs der Belgier gerecht zu werben, welcher zum Schuße der merfantilen Intereffen

i

451

Politiſch- und wirtfchaftsgeographifche Rückblicke.

der Internationalen Geſellſchaft

in London interbenierte.

Nebenbei fer hier die Bemerfung angefügt, daß das eng: fifche Entgegenfommen in diefem Punkte den Schlüffel zu der fo außerordentlihen und früher Schon auffälligen Ge— fälligfeit des Königs der Belgier in Betreff der Abberuf: ung General Gordons vom Kongo nad) Aegypten liefern dürfte. Die Aufnahme, welche der englifch-portugiefische Kongo: vertrag nach feiner Veröffentlihung in der europäifchen Preſſe gefunden, ift eine möglichit fchlechte. Frankreich, Belgien, Holland, Nordamerika, erhoben ihre Stimme da— gegen. Die öffentlihe Meinung in Portugal fühlte fich bon den Engländern übervorteilt und gedemütigt, und der englifche Kaufmannsſtand verfaßte Nefolutionen über Nefolutionen, welche das Parlament bejtimmen follten, die

Ratififation des Vertrages zu verweigern.

Die allgemein

ausgefprochene Anficht geht dahin, daß man feinen Grund einfieht, warum dem bisherigen, den Handel fürbernden

ausfpricht. Der Handel am Kongo it in den lebten zehn Sahren zu reicherer Blüte gediehen, eben weil feine portus

gefiihe Beamten dort waren.

Es find nicht die hohen

Eingangszölle, welche jeden Aufſchwung fremder Handels:

unternehmungen unterbrücen, es find vielmehr die Lokal— taren und die abjolut notivendigen Summen für Beltechungen. So zahlt man in Angola 10%, Einfommenjteuer, 10% Grundſteuer und 609, Hausiteuer! Im Diftrikt

von Mozambif müſſen die Engländer die portugiefifchen Beamten bejtechen, um mit den Eingeborenen Handel treiben zu können, und die Eingeborenen hinwider müſſen durch Trinfgelder fi) die Erlaubnis erwirken, um Produkte an

die Engländer verkaufen zu dürfen. Deutſchland mwird zur Zeit noch nicht durch) den enge liſch-portugieſiſchen Vertrag direkt geichädigt, da noch feine deutfchen Firmen Niederlafungen am Kongo haben; allein der bedeutende Export deutjcher Produkte und die lebhafte

Beteiligung der deutjchen Schiffahrt dorthin, die Mögliche

und fichernden Zuftand des freien Verkehrs im Kongo— gebiet plößlich ein Ende gemacht und alles gerade der— jenigen europäischen Macht überlaffen werben follte, welche

feit der Gründung

die Schlechteite Kolonialpolitif bis jetzt verfolgt hat und welche in ganz Afrifa für den europäischen Handel jtets

Kanonenboot „Möve” die Verhältniffe am Kongo ein: gehend refognoszieren zu laffen und jo einen feiten Stande

ein lähmender Hemmſchuh gemwefen it. Man klagt nicht fo jehr über die Höhe der Zölle, die in Zufunft in dem bisher zollfreien Gebiet erhoben mer:

punft zu gewinnen, die deutſchen Intereſſen gegenüber aus= wärtigen Mächten einfichtsvoll und Fräftigit zu wahren. Betrachtet man den Kongovertrag objektiv, ſo fällt in erſter Linie die Unzuträglichfeit und die Vagheit der Grenzen des neuen Territoriums auf. Noki, als Endpunft der portugiefifhen Herrfchaft am Kongo felbjt, bedeutet eine ganz weſentliche Beläftigung des internationalen Handelsverfehrs. Denn man benötigt eigenartig gebauter

den follen, al3 vielmehr über das vorausfichtliche Zoll: unweſen der portugiefischen Beamten. So jagt Gapper in

der „Times“, 20. März:

„Möglicheriveife werben Fünftig

alle Schiffe zuerft nach Loanda

dirigiert werden,

die Erlaubnis erhalten, in den Kongo einzulaufen.

ehe fie

Der

jelbit, mögen

deutſcher Handelsntiederlaffungen

der Neichsregierung Anlaß

haben, um jebt durch die Expedition

das

genug geboten

Nachtigal

mit dem

unbedeutendjte Srrtum in den Schiffspapieren, die geringite

Schiffe, um

Differenz bezüglich de3 Warenquantums fann zur Be— ſtrafung des Kaufmanns, zur Sonfisfation des Schiffes und jeiner Ladung führen, damit der Gouverneur, die

reichen zu fünnen; in der Negel wird deshalb ein Verladen der Fracht in Banana oder Noki notivendig fein und damit ift der Kaufmann allen möglichen Chifanen der Boll behörden ausgefeßt; der Tranfitverfehr tft fein bequem ge— ficherter, die Freiheit der Schiffahrt auf dem Kongo wird dadurch mehr oder weniger illuforifch. Noki liegt am ſüd— lichen Ufer; wo ift aber die Grenze am nördlichen? Darüber jagt der Vertrag gar nichts. Die Ausdehnung der portus giefifchen Souveränität von der Küfte landeinwärts bafiert fich auf die Ausdehnung der Herrſchaft der dort wohnen— den Häuptlinge, Dieſe aber befiten Feine feitbegrenzten Gebiete außerhalb ihrer Dorf-Reſidenz; find fie eitel, jo werden fie der europätfchen Kommiffion weite Yänderftreden als ihr Reich bezeichnen und wer diefes dann offupieren will, wird fich in eine Unzahl blutiger Fehden mit feindlich gelinnten Negerfürften verwickelt jehen, oder aud) mit den berechtigten Anfprüchen der bereits feit längerer Zeit ſeßhaften europäischen Niederlaffungen in Kollifion geraten. Freilich war England fo liebenstwürdig, die Ausführung des Artikels 1

Bollbeamten und der glüdliche Entdecker ſich fröhlich in die Beute teilen fünnen.” Jakob Bright unterwirft die

Motive des Vertrags, welche die Eingangsworte desjelben bilden, einer vernichtenden Kritik! „elle Streitigkeiten über die Souveränität am Kongo werden endgültig beigelegt.” Ganz gewiß, ruft J. Bright aus, wenn England in allem nachgibt, was Portugal jetzt beanjprucht; aber was werden die anderen Mächte dazu jagen? — Bon Bortugal, das noch gegenwärtig, nur unter einem anderen Titel, Sflavenhandel von Angola nad) St. Thomas betreibt, die volljtändige Ausrottung jeder

Art von Sklaverei zu erivarten, fei mehr als leichtgläubig. Cine noch jtärfere Uebertreibung der diplomatischen Freibeit in der Wahl des Ausdrudes findet er endlich in dem

Pafjus, welcher die Hoffnung auf die Entwidelung des Handels und auf die Förderung der Ziviltfation in Afrika gerade durch die Begründung der portugieſiſchen Herrichaft 1 „Daily News”, 18. April 1884.

über Nofi hinaus den neutralen Boden er:

ganz Portugal zu überlaffen; aber die Staaten, deren Ans gehörige in jenen Küftenftrichen ſchon feiten Fuß gefaßt, haben alle Urfache, genau den Portugiefen auf die Finger

Ueber Klaſſifikation geographiſcher Thatſachen.

452 zu fehen

und

jede Verlegung der von ihnen auf Grund

und Boden erivorbenen Rechte energifch zu verhindern. Artikel 9 und 10 ftellt die Behandlung portugiefilcher und englischer Schiffe und Waren auf gleiche Stufe; damit ift gefagt, daß England eine bevorzugte Stellung gegenüber

den anderen europäischen Nationen erhalten ſoll. Während in den englifchen und bis vor furzem auch in den franzö— fifchen Kolonien eine Benachteiligung des fremden Handels nur infofern beitand, daß fie auf Waren, welche über: fviegend aus anderen Ländern jtammten, einen höheren Zoll erhoben, al3 auf Waren, welche in der Regel aus der eigenen Heimat bezogen wurden, haben im Gegenſatz die portugiefifchen Kolonien Angola und Benguella jtet3 diejenigen Waren, welche in nichtportugiefifchen Schiffen verfrachtet waren, derart mit Differentialzöllen belajtet, Daß die Häfen diefer Länder fo gut wie ganz und gar dem deutfchen Handel verfchloffen wurden. Wird aber diejes Spitem auf die Kongomündung ausgedehnt, jo ift es augenscheinlich, daß der Handel auf dem Kongo zum Mo— nopol für England und Bortugal allein wird. Nimmt man noch die Vermutung Peſchuel-Loeſche's als wohlbegründet,

daß nur die Küftenftriche wertvolle Produfte in ausgiebiger Menge zum Austaufh gegen europäische Waren auch in Zukunft liefern werden und vergegenmwärtigt man ſich, daß

die Negerfarawanen

ihre Warenvorräte aus dem Innern

niemal3 in Vivi, fondern immer nur in der Nähe der Küſtenhandelsplätze niederlegen und nieberlegen werden, daß weder Leopoldville noch Brazzaville jemals ein Handels—

zentrum für den Binnenverfehr werben dürfte, weil bie Eingeborenen den Kongo als Wafjertransportitraße nicht benügen, ja weitab jeitwärts liegen lafjen, fo wird ſonnen— klar, daß die freie Schiffahrt und der freie Tranfitverfehr auf dem Kongo nur eine leere blendende Phrafe in dem neuen Bertrage ift und daß die Einträglichfeit des Handels

längft der ganzen Küfte vom

50 bis 120 ſ. Br. einzig

und allein den Engländern und Bortugiejen überliefert wer: den joll. Frankreich, Holland, Belgien und gewiß auch Deutfhland haben demnach die gegründetfte Urfache, mit aller Entjchiedenheit gegen den engliih=portugiefijhen Kongovertrag Front zu maden.

beſeitigt werden müſſen, wenn wiſſenſchaftlich über die fo mannigfaltigen Gegenſtände der Erdkunde gedacht werden ſoll. Erſt wenn jede beſondere Erſcheinung ihren beſtimmten Namen und in einem natürlichen Syſtem ihren Platz unter den verwandten Erſcheinungen erhalten hat, kann man von dem Aufbau einer geographiſchen Wiſſenſchaft ſprechen. Erſt die überſichtliche Ordnung, welche dadurch gewonnen wird, läßt die Ausdehnung des Stoffes und die natürlichen Beziehungen in demſelben, zugleich aber Lücken und ſonſtige

Unvollkommenheiten hervortreten. Man kann ſagen, daß erſt durch ſie eine wirklich fruchtbare Arbeit möglich ge— macht wird. Eine Wiſſenſchaft iſt ein Bau und dieſer iſt nicht möglich, wenn das Material in Form eines Schutt—

haufens daliegt.

Die Ueberſicht über das Mögliche und

das Notwendige muß unbedingt vorangehen.

nicht dagegen,

Man halte

daß ſchon längſt geographiſche Probleme

wiſſenſchaftlich behandelt worden ſeien auch ohne Dazwiſchen— kunft einer wiſſenſchaftlichen Klaſſifikation. Jeder Forſcher, der in dieſer Richtung arbeitete, hat in demjenigen Gebiete, welchem er feine Aufmerkſamkeit zuwandte, erjt durch Ber | griffsbeftimmung und Klaffififation Ordnung gemadt. Zu einer umfaffenden Klafiififation fühlte fich freilich Feiner gedrängt, denn auch ohne fie war die Löſung der Einzel: aufgaben möglich.

Hier iſt nicht der Ort, Die entdeckungfördernde Funktion einer natürlichen Anordnung

zu betonen.

Man fann die

jelbe aus den Erfahrungen anderer, aus der bejchreibenden zur vergleichenden Stufe erſt noch im Anfteigen begriffener Wiſſenſchaften, wie der Pflanzen: oder Tierfunde, zur Ge— nüge fennen lernen. Die Abtrennung einer Gruppe oder die Verfchmelzung mehrerer, früher angenommener bat oft . plößlich ein dunfles Gebiet erleuchtet, indem fie das von

Natur verwandte und darum Zufammengehörige zufammen: brachte, dadurch zum Bergleich aufforderte und ein Gefet dem Vergleichenden falt aufdrängte. Die Geſchichte der

„beichreibenden”

Naturwiſſenſchaften

läßt klaſſifikatoriſche

deuerungen unter den wirkſamſten Gehilfen der entdecken— den Forſcherthätigkeit erkennen. Die 24. Klaſſe des Linne-’

ſchen Pflanzenſyſtems war der Erkenntnis der Wahrheit ebenjo hinderlich, wie die aus ihr gebildete Juſſieu'ſche Gruppe der Afotyledonen ihr förderlich gewefen ift. Ebenfo

bezeichnen in der Zoologie die Aufftellung der Typen dur) Cuvier und C. E. v. Baer, die Abtrennung des Coelen-

Arber Alaffhfikation geographiſcher Thakſachen. Der Mangel an fcharf umgrenzten Begriffen und klaren, überjichtlichen Klaffififationen ift ein Neft der rein beichreibenden, an das Gedächtnis und höchſtens noch an die Phantafie ſich wendenden Behandlung, welche der Erdkunde früherhin zu Teil wurde. Für Zwecke der Be: Ichreibung und Schilderung find unklare Begriffe meiſtens bequemer als feſt umfchriebene. Aber diefe jelbe Unklar: heit und Unbeftimmtbeit ijt das erjte der Hindernifje, welche

teratens Typus von dem der Strahltiere durch Leufart und ühnliches geradezu Epochen in der Förderung der Wiffen-

Ihaft. Endlich den pädagogischen Wert der Ueberſicht und der Ordnung des Stoffes, ſowie der möglichſten Schärfe der Begriffe braucht man feinem hervorzuheben, der eine Idee von den Schwierigfeiten hat, welche durch die unbe: ſtimmten oder zu weiten und durch die ungeordneten Be— griffe dem Unterrichte entgegengeftellt werden. Nachdem die Öengraphie noch heute an den meisten mittleren Schulen als nebenfächlicher Gegenftand behandelt wird, zu deſſen

Unterricht man feine befondere gründliche Vorbildung nötig

J

4

Ueber Klaſſifikation geographiſcher Thatſachen.

und

am

453

Ende vielleiht

erachtet, iſt es auch nicht erſtaunlich, wenn die Lehrer ſelbſt vielfach das Bedürfnis nach einer ſchärferen Faſſung

nicht an zahllofen Stellen

und Gliederung

Waren.

der Begriffe, mit denen ſie zu hantieren

haben, nicht empfinden. Ich habe vorhin ſchon bemerkt, daß für die oberflächliche Behandlung unſerer Wiſſenſchaft die unbeſtimmten Begriffe bequemer ſind als die beſtimmten.

Ganz natürlich. Vermöge jener laſſen ſich ganze Klafjen von Erſcheinungen ſummariſch abthun, zu deren eingehender Behandlung oft die Kenntnis und öfter die Zeit mangelt. Ich erinnere an jene bequemen Begriffe oder beſſer Begriff— bündel wie Deltas, Landſeen, Thäler, Steppen, Wüſten,

Tropen, Klima, Urwald u. dgl., von denen jeder einzelne eine ganze Anzahl oft der allerverfchiedenften Erſcheinungen umjchließt,

aber natürlich

immer

um fo weniger bejagt,

bezw. Unterfchieden

ihn bezeichnet

unſchädlich zu machen. Die Betonung des

werden

follen.

Irrtümliche Vorftellungen

dDiefer oder jener hervorragenden Eigenschaft das ganze Gedanfenbild, das man mit ihnen verbindet, und dieſes wird dadurch ein gefälfchtes. Sch erinnere an die über:

triebenen Borftellungen von Meeresftrömungen, die von einem verhältnismäßig kleinen Abjchnitt des Golfſtromes hergenommen find, an die in ganz ähnlicher Weife durch

einzelne einfeitige, aber häufig nachgefprochene Schilder: ungen erzeugten Trugbilder von Wüſten oder Urwäldern, und an den bis in die denfende Vergleichung geograph— iſcher Erfcheinungen herein fich geltend machenden Mangel an Sonderung des nicht Zufammengebörigen in den Bes griffen Hochebene, Tiefland, Steppe, Menſchenraſſe u. a.

Welher Mißbrauch

gar in

der Kulturgeographie

mit

Nebelbegriffen vie Kulturvölker, Naturvölfer, Halbkultur,

Heidentum u. dgl. getrieben wird, ift jedem befannt, der je einen prüfenden Blick in die landläufigen Lehrbücher der Geographie geworfen hat. Diefe umfaffenden Bezeichnungen find ja gewiß recht nüglich auf niedrigeren Stufen des gevgraphifchen Unterrichts, wo ein tieferes Eingehen

eben nicht möglich ift. Aber auf der anderen Seite ift die Befeitigung beziv. Zerlegung derjelben die erite Vor— bedingung

einer

wiffenfchaftlichen

Unterweifung

in der

Geographie. Ich bin im Umgang mit intelligenten und eifrigen jungen Männern, welche dereinſt den geographiſchen Unterricht an mittleren Schulen beforgen follen, feinem anderen Hinderniffe der wiſſenſchaftlichen Auffaffung

geographiicher Erſcheinungen jo oft begegnet, als der durch dieſe allgemeinen Ausdrüde erzeugten Verworrenheit oder Oberflächlichkeit der Vorftellungen. In der Diskuffion gengraphiicher Fragen, welche wir in unferen Uebungs— Hunden vornahmen, war ſtets der erſte und notivendigite Alt die Klärung des Terrains durch Zerlegung bezw. Reinigung der Begriffe. Erſt nachdem dadurch eine reine und bejtimmt umjchriebene Grundlage gejchaffen tar, fonnte man dazu übergehen, Vergleichungen anzuftellen *



W

a

A

von

zu ziehen, welche

Ausnahmen durchbrochen

Man kann vielleicht fogar jagen, daß dem Stoffe feiner Wiſſenſchaft die Klaffifikation jo Not thut, wie dem der Erd— funde und zwar wegen der Bedeutung, welche die Formen, abgefehen von jedem Inhalte, in unferer Wiſſenſchaft ge: innen. Die Formen des Felten und Flüffigen auf der Erdoberfläche, mit denen diefelbe in eriter Linie e8 zu thun hat, find äußerlich bei aller innerlichen, ftofflihen Ber: Ichiedenheit vielfach jo Ähnlich, daß ein Zufammenmwerfen derjelben auf die äußerliche Aehnlichfeit hin eine bejtändig naheliegende Fehlerquelle geographifcher Betrachtungen ift. Die Klaffifikation nach tiefer liegenden Uebereinftimmungen

je weiter der Kreis der Erfcheinungen gezogen tft, die durch werden durch nichts jo ſehr befördert, wie durch jolche Miſchbegriffe; denn gewöhnlich jtempelt eine von den Er— Iheinungen, die in denjelben untergebracht find, vermöge

auch Schlüffe

ift das einzige Mittel,

um lebtere

entwidelungsgefchichtlichen

Mo—

mentesin den Klaffifikationen der Tier: und Pflanzenkundigen it feine

darwiniſtiſche Uebertreibung,

wie heftige Gegner

der Entwiedelungstheorie glauben machen wollen. Wir Geograpben haben nichts mit Darwin oder den verjciedenen Antidarwinen zu thbun und fehen ung dennoch ge— drängt, in erjter Linie nah der Entwidelung der

Eriheinungen zu fragen, welche wir klaſſifizieren wollen, mit anderen Worten das genetische oder Entwidelungs: prinzip an die Spiße zu jtellen. Ebenſo find die Forſcher auf den Gebieten der verſchiedenen naturgeschichtlichen Wijienjchaften vor Darwin und ohne ihn zu einer Zeit, wo jelbft als Kette von Hypotheſen eine mwiljenjchaftliche Schöpfungsgefchichte nicht möglich war, zur Einficht ges fommen, daß die natürlichen Verwandtichaften der Einteilung der Tiere und Pflanzen zu Grunde gelegt werden

müſſen. Ein jo entichiedener Gegner Darwins wie der ältere Agaſſiz, mit dem ich 1873 noch öfters das Glüd hatte, über dieſe Dinge zu ſprechen, war damals aus all gemein wiſſenſchaftlichen Gründen fogar für manche der Neuerungen, welche Haedel für die Klaſſifikation der or:

ganishen Wefen in feiner Oenerellen Morphologie auf: gejtellt, und zwar auf anfcheinend ganz darwiniſtiſcher Baſis aufgejtellt hatte. Das genetifche Brinzip iſt eben das einzig möglichein jeder wiſſenſchaftlichen Klaſſifikation.

Und

warum?

Weil

08 das einzige Mittel ift, um die

tiefjten und verborgenften Zuſammengehörigkeiten der Er— icheinungen zur Geltung zu bringen und weil es damit die Willfür, welche den fünftlichen Klaſſifikationen anklebt, am vollftändigften ausschließt. Es war zu Linné's Zeit weiter nichts ala Sache des Gejchmades oder höchſtens der praftifhen Erwägung, ob man die Zahl der Staubfäden und Griffel, oder der Blumenblätter, oder die Art und

Geſtalt der Früchte oder irgend ein anderes Moment zur Grundlage

der

Einteilung

des

Pflanzenreiches

machen

jolle. Wenn Linne’3 willfürliche Einteilung durchſchlug, jo war e8 nicht aus Gründen der wiſſenſchaftlichen Wahr: heit, jondern vielmehr der praftifchen Anwendbarkeit. Aber

Ueber Klaffififation geographiſcher Thatſachen,

454

auf eine fo unfichere Grundlage foll die Klaffififation des

und Bäume zu eifern, weil diefelbe eine ſehr fünftliche ſei.

wiſſenſchaftlichen Materials nie geftellt werden. Die einzige,

Uebrigens führt uns eine andere Erwägung fofort auf die

von twillfürlichen Störungen ihrer Natur nad) freie Eins teilung ift die, welche zufammenbringt, was von Natur zufammengebört, und auf der man das auseinanderhält, was feiner Natur nad) getrennt ift. Aber nur die Entwickel—

praftifche Frage zurüd.

ung gibt den Faden des natürlichen Zufammenhanges in

möge, fo bleiben doch noch drei fehr wichtige Fragen zu

die Hand. Mas auseinander hervorgegangen iſt, iſt nächſt— verwandt; der Grad der natürlichen Verwandtichaft ift der einzig untrügliche Maßſtab der Zufammengehörigkeit der Erfcheinungen, Bei der verwirrenden Mannigfaltigfeit ihrer zahllofen verjchiedenen Eigenschaften gibt es fein anderes Mittel als die Erforfhung der natürlichen Ber: wandtſchaft, um diejenigen herauszufinden, auf welche bei der Klaffififation Wert zu legen ift. Freilich bleibt neben der Forderung, daß die Glieder:

löfen: 1. Wiffen wir von Erfheinungen die gegenjeitigen fönnen, nach denen

ung des Materials

einer Wiffenfchaft

der Natur gemäß

jei, und daß zu diefem Zwecke die auf der Entwickelung bes rubenden Verwandtſchaftsbeziehungen in erjter Linie in Betracht zu ziehen feien, immer hochberechtigt die andere Forderung, daß jene Gliederung auch dem praktiſchen Zwecke entfpreche, dem fie bejtimmt ijt, nämlich eine geordnete Ueberficht des Materials der Wiſſen— Ichaft zu geben. Aber fie fteht in zweiter Reihe. Cine natürliche Klaffififation ift manchmal nicht fo bequem mie eine fünftliche, ebenfo wie ſehr oft in einer Bibliothek die Anordnung der Bücher nach dem ganz zufälligen und unbe— deutenden Merkmal ihres Formats oder ihrer Einbände aus praktischen Gründen derjenigen nach dem Inhalt vorzuziehen fein mag. Aber bei der Klaffififation des Materials einer Wiſſenſchaft fommt alles darauf an, daß jedes Ding an feinem rechten Platze ftebe, da es nur an dieſem ganz ber: ftanden werden fann. Eine jolde Klaffififation foll ein Bild des natürlichen Zufammenhanges der Erjcheinungen

geben; jeder Gegenjtand joll in ihr diejenige Stellung zu den übrigen Öegenftänden einnehmen, welche ihm nach den durch) feine Entwidelungsgejchichte und jeine Eigenschaften er: fannten, natürlichen Berwandtichaftsbeziehungen zufommt. Der Gewinn, den die Thatfache bringt, daß eine Klaſſifikation diefer Art auf dem möglichit engen Naum den möglichit

treuen, umfafjenden und eindringenden Ueberblid über die Er—

Zugegeben, daß eine natürliche Klaffififation der geo— graphifchen Thatfachen ſowohl den rein wiſſenſchaftlichen als auch den praktischen Erforderniſſen zu entjprechen ver— von jeder einzelnen Gruppe genug, um mit Sicherheit erfennen zu Beziehungen fie geordnet werden follen?

3. Wie weit foll und darf unfere Einteilung ins

Einzelne lich,

geben?

3. Sit e8 in jedem Falle mög

ein Einteilungsprinzip

zu finden,

dejjen

Wichtigfeit alle anderen daneben denkbaren Prinzipien ſoweit übertrifft, daß diefe unbeach— E tet bleiben können? Diefe Fragen find nur ganz allgemein zu be antworten, folange wir nicht in die Betrachtung der einzelnen

Doch

Erfcheinungsgruppen

läßt fih in Bezug

jelbft

eingetreten

jeßt jagen, daß auf dem heutigen Stande

ihaftlihen

Kenntnis

find.

auf die erſtere ſoviel ſchon

der geographifchen

großen Teilen jeder Klaſſifikation ein ter eigen fein muß und daß ja, wie funktion der Alaffififation gerade in it, welche fie der wiſſenſchaftlichen

unferer wifjen-

Erſcheinungen

proviſoriſcher Charak— erwähnt, eine Haupt der Hilfe zu fuchen Forfcherarbeit leiſtet.

Was aber die zweite Frage anbetrifft, fo richtet fich ihre‘ Beanttvortung naturgemäß vorwiegend nad) dem praftifchen:

Bedürfnis; denn eine Grenze für die Zerlegung der na— türlihen Gruppen geographiicher Thatfachen in immer Eleinere Untergruppen fann nur dadurch gegeben fein, daß die Summe gemeinfamer Merkmale, auf welche die letzteren begründet werden, zur fcharfen Kennzeichnung nicht mehr bins reicht. Es ift dem Ziele der Klaffifikation zumiderlaufend, folche allzu Kleine und ſchwach markierte Gruppen abzufon:

dern, denn ftatt der anzuftrebenden Klarheit fommt damit nur Verwirrung in die Vorftellungen. Man kann alfo im allgemeinen fagen, daß die Gliederung in der Klaſſi— fifation nur fo weit durchgeführt werden dürfe, al3 verz einbar ſei mit der Haven Neberficht, die der Zweck jeder

Icheinungen barbietet, überwiegt weitaus die geringere Be: quemlichfeit beim Auffuchen und Spentifizieren, welche einer nicht eben immer nur die auffallenditen und außerlihiten Merfmale in Betradt ziebenden Klaſſifikation anfleben wird. Uebrigens wird die Geo: graphie wie jede andere Wifjenfchaft ohne Verletzung ihrer Würde es geftatten können, daß für die Orientierung der Anfänger und bejonders für die niederen Stufen des Un: terrichtes Fünftliche, dem Gebächtniffe leicht einprägbare Einteilungen beibehalten werden, die ja ohnehin aus der Praxis nie zu verbannen fein werden. Es ift noch feinem botanischen Syſtematiker eingefallen, gegen den Gebrauch

Klaffififation ift. Das Zumeitgehen führt zur Spielerei.

der Einteilung des Pflanzenreiches in Kräuter, Sträucher

ähnlicher Größe beſtimmt wird.

Eine der

merkwürdigſten

Aeußerungen

des klaſſifika—

torischen Geiftes, der im vorigen Jahrhundert bis zum: Yächerlihen ging, liefert 3. ©. Wallerius’ Hydrologie

(deutſche Ueberfeßung, Berlin 1751), wo fogar die Schnees floden in 16 und die Hagelkörner in 15 verfchiedene Arten geteilt find. Schwerer

iſt die dritte Frage zu beantivorten.

In

ihr Liegen vielleicht Die größten Schwierigkeiten jeder geo— graphiſchen Klaffififation.

Es gibt zahlreiche Erfeheinungen,

deren Weſen nicht durch eine einzige, große, überiviegende Urſache, ſondern durch mehrere von gleicher oder wenigſtens

Von den Flüſſen z. B.

Proben

fann man

jagen, daß die tieferliegende,

von

aus den Ausſprüchen

der Klaſſi—

455

eines Hauffanegers.

Proben aus den Ansfprüden eines Hauſſanegers.

fifattion daher vor allem zu berüdfichtigende Eigenfchaft des größeren oder geringeren Wafjerreichtums für ihre Geſamt—

Eduard Flegel fandte uns eine Anzahl gelegentlicher

Erſcheinung oft viel weniger twichtig ift, als diejenigen

Ausſprüche feines Gicerone nad Adamaua, Madugu mai gafin-bafi dan Mohamman Fatakesn-fano.! Madugu ift ein älterer Mann von gediegenem Charakter, großem Gottvertrauen, feltener Wahrbeitslicbe, Treue und Ehrlichkeit. Seine einfache, finnige Lebensweisheit befunden nach— Itehende Süße: Hauſſa: Mutum si ne magani-n-mutum, Mutanen yenzu ba kaman mutanen nda. Deutſch: Der Menſch

Eigenfchaften, welche von dem Boden abhängen, über den

fie fließen. erregen:

Und was noc mehr geeignet ift, Zweifel zu

die einzelnen fließenden Gewäſſer find durch die

Berfchiedenbeit der Umgebungen, die in verjchiedenen Abjchnitten ihres Laufes auf fie eintvirfen, des Bodens und Klimas in erjter Linie, jo ſehr in fich jelbit verſchiedene,

d.h. aus verſchiedenen Abjchnitten zufammengefegte Er: jcheinungen, daß über eine gewiſſe ſehr enge Grenze hinaus die Einteilung nad) einem durchgehenden Prinzip nicht durchzuführen ift. Man fann, um bei unferem Beifpiel

it Medizin des Menfchen.

zu bleiben, zwar mit vollem Necht alle fliegenden Gewäſſer

in Haupt und Nebenflüffe und dieſe beiden wieder in einfache und zufammengefeßte teilen. Aber nun öffnen fich zwei Wege oder vielleicht jogar drei. Man könnte

Charakfterzüge

den

Eigenschaften,

welche die Boden-

ebenen, Gebirgsflüffe, flach: und jteilufrige) oder endlich nad) gewiſſen klimatiſchen Momenten (dauernde und

Flüſſe).

geweſen

waren,

findet

bei

base da haukali i na girman sa? Deutſch: Geduld, (Takt, VBorficht) ft die Größe des Menfchen und: Ein Menfch, der nicht Vorſicht hat, worin befteht feine Größe? Saufja: Bako si ne kaman matse; mindjinsa ya fito, ya zo gidansa, ya duba mata tsikin ta zamna kurum, da keao, zuistiansa ya so hakka; ama ya zo gida, mata babu, ya fito wanne wuri, babu keao, iua sirma-n-mata? dukadeia bako-n-sariki. Deutſch: Ein

gejtaltung ihres Gebietes ihnen aufprägt (Tiefland-, Hoch—

periodifh waſſerführende

Kinder

im Menschen. Saufja: Haukali? si ne girma-n-mutum und: Mutum

liegen jcheint und mie es bisher auch in der Regel beliebt oder nach

der

diefen heute überrafchend viel Wis, Verſtand, Altklugbeit, Eigenwille und Uebermuth und frägt fich, wohin das führen joll. Er ſtaunt über den fichtbaren Fortfchritt, den er mit erlebt hat und ahnt beivundernd die hohen Fähigkeiten

die zufammengefeßten Flüſſe, welche natürlich die weitaus überwiegende Mehrzahl aller fließenden Gewäſſer in fich faſſen, einteilen enttweder nad) der Größe (Ströme, Flüffe, Bäche ꝛc.), wie es dem praftiichen Blid am nächiten zu wurde,

Die Menfchen von heute find

nicht wie jene vergangener Zeiten. Er fügte hinzu, daß jelbjt die Kinder der Gegenwart anders ſeien als früher. Er entſann ſich, daß in feiner Kindheit Schüchternheit und Unmiffenheit vorherrſchende

Laſſen ſich aber diefe

Einteilungsprinzipien in einer Klaſſifikation mit einander vereinigen? Dieſe Frage iſt gleichbedeutend mit der, ob ſich dieſelben untereinander ſubſumieren laſſen. Man kann ſie nicht anders als mit „Nein“ beantworten. Es gibt Tiefland— flüſſe unter den größten und kleinſten, ebenſo Hochebenen- und Gebirgsflüſſe, ebenſo flach- und ſteiluferige; es gibtzeitweilig trockene Abſchnitte (Fiumaren) auch in großen Strömen (Rio Grande del Norte), wiewohl die meiſten periodiſchen

Fremder (von Bedeutung, Gaſt eines Königs) iſt wie eine Frau; wenn ihr Chemann ausgegangen ift und nad) Haufe zurüdfehrt und ſieht feine Frau in demfelben jtill

figen, das iſt ſchön, freut fein Herz, aber wenn er nad)

Flüſſe kurzen Laufes ſind u. ſ. f. Hier kann nicht von Subſumierung, ſondern nur von Koordinierung der Ein—

Haufe fommt und findet fie nicht, fie iſt irgendwo hinge—

teilungsprinzipien die Rede ſein und das Erzeugnis wird eine Gruppe von Klaſſifikationen, über welche nur eine

treue) der Frau? Ganz gleich der Gaſt eines Königs. — Er wollte jagen, daß diefer zu hoch ſtehe, um viel in der Stadt umbherzulaufen und Befuche zu machen, daß es nad dem Heremoniell, dem Anjtandsgefühl der Haufja feiner Würde befjer anftehe, daheim zu bleiben und Bejuche zu empfangen.

gangen, das ift nicht ſchön; wo ift die Größe (Pflicht:

nach den allgemeinſten Grundſätzen durchgeführte Haupt— Einteilung ſich erhebt. Dasſelbe Verfahren wird überall als notwendig erkannt werden, mo eine Anzahl gleich— wertiger Eigenfchaften an den Gegenſtänden haftet, welche der Klaffififation unterworfen werben follen. Eine weitere Frage, die noch aufgeivorfen werden fünnte,

Hauſſa: Mutum si fadda: dunia ba hankura ba! ba gaskia! wurinsa babu hankura. Mutum si fadda: dunia ba dadi ba! ba gaskia wurin zutsiansa ba dadi

die nämlich, ob niht nach dem Beifpiel der natur: gefhichtlihen Klaffiffationen den einzelnen Ka—

1D. h. wörtlich:

tegorien beftimmte Namen wie Typus, Klaffe, Drdnung u. . f. beigelegt werden jollen, halte ich auf dem gegenwärtigen Standpunkt der geographifchen Klaſſi— fifation für unweſentlich. E3 ift eine Formfrage, deren Beant-

Madugu

der Befiter der Haare

des

Mundes, Sohn des Mohamman; Kano = Kaufmann (Reijender, Händler). 2 Haukali (Vorficht, Takt) und Hauknri (Geduld, Nachficht), zwei häufig gebrauchte Worte von vieljeitiger, namentlich auch moralifcher Bedentung, die oft, wie auch hier, in dem Sinne der geiftigen Ueberlegenheit, der Seelengröße, gebraucht werden.

wortung nur von praftifchen Gefichtspunften aus Intereſſe hat. |

Die Andree-Scobel’fhe Karte von Afrika.

456

ba.

Deutih:

Sagt jemand

(wörtlih:

Menſch, welcher

fagt): die Welt hat feine Geduld, Nachficht, jo it das nicht wahr! Sm ihm (dem alfo Redenden) iſt feine Ge⸗

duld!

Sagt jemand: die Welt iſt nicht ſüß, ſo iſt das

nicht wahr! In ſeinem Herzen iſt es nicht heiter! Hauſſa: Mutum si fadda: dunia ya kare! ba gas-

kia! dunia ba kare har abbada! don abinsa ya kare ya fadda dunia ya kare! Deutfh: Sagt jemand, die Welt ift zu Ende,

fein Ende

fo ift das

nicht wahr!

Die Welt

nimmt

Weil fein Befistum zu Ende Üt,

für ewig!

jagt er, die Welt iſt zu Ende!

Sauffa: Ko mutum da zutsia keao si tasi wanne wuri, si da keao;

sidansa ya mupu,

ama

mutum

Deutſch:

da zutsia

Wenn

mupu, ko

ein Menfch

mit

einem reinen (fchönen) Herzen irgendwohin ſich, begibt, es ift Schön (er wird ſich glüclich fühlen); aber ein Menſch mit einem jchlechten Herzen, jelbit in feinem Haufe, iſt es ichlecht (er fühlt fich nicht glüdlih). Mit anderen Worten: Sn uns allein, nicht außer uns, finden wir Glüd und Friebe, Er fagte mir, erzählt Flegel, diefe Worte bei einer Gelegenheit fo pafjend und artig, daß dadurch feine Herzens— bildung in das befte Licht gejtellt wird. Sch hatte ihm nämlich in einer traulichen Blauderftunde auf fein Befragen, ob ich mich nicht nach der Heimat, meinen Freunden und meinem Haufe jehne, auseinandergefebt, daß, obwohl diefes ſchon zuweilen der Fall fei, ich dennoch auch hier in diefer fremden Welt mich glüdlich fühlte, wohin mid) ein wich— tiger Zweck, für meine Heimat und Landsleute zu Schaffen, gerufen hätte und nun mich fehon viele Sabre feithalte! Saufja: Makaho, da mangana-n-allah akoi wurin zutsiansa, ba makaho ba, ama mutum ido akoi ba se duba mangana-n-alkoran, sine makaho da gaskia. Deutih: Ein Blinder, in deſſen Herzen vom Worte Gottes vorhanden ift, iſt fein Blinder; aber ein Menſch, der gute Augen bat und fieht nicht die Sprache des Koran, das tit in Wahrheit ein Blinder. Ein anderes Mal gejtand Madugu, daß er noch jebt

Maſſe des fchulgeographiichen

Apparates,

worunter

mir

hin und wieder recht bedenklichen Fartographijchen Leiſt— ungen

begegneten.

Wir wollen hier nur auf eine fartos

graphifche Erfcheinung hinweiſen, melde fi) uns in jenen Tagen zum erftenmale im Gewande vollendeter

Fachmannfchaft vorftellte.

ES ift das die Karte von

Afrika von NR. Andree

und A. Scobel.

von

1:10,000,000,

Januar

1884.

Mapftab

Geographiſche

Anstalt von Velhagen und Klafing, Leipzig. Die

Heritellung

einer

folchen

Karte

iſt ftets ein

mutiges Unternehmen, ſowohl von Seite der Autoren als der Verleger; denn die Bewältigung eines fo erdrückenden Stoffes, der zum Teil ſozuſagen unter der Feder ſchon wieder

veraltet,

erfordert die umfafjendite

Beherrichung

der gefamten einfchlägigen Litteratur, deren hervorragende Erſcheinungen allein ſchon eine endlofe Neihe darftellen, und nur ein wiſſenſchaftlich und techniſch vollkommen ges wandter Slartograph vermag aus der Mafje das Wefent:

liche bherauszufchälen

und

in klarer, anfchaulicher Form

zur Darftellung zu bringen. Daß eine fo fomplizierte Ar:

beit einen riefigen Zeitaufwand nötig macht und die tech: ° nische Ausführung nur den bewährteften Kräften anvertraut werben fann, verurfacht andererjeit3 die bedeutenden

Koften eines derartigen Unternehmens, das eigentlich in jeiner Anlage Schon nur für einen kleinen Intereſſentenkreis

beftimmt iſt und daher von Haus aus ein jpefulatives nicht genannt werben kann.

Häuflein Auserwählter,

Darum tft es auch nur ein geringes

die uns mit ſolchen Gaben be

ſchenken und denen wir dafür doppelt dankbar fein dürfen, Wir nennen — Teilfarten vollitändig bei Seite laſſend — von ſolchen neueren Öeneralfarten im eminenten Sinne

des Wortes noch für Afrika, außer der hochverdienten, fich unmer wieder erneuernden Stieler'ſchen, Johnston’s Map of Africa, Edinburgh und Stanfords Library map of Afriea, London; für Südamerifa die treffliche Arbeit von Habenicht und Koffmann, unter Betermanns Firma in Stielers Handatlas publiziert, welcher in gedrängterer Form

gar zu gerne leſen und. jchreiben lernen möchte und tie

Kieperts Mapa general de la America meridional, Berlin, Reimer 1882 folgte. Bon Aujtralien befigen wir die

er die Freude ahnt, die den „Menſchen von Buch zu Buch, von Blatt zu Blatt” des Koran führe; aber um die Not durft des Leibes zu befriedigen, müfje er auf den Märkten jißen, handeln und wandern im fremden Yande,

trefflihe Arbeit von J. U Skene, M. A. Surveyors J General von Viktoria, Continental Australia, 1880; nur Nordamerila und Aſien, von welchen wvir allerdings vor— 4 zügliche Teilfarten bejigen, harren noch in ihrer Geſamt—

heit des fundigen Bearbeiters und opfermutigen Verlegers. Betrachten wir ung nun die einzelnen Teile der Andree-Scobel'ſchen Karte näher, jo ſehen wir, daß die Autoren überall die neuejten Reifeergebniffe und Erkundi—

Die Andree-Scobel’fhe Karte von Afrika.

gungen verwertet haben. Wir verweifen auf die neue Darjtellung des Wadi Igharghas nah den Flatters'ſchen

Es iſt nicht Zweck diefer Zeilen, die Kartenwerke der Austellung des vierten Deutfchen Geographentages einer Beſprechung zu unterziehen, weder die häufig Schon auf früheren Ausjtellungen vertretenen Meiſterwerke unferer berühmteſten Beitgenofjen, noch viel weniger die große

Expeditionen, auf das obere Wadi Draa nad) de Gaftrieg, die O. Lenz'ſche Noute nach Timbuktu und Senegal, die

Arbeiten von Gallien, Gouldsbury, Monteil

und Alla

camefja am Senegal und Niger, von Grenfell am Kamerun,

von Flegel am Benud,

Wir finden die Errungenfchaften

457

Kleinere Mitteifungen.

unferer Buchner, Pogge, Wißmann, Kaifer, von Brazza, Gapello

und

Sunfer, Emin

Ivens;

die reformierenden

Bei und Schuver,

Wilſon, Thomfon, Beardall, Selous, Phipſon-Wybrants,

Arbeiten

pon

die Aufnahmen

von

Hore, Laſt, O'Neill, Kuß, Paiva d'Andrada ꝛc. im

äquatorialen Afrika; das Reſultat der Schweinfurth'ſchen Studien über das komplizierte Wadiſyſtem der arabiſchen Müfte, in Arabien die Reiſen von Halevy bis Burton, Doughty

und

Blunt,

auf Madagaskar

die von Gibree,

Hildebrandt, Nutenberg und Mullens, ja fogar Stewarts neuejte Karte des Nyaſſa-Sees und die erft Januar 1884 publizierten Forſchungen Anderjons zwischen Kunene und Limpopo find fchon verarbeitet.

Diefe Aufzählungen ftellen nur einen Bruchteil der fonfultierten Autoritäten dar und follen nicht im entfern— tejten Anſpruch auf Vollitändigfeit machen; fie laffen aber zur Genüge erkennen, mit welcher wertvollen Arbeit mir

es zu thun haben. Wünſchenswert wäre es gemwefen, wenn Hoofer und Ball's Angaben bezüglich der Lage des 4069 m. hohen Dfehebel Miltſin in Maroffo Berüdfichtigung gefunden hätten, ebenſo fcheinen die Carte du

Sud-Oranais,

1: 400,000,

vom

Service

geographique

in Paris im Juni 1883 neu ausgegeben, und die Map of

the Egyptian

Sudan.

Compiled

Branch, War Office, London

atthe

Intelligence

1883, dem Zeichner nicht

vorgelegen zu haben. Wenn mir nun noch von technifcher Seite eine kräf— tigere Farbe für das Terrain verlangen, welche ficherlich dem Neliefbild

zu ſtatten fommen wird, fo glauben mir

das nur im Intereſſe der Karte ſelbſt zu thun, die un: jtreitig unjere heutige Kenntnis der Geſtaltung Afrikas wie feine andere verkörpert. Wer immer fich mit afrifan= üchen Studien zu befafjen, wer die Gefchichte afrikanischer Entdeckungen bis heute oder neue ifjenfchaftliche oder

politiihe Eroberungszüge zu verfolgen hat, der möge ſich getrojt der Führung diefer augenblidlich ‚beiten Karte von Afrika überlaffen und darf ficher fein, nirgends bon ihr im Stiche gelafjen zu werden, ſoweit der Maßſtab einer Hanbfarte von 1: 10,000,000 es geftattet.

Emil Mayr.

Kleinere Mitteilungen. Die internationale PBolarfonferenz in Wien, Gleichzeitig mit dem vierten Deutſchen

Geographentag

fan-

den in Wien die Beratungen der internationalen Polarkonferenz ftatt. Eine Reihe anerkannter Forſcher auf dem Gebiete der Geophyfif und arftifhen Geographie hatte fi dort zufammengefunden, um die während des Beobadhtungsjahres 1882/83 auf den Stationen in Nord und Sid gewonnenen Ergebniffe, ihre Bearbeitung und Veröffentlichung in wiffenfchaftlich fahmännijcher Weife zu beſprechen. ES war mohl eine Fülle höchft wert-

vollen Stoffes fiir Meteorologie und Erdinagnetismus, deren hier,

j

wenn auch mur tm großen Zügen, Erwähnung geſchah. Sit es aber nicht ein erfreuliches Zufammentreffen, daß, während man in Wien iiber die Sihtung und Nußbarmahung von geophhfifalijhen Beobachtungen in hohen Breiten, welche an befannten, Hiezu mehr oder minder günftig fitnierten Punkten vorgenommen wurden und naturgemäß vor allem ein lokales Gepräge tragen müſſen, eingehende Debatten pflog, die Verſammlung deutſcher Geographen auf Erweiterung des geographiichen Horizonts innerhalb der Volarfreife und befonders in der Antarktis drang? Und während fich jo das Streben der Einen nad Erweiterung im räumlichen Sinne, jenes der Anderen nad) Ausnützung der auf eine geographiſch längft feftgelegte Stelle fonzentrierten Beobachtungsthätigkeit vichtete, eröffnete fih eine Perſpektive, welche von der Zukunft für die geographiiche Kenntnis der Polarregionen die wertvolfften Aufjhlüffe erwarten läßt. Unter dem Präſidium von Direktor Wild aus Petersburg und Direktor Neumayer aus Hamburg waren die Leiter der meisten Stationen erjchienen und man erhielt über die Reſultate der deutjchen, engliihen, amerikanischen, öfter: reichiſchen, niederländifchen, dänischen, ſchwediſchen, norwegischen, franzöſiſchen und ruſſiſchen Forſchungen authentiihe Nachrichten. Dr. Gieſe charakteriſierte die Thätigkeit imKingawafjord, Dawſon jene auf Fort Rae, Ray die bei Point Barrow, Paulſen die Be— obachtuugen in Godthab, Akſel Steen ſprach iiber die Station in Boſekop, Ekholm über die im Eisfjord (Spitzbergen), Snellen über die von ihm im Kariſchen Meer gewonnenen Ergebniſſe, Wohl— gemuth über die Expedition nad) Fan Mayen; Neumayer machte iiber die deutjche Station in Südgeorgien, Lenz über die vuffischen Forſchungen auf Nowaja Semlja und an der Lenamündung Mitteil—

ung und auch die Thätigkeit der Franzofen in der Orangebai fand ihre Wirdigung. Aus dem Gang der Berhandlungen trat allenthalben die Tendenz hervor, die Ergebniffe der Beobachtungen fo einheitlich und fruchtbar als immer möglich zufammenzuftellen und zu verwerten. Nach der Anſprache von Direktor Wild, welche der Ver— dienfte des Grafen Hans Wilczek um die Arbeiten der Polarfommiffion und des jüngft verftorbenen Meteorologen Hoffmeyer aus Kopenhagen gedachte, ſowie einen Rückblick auf die feit der fetten Konferenz

in St. Petersburg

gefchehene Arbeit

warf,

ent-

ſpann fich eine ausgiebige, fruchtbare Debatte iiber die Beftimmung des Minimalumfanges, in welchen jede Erpedition ihre Beobachtungen auf eigene Koften auszuarbeiten und zu publizieren hat, und über die Feſtſetzung einer gemeinſamen Publifationsform fir diefe Summe von Beobachtungen behufs befferer Vergleichbarfeit derjelben. Die Publikationen haben außer in der Landes— ſprache noch in einer der drei Weltſprachen, deutſch, engliſch oder franzöfiih zu erfolgen. Bon hoher Bedeutung erjchien der jehr beifällig aufgenommene Bericht Neumayer's über ſynoptiſche Wetterkarten, welcher unter anderem die Mitglieder der Konferenz aufforderte, dem Neferenten ihr diesbezügliches Material zur Ver— fiigung zu ftellen. Leutnant Ray konnte darauf bereit$ mitteilen, daß für diefen Zwed das in Wafhington zufammenfließende Ma— terial zur Benützung freiſtehe. Bei den Beratungen über die erdmagnetiſchen Beobachtungen wurde einem von Prof. Lenz ein— gebrachten Antrag Folge gegeben, nad) welchem die Regierungen bezw. die Telegraphenvermwaltungen der verjchiedenen Länder auf gefordert werden follen, ihre ftatiftifchen Aufzeichnungen über die Störungen im Telegraphendienft der internationalen Polarkom— miffton zur Verfügung zu ftellen. Als Termin für die Vollendung der Arbeiten der einzelnen Stationen wurde das Ende des Jahres 1885 beftimmt und zugleich bejchloffen, in die Publifationen auch alle Borfchläge aufzunehmen, welche fih auf Erfahrungen und Berbefferungen an den Inſtrumenten, Beobahtungsmethoden und dem Ausrüftungsmaterial überhaupt beziehen. Die internationale Bolarfommiffion bleibt fonftituiert, um die vollftändige Publikation der von den einzelnen Beobadhtungsftationen gewonnenen Reſul— tate zur überwachen, — Am 21. April wurden die Mitglieder der

458

Notizen,

PBolarkonferenz in Wien zu einer außerordentlihen Berfammlung der dortigen Meteorologifhen und Geographifchen Geſellſchaft geYaden, in welcher Profeffor TH. v. Oppolzer über den Zuſam— menhang der Nefraktion mit der Temperaturverteilung in der Atmofphäre ſprach. Ueber

die

Iofale

Verfchiedenheit der Tiefjeefnuna Karaibiſchen See.!

in

der

In der Einleitung zu dem mit 28 Tafeln gezierten Werke über die Echinodermen, welche gelegentlich) der amerifanijchen Tieffeennterfuchungen im Golfe von Meriko und in der Karaibiſchen See aufgefunden wırrden, fommt Agaſſiz abermals auf die außer— ordentliche Verſchiedenheit zu fprechen, welche die Fauna der Tiefjee in nahe beieinander liegenden Yofalitäten aufweiſt. So herrſchen auf den tiefen Felsgründen au der Außenfeite des Florida-KRiffes und auf dem Pourtalés-Plateau die Korallen, Ahizofrinen ud Afteriden, während in dem Kalkſchlamm in der Mitte des Golfftromes hauptjählih Bivalven und Holothurien gefunden werden und an der Nordfüfte Kubas bei den Schleppziigen unglaubliche Maffen von Gorgonien, Salenien und Terebrateln zu Tage fommen. An der Weftfeite von Santa Kruz bejteht die Fauna de3 Pteropodenschlammes hauptfählih aus Phormojomen, Afthenojomen und Hyalonemen, während öſtlich won St. Vinzent Wälder von Pentafrinen und Gorgonien mit ihren gewöhnlichen Begleitern von Haarfternen und Ophiuren gefunden werden. Bei den Tortugas

wird

die

Tiefjeefauma

des Korallenſchlammes

haupt:

ſächlich aus einer merkwürdigen Vergeſellſchaftung von Fiſchen und Kruſtazeen gebildet, während an anderen Punkten nur einzelne Arten von Ophiuren, Echinen, Komateln, Kruſtazeen oder Gor— gonien

in Tauſenden

von

Exemplaren

gefiſcht werden.

In den

jehr monotones Anfehen gibt. Die Plätze und Gärten find mit Ungat und Abfällen aller Art bedect, ein wüſter Anblid. Die Stadt ift ftolz auf eine Art öffentlichen Garten, der mit einem Eifenftadet umgeben ift, in dem ich aber nicht viel mehr als einige afazienartige Bäume und auf den Beeten einige Stroh— blumen und hohe, ſchön blühende Oleander entveden Fonnte. Die Bewohner europäiſcher Abkunft haben alle eine auffallend gelbe, fränftiche Farbe; der Grund aber, weshalb Benguella jo ungefund, ift Schwer anzugeben. Sümpfe fehlen in der Umgebung während der Trodenzeit ganz, der Boden befteht aus Sand; vielleicht ift die große Unveinlichfeit in den Häufern und in den verwilderten

Gärten und Höfen daran mit Schuld.

Notizen. Aſien. Erforſchung der Bonininſeln. Geographiſchen Geſellſchaft Bremen wird Japan

weilende

Karakum'ſchen

auf der Yukatan—

Bank wird hauptjählid” aus Gorgonien ſowie aus Kalk- und Hornſchwämmen gebildet. Ale dieſe tiefgreifenden fauniftischen Berjehtedenheiten innerhalb naheliegender Gebiete hängen haupt: jächlie von der VBerjchiedenheit des Bodens fowie der Temperatur ab, welche innerhalb geringer Entfernungen oft auffallende Kontrafte zeigte. Th. F. Ueber Benguella, welches den Ruf hat, der Friedhof der portugiefischen Kolonien an der afrikanischen Weſtküſte zu fein, jagt Herr Dr. A. v. Dauckel— man im VI. Band, Heft 1 der „Deutſchen Geographiichen Blätter:” Die ziemlich große Stadt liegt etwas vom Strande ab, jo daß man vom Schiff aus nicht viel von ihr fieht; am Straude liegt nur ein zerfallenes Fort und natürlich das’ Zollhaus. Die Stadt, deren erfte Käufer man etwa nah 5 Minuten Gehens auf einem gut unterhaltenen, mit Sykomoren bepflanzten Wege erreicht, bat weite, baumbejchattete Straßen und große wüſte Pläße, auf denen fih des Nachts die Hyänen herumtreiben. Auch Löwen find in unmittelbarer Nähe der Stadt häufig. Die Häufer find flein und niedrig, man fieht deren in manchen Straßen nicht viele, da fie im Innern von meift wüſt daliegenden Gärten verjtecft find, die ringsum, befonders nad der Straße zu, 3 big 4 m. hohe Lehmmauern umſchließen, jo daß man häufig links und rechts nichts als folche Lehmmauern hat, was dem Ort ein ! Memoirs 1883.

of the Mus.

Comp.

Zool.

Harvard

College.

ans Kiel die Bonininſeln

Die Expedition unter Leitung von G.N. Potanin ift in Nagaſaki eingetroffen und wartet auf die Gelegenheit, um über Peking weiter in das innere China zu gehen.

fubmarinen

Florida und

Geolog Dr. Gottſche

Auf Anregung der der gegenwärtig in

erforſchen. Er wird ſich im kommenden Herbſt von Jokohama aus, begleitet von einem tüchtigen Präparator, nach Boninſima begeben und von dort aus ſeine Forſchungen anſtellen.

jüngft neue

weſtlich von

treibt einen

ziemlich bedeutenden Handel mit Kaffee, der im Innern wild wächft, Bienenwahs, Gummi, Tabak und danır befonders mit kleinen förnerfreffenden Vögeln, wie Orangebäckchen, Reispögeln u. a., die in großen Maſſen exportiert werden.

Kanälen zwiſchen den Weſtindiſchen Inſeln und längs des Laufes des Golfſtromes an der Küſte Karolinas iſt der Boden des Meeres durch die tiefgehenden Strömungen faſt von allem tieriſchen Leben reingefegt, während weiter im Norden oder an der Weſtküſte der Karaibiſchen Inſeln eine außerordentlich reiche Tiefſeefaung ge— funden wird. Das maſſenhaft entwickelte Tierleben auf dem großen Plateau

Die Stadt

Die Auffiihe Geographische Geſellſchaft erhielt von Dr. Regel Kartenaufnahmen,

Neifen in Darmas

in welchen er die Ergebniffe feiner

niedergelegt hat.

Aus der Karafumfteppe. Sandfteppen

eutdeckte

Auf Der

feiner

Reife durch die

Bergingenieur

Herr

Kamfchin in großer Maffe fegelförmiger Hügel, die aus Schwefelgefteinen mit einem Gehalt von 50 Prozent reinen Schwefels beftanden. Einige diefer Hügel waren ausgebrochen; wahrjcheinlich hatten die Nomadenvölfer denfelben ihren Bedarf an Schwefel entommen. Nach einer von Herrn Kamſchin angeftellten, annähernden Berechnung enthält ein einziger Hügel 50 %. hoch mit einer Bafis von einigen Quadratwerſt etwa 500 Millionen Pud reinen Schwefels. Die Goldausbeute aus dem Altaigebirge 1883. Die Karawanen mit der jüngſten Goldausbeute, welche im Altai gemacht wurde, brachten 6,739,325 Rbl. in die Münze nach St. Petersburg. Berichten des ruffishen Finanzminifteriums zus folge erwartet man fiir das heurige Jahr aus den Goldwäfchereien eine Ausbeute von angeblich 2550 Pud im Werte von annähernd 30 Millionen Rubel. Chinefifher Weiberhandel. Würde man aud) nicht dann und wann durch augenfällige Weife und Befenntniffe nun— mehriger Chriftinnen daran erinnert, daß die barbarifche Sitte, neugeborne Mädchen zu ermorden, unter dem im Vergleich mit anderen heidnifchen Nationen immerhin auf ziemlich hoher Kulturftufe ftehenden Chinefenvolk noch jehr im Schwange ift, jo müßte doch die anffallende Minderzahl des weiblichen Geſchlechts darauf ſchließen laſſen. Die nächfte Folge hievon ift die Stinderverlobung, wodurd dev Vater feinem Söhnlein eine Frau für fpäter fihern will, dann in zweiter Linie der Brauthandel. Wer nicht fein Weib, als ein Kindlein erworben, muß fpäter für eine erwachjene Tochter doppelt zahlen, was natürlich viele Unbemittelte in Schulden und



459

Litteratur.

wegen des hohen Zinsfußes Tſchhong-fen,

ein

an den Bettelftab bringt. So wurde

ſchon 76jähriger Mann,

in feinen alten Tagen

noch von Selbſtmordgedanken umgetrieben, da er keine Ausſicht hat, feine mehr als 100 Doll. Hohe Schuldenlaſt zu zahlen, die fih von Jahr zu Jahr durch Hinzufommen des unbezahlten Zinſes vergrößert. Und wie fam diejer Mann zu diefer Schuld ? Dadurch,

daß er feinem einzigen Sohne, der nicht wie die anderen fein Glück fuchte, ſondern des alten Vaters pflegen

im Ausland

wollte, mit der Zeit nacheinander

drei Bräute gefauft hat.

Die

erſte ftarh ſchon vor dem Eintritt in die Ehe, mußte aber nichtsdeftoweniger

bezahlt

werden.

Die

zweite

ftarb

kurz

nach der

Hochzeit und die dritte lebt nun als Witwe, da der in jehr gutem Auf geftandene Sohn, der die einzige Stütze des Alten war, im fetten Jahre jelbft geftorben ift. Jetzt ſitzt der alte Vater verfaffen da und wird dur das Drängen jeiner Gläubiger zur Ver—

(Ev. Miffionsmagazin.)

zweiflung getrieben. Die

Tempelruinen

von

Boro

Budor

auf

Java.

Unter andere übertriebene Berichte, die über die Folgen der Eruptionen in der Sundaſtraße verbreitet worden find, gehört auch die Nachricht von der gänzlichen Zerftörung der Ruinen von

Boro Budor, die, wie die einen mitteilen, vollkommen eingeftüirzt find, während andere Berichte geradezu jchreiben, daß die Kuppel durch glühende Felsftüce zerftört worden ift. Merkwürdig ift, daß

allerdings den Ruinen

feit längerer Zeit der völligen Einfturz

droht, wie fih aus einer aus Batavia ımter dem Datum des 14. Auguft mitgeteilten Notiz ergibt. Es heißt da, daß der Beamte, welcher durch die Regierung nach den Tempelruinen gejchieft worden war, um über die Möglichkeit, diejelben zu Fonjervieren, Bericht zuserftatten, zu dem Reſultat gekommen jei, es werde dur zweckmäßige Maßregel möglich fein, den völligen Ver— fall noch

längere

Zeit aufzuhalten,

obwohl

feiner Anficht

nach)

mit Rücficht auf die in Indien verfügbaren, weniger vollfommenen Hilfsmittel an eine gründliche Neftaurierung nicht zu denfen iſt. Bon einer etwaigen weiteren Zerftörung der Ruinen durch die Kataftrophe vom 26. Anguft tft in den von Java eingelaufenen Berichten ebenjowenig die Rede, als von Erſchütternngen in Mitteljava, die den Einfturz hätten veranlafjen können. Japans Handel iu 1882, Der „Japan Herald“ verÖffentlicht Auszüge aus dem. erften Bericht über den japanischen Handel, welchen die Zollbehörde für 1882 erſtattet hat. Es geht daraus hervor, daß die Ausfuhren 37,235,775 Doll. (30,326,607 in 1881), die Einfuhren 29,168,040 Doll. (31,032,742 in 1881) erreichten. Der Gejamt-Handel hat alfo gegen das Vorjahr um mehr als 5 Millionen Doll. zugenommen und übertrifft das Mittel der 15 Jahre 1867/81 um mehr als 19 Millionen. Die Ber: mehrung der Ausfuhr entfällt faſt durchaus auf Rohjeide, deren Menge und Wert jeit fünf Jahren fich verdoppelt hat, in geringerem Maße auf Thee. Die Berminderung der Einfuhr zeigt fih am Hinz ftärfften in Wollen-, Halbwollen- und Baummollenwaren. in Häfen offenen die fih folgen Handelsbewegung der fihtlih folgender Ordnung: Kanagama, Hiogo-Oſaka, Nagafaki, Halodate. Die Zah! der Enropäer und Nordamerifaner in Sapan betrug 1883 2351 (gegen 2553 in 1882), der Chineſen 3545 (gegen 3553 in 1882).

keiten und Gefahren den Mount Cook zu erſteigen. Derſelbe liegt in 430 36° |. Br. unnd 1700 126. v. Gr. im Weſten der Provinz Kanterbury auf der Sidinjel von Neu-Seeland. Herr Green und feine Begleiter überjchritten den Tasman-Öfletjcher von Anfang bis zu Ende, gelangten um den Hochſtetter-Gletſcher herum auf das Große Plateau und erreichten iiber den LindaGletſcher hinweg den Gipfel von Mount Cook in der Höhe von 12,349 e. F. oder 3764 m, nad) barometrifcher Mefjung. Herr Green erzählt diefe feine Bergreife in ſchlichter, aber feffelnder Weiſe. Der 28. Teil der Zeitſchrift der „Batavia'ſchen Genootſchap“ enthält einen Beitrag unſeres geehrten Mitarbeiters Herrn Dr. Hagen zu Tandjong Morawa (Deli, Sumatra) unter dem Titel: „Beiträge zur Kenntnis der Battareligion“, der durch eine Neihe von Abbildungen erläutert wird. Auf denfelben find dargeftellt: Der Sarg eines Nadjah, ein Totenhäuschen, ! ein ausgehöhlter Stein, Wohnung der Drang Bunian und Kuman, und eine Neihe von Pangulu balang. Die Abhandlung gehört zum Beften, was über malatijches Religionsweſen gejchrieben tft. Vie Herr N. Suadeij in der Tijdschrift voor Indische Taal-Land en Volkenkunde mitteilt, ſoll nicht nur in Palem— bang jondern auch in Kurintji und Indrapura eine Yitteratır in Rentjongſchrift und reich an reinen Sansfritworten beftehen. Es heißt, daß Sultan Selim, der Neffe des Regenten von Indrapura und dur Heirat mit dem Negenten von Padang verwandt,

The High Alps of New Zealand by W. S. Green, M. A., London: Macmillan and Co., Melbourne: $. Mullen, Dem Rev. W. ©, Green gelang es unter dem Beiftande von zwei Schweizern als Führern im Jahre 1882, unter großen Schwierig—

gibt, um einige Bücher

in diefer Schrift zu

Landesfunde von Oberöſterreich. Gefchichtlich-geographiſches Handbuch für Lejer aller Stände von Ludwig Edlbacher, f. k. Profeffor am Staatsgymnafium in Linz. Zweite, vermehrte

und

verbefferte

Auflage.

Wien.

1883.

Verlag

von

Karl Graefer. 6285 ©. Vorzügliches Negifter, An einen den größeren Raum des Werkes einnehmenden Entwurf der oberöfterreichiichen Landesgeſchichte reiht ſich eine geographijch-ftatiftijche Ueberficht iiber das Gebiet ob der Enns an. Obwohl wir zus geftehen, daß die vielfachen Wechjelbeziehungen zwiſchen Land und Volk nicht immer die Betonung fanden, welche ihnen in einer Landeskunde zufommen follte, begrüßen wir doch dieſes Handbuch als eine gewifjenhafte und umfafjende Arbeit, das Ergebnis jorgfältiger, eindringlicher Studien. Bor allem aber erfreuten ung nicht ſowohl die Abhandlungen über die Kultur, ſowie die gefamten inneren Berhältniffe genannten Gebietes, al3 auch die Furzen Bilder über deffen Neliefbeichaffenheit und Bewäſſerung. Nicht weniger wertvoll ericheinen die biographifchen Aphorismen über die der Kunftgefhichte und den Annalen der Wiffenjchaft angehörigen Männer Oberöſterreichs. Oeſterreichs Auftreten auf dem auſtraliſchen WeltEine handelsgeographiſche Studie von Prof. Dr. Karl markt. Separat-Abvrud aus dem Sahresbericht der Wiener Zehden. Handels-Afodemie pro 1882, Wien 1882. Ju Kommiffion bei Alfred Hölder. 50 ©. Nach einer zwar im großen Zügen gehaltenen, trotzdem aber mit wertvollen, aus jorgfältigen Studien hervorgegangenen Details ausgeſtatteten handelsgeographiſchen Skizze über Land und Leute des 5. Erdteils wird ſpeziell die Be— deutung

litteratur.

fih Mühe

jammeln und in das Malaiiſche zu überjegen.

Auſtraliens

für

den

auswärtigen

Handel

Oeſterreichs

unter Zugrundelegung der auf den Ausſtellungen zu Melbourne und Sydney gewonnenen Reſultate in eindringlichſter Weiſe klar— gelegt. Dem öſterreichiſchen Handelsſtande wird hier eine Fülle bisher wenig beachteter Erfahrungen und Ratſchläge in dieſer

Richtung geboten.

Ferner wird nicht unterlaſſen, auf alle Mängel

hinzuweiſen, welche die Entwickelung der öſterreichiſchen überſeeiſchen Handelsverhältniſſe bisher ſchädigten oder doch mindeſtens zurück—

1 Tijdschrift, XXVIII, ©. 498 bis 546,

460

Litteratur.

F

Dem Andenken des Dichters gewidmet. J

I

hielten. Wir wünſchen den richtigen und tiefgehenden Blicken des Autors die ihnen gebührende allfeitige Wirdigung und hoffen insbefondere, daß er feinen jo wahren Sat nicht erfolglos ges ſchrieben: Das wahre Blühen und Gedeihen unferes Handels ift nicht von einer Treibhauskultur der Regierung zu erwarten, ſon— dern muß einzig und allein von einem intelligenten, vorurteils— lofen, im großen Stile denfenden und arbeitenden Kaufmanns— jtand getragen werden. Das alte und neue Kronftadt von George Michael Gottlieb v. Hermann. Ein Beitrag zur Geſchichte Siebenbürgens im 18. Zahrhundert. Bearbeitet von Oskar v. Meltzl. Erſter Band: Von dem Uebergang Siebenbürgens an das Haus Habsburg bis zum Tode Maria Thereſia's. Herausgegeben vom Ausschuß des Vereins für fiebenbürgifche Landesfunde. Vor mehr als SO Fahren ſchrieb der gelehrte Kronftädter Stadthann G. M. vd. Hermann fein dreibändiges Gefchichtswerf „Das alte und neue Kronſtadt“, deſſen Beröffentlihung die damaligen Zenfurverhältniffe verhinderten. Seine Arbeit hat eine iiber eine bloße Lokal— gejchichte weit Hinausreichende Bedeutung, da er die Gejchichte Kronftadts überall in den Rahmen der allgemeinen Gejchichte des Landes und insbefondere der ſächſiſchen Nation einfigt. Doc jelbft da, wo der Berfaffer rein lokale Angelegenheiten behandelt, ift feine Darftellung von Intereſſe; denn die von ihm gejchilverten Zuftände der Stadt Kronftadt fünnen Häufig als typifch für jene der übrigen ſächſiſchen Städte betrachtet werden. Dieje allgemeine Bedeutung des Hermann’schen Werfes beftimmte den riührigen Ausſchuß des Vereins für fiebenbürgische Yandesfunde zur Ver: öffentlihung des 2, uud 3. Bandes, welcher die Fahre 1688 big 1780 umfaßt. Die fritiihen Bemerkungen und anderweitigen oft umfangreihen Zugaben, welche der Bearbeiter in zahlreichen Noten mit Benützung der feit Hermann und namentlich in neuerer Zeit erjchienenen, jene Periode beleuchtenden Quellen und Hilfsmittel dem urſprünglichen Tert hinzugefügt hat, find wohl geeignet, den Stoff nad) dem Stand der gegenwärtigen Forſchung den Leſern nahezulegen. Der Materialismus im Kampfe mit dem Spiritnalismus und Jdealismus. Gemeinfaßlich dargeftellt von Dr. Mori Berger. Trieft. Julius Dafe. 1883. 346 ©. Dr. Berger faßt Die Anjchauungen und Grundjäte zufammen, von welchen jih die Gegner des Materialismus leiten laffen, um ibn zu be— fämpfen. Im erjten Abjchnitte werden die Grundlagen unterfucht, worauf fich diejenigen ftüten, welche ſich vom religiöfen Standpunkte aus gegen den Materialismus erflären, der ausschließlich die dem Stoffe innemwohnenden Kräfte und inhärenten Qualitäten zur Erklärung alles Seins und Gefchehens in der phyſiſchen und moralischen Welt fiir zureichend erflärt. Im anderen Teil begibt fich der Autor ins Lager jener Bhilofophen, welche den Materialismus

nicht als naturwiſſenſchaftliche, gejchweige naturphilofophifche Weltanſchauung gelten lafjfen, um mit ihnen zu vechten. Die Tendenz dieſes

Buches

iſt wohl

fiert,

welcher

die

am

beften

durch

gefamte Darftellung

den

Satz

fchließt: Der

charafteri: Stoff allein

ift es, der ewig waltet in der Natur und der als geiftige Macht bewußt in dir erwacht.

Gedichte von

Emanuel

Geibel.

100. Auflage. Jubiläums-Ausgabe in Groß-Oktav. M. 7. — Die Ausſtattung iſt eine hochelegante: zweifarbiger Druck auf ſchwerſtem Papier, das Porträt des Dichters in Lichtdruck, der Einband mit Goldſchnitt nach einer Zeichnung des Profeſſors Fr. Wanderer in Nürnberg. Dieſe Ausgabe war beſtimmt, am erſten Ofterfeiertage dem Dichter durch Enkelhand überreicht zu werden, welche Abſicht aber der jühe Tod desſelben vereitelte: num möge fie jeinem Gedächtnig gewidmet fein! Das deutjche Volk aber empfängt in diefer jchönen Ausgabe, die Würde mit Einfadj-

heit vereint, ein Vermächtniß feines Lieblingsdichters, wie es finniger nicht gedacht werden kann. Stuttgart,

April 1884.

J. 6. Cotta'ſche Buchhandlung.

Die „Allgemeine Zeitung“ (mit wiſſenſchaftlicher Beilage und Handelszeitung)



früher in Augsburg erihienen —

it in Deutſchland und Dejterreih

durch

die Poftanftalten

jährlih (6 M. für die 2 letzten Monate, des

fiir 9 Mark viertel-

3 M. für den letzten Monat

Quartals) zu beziehen. Preis bei directer Verſendung unter Streifband monatlich 4 Mark (M. 5. 60 für die anderen Länder des MWeltpoftvereing).

Quartalpreis bei wörhentl.Derfendung im Weltpoſtverein 4.12. Probenmmmern

Leitartikel,

nebſt neueſtem Quartal-Regiſter gratis.

wiſſenſchaftliche und handelspolitiſche ſätze ꝛe. 2c. in Nr. 147 bis 152.

Auf—

Ungarijchscroatifche Streitfragen. — Das Recht auf Arbeit. (VI. Schlußartifel.) — Zur Wahlcampagne in Ungarn. — Minifterium, Parlament, Staatsrath. (1.- Il) — Zur Lage in Wien. Quer durch Chriſe. (1.) — Zur neueren Novelliftif. Bon M. Necker. — Die Laofoon-Gruppe und der Giganten Fries. Von U. Boettiher. — Das Streber- und Gründerthum in der Literatur. Bon K. Fiſcher. (1.—XI.) — Ueber ein Märchen; auch über den hijtoriichen Noman. Von %. Dahn. — Goethe's Fauſt in neuer franzöfischer Ueberjfegung. Bon 9. Welti. — Aus einer Vorlejung Wilhelm Grimms. — Mufitaliihe Tageskritit, Bon Dr. P. Marſop. — Margherita Spoletina, der weibliche Leander von Xopud. Von F. dv. Krones. — Wiener Briefe. (UCLXXVI) — Ländernamen. Von R. Kleinpaul. (1) — Zum zweihundertjährigen Jubiläum Ludwig v. Holbergs. Bon A. Lindner. — Ins

Morgenland.

Bon

L. Steub.

(1V.)

Die ruſſiſchen Staatsijhulden, deren Entjtehung und Tilgung. (Schluf.) — Zum Stempeljteuerentwurf. — Geſchäftsberichte zc. zc.: Allgemeine Unfall-Verficherungsbanf in Leipzig. — Donau-Dampfſchifffahrt-Geſellſchaft. — Bayerische Smmobilien-Gejellihaft. — Lebensverjiherungsbant für Deutjchland in Gotha. Lebens- und Penſions-Verſicherungsgeſellſchaft Janus in Hamburg. — Die u urbeande in Oeſterreich — Zum New-Norker Krach. — Londoner eldmarkt.

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Grpedition in Münden.

Im Verlag der J. G. Cotta'ſchen Buchhandlung in Stutt: gart erjchien vor kurzem: Hellwald, Lriedr, v. Im ewigen Eis. Gejchichte der von den älteften Zeiten bis auf die Gegenwart.

Mit zahlreichen Flluftrationen und Karten.

In unſerem Verlage erſchienen ſo eben:

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leg. geb. M. 24.

sm Derlag der 3. ©. Eotfa’fhen Buhhandlung in Stuttgart ift erfchienen und durch alle Buchhandlungen zu beziehen: Binger, Carl v., Srenz- und Querzüge durd Italien im Sommer 1876. VIu. 314 S. 1290, M.4-—

Drud und Berlag der J. ©. Eottafihen Buchhandlung in Minden

und Stuttgart.



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Das Juslaud. Wochenſchrift für Zander: und Völkerkunde, unter Mitwirkung von Profeſſor Dr. Friedrich Ratzel und anderen Fachmännern herausgegeben von der

J. ©. Cotta'ſchen Buchhandlung in Stuttgart und Münden. Siebenundfünfzigſter Jahrgang.

1884.

München, 16. Juni.

Ax. 24.

Jährlich 52 Nummern à 20 Seiten in Quart. Preis pro Quartal M. 7. — Zu beziehen durch alle Buchhandlungen des In- und Auslandes und die Poſt— Ämter. — Rezenjiong-Gremplare von Werfen der einjchlägigen Litteratur find direlt an Herrn Profeſſor Dr. Friedrich) Nabel in Minden, Akademieſtraße Nr. 5, zu jenden. — Snferationspreis 20 Bf. für die gejpaltene Zeile in Petit.

Inhalt: 1. Bei den Barolong. Bon Dr. Wilhelm Joeſt. ©. 461. — 2. Die Aftronomie der Naturvölfer, Bon ©. Miller »Fraueyftein. (Fortſetzung. ©. 465. — 3. Der Diſtrikt Duffon Timor in Sidoft-Borneo und feine Bewohner, Schluß.) Don F. Grabowsfy in Barabei (Borneo). it Abbildinigen. S. 469. — 4. Zur Diskuffion über Schliemanns Troja, ©. 475. — 5. Nachtrag zur Abhandlung „Weftafrifanische Laterite.“ Bon Dr. Pechuel-Loeſche. S. 477. — 6. Oporto und die Douro— mindung. Nah F. ©. Miüller-Beed. ©. 478. — 7. Kleinere Mitteilungen: ©. 479. Die Neife von Profeffor Julius Enting nad) Zentralarabien. Die neueften Ausgrabungen auf der Pfahlbaute Nobenhaufen. Bon H. Meſſikommer in Wezifon. Ethnographijches Mufeum in Kiel. — 8. Notizen: ©. 480. Auftralien, — 9. Litteratur: ©. 480.

| bares Scherflein zur vergleichenden Völkerkunde beitragen

Hei den Barolong. Wenngleich

die vom

Oranje-Freiſtaat

zu umfchloffenen

Betſchuanenſtämme ebenſo wie die nach dem letzten Kriege

können.

Die Barolong ſind Betſchuanen; ihre Sprache gehört,

| ebenſo wie das Senguaketſe, Sekoena, Sehurutſi, Segkatla,

| Setlaping,

zur

Setſchuana-

reſp. nach

der

von

den

dem Verbande der Kapfolonte einverleibten und von diefer

Miſſionaren eingeführten Orthographie zur Sefvana-Gruppe.

am 1. Sanuar d3. %8. wieder der Kaiferlichen englischen Regierung übergebenen Bafuto feit vielen Jahren in Ber rührung mit Afrikandern und Europäern find, wenn auch) Mifftionare der verichiedenften chriftlichen Konfeffionen Schon

|, Das Serolong beſitzt feine Schnalzlaute ;im Geſpräch wendet | man nur zumeilen als Interjektion der Ueberraſchung oder des Erſtaunens einen leifen Kli an, denfelben, | mit dem man bei uns Pferde u. dgl. anzufeuern fucht.

lange unter diefen Eingeborenen oder Einwanderern

leben,

Der Sit der Barolong war urſprünglich bei Maritfane,

deren Sprachen und Sitten ftudiert und ihre Erfahrungen | weſtlich von der heutigen Transvaal-Nepublif, ungefähr darüber veröffentlicht haben: fo erlaube ich mir doc fol- | unter dem 26.0 ſ. Br. und dem 25.0 26° ö. v. Gr. Bon gende Notizen an diefer Stelle mitzuteilen, weil ich e3 für die Pflicht eines Neifenden halte, feine Beobachtungen dem

dort wurden fie durch Moſelikatze vertrieben; fie zogen unter ihrem jüngjt verjtorbenen Häuptling Morofa, To

wiſſenſchaftlichen Publikum zugänglich zu machen, felbit auf die Gefahr hin, daß er, der nicht immer in der Lage üt, auf feinen Wanderungen aus Zeitfehriften oder Bibliv-

| fchreibt fein Sohn den Namen, der indes meiſt wie Maroko ausgefprochen wird, ſüdöſtlich und ließen ſich endlich nad) langen Kämpfen mit den Bafuto im Jahre 1832 in Mo—

graphien fich zu vergewiljern,

ob nicht andere

vor ihm

Ihon dasſelbe Volk oder denfelben Stamm zum Gegenſtand einer Abhandlung genommen

haben, vielleicht fhon

ſcheſch's Territorium

nahe der nordwejtlichen Grenze des

heutigen Bafutolandes bei Thaba N'chu nieder. Ste nannten den alle feine Nachbarn

überragenden

Berg Thaba, an

längft Befanntes von neuem bringt oder fchon Gefagtes wiederholt. Wenn ich mich in der vorliegenden Skizze diefer Gefahr ausfeße, fo thue ich e8 in der Hoffnung, unter manch'

deſſen Fuße fie ihre Hütten erbauten, den ſchwarzen, N’chu, weil derfelbe, der heute nadt und kahl wie alle Berge und Hügel des Freiftaates, durch Negen und Wetter vor unfern

Befanntem und Wertlofem vielleicht doch irgend ein brauche

Augen verwittert

Ausland

1884, Nr. 24.

und

zerfällt, noch vor

fünfzig Jahren 70

Bei den Barolong.

462 mit dichtem Wald

bededt

war.

Der Namen

Barolong,

„Söhne von Morolong”, wird von einem alten Häuptling abgeleitet. Mährend des Krieges der Oranje-Freiſtaat-Bauern mit den Bafuto im Jahre 1865 bis 1868 fochten die Baro— long auf Seiten der Bauern gegen ihre alten Feinde, und zur Belohnung dafür blieb Morofa nad Befiegung der

Bafuto jelbftändiger Herr feines Ländchens, das von dem übrigen, bis zum Kaledon vom Freiſtaat anneltierten Terrain wie eine Inſel umfchloffen wird. Der alte Mo— roka ftarb vor einigen Jahren und hinterließ 2 Söhne, Samuel und Sepinare, welche beide die Herrichaft bean— foruchten. Nach einigen Kämpfen, in welchen Samuel mit feinen Anhängern gefchlagen wurde, wandten fich beide an den Präfidenten des Oranje-Freiſtaates, Sir John Brand, und baten um feine Entjcheidung, welche dann — es waren dabei die verichiedenften Intriguen im Spiele — zu Öunften Sepinares ausfiel. Samuel befindet ſich momentan in London, um den Schuß der großen Mutter Biltoria anzurufen. Er iſt wahrscheinlich durch Geburt und die vornehme Jamilie, welcher feine Mutter angehörte, der Berechtigtere, Sepinare dagegen, der zu Morofa’3 Leb— zeiten deffen Premier: und Kriegsminiſter reip. Faktotum war, der aber geboren fein foll, bevor Moroka feine Mutter heira— tete, jedenfalls der Stärkere und Schlauere. Die Barolong zählen heute ungefähr 9000 Köpfe, und es iſt ein völliges Aufgehen ihres Yandes in den Freiftaat nur noch eine Frage der Jeiten, jo Außerte ſich mir gegen über wenigſtens Bräfivent Brand. Ich war von den Diamantenfelvern nach Bloemfontein gefahren und unterbrach die Weiterreife von dort nad Bafutoland für furze Zeit in Thaba Wchu, nachdem ich in W. Hohn Cameron, dem beiten Kenner der Barolong und ihrer Sprache, den freundlichiten Führer und Lehrer gefunden hatte. Cameron tft im Lande geboren und fpricht

Serolong nicht nur fo gut, fondern beſſer wie die Schwarzen, wie ich ihn denn oft diefe forrigieren hörte. Thaba N'chu bejtehbt aus zirka 300 Hütten und zählt heute vielleicht 1000 Einwohner. Die landesüblihen Hütten find aus unzähligen Beſchreibungen befannt; ic) war aber erftaunt über die Äußere und innere Sauberfeit derjelben, zumal hier in dem Lande, deſſen Herren, die Boern, fich vielleicht durch alle möglichen guten und ſchönen Eigenschaften, jeden— falls aber nicht durch Neinlichkeit auszeichnen. Die Wände find aus mit Erde befleiveten Steinen errichtet, der Boden it feitgeltampft und zum Schuße gegen Ungeziefer mit Schaf vder Kuhmiſt glatt gejtrihen. Das mit befonderer Sorgfalt gearbeitete Strohdach wird von einem ſtarken Pfosten (jerol. „Wolf”) meift aus wilden Dlivenholz getragen, die von ihm ausgehenden Dachſparren aus langen Aeſten ruhen wiederum auf der Mauer und bilden, über diefe

hinausragend,

mit dem Dach), welches fie tragen, eine

rings um die Hütte laufende Veranda, welche außerdem noch durch Pfoſten (ſerol. „Beine”) gejtüßt wird. Die meiften

Hütten, die ich befuchte, hatten 8 Schritt im Durchmeffer und tar die exakt runde Form berfelben überrafchenn, weil diefelben ausichließlih

den.

aus freier Hand erbaut wer—

Die fernere Einrichtung der Hütten, ihre Gruppier—

ung, Umwallung u. . iv. fann ich als befannt übergeben. Die Gattinnen Sepinares jchliefen auf prächtigen, weichen Bellen, an denen Afrika ja unerſchöpflich it. Sind die Bewohner einer Hütte abweſend, jo wird von innen vor die niedere, ovale Thüre, ſowie vor den

zu diefer führenden Eingang der äußeren Umzäunung ein Geflecht aus Zweigen und Binfen gejchoben und niemand würde wagen, die Hütte zu betreten. Der Hausherr empfängt den Befucher vor der Wohnung und läßt ihm den Bor: tritt. Beim Verlaſſen der Hütte ift es unpaffend, mit dem Rücken zuerft durch die niedere Thür zu friechen, wie mir Europäer unwillkürlich thun, weil der Hausherr ein Zeichen

des Mißtrauens

darın erblidt, daß man ihn anjcheinend

im Auge zu behalten judht. Der Chief Sepinare (Sepi, d. i. Eifen, nare, Büffel, in der Zufammenfeßung „Hammer”) wohnt nicht in folcher Hütte, wenigſtens nicht offiziell, wenn er auch die Nächte



bei einer feiner Gattinnen im Kraal zubringt, ſondern hat ein Eleines, vecht freundliches Haus

erbaut.

in europäiſchem Stil

Wie alle modernen Kaffernbäuptlinge iſt Sepi—

nare, ein Mann

Berquidung von

von 40 bis 45 Jahren,

eine wunderbare

afrikanischer Barbarei und europäischen

Naffinement. Leßteren Punkt wollen wir indes aus verſchiedenen Gründen unberüdfichtigt laffen. Er ift oberiter Regenmacher und abjoluter Herr über Leben und Tod

E

a

feiner Unterthanen, kann aber nicht über deren Land, den Grund und Boden felbit, verfügen. Soll über wichtige Fragen entjchieden werden, jo beraumt der Chief eine Generalverfammlung an und läßt die Fleinen Häuptlinge und Aelteſten ihre Anficht in längeren Reden auseinanderjegen Er jelbjt ſpricht zuletzt und entjcheidet, ohne daß er ſich dabei irgendivte an die vor ihm geäußerten Meinungen

zu fehren braucht.

Beim Schluß der Sitzung oder über:

haupt am Ende jeder Nede des Häuptlings rufen die An-

wejenden Pula! Regen! dies höchite aller Güter für den Südafrikaner.

Sepinare iſt kein Chriſt, geht aber doch zuweilen in die Kirche; ebenſo hat erden Handel mit und den Konſum von Spirituoſen bei 1000 Mk. Strafe verboten, iſt dabei aber ſelbſt großer Freund von deutſchem Bier und kon— ſumiert es am liebſten kiſtenweiſe. Der erſte Morolong,

den ich in Thaba N'chu ſah, war ein Bruder Sr. Majeſtät, George

Morofa,

der fo ftark geladen hatte, daß er ſich

nicht auf den Beinen halten fonnte, Sepinare in Kafferfoftüm, d. h.in Dede und Sus— penforium, muß einen imponierenden Eindruck machen. Ueber 6 Fuß groß, mit folofjalem Bruſtkaſten und äußert mustulöfen Gliedern, ohne gerade fett zu fein, ift er der

Typus eines männlichen Kriegers, wie denn feine perfünliche Tapferkeit auch über jeden Zweifel erhaben ift. Sein

en e —.

463

Bei den Barolong.

Geficht erhält duch eine Scharf hervortretende Nafe einen energifchen Ausdrud. Leider empfing er mich in europät-

ſcher Tracht: Plüſchhoſen,

einem

Hemd und noch jchmußigerer,

fchmußigen,

wollenen

vobjeivener Jade,

während

ein Kleiner, ſchlapper, englischer Neifehut fein Haupt Frönte, welches auch im Zimmer zu entblößen er anfcheinend unter jeiner Würde hielt. Er beantwortete mit viel Geduld und Freundlichkeit all die Fragen, ex ſtets betonte, daß viele der von Jahr zu Jahr mehr in meinem erſten Beſuch ließ er

Photographie in Uniform,

die ich an ihn ftellte, wobei alten Gebräuche feines Volkes Bergefjenheit gerieten. Nach mir, ſehr erfreut über meine

die ich ihm überreicht hatte,

einen auffallend Schönen Mantel aus Gefchenf in meine Wohnung fenden.

Hartebeeitfell

als

Aus den von mir während unferer Unterhaltungen niedergefchriebenen Notizen mitzuteilen:

Fühlt eine Miorolong

erlaube ich mir das Folgende

ihre Entbindung

herannaben,

jo zieht ſie fich in ihre Hütte zurück, melche von dem Gatten dann für die nächjten drei Monate nicht mehr be> treten werden darf. Die Frau gebiert knieend, unter Aſſi—

jtenz älterer Freundinnen.

Nabelſchnur und Nachgeburt

werden vergraben und der Boden der Hütte wird die mit Schafdünger bejtrichen. Als Zeichen, daß ein Kind geboren

üt, wird ein Karoß über die Thür der Hütte gehängt. Die Mutter gibt dem Kind den erjten Namen ohne irgendwelche Feierlichkeiten.

Später

erhält es dann,

im Falle es ein

Knabe ift, oft noch vier andere Namen und zwar den zweiten, wenn derjelbe mannbar, den dritten, wenn er Vater wird, den vierten, wenn er fich taufen lafjen follte und als fünjter wird er auch noch durch einen Bei: oder Spitnamen be—

zeichnet. Daß hierzu noch die Namen der Stämme, Sibofo, Häuptlinge u. |. w. fommen, ijt befannt, ebenfo die Zufällig-

feiten, welche beim Namengeben maßgebend find. Ein mir befannter Morolong, Abraham, hieß „ver Geftochene”, weil feine Mutter, al3 fie mit ihm jchwanger ging, mit Nadeln gefoltert worden war. Mathe-a-Tau, „Speichel vom Löwen”, hieß ein anderer, weil feine Mutter einjt von einem Löwen arg verlegt worden war. Moroka iſt zu: ſammengezogen aus more, „Medizin“, va „dieſes“ und

ofa, „herbeiführen“; alfo „Medizin, die herbeiführt” und ‚zwar „Regen herbeiführt“. Die Geburt von Zwillingen ſieht man als unglücklich an und ohne der Mutter die Schuld zu geben, tötete man früher beide Würmer Wird ein Albino geboren, jo be—

trachtet man das ebenfalls als ein Unglüd, ohne indes dem Sind ein Leid anzuthun. Das Kind wird von der Mutter nackt auf dem Nüden getragen und durch den Karoß feitgehalten. Auch tragen die kaum größeren Ges

Aſſegaiſchaft,

ſo lange er weich iſt.“

Züchtigen Eltern

ihre ungezogenen Kinder nicht, ſo ſagen die anderen von ihnen: „Die haben keine Kinder, ſondern ſind nur Väter und Mütter.“ Sm Alter von 46185 Jahren bindet man den Knaben einen ſchmalen Riemen mit daranhängenden, Eleinen Lappen von Springbodfell um die Hüften, während die Mädchen äußerſt gefchmadvoll gearbeitete Gürtel aus Leder mit Perlſchmuck tragen. Sobald beide Gejchlechter mannbar find, werden fie 2 bi8 3 Monate lang unter jtrengfter Klaufur über die Arbeiten und Bilichten, denen Ste fich im fpäteren Leben unter: werfen müjjen, mie über die Nechte und Freuden, die fie dann genießen werden, unterrichtet. Die Mädchen in den Pflichten der Hausfrau und Mutter, die Jungen in Jagd, Behandlung des Viehs, Taktik und Strategif, wobei fie id) den ſchlimmſten Anjtrengungen und Entbehrungen ausfeben müffen und häufig gezüchtigt werden. Dann werden die Sünglinge mit einem Aſſegai, früher gefchab dies mit einem Feuerſtein, bejchnitten. Die Vorhaut wird begraben. Sie tragen von nun an die Schurzfälle der Männer aus Bläsbocfell, welche fie zwischen den Beinen und hinten wieder

durch den Gürtel hindurchzieben. Sobald die Menftruation bei den Mädchen vorbei it, werden fte fäuberlich gewaschen, ihr Kopf wird bis auf eine kleine Stelle auf dem Scheitel, alfo negative Tonfur, vafiert und ſtatt des PBerlgürtels erhalten fie ein jehr vudimentäres, ebenjoldhes Schürzchen; dann find ſie heirats— fähig. Ein Ausjchlagen oder Feilen von Zähnen findet niemals jtatt.

Die Tracht beider Gefchlechter iſt einfach genug.

Bei

den Männern Karoß, die Wolle reſp. Haare nad) innen ges tragen, oder wollene Dede, togaartig umgefchlungen, jo

daß eine Schulter mit dem Arme nadt bleibt.

Die Dede

wird daber durch eine fupferne Fibula feitgehalten.

den Frauen

ein Karoß

Dei

um die Hüften und die Toga.

Nur vornehme Frauen hüllen fih im Sommer in den Khama, einen fein gegerbten und mit bunten Felljtüdchen befegten Mantel aus Hartebeefthaut. Der Schweif des

Tieres fteht dann hinten am Naden

in die Höhe.

Als

Schmud tragen beide Gejchlechter Perlenſchnüre, kupferne Ringe, Bracelets u. |. w., vie und mo fich diefelben immer nur befetigen laffen; je mehr, deſto beſſer. Aeußerſt beliebt ift ferner das Einreiben mit Oder; zuweilen tjt der ganze Körper rot, zuweilen, zumal bei Mädchen, nur die Nafe und das furzgehaltene Haar, das außerdem dick mit Fett

eingefcehmiert wird. Diefen Filz garniert man dann mit Reihen von Berlichnüren.

ſchwiſter gerne das Eleine Geſchöpf, das ſich dann krampf— haft mit den Beinchen um deren Hüften anklammert, auf

Hat eine in folcher Weife geſchmückte Schöne das Herz eines reichen Polygamiſten gewonnen und hat derjelbe bes Schloffen, das Mädchen zur Gattin zu erheben, jo kann er

dem Rücken.

es für eine Anzahl Ochfen von dem Vater erjtehen.

Die Kinder werden ſtrenge erzogen und geprügelt, ſo oft ſie esverdienen.

Ein Sprichwort ſagt:

„Strecke den

vornehmer die Braut oder je reicher dev Liebhaber,

teurer ift das Vergnügen.

Je deito

Ein Mädchen wird jelten unter



464

Bei den Barolong.

fünf Stück Vieh abgegeben, und der höchſte Preis, den mir Cameron nannte, waren deren achtundvierzig. Iſt man Handels einig geworden, ſo ſorgt der Bräutigam für eine neue Hütte, die beiderſeitigen Schwiegereltern geben ein Feſt, je nach ihren Mitteln. Der Vater der Braut bringt dem Gatten feine Tochter in die Hütte. Zuweilen fommt e8 vor, daß die junge Frau dem alten Seren durch: aus nicht zugethan ift und ihn troß Kaufpreis und Feſt— effen ihre Nägel und Zähne in energiſchſter Weiſe often läßt. Der Morolong legt hohen Wert auf die Jungfrau: Ichaft; ſieht er fich betrogen, jo fann er die Frau zurück— fenden und fein Vieh zurüdverlangen, ebenso im Fall die Frau unfruchtbar it. DVerführer müſſen logiſcher Weife dem Vater Entihädigung zahlen. Gefchechtlicher Verkehr mit Europäern wurde früher mit dem Tode beitraft. Wie mir Sepinare fagte und M. Cameron dolmetjchte wohnte früher das junge Paar fo lange bei den Eltern der Frau, bis das erite Kind geboren war, welches dann als Erſatz für die Mutter bei dem Vater derfelben verblieb. Stirbt ein Mitglied der Familie, jo wird der Leichnam jobald er eben Falt geworden in hockender Stellung zu: jammengebunden und dann fofort in dem PViehfraal. ver: ſcharrt. Man treibt Ochſen über die Stelle, um deren Spur zu verwiſchen, damit niemand fi einen Teil des Körpers aneigne und mit ihm Zauberei treibe. Aus dem— jelben Grunde vergräbt man abgefchnittene Nägel und Haare. Die Todesnachricht wird dann in den Hütten herums gefagt und zum Zeichen der Trauer rafieren die Anver: wandten den Kopf, früher nur die Borderfeite desfelben, mit einem fcharfen Eifen und mit Hilfe von warmem Waffer. Stirbt der Familienvater, fo erbt der ältefte Sohn alles Vieh; er muß aber für den Unterhalt der Familie forgen und jeßt jedem feiner Brüder eine Anzahl Stüd Vieh aus, die dementiprechend im Ohr markiert werden. Die Teilung der Arbeit gefchieht fo, daß die Männer

Krieg führen, jagen und ſich ausfchlieglih mit dem Vieh beihäftigen, auch präparieren fie die Häute zu Karoſſen u. ſ. w. Die Frauen dagegen bauen die Hütten, beitellen das Feld, jtampfen Mais und Kafferforn, kochen u. f. iv. Der Krieg beiteht aus gegenfeitigem Viehftehlen, ges

legentlich fommt es dabei zum Gefecht, wie momentan im Bafutoland.

Als Waffen gebrauchen

die Barolong

ihre

langen Aſſegais, Wurffpeere, und Knob-kirris, Keulen oder Streitärte, nie Bogen und Pfeil; allgemein find heute Hinterlader, welche fih die Leute durch ein paar Sahre Arbeit in den Diamantfeldern verdienen fünnen. Die Wurfſpeere werben mit dem Schild aus Ochfenhaut pariert,

d. h. bei Seite geſchlagen, nicht aufgefangen. Mit dem Aſſegai werden auch die vom Chief zum Tode Verurteil— ten hingerichtet. Allzeit bereite Exekutoren ſind die näheren Angehörigen des Erſteren. Vieh, Weib u. ſ. w. des Opfers fallen natürlich dem Häuptling anheim. Im Kriege wurden

früher Weiber mit krummen Nadeln zu Tode geſtochen; noch jetzt wird der

gefallene Feind ſtets verſtümmelt,

hauptſächlich durch Bauchaufſchlitzen. werden nicht abgefchnitten, dagegen

Die Geſchlechtsteile | reißen die Krieger

häufig Teile des Leichnams des Erfchlagenen ab, verbrennen diefelben mit gewiffen Kräutern und reiben fich die Aiche als Medizin oder mutmachendes Mittel in Schnitte ein, die fie fich auf Arm oder Oberkörper beibringen. Benimmt fih einer feig im Kriege, jo befommt er fpäter, bei der Verteilung des eroberten Viehs, feinen Anteil,

Aeußerſt handwerk.

gefchieft find die Barolong

im Schmiede

Sie gewinnen das Metall aus dem Erz, fchmieden

ſich felbit ihre Afjegais und Haden und verjtehen zumal ſehr geſchmackvolle Zierrate aus Eiſen- und Kupferdraht herzuſtellen. Ebenſo geſchickt ſind die Frauen in der An— fertigung von Töpfen (ohne Drehſcheibe), ſowie im Flechten großer, flacher Körbe und der von beiden Geſchlechtern

getragene, kegelförmige Strohhüte. Mit den meisten Familien leben Nachkommen früherer

Sklaven, die aber faum noch als Sklaven bezeichnet wer— den können. Sie beivachen meift das Vieh im Felde und ihr Name

Bakhalahari,

„die von

Weiten”,

verrät

ihre

Herkunft. Sepinare fagte mir einmal auf meine Frage, ob ex feinerlei Tradition über die früheren Kämpfe feines Bolfes fenne: „Sch weiß nur, daß unfere Feinde ſtets von Norden Famen.”

Wie alle Schwarzen lieben die Barolong leidenjchaft: lich Muſik und Tanz, ergeben fich diefem Vergnügen aber aus Furcht vor den Miffionaren refp. deren Anhängern nur, wenn ſie ganz unter fi) find. Andere Genüffe, denen fie huldigen, find Darrha- und Tabafrauchen, Schnupfen und Biertrinfen. Darıha rauchen

fie in befannter Manier aus Erdlöchern oder durch ein mit Waſſer gefülltes Kuduhorn; nad) 2 bis 3 Zügen wird ein Raucher vollfommen unzurechnungsfähig. Den Schnupftabak veiben fie fich mit der Handwurzel in die Nafe, nad

dem ſie diejelbe vorher mit dem Löffel ausgefragt. Von Kafferbier bereitet man zwei Sorten, eine mildere, Zeting, und eine jtärfere, Boyaloa, beide aus Kafferforn.

fich ein Mann,

fo freuen fich die anderen,

Betrinkt

betrinkt ſich

dagegen eine Frau, jo befommt fie Hiebe.

Die gewöhnliche Nahrung ift faure Mildy und Grüße aus Kafferforn, von der es 3 Arten giebt, je nachdem fie mit Waſſer, Milch oder Honig zubereitet ift. Spt. Jemand übermäßig viel, jo jagt man von ihm, der frißt jo gern wie ein Hund,

Wenn auch von einer Neligion bei Kaffern kaum die Rede fein kann, fo glaubten die Barolong doch, und zivar

vor Ankunft von Miffionaren, an einen Gott oder ein höchſtes Weſen Murimo (x, l, d beinahe gleichlautend), „Einer oben”, Diefem Murimo opfern fie allerdings nie, wenden ſich aber an ihn, wenn fie Regen herbeiwünſchen, und der Hauptvermittler

zwischen ihnen und dem Regen:

macher da oben ift eben der Häuptling. Sepinare hütet ſich allerdings fehr, zu behaupten, daß er im ftande fei, Regen herbeizuzaubern, er glaubt aber, ebenfo etiva wie

Die Aftronomie der Naturvölfer.

der Fatholische Leiter einer Regenprozeſſion

in der Nhein-

provinz, daß jein Gebet zur Herbeiführung des erfehnten Greignifjes

ganz

bejonders

wirkſam, ſei.

und Mond oder über andere die Barolong

Ueber

Sonne

der Erfehütterung der Erde nicht weiter auf eine Unter' welt, fie jagen! nur ganz naiv, ihre Mutter Erde tanze! Aber über die nordamerifanifchen Urbetvohner, insbefondere

Naturerfcheinungen machen

die Irokeſen, berichten alte und neue Neifende, Lafitau wie

ji) gar feine Gedanken, glauben aber an

Loskiel, Catlin wie Heckewelder, Schooleraft und Charle:

Zauberei reſp. Hexerei. Das unglüdliche Opfer wird in befannter Weife von den Zauberdoftoren Ditaola, lit. Entſcheidern, ausgerochen und muß jterben oder fich [osfaufen. Junge Leute werden gegen Bezahlung von Vieh von den

Ditaola als Adepten angenommen und in ihr zwar lohnendes, zumeilen

465

aber auch gefährliches Geſchäft eingeweiht.

Man prophezeit, findet verlorenes Vieh wieder u. |. w. mit— telit der Dollos (Würfel). Krankheiten werden ebenfalls ausgerochen und dem Patienten dabei Käfer, Eleine Schlangen u. ſ. w. aus dem Körper gezaubert, ein Gefchäft, das indeß

meijt von alten Bufcpmännern betrieben wird.

Werrüdte

werden gut behandelt; man läßt fie ungeftört, doch find ihre Verwandten für etwaiges Unheil, das fie anrichten,

verantwortlich. Zu dem Zwecke, um an irgend etwas erinnert zu werden, macht der Barolong mit Kohle u. ſ. w. ein + an die Wand, auf den Boden oder dergleichen, ebenjo tie wir

einen Knoten ins Tafchentuch, auch bringt er je ein -über, ſowie zu beiden Seiten der Thüre als Schußmittel gegen Zauberei an. Die Zeichen der Bejahung und Berneinung mit dem Kopf waren, fo lange man fich erinnern fonnte, diejelben

wie die der Weißen; um: Ich weiß nicht! auszudrüden, erheben fie die Arme und bewegen fie feitlich auseinander

mit leichter Neigung des Kopfes. Geraten zwei in Streit, jo wünſchen fie fich gegen: jeitig Blisjchläge auf die Schädel oder jeder Spricht in veriverfenden Ausdrüden von des andern Mutter.

Im allgemeinen find die Leute gutmütig; der gewöhn— lihe Gruß, den fie fich zurufen, it Tumelal, englich acquiesce, worauf &! ja, es ijt! geantwortet wird. Statt unferes Händefchüttelns jtreden fie fich den rechten Arm entgegen, indem fie denjelben mit der eigenen Linken am

Handgelenk leicht umfafjen oder berühren.

Den Kuß fennt

man nicht.

King Williams Town.

W. Joeſt.

voix, übereinftimmend,

daß ihre Auffaffung die Erde als eine große Inſel in der See auf den Nüden einer unge: heuren Schildkröte verlegt. Senkt dieſe fich, jo erfolgen Ueberſchwemmungen, fchüttelt fie fich oder verändert fie ibre Lage, fo gibt es Erdbeben. Die Schildfröte wurde deshalb von ihnen als Sinnbild und als Mutter der Erde ine merkwürdige Uebereinftimmung damit betrachtet. zeigen die Erzählungen der altindifchen Brahmanen wie Buddhiſten, deren geographiſches Wiffen im übrigen hier nicht entwickelt werden fol. Sie glauben, die Erde trage ein auf einer Schildfröte jtehender Elefant, aus dem im Laufe der Zeit die immer phantaftifcher ausmalende Sage mehrere machte, auf feinem Rüden; vege ex fich, jo ſpure die auf ihm ruhende Erde ein Beben. Auch die ganz unziviliſierten Duphlas in Nordoftindien, Aſſam, laffen die der Korn nach vieredige Erde an den vier Eden von vier Elefanten tragen, und wenn einer derfelben ermüdet

oder feinen Rücken fragt, ein Erdbeben eintreten. Während die eben angedeutete Oleichartigfeit von altindifchen und nordamerifanifcheindianischen Anschauungen zu auffällig tft, als daß fie auf einen Zufall zurüdgeführt erden fönnte, während fie aber andererfeits fo rätjelhafte Perſpektiven eröffnet, daß fie bis jet noch nicht mit an— nähernder Sicherheit hat erklärt werden können, finden jich bei den nun zu befprechenden Deutungen fiderifcher Vorgänge eine Menge frappant ähnlicher Fälle, die man leichter aus einem vielen Menſchen gemeinfamen,

halbpoetischen Triebe zum Ausfchmüden abzuleiten vermag. Auf diefem Felde überwuchern Märchen und Wahnvorſtellungen, wunderliche Phantasmagorien in dem Maße, daß nur der Zufall einmal eine Art von Zufammenhang zwiſchen den Erflärungen des geregelten Verſtandes, alfo den Ergebniffen der Wiljenfchaft, einer- und dieſen Unge— heuerlichfeiten andererjeitS herborzubringen vermag. So wenn die Auftralneger und Tasmanier zu dem Gedanken ſich emporgeſchwungen haben, die Erde fei vom Simmel berabgemworfen worden, eine Idee, die recht nahe an unfere

gangbarite Erklärung von der Geburt

Die Aftronomie der Uaturvölker. Bon Georg

Müller-Frauenſtein.

der Sonnenfinder,

der Planeten, jtreift. Die meilten aftronomischen Verſuche aber unjerer malaiiſchen, afrifanischen oder amerikanischen Brüder find

von einer wahrhaft findlichen Naivität, von einer geradezu (Fortſetzung.) Wir kehren nunmehr zu unſerem Hauptthema zurück! Die ausgedehnten vulfanifchen Erdbebengebiete der alten Welt haben uns durch die Fülle der hier aufgeftellten Deutungen allmählich von der Hauptfrage: „Wie wird die Erde im Weltall gehalten”? abgelenkt. Die neue Welt foll uns dazu zurüdführen. Die alten Kariben zwar fchließen aus

%

Ausland

1884

Nr. 24.

rührenden Unbefangenheit des Urteils, welche das Geringite mit dem ©ewaltigjten als gleichartig zufammen= oder ſelbſt gleichitellt; nicht wenige find hochpoetiſch, viele aber gehören zu den fünftlich ausgejonnenen, vom Aberglauben 1 Mar Prinz

zu Wied,

Neife

nah

Brafilien.

Frankfurt,

1820, II. 58 ff. 1

466

Die Aftronomie der Naturvölfer.

immer veiter ausgelponnenen Prieftermythen, wie fie vor Taufenden von Jahren ebenfo mie beute in der alten und

neuen Welt Schwache Gemüter erregt haben. Wie harmlos erfcheint auf der einen Seite der Ölaube des Hottentottenftammes der Namaqua, bei denen Die Sonne

als

klarer

Sped gilt, den die Leute, welche auf

Schiffen fahren (alfo die Europäer), abends durch Zauber: fraft an fich ziehen und, nachdem fie ein Stüd abgeſchnitten, Der wenn die jvieder durch einen Tritt fortftoßen!

PVolynefier dem Gott Maui

ein Geil in die Hand geben,

an welchem er die Sonne hält und die Verlangjamung ihres Laufes verurfacht! Bei dem Einfangen durch Maut wurde freilich das Geſtirn verwundet und der Hälfte des Lichtes beraubt, jo daß feitdem die Tage länger und fühler geworden find und die Menjchen in Nube arbeiten fünnen, Hehnlih halten in der japanischen Sage die 800,000 Götter die Sonne an einem Gtride feit, weil fie immer wieder in eine Höhle flüchten will, aus der jene fie mit Aufregender ift eine andere Lift hervorgezogen haben. Erzählung der Gefellfchaftsinfulaner, daß nämlich am Abende, wenn fie die Sonne im Meere verfchtwinden jehen, das heiße Geſtirn mit fürchterlihem Gezische in die Wogen eintauche und auslöfche, fo daß man das ©etöfe auf den tveitlichiten Snfeln bistveilen höre. Wem fällt daber nicht die Verwandtſchaft mit des Poſeidonios Angabe bei Strabo, II, 1 auf: Viele erzählten, an den Hüften des Ozeans ſei die Sonne größer und gebe mit Geräufch unter, wie wenn das Meer zifchte, das Geſtirn löſche jich aber bei dem Unterfinfen in die Tiefe ab! Mit diefen letzteren leicht verjtändlichen, man fann jagen, nabeliegenden Aus: malungen harmoniert gar nicht Schlecht eine von Bod mit: geteilte Dajak-Mythe, Die ſogar einen gewiffen Anklang an die Spektralanalyfe aufweiſt. Nach ihr find Sonne und

Mond aus einer gewiſſen Thonart vom Allmächtigen ge fertigt worden,

die ſich auch auf der Erde findet, aber

ſehr jelten und foftbar tt, jo daß die daraus fabrizierten Urnen, die fogenannten Gudji blanga, ſehr teuer find, aber auch Heilkraft befisen und gegen böfe Geiſter fchüßen. Zweifellos bat das Verſchwinden des Sonnenförpers und der in der Phantaſie des Zufchauers fich abipielende Amalgamterungsprozeß zwischen demfelben und den von ibm berührten Erdenden nicht nur die Küſten-, fondern auch die Gebirgsvölfer beſchäftigt. Man wird demnach auch mehr oder minder poetischen Anſchauungen über das Auftreffen der feurigen Kugel auf den Bergen des Horizontes und ihr Fchliegliches Verſinken zwischen denfelben nachſpuren fünnen. So lafjen z. B. die Karenen in Burma, die Algontins und die Aztefen in Amerika die Sonne zwilchen zwei maffige Felsſchichten bineinfteigen. Den Uebergang zu den zahllofen Mythen, welche das Tagesgejtirn als lebendes Weſen behandeln, bildet der Glaube der Navajos, die Sonne werde jeden Morgen von einem Weibe neu an den Himmel gejeßt. Cine fehr große

Menge fagenbafter Erzäblungen gibt es zunächſt, in welchen

die Sonne

perſönlich, wenn

auch nicht immer

als ein

göttliches Wefen gedacht, und ihr Untergehen als das Verfchlungenwerden durch ein Ungeheuer aufgefaßt wird. Man hat damit eine ganze Neihe märchenhafter Berichte in Verbindung gejegt, in denen ein Held oder eine Jung: frau von einem Ungetüme bedroht oder ſelbſt verſchlungen und Später wieder entlaffen oder ausgejpieen wurden, fo die biblifchen Erzählungen von Jonas. und dem Walfiſch,

die griechifche von Perfeus und Andromeda, Herafles und Hefione, die altnordiihe von Eiref und dem Draden, jelbft die deutsche von Notkäppchen

den fteben kleinen Gaislein. von Grey (Polyneſ. Mythol.

Eine

und dem Wolfe oder

einzige, biel zitierte

54 bis 58) zuerſt ausführ—

licher mitgeteilte Cage ſoll an diefer Stelle erwähnt werden, weil fie einige fleine Züge mitverivebt, welche die Verbindung

des Mythus mit der Sonne

und ihrem Heros deutlicher

verraten: Der Tod des Gottes Maut dur feine Ahnin Hinesnuistespo, d. h.Große Frau Naht. Maui wollte in

die fchlafende Alte hineinkriechen und die Bögel begleiteten ihn eines Abends zu der legteren Wohnung. Che er aber hineinjtieg, befahl er den Vögeln nicht zu laden, wenn fie ihn in der feſt Schlummernden Alten verfchwinden ſähen. Um jo berzlicher könnten fie es thun, wenn er aus dem Munde wieder zum Borfchein fomme Als er aber bis zum Numpfe hinein war, konnte der fleine Tiwakawaka—

vogel fein Gelächter nicht länger zurüdbalten, die Ahnfrau erwachte, klemmte den Enkel feit zufammen und fo ftarb Maut. Nach Tylor, I, 331, iſt es nun feftgeftellt, daß der Name des voreiligen Lachers den Nuf eines Vogels ichildert, der fih nur bei Sonnenuntergang bören läßt. Sonſt itimmt gerade das Verhalten der Vögel in diejem Moptbus trefflich zu der Wirklichkeit, fie werden till, wenn die Sonne in die Nacht eindringt und jubilieren laut auf, wenn fie wieder hervorkommt. Wir können nicht weiter auf das fo nahe liegende (Gebiet der vergleichenden Mythologie eingeben, die ſabä— üchen Bhilofopheme in Mien und der Kultus von Sonne, Mond und Sternbildern, der beide Hälften Amerikas gleicheriweife beberrjcht, würden uns von der Hauptjache zu weit abführen, find auch oft genug behandelt. Es ift aber vielleicht am Plate, auf die viel allgemeinere Ver:

breitung dieſes Götterdienjtes binzumeifen, in dem konti— nentalen tie injularen Auſtralien gerade jo wie im Norden Aliens und in Bentralafrifa. Meinide erwähnt 3. B., daß auf der Inſel Malikolo der Neuen Hebriden ein einziges Wort (Marin) Sonne und Gott bedeutet; auch die ausgeftorbenen Bewohner der Inſel Santa Nofa

unter den Nevillagigedos ſüdlich von der Halbinfel Kalifornten beteten nach Powers die Sonne an und in Afrika finden jich nicht nur im Weiten fondern auch im Oſten vielfache Spuren von Sonnen: und Mondfultus, Eigen: tümlih iſt das Vorwiegen des legteren. Schon Bruce hatte erzählt, daß die beidnifch-nubifchen Soldaten in

Senaar den Mond anbeteten und zwar mit großem Eifer,

J J

467

Die Aſtronomie dev Natuvvölfer,

während fie der Sonne gar feine Achtung bezeugten, Heute thun dies nach Hartmann

Fazogl und Nüppell

|

noch die Berta im Süden von

fand bei den Nubah

in Kordofan

ebenjo den Glauben an nur ein höheres Wefen, das man im Monde perfonifizierte. Auch der hohe Norden endlich hält

jeine Verehrung gegen die Geſtirne nicht zurüd. Paſſarge findet in der Anbetung der Sonne, des Mondes

Sterne die uralte lappifche Religion.

und der

Diejes Volk stellt

noch jeßt die Sonne, oft in Form eines Ninges, nod) häufiger in Form eines auf eine Spibe geftellten Quadrates von deſſen Eden die drei Sonnenstrahlen ausgehen, in der Mitte feiner Gobdas, d. i. Jaubertrommeln, dar und namentlich die Abbildungen auf den legteren deuten darauf bin, daß der Mond» und Sterndienft bei ihnen einft eine große Rolle fpielte. Noch jebt aber opfern die Scha—

manen der Mongolen der Sonne, indem fie Milch in die Luft werfen

und

Samojeden

wie Tungufen beteten oder

beten fie an. Bei den lettgenannten tragen nach Hiekifch die Schamanenfleider Fleine Blechfcheiben, auf denen die Sonne als ein längliches Menfchengeficht,

der Mond

als

halber Zirkel, die Sterne als Ninge dargeftellt find. Die Anfhauungen über die beiden Hauptgeftirne zeigen eine neue Seite der menschlichen Einbildungskraft, wenn wir der eben berührten Frage näher treten, in welcher Form, d. h. in welcher nicht adttlichen Geſtalt jte vor= oder felbit dargejtellt werden. Da müfjen

Amerikas

alte Kulturvölfer

mit

ihrem

durchgeführten

Bilder- und Tempeldienft das dankbarſte Objekt bilden. Das einfadhite war jedenfalls außer den eben erwähnten lappifchen und tungufischen Darjtellungen die filberne

Scheibe als Geficht der peruaniichen Mondmutter Mama: Quilla im Gegenfaß zur goldenen der Sonne, oder die Darftellung

der Sonne

als einer mit Strahlen

auf den Tempeln

bejeßten Scheibe.!

Himmel hinaufgeftiegen

in Balenque

Der Mond

Meib verehrt, Europäer und Kariben

Kreife mit Gefichtern eingekratzt.“ Vielfach werden Ab— bildungen aus toltefifcher Zeit erwähnt, wo die vier großen mertfanischen Götter der Himmelsrichtungen auf ihren

als weiblich, der Mond als männlich betrachtet, doch führt der polymefifche Name

Himmels“ vechtfertigend, und wo die beiden nächjthohen Götter Sonne und Mond unter den Symbolen von Tiger 1 Wie fie z. B. neuerdings Schul -Sellad, Ethnologie 1879, 209 bis 229 auführt.

Zeitſchrift für

des Mondes

Hine

auf die Frau.

Die rohen Mintiras auf der malaiischen Halbinſel halten

den mit Augen bededten Himmel

„Stüben des

vereinigen fich in

diefer bald bilvlichen, bald ernſt gemeinten Bezeichnung, in Peru war die Mondmutter zugleich Schweſter und Gattin der Sonne, wie in Aegypten Oſiris und Iſis, doch tft nicht im entfernteften allgemeine Gleichheit in Betreff des Geschlechts, das dem einen und dem andern beigelegt wird, vorhanden, gerade fo wenig, mie die europätfchen Sprachen darin übereinftimmen. In littauifchen Volksliedern heiratet . B. der Mond die Sonne und der Morgenjtern ift die Tochter der Sonne. Auch bei den Maori wird die Sonne

in Zentralamerifa, mit den enttäufchten Worten: „Hier fanden wir an einer Felswand die Sonne, den Mond und die Sterne ſymboliſch in das Geftein in Form runder (!)

und Armen

tt der jüngere

der weiblich gedachten Sonne. In Kumana tote an vielen Orten der Erde wurden fie als Mann und

bejchreibt fie in feinem wenig erquidlicden Buche: Neifen

tragen, auf diefe Weife ihren Beinamen

feien, der Mond

Bruder

ericheint da aber meist als mwafjererfüllter, mufchelfömiger Krug oder als Spiralmufchel, aus der ein Haſe hervor: fommt. Squier fand ein ähnliches Bild in Nikaragua an den Fels gemalt und diefe Hieroglyphen von Maſſaya, wie er fie nennt, haben von vielen Befuchern höchſt phantaſtiſch ausgeſchmückte Schilderungen erfahren. W. Marı

Schultern

und Haſe angedeutet find. Diefer wunderlichen Dar: jtellung von Sonne und Mond in der Geftalt von Tiger und Hafe liegen meitverbreitete, in Nordamerika, wie es Icheint, am meisten ausgeiponnene Wiythologeme zu Grunde. Ber den Algonkins find diefe beiden Tiere geradezu die böchiten Götter und Charlevoir erzählt von der Schöpfungsjage, wie der große Haſe Mihabu auf den Waſſern ſchwimmend Welt und Menfchen erfchaffen hat, während der große Tiger Michibifft ihn befriegt. Die alte japan ische Kamireligion andererfeits ließ den Mond als Fuchs verehren; der Deutung W. Schwartz', welcher in den Mythen der germanischen Urzeit die Sonne als gel oder als einäugiges Tier, das fi) wie ein Dachs in den Wolfenbergen verkrieche, aufgefaßt ſehen will, fehlt es aber doch wohl an genügenden Beweismitteln. Bet der Befprechung der Mondphafen und der Verfinfterungen wird ſich Gelegenheit bieten, mehr davon zu reden; bier nur noch der Hinweis auf die tätowierenden Völfer, von denen es Schon im allgemeinen wahrſcheinlich iſt, daß ſie bei diefer Veranlaſſung Nachbildungen der beiden Geſtirne verfuchen werden. Von den Makua berichtet Livingſtone ausdrüdlih, daß fie den halben oder beinahe vollen Mond, aber, wie fie fagen, nur zum Schmude einrigen. O'Neill ſetzt hinzu, bloß die Männer thäten dies. Ganz naturgemäß hat nun überall, wo Sonne und Mond ſich eine forgfältigere Beobachtung oder bejjer Ausihmüdung haben gefallen laſſen müffen, auch das Intereſſe an ihrem Berhältnifje zu einander, fer es einem verwandt— ichaftlichen oder feindlichen, den verfchtedenartigiten Ver: mutungen Thür und Thor geöffnet. Kaffern wie Esfimos ichreiben ihnen ein felbjtändiges Leben zu, die leßteren aber bielten fie beide direkt für Menfchen, die an den

| | |

beide für Frauen. In Südauftralien ebenfo tie bei den Mbofobis in Südamerifa oder aud in der altſlawiſchen

Sage gilt der Mond als Mann, bei den Khaſia im nord⸗ weſtlichen Indien als Schwiegerſohn der Sonne. Von

den Huronen wird er Schöpferin der Erde und Groß: ‚ mutter der Sonne genannt, in der ottowaiſchen Sage tritt

Die Aftronomie der Naturvölfer.

468

er als bejahrte rau mit weißem Geficht und freundlicher Miene und als Schweiter des Tagesgejtiens auf, bei den Kazifen und auf der Panama-Landenge hatte ſich das Verhältnis zwifchen beiden aber wieder in der Weife um—

gedreht, daß der Mond

als Weib

der Sonne

verebtt

länder gebrauchen allein von den heutigen Germanen den

fafjung folgen. Auch wenn man

etwa fo fcehliegen wollte:

„Im all

wurde. Die noch öfter zu erwähnenden Chiquitos im Innern Südamerikas nennen die fanftblidende Luna ihre Mutter, die Navajos in Nordamerika andererfeits einen Reiter auf einem Maultier. Die angeführten Beifpiele zeigen, daß ein irgendwie allgemeines Geſetz ſchwerlich aufzufinden fein dürfte für das Gefchlecht, welches die einzelnen Völfer Sonne und Mond beilegen. Zwar jagt Peſchel, Völkerkunde, ©. 267: „Die unendliche Mehrzahl der Völker habe die Sonne

doc immer noch zu viele fonftatiert werden, als daß man

immer als männlich, den Mond als weiblich gedacht und

bei den Phrygern Men androgyniſch tft.

nur fvenige andere, zu denen die Deutfchen und Hottenz totten gehörten, hätten die Gefchlechter umgekehrt." Ich geftehe aber, außer den beiden genannten doch nod) zu piele andere gefunden zu haben, um nicht Zweifel zu hegen. Schon die eben beiprochenen Erzählungen fügen zu jenen no die Eskimos, einzelne Süd- und Mittelamertfaner, Auftralier und Indier dazu. Weitere befannte Beifpiele bieten unter den Kulturvölkern die Araber, deren Sonng, Dſchems, weiblich und deren Mond, Kamar, männlich ge dacht wird, und die Littauer. Sodann aber ändert ein und dasjelbe Volk nicht felten ganz willfürlich, meiſt wohl unter dem Einfluffe von Nachbarnationen jtehend, feine Gefchlechtsbezeichnung für Sonne und Mond. Die beten Beifpiele bieten naturgemäß dafür die Litteratur— ſprachen, nicht die der Naturvölfer. Selbſt der Römer

Göttliche Verehrung genießen beide meiſt nebeneins ander, im großen und ganzen das verfengende Geftirn des

befigt neben dem vorberrfchenden Luna

und der Grieche

neben 77077 die masfuline Form für den Wiond Lunus und urv, die Sonne freilich bleibt bei beiden gleichermweije männlich, worin die Nomanen ihnen folgen. Aus der letzteren Litteratur kann J. Grimm, Deutſche Grame matik, II, 351. Anmerkung, nur eine Ausnahme zi— tiven, eine Tochter des jpanifchen Eid heißt nämlich Donna Sol. Die germanischen Sprachen zeigen auf der anderen Seite auch einiges Schwanken, trogdem feitjteht, daß Die urz ſprüngliche Gefchlechtsverteilung der unferigen, heutigen gleich ift. Der Mond war der Sohn, die Sonne die Tochter Mundilföris. Aber das Gothiſche braucht z. B. alle drei Geichlechter für die Sonne, das Alt: und Angelſächſiſche,

gemeinen feheint in niedrigen Breiten, d. h. wo die Sonne getvaltiger wirkt, häufiger diefe, in höheren eher der Mond maseulini generis zu fein”, fönnen der Ausnahmefälle eine Negel

feitftellen

dürfte.

Völlige

Unficherheit

tritt

fogar ein bei einem und demfelben Volke, wen 3. B. die Shaldäer Sin, den Mond, weiblich fein laſſen gegenüber der Sonne und männlich gegenüber der Erde, oder wenn

Tages in ausgezeichneterem Grade als das weniger fühl: bar wirkende Auge der Nacht. Auffällig ift es aber 5. B., daß in demfelben Erbteile, wo der Sonnenfultus der ge— | wöhnlichen Meinung nach am meijten heimifch war, gerade

in Südamerifa,

die Botofuden den Mond

höher jtellen

und von ihm die meisten Naturerfcheinungen ableiten, und daß am Amazonas, in Mittelamerika und auf Haiti

Volkerſchaften aufgefunden tvurden, welche ihm wenigſtens feinen geringeren Platz anwieſen als der ſonſt bevorzugten Sonne.

Und fonderbar! Die rohen Wilden von Brafilien,

in deren riefigen Urwäldern die auffteigende Mondicheibe ſowohl Krankheiten heilen, als Donner und Blitz veranz laffen und das Wachstum der Pflanzen betreiben joll, finden ihre Partner unter ganz gleicher Breite im Inneren Afrika’s, wie Livingftone und Cameron, ebenfo wie an der Goldfüfte, wie du Chaillu und im Süden, wie Kolb an vielen Einzelheiten nachgewviefen haben. Hottentotten fie Betfchuanen, Kongo- wie Guinea Mteger können in ihrer Freude über das Erfcheinen des neuen Mondes, das fie mit Feftlichfeiten begrüßen und von dem fie, fo oft e3 eintritt,

eine neue Verbefferung ihrer Lage erwarten, den aber: gläubifchen Europäerinnen als Leidensgefährten im Aberz glauben fich vorjtellen, welche mit dem zunehmenden Monde

erit zum Wohnungswechſel oder zur Taufe und Hochzeit, oder zum Haarfchneiden ihr Ja und Amen geben. So begleitet die Ehrfurcht vor den ftrahlenden Haupt— gejtirnen des Tages und der Nacht die Naturmenfchen,

der Sonne als Feminins; das Altnordifche, Schwedische und Däniſche beweiſt dies, auch das Niederländifche ſtimmt überein. Das männliche Gefchlecht des Mondes erleidet noch

aber auch die Bewohner hochkultivierter Gegenden durch das Leben, ja ſelbſt ein Senfeits können fich einzelne nicht Schöner als auf ihnen vorftellen. Das ſprachen ſchon die Glaubensdogmen der alten Mexikaner und Peruaner aus und die Natchez am Miffiffippi und die Apalachen von Florida haben e3 bis in die neue Zeit geglaubt, daß die Sonne der ftrahlende Wohnort der verjtorbenen Häupt: linge und Tapferen fei. Den Esfimos auf Labrador aber

weniger Ausnahmen, nur im Mittelhoch- und Mittelmiederdeutichen fommt manchmal das Feminin vor. Die Nieder

guten Menfchen entdeckt zu haben (die Böfen fommen in

das Alt- und Mittelhochdeutiche durchgängig wie wir für fie das Femimin; aber gerade die beiden leßten zeigen Doch vereinzelt auch einmal der Sunno und der Sunne, am meiſten noch in alten oberdeutichen Gedichten. Die Nord:

germanen find fich völlig gleichgeblieben in der Auffaffung

4

Mond weiblich, wenn wir von den Engländern abjehen, welche erft feit der Normanneneinwanderung bei der Perſoni— fifation von Sonne und Mond der romaniſchen Auf

gebührt das Verdienſt,

im Monde das Paradies für die

m

J

Der Diftrift Duffon Timor

ein Loch in der Erde), Mmobei freilich die Saliva— und Guaykuru-Indianer in Südamerika und die Poly:

Huhnes oder Schweines gemengt, womit die Brautleute nad) dem Schmaufe, der nun folgt, beftrichen werden. Dies nennt man Njaki milah; e3 gefchieht mit Silber

nefier von Tokelau ſich mit ihnen um die Priorität ſtreiten fönnen. (Schluß folgt.)

oder Eifen und zwar beginnt man mit den Fußſohlen, dann fommen Knie, Herzgrube, Hände, Ellenbogen, Schultern, Stirn, Wirbelfäule, wobei immer eine befondere Formel ausgejprochen wird, Unglüd wehrend, Glüd bringend. Das Njaki milah fann von jeder Perſon an den Brautleuten vollzogen werden und ift bei der Heirat die eigentlich bindende Zeremonie.

Der Diftrikt Duſſon Cimor in Sidof-Borneo and feine Bewohner.

Das junge Baar bleibt 9 Tage im Brauthaufe und darauf 5 Tage in dem der Eltern des Bräutigamz, wo—

Bon F. Grabowsky in Barabei (Borneo).

Schluß.)

vauf e8 fi ein neues Heim gründet oder nach Umftänden in einem der Elternhäufer einwohnt. Die Frau hilft ihrem Manne bei der Arbeit, die häusliche Fällt ihr allein zu. Bei der Feldarbeit übernimmt der Mann den ſchwer— jten Teil derjelben. Jagd, Fiſch- und Vogelfang werden von den Männern mit Vorliebe getrieben. Bejonders in der Negenzeit nimmt der Yang einer Eleinen, Tawi ge-

Blifen wir nun auf die bürgerlichen Verbältniffe der Maanjan, jo fällt uns zuerjt die jehr bemerfenswerte, freie

Stellung der Frau auf. den Frauen

der Dajafen,

Herr ©. A. Wilken! fpricht auch Oloh ngadju, eine folche freie

Stellung zu, auf Grund der Mitterlungen von Schwaner und

Perelaer.

Ich muß diefer

469

in Sidoft-Borneo und feine Bewohner.

allein auf Ausnahmen

bafterten Anficht bejtimmt mwiderjprechen, denn jolche Fälle

nannten

von Frauenregierung, wie fie z.B. Herr Kontroleur Michi—

ihmadhaft ift, das Abrichten der dazu gebrauchten Lock— vögel, Kasis, ſowie das Flechten von Behältern für die— jelben und das Anfertigen von Leimruten den Mann fait ganz in Anfprud. Früh morgens begibt man fi auf ven Fangplab, denn da fliegen ungeheure Schwärme dieſer Vögel Ereifhend umher. Drei junge, hohe Bäume werben mit den Spitzen zufammengebunden, um ohne Gefahr be=

elſen? fchildert, find eben feltene Ausnahmen. Die Frau bei den Olo ngadju hat durchaus feinen freien Willen, fie ift vollfommene Sklavin ihres Mannes; bei Feſten dürfen Frauen nicht mit den Männern zufammenfeiern,

die Jungfrau wird nicht um ihre Neigung bet der Heirat gefragt 2c. Anders bei den Maanjan.

Keine Verlobung,

Papageiart,

Palaeornis

ftiegen werden

des Mädchens und des Sünglings erfolgt it, wenn auch die Snitiative für eine Heirat ſtets in der Hand der El—

Wipfeln mehrere Lockvögel aufgehängt, um diefelben an Stamm und Aejten viele Zeimruten befeitigt. Der Vogelleim, aus zwei Harzlorten mit Zufaß von Fett oder Del hergeftellt, wird in einem Bambusköcher betvahrt, der voller

tern bleibt.

Der junge Mann

zahlt bei den Maanjan,

die Hälfte beifteuert.

Vogelruten

in den jtarf gelichteten

Sowie die Lockvögel

einen Schwarm

hören, beginnen fie zu rufen, der Schwarm Fällt ein, jet fi in Ermangelung der Aeſte auf die Yeimruten, wird aber in demfelben Moment durch einen Keulenfchlag gegen den Baum beruntergeholt und dur einen Schlag auf

In Gegenwart diefer Zeugen wird

dor der Heirat eine bejtimmte Summe,

ftedt.

und

die fehr

feine Heirat wird gefchloffen, bevor nicht die Zuftimmung

die der Endogamie den Vorzug geben, feinen Brautſchatz. Seine Ausgaben bei der Heirat bejtehen in wentgen Gulden, die er an die Zeugen zu geben hat und wozu feine Braut

zu können

longicauda,

25 bis 100 Gulden,

fejtgejeßt, die im Falle der Ehefcheidung, Sarak, von dem ichuldigen Teil gezahlt werden muß.

den Kopf getötet.

Beſonders

ſchön gefärbte Männchen,

Das Zeremoniell bei der Hochzeit ijt folgendes: Am Tage der Hochzeit gehen bejonders dazu deiignierte Leute, Olon halat, zum Brauthaufe, um pro forma zu fragen,

fenntlih an den jehr langen, mitteljten Schtwanzfebern, die gute Lockvögel abgeben können, werden an einem Fuß

ob es angenehm wäre, wenn der Bräutigam käme. Nach zuſtimmender Antwort kommen der Bräutigam und ſeine Angehörigen in einem Aufzuge an. Voran wird eine kupferne Schüſſel getragen. Iſt man eingetreten, ſo wird die Schüſſel auf eine im Hauſe der Braut ebenfalls bereitſtehende Schüſſel geſtellt, auf der ein Ei liegt. Das Ei wird zerſchlagen

Ein folcher Fang heißt Nä-en und liefert an einem Morgen bis 50 Vögel. Wird eine Frau Wittwe, Walo, fo erbt ſie mit den

gefeffelt, an einen Stod

gebunden

und dann gezähmt.

Kindern gemeinschaftlich den Neft des Vermögens, der nad) des Feier der Djamä, Leichenverbrennungzfeites, nod) übrig ift. Scheint eine neugeſchloſſene Che kinderlos zu bleiben, fo wird — biemit fommen wir zu den veligiöfen

und mit dem Blute eines über der Schüſſel geſchlachteten

Anſchauungen und Gebräuchen der Maanjan — die Hilfe des Waffergottes, Ditvata, angerufen und ihm eine Ziege zum Opfer verfprochen, falls ev dem jungen Baar ein

A Over de verwantschap en het huwelijks- en erfrecht bij de volken van het maleische ras, door G. A. Wilken

(Indiſche Gids, Mai, Nummer 83, ©. 652 bis 64.) 2 Verslag eener reis in de bovenstreken van de Sampit en Katinganrivieren. Tijdschrift voor Ind, Taal-L, en Volkk. DI. XXVIII, 1881, pag. 51. Ausland

1884,

Nr. 24.

Kind ſchenkt.

Erfüllt fi der Wunsch, jo wird ein Huhn

geichlachtet und das Kind |

mit Blut

beftrichen,

zum erftenmale ins Freie gebracht wird.

bevor «8

Ditvata läßt 12 1

Der Diſtrikt Duffon Timer in Südoft-Borneo und feine Bewohner.

470

man warten; dauert e8 ibm zu lange, jo macht er das Kind Frank, um die Leute an ihr Gelübde zu erinnern. Ohne Verzug wird dann die Ziege gefchlachtet und beim DOpferfeft gegefjen, der arıne Diwata muß fich mit dem Kopf der Ziege begnügen, der in einem mit Arabesten

verzierten, taubenhausartigen Geftell in der Nähe eines Gewäſſers,

meift des Badeplatzes, aufgeftellt wird.

Nie:

mand würde e3 wagen, den ftinfenden Kopf zu entfernen, obwohl man mehreremale täglich zum Bade zu geben pflegt. Nach Wochen zeigt ein meißgebleichter Ziegen— ichädel das dem Diwata geweihte Opfer an. Außer Diwata fürchten die Maanjan noch Waldgeiiter (Ala djumpun haket d. i. Geiſt, Wald, dicht) und Luft— geijter, tworunter beſonders Nanju (Nanro), der Donner gott geehrt wird. Ihm ift im Tumpuk Telang, dem Sit des Dberhäuptlings, ein neben deſſen Haufe jtehender, über 40 m. hoher Waldbaum mit herrlicher Krone heilig und geweiht und wird dort jährlich nach der Ernte ein Stammesopfer gebracht. Außerdem findet man in jedem Haufe ein dem Donnergotte geweihtes, kleines Häuschen, Lewu nanju genannt. Manche opfern auch einen jo genannten Papgintoho, d. i. irgend ein merfivürdig ges formtes Objekt, Stein, Wurzel, Ajtitüd, in einem Mintaturs

bäuschen aufbewahrt. Der Schädel des Urgroßvaters von Suta Ons ift für den ganzen Stamm ein Pangintoho, dem zu gewiſſen Zeiten Opfer gebracht wird.

er jet beim Verbrennen

Man jagt,

der Leiche zu Kupfer geworden

und wird feitdem in einem Häuschen aufbeivahrt. Das höchſte Wefen, von dem fie nur gutes erwarten und das fie darum nicht fürchten, nennen die Maanjan Alhatalla, wobei islamitiſcher Urſprung unverkennbar. Eine Ober-Wadian, deren Würde von Mutter auf Tochter erbt und eine große Zahl von Wadian, Frauen, ſeltener Männer, fungieren bei den Maanjan als Trägerinnen des Kultus. Wadian bezeichnet das Gekaufte, das will

ſagen, die durch Lohn zu Dienſt Verpflichtete.

Die Wa—

dians find nicht wie die Blians der Oloh ngadju zugleich feile Dirnen, fondern ehrbare Frauen und Mädchen, all:

nannten Palmiets im Haar, von dem man erzählt, er jei aus der Afche einer verftorbenen Wadian entjproffen. Rirong wird auf jedem Grabe gepflanzt, an jedem Pfoten eines neu errichteten Haufes. Es ift das Sawang der Dloh ngadju, das dort auch eine große Nolle jpielt und merk würdigertveife pflanzen auch die Mohamedaner Südoſt—

Borneos den von ihnen Harinjuang genannten Palmiet auf die Gräber. Größere und Fleinere, aus Holz roh ges fertigte und mit Ziegenfell befleivete Trommeln, ſowie fupferne Keffelpaufen werden bei allen Opfern und Seiten

gefchlagen.

Das Wort Heidenlärm iſt zur Bezeichnung

diefer Art von Muſik wohl das zweckmäßigſte.

Man meint

die Aufmerkfamfeit der hilfreichen Geiſter dadurch zu ex: vegen, die Böfen zu vertreiben. Man denkt fih die Geifter an verjchiedenen Orten, befonders

dunklen

Wäldern,

unzugänglihen

Sümpfen,

einzeln dicht beivaldeten Bergen, Grabjtätten 2c. haufend und viele Dinge find ihnen heilig, dürfen deshalb, wenn fie böfen Geiftern heilig find, nicht gebraucht, wenn guten

heilig, nicht beleidigt werden:

fie find padi (pali), d. h.

unerlaubt. Es gibt Dinge, die dem ganzen Stamm, ans dere, die einzelnen Familien und wieder andere, die nur

einzelnen Perſonen padi find. Träume bejtimmen die unerlaubten Dinge. So darf eine Perſon Familie diefe, die andere jene Fiſchſorte nicht Suta Ono z.B, ißt fein Nebfleifch; eine Frau darf

meift oder efjen. nicht

in die Nähe des Neisitampfblodes fommen und muß ic) für das Neisftampfen jemand mieten 20. Träumen legt

der Maanjan einen überaus großen Wert bei, er glaubt, Geister geben Träume ein und handelt demgemäß. Auch gute oder böfe Vorzeichen werden genau beachtet. Die Veranlafjung, um ein Opfer zu bringen, ift jehr mannigfach. Bei der Ernte wird ein Opfer gebracht, jobald der erſte Neis reif ift; ettvas davon wird ing Dorf

gebracht, ein Huhn gefchlachtet, Wetzſteine und die bei der Seldarbeit benußten Geräte gefüttert, Mihampä, und dann

ein Kleiner Schmaus gehalten. man,

wenn

zur

Pflanzzeit

Ein anderes Opfer bringt (November)

der Sinrik, ein

gemein geehrt und geachtet. Es fteht jeder Frau und jedem Mädchen frei, Wadian zu werden. Sie muß dann

kleiner Vogel,

einer Wadian Lehrgeld zahlen, um die Sprüche zu lernen. Bei Eleineren Opfern fungieren die Wadian in gewöhn: licher Tracht, nur bei großen Fejten wird eine befondere

von diefen Vogel gab, halte ich ihn für eine Motacillas Art. Er gilt als Bote eines Geiftes und man opfert ihm ein Huhn oder Schwein, Ngampudi Sinrik. Alle Dorf:

Tracht angelegt. Ein etiva drei Finger breites, mit Flittern

beivohner werden geladen und beide Dpfer jährlich in jedem Haufe gebracht. Ngempo olon nennt man bei

benähtes Stirnband ziert den Kopf. Ein Sarong, über den Brüften feitgefnüpft, wird durch einen Gürtel um die Taille feitgehalten und läßt die Figur bei den tanzenden

Bewegungen gut zur Öeltung fommen.

An Stirn, Baden,

Naden, Bruft, Waden und Schienbein find runde Fleden,

Kreuze und Strihe aus Neismehl aufgetragen, an den Armen tragen die Wadian je zwei armbandartige Schellen, Galang, die rhythmiſch zu den tanzartigen Bewegungen um die Opfer gefchüttelt werden. Wadian’3 die lanzettfürmigen

Außerdem tragen jüngere Blätter eines Rirong ges

wärts zieht.

erjcheint, welcher im April wieder norde Nach einer Befchreibung, die mir Suta Ono

Krankheitsfällen opfern. Das kleinſte Opfer beiteht in einem Ei, es opfern heißt mionran; beim Basas ungka ngalapa miruä opfert man bei den Gräbern, beim Batarabaju ruft man die Seele mit lauter Stimme. Ein anderes Opfer heit Miempo. Ber allen wird ein Huhn geopfert, das die fungierende Wadian fi auf den Kopf

jeßt und damit im Haufe umbertanzt, Nanrik, worauf das Huhn gefchlachtet und zubereitet als Opfer auf eine Heine, bei Opfern als Teller dienende Matte gelegt wird.

*

471

Der Diſtrikt Duſſon Timor- in Südoſt-Borneo und feine Bewohner.

dem Opfer nähernd, bald mweichend, fortwährend Zauber:

verhüllen die Frauen ihr Geſicht und ſtimmen eine ſchauer— liche Totenklage an, die mit Unterbrechungen Tag und

formeln fingend.

Nacht währt.

Die Wadian

führt indejfen meitere Tänze auf, bald ſich Dann nimmt fie einen Napf mit daran

befeftigtem brennenden MWachslicht, legt ein Ei und eine Piſangnuß dazu, jtellt ich den Napf auf den Kopf und balanziert damit, bis fie weiter tanzend in Ertafe gerät, in der fie Dinge

ausfagt,

die Bezug auf die Krankheit

haben, auch wohl die Urfachen

der Krankheit

angeben;

der gute Geift ift in fie gefahren, der den böfen aus dem

Kranfen treibt.

Unaufbörlih

wird der Kranke während

der ganzen Prozedur gefnetet und gefniffen und die Trommel

mit einem

Rottan

entjeglich

gefchlagen.

Hat man das

auf die Augen

Die Leiche wird feſtlich gekleidet, Geldſtücke gelegt und alle Wertgegenſtände, die im

Hauſe ſind, neben die Leiche geſtellt. Ein Huhn wird geſchlachtet. Die Männer machen inzwiſchen den vorläu— figen Sarg, Karong. Er beſteht aus zwei Stücken weichen Holzes, das eine wird muldenförmig ausgehöhlt, das andere dient als Deckel. Unter erneutem Klagegeheul,

Pauken und Schießen wird die Leiche ſeitwärts in den Sarg hineingezwängt. Die Hälfte ſeiner Kleider, Geld,

Unglüd, in der Nähe eines Haufes zu übernachten, wo ein

Reis und ſonſtige Bedürfniſſe des Erdenlebens bekommt der Tote mitin den Sarg, auch die Füße des geſchlachteten

jolches Opfer gebracht wird, jo fann man getroft den Schlaf

Huhnes; den Net verzehren die Leidtragenden.

quittieren; vor Sonnenaufgang

wird vernagelt und gut mit Damarharz verpicht. Es wird bei der Leiche Wache gehalten; am folgenden Tag wird fie nach dem vorläufigen Begräbnisplab gebracht,

Nur einmal gelang

hört der Lärm nicht auf.

es mir, durch eine Lift wenigſtens

den Trommler zum Schiveigen zu bringen.

Das Loos wird von den Maanjan oft befragt. jtreuen Reis auf ein Bananenblatt

und

jagen

Sie

harong

puron oder kawitan, gleich oder ungleich. Fällt drei— mal hintereinander gleich oder ungleich, fo iſt die Frage bejaht, fällt aber, während man gleich jagt, ungleich und umgefehrt, fo it die Frage verneint. Auch fucht man aus der Form der Leber eines Schweines

oder Huhnes

zu erfahren, ob man lange leben werde oder bittet durch ein Opfer, Isahor, um langes Leben. Man nimmt zu diefem Zive einen Faden, legt ihn in ein Kleines Gefäß und bewahrt dasfelbe unter dem Dad) des Haufes:

wiederholt wird nun der Faden gemeffen und mit Del ge trieben. Wird er länger, fo fann dem Opfernden langes Leben prophezeit werden. Tritt nun aber troß aller Opfer doch einmal der Tod

um zum Djamä wieder ausgegraben werden. Dies, die urſprüngliche

Art des Begrabens,

das Grab wird eine Rirong-Palme gepflanzt. (Siehe Abbildung.) Ber den Sihongern iſt nun, wie bereits erwähnt,

das Begraben

folgendermaßen

nur

ein Vorläufiges

von ſtatten:

mit hölzernen Grabwerfzeugen,

von der Meinung,

daß die Seelen der Ver:

brennenden

und

geht

Voran ſchreitet ein Mann

Haufe jterben, unter allen Umftänden muß feine Leiche nach dem Dorfe gebracht werden, woher er ftammt und dort alle Zeremonien mit ihr vorgenommen erden.

Ausgehend

iſt nur

begraben ihre Toten definitiv nach 3, 5 oder 7 Tagen, in welcher Zeit die Oberwadian ihren Spruch ſagt und die Feſte zu Ehren des Verſtorbenen gefeiert werden. Ueber das Grab, das ſtufenförmig anſteigt und mit Planken von dauerhaftem Holze umgeben iſt, wird ein Häuschen errichtet, unter deſſen Dach verſchiedene Geräte, die der Verſtorbene gebraucht, hingelegt werden und neben

mit einer

Todesfall, das Dorf wird Jawen, gewiſſermaßen „unrein“ und alle Bewohner haben gewiſſe Dinge zu beobachten.

und verbrannt zu

noch bei den Sihongern im Gebrauch; die übrigen Maanjan

an den Maanjan heran, jo will er gern in feinem eigenen

Dumpfe, in geregelten Baufen erfolgende Schläge auf einer Oarangtong verfünden dem Dorfe einen

Der Sarg

Fackel.

Dahinter

dann

folgen Männer

kommt

der Sarg,

von 2 bis 4 Männern an Stangen hängend getragen. Daran reihen fich die Klageweiber mit verhüllten Köpfen, worauf einige Männer den Zug befchließen, der in for: ciertem Schritt, fait laufend, dem Begräbnisplaße zueilt, der ſich meift in der unmittelbaren Nähe des Dorfes be: findet. Dort angekommen, graben die Männer ein über

1 m.

tiefes Grab.

Unter

lauten Klagerufen

mird der

im Dorfe umher:

Sarg verfenkt, die Grube haftig zugejchüttet, etwas Speiſe

ſchweben und, neidifch auf die Lebenden, diefen gerne Schaden zufügen und, daß die Nacht der Tag der abgejchiedenen

auf das Grab gefeßt und die Gefellihaft verſchwindet ebenfo Schnell, tie fie gekommen ift. Am 7. und 49. Tage

Seelen ſei, dieſe dann aber nichts thun, muß jeder, der zu

wird abermals

welchem Zwecke auch das Dorf verlaffen will, dies vor Sonnenaufgang thun; gebt er fpäter, fo darf er mit nie—

in demfelben Aufzuge wie am Begräbnis zum Grabe ge:

jtorbenen

bis zum

Leichenfeſt

rubelos

ein Huhn gefchlachtet und ein Teil davon

bracht. 49 Tage dauert auch die Trauer für einen Er: wachſenen (7 für ein Kind) und darf während diefer Zeit die trauernde Familie feinen Reis eſſen, fondern muß ſich

mand jprechen und ein jeder meidet ihn. Nach fieben Geſchlechtern, ſagen die Maanjan, kehren die Seelen aus der Seelenftadt auf diefe Erde zurüd. Hat eine ſchwangere

mit einer Djeläi genannten

Frau z. B. Appetit auf eine fauere Frucht, fo jagt man, eine

Farbe und unangenehmem Geruch und Gefchmad begnügen;

ſolche Seele aus dem Jenſeits will in fie fehren, um wieder als Menſch geboren zu werden. Sowie der Sterbende den legten Seufzer gethan hat,

Kinder dürfen Neis effen. Seele

in die Totenftadt

mit dem 49. Trauertage

Körnerfrucht

von

brauner

Bis zum Djamä, d. h. bis die gebracht werden joll, hat man

feine Verpflichtungen gegen den

Der Diftrift Duffon Timor in Stidoft-Borneo und feine Bewohner.

472

Toden erfüllt. Ein folches Felt wird alle zwei bis drei Jahre gefeiert und teilen ſich alle Familien eines Dorfes, die in dieſer Zeit Todesfälle hatten, in die Koſten. Früher,

noch vor zirka 10 Jahren, behielten wohlhabende Leute ihre Zeichen bis zum Djamä im Haufe. Die ſchädlichen Folgen davon in Erwägung ziehend, ift diefe Unfitte ſeit— ber verboten.

Der Sarg

ein Loch in den Boden Bambus

eingefittet,

wurde

auf ein Gerüft geftellt,

des Sarges

deifen Ende

gemacht, darin ein

in die Mündung

eines

|

großen irdenen Topfes eingefittet war.

Darin jammelten

fih nun die flüffigen Teile der in Fäulnis übergegangenen Leiche. Am 49. Tage wurde der Topf unter großem Lärm weggenommen, wobei einer der Männer verpflichtet war,

in den

Topf

hineinzufehen.

War

En

zuviel Jauche

darin, jo wurde den Angehörigen eine Strafe auferlegt, Topf und Sarg wurden wieder

feit verfittet und blieben

bis zum Djamä im Haufe. Während der erjten 49 Tage wurde bei der Leiche gewacht und weil dabei gefpielt und

E EA

Grab

auch ſonſt Allotria

eines Maanjan.

getrieben wurde, fanden ſich immer

Liebhaber für diefe Ehrenmwachen.

Täglich zweimal wurde

neben den Sarg Speife geftellt, die einen Augenblid ſtehen blieb und dann den Schweinen

zugute fam und mindeitens

einmal täglich mußte die Totenklage erjchallen.

Räucher—

werk wurde in Mafjen verbrannt,

Sit man

nun übereingefommen,

um das Djamä zu

feiern, d. h. find die dazu nötigen Geldmittel und Vorräte an Xebensmitteln vorhanden, jo läßt man Einladungen an

befreundete Dörfer ergehen und feine Einladung bleibt unbeachtet. Das Feſt dauert fieben Tage. Am erjten Tage werben die Yeichen ausgegraben. War der Narong verfault, jo wird Schnell ein neuer angefertigt, die Knochen, wobei es auf ein Bein oder einen Arm nicht ankommt, hinein— gelegt und nach der Balei, dem Gemeindehauſe, gebracht, das feſtlich mitPalmblättern und neuen Zweigen geſchmückt it. Früher wurden die in den Häuſern aufbewahrten

Leichen ebendahin gebracht. . Die Wadian bitten die Nacht

Der Diftrift Duffon Timor in Südoſt-Borneo und feine Bewohner.

473

der während des Feſtes und bejonders zum Errichten des Berbrennungsherdes gebraucht twird. Die zweite Nacht bitten fie ihn, den Verbrennungsplag zu jäubern und

Herd bringen, in der jiebenten Feuer machen und fich bereit halten. 15 Wadian mwechjeln die Nächte bei diefen dringenden Bitten an Hatalla Stong ab. Während diefer Zeit ſchmauſen Gäſte und Gajtgeber, wobei tüchtig Tuak

Stöde herbeizufchaffen.

aus Büffelhörnern getrunfen wird.

bindurh

den Hatalla Stong, er möge den Rottan holen,

In der dritten foll er Bambus:

Die fonft fo nüchternen

wände für die Stufen des Berbrennungsherdes, Papujan, (iehe Abbildung) machen. In der vierten foll er die

Waanjan betrinfen fich bei ſolchen Gelegenheiten bis zur

Stufen um den Papujan, in der fünften eine Flur um denjelben machen. In der fechiten joll er Erde auf den

viel mit der Bereitung der Speifen zu thun haben. Am Vormittag wird Hahnenfechten gehalten und dabei tüchtig

Sinnlofigfeit; die Frauen feiern tüchtig mit, wenn fie aud)

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Berbrennungsherd (Papujan).

gewettet; junge Männer beluftigen ſich auch beim SepakSpiel, d.h. fie fpielen Ball, aber mit den Füßen. Der Ball it hohl aus Nottan geflochten und wird durch einen Schlag mit dem Fuß (feitlich) in die Höhe gefchnellt und nun müſſen die Teilnehmer fuchen, ihn nicht die Erde berühren

zu

laſſen.

Am

Nachmittag

verrichten

einige

Männer das Werk, warum Hatalla Jtong durd) die Wadian jo dringend erfucht wird, d.h. fie bauen den DVerbren:

nungsherd.

In der fiebenten Nacht werden dann die Särge

unter dem

NKlagegeheul

gebracht.

der Frauen

nad dem Papujan

Bei jedem Sarg, der verbrannt wird, macht Die

Wadian einen kurzen Spruch und wenn der Sarg auf den Feuerherd hoch aufgerichtet geftellt wird, erichallen von neuem die Klagerufe. Iſt jo im offenen Feuer Sarg und Inhalt zum größten Teil verbrannt, jo wird Die Afche in eine Agong gefchüttet und ohne jede Zeremonie

474

Der Diftrift Duffon Timor in Südoſt Borneo ımıd feine Bewohner.

nad) dem Famtlienfarge, Tambaf, gebracht. Diefe Tam— bafs fteben auf vier bis ſechs Pfählen über der Erde, oft

ziemlich weit vom Kampong,

aber in der Nähe des Ver:

brennungsplaßges und entjprechen den Sandong tolang, Gebeinbäufern, der Oloh ngabju. Kinder bis etwa fieben Jahre werden nicht verbrannt, fondern ihre Leichen im einem Kom genannten Sarge jofort bei den Tambafs aufgeftellt. Um ihre Seelen zu reinigen, damit fie in Die Totenjtadt eingehen können, fchlachtet man am Tage nad) dem Tode ein Schwein. Ganz junge Kinder pflegt man unter den Häufern zu begraben. Sieben Tage nad) dem Djamä findet eine Nachfeier, Sühnungsfeter, jtatt, Siwah genannt. Eſſen, Trinken und Spielen find dabei die Hauptjache der Feitgeber und Ge— ladenen, während die Wadian, bald laut, bald leife ihre Sprüche herfagend, fih um die den Geiftern geweihten

Dpfer beivegen.

warmen, über ſie herabſtrömenden Blute der Opfertiere, die bald darauf zubereitet und gegeſſen werden. — Soviel über ihre religiöſen Anſchauungen.

Seit 10 Jahren verkünden Miſſionare der Rheiniſchen Miſſionsgeſellſchaft das Evangelium unter dieſem Volke, leider noch ohne ſichtbaren Erfolg. Ihre Stationen befinden ſich inTelang und Tameanglajang, wo ich während meiner Anweſenheit die herrlichſte Gaſtfreundſchaft genoß. Vieles,

was

ich über die Maanjan

erfahren,

habe ich dieſen

Herren zu danken, denen tch hiemit noch öffentlich meinen

Dank ausfpreche. Eine flüchtige Analyſe der Maanjanfprache (nad) Herrn Tromp-Telang, der Teile der Bibel bereits in die Maanjanfprache überjeßt hat) möge hier zum Schluß feinen Blaß finden: „Die Basa Maanjan, wie alle malayopolynefifchen Sprachen zu den aglutinierenden gehörend,

Einzelne junge Männer arbeiten an einer

läßt ihre Stammtvörter geringe oder gar Feine Veränderung

Ihon oben erwähnten Holzfigur (fiehe Seite 448), die am legten Tage des Siwah unter Speer: und Schwerttänzen aufgerichtet wird. Die Speifen, die während des Djamä und Siwah in der Balei verzehrt werden, dürfen den Erdboden nicht berühren; darum führen von allen Häufern 30 bis 60 em. hohe Stege aus dünnen Stangen nad der Balei, die furz vor den Feſten hergeftellt werden. Der eigentlich twichtige Aft beim Siwah ift das Manrus ira, wörtlich Blutbaden, das ſcheußlichſte, was ich je bei Opfern und Feſten biefiger Völker gefehen habe. Vier Hühner, vier Ziegen und vier Schweine tverden auf einer Lattenflur über den in der Balei Anwvefenden gefchlachtet und in wildem Lärm drängt fi die Menge, um in dem Blut zu baden. Weiber mit Säuglingen, Kinder jeden Alters und Gefchlechts neben gebrechlichen Greifen, von Fräftigen jungen Männern unterjtüßt, alle beftreichen ſich Geſicht, Kopf, Bruſt, kurz den ganzen Körper mit dem

erleiden, jondern bildet neue Worte durch Prä-, In- und Suffire. Berbale Bräfire jind:

„a“ für Verb. transitiv. (vor g und k = ng; vor r unverändert).

„I“ und „ma“ für Verb. intransitiv. (und Zuſtands— wort).

„na“ für Verb. passivum,

„ngampi, ngampo* oder Präfix „u“ und Suffir „an für Verb.

causat,

„pa, ipa“ für Verb. reeiprocum, Als Infix dient „m“, Suffire find „an“ und „e*, Schwaner (Borneo, I. Teil, ©. 158) hält alle auf Borneo gefprochenen Sprachen nur für Mundarten einer;

wie weit dies zu berüdjichtigen ift, mögen einige Beispiele deutlih

machen,

die ich den

auf meinen Reifen

ange:

fertigten Wörterverzeichnifjen entnehme:

Oloh Maanjan. wulan wawähiang matäanrau ampeng

pjaho

kökörang

na-an äau ampeng

aton au(g)h njaho

anai naing kokorang

kuki ngindi kelat

aku atoni — mite kilat

aku anai noto kirat

haut tete kamalem

alem dumah

pon suhit

J

morgens

ka-ajat

handjewu

ngökös

J

Nachmittag Bergſpitze

kariwä

Fluß

kamatang

halemai suhit tantan oder hunjok bukit tätän pürük batang danum (Stamm des batang danom

Sachen Sand Blume Reis (in Hülſe

milik

ramo

djaut

karasik parai

baras kambang parai

Reis (enthülſt)

momok döbak paroi

wea

behas

büdjah

Mond Stern Sonne Donner Es donnert — e8 iſt die Stimme des Donners sch jehe den Blitz. Die Nacht bricht an.

papuro

wongä

gunong

Oloh ngadju.

Dt Danom.

bulan bintang malanandau

Waſſers)

parama (Sansfr. bintang matanandau

|

purnama) 2 2

hi.

J *

3 ?

N k 1

Zur Diskuſſion iiber Schliemanns Troja.

Oloh Maanjan.

Oloh ngadju.

Reis (gekocht) Reis ſäen Reis kochen

nahi (Bandjares: nasi) moau nganro

bari mimbul parai barapi

Hirſch

kawawä

badjang

Schwein

iwek amba-no

bawoi

Lebt dein Vater noch? Er ift wohl! Er ijt tot! Mo biſt du geboren? Viele Menfchen heiraten Der

unge

heiratet

Tochter. Mutter Schwager

ma-äh

lagi welom?

hanje matäi

meine

hanju

kaknja-an?

belom

ekam

inakan?

ütjang urak kowoh amaim borom? pius hom od. pius päh! )jo matoi ımo onokm ngamak?

oloh arae

oron aro

mansawä

olon iöro n, anakı

oloh tä m, anaku

ngoroh oron urih ng. anako

inäh da-ub

indu (umai) ajop batihi iäh aton tabela hindai bisu baputih Hatalla djongut barawar bukolaling karaporon pinding

mihawundong

hanje lagi ia

jtumm weiß Gott Badenbart

muna mahilak Al-Hatalla rambä

Rippe Knöchel Scheitel

hengkang pamoa djaring pomowoën

Ohr

silo

Sur Diskuffon über Schliemanns roin. In Nr. 51 und 52 des vorigen Jahrgangs dieſer Zeitſchrift hat der Artilleriehauptmann E. Bötticher die Anfhauung vertreten, Hiſſarlik und andere Tepebs der Troas jeien Nefropolen für Feuerbeftattung. Her:

vorragende Gelehrte jtimmen ihm bei und haben der Idee große Eroberungen prophezeit.. Auf der anderen Geite fonnte Widerfpruch nicht ausbleiben und es fpricht gerade für die Bedeutung der Hypotheſe, daß die Nächftbeteiligten, Herr Dr. Schliemann und Herr Profeſſor Dr, Virchow,

Xebterer

bat in der

Februarſitzung d. %. der „Anthropologischen

haben.

Gefellfchaft”

einen Brief von Dr. Schliemann aus Athen vorgelegt, worin derjelbe der Bötticher’fchen Erklärung entjchieden widerſpricht und bat diefe dann felbjt zu twiderlegen ver:

ſucht und behauptet, fie ſtehe zu den Thatfachen in grellem Widerſpruch. Da das Schliemann'ſche Werk „Slios, Stadt und Land der Trojaner”, Leipzig, Brodhaus,

1881 (45 ME),

die Quelle der Unterſuchungen Böttichers, im Befise nur Weniger und auch fonft ſchwer zugänglich ift, hat Bötticher in der „Köln. Ztg.“ Nr. 68, III in einem an die Anthropologifche Gefellfchaft zu Berlin gerichteten offenen Send: ſchreiben die Hinfälligfeit der gegnerischen Behauptung aus jenem Werfe nachgewiefen.

hong kuäh

paroi

murö

parangan

Er iſt noch jung.

angegriffen

nükan

olon rama

ſchwanger

fie alsbald

en bapa m

Ot Danom.

bari

bahalap iäh! iäh matäi

ele!

ha-awä

475

Er ſchreibt: „Profeſſor Virchow

inai (chin. inä) sinda batuhi

)jo anai biau djeha öng

putih Mahatara djambeng,orangbukit: gabis kräat palukup tambuk talinga

bat behauptet, Nejte von Brandleichen feien gar nicht ge: funden worden und in den wenigen Fällen, wo mensch: liche Meberrefte Brandjpuren trügen, handle e3 fich um

Sfelette einiger verunglüdter Berfonen, die übrigens auch) nur an den Extremitäten angejengt geweſen ſeien.“ Dieſe Virchow'ſche Behauptung widerlegt fih aus Schliemanns Ilios: ©. 46: „Mas die Eintvohner der fünf präbijtorifchen Städte von Hiſſarlik betrifft, jo ſcheint bei ibnen die Ver: brennung der Toten allgemeiner Brauch geweſen zu fein.“ „Im Sabre 1872 fand ich zwei Urnen mit verbrannten menschlichen Ueberreiten auf dem Urboden der eriten Stadt. Sn den Jahren 1871, 1872, 1873 fürderte ich aus der dritten und vierten Stadt eine bedeutende Anzahl großer Leichenurnen zu Tage, die menjchliche Afchenüberreite, aber feine Knochen, enthielten; nur eimmal fand ich in einer derfelben einen Zahn, ein andermal einen Schädel in der

Ajche vor.” Wie fönnte dem gegenüber jemand die Exiſtenz vortrefflicher Defen bezweifeln, die ftatt großer Knochen— vejte, wie folche in unferen und anderen Gräberfeldern gefunden erden, „nur Aſche“ Lieferten! Dieſe Ajchen: urnen ruben auf Hiffarlif im Boden der Kombujtorien das wäre nad Schliemann unter den Fußböden der „immer“, Im Oriente aber berrfchte ſtets die jtrengite Trennung der Wohnfise der Yebendigen und der Toten und prähiftorifche Städte auf Hiſſarlik waren orientalifch, nicht griechiſch; deshalb fchon mußte Schliemann durd) die

Zur Diskuffion Über Schliemanns Troja.

476 Auffindung

fo zahlreicher

Aſchenurnen

Charakter feiner Ausgrabung ift nicht ermittelt,

Afchenurnen

klar fein.

jofort über den

Die Zahl der

da nur etwa der vierte

bis fünfte Teil des Tumulus ausgegraben, die unterfte 2,5 m. ftarfe Schicht fogar faum berührt ift. Aber ſchon die „Ichäbungsweife” von Schliemann ©. 47 angegebene Bahl von taufend Aſchenurnen muß auf die gegen das Fundament der Nefropole gerichtete Virchom’fche Vers

neinung bernichtend wirken. Was nun die Stelette angeht, fo find deren über: haupt nur drei gefunden worden und in einem Haufe noch zahlreiche Knochen, die einem vierten angehört haben mögen. Daß Knochen, die mitten in der alle „Häufer” Hiſſarliks erfüllenden Holzafche ſteckten, Feine Brandſpuren trugen, ift an fih unglaublih. Schliemann jagt denn aud) Slivs ©, 307 ausdrüdlid von dem in fechs bis fieben Fuß hoher Holzafche ſteckenden, aufrecht ftehenden Skelett, die „Farbe der Knochen” laffe an der Verbrennung feinen

Zweifel.

Wil

Virchow

dies jest auf die Extremitäten

beichränfen, jo muß dies entjchieden abgelehnt werben! Eine Erflärung der jo auffallenden ſenkrechten Haltung bleibt Profeſſor Virchow ſchuldig. Wer in aller Welt wird glauben, unter der Wucht des Zufammenbruchs eines

brennenden

Haufes bleibe ein Menfchenfind mit „Richt

euch” Stehen! Woher die ungeheure Menge Holzajche, die auch diefen 4 bis 5 Q.-m. großen Raum ſechs bis fieben

Fuß body anfüllte?

Wer fih die Holzmafje vorſtellt, Die

dazu gehört, um fo viel Ajche zu Kiefern, glaubt nicht, der über diefem Naum gedachte Oberſtock fönne all diejes Holz enthalten haben. Die unteren Mauern, nad Er. Meyer fo ſchmal, dag man nicht darauf entlang geben fann und nad W. Simpfon aus Erde mit hineingefchobenen Steinen beftehend, "hätten einen ſolchen Oberſtock nicht tragen können. (Die Erklärung des Vorkommens diejer drei Skelette aus „Verſagern“ des Verbrennungsipitemes fiehe „Ausland“ 1883, Wr. 51, 52.) Herr Profeſſor Virchow hat dann weiter eingemendet, man babe in großer Anzahl ()) mohlerhaltene Knochen von Gmbryonenffeletten, „die doch dem Feuer den aller geringiten Widerftand hätten darbieten” müfjen, gefunden. Nun, dieſe Embryoffelette (übrigens nur drei), ind in Afchenurnen auf menjhlicher Aſche gefunden worden. Diefer Umstand beweilt doch, daß man fie nicht hat ver: brennen wollen. Vgl. Ilios ©. 365, wo Profeſſor Aretaios ganz richtig vermutet, man habe das Kindlein unverbramnt auf die Aiche der Mutter gelegt. Wurden doch auch bei

den Römern

ganz fleine Kinder niemals verbrannt, jon-

dern immer begraben. So jagt.aud Juvenal XV, 1396: Naturae imperio geminus cum funus adultae

Virginis oceurrit vel terra clauditur infans Et minor igne rogi. Des weiteren beruft Profeſſor Virchow fich auf die Funde von Tierreften, Mufcheln und verbranntem Getreide als ebenſo viele Beweiſe für. Wohnftätten. Wenn nun

auch Nind, Schaf, Ziege, Wildſchwein, Hirſch, ferner Weizen und Bohnen, ſowie Auftern zur Speife dienen, jo fragt es fich doch, ob fie dies hier für die Lebenden oder für die Toten waren. Wir kennen die im ganzen Alter — tum berrfchende Sitte der „Totenopfer“. Diefelben be ftanden aus Tieren, aus Getreide und aus Öetränfen. Die Tranfopfer (Wein, Mil, Honig, Waſſer, vorzüglich

auch Blut) wurden auf das Grab gegofjen, die Speifen, von denen niemand naſchen durfte, darauf gehäuft und zuleßt

verbrannt.

Diefe

Opfer

wurden

am 9, und 30,

Tage nach der Beitattung vollzogen und alljährlich, ſowie J bei beſonderen Anläſſen wiederholt, Gelegenheit genug zur Anhäufung

fnochen

großer Mengen verbrannter (Ilios 364) Tier—

und

verbrannten

Getreides

in der Nefropole,

Diefer uralte Braud, Thon im Homer erwähnt (Od. XI,

25 ff.) beſtand noch zur Zeit des hl. Auguftin (Augustin, De Sanct. Serm. 15), alfo im vierten Jahrhundert n. Chr.

Für

die Trankopfer

beſaß man bejondere Kultusgefäße.

Dergleichen ſind in Hiſſarlik maſſenhaft gefunden. (Schlie— mann nennt fie Saugfläſchchen für trojaniſche Kinder.) Bleiben noch die Mufcheln. Merfwürdiges Volk! Begräbt

feine Aichenurnen und breitet

unter dem Fußboden

darüber Mufchelichalen

feiner

fußhoch



aus,

„Zimmer gerade

wie man dies 3. B. auf Guernjey über „Orabjtätten“ J findet. Kein Zweifel, daß auch dieſe Muſcheln ein Toten— opfer waren! Gegen die Vermutung,

ratsbehälter, ſpricht

die großen Pithoi ſeien Vor—

jaſchon ihre Form, die den Geſetzen

der Stabilität zuwider iſt und auf ganz beſondere Gründe

zurückgeführt werden muß.

Die Gründe, welche Totenöfen

darin erkennen laſſen, find in Nr. 51, 52 des „Ausland“ 1883 angegeben. Profeffor Virchows Behauptung, Brandrefte von Menfchen jeten nicht darin gefunden morden, wider: legt ſich au? Ilios ©. 570, 571. Der dort von Virchow jelbjt bejchriebene Schädel iſt mit menschlicher Aſche in

einem

„großen

Kruge“ — das iſt nach dem Inder des

Ilios ein „Pithos“ — gefunden worden. Nicht beſſer ſteht es um die Virchow'ſche Angabe, „die Brandipuren

fänden ſich nicht in der unterjten Schicht (Schliemanns erite Stadt),

mafjenhaft

in der

nächjten

(der zerftörten

Stadt), um in der oberiten wieder zu fehlen.” Von der unteriten Schicht iſt nur verſchwindend wenig aufgededt, aber man iſt fofort auf verbrannte „Häufer” geftoßen. Val. Ilios ©. 310, 23 v. v.: „Unter dem Niveau der

Baſis feiner Mauern”, nämlich

eines Hauſes der ziveiten

Stadt, „ſtießen wir, merkwürdig

genug, auf andere Hause

mauern, die ficher noch älter fein müſſen und auch dieſe zeigen Spuren der Einwirkung einer furchtbaren Hitze.“ Auch Ilios ©. 37 bis 38 äußert Schliemann ſich ähnlich,

wo er unter dem Niveau der dritten Schicht verbrannte Häufer, alfo in der zweiten Schicht und darunter, alfo in der erſten Schicht, wieder folche antrifft. Auch Burnouf - berichtet Jlios ©. 242 von der Mifhung der erſten Schicht mit Holzkohle, Ajche und Knochen. Bekannt ift, wie lange

477

Nachtrag zur Abhandlung „Weſtafrikaniſche Laterite“.

die Brandfpuren

der zweiten Stadt, die jebt „die ver:

brannte” ausschließlich fein joll, von Schliemann-Virchow beitritten worden find. Die dritte „Stadt”, bisher Troja, it natürlich noch ebenfo verbrannt wie früher. Da haben

kanopen“ im ägyptiſchen, der Libiergefäße im Totenkult faſt einer Welt (ſiehe „Zeitichrift für Ethnologie” 1883 a. a. O.) Wahrlich, ſchließt Bötticher, das MWeggehen über fo

wichtige Momente, die Verwickelung in die vorjtehend nad)=

wir jchon 9 m. von 16 als eine homogene verbrannte Maſſe. Daß dies auch die oberiten Schichten, alfo die übrigen 7 m. waren, it aus folgenden Stellen im Ilios

gewwiefenen Widerfprüce zu den im Ilios niedergelegten Thatſachen, die Vernachläſſigung anderer Thatfachen, die wiſſenſchaftlich feſtſtehen, das alles macht den Virchow'ſchen

erfichtlih: S. 370: „verbrannte Häufer nur 4 bis 5 m. unter der Oberfläche”, alfo in der vierten „Stadt“. — ©. 639 (fünfte „Stabt”) ift die Nede von Ueberbleibjeln der aus Holz und Lehm gebauten Häufer; follte Holz, das im ganzen Hiſſarlik Tepeh in Geſtalt von Holzkohle und Aſche ericheint, in der fünften prähiſtoriſchen Stabt etiva unverbrannt erhalten fein? Nach ©. 656 liegt Brandjchutt

Standpunkt vollkommen hinfällig! Würde Dr. Schliemann die unterbrochene Ausgrabung

des Kara

Agatſch Tepeh,

die ſchon binnen zwei Tagen die gleichen Funde wie zu Hiſſarlik ergab, fortſetzen, ſowürde zuverläſſig dort der Nekropolencharakter ebenſo deutlich hervortreten, wie im Hiſſarlik Tepeh und im Hanal Tepeh, welchen letzteren ja

Profeſſor Virchow felbjt ein Kegelgrab der Troas

nennt.

dicht unter den Zundamenten des Athenetempels, die nad) ©. 35 nirgends tiefer als zwei Meter reichen. Sapienti sat! Die Eriftenz der „Gänge“ einfach ableugnen, wider: ſpricht thatfächlichen Angaben im Ilios. Da fie außerhalb der „Häuſer“ und zum Teil in den fogenannten „Stadt: mauern” verlaufen, haben fie mit der „Anordnung, tie

fie Wohnhäufern

eigen iſt“, abfolut

nichts zu Schaffen.

Einjtweilen ſei auf folgende Stellen im Ilios hingewieſen: Für Siffarlif auf ©. 345 22 v.o., ©. 349 big 351, ©. 352, Abbildung Nr. 186 (Profil ihrer Mündung), ©. 39, 13 v. o. Plan I. d.m.; ferner die lange Mauer vor dem Thor, gemäß Abb. Nr. 10 „hohl“. Stenographifcher Bericht vom 13. Anthropologen = Kongreß „der Zwiſchenraum zwilchen ven angeblichen Tempeln” u.a. Für Hanai vgl.

©, 790, 16 v. o,, ibid. 16 dv. u, ©. 79, 4 v. o. ff, Abb. Nr. 1539. Diefe Gänge find jehr weſentlich. gezeigt werden

foll, mehrfache

Es gibt, wie ſpäter

Analogien

zu denjelben.

Das Bild der Nefropole wird durch den Nachweis ergänzt, daß das Gold-, Silber, Bronze, Eiſen-, Stein-, Knochen, und Thongerät von Hiſſarlik überall in Gräbern, dem

Totenfult geweiht, gefunden wird. (Vgl. „Zeitfehrift für Ethnologie, Berlin”, Aſher, 1883. ©. 157 und Tafel IV. „Zeitſchrift fur Mufeologie” 1884, Nr. 1 und 3, und „Ausland” 1884, Nr. 15.) Ueber vieles jehr Wefentliche ſchweigt Herr Brofefjor Virchow, z. B. über die drollige Win:

zigfeit aller Verhältniffe in den Städten von Hiſſarlik, über die Lage einer Mfropolis in gleichem Niveau mit einer nicht auffindbaren Stadt, über die elende Bauart troß der in den

Schätzen ſich offenbarenden Kunſt, über Schliemanns Ver: wandlung der verbrannten dritten Stadt in eine gebrannte (Entdedung derumgefehrten Weife unferer Ziegelbauten), über den Nachtveis fünftlich bewirkter und oft wiederholter Brände, über den ebenfo unanfechtbaren als für die Städte-Hypotheſe verhängnispollen Beiveis, daß die vers und gejchmolzenen

Schmudjahen

ſchon vor dem Hineinlegen

in die Urnen

in diefem Zuftande waren, wie es ihrer Herkunft als Schmud

eines verbrannten Toten entfpricht (fiehe „Ausland“ Wr. 51, ©. 1014), über den Nachweis jo vieler

Geräte

von

Hiſſarlik im Totenfult, u. a. der „Eulenvaſen“ als „Sperber:

Uachtrag zur Abhandlung „Weſtafrikaniſche Interike“. Bon Dr. Pechuel-Loeſche.

Die außerordentlihe Borofität der Laterite, ihre Fähigkeit, das Negenwaffer, wie es niederfällt, ſogleich bis in die tiefften Schichten eindringen zu laffen, dürfte nicht ohne Bedeutung fein für die Nofogente und Nofogeographie. Das im Niederfinten alle Hohlräume des Bodens erfüllende Waffer verdrängt die bedeutende Menge der im trodenen Geftein vorhandenen Luft. Not— wendigerweiſe iſt diefe Luft mit Fäulnisproduften ge ſchwängert, welche den dem Boden vom einfintenden Waſſer immer neu zugeführten und im den Poren abge: festen, fein verteilten organischen Subjtanzen entjtammen. Beim Beginne jedes ſtarken Negens riecht man nur zu

deutlich

jene verdrängte

Luft.

Die Eingebovenen

der

Loangofüfte fennen diefe Erfeheinung jehr wohl und nennen

fie Tschinunku tschi ntandu: Geſtank der Savane. Welche bedeutende Menge einer mit Fäulnisprodukten geichtwängerten Luft muß in mehr oder minder kurzen Pauſen dem Boden enttveichen bei Gewitterregen, welche in einer halben Stunde 10 bis 30 Liter Wafjer auf den Quadratmeter Boden werfen, und zwar auf einen Boden, der diefe Waffermenge fogleich bis in die tiefſten Schichten vers

ſchluckt! Die ausgetriebenen fauligen Gafe, verbunden mit einem Gemifch undefinierbarer Gerüche, der Dunft und Regen— dampf und die oft erdrückende Schwürle werden überaus läſtig. Sind Lagunen, Sümpfe, Schlammbetten in der Nähe, die vom Schlagregen aufgewühlt werden, von denen der Wind ebenfalls die Miasmen heranführt, jo wird oftmals der

Buftand des Beobachters unerträglich und beängjtigend. Auch diefe Eigenart der Laterite dürfte bei Beur— teilung von Krankheitserſcheinungen dev Beachtung wert fein.

418

Oporto und die Douromündung. noch am anderen Morgen die Märkte auf, um nicht nur

Oporto und die Douromündung.

die alltäglichen Bedurfniſſe des Volkes kennen zu lernen,

3%. © Müller-Beed zeichnet in feinen Schil—⸗ derungen: „Eine Reife dur Portugal”! folgendes lebhafte Bild von Oporto und feiner Umgebung: Dporto iſt eine ganz moderne Stadt und derartig von englifchen Sitten beeinflußt, daß man wieder zum ſchmutzigen Stadtteil des Flußufers zurückkommen muß, um an der Bauart der ärmeren Häufer, an dem Getreibe der Fiſcher, Schiffer, Handwerker und Bauern portugiefis jches Leben zu fchauen und zu ftudieren, und auch da

überiviegt der fremde Einfluß.

Während man nad) Nor:

den und Weſten weit und geräumig gebaute Stadtteile durchwandern fanı, muß man in der Nähe des Douro von hoben Häufern eingeengte, düjtere und jchmußige Stadtteile durchichreiten. Porto iſt nah Liſſabon die wichtigjte Induſtrieſtadt; der Haupthandelsartikel bleibt aber doch nach wie vor der

Wein, und neben der Baumwollen-

und Wollenſpinnerei

und Hutfabrikation kommen die Gerbereien, Lederfabri— kationen, Metallgießereien erſt in zweiter Linie. Die namhafteſten Ausfuhrartikel ſind Orangen, Mandeln, Zwie—

beln, Kork, Hornvieh, letzteres nach England.

Die Ein—

fuhrartikel dagegen ſind: Mais, Weizen, Zucker, Sprit, Tabak, Mehl, Baumwoll-, Woll- und Seidenwaren, Häute, Leder, Flachs, Rohzucker, Reis, Stockfiſch, Faßdauben. Neben der engliſchen Schiffahrt iſt die deutſche zu nennen. Von den monumentalen Bauten darf der Torre dos

Olerigos nicht unerwähnt bleiben, der nah) Mafra das höchſte Bauwerk in Portugal ift und 1779 von der Geiftlichkeit erbaut wurde; man hat von der Spibe des Thurmes eine weite Ausficht auf die Stabt, die nur übertroffen wird von derjenigen, welche man vom Eingange der Kathe— drale auf Dporto hat. Letztere ſteht auf der Spiße eines Hügels, den früher ein befeitigtes Bollwerk der Sueven einnahm. Durch architektonische Abjonderlichkeiten ſcheinen fi) alle Gebäude Portugals auszuzeichnen; ich erwähne die vorgenannten, weil der Reiſende nur von diefen er: höhten Standpunften einen Ueberblid über die Lage der Stadt gewinnt, wie auch vom Klofter bei Gaia, das auf dem Hügel im Knie des Douro aufgebaut tft. Die fteilen Ufer des Fluſſes laffen auch den Angriff Wellingtons am 12. Mai 1809 gegen die Franzofen unter Soult, welcher Dporto inne hatte, gewagter erjcheinen. Waren uns die Trachten des Nordens ſchon befannt, ſowie die Filigranarbeiten der Nua de flores, ſeitdem wir Liſſabon, befuchten nichts neues, jo fuchten wir den— 1 Hamburg. Verlag von L. Friederichfen u. Komp. 1883, 84 ©. und eine geologische Karte. Der Berfaffer ſucht an der Hand feiner Neifenotizen anzudenten, wie die geologiſche Beſchaf— fenheit des Bodens den Sandichaftlichen Charakter der Gegend bedingt und wie beide

zufanmen

dem Volke ein beftimmtes Gepräge

aufdriiden, ſowie für defjen Eriftenz und Weiterentwidelung maß— gebend find,

fondern auch die Bevölferung der Umgegend zu jehen. Sn der Nähe einer großen Stadt bewahren die Fiſcher und

Bauern ftets ihre Sitten und Gebräuche, injofern fie nad) augen wirken und dazu angethan jind, Neflame für das Gefchäft zu machen! Während der Fiſchmarkt leider wenig J Intereſſantes bot, herrſchte um 7 Uhr auf dem Gemüſe— und Fruchtmarkt noch ein reges, interefjantes Treiben. J Hier faufte ein betreßter Diener aus einem vornehmen Haufe der Nua nova de Inglezes einige leicht zu trangportierende Hausftandsgegenftände mit der wichtigen Miene eines Haushofmeiſters ein, dort jchäferte ein hübſches — Bauernmädchen mit einem jungen Konkurrenten und ließ ihre fchiveren Goldohrringe bei jedem Lachen Elingend ers

i —

tönen.

Hier wieder

Frächzten Hühner

und Enten

und

rubig wie eine Statue ſaß unter dem geflidten Rieſenſchirm en ee eine alte, häßliche Matrone, die vor fih Bohnen, Rüben,

Kohl,

Kartoffeln,

alles

aber

von

vorzüglicher

Güte,

Z — Zu *

ausgebreitet hatte. Bon den Früchten waren es meijtens Drangen, Erdbeeren und Kirſchen, und von den Gemüſen her Kartoffeln und Zwiebeln, welche als Spezialitäten des Marktes galten. Die Männertracht zeigte feine Verfchieden: heit und auch die Frauenkleidung differierte nur bei den Der kleine runde Hut iſt mit ſchwarzen, Wohlhabenden. meistens fehr alten und fehlechten Federn eingefaßt. Die Frauen jchürzen ſich mit bunten Tüchern, was oft ente jeblich bäßlich ausfieht, weil das bunte Tuch mit dem meiltens dunfeln Anzug fontraltiert. Ber wohlhabenden zer

a

Bäuerinnen find das reich verzierte Mieder und die ſchwe— ven, großen Ohrgehänge und Halsfetten auffallend, Die den Mädchen

und

Frauen

troß der Ueberladenheit nicht

ichlecht jtehen, weil das Kopftuch, das unter dem Hut ges tragen,

lang

auf die Schulter

Büfte etwas Eigenartiges wähne

herabhängt,

der ganzen

und Driginelles gibt.

Sch er:

gleich bier, daß wir ſolche vollftändige Trachten

nur in Oporto gefehen haben. Am folgenden Tage befuchten wir die Douromündung und erfreuten uns der Schönen Ausficht aufs Meer, obgleich man fich des Gedanfens nicht erwehren fann, wie wenig für die Einfahrt zu der zweiten Handelsſtadt des Reiches gefcheben it. Der Eleine Badeort Say FoAo da 50; mag zur Babefaifon ein belebter und interefjanter

Platz fein. Ms wir ihn ihm Mai befuchten und meiter hinauf nah Mattozinhos gingen, das man auch mit der Pferdebahn wohnungen Schiffahrt 3505. Wer

erreichen fann, fielen uns die Fleinen Sommer: weniger auf, als die verfandete und für die jehr gefährlihe Mündung des Douro bei da bei Sturm hier an der berüchtigten Brüde von

Kantareiva gelandet ift, der muß flarer, als es uns ge worden, die gänzliche Nuslofigfeit des Stromes für einen grogen Schiffsverkehr erkannt haben. Die gefährliche Barre ermöglicht für Schiffe mit größerem Tonnengehalt

nur

eine ganz

enge Einfahrt. — Der Human Society

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Kleinere Mitteilungen. of Foz gehören infolge der verschiedenen, faft alljährlich fich wiederholenden Unglüdsfälle, Nettungsboote der originell: ften Konftruftion, und eine Landung der verftört drein— Ichauenden Paſſagiere an dieſer Stelle bietet einen ebenjo

rettete ihm nur ſprünglichen

pofjenartigen Anblid dar, als an der Küfte von Maroffo,

den nähert.

Kleinere Mitteilungen. Die Reife von Profeſſor Julius Euting nad) Zentralarabien, Profefjor Julius Euting, welcher vor einem Jahr Europa verlaffen hatte, um die Stammfite der Beduinen in der arabiſchen Wüſte und bejonders das Dſchebel Schammar nad) altorientalisfchen Inſchriften zu durchforſchen, ift Kat einem aus El Wedſch am Noten Meere eingetroffenen Brief nach fühnen amd glüclichen, aber auch gefahrvollen Zügen auf ägyptifchen Boden zurückgekehrt. Der bekannte Epigraphifer entdedte ımter anderem in Palmyra einen bisher verborgen gebliebenen jüdischen Tempel mit einer paläographiſch höchſt merkwürdigen hebräischen Inſchrift und außer— dem gelang es ihm, von der berühmten, aber bisher nur ungenau publizierten palmyreniſchen Bilinguis — ſie enthält einen ſprach— lich wie kulturhiſtoriſch gleich merkwürdigen Zolltarif — eine tadelloſe Kopie zu fertigen. Am 27. Oktober v. J. traf Euting

‚ 12

und

Ex mußte auf feine ur—

ging nad) El Wedſch,

von

wo

Die neuejten Ausgrabungen auf der Piahlbaute Robenhauſen. Infolge des zur Zeit niedrigen Wafjerftandes war es mögih), auf dem Pfahlbau Nobenhaufen, von deffen Terrain noch jetzt gegen 2000 Q.-m. undurchforſcht ſind, Nachgrabungen vor— nehmen laſſen zu können. Obgleich ſich die Funde bis jetzt nur auf einige wenige Stücke belaufen, bieten ſie doch bedeutendes Intereſſe. Nachdem wir verſchiedene Schichten Torf, Reiſig, Tannennadeln, Eſtrich bis zur Tiefe von 21a m. durchſtochen hatten, famen wir auf die iiber 20 cm. mächtige Kohlenſchichte der zweiten Niederlaffung. Leider wurden unſere Erwartungen, es möchten in derjelben Gewebe 2c. vorkommen, arg getäufcht; mit Ausnahme zweier je zirka 8 Q.-cm. großen Baftgeflechte fanden fih feine Produkte diefer Art vor. Etwas reichhaltiger war nun die folgende Schihte aus Torf, mit Holz, Steinfplittern, Knochen ꝛc. vermischt. Der erſte Fund war ein nur wenig mit der Schaufel verletztes Töpfchen, ſodann Feuerſteine und der Holz— ſchaft für eine Säge, ein Schöpfer aus Holz von ganz eigen— tümlicher Form und die Fragmente einer Gießſchale. Trotzdem mein Vater ſchon vor 20 Jahren ganz analoge Gießſchalen und bekanntlich dann vor einigen Jahren ein reines Kupferbeilchen gefunden, ſo hatten wir bis dahin doch nie der Fundſchichte ſelbſt dieſe Gegenſtände enthoben, wir fanden ſie mehr zufälligerweiſe bei Baggerarbeiten u. ſ. f. Durch dieſes Stück nun iſt ung der Beweis erbracht, daß das Metall nicht erſt während des Beſtandes der dritten Niederlaſſung aufgetreten iſt, ſondern ſchon viel früher,

Fluchen der BootSleute und der am Strande Faulenzen-

in Hail am Hofe des Emir Jon Raſchid ein.

feine Unerfchrocenheit.

Pläne verzichten

aus er am 20. April glücklich in Kofeir anfam. Bon bier beabfihtigt er noch per Kamel nach Kenneh am Nilzu reiten und einen Abfteher nah den Ruinen von Theben zu madhen, um von da über Kairo, Jaffa, Jeruſalem, Beirut, Griechenland und Stalien heimzukehren. (8. 3.)

vo man auf den zerbrechlichen, bochbepadten Kanoes feitgeflammert, ſich dem felfigen Ufer unter Schreien und

Hier verweilte er

drei Monate, fortwährend mit Sammeln von Inſchriften bejchäftigt, die er zum Teil mit größter Mühe von den Felfen und Gebäuden abklatjehte. Don Fon Rashid ward Euting, welcher freilich einen großen Teil jeiner Mittel auf Gejchenfe hatte verwenden müſſen, gut aufgenommen. Den Emir jelbft ſchildert er als einen geiftig hervorragenden, mit liebensmwürdigen Eigenſchaften begabten Herrjcher, der fi) wißbegierig und unvoreingenommen über die Einrihtungen und Sitten des Abendlandes zu unterrichten fuchte. Um fo jchlimmeres Bettelvolf war die ganze übrige Hofgejellichaft. Am 23. Januar 1884 verließ Euting die Reſidenz Hail und gelangte in 24 Tagen, freuz und querziehend, über Mokak, Dichebel Misma, Eruan, Bird und Helwan nach Teima. Hier entdecdte er eine große aramäifche Stele mit einer Jufchrift, die er auf etwa 550 bis 500 v. Chr. anſetzt. Da ſich inzwifchen das unſinnige, nicht mehr auszurottende Gericht verbreitet hatte, jeine mit den Inſchriften-Abklatſchen angefüllten Koffer enthielten pures Gold, jo begannen nunmehr die Naubgelüfte der Beduinen fi zu regen. Schon auf einem Abftecher von Teima nad) Tebuf entging er nur wie durch ein Wunder mehreren Naubzügen. Bald aber follte es ihlimmer fommen. Zuerft ging Euting von Teima nah EI Hegr Madain Salih), wo zahlreiche prachtwolle nabatäiſche Inſchriften gewonnen wurden, dann nach El Dela (auf den Karten auch EI Al), wo fi) 55 himjariſche Fufchriften fanden. Von bier aus wollte der Forjcher nach mehreren Querzügen mit zwei halbwilden Deduinen vom Stamme der Belt das Gebiet des Tetstern, das alte Midian, insbefondere die jagenhaften Ruinen von Maghair Schv’eib und dann das ſüdlich davon bis nach Medina ſich erftredende Land der Geheineh nah Inſchriften, deren Dertlichkeiten ihm bereits bezeichnet worden waren, durchſuchen. Allein kaum von EI Dela aufgebrochen, wurde er am erften Abend mit fernen zwei Begleitern von einer Bande von zehn Geheinceh-Näubern überfallen und nach einem hitigen Kampfe auf Leben und Tod

419

auf der

zweiten,

bekannt

war

und

es

beweiſt

uns

ferner, daß

wahrend eines laugen Zeitraumes Metall und Stein zuſammen Es mag wohl das Kupfer in jener Zeit verwendet wurden. die gleiche Stelle eingenommen haben, wie heutzutage manchenorts das Gold, Wezikon. H. Meſſikommer. Ethnographiſches Muſeum in Kiel. Unter dem Namen „Muſeum für Völkerkunde in Kiel“ hat ſich auf Anregung der Anthropologiſchen Geſellſchaft der Provinz Schleswig-Holſtein und mit Unterſtützung des Chefs der Marine— ſtation der Oſtſee, Kontreadmiral v. Wickede, und des Direktors der

Marineakademie,

Kontreadmiral

v. Reibnitz,

die Gründung

eines ethnographiſchen Muſeums vollzogen. Die günſtige Lage Kiels und die Protektion der Marine ſichern dem Unternehmen eine Zukunft. Auf ihren transozeaniſchen Arbeitsſtätten hat die letstere von jeher der Deutschen ethnographiſchen Forſchung weſent— lie Dienfte geleiftet und eine große Anzahl von Schiffen bringt die Ausbeute ihrer ethnographifchen oder anthropologiſchen Nach— juchungen mit in die Heimat. AS einheitlihe Sammelftelle für

diefelben ift Kiel ganz geeignet. |

Hoffentlich werden unſere Kriegs—

ihiffe fortan noch fyitematifcher ihre Arbeiten zu Gunſten des heimatlichen Hortes ihres Fleißes fortfegen, jo daß ohne einen bejonderen Aufwand an Koften vielleicht jchon in wenigen Jahren aus dem bejcheidenen Anfange ein ftattliches Werk geworden fein kann. Das Mufeum in Kiel foll alle die vielerlei Gegenftände umfaffen, die mit dem Leben und den Sitten der verjchtedenen Völker

zufammenhängen,

alfo

Kleidung

und Schmud,

Geräte,

Werkzeuge und Waffen, Münzen und Gewichte; ferner alles, was fih auf Wohnftätten und deren Einrichtung jowie auf Fahrzeuge | bezieht und endlich die Dinge, die mit veligiöfen Gebräuchen im

—5

Notizen. —

480

Zuſammenhange ſtehen. Zubeachten iſt, daß nicht nur die fertigen Erzengniffe der Induſtrie, ſondern auch die Rohmaterialien und die Art der Fabrikation vor Augen geführt werden ſollen. Das Muſeum ſoll aber außerdem noch alles das berückſichtigen, was den Körperbau der Raſſen und Völker betrifft, alſo Schädel und Skelette, Geſichtsmasken, Haarproben u. ſ. w.; es ſoll alſo auch auf eine anthropologiſche Abteilung erweitert werden. Die prak⸗ tiſche Leitung befindet ſich inden Händen des Profeſſors Dr. Rauſch, eines durch die deutſche Polarexpedition 1869/70 bekannt gewordenen K. 3.) Anthropologen.

die Kolonialregierung jett eine Triangulation und Vermeſſung in

Anftralien, Erpedition nah den Melville- und BathurftSnfeln. Die füdauftralifche Regierung läßt durch eine Expedition die nördlich von Port Darwin gelegenen Mefville- und BathurftInſeln unterſuchen. 1824 war ein militärischer Poften auf Mel— ville etabliert worden; wegen Streitigkeiten mit der Bevölferung wurde er wieder aufgegeben. ine Erinnerung an diefe voritbergehende Nieverlaffuug bilden die zahlreichen Büffelherden, Pie Nachkommen derjenigen Tiere, welche durch die Soldaten dort in Freiheit gejett worden waren. Weftauftralien im Jahre 1882. Weftauftralien, Die größte unter den auftralifhen Kolonien, mit einem Areale yon 45,898 D. ©. Q.-MI., zählte am Schluffe des Jahres 1882 exit eine weiße Bevölkerung von 30,766 Seelen. Die Zahl der Eingeborenen läßt fih, da der größere Teil der Kolonie noch unbe— fannt ift, nicht beftimmen; von den Koloniften wurden ungefähr 2350 Eingeborne zu verjchiedenen Arbeiten verwendet. Der Vieh— ftapel beftand aus 31,325 Pferden, 69,473 Stück Nindvieh, 1,259,797 Schafen und 16,898 Schweinen. Unter Kultur befanden fid) nur 56,691 Akres oder 22,937 Ha. Land, meiftens fir Weizenbau und Heu. Die Revenuen für das Fahr 1882 beliefen fi) auf 250,372 Pf. St. gegen Ausgaben in der Höhe von 209,451 Pf. St. Die öffentlihe Schuld bezifferte 513,000 Pf. St., alfo 16 Pf. St. 6 sh. pro Kopf. Eine im Jahre 1883 von der Legislatur genehmigte neue Anleihe von 260,000 Pf. St. konnte an der Londoner Börſe nicht plaziert werden. Der Import bewertete 508,755 Pf. St., der Export, meiftens Wolle, Sandel(Santalum persicarium) und Sarrahholz (Eucalypius marginata) 583,056 Bf. St. Die ein- umd ausgelaufenen Schiffe betrugen 263 mit 92,000 Tonnen Gehalt. An Eijenbahnen waren 95 e, Mt. oder 153 Km, in Betrieb und 21 e. Mi. oder 34 Km. in Bau begriffen. Da die vorerwähnte Anleihe fir Eiſenbahnzwecke nicht gelang, jo hat man mit einer Gefellihaft engliſcher Kapitaliften abgeſchloſſen, welche gegen Uebereignung ſehr beträchtlicher Areale die von der City of Perth auslaufende Oftbahn von der Endftation York in 310 52° |. Br. und 1160 46° 8. 2. von Gr. ab nach Albany an der ſüdlichen Meeresfüfte in 350 1° f. Br. und 1179 56° 5. L. von Gr. auf ihre Koften verlängern will, Die Länge der Telegraphen betrug bereit$ 1545 e. Mi oder 2551 Km.

Viertel

in Auftralien.

für die Chinefen nit nur al3 unvermeidlich, fondern aud a8 abfofut notwendig an den Orten, wo fih eine große Zahl Chineſen angefiedelt hat, weil fie den letzteren alles, was fie ihrer Nationalität nad) bedürfen, liefern. Die an fünf verfehiedenen Orten unterſuchten chinefischen BVBiertel waren von 942 Chinefen — bewohnt; darunter befanden fi 36 europäifche und 1 hinefifche J Frau, welche mit Chineſen verheiratet waren. Sie hatten 68 J Kinder und ſtanden moraliſch ſehr tief. In einem der unterſuch— ten Stadtteile, Wagga, find die ſanitären Verhältniſſe außer gewöhnlich ſchlecht; im allgemeinen aber haben die chineftschen Häufer gute Schlafzimmer und jehen ziemlich anftändig aus. DerKönig der Maoris, Tawhiao, im fhönen, 16,125 Kilometer umfaffenden Waufatoo Gebiete auf der Nordinfel von Neufeeland, ſcheint feine Abgefchloffenheit gegen die Europäer aufgegeben zu haben. Er hat geftattet oder geftatten müffen, daß

Notizen.

Die Hinefifhen

Litteratur.

In Neu-

Siidwales hat man eine ausgedehnte Unterfuchung der hinefischen Quartiere in Bezug auf ihre moralischen und fozialen Verhält— niffe vorgenommen. Zwei höhere Polizeibeamte umterfuchten an fünf Orten die beftehenden Viertel und erftatteten einen fehr intereffanten Bericht. Sie betrachten die Anlage befonderer Quartiere

jeinem Gebiete vornehmen Yäßt.

Silteratur. Landſchaftskunde. Verſuch emer Phyfiognomif der ge famten Ervdoberflähe in Skizzen, Charafteriftifen und Schilderungen, zugleich als erläuternder Text zum landſchaftlichen Teile (II) von Ferdinand Hirt's Geographiichen Bildertafeln, herausgegeben von Dr. Alwin Oppel, Lehrer der Geographie am Realgymnaſium zu Bremen. Ferdinand Hirt, Breslau 1854. Erſte Lieferung ©. 1 bis 64. Zweck, und Inhalt Diejes unter anziehendem und vielverfprechendem Titel in die Welt gefandten Werkes bezeichnet der Verleger im Vorworte folgendermaßen: „Durch die Herauggabe der „Landſchaftskunde“ wollen mir zunäcft das bei dem Erjheinen des zweiten Teiles der Geographifchen Bildertafeln ° gegebene Verſprechen löſen, wonach den typischen Landjchaftsbildern ein ausführlicher, erläuternder Text Hinzugefügt werden follte, Aber mit der dadurch geftellten Aufgabe, die Bilder durch Schilderungen zu umfchreiben, hat fich der Berfaffer des Werkes, der zu diefem Zwecke ausgedehnte und gründliche Quellenftudien gemaht — hat, nicht begnügt; fondern er that einen Schritt weiter und unternahm e3, aus der Summe der Einzellandfchaften den Gefamtharakter der Länder und Erdteile feftzuftellen, diefen in fyftemat- ° ischer und konſequenter Weife auf die örtlich herrſchenden Natur— bedingungen zurückzuführen, den Einfluß der menschlichen Kultur auf den urfprünglichen Zuftand des Bodens nachzuweisen und die gewonnenen Nefultate bald in Eurzen Skizzen, bald in ausführlichen Charafteriftifen darzulegen.“ Ohne Zmeifel ift hiemit eine jchwierige Anfgabe gezeichnet, der gerecht zu werden nur einem geographifchen Denker gelingen wird, welcher die Gefamtheit der Erſcheinungen des tellurifchen Lebens nach ihrem oft jehwer fichtbaren Zuſammenhang erfaffen und in gedanfendurchleuchteten Bildern darzuftellen vermag. Die naheltiegende Gefahr ift das Anseinanderfallen des höchſt mannigfaltigen Stoffes in feine an der Oberfläche gejonderten Elemente und al3 Folge davon ein gedankliches und ftiliftiihes Chaos, Wir halten fir heute unfer Urteil zurück, bis mehrere Lieferungen vorliegen werden und betonen einftweilen nur unfer Erftaunen, die Farder und Island in diefer Phyſiognomik der Erdoberflähe Europas zu finden md unjere Befürchtung, daß der Berfaffer in zu einfeitige Landſchafts— beſchreibung, wie Viele vor ihm, verfalle. Das unentbehrliche | anthropogeographifche Element finden wir vernachläſſigt. Wir jehen mit Intereſſe den folgenden Lieferungen entgegen, |

Drud und Verlag der J. ©. Cotta'ſchen Buchhandlung in Miinchen und Stuttgart.

J

Mas Jusland. Wochenſchrift für Finder: und Völkerkunde, unter Mitwirkung von Profeſſor Dr. Friedrich Nagel und anderen Fachmännern herausgegeben von der

3. 6. Kotta’fhen Buchhandlung in Stuttgart und Münden. Siebenundfünfzigiter Jahrgang.

Münden,

Ar. 23.

23. Juni.

1584.

Zährlic 52 Nummern A 20 Seiten in Quart. Preis pro Quartal M. 7. — Zu beziehen durch ale Buchhandlungen des In- und Auslandes und die PojtÄmter. — Rezenfions-Gremplare von Werken der einſchlägigen Litteratur find direft an Heren Profeſſor Dr. Friedrich Natel in Münden, Akademieſtraße Nr. 5, zu fenden. — Inſerationspreis 20 Pf. für die gejpaltene Zeile in Petit.

Inhalt:

1. Die Goldfelder Borneos.

Bon Dr. Theodor Bojewis

in Batavia.

©. 481.



2. Die Aftronomie

der Naturvölker.

Bon G. Müller-Frauenftein. (Schluß.) ©. 484. — 3. Paraguay und die dentjche Koloniſation. II. Der Wert Paraguay’s für die dentjche Kolonifation. S. 487. — 4. Die Expedition zur Erforfhung der Schan-Gebiete (Hinterindien), Von %. ©. Miüller-Beed. Schluß.) ©. 49. ©. 492, — 5. Der Kulturzuftand Japans. ©. 493. — 6. Zeitgemäßes über Sudan, Oftafrifa und Islam. — 7. Kleinere Mitteilungen: S. 497. Das Uebereinfommen der Juternationalen Kongo-Gefellichaft mit Frankreich. Unterirdiſche Süßmafferbeden in Siüdanftralien und Queensland. Meteorologiſche Beobachtungen auf dem Schneeberg. Südafrikaniſche Landſchaft. —

8, Notizen: ©. 498.

Afrika. —

9. Litteratur: ©. 49.

Die Goldfelder Borneos. Bon Dr. Theodor

Pojewit

in Batavia.

Borneo ſteht ſchon ſeit Jahrhunderten in dem mwohlverdienten Nufe, reich an Gold zu fein, und in der That

üt diejes edle Metall eines der meiſt verbreiteten und wertvolliten Mineralien, welche man auf der Inſel antrifft. Die Eingeborenen des Landes find wohl die eriten gewejen, die ſich mit der Goldgewinnung befchäftigten, da

das „Waſchgold“ in den Sandbänfen der Flüſſe ihnen leicht in die Augen fiel, auf einfache Weife getvonnen und nicht weiter verarbeitet werden mußte und fie den Wert desjelben als Taufch- und Schmudmittel bald zu fchäßen wußten. Das Volk jedoch, welches ſich im großartigften Maßſtabe mit Goldgraben beichäftigte und es noch jebt thut, waren die Chinejen, die, durch den Goldreichtum der Inſel angelodt, in fol” großer Anzahl jeit Jahrhunderten nad)

Borneo jtrömten, daß einzelne Gegenden im meftlichen Teile der Inſel zwischen den Flüffen Landak und Sambas

Monate gewählten Funftionären, die unter einander in Berband jtanden, eine Art füderative Nepublif bildend. Als ſolche gelangten fie zu großer Macht und, abgejehen von der jährlich an die indische Negierung zu entrichtenden Bachtfumme, waren fie ganz jelbjtändig, traten ſelbſt gegen die Regierung feindlih auf und mußten mit Gewalt unter: drückt werden. Ihre Blütezeit hatten fie im vorigen Jahr— hundert; gegenwärtig hat ihre Zahl mit der Verminderung der Goldfelder jehr abgenommen. Europäer gaben fi) in früherer Zeit mit Goldgewinnung nicht ab. Ein kurz— dauernder Berfuh wurde 1823 von der Negierung ge: than, um mit Hilfe von Geldvorfchüffen Gold zu graben (Madjau in Weft-Borneo), und bloß ſeit dem legten Jahre werden durch eine ausländische Gejellihaft in Sud-Borneo (Tjempafa) Gold, Platin und Diamanten gewonnen, während auch andere Konzeffionen erteilt find, von welch’ (eteren jedoch bis jegt noch Fein Gebrauch gemacht wurde. Das Gold fommt in Borneo in drei verjchiedenen

Zagerungsverhältniffen

vor: als Waſchgold im Allupium

furziveg die „chinefischen Diftrikte” genannt werden. Ihr Hauptzweck war, die reichen Goldfeifen abzubauen, während

der Flüffe, als Diluvialgold in Seifenlagern und auf ur— Iprünglicher Lagerjtätte im Muttergeftein. Man fann behaupten, daß falt alle Flüffe Borneos

fie die Gewinnung des Flußgoldes, al3 ein zu geringes Erträgnis liefernd, den Eingeborenen überliegen. Cie bildeten überall Grubenvereine (Kongsie) mit je auf drei

mehr oder weniger goldführend find. So lauten wenigſtens die Berichte der Eingeborenen, jo die Ausfagen der im Innern der Inſel zerjtreut lebenden Beamten, jo die Reife:

Ausland

7 JO92

1884, Nr. 25.

fi

Die Goldfelder Borneos.

482

berichte. Am beiten wird es aber dadurch beiviejen, daß man,

die „tote Erde” (Tanah lihat) genannt, das Verwitterungs⸗

wenigſtens in früheren Jahren, überall Goldwäſcher antraf.

produkt des anſtehenden feſten Geſteins; ſie zeigt oft eine

Unter den Reiſenden

ift in erfter Stelle

Dr. Schwaner

zu erwähnen, ein Deutfcher von Geburt, der die Haupts itröme Süd-Borneos bereifte und als erſter Europäer

wellenförmige Oberfläche und in den Vertiefungen findet ſich das meifte Gold. An vielen Orten findet man jedoch

feine abgegrenzte Goldlage, fondern diefes findet fi un

die Inſel vom Süden nah Welten, Bandjermaſſin-Pon—

regelmäßig in der Ablagerung verteilt.

tianaf, durchkreuzte. Nach ihm wird überall in Süd- und Weſt-Borneo Gold gewaſchen. Vom Dften und Norden der Inſel fehlen nähere Berichte darüber, doch gelten ſie auch als goldreich.

Im Muttergeftein wurde das Gold bis jet blos in Weſt-Borneo gefunden. Es find ſtark vermwitterte Thon

Es ift eine leicht erflärliche Thatjache, daß der Gold: gehalt im unteren Stromlaufe am geringjten iſt, daß er im mittleren zunimmt und im oberen Stromlaufe ſowie in den Nebenflüffen fein Marimum erreicht. Damit ſtimmt auch das Erträgnis beim Goldwaſchen überein, welches zunimmt, je mehr flußaufwärts man fich befindet. Das Wafchgold kommt meist als Goldfand vor, aber auch in

Schüppchen und größeren Körnchen.

'

Ebenso verbreitet wird das Gold auch in Seifenlagern angetroffen, den diluvialen Lagerjtätten, von denen zum großen Teile das Wafchgold feinen Urfprung nimmt. Der Goldgehalt der Seifen iſt ein jehr wechjelnder, in manchen fommt es in überreichen Mengen, in anderen Gtreden jeltener vor oder ſcheint faſt gänzlich zu fehlen. Die ergiebigiten Gegenden Borneos find in Weit Borneo die ſchon erwähnten chinefischen Diftrikte, ein Teil des Gultanat®s Sambas und Mandhor, mährend die übrigen Gegenden wenig produktiv erjcheinen und die ſüd— lichen Zander Matan und Sandanmwagan die goldärmiten find, in Süd-Borneo der die ſüdöſtliche Inſelſpitze bildende Diſtrikt Tanah-laut. Hier iſt es eine ungefähr 5 MI. lange Zone, von Tabanio bis Martapura fich erftredend, wo das meiste Gold gefunden wird und innerhalb diefer

Zone

find wiederum einige Lokalitäten die goldreichiten.

Bom Dften und Norden der Inſel weiß man nichts Näheres. Die Lagerungsverhältniſſe des Goldes in den Seifen, wobei es ſowohl örtlich entſtandene als Schwemmſeifen gibt, welche jedoch nicht gehörig von einander geſchieden erwähnt werden, ſind im ganzen und großen überall dieſelben. Unterhalb der Humuslage treten Lehm- oder ſandige Thon— ſchichten in einer Mächtigkeit von 0,5 bis 3,0 m. auf;

dann folgt die goldführende Kieslage (Batu panatu) 0,1 bis 2,0 m. mächtig, zum größten Teile aus Quarzſand beitehend, mit größeren ©eröllen von Serpentin und Eruptivgefteinen (Gabbro, Divrit, Syenit, Granit). Die Mächtigkeit der Kieslage jteht in feinem geraden Verhält-

E

ichiefer, deren Alter noch unbejtimmt ift, deren Zagerungs-

verhältnifje aber in der Nähe von Graniten und diefen aufs lagernd auf ein ziemlich hohes Alter hinweiſen. Oft ift es der verwitterte Oranit jelbjt (oder Gabbro und Divrit), in welchem das Gold fein eingefprengt erſcheint. In den Schiefermafjen tritt es netzförmig verteilt oder in Gängen

von einigen Millimetern bis zu einem Meter Mächtige feit auf.

J

Die Gangformationen find noch nicht gehörig ſtudiert; es ift allein befannt, daß als Ganggeftein ftets Quarz | erfcheint,

als Begleiter

Eifenfies,

Schivarzfupferfies und Blende. in der Tiefe ift noch

zumeilen

Kupferfies,

Das Verhalten der Gänge

nicht befannt, da die Chinefen bei

ihrer primitiven Gewinnungsweiſe

nicht viel tiefer als

10 m. eindringen konnten, Was das Gold ſelbſt anlangt, fo unterscheiden die Eins geborenen zwei Sorten: junges und altes Gold (Mas muda

und Mas tuwah); erjteres von mehr oder weniger mejlinge gelber Farbe, einem bedeutenden Silbergehalte entfprechend, leßteves mehr goldgelb oder rötlich gelb gefärbt, mehr

Gold

enthaltend.

Doch

kommen

vielfache

Webergänge

zwiſchen diefen vor.

Die Gewinnung des Goldes gefchteht auf verjchiedene Weife.

Das Flußgold gewinnen

die Eingeborenen durd

Waſchen während der trodenen Jahreszeit, wo dann die Sandbänfe der Flüffe mehr oder weniger troden gelegt find. Meiſt wird die Arbeit den Frauen und Kindern über laffen; bis zur Bruft ftehen fie im Fluß, füllen rundliche

hölzerne Schüffeln (Dulang) mit dem Flußſande und lafjen mitteljt drebender, ſchüttelnder Bewegungen das Waljer

durchftrömen, jo daß Kies und Sand zum Teil wegger Ichlemmt wird. Durch fchräges Halten der Schüfjeln jammeln fih am unteren Ende die leichteren Lagen, die mit der Hand weggejtrichen werden, während das fchiverere

Gold am Boden fißen bleibt. einige Male wiederholt werden,

Dieſes Verfahren muß um ein möglichft reines

Gold zu erhalten.

Auh

aus Seifenlagern gewinnen

die Eingeborenen

nis zum Goldreichtum derjelben, wohl aber foll das Vor:

vielorts Gold. Es werden Gruben im Umfange von wenigen Fuß gegraben und die Hangendichichten auf die

handenfein von bläulichen Quarzgeſchieben (Batu timahan) wichtig für denfelben fein, wenigftens verfichern alle Gold— jucher, daß, mo diefe Quarzgefchtebe fich vorfinden, auch

Seite geworfen, bis man die Goldlage erreicht bat; dann wird auf Schüffeln leßtere zu Tage gebracht und in dem zunächit fich befindlichen Bache auf die befannte Weife ger

Gold in reichliher Menge anzutreffen fei.

waschen.

Das Liegende der Goldlage bildet eine weißlich, gelb:

lic) oder rötlich gefärbte thonige Maffe, oft reine Kaolinerde,

War

das

Erträgnis

ein befriedigendes, dann

werden in nächiter Nähe eine größere Anzahl Gruben ge graben und auf diefelbe Weife das Gold gewonnen,

485

Die Goldfelder Borneos.

lieferte Die Stelle jedoch zu wenig Gold, dann wird fie verlaffen und andersivo das Glüd verfucht. Diefe Art

Goldfandes

des Abbaues it natürlich eine fehr primitive, denn außer der verhältnismäßig geringen Ausbeute hat man mit dem Waſſer zu kämpfen, welches die Gruben ſchnell füllt und

fich fühlbar machende Wafjermangel. Oft vergehen Wochen und Monate ehe genügend Waffer vorhanden tft, um die Arbeit aufnehmen zu fünnen.

viel Zeit geht mit dem einfachen Transportmittel — von Hand zu Hand — verloren. Ausgebildeter it die Methode der Chinefen zur Gewinnung der Geifenlager. Von der Erfahrung ausgehend,

dem feſten Geſtein pumpen, die nicht

von

der Lage zum Waſchgraben, welches zu

viel Zeit und Arbeit benötigt, und ferner der nur zu oft

Die chinefifhe Gewinnungsmethode

fönnen,

erlauben

des Goldes aus

iſt eine fehr primitive. Ihre Ketten: viel tiefer al3 10 m, Waſſer heben

es nicht, um

im größere Tiefe einzu—

dringen. Das Geftein wird mitteljt Brechitangen fleinert, die goldreichiten Stüde werden in einem Sranit gearbeiteten Mörjer feingeftampft und dann waschen. Auf diefe Weiſe geht jedoch ein Drittel bis

zer: aus ges zur

Nähe kein fließendes Waſſer befand, da leiteten fie das Waſſer

Hälfte des urfprünglichen

viel

bin, oft einige Kilometer weit. Als Wafferrefervoirs wurden

bedeutender ift als beim Wachen des Seifengoldes, wo das weggeichlemmte Gold größtenteils noch durch Frauen und Kinder gewaschen wird. Ueber Goldproduftion und Goldausfuhr bejigen mir feine zuverläffigen Daten; allein fejtgeitellt iſt, daß die Ausbeute bedeutend abgenommen hat, da die ergiebigen und leichtzugänglichen Goldfelder ſchon lange ausgebeutet find. Das meiste Gold wurde und wird in Weſt-Borneo ge:

daß fließendes Waſſer die Hauptjache fei, daß ohne diefes jelbit das reichſte Terrain nicht viel Wert beige, da man

das Gold dann nicht zu feparieren vermag, legten fie die meilte

Sorgfalt

auf Wafjerleitungen.

Wo

ſich in der

eventuell Heinere Seen benüßt oder durch Abdämmung des Thales der ganzen Breite nach das Waſſer geftaut; von bier führte eine Wafferleitung zum Goldfelde, während

das überſchüſſige Waffer wiederum in das alte Bett zurüd: geleitet wurde. Iſt alles foweit in Ordnung gebracht, dann beginnt man mit dem eigentlichen Abbaue. Das Terrain wird Tahl gefappt, das ſchnell ſtrömende Waſſer

in einer gegrabenen Rinne durch dasfelbe geleitet und mittelſt Schaufeln und Brechſtangen das Erdreich hinein: getvorfen,

wo

es weggejchlemmt

wird.

Einige

Arbeiter

itehen in der Rinne, um etivaige zurüdibleibende Erdſtücke loszulöfen und ein Stagnieren der Arbeit zu verhindern. Durch Verlegen der mittelft Thonmaffen gebauten Waffer-

tinne wird nad und nad das ganze Terrain bis zur Goldlage weggejchlemmt. Diefe wird in Körben zum mit Bretterummwandungen verfebenen Waſchkanale getragen, wo— jelbit die eigentlichen Wäfcher die goldhaltende Schicht durch forttwährendes Schütteln der Sand und Thon durcdhlafjen-

den Körbe verarbeiten; die gröberen Gerölle bleiben auf den Mafchen des Korbes haften und werden auf die Halde geworfen. Eine ununterbrochene Kette von Menschen trägt die Goldſchichte bin und ehrt mit den ausgeleerten Körben zurüd, um fie auf's neue füllen zu laffen.

Nach drei, vier oder fehs Monaten

beginnt

das

eigentliche Goldwaſchen; das am Boden des Wafchfanals befindliche Gold wird mittelft der Waſchſchüſſel auf die

Goldes

verloren,

wonnen und dann zunächſt in Süd-Borneo.

was

Im Oſten und

Norden der Inſel ſcheint die Gewinnung nie beträchtlich geweſen zu ſein, da die Goldſucher daſelbſt der ſchützenden Hand der holländiſchen Regierung entbehrten und von den einheimiſchen Herrſchern gänzlich ausgebeutet wurden. Im vorigen Jahrhundert ſoll ſo viel Gold gewonnen worden ſein, daß es nicht gewogen, ſondern gemeſſen

wurde. 1812 foll die Ausfuhr in Weſt-Borneo 66 Mill. holl. Gulden betragen haben, nach anderen Quellen jedoch 190 Mill. 1848 wurdeim Werte von 1,349,800 Gld. Gold ausgeführt, davon fielen auf Wejt-Borneo 1,289,534 Gld.,

das übrige auf Süd-Borneo.

Dr. Schwaner

berechnet

die Ausbeute für die vierziger Jahre im Stromgebiete des

Kahajan auf 320,000 Gld., im Stromgebiet des Kapuas v. Gaffron gibt für diefelbe Zeit das auf 120,000 Gl. Erträgnis der Grube Bontein (Süd-Borneo) auf 19,000 GM. monatlih an. Im Sahre 1880 waren in den chinefischen Dijtrilten

bejchriebene Weife gereinigt, zurüdbleibt Gold, vermengt

nad) Angaben des indischen Bergingenieurs v. Schelle 111 größere und Eleinere Goldwerke im Betrieb mit einer

mit dem niemals

Anzahl

nannt).

ge:

Dies wird in Fleinen fupfernen Schüfjeln über

Holzfohlenfeuer

umzugehen

fehlenden Magneteifenfande (Puja getrodnet,

wobei

man

jedoch

vorfichtig

hat, da durch zu ſtarkes Erbigen das Gold

eine vötliche Farbe annimmt, und das Magneteifen mög: lichſt miteinem Magnete ausgeſogen. Das ſo gereinigte

Gold wird in je zwei Thael (zu 108 gr.) verpackt und



verkauft. Die Gewinnung viel einfachere

von 829 Arbeitern.

Hievon

entfallen

der oberflächlichen

Lagen iſt eine

die mehr Zeit und

Abeit erfordert. Die Mängel bei diefer chineſiſchen Abbaumethode find das mangelhafte Transportmittel des

auf

gewonnen oder 247,26 Kgr., melde einen Geldwert Die größte Grube von 171,772 Gl. repräfentierten.

Lo⸗tjin⸗Keeuw lieferte mit 50 Arbeitern 428 Thael oder

35,000 Gt. Es wurden zirfa 17,500 Km, Grund

als die der tieferen,

753

Gigentümer von Belisanteilen und 76 auf Taglöhner, Kuli. Zuſammen wurden 2289,5 Thael zu 108,0 gr.

bearbeitet bei

und einer einer Flächenausdehnung von 3182 QM. mittleren Tiefe von 5,5 m. Auf jeden der 40 eigentlichen Arbeiter in der Grube ſelbſt fommen 437,5 Km. Grund.

Im Mittel enthält jeder Quadratmeter

Grund 640 mer.

484

Die Aſtronomie der Naturvölker.

Gold. Die Pachtſumme betrug 11,000 Goldes wurden nad) Singapur ausgeführt.

Gld.

io des

Der Goldpreis

Polyneſier

fpielt.

Er dient in diefer Zeit den äbgefchie-

denen Geiftern, die auf den Sternen teilen, zur Speife

betrug für 108 gr. oder 1 Thail 75 bis 81 Gld., je Mond. Eine weitere, am meisten matertialiftifche Deutung, finde ich in einigen grönländifchen Erzählungen. Ber

nach der mechanifchen und chemifchen Neinheit des Goldes. Ueber Süd:Borneo fonnte ich Feine näheren Daten erhalten, doch ift die Anzahl der Goldiverfe eine geringe und die Produftion unbedeutend. Erwähnung verdient noch die Art des Goldſchmelzens der Eingeborenen, wie ich fie in Zentral-Borneo (Teiveh) zu beobachten Gelegenheit hatte. Dazu dient ein aus Holz

zend und wohlgenährt Fehrt er exit wieder als Vollmond

verfertigtes Kaſtengebläſe, 40 em. lang, 20 em. breit und

zurüd.

15 cm. hoch, deſſen abnehmbarer Dedel mittelft eines Tuches luftdicht gefchloffen wird. Innerhalb desjelben befindet ſich ein zweiter kleinerer Kaſten, der in einem meffingenen Rohre die Luft in den Feuerraum führt. Der Kolben wird mitteljt Flaumfedern luftdicht gemacht. Die Ventile find hölzerne Klappen. Der Schmelztiegel, in dem das Gold zwei- bis dreimal mittelft Holzfohlenfeuers gefchmolzen wird, beſteht aus feuerfejtem Thone. Auch ein Probieritein iſt in Gebrauch und durch die Farbe des Striches wiſſen die Goldarbeiter den ungefähren

ihnen verfolgt

der Mond,

Anunga,

feine

Nein phantaftifch und weniger verftändlid find die verschiedenen mythologifierenden Erzählungen, in denen Tiere mit dem Monde in die vertraulichite Beziehung treten. So wenn die Bhantafie der Dakota-Indianer Feine Mäufe fingtert, welche durch ihre periodischen, vom Hunger diktierten Angriffe das arme Himmelsgefchöpf verkleinern.

Außer den Mäufen ift aber auch die Kate in einer Weife mit diefen zufammengeftellt worden, die das direkte Gegenteil bildet zur modernen europätfchen, im Kater Hiddigeigei

verförperten Auffaffung, welche das fanfte Licht Lunas jo

Silber: und Goldgehalt anzugeben.

gefährlich

Daß übrigens Borneo ein goldreiches Land ift, erkennt der Neuangelommene fogleich an den zahlreichen goldenen Schmudjachen, welche fait jeder Eingeborene zur Schau trägt und welcher Luxus in früheren Zeiten den höchiten Grad erreicht hatte am Hofe der ehemaligen Sultane, der

Tieren

einjtigen Beherricher des Landes.

befanntli

Schweiter Sonne, Maltna, aus Sehnſucht. Wenn er nun dabei fich überanftvengt und mager wird, geht er aufden Seehundsfang und verfchwindet vom Himmel; fettglänz

für die verliebten

erfcheinen läßt.

Seelen

von Menfchen

oder

Eine auftralifhe Sage macht

nämlich den Mond felbft zu einem Kater, welcher jich in die Frau eines anderen verliebte und verjagt wurde, um

von nun an immer zu wandern und zu wechjeln. Eine

ähnliche

Strafe

dem König der Naht

diltiert die altſlawiſche Sage

und Gemahl

der Sonne, welcher

treulos fein Herz an den Morgenftern hängt; zur Otrafe

dafür ift er mitten durchgehauen worden, wie er jich ja jo oft als warnendes Beifpiel am Himmel zeigen muß: Auch

Die Aſtronomie der Anturvölker. Bon Georg Müller-Franenftein.

(Schluß.) Die angeführten Thatfachen beweiſen wohl mehr als genug, wie verſchiedenartig das Intereſſe ift, welches ges vade ‚die Naturvölfer den beiden größten Geftirnen am irdiſchen Himmel zuwenden. Ganz natürlich wird es dar— nad) auch jcheinen, wenn fie über die regelmäßigen und gewiſſe periodisch auffälliger hervortretenden Beränder: ungen an deren Oberfläche Theorien oder fagen mir lieber Märchen erfinden. Da find zunäcft die Mond: phafen der Grund mannigfacher Beforgniffe. Wir Laffen bier wieder den Hottentotten den DVortritt. Nach ihnen leidet das lebende Wefen, das wir Mond nennen, an einem

chronischen Kopfſchmerz, und dieſer letztere ift es, durch den jener immer Eleiner wird; er legt dann die Hand an den Kopf. Die Kaffern bringen die Sonne zur Erklärung

mit ins Spiel.

Gie verfolgt den Mond

und macht ihn

Heiner, aber er weiß immer liftig zu entfommen und feine

frühere Kraft wiederzugewinnen. Noch feltfamer ift die Rolle, welche der abnehmende Mond in den Augen der

die Hos in Nordoftindien

lafjfen übrigens den Mond von

der Sonne in zwei Hälften zerfpalten werden und immer wieder zuſammenwachſen. 3 Gar nicht jelten find e3 gerade erotifche Beziehungen, welche dem von verliebten Menfchenfindern bejonders ger— manicher Abkunft angefeufzten Monde ſelbſt ſchuld gegeben werden; ibm foll man es durchaus am Gefichte anfehen, wenn er jelbjt verliebt gewefen ift. Wunderliches Schid-

jal! Das ihm, der doch wahrhaftig die interefjanteiten Geſchichten von fchmachtenden Augen und liebetrunfenen Lippen erzählen fünnte, hoben haben!

die ſich millionenfach zu ihm er 4

Und natürlich find es nicht die lauterften Liebesvegungen, welche von den Undankbaren dem alten Gefellen angedichtet werden; felbft vor der Anklage der Blutſchande it man nicht zurüdgefchredt.

Das beweift unter anderem

nad) Delbrüds Deutung das Heroenmärchen von Hippolyt und Phädra, in welchem die alten Griechen „die Erſchein-⸗ ungen am abendlichen Himmel vom erſten Sichtbartverden der Sichel bis zum Vollwerden der Mondfcheibe mytho— logifch verivertet haben.” Gewöhnlich läßt nun auch das naive Öerechtigfeitsgefühl ſolcher naturphilofophifcher Völker jofort die Strafe auf dem Fuße folgen: Die Mondfleden



Die Aftronomie der Naturvölfer.

find die Spuren

der fich verteidigenden Schönen, welde

der Mond bedrängt. Sp

erzählen

nad

D. Hooker, Himalayan Sournal,

London 1854, IL, 276, die Khaſia im nordweitlichen Indien, daß der Mond als übergalanter Schwiegerfohn der Sonne bei jedem neuen Wechfel in Liebe zu dieſer entbrennt, fie

ihm aber aus

Abſcheu

Aſche ins Geficht wirft, welche

deutlich erfennbare Schwarze Flecken zurüdläßt. Zwei völlig abweichende und doc im letzten Grunde übereinjtimmende

Deutungen

liegen von

den

Esfimo

vor.

Ber

ihnen

beſchmutzt die Sonne ebenfalls das Geficht ihres mit feinen

Liebesäußerungen andererfeitS

läftig

merdenden

aber herzt und

jüngeren

Bruders;

küßt fie ſelbſt, wie Baſtian

mitteilt, während der Berfinfterungen

ihren Liebling und

es find die Spuren ihrer rußigen Hände, die im Angefichte

des Mondes als Flecken zurücdgeblieben find. Noch anderer Art find die mannigfaltigen Sagen, welche lebende Wefen nicht in dem ganzen Mondkörper,

jondern nur in den dunkeln Punkten der Mondfläche er— fennen wollen. Die Inder nennen den Mond einerjeits den „Hafenträger”, laſſen aber auch ein anderes Wild, das Reh oder das „Hojin” genannte Tier, auf ihm grafen; die Sapanefen mwollen ein Kaninchen wahrnebmen; eines der vielen Namaquamärchen läßt den Hafen jogar dem

485

| ©. Schmidt 1737 erzählte, eine außerordentlich große Role in ihren Borftellungskreifen fpielen laſſen. Ein altes Weib verjegen die Potowatomi-Indianer, eine alte Spinnerin die Bewohner von Timor, eine fleißige Hausfrau, die fchöne na, die Leute von Mangaia, eine Luftdirne

die Inkas von Peru in den Mond.

Die Stamejen end-

lich jehen einmal einen Hafen wie die Hindu, ein anderes Mal ein Ehepaar im Monde, welches die Felder dort bebaut und eben einen Reishaufen aufjchüttet. Erinnert jet bier auch an die Annahme der alten griechischen Orphiker (bei Broflos), daß der Mond mit Bergen, Städten und Wohnungen bededt wäre. Nur erwähnen till ich ebenſo die des öfteren betonte und noch nie gedeutete

wunderliche Gleichartigfeit

von Erzählungen über Mond-

phafen und Mondflecken, welche bei den Namaqua und den Fidſchi-Inſulanern im Schwange geben und in welchen

dort der Hafe, hier die Natte die Menfchen in arglütigiter Weiſe betrügt. Die Mondgottheit nämlich, mit der beide Tiere auf jehr vertrauten Fuß ſtehend erfcheinen, will ihren eigenen periodischen Tod und ihre Wiedergeburt auch dem menschlichen Leben in der Weiſe zuteil werden lafjen, daß

diefes jich immer mieder nach einem kurzen Verſchwinden

in eine Berfon bei den Bölfern des klaſſiſchen Altertums

erneuere; jene beiden aber haben durch ihre Manipulationen dies zu verhindern gewußt. Es erübrigt noch, ehe wir dem Geſtirn der Nacht Valet jagen, die Eindrüde ins Auge zu fafjen, welche die Ver: finfterung en desselben auf die Naturvölfer hervorbringen; wir behandeln damit zugleich die durch die Verdunkelung der Sonnenfcheibe erzeugten. Am barmlofejten und der Wahrheit am nächiten fommend find offenbar alle Deut:

entgehen?

ungen,

Eine dritte eigentümliche Thatſache iſt die von Peſchel! etwas einfeitig hervorgehobene Uebereinitimmung von Er— zählungen bei den JtamaquasSottentotten wie Nordeuropäern,

manchmal auch mit Hilfe ihrer Kinder den Vorgang allein verurfachen. Der Sefuit Le Jeune erzählt ein allerliebjtes Gefpräch, welches er mit einigen Algonkin in Kanada gehabt hat. Sie meinten: Da Sonne und Mond Mann und Frau jeten, hätten fie auch ein Kind; wenn diejes nun vom Vater geliebfoit werde, entjtehe eine Sonnen-, wenn die Mutter e8 in den Armen halte, eine Monbsfiniternis! Von den Esfimo, melde die Sonne das Brüderchen Mond küſſen laffen, it Schon früher gejprochen worden. Meit weniger zärtlich lautet der Bericht der Mintira auf Malakka. Da find, wie oben gejagt, Sonne und Mond zwei rauen, von denen die erjte ihre Kinder auffraß, während der Mond die feinen verjtedte, obgleich auch er fich zu gleichem Thun verpflichtet hatte. Aus Zorn über den Wortbruch jagt nun noch heute die Sonne hinter dem Monde ber, fie verfchlingt noch immer bei der Morgendämmerung ihre Sterne, der Mond aber holt die jeinen erſt hervor, wenn die VBerfolgerin fich entfernt hat. Bisweilen fommen ſich die Feindinnen jo nabe, daß die Sonne den Mond Schlagen kann; dann ift eine Finfternis. Bei den Hos in Nordoftindien aber, die ganz diefelbe Erzählung haben, erreichte den Mond die Strafe in der Weiſe, dab

Mond das Geficht zerfragen, wovon die Schrammen zurück— geblieben find. Er felbjt aber, jo heißt es weiter, iſt ent— flohen und flieht noch heute immer vor dem Monde. Wem fönnte bei folchen Einzelheiten die allgemeinere Berbindung von Mond- und Jagdgöttin, die Verfchmelzung derfelben

Samoanern und Inka-Peruanern,

eine Fühlung

mit einander

nämlich die Fleden

alfo bei Völkern, die nie

gehabt haben, nach denen

ein Geſchöpf

unſerer Art voritellen

jollen, das mit Gewalt wegen irgend eines Vergehens da oben fejtgehalten werde. Die Gefchichte vom „Mann im Monde” meine ich, die in Europa ſchon vor 1200 bei

Alexander Nefam und in altnordifchen Mythen nachweis— bar ift und die noch heute unfere Kinder entzüdt. Sie it in vielfachen Lesarten weitverbreitet. Die mongolijchen Buräten erzählen fih von den in den Mond verfegten, von bier aus nur als Fleden fichtbaren Menfchen geradefo,

wie die polynefiihen Samoaner und die Narotonganer der Cookgruppe; die letteren ſpeziell erkennen deutlich einen abgejchiedenen Häuptling. Die Oſſeten des Kaufafus laſſen andererfeits einen Dämon im Monde fißen, den fie mit abgöttifcher Furcht betrachten, gleichermaßen

mie die

Namaqua den Mann im Monde als höheres Wefen ver: ehren, und tie ſchon der älteite Herrenhuter Miffionar 1 Abhandlungen zur Erd- und Bölferfunde, Ausland

1884

Nr. 25,

II, 332 ff.

in denen Sonne

und Mond

als Mann

und Frau,

14

486

Die Aftronomie der Naturvölker.

die Sonne ihn in zwei Teile zerhieb, welche immer wieder zuſammenwachſen müffen. In Kumana Spricht man wenige jtens von einem Zanfe des Ehepaars Sonne und Mond, eben dasfelbe glauben die Odſchibwäer, welche fich für berufen halten, einzufchreiten und durch allerhand Lärm die Streitenden zu jtören Juchen. Die bei weitem meijten Naturvölfer ſehen, troß der öfteren Miederfehr der Eflipfen und obgleich ihnen Doch noch nie etwas Schlimmes mwiderfuhr, in dieſem Natur: ereignis eine ganz außerordentlich drohende Gefahr für die

Erde oder auch für den Mond. Sehr egoiftifch Klingt eine der vielen grönländifchen Erzählungen: der Mond gebe bei diefer Gelegenheit in den Häufern um und nehme Felle oder Eßwaren, auch bringe er Leute, die nicht alle Entbaltfamfeitsmaßregeln beobachtet hätten, um. Am meiſten beflagen dagegen das verdunfelte Geſtirn die Chi— quitos im Innern von Südamerika, die ja den Mond aud) ihre Mutter nennen. Sie juchen ihm zu helfen gegen die riefigen Hunde, ! welche ihn jo lange bin und ber zerren, bis fein Licht von dem hervorjtrömenden Blute gerötet und ausgelöfcht worden it; ſie ſchießen dann Pfeile gen Himmel, um diefe Hunde zu vertreiben. Dasjelbe erzählt Charlevoir von den Guarani, bei denen nur Tiger an die Stelle der Hunde treten und in der Tupiſprache iſt die wörtliche Ueberſetzung des Ausdruds für Sonnenfinfternis: Der Jaguar hat die Sonne gefreffen. Im großen und ganzen jtimmen die Nord» und Südamerikaner in ihrer rein phantaftifchen Deutung überein: Hunde, wilde Tiere oder böje Geifter bedrohen Sonne und Mond und überall müſſen die Menſchen den Gefährdeten zu Hilfe fommen.? Parallele Berichte aus Afien liegen vor aus Sibirien und dem malaiifchen und dem indoschinefifchen Grenzgebiete. Nach den Tungufen hält ein böfer Geiſt den Erbtrabanten ume Ihlungen und fie verfcheuchen ihn dur Schüffe gegen die verfinjterte Scheibe. Auf Sumatra und Walakla fürchtet man, daß eine große Schlange Sonne oder Mond ver: Ihlingen will und die Nagas in Aſſam ſchlagen wie bei Striegstumult auch bei den Eflipfen die Yärmtrommel, um den Tiger, der den Mond zu frejjen drobt, fortzufcheuchen. Viele Völker juchen dasfelbe Ziel zu erreichen, indem fie prigineller Weife die Hunde prügeln; ich kann dies mir nicht anders erklären, als daß fie durch Hundegebeul und Menſchengeſchrei die Quälgeifter zu erjchreden jtreben.3 Das wird berichtet von Huronen wie Esfimo, aber auch

ebenfo gefährdet erfchten die gejamte Welt den Moto: watomi. Ber ihnen ift der böfe Dämon ein altes, im

Monde ſitzendes Weiblein, das einen großen Korb flicht, mit deffen Vollendung die Erde untergehen müfje. Mit dem Weibe nun fämpft ein Hund, der den Korb immer wieder zer veißt, und dadurch entjteht eine Mondfiniternis. Hier bringt alfo die letere der Welt Erlöfung aus großer Gefahr, ein völlig ifolierter naturphilofophifcher Satz; aber aud) in dem Bericht diefes nordamerifanischen Volfes ſpielt der Hund eine Nolle. Viel häufiger ift die Anfchauung, z. B. bei den alten Kariben und den Huronen, gefunden worden, daß der Mond in folchen Zeiten hungrig, frank oder am Sterben fer, äbnlih mie ihn die Hottentotten, um den Wechſel der Phaſen zu erflären, von permanentem Kopf:

weh geplagt glauben und die Grönländer auf der See— hundjagd den Neumond fi voll efjen lafjen. Die Alfuren auf Geram halten ihn für eingejchlafen und machen des— halb auf Trommeln, Beden u. ſ. w. jo lange Speftafel, bis er wieder aufgewacht iſt! Dieje harmlojere Anſchau—

ung der Alfuren von Geram, deren Gottesdienſt nad) Kapitän Schulze fonft nur in Furcht bejteht, ſpricht fich auch darin aus, daß fie beim Schwur unter anderem die Mondfinfternis anrufen; fie wird alfo wie eın Art heiligen, unabwendbaren Ereignifjes angejeben. Die alten Mexikaner erflärten die Finfternifje der Sonne in der richtigen wiſſen— ihaftlichen Weife, ‚Die des Mondes aber jo, daß diefer von der Sonne aufgefreffen werde. Nocd eine andere

Sorge erfaßt viele Bolynefier beim Anblid der Eflipfen, weil, wie erwähnt, nach ihrem Glauben die abgejchiedenen

Geiſter fih von dem Monde nähren, alfo der Gefahr einer Hungersnot

preisgegeben

find,

falls

das

Geſtirn

ver—

ſchwindet. Und

iſt nun all' dieſer Aberglaube,

über den wir

zu lächeln geneigt ſind, all' dieſe Selbſtquälerei mit eigens dazu geſchaffenen Wahngebilden, die wir bei den „armen Wilden“ finden, etwas unſern Kulturvölkern ſo Fremdes? Wie thöricht wäre es, die Augen verſchließen zu wollen gegenüber unzähligen Thatſachen, die uns die Finſterniſſe als fürchterliche Omina auch im Glauben der chriſtlichen Nationen zeigen! Man ſchlage die betreffenden Kapitel

in unferen Bibliothefen des Aberglaubens nad) und erbaue ji) an den noch vor 200 Jahren gen Himmel gerichteten Gebeten und Predigten, welche die Gefahren der Finfter: 4 nifje und Kometen beſchwören follten! Sch gejtehe, als

z. B. bei Oomara von den alten Peruanern, welche fürch—

Chriſt und

teten, die Sonne werde am Ende der Welt verfehivinden und der Mond herabfallen, und welche durch die Finſter— nijje an die drohende Kataftrophe gemahnt wurden. Ganz

beſchämt fühlen, wenn einem in Camerons „Quer durch Afrika” die Stelle vor Augen fommt, wo er fi) in dem

N Baftian, Völker des öftlichen Aften, nennt, III, 242, wilde Schmeine, 2 Siehe and) Gumilla: Hist., nat., civ. et geogr. de l’Orenoque. Avignon 1758. ©. 48. 3 Andere Erflärungen diefer Prozedur bei Baſtian, Menſch i. d. Geſch. III, 190.

E

als Indoeuropäer könnte man

an Aberglauben ſonſt überreihen

fich geradezu

Innerafrika

im oberen

Kwanzagebiet verwundert, daß eine Sonnenfinfterni3 gar feinen Eindrud auf die Eingeborenen ausübte. „Sie er— warteten nicht voll Angft und Schred, daß eine Schlange ' die Sonne verschlingen werde” 26. Und ein zweites Beifpiel völliger Gleichgültigfeit gibt aus demfelben Erdteil Paul Neichard, der die am 5. Dezember 1881 ftattgefundene, fait

J

2 *

Paraguay und die deutſche Koloniſation.

totale Mondsfinſternis bei vollſtändig klarem Himmel im Lande der Muamueſi beobachtete und von den dortigen Negern angibt, ſie hätten die Erſcheinung für vorgeſchobene Wolken gehalten. Nahe liegt unter dieſen Verhältniſſen auch ein anderer Schluß! Zwar wurde im Vorſtehenden möglichſt ſorg— fältig nach den Originalquellen, alſo nach den Eindrücken

Erde im Weltall

487 dienen in einer Art pſeudowiſſenſchaft—

licher Verwendung dazu, um die Erſcheinung des Erdbebens zu erklären; aber ein wirkliches aſtronomiſches Wiſſen, eine reine Arbeit des Verſtandes, damit alſo ein allgemeiner pſychologiſcher Fortſchritt, kann nicht konſtatiert werden, wo nur der höhere oder niedere Flug der Phantaſie die

verſchiedenen Grade der Anſchauung beſtimmt.

der Reiſenden ſelbſt, die Anſchauungswelt fremder Völker

behandelt, es wurden zweifelhafte und dem Ausdruck nach mehrdeutige Berichte ausgeſchieden — aber trotzdem wird ſich hie und da mancher unbefangene Leſer gefragt haben:

Iſt das wirklich die allgemeiner verbreitete Anſchauung ganzer Stämme oder Völker, was da erzählt wird? Kann es nicht ebenſogut ein plötzlicher Einfall, der bildliche Aus— druck eines phantaſtiſch

angelegten

Individuums

geweſen

ſein? Solche Gedanken müſſen ſich beſonders regen, wenn wir uns erinnern, wie oft wir ſelbſt „die Götter“ oder „den Himmel“ für den einen Gott ſetzen, wenn wir Sonne, Mond und Sterne perſönlich behandeln in unſerm Streben nach möglichſt plaſtiſchem Ausdruck. Denken wir an unſere

Volkslieder,

z. B. an das ſerbiſche, das den Mond den

Bruder der Sonne, den Stern die Schweſter der Sonne nennt, denken wir auch an die alten Römer, welche ſicher lange ſchon vor Chriſtus nicht mehr die ſichtbare Erde, den

ſichtbaren Himmel göttlich verehrten und trotzdem z. B. den Begriff unter „freiem Himmel” in dem Ausdruck sub divo wiedergaben. Daß alſo Vorſicht angewendet werden muß bei der Beurteilung und Verallgemeinerung jedes einzelnen Falles, liegt auf der Hand; auch die Einflüſſe, welche infolge des hochgeſteigerten Verkehrs aus der Kulturwelt hinüber—

ſtrömen

in die hier beſprochenen

geſchlechts, zwingen dazu.

gehen, daß dieſe fremden

Kreiſe des Menſchen—

Niemandem

wird es aber ent—

Eindrücke noch verſchwindend

gering ſind auf dem im Vorſtehenden behandelten Gebiete der

aſtronomiſchen Anſchauungen bei den niederen Raſſen. Ein anderes Bild wird ſich vor uns entrollen, wenn wir den Ideen über den ganzen aufgeſpannten Himmelsdom, den Kenntniſſen von der Sternenwelt, Fixſternen wie Planeten, ſchließlich den praktiſchen Nutzanwendungen, den Schlüſſen nachgehen, welche von den betreffenden Völkern für das tägliche Leben in dem Kalenderweſen und in der Wind—

roſe gezogen worden ſind.

Die zuletzt berührten Fragen,

den zweiten Teil einer Aſtronomie der Naturvölker, an dieſer Stelle zu behandeln, bietet ſich vielleicht ſpäter Ge—

legenheit. Das heute beſprochene Thema iſt derart, daß es faſt nur die Thätigkeit der Phantaſie unſerer braunen und ſchwarzen Brüder verrät; das Spiel der Einbildungs— kraft ſchafft aber viel weniger fertige, in ſich abgeſchloſſene

Anſchauungen und ſo fanden ſich denn auch bei einem und demſelben Volke nicht ſelten verſchiedene Deutungen über das— ſelbe ſideriſche Phänomen. Die höchſte Stufe der Benutz— ung der Sonnen- und Mondmärchen wird erreicht auf reli— giöſem Gebiet. Die Vorſtellungen von der Stellung der

Paraguay und die deukſche Koloniſakion. II,ı

Der Wert Paraguay's für die deutſche Kolonifation.

Dr. Hugo Töppen, welcher mit Unterftüsung der Geo: graphiichen Gefellichaft in Hamburg nad) Baraguay gereift mar, um den Wert des Landes für deutfche Kolonifation und die Yage der Schon dort befindlichen deutfchen Koloniften zu ſtudieren, referierte zu Anfang Mai in der 103. Sitz— ung des genannten Vereins über die Ergebniffe feiner Beobachtungen und Forſchungen. Diefelben find geeignet, gerade in dem Augenblid überall das höchfte Intereſſe zu erregen, wo der Wunfch nad Kolonien in den noch wenig ausgebeuteten Ländern des gemäßigteren Südamerika in Deutfchland fo rege ift. Töppens Vortrag bietet eine Menge neuer Gefichtspunfte für die ethnographiſche und geographiiche Kenntnis Paraguays und mir geben ihn daher im Auszug nach dem ausführlichen Bericht des „Hamburger Korrejpondenten” vom 3. und 4. Mat. Nah rascher Fahıt, erzählt der Forjcher, Fam ich mit noch 19 Paſſagieren, welche bier eine neue Heimat juchten, in Montevideo an. Wir beitiegen dort den Dampfer „Inka“, welcher mit ſchwerer Ladung den Parans auf: wärts fuhr. Die Fahrt bot nur wenig Intereſſe, da die Breite der Flußmündung 6 bis 8 Km. beträgt, die Ufer alfo nur in der Ferne fihtbar wurden. Der Paraguay, in den der Dampfer bald einfuhr, iſt weniger breit, jo daß die Fahrt in der tropischen Vegetation mehr die Auf: merkſamkeit feſſelte. Nah 10 Tagen erreichten wir die Stadt Aſunzion, die Hauptjtadt von Paraguay, in deren Hafen wir acht Dampfer und viele Frachtkähne vorfanden. Man fönnte daraus auf einen lebhaften Handelsverfehr ichließen; jedoch war die Aufhäufung der Transportmittel eine ganz zufällige, und dürfte zu den größten Geltenheiten gehören. Die Lage des Ortes ift eine ſehr ſchöne. Ein jteiles Ufer fällt zirka 25 m. zum Fluffe ab, lachende Hügel umfränzen die Stadt, durch malerische Schluchten itrömen Bäche zum Strome, ein toter Flußarm bildet eine ausgevehnte Lagune, an deren Ende die Vorjtadt Trinidad liegt, riefiges Nöhricht begrenzt das jumpfige Waſſer und die foloffalen Blätter und Blüten der Vietoria regia ſchwimmen auf der Fläche. Aſunzion ift wohl die

1 Siehe „Ausland“ 1883, Nr. 46,

485

Paraguay und die deutsche Kolonifation.

jeltfamfte Hauptjtadt der Welt. Das Stadtgebiet umfaßt zirka 2 DM, deren kleinſter Teil aber nur von der eigentlichen Stadt eingenommen wird. Zwiſchen ihr und den zerftreuten VBorjtädten liegen weite, unbebaute Streden. Die Straßen find ungepflaftert, die Beleuchtung kümmer— lih, Handel und Wandel ſehr gering. Dagegen finden ſich einzelne Brachtbauten aus der Zeit des großen Präſi— denten und Diktators Lopez, welcher den Unabhängigfeitss frieg gegen Argentinten und Brafilien zugleich führte, ein Arfenal, ein Maufoleum und eine Schiffswerft; aber alles ut im Berfall. Der Marktplatz ift mit Gras bewachſen und teilweife fogar verfumpft, und ein folofjales Froſch— fonzert ertönt allabendlich aus den weiten Tümpeln. Das Stadtgebiet mag eine Einwohnerzahl von 16,000 bis 18,000 haben, wie fie in den Handbüchern für Mjunzion angegeben ift, die eigentliche Stadt hat höchjtens 12,000 bis 15,000 Einwohner. Mein eriter Ausflug war der deutſchen Kolonie in

San Bernardino

gewidmet.

Sie ift zirka 25 Quadrat:

Leguas groß (eine Legua — 4300 m.) und von ungefähr 200 Menfchen bewohnt. Auf die dortigen Verhältniffe werden wir zurückkommen. Bei der Weiterreiſe nach Paraguari paſſierte ich die Lagune, welche zwiſchen der Kolonie und der Eiſenbahn liegt. Dieſelbe mißt ungefähr 4 zu 20 Km, und iſt 6 m. oder weniger tief. Baraguari ift eine Kleine, aber ver: fehrsreiche Stadt von 2000 bis 3000 Eintvohnern, in der Bauart der richtige Typus der Paraguayſtädte. Sie hat eine Kirche, eine bededte Markthalle, die auch in den un: bedeutenditen Neftern nicht fehlt und fchlechte Straßen mit zerftveut liegenden Häufergruppen. Die Betvohner find hauptſächlich Korrentiner, welche aus den ſüdlich von

Paraguay liegenden Territorien ftammen und das durch die legten Kriege entvölferte Land überfluten. In Para: guari treffen die Hauptverfehrsftraßen des Landes aus allen Himmelsgegenden zufammen und was von Handel und Verkehr überhaupt eriftiert, fonzentriert fich dort. Sch machte von bier aus eine Nundreife nad) Süden, wobei ich die Yagune von NMpva befuchte. Die Ortsnamen des Landes entftammen faft ſämtlich dev Guaranifprache, welche als Vulgärdialeft faſt im ganzen Lande gefprochen wird, während die offizielle Sprache Spanisch if. Die Gua: vant find ein Indianerſtamm, welcher die Länder Argen: tinien, Paraguay und Urugay bewohnt und auf einer ziemlichen Kulturftufe ſteht. Ich fand zwei Leute, welche ein Boot befaßen, mit dem ich in zwei Tagen die ganze Lagune umfuhr und ihre Geftalt und Ausdehnung durch: forſchte. Diefelbe ift zirka 3 Leguas lang und ihre größte

Breite beträgt zirfa 11, Leguas.

Ihre Fläche ift kaum 1/0

der in den alten Karten angegebenen Größe. In Aſun— zion meinte man, fie fei früher größer geweſen; das ift jedoch nicht der Fall, fondern jet vom Waſſer bedeckte

Anlagen aus früherer Zeit zeigen im Gegenteil, daß der Wafjeripiegel geftiegen, der Umfang alfo größer geworden

ift.

Mehrere

Ausflüffe der Lagune geben zum Parand

und zum Tepifuary nad) Süden.

Mit 1 bis 2 Schleufen

würde durch den Niv Serrado eine jchiffbare Verbindung mit dem Paraguay herzujtellen fein. Nach Baraguari zurüdgefehrt, bereitete ich mic) auf eine

größere Expedition nad) dem Often und Norden des Yandes vor. Gefahren find für eine ſolche Expedition faſt nicht vorhanden. Die Bevölkerung ift friedlich, auch die Tier—

welt ift nicht zu fürchten. Wir fanden in den eriten Tagen unferer Neife abends hier oder da Unterfommen bei ein: zelnen Anſiedlern. Die Gaſtfreundſchaft ift freilich etivas jeltfamer Art; man wies ung die Vorhalle der Hütte an, um dort unfere Hängematte aufzuhängen, und erivartete

einen Beitrag zur Mahlzeit von uns. Das Terrain würde für etwa anzulegende Straßen feine Schwierigkeiten bieten. Die ganzen auf den Karten jo bedeutend ausfehenden Gebirge find niedrig; die im Oſten liegende Kordillerita, die Waſſerſcheide zwiſchen Parans und Baraguay, ift nur

60 bis 70 m. hoch. Im ganzen Lande gibt e3 wenige DBrüden, nur im Djten, wo Brivatintereffen, 5. B. die Zu: gänge zu Kulturländereien oder Weidepläßen, bei der Anz lage maßgebend gemwejen find, kann man einige primitive Brüdenanlagen finden.

Sonft iſt wohl an belebten Fluß:

übergängen ein fleiner Kahn zu haben, in einigen Yandes= teilen fehlt aber auch diefer, und man iſt genötigt, die Gepädjtüde, welche vor Waſſer geſchützt werden follen, in einer Ochſenhaut, Belota genannt,

Fluß zu Schaffen.

Die Städte,

ſchwimmend

über den

wenn man von folcden

überhaupt reden darf, find jehr arm und verfehrslos, mit

Raſen

bevedte Marktpläge

findet man

ganz

allgemein.

Die Gebirge find mit Urwald bededt, unfere Kletterverfuche

auf Höhen bis zu 600 m. waren in Bezug auf Ausficht obne Erfolg. Wir erreichten Villarika, ein ftilles, verarmtes Städtchen

von faum 4000 Einwohnern, mit wenig Handel, in fruchte baver, aber unfultivierter Öegend. Dort ift eines der beften Gebiete des Landes Paraguay in Bezug auf Qualität des

Weidelandes.

Die mit Gras beivachjenen Streden find

mit dünnem Baumwuchs

beſtanden, tragen alfo nicht den

Charakter der baumlojen Pampas. In NND fahen wir einen höheren Berg, von den Eingeborenen Zerro Tatuy genannt. Diefer Berg ift auf feiner Karte ver zeichnet und deshalb war es mir doppelt unangenehm, ihn nicht erjteigen zu fönnen. Die in der Gegend früher blühende Tabakinduſtrie ift vollftändig eingegangen. Am

Weihnachtsabend fam ich nach Billarifa zurüd und reifte am zweiten Feiertage weiter, die wenigſtens halb Fultivierten

Gegenden

verlaffend,

die einen kleinen Teil von

Paraguay ausmachen. Die vorhandenen Karten, felbft die des Oberften Wiesner von Morgenftern, welcher die Erpedition des Lopez mitmachte, find ſehr unvollitändig. Der Parang, welcher hier die Oftgrenze Paraguays bildet, ijt ein waſſerreicher Strom und hat ſich ein tiefes Bett durch das Land gewühlt. Seine Nebenflüffe würden

o

489

Paraguay und die deutſche Kolonifation.

zum großen Teil zur Laſtſchiffahrt brauchbar ſein; ſie münden jedoch faſt alle mit einem größeren oder kleineren

Fall in den Parans, weil ihr Bett die Tiefe des Haupt— ſtromes nicht erreicht. Die großen Gebiete, welche ich nach

Gewicht und ſehr malerifch in Säulenform gruppiert. Den Reſt der Reiſe machte ich mit einem Boot, anfangs durch

den Wald, bald zwischen jumpfigem Geftrüpp.

Die Paſſage

getrocknet. Die Blätter werben dann pulverifiert und dienen

war jehr ſchwierig, da der Flußlauf durch hineingeftürzte Bäume fat unpafjierbar gemacht war. Außerdem fanden wir noch Spuren von fünftlichen Verhauen aus der Zeit des Lopez. Auch von der zerjtreuten Sndianerbevölferung jahen wir Spuren in jogenannten fliegenden Brüden und zum Trodnen aufgereibten Maistolben. Es ſei hier eingeschaltet, daß die Bewohner Paraguays überhaupt als eine indianiſche Mifchraffe anzufehen find. Die europäischen Einwanderer haben eingeborene Frauen genommen, und durch mehrere Generationen hat fich die jeßige, den Indianern jehr ähnliche Nafje gebildet. Nur der Haarwuchs unterjcheidet jich bei beiden. Während die Paraguayer durchgehend lodiges Haar haben, tft das der Indianer nach Analogie aller Mongolen durchaus glatt und jtraff. In der Lebensweiſe find die Indianer noch vollftändig nomadifierend; denn ſelbſt die Weife, die hier

als Erfatmittel für Thee und Kaffee. Scharen von Arbeitern

und da vorkommt,

ziehen in die Wälder, um die Ernte einzubringen. Der jährliche Ertrag iſt zirka 600,000 Arroben, je 11'/, Kgr.,

und zu bejäen, um im nächjten Jahr, wenn der Jagdzug auf diefelbe Stelle zurüdführt, das etwa Aufgegangene zu ernten, fann nicht als Aderbau bezeichnet werden. Der Mann führt neben Bogen und Pfeilen meist auch

Norden noch durchreiſte, find fait ohne Bewohner. Geiſt— liche find felten im Yande; es var mehrere Jahre lang

feiner dort gewefen. Zufällig kamen gerade während meines Aufenthalts zwei reifende Ordensbrüder dort an, melde die unterdeß notivendig gewordenen Amtshandlungen nun fummarifch vornahmen. Wege waren auf diefer Neifes route nach Norden nicht mehr vorhanden und in den uns bewohnten Gebieten war ich aud von den Karten ganz

verlafjen.

Nach Dften hin ift die Reife bequemer. — Das

Hauptproduft Paraguays ift die Nerva oder Mate, der Paraguaythee, deſſen botanischer Name Ilex Paraguay-

ensis

it. Die Bäume

wachſen

zeritreut, ohne größere

Waldungen zu bilden. Ihre Kronen werden abgehauen und die Aeſte mittels Feuer auf badofenartigen Bauten

Die Arbeiter deren Wert ungefähr 3,000,000 Mark. jtehen in vollfter Abhängigkeit von ihren Herren, welche auf die zu Feiftende Arbeit Vorſchüſſe geben, jo daß nie

eine wirkliche Lohnforderung bleibt. beute geht von Januar bis Auguft.

jolchen Arbeiterzuge

Die Zeit der Aus: Ich ſchloß mich einem

von Villarifa aus an.

Vier große

Flüſſe paffierten wir, von mwelchen zwei gar nicht auf der

Karte ftehen. Die Stadt Kurugualy, welche wir berührten, it ganz zerfallen und nur zwei Häufer find noch be— wohnt, während Igalimi neun bewohnte Häufer hat.

Nach Norden zogen wir weiter auf der Wafjerjcheide zwiſchen Parana

zirka 400 beiwaldeter Paraguay bald da,

und

Paraguay,

welche

eine Höhe von

bis 500 m. erreicht. Es iſt ein breiter, une Nüden, der zum Parans ganz a zum dagegen ziemlich fteil abfällt. Wir überjchritten bald dorthin ftrömende Flüffe nahe an ihren

Quellen. Flache Sumpfniederungen wechjelten mit Eleinen Lagunen ohne merfbare Abflüffe. Nudel von Neben, Scharen

bunter Papageien und flüchtige Strauße belebten die Einfamfeit, in welcher wir auf viertägigem Marſch

Menſchen begegneten. reich an Nubhölzern,

fih jehr entwidelt. 20 em,

Durchmefjer

keinem

Die Wälder find außerordentlich bejonders

das Bambusrohr

findet

Sch habe Halme von 20 m, Höhe und gefehen.

Sn

einer

alleinliegenden

Hütte iſt ein Staliener anfällig, um Yerva zu gewinnen. Einen Indianer engagierte ich, der mich zu dem berühmten Wafjerfall des Aguaray führen follte, welcher nad) den bis jet befannten Angaben Azara’3 aus 387 e. 5. Höhe binabftürzen fol. Wir erreichten den Fall, oberhalb deſſen der Fluß eine Breite von 20 m. hat. Die wirkliche Höhe des Sturzes habe ich mit der Schnur gemefjen, ſie beträgt 12 m. Das Geftein ift ſchwarz, von großem ſpezifiſchen Ausland

1884,

Nr. 25.

einen Bla

im Walde zu bearbeiten

Schießgewehr und durchzieht in der primitivften Baumes wollkleidung, unbededten Hauptes die unwegſamen Jagd— gebiete, während die Frau als Lafttier und Magd die wenigen Hausjtandsbedürfnifje zu ſchleppen und zu beforgen hat. Man zählt drei verjchiedene Indianerſtämme, von denen einer noch Steinwaffen führen fol. Ihre Zahl tt jedoch fehr gering und ich habe auf meiner Reife nicht Gelegenheit gehabt, fie zu treffen.

Die weitere Fahrt führte mich bei dem kleinen Orte Zima vorbei, wo Lopez eine Bulverfabrif angelegt hatte. Der Fluß iſt dort zwar 300 bis 500 m. breit, hat aber nur ein fehr ſchmales Fahrwaſſer, da für die Inſtand— haltung desjelben nichts gethban wird. Ueber den breiten Sumpfitreden ſchweben Wolfen von Mosfitos und Scharen von Wafjervögeln treiben ſich aufden Sandbänfen umber. Auch der Jaguar kommt häufig vor, iſt jedoch durchaus nicht das furchtbare Naubtier, welches den Menſchen ans fällt, fondern ex geht demfelben gern aus dem Wege, In

wundervoller Mondnacht fuhr unfer Boot in den Para— guay ein. Wir landeten bei der Station San Pedro und fanden dort einen Menfchen als Verwalter und Betvohner. Ein Dampfer traf am nächften Morgen ein und brachte mich in rascher Fahrt nach Aſunzion zurüd. Sch will nun die für eine etwaige Kolonijation in Betracht fommenden Punkte nach meinen Erfahrungen beleuchten.

Die Lage Paraguays, mitten im ſüdamerikaniſchen Kontinent, mit feinem Punkt die Seefüfte erreichend, jcheint auf den eriten Blid durchaus ungünftig zu fein. Der Paraguay ift jedoch ſehr weit hinauf ſchiffbar und feine 75

Paraguay und die deutſche Kolonifation.

40

Nebenflüffe geftatten bis weit in's Land hinein den Schiff: fahrtsverfehr, jo daß der fcheinbare Mangel dadurd auf: gehoben wird. Der Parans tft wegen feiner Stromjchnellen

weniger günftig. genügend

Das Klima des Yandes ıjt bis jebt uns

befannt.

Für Mjunzion

hat Konful Mangels

Sehr fleifige und dankenswerte Beobachtungen angeftellt, und ift dadurch

zur Angabe

von 230 C, gefommen.

einer mittleren Temperatur

Seine Beobachtungen entbehren

jedoch der wiſſenſchaftlichen Gründlichfeit und felbjt die benußten Apparate find ungenügend. Meine Beobacht— ungen weichen um mehrere Grade von denen des Herin Mangels ab, und außerdem ift die bedeutende Abkühlung der Nächte und die frifche Temperatur der Wintermonate nicht in Nüdficht gezogen. Man darf bei dem Klima Paraguays nicht an das feuchtwarme Brafiliens, Afrikas

oder Indiens denken.

Nach meiner Meinung fönnen Euro:

päer, Speziell Deutfche, dort nicht nur leben, fondern aud) ohne Beſchwerde arbeiten. Selbftverftändlich müſſen fieihre Lebens— weile den Landesfitten anpafjen, früh aufftehen, Sieſta halten, ſich vorfichtig und ja nicht zu leicht Heiden und vor allen Dingen alle ftarfen Getränfe vermeiden. Die Gefundheitsverhältniffe find in Paraguay fehr günjtige. Die Afklimatifation ift nicht nur leicht, fondern mande Krankheiten verſchwinden bei der notwendig einfachen Lebensweiſe. Das vielberedete Fieber iſt einfaches Wechjelfieber. Ich habe während meines Aufenthalts nur zwei Fieberkranke gefehen und ein junger Arzt, welcher Studien über das Fieber machen wollte, fuchte 31, Monate lang vergeblich nach einem Fall. In der deutfchen Kolonie San Bernardino ift in zwei Jahren und jehs Monaten nur ein Kind an Diffenterie geftorben. Auch die Feinde aus der Tierwelt find, wie ſchon mehrfah im Verlaufe der Nerfeihilderung erwähnt, von geringer Bedeutung. Der berüchtigte Sandfloh findet fih in größerer Anzahl nur in unveinlichen, Schlecht ventilierten Wohnungen und bei Leuten, die es an der Sauberkeit des Körpers, ſpeziell der Fuß: pflege, fehlen laffen. Die Wanderbeufchrede tjt jehr jelten, dagegen fommen Ameifen in zahllofen Arten und in uns

geheuren Mafjen vor.

Diefelben

find dem Aderbau ge:

| großen Neichtum an wildwachſenden Früchten.

Die Wäl-

der find reich an Nutzhölzern, Faferpflanzen, gerbitoffhaltigen Ninden und Farbhölzern. Für die Viehzucht iſt Land und Klima gut, namentlich für Nindvieh, Schafe, Ziegen

und Geflügel. Die Pferde find viel von einer Krankheit behaftet, vie Mal de cadera heißt. Das Mineralreich liefert Sandſtein,

Ziegelerde, diverſe harte Steinarten zu

Hafenbauten, auch Eiſen, dagegen keine Edelmetalle. Kohlen hofft man mit Beſtimmtheit zu finden. — In politiſcher Be— ziehung iſt das Land beſſer daran als feine nächſten Nach-—

barn.

Die Revolutionsmacherei

von

Argentinien

und

Uraguay iſt dem friedlichen Volke von Paraguay noch ganz unbekannt. Die innere Einrichtung des Staatsmechanis—

mus läßt dagegen viel zu wünſchen übrig. Die Zinſen der Schuld werden an England nie bezahlt, daher iſt keinerlei Kredit vorhanden. Die Einnahmen der Zölle ꝛc. decken die Ausgaben nicht, ſpeziell da ein großer Teil des

Ein unberufener

Eindringling

Hauſes kann vom Hausherrn

in die Umzäunung

des

ſofort niedergeſchoſſen

wer—

den. Die Eingeborenen ſind kindlichen Charakters, aber ſehr heftigen Temperaments. Einen eingeborenen Arbeiter zu necken möge man ſich wohl hüten, da er ohne Beſinnen ſein Meſſer zur Abwehr gebraucht.

Grundbeſitz

iſt leicht

zuerwerben.

Eine Q.-Legua

d. i. zirka 18 Q.-Km. des beiten Landes koſtet zirka 6000 ME,

Beim Ankauf iſt aber inſofern große Vorſicht nötig, als

phantaftiihen Ausſchmückungs-Objekten ſenſationsluſtiger Reiſender als der Wirklichkeit an. Zum Aderbau eignet fih am beiten der Waldboden. Europätfches Getreide gedeiht nicht, Dagegen kommen Kar— toffeln und viele Gemüfearten jehr gut fort. Durch Star: toffelbau bat ein Anbauer aus einer Quadrat-Kuadra zirka 6000 ME. in einem Sahre gezogen. Die Haupt: fulturprodufte find Mais, Neis, Maniof und Bohnen. Kaffee, Zuder, Baumwolle und Tabak gedeiht auch, jedoch ist ihr Anbau nicht ventabel, da der Abfat fehlt. An Baumfrüchten finden ſich Apfelfinen und Bfirfiche; Aepfel und

Birnen bvegetieren nur kümmerlich.

Das Land hat einen

ee e le

für ein Grundſtück häufig ältere Beſitztitel vorhanden ſind,

wodurch

der neue Ankauf einfach null und nichtig wird,

ohne daß es gelänge, die bezahlten Summen zurüdzuers halten. Das Staatsland ift von diefer Kategorie nicht ausgefchloffen, denn es foll an England verpfändet jein

als Dedung

der Anleihe.

Vor einiger Zeit ward eine

angejtrengt, und von ihm auch geivonnen. | Somit lägen im allgemeinen die Verhältniffe für Ko:

gehören mehr den

R

rühren den Einwanderer wenig, da er nichts mit ihnen zu ſchaffen hat. Im ganzen Lande herrſcht große Sicher— heit in Bezug auf Perſon und Eigentum und vor allem eine große Achtung vor der Heimſtätte des Bewohners

Schlangen,

Jaguare



nicht bekannt, die korrupten Zuſtände der Geiſtlichkeit be—

ganze Ortſchaft auf foldhen neu

und

E

Geldes in falſche Taſchen fällt. Die Beamten ſind mit wenig Ausnahmen beſtechlich. Neligiöfe Unduldſamkeit iſt

fährlih und müffen forgfältig vertilgt werden. In den“ Waldgegenden wird das Vieh durch Zeden vielfach geplagt.

Krofodile

=— ——

angefauften

Privatbeſitz

a a u a

gebaut, ein Prozeß wurde von dem urfprünglichen Beſitzer

lonifationspläne recht gut. Der Schwerpunft für den Eins wanderer liegt aber in einem günftigen Verhältnis des Abſatzes zum Erwerb und dies ift in Paraguay abſolut nicht vorhanden. Der kleine Ackerbauer kann feine Pro— dukte nicht verkaufen,

Die 300,000 Einwohner find bes

dürfnis[os und die Preiſe für die Erzeugnifje find lächer— lich billig. Eine Arrobe d. i. 111, Kgr. Mais koſtet vor der Ernte bis 3.20 Mk., nach der Ernte oft nur 30 bis 40 Pfg. Außerdem wird noch mafjenhaft Mais aus Ar-

gentinien eingeführt. Die Eingeborenen, welche die Kennt: nis der Zandesverhältniffe vor den Koloniften voraushaben,

s “u

ee = M d3—

ee 491

Paraguay und die deutſche Koloniſation.

ziehen die Produkte für ihre eigenen Bedürfniſſe ſelbſt und was ſie mehr erzielen verkaufen ſie zu lächerlich billigen Preiſen.

Unbemittelten Einwanderern müßte man die Mög: lichfeit geben, Brodufte für den Export zu bauen, unter denen nad) den bisherigen Erfahrungen in eriter Linie

Nicht viel beſſer gebt es dem kleinen Viehzüchter. Milch, Butter und Käſe ſind ſchwer und nur in kleinen

Baumwolle, Zuder, Tabak und Kaffee in Frage kämen. Um diefe Produkte erportfäbig zu machen, tft die Anlage befferer Berfehrsivege, Eifenbahnen und die Hebung der Fluß: ichiffahrt auf dem Paraguay und Parana unumgänglich notwendig. Der jebige Frachtſatz von Aſunzion nad) Buenos-Aires oder Montevideo von 60 Pf. für die Arrobe,

Portionen im Lande abzuſetzen, da auch dieſe Artikel von Argentinien eingeführt werden. Die Herden vermehren ſich übrigens Schnell Stück Nindvieh hat wenn man die Zeit fann. Augenblidlich

und große Verlufte find felten. Ein ungefähr einen Wert von 50 ME, zu gelegentlichem Verkauf abwarten dedt der Viehbeftand noch nicht das

Bedürfnis, ſpäterhin wird eine Ausfuhr möglich werden.

an baldige Rückkehr mit einem erivorbenen Vermögen nicht

nad Erfüllung folcher Borbedingungen zu Niederlafjungen geeignet fein würden, fehlt es nicht. Die bisherigen Koloniſationsverſuche ſind entweder ganz geſcheitert oder doch wenig glücklich ausgefallen. Den erſten Verſuch machte Yaguaron; ſeine Koloniſten zogen in ein Waldterrain, wo ihnen Weide und Waſſer fehlte. Von der ganzen Expedition iſt nur noch ein Mann vor: handen. Ihm folgte Stape mit zirka 100 Engländern. Als die Leute anfamen, war für nichts geforgt und die Grpedition verlief fich gänzlid. In Billa Occidental fiedelten ſich Franzofen und Staliener an. Der Ent: mwiefelung diefer Kolonie ift neben den fonjtigen noch der Umftand befonders hinderlich, daß die Negierung bon Paraguay ihre Sträflinge ebenfalls dorthin fendet. Qui— itorps mit fo vielem Pomp in Szene gefegter Verſuch iſt

denken, jondern

total

Der Handel ift ganz

da direfte

Verbindungen

von

Buenos-Aires

mit

Europa

abhängig,

faft gar

nicht

eriftieren. Ein großer Nachteil in allen Kaufgeſchäften ift auch das landläufige Geld. Nominell bat man wohl

Peſos oder Dollars zu 100 Gentavos, die einzige Fur: jierende Münze ift aber der Neal zu 40 Pfg. jo daß jede Kleinigkeit fofort einen Neal koſtet, zum Vorteil der ſchlauen Staliener, die hauptfächlich als Kaufleute im Lande an ſäſſig ſind oder dasjelbe als-Haufierer durchziehen. Die Frage: „Soll man zur Auswanderung nad Paraguay raten und wem?” ift alfo ſchwer zu beant— worten. Bor allen Dingen dürfen nur folche Auswanderer Paraguay zum Ziel ihrer Neife wählen, welche ganz drüben bleiben wollen.

Auf lange

Zeit hinaus ift noch nicht die geringjte Möglichkeit vor: handen, erworbenes Kapital aus den Anlageobjekten wieder herauszuziehen.

Aderbauer ohne Kapital können fich felbit-

ſtändig nicht halten, fie müſſen in die Negierungsfolonien gehen und können ſich erſt in Jahren bei großem Fleiß eine bejcheidene Selbjtändigfeit eriwerben. Leute mit einigem

Kapital, welche unter den gegentvärtigen Verhältniffen nur den Anbau der Landesprodukte in größerem Maße betreiben Wer mit einem Kapital von zirka 10,000 ME. hinübergehen will, um Viehzucht zu betreiben, follte zunächit einige Zeit darauf wenden, den Schauplat feiner künftigen

Thätigfeit fennen zu lernen und den Nat älterer Eins wanderer zu hören. Wenn er dann nad) erlangter Sach: fenntnis fein Kapital in der Viehzucht anlegt, jo fann er darauf rechnen, in einiger Zeit ein für dortige Ders

bältniffe veiher Mann zu werden, aber immer unter ber Vorausfegung, daß er dauernd im Lande bleibt. Handwerker würden nur in fehr geringer Zahl ein leidliches Fortkommen finden, jedoch dürfen fie auch nicht

ganz ohne Mittel

hinübergehen.

Dasjelbe

iſt von Kauf:

leuten zu jagen, welche den anfäfligen Stalienern gegenüber einen jchiveren Stand haben würden. Gelehrte, Juriſten, Aerzte und alle Leute ähnlicher Berufsklaſſen

fönnen ihr Fortfommen

abfolut nicht finden, fie müßten

ih denn dem Aderbau

oder der Viehzucht widmen wollen,

wobei aber auch nur jehr felten etwas herausfommt,



im Sande verlaufen. Dr, Förſter will noch ein Jahr dort bleiben und dann. hieher zurüdtehren, um eventuell Auswanderungsluftige wieder mitzunehmen. Die Kolonie San Bernardino, welche 1881 angelegt wor— den ist, hat ebenfalls wenig Ausficht, vorwärts zu kommen. Ihre Anlage it ungünftig, die Lage ſchlecht, man braucht von Ajunzion 2 Tage per Bahn oder 4 Tage per Fuhr— wert und an Abfab der Produkte ift nicht zu denken.

Die Eingeborenen

haben die beiten Plätze inne und in

trodenen Jahren, vie im verfloffenen, fehlt es für gedeih-

wollen, bleiben beffer dem Lande fern.

a

was zirka 50 ME. für die Tonne ausmacht, hebt alleın ſchon die Möglichkeit des Handels auf. An Pläßen, die

liche Viehzucht foger Koloniften

an

Waſſer.

Die Aufnahme

der

ift ohne Kritik erfolgt, wodurch ungeeignetes

Material aus allen Fächern vertreten it. Für UnverPeiratete ift das Leben der Koloniften ganz ungeeignet, fie werden leicht zu Bummlern und ihren Nachbarn läſtig. Nach und nach ſind immer mehr von dieſen Elementen verſchwunden, ſo daß von den angeblich angekommenen 500 Köpfen jetzt nur noch 200 vorhanden find. Aber auch dieſe können ohne Unterſtützung nicht weiterkommen und die

Kolonie wird wohl über kurz oder lang ebenfalls eingehen. Aus der Einwanderung ungeeigneter Elemente entſtehen nicht nur den Einwanderern, ſondern auch dem Lande

ſelbſt nur Nachteile.

Speziell das Deutſchtum

iſt ſehr

da die meiſten Verbrechen in Paraguay in diskreditiert, der letzten Zeit von eingewanderten Deutſchen begangen worden ſind. Die deutiche Einwanderung fteht überhaupt

der franzöfifchen und italienifchen in Paraguay nicht eben: bürtig gegenüber.

499

Die Erpedition zur Erforihung der Schan-Gebiete (Hinterindien).

Aus dem Gefagten ergibt jih, daß Paraguay zivar flimatifch ein geeignetes Yand für deutjche Einwanderer it, aber durchaus nicht ein Eldorado, wie es auswan— derungsluftigen Europamüden vorgeftellt zu werden pflegt, welches fie freilich nirgends in der Welt verwirklicht finden erden.

infolge bamaniſcher und ſiameſiſcher Apathie ihre reichen Naturprodukte dem Weltverkehr bis jetzt vorenthalten haben, Ber den gegenwärtigen Kulturbeftrebungen des fiamefi-

chen Herrſchers iſt esum jo mehr zu erivarten, daß Siam fih enger

an England

anſchließen und letteres infolge:

deſſen verſuchen wird, die Wege von Pegu und Tenafferim aus nad) Siam hinein und in das Menam- und Meping-

Thal aufwärts nad) den Schan-Staaten und China mehr

orfndietunn).'g der Stpan-Gebiele Die Expedition zur(HinErf teri Mr. Holt ©, Hallet, welcher,

gründlichen

Kenner

von Dr, Cufhing, dem

der SchansDialekte,

und einem In—

genteur begleitet, Ende vorigen Jahres von Maulmein aus feine Forfchungsreife antrat, ift laut Nachrichten vom 30, Januar d. 58. glücklich in Meh-tha an der fiamefischen Grenze angekommen. Der Neifende beabfichtigte, zuerjt nach Zimme am Meping aufzubrechen, dann das auf den

Karten etiva 200 Kın. nordöftlid

am Mefong gelegene

Kiang-Tſen zu erreichen, von da nad Süd-Dften die Quellen des Menam feitzulegen und über Lakhon nad) Zimme zurüdzufehren, wo er am 15. April ds. 3. zu jein gedachte. Hier hofft Mr. Hallett fich mit dem von Kanton fommenden Foricher Colquboun zu vereinigen, um, das Flußthal abwärts reifend, während der Negenzeit in dieſen Gegenden die bejte Noute für eine Eifenbahn aufzunehmen. Nach den bis jeßt gemachten Erfahrungen iſt Mr. Hallett überzeugt, daß die Topographie oberhalb des SaluönDeltas, wie fie auf den Karten dargeftellt, falſch iſt, indem Bergfetten verzeichnet find, wo nur getrennte Hügel eriftieren. Wir haben uns im VBorftehenden eng an den Bericht gehalten, wie er im Aprilbeft 1884 der Proceedings of

the Royal Geographical Society gegeben ift. Die Energie, mit der die Engländer ihr Eifenbahne projeft jeit den fünfziger Jahren aufrecht erhalten, um über Hinterindien nad) den produftenreichen Yändern des ſüdweſtlichen China zu gelangen, veranlaßt uns, die all gemeine Aufmerkſamkeit auf diefe Beltrebungen zu lenken Da in Tungking die Kriege der Franzoſen eine Konkurrenz für die Engländer fürdten laffen, da ferner nach den Taipinge und mohamedaniſchen Nevolutionen im Süden und Südweſten Chinas geordnete Zuftände ſich zu bilden anfangen und die um mehr als das Dreifache dezimierte Bevölkerung fich den Kulturen zuwendet und, last not least, im Norden der zweifelhaften ſiameſiſchen Neichsgrenze ein Gebiet Liegt, das von den Lao- und Schan-Stämmen ein— genommen wird, welche weder an China, no an Bamä oder Stam Tribut zahlen, jo jcheint die Zeit nicht fern zu liegen, in der europäifche Kultur direft in dieſe Yänder eindringen wird, die aus chinefischer Handelseiferfucht und ! Die Rechtſchreibung der Ortsnamen gehört ausſchließlich dem Herrn Autor.

in diefem Aufſatze A. d. R.

und mehr für die Handelöprodufte feiner Märkte auszu— beuten. Bei den gegenwärtigen Berbältniffen in Siam halten wir aber die Anlage einer Eifenbahn von Bangfof aus für das Aufkommen regelmäßiger Handelsbeziehungen im großen Stil für verfrübt. Obgleich es als das Nächitliegende erfcheint, eine

Gijenbahn von Bangfof nad Naheng, der bedeutendten Handelsjtadt

des

Innern,

anzulegen,

jo find doc die

Schwierigkeiten, die fih dem Bau einer ſolchen Bahn ent: gegenitellen, außerordentlich bedeutend. Jeder, der die Verhältniſſe in Stam verfolgt hat, wird einfehen, daß hier

im Mündungsgebiet

des Menam

die europäischen Zivilie

jationsbeftrebungen noch einige Zeit hindurch

an den de

ſpotiſchen Fürjten, Miniftern und Beamten geübt erden müffen. Man darf dann nicht außer Acht laffen, dak ein nicht zu unterfchäßender Handel ſchon feit Jahren weiter landeinwärts bejteht, von dem man in Europa kaum eine Ahnung hat. Bon den Plätzen nördlih und ſüdlich von Naheng reifen die einheimischen Händler nach Britiſch-Bamä, aber

auch nad Dften zu den Lao am Mekong. Deutſche und englifche baumivollene Waren, nament: lich Kalikots, Eifengeräte, Schwefelhölzer, Spirituofen und Salz find hier wichtige Handelsartifel, welche von den

Südhäfen aus bis weit in das Innere hineintransportiert werden. Diefe Händler, welche mehr oder weniger auf Saumpfaben ihre meijt abenteuerlichen und mit Näubereien verbundenen Neifen ausführen, würden fich einer beſtimmt

vorgefchriebenen Noute miderfegen.

In Siam hört dann

die Macht der Negierung eigentlich nördlih von Naheng auf, auch zieht fi der Handel nad) Weiten an die näher

liegende Küſte Schon infolge des ausgedehnten Ochfenhandels nach Britiich-Bama und Speziell nad) Maulmein infolge des Einflufjes engliicher Kolonialerfolge

im Mündungsgebiet

des Saluen. Nördlich von Naheng gilt 3. B. das fiamefische Geld nicht mehr, fondern find Nupien Zahlgeld, die weit in die Gebiete der Schan hineingelangen, obgleich nament= lid) bei

einigen Lao-Stämmen

am

Mefong

die Kauris

(Oypraea moneta) heute noch als Geld im Gebraud) find. Der

wahrſcheinlich

nicht unbedeutende

Handel

der

Schan wird gegenwärtig noch ganz nach Jünnan abgelentt, da Thee und Baumwolle in großen Mengen nad China exportiert werden und nur fehlechte Theeforten, die gefaut werden, den Menam abwärts in den Handel kommen. Europäische Artikel, wie Nadeln, Sandfpiegel und baum— wollene Zeuge werden aber wahrfcheinlich durch Bama und

|

495

Der Kulturzuſtand Japans.

Siam, alſo von Süden in dieſe Diſtrikte eingeführt. Auch die Schan betreiben einen lebhaften Handel mit Ochſen, die bei ihnen 16 bis 25 Rupien koſten. Im Meping- und Menam-Thal iſt der Elefantenhandel ebenfalls wichtig. Die Elefanten koſten dort, wo ſie dazu verwendet werden, die Nutzhölzer aus den Waldungen zu ſchaffen, 500 bis

2000 Rupien.

Die Stämme werden mit Rotang-Tauen

zuſammengebunden und gelangen als Flöſſe ſtromabwärts. Um den immer mehr überhandnehmenden Waldverwüſt— ungen zu ſteuern, hat die ſiameſiſche Regierung einen Zoll

von 3 Tikal (2,50 Am.) auf jedes Stück Zimmerholz gelegt, das zur Ausfuhr gelangt. Somit verlohnt e3 ſich nur, die größten Bäume zu fällen. Harze, Hörner und Wachs find neben vielen anderen Artikeln Waren der Märkte des

Innern.

Ein großer Teil dieſer pezififch aſiatiſchen Artikel

fommt nad Bangkok und wird von dort meifteng über Eingapur nah Indien, China und dem Malaiiſchen Archipel (Java) verladen.

Da Bangkok im Jahre 1882 für 44 Millionen Mark Waren ausführte, von denen nur für 8 Millionen Mark

Yon den Stamejen wird diefes Volk Lao genannt, die Bamanen verſtehen darunter die Scan. Diefe Lao waren in alter Zeit zu einem Volk vereinigt. Auch die bei den Chineſen Miao-tſze genannten Nefte, die in Kwéicheu in viele Stämme geteilt find, gehören vermutlich zu ihnen. Das Lao-Volk Liefert geſchätzte Arbeiten in Kupfer, Eifen, und gefchichtliche Aufzeichnungen bemweifen eine ehemalige höhere Kulturjtufe. In chinefiihen Dokumenten find die Neiche der Lao identisch mit Nan-ſchang (Süd-Tibet). Ueber die Stellung des Naturvolfes der Mor’3 (franzöſiſch Mois), wie es von den Annamiten genannt mird, fehlen genaue Forſchungen. Diefe Stämme, die teil3 von den Annamiten, teils von den Lao immer mehr in das Deltagebiet des Mekong gedrängt werden, nennen fich jelbit Trao und die Annamiten Ian. Es bleibt der Forſchung noch überlajfen, ob die Stieng, Penong und Trao einer Raſſe angehören und zu den Stämmen auf Java, Sumatra, den Andamanen oder zu den Negritos in Beziehung ge:

Itanden haben. Die Trav kennen Sagen von einer Sündflut, einem

nad Europa verichifft wurden, fo geht daraus hervor, daß die Bedeutung des Handels für Aften nicht zu unterfchäßen

Rieſenvogel, einer Schildkröte, in denen die Kämpfe mit den

it und daß diefer Handel Speziell im Süden Stams beim Auffommen geordneter Zuftände im Innern noch einer

miten die Hauptfache find.!

großen

Zukunft

entgegengeht.

Selbſt wenn

Intereſſe für jene Abfatgebiete und Bezugsquellen euro: päiſcher Märkte zu vermehren! Zum Schluß fei es erlaubt, einige Namen zu erklären, die infolge der immer mehr um ſich greifenden Verwirrung in unferen Lehrbüchern und auf den Karten unvichtig angewandt werden. Die Namen Birma, Barma, Burma, Birmante (fran— bei den

Gebildeten

falſch. Mran-mä

Der und

richtige Name

lautet

in der Volksfprache

Bamä! Die Chinefen

nennen

die Bamanen

Mien (aus: Mran).

Die Katfehin nennen die Bamanen Mian. Das Bolf von Aſſam nennt die Bamanen Man (Mantara). Die Siameſen nennen die Bamanen

Mang.

Die Shan nennen die Bamanen Wan. Die Schan nennen fich ſelbſt Tai oder Kun. Die Bamanen

nennen die Schan Schan.

Die Chinefen nennen die Schan in (Ober-Bamä und in SW Fünnan) Bas! Mi). Die Lao-Stämme zerfallen nad ihren eigenen Anz gaben heute in nördliche (Schwarzbäucige) und ſüdliche, und ihre verichiedenen Stämme tragen verſchiedene Namen, N Ba nennt man die fultivierten Thäler und Abhänge im weftlichen Jünnan; i— Barbaren, (Vergleiche: Introductory sketch

of the History of the Shans by N. Elias, Foreign ment Press, Calcutta 1876.

Müller-Beeck.

die Auf:

nahmen der Engländer noch feine Kapitaliften beivegen werden, eine Eifenbahn zu bauen, fo wird diefe Expedition doch dazu beitragen, die Kenntnis des Landes und das

zoſiſch) Find ſämtlich

Khmers, der Bevölkerung von Kambodſcha und den Annas

Depart-

Der Kulturzuſtand Japans. Aus Mitteilungen, welche der „Times“Ju von der japanischen Geſandtſchaft in London zugegangen find, ent— nehmen mir über die heutigen Kultur und wirtjchaftlichen Zuftände in Japan folgende Angaben: Auf feinem anderen Felde hat Sapan fo große Fortichritte gemacht, wie auf dem des Unterrichtsivefens, obwohl auch hier immer nod) viel zu thun bleibt, da 1882 nur 43%), der Kinder in ichulpflichtigem Alter die Schule befuchten. (1881: 41%/,.) Aus einer Statiftif des Unterrichtsiwefens geben wir folgende Zahlen: Profeſſoren und Schüler. Zahl. Lehrer. Elementar-Schulen 28,908 76,769 2,616,879 Höhere Schulen Ki3 934 12,315

Normal-Schulen Univerfitäten Techniſche Schulen Andere Schulen Die Sapaner

71 2 98 1,026 behandeln

602 135 975 2,598 ihre Frauen

5,275 2,035 8,829 mit

72,260 großer

Achtung; ftellen aber feine großen Anfprüche an die Er— Unter 2,616,879 ziehung des weiblichen Gefchlechtes. Schülern der Elementar-Schulen befinden ſich nur 733,691 1 Excursions

et reconnaissances.

Saigon, Nr. 6 und 14, 1882,

Cochinchine frangaise.

494

Der Kulturzuftand Japans.

Mädchen; auf den höheren Schulen befinden fich unter mehr als 12,000 Beſuchern nur 204 Schülerinnen. Wenn man alle Umftände berüdfichtigt, fo machen die oben zufammengeftellten Zahlen jelbjt im Vergleich mit manchen europäischen Ländern einen günftigen Eindrud. Der größte Teil der Schulen wird durch die örtliche Negierung unter: halten. Die meisten Japaner find Buddhiſten; 1882 hatten ſie 76,275 Briefter und 21,011 Berfonen, welche fich auf das Prieſteramt vorbereiteten; der Shintoismus hatte 17,851 Briefter und 1302 Studenten der Theologie. 1880 erichienen 3313, 1881 2952 Bücher. Von den im Lande erfchienenen Zeitungen wurden 1880 37,683,633 verfauft; 21 öffentliche Bibliothefen wurden 1881 von 107,801 Berfonen bejucht.

1883

war

Papiergeld

im Betrage von 19,658,070

Pfund Sterling, 1879 von 22,685,558 Bf. St. im Umlauf, Die Schulden beliefen ſich auf 67,073,237 Pf. ©t. gegen 72,655,594 Bf. St. im Jahre 1879. Größtenteils ift dies inländiſche Schuld und meistens durch die Einführung der den europäiſchen nachgebildeten Berhältniffe notwendig geworden. Die ausländische Schuld betrug 1883 1,781,297 Pfund Sterling; fie wurde durchfchnittlich mit 70/, verzinft. Dem gegenüber beftehen verfchiedene Nefervefondsg, deren Betrag 1883 etwa 15 Mil. Pf. St. erreichte. Im folgenden ftellen wir die Einnahmen und Ausgaben ver legten fünf Dienftjahre (vom 1. Juli bis 30. Suni) und

Dazu kommen 6033 Mann Hlfstruppen,

1286 Oendarmen n

was zufammen 105,110 Mann ergibt.

In den Militär —

fchulen

befinden fi 1200 Schüler.

Die Flotte zählt

702 Offiziere und A511 Mannfchaften. ſtand 1883

aus 8 großen

ſchiffe) mit 122 Gefchüßen,

Schiffen

Die Marine bes

(darunter

15,000 Tonnen

5 Panzer:

Inhalt und

mit etwa ebenſoviel Pfervefräften, dazu kommen noch 18 Schiffe verſchiedener Art mit 103 Geſchützen, 10,340 T. Inhalt und 6730 Pferbefräften. Unter anderen dem Weſten entjtammenden Einricht— ungen wäre das feit 1874 bejtehende Armengeſetz zu nennen;

nach den Beitimmungen desſelben veicht die Negierung einem Jeden, der über 70 oder unter 15 Jahre alt iſt und nicht arbeiten kann, ebenſo Findlingen bis zum Alter”

von 13 Sahren jährlih mehr als 9 Bufhels Neis. In Tokio befteht ein Arbeitshaus, deifen Koften durch die Gemeinde beftritten werden. 1881 erhielten 9000 Arme Unterftüßung von der Negierung, 1049 befanden ſich im Arbeitshbaus zu Tokio. Die hiefür verausgabten Kojten beliefen fi) auf 17,795 Pf. St.

;

Sm Sahre 1881 wurden 107,120 Verbrecher (darunter 9420 Frauen) verurteilt, worunter 96 zur Todesitrafe und

8334 zur Strafarbeit auf länger als ein Jahr.

r

1882 war das Land verteilt wie folgt: Neisfelder 6,469,841 Acker, höher gelegene Felder 4,561,412, Häufer 2. 858,545, Wald und Berge 13,378,453, unbebautes Land

3,592,967 Acker.

Alles dies ift Privatbeſitz;

der Staat

zwar das wirkliche Reſultat für die drei erften, die Ans

bat dazu noch 12,932,418 Adler Wald und Bergland.

gaben des Budgets für die beiden letzten zufammen. Einnahme 1880: 12,430,350 Pf. St.; 1881: 12,673,450

Die Stapel-Artifel des Aderbaues waren 1881: Neid 155,629,409, Weizen 62,049,940, Bohnen 10,795,717 Bushels. 1880 zählte man 1,124,564 Stüd Rindvieh und

Pf. St.; 1882: 14,288,343 Pf. St.; 1883: 13,362,894 Pf. St.; 1884: 15,121,220 Pf. St. Ausgabe 1880: 12,063,515 Pf. St.; 1881: 12,628,182

Pf. St.; 1882: 14,269,798 Pf. St.; 1883: 13,362,824 Pf. St; 1884: 15,121,220 Pf. St. Faktiſch hat fich alfo in den drei eriten Fahren jedes— mal ein Kleiner Ueberihuß ergeben. Im lebten Jahres— budget find 1,758,480 Pf. ©t. für Tilgung der Staatsſchulden, wovon 668,000 zur Einlöfung von Papiergeld, ausgeivorfen. Im ganzen ift feit 1880 das Papiergeld um mehr als 2,300,000 Pf. St. vermindert worden. Die Intereſſen und andere Ausgaben für die Staatsjchuld

erreichen

im Budget

für 1883/84

einen

Betrag

von

2,900,000 Bf. St. 570/, des ganzen Einkommens iverden durch die Grundfteuern aufgebracht. Die neue japanifche Armee ift nach dem Vorbild der deutſchen eingerichtet, verpflichteten Dienft herrſcht vor.

1883 bejtand die aftive Armee aus: 44 Negimentern Infanterie mit 32,964 Offizieren und Mannfchaften, 1 Regiment

Kavallerie

mit 482 Mann,

7 Kompagnien

Artillerie mit 2687 Mann, 3 Kompagnien Ingenieure mit 1167 Mann, 520 Mann Kommiffariat, im ganzen alfo 37,520 Mann, In der erften Reſerve befinden fich

42,606 Offiziere und Mannfchaften, in der ziveiten 16,080,

1,605,543 Pferde. 1881 Maren 849,288 Männer und 753,118 Frauen mit Filchfang beichäftigt und beſaßen 190,045 Boote. ’ Der Eifenbahnbau macht gleihmäßige Fortfchritte; 1880 waren 76, 1883 220 e. MI. eröffnet; es bejtehen 4733 MI. Telegraphenleitung mit 12,470 MI. Drabtlänge, Die wichtigen Häfen find untereinander und mit Europa verbunden. 1882 wurden 2,784,287 Telegramme verjchidt

und die Poſt erpedierte 96,916,235 Briefe, Karten, Zeit

ungen ꝛc.; fie ift auf europäifchen Fuß eingerichtet und befist Schon Boftiparbanfen, in twelchen 1882 22,965 Eine

leger 149,360 Pf. ©t. hinterlegt hatten. Die Totaloberfläche Japans beträgt 148,456 Q.-Ml., die Zahl der Bewohner, twelche 7,684,986 Familien bilden, 36,700,118.

Die Anzahl der im Lande lebenden Fremden

belief fih auf 6187 Köpfe. Die Sapaner führen bie Negifter des bürgerlichen Standes, aus denen ſich ein ber deutender Ueberſchuß der Geburten ergibt, ſehr genau; jo zählte man z. B. 1881 deren 941,343 und 686,064, was

dem Verhältnis von 137: 100 entfpricht. Die Bevölferung von Tofio betrug 1883 823,557 Seelen, hieran veihte ſich Oſaka mit 293,681 Betvohnern. |

Zeitgemäßes iiber Sudan, Oftafrifa und Islam.

Zeitgemäßes über Sudan, Ofafrika and Islam.

|

Das Intereſſe am Orient, bei den Franzoſen ſeit 100 Jahren mächtig, haben die Ereigniſſe der letzten zehn Jahre in Aegypten, Tunis, Algier und Marokko noch

Die Zunahme der litterariſchen Thätigkeit auf

dieſem Gebiete iſt ein lehrreicher und für die ganze Welt

erfreulicher Beweis

dafür.

Einige der gebildetſten und

begabteſten unter den franzöſiſchen Schriftſtellern der Ge—

genwart ſind Spezialiſten in orientaliſchen Dingen.

So

vor allem Gabriel Charmes, der bekannte Mitarbeiter des „Journal des Débats“, welcher eine Reihe ſeiner Eſſais und Reiſeberichte aus Algier, Tunis, Tripolis und

Aegypten

in verſchiedenen

Bänden

vereinigt hat.

Wir

haben im nachfolgenden einige Fragmente ſeiner Urteile und Anſichten reproduziert. Neben dieſen immer geiſt—

reichen und oft ſelbſt ziemlich gründlichen Erzeugniſſen der Tageslitteratur

geht eine Litteratur

ſyſtematiſcherer,

ein—

dringenderer Schilderungen her, von denen wir vor einiger Zeit ein gutes Beiſpiel in Gaffarels Algerie beſprochen haben.

Eine

ganz

befondere Stellung

nimmt

ein Bud)

Leön Nocher’3 ein: Trente-deux ans à travers l’Islam, Paris, Firmin Didot, 1884, welcher Dolmetſch in Algerien

und fpäter Geheimfefretär

Abd el Kaders war,

und

an

Bliden in das innerſte Leben des Islam und in die franzöfische Politik und Verwaltung in Algier reich üt. *

* *

Die Araber ſind von einer wunderbaren Beweglich— keit des Geiſtes, einer glühenden Einbildungskraft, einem kühnen Mute; aber es fehlt ihnen durchaus an Disziplin

und an den Fähigkeiten, welche notwendig ſind zu einer feſten Organiſation.

Gewande als in diefen Staaten,

den blutigſten Nevolutionen

welche im Inneren

erfchüttert waren,

von

während

ihre Bethätigung nach außen in Seeraub beitand.

(Schluß.)

geſteigert.

49

Ihre politiſchen Werke ſind wie ihre

architektoniſchen anziehend im einzelnen, aber unklar und ohne feſten Grund im ganzen. Während ſie die Analyſe auf den Gipfel treiben, ſind ſie unfruchtbar in der Syn— theſe. Vom Glauben und Aberglauben beherrſcht, ſehen

*

*

*

Es iſt ein Grundzug der politiſchen Geſchichte der Araber, daß ſie, wenigſtens ſo lange ſie die Herren ſind, ſiich feſt gegen Einflüſſe von außen verſchließen. Es geht dieſer Zug tiefer. Der Charakter der ſemitiſchen Sprachen iſt (nach Renan) im allgemeinen die Abgeſchloſſenheit nad) außen, die Aufnahme einer nur geringen Zahl fremder Elemente. Zum Teil liegt dies in dem Bau der Sprache ſelbſt, mehr aber wohl noch darin, daß der Charakter der Araber dieſer Abſchließung entſchieden entgegenkommt. Es ſind dadurch Töchterſprachen des Arabiſchen faſt nirgends zur Entfaltung gekommen. Wo aber irgend in den ſemi— tiſchen Sprachen ſich erhebliche Aenderungen auf äußere Einflüſſe hin vollzogen, da waren die Träger derartiger Abwandlungen immer fremde Voöolker, welche ſich den Semiten aſſimilierten. So iſt das „Moſarab“ in den Bergen Südſpaniens als Sprache einer chriſtlichen Be— völkerung, jo das Malteſiſche in inſularer Sfoliertheit ent— 1876 forderten nicht mehr als 17 muſelmänniſche ſtanden. Eingeborene die Naturaliſation in Algerien. Ein verſtän— diger Franzoſe wie Gaffarel ſchließt daraus richtig: Die Algerier wollen nicht franzöſiert werden! Daß dieſe Aus— ſchließlichkeit nicht als reine Paſſivität wirkt, ſondern im Gegenteil weſentlich mit zu den Erfolgen des Islam beige— tragen hat, lehrt zur Genüge die Geſchichte und ſelbſt noch die jüngſte. Der Islam mag noch fo ſpröde fein, hat er ſich ein— mal eines Volkes bemächtigt, dann iſt er gerade durch die Ausſchließlichkeit, mit der er auf alle drückt, die in ſeinen Bereich kommen, in hohem Grade aſſimilierend. Der Chriſt, der als Gefangener nach Algier gebracht wurde, konnte nichts beſſeres thun, als ſich islamiſieren, d. h.Maure Der unverſöhnliche werden und z3war ſchnellſtmöglich. Haß (inſtinktiv nennt ihn G. Charmes) der Araber gegen die Türken zeigt, daß dieſer ſtarren nationalen Ausſchließ—

Darüber ent—

lichkeit nicht in erſter Linie religiöſſe Motive zugrunde

geht ihnen der Aufblick zu den großen, allgemeinen Ge—

liegen, wenn es auch gerade dieſe ſind, welche den Chriſten gegenüber am auffälligſten hervorgekehrt werden.

ſie inder Welt

nur Einfälle und Zufälle.

ſetzen, die ſie nie zu erforſchen vermochten

ſich daher nie

zuunterwerfen wußten.

ſcheint ihr natürlicher Zuſtand.

und denen ſie

Die Geſetzloſigkeit

Das freie und abenteuer—

liche Leben der Wüſte iſt das einzige, in welchem fie wahr: baft groß find.

Mußten fie auf diefes verzichten, fo trugen

die Formen ihres jedentären Lebens und Schaffens doc ſtets den Stempel des Gefetlofen. Ihre großen Staaten zerfielen immer ſchon nad wenigen Menfchenaltern in

„einen Bölferftaub, beiveglicher als der Sand der Wüſte“. Nicht mit Unrecht nannte man die von ihnen gegründeten

Staaten am Nordrande Afrikas die Barbarenftaaten; denn nie gab es barbarifchere Zuftände unter halbzivilifiertem 1 Siehe „Ausland“ 1884, Nr. 7, ©. 134 ımd Nr. 9, S. 170.

*

Die Saula ſpielt bei allen nordafrikaniſchen Völkern, Berbern wie Arabern, eine der größten Rollen unter allen öffentlihen Einrichtungen. Es iſt dies gleichzeitig eine Art des Gottesdienjtes, eine Schule und eine gajtfreie

Herberge

für Wanderer,

Arme

und Kranke.

Wo

eine

DBrüderfchaft wie die der Senuſſia herrſcht, it die Sauia aber zugleich auch der Herd des Fanatismus. Unter allen

Umftänden

verfürpert fie in ich die idealen Strebungen

de3 mohamedanischen Lebens in diefen Ländern, tft der praftifch bedeutſamſte Ausdrud des religiöfen Fühlens und

Wollens.

Einige Saula haben fich zum Nang von Unis

1 Zeitgemäßes über Sudan, Oſtafrika und Islam.

496

verfitäten erhoben. Es gibt welche im ſüdlichen Algerien, welche ihre Schüler von Maroffo bis Aegypten beziehen. Die weitaus meisten find jedoch Elementarjchulen, in denen die Kinder der Wohlhabenden für eine Vorauszahlung von SO Neichsmarf den ganzen bier üblichen Unterricht erhalten, welcher im Lefen und Ausivendiglernen bejtimme ter Teile des Korans und einiger Gebete beftehbt. Außer

erhalten die Kinder Wohnung,

dem Unterricht

Kleidung

und Nahrung für die ganze Zeit ihres Aufenthaltes. Die Kinder der Armen befommen diefes alles umfonft. Die Pilger und Bettler werden in jeder Sauia drei Tage unter halten. Selbſt herrenlofe Pferde und Maultiere werden ernährt, bis ihr Eigentümer fie reflamiert. Das Haupt der Sauia ift in der Negel erblich, wo es aber notwendig wird, diefe Negel zu durchbrechen, wird von der Geſamtheit der Taleb (Tolba) ein neues Haupt gewählt, welches nad) wohlbeſtandener, einjähriger Probezeit erblih wird. Unter der Dede der türkischen Herrfchaft bereitete ſich in der arabifchen Bevölkerung Nordafrifas feit zwei Jahr— zehnten eine mächtige Bewegung vor, deren Ziel die reli—

giöfe Neform und durch diefe zugleich die foziale ift. Nach dem Bilde früherer Sekten oder Brüderjchaften bildete ſich in der Kyrenaika zu Dſchebel Lakhedar unter der Anleitung eines aus Dran ftammenden, durch feinen Mut und

feine Tugenden ausgezeichneten Taleb die Brüberfchaft der Senuffia. Der Name des Taleb war St-Mohamed-BenAli-Eſſenuſſi und er war damals das Haupt der Saula El Beida zu Dichebel Lafhedar; Thon in den fünfziger

Sahren

war

der Nuf

feiner Heiligkeit

weit

über

die

Grenzen dieſes Klofters hinausgedrungen und der einfache Briefter war in den legten Jahren vor feinem Tode, der 1859 erfolgte, eine der Mächte der islamitiſchen Welt. Die Kyrenaifa wurde durch ihn gleihjam ein Staat im Staate, und zwar ein theofratifch regierter, und es fehlt

wenig, daß die Marmarifa und Tripolitanien

ihm mehr

der Fall des Sultanats

von Konſtantinopel ſein.

Mit

noch größerer Beſtimmtheit ſahen aber die Senuſſia dem Falle Aegyptens entgegen und es war ſehr falſch, wenn

die europäiſchen Politiker

inder Niederlage Arabis einen

Schlag ſahen, der dem Anſehen des Islam in Nordafrika

überhaupt beigebracht worden ſei. Seitdem die ägyptiſche Regierung den Handel unterbrochen hatte, den El-Mehedi mit den von feinen judanefifchen Freunden ihm als Tribut gezahlten Negerfflaven nach Aegypten trieb, war ein heiliger

Zorn über den Gottesmann gefommen und er fprach mit den Worten eines berühmten Propheten von Moftaganem: Die Türken und Chriften gehören in diejelbe Klaffe, ich fverde den einen mie den anderen die Köpfe abjchneiden.

Klüger als andere Oeftenführer bat El-Mehedi es bis heute vermieden, unmittelbar in die Politik einzu— greifen. Das Beifpiel des Scheik Nhuma, der an demjelben Diehebel Lakhedar die Fahne der Empörung gegen die Türkenberrfchaft aufgepflanzt hatte, bat Vater und Sohn gewarnt. Die Senuffia begnügten fi) damit, die

geiftlihe Macht

ihres Ordens auszubreiten, welche ſchon

heute über gewaltige Machtmittel gebietet. Sie gründeten ihre Klöfter, fuchten die Schulen in ihre Hände zu befommen und fammelten Schäße. In diefen geldarmen Ländern find die Senuſſia ſchon heute nicht nur eine geiftliche, ſondern auch eine gewaltige Geldmacht. Sie haben es zunächſt nicht nötig, eine politiihe Macht zu Schaffen; denn fie ziehen aus der Kyrenaika mehr Steuern als die Türken, haben die Dafen der Libyſchen Wüſte, von Kufra und

Feſſan in der Hand und find die zweite Macht, nach dem Könige, im Wadai. Man rechnete Schon vor einigen Jahren, daß EL-Mehedi ohne Feſſan und Wadat 50,000 Araber jederzeit ins Feld zu ſtellen vermöchte. Wenn nun El

Mehedi

es vermeidet,

die weltlichen Machtmittel

brauchen, welche dergeftalt ihm zur Verfügung

zu ges

ftehen, fo

jpielt doch die berühmte Saula von Dfeherbub immerhin

gehorchten, als den türfifchen Beamten. Seine Macht war noch gewwachfen, als er furz por feinem Tode feine Reſi— denz weiter in die Wüſte hinein verlegt hatte. Mochte er an den Spruch denken: „Major e longinquo reverentia ;' oder mochte er fich bejjer gefchüst fühlen in größerer Entfernung von der Küſte; oder ſah er endlich die wunderbar raſche Ausbreitung feiner Anhänger in den Dafen und in

eine große politiihe Nolle in allen Unruhen, welche die islamitische Bevölkerung Nordafrifas oder des Sudan aufregen. Gabriel Charmes jagt wohl nicht zuviek wenn er ſie in ſeinen Briefen über Tuneſien als „den Mittelpunkt ungeheurer, gegen Frankreich gerichteter Verſchwörungen“ bezeichnet. In der Gründung reichausgeſtatteter Sauias

Wadai

hat man wohl nicht mit Unrecht einen Verfuch der Um— faffung von Süden her gejehen. — Daß die Senuffia aud) bei allem Fanatismus nicht der erſten Bedingung politiſcher Wirkfamfeit, der Anpaſſungsfähigkeit, entbehren,

poraus:

er wanderte

ſüdwärts

nad

der Dafe

Dicherbub, melde zwei Tagreifen von der Ammonsvafe gelegen tft. Hier ftarb er 1859 und nachdem ein Taleb von Tuat, der ihm folgte, ermordet worden var, wurde jein ältejter Sohn El-Mehedi zu feiner Nachfolge berufen, und diefer leitet noch heute die zum feitgegliederten Orden gewordene Brüderjchaft mit feiter und kühner Hand. Vor feinem Tode hatte der Vater dem Sohne die Nolle eines Retters der islamitischen Welt in dem großen Zufammenſturz propbezeit, welcher am Ende des erjten Jahrtauſends der Hedichra (November 1882) eintreten follte. Bezeich-

nenderweiſe jollte der größte Alt in diefem Zufammenfturz

in Ghat und Tuat,

alfo an der Südgrenze Algeriens,

jcheint die Thatjache zu lehren, daß fie durch einen ihrer Agenten, den Marabut Daffer, felbft beim Sultan in eine flußreicher Weife vertreten find. *

* * >

Tunis ift wejentlich Ackerbauland, das für feine ficherften und größten Einnahmen auf den Abfat der Produfte jeiner Felder und Gärten angewieſen ift. Del, Gerfte und

” e

497

Kleinere Mitteilungen.

Weizen find feine Haupterzeugniffe Nun ift gerade die Behandlung dieſer Erzeugniffe eine folche, daß durch fie

durch umvorhergefehene Umftände gezwungen, eines Tages zur Veräußerung ihrer Befitsungen fchreiten wirde. Dagegen ver-

die Quellen der Einnahmen viel cher vertrodnet als ver: bejjert werden können. Steuern aller Art Iafteten unter der einheimischen Regierung auf denfelben und dazu famen

ſpricht

hohe Ausfuhrzölle. Faſt der ganze Norden der Regent: Ihaft und das ganze Littoral des Oſtens find mit Del:

gärten bededt, welche in guten Jahren überreiche Ernten ergeben. Die Eingeborenen wiſſen aber aus diefem Schabe jo wenig den ganzen Nußen zu ziehen, daß der „Grignon“, d. h. der unvollkommen ausgenügte Preßrückſtand, nad

Frankreich transportiert wird, um dort neuerdings aus: gepreßt zu werden. So ift denn auch das tunefifche Del don jo geringer Güte,

daß

es nur

Mafchinen und zur Geifenbereitung

zum Schmieren

der

Verwendung findet,

und da es im diefer Beziehung fehr ftarfe Konkurrenten gefunden bat, jo ijt in den letzten zehn Jahren fein Mert auf die Hälfte gefunfen. Dennoch befteht eine hohe Steuer fort, welche per Baum erhoben wird, einerlei, wie die Ernte ausfällt. Auf Weizen und Gerfte Liegen (nad) Gabriel Charmes) folgende Lajten: Einſchätzung, Zehnten, Er:

bebungsfoften des Zehnten, melde befonders berechnet werden, Dftroi, Meßgebühr, Ausfuhrzoll. Man muß noch die Transportfojten, welche natürlich gewaltig find in einem weglofen Lande, und die Schwierigkeiten des Kredits in

Betracht ziehen, um zu verjtehen, daß der tunefifche Yandmann

im tiefen Elend

lebt und

daß

er ſchon vor der

franzöſiſchen Okkupation feine beiten Ländereien, wie z.B. die reichjten Dlivengärten des Sahel, an Juden und Europäer verloren hatte. Ohne dieje politifche Kataftrophe würde der wirtſchaftliche Ruin des reichen Landes inner: halb weniger Jahre vollendet geweſen fein; denn die Kopf: jteuer, welche noch zu den vorgenannten fommt, war von 1877 bis 1882 von 3,6 Millionen auf 1,2 Millionen ge:

fallen, und in nicht viel geringerem Maße übrigen Einnahmequellen abgenommen.

hatten die

Kleinere Mitteilungen. Das Uebereinfommen

der Internationalen Kongo-Geſellſchaft mit Frankreich

lautet nad) dem „Pr&curseur d’Anvers“ wie folgt: Die Gefellſchaft erklärt im Namen der Stationen und der freien Staateı, die fie am Kongo uud im Thale des Niadi Kuilu gegründet, ausdrüclich, daß fie viejelben feiner Macht abtreten werde, behält fi) aber einzelne bejondere Beſtimmungen vor, welche fir den Fall einer Meinungsverjchiedenheit zwiſchen Frankreich und der Gejellichaft das beiderfeitige Berhalten vegelm und begrenzen jollen. Bon dem Wunſche bejeelt, Frankreich einen erneuten Beweis ihrer freundfchaftlihen Geſinnungen zu geben, verpflichtet

fi) die Gejellihaft ein für alle Mal, Franfreih das Recht der erften Nachfolge einzuräumen, für den Yal, daß die Gefellichaft,

die

franzöfiihe

Regierung

ihrerfeits, die Stationen

und

freien Staaten der Geſellſchaft zu vejpeftieren und der Ausübung ihrer Nechte Fein Hindernis

zu bereiten.— Das

Dokument

ift für

Frankreich von Jules Ferry und für die Gefellihaft von Straud) unterschrieben. Das Schriftftüc nimmt fi fehr unverfänglich aus, würde es auch fein, wenn es bei Beginn der jüngften Expe— dition Brazzas verfaßt worden wäre, um den drohenden Kolliſionen mit Stanley die Spite abzubrehen. Damals aber fühlte fich die Kongogejellihaft

jo überlegen,

eine Berückſichtigung

von

Seiten

daß

fie an einen Schuß,

Frankreichs nicht dachte.

fühlt fie fich offenbar in der Klemme

an

est

und dieſes „Uebereinfommen“

ift der fpärliche Erfaß, wie es fcheint, fir einen „Vertrag“, welchen jie gern mit Frankreich abgejchloffen hätte und welcher in erfter Linie eine Anerkennung der Freien Staaten enthalten follte. Unterirdische Süßwaſſerbecken in Südauſtralien und Queensland, Die von dem Deputy Surveyor General Hrn. J. W. Jones und namentlich von dem Negierungsgeologen Hrn. Brown in der Kolonie Südauſtralien angeftellten geologifchen Forſchungen führten zu der Annahme, daß auf dem großen Gebiete, welches ſich von unge— fähr 310 ſ. Br. nordöſtlich bis in die Ede von Queensland und von da weiter nach Queensland felbft Hineinzieht, unter dem Salzwaffer gutes ſüßes Waffer eriftieren müfje, deſſen Quellen an

der

füdlichen

Wafferfcheide

der

Höhenzüige

von

Queensland

und dem Northern Territory, alfo in dem Wafferbeden des Kooper, des Diamantina u. |. w. zu fuchen wären und das fi dann in der Kreideformation dieſes Gebietes verliefe. Dies veranlaßte die jüdauftralifche Negierung, im Jahre 1881 dort Bohrverfuche machen zu laſſen. Diefelben wurden anfänglich bis zur Tiefe von 800 e. F. oder 243,8 m. mit Handwerkzeugen betrieben, bi8 man im Jahre 1883 Dampffraft anmandte und nun täglich 2e. Fuß oder 0,6 m. tiefer bohren fonnte. Am 14. April 1884 gelangte man bei einer Tiefe von 1220 Fuß oder 371,85 m., 1100 Fuß oder 335 m. unter

dem

Meeresipiegel,

Waffer 20 Fuß oder 6m.

auf einen arteſiſchen Brunnen,

deſſen

über die Oberfläche des Grundes ftieg.

Der Ort, wo dies ftattfand, heißt Tarkannina nnd liegt 96/2 Km. nördlich von Farina, in 3008 5. Br. und 138017 5. L. von Gr.,

und 48 Km. nordöftlih von Hergott Springs, der jeßigen Endftation der großen Nordeifenbahn. Dean zweifelt nicht im geringften, daß weitere Bohrverfuche zu einem gleichen Reſultate führen werden, denn das ganze oben bezeichnete Gebiet gehört derjelben Kreideformation am. Diefe Entdedung ift von der höchſten Wichtigkeit. Sie wird ein großes Stüd Land, deſſen Umfang fi auf ungefähr 6000 D. Q. Ml. beläuft und das bisher wegen Mangels an genießbarem Waffer wenig Wert hatte, nutzbar machen. Die Schichten, welche die Bohrung pafjterte, waren folgende: Lehm 4 e. Fuß, Teichter, blauer, thoniger Fels und Gypſſum 16 Fuß, Vogelkalkſtein, Bird limestone, 6 Zoll, ahnliche Formation mit zahlreichen Bändern von Kalfftein und Eifenties bis zur Tiefe von 1150 Fuß, von da bis 1220 Fuß freivehaltiger Thon, Cretaceous elay, mit fehr wenig quarzigem Sand. Die vielen dortigen Mounds oder Onellenhiigel, welche manche ohne allen Grund für erlofchene Bulfane gehalten haben, finden jetzt leicht ihre Erklärung. Sie find aus Falfartigem, vom Waſſer abgejetten Tuff gebildet, häufig koniſch und 10 bis 50 e. Fuß oder3 bis 15,24 m. Hoch, auch treten fie als eine Gruppe von Hügeln bis zur Höhe von 100 Zuß oder 30,5 m. auf. Ihr Waffer ift jalzig, wiewohl im verfchiedener

Stärke.

Wo

das auffteigende Wafjer freien Lauf

hatte, tritt es weniger falzig, ja mitunter faft ſüß zu Tage; war aber fein Lauf gehindert, fo ift das Waſſer vollftändig mit Salz gejättigt.

498

Notizen, Meteorologijche Beobachtungen

auf dem Schneeberg.

Im September 1882 wurde mit der Einrichtung einer meteoro— logiſchen Station bei der Schweizerei auf dem Schneeberg begonnen, deren Beobachtungen zwiſchen Dezember 1882 und November 1883 wir im folgenden nad) ihren Hauptergebniffen vorführen. Sie find mit den gleichzeitigen der mächftliegenden Thalftation Ebersporf verglien. Die Station liegt am Weftabhang des 1424 m. hohen Schneeberges etwa 200 m. unter dem Gipfel. Die mittlere Temperatur für das Jahr betrug auf dem Schneeberg (1210 m.) 2,009 C., in Ebersdorf (420 m.) war fie um 4,30, in Glatz (290 m, Seehöhe) um 4,80 wärmer, dagegen auf der Schneefoppenftatton in 1600 m. Höhe um 2,40 fälter. Die Ertreme des ganzen Jahres betrugen auf dem Schneeberg: Marimum 25,00, Mini— mum — 20,50; in Ebersporf: Marimun 28,90, Minimum — 16,90, Die Jahresſchwankung berechnet fih demnach zu 45,5 und 45,40, ift alfo beinahe gleich. Die Größe der Temperaturdifferenz zwiſchen der Berg- und Thalftation jcheint im Zuſammenhang mit den Windverhältniffen zu ftehen. Auffallend ift auf dem Schneeberg die Seltenheit des Weft- und die große Häufigfeit des Oſt— und Nordoftwindes. Die Urſache davon dürfte die im Oſten der Station ſich erhebende Kuppe des Berges fein, welche die Weftwinde bald nördlih, bald ſüdlich ablenft, Dagegen bei ruhiger, heiterer Witterung, zumal in der Nacht, das Entftehen eines lofalen öftlihen Windes, das Hinabfließen der erfalteten Luft nad) dem Thale, bedingt. Die Windftärke ſchwankte fiir die einzelnen Termine (6a, 2p, 10. (8) p) um die Durchſchnittszahlen 1,8 bis 1,9 nach der Sfala 0 (Windftille) bis 6 (Orkan). Die Beobachtungen der Bewölfungsmengen ergaben auf beiden Stationen 6,8. Auf dem Schneeberge waren im ganzen Jahre 241 Nebeltage, d. i. im Monat 20; im Thal nur 35, d. i. im Monat 3. Der Nieder: ihlag erreichte auf dem Schneeberg 1319 mm., in Ebersdorf nur etwas mehr als die Hälfte. Auf der Bergftation werden auch Aufzeihnungen über Fernſicht gemacht, indem morgens, mittags und abends beobachtet wird, ob und mit welcher Deutlichkeit die 13 Meilen entfernte Echneefoppe zu jehen ift. Zwiſchen Juni und November famen auf einen Monat und je einen Tagestermin 6 Fälle der Sichtbarkeit, d. i. 200/,, und zwar war im November die befte, im Juni die jchlechtefte Fernſicht. Nah dem 3. Fahresber. des Gebirgsver. der Grafihaft Glas.) Südafrifanifche Landichaft. Es iſt ſchon vieles über die verjchiedenften Teile Afrikas gejchrieben worden, aber von ſchönen Gegenden hat wohl noch jelten jemand berichtet. Auch in Südafrika wird man, fobald man die Küfte verlaffen und den Weg nah Norden eingejchlagen hat, tage=, wochen- oder monatelang von Sonnenaufgang bis Anter— gang dieſelbe veiz- und troftlofe, in ihrer Art allerdings zumeilen großartige Szenerie durchwandern: weite, langſam aufjteigende Flächen, die entweder mit niederen, binfenartigen Grasbüſcheln bedect find oder welchen gruppenweife verteilte Mimofenfträucher und andere Dornengewächje ein wenn auch griineres, dennoch ermüdend eintöniges Anfehen geben. Unterbrochen wird die Ebene zwar durch zahlfofe Berge, Hügel und Kopjes (Kuppen) und doch erhält das Land niemals den Charakter einer Berglandichaft; es ift, al3 wären von Gigantenhand Milliarden größere oder Fleinere Steinhaufen Herumgeftreut. Steine fieht man, nichts als Steine, meilenweit, wohin der Blid nur dringt. Ueberall zeigt fi der _ HZerjetsungsprozeß, in welchem diefer Teil von Südafrika bis hinauf an den Vaal ſich befindet; jeder Berg, jeder Hügel zer— fallt, fie löſen fih in ihre Beftandteile auf und vermwittern vor unferen Augen. Die Bergzüge find nackt, längſt ift der letzte Baum verſchwunden, nur felten gehen atmofphärtiche Niederjchläge auf die diürftenden Wiüften nieder, daun aber ftrömen fie mit einer Gewalt herab, mit welcher die unferer Wolkenbrüche verglichen

nur leichte Schauer bedeutet. Der letzte Teil von Sand und Erde, der fih noch au den Bergen hält, wird vom Regen abgepeitjcht, jeder Fußpfad wird zum Bach, jeder Bad) zum veißenden Strom. Ohne irgendwie befruchtend zu wirken, veißen die Waffer jeden Humus, dem fie weiterhin in der Ebene begegnen, anf ihrem unanfhaltfamen Laufe mit fih; mit furchtbarer Gewalt wälzen die braunen Fluten ſich durch die längſt glatt gewaſchenen felfigen Flußbetten und führen den Boden, auf dem Bäume und Getreide wachfen follten, entweder ins Meer, wo er ſich zu gewaltigen Barren vor den Flußmündungen anfammelt oder aber er verläuft ſich als ausgewaſchener toter Sand in der Witte, Die Berge aber, die Hügel und Kopjes zeigen nadte Steinffelette, fallen fangfam auseinander, wie morjche Ruinen, die Higel verflachen, die Ebenen fcheinen fi) vor unſeren Angen zu erheben und als Ergebnis

ſehen wir

das

mit Steinen

u

ii.

bejäte, nackte, unfruchtbare

Feld vor ums, aus dem al3 Nefte eines einft ganz Südafrika bedecfenden Felsplateaus zu vielen Taufenden die fir das Land hier charakteriftifhen Tafelberge, von denen der eine oder andere ſtets am Horizonte fihhtbar ift, hervorragen. (8. 3)

*

Bu

% 7F

Antizen. Afrika.

Thomfons Erpedition in DOftafrifa. Thomſon ift am 11. Juni 1884 wohlbehalten nad Sanfibar zurüdgefehrt; er hat jein Ziel, den Viktoria Nyanza von der Oſtküſte aus auf dem fiinzeften Wege durch das Land der Maſai zu gewinnen, glücklich und volftändig erreiht. Jm April 1883 von Mombas aufge brocdhen, war er am 6. Mat nordöftlic” vom Kilimandſcharo durd) die friegsluftigen Mafai zur Umfehr gezwungen worden; doc) >V > Ihon im folgenden Juni organifierte er in Mombas eine neue ftärkere Karawane und marjchierte unerfhroden in derjelben Richt— ung in das Innere ab. Bis jeßt liegt iiber jeine Neife nur ein Telegramm des englifhen Konfuls Kirk in Sanfibar an die Geographische Gejellihaft in Yondon vor; danach ging die Route Thomſons nördlih vom Kilimandſcharo nach dem Naivaſch-See, H von hier wiederum nördlich zum Kenia und dann im einem Bogen u nad Oft direft an die Ufer des PViftoria-Sees bis zum Ausfluß des Nil. Unklar ift in dem Telegramm, ob Thomfon den vielbeſprochenen Baringo-See in Wirklichfeit angetroffen; nach der bisher vermuteten Lage desſelben müßte er ihn auf feiner Reife berührt haben. Jedenfalls hat Thomfon, vom Glücke begünſtigt, mit Energie und Klugheit einen vollen Erfolg in der AfrifaForſchung gewonnen. Ein Brief Girands. Der Öeneralfefretär der Association Internationale Africaine teilte der Berliner Gefellfchaft für Erd— funde I die Kopie eines Briefes von Herrn Giraud, d.d. Karema, 14. Januar 1884, mit, nad welchem der Neifende anfangs Dezember 1883 in Karema anlangte. Er hatte zunächſt von Saufibar aus den Bangweolo-See erreicht, fand aber ftatt eines Sees nur einen großen Sumpf vor. Der Luapula, der auf dei Karten den See im NW verläßt, tritt auf der Süpdfeite aus. Herr Girand befuhr den Fluß, nur von acht Leuten begleitet, während er die Karawane zu Land nah Kaſembe ſchickte; 100 Seemeilen flußabwärts in SW-Richtung wurde Giraud mit feinen Leuten in der Nähe der Katarafte von Momboterta von großer Uebermacht "gefangen genommen und mußte fein Schiff, das er iiber Land durch das Gebirge im Norden des Nyaſſa-Sees geihleppt

hatte,

nad

25tägiger

Fahrt ausliefern.

verblieb er Gefangener Meve-Meres;

Zwei Monate

dann konnte er die Reſidenz

1 Siehe Bo. IX, Nr. 4 und 5 ihrer Verhandlungen.

499

Litteratur.

Kajembes und feine Navamane erreichen, welch' letztere von erfterem bereit ausgeranbt war. Bon hier erreichte er, den Moero-See paffterend, unter Hunger und Not den Tanganika-See, wo- ihm zwei englische Miffionare

behilflich waren, die Neife nad)

Karema fortzujegen. Mitte März (Ausgang der Regenzeit) wollte Herr Girand feine Reife in SEW- Richtung fortfetgen und zwar iiber die neue Station Mpala. Er hofft den Marungu und den Lualaba zu überjchreiten und in der Höhe des 605. Br. Leopold— ville zu erreichen. PBrofeffor ©. Schweinfurth

hatim April und Mai d. J. eine

Reiſe in den nördlichen Teil der Libyſchen Wüſte ausgefiihrt, auf welcher er wenige Marſchſtunden weftlich der Pyramiden von Gizeh die bisher in Unterägypten noch nicht befannte Kreideformation auffand und im Norden des Bradwafferfees Birket el

Querun,

der nach

jenen

Beobachtungen

vollftändig verändert

ericheint, einen bis dahin unbekannten altägyptifchen Tempel entdeckte. Dr. Aurel Schulz traf Ende März mit feiner Erpedition in Auftenburg (Transvaal) ein und hoffte von hier aus die Viktoria— fälle des Sambeſi in 7 Wochen zur erreichen, Die feanzöfifhe Erpedition, welche, aus 20 Offizieren beftehend, zum Zwecke topographiiher Aufnahmen nah Tunefien gefandt wurde, tft ſoeben mit den Ergebniſſen ihrer hauptfächlich militärischen Zwecken dienenden Studien nach Marjeille zurückgekehrt. Handelsgeographijche Reife um Afrika. Die Mailänder Societa d’esplorazione commerciale in Afrifa organifiert im Verein mit der Dampfichiffahrtgefellichaft Florio-Rubattino eine Geſellſchaftsreiſe zur Umſchiffung Afrikas, um das Wiffen von Zög— lingen der höheren italienischen Handels- und technischen Schulen zu vervollſtändigen und Kaufleuten Gelegenheit zu bieten, neue Märkte für Italien fennen zu lernen. Gelehrte und Reiſende auch anderer Nationen können an diefer Tour teilnehmen, welche die wichtigften Handelsemporien an der afrikanischen Küſte beriihren wird. Eine gute Bibliothek von Werfen iiber Afrika, wifjenfchaftliche Inſtru— mente, Karten und photographiihe Apparate werden ar Bord jein; ein Profefjor wird als Delegierter der Mailänder GejellIhaft einen regelmäßigen Kurjus der Handelsgeographie Afrikas abhalten. Die Dauer der Reiſe ift auf 115 Tage bemeffen und fie fol am 3. September von Genau aus beginnen. Der Preis ift für jeden Teilnehmer einjchließlih der Beköftigung auf 5000 Franc berechnet. — Man wird diefem Projekt zum mindeften Originalität nicht abjprechen können; ob aber die Teilnehmer bei dem kurz bemefjenen Aufenthalt an den einzelnen Pläben der afrikanischen Küfte auch lohnende Nejultate fir ihre wiffenschaftlichen oder fommerziellen Zwecke erreichen, ift gewiß fraglich. Die portugiejifhen Forſchungsreiſenden Capello und Ivens haben, wie aus Madrid gemeldet wird, einen erfolgloſen Verſuch gemacht, vom Hafen von Pinda in Moffamedes aus den Kunene zu erreichen. Sie jhildern jenes Gebiet als heiße, dürre Felfenzone mit tiefeingefchnittenen Thalſchluchten. Angra Peguena. In der dritten Oeneralverfammlung des Weſtdeutſchen Vereins für Koloniſation und Export, welche zu Diffeldorf am 5. Juni eröffnet wurde, beſprach Herr Dr. Fabri die Yage der deutjchen Anftiedelung in Angra Pequena und harafterifierte im Berlauf feiner Rede die ungünſtigen natürlichen Verhältniffe, welche Namagqua- und Damaraland beherrjichen. Ueber die dortige Bevölferung äußerte er: Die Namaqua find nicht ohne Intelligenz, muſikaliſch begabt, fiir neue Eindrüce äußerſt empfänglich, ein Volk vnn Sanguinikern. Europäifche Bedürfniſſe in Kleidern und Genußmitteln haben fie ſich raſch angeeignet, leider auch fir den Branntwein große Vorliebe gewonnen. Sie find schlechte Haushalter und verwenden im ganzen ungeniigende Sorgfalt auf die ihnen jo unentbehrliche Viehzucht. Ganz anderen Charakters ift der Herero. Eim kräftiger, Negerftamm, ruhig und

7 ww...»

bedächtig, gegen alles neue zunächſt mißtrauiſch, durch und durch konſervativ, ruhig und ſelbſtbewußt, läßt er ſich auch vom Euro— päer wenig imponieren. Ihre ungemein zahlreichen Rinderherden pflegen fie mit der größten Sorgfalt. Gegen europäiſche Genufmittel verhalten fie ſich viel ablcehnender als die Namaqua, nur der Tabak hat ſich bei ihnen allgemeine Anerkennung erobert. — Nach dem Vortrage Dr. Dandelmans iiber die fozialen und wirtſchaftlichen Berhäftniffe am Kongo verlas Dr. Fabri folgende beifällig aufgenommene Nejolution: 1) Mit frendiger Genug— thuung begrüßt die Verſammlung die von der deutjchen Reichs— vegierung in jüngftev Zeit gemachten vorbereitenden Schritte zur Wahrung gegenwärtiger und zukünftiger Intereſſen Deutſchlands im Gebiete des Kongoftromes und der mittelafrifanifchen Weftküſte. 2) Mit noch größerer danfbarer Befriedigung erfüllt die Verſammlung die Erklärung des deutſchen Neichsfanzlers, daß die Angra Pequena-Bai und die Kiftenftriche des Groß-Namagqualandes unter den Schub des Reiches geftellt ſeien. 3) Sie gibt ſich der zuverfichtlichen Hoffnung hin, daß auch dem nördlicheren Küftengebiete des anftogenden Herero-Fandes die Proteftion des Deutihen Reiches zuteil werde, ſowohl im Hinblick auf die feit fangen Jahren

dort beftehenden

deutſchen Intereſſen,

als auch zur

Gewinnung einer genügenderen wirtſchaftlichen Baſis für deutjche Unternehmungen an der Küſte Südweſtafrikas. Die merkantile Bedeutung von Fernando Po charakteriſiert Lopez Lapuja in Nr. 3 des Zentralblatts für die Intereſſen der Volkswirtſchaft wie folgt: Fernando Po bietet dem Handel und der Induſtrie ein weites Feld dar. Die Inſel iſt eine Etappe zu den portugiefiihen Befizungen von San Thome, San Paolo de Yoanda und do Prinzipe, nad) den franzöfifchen Befisumgen Gabun, Settuama und Benita, nad den englijchen Befigungen am Kap, nad Holländiſch-Guinea und nad der nenen deutschen Niederlaffung in der Bai von Angra Pequena. Diefe Tage gewährt der Inſel unjhäßbare Vorteile. In Bezug auf die Induſtrie iſt es gewiß, daß die Produkte von Fernando Po denjenigen veich machen werden, der fi) damit befaßt, fie auszubeuten. Der Beweis kann nicht jchwer fallen. In manchen Punkten kann man mit Recht behaupten, daß fi das am Golf von Guinea angelegte Kapital mit 1000/, verzinft. In Fernando Bo verkaufen die Eingeborenen 160 Gallonen Balmöl (ungefähr eine Halbe Tonne) zum Preis von 35 Peſos (175 Peſetas), während das zur Ausfuhr beftimmte Palmöl mit 400 Befetas für 200 Gallonen bezahlt wird. Es gibt Kafaopflanzungen, welche eine Jahreseinnahme von 71,250 Pejetas erzielen, gegenüber einem Anlagefapital von 7000 Pejetas. Kaffee, ohne daß er zuvor gereinigt ift, foftet das Kilogramm hier 2 Pejetas und er gedeiht ohne befonderen Arbeitsaufwand. Der Tabak verkauft fih für 5 PB. St. das Tauſend Millar). Aus diefem Reichtum zieht England allein Vorteil. Nicht weniger als 9 engliihe Schiffe laufen monatlih in den Hafen von Santa Sfabel ein, faft alle Dampfer von 800 bis 1200 Tonnen und die Gefelljchaft „The African Steam Navigation Company“ in Liverpool hat zwei Linien, welche Fernando Po monatlich zweimal berühren.

Sitleratur. Eine Darftellung des Landes und der Siebenbürgen. Leute von Rudolf Bergner. Verlag von Hermann Brucher. Leipzig 1884. 420 ©. gr. 80. Preis 6 Mi. Das bei allen Deutſchen

reger gewordene

Intereſſe an unſeren nad dem

fernen

Südoften Europas verjchlagenen Bolksgenoffen kann für ung wie für fie gute Früchte tragen, wenn es dazu führt, daß unſere Kenntnis der Gejchichte und Gegenwart diejes zähen Stammes fc vertiefe; denn fie fünnen ung lehren, welches die Tugenden und Fehler

500

Ltteratur.

der Deutſchen in der Berührung mit anderen Nationen, und welches die Mittel ſeien, ein gefährdetes Deutſchtum zu erhalten. Das vorliegende Buch belehrt hierüber in angenehmer Weiſe, wenn es auch nicht als durchaus gründliches und fehlerfreies Handbuch angeſehen werden darf, ſondern mehr als Sammlung von im Fluge angeſtellten Beobachtungen und von Urteilen, welche der Leſer durch eigene Anſchauung oder tieferes Studium prüfen möge, ehe er ſie aufnimmt. Jackson, James : Liste provisvire de bibliographies speciales. Publication de la Soci6t£ de Geographie. Paris 1881. Sociöte de Geographie. VII. 340 ©. 8. Gewiß eine hochwill— fommene Arbeit, dieſe Bibliographie der Bibliographien, welche einen Ueberbli der zahlloſen Bibliographien, die da und Dort einzeln oder als Begleitung von Originalarbeiten erſchienen ſind, gibt. Das Buch zerfällt in zwei Abteilungen: die erfte ift einem Nachweiſe von Bihliographien über die einzelnen Erdteile gewidmet, an welche fich ein folcher über Ozeane und Völker anfchließt; der zweite Teil enthält die Zuſammenſtellung von Litteraturnachweijen iiber Reifen, Neifende und Geographen.

gearbeitete

Werk,

das gewiß

einem

find

daher

nicht

aufgenommen,

daS

das

(Zu beziehen durch alle Buchhandlungen des In- u. Auslandes,.) Buchta, Richard, Der Sudan und der Mahdi. Das Land, die Bewohner und der Aufstand des falschen Propheten. 86 Seiten. MI. 1.20:

Buch) al3 erftes feiner Art darbietet.

Zu rühmen ift der äußert forgfältige, fehlerfreie Druck.

Die Schriften der Niederländifhen Geographiſchen Geſellſchaft, weldheim vorigen Jahrihr 10jähriges Beftehen feierte, ericheinen jeit dem 1. Januar im veränderter Form. Sie werden in Zufunft aus Berichten und geographiſchen Mitteilungen, von denen jährlich etwa 10 Hefte erjcheinen jollen und aus Abhandlungen

beftehen, von

welchen

jährlich zwei Hefte zu unbe—

ftimmten Terminen herausgegeben merben.

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Kahn, Dr. Julius, Geschichte des Zinsfusses in Deutschland seit 1515 und die Ursachen seiner Veränderung. Von der staatswirtschaftlichen Fakultät der Universität

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Laube, Heinrich, Franz Grillparzers Lebensgeschichte. 8.

VIII

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177

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des Dichters

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Meyer, Eduard, Geschichte des Altertums.

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Geschichte des Orients bis zur Begründung reichs.

8. XX und Das Erstlingswerk

fassers,

die Zeiten handeln.

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das sicher in den weitesten

erreeen wird.

Dr. L., Assistent

tungen

des Perser-

”M. 12. — gelehrten jüngeren

Kreisen

Ver-

berechtigtes Aufsehen

Der zweite Teil soll die griechische Geschichte und

des Perserreichs,

in Württemberg vo.

der dritte

die

hellenistische Zeit be-

für Meteorologie, Die Bewölkung

mit Zugrundelegung

187S—S2

und

mit

der Beobach-

besonderer

sichtigung meteorologischer Gebiete, gr. 8. mit einer lithographierten Karte. M. 2. —

Berück-

81 Seiten

Qnidde, L.. Der Rheinisch-Schwäbische Städtebund im Jahre 1384 bis zum Abschluss der Heidelberger Stallung. 8. VIII u. 237 Seiten. M. 6.—

Die „Allgemeine Zeitung“ (mit wilenfhaftliher Beilage und Handelszeitung)

Penck.

Bon Innsbruck nah Bludenz Eine Monographie des Ober-Innthales von Dr. Iſidor Miller. Wien. Verlag des Oeſterreichiſchen Touriſtenklubs. 1883. 104 S. Schilderungen der Alpenwelt und ihrer Naturfchönheiten, welche den Freunden des Hochgebirges auf ihren Zügen durchs obere Inn-, Stanzerund Klofterthal gewiß ihre Dienfte Teiften werden. Vor allem fanden wir im diefem 13. Heft der vom Deutjch-Defterreichifchen Alpenverein herausgegebenen ZTouriftenführer die landichaftliche Betrachtung lobenswert, der in jo manchen Neifehandbiichern offenbar zu wenig Raum gegönnt -ift. Ste dürfte dem Touriſten gewiß vielfach nicht weniger willfommen fein, als die große Zahl der mannigfachften Nontenfombinationen oder Detailberichte iiber Art und Preis der Unterkunft im den zerftreuten Anfiedelumgen innerhalb des Gebirges.

Mit zwei

In diesen Tagen, wo die Blicke der ganzen zivilisierten Welt den grauenvollen Ereignissen im Sudan zugewendet sind. wird die Schrift des bekannten Afrikareisenden, der den Mahdi persönlich kennen lernte, allgemein willkommen sein.

fo

diejenigen, welche Petermanns Dütteilungen, das Archiv für Anthropologie und namentlich die fleigigen, beinahe erſchöpfenden Arbeiten von Koner in der Zeitjchrift fir Erdkunde, ferner die wichtigen Hinweise, welche die verſchiedenen Bücherfataloge darbieten. Aber diefer Mangel tritt zurück gegenüber dem reichen, ſchätzens— werten Materiale,

in Stuttgart.

jeden, der vajch fich

iiber die Pitteratur eines geographifchen Gegenftandes orientieren will, jehr wichtig ift. Freilich auf Vollſtändigkeit kann und will das Buch feinen Anſpruch erheben, wie ſchon der Titel andeufet. Zu beffagen ift namentlich, daß eine Rubrik fiir allgemeine geographijche Litteraturnachweiſe fehlt. Die geographiſch wichtigften itteraturzufammenftellungen

Neuester Verlag der J. G. Cottaschen Buchhandlung

Ein ausführliches Namens-

verzeichnis, ferner eine Zuſammenſtellung ſolcher Zeitichriften, welche Bibliographien enthalten, vervollftändigen das mit fichtlichem Fleiße

Anzeigen.

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Quartalpreis bei wörpentl.Derfendung im Weltpofverein 1.12. Probenummern

Leitartikel,

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gratis,

wiſſenſchaftliche und handelspolitiihe fäße 2c. ꝛc. in Nr. 160 bis 166.

Auf:

Deutſcher Reichstag. — Die Umkehr Ludwig Kofjuths. — Die Routen von Korosko nad) Berber. — Ein Nachwort zum Kraſzewski-Proceß. — Die nächſte Präſidentenwahl in den Vereinigten Staaten. — Die ungariihen Wahlen und die Nationalitäten. Ins Morgenland. Bon L. Steub. (VI) — Ergebniſſe aus dem dritten Band des Urfundenbuches der Stadt Straßburg. Von G. Kaufmann. — Franz Grillparzer. Bon R. M. Werner. (V. Schlußartikel.) — Die biblijche Ur— geſchichte. Bon C. H. Cornill. — Münchener Kunft. Bon Fr. Pecht. — Die Verträge Rußlands mit Deutichland von 1656 bis 1808. — Die Schwefelgruben in Sicilien. Bon J. Walther. — Ländernamen. Von R. Kleinpaul. (IV. Schluß: artifel.) — Siebenbürgen. — Ein Beitrag zur Quarantäne Frage. Bon Tr. ©. Wild, — Noch einmal die Gtrusfer- Frage. Von G. Meyer. — Quer durd) Chryſe. (IM Schlußartikel) — Der bayeriihe Bauernkrieg. — Kieperts neue Karte der aſiatiſchen Provinzen des türkiſchen Reiches. Die Handels- und Gewerbefammer für Oberbayern über das Stempelfteuergejeh. = Der auswärtige Handel Defterreich-Ungarns im erſten Quartal 1884. — Voltswirtbichaftlicher Brief aus Rußland. — Das Verhältniß der großen und Kleinen Landwirthſchaft zu den Getreidezöllern. — Die Schweiz und die lateiniſche Münzeonvention.

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Inhalt: 1. Liegt ewiger Schnee in Abeffinten? Bon Gerhard Rohlfs. ©. 501. — 2. Politifh- und wirtfchaftsgeographiiche V. Siam. ©. 504. — 3. Haus und Hof bei den Siebenbürger Sachſen. Bon Fr. Teutſch. ©. 509. — 4. Das Ende der brafilianiihen Sklaverei. Von Oskar Canftatt. ©. 513. — 5. Die Ureinwohner und die Chinefen in den auftralifhen Kolonien und insbejondere in Biltoria. Von Emil Mayr. S. 515. — 6. Kleinere Mitteilungen: S. 517. Die Verhältniſſe in Baſutoland. Neue Nachrichten von den Marianen-Inſeln. Weber füdafrifanishe Straußenfarmen. — 7. Notizen: ©. 519. Polarregionen. Perſonal—

Rückblicke.

nachrichten.

Fiegt ewiger Schnee in Abeffinien ? Die Frage, ob in Abeffinien ewiger Schnee liegt, {ft

bis jeßt noch immer nicht mit Sicherheit beantwortet. Die Entjeheidung wird erit dann gegeben jein, wenn die höch:

ten Berge in Semien

und im jüdlichen Abeſſinien von

gewilfenhaften Forſchern bejtiegen und unterfucht find. Denn die Sache liegt fo: die eine Zahl der Neifenden behauptet, gejtüßt auf eigene Anſchauung und auf die Aus: jagen der Eingeborenen, die oberjten Spiten der Berge jeten immer, Jahr aus, Jahr ein, unter Schnee, während andere Neifende, auch geftüßt aufeigene Anſchauung, behaup— ten, im Hochjommer verſchwände der Schnee. a, einige und darunter einer der vorzüglichiten Abeſſinienreiſenden, Bruce, der jahrelang im Lande weilte, bejtreitet jogar die

Möglichkeit des Schneefalles überhaupt. Wenn mir, den Breiten der Erde entiprechend, Normaljchneelinien zögen, dann, das foll nicht geleugnet werden, müßten die Berge Abefjiniens als nicht in die Schneelinien bineinreichend bezeichnet werden. Hier fol aber gleich bemerkt werden, daß die höchiten Gipfel! in 1 Einige NReifende johäten die Gipfel Semien's auf 18,000 Fuß. Dr. Steder hat zwar, wie in Wr. 3, XI. Band der Verhandlungen der Gejellichaft für Erdkunde zu Berlin, Seite 163 zu leſen ift, Ausland

1884, Nr. 26.

Abeffinien noch nicht beitiegen find. In der That eine ° viel mwürdigere Aufgabe für einen Alpenfteiger, bier in Abeffinien wiſſenſchaftliche Unterſuchungen anzuftellen, als fich abzumühen, in der Schweiz und Tirol Berge zu be— jteigen, welche ſchon ſo und fo oft von anderen Reiſenden vorher erflommen wurden. Schimper hat ziwar behauptet, verſchiedene Berge Semiens bejtiegen und die Höhe der— jelben gemefjen zu haben, aber wir brauchen feinen Worten fein allzugroßes Vertrauen zu ſchenken. Ebenſo brauchen wir den Ausführungen des Herrn Abargues de Soſten,

welcher al3 erjter den Schnee auf den Bergen Semten’s nachgetwiefen haben wollte, fein Gewicht beizulegen. Die älteften Zeugniffe für das VBorhandenfein des Schnees in Abeffinien finden mir in der berühmten adu— litaniſchen Inſchrift, welche Kosmas, der Indienfahrer, im alten Adulis fopierte. In diefer Inſchrift kommt die bemerkenswerte Stelle vor: „In der Folge hat meine Tapferkeit die benachbarten gegen Herrn Ermann ausgejagt, mehrere der höchften Gipfel Semiens beftiegen zu haben, und fich dabei entjchieden gegen das Borhandenfein des ewigen Schnees ausgeſprochen. Aber mein Neifegefährte Hat jonft bis jetzt nichts dariiber publiziert, nicht gefagt, welche Berge er beftiegen und wie hoc) er fie gefunden hat, jo daß eine ſolch' allgemeine Aeußerung hier nicht Verwertung finden konnte. 76

Br

502

Liegt ewiger Schnee in Abeffinien?

Volker zum Frieden und Gehorfam gebracht, unter meiner

Weiterhin jagt Seite 413 unfer deutjcher Neifender:

Anführung wurden die Semenae (oeumvaı) jenſeits des Nil in ihren rauhen, mit Schnee bedeckten Bergen und

„In gleicher Richtung mit diefem Orte, Atgaba, und dicht

andere

Bergvölfer

bezwwungen

20.”

Daß

das

Wort

Semenae das heutige Semien ift, unterliegt gar feinem Zweifel und es ift ohne jede Bedeutung, ob wir unter dem Worte Nil wirklich den ägyptiſchen Strom, oder den

Nebenfluß desjelben, den Tafaze, zu verftehen haben. Aber es ſcheint mir aus den Worten mit Beftimmtheit aud) der Sinn hervorzuleuchten, daß von immer liegendem Schnee die Nede iſt; denn wenn der Gejchichtsichreiber von nur im Winter befchneiten Bergen hätte erzählen wollen, würde er fich präzifer ausgebrüdt haben. Wir werden mit Combes und Tamifier weiterhin die Anfichten Bruce’3 beleuchten, hier aber gleich hervorheben, was einer der bedeutenditen Reifenden der Neuzeit, Nüppell,

hinter ihm erhebt fich die elliptifch zugerundete Kuppe des Abba Saret:Berges, der weit herab mit Schnee be det war, und den ich um wenigſtens 500 Fuß höher als die Spite des Buahat ſchätze. Den oberjten Paß, un: fern des Gipfels des zulegt genannten Berges, erreichten wir glüdlih um 11 Uhr morgens, nachdem mir einen mübhevollen, oft durch gefrorene Schneemaffen und jteile Felswände gefährlihen Weg zurüdgelegt hatten,

Die Höhe des Pafjes beiteht in einer Heinen Ebene, welche did mit Schnee bededt war. Im Norden von ihr erhebt

fich die eigentlihe

Spite

des Berges

e

ungefähr

400 Fuß über diefelbe. Nach den Barometerbeobachtungen, welche ich auf diefer Ebene machte, beträgt ihre abfolute Höhe 13,077 franz. Fuß,

und

die Höhe

des Buahat ift s

in diefer Angelegenheit jagt.

mithin auf etiva 13,500 Fuß, ſowie die des Abba Jaret

Sm 1. Teil Seite 402 erzählt Nüppell bei feiner Neife dur) Semien: „Es regnete einen großen Teil des Nachmittags, es war dies im Sommer, am 1. Juli und alle höheren Stellen waren mit Schnee bevedt. Dadurch erhielt denn die ganze Gegend ein Außerft unfreundliches und unmirtbares Ausfehen. Der Schnee lag am 2. Juli

auf 14,000 Fuß anzufchlagen.” Aus obigen Heilen erjehen wir, daß Nüppell die \ Spitzen der Berge nicht erftiegen hat, tvie denn überhaupt die höchſten Berggipfel Abeſſiniens von europäiſchen Reie ſenden, immer abgeſehen von Dr. Stecker, noch nicht er—

in der Frühe an den Bergtwänden am vorhergehenden Tage.”

der berühmte Aſtronom Mädler mit den Ruüppell'ſchen Bee obadhtungen gemacht hat, ergibt fih, daß in Abefjinien unter dem 15° n. Br. ein tfolierter Punkt in 14,730 Fuß

beträchtlich tiefer als

Etwas weiter, Seite 404 erzählt Nüppell, wie bei Veberfteigung des Selfipafjes die Mehrzahl der Geſellſchaft noc auf der Höhe des Bergpafjes von einem dichten Schneegejtöber überfallen worden war. Und man bevenfe nur, daß dies am 2. Juli jtattfand. Aber wenn man erwägt, daß die Durchfchnittshöhe dieſes oftafrifanischen Gebirgs— landes über 2000 m., die von Semien aber über 3000 m. jein dürfte, jo wird man es ganz natürlich finden, daß die aus ſolchen Höhen herausragenden höchſten Berggipfel

jtetS mit Schnee bededt find.

Ste würden e3 nicht fein,

wenn z.B. der Buahat, welcher etiva auf dem 13.0 20° n. Br. gelegen tft, dDirelt aus einer Ebene herausragte. Rüppell Fampierte 11,312 Fuß hoc), und zwar zwiſchen dem 2. und 5. Juli. Er fchäßte den Selfipaß auf 11,900 Suß Höhe und motivierte die breitägige Ruhe Seite 405, „weil die meisten Perſonen unjerer Reifegefellichaft mehr oder weniger bedeutende Berlufte zu erſetzen hatten und alle der Nuhe und Stärkung bedurften für die Ber ſteigung des vor uns liegenden Hauptberges, des Buahat, dejjen Gipfel fih in den Negionen des ewigen Schnees erhebt.” Als Nüppell am 6. Juli aufbrach, überftieg er den Buahat und fagt Seite 413: „Der Weg zog im Zickzack zwischen den von Wafjerabflößungen und Schneeftürzen zerrifjenen Felslagern hin, auf welchen nad und nad) alle Vegetation verſchwand und eine eigentümliche rötliche

Farbe der Lavafchichten, die Damals ausnahmsmeife geſchwundene, fonft aber ung andeutete,”

perenne Schneebedeck—

>

J

N

klommen wurden.

Aus den Berechnungen, welche ſpäter

Höhe eine Mitteltemperatur von 00 R, haben muß. Daß

A

|

|

aber bei einer ſolchen Mitteltemperatur während des ganzen Jahres der Schnee Liegen bleiben fann, liegt auf der Hand, : Ob aber die Berggipfel nicht noch höher find als Rüppell N annimmt, das zu entjcheiden bleibt zukünftigen Neifenden 4 vorbehalten.

Die Behauptung Bruce’3, es fchneie nicht in Abeſ— finien, wird am direltejten von Salt und Combes und Tamifier zurückgewieſen. Seite 350 jagt Salt:1 „Dieſen Morgen war die Atmoſphäre äußerſt durchſichtig“ (Salt und Pearce durchreiften Semien im April), „und zum erftene mal fonnten wir deutlich den Schnee, den die Abeffinier Berrit nennen, erbliden, welcher auf den höchſten Gipfeln

+4 nd * *

der Berge von Semien lag, auf dem Beyeda und Amba Hai! Herr Bruce, welcher über niedrigere Berge kam, Lamalmon genannt, glaubte an der Thatſache des Schnee—

falls in dieſen Bergen

zweifeln zu müffen,

obſchon fie

durch die ältejten Berichte, die über diefes Land vorliegen und durch verſchiedene Berichte der Jeſuiten, welche in

diefem Lande reiſten, bejtätigt tft.“ Noch ſtärker gegen Bruce’3 Anficht ift die Ausdrucks— weiſe der Herren Combes und Tamifier.

Band I, Seite

346 beißt e3:? „Die Atmofphäre war die und regnerifch“ (die Neifenden famen im Juli durch Semien); „die Spiten 1 A Voyage to Abyssinia etc. by Henry Salt. London 1814. 2 Voyage en Abyssinie par Ed. Combes et M. Tamisier, Paris 1838,

* 508

Liegt ewiger Schnee in Abeſſinien?

der umliegenden Berge waren mit Schnee oder Nebel ein— gehüllt. Wenn Bruce wie wir im Dorfe Nori gelagert hätte, würde er nicht mit einer ſo unverzeihlichen Sicher— heit behauptet haben, es ſchneie wohl niemals in Abeſ—

finien.”

Nachdem dann die darauf bezüglichen Stellen aus

Bruce's Neifewerk angeführt werden, fahren die frangöfischen Reiſenden Seite 348 fo fort: „Gewiß, nachdem man dies (nämlich die Ausführungen

Bruce's) gelefen hat, wird jeder gegenteilig davon überzeugt fein, daß es in Abeffinien niemals fchneit, da in der That einige Bergſpitzen ewigen Schnee haben. Aber obſchon es uns fern liegt, ſyſtematiſch die Neifenden,

liegen ließ, ich deutlich den Schnee auf den Gipfeln habe liegen jehen, ſo Dr. Steder ebenfalls. Sowie daß Herr Schimper, der Sohn des berühmten Dr. Schimper, auf mein Befragen, ob die dortigen Bewohner während des ganzen Jahres den Schnee auf den Bergen erbliden fünnten, ausprüdlich erklärte, dies fer der Fall. Und diejes Aus: forschen der dortigen Bewohnerſchaft fand jtatt an Ort und Stelle, füdöftlich von Adua. Als ich einige Monate jpäter von Debra Tabor zurüdfehrte und nun das Gebirge von Semien öftlich Liegen ließ, babe ich gleichfalls Schnee

auf den Berggipfeln liegen jehen.

haben wir geglaubt, zu einem fo groben Irrtum nicht ſchweigen zu dürfen, befonders da derjelbe von geiftreichen Einzelheiten umgeben war und fomit leicht Veranlafjung fein fonnte, als Wahrheit aufgenommen zu werden.” Da bei diefer Gelegenheit die franzöfifchen Neifenden ji) auf das Heugnis des ehemaligen proteftantifchen Biſchofs in Ferufalem, Herrn Gobat, jtüßen, jo mögen deſſen Worte hiehergefegt werden. Herr Gobat, der im März durch Semien fam, fagt Seite 144 und 145:1 „sm jelben Augenblid, als wir in Nori anfamen und ehe wir nod) eine Wohnung hatten, wurden wir durch

Hinzufügen möchte ich noch, daß auf dem Marfche der britiihen Armee nad Magdala eines Tages beim Stampieren auf einem allerdings über 3000 m. hoben Paſſe die Borhut unter Anführung des jetigen Generals, damaligen Oberſten Phayre, dem ich zugeteilt war, am Morgen eingehüllt von einer Schneebede, erwachte. Der Schnee ſchmolz freilich gleich nad) Aufgang der Sonne. Daß es alfo in Abejfinien jchneit und zwar in jedem Sabre, dürfte eine ausgemachte Thatfache fein. Ebenfo ſicher ſcheint esmir aber auch zu fein, daß Gletjcher nicht vorhanden find. Und felbit den fo gewichtigen Zeugniſſen der eben angeführten Neifenden, welche von „ewigen Schnee” in Abeſſinien reden, ſoll gegenüber gejtellt werden,

einen jehr Falten und ſtarken Negenguß überrafcht, unge:

daß Heuglin

fahr 400 F. höher von uns fehneite es.“ Und etivas weiter erzählt Herr Gobat vom Buahat, „deifen Gipfel

Seite 72 feiner Reifen in Oſtafrika fagt: „Auf dem Hochplateau von Semien erheben ſich aber noch bedeutende Gebirge bis zu einer Höhe von über 14,000 Fuß, die zu manchen "Jahreszeiten Schneefälle

welche vor uns diefe Gegenden befucht haben, zu fritifieren,

fait immer von Schnee eingehüllt fei.” In einem geographifchen Memoire, welches den Tage: büchern von Sfenberg und Krapf vorausgeht, und das zivar eine Namensunterfchrift nicht hat, aber vielleicht von Beke herrühren dürfte, heißt es Seite 53:? „Die höchite Spike von Semien, Amba Hat genannt, fol etiva 14,000 Fuß

über dem Niveau des Meeres liegen; da aber die Spiße beitändig von Schnee bededt tjt, jo muß ſie min— deitens 2000 Fuß böher fein, denn ſonſt könnte in der

Breite von 13 Grad der Schnee nicht ewig ſein.“ Sch habe vorhin ſchon angeführt, daß der Schnee in

Semien

theoretifch

in diefer Breite nicht liegen könnte,

daß aber die allgemeine Höhenlage diefer Provinz, welche auf über 3000 m, veranjchlagt werden muß, Die

Verhältniffe binfichtlich der Schneelinie anders gejtaltet, wenn aus einer fo großen Hochebene vereinzelte Kegel nod) bedeutend

hervorragen.

Das

ganze

Hochplateau

Heuglin nimmt

Semien

durchkreuzte,

alfo feinen ewigen Schnee an.

Dr. Stedfer, mein Neifegefährte in Abeſſinien, der, vie gejagt, ebenfalls Semien durchzog, hat fih mündlich mir gegenüber dahin geäußert, daß ewiger Schnee nicht vorfäme. Sedenfalls wäre es zu wünſchen, daß dieje

Frage gründlich entjchieden würde

und bei dem großen

Stab von Offizieren und Begleitern, welche Admiral Hewett in diefem Augenblid in Abeffinien umgeben, darf man wohl hoffen, daß ein Teil derfelben fich abziveigt, um die Berge Semiens genau zu unterfuchen und zu mefjen. Sieht man doch, wie Herr Schimper behauptet, von den hohen, Adua umgebenden Bergen Jahr für Jahr den Schnee der Gipfel diefer eigentlichften Alpen Abeſſiniens. G. Rohlfs.

von

Semien, welches ja ſelbſt wieder das abeſſiniſche Hochland um durchfehnittlich 1000 m. überragt, kann man aber auf etiva 4000 Q.-Km. Flächeninhalt veranschlagen. Aus meinen eigenen Erfahrungen kann ich anführen,

daß, als ich im Anfange des Sahres 1881 von Adua nad) Debra Tabor reifte und die Berge von Semien im Weſten 1 Journal d’un sejour en Abyssinie. Paris, % Journal of the Rev, Mrs. Isenberg and Krapf, London.

1843.

haben.”

3. B., der ziveimal

Nachſchrift. Nach Abſchluß dieſer kleinen Arbeit teilt mir Dr. Stecker brieflich mit, daß er den Buahat und Abba-Jared beſtiegen hat, die dritte, ſeiner An— ſicht nach niedrigere Spitze Ras Dedſcham indes nicht

erklomm. Letztere nicht wegen Terrain-Schwierigkeiten. Den Buahat fand Dr. Stecker 14,860 Fuß, den Abba— Jared aber 15,100 Fuß hoch. Auf dem Buahat fand der Reiſende keinen Schnee und auch keine Hagelfelder. Die Temperatur

am

Fuße der Spitze, wo derſelbe zwei

| Tage Fampierte, betrug in der Frühe vor Sonnenaufgang

504

Politiſch- und wirtfhaftsgeographifche Rückblicke.

+ 20 C,, war aber auf der Spite des Berges jedenfalls — 0. Abba-Jared, der höchite Berg Semiens, „zeigte dagegen ziemlich große Hagelfelder, welche, da ihre Oberfläche durch die heißen Sonnenſtrahlen ſchmilzt, den Eindruck von Eis—

befannt zu werben und die Früchte derjelben den — — Thai, freien Männern, wie ſich die Siameſen gerne nennen, zu gute fommen zu laflen, jo it doc dieſes Land in mancher Beziehung weit hinter den Nachbarländern zurüd

flächen machten.“ Stecker fügt hinzu: „Meiner Anſicht nach verſchwinden aber zu gewiſſen Jahreszeiten (etwa im November und Dezember) auch hier die Hagelfelder voll— ftär ig.” Diefe Mitteilungen meines ehemaligen Gefährten halte ich für jehr wichtig. Erſtens haben wir hier zum eriten Mal die Beobachtungen und das Erfteigen eines wiſſenſchaftlich gefchulten Reifenden vor uns, und zweitens fünnen wir uns mit Zuverſicht auf die Beobachtungen Dr. Steckers verlaffen.

geblieben. Zudem ift viel, was diefes Neich betrifft, mt einem dichten Schleier bedeckt. „Das Huhn verrät fein Neft

indes fer mir g jtattet, die fogenannten „Hagelfelder“ für „Firn“ zu halten. Bet der beveutenden Höhe von 15,100 Fuß, und da foldhe einmalige Höhenmeſſungen jelbitverftändlich ſtets einen großen Spielraum geltatten, jo daß der Berg möglicherweife noch um 100 Fuß er— habe.ıer fein kann, hätte ein Vergletjchern des Schnees nichts unmögliches in fih. Denn die Annahme Dr. Steders, daß im November und Dezember der Schnee, Firn oder die Hagelfelder jchmelzen jollten, halte ich faum für zu: treffend. Abeſſinien bat diefelbe Winterszeit wie toir,

d. h. es liegt auf der nördlichen Halbfugel.

Das Land

reiht aber nicht in die Zone der ftetigen Niederichläge, welche vom Gleicher auf beiden Geiten ettva bis zum 6.0 ſich erjtredt. Aber, und das ift fehr wichtig, da Abeffinien um den 13.0 n. Br. herum ein Blateau und daraus her: borragend Berggipfel von über 15,000 Fuß befißt, fo vegnet es dort beſtändig, d. h. fait alle Tage finden in Semien nachmittags Regen und Getitter ftatt, als ob die Provinz unter dem Nequator gelegen wäre. Daß auf den böchiten Spiten der Niederfchlag meistens in Gejtalt von Schnee erfolgen dürfte, ift bei diefer Höhe wohl außer Zweifel. Und im November und Dezember um fo eher. Denn wenn auc) die Abeffinier die Regenzeit, welche in diefen Monaten und jchon vorher beginnt, in ihrer Sprache merk: pwürdigerweife mit „Sommer” bezeichnen, weil dann alle Bilanzen zu neuem Leben erwachen und die Felder beitellt tverden, jo iſt unzweifelhaft für ganz Abeffinien, wie über: haupt für die ganze tropische nördliche Zone im November und Dezember, Januar und Februar Winter, alfo die

kälteſte Jahreszeit.

durch

Gackern,

V, Siam.

Wiewohl fchon vor längerer Zeit in Siam an höchfter Stelle fich das Beftreben gezeigt hat, mit europätfcher Kultur

verbirgt

es in den dichteften

werden manche Zuftände ſehr geheim gehalten oder viel— mehr fie find, wie die Finanzverhältniffe 4. B., jo une geordnet, daß es unmöglich tft, eine Weberficht über dies|

jelben zu gewinnen. Neifende, die fich dorthin wenden, bewegen ich meistens auf relativ ausgetretenen Pfaden und wo einer von ihnen vom gewöhnlichen Wege abweicht und durch feine Scharfe Beobachtungsgabe zu den beiten Hoffnungen berechtigt, wie neuerdings Karl Bod, bindet ihn ein Ver

iprechen, ſich aller politischen Anfpielungen zu enthalten, was übrigens wohl kaum nötig getvefen wäre, Denn man wird in Siam ebenfo wie in anderen Ländern die Kunft vecht gut verfteben, Neifende, die ſich nicht gar zu lange im Lande aufhalten, fie fehen laffen will.

nur das ſehen zu lajjen, was man Wer aus Bock's Buch! Belehrung

über fiamefische Zustände

in wirtbichaftlicher

Beziehung

zu jchöpfen fucht, wird dasjelbe ziemlich enttäufcht nieder⸗ legen, obwohl es in anderer Hinficht durch einen Schatz von ethnographiſchen Mitteilungen äußerſt wertvoll it.

Einiges Neue bringt er auch in geographifcher Beziehung, was wir beiläufig bier bemerken wollen. Die Grenze der Schanftaaten verlegt er ſüdlich vom 20. Breitengrade, was allerdings aud) auf einer uns vorliegenden neuen,

englifchen 6d-Karte der Fall ift, und zwar gibt er den Mefong und feinen Nebenfluß, den Mekok, als Grenze an.

Die Grenzlinie läuft von Kiang-tſen in ſüdweſtlicher Nichts

ung.

Den Urfprung des Menam

hat er in einem der

Nginſtaaten entdedt; derfelbe liegt alfo nicht, wie häufig

angenommen wird, in Junnan. Am wichtigften aber ift die Mitteilung, welche Bod über die Größe der Bevölker— ung macht. Er hält nämlich die gewöhnliche Angabe von etwa 7 Millionen für bei weitem zu niedrig gegriffen.

„Ich glaube”, fagt ex, „daß dies nur die männliche Ber völferung ift und Frauen und minderjährige Kinder nicht gerechnet find.” Wenn diefe Schägung nur annähernd richtig ift, würde diefelbe auf eine Zahl von mindeitend 30 Millionen Bewohner fließen laffen, ein Betrag, welcher alle über die Bevölferungsziffer bis jest gemach— ten Angaben

Politifd;: und wirkſchaftsgeographiſche Bürkblike,

der Vogel

Zweigen“ iſt ein ſiameſiſches Sprihtvort und demgemäß

weit hinter fich zurüdläßt.

Allerdings gibt

3. Martin? die Zahl der Männer nad offiziellen Zähl— ungen auf 5,9 Millionen an und berechnet demnach die ganze Bevölferung auf 11,8 Millionen, doch ift diefe Zahl

noch weit entfernt won der don Bod mitgeteilten.

Ber

merken möchten wir noch, daß auch eine bei Recluss vor ! Temples and Elephants 2 The

Statesman’s

Year

3 L’Inde et l’Indo-Chine,

1884, Book

: 1878,

505

Politiſch- und wirtſchaftsgeographiſche Rückblicke.

fommende Notiz auf eine viel höhere Einwohnerzahl, als gewöhnlich angenommen wird, ſchließen läßt. Er teilt nämlid ©. 822 mit, daß in Siam jährlih mehr als

||

freundlich geöffnet hat, nicht mehr fuchen follte. In einem der neuejten

deutfchen

Konfularberichte

fommt

folgende

Stelle vor: „Die vielen perfünlichen Laſten und Abgaben,

100 Mill. Fr. für Ausgaben des Kultus verwendet wer— den. Wenn diefe Angabe nur einigen Anfpruch auf

welche die höheren Stände der nicht befitenden Klaſſe auf:

Richtigkeit machen fann, jo darf man wohl mit Sicher: beit annehmen, daß die ganze Bevölferung viel zahl: reicher als 6 bis 7 Mill. Seelen fein muß, während Nechus

Wert de3 Geldes und die noch beftehende Sklaverei redu— zieren die Beträge, die dem Volke zu gute fommen foll-

ten.” Wir wollen, um diefe Worte zu erklären, näher auf

jelbjt nur

den inneren Zuftand des Volfslebens eingehen.

mitteilt,

daß fie zu 4,5

oder 6 Mill.

an-

erlegen, die Erpreſſung

der Würdenträger,

der niedrige

Bekanntlich beiteht Siam aus zivei ganz verfchiedenen

gegeben wird. Das Klima des Landes ijt natürlich ein fehr ver: ichiedeneg, je nachdem man bon den fruchtbaren Alluvien im Süden oder von den bewaldeten Hügeln des Nordens foriht. In Bangkok jelbjt überfteigt die Wärme 350 nicht und beträgt gewöhnlich zwifchen 27 und 300,

Beitandteilen, dem eigentlichen Stam und den tributpflichtigen Ländern. Das Abhängigfeitsverhältnis, in welchem letztere ſtehen, ift jehr ungleich. Allerdings wurde

allen bei ihrer Unterwerfung ein Tribut aufgelegt, außer:

die Hebung jeiner Schätze in diefer Beziehung auf feine

dem, und das fvurde in der Folge ſehr mwichtig, wurde ein Teil der Befiegten nad Stam geführt, dagegen in dem eroberten Gebiet Siamejen angefiedelt. Je nachdem nun diefe Staaten im Laufe der Zeit ſich mehr oder weniger fräftig fühlten, hörten fie auf, Tribut nad Siam zu ichiefen, wobei natürlich der Umftand nicht ohne Einfluß blieb, ob die Majorität der Urbevölferung oder den ans gefiedelten Siameſen angehörte. Auch) das eigentliche Stam darf man durchaus nicht als ein nach unferen Begriffen einheitliches Land auffaffen. An der Spike jteht der erſte König. Er iſt Autofrat, doch iſt feine Macht durch die Stellung der Feudalherren, denn das find die Großen, vom zweiten König angefangen, ſehr bejchränft. Unbe-

Schwierigkeiten

(der

ſchränkt gebietet er nur in dem Teile des Landes, welcher

gegenwärtige König regiert jeit 1868, fein Vorgänger hatte

ſich am Menam entlang bis nad Ajuthia, der alten Reſi— denz, hinzieht, alles andere ift im Befit der vielen Eleinen und großen Fürften, welche über ihre Unterthanen nad) Belieben Schalten, deren Vorrechte nicht gefchmälert werden

doch hat man

fie in falten Nächten bis zu 120

ab-

nebmen jehen. Siam iſt ein von der Natur reichbefchenftes Land; feine Slußniederungen befigen eine erjtaunliche Fruchtbarkeit,

welche das Königreich einmal zur Vorratsfammer für die angrenzenden Länder gemacht hat. Seine Berge umfchließen Schäße, die, wenn wir von einzelnen Mitteilungen auf das Ganze zu jchließen berechtigt find, denen der reichiten Gegenden

Afiens kaum

nachſtehen.

Das

Land ift, mie

wir gefehen haben, gut, ja wenn wir die Mitteilungen Bock's annehmen wollen, ſelbſt jehr dicht bevölfert, jo daß jtoßen

würde.

Die lebten Fürften

1851 den Thron beitiegen) haben wiederholt gezeigt, daß

fie eine Vorliebe

für die Kultur

des Occidents befaßen

und derjelben gerne in ihrem Neich ein Heim bereitet haben würden; und doch it das alles ohne Folgen geblieben,

it das Land von einer aufblühenden Entiwidelung jomweit entfernt, wie e8 vor Jahren war.

eben-

Wir wollen den

Berfuh machen, in den folgenden Beilen die Urfachen diefer Erfeheinung anzudeuten. Die Berichte der Neifenden, welche dem Yande nur einen flüchtigen Beſuch abjtatteten, lauten im allgemeinen günftig. Es ſcheint dies ganz natürlich; denn der erite Eindrud, den Siam und die Stamefen auf den Fremden machen, iſt gewöhnlich jo angenehm, daß er glaubt, hier

ein aftatisches Volk gefunden zu haben, welches auch ohne eine europäische Hand fich eine hohe Kultur

macht hat, das au

zu eigen ge:

ohne Zwang dem Europäer gegen=

über rücfichtsvoll auftritt, das, wenn man dem Gemwühl, welches an den Ufern des Fluſſes herricht, trauen darf,

eine Thätigfeit befißt, die das, was man von orientalifcher Trägheit zu wiſſen glaubt, Zügen jtraft. Andere Reiſende dagegen, welche tiefer in das innere Leben eindrangen, haben eine ganz andere Anficht getvonnen.

daß diefer erſte Eindrud

Sie behaupten,

ein trügerifcher fer, fie wiſſen,

daß in jenem Lande nod Einrichtungen beftehen, die man in einem Gebiet, welches dem Fortfchritt feine Pforten jo Ausland

1884,

Nr. 26.

dürfen, in deren Gebiet der Wille des eriten Königs ſo— lange machtlos ift, bis der Feudalherr demfelben zugeſtimmt bat. Wenn die Fürften fih gewiß auch oft genug vor dem Willen des autofratifchen Königs beugen, jo gibt es doch Fein Geſetz, welches fie dazu zwingen fünnte, Cie zufammen bilden unter dem Vorſitz des Königs den Nat, Senvbadi, welcher die Geſetze beſchließt und diefen Be— ſchlüſſen hat ſich auch der erſte König, der Vorſitzende Des Rates, zu unterwerfen. Unter allen diefen Lehensfürſten ift der zweite König der angefehenjte und infofern der mächtigite, als er an der Spite de3 Verteidigungsweſens de3 Landes fteht. Daß in diefem ganzen Syſtem viele Unzuträglichfeiten beftanden, daß, ſolange diefelben nicht aufgehoben waren, eine fruchtbare Entividelung des Landes

nicht möglich war, wie auch wir meiter unten eingehender nachzumeifen fuchen werben, ſah der junge König, der eine

fehr gute Erziehung genofjen hatte und bald nach feiner Thronbefteigung eine Neife nad) Java, ſpäter nad) Britiſch— Indien machte, um fid) über die Verhältniſſe der jeinem Reich benachbarten Länder zu unterrichten, ſehr wohl ein. Bald nach feiner Rückkehr wollte er den Verfud wagen,

die Macht der Feudalherren zu brechen, feine Stellung dem 77

906

Politiſch- und wirtſchaftsgeographiſche Rückblicke.

ganzen Volke gegenüber zu dem zu machen, was fie fein follte, um dem Lande nüßlich fein zu können, d. h. eine zentrale Gewalt heritellen, welche das ganze Land nad)

Hand nicht gelegt,! und man könnte ſich nicht verwundern, wenn er ſich durch die erſten Enttäuſchungen hätte be— ſtimmen laſſen, ſeine Verſuche in dieſer Hinſicht aufzugeben.

Troß der Unterftüßung, die er bei

Hat er doch nicht nur Widerſtand von Seiten der Großen

feinen Brüdern und den jüngeren Söhnen der Großen fand, welche durch einen Umſchwung der Verhältnifje eine Verbefferung ihrer perfönlichen Lage zu erreichen hofften, brachen fich feine Anftrengungen an dem Widerſtand eins zelmer Feudalberren, namentlich des alten Negenten, auf deſſen Seite der englifche Konful trat. Um das Eintreten des leßteren für die fonfervative Partei zu verftehen, müfjen mir einen Augenblid die politifchen Verhältniffe, wie fie damals waren, ins Auge faffen. Sn jener Zeit war Englands Einfluß im Sinken, der junge König, der ein offenes Auge für feine Umgebung hatte, ſchaute unwillfürlich nach neuen Verbindungen aus und die deutfchen Siege lenkten die Aufmerkſamkeit des binteraftatifchen Fürften auf das neugejchaffene deutjche Neih. Gewiß hätte England feinen befjeren Vertreter haben fünnen al3 den damaligen Konful, einen der beit: gehaßten Menschen in Siam. Derjelbe hatte von der Pike auf gedient, war mit allen Berhältnifjen des Landes fehr ver: traut geworden und ſchloß fich der fonfervativen Partei an, Durch feine Hilfe gelang es ihr, den König, äußerlich wenig: itens, auf ihre Seite zu ziehen und ihn zu bejtimmen, feine Pläne, ſoweit fie den Kern der Sache betrafen, aufzugeben. Wohl ift es dem König geglüdt, feine Unterthbanen zu zwingen, fich bejjer zu kleiden, befjere Häufer zu bauen, wohl konnte er die Etikette verändern und e8 den gewöhn— lichen Sterblichen erfparen, vor Fürften und Großen in den Staub niederzufallen, und das ift immerhin etwas, „sa in mander Hinficht fährt man fort, Zeichen zu geben, daß die Bahn des Fortfchrittes nicht ganz verlaffen ift. Siamefische Induſtrie wurde auf verichiedenen Weltaus— ftellungen prämitert, 1881 wurde eine Art Poſtdienſt eine

erfahren, ſondern auch von Seiten derjenigen, für die er jtritt; ja auch von Seiten feiner gedrüdten Unterthanen,

einem Willen regiert.

geführt, im Sommer 1882 zur Feier des hundertjährigen Beſtehens der gegenwärtigen Dynaſtie fand zu Bangfof eine nationale Induſtrieausſtellung ſtatt, welche gewiß alle Anerkennung verdiente und den Urhebern Ehre machte, am 16. Juli 1883 wurde die telegraphifche Verbindung mit

Saigon eröffnet, am 8. Januar diejes Jahres hatte Siam feinen Anteil an der telegraphifchen Verbindung mit Bri— tiſch-Indien vollendet, während die Engländer mit ihrer Linie noch im Rückſtande waren. Jetzt unterfucht man

die Möglichkeit einer Eifenbahnverbindung mit Rangun. Faſt möchte man glauben, daß die Verbindung mit den Konfervativen, welche Durch Perſonenwechſel ſchon gelodert war, einen Stoß erlitten hätte, und möglicherweiſe hat der Aufenthalt Dr. Harmands, welcher fich einige Zeit ala franzöfischer Bevollmächtigter in Siam befunden hat, hiezu beigetragen; wenigſtens wird behauptet, daß es ihm gelungen jet, den englifchen Einfluß zu paralyfieren. Wie dem auch fei, an die Wurzel des Uebels, die Feudalverfaffung mit allem, was damit verbunden ift, hat der König biß jeßt feine

denen er Erleichterungen zu bringen mwünfchte, mußte er bittere Erfahrungen machen! Durd) das Streben nad) Neuer: ungen ift übrigens direkt, in gewiſſer Beziehung wenigſtens, der Zuftand des Landes verfchlimmert worden. Als aſia⸗ tiiche Grands-Geigneurs hatten die Feudalherren gelebt und ein Teil ihres Lurus war auch den zahlreichen Mit:

gliedern ihrer Samilien zugute gefommen; jchon ein folches Leben legte dem Volke Opfer genug auf. Sebt aber find

fie mit europäischen Luxus, mit europäischen

Genüffen

befannt geworden und fuchen ihre Sehnſucht danad) zu befriedigen, wozu ihnen das Volk ebenfalls die Mittel ver Ihaffen muß. Manche Dampfjacht, die fih auf dem Menam Schaufelt, mande Villa, in der europäiſcher und

afiatischer Luxus vereinigt it, erinnert daran. Daß der Stameje im allgemeinen fich gerade in feiner angenehmen Lage befindet, ijt ſchon feit Jahren befannt; man bat den Zuſtand als Sklaverei bezeichnet, was dem Wortlaut nad) wohl eigentlich nicht ganz richtig ift, da e8

fih im allgemeinen um zwei ganz verfchtedene Berhältniffe handelt, eritens nämlich um die Frohndienfte der Bevölfer-

ung und zweitens um das Verhältnis der Schuldner gegenüber den Beligern der Forderung. Arbeitsleiftung iſt die einzige direkte Steuer, welche die Eingeborenen bezahlen und jeder, der einen Herrn hat, muß feine Dienfte diefem, ſonſt dem Könige leisten. Die Dienfte, die verlangt werden, find jehr ſchwer und durch |

aus nicht gefeßlich geregelt; vom 16. bis 60, Jahre find die Eingeborenen zu denfelben verpflichtet. Früher waren auh

die Chinefen genötigt, ihrer Dienftpflicht perlönlich zu ges nügen oder für jeden einzelnen Fall diefelbe abzulöfen. Seit längerer Zeit jedoch ift e8 den Vertretern der europäiſchen Mächte geglücdt, die Befreiung derſelben von allen Frohn— dienjten gegen Bezahlung eines bejtimmten Kopfgeldes von

41, Tikol? zu erreichen. Als Quittung wird ihnen ein mit einem Stüdchen Wachs befeitigter Bindfaden um das Hand» gelenfe gelegt, auf dem Wachs iſt das Siegel der Steuer: einnahme abgebrüdt; wenn fie diefes Zeichen im Laufe des Jahres verlieren, müfjen fie die Abgabe noch einmal bes zahlen, fie Fünnen jedoch gegen Bezahlung von im ganzen

5 Tikol auch eine

geſchriebene

Quittung

erhalten.

Von den zu Frohndienften verpflichteten Siamefen werden durch die Herren genaue Liften geführt, in welchen

alles, was für die Beftimmung der für die Naturalleiftung Im Jahre 1872 Hat der erfte König ein Geſetz gegen das Schuldverhältnis erlaffen, welches aber praktiſch gar Feine Wirkung gehabt hat. 2 Ein Tikol ift etwa 2,50 ME.

|

307

Politiſch- und wirtihaftsgeographiiche Rückblicke.

zu zahlenden Abfindungsſumme wichtig it, notiert wird; denn auch den Siameſen tjt es erlaubt, mit Einwilligung des Heren ſich durch Geld von den Dienften freizufaufen,

Hinfichtlich der dafür zu bezahlenden Summe muß jedod) in jedem einzelnen Fall ein Ablommen getroffen werden. Um zu wiſſen, welchem Heren ein Dienitpflichtiger gehört, wird ihm der Name

Handgelenk

desfelben

mit einer Nadel auf das

gezeichnet und mit Farbſtoff fixiert; hievon

find Edelleute ausgenommen,

vermehrt werden, dann erjt wird je nach Umständen die definitive Ablöfungsfumme fejtgeftellt. Wer z.B. nur zu

3 Monate im Sahre verpflichtet

üt, hat für jeden derfelben 6 Tikol, im ganzen 18 Tikol,

zu bezahlen;

Handwerksleute

Herren vom Gläubiger eine Entſchädigung. Namentlich der weibliche Teil der Bevölferung wird durch Väter und Brüder häufig verpfändet.

Der 16jährige Siamefe bezahlt zunächſt 16 Tikol im Jahre, die bis zum 20. Jahre um einen Tifol jährlich

gewöhnlicher Kuli-Arbeit

jenigen, welche im übrigen ganz unabhängig find und dem Gläubiger nur eine bejtimmte, vorher feitgeitellte Summe jährlich abtragen. Ein folches Schuldverhältnis unterbricht die Yeiftung von Frohndienften, welche jedoch nad) Löſung des Schuldverhältniſſes wieder aufgenommen erden; während der Dauer desfelben empfangen die eigentlichen

müffen 6 Monate, andere

I Monate für den Herrn arbeiten, ohne Lohn zu empfangen, ja einzelne, wie Goldſchmiede, Diamantjchleifer und an-

dere befonders gefuchte Arbeiter müſſen fogar das ganze Jahr hindurd für ihn thätig fein; ſie befommen dann etwas Geld, höchſtens 6 Tikol im Monat. Leute von Geburt, die zu Dienftleiftungen verpflichtet find und diefe perjönlich leilten, werden gewöhnlich als Auffeher ver: wendet, fie erhalten dann fogar 3 bis 12 Changs (zu

80 Tikol) im Jahre. Uebrigens ſchicken die die geringeren Edelleute, welche dem Herin Dienſte jchuldig find, an ihrer Stelle auch Der größte Teilder Bevölkerung jedoch leistet nur

reichen und des Landes Schuldner. 3, höchſtens

4 Monate im Jahr Frohndienfte; während diefer Zeit be:

Daß der zu Frohndienften verpflichtete Siamefe auch ohne jein zur Verſchwendung, zum Spiel und zum Ver: gnügen angelegtes Naturell ſehr geneigt fein würde, bie wenige Freiheit, die ihm bleibt, aufzuopfern, liegt auf der Hand, vertaufcht er doch in vielen Fällen nur eine Art der Sklaverei mit der andern und verichafft fich zeitweife

die Mittel, feinem Vergnügen nachzugehen, aber auch in anderen Fällen wieder die Mittel, ein Geſchäft zu unter: nehmen. Dod wir wollen hierauf nicht näher eingeben, jondern nur

Eonjtatieren,

daß die freie Entividelung des

Einzelnen durch den auf ihm liegenden Drud gehemmt, die Luft, nach beiten Kräften zu arbeiten, unterdrüdt wird.

Mit der Lehensverfaffung im engjten Zufammenhang ſteht auch die

Eigentums.

ungenügende Sicherheit

der Perfonen und des

Polizei beiteht eigentlich nur für die Euro:

päer und auch für diefe nur in gewilfen Grenzen. Hat man doch, vor mehreren Jahren allerdings, dem Bruder des Königs feine Pferde und feinen Wagen abgenommen, nachdem man ihn auf offenem Wege angehalten hat. Als Folge diefer eigentümlichen Berhältnifje darf 3. B. niemand

Alle Aemter,

gegen feinen Willen vor die Obrigkeit zitiert werden, jedes

alle beiviefenen Dienjte werden nun dadurd) belohnt, daß

Haus iſt eine Freiftätte für den Beſitzer, der in demfelben jedermann Schuß gewähren Tann und jeder Tempel, die dicht bei einander liegen, bietet zum Ueberfluß noch ein

fommen die Leute Nahrung, Reis und Salz.

Srohndienftpflichtige zur Entſchädigung zugefprochen werden, eine Bezahlung in Geld würde gegen den Gebrauch des Landes fein. Es würde uns zu weit führen, in weitere Einzelheiten über diefe Frohndienfte einzugeben. Das Angeführte wird genügen, um zu beweifen, daß fie ſchwer drüden. Hiezu fommt nun noch das eigentümliche Verhältnis, in welchem viele Leute ftehen, die für Schuldverbindlic): feiten mit ihrer Berfon einzutreten haben. Der Gläubiger

Aſyl.

W. H. Senn van Bafel! erzählt, dag Phra Nath

Duang Muang, Gouverneur und Polizeimeiſter von Bangkok, Stockſchläge befam, weil er fich erlaubte, einen Dieb auf dem Grundftüd eines Edelmanns und ohne die Erlaubnis des legteren zu arretieren. Derſelbe Autor fügt

bei: Wenn auch die hübſch gekleidete Polizei ſich an den

jeden Schaden, den fie anrichten, gegen hohen Preis in Rech—

Wegen zeigt, fann man doch von ihr feine Hilfe erlangen und ſelbſt zur Arretierung eines auf frifcher That ertappten Miffethäters muß exit die Einwilligung des Herrn einges holt werden. Bringt man einen Diebjtahl bei der Polizei

nung und die Arbeit derfelben wird als Rente der Schuld betrachtet, lettere wird erjt durch den Tod quittiert, wenn

zur Anzeige, fo fragt der betreffende Beamte, er der Dieb ift, wo er ſich aufhält, und ift ehr verwundert, wenn

die Familie des Verftorbenen nicht einen Teil übernimmt, was im Innern häufig, in Bangkok jedoch nicht mehr ge—

man die Antwort ſchuldig bleibt. „Ja“, heißt es, wenn Sie das nicht wiffen, wie foll es denn die Polizei wiſſen, bringen Sie uns den Schuldigen, fo werden wir ihn ge: wiß beftrafen.” Daß unter diefen Umftänden die Feudal—

nimmt

einige der Schuldner in fein Haus, gibt ihnen

meiltens ungenügende Kleidung und Nahrung, bringt ihnen

Ihieht.

Andere

werden

durch den

Gläubiger vermietet,

der dem Schuldner nur wenig von dem Mietpreis in die Hände gibt; der Neft wird teils als Zins betrachtet und der Ueberſchuß zur Ablöfung der Schuld benüßt. Eine dritte Klaſſe bilden diejenigen, welche nad) einem Ueber: einfommen mit dem Heren ihrem VBerbienft jelbjt nachgehen,

aber doch in feinem Haufe leben, eine vierte endlich die-

herren ſich auch mitunter in Naubritter verwandeln, deren Macht Schwer zu unterdrüden tt, darf wohl angenommen 1 3m „Sud. Gids“, 1880, l’Extr. Orient,“ 1881/1882.

aud) überjett in „Annales de

Politiſch- und wirtihaftsgeographiiche Rückblicke.

808

werden. Ein Beifpiel fei hier beigefügt. Im Bericht niederländischen Konfuls zu Bangfof über 1882, der faum einem Jahr gefchrieben wurde, heißt es: Vor paar Sahren wurde in der unmittelbaren Nähe

de3 vor ein von

Bangkok eine Tapioka-Plantage in ziemlich großem Map: jtabe angelegt und mit dem Bepflanzen der Anfang ge macht. Vor einigen Tagen teilte mir der Unternehmer mit, daß an eine Fortfegung der Kultur nicht zu denken jei, da die Plantage zu viel Diebjtählen bloß jtehe, welche in großartigem Maßſtabe unternommen werden und es zu fojtbar fein würde, fich gegen diefelben zu fichern. Da man viel Geld in die Unternehmung gejtedt hatte, welches vornehme Siamefen vorgefchoffen haben follen, ijt dies gewiß ein fprechender Beweis für die Zuftände im Lande, Wirkt auf der einen Seite die Gewalt mit, die Entwickel— ung niederzubalten, fo thut es nicht weniger auch die Frömmigs fett. Daß Siam jebt der Zentralpunft für den reinen Buddhismus ift, iſt befannt. Jeder Sohn einer ange: jehenen Familie muß ein Jahr in einem Kloſter zubringen; die Könige ſelbſt, die nach diefem Jahr aufs neue gekrönt tverden, bleiben an der Spitze des Gottesdienjtes und haben für das Wohlbefinden der zahlreichen Klöfter zu jorgen. Ihre Religion verurteilt die Mönche zur Uns thätigfeit, ein Urteil, dem fie fich, ihrer großen Zahl nad zu Schließen, gerne unteriverfen; aber für jeden diefer Müſſig— gänger find andere Hände befchäftigt zu ſäen und zu ernten

und ihn zu bedienen und alle diefe Hände tverden wiederum der Entwidelung des Landes entzogen. Kommen wir nun zur Verwaltung des Reiches, fo finden wir auch bier wieder Berhältniffe, welche es erflärlich machen, daß in dieſem Staate von Fortſchritt in mwirtjchaftlicher Beziehung feine Sprache fein fann. Einen Punkt, der bier von der größten Bedeutung iſt, haben wir oben bereits beiläufig erwähnt. Der Siamefe, der feinen Unterschied zwiſchen einem bezahlten Diener und einer Perſon macht, welche ſich durch Annahme von Geld in ein Schulbverhältnis begibt, kann

fi) nicht mit dem Gedanken vertraut machen, daß hohe Aemter mit Geld bezahlt werden, was übrigens auch feine Schiierigfeiten haben würde; daher wird er auf die Dienftleiftungen Höriger, um diefes Mort zu gebrauchen, angewieſen und fo Verteidiger des Syſtems. Weil nun die Untertbanen direkte Steuern nur in der Form von Dienftleiftungen entrichteten, war e3 nötig,

das bare Geld durch indirekte Steuern und Abgaben zu:

Bedingungen; diefelben jollen jedoch in der Praris nicht immer befolgt werden. Diefe indireften Abgaben oder vielmehr die Erträge der verfchiedenen Pachten fließen nur zum Teil in den Staatsſchatz, d. b. ſie kommen in die

Hände des erjten Königs, zum Teil fommen ſie aud) an die Großen, ‚welche hiedurch für manche Leiftungen und für ihre perfönlichen Dienfte entſchädigt werden. Beiſpiels— teile befommt

der Minister des Aeußern

Ausfuhrzöllen als Apanage,

wovon

100%, von den

er auch die Koften

der Duane beftreiten muß. Der alte Regent befommt für fih und zum Unterhalt feiner zahlreichen Familie 10%, von der Opiumpacht; der Präſident des höchſten Gerichtshofes erhält alle Gerichtsfoften, wofür er das Verfonal bezahlen muß; 100%, vom Ertrag der öffentlichen Häuſer werben verivendet, um Wege und Brüden im ftande zu halten ꝛc.

Allerdings ſteht fich die Börfe der Feudalherren gut dabei, wie ihre verſchwenderiſche Lebensweiſe und ihr Luxus beweiſt; aber es fehlt das Geld, um Bewäfferungsanlagen

herzuftellen,

um

Wege

und Kanäle

zu bauen

und die

Schiffahrt zu verbefjern. Diefes finanzielle Syitem, wenn man es jo nennen darf, führt dem Abgrund zu, es jaugt die Unterthbanen aus und füllt die Staatskaſſen nicht.

Durch

die Verpachtung

der Lizenzen iſt der Drud noch

vermehrt, der Bächter jucht möglichjt viel für ſich zu ge innen, der Staat die Pachtſumme immer höher hinaufzus

treiben, immer neue Abgaben zu entdeden.

Dadurch aber

geht die Kultur verfchiedener Produkte zurüd, Früher 3. B. war die Ausfuhr von Kofosöl bedeutend, jet muß man, troßdem überall Betroleum gebrannt wird, Del vom Ausland ber einführen. Der Grund diefer Erfcheinung

it, daß der Befiber von Kofosbäumen je nad) der Höhe des Baumes an einen Pächter Abgaben zahlen muß; an einen zweiten bezahlt er wieder Abgaben im Berbältnis zu der Zahl der geernteten Nüffe. Wenn er aus den:

jelben Del bereitet, kommt ein dritter Pächter, feinen Zins zu fordern und ein vierter erfcheint, ivenn der Befiter aus den Blattrippen

Beſen

madt.

So

iſt es auch mit andern

Artikeln, und der Neisbau, die wichtigfte Kultur des Lanz des, iſt im Rückgange begriffen. Auch die Befiser nehmen ihren Anteil von den Feldfrüchten. Er betrug etwa 1/io des Ertrages, war aber jehr veränderlich, bis es den Ver: tretern der europäiſchen Mächte glüdte, die Anwendung einer beſtimmten Regel, bei den wichtigſten Produkten wentgitens, des Handels wegen durchzufegen. Beinahe alle Pachten befinden ſich in den Händen der

Jammenzubringen, welche von allen möglichen Gegenständen erhoben werden. - Früher, vor etiva fünfzig Sahren, be fand fi) auch der ganze Handel in Yandesproduften in

Chinefen, welche hiedurch eine Macht geworden find, mit der die Regierung, namentlich auch der geheimen Geſell—

den Händen der Feudalberren, deren Erlaubnis die Kauf: leute erjt gewinnen mußten. Das ift allerdings anders

Ihaften wegen, welche in Siam guten Boden finden, fehr zu rechnen hat. Glücklicherweiſe bewirkt der Brotneid,

geworden.

traten

daß fie in Verpachtungsangelegenheiten nicht zuſammen—

an die Stelle der Abgabe, welche die fremden Händler bezahlt hatten und König und Herren entjchädigten fich durch andere Auflagen, welche fie verpachteten. Die Pacht:

Hölle und Abgaben

auf die Produkte

halten, font würde die finanzielle Lage des Staates manch—

mal vecht prefär fein. Seitdem ſich die Söhne des himm—

fontrafte enthalten allerdings allerlei menfchenfreundliche

werden auch hievon Abgaben

liſchen Reiches

mit

dem

Leiben

auf Pfänder

erhoben.

befafien,

Früher bildete

TED er a TE e E h e

509

Haus ımd Hof bei den Siebenbürger Sachen.

diefes Geſchäft eine Einnahmequelle

für die Frauen der

Großen und Reichen. Das ganze Einfommen des Staates ſchätzt man auf 63 Mil. Mk.; jedoch iſt diefe Zahl ebenfo, wie die, welche für die Ausgaben angegeben wird, fehr unficher. Wenn das Land nicht jo weit von der großen Heerftraße der

DOzeandampfer entfernt wäre, würde wahrfcheinlich einiger Aufſchwung infolge des immer zunehmenden Weltverfehrs bemerkbar fein. Jetzt aber ift dies nicht der Fall; im Gegenteil fann man eher von einem relativen Nüdjchritt ſprechen. Daß der Durchgrabung der Malaiifchen Halb: infel, ſollte ſie zuſtande fommen, in diefer Beziehung ein Umſchwung für Siam folgen wird, tft wahrjcheinlich. Ob man aber annehmen darf, daß derfelbe eintreten wird, folange die jetzigen Verhältnifje beſtehen und ob er nicht eine Spaltung des Neiches zur Folge haben würde, ijt eine Frage, die der Zukunft angehört, hier aber vielleicht wenig:

ſtens angeregt werden

darf.

Die Siameſen haben aller:

dings eine jehr große Meinung von fich ſelbſt. Daß fie ihre Unabhängigkeit behalten haben, fchreiben fie mehr

ihrer eigenen Bortrefflichkeit, als dem zufälligen Umstand zu, daß es hauptjächlich die Eiferfucht

exportiert. Alle anderen Zandbauprodufte blieben ftationär, nur bei Pfeffer zeigte fich eine Fleine Zunahme; auch die Ausfuhr von Teakholz nahm zu. Infolge der geringen

Neisproduftion ftanden viele Dampfmühlen ftill und euro: päifche Beſitzer juchten ihre Etabliffements an Chinefen zu veräußern. Im allgemeinen wird das Jahr 1882 als für den Handel jehr ungünftig bezeichnet und dem noch beigefügt, daß feine Ausficht auf Verbefjerung befteht. Faſſen wir das Vorhergehende furz zufammen, fo fehen wir hier ein reiches Yand mit einer in mancher Beziehung gut veranlagten Bevölkerung, welches durch ftarres Feſt— halten an Sitten und Gewohnheiten, die fich überlebt haben, jo weit gefommen iſt, daß es beinahe alle Bedeut-

ung im Weltverfehr verlor, troß des guten Willens feines Herrfchers, der es auf die Bahn

wollte

des Fortjchritts

lenken

Auch eine Wendung zum Befjern iſt nicht zu er-

warten, bis durch eine Ummwälzung irgendwelcher Art mit den bejtehenden Verhältniſſen recht gründlich gebrochen wird und ſich eine fräftige Hand findet, die guten Eigenichaften des Wolfes unter Benutzung der Vorteile, welche die Dertlichfeit bietet, auf beifere Wege zu führen.

zwischen England

und Frankreich ift, welche das Land ſchützt und fie thun dies, troßdem das Königreich früher ſowohl von Kam: bodiha als von Birma aus ſchon bedroht worden iſt und die Pläne Englands, von SHinterindien aus nach China vorzudringen, durchaus nicht verheimlicht werden.

Haus amd Hof bei den Siebenbürger Sadjfen.

ab.2 Man fieht alfo, daß die Zunahme eine ſehr unbedeutende ift. Der große Unterjchied in der Zahl der an—

„In feinen Wohnpläßen ſpiegelt fich des Volkes Geiit, jeine Gefchichte und jein Geſchick, fein Wirken und fein Streben, fein Berftand und Gemüt.” Dieſe Worte recht: fertigen den großen Wert, den die Hulturgefchichte auf die Betrachtung von Haus und Hof eines Volkes legt, fie mögen aud) die folgenden Zeilen rechtfertigen. Zur Ent: Iheidung der Frage, woher die Sachſen nach Siebenbürgen eingewandert find, wird auc die Kenntnis und der Ver: gleich ihrer Auffaſſung von Haus und Hof beitragen.

gekommenen und abgegangenen Schiffe kommt ausſchließlich

Die lebte Zeit hat hierüber bedeutfame Aufklärung gegeben,

auf Nechnung chineſiſcher Fahrzeuge. Der Flagge nad) fommt England in erjter Linie mit 223 und 223, dann

indem insbefonders Johann Wolff in feiner geiftvollen Art in der Arbeit: „Unfer Haus und Hof. Kulturgeichicht: liche Schilderungen aus Siebenbürgen. Sächſiſcher Hausfreund 1882” der Frage näher rüdte und nicht geringe

Betradhten wir zum Schluß den äußeren Verkehr des Landes,

wobei

wir einen

Vergleich

zwischen früher und

jeßt ziehen. Seit etwa 1854 begann der Außenhandel. 1864 famen 444 Schiffe mit 166,698 T. an und gingen 443 Schiffe mit 158,438. ab.! 1832 famen 559 Schiffe mit 203,924 T. an und gingen 453 Schiffe mit 196,653 T.

folgt China mit 151 und 33, Stam mit 86 und 94, Deutfchland mit 56 und 62 Schiffen. Es betrug: 13077921818:

18797

18807

2188171882

Mill. Doll. die Einfuhr: 5,9 die Ausfuhr: 8,2

5,8 90

BER

6,5 10,8

172

6,3 9,7

6,4 9,9

| 9,7

1.10.00816.3217168,

Die Frachten waren ungeheuer gedrüdt. Früher betrugen

fie 20 bis 25 Dollarzents, 1882 nur 7 bis 10 Dollarzents per Pickul nah Singapur. Die Ausfuhrabgabe beträgt 11%.

Es wurden

3 Mill, Pickul gegen

4 Mill.

1882

Nefultate gewann. Der folgenden Darlegung liegt in erfter Neihe diefe Arbeit zu grunde, Die Auffaffung des Haufes und Hofes hängt übrigens eng zufammen mit der Auffaffung des Eigentums an der Feldmark überhaupt, es ſpiegelt fich in ihr fo recht die Güter: und Pilichtenlehre des ſächſiſchen Volkes. Es tt

feine Frage, daß die Anfiedelungen der Sachſen dorfweiſe erfolgten, d.h. es ift die Beſiedelung nicht von einzelnen vorgenommen

worden,

Gemeinschaft Fam auf einmal und ließ fi) an einem be— stimmten Drte nieder.

1 Bon Scherzer, die K. K. öfterreichifche Erpedition nach In— dien, China, Siam ımd Japan. 2 Nach dem Jahresbericht der Donane, 1882, Ausland

1884, Nr. 26.

fondern eine größere oder Kleinere Eine folche Gruppe, die gleich von

Anfang an mehrere Dörfer bildete, betrachtete das Land in gewiſſem Umkreis ala gemeinfames Eigentum, als die „Mark“ und bildete eine Markgenoſſenſchaft. Aber jedes

78

Haus und Hof bei den Siebenbürger

510

Dorf für ſich bildete wieder in ähnlicher Weiſe eine Marl: genoſſenſchaft: die geſamte Dorfmark iſt freies Eigentum Das Erſte war nun, der Geſamtheit der Dorfbewohner. daß jeder Mann von dem beſetzten Gebiet, an das er als Glied der Gemeinſchaft ein Recht hatte, einen Teil erhielt und zwar zunächſt eine Hofſtelle, wo er ſich das Haus

baute und die Wirtſchaftsgebäude,

ſowie mit dem Sof

Sachſen.

Die Höfe und die damit verbundenen echte waren anfangs einander gleich; die gleiche Nechtsbefähigung aller Sachſen, der Genuß der gleichen Freiheit, das iſt Grund: fat, auf dem Sachjenboden geweſen. Eine folche Rechts:

gleichheit

fest immer

eine

gewiſſe VBermögenzgleichheit

voraus oder anders gejagt, wo fi) ein Unterichied des Vermögens herausbildet, da gebiert «v in der Negel au)

verbunden einige beftimmte Aeder, Wiefen u. ſ. f. auf dem Meichbild (Hattert genannt), daneben aber nod vom Gemeinland, das alle Jahre oder in regelmäßigen

Rechtsungleichheit.

Zwiſchenräumen ausgeteilt wurde. Urfprünglich überwog das Gemeinland jenes Privatland durchaus und bis in

Vermögen, die Ehre eines folchen verichafften ihm in der Gemeinde das Hannenamt (Öemeindevorjtand); war man mit ihm zufrieden, jo verlieh man das Amt auch dem Sohne. Dauerte das eine Zeit, jo war es natürlich, wenn fi) in dem Haus das Beftreben vegte, das Amt ſich erblich zu fihern und gewiſſe Beneftzien, die mit demjelben verbunden waren, ebenſo. Faſt jede füchfifche Gemeinde

die jüngjte Zeit herab, zum Teil noch heutigen Tages, teilte man im ſächſiſchen Dorf nad) dem Schritt des

„Hannen” (gewählter Dorfvorftand) das Gemeinland aus. Der Befit einer Hofitelle bedingte urfprünglich das Be: figrecht in der Feldmarf. So lange der Befiger der Hofitelle lebte oder erbfähige Nachkommen befaß, blieb die Hofitelle bei feiner Familie; aber in letzter Neihe war doc) aud) vor ihr die Gemeinde der Eigentümer. Starb das Haus aus, blieb der Hof „wüſt“, jo fiel er zurüd an die Ge meinde. „Die wüſten Höf“, fo Sprach die Lefchfircher Stuhlverfammlung noch 1715 und 1762, „müſſen dem Dorf als freie Erde folgfam fein.” Durch folchen Geſamtbeſitz follte das Bewußtſein der Zufammengebörig: feit, der Gleichheit lebendig erhalten und befeitigt werden, Aber nur der bebaute, nicht der „wüſte Hof“ gab ein Necht auf die Feldmark; das Klein-Schenfer-Statut von 1661 bejtimmte, daß mer feinen Hof verlaſſe, fein Necht haben jolle, das Land auf dem Hattert zu bauen, „Sondern felbe jollen der Gemein zum Bejten verbleiben.” Es ift ganz im Sinn jener Lebensauffaffung, wenn jeder zugleich

Pflichten zu erfüllen hat, der zur Gefamtheit gehört. Wer jeinen Hof aufgibt, der entzieht fich Laſten, er verliert damit das Necht, den anderen gleichgeftellt zu werden. Weder der Gemeinde, noch aber der nationalen Gefamtheit fonnte der Untergang eines Hofes gleichgültig fein, darum ſuchte man den Einzelnen im Befit desjelben zu fehirmen. Alle Beitimmungen diefer Art geben darauf hinaus, die

willkürliche Teilbarfeit des Grundes und feine Veräußerung zu erjchiweren. Bis heute iſt in einigen fächfifchen Ge: meinden der Grundſatz aufrecht erhalten worden, daß der Hof nur mit den dazu gehörigen „Hofländern”, nicht aber ohne dieſe verkauft werben dürfe. Das Wirtſchaftsſyſtem,

aus dem

diefer Zwang geboren wurde, ſah eben Ader,

Wiefe und Hof als ein Ganzes an, es wollte die Familie vor dem wirtſchaftlichen Untergange bewahren. Was für eine Bedeutung dem fächfischen Bauern der

Hof hatte und hat, das geht aus feinem Sprachſchatz hervor. Im Hof Schon iſt er im eigenen Frieden, nicht

Es konnte nicht ausbleiben, daß gevade

die Kühnften, die Unternehmendften zunächſt außerhalb des

Sachſenlandes Grundbefis ervarben.

Das Anjehen, das

des alten Sachjenlandes machte diefen Prozeß durch. Ueberall erhoben fich im 13. Sahrhunde t die Erbgrafen, welche die alte Gemeinfreiheit bedrohten, di: alte Rechtsgleichheit zu vernichten drohten.

Ihr Hof hatte ji) zu einem

bevechtigteren emporgefhiwungen, als die anderen. Da it es nun gewaltig zu fehen, wie überall der freie Bauer den Kampf mit dem Grafenhof aufnumt und überall, jei es mit Gewalt oder durch Vertrag, durch Kauf oder andere Mittel des Grafenhofes fich entledigte: damit ift die alte Freiheit und Gleichheit gerettet.

Aber nun fommt eine andere Not. Krieg, Naub und Lift dringen von allen Seiten auf das ſächſiſche Volk ein, die deutfchen Männer müſſen aufs neue denken, wie ie das deutiche Haus, den deutjchen Hof erhalten können. Sie verbieten vor allem, daß einem Fremden Hof: und Grundſtück verkauft werden follen. „Trifft es fich, daß

e r Be Y F

ein Fremder etivas erben foll, To fallen ihm die Mobilien zwar in Subftantia, die Häufer aber und Grundjtüde nur dem bloßen Wert nach zu.” Hier tritt nun der nationale Gedanke mehr in den Vordergrund. Schleicht ſich

der Nichtdeutfche in die ſächſiſche Gemeinde ein, kann er da gleichberechtigter

Genoſſe werden, jo ijt die nationale

Einigfeit dahin; dieſe zu erhalter, gilt als erſte Pflicht. Darum beißt e3 in der Hermannjtäbter Ordnung aus dem 16. Sahrhundert: „Dieweil die Einigkeit unferes Volks nächit Gottes Providenz die einzige Urſache ift, daß nad) fo vielen Staatsveränderungen unfere Nation gleichwohl noch jtehet, dagegen, da man uneinig geweſen, man nicht allein die Einigkeit des Glaubens verloren, fondern gar

von der Nation völlig hintveggeriffen worden, jo fol jedermann darob fein, daß feine undeutichen Nationsver— wandten als Razen, Walachen, Winden, Kroaten, Böhmen,

Da e SFE

erjt in feinem Haus; er geht auf den Pfarrhof, wenn er auch ins Pfarrhaus tritt; die Tochter oder der Sohn hewatet auf einen reichen oder armen Hof, nicht in ein

Spanier, Franzofen, Wälfche, Polaken, Ungar, Mosko— witen u. dgl. zum Bürgerrecht gelaffen werden...” Und im jelben Sinne feste die Mühlbächer Stuhlsverfammlung 1579 feit, daß niemand Häufer, Wieſenerb, Aderland,

r M Ae

veihes oder armes Haus u. ſ.f.

Meingärten, Gärten und Hofftellen an Fremde verkaufen,

all

Haus und Hof bei den Siebenbürger Sadjen.

verjegen, verjchenfen oder verivechjeln dürfe. Allerdings fonnte man es nicht ganz verhindern. In den 300 Jahren fortwährenden Krieges und da die Türken die Herren des Landes waren (1421 bis 1711) drangen fremde Volf3: elemente in die verwüſteten Dörfer und ließen fich nieder.

Ein Wunder dauerte;

wars, dab das fächfishe Haus überhaupt

Außerli

war

es hundertmal

zerjtört worden,

innerlic) dauerte es und erſtand aufs neue. Wie das fähfishe Haus in den erften Jahrhunderten ausgejehen, läßt ſich mit Sicherheit nicht einmal fehließen.

Erhalten hat fich natürlich feines. Der Sprachgebraud) und alte Drtsbeliebungen kennen nach der Bauart und dem Materiale folgende Häufer: gerigelt, wenn die Wände aus Nuten geflochten find; geitachelt, wenn das hölzerne Haus mit Heinen Holzkeulchen verfehen ift; geftimpelt, wenn der erite Stod, das Parterre überragend, das darum

nicht bis an die. Gafje reicht, auf Bogen vefp. Pfeilern oder Säulen ruht, die urfprünglich ficher aus Holz waren, (in Hermannftadt iſt jebt noch ein Teil des „Keinen Rings” mit folchen geftimpelten Häuſern befeßt, Intereſſant it, daß die Erde unter dem „Geſtümpel“ nicht Privat: eigentum tft, fondern „freie oder gemeine Erde’); gejchloän

(gejhlagen),

wenn

der Fußboden

bejteht (9; bilän, wenn

aus gejtampfter Erde

das Haus aus Bohlen aus Hol;

gebaut it; jtenerän und zägelän, wenn es aus Steinen und Ziegeln ift. (Vergleiche „Korreſpondenzblatt des Vereins für fiebenbürgifche Landesfunde”.

1881. ©. 127).

Es iſt gar fein Zweifel, daß das ältefte ſächſiſche Haus aus Holz war. Den einzigen ebenerdigen Wohnraum umfchloffen vier Wände aus Ho. Die Wandfelder waren ausgefüllt durch lehmbeivorfenes Flechtwerk oder fie waren

gebildet durch wagrecht aufeinander gefchichtete Ballen. Die Riegelwand iſt älter als die Blodiwand; der letteren jtellte ji unter anderem auch die Abnahme des Waldes entgegen. In Groß-Schenk wurde 1769 einmütig be= Ichlofjen, „daß von nun an niemand mehr nach der alten

ihädlichen Gewohnheit von Holz, wo Baum auf Baum gelegt wird, fondern entiveder mit Ziegel und Steinen oder aber von Holz nur eingebunden und die Wände ge: zäunt, fein Haus bauen foll, weil die Waldungen fehr ſtark abgenommen haben.” Ueber dem Haus breitete fich

in Deutjchland

verhältnismäßig

ſpät auf, in Weftfalen

kaum vor 1500, in Frankfurt nicht vor dem 14. Jahr— hundert. Wolff weiſt (Sorrefpondenzblatt des Vereins für fiebenbürgifche Landeskunde, 1878, ©. 57) darauf bin, daß die ſächſiſche Bezeichnung des Rauchfanges, Kip, Käp, jich jonft nirgends finde und leitet das Wort ab von Kiepe,

Korb,

wobei der Zufammenhang

dann! der wäre, daf;

die ältejten Nauchfänge, was noch heute übrigens vorkommt, nichts anderes geweſen, als lange, grobgeflochtene Körbe.

Aus diefer Bezeichnung, die ſich jo, wie gejagt, nirgends findet, läßt ſich allerdings fchließen, daß die Einivanderer nur das Rauchloch Fannten, dur) das der Rauch zunächit

auf den Dachboden, dann durch die Lucken und Spalten hinausging. Wann das Stein und Ziegelhaus den Holzbau verdrängte, iſt ſchwer zu jagen; es wird auch nicht in jedem ſächſiſchen Dorf zu gleicher Zeit gefchehen fein. Die Dörfer an der Heeritraße, wo der Feind faſt alljährlich den Boden zeritampfte, famen jedenfalls früher dazu, als das Dörfchen im abgelegenen Seitenthal. Im 15. Jahrhun— dert kommen die Namen Maurer und Morterrurer (Mörtel: rührer), Biegler, häufig vor, doch ging jene Verdräng: ung feinesfalls raſch. Noch 1546 befchloß der Hermanns ſtädter Nat, es dürften die Pfarrherren in der Stadt feine jteinernen Häufer kaufen, fondern blos hölzerne, die fie

dann zur Zierde der Stadt von Steinen erbauen Sollten. Die Hermannftädter Schule ſcheint noch am Anfang des 17. Sahrhunderts mit Stroh gededt geweſen zu fein. Als das Steinhaus gebaut wurde, zeigte es von Ans

fang an, daß fich der Erbauer nicht blos eine kleine Burg hatte Schaffen wollen, jondern, daß es auch dem Bedürfnis nach Schmud zu genügen ſuchte. Die Steinfäuldhen in den Fenftern, wie der Schmud am Thor find die Denk—

zeichen desfelben Bedürfniffes. Auch das Steinhaus be= hielt zunächft den alten Grundriß bei. Die vier Wände umgeben den Wohnraum, doch find die Fenſter hoch über der Erde; die Höhe ift überhaupt das Kennzeichen des ſächſiſchen Haufes im Vergleich zu den andern im Lande. Hoch ftrebt der dreiedige Giebel, den das ſächſiſche Haus itet3 der Gaſſe zukehrt. Faſt am Haufe jteht das Thor, es ift hoch gewölbt; das fteinerne Thor mit dem Bogen

gönnt fich jeder, der es fann.

An der Langfeite im Hof

das mächtige Strobdad) aus; noch 1774 ſchreiben die Ugnethler, „dab die mehriten Abgebrannten anftatt fich die Dachſtühle machen und mit Stroh, ie die Schuldigfeit iſt, deden zu laſſen, es fait alle zu Ziegeldächern gebracht hätten.” Es wird kaum angehen, anzunehmen, daß Dad): und Hausraum ungefchteden gewefen feien. Darauf würde zivar die Benennung des Aufbodens mit Hemmels deuten (beim Ulemannen Himlezzi); dagegen ſpricht aber, daß das „Ge: binn“ (Gebühne), das Gebälk, das beide fcheidet, am Nhein und in Siebenbürgen genau diefelbe Bedeutung hat; die

fie die ganze Wirtfchaft, befonders wenn der Mann

auswandernden Koloniiten des 12. Jahrhunderts müfjen mit dem Wort auch die Sache mitgenommen haben.

dem Felde war oder gar die Heerfahrt mitmachte: eine notwendige Auffiht. Zu diefem Wohnraum trat päter

Be

Ob fie den Rauchfang auch mitgenommen?

Er tritt

lief der Umlauf, de Lif, entlang, auf ftarken, in das Haus eingemauerten, weit vorftehenden Balken rubend, von wo der Hausherr den ganzen Hof und das Treiben der Söhne

und Knechte überfah. Der ältefte Eingang jheint durd) eine Thüre von rückwärts in das Haus geführt zu haben. In diefem Haus ftand der Herd; hier wirtſchaftete die Frau und ftand die Thüre offen, was außer im ftrengiten Winter das ganze Jahr hindurch gefchah, Jo überfah aud)

auf

noch ein Anbau, eine Stube, (Zimmer kennt der ſächſiſche

512

Haus und Hof bei den Siebenbürger Sachjen.

Dialekt nicht); aber es iſt bezeichnend, daß Hauſes am alten Wohnraum hängen blieb, ſiſche Bauer noch als Haus der Stube, überſtellt. Eine intereſſante Umwandlung erfuhr

der Umlauf, de Lif.

der Name des den der ſäch— Stuw, gegen—

Leben ganz anders gejtaltet hat als jenem.

Der eine ift

eben im befriedeten Heim bei feiner Sippe geblieben, der

andere in die feindliche Fremde gezogen; der eine hat

mit der Zeit

des Vaters Erbe unter Pflug und Sichel genommen, der andere fein Feldloos mit Feuerbrand und Schwert erobert,

Als an Stelle des hölzernen Um—

Sener bat zu Zeiten des Lebens Ungemach erfahren, diefer

jahraus, jahrein die grimme Not zum Gefährten gehabt. laufes der gemauerte getreten war, da mußte man von Nenn niemand anders davon zeugen wollte, die Käufer ſelbſt auf den Gedanken kommen, die eine Seitenmauer würden es thun. etwas höher zu bauen, dann hatte man noch ein Stübchen Es geht durch die ſächſiſchen Dörfer ein Grundzug am Hauſe. Und es iſt gar keine Frage, daß das Stübchen neben dem Haus dieſer Umwandlung des Umlaufs ſeine hindurch. Wer je ein fächfifches Dorf geſehen hat, er= Entſtehung verdankt. Wo nicht das Stübchen daraus ge— fennt fofort beim eriten Blid das zweite. Worin das worden iſt, da hat ſich derſelbe beträchtlich verkürzt und Typiſche bejtebt, it im vorjtehenden angedeutet worden. iſt zu einem gedeckten Aufgang und Vorplatz des Flurs Die Dorfanlage, wie die Haus: und Hofform, iſt durchaus geworden, der jetzt noch de Lif heißt. Dieſer Umlauf iſt . fränfifh. Das Haus bildet ein langgeitredtes Nechted, übrigens nichts anderes als der Laubengang des alt— it hochgebaut, die ſchmale Giebelfeite ift der Gaſſe zus deutſchen Palaſtes. Alwin Schultz erzählt, daß man bei gekehrt, das Thor ift in der Negel gemauert, der Bogen boch getrieben, überall it neben dem Thorweg die näher dieſem nicht direkt inden Saal trat, ſondern zunächſt in einen langen Korridor, der nach außen hin durch Fenſter am Mohnhaus gelegene kleinere Thüre für den Fußgänger, geöffnet iſt, ſich ander Langſeite des Gebäudes hinzieht die Wirtichaftsgebäude find von den Wohngebäuden gez trennt. Mllerdings tjt fein ſächſiſches Haus dem anderen und von dem aus Thüren in die verſchiedenen Räumlich— völlig gleih. Naturgemäß ftrebt der einzelne Menfch feinem keiten führen. Dieſer Korridor iſt die oft erwähnte Liewe oder Laube, eine offene Halle, Loggia, in der die Burg— Haus einen eigenen Charakter aufzudrüden, aber der ge herrſchaft an ſchönen Sommertagen ſich aufhielt und ſpeiſte. meinfame Grundzug läßt fih nicht leugnen. Was hier Ganz ſo wird die Laube aus Rätſch, einem ſächſiſchen als ſolcher dargejtellt wurde, gilt übrigens nur für die Dorf im Unterwald, geſchildert. Hier iſt die Laube 12 m, jächfischen Dörfer der alten Hermannftädter Provinz; für lang, das ganze Haus 16 m,, und 3 m, breit, Der das Nösnerland, Biſtritz, nicht und für das Burzenland Fußboden der Laube ruht auf jtarken Eifenbalfen. Sie nur zum Teil. Aber auch dort ift es ein Kennzeichen des erhebt fih ungefähr 2 m. über der Erde. Neun bis zwölf ſächſiſchen Haufes, daß es nad) außen fchlicht und einfach) Treppen führen von rüdwärts aus dem Hof auf fie hinauf, it, nicht viel Schmud und Zierrat zur Schau trägt. Es Beide Seitenmauern geben von der Erde bis zum Dad). it eben auch darin ein Spiegelbild des ſächſiſchen Weſens. Bon der Laube zeigen zwei Fenſter ohne Fenfterftöce und tüchtern weiß angeftrichen, felten find bunte Farben ver: Glas gegen den Hof, mitunter eines gegen die Gaſſe. tvendet, entfpricht es der Nüchternheit des Volfes, das In derſelben befindet fich ein großer, unangeftrichener ernjt und bedächtig geworden ift im ſchweren Ningen feiner Tisch und mehrere Bänke für die Arbeiter und das Ge: Vergangenheit. Aber der tiefe Kern der Nüchternheit ift finde; doch nicht felten |peift auch der Hausherr mit feiner der alle Verfuhung und alle Schläge überdauernde Ernft. Familie hier. — Zum Kennzeichen des fächfifschen Haufes Selbitverftändlih galt der alte deutfche Grundſatz gehörte noch vor allem der Spruch am Giebel desfelben. auch beim Sachſen, da das Haus ein Heiligtum und der Die Hausinſchriften find ein wunderbarer Schat des Volfes, Beſitzer in demſelben unverleglich jei. Im Sabre 1353 in dem Sich feine Zebensauffaffung, was es gelebt, gelitten bejtätigte König Ludwig den Burzenländern die alte Ge: und im Herzen erfahren, gar ſchön wiederſpiegelt. Wir wohnheit, daß der Königsgraf nicht in das Haus des verweilen bier einfach auf die Sammlung derjelben von Mörders eindringen und deſſen Habe wegnehmen Fünne, Heltrich, die joeben mit den „Kleinen Schriften” dieſes es fer denn, die Bolksgemeinde habe den Thäter geächtet. Forſchers, von Joh. Wolff bearbeitet, in neuem Drud So bejtimmte noch das Eigenlandrecht von 1583, „rufet herausgegeben werden, Wien, C. Gräfer. Die alten Zeichen einer den anderen aus eigenem oder frembem Haus zum am ſächſiſchen Haus, der Weinftod, der Pflug, die Art Kampf und Schlagen heraus, er begeht daran eine Gewalt, und jonjtige Hausmarken, die früher gebräuchlich waren, welcher halben er auf 20 Gulden foll geitraft werden”, find leider allmählich verſchwunden. im Vergleich zu anderen Strafſätzen desfelben Geſetzes Bor einigen Jahren ſchrieb Profeſſor Natel in ber „Kölniſchen Zeitung”, die behäbigen ſächſiſchen Häufer er: innerten an die Bauart des pfälzischen Bauernhofes, And thatſächlich ähneln fich Nheinländer und Siebenbürger wie Brüder; nur, nach Wolffs ſchönem Wort, am Tonfall der Nede glaubt man zu erkennen, wie fich diefem das

eine jehr hohe Buße.

Und dasfelbe Eigenlandrecht erteilt

dem, der für Schmähreden herausgefordert wird, den guten

Nat, ſich aus feinem Haufe nicht herausloden zu laffen, denn in feinem Haus fünne er durch niemanden verunehrt werden, Noch im 17. Jahrhundert drohen die Artikel dem Sefellen mit der Bank und Stodjchlägen, wenn er

|

Das Ende der brafilianiichen Sklaverei. über den Zaun in den Hof des Meifters ftieg und den Frieden alfo brach. Die Nachbarfchaftsartifel in ver: ſchiedenen Dörfern legen noch heute eine ſchwere Buße

auf für die Frau, die in den Nachbarhof hinüberfchmäht,

913

Schirm des deutfchen Volkstums im Lande. Der leidvolle Kampf für dasjelbe, der als voter Faden durch die Ge: Ihichte dev Sachſen hindurch geht, bat an ihm heute nod) jeine feite Burg.

dr. Teutſch.

oder die Nachbarin durch oder über den Hofzaun fchilt. Die Heiligkeit des Hauſes follte eben eine unverleßliche jein. In ähnlicher Weife find die füchfifchen Burgen bes

friedet geweſen.

Darum verlor die Hand,

wer innerhalb

der Burg in Schäßburg das Schwert entblöfte, das Leben,

wer einen anderen

bis aufs Blut

Das Ende der benfilinifhen Sklaverei.

verivundete und nad)

Bon Oskar

einem Weistum des 17. Jahrhunderts verliert das Haupt,

mer dur) ein Stadtthor oder durch ein Wafferloch Friecht oder über die Stadtmauer fteigt. Länger als das gewöhnliche Wohnhaus hat der Pfarr: hof und die Kirche das Aſylrecht beſeſſen. Wer fich dorthin flüchtete, durfte ohne Einwilligung des Pfarrers nicht gefangen genommen werden. Erſt unter Sofef IL erloſch

dies Necht. Dem fähfifhen Bauern gilt fein Haus über alles; wer Feines hat, fucht, daß er fich eines erwirbt. Mit deutjcher Zähigkeit und Innigfeit hängt er am Haufe und ohne zwingende Gründe verläßt er es nicht. Manchem

Scheidenden hat das Heimweh Glück und Leben verdorben. Darum baut der Sachſe gern. Das Sprichwort im Land

Canftatt.

Das denkwürdige Jahr 1871, dem Deutfchland vor allem feine nationale Wiedergeburt verdankt, ift auch für andere Völker und Staaten ein beveutfamer Wendepunft ihrer hiſtoriſchen Fortenttvidelung getvefen. Und nicht an legter Stelle gilt dies von dem mehr und mehr bei den

jest jo ernftlich unternommenen Berfuchen einer praftifchen Löſung der wichtigen deutschen Kolonifationsfrage in den Vordergrund getretenen brafilianifchen Kaiferreich. Es war am 28. September 1871, als man auf dem Wege der Geſetzgebung dortjelbft die durch die Macht der Umſtände bereit3 in den erſten Kolonialzeiten Brafilieng dem Lande aufgedrungene Sklavenwirtſchaft ernftlich zu bejeitigen trachtete und als man verfündete, in Brafilien werden fortan Feine Sklaven mehr geboren werden, nad):

Ipottet über ihn: „Wenn der Sachſe nichts zu thun hat, veißt er fein Haus nieder und baut es tvieder auf.” Diefe

dem die Zufuhr der ſchwarzen Menfchenwware

Bauluft hat ihren guten Grund. Die anftrengende und mühevolle Verbefferung des Hauſes kräftigt und bewahrt

4. September 1850 aufgehört hatte. Zugleich erklärte das Geſetz vom Jahre 1871 alle an dem Tage der Gefebes-

bereits

am

befjer al3 bequemes Begnügen mit dem ererbten Beſitz.

publifation dem Staate felbjt noch gehörenden Sklaven

Es ift natürlich, daß bei der Bedeutung von Haus und Hof eine Menge finniger und fchöner Bräuche mit ihnen in Verbindung ſtehen. In Rod führt der Bräuti-

für frei.

gam die Braut gerade auf dem Thürpfahl feinen Eltern vor, in Sohannisdorf werden der Bräutigam und die Braut nad) vollzogener Trauung auf der Hausfchwelle an

den Händen

zufammengebunden,

wo fie ein Glas Wein

und Brot gemeinfam genießen, und andern Orts werden

der angetrauten Braut auf der Schwelle goldene Korn: förner in den Borten gegoffen. Die Thüre ift eben der Eingang zu einem Heiligtum, das man zwieträchtig nicht

befchreiten darf; die Thürfchtvelle befist manche heilfame Kraft: fie befreit die Wöchnerin, die fich verfah, von ihrem Gebrechen, ein Span aus ihrem Holz beilt das berufene Kind. An manchen Drten führt der Bräutigam die an: gelobte Braut nad) dem Kirchgang dreimal um den häus: lichen Herd, in Rätſch trägt man beim Eingang ins neue Haus Brot und Salz voraus, mit Brot und Salz em: pfängt man die werteften Gäfte auf der Thürſchwelle;

noch

jegen fie in manchem Bauernhaus Abend für Abend der Hausichlange einen Teller Milch bin, daß fie das Haus vor allem Unglüf und vor Feuer beivahre und bringen danfend dem jchirmenden und fegnenden Hausgeift ihr Opfer dar. Heute ift dieſes deutfche Haus zugleich faft der einzige

Dreiszehn Sahre find ſeit dieſem wichtigen Akte ver: floffen, da erhalten wir abermals eine hocherfreuliche Nach: richt über Brafiliens kulturelle Fortfchritte: Am 25. März diefes Jahres nämlich find in der Provinz Cearä die legten Sklaven mit der Freiheit beſchenkt worden und jene Provinz ift ſomit die erſte Brafiliens, welche thatfächlich der Sklaverei ein Ende gemacht hat. Im Hinblid darauf verlohnt es ſich wohl, jener Yandesinftitution, die allge mach mit dem Wachstum unferer Kenntniffe, mit der Aus: breitung menschlicher Gefittung und Bildung aus dem Leben aller Völker ebenjo naturnotivendig ſchwinden muß, wie fie einft als notwendiges Uebel geboten jchien, einige Betrachtungen zu widmen. Das glückliche erſte größere Nejultat der Sklaven—

befreiungsarbeit in Brafilien, dem wir uns mit der Kunde aus Cears gegenübergeitellt fehen, iſt um jo anerfennenswerter, als jene Provinz feinesivegs zu den ſklavenärmſten unter den 21 brafilianischen Provinzen gehörte und noch) im Sahre 1876 deren bei einer Gefamtbevölferung von 721,686 Seelen 31,913 zählte. Auch kann ſich Geara

nicht einmal einer auffällig gebildeteren Bevölkerung wie die anderen Zandesteile

rühmen, die e3 allenfalls erklär—

licher machen fünnte, daß eine humane Gefinnung daſelbſt vorwaltet.

Gerade

dort 3. B., wo das deutſche Element

Das Ende der brafilianiichen Sklaverei.

514

den größten Einfluß übt, in der Provinz Rio Grande do Sul, deren Einwohnerfhaft auf 430,878 Perfonen und darunter 66,876 Sklaven 1876 veranfchlagt wurde, exijtieren

heute noch 62,138 Sklaven. Der Augenblid, in welchem Brafilien ganz und für immer aus der Reihe der ſklaven— haltenden Staaten ansjcheidet, liegt ſonach noch in jehr weiter Ferne, es müßte denn fein, daß die Sterblichkeit unter den unfreien Negern einmal befonders große Dimen— fionen annehmen würde. Vorausgeſetzt, daß eine amtliche Schätung neueren Datums annähernd richtig ift, jo be—

trägt nämlich die Totalbevölferung des Reiches 12 Millionen Einwohner. Bon diefen waren 1 Million wilde Indianer, 1,476,567 Sflaven. Sollte nun die Sflavenbefreiung, abgejehen von der erfreulichen Lage Gears, in fämtlichen Provinzen gleichen Schritt, etwa nad) dem Maße des Vor: gehens in Rio Grande do Sul, halten, fo fänden im

Durchſchnitt

jährlich

doch nur 13,076 Sklaven in ganz

Brafilien die Freiheit und dürfte die wärtig immerhin noch 1,371,956 tragen. Allerdings darf man nicht das Schwinden der Sklaverei in

Maſſe derjelben gegen: mehr oder weniger be außer Acht laſſen, daß fteigender Progreſſion

währende Steigen der Sklavenmarktpreife

in den lebten

Sahren. Sein Kursblatt findet er ja tagtäglich in den Spalten

faft einer jeden brafilianifchen Zeitung, die bei all dem mit Anzeigen von Verfäufen und Kaufluftigen aufs reich— lichite gefüllt zu fein pflegen.

Unter der Rubrik „Zu ber:

faufen” finden fih da Anzeigen über männliche Sklaven, Schweine, Sflavenfinder, Kühe, Pianos, farbige Weiber, Häufer ze. in einem

wunderlichen

Mert der Schwarzen

Menfchenivare

Durcheinander.

aber mag

Der

jeit der

GEmanzipationsverordnung etwa um das Zehnfache geftiegen

fein. Die Sklaven werden bei folchem Preisanſatz in fünf Sorten geteilt; als beſte Sorte gelten die männlichen Kreolen, d.h. die im Lande geborenen Neger, die ein Handwerk verjtehen, al3 die geringfte Sorte die afrikaniſchen Weiber, die Feines verftehen. Der höchjte Preis für einen Kreolen ohne Kenntniffe feheint noch im Anfange des

Sahres 1875 nah Aufzeichnungen des Konſuls Morgan 75 Pf. St. und der niedrigfte 60 Pf. St. geweſen zu fein, Afrikaner tvaren zu 60 bis 90 Pf. St. zu haben. Sechs Monate nachher war der Kurs ſchon bedeutend geitiegen; ein Kreole, der zu 60 Pf. St. verfauft worden war, galt

nicht

jeßt beveit3 75 Pf. St. und der niedrigfte Preis eines

früher abjolut benötigt iſt, alfo

Afrifaners (Preto bruto) war 90 Pf. St., hatte fomit um 50%,

ohne allzugroße materielle Berlufte den Abolitioniften immer

aufgefchlagen. Kreolen gingen ſchließlich derartig in die Höhe, daß ſowohl für männliche wie weibliche von einigen

ftattfindet,

da man

mehr in dem Maße

der Sflavenarbeit

einesteils wie

größere Zugeftändnifje machen kann, andernteils es dem alternden und naturgemäß jährlich mehr abjterbenden Skaven— Itand an lebendigem Nachwuchs fehlt. Die Herbeiführung der Sklavenbefreiung wird übrigens befanntlih neben dem feit 1871 gejeßlichen Freierflären der von Sklaven geborenen Kinder auch durch das aller: dings nur fehr allmählich zum Ziele führende Mittel der

Losfaufung mit jtaatlihen wie Privatfonds bewirkt. Das erwähnte

Geſetz jelbjt hatte jchon zum

Privatbeſitz

befindlichen

Sklaven

Belten

der

die Gründung

in

eines

Käufern 120 Pf. St. gezahlt wurden.

Die Sflaven in Brafilien wurden und werden im allge meinen

übrigens, mit Ausnahme vereinzelter

menschlich behandelt.

Fälle, ganz

Sie wohnen durchgängig in feiten

Hütten, werden gut genährt und nicht eben übermäßig angeltrengt. Eine wefentliche Erleichterung ihres immerhin ſchweren Joches befteht in dem Umſtand, daß den Sklaven

ziemlich allgemein fogar die Möglichkeit gegeben ift, zu einem Heinen Privateigentum zu gelangen. Cinmal bleibt

jolchen Fonds angeordnet, dejjen Einnahmen gleich in den eriten fünf Sahren feines Beltehens die Summe von 9,219,800 ME. ergaben. Rechnet man zu diefer Summe die in den Provinzialbudgets jtändig für den Freifauf

der Plantagenneger den Sonntag über von jeder Arbeit frei und was er an diefem Tage erwirbt, ift fein. Oder dem Fleiß wird noch ein Meiterer Spielraum eröffnet;

von

der Herr feinen Sklaven nur die Kleidung, aber feine tahrung; dafür hatte jede Familie neben ihrem Häuschen ihr eigenes Feld und außer den Sonn- und Feittagen auch

Sklaven

ausgeworfenen

Poſten, fowie die reichlich

fließenden freiwilligen Beiträge, welche die Bewohner Brafiliens unter fich bei den verfchiedenften Beranlafjungen jammeln, erwägt man ferner die nicht jelten teftamentarifch verfügte Loslafjung von Sklaven und die Sorge für das Wohlergehen der plößlich in den Genuß der Freiheit

geſetzten Neger, jo muß man immerhin anerkennen, daß jeiten3 der brafilianifchen Nation alles gejchieht, was nur ohne Gefahr für die öffentliche Sicherheit und ohne Ein— griff in das dur die Verfaſſung gewährleiftete Privat— vermögen vom Standpunkte der Humanität aus zur

glüdlihen

Löfung

der Sflavenbefreiungsfrage

früher wenigftens, auf einzelnen großen Plantagen, veichte

den Sonnabend für ſich; dazu kam manche Freijtunde, denn auf reichen Befitungen war die Feldarbeit niemals überhäuft und meift dem Einzelnen nur eine bejtimmte mäßige Aufgabe geitellt. Dder, zumal in den Städten und deren Umgebung, mietet der Neger feine Zeit von jeinem Herrn; er darf dann frei feinem Erwerb nachgehen

und hat nur bei Strafe täglich oder wöchentlich eine ber ſtimmte Summe abzuliefern. Was er darüber verdient, -

gefchehen

gehört ihm. Diejes Privateigentum des Sklaven tft, wenn

Bon manchem Pflanzer allerdings wird dieſelbe nicht anders als eine große Handelsfalamität aufgefaßt und mit

auch nicht durch Geſetz, Doch durch die Sitte gegen jeden Uebergriff feines Leibherrn gefhüst und er darf damit machen, was er ill; meift wird es wohl in unnüßen Lurusartifeln, im Trunf. und am häufigiten im Spiel ver:

fonnte.

Zittern und Zagen verfolgt er das leicht erflärliche, immer:

a

Die Ureinwohner und die Chinefen in den auftralifchen Kolonien und insbefondere in PBiftoria.

jchleudert, aber mancher part auch ſorgſam Milreis auf Milreis zufammen zum Löfegeld für feine Freiheit. Die lettere wurde

öfters auch durch befondere Ver:

dienjte der Sklaven erivorben. Sp war eg noch vor Jahren | Sitte, eine Sklavin freizulaffen, wenn fie zehn Kinder aufgezogen hatte; auf diefelbe Belohnung hatte der Sklave An: ſpruch, welcher fich in den Gold- oder Diamantenwäfchereien durch einen außergewöhnlich reichen Fund bervorgethan hatte, Weiter: Wenn bei der Taufe eines Sklavenkindes früher

irgend ein Anivefender 20 Milreis Löfegeld für den Täufling bot, jo tar der Herr gehalten, das Gebot anzu: nehmen. Und diejes Vorrecht ift vielfach von freien Leuten

wurden, würden fie fich ſchwer gekränkt fühlen, wenn Brafilien bei dem Austrage der Sklavenbefreiungsfrage zugleich mit dem gefamten Stande feiner ſchwarzen Unter:

thanen mit den Worten abrechnete: „Der Mohr hat feine Arbeit gethan, der Mohr Fanıı geben.“

Die Hreinwohner und die Chinefen in den auftraliſchen Kolonien und inshefondere in Diktoria. Bon Emil

benußt worden, um ihren natürlichen Kindern die Freiheit zu verichaffen.

Einwohnern von Maranhäv und Barä nur haften geblieben. Ein Verkauf dahin war für den Sklaven der Südprovinzen die wirkſamſte Drohung, die härtefte Strafe. Heutzutage würde e3 ſelbſt dort jedoch ein Pflanzer ſchwerlich wagen, ih an jeinem Sklaven anders als durch die üblichen

Züchtigungen mittelft Peitſche, Handfchlägel oder Nute zu vergreifen. Dabei beſteht in ganz Brafilien die fchöne Sitte, daß, wenn ein Sklave irgend eine Strafe verwirkt hat, jeder freie Mann, fei es ein alter Befannter des Haufes, jei es der erjte beite Vorübergehende, fich zu feinem Fürſprecher aufiverfen darf und eine folche Bitte um Gnade für den Strafbaren wird der Eigentümer faft niemals

abſchlagen;

er würde

fich eines

ſchweren Mangels an

guter Lebensart, einer Beleidigung gegen den freundlichen

Fürſprecher ſchuldig machen. Bei alledem richtet ſich die Behandlung der einzelnen

Sklaven ganz außerordentlich nach den Umſtänden und dem Beſitzer. Der Sklave des Großgrundbeſitzers iſt in der Regel beſſer daran,

als der des kleinen Mannes, welcher

aus dem wertvollen Menſchenbeſitztum immer

möglich

an

Verdienſt

ſo viel als nur

herauszuſchlagen

trachtet.

Gleichwohl halte ich es für ſehr unwahrscheinlich, daß „Onkel Toms Hütte“ in Braſilien etwa ſeine Entſtehung hätte finden können, da unbeſtreitbar der Neger Braſiliens

in dem romaniſchen Herrn einen bei weitem milderen Ge— bieter fand, als ſein Stammesbruder an dem Anglo— germanen in Nordamerika. Von Sklavenaufſtänden, die

gerade bei dem ſtarken Aſſoziationstrieb der braſilianiſchen Schwarzen und der ungeſtörten Pflege ihrer Stammes: verbindungen mit dem heimatlichen Afrika ein Leichtes fein würden, weiß deshalb auch die Zandesgefchichte fo gut ie nichts zu erzählen. Die Farbigen fühlten fi) vielmehr von jeher ſchnell als Brafilianer und vollends nach ihrer Teil-

nahme an den Stegen des paraguayanifchen Feldzuges, die in erfter Linie ja mit dem Blute Schwarzer Soldaten erfämpft

Mayr.

J.

Die Handhabung der Strafmittel gegen die Sklaven war von jeher nach Zeit und Provinz eine ſehr wechſelnde. In früheren Zeiten waren die brafilianifchen Pflanzer jamt und fonders megen ihrer maßlofen Graufamfeit verrufen; ſpäter iſt diefer Vorwurf wenigſtens auf den

55

Die Ureinwohner.

Das erſt Ende 1883 vollſtändig publizierte Zenſus— wert von Biltoria 1881 (3. April) gibt über die Ureinwohner Auftraliens folgende Zufammenftellung: Kolonie. Perſonen. Männlich. Weiblich. Viktoria 780 460 320 Neu-⸗Südwales 1643 938 705 Queensland

20,585

10,719

9866

6346

3478

2868

Südauſtralien

Weſtauſtralien

2346

1640

706

Summe

31,700 — 44,097

19235 — 24,368

14,465 — 19,729

Sefamtfumme

75,797

41,603

34,194

Tasmanien Neuſeeland

Zu diejer Tabelle iſt jedoch folgendes zu bemerken: Die Zählung der Eingeborenen in allen auftralifchen Kolonien iſt nur als unvollftändig zu betrachten. In Viktoria wurden 780 gegen 1330 des le&ten Zenfus (1871) gezählt und wahrſcheinlich ift diefe Zahl zu niedrig; allein mit hinlänglicher Gewißheit iſt anzunehmen, daß gegentärtig feine 1000 Eingeborenen in der Kolonie leben. In Neu-Südwales

find nur die zivilifierten Eingeborenen gezählt. Für Dueensland iſt die Zahl größtenteil3 von den Beamten der Polizei— behörde gejchäßt, und zwar, wie der Negijtrar- General diefer Kolonie glaubt, zu niedrig; denn in den nördlichen

Diftrikten find die

Eingeborenen

verhältnismäßig

ehr

zahlreich, und Leute, die im Cook- und Palmer-Diſtrikte leben, haben ihre Zahl in Queensland auf 70,000 ane genommen: allerdings eine ſehr oberflählihe Schäßung, die weit von der Wirklichkeit entfernt bleiben mag. Bei Südauftralien find die Eingeborenen des Nordterritortums nicht eingerechnet und fehr mahrjcheinlich gibt es in der

ganzen Kolonie ebenfoviele, wie in Queensland. Liſten von Weftauftralien,

wo

an

In den

einzelnen Stellen

die

Eingeborenen jehr zahlreich find, werden nur die im Dienite der Koloniften ftehenden aufgeführt und große Streden diefes immensen Gebietes bleiben noch unerforjcht. Die Maori von Neufeeland, welche teilweife dem Zählungs—

geichäfte widerftrebten, aber doch ziemlich) genau gezählt find,

516

Die Ureinwohner und die Chinefen in den auftralifchen Kolonien und inSbefondere in Viktoria. ü x

erfcheinen um 502 Köpfe mehr als im letzten Zenfus; allein diefer fcheinbare Zuwachs dürfte einer befjeren Zählung

ſchen Kontinent beträgt er 82 auf 100 Männer.

zuzufchreiben fein, nachdem die Berichte der eingeborenen Beamten eine merfliche Abnahme der Urbevölferung kon—

Maori auf Männer.

ftatieren. Auf Tasmanien leben feine Eingeborenen mehr. Der lebte Mann jtarb am 3. März 1869 und das lebte

werden

Individuum der Naffe (Trucaninni, ein Weib) jtarb zu Hobart am 8. Mat 1876. Auf den Inſeln der Baß-Straße (Barren und Badger) gibt es noch einige Familien Halbfasten, die ein elendes Dafein frijten. Binguinenarten fangen und zu Del einfochen fcheint ihre Hauptbeichäftigung zu fein. Obwohl jtarf und kräftig und ausgezeichnete Schiffer, find fie doch außerordentlich müßig und träge, Diefe Halbkaſten find Mifchlinge, welche ebenfojehr mit

den Eingeborenen

des Feitlandes,

als denjenigen Tas-

maniens berivandt find. Was nun die Ureinwohner der Kolonie Viktoria betrifft, jo erhalten wir aus dem Zenſuswerk erfreuliche Aufſchlüſſe. Die Eingeborenen wohnen nun fait alle unter Dad. Von 780 gezählten lebten 680 in Häufern oder Hütten und nur 100 fampierten im Freien. Das Umgefehrte war bei der Zählung 1871 der Fall, wo von 1330 Eingeborenen 739 im reiten lebten und nur 591 in Häufern und Hütten. In Melbourne jelbjt wohnten zur Zeit der Zählung nur 5 männliche und 4 meibliche Eingeborene, in anderen Städten und Flecken 8 männliche und 4 weib— lihe Individuen, in Yandgemeinden 334 männliche, 256 weibliche; der Reſt, 68 männliche und 60 weibliche, wohn:

ten an Plätzen außerhalb gemeindlicher Zugehörigfeit. Ber weitem die Mehrzahl, 73%, Männer und 880/) Weiber, obliegen einer ſeßhaften Beichäftigung und nur 103 Männer und 40 Weiber, deren Beichäftigung nicht nachgewiefen werden fonnte, führen wahrjcheinlich noch ein Wanderleben. Der Beſchäftigung nach zerfielen fie in:

Polizeidiener Häusliche Obliegenheiten und Kinder Schüler Auf Eingeborenenftationen verwendet Dienjtboten Seldarbeiter Fiſcher, Jäger, Raninchentöter Taglöhner Von Almoſen lebend Gefangene Ohne nachgemwiefene Beichäftigung Summe

Männlid.

Weiblich.

6 56 85 2 4 91 17 89 — 103

— 166 82 — 24 I 1 — 6 1 40

460

320

In den Goldfeldern zählte man 128, d. h. 70 Männer und 58 Weiber; 1871 werben dort 31, 1861 147 auf: geführt.

In Viktoria verhält ſich die weibliche Urbevölferung zur männlichen wie 70 zu 100, in anderen

Kolonien ift

der Prozentfat ein höherer und für den ganzen auſtrali— Neufeeland

fommen

81

Beiden

Weiber

auf 100° 3

Bon 325 männlichen Eingeborenen über 14 Sa 5 129 als ledig,

156

als verheiratet

und 40 ala i

Witwer angegeben. Bon 201 weiblichen Eingeborenen der gleichen Yebensperiode waren 38 ledig, 132 verheiratet und 31 Wittiven. 3 422, d. 1. 540/, der Ureinwohner, hatten das Chriftene

tum angenommen. Davon gehörten 255 der englifchen Kirche, 50 den Presbyterianern, 57 den Methodiften, 4 den Zutheranern, 54 den Herrnhutern und 2 den vömifchen Katholifen an. Vom Neft werden 44 als zu feiner Selte gehörig und 340 als religionslos bezeichnet. Unter erfteren verjteht man ſolche, die veligtöfen Unterricht empfangen k haben, der offenbar mehr oder weniger Eindrud

auf fie

binterlaffen hat; die legteren find folhe, die entiveder gar feinen Religionsunterricht genofjen, oder auf welche derfelbe feine fichtbare Wirkung ausgeübt hat.

Die eingeborenen Kinder im Schulalter zählten 153 von welchen 132 lefen und 113 auch fehreiben fonnten, nur 21 waren ohne Unterricht. Die Eingeborenen über 15

Jahren zählten 511, von welchen 164 Iefen und 118 auch ; Ichreiben fonnten, während 347 als vollftändig ohne Unter: richt bezeichnet jind. Die. eingeborenen Kinder unter 5 Jahren betrugen 12%, der ganzen Urbevölferung: Perfonen unter 15 Jahren 340/0, unter 21 Jahren 43%; 4 männliche und 1 weiblicher

1

Eingeborener zählten zwischen 75 und 80, 1 Mann zwifchen 80 und 85 und einer zählte 90 Jahre.

30 Eingeborene

werden als frank aufgeführt, d. i. 1:26 beiverlei Gefchlechts oder 1:46 männlichen und 1:16 weiblichen Geſchlechts. Die Hinfälligfeit berubte bei 8 Männern und 18 Weibern auf Krankheiten und Unfällen. 1 Mann und 1 Weib werden als blind angegeben, ein männliches Individuum als irrſinnig und 1 meibliches als epileptisch. I.

Die Chinefen.

a —— —2 —

Die Chinefen waren nad dem Zenfus von Viktoria i 1881 am 3. April folgendermaßen über die auftralifchen 8 Kolonien verteilt:

Perfonen.

Männlid.

Viktoria

12,128

11,369

259

ſdeu-Südwales Queensland Südauſtralien Weſtauſtralien

10,205 11,229 4151 145

10,141 11,206 4146 145

64 23 5 —

Summe

37,858 844 5004

37,507 842 4995

351 2 9

Geſamtſumme

43,706

43,344

362

Kolonie.

Tasmanien Neuſeeland

Weiblich.

|



917

Kleinere Mitteilungen.

Man Steht hieraus, daß in Auſtralien namentlich Viktoria fich mit Erfolg gegen das Einftrömen des chineft=

ſchen Elements

gewehrt hat; denn nahezu die Zahl der

Chinefen, welche 1881 in allen auftwalifchen Kolonien anweſend waren, beherbergte Biltoria 1859 allein, nämlich 42,090, die aber Schon 1871 auf 17,935 zurüdgegangen waren. Vergleichen wir damit Kalifornien, fo finden wir dort

1860

34,933,

1870 49,277,

1880

75,132

Chinefen,

und in den Vereinigten Staaten find die Ziffern für die gleichen ‘Berivden gar 34,933, 63,199 und 105,465.

Unter der Geſamtſumme der Chinefen in Viktoria be— finden ſich 169 Halbfaften, d. b. 74 männliche und 95 weibliche, welche hauptfächlich chinefifchen Bätern und euro»

Im Durchſchnitt wohnen die Chinefen nicht fo gut als die Europäer, denn von 12,228 lebten nur 6832, d. i. 5600, in eigentlichen Häufern, 5122 in Hütten, 154 in Selten, 12 fampierten im Freien und 8 befanden fich auf Schiffen im Hafen von Melbourne. Nahezu ein Drittel, 3962, wo— runter 120 Chinefinnen, lebten in Städten und Fleden,

und zivar 1102 in Greater Melbourne, d. h. mit den Vor: ſtädten, 518 in Sandhurft, 382 in Ballarat Eaſt, 252 in

Kreswick, 245 in Kaſtlemaine.

Die zwei anderen Drittel,

8018, worunter 139 Chinefinnen, lebten auf dem Lande und 8, wie oben erwähnt, auf Schiffen.

Der Beichäftigung nach zerfallen fie in: Bergarbeiter 6603, landivirtfchaftliche Arbeiter und Gärtner 2233, Tag:

päiſchen Müttern von Geburt oder Abftammung entfproßten. Bon den 11,869 männlichen Chineſen find nur 126 außerhalb China geboren; nämlich 81 in Viktoria, 4 in Neu-Südwales, 38 in Hongkong, 2 in Singapur und 1

löhner 412, Krämer 352, Diener 277, Haufierer und Hans velsleute 231, Schüler, Söhne, Verwandte, Beſuche 187,

in Mafao, während von den 259 Chinefinnen nur 56 im eigentlichen China geboren find, von den übrigen 197 in Biltoria, 4 in Neu:Südivales, 1 in Tasmanien und 1 in

und Fiſchhändler 107, Zimmerleute und Baufchreiner 90, Mebger 81, Kaufleute, Agenten, Kommis 63, Dpiums händler 60, Möbel: und Kunfttifchlev 58, Obſt- und Se:

Hongkong. Faſt ſämtliche in Viktoria lebenden männlichen Chinefen find erwachfen. Nämlich 11,516 von 11,869, d. i. 97%,

müfehändler

find über 21 Sahre alt, während von den 259 Chinefinnen

Dolmeticher 23, Schmiede 21, Schneider 19, hriftliche Milfionare 17, Droſchkenfahrer, Kärner 16, Bäder und Konditoren 11, Matroſen 9 u. ſ. w.

die Mehrzahl Kinder und nur 46 über 21 Jahre alt find. Unter 20 Sahre alt waren 494 Chineſen einſchließlich Halbfaften, nämlich 286 Knaben und 208 Mädchen. Von eriteren erhielten 84, d. i. 29%, von letzteren 73, d. 1. 3500

Unterricht, ein nicht unbefriedigendes NRefultat, wenn man bedenkt, daß darunter viele unter und über dem Schul: alter jtanden.

Das Ueberwviegen des männlichen Gefchlechts über das weibliche ift jo groß, daß letzteres in Viktoria nur 20, ausmaht und in allen auftralifchen Kolonien zu: fammen

unter 43,344

Chineſen

nur

362,

d. i. 0,84%,

Chinefinnen leben.

Spezereis, Thees und Tabakhändler 132, von Almojen lebend 132, Spieler und Lottozettelverfäufer 113, Oeflügel-

55, Holzmacher

53, Doktoren,

Apotheker,

Droguiften 48, Joßhouſe Keepers (Prieſter) 43, Hotel- und

Saftwirte 36, Fiſcher 36, Schuhmacher 31, VBarbiere 30,

Ein Vergleich der jetzt und beim Benfus 1871 in den beiden Hauptinduftrien befehäftigten männlichen Chineſen zeigt, daß die Bergarbeiter von 13,374 auf 6603, oder um volle 6771 gefallen, die landwirtſchaftlichen Arbeiter da— gegen von 1498 auf 2233 oder um 735 geſtiegen ſind. Die 259 Chineſinnen werden folgendermaßen bezeichnet: y als Hoteliersfrauen, 1 als Farmersfrau, 32 einfach als Frauen oder Wittven, 209, meiſtens Halbfajten, als

Schülerinnen oder Töchter, 14 als Hausmägde und 1 als

Kellnerin.

Da alle Chinefen, die nicht zur Zeit des Zenfus Frauen

befaßen oder in einer vorhergehenden Periode in Auftras lien folche gehabt hatten, als ledig betrachtet wurden, jo

werden 11,102 Chinefen von 14 Jahren und darüber als ledig, 560 als verheivathet, 36 als Witwer bezeichnet. Bon der 86 Chinefinnen über 14 Jahre waren 36 ver

Der Religion nad) tvaren von 12,128 Chinefen 11,139 Heiden, der Reſt beitand aus 375 Angehörigen der eng:

lichen Kirche, 81 Presbyterianern, 299 Methodiſten, 5 Baptiften, 6 Bibelchriſten, 1 Schüler Chriſti, 132 römiſchen Katholiken, 4 Mohamedanern, und 156 verweigerten Aus: kunft über ihre Religion.

heiratet, 49 ledig und 1 Wittive. Bon den männlichen Chinefen über 15 Jahre waren 96%/,

nicht fähig,

engliſch

zu

leſen; vom Reſte Tonnten

415 englifch leſen und 367 fehreiben. Bezüglich der Bild» ung in ihrer eigenen Sprache hat der Zenfus feine Unter: ſuchung angeftellt, da es ſehr ſchwer ift zu jagen, wo bei ihren mehr als 40,000 Schriftzeichen die Fähigkeit eines Chinefen zu leſen und zu fehreiben anfängt und aufhört. Ueberdies trägt auch die Kenntnis einer gewiſſen Anzahl

Schriftzeichen von ihrer eigenen Sprache zu ihrer Braud)barkeit

als Bürger

haupt, bei.

der Kolonie nur fvenig, wenn über:

Kleinere Mitteilungen. Die Verhältniſſe in Baſuto-Land. Dr. Joeſt aus Köln, welcher im Anfang 1884 eine Reiſe nach Südafrika angetreten und außerordentlich treffende Schilder— in den ungen von Land und Leuten in der Kapkolonie und auch Diamantfeldern an die „Kölniſche Zeitung“ geliefert hat (ſiehe Profeſſor an Brief einem in „Ausland“ 1884, S. 498), entwirft

Kleinere Mitteilungen.

518

Baſtian aus Maferu vom 13. Februar 1884 1 ein Bild von den Zuftänden im Baſuto-Land, das in grellem Gegenjat zu den ſchön— gefärbten jüngſten Darftellungen der Delegierten der englischen Negierung fteht. Wenn man bis jet der Meinung war, die Uebergabe des Baſuto-Landes von der mutlos gewordenen Kap: folonie an das Mutterland habe ſich in vollfommen befriedigenper Weife vollzogen und der MWiderftand des einzigen Häuptling Maſopha fei von umtergeordireter Bedeutung, jo wird man durch Dr. Soeft gerade vom Gegenteil überzeugt; wir haben eben in ihm einen unparteiiſchen Zeugen, der mit Klaren Augen fieht und, nicht Durch irgendwelche Nitckfichten gebunden, die Wahrheit offen ausfprechen kann, welche der jelbftbewußte Engländer feinen Lands— leuten gegenüber einzugeftehen fich ſcheut. Dr. Joeſt jchreibt: „Bon allen Häuptlingen hat Mafopha die meifte Ausficht, dem— nächft Herr von Baſuto-Land zu werden; mit ihm wird England zu thun haben. Gerade Lepogo Mafopha (er fchreibt feinen Namen jelbjt jo, wie ich aus einem Briefe erſehe; man nennt ihn meift Mafupa), der in Thaba Bofigo, der Bergfefte, an der fich ſelbſt die Boeren vergeblich” die Köpfe einrannten, reſidiert, wollte id) befuchen, bin aber ſchnöde abgewiejen worden. Das ift zumeift eine Folge der Furcht Mafophas vor den in manchen Teilen des Landes herrſchenden Boden Er hat mir fagen lafjen, wenn id) verjuchen follte, die Grenzen feines Gebietes zu überſchreiten, fo habe er Ordre gegeben, meine Pferde und mich zu erjchießen. Auch die anderen Chefs kümmern ſich abjolut nicht um England, fie laffen auf die Händler jchiegen oder nehmen fie famt ihren Wagen gefangen. Kurz, an ein Reifen im Bafııto: Land ift vorläufig und wohl noch für lange hinaus nicht zu denken.“

Jahr erfolgten Aufhebung des Tabakmonopols hat man fich allgemein auf den Anbau der Tabakpflanze geworfen; die Quantität der Ernte ließ nichts zu wünſchen übrig, defto mehr die Qualität, obwohl die Pflanzer fi mit der Kultur diefer jehr empfindlichen Pflanze ziemlich viel Mühe gegeben hatten, Der Grund diefer Erſcheinung ift wohl in dem geringen Samen zu fuchen, denn die Tabaffelder, welche vom Fiskus mittelft Sträflingsarbeit kultiviert werden, erfrenen ſich einer ausgezeichneten Ernte aud in Bezug auf die Feinheit des Produftes; aber eben deshalb, weil man dei Samen von Kagayan bezog, alfo jener Landſchaft dev Philippinen, wo der befte Manila-Tabaf gedeiht. Biel Erfolg darf man fi) aber von dieſer nenen Kultur nicht werfprechen, dem die Arbeitslöhne find hier natürlich ebenfallS fehr teuer, jo daß die Tabak: verfäufer ihre Waren nur zu hohen Preifen abjeten können, auch ift man in den Marianen gewöhnt, nur dann ein Gejchäft für lohnend zu erachten, wein mehr als 1000/, Gewinn erhalten werden. Unter folchen Berhältniffen wird es ſchwer fallen, mit den Philippinen zu konkurrieren. Eine gute Zukunft ift diefer Inſelgruppe nur iiberhaupt dann im Ausficht zu ftellen, wenn die Regiernng eine regelmäßige Dampferverbindung zwifchen Manila und den Marianen herftellt; die Bewohner ftellen ohnehin nur die bejcheidenften Au— ſprüche: nur alle drei Monate joll ein Schiff die Post überbringen, Wie alle Borjahre jo wurde auch im verfloffenen mit den Karolinen— Sufeln ein lebhafter Berfehr unterhalten; diefe Mifronefier Famen nad den Marianen, um im Dienfte eines englifhen oder amerikaniſchen Kapitäns auf einer der herrenfofen Inſeln des Nordens Kokosnüſſe zu ſammelu, wobei fie von einem furchtbaren Unwetter arg mitgenommen worden. Andere Karolinen-Fufulaner durch— ftreiften Guayan, um dort glänzende Steine zu ſammeln, welche in ihrer Heimat an Geldesftatt dienen. % 2.

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Neue Nachrichten von den Marianen-Jnſeln. Der entlegene Archipel der Marianen hat nur ein einzigesmal im Jahre eine Boftverbindung mit Manila und damit mit der übrigen Welt. Würden nicht die Falifornifchen Waler mitunter Briefe beforgen amd Waren zum Verkaufe bringen, die armen Bewohner jener Inſelgruppe müßten durch elf bis vierzehn Monate wie eine Robinfon-Kolonie, abgejchieden von jedem Verkehr mit der Außenwelt, leben. In dem verfloffenen Jahr hatten die Marianen viel Unglück zu beftehen; nicht nur ſchreckliche Stürme brauften iiber das Yand md vernichteten zahlveiche Fruchtbäume, auch eine Keuchhuſten-Epidemie wütete dort und forderte zahlveihe Opfer, demm es gab Tage, wo fünf bis ſechs Kinder farben, von

denen

iiberhaupt 200 der Seuche erlagen, was

bei einer Ge-

jamtbevölferung von uur 5800 Seelen ein großer Verluſt iſt. Die Bevölferung der Inſel ift denn auch eher im Abnehmen als im Zuwachſen begriffen, woran hauptſächlich der Umftand ſchuld trägt, daß bereit$ feit einer Neihe von Jahren die Waler hieher mit ungenügender Bemannung fommen und deshalb hier unter den jungen Leuten Matrofen werben, welche es dann meift vorziehen, ich anderswo niederzulaffen, als in die ftille Heimat zuriiczufehren. Es kann auc einem den Aufenthalt auf dieſen Inſeln verleiden, wenn man monatelang von dem Berfehr mit der Außenwelt gänzlich abgejchnitten ift und dabei noch alles ungemein teuer bezahlen muß, was man zum Leben braucht, ganz abgejchen von den Luxusartikeln, für welche hier. natürlich ungeheure Preife zu bezahlen find, und die man oft überhaupt nicht erhalten kann. Letzteres kann bei der efenden Boftverbindung felbft mit den Arzneien gejhehen; fo find im Vorjahre die Purgiermittel in der Apotheke ausgegangen. In diefem “Fahre waren aber nicht nur die importierten Artikel teuer, denn die Maisernte war mißraten und da— durch brach viel Elend iiber das Land herein. Seit der vor einem

Leber füdafrifanifche Straußenfarmen

ſchreibt Wilhelm Joeſt in der „Kölniſchen Zeitung“: Das Gejchäft des Stranßenfarmers ift ein mühfeliges und gewagtes. Gewinn oder Verluſt hängen von den unbedeutendſten Umftänden ab, und dennoch gibt es auch heute noch feinen Zweig der Land- oder Viehwirtſchaft in Südafrika, der annähernd fo viel Berdienft abwirft, wie die Straußenzucht. Man hat die Natur diefes Tieres auf das Genauefte ftudiert, dasjelbe auf alle feine Gewohnheiten und Liebhabereien hin beobachtet und fucht dem Strauß in der Gefangenschaft das Leben fo angenehm wie möglich zu machen. Es ift denn auch eine wahre Freude, Hunderte diefer prächtigen Bögel mit langgeſtrecktem Halſe und wallenden Federn bei ihrem Danerlauf auf freiem Felde bewundern zu fünnen. Sobald der Strauß mit drei oder vier Jahren erwachjen ift, wird er mit einer Lebensgefährtin im einem eingehegten Grundſtück allein gefaffen. Der Hahn begimmt unter anderem alfobald ein Neft in et Form eines ganz flachen Yoches in den Boden zu fragen, in E welches die Henne mit je zweitägiger Unterbredung 18 bis 20 Eier legt. Man kann indes das Tier verführen, beinahe ohne Unterlaß weiterzulegen, wen man ihm nachts einige Eier weg— nimmt und diefe nie eine gewiffe Zahl zwifchen 15 und 23 er— reichen Yäßt. Während des Brütens fit die Henne bei Tag, der Hahn bei Nacht. Wenn die Jungen ansgebrütet find (250/, der Eier fallen nicht aus), fo Yäßt man fie jo lange bei den Eltern, bis fie gelernt haben, jelbftändig ihr Futter zu fuchen, und vereinigt fie dann zu großen Herden unter Aufficht eines Hottentottenjungen, e Ne e an welchen fie fich schnell gewöhnen und dem fie auf Schritt und Tritt folgen. Merkwirdig ift es, daß die jungen Kiichlein drei Tage brauchen, um zu lernen, auf den Beinchen zu ftehen; in Vi vr der Zwiſchenzeit werden fie in Watte gebettet und das erfte Futter, welches fie annehmen

N Verhandlungen der Gefellihaft Band 11, Nr. 4 um 5, ©. 212,

für Erdkunde zu Berlin.

und erhalten, find Sand

und Quarzſtückchen,

dann exit freffen fie Gras. Das gewöhnliche Straußenfutter ift Klee, Weizen, Mais, Obft und manchmal Kalf und Knochen; daß die Vögel

Notizen, im übrigen überhaupt jeden Gegenftand, zumal wenn er glänzt, verjchlingen, ift befannt. Mit acht Monaten hat das junge Tier Federn, doch wartet man meift die doppelte Zeit, bevor man es feines wertvollen Schmucdes zum erjtenmale beraubt. Zu diefem

Zweck werden die Strange in dunkle Ställe getrieben.

November

1883.

Um aus

dem Stalle ins Freie zu gelangen, müſſen fie durch einen ihmalen Ausweg in Form eines Holzfaftens hindurch. Nach) dem Ausweg aber drängen jämtlihe Tiere und da der Holzkaften nur Kaum fir ein Tier bietet, während er in der Höhe etwa bis zu deffen Flügeln veicht, jo ift der Strauß, dem außerdem ein leichter Sad iiber den Kopf geworfen wird, während man den Kaften porn und hinten durch ftarke Klappen jchliegt, vollftändig eingefeilt. Das Tier verfuht zu treten und mit den Flügeln zu ihlagen; aber eben dadurch bringt es diefe in die zum Schneiden günftigfte Tage auf den Rand des Holzfaftens. Mit einer ftarfen, zangenartigen Scheere werden fodanı die großen Federn in aller Ruhe abgejhnitten, die Kleinen Schwanzfedern werden ausgerupft. 48 bis 50 Federn bilden den jedesmaligen Ertrag, deſſen Geldwert täglihen Schwankungen unterworfen umd welcher, ebenfo wie der Preis der Vögel jelbft, in den letzten Jahren bedeutend gefallen ift. Man kann heute ein Paar gute Strauße für 160 bis 200 ME. erjtehen, vor vier Jahren verkaufte ein Farmer ein Paar für 10,000 DE. und der Käufer machte doch noch ein gutes Geschäft dabei; ganz junge Tierchen wurden damals für 200 ME. verfauft, während man fie heute fiir 30 ME. befommen kann. Jeder Farmer wollte damals Strauße züchten, der Markt wurde mit Federn überſchwemmt, die Preife fielen und die Spekulanten waren gezwungen, ihre Bögel zur Spottpreifen an glücklichere Rapitaliften abzugeben,

519

Dezember Januar Februar März April Mai Juni Juli Auguſt

— 270% —330 5⸗ — 37015° — 413° — 3105’ — 2007° — 801° 0089⸗ 5007 3079

Bon der amerifanifhen Polarftation auf Point Barrom. Leutnant Ray veröffentlichte in der Zeitfchrift „Science“ vom 15. April einen vorläufigen Bericht über die Thätigfeit jeiner Station auf Point Barrom. Nach demjelben begannen am 17. Oftober 1852 die meteorologifchen, am 1. Dezember die magneti— hen Beobachtungen, Am 29. Auguft wirden die Arbeiten der Erpedition beendigt. Vom September bis Mat war faft in jeder wolfenlojen Nacht Nordlicht zu ſehen. Der Ebbe- und Flutmeffer zeigte, daß der arktiiche Ozean hier jo gut wie feine Gezeiten bat. Daß von der japanefifhen Strömung fein warmes Waffer einfließt, ergab die gleihmäßige Temperatur des Seewaffers in allen Tiefen, während der Zeit vom DOftober bis Juni. Nad) Ablauf des November verihwand alles tierifche Leben am Yand, ganz vereinzelt zeigten fih nm Nenntier oder Polarfuchs. Kabl— jaug und Seehunde wurden den ganzen Winter iiber gefangen. Polwärts zeigte fih das Meer mit Trümmereis bededt. Die Mächtigfeit des Eijes über ruhigem Wafjer wurde zu Te, Fuß ermittelt. Stürme und Strömungen türmten aber das Eis im Meer bis zu 50 und 100 Fuß auf, Perfonalnadjrichten.

Notizen. Polarregionen, Siebente Polarfahrt des „Willem Barents“. Am 31. Mai verließ der niederländische Polardampfer „Willem Barent3” Amfterdam, um feine fiebente Bolarfahrt anzutreten. Dänifhe Erpedition nah Franz-Joſefsland 1855. Unter der Führung des Leutnant Hopgaard foll im nächſten Fahre eine däniſche Expedition zur Erforſchung von Franz-Joſef— land abgehen, an deren Ausrüftung A. Gamel in Kopenhagen wieder hervorragenden Anteil nimmt, Su den legten Nachrichten von der ruſſiſchen Station an der fenamiündung, welche vom 13./25. November vor. 38. ftammen, teilt Leutnant Jürgens mit, daß im Sommer 1883 drei Expeditionen zur Erforfhung des Lenadeltas gemacht wurden. Leutnant Jürgens und Herr Eigner nahmen 2 Fluß— arme in der Fänge von 180 Werft auf. Eine diefer Aufnahmen begann an der Tandungsftelle de Longs, wo eine 8m. hohe Pyra— mide errichtet wurde. Dr. Bunge nahm daS Terrain in der Richtung nad) Kap Byfoff auf. Am 19. September v. Is. bedecdten fich die Flußarme zum erftenmal wieder mit Eis und der Sommer war zu Ende, Die mittlere Temperatur in den drei Sommermonaten war 43,250 C. Der Himmel war faft immer bewölkt bei Nebel und ſcharfem Wind, — Die „Deutſchen Geo— graphifchen Blätter”, Band VII, Heft 2, teilen eine intereffante Ueberſicht der an der Lenaftation ermittelten Durchſchnitts— temperaturen in den Monaten September 1882 bi8 Dezember 1883 mit, welche folgende Ergebniffe zeigt: 1882, September -+00.08° Oktober — 15006’

Dr, Wilhelm Joeſt weilt gegenwärtig in Trieft, um fi) von einem Fieber zu erholen, das er ſich an der afrikanischen Oſtküſte geholt, wird aber in Kürze wieder eine Neife nad) Auftralten antreten. Dr. Otto Finſch, der befannte Siüpdfeereifende, hat ſich zu einem längeren Aufenthalt nah Auftralien begeben. In der Situng der Gefellichaft für Erdfunde zu Berlin vom 7. Juni teilte Kontreadmiral v. Schleinig die eingelaufenen neuesten Nachrichten von Dr. Böhm und Dr. Reichardt mit. Dr, Böhms Brief ift datiert vom Auguft v. 38. und meldet von einer Fahrt des Neifenden auf dem Tanganifa, wobei er eine periodijche Hebung des Seegeftades und das Vorhandenſein höherer Flut— merkmale an den Ufern fonftatiert haben will. Weber diefe Eriheinungen werden indes noch nähere Unterfuchungen angejtellt werden mitffen. Dr. Reichardt machte in der gleichen Richtung wie Dr, Böhm eine Neife zu Lande und berichtet über eimen Kampf gegen den Volksſtamm der Hugahuga. Archibald R. Colquhoun erhielt von der Kal. Geo— graphifchen Geſellſchaft in London fiir feine Reife von Kanton nah Bhamo die goldene Medaille des Gründers. Der bekannte Alasfareifende Jakobſon wird im Auftrag eines Berliner ethnographiſchen Komites eine Forſchungsreiſe durch Sibirien und die Amurländer bis an den Stillen Ozean zur Unterfuhung der dortigen Völkerverhältniſſe unternehmen, Der Schweizer Moſer, welcher Zentralafien, Turkeſtan, Buchara, Chiwa und das Yand der Turkmenen bereiſte, befindet fih gegenwärtig in Teheran, von wo aus er nad) Europa zurüd-

fehren will.

Ex war gerade in Asfabad, als die Turkmenen ihre

Unterwerfung erklärten und bejchreibt ausführlich die Ankunft der fetten perfiichen Sklaven, die im Herbft 1883 an der Grenze der perfifchen Provinz Choraſſan gefangen worden waren, auf Ver—

320

Notizen.

langen des Generals Komarow aber nun dev xuffischen Regierung ausgeliefert werden. Die Bergführer Emil Boß und Ulrich Kaufmann, welche Green

bei feinen Touren

in den nenfeeländischen

Hochalpen

und

Graham auf die Höhen des Himalaya begleiteten, find kürzlich nad) London zurücdgefehrt. Nach dem legten Bericht Grahams an die Royal Geographical Society haben ſich diefelben außer— ordentlich) bewährt. + Su London ftarb vor kurzem der Kartenftecher Edward Weller Mit 19 Jahren trat derjelbe in die FZußtapfen feines Onfels Sidney Hal und war über 30 Jahre laug au der Herftellung zahlreicher Atlanten und Karten, al$ Butlers Modern Atlas, Brewers Historical Atlas, Mc Leods Atlanten, Freemans Historical Atlas, Karten zu Alpenführern, des größeren Teiles von

Bladies

Atlas,

Atlas,

Defpath

Atlas,

Dr.

Smiths

Staatsämter,

die Geographifche

und Haklnyt—

Geſellſchaft u. a. m. war er thätig. Weller hat auch viele Karten der Reiſewerke Lipingftones, Du Chaillus, Burtons, Spefes, Grantg, Forrefts, Stanleys, Warburtons, Serpa Pintos u. a. gefchaffen. infeln

7 Das däniſche geftvandet und

Steuermann,

zwei

Barkſchiff „Alba“ ift auf den Shetlandvollftändig verloren gegangen. Nur der

Matrofen

nnd

ein

Paſſagier

find

gevettet

worden. Unter den Bafjagieren befand fic) Dev wegen feiner Entdedung altnordiſcher Auinen in gevgraphifchen Streifen befannt gewordene herrnhutifche Miffionar

Brodbeck.

Nachdem er im

vorigen Herbft Profefjor Nordenffiölds Erpedition von Friedrichgthal in Siüdgrönland begleitet

hatte,

nach der Oſtküſte und

befand

er

von dort nad) Europa

fich jetst nach einem

längeren

Beſuch

in der deutschen Heimat auf der Rückreiſe zu feiner in Grönland wohnenden Familie und Pfarrgemeinde, 7 Am 18. Mai verftarb zu Breslau hochbetagt Dr. Heinrich Robert Göppert, Wrofefior der Botanik und Direktor des botanischen Gartens an der dortigen Univerfität, welcher fich bejonders durch feine Forſchungen

geachteten Namen

über die foffile Pflanzenwelt

In Genf wurde vor kurzem ein Denkmal des um die Kartographie der Alpen hochverdienten Dufonv feierlich enthüllt.

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Ar. 27.

Münden,

1584.

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Inhalt: 1. Ueber Handmerfe "und technische Fertigkeiten der Eingeborenen in Damaraland (Sitdafrifa). Von C. G. Büttner. 2. Eheſchließung bei den Alfuren auf Halmaheira. ©. 528. — 3. Die Erſteigung des Takht-i-Soliman im indiſch-afghaniſchen ©. 531. — 4, Zur Ethnologie und Urgefhichte. ©. 534. — 5. Bon der franzöftichen Grenzgebirge. Bon Emil Schlagintweit. Erpedition nad) Kap Horn. ©. 536. — 6. Kleinere Mitteilungen: S . 537. Die Naturverhältniffe von Südgeorgien. — 7. Notizen: S. 521. —

S. 538.



Allgemeine Erdkunde. —

8. Litteratur: ©. 539.

Aeber Handwerke und kechniſche Fertinkeiten der Eingeborenen in Damaraland (Südafrika). Bon C. G. Bittner.

Die Völker, mit denen Bekanntſchaft zumachen man in Damaraland Gelegenheit bat, gebören verjchiedenen

Raſſen an; man fünnte leicht auf einem der beveutenderen Plätze ein ziemlich reiches etbnologifches Mufeum zufammenjtellen. Die aderbauenden Dvambo und die nomadischen He:

rero und Ovambandieru gehören zu den Bantuvölfern, die Namaqua und Bufchpmänner zu der gelben hottentottijchen Kaffe, die fogenannten Bergdamara find ein Schwarzes Volk rätjfelhaften Stammes. Aber obwohl dieje Völker

in ihren Sitten und Gebräucen

natürlich vielfältig von

einander abweichen, jo bringen e3 doch die allgemeinen Berbältniffe mit fich, daß fie in ihren technifchen Fertig— feiten und in dem Herfümmlichen ihrer Gewerbe im all-

gemeinen nur wenig Bejonderbeiten zeigen. Der Wüſten— harafter von Damaraland, welches dem Menfchen nur das Allerdürftigfte zum Yebensunterhalte bietet, welches den Eingeborenen zwingt, bald bier, bald dort, je nachdem die Negen gefallen, eine Wohnitätte zu ſuchen, bedingt für alles, was der Mensch dort unternimmt, eine gewiſſe Dürftigfeit. Sobald für die einfachiten Lebensbedürfniſſe geforgt Ausland 1884,

Nr. 27.

iſt, 1jt ein jeder zufrieden, und befondere Pracht und Herr: lichfeit wird nirgends angejtrebt und nirgends gefunden. Ferner hat diefer Strid von Afrika die Jahrhunderte und Sahrtaufende hindurch bis vor wenige Jahrzehnten feine Abgejchlofjenheit bewahrt. Die völlig regenlofe, wüſte Küfte hatte für die Seefahrer nichts anlodendes, und wenn jemand auch aus irgend einem Grunde an diefer Küſte ge— landet wäre, fo war es nabezu unmöglich, durch die Wüſte in das Innere zu gelangen. Ebenſo reichte der Handelsverfehr aus dem Inneren Afrikas früher fait gar nicht bis dorthin, fomit haben wir bier Völfer vor uns, welche bi8 vor kurzem, feit unabjehbaren Zeiten, wie in völ— liger Abgefchiedenheit von der übrigen Kulturwelt gelebt haben. Damit find die Eingeborenen von Damaraland gewiſſermaßen ein Analogon von denjenigen Urvölkern, welche in prähiftorifcher Zeit als Jäger und Fiſcher in den nordiſchen Wäldern gewohnt und in der primitivjten Weife den Kampf um das Dafein gefochten haben. Außer

allem Kontakt mit zivilifierteren Nationen

lebend, haben

fie, wie es faft fcheinen mag, in vielen Stüden Eigen: tümlichfeiten einer primitiven Urzeit bis auf unjere Tage bewahrt. Von etwas eigentlich Künftlerifchem iſt bei diejen

Völkern wenig zu finden. Stamme

Die Gefäße werden bei jedem

in einer befonderen, altherfömmlichen Form ver: 79

522

Ueber Handwerfe

und

technijche Fertigkeiten der Eingeborenen in Damaraland

fertigt, jo daß man allerdings fofort an der Form erkennen fann, woher ein folches Gefäß ftammt, und find höchftens mit

ebenfo ſtereotypen Zickzackmuſtern verziert. Beiden wenigen Gifenfachen wird ſolche Verzierung mit dem Meißel ges macht, bei den SHolzgeräten, welche den Hauptteil des Hausrats diefer Eingeborenen ausmachen, werden mit einem angebrannten, ſpitzen Holze die berzierenden Linien und Punkte eingebrannt. Zu erwähnen ift freilich, daß die Buſchmänner, alfo diejenigen, welche jcheinbar auf der tiefften KRulturftufe jtehen, an einzelnen Stellen Südafri— fas in älterer und neuerer Zeit die Felſen mit allerlei Jagdſzenen bemalt haben. Dieſe Zeichnungen jtellen Wild aller Art und die Jäger verichiedener Stämme in mannig— faltigen Situationen, aber immer deutlich erfennbar dar, und verraten ein nicht geringes Talent, das Typiſche der Formen präzis und charafteriftiich darzuſtellen. Auf den eriten Blick möchte man faſt geneigt fein, diefe Malereien für einen Betrug viel zivilifierterer Europäer zu halten, wenn nicht alle diefe, in den verſchiedenſten Teilen Süd:

afrifas gefundenen Bilder immer dieſelbe Technik zeigten und fich in vielen Eigentümlichfeiten glichen. Immerhin fommen dergleichen Bilder, wenn auch durch ganz Süd— afrifa zerjtreut, Doch nur verhältnismäßig felten vor, wenn nicht noch in jpäteren Zeiten mehr von ihnen entdedt werden follten. Als etwas befonderes, für ung Europäer auffälliges, wäre zu bemerken, dab den Eingeborenen Südafrifas im allgemeinen der Sinn für das Gerade und für den rechten Winkel faſt völlig abzugeben fcheint. Alles, was fie ans faffen oder zu bearbeiten anfangen, wird wie von felbft unter ihren Händen krumm und jchief. Es foftet unfägliche Mühe, 3. B. einen Dienjtboten aud nur dahin zu bringen, daß er etwa Stühle an einer geraden Wand auch gerade binftellt; ex wird, je mehr er darauf aufmerffam gemacht wird, daß noch nicht alles in Ordnung fei, deſto mehr alles chräge und wie im Bogen aufitellen. Es ift daher

auch eine unfäglich große Mühe, fie für folche europäische Handiwerfe anzulernen, die, wie etwa der Tischler, auf die genauejte Beobachtung der geraden Linie angewieſen find. Dagegen wird es ihnen verhältnismäßig leicht, eine gleich: mäßige Nundung berzuftellen, und ihre ohne Borzeichnung und Meßinſtrumente aus freier Hand ausgeführten Arbeiten bezeugen dies unaufhörlich. Als die Urtechnik des Menfchen fünnte man wohl das Anzünden und den Gebrauch des Feuers anfeben. Die Eingeborenen von Damaraland, befonders die He: vero und Dvambandieru, behandeln wie die Wölfer des Altertums, die Griechen und Nömer, das Feuer als etwas von den Eltern überliefertes, jorgfältig zu be= twahrendes. Jede Werft der Herero hat ihr heiliges Feuer, das nie erlöfchen darf, das als der Mittelpunft des Dorfes und des Stammes betrachtet wird. Ber ihm it der eigentliche Pla der Häuptlinge, bei ihm werden die Heiligtümer aufbewahrt, bei ihm mwird Nat und Gericht gehalten, mit

(Sitdafrifa.)

ihm, reſp. mit der Aſche des heiligen Herdes erden bie althergebrachten Zeremonien vollzogen, von ihm werben, wenn der Abend Fommt, die Seuerbrände geholt, mit denen dann die Feuer der übrigen Käufer angezündet erden. Einen Brand von dem heiligen Feuer nehmen auch diejenigen mit, welche mit einem Teile der Herde auf Vieh:

pojten ziehen.

Und wenn ein Stammesfürjt ohne direkte

Erben

oder

jtirbt,

wenn

ſonſt die Herrſchaft

auf eine

andere Linie übergeht, jo wird das alte Feuer ausgelöfcht und ein neues Feuer von der Werft des neuen Fürften geholt. Alle Glieder einer Familie, eines Stammes, betrachten fih alfo als um ein Feuer fißend. Die ältejte, unverhetratete Tochter des Häuptlings oder,

wenn feine ſolche Tochter vorhanden iſt, dasjenige Mädchen, das dem Häuptling am nächiten jteht, hat das Feuer zu beivahren. Sollte es doc einmal aus Unachtſamkeit, dur) einen plößlichen Negenguß oder durch einen anderen Zus fall erlöfchen, jo darf es nicht von anderem Feuer ange zündet werden, jondern es muß frifches Feuer gemacht werden. Diejes gejchteht durch Neiben. Zwei möglichit gerade Stöde von etwa Fingerdide werden gewählt, und it e8 unnötig, jeden von einer befonderen Holzart zu

nehmen.

a

Soviel e8 mir dünft, fcheint nur das Holz der

dornigen Akazien dazu nicht pajjend gefunden zu werden, ſonſt fann alles Holz, was ſich findet, gebraucht werden. In die Mitte des einen Stodes wird eine Höhlung eingebohrt, in der die Spitze des anderen gedreht werden Tann, und

aud wohl noch eine Kerberings um den Ait eingefchnitten. An diefe Kerbe wird dann Schwamm

oder halbvermoder-

tes Holz als Zunder gelegt. Der eine Stod mit der Kerbe wird dann mit den Knieen auf der Erde feitgehalten, der

andere zwiſchen den flachen Händen wie ein Quirl bin: und hergedreht. Cobald es einen Funken gibt, muß derjelbe in den Zunder fallen, diejer kann dann mit Leichtig—

Bi

feit zur Flamme angeblajen werden. Mlfo nicht die ge riebenen Stöde, fondern der Zunder gibt die Flamme, Nobinfon, der es ohne Zunder verfucht, arbeitet vergeblich.

Nach der Weife der Herero hat man, wenn alles, wie ge wöhnlich in Damaraland, hübſch troden ift, in etiva einer Minute Feuer. Immerhin fcheuen die Eingeborenen diefe Arbeit und nehmen, wenn fie fein anderes Feuerzeug haben, noch heute, wenn fie auf die Reife gehen, einen Feuer— brand von Haufe, d. h. einen 15 und mehr Zentimeter dien Aſt mit, deſſen Feuer fie ſehr geſchickt auch unter: wegs lange im Glühen zu erhalten mifjen. Heutzutage jind freilich die Eingeborenen Afrifas bis weit ind Innere mit dem Gebrauch von Stahl und Stein, refp. von Zündbölzchen wohl befannt. Jönköpings paraffinerade find vielleicht jchon weiter ins Herz Afrikas eingedrungen,

al3 die europäischen Forſcher; aber nichts ift bis jeßt aufgefunden, was darauf hinweift, daß fie Stahl und Stein vor dem Belanntiwerden mit den Europäern zum Feuer: anmachen gebraucht haben. Weder haben die Sprachen ein altes Wort für folche Feuerzeuge, nody babe ich

1rZ

Ueber

je Feuerſtahl,

von

Handwerke

eingeborenen

und

technifche Fertigkeiten

Schmieden

hergeftellt,

geſehen. Neben

dem

allgemeinen

Gebrauch

des Feuers

zum

Kochen der Speiſen und zur Erwärmung und Beleuchtung der Häuſer und Schlafſtätten wäre noch das Fällen größerer Bäume durch Feuer und das Steinfprengen zu erwähnen.

Da die Aexte der Eingeborenen

nur fehr kleine Eifen

in der Form fehr den Gewichten, mit denen die Netze be—

ſchwert werden, find aber natürlich größer. Einige Geschäfte, zu welchen Steine gebraucht werden, find folgende: Brennholz wird oft in der Weife zerkleinert, daß Schwere Steine daraufgeworfen werden. Da fajt nur

abgejtorbenes, dürres Holz zum Brennen benußt wird, dazu aud die Aeſte gewöhnlich recht krumm, das Holz

haben, jo würde das Fällen eines größeren Baumes mit

bei aller Härte vecht fpröde iſt, fo läßt es fich in dieſer

Weiſe oft leichter als mit einer guten europäischen Art zerfchlagen. Es iſt nun natürlich, daß zu dieſem Zwecke

lichſt unverſehrtem Zuſtande gebrauchen till. Sonſt ift es viel bequemer, mit Feuer den Baum abzuſengen. So wird denn an die Wurzel des Baumes ein Schmauchfeuer, meiſt von getrocknetem Rindermiſt, angelegt und nach Be— dürfnis am Fuße des Stammes ſo lange verſchoben, bis

der Baum

abbricht.

Da

ein Mann

ohne große Mühe

eine ganze Anzahl ſolcher Feuer beaufſichtigen kann, fo geht die Arbeit dabei verhältnismäßig gefchtwinde von itatten. Auch zum Steinfprengen habe ich Feuer von den Ein:

geborenen gebrauchen jehen.

Es handelte fich dabei nicht

jowohl darum, Baujfteine zu erhalten, fondern nur darum,

die allerhinderlichiten Felfen aus dem Wege hinwegzufchaffen. Es wurde einfach ein großes Feuer bei dem wegzuräumenden Felſen angemacht und der Gneis und Granit in Da: maraland wurde dadurd recht mürbe, jo daß er darnad) leicht mit Brechſtangen vollends weggeſchafft werden fonnte. Ich bin aber nicht ficher, ob dies nicht von Europäern er:

lernt iſt. Allerdings haben die Eingeborenen

von alters

her bis 10 m. tiefe Brunnen, wenn nicht noch tiefere, in die Felſen gebohrt. Hätte man dazu fein Feuer benüßt, jo wäre die Arbeit nur nod) bemerfenswerter, da man dann nur annehmen könnte, daß die Felſen mit den harten Holz:

jtäben gebohrt und aufgebrochen wären: eine mübjelige Arbeit. Eigentlihe Steinwerkzeuge gebrauchen die Afrikaner fo gut wie gar nicht, weder von Steinhämmern noch von Steinmejjern findet fih in Südafrika eine Spur. Höch— ſtens fönnte man hieher ziehen, daß Bufchmänner und

Bergdamara zuweilen durch Steine ein Loc bohren, um mit ihnen ihre Grabitöde zu beſchweren. Diefe Leute gebrauchen nämlich beim Ausgraben der wilden Wurzeln, die ihnen zur Nahrung dienen müfjen, beim Graben nad) Grasfamen

in den Ameifenhaufen

u. ſ. w. einen harten,

ſpitzen Stod, mit dem fie die Erde jo weit aufhaden, daß fie diejelbe mit den Händen leicht auficharren fünnen. Um diefem Stode mehr Wucht zu verfchaffen, wird nun ein jolcher durchbohrter Stein fo auf ihn aufgezogen, daß er in der Mitte des Stodes feitfist. Der Stod wird dann mit der einen Hand unter, mit der andern über dem Steine angefaßt und fo zum Graben benußt. Solche Steine ähneln

.

329

(Südafrika).

einer ſolchen Art eine jehr beſchwerliche Arbeit fein, auch wenn die Bäume in Damaraland nicht jo unfäglich hartes Holz hätten, wie fie es haben. Es werden auch mit der Urt wirklich meiſtens nur die Bäume umgehauen, deren mweicheres Holz man zu Eimern, Löffeln u. dgl., alfo in mög:

aa

der Eingeborenen in Damaraland

befonders längliche Steine genommen werben, und daß, wenn ein pafjender Stein einmal zur Werft geholt tft,

derjelbe auch immer wieder benutzt wird. Platte Steine benußt man als untere Mühlfteine. Mit einem anderen, handlichen, runden Steine wird dann auf diefem das Getreide oder der Grasjfamen zerqueticht und zu Mehl zerrieben. Soviel ich weiß wird dieſen

Steinen eine befondere Form nicht fünftlich gegeben; aber durch den Gebrauch wird der obere immer mehr abgerundet, der untere immer mehr ausgehöhlt und jo beide jtetS mehr ihrem Zivede angepaßt. Es werden daher aud natürlich dergleichen ältere Mühlfteine lieber benußt, als dag man neue, noch ungebrauchte, rauhe nimmt. Solche Mühlfteine gleichen auf ein Haar den früher von den nordischen Völkern benußten. Kleine, längliche Steine werden auch wohl als Hämmer zum Schmieden gebraucht, aber ohne Stiel, direkt mit der Hand angefaßt. Heute gebrauchen die eingeborenen Schmiede mit Vorliebe die großen Bolzen, mit denen die MWagendeichjeln in der Zange feitgehalten werden. Aber früher werden wohl die Steine allein gebräuchlich geweſen jein, da die Metallinduftrie der Eingeborenen nicht im jtande zu fein fcheint, größere, zu Hämmern pafjende Stüde zu produzieren. Und ich möchte hier die Bemerkung ein: ichalten, ob nicht die in Europa aufgefundenen fteinernen Hämmer und Aerte auch öfters als Schmiedewerkzeuge auf: zufafjen find, gebraucht von Yeuten, deren Blafebälge wohl gejtatteten, dünnere Metalljtüde, wie Lanzen- und Meſſer— flingen, zu bearbeiten, die aber dien Eifenftüden gegen: über, wie fie zum Schmiedehammer gebraucht werden, ohnmächtig waren. Auch wird wohl von Bronze ein einigers maßen dauerhafter Hammer fich nur ſchwer heritellen laſſen. Die Benugung des Thons zu Kochtöpfen iſt den Afrikanern wohl befannt, und diejenigen unter ihnen, die fich weiter mit der Töpferei abgeben, wiſſen gar wohl, wo im Lande der beite Töpfertbon zu finden tft. Die Töpfe der Eingebornen, die ich gejeben babe, haben etiva die Form eines Eies, dem das jtumpfe Ende abgejchnitten it und können daher ohne Unterfat nicht jtehen. Da der Dreifuß den Eingeborenen vor der Berührung mit Europäern unbefannt war, jo pflegten fie einige Steine

unter den Topf zu legen,

jo daß

feine Spite

frei

ſchwebte. Diefe TIhontöpfe werden ohne Drehſcheibe aus freier Hand in folgender Weife geformt: Den Anfang bildet ein nahezu trodener Ballen Thon, um deſſen Nand

924

Ueber

Handwerfe

und technifche Fertigfeiten der Eingeborenen

werden nun ebenfalls nahezu trodene Wülfte von Thon gelegt und mit ver angefeuchteten Hand angeflebt und glatt geftrichen; ein Ning, reſp. eine Spirale, folgt der andern, und je tveiter das Werk fortfchreitet, deſto dider fönnen die Wände geformt und verftrichen werden. Doc fann man meift an den fertigen Töpfen noch die Thon— wülſte erfennen, aus denen fie geformt worden find, In harakteriftifcher Meife fagt der Herero: einen Topf aufbauen, für: einen Topf formen. Glaſiert werden die Töpfe nicht; da aber der eingeborne Afrikaner es allermeift mit der Neinlichfeit feiner Kochgeſchirre nicht ſehr genau nimmt, fo werden fie bald durch den Gebrauch waſſerdicht. Gebrannt werden fie nur ſchwach, wie es in einem offenen

Feuer möglich ift. Heutzutage werden ſolche Thontöpfe in Damaraland fchon ſehr felten. Sch felbjt habe nur jehr wenige zu jehen befommen, von denen der größte wohl mehr als einen halben Heftoliter faßte. Die Thongefäße ſind ſehr zerbrechlih und die Eifengefäße der europäischen Induſtrie erfreuen fich bei den Eingeborenen von Damara— land einer jehr großen Beliebtheit. Da nun der Thon nur zu Kochgefchirren verwendet wurde, alle anderen Ge fäße aber nur aus Holz gemacht werden, fo wird wohl die Kunft der Töpferei bei den Eingeborenen von Damara— land rapide verſchwinden. Das jüngere Gefchlecht weiß jo wie jo faft nur durch SHörenfagen davon. Einen jolhen Kochtopf, von Bergdamara verfertigt, habe ich nad) Europa mitgebracht. Er befindet fich jegt in der ethno— logischen Abteilung des Königlichen Mufeums in Berlin unter den anderen Sachen, welche ich aus meiner Samme lung dorthin abgegeben habe, und erregte bei den Kennern der europäiſchen prähiftorifchen Altertümer, die ihn gefehen, einiges Aufjehen, weil es fcheint, daß auch in Europa vor Zeiten Töpfe und Urnen durch diefelbe Technik fabriziert wurden. — Kleinere Sachen von Thon werden auch wohl auf einem Kerne von Holz geformt; fo habe ich Pfeifentöpfe auf einem paffenden Holzjtüde formen feben. sh fomme nun zu der Bearbeitung des Eifens. Außer Eifen und Kupfer waren vor Ankunft der Euro: päer feine anderen Metalle den Eingeborenen befannt. Die Sprache der Herero hat fogar für Eifen und Kupfer nur ein Wort, das bei ihnen allgemein Metall bedeutet. Die zivilifierteren Herero gebrauchen heute für Kupfer, Gold und Silber Fremdworte, während das Blei von den Alintenfugeln, zu denen es vergofjen wird, den Namen erhalten hat. Das Eifen als Metall par excellence hat den altertümlichen Namen für Metall behalten. Dabei ift zu bemerken, daß die Hirtenftämme der Herero und Ovambandieru faft gar feine eigenen Schmiede befißen. Seit uralter Zeit wurde

die Schmicdearbeit bei den Herero von wandernden Schmieden anderer Stämme, befonders aus den weiter nördlich tohnenden, aderbauenden, jogenannten Ovambovölkern, beforgt. Diefe Schmiede, meiſt in Eleinen Partien zus jammenarbeitend, wandern gewöhnlich einige Jahre lang bei

den SHererohäuptlingen

umher, bis fie fich foviel Vieh

in Damaraland

(Südafrika).

verdient haben, daß es ſich lohnt, damit nach der Heimat zu: rückzukehren. Zumeilen find es auch politifche Flüchtlinge, welche irgendwie den Zorn oder die Eiferfucht der Fleinen

Despoten erregt haben, welche im Ovamboland

herrſchen,

die fih nun gezwungen ſehen, dem Vaterlande jo lange den Rüden zu ehren, bis ein Wechfel in der Herrfchaft eine getreten ift, und die nun al3 Schmiede mit einer Arbeit,

die mehr Geſchicklichkeit als Anſtrengung erfordert, ſich ihren Unterhalt zu verſchaffen ſuchen. Dieſe Ovamboſchmiede brachten ſich früher das Eiſen, das ſie in Damaraland verarbeiten wollten, aus ihrem Vaterlande mit, und jedenfalls verſtehen die Stämme weiter

nördlich im Innern ſehr wohl Eiſen und Kupfer aus den Erzen zu reduzieren, freilich ſollen die Erze auch ſehr reich— haltig ſein.

Näheres über die Art des Ausjchmelgens ift

mir nicht bekannt, doch kenne ich einige Orte, an welchen die Eingeborenen nach dem Malachit und dem Eiſenocker graben. Da alſo früher das Eiſen in Ovamboland gewiß nur mit großer Mühe gewonnen wurde und dann der Schmied feinen Vorrat 15 bis 20 Tagereifen weit und weiter auf feinem Rücken herbeibringen mußte, jo hatte vor dem Erfcheinen der Europäer das Eifen einen jebr hoben Preis in Damaraland und ftand getiffermaßen in einem höheren Werte als Silber in Europa. Als im Ans

fange der vierziger Jahre diefes Jahrhunderts die eriten

Europäer zu den Herero famen, war ein einfaches Armband von Eifendrabt ein wertvolles Gaſtgeſchenk und für eine | Spanne altes Bandeifen, mit dem die Kiften bejchlagen werden, fonnte man leicht einen großen, fetten Hammel faufen. Aufs Höchite waren die Eingeborenen verwundert, das Ffoftbare Metall von den Europäern zu Nägeln in den Stiefelfohlen verſchwendet zu fehen. Eifen hatte fomit den Wert von Edelmetall und da VE c es fich bei der Trodenheit in Damaraland ſehr wenig an R

der Luft verändert und nicht leicht rojtet, jo wird es von den Herero mit Vorliebe als Schmud gebraucht, während andere

Stämme

Kupfer und Meffing

vorziehen.

verarbeiten diefe eingeborenen Schmiede

Heute

natürlich meilt

europäisches Eifen und faufen für ihre Arbeiten mit Bor:

liebe den guten Stahl, wie fie ihn in den Feilen, den ausrangierten

Bajonetten,

europäischen Heere finden.

Fafchinenmefjern

u. j. w. der

E ri

rt





So habe ich in meiner Samm—

lung ein Beilchen von einem Ovambo geſchmiedet, defjen Eifen ohne Zweifel von der Spite eines alten, dreifantigen preußifchen Bajonetts bergeftellt ift. Die dritte Schneide

it eben nur rotwarm niedergeflopft.

Auch noch heute hat

Eiſen, das in der altherföümmlichen Weife zu Schmud und Waffen verarbeitet it, in Damaraland einen ziemlich be deutenden Wert. Die beiden eifernen Lanzen von etwa 41, bis 5 Fuß Länge, welche ih an das Ethnologifche

E e n Muſeum in Berlin abgegeben babe, vepräfentieren jede N den Wert von einem 5 bis 6jährigen jungen DOchfen. Etwa 5 Pfund Draht von der zum Schmud getwünfchten —E Dide werden noch heute fehr gerne von den Herero für 3



Ueber

Handwerfe und technifche Fertigkeiten der Eingeborenen in Damaraland

929

(Südafrika).

einen fetten Hammel eingetaufcht. Für andere europäische Gifenwaren hat die Konkurrenz der Händler die Preiſe freilich ganz bedeutend herabgedrüdt. Der Blajebalg beitebt aus zwei aus Holz gefchnigten

Die Hottentotten lieben Arm- und Fingerringe, bei denen dünner Meffing: und KHupferdrabt um eine Seele von Leder getvidelt iſt; durch Draht verfchiedener Dice iverden dabei gemwifjermaßen Mufter bergeftellt. Die

Töpfen, aus denen die Luft abwechjelnd durch die langen, geraden Hörner des afrikanischen Gemsbodes hindurch in

Füßen

ſchwere kupferne Ringe

von der Dide eines Slintenlaufs.

Dieſe Ninge find eben-

das Feuer gepumpt wird.

Dieſer Blaſebalg

ſcheint allen

Bantuvölfern eigentümlich zu fein; er iſt freilich in Damataland nur ſehr jelten anzutreffen.

Blajebalg

der Hottentotten

Meiftens wird der

angewendet.

Dieler bejtebt

aus einem langen Schlauche, gewöhnlich der Haut eines großen Ziegenbodes, welche möglichjt unverfehrt abgezogen it. In der Mitte des Schlauches und am Ende üt eine

Bentilflappe; die vordere Hälfte ift am Boden befeitigt und mit einem Steine beſchwert, der die Luft weiter drüdt, welche durch mwechjelndes Zufammendrüden und Ausziehen der binteren Hälfte bineingepumpt ift. Aus der Spike des Blajebalges, dem Halsende des Schlauches, wird dann die Luft durch einen Lehmgang und ein Gemsbockhorn

bis in das Feuer geleitet.

Jetzt freilich wird jtatt des

Gemsbockhorns meist Schon ein alter Alintenlauf genommen. Mit derartigen Blafebälgen laffen fich aber, tote leicht einzufeben, nur Eleinere Arbeiten ausführen. Sie reichen wohl dazu aus, um Fleinere Stüde Eifen rotwarm zu machen, aber eine eigentliche Hite zum Schweißen läßt ſich durch fie nicht erzeugen. Als Zange benutzen die eingeborenen Schmiede jebt

ganz allgemein eine Kugelform, früher mußten zwei Eiſen— jtäbchen, im Notfalle auch wohl ein paar Hölzer, die Stelle einer Zange vertreten. Es tft bier vielleicht zu bemerken,

daß die Eingeborenen im Anfafjen von heißen und glühene den Gegenftänden Großes. leiten fünnen. So babe ich 3. B. öfters Feuer auf mehrere hundert Schritt weit in

der Weife holen ſehen, daß eine glühende Kohle einfach in der hohlen Hand getragen ward. Freilich läßt dann der Feuerbringer

die glühende Kohle fleißig aus einer Hand

in die andere fallen und vollführt feinen Auftrag in beichleunigter Gangart. Sonſt wird auch die Kohle zwiſchen

Ovambo

tragen

an

den

fall3 nur zufammengebogen, nicht zufammengegoffen, werden aufgebogen, wenn fie angelegt werden follen und dann

auf dem Leibe wieder zufammengeflopft, damit fie nicht abfallen. Ein folder Ring ift aud von mir an das Berliner Ethnologiſche Mufeum abgegeben und gleicht ähnlichen in nordifchen Gräbern gefundenen. Ferner ver: fertigen fie eiferne Langen, zirka 1", m, lang, in der Mitte mit einem Ochſenſchwanze verziert, teils mit fchmaler Klinge, twie fie auch bei anderen Bantuvölfern gebräuchlich it, teils nad) Herero-Art mit breiter, zumeilen handbreiter Klinge; dann Pfeilfpisen, lanzettförmige und mit Wider— baten verjehene, längere und kürzere zweifchneidige Meffer und Dolce, lettere immer ohne Barierftange; außerdem Art- und Beilklingen, letztere find jelten mehr als zivei Finger breit. Diefe dienen nun befonders zum Bearbeiten der Holz geräte. Dabei ift zu bemerken, daß die Bantuneger ganz allgemein alles, was fie von Holz machen, aus einem Stück heritellen müffen, da ihnen alle Kunft mangelt, zivei Holzitüde dauernd zu vereinigen. Sie verftehen weder zwei Holzjtüde in einander zu verzapfen, nod an einander zu nageln, nod zu leimen. So bejteht alles, was von Holz ift, vom kleinſten Löffel bis zum größten Boot, aus einem Stüd und der Arbeiter muß fich immer nach der Form und Größe des zu Gebote ftehenden Holzes richten, „säger haben mir erzählt, daß die Eingeborenen am Dfavango ihre Boote oft in Ermangelung von großen, gerade getvachjenen Bäumen aus einem frummen, zuweilen fait im Knie gebogenen Stamme ausgehauen hätten, fo daß es vieler Kunft bedürfe, mit folchen Fahrzeugen zu fahren. Aus einem Stüd beſtehen auch die Holzſcheiden der Mefjer und Dolce, wie jolche von mir an das Berliner Mufeum

abgegeben

find.

Weil die Eingeborenen

fein Werkzeug

einem kleinen Weigel

befigen, um eine ſolche Scheide einfach ausbohren zu fönnen, jo ift die eine Wange falt ganz binweggearbeitet und nur ein ſchmaler Streifen Holz an der Kante hält die Meffer: ſchneide feſt. Zum Aushauen der Holzgeräte, der Löffel, Eimer, Schalen, Tröge gebrauchen die Eingeborenen nur drei Werkzeuge. Zuerſt eine kleine Queraxt (Diſſel), beſtehend aus dem Stiel und einem ein wenig gekrümmten, vorne

einbauen. Bei einigen der Ninge, die ich mitgebracht habe, it die Arbeit derart, daß ein europäischer Schmied wohl

Stiel in der Weiſe befeſtigt, daß durch den Kopf des Stiels

zwei Hölzchen

auf weite Diftanz

recht geſchickt getragen.

Als Ambos dient ein Stein; von den Hämmern iſt ſchon früher gefprochen worden.

Die eingeborenen Schmiede verfertigen zum Schmud Gifenperlen von der Größe

einer Erbje

bis zu der einer

feinen Kartoffel, ferner Armringe gewöhnlich etwa 5 mm, breit, denen fie, wenn auch einfache, jo doch zumeilen recht

zierlihe Muſter gleichförmig

mit

breiteren, hinten ſpitzen Eiſen.

Das

Eiſen iſt an dem

nur mit Mühe etwas ähnliches zu Wege bringen möchte,

einfach ein Loch hindurch gebrannt und das Eiſen in das—

zumal mit jo primitiven Werkzeugen.

ſelbe hineingeſteckt iſt, ſodaß mit jedem Schlage das Eiſen nur immer feſter in den Stiel hineingeklopft wird. Zum Stiele

Dieſe Ringe ſowie

die Perlen werden aus einem geraden Stüd nur zuſammen— gebogen, nicht wirklich zufammengefchweißt.

Auch fupferne

Armringe, zuweilen zu einer fchlangenförmigen geſchmiedet, werden verfertigt. Ausland

1884, Nr. 27.

Spirale

werden meiſt Aeſte des von den Herero Omukaru genannten Buſches mit zähem Holze genommen. Dieſe Eiſen ſind, wie ſchon geſagt, nicht breit, höchſtens vorn bis zu einem 80

Ueber Handwerfe

526

und techniſche Fertigkeiten der Eingeborenen

in Damaraland

(Südafrika).

Zoll. Ein ähnliches Eiſen, nur gerade geſchmiedet und ſenkrecht in den Stiel geſteckt, dient als Axt zum Zerhauen

Dvamboland

des Holzes.

wird. Die Fadenlöcher und Nitchen, die noch offen bleiben, werden dann mit Rindermiſt ſoweit zugejchmiert, daß die Milch nicht mehr hindurch fidern kann. Auch eine Probe folcher geflidter Holzgefäße habe ich an das Berliner Mufeum abgegeben. Um das unappetitliche Ver:

it ſolchen

Queräxrten

wird die äußere Form des

Gerätes hergeſtellt; ohne daß irgend welche Hilfsinſtru— mente, Zirkel oder Maßſtab, angewendet würden, wird und dabei wiſſen alles nach dem Augenmaß allein beurteilt die Eingeborenen mit ſolcher Geſchicklichkeit zu arbeiten, daß man nach dem bloßen Anſehen viel vollkommenere

Werkzeuge

vermuten

dürfte.

Die äußere Oberfläche der

Holztöpfe iſt meiſt faſt ſo glatt bearbeitet, daß man kaum noch die einzelnen Züge der Queraxt, womit fie behauen ift, erkennen kann, irgend ein befonderes Inſtrument zum Glätten der Oberfläche wird nicht angewendet. Wenn man dabei nun noch bedenkt, daß die Eingeborenen durch: aus fein Werkzeug kennen, um den zu bearbeitenden Gegenftand feftzuhalten, alfo ettvas, das einem Schraub: ftod oder auch nur der Schneidbank unferer Landleute entjpräche, daß fie vielmehr den Klotz, der behauen wird, nur mit den Händen feithalten, wird man die Sicher: heit, mit der fie die kleine Diſſel zu führen vermögen, wirklich betvundern müffen. Freilich wird auch das Be— hauen der Holzgefähe, der Milchtöpfe und Tränfeimer gewiſſermaſſen al3 eine Haupt: und Staatsaftion behandelt. Es Scheint faft, al3 ob die Häuptlinge die Jabrifation der Holzgefüße als etwas, das ihnen fpeziell zukommt, bes trachten. Jedenfalls fißen, wenn ſie nicht jelbit eigenbändig zu arbeiten geruhen, die Schniger bet ihnen im Pate um das heilige Feuer, und alle Augenblide wird die Arbeit immer wieder dem Häuptlinge vorgezeigt, der be: jtimmt, wo noch ein Spänchen wegzubauen it. Daß es dabei recht lange dauert, bis ein ſolches Gefäß fertig wird, fann man fich leicht denken. Es kommt den Afrifanern aber auch nicht auf einige Minuten an. Um das Innere der Gefäße auszuarbeiten, bedient man fich eines Werkzeuges mit hafenfürmigem Stiel. Zu ſolchem Stiel nimmt man eine Wjtgabel, auf deren Spite ein Eifen mit angeſchmiedeter Tülle aufgeſteckt ift. Se

einheimischen

Fächerpalme

zugenäht

oder,

genauer zu reden, gejtopft, wie ein Riß im Zeuge gejtopft

dichtungsmittel zu erklären, muß ich hinzufügen, daß Rind» viehmift von den eingeborenen Afrifanern im allgemeinen nicht für etwas unreines angejehen wird. Außerdem werden mit dem Meſſer Stöde, von den

Dpambo mit fugelfürmigem Griff, längere und kürzere WurfKeulen, ſowie hölzerne Pfeile aus hartem Holz geſchnitzt. Auch der Stodfnopf iſt immer aus einem Stüd mit dem Stode ſelbſt. So Schöne Stöde ſchnitzen diefe meftlichen Bantuvölfer aber nicht, wie man fie zumeilen als aus den Händen der öftlichen, der Betfchuanen und Kaffern, hervor:

gegangen fieht, welche es lieben, einen Stod zu fchniten, um den eine Schlange fich windet. Die Schlange hängt dann oft nur noch an wenigen Stellen mit dem Stode jelbjt zufammen, da natürlic), wie immer bei den Bantu, alles aus einem Stüd it, ſonſt ift der Leib ganz frei, wie

die Schlange am Stabe Aeskulaps dargeitellt zu werben pflegt. Die hölzernen Pfeile werden aud) wohl an der Spite mit Widerhafen verjehen. Solche Pfeile werben zur Jagd auf das kleinere Wild gebraucht, auf Hafen, Perlhühner und dergleichen. Oft werden auch nur hölzerne Pfeilfpigen lofe auf einen Rohrſchaft aufgeſetzt, jo daß fie unmöglich

mit dem Schafte aus der Wunde wieder herausgezogen werden können. Auch ein größeres Tier, dem eine jolche Pfeilfpige

einmal

in den Bauch hineingejtoßen ift, wird

nicht leicht dem Tode entgehen. Fäden und Stride von Pflanzenfafern werden wenig gebraudht und gemacht. Die Hottentotten gebrauchen aus Baltfafern gedrehte Schnüre zum Nähen der Binfenmatten, aus denen ihre Zelthäufer bejtehen. Die Binfen werden erſt auf eine, wohl bis 70 em. lange Nadel, meift mit Hand: griff und dann einem Stoßdegen nicht unähnlich, aber

nach Bedürfnis wird der Stiel bald länger, bald fürzer

ohne Stichblatt, aufgefädelt, ehe die Schnur hindurchgezogen

gewählt, jenachdem man eben entiweder nur einen fleinen Topf bearbeiten till oder in einen großen möglichit tief hineinreichen will. Auch mit diefem Inſtrument wird mit gleicher Genauigkeit und Sicherheit gearbeitet. Zum ſchließlichen Ausräumen des Bodens dient ein kleines, gefrümmtes, zmweischneidiges Schabeifen, an einem

wird.

zirka 1m. langen geraden Stod befeitigt.

gedreht.

Ein Sortiment

jolcher Werkzeuge, wie fie die Herero gebrauchen, ift von mir an das Berliner Mufeum abgegeben worden. Die anderen Eingeborenen in Damaraland gebrauchen übrigens

ſehr ähnliche Werkzeuge. Wenn nun ein ſolches Holzgefäß im Laufe der Zeit Riſſe befommt, fo wird es nicht gleich verworfen, fondern womöglich geflidt. Der Riß wird thatfächlich mit Fafern von zähem Gras oder noch lieber mit Faſern von der in

Einige

Bergdamara

machen

auch

Schnüre

aus

einer Aloe-Art, die am Erongogebirge und am Wafjerberge (Otyozondyupa) ziemlich häufig ift, mit ſehr feſten Faſern. Sie wiſſen fie aber nicht länger als etwa 2 m, zu machen. gu allen ſolchen Schnüren werden die Fafern ohne alle

Werkzeuge

nur mit der flachen Hand auf den Schenfeln Dünnere Schnürchen werden auch viel, befonders

von den Namaqua und Bufchmännern, zur Verzierung der Täſchchen und Kinderfchürzchen gebraucht. Auch habe ich dem Berliner Mufeum eine Frauenperrüde Schnürchen übergeben fönnen.

aus folchen

Körbe werden aus Wurzel: und Palmblattfafern geflochten.

Bon Palmblattfafern faft nur von den Ovambo,

da im eigentlichen Damaraland das Material nicht zur Hand iſt. Aehnlich wie bei unfern Strohhüten befteht der

Ueber Handwerfe

und

technifche Fertigkeiten

Grundbau des Korbes aus einer einzigen diden Spirale. Die einzelmen Ringe derjelben werden dann durch andere

Fafern mit einander möglichit genau verbunden.

Solche

Körbe jind mafjerdicht und werden zum Aufbewahren von

Milh und

anderen Flüffigfeiten

benust.

Wenn fie fich

auch natürlich nie ordentlich reinigen laffen, fo iſt das für

die Eingeborenen Afrikas fein Hindernis, fie zu den ange: gebenen Zwecken zu gebrauchen.

Felle werden gegerbt, indem fie reichlich mit Fett beſtrichen und dann fo lange gerieben und gefnetet werben, bis fie völlig weich geworden find. Ber Fellen Fleinerer Tiere gejchieht das ohne alle Werkzeuge nur mit den Händen

und Füllen. Didere Stüde von Elands oder Giraffenhaut zu Sohlleder werden mit einem hölzernen Schlegel, ähnlich dem Klopfholz unferer Zimmerleute, jo lange auf

dev Eingeborenen in Damaraland

(Südafrika).

927

nicht weiter zufammengenäht, jondern jo genommen, vie fie nad) dem Gerben geworden find, höchſtens daß fie mit Verlenftickereien verziert werden. Nur zu den Schlafdeden,

welche dann auch als Umhängepelze verivendet erden, werden mehrere Felle zufammengenäht. Die Hottentotten lieben es, dergleichen Schlafdecken aus vielen Stüdchen von verſchiedenen Farben zufammenzufegen und geben fich viele Mühe, dabei allerlei Mufter zu finden; möglicher: weile iſt hierin aber auch ſchon europäifcher Einfluß zu iehen. Zu Nähnadeln werden dann die langen und itarfen Dornen genommen, welche die Nfazien und Mimofen

von Damaraland

in jeder gewünschten Form und Größe

einem Stein geflopft, bis fie völlig weich geworden find.

veichlich bieten. Zum Faden nimmt man die Safern der langen Sehnen am Nüdgrat der gefchlachteten Tiere, Diefe Sehnen haben getrodnet Steifheit genug, daß man fie ohne weiteres durch die mit dem Dorn vorgeftochenen

Um

zu machen, wie fie bei den

Löcher hindurchiteden fan, Die Eingeborenen von Damara—

Ochſenwagen zum Anbinden der Zugtiere und fonft viel: fach gebraucht werden, wird das Tell, entweder jo naß, mie es frijch abgezogen ift oder erſt getrocknet, und dann wieder im Waſſer aufgeweicht, in pafjende Streifen gefchnitten; e3 wird dabei immer in die Runde gefchnitten, daß es wo möglih nur eine Länge gibt. Diefer Niemen wird dann in langen Schlingen über einen jtarfen Baumalt gehängt, wie ein ‚Tall MWollfäden aufgehängt merden

land machen dabei mit großer Gewiſſenhaftigkeit und Ge— nauigfeit eine vecht dauerhafte Naht. Als etwas Charal-

aus Rindsfell Riemen

fünnte; dabei werden

die Schlingen

jo lang genommen,

daß fie beinahe bis an die Erde reichen.

An die unteren

Enden wird ein fehiverer Stein angebunden. Dann ftedt man eine Art Hebebaum in die Riemen und dreht fie mit demjelben jo jehr wie irgend möglich,

bis die Riemen fo

weit zufammengedreht find, daß der Stein beinahe den Alt erreiht. Dann wird der Hebebaum herausgezogen. Die freigewordenen Riemen drehen ſich nun mit großer Gewalt wieder auf und werden dabei von dem angehängten Gewicht möglichit ausgejtredt. Dann werden fie von neuem zufammengedreht, wieder losgelaffen, drehen fie fich wieder auf u. ſ. w. Sn diefer Weife werden

fie mehrere Tage

hindurch bearbeitet, auch öfters dabei mit Fett eingerteben, bis die Niemen völlig gefchmeidig geworben find. Daß Felle, möglichit unverfehrt den Tieren abgezogen, zu Schläuchen verivendet

werden,

habe ich oben bei den

Blafebälgen erwähnt. Das Fell des Tieres wird dazu am Schwanzende aufgefchnitten und ohne weitere Antvendung des Mefjers, abgefehen davon, daß die Füße abges ſchnitten werden, dem Tiere im buchſtäblichen Sinne über

die Ohren gezogen.

Diefe Schläuche werden dann in der

angegebenen Weife gegerbt, aber doch nur zum Aufbewahren trodener Gegenftände benußt; Waſſer oder andere

Flüffigfeiten in Schläuchen habe ich in Damaraland nie ge: ſehen. Die Hottentotten benußen auch Baſt zum Gerben ihrer Felle; doch ift es mir fraglich, ob fie nicht dieſes von Europäern gelernt haben. Die Felle werden als Kleider, beziehentlich ala Schürzen und Mäntel benußt. Dazu werden fie für gewöhnlich)

teriftisches fönnte angeführt werden, daß die Eingeborenen von Damaraland urfprünglich fein anderes Mittel, um ihre Kleider auf dem Leibe zu befeitigen, fennen, als daß fie dDiefe mit einem Gurte zufammenfaffen, weder Nadeln ; noch) Spangen, noch Hafen fennen fie von Haufe aus. Alles wird nur als wie eine Dede umgenommen und um den Hals mit den Händen zufammengehalten. Eine Ausnahme dabon wäre etiva nur, wenn ein ganzes Schaffell als eine Art Mantel über eine Schulter umgenommen wird; dann wird das Kopfende nach unten gehängt und das Fell der beiden Hinterfüße über der bloßen Schulter zufammengebunden. Aus den gegerbten ftärferen Häuten werben Schuhe gemacht. Die Herero trugen urfprünglich nur Sandalen mit langen Spiten vorne und hinten, welche weit über

die Enden

des Fußes

hervorragen.

Eigentlihe Schuhe

Icheinen mehr von den Namaqua herübergenommen zu fein. Bei diefen wird das Oberleder mit einem dünnen Riemen an die Sohle angenäht. Auch bei der Fabrikation der Schuhe wird faft nur nach dem Augenmaß gearbeitet,

und da es fich hier um Herftellung zweier gleicher Stücke handelt, kommt es oft genug vor, daß der eine Schuh fleiner wird al3 der andere und daß er alfo nicht pafjen will.

Aus Knochen habe ih in Südafrifa Fein Werkzeug verfertigt gefehen, abgefehen davon, daß die Namaqua

und zu eine Kleinere Mattennadel

ab

von Knochen machen

oder daß Röhrenfnochen zu Tabakspfeifchen oder Tabaks— döschen verarbeitet werden. Die Namaqua jchneiden auch derartige Pfeifen und Pfeifenföpfe aus Serpentin. Kleine

Knöchelchen werden ale Schmud, vielleicht auch als eine Art Amulett getragen. An die Gürtel der kleinen Kinder werden an längeren Riemen meift einige Knochen befeitigt, welche ven Kleinen als Spielzeug dienen.

5 328

Eheſchließung bei den Alfuren auf Halmaheira.

Eheſchließung bei den Alfuren auf Halmaheirn.

Hat man fi) nun fo gegenfeitig Verſprechungen ges macht, jo iſt das ein vielverheißender Anfang; aber der

Die erſten Anfnüpfungspunfte für eine Ehe werden faft immer von einem Wela-Wela-Feſt herftammen, wie ſolches jett den Schluß eines jeden Totenfejtes ausmacht, während es früher nur bei der Einweihung vder Reno—

Süngling fährt noch ruhig fort, jede Nacht auf feinem Snftrumente zu fpielen und dazu von der Schönen Zukunft

vierung eines Tempels oder beim Bejuch fürjtlicher ‘Per: fonen gefeiert wurde. Für den, welcher ein folches Felt befucht, gibt e8 nichts anderes zu fehen als Sünglinge und ‚Mädchen, denn folche allein feiern das Feſt, die je zwei

und zivei die beiden Enden

eines Schlinggewächfes feſt—

halten und indem fie daran reißen, ſich einander Verſe zus fingen. („Ausland“, 1883, Nr. 46.) Dies Feft dauert bie acht hindurch und wird mit folcher Leidenſchaftlichkeit won den jungen Leuten gefeiert, daß fein einziger dabei fehlt. Auch trifft man feine Eltern, die ihre Kinder nicht aufforder— ten und dazu antrieben, ihren Kopf mit allerlei Federn und Hierrat aufzupußen, um an dem Felt teilnehmen zu fünnen. Hat nun ein Süngling feine Wahl getroffen, jo gibt er auf diefem Feſte folches dadurch zu erfennen, daß er Federn und Blumen aus ihrem Haar fich aneignet und jollte die Wahl von zwei Zünglingen auf dasjelbe Mädchen gefallen jein, dann gilt in dem fich darüber erhebenden Streit einfach das Necht des Stärferen. Infolgedeſſen pflegte in früheren Jahren niemand ohne Schwert und Schild jold’ ein Feſt zu bejuchen. Indeſſen findet diejes jeßt durch den Einfluß des holländischen Gouvernements nicht mehr Itatt. Hat nun ein Süngling, ohne Widerſtand zu finden, Federn und Blumen von dem Haupte feiner Erforenen nehmen können, jo geht er des Nachts mit einer Solepa zu dem Haufe, wo fie jchläft, um draußen an der Wand jtehend fein Ständehen zu bringen. Dieſe Solepa ift ein ſehr fümmerliches Saiteninſtrument, das aus einem über eine halbe Kokosnusſchale geſpannten Kupferdraht befteht und nur einen ſchwachen Ton gibt. Aber doch, jo einfad) diefes Inſtrument ift, man legt ihm eine geheimnisvolle Kraft bei, die Zuneigung zu gewinnen und außerdem tft diefe Muſik zugleid eine Sprache ohne Worte. Zuerft gibt der Jüngling auf feinem Inſtrument einen Ton, der eine ganz bejcheidene, unbedeutende Bitte ausdrückt, die ihm, wenn nur ein wenig Neigung auf Seite des Mädchens vorhanden ift, gewährt wird. Wächſt nun die gegenfeitige Neigung der beiden, fo drüdt das der Jüng— ling auf feiner Solepa durch eine andere Melodie aus, deren Sinn ift, daß er das Mädchen bittet, ihm einen Armring aus Baumrinde zu flechten, wie ihn die Männer

bei feitlichen Gelegenheiten tragen. Wird durch diefe Mufik das Herz des Mädchens fo weit gewonnen, daß fie auch das gewährt, jo erfucht fie Soſonoto zu verfertigen, d. 1. Stüdchen Papier, wie es von der Beteldoſe gebraucht wird, Geduld fordert.

ihn nun ihrerfeits, ihr ein ein fünftlich ausgefchnittenes den Frauen als Verzierung deſſen Berfertigung fehr viel

zu fingen. Indeſſen muß er fich noch allerlei Formalitäten gefallen lafjen, ehe die Sache nur einmal jo weit tft, daß das Mädchen nicht mehr von feinen Eltern an den Meiſt— bietenden verkauft werden fann. Ueber Tag dürfen ſich die Liebenden überhaupt gar nicht jehen oder treffen; ja diefes Verbot erftredt fich jo:

gar auf alle Erwachſenen der ganzen beiderfeitigen Fami— lien, und man würde lieber durch Wafjer und Feuer gehen, als diefe Sitte mifachten. Auch wird es der Jüngling niemal3 wagen, fih in das Haus des Mädchens einzus ichhleihen; denn dadurd würde er fich der Gefahr ausjegen, gefangen genommen zu werden, und das würde ihn zwingen, fofort das Mädchen zu heiraten, ohne daß vorher irgend— welche Berhandlungen ftattgefunden hätten und dann na= türlich auch alles zu bezahlen, was man nur von ihm fordert.

Uber freilich auch bier kommt die Sitte dem Süngling in einem folchen Falle zu Hilfe, indem fie ihm eine Strafe von 24 Gulden auferlegt, um ihn dafür dann wieder für frei zu erklären,

Erſt nachdem die beiden verfprochenen Gegenjtände fertig geftellt und auch gegenfeitig

angenommen

worden

find, ift der Zeitpunkt gefommen, daß er nicht nur durd) feine Solepa alle Konkurrenten abweifen und feine Oeliebte gegen Verkauf ficheritellen Fann, fondern auch die Berech—

%

F

tigung erhält, von feiner Neigung zu dem Mädchen öffent-

lich etwas merken zu lafjen. Die eriten Beweiſe diejer Neigung werden indefjen nicht durch ihn ſelbſt gegeben, “ fondern er darf einige Freunde oder Verwandte zum Haufe

des Mädchens

mitbringen, damit diefe feinen Plan für:

dern; er felbft aber darf jedoch die Mohnung

noch nicht

betreten. Sit man bei der Wohnung des Mädchens an— gefommen, fo nimmt der SJüngling wieder feinen Platz draußen an der Wand ein, während feine Kameraden hineingehen, um das Mädchen zu weden. Dies gejchieht entiveder dadurch, daß man fie an ein paar Haupthaaren zupft oder einen Fingernagel unter einen ihrer Nägel jtedt, bis fie wach wird. Das Aufwecken muß in diejer

Weiſe gefchehen, denn dadurd ‚wird dem Mädchen fogleid) fund gethan, daß ihr treuer Geliebter wieder in ihrer Nähe Platz genommen

bat und

es gibt ihr zugleich die

VBerfiherung, daß derfelbe öffentlich um ihre Hand anz halten will. Aufwecken durch Nufen oder irgendivie jonft it bei ſolch' zarter Angelegenheit ſtrengſtens verboten. Das Mädchen thut nun aber, nachdem fie wach geivorden

it, als ob fie von nichts wüßte, obwohl fie natürlich alles jehr gut begreift und jagt ganz verwundert etwas Ärger

lich: „Was foll das bedeuten? Ich werde einmal Licht ans ſtecken, um zu ſehen, wer denn fo frech ift, und mic in meiner eigenen Schlaffammer weckt!“ Indeſſen an diefem

Abend wird denn doch Fein Licht angeſteckt, vielmehr läßt

529

Eheſchließung bei den Alfnren auf Halmaheira.

fih das Mädchen überreden, den Schlaf der übrigen Haus: genofjen nicht zu jtören. Aber durch dies Aufwecken hat

aber nun

fie nun die VBerfiherung erhalten, daß der Süngling am darauffolgenden Abend öffentlih um fie anhalten wird.

Sobald der Jüngling dieſer Perſon anſichtig wird, beginnt er eine Art Tanz, der aber merkwürdigerweiſe

Am folgenden Abend zieht dann der Süngling wieder mit feinen Gejellen zum Haufe des Mädchens, diesmal

nicht mit den Füßen, ſondern mit den Händen ausgeführt wird, die ſich nach dem Klange der Muſik in möglichſt

aber in Feſtkleidung.

anmutiger Weiſe gegeneinander bewegen, ineinander und übereinander legen u. ſ. w., eine Kunſt, die offenbar lange und forgfältige Vorübung erfordert hat. In tiefer Stille jind alle Augen feſt auf die tanzenden Hände gerichtet, um zu ſehen, ob der Jüngling nicht aud) eine verfehrte Bewegung made. Diefer läßt ſich indeffen nicht beirren und fährt ruhig fort, in der Hoffnung, daß er es allen recht machen wird. Iſt der erſte Tanz beendigt, fo legt er feine müden Hände auf das Kiffen, damit fie da ausruhen können. Inzwiſchen tft die Perfon mit der Beteldoje herangefommen, hat fich niedergefeßt und bietet ihm Betel an. Aber erſt muß er feinen Händetanz noch dreimal wiederholen, mober die Hände nur um die Doſe herume jpielen, ehe er diefelbe annehmen und mit graztiöfer Beweg—

Jetzt gebt er auch mit in das Haus,

jeßt fih aber auf den Fußboden hinter der Thüre des Zimmers, two das Mädchen jchläft. Die Freunde gehen in das Schlafzimmer hinein, um fie zu mweden, worauf

fie fofort, ohne ein Wort zu jagen, auffteht und ihre Hausgenofjen mwedt. Darauf verläßt das Mädchen das Haus oder verbirgt ſich wenigſtens forgfältig, wenn fie anders geneigt ift, die ihr anzubietende Hand anzunehmen. Berbirgt ſie fich nicht, jo weiß der Jüngling, daß er einen

Korb befommen hat und gebt beleidigt nach Haufe. Endlich wird nun das Fadellicht angeftedt und da— mit beginnt die Feierlichfeit diefes Abends. Die Fadelträger jehen ganz verivundert um ſich und thun jo, als ob fie nach Dieben fuchten. So finden fie endlich den Füngling

hinter der Thüre und reden ihn folgendermaßen an: „Was, Du

mit

Deiner

reichen,

angejebenen

Familie

bift in

diefe ſchmutzige, armſelige Wohnung gefommen? Stehe auf, jige nicht länger im Staube, jondern wenn Du es der Ehre würdig achteit, jo Faue mit uns Betel, Tabak und Kalt, denn das tjt doc) das ficherfte Zeichen unferer gegen:

von

dort

ganz

langſam ein Mann

oder eine

Frau mit einer Beteldoſe.

ung auf das Kiffen legen darf. Ganz bevächtig greift er nun zu und bietet dann auch dem Bringer der Dofe an, der nun jeinerfeits auch exit denjelben Händetanz aufführen muß, ehe er annehmen darf. Nachdem fie den Betel dann miteinander gefaut haben, erheben ſich beide und die Feier: lichkeit ift vorüber. Der Süngling verläßt aber das Haus

Der Jüngling weiß indejjen ſehr

nicht, jondern geht in das Schlafgemach des Mädchens,

gut, daß wenn er diefer Einladung folgte, das von ihm

erwählte Mädchen für ihn univiederbringlich verloren fein

two er eine Bank mit einer Matte und Kiffen vorfindet, auf denen er ſich ausruhen und für die mühſamen Aufgaben

fvürde und

des folgenden Tages jtärken fann.

jeitigen Freundſchaft!“

darum

bleibt er unbeweglich figen.

In den

ichmeichelhaftejten Ausdrüden wird er noch mehreremal ges beten, doch endlich aufzuftehen. Eraber bleibt mit gejenftem Haupt jtill fißen. Derjelbe Vorgang wiederholt ſich

an den beiden folgenden Abenden, während dann erjt am vierten Abend die Hauptfeterlichkeit jtattfindet, zu welcher

fich dann Alt und Jung aus dem ganzen Dorfe einitellt. An diefem Tage gibt e8 viel Leben im Haufe des Mäd— chens; ihre Schlafkammer wird mit buntem Zeug bebangen, das von alters her für dieſe Feierlichkeit forgfältig auf: bewahrt worden ift und meiter wird eine ſchöne Matte

auf dem Boden ausgebreitet und mitten darauf ein Kiſſen gelegt. Diefe Matte joll dem Jüngling als Sitzplatz dienen, damit er fein Feitgewand nicht befhmuge. Wenn alles fertig ift, nimmt die Feftlichkeit ihren Anfang durd) das Kommen des Helden des Tages, der indes oft jehr lange auf ſich warten läßt. Aber das verdrießt niemans den, denn inzwiſchen legen ſich feheinbar alle nieder zum Schlafen. Endlich tritt der Süngling ganz leife in das Haus ein, aber fo leife er auch fommen und ſich auf die Matte niederlaſſen mag, jofort wird doc alles wach und man

lacht ihn wegen feiner Ungefchidlichfeit aus. Nachdem er ji) niedergefeßt, find aller Augen auf die entgegen: gejeßte dunkle Seite der Wohnung gerichtet, als ob von da nun

die Braut Ausland

Tommen

1884, Nr. 27.

follte.

Statt deſſen kommt

Seine Geliebte darf er indeſſen nicht fehen, denn das würde von ihrer Seite Luſt zu der Ehe verraten und das it verboten. Wenn er am Morgen erwacht, fo verläßt er alsbald das Zimmer um ein jchweres Kunſtſtück auszu— führen. Vor der Thür des Haufes liegen einige Matten auf der Erde und während er nun rüdwärts fchreitet, nimmt man die Matten vor ibm auf, um fie wieder hinter ibm niederzulegen und fo geht es bis zu einem Abſtand von etiva 50 m. von dem Haufe. Aber wiemuß der Arme über diefe Matten gehen? Er muß nieberfauern, feine beiden Daumen auf feine großen Zehen legen und dann in diejer Stellung vorwärts oder vielmehr rückwärts ſchreiten, ohne mit den Ferfen den Boden zu berühren. Eine einzige verfehrte Bewegung, 3. B. das Aufheben eines Daumens,

würde das Mißglücken

des Kunftjtüdes

bedeuten, was

freilich die beabfichtigte Heirat nicht in Frage jtellen, ihm aber von feinen Dorfgenofjen als große Schande ange:

rechnet werden würde. Indeſſen damit hat es feine Not, denn der Süngling hat fi längſt auf diefen Tanz ein: geübt und ift feiner Sache gewiß. Die folgende Nacht bringt er wieder in der Schlaf: jtube feiner Braut zu und zwar nun in der Hoffnung,

daß er fie endlich zu fehen befommen wird. Der erite Hahnenſchrei ift für ihn das Zeichen, daß er auf dem sl

330

Eheſchließung bei den Alfıwen auf Halmaheiva.

einen Ende der Bank plaßnehmen und für das Mäpdchen, daß fie ihm einen Befuh machen muß. Sie fommt mit einer brennenden Fadel, einem Körbchen mit Blumen und

das Mädchen in feiner Wohnung befuchen, auch in feinem Schlafgemach fchlafen, befommt es aber nie vor der Morgendämmerung zu fehen. Er darf nie zu feinen

einem Heinen Salbenfrüglein.

Schwiegereltern kommen ohne eine Portion Palmwein mit fich zu bringen, die man dann zuſammen auftrinkt; aber dabei darf er fih nicht fegen, darf nichts, was feinen

Die beiden leßteren Ge:

genftände legt fie auf das Kiffen nieder, nimmt dann auf dem anderen Ende der Bank Platz und nun beginnt ein

Geſpräch

über alles mögliche,

nur nicht über ihre Ver:

Schwiegereltern

gehört, anrühren und muß die Wohnung

heiratung. Während diefes Gefpräches rücken fie einander immer näher, bis nur noch das Kiffen zivifchen ihnen beiden liegt. Jetzt wird erſt Betel miteinander gefaut

jedesmal rückwärtsſchreitend verlaffen. Der Hochzeitstag ift indeffen noch nicht bejtimmt, und nicht ſelten wird Die Geduld des Fünglings Wochen und Monate lang auf die

und darauf nimmt das Mädchen das Krüglein, gießt etwas

Probe geftellt.

von jeinem Inhalt dem Jüngling auf die Hände und diefer jalbt fich feinem Kopf und Leib damit. Diefe Salbenfrüglein befommt man niemals zu fehen und fie find für fein Geld zu faufen. Hat er fih nun mit diejer duftenden Salbe gefalbt, dann ftedt ihm das Mädchen die Blumen in’s Haar und verläßt darauf mit ihrer brennenden Fackel das Zimmer. In diefem Schmud muß dann der Süngling am anderen Morgen wieder feinen beihwerlichen Gang antreten und fo geht es wieder vier Nächte lang. Nocd immer weiß man übrigens nicht, ob die offiziellen Eheverhandlungen nur einmal ihren Anfang genommen haben.

welcher Weife man vorgeht, um den Brautfchab zuſammen—

Die lebte der vier Nächte ift wieder die bedeutfamite,

zubringen.

Es kommt hier hauptfächlich darauf an, in

Es ift bis dahin noch ftrenge verboten, daß

der Süngling in der Wohnung des Mädchens irgendwelches Eſſen zu fih nimmt. Jede Uebertretung diejer Art würde bewirken, daß die Forderungen des Braut: ichaßes die Geftalt von gemeiner Schuld annehmen.

Er

muß

inzwiſchen Beweife feiner Liebe zu dem

Mädchen geben, die getvöhnlich in Gefchenfen von allerlei °

Eßwaren bejtehen. Dergleichen Sendungen kann er nad) Belieben twiederholen, und nad) der Quantität derjelben bemißt man den Grad feiner Liebe.

Dabei iſt e3 für ihn

durchaus nötig, feinen Schwiegereltern die tiefite Ehrer— bietung zu beweifen. Das Ueberbringen folcher Gefchenfe

denn ehe der Jüngling gejalbt und mit Blumen geſchmückt wird, kommt ein Nedner an die Thür des Schlafzimmers und Spricht ihn folgendermaßen an: „Was willft Du Dir

geichieht in großer Feierlichfeit und es folgt darauf ein dreitägiges Felt, bei welchem der Becher tüchtig die Runde

noch länger dur Beſuche in diefer fchmugigen Wohnung

Sendung von Gefchenfen zu beweifen. 20 bis 30 Per: ſonen, meiftens Frauen, bringen alles in die fejtlich ges

Mühe machen?

Willft Du mit uns in Freundschaft leben,

dann ſchicke Deine Anverivandten, die länger auf der Welt ind als Du’. Das will fagen: Wenn Du wirklich be abjichtigit das Mädchen zu heiraten, dann laß Deine Ver:

macht.

Auch das Mädchen ift verpflichtet, ihre Liebe dur)

ihmüdte Wohnung des Jünglings und hier gibt es aud) erit eine ganze Menge genau vorgefihriebener Zeremonien, ehe man glüdlich ſich niederjegen fann, um gemütlich zu ejfen und zu trinfen. Nenn fih dann endlich die Ueber: -

wandten fommen, um die Anforderungen der Sitte zu erfüllen. Iſt nun diefer Nedner wieder verichwunden, dann erjcheint das Mädchen, um ihn zum lettenmal zu jalben und zu ſchmücken, auch hat er heute feinen Gang nur noch über eine einzige Matte zu machen. Nun erft

gefchenfe für das Mädchen auf. Und fo geht es in der Jtegel mehreremale. Sit nun endlich der Brautichaß bei-

tt der Süngling berechtigt, das Mädchen der Sitte gemäß

jammen, jo werden die Verwandten und Freunde eingeladen,

frei zu kaufen. Sat er felbft fein Geld, dann it er freilich völlig auf die Unterftüsung feiner Blutsperivandten ans gewiefen. Die erjte Zahlung die geleitet werden muß, beiteht in 8 Gulden und darauf folgen dann nod) vers ſchiedene andere, die jebt nach Willfür zufammen 40 bis 60 Gulden betragen, während man früher zu gleichem Zweck nur ein Meſſer zu geben hatte. Dies Geld gehört noch nicht zum Brautſchatz, braucht darum auch niemals

zurüdgezahlt zu werden.

Es dient nur dazu, die Wohn—

ung de3 Mädchens zu reinigen von der Verunreinigung

bringer diefer Liebesbeweife des Mädchens zum Heimwege anfchien, jo dringt man ihnen erſt noch wieder Gegen:

denjelben in Empfang

zu nehmen.

Alfuren muß die Summe

Nach Rechnung der

48 Gulden, d. i. nach holländi—

ſchem Geld 60 Gulden, betragen.

Dies Geld muß auf

einer Borzellanfchüfjel Liegen und dabei außerdem noch ein

Stück Zeug, drei große Borzellanfchüffeln, drei mit Mufcheln eingelegte Schilde, drei lange und drei furze Mefjer und drei Murfipieße. Alles dies wird von 15 bis 30 Per: jonen in feſtlichem Anzug feierlih nad) der Wohnung des

Mädchens getragen, wo die Familie in gewöhnlicher Kleid» ung in aller Stille die Sachen erwartet. Diefelben werden auf einen Tiſch gejtellt und betrachtet. Gewöhnlich genügt nicht alles und es gibt erſt noch Zank und Streit. Was

dur Sterbefälle, die darin vorgefommen find. Sobald man über die Summe für diefe Reinigung eins geworden it, find die jungen Leute richtig verlobt. Won jest an it jedes Feft für fie gefchloffen, aller Umgang mit Un: verheirateten für fie verboten und die geringfte Uebertretung

des Brautfchages nad) Haufe zurück und werden dort durch

wird mit einer Geldbuße gejtraft.

ein dreitägiges Felt für ihre Mühe belohnt.

Der Jüngling darf jeßt

nicht gut befunden wird, muß durch beſſeres erfegt werden. Iſt man endlich einig getvorden, fo fehren die Ueberbringer

4 Die Erfteigung des Takht-i-Soliman

Nach dieſer Ueberbringung des Brautſchatzes ift der Süngling noch völlig von den Launen des Mädchens und

der Willfür ihrer Familie abhängig.

Die Sitte gibt ihm

freilich ein Mittel, um dem ein Ende zu machen; er darf nämlich das Mädchen gefangen nehmen laffen und nadı feiner Wohnung bringen, aber das fommt faft niemals

vor. Gewöhnlich dauert es noch lange, ehe die Hochzeit itattfindet, da man zu derfelben noch fo vielerlei beforgen muß. Die eigentliche Eheſchließung beginnt nun damit, daß das Mädchen dem Süngling in ihrer Wohnung ein Ihönes Mahl bereitet; denn dies gibt ihm das Recht, nun

endlich die Stunde der Eheſchließung feitzufegen. Nun wird zum erjtenmal zu ihrer Ehre ein Felt gefeiert und der Jüngling mit feiner Familie dazu eingeladen. Nach— dem man den Bräutigam eine Zeit lang hat ftehen laffen,

wird eine Matte gebracht und er wird gebeten, auf derjelben Bla zu nehmen. Darauf naht fich ihm eine angejehene Berfon, von der man weiß, daß ſie noch niemals

im indisch-afghanifchen Grenzgebirge.

531

er das Haupt der neuen Familie, während er ſonſt für jeine Schwiegereltern Sflavenarbeit thbun muß. Außerdem geht er dann auch bei etwa eintretender Eheſcheidung na— türlich ganz leer aus, und wenn feine Frau ftirbt, hat ex nicht das mindelte-Anvecht auf die Kinder. In den meiſten

Fällen wird aber das Geld zum Brautjchat zuſammen— geliehen und da das alles, jo wie die gegenfeitigen Ge— ichenfe, auf Rechnung der jungen Eheleute fommt, jo jteden diefe meiſtens ſchon, ehe fie nur einmal in die Ehe eingetreten find, tief in Schulden. Diefe Schulden laſten dann für immer auf der neuen Familie, werden oft genug

bei Lebzeiten der Eheleute gar nicht einmal abbezahlt, jo daß fie dann noch auf ihre Kinder übergeben. Nimmt man nun noc hinzu, daß auch für allerlei andere Feite das Geld geborgt wird, dann kann man fich vorftellen, in was für einer heillofen Schuldenwirtichaft die Alfuren auf Salmaheira leben.

mit irgend jemand einen Streit gehabt hat, bietet ihm ein Glas Waffer an, feinen Mund

damit zu reinigen und gießt

ihm dann auch Waffer über Hände und Füße, um damit anzudeuten, daß er nun von aller Unreinheit gefäubert fei, und aljo mit feiner Braut zufammen wohnen könne. Nun nahen ſich ihm feine Verwandten mit Efjen. Dasſelbe nimmt er indefjen nicht eher an, als bis die hinter ihm jtehende Perfon in feinem Namen gefagt hat: „Schwieger—

eltern, gebt mir dies Eſſen, damit ich zu effen anfange!“ Wenn

er dann gegefjen

und einen Becher Palmwein ge-

trunfen bat, fo find die jungen Leute getraut. Ehmann

jteht darauf von der Matte

demütig vor feinen Schwiegereltern Familie feiner Braut und dann

Der junge

auf, verneigt fich

und vor der ganzen

folgt ein fröhliches Feft,

das wieder drei Tage lang dauert. Die jungen Leute find nun verheiratet, aber die eheliche Gemeinſchaft ijt noch nicht erlaubt. Jedem Mädchen wird nämlich in einem gewiſſen Lebensalter ein Band um die Lenden geflochten, und dies Band muß nun erjt noch gelöft werden. Der

Bräutigam muß dies Band entweder jelbit durchſchneiden, oder durch jemand anders durchichneiden lafjen, dafür aber in jedem Fall an feine Schtwiegereltern noch einen Gulden

bezahlen und da es oft genug gerade jegt daran gebricht, jo dauert es alſo noch eine ganze Weile, ehe es jo weit fommt. Iſt nun auch diefe Verpflichtung erfüllt, dann

müſſen die jungen Leute zuerjt bei den Eltern des Mäd— chens ihre Wohnung aufichlagen und ehe fie dann in die Wohnung der Eltern des Bräutigams einziehen, muß auch dieſe erjt noch wieder durch allerlei Feierlichkeiten gereinigt iverden. Es wird jedoch längjt nicht mehr jede Ehe in diefer um-

ſtändlichen Form gefchloffen, ja bei vielen wird fogar nicht einmal ein Brautſchatz bezahlt und dann natürlich auch lange nicht jo viel Feſte gefeiert. Aber freilich jedem Süngling ift es zu mwünfchen, daß er feine Ehe mit der Bezahlung des Brautſchatzes anfange, denn nur jo wird

Die Erſteigung des Takhk-i-Soliman im indiſth— afghaniſchen Grenzgebirge. Bon Emil

Schlagintweit.

Die Entjendung eines Bermeffungsbeamten unter militärischer Eskorte ift in orientalifchen Ländern feine Seltenheit und ift ſelbſt in Britifch-ndien notivendig, wo immer Grenzland aufgenommen werden ſoll. Eine Neuer: ung war aber felbit für Indien, daß zur Ermöglichung der Bejteigung des Tafht-i-Soliman=Gipfels eine ganze

Brigade regulärer Truppen

aufgeboten wurde, mit der

Weifung, ein geregeltes Gefecht anzunehmen, wenn ber Vermeſſung Widerſtand entgegengeftellt würde, Der Bergaipfel, um welchen fo gewaltige, koſtſpielige Anftvengungen gemacht wurden, ift der höchſte Punkt in

den

langgeftredten Grenzgebirge der Guleimanfette,

die

Britiſch-Indien von Afghaniftan abſchließt. Ein Blid auf die Landkarte zeigt, daß diefer Bergzug den Oſtrand des iranischen Tafellandes bildet und eine wichtige Grenzmarke ift in der phyſikaliſchen Geographie Aſiens. Die Kette trennt das Kabul-Blateau von der indischen Tiefebene. Sie fteigt beiderfeits teil und plötzlich empor und tjt ein

ſchmales Nandgebirge, an verſchiedenen Stellen durchbrochen von Flüffen. Die höchſte Erhebung des Gebirges Tiegt im Norden. Hier erhebt fih, der Stadt Dera Ismael Khan gegenüber, als einer der Hauptgipfel der Stette, der Takht⸗i-Soliman zu 3443 m. Im Süden, der Stadt

Dera Ghazi Khan gegenüber, erreichen die Berge 2270 m. Mit dem Himalayagebirge im Nordoiten hängt die Kette dureh die Ausläufer

zufammen,

welche über Bannu und

Kohat bis in das Salzgebirge hinüberftreihen, jenem Bindegliede zwifchen dem Himalaya im Norden, dem Su: feimangebirge im Süden und

dem Safedkoh

im Weiten,

532

Die Befteigung des Takht-i-Soliman im indiſch-afghaniſchen Grenzgebirge.

Im Lande der Afridi treffen die Senkungen von Safed— koh und Suleiman aufeinander. Die Thalſohlen ſinken

der jegt den Anwohnern des Berges Mut und Kraft ver-

bier ſelten unter 600 m. herab. Am Fuße der Kette dehnt fich auf der indischen Seite eine breite, großenteils aus angeſchwemmtem Lande aufgebaute Ebene aus, in deren tieffter Einfenfung der Indusfluß dahinftrömt. Dieſe Ebene bildet die Grenze der beiden indischen Monfune, des Dit:

Anficht waren ingbefondere die Schirani durchdrungen, die an und auf dem Berge wohnen.

leihe, ihren Truppen zu fihern.

Die Schirani

bilden

Bon der Nichtigkeit dieſer

einen ethnographiich

hochinter-

effanten Stamm des afghanischen Volkes.! Die neuere in der Örenzprovinz Bandjchab überaus eingehend betriebene Forſch—

und Weftmonfuns, die ihre Feuchtigkeit abgegeben haben,

ung über die Afghanen unterfcheidet unter den Afghanen

ehe fie bier ihr Ende finden. Die Nieverichläge find jo gering, daß der Aderbau fich nicht mehr auf fie ſtützt und fi) von ihnen durch Vorrichtungen zur Hebung des Grund» Wo folche Fünftliche, mit waſſers unabhängig macht. Hilfe von Triebrädern, die von Ochfen in Bewegung ges jegt werden, ausgeführte Bewäſſerung unmöglid wird, it die Ebene eine Steppe mit verhältnismäßig nahrhaftem Graswuchſe, wenn die Negenfchauer ihre mittlere Stärke bewahren, ſonſt nicht des Abweidens wert. Nach Weiten jtreichen die Ausläufer der Kette hinüber bis zu den Thalrändern der Tarnak und anderer Zus flüffe des Hilmend. Sie ſchließen Gebirgshochländer ein, die teilweife als abflußlos gelten, aber Europäern unzu—

drei völlig von einander zu trennende Nationen: eigentliche Afghanen, Pathan und Ghilzai. Die Aighanen nennen fich ſeit dem Emporfteigen von Ahmad Schah Durranı (1747) zum Herrfcher über das yeutige Afghanistan, das damals unter Khorafjan inbe— griffen wurde, Durranı. Das Wort wird bald von „Durr-i-daurran*, Perle des Zeitalters, bald von „Durri-durran“, Perle der Berlen, abgeleitet; jedenfalls ftammt der Name von der Sitte der Abdali, im rechten Ohre

gänglich find.

Eine nähere Kenntnis der Nichtung der

einen Perlenfnopf zu tragen,

Nach ihren Ueberlieferungen

und fonjtigen Merkmalen follen die Afghanen jüdifcher oder arabiſcher Herkunft fein; jo vieles in dieſer Thefe auch zweifelhaft ift, ſie läßt fich durch eine andere nicht

erſetzen.

Die Afghanen jagen Jahrhunderte lang in Nord:

Bergzüge und Thäler wurde von einer Vermefjung er— wartet, die jeßt vom höchſten Gipfel der Kette, dem Takht— i-Soliman, herab vorgenommen worden it, und threr Ausführung galt die militärische Erpedition im letten Monate des verfloffenen Jahres. Der Takht-i-Soliman gilt den Anwohnern mohame: danischen Glaubens als die Stätte, zu welcher jich der weiſe Salomon durch himmlische Geiſter tragen ließ, wenn er der jommerlichen Hitze in feiner Heimat entrinnen wollte. Die Hindus glauben, daß der Niefe und Halb:

perjien, im Ghor-Öebirgslande ihres heutigen Neiches und famen in die Gegend von Kandahar im eriten Sahrhundert der mohamedaniſchen Zeitrechnung. — Die Pathans haben Ihren Namen vom ſyriſchen Worte für Nuder und leiten ihn ab vom Propheten Mohamed, der fie wegen ihrer ausge

gott Hiranya-Kaſipu, der mit goldenem Teppich Befleidete,

ven Safedkoh, das ſüdliche Nandgebirge des Kabulſtromes.

zeitweife feine Herrfchaft über die Welten von der hohen Spibe dieſes Berges ausübte und einen Eindringling,

Der befanntefte Stamm von ihnen ift jener der Afridi, genauer Aparide (das Puſchtu Fennt fein N). Durch die

dem die Legende den Namen Pailad beilegt, den Berg

Züge der Tatarene

binunterwarf. Diefer rettete fein Leben, indem er fich an den Nand der Felſen anflammerte, welche die Kuppe des Berges bilden. Auf dieſen Felfen find einige Steine aufrecht geftellt, ver Felfen zeigt etliche Löcher. Der Muſſal— man nimmt die Steine als Net des Thrones von Salo: mon, der Hindu die Löcher als das Grab von Pailad, Für die Angehörigen beider Neligionen bildet deßwegen der Berg einen Wallfahrtsort. Gläubige haben einige Hütten zimmern laſſen und bier zum Öebrauche der Pilger einfache Hausgeräte niedergelegt. Als befannt wurde, daß die indische Negierung eine für die dortigen Grenzverhältnifje anfehnliche Militärmacht anfammle, mit der Beitimmung, den Gipfel des Takht-i— Soliman zu erflimmen, wurde dies Anlaß zu weit um fih greifender Aufregung. Man verbreitete nichts weniger, als die Negierung beabfichtige, die Spitze des Berges ab: zufprengen und aus den Trümmern auf indifchem Gebiete neu aufzubauen, um den darin feitgelegten Talisman,

an wurden den Bathan viele fremde Elemente beigemengt. Diefe bilden jet die große Gruppe der Kafar und haben in ſich die Dadi aufgefaugt, einen um den Beginn der mohamedaniſchen Zeitrechnung im Hochgebirge am Nordrande

zeichneten Dienfte mit der Bezeichnung Nuderer begnadigt babe, Unter den Pathans find zwei Hauptgruppen zu jondern: Die Karlanri und die Kafar, Die Karlanri umfafjen die Stämme indischer Herkunft; fie haben ihren Namen von einem Vorfahren Karlan und zu ihrer Heimat

und Türkenfürften

von Sabufhagin

unjerer Suleimansftette wohnenden Stamm der Bathan, der damals ſchon politifch Feine Rolle ſpielte. — Die Ghilzai werden als Reſte und Nachfommen türkischer Einwanderer

vom Khiltſchi⸗Stamme betrachtet.

Sie nahmen urfprünglich

Site an der perfiichen Grenze, dann wandten fie fich oftwärts

und wohnen jet um Kandahar und Kabul.

Sie haben

ih ſtark mit Perſern vermifcht und machten fich im 18. Jahrhundert bis Perfien hinein gefürchtet. Jeder diefer drei Hauptjtämme ift in zahlreiche Kleinere Gruppen ges

Ipalten, dabei hat die Teilung in Khel (Stamm), dann 1 Die Nachrichten über die Schirani find gefammelt in der ansgezeichneten Bearbeitung des Census of the Panjab, by Denzil Charles Jelf Ibbetson, 3 Vols, Folio. Caleutta 1883,

Die Befteigung des Takht-i-Soliman im indifhrafghanifchen Grenzgebirge,

Zai (Sippe, genauer Zoe, Sohn) zugleich politische Bedeut—

ung; jo empfahlen ſich die Anhänger des am 3. September 1879

zu Kabul ermordeten

Cavagnarı

engliſchen

dem MWohlwollen

Gefandten

Major

der einziehenden englischen

Truppen als „Cavagnarizai”, im Gegenſatze zur nationalen

Partei der Jakubzai. Die Schirani gehören dem hatten ſich durch Mut

Antvohnern

Kafar-Stamme

an und

und Kühnheit ihrer Naubzüge den

der indifchen Ebene gefürdhteter gemacht, ala

jeder andere Grenzſtamm; noch heute kann fi) der Bauers: mann auf freiem Felde nicht ruhig niederlegen, obgleich

anglosindiihe Wachen die Grenze forttvährend abfchreiten. Der Schirani

ift von mittlerer Größe, mager, aber von ſtarkem Körperbau und muskelſtark. Sein Geficht ift grob gejhnitten, die Augen grau, die Badenknochen vorjtehend, Bart und Haar ungepflegt. Das dichte, ſtark gefettete und in Zoteln herabhängende Saupthaar gibt dem Mann, der auf Neinlichfeit wenig hält, etwas zigeunerhaftes. Dies gtelt auch vom Anzug und von der Wohnung. Der Mann trägt ungenähte Kleider und ſchützt fi) mit Deden,

die er um Hüfte und Oberleib wirft, die Füße fteden in Sandalen aus Büffelhaut, die hierzu bereitet wird durch einen

mit der Aſche

des

Tamarindenbaumes

bewirkten

Gerbeprozeß. Ein urfprünglich weißer Turban vervoll: tändigt den Anzug. Die Weiber tragen genähte Röcke. Der Wohlhabende ift nicht befjer gefleidet als der Hirte. Der Häuptling allein Hleidet fich in Seide aus Multan.

Die Wohnungen

ſtehen immer mit dem Rüden am Ab:

bange; drei Wände find unten in den Berg eingefchnitten und nur die vierte ganz aus Bruchiteinen aufgeführt. Die Thüre bildet ein Holzrahmen, der mit Dornen beftedt

wird.

Die Anfiedelungen ftehen in Gruppen beifanmen

und find mit einer Mauer umfriedet, die mit Türmchen bejegt ift. Brennmaterial iſt reichlich und wird viel ver—

braudt. Späne aus einer gewiffen Baumart dienen als Licht und leuchten hell, ohne ftark zu rufen. Die Frau nimmt fi der Schivani exit als gereifter Mann, Die Heirat unterfcheidet fich darin von jener unter Afghanen und Pathans, daß der Vater eine Ausfteuer gibt, ftatt

einen Breis für feine Tochter zu empfangen. Den Charakter fennzeichnen die Sprichwörter, mit velchen fie die Nachbarn bedenken: „Der Schirani ift fein Menfch; zeittveife tft ex ein Heiliger, ſonſt ein Teufel.

Seinen Feind

er von der Wurzel bis zum Zweig.“

vernichtet

Seine Nahrung

533

Utaranı, Babar und Miani. Die Uftarani trennten ich aus Anhänglichfeit an einen Mula oder Geiftlichen, der ſich durch eine Heirat die Feindſchaft anderer Gefchlechter zugezogen hatte; ſie find am Oſtfuße des Tahkt-i-Soliman angeftedelt und gute Aderbauer. Die Babar find äußerſt demofratiich, haben auch Schulfenntniffe; faſt jeder kann lefen und fchreiben. Wegen diefer Fertigkeiten jagt eine Sprudart: „Ein Babarnarr ift gefcheiter als ein afghaniſcher Weiſe.“ Der Mianiſtamm ift der wohlhabendite, ſowie feine Sitten die zivilifiertejten. Seder Stamm hat fein eigenes Oberhaupt, Nika (eigentlich Großvater) betitelt; ſein Anſehen fußt darin, daß er der Familienälteſte einer derjenigen Familien ift, die als Begründer des Stammes gelten. Dann wird ihm auch die Fähigkeit zugejchrieben, direft Ratſchläge von der Vorfehung fich erbitten zu dürfen. Er erhält von jeder Hausbaltung jährlich ein Schaf und ſpricht Recht. Derjenige gefährbet die Freuden des Sen: jeits, der Abgaben und Urteilsſpruch nicht vollzieht. Die nächit wichtige Berfon iſt der Mula oder Geiſtliche, deſſen fein Dorf, feine Gejchlechterfippe entbehrt. Er lehrt die Kinder, tröftet die Erwachſenen und lebt von Zehnten. Die echten Afghanen beraten ihre Stammesangelegenheiten in Berfammlungen der Aeltejten. Ber den Schirani fehlt diefe Einrichtung jelbit unter den Babar, dagegen darf der Nika unter feinem Stamm wagen, eine mißliebige Perſon als Tſchilwaſchin oder „Ortsobrigkeit“ zu ernennen, er würde fein Anſehen gefährden. Britiſch-Indien hatte feit Jahrzehnten jeden Einfall von Schirani in fein Gebiet geahndet und im Frühjahre 1853 jogar eine Brigade von 2695 Mann mit 3 Kanonen fünf Tagreifen weit in ihr Gebiet entjandt, um für einen frechen Naubeinfall größeren Umfanges Nache zu nehmen. ! Im vorigen Sommer gab die Negterung durch ihre Grenz— beamten die Abficht fund, den Takht-i-Soliman vermefjen zu laffen. Uſtarani wie Miani erklärten, feinen Einſpruch

zu machen, die Babar jedoch und die hinter ihnen wohnen— den Kakar-Stämme verweigerten die Zultimmung. Die englische Regierung bebarrte auf ihrem Entſchluß. Am 23. November 1883 jtanden drei Eingeborne-Infanterie— Negimenter, eine Batterie mit drei Derggefhüßen und ein Stab von 13 europäischen Offizieren in Dera-Ismael—

Shan marfchbereit zur Dedung der beigegebenen Abteilung de8 topographifchen Bureau, Dem Kommandierenden, General Kennedy, war aufgegeben, ſich zwiſchen Babar

beiteht aus Brot, Butter und Schaffleiſch; der Büffel foll

und Kakar zu werfen. Mit einem Troß von 2000 Kamelen,

Hicht gefchlachtet werden, iſt aber einem Tier ein Unglüd zugeftoßen oder Fränfelt es, jo wird ihm nach moha—

ebenſoviel Maultieren und einigen Taufend Wärtern, dann Mundvorrat auf zebn Tage marjchierte die Truppe ab und hatte am 26. November am Weſtfuße des Takht-i-Soliman Lager bezogen. Der Feind zeigte ſich wiederholt, ein Vor: poften wurde angejchoffen, aber noch Fein Widerjtand

inedanischem Gebrauche die Gurgel durchſchnitten und das

Fleiſch als Lederbiffen verzehrt.

In der Landwirtſchaft

pflegt man mit Sorgfalt die Bewällerungsgräben. Die Beitellung der Felder tjt eine höchit einfache. Den Neichtum des Stammes machen jeine Herden an Kamelen,

Schafen und Büffeln aus. Die Schirani zerfallen in die drei Abtheilungen der

1 Der Feldzug ift gejchilvert in dem wichtigen amtlichen Quellenwerfe: Expeditions against the North West FrontierTribes, by W. H. Paget. Calcutta, Government Press.

1— J

594

Zur Ethnologie und Urgeſchichte.

geleiftet; anders fpäter.

wieder inDehra Ismael Khan ein, ohne auf dem Rück— marſche beläſtigt worden zu ſein.

Die Kundfchafter hatten berichtet,

daß der Feind in ziemlicher Stärke das nächite Dorf bejeßt halte. In der Dunkelheit brach die Kolonne auf, 3098 bergaufwärts und befand ſich mit Tagesanbruch vor dem

Militäriſche Erfolge waren nicht beabſichtigt geweſen. Größer iſt der politiſche Gewinn, daß Britiſch-Indien auch gegen erhobenen Einſpruch in das Grenzgebiet einrückt;

von den Kundichaftern angegebenen befeitigten Schivani: Dorfe. Ein Regiment ward beordert, feitlih im Thale eines Gießbaches empdrzuflimmen und war im Rüden de3 Feindes angelangt, als die Hauptmacht vor dem Dorfe zur Sturmfolonne ſich formierte. Die Verteidiger jahen jeßt das Fruchtlofe eines Widerftandes ein, ließen ihr Eigentum im Stich und flohen bergmwärts. Bei der Ver: folgung wurden 30 Feinde getötet und zwei Verwundete ges fangen genommen. Der General ließ den Troß ein in der Eile befeitigtes Lager beziehen und befahl, in zwei Kolonnen vorzudringen. Der Mari erfolgte teilweise in prachtvollen Pinus-Wäldern; gegen Mittag war das Tafel: land, die Ebene, erflommen, die ſich zwischen den höchiten Erhebungen des Gebirgsftodes ausdehnt, der ſich bier, ver: Ichieden von der Ebene, al3 ein Berg mit zwei Gipfeln daritellte. Die Schirani zeigten ſich, wagten fi aber nicht mehr heran. In einer Höhe von falt 3000 m. bezogen die Truppen Biwak, die Offiziere richteten fich in einem mohamedaniſchen Heiligtum ein. Die Temperatur fiel nachts auf den Gefrierpunft. Die Topographen rüſte— ten fie) morgens zum Anjtieg des Kaiſar-Ghar, „Kaiſer—

am bedeutendſten iſt der wiſſenſchaftliche Wert der Expe— dition. Sn den afghaniſchen Feldzügen 1878/81 konnten neu mappiert werden: nördlich das Kurram- und Khoſt— Thal, ſüdlich das Zhob-Thal. Durch die Vermeſſungen

vom Takht-⸗i-Soliman-Gipfel Richtung

der

Gebirge

aus iſt jetzt auch Lauf und

und Thäler

zwiſchen

Khoſt und

Zhob feſtgelegt.

Zur Ethnologie und Urgeſchichte. Die Zeit iſt gekommen, wo die zwei bisherigen Forſch— ungswege der Ethnologie und Urgeſchichte in eine gemein— ſame breitere Bahn münden, auf welcher das Ziel, wenn nicht alles trügt, ſchon ſichtbar wird. Auf dem einen Wege gingen die reſignierten Materialſammler, die ſich begnügten,

einzelne Thatſachen zuſammenzutragen und gefliſſentlich die Augen gegen jeden Ausblick verſchloſſen, wie Kinder, welche wandelnd die Augen auf den Boden heften, um ſich vom

In der Entfernung

Ziele, dem ſie blind zuſchreiten, überraſchen zu laſſen. Auf

ließ fi eine Truppe Cingeborner ſehen, die ſich jpäter als Kafar herausitellten und nachts emporgeftiegen waren, um zu verhindern, daß die Fremden die Ebene, ihren

dem anderen ſah man kühnere Naturen kreuz und quer nach Ausblicken ſuchen, wo ſie Hypotheſen ſich bewähren

Weidegrund, im Sommer abhöben und nad) Indien Ichafften.

aus feſt überzeugt waren.

Den Topographen wurden 200 Mann zur Dedung und ebenjoviele Träger mitgegeben; fie verfprachen abends zurüczufehren. Sn ihrer Begleitung befand ſich ein deutjcher Gelehrter, Dr. Griesbach, Beamter der geologischen Reichs— anjtalt für Britiſch-Indien. Mittelit des Heliotropen jandte der Chef der topographifchen Abteilung, Major Holdich, nachmittags Nachricht, daß die Spitze heute nicht mehr erreicht werden könne. Die Höhendifferenz zwiſchen Maidan (der Ebene) und Kotal Veite oder Gipfel) jtellte

gleich eifrig dienten, haben jene vorwiegend poſitiv durch Aufhäufung eines großen Thatſachenſchatzes, dieſe mehr

berg”, genannten

höchſten Gipfels.

fich höher und fteiler heraus, al3 angenommen. den

29. November

war

der Kaifargipfel

zu ſehen hofften, von deren Wahrheit ſie übrigens im vor—

negativ durch Beſeitigung unbegründeter Anſichten genützt.

Nach Jahrzehnten bahnt ſich alſo nun die reinere und direktere Arbeit der denkenden Verwertung der Thatſachen, unbeeinflußt von einſeitigen Theorien, an. Die beiden Werke, deren Beſprechung uns hier beſchäftigen ſoll, ſind deutliche Zeugniſſe dafür, daß dieſer wichtige Punkt er—

reicht iſtund daß wir der „Wiſſenſchaft vom Menſchen“ nahe

Morgens

erreicht.

Das

Am 11. Dezember rüdten die Truppen

ſind, deren Schaffung

noch kürzlich für

iſt den Freunden der Ethno—

graphie längſt als ein emſiger Sammler von Thatſachen

bekannt.

fleißig Photographien ab. Die Nundfiht war viel weiter, als erwartet worden war; die Topographen konnten ihre Aufgabe in einem Tage nicht bewältigen, nächteten mit ihrer Esforte unterm Gipfel und fehrten erft am Abend de3 30. November nach der Ebene zurüd. Am empfind: lichiten hatte fih für die vielen Menſchen auf dem Gipfel

Tag in Anſpruch.

gekommen

unmöglich galt. Edward B. Tylor

Wetter war Far; die Offiziere maßen die Winkel nach den fichtbaren Berggipfeln und Thalpunften; Griesbad nahm

der Mangel an Waffer fühlbar gemacht. Auf Morgen: toilette hatte zweimal verzichtet werden müfjen. Auf dem Maidan nahmen die topographiichen Arbeiten noch einen

Der Wiſſenſchaft, welcher beide

Hier tritt

eruns nun mit einem Verſuche ent—

gegen, das Ganze der Wiſſenſchaft vom Menſchen in einem 1 Einleitung in das Studium der Anthropologie und Zivili— jation. Bon Dr. Edward B. Tylor. D. Aut. Ausgabe von G. Siebert, Oberlehrer an der Realſchule zuWiesbaden. Braun: Ihmweig,

| 456 \

Drud

und

Berlag

von

%. Vieweg

und Sohn,

1883.

XVI. 538 ©. — Urgefhichte des Menſchen. Ein Handbuch für Studierende von Profeffor Dr. A. Rauber in Leipzig. Erfter Band. Die Nealien. Leipzig, Berlag von % ©. W. Vogel, 1884. X.

©,

Zur Ethnologie und Urgefchichte.

funzen Abriß zufammenzufafjen, der vom Alter des Menfchen-

geichlechtes und dem Berhältnis des Menjchen zum Tier ausgeht und durch die Kapitel Menfchenraffen, Sprache, Schrift, Werkzeuge und Waffen, Nahrungserwerb und Kriegskunit, Wohnungen, Kleidung und Schiffahrt, Kunft, Wiſſenſchaft, Geiſterwelt, Gefchichte und Mythologie bis zur Gejellfchaft fortichreitet, deren Entwickelung in der jozialen und politischen Nichtung, als die Blüte der menjchlichen Arbeit mit Hand und Kopf, die breit in der unbe— fannten Borwelt fundierte Byramide der allgemeinen Ent: widelung der Menjchheit frönt. Da das Werfchen den

Dienſt einer lehrbuchartigen Einführung

in die Wiſſen—

ihaft zu verſehen hat, hält es ſich mit Necht in vielen Fällen von der Berührung jtrittiger Fragen fern; es fann diefe Zurüdhaltung indeffen unmöglich überall durchführen, ohne den geiftigen Faden zu verlieren und mir Fonftatieren mit bejonderer Befriedigung, daß, wo Tylor Stellung zu den großen Problemen der Anthropologie und Ethno— graphie nimmt, es in einer maßvollen Weife gefchieht, die

nur geeignet fein kann, Zweifel an der Berechtigung der Wiſſenſchaft vom Menfchen zu verfcheuchen. Zwar glauben wir vom geographifchen, oder bejtimmter anthropogeograph: üchen, Standpunkt

aus

eine große Lüde in der Methode

Tylors wahrzunehmen; aber wenn wir auch nicht immer die Wege verfolgen würden, die er gebt, finden wir uns dennoch

erfreulicheriweife

meist in Uebereinftimmung

mit

feinen Ausgangs- und Endpunften. Wir verfuchen bier ein Bild der Menschheit zu zeichnen, wie e3 als allgemeinjtes Ergebnis der Darftellung Tylors uns erſcheint; doc würden wir, beiläufig gefagt, gewünſcht haben, daß der Derfafjer felbit dazu gejchritten wäre: es würde zur mwefentlichen Förderung des Verjtändniffes, zur Klärung des Gejamtergebnifjes des Studiums feines

Buches beigetragen haben. Tylor betrachtet die Einheit des Menfschengefchlechtes als die mit der gewöhnlichen Er— fahrung und der wiſſenſchaftlichen Forſchung am meijten im Einklang jtehende Auffafjung. Die Frage nach dem Alter des Menjchengefchlechtes muß getrennt werden von derjenigen nad) dem Alter der Zivilifation. Der Menſch

befindet fich im Zuftand der Wildheit, jo lange er bloß von wilden Bilanzen und Tieren lebt. In das Alter der - Barbarei tritt er ein durch Uebergang zu Aderbau und

Viehzucht, und die Stufe der Ziviliſation nimmt ihren Anfang mit der Entwidelung der Schreibfunft, die durd) Aufzeichnung der Gejchichte, Gelege, Neligion, des Wifjens Bergangenbeit und Zukunft zu einer Kette ununterbrochenen Fortſchritts verbindet. Die ganze Menjchheit hat eine diefer Stufen nach der andern erflimmen müfjen und die Urgefchichte zeigt, daß, wo heute Zivilifation herrſcht, einſt Wilde oder Barbaren wohnten. Allein in der vorgejchicht-

lichen Zeit gab es auch ſchon Ziviliſation; denn diese hatte in den ältejten nachweisbaren Zuftänden bereit3 eine Höhe

erreicht, die nur durch die Annahme der Entwidelung in einer langen vorhiftorifchen Periode zu erklären ift. — Die

535

Frage des erjten Auftretens des Menfchen auf der Erde it offen. Dasjelbe geſchah wahrfcheinlich ſpät im Vergleich zu den Millionen von Jahren, welche die geologiſche Zeit-

rechnung überfieht; aber es fällt dennoch in eine Vergangen— heit, der gegenüber der Unterfchied zwischen Alt und Neu in der modernen Gefchichte verfchwindend tft. Die große Lüde

zwischen Menjchheit und Tierwelt ift heute nicht überbrückbar auf dem geiftigen Gebiete, wie groß auch die Annäherung und zum Teil fogar die Uebereinftimmung auf dem fürper: lichen erfcheinen mag. In beiden Richtungen zeigt die Menfch: beit Abftufungen, welche wir zur Unterfcheidung der Nafjen

benugen.

Variabilität

und

befonders Mifchung find an

der Bildung derfelben thätig geweſen und

Möglichkeit

fruchtbarer

Mischungen

die allgemeine

ſpricht für die Art-

einheit des Menjchengefchlechtes. Am Schluffe feines AbIhnittes über die Menjchenraffen greift Tylor, indem er einen Blick auf die Entjtehung derfelben mirft, in das geologiſche Gebiet über, indem er mit diefer Entjtehung die anderweitige Verteilung von Land und Wafjer in Ber: bindung bringt. Und bier glauben wir den Fehler feiner

Methode zu erfennen, welchen wir oben andeuteten, näm— (ich die mangelhafte Berüdfichtigung der Möglichkeit, durch da3 Studium der geographiſchen Verbreitung der Menſchen und ihrer Werke auf die Entitehung und den Elafjififatoriſchen Wert der Nafjen ein helleres Licht zu werfen. Wir vermiffen die Anwendung diefer Methode, welche nad) unferer Meinung die Grundlage der wiljenschaftlichen Gthnographie zu legen hätte, nicht minder in den folgen: den Kapiteln, two die Entjtehung, die Verbreitung und der Verfall der Elemente des menjchlichen Kulturbeſitzes durch) fie einem bejjeren Verſtändnis zuzuführen fein würden. Dies ift indeffen die einzige weſentliche Ausſetzung, die wir an dem Buche zu machen haben, das wir troßdem als beſtes Kompendium der Ethnologie wiederholt und ausdrücklich bezeichnen möchten.

Sn dem Buche, das wir nur darum an zweiter Stelle beiprechen, mweil es fpäter als das vorige erfchtenen und das engere Gebiet der Urgefchichte behandelt, inRa uber's „Urgeſchichte des Menſchen“, begrüßen wir ein fehr geiftwolles und anregendes Werk und begrüßen e3 doppelt freudig, weil es ung die Ürgefchichte als akademiſche Disziplin zeigt; denn e8 ift aus Vorlefungen hervorgegangen. Wir bedauern, daß uns hier der Naum mangelt, um die Einleitung zu veproduzieren, in welcher der Verfaffer im Spiegel der Entwickelung feines eigenen Verhältniſſes zur Anthropologie einen lehrreichen Beitrag zur Lehre von der Stellung dieſer Wiffenfchaft im Kreife der älteren Schweſtern gibt. Wir

geitehen jedoch fogleih auch, daß wir uns erlaubt haben würden, die beiden letzten Seiten zu überfchlagen und zivar von jenem Abfchnitte an, der mit der Frage beginnt: ‚Sit es opportun, fie (die Urgefchichte) zu pflegen, ſie zu ver breiten? Wir aeftehen offen, daß uns diefer politisch

pädagogische

Exkurs

nicht

| einem Augenblid, wo man

im

mindeften

gefällt.

In

alle Kräfte zufammenzunehmen

336

Bon der franzöfiihen Erpedition nad) Kap Horn.

hat, um die Wiſſenſchaft der Urgeſchichte dauerhaft zu fundieren, würden wir wünſchen, daß man ſich mit dieſer Arbeit in die weltfernſte Zelle zurückzöge, ſtatt durch Herein— ziehung eines praktiſch doch nebenſächlichen politischen Ins terefjes den ruhigen Keimungsprozek zu jtören, der aus Mahrfcheinlichkeiten, die lange genug geſchwankt haben, endlich Wahrheit werden laffen till. Indes wir über ichlagen fie gerne, diefe paar Seiten, um mitten hineinzutreten in die ausführlihe und fchon darum ſehr danfenswerte Bufammenftellung der Fundgegenſtände, der Realien der Urgefhichte. Das Werkzeug und die Waffen werden uns vorgeführt in der vormetallifchen und metallifchen Stufe, und in legterer Eifen und Kupfer in eingebenden Dar— jtellungen abgehandelt. Dann folgen Gewinnung des Feuers, feramifche Ueberrejte, Ernährung, Bekleidung und Schmud, Obdach, Gräber, Spuren religiöfen Inhalts, Verteidigungswerke, zerftreute Fundpläße, die Nejte aus dem Tierreich, die körperlichen Ueberreſte des Menſchen. In allen diefen Abjchnitten iſt nicht die möglichjt große Vollftändigfeit angeftrebt, wenn aud die Artikel über die Metalle, die Nefte aus dem Tierreich, die Förperlichen Reſte des Menschen fich- viel ausführlicher ergeben, als andere. Wir haben aber ein Handbuch für Studierende und nicht für Forfcher vor und. Was wir jedoch fait in jedem Kapitel gründlicher entwidelt gewünjcht hätten, das find die mit vollem Recht in aller urgefchieht: : lichen Forſchung ſtark betonten ethnographiſchen Paral— lelen. Freilich muß man ſich ſagen, daß die Ethno— graphie wohl ſelbſt zum Teil daran die Schuld trägt, wenn ſie nicht die Verwertung zur Aufklärung der Ur— geſchichte findet, deren ſie fähig wäre. Aber immerhin

Der Archipel am Kap Horn faßt die ganze Inſel— gruppe in fich, welche fih im Süden des Beaglefanals ungefähr vom 55. DBreitegrad bis zum Kap ſelbſt erſtreckt. Er bildet den ſüdlichſten Ausläufer des amerikaniſchen Kon— tinents und weiſt die gleiche geologiſche Bildung wie die Südſpitze des letzteren ſelbſt auf. Das Relief hat aus: nehmend viel Aehnlichfeit mit demjenigen Norwegens,

Hier wie dort drängen ſich tiefe Meeresarme zwischen hohen, nach und nad) fich abflachenden Felfen in das Zand hinein, Dieſe Fjords find in dem inneren Teil der Einbuchtung meiftens fehr tief, mährend man an ihrem Cingange beinahe immer eine Art von Schwelle antrifft, die aus

Felsblöcden gebildet ift, und wo demgemäß das Genfblei eine geringere Tiefe anzeigt. Hie und da jteigt noch ein Gletſcher in den Fjord nieder.

Erdbeben find im Feuerland nicht jelten und wahr: iheinlich ift diefen vulfanifchen Zudungen die Bodenerböhung zuzuschreiben, die man dort zu bemerken Gelegenheit hat, vorausgefeßt, daß die unterirdifche Arbeit ſtoßweiſe und nicht in langſamem, aber jtetigem Tempo vor fich geht. Eine Bodenerhebung von 50 ın. würde genügen, um den Ein—

gang der Magellansitraße und des Beaglefanals zu ſchließen und die Inſel Hofte mit der Inſel Navarin zu verbinden, welch' Teßtere mit der Snfel Zennor zufammenhängen würde, -

Sowohl die Dranges, als die Gretton-Bai würden ber ſchwinden und die Wollaftoninjeln nur noch ein Ganzes bilden. Bei einer Hebung von 200 m. müßte fich der amerifanifche Kontinent bis zu den Inſeln Diego Ramirez verlängern. Dort wäre dann das neue Kap, das zu ums

Ichiffen wäre, um vom Atlantiſchen Ozean in das Stille Meer

zu gelangen.

Die umfangreiche

Nafjaubai würde

wäre z. B. über die Metallinduſtrie, über die Pfahlbauten,

troden liegen, und bis zum Süden diejes Kontinents hätten

den Ackerbau, die Verwertung tieriſcher und pflanzlicher Produkte bei den Naturvölkern mehr oder Eindringen—

wir nur niedrige Flächen, ganz im Charakter der fü: amerifanifchen Bampas. Bon den drei Hauptitämmen, mwelde das Feuerland und den Kap Horn-Archipel beivohnen, Tonnte beſon— ders der Stamm der Jahganes von den Mitgliedern der Expedition beobachtet werden, Diefem Stamme ge

deres zu ſagen, als wir, wie in dieſer, ſo in anderen Schriften zur Prähiſtorie finden. Wir möchten vielleicht auch die Vernachläſſigung des anthropo-geographiſchen Elementes beſonders dort tadeln, wo von den Quellen der Urgeſchichte die Rede, und möchten die Frage aufwerfen, warum nur die Sprache, nicht auch der anderweitige Ideen— und Sachenbeſitz der Völker unter den Realien der Ur: geichichte genannt wird? Wir begnügen uns aber für heute mit der wiederholten Betonung des durch Thatfachen und Gedankenreichtum anregenden Charakters des Buches, das außerdem durch eine lebendige Diktion anzieht.

hörten die Jeuerländer an, die man vor einigen Sahren ° in Europa gezeigt bat. Von den 11 nah Europa gefommenen Individuen find - blos noch zwei übrig. Der Kapitän traf fie auf der protejtantifchen Miffion Dojhooaia an. Dieſe Niederlaffung eriftiert feit einer Anzahl von Jahren und ift nad) der Ausſage der franzöſi— hen Forſcher von jehr großem Nugen in jenen Gegenden.

Der Jahgan iſt klein; feine Kleidung bejteht aus einem Sell, das, von der Schulter herabhängend, auf der Seite getragen wird, von welcher der Wind fommt.

Don der franzöſiſchen Expedition nad) Kap Horn. Bon Kapitän Martial, der die franzöfiihe Expedition befehligte, welche am Kap Horn den Venusdurdgang zu beobachten hatte, Liegen ſehr interefjante Mitteilungen über jene Negion vor,

Die Weiber

Ihügen ji) außerdem durch ein Fleines, um die Hüften geſchlungenes Kleidungsftüd. Bei dem jtrengen Klima 1 Den Bergleich mit Norwegen hat vor mehr als 100 Jahren Cook ſchon gezogen, ein Beweis, wie jehr er naheliegt.

A.D.R

337

Kleinere Mitteilungen. gewähren

ihnen

begreiflicheriveife

nügenden Schuß.

ihre Felle feinen

ges

Sie führen daher bejtändig Feuer mit

fih und diefer Gewohnheit ift der Name zuzufchreiben, den man dem Yand und feinen Bewohnern gegeben hat. Sie verjchaffen fich Feuer, indem fie zwei eifenhaltige Stiefel

gegeneinander ſchlagen.

Der abipringende Funfe wird in

Vogelflaum (2) aufgefangen, angeblafen und die Flamme Heinen, dürren Reiſern mitgeteilt. Die Kiefel fommen von der Inſel Klarence, ein Beweis, daß zwischen den Ein: geborenen der verfchiedenen Inſeln ein lebhafter Verkehr beiteht. Die Kunftfertigfeit ftebt bier auf einer fehr niederen

Stufe. Sie hat es nicht weiter als zur Anfertigung ge: flochtener Körbe und von Mufchelhalsbändern gebracht. Töpferei und die Kunft, das Eifen zu bearbeiten, ift un: befannt.

Die Feuerländerinnen

find troß ihrer Häßlich-

feit ziemlich gefallfüchtig und lieben es, ſich mit Mufchel: halsbändern

und

Armbändern

aus

Geehundfellen

zu

ſchmücken. Der Jahgan

lebt immer zuſammengekauert in ſeiner

Hütte oder in ſeiner Pirogue, welch' letztere aus Buchen— rinden verfertigt iſt, die kunſtlos mit Binſen untereinander

verbunden ſind.

Da ſie nicht waſſerdicht ſind, ſo hat einer

der Inſaſſen ſtets das eindringende Waſſer auszuſchöpfen. Abends wird das Boot ans Land gezogen. Die Nahrung

der Feuerländer beſteht gewöhnlich aus Fiſchen und Vögeln. Geſtrandete Walfiſche

oder Seehunde ſind feſtliche Biſſen

für ſie. Muſcheltiere ſpielen bei ihnen die gleiche Rolle, wie bei uns die Kartoffeln. Die Frauen, welche ausge— zeichnet ſchwimmen — ſie ſchwimmen nach Art der Hunde —

Feuerländer zu ziviliſieren, ſo doch wenigſtens die Sitten der Eingeborenen zu mildern.

Der Kapitän überließ ihr

daher in Anerkennung der von den Miſſionaren geleiſteten Dienſte mit der Zuſtimmung des Marineminiſteriums die ausgedehnten Baraken, welche der franzöſiſchen wiſſenſchaft— lichen Miſſion zum Aufenthalt gedient hatten. Die Heimreiſe wurde am 3. September 1883 ange— treten, vorher aber noch der Magellansſtraße ein Beſuch abgeſtattet und vor Punta Arenas Anker geworfen. Punta Arenas, die ſüdlichſte Stadt der Welt, wie es ſeine Ein— wohner zu nennen belieben, iſt ein großes, auf einem

nackten Plateau

liegendes

Dorf.

Die Häuſer

ſind aus

Holz. An Ausfuhrgegenſtänden kommen vor: Seehund— und Guanakofelle, Ochſenhäute, Bretter, Waſchgold, das in einem nördlich von der Niederlaſſung fließenden Gewäſſer gewonnen wird und Steinkohlen, deren Güte aber ſehr zu wünjchen läßt. Der wahre Reichtum dieſer Gegend aber it die Viehzucht. Die Zahl der vorhanderen Tiere wird auf 3000 Stüd Rinder und 11,000 Stüd Schafe geichäßt.

Punta

Arenas

iſt Freihbafen

und

zählt 1600

Seelen,

worunter eine ziemliche Anzahl Ausländer. Die hilenische Regierung benüßt diefen Ort als Straffolonie. Auf den Falkland-Infeln, die der Kapitän Martial dann anlief, fanden fich noch fichtbare Zeugen des Aufenthaltes Bougainvilles vor, der dort im Sabre 1764, im heutigen Berkeley: Sund, eine Niederlaffung gründete. Was dem Fremden zuerft auf diefer Inſelgruppe auffällt, iſt das gänzliche Fehlen von Bäumen. Als Brennmaterial wird Torf verwandt, der übrigens von fehr guter Be: ſchaffenheit iſt. Port Stanley, Freihafen mie Punta

raffen tauchend die Mollusken zuſammen, die der Familie

Arenas, iſt ein ausgezeichneter Hafen, wo die Schiffe gegen

zum Unterhalt dienen. Die Lebensmittel werden gekocht oder wenigſtens halb gargekocht. Man hat bei ihnen keine Spuren von Anthropophagie entdecken können, wenn ſchon Fitz-Roy behauptet hat, daß ſie die alten Frauen auf— eſſen; was hingegen ſicher iſt, iſt, daß ſie die Alten, welche

die heftigen Winde, die in dieſem Archipel ohne Unter— brechung wehen, vollkommen geſchützt ſind. Die Bevölker— ung beträgt im ganzen nur 1514 Seelen. Das verwil— derte Hornvieh und die Pferde, die von den durch Bougainville eingeführten Tieren abjtammen, jind heutzutage gänzlich verſchwunden, dagegen gibt es ungefähr 500,000 Schafe, die im Sahr 1881 ungefähr 1100 Tonnen Wolle zur Ausfuhr lieferten. Die Kolonie kann ſich ſelbſt er—

ſich nicht mehr an der Herbeiſchaffung von Lebensmitteln beteiligen fünnen, töten, um der Mühe, fie zu ernähren, überhoben zu jein. Die Feuerländer find ein durch und durch nomadisches

Volt, was ſich ſehr leicht durch die Notwendigkeit erklärt, ihren Standort häufig wechſeln zu müſſen, um für neue Lebensmittel zu forgen. Sie find fröhlich und lieben zu laden, Ganz und gar nicht apathifch, beobachten fie auf:

merffam ihre Umgebung. Es ift Schwer zu entjcheiden, ob ihr Denken ſich mit einer Gottheit und einem zukünftigen Leben beichäftigt. Sie glauben an gute, befonders aber an böſe Geifter, fcheinen aber aus den Offenbarungen diefer Geifter weder Belohnung noch Beltrafung ab: zuleiten. Der

Paſtor

der proteltantifchen Miffton

ſchätzt die

Zahl der Jahgan auf 3000 Seelen, Kapıtän Martial bloß auf

1500.

Die

proteftantifche

(engliſche)

Miffion

von

Dofhooaia hat viel dazu beigetragen, wenn auch nicht die

halten und alle ihre Ausgaben, den Unterhalt der Garnijon (vier Schußleute) inbegriffen, beftreiten. Eine der früheren

Erwerbsquellen, die Nobbenjagd, ift jetzt gänzlich verfiegt.

Kleinere Mitteilungen. Die Natnrverhältnifie von Sid-Georgien.

Im 2. Heft des 7. Bandes der Deutſchen Geographiſchen Blätter berichtet Dr. Hermann Will über das Exkurſionsgebiet der Deutſchen Polarftation auf Südgeorgien in geognoftifcher, floriftifcher und fauniftifher Beziehung. Seine Schilderung über vage, Phyfiognomie und Gliederung der Inſel bezeichnet letztere als einen ſchmalen Wal, der in leicht gekrümmtem Bogen unver,

598

Notizen.

mittelt aus dem Ozean auffteigt. Das in feinen höchften Erhebungen mit ewigem Schnee und Eis bededte Gebirge macht den Eindruck eines mit feinen Gipfeln iiber das Meeresnivean hervorragenden unterjeeifchen Kettengebirges, das in der Richtung von SW nad) NO ftreiht. Das Gebirge, in feinen bedeutendften Erhebungen etwa 2000 Nord-

m.

hoch, ift, joweit ſich dies bei der Fahrt längs der

und Nordoſtküſte Fonftatieren ließ, ein Kammgebirge,

deſſen

ſcharfe, vielgezackte Grate infolge ihres geognoſtiſchen Baues oft zerfallenem Mauerwerk nicht unähnlich find. Im Innern der Inſel wurden

in deren ſüdweſtlichem Teil bei klarem Wetter

aller—

dings ſcheinbar kuppenförmige Berge geſehen; doch werden ſich wohl auch ſie bei einer Anſicht von verſchiedenen Punkten aus als langgezogene Grate darſtellen. An der Nordoſt- und Nordküſte ſteigt das Gebirge faſt überall ohne irgend welches breitere Vor— land unmittelbar unter ſteilem Winkel und oft in ſenkrechten Abſtürzen von der See auf. Schmale Thäler mit ſchroffen Wänden werden von den langgedehnten Berggraten eingeſchloſſen; ſie münden in großer Zahl an der Küſte in den Buchten, während ſie in ihrem oberen Verlauf in Hochthäler mit Gletſchern übergehen. Wilde Gebirgsbäche durchziehen ſie und führen, nie verſiegend, das Schmelzwaſſer des Schnees der See zu. In breiteren Thälern bewegen

ſich die impoſanten Eismaſſen

großer Gletſcher, deren oft

Dresden

(1884)

hat Har

Löſung der Nephritfrage

U

B. Meyer

bedentfame

wieder

Abhandlung

eine fiir die

veröffentlicht,

welhe uns als Separatabdrud vorliegt. Sie legt dar, daß die Entdeckungen neuerer Neifenden Thatſachen zu Tage fürderten, welche wenigftens für den Nordweften Ameritas das Vorkommen von Rohnephrit fiherftellen. Nachdem eingeheuder tiber ein Feines Steinbeil und eine Streitart aus Nephrit berichtet ward, welche die Gebrüder Kranfe von den Tlingit-Indianern mitbrachten, werden

wir

auf

das Nephritmaterial

aufmerkſam

gemacht, das

Kapitän Jakobſen in Alasfa erwarb; es find eine Anzahl Gegenftände und einige Rohſtücke von dieſem Mineral. Mach einer Mitteilung Jakobſens an Profeffor Arzeuni ift der griine Nephrit im äußerften Nordweften von Mlasfa den Eskimo anftehend bekannt, auch gibt derſelbe Gewährsmann an, daß der rohe Stein gebrochen wird. Bekanntlich) (fiehe „Ausland“ 1883, ©. 456, 540, 580) ſprach auch Herr Baird von Nephritrohmaterial aus Alasfa, welches ſich aber bei näherer Prüfung weder als Nephrit, noch als Jadeit ergab. Dasjelbe erweist fi) vielmehr wahrfcheinih als Pektolith, welcher in Alaska in einheitlichen, homogenen, anfehnlichen Maffen angetroffen wird. Schwanfungen Klagenfurt

der Pafterze.

berichtet in Heft 1, 1854,

Bergrat F. Seeland in der Zeitfchrift des Dentjchen

— —

über 100 m. hohe wildzerklüftete Stirnen von der See umbrandet werden. Die Küſte der Inſel iſt durch eine große Zahl fjord— artiger Buchten eingeſchnitten, die beſonders an dem Nordende von beiden Seiten fo tief in das Innere vordringen, daß fie nur noch ein ſchmaler Streifen Land trennt. Die petrographiſchen Berhältniffe des Erfurfionsgebietes dürften ziemlich einfaher Natur fein. Es find ausſchließlich Sedimentärgefteine und zwar verſchiedene, bald quarzreichere, bald quarzärmere Barietäten von Thonfchiefer, die in wechjelnder Mächtigkeit fih an dem Aufbau des Gebirges beteiligen. Das Hochgebirge der Inſel ift völlig vergletichert und fendet beftändig Eismaffen zur See. Auch die der Küſte zumächft Yiegenden Berge bis zur etwa 800 m. Höhe,

und Oeſterreichiſchen Alpenvereins, daß das mittlere Schwinden des Vafterzengletfchers im verfloffenen Jahre nur 2,15 m. betrug während es

welche im Sommer

Ein Bild vierzigjähriger Gletjcherarbeit bietet nad) Bergrat Seeland der Margarißen, 2057 m. hoch, welcher nun völlig entgletfchert, abgefegt und mit zahlreichen Erratifa von Gneis, Glimmerfchiefer, Urkalf, QuarzfelS und Serpentin auf jeinem Rundhöcker überſäet, als ein Eiland zwifchen Pfandlbach, Möllquelle und Pafterzengletfcher daliegt. Um das Fahr 1840 ſcheint der Margarißen, welcher zuvor eine blumenreiche Wiefe war, auf der Dr. Hope und andere gerne botanifierten, verkeeſt worden zu fein und tauchte erſt 1880 mit der Kuppe aus dem Eije wieder empor, fo daß die Vergletſcherung 40 Jahre dauerte, In dem feinen, teigartigen Gefteinsdetritus, der die Mulden

völlig

von Schnee

entblößt find, werden

an

einzelnen Stellen, die entweder auf der der Hauptwindrichtung (W) abgewendeten Seite oder an den weniger ifolierten Südhängen liegen, von kleineren Gletſchern bedeckt. Von großem Intereſſe it die Thatſache, daß faft fämtliche von der Station erreichbare Gletſcher im Rückgange begriffen find. Die Flora von Süd— georgien ift in hohem Grade einfürmig. Sie umfaßt 50 Arten von Landpflanzen; unter ihnen überwiegen die Laubmooſe mit 20 Arten, während die Blütenpflanzen nur mit 12 Arten, darunter 4 Gräſer, vertreten find. Die völlige Baumlofigfeit der Inſel erhöht in hohem Grade die Monotonie der Landichaft, welcher ein dichter Raſen von Dactylis caespitosa den Charafter verleiht. Zwiſchen dem Tuſſokgras bevedt ein niedriger Strauch), Acaena ascendens, defjen am Boden liegende Zweige zwijchen dem Moos ein dichtes Flechtwerk bilden, größere Flächen. Die Küſte umjäumt

in

breitem

jeichteren Stellen

Gürtel

wachjen

der

Niefentang

Macrocystis,

auf den Klippen D’Urvillea

au

und audere

Taminarien, In der Fauna von Südgeorgien dominieren vie Vögel: Pinguine, Sturmvögel, Möven, Kaptauben, Entenſtürmer, Seefhwalben, Kormorane, eine Entenart, eine Chionis und ein fleiner Singvogel (vielleiht eine Anthus-Art). Bon Inſekten fanden fi zwei flügellofe Käferarten zwifchen dem Gras und eine Schwimmfäferart vor, außerdem große Fliegen md vielleicht noch zwei Spinnen.

1879/80 1880/81 1881/82

8,05 m. 6,37 m. 7,59 m.

und im dreijährigen Mittel 7,34 m. ausmachte. Demnad) blieb das Zurücgehen des Gletſchers hinter dem dreijährigen Mittel 1879 bis 1882 um 70,70, zurück. Seeland fpricht daher die Möglichkeit aus, daß bald das Minimum des Gletſcherſtandes erreicht fein wird und ein neuerliches Wachjen begimmt, wie dies faktiſch auf der Nordjeite an einer Stelle ſchon der Fall ift.

Holizen.

f)

und Klüfte dieſes Rundhöckers erfüllt, prangt nichts deftoweniger bereit3 wieder die ſchönſte Vegetation. Beiträge zur Hydrographie des Karftes. In dem am 1. Juli herausgegebenen Hefte der von C. Fruwirth trefflich

4

vedigierten Mitteilungen der Sektion für Höhlenkunde des Ocfterreichischen Touriſtenklubs wird mit der Veröffentlichung einer Reihe wertvoller Beiträge zur Hydrographie des kroatiſch-bosniſchen Karftes begonnen, welche anf die Bedeutung der Schhundbäche, Keffelthäler, Höhlen und Trichter dieſes Gebietes ein neues Licht werfen können. Die bezüglihen Einzelftudien wurden von Bermeffungsorganen des K. K. Militärgeographiihen JuftitutS vorgenommen. Wir

hoffen nad) Beendigung

der ganzen

Publikation das Gejamt-

ergebnis diefer Beobachtungen den Leſern des „Ausland“ vorführen

zu können.

Allgemeine Erdfunde, Kephrit und mephritähnlihes Material aus Alaska. Im XXI, Jahresbericht des Vereins für Erdkunde zu

iu

a —— A

Land-

und Süßwaſſer-Konchylien im Meer. Der bekannte kroatiſche Malakologe Bruſina erzählt, daß während der Wintermonate und namentlich bei herrſchenden Südwinden au den dalmatinifchen Küften große Maffen von Pflauzenveften gemifcht mit den leeren Gehäufen von Laud- und Süßmwaffer-Konchylien

—7

u

J b

539

Litteratur.

auf dem Meere treibend beobachtet werden. Der kleine Hafen von Raguſa ift bisweilen vollſtändig mit dieſem Detritus gefüllt und die Erſcheinung iſt hier ſo häufig und bekannt, daß die Raguſaner ein eigenes Wort, „Sevarika“, hiefür beſitzen. Die große Clausilia Sandri,

eine der merfwirdigften

und gejuchteften

dalmatinischen Fand-Konchylien, ift bisher nur aus dieſer Sevarifa befannt.

Bisweilen

polymorpha Materialien

und

in devjelben

findet man

es jcheint

der Sevarifa

dies darauf

auch die Dreissena

hinzumeifen,

aus dem See von Skutari

daß die

ftammen,

in

welchem die Dreissena polymorpha befanntlic in großer Menge febt. Bedenft man, daß der Ausflug des Sfutari-Gees, die Bojana-Miündung, nahezu 20 MI. vom Hafen von Raguſa entfernt ift, jo gewinnt diefe eigentiimlihe Erſcheinung namentlich für die Auffafjung gewiffer geologiſcher Borfommniffe große Bedeutung. Th. F. Ueber den

die

Verwandtſchaft

atlantiihen

Kiften

der

Amerifas

Meeresfauna und

Afrikas

an

inner-

halb der Tropen. Seit langem war es bereits befannt, daß eine Anzahl von Meeres-Konchylien des Karaibiſchen Meres auch auf der gegenüberliegenden Kifte von Afrifa vorfommt. Neuere Unterſuchungen haben jedoch nicht nur die Anzahl diefer Arten bedent-

end vermehrt, fordern auch nachgemwiejen, daß dieſelbe Erſcheinung in anderen Tierflafjfen in noch viel bedeutenderem Umfange auftritt und überhaupt eine unerwartet große Verwandtſchaft zwijchen dei tropischen Meeresfannen an den atlantijhen Küſten Afrikas und Amerikas vorhanden ift. So fommen nad) Greef und Studer !von 541 Gaftropoden der Weſtküſte Afrifas 54 auch an der gegemiüberliegenden amerifanifchen Kifte vor, von 277 Fiſchen Weftafrifas werden 55 auch an der Oſtküſte Amerifas gefunden und von den bei St. Thomé und Rolas aufgefundenen littoralen Echinodermen find faft 2/4 zugleich amerifanifh, darımter alle Echiniden! Dieſe große Anzahl gemeinfamer Arten exiftiert jedoch nur im der Yittoralfauna der beiden Kiften und verjchwindet, wen man die Faunen der tieferen Meeresteile in Betracht zieht. ES ift daher diefe Erſcheinung wahrſcheinlich auch nur als eine Folge der beftehenden Meeresftrömungen und feineswegs als die Folge einer friiheren engeren Landverbindung zwiſchen Amerika und Afrika aufzufaffen. Th. F. Biohogiſche Studien. Dr. Hugo Eiſig teilt im erſten Band des Kosmos 1884 wieder vier vortreffliche biologische Studien mit, welche

er in der Zoologiſchen

(Siehe „Ausland“

1834

Nr. 2.)

Station Und

zu Neapel

zwar gibt

angeftellt.

ev zuerjt feine

Beobachtungen über den Einfluß fünftliher Beleuchtung auf das Berhalten verjchiedener Seetiere wieder, liefert dann in einer bejonders intereffanten Skizze einen Beitrag zum Kapitel: Kranfheiten mariner Tiere, wobei er befonders der Selbftverftimmlungen des Octopus vulgaris gedenft, fpricht ferner von medufenfrejjenden Fiſchen und endlich iiber die Eiablage der Seebarjche und Yippfifche. Diefe Studien gehören zu den wertvollften Beiträgen zur Tierbiographie und find jedem Freunde der Naturgeſchichte warın zu empfehlen. Botanische Berfuhsftation in den Bayerifhen Alpen. Auf Veranlaſſung des Profeffors Dr. v. Nägeli wurde der Direftion des Botanischen Muſeums in Miinchen ımterhalb des Wendelfteingipfels vom Ausſchuß des Vereins „Wendelfteinhang“ ein nicht unbedentendes Terrain zur Anlegung einer botanischen Berjuchsftation zur Verfügung geftellt. Herr Kuſtos Dr, Dingler hat bereits eine größere Partie Pflanzen und Sämereien auf die

Station gebracht. Beobahtung des Meeresgrundes auf Ballonfahrten. Die englifchen Luftichiffer Erespiguy und Simmons, welche vor furzem eine Neife über den Kanal machten, erzählen

N Carus, Zoologifcher Anzeiger. 1882,

in ihrer Neifebefchreibung folgendes: Nicht nur lag die Erde wie eine bewunderungswitrdige Yandfarte

vor uns ausgebreitet, fondern

ale wir den Kanal freuzten, jahen

wir zu unferer größten Ber-

wunderung

alles,

was

fi)

auf dem Meeresboden

befand.

Die

Tiefen und Sandbänfe in verjchtedener Größe, die Klippen und Selfen bis zu den Heinften, die Grotten, alles konnten wir fehr gut unterfcheiden. Die Strömungen waren von verfchiedener Farbe und verfchwanden in der Ferne wie ein Fluß auf dem Lande. Simmons macht den Vorſchlag, aus diefem Umftande Borteil zu ziehen fiir die Aufnahmen des Bodens an den Kiüften, die bis jest mit großer Mühe

und vielen Koften verbunden

waren,

Man

fönnte die Aufnahmen von einem mit einem Schiff verbundenen Yırftballon aus machen. — Die eben berichtete Beobachtung fteht nicht vereinzelt. ©. dv. Boguslawski jagt in feinem „Handbuch der Ozeanographie“ S. 184: Eine intereffante Beobachtung hat U. Moret bei einer Yuftballonfahrt zu Cherbourg am 21. Auguft 1576 gemadt; in einer Höhe von 1700 m. erblicte er den 60 bis 80 m. tiefen Meeresgrund mit feinen Hleinften Details, welche er jorgfältig aufzeichnen Fonnte. E. M. Apenninen-Bernftein.

Das Borfonmen

des Bernfteins

in Italien und auf Sizilien hat es eine zeitlang zweifelhaft erſcheinen laſſen, ob die in den Nefropolen Oberitaliens aufgefundenen Stücke bearbeiteten Berufteins, wie friiher angenommenen wurde, von der Oftfee berühren oder italienischer Provenienz find, da in der That einige Sorten des Apenninen-Bernfteins dem baltifchen jehr ähnlich find. Eine von Helm durchgeführte Analyje ergab, daß der italienische an Härte und fpezifiichem Gewichte dem Dftjee-

Bernftein nachfteht, ebenfo im Gehalte an organisch gebundenem Schwefel. Bei gleichem Berhalten gegen Säuren und Alfalien ift der italienische Bernftein weniger widerftandsfähig gegen Köfungsmittel, Ferner liefert der Apenninen-Bernftein

bei der trodenen Deftillation

feine Bernfteinfäure. Auf Grund diefer Prüfungs- Ergebniffe analyfierte Helm ferner zwölf prähiftoriiche Artefakte aus oberund mittelitaltenischen Nefropolen und fand fie vollftändig über— einftimmend mit dem DOftfees-Bernftein, ſowohl binfichtlich des Ge— haltes an

Bernfteinfäure

(4,1 bis 6,8%),

als

auch

im Ajchen-

gehalte und Anfehen unterm Mikroffop. Das Reſultat erſcheint ihm um jo gewiffer, als eine Reihe von Bernfteinen anderer Fundorte ebenfall® mit einer einzigen Ausnahme fih arm an Bernfteinfäure oder gänzlich frei davon erwieſen. Dieje Ausnahme betrifft den in Rumänien gegrabenen, der aber ſehr jelten und durch feine eigentiimliche Färbung leicht von allem iibrigen Bernſtein zu unterfcheiden ift.

Sitteratur. Mitteilungen der Riebeck'ſchen Niger-Erpedition. I. Ein Beitrag zur Kemutnis der fulifchen Sprache in Afrika. Mit einer Kartenffizze. Leipzig. Bon Gottlob Adolf Krauſe. F. A. Brodhans. 1884. 108 ©. Die von E. Riebed in Halle a./O. ausgerüftete Expedition, welche die Gebiete um Niger, Benue und Tſad vorzüglich in linguiſtiſcher und ethnographiſcher Beziehung erforſchen ſoll, wird ihre Berichte unmittelbar nach dem Eintreffen derſelben in Europa in den „Mitteilungen der Riebeckſſchen Niger— Expedition“ veröffentlichen. Die Einleitung des uns vorliegenden erſten Teils iſt größtenteils in Nr. 10 des „Ausland“ 1883 er— ichienen. Er enthält aber außerdem nod Angaben über die Yaute der fuliſchen Sprade, das fuliſche Alphabet, die Vokal- und Leſezeichen, das hauſſaniſche Alphabet, einige grammatifche Aus— driide und die einzelnen Wortklaffen. Auch find Proben aus der fuliſchen Sprache beigefüigt.

PEN

540

Litteratur.

Bon der bei Herder in Freiburg erfcheinenden „Zlluftrierten Bibliothek der Fänder- und Bölfkerfunde“, in weldher die wiſſenſchaftlichen Ergebniffe der Forſchungsexpeditionen, die Reſultate der geographiſchen Teilwiffenfchaften ohne ftreng ſyſte— matijche Anordnung in gemeinverftändlicher, lebendiger Schilderung dargeftellt werden follen, liegen ung zwei Bände vor: „Der Amazonas:

Wanderbilder

aus Peru, Bolivia

druc (XII und 485 ©.) —

Das

zuerst aufgeführte

Merk



Das

Buch

Jakobs

iſt friſch

und ebenfalls

mit vielfacher Benützung einer reihen Litteratur gejchrieben, Es ift nad) unferer Meinung dazu angethan, die Kenntnis von der Erde und das Intereſſe an der allgemeinen Erdkunde auch in weiteren Kreiſen zu fördern. Katalog der argentinifhen Austellung, veranftaltet von der Geographiichen Gejellfchaft in Bremen. Mai-Juni 1884. Mit einer Ueberfichtsfarte von Argentinien Anlage zu Heft 2, Band VII der Deutfchen Geographiihen Blätter. Bremen 1884. Kommiffionsverlag von G. A. dv. Halem. 79 S. Es find vor allem die einleitenden Worte zu dieſem fchon im der zweiten Auflage erjchienenen Führer durch die Ausstellung im Zivoliſaal zu Bremen, welche den Geographen intereffieren werden. Denn er erhält in denjelben aus der Feder A. Geelftrangs, des Generalfommiffärs

der Argentinifchen

Republik,

ein Ueber—

fihtsbild von Land und Leuten, Induſtrie und Berfehr in diefem neuerdings jo vielgenannten fiidamerifanifchen Gebiet. Außerdem aber wird ihm die von der argentinifhen Ausftellungsfommiffton angefertigte Bibliographie zur Geographie und Geihichte des Landes (S. 48 und 49), jowie die Aufzählung der in der ausgeftellten Kartenfammlung enthaltenen Werfe (29 Nummern) willfommen fein. Im übrigen tritt aus dem Katalog anfhaulichft hervor, welch' große Mannigfaltigfeit von Naturproduften und Kunfterzeugniffen aller Art gerade Argentinien dem deutſchen Handel zu bieten im ftande ift. Bon Theodor Trautweins Neifeführer: Das Bayeriſche Hohland nnd das angrenzende Tirol und Salz burg nebft Salzfammergut (mit einer Meberfichtsfarte und fünf Spezialfarten) ift in Lamparts alpinem Berlag eine zweite neubearbeitete und erweiterte Auflage erjchienen. Diejes Heine Handbuch trägt jo jehr den Charakter eines zuverläffigen Weg— weifers und hat fi) in feiner erjten Auflage ſchon fo allfeitig bewährt, daß wir jeder weiteren Empfehlung überhoben find. Bon Ozean zu Ozean Eine Schilderung des Weltmeere8 und feines Lebens. Bon A. v. Schweiger-Terdenfeld. X. Hartlebens Berlag. Wien. Peft. Leipzig. 1884. Mit 200 Illuſtrationen, 12 Farbendrudbildern, 15 folorierten Karten und 30 Plänen im Texte. Die raftlofe Feder Schweiger-Lerchenfelds hat der Preſſe wieder ein neues Werf geliefert. Soviel wir aus den uns vorliegenden

erften Heften desjelben erjehen, wird es

jowohl

als Ausftattung betrifft den früheren,

mas

Schilderung

Anzeigen. Im Verlage von Alfred Hölder, kak. Hof- und Univerfi-

tät3-Buchhändler in Wien,

iſt ſoeben erſchienen:

Geologiſche Karke

ift die

(etste Arbeit des am 24. Juni 1883 zu Bensheim an der Bergftraße verftorbenen Amerifareifenden Schütz. In demfelben wurde eigenes Beobachtungsmaterial mit Benützung der einjchlägigen älteren ımd neueren Xitteratur verarbeitet. Mean wird Sich diefes Buches zu einer Drientierung über die Natur-,- Bevölferungs- und Kulturverhältniffe der behandelten Gebiete mit bedienen.

für ein großes Publifum angelegten Schriften diefes gewandten und vieljeitigen Autors nicht nachftehen. Diefe „Ozeankunde“ ſoll in 30 Lieferungen erjcheinen amd weder ausjchlieglich eine populäre Dzeanographie, noch vorwiegend naturwiſſenſchaftlich oder rein j geographisch, fondern dies alles zufammen fein.

und Nordbrafilien,

Bon Damian Freiherrnv Schütz-Holzhauſen.“ Mit 31 Holzſchnitten und 10 Bollbildern. (XII. und 243 ©.); ferner: „Anfere Erde“. Aftronomifhe und phyfifche Geographie. Eine Borhalle zur Länder- und Bölferfunde. Bon A. Jakob. Mit 100 Holzſchnitten, 26 Bollbildern und 1 Spektraltafel in Yarben-

Nuten

UI

1

J

OeſterreichUngarn mit

Bosnien-Hercegowinn und Montenegro. Auf Grundlage der Aufnahmen der k.k. geologiſchen Reichsanſtalt von rei

Frauz 1 Blatt

Ritter von Hauer,

Direktor der k. k. geologiſchen Reichsanftalt. Vierte verbefferfe Auflage. von 60 cm. Höhe und 90 cm. Breite. Kunftdrud 21 Farben.

j in J

Preis: flach oder gebrochen in Karton M. 12, auf Leinwand geipannt und in Leinwand

Der berühmte

gebunden M. 14.

Ge

Verfaſſer hat bei der Neubearbeitung

der

Karte die neueren umfangreichen Forſchungen, deren Rejultate ihm ausnahmlos zur Verfügung ftanden, eingehendft verwerthet, in das dargeftellte Gebiet Bosnien-Hercegomwina und Montenegro

einbezogen und fo zahlreiche Einzelheiten in die Karte aufgenommen,

daß diejelbe auch die Vorzüge einer geologiſchen Spezialtarte bietet.



Die „Allgemeine Zeitung“ (mit wiſſenſchaftlier Beilage und Handelszeitung)



früher in Augsburg erſchienen

ift in Deutſchland und Defterreih

durch

die Poftanftalten

für 9 Mar

— viertel. ⸗

jährlich (6 M. fiir die 2 letzten Monate, 3 M. für Run letzten er des Quartals) zu beziehen. Preis bei directer Verjendung unter Streifband monatlid

4 Mark (M. 5. 60 für die anderen Länder des Weltpoftvereins).

Quartalpreis bei wörjentl.Derfendung im Weltpoſtverein un, i Probenummern

Leitartikel,

nebft neueftem Ouartal-Regifter gratis,

wiſſenſchaftliche und handelspolitiihe fäße ꝛe. ꝛc. in Nr. 174 bis 180.

Auf u.

x Deutjcher Reichstag. — Nationalität und Freihandel. — Jrrungen zwiſchen Italien u. Oeſterreich. — Der engliſch-franzöſiſche Schriftenwechſel in der ägyptie ſchen Frage. — Das franzöſiſche Recruͤtirungsgeſetz. (1.) * Von Dr. M. G. Conrad. — Ins Pater Didon und ſeine „Deutſchen“. (VII.-VIII.) — Zur ſerbiſch-bulgarifchen Strei Bon L. Steub. Morgenland. frage. (I) — Ludwig, Richter. (Nekrolog.) — Napoleons 1. Jugendjahre nad) 2 den neueſten archivaliſchen Forſchungen. (I.—IM.) — Verfall des mauriihen Kunjtgewerbes und Handwerkes. — Die großen Epidemien in Italien und ihre Beſchwörer. Von E. v. Hoerjhelmann. (1.—1.) — Zur dramatiſchen Literatur. Von E. Ziel — König Tauhiao und die MaorisYäuptlinge, u . Zur Unfallverficherung der Arbeiter. — Deutjcher Handelstag und Geſchäfts-⸗ ſteuer. — Neues italienisches Handelsſchifffahrtsprojeet. — Geſchäfisberichte 2. 2.2 Sotthard:Gijenbahn. — Schweizeriſche Nordoſtbahn. — Lebensverficherungs- und Griparnigbant in Stuttgart. — Verein deuticher Bapierfabricanten, — Handels 4 und Gewerbefammer für Niederbayern. — Kaijer Ferdinandse-Nordbahn. — Ver einigte Schweizerbahnen. *

Aufträge für Streifbandſendungen an die Grpedition in Münden.

Drud und Verlag der 3. G. Cotta'ſchen Buchhandlung in Mitnchen Ant Stuttgart.

X a

Das Suslam. Wodenfhrift für Länder: und Völkerkunde, unter Mitwirkung von Profeſſor Dr. Friedrich Nagel und anderen Fachmännern herausgegeben von der

3. ©. Cotta'ſchen Buchhandlung in Stuttgart und Münden. Siebenundfünfzigiter Jahrgang.

1884.

Münden, 14. Juli.

Ar. 28.

Jährli 52 Nummern A 20 Seiten in Quart. Preis pro Quartal M. 7. — Zu beziehen dureh alle Buchhandlungen des In- und Auslandes und die Poſt— ämter. — Rezenjions-Eremplare von Werken der einjchlägigen Litteratur find direft an Herrn Profefjor Dr. Friedrich Natel in Münden, Akademieſtraße Nr. 5, zu enden. — Inſerationspreis 20 Pf. für die gejpaltene Zeile in Petit.

Inhalt: 1. 5. Bohndorff's Neife nah Dar Abu Dinga. Mit einer Einleitung von Dr. ©. Schweinfurth in Kairo. ©. 541. — 2. Briefe aus Sumatra. Bon Dr. Ludwig Martin aus Minden. I. Die Fahrt durch das Note Meer. Aden. ©. 545. — 3. Ruinen in Guatemala und Yukatan. (Mit Abbildungen) ©. 547. — 4. Das Inſtitut der legalen Anarchie. Bon M. Kulifcher. ©. 552. — 5. Ueber die Kriegsgebräuhe der Oſage-Indianer. Don Dr, Stoll, ©. 555. — 6. Einige Enthüllungen über die Kongo— Geſellſchaft. ©. 556. — T. J. ©. Kohl's Sammlung von Karten zur älteften Geographie von Amerifa im Department of State zu Waſhington. ©. 557. — 8. Kleinere Mitteilungen: ©. 558. Die Melville-Inſel. Sächſiſche Burgen in Siebenbürgen, — 9. Notizen: ©. 559.

Geographiihe Geſellſchaften, Muſeen 2c. —

4

$. Bohndorff's

=

10. Litteratur: S. 560.

Arztes Botagos abgefehen, war 5. Bohndorff der erite, der Abu . . . Dinga erreichte und daſelbſt ſeine Wahrnehmungen ſorg—

=

heile und) Dar Abu Vinga.

Aus dem im Maihefte der „Proceedings“ der Londoner

fältig zu Papier brachte. Leider gingen ſeine Anfzeich— nungen in der Folge gelegentlich eines Raubüberfalles ver— loren. Auf meine dringende Aufforderung, diefen ſchweren

Geographiſchen Gefellfchaft zum Abdrud gelangten Berichte 3. Lupton Beis geht hervor, daß diefer heldenmütige Kultur:

| Verluſt für die Erdkunde wenigſtens teilweiſe Durch nach— träglich ausder Erinnerung gejchöpfte Notizen zu evjegen,

Mit einer Einleitung von Dr. Georg Schweinfurth

in Kairo.

apoſtel, der al3 Gouverneur der Bahrzel-Ghafal-Provinz gegenwärtig einen jo ſchweren Stand gegen die fanatifchen

|

Horden des Mahdi hat und zugleich beidnifche Negerftämme

bat Herr Bohndorff im Juli 1880, als er mit Dr. Junker beim Niamntamhäuptling Ndoruma weilte, das Nachfolgende

zu PBapter gebracht.

von unbezähmbarer Wildheit befänpfen muß, im Jahre 1882 eine Neife nach den äußerſten Grenzmarken im Weſten

|

jeines ausgedehnten Vertvaltungsgebietes ausgeführt bat. Leider ſchweigt der Bericht über verfchiedene intereffante Einzelheiten der beigegebenen Kartenſkizze, die einen großen

| Face als Golvarbeiter Beichäftigung zu finden hoffte. Hier lernte ihn der verftorbene Nomolo Geſſi, in der Folge Geſſi Paſcha, kennen und nahm ihn mit fich nach dem

Fortjchritt in unferer Kenntnis des innerften Afrifa bes zeichnet. Eine Reife, die allerdings bereitS vor fieben Jahren in jene weit im Welten von Dar Fertit gelegenen

| oberen Nil, wo er längere Zeit beim damaligen ägyptiſchen Gouverneur der Nequatorialpropinzen, Kolonel ©. Gordon, im Dienft war. Im Jahre 1876 unternahm er auf eigene

Gebiete unternommen wurde, wird troßdem beute noch das

Koften die Neife nah Abu Dinga, welche in Kalafa einen

fam

Fr. Bohndorff, aus Blau in Medlenburg gebürtig, im Sabre 1873 nad Aegypten, wo er in jeinem

größte Intereſſe beanspruchen können; denn feinem Reiſen—

fo tragischen

Abſchluß

den, der ung genauere Kunde von jenem unerforschten Ges

zurückgekehrt,

ſchloß er ſich im Herbſt 1879 der ziveiten

biete, wo fich die Wafjerfcheiden dreier Ströme, des Nil, des Schari und des Kongo, berühren, hätte bringen fünnen, war es bis auf Yuptons Neife vergönnt, dahin vor— zudringen. Von der halb apokryphen Reife des griechischen

Erpedition des Dr. W. Junfer an, der den erfahrenen Neifenden durchaus als Begleiter und Gehilfen um fich haben wollte. Nachdem F. Bohndorff dem genannten Forſchungsreiſenden ins Niamniamgebiet gefolgt war und

Ausland 1884, Nr. 28.

finden follte.

Kaum

nach Kairo

82

3. Bohndorff's Reife nah) Dar Abu Dinga.

542

als Auffeher feines Hauptquartiers während der wieder— holten und langdauernden Abweſenheit Junfers mit der Beforgung feiner Gefchäfte, dann auch mit der Ausführung zahlreicher, das Routennetz des Reiſenden vervollſtändigen— den Zweigexkurſionen betraut gemwejen, entfagte er nad) dreijährigem Dienſt diefem Poſten und fehrte unter vielfachen Hinderniffen im Frühjahr 1884 nad Kairo zurüd,

vielmehr erklärt, daß ich die Reiſe durch die Libyſche Wuſte

Dr. Sunfer ftellte ihm das Zeugnis eines durchaus zuver—

follte, gebildet hatte.

läffigen, gewifjenhaften und befähigten Neifebegleiters aus und empfahl ihn den an der Spite der Verwaltung des Sudan ftehenden Beamten zu geeigneter Verwendung. Eine, wie zu hoffen ſteht, nur vorübergehende Zerrüttung feiner Gefundbeit, Folge der ausgejtandenen Strapazen und Entbehrungen, machten feine vorläufige Nüdfehr nad -

nefischen Kaufleuten

Europa notwendig. Bohndorffs Thätigfeitt als geographiicher Pionier Icheint indes noch lange nicht abgeſchloſſen. Noch ift er jung und voller Unternehmungsluft. Die nachfolgende jchlichte Daritellung feiner NReifeerlebnifje von 1876 bis 1879 gibt uns ein Bild feines Charakters, in welchem ein unbeug—

jamer, durch Mut

Fein Mißgeſchick völlig niederzufchlagender

vor allem

in die Augen

ſpringt.

Wohl

noch nie

hat ein Neifender auf dem denkbar geradeiten Wege faſt die halbe Länge des afrikanischen Kontinents zurücgelegt wie 5. Bohndorff auf feinem in atemlofer Eile verfolgten Marſche von Kairo bis zu Mofio's ehemaliger Nefidenz. Für die Gewifjenbaftigfeit feiner Aufzeichnungen Spricht eine Stelle des Begleitichreibens, mit welchem er das geo— graphiſch jo hoch interefjante Schriftſtuck von Ndoruma aus in meine Hände gelangen ließ. Dasſelbe lautet: „Ich begnüge mich, Ihnen eine allgemeine Zuſammen— ſtellung der von mir zurückgelegten Wanderungen unter Angabe der Zeit meines Aufenthaltes an den verſchiedenen Plätzen herzuſtellen. Die Entfernung der Seriben von einander iſt, obgleich nur meinem Gedächtniſſe entnommen, doch ziemlich zuverläſſig angegeben worden. Den Charakter und den Lauf der zahlreichen Waldbäche, deren ich ſo viele überſchritt, bin ich, abgeſehen vom Bahr-Schinko und dem noch größeren Mbomo, außer ſtande, mit Sicherheit an— geben zu können, da ich mich nicht mehr recht beſinne, von woher ſie kamen und wohin ſie gingen, noch wie groß ihre Zahl ſein mag.“ *

Es war am

*

*

15. Mai 1876, als ich Kairo verließ

und meine Reiſe ins Innere Afrikas antrat. Mein Weg führte mich zunächſt den Nil hinauf nach Dongola, welches

ich in zwei Monaten

erreichte.

Vergeblich bemühte

ich

mich, die zum Transport meiner Sachen nötigen Kamele zur Reiſe durch die Libyſche Wüſte nach Darfur ſofort zu erhalten, denn der bereits im Innern Afrikas herrſchen— den Regenzeit halber weigerten ſich die Araber, mir ihre Kamele zu vermieten, wie überhaupt die Reiſe während der naſſen Jahreszeit mit mir zu machen; es wurde mir

nicht allein unternehmen fönne, jondern jo lange an Dr und Stelle zu verweilen hätte, bis die fich ebenfalls nm Dongola aufhaltenden Kaufleute zum Aufbruch nad) Darfur ’ ſich entfchloffen haben würden. Ich wartete deshalb in Abu Guffi, dem Eintrittspunft in die Libyſche Wüfte, ab, bis ſich die nächjte Karatwane, welche nach Darfur gehen

Bon den ſich anfchliegenden ſuda— von einer Woche auf die andere mit

der Abreife vertröftet, waren bereit3 4 Monate vergangen, 618 fich die Karatvane joweit gefammelt hatte, daß ſämt— lihe Mitglieder derjelben reifefertig daſtanden und am 6. November die Neife angetreten werden fonnte. Anjtatt

nun, wie die Mehrzahl der mitreifenden Kaufleute beab⸗— fichtigte, den geraden Weg von Abu Guſſi über El Matul” und

Dfehebel Ain nad) Darfur einzufchlagen, führte uns

der Führer unferer Karawane, ein Kababifch-Araber aus“ Saffia, nach dem 2 Tagreifen ſüdlich vom Nil bei Dabbe

gelegenen Thale Abu Grad, vorgebend, daß er den Weg über Diehebel Min, der dort wohnenden Beduinenjtämme

halber, mit welchen die Kababiſch-Araber in jteter Fehde (ebten, nicht nehmen dürfe, wenn er nicht fämtlicher Kamele beraubt fein wolle, und wir der Gefahr ausgeſetzt werden Sollten, ſämtliche Waren zu verlieren und die Nüdveife zu Fuß antreten zu müffen. Auf die Wahrheit feiner Worte vertrauend, traten wir den ziwar an Wafjer reicheren,

aber um 4 Tage längeren Weg über Abu Grad an, von wo aus wir uns zu dem 2 Tagreifen weiter gelegenen Thale Amri begaben. Nachdem mir dafelbft 2 Tage gerubt, fteuerten wir auf Machabes, einer Dafe inmitten der MWüjte, zu. Wohl jelten wird der Neifende in der Wüſte angenehmer über: E vafcht, als beim Herannahen einer ſolchen Dafe. Bereits

gewöhnt, ſowohl vor als hinter fi) nichts als gelben Wüftenfand zu jehen und dann und wann einem Kleinen Akaziengewächs, abwechſelnd mit Grasbüfcheln, zu begegnen, erblidt man bier plößlich die üppigfte Vegetation. Die’ Waſſerader tritt bier jo nahe an die Oberfläche, daß fie einen Heinen, von vielen Inſelchen unterbrochenen See bildet,

der, wie mir gejagt wurde, zur Negenzeit hoch anſchwellen ſoll,

ſodaß von den Inſeln außer den auf ihnen ſtehenden

Bäumen nichts mehr zu ſehen bleibt. Große Schwärme von wilden Gänſen und Enten beleben das Waffer und zahllofe Störchen und Reiher, ebenſo Ibiſſe und Sekretäre, fpazieren an feinen Ufern umber.

Die Dafe ſelbſt ift unbewohnt

und dient nur den auf mehrere Stunden im Umfreis dafelbit ihre Kamele weidenden Kababiſch-Arabern als Tränfe für fi) und ihre Tiere. Kaum

auf Machabes

angefommen,

erbat

ſich der

Chabir Said und etliche feiner Kameltreiber von uns die Erlaubnis zu einer dreitägigen Frift, um ihren ungefähr ſechs Stunden entfernten Wohnort Saffia befuchen zu fünnen,

während

wir

verabredeten,

die fommenden drei

Tage in der höchſt anmutigen Dale Machabes

zu ver—

>43

F. Bohndorff's Reife nah) Dar Abu Dinge.

verjtrichen uns äußerſt ſchnell gerüftet, um am kommenden nur unfer Chabir und feine Sie kamen erſt am jechiten Kameltreiber nad Saffia zu

Anſchluß an die Karawane, doch in allen Dingen mir jelber helfend und von der Geſellſchaft etwas abgefondert, zu machen.

ihnen geſchickt, um zu ſehen, was dort gejchehen fein könnte. Nachdem unfere Waſſerſchläuche noch in derjelben Nacht von den Arabern gefüllt waren, jegten wir am nächjten

gejegten Preiſen entſchädigt und ftatt ihrer Homr-Araber gemietet waren, was einen Zeitraum von fünf Tagen in Anfprud nahm, wurde die Reife fortgefeßt. Vom

Morgen unfere Reife fort und gelangten nad) fünftägigem

frühen Morgen unaufhörlid

bis zum jpäten Nachmittag

Marihe

im Gattel

wir

mweilen. Dieje drei Tage und alle waren bereits Morgen »weiter zu veifen, Kameltreiber fehlten noch. Tage, nachdem wir einen

nad Baderia, einen veich mit Brunnenwaſſer ver:

Sobald die Kababiſch-Araber

anftatt der baren Be—

zahlung von den Kaufleuten mit Waren zu bejtimmt feit-

jitend, erreichten

nach vier Tagen Foje

jehenen Ort, der reiche, üppige Weideplätze beſitzt, jedoch wegen der vielen Streitigkeiten und Näubereien der Kaba—

(Fodja), eine erſt nach der Eroberung Darfurs gegründete Provinzſtadt und Sitz eines Mudirs. Die Stätte war

biſch- und Homr-Araber unbewohnt ift. Nach dreitägiger Raſt dafelbit brachen wir von neuem auf und erreichten nad) fünf ſtarken Tagmärjchen Om Bedr, das Gebiet der Homr—

wegen ihrer wafjerreichen Brunnen

von etlichen Homr-Arabern

in früheren Zeiten nur

bewohnt.

Nach

eintägigem

Araberſtamm, welcher Schon feit vielen Jahren mit den Homr in offener Fehde lebte und ſchon zu verfchiedenen Malen blutige Kämpfe mit ihnen ausgefochten hatte. infolge:

Aufenthalte dafelbit ſetzte fih die Karawane wieder in Bewegung und zwar zum lebten Male auf diefer Reife, denn es galt Omfchanga, den Endpunft der jährlich mehr: mals im Sahre von Dongola nad) Darfur abgehenden Karawanen, zu erreichen. Omſchanga wurde von uns in brei Tagen erreicht und alle, feelenfrob wegen der nunmehr überjtandenen

deffen

unfere Kameltreiber, aus Furcht, von den

Reiſe, thaten fich jegt gütlich, ein jeder nach feiner Weife.

Homr-Arabern bei ihrer Nüdfehr aus Darfur umgebracht zu werden, ſich nicht dazu verftehen, die Waren der Kauf: leute weiter zu befördern. Site verlangten vielmehr, daß

Auch ich ſuchte möglichſt vafch unter Dad) und Fach zu fommen. Etwa 15 Tage überließ ich mich, außer etlichen Ausflügen zu den benachbarten Bergen, der Nuhe, bis ich mid) wieder vollftändig erholt hatte und ſtark genug

Araber, einjtmals Unterthanen

des Sultan Ibrahim von

Darfur. Mehr wie die Hälfte unferer Kameltreiber waren Kababiih=- Araber, wie ſchon bemerkt aus Saffia, einem

wollten

fie, wie bei ihrer Abreife von Dongola mit den Kaufleuten ausgemacht war, hier ihre Bezahlung erhalten jollten, um ih alsdann fehleunigit wieder auf ihr Gebiet zurüdziehen

fühlte, die Neife weiter fortfegen zu können.

Die für

mich nötigen fünf Kamele waren bald gemietet, und nad)

zu fönnen, während ſich die Kaufleute die zum weiteren Transport ihrer Waren nötigen Kamele von den Homr— Arabern mieten follten. Für die Kaufleute war dies ein

dem der Mudir von Omfchanga von den Arabern, welche

harter Knoten, da, wie ſich herausitellte, Feiner von ihnen

und ſchlug den Weg nad Schakka ein.

das nötige Geld befaß, um die Kababijch- Araber auszahlen zu können. Auf der ganzen Reife hatten ſich die arabijchen

Die große, viel betretene Straße einhaltend, gelangte ich nach dreitägigem Ritt dur) unbetvohnte Gegenden nad) Dweſcha, einer Kleinen, nur bon wenigen arabijchen Kauf: leuten betvohnten Stadt, welche ihre Bedeutung für die durch Darfur gehenden Karawanen ihrer Brunnen wegen, die ein notdürftig trinfbares Wafjer liefern, erhalten hat. Nachdem aud) ich hier meine Waſſervorräte erneuert, ſowie die Kamele fich ausgeruht hatten und getränkt waren, folgte ich der einmal angenommenen Noute und kam nad) vier Tagen in Schaffa an, woſelbſt ih Wohnung im

Kaufleute bisher merkwürdiger Weife freundlich und zuvor—

fommend gegen mich gezeigt, ein Umftand, den ich nicht vecht hatte begreifen fünnen, da die Sudanefen viel fana= tifcher und gehäffiger gegen den Europäer find, als die Araber Nordafrifas. Jetzt follte ich erfahren, was die Urfache diejer Freundfchaft war.

Als nämlich die Kamel

treiber, unzufrieden über die Weigerung ihrer Jahlung an Ort und Stelle, mit Gewalt in die Kaufleute drangen, um ihren Lohn zu erhalten, kam einer diefer biederen Söhne Mohameds nad) dem andern zu mir mit den Worten: „Du bift doc) mein

Bruder!

Kannſt

Du mir nicht bis

zu unferer Ankunft in Omfchanga fo und jo viel Thaler leihen? Sch weiß, du haft viel Geld bei Dir, denn fein Europäer veift im Innern Afrikas ohne Geld!" Ich konnte diefen Bitten nicht willfahren und nun war aber auch die Freundfchaft zu Ende. Glücklicherweiſe befand ich mic ſchon nahe an der Grenze Darfurs und hatte bereit3 ges lernt, auf welche Weife man felbjt mit dem untilligiten

mich begleiten follten, ſich eine Befcheinigung meiner Sicherheit halber hatte geben laſſen, verließ ich diefen Ort

Haufe des Mudirs Soliman Bei, des Sohnes von Sibehr Paſcha, fand. Die Empfehlung eines Beis in Omſchanga hatte mir die Freundfchaft

Soliman

Beis in dem Maße

verfchafft, daß er es mir während meines Aufenthaltes in feinem Haufe

auch nicht am

geringjten

fehlen

lieh.

Da ich noch vor Anfang der Negenzeit in Dar Fertit fein wollte, traf ich bald Anftalt, mich zur Weiterreife in die Länder der Neger vorzubereiten, und zwar far dies

mit manchen Schiwierigfeiten verfnüpft; denn da in Schakka die Müfte, durch welche ich bisher gefommen war, ihr

Kameltreiber in gutem ausfommen fann, jo daß ich fortan

Ende erreicht hat und ftatt ihrer ſich Lichte Waldbeitände

ſehr wohl im ftande war, die meitere Tour, obgleich mit

und langgeftredte Sümpfe,

welche zur Regenzeit unüber:

3. Bohndorff's Reife nad) Dar Abu Dinga,

>44

De

R

hin ausdehnen, fo war es

welcher genanntem Fluß aud) den Namen Bahr el Arab

denn auch hinfort mit der fo bequemen Kamelreife vorbei, und die an Lafttragen gewöhnten Stiere der Bagaras Araber vertraten von nun ab die Stelle der Kamele. Mein bisher von vier Laſt- und einem Neitfamel fort gefchafftes Gepäd mußte nun auf acht Stiere verteilt werden, zu welchem Zwecke ich in Ermangelung der Kiſten

fchreitbar find, nah Süden

verliehen hat. Infolgedefjen hatte fi) zu beiden Seiten des Fluſſes ein reges Leben entfaltet. Schon bei meiner Anz

meine Sachen in lederne Säcke zu bringen hatte, eine für den Transport der Bagage durch Stiere jehr zweckmäßige Verpadung. Die Stiere, welche mich nad Dar Fertit Ichaffen follten, wurden mir von Soliman Bei gejchenkt, auch die zur Führung der Tiere nötigen Araber geftellt, und mir etliche Soldaten zur Begleitung mitgegeben. Mit einigen mir von Soltman Bei ausgejtellten Empfehlungs: Schreiben an jeine Angeftellten in den damals noch Sibehr Paſcha zugehörigen Yändern von Bahr el Ghafal ver: jeben, machte ich mich) auf den Weg nach Dar Fertit, Meine Stiere, je von einem Araber geritten, um das Gleichgewicht des zu beiden Geiten des Tieres herunter: hängenden Gepädes zu halten, ſchritten aus, jo gut es der während der trodenen Jahreszeit ausgedörrte und tief eine geriffene Sumpfboden erlaubte, fo daß ich, zum erſten Male dem Rüden eines Ochſen anvertraut, meine Not hatte, mich) auf dem holperigen Wege aufrecht im Sattel zu erhalten. Wie aber jo mandes Schlechte auch feine

guten

Ceiten

bat, fo war es auch bier.

Während ich

bisher ſehr darauf gefehen hatte, daß mit dem Trinkwaſſer die größte Sparfamfeit beobachtet werde, um von einer Duelle zu der andern, oft im Abftande von mehreren Tagreifen, glücklich durchzukommen und mich nicht der Gefahr auszufesen, längere Zeit in der Wüfte ohne Waffer zu bleiben, und ich zu diefem Zweck ein ausschließlich mit Waſſer beladenes Kameel von Dongola aus mit mir zu führen hatte, fand ich in diefer vegetationsreichen Gegend zu meiner nicht geringen Freude verfchtedene Male deg Tages das für die Neife jo foftbare Element im Ueber: fluß. Durch diefe Erleichterung recht froh geftimmt, fuchte ich) meine Tagmärjche jo lange wie möglich auszudehnen, abwechſelnd reitend und zu Fuß laufend. So günnte ich

ſowohl meinen Zajttieren als auch meinen Leuten erſt nach völligem

Einbruch

der Dunfelbeit

längſt erjehnte Ruhe, bis ich nah

die ſchon von

fünf Tagen,

ihnen

vom

Abmarſch aus Schakka gerechnet, den Bahr el Nejegat erreichte. Hier hieß ich auf Anraten meiner Leute, wie alle Araber, welche diefe Straße paffieren, es zu thun pflegen, für die nächſten Tage Halt machen, weil mir die Gegend und das Leben am Fluſſe jehr zu einem längeren Aufenthalte geeignet jchien. Die Bagara-Araber nämlich, welche die der Mudirie Schakka zugehörigen Diftrikte bewohnen, find meiſten— teils Nomaden, hatten, vie dies alljährlich zur trodenen

funft dafelbft von verfchiedenen Haufen älterer Araber

:

*

begrüßt, wurde ich von ihnen in eine der nächiten Seriben geführt und mir dafelbft eine Mraberhütte zur Wohnung — | angewieſen. Nachdem meine Stiere entlaftet waren und die Leute es ſich bequem gemadt hatten, wurde mir ein Angareb zum Ausruhen gebracht und in einer Schale Milch dargereicht, um meinen erſten Durſt zu löſchen. J Dann drängte ſich Jung und Alt herbei, um den weißen

Mann zu ſehen, der, wie ſich die Kunde ſchnell verbreitet hatte, aus dem Lande herfäme, two die Gewehre und das Pulver gemacht würden. Die Vornehmſten der verjchies denen Araberftämme beeilten ſich, mir je ein Schaf, wie

fie e8 nannten, als „Karame“ (Geſchenk) zu bringen und forgten dafür, daß

es mir

und

meinen

Leuten an der

täglichen Morgen: und Abendmahlzeit, bejtehend aus Milch und Aſſide (Brot), nicht fehle. Mit Ausnahme einiger Ausflüge in die benachbarte Umgebung, melde ich im Begleitung zweier mit mir gekommener nahm, und etlicher Spaziergänge durch

Soldaten unters” die verjchiedenen

Seriben (Hüttenniederlafjungen), die mir eine Vorftellung von dem Leben und Treiben der Nomadenjtämme

Inner—

Afrikas verfchafften, war es unmöglich, auch nur auf Fuge Zeit des Tages für mich allein fein zu können; denn faum nach Haufe zurücgefebrt, verfammelten fich auch gleich alle in meiner Nähe befindlichen Araber um mich herum und beftürmtin mich mit Fragen aller Art. Sie hörten nicht

cher auf, ihre Neugierde zu befriedigen,

als bis ich, des

Antivortens müde, fie gewaltſam fortgeſchickt hatte.

Die meinen

Leuten

ihnen in Berüdfichtigung

gegebenen 6 Tage Frift, die ih der ausgeftandenen Gtrapazen

bewilligt hatte, um fi) bei den Arabern gütlic) thun zu fünnen, waren bald veritrichen; meine Stiere, welche zu: jammen mit dem Bieh der Araber auf der Weide geitanden,

hatten fich inzwischen wieder vollftändig erholt, und jo wurden fie amnächiten Morgen friich beladen und traten,

ihren früheren Reiter auf dem Nüden,

den Weiterweg

wieder willig an. Die Straße, deren Zuftand uns bisher zu großer VBorficht angehalten, um das Nusrutfchen der Zafttiere auf dem unebenen Boden zu verhüten, fing an, allmählich befjer zu werden, denn ftatt der bisher paffierten

Sümpfe breiteten fich jebt höher gelegene Waldungen vor ung aus, welche einen durch die vielen Sklaventransporte,

die hier durchgebracht wurden, völlig ausgetretenen breiten Weg darboten. Ohne Hindernis feßten wir zwei Tage lang unferen Weg fort, bis wir uns am dritten Tage etlihe Stunden dieſſeits des Dſchebel Delgaune, eines Berges, den ich Schon aus weiter Ferne in Sieht befommen

Jahreszeit der Brauch ift, ihre Wohnftätten daheim ver:

und den ich als Anhaltspunkt für die Nichtigkeit der eine geichlagenen Strafe feftzubalten hatte, durch einen den

lafjen und waren des reichlicheren Futters halber mit ihren Herden zum Fluß von Nefegat gezogen, ein Umftand,

Weg Freuzenden Bach gehemmt fahen. Obgleich die Tropen⸗ vegen auf der ganzen Strede, woher ich gefommen, in

Briefe aus Sumatra.

diefem Jahre noch nirgends ihren Anfang genommen hatten und verſchiedene ſchon von uns überfchrittene Wald: bäche, welche zur Negenzeit große Waſſermaſſen mit fich führen jollen, noch ganz troden lagen, fo war diefer Bach doch bereit3 jo hoch angeſchwollen, daß ein Durchwaten an irgend einer Stelle unmöglich erjchten. Die mich be:

gleitenden Soldaten, welche diefen Weg ſchon von früheren Gelegenheiten ber fannten, machten ſich daher fchnell an die Arbeit, ein paar junge Bäume zu fällen und zufammen zu binden, das unterdefjen von den Arabern abjchnittene Stroh in Bündel darauf zu befejtigen und ein Floß ber: zurichten, welches ſoviel Tragfähigkeit beſaß, daß es eine

>

hieher begleitet hatten, die drei anderen Ochſen fchenfte ich dem auf der Station fommandierenden Wekil des Sibehr Paſcha, welcher mir dafür, fobald ich die Station wieder verlaffen wollte, 50 Träger verſprach. Die Seriba, eine der größten von Dar Fertit, beitand außer dem Diwan und dem Haufe des Gouverneurs, welche aus Erde aufgeführt waren, nur aus Strohhütten, die mit einer leichten Umfriedung verſehen waren. Die fi) namentlich zur trodenen Jahreszeit dafelbit einftellenden Sklaven: händler hielten täglich einen Markt ab, welcher mit allen in Kordofan vorfommenden Kurzivaren verfehen var.

(Schluß folgt.)

halbe Ochjenlaft von einem Ufer zum anderen befördern fonnte. Geelenfroh, die Arbeit des Hinüberfahreng nad) Einbruch der Nacht beendigt zu haben, überließ ich mich, nachdem ih meinen Leuten, welche ihre im Waſſer halb erjtarrten Glieder an einem großen Feuer zu märmen fuchten, den

Briefe aus Sumatra. Bon Dr. Yudwig

Martin

aus München.

Keffel mit Thee gefüllt, der Ruhe. Schon vor Anbruch des Tages ließ ich am anderen Morgen jatteln, um noch vor Mittag auf der Station von HaflanWodeDegel zu fein. Den Dfchebel Delgaune

zur Rechten lajjend, marjchierten wir flott vorwärts, und ſchon die Hütten der Seriba von weitem erfennend, glaubte ich auch mein Biel zur bejtimmten Zeit erreichen zu fünnen, als uns plößlid) der Weg durch einen tiefen Abgrund gefperrt wurde.

Das Ganze ſchien nichts weiter als ein

aus hartem Lehmboden gebilvetes Flußufer zu jein; aber es war bon folcher Höhe und fo jteil abfallend, daß ein Menic etwas Vorficht beobachten mußte, wenn er unten unverfehrt anfommen wollte. Für die Ochſen dagegen war dies eine ſchwere Aufgabe. Obgleich ihrer Laſt entledigt, eigerten fie ſich anfangs entjchieden, ihre Schritte da

hinunter zu lenfen, bis meine Bagara-Nraber

fie mit

Gewalt binunterftießen. Bis auf diefe Art meine Ochſen mehr hinuntergeruticht als gegangen, jämtliche Gegenftände von meinen Zeuten Stüd für Stüd binuntergetragen und die Laſttiere jchließlich wieder gejattelt waren, wurde es

4 Uhr nachmittags.

Die genannte Station war jebt nur

IE

Die Fahrt durch das Note Meer,

Aden.

Der Morgen des 9. Dftober 1882 überraschte ung bereits mitten im Noten Meer, 120 Seemeilen von Suez entfernt. Intereſſant und großartig zugleich war der Anblie, der fich) uns beim Bejteigen des Verdeckes bot. Zur Rechten lag die gebirgige Küfte des füdlichen Aegypten, links, etwas weiter entfernt, die jonnendurchglühten Berge der SinaisHalbinfel, deren Hauptgipfel jedoch nicht mehr deutlich herauszufinden war. Beide Küften zeichnen fich

durch vollftändigen Mangel jeder Vegetation aus. wildzerriſſenen

Formen

Die

der gelblich ſchimmernden Felfen

erinnern an die abenteuerlichen Gejtaltungen, welche der Dolomit oft in unferen heimatlichen Bergen zeigt. Gegen Mittag entſchwanden allmählich die Berge und damit die Erinnerung an uralte Ueberlieferungen, an heilige Namen, die uns von früheſter Kindheit an eingepflanzt. Um uns it nur Himmel und Wafjer; die fühle Brife von gejtern bat ſich längſt gelegt und die gefürdhtete Hitze macht jich immer bemerfbarer. Das Thermometer zeigt bald im

noch 1 Stunde entfernt; da ich aber fein befonderes In—

Schatten 300 R. Unterfleider und Weiten find längjt ab-

terrejje begte, die Seriba näher fennen zu lernen, zumal

auch nur mit genauer Not, denn die Umbojen (Fliegen), deren Stich die meisten der dahin gebrachten Haustiere tötet, hatten auch meine Ochſen überfallen, jo daß bereits

gelegt; weite, weiße Gewänder find unjere Tagestoilette, Palmfächer und leichte, geflochtene Strohpantoffel an den ſonſt nadten Füßen ein tichtiger Beſtandteil derſelben. Troß der jtet3 bereiten Limonaden, des Fruchteifes, das jeder Mahlzeit folgt, troß des energisch fächelnden Punkahs, laufen die Schweißtropfen über Stun und Wangen. Sitzt man einige Zeit, fo zeigen die Kleider da, wo fie dem Körper anliegen, bald große, feuchte Flecken; den Damen liegen die ſonſt fo kunſtvoll geordneten Haare matt und feucht an, als wenn fie eben aus dem Bade fämen und über ihre Wangen laufen fortwährend Fleine

zwei unterwegs gefallen waren und die noch übrigen ſechs

Schweißbäche,

an allen Gliedern zitternd und in fehr krankem Zuftande anfamen. Drei derfelben überließ ich meinen Leuten,

geblich angewandten Puder weißgerändert erjcheinen, Mit Sehnfucht erwarten wir die Nacht, in der dag Thermometer tvenigftens auf 24% R. herabfintt. Vom Schlafen

der Eigentümer derjelben nicht zu Haufe jein follte, fo zog ich vorüber, ohne mich um ihre Inſaſſen zu fümmern

Ihlug mein Nachtlager

eine kleine

Gtrede

und

meiter im

Walde auf.

Bon hier aus hatten wir noch zwei Tage bis nad) Deleb, mofelbit wir einen Tag ausrubten. Am vierten Tag erreichten wir die Seriba des Sibehr Paſcha, aber

welche

mich auf Befehl des Mudirs

von Schakka bis

deren Ufer von dem in Menge,

83 ON

Ausland

1884,

Nr. 28.

aber ver:

Bi >46

Briefe aus Sumatra.

in den dumpfen Kabinen ift mit einigen Ausnahmen feine

wechſelnd

Rede mehr. Im Schweiße feines Angefichts jchleppt jeder feine Matraze auf's Ded, wo nad 11 Uhr Herren und

Dſchidda bringt, von wo fie den Weg nad) dem heiligen

Damen, malerifch gruppiert, fanft und friedlich nebenein= der fchlummern, bis um 5 Uhr morgens rohe Matroſen— hände fie aus füßen Träumen mweden, um Platz für die Neinigung des Deds zu Ichaffen. Wer Luft hat, bewun— dert dann von einem, vor Wafferfprigen und Bejen ge: ſchützten Platze aus den raſch vor fih gehenden Sonnen= aufgang, während andere nad) zu kurzem Schlaf in ihre

nun fühler gewordenen Kabinen hinabgehen oder fich ſtärken durch ein erfrifchendes Bad. Die fteigende Hitze des 10. Dftober lähmte uns faſt völlig und faum Fonnten die Schwärme von fliegenden Fiſchen, welche bie und da aus dem Meere auftauchten, von der gefräßigen Mafrele in weiten Sprüngen verfolgt, uns vermögen, die drüdende Apathie abzujchüt: teln. Merkwürdigerweiſe beobachteten wir dieſes Spiel der Slugfifshe nur in den Morgenftunden. Nach 11 Uhr läßt fich feiner mehr erbliden, da es um dieſe Zeit wahr: icheinlich auch dieſen Faltblütigen Tieren zu heiß tft. Der unverändert wolfenlofe, lihtblaue Himmel blendet fo, daß wir faum aufzubliden vermögen; dafür aber haben wir jeden Abend das wunderbare Schaufpiel des Sonnen untergangs in den leuchtenditen, glühenditen Farben, wie fie nur Makarts ägyptiſche Bilder zeigen und mit den phantaftischen Wolfenformationen, wie wir fie früher nie

und mandes

Schiff, das Fromme Pilger nad)

Mekka antreten. Auch Flora und Fauna boten ung heute neue DVBariationen. Auf einem der erwähnten Eilande

jahen wir endlich wieder einige Palmen, welche die ſonſt jo öde, in braune Töne verſchwimmende Yandichaft wunder: bar belebten.

Nahe

bei uns

aber ſchwebten, dem Lauf

des Schiffes folgend, gewaltige Albatrofje, die erſten, die wir zu ſehen befamen. Unfere Befriedigung war feine geringe, als am 13. Oftober, morgens 1/5 Uhr, die Fahrt durchs Note Meer ihren Abſchluß fand, indem wir in den natürlichen Hafen von Aden einliefen. Zwei weithin fichtbare Leucht-

türme begrenzen denjelben, doch war ihr Licht nicht im jtande, den großen Kometen zu verdunfeln, der, als wir in den Hafen

liefen, noch in voller Pracht am Himmel

erglänzte. Bald indes verfchwand er vor den Strahlen des aufgehenden Tagesgeitirns, welches hinter den mäch— tigen, überall mit Feſtungswerken befrönten und von großen

Raubvögeln jtieg und

umfreiften Küftenbergen Adens jetzt empordie pittoresfen,

fchroffzadigen Gebirgszüge im

Weiten magiſch beleuchtete. Wer erivartet hatte, die Stadt | Aden ſchöner zu finden als das gejtern Nachmittag er blickte Mokka mit feinen zahlreichen Minarets, wo pärliche grüne Streifen längs der weißen Küfte und die hinter der Stadt hinaufziehenden Sandberge die Keim- und Pflanzen:

jtätten des berühmteften Kaffees der Welt anzeigten, der

gejehen.

fand fich hier jehr enttäuscht; denn außer wenigen Häufer:

Am 11. Dftober bradte ein Zug von Schwalben, der unſer Schiff paffierte, angenehme Abwechslung. Dieſe fluggewandten Tiere ziehen alfo noch über die Nordküſte von Afrifa weit hinaus. Während wir des Abends jchon im Mittelmeer und den erjt durchfurchten Wafferflächen zumeilen glänzende Bunkte in unſerem Kielwafjer bemerft hatten, phosphoreszierte heute das Meer ſchon in weiteren Flächen, wenn durch die Schraube unjeres Schiffes die Wellen in Bewegung famen. XYeider war fein Neb auf: zutreiben, um einige diefer leuchtenden Tiere an Bord zu bringen, unter denen ſich gewiß größere Meduſen befanden. Tags darauf führte uns der Weg durch zahlreiche, fleine Gebirgseilande, alle vulfanifcher Natur und nur

reihen bilden nur drohende Baiteien, mit Kanonen gejpidt,

riefige Yavablöde

darjtellend.

Bei dunkler

Nacht oder

ſtürmiſcher See iſt die Fahrt durch diefes Klippengewirre mit großer Gefahr verbunden und manches Schiff iſt bier Ihon an die Felfen geworfen und zerfchellt worden. Die Wrads dreier Dampfer, welche erit in diefem Frühjahr hier gejcheitert find und noch auf den Felſen lagen, illujtrierte diefe, fich jedem aufprängende Wahrnehmung auf eine jehr unheimliche Weife. Am Ufer jtanden noch ver: lafjene Hütten, die fich die Schiffbrüchigen gebaut, bis ein vorbeifahrender Steamer ihnen Erlöfung brachte. — Man merkt, daß man ſich auf einer Haupt-Handelsſtraße befindet, denn zahlreiche Dampfer begegnen uns, Signale

einen Anhaltspunkt für das Auge an diejer baum- und ſtrauchloſen Felfenfüfte. Die erwähnten Häufer gehören ausnahmslos europätfchen Kaufleuten und Dampfſchiff— fahrtsgejellichaften,; das große, arabiſche Aden aber liegt hinter den Küftenbergen und wer es jehen will, muß ſich zu einer kleinen Yandpartie entjchließen. Da unfer „Sindh“ erſt um 11 Uhr wieder abgeben wollte, wir alfo Zeit genug hatten, verjtanden wir uns rafch dazu und vertrauten ung, bier Herren an der Zahl, drei kohlſchwarzen, glattgejchorenen Arabern an, die uns mit ficherem Nuderfchlag, begleitet

bon

einem jehr wenig melodiöfem Gefange,

ang Land

brachten. Dort entipann fich alsbald ein heftiges Gezänke unter den wartenden Nofjelenfern um den in Ausficht

jlehenden Verdienſt. Wir entfchieden die ergößliche, uns leider nicht verjtändliche Wortfehde endlich durch die Wahl des bejcheideniten oder auch feigiten der Pferdebeſitzer, welcher ung für 4 Rupees, 8 Mark, nah Aden und wieder zurüc zu bringen verſprach. Wir famen raſch vorwärts, erit das Ufer entlang, dann die jteinigen Höhen aufwärts, große Züge von Kamelen überholend, welche vom Hafen

aus Waren aller Art in’3 Binnenland fchleppten. Hin und wieder diente auch das erſte derjelben im Zuge einem fühnen Reiter zum Sitz, aus deſſen Gürtel Schäfte von Piſtolen und Griffe von Yatagans bedrohlich hervor— ſchauten. Der Kopf des nächitfolgenden Kamels war immer.

ei

Ruinen in Guatemala

mit dem Schtveife des vorhergehenden durd) einen Strid verbunden, jo daß alle genau im Gänſemarſche gehen mußten. Einen fomifchen Gegenſatz zu dieſen ungeheuren Yaltträgern bildeten Herden von 20 bis 30 kleinen, mit ledernen Waſſerſchläuchen beladenen Ejeln, deren einer den

Treiber tragen mußte, mitunter einen baumlangen Burfchen, dejjen Beine

fchleiften.

zu beiden Ceiten

fajt auf dem Boden nad):

Außer einigen Fettſchwanzſchafen, langhaarigen

Biegen, einer mir fremden Taubenart und fleinen, finfenartigen Vögeln ohne bejondere Federpracht vervollitändig-

ten das intereffante Tierbild große, braune Aasgeier mit „adten Hälfen, die auf den Hütten und Felfen am Wege

jaßen, neben ihnen eine andere Art mit befiedertem Halſe und voriviegend weißer Farbe, wenn ich nicht irre bei Brehm als „Schmußgeier” aufgeführt. Manche wandelten plumpen Ganges

auf der Straße umher und ließen uns

ganz nahe fommen, ehe fie ihre ſchmutzige Nahrung, den Kot der vorüberziehenden Tiere, verließen. Oben auf dem Grat der Küftenberge paſſierten wir eine dominierende Kanonenbatterie mit einer Wache englijchindischer Truppen, deren Boten vor uns falutierte, eine Ehre, welche die englifchen „Soldiers“ im Orient jedem

anjtändig gefleiveten Europäer erweiſen. Von da ging es in kurzen Windungen zwifchen jenfrechten Felswänden durch, welche teilweiſe erjt nach Anivendung von Pulver und Dynamit eine Gaſſe freigegeben hatten, bis wir ſchließ—

lih in einer weiten, jteinigen Ebene, ohne jedes Grün, Aden

vor

uns

fahen:

ein regelmäßiges

Viereck

weißer

Häufer, einjtödig, mit flachem Dad) von Stroh oder Schilf, welche fich bis an das ſoeben überftiegene Küftengebirge heran

zogen.

Wir durchfuhren

ziemlich

raſch die echt orien-

taliſch ſchmutzige Stadt, deren Häufer ftatt der Glasfeniter durchgehends nur leichte Nohrgeflechte vor den als Fenſter

dienenden Maueröffnungen

befigen.

Die breite Mittel:

itraße enthält den Bazar, unter defjen zahlreichen Waren

uns

namentlich viele

Löwen-

und Tigerfelle

auffielen,

außerdem rohe Thontvaren, Teppiche, Strohgeflechte, ſchöne Straußenfedern uud wenig appetitliche, von Fliegen ſchwarze

Lebensmittel, darunter viele Bananen, die wir ja auch an Bord täglich zweimal befamen, kleine, aber füße, köſtlich

34

und Mukatan.

von

der engliichen

Regierung

mit

vielen

Mühen

und

Koften erbauten Wafjerbehälter vollkommen verfiegt, und nur aus zwei tiefen, ſchmutzigen Löchern fahen wir Waſſer heraufbringen, welches fat zum Weichfieden von Eiern

tauglid) geweſen wäre, nichtsdeſtoweniger aber zahlreichen Eſeln zur Belaftung dienen und einigen mageren Mfazien und Palmen, den einzigen Bäumen, die ich an der Küſte Arabiens

ſah, das

Leben

friiten

mußte.

Der trojtlofe

Anblick diefer leeren, lechzenden Tanks verleidete uns vol— lends einen weiteren Aufenthalt in Aden, und bald fuhren wir wieder der Hüfte zu, die begegnenden englifchen Offi— ziere der hiefigen Garnifon herzlich bedauernd, obgleid) fie in eleganten Jagdwagen an uns vorüberfuhren. Ungefähr eine halbe Stunde vor der Yandungsitelle ftieg ich mit einem Gefährten aus, um mir doc) Arabiens Erde näher zu befehen und zugleich eine blühende, ſtrauch— artige Pflanze zu pflüden, die mir als das einzige Grün mitten im Sande aufgefallen war. Es war eine große Zupinenart mit orangefarbener Blüte und ein Araber, der mich Später zum „Sindh“ zurüdruderte, verfiherte ganz

ernsthaft, die Pflanze fer gut, um

Regen

zu bringen.

In der Neftauration an der Landeitelle fanden wir einige

Reifegenoffen im Begriff, echten Mokka zu ſchlurfen. Wir ihloffen uns alsbald an und ließen dem wirklich aus— gezeichneten Kaffee eine noch bejjere Flaſche Bier folgen, ein lange ſchmerzlich entbehrtes Labſal, das zwar 1 Rupee, d. i. 2 Mark, foftete, dafür aber vortrefflic) mundete, Dabei umſchwärmten uns zahlreiche arabiſche Juden, Die uns Straußenfedern und Silbermünzen zum Wechjeln ans boten. Sie tragen fich wie die anderen Einwohner, find aber erfenntlich an einer langen, geringelten Locke, beider: jeits über dem Ohr. Schließlich wurden fie fo läſtig, da der Wirt fie mit Stöden wegjagen ließ und dann kamen fie erft noch außen vor das Gitter unferer Veranda, um uns durch diefes hindurd ihre Waren anzubieten. Auch an Bord des „Sindh” fanden wir fie in hellen Saufen, mit allem Erdenklichen ſchachernd; doc ward hier bald ein Ende gemacht, indem derfelbe Punkt 11 Uhr Aden hinter fi) ließ und in den Indischen Ozean hinausjteuerte.

(Fortjegung folgt.)

aromatische Drangen und noch Kleinere, unendlich bittere, aber ſehr jaftreihe Zitronen mit dünner Schale. Unfer

nächſtes Ziel waren die berühmten Tanks, die Züternen von Aden: mächtige, zementierte Baſſins am Fuß der Küftenberge, welche das von dieſen herabjtrömende Regenwaſſer forgfältig auffangen und beivahren follen, um in der langen, trodenen Jahreszeit die durjtende Stadtbevölferung mit Trinkwaſſer zu verforgen. Es regnet bier im Jahre höchitens zwei bis dreimal, mitunter aud) gar nicht, wie heuer, und tft in einem Orte, wo die wenigen Biehbrunnen zur heißen Zeit faum über das Meeresniveau heraufreichen,

twie in Aden, deſſen frühere Wafjerleitung

vom Lande her längſt zertört iſt, jeder Negentropfen koſt— bar. Im heurigen Jahr aber waren diefe mächtigen,

Kuinen in Guatemala und Yukatar. Die Urgefchichte, Archäologie und Ethnographie des alten Amerika bietet der wiffenjchaftlichen Forſchung eine Fülle intereffanter, aber ſchwieriger Probleme, wie wenige Gebiete unferer Erde. Sind doch felbit die Bilder, welche man von den Halbkulturvölfern der vorkolumbiſchen Zeit zu entiverfen verfuchte, infofern in denfelben die vorur— teilsfreie Beobachtung nicht von fpefulativen Erörterungen in den Hintergrund gedrängt wurde, nur in großen,

breiten Zügen gehalten.

Wie viele Ergänzungen im ein⸗

>48

£

a in ha Guatemala und 9%Yukatan. Nuinen

zelnen und allgemeinen bedarf aber außerdem unfer Wifjen von den Naturvölfern, denen vor der europäischen Invaſion die weftliche Landınafje zu eigen war? Ein Schleier lagert über ihnen und ihren VBerhältniffen, wie über der alten Ber: gangenheit jener Öefchlechter, welche fich felbft Monumente errichteten, die bis in die Gegenwart hereinragen, um von ihr entziffert und gewürdigt zu fverden. „Die heutige Bes völlerung, in träger Indolenz ein primitives Dafein führend, weiß wenig mehr von dem, was den Geilt ihrer Vor— fahren beivegte. Durch den Nebel dunkler, widerſpruchs— voller Ueberlieferungen und grottester Mythen läßt ſich nur ſoviel erkennen, daß fett alter Zeit ein Drängen und Treiben der Völker ftattfand, die wie Wogen des Meeres einander folgten, daß unter rohen Urftämmen gefittetere Nationen ſich niederließen, Völkerſchicht auf Völkerſchicht fich lagerte, von denen jede mehr oder minder ausgedehnte Spuren ihres Dafeins hinterlaffen hat.” (Na: daillac.) Um fo freudiger begrüßen wir jedes Bejtreben, in diefem Dunkel, und wäre es auch nur an der einen oder anderen Stelle, Licht zu verbreiten, uns zu belehren, mie bie Kulturverhältniffe der Amerikaner vor dem 16. Jahr: hundert lagen, aus welchen Ueberreiten die Baufteine zu einer Darftellung von den prähiftorifchen Zeiten in Amerika gewonnen werden fünnen. Darüber eingehendere Thatjachen zu bieten, ijt mit ein Verdienjt des Buches von W. Schlöffer und Ed. Seler: Die eriten Menfchen und die prähiftortIchen Zeiten. Mit befonderer Berüdjichtigung der Urbe— wohner Amerikas. Mit einem Titelbild und 70 in den Tert gedrudten Holzſchnitten. Autorifierte Ausgabe. Stuttgart. Ferdinand Enke. 1884. 527 ©. Demfelben liegen zwei Werke des Marquis de Nadaillac zu Grunde: Les premiers hommes et les temps pr£historiques. Paris,

G.

Mafjon, 1881; und L’Amerique prehistorique, Paris,

G. Maſſon, 1883. Die deutjchen Autoren ftellten, wie fte jelbjt gejteben, feine bloße Ueberfegung des Originals her, jondern waren mit Glüd bemüht, eine bloße Erörterung von Theorien vor dem Thatjächlichen zurüdtreten zu laſſen. Die Abjehnitte über die zentral: und füdamerifanifchen Bölfer aber find von ihnen zum großen Teil auf Grund eingehenden Quellenjtudiums beträchtlich erweiterte, eigene

Darjtellingen.

Wir greifen aus denjelben eine Skizze über

die Nuinen von PBalenque, Kopan, Urmal und Chichen-iga heraus. An eriter Stelle verdienen die Monumente von Palenque erwähnt zu werden, in dem von Mayavölfern bewohnten, aber durch eine menjchenleere Waldwildnis von

Yufatan getrennten Gebiete des Flufjes Ufumazinta

in

Chiapas. Die Ruinen liegen am Ufer des Flüfchens Dtolum, eines Nebenfluffes des Tulija, am Fuße der Berg: fette, die zuerit im Süden des feuchten, fumpfigen Tief: landes der Unterläufe der Flüffe Tabasko (Orijalva) und Ujumazinta auffteigt. Sie dehnen fih über einen Raum von 6 bis 8 e. MI. aus, in unregelmäßiger Weife längs

der Ufer der Fleinen, von den Bergen herabrinnenden Bäche

zerftreut.

Sie

find heutzutage

faſt erſtickt unter einer

üppig wuchernden, ſtets raſch fich wieder verjüngenden Waldvegetation und waren lange Zeit gänzlich unbekannt. Cortez marſchierte auf einer ſeiner Expeditionen ganz nahe an denſelben vorbei, ohne ſie zu bemerken.

Erſt im Jahre

1746 wurden ſie durch Zufall durch einen Geiſtlichen der Nachbarſchaft entdeckt. Das Hauptgebäude, der ſogenannte Palaſt, erhebt ſich auf einer 40 Fuß hohen, an der Baſis 310 und 260 Fuß meſſenden Pyramide. Das Innere derſelben iſt aus

Erde aufgeſchüttet, die äußeren Flächen mit breiten Stein— platten bekleidet; Treppen führen zum Hauptgebäude, welches ein Nechted von 28 und 180 Fuß bildet. Die2 bis 3 Fuß dien Mauern

beftehen aus Bruchſteinen und tragen oben

einen zivifchen zwei doppelten Kranzgefimfen eingefchlofjenen Fries. Innen wie außen waren fie mit einem fehr feinen und feften Stud befleidet, der rot oder blau, ſchwarz oder weiß bemalt war. Die Hauptfacade liegt nad Oſten. Hier führen 14 breite Eingänge in eine äußere Galerie, die durch) eine Scheideivand von einer inneren, den Hof auf

drei Seiten umziehenden Galerie getrennt ift. Die Pfeiler find mit 6 Fuß hoben, in den Stud modellieren Bild» werfen geſchmückt, über welchen fi) Hieroglyphen hin—

ziehen.

Die Rückwand

volle in den Stud

der inneren Galerie zeigt kunſt—

modellierte Ornamente,

die in vielen

Details an unseren Rofofoftil erinnern: große Medaillons mit reichgegliederter Einrahmung, in deren Mitte ſich ko— loſſale Profilföpfe befinden.

Die

weiten, durch die äußere Galerie

Gebäudemaffen in dem

umzogenen Hofe, der

jogenannte innere Balaft, find eine unharmonifche Zuſammen—

häufung von hallenartigen Häufern, Gängen, Heinen Hütten und offenbar das Produkt verjchiedener Zeiten und Bes dürfniffe. Das wahrſcheinlich urfprünglide und einzige Hauptgebäude in der Mitte, von rechtediger Form, bejteht ebenfalls aus zwei parallellaufenden, durch eine Zwiſchen—

wand getrennten Galerien.

Der Rundbogen war den Archi—

teften von Palenque unbekannt, Wölbungen wurden durd) jucceffives weiteres Vorfpringen der übereinander folgenden Schichten hergeftellt, wie bei den kyklopiſchen Monumenten

Griechenlands

und

Staliens.

Wände

und Pfeiler des

inneren Palaſtes find mit reichen, aus Granit gemeißelten Bildwerken geſchmückt, welche die der äußeren Oalerie an

Großartigfeit noch übertreffen. Die Figuren haben oft bis 13 Fuß Höhe; Zeichnung und anatomische Verhält— niffe find forreft und ausdrudsvoll, aber die Linien find weich, gerundet und fcheinen vielmehr eine im Untergang begriffene, als eine auffteigende Kunftentwidlung zu bes

zeichnen. Bemerkenswert find noch eine Anzahl ausge: mauerter Nifchen wegen ihrer Aehnlichfeit mit dem griechi— ihen oder vielmehr ägyptiſchen Buchſtaben Tau. Das war ein heiliges Zeichen, das wir auch in Teotihuafan in Mexiko,

in Peru, wie in Indien

und Aegypten

wieder:

finden. Zu den Bauwerken gehört noch ein großer vier: ediger, drei Stockwerke hoher Turm, deffen Außenflächen

549

Ruinen in Guatemala und Aufataı.

aber nur mit einer glatten Stuckſchicht befleidet geweſen zu fein ſcheinen. Das Alter diefer Bauwerke jcheint in feine ſehr hohe Zeit hinaufzugehen. Den jehs Monate anhaltenden tro= piſchen Negengüffen, die bier auf der atlantijchen Seite des Iſthmus von ausnehmender Ergiebigkeit find, und der

Dächer und Mauern überziehenden, in allen Spalten ſich einniftenden Baumvegetation würden auch die joltdeiten Konftruftionen faum lange widerjtehen fünnen. Auc) zeigt die Schärfe der Kanten an Treppen und Stufen, daß fie nicht lange bewohnt und benutzt geweſen fein können. Charnay ſchließt aus der ganzen Anlage der Bauwerke, dab wir e8 bier nicht mit einem Balaft, fondern mit einem

indianischen Heiligtum zu thun haben.

deffen Spite der ſymboliſche Vogel mit den Adlerklauen und dem langen Schweife dargeftellt ift. Zwei reich: geſchmückte, lebensgroße Figuren, eine männliche und eine weibliche, jtehen zu den beiden Seiten des Kreuzes, Opfer: gaben in den emporgehobenen Armen tragend. Hinter jeder von ihnen befindet fich eine lange, aus mehr denn 50 Zeichen zufammengefeßte Hieroglypheninfchrift, die zum größtenteil aus ſeltſam verichnörfelten und umrahmten Brofilföpfen bejteht. Eine ganz ähnliche Platte, wo aber das

Kreuz in der Mitte ein aus jonderbar verzerrten und ver: ichnörfelten Linien gebildetes Geficht mit Halsband und Medaillon darunter zeigt, iſt noch in einem zweiten Tempel aufgefunden worden. Außer den Hauptgebäuden und Tempeln, deren man 16 bis 20 zählt, hat man noch, amphitheatralijch übereinander liegend, bis faſt zum Gipfel

des Cerro Alto hinauf Nuinen

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Tafel des Kreuzes aus dem Tempel von Palenque.

Von den übrigen Heiligtümern ſei der Sonnentempel erwähnt, in welchem Charnay eine auffallende Ueber— einſtimmung mit buddhiſtiſchen Heiligtumern Japans findet, und der ſogenannte Tempel des Kreuzes. Derſelbe erhebt ”

ſich wie die anderen auf einer abgeſtumpften

Pyramide

von Terraffenpyramiden

mit Tempeln und ballenartigen Gebäuden, Gruppen niedviger Häufer und ſeltſame, aus einem labyrinthifchen Ge— wirr Eleiner Kammern beſtehender Bauiverfe, die Charnay für Totenhäufer erklärt, aufgefunden. Bon den breiten, feſten Zementſtraßen, die zwischen diefen Bauten entlang liefen, find noch großartige Ueberrefte erhalten, ebenſo auch mannigfache Trümmer der fteinernen Brüden, welche über die zahlreichen, von der Höhe berabfommenden Bäche führten, Kopan iſt heute ein Feines Dorf, am Fuß der Berge, welche Guatemala von Honduras trennen, am Ufer des Rio Kopan gelegen, eines Nebenfluffes des Motagua, der ih in die Bat von Honduras ergießt. Die Ruinen, welche, unter einer wuchernden Waldvegetation vergraben, ih in geringer Entfernung von dem Dorfe befinden, werden ſchon im Sahre 1576 in einem Briefe Diego de Palacios an den König Philipp I. erwähnt, find aber erft durch Stephens genauer befannt geworben. Sie bilden eine Enceinte von 900 und 1600 Fuß. Die Mauern, aus gewaltigen Steinblöden errichtet, meffen an der Baſis nahezu 25 Fuß; an einzelnen Punkten erheben fie fich itufenmweife und zeigen hier und da noch Spuren von Ber malung. Das Hauptgebäude liegt im Nordweſten der Enceinte. Es ftellt eine abgeftumpfte Pyramide dar; die Nord- und Südſeite mißt 624, die Oſt- und Weitfeite 309 Fuß. An der dem Fluß zugefehrten Geite fteigen die Mauern fenfrecht zu einer Höhe von 60 bis 90 Fuß auf, die anderen Seiten find ftarf geneigt. Das ift die gewöhn— liche Form der mexikanischen und yukatekiſchen Heiligtümer.

und bat am der Vorderſeite drei Oeffnungen, deren tren—

Huf der oberen Plattform ftand dann frei oder in einem

nende Pfeiler mit Figuren und Hieroglyphen gefhmüdt ſind. Die Deffnungen führen zu einer Galerie, an welche

befonderen Gebäude das Bild des Gottes, und davor der Altar, der fo oft von dem Blute der Opfer raudıte.

ſich nach hinten drei Kammern

anfchließen.

Die mittlere

enthält ein kleines Heiligtum, deſſen Hintertvand mit drei Steinplatten befleidet war, deren Skulpturen eine relis giöſe Zeremonie darftellen. Die mittlere derjelben zeigt | ginmitten verfchiedenartiger Ornamente die Geſtalt eines k auf breitem Poſtament ftehenden verzierten Kreuzes, auf Ausland

1884, Nr. 28.

Mauerbruchſtücke, Terraffenbauten, Pyramiden, Berge von Ruinen erftreden ſich nad) allen Seiten. Bemerkenswert ift die große Zahl von Bildfäulen, Tierfiguren und der mit einem bizarren Gewirr von Bildwerfen, Ornamenten und Hieroglyphen bedeckten Säulen und Obelisfen. Der Neid) tum der Ornamentation und die Feinheit der Ausführung 54

Ruinen in Guatemala und Yukatan.

»0

müffen in höchjtem Grade unfere Betvunderung erregen, während andererfeits die Bizarıheit der Kompofition der größtenteils wohl ſymboliſchen Daritellungen uns diefelben doch nur mit gemifchten Gefühlen betrachten läßt. Die

Köpfe, die zahlreich teils einzeln, teils in die übrige Or— namentation verwebt, vorfommen, zeigen ein charafterijtis iches, von dem Typus von Balenque ebenfo wie von dem der alten toltefifchen Bildwerfe Mexikos abweichendes Ge— präge. Erwähnenswert find noch eine Neihe von Köpfer, die an dem Umkreis einer der Pyramiden fich vorfinden und die man zum Teil als Totenköpfe bezeichnet hat, die aber ohne Zweifel wohl Köpfe von Affen darſtellen.

und von denen wir hier die Abbildung ein Menfchenopfer darftellend, geben.

eines Basreliefs, —

Den größten Reichtum an intereſſanten Ruinen zeigt | Yufatan. Hier haben wir im Norden Jzamal, Ake, Meriva, —J

Mayapan, in der Mitte Urmal, Xabä, Labnä und 19 an⸗ dere Städte von anfehnlicher Ausdehnung, im Dften Chichene ia, eines der Wunder Amerikas; andere find in der Provinz 4 Sturbide aufgefunden worden, und noch zahlveichere find ohne Zweifel in den unerforfchten Gegenden des.

3

Südens und Oſtens verborgen. Unter den Nuinen von Urmal

eſten die Kafa del Gobernador.

it am bemerfenswert-

Diefe liegt auf einer

natürlichen Erhöhung, die durch Zufügung von Bloditeinen |

fünftlich vergrößert worden tft und in drei Terrafjen aufs jteigt. Die Wandflächen bejtehen aus regelmäßig zubes hauenen Steinen, die durch einen jehr feiten Mörtel mit

einander verbunden lang,

39

Fuß

find.

breit und

Die Kaſa ſelbſt ift 322 Fuß 26

Fuß

hoch.

Das

innere

ift, ähnlich) wie bei den Bauwerken in Palenque, durch eine Mauer, die fi) von einer der Schmalfeiten bis zur anderen erſtreckt, inzwei große ſchmale Hallen oder Korri— dore geteilt, diewieder durch Scheidewände, welche von

der Vorder- nad) der Rückſeite laufen, in eine Anzahl ge trennter Räume oder Zimmer geteilt werden. Von jedem Zimmer der Vorderfeite führt eine Thür durch die Mittel— wand nad) dem entfprechenden Gemach der Rückſeite.

Die’

Mauern diefer Zimmer find aus rohen Steinen aufgeführt, ohne eine Spur von Bemalung oder Skulptur; nur an ein oder zwei Stellen fieht man einige Reſte von Stud. Ueber den Thüren

liegen Schwellen

aus dem Holze des

Breiapfelbaums (Achras sapota L.). Außen zieht fih in ungefähr ziweibrittel Höhe ein Karnieß um das ganze Gebäude. Der Naum darüber bis zu dem flachen Dad it don einem Fries von gebrochenen Stablinien, Arabesten, ineinandergeflochtenen Drnamenten jeder Art eingenommen,

die ein ebenfo eigentümliches wie gefchmadvolles Enjemble bilden. Elf Thore, die beinahe bis zum Karnieß reichen, führen an der Borderfeite zu den Gemächern des Innern, von denen ſich das in der Mitte durch die hohe Vollend— ung feiner Ornamente und durch die über ihm eingehauenen Hieroglyphen auszeichnet. Außerdem befindet fich je ein Zeutralamerifanifche Hieroglyphei.

Eingangsthor auf jeder der Schmalfeiten.

Auch im übrigen Guatemala, an den alten Zentren der vor der Zeit der Konquifta dafelbit beftandenen Neiche, find zahlreiche Ruinen, Bildfäulen, Monolithe, oft von

mehr als 25 Fuß Höhe, Basreliefs, menjchliche und tierische Darftellungen aufgefunden worden. Diefelben jtimmen zum

Teil

mit denen

von Kopan

und den gleich zu ers

hat gar feine Deffnungen. Das ſprünglich mit Zement gededt üppigen Bflanzendede überzogen. diges Gebäude erhebt fich auf der

Terraffe, die Kaſa de las Tortugas, die ihren Namen von

einer Neihe von Schildkröten erhalten bat, welche am. Karnieß eingehauen find. Die Verzierung des Friefes

wähnenden yufatefifchen überein, teils zeigen fie bemerkens—

bejteht hier in einer Nachahmung

werte

Nundhölzern.

Abweichungen

im Charakter.

So

namentlich

die

Die Hinterfeite

flache Dach, welches ur— war, ift jebt mit einer — Ein zweites merkwür— freien Fläche der zweiten

eines Pfahlwerkes von

Nicht weit von diefem Haufe ftehen zwei

von St. Luzia de Kozumalhuapa, am Fuße des Volfano

Gebäude, von denen jedes 128 Fuß lang und 30 Fuß

de Fuego, an der pazifischen Seite der Stordillere, die von Baſtian für dag Berliner Mufeum erworben worden find,

breit iſt; fie find durch einen Naum von 70 Fuß ger trennt und das eine iſt augenscheinlich das Gegenſtück des

551

Ruinen in Guatemala und Yufatan.

anderen.

Die

Frontjeiten

find

mit fehöner Bildhauer:

arbeit geziert und jedes ſcheint von einer folofjalen jteinernen Schlange umwunden gewefen zu fein. Die Wände haben weder Thüren noch Fenſter. Stephen ließ in eine der Wände ein 8 Fuß tiefes Loch brechen, fand aber nur (oje über einander geworfene unbehauene Steine und Fein Gemach. Der Zweck diefer Bauwerke bleibt vätjelhaft. Auf einer anderen, ebenfalls in drei Terraſſen auf: jteigenden Erhöhung erhebt fi) die Kafa de las Wionjas, „das Haus der Nonnen”. Dieſes beiteht aus vier verjchtedenen Gebäuden, die einen rechtiwinkeligen, nach den Himmels— richtungen orientierten Hof umſchließen. Die 279 Fuß lange, mit Skulpturen geſchmückte Vorderſeite hat in der Mitte ein Thor, von dem ein breiter Gang in den Hof führt, und zu jeder Seite desjelben vier andere Thore, durch welche man in ebenfo viele getrennte Gemächer ge—

langt.

Die drei anderen Gebäude

und Tempel. Von den Gebäuden, die noch aufrecht ſtehen, ſind zu erwähnen der Zirkus, das Schloß, der Nonnen—

palaſt, die Schnecke

und

Chichanchob

oder

„das rote

Haus.“ Zu dem Zirkus gehörten einſt zwei einander parallele

Pyramiden mit einem Grundriß von ungefähr 110 m. Die Tinte Pyramide iſt noch wohl erhalten und mit

haben feine äußeren

Thore. Die vier Wände, welche den Hof umſchließen, find mit einem riefigen Fries geziert, in dem fich die indianifche

Kunjt in ihrer ganzen .

Größe

und

Originalität

zeigt;

„onderbare Figuren von Götzen treten, wie zufällig, aus dem Gewirr der Steine heraus und erinnern an die riefigen

ausgemeißelten Köpfe an den Paläſten von Chichen-itza; fein gearbeitete Steinmäander, die wie Hieroglyphen ausjeben, dienen ihnen als Einrahmung; dann fommt eine

Aufeinanderfolge von gebrochenen Stablinien von riefigen Dimenfionen,

abwechjelnd

von wunderbarer

mit

Feinheit.“

Quadraten

und Nofetten

Sm Innern

iſt jedes der

vier Gebäude durch Längs- und Querwände, ähnlich wie in dem Haufe des Gouverneurs, in Zimmer gejchieden,

nur mit der Ausnahme,

daß es in dem Borderbau (ber

mit Thüren nad) außen verfehen iſt) feine Verbindung zwiſchen den Zimmern der Front und Nüdenfeite gibt.

Auf einem 88 Fuß hoben, künſtlichen, von Steinen eingefehlofjenen Hügel jteht die Kaja del Enano, „das Haus des Ziverges.” Es it 72 Fuß lang und 12 Fuß

breit und enthält drei Kammern, die in Feiner VBerbindung mit einander ftehen. In etiva 60 Fuß Höhe desselben Hügels fteht auf einer vorjtehenden, geebneten Fläche ein Haus, das durch eine Wand in zwei Kammern geteilt tft. Die Vorderfeite desselben ſtellt ein Schredliches, halb menſch— liches Ungeheuer dar, das weite Thor iſt das Maul, die Stäbchen des ausgehauenen Thürfturzes find die Zähne,

darüber nimmt man noch deutlich die Augen wahr, während die Nafe den VBerheerungen der Zeit erlegen tft. Zu erwähnen find Schließlich noch mehrere Meter hohe, aufrechte, fäulenartige, abgerundete, völlig unverzierte Steine, die man vor dem Palaft und an verjchiedenen anderen Punkten der Stadt aufgerichtet findet und von welchen

aus man auf einen phallifchen Kult in Urmal geſchloſſen. Eines der hauptjächlichiten religtöfen Zentren des alten

Yulatan war Chichen-itza.

Gegenwärtig ſtellt Chichen—

isa ein weites Nuinenfeld dar, ein redendes Zeugnis von der Größe, der Zahl und der Pracht der alten Gebäude

Basrelief

aus

St. Luzia de Kozumalhuapa in Guatemala, Menſchenopfer darſtellend.

ein

Malereien bedeckt: Prozeſſionen von Kriegern oder Prieſtern, die Waffen oder Spenden tragen; ſie haben einen ſchwarzen Bart, einen ſeltſamen Kopfputz, und weite Gewänder. Die angewendeten Farben ſind ſchwarz, rot, gelb und weiß.

Sämtliche Geſichter zeigen den Typus der gegenwärtigen yukateliſchen Raſſe und weichen in dieſer Beziehung weit

552

Das Inſtitut der legalen Anarchie.

ab von den ſpitz zugehenden Köpfen und den fliehenden Stirnen von Palenque, ein Typus, den man heute bei

den roheren Bewohnern

der gebirgigen Diſtrikte wieder—

finden will. Der Nonnenpalaſt erhebt ſich auf einem aufgemauerten Maſſiv von 32 Fuß Höhe und 160 >60

SED

Fitteratur.

Der Orientalift Dr. Leitner hat das „Royal Woking College,” das 1865 vom Prinzen von Wales eröffnet wurde, käuflich erworben, um in demfelben eine freie orientalifhe Univerſi— tät nebſt einem Muſeum zu gründen. Die Umiverfität wird europäifche Kandidaten fir die Prüfungen dev Panfchab-Univerfität vorbereiten und öftliche und weftliche Drientaliften fir gemeinjame Forschungen vereinigen. Das Mufenm wird dazır dienen, orientalifhe Studien auf dem Gebiete der Induſtrie und des Handels zır erleichtern; es find demfelben bereit wertvolle Sammlungen zugefagt worden.

und behandelt die Gefchichte, die Altertiimer, die natürlichen Hilfsquellen, den öfonomifchen Fortſchritt, die lofale Induſtrie und die materielle Zukunft der Inſel. Angehängt find Auszüge aus Major Forbes Eleven Years in Ceylon, namentlich) deſſen Nach— richten über die alte Hauptjtadt Anuradhapura, deſſen Beſuch in

Die Gejellfhaft Kana-no-Kwai. Seit etwa einem Jahre macht fih in Tokio eine Art Sprachbewegung, an deren Spitze mehrere Beamte ftehen, bemerkbar. Der Zweck derjelben iſt, aus der gefchriebenen japanischen Sprache die hinefischen Zeichen, welche ihr Studium ſo erſchweren, zu entfernen und darauf hinzuwirken, daß künftighin nur das einheimifche Alpbabet, das Kana, welches blos 48 verjchiedene Zeichen hat, von denen jedes einen befonderen Laut repröfentiert, angewendet werde. Das heutige Gefchleht der Japaneſen hat ohne Zweifel begriffen, daß man jeine Zeit beffer als zum Studium der hinefifchen Charaktere anz wenden kann, welches im Durchſchnitt fünf Fahre erfordert; man mußte jedoch von der Seite der altern Gelehrten, welche ihre Stellung nur der eingehenden Kenntnis der gejchriebenen Sprache verdanfen, einem heftigen Widerftand entgegenfehen. Die Au— ftrengungen der neuen Schule fangen Schon an, ihre Früchte zu tragen und es it far, daß man in kurzem diefen Widerftand, wenn nicht befiegen, jo doch unschädlich machen wird. Bier für die Einführung der einheimischen Schrift wirkende Gejellichaften, die fih zu Tokio gebildet hatteı, haben jetst ihre Bereinigung be= ſchloſſen. Die neue Gejellichaft, die den Namen Kana-no-Kwai

und

Die hellenifhen Taufnamen der Gegenwart, joweit diefelben antiken Urſprungs find, nach Gebrauch und Bedeutung zufammengeftellt vor A. Bolt. Leipzig. Wilhelm Friedrich'ſs Verlag. 45 ©. Aus diefer, mit großer Sorgfalt bearbeiteten Bufammenftellung ergibt fi, daß von den hiftorifchen griechifchen Voll- und Kofenamen nicht allzuviele außer Gebraud) gefommen find und daß diefe Namen bei vielen modernen Völkern — und

angenommen

nicht zum

bat, hat die Berpflichtung

auf ſich genommen,

den

Gebrauch des Kama zu verbreiten und den Stil thunlichft zu vereinfachen, um den Japaneſen das Studium der verjchiedenen Wiſſenſchaften möglichft zu erleichtern. Die Böhmen

Sektion

„Rieſengebirge“

fhreibt folgende Preisfrage

des Gebirgsvereins aus:

„Die

für

Kandy

und

die Kandianfefte

u. ſ.

w. Zeylon

begreift nach der

Angabe von Mr. Fergufon einen Flächeninhalt von 1193 D. Q.-MI, und hatte im Jahre 1883 eine Bevölkerung von 2,758,738 Seelen, darunter ohne das Militäv 4835 Europäer. Der Religion nad) waren 267,977 Chriften, 1,697,070 Buddhiſten, 593,630 Hindus 197,775

Mohamedaner.

Der

Reſt

von

2286

Seelen ge=

hörte verjchiedenen Denominationen an. Die Revenue des Jahres 1883 belief fi auf 1,280,000 Pf. St., die öffentlichen Ausgaben auf 1,260,000 Pf. St., jo daß ein Ueberſchuß von 20,000 Pf. St. verblieb. Der auswärtige Handel bewertete 8,400,00 Pf. St. Unter Kultur befanden fi) 11,284,250 Ha. Land. Bibliographie der Alpenfarren. Premierleutnant x. Obermatier ftellt im 1. Heft der Zeitſchrift des Deutjch-Defterreichifchen Alpenverein fiir 1884 die wichtigften Alpenfarten nad) dem Stande vom Ende des Borjahres zuſammen und bietet da= durch, ſowie Durch feine treffenden Anmerfeungen zu einzelnen der einschlägigen Werfe gewiß manchem einen willkommenen Wegweiſer durch eine zahlreiche und nicht Feicht überſchaubare Litteratur,

wenigſten

bei den Deutschen

mit einigem Lautwandel im Gebrauche

ſind.



teil3 unverändert,

als Bor- und Familiennamen

Eine beigefügte, den beſten Quellen

Verdeutſchung ſoll die den griechiſchen Namen den Anſchauungen verdentlichen.

teils

noch heute entlehnte

zu Grunde liegen—

Bevölkerung

des Niefengebirges von der älteſten Zeit bis zur Geftaltung der gegenwärtigen Berhältniffe mit befonderer Rückſicht auf die böhmiſche (öfterreichtiche) Seite des Gebirges.” 1. Preis 20 Dufaten, 2. Preis 10 Dufaten. Die Konfurrenzfrift währt bis 31. Dezember 1884, Die Konfurrenzarbeiten find an den Obmanı des Komites für Preisausjhreibungen, Herrn Dehant Wenzel Weber in Hohenelbe, unter Beobahtung der üblichen Normen zu jenden. Die preiggefrönten Arbeiten bleiben Eigentum des Vereins und werden im Vereinsorgan „Das Niefengebirge in Wort und Bild“ veröffentlicht.

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Ereignissen im Sudan zugewendet

Schrift des bekannten Afrikareisenden, kennen

Ceylon in 1883, by John Ferguson. London, Samp— jon Low u. Komp. Mr. Fergufon ift Redakteur des Ceylon Observer und gründlicher Kenner von Zeylon, welches er The of the Indian

ocean

nennt.

Die

persönlich

sein.

Laube, Heinrich, Franz Grillparzers Lebensgeschichte.

itterntur,

gem

lernte, allgemein willkommen

sind, wird die

der den Mahdi

intereffante Inſel bietet

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H

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° Ar. 29.

Münden,

1584.

21. Suli.

Yährlih 52 Nummern A 20 Seiten in Quart. Preis pro Quartal M. 7. — Zu beziehen dur alle Buchhandlungen des In- und Auslandes und die Poftämter. — Rezenfions-Gremplare von Werfen der einſchlägigen Litteratur find direft an Herrn Profefjor Dr. Friedrich Natel in Münden, Akademieſtraße Nr. 5, zu jenden. — Inſerationspreis 20 Pf. für die gejpaltene Zeile in Petit.

Bon Inhalt: 1. Briefe aus Sumatra. ©. 561. — 2. F. Bohndorffs Neife nah Dar Rückblicke. VII. Korea. Bon Emil Metzger. ©. Neuigfeiten vom Kongo. Ueber die Seefijcherei au der

Dr. Ludwig Martin aus Minden. U. Zeylon. IM. Die Ankunft in Sumatra. Abu Dinga. (Schluß) ©. 565. — 3. Politiſch- und wirtichaftsgeographifche 571. — 4. Koloniallitteratur. S. 575. — 5. Kleinere Mitteilungen: ©. 577. Weftfiifte Siidamerifas. — 6. Notizen: S. 578. Europa.. — 7. Litteratur: S. 579.

Briefe aus Sumatra. Bon Dr. Ludwig

Martin

aus München.

11,‘ Zeylon.

Am 20. Dftober nad) 8 Uhr morgens tauchten in der Ferne die nebelbaften Umriſſe Zeylons vor uns auf, und als Zeichen des nabenden Landes zahlreiche Fiſcherboote, nad) malaiischer Art mit Auslegern verfehen. Näher— kommend unterjchieden wir bald das herrlich grüne, Dicht:

beivaldete Zeylon, das, von hoben,

ebenfalls bewaldeten

Bergen überragt, aus der glänzenden See emporitieg. Da hatten wir endlich die jo jehnlich erivarteten Palmen in den berrlichiten Exemplaren und ungemejjener Zahl; in dichten Mengen zu Wäldern gejchart, begrenzten fie das jandige Ufer, an dem das Meer fih in langhinrollenden Wellenfämmen brach. inmitten diefer Pflanzen—

pracht lag das niedliche Städtchen Kolombo mit den rot— gededten, niedrigen Barterrehäufern der Eingebornen und den hohen, von Säulen getragenen Paläſten der europäts

ihen Staatsbauten: dem Gouvernementshaus, dem Poſt— amt, der Kaferne, den Häufern der europätichen Kompagnien 1 Siehe „Ausland“ Ausland

1834, Nr. 28.

1884, Nr. 29,

u. ſ. w.Unbezivingbar war unfere Ungeduld, jenes märchenbafte Land zu betreten, in dem die Natur ihre größte Schöpfungsfraft entfaltet und yon deſſen bunter, geftaltungsreicher Tierwelt ung bereit3 ein prächtiger Schmetterling eine Ahnung gab, den eine leichte Brife an unferem Schiff vorübertrug. Da das leßtere bei Zeylon zivei Tage vor Anker liegen jollte, entfchloß ich mich mit einigen Gefährten, obwohl gleich ihnen von der Seekrankheit noch angegriffen, doch fehr rafch, diefe Zeit zu einer Tour ins Innere dieſes zauberhaften Eilandes zu benüßen, ein Entjehluß, den ich nicht zu bereuen haben follte; denn ich danke ihm die un: endlich Schöne Erinnerung an die Wunderpracht der Tropen= welt, die nirgends jo wie bier zu Tage tritt. BZanfende, halbnadte, ſinghaleſiſche Bootsleute ent— führten uns fchnell dem „Sindh“, an deſſen Bord wie an jeder Landungsftelle ein Iebhafter Handel erblühte. Da gab es Abschnitte von Elefantenzähnen als Briefbejchwerer, die geſchnitzten Figuren diefer Thiere ſelbſt in Ebenbol; und Elfenbein von verjchiedenen Größen, Silber: und Goldſchmuck, Elfenbeinftöde, indische Stidereten und Spigen aller Art in reichjter Auswahl, fo daß die Kaufluft mächtig erregt wurde. Wir aber ließen dieſes verlodende Bild binter uns und beftiegen zu Dritt ein elegantes, vierfißiges Rab, von einem bebenden fleinen Pferde gezogen, das uns bald nad) dem eine halbe Stunde vom Hafen entfernten 835

np >62

Briefe aus Sumatra.

Bahnbof brachte, wobei wir Gelegenheit hatten, Rolombo und feine Bewohner etwas näher zu bejeben. Mit Aus— nahme der fchon erwähnten, reich ausgejtatteten öffentlichen Gebäude find die Häufer der Europäer nur einjtöctg, mit einer von Säulen getragenen Veranda um das Parterre und flachem Dad); beim Haus tft ein von Steinmauern ums friedeter großer arten, deſſen Hauptzierde hochſtämmige Kofospalmen bilden. Am Gartenthor jtand meist irgend ein bochklingender Name für die Befißung. Unter der Beranda diefer Billen, deren Beſitzer, lauter echt engliſche, fräftige Geſtalten, uns meiſt in fchnellen Kabs mit einem, in bunten Sarongs gefleiveten Groom auf dem Rückſitz, begegneten, ſahen wir regelmäßig große, bequeme Schaufel und Lehnſtühle und darüber fehlte nie das unentbehrliche, Kühlung bringende Bunfab. Die Eingebornen befiten nur niedrige Bretterhütten, die jedoch vollfommen ihren Anfprüchen zu genügen jcheinen; im Innern der Stadt find ſie mit voten Ziegeln, ſonſt einfach mit Balmblättern gededt. Die Wohlhabenderen tragen Bantoffel aus Stroh: geflecht, weiße oder bunte Sarongs und Turbans, die Hermeren nur Turbans und Hüftbinden, bejonders die Kulis tragen ſich jo. Die nicht beſonders hübfchen Werber find etwas mehr in weiße, rot und grün eingefaßte Sarongs gehüllt; ihre nadten Babies tragen fie im Reit— ib auf der rechten Hüfte. Männer wie Frauen haben langes, rabenſchwarzes Haar, die letzteren aufgelöft, herab: twallend oder in kunſtloſem Knoten; bei den eriteren iſt es mit einem runden Schildfrotfamm von der Stirne zurüdgebalten und ebenfalls auf dem SHinterhaupt in einen Sinoten gefchlungen. Um 2 Uhr beitiegen wir einen Salonwagen in dem nad) Kandy ins innere der Inſel abgehenden Zug, eine fünfjtündige Fahrt, welche auf 9 Nupees (17 M.) kommt, dafür aber unbefchreiblihe Naturgenüffe bietet. Erſt ging e3 durch jumpfige Gegenden, zum Neisbau dienend, die theils in ſchönem Grün prangten, theils unter Waſſer gefegt waren, mie es der Stand der Pflanze gerade erforderte. Wir ſahen dabei alle Manipulationen des Reis— baues von der Ausfaat bis zur Ernte, denn in dieſem glüdlichen, ewig grünen Lande it der Menfch an feine Sahreszeit gebunden, und ſtets fann er auf Ernte rechnen, wenn er ſäet. Um die Felder jtanden bobe, dunkle Kokos— palmen und niedrigere Bananenpalmen mit ihren herrlich grünen Niefenblättern; darunter weideten große Herden indischer Büffel, plumpe, faſt haarloſe Rinder, auf deren Nüden Inſekten fuchende Vögel ungeniert umberliefen. Zuweilen überjegten wir auf zierlichen Eifenbrücden große Flüſſe mit gelbem Waffer, und hatten dann das herrliche Vegetationsbild der Ufer, gebildet durch riefige Palmen, immergrüne Eichen und andere Bäume, alle dur ein unentiirrbares Netz von farbig blühenden Schlingpflanzen zu einem jchwer durchdringbaren, malerischen Ganzen verbunden. Mit dem allmählichen Anfteigen der Babn durch dichtbeiwaldete Berge mehrte ſich die Zahl der vor uns

aufftrebenden Gipfel, die alle mit prächtig grünem Pflanzen— fleidve bedeckt waren. Bald ward eine zweite Lokomotive vorgeſpannt, eine dritte half nachichieben, als die Steigung

beträchtlicher wurde, und jo rollten wir auf einer Gebirgs— bahn dahin, ähnlich der über den Apennin von Bologna

nach Piſa, nur daß wir nirgends kahle Felſen erblicten, Jeden Stein hatte die üppig wuchernde Pflanzenwelt über: det und nur einmal, als uns die Bahn einen raſch dabintofenden Gebirgsbad entlang führte, hörten die Palmen auf oder bildeten nur niedriges Gejtrüpp, belebten aber dann wieder in vermehrter Anzahl die Yandichaft, als wir uns Kandy näherten.

Unterdeſſen hatten fich [Schwarze Wolfen um die Gipfel gefammelt und bumpfgrollender Donner verfündete das Herannahen eines tropischen Gewitters, das fi) bald mit

heftigen Bligen entlud und ganz beveutende Wafjermafjen auf die Erde herabfandte, aber ebenjo jchnell wieder davon: Um diefe Zeit find die Ger zog, al3 es gekommen mar. witter auf Zeylon an der Tagesordnung und regnet es z. B. in Kandy jeden Nachmitttag, während der Vormittag

unveränderlich blauen Himmel und Sonnenſchein bringt. Dieſe Feuchtigkeit, inVerbindung mit der enormen Wärme, find die Urheber der außerordentlich üppigen Vegetation Zeylons, das hierin von feinem andern led der Erde erreicht, geſchweige denn übertroffen wird.

Als eben die untergehende Sonne

die abziehenden

Gewitterwolken mit den glühenditen Farben beleuchtete, langten wir in Kandy an, wo uns ein jchnelles, indisches Stab bei raſch einbrechender Dunkelheit nad) Queens Hotel -

brachte, in dem mir mit Mühe

ein Unterfommen fanden.

Aber Feiner vermochte es, inmitten

der herrlichen Natur

ſich ſchon dem Schlafe in die Arme zu werfen, fondern wir wagten, nad) eingenommenem indo=ebritifchen Diner, das uns in jeder Beziehung reftaurierte, noch einen Gang in die laue, feuchte Nacht hinaus, deren poefivolles Bild

ich nie vergeffen werde. itand der halbe Mond

Ueber dunklen Palmenwipfeln und fpiegelte fich in der glatten

Fläche des kleinen Sees, an dem Handy liegt. Taufende von Leuchtwürmchen, größer und glänzender als die unjrigen doch von gleichem oszillierenden Flug, ſchwärmten über die Wiefen und unter den Bäumen, während frembartige Yaute von Grillen und Fröſchen zu uns berüberhallten, Bon ferne aber tönten die melancholifchen Kadenzen einer zum Befuch eines Buddhatempels einladenden, indifchen Slöte, dann und wann unterbrochen durch den tiefen Metallllang des Tamtams, der indischen Trommel, das

gleichfalls die Gläubigen zum Gebet und zum Opfer rief. Es überkam mich wie ein heiliges Gefühl des Triumphes, eine jolche Nacht erlebt und geſchaut zu haben und erft die eindringliche Warnung der Führer, nicht zu lange in

der Fieber bringenden, feuchten Nachtluft zu bleiben, ver— mochte uns, unfere Lager aufzufuchen. Beim erſten Morgengrauen verließen wir unfere Schlafſtätten, um uns Kandy anzufehen, die alte Hauptſtadt

365

Briefe aus Sumatra.

Zeylons und frühere Nefivenz eines mehr als ein Jahr: taujend hier regierenden, jet aber ausgeftorbenen Herrfcher: baufes, ein Umſtand, welcher der Stadt ein viel interefjanteres Gepräge verleiht, als es Kolombo befigen kann. Unfer

erftes Ziel war der Tempel, malerifch auf grünem Hügel von Palmen umgeben und bevedt mit Skulpturen jagen: hafter Tiergeftalten und fragenbafter Göbenfiguren, die

jet fein Inder mehr zu meißeln vermöchte, und welche einen

bohen

Begriff

von

der

einjtmaligen

Kunfttechnit

geben. Das Allerheiligite zu betreten, welches wahrjcheinlich Abſchriften der buddhiſtiſchen Bücher enthält, war uns verwehrt: zwei rieſige Elefantenzähne lagen gleichſam als Wächter vor der reichgeſchnitzten Thür. Das Bild des Elefanten fpielt überhaupt eine große Nolle in den Skulp— turen; bald ijt er mit menschlichen Körpern verbunden, bald aufrecht gehend oder in allen anderen möglichen Stellungen

gemeigelt. Bejonders interefjterte uns ein Säulengang mit - Bildern, welche die Strafen in den fieben Höllen, die der Buddhismus annimmt, darjtellen und auffallend an Die Höllenitrafen erinnern, wie wir fie bei ung auf dem Yande manchmal abgebildet jehen: Wilde Teufel mit jchredlichen Gefichtern, welche die armen Sünder an fpige Pfähle fpießen, Ste gleich Zimmerleuten entzwei baden, in Flammen— meere jtoßen oder mit eifernen Zangen zwiden. Nachdem

wir noch die Stadt durchwandert und das ftattliche Schloß; des Gouverneurs mit dem prächtigen Balnengarten bes wundert, gingen wir zum Frühſtück, um dann gleich wieder, Rücken an Nüden fibend, im luftigen Kab nad) den be: rühmten botanischen Gärten von PBeradeniya zu fahren, einem weithin befannten Glanzpunkt tropischer Bilanzen:

pracht. Der Weg dahin führte uns durch Pflanzungen von Kaffee, Kakao und Zimmet, an kleinen Dörfern vorbei, deren niedrige, mit den Blättern der Kofospalme gededte

Hütten aus leichtem Holz zahlreichen Jamilien

von Ein:

geborenen zur Wohnung dienten. Nadte Kinder, die als Anfang der Bekleidung nur eine zwedloje Schnur um den

Leib trugen, folgten meift eine zeitlang unferem Wagen, um eine Gabe bettelnd. Die großen Gärten von Pera— deniya, ein wahres Pflanzenparadies, enthalten außer indischer Flora auch afrikanische und amerikaniſche Tropen— gewächje in großer Anzahl und den ſchönſten Exemplaren. Bejonders auffallend waren unter der durch ihre Buntheit und Mannigfaltigkeit fait finnnverwirrenden Pflanzenmenge die riefigen Fikus-Gruppen, welche in der Luft vom Stamme aus ſtarke, oft mannsdicke Wurzeln zur Erde zurüdent-

jenden, ſowie die unfere höchſten Bäume überragenden gigantischen Bambusrohre, welche in dichten Gruppen wie Grasbüfchel beifammenftehen.

der Gärten

mußten

Ber der großen Ausdehnung

mir fie zu Wagen

durdeilen und

fonnten nur eine furze Strede zu Fuß geben, wo fir tie Kinder mit unferen Tafchentüchern den farbenjchimmernden

Schmetterlingen nachjagten. Wäre nicht mein Fangnetz leider 1}



ee >

an Bord des „Sindh“ tief im Koffer vergraben gemwejen, jo hätte ich bier eine wertvolle Kollektion der fchönften Tagfalter in kurzer Zeit zufammenfangen können. Doch war es nicht ratſam, viel im hoben Grafe umberzulaufen, denn ein verdächtiges Raſcheln in demfelben erinnerte uns da und dort, daß es bier auch Schlangen und Nattern gibt, deren nähere Bekanntſchaft wir jedenfalls bejfer vermieden. Große, grünfchillernde Eidechfen, ſtarenartige Vögel, teilweile mit ſehr ſchön jtahlblauem Gefieder und prachtvolle Soldfäfer, etwa dreimal fo groß als die unjrigen, waren außerdem die bemerkfbarjten Vertreter der Fauna Zeylons, welche der überaus reichen Flora nicht entjpricht. Elefanten befamen wir natürlich feine zu ſehen, da diefelben nur noch in wenigen Urwäldern der Inſel im Norden vor: fommen. Aus diefer Wunderwelt nad Kandy zurückgekehrt, hatten wir eben noch Zeit, nad) eingenommenem Lunch den Zug nad Kolombo zu befteigen. Im Moment unferer Abfahrt begann mit einer dem Klima alle Ehre machenden Pünktlichkeit der Negen, der aber, je näher wir Kolombo famen, wieder mehr blauem Himmel Platz machte. An einer der Stationen gab uns die fünfjtündige, großen Durft erweckende Fahrt den Mut, die Milch einer der zum Verkauf angebotenen Kofosnüffe zu verfuchen, die ja in allen Robinfonaden als etwas Föftliches gejchildert wird. Aber raſch brachten wir die edle Frucht wieder vom Munde, ärgerlich über den Schmeichelnamen „Milch”, mit dem man die edlig fühe, fade ſchmeckende Flüffigfeit von der Farbe geitandenen Waſſers belegte, welche das innere erfüllt. Weil er ſchneeweiß ift, Scheint diefer Saft anfangs die Farbe guter Milch zu befigen und daher kommt wohl Ein mit uns fahrender au der Name, Kokosmilch. Plantagenbeſitzer, der unfere Enttäufchung bemerkt hatte, verficherte uns jedoch, nad) einem anftvengenden Nitt jei diefer Kokosſaft eine wahre Gottesgabe. Für den Genuß, den ung diefe Frucht verfagt hatte, entſchädigten uns jedoch ſpäter appetitlich goldgelbe Bananen, ſaftreiche große Drangen und an Bord des „Sindh“ die Töftliche Ananas. Da der von Kalkutta erwartete Mefjagerie-Steamer noch nicht eingetroffen war, hatten wir aud) Sonntags den 22, Dt. noch einmal Gelegenheit, uns Kolombo näher ans sujehen. Leider konnten wir bet der puritanischen Strenge, mit welcher die Engländer die Sonntagsbeiligung aufrecht erhalten, feine Photographien der Stadt und Umgebung einfaufen; dafür aber jahen wir die Kirchenparade des hier garnijonierenden engliſchen Infanterie-Regiments, hörten deffen Militärmufit und waren bei einer jpäteren Wan

derung

freudig überrascht, wenigſtens

das K. Muſeum

offen zu finden, welches eine ziemlich komplete Sammlung der Natur- und Induſtrieerzeugniſſe Zeylons enthält. In der Säugetierſammlung fehlt der Tiger, vor dem dieſe

glückliche Inſel geſichert iſt; nur eine mittelgroße Panther⸗ art vertritt hier die großen Katzen.

Briefe aus Sumatra.

564

gehenden nach Belieben fißend oder jtehend einem Akte des Schaufpiels oder den Produktionen der ausgezeichneten

III,

Die Ankunft auf Sumatra, Als wir uns Delis Küfte näherten, trüben Wetters halber nur dichten, dunklen Lichtung, Haus und Hütte, über welchem und Störche flatterten. Das mar freilich

ſahen mir des Laubwald ohne Reiher, Möven fein einladendes

Bild für mich, dem diefe Gegend auf lange Zeit zur Heimat werden jollte, befonders wenn ich bedachte, daß diefer Wald nicht den jchwellenden Moosboden unferer deutschen Gehölze hat, ſondern nur trüben, fieberlufthbauchenden Sumpf bes dedt, in dem fich Alligatoren herumtreiben und aus deſſen ſtagnierendem Waſſer mit hohem, Dichtverschlungenem Wurzel: werk die Mangrovebäume hervorwachfen. Bald bogen wir in den jchlammigen, durd) einen Waldvorjprung anfangs verdedten Deli-River ein, bis wir nach halbjtündiger Fahrt den Halteplab für unſer Schiff erreichten. Zahlreiche Chinejen umſchwärmten unfer Schiff auf ihren Sampangs und ich mußte mich wohl oder übel einem derſelben mit meinem Gepäd anvertrauen, um nach) dem noch eine halbe Stunde weiter aufwärts gelegenen Küftenorte Laboean zu fommen. Es war dies fein leichter Schritt für mich, denn dieſes Boot ſchien mich von aller Zivilifation und allem Verkehr weg direkt in die Wildnis zu bringen. Wir fuhren nahe an der Örenze zwiſchen Waſſer und Sumpfwald dahin; über uns fchaufelten ſich Affen in den Aeſten oder flüchteten Ichretend bei unferer Annäherung, während auf einzelnen Schlammhügeln, die aus dem Sumpf bervorragten, blau und gelb gefärbte Krabben behende herumliefen. In Laboean ſah es noch weniger einladend aus, als bei Deli. Der Ort iſt ein auf einem Schlammwall gelegenes, von Sümpfen umgebenes Schmußnejt, wie ich in meinem Leben nod feines geſehen. — Die Häufer ſtehen vechts und links vom Fluſſe überall im Waffer, aber gleih Pfahlbauten auf Balfenrojten, jo daß wenigjtens im Innern trodener Boden

Afrobaten anwohnen fünnen. Die Koſtume der auftreten den Künftler waren durchwegs prunfvoll und mit Stidereien °

bon fchwerer Seide verziert. zählen

auch

geheimen u. ſ. w.

die

Zu den Sehenswürdigfeiten J

öffentlichen

Gelafjen,

mit

Vergnügungshäuſer

Kabineten

für

mit FA

Opiumraucher 2

Außer diejen chinefifchen Bergnügungspläßen gab

es auch foldhe für Klings und Malaien, für europätfhe Augen und Nafen ebenjo abjtoßend wie jene. Die Nacht in dem elenden SumatrasHotel, wo Ameiſen und finger lange Kücen-Schaben in Scharen auf unjeren Betten

herummarjchierten langjam

genug

und uns den Schlaf raubten, verging = und fajt waren

wir froh, als wir um

6 Uhr morgens zu unferem Sampang hinabfteigen mußten, der auf dem Deli-River heranfam. — Unjere und des Gepäcks Einladung in das Schwache, ſchwankende Fahrzeug, in welchem man auf PBalmblatt-Matten liegen oder fauern muß, weil zum Sißen jede Vorrichtung fehlt und das Stehen zu gefährlich it, ging glüdlich vorüber und bald hodten wir in weißen Kleidern, die breiten Indiahats auf dem’ Kopfe, den Nevolver im Gürtel, hinter der Burg unſeres Gepäckes auf dem Boden des Fahrzeuges, an deſſen Spige zwei Malaien ruderten, während ein Dritter am Stern‘ mit langen Stangen jteuerte und ſchob: ein vriginelles

Reiſebild, dem der aus undurchdringlichen Sumpf zu beiden Seiten des trübgelben, vegengefchtwollenen Fluſſes empor= jteigende hohe Wald mit feinen Lianendieichten und den

freifchenden Affen in den Zweigen einen wirffamen Hinter: ® grund

verlieh.

Die

erjten Stunden

der Fahrt hindurd

gefiel uns diefe Szenerie, welche auch noch durch die Vögel der Küfte und einzelne Krofodile belebt ward, deren dunkle Schnauzen zuweilen aus dem Fluß emportauchten; mit der zunehmenden Hitze aber, die uns in dem engen Raum, |

vorhanden tft. Von der Zollitelle fuhren wir weiter nad)

der falt gar feine Veränderung der Lage erlaubte, doppelt

dem ebenfalls am Fluße gelegenen SumatrasSotel, das lich außer durch jeinen immenfen Schmuß nur noch durd) die hohen Preife auszeichnet. Ueber das MWeiterfommen nach meinem Endziel am anderen Tag war ich lange un= Ihlüffig; wollte ih Klumpang, die erjte Plantage meiner Kompany, mit Sampang erreichen, jo mußte ich eine Nacht un Walde zubringen,; Fahren mit Pferden war bei den von der Regenzeit aufgeweichten Wegen unmöglich. Als das Bequemjte ward uns eine Sänfte von den im Hotel anmwejenden Kaufleuten empfohlen. Schließlich entjchieden wir, d. h. noch ein Neifegefährte mit mir, der den gleichen Weg zu machen hatte, uns des Gepädes halber für den Sampang. Den Abend bemüßten wir noch zu einem Spaziergang in das etwa 7000 Einwohner zählende hinefifche Viertel Labuans, welcher viel Intereſſantes bot. Da iſt vor allem das hinefiihe Theater, von einer GefellIhaft Chinefen unterhalten und ſchon dadurch einzig in jeiner Art, daß jedermann freien Eintritt hat, indem die

fühlbar ward, mit der Mebrung der dem Fluße entjteigenden Mosquitos, befamen wir bald eine andere Anficht von den Genüſſen einer Sampang-Fahrt und fuchten nun ſorg— =

Bühne nah der Straße

zu offen ift und die Worüber:

ſam mit Tüchern und Schirmen unferen fargen Mundvorrat und vor allem das aus zwei Flaſchen Apollinaris bejtehende 5 Trinkwaſſer vor den brennenden Sonnenftrahlen zu [hüßen.

Eine nicht zu verachtende Erquidung boten ung zumeilen Bananen, die uns in den malatifchen Dörfern, welche wir von Zeit zu Zeit paffterten,

zugeworfen

wurden.

gegen

einige Nupfermünzen

Ginige Abwechslung

boten in der

bejtändig von hoben, jede Ausficht verfperrenden Bäumen eingefaßten Wafjerbahn unfere eigenen Bootzleute, die, als das Gefälle des Ufers ftärker wurde, alle mit Stangen ruderten und zumeilen in das nun nicht mehr tiefe Waffer

fielen, aber lachend mit affenartiger Behendigfeit das Boot wieder erflommen und bei der herrfchenden Temperatur in wenigen Minuten ihre freilich fehr dürftige Bekleidung

wieder getrodnet hatten. Krofodile waren bier nicht mehr zu fürchten, wohl aber mußten wir zuiveilen den im Fluſſe baden⸗

3 565

F. Bohndorff's Reife nah Dar Abu Dinga. den Büffeln ausweichen, ſchwarzen Gefellen mit langen, ſpitzen Hörnern und kleinen, tiefliegenden, boshaften Augen, die oft jtundenlang bis an den Hals im Waſſer liegen. Da Ste zum Ziehen zu Schwer und zu plump find, werden fie nurdes Fleiſches halber gehalten, aber jelbjt von ihren Hütern wegen ihrer Bosheit und Kraft nur mit Reſpekt behandelt. Der mehr und mehr fich verengende, rajcher werdende Flußlauf zeigte

|

uns endlich die Nähe unferes Beitimmungsortes an, den wir um 6 Uhr bei einbrechender Dunkelheit erreichten. Hier auf dem Schauplatz meines künftigen Wirfens follte ich gleich in die Lage kommen, meinen Beruf auszuüben, indem

nach 14monatlicher

Pauſe

fich mieder

Cholerafälle bei den Chinefen gezeigt hatten.

die erſten

So begab

ich mich denn unverweilt in das 15 Minuten entfernte Krankenhaus, eigentlich nur eine frühere Scheune ohne jede Einrichtung zu ihrem jeßigen Zweck, um den Kranken Hilfe zu bringen. Da in der Nacht feine neue Erkrankung mehr vorfam, jo verließen wir am andern Morgen auf

kleinen SumatraBonnies Klumpang, um nad) der Haupt: Eitate von Arendsburg zu fommen, ein herrlicher Ritt durch Palmenwälder und Neisfelder, manchmal mit Terrain: Schwierigkeiten, die für unfere europäischen Pferde unüberwindlich gemwejen wären, von den Eleinen Fugen Tieren aber, denen man an ſolchen Stellen am beiten die Zügel frei läßt, mit Leichtigkeit genommen wurden. Nach einge: nommenem „Reistifch”, wie man hier die Mittags-Mahlzeit nennt, in Rotterdam-Eſtate jebte ich meinen Weg allein fort, da mein Neifegefährte in dieſer Pflanzung zurück— geblieben war. Ich erreichte noch gegen Abend die Wohn: ung meines fünftigen Vorgefebten, Herrn Thiele's in Sungei Braß, eben vor Ausbruch des Negens. Mit dem Betreten diejes Ortes ſchließt mein Neifebericht, um fpäter

in der ungleich interejjanteren Schilderung wenig

befannten

Sumatra

jeine Fortjeßung

des noch jo zu finden,

8. Bohndorff's Keiſe nad) Dar Abu Vinga. Schluß.)! Die Umgebung der Seriba von Sibehr Paſcha durch— ſtreifend und meine Sammlungen vergrößernd, hatte ich vier Wochen daſelbſt zugebracht, als mir die Luſt zum Weiterreiſen keine Ruhe mehr ließ.

der Station

früher verſprochenen

Die mir vom Wekil

50 Laſtträger wurden

an dem von mir zum Aufbruch feſtgeſetzten Tage geſtellt,

ein Dragoman und etliche Baſinger, ſchwarze Irreguläre, mir zur Begleitung mitgegeben und nachdem das Gepäck,

an Stangen gebunden, unter die Träger verteilt war, ſagte ich der Seriba Lebewohl. Von nun an gings für immer 1 Siehe „Ausland“ Ausland

1884, Nr. 28.

1884, Nr. 29,

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zu Fuß, aber erleichterten Herzens und ohne große Mühe; denn während mir das Dchjenreiten bei dem kleinſten Hindernis, deren ſich uns fehr viele in den Weg ftellten, oft großen Verdruß bereitete, wurde ich jeßt durch die Träger, welche alle Schtwierigfeiten felber befeitigten, vielen Aergers überhoben. Es ging rüjtig vorwärts zur Seriba von Ahmed Musmar, welche wir am zweiten Tage furz vor Sonnenuntergang erreichten. Jetzt hatten die Träger ihre Pflicht gethban, da fie auf Befehl ihres Heren meine Geräte nur bis hieher zu Schaffen hatten, und traten noch am jelbigen Abend ihren Rückweg an. Achmed Musmar aber, ein jehr liebenswürbiger Wann, traf fofort alle An— jtalten, die zum nächiten Tage von mir gewwünfchten Träger möglichjt raſch herbeizufchaffen. Als ich am anderen Morgen durch lautes Gezänk vor der Thür der Hütte, in welcher ich die Nacht zugebracht, geweckt wurde und binausschaute, was es gäbe, gewahrte ich zu meinem nicht geringen Erjtaunen die für mich bejtimmten Träger, bereits draußen auf mich mwartend. Bis ich völlig angefleidet war und meinen Thee zu mir genomen hatte, waren die noch fehlenden Bafıinger und der Dragoman bereits erIchienen. Ein bei den Negerfoldaten die Stelle eines Offi— zierö vertretender Dongolaner wurde mir als Wegweiſer mitgegeben und noch ehe eine halbe Stunde verftrichen war, befanden wir ung bereits wieder auf dem Marſche. Der Richtung nah Südweſten folgend, famen wir noch am felbigen Abend nach Dem Gudju, einem Dorfe, welches ausjchlieglicd von arabischen Kaufleuten, Gellaba, wie fie fich nennen, gebildet wird. Chemals machten dieſe viele Gejchäfte mit Elefantenzähnen; ſeit der Monopoli— jierung des Elfenbeins aber find fie auf den Sklavenhandel beſchränkt. In Dem Gudju begegnet man häufig Eleinen Gemüfegärten, in denen namentlich viele Zwiebel angebaut werden, fonft ift der Ort im ganzen Dar Fertit befannt als die Gegend, wo der Leopard, bei den Innerafrikanern eines der verhaßteſten Tiere, am bäufigiten vorkommen ſoll. Wie groß die Furcht ift, welche die Leute vor dieſem Naubtiere haben, beweist, daß, was ich in feinem anderen afrifanischen Dorfe gefunden, ſchon bald nad Sonnen untergang alle Hausthüren feit verriegelt werden und ich jpäter niemand mehr auf den Straßen jehen läßt. Statt, wie gewöhnlich, jih bei Tagesanbrud) auf den Weg zu machen, wurden wir durch ein jtarkes Gewitter — der erſte Negen in diefem Jahre, welcher in aller Frühe herab: ſtrömte und ziemlich lange anhielt — gezwungen, bis morgens 10 Uhr zu warten. Die Träger, welche wegen des Aus: veißens von den Bafingern während der Nacht gut betvacht worden waren, nahmen die ihnen zugeteilte Ladung be: bende auf, und mehr laufend als gehend, legten wir, um die eine gute Tagreife weit entfernte Wohnung des Neger: ſcheichs Mangiri noch vor Abend zu erreichen, bald eine

große Strede zurüd, So famen wir troß des fpäten Abmarfches aus Dem Gudju doch noch mit Einbrud der Dämmerung zum ers 86

566

3. Bohndorff’s Reife nad) Dar Abu Dinga.

wähnten Ziele. Auch hier ſollten die Träger gewechſelt werden und Achmed Musmar, zu deſſen Gebiet die Neger Mangiris noch gehörten, hatte ohne mein Wiſſen am Abend meiner Ankunft bei ihm ſchon 4 Baſinger voraus— geſchickt, welche, ſobald ich bei Mangiri ankäme, die für mich nötigen Träger bereit halten ſollten. Mangiri aber, welcher, wie es ſchien, von ſeinen Negern nur wenig reſpektiert wurde, hatte ſich bisher vergebens nach Leuten umgeſchaut, und wie ich jetzt dringend die zu meinem Weiterkommen notwendigen Träger verlangte, wußte der arme Schlingel ſich nicht beſſer zu helfen, als daß er ein großes Feſt veranſtaltete, die Trommel und Pauken ſchlagen

ließ,

ſodaß es weithin durch den Urwald dröhnte und

ſeine nicht ſehr fern von ihm überall zerſtreut wohnenden Leute auf dieſe Art eingeladen wurden, ſich an der Feſt— lichkeit zu beteiligen. Die Neger, nichts Böſes ahnend, ſtellten ſich auch zu der bereits begonnenen Feſtlichkeit ein und als alle dem Meriſa-Bier tüchtig zugeſprochen und in vollem Tanze begriffen waren, hielten es meine Ba— ſinger für zweckmäßig, die ganze Geſellſchaft im Karré zu ſchließen; die Stärkſten wurden herausgeſucht und abge—

führt und nachdem ihnen trotz alles Murrens und Knurrens meine Sachen aufgepackt waren, hieß es vorwärts. Die Zurückgelaſſenen konnten jetzt ungeſtört weiter feiern, wir Die auf dieſe Weiſe überliſteten aber zogen von dannen. Träger, welche von den ſie ſcharf überwachenden Baſingern die Drohung erhielten, daß ſie augenblicklich niedergeſchoſſen werden würden, im Falle ſie das Gepäck abwerfen und einen Fluchtverſuch wagen ſollten, fügten ſich nunmehr

in ihr Schickſal und verſprachen meine Sachen bis zu der zwei Tage entfernten Grenze von Dar-Dika bringen zu wollen. Ihr gegebenes Wort hielten ſie redlich, denn ob— gleich wir die Nacht im Urwalde zubrachten, und die er— müdeten Baſinger feſt ſchliefen, war es doch niemand ein— gefallen, ſich unbemerkt davon zu ſchleichen, und am frühen Morgen erwachend, fand ich ſie vollzählig, bereits plandernd, um große Feuer gelagert und ruhig wartend, bis ich auf— geſtanden ſei. Hurtig beluden ſie ſich dann wieder mit ihrer Bürde und ſchleppten ſie willig weiter, bis wir am ſpäten Nachmittag in der Seriba Gaber ankamen. Der Inhaber gleichen Namens, durch die Empfehl— ungen, die mir Soliman Bei mitgegeben hatte, angeſpornt, beeilte ſich ſofort, fur den kommenden Morgen andere Träger herbeizuſchaffen, denn die mit mir von Mangiri gekommenen machten ſich gleich nach Ablegung meines Gepäcks in der Seriba aus dem Staube. Erſt am ſpäten Abend kehrte Gaber aus den Wohnorten ſeiner Neger zurück mit der Nachricht, daß alle ſeine Leute ſchon am Mittag Kunde von mir erhalten hätten und, durch die vielen Elfenbeintransporte bereits Flug geworden, meine Sachen nicht Mmeiter jchaffen wollten. Deshalb bätten diejelben bereits vor meiner Ankunft ihre Hütten verlafjen und hielten fih nun im Walde veritedt, bis fie jehen würden, daß ich Die Seriba wieder verlaffen hätte. Hie—

durch wurde

ich gezwungen,

den fommenden Tag ruhig

in der Seriba zu bleiben, und Gaber mit feinen 10 Soldaten machte ſich ſchon vor Tagesgrauen auf den Weg, um feine während der Nacht zu den ihrigen zurückgefehrten Neger in ibren Wohnftätten zu überrafchen, wenn fie noch im beften Morgenfchlafe lagen. Dies gelang denn aud) teilweile; mit den noch unterwegs eingefangenen Schwarzen fam er am Mittag heim und brachte mit Einfchluß der noch auf feiner Seriba vorhandenen Leute jo viele Träger zufammen, daß fie notdürftig genügten, um meine Sachen

am nächſten Morgen nad Keidon bringen zu fünnen, eine Seriba, welche wir, obgleich wir wegen der Schwere des vielen Öepäds und der geringen Trägerzahl nur langfam vor:

wärts famen, doch gleich nad) Sonnenuntergang erreichten. Hier wurden meine Träger in jicheren Oewahrfam gebradt, und nachdem ihnen am nächiten Morgen noch etliche Schwarze zugefellt waren, um dem einzelnen die Laſten etwas leichter zu machen, jeßten wir unjeren Weg nad) Mbanga fort, einer Seriba, welche ich gegen 5 Uhr nach— mittags erreichte. Mbanga, einjt Nefivenz des großen Niamniam— Sultans Mofio, welcher vor ungefähr 7 Jahren bei der

Eroberung jeines Landes dur Sibehr umgebracht wurde, ltegt jo ziemlih im Zentrum von Dar-Difa auf einer geringen, ganz allmählich anfteigenden Erhöhung, melche rund um von einem fleinen, nur etliche Schritte breiten Bade, der jelbit in der feuchten Jahreszeit nur menig

Waffer enthält, umgeben wird. Das Klima daſelbſt Icheint dasjelbe wie in Dar Fertit, wenn auch nicht ges fund, fo doch nicht fo gefährlich zu ſein, als man «8 in den Sümpfen am Weißen Fluß antrifftl. Die ganze Gegend von der Hauptjtation Sibehr Paſchas bis nad)

Mbanga beiteht, mit Ausnahme meniger Niederungen, welche ſich namentlih in der Gegend von Dem-Gudju befinden, faft nur aus hochgelegenen Waldungen, nicht aber undurchdringlichen Urmwäldern. Dieje erden von vielen Kleinen Waldbächen durchzogen, welche meiftenteils aus Nord oder Nordojten kommen und nad Süden oder

Südweſten laufen und dem Negenwafjer zum Abfluß dienen. Die Negerftämme von Dar:Difa beftehen haupt: jüchlih aus Scheri, Bengia, Biri, Boddo und Baia, von denen die erjteren als die brauchbarften befannt find.

und

redlichiten

Statt, wie ich beabfichtigte, nicht länger als 8 Tage in genannter ©eriba zu verweilen, vergingen volle vier Wochen, bis ich wieder zum Abmarfch flott wurde, denn troß der mir fortwährend zuteil werdenden Lieblingsaus: drüde der Dongolaner als Nuſrani (Chrift), Caffer (Un:

gläubiger), Wed

el Kelb

(Sohn

eines Hundes) u.|. mw.

war ich doch bisher von dem Fanatismus der Mohamedaner unbeläftigt geblieben, Audfarrad) aber, ein fanatifcher Araber aus Kordofan, welcher als Wekil des Sibehr

Paſcha in Mbanga fchaltete, hatte e3 anders mit mir im Sinne; denn ftatt mir die von ihm verlangten Träger zu

m.

%

| ur

F. Bohndorff's Reife nah Dar Abu Dinga.

567

geben, predigte er mir täglich etivag aus feinem Koran vor, mit dem DBemerfen, daß wir Chriften es zwar auf

der Schreiber, zu mir Fam und ich ihn um Nat fragte, wie ich mich am beiten aus der Ungelegenheit ziehen

diefer Erde weit bejjer als die Mohamedaner hätten, nad) dem Tode aber nicht mehr gelten würden, als ein frepiertes

fönnte, verficherte ev mir, daß es feinen anderen

Pferd und er nichts fo fehr wünfche, als daß ich mich zu jeinem Glauben befehre. Anfangs über ſolche Albernbeit lachend, Fonnte ich nicht recht begreifen, was er mit diefen Worten meine, bis ich endlich, feiner Predigten müde, ibn einmal ernſthaft zur Rede ftellte und die mit Necht von ihm zu beanfpruchenden Träger verlangte. Audfarrach aber, welcher mich bisher von einem Tage zum andern vertröſtete, erklärte jetzt kurz, daß er feine Leute nicht zwingen könne, einem Ungläubigen die Sachen weiter zu tragen und er feine Träger für mic) habe. Nach Haufe

zurüdgefehrt, ließ ich den Schreiber Audfarrachs zu mir fommen, und nachdem ich ihm vermittelft einer Flafche Kognaf vecht vedfelig gemacht und in ihm volles Vertrauen zu mir erweckt hatte, erfuhr ich von ihm, daß es unter Audfarrad) und feinen Vertauten verabredet fei, mich nicht eher vor- nod) rüdwärts zu laſſen, bis ich mich nicht zum Islam befehrt hätte. Jetzt fing es mir doch an, etwas bange zu werden, zumal mir der Schreiber erzählte, daß Audfarrach ſich gegen ihn geäußert hätte, Dar-Dika ge—

höre ihm und da ich ohne ſeine Erlaubnis in ſein Land gekommen, ſo habe er das Recht, gerade ſo gut über mich zu verfügen, als über jeden ſeiner Unterthanen. Als ich mich am nächſten Morgen zu Audfarrach begeben wollte, um nochmals in Güte zu verſuchen, mir die nötigen Träger zu ſtellen, wurde mir von dem an der Pforte der Seriba ſtehenden Schwarzen der Eintritt unterſagt, mit der Ant— wort: Audfarrach läßt Dir ſagen, daß ein Chriſt ſeine Wohnung nicht betreten darf und er hinfort nichts mehr

mit Div zu thun hat. Was da thun? Sollte ich eine Volt an Soliman Bei nah Schaffa ſchicken und warten, bis Antivort zurüdfäme? Dies hätte fiher einen Zeitraum bon drei bis vier Monaten in Anfpruch genommen, wenn ich überhaupt einen Schwarzen hätte beivegen fünnen, einen Brief zu befördern. Ein folcher mußte wohl miffen, was er von Audfarrach zu erwarten hatte, im Falle diefer bon der Sache erführe. Sollte ich meine fäntlichen Sachen

im Stich laffen und allein den Ruͤckweg antreten?

Auf

Schritt und Tritt beobachtet, hätte man mich ficher nicht

bis zur nächſten Seriba

gelaffen.

Hatte ich doch von

Anfang meiner Reife an e8 nicht glauben twollen, daß ſich mir hier inmitten der Negerländer, wo doch Religion voll-

ſtändig Nebenfache ift, ſolche immenſe Schwierigkeiten bieten würden. Mir war aller Mut gebrochen. Ohne jegliche Empfehlung vom Minifterium, noch vom Generalgouverneur, auf mich allein angewviefen, umringt von nadten Negern und fanatiſchen Arabern, ſtand ich da verlaffen, wie noch nie in meinem Leben. Zu Haufe angefommen, zu meiner

Ausweg

gäbe, um lebendig davon zu fommen, als mich dem Willen Audfarrachs zu fügen; denn es läge ihm ſehr viel daran, mich zu .befehren, weil, wenn ein Mohamedaner einen Shrijten zum Glauben des Islam befehrt, ihm alle feine Sünden vergeben jeten und er nad) feinem Tode unfehlbar in's Paradies fommen werde. Sünden, d. h. Blut: und Schandthaten, mochte dieſer faubere Burfche, mie alle jeine Kollegen, welche, aus Dongola fommend, im Innern Afrikas die Neger auf jede Weife ausfaugen, ſchon genug auf feinem Gewiſſen haben und die Gelegenheit, ſich jetzt auf diefe Weife zu reinigen, ſchien ihm daher allzugünftig, weil er, wie er jehr wohl einfah, mich ganz in feiner Ge— walt hatte. Auf meine Frage an den Schreiber, weshalb er fich zu ſolchen Befehrungen feine Schwarzen ausfuche, wurde mir die Antwort, die Neger jeten nur halbe Menjchen, ich aber ein Europäer, ein weißer Menjch, und nur an ſolchen Bekehrten fünne der Prophet Mohamed feine Freude haben. So gab es wohl feinen andern Ausiveg zu meiner Nettung, als mich dem Willen Audfarrachs zu zu fügen, und da er, wie er mir felber gejagt hatte, mic) der Beichneidung überheben wollte, jo ſchickte ich den Schreiber zu ihm mit der Nachricht, daß ich feinem Wunſche nachkommen wolle unter der Bedingung, daß er mir am nächſten Morgen die jchon lange begehrten Träger ſtelle und mich weiter ziehen ließe. Gleich darauf vor ihn gerufen, ſtreckte ev mir feine, mich höchſt anefelnden Hände entgegen mit den Worten: „Es gibt feinen Gott, außer Gott und Mohamed iſt fein Prophet”. Nachdem ich ihm diefes, wenn auch innerlich nicht wenig verlegen, wiederholt hatte, wurde ich als guter Moslim erklärt, mußte aber wohl oder übel meine Beinfleider mit ein paar arabifchen Pumphoſen vertaufchen. Selig, voller Freude, jetzt einen

ſichern Pla im Baradiefe zu befommen, hielt Audfarrach die am Abend veriprochenen Träger auch am nächiten Morgen bereit und zu meiner Begleitung nicht weniger als 35 Bafinger; ich meinerfeits wußte nichts befjeres zu thbun, als die fehon längſt geſchnürten Kiften und Säcke jofort aufnehmen zu lafjen und mich fchleunigjt aus dem alten Dornenverhau zu entfernen. Froh, diefe ungaftliche Seriba hinter mir zu haben, ließ ich Schon am frühen Nachmittage Halt machen, um mich wieder einmal meiner Freiheit draußen erfreuen zu fönnen, und gerade fo mußten wir am nächitfolgenden Tage nachts im Urwalde lagern, bis wir am dritten Tage zur Seriba von Scheih Mohamed gelangten. Hier war es mir ein leichtes, durch Hilfe der mitgebrachten Baſinger

andere Träger zu befommen

und ſchon am dritten Tage

daß ich meine

nach meiner Ankunft daſelbſt konnte ich die Seriba wieder verlaffen. Schon von Schaffa an war ich der bis nad) Mofios ehemaligem Sit ſüdweſtlich laufenden Straße ges

Hütte verlaffen hätte und als am Abend mein Freund,

folgt, jeßt aber ging ich diveft nach Weiten und gelangte,

Schande will ich es geſtehen, fette ich mich hin und meinte wie

ein Kind.

Der Tag verftrich,

ohne

568

F. Bohndorff's Reiſe nah Dar Abu Dinga.

das Gebiet von Dar-Dika verlaffend, am erften Tage nad)

wie fie fagten, ihr Sultan

der Seriba des Abdalla-Ferae, am zweiten nad) der des

lebe.

Genſchol und am dritten nach Ruffai's Seriba, auf jeder die Träger wechſelnd, wodurch ich jedesmal zwei Tage

weg

Aufenthalt bekam.

Vier Tage vermweilte ich bei Nuffat.

Dann mit neuen Trägern verfehen, feßte ich meine Nteife fort, überfchritt den in der Nähe fließenden Bahr Schinko, einen ziemlich breiten Fluß, welchen ich, fomweit ich ihn bei der Ueberfahrt in einem ausgeböhlten Baumjtamm erfpäben Fonnte, aus Nordoſten fommen und nad Süd:

weiten laufen ſah, der aber nad) Bericht der Eingeborenen jpäter feinen Zauf ändern und eine Biegung nad Weiten

machen foll.

|

Dar-Benda hinter mir laffend, betrat ich jeßt das Gebiet von Dar-Nunga, dasjelbe wie es fcheint, welches jpäter von den anfäffigen Negern Dar-Abdunga und von den im Innern Afrikas herumlungernden Nubierhorden

Dar-Abus-Dinga

genannt

wird.

Ein Kommandant

der

mit Umbarri

in Feindichaft

Hiedurd) gezwungen, umzufehren, ließ ich den Rück— antreten

Tages wieder

und

fam

am

beim Naabe

Nachmittag

des folgenden

an, woſelbſt ich nicht wenig

ausgelacht tourde, weil ich auf die mir früher zuteil ges wordene Warnung, nicht weiter zu gehen, nicht hatte

bören wollen.

Erfundigungen

über die weiter

weſtlich

gelegenen Länder einziehend, erfuhr ich, daß ich nicht mehr weit von einem Fluffe geweſen fein fol, welcher nad) An— gabe Naabes und feiner Dffiztere, die ihn gefehen haben wollen, nicht ohne Bedeutung ift und der mit dem Bahr Schinko parallel laufen, ſich fpäter mit ihm vereinigen und zufammen nad Weiten fliegen fol. Auch wurde mir der Name dieſes Fluffes genannt, welcher mir jebt entfallen ift, der aber in meinem fpäter verbrannten Tage:

buche eingetragen wurde. Ohne das Vorhandenfein diejes Fluſſes bezweifeln zu wollen, glaube ich, daß es aber doch noch einer Beftätigung bedarf, da ich ihn felber nicht gefehen und die Ausfagen der Araber allzu unzuver— läffig find. Einjehend, daß ein meiteres Vordringen nad) Weiten hin für diesmal unmöglich fei, faßte ich den Entichluß, meine Sammlungen, den eigentlichen Zive meiner Reife,

Sibehr'ſchen Truppen namens Raabe war zu damaliger Zeit mit 2000 Negerfoldaten in Dar-Abdunga anweſend und hatte die Eingeborenen, einen großen Negerſtamm, welcher fich Inſakkara nennt, des Elfenbeins halber mit Krieg über: zogen. Auf der drei Tage weitlih vom Bahr Schinfo gelegenen Station Naabe’s, woſelbſt er fein Hauptquartier aufgejchlagen hatte, verweilte ich acht Tage und machte mir troß aller von Naabe erhaltenen Warnungen, nicht weiter zu geben, da die Neger durch feine Anweſenheit äußerft empört ſeien und mich für einen Soldaten, d. h. Banditen Sibehr Paſchas anfehen würden, wieder auf den Weg. Der mir gegebene Nat war an und für fi) nicht ganz unbegründet und eine höchft gefährliche Sache blieb es immer, da der Kannibalismus, vie ich mic) Später jelber überzeugte, bei den Inſakkara arg verbreitet war, Etliche Tagereifen aber glaubte ih ſchon noch nad Weiten hin vordringen zu fünnen und namentlich twollte ih dem erſt fürzlid von Naabe ausgeraubten Gultan Umbarri einen Beſuch abjtatten, um dann zu jeben, ob es möglich wäre, durch Umbarris Hilfe weiter fommen zu fünnen, Die mir von Naabe gegebenen Träger und Bafinger aber zeigten vom Anfange unferes Abmarfches aus der Station an ſchon die größte Beforgnis, welche, je weiter mir kamen, immer größer wurde, bis fie zuletzt, troß meiner beruhigenden Neden, in einer wahren Empör— ung ausbrad). As ih am Morgen nad) der zweiten Nacht, welche wir im Urwalde zugebracht hatten, erwachte, fand ich fie bis auf zwei Baſinger alle dejertiert. Natlos ftand ich jest da, nicht wiſſend, was ich für den Augenblid anfangen jollte, bis ich auf Zureden der mir treu gebliebenen zivei Bafinger ins nächfte, ſeitwärts vom Wege liegende Dorf

von den Balingen Raabe's verübten Mord- und Brand» jtiftungen anbeimfallen wollte. Von den Eingeborenen wurde jebt zu Sklaven gemacht, was nur transportfähig war: Männer, Frauen, Greife, alte Weiber, Kinder, welche faum zehn Jahre zählen konnten, nichts wurde verjchont.

ging und dort gegen Gefchenfe

Ale Schwächlinge

aus Glasperlen,

Kleine

Spiegel und meffingene Armfpangen andere Träger erhielt, welche fi) erboten, meine Sachen zurüdzufchaffen, aber

unter Feiner Bedingung

zu Umbarri gehen wollten, da,

mit welchen ich mich fehon hin und wieder auf furze Zeit befchäftigt hatte, einmal ewnftlih in Angriff zu nehmen, Außer dem Einfammeln von Nagetieren bejchäftigte ich) mich bauptfächlich mit ornithologischen Gegenftänden. Bon

den nebenbei gefammelten Inſekten hielt ih am meijten auf Käfer und Schmetterlinge, welche legtere in Abdunga ſtark vertreten find. Mit Hilfe einiger mir von Raabe gegebenen Bafinger, welche die Elefantenjagd ſchon feit

vielen Sahren betrieben, gelang es mir, zwei Elefanten von

enormer

Größe

(die Zähne

wogen allein Stüd für

Stück nahezu einen Zentner) zu ffelettieren — eine Ar— beit, welche, twie ich fpäter einfab, ſchwieriger war als ich anfangs geglaubt hatte und die ich nur mit Hilfe der

Eingeborenen, welche als Entfchädigung für ihre Arbeit das Fleisch befamen, zu vollbringen im ftande war. Auf diefe Weife fortwährend befchäftigt, waren mir drei Monate ſchnell verftrichen und als Naabe fi wegen Mangel an Munition und Nahrung (die Eingeborenen hatten, um ihre

Ausfauger zum Abzug zu zwingen, ſämtliche Oetreidefelder in Brand gejtedt) aus Dar-Abdunga ſah auch ich mich genötigt, das Land

zurüdziehen mußte, zu verlaffen, wenn

ich nicht der Nache der Eingeborenen wegen der überall

wurden

an die mit Salz und rotem

Pfeffer, arabischen Kleidern u. f. w. von Kordofan herauf: gefommenen Sflavenhändler für Waren im Breife von !/, Reichsmark der Sflave verkauft und die Stärferen für die

\ h

569

3. Bohndorff's Neife nad) Dar Abu Dinga.

Fortichaffung des Elfenbeing, welches in ungeheurer Menge geraubt war, zurüdbehalten.

Als auch ich zur Fortſchaffung

meiner Waren von Naabe die nötigen Träger verlangte, wurde

mir die Antwort,

daß

alle überflüffigen Sklaven

ihon verfauft und die noch vorhandenen jchon ver: teilt wären, um fein eigenes Gepäd zu tragen, Nach einem großen Aufwand von Worten und nicht wenig Ge— ichenfen, worauf feine Ausfage hauptjächlich berechnet war,

gelang es mir ſchließlich, ihn doch zu bewegen, meine Sachen mitzunehmen; die Elefantenjfelette aber mußte ic) wegen ihrer ungeheuren Schivere, troß aller Anerbietungen neuer Geſchenke und Berfprechbungen, bis auf vier

Zähne, welche jpäter in Schaffa von Gordon Paſcha als Monopol der Negierung fonfisziert wurden, im Gtiche lafjen. Sp abjcheulih mir auch die Geſellſchaft Naabes und und feiner Genoſſen war, mußte ich mich ihnen doch an-

ſchließen, wollte ich nicht unterwegs bon den Negern über: holt und umgebracht werden. Denfelben Weg nebmend, woher ich gefommen war, gelangten wir bis zur Seriba von Abdallas-Ferae, woſelbſt die Straße durch einen kleinen Fluß versperrt war, In Ermangelung der zum Ueber: jegen nötigen Boote mußten wir bier den direlt nad) - Diten führenden Weg aufgeben und uns nad) der drei Tage entfernten, in Nordoſtrichtung gelegenen Seriba von

Dar-Benda wenden. Dar-Benda, gleich nad dem Ntaubzuge Sibehrs im Gebiete Mofios von Idris MWod-Defter erobert und von jenem Sohne Schabin-Effendi verwaltet, it nordmweitlih von Dar-Mofio gelegen und wird von zwei verfchiedenen Negerftämmen, welche fich Krek (Kredj) und Benda nennen, bewohnt. Erijtere, im Inneren Afrikas als einer der brauchbarjten Negerjtämme befannt, zeichnen fi) befonders durch ihren musfulöfen Bau, durch ihre

- Größe, fowie die Nundung

ihres Körpers

aus, obgleich

ihre Nahrung in nichts von jener der übrigen Neger ver:

ſchieden iſt. Um die mit mir aus Dar-Abdunga gekommene Ge— ſellſchaft einmal los zu werden, wartete ich in Dar-Benda, bis alle nach und nach abgezogen waren.

Alsdann

vom

Wekil der Seriba mit anderen Trägern verſehen, machte ich mich wieder

auf den Weg,

um

das ſüdweſtlich von

Dar-Dika gelegene Land des früheren Sultans Tikma zu beſuchen. In zwei Tagen hatte ich Dar-Dika wieder er— reicht, mich wohl hütend, die Seriba Audfarrachs noch— mals zu betreten und gelangte am folgenden Tage zu der ſüdlich gelegenen Seriba von Sango. Hier die Träger wechſelnd, ſetzte ich meinen Weg in ſüdweſtlicher Richtung fort, bis ich am 4. Tage die Seriba erreichte, in welcher dereinſt Tikma reſidiert hatte.

angeſchwollenen Waldbäche

Die in damaliger Zeit hoch

und die unter Waſſer ſtehen⸗

den Niederungen, welche ich auf der Rückreiſe zu paſſieren hatte, beſtimmten mich, während der Regenzeit in Dar—

Tikma

zu bleiben Ausland

1884,

Nr. 29.

Grenze

don

Dar-Tifma

bildenden

Fluß Umbommo

in

Augenschein zu nehmen. Sch fand die Angabe der Araber, daß er fo breit fer wie der Weiße Fluß, doch allzu über: trieben. Soweit ich ihn, eine Tagereife, ftromaufwärts und jpäter, in einem ausgehöhlten Baumftamme, ſtrom— abwärts befahrend, verfolgen fonnte, fam er aus Oſten und lief mit veißender Schnelligkeit in ziemlich gerader Richtung nad Welten. Niemand aber fonnte mir AufIbluß geben, two der Umbommo feinen Urfprung nimmt.

Dar- Tifma wird

von

verichiedenen

Negerjftämmen

bewohnt, von denen die Karré Birt und Difa die bedeutendften find. Die leßtgenannten ſcheiden fich wieder in zwei Stämme, Sande und Foggere. Die Negenzeit hielt in diefem Jahre außergewöhnlich lange an, fo daß um Dezember noch verjchiedene Negengüffe rafch aufeinander folgten. ES wurde Mitte Januar, ehe ich Dar-Tikma wieder verlajjen fonnte. Um aber meine Sammlungen mit: nehmen zu fünnen, brauchte ich Träger, und die alte Sorge um's Weiterfommen trat von neuem an mich heran, nur diesmal ärger als zuvor. Muſtafa, der Weil der Seriba, glaubte nämlich, mich troß aller Geſchenken, welche ich ihm, um feine Freundſchaft aufrecht zu erhalten, während meines / Aufenthaltes daſelbſt gemacht hatte, noch nicht genug ge

prellt zu haben und erividerte mir auf meine Anfrage nad Trägern, daß Die mir von Soliman Bei ausgeltellten Papiere dahin lauteten, mir bei der Hinaufreie behilflich zu fein, aber feinerlei Ordre erteilten, mir wieder zurüd:

zubelfen und überdies feine fämtlichen Neger mit Durraforn beladen nad) Dar Fertit abgegangen wären. Co blieb mir nichts übrig, als Träger zu faufen. Vergeben verfuchte ich noch acht Tage lang, ſei es durch Ueberredung, jei es durch Geſchenke, ihn zu beivegen, mir Träger zu Stellen. Muftafa wollte einmal Silberthaler jehen und ließ mir bei jedesmaliger Anfrage nad) Trägern die Ant: wort werden, er hätte Träger zu verkaufen, nicht aber zu verleihen. Sp mußte ich, jo ſchwer es mir au wurde, Muftafa troß aller Schwäche meines Kaſſabeſtandes, für 40 Träger, welche er, wie es ſchien, jchon bereit gehalten,

35 harte Maria-Therefiathaler, für die dortigen Länder ein ſchweres Geld, in die Hand drüden. Zu meiner Be: gleitung mietete ich, jtatt der Baſinger Muftafas, welche mir ebenfalls nur gegen teure Bezahlung verabfolgt wer: den follten, vier Fur-Araber, welche fich verpflichteten,

mich bis zur Grenze Darfurs

zu begleiten.

Eine wie

große Furcht die wegen ihrer Jluchtverfuche von den Ba— fingern Muftafas mit Striden aneinander gebundenen Träger anfangs mir gegenüber an den Tag legten, tft

bis die Neger das

leicht begreiflich, da fie vorher noch feinen Europäer zu Geficht befommen hatten. Aber je weiter wir famen, deſto

oft reiterhoch gewachſene

größer wurde ihr Zutrauen zu mir, bis fie zulegt, don den

und abzuwarten,

trockene, in der naſſen Jahreszeit

Gras angezündet hätten und die Wege Lichter getvorden wären. An der Vergrößerung meiner Sammlungen arbeitend, durchftreifte ich nun Dar-Tifma nach allen Seiten, bei welcher Gelegenheit ich nicht unterließ, den füblich die

57

3. Bohndorff’s Reife nah) Dar Abu Dinga.

570

fie zufammenhaltenden Striden befreit, mir freiwillig folg— ten, ohne je einen Fluchtverſuch zu machen. Dar-Tikma verlaffend, ging ich zurüd nach Sango und von da zu der zwei Tagereifen nördlich gelegenen Seriba von Adam-Senger, woſelbſt ich, um meine Träger vollftändig erholen zu laffen, vier Tage verweilte und dann nach der ſechs Tagereifen weit entfernten Seriba am Dſchebel Serokko marschierte. Nachdem wir dafelbit acht Tage gerubt und die Brovifionen erneuert hatten, brachen wir abermals auf und gelangten, nad) Nordoiten mar: ichierend, in drei Tagen zur Seriba von Ningi, nad) zwei— tägigem Marfche weiter nad) Jaka und am folgenden Tage abends nach Feroge. Anftatt jegt die in drei Tagen gerade zum Bahr el Nefegat laufende Straße zu verfolgen, eine Strede, auf welcher ſich nur ein einzigess mal, fo ziemlih in der Mitte, am Hadſcher Emſalil, Waſſer befindet, Schlug ich den nach Dften führenden Weg zum Dſchebel Timbeli ein und fam, den von den Mans dala-Arabern bewohnten Landſtrich Abjufu pasfterend, in fünf Tagen zum Bahr el Nefegat, von wo aus uns ein eintägiger Marfch nach der langerjehnten Mamuria (Dis jtriftsort) Kallafa brachte. Das ägyptifche Gebiet war er— reicht und niemand war froher als ich, der ich nun den Brutalttäten\ der Geribenbefiter des Inneren nit mehr ausgeſetzt zu fein glaubte. Kallaka, ein Ort, wofelbit man damals alles, was für einen Neifenden zum Yebensunter: halte notiwendig tft, befommen konnte, gefiel mir nad) meiner Rückkehr aus den Negerländern jehr wohl, weshalb ich) beſchloß, längere Zeit dafelbitzu verweilen, zumal ich ohnehin,

mit der Ausbeute meiner Sammlungen nicht zufrieden, fie jest der zeit der

nad) allen Seiten bier vergrößern fonnte, wozu mir Bahr el Nefegat, wohin ſich in der trodenen Jahres— die ganze Tier: und Vogelwelt der angrenzenden Län— wegen Mangels an Waffer zufammengezogen hatte,

die beite Gelegenheit

bot.

Fleißig

an meinen Samme

lungen arbeitend, waren mir die Wintermonate

1879 Schnell vergangen.

1878 bis

Die in Kallafa jet beginnende

Straußenjagd, welche von den Arabern eifrig betrieben wurde und mir jehr ergiebig jchien, gab Anlaß, meinen Aufenthalt noch zu verlängern und von einem Monat zu dem anderen auf eine noch beilere Jagd hoffend, war in: zwifchen der größte Teil der Negenzeit bereits vorüber: gezogen, und die Umgegend dermaßen überſchwemmt, daß ein Durhfommen mit Ochfen jehr bedenklich fehien, fo daß ich mich geztvungen ſah, mit der. Abreife zu warten, bis ſich das Waffer etivas verlaufen hatte. In diefer Zeit war e8, als der dem Soliman Ber Sibehr von Gordon Paſcha ſchon längſt angekündigte Krieg zum Ausbruch kam und Geſſi Bafcha ! mit 1400 Mann von Gaba Scham: 1 Geffi war im Mai 1878 von Numbed am Rohl mit jeinen Truppen aufgebrohen. Im Mai 1879 verfolgte er deu flüchtigen Nebellenchef bis nad) Darfur, wo im Juli desjelben Jahres Soliman ftandrechtlich hingerichtet wurde,

bil zur

Seriba

13,000 Mann

Idris Wod Defter marfchierte,

jtarfe Heer Soliman

um das

Bei's anzugreifen

Die damals noch in Schaffa im Dienite der ägypti—

ſchen Regierung ftehenden Negerſoldaten! dejertierten jamt ihrem Kommandanten zutreten, bei welcher

Etman, um zu Soliman Ber über— Gelegenheit fie Kallafa berührten.

Dem Kommandanten wurde mitgeteilt, daß fich hier ein Europäer aufbielte, welcher früher im Dienfte Gordon ; Paſchas am Weißen Fluß,

1874 bis 1875,

gereiſt wäre,

Der Kommandant, fchon von Haufe aus als ein großer Räuber befannt, glaubte reiche Beute

bei mir zu finden

und fchiefte fogleih 50 feiner mit ihm deſertierten So daten zu mir, mit dem Befehle, mid zu plündern: eine Arbeit, die fie mit vielem Geſchick vollbrachten. Nebenbei” aber wurde ich auf die rohefte Weife behandelt. Man ichleppte mich aus meiner Wohnung und beraubte mich jämtlicher Kleider; dann mühten fi die Strolche eifrigft ab, mich durch Stodprügel, Steinwürfe, Fauftichläge und”

Kolbenftöße zu traftieren. Sie ſchlugen mic) mit Dornen ins Geficht und überhäuften mich mit Kot und Unrat aller Art, jo daß ich bluttriefend und gefchunden am ganzen Leibe daftand. Hierauf wurde meine Wohnung geräumt, alle ethnologifchen Sachen, Kleider, Geld, Reiſeeffekten, eine gute Quantität Straußenfedern, kurz alles, was nur den geringften Wert für diefe Näuber hatte, fortgejchleppt, füntliche Sammlungen demoliert und auseinandergerifjen.

Mein Tagebuch, welches ich, wie mir mit befonderer Wichtige feit erflärt wurde, nur gefchrieben hätte, um Gordon Paſcha

alle Neuigkeiten vom Bahr el Ghaſal zu bringen, damit er wüßte, wie, viel Elfenbein da läge und auf welche Weife er die Länder am beiten erobern könne, wurde vers” brannt und noch nicht genug damit, verlangte man noch 1000

Thaler von mir, eine Summe,

die ich in der That nicht

befaß. Alle meine Vorftellungen, tvelche ich den Räubern “ machte, indem ich ihnen erklärte, daß mein Geld bis auf e das Wenige, das fie ja bereitS gefunden, längſt zu Ende : jet und ich nichts mehr befißte, halfen nichts. Zu Boden‘ geworfen, wurde mir das Meſſer an den Hals geſetzt. Schon machte ich mich auf's Schlimmſte gefaßt, als noch

zur rechten Zeit der Mamur (Diſtriktschef) von Kallaka, durch feine Leute von meiner Mißhandlung unterrichtet, mir zu Hilfe Fam, die Bande auseinanderjprengte, und mich nadend, wie ich war, in fein Haus führte, wo ich, in’ Srauenfleider gehüllt, in feinem Harem verjtedt wurde. Den jpäter aber noch oft nad) mir fuchenden Negerjok daten lieg er die Antwort werden, daß ich mich noch in jelbiger Nacht geflüchtet und die Noute nad) Darra ein—

geichlagen hätte. Nachdem ich fo acht Tage in wahrer Todesangjt im Harem des Mamur, Diftriktschefs, zuge: bracht und die Deferteure Kallafa bereits verlaffen hatten,

gab mir der Mamur ein Pferd und begleitete mich ſelbſt, bis wir in drei Tagen nach Schaffa Nach

gelangten,

woſelbſt

einer Mitteilung Geſſis waren es 800 Mann.

J 571

Politiſch- und wirtſchaftsgeographiſche Rückblicke.

ich von Gordon Paſcha, welcher ein wenig ſpäter in Re— gierungsangelegenheiten dort eintraf (Sunt 1879), mit zwei Kamelen und dem nötigen Reiſegeld verjehen twurde und meine böchft traurige Heimreife über Darra, Omſchanga und Kordofan antreten fonnte,!

| (egt wurden und durch chinefische Vermittelung kam aud) | eine Ausſöhnung des eritgenannten Landes mit Korea zu ſtande. Die Uebereinfunft, welche Namens der Union abge: ihlojjen war, wurde zu Wafhington genehmigt, die beiden anderen Verträge durch die Regierungen Deutjchlands und Englands vertvorfen; erſt gegen Ende des verfloffenen

Jahres wurden

Politisch: und wirkſchaftsgeographiſche Rückbliche. VI.

Korea.

Seitdem in der erſten Nummer des 55. Jahrgangs dieſer Blätter die Reihe der „Politiſch- und wirtſchafts—

geographiſchen Rückblicke“

mit einem Aufſatze über Korea

eröffnet wurde, haben in genanntem Lande wichtige Er— eigniſſe ſtattgefunden, welche ihm einesteils eine gewiſſe Bedeutung im Weltverkehr verſchaffen, dann aber auch dazu beitragen, uns mit demſelben, welches ſo lange eine

Terra incognita war, beſſer befannt zu machen. Wir jahen, daß gegen Ende des Jahres 1881 Kom: modore Schufeldt im Begriffe var, einen Handelsvertrag

mit Korea abzuschließen, der wirklich am 17. Mai 1882 zu jtande fam. Schon im folgenden Monat wurden ähn— liche Verträge durch die Bevollmächtigten Englands und Deutſchlands abgefchloffen; auc Frankreich war in Unter: bandlungen begriffen, fonnte jedoch zu feinem Nefultate fommen. Während die Verhandlungen noch fchwebten,

Itarb der König.

Er hinterließ einen minderjährigen Adop—

tivfohn, den er zum Nachfolger angewiefen hatte; der Bater des neuen Königs, der von tötlicher Feindfchaft gegen die Ausländer befeelt war, ergriff die Zügel, und am 23. Juli brach eine Emeute gegen die Fremden,

den König

und

diejenigen

feiner

Näte

aus,

welche

für den Fortfchritt geivefen waren. Die Mitglieder der japanefiichen Geſandtſchaft, welche das Land nicht ver: laſſen hatten, wurden teils getötet, teils zur Flucht ge: zivungen. Sanabufa, welcher an ihrer Spite jtand, entz fam mit genauer Not in einem Boot auf das offene Meer.

Japan

trat daraufhin

fehr energiſch

auf; wenige Tage

jpäter Fam ein ſtarkes Geſchwader mit einigen taufend Soldaten nah Korea, der Geſandte Febrte unter dem

Schuß

einiger

hundert

Hauptitadt zurück.

bewaffneter

Landsleute

in die

Infolge diefer Vorgänge drohten Ber:

widlungen Sapans mit China, die jedoch wieder beige: 1 Diefer Bericht behandelt meine Neife umd die Zuftände der Länder des Bahr el Ghafal zur Zeit, als Soliman Bei noch Mudir von Schakka war. ad) der Bejetsung dieſer Yänder durch Geſſi Paſcha hat fich jedoch ſchon manches im Intereſſe der unterdrücdten Neger zum Guten gewendet. Wie es jcheint, Hatte fih Geſſi Paſcha zur Aufgabe geftellt, dieſe Yänder von den fie bisher ausjaugenden Dongolanern gänzlich zu ſäubern. Dies ift jedenfalls als die größte Wohlthat zu betrachten, welche den

armen Negern nur zuteil werden konnte.

F. 2.

durch beide Länder neue,

vorteilhaftere

Kontrafte geichloffen. Fallen wir nun die Sachlage, wie fie im Jahre 1882 war, näher ins Auge. Sapan hatte zum großen Miß— vergnügen Chinas im Jahre 1875 einen Handelsver— trag mit Korea erzivungen, der ſehr günftig war. Wohl bezahlten einzelne Artikel hohe Abgaben, doch traf dies meiltens Waren fremden Urſprungs; die Erzeugnilfe Japans waren größtenteils nur niedrig bejteuert. Wurde hiedurch ſchon eine China unangenehme Konkurrenz erzeugt, jo war das Gefühl noch unangenehmer, daß es weiterhin unmöglich fein werde, die Fremden von Korea fern zu halten; namentlich Rußland war in diefer Beziehung fehr gefürchtet. Um ein Gegengewicht zu Schaffen, Ließ man gejchehen, was auf die Dauer nicht zu hindern war, und unterjtüßte die Union in ihren Beftrebungen, fo daß ein Sandelsvertrag zu jtande fam, in welchem Amerika das Abhängigfeitsverhältnis, in dem Korean zu China fteht, anerkennt und verfpricht, Feine Veränderung in diefe Verhältniffe zu bringen, wozu man in Korea, neueren Nachrichten zufolge, recht geneigt wäre. Amerika hat fich beeilt, diefen Vertrag, der, wie wir gleic) ſehen werden, in vieler Beziehung gar nicht günſtig iſt, zu unterzeichnen und vielleicht die eben erwähnte Beſtimm— ung durchaus nicht ungern gefehen. Einesteils nämlich gibt ihm diefe Bedingung bei dem Eintritt gewiſſer Even: tualitäten in Dftafien ein Recht zur Einmischung, dann aber hat ſich die Union wohl hauptjächlid zur Genehmig— ung des Vertrages bereit gefunden, um früher als bie anderen Mächte auf jenem Gebiete zu erfcheinen und den Verkehr mit Korea zu eröffnen. Diefer Zweck iſt auch vermutlich erreicht, wozu allerdings der Umftand beiträgt,

daß man

in Korea nad der Emeute von 1882 wirklich

die Abficht gehabt zu haben jcheint, die Bahn des Fort— ichritts zu betreten, wie eine Proflamation des Königs dem Volke verkündete. ! Eine foreanische Gefandtichaft Fam nad) Amerifa und die Union wurde aufgefordert zur Gr: richtung eines: Mufeums in Seul, in welchem Gegenjtände der fremden Induſtrie ausgeftellt werden jollten,? mitzu: wirken; vielleicht darf man es aud als einen Freund— ichaftsbeweis, ſowie als eine Folge des Fortſchritts bes trachten, wenn, wie jegt gemeldet wird, Korea die Abficht bat, eine ziemlich anfehnliche Summe in Amerika zu leihen und feine Goldminen

hiefür zu verpfänden.

1 Siehe „Oeſterreichiſche Monatsſchrift für den Orient.“ 1883. ©. 16. 2 Siehe den Brief v. Möllendorffs in „Deutſche Kolonialzeitung“ 1884, S. 16.

572

Politiſch- und wirtſchaftsgeographiſche

Es würde uns zu weit führen, den Inhalt der abge— ſchloſſenen Verträge

ſtändig vorzulegen.

unſeren Leſern an dieſer Stelle voll—

Wir

beſchränken

uns darauf,

die

Hauptunterſchiede des amerikaniſchen und engliſchen Ver— trags, ſowie die wichtigſten Punkte derſelben im allgemeinen hervorzuheben. Nach dem erſteren ſind Ghenſan, Fuſan und Ninſen oder Jenſchuan die den Amerikanern geöffneten Häfen. Die Konſuln beider Länder dürfen keinen Handel treiben. Streitigkeiten zwiſchen Angehörigen beider Nationen werden durch das Gericht der Nation, welcher der Beſchul— digte angehört, geſchlichtet, der Ankläger hat das Recht, den Verhandlungen beizuwohnen und an die Behörde ſeines eigenen Landes zu appellieren; im letzteren Falle findet die Reviſion

des Verfahrens

durch

eine

gemiſchte Kom—

miſſion ſtatt. Sobald die Pflege des Geſetzes in Korea der amerikaniſchen Regierung dieſelbe Bürgſchaft wie ihre eigenen Gerichte zu bieten ſcheint, können die Vereinigten Staaten auf die Ausübung einer eigenen Gerichtsbarkeit verzichten. Handel darf nur in den dem Verkehr geöffe neten Häfen getrieben werden; geſchieht dies in anderen Häfen, jo wird es als Webertretung mit Verluft von Schiff und Ladung beitraft. Schiffe, Die fih in Gefahr befinden, dürfen auch in einem Notbafen einlaufen und fih dort mit dem Nötigen verſehen; ſie follen fich aller möglichen Unterjtügung zu erfreuen haben. Gemwöhnliche Waren follen nicht mehr als 10%), Zurusartifel 300%, an

Einfuhrzoll bezahlen; einzelne

Artikel, wie Waffen und

Munition, dürfen nur mit Genehmigung der Negierung, Opium darf nur für medizinischen Gebrauch importiert werden. Die Ausfuhrzölle jollen ebenfalls 5%/, nicht über: jteigen. Alle Abgaben werden nur einmal in einem Hafen erhoben; ein gewiſſes, nach dem Inhalt der Schiffe berechnetes Tonnengeld wird alle drei Monate entrichtet; der Ertrag fol für Anlagen im Intereſſe der Schiffahrt ver: endet werden. Die amerikanischen Kaufleute, welche fich in Korea niederlaſſen und dort einen nicht von den Gejeßen des Landes verbotenen Handel treiben wollen, dürfen dies in den Bertragshäfen thun und dort auch Eigentum er= werben, welches gleichwohl unter der Souveränität Koreas bleibt. Handel nad) dem Innern zu treiben, ijt verboten; ebenfo dürfen im Innern feine Produkte für die Ausfuhr aufgekauft und ebenfowenig von einem Vertragshafen nad) dem andern verjchifft werden. Die Ausfuhr von Produkten fann im Falle von Not oder Teuerung verboten werden, Ausfuhr von rotem Ginfeng ! darf nicht ftattfinden. Ver: brecher, welche fih in dem Dienjt von Amerifanern be: finden oder ſich auf amerikanisches Eigentum flüchten, follen auf Ansuchen der Obrigfeit von Korea ausgeliefert werden. Gelehrte, welche die Gefete, Die Kunſt oder Litteratur Itudieren, follen in beiden Ländern auch im Innern freien Zutritt haben und Unterftügung daſelbſt finden. Alle wichtigen Mitteilungen follen in chinefiiher Sprache 1 Eine

Bannar-Art.

Rückblicke.

gemacht werden, doc) fönnen ſich die Amerikaner für gewöhn— lic) des Englifchen bedienen. Endlich, und diefer Artikel bat wohl dazu beigetragen, daß das Uebereinfommen jo Schnell genehmigt wurde, foll der Vertrag nad) fünf Nahren

einer Nevifion unterivorfen und die Amerifaner in jeder Beziehung den meilt begünftigten Nationen gleich gejtellt werden, fo daß fie alle denjelben beiwilligten Vorteile ges nießen, aber auch alle von denfelben übernommenen Ber: pflichtungen auf fi) nehmen müſſen. Dadurch, daß der Inhalt der neuen Verträge mit England und Deutſchland viel vorteilhafter für dieſe Staaten ift, werden ſich die Ausfichten für die Ameri-

faner dem,

auch günftiger geſtalten. was

darüber

Zunächſt

bleibt

nad

befannt geworden it, die Klaufel be

züglich des Verhältniffes Koreas

zu China weg, dagegen

verjprechen fich die Eontrahierenden Mächte, im Fall das Bedürfnis eintritt, gegenfeitig ihre Dienſte; hinfichtlich der Nechtspflege it feitgefeßt, daß auch Anklagen wegen Bruchs des Vertrags durch die Konfuln entſchieden werden follen. Geöffnet werden der Hafen von Jenſchuan, Genfan und Fuſan, die Stadt Seul und die Stadt Yanghwachin.

Wenn der zuleßt genannte Ort und Fuſan unzwedmäßig gewählt fein follten, fönnen andere Orte in deren Nähe bejtimmt werden. In der Hauptitadt dürfen nur Handels: niederlafjungen errichtet werden, wenn die chinejische Re— gierung das Necht, welches fie in diefer Hinficht befist, aufgibt. Im allgemeinen find die zu bezahlenden Zölle

niedriger normiert, als in dem Vertrag mit Amerifa. Die Eingangszölle find auf 5, 7", 10 und 200, feitgefeßt, binfichtlih der Einfuhr von Waffen und Dpium gelten die Beſtimmungen des erjten Vertrags. Der Ausfuhrzoll

beträgt 5%,; außerdem

jtipuliert auch diefer Vertrag die

Gleichſtellung mit den meiftbegünftigten Nationen. Kriegs: Ichiffe dürfen alle Häfen befuchen, ſich in den geöffneten Häfen verproviantieren und Bermeffungen der Hüften vor— nehmen. Die wichtigfte Beſtimmung ift wohl die, daß auch der Handel mit dem Innern und der Zugang deöfelben für

Handelszwecke den Fremden erlaubt ift. Damit ift eine ſehr beengende Schranke gefallen, welche die Amerikaner fich batten gefallen lafjen. Während ihr Vertrag ungünftigere Bedingungen enthielt, als die von China und Japan abgeſchloſſenen Traftate, beivilligt das neue Uebereinkommen größere Vorteile, Nach dem eriteren hatten die fremden Kaufleute nur das Recht, fih in den Vertragsbäfen nieder: zulafjen, dort zu faufen und zu verfaufen; der Handels: verfehr mit dem Innern konnte nur paffiver Natur fein, d.h. man mußte die Käufer und PVerfäufer abwarten; jelbjt der Küftenbandel fchien verboten zu fein. Mit den Bedingungen des jeßigen Vertrags erklären ſich fogar die englifchen Kaufleute zufrieden, wenigſtens hat fich der Vorſitzende der Handelsfammer von Hongkong öffentlich in diefem Sinne ausgefprochen. Wie e8 feheint, Schicken fich

denn aud die englifchen Kaufleute an, den Vorsprung, welchen Amerika bat, durch große Anftrengungen unſchädlich

|

4 Politifch- und wirtſchaftsgeographiſche Rückblicke.

zu machen und aud) die chinefischen Konkurrenten ver: doppeln ihre Anftrengungen. Auch von deutscher Seite erden Maßregeln getroffen, um in Korea thätig zu fein.

Die Unterhandlungen

Frankreichs

haben zu feinem

Nefultate geführt. Diejes Yand wünschte die Aufnahme eines die chrijtlichen Miffionare betreffenden Baragraphen, eine Forderung, der die Negierung Koreas ſich hartnädig widerſetzte. Auch in den abgeichlojjenen Verträgen tt

derjelben mit feiner Silbe Erwähnung gethban; die Eng: länder tröften ſich im allgemeinen damit, daß die Miffion ſchon viel Unheil über Korea gebracht habe und daß das Fehlen eines bezüglichen Baragraphen wohl vom chriltlihen Standpunfte aus bedauert werden muß, daß aber biedurh auch mancher Stein des Anftoßes vermieden werden wird; andererſeits glaubt man, daß die Kore-

aner Miffionare ſtillſchweigend dulden.

Natürlich fehlt es

nicht an Stimmen in England, welche fi des jungfräus lihen Bodens freuen, auf dem, wie fie hoffen, das Wort Gottes gut gedeihen wird, ja zwei amerikanische Miffionare haben jich ſchon erboten, von Nord-China fi) nad) Korea zu begeben, doc) bat der amerifanifche Bevollmächtigte, wiewohl ein Freund der Miffion, den Augenblid dazu für

noch nicht gefommen erklärt. Ein auffallendes Dunfel umgibt die Pläne und Handlungen Rußlands; das große Intereſſe, welches die Angelegenheiten und Vorgänge in Korea diefem Lande einflößen müffen, ift fo augenfällig,

daß wir dasjelbe wohl nicht weiter nachzumweifen brauchen. Wir glauben mit Sicherheit Schließen zu fünnen, daß der genannte Staat weit davon entfernt ift, feine Beftrebungen

in Korea

aufzugeben;

nach einer vor einiger Zeit im

„Wiener Sremdenblatt” mitgeteilten Notiz hat Rußland für Abtretung des Hafens von Yazarew nicht nur eine bedeutende Summe geboten, fondern Korea dafür auch feinen

Beiltand im Falle des Angriffs

irgend einer fremden

Macht verfprochen.

Auch im Lande jelbft vegt es ſich; verſchiedene Zeichen Iprehen dafür,

daß man,

wie mir oben jchon betläufig

lagten, die Bahn des Fortjchritts einschlagen will. Einiges darüber wollen wir hier noch mitteilen. Kurze Zeit, nachdem Korea mit den fremden Mächten die erjten Berträge abge: Ichlofjen hatte, trat Paul v. Möllendorff, durch das Ber:

trauen des Königs berufen, in eine Stellung, welche ihm erlaubte, einen wichtigen Einfluß auf die Entiwidelung des Landes, namentlich bezüglic) des Verkehrs mit den fremden Mächten und deren Unterthanen, zu üben.

Zahl:

reiche Fachmänner hat er ſchon berufen, welche ihm behilflich jein follen, die dafür nötigen Einrichtungen zu treffen.! Um das, was in diefer Beziehung Schon gejchehen ift, in feinem ganzen Wert erkennen zu laſſen, müßten mir eine

Parallele zwischen dem früheren Zuſtande und dem jeßigen Nach den allerneueften Nachrichten ift fein Einfluß im Wanfen und möchte man fi) der ins Yand gerufenen Europäer gerne entledigen.

BES...

579

ziehen, wozu uns heute der Naum fehlt. Wir wollen daher nur einige Furze Notizen bier zujammenitellen. Koreanische Gefandtichaften find in Amerika und in Europa

erfchtenen. Jetzt wird eine Zeitung in Korea herausgegeben; allerdings in ſehr bejcheidener Form. Bon litterariicher Ihätigfeit war fonjt wenig zu bemerken; eine von den (Helehrten des Neiches gefchriebene Chronik, von der alle fünf Sahre ein Band fertig wurde, um in der National: bibliothek vergraben zu werden — jelbjt der König durfte ihn nicht mehr einſehen — war die einzige erwähnensiverte Erſcheinung auf diefem Gebiete. Das Volk erhielt feinen Unterricht, nur die Söhne der Mdeligen wurden in den zahlreichen Schulen unterwiefen. Seit März 1882 wurden mehr als fünfzig junge Yeute aus Korea nad Japan gefchiet, um dort unterrichtet zu werben. Die meijten von ihnen ftudieren am Kei-o-gi-jiku, wo fie mit 600 bis 700 Sapanern europäische Wiffenfchaft fennen lernen. Sie leben dort in einem befonderen Gebäude, in dem ſie aus: gezeichnet verforgt werden. Die meiſten derjelben widmen fich dem Studium der europäischen Sprachen, der Staats: Defonomie, dem Aderbau und der Seidenfultur; einzelne haben das Eramen bejtanden und befuchen jebt die Miliär— ſchule für Offiziere. Auch im eigenen Lande bejteht eine Schule in Seul für die englifche Sprache, die früher von einem Chineſen geleitet wurde, jet aber unter der Aufficht eines Amerikaners ſteht. Am 18. Januar wurde die Telegraphenlinie zwiſchen Fuſan und Nagaſaki eröffnet. Beſonders wichtig, ſowohl als Zeichen der Zeit, als auch als ein Beweis für das Be— ſtehen der manchmal bezweifelten Mineralſchätze des Landes, iſt der Bericht, daß eine Firma zu Schanghai die Erlaubnis erhalten hat, eine Silbermine in der Provinz Kang Wong Tao zu bearbeiteten, welche etwa 200 Km. von der Haupt— itadt entfernt liegt. Einige Koreaner, die auch Bergwerke befiten, haben ebenfalls die Erlaubnis erhalten, diejelben in europäifcher Weiſe auszubeuten und es find Vorbereitungen getroffen, von derjelben Gebrauch zu machen. Mit Nüdfiht auf die damit verbundenen, ſehr bedeutenden Koften würden fie zu diefem Zweck ausländifchen Kapitals bedürfen, welches in diefem Falle eine vorteilhafte Ver: wendung finden könnte. Neuere Berichte jagen ſelbſt, dab die Regierung einer fremden Firma zur ausfchlieplihen

Bearbeitung aller Erzlager (mit Ausnahme von Gold und Silber) ein Monopol verlieben habe, wobei der Gewinn, iobald er eine gewilje Summe überfteigt, zwiſchen der

Negierung und den Unternehmern geteilt werden ſoll. Wenn, wie oben jchon berührt, wir in letzter Zeit manche ſchätzenswerte Mitteilungen über das Land und feine Bewohner empfangen haben, jo find diejelben doch noch zu lückenhaft, in wirtfchaftlicher Beziehung einander oft zu twiderfprechend, als daß wir es wagen Fönnten,

an diefelben eine Betrachtung über die Vorteile, welche die Gröffnung Koreas dem europäifchen Handel veripricht, anzufnüpfen. Um in diefer Hinficht jedoch Thatfächliches

514

Politifch- und mwirtfhaftsgeographiiche Rückblicke.

mitzuteilen,

erlauben wir uns einige, dem Berichte des

englifchen Konfuls in Japan entnommene Angaben, twelche er über die Nefultate des japanefischen Handels mit Korea

während der fünfjährigen Periode von 1876 bis 1881 anführt, hier wiederzugeben. Der Umſatz belief fich im ganzen auf zirfa 38 Mill. Mark.

Von

der Einfuhr war

der achte Teil, etiva im Werte von 537,846 Pen, ! japas nefifchen Ursprungs und bejtand zu einem Drittel ungefähr

aus Kupfer.

Db Korea der Seide wegen auf das Ausland

angewiefen iſt, Scheint noch nicht ausgemadıt. Der Reſt der Einfuhr (4,065,591 Pen) beitand aus Waren von fremdem Ursprung. Eine große Nolle hierbei Spielen eng: liche Baummollartifel, die meift von Schanghai und Ktobe fommen. Durch die abgefchloffenen Handelsverträge dürfte die Einfuhr diefer Artifel in fremde Hände übergeben, ja «8 it wahrjcheinlich eine bedeutende Zunahme des Verbrauchs zu erivarten. Die Koreaner find nicht reich, jagt ein in einem englifchen Blaubuch neuerdings erſchienener Bericht, aber fie jcheinen genug zu haben, und eine befannte Sache it es, daß die Koreaner troß ihrer Armut (follte diefelbe nicht nur relativ fein und fcheinbare Armut dem Mangel an barem Gelde zugefchrieben werden müfjen?) fich ſehr gut, meiſt in weiß kleiden. Da fie wenig Baumtolle pflanzen und nur fehr unvolllommene Werkzeuge zu deren Bearbeitung befigen, jo fann man beinahe mit Sicherheit annehmen, daß nad) dauerhaften, aber wohlfeilen Geweben eine immer zunehmende Nachfrage entjteben wird. Während der Berivde von 1877 bis 1881 wurden Waren im Werte von 5,104,859 Men nad) Japan erportiert. Zur DVerfendung kommen bauptfächlich Neis und Gold. Die bis zum Jahre 1881 in Japan angefommenen Schiffe haben im ganzen 60,459 Tonnen gemeffen. Die angegebenen Summen verteilen fich nicht gleichmäßig, im Gegenteil war in den lebten Monaten der fünfjährigen Periode eine ftarfe Zunahme derjelben zu bemerken. Nach den Verträgen follen die Zölle in mexikanischen Dollars oder japanefiichen Silberyens bezahlt werden; big jeßt war das Münzweſen in traurigem Zuftand, da viel Gold und Silber ausgeführt wurde und im ganzen Land japanefisches Papiergeld im Umlauf war, wodurd bei dem Ihtwanfenden und niederen Wert desfelben der Verkehr ziemlich erſchwert wurde. Da die Bevölkerung Koreas nad den beiten Anz gaben (dem Zenfus der eigenen Negierung) im Jahre 1882 6,340,000

Seelen

betrug,

jo darf man

wohl annehmen,

daß der europätfche, ſpeziell der englifche Handel dort eine

günftige Gelegenheit für feine Thätigfeit finden wird; ob es für Korea und die Koreaner ein Glüd ift, daß ihr König befohlen bat, die Obelisfen außerhalb der Stadt, durch deren Auffchrift den Fremden der Eintritt verboten ward, zu entfernen, iſt eine Frage der Zukunft. — Bor der Opiumpeſt wird das Land durch die Beitimmungen der

Traftate, offiziell wenigjtens, gefhüst.

Allerdings ıjt im

englifchen Vertrag der Handel nicht ausdrüdlich verboten, wohl aber die Einfuhr des Opiums nur zu medizinischen Ä Sweden erlaubt. Die Freunde des Dpiumhandels tröften

ſich damit, daß der Fall ein ganz anderer fei, als der, im welchem man fich China gegenüber befunden habe, wo der Gebraud des Opiums eine eingewurzelte Gewohnheit war und vo, wenn man morgen das fremde Opium aus: ſchließen wollte, nur die einheimifchen Anpflanzungen zu: nehmen würden. Bis jetzt jedoch ift der Gebrauch von Dpium in Korea unbefannt und e3 wäre zu bedauern, wenn die Bewohner dem Beifpiele der Chinefen folgen

würden, welche fich ficherlich in den offenen Häfen nieder lafjen werden, Vom Standpunkte der Einheimifchen aus darf man wohl

auch in anderer Sinficht daran zweifeln, daß der Verkehr mit Europäern und Amerifanern ihnen gerade zum Segen jereichen wird. Sehr lehrreich, wiewohl nicht gerade in Bezug auf Korea gefchrieben, ift ein Aufſatz des Herrn J. Dfada !, der fein Vaterland ſehr nachdrücklich verteidigt. Es fer ung erlaubt, einige Punkte zu berühren, die aud)

für andere Länder, in denen die Europäer ſich Eingang verschafft haben, gelten und leider gewiß auch jpäter eins mal für Korea Geltung haben werden. „Berne“, jagt ex, „würden wir die Fremden überall zulaffen, wenn wir uns nur gegen fie durch unfere eigenen Geſetze Schüßen könnten. Sollen wir das Pandämontum der Vertragshäfen auch in das Innere des Landes bringen? Nein, jagt die Preſſe. Wir Fremde find tugenphaft und ihr das Gegenteil. Doc bier haben wir glücklicherweiſe einen Gegenbeweis zur Hand. Die Japanefen in England beftehen aus einer nicht feßhaften Bevölkerung, Studenten,

Matroſen und ähnlichen Leuten, deren Zahl die der Angehörigen mancher fremden Nation in Japan bei weitem übertrifft.

Nun find folgende Fälle, in denen Japaneſen

beteiligt waren, in den letzten Jahren vor die Gerichte: höfe gebracht worden. Zivilvechtliche: Feine, friminale: keine, PBolizeivergeben: eins. Kann die englische Bevölkerung in Sapan auf ähnliche Zahlen hinweifen? Wir haben aud) Armut in unferem Lande, aber wir haben fein Outeast London. Miß Bird mwanderte auf unbetretenem Pfade,

um die Blöße unferes Landes auszufpähen, und ohne daß fie weſentliche Klagen vorzubringen hatte, welche nicht ihrer eigenen Neugier zugefchrieben tverden müßten.

Könnte

wohl ein japanifches Mädchen etwas ähnliches thun und Gegenden befuchen, in welche eure eigenen Varlaments: mitglieder fich nicht ohne den Schuß der Polizei zu bes geben wagen?“ Wir wollen e8 hierbei belafjen ; es find,

wie wir ſchon gefagt haben, bittere Wahrheiten, die aber den Lauf der Dinge nicht ändern werben.

A

a

Fuſan, einer der Vertragshäfen, tft den Japaneſen feit f dem jahre 1876 geöffnet und es hat fich dort feit der Zeit h

J

J

I Ein Silberyen ift 4,335, ein Goldyen 4,185 Mark.

! London and China Telegraph.

p. 110, Nr. 1066.

55

KRolontallitteratur.

eine kleine

gebildet.

japanefische Kolonie

von

etwa

2000 Seelen

Jetzt gibt es dort auch ein europätjches Perſonal

der Douang, viele Magazine und allerlei andere Einrichtungen. Die Japanefen zeigen, twie ein malitiöfer franzöft-

ſcher Bericht es ausprüdt, in der Kunft de rouler les indigenes diefelbe Geschicklichkeit, welche die Engländer in Indien beiviefen haben. Die foreanifche Stadt Fuſan liegt drei Meilen von der japanefischen Niederlaffung entfernt. Genſan (Wonfan) bat einen geräumigen Hafen, der aber feinen beſonderen Schuß gewährt; dur Fünftliche Ein-

richtungen jedoch fönnte er jehr brauchbar werden.

Der

oder beſitzen —

in den Verruf einer unpraktifchen, nebel-

haften Stannegießerei

geraten,

folange die große Frage

lautete: Soll Deutichland Kolonien haben? Wird es je mals welche haben? Solche Fragen find für jene Maffen, die nicht im jtande find, die Antwort ſich felbft auf den

Seiten des Buches der Gefchichte zu fuchen, niemals in überzeugender Weife vom Boden der Theorie aus zu beantworten. Entweder reift fich die Antwort aus den Dis: tuffionen langjam heraus, wobei der populäre Inſtinkt entjchetdender iſt als die jublimfte Spekulation, oder die Weltgefchichte ſchafft Thatjachen, welche nach dem Satze

dritte Hafen, Chimulpho, der Hafen von Senfchuan, Scheint

überzeugend wirken: Was iſt, das iſt auch vernünftig.

für die Schiffahrt manche Cchtvierigfeiten zu bieten. In dem

Wir können nun wohl mit einer gewiſſen Befriedigung ſagen, daß wir über dieſe erſte Frageſtellung hinaus ſind. Die Gegner der Kolonien im allgemeinen ſind nur noch Gegner beſtimmter Arten von Koloniſation, welche uns übrig bleiben, oder ſie halten den Zeitpunkt nicht für günſtig, kurz, ſie ſtellen ihre Bedingungen und wenn dieſe nicht erfüllt werden, wollen ſie auch keine Kolonien. Hätte aber Deutſchland ſeinen Attalus, der es zum Erben ein— ſetzte, und hätte dieſer der modernen Welt ein neues Nord— amerika oder auch nur ein Java oder Kuba zu vergeben, nicht viele von dieſen Gegnern würden wohl die Erbſchaft auszufchlagen wagen. Tröſtet ung nun diefer Forſchritt auch wenig darüber, daß er mit der Erkenntnis verfnupft it, e8 fehle uns etwas, das wir bejjer befähen, jo bringt er zunächit doch einmal den eriten Vorteil, die praktijche Disfuffion auf ein günftigeres Terrain zu leiten. Die theoretische VBorfrage kann für entjchieden gelten und der Boden tft damit geebnet für die praftischen Sragen, welche die Möglichkeiten und Ausfichten deutjcher Kolonifatton unter den Umständen, wie fie heute liegen, deren Verhältnis zu anderen nationalen Bedürfniffen und ihren etwaigen Erſatz durch anderweitige Methoden der twirtichaftlichen Ausnugung der fernen Länder behandeln. Damit hat die Koloniallitteratur in Deutjchland Impulſe erhalten, welche fie mit einemmale praktisch bedeutſam gemacht haben, twie noch nie, und ihr eine Stelle in jenen Litteratur— ziweigen anweiſen, an die man ſich wendet, um Belehrung über Salus publica zu gewinnen und welchen daher, ab: gefehen vom wiſſenſchaftlichen Wert, immer ein würdiger

oben ſchon erwähnten Blaubuch heißt es im diefer Be— ziebung: „Die Schivierigfeit, in Chimulpho zu landen und die Ladung auszufchiffen muß ein ernitliches Hindernis

für den Handel mit diefem Hafen bilden; denn als wir zurüdfehrten, fanden wir eine Wiederholung der Erjchein-

ungen, welche wir bei der Landung bemerkt und für außer: ‚gewöhnlich gehalten hatten. Die Folge hievon war, daf; e3 den Booten der Eingeborenen, welche Diener und Gepäd befürderten, nach drei Stunden harter Arbeit nicht glückte, den Dampfer zu erreichen, der doc) nur zwei Meilen

von der Küſte lag.” Nach anderen Nachrichten jedoch ſoll es möglich fein, auch hier Abhilfe zu treffen, jo daß man wohl annehmen darf, die Schiffahrt werde fich bei ihrem Verkehr mit den Vertragshäfen bald genügender Sicherheit erfreuen. Emil Metzger.

Koloniallitteratur. Der Trieb zu überſeeiſcher Bethätigung ſeiner Kräfte iſt wie ein glimmendes Feuer ſeit Jahrzehnten in der Tiefe des deutſchen Volkes vorhanden, wo er wohl lange ver— kannt werden konnte, aber nie ermangelt hat, ſich zur drohenden oder hoffnungverheißenden Flamme zu entfalten, ſobald ein nationaler Zug bis an den Herd gelangte, g wo un—

ter der Afche der wirklichen und eingebildeten Enttäufchungen diefe Funken glühten. Wenige jhäßten früher die Kraft dieſes Triebes; doch hat die Zahl derer, die vertrauensvoll feinem Wachstum entgegenfahen, ohne Zweifel zugenommen. Die Theoretifer haben bald Del, bald Waſſer in den Herd

Mat als Lehrmittel der Nation einzuräumen bleibt.

gegoſſen; wenn aber mwejentliche Veränderungen bier vor:

gebracht zu haben. Friedrich Fabri's: Bedarf Deutſch—

gegangen find, führen fie nicht jo jehr auf deren Dazwiſchen—

land der Kolonien? ift jüngſt in 2. Ausgabe bei Perthes in Gotha erfchtenen und verfpricht, baldigſt in bereicherter und eriveiterter Form zum dritten Male in die Arena zu treten. Präzis wie die Frageftellung find die Antworten,

funft, al3 auf belebende Einflüffe zurüd, die das Kraftgefühl

Bon

dauerndem Werte

erweiſt ſich noch immer dies

jenige Schrift diefer Literatur, welcher vor allem der Ruhm gebührt, die Kolonialfrage in der vechten Weife in Fluß

und damit den Unternehmungsgeijt der Nation im allge meinen mächtig hoben. Nicht ganz mit Unrecht war die deutjche Litteratur über die Kolonien, ſoweit fie nicht rein jtatiftifch oder hiftorifch — es iſt jehr bezeichnend, daß wir, das Nichtfolonialvolf, die beiten Werfe über die Kolonien an-

nicht als Hiſtoriker oder Geograph oder fonftiger Theoretiker an diefe Aufgabe heran, fondern als praktiſcher Mann.

derer Völker in Amerika, Aſien und Afrika befejjen haben

Es geht ein imponierender

*

welche diefe klaſſiſche Schrift erteilt.

Dev Verfafjer tritt

Zug von Staatsmannſchaft

976

Kolontallitteratur.

durch das ganze Werfchen, das wir allen jenen aufs Beite empfehlen fünnen, welche die Gründe pro Kolonien in ihrer bejten Bertretung fennen lernen möchten. Bejonders wohlthuend ift, daß bei aller Befonnenheit und allem Fern— bleiben von dem politiich manchmal doch verbugenden Enthufiasmus eines Hübbe-Schleiden die idealen, volks— erziehenden Momente der Kolonialpolitit ihre volle Würdig— ung finden. Jenen Barlamentariern, welche ihren politischen Dilettantismus mit Phraſen wie Kolonialſchwindel u. dgl. deden wollen, empfehlen wir dieſes Büchlein bejonders warm, freilich ohne die Hoffnung, daß ſie die Güte der Gründe desfelben anerfennen werden, fo lange fie nicht in das Fraftionsfredo mit aufgenommen find. In der Schrift: Die Kolonie in der Tagesdebatte und foloniale Vereinigungen. Einige Frageltel lungen. Berlin, Ferd. Dümmlers VBerlagsbudbandlung 1884. (596©.) fpricht ſich die weltweite Er: fahrung und wunderbare Belefenheit eines befannten Reiſen— den und Ethnographen aus. Zwar fehlt ihr die überfichtliche Klarheit, die an weite Kreife ſich wenden könnte; dafür birgt fie aber einen Reichtum an Gedanken, aus dem aud) der— jenige noch zu ſchöpfen vermag, welcher fein Neuling in diefer Frage ft. Wir glauben nicht irre zu gehen, wenn wir als Grundidee des Schriftchens die Ablehnung der ſtaatlichen Kolonifation als eine für unfere Zeit und Ver— hältniſſe nicht mehr paſſende Form der Teilnahme an der Weltwirtfchaft, und deren Erfaß durch die Proflamierung der Gleichberechtigung aller Mächte im Verkehr mit den außereuropätschen Yändern bezeichnen. Dies tft ein idealiſt— iücher Standpunft, der übrigens weder nebulos, noch unpraftifch vertreten wird. Mit ſcharfer Betonung ift auf die Notwendigkeit hingewieſen, Deutjchland feine Fontinentale Mactitellung unerfchüttert zu wahren und die klare Er— kenntnis feiner hieraus fließenden Kraft nicht Durch un: klare Jagd nach einem „Weltreiche” von übriggebliebenen Trümmern und Fetzen zu trüben. Welchen Einfluß Deutſch— land gerade daraus zu ziehen vermöge, daß es frei von der Zaft, der Verantwortung und dem Verdacht der Kolo— nien, wird in überzeugender Weife nachgewiefen. Unferer Meinung nad ift der Schwierigkeit nicht genügend Rech— nung getragen, gegen den geradezu fontinentalen Egois-

mus 3. B. der Vereinigten Staaten mit den Mitteln eines Landes wie Deutjchland anzukommen, und andererfeits ift der nationalpädagogiſche Einfluß des „Eingeſeſſenſeins“ auf fremdem Boden zu wenig gewürdigt. Aber eine wohl: thuende, edle Geſinnung trägt jeden Gedanken diejer Schrift, die wir daher nach Gedanken und Öefinnung allen Kolonial: politifern zur Würdigung empfohlen haben möchten. Nie viel, wie Elementares bier zu tbun war, zeigt das Buch: Deutfhe Kolonien. Ein Beitrag zur bejfjeren Kenntnis des Lebens und Wirfens uns: jerer Landsleute inanderen Erdteilen, von Karl Emil Jung. Xeipzig, ©. Freytag. Prag, 3. Tompsky.

1384.

(308 ©.)

Hier iſt zum erjtenmale

der Verſuch

gemacht, dem Leben und Wirken unjeres Bolfes in feinen vielfachen Beräftelungen bis in die entlegenjten und ferniten Teile der Erde nachzufpüren, die Zahl der deutſchen Anz

ſiedler in jedem außerdeutſchen Lande feitzuftellen, Maßitäbe für ihre Leistungen und ihre Bedeutung zu gewinnen. Das

Buch iſt ein eriter Anlauf zur Löſung der großen Auf gabe, welche in diefem Nahmen

umjchlofjen ift, und als

ſolcher vielfach fragmentarish.

Es hat Yüden, die fid

teilweie empfindlich geltend der und befonders die ung Belgien, die Niederlande, einen großen Teil Afrifas, bejtehen, Aſien, Sibirien

machen, indem e3 manche Län nähberliegenden, mie Frankreich, Italien ausſchließt, indem es wo wichtige deutjche Intereſſen nicht berüdfichtigt. Es geht

nicht ſyſtematiſch zu Werke, denn es vernachläffigt wichtige Punkte, die bier zu berückſichtigen geweſen wären, jo 3. B, den Anteil der Deutjchen am merifanifchen Bergbau oder

die Gefchichte deutſcher Kolonialanläufe in Yufatan.

Allein

es erhebt ja auch nicht den Anſpruch, ein volljländiges Nepertorium oder Nepofitorium der einfchlägigen Thate jachen zu fein, jondern iſt vielmehr, wie es fich ſelbſt

nennt, ein Beitrag, ein Anlauf und als folder ausgezeichnet‘ durch klare Ueberficht, intereffante Darftellung; es iſt nad) Stoff und Form eines der lesbarften, anztehendjten Bücher, welche uns im legten Jahr unter die Hände gefommen find, In der periodiſchen Yitteratur, welche im Dienjte der deutjchen Kolontalbeitrebungen, ihrer Klärung und Förderung ſteht, verdient das Organ des deutſchen Ko— lonialvereins in Frankfurt a. M. und jenes des Zentral vereins für Handelsgeographie und Förderung deutjcher

Snterefjen

im Ausland

allgemeine

Beachtung.

4

|

Ausge—

Iprochene Tendenz der „Deutfchen Kolonial-Zeitung“ it, beizutragen zur Verbreitung des Intereſſes für die folonialpolitiichen Aufgaben Deutjchlands, zur Förderung deutscher überjeeischer Unternehmungen von nationaler Be deutung, zur Kräftigung der geiftigen und wirtjchaftlichen Verbindung des Deutjchtums in allen Weltteilen mit dem Baterland. Obſchon erit zu Neujahr gegründet, bezeugen die bisher erjchtenenen 13 Hefte zur genüge, daß unter der Leitung Nichard Leſſar's diefe Zeitjchrift ihrer vielum— fafjenden Aufgabe gerecht wird. Wir heben eine beliebige Nummer heraus, 3. B. die neunte vom 1. Mai, welche unter anderem folgende Artikel bietet: Woher fommt Englands fommerzielles Uebergewicht? Die wirtjchaftliche Bedeutung HSentralafrifas und der Kampf um den Kongo. II, Briefe aus Teras. Aus Briefen deutfcher Seeleute nad) der

Heimat.

Die Kulturarbeit der Heidenmiffion.

Driginal-

berichte aus deutfchen Kolonien. Man fieht hieraus das Beitreben, die Kolonialfrage nad) allen Seiten theoretiſch zu erörtern und zu ihrer praftifchen Yöfung zu thun, was in diefem Wirkungskreiſe, bejonders durch originale Korz refpondenzen, immer möglich ift. — Der „Export“ ver: tritt in erfter Linie die Intereffen des deutfchen Ausfuhr: handels und vermittelt über die merfantilen Verhältniffe des Auslandes die für den deutfchen Handel und die

x

y

Kleinere Mitteilungen.

deutſche Induſtrie wichtigen Mitteilungen. Indes wird man kaum eine Nummer dieſer Wochenſchrift aus der Hand legen, in welcher nicht auch Berichte über die Lage unſerer Landsleute im Ausland, ihre koloniſatoriſchen

Beſtrebungen und Erfahrungen, ſowie den Wert der ein— zelnen Länder für deutſche Anſiedelungen enthalten wären. —

Seit

einigen Wochen

iſt als weiteres

nennenswertes

Organ ein Zentralblatt für die Intereſſen der Volkswirtſchaft unter der Parole „Beförderung und Wahrung

nationaler Arbeit” hinzugetreten.

Aufſätze, wie

die erjten Nummern fie gebracht haben: Ueber den Handel

377

| der rechten Hand lefen, wenn er Richard Napps bekanntes: „Die Argentinische Nepublif” (1876), welches die Negier: ung Argentiniens mit Hohdrud in ganz Europa verbreiten ließ (angeblic) ſoll Deutſchland 1000 Freteremplare er: balten haben), in der linfen hält. Letteres Werk iſt durch wertvolle Beiträge deutſcher Profeſſoren an der argentini— ſchen Univerfität Kordoba eines der belehrenditen Werke, die wir über irgend einen Teil Südamerikas bejigen; allein es trägt in den für die praktische Information des

Auswanderers

wichtigiten Kapiteln den Stempel des Op—

Die Schriften über Eolonifationsfäbige Länder müſſen ſtets mit großer Vorficht behandelt werden, da die Mo— tive ihrer Berfaffer nicht immer die veinften find. Glück—

timismus fo unverkennbar an der Stirne, daß es als vollfommen reine Quelle befonders jenen nicht empfohlen werden kann, welche von vorneherein ein Land mit Milch und Honig erwarten, fobald fie ihre alte Heimat verlafjen, und demnach, das Beite und Schönfte am leichtejten glauben. Segen folche Auffaffung find die Schilderungen, wie vor: liegendes Werkchen fie bringt, ein heilfames Antidot ;denn ſie verfchweigen offenbar nichts, was unangenehm wirken könnte, ziehen es vielleicht eher mit einer gewiſſen Gefliſſentlich— feit an's Licht. Dasfelbe macht aber durchaus den Eindruck, aus reicher Erfahrung eines befonnenen, abwägenden Beobachters hervorgegangen zu fein und gibt bejonders auch über Paraguay, welches in legter Zeit dem deutjchen Publikum öfters verzerrt vorgeführt worden, zahlreiche jachliche, maßvolle Daten. Wir möchten wünſchen, daß den deutfchen Intereſſenten über andere Gebiete Südamerikas cbenfo bertrauenswerte informationen geboten würden, wie diefes fehr empfehlenswerte Werkchen fie enthält.

licherweife fann die Marftjchreierei heute nicht mehr ganz

(Schluß folgt.)

zwischen Deutjchland und Spanien, Englands Eiſen- und

Baumwolleninduftrie,

Fernando

Po und der Golf von

Guinea, Portugal am Kongo, Unfere Halbjeideninduftrie, ſowie zahlreiche Kleine Mitteilungen zur Handelsgeographie und Handelzftatiftit geben diefer neuen Wochenſchrift ein

bejonderes Intereſſe für unfere die Wichtigkeit der auswär— tigen Handelsbeziehungen

immer

mehr

mürdigende Zeit.

Aehnlich wie England jetzt in feinem Organ der Handels: fammer-Vereinigung eine Zeitfehrift befißt, die handelsgeographifche Fragen mit befonderem Eifer pflegt, möchten wir, daß das „Zentralblatt“ fich zu einem, die handel:

und verfehrsgeographifchen Fragen

behandelnden Organe

entwidle. Neben Kolonialzeitung und Erport bleibt gerade für ein folhes Blatt Naum und Bedürfnis.

jo unbefangen ſich breit machen. Die Zeit kraſſer Un: wiſſenheit in geographifchen und wirtfchaftlichen Elementar: fragen, welche mit Auswanderung und Kolonifation zus fammenhängen, ift vorüber, Texas und die Moskitoküſte, Brafilien und Peru haben uns Deutſchen folonialpolitiiche

Lehren erteilt, die ſich nicht leicht vergeffen. Den Stil der Auswanderungsreflamen fennt man auf taufend Schritt, auch wenn twohlflingende Namen der deutjchen Yitteratur ſich zu denfelben hergeben. Auch bier hat fich ohne Frage

ein Fortfchritt vollzogen, deſſen erfreuliches Ergebnis ohne Zweifel darin zu fuchen ift, daß eine gute Litteratur aufgewachfen, welche die Kritik der fehlechten erleichtert und, hoffentlich, deren Abſatz erſchwert. K. Andres, Burmeister, N. Napp u. a. haben uns mit Schriften über Argentinien beſchenkt, die in verfchiedenen Ber ziehungen wertvoll find; fie haben aber, beſonders weil ſie auf eine frühere Zeit fich beziehen, noch nicht eine Schrift über: flüffig gemacht, wie fie uns vorliegt in Die Ta Plata— Länder, mit befonderer Berüdfihtigung ihrer

wirtfhaftlihen Verhältniffe, Viehzucht und Ko— lonifation und ihrer Bedeutung für deutfche Kapitaliften und Auswanderer. Von Karl Friedrich. 1884. 170 ©. Hamburg, 2. Friederichfen u. Komp. Diefes Buch follte der Auswanderungsluftige oder der Ge⸗

ſchäftsmann, der drüben Kapitalien anzulegen gedenkt, in

Kleinere Mitteilungen. Nenigfeiten vom Kongo.

Shavanne, am 5. Februar 1884 von Brüffel abgereift, Begleitung von Dr. Zintgraff am 23. April in Banana in ift eingetroffen und hat jofort in Boma feine fartographifchen Arbeiten in Angriff genommen: aſtronomiſche Ortsbeftimmung von Punta dieſen da Lenha und Boma und eine Triangulation zwiſchen Bivi; in April Ende ſeit ſich beiden Orten. — Stanley befindet er

leitet

die

Ueberfiedelung

der

Station

nad) einem

11/3 Km.

ng nördlicher gelegenen breiten ‘Plateau, welche die Erweiteru Yandungs dem mit Verkehr der Etabliffements ermöglichen und den lange Km. 2 eine wird Zweck letzterem zu platz erleichtern wird; Kongo Eiſenbahnſtrecke angelegt. — Die Erforſchung des mittleren der ng Verwaltu die und vom Pool bis zu den Stanfey- Fällen s Hanjjen Kapitän jett hat Stationen en auf diefer Linie gegründet und zwei Dampfern drei mit le Leopoldvil hat ev men; iibernom Guerin Booten verlaffen, in Begleitung von Courtois, Amelot, Mſuata In Bolobo. aus ift Bericht und Dreher (2); fein letzter ftlichſten traf er mit Brazza zuſammen und zwar in der freundſcha dt an ber und herzlichſten Weiſe (?). — Buonfanti ift in Audolffta Die Stationen der Inter— Mündung des Kuilu angefommen. von folgenden Belgiern Zeit zur find ft Gefelljha n nationale bejeßt: Am

Kongo:

in Boma:

Delcommune,

Marke,

Allard

Bivi: Noet, Cranshoff und Monet.

und Loens.

318 Am

Notizen. Kongo:

in JIſangila: Vandekherkhove und Defrere. Mukumbi Ngombi?): Casman. Feopoldville: Hanfjens, Decoene und Ban Heuvel. Bolobo:

Am

Kuilu:

*

den

Liebrecht.

Equator: Van Gele. Upoto (Stanley-Fälle?): Coquilhat und Courtois. in Rudolfſtadt: Harou, Weber und Waterinkx. Franktown: Legat. Stephanieville: Deſtrain. Nkula:

Jadin

und Huſſon.

An der Küſte: Maſſabe, Hodiſter und Mollmann. Auf der Kongoflottille befinden fih: Mandau, Delattre, Amelot und Guérin.

Den

Transport

des „Stanley“

von

Vivi bis zum

Pool leiten Valde und Deſtrain jun. — Aus diefer Lifte kann man deutlich erfennen, welch’ ein bevorzugtes Element das belgische in der „Internationalen“ Geſellſchaft bildet, da faft alle Stationen, und vor allem die wichtigften, dern Unterthanen des Königs der Belgier anvertraut find. Ueber die Seefifcherei an der Wejtfüfte Sidamerifas bringt der jüngft durch die Güte der U. S. Commission of Fisheries in unſere Hände gelangte Bericht diefer Kommiſſion (Washington 1882), ein außerordentlich) reiches Nepertorium ver neueften Forſchungen auf dem Gebiet der Fiſchzucht und des Fıldfanges, einige Mitteilungen nad Angabe des dänischen Kapitän 9. ©. Krunfe, welche wir im Auszug wiedergeben: Die Weftfüfte Sidamerifas ift außergewöhnlih fifchreih. Während die Süßwaſſergewäſſer größtenteils gar feine eigenen Fiſche beherbergen, ift der Reichtum

der Kiüften,

foweit

der falte Strom

fie berührt,

ein außerordentlicher und derjelbe jetst fih mit diefem Strom bis zu jenem Punkt fort, wo leßterer in der Galapagos-Gruppe fi verliert. Hering, Mafrele, Stockfiſch kommen im überraschender Menge vor und mitihrer Zahl wächft auch diejenige der von Filchen fih nährenden größeren Tiere, wie Seehunde, Seelöwen, Delphine, Haie. Die Salmoniden Nordamerikas fehlen, Flundern und Yale

find Dagegen Häufig. Der einheimische Naballo oder Korobina, ein bis SO Pfd. erreihender Seefiſch, erinnert einigermaßen an den nordiichen Lachs. Die Fiicherei ift hier faft ausſchließlich in ven Händen zweier Klaſſen: der Cholos genannten Mifchlinge von Spaniern und peruanifchen Indianern und der Ftaliener. Die Fiſcherei jener ift jehr primitiv. Sie gehen nicht weit von der Küſte weg, da fie bloß Heine Kähne befiten amd fischen faft nur mit Angel und Yeine, felten mit Kleinen Neben. Wo die Brand» ung heftig ift, und das ift fie an einem großen Teil diefer Küfte, gebrauchen fie Flöße (Balzas) von verſchiedener Konſtruktion: ein= fache Bretterflöße oder zwei aufgeblajfene Seehundsrümpfe mit einem dariiber befeftigten Brett oder endlich ein Nindenfloß, wie SchmweinfurtH es von den Schilluk abbildet, welche eS aus dem „Ambatſch“ genannten Schilfe des Nil herftellen. Letzteres kommt befonders häufig an der nordperuaniſchen Kifte zur Berwendung. Neben dieſer primitiven Fiſcherei ift wie der Italiener befonders in der Nähe größerer Städte

ein Großbetrieb

„Finniſche Litteraturgejellihaft” in Helfingfors, ſondern auch die ſchwediſch redenden Finnländer machen die größten Anftvengungen, um auf ihrem Sprachgebiete die Schätse des Bolfes an Liedern, Sagen, Märchen ꝛc. zu heben. So hat 5. B. Herr Wefvar jahre- ze lang zu diefem Zwecke unter den ſchwediſch vedenden Bauern Finnlands geweilt, und großes Verdienft im diefer Hinficht haben * | fi die Mitglieder der Studentenverbindung „Nyländingar” er worben, welche aljährlic in ihrem „Album“ diefe Unterfuhungen — veröffentlichen. B

und es fcheint, daß

letere in nicht ferner Zeit einen großen Zeil der Seefifcherei an diefer Küfte an fich reißen werben.

Aotizen. Europa. Erforfhung des Volkslebens in den ſchwediſchen Gebieten Finnlands Nicht nur die Finnen, boran die

*

=

e

a;



Trockenlegung des Zuyder-Sees. Bekanntlich waren in der legten Zeit die Pläne zur Trockenlegung des Zuyder-Sees in Holland wieder in den Bordergrund getreten und ein Mitglied Zr — u — der Generalftaaten hatte den Antrag geftellt, daß die Regierung veranlaßt werden folle, die Möglichkeit der Trodenlegung Des Zuyder- und Lauwer-Sees unterfuchen zu laſſen. Als dieſer Antrag zur Berhandlung fommen follte, wırde er durch eine ähn— ih Tautende Nefolution, die der Regierung dieſe Angelegenheit empfiehlt, evjegt. Da auch) letztere zurückgezogen wurde, ift diefe Sache wohl für längere Zeit definitiv begraben. E. M. Zunahme des Donau-Deltas. Die Ingenieure der europäiſchen Donaukommiſſion haben in jüngſter Zeit am Donau— Delta Meſſungen vorgenommen,

welche ergaben,

daß das Alluvium

des Stromes ſich ſeit den Aufnahmen von 1856 bis 1871 ſtellen— weiſe um 1 bis 2 m. ins Meer ausgedehnt hat. Die Verſand— ungen nehmen hauptjählih bei Otſchakow und an den Stariſtambuler Mindungen größere Dimenfionen au. In nenefter Zeit ift man in Rußland vielfac) beftrebt, auf die Belebung und Entwidelung des Handels in den nördlihen Zeilen des Neiches fördernd einzumirfen. Das Minifterium des Innern hat ein Projekt ausgearbeitet, in welchem es darauf aufmerffam macht, daß troß des rauhen Klimas, das in jenen Gegenden herrſcht, Winterroggen, Hafer, Flachs, Kartoffel, Kohl, Rüben u. ſ. w. mit Erfolg gebaut werden können. AS das geeignetfte Mittel, um diefe ausſchließlich im Befit der Krone befindlihen ungeheuren Flächen der Kultur entgegenzuführen, empfiehlt das Miniftertium, das Yand unter außerordentlich giftigen Be— dingungen zu verkaufen. Ferner wurde der Plan einer nördlichen Eifenbahn erwogen. Dana) foll eine Linie nah Archangelsk aus Wjatka bis Kotlas, etwas unterhalb Uftjug, gebaut werden. Die Entwidelung der Montan-$nduftrie Hat im ſüdweſthichen Rußland in der letzten Zeit jo bedeutende Fort: jhritte gemacht, Daß fih das Minifterium der Neihsdomänen entichloffen Hat, einen neuen, ſüdweſtlichen Bergwerkskreis zu er— richten. Zu demfelben werben, wie die „Nowoje Wr.” meldet, die Bergwerfe in den Gouvernements Tſchernigow, Kiew, Wolhynien, Podolien, Taurien, Cherſſon und Befjarabien gehören. Die erften drei ruſſiſchen Walfifhfang-Kompagnien au der Murman-Küſte erhielten in den lebten Tagen des April die faiferliche Beftätigung. Eine derjelben, die „Kompagnie Goebel“, welche den Hafen Jeretiki (690 n. Br.) fiir ihre Anlagen gewählt, ift bereits im Befite eines Walfangdampfers mit Harpunenfanone und begann ſchon ihre Thätigfeit. Die anderen beiden Geſell— ſchaften, „Kislakowski“ und „Graf Sheremetjew”, fehreiten jetst zu den Borarbeiten und können erſt im nächften Fahre ihre Schiffe auslaufen lafjen. Fir den Norden Rußlands ift die Betätigung diefer drei Kompagnien von hoher Wichtigkeit, da, wie das Beijpiel Finnmarkens zeigt, derartige Unternehmungen wefentlich zur Koloniſation des Landes beitragen. ER Einen Beitrag zur Pänifhen Kulturgefhichte gibt eine zu Ende des vorigen Jahres erjchienene dänische Biicherjtatiftit der Jahre 1869—1850. Nach ihr erjchienen in dieſen 12 Jahren etwa 10,900 Schriften. Davon waren Tageblätter ud Beitfchriften 463 (196 in Kopenhagen). Die poetifchen Arbeiten

Litteratur.

579 e

umfaſſen 2659 Nummern; davon gehören 1403 zur Nomanfitteratur. Die ſchönen Künfte und Wiffenfchaften find durch 314 Arbeiten vertreten, Auf Geſchichte und Topographie entfallen 1869 Werke; die Theologie zählt 1300, die Philofophie und Moral 112, die Pädagogik 545, die Litteraturgefchichte 176, die Rechtslehre 379, die Politif und Staatswifienichaft 243 Schriften. Endlich behandeln 326 Arbeiten Arzneiwifienschaft, 313 Mathematif und Phyſik, 239 Naturgejchichte, 141 Geographie, 120 Handelswifjenjchaft, 155 Handwerk und Kunft, 123 Landwirtichaft, 129 Viehzucht, 50 Gartenbau, 22 Forftwirtichaft, 14 Fifcherei 6 Jagd. Ein jehr üppiger Artifel auf dem Buchmarkt find Die Schulbücher, an deren Herausgabe ſich Berufene und Unberufene wagen. Die Produktion dieſes Artitels ift leider auch bier zu einem großen Teil Induſtrie. Rübenzuckerproduktion. Nach der Zeitjchrift der franzöſiſchen Zucerfabrifanten find im vorigen Jahr in Europa 1,920,000 Iunnen Nübenzuder produziert worden, alſo 137,500 Tonnen mehr al3 im vorvorigen Jahr. Deutjchland hatte den größten Anteil, 675,000 Tonnen, daranf folgt Defterreich-Ungarn mit 450,000, Frankreich mit 411,000, Ruſſiſch-Polen mit 275,000 Tonnen. Die ſchwediſche Handelsflotte umfaßte Ende 1880 insgeſamt 4333 Schiffe von 542,642 Tonnen; darunter befanden fich 752 Dampfer mit 51,049 Tonnen und 3581 Segelſchiffe mit 461,593 Tonnen. In ausländischer Fahrt wurden 2133 Schiffe (165 Dampfer) von 455,631 Tonnen verwendet. Im Vergleich zum Borjahre vermehrte ſich die Flotte um 31 Fahrzeuge mit 11,839 Tonnen.

Verbreitung fand die im drei Auflagen erſchienene Reiſekarte der Schweiz umd die Karte der ſchweizeriſchen Gewerbsthätigkeit. Das letzte Werk Zieglers war: „Ein geographiſcher Text zum geolog— iſchen Karte der Erde“ (don Marcou). Es war dem 80jährigen Autor vergönnt, ſein Werk, die Frucht langjähriger Studien, an der er mit wahrem Vergnügen arbeitete, vollendet der Preſſe über— geben zu können, vor ſeinem nahen Ende den letzten Druckbogen noch zu überblicken und den Atlas im Stich fertig zu wiffen. Was Humboldt als Vertreter der Naturwiſſenſchaften fir Deutjchland war,

Das Leben des Geographen Dr. Jakob Melchior Ziegler. Nach handſchriftlichen Quellen. Ein Denkmal der Freund— ihaft von Dr. ©. Geilfus, Altreftor der höheren Stadtjchulen und Mitglied der allgemeinen gejchichtsforihenden Geſellſchaft der Schweiz. Mit dem Bildniffe Zieglers. Winterthur. Kommiffionsverlag von J. Weftfehling. 18854. Die Schrift zerfällt in zehn Kapitel: 1) Einleitung, der Schauplaß. 2) Jugend» und Studienjahre. 3) Reife durch Deutſchland. 4) Ziegler als Yehrer. 5) Ziegler, der Kunſtfreund. 6) Ziegler und die jchweizeriichen Eifenbahnen. 7) Ziegler als Biirger. 8) Die fartographifche Anftalt und Zieglers Leiftungen durch diejelbe. 9) Perjünliches. 10) Anhang, und zwar 1. Chronologiſche Weberfiht der Arbeiten Zieglers. 2. Ehvenbezeigungen. 3. Briefe, zum Teil Belege zu einzelnen Stellen des Textes und 4. Alpfahrten eines alten Mannes, — Diefer reiche Inhalt zeigt Schon, daß ſich der Berfaffer eine gründliche Arbeit zum Ziele gejetst hat. Dieſes Ziel ift in einer wahrhaft liebevollen Lebensjchilderung erreicht, Durch die der Verfaſſer ſich felbft ein Denkmal gejchaffen. Fir die Kenner der umfangreichen Leiftungen Ziegler auf den Gebieten der Geographie, der Kartographie und der Geodäſie ift das Werk vor bejonderem Intereſſe, indem jeine vortrefflihen Kartenwerke, aus der Anftalt von Wurfter, Randegger u. Co. hervorgegangen, mit Sachkenntnis beſprochen werden.

Wir erinnern

nur

an die Farbendrucke der Dufourkarte,

an den allgemeinen Atlas iiber alle Teile der Erde, die topographiiche Karte von St. Gallen und Appenzell und die Karte von Madeira,

welche glänzende Studie

ihre Neflere auf die dann

ausgeführte Karte von Glarus wirft. Bon befonderer Bedeutung ift die topographifche Karte des Engadin, eine nahezu 2Ojährige Arbeit; fie zeigt einen weſentlichen Fortichritt der Ziegler'ſchen Methode durch Einführung des geologischen Elementes. Weite

das war

Hiegler für fein Vaterland,

die Schweiz.

Er

war befähigt und daher berechtigt, den kühnen Berfuch einer geograph— iſchen Chronologie der Erdoberflächenbildung zu wagen. Heer hat Ziegler dadurch gewürdigt, daß er eine foſſile Palmenart der Tertiär— zeit Sabal Ziegleri benannte. Auf der Karte von Oſt-Spitzbergen, welche die Heuglin-Zeil'ſche Nordpolarreife illuftriert, trägt eine Inſel Hieglers Namen, Die der Schrift beigegebenen Briefe von Nitter, Eſcher v. d. Yinth, dv. Buch, v. Humboldt, de Santarem, v. Roon, Yyell, Betermann

u. a. find von höchſtem Intereſſe,

nicht minder

die wertpollen Mitteilungen des Herrn Caviezel in Sils-Maria, des langjährigen Freundes und Begleiters Zieglers, des plemyratrifchen Beobadters des Silfer-Sees und Verdeutſchers der romanischen Namen anf der Engadiner Karte. Herr Caviezel befchreibt des alten Mannes Alpfahrteı. Eruft Fischer. Bejhreibung eines Telluriums, fonftwniert von Dr. Wilhelm Schmidt, Profeffor am f. k. Gymnaſinm in Wien, IV, Bezirk. Wien, Eduard Hölzel. Während das Mang'ſche Tellurium bereits auf den Frankfurter Geographentag vorgezeigt wurde und das Intereſſe aller Bejchauer erregte, zog in Miinchen aud) der Schmidt’sche Apparat, von dem munmmehr eine detaillierte Beihreibung vorliegt, die Aufmerkſamkeit der Fachmänner auf fi). Herr Schmidt hatte früher ſchon in einem fehr intereffanten Pro— gramme

Jitteratur.

e

des Grazer Gymnaſiums,

welhem

er damals

als Lehrer

angehörte, fich über die Mittel und Wege verbreitet, deren jich die Pädagogik der aftronomischen Geographie zu bedienen hat und jeine nunmehrige Veröffentlihung Liefert den Beweis dafür, daß er inzwifchen rüſtig weiter gearbeitet. Das Hauptaugenmerk des Autors ging dahin, die Revolution der Erde um die Sonne und zugleich) die Arendrehung der erfteren gleichzeitig zur An— ſchanung zu bringen und dies ift ihm auch durch eine fehr ein— fahe Vorrichtung jo gut gelungen, daß ohne Schwierigfeit dem Erdglobus auch eine Drehbewegung im entgegengejeßtem Sinne erteilt werden Fanı. Der Aequator wird horizontal, die Efliptif alfo entjprechend chief eingeftellt. Sehr nett ift auch ein Kleiner Hilfsapparat angebracht, vermittelt dejjen die Beſonnung der Erde durch den Zentralförper und deren mit den Jahreszeiten wechjelide Intenſität zur unmittelbaren Anſchanung gebracht werden kann. So ift es z. B. auch möglich, zu zeigen, wie eine Gebirgskette je nach ihrer Streihungsrihtung, ihren Böſchungs— verhältniffen und ihrer geographifchen Breite von den Sonnen— ftrahlen getroffen wird. Der Apparat trägt einen ımiverjalen Charakter; der Unterſchied zwischen wahrer und mittlerer Zeit, das Vorrücken der Nachtgleichenpunfte md andere aftronomijche Fafta lafjen fi) an ihm ad oculos demonftrieren, ohne daß dod) von einer befonderen Komplifation im der Anordnung der einzelnen Beftandteile die Nede fein könnte. Genauer die VBerbindungsmechanismen zu Feunzeichnen, find wir ohne Hinweis auf Figuren ſelbſtverſtändlich nicht in der Lage; doc) könnte eine folche Detailharafteriftif auch nicht Zweck diefer Anzeige fein, welche fi) vielmehr bloß darauf befchränfen joll, Geographen und Lehrer auf das Schmidt'ſche Schriftchen und noch mehr auf das Tellurium ſelbſt hinzuweiſen, von welch' letzterem nur noch bemerkt ſein möge, daß ſeine Anfertigung ſowohl durch deutſche wie durch öſterreichiſche Patentierung geſchützt iſt. S. Günther. Ansbach.



>80



ri

Te

ee

Fitteratur.

Das zerlegbare Tellurium-Lunarium als Grund— lage eines aufbanenden, zerlegend -entwidelnden Unterrichtes im der aftronomifchen Geographie. Bon Adolf Mang, Lehrer für Naturwiſſenſchaften an der höheren Mädchenjchule zu Baden-Baden, Zweite, jehr verbefferte Auflage. Mit einer Figurentafel. Wein heim. Berlag von Fr. Adermanı. 1885. 41©&. Während das Schmidt'ſche Tellurium erft feit verhältwismäßig kurzer Zeit zum Kenntnis weiterer Kreife gelangt ift, Hat der Mang'ſche Apparat bereit3 eine Ältere Gejchichte, und zwar ift derfelbe ſowohl auf der

ung in trenherzigem Ton Natur und Bolf des äußerften Nordens von Enboea vor. E3 find Skizzen von hellenifchen Dorfgefchichten, welche fih durch die warme Betrachtung dieſes altberühmten

Badener

Samoa one hundred years ago, by G. Turner, L. L.D. Prefaced by E. B. Taylor, F. R. S. London. Das intereffante

Naturforfcherverfammlung,

dritten und minder

vierten

1879,

Geographentage

wurde desfelben

als

auch

vorgezeigt

auf

worden.

anerkennend gedacht in dem

dem

Nicht

von Profeffor

Krumme in Halle gehaltenen Vortrage über die Lehrmittel der aftromomifchen Geographie. In vorliegendem Schriftchen gibt der Verfaſſer nicht allein eine ausführlihe Beſchreibung der von ihm erfonnenen Vorrichtungen, jondern er weift auch auf einige au— dere Demonftrationen

Hin, welche beim

geographifchen

Unterrichte

namentlich dann Verwendung finden können, wenn der LXehrer nicht zugleich über ein gut eingerichtetes phyſikaliſches Kabinet zu verfügen hat, wie 3. B. beim Nachweis der Erdabplattung. Was nun das Tellurium, felbft anlangt, jo befteht dieſes hauptſächlich aus einem gut gearbeiteten und geteilten Globus, der iiber einer gleichfalls geteilten Kreisſcheibe befeftigt ift, jo jedoch, daß die nad) beiden

Seiten

bheranstretende

Winkel von 66 90 bildet. ift auch

die

Erdaxe

mit

jener

Scheibe

Durch einen Quadranten

kleine Mondkugel

feft mit

vermag,

ift einleuchtend,

und

fih auf

es muß

anerfennend

dieſer ſehr deutlich Kern-

Stelle, welche der Schiller während

her=

und Halb:

eines Mondumlaufes

iharf zu beobachten angewiejen wird, damit er fich jo überzeugen ferne, daß, was noch hochgeftellte Mathematiker zu Anfang des

vorigen Jahrhunderts nicht zu begreifen vermocdhten, für einen fjupponierten Mondbewohner „Tag“ und „Jahr“ vollftändig gleichwertige

Begriffe

ſein

Details

namhaft

zu machen,

müſſen. — Es deren

in ein jo wenig gefanntes Volks—

hat, empfehlen.

Herr Boltz hat es trefflich verſtanden,

die „ſorgloſe,

frohe Art des Erzählens“ im Orginale auch in ſeine Ueberſetzung herüberzunehmen.

Werk

befpriht

die

umter

den

Eingeborenen

von

Samoa

beftan-

denen md zum Zeil auch noch beftehenden Sitten und Gebräude, jowie ihre veligiöfen Auſchauungen. Da dieſe bald nur noch traditionell jein werden, jo wird dies Werk für fpätere Hiftoriker und Ethnologen einen jehr Hohen Wert habeır. Rühmend wird die Liebe und die Pflege

geborenen wenden. Weißen

hervorgehoben,

welche die Samoa-Ein-

den ihrigen bei Krankheiten und im hohen After zuMit Erftaunen, heißt es, fragen fie, wenn fie einen N

in folder Lage vernadhläffigt

finden:

Wo

find denn

jeine

Freunde?

Anzeigen.

der Scheibe verbunden,

hatten, und ebenſo kann man beide Gattungen von Finfterniffen unmittelbar vor Augen führen. An dem Monde befindet fich eine gefärbte

die tiefen Blide

einen

vorgehoben werden, daß die Regelung der Umdrehung aller in Frage kommenden Weltförper durch Schnurläufe mit großer Sicherheit und, was in der Yehrpraris hoch anzufchlagen, Ge— räufchlofigfeit vor fih geht. Stellt man auf derjenigen Seite der Erdfugel, welche der künſtlichen Sonne abgewendet ift, dem Strahlenbiindel eine mit weißem ‘Papier überzogene Tafel in dei Weg, jo markieren

und

leben, in dem noch viel Eigenartiges aus uralter Zeit in Sitten, Gebräuchen, Trachten, Anſchauungen und Sprache ſich erhalten

aus Draht

Als Sonne dient eine Lichtflamme, hinter welcher eine Neverbere jo aufgeftellt ift, daß ein Strahlenbündel von nicht jehr großer Konvergenz auf die Erde fällt. Wie man auf diefe Weije den Wechſel der Fahreszeiten, den Umlauf und die Phajen des Mondes und eine Anzahl anderer hierhergehöriger Erſcheinungen zu verfinnfihen

Bodens

noch

mannigfache

Berüdfichtigung

wären

bei der Lek—

türe des Mang'ſchen Schrifihens dem Schulmann anzuempfehlen wäre; indes dürfte das Geſagte genügen, um von neuem auf Apparat und Bejchreibung aufmerkffam zu machen. Eine bes ftimmte Wahl zwiſchen Mang und Schmidt möchten wir nicht treffen. Beide Majchinen haben ihre individuellen Borziige und die Individualität deffen, der mit einer derſelben praktiſch-didaktiſche Verſuche anzuſtellen gedenkt, wird bei der Entſcheidung Doch immer den Ausschlag geben. Ansbach. S. Günther. Ländliche Briefe von Georgios Drofinis. Land und Leute in Nord-Euboea. Deutſche autorifierte Ueber— jeßung von Auguft Bolt. Leipzig. Berlag von Wilhelm Friedrich. XU und 180 ©. Zehn anmutige Einzeljchilderungen führen

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wiſſenſchaftliche und handelspolitiihe fäße ꝛe. ꝛe. in Nr. 188 bis 194.

Auf:

Staatsratb und Bundesrat), — Die Aufgaben der Conferenz. (I/II) — Das oſtaſiatiſche Algier. Die rumänische Verfafjungsrevifion. (III) — Die Reife des Fürſten Dondukow-Korſakow nah Merw. — Neucalevonien und Auftralien. Die Bücher des Grafen von Paris. (11.) — Aus und über Dalmatien, Bon F. dv. Krones. — Ueber die Zukunft unjeres Volkes in Amerita. — Studien» blätter aus Iſtrien uud Friaul. Von 9. Node. (X) — J. M. Ziegler, der Geograph. Bon E. Fiſcher. (HIT) — Mue Erzählungen von Karl Frenzel. — Neue ſtaatswiſſenſchaftliche Literatur. — Th. Meynert: „Pſychiatrie“. (IL) — Zur neuejten deutſchen Grzählungsliteratur. Bon Fr. Munder. (IV.) — Ein englijcher Publiciſt über die Congo Frage. — Atjeh. Von E. Mebger. — Ins Morgenland. Bon X. Steub. (X.) — Nochmals die Arkaden Frage, (Zugleid) ein Beitrag zur Geſchichte der Wandntalerei.) Bon U. Keim. Der Geſchäftsſteuerentwurf — eine Mahnung an den Handelsjtand.

Aufträge

für Streifbandfendungen

an die

Grpedition in Münden.

Drud und Berlag der J. ©. Cotta'ſchen Buchhandlung in München und Stuttgart,

Mar Juslaud.

|

Wodenfhrift für Länder: und Dölkerkunde, unter Mitwirkung von Profefjor Dr. Friedrich Nagel und anderen Fachmännern herausgegeben von der

3. 6. Cotta'ſchen Buchhandlung in Htuttgart und München. Siebenundfünfzigiter Jahrgang.

Ar. 50.

Münden, 23. Yuli.

1884.

Preis pro Quartal M. 7. — Zu beziehen durch alle Buchhandlungen des In- und Auslandes und die PoftJährlich 52 Nummern A 20 Seiten in Quart. ämter. — Rezenfiona-Gremplare von Werken der einſchlägigen Litteratur find direft an Heren Profefjor Dr. Friedrich Natel in Münden, Akademieſtraße Nr. 5, zu jenden. — Injerationspreis 20 Pf. für die geipaltene Zeile in Petit.

Bon Albert ©. Gatſchet in Wafhington. S. 581. — Inhalt: 1. Die Schetimafha-gndianer im füdlihen Luiſiana. 2. Auftraliiche Eifenbahnprojefte. Bon Dr. Emil Jung. ©. 559. — 3. Politiſch- und wirtſchaftsgeographiſche Rückblicke. VII. Die Tätigkeit Brazza's 1883/1884. 5.591. — 4. Ethnologisches und Linguiftifches aus Dagheftan. Von Profeffor Dr. Arzruni. S. 592. — Entwaldung und ©. 595. — 6. Kleinere Mitteilungen: ©. DIT. Nenigkeiten vom Kongo. 5. Die Metalle bei den Naturvölkern. Bewaldung in den englischen Kolonien. Ueber den Berfall des manriihen Kunftgewerbes md Handwerks. — 7. Notizen: ©. 59. Afrika. Polarregionen. — 8. Korrefpondenz: ©. 600. Ständige Mitglieder des Deutſchen Geographentages. —

Die Schetimaſcha-Indianer im ſüdlichen Luiſtang. Von Albert S. Gatſchet in Waſhington.

Im Jahre 1881 ließ die Bundesregierung der Ver— einigten Staaten einen Zenſus der Indianerbevölkerung aufnehmen, der ſich durch größere Genauigkeit und Spezi—

aliſierung der Daten vor lic) unterfcheidet. Für derfelbe eine Kopfzahl Mehrzahl derjelben zu

den den von der

früheren Zählungen weſent— Staat Luifiana verzeichnet etwa 800; doc gehört die Mifchlingsraffe Viele von

ihnen thun ihre indianische Abkunft nur

noch durch den

Gebrauch einer der dortigen Indianerſprachen fund, jehen aus wie Kreolen und halten fich meift in den fühlichen, von franzöfilchen Kreolen beivohnten Yandftrichen auf, vorzugsweiſe im Inneren der Wälder, die noch große Streden

des Staates bededen. Neifende fünnen Monate lang dieſes ausgedehnte Gebiet durchziehen, ohne der Erijtenz diejer

einigten Staaten (1803) Luifiana einen viel größeren Komplex

mit Mühe davon zu überzeugen, dab

bezeichnete. ES umfaßte nämlich außer dem von Spanien befegten Territorium (Oberfalifornien, Arizona, Neu Mexiko,

eine Anzahl Indianer, wie die obige, darin wohnen joll. Dieje Heiden fich faft ohne Ausnahme wie die Weißen

und jprechen zum Teil englifch, doch zumeift das kreoliſch— franzöſiſche Patois. Einen ganz verſchiedenen Anblick bot das Gebiet des heutigen Luiſiana vor etwa 150 Jahren dar. Nehmen Ausland

den Franzoſen verhaßt waren. Engliſche und franzöſiſche Schriftſteller und Chroniſten aus jener Zeit berichten über eine Menge von Stämmen, welche das heute Luifiana genannte Gebiet bewohnten. Wir bemerken indes gleich hier, daß bis zur Abtretung der dortigen franzöfischen Kolonien durch Napoleon I. an die Ver—

Selbſt langjährige Be-

Menfchenrafje gewahr zu werden.

wohner find nur

wir die Uferſtriche des Miſſiſſippi und Redriver, wo Plan— tagen der Koloniſten und einige Forts gelegen waren, aus, ſo herrſchte der rote Mann noch unumſchränkt in Wald und Feld, im Inneren und an der Meeresküſte. Doch ſchon damals ſuchte derſelbe offene Konflikte mit den Spaniern, den Franzoſen und Engländern, welch' letztere ſich unter den Chikaſa-Indianern feſtzuſetzen ſuchten, zu vermeiden. Untereinander bekriegten ſie ſich fortwährend und die händelſüchtigſten unter ihnen mögen wohl die Chä'hta geweſen fein, die ſich auf beiden Seiten des Miſ⸗ ſiſſippi aufhielten, und durch ihre Treuloſigkeit auch bei

1884, Nr. 30.

Teras, Nevada, Utah, halb Kolorado) alles zwiſchen dem Miffiffippi und dem Stillen Ozean liegende Land. Soweit uns die Sprachen diefer ſüdlichen Stämme befannt geworben find, können wir fie in folgende Sprach— ſtämme einteilen: 85

582

Die Schetimaſcha-Indianer im ſüdlichen Luiſiana.

Ad

Adaye, bei Port Adaye am mittleren Nebriver, das von Spaniern befegt war. Ein fleiner Stamm, jetzt wohl ganz erlofchen, von dem uns ein dürftiges Vokabular aus dem Sahre 1802 erhalten ift. Kaddoftämme waren die am mittleren Nedriver ans ſäſſigen Natchitſche-, Jätafliz, Ayonai- und Kaddo-Indianer; ihre Sprache bildet einen Zweig des großen Päniſprach— ſtammes. Atäkapa, eine Chä'hta-Benennung für „Menſchen— freſſer“, waren Leute von hoher Geſtalt, welche ſich um Ope— louſas, Vermilionville und am Vermilionfluſſe aufhielten, neuerdings jedoch weiter weſtlich gezogen ſein ſollen. Schetimaſcha. Ihre Hauptſitze lagen rings um den Grand Lake und an einigen Punkten des Miſſiſſippideltas. Taenfa. Dialekte diefes Sprachitammes wurden zwijchen Vicksburg und dem heutigen Natchez gefprochen, und zivar

auf beiden Seiten des Miſſiſſippi.

Die neulich aufgefun:

dene, in Paris bei Maifonneuve u. Komp. (1882) ver öffentlichte Grammatik gibt Andeutungen über einen nörd— lichen Dialekt. Näktche. Die Anfiedelungen diefes Bolfes lagen zwar auf der Dftfeite des Miſſiſſippi, 5 bis 10 englische Meilen ſüdlich und ſüdöſtlich der Stadt Natchez; doch flüchteten fh diefe Indianer nad) dem Angriffe der Franzofen von

Mastöfiftamme,

das Dftufer des großen Stromes befekt,

Durch ihre fteten Verbindungen mit den Anwohnern des vielfprachigen Flufjes errang fih ihre Sprache, welche dem

Chä'hta nahe verwandt ift, eine derartige Verbreitung, daß fie als die Handelsſprache am ganzen unteren Miſſiſ— fippi galt. Diefer Fluß hieß denn auch bei ihnen Malbantchia, Maleväntcha, Balbänſcha: zufammengezogen aus bälbaha änsha: „mo unverjtändlich gejprochen wird”, 1

Diefe Benennung iſt Später auf die Stadt New-Orleans übergegangen, auf welche fie ebenfogut paßt. Die Chahta nennen jeßt den Miffiffippi Ukua hena, abgekürzt Kud-

hena, d. h. Waiferitraße. Es liegt zwar. nicht in meiner Abficht, die reiche, ſub— tropifche Natur, die ſtaunenswerten Baumriefen, die Mannigfaltigfeit und Farbenpracht der fürlichen Tierwelt und Flora zu Schildern, welche den Wanderer in diefem reichen Golfitaate zur Bewunderung hinreigen. Dagegen find einige Punkte der Topographie der Erläuterung -

bedürftig, namentlich ſoweit diefe die Gegend betreffen, welche die Heimat des Stammes bildet, der uns jebt

beichäftigt.

|

Nachdem der Miffiffippt an den lebten höheren Ufer bügeln vorbeigefloffen ift und fich mit dem Nedriver vereinigt hat, beginnt in der ganz flachgeivordenen Gegend

1730 teilweiſe auf das hier in Nede ftehende Gebiet. Tunika. Früher am Miffisfippi oberhalb New-Orleans gefprochen, jeßt in der Nähe von Lake Charles. Es tft

die Bildung feines Deltas.

nicht ganz ficher, jedoch wahrscheinlich, daß dieſe Sprache

Nebengewäſſern

eine eigene Spracdfamilie

bayuk, welches einen kleineren Fluß bedeutet. Der erſte und — zugleich waſſerreichſte Seitenkanal heißt Bayou Atchafaläya,

bildet.

leider nicht vor. Mastöh. Die Mehrzahl

Ein Vokabular

liegt

der luifianischen Indianer

gehört denjenigen Stämmen an, welche Masköft-Dialefte jprechen; bald nennen ſie ji) Biloxi, bald Chä’hta oder Alıbamu. Die Bilort am unteren Nedriver, ſowie die SO bis 90 Indianer nördlich vom Pontſchartrainſee fprechen den Cha’htasDialeft, welcher im Staate Miffiffippi gehört wird und der nur venig von dem Ghä’hta des Indianer: territortums abweicht. DBermutli haben aucd die ver: ſchwundenen Quinipifjar, Paskagüla-, Tchupitüla- und

Dpelüfa= Indianer Mastöhr- Dialekte

gefprochen.

Die

Cha’hta zeigen meist eine furze, gedrungene Statur, mit unjchönen Gefichtszügen, während ihre Nachbarn, die Creeks, die einſt Alabama und einen Teil Georgias bewohnten, große, ſtämmige Menfchen mit kräftigen Gliedmaſſen find. (Siehe unten: Chikaſa.) Es iſt möglich, daß einft auch Abteilungen des ın nördlichen Gegenden hauſenden Dafotaftammes fich in den oberen Teilen des heutigen Luiſiana aufgehalten haben. Denn die Käppa, Duappa oder Ugäypa, wie fie felbit fich nennen, jagen an dem Zuſammenfluſſe des Arkanſas mit dem Miſſiſſippi, ſowie in der Nähe diefes Punktes, welcher

Die Gewäſſer zweigen fi

mit einer unbedeutenden Ausnahme alle nach dem rechten ° oder weſtlichen Ufer ab, und dieſe Seitenfanäle nebſt ihren J.

heißen Bayou,

nach dem

d. h. langer Fluß, weiter unten Grandriver.

Chä'htaworte

Er verbindet

ſich mit mehreren, ihn quer durchſetzenden Seitenkanälen (Bayou Plaquemine, Bayou Chène, Bayou Pigeon), durch— fließt den Grand Lake an feinem ſüdöſtlichen Ende und verläßt ihn wieder, um nad) furzem Laufe den Golf von Mexiko zu erreichen. In neuerer Zeit find die Gewäſſer diefes Bayou jo tief und reißend geivorden, daß man fürchtet, die Hauptmafje der Miffiffippifluten möchte ſich

in denfelben ergießen und fo einen weit fürzeren Meg zum Meere finden, als dies bisher durch die zahllofen - Windungen des Flufjes der Fall geweſen.

des Nedriver

iſt zugleich

welches

Teil feiner Waffermenge

einen

der Ursprung

Die Mündung

diefes Bayou, von ihm erhält.

Am Ursprung des Atchafalaya maß man an einer Stelle vor 38 Jahren zwei e, Fuß Tiefe und jet beträgt fie da— jelbjt nicht weniger als 122 Auf. Die mittlere Tiefe des unteren Miſſiſſippi iſt Freilich ebenfo bedeutend und fein Lauf ein ſehr raſcher.

Der Bayou Teche, ſprich Teſch, iſt ein Gewäſſer von mäßiger Breite, das bei Opelouſas entſpringt, dem Weſt— ufer des Grand Lake entlang fließt und in den unterſten

in direkter Linie höchſtens 50 e. MI. von der heutigen Yandesgrenze entfernt iſt. In derjelben Gegend, jogar noch viel meiter nach Norden, hielten die Chifafa, vom

0. pag. 47,

Byington, Choctaw Grammar,

ed, Brinton (1870,—

Die Schetimaſcha-Indianer im fitdlichen Luiſiana.

Teil diefes Sees bei Morgan City, früher Brafhear City, mündet. Der Bayou Lafourche trennt ſich bei Donaldfonville vom Miffiffippi ab und durchfließt in ſüdöſtlicher Nichtung wenig bewohnte Sumpfgegenden, um fich unter 130 10° w. L. v. Gr. in den Golf zu ergießen. Die Ufer diefer Bayous find meist mit Vegetation dicht beitanden und ihre Gewäſſer von Alligatoren, Haten und Schwwertfiichen bevölfert. Als Handelsitraßen find fie don großem Nuten und die Dampfjchiffahrt auf denfelben wird noch lange erfolgreich mit den eben erſt entitebenden Eijenbahnlinien und ihrem teuren Transport rivalifieren

können. Die Hauptprodufte des Landes, Zuder und Baum: wolle, werden fajt ausschließlich mittelft Bayoudampfer nad) New-Orleans verſchifft. Grand Lake, früher auch Lac des Chetimachas

nannt,

ge—

iſt ein ſeichtes Becken von etwa 35 e. MI. Länge

und an einzelnen Stellen beiläufig 8 m. breit. Nur dort, wo eine Strömung des ablaufenden Waſſers ſich fühlbar macht, überſteigt die Tiefe dieſes Sees 7 bis 8 Fuß. Er läuft in mehrere Seitenbaſſins aus, wie Lac de la Fausse ointe, Lac Chicot (chicot, im Krevlifchen: alter Baum:

runf), Lae des Paloudes (paloude, im Streolifchen: Art großer Mollusfen), welche alle einen reichen Fischfang ge: währen und mit einer üppigen Ufervegetation, namentlich

von immergrünen Eichen, ausgeftattet find. Auf die fommerzielle Wichtigkeit diefes Sees als Fahrſtraße und den Wert der dort wachfenden Hölzer hat bereits der franzöfische Reiſende Charlevoix in feinem Journal de Voyage (um 1720) mit Necht aufmerkfam gemacht, und jet werben dort namentlich die großen Zypreſſenſtämme aus den Sümpfen

geholt und erportiert. Die Ufer diefes Sees bilden die alte Heimat des Stammes der Schetimafcha, ſoweit deſſen Geſchichte zurück— reicht. Von dieſen Indianern exiſtierten 1881 noch etwa 55 Individuen: 35 in Charenton,! einem Kirchdorfe am Bayou Toͤche, A1/; e. MI. von der Bahnſtation Franklin und 10 MI. von der Golfküfte, die übrigen 20 am Grand—

River, unweit der Einmündung des Bayou PBlaquemine, wo diejelben noch etwas Yand ihr eigen nennen. Die Indianer in Charenton

find, bis auf drei oder vier im

greifen Alter jtehende Frauen, ſämtlich Mifchlinge und haben ſich volljtändig an die franzöfifchen Kreolen, unter denen fie leben, aſſimiliert.

Seit dem Tode ihres Häupt:

lings Alexander Dardin im April 1879 ift fein Nachfolger mehr gewählt und jomit die Stammesverfaffung auf: gegeben worden. Nur noch ihre Sprache fennzeichnet fie

jebt als Indianer, Die Schetimafcha in Charenton erwerben ihren Lebens: unterhalt in derjelben Weife, wie ihre kreoliſchen Nachbarn

383

der ärmeren Volksklaſſe. Auf den wenigen Morgen Landes, die ſie umzäunt haben und kultivieren, ziehen ſie Mais und etwas Koi zum Gelbjtverbrauch, ſowie etwas Huderrohr zumBerfaufan die großen Produzenten, fie holen Zypreſſenſtämme aus den zeittveife überſchwemmten Waldungen und verkaufen diefelben an Unternehmer und fiſchen außerdem in den nahen Gewäſſern des Bayou Teche und

de3 Sees.

Die Weiber vertreiben fich mitunter die Zeit

mit Korbflehten und der Anfertigung kleinen Hausrates. Sie find weit arbeitfamer als die Männer, welche ſich infolge der harten Arbeit in den Mäldern vielfach das Whiskeytrinken angewöhnt haben und felten das 45. Jahr

überleben.

Baumtvolle wird in diefer Gegend Luifianas

nit gebaut. Das Zuderrohr ift ausschließlich das dort fultivierte Gewächs und erfordert ein bedeutendes Kapital, wenn die Fehljahre, die häufig eintreten, durch den Mehrgevinn der guten Jahre fich Fompenfieren, die hoben Koften der Dampfzylindermühlen nebſt den vielen Arbeits: Löhnen beftritten werben follen. Es verfteht fich daher von jelbft, daß die armen und außerdem indolenten Indianer mit dem reichen freolifchen Pflanzern in diefem Induſtrie— ziveige zu konkurrieren nicht im ftande find. Unter ſich ſprechen die Schetimafcha meift Freolifch, und höchjtens die Hälfte iſt der Indianerſprache mächtig. Da indes die Jamilien mit Kindern ftarf gefegnet find, jo ift feine Ausficht vorhanden, daß Stamm oder Sprade bald ausiterben werden. Ihre Berfonennamen lauten alle franzöfifch, Doch wo ein zweiter Name exiſtiert, ift derſelbe indtanischen Ursprungs, wie Weiß-Blüte: Tehiama mesti,

Glasperlen-Körbehen: Kenäpsh käkt, beides Frauennamen ; ein anderer: Shüsh Hanänkin, in einem Holzhauſe (twohnend); der Name des lebten Häuptlings war Tütcha, und weitere Mannesnamen waren Nä-ish mesti, weiße Sans, Upeketnish, Zweitöter. Snfolge ihres langen Zufammenlebens mit den Weißen

haben diefe Indianer ihre Traditionen, früheren Sitten, Gebräuche und Anfchauungen faſt ganz vergeifen, dabei jedoch ihre Sprache ziemlich rein erhalten. Freilich hat legtere gewiß auch Einbuße erlitten, namentlih an alten Formen, ethnologifch bedeutjamen Ausdrüden und fun: taktischen Wendungen; doch hat fih nur eine jehr ge:

vinge Zahl von Fremdwörtern eingefehlichen.

Ein achtzig-

jähriger, am See wohnhafter Neger, urſprünglich aus Senegal ftammend, weiß noch am beiten über die Alter tümer diefes Volkes Auskunft zu geben und Spricht dejjen

Sprache mit Fertigkeit. Die Schetimafha nennen fich ſelbſt nicht bei dieſem Namen, fondern Päntsch pinunkantsch, ganz rote Menſchen, rote Männer— ein Ausdrud, welcher auch auf andere

Indianer paßt und nicht vor der Ankunft der Weißen und 1Charenton liegt im St. Marys Parifh, einem Bezirke, wo faft ausſchließlich das Freolifch-franzöfiihe Patois geſprochen wird, Dies gilt auch von Iberia und Fafayette Parifh. Der Ausdrud Pariſh gilt nur in Luifiana und ift gleichbedeutend mit Kounty in allen übrigen amerikanischen Staaten.

J

Neger entitanden fein kann. Beiläufig ſei hier bemerkt, daß die Indianer des Südens fi) mit Negern niemals ehelich verbinden, twas im Norden der Vereinigten Staaten

nicht ganz ungewöhnlich ift. Ueber den Namen Scheti—

Die Schetimafha-Fndianer im füdlichen Luiſiana.

384

maſcha, der von den früheſten franzöſiſchen Autoren macha, Chiontimacha ꝛc. orthographiert wird, wiſſen keine Auskunft zu geben. Wie der Name der indianer (von tändshe, Mais), ſo iſt auch dieſer der

Tchouty⸗ dieſelben Taenſa⸗ Chö'hta—

tehüti imä’sha, ſie beſitzen Töpfe,

ſprache entnommen:

tet, daß oder ſie haben Kochgeſchirr. Damit wäre angedeu aus ge— die namengebenden Chö'hta ſelbſt keine ſolchen erhitzter brannter Erde beſeſſen, ſondern ihr Fleiſch mittelſt

Steine gekocht hätten.

Da ſich die franzöſiſchen Koloniſten nur um die leicht er und zugänglichen Ländereien am Miſſiſſippi und Redriv die die dort anſäſſigen Stämme bekümmerten, ſo blieben abſeits gelegenen Indianer meiſt unberückſichtigt. Hätten die Schetimaſcha nicht durch Tötung des Naktchemiſſionärs Saint-Cosme im Sabre 1706 an den Ufern des Miſſiſſippi einen Krieg mit den Franzoſen und ihren indianiſchen un— Aliierten heraufbeſchworen, ſo würden wir von Jahre 19. des e Anfang dem vor ſerem Stamme außer hundert nur äußerſt geringe hiftorifche Kunde befiten. Nachdem der Krieg einige Zeit gedauert, erflärten die Schetimafcha ihre Unterwerfung an den franzöfifchen Bez fehlshaber und ihre Abgejandten fangen den Geſang der

Sriedenspfeife, Chanterent le calumet.

Dev Pflanzer Le

Page du Prab, der ung eine Gefchichte Luifianas hinter

laſſen hat (Paris,

1758, 3 Bde), beſaß eine Sklavin

diefes Stammes, welche er um 1720 mit ſich nach der Kolonie Natchez nahm und die ihm mandjes aus der ÖeEr erwähnt unter anderem, ſchichte derſelben mitteilte. und Die Schetimaſcha, Natchez die e, da beide Stämm e Sprache ſprächen. dieſelb eine Allianz geſchloſſen hätten und Sofern letztere Notiz ſich auf das Chikaſa bezieht, das als Handelsſprache galt, hat dieſelbe eine bedingte Richtigkeit. Die jetzt ſo ſehr zuſammengeſchmolzene Kopfzahl dieſes Volksſtammes war noch vor zwei Jahrhunderten eine weit größere, mochte wohl über 1000 betragen und dehnte ſich auch über ein beträchtlich größeres Gebiet aus, das ſich im Oſten bis an den Miſſiſſippi erſtreckte. Von der Aus⸗ dehnung ihrer Niederlaſſungen zu Anfang des 19. Jahr: hunderts mag nachſtehende Lifte, die ich von dem oben— erwähnten Neger erhalten habe, einen ungefähren Bes griff geben; demfelben waren indes die zwei hiſtoriſch be:

zeugten Anfiedelungen am Bayou Lafourche, nad) twelchen der Stamm auch Gens de la Fourche benannt wurde, völlig unbefannt. Der Ausdrud Nämu bedeutet Dorf, Anfievelung; Tehät bezeichnet ein Bayou. 1. Tehät Kasitunshki nämu, an der Stelle des heutigen Dorfes Charenton am Bayou Teche, Südweſtſeite

des Grand Lake. %, Amätpan

4. Schöktangi häne hetchinsh, das Zentralheiligtum gelegen an einer Heinen Bucht des Grand Lake, Volkes, des

3 MI. nördlich von Charenton.

Beim dortigen Tempel

fanden die veligiöfen Tanzfeierlichfeiten, jowie die Zere— monien zur Einweihung der Jugend jtatt, und in ber

Nähe wurden Häuptlinge zur Erde beitattet.

Die Stelle

ift jeßt in eine Zuderpflanzung umgeivandelt. 5. Nekun sisnis, bei der Nundinfel; eine Anfiedelung,

die gegenüber der runden He aux Oiseaux

am Ufer des

Lae de la Fausse Pointe gelegen war. 6. Hippi-nimteh nämu, Dorf an der Fauſſe Pointe,

am Nordweſtende des Grand Lake, unweit Bayou Goſſelin, f 7. Nämu kätsup, Indianerdorf am Bayou Chene in St. Martin’3 Pariſh. (Kätsup, immergrüne Eiche.) Br

8. Kri-shu’h nämu, Dorf am Mingaluakfee, untveit Bayou Chene. Kü-shu’h ift ver Name des Kottonwudbaumes

Er

(Populus monilifera). 9. Käme

näksh

tehiät nämu,

wohl die größte aller

diefer Anftevelungen, 18 MI. nördlid) von Gharenton gee (egen, am Bayou du Plomb, unweit des Bayou Chene, 10, Tsa’ytsinshup

des Wlaquemine

Bayou.

nämu,

am Grand River, unweit

Diejes Bayou

verbindet de

Miſſiſſippi mit dem Grand River. 11. Große Tete nämu, Dorf, 2 MI. von

Wr. 1

Der indianische Name war dem Neferenten nicht mehr er: innerlich. 12. Tehetin nämu,

J am Grand River, deſſen Name J

im Schetimaſcha Tchéti, Schéti lautete, lag öftlich von Nr. 10 und etwa 20 MI. öftlih von Charenton, 13. Tehäti kutingi nämu, an der Bereinigungsitelle dort des Bayou Teche mit dem Ausfluß des Grand Lake, Bayou Atchafaläya genannt; unweit der heutigen Mor— gan City.

14. An der Stelle des heutigen Donaldjonville, am

das Südufer des Miffiffippt, Mo oberhalb New-Orleans Schetl— der Bayou Lafourche abzweigt, ſtand einſt ein Dorf

mafcha.

Dort wurde 1706 der Mifjionar Saint Cosme

mit drei Begleitern umgebracht.

15. An der Mündung des Bayou Lafourche (Tehät

na’ytsebu, d. h. Feines Bayou), wo ſich dasjelbe in den Golf von Merifo ergießt, ift auf alten Karten ebenfalls

ein Schetimafchadorf verzeichnet. Es iſt demnad) zu ber muten, daß der Stamm diefes Seitengewäſſer einft in feiner ganzen Länge beſetzt hielt und jpäter die Cha’hta |

fich deſſen bemäcdhtigten.

Soviel ſich diefer Zufammenftellung entnehmen läßt, waren die Schetimafcha in hiftorifcher Zeit nicht an der Meeresfüfte anfällig. Sie waren überhaupt fein jeefahrendes,

nämu,

eine Anfiedelung

Gris, am Ufer des obigen Sees, venton.!

am

Bayou

3 ML. öftlich von Cha—

3. Net Pintinsh, d. h. roter Boden, am Bayou Teche, 2 MT. weitlich von Charenton. 1 Unter MI. find hier ſtets englifhe Meilen gemeint.

unternehmendes, Friegerifches Voll, Mit ihren Nachbarn, den Opelüſa, Atäkapa und Hüma lebten fie im Frieden, ſie ſtanden jedoch in ſtetem Konflikt mit den Chä’hta, welche nad) dem Befite ihres Landes trachteten.

den Schetimaſcha

verbündetes,

Ein mit

vielleicht gleichſprachiges

Volk ſcheinen die Washa, franz. Ouacha, Tehaouacha,

Die Schetimaſcha-Indianer

geweſen zu fein, von denen ſich noch eine topographifche Grinnerung in dem Lac des Ouachas, einige Meilen ſüd—

öftlih von New-Orleans, erhalten hat.

Einzelne Chä’hta

jegten fich jpäter am Bayou Yafourche feit und griffen von dort die Dörfer der Schetimafha am Grand Yale in

friegerifcher Abjicht an. Die Nahrungsmittel diejes Volkes waren größtenteils pflanzlicher Natur, da die Jagd von untergeordneter De: deutung war. Fiſche und Schildkröten wurden indes in

hinreichender Menge gefangen, um die Tafel zu verfehen; gefifcht

und

wurde

ebenfowohl

nur

mit

Angelhafen,

des Nachts als

am

nicht mit

Tage.

Neben

Männer,

Weiber und Kinder nahmen gleichmäßigen Anteil an dieſer Beſchäftigung und fuhren auf Kähnen in die Bayous und hinaus auf den See. Die Vegetabilten, welche die Frauen für den Haushalt jammelten, waren bauptjächlich die folgenden: Wilde Bohnen, Biltazien, eine Bodenfrucht, genannt Küpinu, (im Cha’hta: Käntak), die fogenannte

„Weiber-Kartoffel“, der Same der Wajferlilie (Akta, im Kreoliſchen Graine à volee), die Beeren de3 Palmetto— jtrauches, das Nhizom der gewöhnlichen Pfeilwurz, dasjenige der langblätterigen Pfeilwurz, die Frucht des Ber:

fimmon-Baumes

(Nänu,

Diospyros

virginiana),

wilde

Trauben, Samen der Schilfrobre, endlich die runde füße Frucht einer Liane namens Süku (Guspi im Schetimafcha). Als die Anzahl der weißen KRolonijten zunahm, pflanzten

die Schetimafcha auh Mais, Weizen und Bataten, oder taufchten dieje Nahrungsmittel gegen ihre jelbitverfertigten Korbivaren ein. Diefe Indianer lebten in monogamischer Ehe und hielten ſtreng auf Beobachtung der Keufchheit, Ließ ein junges Mädchen fich zu weit mit einem Manne ihrer Bes fanntichaft ein, jo harrte ihrer zu Haufe Prügelſtrafe. Ob bei der Nachfolge Vater- oder Mutterrecht in dem Stamme geherrſcht bat, läßt ſich jetzt nicht mehr bejtimmen, doc) müſſen die Frauen einen beträchlichen Einfluß ausgeübt haben, da noch im 19. Jahrhundert die Oattinnen zweier Häuptlinge nach dem Tode ihrer Männer diefen im Amte

nachgefolgt find. Es ift faum zu bezweifeln, daß auch bier die Einteilung in Totem-Klans oder Gentes und in Bhratrieen exiſtiert hat; doc) iſt nichts darüber befannt geiporden. Wie bei den Chäa’hta und den Indianern der Küſte von Waſhington Territory jo galt auch hier die Sitte des Abflachens der Schädel im zarten Stindesalter. Die

Holziheibe oder der harte Gegenftand, welcher die Abflachung bewirken follte, wurde indes bloß an die Stirne befeftigt und nicht zugleich auch an das Wiegenbrett; denn

es wird ausdrücklich berichtet, daß durch das Wiegen des Kindes der Kopf fich hinten abrundete, während die Stirn eine flache Gejtalt annahm.

Troß des ſchwülen, füdlichen Klimas var die Kleidung der Männer doch eine fubjtantielle, die guten Schuß ge währte. Sie bejtand aus einer runden Weite over Jade, Ausland

1884, Nr. 30.

38)

im füdlichen Luiſiana.

einem Lendentuche, an melchem ein bi8 an die Füße herabhängendes Hirſchfell befeftigt war und einem Paar Moffafins. Die Putzſucht hatte fich bei beiden Gefchlechtern in einem bedeutenden Grade entwidelt. Die Männer trugen Arm-, Hals: und Kniebänder, außerdem Arms, Finger, Obren: und Nafenringe. Als Ohrgehänge und Naſenſchmuck diente gewöhnlich ein Stüd Silbergeld von der Größe eines Franken oder englifchen Schillings, das mit einem Sammer breitgejchlagen wurde. Die Frauen begnügten fi zwar mit Armringen, Nafenringen und Ohrgehängen, flochten fich dagegen das Haar auf dem Vorderfopfe in Knoten, die fie mit langen Nadeln befeftigten, mit glänzenden Vogelfedern verzierten und mit votgefärbten Bändern ummwanden. Während die Männer die Haare des Vorderfopfes fteif in die Höhe richteten, flochten beide Gefchlechter die Haare am Hinter: Ihädel in lange Flechten und befejtigten am unteren Ende Bleiftüde oder andere ſchwere Gegenftände, um fih an eine aufrechte Haltung des Kopfes und Leibes zu ge wöhnen. Das Tütomwieren war befonders bei den Männern beliebt, denn fie verivendeten eine außerordentliche Sorgfalt auf die künſtleriſche Ausführung mellenartiger und punftierter Linien am ganzen Körper. Zur fehlerlojen Ausführung diefer Zeichnungen fehnitt man ein Stüd Leder aus, deſſen Umriſſe die gewünfchten Linien darftellten und folgte dann mit dem Punktierinſtrumente den Konturen des auf die Haut gelegten Leberabfchnittes. Jedes Jahr

liegen die Krieger fi) von einem eigens dazu beitellten Manne die Kniee mit dem fcharfen Kieferftüde eines Schwertfifches bis aufs Blut eintragen, worauf Einreibung der wunden Stellen mit Kohlenftaub jtattfand. Da dieſe Subitanz nad) Jahresfriſt gewöhnlich reforbiert war, mußte die Prozedur alsdann von neuem vorgenommen iverden. Die Hautjchminfen waren rot, weiß und ſchwarz. Im Kriege bemalten fi) die Männer das Geficht mit einer Kohle und roter Farbe, ftedten Federn ins Haar und ſchützten ſich den Unterleib vor Pfeilſchüſſen mit Häuten. Die Angriffswaffen bejtanden in Pfeilen, Keulen, in einer Art von Tomahawfs und in Schleudern, mit welchen runde Kiefel geworfen wurden; die Pfeile waren nicht vergiftet. Der Stamm befaß etiva fünf Kriegführer, Nätka, welche in verschiedenen Dörfern zu Haufe waren und Frauen mit ihren Kindern folgten ihren Männern nicht jelten in die Schlacht, um nicht durch die Feinde von denfelben abge Ihnitten zu werden und der Sklaverei anbeimzufallen. Diefe Häuptlinge genofjen die Auszeichnung, größere Rohr— hütten als die übrigen Indianer ihr eigen nennen zu können. Auch war die Pfeife, aus welcher fte ihren ein: beimifchen Tabaf, Häshuk, rauchten, größer als die der übrigen Krieger. Das Oberhaupt der fonföderierten Schetimafcha-An: fiedelungen, Nätkapa genannt, hatte bloß die Obliegenbeit,

in den Dörfern Ordnung und Friede aufrecht zu erhalten. 89

386

Die Schetimaſcha-Indianer im ſüdlichen Luiſiana.

Zu diefem Zwecke fuhr diefer Würdenträger beftändig mit jeinem Kahne von Dorf zu Dorf, da diefelben alle zu Waſſer erreichbar waren. Auch an den wichtigen religiöfen

Tanzsgeremonien nahm er teil; in Kriegsfachen mifchte er ji) nur infofern, als er das Vorrecht befaß, dem Gefecht ein Ende zu machen, jobald auch nur ein Mann getötet oder verwundet war. Diefes Einfchreiten wurde von dem Feinde reſpektiert.

Die Stelle, wo diefes Volk feinem Hauptgenius, dem Sonnengotte, Verehrung zollte, lag in einer Einbuchtung am Südweſtufer des Grand Lafe, nördlich von Charenton. Der „Tempel“ glih einer gewöhnlichen Sndianerhütte, aus Schilfrohr mit hervorragenden Dachiparren errichtet, und hatte nicht über 12 e. Fuß im Geviert. Das Gebäude war mit einem jtarfen PBallifadenzaun umgeben und ent: hielt nichts als die Getvänder der Tänzer, ſowie die von ihnen benußte Schminke: eine Art von Karminrot, Häpt, eine

ſchwarze,

Küps, und

eine weiße, falfige Farbe,

Küp-

shesh, zum Auftragen auf die Haut. Das ewige Feuer, die Götterbilder und die ausgeftopften Vögel, die in dem Tempel der benachbarten Näktche-Indianer fichtbar waren, fannte man bier nicht. Das Gebäude war unter der Be:

zeichnung Shöktangi häna hedshinsh befannt, d. h. „Bere: monienhaus bei den Pekan-Bäumen“; die frangöfifchen Kolonijten nannten es Maison de Valeur oder wegen der nahen Wafjerlilien Graine à volee (Kreolen-Namen für die Samenfapfel der dortigen Nuphar-Lilien). Das Feld it jeßt von Herrn Rodriguez in eine Zuckerpflanzung verwandelt worden und von den obigen Anlagen, ſowie von dem nahen Begräbnisplatze der Häuptlinge find auch die letzten Spuren verwiſcht. An jedem Neumonde, alſo wenigſtens zwölfmal des Jahres, fand eine relgiöfe Feier zu Ehren des Hauptgottes ſtatt. Wie bei anderen Stämmen beftand auch bier die Kultusform hauptfächlih in Tanz, Faften und darauf: folgenden Orgien. Zur Teilnahme an diefer Feier war ein ausnahmsweiſe jauberes und elegantes Koftim erforderlich. Die gewöhnliche Neumondfeier dauerte bloß ſechs Tage, das Hauptfeit des Jahres, zur Zeit der Sommer-Sonnenwende, hielt zwölf Tage an. Wie alle diefe Feſte fand auch diejes zu Ehren von Küt-nähä, d. h. der Mittags: ſonne, ftatt und zeichnete ſich in der zweiten Hälfte, d. h. während der legten ſechs Tage durch ein ſtrenges Faſten aus, Die Männer bemalten ſich den Leib rot, wanden ſich ein Tuch um die Lenden und ſteckten Federn in die roten Bänder, womit ſie ſich den Kopf umwanden. Die Muſik— begleitung beſtand in Schütteln von Kürbisklappern und im Streichen und Anſchlagen von Alligatorhäuten. Die Tanzfiguren wurden unter der Leitung don Ephoren, Pekidshinsh, die mit langen Stäben verſehen waren, aus: geführt, und die Weiber und Kinder Ihauten aus der Entfernung zu. Das fechstägige Faften unterbrady das

Tanzen

keineswegs.

Die Männer

fielen

oft aus

Er—

ſchöpfung nieder, durften jedoch erft am Ende des jechsten

Tages wieder Nahrung zu ſich nehmen, nachdem ſie erſt Waſſer aus dem See getrunken hatten, um ſich zum Er— | brechen zu reizen. Der Schlußaft diefes Hauptfeſtes wurde

am Mittag des lebten Fejttages ausgeführt.

Er beftand

darın, daß man einen Haufen dürrer, 10 bis 15 e, Fuß langer Schilfrohre, Pia, fegele oder garbenförmig in der Mitte des Plabes aufrichtete, anzündete und dann

das Feuer im Tanze umfreifte, bi3 in etwa 30 Minuten das lebte Rohr in. Aſche verivandelt war. Der Name der Gottheit, Küt-nähä, bedeutet „rund-halb”, „Hälfte des Kreiſes“, Hälfte der täglichen Sonnenbahn, alfo Mittag, und die Hiße des brennenden Stoßes ftellte ſymboliſch die

Sonnenhige dar.

Durch die vorangehenden Fajten follte

angedeutet werden, daß ſich der Menfch mit reinem Leibe und frei von Förperlichen Gelüften der göttlichen Allmacht zu nähern habe. Außer Küt-nähä verehrte diefes Wolf noch andere Genien, über deren Natur ich jedoch feinen Aufſchluß erlangt habe, da fie insgefamt Teufel, Neka, genannt wurden. Einer hieß der große, ein anderer der feine, ein dritter der letzte Teufel (diefer vielleicht ſym⸗ boliſch für die dort häufigen Irrlichter) und es darf nicht außer Acht gelaſſen werden, daß dasſelbe Wort Neka auch Zauberer, Here und Hexerei bedeutet, Die Initiation der Knaben zur Zeit des Uebertritts ins Jünglingsalter fand an vderfelben Stätte und unter ähnlichen Zeremonien ftatt. Man beabfichtigte dabei

J

ar 44 *

J

nicht, den Jungen die Kenntniffe getoiffer Myſterien bes

treffs des Hauptgottes mitzuteilen; diefelben follten ledig⸗ lich durch ein fechstägiges Faſten und den erichöpfenden Tanz gegen Spätere Strapazen abgehärtet werden. Erſt zu Ende des ſechsten Tages erlaubten ihnen ihre Führer oder Pekidshinsh, friſches Waſſer und Nahrung zu genießen. Das weibliche Gefchleht, obwohl bei den Neumondfeften

zugelaffen, war hier vollftändig ausgefchloffen.

Dasfelbe

beteiligte fi indes lebhaft an ven Tänzen, welche jeden Abend in den einzelnen Dörfern ftattfanden. Die Umgebung des mehrerwähnten „Tempels bei den Pekanbäumen“ diente auch als Begräbnisplag der Häuptlinge des Stammes, mochte ihr Dorf in der Nähe oder in der Ferne gelegen fein. Bei vielen füdlichen

Stämmen Nordamerikas herrſchte der Gebrauch, die Gebeine

der Toten ein oder mehrere Jahre nad) dem Begräbnis zu jammeln, von dem anhängenden Fleifche und ven Sehnen zu reinigen und fie dann an einer anderen Stelle wiederum zu beftatten. Bei den Chä'tha und Schetimafcha

fand dies genau ein Jahr nach dem Tode ftatt und die erſteren errichteten eigene Beinhäufer zu diefem Zwecke. In etwas anderer Geſtalt läßt ſich dieſe Sitte auch unter den nördlichen Indianern an der Küſte des Stillen Meeres und im Norden Südamerikas nachweiſen. Die Schetimafcha beftellten eigene Miniftranten, um die Gebeine ihrer Toten zur feſtgeſetzten Zeit auszugraben, zu reinigen und alsdann

an einer anderen Stelle beizufegen.

Die Ueberrefte von

Häuptlingen wurden von diefen Aasgeiern (O’sh-hä’tehna,

wi

J Die Schetimafharffudianer

d. h. Sammel-Geiern)

mit befonderer Sorgfalt in frifche,

mit blumiger Arbeit verzierte Schilfmatten verpadt, nad) dem „Tempel” gebracht und dort in Gegenwart der Witive und Söhne des Dahingefchiedenen in einem aufgefchütteten

Hügel begraben.

Die Zeremonie

fand unmittelbar vor

dem Kuüt-nähä-Tanzfefte ftatt; es wurde ein Feuer ange— zündet und die Anweſenden marfchierten jehsmal um das: jelbe herum, worauf die Bejtattung vorgenommen wurde. Während des darauffolgenden Feites mußten alsdann die Hinterbliebenen an den Initiations-Zeremonien fich be:

im ſüdlichen Luifiana.

>87

jehr vofalifch angelegt, obwohl fie die Vokale am Ende der Wörter nicht felten nafaliert. Die Deklination tft reich an Kafusformen (mehrere LZofative, ein Snftrumentalis 2c.), die Berbalflerion reich an Miodalformen und Voces Verbi, jedoch arın an Zeitformen. Die Perſonen werden durd) angehängte Perſonalſuffixe angedeutet, die teiltveife mit dem Poſſeſſiv identisch find. Sowohl in der Flexion, als in der Deriation der Wörter fommen Guffire weit häu— figer zur Verwendung, als Präfixe. Die Wortfompofition it jeher ausgebildet; dreis und vierfache Kompofita find

teiligen.

feine Seltenheiten.

Die Zauberer, Medizinmänner oder Schamanen übten bier, wie andersivo, großen Einfluß auf die Volfsmenge aus. Wurde ein folcher zu einem Patienten gerufen, fo griff er zu folgendem Prognoſtikationsmittel: Ex holte im

die eine wird im Gejpräche mit Höherjtehenden, die andere gegenüber Geinesgleichen gebraucht. Das Zeittvort ift im ſtande anzudeuten, ob die Handlung in der Nähe oder in einer Entfernung vom Sprechenden vor fich gebt, oder ging. Die ethnographiſch Jo wichtigen Ausdrücke für Farben: und Farbennüancen find bei diefem Volke nicht befonders zablveih und gewähren Feine ſehr ſcharfen Diftinktionen. Die für Beurteilung gewiffer ethnographifcher Verhält— niffe der Vorzeit jo wichtigen Zahlwörter zeigen das dezi— male Zählſyſtem und lauten wie folgt:

Walde einen Strauch der llex cassine, zermalmte die Zweige und Blätter mit Steinen und braute daraus ein Getränk, deſſen beraufchende Eigenfhaften ihn bald in einen längeren Zuftand der Bemwußtlofigfeit verſetzten. Diefer Zuftand konnte auch durch Nauchen einer aus Kaſſine und einheimifchem Tabak, Ha'shuk (im Chä'tha

Apöpua) gedrehten Zigarre oder Rolle herbeigführt werden. Erholte fi) der Schamane nad) zwei bis drei Stunden von diefem Zujtande, jo berichtete er, diefer Zeit von den Geiſtern erfahren Kranke gefunden werde oder dem Tode Tänze und Ballfpiel bildeten die

der jungen Leute beiderlei Gefchlechtes.

was er während hatte und ob der verfallen fei. Hauptbeluftigung

Tänze fanden in

Das Fürwort Du hat zwei Formen;

] üngu, 2 (pa, 3 kä-idshi, 4 meshar, 5 hussän, ussän, 6 hätka; vgl. hätsmi, anfangen, 7 mishtan, 8 kä’ta, d. h. inwendig, inmitten, 9 kishtan, 10 he-idshi, 100 püp, 1000 püp äshinshat üngu: ein altes Hundert. Die Aoverbialzahlivörter dienen hier zugleich als Or—

dinalzahlwörter.

den Anfiedelungen alltäglich ſtatt und dauerten oft nod) die halbe Nacht hindurch. Zum Ballfpiel vereinigten fi) ſechs Sünglinge und ſechs Mädchen und warfen fich den

Einige lehrreiche Beispiele indianifcher Begriffsbildung mögen bier, nad) Wortftämmen alphabetifc) geordnet, nach—

Lederball mittelft flacher, fchaufelartiger Preller zu. Das Spiel fand innerhalb hölzerner Schranten ftatt, die zaunartig angelegt ein großes Viered bildeten. Fiel der Ball

jtiichen Ethnographie auch anderer Sprachen dienen. !

außerhalb diefer Schranken zu Boden, jo ftürzten Die Spieler auf denfelben los, und die Partei, die ihn erhafchte,

gleiche biezu das franzöfifche ehetif,

galt als Sieger.

Der Sieg fiel nicht felten den Mädchen

zu, wie die Sage berichtet, obwohl derſelbe ein heftiges Gedränge herbeiführte und öfters in Thätlichkeiten aus: artete.

folgen und zur Erläuterung dunkler Bunkte in der lingui— akstegi bedeutet zugleich erkauft, eritanden, von Per— ſonen und Sachen und

gämpa,

kämpa,

hüta, Kahn,

gleich Eorreft zu fchildern, it ein Ding der Unmöglichkeit. Ich werde mich daher auf wenige Andeutungen über deren

boot, d. h. Feuerkahn;

1 Abgedrudt in Bater, S., Analekten dev Sprachfunde, Leipzig, 1882,

80,

Dahın

ver: ge

ſchwer, gewichtig; zugleich Metall,

namentlich Blei und Zinn, ſowie Kugel. hu, See; hü atin ift der Name des Grand

Davon

aus dem Jahre 1802 befannt geweſen, der dasjelbe nicht einmal perfönlich aufgenommen hatte! Die Sprache it

Man

italienisch) cattivo,

elend und böfe, früher jedoch friegsgefangen. hört auch das engliſche eaitiff.

Die Sprache eines fremden Bolfes in wenigen Spalten dieſer Zeitfchrift anfchaulich, erſchöpfend und zu:

Eigentümlichkeiten, namentlich über die Art und Weife, wie gewiſſe ethnologifch wichtige Begriffe in diefem ſüd— lichen Volke fich gebildet haben und linguiſtiſch ausgebrüdt wurden, befchränfen. Die diefem Volke eigentümliche Sprache war bislang nur durch ein jchlechtes Vokabular von Martin Duralde

elend, arm, verlaffen.

Fahrzeug;

shüsh-hita,

Lake.

shushüta,

Schachtel, d. h. hölgerner Kahn; tep-hüta, tepüta, Dampf: tepüta negsh apshtehlma,

Loko—

motive und Bahnzug, wörtlich Feuerkahn auf dem Boden Lebtever Ausdrud ift dadurch entjtanden, dab fahrend. den. Schetimaſcha-Indianern die den Bayou Tedhe be:

fahrenden Dampfboote um 40 Jahre früher befannt wur— den als die Eifenbahnen. käypi, Kaffee; hespäni käypi Chotolade, d. h. ipanifcher Kaffee; bedeutet auch chofoladebraun. käme, kämcki, kämkish, lang, langgejtvedt;

be:

I Der Balatal sch ift hier in englifcher Weife als sh wieder:

gegebei,

x

588

Die Schetlmaſcha-Indianer im ſüdlichen Yuifiana,

zeichnet auch den Wolf. wörtlich kleiner Vgl. küt, ösh.

Maulefel,

wäsh kämkin kleines,

näkspu,

Eſel,

langgeftredtes

Tier.

kätchti, trinfen; davon kätchmish, Zauberer, Scha— mane, teil derjelbe das oben erwähnte Kaffinegebräu (Nuait) trinkt, um fich zu betäuben und aus der Betäub— ung als Weisfager bervorzugehen. kish, Hund; kish ätin, Pferd, d. b. großer Hund. kishkushmämsh, Kanadier, aus Kanada ftammender, franzdſiſcher Anfiedler; mwörtlih Hundeeffer, weil die Indianer der dortigen Gegenden als folche befannt waren. kipi, kip, 1. Fleiſch, 2. menschlicher und tierischer Körper; inkenishi ni-kip, Engländer; 3. abgekürzt in -kip, Ki, wird das Mort zu einem Suffir mit der Ber deutung gleich oder ähnlich, wie oben kämeki von käme, lang. Diejes Suffix hat fomit diefelbe Gefchichte wie das

englijche -like, -Iy in warlike, friendly, aus friend-like, vom angelfächliichen lie, Körper, Geftalt; und wie das deutſche lich, gothifh leik und das griechifche Suffix -&LÖNG, -DÖNg von &doc. ki, Waſſer, Flüffigfeit; naſaliert Kin, Fluß, kün atinsh, Fluß, Strom, d. h. großer Fluß. Kt bildet mi-ku, Mich, wörtlih Flüſſigkeit der Bruft, des Euters; kü-tep, Feuerwaſſer, Branntivein; eine wörtliche Ueberfeguug des ſpaniſchen aguar-diente; betrunfen fein heißt bier von Feuerwaſſer jterben, wie denn auch im Aztefifchen ftatt leiden, Frank fein, oft fterben geſagt wird. ku-yuks Banther (und Hauskatze) bedeutet wörtlich Waſſertiger, vermutlich weil dieſe Tiere ihrer animalifchen Beute in der Nähe des Waſſers auflauern. Vgl. niku, unter ne. küt, Kopf; davon kütku, Haar; kuti, Dad); hana kuti, Hausdach: küt mäkte kaminsh, dolichofephalifcher Schädel, wörtlich Kopf, hinten lang. küt-nähä, Name des Nationalgottes, |. o. Der Begriff des Runden, Kreis: förmigen bat fich hier dem des Kopfes beigefellt. küt-nähä it auch auf den chriftlichen Gott übertragen worden und Chriftus heißt der kleine Gott, küt-nähä näytsebu, nanu, Frucht des Perfimmonbaumes, franzöfifch-Ereo-

liſch: plaquemine; nänu atin, Apfel, d. h. großer Perſim⸗

non. Ganz ähnlich in der Creekſprache, sata thlako, worin sata diefe Frucht bezeichnet. näkshi, Krieger, Streiter, hat fi) aus der Grund: bedeutung enttwidelt: in der Eile befindlich, raſch gehend, preffiert; näksh heißt Gefecht, Kampf, Krieg.

ne, ne-i, ni: 1) Erde, erdiger Stoff, Koth; 2) Land,

Zunge empfunden wird. Ni-ku, Inſel, d. h. Flußland; vimsh (aus nö-mish, Yanditraße) heißt ein Trageplaß der Indianerkähne von einem Gewäſſer zum andern. Ne-kups, Steinfohle, mineralifche Kohle. nüp, DBatate, jogenannte ſüße Kartoffel; np mestekan, übe (weiße), d.h. ganz weiße Batate. ösh, üsh, eine Art harmlofer Nasgeier, Cathartes

aurea;

engliſch:

turkey-buzzard,

franzöfisch = freolifch:

carencro, aus dem englifchen: carrion-crow entjtanden, o'sh-hä’tehna, Totengräber, ſiehe oben. pékua, was oben tft; pekup, oben, oberhalb, in den oberen Gegenden; pckuam-pa, Sklave, d. h. Perſon der

höheren

Gegenden,

da die Kriegsgefangenen

aus dem

Schetimaſcha-Volke an die Stämme am oberen Miffijfippt verkauft wurden. Auch bei uns hat der Name Sklave noch die bejtimmte Beziehung auf das Volk der Slawen beivahrt. püp, einhundert, bezeichnet eigentlich einen Hafen, wohl deshalb, weil diefe Tiere in Scharen leben. In einzelnen polynefifhen Sprachen dient dafür der Begriff Haar, im Chineſiſchen bedeutet zehn auch viel, jehr viel. Püp-atin,

großer Hafe, ftebt für Schaf.

Dies mahnt an die Be

zeichnung für Schwein im Sivur-Dafota, deren eigentliche Bedeutung „Bär des weißen Mannes” ift. sit, Meer, Dzean, situp ketangi, am Meeresitrande,

Nach Analogie der Odſhibwe-Namen pegoſhiſh

Winnipeg,

Winni:

und Winnebago, jtinfend, die ſich auf den Ge:

ruch faulender Subitanzen beziehen, welche von den Wellen nordischer Seen an den Strand geworfen werden, leite ich

dies Wort von sthtgi, riechen, (v. intr.) ab, von dem auch siti, Yofuft-Baum (Robinia pseudoacaecia), im Kreoliſchen garofier genannt, herzuleiten fein dürfte.

shüsh, Hol, Pflanze, Baum, Wald; äk-shüsh, 34: preifenbaum,

d. b. Sägebaum,

shüsh-tchish,

Baumblatt,

Blatt; shüsh-tehish-atin, Katalpa=-Baum (Catalpa bignonioides), d. h.Baum mit großen Blättern; süscks odshibu,

Opoſſum, d. h. Waldſchwein; shusheyä, Zaun, umzäuntes Land; shush-amu, Baumwollenpflanze;

shüsh-wai, Faß,

Kufe, d. h. verarbeitetes Holz. Das Derivat. süspi, Bogen, bedeutet zugleich Flinte, Gewehr. tehik, abgekürzt tehi, Strick, Seil; tchi päshpä’shni, Band, Bändchen, d. h. flacher Strid.

tehish, Baumblatt; käsm’ schish, Hülfe des Mais: folbens. tehish bedeutet auch Frühling, die Zeit des Her: vorbrechens der Blätter.

Gegend, Diftrift. negsh, am Boden, auf der Erde (Lofativkaſus); net, Tabak (importierter, nicht der einheimiſche häshuk), da deſſen Blätter nahe am Grunde wachjen;

shisht, Rauch, wird als Feuerrauch genau unterfchieden

Tünftlicher Hügel, wörtlich „aufges

tép zurüdzuführen auf töpigsi, Holz darauflegen, darüber:

ne-witi, Erdhaufen,

tp, Feuer; t&p-shi, Afche, d. h. Feuerafche; tepvom

Tabakrauch,

tep-net,

Tabaksfeuer.

Vermutlich

ift

tworfene Erde”; ne-häsh-pätchpa, Ziegel, gebrannter Siegel: jtein, wörtlich „Erde pulverifiert (und) gebaden; das bloße

a fire“; vergleiche kum-tepä, Dedel, d. h. Schlieh-Dede.

Nötsiztsa, Salz; das Adjektiv tsäytsa bedeutet ſowohl

wachen, mannbar; 3) Deutjcher, von deffen beleibtem Aus:

häsh heißt aud Mehl, pätehpa, fochen, baden, braten.

ſauer als füß, da in beiden

Fällen ein Beißen auf der

legen, in der Weife, wie der Engländer fagt: „to build

yax, yäb, yä, 1) fräftig, ſtark, forpulent; 2) erjehen,

Irländer werben? „kräftige Erdarbeiter”

genannt,

u

589

Auſtraliſche Eifenbahnprojette.

da man diefelben häufig zum Ausgraben von Erde, Fun— damentierungen, Kanälen ꝛc. verwendet.

wurden

koloſſale Anleihen

in England

gemacht,

iprache bedeutend abweicht, jo fteht dem Studium dieſer Indianerſprache in der Erlernung des SKreolifchen ein

ſo daß bis Anfang 1882 die öffentliche Schuld auf 29,659,111 Pf. St., dabei aber auch die Länge der Eiſen— bahnlinien ſeit 1870, dem Beginn jener neuen Politik, von 70 e. MI. auf 1287 ſtieg, fo daß Neuſeeland in dieſer Beziehung an der Spitze aller auſtraliſchen Kolonien ſteht.

nicht unbedeutendes Hindernis

Und

Da

alle Schetimafcha = Indianer

Freolifch-franzöftich

Iprechen und diefes Jargon von der franzöfifchen Schrift

entgegen.

Dieſes Kauder-

ſeine Bevölkerung

wuchs in dieſem Zeitraum von

wälſch hat für viele Gegenftände und Begriffe des alltäglichen Lebens ganz andere Ausprüde als das Schrift

266,986 auf 537,579 Seelen.

franzöfische, und über diefe muß man fi) beim Studium des Schetimafcha erſt volllommen klar werden.

dem auſtraliſchen Kontinent ein beſchränktes; aus dieſem Grunde, noch mehr aber wegen ſeiner Zweiteilung und ſeiner eigentümlichen Konfiguration, können großartige Eiſenbahnlinien, der Länge nad) gemeſſen, hier nicht Platz finden. Auch dürfen bei Neuſeelands glücklicherer Natur die Schienenwege nicht einem Zwecke dienen, den ſie auf dem Kontinente in hervorragender Weiſe zu erfüllen be— ſtimmt ſind: der Ueberbrückung wüſter, nur auf dieſe Weiſe mit Erfolg zu überwindender Strecken. Eine ſolche Ueber— brückung wurde ſchon ſehr bald nach der Vollendung des großen Ueberlandtelegraphen geplant. Die Hauptſtadt Südauftraliens war nun in direkte Verbindung mit ihrem neuen Beſitz an der Alfuren-See getreten und die englifche Spefulation wandte fih dem als ganz befonders ver: heißungsvoll gejchilderten Gebiete mit einer Haft zu, die man fpäter ſchmerzlich bereute. Zugleich bildete ſich in London ein Konfortium, welches den Süden mit dem Norden durch eine Eifenbahn verbinden wollte, gerade

Leicht verjtändlich find zivar amarrer für attacher, pö für peur, erainte, cocodril

für alligator, betail für

Tier im allgemeinen, pirogue für canot, nacelle, esperer für attendre, frede für froid, marron für brun foncé, und cabril für chevre.

Schwieriger find dagegen ſchon

Ausdrüde, wie plene für roter Ahorn (red maple), pagailler mit der Nuderftange fortbeivegen, catin, Kinderpuppe, chavui, Waſchbär oder Nafun, bürgo, eine Art Schnede,

galard, eine Art Hobel, possarmin, Schwertfiſch (poisson arme, engliſch garfish), taroder, Züge anfertigen (wie bei gezogenen Gewehren), latanier, Balmettoftrauch, tänes, eich, zart, l'eau quede, das Waſſer kocht, les tiers, Winfelmaß, pise, lange Schote. Die

äußerſt

undeutlihe Aussprache

trägt befonders

viel zur Unverjtändlichfeit dieſes Idioms bei, welches die meilten Konjugationsformen abgeworfen bat. Die englifche Sprache verbreitet fich in diefen Gegenden nur fehr lang: jam, doch gewinnt fie allmäbli an Territorium,

Auftenlifhe Eifenbahnprojekte. In dem fünften Weltteil beginnt jeit einigen Jahren die Erkenntnis fich immer mehr Bahn zu brechen, daß zur

Erſchließung eines neuen Landes ein tief eindringendes und fich weit verzweigendes Eifenbahnneß ganz befonders nötig fe. Und Australien, dem es ja an jchiffbaren Waſſerſtraßen

jo jehr fehlt,

bedarf folcher Förderer des

Berfehrs weit mehr als andere, weniger ungünftig bedachte

Das Areal von Neuſeeland iſt aber im Vergleich mit

wie man in Nordamerika den Often mit dem Wejten ver: bunden hatte. Wie das in Amerifa gejchehen war, jo bes abfichtigte man auch in Auftralien diefen Bau gegen Land— bewilligungen nad dem Schachbrettſyſtem auszuführen, Allein die Furcht, die Gefchide des Landes möchten dadurch völlig der Kontrole einer fapitalmächtigen Geſellſchaft überantwortet werden, fchredte Die gejeßgebende Gewalt ab, ihre Zuftimmung zu geben, und weder im Norden noch im

Süden wurde

ein Spatenftich gethan, das große Projekt

zu beginnen. Grit Neufeelands

kühnes Vorgehen und der große Erfolg ſolchen Wagemutes vegte auch auf dem Stontinente zu gleicher Thätigfeit an. Neben dem einen großen Projekte, welches den ganzen Kontinent von dem einen Meeresufer

fi in den

bi8 zum andern überbrüden wollte, tauchten andere auf

legten Jahren außerordentlihe Mühe gegeben hat, dieje Verkehrsmittel nach allen Richtungen hin zu ſchaffen, ges

mit gleich hohem Ziele, daneben das Bejtreben, die bisher nur auf dem langivierigen Seewege oder der noch beſchwer—

leitet von der richtigen Einficht, Daß nur fo die Entividelung des Weltteil3 ihren berechtigten Gang nehmen fünne. Der erite, welcher dem Gedanken praktischen Ausdruck

licheren Naturſtraße

gab, war der Premierminifter Neujeelands,

binden. Eine

Länder.

Vogel,

Es it nicht zu verfennen, daß man

indem

Sir Julius

er in der dur ihn inaugurierten Politik

es zum Grundjage erhob, daß ein junges entwickelungs— fähiges Land nur duch eine liberale Verwendung von Geldern auf die Verbefferung und Vermehrung von Ver: kehrsmitteln aller Art eine volle und ſchnelle Erſchließung — aN

Zeit

feiner Hilfsquellen erreichen fünne, Ausland

1884,

Nr. 30.

In unglaublich kurzer

des Binnenlandes

zu erreichenden

Nachbarkolonien durch eine zuverläffigere und den wachſen—

den Verkehr ſchneller folhe

Verbindung

Schwierigkeiten

waren

don

welche die Bahn

Kommunikation

ift zwißchen

bereits hergeftellt.

Neuſüdwales Gegenden,

fördernde

zu ber:

Viktoria

und

Die zu überwindenden

mäßiger Bedeutung

und die

durchzieht, find die Gtätten

einer feit lange gepflegten Kultur, wenn man nämlich die

| Zeit mit dem in jo ichnelllebigen Yändern wie Auftralten 90

590

Auſtraliſche Eifenbahnprojefte.

üblichen Maße mißt. Die übrigen Kolonien find aber durch ſcharfe Schranken getrennt. Die Grenze Queens—

lands gegen Neuſüdwales bilden Gebirgsketten, die erſt in

Der Blan einer Eifenbahnverbindung mit Melbourne it Schon feit vielen Jahren gefaßt tvorden. Den Beweis dafür liefert die mit enormen Koften unterhalb des Eleinen

bedeutender Entfernung von dem ſcharf und kühn ins Meer hinaustretenden Point Danger etwa um den 152.0 RR einen nicht allzu beſchwerlichen Uebergang geftatten.

Hafens Mannum über den Murray geführte eiferne Brücke, Schon feit Jahren fteht fie da, ohne ihrem Zweck dienen

Die Verbindung wird bier in wenigen Jahren fertiggeftellt

Planken überzogen,

jein; jchon tft die Linie vermeffen und teiliweife vollendet, welche, die Liverpool-Kette überichreitend, Tenterfield an

vollendet, twelche von Adelaide hieher führen fol. Ganz natürlich haben ſich die einander folgenden Barlamente gefträubt, eine ſolche gutzuheißen. Schließlih wird man

der Grenze von Queensland erreichen fol.

Der finanzielle

Erfolg, welchen die Eifenbahnen von Neufüdtvales, (fämtlich Staatsbahnen mit Ausnahme einer Strede von 45 e. MI.) bisher gehabt haben, ermutigt die Negierung zur Inan— griffnahme von weiteren 2000 MI., welche teils wichtige Plätze mit der Meeresfüfte verbinden, teils den großen, durch feine intenfive Schafzucht immer wichtiger werdenden Riverina-Diſtrikt durchſchneiden und den bisher auf Darling und Murray nad Südauftralien und Viktoria gehenden Verkehr nad) Sydney ziehen follen. An diefe Bahnen wird Südauftralien Anſchluß fuchen. Schon jeßt hat es vorläufige Vermeffungen vornehmen lafjen für eine Bahn, welche vom Spencer-Golf, und zwar von deſſen nördlichen Zipfel, oftwärts zur Grenze führt. Auf der füdauftralifchen Seite dehnt ſich längs des 1410 . L., der Grenze zwiſchen den beiden Kolonien, eine breite, völlig waſſerloſe und meift ganz kahle, nur ftellenweife mit Dichten Gebüſch beitandene Ebene aus, die fich auch noch auf einige Entfernung über die Grenze hinaus fortfeßt, um ſchließlich an der Barrierkette ihr Ende zu finden. Man kann dieſe Ebene aber eher eine ſanft geſchwungene Mulde nennen, deren tiefſte Senkung mit dem Lake Frome die öſtlicher gelegenen Lake Hurd, Lake Charles, Lake Waite u. a. be— zeichnen, lauter flache und nur dann gefüllte Becken, wenn ganz beſonders heftige Niederſchläge in dieſen außerordent— lich dürren Strichen gefallen ſind. Die Barrierkette iſt eine der rauheſten und dürrſten Gebirgszüge Auſtraliens; nur hier und dort ziehen ſchmale Waſſerfäden durch die ſtark verworfenen Bergmaſſen und geſtatten einigen unternehmen— den Rindviehzüchtern eine Exiſtenz. Die Oſtſeite dieſer Kette iſt in den letzten Jahren einigermaßen bekannt geworden durch das Auffinden von Gold und auch durch die Bedrängniſſe, in welche die dortigen Goldgräber infolge einer ſelbſt für Auſtralien außerordentlichen Dürre verſetzt wurden. Damals erprobten die Kamele Sir John Elders ihre Nützlichkeit, indem ſie von Südauſtralien her nicht nur den Mount Browne Diggings ſelber, auch dem durch Das Ver: jagen des Darling als Waſſerſtraße in große Not geratenen Flußhafen Wilfannia fehr erwünſchte Zufuhren brachten. Könnte fih Südauftralien mit Neufüdtvales zu gemeine ſamer Thätigfeit verbinden, fo wäre eine Schienenitraße vom Spencer-Öolf bis zum Darling und vom Darling bis Sydney in wenigen Jahren herzuftellen. Damit würde

allerdings

ein nod) emfigeres Bewerben um den Handel

mit jenen vorzüglichen Paſtoraldiſtrikten anheben.

zu fünnen.

Gras und Moos haben längft die unbetretenen

denn

noch immer ift die Linie nicht

aber doch wohl eine Bahn durch eine von Adelaide ab nur

mäßig

gute Gegend

bauen,

um

auf

der

anderen

Seite des Murray in einen der troftlofeften Striche Süd: auftraliens, Auftraliens überhaupt, zu gelangen.

Ufern des Murray

Von den

oſtwärts, weit über die Grenzen der

Kolonie bis tief nach Viktoria hinein erftredit fi) das von Sandhügeln, die dürrer nußlofer Skrub bedeckt, und Salz ebenen erfüllte Gebiet, eine Einöde, wie fie furchtbarer der Kontinent nicht Fennt. Darum wird die zu erbauende Eifenbahn ich in meitem Bogen füdtwärts wenden zum a Mt. Sambier-Diftrikt, den Garten Südauftraliens, um an

der Grenze die jeßt ſchon diefelbe nahezu erreichenden Linien Biltorias zu treffen. Dann wären die Sauptjtäbte der beiden ſüdlichſten Kolonien durch fichere Kommunikation

geeinigt und damit alle vier öftlichen Kolonien in leichtere und zuverläffigere Verbindung

gebracht,

als dieſelbe jet

der nicht immer ungefährliche und zeitraubende Seeweg bietet. Nur Weftauftralien bliebe noch durch eine weite Kluft getrennt.

Aber auch diefe foll baldigſt überbrüdt werden.

Be-

Fanntlich haben weder die Neifen von Forreft und Giles, noch auch die einzelnen Vorſtöße, welche teils von Perth,

teils don dem jüdauftralifchen Ufer der Großen Auftralchen Bucht nad) dem Innern zu gemacht wurden, eine günftige Meinung für diefe Gegenden erwecken fönnen.

Allerdings

waren

die anfcheinend endlos dahinrollenden

Ebenen mit Gras und Büjchen veichlid) genug bedeckt, um den Anforderungen von Viehzüchtern zu genügen; aber überall fehlte esan Waſſer. Auch Schienen die Beding-

ungen für die Anſammlung von Waffervorräten zu fehlen, denn nad den unverwiſchten Spuren von Eyres gefahr: voller Expedition 1840, welche Forreft gerade 30 Jahre jpäter noch deutlich erkennen fonnte, find die Niederfchläge bier äußerſt felten. Zudem verbietet in vielen Gegenden

die außerordentliche Durchläffigkeit des von unterirdifchen Höhlen durchbrochenen Sandfteins, welcher diefes Gebiet überlagert, die Anlage von ſolchen Reſervoirs vollftändig. Und dennoch hat fich in jüngfter Zeit herausgeftellt, daß man auch diefen als Wüfte verfchrienen Strich Auftraliens viel zu ungünftig beurteilte. In dem Eukla-Diſtrikt, fo benannt nad der Grenzitation des großen Ueberland telegraphen, welcher Süd- und Weftauftralien verbindet, haben Sir Julius Vogel, der ehemalige jo thatfräftige

Premierminifter Neufeelands, und der Graf von Carnarvon,

591

Politiſch- und wirtſchaftsgeographiſche Rückblicke.

früher Minifter der Kolonien, je 64,000 Akres gepachtet, um dort MWeidezucht zu betreiben. Und ein Londoner

Syndikat, welchen eine Anzahl der erjten Namen aus der Finanzwelt Londons und der Ariftofratie Großbritanniens angehört, hat vor kurzem von der Negierung Weftauftraliens

die Konzeflion zu dem Bau einer Bahn von dem in gerader Linie öſtlich von Perth liegenden York bis zur füdauftralifchen Grenze gegen Yandabtretungen an der Strede erworben. Dieſe Geſellſchaft wird Einrichtungen treffen, 300,000, viel:

Plänen.

Um

dieſelben wirklich durchzu—

Es iſt zu bedauern, daß man ſich bei der Anlage der Eiſenbahnen niemals über eine gemeinſam einzuhaltende

Angriff genommen werden, deren Bau man gegen Yand-

Spurweite einigte. So iſt es gekommen, daß faſt jede Kolonie ihre beſondere Spurweite hat, ja in einigen Kolonien ſind die Eiſenbahnen nach zwei verſchiedenen Syſtemen angelegt. Nur Queensland und Weſtauſtralien haben die eine Spurweite von 3 Fuß 6 Zolle. In Viktoria find alle Linien 5 Fuß 3 Hol weit erbaut; ebenfo wurden fie dies anfänglich in Sübdauftralien, fpäter aber ging man bier zu einer Spurweite von 3 Fuß 6 Zoll über, fo daß jet von 559 e. MI. 300 nach diefem Syſtem fonftruiert find. In Neufüdmwales ift die Norm 4 Fuß 81% Zoll; nur eine zwiſchen Moama am Murray und Deniliquin im Anfhluß an die Linie Melbourne-Echufa erbaute Privatbahn it 5 Fuß 3 Zoll weit. Die letztere Weite hat auch ein Teil der Bahnen Tasmantens, während andere 3 Fuß 6 Zoll weit find; in Neufeeland find gleichfalls zwei Spur— weiten, die eine von 3 Fuß 6 Hol, die andere von 4 Fuß so Bol. Es ift eine ſolche Verſchiedenheit in der Konftruftion der Bahnen bevauerlich, da bei dem Anein— anderjchliegen derſelben der Verkehr notwendig darunter leiden muß. Die erſte Eifenbabn, welche in Australien eröffnet wurde, war die von Sydney nad) PBarramatta, eine 23 Km. lange Linie. Am 26. September 1855 befuhr der erite Perfonenzug diefe Strede. Anfang 1882 waren in ſämt— lichen auftralifchen Kolonien (Neuſeeland eingeſchloſſen)

fonzeffionen einer Gefellfehaft überließ, nachdem eine Eifen-

8752 Km. Eiſenbahnen

bahnanleihe von 260,000 Pf. St. in London nicht plaziert

Bau. Bis dahin waren rund 1068 Millionen Mark für Gifenbahnbauten verausgabt tworden. Emil Jung.

leicht 500,000 Einwanderer einzuführen, diefelben bei ihrer Anſiedelung mit Geld zu unterftügen und ihnen Yand ohne

Anzahlung auf 5Ojährigen Kredit zu bewilligen.

Diefelbe

Geſellſchaft beabfichtigt, eine Bahn, gleichfalls gegen Land—

abtretung, von Albany an der Küfte entlang über Perth bis zur Roebuck-Bai zu bauen und 40,000 Einwanderer einzuführen. Kommen diefe Pläne wirklich zur Ausführ: ung, jo tjt jofort ein ungeheures Areal der Anfiedelung geivonnen. Wie das Syndifat die Ueberzeugung erlangt hat, daß das an der bezeichneten Linie gelegene Yand für



hochfliegenden

führen, wird ſie den Kredit der Kolonie aufs äußerſte anzuſpannen haben. Es wäxre ſicherlich weiſer, man folgte hier dem Beiſpiele Weſtauſtraliens.

die Kultur geeignet fei, darüber verlautet nichts,

esmuß

aber doch wohl genügende Unterlagen haben, welche zur Hoffnung berechtigen, ein fo großes Werk mit Vorteil durchführen zu fünnen. Außerdem will man den Hafen von Fremantle, der jeßt nur zu gewiſſen Zeiten ficheren

- Schub gewährt, dur

umfaffende Bauten fo verbeffern,

daß er die größten Flotten aufnehmen fann. Auch dafür it man bereit, Land als Zahlung anzunehmen. Bei al! diefen Unternehmungen ift Sir Julius Vogel der treibende Geiſt. In allernächiter Zeit wird die Strede von Norf, welches mit Perth in Verbindung ſteht, nad Albany in

werden Fonnte. Wenn Südauftralien

in früheren

Jahren den Bau

im Betrieb und 2109 waren im

einer großen Ueberlandbahn nicht unter jenen Bedingungen gejtatten wollte, wie fie Weftauftralien bereitivilligft zuge: ſtanden bat, fo ift es doch nicht etiva der Anficht, daß eine folhe Bahn überhaupt unnötig fer. Nur die oben angegebenen Gründe waren beftimmend und haben es ver:

hindert, daß Auftralien ſchon jetzt ein Ähnliches großes Werk aufzweifen hat, wie Nordamerifa deren mehrere zeigt. Aber vor wenigen Jahren ift der große Plan wieder aufgenommen tworden, und: zwar fo, daß die Re—

gierung die Bahn felber baut. Vollendet ift fie bereits am jüdlichen Ende bis zu den Herrgott: oder GulongQuellen, öjtlih von der Südſpitze des Eyre-Sees; eine Fortſetzung bis zu den Brimrofe-Quellen unter 280 ſ. Br. iſt befchloffen. Zu gleicher Zeit baut man von Balmerfton füdwärts eine Bahn zu dem etiva 150 e. MI. entfernten Pine Creek.

Bei einer im gleichen Tempo fortaefegten Bau—

thätigfeit fönnten

fich die Arbeiter an den beiden End-

punkten etwa in 6 bis 7 Jahren die Hände reichen.

ſieht, die füdauftralifche Negierung

Politiſch- und wirkſchaftsgeographiſche Kückbliche. VIII.

Die Thätigkeit Brazza's 1885/1884.

Um 21. März 1883 ſchiffte ſich Brazza in Bordeaur nad) Weitafrifa ein und am 26. März 1884 erreichte er, den Ogowe ftromaufwärts und die Alima flußabwärts verfolgend, die erſte franzöfifche Station am Kongo ober—

halb von Brazzaville. Obwohl das „Ausland“ ! die Fortſchritte der Expe— dition regelmäßig verzeichnet hat, jo dürfte doch gerade jeßt nad) Erreihung des Kongo auf der Noute Ogowe— Alima ein zufammenfafjender Rückblick auf die Thätigkeit

Man

trägt fi) mit recht

1 Ausland”

1883, ©. 278, 708, 976

und 1884 ©, 299,

599

Ethnologiſches und Linguiftisches aus Dagheftan.

Brazzas mährend diejes einen Jahres von befonderem ‚snterefje fein. Wir geben ihn der Hauptfache nad an der Hand eines Berichtes Dutreuil de Nhinz, ! welcher,

Der Lauf des Ogowe in einer Zänge von 800 Km, Die Gegend zwischen Sranceville und der Alima. Die Umgebung des Nfoni, des Nebenfluffes des

ein Gefährte Brazzas, erſt Ende vorigen Jahres vom Ogowe nach Frankreich zurüdgefehrt ift.

Ogoive, Das Gebiet zwischen Sranceville und Yumba mit den

Am 21. April 1883 am Gabun angekommen, leitete

TIhälern des Kuilu und Luöte,

Brazza vor allem den eriten Lebensmittel- und Waren:

Der Flug Alima in feiner ganzen Ausdehnung. Auf diefe Aufnahmen baftert, foll eine neue Karte

transport nach) Yambarene am unteren Ogowe und begab

ih dann Mitte Mai nad) der Loango-Küſte, two inzwilchen Cordier in Ponta negra die franzöfische Flagge aufgehißt hatte, gründete die Station Ngotu am Kuilu und fchloß Verträge mit den Eingeborenen ab. Schon Ende Mai iwieder in Libreville am Gabun, übergab er Decazes die Verwaltung des ganzen Küftendiftrift3 und machte fich dann an die Organifierung des Verkehrs zwifchen Kap Xopez und dem 386 Km. im Innern gelegenen Niole, Lopez wurde als Generaldepot eingerichtet und durch die Zwiſchenſtation Lambarene mit Nijole verbunden; leider eriviefen ſich für den letzteren Zweck die Dampfboote „Papillon“ und „Olumo“ wegen ihres Tiefganges als unpraftifabel. Von Njole ftromaufwärt® begannen die Schwierigkeiten des Transports mit 38 Piroguen, be mannt mit 900 Eingeborenen. Der Fluß, bald breit, bald eng wie ein Kanal, fortwährend von Sandbänfen und Klippen durchfeßt, von Stromfchnellen und Katarakten unterbrochen, verzögerte den Vormarſch außerordentlich; das zeitraubende Aufſuchen von Lebensmitteln längs der fpärlich betvohnten Ufer führte zu ewigen Palavers mit den Negern und brachte oft heillofe Unordnung in die Expedition. Um diefe Hemmnifje für fünftig etwas zu mindern, wurden in Aſchuka bei den Dfanda und in Nighimi oder Niati bei den Adumas Zwiſchendepots etabliert. Sp fam eg, daß Brazza erft Anfang Juli 1883 Franceville, die End: itation am oberen Ogowe, erreichte. Mizon, der zivei Jahre lang bier der Vertreter Frankreichs geweſen, wurde längs des Luäte (2) und Kuilu nad Mayumba abgejandt; er foll von diefer Wanderung durch unerforfchtes Gebiet eine bortrefflihe Karte entworfen haben, die uns aber noch nicht zu Geficht gefommen ift. Brazza machte ſich inzwiſchen an die Verbeſſerung der Verbindung mit der Alima und kürzte dieſelbe durch einen Weg über den

Oberlauf des Nkoni ab.

Wichtig war der glückliche Ab—

ſchluß der Verhandlungen mit den Häuptlingen an der Alima, wodurch ihm die freie Schiffahrt auf dieſem Fluſſe eröffnet wurde. Dr. Ballay gelang es als Erſtem, den Lauf der Alima auf einer Pirogue vollſtändig zu explorieren und unter dem 1.0 32° ſ. Br. den Kongo zu erreichen. Bei dieſer hauptſächlich praftiichen Thätigkeit konnten die wiſſenſchaftlichen Arbeiten natürlich nicht weſentlich ges fördert werden; doch ſollen nach Dutreuil de Rhins fol: gende Strecken kartographiſch aufgenommen ſein: Bulletin de la Société de Geographie commercial Sordeaux, 16. Juin 1884.

de

von Weſtafrika im Werfe fein. Zur Durchführung der eigentlichen Exploration des mittleren Kongo und feiner mächtigen Nebenflüffe find

endlich zwei zerlegbare Dampfboote am 7. März 1884 am Gabun

eingetroffen;

ihr Transport

bis zur Alima wird

wahrjcheinlich noch den ganzen Sommer

und einen Teil

des Herbites beanspruchen. Brazza hat das weitausgedehnte Gebiet, welches fein

Unternehmen umfaßt, in drei Bezirke eingeteilt und über jeden eine hervorragende Perfönlichkeit geſetzt und zwar über Gabun, die Loangofüfte und den unteren Ogowe

Dufoureq,

über

Sajtours, über und Michaud.

den

mittleren

die Alima

und

bis zum

oberen

Ogowe

Kongo Decazes

Nachdem die Gründung der neuen Stationen und die Organifation der Verwaltung im allgemeinen vollendet war, begab jich endlich Brazza felbft auf eine kleine Dampf: ihaluppe und fuhr mit diefer die Alima nach dem Kongo

hinab. jüngſt

Am 26. März 1884 traf er in der von Dr. Ballay errichteten

Station

Gantſchu (30 17° n. Br.) ein

und trat jofort mit der ſchräg gegenüberliegenden inter: nationalen Station Mfuata in freundfchaftlichen Verkehr.

Ethnologiſches und Finguiftifhes aus Danhefan. Während

eines

mehrmonatlichen

Ausfluges

in

Dagheitan, den ich vor einer Neihe von Jahren ausführte, hatte ich Gelegenheit, einen nicht unbedeutenden Teil dieſes intereffanten und malerischen Landes kennen zu lernen, welches durch feine verfchiedenartige, aus zahllofen, zum Teil nicht einmal miteinander verwandten Stämmen be jtehende Bevölkerung nicht minder beachtensivert ift, als in Betreff feines geologischen Baues und der Großartigfeit der Konfiguration. Einige Bemerkungen über Land und Zeute hatten in Form von Briefen, die während der Touren und unter frischen Eindrüden des Gefehenen und Er— lebten miedergefchrieben wurden, in armenifcher Sprache in dem Dlatte „Meſchak“ Aufnahme gefunden. Manches

blieb aber in meinen Notizbüchern unverwertet, darunter ein Verzeichnis

awariſcher

und lakiſcher Wörter,

Wenn

es ſich nicht um ein verhältnismäßig jo wenig befanntes Land gehandelt hätte, würde ich auch jetzt es für ratfamer erachtet haben, flüchtige Notizen nicht in die Deffentlichfeit dringen zu laffen. Allein, was weiß man im allgemeinen z

593

Ethnologiſches und Linguiftiiches aus Dagheftan.

über den Dagheitan, deſſen Betvohner oder die Sprachen der faufafischen Bergvölfer? Wie kurz und lüdenhaft nad): ftehendes Gloſſar auch iſt, wird es doch vielleicht dem einen oder anderen Leer nicht ganz überflüffig erfcheinen. Die Sprachen der Taufafiihen Bergvölfer find bes

fanntlich hauptfächlicy durch den vor furzem verjtorbenen General dv. Uslar eingehender ftudiert worden, dem es fogar gelungen ift, für mehrere derjelben ziemlich voll: ftändige Grammatiken und Gloſſare zufammenzuftellen.

v. Uslars Schriften find jedoch den Wenigjten zugänglich, nicht bloß weil fie ruffisch verfaßt find, fondern aud aus dem Grund, weil fie wohl in den wenigſten öffentlichen

Bibliothefen vorhanden fein dürften. Auch ich batte Feine Gelegenheit gefunden, mein lüdenhaftes Gloſſar mit den dur v. Uslar aufgenommenen zu vergleichen. Es beansprucht aber auch Feines:

falls philologiſch dDurchgearbeitet zu fein und it lediglich ein Ergebnis von Eindrüden, die mein Ohr empfing, die ich) aber allerdings dadurch einer Kontrole zu unterziehen ſuchte, daß ih an mehrere Berfonen diefelben Fragen richtete, um bei der Transjkription des Klanges von etivaiger individueller Ausfprache Einzelner unabhängig

zu jein. Gefahr laufend, bereits Befanntes zu wiederholen, HM möchte ich doch nicht unerwähnt lafjen, dak im Dagheſtan, d.h. im nordöftlichen Teile der kaukaſiſchen Hauptkette, zivei Stämme, die Awaren und die Kafisftumuchen oder Laken, numerifch die anderen übertviegen. Die Awaren bewohnen den nördlichen und mittleren Teil des eigent-

lichen Dagheitan, während die Laken im Oſten faſt bis an das Kafpifche Meer hinabreichen. Der intelligentere, fleißigere, vedlichere,

mutigere

Stamm

iſt unftreitig der

atvarische, welchem auch die Führung in dem Verteidigungs— fampfe gegen die vorbringenden Ruſſen zufiel. Die Awaren bewohnen auch ein weit ausgedehnteres Gebiet als die Lafen, befonders wenn zu ihnen, was unzweifel— haft richtig ift, noch die Lesgier gerechnet werden, welche einen

bon

der

awariſchen

Sprache

wenig verſchiedenen

Dialekt fprechen und den Südabhang des Berglandes bebölfern, indem fie nah Süden über Sakathal hinaus, nad Weiten bis Kachethien reichen, während fie im Norden unmittelbar

an

das Amarenland

und

im Nordoſten an

dasjenige der Laken grenzen. Die Laken gehören offenbar einem anderen Stamme an,

Unter ihnen findet man felten die fchönen Staturen,

welche bei den Awaren und Lesgiern fait durchgängig angetroffen werden. Sie find weniger ſtreng in ihrer Lebensweise, weniger enthaltfam; auch jcheinen fie, troß des Verbotes des Koran, mit dem Schnaps auf freund:

Ihaftlichem Fuße zu ftehen. Häufig wurde ich von ihnen darum angegangen und nicht einmal bloß ſah ic) Laken in einem Zuftande, tvelcher jede andere Bezeichnung eher als : die der Nüchternheit verdient hätte. Unter den Awaren 4 und Lesgiern begegneten

mir zwar

auch ſolche, die hin—

ſichtlich der geiſtigen Getränke nicht ganz genau die Vor— ſchriften ihrer Religion befolgten; eswaren aber durchweg jüngere Leute, die einmal Rußland beſucht oder gar in der Reſidenz im kaiſerlichen Konvoi gedient hatten und ſich alſo ziviliſiert fuhlten. An feinem dieſer emanzipierten Mohamedaner hatte ich jedoch je die Folgen des Zuviel— trinkens zu beobachten Gelegenheit gehabt. Auch die Stellung der Frauen ſcheint in beiden Stämmen eine weſentlich verſchiedene zuſein. Die Awarenfrauen ſcheinen von Jugend auf ſich nicht blos an häuslichen, ſondern auch an allen Feldarbeiten zu beteiligen, denen ſie ſogar mehr

obliegen, als die Männer.

Zwar

dürfen

auch

letztere

nicht der Faulheit geziehen werden, doch haben ſie infolge langandauernder Verteidigungskriege und der Notwendig— keit, ſtets inBereitſchaft zuſein, um fremde Angriffe ab— zuwehren, Luſt und Gewohnheit an der friedlichen Arbeit

eingebuüßt.

Während

man

die Frauen der Awaren und

Lesgier überall, in den Dörfern, im Felde, fich frei be: wegend, in ungezwungenem Verkehr mit den Männern trifft, find die Frauen der Laken kaum fichtbar, meiſt in ihren Häufern verjchloffen. Eine vollftändige Charakteriftif beider Stämme zu geben ift nicht der Zweck vorſtehender Bemerkungen, welche bloß hervorheben follten, daß Charakter, Lebenswerfe, Neigungen der Awaren und der Lafen ebenjo verjchteden find, wie ihre Sprachen, welche, ſoweit einem Nichtphilologen in dergleichen Fragen ein Urteil geftattet ijt, ab: weichenden Urfprungs zu fein fcheinen, obwohl manche Wörter in beiden Sprachen twiederfehren oder ähnlich flingen: eine Erſcheinung, welche vielleicht auf dauernde nachbarichaftliche Beziehungen beider Stämme zurüdgeführt werden könnte. Eingehenderen Forſchungen tft es vorbehalten, zu entfcheiden, ob hier zwei vollfommen unabhängige Sprad): ftämme anzunehmen find und die wenigen Analogien als Fremde und Lehnwörter betrachtet werden jollen, oder ob nähere dialeftifche Beziehungen entdedt werden können. Bevor ich das Wörterverzeihnis anführe, möge nod) über die Transffription einiges bemerkt werden. Im mwefentlichen entfpricht fie der deutſchen Yauttviedergabe. Dazu fommen noch folgende Laute: ch — deutjch ch, nad) a, 0, u, ſogar noch ettvas härter, 8 = deutſch ss — roman

ich s, 2= franzöſiſch j; d2 = italienisch g; gh it ein guturales g, welches einige Aehnlichkeit mit dem guturalen

r befit; mit hl vefpeftive tl find drei verſchiedene Laute der Atvaren wiedergegeben, die als drei verfchiedene Ab: itufungen eines und desfelben angefehen werden Fönnen: im weicheren ift man im Zweifel, ob e8 ein hl oder ein tl ift, im zweiten hört man deutlich gefondert tl, der dritte iſt mehr ein Schnalzlaut; dementfprechend tft hl, tl und

tl gebraucht worden.

Die nebeneinander vorkommenden

Nofale werden gefondert ausgefprochen, nicht als Dipbtonge; ebenfo wo zwei gleiche Konfonanten angegeben find, find fie, als zwei verſchiedenen Silben angehörend, gefondert hörbar, jo ss, zz u. ſ. w.

394

Ethnologiſches und Linguiſtiſches aus Dagheſtan.

Die MWörtevverzeichniffe für die beiden Sprachen find ungleichmäßig ausgefallen, da es mir während meines

Aufenthaltes

bei den Awaren an einem geeigneten Dols

metjcher fehlte. Lakiſch: zawa

Awariſch: eins zwei

kulwa

schamma sami) mukghua

(gevrg.

cheoua

fünf

rachua

ſechs

arulua

ſieben

malua

acht

urdiua

neun

atzua (georg. athi)

zehn elf zwanzig einundzwanzig dreißig

atznia zawa

kghuua kghunia zawa suwiwa

ör

Fluß

hlar

Bach

tscharu

gamadi

Stein

murlu

tluro

Fels

kürchel

radalissa

morgens

baghanida rohalitl chekko emer dahal

abends

tschüani

drei vier

Awariſch:

Lakkiſch: nich

dzaussa dzansa dark’ghu ghilinu zimi tha schanan

kuatschan

chinbugu tschan, tscham

früh

raſch viel wenig falt

arm wieviel

kida

wann

tlizise

ſchlafen eſſen trinken ſich ſetzen aufſtehen

koanase

heghese odowukine waghin

einunddreißig vierzig

dik

han

Fleiſch

mukghzalwa mukghzalli zawa cheo zalwa

nis

niso, hhan

Käſe

einundvierzig fünfzig

schikunnano

hanıwwatscha

tikunnaso

komm her! geh hin!

rach zalwa

ſechzig

schikudischa

turschwa

hundert zweihundert dreihundert vierhundert

dula utscha

dowea hanib hle tle

tauſend ich du er wir ihr ſie ſein unſer euer ihr Brot Waſſer Feuer Pferd

tha bianssaru

kida radzinil

wann werden wir

tun küa bur win küa bur

diebatlina

ich will! Du willſt oder auch: willſt Du? wie geht es Dr? wie bift Du?

suwilli zawa

kuitturschwa schanturschwa

mukghturschwa asarwa (armeniſch: hasär) na

dun

ina

mun

ta, gua, kua

dou

zu

ni⸗

su

nuö

tej, guej, kuej

dol — nezer

sul

nozur —

dosul

dzat

tsched

schin

hlin

tzu

tza

tschu adamina

tschu (Blural

adamtal) tschuu

wugo, männlid) | bs weiblich

bugo, ſächlich

bur zul

dur

abe

Menſch

(Blural

suntu

meer

baku rah

soh, schob gomog

Mann Weib

Berg Hügel Schlucht, Thal

duebatlinisch

mun kin wugo (männlid) mun kin jugo (weiblich)

hlik jugisch (weiblich) due bot’lilisch

iſt

geht es euch gut? jeid ihr gut?

gefällt es Dir? Tier

haiwan

katza, bughza

Vogel Eſel Ochs Kuh Maultier Schaf Ziege

dii

Lamm

chaali

Bergſpitze Höhle Bergkette

dzimlu tukku yul wiltzun

tschiwark) tschi schersa (Bural chami) dzuzu

gib! ſage!

kommen?

niz adam

lege her!

taa

nuch sirt

hantsch

595

Die Metalle bei den Naturvölfern.

I Lakiſch: ichullu ar

_ bäk laawai "bäk jalawei

kghanu _ scharawalu ’ maschschi - schahru

Weg, Straße Ebene bergauf bergab eben, glatt Dorf Farm Stadt

kghatta (Plural kghatri pal

Haus Stall

dzarku nus maghi uttussa

diula dzira _ schano

xaralu arli urttu tama tuti

schunkul-tuti schiama

Scheune

Thür Dach Pfahl Balken Mauer, Wand Bett Kiſſen Boden, Erde Gras Brennholz Blume Roſe Sand

lad?a

Weizen

au

Korn Gerſte Hafer Himmel Sonne Mond, Monat

h keha nikcha sao bargh bars tschanizuku (Blur. tschanizurti maghduzuku surukurta

marchala mik ghuaral hawa bak

kghabak kghinta inittabak 3 ittatzantu

ja (Plural jaru) ittarkghinnu dzacı (Blur. dzauru) mai

katz murdzi (Plural _

murdziiu)

kuardzi (Plural kuardziu)

Stern Komet Regenbogen Schnee Eis, Hagel Regen Luft

Kopf Schädel Hinterkopf, Nacken Stirn

Augenbrauen Auge Wimpern Wange Naſe Mund

Lakiſch: töi (Plur. türtu) mes sirsiltu diiri chunu darwatsch sursu kghakghari

Badzahn Zunge Schnurbart Bart Gaumen Hals Kehle Kehlkopf

kghas n

Bruft

hutru (Blur.-Form) tilik lagha

Zunge Xeber Magen

kgheok

Herz

cheottu chadz (Plural: chadzru)

Eingeweide Schulter

sürkgh kua (Blur. kuaru)

Ellbogen Hand

kissa (Blur. kissri)

Singer

niku (Blur. nikru)

Knie

tschan (Plural tschannu) zira

Fuß, Bein Lende

diära

Haare

hällu

Zopf Profeſſor Dr. Arzruni.

Die Metalle bei den Uaturvölkern. Richard Andree hat fich in der Bölferfunde eine be— fondere Arbeitsweife geſchaffen, mit deren Hilfe er auf den verfchiedenften Gebieten dieſer Wiffenichaft eigentümlich Wertvolles leiftet. An der Hand der Berichte der Netfenden und fonftigen Beobachter verfolgt er beftimmte Erjchein: ungen des Völferlebens von womöglich beſchränktem Charatter über die weite Erde hin, vermeidet es ſtreng, mehr als nächſtliegende Schlüffe aus dieſen Bufammenftellungen zu ziehen, ſucht aber umſomehr durch treue Quellenangaben die allgemeine Nützlichkeit feiner TIhatfachenfammlungen und das Vertrauen in diefelben zu erhöhen. Ohne Zweifel

wird auf diefe Weife der wichtige Zweck einer Klärung des

Bodens erreicht, den die Thatfachen der Völkerkunde bisher in bunter Zufammentwürfelung bededten. Man wuünſcht manchmal, diefer über ſoviel gebietende Forſcher möchte etwas weniger zurüdhaltend in Bezug auf Schlüſſe fein, die aus feinen Thatfachen ſich ergeben, oder er möchte feine Methode der Koordination der Thatfachen zufchärfen,

1 Die Metalle bei den Natınvölfern.

Mit Beriidfihtigung

Lippe

57 Abbildpräbiftorifcher Verhältniſſe von Richard Andree. Mit AV, 1884, Kom, u. Veit von Verlag Leipzig, Text. im ungen

Vorderzahn

166 ©,

3%

Die Metalle

jet es durch Anwendung

bei den Naturvölfern.

einer ftrengeren Klaffififation, fei

es durch ftärfere Betonung des geographifchen Elementes. Schmerzlich vermiſſen wir 3. B. in dem vorliegenden Werte die kartographiſche Darftellung der Verbreitung der Metalle und der Methoden ihrer Heritellung. Wir fünnen nicht glauben, daß Richard Andree, der uns gemeinfam mit Seobel die wundervolle neue Karte von Afrika gezeichnet bat, welche in Nr. 23 des „Ausland“ befprochen wurde, den prüfenden und aufflärenden Wert der fartograpbijchen Darftellung, der fait bis an das Experiment heranreicht, verfennt. Wir glauben vielmehr, daß er auch bier fich etwas zu ſehr durch reine Selbitbefchränfung leiten läßt, welche in vielen Gebieten der Völferfunde gerechtfertigt it, jedoch ihre Grenzen haben muß. Indeſſen, wer fo arbeitet, wie Richard Andree, hat das Necht, daß man feine Art zu arbeiten fo nimmt, wie fie ift. Und wenn wir in der Einleitung zu diefer Schrift an die Herrſchaft der doftrinärjten, tbatjachenärmjten Aufftellungen erinnert werden, welche noch vor einigen Jahren mit Bezug auf die Metall: verwendung in präbiftorifchen Zeiten und bei den Nature völfern

unbejtritten

mar,

find

wir doppelt

dankbar

für

eine jo belehrende und aufflärende Arbeit. Wir heben im Solgenden einige refümierende Abfchnitte aus der Einleitung hervor: Geographiſch vorfchreitend beginne ich den Nundgang mit den alten Aegyptern, denen neben der Bronze in den ältejten Zeiten ziveifellos das Cifen befannt war. Daß von ihnen die Eifenfenntnis zu den benachbarten Nigritiern gelangte, läßt fich keineswegs mit Beſtimmtheit behaupten; eher neige ich der Anficht zu, daß die Gifenbearbeitung ein durchaus urfprüngliches Gewerbe der Neger ift, die ein „Eiſenreich“ für fich bilden, von fo ausgeprägter Entividelung, daß neuerdings ein durch wenig Kritif ausgezeichneter Kopf alle Eifeninduftrie von den Schwarzen abzuleiten verſucht.! In Afrika folgte das Eifen direft auf den Stein und zwar entividelte jich die Eifendarftellung im Nordoſten oder in Hentralafrifa, von mo fie erjt fpät nach dem Süden gelangte. Kupfer, wiewohl es auch von den Negern erſchmolzen wird, iſt nur auf wenige Gebiete beſchränkt, von denen aus es auf dem Handelswege verbreitet wird. Es iſt höchſtens gleichalterig mit dem Eiſen bei den Nigri⸗ tiern, und von einer dem Eiſen vorangehenden „Kupfer— periode“, geſchweige denn von einer „Bronzeperiode“ kann in Afrika keine Rede ſein. Vorderindien bietet ein abgeſchloſſenes Reich für ſich.

Auch hier iſt eine Steinzeit nachweisbar und eine Ein— führung der Metalle von außenher nicht zu erkennen. Daß 1 Le d’Alrique.

fer, En

comme effet,

emploi

est

en

industriel, Afrique

est

seulement

originaire (!!) que

nous rencontrons des peuples sauvages, connaissant l’emploi du fer, sachant le produire et travailler. Diefer Sat des Herrn Gabriel de Mortillet (Bulletins de la Soc. d’Anthropol, 1383.

©. 562.) zeigt wiederum

bei ung noch ernft genommenen

die

große Oberflächlichfeit

Mannes.

des

Vorderindien das Stammland aller Bronze gewefen fein ſoll Worfaae), erweiſt ſich ſich als eine willkürliche An—

nahme.

Alte Bronzen gehören dort zu den größten Selten:

heiten; fie find von

unfere Bronzen Vorderindien

ganz

anderer Zuſammenſetzung als

und fommen

war

zufammen mit Eifen vor,

in alter Zeit fein „Bronzeland“,

eg

bezog ſelbſt im Altertum fein Zinn aus dem fernen Abend:

Lande, denn die reichen und näher liegenden hinterindifchen Zinnvorkommniſſe waren Damals wohl noch faum erſchloſſen.

Dagegen

deuten

häufige alte Kupferfunde auf das hohe

Alter dieſes Metalles in Indien, das heute dort, ebenſo wie das Eiſen, noch nach uralter Art erſchmolzen wird nach Methoden, die in mancher Beziehung an jene der Nigritier erinnern, ohne daß dabei an Entlehnung gedacht zu werden braucht. Ob Eiſen, ob Kupfer das ältere Metall in Vorderindien war — wer vermag das heute mit Sicher: beit zu entjcheiden? Zwar ſpricht fich die vergleichende Sprachforſchung zu Gunſten des Kupfers aus, aber die Sicherheit ihrer Entfcheidung läßt manches zu wünschen übrig. Als ein Ausflug der indischen Metallarbeit ragen in unfer europäiſches Kulturleben die fonfervativen Zigeuner: 7

jhmiede hinein mit uralten Methoden und Inſtrumenten; ihnen iſt eine beſondere Betrachtung gewidmet, welche aller— dings von des ſonſt verdienten Bataillard's Phantaſien, daß

nämlich die Zigeuner die Verbreiter der alten Bronzekultur in Europa waren, nichts wiſſen mag.

Abermals ein ſelbſtändiges metallurgiſches Reich bil— den die malaiiſchen Völker. Ihr wohlcharakteriſiertes, jeit uralter Zeit bei ihnen heimifches Verfahren der Eiſen— bereitung reicht von Madagaskar bis Neuguinea und im Norden bis zu den Philippinen. Eiſen iſt ihr älteſtes Metall. Kupfer, das ſie gleichfalls, aber weniger darſtellen, erſcheint ſpäter und ebenſo die Bronze.

Hinterindien, von wo die uns angehenden Nachrichten ſpärlich fließen und wo das Studium der Metalle bei den hochintereſſanten Aboriginern des Innern eine dankbare Aufgabe bilden würde, tritt uns mit prähiſtoriſchen Zeugen der jüngeren Steinzeit in Geſellſchaft von Bronzen ent— gegen, und deutet durch die Verſchiedenartigkeit der Metho— den, nach denen ſeine Urvölker in Kambodſcha und Birma

das Eiſen gewinnen, auf eine ſelbſtändige und urjprüng: liche Darjtellung

flüſſe.

desjelben,

ohne erkennbare fremde Ein:

Für das in feiner Kultur völlig iſoliert daftehende China wird bereits vor 3500 Jahren eine bochentwidelte Bronzeinduftrie bezeugt und Sinologen find geneigt, der Bronze dort die Priorität vor dem Eifen zuzuerfennen — ob aber nicht unter dem Einfluffe Handinavifcher Anfchaus ungen? Eiſen ift in der älteren chinefilchen Litteratur neben Zinn und Kupfer gleichfalls ein durchaus befanntes Metal und die chinefifche Eifendarftellung erſcheint ung noch jet als eine ganz eigentümliche, von der aller übrigen Völfer völlig gefchiedene und jelbftändige. Daß aber die Chinefen, die in jo vielen Dingen die Lehrmeifter der

Kleinere Mitteilungen.

Japaner geweſen, letzteren auch die Eifenfenntnis über: mittelt haben follten, läßt fih faum annehmen; denn Japan zeigt in diefer Nichtung ein ganz anderes Verfahren als China, nämlich die Einjchmelzung in Defen, während China bis zum heutigen Tage nur in Eleinen Schmelz:

597

Hauptmetall, feltener war Bronze, und beide wurden noch

neben dem Stein benußt, im ganzen auch, wie die ſpär— lichen Funde beweisen, nicht häufig. Weiter war man in

und polierten/ Steingeräte, gejellt mit Bronzen, welch’ letz—

Bezug auf die Bronze in Peru, wo umgekehrt die Kupfer: geräte feltener find. Alle metallurgifchen Arbeiten diejer amerifanifchen Kulturvölfer wurden ohne Gebläſe aus: geführt. Die Analyfen der Bronzen ergeben eine große Berfchiedenheit in der Zuſammenſetzung und keinerlei Ueber: einftimmung zwiſchen merifanifchen und peruanifchen Er: zeugniſſen. In alle die hier aufgezählten Länder, den größeren Teil unſerer Erde, brauchten die Europäer nicht erſt die Metalle zu bringen, weil ſie ſelbſtändig dort entdeckt und

tere man aud) in Japan für älter als das Eifen anfpricht.

verarbeitet worden

tiegeln fein Eifen gewinnt. Für China find die prähiftoriſchen Verhältniffe noch wenig oder gar nicht ftudiert, wiewohl wir wiſſen, daß aud) diefes Land feine Steinzeit

hatte; in Japan aber, two Europäer einflußreich wirken haben,

zu Studien

Gelegenheit

und

erfannte

man die

der dortigen vorgeſchichtlichen Funde

große Aehnlichfeit

mit jenen Europas, die Hebereinftimmung der zugehauenen

Licht beginnt fich zu verbeiten über den Norden Aſiens in präbiftorifcher Zeit. Nicht alle ſibiriſchen Völkerſchaften befanden ſich, als die ruffischen Entdeder in das Land famen, im Zuftande der Steinzeit; einzelne Stämme ver:

ſtanden es bereits, das Eifen zu reduzieren und zu ſchmieden, wohl als ein Exbteil türfifcher Völker, die, aus Zentral: afien fommend und als Groberer eindringend, die Eiſen— funde mitbrachten. Aber lange vor den eijenkundigen

Türfoölfern hatten vom Ural bis zum Altai finniſche Stämme, die in der Tradition als Tſchuden fortleben, eifrig Bergbau

und

Metallfchmelzerei

betrieben.

Kupfer

war ihr Hauptmetall, das fie zu Schmelzen und gießen ver: ftanden. Neben dem Kupfer der Tſchuden und dem Eiſen

waren.

Das Eiſen freilich haben ſie

in Amerika eingeführt; der Nordweſten erhielt es ziemlich ſpät durch die Ruſſen, in die übrigen Gebiete hatten ſich Spanier, Portugieſen und Briten geteilt. Den Peruanern und Mexikanern war dasjelbe nur „schwarzes Kupfer”. Metalllos war die Südſee, deren zahlreiche Inſelfluren fich über ein Gebiet von 100 Längengraden erjtreden und wo zunächit die Spanier mit der Verbreitung des Eiſens begannen. Aber volle drei Jahrhunderte hat bier der Prozeß der Metallverbreitung in Anfpruc genommen; denn erſt das achte Jahrzehnt unferes Säfulums ſah den Ab: ſchluß auf Neuguinea, deſſen Bewohner die legten unjeres Groballs waren, welche in die Metallfenntnis eingeführt wurden.

der Türken erhielt fich aber im fernen Dften der alten Welt,

da, wo diefe fi) Amerika nähert, die Steinzeit, welche erſt den erobernden

Ruſſen wich und bei den Tſchuktſchen in

ihren leßten Ausläufern heute vor unferen Augen da— hinſiecht. Nicht geleugnet kann werden die Einheit des Menſchen in der alten und neuen Welt.

Aber die Differenzierung

beider Quelle kann. alten

liegt ſo weit zurück, daß von einer gemeinſamen ihrer beiderſeitigen Metallkenntniſſe keine Rede ſein Oder, wenn man grundlos dieſe Kenntnis von der nach der neuen Welt gelangen läßt, warum dreht

man,

mit

gleich

gutem Grunde,

die Sache nicht einmal

um und läßt die Inkaperuaner die Bronzelehrmeiſter der Aſiaten werden? Das gäbe doch Abwechslung. Auch in der neuen

von

Welt

einander.

zeigen ſich die Metallreiche unabhängig

Eiſen fannte” man

im vorkolumbiſchen

Amerika nicht, wenigftens fein künſtlich dargeſtelltes; aber

Meteoreifen wurde twiederholt, jo namentlich von den Es— fimos,

benußt

und

auf ähnlicher Stufe

ftand aud) die

Anwendung des gediegenen Kupfers in Nordamerika. wird

don

den Indianern

Es

tie weicher Stein verarbeitet

und fennzeichnet höchſtens die Grenze zwiſchen Stein» und Metallzeit. Der große Kulturfortichritt, die Erze mit Kohlen zu reduzieren und die Metalle im Feuer zu behandeln, iſt dreimal in Amerika gemacht worden: in Mexiko, in Kun— dinamarfa und in Peru, ſtets aber jelbjtändig und un: abhängig von einander. In Meriko war Kupfer das

Kleinere Mitteilungen. Nenigfeiten vom Kongo. Oberft Francis de Winton ift am 1. Mai 1554 in Bivi augefommen; ex wurde in fein Amt als Direktor und Generaladiminiftrator der Kongo-Gejellihaft von Stanley eingeführt. Stanley ſelbſt wird in nächſter Zeit nach Europa zurückkehren. Letzteres ſieht wirklich einer Abberufung ähnlicher als einer Uebernahme der Präſideutſchaft der „Freien Staaten“ am Kongo. — Royer hat ſeine Geſundheit hergeſtellt und gedenkt zum dritten Male eine Miſſion nach Inner-Afrika zu übernehmen. — Im Dienſte der Kongo-Geſellſchaft befinden ſich gegenwärtig folgende Eng—

läuder: am

Kongo:

in Vivi: de Winton, Bourchier, Parminter, Dr, Yeslie, Shaw, Bathurſt, Trupp, Tugman.

in Lutete: Connelly, in Ngombi: Edwards, Edmunds, in Leopoldville: Saulez, Gil, Burton, in Kinthaffa: Swinburne, in Lukolela: Slave, Gumble-Steyes, in Stanley-Fals: Bennie, am linken Ufer des Kongo: Vetſch, am Kuilu: in Rudolfſtadt: Grant Elliot, Pollok, Dr. Smith, in Boudoinville: Burns, in Franftown: Waterton, in Stanley Niadi: Hurt, Moloney, Berey (7), an der Loangofüfte in Egowe, Sette-Kama, Nyanga und Mayomba: Fitzmaurice, Newcomb, Crowther, Bailey, auf der Kongoflotille: Ahaeru, Nicholls, Brown, Farner. ern

398

Kleinere Mitteilungen,

Grant Elliot hat im Auftrag der Gefellfchaft die Loango-Küſte zwifchen Gabun und Kuilu in einer Ausdehnung von 370 Km. durch Bertrag

mit

den

Eingeborenen

unter

das Proteftorat der

blauen Flagge geftellt und vier nene Stationen errichtet: Egome, mehr fiidlich von Gabun, unterhalb des Kaps St. Katharina, Sette-Rama, nördlih vom Flügen Sette, Nyanga an der Münd— ung des Fluffes gleichen Namens, Yumba, au der Mündung des Fluſſes Banya. Es ift das ein reiches Territorium, in welchem ſchon ſeit längerer Zeit englifche, holländische und portugiefiiche Faktoreien einen lebhaften Exrporthandel mit Kautſchuk, Palmöl,

Erdnüffen, Kokosnüſſen 2c. treiben.

Entwaldung

und Bewaldung

in den englifchen Kolonien.

Die öfter befprochene Frage der Entwaldung und Bewaldung in den englifchen Kolonten hat auch in neueſter Zeit wieder die öffentliche Aufmerkfamfeit in Anfpruch genommen. Man hat fi zunächſt damit befchäftigt, Thatfachen in diefer Hinficht zu Sammeln und fam zu Nefultaten, welhe von Abnahme der Waffermenge in Bächen und Strömen jprechen, von verheerenden Ueberſchwemm— ungen und anhaltender Dirre, von Wafferläufen, deren Bett fich vertieft und deren Spiegel ſich geſenkt, wodurch die umliegenden Felder Einbuße an ihrer Fruchtbarkeit gelitten haben: alles Erſcheinungen, die man einer uniiberlegten Entwaldung zufchreibt. Be— ſonders wies der Diveftor der Pflanzungen auf Jamaika daranf hin, daß nach dem Urteil alter erfahrener Pflanzer die periodifchen Regen, welche früher im Mai und Dftober reichlich fielen, mehr und mehr unregelmäßig werden. Dieſe Bemerkung bezieht ſich hauptſächlich auf die ſüdlichen Abhänge der Blauen Berge, fowie die anderen jüdlichen und weftlichen Bezirke, wo befonders Kaffee angebaut wird, Der nadteilige Einfluß ebengenannter Erſcheinungen liegt auf der Hand. Demzufolge hat vor einiger Zeit ſchon der Staatsjefretär für die Kolonien ſich Angaben über das Nutzholz in den ver: jhiedenen Beſitzungen einſchicken laſſen und auf Grund derjelben ein Rundſchreiben erlaffen, in welchem er darauf aufmerkſam macht, wie nötig es ift, Sorge zu tragen, daß man foviel wie möglih die Bedürfniſſe an Bauholz jelbft deden kann und fich nicht ganz und gar auf die Einfuhr von außen verläßt. Dieſe Ermahnung erſcheint gewiß nötig, denn unter 38 Kolonien waren nur 4, in denen der Vorrat an Nutzholz nicht abnimmt. In Manritius, Zeylon, Jamaika und auch in Indien Hat man Maß— vegeln getroffen, um entblößte Stelleu wieder zu bepflanzen und gewiffe Striche neben den Flüffen und Strömen referviert, in denen fein Holz gefällt werden darf. Die Frage der Entwaldung der Bergrüden und Bergipigen und der längs der Gewäſſer gelegenen Gebiete, welche für die Landbeſitzer ſowohl als auch für die Negierung des Landes von höchſter Wichtigkeit ift, wird hoffentlich in den englifhen Kolonien jetzt gebührend berücfichtigt werden. E. M.

Ueber den Verfall des mauriſchen Kunſtgewerbes werks,

und Hand-

ſowie die Urſachen desſelben, wurden der „U. 3.” aus Algier einige harakteriftiiche Thatſachen mitgeteilt. Unter allen mohamedaniſchen Ländern, heißt es dort, fteht gegenwärtig Algerien am tiefften im Bezug auf das Kunftgewerbe und Handwerk der Ein-

geborenen.

Der fortfehreitende Verfall auf diefem Gebiete ift täg-

lid) wahrnehmbarer. Man kann in den Straßen Algiers einen Eingeborenen in mauriſcher oder arabifher Tracht gehen jehen, an welcher jedes Stück enropätfchen Urſprungs ift. Biele Induſtrie— zweige ſind ganz erloſchen, andere dem Erlöſchen nahe, alle zeigen unverkennbare Merkmale des Verfalls. Viele Stoffe europäiſcher Herkunft kommen den Mohamedanern viel billiger zu ſtehen, als ihre einheimiſchen und werden daher vorgezogen. Ja manches, was

auf den erften Anblick für mohamedanisch gehalten wird, ift im Wahrheit eine emropätfhe Nachahmung. Die meiften wirklich mohamedanischen Waren, welche man hier noch antrifft, als Teppiche, Tücher und Tafelgerätichaften, find nicht algieriichen, fondern maroffanifchen

oder ſyriſchen Urſprungs.

Waffen werden

gar nicht

mehr verfertigt, ſchon infolge des Verbot der franzöfiihen Re— gierung, joldhe zu tragen. Nur die Kabylen verfertigen noch eine Art Mefjer aus Eifen, welche man aber faum als Waffen bezeichnen Fanıı. Das einzige von Eingeborenen betriebene Gewerbe, welches in der Stadt Algier noch im Schwunge ift, ſcheint das Schuhmacherhandwerf zu fein. Dies kommt wohl daher, daß die mohamedanifchen Algterer männlichen Geſchlechts einen Widerwillen gegen europäische Fußbekleidung haben; die verjchleierten Moresken freilich, welche

in den Straßen

der

Stadt herumftreichen,

gehen

in Modejchuhen mit Abſätzen à la Louis XIV. — Die eigentliche Urſache diefer Erſcheinung ruht darin, daß mit der Vertreibung und Erjetung der Türken durch Franzofen und mit der immer mehr fih ausbreitenden emropäifhen Bevölkerung den Mauren ihre gewerbliche Grundlage entzogen wurde. Sp ſehr letztere feinerzeit von den herrſchenden Türken politisch zurückgeſetzt wurden, jo ſehr waren fie denfelben wirtichaftlich unentbehrlich. Ein fernerer Umftand zu Gunften der Mauren jener Zeit war die Befchränfung der jüdischen Konkurrenz im Handel. Wenngleich ſchon damals einige Juden nicht verfehlten, Neichtümer zu ſammeln, jo war doc) die Mafje derjelben verhältnismäßig arm und andererſeits waren die reihen im beftändiger Angft, daß man ihnen ihre Neichtüimer wieder abnehme. Ihre ganze rechtliche Stellung den Mohamedanern gegenüber ließ fie nicht auffommen. Seit der franzöſiſchen Herrichaft hat fih dies wejentlich geändert und befonders feit der Berleihung des franzöfiichen Bürgerrehts an die Juden. Die Juden, welche fich erſtaunlich ſchnell franzöfieren, ohne daß fie aufhören, zu fein, was fie von Natur find, wiffen ihre neue politiſche Stellung ſehr gut wirtfcehaftlich zu benüten. Dazu fommt der Umftand, daß fie als genaue Kenner des mohamedaniſchen Lebens und der arabifchen Sprache fich eines großen Vorteils vor den Franzofen erfreuen. Sehr häufig handeln fie im Gejchäftsverfehr als Vermittler zwischen Franzofen und Eingeborenen. Infolge dieſes wirtſchaftlichen Umſchwunges iſt die Mehrzahl der reichen und wohlhabenden mauriſchen Familien verarmt. Es darf aber nicht außer Acht gelaſſen werden, daß mit dem Seeraub bei vielen Mauren auch der Reichtum abnahm. Nur im ZTabafgejchäft iheinen die Mauren Glück zu haben; es leben mehrere wirklich reihe maurishe Tabakhändler in Algier. Doc das gehört nicht

in das Gebiet

des Gewerbes.

Als Unikum

mag

in diefem ein

mauriſcher Liqueur- und Sodawafjerfabrifant erwähnt werben, welcher mit feinem Geſchäft fich ein ftattliches Bermögent erworben hat. Nur im Weften von Algerien, in Tlemcen, bildet die Dedenund Teppichfabrifation noch einen einigermaßen blühenden Ge— werbszweig. Doch treten unter dem Einfluß franzöfifcher Wolle, Farben und franzöfischen Gefhmads die alten Mufter zurück und ein Mittelding zwiſchen franzöſiſchem und arabiſchem Geſchmacke macht ſich breit. Selbſt in den marokkaniſchen Teppichen kann man, wenn auch in mäßigerem Grade, dieſe Wahrnehmung machen, Die Erzengniffe der nomadifchen Stämme, der Kabylen und der Bewohner der Wiftenftädte fünnen, da fie nur Häusliche Verwendung finden, nicht dem Gewerbe im wirtichaftlich höheren Sinne zugezäblt werden. Vieles, was noch als maurisches Ge— werbe gilt, verdankt hieſigen Juden und Europäern ſeinen Urſprung. Ich ſelbſt kenne einen Deutſchen, aus deſſen Händen für einen hieſigen Juwelier die ſchönſten arabiſchen Goldarbeiten hervorgehen.

— —

599

Notizen,

Hotizen,

und Anfichten von den Stationen. 2) Durch eine handelsgeographifche Abteilung; hier würde man fämtliche in Europa ver wertbaren Erportartifel aus dem weftlichen Bentralafrifa finden, ferner die gebräuchlichen Taufchwaren und jchlieglich die ganze

Afrika. Eine nene deutjhe Expedition nah Weſtafrika. Die Afrikaniſche Gejellichaft in Deutjchland bereitet eine neue Erpedition nad dem ſüdlichen Kongobeden vor und hat zu deren Führer Premierlentnant Schulze in Straßburg beftimmt. In Bee gleitung desjelben werden fich befinden: Premierleutnant Kunth aus Neu-Breiſach als ZTopograph, Dr. Wolff aus Brit bei Berlin als Anthropolog und Dr, Biittner aus Potsdam als Zoolog und Mineralog.

Ausrüftung

am

30. Auguſt 1883“,

ſchreibt

er, „hatte ich nie die

Moment aber als Stanley die Anker ausgeworfen, wurde er von den Bayarzi beſchoſſen, die aus irgend einem Grund erboſt über ihn waren. Die von Stanley ergriffenen Repreſſalien machten in der Folge meine Lage ſehr ſchwierig. Am 2. Dezember verbrannten die Neger einen Teil des Etabliffements. Am 14. Januar 1884 fehrte Stanley nad) Bolobo zurück; Liebrecht und ich baten ihn, einen won ums nach Zeopoldville mitzunehmen, um Erſatz fir die verbrannten Gegenftände zu holen. Er beftimmte mich, ohne mir jedoch jeine Abficht, mich abzuſetzen, zuverraten. Daraus F geht unzweifelhaft hervor, daß die Feindfeligfeiten mit den Eingeborenen erft von dem Tage der Ankunft Stanleys datierten, da i ich vorher iu friedfichfter Eintracht mit ihnen gelebt hatte.“ | Die Kongo-Öejellfhaft und die Ausftellung iu } Antwerpen. Die Kongo-Gefellihaft bejchäftigt fich gegenwärtig _ mit einem jehr intereffanten Plane; fie will ſich an der allgemeinen Ausſtellung in Antwerpen 1885 in folgender Weife beteiligen: I) Durch eine wifjenfhaftliche Abteilung; in diefer foll alles vertreten fein, was ſich auf Ethnographie und Geologie, auf Tierund Pflanzenleben am Kongo bezieht; außerdem kartographiſche Aufnahmen längs des Kongo, Kuilu und der Loango-Küfte mit 4 den Jtinerarien der verſchiedenen Keifenden; endlich Detailpläne

2c., welche ſich als notwendig jenen

Gegenden

erwieſen hat.

mittelbare

Förperliche Arbeit Afrika wirtſchaftlich weit nutzbarer zu

machen, als es bisher gefchehen. Da er dies naturgemäß nicht aus eigenem Antrieb thut, ift er dazu anzuhalten, zu erziehen. Dies ift der Kernpunft des Problems, Afrika für die Menjchheit zu gewinnen, ihm eine fteigende Bedentung für die Weltwirtfchaft zu fihern. Hier ift die allem voranftehende, wahrhaft zivilifatoriſche Aufgabe zu löfen, deren Löſung einzig und allein die fortjhreitende Ertragsfähigfeit des ungehenren Kontinents bedingt. Alles übrige, vornehmlih das, was gegenwärtig noch in irrtüm— licher Auffaffung der wirklichen Verhältniſſe erhofft und geplant wird, ergibt fih danı von jelbft.

Biandi, der italienifche Neifende in Oftafrifa, um defjen Sicherheit man feit längerer Zeit lebhafte Bejorgniffe hegte, ift nad einer Meldung des Kommandanten der „Vedetta“ aus Adern wohlbehalten in Mafalla.

Stanleys

in

Die Bedeutung der Neger für die Kolonifation Afrifas. Dr, E. Pechuel-Loeſche, welher in Nr. 6 der Mitteilungen der Afrifanifchen Gejellihaft im Wien einen zweiten Artifel iiber daS zentralafrifaniiche Problem veröffentlicht, urteilt in dem— jelben tiber die Bedeutung der Neger für die Kolonifation Afrifas wie folgt: Der Neger ift jedenfalls fehr gut im ftande, durch un—

Die Internationale Afrikaniſche Geſellſchaft wird im nächſter Zeit zwei Erpeditionen nah Zentralafrika ausrüſten. Mehrere belgiſche Offiziere nehmen an denſelben teil. Einer dieſer Herren, Hieronymus Becker, hat ſoeben in einem unter dem Titel „La vie en Afrique“ erfchienenen, eruſt gehaltenen und intereſſanten Buche feine Erlebniffe während eines dreijährigen Aufent— haltes am See Tanganika geſchildert.

geringſten Unannehmlichkeiten mit den dortigen Eingeborenen. Im

Werkzeugen

fir Europäer

3) Durch eine Kulturhiftorische Abteilung; man will ein vollftändiges Negerdorf in dem Garten der Ausſtellung aufbauen und dieſes womöglich mit Teibhaftigen Vertretern der einzelnen Kongoftämme bevölfern, Man kann dieſer Idee ihre eigentiim lichen Reize nicht abjprechen; wird zudem der Beſchauer durch ein Material von exakten, mit erſchöpfenden richtigen Zahlen verjehenen Berichten zu einem Haren Urteil geführt werden, jo kann auch ein Nugen in praktiſcher Hinficht nicht ausbleiben. Es ift nur zu befürchten, daß mehr die Tendenz der Verlodung, als die der un geſchminkten Wahrheit fi) bemerkbar machen wird.

Deutfhe Erpedition nah Siüdmeftafrifa. Auf Ver— anlaffjung des Haufes Lüderitz geht cine Expedition, welcher Leutnant ©. Israel, Dr. Höpfner, Herr Lüderitz und ein Ingenieur angehören, von Angra Pequena aus in nordöftlicher Richtung nad) dem Innern Afrikas, um, wenn möglich, einen Weg zu finden, auf welchem eventuell der Warenverfehr nach Angra Pequena geleitet werden könne.

Der Kampf in Bolobo am 30. Auguft 1883. Brun— - fant, der frühere Kommandant der Station Bolobo am mittleren Kongo, war in den jüngften Berichten, welche iiber Stanleys Fahrt von Leopoldville nad) dem Aruwimi einliefen, beſchuldigt worden, daß infolge ſeiner Behandlung der Eingeborenen jener blutige Tumult in der Station Bolobo ausgebrochen ſei, welchen dann nur mit Mühe Stanley zu beſchwichtigen im ſtande war. Brun— fant wurde ſeines Poſtens enthoben, kehrte nach Belgien zurück und fand nun in den Zeitungen jenen Vorgang in der angegebenen Weiſe dargeſtellt. Er verteidigt ſich dagegen mit — wie es uns ſcheint — ſehr ruhigen und folgerichtigen Worten. „Bis zur Ankunft

an Waffen,

und vorteilhaft

Polarregionen.

|

Leutnant Öreely gerettet, 830 44° n. Br. erreicht. Sin raſcher Erfolg hat die heurige amerifanifche Expedition zur Aufſuchung Greelys und feiner Mannſchaft gekrönt. Am 24. April hatte der Dampfer „Bear“, am 1.Mai die „Thetis“ unter Befehl des Kapitäns Schley New-York verlaffen. Erſt am 18, Juni erreichten beide Schiffe Kap York am Eingang in den Smithjund und nach dreitägigem Kampf mit fcheinbar umpaffierbaren Eismaffen wurden am 21. Juli die wenigen Überlebenden Mitglieder der Greelyſſchen Expedition — von ihren 25 Mitgliedern unter— fagen 18 den ausgeftandenen Entbehrungen — aufgefunden; eine Verzögerung von nur 24 oder 48 Stunden wiirde auch ihnen den Tod gebracht haben. Als der Sommer 1883 zu Ende ging, ohne Nettung gebracht zu haben und die Lebensmittel Inapp zu werden begannen, beſchloß man, mit Hilfe der Boote eine der dänischen Anſiedelungen an der Weſtküſte Grönlands zu erreichen. Am 8. Auguft 1883 verließ die Expedition Port Konger und er— reichte am 29. September Baird Inlet, 70 Seemeilen ſüdlich vom Diskoveryhafen. Da es unmöglid war, mit den Booten weiter borzudringen und noch vor Einbruch des Winters die dänischen Anftedelungen zu erreichen, machte man fich auf einem jiidwärts treibenden Eisfelde heimisch. Nach 30 Tagen unheimlichen Umhertreibens landeten die Nordpolfahrer bei Kap Sabine, wo fie unter entfetlichen Entbehrungen bis zu ihrer Auffindung in Schneehütten lebten. Leutnant Greely hat alle Aufzeichnungen und auch alle in Port Konger gebrauchten Inſtrumente gevettet. Ueber feine Entdeckungen telegraphierte ev von St. Johns aus an den Marineminifter: „Zum erſten Dale feit drei Jahrhunderten ift der Ruhm, den nördlichften Punkt erreicht zu haben, den Engländern entriffen worden. Leutnant Lockwood und Sergent Brainerd er-

600

Korrefpondenz.

veihten am 13. Mat 1883 eine unter 83044’ n. Br. und 440 5° w. 8. gelegene Inſel, der wir den Namen Lockwood-Inſel gaben. Leutnant Lockwood und Sergent Brainerd jahen von einer Höhe von 2000 Nordoften

e. F. aus fein Land im Norden und Nordweſten, im aber fahen fie Grönland und Kap Robert Linkoln unter

830 35° 1. Br. und 380 w. 8. Leutnant Lockwood wurde 1883 dadurch zuriidgetrieben, daß an der Nordküfte Grönlands das Waffer offen wurde. Mit knapper Not entging er dem Geſchick, in das Polarmeer hinausgetrieben zu werden. Dr. Pavy, Der 1882 Markhams Spuren folgte Markhdam war am 12. Mai 1576 bis 830 20° n. Br. vorgedrumgen), war eines Tages nördlich von Kap Fofef-Heinrih in das Polarmeer hinausgetrieben worden. Als er

endlih

fich

ziemlich alles, was Jahre

retten vermochte,

zu

ans Land

er mitgenommen

mußte

hatte, im Stich laſſen.

ev jo Im

und fpäter eine Sommer-

1882 machte ich eine Frühjahrs-

reife in das Innere von Örinnell-Yand, wober ich den See Hazen entdedte, der etwa

lang und 16 Km.

100 Km.

2. Kingawafiord. Die Temperaturverbältniffe diefer Station waren durchaus arktiſch-kontinental. Das Jahres: mittel der Temperatur liegt nahe bei — 110. Das Temperaturminimum betrug am 3. März — 48,40, das Temperatinmarimum ftieg am 3. Auguft auf 20,1", Streng genommen war nur der Suli völlig froftfrei. Während der Beobachtungsperiode gab es

265 oder 73,80, Frofttage, an denen das Minimumthermometer unter 00 ſank und 212 oder 59,10%, Eistage, an welchen das Marimumthermometer ſich nicht über den Gefrierpunft erhob, Die mittlere Bewölfung war im ganzen ziemlich ftarf, 6,5, Die beiterften Monate waren die Wintermonate. Die Windftärfe erreichte faum den erften Grad der Beaufort-Sfala. An 33,10, aller Beobachtungsftunden herrſchte Windftille. Die Gefamtzahl der Niederichlagstage betrug 204 oder 78,8 0/, aller Beobadhtungtage. Scneefälle famen in allen Monaten mit Ausnahme des Auguft vor. Die Veränderungen im Barometerftand waren im ganzen

mäßig; die abfolnte Schwankung des Luftorudes betrug 55,2 mm,

breit iſt.“

Sibirjafow’3 Erpeditionen zur Erforfhung der Petfhora und der Jeniſſei-Mündung. Aus Archangelsf geht der „Moskowskija Wedomofti” die Meldung zu, daß der Dampfer „Nordenjfiöfd“ am 26. Juni von Tromfd aus zur Er— forfhung der Feniffei-Miündung und der Dampfer „Ob“ am 28. Juni aus Archangelsk zur Erforschung des Petichorafluffes abgehen follten. Beide Schiffe wurden von Herrn Sibirjakow ausgerüftet.

wir

Der vorjährigen Forfhungsreife Nordenſkiölds verbanfen eine detaillierte Karte von jenen Streden der oftgrön

ländiſchen Küſte

jenfeit3 des Kap Dan, welche Nordenffiöld

nach jeiner Wanderung anf dem Binnenlandeife erplorierte, Auf derfelben hat er die Namen einer Anzahl berühmter Schweden und Dänen veremigt.

Der isländifhe Geologe Th. Thoroddjen hat im vergangenen Herbft während zweier Monate die Halbinjel Rey— fjanäs auf Island vollftändig unterſucht. Er fand dort einen ausgebreiteten

vulkaniſchen

Herd

mit

mehreren

hundert

Kratern.

Sechs der hier aufgefundenen Bulfane haben ficher in hiftorifcher Zeit Ausbrüche gehabt, von vier anderen ließ fid) dies nicht zuverläffig

fonftatieren.

Un der Südfüfte Grönlands herrſcht in diefem Sommer jo ungünftiges Wetter mit Nebel und Sturm, daß die englischen Waler mehrfache Unglücksfälle zu verzeichnen habeır. Dr. v. Danfelman

veröffentlicht

„Meteorologischen Zeitjehrift” einen Ergebnijje

der

im

Heft

3

und

4 der

vorläufigen Bericht iiber die

meteorologiihen

Beobadhtungen

auf

den deutfhen PBolarftationen, aus dem wir die nachfolgenden Daten hervorheben: 1. Noyalbai auf Südgeorgien. Die regelmäßigen Beobachtungen umfaffen hier 353 Tage oder 3472 Beobadtungsftunden. Die mittlere Temperatur für dieſe Beobahtungsperiode Monats

(Februar)

ftellt fih

auf etwa

auf zirka 4,50,

1,70, die des wärmſten

jene des fälteften auf

— 30,

Kein Monat war völlig froftfrei; an 300%, aller Beobachtungs— ſtunden ftand das Thermometer unter Null. Die tieffte am Minimumthermometer beobachtete Temperatur betrug — 13,40 (Sul), die höchfte des Marimumthermometers war 140 (Februar). Die durchſchnittliche Bewölkung betrug 7,1; im ganzen wurden 269 wolkenloſe Stunden gegen 3302 völlig trübe notiert. Das Beobahtungsjahr erichien ſehr niederichlagsreih; innerhalb der Beobachtungsdauer

waren

287

oder 820/, aller Tage feucht, doch

war die Niederichlagsmenge oft jehr gering, Schneefall war ſehr häufig, felbft im märmften Monat (Februar) waren 13 Niederihlagstage mit Schneefall verbimden. Die Winde wehen hauptjählih aus dem, ſüdweſtlichen Quadranten; reine Weftwinde find in allen Monaten am häufigften, jodann folgen WSW-

Korreſpondenz. Ständige Mitglieder des Deutſchen Geographen— tages. In dieſen Tagen wurden die vom vierten Deutſchen Geographentag in München beſchloſſenen Statuten verſandt, welche den Geographentag zu einer dauernden Inſtitution mit ſtändigen Mitgliedern machen. Dieſe ſtändigen Mitglieder ſind gegen Ent— richtung eines Jahresbeitrages von 5 ME. zur Teilnahme am Geographentage und zum Gratisempfang der Drudjchriften des— jelben berechtigt. Wer Mitglied des vierten Deutſchen Geographentages war, wird ftändiges Mitglied und empfängt für diejesmal den demnöchft erfcheinenden Bericht des vierten Deutſchen

SGeographentages

gegen

Nachzahlung von 3 ME.

erflärungen nimmt Profeſſor Dr. Friedrich Ratzel

Beitritts-

in Münden,

Zahlungen der Kaffier des Geographentages, Herr Karl Maifon in Miinchen entgegen, welche beide zur Frankozufendung Statuten des Deutſchen Geographentages bereit find.

der

Anzeigen. Neuchätel,. Antiqyuites.

Neuchätel,

Unter absoluter Garantie der Echtheit! Alle Arten Fundgegenstände aus den Pfahlbauten der westschweizerischen Seen, Stein- u. Bronzezeit. Kataloge stehen zur Verfügung.

Ferd.

Beck, Spitalvorstadt 5, Neuchätel.

und NW—

Winde. Gewitter wurden ebenfowenig beobachtet, wie Sitdlichter. Der Luftdruck war jehr ftarfen und raschen Aenderungen unter— worfen. Die abſolute Schwankung desfelben betrug 64 mm.

Derlan der 3. 6. Cotta'ſchen Buchhandlung in Stuttgart, Singer, Carl v., Srenz- und @uerzüge durd Italien im Sommer 18576. VIu. 3148, 120, M. 4.—

Druck und Berlag der J. ©. Cotta’fhen Buchhandlung in Minchen und Stuttgart,

4

Das Juslaud. Wochenſchriſt für Länder: und Dölkerkunde, unter Mitwirfung von Profefjor Dr. Friedrich) Nagel und anderen Fachmännern herausgegeben von der 3. 6. Cotta'ſchen Buchhandlung in Stuttgart und München. Siebenundfünfzigiter Jahrgang.

1884.

|

Münden, 3. Auguſt.

Ar. 31.

Preis pro Quartal M. 7. — Zu beziehen durd alle Buchhandlungen Jährlich 52 Nummern A 20 Seiten in Quart. ämter. — Rezenfions-Gremplare von Werken der einſchlägigen Litteratur find direft an Herrn Profefjor Dr. Friedrich Ratzel jenden. — Inſerationspreis 20 Pf. für die gejpaltene Zeile in Petit.

des In- und Auslandes und die PojtinMünden, Akademieſtraße Nr. 5, zu

Bon Adolf F. Bandelier. ©. 601. — 2. Zur Erodusfrage. Inhalt: 1. NReifebriefe aus dem füdweftlihen Nordamerika. Bon W. Bon Profeffor Dr. Lauth. S. 607. — 3. Die Tätowierung und Gefichtsverzierung bei den nordamerikaniſchen Sudianern. (Fortſetzung.) S. 615. — ©. 614. — 5. Koloniallitteratur. 3. Hoffmann. ©. 611. — 4. Aſſab und Obof ein Warnungszeichen. 6. Kleinere Mitteilungen: S. 617. Thomſon's Expedition in Oftafrifa. Geldfurrogate auf den Neuen Hebriden umd den SalomonsInſeln. — 7. Notizen: ©. 618. Mien. Perſonalnachrichten.

Keiſehriefe aus dem ſüdweſtlichen Nordamerike. de Koditi,

Bernalillo

County,

Neu-

Mexiko, den 22. April. Raub und kalt wirbeln die April- Stürme um die fahlen, fandigen Dünen, von denen aus mein Kleines Indianerdörfchen Kochiti (eigentlich Co-tyi-ti) den Lauf des Rio Grande del Norte überſchaut. Die Waſſerſchlange (Tzitz-shru-ui), wie die Queres-Indianer den trüben, aber reißend fließenden Strom nennen, hat noch nicht zu fteigen begonnen; exit im fommenden Monat hebt fich der Wafjerſtand. Noch reicht die Flut dem Durchreitenden nicht über das Knie. Der ſchwindelnde Fußiteig, den meine Indianer jedes Jahr im Herbfte geduldig herſtellen, wird im folgen-

begeben

fi

die Biber

an das Werk der

|

Im Mai, jobald das Schmelzen des Schnees in den Quellvegionen de3 Rio Grande (11,920 e. Fuß ü. M.)

|

die Waſſer des Stromes

ſchwellt, machen die Beivohner der

| Bueblos an feinen Ufern die ungefüge

Kanoa flott und

| verfehen fich fo mit einer primitiven Fähre. Die Kanoa | von Kochiti beiteht nur aus mit einander verbundenen Baumſtämmen, ift alfo ein Floß, deſſen Zwiſchenräume mit Harz verpicht ſind. Ein Rand oder Bord von auf— vechtftehenden, ineinander gefügten Planken bildet für die auf diefem Floße Befindlihen eine Brüftung. Born und hinten find die Balken nach unten zu ſchräg abgehauen, wodurch ein Kiel der roheften Art angebeutet iſt. Dieſes | plumpe Fahrzeug tt 7,8 m. (25 e. Fuß) lang und 1,6 m, (50.5.3 Zoll) breit; es wird durch Stangen vorwärts be

den Winter ebenfo geduldig unter der Wafferlinie von den Bibern (Castor canadensis) zernagt, jo daß ihn der erſte Eisgang zu Falle bringt. Ohne Murren fehleppt dann die männliche Bevölkerung des Dorfes die ſchmalen Balken,

| wegt. Der Pueblo-Indianer fürchtet fi nicht, meilenweit im Strom zu reiten oder zu waten, er iſt jedoch der un— beholfenſte Schiffer der Erde, und kindiſch furchtſam beim Ueberſetzen auf dieſer einfachen Fähre. Von den

auf denen man mit Vorſicht den Uebergang gewagt, aus der reißenden Strömung ans Ufer, wo ſie bis zum folgen—

Stammesgenoſſen wird kein Fahrgeld erhoben, der Weiße jedoch, wenn er nicht gut befreundet iſt, hat eine kleine

den Herbſte aufgeſtapelt werden.

Dann werden aufs neue

gabelförmige Aeſte in das Flußbett geſtoßen und gegen einander gelehnt; quf den Gabeln ruben die Balken wieder Auslond 1884, Nr. 31. 4

und ungeftört

Zerftörung. |

Bon Adolf F. Bandelier. San’ Buenaventura

|

Entſchädigung

zu erlegen.

Jeden

Tag

beſtimmt

Capitan de la Guerra zwei bis vier jüngere welche die Fähre zu bejorgen haben. 091

der

Männer,

602

Neifebriefe aus dem füdmeftlichen Nordamerifa,

Bur jegigen Zeit aber ift Durchwaten noch das einzige Mittel des Uebergangs. Die Furten wechſeln raſch, da das Strombett fi) von Tag zu Tag verändert. Erreicht eine

Gruppe Fußgänger den Uferrand und ift fein Reiter in der Nähe, der. fie mitleidig

hinüberbefördert,

jo werden

die Ledergamafchen oder Beinkleider befeitigt, der Mann hebt das Hemd in die Höhe und marfchiert unbefümmert durch. Dft lädt er dabei die Frau auf den Nüden oder legtere fehürzt mit gleicher Sorglofigfeit die blaue Manta hinauf und folgt ihrem Träftigen Begleiter. Senfeits des Flufjes, auf dejjen djtlichem Ufer, Liegen die Felder oder Beete der Kochitenos, mit Ausnahme eines ichmalen Streifens von faum einer halben Meile Breite, welcher den Fuß der weftlichen Dünen von dem Rio Grande trennt. Im Sahre 1689 ſchenkte Don Domingo Gironza Petroz de Gruzate, damaliger Gouverneur in EI Paſo del Norte, dem fleinen Stamm vier Duadratsleguas Yand nad) der üblichen Terminologie Una legua en cuadro, d.h. eine Legua nad den vier Himmelsgegenden, vom Mittelpuntt des Dorfes aus gemejjen. Somit eignet Kochiti im ganzen 24,256 Ader. Nur ein Teil davon iſt zu bebauen, denn wenn auch die Dünen jelbjt und die am Gebirgsfuß anfchiwellenden Halden nicht unfruchtbar

find, jo fehlt doch das Waſſer.

Der Arroyo de la Beralta

liegt troden, bis ein heftiges Gewitter ihn auf kurze Zeit in ein reißendes Bergwaſſer verivandelt und nur Die Stromufer find der Srrigation zugänglich. Auf jeder Seite des Rio Grande laufen einfache Gräben dem Fluſſe parallel; fie fangen das Waſſer drei

Meilen oberhalb des Dorfes auf und leiten es durch die bebauten Streden bis zwei und vier Meilen ſüdlich von demjelben, wo jte in den Strom wieder einmünden. Die Acequia madre find alſo jtet3 mit Wafjer verfeben. Bon ihnen aus gejchieht die Bewäſſerung durch Fleinere Rillen und Kanäle Nicht alle Nährpflanzen erfordern die gleiche Summe und Zeit der Befeuchtung. Weizen wird in ſchwer getränkten Boden gefäct, Mais kann aud) in trodenem Grunde gepflanzt werden. Die erftere Graminee verlangt feine weitere Bewäfferung, bis die jungen Pflanze ſich ausgebreitet, die leßtere bedarf fie häufig bis zur Blütezeit oder wenigſtens bis im Juli Regengüſſe ſporadiſch eintreten, Der Schlamm des Rio Grande nähert ſich in ſeinen Beſtandteilen demjenigen des Nil. Nach der Analyſe von Herrn O. Löw enthält der erſtere: Kali 1,784, Soda 0,795, Kalk 1,751, kohlenſauren Kalk 5,190, Magneſia 0,181, Eiſenoxyd und Thonerde 14,890, Kieſelſäure 70,010, Phosphorfäure 0,092, Waffer und organische Subftanzen 5,012. Die Horner'ſche Analyfe des Nilſchlammes ergibt 1,311 weniger Kali, 0,262 weniger Soda, 1,473 weniger

fohlenfauven Kalt und 15,425 weniger Kiefelfäure. Diefe Differenzen werden durch folgende Ueberfchüffe beinahe erjeßt: 0,581 Magnefin, 16,980 Eifenoxyd und Thonerde, und 0,689 Waffer und organische Stoffe. Die Niederungen

des Rio Grande find im allgemeinen äußerſt fruchtbar; doch ift faum möglich, aus dem Ertrag indianifcher Felder Durchſchnittszahlen zu erlangen. Dieje Flächen find höchſt unregelmäßig. Ste werden oft der bloßen Laune oder Sufälligfeiten wegen verlafjen oder gewechſelt. Sie geben in ihrer Zerſtreutheit und fümmerlichen Bearbeitung ein Bild der Unftetigfeit, welche jelbjt dem feßhaften Indianer noch anflebt, gleichiwie die Art und Weife wie fie verteilt

und vererbt werden charakteriftiich ifr für den Kulturgrad und die gejellfchaftliche Ordnung der Eingeborenen. DasJ Gefamt-Areal ift Kommunalbefit und nur die Benugung des bearbeiteten Grundjtüdes gehört dem Einzelnen und fann von diefem Einzelmen vererbt, ja fogar an Stammes: mitglieder durch Verkauf oder Taufch übertragen werden.

An Auswärtige kann fein Land verkauft werden, denn die Vereinigten Staaten haben die Verfügungen Spaniens anerkannt, wonach die Schenfung

dem Stamm

und nit

den Einzelnen gemacht wurde. Mit weiſer Klugheit ift auch den eriten Statuten für das Territorium, welche die Anglo-Amerifaner entivorfen, die Verfügung einverleibt worden, daß jeder Pueblo eine eingetragene Genofjenschaft,

A body corporate and politie, bildet, die alfo nur durch ihre regelmäßig erwählten Beamten mit der übrigen Welt verfehrt. Es ift dies eine Schubmwehr, für die der Pueblo-

Indianer den Vereinigten Staaten zu tiefem Danke ver— pflichtet ift. Obwohl die Akten der jpanifchen Negierung, welche a den Pueblos bejtimmte Areale zumwiefen, den Titel Gnadene

jhenfung, Merced, tragen, jo gehörten die betreffenden Srundflächen in jedem Falle den früheren Gebieten zu, die den Stämmen fchon zur Zeit der erſten ſpaniſchen Anſiedelung

zum Wohnſitze dienten. Allein jene Gebiete hatten feine bejtimmten Grenzen, der Ausdruck Stammbezirk iſt nicht entjprechend. Vortrefflich jedoch bezeichnet das englifche Wort Range (Tribal range) jene unbejtimmten Flächen. So hatte der Stamm von Kochiti ein Gebiet, das ich weit nach Norden bis an den Nito de los Frijoles eritredte, im Süden kaum drei Meilen weit, bis in die Nähe des heutigen Peña-Blanka reichte und im Welten und Often eine ſchwankende Entfernung vom Dorfe einhielt. Um das lettere herum oder um den früheren Bueblo auf der

Nordſeite des Baches der Peralta gruppierten fich die kleinen Felder in ähnlicher Weife wie heutzutage. Noch jetzt beansprucht der Pueblo, oder vielmehr er

betrachtet als fein früheres Gebiet, ein unbeftimmtes Areal weſtlich, nördlich und teilweife auch nordöſtlich von feiner heutigen Lage,

Es iſt dies jenes wilde, pittoresfe Berg:

Labyrinth, das den Nito de [os Frijoles bei feiner Münde ung in den Rio weniger denn

Grande

12 zerftörte

im Norden

begrenzt.

Nicht

diefer Negion im Jahre 1880 vermefjen und unterſucht worden und ich kenne die Lofalität und Lage von noch fünf bis ſechs.

In gerader Linie reihen fich diefe Nuinen

auf eine Länge von

A

oder verlaffene Dörfer find in

bloß 16 e. Mk: aneinander, allein

*

J J

B 605

Neifebriefe aus dem ſüdweſtlichen Nordamerika.

bis zum Nito allein braucht man einen ftarlen Tag

und

Die größte Vertraulichkeit hat ſtets bei den viele Spinn—

fill man die übrigen Punkte befuchen,

das

jtubenabenden geherrfcht, die ich dort zugebracht. Der Tabak iſt Gemeingut; am Boden boden auf ihren jelbjtgewobenen Deden, Zarapes, meine Freunde und rauchen

jo erfordert

Beiteigen der Potreros und das Niederfteigen in die Kañones, auf und in welchen fie ſich befinden, zum mindejten drei Tage mehr. Die Botreros erjtreden fich gleich Zungen nad) dem Rio Grande bin, unter dem Fuße des Hoch— gebivges hervor. Ihre Abhänge find oft fenkrecht bis in eine Tiefe von 500 ja 1000 e. F. und felbit kletternd

Zigarretten aus Maisſtroh, mit wenig Tabak gefüllt.

erreicht man die Fläche oben an gewiſſen Stellen nur nad)

den Tabak

ftundenlanger

ergriffen, ausgezogen und im Rio Grande gewaltjam ges badet. Es wäre nicht ratſam, ſich diefer Sitte widerſetzen

Mühe;

der Neiter muß fich fügen, die bes

fremdendften Umwege einzufchlagen.

Der Potrero viejo

Sit

das duftende Kraut in einer Düte oder einem Käſtchen enthalten, jo ſteht diefes meiſt in der Mitte des Kreiſes. Wehe dem, der unvorfichtiger Weife dasjelbe umſtößt und

verichüttet.

Unter

hellem Gelächter wird er

>. B. kann zu Pferde gar nicht bejtiegen werben.

zu wollen.

Mit tiefem, herzlichen Gefühl gedenke ich jtets der Tage, in denen es mir vergönnt tar, jene wilden Re—

vertraulichen Einzelgefprächen mit Juan Sofe, babe ich ſtets meine interejjantejten Daten erlangt. Der Pueblo— Indianer ift nicht immer mitteilfam; ſodann ſprechen nicht alle Spanisch. Im Bueblo von St. Ana z.B. reden nur zwei Männer diefe Sprache, in Akoma veritehen von 582

gionen frei zu durchwandern. Schon im September 1880 und auch im Dftober hatte ich, teils mit Joſé Hilario,

Shtiranyi-tihua, ‚teils mit feinem Bruder Juan Joſé Montoya, Ma-tya-ya-tihua, die Gebirge erforscht und mic von der Notivendigfeit überzeugt, eine photographifche Aufnahme der hauptfächlichiten Ruinen zu bewerkitelligen, ehe die Zeit und das mögliche Eindringen der Kultur ihre Spuren unsviederbringlich verwifchten.

Die Erfindung der

Photographie mit trodenen Platten war mir damals noch nicht zugänglich, allein meine Freunde in St. 36, die Herren Bennett und Brown, find ausgezeichnete Photo—

graphen. von Pekos

Herr Bennett hatte mich ſchon früher im Thale ſowohl

als

im

Pueblo

von

St. Domingo

begleitet, von feiner Tüchtigfeit als Landſchafts-Photo— graph, von feiner Zuverläffigfeit als Gefährte hatte ich mich überzeugt. Am 1. Dezember hatte ich das Vergnügen, Herin Bennett in Peña-Blanka zu begrüßen. Wir begaben uns zunächſt nach Koditi. Das Wetter war herrlich, aber falt, Obſchon der 2. Dezember ein wolkenloſer Tag zu fein versprach, war doch die Kälte zu intenfiv, um den Ritt in die Sierra zu wagen. Wir befchloffen deshalb, die Zeit photographifchen Aufnahmen im Dorfe zu widmen. Die Scheu, welche manden Eingeborenen eigen iſt vor der Abnahme der eigenen Bilder, ijt bei den Bewohnern von

An ſolchen Abenden, vorzüglich aber bei den

Seelen 570 feine Silbe davon.

Vom Englifchen iſt noch

viel weniger die Rede. Unfere Abreife war für den 3. Dezember auf Sonnen untergang bejtimmt. Das Schidjal aber, in Geſtalt von Joſé Hilario Montoya, hatte es anders gewollt, Diefer vortreffliche Menſch entbehrt nämlich eine große Tugend,

diejenige der Pünktlichkeit.

Als wir um neun Uhr endlich

weiter wollten, fehlte jogar der Kaffee. Sch wäre dennoch abgegangen, allein unfer Führer litt es nicht, So mußte denn ein Junge in Galopp die drei Meilen nad Peña— Blanka zurüd, um die Bohnen zu holen. Es war 11 Uhr als wir endlich fortfamen: Herr Bennett, Joſé Hilario, fein Neffe Adelaido, ich, vier Pferde, ein Maultier, ein Hund. Wunderbar blau ftrahlte der Himmel, die Kälte var

faum fühlbar. Wir durdritten die Geröllhügel, die Kochiti von dem kleinen Bache, der jogenannten Kanada trennen, freuzten den Lauf des Kleinen Bächleins und klommen dann langſam die Bimsfteinabhänge empor, die den weitlichen Fuß der Votreros bilden. Schroff ftarıten die weißen Felfen uns zur Linken: der Potrero de los Idolos, auf deſſen nadtem Gipfel fich noch jet eine alte Skulptur der

Kochiti verſchwunden. Nicht wie zwei Monate früher zeigte man in St. Domingo mit ſcheuer Furcht auf das

Nuebloindianer, einen trauernden Puma, Felis concolor, in natürlicher Größe darftellend, befindet, der breite, viel—

Objektiv und lief dann mit dem Ausrufe: Ojos del Diablo!

gegliederte Potrero Chiato mit zahlreichen Ruinen. ad) 1 Uhr nachmittags bogen wir in das tiefe Thal ein, welches der Arroyo de la Kueſta Kolorado durchſtrömt.

(Teufelsauge) davon. Hier drängte man fih um die uns verftandene Mafchine, und es bedurfte ernjter Mahnung, um fchädliches Betaften zu verhüten. Mein Freund und Gaftgeber Juan Hofe gab fich bereitwillig dazu ber, mit feiner Tochter Ignazia eine Gruppe zu bilden. Mit dem getreuen Karabiner in der Linken, dem väterlichen Schilde aus doppelter Büffelhaut in der Nechten, pflanzte ev ic) jelbftbetvußt an der Oſtwand des Haufes auf, Neben ihm fniete das Mädchen am dreibeinigen Mahlftein aus Lava, in der Stellung der mahlenden Hausfrau. Wie gewöhnlich beſetzte ein Teil der männlichen Bes völferung von Koditi abends mein Feines Zimmerchen,

Hohe Koniferen gedeihen im engen Thälchen. Schnee lag überall, unter geborftener Eisdede murmelte vaufchend der Bad.

Der

Potrero

Chiato

ftürzt nad) Norden

ab in

einer ſenkrechten Felswand von hellgelber, vulkaniſcher Aſche. Am Eingange erreichen dieſe Klippen, mauerglatt, eine Höhe von 700 e. F.

Gegenüber

liegen ähnlich ge—

formte Abhänge des Potrero de las Vakas. In letzterem ſteht noch ein mächtiges Felſenportal von über 150 e. F. Höhe, am Fuße 50 e. F. tief. Dies iſt die ſogenannte Kueva pintada, bemalte oder verzierte Höhle, der erſte

w Reifebriefe aus dem füdweftlihen Nordamerifa,

604

Gegenftand, dem wir unfere Aufmerkfamfeit gedachten. Es war das drittemal,

Kaum waren

drei Wochen

zuzumenden

daß ich die Kueva

bejuchte.

vergangen, feit ich in hellem

Mondenſchein bei grimmiger Kälte, an der Seite von Joſé Hilario fchlaflos liegend, den wandernden Chatten mit den Augen gefolgt war, wie fie im ftillen Gang des Nachtgeftiins lautlos den Felsvorſprung entlang glitten. Nun lag blendender Sonnenschein im tiefſten Teil der

Höhlung. Der Hemizyklus von rohen Malereien, die in 50 e. 3. über dem Boden mit rotem Oder angebracht find, war fo hell beleuchtet, daß jede einzelne Figur Deutz lih auf der pofitiven Platte erſchien. Es find unbeholfene Geftalten von Tieren, menſchliche Köpfe, Schilde, die Tone ventionellen Figuren der Wolfe (eine Treppen: Byramide) des MWoetterleuchtens (eine Schlange mit offenem Nachen und vorjtehender Zunge). Die Kueva war einft der Mittel: punkt eines Eleinen Höhlendorfes. Es war leicht für den mit Steinwerkzeugen arbeitenden Indianer, den meichen vulfanischen Tuff zu Heinen Bellen durchfchnittlich (6 >>.

Poſten in den Thälern des Okinakane und Methot würden binveichen, die Indianerſtämme auseinander zu halten, Im ganzen wurde 28mal gelagert, der längſte Marſch zwiſchen zwei Lagern betrug 23, der Fürzefte eine halbe Meile; das niedrigite Lager wurde in 700, das höchite

Alle Tiere bis auf drei brachte man nach einer durch— machten Nacht bis zu einer Fleinen, oberhalb des Nacht: lagers ausgefundfchafteten Prärie und fo befchlog man mit. Zurüdlaffung diefer drei Tiere und zwei Mann, die

auf dem Firzejten Weg

J

Nach wenigen Tagen var man

am Ende des Kaskade Niver angelangt. Fiſchfangende Indianer, deren Aelteſter durchaus bezweifelte, die Weißen könnten den beſchriebenen Abſtieg gemacht haben, da ihn nur ein Indianer wagen könne, übernahmen es, die Reiſenden in den einzig vorhandenen zwei Kanoes weiter zu befördern. Eine 60 bis 70 e. MI. lange Thalfahrt

auf dem Skagit, einem wundervollen, waldberänderten Strom, brachte ſie nach Sterling, einer aus drei Etabliſſe—

ments beſtehenden Ortſchaft, wo nach den halben Rationen einer ganzen Woche das erſte reichliche Mahl mit wahrem Wolfshunger verſchlungen wurde. Nach kurzer Fahrt er— reichte man Mount Vernon und beſtieg daſelbſt am 5. Septem⸗

Geſchichtliches.

Als die Regierung der Vereinigten Staaten ſich 1881

bereit erklärt hatte, zwei Punkte im Syſtem der inter nationalen Beobadhtungsftationen in der arktiſchen Region zu beſetzen, fchlugen die norbamerifanischen Experten den Leutnant Greely als Führer einer Expedition vor, welche nach dem am meitelten nad) Norden vorgefchobenen Beob—

achtungsort, der Lady Franklin-Bai (811,9 n. Br.), vor: dringen und dort eine Station errichten Jollte. Am 4. Juli 1881 verließ er mit 24 Gefährten im „Broteus” Gt. Johns (Neufundland), kam am 12. Auguſt ohne alle Schwierige

heimmwärts.

Zivei Jahre, tote vorhergefehen,

nämlid vom 12. Auguft 1881 bis 9. Auguſt 1883, ver: weilte die Expedition in der Lady Franklin-Bai, wo fie am 2. September 1881 ein mitgebrarhtes doppeltes Holzhaus

bezog, das bei Temperaturen von — 520 C, ein warmes Heim bot und ohne Verluſt an Menfchenleben,

lichen Krankheitsfall —

fogar ohne ernit=

Leutnant Greely hebt befonders

hervor, daß Sforbut ihnen völlig unbefannt blieb und daß der erſte Sforbutfall erſt in dem elenden improvifierten Winterlager bei Kap Sabine eintrat — die vorgejchriebene

Arbeit der meteorologifchen

und magnetischen Beobacht—

ungen

zwei Jahre durchführte, da—

1:

run en ie Be te ’4

‚ohne Unterbrehung

neben eine Anzahl von Erforfchungsreifen zum Zweck geo— graphiicher und

naturwifjenschaftlicher Beobachtungen ans

jtellte und insgefamt, ſoweit wir heute abjehen können, ihre Aufgabe mit Hingebung und Glüd erfüllte. Trotz

x;

Die Greely-Expedition.

Todesfällen in der Meute, welche der „Proteus“ zurüd: gelafjen, twaren dur) Nachwuchs ſchon im Frühling 1882 auch zwei Schlittengefpanne von Hunden zur Verfügung,

by 90

80

4A Oo

no

welche jich bei den Neifen als ſehr nüßlich erwieſen. Wir werben auf die wifjenfchaftlichen Ergebniffe, von denen wir einige in den Notizen und Mitteilungen! fchon angedeutet, eingehend zu fprechen kommen und bemerfen heute nur, daß die Reifen, die von Fort Konger, fo wurde

die Station in der Lady Franklin-Bai genannt, aus gemacht tvurden,

ſchon im Februar 1882 mit einer Explo-

ration der gegenüberliegenden

Teile von Grönland

be:

gannen und daß ſie dann in derfelben Richtung, ferner direkt nordiwärts in den Spuren Marfhams und in das Innere von Örinnell-Land in den Jahren 1882 und 1883 in der

Zahl von achten fortgefett wurden.

Andere Reifen wurden

zu dem Zived der Anlegung von Proviantſtationen unter: nommen, nachdem das Nichteintreffen der für 1882 verIprochenen Hilfgerpedition mit neuem Broviant und weiteren

neuen Kräften die Möglichkeit eines jelbftändigen Rückzuges im nächſten Jahre näher gelegt hatte. In der Befürchtung, daß auch das Jahr 1883 ohne die Ankunft

jandte

der Abholungs-Erpedition

Greely am

verfließen werde,

5. April Nice mit

10 Mann

auf

Hundejchlitten nad) Thank-God-Hafen, um das von Beau:

mont dort gelafjene Eisboot zu holen. Nice entledigte fih feiner Aufgabe pünftlih und fehrte am 15. mit dem gut erhaltenen Boot zurüd, deffen Getwicht mit der ganzen Ausrüftung

nur

750 e. Pfund

betrug.

Das

Eis blieb

den ganzen Sommer hindurch ftehen. Erſt vom 4. Auguft an bewirkten Südweſtſtürme,

daß es Tich öffnete und die

25 Ueberwinterer verließen am 9. Auguft um2 Uhr nach: mittags. ihre Station, die ihnen im Vergleich zu dem bitteren Weg, den fie num zurüdlegen jollten, fpäter wie ein

Paradies vorkam. Ihre Fahrzeuge waren die Dampf: Yaund „Lady Greely“, das Walboot „Narwal“, die Solle „Valorous“, welche die Engländer bei Kap Hawkes ge: lajjen und der „Proteus“ 1881 mitgenommen hatte, und

endlich Beaumonts Eisboot.

Kohlen und Vorräte für acht

Monate wurden für den Fall einer Rückkehr in ficherer Ber: wahrung am Plate gelaffen. Mitgenommen wurden na=

türlich alle Beobachtungen, fonftige Aufzeichnungen und Photographien, ebenfo die leichteren Inſtrumente. Nach— dem fie bei Kap Baird noch dort niedergelegte Kohlen und Provifionen eingenommen, gingen fie am 10. Auguft mit Proviant für 50 Tage in See, nahmen in Karl Nitter-

Bai 240 Nationen auf, die der „Proteus“ hier 1881 zu: trüdgelafjen, und fanden bei Kap Gollinfon 240 von Nares

1875 niedergelegte Nationen u. a. Vorräte teilweiſe ver: dorben. Halbwegs zivischen den Kaps Leopold und Lawrence ſaßen fie fünf Tage eingefroren im Eis und erreichten.

endlich am 26. Auguft Kap Hawkes, wo fie einen Bericht nieverlegten und einige Nahrungsmittel in einer englischen Cache fanden. 1 Siehe „Ausland“ 1854, Nr, 30

westliche

und 32,

Länge

Mafsstab

von Greenwich

1:10.000.000,



Die Greely-Erpedition.

692

Sie hatten es fo eilig, daß fie noch am gleichen Inge

nad) Kap

abends

Sabine

aufbrachen,

kamen

aber ſchon

10 Uhr in Packeis, in welchem ſie, ſelten durch

kleine Wacken

gefördert,

ihren Weg

langſam

und mit

Gefahr fortſetzten. Sie errichteten, um von einem retten— den Schiff geſehen zu werben, einen 30F. hohen Flaggen— ſtock auf dem Eife. Die Temperatur war für die Jahres: zeit abnorm niedrig, im allgemeinen unter Null, und ſchon fing man an, von der Kälte zu leiden. Langſam wurden ſie bis auf zirka 10 Km. von Kap Albert getrieben. Hier ließen ſie die „Lady Greely“ und „Valorous“, zimmerten Schlitten und zogen in der Richtung von Kap Sabine Gepäck und Boote über das ſchwierige Eis, auf dem ſie

täglich nicht 2 Km. machten.

Am

13. September ließen

fie auch das Walboot zurüd. Auf einer Scholle trieben fie am 22. September bei NW-Sturm gegen Baird-Inlet, an deffen Nordfeite fie fich gezwungen ſahen, zu landen, als das Eis, auf dem ihre Schneehütten und Schlitten ſtan— den, in Trümmer ging. Es geſchah diefes am 28. Sep: Sogleich wurden zwei Leute, Nice und der tember. nad Kap Sabine gefandt, um nad Hilfe Jans, Eskimo und Propiant auszufhauen; fie fehrten am 9. Dftober mit der traurigen Nachricht vom Scheitern der Hilfe: Expedition im „Proteus“ und, was ſchlimmer tar, ber

geringen Menge von Proviant zurüd, melde fie bei Kap Sabine gefunden. Greely entfchloß ſich nun, jofort das Winterquartier näher gegen Kap Sabine vorzuſchieben,

und die ganze

Expedition ward am 15. Oftober in der

täbe der Proviantniederlage des „Proteus” neu angefiedelt. Bei Kap Sfabella ergab die Unterfuhung nur 144 Pfd. Fleisch, welche Nares dort 1875 niedergelegt. Nachdem am 25. September die Fleifehrationen auf 12 Unzen, am 29. auf 6 Unzen reduziert worden waren, fonnten num wieder volle Nationen verteilt werden. Man baute ein Haus mit Schneewänden und einem Dad aus dem hier von Beebe niedergelegten Walboot, das faſt unverfehrt gefunden worden war, vereinigte die Nahrungs: mittel aus den verfchiedenen Niederlagen (von den Zitronen in der Garlington Cache fpricht Greely als einem der wertvollften Funde), und nannte das Winterquartier

„Camp Clay”.

Da Brennmaterial

nur foviel aufgefuns

den werben fonnte, als zum Erwärmen der Nahrung not= wendig war — zum Kochen Fam es nie — war natürlich auch

von Erwärmung diefer Hütte nicht die Rede.

Den Bo—

den bedeckte Leinwand, darüber waren Bürffelfelle gebreitet und über diefe wurden die Schlaffäde gebreitet, welche letztere dennoch den ganzen Winter hindurch fteif gefroren

waren. Zwei Mann, Long und der Eskimo Friedrich, wurden mit der Jagd beauftragt. Doch war die Gegend wenig reich anTieren. Man erhielt in den Tagen vom 29. September bis 9. Oktober bei der erſten Niederlaſſung nur drei Seehunde und einige Ptarmigane. Der Winter verlief im ganzen beſſer, als man in dieſer ungeſchützten

Lage und bei der beſchränkten Verſorgung mit friſche m Fleiſch erwarten konnte. Am 2. November ward Nice mit dem Eskimo Friedrich und zwei weiteren Zeuten nad) Kap

Iſabella gefandt, um die dortigen Vorräte zu holen, mußte aber, da bei

— 40°C. feine Gefährten zu erfrieren drohten,

zurückkehren. Bei dieſer Gelegenheit kam es zuerſt vor, daß ein Mann durch Erfrieren der Hände und Füße dauernd arbeitsunfähig wurde. Ebenfo litt aud) ein Trupp2 der zum Zweck der Jagd Ende Dftober an der Vereinigu ng | von Nice und BuchananStraße ftattoniert worden war,

ſtark durch Froft und tötete bis zum 8. November nur drei Seehunde. Kälte, Dunkelheit und Mangel an Jagd⸗ tieren machten von Mitte November an die Jagd unmöglich.

Nom 1. November an wurden die Nationen in folgender

Weiſe eingeteilt, die darauf berechnet tar, bis zum 1. Man

auszureichen; man hoffte, daß bis dahin der Sund ge⸗ 3— frieren und dadurch die Möglichkeit bieten werde, die Proviantniederlage auf Littleton-Island zu erreichen. Leider blieb das Maffer, den ganzen Winter offen. Der Mann erhielt per Tag: 41; Unzen Fleiſch und Fett, 61), Unzer Brot und Hundebisfuit,

3/, Unzen Butter

12/; Unzen Gemüſe

und Reis,

und Sped, No Unzen Suppen: um

Fleiſchextrakt, 1 Unze verſchiedene Konſerven und Mi J insgeſamt 14,88 Unzen. Wochen wurde von dieſer ſchma

Koſt noch geſpart, um Feiertage, wie Weihnachten, mit einem reicheren Mahle feiern zu können. Im März fannd man es, da Littleton nicht zu erreichen mar,

nettvenbig,

eine weitere Neduftion eintreten zu laffen und am 16. Mai wurde die Ichte Nation, beftehend aus 6 Unzen Fleiſch, ver| abreicht.

Sergent Nice ftarb am 9. April bei dem Verſuche, einen kleineren, bei Baird-Inlet befindlichen Nahrungs⸗ vorrat hereinzubringen. Anfang November trieb das Wal boot‘ „Narwal“, welches auf dem Eiſe gelafjen worden war, bei Kap Sabine vorbei

und wurde in das Eis ein:|

gefeilt.

Es wurde im Laufe des Winters zur Feuerum

benust.

Am Ende des Winters tvurden mit rohen

Garneelen gefangen, Kräuter

unter dem

und Flechten von den Felfen gefragt

he

Schnee oe

Im März ab m

bereits gefochtes Seehundslever. Glüdlicheriveife tun mit der Rückkehr des Tageslichts die Jagd ergiebiger, wohl man vergebens bei Alexandra Harbour nad) dem hatt fuchte, von welchem Nares zahlreiche Spuren gejehenh Man ſchoß 24 Eisfüchfe (zu zirka 4 Pfo.), Die das age umſchlichen, 14 Ptarmigane, 60 Dovekies, einen Seehund und endlich im April einen Bären, der 257% Pf d gutes Fleiſch ausgab, welches ohne Zweifel wefentlich dr 1 h: ein ft beitrug, die Schwächeren in der Geſellſcha Wochen länger am Leben zu erhalten.

Leider ftarbenm

bald nacheinander die zwei Eskimos, deren Hilfe beide Jagd unentbehrlich war. Am 4. Mai mußte das Winte— haus, das nur 2 m. über Fluthöhe ftand, wegen der m

der Märme

zunehmenden

Feuchtigkeit verlaffen und €

Zelt in höherer Lage bezogen werden.

In dieſem Se

695

Aerztlihes aus Damaraland.

wurden am 22. Juni 1884 abends 9 Uhr die fieben Ueber:

land wenigſtens

lebenden der Greely-Expedition gefunden.

jedem Sabre eine Art von antifeptiichem Charakter hat, wenn man jo jagen fünnte. Der Grund davon liegt offen: bar in der ungeheuren Dürre. In den trodenen Monaten

Man mußte fie

aus dem Zelttuch herauswideln, das ein Südweſtſturm über fie hingeweht hatte und unter dem fie, unfähig bei dem

heftigen Sturm ſich zu erheben, zivei Tage faft unbeiveg: lich und ohne Feuer gelegen hatten.

für eine ganze Neihe von Monaten in

litt zivar alles, was irgend Leben hatte, durch die fait un: erträgliche Hige, und niemand hatte viel Luft zum Leben, wenn die Luft an einer nie von der Sonne befchienenen,

jondern nur den glühenden Winden ausgejegten Stelle bis zu 440 C. stieg und der Sand, den feit jehs und mehr Monaten fein Negen befeuchtet, fo heiß wurde, daß ich Hühnereier habe darin erhärten fehen. Aber e3 Schien, als ob die Bazillen und Sporen der Sranfheitsfermente in

Jerztliches aus Damaraland. Don C. G. Büttner,

sn Damaraland wird der Miffionar auch von allen Seiten als Arzt in Anfpruch genommen, Da die Miffions: ſtationen in diefem Lande faſt völlig von aller europäischen Kultur abgefchnitten find, fo war es den Leitern der Miſ— ſionsgeſellſchaft zur Pflicht geworden, ihre Mifftonare nicht

ohne einige medizinische Kenntniffe dorthin zu fchiefen, damit fie wenigſtens für fich und die Ihrigen in ſchwierigeren Fällen

Hilfe hätten. bingue,!

Hätte ich doc) von meiner Station Otym—

welche noch verhältnismäßig

günftig fituiert ift,

mindejtens einen Monat reifen müffen, ehe ich zu einem promovierten Arzte gefommen wäre.

Natürlich wird nun

diefe Ärztliche Kenntnis derfelben auch von den Einge— borenen um fo lieber in Anspruch genommen, al3 die Erfahrung fie belehrt hat, daß der Miffionar ihnen nie abjichtlich etivas Böfes zufügen wird, während fie ihren eigenen Aerzten und Zauberern immer mit ziemlichem Miptrauen begegnen. So ift denn auch während meines Aufenthaltes in Damaraland felten ein Tag vergangen,

an dem nicht einige Kranke fich bei mir eingefunden hätten, und ich kann füglich das, was in folgendem gefagt iſt, als das Reſultat einer fiebenjährigen, vielbefchäftigten Praxis

anjehen. Sprache

Da

ich mich mit den Eingeborenen

völlig verftändigen fonnte,

in ihrer

fand ich auch öfters

Öelegenheit, mit den eingeborenen Sadverftändigen zu fonfultieren, über ihre Anfchauungen mancherlei zu erfahren, wie es jelten einem Entdedungsreifenden glüden mag, und ich glaube daher, obwohl felbit nicht Arzt von Fach, im folgenden auch manches für medizinische Kreife Intereſſante

beizubringen.

Doc kann ich nicht immer

ethnographiſch

genau auseinanderhalten, was etiva den einzelnen Stämmen, twelche fich in Dtymbingue berübrten (den Herero, Namaqua, den Bergbamara, den Ovambo, den Baſtards?) eigen:

tümlich iſt. Wo ich aber doch im befondern den einzelnen Stämmen Befonderes zufchreibe, urteile ich nach dem, was mir in denjenigen Teilen des Landes, two die Bevölferung weniger gemifcht war, vorgefommen it. Zunächſt möchte ich darauf hinmweifen,

daß Damara—

1 DOtymbingue liegt in ungefähr 220 |. Br. und 160 w. !. v. Gr., zirfa 30 D. MI. oder 10 Tagereifen von der Walfiſchbai. 2 Baftards

nennt

man

Europäern und Eingeborenen.

in

Südafrika

die Mifchlinge

von

der Hibe und Dürre auch nicht gut fortfommen fonnten; es trocknet alles, was dem Luftzug genügend ausgefeßt tft, eher ein, als es zum Faulen Zeit bat. So fehlten auch durchaus alle Erfcheinungen von Tuberfulofe und es war fein Schwindfüchtiger im Lande. Ebenfo heilten Wunden aller Art auffallend ſchnell und gut, jobald von allem Verband, in dem der Eiter fich hätte feitfegen fünnen, ab: gefehen wurde. Und ich glaube, ein Chirurg von Fach hätte intereflante Studien darüber machen können, mie fich ſelbſt überlaffene, größere Verletzungen doch noch ausheilen. Sp war mir beſonders ein Herero bemerkens— wert, dem einmal im Kriege der rechte Unterarm von einer Musketenkugel zerſchmettert ward. Hier hatte ſich der Heilungsprozeß derart vollzogen, daß der ganze Unterarm mit allen zu ihm gehörenden Muskeln brandig geworden und abgeſtoßen war. Dagegen war der Oberarmknochen ſelbſt völlig erhalten und war nunmehr an ſeinem unteren Teile nur mit der mit dem natürlichen braunen Pigment gefärb— ten Haut bedeckt; alle Muskeln und Bänder des Ellen— bogengelenfes waren verschwunden, dagegen alle zur Schulter gehörigen Muskeln erhalten, fo daß es ſchauderhaft aus: fah, wenn der Mensch mit feinem Knochen, an welchem die Kondylen wohl erhalten waren, herumgeſtikulierte. Fener lebte auf unferer Station eine alte Frau, welcher vor vielen Sahren in roheſter Weife im Kriege beide Füße abgehadt waren, um den Eifenfchmud, welchen die Herero: frauen um die Beine tragen, ihr bequem abnehmen zu können. Natürlic) war die Frau zunächſt ohne alle Hilfe liegen geblieben, aber ſchließlich waren die böfen Wunden doch geheilt und die Frau humpelt nunmehr jchon 30

Jahre auf den Knieen umher. Wenn freilich die Negen fielen, dann bemerkte man auch bald, tie irgend ein Genius Epidemicus über das Land fam und Opfer forderte. Auch fonnte man immer

wieder deutlich fehen, wie diejenigen Xeute, welche faſt unmittelbar auf dem von Krankheiten ihre Häufer auf feuchterem Grunde

feiten Urgeftein wohnten, viel weniger angefochten wurden, als ſolche, welche dem Alluvium an den Flußbetten auf. errichtet hatten. Natürlich waren aud)

dort diejenigen, welche einmal fieberkrank geweſen, Der Anſteckung viel eher ausgefeht, als ganz gefunde.

Es ge—

nügte 3. B. bei meiner Frau, welche fich von einem Fieber:

Herztlihes

694

aus Damaraland.

und wie da faſt bei einem

jeden auch der vornehmeren

anfalle ſchon ziemlich erholt hatte, ein Aufenthalt von nur 10 Minuten im Flußbette, in dem ich mit mehreren Leuten ohne Schaden zu nehmen das Feld beitellte, um fie wieder ſofort in der ſchlimmſten Weife und für Monate an das Bett zu feſſeln. Mebrigens möchte ich die Behauptung

Damaraland

wagen,

mit der Therapie dieſer Krankheiten nicht weiter behelligt,

daß ſich bei manchen Leuten die Malaria nicht

durch die befannten Symptome

Augen ſo gar abſtoßend ausſahen. Ueberhaupt ſind die veneriſchen Krankheiten auch in viel verbreitet.

Doch wurden wir Miſſionare

zeigt,

außer etwa bei den tertiären Krankheitsprozeſſen, bei denen

bin id) 3. B. niemals

die Leute ſich uns gegenüber nicht ſo genierten, auch wohl

eigentlich Fieberfrank gewwefen; aber wenn die übrigen Hausbewohner das Fieber hatten, war ich jelbft von hef— tigjtem Gelenfrheumatismus ergriffen und anderen erging es ähnlich. Gegen das Tertiärfieber habe ich am hilf: veichjten, nach mancherlei Proben, die Tinftur von Rhus toxicodendron (verdünnt auf 1: 1000 und 4 bis 5 Tropfen vreiftündlich in der fieberfreien Zeit) gefunden. Chinin drückte die Anfälle immer nur auf 2 bi3 3 Wochen zurüd und wurde dann bei den Wiederholungen nie wieder gut vertragen, jo daß ich in den lebten Jahren faft gar nichts mehr ver braucht habe. Defters durchzog auch ftatt der Fieber: malaria eine fehr heftige Grippe das Yand, und zivar meift in einer fol” intenfiven Weife, daß nur höchft wenige davon frei blieben, wenn auch faft niemand daran jtarb, jo waren doch die Nücdenfchmerzen bei den meiſten fo groß, daß fie fich faum rühren fonnten und e8 war für den Augenblid immer fchlimm genug, wenn die meiſten Perfonen des Hausſtandes Frank darniederlagen und niemand dafür forgen konnte, daß den Bedürfniſſen des täglichen Lebens genügt erde. Von anderen Kranfheiten war befonders die ungeheuer häufig vorkommende blennorhoifche Augenentzüundung auf: fällig. Ich möchte behaupten, daß unter den Eingeborenen nur höchſt wenige, wenn überhaupt welche, find, welche nicht einmal und öfter daran gelitten haben; ebenfo waren auch die allermeiften Europäer in Damaraland von der— jelben ergriffen gewefen, und es wurde dort immer als

den Zuſammenhang nicht verſtanden. Bemerken will ich nur, daß auch bei den Herero dieſe Krankheiten keinen eigenen Namen haben; ſie nennen ſie Krankheit der Hotten— totten, bezeichnen alſo auch, daß ſie bei ihnen nicht autochthon ſeien.

jondern auf andere

eine Art Wunder

Weiſe.

angefehen,

eines Tertiärfiebers

älteren Leute, die uns begegneten, die entzündeten, eiterigen

So

daß meine

eigene Familie

nie davon ergriffen wurde, Allerdings habe ich auch gerade diefer Krankheit gegenüber alle mögliche Sauberfeit und Prophylaris anzuwenden gefucht. Aber e3 ift auch fein Wunder, daß e3 fo ift, da der Aufenthalt in den rauchigen Häufern die Augen fo wie jo ftark affiziert und die Ein: geborenen nicht allzuviel von Reinlichkeit nach europäifcher Art halten. Es fällt: ihnen z. B. niemals von felbft ein, ſich etwa die eiternden Augen abzuwaſchen, es denft niemand

daran, die Fliegen bon den eiternden Augen der Kinder abzuwehren, vielmehr meint man, daß es ganz gut fe, wenn fich die Stinder von frühe an daran gewöhnen, die liegen im Geficht herumfrabbeln zu laffen und dergleichen

mehr.

Auf den Miffionsftationen, bei den Chriften, geht

es damit

allerdings allmählich beifer, und da die Leute

die gute Seilungsfraft des Zinkum kennen

sulphuricum

bald

und ſchätzen lernten, So verlor fi) bei ung das

Uebel etwas. Aber ich denfe noch mit Grauen an meine erjte Reife zu den von aller Kultur unberühtten Heiden

Als Damaraland eigentümlich möchte ich eine Haut— krankheit beſchreiben, welche die Herero Otiyndimba nennen. Ohne Zweifel

hing ſie mit der großen Hitze zuſammen,

durch welche die Haut zu ſehr gereizt wurde. bei dieſer Krankheit

Es erſcheinen

an den verſchiedenſten Körperſtellen,

Geſicht, Hände und Füße ausgenommmen, eigenartige Ge— ſchwüre, von denen jedes unter günſtigen Umſtänden nach

etwa drei Wochen ausheilt; aber während die erſten heilen, kommen an anderen Körperſtellen immer wieder neue und dieſes hält ſo lange an, bis die kalte Jahreszeit heran— Das einzelne Geſchwür entwickelt ſich folgender— kommt. maßen: Es entſteht im Unterhautzellgewebe eine ſehr ſchmerzhafte Verhärtung, daß es wie taubeneigroß hart

in der Haut liegt.

Nach

einigen Tagen wird auch die

Epidermis eiterig. Wenn man aber dieſen Eiter wegwiſcht, ſo kann man nicht, wie bei einem Furunkel, nunmehr einen Pfropf zerfallenen Bindegewebes ausdrücken, ſondern nur

ganz oberflächlich erſcheint immer wieder ein wenig Eiter, deſſen Menge in gar keinem Verhältnis zu den faſt un— erträglichen Schmerzen ſteht. Allmählich heilt dann die Epidermis wieder, der Schmerz läßt nach und man kann

die Stelle als geheilt anſehen, wiewohl die Verhärtung im Bindegewebe noch viele Wochen zu fühlen iſt. Narben hinterlaſſen dieſe Geſchwüre natürlich nicht.

So geht es,

wenn die wunden Stellen reinlich gehalten werden. Die Eingeborenen pflegten alles erdenkliche Zeug auf dieſe Geſchwüre zu ſchmieren, Aſche, Theer, Tabakſaft u. ſ. w. Bei ſolcher Behandlung nimmt dann die wunde, näſſende Stelle oft den Umfang eines Fünfmarkſtückes an, heilt

aber auch dann fchlieglic) mit Eintritt der Kälte, Be— jondere Störungen des Allgemeinbefindens habe ich dabei nicht beobachtet; immerbin iſt e3 fein Vergnügen, an diefer Krankheit zu leiden, wie ich felbjt erfahren habe.

Bemerken will ih noch, daß Fälle von Frebsartigen Geſchwülſten mir troß meiner, wie gejagt, großen Praxis nicht vorgefommen find. Ebenfo möchte ich es als auf: fällig bezeichnen, daß mir nur zwei Fälle von Schlangen: bip beit Menſchen vorgefommen find, von denen der eine ganz ohne Folgen blieb, der andere nur eine geringfügige Geſchwulſt hervorrief, während Vieh öfters durch Schlangen: bifje getötet wurde, Dagegen find mir mehrere Menfchen a

|

Herztliches aus Damaralanı.

borgefommen, denen die Spudfchlange (Ongoroka) ihren Geifer in die Augen gejpieen batte. Lebteres wird ja

blennorhoifchen des höchſten Grades, der Eiter läuft förmlich

wie Blut aus den Augen.

möglichit fernzubalten, was mir aber in der erjten Zeit nur

Aber gerade

die Ongoroka gehört zu den in DOtyimbingue

Schlangen.

Doch haben

nicht nur

häufigiten

fehr glaubmwürdige

Europäer fie ihren Geifer ausfpuden ſehen, ſondern ih babe außer Eingeborenen auch Europäer wegen diefer Sache zu behandeln gehabt. Die durch den Geifer

der Schlange

|

|

| }

in Tr |—— EEE GREEN

das machte fie fo völlig frank, daß fie fich nicht rühren fonnten, und man hätte dann mit leichter Mühe jede ſchwere Krankheit aus ihnen herauseraminieren fünnen. E3 mar wie ein Aufjagen in der Schule, wenn man einen folchen Kranken fragte: „Wo thut es Dir denn eigentlich weh?“ und einer jo regelmäßig wie der andere dann antwortete: „In den Armen, im Halfe, im Kopfe, in der Bruft, im Baud, in den Beinen, im ganzen Körper.” Natürlich machten folche eingebilvete Kranfe auch dort viele Beſchwer— den und wenn man font viel beichäftigt ift, ſucht man fie

wohl von einigen für eine Mythe erklärt.

| )

695

hervorgerufene

Entzündung

gleicht einer

Doch hat dieſe Entzündung

Neigung, von felbit in etwa 14 Tagen auszuheilen, und die

Eingeborenen meinen, daß die von der Schlange Öetroffenen jpäter Immunität gegen die gewöhnliche Augenfranfkheit erlangt haben. Nebenbei möchte ich bemerken, daß möglicherweife für die Schnelle Heilung der Wunden, ivie überhaupt auf den

gewöhnlich recht guten Geſundheitszuſtand,! es nicht ohne Bedeutung

mar,

daß die Eingeborenen (Herero) fo gut

wie gar Feine geiftigen Getränfe gebrauchten. Sie jelbjt bereiteten nicht3 derartiges und importiert wurden nur minimale

Quantitäten,

welche

zudem meift von den im—

portierenden Europäern verbraucht wurden. Dem Europäer auffällig iſt das verfchtedene Verhalten der Eingeborenen gegen chirurgische und innere Krank—

heiten. Allen äußeren Berlegungen und den durch diefelben hervorgerufenen

Schmerzen

nicht größer ſein.

gegenüber

kann

die Apathie

Bis auf jehr wenige Fälle habe ich

gefunden, daß fie feinen Yaut von fich geben, aud) mit feinem Gliede zuden, man mag mit ihnen thun, was man will. Ein angehender Chirurg kann Sich feine befjeren Ob:

jefte wünfchen, und nur wenn man jte direkt fragt, ges ftehen ſie ein, daß es ihnen weh thut. Als ein beſonders harakteriftifches Beifpiel der Oleichgültigfeit gegen äußeren

Schmerz möchte ich folgendes anführen: Unter den Berg: damara

gibt es fo Arme,

daß

fie eben nur ein Eleines

Fellchen zur Bedeckung der Schamteile befiten und fonit weiter nichts. Dieje können fih in den falten Winter: nächten (und zumal im Hochgebirge von Damaraland friert es in mancher Nacht) nur

eben dadurch erwärmen, daß

fie fih jo dicht wie möglich an das Feuer heranlegen. Da waren dann diefe Leute im Winter oft vom Kopf bis zu den Füßen mit Brandblafen überdedt. Diefelben wur— den natürlich bald abgeſtoßen und überall war das nadte

Fleisch zu ſehen, jo daß fie bei der Schwarzpigmentterten Haut ein ganz jchediges Ausjehen hatten. Aber das fümmerte fie nichts. Dagegen was von innen heraus kam, und mochte e8 das Geringfügigſte fein, ein Schnupfen u. dgl., N Fiir die Heiden gibt es natürlich feine Statiftif.

In den

riftlichen Gemeinden, wo die Kirchenbiiher Auskunft gebe, waren überall in den fetten 7 bis 8 Jahren wenigftens dreimal mehr geboren, als geftorben. Immerhin geben dieje nur iiber Heine Berhältniffe Auskunft und e8 hatte Feine wirklich in höherem

Maße lebensgefährlihe Epidemie geherricht.

höchſt Schwer wurde, bis ich ein in Damaraland probates, für die Herero charakteriftiiches Mittel erfand. ch verordnete nämlich ſolchen Kranken — eine Kalbsjuppe. Das

war den Herero doch zu viel, eines ihrer geliebten Kälber zu Schlachten, blos um eventuell gefund zu werben, und es iſt mir niemand zum zweitenmale wiedergekommen, bei dem ich auf diefem Mittel beitand. Die größte Nolle in der einheimischen Therapie hie

das Kneten (Oku-mianga), die Mafjage und zwar werden vor allem der Unterleib und die Baucheingeweide gefnetet. Sch kann nicht umhin, zuzugeben, daß diefe Behandlung gründlich und in ihrer Art wiffenfchaftlich ausgeführt wird. Es wird diefe Heilungsmethode freilich Dadurch begünftigt,

daß bei den allermeiften

Eingeborenen die Bauchdeden

ganz ungeheuer ausgedehnt und jchlaff find, da die Ge— wohnheit und vielleicht auch die Natur des Landes fie zwingt, zu Zeiten übermäßig viel zu verichlingen; zu anderen Zeiten müſſen fie dann auch wohl wieder ebenfo

übermäßig Hunger leiden.

Der Maffierende arbeitet in der

Weiſe, daß zuerft durch ein langjames, fanftes, aber an— haltendes Streichen mit den eingefetteten Fingerſpitzen das Netz mit den Därmen völlig auf einer Seite präpariert wird, bis man auf der anderen die innere Seite des Hüftbeing mit den an ihr liegenden Muskeln und Gefäßen völlig bindurchfühlen fan, und dann wird ganz langjam

und ſyſtematiſch das Eingemweide wieder nad) der anderen Seite hinübergefhoben und dabei jedes Knötchen und jede Verhärtung zwiſchen den Fingern nad) Möglichkeit durch— gerieben. Es läßt ſich leicht einfehen, wie eine Menge unangenehmer Symptome, welche durch Koproſtaſe, Uterin— leiden, Schtwangerfchaftsbefchwerden u. dgl. hervorgerufen find, durch eine folche manuelle Bearbeitung der Einges mweide wohl gehoben werden können, auch iſt nicht zu leugnen,

daß ein folches Aneten auf das ganze Pfortaderſyſtem wohlthätig einwirkt. Die ganze Prozedur dauert wohl nie unter 1 bis 11%, Stunden und wird natürlich in ichtwierigeren Fällen alle paar Tage wiederholt. Allerdings icheint der ganze Stoizismus eines eingeborenen Süd— afrifaner3 dazu zu gehören, um eine folche Prozedur, bei welcher alle Eingeweide mie umgewandt werben, auszus halten. Wenigitens haben die Europäer, melde ſich in diefer Weife haben behandeln lafjen, es mir verfichert, daß es ein fehauderhaftes Gefühl fei, fo mit fich hantieren zu

6%

Aerztliches aus Damaraland.

laffen. Durch die fortgefeßte Uebung erhalten die Yeute, welche fih mit dieſem Maffteren abgeben, eine ziemliche Kenntnis der regelmäßigen. Befchaffenheit des Unterleibeg, jowie der häufigeren Unregelmäßigfeiten, die dort vor— fommen, und da fie alle oft genug nicht nur beim Schlachten gefunder Tiere, fondern auch beim Zerlegen jolher, die an Krankheiten geftorben ſind,! mitgeholfen haben, jo haben fie in ihrer Art auch eine gemwifje An: Ihauung von den anatomifchen Verhältniffen der Frank: baften Zuftände, welche die maffierende Hand durd) die Bauchdeden hindurch beim lebenden Menschen fühlt. Nach— dem ich bei den Eingeborenen al3 medizinischer Sachver— ſtändiger anerkannt war, haben fie mich einigemale fon: jultiert, als ihnen bei diefer Mafjage des Unterleibes etwas außergewöhnliches vorfam. Dann habe ich fie vor meinen Augen die Prozedur vornehmen laſſen und mid) dabei ſelbſt davon überzeugt, wie genau fie jeden Teil von den übrigen feparieren können, fo daß er für den fühlen: den Finger ganz deutlich dazuliegen Scheint. Von befonderer Wichtigkeit ift diefe Runftfertigfeit den Eingeborenen für die Geburtshilfe und erſetzt ihnen viele Inſtrumente. Da felten eine Schwangere Frau nicht Ge— legenheit nimmt, fih aus irgend einem Grunde maffieren zu laſſen, fo werden alle fehlerhaften Lagen des Embryo bald entdedt und im allgemeinen fcheinen diejenigen rauen, welche ſich dort mit der Geburtshilfe abgeben, ein beneidenswertes Geſchick zu befien, die Wendung auf den Kopf durch vein Äußere Handgriffe zu vollziehen, wie ich mid) mehreremale jelbit zu überzeugen Gelegenheit gehabt babe, Darum fcheuten ſich auch die Frauen der Weißen durchaus nicht, Die eingeborenen Hebammen zu Hilfe zu rufen und fonnten dieſelben aud mit gutem Gewiffen empfohlen werben. Uebrigens möchte ich bemerken, daß es meiſt ſehr vornehme Frauen ſind, welche als Hebammen fungieren.

Die Kenntnis der Handgriffe bei der Maſſage pflanzt ſich

traditionell von der Mutter auf die Tochter oder auf eine andere jüngere Verwandte fort. Auch maſſieren zuweilen wohl einzelne Männer. So viel ich weiß wird aber über— haupt mit der ganzen Sache nichts Geheimnisvolles ge⸗ trieben. Nebenbei möchte ich hier bemerken, daß von einer künſtlichen Loslöfung der Nachgeburt den Eingeborenen nicht3 befannt ift. Auch Iheint die Erfahrung dort zu. lehren, daß troß der Hitze die Nachgeburt ohne Schaden 12 bis 20 Stunden zurücbehalten werden kann (bei Ein: geborenen wie Europäern); und ich möchte geneigt fein, diefe Thatjache, über die ich aus meiner Praris ſelbſt mehrfache Erfahrungen habe, eben auf den antifeptifchen Charakter des ganzen Landes, den ich vorhin ertvähnte, zu Ihieben. Als einziges Mittel zur Entfernung der Nach⸗ geburt kennen die Eingeborenen nur das Bähen mit heißen Waſſerdämpfen. Denn

auch dieſe werden regelmäßig aufgegeſſen.

Bei Krankheiten

der Bruſthöhle

und ſchmerzhaften

Zuſtänden der Extremitäten kurieren die Eingeborenen viel

mit Schröpfen und dem Segen von Moxen. Zum Schröpfen

bedienen fie fich eines Hornes. Nachdem die Haut an der zu ſchröpfenden Stelle mit dem Meſſer geritzt ift, wird das Horn, deſſen Spite geöffnet, mit dem dicken Ende feſt auf den kranken Körperteil aufgeſetzt und der Heilkünſtler,

der die Operation

vollzieht, ſaugt dann durch die Spitze

die Luft im Horn und auch möglichſt viel Blut aus: alſo eine Art künſtlicher Blutegel.

Moren ſcheinen vor allem gern bei Lungen- und Leber— franfheiten angewandt

zu werden.

der denkbar einfachiten

Auch diefe werden in

Weife geſetzt.

Die Spitze eines

Stockes wird angebrannt und dann die glühende Kohle auf

die Haut aufgejeßt. So werden dann 10 bis 15 Stellen nebeneinander gebrannt, daß hernach die Narben einer Art von Tätowierung gleihen. Man fteht, zumal unter den Herero, viele Leute mit ſolchen Narbenreihen auf Bruft

und Nüden und ich hielt diefelben im Anfang für eine Art von Körperfchmud. Hierüber aber bat mir jeder der Eingeborenen, den ich befragte, immer diefelbe Auskunft gegeben,

Die innere Medizin der Eingeborenen beſteht zunächſt

aus einer Anzahl von Hausmitteln. Jedermann kennt einige Pflanzen, welche zum Laxieren, zum Vomieren, zum Schweißtreiben, als blutſtillende Mittel angewandet werden. Ich habe mir von den Eingeborenen eine ſolche kleine Herero— hausapotheke zuſammenſtellen laſſen, über welche ich viel⸗ leicht ſpäter etwas zu veröffentlichen Gelegenheit finde, Wichtiger und in ſchwierigen Fällen probater ericheinend

it für die heidnifchen Eingeborenen die übernatürliche Hilfe in Krankheiten. Und zwar find bei diefer, glaube ich, zwei Arten zu unterscheiden. Die eine Art ſcheint ein.

traditioneller Ueberreft eines patriarchalifchen Opfers zu jein (Oundyai), die andere mehr mit Tafchenfpielerei ver: bundene geheime Wiffenfchaft. Beide Arten unterfcheiden ſich

Ihon äußerlich dadurch, daß dort ein ehrwürdiges Familienglied fungiert, während hier ein verachteter und gefürchteter

Hauberer und Kräuterboftor wirkt, der oft genug doch noch

zulegt feine Kunft mit dem Tode büfen muß. Von der erfteren Art will ich hier nicht meiter reden, indem ich darüber noch an einer anderen Stelle zu ſprechen

gedenfe, und bemerfe nur furz, daß hier immer ein Tier geichlachtet wird, mit deſſen Fleiſch und Fett in altherkömmlicher Weife gewiſſe Zeremonien unter dem Ausſprechen

gewiſſer Formeln an dem Kranken vollzogen werden, und ich möchte hier nur noch einiges über die Kunſt eigentlicher

HYauberdoftoren hinzufügen.

Eine einfache Art des Heileng bejteht darin, daß der Zauberer dem Kranken die Ihmerzende Körperftelle jo

lange jaugt, bis er den Gegenftand berausgefogen hat, durch den die Krankheit offenbar hervorgerufen war, So

lange es nun Dinge wie Bohnen, Kürbisferne und der

gleichen find, welche der. Zauberer zulegt zur allgem einen

697

Ueber die franzöfifchen Befitsungen in Oftindien.

Vervunderung

aus

dem

Kranken

herausgefogen

will, möchte die Sache noch angehen. artig aber wird die Sache,

wenn

haben

mittel gegen Pflanzengifte gerühmten Kampferſpiritus zu

große

verfuchen. Sch gebe alſo dem Manne ein Fläſchchen mit, fage, wie e8 gebraucht werden folle, fuche ihm den Zuſammen— bang möglichjt klar zu machen und beitelle ihn in 14 Tagen

Wahrhaft

ein foldher Zauberer,

| der nur ein Feines Fellchen als Schurz trägt und der im

übrigen nadt und von vielen Neugierigen beobachtet tft, nachdem er lange genug an dem Kranken gejogen, eine etwa 50 em. lange, lebendige Schlange zu allgemeinem Entjeßen ausſpuckt. Einer meiner Freunde hat jelbjt eine ſolche Schlange, die eben vor aller Augen aus einem Kranken

herausgejogen

jein follte,

gejehen.

wieder zum Rapport. bringt mir das

Nach drei Wochen kommt er wieder,

leere Fläſchchen zurüd

und

erzählt mit

Freuden: Nun fer der Kranke ganz gefund und — auch die Löwenhaare Zauber geſteckt hatte!

ausgebrochen,

in denen

er hätte der böfe

Allerdings

hatten die Umftehenden fich fofort beeilt, fie totzufchlagen. Nach diefer Prozedur muß der Kranke natürlich gejund werden,

ſonſt muß

eben doch die glühende Kohle heran.

Sn diefer Art pflegen die Ovatyimba (die armen und die Bergdamara zu furieren. Die hottentottifchen Zauberer

Herero)

arbeiten meiſt jo, daß

Ueber die franzöſiſchen Beſihungen in Oftindien. Die fünf Befigungen Frankreichs in Oſtindien: Pon—

fie dem Kranken einen Tranf, eine Art Thee aus geheim:

dicherry, Karrifal, Yanaon,

gehaltenen Kräutern gekocht,

Tihandernagor

und Mahe

als

verdienen eigentlich nur den Namen von Faktoreien. Blos Vondicherry umfaßt ein velativ größeres Territorium, auf welchem die früheren Bodenteilungsrechte durch die ‚franz zöfifche Adminiftration teiltveife zu befeitigen waren. Nach dem Mamoul oder dem herfümmlichen Gebrauch gehören an der Küfte von Koromandel alle Ländereien dem Staats— oberhaupt. Sie find in fünf Sauptklaffen geteilt: Jaguirs,

in diefer Weife aus den Kranken entfernt gezeigt worden: große Stednadeln mit Glasföpfen, fein jäuberlich mit einem roten Faden über Kreuz zufammengebunden, ferner ein Stüd Holz, aus dem mehrere Aeſte ſich gabelten, fait

die vom Souverän den Prinzen oder tributpflichtigen Häuptlingen zugetviefen werden; Manioms, Ländereien, die unwiderruflich zur Nutznießung für Beamte oder weltliche oder veligiöfe Korporationen beftimmt find; Stro-

wie eine Hand

Nach dem was ich

trions, Kleine Landkomplexe, die mit oder ohne Pachtzins

im übrigen über diefe Sache gehört, ſcheint diefe Art Heil-

verabfolgt werden; Adamanoms, Ländereien, bei welchen der Souverän gegen eine jährliche Geldleiftung für immer der Nutznießung, aber nicht dem Eigentumsrecht entjagt hat; Brombocks, brachliegende Yändereien, Straßen, Teiche, Flußläufe und was mir im Deutſchen etwa Allmend

der Kranke heftig vomieren dann,

wenn

eingeben.

Daraufhin

muß

und in dem Erbrochenen iſt

die Kur gelang, der Gegenftand, durch den

der Kranke bezaubert war und in dem die Krankheit jtedte, aufzufinden.

Diefe Gegenftände

find oft Dinge, mie ſie

natürlicherweife weder in den Magen hinein, noch aus ihm herausfommen

fönnen.

Sp

find meinen

groß, und ähnliches.

Freunden

ung am meijten bei einer Art von DVeitstanz angewandt

zu werden, welche durch Zauberei hervorgerufen fein fol. Sch Schließe mit einer Gefchichte, in welcher ich felbit den Zauberdoktor habe jpielen müfjen, weil diejelbe für die Anſchauung der Eingeborenen harakteriftifch jcheinen mag. Gin Hottentote fam zu mir, flagend, daß fein Neffe

in der angegebenen Weife verzaubert fei. Er hatte auch ſchon bei anderen Weißen Hilfe gefucht, dieſe aber hatten gejagt, daß fie gegen Zauberei nichts wüßten und fo juchte

er zulegt mich auf. Krankheitsfall

Er erzählte mir nun auch den ganzen

(die Werft

felbft, wo

die Leute wohnten,

war ein paar Tagereifen von Dtymbingue entfernt),

ie

der junge Menſch bis dahin ganz gefund gemwejen, aber infolge einer Liebesgeſchichte fer er, offenbar auf Anitiften

nennen. Die franzöfifche Negierung, als Nachfolgerin dev ein— geborenen Prinzen, ließ anfänglich alles beim Alten. Im Jahre 1854 aber defvetierte fie nach verjchiedenen, im Laufe

der Sahre zu Ounften der Bodenbebauer eingeführten Erz feichterungen: „in Pondicherry und feinen Diftrikten feien die gegenwärtigen Landbefiger, zu welcher Kategorie fie auch gehören mögen, wenn fie die veglementäven Abgaben

bezahlen, von nun an rechtmäßige Eigentümer der Yänderein, die fie bebauen.”

Die Adminiftration hat ſich bloß behufs

eines Nebenbuhlers, verzaubert und nun fei nichts mit ihm anzufangen, er befomme Zudungen, laufe wild umher u. ſ. tv. Da diefer Zuftand ganz plöglich begonnen haben follte, fo

Eintreibung der Abgaben ein Privileg auf die Ernten und

fonnte man allerdings eine äußere Urfache vermuten und

Ortfchaft in der Regel Gemeingut, das durch die gemein Samen Befiser nach beſtimmten Grundſätzen bemirtichaftet

da ich zur Weberzeugung gefommen bin, daß alle jogenannte Zauberei der Eingeborenen, wenn fie wirkſam iſt, auf Vergiftung beruht, die Eingeborenen aber außer dem

Leichene und Schlangengift nur Pflanzengifte kennen, jo dachte ich es einmal auf gut Glüd bei einer ſolchen offen: bar chroniſch twirfenden Vergiftung mit dem als Gegen:

ü

vorkommenden Falls auf den Grund und Boden gewahrt.

Im Diſtrikt von Karrifal find die Ländereien jeder

wird.

Dieſe

Bodeneigentümer,

die mit dem

Namen

Mirasdars bezeichnet werden, zahlen der Negterung einen Bodenzins und laffen die Grundſtücke durch eine niedrigere Klaſſe von Eingeborenen bebauen, welche dafür einen bes ftimmten Anteil von der Ernte beziehen. Dieſe lebteren

698

Ueber die franzöſiſchen Beſitzungen in Oſtindien.

berivenden ihrerſeits als Taglöhner wieder eine Klaffe der Bevölferung, welche man Paneals nennt, Die vorherrfchenden Kulturen beftehen aus Neis und

anderen Hleinfamigen Gewächſen, welche den Eigeborenen zur Nahrung dienen. Die Imdigopflanze, melde kaum vor hundert Jahren im ſüdlichen Indien fich eingebürgert hat, ergibt ein ausgezeichnetes Produkt, das zur Färbung der blauen, Guinea genannten Tücher verivendet wird. Die Anpflanzung der Kofosnußpalme ift befonders in Vondiherry und Mahé von Bedeutung. Man getvinnt von ihr den Kair oder die Faſer der die Frucht umgebenden Hülle, aus dem Fleiſch der getrodneten Nuß erhält man

die Kopra, ferner Aral und Del, Callou

Der Arak ift der in Gährung

und Jagre.

übergegangene Saft der

Balme Den Callou und Jagre bereitet man aus dem Valmenfaft ohne weitere Manipulationen, Kulturen ziveiten Nanges find: Betel, dejjen Blätter, mit Arefa und Ralf beftreut, von den Eingeborenen beiderlei

Geſchlechts gefaut werden, Tabak, Zuckerrohr, Baumwolle,

Seſam, Palma Christi, und andere Delfamen führende Gewächſe; dann Fruchtbäume: Hitronen, Drangen, Mangos, Goyaven, Granatäpfel ze. Es eriftieven in Bondicherry zwei botanifche Gärten, tvovon der eine den Namen Kolonialgarten, der andere den Namen Akklimatiſationsgarten trägt. Der erſtere, der eine Bodenfläche von 18 Ha. be: dedt, dient nur noch als Promenade. Der Afflimatifationg: garten, der zirka 8 Ha, groß ift, wird fehr gut unter: halten. Er hat ſehr ſchöne Allen, die mit Bäumen der verſchiedenartigſten Gattungen befegt find, zwei große in engliihem Stil angelegte Abteilungen, auf welchen Bier: fräucher gezogen werden und eine Baum: und Pflanzen: ſchule, in welcher diejenigen Arten gehalten werden, deren Zucht den PBrivatperfonen zupiel Schwierigfeiten bereiten würde. Dem Publikum werden Pflanzen, Blumen, Früchte und Gemüfe zu Koftenpreifen überlaffen.

In Vondicherry

find 6585 Ha, mit Reis bepflanzt.

10,000 Ha. mit anderen Eleinfamigen Srüchten, 275 Ha, mit Öemüfe, 31 Ha. mit Betel, 6 Ha, mit Tabaf, 32 Ha, mit Baumwolle, 2277 Ha. mit Fruchtbäumen, 442 Ha. mit Indigo. Oebäulichkeiten bedecken einen Flächeninhalt von 508 Ha., außerdem hat es 3741 Ha. nicht kultivie r— bares Land und 5293 Ha. Staatsländereien. In Karrifal find 8065 Ha; unter Reisfultur, 603 Ha, mit fleinfamigen Früchten, 132 Ha, mit Gemüſe ange=

pflanzt, 16 Ha, mit Betel, 12 Ha, mit Indigo, 26 Ha.

mit Baumtolle, 310 Ha, mit Fruchtbäumen; auf Gebäu— lichfeiten treffen 421 Ha. Unangebaute Ländereien find

Spinnereien, Webereien und Färbereien, welche fich zur Herftellung des unter dem Namen von Guineas befannten Baumwollitoffes gegenfeitig an die Hand gehen. Die erſte

Idee zur Aufftellung einer mechanischen Spinnerei ift dem Gouverneur Desbafjayns

(1826) zu verdanken.

Die Ne:

gierung beteiligte fich feiner Zeit mit erklecklichen Summen an diefem Unternehmen. Heutzutage gibt e8 drei Spinnereien in der Umgebung von Pondicherry. Die bedeutendfte, Cavana, beſitzt 15,000 Spindeln, 160 Webjtühle und befchäftigt etwa 2000 Arbeiter; fie produziert ungefähr 1200 Kgr.

Faden per Tag. Die Spinnerei Kou⸗Vingadapalachetth hat 4400 Spindeln und 260 Arbeiter. Ihre tägliche Pro— duktion beträgt 350 Kgr. Faden. Die dritte, Herrn Go— balouchetty gehörende Spinnerei fabriziert ungefähr 250 Kgr,

Faden per Tag, befist 500 Spindeln und bejchäftigt 150 Arbeiter. Die Handweberei

| ift, wie überall in Indien, auch

bier ſehr zurüdgegangen gezwungen

Guineas

worden,

und

ift durch die Konkurrenz

fi) auf einige

Muffelinforten,

die

und grobe, für die unteren Klaffen bejtimmte

Stoffe zu befchränfen.

Das fih in Pondicherry vorfindende Waffer eignet ſich ausgezeichnet zum Färben; man bringt aus weiter Entfernung

rohen

Baumwollftoff

zum

Blaufärben nad

Pondicherry, wo es nicht weniger als 73 Färbereien gibt, die jährlich 400,000 Stüde färben, von denen jedes 16 m, lang ift, bei Im. Breite. Karrikal fabriziert die gleichen Stoffe wie Bondicherry, aber lange fein fo großes Quan—

tum, dagegen it der Schiffsbau, d. h. kleinerer Fahrzeuge, dort ſehr lebhaft. In Tihandernagor, Mahe und Yanaon war früher die Weberei fehr in Flor. Jetzt ift fie nur noch unbe: deutend, was den Ausgangszöllen zuzufchreiben ift, welche die Engländer, von deren Territorium die Baumwolle be:

zogen werden muß, auf diefen Rohſtoff legten. erzeugung,

die früher

in diefen

Kolonien

Die Salz ſchwunghaft

betrieben wurde, ift feit dem mit England am 13. Mai 1818 getroffenen Uebereinfommen gänzlich unterfagt. Im Diſtrikt von Pondicherry gibt es ferner 99 Sndigofabrifen,

36 Färbereien und 285 Delmühlen; in Karrifal 1 Indigo —

fabrik, 2 Färbereien, 1 Seifenfabrik und 56 Delmühlen. — Eingangszölle eriftieren nur auf Spirituofen, die aus ,7

dem Kofosnußbaum gezogen find, auf Zuckerrohr, Neis, Aral, Rum, Tabak und Betel. Die Einfuhr von Sa, weil Staatsregal, ift unterfagt. Sn Pondicherry allein

trägt das Salz jährlich 212,000 Franken dem Staate ein

Die Einnahmen und Ausgaben der fünf Kolonien beziffern

mit 2337 Ha zu verzeichnen und die Staatsdomänen mit

fi) auf 1,884,000 Franken, wovon

Nutzholz.

dicherry fallen. Das Mutterland wirft hiefür einen Zus ſchuß von 550,000 Franken im Budget aus, 4

1614 Ha. In Yanaon find 635 Ha, mit Reis und anderen Körnerfrüchten bepflanzt und 642 Ha, mit Banane n und

In Mahe nehmen die Reispflanzungen

laß von 1469 Ha,, die Fruchtbäume 3985 Ha, ein.

einen

einen folden von

Die hervorragendften Snduftrien Pondicherrys find die

1,330,000

auf Bone

Die oftindifhen Kolonien haben im Jahre 1880 für“

1,200,000 Franken Waren von Frankreich eingeführt und

für 11,400,000 Franken nad) dort ausgeführt, anderen

franzöfiichen Kolonien

Von den |

bezogen fie für 488,000

Kleinere Mitteilungen.

Franken und führten für 1,100,000 Franken nach ihnen aus. Cie bezogen dom Ausland für 6,200,000 Franken und

empfingen vom Ausland für 13,000,000 Franfen.

Kleinere Mitteilungen.

| !

|

Ein Präriebrand am Obernil,

ES gibt nichts Wunderbareres als die nächtlichen Fener | zwijchen dei trockenen, dichten, hohen Gräjern der weiten Ebenen amObernil. Die anfangs fernen, nur hie und da auftauchenden Flammen nähern fi, vom Winde getrieben, immer majeftätischer | und drohender. Bald jenfen fie fich unverfehens und bald erheben | fie jih mächtig gen Himmel, je nad) der Höhe des Graswuchſes, dem ſie begegnen; bald vereinigen fie fich Enifternd und erleuchten die Luft ringsum mit einem hellen Purpurſchein, große Rauch— mwolfen fteigen aus einem Wirbel von Funken md erweitern fich raſch gegen den geftirnten Himmel. Der Wind nimmt zu umd die niedergefchlagenen Flammen jchlängeln fih in großen horizonEEEen Ei

talen Glutmaffen

am

Boden

hin.

Die Fenersbrunft

läuft

nicht,

fie fliegt, fie bedeckt und beleuchtet das ganze an ihr liegende Terrain. Beitweife ſcheint der Wind fich zur vermindern, der | Brand in feinem Wüten nachzulaffen; aber plötzlich erhebt ev fi |mit ernenter Heftigfeit und die kaum zerteilten Flammen fangen ' wieder an, ſich mit Ungeftiim zu frimmen. Wer fünnte aber den ' Lärm, das Gebrüll, Heulen, Ziſchen, Schreien jo vieler wilder Tiere, das Flägliche Gefreifch einer Menge von Vögeln befchreiben, die auf irgend eine Art ihr Leben vor der verzehrenden Flamme zu retten ſuchen? Schon laufen fie verzweifelt umher, wie von Höllenjchein beleuchtete Gejpenfter ausſehend, dann verschwinden ‚ fie wieder in den Flammen, die fich in unglaublicher Schnelligkeit vermengen und durchkreuzeun und in ein großes Feuermeer ſich ſtürzen. Einmal ſah ich nächtliche Feuer, die einer der großen Häuptlinge der Berta (Uad-el-Garbi) in der großen Ebene, die Schan-Galla von Abeffinien trennt, anzünden ließ. Sie erfüllten mic mit folhem Erftaunen, daß ich eine Weile ftumm daftand und meine erften an den Häuptling gerichteten Worte der Ausruf waren: Schön! Sehr jhön! Die Feuer, die ih aber an den Ufern des Weißen Fluſſes jah, erftaunten mich weit mehr, Es iſt mir, als jähe ich) es noch, dieſes verheerende Element, das in wenigen Stunden die trodenen Gräſer und die Blätter der Pflanzen, die in diefen großen Ebenen zerftveut find, verzehrt, jo daß diefe wie umgehenre Kohlenhanfen ausjehen. Nur einige Sträucher bremmen fort. Iſt aber die Nacht vergangen, fo entfaltet fich beim erjten Dämmern des Tageslicht eine neue Szene der Ueberraſchung dor unferen Bliden. Man erblidt Myriaden von Feuerſänlen, tot, ſchwefelfarbig, weiß, ſchwarz, die eiligft dahinfliegen md fich, jo weit das Auge reicht, hinziehen, mit ihren düfteren Farben den Weiten Horizont verfinfternd und färbend. Dazwischen gewahrt man große Streden, welche mit einer Lage weißer Ajche bevedt find, als wenn es gejchneit hätte, jo daß der Zufchauer einen Moment anſtatt in die Tropen ſich in eine Eis- und Schneeregion verſetzt glauben könnte. Hie und da unterbrechen ſchwärzliche Haufen diefe ‚ weiße Dede, gleich wie beim erften Aufthanen im Frühling die grünen Hügel einer Wieje aus der Schneedede hervorſchauen. Der noch überall fich herumfchlängelnde Rauch breitet fid) wie ein Nebelſchleier über dieſes impofante Bild und die Bäume mit ihren kahlen, in die Höhe ftehenden Aeſten vollenden die winterliche ne N 7 nn

Be" Nach Beltrame's Finme Bianco.

699

Oberfläche und Bevölferung der Sandwich-Inſeln.

Die Oberfläche der acht bewohnten Inſeln des Hawai-Archipels und ihre Bevölkerung beträgt nach den Angaben des Jahres 1878: Oberfläche. Bevölkerung. Heftaren. Seelen, Inſel Hawai 1,125,000 17,034 Manı 180,000 12,109 Dahu

157,500

20,236

Kanai

157,000

5634

Molokai

90,000

2581

Lanai Nühan Kahulame

45,000 32,000 13,000

214 177 —

1,800,000

57,985

In den “Jahren 1879 und 1880 hat fich die Bevölferung durch Die Einwanderung um 9910 Perfonen vermehrt md betrug jonad am Ende des Jahres 1880 gegen 67,000. Nener Nach— hub iſt im der Periode 1879/80 befonders durch die Chineſen geliefert

worden

(5402),

ferner

durch die Polyneſier,

deren Ein—

führung die Regierung von Hawai befördert hat, endlich durch Portugieſen aus Madeira. Seitdem iſt die Einwanderung der Chineſen lebhafter als je geworden und es iſt auch eine größere oder kleinere Zahl von Portugieſen aus den Azoren, Skandinaviern und Deutſchen angekommen. Die Chineſen ſind für die dortige Zucker— kultur mit die beſten Arbeiter. Aber man führt gegen fie ftarfe Klagen, deren größte den entfittlichenden Einfluß betrifft, welchen die Aftaten (beinahe nur Männer) auf die Bevölkerung ausüben. Dan wirft ihnen auch vor, daß fie mit Ausnahme der ihrigen feine andere Induſtrie beftehen lafien und fich des Kleinhandels bemäcdtigen. Sie ziehen e3 gewöhnlich vor, irgend ein Gewerbe auszuüben, als daß fie Tagelöhner auf den Pflanzungen werden, wo man fie am liebften verwenden möchte. Die Polynefier von den anderen Juſelgruppen haben den erwarteten Erfolg in Bezug auf ihre Afflimatifierung nicht gehabt. Die meiften werden fih ohne Zweifel beim Ablaufen ihres Kontraftes des Nechtes, nach ihrem Vaterland zurüczufehren, bedienen. Madeira und die Azoren wären dagegen im ftande, eine bedeutende Anzahl Einwanderer zu Kiefern, Dieſe Bortugiefen, im ganzen betriebfam, ſowie an die Arbeit im heißen Ländern gewöhnt, würden, wenn fie mit ihren Familien hierher fämen, bald Wurzel faffen, da fie als Pflanzer Beweife von großer Gejchieffichfeit geben. Die Dentſchen zeigen ſich mehr befriedigt als die Skandinavier, welche man jchlecht auswählte. Das Leben auf den Sandwichinſeln iſt ſehr teuer, teurer als jelbft in Kalifornien. Dagegen ift ihr Klima jehr gefund, wenn auch die janitären Berhältniffe hier vielleicht weniger günftig find als anderswo, da die Krankheiten die Neigung haben, einen epidemiihen Charakter anzunehmen und überdies die Lepra hier fortDas Leprojenfpital von Molofai dient als während zunimmt. Aſyl für 800 Leproje und man rechnet, daß es außerhalb diejes Hauſes etwa eine ebenfo große Zahl gibt, die ſich über die verschiedenen Inſeln verteilen. Den größeren Teil derfelben liefern die Kanaken, doch können auch die Weißen dieſe unbheilbare Krankheit leicht bekommen und dieſer Umſtand iſt gewiß nicht im E. M. ſtande, die Einwanderung zu befördern.

Notizen. Alien. Bom Oberften Prſchewalsky find über Kiachta Nachrichten eingetroffen. Er ließ feine Bagage und Nefervefamele im öftlichen

Notizen.

700

Tfaidam unter Auffiht von 7 Koſaken zurück und reifte am 7. Mai mit 15 Begleitern zu den Quellen des Gelben Fluſſes und weiter Amdo.

nad dem Lande

des Auguftmonats

Gegen Ende

wieder in Tſaidam einzutreffen.

feinerlei Unfall oder Hindernis aufgehalten. Ueber die jüngfte Forſchungsreiſe

Dr. Paul

Neis

vom

hoffte er

Die Expedition hatte bis dahin

Dezember

1882

De des Franzoſen

bis April

1854

im

Gebiete der Laos brachte das Journal des Debats ausführAus denfelben verdient vor allem hervor= liche Mitteilungen. gehoben zu werden, was Dr, Neis iiber den Yauf des Mekong Dieſer Fluß ändert unter dem 18.0n. Br. Neues beobachtete. feine Richtung, um gegen Weften und Norden zmei ſtarke Winkel zu beſchreiben, au deren nördlichem Luang Prabang liegt. Er befpüift dabei den Fuß einer reichbewäſſerten, von Laos bewohnten Hochebene, deren Flüffe teils in den Mefong münden, zum Teil Im Norden die nördlichen Provinzen von Annam bewäſſern. nad) NM. SO von Richtung der in Fluß großer ein frömt Sein mittlerer Lauf ift noch unbefannt. Die Laos nennen ihn Nam-The und er fcheint der Song-Maa der Annamiten zu fein. Nachdem Dr. Neis die erfte große Wendung des Mefong erreicht, verfolgte er einen Nam-San genannten Fluß, der von Norden her in den erfteren miindet und betrat dann das Fand der Phuöng, aus deren Hanptftadt Nuong Nyan ihn die ränberifchen Hos— Hierauf folgte die teilmeife Erforſchung des Komoi vertrieben. Nam-Kan

und

zweier

Nam-Hu,

Nebenflüffe

des

Mekong

Ein Befehl des ruſſiſchen Kaifers vom 14, Juli verfügt die Trennung des gegenwärtig beftehenden oſtſibiriſchen Mifitärbezirfs in zwei Teile. Aus den zu diefem Bezirk gehörenden

Gouvernements

ift der

Irkntsk und Feniffeisf und dem Gebiet

Militärbezirk Irkutsk

ſämtliche Militäranſtalten

zu bilden,

wobei ſowohl

als auch die in den genannten

Landes—

teilen dislozierten Truppen dem mit den Rechten eines Hauptchefs des Militärbezirks ausgeſtatteten Generalgouverneur von Oſtſibirien unterſtellt werden. Aus den übrigen Gebieten des ehemaligen oſtſibiriſchen Militärbezirks —Transbaifalien, Amur- und Küſten— gebiet, dem Generalgouvernement Wladiwoſtok und der Inſel Sachalin — wird ein neuer Amur-Militärbezirk gebildet, deſſen Truppen und Militär-Inſtitutionen dem mit den Rechten eines Hauptchefs des Militärbezirks ausgeſtatteten Amur-General— gouverneur unterſtellt werden. Ueber die Quellen der chineſiſchen Ziviliſation ſagt Profeſſor Terrien dela Couperie: Die Thatſachen und Ana— logien, welche mich in den Stand geſetzt haben, den früheften Urſprung der chineſiſchen Zivilifation auf babyloniſche Quellen zurüczuführen und zwar durch die frühe Kultur, welche die vorcdinefischen Klans im Inneren von den Sufern oder Elamiten erhalten, haben nichts mit

den Legenden zu thun,

welche

entartete

menten

Schiiler von Lao—tze

und fpätere Gefchichtsichreiber erzählen. Meine Angaben beruhen auf genanem Studium md forgfältiger VBergleihung der äfteften

des Shu-King,

des Irh-ya, des Shesfi (der älteſten Ge—

ſchichte von China) und anderen ſehr alten Werfen entnommen find, Was die mythologischen Legenden betrifft, jo ftimme ich infofern mit Herrn de Harley überein, als einige derjelben von jpäterem Urſprung ſein können, obwohl feine Beweiſe

für ihr Alter

vorhanden

find,

Doch ift dies ein Punkt, welcher von der Frage nach dem Ur: ſprung der chinefishen Zivilifation ganz unabhängig ift. Ich werde

eingehendere Arbeiten

abwarten,

um

den Gegenftand meiter

zu verfolgen.

em

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Lagerkatalog 139.

Geographie

und

Reisen.

Besonders reichhaltig an Werken über die Kolonien. 1924 Nummern. Frankfurt

von

Often und Norden her ımd dann trat Neis den Rückweg nad Saigon an, auf dem er dem bedentendfte Zentrum der weſtlichen Laos, Kieng-Mai, einen Beſuch abftattete. Vom Gebiet der Phuöng entwarf der Neifende auf Grund feiner Beobachtungen und Er— kundigungen eine Karte. Korthals, welder, wie wir in Nr. 13 des „Ansland“ 1584 meldeten, mit Brion zur Erforſchung der Kataftrophe in die Sundaftraße abging, konnte nad) feinen eigenen Mitteilungen den Gipfel des Krakatoa nicht erreichen. Die durch den Ausbruch) nen gebildeten Inſeln Steers und Kalmeijer waren dem Anschein nach wieder verſchwunden.

Jakutsk

hinefischen Schriftzeichen, welche, wie fich zeigt, nicht won der früheren hieratiſchen, ſondern von der ſogenannten archaiſtiſchen baby— loniſchen Schrift abſtammen; ferner auf Angaben, welche den Frag—

Joseph Baer & (o.,

a. M.

Rossmarkt —

18.

erscheint:

Die Sandwich-Inseln oder

Das Inselreich

von

Hawaii

von Graf Reinhold Anrep-Elmpt. In gr. Lex.-8. eleg. brosch. M. 8. —

Verlag der k. Hofbuchhandlung Wilhelm Friedrich in Leipzig,

Die „Allgemeine Zeitung‘ (mit wißenfhaftliher Beilage und Handelszeitung)

——

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Indirecte Steuern. — Die Neijen der deutſchen Kriegsflotte im Jahre 1883. — Die Engländer auf Cypern. — Das Maffenaufgebot im Kriege. — Die Re qulivung des Gifernen Thores. — Die erften Schritte auf dem Wege deutſcher Golonialpolitit. — Die deutihen Handelskammern und die Frage der Verjtaatlihung des Feuerverfiherungswejens. — Europa und Ajien. Von Dr. L. v. Stein, (.) Auf dem nubiſchen Nil. Von U. v. Warsberg. (1.) — XV. Anthropologen= Gongreß zu Breslau. (V.) — Wiener Briefe. (CLXXVII.) — Spätjommer am Meere. Von A. v. Schweiger-Lerchenfeld. — Die Fortbewegung von Luft und Wafferfahrzeugen nad neuem Princip. — „Vertheidigung der Ungarn.“ — Englands Schützlinge. Yon A. Sulzbach. — Römijhe Annalen. (XVII) — Münchener Kunft. Bon Fr. Pecht — Die Sanbfrage in Norfolt und Suffolt. — Aus den Morgenlande Bon 8. Steub. (XVI.) . N Handels, Bank- und Börjenzuftände in Frankreich. — Der Erport nad) den Vereinigten Staaten. j

Aufträge für Streifbandfendungen an die Grpedition in Münden

Drud und Berlag der J. ©. Cotta’fhen Buchhandlung in München und Stuttgart. J.

Mar Auslaud. Wodenfhrift fir Sander: und Dölkerkunde, unter Mitwirkung von Profeſſor Dr. Friedrich Nagel und anderen Fachmännern herausgegeben von der

J. 6. Cotta'ſchen Buchhandlung in Stuttgart und München. Siebenundfünfzigiter Jahrgang.

Ar. 56.

Münden, 8. September.

1884.

Zährli 52 Nummern A 20 Seiten in Quart. Preis pro Quartal M. 7. — Zu beziehen dur alle Buchhandlungen des In und Auslandes und die Poſt— Ämter. — Rezenfions-Gremplare von Werken der einjhlägigen Litteratur find direft an Heren Profejjor Dr. Friedrich Natel in Münden, Akademieſtraße Nr. 5, zu jenden. — Injerationspreis 20 Pf. für die gejpaltene Zeile in Petit.

©. 701. — 2, Deutfchlands Handel in Inhalt: Die Greely-Erpedition, II. Die Aufſuchungs- und Nettungserpeditionen, Ozeanien und Auftralien. Bon Profeſſor Dr. Wilhelm Stieda in Roftod. ©. 103. — 3. Metallinduftrie in Zentralaſien. Nach S. 707. — 4. Die Bewohner der Sitdweftfüfte der Malaiiſchen Halbinjel. Bon Dr. B. Yang8. E. v. Ujfalvy. (Mit Abbildungen.) ©, 714. — 6. Wetterbeobadhtungen in den Bereinigten Staaten. kavel. ©. 712. — 5. Neuere Yitteratur zur deutſchen Landeskunde. Nach den amtlichen Berichten von Profeſſor G. H. Schlichter. ©. 717, — 7. Slleinere Mitteilungen: ©. 719. Reſte der „Jeannette“ an der weſtgrönländiſchen Küſte. Die Bevölkerung der niederländischen Kolonien im Afien, — 8. Notizen: ©. 719, Perſonalnachrichten. —



9, Litteratur: ©. 720,

Die Greely⸗-Expedition. Die Aufſuchungs- und Rettungsexpeditionen.

Die Fahrten nach dem Smithſund, welche die Ameri— kaner zur Aufſuchung der Expedition Greely's in drei aufeinanderfolgenden Sommern unternahmen, zeugen auf's Neue von den unberechenbaren Schwierigkeiten, welche ſich

gerade in dieſem Gebiete des nördlichen Eismeeres, durch das ſo oft ſchon der Weg nach dem Pol geſucht worden, der arktiſchen Forſchung entgegenſtellen. Den Bericht des Leutnant Beebe, in welchem dieſer General Hazen ſeinen

vergeblichen Verſuch Lady Franklin-Bai Beobachtungsſtation in Nr. 46, S. 914 begnügen

meldet, mit dem Dampfer „Neptun“ zu erreichen und der amerikaniſchen Vorräte zu überbringen, haben wir des „Ausland“ 1882 mitgeteilt. Wir

uns deshalb, nochmals

zu erwähnen, daß das

Schiff, welches am 13. Juli 1882 von St. Johns (Neu— fundland)

abſegelte, bereits am

24. Juli im Smithſund

vom Eis beſetzt ward und daß ihm fünf Tage ſpäter zwiſchen Kap Inglefield und Roſſe-Bai, nahe der Littleton-Inſel, eine lückenloſe und undurchdringliche Eisbarriere den Weg nach

1 Siehe „Ausland“ 1884, Nr. 35. Ausland

1884, Nr. 36.

Norden gänzlich verfperrte. Bei einem ziveiten und dritten Vorſtoß im Auguft war der „Neptun“ nicht glüdlicher; al3 fich aber bei einem erneuten Verſuch, nad) Norden zu gehen, am 2. und 4. September Neueis von drei bis vier Zoll bildete und außerdem der Dampfkeſſel leckte, beichloß Leutnant Beebe ein Depot auf der Littletoninjel anzulegen und dann nad St. Sohns zurüdzufehren. Nach diefem Fehlichlagen ftellte ih im Sommer 1883 die doppelt dringende Aufgabe, die Station Greely's zu erreichen und ſamt ihren zweijährigen Beobachtungen in Sicherheit zu bringen.! Leutnant Oarlington erhielt die Weiſung, feine Anftrengung zu ſparen, um das Schiff „Proteus“ nad Lady Franklin-Bai zu bringen, im Falle der Eisbefegung des Smithjunds oder des Kennedykanals aber einen Weg längs der Weſtküſte zu fuchen, um eher mit Greely zufammenzutreffen. Sollte ſich auch dies als unmöglich erweifen, jo möge alles aufgeboten werden, um

Greely Nachrichten von den Verſuchen, ihm entgegenzus fommen, erreichen zu laffen, die vorhandenen Proviant— niederlagen zu erneuern und, falls der „Proteus“ feitfrieren follte, Vorräte bei Kap Sabine niederzulegen, ſowie mit den tüchtigften Leuten möglichjt weit nach Norden vorzudringen, Der „Yantif”, der den „Proteus” nad) der 1 Siehe „Ausland“

1883, Nr. 42, 106

702

Die Greely-Erpedition.

Littleton-Inſel begleiten follte, hatte auch dort feine Rück—

Das Kommando

funft zu erwarten: eine Inſtruktion, welche indejjen vers

Winfield ©. Schley und

bängnisvoller

Weife

ward.

nicht befolgt

trafen am 6. und 12. Juli in Godhavn erreichte

am

Kap Sabine.

17. den

Pandorahafen

Beide Schiffe

ein, „Proteus“

und dampfte gegen

Aber auch er fand eine feite Eisbarre, die

von Kap Sabine nach Inglefield quer durch den Smithfund lag. Am 18. Auguft ging man in einer Spalte

der Erpedition

übernahm

Kommander

unter ihm führte der 1883 mit

Sarlington getvefene Leutnant 3. C. Cowell den „Bear“, Die Schiffe waren am 5. und 12. Mai von St. Johns Neufundland)

abgegangen.

Die „Thetis“,

welche nad)

zehntägiger Fahrt in Disko ankam, hatte am eriten Tage ihrer Neife einige Eisberge begegnet,

war aber dann im

offenen Waffers vorwärts, kam dann in Padeis und fuhr

offenen Waffer geblieben, bis fie die grönländifche Küſte erreichte, wo neue Eismaſſen ſich ihr entgegenftellten. Am

wieder nach Süden, bis ſich am 23, das Eis um dag Schiff Schloß. Am gleichen Tage noch wurde leßteres in

umgeben und am 20. wurde unter 640 30° Grönland er=

789 52° n. Br. im Eis zerdrückt.

Der Mannfchaft gelang

18. Mai war fie ftundenlang von treibenden Eisfeldern blidt. Weiterhin zeigte fih die Davisſtraße auffallend eisfrei; man jah nur vereinzelte Berge, bis in der Nähe von Disko neuerdings Treibeis von 1 bis 11, m. Dide

es indes, fich volzählig nah Kap Sabine zu retten und von bier aus Upernavik zu erreichen, wo fie der „Yantık“ aufnahm. Diefe Nachricht rief in den DVereinigten Staaten allenthalben Beitürzung und auch Unwillen hervor, troßdem Kommander ©. ©. Nares, der 1875 mit dem „Alert“ und „Disfovery” tief in das Eis nördlich vom Smithjund bordrang und daher die Eritenzbedingungen in diejen Negionen fennt, dem Leutnant Greely und feinen Leuten tröftliche Ausfichten eröffnete und damit den Freunden diejer Erpedition deren Schickſal von der beiten Geite zeigen wollte. Aber man mußte ſich jagen, dab Öreely im nächſten Frühjahr (alfo 1884), wenn nicht bälder, am Ende feiner Vorräte anlangen müffe, daß Feine Verſtärkung an Munt-

füfte und zahlreiche Eisberger Bier Waler aus Dundee famen gleichzeitig mit den Expebitionsschiffen durch die

tion und Mannschaft

nicht jeinesgleihen

ihn erreichte, daß die Zeit vorbei,

in welcher ihn ein Schiff bei Kap Sabine oder der Litt: letoninjel abholen könne. Sonach ſah Greely eine noch: malige Ueberwinterung vor ſich, wobei er auf die Reſte jeiner Vorräte und, wenn er weit genug nad) Süden gelangt war, auf die teilweiſe ſchon acht Jahre alten Broviantniederlagen auf den Carey-Inſeln, Littleton-Inſel, Kap Sabine, Kap Hawkes, Kap Collinfon, Karl Ritter-Bai, Thank-Godhavn und Kap Slabella, endlih auf den Ertrag der Jagd und des Filchfangs angewieſen var, Man hoffte aud auf die Möglichkeit, Greely werde mit den Eskimos, die an der grönländiſchen Küfte bis Port Foulke gehen, in Verkehr treten fünnen, zudem ja der Führer der „Sofia“, welche Nordenftiöld nach Weftgrönland gebracht, von den Eskimos am Kap York gehört haben wollte, daß zur Greely-Erpedition gehörige Eskimos in zwei Schlitten nach Kap York gefommen, jedoch wieder nad Lady Franklin-Bai zurüdgefehrt wären. Bir geben hier ausführlicher die Fahrt der Aufſuchungs— und Nettungserpedition von 1884, welche intereffante Bei— träge zur Kenntnis der Eisverhältniffe im Frühſommer diefes Jahres bietet. Die Erpedition beftand aus dem Dampfer „Bear“, einem neun Jahre alten 700 Tonnen:

ſchiff mit 300 Pferbefräften,

und der bereits 1883 zur

Eisfahrt verivendeten „Thetis“, welche beide der Walfiſch— flotte Dundee's angehörten. Ihnen folgte der durch die Nares'ſche Expedition befannte britifche Eisfahrer „Alert“ als Neferve und ferner das Transportichiff „Loch Garry“.

auftrat, das etwa drei Seemeilen weit von den Küften jeewärts reichte. Der „Bear“, welcher am 15. Mai angekommen war, hatte bei mehr weſtlichem Kurs mehr Eis getroffen, zufammenhängende Felder längs der Labrador:

Davisftraße.

Ein Verfuh des „Bear“, nad Upernavik

borzudringen, [cheiterte an einer feiten Wintereisjchranfe, die bei Hare-Inſel, etwa 70 MI. nördlid von Disko, ſich

als zur Zeit unüberwindlich erwies. Bon allen Seiten hörte man, daß der verfloffene Winter ein ungewöhnlih harter geweſen. In Melville-Bai wollte man feit 20 Jahren gejehen haben.

Das Eis ging fpät

im Norden auf und als die „Ihetis” den Smithſund Ende Juni verließ, war derjelbe noch nicht offen. Die „Thetis“, welche am 24. Mat von Disko abjegelte, war gezivungen, um nad der Hare-Inſel zu kommen, das Eis zu rammen, (Das Transportichiff „Loch Garry“ konnte, weil aus Eifen,

erit fpäter folgen.)

Als fie am 29. Mai in Upernavif

anfam, war das Eis 25 MI. nördli paſſierbar und die Schiffe verankerten

von bier noch une fich zufammen mit

acht Walern aus Dundee nördlich von Upernavif bei der feinen Anfievelung Knigatock am Eis, Am 1. Juni wurde ein Verfuh gemadt, im Eis nordwärt zu kommen und von da an ging es unter

Benüßung jeder Deffnung vorwärts, bejtändig im Kampfe mit

treibendem

oder

bei der Auffuhung

von

Spalten

mit ftehendem Eis, Bei Kap Nork ſtand letteres 35 MI. vom Land ab, ein Eisftand, wie er nad dem Urteile er⸗ fahrener Eisschiffer in diefer Zeit felten ift. Am 18. Juni endlih Fam man bei Kap York in offenes Wafler, das

ſich nordwärts erjtredte.

„Ein Lieblicher Morgen” ſchreibt

Schley in feinem Bericht, „die Temperatur gerade unter” Null, heller Sonnenschein, der Meeresspiegel kaum bewegt, | Taufende kleiner Vögel fröhlich zwitfchernd um unfer Schiff ſich tummelnd.“ Man traf Eingeborene, hörte aber

nichts don Greely und feinen Leuten. Als man immer weiter nördlich Tam und die Proviantniederlage Beebe's auf der Littleton-Inſel unberührt fand, wurde der Glaube” allgemein, daß Greely in Lady Franklin-Bai geblieben

Deutſchlands Handel in fei, daß die Auffuchungserpedition

bis dahin vorbringen

und möglicheriveife einen Winter in der Arktis zubringen müſſe. Um für alle Fälle gerüſtet zu ſein, wurden hier am 22. Juni 760 Rationen in Verwahr gebracht und beſchloſſen, 3000 weitere Rationen in Payer-Hafen zu landen. Am Nachmittag dieſes Tages gingen „Thetis“ und „Bear“ nach Kap Sabine ab und ankerten um 7 Uhr abends im BayersHafen, in deſſen Nähe Berichte der Expedition vom 21. und 23. Dftober 1883 gefunden wurden. Am fpäten

Abend desjelben Tages wurden, wie bejchrieben (f. vorige Nummer ©, 691), die 7 Ueberlebenden gefunden. Der erſte Mann, der fie erreichte, war der Eispilot Norman,

der auf dem „Proteus“ 1881 Greely den lebten Gruß zugerufen. Jetzt vief er von weitem durch den heftigen Sturm: „Ihr feid gerettet Greely, hier find zwei Schiffe für Euch!” mworauf Greely antwortete: „Seid Ihr das, Norman? Schneidet das Zelt auf!” Greely mit feinen ſechs Leuten lag feit zwei Tagen unter dem vom Sturm niedergeivorfenen Zelt. Seit ziwei Tagen, ohne etwasWarmes

zu eſſen! Die Lage der Sieben war fo verzweifelt, daß nach dem Berichte Schley’s die Nettung eben im lebten Moment ein—

O



703

zeanien und Auſtralien.

Sergent Rice, 9. April. Leutnant Lockwood, 9. April. Sergent Jewell, 12. April. Jans Edwards (Eskimo), 29. April (Ertrunken).

Soldat Ellis, 19. Mai. Sergent Naljton, 23. Mat.

Soldat Whiftler, 24. Mat. Sergent Israel, 27. Mat. Leutnant Kislingbury, 1. Juni. Korporal Salor, 3. Juni. Soldat Henry, 6. Juni. GSergent Gardner, 12. Juni. Soldat Bender, 16. Juni.

Dr. Pavy, 16. Juni. Soldat Schneider, 18. Junt.

Deutſchlands Handel in Ozennien und Auftralien. Bon PBrofeffor Dr. Wilhelm

Stieda

in Roftod.

trat. Einige würden, meint ex, fich ſelbſt überlaffen, faum die Nacht überlebt haben. Der Sturm blies fo heftig, daß

Die Inſelwelt des Stillen Ozeans iſt jeit wenig mehr als 300 Sahren, in einzelmen ihrer Teile ſogar jet ſehr

die Einſchiffung der Geretteten mit den größten Schivierig-

viel kürzerer Zeit, den Europäern befannt geworden.

feiten verfnüpft war. Als man am 24. Junt die wieder ſüdwärts richtete, war der Smithſund offen, eine jtarfe Eislinie lief im Norden deutlich jichtbar über und deutete an, daß weiteres Vorbringen nad)

Kiele aber quer Nor—

Entdefung war die Folge der Auffegelung Amerikas. Vasco Nunez de Balbva, der fpanische Statthalter in Darien, war der erſte Curopäer, der den Großen Ozean

den Schwierigfeiten gehabt haben würde. Als man am 27. Juni in die Melville-Bai einfuhr, hatte der Nord— wind das Eis ſüdwärts getrieben; doc) gelang es, durch einen Kanal vorwärts zu fommen und am 30. traf man „Alert“ und „Loch Garry“, welche mittelit Torpedos ſich mühſam einen Weg durch's Eis zu bahnen fuchten. Am

Rontinent an feiner fchmaliten Stelle im Sabre 1513 überjtieg. Nicht er war es indes, der die erſten Forſchungs— Fahrten auf dem neugefundenen Meere unternahm, jondern fein Landsmann Fernando de Magellans. Diejer gelangte, nachdem er die Meerenge entdeckt hatte, welche ihm zu Ehren den Namen trägt, im November 1520 in den Großen Ozean, den er, da er namentlich in feinem tropis ſchen Teile auffallend leichte und jturmfreie Fahrt hatte, Auffallenderweife kamen ‚El Mar Pazifiko“ nannte. Magellans bei feiner Fahrt nur zwei der Eleinjten Inſeln des Ozeans zu Geſicht, bis er im März 1521 auf den Archipel der Ladronen ſtieß und von hier aus nach den Philippinen gelangte, wo ein gewaltſamer Tod ihn er— eilte, ehe er das ihm vorſchwebende Ziel, die Molukken,

5.

Suli

war

das

ganze

von Disko vereinigt. amputiert

worden

Nettungsgefhtwader

im Hafen

Hier ftarb Elifon, defjen beide Füße waren

und

die Nefte

des

Eskimo

Chriftianfen wurden der Erde übergeben. Am 9. Juli ging das Gefchivader von Disko in See und erreichte am 17. Suli St. Johns Neufundland). Bon den urfprünglichen 25 Mitgliedern der Expedition wurden folgende 7 gerettet: Leutnant A. W. Greely, Sergent Brainard,

hatte erreichen können.

Seine Gefährten waren glücklicher

Sergent Elifon (ftarb auf der Nüdfahrt),

Sergent Fredericks, Sergent Long,

Art fie anlockte.

Soldat Connell; ‘ während 18 an den beigefeßten Tagen jtarben: Sergent Croß, 18. Januar 1884. Friedrich Chriftianfen (Esfimo) 5. April, Sergent Zinn, 6. April,

|

überhaupt zu ſehen befam — als ev den amerifanifchen

als er, drangen bis zu den genannten Inſeln vor und wiederholten dann in den nächſten Jahren die Reiſe mehr—

Krankenwärter Biederbed,

Jee

Ihre

fach, da der Reichtum der Molukken an Gewürzen aller Für unſere Kenntnis des Ozeans entſprang

aus diefen Fahrten nicht viel, da die ſpaniſchen Seefahrer häufig von der Weftküfte Amerifas aus in See ſtachen und

fo den nördlicheren, an Inſeln ärmeren Teil des Ozeans durchmaßen, ein Weg, den die durch die Konkurrenz ber: anlaßten holländifchen und englifchen Flotten des 17. Jahr—

hundert3 gleichfalls einſchlugen.

04

Deutſchlands Handel in Ozeanien und Auftralien.

Wichtiger wurden für die Erforfchung der Inſelgruppen die Expeditionen, welche feit dem Ausgange des 16. Jahre hunderts begannen und die Auffindung jenes rätjelhaften

Kontinentes, der im Süden der Erdfugel vorhanden jein follte, fich zur Aufgabe fegten. Holländer, Spanier, Fran— zofen und Engländer durchzogen etwa feit 1568 die Südſee und entdeckten dabei den größeren Teil der Archipele, die fie zunächjt immer als Stücke des gefuchten Südlandes betrachteten, bis fie fie) vom ©egenteile überzeugt hatten, Es iſt natürlich nicht möglich, auf diefe Reifen bier auge führlicher einzugeben. Es fei nur erwähnt, daß auf diefe Weiſe von den Spaniern im Sabre 1568 die Salomons-Inſeln, im Sabre 1595 die Marqueſas- und Santa Kruz-Inſeln, im Sabre 1605 die Baumotu und die Neuen Hebriden; von den Holländern NeusBritannien, Tasmanien, Neu-Seeland und der Tonga-Archipel im Jahre 1642 gefunden wurden, Bis zum Jahre 1650 waren von den 18 großen Archipelen, in welche die Infeln der Südſee eingeteilt werden, fait alle, wenn auch nicht gerade befucht und bejchrieben, doch wenige ſtens gefeben und auf den Karten verzeichnet worden. Der neueren Zeit, d. b. dem vorigen Jahrhundert, blieb nur die Entdedung von Neukaledonien, den Hatvatt:, Samva= und Hervey-Inſeln vorbehalten, dafür aber die genauere Er: forſchung und Feititellung der noch wenig befannten, wo— bet die Engländer in der Berfon ihres berühmten Seefahrers James Cook ſich bejonders auszeichneten. Zur Inſelwelt des Stillen Ozeans, fofern fie ein geographifches Ganzes, ein Landindividuum, bilden, rechnet man nicht alle Sinfeln, die von den Wogen diejes Meeres befpült werden. E3 werden zu derjelben vielmehr nur gezählt die Inſeln an der öftlichen Küfte von Auftralien, im Oſten der Moluffen, Bhilippinen und japanefischen Inſeln und im Welten der NRevilla Gigedo und Gala— pagos-Inſeln, welche leßteren dem amerikaniſchen Kontinent zugerechnet werden. Der Raum zwifchen diefen Grenzen it ein fehr anfehnlicher; er umfaßt zirka 88 Breiten= und 116 Zängengrade und tjt fo groß, daß Europa ziveimal darın Platz fände. innerhalb dieſes Raumes find die Inſeln jehr ungleichmäßig gelagert; der größte Teil liegt in der Tropenzone. In der jüdlichen gemäßigten Zone wird nur eine, allerdings fehr bedeutende, angetroffen — Neu: jeeland. Gegen Norden und gegen Dften nehmen die Snjeln an Zahl und Größe ab, gegen Süden und Weften zu. Die Fläche, die fie, alle aneinandergelegt, einnehmen würden, vepräfentiert 1,257,129 Q.-Km., wäre alfo etwa

10,000 Q.-Km. größer als Zentraleuropa, d. h. Deutſch— land, Defterreich-Ungarn, Schweiz, Niederlande und Luxem— burg zufammen. Läßtman die beiden fehr umfangreichen Inſeln Neu-Guinea mit 807,956 Q.-Km. und Neufeeland

mit 272,989 Q.-Km. außer Anſatz, jo befommt man für

die mit dem gemeinfamen Namen Mikronefien bezeichnet werden, nämlich die Marſchall-Inſeln, die Karolinen und Ladronen 3530 Q.-Km. Melanefien ohne Neu-Guinea, d. h. die Archipele Neu-Britannien, die Salomons-Inſeln, Santa Kruz-Inſeln, die Neuen Hebriden und Neufaledonien,

umfaßt

145,855 Q.-Km.

und auf Polyneſien

entfallen

26,799 Q.-Km. Zu leßterem werden acht Archipele gez zählt: die Fidſchi, Tonga:, Samoa-, Hervey-, Oozietäts, Baumotus, Marquefas: und Sandwich-Inſeln. Neufeeland, das wir hier ausgeſchloſſen haben, beiteht nod) aus mehreren — Inſeln, einer Nord, Mittel- und Süd-Inſel und Fleineren Gruppen, wie die Norfolk-Inſeln im Norden, Audland im Süden und andere.

Seit etwa 50 Fahren haben verjichiedene europäifche Mächte begonnen, auf den Belit diefer Inſeln Gewicht zu legen — ein Beftreben, das in einen fürmlichen Kampf um die Herrſchaft in jenen Gewäſſern ausgeartet iſt. Nur wenige Snfelgruppen haben fich dabei ihre Selbjtändigfeit zu wahren gewußt: die Hawaii, Tonga und andere, Ber mehreren haben die Europäer die Protektion über: nommen; andere find ganz in den Belit derſelben über:

gegangen

und werden als Kolonien

verwaltet.

So find

3. B. Neufeeland und die Fidſchi-Inſeln ein Kolonialbefit der Engländer. Die Franzoſen haben auf die Marqueſas— Gruppe, die Sozietäts-Inſeln und Neufaledonien die Hand gelegt. Wir Deutjchen befiten zwar feine Inſeln, haben aber auf einigen mit den Bewohnern Freundfchaftsverträge | abgeſchloſſen, und infolgebefjen an verfchiedenen Stellen feiten Fuß gefaßt, teils auf folchen Inſeln, vo feine anderen Euro: päer ſich niedergelaffen haben, teils auf ſolchen, welche Ko—

Ionialbefit fremder Mächte find. Deutfche finden fich überall auf den Inſeln zerftreut, auf den Fidſchi-, wie auf den Gefell: ſchafts-Inſeln, in den Kolonien der Engländer, wie der Auch der Kontinent Auftralien birgt das Sranzofen. deutjche Element in bemerfenswerter Menge.

Gegenwärtig vollzieht fich unter den Urbeivohnern der Inſeln, beziehungsmweife den Europäern, die fich bei dieſen niedergelafjen haben,

eine Bewegung, die darauf hinaus:

läuft, eine politifche Selbjtändigfeit zu begründen. Von Neuſeeland aus it den Samoa-Inſeln der Vorſchlag ges macht

worden,

fich diefer Kolonie anzufchließen, und im -

vorigen Jahr hat der gefeßgebende Körper derfelben eine Confederation and Annexation Act beichloffen, melde die Verbindung mit allen folchen Inſeln in’s Auge faßt,

die noch nicht unter der Schußherrfchaft fremder Mächte Die Kolonie Queensland hat die Einverleibung Neuguinea ernftlih in Erwägung gezogen, von Bil: toria aus hält man die Annektion der Neuen Hebriden für ſtehen.

ſehr zweckmäßig, kurz, es ift nicht unwahrſcheinlich, daß ſich in nächſter Zeit einige Aenderungen vollziehen. Der

die eigentliche Infeflur, welche die Bezeichnung Deanien oder Auftralafien führt, eine Fläche von 176,184 Q.-Km., die alſo etiva dem dritten Teile des Deutfchen Neiches

Bundeskonvent, der jüngſt in Sydney die Vertreter der einzelnen auſtraliſchen Kolonien, übrigens auch der Fidſchi—

gleichkäme.

eines auſtraliſchen Kolonialbundes und die Inkorporierung

Bon diefer fommen

auf die drei Archipele,

u

Inſeln,

verſammelt

hatte,

erwog

eifrig die Errichtung

705

Deutfchlands Handel in Ozeanien und Auftvalten.

bis einit, wie in

dem fünften Sahre beginnt er zu tragen und bietet, wenn voll ausgewachjen, zirka 100 Nüfje im Jahr. 6000 Nüfje geben eine Tonne Kopra — dieje Benennung führt der in Stüde

Amerika, der Abfall vom Mutterlande wohl auch hier nicht ausbleiben wird.

gefehnittene Nußkern im Handel — welche an Ort und Stelle einen Wert von 230 Mark hat und in Hamburg

Daß europätfcherfeit3 der Erwerb diefer Inſeln fo ſehr

oder London um 420 bis 460 Mark verkauft mwird. Ehen ftehen die Breife etivas niedriger, als die namhaft gemachten Notierungen, welche einem älteren Bericht des

Neuguineas, fowie anderer Inſeln und Inſelchen. Weber das Ganze würde Großbritannien dann vermutlich die Schutzherrſchaft

übernehmen,

jo lange

erftvebt wird, findet feine Erklärung, wenn man erwägt, einen wie reihen Segen die Natur in verjchivenderischer Fülle über diefelben ausgegofjen hat. Ein paradiefiiches Klima, eine üppige, nimmerivelfende Vegetation, anmutige Thäler, fiſchreiche Gewäſſer — alles vereinigt jih, um ein

Gebiet zu Ichaffen, das feinesgleichen jucht, ein Gebiet, in welchem der Eingeborene ohne jede Anftrengung feinen Lebensunterhalt findet. Freilich, koſtbare Edelmetalle und föftliche Gewürze find, mit Ausnahme von Neufeeland,

nicht vorhanden, und darin lag der Grund, daß Dezennten hindurch die Inſeln wenig Berüdfichtigung erfuhren. Mit den armen, nadten Eingeborenen, die jich überdies durch Wildheit und Graufamfeit gegen die Fremden hervor: thaten, die in ihrer Bebürfniskofigfeit den europäiſchen

Produkten geringen Geſchmack abgewannen und wenige Erzeugniffe zum Taufh anbieten konnten, jchien ein Verkehr feinen Vorteil zu verſprechen. Erſt als man die Bedeutung der Rohſtoffe, die dort zu haben waren,

ſchätzen lernte, als man begriff, daß die Natur bier zu einer gedeihlichen Kultur wertvoller Handelspflanzen fie gefchaffen fchien, erit da wandte man feine Aufmerkſam— keit diefen Gegenden zu, die ſeit dem Augenblid freilich nicht wieder aufgehört, fondern fi von Jahr zu Jahr vergrößert hat. |

Bor allem it es die Kokospalme, welche jich bier fo gut wie nirgends fonjt entividelt. Sie iſt der Lebensbaum der Melanefier und Polynefier, ihr Ein und Alles. Die Nüffe des Baumes bilden ein Nahrungsmittel, die in denjelben enthaltene Milch ein beliebtes Getränk der Eingeborenen.

Die

äußere

Hülle der Nuß, die Kofosfafer,

dient zur Anfertigung von Matten, Tauwerk u. |. mw. Aus den Blättern ftellen fie ſich ihre einfachen Behauſ— ungen her. Für den Handel iſt namentlich der feite Be— Standteil der Nuß, aus dem ein Del gepreßt wird, das in der Seifen- und Stearin-Fabrifation weitgehende Verwendung findet, von größter Wichtigkeit geworden. Ur: ſprünglich wurde die ganze Nuß oder das Del verichifft; jeit der Zeit aber, da man wahrnahm, daß diefe Art des

Transportes zu foftfpielig und verluftbringend war, ſchnitt man den ölhaltigen Kern der Nuß in Stüde, die, nachdem fie an der Sonne getrodnet, verladen werden. Man hatte dabei den Vorteil eine größere Menge als von den viel Raum

fordernden Nüffen

verpaden

zu können,

und

zu

gleicher Zeit in den Reſten nach Ausprefjung des Dels ein vorzügliches Viehfutter zu haben. Von diefen fogenannten Kokoskuchen genügen ein paar, in's Trinkwaſſer eingerührt, mit 19 bis 13 Pfund Heu zur Tagesration eines Nindes. Die - Fruchtbarkeit des Baumes ijt eine bemerkenswerte. Mit Ausland

1884, Nr. 36.

Deutſchen Handelsarchivs entnommen find. Außer der Kopra liefern aber diefelben 6000 Nüffe gleichzeitig

eine Tonne

KRofosfafer, die den Wert von 300 ME. repräfentiert. Da jeder Akre! mit zirka SO Bäumen bejtanden ift, jo fann zur Zeit der vollen Tragfähigkeit auf eine Einnahme von 560 bis 600 ME. für ein Akre gerechnet werden. Gleich: falls ihres Deles wegen wird die Kandlenuß exportiert,

welche die Frucht einer wildwachſenden Pflanze tft und fih durch beträchtlichen Wert auszeichnet. teben der Kofospalme iſt es das Zuderrohr, deijen Kultur gute Erfolge verspricht, befonders auf den Fidſchi— und Hawaii-Inſeln, wo das Klima dem Wachstum und Neifwerden jehr günftig tft. Ein drittes Produkt ift die Baumwolle, von welcher auf Fidſchi eine fehr feine Art, Sea Island cotton, gewonnen wird, die in Zondon hobe

reife erzielte.

Gleichfalls

gute Erfahrungen

hat man

mit dem Anbau von Kaffee gemacht, von dem eine bortreffliche Qualität fich eingebürgert hat. Erfahrungsmäßig eignen fi) ferner zur Anpflanzung ausgezeichnet Tabat, Kreis, Vanille, Indigo, Zimmt, Ingwer, Musfatnuß; ſo— gar Thee und Chinarinde glaubt man erzeugen zu können. Zeigen ſich uns in den leßtgenannten Produkten Ar tifel, deren mafjenhafte Erzeugung, fo daß fie zum Export ausreicht, exit in Zukunft erivartet werden Tann, jo ver— hält es fich ähnlich mit den Gemüfen und Küchengewächſen, wie Kohl, Blumenkohl, Erbſen, Bohnen, Gurken, Melonen u. ſ. w. deren Fortfommen durch die Verfuche der Euros päer nachgewieſen ift. Vielleicht ift hier überhaupt mehr an die Befriedigung eines lokalen Bedürfnifjes gedacht als an eine Ausfuhr, die faum fo lohnend fein Fünnte, vie die der vorhin genannten Gewürze und Genußmittel, Weſentlicher Exrportartifel neben Kokosnuß, Zuder und Baumwolle ift noch das Sandelholz, das, wegen feines Wohlgeruches von den Chinejen gern genommen, bejonders nad) Afien verfrachtet wird. Leider find eine Zeit lang die Bäume in unverftändig rüdfichtslofer Weiſe maſſenhaft ge ichält worden, jo daß Die Ausfuhr entfernt nicht mehr die Duantitäten wie früher erreicht. Gleichfalls nad) China, wo er einen Lederbiffen der feineren Küche bildet, gebt Trepang, ein getrodnetes Strahlentier. Nach Europa nehmen ihren Weg noch Schildkröten und Perlmutterſchalen, deren Träger nicht auf den Inſeln felbft fondern an der Küſte

erbeutet werben. Eine etwas andere Phyſiognomie hat die Produktion 1 Ein Are —

1,6

Morgen Yand. 107

06

Deutſchlands Handel in Ozeanien und Auſtralien.

und demgemäß der Ausfubrhandel von Neufeeland und Auftralien. Infolge des größeren Flächenraumes widmet man fich bier der Viehzucht und den Ackerbau und jo iſt dann Schafwolle der Hauptausfuhrartifel. Dazu fommen Fleiſch, Häute, Selle u. f. w., alfo meitere Produkte der Viehzucht und daneben Getreide, insbes Jondere Weizen. Ferner gedeiht in der Kolonie Queens— land das Zuderrohr gut und auf Neufeeland gibt es Flachs (Phormium tenax). Endlich liefert das Mineralveich Sol, in Auftralien auch Kupfer und andere Metalle, Unter den bandeltreibenden Nationen, welche nad) Europa und Aſien diefe Produkte vermitteln, haben, feit der Handel überhaupt in Aufnahme gefommen ift, in der Südfee fich die deutjchen Kaufleute hervorgetban, während Neufeeland und der Kontinent Auftralien mehr in den Händen der Engländer find. Im eigentlichen Ozeanien jind die Deutschen die Pioniere des Handels geivefen und unter ihnen kwiederum die Hamburger. Eine Zeit lang dominierten die deutfchen Kaufleute vollftändig und erft neuerdings haben amerikanische und englifche Konkurrenz lich geltend gemacht, die freilich, namentlich die leßtere, von der herrfchenden politifchen Strömung begünftigt ift. Im Augenbli darf indes die Furcht, daß mir von dem Felde unferer eriprießlichen Thätigfeit verdrängt werden Fünnten, fich nicht in den Vordergrund wagen. Unfere Negierung läßt ſich feit Jahren den Schuß der deutſchen Handels— unternehmungen in der Südſee angelegen fein, regelmäßig entjandte und dauernd ftationierte Kriegsschiffe halten das Anjehen der deutschen Flagge in jenen Gewäſſern aufrecht und jo haben bis jet unfere fommerziellen Beziehungen dahin fich fteter Entwickelung erfreuen können. Der Handel, welchen unfere Kaufleute in Szene ges jet haben, vollzieht fih in einer ganz beftimmten Form, welche das Haus Godeffrog, das erſte, das hier feine GeIhäfte eröffnete, einführte. Diefe Form befteht in Er: richtung einer Bentralniederlaffung auf einer der In— ſeln und von Stationen oder Agenturen auf anderen. Mit Erlaubnis der betreffenden Häuptlinge domizilierte das Haus Godeffroy auf einer großen Zahl kleinerer Inſeln einen oder mehrere Agenten, für welche man eine

Hütte oder ein Haus erbaute, einen Anbau zur Aufnahme dev Waren und Landesprodufte herftellte und fie fonft mit den nötigen Karren, Booten, Pferden u. dgl. ausftattete, Hier richtete der Agent, jo gut es ging, fich häuslich ein und knüpfte mit den Eingeborenen den Taufchhandel an. Er war entiveder ein fejtangeftellter Beamter, dem neben ſeinem Gehalt auch eine Tantieme beivilligt war, oder man nahm ihm die Produkte zu einem vorher vereinbarten Preis ab, wobei es feinem Gefchäftsfinne überlafjen blieb, die Zandesprodufte fo billig wie möglich einzutaufchen. Jähr⸗ lich ein- bis zweimal erſchienen dann die Schuner der Zentralſtelle auf der Station, um neue Vorräte abzuladen und die einheimiſchen Erzeugniſſe inEmpfang zu nehmen. Sowie das Haus Godeffroy, das ſeine Hauptniederlaſſung

auf den Samoa-Inſeln hatte, operierte auch die Deutſche Handels: und Plantagen-Geſellſchaft, die im Jahre 1878 das Geſchäft übernahm, als Godeffroy, in weitreichende

Unternehmungen in Europa verividelt, fih außer Stande lab, dasjelbe in der Südſee fortzufegen. Und ähnlich geben die anderen deutfchen Firmen vor, die Hernsheim, Nuge, Heedemann, Gapelle u. a. Der Verkehr zwifchen der Hauptniederlafjung und den einzelnen Stationen wird durch eigene Schiffe der betreffens

Firmen von zirka 50 bis 80 Tonnen durchſchnittlich unter: halten

und

e3 iſt ein ſehr erfreuliches Zeichen für die

Ausdehnung desjelben, daß von Jahr zu Jahr die Zahl diefer Schiffe hat vergrößert werden müffen. Während im Jahre 1874 4 Schiffe mit zufammen 381 Tonnen thätig waren, ftieg ihre Zahl bis 1882 auf 20 mit zu ſammen 1987 Tonnen. Die einzelnen Jahre zeigten nad)

Ausweis der deutschen Neihs-Schiffahrt3-Statiftif im Jahre 1874

4 Schiffe

EISEN, 1876.18. ner

1812

1a

70 2 Te U

1 11878.10% 22 5. 11879 20, 2, „411880 227,00 „a1sst. 312) „1888 20. Sämtlihe

381 Negifter-Tons

2407

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Naumgehalt





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Schiffe find in Hamburg beheimatet, mie

ja auch Hamburger Gejchäftshäufern in erfter Linie das Verdienſt gebührt, das Südſee-Geſchäft fruchtbringend für Deutſchland gemacht zu haben. Die Hamburger Flagge war den Eingeborenen längſt bekannt und vom ihnen ger achtet, als die eriten deutfchen Kriegsfchiffe dort erfchienen und noch im Jahre 1858 paffierte es einem preußifchen Kapitän, daß er gefragt wurde, ob Preußen Hamburg tributpflichtig fei. Diefer Handel in der Südſee charakterifiert ſich im wejentlichen als ein Importhandel, d. h. als ein Handel, der darauf bedacht ift, aus jenen Gegenden die für unfere Snduftrie wertvollen Nobftoffe bei uns zu importieren. Mas wir \ von Induſtrieprodukten dorthin abjegen können, it bei der niedrigen Kulturſtufe der Eingeborenen verhältnismäßig

wenig. Die Artikel, deren jene vorzugsweiſe bedürfen, wie die verfchiedenen Arten Baumtvollzeuge, ale Mada: pollam, Cloth Galicot, Shirting u. dgl. m. produzieren wir nicht ganz fo gut und fo reichlich, daß wir die eng⸗ liſchen Fabrikate verdrängen könnten. Von den übrigen

Waren

aber kann den Eingeborenen gerade nur fo viel

zugemutet werden, als das Aequivalent für die von ihnen gelieferten Produkte beträgt. Mit den Jahren, wenn mehr Europäer auf den Infeln angefievelt fein jollten, wenn Ader=

bau und Plantagenwirtfchaft in größerem Stile getrieben erden, dann wird wohl auch von einem größeren Abfabe

dahin die Rede fein können, ähnlich dem, welchen das Mutterland in feinen Kolonien zu haben pflegt. 4

707

Metallinduftrie in Zentralaſien. Unfere

Landsleute

haben

fich aber nicht damit bes

gnügt, Handelsfaktoreien anzulegen, auf denen fie alles, was ihnen an Waren geboten wurde, fanmelten, um es hernach mit Gewinn wieder veräußern zu fönnen, fondern fie find in wohlweifer Würdigung der dortigen Zuftände in die Neihe der Produzenten mit eingetreten. Eine bloße Handelsniederlaffung hat immer etivas unficheres und bietet nicht vecht Gewähr für dauernden Beſtand. Es kann in den freundfchaftlichen Gefinnungen der Urbewohner ein Umschlag eintreten, e8 kann eine ftärfere Handelsmacht fommen, die Erzeugungskraft des Landes fi erſchöpfen, falls ihr nicht nachgeholfen wird, kurz, es fann eben ein Wechſel der Verhältniffe fich geltend machen, der mit einem Schlage oder allmählich alles verloren gehen läßt, was mit dem größten Aufivande an Mitteln und Arbeit müh— fam in Szene geſetzt wurde. So hat denn der deutiche

Kaufmann

fich entſchloſſen, gleichzeitig Plantagenbeſitzer

zu werden und trägt als folcher nicht nur Sorge für ge: deihliche weitere Pflege der Gewächſe, derentivegen ev hie: her Fam, fondern bemüht fich auch, dem gefügigen Boden durch Anbau neuer, bisher unbekannter Kultur- und Handels: pflanzen fernere Vorteile zu entnehmen. Mehrere deutjche Handelshäufer haben Ländereien erworben, auf denen fie die Kofospalme ziehen, Baumwolle und Zuderrohr pflanzen,

Kaffee u. dgl. m. anbauen. Hiedurd) wird der Kaufmann uns abhängiger von der Spekulation, welche vielleicht die Preiſe

der von ihm vorzugsweiſe begehrten Waren

in die Höhe

ichnellen laffen könnte; fteigen dagegen die Preiſe aus natürlichen Urfachen, jo zieht er als Produzent ebenfalls Nusen davon. Ferner wird das Deutfchtum befjer dadurch gefeftigt. Ohne daß die Inſel erfauft ift oder abgetreten wurde, ohne eine eigentliche Kolonie auf derfelben zu haben,

befindet fich der Deutſche zu den Eingeborenen doch in intimen Beziehungen und da Befis oder Neichtum immer imponieren, fo veriteht fich die Unterordnung der leßteren, obwohl fie die Herren des Landes, von felbjt. Der wohl: thätige Einfluß, welchen die Eingeborenen an fich jelbit erfahren, fommt dazu, um das freundfchaftliche Verhältnis

zu vollenden. Was uns die erften Neifenden über den Zuſtand der Urbewohner mitgeteilt haben, läßt kaum menſchenähnliche Weſen mit widerlichen Gewohnheiten (Menſchenfreſſerei), verkommen und ſchmutzig, ſcheu und

mißtrauiſch, von Ausſchlägen und ekelhaften Krankheiten arg zugerichtet, erkennen. Dagegen haben ſich die auf den Plantagen

arbeitenden

Melaneſier

vielfach

aus

dieſem

traurigen Zuſtande aufgerafft, find an Regelmäßigkeit in ihrem Thun und Laffen, in ihrer Thätigfeit wie in ihrer Nahrungsweife

gewöhnt,

veinlich

und bekleidet, umgäng-

lich und zutraulich geworden — furz, aus dem ſcheuen Wilden, deſſen Nuben für die Menfchheit bezweifelt werden konnte, ift ein arbeitfames und fleißiges Mitglied

derjelben geworben. Eine derartige Kulturmiſſion iſt ſelbſtverſtändlich nicht die Hauptaufgabe unjerer Kaufleute, aber gleichwohl für

ſie von fundamentaler Bedeutung. An Arbeitskräften iſt nämlich Mangel. Gerade auf den Inſeln, wo die Plan— tagen gut proſperieren fönnten, auf den Samoa-, Tongaz, Sandwich-Inſeln, erfcheint die eingeborne polynefiiche Bes

völferung, die überdies nicht ſehr zahlreich ift, wenig ges eignet zur harten Arbeit und noch weniger geneigt Dazu. Dafür haben die melanefifchen Archipele, die Neuen Hebriden, Salomons-Inſeln, Neu-Britannien, Neuguinea, eine dichtere und zu angeftrengter Befchäftigung wohl befähigte Bevöl— ferung. Es ift nun der Verſuch gemacht worden, von diefen Arbeitsträfte zu beziehen; man hat mehrjährige Stontrafte mit den Eingeborenen abgejchloffen und mehr: fach die beſten Erfolge mit diefen Ueberfiedelungen erzielt. Wenn aud ein Teil der Austwandernden den Tlimatifchen Veränderungen unterlag, andere nach Ablauf der Dienſt— zeit auf ihre Heimatinfeln zurückkehrten, ſo war man im allgemeinen auf den Plantagen doch zufrieden. Je größer nun die Zahl der Individuen ift, welche die Plantagen an fich zu feifeln vermögen, deſto günftigere Ausfichten bietet natürlid) die Entwickelung derjelben in Zukunft. Leider twollen fi) die Eingeborenen in neuerer Zeit uns Ein deutſcher gern zu diefen Verdingungen verftehen, Dampfer 3. B., der im Frühjahr 1881 eine Fahrt nad) den Neuen Hebriden, Santa Kruz-, Salomons-Inſeln u. |. w. unternahm, um Arbeiter für Samoa zu engagieren, konnte während einer viermonatlichen Fahrt nur 32 Perſonen dazu bewegen, fich an die Weißen zu vermieten. So hat denn eine der deutfchen Firmen, Hadfeld und Komp., vor drei Jahren (1881) den Verſuch gemacht, nad) Hawaii 123 nord— deutſche Landarbeiter — aus der Umgegend von Nienburg a. d. W. — überzufiedeln, was ſich als ſehr gut ausführ— bar erwieſen hat, weil die große Gleichmäßigkeit der Tempera— tur den Weißen geſtattet, ebenſo ausdauernd im Freien zu arbeiten, wie inEuropa. Da der Verſuch glückte, hat dasſelbe Geſchäftshaus im Jahre 1882 182 und im Jahre 1883 Schon jetzt iſt dieſe ſogar 834 Perſonen fortgeſchickt. wie die Thatſache bedeutende, eine Plantagenwirtſchaft im Plantagengeſellſchaft beweiſt, daß die Handels- und 6621 bereits Jahre 1878 5731 Morgen, im Jahre 1879 Morgen bearbeiten ließ, auf denen ſie am J. März 1880

gegen 1400 Arbeiter beſchäftigte. (Schluß folgt.)

Metallinduſtrie in Zenkralaſien. Unter den neueren Reiſenden, welchen die Völkerkunde Zentralaſiens eine weſentliche Förderung verdankt, nimmt Eugen von Ujfalvy eine ehrenvolle Stelle ein. Zwei— mal durchwanderte er die Steppen des ſüdlichen Sibirien Das Feld und das Gebiet des vorderen Mittelafien.

feiner jüngften Forfhungen

aber, an welchen feine Ge—

mahlin wieder durchaus teilnahm, war Kaſchmir und Klein— tibet, wo er eine Fülle anthropologiſcher, ethnographiſcher

108

und

Metallinduftrie in Zentralaſien.

archäologifcher Beobachtungen

anftellte.

Selbſt die

ſüdlichen Abhänge des Karaforum bat Ujfaloy erklommen und iſt bis an den Fuß des eis- und fchneebedecten Musdag— paffes vorgedrungen. So fonnte er ein Bild der mannig— faltigen Schichtung zentralafiatifcher Naffen und Völker entwerfen, welches allerdings, wie der Forfcher ausprüdlich bemerkt, nur die anſpruchsloſe Darftellung von Geſehenem und GErlebtem, dem wiſſenſchaftliche und Funfthiftoriiche Motive eingewebt find, bieten fol. Eine fonthetifche wiſſen— Ihaftlihe Abhandlung will dies Buch! ebenfotvenig jein, als ein fenfationeller Neiferoman, nichtsdeſtoweniger gehört es zu den ſolideſten, lehrreichſten Neifewerfen diefes Jahres, Aus dem Reichtum des von Ujfaloy Gebotenen führen

wir hier feine Studien über die orientalische Metallinduftrie, ihre Vergangenheit, ihren Wert für die Gefchichte Der orientalifchen Kunft und ihre vielfachen Einflüffe auf be nachbarte Länder vor. Stand der Neifende doc) in Kaſchmir auf jenem altarischen, Elaffiichen Boden, dem Trümmer: felde großartiger griechifch =baftrifcher und mongolifcher

Bauten, wo fi, was die Verarbeitung

der Metalle ans

langt, perſiſch-arabiſche, indische und chinefifche Kunft die Hand geteicht, um eine eigentümliche nationale Kunftrichtung zu Schaffen, die troß der entlehnten Formen und Technik durch gewiſſe Modifizierungen diefer Formen und Vervoll: kommnung der Technik wahre Meifterwerfe erzeugt hat. Wenn man bedenkt, daß fait alle Hausutenfilien in Hoch: alien, Perſien und Indien und die unendlich zahlreichen Götterbilder in dieſem leßteren Lande aus getriebenem oder gegofjenem Metall verfertigt werden, fo wird man ſich eine annähernde Idee von der Wichtigkeit und der Verbreit— ung dieſer Induſtrie in allen diefen Ländern bilden können. Es war mir ein Leichtes, ſchreibt Ujfalvy, in den Län— dern, die ich durchzogen, zu konſtatieren, daß jedes derſelben

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faſt ſeine eigene Metallinduſtrie beſitzt, die ihre Eigentuümlich— keiten nicht nur durch die verſchiedenen charakteriſtiſchen For—

men der Gegenſtände, ſondern auch durch die Legierung des verwendeten Metalls dokumentiert. Da mein Hauptaugenmerk auf Zentralaſien, Tibet und Kaſchmir gerichtet iſt, Länder, die wegen ihrer iſolierten Lage weniger durchforſcht und bekannt find, jo ſehe ich von der Gold- und Silberinduſtrie, die weder im armen Turkeſtan, noch im ifolierten Kaſch— garien und in feinem Nachbarlande Tibet zur Geltung ge: fommen und höchſtens im Zultivierten Kafchmir einen größeren Aufſchwung genommen, ganz ab. Das Kupfer it das Metall, welches in diefen verfchiedenen Gegenden die erſte Rolle ſpielt. Entweder reines Kupfer, welches

gehämmert, getrieben und zifeliert wird, oder eine Mischung desjelben mit Gold, Silber, Stahl, Zinn, Blei, Quedfilber und Zink, eine Legierung, welche die Engländer Brass 1 Aus dem weftlichen Himalaya. Exlebniffe und Erforſch— ungen von K. €, v. Ujfalvy. Mit 181 Abbildungen und 5 Karten, Leipzig. F. A. Brodhaus. 1884. XVI und 330 ©.

Antife Schüffeln und Theekannen aus Jarkand.

Metallinduftrie in Zentralaſien,

709

nennen (die aber von dem, was wir unter Meſſing verſtehen, weit abweicht) bilden die zwei Sauptrohftoffe

|

welche die zentralafiatifchen Kupferfchmiede verarbeiten. In Turkeſtan verwendet man nur gelbes Kupfer, in Kafchgarien gelbes oder rotes, welch' letzteres verzinnt ift,

jo auch in Kleintibet; in Kaſchmir endlich benußen die Kupferichmiede feit über zwei Jahrhunderten nur rotes, verzinntes Kupfer. Die Gegenftände aus gelbem Kupfer, |

die man in Stinagar findet, find felten und meift fehr alten

|

Urſprungs. Die Kupfer, weniger miſchung

Kupferſchmiede Turkeſtans verwenden ein gelbes das ſich unſerem Meſſing fehr- nähert, nur iſt es dehnbar und ſpezifiſch ſchwerer, infolge einer Beivon Zinn und Blei. Nach der Miſchung wird

das Metall in Formen gegoſſen, ziſeliert und mit Orna— menten aus nielliertem Silber verſehen. Der Henkel des ſo verfertigten Gefäßes wird an dasſelbe genietet und der

WVerfertiger ſowie der Beſitzer pflegen ihren Namen und die Jahreszahl der Verfertigung und der Beſitznahme darauf

6.

zugravieren.

Auf diefe Art werden befonders Aflabes

h. ſchlanke Wafferfannen, welche bauptfächlich zu reli—

giöſen

Waſchungen dienen), ferner Becken, Kungans (d. h.

Theekannen), Leuchter u. ſ. w. verfertigt. mahnen an perſiſche Muſter,

Alle dieſe Arbeiten

was die äußere Ornamentik

betrifft, nichtsdeſtoweniger beſitzen ſie einen eigentümlichen Charakter, der ſich durch die mongoliſche Steifheit der Form manifeſtiert. Solche Gegenſtände findet man in Samar—

kand, Chodſchend, Karſchi, Bochara, Kokan, Margellan, Taſchkent, Chiwa u. ſ. w. Die ſchönſten Probeſtücke dieſer |

Induſtrie fanden wir in Chodſchend, doch iſt es leider ſehr ſchwer, ſich Erzeugniſſe antifen Urfprungs zu verfchaffen.

An Turkeftan lehnt ſich zuvörderſt Kaſchgarien; auch dort werden Thee- und Kaffeekannen auf ähnliche Art und Weiſe verfertigt. Auf dem bedeutenden Bazar von Jarkand hat ſich jedoch der Einfluß des benachbarten Kaſchmir zur

Geltung

gebracht, und

wir ſtoßen auf Erzeugniſſe aus

rotem, getriebenem, nielliertem und verzinntem, oft durch— brochenem Kupfer, die, was die Technik anbetrifft, an die

kaſchmiriſche Induſtrie mahnen. Die Thee— und Kaffee— kannen von Jarkand beſtehen oft aus beiden obenerwähn— ten Metallen,

was

den Wert

dieſer Gegenſtände erhöht.

Die Ornamentik, die oft auch eine ganz eigentümliche, wird von den Kupferſchmieden in Srinagar häufig nach— geahmt

und

die Engländer nennen

fie dann

Yarkand-

pattern, Solche Kaffee» und Theefannen, die in Chotan, Kaſchgar und befonders Jarkand zahlveich verfertigt werden, erden häufig nach Kleintibet, Kaſchmir und bis in's nördliche Indien verſchickt und find der gediegenen Fabrikation halber

überall ſehr geſucht. Kleine

und

beſonders

Großtibet

beſitzen zahlreiche

Probeſtücke der mit Recht fo berühmten chineſiſchen Bronze-⸗ induſtrie; in Iskardo und Leh, ſowie an kleineren Orten des oberen Industhales werden jedoch zahlreiche Waſſer— und Theekannen verfertigt, welche beweiſen, daß die Metall: Ausland

1884, Nr. 36.



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Motive der Ornamentik.



*

(Kaſchmiriſch.) 10 8

Metallinduftvie in Zentralafien

110

induftrie diefer ifolierten Länder in früherer Zeit eine bes deutende geweſen fein muß. Die unabhängigen Fürſten Baltiftans liegen ſchon vor vielen Jahrhunderten arabijche Gold: und Kupferfhmiede an ihre Höfe fommen, melde dort Schmudgegenftände, ſowie Metallvafen und Pfeifen im edeljten arabischen Stile verfertigten. In Iskardo ſelbſt, ſowie in Schigar, in einem Kleinen Thale der ſüdlichen

Ausläufer

des Karaforumgebirges

gelegen, war e3 mir

vergönnt, einige antike Erzeugniſſe arabijchen Kunſtfleißes fäuflich an mich zu bringen, worunter namentlich auch eine Wafjerpfeife. Doch in feinem Teile des gebirgigen Hochafien ift die Kupferinduftrie eine fo verbreitete und fo blühende als in Kaſchmir. An den fruchtbaren Geftaden des Hydaspes werben faft alle Haus= und Küchenutenfilien aus getriebenem

Kupfer verfertigt und find, was die Form und Technik

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1. Arabiſch. (Baltiftan.)

Motive der Ornamentif. 2. und 3. Indiſch. 4. und 5. Kaſchmiriſch.

anbetrifft, wahre Meifterwerfe. Die Abfümmlinge der Arier, die jich in grauer Vorzeit in diefem paradiefifchen Ländchen nievergelafjen, wiſſen, den alten Griechen gleich, noch heute feinen Unterfchied zu machen zwifchen einem Handiverfer und einem Künftler. Die induftrielle Kunft oder, wie wir fie heute nennen, die deforative Kunft war

ihnen

SEN S-II

6. und 7. Perſiſch aus Klein-Tibet.

angeborene

Kunftfinn.

Alles,

was

fie in ihrer

bei den alten Hellenen unbefannt; bei den unbedeutendften

Häuslichkeit umgab, alles, deſſen fie fich wie immer bedienten, trug das Gepräge diefes Kunftfinnes an fich, der alle ihre Schöpfungen adelt. Der griechische Handwerker war eben auch gleichzeitig Künftler, und der griechifche Künftler gleichzeitig Handwerker. Aehnlich arbeitet man heute nod) in Kafchmir; die Erzeugnifje der dortigen Metall:

und

induftrie, mögen fie Jahrhunderte

gebräuclichiten

Gegenftänden

manifeftierte

ſich der

alt oder faft ganz neu

71

Metallinduſtrie in Zentralaſien.

fein, zeugen alle für den Fleiß, die "Ausdauer, den Ge: ſchmack und den Kunftfinn der dortigen Kupferſchmiede. Waſſerkannen, Becken, Thee- und Kaffeekannen, Schüſſeln, Kochkeſſel, Becher, Schalen, Samovars, Pfeifen, Löffel, Leuchter, ja bis zu den Spudnäpfen, alles find Meiſter— werke, was Form und Technik anbelangt. Das vote, ge— hämmerte Kupfer wird getrieben und hierauf an der Ober: fläche zifeliert; die Vertiefungen, tvelche der Meißel und der Hammer des Kupferjchmiedes hervorgebracht haben, werden mit einer Gattung ſchwarzen Schmelzes ausgefüllt

und der Gegenjtand hierauf mit einer filberartigen feinen Zinnfrufte bedeckt. Die ſchwarzen, zifelierten Stellen ver: leihen den Ornamenten ein gewiſſes Relief, durch welches

fie gefälliger und vollfommener ericheinen.

Doch aud) die

Damaszierkunft, einer der ſchönſten Zweige der orientalischen Kunft, welche die Engländer Kuftwork nennen, war den

betriebfamen befannt.

Bewohnern

Sie

nicht uns

des Hydaspesthales

verfertigten

ein

Metall

bejonderes

Zeichnungen,

d. h. die filbernen und

goldenen

Dieſe

Gtellen,

famen durch anhaltende, forgfältige Neibung wieder zum

Vorſchein. Solches Fabrikat ward früher in Berfien und wird heute noch in Bidar und Purniah in Indien häufig verfertigt. Die modernen Gegenftände letzteren Urſprungs laſſen aber ſehr zu wünſchen übrig. Merkwürdigerweiſe haben die Kaſchmiri bei Verfer— tigung ihrer Theekannen Formen geſchaffen, welche an die großen deutſchen Humpen oder Deckelgläſer mahnen, von

denen man beſonders in früherer Zeit aus Zinn ſehr reich

Auch in der Ornamentik weichen ſie

verzierte anfertigte.

nicht wenig von den perſiſchen und indiſchen Muſtern ab,

indem ſie von den einen die Beſonderheiten und den ans deren die Fülle der Zeichnungen

entlehnt und mit natio-

nalen Motiven reichlich verfegt haben.

Auc die Henkel,

von einem verschiedenen Metall als die Vaſe jelbit, find rein

kaſchmiriſchen Urfprungs. Ja die Henkel mahnen durch ihre drachenartigen Formen an die Nähe Chinas.

Was die Motive der Ornamentik betrifft, fo find die—

ſelben verſchiedenſten Ursprungs und ih habe es mir an-

gelegen fein laſſen, diefelben nad) Möglichkeit zu erforichen.

Wir unterſcheiden ſechs verschiedene Gattungen von Orna— menten:

1. Arabesken Blätter

und

im perfifch-arabifchen

Stengel

Stil, Blumen,

geſchickt verſchlungen;

im ganzen

höchſt einfach in den Zeichnungsmotiven, 2, Vollftändige Sträuche, an denen zahlreiche Blumen

angebracht find; es ift dies die eigentliche kaſchmiriſche Ornamentik. 3. Zwiſchen den perſiſch-arabiſchen Motiven und denen, die ich als rein kaſchmiriſche betrachte, ſtelle ich eine Zwiſchen⸗

benenne.

Kleine

Medaillons ſind mit kurzen Stengeln, an denen ſymme— triſch angebrachte Blumen haften, ausgefüllt. In dieſer geſuchten Symmetrie beſteht eben für mich der Hauptunter—

ſchied zwiſchen der perſiſch-arabiſchen und kaſchmiriſchen Ornamentik. 4. Zeichnungen

von einer ganz eigentümlichen Form

ſind in erhabener Arbeit auf den Gefäßen von Jarkand angebracht, welche Arbeit man inIndien Varkand pattern zu nennen pflegt. 5. Sobald wir es mit figuraliſchen Darſtellungen zu thun haben, welche an indiſch-chineſiſche Motive mahnen, ſo ſehen wir tibetaniſche Ornamentik vor uns. 6. Die Inſchriften in perſiſcher Sprache, mit Blumen

oder Arabesken reichlich verſchlungen, bieten endlich ein beſonderes Motiv, welches oft auf das Alter des Gegen— ſtandes ſchließen läßt, je nach dem Charakter der Schrift.!

Bon Bochara fommt man dur das afghanifche Tur:

aus

Kupfer, Blei und Zinn beitehend, welches fie durch eine Miſchung von Ammoniaffalz, Salpeter, gewöhnlichen Salz und blatiem Vitriol an der Oberfläche dunkelſchwarz färbten, nachdem fie früher filberne und goldene Fädchen und Plättchen, die Zeichnung darftellend, eingelegt.

ſtufe, die ich die perſiſche Ornamentik

feftan nad) Perſien,

von Jarkand und Tibet nad) China,

und von Stinagar nad) dem eigentlichen Afghaniſtan und Indien. Es fei uns auf die geographifche Perſien und Indien, Gefittung, zu werfen.

daher geltattet, einen raſchen Blid Verbreitung der Metallinduftrie in diefen Heimftätten alter Kultur und Wer Näheres über diefen Gegenſtand

wiffen till, den verweisen wir auf den Leitfaden von Mur— doc)

Smidt:

Persian

Merk Birdivoods:

Art,

und

auf das

vortreffliche

The industrial arts of India, welchen

beiden außer den zahlreichen, bei Birdivood prachtvollen Sluftrationen auch geographifche Neberfichtsfarten beigegeben find. Die Bewohner Verfiens beſaßen ſeit den früheiten Zeiten eine befondere Fertigkeit in der Verarbeitung der

verfchiedenen

Metalle

und die mannigfadhen Erzeugniffe

diefes bedeutenden Induftriezweiges waren weithin berühmt und gefucht. In Ispahan, Kaſchan und Teheran, ſowie in Khaswin, verfertigt man heute noch eine große Anzahl von Gegenftänden aus rotem, getriebenem und berzinntem

Kupfer, während man in Kaſchan auch Öegenjtände aus gelbem Kupfer erzeugt. Die Stahlfabrifation von Schiras Bunat, Khivind und Meſched erfreut ſich eines verdienten Nufes, und in Dſchulfa exiftiert eine von Shah Abbas im Anfange des 17. Jahrhunderts dahin verpflanzte ar menifche Kolonie, welche jehr gediegene Arbeiten in Email auf Gold und Kupfer verfertigt. In Indien bedienen ſich Die mohamedanifchen

Bes

wohner nur berzinnter Kupfergegenftände, während die Hindus ausſchließlich nur gelbes Kupfer zu ihrem Gebraud) benußen dürfen. Es mag diesbezüglid Ausnahmen in den mohamedanifchen Ländern geben, Die Hindus laſſen aus 1 Auf den mit Inſchriften verjehenen Gegenftänden fteht der meiftens der Name des Kitnftlers und der des Beſitzers mit nad)der B. 3. wie Jahreszahl der Verfertigung oder Sprüche, in folgende: „Ihr, die ihr aus diefem Keſſel effet, ihr findet dgl. u. Glück“ und agen Wohlbeh it, Geſundhe n demfelbe

stallinduftrie in in 8 Zentralafien. Metallinduſtrie

12

veligiöfen Nüdfichten Feine folchen zu. In Amritſar, Ya: hore, Dichellabad, Ludiana, Umballa und Karnaul werden eine große Anzahl von Hausgeräten aus gehämmertem,

ders im gefegneten Kaſchmir eine unerivartete Vollkommen— heit erreicht hat. Mongolen, Semiten und Arier haben hier im innigen

getriebenem, zifeltertem und verzinntem Kupfer verfertigt. In Muradabad verarbeitet man gelbes Kupfer (wir haben bereits erwähnt, warum der Ausdruck Mefling nicht zuläflig), indem man bie vom Meißel des Kupferfchmiedes erzeugten Vertiefungen mit einer Gattung von ſchwarzem Schmelz

Bufammenleben ihren fünftlerifchen Neigungen freien Lauf

ausfüllt, der diefen Gegenftänden ein befonders gefälliges Ausfehen verleiht. Diefe Artikel von Muradabad werden vielfach nad Bombay, Kalkutta und bis nach Europa exportiert, Das Zentrum der indifchen Kupferinduftrie befindet ji) in Benares, von wo aus eine unermeßliche Zahl von Götzenbildern und anderweitigen Artikeln bis in die ent— fernteften Winkel Indiens verführt wird.

gelaffen und oft bewundern wir an demfelben Gegenjtande die ſich bis auf die Eleinften technifchen Einzelmbeiten ex

ftredende Geduld und Ausdauer des Chinefen, die kunſt— vollen PBhantafiegebilde des Arabers und die allen Ariern innewohnende fchöpferische Kraft.

Die Bewohner der Siüdweltküfte der Malniifden Halbinſel.

allein bejchäf:

Iſabella L.Bird (Mrs. Biſhop), die den Leſern dieſer Blätter bekannte Verfaſſerin von „Der Hawaiiſche Archipel“,

tigen ſich 300 Arbeiter mit der Verfertigung von Gegen: ſtänden, die aus einer Mifchung von gelbem Kupfer und

„Erlebniſſe einer Dame in den Rocky Mountains“, „Un— betretene Pfade in Japan“, gab in ihren unter dem Titel

Die Provinz Bengalen befitt eine blühende Kupfer: imduftrte; in dem kleinen Dorfe Kagmari

Eifen erzeugt werden. Die Zentralprovinzen liefern ausgezeichnete Fabrifate aus gelbem Kupfer, einer Art Glodenfpeife und aus Stahl. In der Präfidentfchaft Bombay zeichnen fich befonders Naſſig Puna und Achmedabad aus. Die Hauptitadt Bombay beichäftigt allein, wie ſchon erwähnt, 1069 Kupfer: und 1635 Grobfchmiede. Dod in feinem Teile Indiens wird diefe Induſtrie mit ſolch' Fünftlerifchem Erfolg betrieben, als in der ſüd— lichjten Spitze der Halbinfel. Im Diſtrikte Haffan, weſtlich von Myſore, beſchäftigen fi) 1331 Perſonen, welche zur Sekte der Dſchainas gehören, mit der Erzeugung von Kupferarbeiten, und in Madras und Nellur, aber ganz

befonders

in Tandſchora

Meiftertverfe

ganz

verfertigt.

eigentümlich

und Die

geformten

Madura Lotas

werden

(fo nennt

wahre man

die

indiſchen Trinkfchalen aus

getriebenem, zifeliertem, gelbem Kupfer) aus Madura oder Tandſchora, oft mit Silber oder votem Kupfer eingelegt, jind weltberühmt. Auch Gold und Silber wird in Indien vielfach verarbeitet; die Jumeliere aus Achmedabad, der Halbinfel Gudſcherat (Katſch) und Tichitagong (im englifchen Birma) find ihres Geſchmackes und ihrer Gefchicklichkeit halber weithin befannt. Ueber den unerreichten Wert der indischen Email indujtrie haben wir ſchon früher Gelegenheit gehabt zu berichten, Man wird ſich nach dem Angeführten überzeugt haben, daß die Metallinduftrie in Indien, Berfien, ja jelbjt in Hochaſien eine bedeutende war und noch ift; ja in Sarkand und an den Quellen des Drus und des Hydaspes find ſich perſiſche, indifche und chinefifche Kunft begegnet, haben eine eigentümliche, ich möchte faft fagen, eine nationale Induſtrie gefchaffen, die als Mittelpunkt und Bindeglied

der drei großen Künfte betrachtet werden kann und befon-

„Der goldene überſetzt von

Cherſones“ A.Helms.

erſchienenen Leipzig.

Reiſebriefen (frei

1884) eine Schilderung

des weſtlichen Teiles der Malaiiſchen Halbinſel von Malakka bis Wellesley, um die Aufmerkſamkeit auf ein Gebiet zu lenken, welches ungeachtet ſeiner Schönheit und mannig—

fachen Vorzüge bisher nur wenig Beachtung fand.

Eine

von Mr. Daly entworfene Karte liefert das Ergebnis der

neuejten Forſchungen und wurde mit befonderer Genehmigung der Londoner Geographiſchen Gefellfchaft dem Werke beigefügt. Das

Innere

des

„ausgetreten

Zeigefingers

der

hinterindischen Hand” iſt Europäern bisher noch nicht zugänglich geweſen. Wir wiſſen von der Regierung, der Geographie und der Naturgefchichte diefer großen Länder:

jtveden faft nichts.

Während Hinterindien von Mongolen

betvohnt tft, begegnen uns an

den Küften

des goldenen

Cherfones Malaien. Diefe find aber keineswegs die Ur: beivohner jener merkwürdigen Landzunge, fondern von Su: matra herübergefommen, Shren Berichten zufolge, welche fich faſt ausſchließlich auf mündliche Ueberlieferung ftüßen, wäre da3 äußerſte Ende der Halbinfel etwa um die Mitte de8 12. Jahrhunderts von einer aus Sumatra eingewan— derten Schar Malnien in Befit genommen tvorden, und die Nachlommen diefer Anfiedler wären e3 getvefen, denen 100 Jahre jpäter Malakka und einige andere Orte an der Küfte ihre Gründung verdankten. Die Ueberlieferung weiß auch noch von einer ziveiten, fpäteren Einwanderung, die auch von Sumatra ausging, fi) aber mehr nad) dem

Innern des Landes fvandte, Diefe neuen Eintvanderer nahmen, einschließlich des Anführers, Weiber aus dem Stamme der Urbewohner zu Frauen, die übrige Urbevölferung aber zog ſich mehr und mehr nad) den Dſchungeln und Bergen zurück, je mehr die malaiiſchen Eindringlinge ſich über das Gebiet ausbreiteten, welches jetzt als die Negri

Die Bewohner der Südweſtküſte der Malaiiſchen Halbinſel.

Sembilan-Staaten befannt ift. Können nun diefe Berichte auch auf Zuverläffigfeit feinen Anfpruch erheben, jo iſt

doch die Vermutung

wahrjcheinlich,

daß Sumatra,

und

zivar das von 10,000 Fuß hoben Bergen umſchloſſene Thal Menangfabau, die Stätte gewefen, wofelbft fich ihre Ziviliſation am früheſten entividelte,

Die eigentlichen Befiser des Landes werden von den Malaien als Drang:Benua (Menſchen des Landes) oder als Orang-Utan bezeichnet.

Eine

genaue

Auskunft

über

diefe wilden Stämme fann man jedoch nicht erhalten; Die Auslagen find oft von einander abweichend oder wohl gar

widerſprechend. teilen:

in

Man darf fie aber wohl in zwei Klafjen

Samangs

oder

afiatifche

Neger

(Negritos)

und in Drang-Benua, häufig auch Jakuns, in Perak „Sakei“ genannt, Die Malaien bezeichnen fie mit dem Geſamt— namen Kafirs oder Ungläubige und beachten fie nur in: fofern, als fte ihrer zum Lafttragen, Ausroden der Diehungeln, Sammeln von Gummigutt oder zum Stehlen der Kinder bedürfen, jenem abjcheulihen Brauch der Malaien, der jetzt wenigſtens in Perak den Todesſtoß empfangen bat. Die Samangs find faſt von derfelben Größe wie die Malaien, ihr Haar ift kurz und gelodt, aber nicht fo wollig wie bei den afrikanischen Negern. Die Hautfarbe vartiert zwischen dunfelbraun und ſchwarz, die Nafe ijt platt, die

Stirne ſtark nad) hinten abfallend, und die Lippen zeigen eine ungewöhnliche Dide. Sie leben in leichten, aus Baumzweigen und Blättern errichteten Hütten, verfertigen fich die dürftige Bekleidung aus den Brotbaumfafern und nähren fih von Wurzeln, Früchten und Wild, wiſſen auch

in höchſt erfinderifcher Weife den Fang der Elefanten und Rhinozeronten zu betreiben. Sie zerfallen in verjchiedene Stämme und werden patriachalifh von Häuptlingen bes

herrfcht. Von ihren Gebräuchen, ihren religiöfen Anfchaus ungen, wiſſen wir nichts. Sie für Sonnenanbeter zu halten, ift bloße Vermutung. Bei den Drang-Benua führt jeder Stamm feinen be fonderen Namen. Sie leben zerftreut in den Wäldern der Berge. In der Hautfarbe befisen fie große Aehnlichkeit

113

Die Nayet oder Orang-Laut (Seemenjchen) leben meiſt in ihren Booten und nur dann in Hütten, wenn fie Boote bauen, Nebe fliden oder Harz ſammeln. Sie find dunkler als die Malaien, auch plumper, nähren ſich faſt aus: Ichlieglih von Fiſchen und glauben an den Einfluß böfer Geifter, Die fie von Zeit zu Zeit durch befondere Gebräuche

zu verföhnen ſuchen.

Viele von ihnen befennen ſich zur

Neligion des Bropheten. Ueber die von den Inſel-Malaien abweichenden Ges bräuche erfahren wir näheres aus dem Bejuch der Ver: fafferin in Kuala Kangſa in Perak am gleichnamigen Fluſſe. Dort ſchützt das muſelmänniſche Geſetz die Rechte der Frauen in nachdrüdlichiter Weife. Die Schließung der Ehe erfolgt nicht ohne umftändliche Vorbereitungen. Die meisten malatifchen Mädchen werden im Alter von 14 bi3 15 Jahren verheiratet. Sie fünnen fi) hübjcher, perlengleicher Zähne vühmen; aber am Tage vor der Zahl ung der Hochzeitsfoften werden, weil „weiße Zähne ein tieriſches Ausſehen geben”, dieſelben bis zu !/, ihrer ur: Iprünglichen Größe abgefeilt und gefhtwärzt. Der Prozeß des Abfeilens dauert etwa eine Stunde und gefchieht mit Hilfe eines harten Steines aus Sumatra oder einer modernen feinen Stahlfeile. Drei Tage vor der Hochzeit beftreicht man die Nägel an Händen und Füßen und die Innenflächen der Hände mit Henna, die Haare werden vorn kurz geſchnitten und über die Stirn herabgefämmt, etwa in der Art, wie fie jet in Europa viele Damen tragen. Für das Hoc: zeitmahl fehlachtet man Büffel und Ziegen, und aud) die Vervandten und Freunde fenden Lebensmittel als Bei— träge. Einen eigentümlichen Gebrauch beobachtet man bei der Geburt eines Kindes, Der Vater legt nämlich den Mund an das Ohr des feinen Weltbürgers und fpricht ernft und feierlich „Azan” oder „Mlah Akbar“; denn der Name des einzigen Gottes muß der erjte Laut fein, den

das neugeborene Kind vernimmt, wie er aud) der legte iſt, der den Menfchen bei feinem Scheiden aus diefer Welt begleitet. Es gibt beitimmte Gebete, welche bei der Geburt in Anwendung fommen und andere, wenn am fiebenten

mit den Malaien, die Augen find auffallend lebhaft und

Tage der Kopf des Kindes gefehoren wird. Die Hebamme

ausdrudspoll und ohne jeden mongolifchen Zufchnitt, Die Stirn nur niedrig, aber nicht zurüdfallend, dev untere Ge— fichtsteil vorfpringend, der Mund groß mit wulſtigen Lippen, die Nafe klein mit abjtehenden Nafenflügeln, die Baden:

wohnten Pflichten zurück. In der Mehrzahl find die Kinder

fnochen vorstehend,

die Haare

meiſt Schwarz oder wegen

der Beftrahlung durd) die Sonne mit roſt- over lohfarbenem Anfluge, ſehr üppig, lang, leicht getvellt oder lodig. Bei einigen Stämmen erreichen die Männer felten mehr als 4%. 8 Z., die Frauen 4 F. 4 3. Das Lendentuc bes steht aus Baumfafern. Manche Stämme leben in primis tiven Hütten auf hoben Pfählen, andere, die Baummenſchen, in Hütten zwifchen den Baumäften in der Höhe von 20 bis 30 F. Sie führen ein ftetes Wanderleben, find Sonnen: anbeter, Monogamiften und verteidigen ſich mit vergifteten

Pfeilen.

bleibt 40 Tage bei der Wöchnerin; dann erjt unterzieht ſich letztere der geſetzlichen Neinigung und den vorge: ichriebenen Gebetsübungen und kehrt nun zu ihren ges beider Gefchlechter vecht hübſch, fie zähmen ihre Lieblings: tieve und haben auch befondere, ihrem Alter entiprechende Spiele. Nur felten trifft man Kinder, melde an Augen: oder Hautkrankheiten leiden oder mit Gebrechen behaftet find. Sehr verbreitet ift der Olaube an Teufel, Geister, Vor: beveutungen, Zauberei und Hexerei. Die Sage, daß die Seelen der Verftorbenen öfters in Tiger fahren, findet fi) auch hier. Dex Peliſit, der böfe Geist, twelcher öfters auf dem Schweif der Pferde reitet, gilt als der Geift einer im

Wochenbett geftorbenen Frau; ev hält fich in der Geſtalt

eines laut kreiſchenden Vogels an Begräbnisſtätten und in

14

Neuere Litteratur zur deutſchen Landeskunde.

Wäldern auf und foll befonders Kinder heimfuchen. Frauen werden häufig von einem ſchlimmen Geift, dem Penangalan, bejeffen, der fie in Heren verwandelt und zwingt, in der GSeftalt von Vampyren ihren Durft nad) Menfchenblut

zu ftillen.

Ein anderer Geift, der Polong, nährt fi nur

vom Blut feines Befisers und tft ihm bei der Ausführung von Nacheplänen behilflich. In den Wäldern hauft der wilde Säger mit feinen Getfterhunden und der Sturmgeift jauft einher auf den Fittigen des Wirbelwindes. Unter den zahlreichen Sprichwörtern der dortigen Malaien befinden ſich manche, die mit den unferigen kor— vefpondieren; z.B.: „Aus dem Rachen eines Alligators be: freit, in des Tigers Zähne fallen (gleich: Aus dem Negen in die Traufe fommen). „Wenn die Diehunfe feheitert, hält der Hat feine Mahlzeit.” (Des Einen Glüd it des Anderen Unglüd). „Das Fiſchnetz ſchilt den Korb grob geflochten”, (Ein Efel nennt den anderen Langohr). „Wozu ftolziert der Pfau im Dſchungel? (Perlen vor die Säue werfen). „Kann die Erde ſich in Korn vervandeln? (Können Steine Brot werden?) Aud einzelne Nedensarten find fehr charakteriftisch. Bon einem Feigling jagt man: „Eine Ente mit Sporen”, bon einer tüdifchen Perſon: „Sie fibt wie eine Kate und Ipringt wie ein Tiger”, von einem Schwäßer: „Die Schild: tröte legt Myriaden Eier und niemand weiß es; die Henne aber legt nur eins und fagt es der ganzen Welt“. Fata: lismus findet feinen Ausdrud in dem Satze: „Selbjt der Fiſch, der die fiebente Tiefe des Meeres bewohnt, geht früher oder fpäter ins Net.” 65 bleibt jonderbar, daß ein Volk, deſſen Belehrung von Arabien ausgegangen und deſſen Zivilifation auf arabifchen und indischen Einfluß fich gründet, niemals irgend etwas Dauerhaftes gefchaffen. Wenn e3 morgen bon der Erde hinweggeſchwemmt würde, jo würde außer den Metallarbeiten nicht die leifefte Spur feines Dafeins zurückbleiben. B. Langkavel.

früher erhoben werden.

Seit zwei Jahren

haben zahl—

reiche Kommiſſionen für deutſche Landeskunde, wohlorgani— ſiert und zielbewußt, allerorts ihr rüſtig Schaffen begonnen

und bereits tüchtige Vorarbeiten geliefert. Aber auch ein— zelne Kräfte haben mit Erfolg in dieſer Richtung gearbeitet und wir werden ihnen dankbar ſein müſſen auch für den kleinſten Bauſtein, welchen ſie der landeskundlichen Littera— tur liefern, in deren Weſen allerdings ſo mannigfach ge— ſtaltete und vielumfaſſende Züge liegen, daß es einer Summe von Kräften bedarf, um ſie vollſtändig zu erfaſſen

und getreu wiederzugeben. In

deutſches

der Reihe

Land

dieſer Einzelſchriften ſteht

und

Bolf’!

mit obenan.

„Unſer

Dieſes

Werk iſt aus dem Gedanken hervorgegangen, die deutjche Heimat in ihrer ganzen geographifchen Ausdehnung und

Gliederung, den Charakter unferes Volkes, wie er ſich in der Gefchichte, in den Fortfchritten der Kunft und Wiſſen— ſchaft, ſowie in den taufend Zügen eines reichen und viel:

gejtaltigen Volkslebens fpiegelt, die Volkswirtſchaft und den Volksverkehr kennen und würdigen zu lernen. Es find im ganzen für ihren Zweck trefflich gelungene geo— graphiſche Bilder der einzelnen Gaue des Deutjchen Neiches, von treuem und doch warmem Kolorit und dazu angethan, den Geiſt thatkräftiger VBaterlandsliebe zu weden und zu jtärken. In diefer patriotifchen Tendenz liegt, das wollen

wir befonders betonen, neben der Belehrung, welche das twohlausgejtattete,

wert.

bändereiche

Werk

Die einzelnen Landſchafts-,

bietet, jein Haupt:

Städte

und Kultur:

bilder aus Bayern, Schwaben, Franken, Thüringen, Mittele und Nieder, Oft: und Weft-Deutjchland find in der Weife angeordnet und von einer Anzahl geachteter Fachmänner ausgeführt worden, daß fie fih zu einem

„treuen Geſamtgemälde“ unferer Heimat vereinigen. Die den Text belebenden, meift mit Glück ausgewählten, zahlreichen Sluftrationen tragen zur VBeranfchaulichung der Schilder: ungen weſentlich bei und fo iſt nur wiederholt zu wünſchen,

dab das Streben der Autoren und des Verlegers Anerken: nung und diejes Stüd einer illuftrierten Haus: und Schul:

Uenere Fitlerntne zur deutſchen Landeskunde.

bibliothek zur Pflege vaterländifchen Sinnes allenthalben Eingang finde. Kann man doc den Sinn für die Heimat, ihre Schönheiten und Schäße nicht genug pflegen und veredeln. — Den erjten, unferer eigenen Erfahrung am

Seit einiger Zeit tritt in Deutfchland das Beitreben

nächiten liegenden Band „Bilder aus den deutfchen Alpen,

fräftiger hervor, die Kenntnis vom heimatlichen Boden und

dem Alpenvorlande und Oberbayern” ftehen wir nicht an, als eines der beiten geographifchen Lefebücher und als

den Wechjelbeziehungen zwischen ihm und feinen Bewohnern jo allgemein als immer möglich zu machen. Es prägt ſich hierin ein patriotifches Moment deutlich aus, welches anfnüpft an die Wievdererftehung des Deutſchen Neiches, die damit vollzogene Annäherung der deutjchen Volksſtämme zwiſchen Alpen und Meer, das Bewußtfein von der ur: eigenen Kraft, die eben im heimatlichen Boden twurzelt. Der manchmal allzuoft wiederholte Vorwurf, als ob wir über der Haft, Fremdes fennen zu lernen, die vaterländifche Erde vergäßen, fann nicht mit gleicher Begründung wie

eine vortreffliche

Einführung,

auch für Erwachſene fehr

brauchbar, in die Natur des deutſchen Alpenlandes zu be— zeichnen. Die furze Probe, welche wir hier herausheben, möge zeigen, wie glüdlich Treue und Anfchaulichfeit der N Baterländiiche Bilder aus Natur, Gefchichte, Induſtrie und Volksleben. Zweite, gänzlich umgearbeitete Auflage. Unter Redaktion von Dr. ©. A. v. Klöden und F. v. Köppen. Mit zahlreichen Tertilluftvationen, Tonbildern, Kartenbeilagen. Leipzig. Verlag von Otto Spamer. Bis jetst 10 Bände,

715

Neuere Litteratur zur deutſchen Landesknunde.

Schilderung fich vereinigen und möge beweifen, daß dev Name Hermann von Barth’s, des beiten Kenners der bayerischen Kalkalpen, nicht bloß zur Schau auf dem Titelblatt ſteht: „Mie felbftändig die nördlichen Kalfalpen in orographiſcher Hinficht neben den Zentralalpen hervortreten, fo ſtellen

fie ſich bezüglich ihrer Naturerfcheinungen auf meteorologiſchem, pflanzen= und tiergeographifchem Gebiete mehr als dasjenige dar, als was fie gemeinhin betrachtet werben,

als Vorgebirge, als verkleinerte Abbilver gleichartiger, dod) ungleich großartigerer Erfcheinungen im Herzen des Alpen: ſyſtems. Von der eigentuümlichſten Erſcheinung in den Hochalpen, den Gletſchern, welche dort gleich gefrorenen Strömen die

Thäler füllen und an den Berglehnen haften, haben wir nur wenige Beiſpiele

zu verzeichnen,

dieſe wenigen

und

entbehren des eigentlichen Typus der Gletſcher; es ſind

nicht lange, aus hochgelegenen Firnmulden genährte Eis— ſtröme, ſondern vielmehr iſolierte Eisdecken, welche, auf Hochflächen ruhend, dieſelben bis zu jener Grenze über: decken, an welcher der winterliche Schneevorrat von der EEE EEE

ſommerlichen Schneefchmelze aufgezehrt wird. Innerhalb der Neichsgrenze finden wir das beite und

welche ihrer Bauart nach gleichfalls zu den Kalkalpen ge— hört, orographifch

jedoch den zentralen

Silvretta-Alpen

als weftlichites Glied zugezählt wird. Prangen aud) die nördlichen Kalfalpen nicht in den funfelnden Eistalaren wie ihre mächtigeren Nachbarn im Süden, fo wäre doc) die Anfhauung, als hätte man in ihnen mit Schnee und Eis nichts zu ſchaffen, jobald der Sommer feinen Einzug gehalten, eine unridtige. Von ihrem Fuße aus betrachtet, erfcheinen uns unſere Berge während des Frühjahrs und der erjten Sommermonate nur in einer abgenusten, vielfach durchlöcherten Schnee:

bekleidung, die waldumfäumten Alpenterrafjen mit weißer Dede überzogen, die Thalrunfen mit ſchmutzigen Lawinen— veften ausgefüllt, die Bergflanfen noch mit altem Schnee belaftet, während das düftergrüne Krummholz, der hinter: lichen Reifkryſtalle längſt entledigt, die wahre Natur diefer

Höhen nur allzubeutlid, verrät.

Die ganze Oebirgsland-

ichaft erfcheint uns durchzogen von einer einzigen, in alle Thäler und Schluchten ſich einkrümmenden, langweiligen

Linie, einer fünftlich gezogenen Iſohypſe gleich, unten grün und oben weiß. Tag für Tag rücdt diefe Linie höher, bald werden die letten fadenjcheinigen Flecken der Winter:

großen und

hülfe verſchwinden, die Gewäſſer ſich mit braufendem Schwalle zur Tiefe ergießen und die Berge ſich in ihrem wahren Gewande zeigen. — Doch wir eilen hinauf zu den Höhen, zu den gebietenden Felfenzinnen, wo die letzten Schleier vor dem nach dem Blide in's Unermepliche verlangenden Auge fallen und der Menſch ſich als Herrfcher fühlt über eine Welt. Wie froftig, wie winterlich öde fieht es dort Die fteinigen Kare, von zadigen Mauern ums aus! vandet, deckt noch immer der weiße Teppich; in die Klüfte der Wände ſtreckt er in breiten, zugefpißten Franfen ſich Lange, gewundene Straßen ziehen durch die hinauf. Schluchten zur Grathöhe fich empor, und abgerifjene Trümmer des alten Firns hängen einfturzdrohend in den finfteren Kaminen. Die Negelmäßigkeit in der VerbreitAuge ung des Winterjchnees, welche im Vorfommer das Fels— eine wo dort, ruht ev ermüdete, ift entſchwunden;

Eleinen Watzmann ift ein gleticherähnliches Firnfeld. Die berühmte, jedoch nur zeitweiſe exiſtierende Eisfapelle bei St. Bartholomä am Königsfee ift Dagegen nichts an-

in der itrahlen, und viele dieſer fleinen Lagerftätten find Im Auguft, im September noch That unvergänglic.

eigentlich einzige Abbild eines wahren Gletſchers in dem Höllenthalferner an dev Nordſeite des Zugipisitodes; jeine enge Ummauerung, das ftarfe Gefälle jeiner Grundlage laſſen an

ihm

namentlid

Bildung der

die wunderbare

lichtblauen Spalten und Schlünde, der wilden Gletſcher— brüche hervortreten, die Zierde und zugleich der Schrecken Auch das DBlaueis am der zentralalpinen Eiswüften. Hochkalter in den Berchtesgadener Alpen kann, obivohl von geringerer Ausdehnung, in die Linie der wahren Gletſcher geſtellt werden. Dagegen zeigen die Firnfelder der Al⸗ gäuer Alpen, der Hochalp- und Trettachferner nebſt einigen

kleineren, auch der große Plattacher-Ferner im Süden der Zugſpitze und das Eisfeld der Uebergoſſenen Alp im Berchtesgaden’schen, mehr den Charakter weit ausgedehnter

Firnfelder, als denjenigen von Gletſchern. füllung

der Watzmannſcharte

deres, als das von

zwiſchen

den Berggewäſſern

Auch die Aus:

dem

gegrabene Aus-

bruchsthor unter zufammengehäuften Lawinenreſten und infofern vergleichbar den Kleinen Spaltthälern des Algäu, dem Sperrbachtobel

und Bacherloch, in welchen ebenfalls

die Lawinenſtürze zu ſolchen Maſſen ſich anhäufen, daß ſie einen auf einen ſchneereichen Winter folgenden heißen Sommer wohl völlig zu überdauern vermögen. Die Lech⸗ alpen beſitzen, entſprechend ihrer bedeutenden Erhebung, auch häufigere Beiſpiele perennierender Firnfelder, welchen jedoch ebenfalls kaum der Charakter von Gletſchern zu— geſprochen werden kann; es finden ſich ſolche an der Roten

Wand und an der Parſeier Spitze. Bedeutendere Gletſcher beſitzt die ſüdlich des Illthals gelegene Rhätikongruppe,

umwallung ihm Schub gewährt vor den heißen Mittag3-

wird der Alpenwanderer kaum eine bedeutendere Hochtour in den nördlichen Kalkalpen zu Ende führen, welche nicht an einer oder der anderen Stelle den winterlichen Hauch ihm entgegenbrächte, ihn gemahnte an die Eispaläſte, welche der Winterfönig

in den Alpen ſich erbaut.

Und

drohen ihm diefe Fleinen Anfänge von Firnhüllen, welche ans bei kaum 100 m. abfoluter Höhenzunahme bereit? zu

ſehnlichen Lagern fich ausbreiten,

auch nicht mit der Ge—

fahr, in Spalten oder verborgene Eisfchründe hinabzuftürzen, doch wie die Gletfcher der Zentralalpen, jo mag ev es

nicht leichten Sinnes nehmen, begegnet er hier und dort

einem ſolchen weißen Mäntelchen des Felſens. Sorglicher bei als auf dem rauhen Geſtein muß der Fuß eingeſetzt,

716

Neuere Litteratur zur deutſchen Landeskunde.

nur einigermaßen bedeutendem Neigungswinkel die Stapfe tief ausgetreten werden— ein langweiliges und anftrengendes Stück Arbeit auf die Dauer, und 1000 bi3 2000 Schritte folcher Schneeivanderung find in unferen Bergen feine Seltenheit. Am Felfen gewinnt der Fehltretende, Fallende in den meiften Fällen leicht wieder einen Halt; auf dem Schneefelde führt ihn das erſte Abgleiten lautlos, gedankenſchnell aus der erflommenen Höhe hinweg und fein Schickſal entjcheidet, mo und mie die ftille Fahrt endet. Und birgt auch das Firngehänge in feiner Mitte nur jelten gefährliche Spalten, wie der echte Gletſcher, jo ift doch die Bergfluft an feinem Nande — der durd Ab: Ihmelzen der Schneemaffe am warmen Felfen entftehende Schrund — gefahrdrohend, und bretterdünn fteht an manchen Stellen der alte Schnee gegen die Wand an, eine dunfle Tiefe verdedend. Mit Ueberrafchung ficht bier und da der Alpenfteiger zurüd auf den Boden, der ihn getragen, und deſſen hohle Dede ſchwächer geweſen, als er geahnt. Verläßt er wieder eine hochgelegene, enge Thalfpalte, deren Schneebededung er kaum beachtet, unter den Maffen von überlaftendem Schutte und der von Lawinen herabgerifjenen Erdſchollen vielleicht nicht einmal bemerft hatte, jo ſieht er beim Austritte aus derfelben fich wohl einem Eisthore gegenüber, aus defjen finfterem Grunde, Ichlammtrübe, trümmerführend, der Bergbach hervorbrauft. Wenn auch der eigentlich bleibende Schneefall auf unferen Bergen etiva im Mai fein Ende erreicht und erſt Ende September oder in der erſten Oktoberhälfte wieder beginnt, ſo geht doch kaum eine Periode ſchlechter Witter— ung vorüber, welche die Höhen nicht weiß beſtäubte; und wird der Bergwanderer in hoher Zone vom Unwetter überrafht, dann fieht er die Schneefloden jo luſtig um ih herummirbeln, wie daheim zu Weihnachten. Dieſe gelegentlichen Schneefälle erſtrecken fich mitunter ztemlich weit an den Bergflanfen herab und erreichen mandmal jogar die Thäler, fo befonders im Algäu, wo die Thal: ſohlen zu ziemlich beträchtlichen abfoluten Höhen anfteigen. Solche Schneefchauer über grünende Wieſen, über fruchtbare Objtgärten ausgefchüttet, nehmen ſich jeltfam aus, richten aber in der Kegel feinen Schaden an, und die daran gelnüpften Erzählungen und Betrachtungen über einen „Sommer von ivenigen Wochen” und ein „ſibiriſches Klima“ gehören unter die Alpenmärchen. Auch die winterlichen Schneemaſſen werden in ihren anderwärts ſo gefürchteten Lebensäußerungen, in den La— winen, den Bewohnern der nördlichen Kalkalpen ſelten in

hohem Maße gefährlich.

Die Urſache hievon liegt teils

in der ſtärkeren Bewaldung unſerer Berge, namentlich am Saume der bewohnten Thäler hin, teils und hauptſächlich in der Art ihres Aufbaues, in den jähen Wänden und verzackten Schroffen ihrer Hochzone, welche das Anhäufen

größerer Schneelaſten nicht geftatten. Trotzdem fehlt es nicht an Unglücksfällen, welche durch Lawinen verurſac ht und denen namentlich Jäger und Holzarbeiter ausgeſet zt

ſind, wenn ihr Weg zu gefahrdrohender Zeit an den tief— | verjchneiten Berggehängen fie hinanführt, Mancher Schon

wurde von der Staublatwine, welche auf dem frifchgefallenen, auf hartgefrorener Unterlage nur loſe aufliegenden Schnee an jteilen Böfchungen ſich bildet und befonders durch den

erzeugten Zuftdrud gefährlich wird, erfaßt und in die Tiefe geichleudert,

oder

er entging

diefem Schickſale

nur wie

durch ein Wunder, indem ein vafcher Sprung ihn noch vechtzeitig aus dem Bereiche des unwiderſtehlichen Luftzuges brachte; denn

dieſer iſt fo fcharf begrenzt, daß zu

feiner Seite kaum ein Blatt ſich vegt, während dicht. da— neben Bäume niedergerifjen werden. Die häufigften La— winen in unſerer Alpenwelt find jedoch die Grundlawinen, welche bei beginnender Schneefchmelze ſich einftellen, Ihre Wege find meiftens furz, da fie von Karen oder Berg⸗ lawinen aufgefangen werden, bevor ſie bedeutende Tiefen

erreicht haben.

Die den Thalboden bedrohenden Lawinen

ſind den Bewohnern

Nähe wird

von

wohlbekannt

ihnen gemieden,

und

ihre gefährliche

bis der Lawinenſturz

eingetreten iſt. Das Auge erkennt ihre Bahnen leicht; ſie erſcheinen ihm als auffallend gerade, breite, glattgeſcheuerte Straßen an den Berghängen. Auch die Reſte der nieder—

gegangenen

Lawinen, zuſammengeballte,

braune Schneewülſte, hinein wahrnehmbar.

ſchmutzig grau—

ſind noch bis tief inden Sommer Wer an einem ſchönen Frühlings⸗

tage einen Spaziergang durch ein Alpenthal macht, der hört ringsumher ein Schlägen, wie fernen in den Bergen, und den Alpenfrühlings Felſengipfels noch

dumpfes Krachen in wiederhallenden Kanonendonner. Es ſind die Lawinen das gleiche Feſtſchießen des erwachen⸗ begrüßt den Erſteiger eines hohen inden ſpäten Sommermonaten aus

der ſchneeigen Oede der Kare, die als Fußteppich ſeinen Thron umlagern.“ — Ferner liegt uns Neumann's geographiſches Lexikon des Deutſchen Reiches,! (Leipzig, Biblio: graphiſches Snftitut. 1883. 1416 ©.) in 40 Heften fom=

plett vor und Feiner, welcher den dien Band jemals zur.

Hand nahm, wird dem Autor Fleiß und Umficht abfprechen.

Das Werk dient aber in erfter Linie feinem wiſſenſchaft⸗

lichen Bedürfnis: es iſt ein Nachſchlagebuch, in welchem | ſich jeder möglichſt raſch über einen nicht allzukleinen Ort — | 2 |

ſeine Einwohnerzahl, merkantile und induſtrielle Bedeutung,

ſeine Behörden, Inſtitute und Verkehrsanſtalten orientieren

kann.

45,000 Wohnplätze verſchiedenſter

Art find auf

diefe Weife in alphabetifcher Anordnung harakterifiert. Und, um es furz zu fagen, eben in diefem Drtslerifon

liegt Wert

und Bedeutung.

des Neumann’ihen Werkes;

es eripart gar vielen die Mühe eines zeitraubenden und

ermüdenden Nachforſchens. Bei näherer Prüfung diefer Zu-

jammenftellung gewahrt man eine rühmenswerte Vollftän dig-

feit, obgleich wir nicht verſtehen, warum manche Dertlichfeiten 1 Siehe die vorläufige Anzeige „Ausland“ 1882, Nr, 41.

\ J|

|

| J

Wetterbeobachtungen im den Vereinigten Staaten.

unter anderem aud 3. B. in der Umgebung Münchens — wir erinnern an die vielbefuchte Poſtſtation Ebenhaufen am Iſarthal oder den befannten Wallfahrtsort Namers: dorf — nicht aufgeführt find.

Befonders aber mißfiel uns,

daß das Dorf Auhaufen, in deſſen nun abgebrochenem Benediktinerkloſter 1608 die proteftantifche Union gefchlofjen ward, aud als Ahaufen (©. 7) vorkommt, wobei aller: dings auf Auhauſen veriviefen ift. Nun wiffen wir wohl,

daß Ahaufen und fogar die gänzlich unberechtigte Lesart Anhaufen jelbit in anerkannten Gefchichtsiverfen vorkommt. Wir haben es hier eben mit einem Fehler zu thun, der ſich Schon jahrzehntelang in den Büchern hinfchleppt, auf den

man aber ſchon bei Durchficht eines bayerischen Eifenbahnfahrplanes jtoßen kann. Da nun aber Neumann, trodem er das Kirchdorf unter dem richtigen Namen charafterifiert (©. 46), dennody auch Ahaufen, wenn auch nur gleichfam in Klammer, anführt, jo muß auf das Unftatthafte diefer Doppelbenennung aufmerffam gemacht werden. Man follte legtere, welche im Lexikon öfters wiederkehrt, überhaupt ausrotten, da fie ja zur Sicheritellung der geograpbiichen

Nomenklatur gewiß nicht beitragen. Neumann

hat fein Lexikon

mit einer geographiſch—

ſtatiſtiſchen Skizze des Deutſchen Neiches eingeleitet; indes ſteht dieſes Meberfichtsbild

in einzelnen Teilen

nicht auf der Höhe des Ortslexikons. Ueberblid

durchaus

So finden wir den

über die Bodenbefchaffenheit unferes Vaterlan:

de3 nicht ebenbürtig der Aufzählung der Berge des Deutfchen Reiches; ebenfowenig entfpricht die Skizze über die Bes wäljerung der Zufammenftellung der ſchiffbaren Waſſer— tragen. — Der ganzen Anlage des Werkes gereichen die ihm beigegebenen Slluftrationen, Karten und Bläne zum Vorteil.

Es enthält nicht weniger als 236 Städtetwappen in alphas betijcher Anordnung, außerdem 28 Stadtpläne mit Namen: verzeichnis, eine Karte der Kanäle des Deutfchen Neiches

und eine Sijenbahnfarte,. Sn befonderer Mappe aber find die 10 Ravenftein’schen Spezialfarten de3 Deutjchen Reiches mit volljtändigem Regiſter der auf den Karten enthaltenen Namen und vier ftatijtifche Karten über die Bevölferungs-

dichtigfeit, die Verteilung der Konfeſſionen, die gewerbliche Dichtigkeit und die Produftionsverhältniffe beigegeben. Der Gedanke, diefe Karten in Verbindung mit einem vor— züglichen Oxrtsregifter zu geben, ift ein glüdlicher, der den Benützern des Ortslexikons viele Mühe erſpart. An und für fich zwar ift die Karte mit ihren pulverifierten braunen

Zerraintönen, die viel zu viel in’s Kleine gehen, weniger als viele andere als eine gute Drtsfarte zu bezeichnen. Allein fie ift zuverläfftg, wenn auch nicht angenehm fürs Auge und trägt dazu bei, das ganze Unternehmen praftifch

brauchbarer zu nennen, (Schluß folgt.)

17

Wetterbeobanjtungen in den Dereinigten Staaten, Nach den amtlichen Berichten

von

Profeffor ©. H. Schlicter.

Sn feinem Lande find MWetterbeobahtungen von fo hervorragend praftifcher Bedeutung, als in dem weiten

Gebiet der Vereinigten Staaten

mit feinem verſchieden—

artigen Klima. Diefelben haben daher einen hohen Grad von Bollfommenheit erreicht. Ein Korps von über hundert technisch jorgfältig ausgebildeten Männern arbeitet im Dienfte der Regierung in der meteorologischen Haupt:

Itatton zu Wafhington Tag und Nacht an den Berichten, welche von 600 Punkten Nordamerifas und über 300 fremden Stationen täglich telegraphiich eingefandt und zur Borausbeitimmung der Witterung verivendet werden. Außerdem ergeben fich bei dem enormen Materiale von über 1000 regelmäßigen Tagesberichten michtige wiſſen— Ihaftlihe Nefultate und Schlüffe, welche der Zufunft eine Jicherere Baſis für die Klimatologie und Meteorologie Amerikas bieten. Jede Station innerhalb der Union fendet täglich dreimal ihre Wetterberichte nach Wafhington, enthaltend Barometer: und Thermometerftand, Windſtärke, Windricht: ung, Art und Bewegung der Wolfen und Belchaffenbeit des Metterd. Stationen an Flüffen fügen den Wafjer:

jtand bei. praktiſchem

Einzelheiten von mehr wiſſenſchaftlichem als Werte werden jorgfältig auf den Stationen

niedergefchrieben. Wenn Stürme oder Ueberſchwemmungen drohen, hat die Station jtündlich ihre Berichte zu liefern. Große Städte haben diefem noch mancherlei Lokales beis

zufügen.

Die Stationen der Meeresfüfte und am Ufer

der fanadifchen Seen find zur Vergleichung von Uhren und Spnftrumenten, ſowie zur Auskunft über alle hierber gehörigen Fragen der Schiffahrt jederzeit zugänglich. Das Recht zu deren Benügung jteht auch allen Angehörigen fremder Nationen zu. Sehr wichtig find die Witterungsberichte natürlich

für die aderbautreibende Bevölkerung

des Landes.

Sie

werden täglich, die Sonntage ausgenommen, morgens ein Uhr von Wafhington aus nad) den verfchtedenen Gegenden telegraphiert und enthalten außer dem mut:

maßlichen Wetter des laufenden Tages noch Barometer: ſtand, Windrichtung, eine Angabe der Witterung des ver

gangenen

Tages und eine Furze Ueberficht über die all-

gemeinen Geſetze des

Wettertvechfels

in den Vereinigten

Staaten; auch Witterungsfarten find beigefügt. Dieſe Bes richte werden von fämtlichen Morgenzeitungen des Landes abgedrudt.

Bon

befonderem Werte

für meteorologiſche

Zwecke

find die Küftenftationen. Ihre Beobachtungen find Die intereffanteften und exakteſten, und ihre praftifche Bedeutung

ift von höchſtem Intereffe. Durch) ihre Bemühungen werden ſehr häufig

Unglüdsfälle

verhütet,

welche

ihre Koſten

hundertfach aufiviegen. Die Gefamtlänge der Küftenausdehnung, welche unter ihre Kontrole fällt, beträgt am Atlantifchen Ozean gegen 700 e. MI. ; alle befonders wichtigen

7118

Wetterbeobachtungen in den Bereinigten Staateı.

oder gefährlichen Punkte find mit Dbfervatorien verjeben. Jedes derfelben hißt an einem Mafte bei Tag und Nacht

für vorüberfahrende Schiffe Vorfichts: und Warnungs— fignale auf. Name und Nationalität jedes paſſierenden Fahrzeuges werden nach dem Hafen, welcher dem Kurfe des Schiffes zunächit Liegt, telegraphiert. Sind Stürme im Anzuge, jo unterrichten diefe Signale die Schiffe über Zeit und Richtung derfelben und geben ihnen Gelegenheit, denjelben auszuweichen oder geeignete Vorkehrungen da— gegen treffen zu können. Dies kann gefchehen, ohne daß ein Boot gelandet wird. Jedes Fahrzeug ftellt im Vor— überfahren durch Signale die Fragen, welche es für wichtig hält; diefelben tverden von den Küftenftationen fofort nad) Wajhington berichtet, von wo die telegraphifche Antwort noch rechtzeitig genug eintrifft, um in derfelben Weife dem Schiffe übermittelt werden zu können. Welch’ große Wichtigkeit diefe Einrichtungen für die Schiffahrt an der amerifanifchsatlantifchen Küfte haben, weiß jeder, der die erftaunlichen Wechfel jenes Meeres fennt, bejonders längs der Küſte von Nordkarolina, welche zu allen Jahreszeiten gefürchtet ift. Scheitert ein Fahrzeug, jo wird fofort, falls Ausficht für die Gewinnung feiner Ladung vorhanden ift, eine temporäre Station in feiner Nähe errichtet, hauptfächlih um die geeigneten Momente der Bergung geſchickt benüsen zu fönnen, aber auch um an den lebhafteren Verfehrspläten (wie 5. B. Neufundland) andere Schiffe vor Zufammenftößen mit dem Wrade zu bewahren. Freilich erfordern diefe Stationen den größten Aufwand von Geld und Anftvengungen, allein die Ret— tung eines einzigen Lebens oder Schiffes entſchädigt völlig dafür, Keine Arbeit des gefamten Wetterbienftes erforderte mehr Umficht und Sorgfalt, als die Negulierung der Objervatorien für Sturmfignale Die Bemühungen in diefer Hinficht find fehon fehr alt. Benjamin Franklin

war

wohl der exit, welcher die Aufmerkſamkeit

feiner

Zandsleute auf die Wichtigkeit der Frage hinwies, War: nungsfignale bei der Annäherung von Stürmen zu geben.

Er bejchäftigte fich mit dem Studium der Meteorologie der atlantifchen Küfte, feit ihm der Nachweis der Identität der atmofpbärifchen und der durch die Mafchine erzeugten Elektrizität gelungen war. Seine Beobachtungen ergaben, daß viele der heftigen nordöftlichen Rüftenftürme der gewöhn⸗ lichen Windrichtung entgegen waren. Mit der Zeit ver: beſſerten und vermehrten ſich die Beobachtungsweiſen und das Material, ſo daß man jetzt einen höheren Grad von Zu⸗ verläſſigkeit inBeziehung auf die Vorherſagung der Stürme des Atlantiſchen Ozeans erreicht hat, als dies in irgend⸗ einem anderen Küſtenlande der Fall iſt. Es iſt eine der ſchwierigſten Aufgaben des meteorologiſchen Zentralbureaus, genau anzugeben, welche Seehäfen von einem herannahen— den Sturme getroffen werden können und welche nicht. Die Richtung der Stürme ändert ſich nämlich zuweilen in ganz auffallender und unerwarteter Weiſe. Der geſpann⸗

teſten Aufmerkſamkeit der Beobachter, ſowie den Erfahr— ungen, in Verbindung mit der Geſchwindigkeit des tele— graphiſchen Verkehres, iſt es jedoch zuzuſchreiben, daß ſelten

ein Seehafen

vergebens alarmiert

oder ein anderer une

erivartet von einem Sturm überfallen wird. Als Minimal

gefchtwindigfeit der Stürme,

für deren Herannahen War:

nungsfignale erforderlich iverden, gilt eine Beivegung ders

jelben von 25 e. MI. in der Stunde,

was gewöhnlich in

einer Entfernung von 10 bis 20 e. MI. vom Lande einer Geſchwindigkeit von 45 bis 50 e. Mi. entipricht. Lokale Berhältniffe laffen natürlich wieder hier Veränderungen mancher Art eintreten.

Zweierlei Arten von Warnungsfignalen

werden an

der atlantifchen Küfte der Vereinigten Staaten in An wendung

gebradt:

1. Das allgemeine Sturmfignal und

2. das jogenannte Nordweitfignal. Erſteres (tote Fahne vejp. Licht) wird angewandt, falls über die Richtung des Sturmes nichts genaueres angegeben werden foll oder fann, das zweite (wie vorher und außerdem darüber weiße Fahne

reſp. Licht), wenn

die Stürme

von Weſten bis Norden

wehen, was bejonders für die Küftenfchtffahrt, jedoch weniger für den transatlantifchen Verkehr, gefahrbringend iſt. An 116 verfchtedenen Punkten werden gegenwärtig dieſe Sig: nale aufgebißt und die Zahl der Stationen iſt in ſtetem Steigen begriffen.

Andere

Beobachtungen

von großem Werte find die

Ermittelungen über das Steigen und Fallen von Flüffen und Seen. Wer den Wert der amerikanischen Flußſchiff— fahrt mit allem, was damit zufammenbängt, kennt, ber: jteht die Bedeutung diefer Borfichtsmaßregeln, durch welche jedes Jahr den Antvohnern der Flüffe (befonders des

Miffouri, Miſſiſſippi und Ohio) Millionen Dollars gerettet werden. Zur Ueberwachung der Baumwollpflanzungen des Südens iſt außerdem ein Spezialdienſt von mehr als

hundert Stationen eingerichtet worden,

an den ſich ſeit

den letzten vier Jahren noch ein folcher zur Ueberwachung der Zuderernten von Luifiana angefchloffen hat. Vom eriten Dftober bis erjten Februar jeden Jahres werden nämlich möglichit genaue Beftimmungen der bevorſtehenden Frofterfcheinungen angeftellt und nach verfchiedenen Punkten telegraphiert, wobei noch in jüngfter Zeit die Einführung des

Telephons den Plantagenbefisern großen Vorteil gebracht bat.

Zur Neberwachung der Drangenwälder

Floridas

in derjelben Art wurden bereits in den zwei vergangenen Jahren Anftalten gemacht.

Was

den

Wetterdienft

&

an

der Küfte des Stillen

Ozeans betrifft, fo ift in San Franzisfo eine meteoros logifhe Station, ganz entfprechend der von Wafhington, eingerichtet worden.

Freilich find es nur verhältnismäßig )

wenige Bunfte, die hier bis jet in den Bereich der Beobacht⸗

ungen gezogen werden konnten und die telegraphifchen Ver⸗ bindungen ſind oft ſchwierig und unſicher; allein ſie haben

Kleinere Mitteilungen. —

Notizen.

719 ®

troßdem

bis jet gute Dienfte

geleiftet und werden bei

der fteigenden Wichtigkeit der pazifischen Küfte raſch an Zahl zunehmen.

Kleinere Mitteilungen. Reſte der „Jeannette“ an der wejtgrönländifchen Küſte.

Bor einigen Wochen brachte ein amerikaniſcher Schiffsfapitän von Philadelphia aus Ivigtut (Sidweftgrönland) die Nachricht, daß ein Esfimo auf einem ZTreibeisfelde in 600 36° n. Br. und 460 7’ w. 2. Teile eines Zeltes, einer Provifionskifte und einige Ausrüftungsgegenftände mit der Zeichnung „Jeannette“, Teile eines Checkbuches der Kalifornifhen Bank und ein Charter, beide von Kapitän de Long gezeichnet, ein paar Teerhofen mit der Zeich— nung „Louis Noros“ 1 md endlich eine Bärenhaut fand, unter der ein Gegenftand von Form und Größe eines menfchlichen Körpers fag, die aber der Eskimo nicht aufhob, um zu fehen, was fie in Wirklichkeit bedeckte. Auf einem anftogenden Eisfeld wurde eine | Anzahl von Kleidungsftiden von Matrojen gefunden. Kapitän Wilfon erfuhr dies alles von dem Vorſtand dev Kryolitminen von Jvigtut; er hörte auch, daß die Eskimo Mitteilung von ihrem Funde an den dänischen Oberbeamten in Julianehaab gemacht hatten, daß diefer aber vergebens verjucht hatte, das fragliche

Eisfeld

jelbft zu beſuchen.

derſelben

damals

auf dem

Eis

aufſchlagen

mußte,

dürften am wahrſcheinlichſten dieſe Fundſtiicke keommen. Man beabbſichtigt, die letzteren nach den Vereinigten Staaten überführen zu laffen und ehe wir ung weitere Schlüffe geftatten, wird es gut fein, die genaueren Angaben abzuwarten, Ob nun dieje Eisfelder die weftwärtige Drift der „Jeannette“ fortgejest und jo durch die Meere um Nowaja Semlja, Franz-Joſefsland und Spitsbergen an die Oftfüfte Grönland: und an diefer ſüdwärts ſich bis zur Fundſtelle bewegt haben, oder ob fie, was unwahrſcheinlicher, um

herumgingen — immer bieten fie einen dev merk—

Nordgrönland

würdigſten Belege für die Strömungen im arktiſchen DBeden und für die Möglichkeit fangdanernder Erhaltung eines Eisfeldes in urfprünglicher Lage bei Bewegung über fo weite Räume hin. | Die Bevölferung der niederländischen Kolonien in Ajien.

Aus dem „Regeerings Almanak voor 1883“, welcher einige ihätenswerte ftatiftiiche Mitteilungen enthält, entnehmen wir folgende Angaben iiber die Bevölkerung der niederländischen Kolonien in Afien: Die Oberflähe von Java ſamt Madura beträgt /923945 QA-M. Die Bevölkerung (mit Ausnahme der Armee, jowie der Flottenmannſchaft) jegte fih am 31. Dezember 1881 zufammen

206,961

aus:

33,740

Chinefen,

Sie betrug

Arabern,

alfo im ganzen

auf die Quadrat-Meile

wurde

Europäern,

10,771

Geburten.

E. M. 3

Derjelde Kapitän Wilfon war der

Träger eines Briefes des genannten Beamten an den däniſchen Konful in Philadelphia, aus welchem die Beftätigung der auf den erften Bli Schwer glaublich erſcheinenden Nachricht und einige Ihätbare Einzelheiten hervorgehen, die kaum zweifeln laſſen, daß wir es hier mit einer der merkwürdigften polaren Drifterſcheinungen zu thun Haben. Die „Jeanette“ ſank bekanntlich in 770 13° n. Br. und 1550 5. 8. umd von dem Lager, das die Bemannung

Einwohner. Batavia (Stadt und Borftädte) 99,497 Samarang (Hauptjtadt) 60,582 Surabaja 4 119,592 Surafarta " 125,002 Uebrigens find diefe Zahlen nicht durchaus ficher, und dies gilt in noch höherem Grade von den Angaben fir die Befigungen außerhalb Java. Deren Oberfläche betrug nah unferer Duelle 27,820.9 Q-MU. und fie hatten 6,247,519 Einwohner, worunter 7936 Europäer, 6,069,787 Eingeborene, 138,117 Chinefen, 5666 Araber und 26,013 andere Drientalen waren. Zum erſtenmale enthält der „Almanak“ fpezifizierte Angaben über die Bewegung in— nerhalb der europäifchen Bevölferung. ES ſcheint hierbei die Armee mit inbegriffen zu fein, obwohl dies nicht ausdrücklich gejagt ift. Wäre dies nicht der Fall, jo müßte die Sterblichkeit jehr groß jet. Geboren wurden in den niederländifchen Kolonien Aſiens 2554, Eheihließungen famen 475 vor; bei 407 derfelben waren beide Teile Europäer, Eheſcheidungen find 27 verzeichnet. Was die Todesfälle anlangt, jo trafen 1453 auf in Indien jelbft geborene Leute und 946 auf ſolche, welche außerhalb Indien geboren worden. Die Bivilbevölferung betrug, wie oben angegeben wurde, 41,646 Seelen, davon muß die Bevölkerung von Gorontolo und Atjeh— mit 287 Seelen abgezogen werden. ES wiirde fid) demgemäß eine Sterblichkeit won 1855 auf 41,359 oder etwa 4720/0 ergeben, Dies Nefultat dürfte der Wahrheit ziemlich nahe kommen, Die Zahl der Sterbefälle ift nur unbedeutend größer als die der

8389

19,834,584

2557

Eingeboreneit,

anderen

Drientalen.

20,088,613 Seelen und es kamen Einwohner.

Hievon

trafen auf

1 Lois Noros gehörte zur Mannſchaft der „Jeannette“ und zuſammen mit Nindermann gerettet. A. d. R.

Notizen. Perſonalnachrichten. Deutſche als Mitglieder der Greely-Erpedition. Unter der Mannfchaft der amerikanischen Polarftation befanden ſich auch zwei Dentfche: Krankenwärter Biederbed, welcher den fieben Geretteten angehört und Soldat Henry (8. B. Heinrich), ein Hannoveraner, der am 7. Juni ds. Is wegen angeblich mehrfacher Diebftähle am Lebensmittelvorrat bei Kap Sabine erſchoſſen ward,

Ein Beitrag zur Biographie Stanley’s. Die Fahrt H. M. Stanley’s, deſſen Name feit fait einem Dezennium in der geographiihen Welt mehr als der jedes anderen Neifenden ge> nannt wird, zum König der Belgier hat den Leiter von Le Mouvement G&ographique, A. J. Wauters, veranlaßt, in feinen Blättern den Lebensgang Stanley's zu ffizzieren. Die kurzen Angaben diefes Autors, welcher die Wirkfamkeit genannten Forſchers in jüngftev Zeit, ſoweit diefelbe offen liegt, gewiffenhaft verfolgte, können zur allgemeinen Orientierung über die Schidjale und Errungenſchaften eines der größten Pionniere der Wiſſenſchaft und Kultur allen empfohlen werden,

Schweden am Kongo. Außer Belgiern und Engländern find befonders auch die Schweden im Perfonal der Kongogejell: 5 ſchwediſche Offiziere find Yeiter von ſchaft ftark vertreten. Stationen, nämlich die Leutnants Poſſe, Moeller, Daunfelt, Sheerup und Pagels. Anderſon iſt unter Leutnant Balde beim Transport de „Stanley“ bejchäftigt und Wefter fteht unter Kapitän Hanffen. Ihnen ſchließen ſich noch die Offiziere Hackan—

1 Mit Ausnahme von Atjeh und Gorontolo.

des in Atjeh verftorbenen Militärs ung 1855 Todesfälle.

Nah Abzug

treffen auf die Zivilbevölfer-

L 720

Litteratur.

V

ſon und Hintze und außerdem eine Anzahl Zivilperſonen an. Auf der Flottille der Geſellſchaft ſind nicht weniger als 21 Schweden beſchäftigt.

im franzöfifchen Mitglied Pierre

Unterrichtsminifterium Félix

Fournier,

verlor

am

21. Juli ihr

welcher auch der gentral-

fommiffion dev Geographiſchen Gejellihaft in Paris angehörte,

Ehrung. Unter den Gelehrten, welche anläßlich des fünfzig— jährigen Jubiläums der Univerſität in Kiew zu Ehrenmitgliedern derſelben ernannt wurden, befindet ſich der Akademiker Middendorff. 7 Am 20. Auguft verftarb in Hallftadt der Diveftor der Kunſtſammlungen des Mufenms der bildenden Künſte in Breslau, A Berg. Berg hat auf großen Neifen feinen Sinn fiir die Kunſt entwidelt. 1849 bis 1850 war er in Südamerifa und jeinem dortigen Aufenthalte verdanken wir das Werf „Physiognomy of tropical Vegetation in South-America“, welches den bortrefflichften graphifhen Kommentar zu A. v. Humboldts „Ideen zu einer Phyfiognomif der Gewächſe“ bildet und denn auch des höchiten Lobes von diefem Kenner der tropifchen Pflanzenwelt für würdig gehalten wurde. Das Werk ift von Nachfolgern oft benütt, Yeider nicht immer mit Angabe der Quelle. Es gehört zu den Denkmälern deutfcher Wiffenfchaft und Kunſt. Im Jahre 1562 edierte Berg „Die Inſel Rhodos“ mit Originalradierungen. Im gleihen Jahre war er von der vom Grafen Eilenburg ge‚leiteten preußifhen Erpedition nah Oftafien zurückgekehrt. Weber diefe Expedition gab Berg ein Spezialwerf heraus, das eine Menge von ihm. felbft gezeichneter Anfichten aus Japan, China und Siam enthält. Richard Lepfins, der befannte Negyptologe und Sprach— foriher, ift am Morgen des 10. Zuli im Alter von 74 Fahren zu Berlin verftorben. Die Ergebniffe feiner Studien au alt: ägyptifchen Gräberfunden, welche er in feinem 1849 bis 1859 herausgegebenen Prachtwerk: Denkmäler aus Aegypten und Aethiopien veröffentlichte, haben vielfach Kicht iiber dunkle Bartien der Geſchichte, Chronologie und Sprachenfunde des alten Pharaonenlandes verbreitet und erwedten Intereſſe an der hochentwidelten ägyptifhen Kultur in weiteren Kreiſen. Ein fernerer Erfolg dieſes Werkes war die Einrichtung der reichhaltigen ägyptifchen Abteilung des Berliner Mufenms. Nah dem Tode v. Berk’ wurde Lepfius Oberbibliothefar der K. Bibliothek, die er mit Erfolg umd Geſchick verwaltete.

F Dr. J. A. Marimilian forſcher

und

Profeſſor

an

der

Perty,

ein bekannter

Univerſität

in Bern,

Natur—

ſchied am

8. Auguſt im 80. Jahre aus dem Leben. Perty hat ſich durch mehrere anthropologiſche und ethnographiſche Werke unter an— derem auch um die Völkerkunde verdient gemacht. j Vor furzem ftarb der ſpaniſche Stabsfapitän Francisco Javier de Moyay Fimenez, welcher, dem Artillerieregiment der Philippinen zugeteilt, fi viel mit dem Studium jenes Archi— pels beichäftigte. Seine Beobachtungen vermwertete er in einer Reihe von Schriften, von denen wir als die bedeutendften „Situacion de Filipinas“ („La prensa“, ‚Jahrgang 1874) und „Las islas Filipinas“ („Revista de Espana, Band 85 big 88, aud)

im Separatabdrud,

1883.

Ein Bolf von zehn Millionen oder: Der Bayernſtamm, Herkunft und Ausbreitung über Defterreih, Kärnthen, Stetermark und Tirol, Kampfſchrift wider Czechen und Magyaren von Profeſſor Dr. Sepp. Minden. 1882, Mar Kellerers Verlag. Die Tendenz diefer Schrift, welche mit einem großen Aufwand von Gelehrfamfeit verfaßt wurde, fteht ihr deutfi) an der Stirne geſchrieben: Sie will in hiftorifhen Exkurſen die Bedeutung des Bayernvolfes im Sinne des Verfaffers, welcher in den an die altbayerifchen Gebiete grenzenden DOefterreichern DOftbayern, in den Bayern aber, wie er feldft fagt, Weftreicher fieht, im Kampfe gegen die neuerdings fo vorlaut auftretenden Nationalifierungsbeftrebungen der Czechen und Magyaren hervorheben. Sepp verfügt iiber ein reiches gefchichtliches Wiffen, das aber durch vielfache Abſchweifungen nicht in der gehörigen Deutlich feit hevvortritt, ja man glaubt eben deshalb jogar vielfach eine angemefjene Gliederung des Stoffes zu vermiffen. Wir fürd)ten, daß diefer Mangel die Uebertragung der patriotifchen Begeifter‚ ung für die angeregten Fragen an Lefer weiterer Kreife nicht in rechtem Maße gelingen laffen werde. Und doch fühlt man, daß der Autor | mit einer herrlichen Wärme feinen Standpunkt vertritt und jeine Ideen in Thatkraft umgejett haben möchte, Mit bejonderem Inter— effe haben wir den Abſchnitt 23 über die falfchen Provinznamen im Königreih Bayern gelefen, der ohne Zweifel manches Richtige enthält. | Dr. C. Yang, Adjunkt an der Meteorofogifchen Zentralſtation in München, hat für die bayeriſche Landeskunde vor kurzem einen höchſt wertvollen Beitrag geliefert, indem er die Ergebniſſe der Beobachtungen der meteorologiſchen Stationen in Bayern in dem Zeitraume von 1879 His 1883 ver-

ER"

öffentlichte 1und mit inftrnktiven Erläuterungen verfah.

Derjelbe hatte 38 Sahre feines Lebens in

ihn, teils von anderen Herren der meteorologifchen Hgentralftation weiter ausgebeutet werden ſoll.

1 Mit 3 Tafeln. Sonderabdrud ans den Beobachtungen der meteovologishen Stationen in Bayern, Band V, Jahrgang 1883,

a

—— Anzeigen.

Veuer Derlan der 3, 6, Cotta'ſchen Buchhandlung in Stuttgart.

Frauz Grillparzers Lebeusgeſchichte

Grönland zugebracht, an defjen Bewohnern er mit großer Liebe hing.

T In London verftarb am 29. Mai Sir Bartle Frere,

von

ein geſchätzter geographiſcher Schriftſteller und von 1878 bis 1880

Heinrich Laube.

Gouverneur der Kapfolonie.

T Die Kommiffion für Neifen und wiffenfchaftliche Miffione n

Seine

Schrift legt in der That den Grumdftein zum weiteren Aufbau der Kenntnis vom Klima Bayerns und wir find erfreut, vom Verfaſſer jelbft zu hören, daß das vorliegende Material teils von

358 Seiten erſchienen) hervorheben.

T Sn der Herrnhuter Kolonie Kleinwelka ift der ebentalig e Grönlandmiffionar Uellner, in weiten Kreifen wegen jeiner erfolgreichen Thätigkeit unter den Eskimos befannt, im

hohen Alter geftorben.

Fitteratur,

80.

WMit dem Rorträt des Dichters in Stahlſtich.

VOL und 177 Seiten.

M.4

Elegant gebunden M,d.—

Drud und Berlag der J. ©. Cotta'ſchen Buchha ndlung in München und Stuttgart.

Mas Ausland. Wochenſchrift für Länder: und Völkerkunde, unter Mitwirkung von Profefjor Dr. Friedrich Nagel und anderen Fachmännern |

herausgegeben von der

& ©. Cotta'ſchen Buchhandlung in Stuttgart und Münden. Siebenumdfünfzigfter Jahrgang.

Ar. 37. München, 15. September. nenne ——77—7

1884.

Jährlich 52 Nummern A 20 Seiten in Quart. Preis pro Quartal M. 7. — Zu beziehen durch alle Buchhandlungen des In- und Auslandes und die Poſl⸗ Rezenſions-Exemplare von Werken der einſchlägigen Litteratur find direkt am Heren Profeſſor Dr. Friedrich Nabel in Münden, Akademieſtraße Nr. 5, zu jenden. — Injerationspreis 20 Pf. für die gejpaltene Zeile in Betit. ämter. —

Inhalt: 1. Normalſchema für die landeskundlichen Bibliographien. — —

S. 721. — 2, Dr. F. ©. Hahn's Inſelſtudien.

©. 722.

3. Deutſchlands Handel in Ozeanien und Auftralien. Bon Profeſſor Dr. Wilhelm Stieda in Roſtock. (Schluß) S. 724. 4. Die Studien Whitney's über die Eiszeit und klimatiſche Veränderungen. Bon F. Bayberger. ©. 729. — 5. Die Greely— Erpedition. III. Allgemeine wiſſenſchaftliche Ergebniſſe. Schlittenreifen nad Norden und Weften. S. 735. — 6. Die Gentilverfaffung der ſüdamerikaniſchen Indianer. Bon S. A. Gatſchet. S. 737. — 7. Kleinere Mitteilungen: S. 738. Veränderungen im Inneren Hinterindiens. Ueber die Pflanzennahrung der Tſchuktſchen. — 8. Notizen: S. 739. Polarregionen. — 9. Litteratur: S. 740,

VUormalſchema für die landeskundlichen Bibliographien. Die in erfreulichem Maße ſich mehrende Veröffent— lichung von bibliographiſchen Arbeiten zur deutſchen Landes— kunde legt den Wunſch nahe, durch einheitliche Abgrenzung und Anordnung des weiten Stoffes die Verwertung dieſer Sammlungen für ſich und als Grundſteine der unverwandt

anzuſtrebenden Bibliotheca geographica Germaniae zu er— leichtern. Die Zentralkommiſſion für wiſſenſchaftliche Landes— kunde von Deutſchland hat ſich daher, nachdem auch mehr— fache dahin zielende Aufforderungen aus den Kreiſen der Bearbeiter landeskundlicher Bibliographien an ſie gelangt waren,

entſchloſſen, unter Zugrundelegung

der bisher er—

ſchienenen Veröffentlichungen dieſer Gattung, folgendes Normalſchema für die Gliederung des landeskundlichen Stoffes in den Bibliographien zu empfehlen: I. Landesvermeſſung,

Karten,

Pläne.

(In

Unter:

abteilungen wie die Bücher und in derſelben Reihenfolge zu ordnen.)

II. Allgemeine landeskundliche Werke über das ganze Gebiet. III. Natur. (Allgemeines, wenn nötig, gleich anzu— ſchließen.)

1. Relief des Bodens und geologiſcher Bau. 2. Gewäſſer. 3. Klima. Ausland

——

1884, Nr. 37.

| | |

4. Pflanzenwelt. 5. Tierwelt. IV. Bewohner. (Allgemeines, wenn nötig, gleich an: zujchliegen.) 1. Anthropologie und Vorgeſchichte. 2. Gaukunde, Territorialentividelung (und fon: jtiges Geographiſch-Hiſtoriſches.) © . Mundartliches, Sprachgrenzen, Drtsnamen,

Siedelungen. 4. 5. >. —. .

Sitte und Brauch, Sage und Aberglauben. Bevölferungsitatiftik, Wirtſchaftliche Kultur. Geiltige Kultur, Gejundheitsverhältniffe. (Auch Geſchichte der Epidemien.) V. Spezielle Ortskunde (nebft Ortsgeſchichte). 1. September 1884. Die Zentralkommiſſion für wiſſenſchaftliche Landeskunde von Deutſchland. Profeſſor Dr. R. Credner, Greifswald; Profeſſor Dr. A. Kirchhoff, Halle a.S.; Ingenieur-Hauptmann G. Kollm, Straßburg i./E.; Privatdozent Dr. R. Lehmann, Halle a.S., Schriftführer; Profeffor Dr. R. Lepfius, Darmitadt; —w

[0 ©)

Profeffor Dr. 3. Nabel, München, Borfigender; Profeffor Dr. ©. Ruge, Dresden, ftellvertr. Vorſitzender. 109

Dr. 5. ©. Hahn's Inſelſtudien.

12)

Dr. J. 6. Hahn's Inſelſtudien. K.F. An die zahlreichen und auf mannigfaltigen Prinzi— pien der Einteilung ruhenden Verfuche, die Vielheit der Inſeln und Snfelformen zu gruppieren und hiedurch einen gründ— licheren Einblid in ihr Weſen felbft, ſowie die Gejchichte ihrer Entftehung zu erlangen, bat ſich vor kurzem aud) eine Abhandlung Dr. 3. ©. Hahns angeſchloſſen. Sie darf vor allem den Mert beanfpruchen, mit Sorgfalt und Umficht die umfafjende Yitteratur auf dieſem Gebiete dev phyfifaliichen Erdfunde geprüft und ihre Bedeutung für den KHaffififatorifchen Zwed dargelegt zu haben. Sodann it aber auch gewiß der Nußen nicht zu verfennen, welchen ein derartig gewifjenhaftes Streben, das die folgende In— haltsüberficht nur in fehr gevrängten Zügen charafterifieren kann, durch Sichtung und Gliederung des Stoffes für die endgültige, noch zu ervartende Löfung einer ebenfo ſchwier— igen, als wiſſenſchaftlich und pädagogiſch bedeutſamen Aufgabe in fich trägt. Der erfte Abſchnitt von Hahns Schrift entwirft eine Gefchichte der Inſelſyſteme und unterjcheidet vor allem zwiſchen biologifcher und morphologischer Methode. Der Begründer der erjteren iſt E.A. W. Zimmermann, deſſen Tiergeographie ein umfangreiches Kapitel über die Klaſſi— fifation der Sinfeln auf Grund zoogeographifcher Thatjachen enthält. Wiffenfchaftlich vollendet wurde diefe Methode

von Darwin, Wallace, Peſchel, Lyell.

Peſchel ſtellte zuerſt

ein Inſelſyſtem auf, deſſen beide Hauptgruppen Inſeln, welche niemals Feſtland waren, und ſolche, die als Bruch— ſtücke früherer Feſtländer erſcheinen, unterſcheiden. Eine ähnliche Gruppierung verdanken wir auch Wallace. Sn jüngjter Zeit beftrebte ſich A. Kirchhoff, durch eine neue

Einteilung einen weiteren Fortſchritt zu erzielen, indem er die Inſeln gliederte in: I. Feſtländiſche Inſeln: 1) Abgliederungsinſeln, 2) Reſtinſeln. II. Urſprüngliche Inſeln: 1) Submarin entſtandene Inſeln, 2) Aufſchüttungsinſeln, 3) Nichtvulkaniſche Hebungsinſeln. Mit dankenswerter Gründlichkeit werden die Bedenken hervorgehoben, welche gegen die biologiſche Methode der Inſeleinteilung ſprechen. Dieſelbe leidet vorerſt an der bekannten Thatſache der verhältnismäßig ſehr raſchen Veränderung, ja Vernichtung der urſprünglichen Flora und Fauna auf Inſeln nach Ankunft der Europäer. Hahn führt zahlreiche Beifpiele in diefer Nichtung an, fo das Verſchwinden des Dronte (Didus ineptus) auf Mauritius, Verſuch einer auf orographiſche und geologiſche Berhäftniffe gegründeten Einteilung der Inſeln. Bon Dr. F. ©. Hahn, Dozent der Erdkunde an der Univerfität Leipzig. Mit einer Karte in Farbendruck. Leipzig. Veit und Komp. 208 ©,

Neunion und Nodriguez, des Borkentieres der BeringsInſel u. ſ. w. Ferner find die Grenzen ber tiergeographis jchen Gebiete nie jo ſcharf, mie es dem erſten Forſcher erfcheint und das von dieſem Feſtgeſetzte wird ſpäter wieder

den mannigfachiten Aenderungen unterworfen. auch, wie eben diefe Methode

Bekannt ift

hauptfächlich die ſchädlichen

Hypotbefen von verjunfenen Kontinenten gejchaffen und gepflegt hat. Alle diefe Einwände möchten wir in den allgemeinen Grundſatz fallen, daß es unzuläffig fei, aus

der veränderlichen lebendigen Hülle der Erde weitgehende Schlüfje zu ziehen auf die Geſchichte des jo viel weniger veränderlichen feiten Subjtrates diefer Hülle. Seite 22 bringt eine treffende Illuſtration dieſer Aufitellung, die

wir auch auf Hermann Wagners Verſuch einer klimato— logifchen Umgrenzung des Begriffes Inſel anwenden möchten,

Es iſt uns aber aufgefallen, daß Hahn von Moriz Wagner’3 epochemachenden Betrachtungen über die Wirkung der Abjonderung in der Geſchichte der Schöpfung, welche der Lebemwelt der Inſeln eine erhöhte Bedeutung nicht Spricht.

zumeift, gar

Als Begründer der morphologischen Methode Tann Barenius gelten, welcher eine Einteilung der Inſeln nad Größenklaſſen vornahm, ſowie über die Unterfchiede zwischen Küftene und Hochjeeinfeln und über die Entjtehungsmeife der Inſeln überhaupt jehr beachtenswerte Gedanfen hinter: ließ. Buffon und Ritter ſchloſſen fich mehrfach an Barenius an. An diefer Stelle teilt der Verfaſſer auch das von Friedrich Nabel aufgeitellte anthropogeographifche Inſel—

ſyſtem, welches von der Lage der Infeln in Bezug auf andere Teile des Feſten ausgeht, und die Einteilungen Leopold dv. Buchs und Fr. Hoffmanns mit.

Sn den übrigen Kapiteln gebender Weife feine Grundſätze. der zuberläfligiten Beobachtungen

begründet Hahn

in ein:

Er mweilt an der Hand zunächſt nach, daß die

Inſeln des Mittelmeeres, Weftindiens, die. Sundainfeln mit den oſtaſiatiſchen Inſelſchnüren, ja ſelbſt die arktiſchen und antarktifchen Eilande fi) zum größten Teile aus tiefen Meeren erheben oder beſſer, daß eine Tendenz zur Bildung tiefer, in fich abgefchloffener Beden vorhanden ift, welche als Senfungsfelder bezeichnet werden. Meiftens find dieſe Inſeln hoch und zwar gerade nahe der Küfte

Benannte

Zonen weiſen

mit Ausnahme

der arftifchen

Qulfanreihen auf und find reich an .teftonifchen Erobeben.

Sie jtellen Gebiete dar, welche außerordentlich reich an Bruchlinien der Erdrinde, Die Entftehung der aufgeführten Snjelgruppen iſt ſonach durch den Bau der Erdrinde und

die hiebei ftattgefundenen Verfchiebungen und Senfungen bedingt; mir fönnen diefe Infeln alfo teftonifche Inſeln nennen, Die Erörterung defjen, was fpäterhin die Erofion an dem Ausſehen diefer Inſeln beivirkte, gehört nicht an diefen Drt. Zu jenen Inſeln nun gehören natürlich, als an Bruce

zonen der Erde gebunden, alle vulfanifchen Inſeln, welde zerjtreut im MWeltmeer zu finden find.

Mit höchſter Wahr—

— 8 —

Dr. F. ©. Hahn's Inſelſtudien.

jcheinlichfeit find auch die polaren Anfelgebiete als tefton-

jind wohl die zoogenen, die Korallenbauten. Die Anfichten in Bezug auf ihre Entjtehung haben befanntlich ſtark ge: wechſelt. J. R. Forfter und namentlich Chamiſſo Sprachen zuerjt eine Theorie aus, wonach die Korallen auf Meeres: untiefen und auf Gipfeln unterfeeifcher Berge ihre Bauten errichten ſollten; fommen fie fo hoch herauf, daß fie bei

iſche aufzufafjen, einen wie großen Anteil auch die Erofion

an der Ausbildung ihrer Phyſiognomie genommen haben mag. Die ganze große Gruppe der teftonischen Inſeln teilt Hahn nah Maßgabe der Stärke der vulfanifchen Vorkommniſſe in fieben Untergruppen. Als eine andere Kraft, der wir die Entftehung von

Inſeln verdanken, erfcheint die Erofion, von welcher der Verfaſſer ſechs Arten unterfcheidet: 1) Erofion

durch

Temperaturſchwankungen

(Froſt

Waſſer in Spalten).

,

2) Eroſion durch den Wind.

3) Eroſion durch Niederſchläge aller Art. 4) Eroſion durch Quellen und fließendes Waſſer.

5) Erofion duch die Meereswellen. 6) Erofion durch Gletſchereis. Die weitaus fräftigfte ift die Erofion durch Meereswellen.

An welchen’ Stellen der Erde und auf welche Art die Eroſion nun Inſeln gefhaffen, wird im folgenden meitläufig er— Örtert. Was die Erofion durch Gfletfcher betrifft, fo ftellt ſich der Verfaſſer auf Seite derer, welche eine bedeutende Erofionsfähigfeit des Eifes ablehnen. Die Fjorde, in deren

Definition wir die Berüdfichtigung des Barallelismus vermiffen, und welche zu ausschließlich als Küftenformen betrach— tet werden, find nach ihm durch die Einwirkungen der Meeres: wellen auf Küften von ungleicher geologifcher Befchaffenheit entjtanden. Die weicheren Gefteine wurden herausgewaſchen, die härteren blieben ftehen. Infolgedeſſen gibt

es Fjordähnliche Regionen in Gebieten, wo feine oder nur eine unerhebliche Vergletſcherung ftattgefunden, wie in Galicien, Dalmatien, am Berfiihen Meerbufen, in Mapa: gasfar, in China, im tropifchen Auftralien. Den Nach— weis diejer Fjord und Pfeudofjordregionen zählen mir zu den ſchätzenswerteſten Bartien des Buches. Nur auf

weiche Schichten und Iodere Gefteinsanhäufungen mögen die Eismaſſen der Ölazialperiode eingewirkt haben. So find die dänischen Inſeln wohl durch Verbiegung der Schichten entjtanden

und Inſeln wie Gotland,

Bornholm,

ebenfo

Antikofti und Neufundland dadurch, daß das Eis die wei— cheren Geſteinsmaſſen rings um die härtere Stelle wegſchob. Großbritannien und Irland find wie Zeylon reine Erofions-

infeln; bier haben die Meereswogen allmählich die feite Landverbindung zeritört. Zuletzt

behandelt

der DVerfaffer

die Aufſchüttungs—

infeln; bier unterfcheidet er minerogene, phytogene und zoogene. Die minerogenen Auffchüttungsinfeln find nach ihm entiveder durch die Beivegungen des Meeres aufge: Ihüttet worden und bejtehen dann aus Sand und Schlamm,

der ſie wurden durch vulkaniſche Ausbrüche hervorgerufen, d. h. diefelben

find nicht felbit vulfanifch,

fondern

nur

aus vulfanifchem Material aufgebaut. Die phytogenen Auffhüttungsinfeln find fehr jelten und überdies leicht zeritörbar. Sie verdanken meiſt Mangrove-Waldungen ihre Entjtehung. Die interefjanteften Auffhüttungsinfeln

123

Ebbe den Sonnenftrahlen ausgeſetzt find, fo bauen die: jelben nicht weiter. Darwin hat in allbefannter Weise diefe Theorie

gänzlich

umgeftaltet.

Die

wirklich

gründ-

lichen Beobachtungen Sempers und Reins zielen in neuefter Zeit aber dahin, daß man fich den älteren Anfichten wieder nähert. Das Auftreten von Koralleninfeln iſt bienad) abjolut fein Beweis, daß das betreffende Gebiet in einer Senkung begriffen ift. Hahn weiſt an den verfchiedeniten Stellen auf die Lückenhaftigkeit unferer Kenntniſſe hin, namentlich was die Geologie der entlegeneren Gebiete und die Gefteinsbefchaffenheit des Meeresbodens anlangt. Ex hofft, daß Meitere

Forſchungen noch die überrafchenditen Thatfachen zu Tage fördern werden, Wir fehen in diefen kritischen Abfchnitten jeines Buches befonders wertvolle Beiträge zur Inſelkunde und im allgemeinen zur Geomorphologie. Sie find es auch, welche das ausgedehnte Wiffen Hahn’s und die Gründlichfeit feines Forfchens in das beite Licht ftellen. Hahn's Inſelſyſtem gliedert fich im ganzen alfo folgendermaßen: A, Tektoniſche Inſeln. l. Durchaus vulkaniſch:

a) kein deutlicher Krater vorhanden; b) ein Hauptkrater vorhanden; c) zwei oder mehrere ſelbſtändige handen.

Krater

vor:

II. Nur teilweise vulfanifch. III, Ohne vulfanifche Bildungen. B. Erofionsinfeln. I. Norwegischer Typus.

II. Schwediſcher Typus. III. Gotländiſcher Typus. IV, Däniſcher Typus. V, Großbritanniſcher Typus. C Auffhüttungsinjeln.

I. Minerogene | II. Phytogene

Aufſchüttungsinſeln.

II. Zoogene Das ganze Syſtem' veranfchaulicht eine dem Buche beigegebene Erdkarte, auf welcher die verfchiedenen Gruppen mit Farben bezeichnet find, ſehr deutlich, — Wir find in der angenehmen Lage, einige Bemerk— ungen unferes geehrten Mitarbeiters Dr. Albrecht Pend unferem leider viel zu kurzen Referat folgen laſſen zu können. Angeregt durch Hahn's Bud, „das nicht nur durch feinen Inhalt ung feffelt, fondern das auch prinzts

pielle Anschauungen über die Alaffififation der Erdräume zum Ausdrude bringt,” ſchreibt uns Dr, Penck: Es iſt Sache

24

Deutſchlands Handel in Ozeanien und Auſtralien.

eingehender Unterſuchungen, zu entſcheiden, inwiefern der neuerdings öfters eingeſchlagene und von einem nicht ge— nannten Verfaſſer jüngſt an dieſer Stelle! verlangte Weg, die Einzelformen der Erdoberfläche genetiſch zu klaſſifizieren, zum guten Ziele führt. Wir möchten jedoch die Empfind—

ung nicht unerwähnt Lektüre

des

Studium

laſſen, welche wir gelegentlich bei

vorliegenden

Buches

und

des öfteren beim

von Löwl's Arbeit über Thalbildung?

hatten,

daß eine vein genetische Einteilung häufig den Widerfpruch anders Meinender herausfordert, weil auf der Erdoberfläche gewöhnlich eine Summe verfchiedener Kräfte fich zur Heraus: bildung einer einzigen Form vereinigt, fo daß es ſchwer zu entjcheiden ift, welcher Kraft der Löwenanteil der Arbeit zugefallen iſt. Wo die Erofion ausnahmslos in allen Thälern gearbeitet hat, erfcheint es uns nicht glücklich, morphologiſch Erofionsthäler von teftonifchen trennen zu tollen, und wo Bewegungen der Küftenlinie jeden Berg

des Landes in eine Inſel umgeftalten können, erſcheint es uns ſchwierig, abzuwägen, ob teftonifche oder erodierende Vorgänge mehr Anteil an der Herausbildung einer Snfel haben. Unter folchen Eindrüden hat uns die geograph: iſche Seite von Hahn's Snfelftudien, beftehend in der Herausarbeitung einzelner „Typen“, mehr zugefagt, als die geologiſche Auffaffung, welche unter allen Umftänden nicht ganz einmwurfsfrei fein Fann, und eben mit der Aus— arbeitung einer Morphologie der Erdoberfläche befchäftigt, ſchwebt ung vor, die einzelnen Formen derfelben nad) ihrer äußeren Erfcheinung und inneren Struktur zu Elaffifizieren, nicht aber nach den oft nur hypothetiſchen Erfcheinungen,

welche an

ihrer Herausbildung

gearbeitet haben.

Wir

jelber neigen daher zu der dritten Möglichkeit, die Inſeln zu Haffifizieren, welche auch Hahn in der Einleitung feines Buches mitteilt, nämlich nach ihrer Lage und Größe, und uns freut, daß Hahn's einzelne geographifche Snfeltypen ſich in vieler Beziehung mit denjenigen decken, welche wir aufzuftellen verfuchen werben.

gefinnt und die deutfchen Firmen Hennings, Buſch, Ruge, Heedemann, welche hier Faktoreien und Plantagen befiten, haben ungeftört ihre Geſchäfte betreiben fünnen. Eines der deutfchen Häufer unterhält einen bedeutenden Handel mit Perlen und Perlmutterfchalen direkt nach Paris. Vorübergehend wurde die Pofition der Deutfchen er:

Ihüttert durch die Chifanen der Engländer, welche nad) der Annektion fich vor allen Dingen gemüßigt fühlten, die Eigentumsverhältniffe einer Prüfung zu unterziehen. Zwar hatten die Deutfchen alle Yändereien rechtmäßig ein—

getauscht, aber mehrfach unter günftigen Bedingungen, und die Engländer fchienen darin Beeinträchtigungen ihrer Schützlinge zu erbliden. Die Fidſchi-Inſeln find wegen ihrer zentralen Lage ein wichtiger Fommerzieller Punkt, auf dem die deutschen Intereſſen vertreten zu fehen Bez

rubigung

gewährt.

Sehr groß ift die Zahl der Weißen

überhaupt noch nicht; unter 125,000 Einwohnern fanden ſich am 3. April 1881 2293 Weiße. Wieviel davon Deutjche waren, tt unbeitimmbar. Schon 1876 meinte ein englifcher Bericht, daß die Zahl derfelben im fteten Wachen begriffen

ſei (steadily increasing). Selten

Fuß

Inſeln gefaßt.

baben

die Deutfhen

auf den Samoa—

Von hier aus begann das Haus Godeffroy

jeine mühſame und opferreiche Kulturarbeit, welche die folonifatorifche Kraft der Deutſchen in fo hohem Maße bewährt und bejtätigt hat. Much bier find deutfcherfeits

umfangreiche Zändereien erivorben worden.

In der Periode

nämlich, welche den jetigen geordneten Zuftänden voraus

ging, befämpften die Eingeborenen ſich untereinander be: jtändig und da fie die verderbenbringenden Wirkungen der europäifchen Feueriwaffen hatten fennen lernen, bemühten fie

fich, diefe zu erlangen. Gegen Munition und Waffen traten fie mandes Grundſtück ab, wobei übrigens nicht felten Verdrieplichfeiten entftanden. Die Wilden veräußerten dasjelbe Terrain mehrmals, einzelne unter ihnen auch wohl folches, das ihnen garnicht gehörte und es bedurfte

der ganzen Vorficht des Haufes Godeffroy, welches jedes

Deutſchlands Handel in Ozeanien und Auftealien. Bon Profeffor Dr. Wilhelm

Stieda

in Noftod.

Schluß.) Im einzelnen zeigt ſich auf den verſchiedenen Inſel— gruppen das folgende Bild von den deutſchen Nieder— laſſungen: Auf den Fidſchi-Inſeln nahmen die Deutfchen ſtets eine ſehr geachtete Stellung ein, die ſich auch nach der Annektion durch die Engländer im Jahre 1874 nicht ge— ändert hat. König Thakombau war den Deutſchen wohl⸗ 1 Siehe „Ausland“ 1884, Nr. 23, ©, 452 ff. 2 Siehe „Ausland“ 1883, Nr. 33.

Recht eines Verkäufers fich durch andere Häuptlinge bes glaubigen Tieß, um Streitigfeiten zu vermeiden. Die deut— ſchen Niederlafjungen befinden fich in Apia, dem Sauptorte einer der Inſeln — Upolu — die als eine veiche, mit

Ihönen

Wäldern

bevedte

Ebene

gefchildert

wird.

Sn

Apia vefidiert auch der deutſche General-Konſul für die Südſee. Die Tonga-Inſeln kamen bis vor wenigen Jahren

für den Handel kaum in Betracht, da die Inſulaner eine auffallende Unluſt zur Arbeit zeigten und zur Bereitung der Kopra nur höchſt ungern ihren Beiſtand liehen. Durch humane Behandlung verſtanden die Deutſchen indes eine An— näherung zu bewirken. Schon 1876 ſchloß Deutſchland mit der Inſularmacht einen Freundſchaftsvertrag, infolgedeſſen

uns der Hafen von Vavau als Kohlenſtation eingeräumt it und im Verein mit der Miffton der Wesleyaner ge: lang

es, bedeutenden Einfluß

zu erringen,

jo daß ver

h

Deutſchlands Handel in Ozeanien und Auſtralien.

Handel anderer Kaufleute faſt aus dem Felde geſchlagen iſt. Leider ſcheint gegenwärtig König Georg von Tonga nicht abgeneigt, gegen Zuſicherung einer anſtändigen Leib—

48 deutjche Schiffe mit 4400 Tonnen zufammen —

rente,

79 mit 7100 überhaupt —

wie ſein königlicher

Vetter Thakombau

auf den

Fidſchi-Inſeln im Betrage von 16,000 Mark ſie jährlich genießt, ſeine Souveränitätsrechte an England abzutreten. Von dieſen drei Inſelgruppen hat ſich der Handel nord» und weſtwärts gezogen, nach den Marſchall-, Karo— linen- Ellice- und Kingsmill-Inſeln, Neu-Britannien u. ſ. w. Von zahlreichen Inſeln größeren und kleineren Umfangs grüßt hier die deutſche Handelsflagge. Teils arbeiten hier die

bereits genannte Deutſche Handels- und Plantagen-Geſell— ſchaft, teils

dieGebrüder

Hernsheim, das Haus

Kapelle

und Komp. Im weſentlichen handelt es ſich bei dieſen um Faktoreien, obwohl auf Neu-Britannien, Neu-Irland und den Duke of NYork trefflich ausgedehnte Flächen mit gutem Boden, die zum Plantagenbau fehr geeignet wären, porhanden find, an den nur zur Zeit wegen der Unkulti— viertheit der Zuftände nicht gedacht iverden fan. Das

Hentraldepot

der

von Matapi

auf Neu-Britannien,

Gebrüder

Hernsheim wo

ift der Hafen der

Verkehr

jo

rege ift, daß 3. B. im Jahre 1880 63 Schiffe einliefen, unter denen 49 deutfche waren. Bon den etiva 1000 Eingeborenen, die fih in der Nähe der deutfchen Nieder: laffungen etabliert haben, arbeitet ein Teil für die Herns—

heim'ſche Firma. An der Hüfte von Neu- Britannien jind achtzehn von Weißen beſetzte Handelsitationen, auf denen in der oben gejchilderten Weiſe mit den Eingeborenen getauscht wird. Im ganzen ift das Verhältnis

dev Fremden zu den Melanefiern ein gutes, wenngleich Streitigkeiten, öfters auch Totſchläge, bei einem Volfe nicht ausbleiben können, das ſich der Zivilifation ziemlich unzu-

gänglich erweift und von der Miffion nichts wiſſen till. So hatten 3. B. vor wenigen Jahren in Mafada im Hafen bon Mioko auf der Duke

of NYork-Inſel

zwei Häuptlinge

die Hernsheim'ſchen Häuſer niedergebrannt, wurden aber, als ein Kriegsshiff unter Kapitin Werner eintraf, ge— nötige, neue zu erbauen. Auch auf Neu-Irland an der Norboftfüfte haben die Gebr. Hernsheim Stationen errichtet und etwa 11,000 Morgen Land erworben, auf

denen die Balmenfultur in Zukunft vegelvecht vorgenommen werden ſoll. Im ganzen haben die Firma Hernsheim und die Plantagen-Gefellfchaft auf verschiedenen Pläßen der drei Archipele Neu-Britannien, Neu-Irland und Duke of Nork etwa 32 Unteragenturen. Unter den Marfchall-Infeln ift es Jalvit Atoll, auf

welchem die Deutfchen durch die Firmen Hernsheim und Kapelle befonders vertreten find. Auch diefe Inſel ift durch Vertrag von 1876 Kohlenftation des Deutfchen Neiches. In der Nähe der deutichen Niederlaffungen haben ſich Eingeborene angefiedelt, die gegen geringen Lohn —

etwas über 1 Mark täglich und Beköftigung — für die Kaufleute arbeiten. Der Verkehr ift fo lebhaft, daß die Errichtung

eines

Ausland

Fr en 4

125

befonderen

1884, Nr. 37.

Konfulats

wünſchenswert

geworden tft, da die Vertvaltung von Apia aus zu meitläufig mird. Im Jahre 1882 z. B. liefen auf Salvit

zufchreiben,

Zogierzimmern

daß

fogar

ein

unter

ein und dem ift es wohl zuWirtshaus

mit

ein

paar

vorhanden ift, welches von einem Neger

gehalten wird. Wie zur Zeit überhaupt durch die niedrigen Kopra-Preiſe das Südſee-Geſchäft gedrückt ift, ſo wird gerade don Jalvit aus geklagt, daß die dort ſtationierte Agentur der Handels- und Plantagen-Geſellſchaft genbtigt

geweſen ſei, ſich einer amerikaniſchen Firma in San Franzisko in die Arme zu werfen und daher wohl für die deutſchen Intereſſen verloren gegangen ſein dürfte. Außer auf Jalvit haben die Häuſer Hernsheim und Kapelle auch Stationen auf Namorik, Elou, Juridi, Arno und anderen Atolls. Sind die letztgenannten Inſeln den Deutſchen inſofern leichter zugänglich geweſen, weil noch keine fremde Macht auf ſie Beſchlag gelegt hat, ſo gedeiht der deutſche Handel doch) gleichfalls gut in den Kolonien anderer Länder, ſo z. B. auf den Geſellſchafts-Inſeln. Deutfche und englische Kauf:

leute haben auf diefen, obgleich fie feit 1843 in franzöfifchem Befit find, den Großhandel, während die Franzofen nur dem Kleinhandel obliegen. Das deutſche Sandlungshaus, das fih auf Papéte, dem Haupthafen der Inſel Tahiti, und auf Natatöa niedergelaffen hat, führt den Namen „Societe commereciale de l'Océanie“ und unterhält, wenn auch unregelmäßig, eine direkte Verbindung mit ES exportiert Baumtolle, Kopra und BerlHamburg. mutterjchalen und importiert deutfche, franzöfifche und engche Erzeugniffe und Manufakte. Bon deutfchen Artikeln finden bejonders Mauerfteine, Zement, Säcke, Sadleinwand, muſikaliſche Inftrumente, Bier u. dgl. m. Eingang. Von dem ganzen Baumwollen-, wie dem ganzen KopraErport der Geſellſchafts-Inſeln gehen %/, durch die Hände des deutſchen Haufes, freilich nicht alles nach Deutfchland. Die Sranzofen bemühen ſich nach Kräften, die Fremden durch Bollpladereien und vielfache Beſchränkungen zu drüden; immerhin aber haben fie ung nicht zu verdrängen vermocht und die legten Ausweise lafjen die Poſition jenes deutfchen Haufes, das gleichzeitig Mlantagenbau betreibt,

gefeitigter als je erſcheinen. Meniger iſt die franzöfifche Kolonie Neufaledonien den Deutjchen erfchloffen. Obwohl diefe Inſel einem fichtbaren Aufſchwunge ihrer fommerziellen Thätigfeit entgegen-

geht — namentlich Nidelerze und Kopra werden ausgeführt — jo tft eine entfprechende Beteiligung Deutschlands daran faum zu erivarten. Nur gelegentlich gelangen deutſche smouftrieprodufte über Sydney nad) Numea, dem Hauptort der Inſel, und der Verkehr deutſcher Schiffe an der neufaledonischen Hüfte ift ein fpärlicher, In Numen jelbjt befinden fich zwei deutfche Gefchäfte, deren Umfang zivar nicht jebr bedeutend it, aber doch den der meiſten franzöfifchen übertreffen fol. Den Berfehr von Numea 110

126

Deutſchlands Handel in Ozeanien und Auſtralien.

nach Sydney beforgen zum Teil mehrere deutſche, in Sydney

anſäſſige Firmen, von denen eine regelmäßig ein Dampfs Ihiff zwifchen beiden Orten gehen ließ, freilich unter britifcher Flagge. Auf den Sandwich-Inſeln befaffen ſich unfere Lands— leute viel mit der Kultur des Zuderrohres. Von 82 Zuderplantagen dafelbjt find 27 in den Händen Deutfcher. So it der Handel dorthin, der namentlich von Bremen aus geführt wird, im Steigen begriffen und die Zahl der Deutſchen, die im Jahre 1878 ſchon 272 betrug, geht gegenwärtig über 1000 hinaus. In Honolulu, wo 120 deutſche Kaufleute leben, tritt da3 Deutfchtum befonders hervor und Neifende — jo Mar Buchner im Jahre 1878 — fonjtatierten, daß ebenfo viel deutſch wie englifch ges ſprochen wurde. Der Export befteht in Zuder, Reis, Ochfen: häuten und Schafwolle. Mit König Kalafaua hat das Deutſche Reich ſchon am 25. März 1879 einen Meift: begünftigung3-Bertrag abgefchloffen.

Auch auf dem

Kontinent Auftralien und auf Neu:

jeeland hat das Deutſchtum Wurzel gefchlagen. Seitdem in jenen Winzern aus Hattenheim im Rheingau, die fich im Sabre 1837 in der Nähe von Sydney in Neu-Süd— wales niederliegen, die erſten Deutfchen in Auftralien er— ſchienen, hat ihre Zahl, wie der neuefte Zenfus ausweift, ji) auf 37,300 vergrößert. Nicht in allen Kolonien find die Deutjchen gleihmäßig vertreten. Während in Weit: auftralien faum 100 fich befinden und in Tasmanien ſich ihre Zahl nur auf einige Hundert beläuft, geht ſie in den andern Kolonien über 5000 hinaus. In Viktoria und Neu-Südwales hat das deutſche Element, wie behauptet wird, ſich ſchnell mit der britiſchen Bevölferung vermiſcht, Südauſtralien dagegen und namentlich Queensland er—

ſcheinen als eine feſte Burg der Deutſchen.

Das Verhält—

nis der Deutſchen zu den übrigen Bewohnern iſt nach der Zählung vom April 1881 das folgende: Geſamtbevölkerung Darunter Deutſche Tasmanien 115,705 782 Neufeeland 4819 489,909 Viktoria

862,346

8571

Neu-Südmwales

751,408

521

Südauftralien Dueensland Vermutlich

279,865 213,525 ift die Zahl

ſich hienach ergibt.

8798 11,638 der Deutfchen größer, als

Viele Deutfche geben eben allmählich

ihre Nationalität auf. Gerade aus Queensland wird darüber geklagt, daß die Kinder der Deutſchen in kurzer Zeit „Auſtralier“ werden und ſelbſt ihre Sprache vergeſſen. In den wohlfeilen Staatsſchulen wird der Unterricht in engliſcher Sprache erteilt und wenn die deutſchen lutheriſchen

Kirchen nicht vorhanden

wären, würde das Deutſchtum

eine Hauptſtütze entbehren. Dagegen wird gerühmt, daß in Südauſtralien deutſche Sitte und Sprache ſich dauernd erhalten. Eine beſonders ſtarke Zunahme weiſt die deutſche

Bevölkerung Auſtraliens nicht auf. Im Jahre 1871 wurden 32,000, zehn Jahre ſpäter alſo 37,000 gezählt. Die in der

Reichs-⸗Statiſtik nachgewieſene Auswanderung dahin hält ſich gleichfalls inengen Grenzen. Von 1877 bis 1881 ſind 4175, von 1871 bis 1881 10,647 Perſonen ausgewandert.

Die beiden Jahre 1882

und

1883 haben ein etwas leb—

hafteres Tempo angejfchlagen:

e3 find je 1247 und 2104

Deutfche nad Auftralien und den Südſee-Inſeln ausge: wandert.

Im ganzen hat Deutfchland in 13 Jahren, von

1871 bis 1883, 13,998 Landesfinder dahin entlaffen, d. h. etwas über 1 Prozent der gefamten Auswanderung der genannten

Jahre.

lichen Berhältnifjen

Ob diefe Zahlen

entfprechen,

ganz den wirk—

bleibe dahingeſtellt; ich

glaube, daß fie zu Flein find. Von den Deutfhen in Queensland, die wegen ihrer

größeren Zahl unfere Aufmerkſamkeit beanfpruchen, wiſſen wir, daß fie vorzugsweiſe Farmer find und Zuderrohr, Wein, Drangen u. ſ.w. neben Viehzucht und Getreidebau kultivieren. Es find nicht gerade reiche Leute unter ihnen, aber nachdem

fie früher unbemittelte Bauern waren, befinden fie fich gegenmärtig in guter mwirtfchaftlicher Lage.

Sie find direft in

den Urwald hineingegangen, welchen die Herdenbefiter verichmäht haben und haben dort den beiten und üppigften Boden gefunden. Die deutfche Zähigkeit und Sparfamfeit bewährt fich glänzend. Gerade die deutſchen Budermühlen, die mit weißen Arbeitskräften befeßt find und weder jo großartig, noch mit ſoviel Mafchinen betrieben werden, tie die kapitalreichen Engländer es können, beftehen bei der Konkurrenz ganz gut. In Brisbane, der Hauptjtadt von Queensland, ſetzt fi) das deutſche Element vorzugsmeife aus Gewerbtreibenden, Gaſtwirten, Krämern, Arbeitern u. ſ. w.zufammen. Die einzige Tabaffabrit daſelbſt befit ein Deutfcher. Eine deutſche Gerberei hat es ſchon

i

joweit gebracht, daß fie auf die Leipziger Meffe Felle ent jenden Eonnte und die größere Mehrzahl der Eingewanderten befindet ſich inguten Berhältniffen. Kaufmännifche Engros—

Geſchäfte dagegen

betreiben

nur zwei deutfche Handels-

bäufer.

Es wurde bisher vermieden, irgendwelche Zahlen angaben zu machen, aus denen fi) eine Vorftellung von dem Umfange unferer Südfeegefchäfte entnehmen ließe. In

der That iſt es ſehr ſchwierig, ein ſolch zahlenmäßiges Bild zu zeichnen, denn die Konſularberichte im „Deutſchen Handelsarchive“ faſſen bei ihren Schilderungen bald die Waren deutſcher Provenienz, bald die auf deutſchen Schiffen transportierten Waren, bald die von deutſchen Häuſern be— zogenen oder exportierten Artikel ins Auge, ſo daß es nicht

möglich iſt, den eigentlichen Verkehr Deutſchlands mit der Südſee

genau

zu

berechnen.

Am

zuverläſſigſten

und

brauchbarſten ſind die in den Handelsſtatiſtiken von Ham⸗ burg und

Bremen

enthaltenen Angaben,

die, weil

von

dieſen Städten aus im weſentlichen das Südſeegeſchäft betrieben wird, auch die wichtigſten ſind. An die Reichs⸗

Handels⸗Statiſtik können wir uns nicht halten, weil in 4

Deutfhlands Handel in Ozeanien und Auftralien.

diefer der in Hamburg

und Bremen

abfehliegende oder

fich entipinnende Handel in den allgemeinen Zahlen nicht

zum Ausdrude kommt. Es betrug nun die Einfuhr von Auftralien und den Südſee-Inſeln nad) Bremen

im Sahre 1877 1878) 221879 1880 „ 1881

22206,315, 459,295

1882

751,951

die Einfuhr

5,478,630 ME. 6,003,390 8,497,510 „

_, „

3,487,850 3,633,540

„ ,

4,852,980

Während alfo bei Sen 1877 bis 1879

Hamburg

847,999 ME, 367,780. , .0.387,584

im Durchfchnitt der Sabre

mit 434,454 ME. bewertete,

erhob fie jih im Durchſchnitt der Jahre 1880 bis 1882 auf 509,187 ME. Ueber Hamburg betrug die Einfuhr durehfchnittlich in der Periode 1851 bis 1860 68,713 ME.,

2727

wie engliſchen Gefchäftshäufer in Auftralien und Ozeanien

importieren nicht ivenig aus Deutfchland über London durch ihre Agenten, in welchem Falle die Waren als eng: lifche bezeichnet werden. Diefelbe Thatfache des zunehmenden Handels belegt die deutſche Neichs-Schiffahrts-Statiftif,

der die eben er—

wähnten Mängel bezüglich des Ausſchluſſes von Hamburg und Bremen nicht anhaften. Die nachſtehende Ueberficht jpiegelt diefen Aufſchwung wieder: Veberficht der in den Jahren 1877 bis 1882 im Seeverfehr mit Auftralien einſchließlich der Inſeln im Stillen Deere in deutſchen Häfen angefommenen und abgegangenen deutſchen Schiffe. 1 Angefommen:

Abgegangen: Mit Ladung. Schiffe. Reg.Tons.

Mit Ladung. Schiffe

Reg.Tons.

1877

22

10,820

1878

23

TO. dE

1579

dl



13

7647

Frankreich,

1880

15

3360

Amerifa importierten, fo legen diefe Zahlen gewiß ein er— freuliches Zeugnis von dem fteten Fortgange des Handels

20 2

10,404 2338

1881

20

14,018

97

18,421

2

299

5

7772

15

11,360

32

28,037

h

6615

11

18899

in den

Jahren

1861

bis

1870

615,977 ME,

in den

Jahren 1871 bis 1875 3,722,457 ME. und in den Sahren 1876 bis 1880 5,996,782 ME,

Südſee-Kaufleute

Erwägt man, daß unfere

mehrfach au in England,

ab. Das gleiche Bild zeigt die Ausfuhr über die genannten Städte, von welchen Hamburg in feiner Handelsitatiftif aber leider nur die Gewichtsmengen, nicht auch deren Werte angibt, Die Ausfuhr nah Auftralien und den Südſee— Häfen betrug über:

Hamburg

Bremen 1878

902,898

ME.

31,359

1879

622,045



45,774

1880 1,186,925 1881 1,170,423 1882

1,242,422

100 Kgr. Br.

71,549 116,316 „

120,605

Der Export bejteht in Eifendrabt, Bier, Malzertraft,

Fahre.

1852

11

7561

16

10,558

Ergibt jih aus diefer Ueberficht, daß der direkte Ver: kehr beträchtlich getvefen ift, fo beweiſt endlich die Statiftif der Reifen deutſcher Schiffe zwiſchen auftralifchen Häfen, einschließlich der Häfen der Südſee-Inſeln, daß an diefer Steigerung die deutjche Nhederei gleichfall3 profitiert. Solche Fahrten zwischen den auftralifchen und Südſee— Häfen werden teils auf Rechnung deutjcher, teils anderer

Firmen gemacht und hat ihre Zahl fich im lebten Jahr— zehnt ſehr vergrößert. und Südſee-Häfen im

Maſchinen aller Art, Zement, Zigarren, Mobilien, Leder: waren u. ſ. w. Hu diefen Zahlen kann man die der Neich3-HandelsStatiftif fügen, welche folgendes Bild aufrollen, wobei nicht

Ba

Fahre.

ES reiften zwiſchen auftralifchen

Mit Yadung: Schiffe Reg.Tons.

In Ballaft: Schiffe. Reg.Tons.

1877

46

18,128

15

5772

1878

40

16,811

18,

6805

zu vergeſſen it, daß in den Hamburger und Bremer Zahlen ein Teil derfelben enthalten ift. Es betrug der Wert der

1879

128

29,318

23

1880

58

15,055

16

1339

Einfuhr aus Auftralien und den Südſee-Häſen nach dem

1881

43

39,586

11

4451

1882

76

67,185

34

16,319

Deutſchen Reiche im Jahre 1880 7,807,000 Mk., im Jahre 1881 5,666,000 Mk., im Jahre 1882 3,535,000 ME., der Wert dev Ausfuhr dagegen im Jahre 1880 1,824,000 ME, im Jahre 1881

3,324,000

ME, im Sahre 1882 6,922,000

Mark.

Wie unvollfommen diefe Zahlen auch fein mögen — fie bleiben vermutlich hinter der Wirklichkeit zuruck — fo können fie uns doch das Eine beiveifen, daß unfer Sandel nad Auftralien und der Südſee in auffteigender Linie begriffen ift. Es ift Thatfache, dak der Konfum von Waren deutscher Provenienz in Auftralien viel größer ift, als er nach diefen Handelsausweiſen erfcheint; denn unfere Sabrifanten ſetzen viel über England ab und die deutfchen

—— is

9438

Sind auch alle diefe Erfolge bejcheiden, denn was tollen die genannten Summen gegen unfere Geſamtumſätze bei der Einfuhr und Ausfuhr, je 3100 bis 3200 Millionen

Mark jagen, fo lehren fie uns doch eine Abſatz- und Be: zugsquelle kennen, die nicht vernachläffigt werden ſollte. Diefelbe zu erweitern und auszubehnen, muß daher unfer Beitreben fein, dem wir uns um fo eher hingeben können,

als die Negierung dem Handel ihre Unterftügung nicht verfagt. Die Kriegsschiffe, die dahin geſchickt werden, tragen dazu bei, das gute Anfehen, welches das Deutjch1 Die Hleineren Ziffern geben die in den Hauptzahlen enthaltenen Zahlen der Dampfſchiffe an.

123

Deutſchlands Handel in Ozeanien und Auftralien.

tum ſich in der Südfee erivorben hat, aufrecht zu erhalten. Für jede Beeinträchtigung und Benachteiligung deutfcher Neichsangeböriger kann mit entjprechendem Nachdrud Ge— nugthuung verlangt werden. Der Abſchluß von Freunde

ſchafts- und Handelsverträgen

mit den Snfularmächten,

der Ankauf von Häfen, die Errichtung von Kohlenftationen find weitere Förderungen, die gewiſſe Mittelpunfte jchaffen, jo daß den Deutjchen, die in die Südfee fommen, von vornherein freundliche Aufnahme zugefichert fcheint.

Noch nicht ausgeführt, obwohl von wefentlicher Bez deutung, iſt die Subventionierung von Dampferlinien dur) die Negierung. Da in diefen Gegenden der Verfehr nod) verhältnismäßig geringen Umfanges ift, fo fann die pris vate Konkurrenz gegen die Engländer, die ſich des Trans: ports von Gütern und PVerfonen bemächtigt haben, nur ſchwer auffommen. Die englifhen Schiffe transportieren zu niedrigeren Breifen und deutſche Snduftrielle und Fabri— fanten benußen das gern. Würden unfere Dampfſchiff— fahrts =Gefellichaften von der Negierung unterftüßt, fo könnten fie gleichfalls in ihren Breifen herabgeben, die übrigens auch jest nicht hoch find — die Deutfche Blantagen-Gefellihaft 3.8. erhebt 25 Mark für eine Tonne — deren Herabſetzung aber doch gelegentlich um den Engländern erfolgreich begegnen zu können notivendig werden kann. Cine Subvention ermöglicht e8 ferner neue Linien in Angriff zu nehmen, die jeßt wegen mangelnder Ausficht auf lohnenden Erfolg nicht befahren werden. Eine ſolche Yinie wäre z. B. von Hamburg nad) Apia in’s Leben zu rufen, entweder über Melbourne oder Sydney, oder über Kooktown und Brisbane, Beide Linien würden die Tongas, Fidſchi-Inſeln und Neukaledonien zu berühren haben. An einen Gewinn wäre dabei faum zu denken, aber vermutlich würden regelmäßig da verfehrende Dampfer den deutjchen Handel von der englifchen Konkurrenz unab— hängig machen, und in den langfamen Gang der dortigen Sejchäfte würde mehr Leben gebracht werden. Mehr Pro— duzenten aus Deutjchland könnten ihre Fabrikate fenden, der zeitweilige Bedarf, jede Aenderung des Geſchmacks, dem ſie ſich anpafjen jollen, beifer beurteilt werden. Das gleiche Näfonnement würde für eine DampferVerbindung von Hamburg nad den Häfen von Queens: land pafjen. Die neuen jüngft eröffneten Linien, welche von Hamburg nad Adelaide, Melbourne, Sydney führen, fommen der Kolonie Queensland nicht zu gute. Gegen: wärtig gehen nach den Berechnungen deutfcher Kaufleute

deutjche Waren über London und von dort mit englifchen Schiffen nach Brisbane mwohlfeiler,

als mit den deutſchen

Dampfern von Hamburg über Sydney nach Brisbane. Dieſen engliſchen Dampfern aber könnte nur mit Hilfe von Subventionen Konkurrenz gemacht werden, denn erſtens ſind ſie ſelbſt ſubventioniert und zweitens haben ſie die Beförderung der auf Koſten der queensländiſchen Regier—

ung erfolgenden Auswanderer-Transporte.

der Kolonie

Queensland,

Die Rohſtoffe

Nutz- und Lurushölzer,

Talg,

Merinowolle würde Deutjchland trefflih brauchen, anderer:

jeitS feine eigenen Artikel dort jehr gut abjegen fünnen. Es it Thatjache, daß unfere Induſtrie in faſt allen Gegen— jtänden, welche

überhaupt

aus Europa

bezogen iverden,

leistungsfähig it und mit den Erzeugniſſen von England und Frankreich wetteifern fann.

Wenn daher auch gegen-

wärtig bei der nicht dichten Bevölkerung Queenslands die Nachfrage

nah

europäischen Produkten

noch nicht jehr

lebhaft ijt, jo ändert ſich das in abjehbarer Zeit ohne Zweifel. Haben die Engländer aber mittlerweile feiten Fuß gefaßt, jo iſt fie aus ihren Vorteilen zu vertreiben jeden: falls viel fchiwieriger als fich zu bemühen, von vornherein

mit ihnen Schritt zu halten.

Strumpfgarn, Tuch, Bier,

Zement, Draht, Pianos, Mafchinen, Droguen, Zigarren u. ſ. w., das find Artikel, auf deren Abſatz dort gerechnet werden kann. Selbſtverſtändlich iſt mit Beſchaffung von Schiffs— gelegenheiten noch nicht die Einführung der Waren jelbit geordnet. Die Hauptjache bleibt immer noch zu thun übrig,

und das fann nur die Privatinitiative, d.h. der Kaufmann. Wie das am beiten eingerichtet werden muß, an diejer Stelle auseinanderzufeßen, würde zu weit führen. Es gab eine Zeit, wo vielfach über unfere Erporteure und Fabri— fanten geflagt wurde; fte follten die Gewohnheit haben, die Beltellung nicht probenmäßig zu liefern, die Waren ſchlecht zu verpaden, jo daß fie beſchädigt am Beſtimmungs—

&

orte eintreffen, e3 an äußerer Ausjtattung fehlen zu laſſen und dergleichen mehr. Drahtfendungen 3. B. nad) Auftralien wurden nicht gehörig geölt und famen infolgedefjen ver: vojtet an. In einzelnen Fällen wurden Statt der verlangten

Garnnummern andere gefandt. Glüdlicherweife find dieſe Klagen allmählich verftummt und fcheint fich alles gebefjert zu haben. Es würde aber hieraus ein erfter Punkt folgen, auf welchen unjer Kaufmanns: und Fabrifantenftand feine Aufmerkſamkeit richten muß. Was einen zweiten Punkt anlangt, nämlich die Ver:

größerung des Abſatzes und Einführung neuer Konſumtions— artitel, jo zeigen ſich verfchiedene Wege,

werden fünnen.

die eingefchlagen

Konfignations-Sendungen haben ihr Miß—

liches und rechtfertigen

fich nicht in allen Fällen.

Wer

nicht an die vechten Agenten fommt, macht leicht trübe Erfahrungen. Da wird nicht mit der gehörigen Diskretion borgegangen ; man nimmt Spottpreife; geht ein Artikel nicht, jo verliert der Abfender den Mut, während e3 fich vielleicht nur um eine Sendung fehwer verfäuflicher Gegen:

fände handelt, die beffer ganz unterblieben wäre. Der andere Modus, einen eigenen Neifenden in die zu erobernden Gebiete zu entjenden, um die Bedürfnisfrage an Ort und

Stelle zu ftudieren, ift mit großen Koſten verfnüpft, felbft wenn mehrere Gefchäfte fich zufammenthun.

Es muß daher

jeder Erporteur im einzelnen Falle zufehen, wie er fih am zweckmäßigſten einrichtet. Wiederum fann hier die Staats: vegierung dem Kaufmann

zu Hilfe fommen —

durd Er:

richtung eines Handelamufeums, in welchem Mufterproben

j

i

Die Studien Whitney's über die Eiszeit und Elimatifche Veränderungen.

derjenigen Gegenjtände

ausgeftellt werden, die beftimmte

Länder lebhaft und in einer gewiſſen Form verlangen. Da fann dann jeder, den es zu Exrport-Unternehmungen drängt,

ih Rat erholen, ob der Artikel, den er ins Auge gefaht hat, Gewinn verfpricht oder nicht. Sieht man das Fazit aus all’ dem Mitgeteilten, fo läßt fich nicht leugnen, daß der deutsche Kaufmann unter

ungünftigen Verhältniffen

und

auf Gewinn

in der Südſee

begann.

den Handel

mit geringen Aussichten und Auftralien

Daß e3 ihm gelungen ift, denfelben mit Erfolg

fortzufegen, ſetzt feine Fähigkeit zu derartigen Folonifatoriſchen Unternehmungen ins befte Licht. Und fo darf man

der Ueberzeugung Naum geben, daß wir für die Zukunft noch mehr davon erhoffen fünnen.

129

Es herrſcht fein Zweifel darüber, daß im Laufe der geologiſchen Epochen das Klima ftetem Wechfel unterworfen war und ununterbrochen unterworfen ift. Man war fi) klar, daß diefer Wechfel langſam, graduell, von ftatten gehe und es wurde deshalb die Eiszeit als Abnormität betrachtet, als

eine Ausnahme des Geſetzes, daß die Erde allmählich abkühle und zulegt am Ende der Zeiten die Kälteperiode fid) einftellen werde. Nun erfolgte aber, anfcheinend höchſt abnorm, auf eine ziemlich warme Periode eine bedeutende

Abkühlung,

die wieder

einer wärmeren

Epoche weichen

mußte. In vorliegendem Buche macht es ſich der Verfaſſer zur Aufgabe, die Glazialzeit und deren Klima als eine im

Laufe geologiſcher Entwickelungen natürliche Folge zu er— klären.

Schon gleich Eingangs, wenn die einfachen Erkennt— niszeichen glazialer Ablagerungen beſprochen werden, nimmt der Verfaſſer in der vielumſtrittenen Frage, ob Eis erodiert oder konſerviert, entſchieden Stellung gegen die Eiserofion.

Die Studien Whitney's über die Eiszeit und

Der alten Anſchauung vom oberflächlichen Abreiben rauher

klimatifche Deränderungen. Die Publifationen über Gletſcher und Glaziakeit nehmen ihren ununterbrochenen Fortgang und ftatt zu einem bejtimmten Abichluß zu fommen, werden mit immer

tieferen Studien ſtets neue, hochintereffante und hochwich— tige Fragen angeregt. Während ein Teil der Forscher vollauf beichäftigt iſt, bis in das kleinſte Detail die einft

vergleticherten Gebiete zu unterfuchen, werden andere von den bedeutfamiten Fragen über die Urfachen und Wiederholung der Eiszeit tief ergriffen und zu den geiftvollften Unter: juhungen angeregt.

Bor uns liegt ein Werk! defjen Verfaffer fich beftrebt, beiden Seiten gerecht zu werben: eine Fülle von Einzel: beobachtungen reihen fih in ihm aneinander, aber der weitaus größte Teil des Inhaltes ift der Frage des Klima— wechſels, namentlich der Urfache der Eiszeit, gewidmet. Das 400

Foliofeiten

zählende

Werk,

mit hohem Geifte

und

tiefitem Wiſſen ausgeftattet, vechnet zu den beveutenditen Erſcheinungen feiner Art, und wenn foir auch nicht mit allen feinen Ideen und Deduftionen uns einverjtanden und befriedigt erklären fünnen, fo muß man entjchieden der gelehrten und geijtvollen Arbeit hohe Anerkennung zollen. Der beſchränkte Naum legt uns leider die Ver:

pflichtung auf, eine ſehr kurze Beſprechung zu geben, eine kurze Inhaltsangabe nur vorlegen zu können. Die Eiszeit ift nicht der Angelpunkt, um den fich die Gedanfenwelt

des

Berfaffers

bewegt, ſondern

nur

ein

Glied, wenn auch ein bejonders hervorragendes, in der Entwidelung feiner Sdeen, wobei zeitlich und räumlich ein großartiges Weberfichtsfeld, ja die ganze Welt, Gegenftand der Unterfuchung tft. 1 The discussion of North

N

Climatie Changes of lateer geological times: a based on observations made in the Cordilleras America, By J. D. Whitney. Cambridge 1882, Ausland

1884, Nr. 37.

Ihäler, durd) die der Eisftrom zieht, wird dabei natürlic Die Anerkennung nicht verfagt. Daß damit ein energiſcher Standpunkt gegen die Ausſchaufelung der Seen genommen, iſt verſtändlich und in der That kann Whitney nicht einſehen,

wie die Seenverbreitung im allgemeinen und die Seenent— ſtehung im einzelnen irgend einen Konner mit den Ölazialerjheinungen haben fünne. Ihm feheint die Entſtehung eines Sees das Reſultat nicht einer, ſondern einer Kom— bination von Urſachen zu ſein. Formation, Orographie und Klima ſind in erſter Reihe jene Faktoren, welche

Anfang und Ende der Eriftenz eines Sees bedingen. Hentralafrifa wird als ein ausgezeichnetes Beifpiel ans geführt. ziehung lafjenden Gebiete.

Die dortige große Seenzone ift ohne jede Bezur Glazialzeit, ruht in Waſſer nicht durch: Schichten, in einem ergiebig mit Regen gefegneten Wenn auch „die vrographifche Struftur der konti— nentalen Mafje eminent günftig ift zur Formation von Seen, die von Höhenzügen eingerahmt werden”, fo find

wir noch lange nicht über die tieferen Urfachen ihrer Entjtehung ins Neine gefommen. Das große amerikanische Seengebiet vom 42.0 nordwärts bis zum arktifchen Ozean, das fo auffallend mit der fogenannten Drift oder dem Grratifum zufammenfällt, iſt für den Berfaffer nur die Wirfung geologifcher und meteorologifcher Verhältniſſe. Ihre Anlage ift parallel dem Berlaufe des benachbarten

Selfengebirges, ihre Verbreitung die Grenze der ſedimen— tären und der Urgeſteinsformation im Oſten und Nordoften.

Der Lake Superior offupiert eine ſynklinale Depreffion von paläozoiſchen Felfen, entlang der azoifchen Formation.

Lake Huron iſt ähnlich eingebettet, feine nördlichen Ufer find ältere kriſtalliniſche Felſen. Dieſe Verhältniſſe wieder: holen ſich in vielen anderen Fällen. Da ſie ſämtlich in

ſehr hartes Geſtein eingetieft ſind, da ihre Längenaxe in vielen Fällen gegen die Gletſcherbewegung gerichtet iſt, da ihre orographiſchen Gefichtszüge nichts eroſives verraten, 1

730

Die Studien Whituey’s iiber die Eiszeit und klimatiſche Veränderungen.

jo kann ſich dev Verfaſſer auch nicht im entfernteften mit Eiserofion befreunden.

Ihre Beden find alfo geologischen

Urſprungs, und haben durch die Lage in einem Klimagürtel, two die Niederfchläge

die VBerdunftung weit

übertviegen,

auch eine fichere Eriftenz auf unberechenbare Zeit.

Sehr verfchieden von diefen Seen find jene des ſoge— nannten

„Great Basin“.

Diejes war einft eine Negion

großer und zahlreicher Seen.

Allein das Klima hat fich

gewendet, die Waſſeranſammlungen find eingefchrumpft und verſchwunden und in vielen Fällen blieben nichts als

die alfalifchen Ablagerungen im alten Becken zurück. Aber nicht ein Seebecken vermöchte anders als durch orograph— iſche Verhältniſſe bedingt erklärt werden. Diefe Seeareale im großen Stile datieren aus den Epochen, in denen die bewegende und faltende Erdkruſte orograpiſche Situationen ſchuf, welche bei günstiger klimat— iicher Lage Seen zur Entfaltung brachten. Solche Areale irgend einer erodierenden Kraft zuzufchreiben, verbietet ihre

Größe.

Gleich der

Hudfon-Bat und

dem

land können ohne Bergletfcherung diefer Gebiete Schlechter: dings nicht gedeutet werden. Der allgemeine Standpunkt des Autors erlaubt es nicht, in das Detail diejer Frage einzugehen, allein es iſt intereffant, daß auch in Whitney,

einem jo vorzüglichen Kenner rezenter und alter Ber: gletfcherung, ein neuer Zuwachs der Gegnerſchaft der glaztalen Erofion, die vor allem von den öfterreichiichen und ſchweizeriſchen Geologen ſtatieren ift.

repräfentiert wird,

zu kon—

Nach diefen einleitenden und jtellungnehmenden Ber merfungen über Eiserofion und Ursprung der Seen und Fjorde geht der Berfaffer über auf feine Unterfuchungen

der Ölazialverhältniffe in der Sierra Nevada, der pazi— fiſchen Küfte und der Korbilleren im allgemeinen. Wir erfahren, daß Fein Gletſcher den 42.0 erreicht und Fein Gletſcher

ein Thal

der Sierra

Nevada,

troß der reich

lichen Niederfchläge, bedeckt. Die Elimatifchen Verhältniffe geſtatten erjt gegen Norden eine Gletſcherentwickelung.

Mittelmeer

Einzelne Schneefleden erhalten fi) wohl, fommen aber zu

ähneln dieſe Gebiete eingefchloffenen Meeren. Die groß: artige Seezerſtreuung ift durch nachträgliche Austrodinung entſtanden.

feiner glazialen Bedeutung. Am Mount Shaita indes wurden

Da dem Eiſe keine eroſive Kraft beigemeſſen wird, ſo iſt auch die Entſcheidung über die Fjorde gefallen: ſie ſind nur Waſſereroſionen, hervorgerufen durch ergiebige Benetzung der Küſtenlinie und durch eine geeignete Oro— graphie, nämlich ein Hochplateau im Rücken der Küſte mit ſehr ſteilem Abfall zum Meere, wodurch eine energiſche Schluchtenbildung bewirkt wurde. In der phyſikaliſchen Geographie iſt kaum eine Frage in neueſter Zeit ſo ſtark umſtritten, wie jene der Entſteh— ung der Seen. Uns dünkt, daß Whitney nichts dazu bei— getragen hat, dieſelbe einer Löſung entgegenzuführen. Der

Eingangs aufgeftellte Sat, daß Eis nicht erodiere, braucht auf die meiſten angeführten Seen nicht angeivendet zu werden. Es iſt noch niemand beigefallen, die großen Wafjerbeden Afiens und Afrikas, überhaupt alle jene, welche nie mit Öletfchern in Berührung kamen, durd) jolche ausgeſchaufelt fich vorzuftellen. Die Frage der Eroſions— befähigung der Gleticher wird nur dann gelöft, wenn von Seen jene dev eingehendften Unterfuchung unterivorfen werden, welche höchſt verdächtig find, mit dem Gletſcher in Kontakt geſtanden zu ſein und ihm allein ihr Daſein zu verdanken. Wenn man die Für und Wider in dieſer Frage er— wägt, ſo muß man konſtatieren, daß jene Forſcher, welche eine Entſtehung der Seen durch Gletſcher ſich denken, fort und fort Terrain gewinnen; was die Gegner zu Felde

führen, hat neuen Kräftezuwachs faſt nicht erfahren, während gerade durch Pencks ausgezeichnete Unterſuchungen eine Reihe der intereſſanteſten Beobachtungen gemacht wurden, die mit aller Entſchiedenheit für eine glaziale Eroſion der Seen ſprechen. Die alpinen Vorlandsſeen, die Botner in den Mittelgebirgen Deutſchlands, in Norwegen, in Schott:

bereits nicht unbedeutende Hängegletjcher entdeckt, die etwa bei 10,000 F. endigen; Mount Hood, Mount Nainier, die immer weiter nach Norden teifen, find dementiprechend auch immer ſtärker vergletſchert. Vom 49.0 an erſcheinen Gletſcher im Ueberfluß, fie fangen allmählich an, tiefer herunter zu jteigen, um ſchon bei 600 ganz oder nahe an das Meer zu fommen.

Zur Ölazialzeit herrichten Freilich auch tief nad) Süden herein die Gletfcher und

dehnten fich mächtig im Norden

aus. Da war aud die ganze Sierra Nevada, wenn aud) nur in den höchjten Teilen, mit Gletſchern beladen; doch überjehritten die Gletſcher nicht mehr den 36.0, und Kali— fornien bat jomit feine Eiszeit durchlebt, Sacinto, Bernardino, Gabriel 8000 bis 11,000 F. auffteigen und ein beträchtliches Areal einnehmen; ihre Lage ijt bereits zu ſüdlich. In der ſüdlichen Sierra waren die Thäler des

King, San Joaquin und des Tuolumne mit mächtigen Gletſchern verfehen, wovon der Kinggletſcher über 300 O.MI. gemefjen haben muß.

Der Oletjcher im Joaquinthal beſaß

eine Weite von 8 bis 9 e. ML, und war an 1500 %. did, Sehr jorgfältige Unterfuhungen liegen über den Gletſcher des Tuolumnethales vor, deſſen Firnbeden zwifchen Kathedral-Beak, Mount Konneß, Mount Dana und Mount Lyell ein Areal von 16 MI. Länge und 6 bis 10 M. Breite hatte. GStellenweife befaß der Gletſcher 1000 8.

Pr

Mächtigkeit und im Hetch-Hetchy-Kañon find Moränen

abgelagert, welche 1200 F. über dem Flußfpiegel fich er—

heben.

Die Eisausdehnung im Tuolumne-Thale muß auf i |

40 bis 50 MI. Länge und 4 bis 6 MI. Breite geſchätzt

werden.

..

Sp wird der Gletſcher des Merced-Thales bes

ſchrieben, fo die Eisftröme vieler Kañons, welche tiefwurzelnd ihre Mündungen gegen Weſten richten.

Aber auch der Oſten war vergletſchert, doch, wie vor— ausſichtlich,

nicht in ſo intenſiver

Art,

als der Weſten

Die Studien Whitney's über die Eiszeit und klimatiſche Veränderungen.

was

ohne Zweifel

ſeinen

Grund

in den Niederſchlags—

verhältniſſen und der Thalbildung hat. Gegen Norden tritt ein ebenbürtiger Rivale des Tuolumne-Gletſchers im Eisſtrom des Stanislaus auf, es fällt aber ſchwer, in dieſen

Gegenden die entſcheidenden Gletſcherſchliffe aufzufinden, da das ſo häufige Lavamaterial die Streifung allzuleicht verliert. Immerhin vermag man die Abſchmelzungszone jener Gegend auf 2000 F. über dem Meere anzugeben. Doch blieb der Gletſcher am öſtlichen Abhang ungleich höher ſtehen. So fand man Spuren früherer Vergletſcherung nahe bei Silver Mountain City 6516 F. über dem Meere; wahr: ſcheinlich

ſtieg er noch etwas

tiefer, aber

die glazialen

Reſte find nicht genügend deutlich; doch kann in anderen Thälern werden.

der Gletscher

5081 F. hoch ficher nachgewieſen

Es iſt unmöglich, auch nur einigermaßen eine Ueber—

751

den Flüſſen Spricht, kann unferen Beifall nicht erringen, Die großen Kanäle der Flüffe find keineswegs Zeichen dafür, daß einſtens eine, das große Thal ganz oder größten— teils ausfüllende Waſſermaſſe darin floß, die nun zu einem

geringen Bruchteile ſich verringerte. Der Größe des Thales, insbeſondere ſeiner Ausweitung, können die mannigfaltigſten

Urſachen zu Grunde liegen, wenn auch einſtens eine ſtetige oder nur vorübergehende Waſſerfülle nicht ohne Einfluß auf die Größe und Tiefe des Thales geweſen ſein mag. Die Flüſſe ſind ein ſchlechter und höchſt unſicherer Maß—

ſtab dafür, daß ihr Waſſer weniger wird. iſt dies ungleich

An den Seen

leichter erfenntlich, in dem Maße mehr,

als das ſtehende Waſſer vollftändig abgetrennt, abgedämmt, vom menſchlichen Einfluffe unberührt, nur den austrodnenden Winden allein ausgefegt ift. Sicher gehören die großen Seen Bentralafiens, die Seen im Weften von Nord:

ſicht über die reiche Menge des geſammelten Materials zu

amerifa und darunter namentlich das Areal des großen

vergletſchert waren, daß im Südpark,

Salzjees. Man fieht dort unzweifelhaft die Anzeichen eines einft größeren Wafferftandes, deffen Spuren 200 F. über

geben.

Erwähnen wollen wir, daß die Rocky Mountains

namentlich deutlich

erkenntlich in den oberen Arkanſasquellen, Gletſcher bis 9000

und 8000 F. herabſtiegen. Ueberall ift eine Mittelerhebung von über 10,000 F. nötig. Die Black Hills, welche im Hanneys-Peak 9700 F. erreichen, waren nicht vergletſchert.

Man kann ſagen: Kalifornien, das Great Basin und die Rocky Mountains bis zur Quelle des Miffouri waren in ihren höchften Partien, aber nur in diefen, mit Gletſchern bedeckt, die eine Entwickelung nahmen ähnlich der Größe

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der heutigen alpinen Gletſcher.

Südlich des 36,0 hat bis heute noch feine glaziale Spur entdeckt werden können. Die Höhenfpiten zwischen Mount Hood und Mount Pitt waren einftens vergletfchert,

wenn auch infolge orographifcher Verhältniffe nicht be: deutend, Merkwürdig ift, daß die Rocky Mountains nördlich vom 49.0 weder regente Gletfcher, noch frühere Glazial— ſpuren bisher aufweiſen. Die Quellen des Kolumbia und Fraſerriver ſind ohne Gletſcherrücklaß, ebenſo konnte, trotz

der ſorgfältigſten Unterſuchung, in Alaska keine Spur einſtiger Vergletſcherung aufgefunden werden; Vankouver— Island hingegen hat glaziale Ablagerungen, die aber Whitney mehr als durch Eisberge, denn durch Gletſcher transportiert erklären will,

Nach diefen eingehenden Darlegungen tritt der Verfaſſer in die eigentliche Unterfuchung des klimatiſchen Wechfels, in die Unterfuchung der ununterbrochenen Austrocdnung der Ervoberfläche ein. Diefe äußert fih in erſter Linie in der unmerflichen, aber fteten Abnahme der fließenden

und jtehenden Waſſer. Die Frage über die Abnahme des Waſſers ift eine fo hochwichtige, daß man dem Autor zum Danfe verpflichtet ift, wenn er wiederholt darauf hinweist und eine veichliche Menge von Thatfachen vorführt, tvelche die Abnahme des Waſſers, d. h. die Austrodnung der Kontinente, beweifen ſollen. Die etwaige Abnahme ift leichter an den Seen, denn an den Flüſſen nachzuweisen.

Was Whitney über die Merkmale der Wafjerabnahme in

dem jetzigen Wafferfpiegel

zu finden find.

Wenn diefe

Beobachtung richtig ift, fo muß einftens ein weiter Binnenjee von Hunderten von Meilen fich ausgedehnt haben, ins— befonders aber dann, wenn eine Terraffe von fogar 800 8. über dem Spiegel richtig als Seeterraffe gedeutet wird.

Die Depreffion, die ſich vom Kalifornifchen Bufen einwärts 40 MI. und mehr erſtreckt, erweiſt ſich als einſtiges Meeresbecken, das noch heute da und dort mit brakiſchem Waſſer gefüllt iſt. Anſcheinend durch den Kolo—

rado, aber wahrſcheinlicher durch eine aktuelle Erhebung abgetrennt, iſt dieſes vertrocknende Becken ein Zeugnis dafür, daß ſeit ſeiner Abſchnürung eine bedeutende Waſſer— menge verloren gegangen iſt. Aehnliche Depreſſionen ſind nördlich der Bernardina Rang mit 30,000 Q.-Ml., das

Delath Valley mit 40 Ml. Länge, 12 Ml. Breite und einer Tiefe von 100 bis 200 3%. unter dem Meeresfpiegel. Die Abnahme des MWaffers vermag am Mono Lake und Walker Lake, die früher zufammenhingen, jehr an— ihaulich nachgewiefen zu werden. Erſterer hat 600 F. über dem jeßigen Seefpiegel Sandbänke, ebenfo der Walter Lake. Me. ©. K. Gilbert hat in eingehender Weife Studien über Verminderung des Waffers im Areale des Great Bafın gemacht. Sonach hatte der Lake Bonneville eine Aus— Dehnung von 420 bis 370 30%; der 113.0 w. L. vepräfenttert ungefähr die Mitte des großen Bedens, deſſen meftöftliche

Ausdehnung 180 MI. beträgt, die ſüdweſtliche aber 300 MI, Nachweisbar ging graduell eine Wafferfäule von 1000 F. verloren. Der See Lohanton war gleichfalls ausgedehnt vom 41.0 30° bis ſüdlich 370 30° und Schloß in fich den Walker, Karfonz, Humboldt:, Winnemuka-Lake. Seine

allgemeinen Umriffe waren

irregulär, das DBeden jelbjt

derart ausgezeichnet durch hoch über das Waſſer ragende Inſeln und Halbinfeln, daß die ganze Erde ein zweites,

ähnliches Baſſin nicht twieder aufzumeifen hat. Das Areal zwiſchen beiden großen Seen war von unzähligen Fleineren

192

Die Studien Whitney's tiber die Eiszeit und klimatiſche Veränderungen,

bedeckt, von denen die meisten ganz ifoliert, ganz ſchmal, andere unter fich aber durch Flüffe verbunden und fait

immer

mit ſehr komplizierten Umrifjen

verfehen waren.

Diefe Negion barg Seen von der Größe der heutigen fanadifchen— aber nunmehr ift das ganze Terrain außer:

ordentlich Dürr.

Nur der allergeringjte Teil der früheren

Wafjerfläche ift heute noch mit Seen beftanden, die nun— mehr falziges Waffer enthalten. Dasjelbe Beweismatertal liefert Britiſch-Kolumbia, das einftens nochmal joviel Waſſer befeffen haben joll, al3 gegenwärtig. Die ganze Region der Kordilleren war früher in klimatiſch günftigerer Zeit durch die orographifchen Ber: hältnifje ehr zur Seenbildung geneigt. In einem großen plateauähnlichen Areale, das von zahlreichen Barallelfetten durchzogen ift, vermochte fich leicht eine enorme Fülle von Seen zu entwideln, die nun freilic) zum größtenteile verſchwunden find, E3 find zwei ganz hervorragende Faktoren, die mit der Verminderung des Wafjers in Beziehung ftehen, einmal die Drographie, dann der Flimatifche Einfluß, der mehr oder minder vom vrographifchen abbängt. E3 ift zu erwägen, daß jeder orographiſche Faktor in feiner Ver: änderung auch einen Wechjel des Klimas nach fich zieht. Bei immer größerer Erhebung müfjen die Winde fi) ändern, die Niederfchläge verfchieden werden. Für die Austrock— nung de3 Great Bafın kann nur eine Elimatifche Veränderung im großen Stile verantiortlich gemacht werden. Die einft fo

gropartige Wafferanfammlung zwiſchen der Sierra Nevada und dem Felſengebirge datiert nach den vorhandenen Leitfof-

ſilien in die tertiäre Zeit zurück. Eswar ein altes Meeres: beden, das austrodnete und zulegt in Schtwärme von Seen ſich auflöfte, um deſto rafcher von den trodenen Winden auf: gezehrt zu werden.

Austrodnung,

Wahrlich ein großartiges Beispiel von

das aber nicht allein in der Welt fteht,

jondern dem man in Afien ebenbürtige Territorien zur Seite zu stellen vermag; man braudt nur zu erinnern, daß Perſien, Tibet, Turfejtan einftens mit ungleich größerer Waffermenge ausgeftattet waren, als gegenwärtig. Was it Urfache folden namentlich für Afien fo ver: bängnisvollen Wafjerverluftes? In zahlreichen Merken wird die allmähliche Austrocdnung lofalen Urfachen, namentLich der Abholzung von Wäldern zugefchrieben, wobei faft immer als klaſſiſches Beifpiel Italien, Spanien, Griechen: land zitiert tverden. Whitney, der mit feinem Beobachtungs—

matertale die ganze Welt umfaßt, nimmt von vornherein einen allgemeinen Standpunft ein, der ihn keineswegs verleitet, in verhältnismäßig unbedeutender Urſache ſo außerordentliche Wirkung wieder zu erkennen. Nicht ein— mal die Ausbreitung und das Verſchwinden der Gletſcher

iſt ihm von weſentlichem

Einfluſſe auf die Vermehrung

oder Verminderung der Waſſer, da die Verbreitung der Gletſcher eine beſchränkte war, beſchränkt in den Einzel— gebieten, beſchränkt namentlich im Verhältnis zur ganzen Erde. Die Austrocknung aber macht ſich allerorten gel:

tend.

Noch weniger fünnen

Wälderdiſtrikte

für folchen

Einfluß verantwortlich) gemacht werden. Hat der Wald wirklich feinen Einfluß auf Produktion und Zerftreuung von Negenmengen? Wie fann ein inneres Verhältnis von

Regen und Wald eriviefen werben? Klar ift, daß extreme Kälte und extreme Trockenheit zweifellos ihren Ausprud in der Begetationslofigfeit finden,

jowohl nad) der Höhe über dem Meere, al3 nach höheren Breiten zu. Es kann der Wald nun einmal ohne Negen nicht entjtehen und gedeihen, allein die Negenmenge, die dem Walde zugute fommt, variiert bedeutend. Es gibt

reiche Wälder bet 100%, nicht weniger dichte aber auch bei 20%,

Außer

Trodenheit

und Kälte vermag

beichaffenheit den Wald zu verhindern.

die Boden:

Es können große

Areale baumlos fein, troß ausreichender Temperatur und

Negenmenge, wie es im Miffiffippithal vorfommt.

Prüft

man dort den wälderlofen Boden, jo hat man es mit einer außerordentlich feinen Tertur zu thun, jo fein, daß, wie

Whitney erwähnt, die Werkzeuge, die den Boden bearbeiz ten, jtatt von ihm angegriffen, poliert werden. Da aber da und dort günftigere Bodenverhältniffe auftreten, fo kommt e3, daß mitten in ausgebehnter, baumlofer Dede ein einfamer Hain fteht, der der Landſchaft einen fo eigen: tümlichen Reiz verleiht. Amerifanifche Publikationen haben

num dargethan, daß troß des Waldmangels reichlicher und regelmäßiger Negen fällt. In der weſtlichen Nachbarſchaft,

in Saltfornien, gedeihen troß höchſt unregelmäßiger Regen und ungleicher Negenzerftreuung herrliche und bochberühmte Wilder. Daraus erhellt klar, dab Wald und Regen feines: wegs in jo innigem Kontakte ſtehen, als man ftets an— nimmt; in den Prärien vermag der Negen feinen Wald

herborzuzaubern, in Kalifornien der Wald feinen regel mäßig zerjtreuten Negen. Wenn nun der Wald vor allem von der lofalen Natur abhängig ift, er ſelbſt aber feinen Einfluß auf klimatiſchen Wechfel hat, fondern umgefehrt,

das Klima ihm beeinflußt, jo kann nicht daran gedacht werden, dem Menfchen zuzufchreiben, durch Zerftörung von Wäldern

eine

Elimatifche

Veränderung

herbeizuführen.

Es kann aber im Ernte nicht davon gefprochen werden, die aftatiichen und amerifanifchen Austrodinungsgebiete der Zerſtörung von Wäldern duch Menfchenhand zuzufchreiben, umjoiweniger,

als die Austrodnung

der Kontinente und

ihr Einfluß auf die Wälder lange vor dem Auftreten des Menſchen nachweisbar von ftatten ging. Wenn der Ver: fafjer die viel zitierten Beifpiele der Mittelmeerländer, die ja vor allem Zeugnis für den menfchlichen Einfluß auf das Klima fein follen, erwähnt,

und dabei Zweifel begt,

ob die Waldbedeckung im Altertum reicher als gegenwärtig geweſen ſei, jo hat diefer Verdacht wirklich Grund, denn wenigjtens für Stalien vermag Niffen in jeinem neueften Werke nicht zu bemweifen, daß es zur antiken Zeit ftärker mit Wald bededt var. Angenommen fogar, daß dem that ſächlich ſo geweſen fei, fo iſt noch lange nicht eriviefen,

daß mit der Devaftation ein Klimawechſel fich einftellte,

Die Studien Whitney's iiber die Eiszeit und klimatiſche Beränderungen.

Die Bai von San Franzisfo wurde in den lebten Sahren mit rapider Schnelligkeit enttwaldet, ohne daß eine Min: derung des Regens oder gar ein Klimawechſel nachweis-

bar wäre. Befonderes Licht wirft auf die fragliche Sache die Entwaldung von Neuengland, das vor Furzer Zeit noch ſtark bewaldet war,

bis vor etiva 250 Sahren die

Feſtſetzung der Weißen begann. Nicht blos Neuengland, auch Maffachufetts, Rhode Island, Konnektifut, der fühliche Teil von Vermont und Neuhampſhire, im ganzen gegen 25,000 DM, waren vorzüglich betvaldet. Aber es wurde diefer Mälderfülle

derart zugefeßt, namentlich in den lebten 50 Sahren, daß Profefjor Breivers Waldfarte nur mehr eine ganz geringe Waldbededung erkennen läßt; und doch vermag die Sta— tiftit der Negenmenge, die in zahlreichen Stationen ſorg— fältigjt

gemefjen wird, feine Abnahme des Negenfalles nachzuweiſen, ja feit 1835 fogar eine Zunahme,

Whitney geht auch auf die Frage ein, ob etwa in der jogenannten Eiszeit die Urfache der Waffervermehrung in dem Augenblide, da jene begann, und die Urfache der Wafjerverminderung in dem Augenblide, da fie verſchwand,

zu ſuchen fei? Bisher war man namentlich in Amerika der Meinung, daß der Hochſtand der Seen als eine Folge der Olazial: zeit, dev Gletſcherſchmelze anzufehen ſei. Allein Whitney weit die angenommenen Beziehungen als unrichtig nach

und hebt hervor, daß die Größe der Seen und der Flüffe über die Eiszeit hinaufragt, daß ihre Wafferfülle älter als die Eiszeit ift; fohin begann die Verminderung des Waffers vor der Glazialzeit. find die fprechendften

waren

im

Beſitze

Südamerika und namentlich Afien Beweiſe hiefür; denn gerade dieſe

großartiger

Waſſerbedeckungen

Glazialzeit; dort iſt die Austrocknung

ohne

am ſtärkſten mani—

feſtiert, ohne daß Gletſcher zu ſchwinden brauchten, da ſolche nahezu gänzlich fehlten. Aehnlich ſind die Ablagerungen in der Sierra Nevada die ſicherſten Beweife dafür, daß lange vor der Eiszeit die

Austrodnung begann.

Darüber kann fein Zweifel herr—

Ihen, daß die Austrodnung

gleich einem Rückgange der

Niederfchläge zu erachten ift. Diefe aber hängen ab von der Konfiguration, Größe und Lage eines Kontinents, Niederfchläge find das indirefte Nefultat der VBerdunftung,

und die Menge von Waſſer fällt, ift gänzlich abhängig oder jtehenden Wafjers bei Sonnenhitze. Die Zunahme

und Schnee, welche alljährlich von der Größe des rinnenden entiprechender Einwirkung der der Verdunftung ift abhängig

don der Zunahme der Temperatur, daher die allgemeine Regel, daß mit der Annäherung an die wärmere Negion

auch die Niederfchlagsinengen wachen. Das

Studium

der Negenfarte

ergibt, daß die Ver:

199

betrachten; was an ftehenden oder fließenden Waſſern noch vorhanden iſt, iſt unbeträchtlich im Vergleich zu den fie umgebenden Landmaſſen. Je größer der Ozean und die ihn beeinfluffende Temperatur, deſto reicher wird das im Winde gelegene angrenzende Territorium mit Waffer ge:

tränkt werden. So ftehen Lande und Wafferausdehnung und Klima in jteter Wechſelwirkung. Wenn nun Ießteres fortwährender Veränderung unterivorfen ift, fo liegt es jehr nahe, hiefür die Veränderlichfeit der Kontinente ver: antwortlich zu machen, und die nächite Frage ift daher: haben die Kontinente fich verändert, find fie größer oder einer geworden? Eine exakte Anttvort kann ſchwer darauf gegeben tverden, allein man darf ziveifellos annehmen, daß die Lehren der Geologie eine Zunahme des Landes befunden, und mit dem Wachstum des Kontinents mußte natürlich der Negenanteil für das einzelne Gebiet fich ver:

mindern.

Dana

in feinem Manual

of Geology, 1863,

legt Klar, daß die Kontinente und Ozeane in frühefter Zeit ihre Form erhielten, namentlich ift die frühere Ent: wickelung der Außenfeite für Nordamerifa mit hoher Wahr: Icheinlichfeit nachzumeifen. Diefelbe Meinung hegt man von den großen Meeren, deren Rand- und Bedenbildung gleichfalls in die ältefte Zeit zurücverlegt tvird. Gerade die merkivürdige, parallele Faltung der amerifanifchen Ge: birge in ganz außerorbentlicher Ausdehnung nad) Nord und Süd tft der untrüglichite Beweis, daß der Nand des Großen Ozeans und des Kontinents feit unendlich langer Zeit derfelbe war wie gegenwärtig. Wenn alfo die Meere allmählich an Terrain gewannen, fo mußte fich im gleichen Verhältnis die Austrodnung der Kontinente vollzogen haben und noch vollziehen. Der Ausdruck „geologifches Klima” wurde vielfach als ein zu enger, insbeſondere auf die Eiszeit bafierender, ge: dacht und dabei versichert, daß ein neuer Wechfel eintrat, als die Gletſcher verſchvanden. Whitney nimmt einen allgemein geologischen Standpunkt ein und frägt, ob ein Abnehmen der Wärme feit langer Zeit zu beobachten ift. Ein vorzüglicher Beweis ſoll in erfter Linie durch die inftrumen: tale Beobachtung gebracht werden; allein welch' kurze Spanne Zeit umfaſſen diefe Unterfuchungen!

E3 gibt eine große Zahl von Beobachtungen, welche von 100

Jahren

ber datieren und wobei man erjt nach

Jahrzehnten einfah, daß durch die mangelhaften Inſtru— mente fich Fehler einfchlichen, die das ganze Beobachtungs— material zu nichte machten. Und, darf man fragen, tt man heute ſchon ficher, daß wirklich die wahren Berhält:

nie, die thatfächlichen Prozeſſe der Natur durch unfere Snftrumente ung völlig richtig angezeigt werden? Die früheren Fehler find derart, daß Arago nachweiſt, es ſei das Gegenteil von dem beobachtet worden, was thatjäcdı-

teilung des Negens eine fehr unvegelmäßige ift, da ein-

lih vorhanden

jelne Partien

oft

die heutigen Instrumente befisen vielfach unfehlbare Kon:

Monate lang nicht mit Negen bedacht find. Der Ozean iſt natürlich in allererfter Linie als die Negenquelle zu

jtruftion, uns die leife vorüberziehenden Wandlungen der Natur auf das Exakteſte anzuzeigen, fo kann es nie einem

der Erdoberfläche

übermäßig,

andere

war und vorging.

Angenommen

fogar,

194

Die Studien Whitney's über die Eiszeit und klimatiſche Veränderungen.

itrengen Beobachter einfallen, auf Grund der zeitlich jo engbegrenzten Wahrnehmungen und Erfahrungen Schlüffe von hohem, wiſſenſchaftlichem Werte darauf zu bauen. Aelter als die Beobachtungen, die mit Inftrumenten

gemacht werden, find die Traditionen und gewiffenhaften Aufzeichnungen der alten Völker. Whitney zieht die häufig jagenhaften Ueberlieferungen jehr in Zweifel; ex fieht nicht in der allgemeinen Zunahme der Wärme, fondern in der allgemeinen Abnahme des Wafjers die Urfache der zu: nehmenden Untvirtlichfeit. Beifpielsiveife ijt ihm die Sa— hara nicht der Ausdrud großer Hiße, ſondern nur ertremer

Whitney ift ſich vollfommen Klar darüber, daß feit diefen Zeiten bis heute ununterbrochen, aber unmerflich, die Temperatur ſchwindet, die Austrocdnung der Kontinente

zunimmt.

In diefem Sinne war auch die Eiszeit feine

ivreguläre Erſcheinung, ſondern nur das Refultat befonz derer obwaltender Umſtände. J Man hat ſie zu einer ſelbſtändigen klimatiſchen Epoche

geſtempelt und

ihr zu liebe wurde

die Erdachſe einem

Wechſel unterworfen; man ſtellte die Hypotheſe auf, daß unſer Sonnenſyſtem von Zeit zu Zeit durch kältere Nee

gionen fich beivege, aber alles diefes ift geologifch nicht

Waſſerloſigkeit.

nachweisbar;

In der Pflanzengeographie glaubte man das ſichere Erkennungszeichen dafür gefunden zu haben, daß wenn nicht das Klima ſtabil geblieben, keineswegs ein Rückgang, ſondern eine Erhöhung der Wärme eintrat. Der Verfaſſer weiſt nach, daß auch dieſe Beobachtungen teilweiſe unrichtig, teilweiſe mangelhaft ſind und keinen ſicheren Schluß er— lauben. Wenn nun, wie eben angedeutet, durch die De— ſtruierung der Wälder keineswegs eine klimatiſche Ver— änderung erzielt wird, ſokann man dem Menſchen, der vielfach der Urheber der Walddevaſtation ift, feinen Ein— fluß auf Veränderung des Klimas zuſchreiben. Dieſe wird hervorgerufen durch graduelle Austrocknung des Landes.

andauernden Zwiſchenepochen kann geologifch nicht beftätigt

Dieſe Austrocknung iſt in der tertiären Periode nach— weisbar; von den vielen Lokalitäten der Erde weiſt ins— beſondere auch die Sierra Nevada auf ein einſt wärmeres Klima, als heute beſteht, hin. Nichts aber kann ſo ſehr den Wechſel des Klimas beweiſen, als das Studium des polaren Bodens. So ſagt Kapitän Nares: Die Erde hatte in früherer Zeit über große Gebiete hin dieſelben Genera,

ſo daß das Klima auf große Strecken hin als gleichmäßig betrachtet werden muß. Immergrüne Bäume gediehen ſo— wohl am Nordpol als in den Vogeſen; die Felſen von Grinellland ſind reichlichſt ausgeſtattet mit Korallen, Ze— phalopoden, und die Geologen der Nares-Erpedition be— merfen hiezu, daß, wenn auch die Korallen eine wunder: bare Befähigung zur Anpaffung verfchiedener Klimata haben, es doch zweifellos ift, daß man bei den erwähnten Ablagerungen nie gleichmäßig warmes, feuchtes Klima über große Gebiete der Erde hin ſich denfen muß, Hieher gehören namentlich die ausgezeichneten Forſch⸗

ungen Oswald Heers in der: Flora fossilis arctica, wo im ganzen Werke nur der eine Gedanke unumftößlich bewieſen wird, daß Grönland, daß die arktifchen Länder im all: gemeinen in tertiärer Zeit fi) eines milden, ja warmen Klimas erfreuten. Dabei muß aber hervorgehoben werden, daß das Klima nicht in ununterbrochener Art ſich äußerte, ſondern wie heute einem Wechſel von Jahreszeiten unter— worfen war, wie Saporta an den Jahresringen der Koni— ferenſtämme nachzuweiſen vermag. Nicht minder intereſſant

iſt die Thatſache, daß während der Miozänzeit Kälte, Eis und Schnee bereits zunahmen, namentlich iſt auch die graduelle

Abkühlung

duch

die ganze

Pliozänzeit bemerkenswert.

eine Wiederholung

der Eiszeit nach lang

erden, Die Geologie in ihren heutigen Nefultaten legt dar, daß die Wärmeabnahme eine allmähliche, graduelle war und nirgends zu erkennen gibt, daß abnorme Er: ſcheinungen auftauchten und wieder verfchwanden. Whitney hofft den Beweis zu erbringen, daß die Eiszeit eine voll: fommen gejeßliche Erfcheinung in der Gefchichte der Erde iſt und zu ihrer Erklärung der aftronomifchen Unterftügung entbehren kann. Es ſei uns. erlaffen, dem Gelehrten von Gebirge zu Gebirge zu folgen, um von jeder Oletfcherregion die Höhe der Firnlinie und die Abjchmelzungszone zu erfahren.

Nach langen Erörterungen der gegebenen Olazialverhältniffe kommt Whitney zu dem Schluß, daß die Vergletfcherung weniger einer großen Kälte zuzufchreiben fei, als vielmehr, tie er wiederholt nachdrücklichſt betont, einer übermäßigen Feuchtigkeit, die offenbar nur das Produkt einer nicht un— beträchtlichen Wärmemenge ift, fo daß die lebte Urfache der Eiszeit in höherer Wärme gefucht werden muß. Wenn

die Niederfchläge,

deren Fülle durch topographifche Ver:

hältnifje bedingt ift, in entfprechender vertifaler Höhe oder in höheren Breiten fallen, jo entitehen Gletſcher, alfo unter allen Umftänden wurde die fogenannte Eiszeit durch eine

Wärmeperiode

eingeleitet.

Gerade

das außerordentlich

falte Bentralafien bezeugt ausdrüdlich, daß Teinesiwegg eine kalte Epoche zur Produktion der Oletfcher nötig war, 4

jondern vor allem eine genügende Fülle von Niederjchlägen, 1 die es ermöglichen, auch an weniger Falten Dertlichkeiten Gletſcher zu erzeugen. Nicht weniger treffend belehrt ung Ajien, daß in der geographifchen Lage eines Gletſcher⸗ gebietes zum Meere

oder

abjeit3

zum Negen bringenden

Wind ein nicht minder wichtiger Faktor für die Gletſcher— produktion Liegt. Aus diefen bier nur angebeuteten Grundzügen glaubt der Berfaffer feinen Fehlſchluß zu thun, wenn er während der Olazialepoche eine intenfive Kälte nicht befürworten kann oder überhaupt eine tiefere Temperatur als die gegentwärtig auf Erden herrfchende nicht vorauszuſetzen vermag. Whitney kann fich nicht entfchließen, anzunehmen, daß

die norddeutfche

Ebene von einer mächtigen

Eisfchichte

überlagert war. Er ift der Meinung, daß die norbdeutfchen

Sletiherihliffe

als Werke

ſchwimmender

Eisberge zu

Die Greely-Erpedition.

betrachten jeien. Darum drängt es ihm auch Vertvunderung auf, wenn ein ſkandinaviſcher Gletfcher angenommen

ung

der

amerikanischen

Glazialiſten,

Die Greely-Expedition.

twird,

deſſen Weitflanfe Schottland, deſſen Dftflanfe nahe der Wolga zu juchen, deſſen Südende Dresden ift, ein Gletfcher von nicht weniger als einer halben Million Quadrat: meilen. Whitney iſt auch die nordamerifanifche Drift vor allem Wafjerarbeit. Er fpricht energisch gegen die Mein: welche annehmen,

135

|

Allgemeine

wiſſenſchaftliche

Ergebnifje. — nad) Norden und Weiten,

Schlittenreifen

III!

Die vollftändigite Zuſammenfaſſung

der Ergebniffe

jeiner Expedition gab Leutnant Greely ſelbſt in der Sitz— ung der British Association am 2. September zu Mont-

daß man in den geitreiften Felsoberflächen echte Gletſcher—

veal.

ſchliffe zu erkennen hat; Whitney hebt hervor, daß diefe Streifen am häufigſten in der Nähe der Flüffe vorfommen und dann jtet3 vollfommen parallel mit dem Fluf-

jei, als die bis dahin von der Preſſe gebrachten Mitteilungen und vollitändiger als die zur Veröffentlihung ge-

laufe gehen, daher er in vielen Fällen die Entwickelung eines Lofalgletfcher ins Auge faßt. Whitney fteht für

Staaten, und teilen daher den weſentlichen Inhalt desfelben bier mit: | Die geographifchen Ergebniffe der Greely-Expedition, auf die wir früher Bezug nahmen, verteilen ſich über

die Drifttheorie

deshalb ein, weil für ihn das Zentrum

und der Ausgangspunkt der Vergleticherung nicht befannt it, weil die Streifungen häufig entgegengefegte Nichtung einschlagen,

marine Ablagerung

unter Driftmaterial ent:

ſchieden auf marinen Urſprung derfelben Ablagerung hinweiſen, meil eine enorme Menge der Straten eher auf Wafjerablagerung denn auf Gletfcherichutt hinweifen. Diefe und andere Umftände zwingen Whitney, ftatt einer aufer-

ordentlich mächtigen Oletjcherentwidelung die Eisberge als Transportmittel für die vezenten Ablagerungen anzuerfennen. Ein Gletſcher von ſolch großartiger Ausdehnung entbehrt nad) den Konfequenzen

klimatiſchen Baſis.

unferes Verfaſſers jeder

Er nimmt an, daß eine breite Maffer-

ſtraße von der Hudſons-Bai gegen Süden zog, der Tummel-

plat der zahlreichen Eisberge und zugleich neben den übrigen umrandenden

Meeren

mit

Urſache

zur partiellen

Ver—

gletiherung der meitlichen Gebirge. Durch des Berfaffers umfangreiche Arbeit wird neuer: ding3 der Standpunkt Charpentiers, Eſchers v. d. Linth, Lyells u. a. eingenommen, die aus lokalen Verhältniſſen die Urſachen der Eiszeit zu konſtruieren verſuchten. Zur Zeit als die erſten Aeußerungen darüber laut geworden ſind, war das Glazialphänomen in ſeinem heutigen Umfange nach nicht bekannt und von einer mehrfachen Wiederholung der Eiszeit hatte man noch kaum eine Ahn⸗ ung. Es iſt unbeſtreitbar, daß die heute erkannte, einſtige Gletſcherbedeckung im Verhältnis zur ganzen Erde eine unbedeutende dann genannt werden muß, wenn, wie Whitney

es thut, der große nordamerikaniſche und nordeuropäiſche Gletſcher nicht anerkannt wird. Wenn aber die beiden Kontinente wirklich ganz enorme Gletſcher getragen haben, was uns unzweifelhaft

zu ſein ſcheint, ſo wird niemand

Wir dürfen annehmen, daß diefer Bericht genauer

langten Depefchen

einen

Raum

von

5 Breiten-

und

der Vereinigten

40 Längengraden.

Leutnant Lockwood erreichte, von 810 AL N. und 840 45* MW, ausgehend, am 18. Mai 1882 an der Nordküſte von Grönland 830 24° N, und 409 46° W. Von dem gleichen Ausgangspunfte erreichte er ſüdweſtwärts gehend im Mai 1883 den Greelyfjord an der Küfte des weſt⸗ lichen Eismeeres in 800 48 N, und 780 TE W. ‚jene Nordreife fügt unferer Karte eine Küftenlinie von

170 Km. über den von Leutnant Beaumont (Nares-Erpe-

ditton) gefehenen nördlichiten Punkt hinaus an.

Diefelbe

führte Grönland um 65 Km weiter nordwärts und bejtimmte den fernſten an der Küfte diefes Landes gefehenen Punkt auf 830 3HIN, und 380 W., ohne daß diefer Punkt als das Nordende Grönlands bezeichnet erden dürfte, Die Geftaltung der neuentdedten Küfte erinnert an diejenige Südgrönlands: das Feftland von vielen tiefen Fjorden eingefchnitten und von einer großen Anzahl vor-

gelagerter Sinfeln umgeben.

Aus der Höhe von 600 m.

gejehen erjchten das Innere des Landes als eine verivor-

vene Maffe von Bergen, die mit ewigem Schnee bebvedt waren oder unter Eis lagen. In den Forden ſah man nur breite, glatte Eis- und Schneeflächen, ohne Eisfuß,

Cisberge oder Hummodeis, die ihre direkte Verbindung mit der Spitbergenfee bezeugten. Merkwürdig erfchien eine Spalte von

Kap Bryant

bis 100 und mehr Meter Breite, die von

an fih in gerader Linie von

Vorgebirg

zu Vorgebirg und über die Fjorde weg zug. Nur nad) aufen

von derjelben fand ſich das befannte „paläokryſtiſche“ Eis Markhams und Nares, während innerhalb derfelben der ruhige Zuftand herrſchte.

mehr in lokalen geologiſchen Urſachen den Grund von ſolch

als Gezeitenfpalte

außerordentlichen Erſcheinungen ſuchen.

allgemeinen

F. Bayhberger.

an das Flottenamt

Man darf vielleicht diefe Spalte

bezeichnen.

Die Küftenlinie war im

hoch, fteil und zerflüftet, dem geologifchen Bau nad anjcheinend ähnlich wie in Discovery Harbour

aus Glimmerfchiefer und Quarz zufammengefegt. Die Pflanzenwelt glich jehr der von Grinnellland. 1 Siehe „Ausland“ 1884, Nr. 35 und 36.

736

Die Öreely-Expedition.

Jenſeits des 83.0 wurden mehrere Arten von Sarxi— fragen und der Eismohn gefunden. In Grinellland war die Vegetation befonders üppig. Abgeftorbene Zwergweiden waren bier in folcher Menge vorhanden, daß man fie als Brennmaterial benüßen fonnte. Die Begetation von Gras, Sarifragen, Weiden bevdedte ganze Thäler. Spuren des Eisbären, des Eisfuchjes und des Lemming wurden gefehen. Am nördlichiten Punkte wurden ein Hafe und ein Ptarmigan getötet und Spuren des Schnee-Bunting gefehen. Die Herden der Mofchusochjen werden im Sommer an den Küften, um im Winter fi nach dem Inneren zu ziehen. Nenntiere find ausgewandert oder ausgeftorben. — Eine Sondierung ergab bei 250 m. feinen Boden. Eine Strömung war nicht nachzuweisen. Grinnellland ift faft ganz, vom 81.0 bis Hayes-Sund und vom Kennedy-Kanal bis Greelyfjord, unter Eis. Die Oberfläche diefer ſüdwärts fich erftredienden Eisfappe, deren Abfall nirgends unter 40 m. hoch erfchien, ift, anfcheinend der Oberflächengeftalt des Yandes entiprechend, wellig. Zwischen Archer- und Greely-Fjord, oftiveftlich dem 81.0 folgend, zeigt fich eine Eistwand von 120 Km. Er: jtredung. Auch der Gletſcher, welcher in die Dobbin-Bai mündet, iſt nur eine Art Abzweigung diefer Eisfappe, sm Juli 1882 erſtieg Greely den Mt. Arthur (1400 m.) bei jehr klarem Wetter und ſah nordwärts der Garfield: Kette eine Ähnliche Eisfappe, aus welcher durch jede Oeff— nung zwiſchen den Bergen ein Gletfcher heraustrat, darunter den Henrietta Neſmith-Gletſcher, der mit 60 m. hoher Eis: wand in den Lake Hazen abfällt (fiehe unten). Greely ſchätzte die Eisdede von Nordgrinnellland auf 6000 e. Q.-Ml.; zwischen 81 und 82° n. Br. fand man dagegen im Juli das don Kennedy> und Nobefon-Kanal nad) dem wejtlichen Eismeer jich erſtreckende Land fchneefrei, mit einziger Aus: nahme des „Rückgrates“ desjelben, deſſen Höhe er zu 800 bis 900 m. ſchätzt. Die Schneelinie am Mt. Arthur fand Sreely nicht mweit von 1100 m. „Sch reifte 150 e. MI, landeinwärts, ohne Schnee zu betreten.” Defters wurden Spuren vezenter Hebung beobachtet. Strandlinien, See mufcheln, Treibholz fand man in gehobener Lage. Greely zieht auch aus Gletfcherfpuren in jeßt eisfreiem Gebiete den Schluß, daß die nördliche und ſüdliche Eisfappe Grinnelllands einjt zufammenhingen. Bor den Gletſchern des Südeiſes fand man Eisfeen und Moränen. Am Fuß des Henrietta Nefmith-Gletfhers ſah man drei parallele Mio: ränen. Zwiſchen diefem Gletfcher und dem Hazenfee fand Greely beim Zufammenfluß des Hazen- und Ruggle⸗Fluſſes Spuren von Eskimohütten und andere Reſte ihres Auf— enthaltes, ebenſo an manchen anderen Stellen des Süd⸗ randes dieſes See's, während am Nordrande nichts der Art entdeckt ward. Ueber die Schlittenreiſe an der Küſte von Grinnellland nordwärts, welche Dr. Pavy, der Zeichner Rice und der Eskimo Jans auf Hundeſchlitten im April 1882 unternahmen, liegen uns Tagebuchaus⸗

züge Rice's vor, die zwar vorwaltend ſchildernder Natur find, dennoch aber einige beachtenswerte Thatfachen, vor— züglich auch zur Beurteilung des Nutzens der Schlitten: reifen auf dem Meereis diefer fehr hohen Breiten, darbieten. Die Neifenden hatten ihr Fort Conger mit der Abficht verlaffen, zunächſt eine Anzahl von Proviant

niederlagen zu befichtigen und dann über Küſteneis direkt nordwärts, womöglich bis zum 84,0 n. Br., vorzudringen,

Sie hatten nicht jobald das Eis betreten, al3 fie auch den befannten Schwierigkeiten begegneten, welche einen phantafiee

|

vollen Bolarreifenden das Reiſen im Küfteneis einer Fahrt über Dächer und Schornfteine einer Großftadt vergleichen ließen. In dem Gewirr von Eisflippen und Abgründen

|

fanden

fie es vor

allem ſchwer,

einen beftimmten Weg

feitzuhalten, da der Umblid unmöglich war. Nah 40 oder 60 m. beitieg immer einer der Neifenden wieder eine

.

Eisflippe oder einen angewehten Schneehügel, um auszus Ipähen. Da auf dem gebrochenen Grunde jeder Weg zwei— mal gemacht werden mußte, indem ſchon bald die Laft des Proviantes fich für das eine Hundegefpann zu groß erivieg, galt es für eine erhebliche Leiftung, wenn man im Tage

6 bi8 7 Km.

vorrüdte.

Die befannten Abenteuer und

Mühfale einer Schlittenfahrt über gebrochenes Eis: Hinabe

gleiten über Eisklippen, Verſinken inSchneewehen, Be ſchädigung des Schlittens, Sturz und unlösliche Verwidele

|

ung de3 Hundegefpanns fehrten täglich wieder. Die uns mittelbarjte Gefahr aber lief die Expedition als fie am frühen Morgen des 22. April fih plöglid am Rand eines offenen Meeresteiles fand, der längs der ganzen Küfte von

Kap Henry bis Kap Hekla ſich erftvedte und wohl 1 Km.

breit war. In größerer Entfernung deuteten graue Waſſer⸗ wolken weitere offene Stellen an. Mächtige Eismaſſen ſchwammen mit der Flut. Bald merkten die Reiſenden an der Veränderung ihrer Lage, als ſie ruhten, daß der Boden, auf dem ſie ſtanden, ſich unter und mit ihnen in

Bewegung

ſetze.

v

In der That fanden ſie bald genug,

daß fie auf einer ſchwimmenden

Eisſcholle ſich befanden

und ſahen ſich genötigt, ihr Lager fo nahe dem Rande der jelben aufzufchlagen,

als die Gefahr

|

des Abbrödelns es

erlauben mochte, um die Chance baldigfter Wiedergewin nung feiten Bodens ohne Verzug ausnützen zu fünnen. Ein Schneeſturm ſchien ihr unficheres Fahrzeug gegen Kap

Henry, gleichzeitig aber aus der James Noß-Bai, in der es ſich befand, hevauszutreiben, legte ſich aber glüdlicher: weiſe nad) kurzer Zeit. Die leiſe Bewegung, indem fie fortdauerte, ging in ein Krachen und Klirren über, das

—ñ—

| I

|

andeutete, daß das Eisfeld an’s Land gedrängt wurde 3 und ſich in’s Padeis bohrte. Es war feine Zeit zu lieren; unter Zurücklaſſung eines Teiles der Ausrüftung

eilten die Neifenden der Stelle zu, bon der das Donnern des beritenden, zuſammengepreßten Eifes bei der Annähere

ung jo laut erfchallte, daß fie ihre Stimmen nur verſtän⸗ digen konnten, indem ſie einander in's Ohr ſchrieen. Sie famen an den Eisfuß, der 12 bis 15 m. hoch aus aufs

j

191

Die Gentilverfaffung der ſüdamerikaniſchen Indianer,

getürmten

Eisfragmenten

ſich aufbaute

und

ziveifelten

im eriten Moment an der Möglichkeit, über denfelben weg

„milchweißen Falten” fich in die Ferne zu verlieren. Etwa 70 m. von diefer Eiswand fand man am See eine Mo— räne, welche die einit größere Ausdehnung des Gletfchers

das Land zu gewinnen. Mit Schreien und Geberven ging die Beratung vor ich. Man fand endlich eine Stelle, vo es vergleichsweiſe Leichter und ungefährlicher fchien, den Uebergang zu tagen. Vom feſten Boden nad) ge lungenem Uebergang zurüdblidend, fahen fie das Eisfeld

bezeugte. Die Eiswand verfchloß jeden Weg nad) Meften und Greely fehrte am 3. Mai zurüd, um am 7. wieder im Lager einzutreffen. Ueber die Gründe, welche ihn ver:

Jamt Zelt und Nahrungsmitteln, die fie dort hatten zus

Aehnlich wie Rice und Pavy fand aud) ev an verfchiedenen

rücklaſſen müfjen, mit bejchleunigter Geſchwindigkeit aus der Bat heraustreiben. Ihr Gefühl der Sicherheit wurde mejentlich beeinträchtigt, als fie auf diefe Weife von jeder

hinderten, den See aufwärts zu gehen, erfahren wir nichts. Stellen

Spuren

von

Mofchusochfen

mit

Andeutungen,

daß diefelben das ganze Jahr hindurch) in diefen hohen Breiten weideten.

Hoffnung, weiter nordwärts vorzudringen, ſich abgeschnitten jahen, denn mit den Reſten der Ausrüftung, die ihnen zur Verfügnng jtanden, konnte es fih nur um die fichere Rück— fehr handeln. In der Lincoln-Bat stießen fie auf Mofchus:

ochjen, welche hier reichliches Futter fanden. Nice zweifelt nicht daran, daß fie in diefer Gegend überwintert hatten, zumal der Schnee in großer Ausdehnung weggeſcharrt war. Am 2. Mai rüdte die Expedition

wieder in Fort Conger

ein, das ihnen jet ungleich viel angenehmer erfchten, als da ſie es drei Wochen vorher verlaffen hatten. Greely verlieh am 26. April Fort Conger, um in Begleitung von fünf Leuten in weftlicher Nichtung eine Shlittenreife dur Grinellland zu machen und womöglich bis zu dem Weftrande desfelben vorzudringen. Die Begleiter waren die Sergenten Long und Groß, welche auffallenderiveife nach zwei Tagen wieder zurücfehrten, und die Soldaten Bender, Whiftler und Connell. Man befuchte zuerjt die von den Engländern angelegte Cache bei Stony Point, um fich mit einigen der Vorräte zu verfehen, welche bier jeit acht Jahren ihrer Beftimmung harıten. Dann wurde Conybeare-Bai befucht und feitgeftellt, daß fie viel

tiefer in's Land eingreife, als die Engländer angegeben hatten, ja daß fie in Wirklichkeit ein echter Fjord von 50 Km, Länge fei, welcher fich in feinem oberen Ende in drei Thälern fortjeßt. Darauf ftießen fie auf einen ziveiten Fjord von 25 bi$ 30 Km, Länge bei 5 Km, Breite, den fie nad

Kapitän Howgate nannten, und indem fie ihn aufwärts verfolgten, famen fie auf einen gefrorenen Fluß, deſſen Waſſer zunehmend füßer wurde, bis fie endlich an eine

Stelle famen, wo e3 offen war und allen Merkmalen nad) auch das ganze Jahr hindurch offen blieb. Fjord und Fluß waren von pittoresfen fteilen Felswänden umgeben. Nachdem eine kleine Inſel im Fluß paſſiert war, erreichte

man die Quelle des Fluſſes und war erſtaunt, als ſolche einen See, den SHazenjee (vergleiche oben, Seite 736), bon 80 bis 120 Km. Länge und 12 Km. Breite zu

finden,

der an

der Stelle,

wo

der

|und 30 m. breite Fluß ihn verließ,

lehztere offen war.

bier 1 m. tiefe ebenfo tie der

Bei dem Verſuch, ein von Weften her

Die Gentilverfaffung der ſüdamerikaniſchen Indianer. Die einzelnen Stämme Südamerikas unterscheiden fich, wohl mehr als die Ureinwohner anderer Weltteile, durch ihre Förperliche Erfcheinung und Zierraten voneinander, abgeſehen von den vielfachen Abftufungen in der Sprache; daher die vielen Stammnamen, die das Aeußere des Men: Ichen befchreiben: Batagones, die Blattfüße, Koroados, die Gefchorenen u. |. w. Die Individuen eines Stammes und einer Horde adoptieren in Brafilien meift ein gemein— james Abzeichen, in einem charafteriftifchen Zierrat be— jtehend, mie Federn auf dem Kopf, Gürtel, Holzicheiben, Nohritengel, Steine, Harzeylinder, Mufcheln an verfchiedenen Teilen des Kopfes und ganz befonders gewiſſe Arten von Tätowierungen, die fie Schon von früher Jugend an

nad) Anweiſung der Berivandten am Körper oder auch bloß im Gefichte anbringen. Daß diefe Abzeichen auch als Totems bejtimmter Familien und Familiengruppen inner: halb des Stammes dienen, wird ausdrüdlih durch Mar:

tius, Beiträge zur Ethnologie, L 55 und 56 bezeugt. So heißen gewifje Banden der Miranhas zwifchen dem Yupurä— und dem Haupesfluffe Schnaden: Carapanä; Großvögel: Oira-acu; Räuber: Tari u. f. w. (S. 537). Wie weit fich diefe Stammbezeichnungen erjtreden, bei welchen Stämmen

fie auf männliche,

bei welchen auf weibliche Nachfolge

bafiert find, was für Nechte ſich damit verbinden, ſowie die fernere Einteilung in Bhratrien: das find ethnologische ragen, die für Südamerika noch niemals in ſyſtematiſcher

Weiſe behandelt wurden, wie es für Nordamerika durd) L. 9. Morgan, für Auftralten, wo die Totemklaſſen, d. b. Gentes, äußerſt Scharf voneinander gejchieden find, durch Fivon, Palmer u. a. gejchehen it. Die Phratrien find nichts weiter als frühere Gentes, aus denen ſich durd) Segmentation weitere Gentes entividelt haben, die, wenn

die Stammverfaffung die gewöhnliche, d. h. eine exogamiſche tft, nicht unter fich heiraten dürfen.

Die Totem der Gentes,

tündenbes Thal aufwärts zu geben, jtieß man auf einen aus diefem Thale mit einer Eiswand von 30 bis om. | Höhe 3 Km, breit unmittelbar an den See heran:

meilt Tiernamen, erſetzen völlig unfere Familiennamen; jedes Individuum hat nebenbei noch einen andern Namen

| tretenden Gletfcher, deffen Oberfläche raſch anftieg, um in

zum Teil Kriegertitel u. ſ. w.Dasjenige nordamerikaniſche

oder mehrere ihm ſucceſſiv zugeteilte, die Männer haben

Kleinere Mitteilungen.

138

Bolt, das wohl die größte Zahl von totemifchen Gentes aufzumeifen hat, nämlich 20, ift das der Creeks oder Mas: fofi, früher in Mabama und Georgia angefiedelt, jebt im

fogenannten $ndianer-Territorium,

Ein ſüdamerikaniſcher

Stamm, bei dem ich zuerft die Totembenennungen mit einiger Ausführlichfeit angeführt gefunden habe, iſt das wilde Volk der Goajiros, das das Innere der Goajiros— Halbinfel nördlich vom Marafaibofee (an der Root betvohnt. Der Berichterftatter, A. Celedon, fagt im Vor: wort zu feiner Öoajira-Grammatif, diefe Indianer hätten feine Familiennamen, denn wenn einer 5. B. Nikolas Prieto heiße, jo könne fein Sohn deshalb doch Martin Barros, jeine Tochter Martina Mofo benannt fein. Sm öftlichen Teile der Halbinfel giebt es über 29,000 Ureinwohner, die in 45 Ortſchaften unter ebenfovielen Häuptlingen leben. Jedes Dorf wird nur von einer beftimmten Gens beivohnt, wie wir dies auch bei einigen füdlichen Dakota- und Pani— Stämme, 3. B. den Kadio in Texas, wahrnehmen. Die Namen der Gentes (Birukt) haben meist patronymifche Endungen, die Sohn oder Großvater bedeuten, und lauten wie folgt: Arpushäna, Sohn des Aasgeiers (Gallinazo); bewohnen die Ortfchaften Kojoro, Jururabain, Iſu6, Kai— jema, Meanciſan.

Arpusheiche, Großvater des Aasgeiers. Epieyü, Großvater der Kataneja (2); bewohnenSara: vapa, Jaſipayare, Uripall, Guajarima und zwei Kocino— Dörfer.

Epinayü, Großvater des Königs der Aasgeier. Huauriü, Großvater des Nebhuhns (Perdiz). Ipuäna, Großvater des Habichts (Gavilan):; be: wohnen Ouärkaru, Bofafairu, Unori, GCepana, Torichi, Amuͤrchor. Jayariu, Großvater des Hundes. Jorarit, Großvater der Klapperichlange; in Atapıni, Katais, Dfoftü, Tofonimana (auch Urariyri benannt). Jusayü oder Yusayüı; beivohnen Sipäpuiri, Oriü (2) (wohl verwandt mit Uriana). Paisayü, Großvater des Löwen; in Afıjau. Püshiaina, Sohn des Zahino 9— bewohnen Guipa, Irua, Paraſi, Aftaipa (Zahina bedeutet eine Spezies von Klette). Sapuäna, Sohn des Reihers (Alcaravan); in Gua— vero und Yarguachon. Sökuanayü, Großvater des 2; in Sahuachiru. Uriäna, Sohn des Kaninchens und des Tigers; in Mokoré und ſechs anderen Ortſchaften.! In einem 1876 in Karakas erſchienenen ſtatiſtiſchen Werke „Apuntes ꝛc.“ ſind als weitere totemiſche Gentes der Goajiros angeführt: die Silmt, Cijuana, Arariyi, von In obigen Namen für

ſprochen.

ftehen die fpanifchen Buchſtaben

deutſchen tſch undſch;

jh fin ſch; gu

und

ch, j

u, hu ausge—

denen die letzteren, in Iruapar und Guincha wohnhaft, wohl mit den Jorarit identisch find. Im 18. Jahrhun— dert erxiftierten nocd) die Gentes des Affen, Mono, des Makaw-Papagei (Maerocervus tricolor, ſonſt Guacamayo),

des Machin (?), des Panjil (2), dev Guacharaca (2) umd

des Masgeiers; letzterer damals wenig geachtet. Yon diefem icheinen mehrere der obigen Gentes abzuftammen,

3.8,

die des Nebhuhns,

Aasgeiers,

während die übrigen aus:

geftorben feinen.

Außer den Goajiros exiſtieren noch

zwei andere Volksſtämme auf der Halbinfel, die Koeina und die PBaranjas, deren Sprachen für Mundarten des

Goajiro gehalten werden.

Die Goajiros als Beſitzer des

Landes und vermögliche Leute nehmen die Cocina in ihre Dienfte und nennen fie Füchſe und Hunde, weil fie von der Jagd und dem Filchfange leben und meiſt befislos

find. und

Als Gentes, denen fie angehören, werden Epieyü Uriana

namhaft

gemacht;

fie bewohnen

die Drt

ſchaften Alpunäpan, Aritalmaru, Arariéru und Juripiche, | ©. A. Oatjchet. Ei Vera

Kleinere Mitteilungen. Veränderungen

a iN



im Inneren Hinterindiens.

Mau jchreibt uns aus Rangun: Die europätfchen Kaufleul haben zum Zeit auf die Binmenländer von Hinterindien ihr be— fonderes Augenmerk geworfen. Durch den Tongkingkrieg juchen fih die Franzofen in Hinterindien zu befeftigen, ihren Einfluß zu ſtärken und ihren Handel auszubreiten. Bon Annam und Tonge fing aus werden fie fih nah Weften Hin auszubreiten juchen; da fürchten nun die Engländer, das Innere von Hinterindien für ihren Handel zu verlieren und haben Expeditionen ausgerüſtet, dieſe Binnenländer zu erforſchen und womöglich durch den Bau von Eiſenbahnen für ihren Handel zu eröffnen. Frühere Verſuche der engliſchen Regierung, von Birma aus über Mandaleh und Bamo durch die Provinz Jünnan eine Handelsſtraße nach China hinein zu eröffnen, ſind fehlgeſchlagen. Die Regierungen von Birm wie China und den dazwiſchen liegenden wilden Volksſtammen ſcheinen heimlich Eines Sinnes geweſen zu ſein, ſolch' ein Unter: nehmen der englifchen Negierung aus naheliegenden, — Gründen zu vereiteln. So ſind nun verſchiedene Handelskammern in England, China und Singapur zuſammengetreten und hab privatim Expeditionen ausgerüſtet. Ein Ingenieur, Colquhon der ſchon 1881 das Innere von Hinterindien bereiſt hat, ift m

in deren Dienſte Ende des vorigen Jahres nach Tongking ge um don dort aus nach Weſten durch die Schanſtaaten nad) Su zu gelangen. Hier follte eine Zweigeifenbahn nad) Süden Bangkok gebaut werden. Die andere Linie follte von Sumoa Zimmay (Tichiengme) und Thatone nach Birma herein bis Mo main laufen. Wie jener Herr Colquhoun von Often nad) Si weſten her vorzudringen fuchte, jo reift zur Zeit ein anderer (

länder, Herr Hallet, auch ein Ingenieur, der im Dezember vo

Jahres mit mir nah Rangun gekommen war, von Moulmain weg nad Nordoften über Thatone und Zimmay, um mit feinem Kollegen etwa in Sıumoa zufammenzutveffen. Im März mager mit feiner Karawane in Zimmay eingetroffen fein. Noch auf den Schiffe hatte ev fich bei mir iiber den amerikaniſchen Miſſione Dr. Cuſhing

angelegentlichſt erkundigt; da der letztere der

Notizen.

39

sprache mächtig und mit Land und Volk durch feine vielen Neifen

unbedeutend und ihre Einbringung erfordert

_ mohlvertraut

Polarvolf

zu gewinnen.

ift, jo wünſchte Herr Hallet ihn für feine Expedition

Und

ſiehe da, beim Landen

in Rangun

kam

Dr. Cuſhing auf das Schiff, mich zu begrüßen; da wurde ihm pon Herrn Hallet gleih der Antrag geftellt, die betreffende Neife mitzumachen auf Koften der Handelsfammer. Im Intereſſe der Miffionsarbeit in jenen Schanftaaten hat Dr. Cufhing ſchließlich auch den Antrag angenommen, die Reife mitzumachen, aber nur bis zu einem gewiffen Punkte, von wo aus er dann allein den Menamfluß herumter nach Bangkok fahren wird, um von da ab iiber Singapır in einem Dampfer nad Raugun zurüczufehren. Auch die englifhe Regierung von Birma hat diefe Pläne mit Wohlgefallen angesehen, und ihr oberfter DVerwaltungsbeamter bereitS den Bau einer Eifenbahn von Moulmain (oder Martaban) nad Thatone der höchſten Negierungsbehörde auf's Wärmſte vorgeihlagen. So hofft man das Neih Siam wie die Schanftaaten und die weltlichen Zeile von China in das Handelsnetz herein— ziehen zu können, Diefes Binnenland von Hinterindien ward in früherer Zeit infolge der vielen und graufamen Kriege zwijchen den Königen von Birma (Ava, jest Mandaleh) und Siam faft entvölfert. Aber in den letten 4 oder 5 Jahrzehnten herrſchte Friede durch die unmittelbare Nähe der engliihen Macht, und jo mehrte fi die Bolfszahl wieder bedeutend. Durch ſolche Eifenbahnlimien hofft man auch aus Jünnan und den Schanftaaten eine größere Anzahl von Bauern zur Einwanderung nad Britiſch— Birma zu gewinnen und damit den Landbau zu heben. Aus Hongkong und Manila jollen auch etliche deutſche Kaufleute nach) SGaiphong und Hanoi in Tongking gekommen fein, und die engliche Zeitung, welche davon berichtet, meint, daß auch diefe gefommen wären, das Yand auszukundſchaften. Bon allen Seiten her rückt man alfo in das Innere von Hinterindien vor. Ueber die Pflanzennahrung

der Tſchuktſchen.

Middendorff nennt die fibirifchen Naturvölfer „Verächter der Pflanzenfoft” und Anhänger des Spruches: Sorget nicht für den morgenden Tag. Wrangell aber äußert, der Tſchuktſche mache feine Anfprüche auf die Pflanzenwelt, feine Nahrung fei ftetS aus— ſchließlich animalifh. Diefe Behauptimgen haben ihren Weg in die ethnographiſche Litteratur gefunden und fich dort wider Gebühr lange erhalten. Wohl nährt ſich der Tſchuktſche vorzugsweiſe von animaliihen Stoffen. Indes darf nicht überjehen werden, daß ſowohl die Nenntier- als Küftentfchuftichen auch das Bedürfnis nad) vegetabilifher Nahrung fühlen und an diefer befonveren Ge— ſchmack finden. So lange ihnen ſolche zu Gebote fteht, bildet fie einen regelmäßigen Bejtandteil wenigſtens ihrer Hauptmahlzeit; diefelbe wird mit Begierde oft mit Yeidenfchaft verzehrt und fo wichtig gehalten, dag man Jahr für Jahr Borräte davon einſammelt. Es iſt das Verdienſt eines der Mitglieder der „Vega— Expedition“, Fr. R. Kjellmans, dieſe Thatſachen, welche einen weeſentlichen Unterſchied der Tſchuktſchen von anderen arktiſchen

außerordentlihen

Grad

von

ficher einen für ein

Ausdauer

und

Umſicht.

Kjellman glaubt, daß die Bewohner von Pitlefaj und den um— liegenden Tſchuktſchendörfern bei Einbrud des Winters 1878 Sammlungen von Begetabilien befaßen, die ihren Vorräten an Fleiſch und Sped vollfommen entſprachen. Außerdem ift mod) anzuführen, daß auch eine Vergrößerung und Ergänzung der Pflanzenvorräte

während

der Winterszeit

ftattfinden kann, da das

Meer dem Tſchuktſchen die großen Algenarten der Küſte als Nahrungsftoff liefert und diefe, wie die „Vega-Expedition“ mehrfach zu erfahren Gelegenheit hatte, auch im Winter gefammelt werden. Nur die milde Natur ift es, welcher der Bedarf an Vegetabilien abgerungen werden muß. Allerdings treten um die „gelte faft überall Pflanzenarten in dichten gefchloffenen Maffen auf, bon denen manche ihr Dafein den Zeltbewohnern danken, die fie von fernher eingefammelt und einzelne Teile davon als Abfall weggemworfen haben, welche alsdann Wurzel faßten und ſich ver— mehrten. Aber der Tſchuktſche benützt nicht alles, was ihm an Pflanzen und Pflanzenftoffen in die Hände fällt. Man kann eine gewifje Auswahl in feinen vegetabiliihen Nahrungsmitteln erkennen und es ift nicht immer das mafjenhafte Borfommen einer Pflanzenart, weldhe die Wahl beftimmt. Im übrigen werden von den befannten und verwendeten Speifepflanzen einzelne mehr bevorzugt oder auch vorwiegend genoffen, fobald fie erlangt werden können (Hedysarum obscurum), Die Renntiertſchuktſchen beſitzen teilweiſe andere pflanzliche Nährftoffe als die Küſtentſchuktſchen, gewiß aber nur deshalb, weil ihnen verichiedene Pflanzen zu Gebote ftehen, welche für beffer gelten und an der Küſte nicht vorkommen oder dort allzu felten find, um größere Anwendung zu finden. Kiellmans Verzeichnis der ihm bekannt gewordenen Vegetabilien, welche den Tihuktichen zur Nahrung dienen, weift 23 Arten auf. Freilich gefteht der Forjcher ſelbſt zu, daß diefe Zahl ficherlich allzu gering ift und hauptfächlich nur für die Gegend gilt, wo die „Vega“ Wintergquartier genommen. Mit Ausnahme einer Alge find es lauter Blitenpflanzen und zwar Difotyledonen. Dabei it ein allgemein gefhätstes Nahrungsmittel, der Inhalt des Renn— tiev-Magens, in welchem fich Beftandteile von Blüten und blütenloſen Pflanzen befinden, nicht mit eingerechnet. Man erfieht aus der vorgelegten Zufammenftellung, daß bei den Tſchuktſchen vor allem die Wurzeln, Stengel, Blätter und Blüten der Pflanzen, die in ihrem Lande vorkommen, als Nahrungsmittel Verwendung finden. Jene Wurzeln, welche den Winter iiber aufbewahrt werden, hält man frifeh, die übrigen für dieſe Zeit beftimmten Vegetabilien werden einer bejonderen Zubereitung (Art Gährungsprozeß) unterworfen, Einen Teil der Speijepflanzen verzehrt das Volk roh, ohne jegliche Zuthat oder in Berbindung mit Seehundfpedwürfeli. Andere werden vorher zufammen mit Nenntier- oder Seehundfleiſch und Waffer zu Fleifchjuppe oder mit Blut und Waffer ſowie zumeilen mit Seehundfped zu Blutfuppe gefocht.

Völkern bedingen, im einzelnen durch ſorgfältige Beobachtungen näher begründet zu haben.! Als beſonders bedeutſam fällt die Einſammlung von pflanzlichen Nahrungsmitteln für den Winter auf. Die hiedurch gewonnenen Vorräte find nichts weniger als

Notizen. Bolarregionen,

g 1 Die wiffenfhaftlihen Ergebnifje der „Bega-“ Erpedition. 3. und 4. Lieferung. ©. 188 ff. Siehe „Aus: land“

1883, Nr. 47. —

Wir ergreifen noch einmal die Gelegenheit,

unſere Leſer auf die Bedentung dieſes fir die Geographie der Arktis Höchft wertvollen Werkes hinzumeifen, das vor kurzem mit der 12, Lieferung abſchloß und in welchem die hervorragenbdften Teilnehmer der „Bega“-Erpedition, wie Nordenſkiöld felbft, Kjellman, Almquiſt, Hildebrandfon, Sturberg, Lindhagen ihre mwifjenIhaftlichen Beobachtungen miederlegten. ES ftellt fich der NeifeIhilderung des berühmten Polarforichers: „Die Umfegelung Afiens und Europas auf der „Vega““ als ein wiffenfchaftliches Supple—

Sibirjafomw’3 Feniffei-Erpedition 1884. Ende Juni ging befanntlih der Dampfer „Nordenſkiöld“ unter Weides Leitung zur Mündung des Jeniſſei ab. In der Nähe von Nowaja Semlja wurde die Dampfmafchine unbrauchbar, jo daß das Schiff ment wirdig an die Seite und man darf fagen, daß eben durch die in dieſem Buche enthaltenen, genau vevidierten Einzelftudien die epochemachende Neife der nordöftlichen Durchfahrt fiir die einzelnen Zweige der Naturmiffenfchaft mutsbar geworden. A. d. R.

74 0

Litteratur.

mit Hilfe von Sibirjakow's Dampfer „Obi“, der den „Nordenſkiöld“ begleitete und mit Hilfe der notdürftig veparierten Machine umd der Segel nah Trondhjem zurücfehren mußte. Nach Reparatur der Mafchine fuhr der Dampfer am 7. Auguft wieder aus. Nach einem von „Fealköping Tidning“ abgedrudten Telegramm an Sibirjakow's Agenten ift das Schiff in Solombae am Weißen Deere am 13. Auguft glücklich angelangt. Nach Austauſch eines Teiles der Laft ging der „Nordenſkiöld“ mit Alexander Sibirjakow jelbft an Bord, am

14. Auguft

abends

wieder

in See.

Weitere

Nachrichten kann man erſt Ende September von Sibirien erwarten, Im Falle die Ankunft in Sortoromwsfi zu ſpät erfolgt, wird die Erpedition im Jeniſſei überwintern und erft im nächſten Jahre

zurückkehren.

B.

Von der kanadiſchen Hudſonsbai-Expedition ſind in Halifax am 25. Auguſt via Neufundland Briefe eingetroffen, welche die Ankunft dieſer von der kanadiſchen Regierung ausgerüſteten Er— forſchungs-Expedition an der Küſte von Labrador melden,

Eine ſkiölds.

neue Unter

Polarfahrt

unter

Leitung

dem Schuße der ruffifhen Admiralität

Nordenjoll, wie

man vernimmt, Nordenffiöld eine neue, auf drei Jahre berechnete Eisfahrt mit der ausgeſprochenen Abficht unternehmen, den Pol zu erreichen. Nach den bisher bekannt gewordenen Plänen fir diefe Expedition will Nordenffiöld zuerft die neuentdeckten BennetteInſeln Henriette und Jeannette im Nenfibirifchen Archipel anſegeln. Nach Anlage großer Depots ſoll von hier aus Franz-Joſefsland erreicht werden, um auch dort Proviantniederlagen zu errichten. Von Franz-Joſefsland aus will die Expedition dann in drei Ab— teilungen nach dem Pol vordringen.

Eine neue amerikaniſche Polarexpedition. Aus New-York wird telegraphiſch gemeldet, daß Melville, der In— genieur der Jeannette-Expedition, den Befehl über eine neue Polarexpedition übernimmt,

Vereinigten

Staaten,

aber daS vorliegende

nimmt durch Text

und Abbildungen eine der erften Stellen ein. Wir geftehen, daf wir mit manchen Urteilen Hellwald's iiber amerikanische Verhältniſſe nicht einverſtanden ſind, ſo finden wir z. B., daß er die wiſſen⸗ ſchaftliche Thätigkeit der Amerikaner entſchieden unterſchätzt. Allein im ganzen charakteriſiert erLand wie Volk mit Kenntnis ud Scharfſinn. Wie jehr wir uns alfo in manchen Einzelheiten

zum

Widerfprud

aufgefordert

fühlen,

müffen

wir

Y. Paſſarge: Sommerfahrten

in Norwegen. Reife

erinnerungen, Natur» und Kulturftudien, Zweite umgearbeitete und weſentlich vermehrte Auflage. Zwei Bände, Leipzig. Verlag von Bernhard Schlide (Balthajar Eliſcher) 1884,

Pafjarge gehört

zu den

vreichbegabten

Naturen

vom

Schlage

Adalbert Stifter oder, um einen Näherverwandten zu nennen, Noss, denen die Fähigkeit der Abftraftion und der Einbildun gsfraft beide in hohem Grade verliehen if. Das find ohne Zweifel die geborenen Reifefhilderer, wie es auch die halbpoeti ſchen Forſchernaturen feit Georg Forfter und Alerander von Humboldt

von je geweſen

find.

So ift denn Paſſarge's Neifewerf ebenjo

reich an Beobachtungen

Stimmungen

von Thatfachen, wie an Wiedergaben von

und beide find faft immer in einer jolden Weife

miteinander verbunden, daß man die Thatfachen in der Beleucht⸗

ung der Stimmung

erblickt, die ſie im

Darſteller erweckten. Da—

durch wird aber ein höherer Grad von Treue erreicht, als der— jenige iſt, welcher in der reinen, ſagen wir photographiſchen

Beſchreibung

möglich,

und

dieſelbe

Form, welche geſchmackvoll Buch eindringlich.

erſcheint

iſt und

feſſelt.

außerdem

in einer

Wir empfehlen d

welche im Herbſt (2) aufbrechen ſoll und

über Franz-Joſefsland ſich dem Pole zu nähern gedenkt. Wie es heißt, werden Cyrus Field und der New-Yorker Yachtklub je die Hälfte der Unkoſten tragen.

Die Feannette-NRefte an der weſtgrönländiſchen Küſte, von denen wir in der letzten Nummer berichteten, erfahren von Noros, einem UWeberlebenden der Erpedition, von welchem fich angeblih ein Kleidungsftüc unter jenen Reften befinden follte, eine

Beſprechung, welde die freilich entfernte Möglichkeit andeutet, daß jene Gegenftände aus einer Cache im Lenadelta ftammten, aus welcher fie durch Eingeborene entnommen wurden md dann auf irgend einem Wege nad) Grönland gelangten. Noros ſtützt fich darauf, daß die gefundenen Sachen nicht auf dem Eije gelaffen, jondern mit nad der Lena genommen worden ſeien. Wir vegifirieren einfach diefe Mitteilung als Ausfage eines Zeugeır.

Anzeigen.

Die „Allgemeine Zeitung“ (mit wiſſenſchaftlicher Beilage und Handelsz eitung)

=

die Poftanftalten für 9 Mark vierte jährlich (6 M. für die 2 letzten Monate, 3 M. fir den fetten Monat des Quartals) zu beziehen.

Preis bei directer Verjendung unter Strei ad monatlid) 4 Dart M. 5. 60 für die anderen Ränder des Weltpoftvereind),

Quartalpreis bei wörhentl.Derfendung imWeltpoftverein M.12, Probenummern nebft neueſtem Ouartal-Regifter gratis,

Bereinigten haben

nah

in Wort

Staaten. dem

und

Bild,

I Br

Beitartitel, wiſſenſchaftliche und handelspolitiſche Auf ſätze ꝛc. 20. in Nr. Bi

Die neuen Rechtsverhältniſſe der deutjchen Niederlafj — Der Napoleon des Friedens. (I/I.) — Die Suspenfto ungen in Wejtafri n der Po Die auſtraliſch-polyneſiſche Conföderation. — Gladſtone s auswärtige Politik. — Croatiſche Zuftände,

Titteratur.

Von

Ein NRücdblid auf Heidelberg. der

Turiner

Ausftellung.

Sachen „Waldverwüftung”.

Eine Schilderung

der

Von Sriedrih von Hellwald. Wir Erſcheinen der erften Lieferungen die eigen—

tümlichen Merkmale dieſes Werkes hervorgehoben. Heute liegen uns 30 Lieferungen vor, welche die durch reichliche und meiſt ſehr gut ausgeführte Abbildungen geſchmückte Schild erung bis an die Grenze der Südſtaaten weiterfilhren. Die deutſche Litteratur beſitzt nachgerade eine große Reihe reſpektabler Werke über die

|

früher in Augsburg erjchienen — ift in Deutihland und Defterreich dur

244 bis 250.

Amerifa

doch

ſagen, daß wir gebildeten Leſern nicht leicht ein anziehenderes, ja feſſelnderes Buch über das große und viel mißverſtandene Land zu empfehlen wüßten, als dieſes hier.

Bon

Won MI.)

G. Weber.

Schlußartikel.

%. dv. Ghel. —

Letzte Folge. —

Dr.

Noch

(II) —

einige Worte

G. v. Wurzbachs B graphiſches Lexikon des Kaiſerthums DOeſterreich. — An Ernſt Curtius. Zu ſein ſiebenzigſten Geburtstage. Won &. Nodenberg. — Geibels Meifter Andrea U jene Familie. Bon Br. M. Landau. — Ueber den Werth des Hygien Unterrichts an den Hochſchulen. Von Dr. 4. Schuſter. — Die Correjpond Cavours. — Wiener Briefe, (CLXXIX.) — Phyſiſche Erdkunde. Won Dr Fiſcher. — Zur franzöfiihen Memoirenliteratur. („‚Memoires du com Horace

de Viel Castel Neapolitanijche Theater,

sur

le rögne

de Napoleon III [1851—1864]”

Bon J. Walther. — Zur Geſchichte der preußiſch Golonialpolitif und Marine, (1) — Eſſays von George Eliot W Der Export nad den Vereinigten Staaten. (Fortjegung und Schluf.)

Aufträge

für Streifbandfendungen

an die

Grpedition in Minden. ; ——



Druck und Verlag der J. G. Cotta'ſche n Buchhandlung in München und Stutt gart.

Eu

|

·

N

Mas Slam. Wochenſchrift für Länder: und Dölkerkunde, unter Mitwirkung von Profeffor Dr. Friedrich Nagel und anderen Fachmännern herausgegeben von der

J. 6. Cotta'ſchen Buchhandlung in Stuttgart und Münden. Siebenundfünfzigfter Jahrgang.

1884.

Münden, 22. September.

Ar. 38.

Preis pro Quartal M. 7. — Zu beziehen durch alle Buchhandlungen des ne und Auslandes und die Poſt— Zährlic 52 Nummern A 20 Seiten in Quart. ämter. — Rezenfions-Gremplare von Werken der einjehlägigen Litteratur find direkt an Heren Profefjor Dr. Friedrich Natel in Münden, Akademieſtraße Nr. 5, zu jenden. — Injerationspreis 20 Pf. für die gejpaltene Zeile in Petit.

Suhalt: 1. Der Serafihan-Diftrikt in Ruſſiſch-Turkeſtan. Bon Wilhelm Geiger. ©. 741. — 2. Die Ureinwohner von Chile, Bon 8. Darapsky in Santiago de Chile. ©. 748. — 3. Ueberficht auftralafijcher Statiftik für die Jahre 1873 und 1582. Bon Emil S. 751. — 4. Neuere Litteratur zur Ethnographie von Nordamerika. S. 758. — 5. Neuere Litteratur zum deutſchen Mayr in Minden. Bon Uebergangsperiode des Steines zur Bronze. S. 756. — 6. Kleinere Mitteilungen: S. 758. (Fortfegung.) Sandesfunde.

Heinrich Meffitommer,

Sohn, Weziton. —

7. Litteratur: ©. 759.

Der Serafſchan⸗Diſtrikt in Kuſſiſch-Turkeſtan.

mehr als 60 m, hervorbricht. Zahlreiche ſekundäre Gletſcher,

—J

e Der Serafſchan-Diſtrikt!

3800m. über dem Meere, der Fluß in einer Breite von

welche die Seitenſchluchten ausfüllen, vereinigen ſich mit

Deiger, bildet die ſüdliche Grenz—

ihm, jo der Tolſſtowa-, Rama- und AkhumseGletſcher, jene

provinz des ruſſiſchen Turkeftan gegen die Oruslinie und | beiden vom Norden, diefer vom Süden. Der Serafſchan— das Ahanat von Bokhara. Er zerfällt in zwei Teile von fehr | Gletſcher jelbft ijt ungefähr 50 bis 60 Km. lang und 1 bi8 2 Km, breit, Kein Eisgebilde der Alpen läßt fi) ungleicher Bodenbefchaffenheit. Die öftliche Hälfte ift von rauhen und unwirtlichen Hochgebirgen, den Weftausläufern | mit ihm an Ausdehnung vergleichen. Seine Oberfläche des Thianſchan-Syſtemes, ausgefüllt;

die weitlihe Hälfte

ift in hohem Grade

zerflüftet und von

Trümmergejtein

ſtellt ein fruchtbares Thalbecken dar, das im Norden und | Und Moränenſchutt überdedt. Wegen der bejtändig hevabSüden von Bergzügen begrenzt, gegen Weften aber offen

rollenden Steine ift es nicht unbedenklich, ihn zu befteigen.

it. Seinen Namen trägt der Diftrilt nad dem Fluſſe

Stolze Schneegipfel umgeben ihn im Halbkreife, welche zu

Es iſt eine Alpenlandſchaft von großartigſtem Cha— rakter, wo der Serafſchan feinen Anfang nimmt. Von dem Kokſſu genannten Gebirgsſtocke ſenkt ſich gegen

bis nach Pendſchkend, heißt Kohiſtan, das „Bergland“. In den Memoiren des Sultans Baber von Ferghana wird der Fluß ſelbſt als Kohik, „Bergſtrom“, bezeichnet. Die

Serafichan, dem „Goldſtreuer“, welcher ihn in oftweftlicder | einer Höhe bon 5000 bis 6000 m. emporragen. Urſprung Das obere Thal des Serafſchan, von ſeinem Richtung durchſtrömt.

Weſten ein mächtiger Gletſcher herab, aus deſſen Fuß,

Lauflänge des Serafſchan auf dieſer Strecke beträgt, ein—

1 Diefe Monographie des Serafſchangebietes beruht vornehmlich

{end noch 1030 m. über dem Meere Liegt, jo it das ge-

auf den Schilderungen von Schuyler: Turkeſtan und Ujfalvy: Expedition seientifique francaise en Russie, en Siberie et dans le Turkestan, Band 1 ımd 2. Außer den Angaben der ruſſiſchen Generalſtabskarte von Turkeſtan in 16 Blatt ſind noch

zahlreiche inzelnotizen in den Werfen Reiſenden und in Zeitſchriften verwertet. Ausland

1884, Nr. 38.

älterer

umd neuerer

ſchließlich

derWindungen,

über 250 Km.

Da Pendſch—

iamte Gefälle des Fluſſes bis zu diefer Ortfchaft 2770 m. Naturgemäß ift das oder ungefähr I1 m. auf 1 Km. J—— Oberlaufes des Hälfte erften der in Gefälle K ——

ftärfer, in der zweiten geringer. 14, hier nicht ganz 8 m.

Dort kommen auf 1 112

Km.

42

Der Serafihan-Diftrikt in Ruſſiſch-Turkeſtan.

Sm Norden begleitet den oberen Serafichan das von den Ruſſen fo genannte Turfeftanifche Gebirge... Sein Kamm bildet die Wafferfcheide gegen den Syr-Darja. Da derjelbe durchfchnittlih nur 12 Km. vom Flußufer ent= fernt ift, fo haben die nördlichen Zuflüffe des Serafſchan durchaus nur furzen Lauf. Bedeutender find die Gewäſſer, welche auf dem langjamer fich abdachenden Nordabhange des Turkeſtaniſchen Gebirges entjpringen und dem Syr zufließen. Auf der linken Seite des Serafſchan erheben ſich die Gebirge, welche ſein Gebiet von dem des Surkhab, des Fluſſes von Karategin, ſcheiden. Mangel an Vegetation charakteriſiert das ganze Kohiſtan. Thalbildung fehlt, außer am Serafſchan und am Jaghnob. Die übrigen Ge— wäſſer durchſtrömen überaus enge und wilde Steilſchluchten, welche nur ſchwer zu paſſieren ſind. Ueberhaupt ſind die Wege im Kohiſtan ſämtlich ſehr beſchwerlich und oft ſogar gefährlich. Im Winter ſind ſie zumeiſt ganz unbenutzbar.

Die nördlichen Ketten ſind noch ärmer an Vegetation, als die Die Die auf

ſüdlichen, und fallen noch ſteiler gegen den Fluß ab. Kämme und Gipfel ſind von ewigem Schnee bedeckt. Schneelinie geht auf der Nordſeite der Gebirge bis 3700 bis 3800 m., auf der Südſeite nur bis auf

4300 m. herab. An vortrefflichen Weiden iſt fein Mangel; kultivierbarer Boden iſt dagegen naturgemäß nur fpärlich vorhanden und deshalb die Produftionsfraft des Landes überaus befchränft, Von torldwachjenden Gefträuchern und Bäumen finden ſich

hochſtämmige Wachholderbüfche (Juniperus sabina), Birken, Pappeln und mehrere Arten der Weide, endlich Zedern und Hagebuttengeftrüpp. Bon den Einwohnern wird, wo es angeht, Getreide gebaut: Roggen, Gerfte, Hirſe und Reis. Auch Flachs, Bohnen, Erbſen und die über ganz Mittelafien verbreitete Zuzerne find Gegenftand der Kultur, In den Thalgründen gedeiht treffliches Obſt: Aepfel, Birnen, Aprikofen, Pflaumen u. ſ. w. Bei Pendſchkend

wird die Nebe und die Melone gezogen.

Mehr als der

Yandbau wird die Viehzucht von der Zandesnatur be günftigt. Die Kohiftani haben Herden von Kindern, Schafen und Biegen. Pferde find felten. Eſel werden zum LZafttragen verivendet. Im Sommer werden die Herz den auf die hochgelegenen Almweiden getrieben, den Minter

verbringen fie im Thal. Die Jauna des Kohiſtan iſt veih.

Es gibt Unzen,

Bären, Wölfe, Füchfe, Luchſe und Wildſchweine. Auch wilde Schafe und Ziegen werden erwähnt. Ferner finden ſich Eichhörnchen, Haſen, Marder, Stachelſchweine und

Igel.

Von Vögeln kommen vor:

Adler, Geier, Falken,

Tauben, Störche, wilde Enten und Gänſe, Elſtern, Raben, Kraniche, Reiher, Trappen, Amſeln, Wachteln und Nach⸗ tigallen. Merkwürdig iſt eine ſehr zahlreich vertretene Art Gebirgs-Rebhühner, welche ſich auch im Himalaya findet. Wichtige Mineralien ſind: Salpeter, Schwefel, Gra—

naten, Quarz und Kali.

Am Jaghnob gibt es Lager von

Eiſenerz und Braunkohle,

am Fanſu Silber und Alaun.

Gold führt der Serafſchan mit ſich, aber freilich in ſolch' geringen Quantitäten, daß die Ausbeute ſich kaum verlohnt. Das

Klima

iſt gemäßigt.

Das

Thermometer

ſinkt

im Winter nicht unter — 150 0., im Sommer ſteigt es nicht über 310%. Höhere oder niederigere Temperatur ift Ausnahme.

Der Frühling beginnt Mitte Mat, der Herbft

dauert bis Mitte November oder Dezember.

Die Luft ift

troden.

Im Sommer herrfcht DOftwind vor, im Winter Weittvind. Gewitter find felten, im März fällt zumeilen

Hagel. Eines der höchitgelegenen Kifchlafs (Dörfer) am SerafIhan it Mafar. Weiter abwärts liegt auf dem linken Ufers des Fluſſes das beveutendere Paldorak.

Ueber diefer

Ortichaft erhebt fi der Guibaß-Berg, an welchem die ſüdlichen Gebirge fich in zwei Ketten Spalten. Die nördlichere derſelben jcheidet gleich einem gewaltigen Wall das Ihal des Serafſchan von dem des Jaghnob. Sie trägt den Namen Serafſchan-Kette. Gegen Welten reicht fie bis zum Durchbruch des Fanfu und feßt fich jenſeits desſelben in dem Fanstagh und dem Mafar-tagh fort. Das Ge

birge ſüdlich des Jaghnob

ift das Hiffar-Gebirge.

Es

bildet die Wafjerfcheide zwifchen Seraffhan und Amu und Iheint aus mehreren Stetten zu beftehen. Seine Formation it Urgeftein, dem im Süden niedrigere Sandjtein-Gebirge vorgelagert find. Der Weg, welcher dem Serafſchan entlang läuft,

wechjelt oberhalb Dburdan mehrfach von einem Ufer auf das andere. Die ruſſiſche Generalſtabskarte gibt auf diefer Strede folgende Kiſchlaks an: Mafar, Paldorak, Tabuſchin, Madrufchfat, Langar-Jus, is, Remobuk, Rogif und

Poltigau.

Von Oburdan bis Warfaminar bleibt der Weg

auf dem rechten Ufer und paffiert die Kiſchlaks Wiſchap, Schabat-bala und Rarß. Warjaminar ift befeftigt. Hier nimmt der Seraffchan

jeinen bedeutendſten Tributär, den Fan-Darja oder Fanſu, auf. Er ftrömt aus einer ſchmalen Felfenfchlucht hervor, mit welcher er in ſüdnördlicher Nichtung die Seraffchan Kette

hält.

durchbricht,

weldhe

nun

den Namen Fan⸗tagh er⸗

In der Schlucht des Fan liegt das gleichnamige

Kiſchlak, bei welchem der Fluß von links den aus dem

Paßrut⸗Defile hervorkommenden Surkhab aufnimmt, und

das Kaſtell Sarvada. Die Quellflüſſe des Fanſu

der Iskander-Darja.

find der Jaghnob

und

Jener Fommt vom Dften ber; er

entjpringt auf dem Guibaß-Berge, zur rechten von ber Serafihan-Kette, zur linken von den Hiſſar-Gebirgen bes

gleitet. Sein Thal ift relativ gut bevölkert. Auf der Karte find die Kiſchlaks Nobobot, Dekalan, Debalan, Nobis

main, Kaſchi, Bidin, Warfaut, Kichartab, Margif, Anfop und Tagfan verzeichnet. Der Iskander-Darja mündet von u Südweſten in den Fanſu. Er kommt aus dem Iskander⸗ kul, Alexandersſee. Dieſer liegt in großartiger Hoch—

Der Seraffhan-Diftrilt in Ruſſiſch-Turkeſtan.

43

gebirgslandichaft, 2130 m. über dem Meere. Sein Umfang iſt 8 bis 10 Km, und fein Spiegel lag, wie die Waffermarfen

auf demfelben,

am Ufer zeigen, früher beträchtlich höher.

Infolge vul-

kaniſcher

dem

Unweit Dafchty=fafy mündet vom Süden das Fleine Seitenthal von Waſchan ein, welches neuerdings von dem franzöfifchen Neifenden Ujfalvy befucht wurde. Man fteigt von Urmitane fast fenfrecht zu der Brüde herab, welche auf das linfe Ufer des Serafſchan hinüberführt. Ein

Creigniffe

ift er gefunfen.

An

unteren

Ende de3 Sees befindet ſich ein fchöner Wafjerfall. Zwiſchen dem Iskander-Darja und dem obengenannten Surfhab

liegt der gewaltige, aus Kalffevimenten be-

ſtehende Gebirgsjtod des Tſchandara. Er fteigt über 6000 m, an und bildet die höchite Erhebung des Fan— tagh, welcher fich überhaupt durch Höhe, Wildheit und Unzugänglichfeit auszeichnet. Noch zweimal weſtlich des Fanſu merden die Gebirge auf dem linken Ufer des

Serafihan von engen Thalfchluchten durchbrochen. Durch ſie ſtrömen die Gewäſſer von SKifchtut und Maghian dem Hauptfluffe zu. Das zwiſchen ihnen liegende Gebirge heißt Mafarstagh. Un den Duellen Tihandara, findet eine ftatt, wie es fcheint, aus geordneten Bergzüge der

jener Flüßchen, ſüdweſtlich vom Maffenanhäufung des Gebirges dem Grund, weil hier die parallel Serafichan: und der Hiſſar-Ketten

die Weiler

jierend, bis zu dem

wieder

Kum

und

Daſchty-kaſy pa):

vechts gelegenen Urmitane.

gerader, in Felfen gehauener Pfad zieht ſich an der jen: jeitigen Thallehne hinan zu einem feljigen, mit Trümmer:

geftein überdedten Plateau.

Hat man diejes überjchritten,

jo erreicht man das Thal Wafchansfat. Der Pfad ift nur zwei Fuß breit, oft in den Felſen gehauen, oft balfonartig in bedeutender Höhe über den Abgrund hinausgebaut.

Schließlich gelangt man in ein grimendes Thal. Wohl— fultivierte Felder und herrliche Wiefen, mit hübfchen Wafferfällen wechfelnd, erfreuen das Auge. Wafchan felbit, ein Weiler von 40 bis 50 Häufern, Liegt, von fchönen Gärten umgeben, hart am Ufer des Flüßchens. Ueber

ihm erhebt fi der 4200 m. hohe, jchneebededte gleichen Namens.

Berg

wieder zu einem Gebirgsſyſtem fich vereinigen. Diefer Gebirgsfnoten von Magbian, vie man ihn wohl nicht unpafjend nennen fünnte, wird gebildet durch die Berg:

Urmitane ift nicht unbedeutend. Es Liegt an dem ſteil abfallenden, nördlichen Ufer des Seraffchan, auf einem

ltöde Hasreti-Sultan und Baghtſcha, von denen der erftere

hohe Berge. Sn der Tiefe brauft der vielgewundene Seraffchan unter gewaltigem Getöſe über mächtige Fels—

logar den Fan-tagh an Höhe übertreffen foll. Bon dem Gebirge Hasreti-Sultan ftreicht ein Berg: zug, der Karatichestagh, im Bogen nach Nordweiten, all: mählih an Höhe und Steilheit verlierend. Durch ihn wird

das Beden

von

Samarfand

von

dem Thale des

Kaſchka-Darja, des Fluſſes von Scheheri-ſebs (Grünftadt) gejchieden.

Weit bedeutender und vielfach in die Negionen

ichmalen Streifen Landes.

Bon allen Seiten umgeben e8

blöde. Gerade vor fi) hat man den jchneeigen Waſchan-Pik. Von Urmitane nach Pendſchkend führen zwei Wege auf beiden Ufern des Aluffes. Beide find uns durch Ufaloy näher befannt. Der Weg auf dem rechten, nördlichen Ufer des Serafſchan hat 6 Km. von Urmi—

tane einen

hohen Berg mit fteilen Felfenabhängen

zu

des eivigen Schnee3 emporragend iſt das Gebirge, welches vom Hasreti-Sultan nach Süden zieht und das Thal des

paflieren. Ein fchmaler Saumpfad führt jäh hinan. Derfelbe iſt wieder mehrmals über den Abgrund hinaus:

Kaſchka-Darja

gebaut. Wer mit Schwindel behaftet it, muß vom ‘Pferde jteigen. Vom Gipfel des Berges hat man einen großartigen

und feines Tributärs,

des Dſchadſchrud,

von dem des Surkhan trennt. Man fünnte e8 vielleicht nad) dem gleichnamigen, berühmten Paſſe als das Der: bend-Gebirge bezeichnen. In mehrere Ketten ſich auflöfend, dacht es ſich allmählich gegen die Niederungen des Drus ab.

Wie von Warfaminar ab der Bau der Gebirge ſüd— lich) des Serafſchan mancherlei Umgejtaltung erfährt, fo auch die turkeſtaniſche Kette. Diefelbe ſpaltet fich in den Tihunfartau

und

in das

Gebirge

Malgufar.

Eriterer

hält fih hart am Serafſchan und reicht ungefähr bis 67 30° 5. L.; lebteres zieht gegen Nordweſten und jegt ſich jenfeit3 des Paſſes von Dſchiſak in dem Nurastagh fort, welcher fi in die Sandwüſte Kyſyl-kum verliert. Dem Malgufar und dem Nurastagh parallel zieht, etivas mehr im Süden und näher am Serafſchan, der niederigere

Aktau, welcher als eine Fortjegung des Tichunfartau ans geſehen werden kann.

1

Sch kehre nun nach diefer Digrefiton zum Thale des

Serafſchan felber zurüd. Meg

Bei Warfaminar wechfelt der

wieder auf das linke Ufer des Fluſſes und bleibt

Ausblick auf die Hochgebirge rings umher. In ſchauer— licher Tiefe ſchäumt und brauft der Serafſchan. Ueber ihm erheben fich die fteilen, Fahlen Bergfetten, die Kämme und Gipfel von blendendem Schnee bevedt. In der Ferne it die Eisfpite des Tſchandara fichtbar. Die Landichaft

gibt in ihrer hehren Stille und jungfräulichen Unnahbarfeit feiner Partie in der Schweiz nad. Ein Zidzadpfad führt auf dem jenfeitigen Abhang des Berges herab. Bis

Shift bleibt das Thal von hohen Bergen eng eingefchlofjen. Der Weg läuft bald am Abhang bin, bald fteigt er zum Slußufer hinab und führt durch lachende Wäldchen, welche von den reißenden Wellen des Seraffchan beſpült werden.

shift hat eine prachtvolle Lage. Es ift amphitheatraliſch am Bergabhang hingebaut und bietet einen herrlichen Blid über das Thal des Serafſchan. Don Ishiſt ab werden die Felder häufiger. Der Weg ift jest beffer. Er begleitet den Serafichan und ift zuweilen in die Felfen gehauen. Bei Mindana, das durd)

44

Der Serafſchan-Diſtrikt in Ruſſich-Turkeſtan.

die Bauart feiner Häufer nod an das Kohiftan erinnert,

einem ruſſiſchen Detachement von Scharfſchützen und Koſaken

während weiter gegen Weſten die bofhariotifche Bauweiſe vorherrfcht, wird die Straße fahrbar. Das Thal des Serafſchan ift nunmehr breiter und offener, das Land wohl

überſtiegen.

kultiviert.

bei Oburdan

Dasſelbe

war von Urastepe

zu dem Hauptkorps

ausgerückt, um

der Serafſchan-Expe—

dition unter General Abramoff zu jtoßen.

Pit Karategin wird das obere Thal des Serafihan

Eine doppelte Brüde — daher heißt der Pla

durch den Jarchytſch-Paß verbunden. Ueber die Serafihane Kette führen drei Päffe in das Thal des SJaghnob, Der eine geht dur das Thal von Khas, der andere, zugänglichere, ift der Paß von Darg, welcher bei dem

Dupul (Zweibrücken) — führt auf das linfe Ufer des Fluſſes. Die eine Brüde ift aus Holz erbaut und befindet fich in einem Fläglichen Zuftande, die andere ift fteinern und von bemerfenswerter Konftruftion. Ueber eine Grasfteppe ges langt man nad) Sudſchana und von hier durch wohl ans gebautes Land nah Pendſchkend, welches der Hauptort des Kohijtan ift und an deffen mweftlicher Grenze liegt. Der Weg längs des linken Ufers des Seraffchan ift viel ſchwieriger, aber auch Schöner, al3 der auf dem rechten. Gerade gegenüber von Urmitane mündet das Thal von Kiſchtut ein. Der Fluß bricht zwifchen fteilen Felsabhängen hervor und wird mittels einer Brüde überfchritten. Im Hintergrund feines Thales türmen fich drei fchneebedecdte

überjchreiten. Sie find durchgehends nur wenig in den Kamm des Gebirges eingefchnitten und haben eine Höhe

DBergfetten übereinander auf.

von 4000 m. und darüber.

Zuletzt hebt fich der Eig-

gipfel des 4600 m. hohen Trufchdara

majeſtätiſch

vom

Horizont ab. Der Fluß von Kifchtut heißt Woru. Er entjpringt unweit von dem Zufluffe des Iskanderkul auf dem Ge— birgsfnoten von Maghian. An feinem Ufer liegen die Weiler Gafa, Simtut und Kifchtut, etwas gegen Weften

in den Bergen Woru. Sudſchana

Oberhalb PBendfchfend mündet der

oder Fluß von Maghian

in den GSeraffchan.

Sein einer Quellfluß fommt aus dem hoch am Gebirgsfamm gelegenen See von Margufar. Der andere, tvelcher an dem Ort Maghian vorüberfließt, entfpringt etwas mehr weitlih am Gebirgsſtock Hasreti-Sultan. Trotz der Nauhheit der Seraffhan-Gebirge fennen wir doch eine beträchtliche Anzahl von Pabübergängen. Die ruſſiſche Generalftabsfarte verzeichnet 20 Päſſe über

die turfeftanifche Kette. Sie folgen ſämtlich Eleinen Seitengewäſſern des Serafſchan bis an ihren Ursprung, kreuzen dann den Kamm des Gebirges und fteigen auf den nörd— lichen Abhang zu den dort entjpringenden, dem Syr— Darja zuftrömenden Flüßchen hinab. Ueber die meiſten dieſer Päſſe beſitzen wir keine näheren Angaben. Der öſtlichſte Paß zweigt wenige Kilometer unterhalb des Serafſchan-Gletſchers ab. Er führt am Stuchowsky⸗ Gletſcher vorüber in das Thal des Isfara und durch dieſes nach Ferghana. Von Poldorak aus überſchreitet ein Saumpfad die turkeſtaniſche Kette mittels des Jani⸗ſabak-Paſſes. Man gelangt über ihn in das Thal des Khodſchabakyrgan und weiter nach Khodſchend am Syr. Dieſen Paß ſollte im

Jahre 1870 gelegentlich der Serafihan-Erpedition Leut—

nant Colonel Dennet zur Nüdfehr nad) Urastepe benußen; ev wurde jedoch beim Abftieg in einem engen Defile von Bergbewohnern überfallen und zum Rückzug genötigt. Ein dritter Paß, der bei Oburdan in das Serafſchan— Thal mündet, wurde im März des nämlichen Jahres von

Kiſchlak Warfaut mündet.

Ueber den dritten fehlt jede

Angabe. Der Fluß von Maghian bildet den Zugang zu einer Reihe von Päſſen, welche in ſüdweſtlicher Richtung in das Thal des Kafchfa-Darja führen. Die Karte nennt den

Kungus-khan,

den Schahbas

und den

Baibufch-futan,

Sehr fchwierig find die Päſſe, welche das Hiffar-Öebirge

Längs des Fluſſes von Kifchtut erreicht man den Paß Sijah-koh. Auf der Südfeite des Gebirges fteigt man in das Thal des Tupalan, eines Tributärs des Surkhan, hinab.

Berühmter iſt der nur für Fußgänger praftifable”

Mura-Paß.

Ueber ihn gelangt man

vom Ssfander-ful

aus nad Karastagh und Hiffar. Er iſt möglicherweife der Paß, welchen Sultan Baber im Jahre 1500 über Ipritt „und als Siritak bezeichnet. Babers Beichreibung lautet: „Das ift aber einmal ein Paß! Nie jah ich einen,

der ihm gleichfam an Engigfeit und Steile, und nie war ic) eine jo gefährliche Straße gezogen. Mit unglaublicher Schtwierigfeit und Anftrengung ging es auf jchmalen Pfaden neben den furchtbarſten Abgründen vorüber und

nachdem wir endlich nach taufend Mühfeligfeiten und Ber: luften dieſe mörderiſchen, jteilen Defileen zurüdgelegt hatten, erreichten wir die Grenzen von Kan (Fan).“

Auch in ethnographiſcher Beziehung ift das Kohiftan hochinterefjant. Gleih den Thallandfchaften am oberen Drus, Walhan, Garan, Schugnan, Roſchan und Darwas it 8 von Oaltfcha-Stämmen beivohnt. Mit dem Namen Galtſcha, „Bergbewohner”, werden die Sranier der zentrale

aftatifchen Hochgebirge bezeichnet. Ihre äußere Bildung, ihre Sprache und ihre Sitten machen es unzweifelhaft, daß wir in ihnen direfte Abkömmlinge des altoftiranifhen

Volles erkennen dürfen.

Wahrſcheinlich wohnten fie ur⸗

ſprünglich in den ebeneren Landesteilen, zogen ſich aber vor Arabern und Tataren immer tiefer in die Gebirge

zurück. Hier haben fie, vor jeglicher Berührung mit frem— den Elementen gefichert, den urfprünglichen Charakter rein und umverfälfcht bewahrt. Aus ihrer Abgefchloffenheit erklärt es fich zur Genüge, warum fie fo verfchieden find bon den Tadſchiks, den autochthonen Sraniern der ebenen Landjtriche, deren Blut nicht unvermifcht blieb und deren Charakter unter dem Drude einer Jahrhunderte dauernden Knechtſchaft degenerierte,

|

Der Serafihan-Diftrikt

|

Die Galtſchas find von musfulöfem Körperbau und von heller Hautfarbe. Die Haare find kaſtanienbraun, häufig blond, zumeilen auch rot; der Bartwuchs iſt ſtark. Die Augen find braun oder blau. Die Nafe ift Schön

3) Fan, in drei Sada zerfallend: a) 1. Sada

ung und Sprache ihn lebhaft an die europäischen Völker erinnerten. Der Charakter der Galtfchas iſt ein freier

und edler.

Es fehlt ihnen die Berfchlagenheit, welche die

Tadſchiks charakterifiert.

Sie find gute Reiter, portreffliche

Fußgänger, und fönnen die größten Anftrengungen

er:

b) 2.

"

9



=,

15

4

30 Kiſchlaks

befonders primitiven

Kulturftufe fcheinen

nad) Mufchketoffs Angaben die Anwohner des SecafjchanI Gletſchers zu jteben. Sie gelten ihm für Abkömmlinge der alten Iranier.

Der Aderbau, mit dem fich ſonſt die

Galtſchas neben der Viehzucht abgeben, iſt ihnen unbekannt. Häufer und Gerätſchaften find von Stein, eritere ohne Kalk oder Zement erbaut.

Bon Haustieren fennen fie nur

den Schaf, eine Art wilder Eſel, den fie zum Lafttragen berivenden.

Auch das Leben der übrigen Galtihas iſt ein patri—

220 Häuſer 197

ar

En

908 Häufer

1100

Bewohner

985

ya, 4540

Bewohner

4) Jaghnobi: 3 Sada, 27 Kiſchlaks, 881 Häuſer, 4405 Bewohner. Im Diſtrikt der Falghar kommen alſo durchſchnittlich

96 Häuſer auf ein Kiſchlak, in dem der Matſcha 52, in dem der Jaghnobi 32 bis 33, in dem der Fan endlich bloß 30. Man fieht aus diefen Zahlen deutlich, in welch’ engem Zuſammenhang die Größe der Niederlaffungen mit

der LZandesnatur

tragen. Huf einer

archaliiches.

6 Kiſchlaks

DAB

geformt, lang und etwas gebogen; der Mund Klein, die Lippen gerade und fein gejchnitten, die Gefichtsforn oval.

So Ujfalvy. Auch Hofrat Regel, welcher in den Jahren 1881 und 1882 die Oaltjcha: Provinzen bereite, äußerte feine Verwunderung über jene Bergbeiwohner, deren Bild—

245

in Ruſſiſch-Turkeſtan.

fteht.

Se höher wir in die Gebirge

fommen und je tiefer in die fchluchtartigen Geitenthäler, dejto Eleiner werden die Dörfer, deſto geringer die Zahl der Menfchen, welche der farge Boden zu ernähren

vermag. Nechnen wohner von Geſamtſumme veranschlagen. Berechnungen Zahl.

wir nun zu diefen 32,000 Seelen die Be— Kiſchtut und Magbian, fo dürften wir die der Galtihas im Kohiſtan wohl auf 38,000 Schuyler ſchätzt fie auf 36,000; nach den Majeff3 dagegen wären fie faum 20,000 an

Es erinnert in mancher Hinfiht an das des

alten Aweſtavolkes. Sit ein Kind geboren, jo geben die Eltern ein Felt. Die Mutter hütet fünf bis ſechs Tage das Bett. Eine Woche ſpäter erhält das Kind den Namen. Die väterlihe Autorität iſt ſehr bedeutend.

Bei Pendſchkend wird der landjchaftliche Charakter der Gegend ein ganz anderer, die Berge treten in weitem Bogen vom Fluffe zurüd und nehmen, befonders im Norden, an Höhe ab; im Süden umfäumen nod jchneebededte

Gaftfreundfchaft

Gebirgszüge den Horizont.

wird beilig gehalten.

Polygamie ift ges

itattet; doch finden ſich nur wenige reiche Leute, welche zwei Frauen befiten. Ehebruch fommt äußerit jelten vor und wird fehr ftreng beitraft. Die Verfaffung tft durchaus demokratisch. Jedem Dorfe jteht ein „Weißbart” vor, der in feiner Machtbefugnis von der Gemeindeverfammlung beſchränkt wird.

Die Galtſchas des Kohiſtan zerfallen in ſechs Gruppen. Die Maghians wohnen zwischen Pendſchkend und Magbian, die Falghars

zwischen

Urmitane

und Warfaminar,

die

Matſchas öftlich von diefem Orte bis an den Ursprung des Serafihan. Die Kifchtuts, Fans und Jaghnobi führen ihren Namen von den Seitenthälern des Serafſchan. Die Zahl der Falghar, Matſcha, San und Jaghnobi wird von

Grebjonfin auf 32,255 Seelen berechnet. 1) Falghar, in drei Sada (Diſtrikte) zerfallend: a) 1. Sada

I

10 Kiſchlaks

Beer

990 Häufer

le

10760, 29 Kiſchlaks

4950 Bewohner

5380



2778 Häufer 13,895 Bewohner

2) Matſcha: 3 Sada, 36 Kifchlafs, 1877 Häufer, 9385 Bewohner. Ausland

1884, Nr. 38,

Zahlreiche Kanäle werden vom Serafichan abgeleitet. An ihren Ufern breiten ſich grüne Wiefen, fruchtbare Felder, lachende Gärten aus. „Die Gärten bilden die Hauptjchönheit des ganzen Yandes. Die langen Reihen von Bappeln und Ulmen, die Weinberge, das dunkle Yaub der Drangenbäume: das alles verfegt einen plößlich in die Ebenen der Lombardei oder des fünlichen Frankreich.” Im Frühling, wenn Mandeln, Kivfchen, Aepfel, Pfirſiche, Aprikofen und Pflaumen blüben, ift die Luft meilenweit

von entzüdendem Dufte erfüllt.

Nirgends gibt es Obſt in

größerer Fülle und mande Arten, wie die Aprikoſen und Nektarinen, finden fich auch nirgends in beſſerer Qualität.

Menfchliher

Fleiß und Erfindungsfraft haben die

Ebenen des mittleren Seraffchan in einen blühenden Garten vertvandelt. Wohin die befruchtende Feuchtigkeit in Gräben

und Kanälen geleitet ift, da erweiſt der Boden fich als höchft ergiebig. Und doch find diefe fruchtbaren Bezirke nur fehr beſchränkt im Verhältnis zu der Ausdehnung des gefamten Seraffhan-Diftriktes und zu der Zahl feiner Be— wohner. Liefern fie auch immerhin ein veiches und jicheres

Erträgnis, fo ift dafür die Ernte in denjenigen Landſtrichen, welche der fünftlichen Srrigation nicht zugänglich find, um fo ſchwankender und ungleihmäßiger. Mangelnder Schneefall 113

46

im Winter,

Der Serafjhan-Diftrikt in Ruſſiſch-Turkeſtan.

ungenügender

Negen

im Frühjahr,

allzu

find breit, von Gräben eingefäumt, mit Bäumen bepflanzt

trodener Sommer können leicht Mißernten verurfachen. Die Jahre 1770, 1811, 1835 und 1870 brachten furcht:

und gut unterhalten.”

bare Hungersnot

it Samarkand. Es gibt nur wenige Städte in Zentralafien, welche ſomit dem Neize des Märchenhaften und

und forderten zahlreiche Opfer.

Wie

wechſelnd der Ernteertrag ift, mag man daraus erfehen, daß ein Bezirk Negenlandes, Tſchul genannt, im Sabre 1862 über eine Million Scheffel Korn ergab, 1868 unge: fähr 155,000, 1871 etiva 12,500 und 1870 nicht mehr als 486 Scheffel! Gerade diefe exzeffive Ungleichheit der

Bodenproduftion führte gewiß ſchon frühzeitig die Anwohner des Serafichan zu einer bewundernswerten Ausbildung und Durhführung der Fünftlihen Strrigation. Die Not war bier, wie allüberall, die befte Lehrmeifterin. Sn der That fann das Bewäfjerungsfyftem am mittleren Serafſchan als vollendet bezeichnet werden. Zwiſchen Bendfchfend und dem See Karakul, in welchem der Serafſchan endigt, zählt man 85 Hauptfanäle. Ihre Geſamtlänge beträgt mehr als 2500 Km, Die zahlreichen

Seitenarme und Gräben, welche das Waffer über die Felder leiten, find dabei nicht eingerechnet. Der erfte, große Kanal, Bulungur genannt, zweigt bei Pendfchfend vom rechten Ufer ab. Er bewäſſert die Diftrifte nördlich des Fluſſes und iſt einer der Alteften im Serafſchan-Thale. Weiter abwärts beginnt auf dem linken Ufer der Kanal Dargam. Dieſer verſorgt Samarkand und ſeine Umgebung mit dem nötigen Waſſer. Am Fuße des Hügels Tſchupan-ata, nordöſtlich von Samarkand, teilt der Seraffchan ſich in ziver Hauptarıne, Der nördliche heißt Ak-Darja, „Weiher Fluß“, der füdliche Kara-Darja, „Schwarzer Fluß“; Sie ſchließen eine Inſel von ſehr hoher Fruchtbarkeit ein, deren Länge 113 Km. und deren größte Breite 14 Km. beträgt. An der Weit grenze des Serafihan-Diftrifts, gegen das Khanat Bokhara hin, vereinigen ſie ſich wieder. Von hier ab beginnt dann der Unterlauf des Serafſchan. Oberhalb Kattasfurgan entjendet der Kara-Darja den Nari-pai, welcher nach einem Zaufe von SO Km, in den Seraffchan zurüdfebrt. Bon ihm vornehmlich ift der öftliche Teil von Bofhara hinfichtlich feiner Verforgung mit Waffer abhängig. Unter der ruſſiſchen Herrſchaft haben die Gebiete am mittleren Serafſchan einen bedeutenden Aufſchwung genommen. Die Defpotie der einheimifchen Fürften, welche Land und Volk ſchwer bedrückte, ift befeitigt; Ordnung und Geſetz find an die Stelle von Gewaltthätigkeit und Willfür getreten. „Seit die Ruſſen“, fagt Ujfalvy, „fi des Landes

bemächtigt haben, hat die weife und aufgeflärte Verwalt—

ung des Generals Abramoff aus dem Serafſchan-Diſtrikt das produktivſte und beſtverwaltete Gebiet des ruſſiſchen

Turkeſtan gemacht.

Die Poſtſtraßen ſind hier vortrefflich

und alles iſt dazu angethan, Handel und Gewerbe zu heben. Wenn man den Serafſchan-Diſtrikt betritt, iſt man angenehm überraſcht von dem Geiſte der Ordnun g und des Wohlſtandes, welcher hier herrſcht. Die Straße n

Hauptjtadt und Mittelpunkt des Serafichan-Diftriktes Wunderbaren umgeben find, wie Samarfand. Der Sage nad) wurde es gegründet don dem aus Firbufis Königs: buche befannten Tuvanierfürften Afrafiab. Außerhalb der jetzigen Stadt finden ſich noch mweitläufige Ruinen, telche

beim Bolfe den Namen Afrafiabs tragen. In der Ge Ihichte Aleranders wird Marafanda als Königsftadt von Sogdiana erwähnt. Hier hatte er im Sommer 398 fein Standquartier, um die Bergftämme des Dftens, wie auch die Nomadenvölker des Weſtens ſeiner Herrſchaft zu unter-

werfen.

In Marafanda war es auch, wo er im Rauſche

den Klitus ermordete. Alexanders Generäle gründeten in den eroberten öſt⸗ lichen Ländern die graefo-baftrifchen Reiche. Durch fie

wurde allmählich griechiſche Bildung und Geſittung einge⸗ führt.

Sie wurden

geftürzt von

dem Nomadenvolf

Metſchi, welche ihnen im Beſitze der Stadt folgten. Jahre 710 eroberten die Araber Samarkand

der

Im

und führten

den Islam in Soghd mit Gewalt ein. 1221 nahm Dſchingis⸗ Khan die Stadt und ließ ſie von ſeinen Mongolen plün— dern. Seine Dynaſtie wurde von Timur verdrängt, welcher Samarkand zur Hauptſtadt ſeines mächtigen Reiches erhob. Eine Periode des Glanzes durchlebte die Stadt endlich noch im 15. Jahrhundert unter Sultan Baber, welcher ihre Schönheit und die Lieblichkeit und Fruchtbarkeit der ſie umgebenden Gärten in ſeinen Memoiren rühmt. Samarkand liegt in einem Meer von Grün. Schon von ferne bietet die Stadt mit ihren blauen Kuppeln und ſchlanken Minarets einen reizenden Anblick. Sie beſteht aus zwei Quartieren, aus der Eingeborenenſtadt und aus

dem ruſſiſchen Quartier.

Beide

ſind getrennt durch die

Zitadelle Ark, in welcher der alte Palaſt des Emir von Bokhara ſich befindet. An ihm iſt nur die Audienzhalle bemerkenswert mit dem berühmten grünen Kök-taſch, dem

grünen Stein, auf welchem Timur ſeinen Thron errichtet hatte. Neuerdings iſt die Zitadelle von Samarkand berühmt geworden durch den heldenhaften Widerſtand, welchen hier im Jahre 1868 eine Handvoll Ruſſen unter Major Stempel

gegen die zwanzigfache Uebermacht der Bokharioten leiſtete.

Den bei dieſer Gelegenheit gefallenen Soldaten iſt neben dem weſtlichen Thor der Ark ein Denkmal errichtet.

Das ruſſiſche Quartier iſt planmäßig angelegt mit breiten, geraden Straßen, welche radienartig vom Weſtthor der Zitadelle ausgehen. Das Gebäude des Gouverneurs ſteht an einer ſchönen, mit Bäumen bepflanzten Avenue

im Süden der Ark. Inmitten der Stadt befindet ſich ein öffentlicher Garten. An der Oſtſeite der Zitadelle breitet , fich die Eingeborenenftadt aus.

Eine breite Straße führt

von dev Ark in nordöftlicher Richtung nach dem Thor von

2

147

Der Serafihan-Diftritt in Ruſſiſch-Turkeſtan.

Zajchtent, eine andere gerade oſtwärts auf den Platz Reghiftan, welcher durch die drei Medreffen Tilla-Karri, Schirdar und Ulug-beg eingefaßt ift. Die Facaden diefer

diefem in nördlicher Richtung auf das Thor von Taſchkent

Pattak-Hiſſar. Wir fennen ihn einigermaßen genau durd) Schuyler und Yavorsky; auch Colonel Grodefow hat ihn auf feinem berühmten Nitt von Samarfand nad) Herat benußt. (Siehe „Ausland“ 1884, Nr. 7.) Der Weg nah Karſchi folgt zuerft eine Strede weit der Straße nad) Bokhara. Bei dem Hügel, von welchem aus man, bon Weiten herfommend, Samarland zuerit erblidt, biegt er nach links ab. Später teilt er fih und man ge: langt etwas Meiter durch die MWüfte, etwas näher über

zu, jo erreicht man furz vor diefem den Platz Bibi-Khanym.

Dſcham nah Karſchi.

Auf ihm fteht eine gleichnamige Medreffe.

mehr einer mittelmäßigen

Gebäude

find mit prächtigen, in emaillierten Backſteinen

ausgeführten, bunten Muftern bedeckt. Trotz ihres zer: fallenen Zuftandes kann man ſich noch eine Vorftellung

von ihrer ehemaligen Pracht machen. der Medrefje

Schirdar

Unmittelbar hinter

ift der Bazar.

Geht

man

von

Sie wurde

erbaut

im Jahre 791 der Hedſchra (1388 n. Chr.) und trägt ihren Namen nad) einer der Frauen Timurs,

Biegt man außerhalb des Thors von Taſchkent nach vecht3 ab, jo führt eine gerade Straße nad) der Mofchee

Schah-zindeh, erbaut im Jahre 1392. Sie liegt auf einer Anhöhe, zu welcher 40 ziemlich breite Marmorftufen hinauf: führen und bejteht aus einer Reihe von Gängen, Sälen

und Gemächern. Der deforative Schmud der Wandflächen it von einer finnberüdenden Pracht; die bunten Mofaik: mufter zeigen eine beivundernswerte Schönheit der Linien. Eines der intereffanteften Denkmäler von Samarfand ijt endlich das Grabmal des Timur. Es wird umschloffen von der Mofchee Gur-Amir, melde am ſüdweſtlichen Ende der Stadt liegt, nicht weit entfernt vom ruffischen Quartier. Das Grab des großen Mongolenfürften ift von einem prächtigen, dunfelgrünen Nepbritfteine bedeckt. Neben ihm befindet fi) das Grab feines Lehrers Mir Said Berfe; um beide herum gruppieren ſich noch andere, große und

Heine Gräber von Frauen, Enfeln und Urenfeln des Emir. Die Kapelle, welche das Ganze umschließt, iſt achtedig und hat nur zehn Schritte im Durchmeſſer; fie ift über: wölbt von einer prachtvollen Kuppel. Die Zunftvollen Arabesken, welche die Wände ſchmücken, mit den veichen Vergoldungen und dem herrlichen Azurblau find von über: raſchender Schönheit. Zum Schluß feien noch die wichtigften Straßen er: wähnt, welche von Samarfand ausgeben. Nah Weiten führt längs des Serafihan eine von den Ruſſen erbaute

Jene Wüfte gleicht nach Vambéry Wiefe.

An Brunnen fehlt es

nicht und zahlreiche Herden meiden auf der Ebene.

Ueber

Dſcham it, der ruſſiſchen Generalſtabskarte zufolge, nun— mehr eine gute Straße angelegt. Karſchi oder Nakſcheb, wie es vordem hieß, liegt am äußerſten Ende des Kaſchka-Darja, wo derſelbe ſich im Boden verliert. Es iſt von ſchönen Gärten umgeben und

hat kommerzielle Bedeutung als Kreuzungspunkt wichtiger Karawanenſtraßen vom Oxus nad) Samarkand und Bokhara. Man gelangt von Karſchi entweder ſüdwärts nach Kerki oder ſüdöſtlich nach Kilif, beides vielbenutzte Uebergangs— ſtellen über den Amu-Darja.

Der Weg über

den Karatubin-Paß,

auch Takhta—

karatſcha genannt, führt von Samarkand aus zunächſt eine Strecke weit durch offene Steppe. Bor dem Ort Karastepe erreicht man ein Defile. In diefem geht es auf fchlechtem, ſteinigem Wege langjam aufwärts. Der legte Anftieg zur Paßhöhe (2000 m.) ijt überaus ſteil. Der Paß ſelbſt bietet nach Süden eine prachtvolle Ausficht auf das Frucht: bare Thal von Kital und Scheherisjebs, welches wie ein

Golf auf drei Seiten von Gebirgen umfchloffen ift. Der Kaſchka-Darja durchfließt es von Nordoſt nad) Südweſt in der Richtung auf Karſchi. Sm Oſten begrenzt die gezadte Schneefette des HasretisSultan-Öebirges den Horizont. Der Abitieg nad) Kitab it wieder ſehr beſchwerlich. Weber Scheheri-ſebs erreicht man durch wohl angebautes Land den Drt Jar-tepe. Jenſeits desjelben bis nad) Schir—

abad geht es durch gebirgige Gegend. Auf diefer Strede liegt der berühmte Paß von Derbend, ein bloßer Felſen—

Staatsſtraße nach Statta-furgan. Diefes liegt an der Grenze des Khanats Bokhara. Der Fluß behält auch in diefem

jpalt, durch welchen

noch feine oftweitlihe Richtung

Karmine

Drus dehnt ſich Steppe aus; die lebte Strede vor Pattak—

jedod) wendet er fich gegen Südweſten und bewäſſert mit zahlreichen Armen und Kanälen die Stadt Bokhara und

Hiſſar ift wegen des fandigen Bodens ziemlich beſchwerlich. Die große Straße von Samarfand nad Tajchkent

deren Umgebung. Schließlich endigt der Seraffchan in dem Schon ringsum von Wüftenfand umgebenen See Karakul,

endlich ift für ung von befonderem Intereſſe. Man ver: läßt Samarfand durch das nördliche Thor. Eine pracht-

ohne den Oxus zu erreichen, von welchem er ungefähr noch 36 Km, entfernt ift.

volle, mit Bäumen bepflanzte Straße führt zwifchen Gärten und Feldern hin. Bei dem hohen, kahlen Hügel Tſchupan—

Bon

Samarkand

bei.

Unterhalb

nad) dem Drus

gibt es mehrere

Wege. Zwei derfelben, „der Weg durch die Wüſte“, welchen Vambéry benubte, und der über Dſcham berühren Karfhi und Nakſcheb. Der dritte und fürzefte geht in gerader ſüdlicher Richtung über den Karatubin-Paß, Sche— herisfebs, den Paß von Derbend und Schirabad nad)

gefchmolzenen

im Frühling und Sommer

Schnee

fließt.

Von Schivabad

ein Bad)

bis zum

ata wird der Serafſchan erreicht, oberhalb der Stelle, wo er fih in Ae-Darja und Kara-Darja fpaltet. Auf der

Spite des Hügels befindet fich das Grab des gleichnamigen Heiligen, welcher ein Schußpatron der Schäfer und der Stadt Samarkand ift. Ebendort ftand dereinjt das aſtro— nomifche Obfervatorium des Ulug-Bei, eines Enkels des

48

Die Ureinwohner von Chile.

Timur. An dem Fuße des Hügels erblidt man die Ueber: vefte einer alten, aus Stein erbauten Brüde. Zwei präch—

tige Bögen, die im rechten Winkel zu einanderfteben, jind noch erhalten. Beim Bolfe heißt fie die Brüde von SchadmanMaht. Der Seraffchan hat je nach der Jahreszeit einen fehr verjchiedenen Wafferftand. Schuyler fand ihn im Mai tief und reigend. Als Ujfalvy ihn überfchritt, war er weder breit, noch tief, hatte aber eine ftarfe Strömung. Im Juli, zur Zeit der ſtärkſten Schneefchmelze, ſchwillt ex zu einem wilden Strome an, welcher eine gewaltige Waffer: mafje mit fih führt. Außer im Sommer hat der Seraf: Ihan noch im Frühling und im Herbſt eine Periode ge— vingeren Anfchtvellens, verurfacht durch die in diefer Jahres— zeit eintretenden Negengüffe. Auch auf dem rechten Ufer des Seraffehan führt die Straße ohne Unterbrehung durch fruchtbare Felder und

Gärten.

Bahlreihe

Bewäſſerungskanäle

werden

Am Nordausgang des Defiles liegt der Ort Dichifak, Wir haben damit den Seraffhan-Diftrift hinter uns, und bor uns nad) Norden dehnen fich die unermeßlichen Steppen und Ebenen des Syr-Darja aus. Dſchiſak war ehedem

Die ftrategifche

Bedeutung feiner Lage ift einleuchtend. Im Sahre 1866 geriet die Stadt in die Gewalt der Ruſſen. General

Kryzhanofsky

Die Bokharioten

hatten fie zuvor

einem militärischen Stüßpunft gemacht. Ihre Garnifonen haben fie in die benachbarten, gefünderen Ortjchaften verteilt.

Bon Dſchiſak aus kann man in nördlicher Richtung durch die „Hungerfteppe” nach Taſchkent gelangen. Der Syr—

Darja wird bei dem Orte Tſchinas überfchritten. Ein anderer Meg führt oftwärts am Abhang der Gebirge hin nad) Samin und Uraztepe. Von bier erreicht man über Nau die Stadt Kodfchend, am linker Ufer des Syr und an den Grenzen des gefegneten Ferghana gelegen.

über:

Ichritten. An einem Seitenarm des Serafjchan liegt Dſcham— bat, an einem anderen, nördlicheren Tafch-fupriuf oder ruſſiſch Kameny mosst „Steinbrüde.” Die Brücke, welche über das von fteilen Ufern eingefchloffene Flüßchen führt, iſt freilich von Hol! Die Ruffen haben den Uebergang durch ein ſtarkes Fort gefchügt. Die Gegend hat auf einer Strede hügeligen Charafter. Man erreicht den Aktau, die Wafferfcheide zwiſchen dem Serafſchan und dem Flüßchen von Dſchiſak, das geograph: ich zum Gebiet des Syr-Darja zu rechnen ift. Der Boden wird trodener, unfruchtbarer, fteppenartig. Von den Ebenen des Syr-Darja ift man noch durch den Höhenzug de3 Malgufar-Öebirges und des Nurastagh getrennt, Durch denfelben führt das Defile Diehilansuti („Schlangenpaf“), an dejjen füdlichem Ende der Ort Sanisfurgan liegt. Bon ihm aus erblidt der Neifende, der vom Norden fommt, bereits die ſchneebedeckten Gebirge, welche das Thalbecken von Samarkand im Süden begrenzen, den Karatjchestagh. Dſchilan-uti ift ein enges Thal, nirgends über 100 m. breit, in nördlicher Richtung durchſtrömt von dem Flüß— chen von Dſchiſak, das man achte bis zehnmal überfchreiten muß. Die engjte Stelle des Defiles, durch vorfpringende Felſen gebildet, heißt „Pforte des Tamerlan“. Daf der Paß, welcher den Horden der Mongolen und der Tataren als Zugang zu den gefegneten Gefilden des Serafſchan diente, mehrfach der Schauplatz ernfter Kämpfe war, be zeugen Felfeninfehriften, welche in demfelben aufgefunden und entziffert wurden.

eine wichtige Grenzfefte von Bokhara.

Ihießung mit Sturm.

ſtark befeftigt und wehrten fich heldenmütig. Die größte Zahl der Verteidiger blieb im Kampfe. Seither ift Dſchiſak ſehr herabgefommen. Da feine Lage überaus ungefund it, insbefondere fommt der berüchtigte Guinea-Wurm fehr häufig vor, fo haben es die Ruſſen Flugerweife nicht zu

nahm fie am 30. Dftober nad) kurzer Ber

Die Ureinwohner von Chile.“ Diefes Werk eines Chilenen über vaterländische Archäo— logie und Anthropologie jteht bis jebt einzig in feiner Art da und hat auch in den Mitteilungen der Ausländer, denen wir jeit Mlerander dv. Humboldt faſt ausſchließlich tachrichten über Südamerika verdanken, feinen Vorgänger. Der Verfaſſer ſelbſt ift fein Neuling auf dem Gebiete der

gelehrten machte

Kompilation.

Vor

mehreren

er fi) durch eine mehrbändige,

Sahren

bereits

äußerſt gewiſſen—

hafte Aufzählung von allem, was auf chileniſchem Boden zu Ipanifchen Zeiten je gejchrieben wurde, ? dem engeren Kreife litterarifcher Liebhaber

befannt.

Die vorliegende

Sammlung bringt dagegen eine Fülle wiſſenſchaftlichen Materiales und verdiente das Lob der Ethnologen, Kranio— logen und Genojjen, felbjt wenn fie nur die 40 Tafeln Ihön lithographierter Abbildungen von Waffen, Töpfen,

Geräten aller Art, Götzen, Schädeln, Malereien, Snjchriften böte. Aber der Text beſchränkt fich nicht auf die Erklär— ung der Figuren, jondern gibt eine forgfältige Zuſammen— ſtellung aller Ausfprüche, die ſich auf die vorſpaniſche Ver: gangenheit Chiles beziehen oder einiges Licht darauf werfen fünnen.

Neue Gefichtspunkte werden nicht aufgeftellt, auch feine neuen Ausfichtspunfte eröffnet; aber der Autor er Härt es auch für feine ausfchließliche Aufgabe, Material zu jammeln,

alle Folgerungen

jelbft Kritif und Sichtung folgern überlaffend.

und

Enttvidelungen,

ja

bejcheiden glüdlicheren Nach— i|

Denn, wie er in der Vorrede fagt,

„es ift notwendig, einmal damit anzufangen, die Fundas ' Jose Toribio Medina: Los Aboıijenes de Chile, Santiago. Imprenta Gutenberg. 1882, 40. 4297 ©, und 232 Figuren auf 40 Tafeln. 2 Historia

de la literatura colonial

en Chile.

1878,

’3

149

Die Ureinwohner von Chile.

mente des umfafjenden Gebäudes zu legen, damit jpäter immer wiederholte und bejjer begründete Beobachtungen uns dahin führen, dasjelbe definitiv zu vollenden.” Es bieße aljo den Charakter der Arbeit verfennen, wenn man

an diejelbe den Maßſtab europäiſcher Altertumsforfchung anlegen und allgemein menschliche Kulturprobleme darin juchen wollte. Sie tft weder eine Monographie, noch eine Unterfuchung, nod weniger eine Neformvorlage, fondern eine anjpruchslofe Kollektion mannigfaltiger Erfahrungen, Gegenſtände, Kontroverjen, tlluftriert durch Belege aus alten Schriftitellern und modernen Anthropologen. Rühmens— wert iſt der vorurteilsfreie Ueberblid über fo diskrete Dinge und das liebevolle Eingehen auf alle Details, wodurch 3. B. die Schilderung der Araufaner zu einem anmutig lebensvollen Gemälde wird, dergleichen weder die Neifelitteratur noch Fachgelehrſamkeit bis jest aufzuweiſen bat. Ueberhaupt zählen die Lebensgefchichte dieſer Indianer und die Berhandlung über das Alter des Menfchen in Chile zu dem Wertvollften, was der Tert bietet, Möge ihre Gründlichfeit dafür entfchädigen, daß wir bei der Lektüre mitunter die Fichte Höhe unferer Zeit vermiffen beim matten

Schein der Fackel, mit der uns der Berfaffer in die düsteren Gänge diefer Faum erſt in Angriff genommenen Schatgrube binableitet!

oder aus eigenen Erfahrungen beweifen, nicht mehr Beachtung, als jo mand’ fühne Folgerungen vergleichender Schädelkunde oder fcharffinnige Entwürfe phylogeneti-

Iher Stammbäume Solde Ausſprüche aber in gleicher Linie mit der Literatur echter Forſchung zu nennen, fei e3 auch nur der Vollitändigfeit halber, hieße Spiel mit Arbeit vermengen. Und wenn der Autor die Leichtgläubigfeit jener Olaubensboten oft lächelnd abfertigt, fo hätte er bejjer, als mit Liebenswürdiger Geduld fie einzeln vor— zunehmen, daran gethan, das Gericht des Pfarrers über die Nitterromane des Don Quijote mit ihnen zu erneuern. Etivas anders fteht es mit den Traditionen. Statt daß fie etwas beweiſen fönnten, bedarf es vielmehr nächft der aus andermeitigen Quellen gefchöpften Belehrung einer

genauen Einfiht in die Entwidelung des menfchlichen Geiſtes, um ihre Entjtehung und Formulierung verftehen zu lernen. Oder wäre aus der Zabel der Amazonen wirklich mehr Faktiſches zu entnehmen als aus einem Anderfen’schen Märchen? Und ſtehen Naturvölfer nicht auf der gleichen Stufe Eindlicher Bhantafie? ... Wenn e8 einmal gelingen jollte, diefer Fühnen Seglerin beftimmte Gebiete abzuftedfen, dann ja. Zumal mit Zeitabjchnitten erlaubt fich die Volks—

mythe die twillfürlichiten Abänderungen; man denfe an die indischen Weltalter. Der einzig zuverläfjige Leitftern

So führt gleich das erfte Kapitel, das auf Grund biltorifcher Daten eine Erklärung des Namens Chile zu geben verjucht, zu feinem endgültigen Abſchluß. That: ſächlich exriftiert diefe Bezeichnung, deren Orthographie noch nicht einmal zu legitimieren iſt (ob Chili, wie die erften Konquiftadoren und heute noch viele geographiſche Hand—

bleibt bier Iprachliche Anlehnung im Sinne der neueren Sprachvergleihung, nicht nach zufälliger Zautähnlichkeit. Und doc, welche Wandlungen vollziehen fich nicht in einem Wort Ihon! Wer weiß etwa, daß „Ichlecht” vor wenigen

bücher, oder Chile, wie offiziell nunmehr gebräuchlich), erſt jeit der Eroberung der Inkas und zwar für den mittleren Teil der Nepublif. Daneben bleibt es troßdem, daß ein am Gtillen Meer vielgenannter Bolyhiftor diefem Punkt eine ganze Abhandlung gewidmet, jedem unverivehrt, der

Bewußtſein rückwärts zu verfolgen!

Konjektur eines Ungenannten in den Annalen der Santiaquiner Univerfität beizupflichten, welcher Chile einfach als „Pfefferland“ deuten möchte, wobei es zwar verjtändlich wird, wie der Spanische Pfeffer an vielen Orten (fo in kerifo) unter dieſem Namen geht, aber um fo feltfamer

ericheint, daß die Chilenen für diefes nationale Gewürz fich den Quichuanamen Aji ausgefucht haben. Die vier folgenden Kapitel fafjen fogleich die Frage | nach den urjprünglichen Betvohnern des Landes in's Auge,

Die phantaftiichen Bermutungen der alten Miffionäre fallen hier ebenjowenig in’3 Gewicht als die einheimifchen, mehr wie fabelhaften Weberlieferungen. Wo die ehrwür—

Jahrhunderten das direkte Öegenteil von heute bedeutete; wer vermöchte die Bedeutung eines Wortes überhaupt in feinem

Bis zur Wurzel reicht

nur die Sonde der Wifjenfchaft; fie allein vermag durch mühjfelige Kombinationen alle Uebergangsftufen aufzudeden

und daraus umgefehrt die Schöpfungen der Einbildungsfraft zu deuten. Wenn mir alfo den antiquariichen Apparat, der ebenfo oft unter wie überſchätzt worden ift, bei Seite laffen, fo

fönnen bei dem Mangel an hiftorischen Belegſtücken höchſtens Beziehungen zur Urbevölferung des übrigen Kontinentes Licht auf die vorinfaflische Zeit in Chile werfen (IV. Ka— pitel). Kein Zweifel, daß diefe Bevölferung ſehr alt ift, fein Zweifel,

daß fie auch lange vor den uns befannten

furzlebigen Kulturftaaten jation

erklommen

eine gewiſſe Stufe der Zivili—

hatte, wenigſtens

an manchen Diten!

Wenn Martius aus Mitleid mit den brafilianifchen Ur: waldmenfchen zu der Annahme griff, daß fie einft befjere

herzigfeit voll und ganz den Wert einer Urkunde, d.h. fo lange Herz und Ohr nicht mit den Forderungen ihres

Tage gejehen haben müßten, fo it an anderen früherlofchene Morgenröte hinreichend durch verbürgt. Seltſam nur, daß diefe Denkmäler den, wo auch fein Schatten von Erinnerung

Glaubens und ihrer Moral in Zwiejpalt geraten,

oft in Einöden

digen Väter

als Augenzeugen

berichten,

hat ihre Treu:

Wenn

aber die Rätſel, denen fie gegemüberftehen, fie zu either: geholten Annahmen nötigen, da verdienen ihre AnIhauungen, mögen fie diefelben nun aus Ariftoteles Ausland

1884, Nr. 38.

(wie in der

Orten diefe Denkmäler da fich fin: fie umgibt,

Atakamawüſte)

oder

uns

zugänglich vergraben. Ob ein Zufammenbang beiteht zwiſchen den Hieroglyphen in der Orinokowildnis mit denen im. Amazonasthal und am Madeira! Wie durd) eine 114

750

Die Ureinwohner von Chile.

unausfüllbare Kluft ift jenes graue Altertum von der mittels alterlichen Theokvatie in Mexiko und Peru gefchieden. Ob es auch ein Haffifches Altertum war? Unfer Werk bringt feinen Entfcheid, aber einen ſchätzenswerten Beitrag

zu dem Bekannten

in einer GSteinplatte (Fig. 232) vom

Ufer des Kachapval, einem Kleinen Flüfchen bei den vo: mantiſchen Bädern von Kauquenes, die mit oberflächlichen Schriftzeichen bedeckt ift. Mit einem Schritt weiter zurüd verſetzt das folgende

Kapitel unmittelbar in die Steinzeit,

und damit an den

Ausgangspunkt menſchlichen Dafeins überhaupt. Die aus vielen Sitaten gewobene Auseinanderfegung, ob das Menfchengefchlecht einheitlichen oder vielfältigen Urfprungs jet, wäre entbehrlich; fie gehört der chriftlichen Apologetik an. Ebenſo bedürfte es kaum der Autorität eines fran: zöſiſchen Anthropologen, um zu bezeugen, daß die amerikaniſche Kaffe mit ihrer ausgeprägten Einheit fehr wohl in Amerika ſelbſt ihren Anfang genommen haben wird.

Das Alter des mit Vernunft begabten und darum Werk zeuge ſich Ichaffenden Menfchen zu beftimmen

bleibt dies—

jeits wie jenfeits des Ozeans eine mißliche Aufgabe.

Der

überrafchende, vor mehreren Jahren aus Kalifornien ge— meldete Fall, der ein fehr weites Zurückgehen beiviefen hätte, wurde fpäter widerrufen; der im Tert erwähnte Fund don Neiv-Orleans Scheint beffer begründet. Auf die

Ausgrabung

von unzweifelhaft auf primärer Lagerftätte

befindlichen Maftodontenreften in der Lagune von Tagua= tagua bin vegt der Verfaffer die Frage an, ob in Ghile der Menfch nicht mit dem Maftodon gleichalterig fer: eine Annahme, die nicht weniger gewagt ift, als die Spuren von VBerwundung an einem Megatheriumfchädel univeit von Buenos Aires auf Menjchenhand zu beziehen. Sehr am Plate ift dabei die Bemerkung, daß in Chile mit dem Kalkgebirge auch die Höhlen fehlen, welche anderwärts fo

glückliche Auffchlüffe getvähren. Dann folgt, um Poſi— tives zu bringen, eine ausführliche Beſprechung von Aexten,

Pfeilen und anderem Gerät aus Stein und Holz, die zum Teil dem Nationalmuſeum in Santiago, zum Teil Pri— vaten gehören. Wenn auch dieſe primitiven Inſtrumente aus naheliegenden Gründen überall auf der ganzen Welt

ſich gleichen, ſo bringen doch die zahlreichen Abbildungen viele intereſſante Bezüge. Beſonders ſei auf die Num— mern 28 bis 45 aufmerkſam gemacht, deren das Mufeum

Dutzende befist.

Nätfelhaft und ehrivürdig zugleich, mie

alles was die Art betrifft, diefe unztveifelhaft erſte Mani: feltation des Fombinierenden Verſtandes, merden dieſe ovalen, doppelkoniſch durchbohrten Steine mit einigem Recht vielleicht den Tillhuggerſteens verglichen. Jedenfalls verteilen ſich die zuſammengebrachten Anti— quitäten auf ſehr verſchiedene Zeiten und Völker. Schade,

daß es dem Autor fern lag, einzelne Stämme zu ſondern

und ihrer Aufeinanderfolge, ſoweit möglich, nachzuſpüren. Eine ſolche Behandlung, die auf die Linguiſtik ſich ſtützen müßte, verſpräche am eheſten Auskunft darüber, ob und

inwieweit die Zuftände der heutigen Feuerländer auf das Bild, das Chile in der Steinzeit

bot, paſſen (©. 84).

Leider blieben auch einige Mwichtige diesbezügliche Abhand— lungen (z. B. die von Dr. F. Fond „Die Indier des ſüd— lichen Chile von fonft und jeßt” in der Zeitjchrift für

Ethnologie.

Berlin, 1870) durchaus unbenüßt.

|

Fünf umfangreihe Kapitel find ausjchließlih der Charafteriftif der Araufaner gewidmet, unftreitig der genuß-

veichite Teil des Werkes. dene Material

Denn wenn auch das vorhane

durch Feine eigenen Erfahrungen gemehrt

wird, fo fügen ſich doch die Details der Zitate, deren Fülle fonft den

Gedanfengang

mehr

zu verwirren

als zu er

weitern pflegt, diesmal zu einem mohlgelungenen Mofait zufammen.

Sn jo abgerundeter Bollftändigfeit wurde eben

das Bild diefer Stammväter

des Landes, welche Feinen

anderen Berband als den der Familie

und

Feine andere

Religion als den unbeitimmten Begriff des Geiftes Billan fennen, noch nicht geboten. Darum erfcheint mand)es neu, nur weil e8 hier zuerft an die gebührende Stelle und

in den richtigen Zufammenhang

gerüdt ift. Beſonders

angenehm berührt in diefer Beziehung das Enfemble der

Sriegsgebräuche, ſowie die Darlegung der Rechtsverhältniffe und der Verbreitung allgemeiner Kenntniffe. Freilich Führt die ausgefprochene Vorliebe für litterar⸗ iſche Quellen auf der anderen Seite auch dazu, den natüre

lichen Quell der Erkenntnis, unmittelbare Beobachtung, zu vernachläſſigen. Sind gleich die heutigen Pikunten, die in Kürze ganz den Schauplat vor der Kultur räumen müffen, nur noch ein Traum jener Helden, denen felbft die Spanier nicht gewachſen waren, fo bleibt doch noch vieles von ihnen zu lernen, das auch der berufenfte Zeuge nicht lehren

fann, dazu ohne Schwierigkeiten, da nicht nur Kazifen zuweilen als Geſandte in der Hauptitadt auftreten, fondern auch „Chriſten“ im intimften Verkehr, ja in Gemeinschaft mit den „Indiern“ leben. Und find nicht Nachrichten, wiefie

die Tagesblätter

gelegentlich

der MWiedereinnahme

N

von

Villarika vor längeren Monaten brachten, unter anderem auch einheimische Lieder und Dichtungen, unendlich viel

wertvoller als alle Urteile und Meinungen darüber! Endlich hätte auch bei diefer Gelegenheit ein deutfcher Gelehrter die Stammespertvandtfchaften heranzuziehen ſich nicht nehmen El

lafjen, jene Flucht der Geschlechter, welche bei Barbaren ö den ganzen Inhalt der Gefchichte ausmacht, zu deren Ber

gründung die fprachliche Mannigfaltigfeit in der ſüdlichen

Kordillera aber geradezu herausfordert.

=

J

A=

Das letzte Viertel des Buches behandelt die Here Ihaft der Inkas in Chile, die als Bronzealter an die Steinzeit anzufchließen wäre. Was diefen Abſchnitt aus: 4 zeichnet, iſt weniger die Neihe von abgebildeten Thon gefäßen, als vielmehr der Umftand, daß unferes Wiſſens noch nie verſucht wurde, die Eroberung und Machtentz faltung der Inkas in Chile gefondert darzuftellen. Sicher:

lich achteten diefelben

dieſe Provinz

faum mehr als ihre

vaubgierigen Nachfolger. Was follten aud die „Söhne

751

Ueberſicht auftralafischer Statiftit für die Jahre 1873 und 1882.

der Sonne” in einem Lande, das faum einen rechtfchaffenen Baum, Faum eine genießbare Frucht aufzuweifen hatte? Wichtig iſt es darum, feitzuftellen, daß das Reich der PVeruaner nie weiter als bis zum Maulefluß reichte,

was nebenbei viel dazu beitrug, die ohnehin Schwachen Spuren früherer Autofratie im nördlichen Chile zu ver: wiſchen, im ganzen aber vermöge feines friedlichen Charak— ters den Bewohnern wenig mehr als in Kleidung und Nahrung feinen Stempel aufprägte, weil die Spanier zu bald fie ablöften. Deren Konquifta und die Umwälzung,

die fie im Lande verurfachten, zu fchildern, geht über den dem Buche

vorgejtedten

Rahmen

hinaus.

Sie

iſt auch

bereits ausgiebig von fleißiger Hand behandelt worden (Descubrimiento y conquista de Chile por D. Miguel Luis Amunätegui. Santiago 1852), wie denn überhaupt für Arbeiten folcher Art in Chile viel Luft und Neigung hervor: tritt: ein Zug, der auch in der im Erſcheinen begriffenen Historia jeneral de Chile por D. Diego Barros Arana jeiner Nation Ehre zu machen nicht verfehlen wird. Damit wäre der Inhalt des Buches im großen und ganzen angedeutet, da es doch einmal nicht angeht, Wort

und Bild einzeln vorzuführen. Wenn der Verfaffer, die Mängel entfchuldigend, Klage führt, daß es ihm in feinem Baterlande

für eine fo fehwierige Unternehmung

an der

Mithilfe einer ausreichenden Bibliothek gebreche, jo möchten wir diefen Mißftand nur ſehr bedingt anerkennen. Denn jo verhängnisvoll es für die Klaffififation von Naturobjeften it, die Vorarbeiten klaſſiſcher Syſtematiker nicht benugen zu können, fo ivenig verichlägt es, wenn man auf einem jo gut wie neuen Gebiete

mutig

auf ungebahntem Pfad

borzudringen gezwungen ift, ftatt auf die Schultern bes währter

Autoritäten

fih zu ſtützen.

Wenn

in irgend

etwas, fo vermag in amerilanifchen Dingen Amerika Tüchtiges zu leiften auch ohne den ftändigen Beirat der alten Welt: fo möchten wir wenigſtens am liebjten die Emanzipation verftehen, die der in feiner Heimat hoch— gefeierte Gelehrte Andres Bello verfocht. Ernftlich zu bedauern ift es dagegen, daß der Berfafler

des vorliegenden Werkes, wenn er einmal Bergleiche nicht ent= behren will, außer Poppig kaum noch einen anderen deutjchen

Ueberſicht auſtralaſiſcher Statiftik für die Juhre 1875 und 1882. Wie für die neun vorhergehenden Sabre,

hochverdiente Negierungsitatiftifer von Viktoria, Henry Heylyn Hapter, auch für das Jahr 1882 feine Australasian Statistics, compiled from official returns, aus— gearbeitet und Ende Dftober 1883 beiden Häufern des Parlaments in Melbourne überreiht. Wir entnehmen diefer trefflichen, fompetenten Arbeit die nachjtehende Ta—

belle, welcher die fpärlicheren Angaben über die jüngite Rolonie der Fidſchi-Inſeln als Anhang folgen. Neu-Südwales.

1873 Bevölkerung 31. Dez. Geburten Todesfälle Heiraten Einwanderer zur See Auswanderer zur See Staatseinkünfte Staatsausgaben Staatsjchulden Import Export Ein- und auslaufende Schiffe Tonnengeh. derjelben Eifenbahnen im Be— trieb 31. Dez. ZTelegraphen im Be—

Amerika” bieten müfjen!

Das aber darf wohl behauptet

werden, ohne damit irgend an nationale Gefühle zu rühren, daß heutzutage über Urgefchichte abzuhandeln, ohne die deutichen Leiſtungen zu konſultieren, fchlechterdings nicht angeht.

Santiago de Chile,

L. Darapsky.

£ £ £ £ £

1882

560,275 21,444 7,611 4,384 24.022 16,770 3,324,713 2,333,166 10,842,415 11,088,388 11,515,829

817,468 29,702 12,516 6,948 47,289 27,972 7,410,737 6,347,810 18,721,219 21,281,130 666

4373 1,762,478

4,777 3,296,665

645

2,113

Km.

trieb 31. Dez.

Km.

137

14,505

Kultiviertes Land Weizen Hafer Gerfte Mais Kartoffel

Afres! Bushels? 5 A 5 Tons3

456,825 2,238,414 302,600 66,225 4,120,112 42,281

133,983 4,042,395 617,465 133,050 4,057,635 43,461

Dein

Gallong %

575,985

543,596

328,014 2,710,374 19,928,590 238,342

328,026 1,859,985 31,796,308 154,815

Pferde Horndieh Schafe Schweine

Schriftiteller zu fennen feheint, während auch unbedeuten-

dere franzöfifche Namen mit peinlicher Achtſamkeit behandelt werden. Welche Auswahl an Zügen für den Inkaſtaat hätten ihm nicht allein Baftians „Kulturvölfer des alten

jo hat der

Viktoria. 1873

1882

Bevölkerung 31. Dez. Geburten Todesfälle Heiraten Einwanderer zur See Auswanderer zur See Staatseinkünfte

772,039 28,100 11,501 4,974 29,460 26,294 3,644,135

906,225 26,747 13,634 6,309 59,404 48,524 5,092,362

Staatsausgaben

£

3,504,953

5,145,764

1 2 3 —

1 Are ift 40,467 Ar. 1 Bujhel ift 36,348 Liter. 1 Ton ift 1016.04 Kilogramm. 1Gallon iſt 4.543 Liter.

52

Ueberfiht auftralafifcher Statiftif fiir die Jahre 1873 und 1882. Queensland.

Viktoria.

12,445,722 16,533,856 15,302,454

1882 22,103,202 18,748,081 16,193,579

4,413 1,519,015

4,168 2,690,584

737

2151

1873 Staatsſchulden £ Import £ Erport £ Ein- und auslaufende Schiffe Tonnengeh. derjelben Eifenbahnen im Betrieb 31. Dez. Km. Telegraphen im Betrieb 31. Dez. Km. Kultiviertes Land Ares Weizen Buſhels Hafer Ri Serfte 7

Mais

3,693 964,996 4,752,289 1,741,451 502,601

$

Startoffel Wein

40,347

Tons

109,822

Gallons

562,713

Pferde

Hornvieh Schafe Schweine

D,02l 2,040,916 3,751,454 4,446,027 758,477 131,620 129,605 516,768

150,342

280,574

383,763 11,323,080 16 3,336

1,287,088 10,174,246 231,917

1873 198,075 er 2,631 1,562 4,548 3,172 £ 937,648 £ 839,152 £ 2,174,900 69009

Export

£

4,687,859

1882 295,509

10,844 ‚>98 2,530 14,570 14,156

2,087,076 2,146,599 12,472,600 6,707,788 5,359,890

1,531 515,640

2,212 1,337,218

Km,

325

1,521

Km, Altes

Weizen

— 1,225,073

Buſhels

6,178,816

Hafer Gerſte Mais Kartoffel Wein

Ye

21,337 126,398 — 13,014 133,478

8,196 2,370,980 7,356,117 38,472 134,464

Pferde

87,455

Hornvieh

Schafe

174,381

5,617,419

Schweine

37,336

16,133 347,340 162,400 306,046 6,388,366 100,075

13,125,350 6,318,463 3,534,452

1.1591 352,524

2,959 1,880,591

851

1,395

028 64,218 82381 7,060 11,760

845,600 Tons Gallons

6,138 41,479

1873

1852

146,690 ‘5,720

248,255

8,518

99,243

Hornvieh

1,343,093

Schafe

7,268,946

Schweine

42,884

1,904201

10,209 158,686 145,752 3,730 8,982 1,422,648 14,861 38,476 299,124 4,089,715 12,043,893 50,097

Weftanftralien, 1873

DBevölferung 31. Dez. Geburten Todesfälle Heiraten Einwanderer zur See

25,761 309 418 161 285

Auswanderer zur See Staatseinfünfte StaatSansgaben Staatsſchulden Import Erport Ein- und auslanfende Schiffe Tonnengeh. derfelben Eifenbahnen im Betrieb 31. Dez, Zelegraphen im Be-

639 £ * £ £ f

Km,

250,372 205,451

287 140,237

403 344,247

48

153

2,551 56,691 249,898 15,375 66,724

trieb 31. Dez.

Km.

1,368

Afres

51,724

Buſhels

345,368

= 4

28,330 87,529

Weizen Hafer Gerſte

Mais

Kartoffel Wein Hornvieh Schafe Schweine

A

Tons Gallons

1882 30,766 1,089 430 215 932 838

134,532 114,270 35,000 297,328 265,217

Stultiviertes Land

Pferde

Omeensland.

Bevölkerung 31. Dez, Geburten

Mais

1882 4,974 2,034 97,000 9,957, 2,102,095

2,250 1,554 15,141 5,474 _1,120,084 956,335 4,182,850 2,885,499 _3,542,513

‘Pferde

Bevölkerung 31. Dez. Geburten Zodesfälle Heiraten Einwanderer zur See Auswanderer zur See Staatseinfünfte Staatsausgaben Staatsſchulden Import

* Tons Gallons

Todesfälle Heiraten Einwanderer zur See Auswanderer zur See Staatseinfünfte £ StaatSausgaben * Staatsjchulden E£ Import £ Export £ Ein- und auslanfende Schiffe Tonnengeh. derfelben Eifenbahnen im Betrieb 31. Dez. Km. Zelegraphen im Betrieb 31. Dez, Km. Kultiviertes Fand Ares Weizen Buſhels Hafer war Gerſte Kartoffel Wein

Südauſtralien.

Ein- und auslaufende Schiffe Tonnengeh. derſelben Eifenbahnen im Betrieb 31. Dez. Zelegraphen im Betrieb 31. Dez. Kultiviertes Land

1873

2,110

1,263 —

25,290 47,640 748,536 20,948

511,000 508,755 583,056

31,325 65,473 1,259,797 16,898

198

Nene Pitteratur zur Ethnographie von Amerika,

Statiftif von Fidſchi 1878 bis 1882.1

Tasmanien,

1,477,600 1,107,167 893,556

1882 122,479 4,043 1,906 969 12,822 11,403 551,213 502,771 2,050,600 1,670,872 1,587,359

1,342 238,112

1,451 417,418

72

269

1873 104,217 3,048 1,504 659 6,787 1,039 324,257

Bevölkerung 31. Dez.

Geburten Todesfälle Heiraten Einwanderer zur See Auswanderer zur See Staatseinfünfte Staatsausgaben Staatsſchulden Import Erport Ein- und auslaufende Schiffe Tonnengeh. derſelben Eiſenbahnen im Be— trieb 31. Dez. Telegraphen im Betrieb 31. Dez.

Kultiviertes Land Weizen Hafer Gerfte Mais Kartoffel Wein Pſerde Hornvieh Schafe Schweine

303,947

Im im In &% I

Km, Km.

468

Afres Bufhels

167,951 947,813

Ä

561,247



124,459

Tons Gallons

24,970 —

22,612

106,308 1,490,746

59,628

1,976 377,486 946,889 788,713 89,739 37,526 25,857 ° 122,504 1,845,455 47,827

Neufeeland.

1873 295,946 11,222 3,647 2,276 13,572 4,761 2,776,388 2 119,524 6,464,687 ar) ang an 5,610,371

517,707 19,009 5,701 3,602 10,945 7,456 3,917,160 3,524,735 30.235 111 8,609,270 6,658,008

1,443 571,144

1,564 399,836

Km.

233

2,358

Km. Ares Buſhels * 4 “ Tons

3,845 376,156 3,391,694 3,292,807 606,492 18,795 51,758

6,938 1,389,747

Bevölkerung 31. Dez. Geburten Todesfälle Heiraten

Einwanderer zur See Auswanderer zur See Staatseinkünfte Staatsausgaben Staatsſchulden Import Export Ein- und auslaufende

10,913,936

Schiffe Tonnengeh. derſelben Eiſenbahnen im Be— trieb 31. Dez. Telegraphen im Be— trieb 31. Dez.

Kultiviertes Land Weizen Hafer Gerſte Mais Kartoffel

1882

10,270,591

10,520,428 737,163

104,581 1

1 Die letzte Viehzählung von Neuſeeland fand 1880 ſtatt und führt 161,736 Pferde, 698,637 Hornvieh, 12,985,085 Schafe, 200,083 Schweine an.

1878

Geſchätzte Bevölk. 31. Dez.

1579

1580

1881

18852

117,098 120,659 121,884 128,511 130,079

Einwanderer (Poly— nefier u. Kulis) 1,520 Auswanderer (m Polyneſier 709 Staatseinnahmen £E_ 61,021 Staatsausgaben £ 65,267

2,534

345 67,771 71,105

188

151 28,967 125 28,085 300 4,000 83,771 50,000

157 32,933 150 32,689 360 5,000 4,169 50,000

80,678 91,102 E 100,000 120,000 210,000 £ 136,608 142,213 185,741 £ 192,865 169,040 229,528

Staatsihulden Einfuhr Ausfuhr

Schiffe derſelb. Schiffe derjelb.

Einlaufende Tonnengeh. Auslaufende Tonnengeh. ‘Pferde Hornvieh Schafe Schweine

2,386

124 23,180 128 24,080 200 3,000 3,100 50,000

1,158 884

87,443 89,960 254,025 276,040 174,146

‚3072 1,139

111,314 109,986 254,024 303,329 190,517

163 164 35,542 43,768 165 160 35,230 43,757 600 400 5,000 5,000 4,000 4,169 50,000 50,000 Emil Mayr.

Mene Zitterntur zur Ekhnographie von Amerika. Richard Irving Dodge,

der Vereinigten Indianer

Staaten,

des fernen

Oberftleutnant der Armee

jehildert in „Die Weſtens“

heutigen

(Mit einer Einleit-

Autorifierte Bearbeitung ung von William Bladmore. von Dr. Karl Müller Mylius. Wien. Peſt. Leipzig. A. Hartleben’s Verlag, 1884. VI. 331 ©.) das Leben der iveftlichen Sndianerftämme,

vor allem der Cheyennes,

aus eigener, ZOjähriger Anſchauung. Seine Arbeit, die, wie wir befonders hervorheben wollen, ausgezeichnet in’s Deutfche

übertragen

wurde, ift ein wichtiger Beitrag zur

Wir geben im folgenden Ethnographie Nordamerifas. über die Negierung der Kapitel dem einen Auszug aus der Auffaffung und Beiſpiel Indianer, welches ein gutes Behandlung des ſchwierigen Oegenftandes liefert. Man darf es einem Kenner wie Dodge um jo eher glauben, daß nichts ſchwerer zu verftehen fei als die Re—

gierung eines Indianerftammes, weil das Gleiche von jedem einzelnen Naturvolfe mit dem gleichen Rechte gefagt wer— den dürfte. Denn das Gemiſch von Deſpotimus, Oli⸗ garchie und Demokratie, in dem dieſe Schwierigkeit wurzelt, iſt auf dieſer Stufe allgemein der Indianerregierung findet kriegeriſchen Angelegenheiten In ung des Totemſyſtems.

menſchlich. Das Eigenartige man in der Behandlung der und in der ſtarken Auspräg— ſehr vielen Fällen iſt das

1 Der offizielle Statiſtiker bemerkt: „Fidſchi befteht aus 70 bis 80 bewohnten Zufeln, deren Areal auf 7740 engl. DM. (20,046 Q.-Km.) gejchätst wird. Dazu fommen noch Kleinere, un— bewohnte Juſeln. Das Geſamtareal der Öruppe joll 8034 Q.Ml. (20,807 Q.-Km.) fein.” (Behm und Wagner: Die Bevölkernug der Erde, VI. geben 20,801 Q.-Km. au.)

4

Amt

Neue Litteratuv zur Ethuographie von Amerika.

des Häuptlings erblich; urfprünglich

war es Dies

ihnen, ſetzt der Berichterſtatter hinzu, gelungen, das Lager der

vielleicht allgemein, twas aber mit Beftimmtheit nicht zu jagen tft. Gegen eine durchgängige Exrblichfeit, mie fie

Cheyennes zu erreichen, ſo würden ſie jedes Tadels und jeder Gefahr überhoben geweſen ſein. Sie wären dann einfach aus der Jurisdiktion ihres Häuptlings heraus— getreten. Vielleicht war hier die Strafe eine ſtärkere als

don manchen angenommen tvard, möchte fchon die That: jache jprechen, daß die Stellung des oberften Häuptlings, tie fie von den Indianern aufgefaßt wird, eine wirklich hervorragende tft, welche einen ganzen Mann zu ihrer Ausfüllung verlangt. Die Gefchichte der Indianerftämme zeigt Fälle genug, wo ein Häuptling bloß durch feine Tüchtigkeit an die Spibe gelangte. Der „Gefledte Schwanz” der Brul&Sivur tötete als junger Krieger feinen Häuptling in einem Meſſerzweikampf um ein Mädchen, deifen Herausgabe diefer unvechtmäßig verlangte. Als einige Jahre darauf der Oberhäuptling ftarb, wurde der „Gefleckte Schwanz“ gegen die Erbfolge an ſeine Stelle gewählt. Revolutionen ſind gar nicht ſelten. Sie ſind beſonders häufig geworden, ſeitdem der Einfluß der Weißen die früher einheitliche Geſinnung der Stämme zerſetzt hat. Durch kühne Politif im Gegenfat zu erblichen Häuptlingen ſchuf fich die „Note Wolfe” ihre Stellung unter den Sioux, als ein Teil von jenen den Vereinigten Staaten das echt eingeräumt hatte, eine Straße nad) Montana durch die Jagdgründe diefes Volkes zu legen. Er jtellte ſich an die Spitze der Oppofition gegen die Häuptlinge und des Krieges gegen die Weißen, in welchem ex durch treffliche Führung ſich die Oberhäuptlingfchaft verdiente, während frühere Häuptlinge froh Maren, unter ihm dienen zu können. Außerdem find unter dem Häuptling über kleinere Grup: pen von Familien Unterhäuptlinge gefegt, welche ſoviel Herde

feuer wie möglich unter ihren Befehl zu bringen ftreben,

und mit zunehmender Zahl ihrer Anhänger nicht felten in Wettbeiwerbung mit ihrem Häuptling um den Einfluß im Stamme treten. Häuptling und Unterhäuptling find beide der Möglichkeit des Abfalles im Kreife ihrer Unterthanen ausgejeßt; denn mie groß auch ihre Macht über Iebtere fein mag, folange diefe in ihrer Hand find, fo unerreich— bar wird jeder Stammesangehörige für feinen Häuptling von dem Augenblid an, wo er den Hüttenfreis eines anderen Stammes oder einer anderen Stammesgruppe mit der Abficht erreicht hat, derfelben anzugehören. Findet der Befehl des Häuptlings im Stamme feinen Beifall, fo fommen nicht felten volfftändige Defertionen aus der Mitte des letz⸗ teren vor. Dodge erzählt, daß 1867 ein Teil der Brulé⸗Bande der Sioux den lebhafteſten Wunſch trug, den Cheyennes

beizuſtehen, die damals

im Kriege mit den Vereinigten

ſie ſonſt geweſen

wäre, weil die Gefahr

eines verderb—

lichen Krieges des geſamten Stammes mit den Vereinigten Staaten nahe lag. Indeſſen wird der Häuptling immer den Abfall vom Stamme al3 eine der größten Gefahren, die feiner Machtfülle drohen Fünnen, auffaffen und dem:

gemäß demfelben entgegenzutvirfen ſuchen. Milder pflegt der Abfall von den Unterhäuptlingen aufgefaßt zu werden, jofern der Abgefallene innerhalb des Stammes bleibt, da

er ja in diefem Falle der Machtfülle des Yebteren feinen Schaden zufügt. Immerhin beobachtet man auch bei den Unterhäuptlingen die Tendenz, ihre Stammesabteilung mög— licht gefondert zu halten, um eine gewiffe Selbftändigfeit zu markieren.

|

Von der Natsperfammlung

weiß ung Dodge viel

weniger zu jagen, als manche feiner Vorgänger auf dem Gebiete indianifcher Völferfchilderung. Gerade das erweckt

indefjen unfer Vertrauen, daß er offen befennt, auch von den intelligentejten Indianern fehr wenig Genaues über diefelbe vornommen zu haben. Indem derfelbe einfach das gibt,

was er Thatfächliches erfahren, bezeichnet ev die Bedeutung der Natsverfammlung im öffentlichen Leben der Indianer als eine überragende, ſowohl den inneren als den äußeren

Angelegenheiten Natsverfammlung

gegenüber.

Bei jedem Anlaß wird die

in die Beratungshütte

jede Stammesgruppe

eine befitt.

berufen,

deren

Der Nat beiteht aus

den waffentragenden Männern, doch fcheint das berühmte,

blumenveiche, in feiner Bedeutung oft übertriebene Reden! nur den älteren Männern zuzuftehen, welche die vorderen Plätze einnehmen, während die jüngeren Krieger ſich im

Hintergrunde halten. Abftimmung ift unbefannt; Beſchluß erfolgt durch Zuruf, was den großen Einfluß der Redner mit erklären mag. Der Häuptling ftraft Vergehen und Verbrechen und es wird erwartet, daß er es raſch thue; allein die jtillfehtveigende Eintvilligung der Ratsverſamm—

lung muß ex dabei ſich zur Seite wiffen.

Auch kann er

nicht wohl der Hilfe einer fogleich zu nennenden

dritten

Organifation entbehren, welche die ſchweren Urteile (Tod und Zerſtörung des Eigentums) zu vollftreden hat. Die „Gewohnheit des Herrſchens“ läßt die Häuptlinge oft fehr furzen Prozeß mit der Oppofition ihrer Unterhäuptlinge machen. Dodge erzählt folgende kurze und wirkſame

Staaten ſich befanden; allein der Häuptling der Brulés, der „Oefledte Schtvanz”, war ernjthaft dagegen. Da ent: fernten fi) in einer Nacht 20 oder mehr Familien aus dem Lager, um den getvünfchten Hılfezug anzutreten. Der

4 Staatsaftion aus dem Leben der Cheyennes: Als der „Befledte Schwanz“, der Häuptling der Brule-Siour, feinen Frieden mit den Weißen machte und von jeinen Befuchen :

und alle fahrende Habe zerbrochen und zerſtört, fo daß fie als Bettler und Wehrlofe in’3 Dorf zurückkamen. Wäre es

der ten der und

Häuptling aber verfolgte fie mit feiner Leibwache, holte fie ein und nun wurde jeder Krieger famt vielen Meibern zur Strafe durchgeprügelt, ihre Pferde getötet, ihre Waffen

! Dodge erklärt den „eigentiimlihen und unnatirlichen Stil

Reden“ der Indianer als eine Nachahmung der aufgebaufhe Quäcker- und Niffionsberedtfamkeit, die, mit der Unkenntnis Sprache kämpfend, fi immer nur um einige wenige Worte Wendungen dreht. E

155

Nene Litteratuv zur Ethnographie von Amerika.

in Wafhington, New-York u. f. tv. zurüdfehrte, wiederfuhr

gefüllten Beitrag zur Borgefchichte Nordamerikas geboten. Jedem Freund diefer Wiffenfchaft geſchieht ein Gefallen

es ihm, wie manchem anderen Sndianerhäuptling, daß man im Kreife feiner Krieger feine veränderten, maßvolleren Anfichten von Sndianerpolitif verdächtigte, feinen

mit diefer Zufammenftellung wohlbekannter, aber nicht immer leicht erhältlicher Monographien. Auf zwei der-

Verſtand

jelben, die mit den Thonwaren und GSteinwaffen der In—

zog.

und

mehr noch feine Ehrlichkeit

in Zweifel

Das Haupt der DOppofition war der in den Krie—

gen mit den Weißen großgetvordene

Häuptling

„Groß:

dianer Nordamerikas

fich befchäftigen,

möchten

wir

bei

diefer Gelegenheit die Aufmerkfamfeit unferer Leſer ſpeziell

maul.“ Als der „Oefledte Schwanz” feine Stellung all: zufehr erjchüttert fühlte, ließ er diefen Hauptgegner eines

gerichtet haben. Das vorgefchichtliche

Tages

das große Land der Töpferei betrachtet werden. Peru in erjter Linie, dann aber eine ganze Anzahl weiterer, ſüd— und zentralamerifanifcher Gebiete haben eine Fülle und einen Formenreichtum in Erzeugniffen diefer Kunft ent-

aus feiner Hütte rufen, von

zwei Leuten feit-

halten und ſchoß ihm die Piſtole durch die Bruft. Ueber diefen Mord wurde nicht meiter gefprochen oder verhandelt,

Amerika

Tann

befanntlich

als

und die Autorität war über jeden Zweifel bergeftellt. Schlimmer erging es dem Komantjchen-Häuptling Santana, dem Ochreden der Weißen in Teras in den Anfängen der amerikanischen Befiedelung. Man beivog ihn zur Neife

decken lafjen, welche auf der ganzen Welt einzig daftehen. Doppelt intereffant ift e8, in dem vorliegenden Werfchen durh Nau die Frage beantwortet zu finden, wie der In—

nach dem Oſten; er Schloß in Washington Friede, vermochte aber, zurüdgefehrt, jo wenig feine Leute mit feinem Sinn

Klar ift von vornherein, daß, wie jo viele andere einhei-

zu durchdringen, daß er erniedrigt und verlafjen ſtarb. Neben Häuptling und NRatsverfammlung übt eine

mifche Gewerbe oder Künfte, auch die Töpferei von der Höhe, die fie erreicht hatte, in dem Augenblide herabitieg,

dritte Organifation einen mächtigen Einfluß auf das ganze Leben und Thun des Stammes; es iſt dies die Bereinig-

in welchem die Europäer al3 Händler mit metallenen Gefäßen in diefem Lande erfchienen. Schon im vorigen Jahr: hundert hatte die Töpferei unter. einigen Stämmen des

ung der Säger des Stammes, die eine. Art von Zunft bilden, welche in ihren eigenen Angelegenheiten ohne Appellation richtet und jchaltet. Dodge hat treffend diefen Bund, der befondere Namen, bei den Cheyennes z. B. den der „Sieger des Hundes”, führt, als den Magen des Stammes bezeichnet, defjen Kopf und Herz im Häuptling und der

Ratsverfammlung zu erbliden fein würden. Make nun,

wie die Anforderungen

In demfelben

des Magens dauern:

der find als diejenigen des Herzens oder Gehirnes, ift auch) der Einfluß diefes Bundes oft ein tiefgehenderer, als der: jenige des Häuptlings und der Natsverfammlung.

Diefer

Bund umschließt die jüngeren Häuptlinge, die Jäger und Krieger und alle Jünglinge, welche bereits mitthätig find, ohne doch die Weihen des fertigen Kriegers erhalten zu haben,

d. h. alſo die ganze

Stammes,

männliche

Arbeitsfraft

des

welche Nahrung erwirbt und Schuß gewährt.

Unter ihrer Aufficht fteht das Dorf oder Lager, fie beftim: men den Ort, vo es aufzufchlagen, halten die Wachen, fuchen

oder bejtimmen die Jagdgründe und organifieren die Jagd; für eine ihrer wichtigſten Aufgabe halten fie e3 feit der Verminderung des Wilditandes, für die Schonung desfelben

zu jorgen. Die Häupter diefes Bundes find die gefchictejten und berühmteften Jäger; fie erledigen ihre Angelegenheiten in bejonderen Natsverfammlungen

und ftrafen, wie

es jcheint voriviegend mit Prügeln, die Verlegung ihrer Sabungen. Charles Rau, der verdienftvolle amerifanifche Präbijtorifer, hat in einem Schriftchen „Artieles on Anthropologieal Subjeets, eontributed to the Annual Reports of the Smithsonian Institution from 1863 bi3 1877* im

Verlage des Smithſoniſchen Inſtituts zu Wafhington einen höchſt Iehrreichen, mit Thatfachen geradezu an-

dDianer Nordamerifas in diefer Beziehung fich verhält.

Dftens überhaupt aufgehört. Daß einft eine Mafje von Thongefäßen gejchaffen ward, lehrt am beften das Studium jolher

Gegenden,

nifhe Bevölferung

die einjt eine anerfannt dichte india-

befaßen,

wie 3. B. des American

Bottom, jener 200 Km. langen, fruchtbaren Niederung, die längs des Miſſiſſippi fih in Illinois hinzieht und an vielen Stellen, die meist wohl als Boden alter, verlafjener

Dörfer zu deuten find, mit Thonfcherben buchitäblich be— deckt erfcheint. Syn dieſem Gebiete hat Nau am Kahokia Greef bei ©. Louis eine Stelle entdeckt, die möglicherweise

als eine Thon= oder Lettengrube eingeborener Töpfer und gleichzeitig alS der Drt gedeutet werden kann, wo diefelben Unig:Schalen zur Beimiſchung in ihren Thon fuchten und

zerkleinerten. Ein Gebiet reih an Thonfcherben iſt auch das Land der heutigen Choftaws und Natchez in gewiſſen Teilen des Staates Miffiffippi, von dem Mdair jagt: Es hat eine erftaunliche Menge von Thongefäßen, deren Formen fo mannigfaltig, daß e3 zu langivierig wäre, fie zu bejchreiben und unmöglich, alle zu benennen. Hier bat man häufig die Defen aufgededt, in welchen u. a. halbgebrannte Töpfe ſowie folche gefunden wurden, in

denen noch die Kürbisfchale jtad, über welche fie einjt ge: formt worden gefunden.

waren.

Auch verglajte Ziegel find darın

Das Material zu den Thonwaren der Indianer tft in der Regel nicht übermäßig fein gefchlämmt oder auch nur gereinigt,

und

es ift meiftens mit Heinen

menten und Steinchen gemengt.

Mufchelfrag-

Man findet, was die

Grundformen anbelangt, runde und flachbödige Gefäße, mit ausgebogenem Nand und mit Henkel verjehene. Letztere find aber in der Negel maffiv und haben oft nur Kleine

736

Neuere Litteratur zur deutfchen Landeskunde.

Deffnungen. Glafur wurde nicht geübt, wohl aber findet man Farben, immer nur eine an einem Gefäße aufgetragen, welche durch die Zumifchung eines harz- oder terpentin= artigen Körpers glänzen. Adair befchreibt eine Art von Slafur, die durch Ausfegung im Rauch der Pechföhre er— zeugt ward und Du Pratz ſpricht (bei den Natchez) von einer Dderfarbe, die nad) dem Brand den Töpfen eine vote Oberfläche gab. Die Zierrate wurden eingerikt und beſchränkten fich gewöhnlich auf geometrifche Linien; mit Vorliebe wurden Zidzadlinien angewendet. Außer der Jormung der Gefäße mit freier Hand wurden Formen aus Kürbiffen oder auch geflochtene Körbe angetvandt, über welche der Thon gelegt ward. Es wurden Töpfe bis zu 10 Gallonen Inhalt verfertigt. Gelegentlich finden ih auch im Norden Vhantafiegebilde, wie Vögel, Eleine Kähnchen, wohl Kinderfpielzeuge; aber die Blüte diefer Kunft ift im Süden zu fuchen, wo die Natchez 3. B. Flafchen mit langem Hals und zum Zweck der Herftellung von Salz aus Meerwafjer, Töpfe von Faßgröße machten. Hier tritt uns denn auch Schon eine größere Mannigfaltigfeit der Formen und Reinheit der Arbeit entgegen, die wir bereit3 bei De Sotos Chronift, dem Nitter von Elvas, gepriefen finden, telcher die Thonwaren von Naguater den berühmten Erzeugniffen von Montemor und Ejtremoz in Portugal gleichitellt. Unter den meftlichen Stämmen waren die Mandanen befonders gute Töpfer. In Bezug auf Steingeräte ift hervorzuheben, daß jolche von gefchlagener und von gefchliffener Arbeit, zwifchen welchen beiden in Europa ein fo großer (und jedenfalls zu großer) Unterfchied gemacht wird, in Nordamerifa in bunter Mifchung ſich finden. Auch bier hat man

ganz ebenjo wie in Europa Steingeräte in Verbindung mit den Reſten ausgeftorbener Säugetiere gefunden; aber während fie hier immer nur mit mehr oder weniger Kunſt durch Schlagen hergeftellt find, haben fie dort ganz den— jelben Charakter, wie die Gteingeräte, welche man in den Neften jüngeren und biftorifchen Alters findet. Die europäiſche Periode der gefchlagenen Steinwaffen bietet fein einziges Beifpiel einer Waffe oder eines Gerätes aus

Stein, das nicht in Funden der nordamerifanifchen Mounds, Gräber u. |. tv. fein genaues Gegenftüd beſäße. Wir verweiſen den tiefer für diefe Frage fich intereffierenden Lefer

auf Rau's Abbildungen oder auf die befannten Tafeln in Squiers und Davis „Ancient Monuments of the Mississippi Valley“. Pan findet dort die großen, gefchlagenen Feuerſteinwaffen in Mandel- oder eifürmiger Blattform, welche auffallend an die „Aexte“ erinnern, die Boucher

de Perthes und Nigollot in den diluvialen Kiefelbänfen des Sommethales gefunden haben. Die Deutung, welche Rau hinfichtlih des Gebrauches diefer in Europa dunfel gebliebenen Stüde gibt, hat etwas für fih. Er fand nämlich Spuren der Abnützung oder Abjchleifung an denjelben und meint daher, daß fie zur Glättung von rauher Holzarbeit, z. B.im Innern ausgehöhlter Kähne u. dgl,

vielleicht auch zum Lederglätten, gedient hätten. Uebrigens entbehrt Nordamerika auch nicht der eigentümlichen og.

Schaber in Spatelform, mit flacher Ober- und gewölbter Unterfeite. Nau hat deren einige aus Küchenabfällen New— Jerſeys befchrieben. Eine eigentümliche Varietät, die hier auftritt, hat zwei feitliche Berlängerungen, wie eine wider— bafige Pfeilſpitze. Die Frage iſt noch offen, ob man hier

ebenfall3 einen Schaber oder aber einen abfichtlich ftumpf gehaltenen Pfeil vor ſich habe, wie ſolche für Zielübungen

und Bogelfchiegen

in Südamerifa

und im Malaiifchen

Archipel vorfommen. (Schluß folgt.)

Ueuere Fitterntur zur dentſchen Inndeskunde, (Fortſetzung.)!

Als der zweite Deutſche Geographentag in ſeiner Sitzung vom 14. April 1882 beſchloß, dem wiſſenſchaft— lichen Studium des deutjchen Vaterlands und feiner Bewohner eine Fräftige, ſyſtematiſche Förderung angebeihen zu laffen, mußten die von diefer dee geleiteten Kreife wohl von dem Gedanken durchdrungen fein, daß zu einer

jolhen Aufgabe,

welche der geographifchen Wiffenfchaft

und den Intereſſen der Heimat zugleich dient, eine größere

Anzahl

gebildeter und patriotifcher Männer ihre Kräfte

darbieten iverden.

Diefes Vertrauen erwies fich ſchon von

vornherein begründet, als man als Grundlage aller weiteren Beſtrebungen

auf dieſem

Gebiete

die Schaffung landes-

fundlicher Bibliographien für notwendig erachtete.

Jeder

der bisher erfchienenen Berichte der Zentralfommiffion für wiſſenſchaftliche Landeskunde von Deutfchland bezeugt den

rüftigen Fortgang, welchen vor allem die Sammlung und Sichtung

der brauchbaren

Vorarbeiten,

landjchaftlicher Litteraturnachmweife

die Herftellung

genommen

hat.

Der

gute Anfang, welcher durch eine ganze Reihe fogleich auf

zuzählender Beiträge zu einer Bibliotheea geographica Germaniae

gemacht ward,

läßt ertvarten,

daß auch der

weitere Fortgang diefes Unternehmens ein dem Zweck ge mäßer und des Zweckes würdiger fein merbe, In dem von Dr. A. Penck herausgegebenen Jahres:

bericht der Geographiſchen Gefellfhaft in Münden für 1832 und 1883 treten Publikationen zur landesfundlichen

Litteratur Bayerns und zu einer bayerifchen Landeskunde jelbjt entgegen, welche zum Teil ſchon den Teilnehmern

am vierten Deutfchen Gengraphentage befannt geworden. War ihnen ja eine Feftfehrift

gewidmet,

die neben

den

jpäter noch zu erwähnenden Mitteilungen v. Orffs's über die Aufgaben und die Thätigfeit des topographifchen Bureau's in München die mit ebenfo viel Sadhfenntnis N Siehe „Anslaıd“ 1884, Nr. 36.

"

de —

757

Neuere Litteratur zur deutjchen Landeskunde,

als Sorgfalt ausgearbeitete Zufammenftellung der Kartenwerfe Bayerns von Trigonometer A. Walten: berger (107 ©.) enthält. Xebtere ward auf Grund des von der Subfommiffion

für die Landesfunde

Bayerns

auf die medizinische Topographie und Statiftif, die Volks—

medizin und den Bollsaberglauben, die Volfsfrankheiten, das Zivil und Militärſanitätsweſen unferes Yandes nach;

auch ſammelte er die gefamte vielzerftreute Literatur über

in München für eine möglichft vollitändige Bibliotheca

die Mineralquellen und Bäder Bayerns.

geographica Bavariae aufgejtellten Programms angelegt, und führt in 14 Abjchnitten die weitaus größere Zahl der einichlägigen und überhaupt über Bayern exiſtierenden fartographifchen Darftellungen vor. Ausgehend von den

Ein hohes Verdienſt um die landesfundliche Biblivgraphie für Bayern bat fich der befannte Prähiſtoriker Profeſſor Ohlenſchlager in Münden dur das Bild erworben, welches er von der Litteratur über die

Karten über allgemeine Landesvermeffung und Triangus lierung, ſowie jenen, welche ganz Bayern oder einzelne

prä: und frühbiftorifchen VBerhältnifje Bayerns in der von diefem Autor zu erwartenden gründlichen Weiſe entwarf (80 ©.). Und zwar hat er in fein Verzeichnis

Kreife umfaffen, wird ein Verzeichnis der geognoftischen, orographiſchen, hydrographiſchen, meteorologifchen Karten

des Gebietes, der einschlägigen Darftellungen zur Tier: und Pflanzengeographie, Urproduftion,

Land» und Forft:

wirtschaft, endlich den Bevölkerungs-, Handels: und Ver— fehrsverhältniffen

Abſchnitt XI Kultur und Kapitel XII voller Stadt

(einfchließlich der Reiſekarten) geboten.

zählt Karten auf, welche fich auf die geiftige die kirchliche Einteilung Bayerns beziehen; enthält eine lange Reihe von Titeln wert— und Flurpläne; Abſchnitt XIII ift den farto-

graphiſchen Darftellungen zur älteren Geographie unferes Landes gewidmet und umfaßt 315 Namen von Werfen,

welche in erjter Linie hiſtoriſches Intereſſe beanspruchen, indem ſie frühere Territorialverhältniffe, LZänderverteilungen, Gaue 2c. darjtellen. Hier find auch die Kriegs: und Manöver: Karten

eingereiht.

Das Schluffapitel von Waltenbergers

Litteraturnachiweis enthält einen Ueberblid über Neliefe und Panoramen zur Öeographie der bayerischen Gebiete. Die nachahmenswerte Anordnung der ganzen mühevollen Arbeit gewährt eine rafche, leichte Orientierung. In Hin— fiht auf ihren Gefamtinhalt ift noch zu erwähnen, daß von

Handzeichnungen

zunächſt

nur

ſolche aufgenommen

wurden, welche einen bemerkenswerten Beitrag zur Geſchichte der Kartographie bilden, ebenſo von rein päbagogifchen Karten nur jene, die eine gewilje Selbjtändigfeit der Be— arbeitung befunden oder 3. 3. ihres Erjcheinens vielfachen Gebrauch als Lehrmittel erfuhren. Bon bejonderem Ber: dienit iſt außer den vielen Abjchnitten generellen Snhaltsüberfichten vor allem

voranjtehenden die reiche Zahl

kurzer Charafteriftifen, welche die ſpezifiſche Bedeutung der meijten Karten in wenigen Worten treffend klarlegen. Un die Bibliographie der Karten ſchließt ſich in diefem Jahresbericht eine Zufammenftellung der Litteratur über die forftwirtfhaftlihen Verhältniffe in - Bayern, bearbeitet von Forjtmeifter 8. Klaußner in Münden an (9 S.). Sie bietet in vier Nubrifen eine Meberficht der für Bayern wichtigen Forft- und Sagdlittes ratur, der Geſetze und Verordnungen über Forſtverwaltung

und der Schriften über Forſtbotanik und Forſtzoologie. — Generalarzt Dr. Anton Besnard fahte die Litteratur über die fanitären Verhältniſſe der Bewohner Bayerns (inkl. Balneographie) (19 ©,) zujammen,

und weiſt ausführlich die litterarifchen Beiträge in Hinficht

nicht allein jo ziemlich alle Schriften aufgenommen, welche den hierhergehörigen Stoff ganz oder teilweile behandeln, jondern er feßte auch, was befonders wertvoll, die ihm zur Kenntnis gekommenen, in Zeitungen und Tagesblättern erfchienenen Bearbeitungen und Mitteilungen über

eine Anzahl von Funden unter den Namen der Autoren ein, „weil dieſelben häufig die einzige Quelle für einen Fund bilden”. Seinen Stoff hat Brofefjor Ohlenſchlager auf Grund folgender Einteilung, aus welcher zugleich bie Neichhaltigkeit des vorgeführten biblivgraphifchen Materi— als fpricht, gegliedert: 1. Allgemeines: Schriften ver: miſchten Inhaltes über den Gefamtftoff; Vereinsſchriften. 2. Vorrömifche Urzeit: Natürliche Höhlen und Höhlenfunde; Fünftliche Höhlen, unterirdische Gänge; Pfahlbauten; Reſte vorgefchichtlichen Aderbaus, Hochäder; Orabhügel, deren

Inhalt und Einzelfunde; über alte, nichtrömische Befeſtig— ungen, Ningmwälle, Burgmwälle 3. Zeit der römischen Herrfchaft: Schriften vermifchten Inhalts über römische Altertümer; der römische Grenzwall, Teufelsmauer, Pfahl: rain; die Tabula Peutingeriana; Denkmäler mit römischen

Inſchriften; das römische Augsburg (Augusta Vindelicum); das römische Negensburg

(Regina);

das römische Rhein:

zabern (Tabernae); römische Straßen; antife Münzen; die nichtrömischen Landesbeiwohner, Nätier, Bindeliker. 4. Nachrömifche Urgefchichte: Die Landesbeivohner, deren Herkunft und Wanderungen; Neihengräber, Nordendorf; Flurnamen, Ortsnamen, Berfonennamen.

Als ein Beitrag zur Landeskunde Bayerns felbit erfcheint die Abhandlung des Herrn Oberſt K. v. Drff: Mitteilungen

über die Aufgaben und die Thätig-

feit des topographiihen (17 S.).

Bureaus

Sie führt uns im Gewande

in Münden

eines Bortrages die

fartographifchen Leitungen des topographiſchen Bureaus nebjt den dabei verfolgten Methoden und Prinzipien vor und bietet dadurch einen intereffanten Beitrag zur neuejten Gefchichte der Kartographie und ihrer Fortichritte in Bayern. Eine umfaffende

Thätigkeit

in Hinficht auf Samm—

lung und Sichtung des landeskundlichen Materials wurde, wie befonders aus den Berichten der Zentralkommiſſion zu ers fchen, für Thüringen und Sachfen entfaltet, Und gwar ift es vor allem der rührige Schriftführer der Jenenſer

Kleinere Mitteilungen.

238 Geographiſchen Gefellihaft, Dr.

F.Negel, welcher einen

Teil feiner fehriftftelleriichen Kraft für die Schaffung einer Bibliotheca geographica Thuringensis einſetzt. ALS Organ für die einfchlägigen Publikationen hat man bisher

die Mitteilungen des vorhin bezeichneten Vereins benüßt, welcher

als Feld

feiner Thätigfeitt

das Großherzogtum

Sachſen Weimar-Eifenach, die Herzogtümer Sachfen Alten: burg, Sachſen Koburg-Gotha und Sachjen Meiningen, die

Fürftentümer Neuß, die ſchwarzburgiſchen Oberherrichaften Nudolftadt und Arnftadt, fowie die von diefen Territorien umſchloſſenen (ehemals hennebergifchen) Gebiete Schleufingen und Schmalfalden erwählte, nachdem der Verein für Erde funde zu Halle die Zufammenitellung der landesfundlichen Litteratur für die ganze Provinz Sachſen und die von derfelben umſchloſſenen außerpreußischen Lande (Herzogtum Anhalt, braunfchweigifcher Teil des Harzes, ſchwarzburgi— ſche Unterherrfchaften, weimariſche Enklaven Allitedt und Es Oldisleben, gothaiſche Enklave Körner) übernahm.

iſt indes leicht verſtändlich, daß dieſe Abgrenzung nur im Was großen und ganzen feſtgehalten werden kann. nun die Bibliographien ſelbſt anlangt, ſo finden wir zuerſt eine Litteraturüberſicht des Amtes Kahla von Rechts— anwalt Lommer in Orlamünde (10 ©.). — Die Beiträge zur Flora Thüringens wurden unter Mitvirfung von Profeffor Hausfneht (Weimar), M. Schulze (Sena), Dr. 3. Röll (Darmftadt) u. a. von F. Negel zufammen: geftellt (20 S.). Nach den allgemeineren und umfaſſen— deren einschlägigen Werfen werden in außerordentlich klarer Anordnung die Schriften über die Speztalfloren der ein— zelnen Teile des vorhin umfchriebenen Gebietes verzeichnet, anhangsweiſe find auch die floriftifchen Arbeiten über die Ihwarzburgifchen Unterherrichaften und das preußifche

Thüringen mitgeteilt. Die auf die Mineralquellen und Kurorte Thüringens bezügliche Litteratur bat Herr Geh. Medi:

[chrev Dr. Karl Ackermann, dem derzeitigen Geſchäfts— führer des Vereins für Naturkunde zu Kafjel,

in feinem

Repertorium der landeskundlichen Litteratur für den preußiſchen Regierungsbezirk Kaffel die eriten Baufteine geliefert. Seine mit rühmlichem Fleiß und danfensmwerter Umficht angelegte Arbeit umfaßt, wie jene Ohlenſchlager's, keineswegs allein die für dieſes Terz ritorium wichtigen jelbjtändigen Schriften, fondern eritredt

|

fih auch auf die große Mafje von Arbeiten, welche in wiſſenſchaftlichen Zeitfchriften, in Bereinsschriften und Bro: grammen,

als Differtationen und Gelegenheitsjchriften zer—

ftreut find. Auch hat fih Adermann zum Zweck einer naturgemäßen Begrenzung jeines Gebietes mit Necht nicht ängſtlich an die politiichen Grenzen gehalten; er zog vielmehr im Südoſten das Gebiet der Rhön in feinem ganzen Umfange heran und rundete den Regierungsbezirk befonders auc im Weiten in Hinficht auf die benachbarten Gebiete des Fürftentums Walded, ſowie der darmſtädti—

ihen Provinz Oberheffen ab. fammelten Xitteraturmaterial3

Was die Anlage des ge anlangt, jo kam dieſelbe

dem in der vorigen Nummer des „Ausland” mitgeteilten und von der Zentralkommiſſion aufgeftellten Normalichema

für die landesfundlichen Bibliographien fehr nahe. gefamte

Stoff

wurde

Der:

nämlich in drei Hauptgruppen ges

gliedert, von denen die erjte in zirka 1150 Nummern die Natur

des Landes

in den Unterrubrifen:

Allgemeines,

Bodenfunde, Hydrographie, Klima, Tier und Pflanzen: verbreitung behandelt, während die zweite in zirka 700 Nummern

alle auf die Bevölferungsitatiftif und Ge

fundheitsverhältniffe, die wirtfchaftliche und geiltige Kultur, das Volftümliche (Sitte, Tracht, Sage, Aberglaube, Haus:

bau, Mundart, Volkslied) und Allgemeingefchichtliche be— züglihe

Schriften aufführt,

der dritten Abteilung Drtsfunde

und die zirka 750 Nummern

der eigentlihen

Yandes=

und

gewidmet find.

zinalrat

(Schluß folgt.)

Dr. L. Pfeiffer in Weimar in fachfundigiter Weife geordnet (34 ©). Es liegen uns hievon eine Auf:

zählung der allgemein. balneographifchen Schriften, ſowie die Literatur über nicht weniger als 54 einzelne Mineral quellen

und

Kurorte

vor.

An

Kleinere Mitteilungen.

fie fchließt fich die von

Dr. Hübben bearbeitete Bibliotheca nosologica Thuringensis: ein Verzeichnis derjenigen felbjtändigen Schriften, Difjertationen und Journalauffäge, die Thüringens Krank:

heitsverhältniffe allein oder doch hauptfächlich behandeln, mit Ausſchluß aller vein demographifchen und mortalitätsſtatiſtiſchen Arbeiten. Außerdem haben wir noch einer tvertvollen, von Dr. Lehmann in Rudolſtadt verfaßten Ueberficht der meteorologifchen Litteratur für Thüringen zu ge

4

Ueber die Vebergangsperiode des Steines zur Bronze, Die Periode zwifchen der Berwendung des Steines und dem Auftreten der Bronze ift im neuefter Zeit eifrigft ftudiert worden,

| |

doch find die Unterſuchungen hieriiber noch nicht abgefehloffen. Drei — Objekte find diefer Periode eigentiimlih: durhbohrte Steinhämmer, Nephritbeile und Werkzeuge aus reinem Kupfer. Ueberall, wo die

Sundobjefte noch an ihrem urſprünglichen Orte liegen, werden | diefe drei Gegenftände iiber denjenigen der eigentlichen Steinperiode — getroffen.

Beinahe

auf allen Niederlaffungen werden vereinzelte

denken, welche zugleich auch die einfchlägigen Arbeiten über

durchbohrte Steinhämmer, immer aus Serpentin, gefunden.

barometrifche und thermometrifchen Höhenmeffungen bietet, Der Shriftenfatolog, das Sachregifter und das Stationgverzeichnis umfaßt die ftattliche Zahl von 27 Seiten. Zu einer Bibliotheca Hassiaca wurden von Ober:

der Stein aber ftet3 auf der betreffenden Station felbft verarbeitet

wurde, muß ſehr bezweifelt werden. an

Bollfommenheit

der

Ausführung

lafjen, findet man die Nephritbeilchen.

Ob

Neben diefen Hämmern, die nichts

zu wünſchen übrig

Ihre Herkunft bildet bes

fanntlih bis jetzt eine Streitfrage, die endgültig zu löſen der

|

Geologie vorbehalten fein wird. Jedoch bin ich mit manchem gewiegten Forſcher der Weftichweiz der Meinung, daß noch ein Fundort in den Alpen entdeckt werden wird. Dafür ſpricht das mafjenhafte Auftreten der Beildhen in der Nähe der Alpen, nämlich am Bodenjee und am Neuenburger-See und das Borkfommen von Nephritjplittern. Wenn man die reihen Nephritihäte (iiber 900 Stück) des Nosgarten-Mufenms in Konftanz beriidfichtigt, jo ift man zu der Annahme berechtigt, die eigentliche Heimat umferer Nephrite müßte nicht in allzu großer Entfernung gefucht werden, Daß die Verwendung des NephritS erſt bei dem Auftreten des Metalles, das heißt zu einer Zeit, da nicht nur Kupfer, jondern auch jehon vereinzelte Bronzewerkzeuge befannt waren, den Höhe— puukt erreichte, können wir an der Hand der vor einiger geit gemachten Funde deutlich nachweifen, In Robenhanfen ift letstes Frühjahr als einziger Nepräfentant des Metalles ein Beil aus reinem Kupfer

gefunden worden,

trotzdem

haben wir aber feine

Spur

von

Nephrit. Hätte diefer alfo ſchon am Ende der Steinzeit eine Rolle gefpielt, jo müßte er ebenfogut wie das Kupfer auch bei dem (ebhaften gegenfeitigen Tauſchhandel bemerkt worden fein, Ferner wurden am Neuenburger-See eine Anzahl von Hufchhornfafjungen, mit wırndervollen Gravierungen und Nephritbeilden verjehen, entdeckt, und diefe Zeichnungen ftimmen zum Teile vollftändig mit denen auf Töpfen aus der Bronzezeit überein. Auch iiber die Ver— wendung des Nephrits find ſchon vielerlei Vermutungen ausge ſprochen worden; ich glaube, daß folcher weit mehr zu Luxus—

zweden

als zu Gebrauchsftiiden gedient hat.

Als drittes dieſer

Epoche angehörendes Produkt nenne ic das Kupfer. ES haben fih in den legten Fahren mehrere Altertumsforjcher fiir die Eriftenz einer Kupferperiode, analog der Stein- und Bronzeperiode, aus— geſprochen. Wir dürfen wohl mit Sicherheit annehmen, daß bevor man die Bronze, das heißt eine Miſchung zweier Metalle, verwendete, zuerft die einzelnen Teile verarbeitet wurden. Es war ein weiter Sprung von der Kenntnis eines Metalls bis zum Erfennen einer Mifhung zweier. Mit viel weniger Sicherheit fönnen wir aber von einer eigentlichen ‘Periode derartiger Objekte reden. Das Kupfer wird in der Schweiz nicht in gediegenem Zuftande gefunden, es mußte alfo importiert werden und zwar wahrſcheinlich won einem fitdlih der Alpen wohnenden Volke. Als ganz fiher fünnen wir nur behaupten, daß nicht alle Niederlafjungen auf einmal von diefer Entdedung Kenntnis erhielten, Bis das Kupfer von der Weſtſchweiz bis zum Bodenfee und noch weiter gebraucht wurde, begann man wahrjcheinlih am Ausgangspinkte ſchon mit der Miſchung der Metalle. Der Annahme einer Kupferepoche widerjpricht außerdem das vereinzelte Auftreten reinen Kupfers. Ja das Vorkommen von Bronzeſachen neben den gewöhnlichen Stein- und Knochenartefakten der Steinzeit beweift, daß manchenortS nie reines Kupfer, fondern gleich die Bronze Berwendung fand, z.B. in Meilen am Züriher-See. Wir können

aus den angeführten Thatſachen erfennen, daß dieſe Mebergangsperiode die höchfte Vollendung in der Verarbeitung des Steines und Knochens, iiberhaupt aller Artefakte, aufweift und daß das Metall bei uns erſt nach Verwertung der ausgezeichnetiten Mineralien Eingang gefunden hat. Wezikon. 3

Heinrich Meſſikommer, 8

Sohn.

| ;

reihen Anzahl gediegener Vorträge, welche hier während des jüngft verfloffenen Winters ſachkundige Mitglieder deS Vereins zum Schutze deutscher Intereſſen im Ausland hielten, diente die ange— zeigte Rede des rührigen 2, Vorſitzenden der Gejellihaft ven jchulvereinlichen Beftrebungen. In einem intereffanten Blick auf die Gefchichte Krains führte er vor, wie dieſes Land durch vier verſchiedene Perioden deutſcher Anſiedelung und Kolonifation wefentlich dentſch geworden war, wie aber durch die Hiftorisch allbefannt gewordenen Maßregeln der Gegenreformation unter Herzog Ferdinand eine Maffenauswanderung des deutſchen proteftantifchen Adels und Bürgertums dem deutſchen Clement einen ſchweren Schlag verjetste. Ferner war von da an der geiftige Berfehr der Zurücgebltebenen mit Deutſchland durch ftrenge Ausſchließung der fremden Geiftesprodufte unterbunden und dadurch verlor fid) im Bolf das nationale Bewußtfein mehr und mehr. Trotzdem aber war bis Mitte unferes Jahrhunderts „feine außerdeutſche Provinz fo fehr von Deutſchtum durchdrungen, wie Krain“. Erft jeit 30 Fahren hat bier die Entnationalifierung jo bedeutende Fortſchritte gemacht. In beinahe allen Volks- und Mittel ſchulen wird heute ausſchließlich ſloveniſch unterrichtet, und ſeit der Durchführung der allgemeinen Schulpflicht vernichtet die Schule in Jahrzehnten, was ſonſt Jahrhunderte nicht vermocht. Außerdem bieten der ſloveniſche Klerus, die jlovenifchen Beamten und eine wüſte terroriftiiche Preffe alle Kraft auf, um das Deutſch— tum abzutöten. Mehr als 40,000 Landsleute, deren dentſche Her— funft Hunderte von Familien-, Orts-, Fluß-, Berg- und Wäldernamen bezeugen, fucht man auf jede Weife Sprache und Nationalität zu entreißen. In der That, in Krain ruft die Not der Stammes— genoffen zur Hilfeleiftung auf und nicht diefe allein. In Deutſch— öfterrei), jagt unfer Gewährsmann mit Necht, muß die deutjche Nation für ihre Orientftellung ihren Stütpunft haben. Richtungs— (inie ift aber nicht nur die Donau, fondern muß es ebenjojehr der nähere Weg zur Adria werden. Den Weg dorthin fünnen und dirfen wir uns nicht durch feindliches Stovenentum verlegen laffen, auf demfelben ift jede Seele von Wert, welche uns erhalten bleibt. Möchten auch diefe Zeilen dazu beitragen, den warmen, echt patriotifhen Worten Dr. Rohmeders Nahdrud zu verleihen und zur hilfreichen That allüberall aufzumuntern! Oeuvres choisies de A. J. Letronne, Membre de l’Institut. Assemblees, mises en ordre et augmentees d’un index par E. Fagnan. Deuxitme serie. Gé0graphie et Cosmographie. T, Ier, VII. 534. T. 2d. 566. Paris E. Leroux. 1883. Die Freunde biftorisch-geographifcher Forſchungen brauchen bloß mit diefen paar Worten auf das Erſcheinen der ausgewählten Arbeiten Letronne's zur Geſchichte der Geographie und Aftvonomie umd zur Chronologie aufmerffam gemacht werden. Weber den Wert derſelben ift jedes Wort überflüſſig. Letronne's Monographien über den ägyptiſchen Kalender und den Tierkreis von Dendera, ferner iiber den griechiſchen Tierkreis, werden heute, wo das Studium der Verbreitung der diefen Geiftesgebilden zu Grunde liegenden Ideen wieder aufgelebt ift, auch fir den Anthropogeographen von Intereſſe ſein.

Brau de Saint-Pol Lias: Perak et les Orangs Sakeys. Voyage dans l’Interieur de la Presqu’ile Malaise. Avec carte et vues du pays d’apres des photographies prises par l'auteur.

Paris. E. Plon etCie.

Sitteratur, Zur Lage der Deutſchen in Krain.

Vortrag, gehalten

im „Verein zum Schuße deutfcher Intereſſen im Auslande“ zu | — München am 7. März 1884 von Dr. Wild. Rohmeder. Unter der f

759

Litteratur.

1883. III. 302.

*ebhafte Schilderungen

von oft faft movelliftiicher Färbung aus dem neuerdings öfter genannten, von den Engländern Halb und halb unter die Fittiche genommenen Malaienftaat der Halbinfel Malakka. Das Bud) bietet eine unterhaltende Lektüre und im den Abjchnitten iiber die Orang Safey einige wenige ethnographijche Thatſachen von In— tereſſe. Die Abbildungen ſind leider ſehr unklar ausgefallen. Karl Sonklar Edler von Innſtädten, k. k. General— major: Bon den Ueberſchwemmungen. Enthaltend: Die Ueber—

76 0

Litteratur.

ſchwemmungen

im allgemeinen; Chronik der Ueberſchwemmungen

und Mittel der Abwehr. Wien. Peſt. Leipzig. A. Hartlebens Verlag. 1883. VIII. 151. Wertvoller Beitrag zu einem Zweig der phyfifalifchen Geographie, der viel zu fehr vernachläſſigt ift. Die ansfiihrliche, teilweis aus ungedruckten Quellen gefchöpfte Chronik der großen tirofifhen Ueberſchwemmungen ift befonders willfommen zu heißen. In den allgemeinen Abjchnitten, welche die Ueberſchwemmungen durch das Meer, durch die Landſeen und durch

die Flüffe

(inkl, Gletſcher)

Probleme der Wirkung der Waffervegetation

behandeln,

des Untergrundes

find

die

wichtigen

und der Entwaldung,

in den Tropen, der Transport

und Erofions-

wirfingen der angefhmwollenen Waffermaffen nur geftreift, auch nicht in allen Fällen die jchärffte Kritik angewandt, wie die Wiederholung der längft widerlegten Yabel vom Kleinerwerden Helgolands auf S. 23 zeigt. Aber wir heißen in dem Zuftande der Vernachläſſigung, in welchem ſich heute die phyſikaliſche Geo— graphie des fliegenden Waffers befindet, vor allem die Anregungen

willfommen, welche in diefer Zufammenftellung von Thatjachen gegeben find. Der letzte Abjchnitt des Buches handelt von den Mitteln der Abwehr gegen Ueberſchwemmungen. Die Nordjee-$njeln an der deutihen Kitfte nebft ihren Seebade-Anftalten. Bon Karl Berenberg Mit einer Karte der Neifewege und vielen Zinfographien. Vierte ver— mehrte und verbefferte Auflage. Norden und Norderney. Herm. Braams. 1884. 190 ©. Nad) feiner ganzen Anlage verfolgt diefes Schriftehen eine praftifhe Tendenz: die fanitäre Bedeutung der Nordfeeinjeln, die Heilwirkungen der Seeluft und der Bäder im Meere zu betonen, jowie die bedeutendſten Seebadeanftalten diefes Gebietes zu harakterifieren. ES kennzeichnet fih als eine Art Reiſeführer und thut dies in vertramenerwedender Weiſe. Wer immer aber Berenbergs Buch zur Hand nimmt, wird außer den Schilderungen von Borkum, Zuift, Norderney, Baltrum, Langeoog, Spieferoog, Wangeroog, Helgoland, Wyf auf Föhr und Wefterland auf Sylt bejonders die Mitteilungen iiber die Bewohner der Nordſeeküſte, die dortige Tier- und Pflanzenwelt mit Intereſſe leſen. G. A. Wilken: Het Matriarchat bij de Oude Arabieren. Amsterdam, J. H. de Bussy. 1884. 47 ©, Dieſes Schriftchen mag als Nachtrag zu den Werfen: Over de Verwantschap en het Huvelijks-en Erfrecht bij de volken van den Indischen Archipel und: Het Strafrecht bij de volken van het Maleische Ras, die wir in diefen Spalten Nr. 37, ©. 676 und 677) beſprochen, noch kurz angezeigt fein. Auf Grund eines reichen Materials weift es die Herrjchaft des fogenannten Mutterrechts bei den alten Arabern nad); fogar Spuren des Hetärismus und der Polyandrie werden gefunden. Mit dem Matriarchat zuſam— menhängende Gebräuche in der Benennung des Stammes und in den Kindernamen, endlich in den Heiratsgebräuchen, werben mit Scharffinn entwidelt. Wir bedauern, nicht ausführlicher die bemerfenswerten Ergebniſſe dieſer ſchönen Unterfuhung darlegen zu können, welche uns eines der Bande freilegt, Durch welche die Naturvölfer mit den Kulturträgern verknüpft find, Ueberſichtskarte der überfeeifhen Poſtdampfſchiffs— Tinten unter Berücfihtigung der Poftverbindungen nad den außereuropäiſchen deutſchen Konſulaten. Nah dem Staud am 1. Januar 1883. Bearbeitetim Kursbureau des Deutschen Reichs— poftamts. Berlag von J. Springer, Berlin. Dieje Karte bietet ein inſtruktiv angelegtes Ueberſichtsbild von den deutſchen, engliſchen, franzöſiſchen, öſterreichiſchen, italtenischen, niederländischen, ſpaniſchen, portugieſiſchen, amerikaniſchen und japaneſiſchen Poſt—

dampfſchifflinien, aus welchem ſofort der Anteil des deutſchen Dienſtes klar hervortritt. Auf 2 Kartons find die Poſtdampfſchiff— linien in Weftindien und Zentralamerifa, fowie nad) tem Orient dargeftellt. Außerdem enthält der Rand der Karte zur vajchen Orientierung eine nad) Staaten geordnete Aufzählung der einzelnen Berfehrsrouten mit Angabe der Entfernung der Lande- und Halter pläte in Seemeilen und die fahrplanmäßige Beförderungszeit

zwifchen denfelben. Das Aprilheft des „Jahrbuches für Gefetgebung, Berwaltung und Volkswirtſchaft im Deutschen Reich“ (Herausgegeben von G. Schmoller) enthält eine wertvolle Arbeit über die Landpolitik—

der Vereinigten Staaten von Nordamerifa, in welder

Dr. Mar Sering auf Grund perfönlicher Beobachtungen und | . mit Benützung einer reihen Quellenlitteratur darlegt, inwelcher Weife die Regelung der Beſitz- und Eigentumsverhältniffe in der Union von ftatten geht. Der Autor bietet in folgenden Kapiteln eine Neihe Einblide in die wirtfchaftliche Gefhichte der Republik: Herrichaftsgebiet der Landpolitif der Vereinigten Staaten; das Vermeſſungsweſen; die Gejetsgebung iiber die Verteilung der zum Ackerbau geeigneten Ländereien; Geſetz vom 3. März 1877, den Erwerb von Steppenland betreffend; Gejes vom 3. Juni, betreffend Wald- und Steinlöndereien; mineralhaltige Yändereien; Städtegründungen; Landfchenfungen; Die heutigen Güterverteil— ungen. Bon Dtto Hübners befannter geographijch-ftatiftiſcher Tafel aller Länder der Erde ift vor kurzem die 33. Auf— lage bei W. Rommel in Frankfurt a.M. erſchienen. Diefelbe wurde von Profeffor Dr. Fr. v. Juraſchek beforgt und zeige auch im der gänzlichen Umarbeitung alle Vorteile, welche wir an diefen Tabellen bereit im „Ausland“ 1882, Nr. 43 rühmten,

er

Anzeigen. Neuer Verlag der J. 6. Cotta’schen Buchhandlung in Stuttgart.

Geschichte des Alterthums V

Eduard Erster

Band:

Geschichte

Meyer.

des Orients bis zur

Begründung

des

Perserreichs. 80.

XIX

und

647

Seiten.

M. 12. —

Der zweite Band soll die griechische Geschichte und die J Zeiten des Perserreichs, der dritte die hellenistische Zeit behandeln. |

Neuer Verlag der J. &. Cotta’ schen Buchhandlung in Stuttgart, 4

Der Schwäbisch-Rheinische Städtebund im

Jahre

1384

Von L. Quidde. 80.

327 Seiten.

M.6.

Drud und Berlag der J. G. Cott a'ſchen Buchhandlung in Miinchen und Stuttgart.



|



Das Jusland. Wochenſchrift fir Sünder: und Völkerkunde, unter Mitwirkung von Profeſſor Dr. Friedrich Nabel und anderen Fachmännern herausgegeben von der

J. ©. Cotta'ſchen Buchhandlung in Stuttgart und Münden. Siebenundfünfzigiter

Ur. 59.

Münden,

Jährlich 52 Nummern

A 20 Seiten in Quart.

Jahrgang.

29. September.

Preis pro Quartal M. 7. —

1884.

Zu beziehen durd ale Buchhandlungen

des In- und Auslandes

Ämter. — Rezenfiond-Eremplare von Werken der einjhlägigen Litteratur find direft an Heren Profefjor Dr. Friedrich Natel in Münden, jenden. —

Injerationzpreis

und die Poft-

Akademieſtraße Nr. 5, zu

20 Pf. für die gejpaltene Zeile in Petit.

Suhalt: 1. Politifh- und mirtihaftsgeographiiche Rückblicke. IX. Die Pazifikbahnen. Don A. Scobel. ©. 761. — 2. Siegmund Günther's Geophyfil. Von Dr, Albrecht Penck. S. 766. — 3. Ein neues Neijewerf iiber Syrien und Mejopotamien. Bon Fritz Hommel. ©. 770. — 4. Hugo Zöller's „Bampas und Anden“. ©. 772. — 5. Neuere Fitteratur zur Ethnographie von Nordamerika. (Schluß) ©. 775. — 6. Neuere Litteratur zur deutſchen Landeskunde. Schluß.) S.777. — 7. Denkſchrift der Londoner Geographiſchen Gefellihaft für den Inſpektor des geographiichen Unterrichtes. ©. 778. — 8. Kleinere Mitteilungen: S. 779. Ueber den Namen Buriloche. Von Dr. L. Darapsky in Santiago de Chile. — 9. Notizen: ©. 779. Europa. — 10. Litteratur: ©. 780. —

tümer auf dem Weltmarkte nach Möglichkeit zu verboll-

Politiſch- und wirtſchaftsgeographiſche Rückblicke.

fommnen. Der Export von Waren im Jahre 1863 im Werte von 203,964,997 Doll. ftieg bis 1883 auf

IX,

823,839,402 Doll.

Die Bazififbahnen.

Großartig und in gewaltigen Dimenfionen, wie die räum— liche Ausdehnung des amerikanischen Kontinents im Vergleich zum geglieberten Eleinen Europa, haben ſich in der Neuen Welt auch fämtlihe Kulturfaftoren in weitaus anderen Berhältnifien entwidelt, al3 wir es nad europäischen Mapitabe zu meſſen gewohnt find. Die Befiedelung, unter: jtüßt durch reichlihe Zuwanderung,

machte

raſche

Fort:

fchritte, und die Bevölferungszahl hat fi in den Ber: einigten Staaten in noch nit 30 Sahren verdoppelt. Weite Flächen eines jungfräulichen, außerordentlich Frucht:

baren Bodens

wurden unter Kultivation genommen,

jo

daß man 1880 bereits 539,309,179 Akres (215,723,672 Ha.) Barmländereien zählte, im Werte von 10,197,096,776 Doll. Die Maisernte wuchs von 592,071,104 Bufhels im Jahre 1850 (215,513,880 Hl.) zu 1,754,591,676 Bufhels im Sahre 1880 (668,671,342 Hl.), die Baummollernte er: gab 1850: 2,096,706 Ballen, 1880: 5,757,397 Ballen (1883: 6,959,000 Ballen) und ähnliche Fortjchritte zeigt

die Produktion von Kohlen und Metallen: Grund genug, um die Verfrachtung und die Verwertung diefer Neich-

1

Ausland

1884, Nr. 39

Nächſt den natürlihen Waſſerſtraßen Fam für die Entividelung der Verkehrswege der Bau von Kanälen in Betracht; zuerjt für Verbindungen der großen Handels— bäfen der Neuenglandftaaten mit den fünf großen Seen

und dem Ohio.

Für die Mittelftaaten ift bis heute der

Rieſenſtrom des Miffiffippi noch die großartigfte Verkehrs: ader geblieben, befonders für die Güterbeivegung in Baum: wolle und Zuder. Nachdem aber 1829 Stephenfon eine zugkräftige Lokomotive erbaut und in England der Eifen: bahnbau begonnen hatte, rollte auch in der Union bereits im Sabre 1830 der erite Zug von Boſton nach Lowell,

und die Amerikaner find mit ihrer Energie und Geſchäfts— thätigfeit jeßt die eriten Eifenbahnbauer der Welt. Bei der großen räumlichen Ausdehnung ihres Staatengebietes mußten fie auf die Schnelligkeit des Transports ihr Haupt:

augenmerk richten, und als nad) der Entdedung der kali— forniſchen Goldlager eine Mafjeneinwanderung in den Weiten gefhah und immer neue Gebiete in Kultur ge: nommen fvorden, mußte auch der Mafjenbeivegung der Menſchen Rechnung getragen werden. Außerdem aber jollten die Eifenbahnen nicht wie in Europa einem ſchon 115

162

Politiſch- und wirtfhaftsgeographifche Rückblicke.

vorhandenen Verkehr zwifchen bedeutenden Handelspläßen dienen, fondern oft erjt die Wildnis eröffnen und in Urs wäldern und Steppen Pfade bahnen, um die Gründung von Anfiedelungen und dadurd Handel und Verkehr zu ermöglichen. Im Jahre 1848 waren 2818 e. MI. (4509 Km.) Eifenbabnen gebaut; 1860: 30,635 MI. (49,016 Km.); 1880: 91,944 MI. (147,110 Km.); am Ende des Kalender: jahres 1883 ergab ſich eine Gefamtlänge aller Bahnen von 121,592 MI. (195,763 Km.) und der Gefamtbetrag des Aktienkapitals belief jih auf 3708 Mil. Doll., die Ge— jamtverbindlichfeiten einschließlich der fundierten und ſchwe— benden Schuld auf 7495 Mill. Doll. oder für eine Meile vollendeter Bahn auf 52,176 Doll. (für einen Kilometer 164,100 Mar). Für die Unternehmungsluft der amerikanischen Kapıtalijten ein meites Feld bietend, find in dem Bahnnetz der Vereinigten Staaten bejonders charafteriftifch die großen Ueberlandrouten oder Pazifikbahnen. Die erſten Anreg—

ungen zu diefen bebeutenden Arbeiten wurden vor etwa 40 Jahren gegeben; es dauerte aber lange, ehe die fühnen

Projekte verwirklicht wurden.

1858 wurde ein Ueberland-

Poſtdienſt eingerichtet, der wöchentlich dreimal Neifende und Poftfachen von ©. Louis nah ©. Franzisko zu be— fördern hatte, welche Strede bei Tag: und Nachtfahrt in 21 bis 23 Tagen zurüdgelegt wurde. 1862 erteilte der Kongreß die Charter für die Erbauung zweier zuſammen—

ſchließender mejtöftlicher Linien, und zwar den beiden Ge: jellichaften der Union Pacific Railroad und der Central

vollendet, bis

zuwelchem Zeitpunkt die Verbindung durch

Dampffähren hergeſtellt wurde. Die Bahn folgt von Omaha dem Thal des Platte River aufwärts, einer gutbewäſſerten Gegend mit zahlreichen, nah Weiten immer jpärlicheren Farmen. Bei Cheyenne City beginnt der Anftieg zum Gebirge, und zwifchen den

Stationen Sherman und The Siding erreicht die Bahn am Gvanspaß die größte Höhe, 2512 m. über Meer. Die Strede wird hier, wie in den Partien der Sierra Nevada, durch hölzerne Schneedächer vor tinterlichen Betriebs: ftörungen geſchützt. Das Gebiet bis zu den Wahſatſch— Mountains ift dürre Steppe und zu Anfiedelungen nur in den Flußbetten geeignet; aber wejtlich von dem 2074 m.

hohen Uebergang verdichten fi) die Wohnpläße, und bon den Stationen Echo-City und Ogden führen Zmweigbahnen

nad) der großen Oalzfeeitadt, in deren Umgebung die Mor: monen mit fünftlicher Bewäſſerung einen großen Garten geſchaffen haben, fruchtbare Gelände von großer Produk— tionsfähigfeit. Weſtlich vom Salzſee beginnt auf’3 Neue Wüſte und Steppe, welche nur geringmwertige Ortichaften entjtehen läßt, aber die Bahn

iſt von zahlreichen Berg:

fetten begleitet, die mit meiſt norbfüdlicher Streichung in Nevada und Weft-Utah für die Orographie bezeichnend find. Hoch oben liegt die Station Summit, wo am TrudenPak die Bahn in einer Höhe von 2100 m, die Sierra Nevada überichreitet. Ber Penrhyn verläßt die Eiſenbahn das Gebirge, um in das warme, fruchtbare Saframento:

Thal hinabzurollen, und den eifernen Ning von Dft nad)

Pacific Railroad; er bejchloß die Zahlung von 16,000 Doll. für jeeine Meile (1,6 Km.) Bahn im Flachland, 48,000 Doll. für eine Meile im Felfengebirge und der Sierra Nevada, und 32,000 Doll. im Borland der Gebirge, zufammen 49,453,130 Doll. Subvention. Vom Kongreß wurden ferner für jede Meile Bahnlänge 12,800 Akres (5120 Ha.) Land betvilligt, zufammen 25 Mill. Akres (10 Mill. Ha.), Volitifche Gründe waren für die Unterftügung eines ſchleuni— gen Baues mit maßgebend, denn unter den Wirkungen des

Weit, von Küfte zu Küfte zu vollenden. Dieſe wichtigsten und erſten Pazifikbahnen bilden die fürzeite Noute von New-York nah San Franzisfo, denn alle anderen Wege nach demfelben Ziele find länger und werden in Bezug auf großen Durchgangsverfehr diefer älteften Linie faum Konkurrenz machen. Für direkte Ver:

Dürgerkrieges fürchtete man den Welten, Kalifornien, zu

in Amerifa jo auch bier möglich find. Der Stredenbetrieb der Zentral-Bazifitbahn umfaßt außer der oben genannten Hauptbahn noch verſchiedene Ziveiglinien, dazu gepachtete

verlieren und jo follte nun diefer foftbare Befit mit eifernen Bändern gefeffelt werben. 1863 begann der Bau und Ibon am 10. Mai 1869, in der Hälfte der für die Vol— lendung jtipulierten Zeit, fchlofjen die beiden Linien aneinander. Die Union-Pazifikbahn umfaßt die Strede Omaha-Ogden, 1662,4 Km. Hier beginnt die Zentral⸗ Pazifikbahn, von Ogden über Elke und Sakramento nach San Franzisko, 1340,6 Km., zuſammen eine Entfernung bon 3003,0 Km. Hierzu fommen die Zufahrtslinien von Nemw:York über Pittsburg nad) Chifago, 1467,7 Km., und Chikago-Omaha über Elpin und Cedar Napids, 788,6 Km., jo daß die Strede Neww-Norl-Omaha 2256,3 Km. mißt,

die ganze Entfernung von New-York nach San Sranzisfo

über 5259,3 Km., melche in direkter Fahrt in 6 a bi8 7

Tagen zurüdgelegt wird. Die Brücke über den Miſſouri zwiſchen Council-Bluffs und Omaha wurde erſt 1873

frahtung der Edelmetalle und der reichen Erzeugniffe des kaliforniſchen Bodens an Zerealien und Früchten wird diefe Bahn jtet3 wichtig bleiben, wenn auch Krifen wie überall

*

©treden der Southern Pacifie Railroad, der. Galveston, | Harrisburg und San Antonio Railroad, der California | Pacific, der Northern Railroad u. a,, zufammen mit. | der Sauptlinie 5165 Km. Durdhgangspaffagiere wurden

1881: 77,998, 1882: 95,226 befördert, Frachtgüter 1881: |

2,172,041,

1882: 2,432,030 Tonnen.

Trotzdem wurde |

eine Abnahme des Neinertrages Eonftatiert, wahrſchein— j lich eine Folge erhöhter Betriebsfoften, und am 1. Juli

1884 konnte die Bahn die fälligen Gehalte ihres Pers ſonals nicht zahlen, troßdem von der Neineinnahme

Dividende an die Aktionäre gezahlt wurden.

6

Der Union

Pazifikbahn kommen bei den jegigen Verhältniffen außer gewöhnlich große Landverfäufe fehr zu ftatten. Die Ver

fäufe vom 1. Januar bis 20. Mai betrugen allein- zirka

Politiſch- und wirtſchaftsgeographiſche Rückblicke.

19, Mill, Afres mit einem Extrage von 31, Mill. Doll, durchſchnittlich 2,46 Doll. für einen Are. Die Union Pazififbahn beſitzt mit den von ihr be:

triebenen Nebenjtreden ungefähr 7000 Km. Länge, Die Betriebsrefultate des eigenen Netes ergaben für 1883 eine Einnahme von 21,002,542 Doll. (8%/, weniger al3 1882), Ausgaben 10,354,541 Doll., oder ein Nettoertrag von

763

ſo nach Manhattan, Koffeyville, Harper in Kanſas, von Lamy nad Santa Fe rc. Eine wichtige Verbindung iſt durch die Denver und Rio Grande-Eifenbahn nad) Salt Lake City

und Ogden

hergeftellt,

und Union-Pazifikbahn. Zweiglinien

alfo mit der Zentral-

Bon diefer Verbindung

u. a. von Pueblo nad) Denver,

gehen

von Salida

Den Aktiv:

nach Leadville Die großen Erwartungen in Bezug auf die Edelmetallverfrachtung find aber auf die Dauer nicht haltbar, obwohl Kolorado jehr produftionsfähig ist. Won

Der Bau weiterer Ueberlandlinien wurde ſchon vor Vollendung der erjten eifrig ventiliert. Es handelte

der ganzen dortigen Öewinnung entfielen 1880 etwa 60%, allein auf Heabville, einem 1878 gegründeten, ſchnell auf:

fih vor allem um eine direkte Verbindung mit dem Süd—

blühenden Orte, der 1880 bereit3 14,820 Einwohner zählte, neuerdings aber wieder zurüdgegangen ift, ähnlich dem

10,648,001 Doll., für die Meile 5848 Doll. nären wurden 7%, Dividende gezahlt.

weiten, jeßt verfürpert in der Atchison, Topeka and Santa Fe Railroad, die am 17. März 1881 dem Verkehr über: geben wurde. Die Bahn beginnt in zwei Linien, die von Kanſas City und von Atchifon am Miffouri auslaufen und

fich bei Topefa vereinigen, dann als Hauptlinie fich fort: jest und über Trinidad und Albuquerque nad) Deming zieht, im ganzen eine Entfernung von 1849,1 Km. Die Anjhlußftrede

für Neifende

Pittsburg, Indianapolis, ©. 2159,7 Km. Bon Deming die Linie der Südpazifikbahn die Entfernung von New-York nad) Franzisko 5936,8 Km. der ganzen

Strede

von

New-Nork

geht über

Louis nah Kanſas City, nah San Franzisfo mird benüßt, 1928 Km., fo da; über Kanfas City, Deming beträgt. Die Neifezeit auf

dauert 71, Tage,

hat alfo vor den

älteren Linien den Nachteil der größeren Länge, der aber dur günftigere klimatiſche Verhältniffe der zu durch— fahrenden Gegenden ausgeglichen werden foll. Das Aftienfapital beträgt für jämtliche Linien 50 Mil. Doll. Vom Kongreß wurden der Bahn für die Meile 25,000 Afres (10,000 Ha.), zufammen 46 Mill. Afres (19,2 Mill. Ha.)

beivilligt. Die Bahn erreicht ihre höchſten Stellen im Raton Baptunnel (670 m. lang) an der Grenze von Kolo— rado und Neu-Mexiko, 2343 m, hoch, und in der Nähe der heilfräftigen Schwefelthermen (43 bis 600 C.) von Gallinas und La3 Vegas, 1966 m. hoch.! Durch die neue

Bahn

dürfte

die Befiedelungsfähigteit

jo mancher

- bisher unbeachteter Gebiete wohl gewinnen, und das treffliche Beifpiel von Kanſas, die fünftliche Bewäfjerung zu fördern, Nachahmung finden. Aftiengefellfchaften entnehmen den Flüffen dur) Kanäle das befruchtende Element und bauen über weite Gebiete ein Beriefelungsneb, für deſſen Benügung

die Farmer

relativ

geringe

Preiſe

zahlen.

Zahlreiche Ziweigbahnen find dem Hauptitrang angeſchloſſen,

mit der Zentralpazifitbahn bei Reno angefchloffenen Vir— gina City, das über dem an Gold und Silber reichten Bang der Erde, dem Komjtod Lode, gelegen iſt. Auch diefer Gang iſt feit 15 Jahren faſt ganz erichöpft, und

Virginia City ift von 20,000 Einwohnern jet auf 3000 bis 4000 herabgegangen, ein echtes Bild des ſchleunigen „erden und Vergehen” auf amerifanifchem Boden, Die meifte Bedeutung wird die Atchiſon, Topefa und

Santa Fe⸗Eiſenbahn durch die direkte Verbindung zwiſchen New-York und Meriko erlangen. Von Rinkon aus geht eine Zweigbahn nach El Paſo am Rio Grande, von wo ſeit Mat diefes Jahres die mexikanische Zentralbahn nad)

der Stadt Mexiko führt. Bon der Station Benfon der Südpazifitbahn führt über Nopales und Hermofilla eine Bahn nah Guaymas am Golf von Kalifornien. Dieſe Strede gehört ebenfalls der Santa Fe-Bahn, welche in

Guaymas,

ähnlich wie in Las Vegas und Hot Springs,

ein großes Hotel gebaut hat, die Hafenanlagen verbeijern und eine vermehrte Dampferverbindung jchaffen till.

Als dritte Weberlandbahn wurde am 12. Januar 1883 die Southern Paeifie Railroad

der Vereinigten Staaten.

v. Schlagintweit:

Die Santa

Fe— und

Südpazififbahn in Nordamerika. Köln 1883. Der viel: erfahrene, amerifafundige Verfaſſer jehildert eingehend die beiden - genannten Bahnen umd gibt interefjante und wertvolle Aufichlüffe über die berührten Gegenden und Orte, ihre Kulturfähigfeit und Handelsfraft, die Sitten der Bevölferung und über die landichaftlichen und Berfehrs-DVBerhältniffe im allgemeinen. Zahlreiche SUuftvationen und Kartenffizzen unterftüten den reichhaltigen Text.

Sie führt von New-Orleans

über Houfton, San Antonio, El Paſo nad Deming, 2087,3 Km. und von Deming über Tuffon und Mohave nah San Franzisfo, 1928 Km., zufammen 4015,3 Km, Die fogenannte Sunfet-Route, von Galvejton über Houfton,

San Antonio, El Paſo nad) Deming beißt auch Galveston Harrisburg and San Antonio Railroad, während die nörblichere

von

Sierra Blanfa

an der Südpazififbahn

Texarkana

als Teras-Bazifitbahn

über Dallas,

bezeichnet wird.

die Verwaltung bildet die Südpazifikbahn Bentralpazififbahn.

1 NRobert

eröffnet, die ſüdlichſte Bahn

Cisko bis

führende Strede In Hinficht auf

einen Teil der

Die Zufahrtslinie von New-York über

Philadelphia, Baltimore, Wafhington, Richmond, Atlanta und Montgomery nad) Netv-Orleans mißt 2235,3 Km., die Route New-York über New-Orleans

nad) San Fran:

zisko 6250,6 Km, Die Südpazifikbahn durchzieht das füdliche und meitliche Teras, in letzterem fteinige, waſſerloſe Plateau's, überfchreitet den Rio Grande, kreuzt die füblichen Teile

von Neu⸗Mexiko und Arizona, hier befonders öde, menschen:

7164

Bolitifch- und wirtſchaftsgeographiſche Rückblicke.

leere Wüften. Bei Yuma wird der Kolorado überſchritten und erſt jenſeits Mohave beginnt der Abſtieg in die frucht—

baren Regionen

des San

Joaquin-Thales.

In Kali—

fornien führen Zweigbahnen von Kalton nach San Diego,

von 203 Angeles nad Wilmington und Santa Monika, drei Häfen am Bazififchen Ozean. Die Bahn dient dem direften Berfonenverfehr von New-Orleans nad) San Frans zisto, dürfte aber auch für den Abſatz der mafjenhaften Naturprodukte Kaliforniens, die von New-Orleans ver: ſchifft werden follen, von hoher Bedeutung werden. Es ift aud anzunehmen, daß fich die Einwanderung in die

ſüdweſtlichen Staaten mit der Zeit lebhafter geftalten wird, da dureh die Südpazififbahn mehrere der Südhäfen geöffnet find und die Emigranten zu niedrigen Transportpreifen

an ihren Beltimmungsort zu bringen fein werden.

Dann

erit können die ergiebigen Wein: und Fruchtländer der pazifiſchen Küfte die Heimat einer dichten aderbauenden Bevölkerung werben, welche mit ihren Produkten die Bahnen in umfangreicher Weife mit Transporten zu verjorgen im itande fein wird.

bewilligt. Es giebt faum eine zweite, gleich lange amerifanische Eiſenbahn, welche dur ein zur Beſiedelung weniger geeignetes Yand führt, als diefe Bahn.

Aus dem

dürren und gebirgigen Teilen läßt fih faum ein Vorteil ziehen und nur einige Bergiverfs- und Viehweidediſtrikte geben Ausficht auf einige Verfehrsentiwidlung. Das großartigfte Unternehmen der Neuzeit war bie Vollendung der Northern Pacific Railroad, deren Ge ſellſchaft ſchon 1864 die Ronzeffion erhielt, den 47. Breiten grad entlang ein Ueberlandbahn nach Weſten zu bauen. Der Termin für den Beginn des Baues wurde ziveimal ber: längert, 1870 der Bau begonnen und 1873 die 720 Km. lange Strede von Duluth am Oberen See bis Bismard am Miffouri eröffnet. 1874 wurde die Gejellichaft aber infolvent, das Eigentum 1875 an eine neue Gejellichaft verfauft

und das Aftienfapital

gefegt.

Der Bau fchritt, jegt an mehreren Punkten be

zu 100 Mill. Doll. feit:

gonnen, raſch vorwärts, wurde unter der energijchen Leitung des Deutfchen Billard vollendet und die ganze

Schon im Juli 1866 erhielt die Atlantie and Pacifie Railroad ihre Konzeffion für eine Linie unter dem 35.

Bahn am 8. September 1883 feierlich eröffnet. Die Bahnjtredfe mißt von ©. Paul bis Wallula Junktion 2774,5 Km, Bei Brainerd vereinigen fich die beiden Linien von ©, Paul

Breitengrad nad dem Stillen Meere, Die Bahn wurde Mitte Auguft 1883 vollendet und führt von ©. Louis

Strede ſchließt fich bei North Pazifik Junktion eine Zweig—

(218,9 Km.) und von Duluth (183,5 Km.).

An lestere

am Miſſiſſippi über Peirce City nad) Wichita, 817,5 Km,

linie von Superior (Wisfonfin) an, 38,6 Km. lang.

two fie an die Zweiglinie Wichita-Halftrad der Santa Fe: Bahn anfchließt. Diefe erfte Strede iſt die frühere ©. Louis und ©. Franzisfo-Bahn, deren Bau unterbrochen wurde und von der in direkter Nichtung nur die Linie ©, Louis,

Bahn durchzieht Minnefota, wo bei Fargo am Ned River

Perree City, Vinita bis Tulfa

im Indianer-Territorium

vollendet wurde, 222,1 Km., welche fpäter bis Albuquerque an der Santa Fe-Bahn fortgefegt werden fol. Bon Albuquerque (Neu-Mexiko) beginnt erjt die eigentliche Atlantik Pazıfil, vorüber an den Lavabetten bei Grants (1985 m.) und jteigend bis zur großen Waſſerſcheide, Kontinental Divide (2227 m.). Von hier läuft fie längs des großen

Plateaus

von Arizona über Winslow

(1492 m.) durch

dünnbevölferte Landichaften, den Kañon Diablo auf 68 m. hoher, 170 m. langer Brüde überfchreitend, und bis zum Kolorado durch eine reine Gebirgs- und Felfenwüfte. Die Bahn endet bei den Needles am Kolorado und fchlieft dort an einen Zweig der Südpazififbahn an, der 389,5 Km. weit nach Mohave führt und fich dort mit der nad) ©. Franzisko ziehenden Sauptlinie vereinigt. Die Entfernungen mit den Zufahrtslinien betragen von New-York nad Kanjas City 2159,7 Km., Kanfas City nad) Albuquerque 1477,4 Km., Albuquerque nad) den Needles 918,9 Km, und

Needles nad) ©. Franzisfo 1004,2 Km,, die ganze Linie 5560,2 Km. Die Bahn wird nad) dem Ausbau der

Strede von Tulfa nach Albuquerque die zweitfürzefte Ver— bindung zwifchen den beiden Dzeanen herftellen. Mit der Konzeſſion wurden an Landfubventionen 12,800 Ares (5120 Ha.) für eine Meile in den Staaten und 25,000 Ares (10,000 Ha.) für eine Meile in den Territorien

|

of the North die Weizenfelder beginnen,

Die

die in unabſeh—

barer Breite den Lauf der Eifenbahn begleiten. Wo die Prärie noch nicht aufgebrochen, da wird die Bahn die Grjchließerin des Landes. Mit ihr wird der Anbau mög: lich und gutes Aderland fteigt rafch im Preife. In Das fota iſt der wellige Alluvialboden trefflih zum Aderbau geeignet, und aus dem Verkauf der vom Kongreß der Bahngefellfchaft betvilligten 46 Mill. Aires (18,4 Mill. Ha.) dürfte mit der Zeit eine anfehnliche Summe herausgezogen werden. Bei Bismard führt eine 435 m. lange Brüde über den Strom. An der Grenze zwiſchen Dafota und Montana dehnen fich die ſchwer zu paffierenden formen veihen Bad Lands aus, von dürrer Unfruchtbarkeit und doch ein gutes Weideland darbietend. In Montana bee ginnt erſt der Aderbau, dagegen blüht bereits eine aus gtebige Viehzucht und

|

aus den Minerallagern lafjen ih

noch viele Schäße emporheben.. Schon 1882 lieferte Mone

tana für 2,550,000 Doll, Gold und für 4,370,000 Doll. Silber. Die Bahn läuft im Thal des Yellowſtone River aufwärts und verläßt es erſt bei Livingfton. Dies Städtchen ift erſt durch die Nordpazififbahn entjtanden und iſt auch Station für eine Ziveigbahn nad) Main Hot Springs, dem Eingang in das geologifche Wunderland de3 NYellowſtone-Nationalpark. Zwiſchen Livingfton und Bozeman ift der höchſte Tunnel, der das Felfengebirge in. *

einer Länge von 1070 m. und in einer Meereshöhe von

1698 m. durchbricht.

Ueber die Waſſerſcheide zwifchen dem

Atlantiſchen und Stillen Dean

führt jenfeits Helena ber

|

765

Politiſch- und wirtfchaftsgeographiihe Rückblicke.

Mullantunnel

in einer Höhe von 1691 m.

Hinter dem

Orte Miffoula läuft die Bahn über den Marent Gulf Viadukt, einen Holzbau von 260 m. Länge und 69 m. Höhe.! In Wallula Junktion hört die Nordpazifitbahn auf. Sie ſchließt ich an die ſchon längſt beftehende Bahn der Oregon Railroad and Navigation Company an, welche von Bortland am linfen Uefer des Kolumbiafluffes bis Wallula und mit mancherlei Berzweigungen bis nad) Lewiston an der Grenze von Idaho läuft. So jandig auch die Umgebungen des Fluffes hier find, iſt doch weiter landeinwärts das Land fruchtbar, namentlich da, wo fünftliche

Bewäſſerung herzuftellen ift. Die Entfernung von Port: land bis Wallula Sunftion beträgt 344,4 Km,, die ganze Strede von New-Nort über Bittsburg, Chifago und ©. Paul (2127,5 Km.) über die Nordpazififbahn nad) Portland

beträgt

5246,4 Km.

Bon

Portland

erftrect

ſich in nördlicher Richtung eine Zweiglinie nad) dem Wafhington-Territorium über Kalama nah Takoma am Puget Sund, 234 Km. Der Plan, von Tafoma meiter nördlich nad Seattle zu bauen, einer Stadt, die man urfprünglich zum wejtlichen Hauptendpunfte der Nord— pazifikbahn bejtimmt hatte, iſt vorläufig aufgegeben morden, wird aber wohl fpäter doch zur Ausführung fommen, ebenfo der Bau der direkten Linie von Ainswort (vor

Wallula Sunftion) nah Tofama über das Kasfadengebirge. Außerordentlich wichtig iſt die nördfüdliche Berbindungslinie zwifchen Portland und San Franzisfo, die Oregon und Kaliforniabahn, welche nun aud) durch die Südpazifif-

bahn mit Mexiko in Kontakt jteht. Die hohe wirtſchaft— lihe Bedeutung der Nordpazifilbahn tft unverfennbar. In Minneſota wechſeln Walddiſtrikte mit Aderbauländereien; in Dakota iſt der Weizenbau lohnend und haben ſich ſeit dem Bahnbau viele Anſiedelungen gebildet. In Montana iſt bei künſtlicher

Bewäſſerung

Waſhington-Territorium

eignet

Ackerbau

wohl möglich.

ſich in feinen öſtlichen

Grasländereien zum Getreidebau, da der Boden fo produktiv

it wie in Dakota; im weitlichen Teil find dichte Fichtenwälder, die befonders

Holzbeftände bilden. tiefen Sund

einen

im Puget Sund-Diftrifte wertvolle

Dazu fommt no, daß Takoma im guten

Hafen

befitt, ſo daß Ozean—

dampfer dicht an den Piers anlegen. Der in den Ge— wäſſern jenes Gebietes vorhandene Filchreihtum iſt ein

u E

bedeutender, und befannt find die Yachzfifchereien im Ko—

lumbia River, die alljährlih Mafjen nad) dem Oſten verſchicken. 1Mohr: Ein Streifzug durch den Nordweſten Amerikas. Berlin, 1884. Der Verfaſſer war als Teilnehmer zur Eröffnung der Nord-Pazifikbahn geladen und gibt hier eine Reihe anſpruchslos geſchriebener Reiſebriefe, die ſich nicht nur über die Feſtlichkeiten, ſondern auch über Land und Leute ver— breiten und in ihrer einfachen Form um ſo angenehmer wirken, als ſie unter dem unmittelbaren Eindruck eigener Anſchauung niedergeſchrieben find. Ausland

1884, Nr. 39,

Die Canadian Paeifie Railroad wird den Ueberlandweg auf britifchem Gebiete bilden. Ste beginnt bei Ottawa, folgt dem Nordufer des Oberen Sees bis Fort Willtam, durchichneidet nördlich des Wälderſees Manitoba, berührt deffen Hauptitadt Winnipeg, bleibt in der Nähe des Dwappelle River, freuzt den Süd-Saskatſchewan, zieht am Bow Niver aufwärts und wird das Feljengebirge wahr: Icheinlich nicht am Nellow Head Paß überjchritten, ſon— dern ſüdlich desfelben im Gebiete des Kolumbia Niver, von wo aus die Thäler des Thompfon Niver und Frafer River erreicht werden. Der weſtliche Ausgangspunkt ift Port Moody, öjtlih von New Weſtminſter. Oeſtlich iſt

von Ottawa eine Linie bi3 Montreal fertig, von wo aus mehrere Verbindungen nad) den öftlichen Hafenplägen be— ſtehen, nad) Salifar, ferner in das Unionsgebiet nad) Port—

land, Bojton und New-York.

Die Geſamtlänge wird zu

6000 Km. angenommen. Yertig iſt die Strede von Ottawa aus nad) Sturgeon Falls, und von Fort William über Win-

nipeg nach) Medicine jüdlichen Kanada,

Hat.

ſowie

Für den Getreidebau

für Aufſchließung

des

von Britiſch—

Kolumbia mit feinen Holz: und Metallſchätzen wird die Bahn bedeutfam werden. Manitoba fommt ſchneller vorwärts als irgend ein anderer fanadijcher Staat vorher, und wahr: icheinlich ebenfo jchnell, als Kanſas in jeiner beiten Zeit oder neuerdings

Dakota,

Zu fehr niedrigen reifen be-

fördert die Bahn Auswanderer nad dem Weiten, wo te einen enormen und fruchtbaren Yandbefit hat, der wie die Bahn erſt Wert erlangt, wenn das Land bevölkert und produftip wird.

Das Aitienfapital der Geſellſchaft beträgt

25 Mill. Doll. Bon der Regierung wurden 25 Mill, Doll. Subvention bewilligt, ferner eine Schanfung von 25 Mill. Ares (10 Mill. Ha.) Land. zwischen Winnipeg und dem Fuße des Felfengebirges. Berminderte Einnahmen oder verteuerter Betrieb tragen dazu bei, die Jahresbilanz oft unventabel erſcheinen zu laffen, oder Konfurrenzlinien forgen dafür, daß mit ges

ringſtem Nutzen gearbeitet wird Während in den drei Sahren feit 1880 45,448 Km, Bahnen eröffnet find, hat die Summe

der Verbindlichkeiten der Bahnen fich ſeitdem

um 2093,433,054

Doll. erhöht.

Die Koften der neuges

bauten Streden würden fich demnach auf zirka 70,000 Doll. für die Meile (44,500 Doll. für einen Km.) jtellen. In

Wirklichkeit haben aber die neuen Bahnen nicht mehr als 30,000 Doll. die Meile gefoftet, der Mehrbetrag tjt daher anderweitig veriwendet worden. In diefem ungeheuren Anwachſen von fiktivem Kapital ift unzweifelhaft die Haupturfache des jet herrſchenden

allgemeinen Mißtrauens und des furchtbaren Nüdganges der Kurfe der Eifenbahnpapiere zu finden, Yon 1879 bis zum Schluffe des Jahres 1883 herrſchte im Publikum über deren Wert eine ganz eigentümliche Täufchung, welche

in weitgehendem Maße von gewandten und gewifjenlojen Abenteurern ausgenüst wurde. Sollte nun aud) ein bedeutender Teil der Koſten für neue Bahnen verloren geben, 116

7166 jo iſt das Land

Siegmund Günther's Geophyſik.

dennoch um gleich hohe Beträge reicher

geworden durch die Vorteile, welche durch die Aufſchließ— ung umfangreicher Landjtriche für die Anfiedelung und Kultivierung marktfähiger Produkte, die vorher feinen

Handelswert hatten, gewonnen wurden. Aber auch der Wert der Ländereien, befonders der Bazififbahnen wird oft überfchäßt,

obwohl

die Union

Pazifik,

die Kanfas

Pazifit und die Northern Pazifik große Flächen befonders wertvollen Landes erhalten haben. Alle diefe und nod) mehr die Zentral Pazifif, die Southern Pazifik und die Atlantik and Pazifik haben indefjen noch viel größere Mengen jehr ſchlechtes Land, von dem twahrfcheinlich vieles niemals zu irgend einem Preiſe, das übrige nur zu niedrigen Preifen und ehr langſam verfäuflich fein wird. Das wertlofeite von allen ift das Land der Teras and Pazifik in New-Merifo. Es erübrigt noch einiger Worte, um die beim Eifenbahnbetrieb der Vereinigten Staaten neuerdings eingeführte Normalzeit zu erwähnen. Die verfchiedenen Ortszeiten mußten in einem Öebiete, welches ſich über mehr als 55 Längengrade erftredt, bei Durchgangslinien zu Unzuträglichkeiten Veranlaſſung geben. Nach längeren Verhand— lungen ift in Chifago eine „Allgemeine Zeitvereinbarung“ und in New-York eine „Südliche Zeitvereinbarung” zum Abſchluß gelangt. Darnach foll es fünftig in der Union fünf Normalgeiten geben, die je eine Stunde von einander differieren, da fie fih auf die Meridiane 60, 75, 90, 105 und 120 weſtlich von Greenwich gründen. Die Zeit des 60. Meridians berührt nur wenige Bahnen und ift die der Interkolonial- und der Bahnen in den Seeprovinzen und im öftlihen Maine Die Zeit des 75, Meridians ſchließt NeusEngland, New-Yorf und alle atlantifchen

Staaten ein; die des 90. Meridiang erftredt fi) von Buffalo und PBittsburg bis zum Miffouri, Kanfas, Arkanfas und Zentral-Texas. Die Zeit des 105. Meridians ex: Iredt fi bis Nevada, während die des 120. Meridians für Kalifornien, Nevada, Dregon und Wafhington Territorium gilt. Natürlich ift die Uebergangslinie zwischen zwei Normalzeiten nicht ein genaue geographifche, da diejelbe aus manderlei Gründen auf Endpunfte der Bahnen oder Abteilungen verlegt ift. Ueberall beträgt die Differenz

zwiſchen den beiden nächſten Zonen genau eine Stunde, Die tormalzeit wird täglich auf automatischen Wege von der Sternwarte zu Wafhington nah allen Hauptitationen übermittelt. Zu diefem Zweck löft der Pendel der Normal: Sternwartenuhr, welche die mittlere Zeit des 75. Meridiang zeigt, mitteljt eleftrifhen Sontaftes um 11h 56m 455 einen Weder aus, der Sefundenfchläge gibt, und genau bis 12» Om Os tönt. Durch ausgelaffene Schläge werden die Minuten markiert. Betrachtet man die energifchen Sortfchritte im Bahn: bau, jo wird troß einzelner Mißlichfeiten in Bezug auf Konfurrenzunternehmungen oder mangelhafter Kapitalanlage doch das Land nur große Vorteile von der Meiter-

entwickelung ſeiner Verkehrsverhältniſſe haben; denn alle die reichen Landesprodukte erhalten erſt ihren eigentlichen Wert, wenn ſie marktfähig gemacht werden. Die prakti—

ſchen Beweiſe dafür liegen gerade bei den Pazifikbahnen klar erkennbar offen, und die flotte Thätigkeit auf dem Gebiete

des Eiſenbahnbaues läßt den amerikaniſchen Satz verftehen: Let the country but make the railway, and the reilway shall make the country. U. Scobel.

Siegmund Ginther’s Geophyfik.: Bon Dr. Albrecht Pend in Miinchen.

Die Zerfplitterung der Wifjenfchaften zeigt nirgends mehr als auf dem Gebiete der Erdfunde ihre nachteiligen Folgen.

Entfremdet

worden

find die Disziplinen, deren

einheitliches Zuſammenwirken erſt ein ernftliches Studium der mit der Erde verbundenen und auf der Erde ſich abe Ipielenden Erſcheinungen ermöglicht, und bekanntlich hat es nicht an Stimmen gefehlt, welche der Geographie eben desivegen den Charakter einer Wifjenfchaft abfprechen, weil fie ein ſolches Zuſammenwirken gebieterifch verlangt. Ge— treulich ſpiegelt fich in der Behandlungsweife ihrer einzelnen Fragen die üble Folge der Einzelarbeit; benachbarte Disziplinen Fnüpfen oft an demfelben Bunft der Erdoberfläche an und gehen jelbitändig vorwärts, die eine, ohne die

Ergebniffe der anderen zu benußen. Es ift ein Irrtum, wenn man die phyfifaliiche Erd— funde von diefem Vorwurfe, der gewöhnlich der reinen Länderkunde gemacht wird, freifprechen will. Eine rein phyſikaliſche Auffafjung mit rein mathematifcher Analyfe auf der einen Geite, eine mehr oder minder gefchickte Ver:

wertung mit „geographifchen” und „geologiichen“ Beobachtungen auf der anderen vereinigen fich felten zu einer kritiſchen Geſamtleiſtung, und die Mehrzahl der geographifchphyſikaliſchen Werke ſchwingt ſich nicht zu einer einheitlichen Durcharbeitung des Stoffes auf, indem gewöhnlich die vorliegenden Probleme viel zu wenig von ihrer phyfifalifchen Seite aufgefaßt werden. Die Urfache hievon ift unſchwer in der Thatfache zu erkennen, daß die meiften Autoren, welche die empirifche Erdfunde als Geographie oder Gen»

logie betreiben, der präzifen mathematifchen Sprache und der Anwendung höherer Nechnungsarten mehr oder weniger fremd gegenüberftehen, wodurch ihnen das Berftändnis der twichtigiten erdfundlichen Fragen oft verjchloffen bleibt. Mit der Unkenntnis mathematifcher Darlegungen gebt auf der Seite der empirifchen Erdkundigen auch die Unkenntnis von

Quellenſchriften nur zu häufig Sand in Hand und manche Siegmund Günther: Lehrbuch der Geophyſik und phyfifaltſchen Geographie. I. Band. X. 418 ©, gr. 80, Stuttgart. 5. Ente,

I

Siegmund Günther's Geophyſik.

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767

erdlundliche Arbeit blieb in mathematifchen oder phyſikali—

retiſchen Geologie, namentlich der Lehre vom Vulkanismus;

ſchen Zeitichriften völlig vergraben.

hier überſtürzen ſich förmlich neue Theorien, die bei näherer

Seit einigen Jahren

iſt zwar in dieſer Hinficht allerdings viel gefchehen ;Zöppritz'

Betrachtung

Bufammenftellungen

widerlegte Hypotheſen herausſtellen. Es war ein glücklicher Griff Günther's, hier die verſchiedenen einzelnen Hypotheſen

in Behm’s Geographiichem Jahrbuch

haben die Ergebniffe geophyfifcher Forfchungen manchen Kreifen förmlich erfchloffen, aber zu thun bleibt noch jehr viel, Wir freuen uns, heute auf ein Werk aufmerffam machen zu können, welches ganz dazu gefchaffen erfcheint, die hier gerügten Uebelſtände thunlichit zu befeitigen.

Es

ſich nur als leicht modifizierte ältere, längſt

in Gruppen zu ordnen und überſichtlich nebeneinander zu ſtellen. Genaue Quellennachweiſe dieſer hiſtoriſchen Dar— legungen ſowie häufige Zitate zur Stütze der vorgetragenen Anſichten machen das Buch nach jeder Hinſicht zu einem nützlichen Nachſchlagewerk und laſſen die Faſſung des

it dies Günther's Geophyſik, deven erfter Band vollendet vorliegt. Derfelbe legt in prägifer, nirgends unflarer Ausdrudsweife, deren prägnante Kürze vielfach wohlthut,

Titels:

die neueren Ergebniffe

und Lernenden.

der vein phyſikaliſchen und mathe:

matiſchen Erdfunde dar, und verſchweißt diefelben mit geo— logifhen und geographifchen Beobachtungen zu einem ein: heitlihen Ganzen. Die Sprache des Werkes ift die mathematifche, und wenn auch zu befürchten ift, daß mande

Darlegungen

einſtweilen

desivegen

denjenigen

„Lehrbuch

ſcheinen;

denn

der Geophyſik“

als zu beſcheiden er—

es liegt mehr vor:

iſt ein Handbuch,

Günther's Geophyſik

gleich unentbehrlich für den Lehrenden

Eine geſchichtlich-litterariſche Skizze leitet das Buch ein. Hier wird die Entwickelung der phyſikaliſchen Geographie vom Altertum bis auf heute verfolgt und zugleich auch

der Methodik gedacht. Das Wort „vergleichende Erdkunde“ wird im weiteſten Sinne des Wortes gebraucht und be—

Kreifen unverftändlich bleiben werden, an welche fich das Buch vornehmlich richtet, jo ift doch zu erhoffen, daß die mathematische Auffaffungsweife erdfundlicher Fragen durd) Günther's Werk mehr und mehr Anhänger finden wird.

gründet, warum im Titel des Werkes Geophyſik und phyſikaliſche Geographie nicht als Synonyma gebraucht werden. Es ließe ſich ſagen, daß der erſte Ausdruck ſich

Siegmund Günther ift zu Haus in der Gefchichte der

Mathematif und phyſikaliſchen Geographie. Er verleugnet dies nicht in feiner Geophyſik. Bei Entwicelung jedes Theorems legt er deſſen Gefchichte dar, hiebei eine nicht

und von ihrer inneren Beſchaffenheit gehandelt wird, daß dagegen die ältere Bezeichnung mehr am Platze iſt, wenn die Oberfläche unſeres Planeten den Betrachtungsgegen— ſtand bildet. Es iſt dem wohl beizupflichten, namentlich

gewöhnliche Belefenheit verratend und darin, daß fich zur

wenn die Grenzen zwiſchen beiden Disziplinen nicht mit

mathematifch-phyfifalifchen Darftellung eine hiftorifche Er— örterung gejellt, bejteht nicht zum mindeften der große Wert jeiner Geophyſik. Won der Notivendigfeit dieſer Kombination überzeugt man fich am beften bei Lektüre der Abjchnitte über Geftalt und Bewegung der Erde, welche

abſoluter Schärfe gezogen werden, was Günther auch nicht bezweckt. Für uns iſt der Unterſchied namentlich auch ein

Gegenftände behandeln, die die Arbeit von Jahrhunderten umfafjen und häufig in Lehrbüchern nur ganz vorübergehend

in einer Weife behandelt werden, welche die Anhänger der alten Schule gewiß nicht überzeugen würde. Nur zu oft wird leider vergeffen, daß die Ergebniffe von Kopernicus und Kepler im 17. Sahrhundert von dem bevdeutendften Geophyſiker der jeſuitiſchen Schule, von Niccioli, entſchieden befämpft wurden, indem er 49 Gründen für die Bewegung der Erde 77 nicht ungeſchickt gewählte Gegengründe entgegenftellte und durch die Zahl der leßteren die Frage entjchied, To daß noch 1754 ein gelehrter Tivoler, namens Planch, in einem

mit von weltlichen und Firchlichen Behörden ausgeftellten Approbationen reichlich verfehenem Werke nur eine anti— katholische Srrlehre des Kopernicus kennt. Vergeſſen wird endlich auch oft, daß Newton's Gravitationsgeſetz fih nur jehr langſam einbürgerte und jelbjt von Euler noch be— zweifelt wurde. Unter ſolchen Umftänden erheifchen die

beſſer empfiehlt,

methodiſcher.

ſo lange von

der Erde als Weltkörper

Die Geophyſik betrachtet das Erdganze als

Objekt phyſikaliſcher Unterſuchungen, die phyſikaliſche Erd— kunde verfolgt die geophyſiſchen Geſetze nach geographiſchem Geſichtspunkte, neben dem „Wie“, um mit Marthe zu reden,

das „Wo“ betonend. Die erſte Abteilung

des Buches

behandelt die kos—

miſche Stellung der Erde. Die Kant-Laplace'ſche Hypo— theſe dient hier als Grundidee, wiewohl die gewichtigen Bedenken gegen dieſelbe keineswegs totgeſchwiegen werden; eine Betrachtung des Sonnenſyſtems iſt hier unerläßlich, einerſeits um die Stellung der Erde richtig zu präziſieren, andererſeits um die wichtigen Abhängigkeitsverhältniſſe

unſeres Planeten von der Sonne hinreichend verſtehen zu können. Ein Kapitel iſt ferner den der Erde am meiſten naheſtehenden Planeten und dem Monde gewidmet; Venus

und Mars finden bier eine eingehendere Darſtellung, welche namentlich

bei Yetterem

Planeten verweilt, deſſen Ober:

flächenverhältniffe, falls ſich die von Schiaparelli entdedten, bisher aber noch nicht Fontrolierten Erfcheinungen bes wahrheiten follten, von entjchiedener Bedeutung für die Auffaffung irdiſcher Verhältnifje werden können. Daß bei

Abſchnitte über die planetare Stellung der Erde auch heute der eigentümlichen Mondoberfläche eingehender verweilt noch eine äußerft Scharfe Begründung, und Günther hat wird, liegt ganz in der Tendenz dieſes Kapitels, aus der Recht, wenn er mehrere Scheinbeweife hier völlig übergeht. Nicht anders liegen die Dinge auf dem Gebiete der theoe | Betrachtung der Nachbargeſtirne Rückſchlüſſe auf die Erde

Siegmund Günther's Geophyſik.

68 zu machen.

Ein Vergleich des ganzen

Abſchnittes

mit

eine früher von uns ausgefprochene Anficht verbeſſern u

dem entſprechenden in Peſchel-Leipoldts Werke läßt er— kennen, in wie viel glücklicherer Lage ſich der in aſtronomi— ſchen Dingen wohlerfahrene Geophyſiker gegenüber dem

fönnen, wegen der fteten Bewegungen durch Wellenfchlag, Ebbe und Flut, Windrichtung und wechſelnden Luftorud, Dem wichtigen Schlufje diefes Kapitels, geodätifche Konz

genialen Geographen befindet, welcher ſich hier ganz der abenteuerlichen Führung von Richard Proctor überließ. Die zweite Abteilung widmet ſich den allgemeinen, mathematiſchen und phyſikaliſchen Verhältniſſen der Erde,

fequenzen der Lehre vom Geoid betitelt, hätten wir etwas größere Ausführlichfeit gewünſcht; nicht bloß die Höhen⸗

iſt alſo rein geophyſiſch. Dieſelbe unterſcheidet ſich in ihrer ganzen Anlage weſentlich von den entſprechenden

anderer Werke; die Kugelgeſtalt der Erde und ihre Be— wegung als Planet im Raume gelten hier als Thatſachen, welche dem erſten Abſchnitte als geſicherte entnommen werden, und die üblichen Beweiſe dafür werden zu den notwendigen Konſequenzen. Das Ganze wird dadurch zu einem äußerſt reizvollen Abſchnitte über die Anwendung der Gravitationslehre auf die Erde.

In überſichtlicher Weiſe wird zunächſt die hiſtoriſche Entwicklung von der Lehre der Kugelgeſtalt der Erde ge— ſchildert; bei der Abplattung der Erde wird des dadurch bedingten Unterſchiedes zwiſchen geographiſcher und geo— zentriſcher Breite gedacht, welcher ſonſt gewöhnlich ver— nachläſſigt wird, darauf folgt eine Darlegung über die Dimenfionen des Erdförpers. Das nächite Kapitel ift den Bartationen der Schwere auf der Erdoberfläche gewidmet; hiev werden die Mittel gefchildert, ſolche Variationen zu meſſen, zur Erwähnung der Schtwungtwage beziehungsweise des verwandten Horizontalpendels, der Waſſerwage und der veränderlichen Höhen von Quedfilberfäulen wird hier der Hinweis auf die Möglichkeit gefellt, an Uhren ein= Ihlägige Beobachtungen zu machen, und ſchließlich werden einige hiehergehörige, fonjt wenig beachtete Probleme mitgeteilt, wie z. B.der Einfluß von Ebbe und Flut auf die Größe der Schwere. Darauf finden Lotablenfungen

und Geſtaltung der Erde unter der vereinigten Wirkung von Schwere und Bentrifugalfraft eine Darftellung; der von Liſting für die Abplattung gewonnene Wert von 1:289 wird hier auch aus theoretifchen Gründen al3 der wahr: ſcheinlichſte Dahingeftellt, und auf die geodätifche Bedeutung des Pendels eingehend und nachdrücklich hingemwiefen. Kapitel III diefes Abfchnittes behandelt das Gevid in einer Weiſe, welche als muftergültig gelten fünnte. Wir möchten dasjelbe allen denjenigen eindringlich empfehlen, welche noch an beträchtlichen Abweichungen der Erdgeſtalt von der Sphärvidform zweifeln. Nur in einer Hinficht möchten wir dem Verfaffer nicht beiftimmen: Der Fehler von Gauß und Beſſel (©. 193) befteht nicht nur darın, daß ſie den Spiegel des Meeres mit einer Niveaufläche

identifizierten, ſondern namentlich darin, daß ſie nur eine geringe Abweichung der Meeresoberfläche von einer Rota— tionsellipſoidfläche für möglich hielten; auch iſt wohl nicht dem beizupflichten, daß der Meeresſpiegel wegen der allgemeinen Zotablenfung feine Niveaufläche fei, fondern er {ft es nicht, und wir freuen ung, bei diefen Gelegenheiten

verhältniffe, und

Sondern auch die Areale der Erdoberfläche,

zwar

Feſtland-

und Meeresflächen in verſchiedenem

|

Maße, werden von der neuen Geoidlehre merklich be einflußt. | Kapitel IV handelt von den Bewegungen der Erde im Raume; dasjelbe geftaltet fich gleichfalls zu einem fehr

anziehenden führung

vermöge

der konſequenten

logiſchen Durch

und

hiftorifchen Ent—

der Beweiſe

anregenden

widlungen. Es bafiert namentlich auf der Arenlehre rotierender Körper, welche vielleicht etwas zu knapp dar— gelegt wird, worauf die Unveränderlichfeit der Rotations— are der Erde zunächſt uneingefchränft und fpäter mit ihren geophyſiſch Michtigen Verturbationen, d. h. den Schwank— ungen der Efliptikfchiefe, der Präzeſſion der Aequinoktial— punkte und der Nutation, ausführlich beſprochen wird. Daß die leßteren variablen Elemente der Erbbahn genau

begründet werden, bildet einen wichtigen Vorzug des Buches vor verivandten Werken, da in diefer Bartabilität möglicher: weiſe die Urjache tiefgreifender Veränderungen des irdiſchen Klima's zu erkennen find. Unfer Verfaffer folgt hier den

Darlegungen von Laplace, wobei wir allerdings den Hinz eis

darauf

Werte

vermiffen,

daß die Berechnungen

der Erzentrizität der Erdbahn

nur

extremer

auf der ein-

Ichränfenden Annahme berubt, daß diefe Werte Eleine find. Unter folchen Umjtänden dürfen die mühjamen Beredhe nungen Groll3, deren der Berfaffer gedenkt, keineswegs

als fichere gelten.

Daß letztere eine Periodizität erfennen

ließen, dürfte wohl auf einer Verwechslung beruhen. Einen Anhang zu dem hier dargelegten Inhalt der zeiten Abteilung des Werkes bildet deſſen fünftes Kapitel,

welches fi) der Graphik im Dienfte der phyſiſchen Erd funde widmet. Es enthält eine gute Skizzierung der ge: bräuchlichen Brojeftiong= und Terraindarſtellungs— Methoden, i woran fich erfveulicherweife aud) eine Erwähnung einiger

Methoden

der Arealberechnung

gefellt.

Hinfichtlich der”

bier auch erwähnten Frage nach der Priorität, wer die eriten Iſohypſen gezogen, ſei beiläufig erwähnt, daß Buache berichtet, beveitS 1735 diefe wichtigen Linien gezogen zu haben.

Behandeln die erſten beiden Abſchnitte von Günther's Geophyſik Themata, in welchen der Verfaffer anerkannter: mapen längit zu Haus ift, jo bringt die dritte Abteilung ihn auf ein Gebiet, welches zu beherrfchen er bier zum eritenmale zeigt; es iſt dies die Geophyſik im engeren

Sinne des Wortes, die Lehre von den Wärmeverhältniffen de3 Erdinnern,

von Bulfanen

und

Erdbeben.

Don der

geothermifchen Tiefenftufe ausgehend, werden zunächft bie verſchiedenen Anfichten über den mutmaßlichen Zuftand

|

769

Siegmund Günther's Geophyſik.

des Erdinnern entwickelt; iſt hier allerdings auf der einen Seite etwas befremdlich, daß der Verfaſſer den bereits von

A. Böhm gerügten Irrtum von Koch teilt, welcher die Chthoniſothermenflächen unter Bergen als Negative von |

deren Oberfläche betrachtet, ſo führte den Verfaſſer doch

| /

die Kenntnis von Ritter's Unterſuchungen über den Zu— ſtand einer iſentropiſchen Gaskugel zur Aufſtellung einer ſehr beachtenswerten Theorie

/

über den Zuſtand des Erd—

innern. Nach Darlegung der jetzt namentlich in England geführten Erörterung der Rigiſten und Viszidiſten ent—

/

twidelt der Berfaffer die Anſchauung, daß man fich das Erdinnere als erfüllt mit Gaſen vorftellen fünne, welche ſich im überkritiichen Zuftande befinden. Um dieſe Kugel

ſpiegelt, daß benachbarte Vulkane, wie z. B.Epomeo und Veſuv, ganz verſchiedene Produkte gleichzeitig lieferten, und daß ein und derſelbe Vulkan, wie wiederum der Veſuv, zu

verſchiedenen Zeiten verſchiedene Laven lieferte. Dieſe Thatſache ſpricht nach oberflächlicher Betrachtung entſchieden zu Gunſten einer lokaliſierten Auffaſſung des Vulkan— herdes, wenn wir auch meinen, daß eine allgemeinere Betrachtung die Stichhaltigkeit dieſes Einwurfes nicht be— ſtehen läßt. Es ließe ſich nämlich bei einer magmatiſchen

Anſicht des Erdinneren

die angedeutete Thatſache durch

Fluktuationen im Magma ſelber erklären, die, falls ſie ſich

legt ſich eine Schale disfoziierter Gaſe, welche allmählich in eine magmatiſche übergeht. Um lettere lagert fich die feite Erdfrufte, Es iſt nicht zu verfennen, daß diefe Anſchauung manche Thatjachen befjer zu erklären vermag als andere Hypo— thefen über den Zuftand des Erdinnern. Dev Verfaffer

bewahrheiten ſollten, entſchiedene Berückſichtigung bei Be— trachtungen über die Gleichgewichtsverhältniſſe des Erd— körpers verdienten. Einige kleine Nachträge für das Kapitel über die Vulkane regiſtrieren wir hier nur, um dem Verfaſſer bei Ausarbeitung ſpäterer Auflagen ſeines ſchönen Werkes Vorſchub zu leiſten. Vulkaniſche Aſche beſteht der Regel nach nicht aus den S. 350 angegebenen Beſtandtheilen,

weilt zunächſt daraufhin, daß durch fie von der herrfchenden Theorie der Oebirgsbildung und Faltung die Schwierig:

ſondern hat eine entſprechend der Lava wechſelnde Zu— ſammenſetzung; vulkaniſche Tuffe würden wir nicht neben

feit bejeitigt würde, welche bei der Annahme eines feften Erdinnern in der Differenz zwifchen der Kontraktion von

Aſchen und Laven als Eruptionsprodukte, ſondern als Sedimente vulkaniſchen Urſprungs bezeichnen. Bei den

Kern und Schale bejteht. Wir möchten bei diefer Gelegen— heit darauf hinweisen, daß man fich den Betrag der Erd» fontraftion überhaupt allgemein viel zu klein vorftellt. Es

Laven hätten wir gern einen Hinweis auf die äußerſt wechſelnde chemiſche Beſchaffenheit und eventuell auf die Bunſen'ſche Miſchungstheorie geſehen. In dem Abſchnitte

gibt auf der Erde feine Stelle, two die älteften Schicht: gejteine horizontal lagerten. Allüberall find diefelben ftarf gefaltet und zufammengejchoben. Dies gilt in feiner All— gemeinheit zunächſt nur für die archäiſchen Syſteme, gilt aber auch größtenteils für die paläozoiſchen Schichten, und

über die Verbreitung

der Vulkane

unſerem

zu ſehr der üblichen Anſchauung,

Dafürhalten

folgt Günther

nach

welche unmotivierter Weiſe einige erloſchene Vulkane aus Mitteldeutſchland neben den erloſchenen der Auvergne und den heutigen anführt. Nach unſerem Dafürhalten darf

als Negel muß bingeftellt werben, daß horizontale Straten auf Stark gefalteten aufruhen. Eine Blanierung aller

eine Karte über die Verbreitung der Vulkane nur die thätigen und die in der geologiſchen Gegenwart erloſchenen

diefer geftörten Schichten würde nad) einer ungefähren Schäbung ergeben, daß diefelben eine Kugel einschließen,

darſtellen,

welche inhaltlich mindejtens doppelt fo groß als der heutige

Kammerbühl ꝛc.

Erdball fein würde. So läßt ſich annehmen, daß das ſpezifiſche Gewicht der Erde feit archäifchen Zeiten auf das Doppelte gewachſen

iſt.

Während der Gneißbildung

hatte alfo die Erde ungefähr das spezifische Gewicht des Jupiter, und die an ihrer Oberfläche wirkende Schwere par von ganz bedeutend geringerem Betrag, denn heute: eine Thatjache, welche binfichtlich der Urgefteinsbildung gewiß Beachtung verdient.

Die in neuerer Zeit jo fehr vervoll-

fommneten Wägungsmethoden der Erde gewähren vielleicht einmal das Mittel, die fortjchreitende Kondenfation der Erde genauer zu beitimmen. Allein, wie objektiv auch die mweitere Durchführung des Kapitels Bulfanismus

bei Günther ift, wie ruhig er

zwischen der Theorie Lofalifierter Bulfanherde und einer Magma abwägt, den einen Einwurf, welcher gegen alle magmatifchen Theorien gemacht werden kann, zieht er nad) unferem Ermefjen

zu wenig

in Erwägung,

nämlich

die

| Verſchiedenheit der vulfanifchen Produkte, welche fich darin ) Ih w

3

Ausland

1884, Nr. 39.

alſo nicht die tertiären Eruptionsſtätten auch;

zu letzteren aber gehören Aſpenkippel, Meſſendorfer Vulkan, könnten

Mit

demſelben

Rechte

wie Predazzo

auch die verſchiedenen Porphyrterritorien, ebenſo

wie die iriſchen Baſalt-Gebiete könnten auch die der Sahara als Vulkane gelten. Beereninſel und Jan Mayen endlich zeigen, daß es dem nördlichen Eismeere nicht ganz an Vulkanen gebricht. ſdach den Vulkanen finden die Erdbeben am Schluſſe des Bandes noch eine eingehende, ſehr gut durchgearbeitete Darſtellung, welche allerdings den lokalen Einſtürzen vielleicht zu wenig Rechnung trägt, indem bloß ſolche

Bewegungen, welche von der Tiefe nach außen wirken, als Erdbeben gelten. Auch die von A. Heim aufgeſtellte Klaſſe der Spannungserdbeben findet hiebei nicht genügend Berückſichtigung. Ein von H. O. Lang konſtruirtes Seis— mometer iſt, wie es ſcheint, dem Verfaſſer entgangen. Da— hingegen erfreut er uns durch eine äußerſt vollſtändige und fein gegliederte Darſtellung über die Erdbebentheorien alter und neuer Zeit.

Es iſt dieſe Anzeige etwas lang geworden; aber ein 117

770

Ein neues Neifewerk über Syrien und Mefopotamien.

Buch von fo reichem Inhalte wie Günther Geophyſik läßt fich nicht mit wenigen Worten abthun und bei aller Ausführlichfeit unferer Beſprechung müffen wir fürchten, daß fir zu fehr bei den wenigen Punkten des Werkes veriveilten, mit welchen wir nicht in dem Maße überein: itimmen, wie wir es fonft faft durchweg thun. Man möge ſich Dadurch nicht vor dem Buche abjchreden laffen, fondern vielmehr hierin ein bevedtes Zeugnis für die Teilnahme erkennen, welche uns das Werk einflößte. Möchte dem eriten Bande bald der zweite folgen, welcher fih noch den magnetischen und eleftrifchen Kräften der Erde, der Luft: und Wafferhülle derfelben, den Veränderungen ihrer Ober: fläche, fowie der Geographie der Organismen widmen foll!

Syrien das erſt nach und nach jemitifierte Herrichaftsgebiet der fprachlicd mit den heutigen Georgiern verwandten Hethiter, von Damaskus im Süden an bis hinauf zu den Abhängen der von Kleinaſien ſich herüber eritredenden Ge— birge, mit den Hauptftationen hethitiſchen Kultureinfluſſes Hamath, Aleppo und Karkemifch (Gebt Dieherabis am weſt—

lichen Euphratufer).

Nachdem auch Syrien gewiß ſchon

zu Anfang des erſten vorchriftlichen Jahrtaufends ebenfalls

aramäifch geworden war, jehen wir hier wie in Meſopo— tamien weitere taufend Jahre jpäter unter der Herrfchaft

der Nömer und dann der Byzantiner die weitverzweigte Litteratur der chriſtlichen Syrer zu voller Blüte fich ent

wideln, bis endlich mit der Ausbreitung des Islams aud) diefe Gebiete arabifiert werden

und auf den Trümmern

der griechiichearamäifchen Kultur, die von der Seleufidenperiode an hier ſich entwickelt und ausgebildet hatte und der die meiſten Bauüberrefte älterer Zeit angehören, die moha—

Fin neues Keifewerk über Syrien und Mefopotamien.

medaniſche fich aufbaut. Nun nad diefen einleitenden Bemerkungen zur Reife

Bon Friß Hommel,

jelbit. Am 26. September 1879 verlieh Sachau Beirut, wo er am 17. September angefommen war und unter

sm

vorigen

Jahre

Berlin, twohlbefannt

hat uns

Profeffor Sachau

in der gelehrten Welt

in

durch feine

philologifchen Arbeiten auf dem Gebiete des Arabifchen und Syriſchen, mit einem ausführlichen Berichte über feine inter: ejjante Reife durch ganz Syrien und Mefopotamien, die er vom Herbſt 1879 bis April 1880 unternommen, be ſchenkt.“ Das prächtig ausgeftattete Buch, ein itattlicher Oktavband von faft 500 Seiten, ift nicht nur eine feſſelnde Reiſebeſchreibung, wie wir ja deren mehrere über Teile des hier in Betracht kommenden Gebietes, beſonders aus engliſcher Feder haben, ſondern zugleich geſchichtlich, ethno— logiſch, linguiſtiſch und vor allem geographiſch eine bedeut— ſame Bereicherung der Wiſſenſchaft. Es wäre darum außer— ordentlich wünſchenswert geweſen, gerade im „Ausland“ einen umfangreicheren Auszug daraus zu geben; aber durch Zuſammenwirkung verſchiedener Umſtände ſah ſich

der Schreiber dieſer Zeilen genötigt, dies zu unterlaſſen

und will nun wenigſtens durch eine kurze Angabe der Route Sachau's im allgemeinen die Leſer orientieren, über deren Einzelheiten ſie im Werke ſelbſt näheren Aufſchluß

dejjen alles für eine fo große Reife Nötige, was im Bud) eingehend

hatte.

gefchildert

wird,

eingefauft

und

hergerichtet

Die eigentliche Reiſe begann aber erft am 8. DE

tober von Damasfus

aus, wo Sachau am 29. September

nad) einem Umweg über Baalbef (ftatt des Weges auf der Straße, die von Beirut direkt über Libanon und Antilibanon nach Damaskus

führt) angelangt war.

Daman

jeder Partie des fo anziehend gefchriebenen Buches mit — Intereſſe folgt, jo ift es ſchade, daß auf der beigegebenen | erjten Karte

nicht alle die Drte, die auf jenem Abftecher

berührt wurden zeichnet find.

(wie 3. B. Arkja, Shtora, Sha’ibe) ver: Man

muß fich diefelben erit mühſam aus

den Kärtchen von Bädeker's Paläftina ergänzen und eine tragen.

Intereſſant ift, was (noch in der Einleitung) über

den Bejuch bei Midhat Paſcha in Damaskus

und über

türkiſche Berhältniffe überhaupt berichtet wird.

Bon Das

maskus ging der Nitt zunächft über Nebf und Karjeten nad) Palmyra (Ankunft

Ihildert wird, und

12. Dftober), das eingehend ges

von wo Sachau unter anderem drei

ſich ſuchen ſollen; doch wird dabei ſtets auf inhaltlich be—

Büſten als treffliche Slluftration palmyrenifcher Phyfiognomie

ſonders intereſſante Partien ausdrücklich aufmerkſam gemacht werden. In geſchichtlicher, zumal aber kulturgeſchichtlicher Hin— ſicht gehören Syrien und Meſopotamien mit zu den wich—

gebracht hat (fiehe den Lichtdrud zwischen ©. 46 und 47 des Buches). Zu notieren ift, daß auf der Karte einigemal

tigſten Gegenden des vorderen Orients. Die verſchiedenſten Kulturepochen haben ſich hier nacheinander abgelöſt und

ihre Spuren hinterlaſſen. Meſopotamien war die uralte Aramäer-Heimat mit den Orten Charrän und Niſibis; Reife in Syrien und Meſopotamien. Bon Eduard Sadan Mit 2 Karten von Profeffor Heinrich Kiepert, 18 Ab— bildungen (in Holzſchnitt) und 22 Lichtdruckbildern. Leipzig. F. 4. Brodhaus, 1883, X und 480 ©, in 80,

und Kleidung in den erften Jahrhunderten nach Chriftus mits

die vote Linie, welche die Route Sachau's bezeichnen fol, feljh gezogen ift; fo von Damaskus bis NebE (nicht über Marlüla, fondern über Kutéfe und Kaftal). Gar nicht hervorgehoben iſt die lebte Stiede vor Karjaten (über Mähin), während bei dem Stück Sadad ſüdwärts bis zu den Nuinen (Ru. auf der Karte) bei Hafar das Rote ganz zu tilgen iſt. Zum Glück thun derartige Kleine VBerfehen des

Kolorierers der fonftigen Vorzüglichteit der Karten durde aus keinen Abbruch. Bon Palmyra ging es dann auf einem anderen, dem vorigen parallellaufenden Weg wieder

|

|

Ein neues Neifewerk über Syrien und Meſopotamien.

771

nach Karjetön zurüd, von da hinaus aus der Wüſte auf die Ausläufer des Antilibanon zu über Khatwiwärin und

nördlich

Sadad nad) Nabli, dem alten Nibla, wo Nebufadnezar über den jüdischen König Zedekia Gericht hielt, und nun an—

ethnologiſchen und ſprachlichen Verhältniſſe, beſonders was die Abgrenzung der verſchiedenen Sprachgebiete (kurdiſch, türkiſch, aramäiſch und arabiſch) anlangt, werden durch Sachau's eingehende und ſachkundige Forſchungen und

fangs am Drontes hinab nordwärts über Höms (Gmefa), Hamath (Epiphania), Kalat el-Mudtk (Apamea) durch das höchſt merkwürdige,

ruinenreiche Gebirgsland der fo:

genannten Apamene nad) Aleppo (Ankunft 6. November). Die meiſten Lichtdrudbilder gehören diefer Noute an, Bon Mleppo an hören fie leider ganz auf, da von hier ab Fein Photograph mehr bei der Neifefaratvane fein fonnte. Nun folgt eine Zicdzadtour von Mleppo zunächſt nad Südoſt bi Zebed, wo Sachau in der einen Kolumne einer

trilinguen (griechiſch-ſyriſch-arabiſchen) Inſchrift von 512 nad) Chrijtus das älteſte uns befannte Denkmal arabifcher Sprache und Schrift aufzufinden

das Glüd

hatte; dann

nördlich, ziemlich parallel mit dem Euphrat, bis Membidfch, hierauf öftlih bis zum Euphrat, von der Mündung des Sadjchurfluffes aber diefem entlang wieder weitlich, darauf wieder

öftlich

zurüd

binauf bis Biredſchik. ausgeführte

Stück

zum

Euphrat

und

diefen vollends

Diefes, vom 14. bis 28. November

Reife ift reich an intereffanten Erleb—

nilfen und Mitteilungen, befonders über das Beduinen: leben der ſyriſch-arabiſchen Wüſte. Mit der am 2. Dezember begonnenen Weiterreife (jiehe von

da an die zweite,

größere Karte) haben mir

Syrien verlafjen — nur am Schluß des Buches (©. 452 bis 466) bei Schilderung der Nüdreife lernen wir nod) die direkte Strede von Biredſchik

bis Aleppo und von da

über Anthäki (Antiochia) nach Iskenderun (Mlerandrette) flüchtig fennen — und begleiten nun Sachau auf dem zweiten Teil feiner Drientfahrt, dem weit mühſeligeren und gefährlicheren, auf feinen Streifzügen in und dur) Mefo-

potamien. Die hier zurüdgelegten Linien find fchnell be: Ihrieben: Zunächſt von Biredſchik öſtlich bis Urfa (dem alten Edeſſa), dann füdlic) zum. Euphrat nah Nagga (Ankunft 16. Dezember) dann den Euphrat hinab bis Mejadin (35% n. Br., Ankunft 5. Sanuar 1880), hierauf quer durch's Land nordöftlich bis zum Tigris nach Moſul (An— funft 19. Januar), dann nördlich und nordweſtlich bis Dſche— zivetsibn-Omar und weiter weitlich, aber in großen Wind:

ungen (und mit einem bedeutenden Abjtecher von Mardin aus in's Törgebiet), nad) Dijär-Belt, beide, leßteres, wie Dſche— ziretsibn-Omar, am Tigris gelegen) wo man am 9. März anlangte, und endlich von da aus weitlich und ſüdweſtlich

in ziemlich gerader Nichtung wieder nad) Biredſchik am Euphrat Ankunft am 18. März). Die Schilderung diefes Teiles der Reife mußte, da in Mefopotamien fich faft gar feine Denkmäler des Altertums mehr befinden, notwendig mono— toner ausfallen als die der Neife über Syrien, ift aber darum

nicht minder interefjant; denn die von Sachau bereijten Gebiete waren zum Teil noch fehr wenig befannt, und das von ihm beigebrachte neue topographifche Material über das Baltfh- und Khabur-Gebiet wie über die Gegend

und

reicherung

weſtlich

von

der Geographie

Moſul

iſt eine wirkliche Be—

des vorderen

Orients.

Die

Beobachtungen in neue Beleuchtung gerückt, wie auch dabei und überhaupt im ganzen Buche nie vergeſſen wird, alles über Tracht, Volksſitten, Landbau, Flora und Fauna ꝛc. Wiſſens- und Bemerkenswerte mitzuteilen. Der Sprad: und Mltertumsforfcher hatte zugleich offenes Auge und Ohr für alles, was ihm entgegentrat, was gerade bei ihm doppelt hoch anzufchlagen it, da man es ja einem

Spezialgelehrten verzeihen würde, wenn er für feinem Fach ferner liegendes weniger Blid und Verjtändnis zeigt. Aber bei Sachau's Werk braucht man diefe Nachficht nicht zu

üben, weil der Vorwurf einfeitiger Beobachtung bei ihm von vornherein ausgeſchloſſen tt. Bevor ich Schließe, möchte ich Fünftige Orientreifende, befonders folche, die fich länger in Syrien aufhalten und

linguiſtiſche Bildung

befigen, auf die Gelegenheit auf:

merkſam machen, dort mit Tſcherkeſſen verkehren und vielleicht tſcherkeſſiſche Volkslieder ihnen ablaufchen und auf: zeichnen zu fünnen. An verjchiedenen Stellen (vgl. 3. B. ©. 139, bejonders aber 150 ff.) erwähnt Sachau dieſes merkwürdigen, aus feiner faufafischen Heimat feit 1869 in

die verfchiedenften Teile der Türkei verpflanzten Bolfes, für deſſen Unglüd, wenn es auch felbjt verfchuldet ift, man doch die vollfte Sympathie haben muß. Wir haben noch feine tſcherkeſſiſche Grammatik. Die interefjante, ſchwer zu erlernende Sprache, über deren linguiſtiſche Stellung man den Artikel Gruber's: „Kaukaſiſche Sprachen” in Erſch

und Gruber

nachjehe, wird über kurz oder lang aus—

geftorben fein und gerade jeßt noch iſt es möglich), daß ältere Leute im Stande find, Volkslieder mitzuteilen. Es iſt aufs dringendfte zu wünfchen, daß, jo lang es noch Zeit tft, diefe für die allgemeine Sprachwiſſenſchaft bochiwichtige Aufgabe unternommen werde. An der Hand

von 2. Löwe's „Dietionary of the Circassian language“ London 1854) und mit einer guten Kenntnis des Türki— ichen und etwas gefchultem Gehör kann hiev Einer gewiß etwas ausrichten und jo für die Wilfenfchaft die genauere

Kenntnis einer Sprache retten, die außerdem wiederbringlich uns verloren tft.

bald uns

Bon Sachau's Neifewerf aber nehmen wir mit dem Wunſch Abjchied, daß es, wie es dies in reichſtem Maße verdient, nicht bloß von Geographen und Drientaltiten, denen es unentbehrlich ift, fondern auch von vecht vielen andern, deren Intereſſe über die gewöhnlichen Tagesfragen

hinausgeht,

möge

gelefen werben.

Beſonders

aud, mer

über die türkische Mißwirtſchaft und andererſeits über das, was aus Syrien und Mefopotamien bei anderer Verwalts

ung noch alles zu machen wäre, fich unterrichten till — und dies Fann früher oder fpäter, zumal jest bei dem drwwachten

in

Hugo Zöller's „Pampas und Anden.”

Eifer für Kolonialpolitif, eine recht brennende Frage auch

it, daß man. fi) in einer europäifchen Stadt zu befinden

für uns Deutfche werden — wird in Sachau's Buch, wo

glaubt.

auc von den mwirtjchaftlichen Verhältniffen jener Länder oft die Nede tft, die beite Belehrung finden.

Frömmigkeit, wie fie im heutigen Frankreich oder Spanien die Regel ift, den Männern aber fcheinen alle Firchlichen Angelegenheiten jo gleichgültig als möglich zu fein. Bei alledem

ſtrecken, gehören zu den anziehendſten und lehrreichſten, die find.

gezeichnet worden

Wenn ſchon die „Kölniſche Zeitung”,

die Zöller

ausfandte, ſich ein mwefentliches Verdienft um das Wiffen ihres Publikums von fernen Ländern erivorben hat, fo danfen wir nun noch mehr dem Reiſenden felbft, daß er fich die Mühe nahm, feine Augenblidsbilder mit Sorgfalt für ein größeres Publikum und eine dauerndere Beſtim— mung vorzubereiten. Zöller ift ein gebildeter und prafti-

her Beobachter.

Wir finden in der englifchen Litteratur

jeit lange Neifefchilderungen genug, die gleich den feinigen

die TIhatfachen fremdländifchen Lebens mit einem ftarfen Inſtinkt für das vor uns bringen, was die mittelgebildeten, nach greifbaren, vielleicht auch verivertbaren Informationen juchenden Klafjen in jeder Lektüre der Neifebefchreibungen geboten haben wollen. Aber Zöller bringt die voriviegend deutſchen Eigenfchaften der reicheren Bildung und des mit Liebe ruhig bei der Beobachtung vertveilenden Studiums der Probleme des fremden Lebens mit an diefe Aufgabe heran und wird dadurd) intenfiver belehrend und gleich: zeitig auch für die reiferen Geifter anziehender, die über das Bedürfnis der elementaren Belehrung und Unterhaltung hinaus find. Aus den Neifebriefen, die in diefem Bande vereinigt find, haben wir früher Ihon gleich nad) ihrem Erſcheinen Bruchftüce veröffentlicht; wir finden aber bet erneutem Durchblättern fo viel des Intereſſanten, daß wir unferen Leſern einen Dienft zu erweiſen glauben, indem fir einige meitere Fragmente hier aneinanderreihen, welche dazu dienen mögen, die gewinnenden Eigenschaften diefer Schilderung an den verſchiedenſten Objekten zu zeigen.

Die Durcheinanderwürfelung

in geläufigiter Form drei bis find in dortigen Kaufmanns zahlveicher als jelbjt in Paris Franzöfifch könnte fih, wer

Spaniſchen nicht mächtig wäre, in Buenos-Aires

iſt nichts auffallender

genau

jene äußerliche

als die Beobachtung,

mit

fie friſch aus Europa herübergefommen, ganz verſeſſen darauf, ſich jo ſchnell als möglich auch im Verfehre unter: einander des Spanischen zu bedienen. Da aber Sprache und Verwaltung die beiden Hauptbegriffe find, um welche

fih alle nationalen Ideen drehen, fo ſcheint es mir, daß die ſpaniſche Herrſchaft am La Plata durch den ftarfen Zuſtrom aus allen Ländern Europas und namentlich) aus Stalten wohl langfam umgemodelt, aber niemals aus dem

Sattel

vier und und des

weit

beſſer vorwärts helfen, als irgendwo fonft in nicht franzoſiſchen Ländern. Jene felbe Durcheinanderivürfelung aber it auch wohl der Grund, weshalb die Eigenart des Ar: gentiniers’hier in der Hauptftadt bereits derart abgejchliffen

gehoben

werden

Tann.

Die Geiftesbildung

hat

durch den Zuftrom der Fremden entjchieden gewonnen, anfcheinend auch die Charakterbildung, immerhin aber bildet mangelhafte Kindererziehung den Krebsſchaden ſowohl des

angelfächjifchen mie des jpanifch =portugiefifchen Amerika, Hipanosamerifanifche oder brafilifhe Nangen find Ge Ihöpfe, von denen ihre Eltern ſich mißhandeln laffen und

die jeder Durchreifende am liebften einen Kurfus von Badpfeifen durchmachen laſſen würde, Neben der Politik fpielt in all dieſen füdamerifanifchen Ländern das Geſchäft (megocio) die größte Nolle, und man fann nicht leugnen, daß jene fortdauernden Antriebe, welche ein ſtarker Zuftrom von Eintwanderern mit ſich bringt, die lebhafteſte Energiebethätigung hervorrufen. In Bezug auf reich ausgeſtattete, hochelegante Läden und

Warenlager braucht Buenos-Aires den Vergleich mit Feiner europäiſchen Stadt von gleicher Bevölferungsziffer zu ſcheuen, auch fehlt es nicht an franzöfifchen Frifeuren, an italienischen Künftlern, an deutjchen oder ſchweizeriſchen Handwerkern mit ſpaniſchem Vornamen und Titel. Noch auffallender aber zeigt ſich jene Energie in der ſchnellen

Einführung aller möglichen Neuerungen — es geſchieht das nicht ſelten auf Koſten der Gründlichkeit — die in Europa bisweilen lange auf ſich warten laſſen. Schon ſeit Anfang 1881 beſitzt Buenos-Aires, um ein Beiſpiel

anzuführen, ſeine Telephongeſellſchaft.

Eigenartig, wie das Land, iſt das Volk.

der Nationalitäten be:

günftigt am La Plata in auffallender Weiſe das Bolyglottentum; Leute die Sprachen beherrſchen, jonftigen Kreifen weit New-NYork, und mit

ganz

an fich zieht und affimiliert, ja, die Ausländer find, wenn

Hugo Zöller's Reiſeſchilderungen, welche nachgerade über den größten Teil der in den Weltverkehr hinein— gezogenen Länder Amerikas, Aſiens und Auſtraliens ſich er— in den letzten Jahren

üben

welcher Leichtigkeit das Spaniertum alle fremden Elemente

Hugo Zöller's „Pampas und Anden.“

in Deutſchland

Die Frauen

Almagro, e |

den Waffengefährten Pizarros, dünkte, als die Nraufanr ihm

eine ſchwere Niederlage

beigebracht

hatten,

dieſes

Land, das feinerlei peruaniſche Schäße zu enthalten fchien, der Eroberung nicht wert zu fein. Arme, adelsftolze Abenteurer baskifcher, kataloniſcher und galizifcher Ab—

ſtammung, unter denen Pedro de Valdivia fi den größten Namen gemacht, unterivarfen das Land, nahmen fih in

Crmangelung von europäifchen Frauen hübſche Indianer— innen vom kräftigen Stamme der Araukaner zu Geliebten und hinterließen ihren miſchblütigen Nachkommen, da die

Hugo Zöller's „Pampas und Anden,”

;

213

heutigen Bergwerfe im Norden noch nicht befannt waren, die bittere und ſchwer empfundene Aufgabe, den Boden zu

gentinten kommt, nicht wenig zu Schaffen. Mir fchien es, als ob unter all’ den Fleinen Variationen des Spanischen,

bewirtſchaften. Es gibt ſelbſt unter dem Volke des heuti— gen Chile kaum eine einzige Familie, in deren Adern nicht

pie man

Indianerblut flöſſe; die Miſchung aber iſt ſo glücklich, ſo vollſtändig und im ganzen Umkreiſe der heutigen Republik ſo gleichmäßig vor ſich gegangen, daß wir einen durchaus gleichartigen und nebenbei auch recht eigenartigen Typus vor uns haben, deſſen Charakterzüge ganz und gar an die

ruhigen, geſetzten, ausdauernden und habgierigen Vorväter aus Galicien erinnern, während in Argentinien ſowohl wie in Peru die leichtfertigere andaluſiſche Sinnesart vor—

waltet. Manche Eigenſchaften, wie z. B. Habgier und Grauſamkeit, haben ja auch die alten Konquiſtadoren mit den wilden Indianerſtämmen gemeinſam gehabt, jo daß es ſich ſchwer feititellen lajjen dürfte, von welcher Ceite diefelben den Urenfeln übermittelt wurden. Wenn nun

ſeit Almagros Zeiten das Verhältnis zwifchen Peru und Chile fih umgedreht hat, wenn das heutige Chile reich, das heutige Beru arm genannt werden kann, jo muß man den Grund dafür vorwiegend in dem energischen Charakter

des chilenischen Volkes ſuchen. Sn Chile herrſcht eine größere

Arbeitfamfeit als in

Argentinien, ein ftarfer Drang nad Geldverdienft und eine größere Bereitiwilligfeit, auch gegen billigeren Entgelt Arbeiten zu verrichten, womit freilich nicht gejagt werden ſoll, daß nicht aud die Chilenen herausſchlügen, was fie eben herausschlagen

können.

Der

Chilene aus dem nie=

deren Bolfe der Aderbau treibenden Provinzen tft vier: ſchrötig gebaut, mutig, ſchlau und in feinem Benehmen etwas plump,

gleich dem ſpaniſchen

„Gallego“.

Seine

Sitten find bäuerlich), feine Xiebhabereien etwas rauh, gleich denen jener Soldatesfa, die den Grundftod zur heutigen dhilenifchen Nation abgegeben hat. Sitzt er zu Pferde, jo jteden die Füße in langen, runden, hölzernen

fie in Güdamerifa

zu hören

befommt,

das

Chileniſche fih namentlih durch ein Yanfeeartiges Ber: ichluden der Worte am weiteſten vom reinen Spanifc) entfernt habe. Unter den Frauen der niederen Klafjen findet man neben den reizendjten jugendlichen Gefichtehen

bisweilen die reinjten Indianertypen; von Negerblut habe ih dagegen in Chile niemals die leifefte Spur bemerft. Die Chilenen der füdlichen und mittleren Provinzen gelten im allgemeinen als ein zuverläffiges, vertrauenswürdiges

Boll, Dagegen läßt ſich das Gleiche durchaus nicht von den Bergleuten des Nordens behaupten. Cine unanges nehmere, zänkiſchere, neidiſchere Nafje it mir niemals vor— gefommen. Gegenüber dem janften, unfelbjtändigen Peru— aner aus den niederen Volksſchichten erfcheinen alle Chilenen als rauh, ſelbſtbewußt und troßig. Zwiſchen höheren und niederen Klaſſen bejteht in Chile nicht jener tiefgreifende Gegenfab wie in Beru. Im Inka— Lande beitebt das Volf aus unvermifchten Sndianern, die Beherrſcher dagegen Stellen noch heute eine verhältnismäßig wenig zahlreiche Bande ſpaniſcher Abenteurer dar. In Chile dagegen entitammen höhere jowohl wie niedere Klafjen der gleichen Miſchung von Spanier- und Sndianerblut; bei den höheren Klaffen mag das Indianerblut, nament: lich feit ſie ſich ſojtark mit Engländern und Nordameris fanern vermifchen, etwas weniger, bei den niederen etivas mehr bervortreten, ſonſt aber iſt in phyſiſcher Hinficht der Unterfchied nicht groß. Auch gebt durch höhere ſowohl wie niedere Klaſſen die gleiche ftramme Sinnesart, die den Ghilenen die befannte Bezeichnung als die „Breußen Südamerikas” eingetragen hat. Chilenifche Beamte find im großen und ganzen unbeitechlih; Prlichterfüllung und mufterhafte Drdnung find allenthalben, namentlih im

Staatsdienfte

die Negel.

Der

Chilene ift Patriot im

Steigbügeln von einem Fuß Durchmeffer, die genau die Form eiues kleinen Bierfäßchens haben und mit hübjchen

Uebermaß, er hat, wenn auch mehr für materielle als für ideale Ziele, wie ein Stier gekämpft, von feiner Tapfer:

Schnigereien geziert find. Tanzt er mit feiner Geliebten — und auch in Bezug auf das ewig Weibliche folgt er den Sitten feiner Väter — die „Samakueka“, jo klirren tellergroße, mit Ketten befejtigte Chilen-Sporen an den

feit hat er die glänzendften Proben gegeben; aber leider haben die glorreichen Siege des legten Krieges auch einer

grobbeitiefelten

den ftrammen Sinn der Chilenen nicht für gleichbedeutend

Füßen.

Der

Poncho

aus

europäischen

weniger angenehmen Eigenfchaft, der übertriebenen

naleitelfeit,

neue Nahrung

gebradt.

Natio—

Auch möge man

Tuche, wie man ihn an der Küſte des Atlantischen Ozeans

halten mit Gediegenheit.

gar nicht anders kennt, hat feinen Beifall

überhaupt im fpanifhen Südamerika fehr felten. Das ganze Spaniertum hat feinen einzigen Chemiker, Phyſiker,

niemals

ges

winnen fönnen; er folgt noch der alten indianischen Sitte, der zufolge das wichtige Kleidungsſtück aus Vikuna- oder Guanafohaar gewoben wird. Sit er wohlbabend, jo legt ex bis zu 60 Bolivianos für einen unverjchleiglichen,

Tiefe und Gründlichfeit find

Aitronomen oder Mathematiker von Bedeutung hervor: gebracht, die ſtarke Seite der Yeute beſteht in Rechtswiſſen— ſchaft, Rhetorik und vielleicht auch Geſchichte. Man findet

fi) vom Vater auf den Sohn vererbenden Vikuñna-Poncho an; geht e3 ihm weniger gut, jo finden ſich doch immer noch 25 Bolivianos für einen Guanako-Poncho; bloß die Aermſten nehmen mit dem gewöhnlichen aus Europa be— zogenen Tuch-Poncho fürlieb, Die Ausfprache diejer

mehr Litteratur

als exakte Wifjenfchaft, mehr Prunk als richtet man ein, damit die Sade dem Mufeen Tiefe. Namen nach da ift, ſonſt aber kümmert man fich nicht viel

niedriggeborenen Chilenen macht demjenigen, der von Ars

höchftes Ziel hin, Feuilletoniften vom Schlage Bret Hartes

darım. Noch fürzlich ftellte ein Kandidat für die höchſte Stantswürde e8 bei Erwähnung des Unterrichtsivejens als

114 zu erziehen.

Hugo Zöller’s „Pampas und Anden.”

Diefem Mangel an Tiefe und Gründlichkeit

entfpricht auch die ganz Südamerika gemeinfame Vorliebe für die franzöfifche Litteratur und namentlich franzöfiiche Romane, obwohl ſonſt eigentlich franzöſiſche Ideen dem chilenischen Weſen fremd find.

Hauptjtadt und halten werden.

dem

Haupthandelshafen

dianern erſchlagenen Majors Philippi, der hauptfächlich die Anfiedelung laßt hat.

von Deutfchen

Heritellung

Valdivia-Sohlleder

genießt auch in Europa eines wohl—

verdienten Nufes, Der Verkehr Südchiles mit der Außen— welt wird teil durch die eigene, nicht unbedeutende Rhe⸗ derei, teils durch die Dampfer der hamburgiſchen Kosmos— Linie vermittelt, die in Valdivia anlegen, während die Schiffe der engliſchen Pacific Mail Steamſhip Kompany

geradeswegs nad Valparaifo meiterfahren.

ijt auch feitens dev Negierung

Neuerdings

die Verlängerung der von

Santiago ſüdwärts laufenden Eifenbahn, und zwar bis Valdivia befchloffen worden, fo daß alfo die deutjchen Anfiedelungen eine direfte Schienenverbindung mit der

# J

einer leicht paflierbaren Straße zum Atlanti—

Indianerkrieg

Seit Argentinien 1879 durch den

des Generals

in jüblicher Nichtung

Roca

feine Indianergrenze

bis zum Niv Negro vorgejchoben

bat, glaubt man aus diefem Fluffe bei geeigneter Negus lterung eine Wafferftraße machen zu können, die Schiffe von geringem Tiefgange bi zum Dftfuße der Anden führen würde. Nun foll e3 aber im ſüdlichen Teile der Anden verfchiedene Einfenfungen — beifpielsweife den Paß von Bila Rika — geben, die den Bau einer Straße wejentlich erleichtern würden. Als Hemmnis der Sadıe

gilt bloß die troſtloſe Natur jener von den Argentinern eroberten Landftriche; bloß die fchmalen, aber ftarfen Ueberſchwemmungen ausgefetten Flußtbäler des Rio Ko: lorado

und des Rio

Negro

enthalten fruchtbares Ader:

land, nahezu alles übrige find troftlofe Kalkſtein-Plateaus. Seit nun im Jahre 1881 der Patagonien betreffende Zeilungsvertrag fowohl von Chile als von Argentinien gutgeheißen worden ift, wird Argentinien feine Militär: poſten vorausſichtlich noch weiter ſüdwärts vorſchieben,

und es wird dann endlich Klarheit in jene vielerörterte Frage kommen,

ob eine in ausgedehnterem Umfange be—

nutzbare Ueberland-Verbindung zwiſchen der Oſt- und der Weſtkuüſte Südamerikas überhaupt möglich iſt.

im Süden Chiles veran-

Diefe ſüdchileniſchen Deutfchen, die am dichteften im Departement Oſorno zufammengedrängt find, deren Haupt— handelsplatz jedoch Baldivia iſt, bewohnen ein regenreiches, waldiges, etwas allzu feuchtes Berg- und Hügelland von zauberhafter Schönheit. Ihre hauptſächlichſten Boden— und Induſtrie-Erzeugniſſe ſind Weizen, Kartoffeln, Brannt— wein, Aepfel, Apfelwein, Holz, Bier und Sohlleder, wo— von vieles durch die deutſche „Kompañia Induſtrial de Valdivia” feinen Weg auf den Weltmarkt findet. Weizen, Kartoffeln, Branntwein u. ſ. w. finden in Valparaifo und im Norden Chiles lohnenden Abſatz; das mit allem Zu: behör von Kellern und Eisverbrauch gebraute ValdiviaBier iſt jedoch längs der ganzen Weftfüfte beliebt und

er:

Etwas zweifelhafter feheint die Duchführbarfeit jener jeit Jahrzehnten gehegten Pläne zu fein, welche auf die Ihen Ozean abzielen.

Bon den Bewohnern Chiles mag ettva der dreißigite over fünfunddreigigite Teil deutfchen Ursprungs fein. Man berechnet die Oefamtziffer der Deutfchen und Deutfchen: finder auf 6000, von denen ettva 4000, meiſt heſſiſchen Ursprungs, als Aderbauer und Viehzüchter in den Süd: provinzen Araufo, Valdivia und Llanquibue, 700 dagegen als Oroßfaufleute, Gewerbetreibende und Handiverfer in Valparaiſo leben. In Valparaiſo Spielt das Deutfchtum eine größere Holle als irgendwo font an der Weftküfte Südamerikas. Wir finden dort einen deutfchen Klub, einen deutfchen Sänger: bund, ein deutſches Hofpital, eine im Jahre 1881 von 163 Kindern befuchte deutfche Schule, eine freiwillige Feuerwehr, und, nicht zu vergeſſen, die von Herrn Traut— mann vortrefflih vedigierten „Deutſchen Nachrichten”, nebenbei bemerkt die einzige deutſche Zeitung an der Weſt— küſte. In wiſſenſchaftlicher Hinficht gilt, wie wir das fo vielfach unter fremden Nationen finden, ein Deutfcher als der beſte Kenner des Landes. ES ift das Dr. Philippi, Profeffor an der Univerfität zu Santiago und Direktor de3 dortigen Mufeums, ein Bruder jenes von den In—

Balparaifo

Wie man mir allerſeits verſicherte,

ſchen in Südchile treu Sitten feſt. In den allerwärts die Kinder Araukaner ſollen das

halten die Deut—

an deutſcher Sprache und deutſchen Straßen von Valdivia hört man deutſch plaudern, ja, ſogar manche Deutſche erlernt haben. Da nun

die Deutſchen zu den loyalſten Unterthanen gehören, da ſie ſtets wie ein Mann für die Regierungskandidaten zum Parlament zu ſtimmen pflegen (1882 wurde der Arzt Franz Fronk als der erſte Deutſche, dem dieſe Ehre zu—

teil geworden, zum chileniſchen Abgeordneten gewählt), da ſich auch das chileniſche Volk allzuſehr ſeiner natio— nalen Abſorptionskraft bewußt iſt, ſo hat man einſtweilen noch wenig dagegen einzuwenden, wenn die Deutſchen ent— weder gar nicht Spaniſch lernen oder aber es grauenhaft ſchlecht ſprechen.

und

einſchränkende

Mit der Zeit aber werden Mißtrauen

Maßregeln

ER |

nicht ausbleiben.

auch die Deutſchen unter allen in Chile lebenden Fremden

nächſt den Argentinern

die zahlreichſten (des weiteren

folgen nach der Kopfzahl Engländer, Franzoſen, Italiener, Spanier, Nordamerikaner, Peruaner, Oeſterreicher u. |. w.),

jo glaube ich doc) kaum, daß das chileniſche Deutſchtum dem Anſturme von Jahrzehnten und Jahrhunderten troßen

wird.

|

775

Neue Fitteratur zur Ethnographie von Amerika.

Hene Jitteratur zur Ekhnographie von Amerika.

um Gott zu bezeichnen.

Schluß.)!

Kreifen beherzigt wiſſen, weil faum in irgend einem Ge— biete ſoviel Unwiſſenheit über Dinge herrſcht, die uns menschlich nahe fein jollten, wie in demjenigen der Wölfer: funde. Und er jagt es Har und anziehend, fo daß jedermann

es verjtehen fann. Unter Benütung der zunehmend vollftändigeren Mitterlungen in den Werfen Brinton’s, Matthews', u. a. kann er die fehr wirren,

Ebenfo ift Wakan

die Bezeich-

nung de3 Dakota für etwas Unbegreifliches und wakanecon

Was Karl Knortz? über die Mythologie der nord— amerifanijchen Indianer fagt, möchten wir von tveiten

Powell's

und die Miſſionare konnten frühere Mißverſtändniſſe nur

gut machen, indem fie gitschi, groß, vor Manitu ſetzten,

oft abreißenden

und an unerivarteten Stellen anfnüpfenden Fäden diefes Ge—

ein Zeitwort, welches „zaubern“

bedeutet.

Er nennt ein

Dampfihiff Wakan und bezeichnet zugleich mit Wakantauka den großen Geift. Der indianifche Gottesbegriff rüdt ung erit da aus der Sphäre des Allgemeinen oder, beſſer gejagt, Verſchwommenen näher, wo er fosmogonifche

Beziehungen erhält; er verdichtet ſich dann in die einzige Vorftellung des perfönlich gedachten Weltfchöpfers.

Aber

auch hier kann der hiftorifche Prozeß, deffen Ergebnis der in jeder Beziehung höchſte und darum notwendig einzige Gott, Jehova oder Allah, nicht durch das lautrere Denken

webes uns deutlicher aufzeigen, als noch Waitz es vermocht

eine einzelnen Stammes oder einer Prieſtergruppe erſetzt

hatte.

werden.

Wir wagen zu jagen, daß niemand diefe Abhand-

lung leſen wird ohne das Gefühl, daß feine Vorftellungen von dem, was man Naturvölfer nennt und befonders von

ihrem geiftigen Leben und den Goldfäden wahrer Poefie in demjelben, mejentlich gefördert, bereichert feien. Und mehr noch: es getvinnt der ganze Begriff Menjchheit einen anderen Gehalt, indem man dem wahren

Sinn

vesfelben

mit jedem Ochritte über die Grenzen der Kulturvölfer binaus näher kommt. Hierin liegt ja überhaupt der Vor: teil völferfundlicher Studien für die allgemeine Bildung, den erkannt zu haben wir dem feinfinnigen Vermittler amerifanifchen anvechnen.

und deutjchen Geifteslebens zum Verdienſt

Oft bleibt die Frage offen: Iſt der Schöpfer in dieſem oder jenem indianiſchen Mythus die letzte ſchöpferiſche Kraft, die letzte Urſache des Werdens; oder iſt er als einer der Göttergehilfen zu verſtehen, die faſt in jeder Mytho— logie die Schöpfung, und vor allem die des Menſchen, vollenden helfen; oder endlich iſt es,wie der Name der Hidatſa für Gott, Itaktutas, ausfpricht, nur der „Erſt— geihaffene”, der dann die weitere Schöpfung beforgte? Man jagt fih endlich, daß mie im religiöfen Denken

auch in der Fosmogonifchen Vorftellung diefer Völker das, was uns der höchjte Gott, fo ferne fteht, oft daher fo unklar, wenn nicht unbewußt geivorden ift, daß unfer Gottes-

Wir finden die Auffafjung des Geifteslebens der Naturvölter, wie Knortz fie an die Mythen der Indianer

beranbringt, im allgemeinen richtig, mit Ausnahme einer Hinmeigung zu einer etwas zu weit gehenden Lofalifierung

begriff, um

verftanden zu werden, vollftändig neu ein-

gepflanzt werden muß. Glauben wir aber darum nicht, es fei hier alles Nebel

und Dunft.

Die amerikanische Mythologie hat ihre fejten

allerdings nur der vergleichende Ethnolog

Punkte, ihre an beftimmten Stellen liegenden Quellen, die

twird entgehen können, welcher über den ganzen Reichtum der über alle Länder, durch alle Bölfer verbreiteten Mytho— logien gebtetet. Mit Necht weift Knortz die Frage nad) Einem

es hauptjächlich find, aus denen die befruchtenden Bäche Ihöpferiiher oder umbildender Gedanken entfließen. Einige

desjelben,

der

Gott, der diefes Olaubensgebäude Frönte, von vornherein als

undweſentlich und von außen hereingezogen

zurüd.

Ganz

tie bei den Hottentoten und Malaien hat den Miffionaren die Umkleidung unferes hohen Begriffes „Gott“ mit einem

entjprechenden Worte der Indianergloffare die größten Schwierigkeiten gemacht. Denn to ein hinreichend abftrafter Begriff hier fich findet, deckt er fich doch nur mit Seele oder Geiſt oder vielleicht felbjt nur mit Schatten, oder er bedeutet einfach „wunderbar“. Das Manitu der Algonkin it ganz und gar nicht, wie man wohl jagen hört, das Wort für „Großer Geift”, fondern es bezeichnet etwas Gebeimnisvolles, Unbegreiflihes. Daher nannten die Al—

gonfin den Stahl Manitubiwabik, d. h. wunderbarer Stein 1 Siehe „Ausland“

ner. bon

1884, Nr. 38.

2 Mythologie und Zivilifation der nordanterifanifchen India— Zwei Abhandlungen von Karl Knortz. Leipzig, Verlag Paul Frohberg. 1882. 76 ©,

diefer Quellen find gemeinfam mit denjenigen anderer Völker und hierher gehören beſonders die Beftandteile ihres

Weltbildes:

Die

Erde

getragen

von vier halbgöttlichen

Weſen; die Notwendigkeit, die Sonne weiter von der Erde wegzurüden, nachdem jie bei ihrer Bewegung ihr zu nabe fam; die Vorftellung von einer der heutigen Erde voran

gegangenen Sündflut, vom Verweilen des Menſchen und der Tiere während derjelben in einer Höhle, aus der dann die

Lebewelt über die Erde hin fih neu ausbreitete, gewöhnlich unter Borausfendung

liches.

eines bejtimmten Tieres, und

ähn-

Zu den Gedanken, welche aber bier zu befonders

reicher Entfaltung kamen, zählen wir vor allım die Per:

Joniftfation der vier Winde und das entfprechende Hervor— treten der vier Windrichtungen in der indianischen Mythologie. Wir begegnen ihm bei den vier Dienern Quetzal— coatls, des mexikaniſchen Gottes der Luft und der Sonne; in den bier Trägern der Erbe, welche Brüder, die die

Sündflut überlebten; in den vier Eden der Welt, nad) denen die Sioux die Natspfeife halten, ehe ſie dieſelbe

176

Neue Kitteratur zur Ethnographie von Amerika,

herumgehen laſſen; in den vier Brüdern der Arawakenſage, welche die Sündflut erzeugten, indem fie den Kürbis des Hauptgottes zerbrachen, und noch in einer großen Zahl anderer „vierzähliger” Mythen und Borftellungen. Daraus

entividelte fich dann die allgemeine Verbreitung der Bor: stellung von der Heiligkeit der Vierzahl, welche uns aud) das fo viel angeftaunte Vorkommen des Kreuzes! auf den amertfanifchen Denfmälern auf's Einfachſte erklärt: Viertägige Fefte, vier reinigende Schwitbäder, vier Amulette in dem aus biererlei Fellen genähten Medizinſack der Dakota, vier Männer zur Herrichtung der Zauberhütte der Manz danen, vier Seelen im Körper, die bei den Hidatſa bier Wochen, bei den Algonkin vier Tage in der Nähe der Leiche verweilen. Der ſoeben erfchienene Bericht über die fünfte Zus fanımenfunft der Amerikaniſten (Kopenhagen, 1883) ? bringt einige Beiträge zur Ethnographie Nordamerifas, melche hohes Intereſſe wachrufen müſſen. Wir rechnen hierzu befonders zwei Arbeiten, in denen das Berhältnis der Esfimo zu den übrigen Nordamerifanern be trachtet wird, die eine von Ninf, die andere von Lucien Adam Die Mitteilung von Rink hat auch noch den Borteil, daß fie in kurzer Ueberficht den heutigen Stand der Meinung diefes berühmten Grönlandfenners über die Einteilung und Wanderungen der Esfimo darlegt. Ninf hält alfo daran feit, die Esfimo in ſechs Familien zu teilen: Grönländer, Labradoritämme, Eskimo der Mitte, Madenzieftämme, Weſteskimo und Mleuten. Bon diefen allen hält Rink es befonders aus Gründen der Sprache und Neberlieferungen für ficher, daß fie einst auf engerem Raum zufammenmwohnten, und zwar würden fich zuerit die Aleuten, dann die Weftesfimo, dann die Madenzieftämme abgefondert haben, während erjt fpäter die Labrador: und Srönlandesfimo ihre heutigen Site einnahmen. Mo aber die Urheimat gelegen ſei, ſelbſt ob fie amerifanifch oder aſiatiſch geweſen, wagt Rink nicht zu entjcheiden. 1 Die DBerbreitung, ja, nah manchen Anzeichen jogar vie Verehrung des Kreuzes in der Neuen Welt vor Kolumbus bildete au auf dem Kopenhagener Amerifaniftenfongreß wieder den Gegenftand einer Mitteilung des Herin Bamps. Leider wurde ebenfo wie in Luxemburg und Nancy die rein ethnographifche Behandlung des anziehenden Problems durch deſſen Vermiſchung mit unwiſſenſchaftlichen Hypotheſen nicht möglich. MER. ! Congres International des Americanistes, Compte Rendu de la 5me session, Copenhague 1883, Copenhagne, Imprimerie de Thiele. VII. 436 S. Dem wiffenfchaftlichen Ge— halt und der vortrefflihen Anordnung und Austattung dieſes Bandes müſſen wir hohe Anerkennung ausſprechen, von welcher ein großer Teil dem Herrn Generalſekretär Carſtenſen zufällt, der die Redaktion beſorgte. Beſonders angenehm war es uns, in den Mitteilungen und Diskuſſionen da und dort den ſoliden und geiftvollen Ausführungen uuferes Dr. Wilhelm Reis und zwar in deutſcher Sprache zu begegnen. MR;

Doch

ift er eher der eriteren zugeneigt,

aus

einem geo—

graphifchen Grunde, der mitteilenswert iſt, ohne daß wir ihn darum billigen mödten. Er jagt nämlich, die Wans derung nordwärts in die eifigen hyperboräiſchen Gefilde ſei nur denkbar den Strömen entlang. Nun fehlen diefe in

Nordoftafien, finden fi) aber in Nordamerika, und diefes jpricht aljo im Sinne Rinks eher für das letztere. Inter— effant, aber nicht ganz überzeugend! Beherzigenswert ift eine allgemeinere Bemerfung Nin?s über die Wanderungen diefer Völker. Das waren feine Völferivanderungen, wie die Gefchichte ſie bei veiferen und größeren Nationen fennt. Der Kampf mit der Natur, den fie auf jedem Schritte aufzunehmen hatten, ließ fie vereinzelt nur und langſam mweiterrüden. Auch fanden fie mwahrfcheinlich Feine Ur— beiwohner, die ſie unterwerfen und auf deren Koſten fie dann leichter leben fonnten. Rink hebt daher befonders hervor, daß, wenn er fage, die Stämme von Grönland und La— brador hätten fih am jpätejten getrennt, fie doch jchon mindeltens 1000 Sabre außer Verbindung fein möchten,

Was die Sprahunterfchiede betrifft, fo findet Rink, daß von

den

Nadikalwörtern

von

denen

des

Grönländi-

ſchen abweichen 150%/, bei den Stämmen von Labrador, ebenjoviel bei denen der Mitte, bei denen des Madenzie 29%/, und bei den Weſteskimo 44%. In der Sprache der Grönlandesfimo werden noch heute Fabelwefen, in welchen man die Einwohner des unbekannten Innern fieht,

mit demfelben

Worte benannt,

welches die Mackenzie—

ſtämme für Indianer antvenden, mit denen fie im Kriege jind. Worte für Werkzeuge und Thätigfeiten, die ihnen heute ganz fremd find, haben fich nicht minder zäh er

halten. So fennen die Südgrönländer ganz gut ben Hundejchlitten, der bei ihnen nie zur Anwendung gekommen, und erinnern ji der Schneehütten und mancher Geräte und Jagdweiſen, die heute nur im äußerften Norden jene ſeits der Davisſtraße gebräuchlich find. Lucien Adam teilt zunächit alle Vermutungen über malatospolynefiihen Urfprung der Hyperboräer zurüd und befämpft dabei gleichzeitig die DVerfuche, Beziehungen

zwiſchen zu finden.

malaiiſchen Er wendet

und

nordamerifanifchen

Sprachen

ſich aber ebenſo entſchieden gegen

Whitney, der im Grönländiſchen den amerikaniſchen Sprach—

Bl

typus vielleicht noch ſtärker und klarer ſich ausſprechen läßt,

als im Nahuatl. Und ebenſowenig billigt er die Anſicht Rint's, daß im Eskimo mehr Aehnlichkeit mit den amerifanifchen Sprachen, als mit den uralaltaifchen zu finden fei, wobei jener fich bejonders darauf ftüßt, daß beide den polyfyne thetiichen Grundcharafter gemein haben. Zu feinem ver neinenden Schluffe fommt Adam auf Grund mander Erz

wägungen: daß das Eskimo im Gegenſatz zu den meiften amertfanifchen Sprachen feine Geſchlechtsunterſcheidung A fenne, daß e8 die Bronomina fuffigiert, dann befonders aber,

daß es nicht wahrhaft polyſynthetiſch fei, fondern durch die allen vielſilbigen Sprachen mehr oder weniger eigene

„derivation & l’infini“ nur den Anſchein gewähre, es zu

777

Neuere Litteratur zur deutſchen Landeskunde,

fein. Speziell das Grönländifche, welches Adam feiner Studie zu Grunde legte, wäre ibm zufolge ein „systeme original et partieulier*, wie das Baskiſche.

haben.

Dann

folgt

eine Aufzählung

der einſchlägigen

Arbeiten über die Bodenkunde, Hydrographie, das Klima, die Pflanzen und Tiergeographie des Landes, ſowie deſſen Einwohner in vorgefchichtlicher und hiftorifcher Zeit; das Ganze ſchließt mit dem Nachweis der Schriften über die

geiftige Kultur, die Landes und Drtsgefchichte. — An die

Henere Fitteratur zur deutſchen Inndeskunde. (Schluf.) ! Als eine der wertvolliten Vorarbeiten für die deutfche

Landeskunde, zumal auf dem Spezialgebiete der Geologie, verdient die von C. Chelius zufammengeftellte hronologiſche Ueberficht der geologischen und minera: logijhen Litteratur über das Großherzogtum

Bibliographie

Fnüpft

fih eine

Aufforderung,

die

Glazialerſcheinungen und ihre Einwirfungen auf die orographiſchen und hydrographiſchen Verhältniffe der Provinz Pommern und der angrenzenden Gebiete zu beobachten.

Sie wurde von Profeſſor Dr. Scholz in äußerft

inſtruktiver Form abgefaßt und legt zugleich die Bedeutung

den Bemerkungen über die geologischen Aufnah—

der Beweiſe für eine ehemalige Vergletfcherung Nordeuropas und der direkten Gletſchereinwirkungen dar. Die Kunde vom Thüringer Wald wurde auf Anreg: ung Alfred Kirhhoff’s befonders nachdrüdlich durch die vom Thüringer Waldverein umgefandten Fragebogen ge:

men

fördert und zwar auf dem denkbar „urfundlichiten” Wege:

Heſſen hervorgehoben zu werden (59 ©.).

Sie reiht ſich

im Großherzogtum Hefjen an, womit Richard Lep—

ſius die Abhandlungen

der Geologischen Landesanftalt

zu Darmjtadt (Bd. J, Heft 1) einleitet, und bietet in vor: züglich klarer Anordnung nicht nur einen Nachtveis der

für die Geologie Heſſens bedeutfamen Bücher und Karten, fondern außerdem noch ein alphabetifches Verzeichnis der

hier in Betracht fommenden Autoren, wichtigeren Dertlichfeiten

und

Territorien,

ſowie

ein

leicht überfchaubares

Sachregiſter. Die Grenzen des Großherzogtums hat Chelius

infolge unmittelbarer Neuerung

der Waldbewohner ſelbſt.

Alle eingelaufenen Antworten bilden einen Folianten von nicht weniger als 575 Seiten. Wie ungleichivertig natur: gemäß auch die Einzelbeiträge ausfallen mochten, jo lafjen doc Schon die im eriten Heft der wiederum von

Dr. Fr. Regel herausgegebenen Beiträge zur Landes: » und Bolfsfunde des Thüringer Waldes enthal-

in Betracht zu ziehen waren, die wichtig erfchienen zum

tenen Einzelergebniffe der Antworten, toie fie uns A. Kirch— hoff vorführt, den Wert der hierdurch gewonnenen Nachrichten über die Natur: und Bevölferungsperhältniffe jenes Gebietes

Verſtändnis der benachbarten heſſiſchen Formationen. Auch

erkennen.

da überjchritten, mo Werke über nichtheifische Vorkommen

wurde mit Recht von der Einreihbung von Lehrbüchern und allgemein orientierenden geologischen Werfen abgejehen. Nicht minder wichtig ift die erite Zufammenftellung der die Landeskunde von Vorpommern und Nügen betreffenden Litteratur. Die Geographiſche Ge jellihaft zu Greifswald hat es fich unter ihrem Vorfigenden Profeſſor Dr. R. Credner als eine Hauptaufgabe ihrer Thätigfeit gejtellt, die Landeskunde der heimatlichen Provinz zu fördern. Auch liegt es in der Abficht des Vorſtandes, den Sahresbericht der Geſellſchaft mehr und mehr zu einem Organ für die Landeskunde Vorpom— merns und Nügens zu geitalten. Als einleitender Beitrag hiezu wurde auf Anregung der Bentralfommiffion die vorhin bezeichnete Bibliographie veröffentlicht und zugleich an alle Freunde der Landeskunde Pommerns die Bitte gerichtet, fie einer Prüfung zu unterwerfen, ſowie durch Mitteilung der Titel der in derjelben vermißten Werke, Karten, Abhandlungen und Auffäge die Gefellfhaft bei weiterer Berbollftändigung derſelben zu unterftügen. Sie führt zuerit die Sammelwerfe vor, welche fi) auf die Provinz Pommern in ihrem gefamten Gebiet3umfang beziehen und jodann jene Schriften und Starten, die einzelne Gebietsteile von Vorpommern und Rügen zum Gegenftand 1 Siehe „Ausland“ 1884, Nr. 36 und 38.

Im Volke findet man eben eine reiche Duelle

von Belehrung für Fragen, welche es jelbit, ſowie feine Heimat betreffen und die nicht im Ton der Bücherweisheit

gehalten find. So läßt fich auch erwarten, daß die Schrift: Zur Volkskunde

Thüringens,

insbefondere

des

Helmegaues (mit Karte), welde Dr. Rackwitz in Ge meinjchaft mit Lehrer K. Meyer in Nordhaufen ausarbeitete, und die auf Grund der den Autoren gewordenen Erfahr: ungen ebenfalls die Bedeutung und Anwendung von Fragebogen für die Erforfchung der thüringifchen Volks— art erörtert, nur von Nußen für die landesktundliche Sache

fein wird. Auf Wunfch der Zentralkommiſſion haben die Verfaffer die von ihnen aufgeftellten Fragen eingehend moti: viert. Wir haben uns bei Durchficht diefer Schrift des Eindruds nicht erwehren können, daß die ihr zu Grunde liegenden Prinzipien nicht minder für andere Landſchaften

von Bedeutung

fein dürften und der Eifer der thüringi-

ihen Sammler

wohl aud in Nord»

und Süddeutſchland

der Nachahmung wert ſei. Mag der eingefchlagene Weg langfam und mühevoll zum Ziele führen, man lernt auf demfelben doc den Puls des Voltslebens fühlen und hört ihn rein und frank von oberflächlichen Störungen

ſchlagen. Von weiteren Beiträgen zur Landes- und Volkskunde des Thüringer Waldes können wir hier nur noch die vor—

zügliche Abhandlung A. Kirchhoff's über die Namen

118

Denkfchrift der Londoner Geographiichen Gejellichaft für den Inſpektor des geographiſchen Unterrichtes.

im

welche beſondere Preiſe für hervorragende Leiſtungen in

Mittelalter, und die Arbeiten von Fr. Thomas (Ohr: druf) zur Phänologie Thüringens in aller Kürze er:

derſelben gegeben werden; 2. die eigentlichen Gegenſtände, die unter dieſem Namen gelehrt werden und die Zeit, die

des

Thüringer

Waldes

im

Altertum

und

ihnen zugemeſſen iſt; 3. die Methoden

wähnen.

Rüſtig ward auch in Baden

mit der landeskund—

lichen Arbeit vorgegangen. Von einer Monographie des Großherzogtums liegt bereits die durch Kienitz be—

arbeitete geographiſche Abteilung vor.

Die geſchickte

Zuſammenfaſſung und Gliederung eines reichentwickelten Stoffes, welche in geſchmackvoller Form entgegentritt, läßt vom Relief und den hydrographiſchen Verhältniſſen dieſes

Rhein und Donau zugleich tributären Gebietes ein gutes Ueberſichtsbild

gewinnen.

Naturgemäß

hat Kienitz

ber

einer einleitenden Skizze über den Namen, die geſchicht— liche Entwickelung, Lage und Einteilung des Landes folgenden Bodenkunde im geographiſchen Sinne breiten Raum gewährt; ſie hebt ſich auch von der Charakteriſtik der Baden zugehörenden Gewäſſer vorteilhaft ab, zudem letztere aneinigen Punkten in einen zuengen Rahmen ge— drängt erſcheint und man außerdem gerade bier das Ihildernde Moment nur ungern vermißt. Außerdem verdienen die den Verhandlungen des Karla: ruher Naturwifjenschaftlichen Vereins entnommenen Bei: träge zur Naturwiffenfhaftliden Chronif des

Großherzogtums

Baden für 1881 und 1882 Erwähn: .

ung. Sie wurden von. Sohnde und G. Wagner in anerfennenswerter Reichhaltigfeit gefammelt und find für ung befonders in Hinficht auf die Mitteilungen über Bergftürze und Erdrutſche, Erbbeben und die aufgezeichneten außer: ordentlichen meteorologifchen Erfeheinungen von Wichtigkeit. Nicht minder wertvoll find in dem gleichen Bändchen die Aufſätze Knop's über das Erdbeben im Kaiferftuhl am

21. Mat 1882 (mit Karte)

und die geologifchewirtichaft-

lichen Verhältniffe des Dorfes Wiefenweiler i./Br., denen

und Hilfsmittel,

welche beim Lehren dieſer Gegenſtände gebraucht

werden;

4. die Stellung der Lehrer und Profeſſoren in Bezug auf die Geographie im allgemeinen; 5. welcher Wert der Geo—

graphie bei den Univerſitäts-Prüfungen zugeteilt iſt und mit welchen Gegenſtänden ſie vereinigt wird. b. Der Inſpektor hat die Berichte der Examinatoren

für die Schulpreiſe der Geographiſchen Geſellſchaft zu Rat zu ziehen. ce. Er hat die vergleichsweiſe Stellung, welche die Geographie bei den Prüfungen für den englifchen Staats:

dienst einnimmt, feitzuftellen und über die Erfahrungen der betreffenden Craminatoren fich zu unterrichten. II. In Betreff der übrigen europäifchen Staaten: Der Inſpektor wird Deutjchland, Defterreih, Frank:

reich, die Schweiz, Stalien, Belgien, Holland und Schweden befuchen. Bei feinen Ermittelungen foll der Inſpektor folgende Punkte behalten:

auf dem Kontinent befonders im Auge

a, Die der Öeographie eingeräumte Stellung, nament(ih an Hochſchulen und Univerfitäten, mie fie fich ergibt 1. aus der Ausdehnung, bis zu welcher fie gelehrt wird,

aus den Karten und anderen vorhandenen Lehrmittel und den ihr zugeteilten Breifen; 2. aus der ihr zugeteilten Zeit im Vergleich mit anderen Gegenftänden; 3. aus ihrem Gewicht bei den Prüfungen; 4. aus der Zahl, Stellung und den Einfünften der Profefjoren der Geographie an den Univerfitäten im Vergleich mit derjenigen von Brofefjoren

anderer Gegenjtände;

5. aus dem Beſuch der Studenten

in den geographiſchen Borlefungen-

b. Die Ausdehnung des Gebietes, welches der geo—

Beiträge zur Karlsruher Flora von Seminardirektor Leuß

graphifche

folgen.

welchem Standpunft aus die Geographie gelehrt wird, ob 1. von dem der phyſikaliſchen Wiffenfchaft aus, oder 2. als gefchichtliche und politifche, oder 3. als Handelsgeographie. c. Die Unterrichtsmethode, welche ſtufenweiſe von der

Denkfchrift der Londoner Geographiſchen Geſellſchaft

für den Infpektor des geographiſchen Unkerrichtes. Der Zived, welchen der Ausſchuß der Geographiſchen Geſellſchaft inLondon bei der Ernennung eines Inſpektors für das geographiſche Lehrfach im Auge hatte, war der, ſich genauer als es bis jetzt geſchah in Betreff der Lage

und Methode des geographiſchen Unterrichtes in England und im Ausland zu unterrichten. J. Bezüglich Englands: a. Hat der Inſpektor vermittelſt brieflichen Verkehres oder perſönlicher Inſpektion feſtzuſtellen, 1. in welcher

Ausdehnung

die Geographie im allgemeinen

Univerſitäten

und

an

den

öffentlichen Schulen gelehrt wird, und

Unterriht

an Hochfchulen einnimmt,

und von

Bolksihule aufwärts angewendet wird. Ob die Geo: graphie jemals die Stellung einer befonderen Disziplin,

im Gegenfat zu einer bloßen Gebächtnisübung erlangt; ob die Möglichkeit gegeben war, regelmäßige geographiiche Aufgaben zur Löfung aufzuftellen. Ebenſo die Methoden, welche angetvandt werden, um den Schülern Fartographiiche Kenntnifje beizubringen. II. Was Amerika anbelangt: Der Inſpektor hat vermittelft Briefwechfel mit den betreffenden Autoritäten den gegenwärtigen Stand des geographifchen Unterrichts in den Vereinigten Staaten von

Nordamerika zu ermitteln. IV. Während feiner Nachforſchungen fowohl in England als im Ausland hat der Inſpektor Exemplare der beiten Bücher, Karten, Globen, Diagramme, Mo:



Kleinere Mitteilungen, — Notizen. delle und

anderer

zum

Unterricht

im geographifchen Unterricht oder für die Entwicklung der geographijchen Vorjtellungen.

V. Am Schluß feiner Ermittlungen hat der Inſpektor einen Bericht zu erftatten, welcher folgendes umfaßt: 1. Eine ſummariſche Aufftelung feiner vollbrachten Arbeit; 2. die Refultate feiner Forſchungen in den verſchiedenen

oben angedeuteten Richtungen; 3. weiche Schritte zu thun er dem Ausschuß anempfehlen würde, um den geographiſchen Unterricht in England zu verbefjern und zu erweitern. Im Namen des Ausjchuffes: H. W. Bates.

Kleinere Mitteilungen. Buriloche!

{reiht ung Herr Dr. Darapsky aus Santiago de Chile: „Der ſüdlichſte Paß der Anden ift berühmt und biftorifch befannt genug, Dr. Franz daß auch feine Wortbedentung Intereſſe verdient. Fond jagt hierüber in einem, gelegentlich der jüngften chileniſchen Expedition nach dem genannten Paß unter Valverde in der Val— paraiſaner Zeitung „El Mercurio“ (25. März 1884) veröffentlichten Auffat „Un paseo histörico al camino de Buriloche*: Sch muß darauf beftehen, daß der in Rede ftehende Pfad Burilochi oder noch befjer Vuriloche genannt werde, wie ihn Pater Menendez ſchreibt, indem er ſich ſtreng an die Regeln der arau— kaniſchen Grammatif hält, deren Alphabet, wie Febres lehrt, fein b fennt. Buriloche fehreibt au der Pilote Joſé Moraleda, ein hervorragender Forſcher im ſüdlichen Archipel. Das erjtemal, ſcheint es, fommt das Wort Barilochi in meinem Bericht iiber meine Expedition nad) Nahuelhuapi, 1856, vor. Ich entfine mic) nicht, weshalb ich diefe Form annahm und muß meinen Irrtum berichtigen. Diefe jcheinbar unbedeutende Berihtigung tft aber von zweifellofer Wichtigkeit, weil fie mit einemmale die bis— lang etwas dunkle Etymologie aufflätt. Wahricheinlich entzifferte Franzisfo Vidal Gormaz zum erftenmal den Namen Bariloche, wenigftens teilweife; dem iloche bedeutet nad) Febres' WörterNoch blieb die erfte Silbe bar unverbuch „Menſchenfreſſer“. ftändfich. Anders mit vuri, welches, nad) derjelben Duelle „hinter“ Einem anderen Worte vorgefegt, bedeutet es „hinter bedeutet, diefem“. So heißt Buri iloche alfo „hinter den Menſchenfreſſern“. Dliviares Bericht läßt erkennen, daß in der That ein befonderer Indianerſtamm in Buriloche wohnte, und da ift zu vermuten, daß diefer jo genannt wurde, weil feine Nachbarn ihn für Kani— balen hielten. Es ſcheint, daß es wirklich Menſchenfreſſerſtämme in jener Gegend gegeben habe. Auch Toribis Medina ſtellt dieſe

Thatſache in ſeinem Werke „Los aborijenes de Chile“ feſt. 1 Siehe „Ausland“

1883, Nr. 27.

Notizen.

in den verſchiedenen

Zweigen der Geographie nötigen Apparate zu fammeln. Diefe find zu ordnen und zu Haffifizieren und in den Räumen der Gefellihaft zur Belehrung des Ausſchuſſes aufzuſtellen. Wo e3 nicht thunlich, einzelne Probeexem— plare zu erhalten, hat der Inſpektor über diejenigen Hilfs— mittel Bericht zu erſtatten, welche ihm dienlich erjcheinen

Ueber den Namen

19

.

Europa. Die

Kolonien

der Murmanfüfte

Nah

einer Korre-

jpondenz der „Nomwofti” befinden fi an der Murmanfüfte 21 Kolonien von zufammen rund 1000 Köpfen, wovon 400 Ruffen find. Die Finnen follen ſich dort ehr wohl fühlen, während die Ruſſen nur der Staatsunterftütung wegen hingezogen fein ſollen, und von den Norwegern mit Hilfe ihres Branntweins exploitiert BD: werden. Ein

amerifanifhes

Urteil

über

die

Deutſchen.

In dem voriges Fahr von der Staat3einwanderungs-Behörde (State board of Imigration) Wiskonſin's veröffentlichten Be— richt

iiber

Bevölkerung,

Boden,

Klima

und

die

induſtriellen

Berhältniffe diefes Staates wird in Bezug auf die Deutſchen wie Von den verjchiedenen Nationalitäten, welche folgt geurteilt: Wiskonſin bevölkert haben, hat feine mehr dazu beitragen, dieſes vor 40 Jahren noch völlig unbebaute, von Indianern durch— ftreifte Gebiet in einen der fruchtbarſten Staaten Amerifa’s um— zuwandeln und den Handels- und Berfehrsverhältniffen nach allen Richtungen Hin einen großartigen Aufſchwung zu verleihen, als die Deutschen; Feine ift aber auch fiir ihren unermidlichen Fleiß, ihre anerkannte Geſchicklichkeit und weife Sparfamfeit durch glüdliche Erfolge in höherem Grade belohnt worden. Die deutſchen Farmer, Kauflente und Handwerker gehören zu den reichſten Bürgern des Staates.

der Weſtküſte Schleswig-Holftein®. MWahstum Während die deutjchen Nordſee-Inſeln durchgehends jahraus jahrein an Umfang einbüßen, tritt an der ſchleswig-holſteiniſchen Weſt— küſte, welcher die frieſiſchen Eilande als Wellenbrecher gegen die Wogen des Ozeans ſchützend vorgelagert find, Das gerade Gegen— teil ein. Dort nimmt die Landneubildung mittelft Anfpilung feit Jahrhunderten ungeftörten Fortgang. Diesfeits der Eidermündung ift es die fogenannte Dithmarſcher Bucht, wo durch die beftändige An— ſchwemmung von Seeſchlick das Meer immer weiter zurücdgedrängt wird und die Befeftigung und Erhöhung des Bodens verhältnismäßig raſch zunimmt. Diejelbe hat beſonders im Yaufe des fetsten Jahres wieder ganz wejentliche Fortſchritte gemacht, jo daß bereits ein großer Teil diejer Außendeichsländereien nur noch bei Hochfluten vom Waſſer überſchwemmt wird. Dabei wird frei— lich die Thätigkeit der Natur durch Menſchenhände kräftig unter— ſtützt. Die ſchon projektierte gänzliche Eindeichung des genannten umfangreichen Gebietes, welches ſeiner Zeit den weitaus größten aller Köge Süder- wie Norderdithmarſchens bilden wird, iſt nur noch eine Frage der Zeit und dieſer Plan geht mit immer raſcheren Schritten ſeiner Verwirklichung entgegen. Nach dem Zenſus von 1881 auf den Islands in the British Seas gab es auf der Inſel Man 26,291 männliche und 27,798 auf der weibliche Perfonen, von denen 22,592 reſp. 23,392 waren. geboren and Deutfchl in Frauen 7 und Männer Inſel, 9 mänıAuf Zerjey lebten 1881 52,445 Perfonen und zwar 23,485 den umliegen den und Guernfey Auf fiche und 28,960 weibliche. 16,836 , Perfonen 35,257 Jahre dieſem in man Inſeln zählte auf männliche und 18,421 weibliche und von diefer Zahl kamen Klein— 526, rk Groß-Se 4, Sethon Alderney 2048, auf Herm 80, Br Serk 45, Bredou T.

Ohne den AußenAus der neneften Statiftif Londons. Die Länge -Ml. 5,60.0. von Areal ein Stadt die umfaßt ving 2 Ein3,893,27 Die Mi. der Straßen und Plätze beträgt 342 d. umd Haus 1 auf 8 aljo fern, Wohnhäu wohner Yeben in 483,286 . geblieben dasjelbe ert unveränd Jahren 30 jeit ift is Verhältn dies ,760 548,109 auf fi) Der Ertragswert aller Wohnhäufer beläuft wurden in Markt im Zahre, mithin per Kopf 141 Mt. 1882

780

Fitteratur.

Erwasti: Suomalaiset jäämere rannala (Die Finnen am Eig-

London 133,200 Kinder geboren, es ftarben dagegen 82,905 Per— jonen.

Der Wafferverbraud)

aus

den Wafferleitungen

ift jehr

bedeutend; fiir häusliche Zwecke wurden 525,919,947 L. oder 136 L. pro Perfon täglich verwendet.

DI

Die italienifhe Korallenfifcherei beſchäftigt gegenwärtig gegen 4200 Fiſcher. Das von diefem Perfonal im vorigen Jahre erbentete Korallenquantum betrug 56,000 Kgr. im Werte von 4,200,000 Fire. Mit der Verarbeitung des Rohmaterials bejhäftigt fich eine blühende Induſtrie, welche ihre Erzeugniffe nad allen Weltgegenden verfendet und dem Nationalvermögen einen nah Millionen zu berechnenden Jahreszuwachs einbringt. (Deutſche Induſtrieztg.) Der See Paanajärvi im nördlichen Finnland, der eine Länge von 20 und eine Breite von nur 1 Km. hat, ift von einer Kette von fteilen felfigen Bergen umgeben, welche ſich 100 bis 200 m. iiber die Fläche des Sees erheben, Ju den Quarzlagern, woraus diefelben hauptjächlich beftehen, hat man in fetter Zeit Kupfer und Gold gefunden. In Finnland wird jährlich für etwa eine halbe Million Mark Gold gewafchen. B. Erweiterung des meteorologifhen Beobachtungs— netzes in Rußland. Der Direktor des phyſikaliſchen Zentral— Obſervatoriums, Akademiker Wild, hat ſich, der „Nowoje Wr.“ zufolge, mit dem Geſuch an das Miniſterium der Volksaufklärung gewandt, die Lehranſtalten inWjasma, Borowitſchi, Uſtjuſhna und Oſtaſchkow zur Beteiligung an den meteorologiſchen Beobachtungen heranzuziehen. Die nötigen Inſtrumente werden den genannten Lehranſtalten vom Obſervatorium zugeſtellt werden. Meteorologiſche Station im Kaukaſus. Die Zahl hochgelegener meteorologisher Stationen ift durch die Eröffnung einer folchen in Poni, auf dem Suranpafje im Kaufafus, vermehrt worden.

meere). Helfingfors. 1884. Einer ausführlichen Inhaltswiedergabe des Bichleins in „Helfingfors Dagbl.“ entnehmen wir un— ter andern, daß im den finmifchen ſowohl wie in den norwegifchen Yappmarfen die Zahl der Nenntiere bedeutend im Abnehmen be-

griffen iſt. AS Hauptgrund dafür gibt der Verfaffer die Grenz-

Iperre zwifchen Norwegen und Finnland au, wodurd die Herden weniger häufig als es winfchenswert ift, die Weidepläte ändern können ımd auch vom Meere abgeschloffen find und doch ſei das Baden im Sommer für die Renntiere unentbehrlich. Die Grenz⸗ ſperre iſt von Norwegen ſchon ſeit 1835 de facto eingeführt worden, von Finnland ſeit 1852. Wenn eine Herde über die Grenze geht, werben 100, derjelben für den Fiskus fonfisziert. Auch das Fiſchen ift den Finnen am norwegifchen und ruffifchen Eismeere nicht geftattet, fondern fie können nur Dienft nehmen bei vuffifchen oder norwegiſchen Fifchern. Ferner enthalten die Lappmarken nach Erwafti and) beträchtliche Holzvorräte, doch fehlt ein Hafen am Eismeere. Aus all’ diefen Gründen wünſcht der Verfaffer und mit ihm die ganze finnische Preffe, daß Rußland das Stuück Eismeerküſte, welches es fiir das abgetretene Gebiet der Gewehrfabrik Spfterbäd an Finnland abgeben wollte, bald abtrete. B. Dr. Emil Bessels: Smith Sound and its Exploration. Re-

printed from Nr. 30 of the Proceedings U. 8. Naval Insti-

tute. 1854, Den älteren Zufammenfafjungen Petermann's ſchließt ſich dieſe Monographie unter befonderer Berückſichtigung der nördlichſten Gebiete und beſonders der Reiſen von und nach Diskovery Harbour und Umgebung an. Von beſonderem Werte ſind die kritiſchen Beſprechungen der Reiſen von Hayes, Hall und Nares. Statiſtiſches Herausgegeben vom

gang.

Fitteratur. Der Urfprung der Kulturpflanzen von Alphonfe de Candolle. MWeberjegt von Dr. Edmund Goeze. Autorifierte Ausgabe.

LXIV.

Bd. der

internationalen

wiſſenſchaftlichen

Bi:

bliothef. Leipzig. F. A. Brodhaus. 1884. X und 5908. Dem Anthropogeographen und Ethnographen, dem Brähiftorifer und Kufturhiftorifer ift mit einer kritiſchen Zuſammenfaſſung alles defjen, was heute über den Urſprung der Kulturpflanzen befannt, eine Förderung hervorragendfter Art geboten. Nicht Schuld eines Botanikers von dem Wiffen de Candolles

ift es, wenn

dieſe Arbeit,

wie fie hier vorliegt, dennoch nicht alle Fragen jener Kategorien genügend beantwortet. Man Ieje den Abfchnitt iiber die Banane, um zu erfennen, wie e3, folange die Anthropogeographie nicht weiter gefördert ift, iiberhaupt unmöglich, ein entſcheidendes Wort auszujprechen in einem Streite, in welchem Garcilafo de Dega und Alerander v. Humboldt auf der einen, DOviedo und de Can— dolle auf der andern Seite ftehen. Es handelt fich hier alfo nicht um ein abjhliegendes Werk, ſondern um eine Arbeit, die durch Thatſachenfülle, Reife, klare und klaſſiſche Ruhe der Darlegung das große Problem der Kulturpflanzen mehr fördern wird als alle Vorgänger. Wir waren übrigens erſtaunt, unter Solanum nicht die auffallende Mitteilung Forfters iiber eine auf der Ofterinfel angebante Pflanze dieſes Gejchlechtes angeführt zu finden. Die Ausftattung ift vortrefflich.

1884.

Jahrbuch Kaijerlihen

Berlin.

Verlag

für das Deutſche Neid. Statiftifhen Amt. 5, Jahr⸗

von

Puttkammer

und Mühl—

brecht. VII und 200 Seiten. Mit drei Karten. Diefe äußerſt wertvolle Publikation gewährt uns einen Ueberblick iiber die deutſchen Staaten, deren Bevölkerung, landwirtſchaftliche, indu— ftrielle und fommerzielle Verhältniffe nach ven zuverläffigften Quellenangaben. Im 5. Jahrgang erjcheinen an neuen Dar: ſtellungen zum erftenmale: Die Hauptergebniffe der Berufszähl-

ung 1582, der Viehzählung 1883, die Verteilung der Eifenbahnen nad dem Stand von im Großhandel für der OrganifationsHanptergebniffe der

1882, die Durchſchnittspreiſe wichtiger Waren die Jahre 1879 bis 1883, ein Auszug aus und Gejchäftsftatiftif fiir 1882, endlich Die auf das Jahr 1882 ſich beziehenden, für

das ganze Reich bearbeiteten Kriminalſtatiſtik.

Zeitfhrift für Mufeologie und Antiquitätenfunde, jomwie für verwandte Wiffenfhaften. Diefes monatlich zweimal erſcheinende Blatt wird von Geh. Hofrat Dr. J. ©. Th. Graeſſe trefflich geleitet. Neben den größeren Abhandlungen bietet es vermischte Nachrichten, welche Artilleriehauptmann E. Bötticher redigiert und die durch ihre Fülle von Notizen zur Tagesgeſchichte der hier vertretenen Intereſſen, durch Berfonalnachrichten, Bibliographifches, Mitteilungen iiber Vereine, Sammlungen, Aus— ftellungen, Kunſtauktionen 2c. von großer Bedeutung für den Fach— mann

find.

Drud und Verlag der J. G. Cotta'ſchen Buchhandlung in Miinchen und Stuttgart,

Das Jusland. Wochenſchrift für Länder: und Dölkerkunde, unter

Mitwirkung

bewährter

herausgegeben

Fachmänner

von

der

3.6. Cotta'ſchen Buchhandlung in Stuttgart und München. Siebenundfünfzigiter Jahrgang.

Stuttgart, 6. Detober.

Ar. 4. | Jährlich 52 Nummern A 20 Seiten in Quart.

Preis pro Quartal M.7. —

1854

Zu beziehen duxch alle Buchhandlungen des In- und Auslandes und die Poftämter. —

Manujfripte und Rezenſions-Exemplare von Werken der einſchlägigen Litteratur find diveft an Herrn Dr. Karl Müller in Stuttgart, Kurzeſtraße Nr. 6/11, zu jenden. — Anfertionspreis 20 Pf. für die gejpaltene Zeile in Petit.

1. Sitten und Gebräuche auf den Halligen jonft und jet. Bon Chriftian Jenſen auf Sylt. ©. 781. — 3. Die 9, Die Differenz zwifchen See- und Fontinentalem Klima mit Beziehung auf DBegetation. Bon M. Buysman. ©. 784. — in Gebiet vergefjenes Ein 5. — 792. ©, Bon Rich. A. Proctor. ©. 787. — 4. Die Haida-Indianer. antarktifhen Regionen. 798, ©. Zentralenropa. ©. 797. — 6. Ein Blid auf die Falklands-Inſeln. Suhalt:

vor den niedrigeren Sturm— Sitten und Gebrände auf den Halligen ſonſt und jeht. Erderhöhungen, erbaut, um

F — Lu etlen an Sylt. an An der Weftküfte des Herzogtums Schleswig liegen, umwogt von den Wellen der unruhigen Nordiee, außer den als Badeort befannten Infeln Föhr und Sylt und den anderen weniger oft erwähnten Marſchinſeln Nordſtrand und Bellworm, die Halligen, die als die Reſte der einst jo

fluten gefchüst zu fein. Doch auch die Werften jchüben nicht immer; der heftige Weftwind peitjcht die | gegen die Mauern der Käufer, jo daß diefe umfallen und nur noch das ſchwanke Balfengerüft, auf dem das Gefparre | des Haufes ruht, gleich wrackgewordenem Schiff aus den ' Wellen hervorgudt. Der Halligbewohner flüchtet dann auf den Boden feines Haufes hinauf, um vielleicht mit |

bezeichnet werden,

allem, was ihm lieb und teuer, durch die nächſte ſchwere

welche vor der Zerftörung ausschließlich von Frieſen bewohnt wurde. Pellworm und Nordftrand find freilid) noch wie damals durch Deiche gegen das Meer gefhübt, aber hinter

| See im nafjen Wellengrab gebettet zu werden. Schon die nächſte Flut ann ihn in ſolche Not bringen, vielleicht für ihm die Ießte fein. Alles das weiß er und doc) ſtimmt

fruchtbaren Landſchaft Alt-Norditrand

er von Herzen in die Worte ſeines Seelſorgers Biernatzki: 1. „Rindlein in des Meeres Wiege,

ihren Deichen hört der die Inſeln bejuchende Nordfrieſe feine Mutterſprache nicht mehr und mit dieſer find feine Volksbräuche fait ganz von dort verſchwunden.

Eiland an der Wellen Bruft!

Ein ganz

Scholle Du im Weltgebiete,

anderes Bild geben uns die Halligen; das find Heine, nur

Meine Heimat, meine Luft!”

einige Fuß ſich über die fie umgebende Wattenwüfte er—

bebende

und 3 Fuß Ö

über

n Fluten die 9 gewöhnliche R) ß

des

Dich kein Felfengürtel hält,

j “

Ringsumher die Wafferflile,

Meeres hervorragende Snfelbroden, die von feinem Deiche

und feiner Düne gefchüst find und daher oft von Ueber: flutungen vom Salzwaſſer des Meeres, namentlich bei den unfere Küften jo häufig treffenden Sturmfluten, zu leiden haben. Die bebeutendjten derjelben find feine halbe Quadrat—⸗

|

gar nicht betvohnt, nur einige hundert Fuß lang und breit. Der fpärliche Graswuchs, den fie bieten, dient den

|

Ueber Dir des Himmelszelt.“ >

der Hallig:

leute find auf fogenannten Werften, das find fünftliche Ausland

1884, Nr. 40.

Gelände

Andere Wehr und Waffe niht.”

|

4. „Friede wohnt in Deinen Hütten,

Halligjehafen zur Nahrung oder zur Heugewinnung; nicht | felten wird der Ertrag der Heuernte ſogar noch durch eine | Die Wohnungen

offen Dein

Hin vor Gottes Angeficht, Kennft im Kampf der Elemente

meile groß, die kleineren oft nur von einer Familie oder

Sturmflut weggefchtvemmt.

.„Legſt Du

Deine Armut ift Dein Glüd; Treu blieb hier der Väter Sitte In der Enkel Kreis zurüd.”

Heute zählt man noch 15 Halligen. noch währen,

' Größe

bis

verfehtounden

auch

diefe Ruinen

Wie lange wirds untergegangener

find; wie lange werden 118

noch die

782

Sitten und Gebräuche auf den Halligen ſonſt und jetzt.

Sitten frieſiſcher Halligbewohner befolgt werden? Auf dieſe oder ähnliche Fragen möge die Natur derHallig Antwort geben; wir aber wollen nach alten handſchrift— lichen Aufzeichnungen von der Hallig Nordmarſch und nach neueren uns gewordenen geſchätzten Mitteilungen von Oland den in mancher Beziehung charakteriſtiſchen

Sitten und Gebräuchen dieſer Halligen eine Mußeſtunde weihen. I

Das Kind in Brand) und Sitte bei den Halligfrieſen.

Wie überall, fo beſchäftigt fich auch hier der Kinder— glaube mit der Herkunft des Kindes. Im Anblid des Meeres müſſen dort die Kinder groß, gefcheidt und ftark werden; jo iſt es fehr erflärlih, daß nad) der Volksſage die Kinder aus der Tiefe des Meeres fommen, während diefelben im feftländifchen Teile Nordfrieslands ftellenweile vom Storch gebracht werden. Der Nabelſchnurreſt wird im Geburtshauſe von der Hebamme und dem Vater des Kindes vergraben, ohne daß damit heute ein beſonderer Aberglaube verbunden zu ſein ſcheint, wenn auch das Vergraben im Hauſe auf einen ſolchen hindeuten mag. Auf der Inſel Amrum ſagt man von denen, die mit einer Glückshaube geboren werden, ſie könnten vor eintretendem Todesfall Leichenzüge ſehen; den Halligen ſcheint davon

nichts bekannt zu ſein.

Eine blaue Ader an der Stirn

des neugeborenen Kindes hielt man für das Zeichen, daß das Kind großen Gefahren ausgeſetzt ſein und beſonders im Militärdienſte leicht umkommen werde. Beſondere Zeichen der feierlichen Anerkennung ſeitens des Vaters kennt man nicht, dagegen kommt es vor, daß dem Kinde

von Verwandten

und

Freunden

Geſchenke

dargebracht

werden, beſtehend in einem ſilbernen Eßlöffel oder in Geld; freilich werden dieſe auch oft als Pathengeſchenke ange: ſehen, da in älterer Zeit die Kinder am dritten Tage ge tauft wurden. Charafteriftifch ift, daß früher dem Neu: geborenen vier Hühnereier zum Geſchenk gemacht, die, einer Henne untergelegt, Glück für das Kind verhießen, wenn fie alle ausgebrütet wurden. Symbole werden auf der Hallig dem Sinde nicht gereicht; hier auf Sylt jagt man, das Kind werde nie am Brod Mangel haben, ivenn ihm das erfte Mal, wo es ins Haus der Großeltern ge= tragen wird, ein Zwieback oder etwas Ehbares in die

Gebrauch, bei der Geburt eines Kindes Bäume zu pflanzen. Die Werfte bietet für Bäume ivenig Raum. Für die übrigen Halligfinder ift der Tag der Geburt eines Kindes ein befonderer

Feſttag,

da noch heute an diefem Tage

Backwerk unter diefelben verteilt wird, unter dem VBorgeben, das neugeborene habe e3 mitgebracht. Stirbt der junge Weltbürger ungetauft, fo begräbt man ihn auf dem Kirchhof und man glaubte früher, daß die Seelen derer, die nicht eben ſchon bei der Geburt verftarben, in Eleine, meiße Vögel fuhren. Meine Mutter, deren Eltern von einer nun jeit SO Jahren untergegangenen Hallig ſtammten,

erzählte mir, daß das Kind dort nicht über drei Tage alt

werden

durfte,

ehe es getauft

wurde;

ſonſt kamen die

Unterirdiſchen, kleine Männlein, nicht höher als ein Tiſch, die ein rotes Käppchen

auf dem Kopfe

trugen, und ver—

tauſchten es gegen ein anderes. Bei Abweſenheit der Mutter hielt man daher beim Kinde Wache und ließ in der Nacht ein Licht brennen. Als ſonſtige Schutzmittel gegen das Vorhaben der Zwerge ſteckte man eine Stopf⸗ nadel in die Windeln des Kindes oder legte eine Scheere kreuzweiſe vor das Bett desſelben. Der frühere Sagen— glaube ſolcher Verwechſelung

wird auch von

Oland mit—

geteilt und hinzugefügt, daß man es früher für gefährlich bielt, wenn ein ungetauftes Kind von der Sonne befchienen ward. Auf der Hallig fennt man Verwünſchen und Be

ichreien der Kinder

nicht, obwohl man

bier auf Sylt

davon Ipricht.

Ein befonders feierlicher und beveutfamer Akt im Leben

des Kindes ift von jeher die Namengebung oder, da fie meifteng bei der Taufe gefchieht, diefe geweſen. Die Sage erzählt uns davon, daß in früheren Beiten aud auf den Halligen die Sitte herrſchte, Feine ftändigen Familiennamen zu

haben. In unferem Jahrhundert ift freilich in den Kirchen: büchern ein folcher erblicher Name verzeichnet worden, der aber im Volfsmunde felten Anwendung findet. Won der

jeit langer Zeit untergegangenen Hainshallig wird ung der Beſitzer aus der Zeit der verheerenden Flut von 1634 genannt, er hieß Haie Ocken, feine Kinder biegen Ode

und Elfe Haien. Diefes natürliche Syſtem der Namengebung

befolgte man früher ausihlieglih und fette alfo dem Eigennamen des Kindes denjenigen des Vaters hinzu, es damit als Tochter oder Sohn diefes oder jenes Mannes

Hand gegeben wird. Opfer bei der Geburt darzubringen, iſt nicht üblich; nur beim fo bedeutfamen erſten Kirchgange

Namengebung

Inſeln die Mutter

Endungen und zwar meiſtens s, en, ens beifügt. Um ein 1 Beiſpiel anzuführen, möge folgendes genügen: Die Söhne

der Wöchnerin wird dem Prediger ein beliebiges Geldopfer gebracht; vor diefem Gange darf auf einigen friefifchen

das Haus

nicht verlaffen, ihr Rind

würde ſonſt nachher ein ausichmweifendes Leben führen, Die Taufzeugen, denen früher die Sorge für den Unter: balt des Kindes während feiner Jugendzeit oblag, wenn feine Eltern früh verftarben, was bei dem Beruf derfelben ſehr leicht eintreten fonnte, begleiteten ihre Pathengefchen te mit Segensfprüchen; doch hat auch dieſer Brauch aufgehört. Bei der fpärlichen Baumvegetation der Hallig ift es nicht

bezeichnend.

Im Volksmunde

darin, daß man

beibehalten,

beſteht dieſe

dem Namen des Vaters

von Folfert Uwen erhalten die Taufnamen Uwe, Sürgen , Hark, Jap und erden nun nicht etiva Uwe Uwen, Jürgen Umen 2c., fondern Uwe Folferts, Jürgen Folferts,

Hark Folkerts 2c. genannt, ihre Kinder führen dann wieder als Zunamen Umen, Jürgens, Harken, Jappen. Dap bei diefer Art der Namengebung die Aufftellung von Samilienftammbäumen fehr ſchwierig war, dürfte einleuchten und it duch Einführung ſtändiger Bunamen erleich tert

Sitten und Gebräuche

worden.

Der Volksmund

auf den Halligen ſonſt und jetst,

aber kennt im Umgange noch

diefe Art der Namengebung, wie fie nad) Detfer auch auf

Helgoland üblich ift. Sogar die Ehefrau wird auf den nordfriefischen

Inſeln

nach

dem

Ehemann

in derfelben

Weife benannt wie feine Kinder, Das nachfolgende Bei— ſpiel ſtammt von Sylt, wird aber auf den Halligen Ana: logieen haben: Seifen Masen Klein (Mädchenname) hie nach ihrem Ehemanne, der den Vornamen Magnus hatte, Jeiken Manfen (Mans abgekürzt von Magnus). Merret Sievers hieß nachher Merret Payen, weil Bay der Bor: name des Mannes war ıc.

noch ein „unendlicher” Raum ift. Es dürfte indes inter: efjant fein, daß die Wiegen auf den Halligen in ihrer Form faum von einer Bettftelle im verjüngten Maßſtabe

verſchieden, namentlich ältere, häufig mit biblifchen Bildern bemalt oder mit erhabenem Schnitzwerk verfehen waren und

ſind, die ohne Zweifel von Seefahrern des vorigen Jahr: bunderts heritammen,

von

denen Lorenzen um 1850 be:

vichtet: „unter den Seefahrenden mangelt es auch nicht an jolchen, die künſtlich fchnigen

verfertigen können.“

und

andere Bildhauerarbeit

Doch an der Wiege fehen wir die

betende und fingende Mutter,

der das Werk der Kinder:

Die Wahl der Namen für die Kinder ift folgende: Die Vornamen des Kindes werden jebt, wie früher, zuerft nad) denen der Großeltern väterlicher, fodann nad) denen mütterlicher Seite gewählt. Sit von den Großeltern

bett verlaffen. Der Vater war viel auf der See befchäftigt und es mußte daher auch das Recht der Züchtigung von ihr geübt werden, das uns ſchon aus dem Wiegenlied

jemand

entgegentritt:

verjtorben,

jo wird

gewöhnlich

zuerft der Name

erziehung auf der Hallig obliegt, jobald fie das Mochen-

des oder der Verftorbenen gewählt. Das Pathenamt fällt zunächjt den Großeltern väterliher und fodann denen mütterlicher Seite zu; man nimmt drei Pathen für ein Kind. Außer den Pflichten, die die Taufe von ihnen

„Sleepe, miin Böörn, ik wage di wat; Warst man iirst grotter, dan schlün ik di wat. Aber du best nu woll to litje, Du mööst na wat waged wesen.“

Frieſiſch.)

fordert, fennt man heute feine; die oben erwähnte ift im Laufe der Zeit abgefommen. Die Taufe mußte früher

(Schlaf, mein Kind, ich wiege Dich etwas; Wirſt nur erſt größer, dann ſchlag ich Dich etwas. Aber Du biſt noch viel zu klein, Du mußt noch etwas gewieget ſein.“)

am dritten Tage nad) der Geburt des Kindes vorgenommen werden, weil man fie als Schußmittel gegen das Treiben der Unholde

anfah; die Handlung gejchah in der Kirche,

während fie jeßt nur im Sommer dort, im Winter aber im Haufe, und zwar zwei bis vier Wochen nad) der Ge: burt, vollzogen wird. Die Hebamme trägt das buntgefleidete Kind zur Taufe und gibt 8, wenn unter den Gevattern zivei männ-

Mehr

koſend

klingt das folgende Wiegenlied

der

Hallig: „Sööt Kindchen, sööt, ik wag di mit mien Fööt, Ik wag di mit mien ole Scho, Kindchen, do de Ogen to.“

Bon den kulturhiſtoriſch wichtigen Sitten und Ge hräuchen, die auf einer abergläubiichen Einbildung fußen und das Bahnen der Kinder betreffen, jeheint auf den

liche find, dem älteren, daß er es zur Taufe halte, fonft hält der eine männliche Taufzeuge dasfelbe. Nach dem Vollsglauben wurde es ehemals als fehr ſchädlich für das

Halligen nichts mehr befannt zu fein, während man im übrigen Nordfrieslande einige derſelben noch kennt. Es

Kind angefehen, wenn bei der Taufe ein Tropfen Waffers zu Boden fiel; während man auf dem friefiichen Feftlande

wird hier noch wie in anderen deutfchen Gauen die Maus mit den Milchzähnen der Kinder in Verbindung gebracht.

da3 gebrauchte Tauftwafjer gegen eine Mauer wirft, weil es jonjt leicht Bettnäffen des Täuflings geben fann. Auf ODland findet ein eigentliches Kindtaufsmahl nicht ftatt. Sprüche und Sammlungen auf dem Feitlande üblich

dabei, wie fie verfchiedentlich find, fommen alfo nicht vor.

Die Pathengefchenfe bejtehen meistens in einem filbernen Eplöffel oder einem Gelvftüd, das ich in meiner Jugend

noch in einem zierlichen Brieflein (’en Fatherebrejf) — th — englifch ih — dargereicht befam. Zur Zeit der Abhaltung des Wochenbettes werden don den Befucherinnen der Wöchnerin Suppen und Speifen, ſonſt aber feine Gefchenfe gebracht. Traditionelle Gebräuche zur Verſchönerung des Kindes fennt man nicht; als folche

Operationen finden das Wägen des Neugeborenen meiftens, das Meſſen des Kindskörpers felten ftatt. Die erfte Ab: waſchung des Kindes, welche die Hebamme beforgt, bietet nichts eigentümliches, ebenfo fennt man bei dem Legen, - Tragen und Wiegen des Kindes feine befonderen Gebräuche, Die erſte Schlafjtätte des Kindes iſt die Wiege, die ihm

4

189

Auf Sylt fingt 3. B. das Kind, indem e8 den ausgefallenen Zahn in den Schornitein oder ins Uhrgehäufe wirft: „Müske, Müske, ik bring di en guld’en Ted’, Bringst mi uk en bünenen wedder!“ (Mäuschen, Mäuschen, ich bringe Dir einen goldenen Zahn; Bringft Du mir einen beinernen wieder?)

Die Sprache der Halligbetvohner iſt die friefifche und zwar ein bejonderer Dialekt derjelben, der demjenigen der Feftlandsfriefen am nächſten jteht. Die drei Mundarten der Önfelfriefen find nämlich die Sylter, die Föhringer und Amringer und die Halliger Mundart. Das Kind lernt von der Mutter diefe Sprache, hat es aber desun— geachtet nicht Schwer dabei, in Schule und Kirche die deutſche Sprache zu erlernen. Bon befonderen Kinderfeiten bat 1 „Die Frauen auf unferen Inſeln alle find befonders gute Mütter, die Güte ſelbſt gegen ihre Kinder, höchft treu und liebe— voll, alle Schmerzen an der Bruft ausftehend, aus veiner Mutterliebe”, fagt Dr. 8. 3. Clement „Die Lebens- und Leidensgefchichte der Friefen“. Kiel 1845. Seite 142,

184

auf Vegetation.

Die Differenz zwiſchen See- und fontinentalem Klima mit Beziehung

fich auf der Hallig nur das auch auf den übrigen Inſeln übliche Freudenfeier zur Feier des Petritages erhalten. Auf Anhöhen zünden die Kinder Strohwiſche u. dergl. an oder fie wandern damit am Ufer auf und ab. Dieſe ur— fprüngliche altheidnifche Feier Elingt alfo auch hier im Spiele der Kinder wieder, während fonft auf der Hallig meift Greif und Verſteckſpiele üblich find, die durch die mit geringen Abweichungen in ganz Nordfriesland befannte Auszähl:

formel: „Ene, mene, ment, klikk, klakk, klent, oster, boster, bakke di, eier, weier, weg, ticke, tacke, tucke weg!“ eingeleitet werden. Eins der Kinder zeigt der

Das Erbrecht

der Kinder

erfcheint

fehr ausführlich

dargelegt und dürfen wir leider des Naumes wegen nur ganz einzelne Fälle herausheben: „Benn ein Kind gebohren wird und einen lebendigen Odem hat und foldhes glaubwürdig von Frauen und Wehe müttern bezeuget wird, dasfelbe ſoll ein Erbe fein nad) altem

Landrechte.”

Hingegen

iſt anno

1531 „ein neues

gebohrenes Kind, jo fein laut oder gejchrey von ſich gegeben, nach altem Erbrecht erbloß erfand.” — „Es fünnen die Kinder über der Eltern Schooß nicht in Erbtheilung greifen, dieweil die Eltern leben.” „Ein bruder nimt in Erbtheil-

Reihe nach mit einem diefer Wörter auf jedes der übrigen

ung zwei pfenninge und darentgegen die Schweiter einen

einen Kreis bildenden

pfenning nach altem frefchem Landrechte“ ꝛc. (Nach einer alten Handfchrift.) Die Frau, deren Mann gejtorben

Kinder und

muß dasjenige, auf

welches das lebte Wort fällt, die anderen, die fogleich fortlaufen, zu greifen fuchen. Beſonders gern wird das folgende Spiel, Klafuner genannt, gejpielt, Eines der Kinder, das ausgezählte, jtellt fich gegen eine Mauer oder eine Blanfe und zählt hundert. Die anderen Kinder ver: iteden fie) während deſſen und es geht nad) beendigtem Zählen der Hafcher aus, fie zu fuchen. Inzwiſchen aber haben die Berftedten ihren Schlupfwinkel verlaffen und

var, mußte mit ihren Kindern den „Bau ausschifften” nad) Erfenntniß frommer Leute. Verheirathete ſie fich wieder, jo wurde fie „ausgefchifft” und die Kinder verblieben im

Bau ec. Mit der Konfirmation tritt heute das Kind meijtens aus dem Elternbaufe aus, befondere Gebräuche und Sitten fommen bei verjelben nicht vor.

juhen nun früher an die vorgedachte Planfe oder die Mauer zu gelangen, als der Hafcher. Gelingt e3 ihnen, jo muß der Hafcher fie abermals auffuchen, dagegen muß dies ſonſt dasjenige Kınd thun, das zuleßt vor dem Hafcher jene Male erreichte oder gegen diefelbe fchlug. Der Hafcher ruft alsdann: „Klafuner N. N.!“ Auf den Halligen, als den Neften Alt-Norditrands, galt ſeit 1572 mit Beziehung auf Necht, Stellung und Pflicht des Kindes das norditrandifche Landrecht, und gibt uns dasjelbe namentlich über Erbrecht der Kinder, über das Alter der Mündigfeit, über Vormundſchaft Aufſchlüſſe, die um fo intereffanter find, da fie bis vor nicht gar langer Zeit noch im vollen Umfange gültig waren. Es

heißt dort im II. Teil, im 8. Artifel: „Ein Anabe von XVIII Fahren und ein mägpdlein von

mündig.“ — in Eiden

und

Landrecht.“ —

XII Jahren

fein

„Es mag au ein Knabe von XII Jahren gezeugnißen

jtehen nach altem freßifchem

„Aber dieweil bei den Jungen der rath

und verſtand noch ſchwach ift, daß fie ihren gütern nicht jelbft wohl vorftehen können, fo follen fie ihrer güter der zeit nicht mächtig feyn, ehe fie 18 Jahre vollfommenlich erreichet“ ꝛc. — „Öleicher geftalt auch, wo einer unter 18 Jahren ſich im den eheſtand begeben wollte und fich von der Obrigkeit mündig erkennen ließe, der wird dadurch mündig und der Verwaltung ſeiner güter mächtig.“ Dem Vater ſtand das Recht zu, in ſeinem Teſtament für ſeine

unmündigen Kinder Vormünder zu ernennen; that er es nicht, ſo ernannte die Obrigkeit geeignete „Blutsfreunde“ der Kinder als Vormund. Vormund konnten ſein die Mutter, ſo lange ſie Witwe war, unter Zuhülfenahme zweier Vormünder, die mündigen Brüder, der Großvater väterlicher Seite, derjenige mütterlicher Seite oder, wenn

die nicht vorhanden, die nächſten Vättern und „Oheimbe” ꝛc.

Fortſetzung folgt.)

Die Differenz zwiſchen Ser: und kontinentalem Klima mit Seichung auf Degeintion. Die Differenz in der Vegetation zwiſchen See— und fontinentalem Klima tft ohne Zweifel am beften zu beobachten im Wachstum der in der gemäßigten Zone allgemein

fultivierten Pflanzen,

weil doch jedes Klima jeine eigene

Flora bat.

Ob das Klima eines Landes günftig für diefe Pflanzen it oder nicht, geht in erſter Neihe aus ihrer Verbreitung nach dem Norden hervor; wir werden deshalb verjuchen, die nördliche Grenze der wichtigiten Pflanzen zu verfolgen,

welche entweder in einem Lande angebaut und im anderen wild wachſen oder überall für verichiedene Zwecke kultiviert werden.

Zu der erſten Abteilung gehören meiſt Bäume, zu der zweiten eins oder mehrjährige Kräuter oder Sträucher; wir werden mit Bäumen anfangen:

Pinus Norwegen

sylvestris

L.,

Kiefer,

Schottland 950,

700 20°, KolasHalbinfel 690, Petſchora-Gebiet

670 15°, Db 660, Turuchansk 65%, Das Werchojanskiſche Gebirge, öftlich von der Lena (640) ift die öftliche Grenze diefes Baumes, ! Betula odorata

.

an; Me

|

(Alba L. var.), Birke, i Grönland 619 (Strauch), Island 650 (Strauch bis 10 Fuß bob),

England

Bechst.,

590,

Norwegen

700 50%,

Halbinfel

1 Midvendorfi, Sibiriſche Reife. Band IV, Teil I, ©. 556. 2 Middendorff, ©, 567.

* F J

Die Differenz zwiſchen See- und fontinentalem Klima mit Beziehung auf Vegetation.

Kola 690 30°,

Halbinſel Kanin 670,

Ob 660.

Von

der Kolyma bis zum Penſhina-Buſen 630 und Kamtſchatka;

auf dieſer letteren Halbinfel ift fie noch ein hoher Baum.

785

burg, Kargopol, Uſt alle zirka 62 0, Solikamsk, UralGebirge zirka 550 50°, Werchoturje. Vitis vinifera L., Weinrebe, Bretagne 479 80%,

Quercus pedunculata Ehrh. (Q. Robur L. var.), Stiel-Eiche, England 580, Norivegen wild bi3 620 557, fultiviert bis 650 54°, Finnland (Küfte) 610 30° (Björne: borg), St. Petersburg, Jaroſlav-Perm 580,1

Yüttih 500 45°, Thüringen bis Schlefien 510 55°, Süd— Salizien, Süd-Rußland zwifchen zirka 480% und 490,

Larix europaea D. €. (influfive L. sibirica Ledeb. und L. dahurica Turez.), Lärche, Norwegen (europaea

Kalifornien.

D. C.) 66° 5° (dahurica Turcz

590 55), beide fultiviert

Onega, Weißes Meer, Südweſtküſte der Onega-See, Meſen (Halbinſel Kanin) 670, Petſchora 670 30, Ural-Gebirge 670 15°, Kara 630 (nördlichjte Grenze in Europa), Jeniſſei 70%, Boganida 710 15°, Chatanga 720 30° (mördlichite Grenze der Bäume auf der Erde), Anabar 710, Dienef und Lena 72°, Sana 719, Indigirsfa 700 45, Kolyma 69°, Anadyr 650, zwischen Ochotsf und Gifhiga 61, Halbinsel Sadalin 490 bis Jeddo und der Inſel Kunaſchir 430 An der Küfte von Kamtſchatka ift die Yärche nirgends zu ſehen; in den Thälern diefer Halbinsel, geſchützt vor Falten Seewinden, iſt fie jedoch ein jehr fräftiger Baum.? Pyrus Malus L., Apfelbaum, Shetlands-Snieln (£ultiviert), England 570, Norwegen (£ultiviert) 650 287,

(wild) 630 40%,

Bottnifcher Bufen 630 45°

Aſtrachan, Buchara in Turfeftan 400 (hier wird die Rebe im offenen

Felde

kultiviert),

Chiwa 420,

China 400

Diefe Pflanze kann der äußeriten Kälte des afiatifchen Winters nicht mwiderftehen; fie braucht einen warmen oder

lang dauernden Sommer, wie 3. B. in Kalifornien, und fann daher in England nicht allgemein kultiviert werden. Die Thatjache, dat die Weinrebe auch in Kalifornien jehr

gut gedeiht,

wird

ohne Zweifel durch die anhaltende

Beleuchtung der Sonne und alfo durch die direkte folare Wärme zu erklären fein; die mittlere Temperatur ift hier

un Sommer doch viel niedriger als in Europa unter gleicher Breite. Triticum vulgare Vill., var. aestivum, SommerWeizen, England, Norwegen in Feldern 640 40°, in Gärten 690 28%, Finnland 650,2 Divina 630, Jakutsk, wejtliche Küfte von Nord-Amerifa 550, Fort Yiard 600 51,3 Peace-River 560 6, Ontario, Oft-Canada.

(Tultiviert),

Hordeum vulgareL. (influfive hexastichum), Gerite,

Finnland 63° (fultiviert), 609 (wild), Nordfüfte der Onega— See (kultiviert), Narwa 590 30° (wild), Twer 560 45° (wild), Niſchnei-Nowgorod 569 (wild), Kafan 569 (wild),

Färöer-Inſeln 620 15° (felten reife Körner), Norwegen 709, Weſtküſte des Weiten Meeres 670, Ob 610, Jakutsk 629,

füdweftlih von Orenburg 50°, Kopal, Aſien 45°. Fagus sylvatica L, Roth-Buche, England 58°,

Kamtſchatka (Binnenland) 530 bis 540, Nordweſtküſte von Amerifa, ſüdlich von Siteha 579, Fort Norman, Madenzie-

Norwegen 59°, (fultiviert) 670 56‘, Schweden 57, Königs: berg, Volen, Südweſt-Rußland, Krim, Kaukaſus, Berfien.

River 650,4 Bay 50°,

Castanea vesca Grtnr., Kajtanie, Süd-England, Deutschland, bis zur Inſel Nügen, Oeſterreich, Kaufafus. Populus alba L., Silber-PBappel, England 56°,

Arena sativa L., Hafer, Schottland, Norivegen 69 9 28°, Finnland 699, Aſien diefelbe Breite wie die Gerſte, Senifjei 619, Jakutsk, Kamtſchatka (Binnenland), Nord:

Norwegen (£ultiviert) 670 56‘, Deutfchland, Defterreich, Rußland, Volhynien, Kiew, Charfow, Tambow, Kafan,

Amerika diefelbe Breite wie die Gerſte.

Ufa, Altai-Gebirge. Populus tremula L., Zitter-Pappel, England 590, Norwegen 700 37°, Halbinſel Kola 690 30‘,

Oſtkuſte des Weißen Meeres 660, Jeniſſei 66%, Kolyma 670 30,3 Amur.

Alnus incana W., Weiß-Erle, Canada, Norwegen 709 30°, Kola 699 30°, Jeniſſei 679, Amur-Öebiet, BetroPaulowsk auf Kamtſchatka.

Ulmus campestris L., Ulme, England 570, Nor: wegen (£ultiviert) 630 26%, Rußland: Ilmen-See ſüdlich von Moskaw, Rjäzan ſüdlich von Kaſan und Ufa bis zum

Udſhoi Oſtrog

öftlih von Winnipeg 500, St. Lawrence

Solanum

tuberosum

L.,

Kartoffel,

England,

Norwegen 710 7, —— 650, Turuchansk 650, Jakutsk, Küſten des Ochotskiſchen Meeres, Kamtſchatka, Kadjah-Inſel, Sitcha, Mackenzie 65°, Canada, Labrador 580 45‘ Grönland. Zea Mays L., Mais.

Norwegen (wild) 629 9°, (kultiviert) 670 56’, St. Peters—

1 2 3 Land. 4 5

1884, Nr. 40,

Meere 540 30%,

Jakutsk, Kamtſchatka (Binnenland), Nord-Amerifa etwas ſüdlich von der Breite der Gerite, Oſtküſte 500.

die Weinrebe ihrer Samen.

Ausland

Ochotsfifchen

Secale Cereale L., Noggen, England, Norwegen 690 30°, Finnland 679, Meſen-River 650 45‘, Petſchora— Gebiet 650 45°, Ural-Gebirge 570, Db 60°, Senifjei 590 30%,

Ural-Gebirge. Tilia europaea L. (influfive parvifolia, srandifolia und intermedia), Linde, England 57° (parvifolia),

1 Middendorff, ©. 575. 2 Middendorff, ©. 536. 3 Middendorff,©. 573.

nahe dem

Diefe

Pflanze

einen fehr warmen Sommer Sn England Tann fie nur

braucht

ie

zum Reifen als Gemüfe

Srifebadh, die Vegetation der Erde, Teil I, ©. 407. Middendorfi, ©. 709. Richardson, Searching-Expedition through Rupert’s Vol, II. ©, 2617. Richardſon, ©. 269. PVetermanns Geographiihe Mitteilungen, 1559. ©, 124, 119

786

Die Differenz zwischen See- und fontinentalem Klima mit Beziehung auf DBegetation,

fultiviert werden;

an der Weſtküſte Europas fünnen ir

jagen, daß die Kultur nur vorteilhaft ift auf 460 n. Br.

und nicht nördlicher; im Nheintbale erreicht diefelbe 490 bis 50%. In Norddeutichland werden die Körner in der Regel nicht mehr reif. Seibft in den tieferen Thälern am nördlichen Fuße der Alpen und in den deutfchen Alpen jelbjt, bedarf e8 im September des Föhns, um den Mais auszureifen. In Nord-Amerifa veicht die Kultur jedod bis 510 n. Br.! und zwar bei einer Vegetations— Periode von 3 bis 7 Monaten. Es ift verfucht worden, die Varietäten mit Furzer Vegetations-Periode in Europa zu kultiviren, jedoch ohne Nefultat; diefelben verwandelten ih nach wenigen Generationen in die gewöhnliche Art. Es müſſen alfo in Amerika eigentümliche Vertvandtichaften zwiſchen dem Klima und diefer Pflanze exiftieren, welche

in Europa nicht vorhanden find. Wir fehen alfo, daß von den eben genannten Pflanzen

die Lärche, Kiefer, Birke und Ejpe in Sibirien am weiteſten nach Norden reichen; jedoch wachſen fehr viele der oben als FZultiviert angegebenen Pflanzen und beinahe alle Gewächſe der gemäßigten Zone, entiveder Fultiviert oder wild, in dem See-Klima Norivegens, und zwar bis zu ſehr hoher Breite. An

der Nordweitlüfte Amerika's

wächſt

die Kiefer

in viefigen Exemplaren in einem Klima mit fortwährendem Niederichlag, jedoch verbreiten fich diefe Rieſenbäume teil: weiſe über das Felfengebirge hinüber, wo das Klima ein völlig anderes ift (öftlicher Abhang). In Britifch-Columbia ift das Klima fontinental, im Winter jehr Falt, jedoch findet man hier diefelben riefigen Baumeremplare wie an der Küſte; der Niederfchlag fällt hier im Frühling, ift aber fehr bedeutend. In Kalifornien, deſſen Koniferen zu den größten Bäumen der Welt (an Umfang wenigſtens) gerechnet werden fünnen, regnet es hauptfächlich im Winter (November

bis April); die Urfache ift befannt:

die Bol-Strömung,

von NW. kommend, erreicht die Falifornifche Küfte unter zirka 450 n. Br. Das Seewaſſer ift im Sommer viel fälter als das Land, und weil die Winde während dieſer Jahreszeit meiſt nordweſtlich ſind, kann kein Niederſchlag ſtattfinden. Dies iſt auch die Urſache der gleichmäßigen Temperatur während des ganzen Jahres,? jedoch kann die rieſige Vegetation der Nordweſtküſte Amerika's nicht allein durch klimatiſche Urſachen erklärt werden, denn Norwegen oder Island, beide mit einem ſehr feuchten Klima, haben einen derartigen Baumwuchs nicht aufzuweiſen. Es iſt eine Eigentümlichkeit dieſer Küfte, wovon die Urſache un— bekannt iſt. In den ſüdlichen Teilen des Amur-Gebietes iſt im Sommer eine üppige Vegetation zu bemerken; die jährliche A Richardſon Vol, IL, ©, 267. 2 San Francisco: Wintertemperatuv

Sahr 10,50 C,

80,

Sommer 11,50,

Negenmenge beläuft fih auf 700 mm. (ungefähr diefelbe wie in Deutfchland), und es haben die Pflanzen im allgemeinen mit den europäifchen viele Aehnlichkeit,! und zivar ın einem Lande, wo die Wintertemperatur viel

niedriger ift als in den nördlichiten Teilen Zapplands; der Sommer aber iſt bier viel wärmer als in Europa unter derjelben Breite und es füllt auch der Niederschlag nur während diefer Jahreszeit. sm Binnenlande Sibiriens befteht die Wegetation meist aus Koniferen; der üppige Pflanzenwuchs des Amur-

Gebietes klima's

muß ſtehen,

ausſpricht,“

alfo wohl unter dem Einfluffe des See mie

es Middendorff

als feine Meinung

obwohl ſich eine Gebirgsfette

an der Küſte

befindet.

Die ausgedehnten Wälder in Rußland und Sibirien betveifen, daß in einem fontinentalen Klima manche Bäume

der äußerſten Winterfälte widerſtehen fönnen,3 jedoch ift im allgemeinen ein Seeklima mit mildem Winter und einer langen Vegetationg- Periode für den Baumwuchs am

beiten geeignet. Wie wir gefehen haben, erreicht die nördliche Grenze

der Cerealien im Binnenlande eine viel höhere Breite als an den Küjten.

An der Nordweſtküſte Nord-Amerifa’3 find die Snfeln Sitha (57% n. Br.) und Kadjak die äußerſte nördliche Grenze des Getreivebaues. Auf den Farber-Inſeln wird Gerſte Fultiviert, aber die Körner werden nur ſehr jelten reif;“ die Urfache ift Mangel an Sonnenschein, verurfacht durch einen faſt anhaltend bewölften Simmel, Stürme und Niederſchlag; die Folge davon ift eine niedrige Sommer:

temperatur (mittlere Temperatur für Thorshavn im Juli 139), denn Getreide verlangt ein jonniges Klima und den direkten Einfluß der Sonnenftrahlen. Dieß erklärt auch den Getreidebau innerhalb des Polarkreifes (Norwegen), wo die Sonne

im Sommer jtetS über dem Horizont bleibt. In NordeAmerifa, an der Küfte der Hudſons-Bai, erreicht die Baumgrenze kaum 590 und die Grenze des Öetreidebaues

nur

500 (Ontario).

An

der Küfte

des

Ochotskiſchen Meeres Tann fein Getreide gebaut werden, jelbjt nicht an der Sübfüfte unter 500 n. Br. In Grön— land tft der Getreidebau unmöglich. Die Urfache ift diefelbe wie oben angegeben: das feuchte Klima und Nebel im Sommer, alfo aud hier Mangel an Sonnenlidt.

Von allen Fultivierten Gemüſen reichen Raphanus sativus L. et var. (Rettich), Brassica Rapa L. et var. (Rübſen) und Brassica Napus L. et var. GKohlraps) fo mweit nad Norden als Dörfer oder Anſiedlungen zu finden Kittlitz, 24 DVegetationsanfichten von Kiüftenländern und Inſeln des Stillen Meeres, ©. 53. 2 Middendorff, ©. 763. 3 Der geringe Umfang des Stammes, felbft wenn der Baum Jahrhunderte alt ift, zeigt jedoch, daß der Wuchs vom Klima gehemmt wird. Middendorfi ©. 632, * Martin, Sur la végétation de l’Archipel des Féroé.

Die antarktiichen Regionen.

find. In Norwegen bis über 700 n.Br,, in Sibirien bis zum Bolarkreife, an der Nordweſtküſte Amerifa’s bis 640 45° Nulato)

und

Nedoute

St. Michael 630 30%,

Sm

Binnenlande bis 67% (Fort Good Hope).! In Grönland werden Kohlvaps, Nübjen und felbjt Kohl und Salat

Eultiviert unter 70% n. Br. (Infel Disko).

mit der des äußerſten Seeklima's vergleicht, fo fällt die Vergleihung

zum Vorteil

des

erften aus:

die füd-fhet-

landiſchen Inſeln unter 609 bis 630 |, Br. find ſchon die | äußerſte Grenze der phanerogamifchen Pflanzen (nur ein Gras, Aira antarctica Forst. wird hier gefunden); und auf der Cockburn-Inſel (649 |. Br.) find nur noch Krypto⸗ gamen vorhanden. Im antarktiſchen Gebiete ſind ver—

ſchiedene Urſachen zu nennen, wodurch die Vegetation ſchon auf einer niedrigen Breite aufhört; jedoch ſind dies alles Folgen der Haupturſache, nämlich der ausgedehnten Waſſerfläche der ſüdlichen Halbkugel; ein fortwährend miedriger Barometerſtand, heftige Stürme und eine ſehr | niedrige Sommertemperatur (meift unter dem Gefrierpunfte)

/

Deutichland dagegen hat ein Klima, wo wir beinahe

alle Pflanzen der gemäßigten Zone und ebenfo die gewöhnlich fultivierten finden fünnen; wir fehen die Weinrebe hier am weiteſten nad) Norden reichen, während Gerealien und

alle Gemüfearten

ihre Früchte

fommenen Reife bringen.

Die Kartoffel folgt den oben erwähnten Pflanzen in ihrer Verbreitung nach Norden und gehört auch zum Seeklimaz; an der nördlichen Grenze in Sibirien ift fie jedoch niicht größer als eine Wallnuß.? In Grönland kann nur die jorgfältigfte Pflege eßbare Exemplare erzeugen. Die Pflanze blüht jedoch nie3 | Wenn man die Vegetation des Fontinentalen Klima’s

|

187

ih am eignet,

oder Samen

zur voll

E3 ift deutlich, daß diefes Klima

beiten für die Vegetation der gemäßigten Zone

Wenn wir nun die mittlere Temperatur des Juli in Deutjchland vergleichen mit der mittleren Temperatur, vie fie Dove für die Breite von 50% n. Br. berechnet, alfo + 179, jo finden wir, daß eben in diefem Teile Europa’s die Sommer-Temperatur im allgemeinen nur einige Grade höher tjt al3 die berechnete; die Sfotherme für 200 C, im Juli zieht quer über Deutjchland in der Richtung von

Weit nah Dft, während Großbritannien nur die Linie von 150 aufzuweisen hat; eine Differenz von 50 C, mittlerer Temperatur iſt aber feine Urfache der Begetationg=Differenz, wohl aber der Unterfchted an direkter Sonnenmwärme, Aus dem oben Öefagten geht alfo hervor, daß ein gemifchtes Klima mit milden Winter (die Anomalie für Sanuar beträgt für Deutfchland im allgemeinen ungefähr +50C,) und warmem, fonnigem Sommer das beite ift für die Vegetation des gemäßigten Erdſtriches. Bliffingen, Suni 1884. M. Buyszman.

find die Folge davon.

Das äußerte fontinentale Klima bat auch) feine nad) teiligen Einflüffe auf Vegetation und Getreidebau. In erſter Reihe werden die Gerealien oft durch) Nachtfröſte

|

Die ankarktiſchen Kegionen.

vernichtet und dieſes macht die Ernte unſicher. Der fortwährend gefrorene Boden iſt die Haupturſache

Don Kid. U. Proctor.“

weshalb

das Getreide nicht weiter nach Norden kultiviert

/

kann

Bon gewiffen Teilen unferer Erde willen wir noch weniger als vom Mond oder fogar bon irgend einem der

Bodens,

als 629 (Jakutsk). Die Temperatur des worin die Wurzeln der Gewächfe vegetieren müſſen,

voariirt

zwiſchen 20 und 50 0. Die Vegetation iſt alſo

Planeten. Das Auge des Aitronomen hat die unerreichbaren Gipfel der Gebirge des Mondes erblidt: er hat die

werden

eine langſame, obwohl die Temperatur des ſibiriſchen Sommers im allgemeinen ſehr hoch iſt (Jakutsk Juni 130, Juli 160);4 die Vegetations-Periode iſt dieſelbe wie in

Zentral-Europa (10 bis 12 Wochen)? 1

Die Periode in

Nord- Amerika ift nicht kürzer (Fort Simpfon 630),6

Eine

30: bis 40- fältige Ernte des Getreides wechſelt jedoch ab mit Jahren ohne die geringfte Ernte.

Bekanntlich trogen die wilden Pflanzen Sibiriens der ſtrengſten Kälte. Wir haben gefehen, daß in Europa jelbjt das Klima des nördlichen Teils von Großbritannien für jehr viele Fultivierte Pflanzen

und

auch für einige

Öemüfearten nicht geeignet ift. 1 Richardion, Vol. I, ©. 214. 2 Middendorff, S. 700, 3 v. Etzel, Grönland, geographiſch und ftatiftifch befchrieben. ©. 282.

4 Middendorff, S. 772. 5 Middendorff, S. 718. 6 Richardſon, Vol. I, ©, 165.

dürren Wüſten ftudiert, welche innerhalb der Krater des Mondes liegen; er hat das Licht gemefjen, das diefe Ne:

gionen zurüdtverfen, ja er kennt vielleicht jogar den Grad, bis zu welchem dieſelben unter der ſengenden Sonne des langen Mondstages erwärmt werden. Der Ajtronom tft noch über den Mond hinausgegangen: er hat die Länder und Meere einer Welt ftudiert, welche man mit Necht ein Miniaturbild unferer Erde genannt hat; er hat die Wolfen beobachtet, welche fich über den Kontinenten und Ozeanen des Planeten Mars bilden und fogar gleich den unferigen von den Sonnenftrahlen zerteilt werben; er hat jogar die Beltandteile der Atmosphäre jenes Planeten bejtimmt.

Allein noch mehr als dies: der Aitronom hat in der That die Beichaffenheit derjenigen Teile des Mars ftudiert, wohin (wenn man der Analogie einigen Glauben beimefjen darf) fogar die Einwohner jener Welt vorzudringen außer Aus

der „Knowledge“.

188

Die antarktifhen Regionen.

ftande find. Das vötliche Geſtirn, welches während der Frühlings-Monate nun an unferem Himmelögetvölbe ficht bar war, bietet dem Ajtronomen jeine arktifchen und ant— arktifhen Wildniffe dar. Er vermag das allmähliche

Wachstum der einen oder der anderen Region zu beobachten, je nachdem der Winter abwechfend über der nörd— lichen oder füdlichen Hemifphäre des Mars vorwaltet; er fann ihre allmähliche Berfürzung mit dem Fortjcehreiten des auf dem Mars herrfchenden Sommers mefjen und aus ihrem Anblick jchliegen, daß dafelbjt jogar in der Höhe des Sommers noch eisbededte Negionen von ſolch ungeheuerer Ausdehnung zurüdbleiben, daß diefelben unzweifelhaft allen Anftrengungen der Marsbewohner troßen, nach den Polen des von ihnen bewohnten Globus vorzudringen. Der Aſtronom kann alfo feine Beobachtung dahin richten, wohin höchſt wahrjcheinlich noch niemals irgend ein leben: des Geſchöpf auf dem Mars gedrungen ift; der Aitronom unferer Erde vermag daher mit einem anfehnlichen Grad von Vertrauen Fragen zu erörtern, an deren Betrachtung jich noch Fein Aſtronom auf dem Mars hat machen fönnen, Ganz dasfelbe ift mit den entfernteren Planeten Supiter und Saturn der Fall. Troß der ungebeuren Näume, welche ung von diefen Geftirnen trennen, wiſſen wir doch ziemlich viel über ihre phyſiſche Befchaffenheit, und während unfere Kenntnis von unferer eigenen Erde durch gewiſſe, bi3 jetzt noch unüberfchrittene, niemals überfchreitbare Schranken beſchränkt ift, gibt es feinen Teil der Ober: fläche jelbjt eines jener viefigen Planeten mehr, welcher noch nicht der Unterfuchung des Aſtronomen unterworfen war, Diefe Erwägungen regen in uns dagegen den feltfamen Gedanken an, daß möglicherweife die noch nicht erreichten Gegenden unferer Erde von Weſen erſchaut wurden, die nicht von dieſer Erde find. Sch fage: möglichermweife, aber ich fönnte fogar fagen wahrfcheinlicherweife. Es iſt eine in Feiner Weiſe unvernünftige Vermutung, nicht allein daß der Schweiterplanet der Erde, die Benus, beivohnt jet, jondern au, daß einige Gefchöpfe auf der Venus diejenige Gabe vernünftiger Schlüffe und diejenige Ein— jiht in die Geheimniſſe der Natur befisen, welche die Bewohner der Erde in den ftand geſetzt haben, die Geſtirne zu ſtudieren, welche gleich ihr um die Sonne freifen. Wenn dies alfo der Fall ift, wenn es auf der Venus Teleffope und im Gebraud derfelben erfahrene Aftronomen. gibt, welche jo gefchtet find, mie diejenigen unferer Erde, fo find fie im ftande, Fragen zu beantiworten, welche jeither die Be: mühungen unferer Geographen vereitelt haben. Sie mögen

allerdings nicht die Mittel haben, Einzelheiten hinfichtlich des Baues unferer Kontinente und Ozeane zu ermitteln, Sie Tonnen z. B. nicht wiſſen, ob die Negion, bis zu welcher Livingſtone vorbrang, jo wie wir vermuten, das Uuellenland des Stromes ift, welchen wir den Nil nennen, vder ob es, wie andere mutmaßen, in Wirklichkeit das Quell:

gebiet des Kongo ift. Sicherlich vermöchten auch Feinerlei teleſkopiſche Hilfsmittel, welche unfere Aftronomen befiten,

uns eine Belehrung über derartige Punkte geben, wenn wir unfere Stellung mit derjenigen der Venusbewohner

vertaufchen könnten.

Allein die Aitronomen auf der Venus

fünnen auch ohne außerordentliche telejfopifche Hilfsmittel fih davon vergemwiffern, ob unſere Bolarregionen den ent— Iprechenden Regionen auf dem Mars ähnlich find, oder ob,

wie manche Geographen mutmaßen, die arktifchen Regionen im Sommer

von einem offenen Ozean eingenommen werden,

während in den antarktiihen Regionen fih ein großes Feſtland befindet.

Den Unterfuhungen binfichtlich der Befchaffenheit der arktiichen und antarktifchen Regionen ift ein neues Inter— ejje verliehen worden durch den Umijtand, daß man von der Expedition des „Challenger“ erwartet, fie werde ung

nähere

Auskunft bezüglich der letzteren Regionen

ver:

Ihaffen, während man an die englifche Regierung das Ges

ſuch um Unterftügung einer zu veranftaltenden arktifchen Erpedition gerichtet hat. Ich beabfichtige nur einige der Fragen

in Erwägung zu ziehen, welche mit der antarktifchen Forſch— ung zuſammenhängen

und mich insbefondere mit der Er:

Örterung der Wahrfcheinlichfeit des Borhandenfeins großer fontinentaler Länder innerhalb des Südpolarkreifes zu befaffen.

Bevor wir übrigens an die Erwägung diefer Punkte geben, habe ich noch einige Bemerkungen über die Frage

der Negierungsbeihilfe zu dieſem Zweig der geographifchen Forſchung zu machen.

Alle diejenigen,

welche diefen Gegenftand erörtern,

jollten fi vor allem daran

erinnern, daß die erſte Er—

forihung der Polarregionen unferer Erde einen fommer: zellen Ursprung hatte. Man vermutete, daß, wenn es gelänge,

eine Durchfahrt

um

die nördlichen Küften des

amerikanischen Feſtlandes zu finden, die Verbindung mit China und Dftindien weſentlich erleichtert werden würde. Ein Weg dahin um das Kap Horn herum mar gefunden worden, aber der Weg war lang und die Stürme, welche in den antarktifchen Meeren herrfchen, machten den Seeiveg für die Beitgenoffen Magelhaen's uneinladend. Die natür:

|

liche Vermutung in jenen Tagen var, daß Neifende aus den großen nördlichen feefahrenden Ländern oder Nationen — aus England, Spanien und Portugal oder aus den

Niederlanden — es weit vorteilhafter finden würden, lieber nordwärts als gegen Süden zu fahren. Daher die langen und hartnädigen Berfuche, welche man anftellte, um eine

Nordiveitdurchfahrt zu entdecken.

Auch die direfteren arkti—

hen Reifen von Hudfon und Richardſon wurden in feiner

anderen urfprünglichen Abfiht ausgeführt. Es liegt in der That offen zu Tage, tie jeder bei genauer Beſich— tigung eines Erdglobus wahrnehmen wird, daß ein norde

öftliher Kurs beinahe ebenfo vorteilhaft fein würde, als ein nordweftlicher, um von Europa aus die Länder des fernen Dftens zu erreichen, und daß ein unmittelbarer polarer Kurs jedenfalls. zweckmäßiger fein würde, als irgend ein anderer, falls nur (wie Hudſon hoffte) eine

\

Die antarktiichen Regionen,

fichere Durchfahrt durch die Polarmeere gefunden erden

weniger als unwahrſcheinlich, daß noch andere Deffnungen

fönnte.

vorhanden find, mitteljt deren der Südpol erreicht werden Tann, als jene große, rundum von fteilen und hohen

ALS aber die Hoffnung, eine nordweftliche Durchfahrt für den Handelsverfehr zu finden, ſchwand, da ermutigten allmählich andere Umftände das Beharren in den Bemühungen, welche bis dahin gemacht worden waren, um in die Negionen einzudringen, die nordwärts vom amerifaniz

hen Sejtlande lagen. Man hatte die getwichtigften Gründe für den Wunsch, dasjenige zu erreichen, was jo vielen mißlungen war, und es iſt jehr fraglich, ob dieſer Wunſch nicht zum größten Teile die Bitten beeinflußt hatte, welche

fortwährend an die britifche Negierung um Unterftügung derartiger Expeditionen gemacht wurden, wie er auch das bereittvillige Eingehen der Regierungen auf derartige An:

forderungen beeinflußt haben mag. Nichtsdeftoweniger hatte ſich auch ein wirkliches wiſſenſchaftliches Intereſſe an die Forſchung nad einer Nordweſtdurchfahrt geknupft. Man wußte, daß der magnetische Pol der Erde irgendivo inmitten des öden Archipels mit feinen eisumgebenen Ei-

landen und gletjcherbelaiteten Küften liege, durch welchen unjere kühnen Seefahrer jo lange zu dringen verfucht hatten. Dort liegt ebenfalls einer der nördlichen Kälte: pole; während die Konfiguration der Sfothermal-Linien (oder Linien gleicher Temperatur) in der Nahbarichaft

Felſen umgürtete Bucht, in welcher Roß fich dem ſüdlichen magnetifchen Bol am

meiften zu nähern vermochte,

Sch

werde ſogleich Gründe zu der Annahme angeben, daß die antarktifchen Negionen ebenfo gut wie die arftifchen von einem

Archipel

eingenommen

größten Teil des Jahres aber dennoch während

werden,

welcher zwar den

hindurch von Eis umfchloffen,

des Sommers

dringlich iſt. Gleichwohl

nicht ganz undurd)-

ift dort nur ſehr wenig vor-

handen, was irgendwelche Verſuche ermutigen würde, dieſe Region anders zu erforſchen, als in Schiffen, welche

ſpeziell dazu

erbaut find,

den Gefahren

derſelben

zu

trotzen.

Es iſt eigentümlich, mit welcher Zuverſicht manche Geographen von dem großen antarktiſchen Kontinent ge— ſprochen haben, wenn wir uns erinnern, daß die Forſcher

im Südpolarmeere

unter irgend welchen Längengraden

nur ein ganz unbeträchtliches Stück Küſtenlinie gefunden haben, ausgenommen da, wo Roß dem Südpol am nächſten kam (780 10° ſ. Br.). Es iſt abſolut auch nicht das mindeſte Zeugnis für den Glauben vorhanden, daß die Eis—

nah dem Nordpol

ſchranken, welche man angetroffen hat — Sabine-Land, Adeline-Land, Viltoriasland und Graham-Land — zu einer und derjelben Landregion gehören. Auch ift es noch gar

führt und die Regionen wejtlih von diefem Kurfe einem bedeutend intenfiveren Kältegrad ausgejegt läßt. Diefen

nicht gewiß, daß die ganze auf den Karten verzeichnete Küftenlinie genau tft, denn man darf nicht vergefjen, daß

darthut, wie irgend ein Einfluß thätig ift, welcher aus dem

Atlantiſchen Ozean relative Wärme

Erwägungen gejellten ſich noch andere zu, welche mit dem

da wo Kommodore

Walfiſchfang

Roß ein offenes oder wenigſtens nur von Eis verfperrtes Meer fand und dafelbit jegelte. Und doc) Schreibt Dr. Jilek in feinem an der k. k.Marine: Akademie zu Wien eingeführten Textbuch der „Ozeano—

zufammenhingen;

obſchon

ich damit

nicht

jagen till, daß diejelben (ſoweit die Frage der Negierungs: Unterftügung biebei in Betracht fommt) auf die Maßnahmen der Behörden fonderlichen Einfluß hatten. Es kann jedoch nicht in Abrede gezogen werben, daß in einem gewiſſen Stadium in der Gefchichte der arktifchen Seereiſen auch der bloße Ehrgeiz, den Nordpol der Erde

zu erreichen oder demjelben nahe zu kommen, den praftiſcheren Gefichtspunfkten und Erwägungen voran gejtellt wurde,

Wir finden 3. B., daß in dem Fall von Parry's

„Boot: und Schlittenreife” von Spitbergen nad) zu gewiſſe Geldſummen ausgejeßt wurden, als die Erreihung von jo und jo viel Graden Breite, und daß die Prämie für die Erreihung jelbjt 10,000 Bf. ©t. betrug.

dem Bol Lohn für nördlicher des Pols

einen genügenden Grund

anzugeben, warum

durch eine

wiſſenſchaftliche Expedition diejenigen mühſamen Erforjchungen erneuert werden ſollten, in welchen Wilkes, d'Urville und beſonders der jüngere Roß all dasjenige entdeckten,

was wir über die antarktiſche Eisſchranke wiſſen. Die von Roß erzielten Ergebnifje enthalten allerdings vieles, um einerfeit3 die Neugierde zu reizen und andererfeits zu zeigen, daß man in die antarktiichen Negionen in gewiſſen Richtungen erfolgreich eindringen fann, Es erfcheint nichts Ausland

1884, Nr, 40,

Wilkes eine Küftenlinie verzeichnete,

graphie” über den antarktiihen

Kontinent

zuverfichtlic)

etiva folgendermaßen: „Es herrſcht nun fein Zmweifel mehr darüber, daß fih um den Südpol herum ein großes Feſt— land ausbreitet, hauptſächlich innerhalb des Polarkreiſes,

tveil, obwohl wir es nicht in feiner ganzen Ausdehnung fennen, doch die Teile, mit welchen wir befannt geworden find, und die angeftellten Unterfuhungen binreichendes Zeugnis liefern, um auf das Vorhandenſein eines ſolchen

mit Gewißheit zu Schließen, Diefes übliche oder antarftifche Feſtland tritt am weiteſten hervor in einer Halbinfel ſüd—

jüdöftlih

Es würde wohl wahrjcheinlich nicht leicht fein, irgend

6

189

vom

füdlihen

Ende

von Amerika, wo es in

Trinity-Land beinahe zu 629 |. Br. herabreicht.

Aeußer—

lich zeigen dieſe Länder eine nadte, felfige, teilweiſe vul— kaniſche Wüste mit hohen Felfen, die, von aller Vegetation entblößt, immer mit Eis umgeben find, die Küfte jehr genau Einen feltfamen

Eis und Schnee bevedt und fo von daß es ſchwierig oder unmöglich tft, zu unterfuchen.” und in der That trügerifchen Beweis

zu Öunften der Theorie, daß die antarktiihen Negionen von einem großen Feltlande eingenommen werden, hat Kapitän Maury beigebracht. „ES Icheint eine phyſikaliſche

120

Die antarktifchen Regionen.

190

zu fein, daß Land nicht Land antipodiſch

Notivendigfeit

Es erfcheint in der That, inſoweit als das geographijche {

gegenüberftehe”, jagt er. „Einen Kleinen Teil von Süd— amerifa und Aften ausgenommen, fteht Land immer dem

Zeugnis reicht, ziemlich wahrſcheinlich, daß ſich innerhalb des Sübpolarfreifes eine erhöhte Negion befindet, welche

Waffer gegenüber.

ungefähr diefelbe Beziehung zu den im Kap Horn und Kap der guten Hoffnung endigenden großen Vorgebirgen

Herr Gardner hat auf die Thatjache

bingeiviefen, daß nur der 27. Teil des Landes dem Lande antipodifch ift. Man nimmt ziemlich allgemein an, daß wir über den 70.9 n. Br. hinaus meist Waffer, fein Land

haben.

Dieſes Geſetz der Verteilung Spricht, ſoweit es ſich

anivenden läßt, zu Gunſten

gefeßten Zone.”

von Land

in der entgegen:

Es ift in Wirklichkeit felten ein ſchwächerer

Beweisgrund über irgend einen Gegenstand mwifjenjchaft: licher Spekulation vorgebracht worden. Hier ift der Ver: nunftfchluß: wir haben allen Grund zu glauben (obivohl wir unferer Sache feineswegs ficher find), daß die arktiIhen Regionen von Wafjer eingenommen erben; Yand wird nur felten dem Lande antipodal gefunden, deshalb werden wahrſcheinlich Die antarktiichen Regionen von feſtem Land eingenommen. Allein es liegt Kar zu Tage, daß, abgejehen von der Schwäche der erjten Vorausſetzung, die

wie zu der verhältnismäßig

hohen, durch Inſeln ſüdlich

und füböftlich von Auftralien angezeigten Negion trägt, welche der HindusKufch zu den großen Gebirgsketten Aſiens annimmt. Wir fcheinen in den antarktifchen Hochlanden die große zentrale

Erhebung

zu haben, von welcher aus

fich drei große Höhenzüge ausbreiten. Daß die große Gebirgsfette, welche den Nüdgrat von Süd-Amerika bildet, fi) unter Waſſer

fortfeßt und

Snfeln und Grahams-Land

in den

Süd-Shetlands—

wieder aus dem Dean auf

taucht, erſcheint von vornherein als wahrſcheinlich; und es mag als ein Zufammentreffen von einiger Wichtigfeit herz

vorgehoben werden, daß die Berge, melde Roß jenjeit des Südpolarkreiſes geſehen hat — die Berge Sabine, Grozier, Erebus und Roß — in einer Kette liegen, melde

ziveite durchaus Feinerlei Bezug auf den fraglichen Gegen—

in derfelben Nichtung ftreicht.

ſtand hat, wenn die erite zugegeben wird, denn wir haben feinerlet aus Beobadytung hervorgegangene That: jache, welche auf den Beweis hinftrebt, daß Waffer fehr jelten dem Waſſer antipodiſch tft, welches das einzige Gefeß jein würde, um uns in der Aufftellung einer Anficht über die den angeblichen arktifchen Gewäſſern antipodifchen Re—

dazu betvogen werden dürften, die antarktifchen Regionen als eine große zentrale Erhebungsregion zu betrachten, jo folgt daraus noch feineswegs, daß diefe Negion die Bez Ichaffenheit eines Tafellandes hat. Kapitän Maury hat aud) meteorologifche Erwägungen

gionen zu leiten.

Wir wiſſen im Oegenteil,

daß jehr

häufig Waſſer dem Waſſer antipodiſch ift. Wir haben alſo nur dasjenige, was wir binfichtlich der relativen Pro— portionen von Land und Waffer auf unferem Erdball wiffen, mit Gardner's Behauptung zu fombinieren, daß 26 unter 27 Teilen des Landes dem Waffer antipodifc find,

um zu jehen, daß dies fo fein muß. Die Oberfläche der Erdfugel hat nad) Wagner etwa 509,950,714 Q.-Km. Das Areal der Feitlandflächen umfaßt 136,055,371 Q.-Kmn,, die Meeresfläche mithin 373,895,343 Q.-Km. Nun find une

gefähr 130 Millionen Q.-Km. Land podiſch

und

dem Waffer

antis

Allein obwohl wir hiedurd)

geltend gemacht zu Gunften der Theorie, „daß die ant— arftifchen Negionen aus großen Mafjen feiten Landes

beftehen, welche von hohen Bergen und fteilen Gipfeln unterbrochen” feien. Er erwägt, daß derartigen Bergen, welche die Rolle von Kondenfatoren fpielen, der bejtändige Zug „ſtarker“ Winde gegen den Südpol hin zuzufchreiben jei. Er ſagt: „Oebirgsmafjen fcheinen in den höheren Zufträumen diefelbe Nolle zu fpielen, welche der falte Wafferftrahl für den erfchöpften Dampf im Kondenfator einer Dampfmaschine beforgt. Hienach iſt auf das Vor—

handenfein von feſtem Land und nidt von Wafjer, um

diefen Anhaltepunft am Südpol, zu fchliegen.“

Und u

zählen daher nur für 130 Mill. gegenüber

den 373 Mill. Q.-Km. der Ozeans-Oberfläche; die übrigen 243 Mill. Q.-Km. des Ozeans find daher nicht dem Lande antipodifch, jondern (wenn wir fo wollen) die eine Hälfte derjelben it der andern antipodifch. Wir kommen daher

in der That zu dem ziemlich eigentümlichen Ergebnis, daß die Ozean-Oberfläche unferes Erdballs in drei beinahe gleiche Teile geteilt werden Tann, von denen der eine dem Lande antipodifch ift, während die beiden anderen fich

gegenfeitig antipodifch

find.

Dies drängt uns offenbar

nicht den Schluß auf, daß eine unbefannte Region Land jein müffe, weil eine befannte, derfelben entgegenftehende

Region ozeanisch

it; und noch weniger Tann auf einem

derartigen Schluß bejtanden werden, wenn die der unbe: fannten Region gegenüberftehende ſelbſt unbekannt ift.1 10b die obenerwähnte Beziehung Hinfichtlih der Land— vegionen beachtenswert ift, mag füglich in Frage geftellt werden.

Man wird fehen, daß Kapitän Maury es anjcheinend als ein phyſikaliſches Geſetz anfieht, „daß Yand nicht dem Land anti podiſch fein follte.” Nun ift dies aber keineswegs befriedigend angezeigt. ALS eine Frage der Wahrjcheinlichkeit ift es nicht gewiß, daß das gegenwärtige Verhältnis, wonach 26 aus 27 Teilen des Landes dem Waſſer antipodish find, als eine vorderſätzlich 9 unwahrſcheinliche betrachtet werden kann, wenn beinahe drei Vier— J teile der ganzen Erdoberfläche mit Waſſer bedeckt ſind und wenn ebenſo die Hauptmaſſe der Land- und Waſſerregionen aus ſo großen Oberflächen beſtehen, wie diejenigen, welche wir Kontinente und Ozeane nennen. Gäbe man dieſe vorläufigen Bedingungen zu, ſo würde es in der That erſcheinen, daß nur durch eine ganz merkwürdige und ſozuſagen künſtliche Anordnung von Land und LER — Waſſer irgend etwas als nur eine kleine Proportion des Landes dem Lande antipodiſch ſein könnte. Der Nachdruck, welche Maury auf die beobachteten Beziehungen legt, erſcheint mir in Wirklichkeit” ebenfo ungegrindet, als derjenige, welchen Humboldt auf die

Thatſache legt, daß die großen ſüdlichen Projektionen des Landes beinahe unter derfelben Länge liegen, wie die großen nördliche

n— n E —— n

/

191

Die antarktiichen Regionen,

legt in diefem Zufammenhang befonderes Getvicht auf den Umftand, daß der barometrifche Druck über den ganzen

antarktiichen ob hier der Wirbelivindes Spitem der „ſtarken

Ozean hin! eigentümlich niedrig ift — ala Strudel eines mächtigen, aber anhaltenden wäre, „Wir dürfen”, fagt er, „das ganze in den antarftifchen Negionen zivkulierenden

Weſtwinde“

im

Lichte

einer

immerwährenden

Cyklone von riefigem Maßſtab anfehen — den antarftiIhen Kontinent in feinem Wirbelpuntte — um welche der Wind in den großen atmofphärifchen Ozean rings um die Welt herum, vom

die Zeiger

Man

darf jedoch wohl daran

erinnern,

Es würde

underantiwortlihe Anſtrengung der Einbildungskraft, das

eine Richtung von rechts nach links verfolgt.“

jedoch höchſt unſicher ſein, die Theorie vom Vorhandenſein

eines antarktiſchen zu gründen; und Maury annehmen, Rolle im Haushalt

Feuer nähre

einer Uhr dreht, aber

Bol bis an den Rand des windſtillen wie

ſich teilweife bilden als Luftftrömung, welche vulfanifche wenn ſolch' wilde Ideen erörtert werden, daß mir, vie Maury jelbjt bemerkt, „durch Augenfchein von der topo— graphiſchen Geftaltung ‘und den Zügen der antarktifchen Region nur wenig mehr wiſſen, al3 von denjenigen irgend eines der Planeten”. „Wenn fie fontinentale find”, fagt er weiter, „jo Dürfen wir in der That, ohne irgend welche

Kreiſes des Steinbocks, ſich in ſpiraligen Kurven bewegt, ſich fortwährend

„Wir können nicht jagen, daß fie dies find”, fährt ex fort, „und dennoch gemahnen uns die Gewalt und die Negelmäßigfeit der Winde daran, daß ihre Antvefenheit dafelbft mit befannten Geſetzen nicht unverträglich fein würde,“ Er glaubt in Wirklichkeit, die anhaltenden Winde fönnten

Antlitz der Natur dafelbjt mit ſchneebedeckten Bergen be—

Kontinents auf derartige Spekulationen noch weniger können wir mit Kapitän daß antarktiſche Vulkane eine wichtige der ſüdlichen meteorologiſchen Erſchein—

fleiden und in diefelben zur Abwechſelung flammende Bulfane hineinftellen”; aber wir dürfen nicht vergefjen, daß dies nur ein Werk der Einbildung und feine Theorie

ungen ſpielen. Es liegt keinerlei Grund zu der Vermutung vor, daß noch thätige Vulkane irgend eine beſondere Ein—

graphische Thatjache darftellte, Während wir aber uns noch mit diefem Gegenftande beſchäftigen, kann ich mich nicht enthalten, hier eine ſehr

wirkung auf die Beſtimmung und Geſtaltung atmoſphäri— ſcher Verhältniffe ausüben. Kapitän Maury meint, wir dürften, „ohne die Grenzen der erlaubten Spekulation zu überfchreiten, das unerforfchte antarktifche Land

mit zahl:

reichen und noch thätigen Vulkanen ausstatten”; und dies darf gewiß zugegeben werden, da zwei Vulkane (wovon einer noch in Thätigfeit) dort gefehen worden find. Allein es wäre nicht ratſam zu ſchließen, daß derartige Vulkane „Quellen einer hinreichenden dynamiſchen Kraft feien, um den atmoſphäriſchen Zirkulationen jene Frische und Kraft

zu geben, welche, wie Beobachtungen in überreichem Maße dargetban

haben,

der ſüdlichen Hemifphäre

eigentümlich

ſind“. Um diefe vermeintliche Wirkung zu erzielen, müßten die Bulfane notgedrungen fo zahlveich und fo thätig fein, daß der ganze ſüdliche Kontinent wie ein viefiger Ofen glühen würde. Hundert Aetnas würden nicht den taufendften Teil

bon der poltvärts gerichteten Strömung hervorbringen, welche Maury den antarktifchen Vulkanen zufchreibt. Wir können zuverfichtlich mit Maury, aber bedeutfamer, annehmen, daß

„Vulkane

feine meteorologifche

Notivendigfeit

find”. —

1 Diefer auffallende Umftand läßt fich nicht, wie Maury meint, durch das Borhandenfein nach oben dringender Luftftröme erklären, gleichviel wie diefelben verurſacht worden fein mögen. Der gefamte Luftdrud über irgendeiner Region wird ebenfowenig von Bewegungen affiziert, welche innerhalb der Luft ftattfinden, als der geſamte Drud des Waffers auf den Boden eines Wafferbehälters durch Bewegungen, welche in dem Waffer ftattfinden, beeinflußt wird. Es find vielmehr Gründe für die Annahme vorhanden, daß die wahre Erklärung des niedrigen antarktiichen Barometerftandes in der Thatjache liegt, daß die Ozeans-Oberfläche in den antarktiihen Regionen iiber und in den arftifchen unter dem mittleren Niveau liegt. Das Uebermaß der Ozeanfläche in der ſüdlichen Hemiſphäre zeigt gewifjermaßen einen Erguß des Waffers nad) Siiden hin an, welcher zu einem derartigen Berhältnis fiihren muß.

it, auf ivelcher wir beitehen fünnen, als ob fie eine geo—

merkwürdige Stelle aus einem Briefe des Kapitäns Howes vom „Kreuz des Südens” zu zitieren, weil derfelbe, obwohl

er in Wirklichkeit

von

der Erfcheinung

einer Aurora

australis handelt, doch eine derartige Szene fchildert, wie wir fie uns als übereinftimmend mit der Annahme einer

mit Bulfanen bededten antarktifchen Negion denken fönnten, deren fombinierte Thätigfeit den ganzen Kontinent zu Zeiten zu einem einzigen ungeheuren Dfen machen würde. Abgeſehen von derartigen Bhantafien jedoch ift die Schil— derung voll Intereſſe. „Am jüngftvergangenen 2. Sep: tember, ungefähr um 1 Uhr 30 Min., zeigte ich die jeltene Erſcheinung der Aurora australis in einer äußerft pracht: vollen Weile. Unfer Schiff war auf der Höhe von Kap Horn in einem gewaltigen Sturm und bei einem mächtigen

Seegang, wo die Wogen hoch über Ded fchlugen und zus weilen den ganzen Bug unter den Wogen begruben. Das Sirmament war rabenſchwarz und Fein Stern mehr zu jeben, als das prächtige Schaufpiel zuerſt erſchien. Ich

vermag die erhabene Grofartigfeit der Szene nicht zu bes ichreiben; der Himmel veränderte fich allmählig vom finſtern Schwarz

zu feurigem Not und weißer Glut, bis er mie

flüffiges Feuer wurde und einen fahlen glühenden Glanz über alles warf.

zur Wut

Der Ozean erfchien wie ein vom Sturm

gepeitichtes

zinnoberrotes

Meer; die Wogen,

welche wütend über unfer Ded hereinfchlugen, raufchten hie und da in farmoifinroten Strömen ledwärts davon.

Unfer ganzes Schiff, Segel, Spieren und alles, ſchien an derfelben rötlichen Färbung teilzunehmen und ſchien vie vom Widerfchein irgend einer furchtbaren Feuersbrunft beleuchtet. Alles zufammen genommen, boten das Heulen und Pfeifen

des Sturmes, das edle Schiff, welches furchtlos unter die Iharlachgefrönten Wogen tauchte, die furchtbaren Schlofjen-

792

Die Haida-Fndianer,

güſſe und

das

Eis-

und Schneegeſtöber, die über das

Schiff hintrieben und in rötlichen Schauern leewärts fielen die geheimnisvollen Kugeln von elektriſchem Feuer, welche

zu hegen fcheinen und die fie von Ungeheuern und milden Stämmen bewohnt glauben. Während einige der Stämme noch wenig von der Bivilifation angenommen haben oder ſogar unter ihre frühere Lage herabgefunfen zu fein ſcheinen,

auf unſeren Maſtſpitzen, Ragenenden u. ſ. w. ruhten und vor allem die furchtbare Erhabenheit des Himmels, durch welchen Funken und Flammen von Nordlicht oft in ſpiraligen Streifen und mit meteoriſchem Glanze hinſchoſſen, ein Schauſpiel von einer Großartigkeit und Erhabenheit, welche die wildeſten Träume der Phantaſie weit übertrafen.“

Unter den Stämmen, welche dieſe Küfte bewohnen, find die Haidas in mancher Hinficht die interefjanteften. Die Königin-Charlotteränfen, in deren Beſitz ſich die

(Schluß folgt.)

Haidas befinden, find durch breite Meeresftreden von dem

ſind andere ziemlich ziviliſiert und gewerbfleißig und be— ſchäftigen ſich mit Arbeiten verſchiedener Art.

Archipel getrennt,

welcher die Küfte des Feſtlands von

Britiſch-Kolumbien

nad Norden

hin und

vom füdlichen

Ende von Alaska nad Nordweſten hin trennt. Sie bilden eine dichte Gruppe, und wir verbanfen vielleicht ihrer

Die Haida-Indianer,

vergleichsiveifen Iſolierung und Homogeneität die Thatſache, daß die Haidas ſich zwar merkwürdig von den meiſten

Wir verliefen Viktoria, auf der Inſel Vancouver, am 27. Mat in dem kleinen Schuner „Wanderer” von 20 Tonnen Laſt und fteuerten nordiveftwärts nad) den

vollſtändig

Königin-Charlotteränfeln, denen wir einen Befuch abftatten

Länge der Königin-Charlotten-Inſeln

wollten,

die größte Breite ungefähr 12 geographiſche Meilen. Während Kapitän Cook's letzter Reife im Stillen Dean

Da

wir

unfer Eleines Fahrzeug

nicht für ſee—

tüchtig genug für die rauhe äußere Küfte der Vancouver: Inſel hielten, welche der vollen Wucht des nördlichen Stillen Ozeans ausgefeßt ift, jo mußten fir auf den inneren Kanälen und Meerengen und auf der merkwürdigen Reihe der diefelben verbindenden Föhrden reifen, welche

die Küfte von Britiſch-Kolumbia kennzeichnen und fich zwiſchen deren halb ins Meer tauchenden Bergfetten verzweigen. Derartige Kanäle nun find zwar für die Dampfſchiff— fahrt ganz geeignet und an fi) zwar äußerſt malerifch und großartig, aber für die Fahrt mit Segelfchiffen überaus mühſam und langweilig, Der Wind weht im allgemeinen entweder den Kanal herauf oder herab, welcher ganz von feinen Bergwänden eingefchloffen ift, und unter dem fteten Wechſel von Windftillen und veränderlichen Meeres: römungen, ſowie Störungen durch Ebbe und Flut verbrachten wir manche langweilige Stunde vor Anker oder jelbjt unter rüdgängigen Bewegungen. Eine ermüdende derartige Fahrt von 16 Tagen brachte uns jedoch nad) dem Melbant-Sund, wo wir die Abficht, zuerft das nördliche Ende der Inſeln zu befuchen, aufgaben und nad) dem ſüdlichen Ende hinüber ſteuerten. Auf diefer Ueberfahrt bon 16 geographiichen Meilen hatten wir erſt eine Mindjtille bejtanden, fodann nicht ohne einiges Ungemac und Gefahr eine Bö aus Nordweſt und vollendeten am 12, Suli endlich unfere Geereife von beinahe 100 geographifchen Meilen, indem twir zwischen den ftillen beivaldeten Geſtaden einer kleinen Bucht im Stewart-Channel, welcher die Inſeln Prescott und Moresby trennt, vor Anker gingen.

Der Küfte von Britiſch-Kolumbia

entlang

find die

Indianer meist Fiſcher. Sie geben fih nur wenig mit der Jagd ab und wagen fich nur felten weit in die dichten

Wälder hinein, vor denen fie oft eine abergläubifche Furcht

anderen Stämmen der Küſte unterſcheiden, aber in Sprache und Sitten in allen Teilen ihres eigenen Gebiets beinahe

untereinander

wurde ermittelt,

übereinſtimmen.

Die äußerſte

beträgt ungefähr 36,

daß man einen gewinnbringenden Pelz⸗

handel zwiſchen der nordweſtlichen Küfte von Nord-Amerika und China herſtellen könnte, und obwohl das Vorhanden— ſein eines Teils dieſer Inſeln den Spaniern ſchon ſeit der Reiſe von Juan Peraz im Jahre 1774 bekannt war, ſo verdanken wir doch die meiſten der früheren Entdeckungen an dieſem Teil der Küſte jenen Händlern, welche in Cook's Fährte folgten, und dieſe ſcheinen zuerſt mit den Haidas in Berührung gekommen zu ſein. In den beiden erſten Jahrzehnten dieſes Jahrhunderts

wurden die Königin-Charlotte-Inſeln ziemlich häufig von Handelsfahrzeugen befucht. ALS aber die Seeotter, deren Selle den wertvollften Handelsartifel bildeten, welchen die Inſelbewohner zu bieten hatten, felten geworden var, weil man allzu beeifert Jagd auf fie gemacht hatte, jo haben in den jüngft vergangenen 50 Sabren nur noch wenige andere Schiffe außer bloßen Küftenfahrern an irgend einem diefer Häfen angelegt. Ueberdem lagen die Inſeln etwas zu ſehr abfeits von dem Handel mit Alaska und dem nördlichen Teil von Britiſch-Kolumbia, welcher in

den letzten beiden Jahrzehnten angenommen

bedeutende

Verhältniſſe

hat.

Die früheſte Nachricht über die Haidas,

welche ich

aufzufinden vermochte, iſt die in Kapitän Dickſon's Reiſe—

ſchilderung und datiert vom Juli 1787.

Dickſon landete

auf den Inſeln an deren nordweſtlichſtem Ende, in der Nähe von North-Island, und gibt in ſeiner Reiſeſchilderung eine eingehende Beſchreibung ſeiner Begegnung und ſeines

Verkehrs mit den Eingebornen

und ſeines Tauſchhandels

mit denſelben um Pelze. Zur Zeit des erſten Beſuchs der Weißen auf dieſen

Inſeln betrug die Bevölkerung derſelben etwa 7000 Kopfe.

195

Die Haida-Fudianer.

Heutzutage mag diejelbe ungefähr noch 2000 betragen, unter welcher Zahl auch viele begriffen find, welche zwar nur irgendivo an der Küfte des Feftlandes wohnen, aber

die Inſeln noch als ihre Heimath betrachten. Das Klima der Königin-Charlotte-änfeln ordentlich feucht, und

ift außer:

fie find beinahe allenthalben mit

prächtigen Nadelwäldern bedeckt und gebirgig. Die Berge in ihrem mittleren Teil erheben fich zu einer Höhe von 4000 bis 5000 Fuß, und es dringen von allen Seiten her tiefe dunkle Föhrden

mit

hohen felfigen Wänden

in

diefelben ein. Nach Nordoſten hin kommt allerdings ein breiter Strich niedrigen und beinahe ebenen Landes vor,

voll,

Fiſche bilden ihre Hauptnahrung,

namentlich die

verfchiedenen Heilbutten, welche in den Gewäſſern diefer Inſeln in großer Menge vorkommen. Die Dörfer der

Hardas Liegen daher auch vorzugsmweife dem Geftade ent: lang, oft an kahlen, von den Wogen befpülten Teilen der Küſte, aber ſtets in der Nähe ergiebiger Heilbutten-Bänfe, Sie wagen fich jedoch in ihren Kähnen auch auf die hobe See hinaus oder machen in denfelben der Küfte entlang größere

Fahrten.

Cedernſtämmen

Die

Kähne

diefer Region

find aus

geſchickt

den

mächtigen

ausgehöhlt;

fie

Bevölferung erhalten kann; allein gegenwärtig bieten die

arbeiten diefe bis zu einer geringen Dide aus, biegen fie dann mittelft Dampf und treiben Querhölzer in diefelben, bis fie eine äußerſt gefällige Form annehmen und Linien zeigen, welche das Auge auch des mwählerischeften Schiffs:

düfteren Wälder desfelben, welche mit einem dichten Unter-

bauer

welcher

in jpäterer

Zeit

einmal

eine aderbautreibende

befriedigen würden.

In ihren größeren Kähnen

holz angefüllt und durch gejtürzte Stämme in jedem Zuftand der Zerſetzung verrammelt find, wenig oder gar nichts was einen Weißen oder Indianer verloden Fünnte, in die ſelben einzubringen. Obgleich daher die Haidas hie und

wagen die Haidas unbedenklich längere Fahrten auf hoher See und waren in früheren Zeiten wegen ihrer häufigen Befuche an den Küften des Feftlands und der Leichtigkeit,

da dem Gejtade entlang Eleine Felder mit Kartoffeln be— bauen, jo find fie doch vorwiegend Fischer. Nur wenige

weit gefürchteter als irgend ein Stamm von Vancouver bis Sitfa. Ste haben nun auch tüchtige Schmiede, Zimmer: leute, Neepfchläger und Segelmader. Sn ihrer Lebensweiſe und der Gejchielichkeit, Findig— feit und dem Scharffinn, welchen jie in der Verfertigung ihrer Kähne und anderer Artikel darlegen, unterjcheiden ſich die Haidas nicht tvefentlich von den anderen Stämmen, welche den nördlichen Teil der Küfte von Kolumbia und

Pfade oder Fährten durchfchneiden das Innere der Snfeln, und von denjenigen, welche früher vorhanden gewefen, als die Inſeln noch ſtärker bevölfert waren, find heutzutage

jogar die meiſten verlaffen und verwachſen. Die Haidas find ein mittelgroßer fräftiger Menfchen:

Ihlag von dunfel fupferroter Hautfarbe, dunklen Augen und dunklem, meilt ſchwarzem Haar. Der Schnitt ihres Gefichts ift nicht unangenehm und nicht fo ſcharf markiert und raubvogelartig, wie bei vielen anderen Indianer—

ſtämmen. Die Badenfnochen find weniger hervortretend, die Haare nicht jo ftraff und roßhaarartig, wie fonft bei den Rothäuten; der Ausdruck ihrer Phyſiognomien tft jogar teilweiſe

ein gutmütiger

und fanfter.

Unter den jungen

Mädchen findet man viele veizend gewachſene mit hübfchen, regelmäßigen Gefichtern, welche nur durch die Unfitte ent— ſtellt werden, daß fie die Unterlippe herausziehen, einen

Schnitt hineinmachen und darein einen runden, elliptiichen Pflock von Holz oder Anochen jteden.

Die Weiber altern

bald teils in Folge der ſchweren Arbeit, die ihnen auf: gebürdet

wird,

teils in Folge

von Entbehrungen

und

Mißhandlungen. Die Männer haben größtenteils ihre frühere wilde und nationale Tracht aufgegeben und die zivilifierte Tracht: Hemd, Beinkleider, Jacken, Mützen oder

Hüte und Stiefeln, angenommen; nur die Weiber und Mädchen tragen noch Mofaffinen. Die alten Meier, Beile, Pfeilfpigen u. |. w. aus Feuerjtein und Knochen find längjt den zivilifierten Werkzeugen aus Eifen gemwichen, deren

fih die Haidas

mit

Geſchicklichkeit

bedienen;

fie

führen nun meift Schießgewehre, namentlich) Musfeten und Flinten mit Steinjchlöffern. Auch ſieht man bei ihnen fait nur eiferne Töpfe und Fupferne Keſſel, und fie find in allem auf zivilifierte Waren und Geräte angemwiefen. Im übrigen aber find fie vorwiegend ein Filcher: und Schiffer:

womit fie fich wieder nad) ihren eigenen Inſeln zurüdzogen,

dem füdlichen Alaska betvohnen. Auf den Königin-Charlotte: Inſeln ſcheint jedoch jener befondere Styl von Architektur und Kunst,

wie er ſich auch ſonſt mehr oder minder her:

vorragend unter den Indianern der Weſtküſte zeigt, feine höchſte Vollendung erreicht zu haben. Ob dies bemweifen mag, daß die Einführung diefes Styls, welcher in feiner eigenartigen Phantaſie und Idee an die Leiltungen der alten Mexikaner oder der Beivohner gewiſſer Südſee-Inſeln erinnert, den Haidas oder ihren Vorfahren zugefchrieben werden muß, oder ob dies bloß zeigt, daß die bejonderen Ideen des Indianer-Geiſtes mit der größeren Iſolierung

diefes Volkes und dem dadurch gefteigerten Maß von Sicherheit im ftande waren, fich volllommen zu verförpern, das werden wir wohl nie genau ermitteln. Die Yage der Inſeln und die vergleichsweife Seltenheit, mit welcher fie viele Sahre hindurch befucht worden find, haben mindeitens weſentlich dazu beigetragen, viele Züge unverfümmert zu erhalten, welche bereits aus den Sitten, Bräucen und Handfertigfeiten der meiften anderen Stämme, verſchwun— den ind. Die bejtändigen Dörfer der Haidas liegen, wie ſchon erwähnt, unwandelbar am Strande und bejtehen gewöhnlich

aus einer einzigen langen Neihe von Häufern, welche nur durch einen fchmalen Nafenitreifen vom Strande getrennt find, auf welchen die Kähne des Stammes

heraufgezogen

find, denn jedes Dorf bildet eine eigene Gemeinde unter einem befonderen Häuptlinge.

Vor jedem Haufe jteht ein

Die Haida-Indianer

194

ſymboliſcher Pfoften, während andere unregelmäßig verteilte gefchnigte Pfoften, welche an Geſtalt etwas von denjenigen

den Häufern

eigenen

oder Ehrenzeichen

verfchieden,

gewöhnlich Andenken

für die VBerftorbenen

find.

Ein

der:

daß bei Errichtung eines ſolchen Hauſes eine ganze Geſell⸗ Ichaft zufammen gebeten wird, kann man fich erklären, ie folche gewaltige Klötze ohne Mafchinenfraft bewegt werden

artiges Dorf aus einiger Entfernung gefehen, gleicht mit

fünnen. Der Erbauer des Hauſes muß die erbetenen Helfer dann beiwirten und befchenten, was in der Tihimul:

feinen in Sturm und Wetter ergrauten Häufern und often einem Streifen halbverbrannten Waldes .mit toten

ſprache „potlateh* heißt. Ein derartiges Haus beherbergt dann immer fozujagen mehrere Jamilien, von denen jede

Nammpfählen. Nur die Heinen Rauchwölkchen von den verjchtedenen Feuern mögen auf feinen wahren Charakter

eine Ede oder einen Winfel desfelben bewohnt. Diefe gefchnigten Pfoften vor den Häufern

hinweiſen. Der allgemeine Typus der Bauart der Häuſer bei den Indianern in dieſem Teil der Nordweſtküſte iſt beinahe überall derſelbe, allein unter den Haidas ſind dieſelben ſolider zuſammengefügt und die innere Verbindung und Verzierung des Baues iſt mit größerer Sorgfalt vorgeſehen als anderwärts. Die Häuſer ſind rechtwinkelig und haben

einen hervorragenden Zug in einem SHaida-Dorfe. Zu ihrer Herjtellung wird zunächſt ein großer und gefunder Gederbaum

von

3 bis 4 Fuß Durchmeffer

bilden

irgendivo

in

Die Wände beſtehen

der Nähe des Waſſers ausgefucht, gefällt, entäftet und dann nad dem Meere gejchafft. Sit er vom Stapel ge lafjen, fo wird er im Schlepptau nach dem Dorfe gebracht und mit vereinter Mühe über die Slutmarfe an den Strand gezogen. Hier wird er zugehauen und gejchnißt, da manche

aus Planken, welche man mittelſt Keilen aus Cederklötzen geſpalten hat, und oft von großem Umfang. Das Dach

bejfonders berühmt find und ſich mit demjelben bedeutende

zuweilen über 40 Fuß Seitenlänge.

beſteht aus ähnlichen Spältern oder aus Baumrinde und ſenkt fih nad) zwei Seiten ab, während das Giebelende de3 Haufes — wenn ein derartiger Ausdrud erlaubt ift — dem Meere zugefehrt ift, nach welchem auch die Thüre mündet.

Die Thüre ift gewöhnlich ein eirundes, in die Bafıs des grotesk gefchnißten Pfoſtens gefchnittenes Loch. Der Pfoſten ift 40 bis 50 Fuß hoch und fünnte ein Mappen: pfojten genannt werden, dem aber die Haidas den Namen „Ketſchen“ geben. Tritt man gebüdt durch das Thürloch ein, jo findet man, daß der Boden im Innern des Haufes

jo tief ausgegraben worden ift, daß der eigentliche Fuß: boden 6 bis 8 Fuß unter der Äußeren Bodenfläche Liegt. Man fteigt zu demfelben auf einigen rohen Stufen hinab und findet, wenn man ſich umfchaut, daß auch eine oder zwei große Stufen um alle vier Seiten des Innern herum: laufen. Diefe find mit großen und dien Geberplanfen verihlagen, welche ausgehauen find und nicht allein zu Borden dienen, um alle Arten von Hausgerät darauf auf— zuftellen, fondern nötigenfalls auch die Stelle von Betten und Sitzen vertreten. Im Mittelpunfte einer viereckigen Fläche nackten Bodens brennt das Feuer, an welchem man beinahe den ganzen Tag hindurch irgend einen der Haus— genoſſen mit Kochen beſchäftigt findet. Der aufſteigende Rauch zieht durch eine Art Dachluke oder Oberlicht ab,

nämlich durch eine Oeffnung gegen

den Wind

im Dache, die mit einem

zu ſtellenden Laden

verſehen

iſt und

zugleich zur Beleuchtung des Innern dient. Mit Ueber— raſchung findet man, was für mächtige Stämme zum Gerüſte

des Hauſes verwendet worden ſind; man ſieht gewöhnlich vier derſelben übereinander gelegt mit ſtarken aufrechten Stüßen an den Enden; diefe find hübſch behauen, von

Iymmetrifch eylindrifcher Geftalt und gewöhnlich in die aus: gehöhlten Enden des aufrechten Pfoftens

eingefügt.

Die

Aufrechten find oft 15 Fuß hoch, mit einem Durchmeſſer von etwa 3 Fuß. Erſt wenn man die Thatſache erfährt,

Indianer

wegen

ihrer Gefchielichfeit in diefem Geſchäft

Summen verdienen. Der Stamm wird hinten ausgehöhlt wie ein Trog, um ihn leichter zu machen und die Vorder:

jeite gewöhnlich mit einer Menge grotesfer Figuren bededt, in welchen das Tier, welches fic) der Erbauer des Haufes zum Wappen oder Totem gewählt hat, eine hervorragende

Stelle einnimmt. Diefer Pfojten bildet, thatfächlich fein Wappen und fann in einzelnen Fällen bunt bemalt werben. Wenn alles fertig ift, wird der Pfoten an Ort und Stelle gebracht und feit in den Boden gepflanzt, um ein Gegen: jtand der Bewunderung zu bleiben, bis er unter dem Ein: fluß des Klima’3 vor Alter vaub und grau und mit Moos und Flechten bevedt tft. Der eigentümliche Typus von Kunft, welcher in den geſchnitzten Pfojten fich am volliten offenbart, wird mehr oder weniger in allen Handarbeiten der Haidas gefunden.

Die hübfchen und ſogar zierlichen hölzernen Gefäffe, welche früher zu allen häuslichen Zwecken dienten, verförpern immer

irgend

eine

gewiſſe Tiergeftalt oder eine Gruppe

von mehr oder weniger fomplizierten und verdrehten Tierz geitalten. Obwohl der Künftler im ftande fein mag, die Natur getreu genug zu fopieren, wenn er will, wie man an manchen der beim Tanze üblichen Gefichtslarven fieht, jo zieht er es doch in den meiften Fällen vor, gewilfen

hergebrachten typiſchen Ideen zu folgen, melde dur) langen Gebrauch, ſich mit dem Geift der Eingebornen verförpert zu haben fcheinen. Einer der merkiwürdigften Bräuche der Haidas und vermutlich mit einiger veligiöfen Bedeutung verknüpft, find die mit dem Tanz verbundenen Geremonien. Diefe fcheinen ; in ſechs mit barbarifchen Namen belegte Klaffen geteilt zu fein, von denen id) nur eine einzige, die Kwai-o-guns-0lung, gejehen habe, und die ich hier befchreiben will, um eine Klafje von Leiftungen zu jchildern, welche einft unter den eingebornen Stämmen allgemein üblich waren, nun aber beinahe überall in Abgang gefommen find.

Die Haida-Fudianer.

Als wir Abends nad Einbruch der Nacht mit unferem Boot am füdlichen Ende des fchönen fandigen Strandes landeten, welcher vor dem Dorfe Skidegat liegt, fanden wir diefen Teil des Dorfes

anfcheinend

ganz verlaffen,

795

einer Reihe und waren einigermaßen gleichförmig gekleidet, die einen in jene merkwürdig wertvollen Umſchlagtücher aus Cedernrinde, die anderen in ſolche aus Ziegenhaaren, wie ſie von

den Tſchiemtſchins

verfertigt werden.

Der

fonnten aber in der Entfernung einen ſchwachen Lichtichein

Kopfputz der Weiber

bemerken jheiden.

einer kleinen, hübſch aus Holz geſchnitzten und mit perl— mutterartig glänzenden Haliotisſchalen eingelegten Geſichts— larve. Dieſe waren an ein Gerüſt von Cedernrinde be—

und Wir

den dumpfen Ton einer Trommel unter: tappten uns bejtmöglichft auf dem Pfade

fort, welcher im Zickzack längs der Front der Häuferreihe binführt, Tiefen mehrmals Gefahr, über verjchiedene Gegenftände zu fallen, und erreichten endlich das Haus, worin

der Tanz ftattfand. Als wir die Thüre aufftiegen, ftrahlte uns helles Licht entgegen, von welchem wir zuvor nichts gejehen hatten, als was durch die Ritzen und Spalten des Haufes Drang; als wir eintraten, ſahen wir uns unter und hinter den Tänzern, welche im Innern des Haufes mit dem Nüden nad der Vorderwand ftanden. Wir drängten ung durch diefelben hindurch, durchfchritten den

freien Raum, in welchem das mit harzigen Klößen genährte Feuer brannte, und feßten uns am jenfeitigen Ende unter

einer Gruppe von Zufchauern auf den Boden. Das Haus war von der gewöhnlichen länglichten Geftalt, der Boden war mit Gederplanfen belegt mit Ausnahme eines Viereds in der Mitte für das Feuer, und die da und dort in Haufen längs der Wände aufgetürmten Geräte

und Gerätſchaften der Familie ließen den größeren Teil des Innern frei. Die Zufhauer waren längs der Seiten und am jenfeitigen Ende aufgeftellt, füllten beinahe allen verfügbaren Raum aus, hodten in den verfchiedenften Haltungen

auf dem Boden und beitanden aus Männern, Weibern und Kindern jeden Alters. Der Rauch des Feuers entwich durch große Deffnungen im Dache ohne die mindeite

Beläjtigung zu verurfachen, und jein Glaft beleuchtete hell die Geſtalten und Befichter aller Anmwefenden. Die Tänzer, bei diefer Gelegenheit etwa 20 an der Zahl, waren nad feinem gleichförmigen Plan gekleidet, aber mit ihren beiten oder Menigjtens ihren buntejten Kleidern angethan und trugen dazu noch verjchiedene Zieraten und Zeichen, welche der Gelegenheit angemefjen waren. Alle oder beinahe alle

trugen Kopfpuße, welche verjchiedentlih aus zufammen: gedrehter Gederrinde verfertigt und mit Federn oder (wenigftens

in einem

Fall)

mit

einem Kreis

aus

den

borjtigen Barthaaren des Seelöwen verziert waren. Beinahe alle trugen Schultergürtel aus gefärbter oder mit Troddeln

verjehener Gedernrinde. Ein Mann trug hohe Kamajchen mit Franſen, an denen Bündel von Larventaucdher-Schnäbeln befejtigt waren, die bei jeder Bewegung raffelten. Die meiſten trugen Wedel von frifchen Balfamtannenzweigen in der Hand und waren um den Kopf herum mit flaumigen Federn bedeckt, welche ebenfalls reichlich in der warmen Atmofphäre des Haufes herumflogen. Einige hatten Klappern, welche fie wie wütend fehüttelten, um die nadıdrüdlichen Stellen des Geſangs ftärker zu betonen. Fünf Weiber nahmen an dem Tanze Teil, ftanden vorne in

j

beſtand

bei allen gleichmäßig aus

feſtigt und mit bunten Federn und Quaſten verziert und ruhte auf der Stirn, während in einigen Fällen hinten eine lange Schleppe von Hermelinfellen herabhing. Die

Geſichter der am Tanze beteiligten Männer und Weiber waren bunt, hauptſächlich mit Zinnober, bemalt.

Der Mann, welcher die Trommel — eine Art Tambourin aus einem über einen Reif geſpannten Fell — ſchlug, ſaß den Tänzern gegenüber nahe beim Feuer, fo daß beide Teile gegenfeitig ihre Beivegungen fehen Eonnten. Die Trommel wurde fehr regelmäßig mit Doppelichlägen gerührt, und die Tänzer begleiteten diefelbe im Taft mit einer Art Lied oder Gefang, dem Worte unterlegt find, und der bald in einem vollen Chor anſchwoll oder hinftarb,

je nad) dem Belieben eines Anführer, welcher unter den Tänzern jtand, den Takt angab und hie und da ein paar Worte der Leitung oder Ermahnung ausftieß.

Die Tänzer

hielten zu dem Trommeln

und Singen genau Taft und

folgten diejem jehr pünktlich.

Bei jedem Trommelfchlag lief

ein Frampfhaftes Zuden durch die Tänzerfchaar, welche kaum die Füße vom Boden erhob, fondern fi) nur durch doppelten

Schub beivegte und gleichzeitig etwas mit den Füßen rutschte. Nachdem die Vorjtellung ungefähr 10 Minuten gedauert hatte, gab der Zeremonienmeifter ein Zeichen, und alle jtießen gleichzeitig einen lauten Nuf aus und

machten plöglich Halt. Auf ein Zeichen mit der Trommel wurde dann nach einer Pauſe von wenigen Minuten der Tanz wieder aufgenommen.

Die Menge der bunt gefleideten und feitlich aufgepugten Wilden bot bei dem hellen Feuerſchein im ganzen einen ziemlich waderen und impojanten Anblid, und wenn

der Haida fih im Tanze aufregt, mag er ſich ungefähr wieder in die alten Zeiten zurüdverjegt glauben, wo Hunderte die Dörfer bevölferten, in denen jetzt nur eben— joviel zehn find, und wo noch nichts die Großartigfeit ihrer Zeremonien und ihres Treibens verbunfelte, Der an gewiſſe Dertlichfeiten anfnüpfenden Sagen und

der an verſchiedenen Umftänden haftenden Gefchichten haben die Haidas jehr viele aufzumweifen und es ift eine Anzahl derfelben gefammelt worden. Die tichtigite von allen ihren Mythen iſt ihre urſprüngliche und fundamentale Schilderung von der Entjtehung des Menfchen und dem Anfang der gegenwärtigen Schöpfung, welche ich hier piederholen will. Bor langer, langer Zeit, jagen fie, gab es eine große Wafferflut, worin alle Menſchen und Tiere

umkamen bis auf einen einzigen Naben, Diejes Gejchöpf war jedoch nicht eigentlich ein gewöhnlicher Bogel, ſondern

Die Haida-Indianer.

796

befaß, wie alle Tiere in den alten indianischen Gefchichten, die Attribute eines menſchlichen Wefens in hohem Grade;

es fonnte 3. B. fein Federfleid

nad) Belieben

an- oder

ablegen, und fein Name war Nesfilsitlas. Als die Waſſer— flut abgelaufen war, ſah Nesfilsitlas fih um, fonnte aber weder Gefährten nody eine Gefellin finden und fühlte ſich

ſehr verlaffen.

Endlih

nahm er eine Mufchelfchale vom

Strande, heiratete fie und fuhr fort vor fich hinzubrüten und ſich ernftlich eine Gefährtin zu wünfchen. Nach und nad) hörte er in der Mufchelichale ein ſchwaches Weinen

wie dasjenige

eines neugebornen

Kindes,

welches aber

allmählig immer lauter wurde, bis endlich ein kleines weib— liches Kind zu jehen war, welches heranwuchs und von dem Raben geheiratet wurde, und aus diefer Verbindung gingen alle Indianer hervor, und das Land ward wieder bevölkert. Die Leute hatten jedoch mancherlei Bedürfniſſe und beſaßen weder Feuer, Licht und Süßwaſſer noch eßbare Fiſche; dieſe Gegenſtände waren alle im Befit eines großen Häuptling

oder einer Gottheit Namens Setlin-ki-jaſch, welcher in der Gegend des heutigen Naſſe-Fluſſes wohnte. Nefil-ftlas verichaffte fich zuerit das Wafjer folgendermaßen: ver Häuptling hatte eine Tochter und dieſer machte Ne—kil-ſtlas insgeheim den Hof und beſuchte fie jehr oft ohne ihres

Vaters Worwilfen. Das Mädchen verliebte fich ſehr in Nestilsftlas und vertraute ihm ganz, und dies war e8 eben

nahm eines Tags einen Feuerbrand aus der Glut und floh damit wie das vorige Mal durch das Rauchloch im Dad der Hütte, Durch ähnliche Eindifche Gefchichten, welche auf eine ganz eigenartige Phantaſie deuten, werden auch derirsprung des Lichts und des geſchätzten Fifches Ulatſchen erklärt,

Den Nestilsftlas der Haidas Tuineb

|

vertritt bei den Garrieg

und anderen Stämmen der Us—-tav, von welchem

man eine beinahe endlofe Reihe ähnlicher grotesfer und oft

anmwidernder Abenteuer wie von Ne—cil-ſtlas erzählt. Das Sammeln und das Studium derartiger Einzelheiten betreffs der Sitten, Bräuche und Borftellungen eines halbbarbarischen Volkes,

Augen

welche

jogar

in dem allgemeinen Menftruum

vor unferen

der Zivilifation

verſchwinden, mag von geringer Bedeutung erjcheinen; fie führen jedoch in ein weites und interejjantes Gebiet der Spekulation, welches die Frage von dem Urfprung

und den gegenfeitigen Beziehungen der amerikanischen Ureinwohner, ihren Wanderungen und allen den unge Ichriebenen Seiten ihrer Gejchichte umfaßt, die mir jelbit bei der jorgfältigiten Forſchung nur in unbejtimmten Umrifjen fennen zu lernen hoffen dürfen. Beſonders hinfichtlich der Haidas ſehen wir uns un: willfürlih aufdie Frage geführt, woher denn jene groteste,

aber höchſt traditionelle und zur Konvention gewordene Kunst ſtamme, welche ſich in vielen Arbeiten diejes Volks

was er wünſchte; und endlich als er die rechte Zeit ges fommen mwähnte, bat er fie eines Tags um einen Trunf Wafjer, weil er fehr durftig ſei. Das Mädchen brachte ihm das Waffer in einem jener dichtgeflochtenen Körbe, welche man zu diefem Zweck gebraucht; allein er trank nur wenig davon, jeßte den Korb beifeite und wartete,

jei, welche mit einer beinahe ebenjo ſtarken Macht, wie Mode bei uns fie veranlaßt, jo viel von ihrer Zeit anjcheinend beveutungslofe Zeremonien zu verwenden, aber dazu dienen, die Bänder, Anfnüpfungspunfte und

bis das Mädchen eingefchlafen war.

Dann legte er rafch

rohe Mafchinerie der Gefellichaft unter ihnen zu bilden?

jein Federfleid wieder an, nahm den Korb in feinen Schnabel und floh zu der Oeffnung im Dach hinaus, durd) welche der Rauch in der Hütte abzieht. Er war fehr eilig, weil er von den Leuten des Häuptlings verfolgt zu werden fürdhtete, und verjchüttete da und dort etwas Waſſer, woraus die zahlreichen Flüſſe entitanden, mweldhe nun gefunden werden; aber im HaidasLande fielen nur einige Tropfen, und daher rührt es, daß dort bis heute feine großen Ströme zu finden find. Er wünfchte nun zunächſt Feuer zu erlangen, das ebenfalls im Beſitz desjelben Häuptlings war. Er wagte jedoch nicht wieder in des Häuptlings Haufe zu erfcheinen, und die Tochter desfelben war ihm auch nicht mehr gewogen. Er nahm daher die Geſtalt eines nadelförmigen Blattes der Balfamtanne an und trieb auf dem Waſſer in der Nähe des Haufes, und als das Mädchen, jeine frühere Geliebte, herabfam um Waſſer zu höpfen, nahm fie die Tannennadel nicht nur in ihrem Gefäß mit, jondern trank auch aus demfelben und verichludte unbemerkt die kleine Nadel. Sie genas furz darauf eines Kindes, das niemand anders war als der ſchlaue Nesfil-ftlas, welcher ſich auf diefe Art Zutritt in die Hütte verfchafft hatte. Er erfah ſich feine Gelegenheit,

Sind diefelben die Bräuche und Borftellungen eines Volks

offenbart, und welches der Urfprung jener jozialen Bräuche

die auf die die

gewefen, welches auf der Flucht bier ein Obdach auf diefen Inſeln gefunden und feine Künjte, Bräude und Geſetze binterlafjen hat, um bier allmählig auszujterben, wie die Menschen ſelbſt einer um den andern innerhalb diefer engen Grenzen zu Grunde gehen und verſchwinden?

Dover find diefe Geſetze, Bräuche und Künfte langfam in einer Gemeinſchaft entiwicelt worden, welche fchon in einer

|

frühen Periode von der großen Maſſe der Menfchheit getrennt wurde? Oder mögen fie, da fie niemals Aug’ in Auge einer überlegenen Macht gegenübergeftellt worden a find, im Verlauf der Jahrhunderte zu einer unabhängigen E Zivilifation gleich derjenigen von Mexiko oder Beru hevanı ' gewachjen fein? Wir dürfen niemals auf eine vollftändige | Beantwortung diefer Fragen hoffen; allein wir wiſſen binfichtlich diefer Wölkerfchaften auf der Nordweſtkuüſte Amerika's aus guten Quellen, daß mehrmals japanefifhe

Dſchonken durch die vorherrfchenden Winde und Strömungen über die ganze

Breite

des Stillen

Deeans

verfchlagen

wurden, daß die Fahrt über die Behringsitraße im Norden furz iſt und fogar heutzutage gelegentlich noch von den Eskimos auf dem Wintereife gemacht wird. Es ift daher

Ein vergeffenes Gebiet in Zentraleuropa.

mehr als wahrjcheinlich, daß von Zeit zu Zeit Völkerſchaften aus Aſien mit ihren rohen Künften an die Weftfüfte von Amerika verfchlagen worden find und daß wir den Urfprung der Betvohner der leßteren in dem öftlichen Aſien zu fuchen haben, worauf fo viele Indicien und Zeugnifje hinzudeuten Icheinen.

797

Uebereinkunft getroffen und unterzeichnet. Es ward nämlich entjchieden, daß bis dahin, wo die beiden inter: ejfierten Regierungen fich verftändigt haben würden, der

ftreitige Landſtrich einer gemeinfamen Verwaltung unter: ftellt und von Feiner der beiden Mächte militärifch beſetzt werde. Jedermann weiß, daß folche Broviforien langlebig find, und jo bejteht dasjenige über das neutralifierte Gebiet von Moresnet noch heute und die Streitfrage harrt ſchon jeit 70 Jahren ihrer Löfung.

Ein vergeſſenes Gebiet in Zeukral-Europa. Daß

es noch einen beinahe vergeffenen und herren:

lojen Kleinen Bezirk in Mittel-Europa gibt, dürfte wohl manchem unferer Lefer noch unbekannt fein. Und zwar handelt es fich bier nicht um das Andorra-Thal, nicht um das Fürftentum Monaco oder um die Republik San

Marino, diefe drei zentraleuropäifchen

Miniaturitaaten,

noch weniger um einen Bezirk in den Alpen oder Karpathen,

der um feiner topographifchen oder klimatiſchen Zuftände willen ſchwer zugänglich oder gefährlich und deshalb un: befannt ift, fondern um einen fleinen Streifen Landes an der deutſchen, vefp. preußifchen Weftgrenze, im Mittelpunft

eines der veichjten

und

twichtigften Bergmwerfs-Diftrifte

Europas, nur 30 Lieues von Brüffel, dicht an der belgifchen

Das neutrale Gebiet hat die Geftalt eines beinah vollfommenen und ziemlich in die Länge gezogenen Dreieds, deſſen tweitliche Seite 5 1/, Km., die öftliche aber 4 Km. lang it.

Sein Flächenraum beträgt ungefähr 550 Ha. und die auf mehrere Dörfer verteilte Bevölkerung, welche ſich im Jahre 1816 auf 200 bis 250 Köpfe belief, beträgt nun beinahe 3000 Seelen.

Die vollziehende Gewalt war bis 1841 einem belgifchen und einem preußifchen Kommifjär anvertraut ; feither ift fie, um Weitſchweifigkeiten zu vermeiden, den lokalen Behörden übertragen worden. Ein Bürgermeifter, von den Kom— miljären ernannt und von einem Gemeinderat von 12 Mit: gliedern unterjtüßt, leitet Die Gefchäfte des Gebietes, welches nad) dem Code Napoleon regiert wird, tie derfelbe im Jahre 1814 beitand.

Grenze zwischen Verviers und Aachen, und diefer heißt das neutrale

Da das neutrale Gebiet ein allzu Feines Land ift,

Gebiet von Moresnet. Diefer Kleine Landſtrich gehört niemand, aus dem einfachen Grunde, weil fich zivei Staaten darum ftreiten. Diefe fcheinbare

beamte zu haben, jo fünnen alle Zivil- und KriminalProzeſſe je nach dem Wunfche des Klägers oder des Be—

Unabhängigkeit

klagten

hat aber nicht immer

eriftiert, fondern

ſchreibt fih erft von 1814 her. Unter der franzöfifchen Herrjchaft bildete das Gebiet von Mioresnet einen Teil des Durthe= Departements (Kantons Aubel, Gemeinde

Moresnet, welche heutzutage zu Belgien gehören) und be: fand fi auf dem Berührungspunfte diefes Departements mit demjenigen der Noeur. MS aber infolge des Sturzes der Napoleonifchen Herrichaft es ſich darum handelte, die Grenze zwifchen Preußen einer: und den Niederlanden andererjeits durch dieſe Departements zu ziehen, verividelten die Bevollmächtigten des Wiener Kongrefjes, ohne Ziveifel in Ermangelung genauer Karten des Landes, die Frage in zwei einander widerſprechenden Artikeln und ein Teil der Gemeinde Moresnet wurde weder in der Lifte der an Preußen fallenden, noch in der Lifte der den Niederlanden

zugewieſenen und fpäter an Belgien gefallenen Ländereien aufgeführt. Man bemerkte die mangelhafte und undeutliche Abgrenzung erft an Ort und Stelle, als die preußifchen und niederländifchen Kommiſſäre

ſich daran machten, die

Grenzen ihrer rejpeftiven Länder ganz genau feitzuftellen und zu bezeichnen. Es gab einen Streit, denn die einen hielten ſich an den Artikel 66, die anderen an den Artikel 25

der Wiener Schlußakte. Da ſich weder die ftreitenden Kommiffäre noch die beiden Negierungen verftändigen fonnten, auf welche man fich deshalb beziehen mußte, jo wurde unter dem 25. Suni 1815 eine proviſoriſche

um

befondere

Dbergerichte

indifferent

Tribunale

vor

gebracht

die

werden.

und

befondere

belgischen

Minifterial-

oder

Die Notare

preußischen

und Gerichts:

boten der beiden Länder können daſelbſt gleichermeife Urkunden ausftellen. Die Zivilftands-Negifter erden deutſch geführt und find beim ©erichtshofe erſter Snftanz

in Aachen niedergelegt. Bezüglich der geistlichen Angelegenheiten gehört das Gebiet zur Jurisdiktion des Bischofs von Lüttich. Die Hypotheken können ebenfo gut auf der preußifchen Kanzlei in Montjvie, wie auf der belgifchen

in Berviers eingetragen werden. Endlich beſitzt das Ge— biet ziwei Schulen und eine Armenpflege. Die ausnahmsweiſe Stellung, welche durch die Ueber: einfunft vom 25. Juni 1815 gefchaffen worden, hat zur Folge gehabt, daß die Einwohner lange zu feinem Militär: dient berbeigezogen wurden. Im Jahre 1854 hat Sich

aber die belgische Regierung entjchloffen, diefes Privilegium nur

für die 400

oder 500 Nachkommen

der alten Ein:

wohner beſtehen zu laſſen, und hat die in feinen Bereich Gehörenden unter die Fahnen gerufen. Preußen ift im Sahre 1874 diefem Beispiel gefolgt, fo daß nun eine der angenehmiten Freiheiten dieſes Gebietes aufgehoben zu erden und verloren zu gehen feheint. Der kleine Land:

ftrich hat aber auch noch andere Immunitäten und Frei: heiten, welche nicht zu verachten find, namentlich vor allem

ganz außerordentlich

mäßige

Steuern.

Die glüdlichen

Eintvohner von Moresnet zahlen nicht einmal einen Franken

Ein Blick auf die Falklands-Inſeln.

798

Abgaben per Kopf.

Im Jahre 1814 bezahlte das Gebiet

dem Staat eine Abgabe von 2735 Franken jährlich für Grund-, Patente und Kopfiteuer zufammen; dieſe unbe: deutende Summe tft feither nicht erhöht worden und Preußen und Belgien teilen fich hälftig darein. Die belgifchen und preußischen Waren bezahlen bei ihrem Eintritt in das neutrale Gebiet Feinen Ausfuhr: und feinen EinfuhrzZoll; dasselbe hat daher die EigenIchaften eines Freihafens; und fo bejitt diefes Kleine Gebiet

in Wirklichkeit viele Vorteile der Unabhängigkeit ohne deren Laſten. Fragt man aber, welchem glücklichen Umſtande dieſes

beneidenswerte kleine Fleckchen Erde dieſe bevorzugte Lage, dieſes ausnahmsweiſe günſtige Proviſorium verdankt, und wie es kommt, daß ſeit 70 Jahren keine Verſtändigung zwiſchen Preußen und Belgien erzielt werden konnte, um einer ſolch ſonderbaren Lage der Dinge ein Ende zu machen, ſo lautet die erklärende Antwort darauf einfach: das neu— trale Gebiet enthält reiche Lager von Zinkerzen, welche der berühmten Société franco-belge de la Vieille Montagne

ihren Namen gegeben hat und tvelche feiner der beiden Staaten aufgeben will. Dieſe Bergiverfe werden fchon jeit langer Zeit abgebaut. Im Fahren 1421 gehörten fie Aachen, von wo fie an die Herzöge von Limburg übergingen, die

Wege für Segelfchiffe auf ihrer Jahrt um das Kap Horn herum, wenn fie ihre Waſſer- und Proviant- Vorräte erneuern oder etwa gewiſſe Beihädigungen ausbefjern mußten, welche fie in dem ftürmifchen Wetter erlitten hatten, das in diefen Breiten den größten Teil des Jahres hindurd) herrſcht. Es ift jedoch fehr wahrscheinlich, daß die Falk—

lands-Inſeln in nicht ſehr ferner Zeit ſogar derartiger Befuche werden entbehren müfjen, weil man ihrer nicht mehr bedürfen wird. Diefe Infeln gehörten früher zu verjchiedenen Zeiten Frankreich und Spanien (die Spanier nannten fie las Malvinas), dann zu Argentinien, deſſen Befitrechte von den Vereinigten Staaten von Nordamerifa ausdrücklich anerkannt worden waren, find aber 1833 widerrechtlich von der britifchen Negierung im Intereſſe des Walfiſchfangs im Antarktifchen Ozean annectiert worden und haben jeither

einen Teil der britifchen Befisungen gebildet. befteht zunächſt aus

Die Gruppe

den größeren Inſeln Ofte und Weit

Falkland

und

eigentlich

mehr Eilande

dann

aus

nahezu 200 Eleineren, welche oder Sandbänfe

find und ins—

gefamt einen Flächenraum von beiläufig fünf Millionen englifcher Acres (12,563 Q.-Km.) einnehmen. Die einzige Niederlaffung oder Stadt (falls man fie mit diefem Namen belegen darf) ift Stanley, gelegen auf einem janften

war das Gebiet befannt unter dem Namen Kelmis-

oder

Abhang von Moorland, welches an einen jchmalen und beinahe vom Land umfchlofjenen, natürlisen Hafen der

Galmeiberg, nad) dem dort gewonnenen Mineral.

Als

Inſel Dft- Falkland ftößt.

fie an Philipp den Gütigen verpachteten.

Zu jener Zeit

Stanley

zählt nur wenige gut

gebaute Häufer, welche dem Gouverneur,

den Kolonial-

jodann in der Gegend ein neues Galmeilager entvedt wurde, bezeichnete man den früheren Galmeiberg als den

beamten

Alten Öalmeiberg

dienen; die übrigen find armfelige Hütten und ſchuppen—

oder der Kürze wegen Altenberg,

Vieille-Montagne, welchen Namen er unter der franzöfifchen Herrjchaft erhielt, wo die Bergmwerfe für National-Eigentum erklärt und 1805 um 40,500 Franken verpachtet wurden, Das Vorhandenfein der Oalmeigruben hat alfo, wie man

fieht, die gegenwärtige Lage des neutralen Gebietes her: beigeführt. Man konnte ihre Ausbeutung nicht teilen und feiner der beiden Mitbefiter wollte das Eigentumsrecht daran dem andern abtreten und jo wird die Neutralität des Gebietes wahrſcheinlich nicht eher ein Ende nehmen, als mit der Erfchöpfung der Galmeigruben, welche augen: blieklich fich noch nicht abjehen läßt.

und

einigen

artige Gebäude,

deren Material meist aus dem Holziverf

geftrandeter Schiffe und aus Treibholz beſteht. Das Klıma it feucht und fehr veränderlich, aber äußerſt gefund. Von den Schwankungen der Witterung kann man fi kaum einen Begriff machen: beute mag die Sonne freundlid)

icheinen und die Luft ganz klar und erheiternd fein, und venn du dann morgen mit Tagesanbrucd aufſtehſt und diefelbe Landfchaft betrachteft, erfennft du fie faum wieder, jo ſehr hat fie fich verändert. Ein ſchwerer dider Nebel ift vom Meere hereingetrieben und verhüllt unter jeiner

falten feuchten Dede die ganze Natur. fi) mehr zur Viehzucht

einigermaßen

Die einfame Gruppe der Falklands-Inſeln ift eine eigentliche terra incognita für alle, außer denjenigen Serfahrern, welche das Kap Horn umfchifft haben. Sie find feither nur felten befucht worden und dürften fünftig noch meiter entfernt vom gewöhnlichen Kurs der Handels— Ihiffe liegen, wenn die Vollendung des interozeanifchen Panama-Kanals den Verkehr in neue Bahnen leitet, Bisher dienten diefe Inſeln als ein Haltpunft auf halbem

Der Boden eignet

als zum Aderbau

und erinnert

an die unangebauten Ländereien des nörd—

lihen Schottland

Ein Blik auf die Falklands-Inſeln.

glüdlichen Händlern zur Wohnung

und

der Orkney- und Shetland-Inſeln.

Große Heerden von beinahe wilden Nindvieh tummeln ſich nach Belieben auf dem Weideland diefer Inſeln, haben aber außer ihren Häuten feinen anderen Wert, da hier

fein Markt für das Fleisch ift. Der größte Teil dieſer Nindvichheerden gehört der Falklands-Inſel-Kompagnie, welche in Stanley auch ein See-Magazin und ein Etabs liffement für Schiffsausrüftung im allgemeinen befist. Diefe Geſellſchaft ließ fich vor einigen Jahren auch auf Schafzucht ein, führte verfuchsweife einige Heerden gewöhn:

licher Schafe

ein und

kreuzte fie mit der Cheviot-Raffe.

Ein Blid auf die Falklands-Inſeln.

Diefer Verfuc gelang über Erwarten gut, und die Schaf— zucht bildet nun den Haupterwerbszweig der Bewohner

und

beſonders

der jüngften Anſiedler.

Es

haben fich

nämlich in den jüngftvergangenen Jahren einige junge Engländer, jeder mit einigen hundert Pfund Sterling

Kapital,

zu diefem Zweck auf den Snfeln nievergelaffen,

und ihre Stationen umfafjen je 20,000 bis zu 150,000 Acres,

und der gefamte Wert der von ihnen ausgeführten Wolle mag jährlich gegen 50,000 Pf. St, betragen.

Da e8 aber

feinerlei Straßen oder Fuhrwerke für den inneren Verkehr gibt, weil die ganze Gegend um Stanley herum ein großer Sumpf ift, jo müſſen ſich die Befiger der Schafftationen

kleine Segelſchiffe halten, mit denen fie ihre Lebensbedürf— niſſe von Stanley holen oder ihren Ertrag an Wolle dorthin bringen, um diefelbe nach England zu verfchiffen.

| |

In Betreff der Scenerie find die Falklands-Infeln von der Natur etwas ftiefmütterlich behandelt worden. Es gibt auf den jämtlichen Infeln nur einen einzigen

Baum, der im Garten des Gouverneurs fein fümmerliches

Daſein zu frilten verfucht, wo er durch eine Mauer vor dem ſchneidenden Südwinde geſchützt wird, welcher ſchonungs— Los jeden über dieſe Schutzwand ſich hinausragenden Trieb abreißt.

Die ganze Bevölkerung

im

der Falklands-Inſeln betrug

Jahr 1877 wenig über 1300 Perſonen, wovon beinahe

drei Vierteile Männer ſind.

Die meiſten Einwohner ſind

Engländer; dazu noch einige Amerikaner und Spanier, letztere die Nachkommen der früheren Herren dieſer Inſeln.

Die Regierung liegt in den Händen eines Gouverneurs, welchem ein vollziehender und ein geſetzgebender Rat, beide von der Krone angeſtellt, hülfreich zur Seite ſtehen. Die

Mehrzahl der Einwohner

aber außer den großen Vieh—

züchtern find Fiſcher, deren Haupterwerb

im Robbenſchlag

und im Erlegen der Pinguine beſteht, welche die Charakter—

vögel dieſer Zone ſind. Die Vegetation dieſer Inſeln iſt naturgemäß eine dürftige, der eintönigen Bodengeſtaltung entſprechende. 4 Die ganze Oberfläche der größeren dieſer Inſeln beſteht aus wellenförmigem Gelände, durchſchnitten von Flüßchen

und Waſſerläufen welche ſämtlich nur geringen Fall haben und daher in den Bodenſenkungen Moore und ſumpfige Niederungen bilden, welche von einer Menge von Waſſer— vögeln belebt werden. Niedere, zum Teil immergrüne Büſche bejäumen diefe Sümpfe und Moore; der humusreicheve Boden

bringt

ein

binfenartiges

vafenbildendes

Gewächs, das jogenannte Tuffodgras,

Dactylis cae-

spitosa, hervor, welches ganze Büfchel Salme bis zu 2 m. Höhe treibt und ftredienweife dichte Prairien bildet, in denen Vögel und große Nobben, namentlich) der Seelöwe,

799

begünftigt. Die Temperatur fteigt im Sommer nicht über 21 bis 220 C. und finft im Winter nicht unter den Öefrierpuntt herab, Die Infeln tragen noch Gerſte, Hafer und Gemüſe, aber die Humusſchicht des Bodens iſt ſo

wenig mächtig, daß die zum Ackerbau geeigneten Oertlich— keiten relativ ſelten ſind, und ein engliſcher Morgen Acker— land oft mit 2000 Mark bezahlt wird. Hierunter leidet die DBefiedelung, und die meiften Einwohner haben nur Heine Oärtchen, worin fie etwas Gemüfe ziehen, und jeben ſich daher darauf angetwiefen, ihren Lebensunterhalt durch Jagd und Fiſchfang, Robben: und Pinguinſchlag zu erwerben, Die Jagd ift nicht unergiebig, denn es nijten auf den Falklands-Inſeln eine Menge von Meeresvögeln aller Art, ſowie don wilden Gänfen und Enten verſchiedener Art und eine Schwanenart. Im antarktiſchen Frühling und Sommer bildet das Suchen der Eier dieſer Vögel eine weſentliche Beſchäftigung der ärmeren Einwohner, denn dieſe Eier ſpielen in der Ernährung derſelben eine bedeutende Rolle. Dann kommt der Robben-— und PinguinIhlag. Die Gewäfjer der Falklands-Inſeln beherbergen

nämlich eine ziemliche Menge der antarktifchen Robbenarten, namentlich dev Mähnenrobbe

oder des Seelbwen,

Otaria

jubata oder leonina, eines großen trägen Tieres von mehr als 2 m. Länge, deſſen Fleiſch an der Luft getrodnet wird, um einen Wintervorrat zum Verfpeifen abzugeben, und dejjen Fell und Thran fehr gefucht find. Diefe Seelöwen waren früher viel häufiger, find aber durd die emfige Verfolgung und Jagd feheuer und jeltener geworden und ihre Jagd tft num ſchwieriger als früher; fie leben gejellig in Nudeln bis zu 20 Stüden und mehr, worin die Weibchen überwiegen, und verlaffen von Zeit zu Zeit das offene Meer und die Tieffee, um ans Land zu fteigen, teils um zu werfen, teils um fi) an dem jungen Tufjod-

graſe zu äſen. Da fie alsdann von den Robbenfchlägern beſchlichen und niedergejchlagen werden, fo find fie fehr ſchlau und vorfichtig geworden, fteigen nur an unbetretenen Dertlichfeiten ans Land, ftellen allenthalben auf höher gelegenen Punkten Schildwachen aus und tragen große Sorge, ſich eine Nüczugslinie nad) der See zu fichern, befonders an Drten, wo fie zubor einmal von Menfchen angegriffen worden find. Es erfordert daher von Seiten der Nobbenfchläger große Umficht und geduldiges Warten, um ein ſolches ans Land geftiegene Nudel zu befchleichen und dom Meere abzufchneiden, was meift nur bei Nacht

gelingt.

Doch gefchieht es trogdem noch ziemlich häufig,

daß der einfame Jäger

oder Eierfucher,

wenn

er durd)

diefes Didicht von mehr als mannshohem Gras fchleicht, plöglih durch das tiefe Gebrüll einer ſolchen Mähnen-

Otaria leonina, ihren Unterhalt und Schlupfwinkel finden. Das Tufjodgras hat aber aud Nährwert und unterhält

dann mit fichtlicher Eile meerwärts flüchten fieht, denn es

die zahlreichen Herden von Nindvieh und Schafen, welche

iſt harmlos und greift troß feiner mächtigen Zähne weder

f neuerdings bier gezüchtet werden und halb wild Ieben, da die verhältnismäßige Milde des Klima’s dieſe Lebensmeife

den Menfchen an noch verteidigt es fich gegen ihn, wenn es vervundet iſt, jondern flüchtet unfehlbar und mit

4

vobbe,

ihren Schredlaut,

überrafcht

wird

und das Tier

800

Ein Blid auf die Falklands-Inſeln.

ziemlicher Eile. Leben

und

Die Mähnenrobbe hat ein ziemlich zähes

bleibt

durch das Gehirn

nur

dann

im Feuer liegen, wenn fie

oder das Herz getroffen ift; bat fie

einmal das Wafjer erreicht, jo it fie für den Jäger verloren, und wäre ſie aud noch jo fchwer getroffen. Daher verlaffen fib die Eingebornen mehr auf Art und Keule als auf das Schießgewehr.

Die Brutpläße

der Pinguine

oder Fettgänfe

liegen

auf den Felfenterraffen und Leiſten der Küſtenklippen, gewöhnlich unter dem Schuße irgend einer landumſchloſſenen Bucht oder an den fteilen Felfenwänden, welche irgend ein Fjord einschließen. Ein derartiger Brutplab nimmt oft einen Flächenraum von mehreren Morgen ein, ijt meift eben und jo regelmäßig befiedelt, daß man glauben follte, er jei von einem Geometer ausgemefjen und in Straßen und Quadrate eingeteilt worden. Diefen Straßen entlang watjcheln die Pinguine auf ihrem Wege von und zum Meere bin und her, wie eine Kinderfchaar mit weißen Schürzen. Ste bauen feine Nejter, fondern fcharren nur eine napfförmige Vertiefung in den Boden und legen in diefen ein einziges Ei, welches Männchen und Weibchen gemeinfam ausbrüten. Das erſte gelegte Ei nun wird von den Einfammlern gewöhnlich weggenommen, und dag Weibchen legt dann nod eines, welches ihm gelaffen und von ihm ausgebrütet wird. Der Binguin fann befanntlid) nicht fliegen, denn feine Schwingen find nur verfümmerte Stummel, die eher den Floſſen einer Schildfröte als den Flügeln eines Vogels ähnlich ſehen; dagegen ſchwimmt und taucht er ausgezeichnet, wenn er die Filche fängt, welche feine gewöhnliche Nahrung bilden. Zwifchen Balg und Fleiſch hat der Pinguin eine dicke Lage feiten Fetts, welches einen jehr guten Thran Liefert. Wenn die Jungen gegen Ende des antarktifchen Sommers eine gewiſſe Größe erreicht haben, fommen die Einwohner nad) den Brut:

plägen, ſchneiden den Pinguimen

den Nüdzug

Oſtküſte von Oft- Falkland liegenden Haupthafen der Inſeln,

zurüc, verkaufen ihre Ausbeute an Fellen, Bälgen und Thran an die Händler, welche natürlich den Löwenanteil bon

diefer Jagd ziehen,

England

verladen

von dort Getreide,

neuerdings die Geelöwen und Pinguine fchon feltener geworden und ihre Jagd lohnt ſich nicht mehr fo gut wie früher. Aus diefem Grunde veranftalten die ärmeren . Einwohner der Falklands-Inſeln allfommerlich Expeditionen nad) den unbewohnten Neu-Shetlands-Inſeln, welche 600 e. MI. ſüdlich von Kap Horn liegen, und nad) den unbewohnten Eilanden in der Umgebung der beiden großen Falklands-Inſeln und Schlagen hier Robben und Pinguine

nach Herzensluſt.

zu lafjen, und die Schiffe bringen Mehl, Tücher und

Das

Wenn

dann

die Zeit des Fiſchfangs

und Robbenſchlags vorüber ift, ehren dieſe Teichtfertig im den Tag hinein lebenden Leute nad) Stanley, dem an der

andere

|

Lebens:

e

englifche Geſchwader

an der ſüdamerikaniſchen

Küfte befucht beinahe regelmäßig einmal im Jahre von Montevideo aus die Falklands-Infeln und richtet feine

Beſuche jo ein, dab das Geſchwader die Weihnachtstage auf den Inſeln verbringt, was dann ein ungemein gejelliges Leben in Stanley hervorruft. Die britifchen See— ofliziere beluftigen fi) dann meift mit der Jagd, die ſehr

ergiebig iſt, da inden Mooren eine Unmaſſe von Schnepfen und mehrere Arten von Wildenten, Wildgänſen und Kriek— enten hauſen, welche gar nicht ſcheu ſind, ſo daß ſelbſt ein

Neuling im Flugſchießen eine reiche Ausbeute von Wild— gänſen machen und gelegenheitlich ſogar einen Schwan ſchießen oder einen Seelöwen am Lande erlegen kann. Die beiden großen Inſeln find von einer Menge von

Fords und tiefen Buchten eingefchloffen, welche eine günjtige Gelegenheit zur Jagd auf Meeresvögel abgeben, welche hier in vielen Arten vorhanden find. Der Handels: verkehr des geſchützten Hafens von Port Stanley ift nicht unbedeutend, beläuft fich auf zirka 20,000 Tonnen jährlich

und zeigte im Jahr 1878 eine Ausfuhr von mehr als einer Millton Mark an Wolle neben anderen Produkten und eine Einfuhr von 740,000 ME.

— —

Anzeigen. Bei Th. Griebens

Verlag

erschienen:

In Solge diefer fchonungslofen Verfolgung find aber

in ihre einfamen

bedürfniſſe mit.

nad) der

Beute nad) Haufe.

fehren

Erlöfes ihre Lebensbedürfnifje gefauft haben. Die Händler 4 | Ihiden dann ihre Waren in Kleinen Küftenfahrzeugen nad) Buenos Ayres oder Montevideo, um diefelben nad) 4

See ab und jchlagen die armen harmlofen Vögel mit Knütteln und Keulen in Mafjen nieder, ohne daß viefe

einen Verfucd zur Flucht machen, und bringen eine reiche

und

Wohnungen zurüd, nachdem fte ſich für einen Teil ihres

—— mn — — —

i

(L. Fernau) in Leipzig ist

Das Kind in Brauch

und Sitte

Anthropologische

der Völker. Studien

J

von Dr. med. H. Ploss.

2 Bände.

Zweite stark vermehrte Auflage. Preis 12 Mark, elegant gebunden

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£. Glogau Sohn, Hamburg, Burftah.

Herlag der 3. 6. Cotta'ſchen Buchhandlung in Stuttgart. nd, Mar, Dr. med., Die Nationalitätenfrage in Finnland.

74 S.

80.

M. 1.20.

Druck und Verlag der J. ©. Cotta'ſchen Buchhandlung in München und Stuttgart.

i —4

Mas Ausland. Wochenſchrift für Lander: und Dölkerkunde, unter

Mitwirkung

bewährter

Fachmänner

herausgegeben

von

der

J. ©. Cotta'ſchen Buchhandlung in Stuttgart und Münden. Siebenundfünfzigiter Jahrgang.

Ar. 41.

Stuttgart, 13. October.

1884.

Jährlich 52 Nummern & 20 Seiten in Quart. Preis pro Quartal M. 7. — Zu beziehen durch alle Buchhandlungen des In- und Auslandes und die Poſtämter. Manuffripte und Rezenfions-Gremplare von Werken der einſchlägigen Yitteratur find diveft an Herrn Dr. Karl Miller in Stuttgart, Kurzeſtraße Nr. 6/11, zu jenden. Injertionspreis 20 Pf. für die gejpaltene Zeile in Petit.

Inhalt: 1. Die antarktifhen Regionen. Bon Rich. U. Procter. (Schluß) S. 801. — Ein Vieh-Rancho in Kolorado. ©. 804. — 3. Sitten und Gebräudhe auf den Halligen fonft und jetzt. Von Chriftian Jenſen auf Sit. (Fortjetsung.) ©. 808, — 4. Die Argentinifhe Republif. ©. 811. — 5. Der Golfftrom. Bon W. H. Ballou. ©. 813, — 6. Die Goldfelder im TransvaalLande. ©. 813. — 7. Die heutigen Reſte der präglazialen Flora Europas, ©. 818. — 8. Kleinere Mitteilungen: S. 819. Suakim. — 9, Notizen: ©. 820,

ne

N

N

dir antarktifden

fährt er dann fort, wo

Kegionen.

Meeren

Von Rich. A. Proctor.

vorkommenden

er von ſpricht.

„Die arktiſchen Gletſcher.

den in den nördlichen Er

antwortet

darauf:

Von den Bergen im Innern

gleiten die verhärteten Schneemaffen in die Thäler herab ‚ und füllen fie mit Eis. Die auf diefe Weife gebildeten

Schluß.) | Die ungeheuren Eisberge, welche aus dem Südpolar—

Sletjcher beivegen

meere fommen, regen zu intereffanten Schlüffen binfichtlih

| abwärts.

der noch unerforfchten

| das Meer, ja oft bis in dasjelbe herein und wühlen deſſen

wird

verftändlich

Negionen

werden,

wenn

jener Zone an.

Dies

wir uns erinnern, daß

| rund

Allein

ſich, wie die fchweizerifchen, beftändig

in

die arftifchen Gletſcher

unterfeeifshe

Moränen

auf.

reichen Vom

bis an leckenden

alle die größeren und höheren Eisberge ihren Ursprung in Wirklichkeit in ungeheuren Gfletfchern haben. Unabjehbare Eismafjen bilden fih in der That auch im offenen Meere.

Wogenſchlag unterwühlt und außer ftande, der Spannung | Widerftand zu leiften, welche ihr eigenes Gewicht ihnen auferlegt, brechen fie der Quere nach ab und entladen

- Seven Winter bedecken ſich die Meere, welche während des

ungeheure Maffen in den Ozean; manche von diefen fahren

antarftifhen Sommers (Dezember, Januar und Februar) | auf den benachbarten Küften auf und erhalten fi) bier offen getvefen waren, mit Eis von ungebeurer Dide; bei der Wiederkehr des Sommers werden dann die jo ges

oft Jahre lang. Andere treiben davon, um endlich in | den warmen Gewäſſern des Ozeans aufgelöft zu werden.”

bildeten Eisfelver zerbrochen und die während der Stürme gegen

Man

bat die wichtige Wahrnehmung gemacht, daß

einander getragenen Trümmer zu riefigen Maſſen

die antarktifchen Eisberge weit größer und zahlreicher find

aufgefchichtet. Allein fo Eoloffal auch die dadurch aufgehäuften Maſſen find, fo werden fie an Größe und Um: fang doch von den wahren Eisbergen noch weit über:

| als diejenigen, welche fich in den arftifchen Meeren bilden. | Von der Größe der letzteren kann man fich einen Begriff | machen nac dem einen von Tyndall angeführten Beispiel,

troffen.

„Zwiſchen

Meereseis”, welche einer

den treibenden Mafjen

jagt Tyndall, gänzlich

von flachem

„segeln ungeheure

verfchiedenen

Quelle

Dies find die Eisberge der Polarmeere.

Mafjen,

entipringen.

Sie erheben ſich

zumeilen zu einer Höhe von mehreren hundert Fuß über

das Waſſer, während die Höhe des untergetauchten Eifes ungefähr

jtebenmal

größer ift als die über der Meeres—

fläche fichtbare, — Was Ausland 1884, Nr. 41.

für einen Ursprung haben fie?”

welcher

nad)

Sir

Leopold

Macclintock's

Schilderung

| eimen Eisberg bejchreibt, welcher 250 Fuß hoch und in | einer Meerestiefe war.

von

500 Fuß auf den Grund geraten

Kapitän Maury fpricht aber von antarktifchen Eis-

| bergen im offenen Meere, welche Hunderte von Fuß hoc)

geweſen feien und „eine Ausdehnung von mehreren (engl.) | Meilen gehabt haben”.

| Erdball

„Der Meeresgürtel, welcher unferen

auf der Polfeite von

550 |. Br. umzieht, 121

iſt

— —

802

Die antarktifchen Regionen.

niemals frei von Eisbergen”, jagt er;

„fie bilden fi in

allen Teilen desjelben das ganze Jahr hindurch. - Sch habe fie ſelbſt noch unter dem Parallel von 379 f. Br. angetroffen... und Seefahrer auf der Fahıt vom Kap der guten Hoffnung nad) Melbourne und von Melbourne nad) dem Kap Horn wagen kaum jemals — außer während der Fahrt um das Kap Horn herum — ihren Aurs auf der polaren Seite des 55. Breitengrades zu nehmen.” Und er bemerkt mit Necht: „Der Entjtehungsort oder die Wiege der Eisberge muß eine ungeheure fein, um ein folch weites

Feld auszufüllen;

eine derartige Wiege

kann nicht auf

dem Meere fein, denn Eisberge bedürfen einer ficheren Befeftigung an der Küſte, bis fie ihre volle Größe er— reichen. Sie legen daher in ihrer ſtummen Weife ein lautes Zeugnis dafür ab, daß die antarftifchen Küſten— Iinien eine große Ausdehnung, tiefe Buchten, worin ſich die Eisberge bilden mögen, und hohe Klippen haben, von denen aus fie vom Stapel gelafjen werden können.“

Es iſt jedoch merkwürdig,

wie Maury

nicht wahr:

nimmt, daß das Zeugnis diefer ungeheuren Eisberge der Theorie eines antarktiichen Kontinents fich widerſetzt oder wenigſtens dasfelbe in feiner Weife begünftigt.. Man

fönnte in der That jogar den Schlüffen, welche Maury

es eine große Fontinentale Region gibt, die an ihrem Rande gleich der ffandinavifchen Halbinfel in Buchten und Föhrden zerflüftet ift.

Allein feltfamerweife erfennt Kapitän Maury in der That die Notwendigkeit für eine pafjende Region an, innerhalb welcher die Eisberge gebildet werden follen, Iheint fich jedoch (durch die Anficht der Geographen hin-

jihtlih der unbefannten antarktifchen Regionen) für verpflichtet zu erachten, das Vorhandenſein einer derartigen Region mit der Theorie eines großen antarftifchen Kon tinents in Einklang zu bringen. „Vor der Einbildungs: fraft”, jagt er, „dämmern Föhrden, tiefe Buchten und geräumige Meerbufen auf und erinnern uns, die Frage zu ftellen: Liegt nicht in den antarktifchen Kontinent ein Mittelländiſches Meer eingefchloffen, deſſen Küften der. Bildung und dem-In-die-See gehen von Eisbergen un—

geheurer Größe günftig find? und liegt nicht der Zugang zu Ddiejem Meere in der Nähe des Meridians von Kap Horn oder vielleicht weitlich von demfelben?” Allein die

Beichaffenbeit der antarktifchen Meere wird uns die An: nahme einer derartigen Anfiht vom Urfprung der füdpolaren Eisberge nicht geftatten. Selbjt wenn das ver

meintlihe antarftifche Mittelländifhe Meer nicht eine gefroren wäre, würden wir uns nur mit Mühe vergegen-

aus den antarktiichen Eisbergen zieht, fogleich entgegen— halten, daß ähnliche Schlüffe eher darthun würden, die unbefannten Teile der arktiſchen Negionen würden vor: wiegend von Landmaſſen eingenommen. Allein abgejehen davon lehrt ung alles, was wir von Gletſchern wiſſen, die Thatſache anerkennen, daß dieſelben nur in Regionen gebildet werden, wo ungeheure Gebirgszüge vorhanden find und wo die unteren Ebenen derjelben von Schluchten und Thälern erreicht werden, deren Fall oder Steilheit im Verhältnis zum Herabfteigen fich allmählich vermindert. Ueberall nun, wo wir eine derartige Contour des Landes bemerken, haben wir in den umgebenden Regionen die eine oder die andere der drei folgenden Bedingungen: entiweder 1. Negionen flachen Landes um den Fuß bon Gebirgsfetten herum; oder 2. Binnenmeere, auf welche die Thäler ausmünden; oder 3. und leßtens offenes Meer, worin die Gebirgszüge Infeln oder Steilgipfel von kom— plizierter Geftalt bilden. Offenbar entfpricht die dritte

könnten.

diefer Formationen

müſſen den uns befannten Gletſchern unähnlich fein, weil

den Bedingungen,

welche von den

antarktifchen Eisbergen angezeigt werden. Es muf eine Verbindung zwischen antarktifchen Meeren und den Gebirgs— hängen antarktiſcher Länder beſtehen, und dieſe Verbindung ſind notgedrungen lange und tiefe Thäler, welche zu Föhrden, Buchten und Meerbuſen herabziehen. Auf dieſe Weiſe iſt es ebenſo gewiß, als eine ſolche Sache nur bis dahin ſein kann, wo das Auge des Menſchen wirklich auf dieſen Regionen geruht haben wird, daß die antarktiſchen Küften außerordentlich unregelmäßig find, und es ericheint darum wahrfcheinlicher, daß die Landmafjen antarkftifcher Regionen aus einer Anzahl großer Infeln gleich denjenigen

in den Meeren

nördlich von Amerika

beftehen, als daß

| |

mwärtigen können,

Küften herum

daß die Oletfcher, welche ſich um feine

bilden, in ftattlicher Prozeffion dur; die

bermeintliche Meerenge ſüdlich und weſtlich von Kap Horn auslaufen würden. Wie fünnten ſich denn hier Ströme

ungen bilden, welche ſtark genug wären, um diefe Gletfcher: maſſen fortzutragen? Wie fünnten Zufammenftöße ver: mieden werden, welche die Mündung der Meerenge oft für viele Monate verjperren würden? Und wenn man dann noch die Erwägung hinzufügt, daß ein derartiges

|

antarktiiches Mittelmeer beinahe gewiß das ganze Jahr hindurch überfroren fein würde, jo wird die Theorie, dafs

h

innerhalb eines ſolchen Meeres ſich jene antarktiſchen Gletſcher und Eisberge bilden, nad) unferer Anficht vollends unhaltbar. Falls je ein folches Meer vorhanden ift, ſo

muß

es allzu volljtändig mit Eis blodiert fein, als da

irgendwelche

beträchtlichen Bewegungen

Selbſt die Gletfher

darin ftattfinden

an feinen Küftenrändern

die zu Thal gerichtete Bewegung der dieſelben bildenden Eismafjen

jo gehemmt

werden

müßte durch den Wider:

jtand bereit3 angehäufter Maffen, daß fie fogar in langen Hgeitperioden kaum bemerkbar fein würde, Wenn toir die Befchaffenheit der antarftifchen Meere

und befonders den Umſtand ertvägen, daß der antarftijche Sommer weit fälter ift als der arftifche, jo wird es höchſt wahrſcheinlich erſcheinen, daß innerhalb der antarktiſchen

Region Land und Waſſer ſo ausgeteilt ſind, daß ſowohl die Küſtenlinien

Verbindungen frei ſind.

von

großer

Ausdehnung,

als auch die

mit dem offenen Antarktiſchen Ozean ganz

Mit anderen Worten, es erſcheint als ein gang

2 |

Die antarktifchen Negionen,

vernünftiger

Schluß,

daß es innerhalb des Südpolar—

freifes viele große Infeln gibt, und daß diefe Snfeln durch

breite Durchfahrten und nicht durch Meerengen von einander getrennt ſind, welche leicht vom Eis in der Weiſe blockiert und verſtopft werden könnten, daß fie das

Auslaufen der großen Eisberge hindern würden.

Diefem

Schluſſe widerſetzt fich nichts, was feither durch antarktifche Forſchungsreiſende ermittelt worden ift. Man kann jogar

dur) das Studium einer gewöhnlichen Karte der antarktiſchen Meere jehr Leicht in den Mißgriff verfallen, anders zu fchliegen. Betrachten wir z. B. die Karte in Maury's „Phyſikaliſcher Geographie des Meeres”, fo können wir uns leicht einbilden, die Grenzlinie, welche die Grenze der antarftifchen Forſchungen bezeichnet, deute auf das Vorhandenfein einer fortlaufenden Eisfchrante — gleihjam der vorgejchobenen Verteidigungslinie, hinter welcher eine ebenjo fortlaufende Schranke fteiler Küften-

Iinien liege.

Allein ein nur flüchtiges Studium der ant-

arktiſchen Reifefchilderungen wird hinreichend darthun, wie

tig ein derartiger Eindrud iſt. Wir erfahren, daß die kühnen Geefahrer, ſchon lange bevor ihnen die Küftenlinien in Sicht gefommen find, fih durch Mafjen von Treibeis gehindert und oft umgeben gefehen haben. Wilkes, Roß und d'Urville wurden, als fie nach dem Südpol vor-

zubringen juchten, wiederholt zum Nüdzug gezivungen, ohne irgend ein Anzeichen von Land gefehen zu haben. Man bat in der That nur etiva auf dem fechften Teil des Umfangs der antarktifchen Eisſchranke Land gefehen

und nur in der Nachbarichaft fortlaufende

Küſtenlinie

von Viftoria-Land

von irgendivelcher

eine

beträchtlichen

Ausdehnung entdedt. Wo man aber nur immer Land gejehen hat, ift es gebirgig und zerriffen gemwefen — ein Umftand, welcher auf große Unregelmäßigfeit des Umriffes

in den Landregionen und auf die hohe Wahrfcheinlichkeit hindeutet, daß diefe Negionen in Inſeln zerbrochen find, welche denjenigen in den Nordpolarmeeren gleichen. Gewiß gibt uns vieles von demjenigen, was wir hin: # ichtlih der antarktiſchen Negionen erfahren haben oder worauf Wunſch

wir dur Schlüſſe hingeleitet fein mögen, den ein, daß eines Tages noch weitere Forfchungs-

verjen unternommen werden. Wenn wir erivägen, was mit Segelfchiffen geleiftet worden ift, fo erfcheint es keines— wegs unwahrſcheinlich, daß man mitteljt zweckentſprechend eingerichtetev Dampfichiffe die antarktifchen Meere erfolg: reich erforschen fönnte. Ich möchte zwar nicht den müßigen Ehrgeiz ermutigen, um fo und fo viele Meilen weiter ſüdwärts vorzudringen, al3 man e8 feither praftifabel erfunden hat. Allein es gibt viele andere berechtigte und gewwichtige Erwägungen zu Gunſten weiterer Forfchung. „snnerhalb des Umfangs des Süpdpolarkreifes,” jagt Kapitin Maury, „it ein Flächenraum eingefchloffen, welcher

»

J

an

Ausdehnung

einem

Sechsteil

808

unbefannt als da3 Innere don einem der Jupiters— Zrabanten. Bei der Hülfe, welche uns die neuen An: wendungen der Dampffraft leisten, bei der Leitung welche

und die neuen

Lichter der Wiffenfchaft

geben können,

würde e3 für die Welt ein Vorwurf fein, wenn wir einen

jo bedeutenden Teil unferer Erdoberfläche länger uner: forſcht lafjen würden. Im den jüngsten zivei Sahrhunderten iſt der Arktifche Ozean ein Schauplat von Forſchungs— veifen geweſen; nad dem Antarktifchen Ozean ift noch feine dauernde Forfchungsreife noch eine Ueberwinterung

daſelbſt verfucht worden. England hat durch Cook und Roß, Rußland durch Billingshaufen, Frankreich durd d'Urville, die Vereinigten Staaten haben durch Wilkes Expeditionen nad) der Südfee gefchiet. Diefe gelangten in Sicht, der Eisfchranfe und fegelten derfelben entlang, allein Feiner verbrachte dort den Winter oder verfuchte die Eisjchranfe zu überqueren und jenfeit diefes erften Hindernifjes zu forichen. Die Expeditionen tvelche zur Erforſch—

ung

unbefannter Meere

Summe

ausgeſchickt wurden,

der menschlichen Kenntniffe

den Ruhm der Nationen Throne vermehrt. vorhanden; auch Wiſſenſchaft ihre höherer Ehren zu

haben die

bedeutend erweitert,

gefteigert und

den Glanz der

Die Flotten find nicht bloß zum Kriege der Friede hat feine Eroberungen, die Glorien, und feine Flotte vermag ſich rühmen als derjenigen, welche auf den

Feldern der geographiſchen Erforfchung oder der phyſikali— hen Ermittelung erworben worden find“, Allem Anſcheine nach würden die antarktischen Seereiſen mit feinem übermäßigen Grade von Gefahr verbunden fein. Es it, unferes Wiſſens, noch fein einziges Schiff auf Forfchungsreifen jenfeit des Südpolarfreifes

verloren

gegangen.

Man

kann

wohl behaupten,

daß

jolde Verjuche mehr mühevoll als gefährlich find; e3 mag ſich ſogar ergeben, daß die antarktifchen Eisfchranfen un:

durchdringlich find, allein dies ijt bisher noch nicht als gewiß nachgemwiejen worden. Es ift fogar einigermaßen wahrſcheinlich, daß wenn der Verfuch gelingen follte, ein

wichtiges Feld für den Faufmännifchen Unternehmungsgeijt eröffnet werden würde. Die antarktifchen Regionen find nicht blos

Roß

wüſte Wildniſſe.

fanden Bofjeffionssland

Die

mit

Seefahrer

Binguinen

unter

bedeckt,

welche wie Soldaten in Neih und Glied ftanden und mit der Erjheinung und dem Wefen des Menfchen zu wenig vertraut waren, um Flucht zu verfuchen. E3 leben und

gedeihen übrigens noch mehr andere wertvolle Tiere in den antarktiihen Meeren; Wale und Robben find dort in Veberfluß

vorhanden

Kapitän Maury maritimen

und „der Walfifchfang tft”, wie

mit echt

Gewerben

bemerkt

hat, „unter allen

das mertvollite und einträglichite.”

Er verfihert uns, daß ſich mit der Fiſcherei im Polar: meere 3000 amerikanische Fahrzeuge bejchäftigen, und daß,

der gefamten

„wenn wir hiezu noch die holländischen, franzöſiſchen und

Zandfläche unferes Planeten gleichfommt. Der größte Teil diejes Flächenraumes ift den Erbbetvohnern ebenfo

englifchen rechnen, wir eine Geſamtmenge von nicht weniger

als 6000 bis 8000 Schiffen von allen Größen und Flaggen

Ein Vieh-Rancho in Kolorado.

804

haben werden, welche mit diefem einzigen Induſtriezweige

ungefähr eine Stunde gedauert haben, während deven bie

fich befaffen”.

find aber Gründe genug zu der An—

Gäſte fih an Zigarren und Erfriſchungen gütlic thaten;

daß der Walfıfchfang

dann verabjchiedeten

nahme

Es

vorhanden,

auftiichen Meeren

in den ants

noch ein weit umfangreicheres und er—

giebigeres Feld für den Unternehmungsgeift zur See ab» geben würde,

fade fprengte Gefilde

von

fie fich fehnell und die ganze Kaval

in buntem Durcheinander Geftrüpp, Feldblumen

über das meite

und braunem Gras,

welches fich nach allen Richtungen hin ausbreitete, jo meit nur das Auge reichte. Das Haus, worin ich mich befand, hatte feinen Zaun; feine Veranda öffnete ſich nach dem Gebirge hin, welches etiva 15 d. MI. entfernt war; die blühenden Sträucher und Schlingpflanzen der Prärie jchmiegten fi) an die

Ein Vieh-Kancho in Kolorado. des Staates Kolorado bejteht ungebeuren Herden halbwilder

Bretter der Veranda, als ob das Haus nur eine in ihrer

Kinder, welche auf einzelnen Gehöften mit ausgedehnten

ganz unverfehrt; es waren Feine Bäume, feine Rojenbüfche, nicht die Spur von einem Gärtchen, nichts von dem Schutt und den Spänen und anderen Ueberreſten eines neuen

Der Hauptreichtum vorerſt noch in feinen

Weideland gezüchtet werden und einen ganz bejonderen Zug in der Phyfiognomie des Landes bilden, Auf diejen

Mitte aufgeichoffene große Diftel wäre.

Der Raſen war

Gehöften oder Ranchos lebt eine ganz eigenartige Bes völferung von halbwilden, abgehärteten Männern, welche

Haufes vorhanden, wie man fie anderwärts trifft. Hübſch

man nahezu Gentauren nennen möchte, denn fie find bei— nahe Tag und Nacht zu Pferde und die gewandteiten und und tollfühnften Reiter in Nordamerika, die e3 darın jelbjt mit den berittenen Indianerſtämmen, ihren gejchiworenen Feinden, aufnehmen fünnen. Das freifame und primitive

inmitten

Leben, welches diefe Leute führen, und die ganze Art und Weiſe der dortigen Viehzucht im Großen find merkwürdig genug,

um

eine

kurze Beichreibung

auf grund

eigener

Anſchauung zu verdienen. Mein eriter Befuh auf einem Vieh-Rancho, stockranch, in Kolorado brachte mich in Berührung mit einem Dutzend gejtiefelter und gefpornter, mwettergebräunter und

abgehärtetevr Männer, welche bunte Flanellhemden, ohne Halsbinde und Kragen, und breitfrämpige Hüte trugen. Sie machten einen Ritt quer dur das Land, um einem reichen Engländer das „Vieh“ zu zeigen. Bei diefer Gelegenheit kehrten fie auf dem Gehöfte ein, wo ich mich eben befand; mein Wirt befaß einen der Schönften Ranchos oder Cattlefarms in Kolorado und die vorerwähnten Neiter in Slanellhemden hatten den Fremden von einem der nächiten Gehöfte, dem „Rabbit-Ear-Ranch“, zum Befuche

hieher gebracht.

Meine erite Kunde

von ihrer Ankunft

war ein Schwirren, ein Schweif raſch herannahender Reiter, obwohl die Pferdehufe auf dem weichen Nafen fein Ge— räuſch machten und dann ein lautes Halloh an der Thüre, — ein höchſt jeltfamer Gruß für einen, welcher erſt jüngft aus dem Lande der Thorflügel und Thürklingeln gefommen war. Die Gäfte jtiegen nicht ab, Sondern legten nur die Hügel auf den Hals der Pferde, beugten fi) aus den

Sätteln herab und plauderten mit dem Wirt, welcher auf das Halloh unter das Vorhaus getreten war, während ihre zottigen Klepper mit den wilden Augen die Köpfe in

die bedeckte Galerie hereinftredten. Die abgebrochenen Sätze der Unterhaltung, welche an mein Ohr fchlugen, enthielten nur geheimnisvolle Worte, wie „Kuhpferde, Viehjungen, Viehzeichner” u, dergl. m. Der Befuc, mochte

und ganz

vollendet

jtand das Haus

der ungeheuren

von jedem anderen

Prärien,

Wohnſitze.

allein und einſam

mindejtens

Scheunen,

6 d. MI.

Stallungen,

Borratshäufer und andere Zubehörden einer Meierei nad)

unferen deutjchen Begriffen exiftierten hier nicht.

Bon den

großen Heerden des Befizers war feine Spur zu ſehen — die zahllofen Kühe und Rinder waren jamt den Pferden und Maultieren weit draußen auf der Weide unter der Auffiht der Hirten oder cow-boys, wie man fie hier

nennt. Dort zogen die Heerden hin, der Olode des Leit: tieres folgend, dort hörte man hie und da den wilden Gejang oder das laute Gefchrei der Hirten, wenn fie auf

einem weiten Umwege irgend ein widerſpenſtiges Tier mit Peitſchenknall zur Herde zurüdtrieben oder es in der ſauſen— den Schlinge des Lariat (Laſſo) einfingen, um e3 mit Ges

walt zur Herde zurüdzubringen, eines der gewöhnlichiten aber auch eigentümlichiten, aufregendften und feſſelndſten Schaufpiele in jener neuen Welt. In Kolorado befaßt fich eine ziemliche zahlreiche Klaſſe von hochgebildeten Männern mit dem Betrieb ſolcher großer Viehzüchtereien. Die Männer mit ihren fonnverbrannten Gefichtern tragen nur bunte Wollhemden, Lederhoſen und Keititiefeln, nebjt einem breitrandigen Filzhute, während fie auf den Ranchos find, allein niemand braucht deshalb

gemeine zu ſehen.

oder unwiſſende

und ungebildete Leute in ihnen -

Im Oegenteile find fie in den meilten Fällen

Männer von feiner Erziehung und vollendeter Weltbildung, — ehemalige Pflanzer aus den Südftaaten, welche durch die Aufhebung der Sklaverei ruiniert wurden, Ariftofraten J jeder Art. In dem Kreiſe der ſogenannten Rancheros oder 4

Ranchmen, welche ich im Verlauf meines Aufenthaltes mn Kolorado fennen lernte, waren mehrere Männer von bes deutendem

Vermögen

weltmännifcher

und

Bildung,

hoher

melde

mifjenfchaftliher

aus

und

Gefundheitsrüd-

ſichten Reifen nach dem Weften unternommen

und dabei

den Betrieb diefer eigentümlichen Art von Viehzucht im Großen kennen gelernt und fich dafür und für das ver .

|

Ein Vieh-Rancho in Kolorado.

805

führeriſche wilde Leben unter freiem Himmel ſo ſehr inter—

chen Biehhändler,

eſſiert hatten, daß ſie ſelbſt einen Verſuch damit zu machen beſchloſſen; ſie hatten alſo einen Teil ihres Vermögens

von teranischem Vieh auf dem Weg nad) St. Louis und anderen Städten am oberen Miffiffippi heraufziehen, jo

in Herden angelegt und ſich mit denſelben in die Wildnis begeben, wo ihnen das herrliche Klima, die Freiheit und

und jo viele Stüde Vieh, nämlich eine Anzahl Sährlinge

Ungebundenheit, die geſunde,

ein jogenanntes „stock-eattle*, Die dreijährigen Tiere nennt man ein „separate stock-cattle*, eine Heerde von

aufregende

Beſchäftigung

und der ziemlich müheloſe Gelderwerb, welcher damit ver— bunden iſt, ſo ſehr behagten, daß ſie ſich nicht mehr davon losſagen mochten. Auch der Beſitzer des Rancho, von welchem ich jo eben fpreche, gehörte zu diefer Klaſſe von „Cavalieren“,

wenn

diefe mit ihren großen Herden

beiderlei Geſchlechts, nebit ebenfovielen zweijährigen Kühen,

mehr als dreijährigen heißt ein „stock of beeves“,

Für

Sährlinge bezahlt man im Durchſchnitt neun Dollars per Kopf, für zweijährige Färſen, Ninder und Kühe 13 Doll, für dreijährige Stiere 15 Doll,, für alte ©tiere, beeves, 20 Doll. per Stüd. Der angehende Viehzüchter wählt fich feinen Range oder fein Weideland, läßt ſich feinen Corral (Btehhof), fein Haus und feine Schuppen im Akkord

wenn man in einer Nepublif wie die der Vereinigten Staaten von jolchen Sprechen darf; er war früher Offizier in der britifchen Flotte geweſen, gefiel fich aber nun hier auf den mwellenförmigen PBrärien des Weſtens befjer, als ehedem auf den Wogen des blauen Ozeans. Einer feiner Nach: barn war ein Gelehrter, welcher für den größten amerifanischen Geologen der Gegenwart gilt und auf einer

Hirten als Gehalt 30 bis 40 Doll., feinem Vormanne

Forſchungsreiſe in feinem Sache gefehen, daß hier fpielend

Aufjeher

Geld in Vieh zu machen ſei und der daher fein mit dem

damals in den Gegenden, welche ich befuchte, die gewöhn— lihen Breife; weiter nördlich im Indianerlande ftellten fie ih etwas höher.

feinjten

äſthetiſchen

Sinne

eingerichtetes

Heimweſen

in

Bojton mit einem Belt auf den Plains (höheren Brärien)

vertauscht hatte.

bauen, nimmt das erfaufte Vieh dorthin, drücdt ihm feinen Branditempel auf, läßt die Tiere dann frei und bezahlt feinen 70 bis 190 Doll. per Monat.

Das

oder

ivaren

Ein anderer Gelehrter, deſſen Name in

Das Weideland gehört der Negierung und jedermann

den wiſſenſchaftlichen Kreifen der alten ivie der neuen Welt

fann feine Herden darauf meiden; dem allgemein anerfannten Gebrauch gemäß ſoll aber derjenige, welcher einen

befannt iſt, hatte fich ebenfalls ſeit einigen Jahren tief mit diefem Geſchäfte eingelafjen. Zwei junge Männer,

welche auf der Harvard-Univerſität (zu Cambridge in Mafjachufetts) promoviert hatten, leben auf benachbarten Ranchos. Zwei jehr gebildete, in Deutjchland erzogene junge Engländer hüten ihre eigenen Herden und wohnen zeitweilig in einem mehr als bejcheivenen hölzernen Haufe.

Auf dem Rancho, wo ich zu Gafte war, fah ich jeden Tag drei dunfelgebräunte, [chüchterne junge Männer abends mit den Pferden heimfommen und morgens mit Tagesanbruch in halsbrechendem Galopp hinter der fehnaubenden Herde binmwegreiten. Sie hatten das Ausfehen von Bauernfnechten und dod war ihre Unterhaltung, wenn fie am Feierabend

heimgefehrt, mit der Familie auf der Treppe der Veranda ſaßen, merkwürdig unterhaltend und interefjant. Zwei von ihnen hatten große Neifen in Europa gemacht; einer war der

Sohn eines früheren Senators von Kalifornien, der andere der Neffe eines befannten Generals der Armee der Ber: einigten Staaten, der dritte der Sohn eines angefehenen New-Yorker Kaufmanns. Ste waren fo belefene und ge= bildete Jünglinge, als man fie nur irgendivo finden Fonnte; waren wegen ſchwacher Oefundheit nad dem Welten geſchickt worden, um ſich auf den Prärien abzuhärten und waren nun

Viehtrieb oder Strih Weideland

an einer gewifjen Dert-

lichfeit lange innegehabt hatte, durch

neue Anfömmlinge

nicht vertrieben werden.

Ein Mann kann auch, wenn er

oil, durch Vorkauf an „Loos“ von 160 Acres Haus erbauen und darf freis von 40 bis 50 e.

irgend einem Fluß ein fogenanntes als Eigentum erwerben, dort fein dann feine Heerden in einem Um— MI. um fein Befistum her meiden

laffen. Das allgemeine Weideland diefer Region ijt ein ungeheures Dreied, welches durch die Öebirge, den Nord: und Süd-Platte-Strom

und den Arkanſas begrenzt wird.

Da ſich jehr wenig Vieh je über das Gebirge oder über die Flüffe hinauswagt, jo wird in der Braris jenes Weide: land von diefen natürlichen Grenzen eingefchloffen. Die Gebräuche hinfichtlich des Viehtriebes wechjelm je nach den verſchiedenen Dertlichfeiten. Am Arkanjas eignet fich ein Viehzüchter eine gewiſſe Anzahl Meilen der Flußfronte in der Weise an, daß er das dahinter liegende Land als feinen Viehtrieb beansprucht. Die Gegend am jüdlichen Platte tt länger und zahlreicher befiedelt und jeden Heerdenbefißers PViehtrieb tft nach feinen Grenzen jo wohl befannt, als

wenn er von einer hohen Mauer umgeben märe.

gefund und Fräftig. Von Tagesgrauen bis zur Nacht ge Ihäftig, den ganzen Tag draußen über die blühenden

Im Winter treibt man die Heerden zur Weide auf Land, melches wegen Wafjermangels im Sommer nicht benußt werden Tann. Im Winter löfcht das Vieh feinen

Gewächſe

Durft mit Schnee und unter dem Schnee dient ihm das

und

das friiche Gras

hinreitend, erlernten fie

diefe Art der Viehzucht gründlid und von der Pike auf dienend und erden ohne Zweifel in wenigen Jahren eigene Nanchos und Herben befigen. Wer in Kolorado das Leben eines Viehzüchters be-

hütet oder in Heerden zufammengehalten, fondern ganz ſich jelber überlaffen. Sp ziebt es bin und her, wird durch

ginnen will, der fauft fich von irgend einem der terani-

die Stürme

Ausland

1884, Nr. 41,

nahrhafte frifhe Gras zur täglichen Aefung.

Im Winter

fommt das Vieh nicht unter Obdach, wird auch nicht ge-

und Schneegeftöber

weit

von der Heimat 122

4

806

Ein Vieh-Rancho in Kolorado.

vertrieben und ift im Frühling über das ganze, von Gebirge und Strömen eingefchlofjene Dreieck zerftreut. Die Heerden aller Eigentümer find bunt durcheinander gemischt. Jetzt fommt die große Round-up oder Biehfcheid.

In Kolorado werden

die Zeit und die Dertlichkeiten

diefer Zeit haben die Leute alle Hände voll zu thun, um €

bei Tag die wilden Tiere zufammenzutreiben und fie bei Nacht auf einem Haufen beieinander zu halten, damit fie



fich nicht verlaufen, und felten kann ſich dabei der Menſch J

der Viehſcheid durchs Geſetz feſtgeſetzt oder vielmehr durch

mehr als 4 Stunden Schlaf in 24 gönnen. Wenn man auf dem Orte des Stelldicheins angefommen ift, jo erläßt

Grafſchafts-Kommiſſäre bejtimmt, welche im Frühjahr die

der Oberbefehlshaber feine Weifungen:

Namen der Dertlichkeiten für die Viehſcheiden auf jeden Tag während der hiezu vorgeſehenen ſechs Wochen (die gewöhnlich

haben den äußeren Kreis, die Ofplereef-Männer den inneren * Kreis beim Vieh zu bilden, und fo geht es weiter, bis die

um die Mitte des Maimonats beginnen) befannt machen. Jeder Nanch oder jede Nachbarſchaft rüftet dann eine Ans

Heerden in Fledichen auf den Plains ausgeteilt find und auf diefe Weife leichter gehandhabt und bewältigt werden

zahl Berittener aus, welche nach jenen Orten fich begeben und ihr eigenes Vieh auslefen. Gewöhnlich thut fich eine Nachbarſchaft zufammen, um diefes große Frühlings:

können.

Sreudenfeit gemeinfam zu begehen, mit welchem nach der

die Wildent-Leute

Das Vieh wird ſchon auf dem Wege nad) der

Viehſcheid

des

nächſten Tages

oberflächlich

fortiert und

dadurd die Verwirrung Tag für Tag vermindert und mit der Heit jeder Nachbarfchaft das ihr gehörende Vieh zu-

langen Winterruhe und Einſamkeit wieder gejchäftige Zeiten beginnen. Die Gebirge find zwar noch mit Schnee bededt, allein eine Fülle der prächtigiten Feldblumen Ihmüdt mie ein Blütenteppich die weite Prärie, und aud) auf den fahlen Plains, von denen der Winterfroft faum gewwichen tft, ſtrecken härtere Erftlingsblüten bereits ihre Köpfe aus dem zarten Graſe hervor. Mit fpftematifcher

Marke geftempelten Viches und der noch ungezeichneten . | jungen Kälber geſetzt hat, melde neben den gezeichneten

Genauigfeit

Kühen

werden

nun Vorbereitungen

Geſchäft getroffen, Sattel

geflict, Wagenzeltveden

für das große

und Zeug wird gemuftert und

ausgebefjert, Yebensmittelvorräte

eingepadt und endlich fieht man

an einem ſchönen Früh:

Iingsmorgen die Wägen und die ganze Ausrüftung von allen Ranchos einer Gegend nad einem gemeinfchaftlichen

geichteden.

Hierauf ſcheidet jeder Mann in dem Gefchtuader

einer Nachbarichaft das mit feiner Marke gebrannte Vieh bon demjenigen

feines Nachbars,

jo daß mit Zeit und

Weile, bi3 der heimatliche Viehtrieb erreicht wird, jeder Heerdenbefiser

fich wieder

bherlaufen.

in dem Befit

Sobald

man

des mit feiner

auf dem

heimatlichen

Viehtrieb angefommen ift, wird der neue Zuwachs Heerde mit dem Branditempel gezeichnet.

der z

Zuweilen findet man unter der Heerde ein Kalb, welches ſchon alt genug ift, die Mutter Zu verlaffen. Da F | nun feine Eltern natürlich unbefannt find, fo ift das Tier | ————

Stelldihein in der weiten Ebene aufbrechen. Für eine Ausrüftung von 150 Männern rechnet man durchfchnittlich

ein heimatlofes und ein Gegenftand des Streites und wird

30 Wagen und auf jedem Sammelplab bei der Viehfcheid

Urfprung bat: ein Teraner namens

fann man zählen.

Heine Herde

minbeitens

700

Stück

Pferde

und

Reiter

Jedes Geſchwader wählt fi) einen Vormann oder Kapitän und alle Kapitäne miteinander ftehen unter der Auffiht und Leitung des Oberbefehlshabers, welcher für

den Augenblid

ein höheres

Anſehen

genießt, als ein

Generalmajor in der Armee. Die Männer find malerifch in warme, bunte Flanellhemden und hirfchlederne Hoſen gefleidet und gewähren einen heitern Anblid, wenn fie fo den mit Zeltdächern aus Segeltuch bedeckten Mägen vorausfprengen, welche die Betten und Lebensmittel enthalten. Jeder Zug hat feinen befonderen Namen, wie Lone-Tree-

Company,

Owl-Creek-Squad,

Wild-Cat-Outfit

(Kom—

pagnie dom Einfamen Baum, Eulenfluß-Schwadron, Wildfagen- Auszug) u. dal. m. Die Sammelpläße der Viehſcheid liegen gewöhnlich etwa 4 d. MI. von einander entfernt. Die Leute von den Ranchos auf dem Saum des Weidelandes, d.h. vom Fuß des Gebirges oder von den nächſten Slußufern, reiten die Grenze ab und treiben dag Vieh gegen den Mittelpunkt des Viehtriebes, den bauptſächlichen Schauplatz der Viehfcheid. Es find oft Wochen erforderlich, um das Vieh zufammenzutreiben, und während

als „Maverik“ bezeichnet —

ein Name, welcher folgenden

auf einer Inſel,

|

Maverif hatte eine

wo diefelbe kaum beachtet

blieb bis zur Beendigung gewiſſer Feindfeligfeiten. Als nun der Eigentümer fam, um nad) feiner Herde zu jehen, hatte dieſe fi) in einem ſolchen Maßſtabe vermehrt,

die Inſel überfüllt war.

daß

Ohne die Vorſichtsmaßregel zus

gebrauchen, den jungen Nachwuchs durch den Branditempel zu markieren, ließ er die ganze Herde nad) dem Feftlande

bringen, wo fie auseinander lief und fich über den ganzen Staat verbreitete. Seither pflegt man in Texas jedes nicht gebrandmarkte Stüd Vieh oder jedes, defjen Eigen tümer unbefannt ift, ein Maverif zu nennen und diefe

Bezeichnung ift mit den teranifchen Viehtreibern nah Kolorado gefommen und hat ſich auf den MWeideländern der Plains in diefem Staate eingebürgert. Das Geſetz bejtimmt, daß in dem Diftrikt am füdlichen Platte-Strom alle Maveriks zum Beften des Schulfonds verfauft werden follen. In der Sommerfaifon Iebt der Randıman die meifte

Zeit über in feinem Wagen und durchftreift beitändig jeinen Viehtrieb. Ein Wagen, zehn Hirten, ein Vormann und ein Koch, 50 Reitpferde, Lebensmittel auf zwei Wochen — damit ijt die Expedition fertig und man bricht von Haufe auf und wandert von einem Ende des Niehtrieb

|

807

Ein Vieh-Rancho in Kolorado.

bis zum andern.

Unterwegs werden die Ochfen oder Stiere

und die noch nicht mit dem Brandftempel gezeichneten Kälber gefammelt und nad) einem Gorral gebracht, wo man die Kälber zeichnet und wieder frei läßt, dann die Ochſen für die Verſchiffung auslieft und unterdeffen fein

Augenmerk auf die allgemeine Befchaffenheit der Heerde richtet. Man legt durchfchnittlich nur eine Strede von 2 d. MI. per Tag zurück. Hat man fo viele Ochfen aus: gelefen, al3 zur Füllung von 12 bis 25 Eifenbahntvagen erforderlich find, alfo etwa 280 bis 400 Stüd Vieh, fo treibt man fie nach der nächſten Eifenbahnftation, adreffiert fie mittelft Faktur an Union Stod-Yards (Vereins Vieh: höfe) und fchiet fie unter der Aufficht eines zuverläffigen

Mannes ab. Diefer übergibt fie dann einem beauftragten Händler oder Mäkler jener Viehhöfe, melcher die Tiere verkauft und den Erlös in Geftalt einer Tratte auf New: York an den Eigentümer abjchidt. Einige Tage nad) meiner Ankunft wohnte ich einer jener Szenen bei, welche man ein Cutting-out, eine Auswahl, nennt. Ein Trieb von 2000 Stüd Hornvieh, welche man als erivachjene, marftgute Ochſen aus der Heerde aus: gelejen hatte, ſtand in einem dichten Haufen einige Kilo:

meter weit vom Rancho in der Ebene. Wir ritten hinüber, um uns den Spaß anzufehen, blieben jedoch in gebührender Entfernung von den rennenden Pferden, den ge:

ſchwungenen Lafjos und dem bin und her fprengenden Vieh und betrachteten uns mit großem Intereſſe das ganze Treiben. Die fetteften Ochfen wurden aus diefem Triebe ausgejchieden und auf einen befonderen Haufen zufammen:

oder thr gerade entgegenfprengt, fondern darin, daß man fie mit einem großen Umwege umkreiſt, ihr dabei immer näher kommt und fie allmählich in einem Halbkreiſe dreht.

Bei der Behandlung der Heerden tft ein einzelner Mann nur von geringem Nuben. Zum Zufammentreiben und und Beifammenhalten von 700 Stüd Vieh find vier be— vittene Hirten erforderlich und acht Reiter find im ftande, eine Herde don 2000 bis 3000 Köpfen zu treiben und über Naht auf Einem Trupp beifammen zu halten. Ein wohlbefannter Viehzüchter namens Isliff, welcher einen Viehjtand von 40,000 bis 50,000 Stüd Hornvieh befitt, bat 60 Hirten in feinem Dienft und eine entfprechende

Anzahl Pferde (240 bis 250) und Wagen. Der Hirte hat von der Zeit an, wo das Gras hoc) und ſtark genug ift, um ein Pferd auf die Länge feines

Spannfeils hin zu ernähren, bi3 zum Monat November mit den Herden umherzuziehen.

Dann twird derjenige Teil

de3 Viehitandes, welcher nicht verkauft oder verſchickt wird, fret laufen gelafjen, die Wägen unter den Schuppen geſchoben, die Pferdegefchirre, Sättel und Zäume aufgehangen

und die Hirten entlaffen bis auf zwei oder drei, welche zur Wartung der Pferde und zur Beforgung anderer Ge: Ihäfte beibehalten werden. Der Nanchero, zwar braun: geraucht wie ein Meerſchaumkopf, aber gefund, Fräftig

und jeelenvergnügt, geht ins Winterquartier in feinem Heimweſen oder wirft fih in feine zurüdgelegten ftädtischen Kleider, macht eine Neife nach den Dftftaaten und befucht alte Freunde. Alle Viehzüchter, mit welchen ich Sprach,

beklagen

ſich jedoch bereit

über zu große Konkurrenz,

getrieben, welcher in einiger Entfernung von aufmerfjamen

Mangel an Spielraum und Schlechte Gefchäfte.

berittenen Hirten .geführt wurde.

Gewinn von 50 bis 100 Prozent des Anlagefapitals ift auf 25 bis 20 Prozent herabgefunfen und die Nancheros aus der eriten Zeit behaupten, daß, wenn die Ranchos

Das fchönfte Vieh wurde

Stück für Stück ausgelefen. Gegen 30 Reiter fprengten in allen Richtungen umher, ſchwangen die an ihren Sattelhörnern befeftigten, aus Roßhaar geflochtenen langen Laſſos, ftießen ihren Pferden

die Sporen

tief in die Flanken,

iheuchten die Stiere zurüd, welche auf uns eindringen wollten, trieben fie von der Heerde ab und über die Ebene hin zu dem gefonderten Saufen, als ob fein Augenblic zu verlieren wäre. Eine Dame von unferer Gefellfchaft geriet ob der Verfolgung einer widerfpenftigen Kuh, welche gegen uns heranjprengte, fo jehr in Aufregung, daß fie mit ihrem Zafchentuche winkte und dadurch beinahe ein fogenanntes „Stampede”, d. h. eine plößliche, tolle Flucht der Heerde, herbeiführte. Im nächiten Augenblid, nachdem das meiße

Tuch flatterte, wandten fich alle Kühe der Heerde, die Kopfe emporgerecdt, die Hörner hoch in der Luft, nad) der Dame und der Bormann

gebot ihr, das Tuch fogleich zu

näher

als

6 d. MI.

beifammen

Der frühere

liegen, die Befiedelung

Ihon zu dicht Sei, um behaglich zu fein.

Weil nun die

Menge allein nicht mehr den Ausschlag gibt, haben die Biehzüchter in den lebten Sahren die Qualität des Viehes zu verbeſſern gefucht, indem fie erprobte europäische

Rindviehraſſen einführten und mit dem alten teranifchen Stamme freuzten, .um namentlih ein Schlachtvieh von größerem Fleifch- und Fettgehalt zu erzielen.

Die jüngften Steuer-Napporte

berechnen den Vieh—

Itand von Kolorado auf 550,000, den von Wyoming

auf

235,000, den von Utah auf 350,000, den von Wafhington auf 200,000, den von Montana auf 200,000, den von Dregon auf 175,000, den von Kalifornien auf 650,000 Stüde Hornvieh. Wenn man aber erwägt, daß die Steuer:

verſtecken. Später erläuterte er uns, daß ein ungewöhnlicher Anblid, namentlich irgend etwas Weißes, zumeilen

vegijter niemals über 50 Prozent des wirklich vorhandenen

eine Heerde jo jehr erichrede, daß Ste jählings davonſprenge und meilenweit wegrenne, wobei fie dann über alle Hinder:

und Roß und Reiter niederiverfe und

dem Umfange der Viehzucht und des Viehhandels in dem ungeheuren Gebiet weitlih vom Miffiffippi machen. Die großen Weidebezirke des Hornviehs für den Weltmarkt

niedertrete. Das Mittel, eine Heerde zum Umwenden zu bringen, bejteht nicht darin, daß man fie von vorn anreitet,

maligen Verbreitungsbezivken der Büffel auf den Plains,

niſſe hinwegſetze

Viehſtandes angeben, jo fann man fich einen Begriff von

erden nun von Teras

aus nach den unabjehbaren ehe:

808

Sitten und Gebräuche auf den Halligen ſonſt und jetzt.

nach den wohlgeſchützten „Parks“ der Felſengebirge und nach den fruchtbaren Weiden am weſtlichen Abhang der Felſen—

bemerkt,

gebirge und an den Küſten des Stillen Ozeans verſetzt.

fvenig oder gar nicht erwünfcht, jo befam „er gleich das erfte oder andere Mal feinen Beſcheid und ein folcher Korb wurde einigermaßen fehimpflich für gehalten”. Durfte der Freier vier-, fünf oder gar ſechsmal fommen und er fiel dennoch „dur den Korb“, fo war das weniger unange: nehm für ihn, ja er bedankte fich noch vor feinem Abjchiede

Wer das in jenen Weide-Diftrikten gezüchtete Vieh übrigens

nur in den überfüllten Viehwägen der Eifenbahnen, in den Viehhöfen der Oſtſtaaten oder in den Schlachthäufern der größeren und Fleineren Städte fieht, der fann ſich

feine Vorftellung von dem prächtigen Ausfehen und Wohl: befinden der Kühe auf den Weiden von Kolorado machen, wo reichliches fließendes Waffer, ein unbegrenzter Lande ſtrich voll faftigen Büffelgrajes und im Frühling und Sommer ein unerfchöpflih üppiger, täglicher Nachwuchs von nahrbaften, twürzigen, blühenden Gewächſen aller Art diefen Tieren unter einem milden Himmel und herrlichen Klima alles liefert, was ihr Herz nur wünfchen kann!

jedermann

befannt,

Antrag vorgebracht hatte.

wie oft der Freier

aufs herzlichite bei den Eltern des Mädchens für alle ihm erzeigten Gütigfeiten. Ein mehr als jehsmaliges Kommen gab Hoffnung auf das „Jawort“. Dft auch wurde der

Freier auf ein Wiederfommen zum nächſten Winter ver: tröftet, ev mußte dann noch einmal fein Glüd auf der See erproben, ehe er fein Ziel erreichte.

fi) wieder verheirateten, fam oft in

30 Jahren nicht ein einziges Mal vor.

Ui

der Halligfriejen.

Die Sitten und Gebräuche der Halligfriefen betreffend die Ehe ꝛc., wie diefelben um die Mitte des vorigen Jahr: hunderts waren, ſchildert uns ein Halligmann, der Sohn des Predigers Bernhard Laurentii auf Nordmarſch, Lorenz Lorenzen, mit etwa folgenden Worten: „Wenn eine Mannsperfon auf die Freyte gehen und um eine Frauensperfon Anwerbung thun will, fo gefchieht ſolches mit jedermanns Wiffen und wird daraus fein Geheimnis gemacht, weil unfere Inſulaner ganz gewiß glauben, daß ſie in ihrem Gewerbe nicht glücklich ſein würden, wofern ſie ſelbiges heimlich halten und verhehlen

Es iſt daher nichts neues, daß die Junggeſellen

am Abend, wenn ſie auf die Freyte gehen, zu den Nach— barn ſagen: „„Jetzt gehe ich da und dahin, bei dieſem oder jenem Mägdchen meinen Antrag zu thun““, da ihm denn

Glück auf den Weg gewwünfchet wird.! „Als bejonders günftige Tage für das auf die Freyte

gehen galten Dienstag, Sreitag und Sonntag.

umworbene

Mädchen

mohnte,

an

diefem

Abend

und

Fluſſe heraus und übers Land weg bis auf den Warff vor die Thür des Haufes, worin fich die Braut befand,

Fortſetzung.)

wollten.

Kam ein Freier

von einer benachbarten Inſel und erhielt das Jawort, jo verjammelten fich die Junggefellen der Hallig, auf der das Ichleppten das Boot, worin er herübergefahren, „aus dem

Bon Chriſtian Jenſen auf Sylt.

Ehe und Chezeremonien

Meiftens waren

e8 Jungfrauen, um die man freite, denn daß felbit reiche und junge Witiven

Sitten and Gebrände auf den Halligen ſonſt und jebt.

feinen

War der Freier dem Mädchen

Montag

und Donnerstag wurden für „unächt” gehalten und mwird niemand von unferen Inſulanern an denfelben auf die

und ließen felbiges mit fpielenden Wimpeln oder Flaggen fo lange fiten, bis der Bräutigam ihnen verſprach, eine Tonne Bier zu fpendieren, „dabey fie fi) auf ihre Art hernach Yuftig machten”. Wenn ihnen das ganze Boot hinaufzubringen zu ſchwer wurde, jo nahmen fie nur das

Steuerruber fort und behielten es fo lange, bis ihnen dag begehrte Faß wurde.

Endlich fam der Hochzeitätag, und

zwar wurden alle Hochzeiten im Winter gefeiert, weil dann die Seefahrt ruhte. Einige Tage vorher fandte man die Hochzeitbitter aus, mit welchen e8, wie mein Gewährsmann berichtet, bei unferen Inſulanern eine ganz andere

Bewandtnis hatte, als auf dem feiten Lande. „Zween Sunggefellen mit Stäben in den Händen fommen mit eilfertigen und geſchwinden

Schritten zur Hausthüre hinein

und rufen beide zugleich aus vollem Halfe, gleichfam im fingenden Tone: „Göh Dai! Göh Dai!” (Guten Tag, guten Tag.) Nachdem fie die Stubenthür geöffnet hatten, ſchrieen fie gleichzeitig mit lauter Stimme die Einladung aus, die da lautete: N. (Name des Bräutigams) en ſinn

jung Breed’ Ieht jam badde, datt ehm füh wehl dühn en famme en Freigai en fühn wat Deerds mä. Fahre wehl, fam flütig thoo öhs. (N. und feine junge Braut lafjen

Euch bitten, daß Ihr fo gütig feid und fommt auf dem

Freyte gehen, Hochzeit machen, Kindtaufen halten noch feine Toten begraben lafjen.” Die Mädchen ließen den Freier

Freitage und nehmt das Mittagsmahl mit ihnen. Gehabt

an

faſt unverſtändlich geſprochen, man wußte aber vorher das Anliegen der Beiden, die ſich ſo ſchnell als möglich wieder entfernten, wenn ſie nicht durch Zuhalten der Thüre durch einen Dritten zum Niederſitzen genötigt wurden. Von einer Werfte zur andern gehend, wurden diefe Hochzeits— bitter durch Ehrenfchüffe begrüßt, die fie den Hut lupfend

den

„Achtung

genannten

vor ihm“

Tagen

foviel mal

fommen,

als fie

hatten, e8 war ja, vie einleitend

"Wo in der Schilderung nicht die gewünſchte Kürze des Ausdruds vorhanden war, haben wir ung erlaubt, mit eigenen Worten nach der Handſchrift darzuftellen,

Euch wohl und fommt fleißig zu uns!)

Die Worte wurden

|

Sitten und Gebräuche auf den Halligen fonft und jetzt.

und Hoch rufend danfend entgegennahmen,

oft auch gar

mit einem Tanze auf freiem Felde erividerten. Nicht weniger intereffant war der Hochzeitsmorgen jelbit. War es nämlich, wie oft, der Fall, daß die Braut auf einer anderen Werfte wohnte al3 der Bräutigam, fo mußte diefer mit der ihn begleitenden Mannfchaft die Braut abholen und es fand dabei oft ein eigentümliches Spiel, wenn nicht gar ein heftiger Kampf zwiſchen den

Mannfchaften jener beiden Werften ftatt.

Diejenigen der

Braut:Werfte gingen den Bräutigams-Leuten mit Stöden, Stangen und NRechenitielen entgegen, ihnen das Betreten der Werfte verſagend; dieſe hingegen festen fich mit ihren

Stäben brechen.

zur Wehre

und juchten den Haufen

zu durc-

Eine Weile dauerte der Kampf, bis fie fich end»

(ih aufs Bitten legten und endlich ihrem Begehren willfahrt wurde. Sie fehrten im Haufe der Braut ein, aber auch bier wurden mit ihnen allerlei Bofjen getrieben. Neu—

gierig wurde warum

der Bräutigam gefragt, was er wolle und

er mit jo zahlreicher Mannfchaft erfcheine? Diefer

Bierfiedler,

welche

809

einige Stüdchen

auf der Violine zu

jtreichen wiſſen; andere Inſtrumente werden hier zu Lande nicht gebraucht. Bei vornehmen Hochzeiten gehen die Spielleute vor dem Bräutigam und der Braut her und „fiedeln“ fie über Feld nach der Kirche zu, woſelbſt fie auch die Gefänge

auf ihren Violinen mitspielen. Wenn nun die Mahlzeit vollendet, wird der Anfang des Tanzens damit gemacht, daß die Braut aus der Ede getanzt werde. Dabei ift zu wiſſen, daß e3 bier für eine Ehre gehalten wird, wenn die Braut fich fein lange in der Ede halten

und denen, die ihr zutrinfen, Befcheid thun kann. Anfänglich fommen

drei Frauensleute mit Wein: und Branntweinſchalen und trinken der Braut unter feltiamem Auf: und Niederhüpfen, wie auch den beiden Beifiterinnen (auf Sylt Altersfrauen genannt) zu, wobei fie zugleich die Schnupftüher um die Köpfe fchwingen, und unter dem Hüpfen mit lauter Stimme jauchzen, welches vom Frauen: zimmer närriſch und lächerlich genug anzufehen. Hier machen ſie ſich mit Trinken und Hüpfen eine Weile warm;

entgegnete, er jei gefommen, eine Braut abzuholen. Diefe

will die Braut nicht Befcheid thun und fich doch lange in

wurde nämlich während dejjen verborgen gehalten, und gar oft fam e8 vor, daß fie einen alten Mann, in befefte

der Ede halten, jo hat fie unterm Tiſch ein Buttergefäh itehen, in welches fie behend und unvermerft Bier, Wein und Branntiein und alles durcheinander hineingeußt und aljo die Gaben Gottes Lüderlich verſchwendet; thut fie

Frauenkleidung verkleidet, der ein Gtrohband um den Leib gefchlungen hatte, dem Bräutigam als jeine Braut zuführten. Nach heftigem Wortwechjel führte man endlich die Braut in ihrem Geſchmeide in die Stube. Vom Vater oder dejjen Stellvertreter an der Hand geführt, ftellte fich

diefes nicht, jo fteigt ihr das Getränk in den Kopf und

Sobald diefes gejchehen, begab man fich zur

muß fte, ehe es gar zu arg wird, fich getvonnen geben und aus der Ede heraus; hält die Braut fid) aber lange, fo fommen die Hochzeitsbitter und Schaffner hinein, galliarten (2) mit aller Macht vor der in der Ede fißenden Braut und wenn das alles nicht helfen will, jo fommen fie endlich gar auf den Tiſch hinauf und ftampfen mit den Füßen

Kirche und wurden zu Ehren des Paares Biltolenschüfje gelöft. Braut und Bräutigam hatten ihren befonderen Platz in der Kirche, nicht, wie auf Sylt üblich, nebeneinander.

die Braut über den Tisch herüberfchleppen und darauf die ordentlichen Tänze anfangen. Um Mitternacht geben

diefer vor den Bräutigam, und übergab

ihm

die Braut

richtete einige Worte an ihn mit

einem Segenswunfce.

Ein Anverwandter des Bräutigams Sprach für diefen einige Dantestworte.

Der Bräutigam mußte daher die Braut aus ihrem Ge: jtühle abholen, wenn jte vor den Altar treten follte. Bor der Bank machte er ihr feine Neverenz; fie jtand aber

als wenn alles biegen oder brechen ſollte, bis fie endlich

Braut

und Bräutigam,

beide mit einer Schale Brannt-

nicht jogleich auf, ließ vielmehr den Bräutigam eine Zeit

wein, worinnen Nofinen anitatt der Broden befindlich, in dem Gelag herum und geben jedem Anweſenden, erſt die Braut und gleich darauf der Bräutigam, einen Löffel

lang warten, „damit es nicht das Anfehen haben möchte, als ob fie gar zu gerne heiraten wollte”. Beim Austritt

voll davon in den Mund. Wenn die Nacht mit Tanzen zugebracht iſt und die Morgenröte anzubrechen beginnt, fo

des jungen Paares hörte man, wie beim Eintritt in die Kirche, Piſtolenſchüuſſe. Ber der Rückkehr ins Hochzeitshaus hatten die Schaffner den Tiſch gededt; nachdem die Gäfte

Pla

genommen,

trugen fie die Speifen auf, bei jeder

neuen Schüffel die Gäſte anrevend: „Lieben Frünne, weeſe welfiemen, N. en fin Jung-Breed ſäie, Jam ſchün altomahle noog heeve.” (Liebe Freunde, feid willfommen,

begeben

ſich alle hinaus

aufs

Feld, den Brauttanz zu

halten, welcher in einem Kreiſe gejchieht und wobei wohl eher bon einigen mit Kronen nach den Violiniften geworfen worden; der Bräutigam fugelt ein Bierglas in die Luft, und wenn jelbiges im Herunterfallen in Stüde fpringt, wird es vor eine gute Vorbedeutung gehalten. Wenn diefer Tanz, der oft mit bejtialiihem Schreien verfnüpft it, geendigt, fo geht ein jeder nach Haufe. Es iſt aber

N. und feine junge Braut jagen, Ihr follt allzumal genug befommen.) Folgende drei Gerichte waren nach Hallig:

wohl zu merken,

weiſe gebräuchlich: Roſinen, Erbjen, Schinken und gefalzen

Weltmanier befchrieben habe. bo, da wider das heidnijche

Fleisch; auf Schaffleifch gefochte Suppe, Neisbrei. Bei Tauf— mahlzeiten und Leichenfeierlichfeiten gab es diefelben Gerichte. Nach beendeter Mahlzeit wurde getanzt und gefpielt. Unfer Gewährsmann jagt: „Die Mufifanten find gemeine

Tanz

Ausland

1884, Nr. 41

daß ich i5o eine Hochzeit nach rechter

und Luftivefen

viel geprediget worden, werden die

Hochzeiten von vielen auf unferer Inſel abgeſchafft; nichts— deſtoweniger geſchieht es noch dann und wann, daß eine Hochzeit auf obbemeldete Art gehalten wird.”

123

10

Sitten und Gebräuche auf den Halligen fonft und jett.

Wie vielmag nicht ſchon feit jener Zeit gegen Sitten und Gebräuche geeifert worden fein? Trotzdem dürfte aus den folgenden Zeilen zu entnehmen fein, daß auf der Hallig noch mand) alter Brauch fortlebt oder doch bis in die neueite Zeit noch fortgelebt hat. Leider haben wir auch Grund, jo manchen Berluft zu beflagen. Wir wollen nur, um

einleitend gleich eins hervorzuheben, die malerischen Volks— trachten erwähnen, an denen das Schredbild „Mode“ im Laufe der Jahre fo vieles änderte, Charakteriftiich in ihren vorwiegend rot, blau und weißen Farben war namentlich die Frauentracht. „Die jektige Frauentracht auf Sylt iſt meiſt unfriefisch, etiva das weiße Tuch um den Kopf ansgenommen, die auf Föhr und Amrum am

urſprünglichſten, dann die Salligtracht,” fchreibt Dr. K. J. Clement.! Im großen und ganzen dürfte dies noch fo und jomit unfere Behauptung beftätigt fein. Der Unterfchied in der Tracht derjungen Halligmädchen und der Halligfrauen beiteht noch heute darin, daß leßtere unter dem Kopftuch, welches auch die Mädchen tragen, einen roten Lappen mit einem Bande am Hinterfopfe befeftigt haben. Der junge

Halligbetvohner bringt noch heute vie früher feine Werb: ung direkt bei dem Mädchen an. Nach erhaltenem Satvort findet bei den Eltern der Braut eine Berlobungsfeier ftatt, zu deren Berherrlihung Maftbäume aufgerichtet werden,

von denen eine Flagge weht; ebenfo führen an dem Tag die Schiffe, die bei der Hallig liegen, Flaggen. Von dem Tage an zeigen ſich Braut und Bräutigam öffentlich, der Bräutigam bringt feine Feierabende und Feiertage bei der Braut zu, ohne daß dies anftößig gefunden würde; gefchlecht:

licher Umgang und damit „Mutterhoffen” der Braut vor der Hochzeit gelten als befondere Schande und kommen darum ſehr jelten vor. Es dürfte befannt fein, wie die Frieſen der alten Zeit in Punkto 6 ſehr ſtrenge verfuhren, wie fie mit ihren Nügenopfern, zu denen das „Trakkin“ und das

„Wrögin”?

gehörten,

unzüchtigem

und ehebrecherifchem

Zreiben fteuerten. Am Vorabend der Hochzeit, die „Kooſt“ genannt wird (auf Föhr und Amrum Bradlap, auf Sylt Bröllep, auf dem friefifchen Feſtlande Kooft3), werden außer in dem Hochzeitshaufe auch) von den jungen Leuten

Vorbereitungen getroffen.

Aehnlich wie bei der Verlobung

richtet man Maftbäume mit Fahnen auf, ohne daß man jonjt Polterabende abhält. Als Hochzeitsbitter hat der Bräutigam, in deſſen Elternhaufe man Hochzeit feiert, fungiert. Auf Eleineren Halligen, tvie auf Oland, werden ſämtliche Einwohner eingeladen, auch Freunde und Be: fannte von benachbarten Eilanden. Am Freitage ver— ſammeln ſich die Gäſte zu der Feſtlichkeit, die bis Mitter— Clement: Lebens- und Leidensgeſchichte der Frieſen. Kiel 1845. ©. 150. > Um 1640 no auf Föhr vorgefommen. Ove Boyens zu Zating führte 1130 feine geſchändete Tochter ins Meer und ertränfte fie.

3 Der Helgoländer nennt d.h. Koftgeben.

das Hochzeitmachen:

Kostgiven,

nacht die Aufwärterinnen zu ordnen haben; von der Zeit an übernimmt der Bräutigam diefe Aufgabe. Im

Hochzeitshaufe

angelommen,

werden die Gäjte durch Er:

friſchungen gelabt und die Geſellſchaft begibt ſich alsdann

zur Kirche.

Zur Linken des Bräutigams geht, angethan

mit ihrem beſten bunten Kleide, die Brautjungfer, zu ſeiner Rechten im Brautkranze die feſtlich geſchmückte Braut. In der Kirche nimmt die Brautjungfer ihren Platz zur

Linken der Braut ein, im Hochzeitshauſe wieder zur Linken des Bräutigams.

Der Trauungsakt

bietet nichts Eigen—

tümliches, ſeitdem auch hier das Wechſeln der Trauringe während desſelben außer Gebrauch gekommen iſt. Beim Austritt des jungen Paares aus der Kirche hört man noch hie und da Ehrenſchüſſe, dagegen iſt die Sitte, das Paar

alsdann mit Muſik zu empfangen, auf Oland abgeſchafft. Auswärtige Gäſte und

Verwandte nehmen im Hochzeits—

hauſe an einer Mittagsmahlzeit teil, für alle Gäſte wird dagegen ein Abendſchmaus aufgetragen. Von nun an wechſeln Tanz und Geſang in heiterer Folge, leider aber ſind in der neueſten Zeit die alten Tänze abgeſchafft und

haben den modernen Platz gemacht. Wir glauben in Er— wägung dieſes Umſtandes dem Leſer wenigſtens eine Be— ſchreibung eines früheren Hochzeitstanzes, des ſogenannten

Kukukstanzes! ſchuldig zu ſein. Derſelbe wurde von vier Perſonen getanzt, nachdem eine derſelben das folgende Lied angeſtimmt hatte: „De Kukuk „„Herr

öber Thoore

Goolsmats,

steit, de fioggt

no maag

mi um

een

to de Goolsmats Hus: Kroonzelein,

Maag’st du mi en smukken Kroonzelein, so komm’s du mit do Koost.““ (Der Kufuf auf dem Thurme fteht, der fliegt zum Goldſchmieds Haus: „Herr Goldſchmied, machſt du mir um ein Kränzelein, Mahft du ein fchönes Krängelein, fo kommſt du mit zur Hochzeit.)

und

zivar, indem fich je zwei jchräg gegenüberftehende

Tänzer zunächſt die Hände reichen, fodann je zivei neben:

einanderjtehende und fodann alle vier Freuziveife die Hände faſſen und auf demjelben Fleck miteinander ringsum tanzten.

Das obenerwähnte Kufufslied wird heute noch auf Hochzeiten gefungen, ebenfo das folgende, das uns lebhaft an jene von Kohl erzählte Thatfache erinnert, daß eine im Jahre ' In früheren Zeiten tanzte man aud den Schuftertanz, der von je vier Perfonen getanzt wurde. Die Tanzenden Inieten zus erft nieder, dann ſprach jemand von ihnen die Worte: „So steckt he sin Nadelje, so treckt he sin Dradelje, So kloppt he sin Ledder up Ledder; na Schomaker, komm

morgen wedder,“ und machten darauf die vier in dem Tanzlofal die Runde. Am Nenjahrsabend ziehen auf den Halligen vermummte junge Leute umber in den Häufern und führen Tänze auf; der Inhalt vorftehender Verſe deutet darauf hin, daß auch diefer Tanz bei der Sefegenheit vor kurzem noch üblich war; zumal auf Sylt jene umziehenden Neujahrswünſchler häufig die Thätigfeiten der Handwerfer nahahmen, den Reim jedoch nicht Fennen.

Die Argentiniſche Republik.

1706 verſtorbene, 88 Jahre alte Frau bei ihren Lebzeiten 197 Kinder und Kindeskinder gezählt hätte; ſehen wir doch

|

| | |

daran, wie ſich an ihr der im Liede ausgeſprochene Wunſch,

zahlreiche Nachkommenſchaft

zu erhalten,

erfüllte.

Der

Text des Liedes lautet: „Godd dün ju Börne, wo Ju hew wünschked, dat iirst Ihr een jönge Prinz, dat ööre Ihr een Appel ruth y dat treet Ihr een jöng Dochter in de Skud, een na von Ihr to Ihr, so lang dat 25 sen, All 25 an een Disch, dann wiit de Wuf, wat Husshuln ist,“ (Gott gebe Euch Kinder, wie Ihr habt gewünscht; Im erften Jahr einen jungen Prinz, im anderen Jahr einen Apfel rot, Das dritte Fahr eine junge Tochter in den Schoß; Eins nahher von Fahr zu Jahr, bis es 25 find, Ale 25 an einem Tisch, dann weiß die Frau, was Haushalten ift.)

So vergeht im lauten Jubel die Nacht und nachdem der jungen Frau der rote Lappen aufs Kopftuch befeftigt

it, führt

erſt die frühe

Morgenftunde

die Gäfte heim.

Einige Tage nad) der Hochzeit erhält die junge Frau ihre Mitgift ausgezahlt, die früher ſtets am Freitag vor der: jelben ausgeteilt wurde. Ehekontrakte werden nicht gefchloffen. Jene aus der Vergangenheit mitgeteilte Sitte, vor die Wohnung der jungen Verlobten ein Boot zu tragen, wenn der Verlobte auf einer anderen Hallig wohnte, fennt

man noch heute.

Man ziert ein Eleines Boot mit brennen:

den Laternen, läßt einen Mufifanten in demfelben Platz nehmen und trägt es am Freitag vor der am Sonntage ſtattfindenden öffentlichen Verlobung vor das Haus. Hier

erden die jungen Leute beivirtet und teilt der Bräutigam

außerdem

Geld

unter fie aus, wofür fie ſpäter ein Felt,

Gilde genannt, anrichten, an welchem alle teilnehmen und welches auch abgehalten wird, „wenn die Mädchen einen Kranz für ein neugebautes Haus verehren”. Wie überall in Nordfriesland,

jo ſprach man auch) auf den Halligen

im Volfsglauben den Begegnungen des Hochzeitszuges je nad) ihrer Befchaffenheit gute oder böfe Vorbedeutung zu. Als ſchlimme Vorzeichen galten die Begegnung einer alten Frau auf dem Wege zur Kirche und das Bellen eines Hundes beim Austritt des Paares aus der Kirche, wenn eben die Mufifanten dasjelbe mit klingendem Spiel be:

grüßten,;

als gutes Vorzeichen

galt die Begegnung des

Hochzeitszuges mit einem Anaben, der den Kopf nicht be— det hatte, Doch nicht immer in fo freudiger Stimmung

jehen wir die feftlich gefchmücten Züge der Kirche zueilen; dem Hochzeitszuge gegenüber fteht der Leichenzug.

„Schmerz

und

Freude liegt in einer Schale, ihre Miſchung ift der Menfchen Loos Von der Hitte bis zum Marmorfaale, bis zum Grabe von der Amme Schoß”,

fingt der Dichter. — Machen wir daher Tod und Leichen beitattung bei den Halligfriefen im nächften Abſchnitt zum Gegenſtand unferer Betrachtung. (Schluß folgt.)

si Die Argentinifche Kepublik.

Unter

Amerika,

den

ehemaligen

fpanifchen Kolonien in Süd—

welche ſich innerhalb

der jüngft vergangenen

70 Jahre in Sreiftaaten verwandelt haben, jteht die Argen— tiniſche Nepublif als eine der geordnetften, entwickeltſten und mit den reichjten Hilfsmitteln begabten da, wie aus unferer nachftehenden kurzen Ueberficht zu erſehen iſt. Die Argentiniſche Republik liegt im ſüdlichen Teile des ſüdamerikaniſchen Feſtlandes; fie umfaßt 35 Breitenund nahezu 20 Längengrade, voraus fich ein Slächenraum von ungefähr 3,027,088 Q.-Km. ergibt. Die Bevölkerung dieſes höchit ausgedehnten Ländergebietes beläuft ſich aber nur auf etwa 2,940,000 Eintvohner. Die Bevölkerung der Hauptitadt Buenos-Ayres allein umfaßt beinahe zehn Prozent der Gefamtbevölferung, nämlich 295,000 Seelen; nach diefer Stadt fommen Cordoba mit 39,650, Roſario mit 32,204 und Tucuman mit 24,237 Einwohnern. Städte mit mehr als 10,000 Einwohnern zählt die Nepublik noch zehn, Städte mit mehr als 5000 Einwohnern 18. Die neue Hauptſtadt der Provinz Buenos-Ayres, La Plata, liegt in der Nähe des Hafens La Enſenada, 50 Km. ſüd— öftlih von Buenos-Ayres; fie ift duch ein Gefek vom 1. Mai 1882 gegründet und der Grundftein am 19. No: vember desfelben Jahres gelegt worden.

Das Gebiet der Argentiniſchen Republik beiteht aus den National-Territorien Miffiones, Chaco, Indio el Sur oder Pampa, und Batagonien, fowie aus 14 Provinzen: Bueno3-Ayres, Entre-Nios, Corrientes, Santa 6, Santiago, Cordoba, San Luiz, Mendoza, San Juan, Rioja, Cata— marca, Zucuman, Galta und Jujui, welche infolge der am 6. Juni 1860 vepidierten und reformierten Landes: verfafjung von 1853 zu einer repräfentativen Landes: vepublif vereinigt find. Das Klima der Nepublif gehört nad) feiner mittleren Breite und im ganzen genommen zu den gemäßigtiten und gefündeften. Im Sommer zuweilen heißer als dasjenige von Italien, ift es im Winter weniger itreng als dieſes. Im Innern trodener als im Küftenftrich, zeigt e8 ſich weder ganz maritim noch ganz Fontinental, jondern im ganzen mehr als einen Uebergangszuftand zwiſchen diefen beiden Typen. Die Witterungswechjel find oft ſchnell aber nicht ſchädlich; epidemifche Krankheiten treten nur felten auf und die Gebirgsthäler

der Sierra de Cordoba gelten fogar für äußerft gefund, für Elimatifche Kurorte und für fehr heilfam gegen Bruftkrankheiten. Das Klima ift ganz ausgezeichnet zuträglic für die menfchliche Gefundheit und fehr vorteilhaft für die Bodenkultur. Alle Individuen von europä'ſcher Naffe ohne Unterfehied des Ursprungs fünnen fi) ohne vorherige

Afklimatation

nach diefem

Lande begeben

treide, Luzerne, Hanf und Baumwolle;



und diefelbe

Lebensweiſe fortfegen wie in ihrer Heimat, ohne die mindeite Gefahr für ihre Gefundheit zu laufen. Der Boden erzeugt im Ueberfluß Mais, Flachs, Ge:

die Kultur

des

812

Zuckerrohres

Die Argentiniſche Republik.

umfaßt

daſelbſt

gegen 1000 Ha.

Steuerbare Einfuhr Steuerfreie Einfuhr Zufammen

Die Er⸗

in der Argentiniſchen Republik

zeugniſſe des Ackerbaues

überſteigen in ſämtlichen Produkten den einheimiſchen Be—

darf; man

führt nicht allein feine Ackerbau-Erzeugniſſe

ein, fondern fehr bedeutende und jährlich noch zunehmende Mengen derjelben aus. Den Hauptreichtum des Landes bildet aber die Vieh— sucht und insbefondere die Zucht der Schafe, des Nindviehes und der Pferde. Der Viehſtand des Landes wird auf 4 Mill. Pferde, 15 Mill. Stück Rindvieh, 70 Pill. Schafe, 3 Mil. Ziegen, 200,000 Maultiere und Efel und 300,000 Schweine gefhäßt, denen man Ende 1882 einen Sefamtwert von 1,050,280 Franken beimaß. Den reichiten Viehftand weiſt die Provinz Buenos-Ayres auf. Die hauptſächlichſten aus der Viehzucht gezogenen Produkte find Molle, Leder, Häute, Fleifh, Talg, Fett, Hörner, Knochen und Anochenafche ꝛc., welche zufammen etiva 95 Prozent der ganzen Ausfuhr ausmachen. Die gewerbliche Thätigfeit iſt noch eine beſchränkte; fie befteht nächſt den Naffinerien, Branntmweinbrennereien und Mühlen, welche die Rohſtoffe verarbeiten und in uns

mittelbare Verbrauchsartikel

umwandeln,

zumeijt in den

Saladeros (den Gtabliffements, worin man das frifche Fleisch und die Häute einfalzt), in den Gerbereien und in den Anftalten zur Berhüttung der gewonnenen Mineralien. Das Land befitt 21 Saladeros, nämlich) acht in der Pro—

vinz Entre-Nios, worin man jährlid) 480,000 Stüd Vieh ihladhten fann, eine in der Provinz Santa Fé und 12 in der Provinz Buenos-Ayres; ihr gefamtes Kapital be— läuft fih auf 35 Mill. Franken. Die Zuder-nduftrie macht feit einigen Jahren ungemeine Fortſchritte; von der Bedeutung des Berge und Hüttenweſens in der Nepublif vermag man fih aus nachjtehenden Ziffern einen Begriff zu machen, welche die Ausfuhr vom Jahre 1882 an Metallen und Erzen darftellen: Kupfer und Kupfererze 507,607 Kgr., Zinn 194,677 Kgr., Silber und Silbererze 190,837 Kgr.,

Blei und Bleierze 81,639 Kgr., in einem Geſamtwerte von 2,597,870 Franken. Dazu fommen nod) Goldmwäjchereien in den Provinzen Salta und Ya Rioja, über deren Ertrag die Nachweife fehlen, wie diejenigen über den Abbau der in PBatagonien und am Rio Vermejo gefundenen Kohlen: lager. Der Ertrag an Salz und Natron iſt ebenfall3 ein jehr bedeutender und überjchreitet den einheimischen Bedarf meit. Ein Land, mweldes an Naturproduften im größten Maßſtabe jo reich ift und jo wenig Induſtrie und Manu: fafturen hat wie die Argent. Republif, muß notgedrungen einen bedeutenden Handel nad außen unterhalten, um den Ueberfluß feiner Erzeugnifje zu verwerten und feine

Bedürfniſſe einzuführen.

Das Land hat im Verhältnis

zu feiner Bevölferung einen fehr bedeutenden Handel, ivie die nachjtehenden Ziffern beiveifen. Im Sabre 1882 jtellte jih die Bilanz des auswärtigen Handels folgendermaßen:

VITA

TTS

21,026,055 296,351,830 Fr.

Berfteuerte Ausfuhr 262,370,755 Sr. Steuerfreie Ausfuhr 29,833,770 , Zuſammen

292,204,525 Ft.

Diefen Ziffern fann man noch beifügen einen Tranfit von 85,289,585 Franken und einen Verkehr in Metallgeichäften von 13,416,635 Franken, was den gejamten Handelsverfehr nach außen im Jahre 1882 auf die anjebnliche Ziffer von 687,262,575 Franken bringt. In den Einfuhrpoften des genannten Jahres figurieren

Deutfchland mit 7,80/0, die Antillen mit 0,2, Belgien mit 4,7, Bolivia

mit 0,2, Brafilien

mit

3,5, Spanien mit

4,7, die Vereinigten Staaten mit 8,3, Frankreich mit 19,9, Holland mit 1,6, Großbritannien mit 31,9, Stalten mit 4,7, VBaraguay mit 2,0, Uruguay mit 4,7, die übrigen Länder mit 5,8%.

Die

Ausfuhr

verteilte

ſich folgendermaßen:

nad)

Deutjchland 7,9%), nad den Antillen 2,4, nad) Belgien 23,8, nad Bolivia 0,6, nad) Brafilien 3,6, nach Chile 2,5, nad) Spanien 2,2, nad) den Vereinigten Staaten 4,9, nach Frankreich 27,2, nad Großbritannien 12,6, nad

Stalien 2,8, nad Paraguay O,1, nad) Uruguay 3,4, und nach den anderen Ländern 60/0. Die Einfuhr bejteht in Eßwaren, Branntwein und Liqueur, Wein, Bier, Tabak, Zigarren und Zigaretten,

Zuder, Kaffee, Thee, Kakao,

Schokolade, Wollgemeben,

Seiden= und Baumwollitoffen, Hüten und Müten, Schub: werk, Waffen, Eifenwaren, Quincaillerie, Möbeln, Kunft-

gegenftänden,

Porzellan,

Fayence,

Kryſtall- und

Glas—

waren u. dergl.

Die

hauptfählichjten

Ausfuhrartifel

find:

Wolle,

Leder, Häute, lebendes Vieh, gejalzenes und fomprimiertes

Fleiſch, Roßhaar, Hörner, Talg, tierifches Del und ver— ichiedene Produkte des Aderbaues ꝛc. Eine große Menge Gegenftände find in der Argen: tinifchen Republif vom Ausfuhrzoll befreit, hauptſächlich: Mafchinen für die gewerblichen Etabliſſements und für Dampfſchiffe, Naffetiere und lebende Heerden, friſche Fiſche,

frisches Obſt, Möbel und Werkzeuge der Einwanderer für ihren

eigenen Gebrauch

und von geringem Werte, Gold

und Silber in gejchlagener Münze, gekörnt, gegofjen oder gepulvert, Lebende Pflanzen, Eifenbahn-Material aller Art

für große und für Tramway-Bahnen, Lokomotiven jeder Art, ungalvanifierte und unverzinnte Gas- und Waſſer— Leitungsröhren

von

mindeftens

75

mm,

Durchmeſſer,

Duedfilber, gefrümmte Xeitröhren von mehr als 2 Kgr,, Bergwerfsichienen, Sprengpulver, Sämereien für den Acker— bau u. dgl. m.

Hu Anfang des Jahres 1883 waren in der Argentiniſchen Republik 2623 Km, Eifenbahnen im Betrieb und 2777,95 Km, in Bau, Vermeffung oder im Projekt.

Der Golfftront,

Das gefamte in Eifenbahnen angelegte ‚Kapital betrug 164,548,836 Franken und ertrug einen mittleren Zins von 7,47%. Ueber den Schiffahrtsverfehr der Nepublif mit dem Ausland Ziffern Auskunft:

im Jahre eingelaufen

1882 geben nachitehende 6071 Schiffe mit einem

Gehalt von 1,528,054 Tonnen; ausgelaufen 4765 Schiffe mit einem Gehalt von 1,448,139 Tonnen.

Shiffahrtsverfehr

dienen 43,934

Dem inneren

Fahrzeuge

813

handelt, wenn die Flüſſe zu laufen aufhörten.

Die Luft

würde in ähnlicher Weife verderben und uns feinen er: frifchenden Athem mehr liefern, wenn die Winde aufhören

und die Zyklonen

nicht mehr die Atmofphäre

reinigen

würden. Der Ozean würde ohne feine Strömungen bald fterben und feine Oberfläche ſich mit toten Fischen und mit abgejtorbenen Formen des niedrigeren Tierlebens be-

Wir haben nun noch ein Wort über die Einiwander: ung zu jagen: Wenn man die verfchiedenen Bedingungen muftert, welche ein Land befiten muß, das dazu beftimmt üt, den Ueberfluß der europäifchen Bevölferung in feinen

deden. Unſere Erde wird fo lange betvohnbar bleiben, als diefe unendlichen Methoden des Kreislaufs in Thätigfeit bleiben; und wenn diejenige Kraft, welche wir Schwer: kraft nennen, die Himmelsförper im Weltraum nicht mehr in ihrem Umlauf erhalten wird, fo wird der Untergang des Weltalls bald befiegelt werden.

Schoß aufzunehmen, wenn derfelbe in der Ferne die Aussicht auf ein befjeres Los fucht, fo wird man einräumen müffen,

handenen fließenden Wafjerförper.

mit einem

Gehalt von 3,628,804 Tonnen.

daß die Argentinifche Republik mwefentliche Vorteile befist, welche diefe Erwartungen zu nähren und zu befriedigen geeignet

find.

Bei der gegentwärtigen noch fo ſchwachen

Bevölferung kann man leicht wohlfeilen Grund und Boden erwerben und es ift immer Nachfrage nach Arbeitskräften für die Feldgefchäfte vorhanden; das gefunde und milde

Der Golfſtrom

ift der breitefte und längſte der vor:

Wir haben ihn zu be-

trachten als die Dampfröhre, welche die Wärme aus dem äquatorialen Ofen der Erde nach denjenigen Punkten führt, wo die Sonne nicht hinreichend thätig ift. DieSumme der auf diefe Weife übertragenen Wärme wird leicht auf nahezu 80 Zrillionen Tonnen zu fchäßen fein. Die Zeugniffe der Geologie zeigen diefen Strom in einem wanfelmütigen

tie in jeiner Heimat; Geſetze und Gerichte verbürgen ihm

Lichte. Er ift in feiner Hingebung an das nördliche Europa und England nicht beftändig getvefen. Als er

eine vollfommene Sicherheit, ſowohl für feine Berfon wie für fein Eigentum; er genießt große Freiheiten; die Ver:

andere Götzen aufjuchte, nahmen die ſüdwärts fließenden falten Strömungen den größten Teil des Atlantifchen

Klima geftattet dem Einwanderer in diefem Lande zu leben

kehrsmittel geftatten ihm einen leichten Handel mit feinen

Ozeans ein und fühlten die nun feuchten etlichen Winde

gewerblichen Erzeugniffen und die Zuftände in der Argen:

ab.

tiniſchen Republik find, wenn auch nicht fo geordnet mie in Deutfchland und anderen europäifchen Staaten, fo doc) ruhiger, ftabiler und befjer als in den meiften anderen Staaten Süd-Amerifa’s und am freieften von Putfchen, Militär-Revolutionen und inneren Unruhen.

Polarfuchs, das Nenntier und der Fjällfras umher. Nach dieſem trat eine allmählige Veränderung ein und der Strom fehrte mit größerer Wärme als wir fie heutzutage haben, wieder, jo daß der Feigenbaum und der Kirfchlorbeer auf

Damals

jchweiften

im nördlichen

der Stelle des heutigen Paris gediehen.

Frankreich

der

Dann Fam eine

Zeit, wo Löwen, Tiger und Elephanten im Ihemfe-Thal hauſten und London von den Bewohnern der Dichengeln gegründet wurde, Einige Gelehrte haben die thörichte Befürchtung geäußert, ein iſthmiſcher Kanal könnte diefen

Der Golfſtrom. Bon W. H. Ballou.!

Der Kreislauf beſchränkt ſich nicht nur auf das Blut

mächtigen Strom in den Stillen Ozean leiten; aber fie vergefjen, daß die Dimenfionen eines ſolchen Kanals durch— Ichnittlih hiezu 50 MI. breit und 1000 Fuß tief fein

einer Regierung oder einer Bank.

Der Kreislauf ift der

müßten. Hinfichtlich des Ursprungs diefer etvigethätigen Strömung find zahlreihe Theorien aufgejtellt worden. Die ältejten

wejentliche Faktor, welcher überall

in der Natur fichtbar

derjelben wollten im Miffiffippi den Vater des Golfſtroms

des Menschen oder auf das Baargeld und die Wertpapiere

it. Das Netzwerk der Ströme ift das Lebensblut des Landes, der Winde der Atmoſphäre und der Strömungen des Ozeans. Es führt den Tod herbei, wenn wir lange im Schnee ftehen, weil der Blutumlauf im Körper ge hemmt wird; fo ift Umlauf irgend einer Art zur Erhaltung aller Elemente der Natur, der fozialen wie der phyſiſchen, notwendig. Der Menſch ftirbt, wenn der Blutumlauf aufhört. Das Land würde ähnlicherweiſe fterben, fo: weit es fih um die Bewohnbarkeit und Anbaufähigfeit 1 Aus dem „Saturday Evening Herald“ von Chicago.

jehen,

allein man ermittelte, daß feine Wafjermenge für

diefen Zweck eintaufendmal zu klein ift, obwohl fich feine Gewäſſer mit dem Golfſtrom vermengen. Kapitän Livingfton jchrieb ihn einer Art jährlicher Ebbe und Flut zu, welche von der anfcheinenden jährlichen Bewegung der Sonne und deren Einfluß auf den Atlantijchen Ozean herrühren

follte. Dr, Franklin glaubte, der Golfitrom fei das Zurüd: itrömen der durch die Paſſatwinde im Golf aufgehäuften Gewäſſer; allein diefe fanften Winde wehen nur 111 Tage im Sahr und vermöchten möglicherweife nicht fo viel Waſſer aufzuftauen. Und da überdieß das Waſſer acht:

Der Golfftrom.

814

hundertmal ſchwerer ift als die Luft, fo iſt kaum anzu: nehmen, daß die Paſſatwinde hinreichende Kraft für eine derartige Aufgabe entivideln. Kapitän Maury nahm zunächſt die Wirkung der Sonnenwärme in Necdhnung. Er glaubte, das Wafjer am Aequator werde durch die Einwirkung der Sonne leichter

gemacht und fliege über die Meeresoberfläche

nach den

Bolen hin; das Waffer der Bolarmeere rauſche herein, um feine Stelle einzunehmen und bilde dann, weil es ſchwerer jei, eine unterfeeifche Strömung. Sir Sohn Herfchel behauptete, derartige Wirkungen jeien unmöglich, weil, wenn die Gewäſſer leichter werden, fie nur eine Beitrebung nad) aufwärts, abwärts oder feit-

wärts haben Fönnten.

Die legtere fünnte nur von der

allmähligen Abdachung herrühren, welche durch die Auf: bauchung der äquatorialen Gewäſſer verurfacht werden. Eine ſolche Abdahung fer zu unbedeutend für eine der—

artige Wirkung.

ſchaftlichen Forſchungen der Phyſiker und Geographen der jüngſten Jahrzehnte; ſie erhält ihre Beſtätigung durch die Beobachtungen, welche an den verſchiedenſten Punkten des Ozeans gemacht wurden. Alle ſeither in Betracht gezogenen Urſachen, welche entweder angenommen oder verworfen

wurden,

tragen nach meinem Dafürhalten ihren Teil zu

den ozeaniſchen Strömungen bei. Die ungeheure Waſſer— maſſe, welche der Miſſiſſippi und ſeine Zuflüſſe beſtändig

dem Ozean zuführen, müſſen einen Teil der erſtaunlichen Gewalt und des Volumens des Golfſtroms möglich machen. Die Paſſatwinde, welche die Gewäſſer des Mexikaniſchen Meerbuſens aufſtauen, müſſen durch den Rückfluß einiges

hinzufügen. Das Aufbauchen der äquatorialen Gewäſſer mag auch noch etwas dazu beitragen; aber natürlich iſt die Verdunſtung durch die Sonne weit mächtiger als alle anderen Kräfte zuſammen. Die äquatoriale Strömung iſt nicht fortlaufend als ein unterſeeiſcher Strom. Die Kommiſſion für die Ver—

und

meſſung der Küſten

des Landes

der Vereinigten

ausgearbeitet,

auf welcher eine

Der engliihe Aſtronom Richard A. Proctor trat nun auf und fuchte eine Theorie geltend zu machen, welche heutzutage ziemlich allgemein angenommen wird. Er ver: juchte nämlich zu zeigen, daß die große Sonnenhite am Aequator ebenfo gut eine bertrodnende wie erwärmende Wirkung auf die Gewäſſer übt. Sie verdunftet ungeheure Mengen derjelben. Dies verurjacht, daß eine intenfive

Strömung verftanden wird.

E3 ift daher nicht überrafchend,

daß die warmen Gewäfjer

des Golfſtroms viele Hunderte

Anſaugung

Atlantifchen

und vielleicht Taufende von Quadratmeilen weit über das

Dean hin Stattfindet und ſich eine unterjeeifche Strömung falten Waſſers von den Polen her ergibt, welche die Stelle des verdunſteten Wafjers einnimmt, wodurch an der Ober: fläche ein Abflug warmen Wafjers nad) den Polen hin verurfacht wird. Er jagt: „Wenn mir einmal die haupt: jächlihe Quelle und Urfache des Mechanismus des Golf: ſtroms oder vielmehr das ganze Syitem des ozeanifchen Kreislaufs entdedt haben, fo finden mwir aud Feine Schivierigfeiten mehr, uns die ſämtlichen Betwegungen zu erklären, welche diefer Mechanismus hervorbringt. Wir

Bett des Ozeans hinfließen. Daraus ergibt fich mit einiger Notivendigfeit, daß ſowohl das Bett des Golfſtroms wie diefer felbft eine deutlich gefchiedene eigene Fauna und Flora haben, welche vielleicht die wunderbarfte auf irgend einem Flächenraum des Erdballs ift. Die Scharr= und Schleppnetze der Fiſchfangs-Kommiſſion der Vereinigten Staaten haben auf diefem Flächenraum buchjtäblid) Tauſende von neuen Arten von Fiſchen und niederen Meerestieren zu Tage gebracht. Die Arten von Meeresgeſchöpfen und von Formen des niedrigften Tierlebens, welche man hier ent

brauchen im Golfitrom nicht länger den Nüdprall

deckt, erfcheint geradezu unerſchöpflich.

über den ganzen

äquatorialen

und

Staaten

hat eine Karte

„innere kalte Mauer” von der Höhe von New-York bis zu derjenigen der Cedar Keys nachgewieſen ift, unter welchem

Ausdrud nur die vom Polarmeer herfließende äquatoriale

Jedes Jahr wird unterfuht

und

Umſchwung der äquatorialen Strömung von den Küften Nordamerifa’s zu ſehen. Da wir wiſſen, daß eine unter: jeetfhe Strömung gegen den Mequator hin ftattfindet, fo

Die warmen Gewäſſer

jehen wir aud, daß eine Strömung an der Oberfläche

dauernden

gegen die Pole hin vorhanden fein muß. Dieß muß un: vermeidlich in einer Bewegung nach Dften hin refultieren, tie die unterfeeifche Strömung gegen den Aequator in weitliher Richtung ftattfindet. Wir haben in der That die Erſcheinungen der Paſſate und Gegenpafjate in Wafferjtrömungen anftatt in Luftftrömungen dargelegt. Diejelbe Theorie Proctors hat auch der Amerikaner Francis M'Nally ſchon früher in feinem „Syſtem der Geographie” aufgeftellt, als die englifche Königliche Geo— graphiiche Gefellfhaft in London noch fogar das Vor: handenfein des Golfſtroms in Frage ftellte, Sie ift meines Erachtens die einzige richtige Theorie der ozeaniſchen Strömungen und das Ergebniß der gemeinſamen wiſſen⸗

Merikanifchen Meerbufen und aus dem fernen Innern der

ein neuer

des Meeresgrundes

Abfchnitt

eine neue Reihe von tierifchen Lebeweſen ans Licht gebracht. Borrat

des Golfftroms bringen einen fort:

von Nahrung

und Boden

aus dem

weſtlichen und nordieftlichen Teile der Vereinigten Staaten mit und machen diefen Teil des Ozeans zu einem reichen Feld für den allgemeinen Lebensunterhalt. Man hat hier die Brütepläge und DVerftede von großen Maffen neuer oder längſt befannter eßbarer Fiſche entdeckt. Ein einziger Acre des vom Bolfftrom berührten Meeresgrundes wiegt 100 Acres des reichſten Praivielandes auf. Die Produkte diefer Area

finden ihren Weg nach Chicago und find auf den Tafeln einer langen Reihe von Speifehäufern an und von Speiſe⸗ wägen auf der Eiſenbahn bis weſtlich nach der Salzſee— ſtadt zu finden. So gibt der Boden, welcher dem Weſten

durch die Verheerungen

des Miſſiſſippi

verloren

geht,

Die Goldfelder im Transvaal-Lande.

demjelben Weiten den Gegenwert mit reichen Zinſen zurüd, indem er die Fiſche weit draußen im Atlantifchen Ozean ernähren bilft.

815

und Ausdauer hieher kamen, trotz aller Hemmniſſe, Nach—

teile und Mühen, die ein ſolch rauhes Leben mit ſich bringt, ſich ein anſtändiges Vermögen erworben. Alles bisher dort gefundene Gold

Ausnahmen

Die Goldfelder im Trausvaal-ande. Die Goldfelder des wir feit etiva 12 Jahren dings in Süd-Afrifa und zu erregen begonnen, und

Transpaal-Gebietes, von denen ab und zu hörten, haben neuer: Europa namhafte Aufmerffamteit da die Zufunft Transvaals und

eines großen Teils des ſüdöſtlichen Afrikas zumeist von der geeigneten Entiwidelung derfelben abhängt, wie wir dies bei den Goldfeldern in Kalifornien, auf Neufeeland und in Süpdojt-Auftralien gejehen haben, jo dürfte eine gedrängte Schilderung der goldführenden Negion auch den Lefern unferer Zeitſchrift nicht uninterefjant fein.

Man hat das Gold über eine namhafte Strede Landes bin, die fi) fogar bis zum Zambeſi hinauf ausdehnt, zerjtreut gefunden; derjenige Teil jedoch, welcher von den Goldfuhern hauptfächlich befucht wird, ift ein beinahe

zu der ſogenannten

hat mit

wenigen

alluvialen Art gehört,

d. h. zu der in den Geſchieben des Bodens enthaltenen Art, welche ſich mittelſt Waſſers allein, ohne Anwendung

von Maſchinenkraft, ausziehen läßt. Allein neuerdings find zwei Geſellſchaften mit Maſchinen zur Zertrümmerung des Quarzes aufgetaucht, deren Erträgniffen man allgemein

mit Spannung die Einführung ih) Lohnt oder Boden in einem dem Goldgräber

entgegenfieht, da es fich zeigen muß, ob von Mafchinen in ſolch großem Maßſtabe nicht. Wenn nämlich der goldführende verhältnismäßig tiefen Niveau liegt und gejtattet,

das Waffer von irgend einem

durch die Gegend verlaufenden Fluſſe berzuleiten, jo ift der Prozeß des Goldgrabens fehr leicht, denn der Grund und Boden wird einfach losgehauen und ins Waſſer ge worfen oder von dem Waſſer hinmweggefpült, welches man durch ein lange Röhre herbeigeleitet hat. Dieſe Rinne (Box oder Race) ijt ungefähr anderthalb Fuß breit und ebenjo hoch, oben offen und am Boden mit hartem Fels oder Quarz bededt und fällt allmählig auf eine Strede

genau von Süd nad) Nord verlaufender Gürtel Landes, welcher beim Kaapfluß, einige Meilen öftlih von dem Städtchen Middelburg im Transvaal, beginnt und unge: fähr 10 e. MI. nördlid von PBilgrim’s Reſt im Bezirk Lydenburg endigt. Die hauptfächlichiten „Farmen“ oder Niederlaffungen, auf welchen im Lydenburger Bezirk Gold

täglich wird das Waſſer von diefer Ninne abgeleitet und ein Feiner Strom reinen Wafjers durch fie ftreichen ge

gefunden worden iſt, find Pilgrim's Reſt, Berlin, Lisbon,

lafjen; jodann wird die Rinne von einem Ende bis zum

von 20 bis zu 200 Fuß Länge, je nach der Gewalt des durch den Grund laufenden Stroms und der täglich hinweg zu waſchenden Menge Bodens. Ein» oder zweimal

Graskop, Mac-Mac, Spitzkop, Elandsdrift und Hendrifedal.

anderen genau unterfucht, jedes Hörnchen, Klümpchen oder

Dieſe ſogenannten Farmen führen dieſen Namen, weil ſie vermeſſene Grundſtücke ſind; ſie dürften aber kaum in irgend einem Fall zu landwirtſchaftlichem Betrieb tauglich ſein. Es gibt noch zahlreiche andere „Farmen“, auf

Teilchen Gold, das durch die Wirkung des Waffers und feine größere Eigenſchwere ſich inden Riefen und Unebenheiten des Ninnenpflafters niedergefchlagen hat, wird ſorg— lich aufgelefen und dann die Arbeit wieder aufgenommen.

welchen Gold gefunden wurde; allein auf den vorgenannten

Sn Fällen, wo das Gold von feinerer Art ift und Gefahr

hat man bis jetzt die reichſte Ausbeute gefunden. Von den Goldfeldern am Kaapfluß, ungefähr 50 e. Ml. von

allein benußt werden würde, lieft man die gröberen Steine

Lydenburg,

eine beträchtliche Menge

aus der Erde aus und läßt das Wafjer mit der erweichten

Gold gewonnen, und zwar teils auf Boden, welcher von der Regierung nicht angewieſen worden iſt, teils auf

Erde über grobe Wolldeden laufen, welche vermöge der Natur ihres Getvebes alle feineren Teilen und Blättchen

den Farmen von Privat-Eigentümern; allein dieſer Bezirk iſt in der jüngſten Zeit nicht ſo ausgedehnt abgebaut

des Goldes aufnehmen und den leichteren Boden davon laufen

hat man

ebenfalls

worden, teils wegen ſeiner Ungeſundheit in den unteren Strecken des Fluſſes, teils wegen der Schwierigkeit, in

laufen würde, hinweggeſpült

zu werden, wenn die Rinne

laſſen. Dieſe Wolldeden werden dann von Zeit zu Zeit ausgewaſchen und die fich ergebenden feineren Goldteilchen

einem ſolch unbequemen Boden zu arbeiten. Gegenwärtig wird in keinem der obigen Bezirke viel

mit Quedfilber fombintert, welches vermöge feiner Ver: wandtichaft zum Gold diefes auflöft und mit fich vereinigt, worauf die Mafje in eine Netorte gefchüttet und über dem

gearbeitet,

Teuer überdeitilliert wird, wodurch das Queckſilber ver:

kommen

aus Gründen, auf welche wir nachher zurück—

werden;

allein daß dort Gold

in namhafter

Menge vorhanden iſt, darüber kann gar kein Zweifel ſein,

wie die von Banken und Händlern

erkauften Erträgniſſe

an einheimiſchem Gold beweiſen; und obwohl bis in die neueſte Zeit keine Kapitaliſten in den Goldfeldern aufge— treten ſind, ſohaben doch mehrere ausnahmsweiſe glückliche Goldgräber, welche mit nichts anderem als Erfahrung, Mut

flüchtigt

wird

und

für fpäteren Gebrauch

wieder aufgefangen

und das Gold in einer foliden Mafje zurücdbleibt. Der obige Prozeß, welcher jehr wenige Auslagen ver-

urfacht, iſt notgedrungen

beinahe

der einzige geweſen,

welcher von den Goldgräbern angenommen

erden mußte,

die großenteil3 Arbeiter mit wenig oder gar feinem Gelde geweſen find. In Fällen, wo der Schwemmboden jo hoch

Die Goldfelder im Transvaal-Lande.

816 über dem Niveau der fließenden Waſſer

gelegen hat, um

zu verhindern, daß man ihn in derſelben Weiſe behandeln konnte, beſtand der einzige Unterſchied in der Goldgewinn—

ung darin, daß man den Boden ausgrub und auf Karren u. ſ. w. nach der Waſſerrinne ſchaffte, worauf er nach dem

obengeſchilderten Verfahren ausgewaſchen wurde.

In dem

hat, gewährte

der Volksraad oder die Landesvertretung

der Boers Konzeffionen für alle gewerblichen und Handels-

unternehmungen, welche im Transvaal betrieben werden follten, d. h. fie gemwährleifteten einem Manne gegen Erlegung einer gewiſſen jährlihen Summe das alleinige Recht zum Branntweinbrennen oder zur Verfertigung von

Falle aber, wo es ſich um goldführenden Quarz handelt, muß der Quarz in Waſſer mit Maſchinen beinahe zu einem Pulver verwandelt werden; der zerſtoßene Quarz fließt dann über Platten ab, welche mit Queckſilber bedeckt ſind,

Schießpulver oder zum Handel mit Wolle 2c. und legten in jedem Falle einen Ausgleihungszoll auf Artifel der jelben Art, welche aus Europa famen, um jo, wo möglich,

das den größeren Teil des Goldes aufnimmt; diejenigen

fihern, wobei wir aber bemerfen müffen, daß die jo hoch befteuerten und beinahe ausgejchloffenen europäischen Waren noch weitaus den größten Abſatz haben. Unter anderen Konzeffionen wurde auch durch Geſetz eine Gold-Konzeſſion erlaſſen, welche beſagte, daß der Beſitzer jeder goldführenden

Goldflitterchen, welche dem Queckſilber entgehen, werden dann weiterhin mittelſt der ſchon erwähnten Wolldecken auf— gefangen, welche dieſelben nach dem Paſſieren der mit Queckſilber beſtrichenen Platten aufnehmen. Es iſt ſchon vielen Perſonen, welche mit dem Gold— graben in Auſtralien und Kalifornien bekannt ſind, auf— gefallen, daß nicht in zwei Orten im Transvaal die Merkmale des Goldes dieſelben ſind. In einem Falle ſucht man es vergebens anderswo als auf dem Gipfel eines Hügels; an einem andern Orte gibt nur die Thalſohle allein Gold, und nicht wenige Geologen und fachmänniſche Bergleute, welche jüngſt die Goldfelder beſucht haben, um den Kaufsluſtigen die Ausbeute-verſprechenden Lagerſtätten

des Waſchgoldes nachzuweiſen, haben ſich zu dem Geſtändnis gedrungen geſehen, daß ſie an der Möglichkeit des Auf— findens von abbauwürdigen Lagerſtätten verzweifeln und eine geraume Zeit ſuchen und unterſuchen mußten, ehe eine Stelle auch nur flüchtig auf ihr Ergebnis an Gold geprüft werden konnte. In den meiſten Fällen ergab ſich,

daß das Aufſuchen von abbauwürdigen Stellen ein Glücks— ſpiel oder reiner Zufall war und daß die Goldgräber ſelbſt mittelſt ihrer praktiſchen Erfahrung beſſer mit dem lohnen— den oder nicht lohnenden Grunde bekannt waren, als irgend ein wenn auch noch ſo erfahrener Fremder ſein kann.

Seit 1873 gejtatteten die Geſetze uber das Goldgraben im Transvaal jedem, ſich von der Regierung einen Schürfſchein geben zu lajjen, um auf goldführendem Lande, welches die Negierung als ihr Eigentum betrachtet, einen „Claim“ zu eriverben, auf welchem er nach Gold graben durfte. Diefer Schürfſchein Foftete, je nad) dem Umfang der Bodenfläche, eine mehr oder weniger erhebliche Summe Wenn ein Claim erfchöpft war oder ſich als nicht lohnend ergab, ſtand es dem Goldgräber frei, denjelben zu verlaffen und einen andern zu wählen, falls diejer andere nicht ſchon vergeben

oder bejeßt war.

Diejes Gefeg wirkte in einem dünn

bevölferten Lande, worin kaum Aderbau betrieben wurde, jehr günftig und harmonisch; als aber Transvaal wieder

durch die britifche Regierung

an die Boers

abgetreten

wurde, trat ein neuer Nechtszuftand ein. Um die Einfünfte zu erhöhen, welche nad dem Weggehen der britischen Regierung raſch fielen, was jeither gerade unter den—

jenigen, die ſich zuerſt gegen die britifche Autorität erhoben haben, eine meitverbreitete

Not und Angjt hervorgerufen

den Verkauf des im Transvaal

erzeugten Artikels zu

Farm durch Bezahlung einer zuvor zu vereinbarenden jähr— lichen Summe das alleinige und ausſchließliche Recht er— langen konnte, auf ſeinem Grund und Boden nach Gold zu graben unter der Bedingung, daß er diejenigen Gold— gräber entſchädige, welche auf ſeinem Grund und Boden

auf den alten Schürfſchein

der britiſchen Regierung hin

arbeiteten.

Die Folge der Verkündigung dieſes letzteren Geſetzes war, daß beinahe jeder Beſitzer eines an Waſchgold er— giebigen Gehöftes, welcher nur immer für ein oder zwei Jahre

die Steuer

für die Konzeſſion

bezahlen

konnte,

fich eine Konzeffion nahm mit dem Gedanken, fowohl Kon: zeffion als Farm auf dem europäifchen Markt mit großem

Gewinn zu verkaufen, oder in einigen Fällen mit der Abficht, jelbjt nad) Gold zu graben. Da nun in den Gold: konzeſſionen nicht3 über die Zeit bejtimmt tft, binnen welcher die urfprünglichen

Goldgräber

entjchädigt

werden jollen.

noch auch irgendeine feſte Bafis gegeben wird, nad) welcher ihre Ansprüche gewertet werben jollen, jo hat dies beinahe zu einem Stillitand in der Goldproduftion geführt und viele Streitigfeiten vor dem oberften Gerichtshofe in Pretoria hervorgerufen. Die Goldgräber weigern ſich, den Wert des Grundeigentums irgend eines Konzeffionärs durch weiteres Forfchen und Schürfen zu fteigern, und die Konzeffionäre haben nur in wenigen Fällen das Kapital, womit fie die Goldgräber entjchädigen follen, Die euro-

päiſchen Kapitaliſten aber lafjen fich nicht mehr fo leicht wie früher durch hochtönende Proſpekte verloden und be: thören; und höchſt wahrſcheinlich werben die Befiter von

goldführenden Farmen ſich binnen kurzem veranlaßt jehen, ihren Grund und Boden wieder zur Ausnützung an Gold— gräber zu verleihen und dadurch ihre eigenen Einkünfte und diejenigen des Landes im allgemeinen zu erhöhen, denn bei einer großen bergbauenden Bevölkerung finden ſowohl Kaufleute wie Landwirte einen raſchen und guten Abſatz für ihre Waren und Produkte. Ferner haben die Eingeborenen arbeiten gelernt, was weitaus der beſte zivi— liſierende Einfluß iſt, welcher bei ihnen zur Geltung ge— bracht werden kann, und es wird wieder Geld in Umlauf

817

Die Goldfelder im Transvaal-tande.

kommen in einem Lande, worin der Mangel daran nie mals lebhafter gefühlt worden tft, ala eben jetzt. Im ganzen Lande ift feine einzige Stadt, welche mit Zug eine bergbautreibende genannt werden kannn; am nächiten

fommt diefem Begriffe noch Pilgrim's Neft, welches unge: fähr 35 © MI. von dem Bezirk Lydenburg entfernt Liegt. Dieſe Niederlaffung liegt auf dem Eigentum einer Londoner Firma,

welche

feine Koſten an Maſchinen oder Geld zu

ſparen ſcheint, um ihr Beſitztum gründlich auszunützen. Die Stadt liegt in einem höchſt maleriſchen Thale, welches eher an die Schweiz als an Südafrika erinnert, und infolge der alten ſeltſamen Sitte unter Auſtraliern und Kaliforniern,

den Oertlichkeiten jeltfame Namen zu geben, findet man auch hier Bezeichnungen, wie Tigerbach, Jeruſalemsſchlucht u. dergl. m. Unter den Einwanderern überwiegen, wie gewöhnlich, die Schotten, wie dies natürlich an den ent: legenjten Orten zu erwarten, wo nur die Möglichkeit vor:

handen tft, Geld zu verdienen. Eines der Lager der Gold: gräber in der Nähe von Pilgrim's Neft heißt fogar Mac: Mac, nah der Menge von Macs, welche früher dort Gegend

ift zwar

ſehr maleriih

und

in den

TIhälern wohl bewäfjert, allein für den Verkehr fehr un: günftig und jehr ſchwierig zu bereifen, denn fie hat ohne Ausnahme die allerfchlechteiten Straßen und Wege in

ganz Süd-Afrika. Der Weg von Lydenburg nach Spitfop, einem andern Goldgräber-Lager, würde ſelbſt einem Wiener Fiaker die Haare zu Berg ſtehen machen, und von der Mühe und Gefahr, Mafchinen mitteljt der plumpen Ochfenwagen auf folhen Wegen zu transportieren, kann fih nur derjenige einen Begriff machen, der in Süd-Afrika Erfahrungen gefammelt hat. Vom Mai bis Dftober ift es möglih, Waren von Delagva-Bai über den portugiefi= Ihen Hafen Loreneo Marques zu beziehen, weil der Weg in diefer Richtung ziemlich gut it; allein den Reſt des hindurch wimmelt jene Straße

von

der gefürch—

teten giftigen Ttetſe-Fliege und die Flüffe find von den Regengüſſen fo angefhwollen, daß aller Transport un— möglich it. Jene Handelsgefellfehaften, welche die Ausbeutung der Goldfelder

den Betrieb

unternehmen wollen, jtreben vor allem dahin,

ihrer Mafchinen mittelft Waſſerkraft einzu:

richten, weil durch die Teurung

des Brennmaterials an

Dampfbetrieb faum zu denken iſt. Waldwuchs exiſtiert zwar in den Kloofs oder Thälern der Gebirge in ziemlicher Menge, allein diefe Wälder find beinahe unzugänglich und ihr Holz von fehr geringem Heizwert. Steinkohle findet ſich zwar in der Umgebung von Middelburg, allein die Trans: portfoften auf diefem Wege würden ihre Berivendung beinahe unmöglich machen, obgleich die Entfernung faum 100 e. MI. beträgt. Das Haupterfordernis zu einem umfaljenderen Betrieb der Goldgräberei und Goldwäſcherei iſt ein reichlicher Vorrat von fließendem Waſſer, das aus größerer Höhe herabfommt, und dies iſt außerordentlich ſchwer zu

E33.

es koloſſale Summen

often, das Waſſer

aus

größerer

Entfernung berzuleiten. Der einzelne Goldgräber bat nicht die Mittel, um größere Anlagen zur Wafferzufuhr zumachen, und profperiert daher nicht gut, und die einzige

Ausnahme macht ein mehr als fechzigjähriger Goldgräber, welcher ein höchſt auffallendes geben und ganz allein fünf einen Wafjerlauf nach feinem und der vorausfichtlich noch wird, um diefe Wafferleitung

Beispiel von Ausdauer ge: Jahre daran gearbeitet hat, Claim zu Spigfop zu leiten, drei weitere Sahre brauchen zu vollenden. Diefer Mann

hat troß der zahlreichen Schwierigkeiten, welche Felfen und erratifche Blöde ihm in den Weg legten, hartnädig fortgearbeitet, den Schlimmiten Teil feiner Aufgabe überwunden und macht in anbetracht feines Alters erjtaunliche Fort:

jchritte.

Die ganze Länge diefer Wafjerleitung nad) ihrer

Bollendung

wird

die Entfernung

wohnten. Die

Sahres

finden und hindert hiedurch den Unternehmungsgeift. In den Thälern find zahlreiche fließende Gewäſſer, allein der hoch— gelegenen Quellen derſelben find nicht viele, und wegen der rauhen und zerriffenen Befchaffenbeit des Bodens würde

ungefähr

von

einem

11 e. MI. betragen,

Ende

obwohl

zum andern in Luft:

linie nicht vier Meilen überfteigt.

Die Goldgräber in Transvaal find ein merkwürdig gefeßliebendes und ruhiges Völfchen, das fehnurgerade Gegenteil von den faltfornifchen und auftralifchen, und es it in der That eine überrafchende Wahrnehmung, daß

unter der Boern-Regierung

eine ſolch geringe Polizeimacht

zur Aufrechthaltung der Drdnung genügt; fo reicht z.B. ein einziger Konjtable in Bilgrim’s Reſt hin, um auf20 e MI. in der Runde den Volizeidienit zu verfehen. Inden Sahren

1876 bis 1879 während des Krieges mit dem eingebornen Häuptling Secocoéni gab e3 allerdings viele Unruhe und

Mühe und die Goldgräbereien waren beinahe ganz eingejftellt worden; nachdem diefer Häuptling aber von General ©ir Garnet Wolfeley gefchlagen worden war, konnten die Gold—

gräber wieder arbeiten bi3 gegen Ende des Jahres 1880, wo der Krieg zwifchen den Boern und den Briten von neuem eine Stockung im Betrieb herbeiführte.

Alle diefe Verhältnifie

in Verbindung mit den gegenwärtigen Streitigkeiten der Goldgräber mit den Konzefftionären, von denen wir oben gefprochen haben, würden einen ganz natürlich veranlafjen, Ungeduld und Ungeftüm unter einer Gemeinde zu erwarten, deren Mitglieder zum großen Teil aus den auftralifchen und kaliforniſchen Goldwäſchereien kamen, wo der Nevolver

der paratefte Beweisgrund

ift. Allein merkwürdigerweiſe

hört man hier nichts von Händeln, Schlägereien, brutalen

Gewaltthätigkeiten und Totjchlag. So lange die Bearbeitung der Goldfelder nicht mehr Geld ins Land bringt, ift ſehr ſchwer abzufehen, was für eine Zufuft dem Transvaal-Lande bejchieden jein wird. Der jüngfte Krieg mit dem eingeborenen Häuptling Mapoch

hat ſehr zur Berarmung der weißen Einwohner beigetragen; die Ausfuhr des Landes ift jehr unbedeutend und der niedere Stand des Marktes in den Diamanten Feldern hat

S18

Die heutigen Reſte der präglazialen Flora Europas.

Landesproduften und Kohle jehr verz

konnte es ihm nicht bekannt ſein, daß Profeſſor Parlatore

mindert und damit eine namhafte Einnahmequelle verftopft.

den Verkauf von

in einer erſt nach ſeinem Tode von Tchichatchew edierten Studie über die botaniſche Geographie Italiens wohl als der

Die Einfünfte des Landes find feit dem Abmarfche der britifchen Truppen ſehr zurüdgegangen; die Eingeborenen find entiveder nicht geneigt oder nicht im ftande, Steuern zu bezahlen und die Boern jelbjt, mit wenigen Ausnahmen, wünfchen die Briten wieder zurück. Bretoria und Potſchef— jtroom, die beiden bedeutendften Städte, fehen beinahe ver: lafjen aus und viele Säufer in ihnen ftehen leer. Fügen wir dazu noch die teure Lebensweife infolge der auf die eingeführten Waren gelegten Zölle u. |. w., fo erfcheinen die Ausfichten für die Zukunft nicht fehr ermutigend. Es tft durchaus nicht mwahrscheinlih, daß die Briten jemals wieder die Herrſchaft im Transvaal-Gebiete übernehmen werden, jelbjt wenn fie von den Boern einftimmig dazu aufgefordert werden follten; allein es ift möglich, daß über furz oder lang die verfchiedenen Staaten von Süd-Afrika zu einem Staatenbund oder Bundesitaat zufammentreten.

Jedenfalls wird es noch Jahrzehnte

bedürfen,

bis die

innere Entwickelung Transvaals eine irgend befriedigende und georbnete jein wird, obwohl nicht zu leugnen ift, daß

die Vorbedingungen handen wären.

zur ftaatlichen

Selbjtändigfeit vor—

Collte jedoch die beabfiehtigte Eifenbahn

bon der Delagoa-Bai über Pretoria nad Kimberley ge baut werden, jo würde das Land durch dieſes verbefjerte Verbindungsmittel jedenfallg ungemein getvinnen. Das ſind jedoch Ausfichten für eine ferne Zukunft und bis dahin two die Golofelder durch ihre gegenwärtigen Eigentümer weiter enttwidelt und die Regierung in der Lage fein wird, die Koften ihrer Exiſtenz zu bejtreiten und ihren Beltand für die Zukunft nad einem rationellen Plan und auf einer feſten Baſis zu gründen, würde es für Kapitaliften gewagt fein, ihr Geld in dortigen Unternehmungen anzu:

legen oder den lodenden Schilderungen der Brofpeftmacher oder

Spekulanten

zu viel Glauben

zu fchenfen.

Gold

gibt e3 im Transpaal und in bedeutenden Mengen, aber nicht überall, und bisher find die praktiſchen Forſchungen und Schürfungen darnach vergleichsweife noch zu feiner befonderen Tiefe unter der Erdoberfläche vorgenommen worden. Das Pochen der goldführenden Duarze, tvelches erſt in jüngfter Zeit zu Pilgrim's Neft und Roß Hill be: gonnen worden tft, wird die erſte wirkliche Probe über den Soldgehalt im Quarz abgeben und hoffentlich zur Zufrieden: heit derjenigen ausfallen, welche den Mut hatten, mit ihrem Beifpiel in diefer Richtung voranzugehen.

erſte ſolche Pflanzen in Nordweſten (geſtützt auf Martins S. 73 und Tenore) bezeichnet hatte. ſolcher Pflanzen unterfcheiden kann:

1) Die präglagialen Pflanzen, die ſich dem arktiſchen e Klima der Eiszeit akkommodierten;

2) Die präglazialen Pflanzen, die fi im Weiten in geſchützten Lagen ſtellenweiſe erhielten. 3) Die präglazialen Bilanzen, die die Temperatur: erniedrigung im Mittelmeergebiet allgemein nicht auszu= votten vermochte, Bon der eriten Gruppe find drei Pflanzen vor allem auffällig: die arftifche Gymnandra Pallasi aus der vogis

Shen Familie der Selagineen, Diapensia lapponica, aus einer japanischzamerifanifchen Familie, und das ebenfalls

arktiſche Polemonium caeruleum aus einer amerikanischen Familie, welche auch nach Nordaſien übergreifen. Wahrſcheinlich it auch der alpine Mohn (Papaver nudicaule) eine folche Nemanenz, ſowie die Cornus sueeica (Grönland noch in 65° n. Br.).

Eigentlich Akkommodation

dürfte fih die ganze Olazialflora

Als der Verfaſſer 1875

auf die Remanenzen

aus

der präglazialen Zeit in Europa (Sitzungsberichte der K. Böhm, Geologiſchen Geſellſchaft) aufmerffam machte,

durd

erft gebildet haben, doch ift 3. B. bei den

Sarifrageen die Filiation noch nicht nachzumeifen, beſſer bei Birken,

Erlen, Weiden,

Tofieldia.

Auch die kosmo—

politiichen Bilanzen dürften aus diefer Gruppe ftammen jo z. B. Juncus bufonius L., Limosella aquatica Triglochin palustris.

Etwas mehr läßt fih über die zweite Gruppe jagen. Hier ſind die auffälligiten Typen die Wafferpflanzen, jamt den Moorpflanzen, fo Myrica Gale, aus einer im Tertiär

veicheren Familie, Lobelia Dortmanna aus einer heute meiſt tropischen Familie, die aber durch eine Mittelmeer: ſpezies (Laurentia Michelii) noch den alten Zuſammen— bang erhielt, zahlreiche Spezies von Typha, Potamogeton u. ſ. w. Dem Wejten fpeziell gehören aus alten (geologiſch) Jamilien an Hexaquifolium, Tamus com-

munis, der ſpaniſche Celastrus austr., Elaeagnus, der Epheu. Varlatore zählt hieher Asplenium erenatum (Norivegen). Hymenophyllum tunbridgense, Trichomanes radicans (Srland) und das Eriocaulon septangulare von Sky (elches man fonft als mit dem Golfſtrom eingewandert bezeidhnete, was A. Decandolle ſchon 1851 beztveifelte). Die Erikazeen des äußerſten Weftens hat ſchon Forbes als präglazial be zeichnet, fotvie Trichonema, Seilla ꝛc.

Die heutigen Keſte der präglazialen Florn Europas.

Seit jener Zeit hat

ſich das Material fo gehäuft, daß man heute drei Gruppen

Auch bei Tamarix

(Norwegen) iſt es ſehr wahrfcheinlich, ficher bei der Weiß— pappel.

Als eine intereffante Thatfache erlaube ich mir anzu— 3 führen, daß die Flora von San Mayen feine Erifazeen befist (Kolfeftor Fischer). Diefelben find wohl auf der

vullanifchen,

daher geologiſch

jungeen Inſel nicht aus

= a— £

T — T

Kleinere Mitteifungen.

alter Zeit verblieben und mit dem Eisgang nicht herüber: gekommen; auch der Mangel an Zandvögeln feheint hiemit zufammenzubängen.

Bei einigen Spezies, wie bei der Miftel, fcheint es zweifelhaft, ob fie jich erhalten haben oder fpäter nach der Eiszeit wieder eingewandert find, ebenfo bei Loranthus euro-

peus (wegen der abnormen Blütezeit). Die dritte Gruppe iſt die zablreichite und am beften befannte. Es gehören hieher die Zivergpalme, Feige, Walnuß, Dlive, Myrte, Lorbeer, Platane, Kaftanie, der Arymbaum Maroffos, Dleander, Divfpyros, Lotus, Jas—

minum, Yiquidambar, Buchsbaum, Cytisus,

Kappern,

Hyrax,

Zeder, Cynomorium,

Sumach,

Acanthus,

Vitus,

Meiftens iſt aber jede Familie und Gruppe nur durch eine Spezies

(Monotyp)

vertreten.

Insbeſondere

interefjant

find die Erinnerungen an die heutige Kapflora, Zwiebelgewächfe (Romulea, Gladiolus, Aloe, Mesembryanthemum), Pelargonium (Rleinafien) und vor allem die Stapeliazeen des Südens (Apteranthes gussoniana), die am Süpdrande des Mittelmeeres auf Inſeln ſich erhielt. Am intereffanteften find die einzelnen Drte, die hoch: tropische Formen erhalten haben, fo die Pyrenäen, Dioscorea pyrenacea im Thal von Gavarni und Ramondia pyrenacea, der Sübbalfan Haberlea rhodopensis, der thejjalifche Olymp Janella Heldrichii (Cyrtandracea oft: indiſcher Verwandtſchaft). Die Warmquellen von Ischia (Phleum longifolium,

En

Cyperus polystachyss) find bier ebenſo anzuführen, wie die ungarifche Nymphaea thermalis und der fizilifche Papyrus. Jene noch unlöslichen Rätſel find z. B. die Waſſernuß (Trapa natans) des Nils, die ſchon eine Nahrung der

Pfahlbewohner geweſen, die bisher nur einmal in Italien gefundene Podoſtemonazee Apinagia premii (Herb. Berol.) oder das feltene Gras Coleanthus reptilis (Böhmen, Nor:

wegen Oregon). An die einft beliebten Wanderungen fann man nicht mehr denfen. Sind doch z. B. die" in der Eiszeit nad Süden gewanderten Formen (Nenntier, Yemming, Auer: bahn [Spanien] Zwergbirke) dort ausgeftorben und tft andererjeitS der im Pliozän von Mezinieur vorgefundene

Dleander nicht wieder dahin aus dem Mittelmeerbeden zurückgekommen, ebenfowenig wie Pinus canariensis nad)

- Murzia ꝛc.

Kleinere Mitteilungen,

I

Suafim,

Suafım, von dem in der jüngften Zeit während des Krieges im Sudan jo oft im den Zeitungen die Nede war, ift mächft Khartum nicht nur Die bedeutendfte Stadt von Nubien, jondern auch der hauptjächlichfte Hafen des Sudan und der ganzen Weſt—

519

füfte des Roten Meeres. Es fam 1865 durch Abtretung oder Kauf von Seiten der Türkei in den Beſitz von Aegypten nebft Mafjana und einigen anderen Städten und Bezirken der Umgegend und ſcheint num für einen ergänzenden Teil der ägyptifchen Befitzungen zu gelten, wie es ſchon in früheren Zeiten zu Aegypten gehörte. Die eigentlihe Stadt liegt auf einer kleinen Inſel, welche einen Durchmeſſer von 83/, e, MI. hat und durch einen Ihmalen Meeresarın vom Feftlande getrennt ift, und im Schoße einer Heinen Bucht. Sitdwärts von dem Meeresarm auf dem Feſtlande liegt eine große Borftadt, EI Géf genannt, welche eine weit größere Bevölkerung als die Inſelſtadt und jehr unvegelmäßige Straßen hat, deven Häufer bloße Hütten der Eingeborenen Biſcharin) find. Die Vorftadt befitst auch einen fehr lebhaften Bazar und im nordweftlichen Teile die Kafernen, von denen eine Abreilung vor einigen Jahren mit drei Geſchützen armiert wurde. Auf dem Saum der Vorftadt liegen die von Gärten und Dattelhainen umgebenen Brummen, welche die Bevölkerung mit Trintwaſſer verforgen, das wegen der Nähe des Meeres etwas brackiſch it und von Europäern kaum als trinkbar betrachtet werden würde. EI Gef ift in der That eine Dafe, denn rundum landeinwärts dehnt ſich auf viele Meilen eine fandige, falzige, dürre Wildnis hin. In Wirklichkeit ift die ganze Strede, welde Suakim von DBerber trennt, 280 e. MI. Yang, zum größten Teil Wifte und der Weg hie und da beſetzt mit Brummen und den Lagern wan— dernder Biſcharin, welchen nebft einem verwandten Volksſtamme, den Haddendaua, der ganze Landſtrich der Wifte im Oſten des erften Nilkatarakts bis hinauf nad Kaffala und den Grenzen von Abeffinien gehört. Diefe Stämme gleichen den Beduinen und werden zumeilen auch jo genannt, find aber in Wirklichkeit eine von dieſen wejentlich verfchiedene Völkerſchaft, denn die eigentlichen Beduinen find Araber von fjemitischem, die Biſcharin aber entihteden von hamitifhem Stamme. Die wejentlichen Ausfuhrartifel von Suakim find Baumwolle, arabijches Gummi, Nindvieh, Häute, Butter, Tamarinden, Sennesblätter und Elfenbein. Die Einfuhr befteht aus Baumwollftoffen, Eifen, Stahl, Holz, Teppichen, Waffen und Kurzwaren aller Art. Berber im Oſten und Kaffala im Süden find die großen Mittelpunkte für den Karamanenhandel von Suafim, welches einerjeitS der Hafen für den ganzen Sudan (welcher an Flächenraum beinahe Indien gleihfommt), anderer: jeitS

für

Arabien

iſt.

Aus

diefem Grunde

wird

es ftark von

muglimijchen Mekka Pilgern befucht, deren Ziel der auf der ent— gegengeſetzten arabiſchen Küſte des Noten Meeres liegende Hafen Dſcheddah, Suafım gerade gegenüber liegend, ift. Bor 20 Fahren war Suakim noch ein wichtiger Ort für den Sklavenhandel, denn es wurden von hier jährlich 3000 bis 4000 Sklaven nad) Dſcheddah ausgeführt. In den jüngsten Jahren hat nun zwar die ägyptifche Jtegierung diefem abjcheulichen Handel etwas Abbruch gethan, aus Rückſicht für die britifchen Anfhauungen; allein der Sklavenhandel hat niemals ganz aufgehört. Merkwürdigerweiſe wurde Haſſan Muſa Akad, einer der Nädelsführer in Arabi Paſcha's jüngften Aufftande und der größte Sflavenhändler Aegyptens, gerade nad) diefem Stlavenhafen Suafim verbannt und es tft daher, wie e3 iheint, Fein unbegründeter Argwohn, daß derjelbe an dem Aufftand im Sudan beteiligt war. Die gejamte Bevölferung der Stadt wird von Schweinfurth, welcher Hierin eine Autorität ift, zwifchen 11,000 und 13,000 Seelen gejhäßt. Der Hafen fteht nun dureh Dampfer in regelmäßiger Verbindung mit Suez (mittelft viertägiger Fahrzeit) und durch Telegraph mit Europa. Der ägyptiſche Gouverneur oder Mudir und Bizeftatthalter oder Wakil vefidieren in Suafim, und das Budget für den Bezirk ftellte ich im Sahre 1882 auf 518,900 ME. Einnahmen und 409,540 ME. Ausgaben, jo daß dieſer Diftrift einer der wenigen im Sudan ift, welche einen Ertrag abwerfen. Das heutige Küftengebiet von Suafim, welches ſich nordwärts der Küfte entlang bis zur Breite des erſten Nilkatarakts und ſüdwärts jogar bis Bab-el-Mandeb

820

Notizen.

erſtreck, war in früheren Zeiten unter dem Namen des Landes der Trogiodyten oder Höhlenbewohner befannt. Die Troglodyten hauften, wie ihr Name befagt, in Höhlen, trieben Viehzucht und waren oft äufßerft unzivilifiert und arm. Eine anjhauliche Schil— derung Des harten Lebens eines anderen Troglodyten-Volfes, welches in den Felſenwildniſſen öftlih) vom Jordan lebte, ift uns im 13. Kapitel des Buches Hiob aufbewahrt, wo es heißt: „Die vor Hunger und Kummer einfam flohen in die Einöde, neulich verborben und elend geworden, die da Nefjeln ausrauften um die Büſche, und Wachholderwurzeht waren ihre Speife, und wenn fie die herausriffen, jauchzten fie dariiber, wie ein Dieb. An den graufamen Bächen mohnten fie, im den Löchern der Erde und Steimiten.“ Die Troglodyten der nubiſchen Küfte waren vielleicht eine höhere Raſſe ihrer Art; jedenfalls ſcheinen fie in das Heer der alten Pharaonen gepreßt worden zu fein und an dem erften Einfall der Aegypter in das Reich Juda und an der erjten Plün— derung des ſalomoniſchen Tempels teilgenommen zu haben. Der Name des Pharao jener Zeit war Sifjaf oder Schiihaf und vor feinem Feldzuge find uns zwei Schilderungen erhalten worden, die eine in den Geſchichtsbüchern der Heiligen Schrift (2. Chronika 12 und 1. Könige 15), und die andere, merfwürdig genug, riihrt von Schiſchak jelbft her und ift in der berühmten HieroglyphenSufhrift an den Wänden des Tempels von Karnaf zu Theben in Oberägypten enthalten, wovon der größere Teil noch heute nad) Berlauf von beinahe 3000 Fahren lesbar if. Das Buch der Chronifa erzählt ung, mit welcher Menge von Streitwagen, Neitern und Fußvolk Siſak feinen Einfall machte, nämlich mit „1200

Streitwagen

zu zählen, welches Sudim

und 60,000 Reitern und das Volk war

Berbindimgen zu ermitteht. Koſten

und Mohren“.

des Alten Teſtaments

griechische Ueberſetzung

das Wort

Biſcharin befannt find, denn Plinius der Aeltere, welcher im Jahre

79 n. Chr. ftarb, führt in feiner Aufzählung der Orte an diefer Troglodyten-Küfte eine Stadt Suche au, welche nad) der allgemeinen Annahme der Gelehrten mit dem heutigen Hafen Suakim oder Sauafım identisch ift.

«

Alien.

Der erfte Deutſche in Amerifa. Im wiſſenſchaftlichen Verein zu New-York hielt am 28. Januar Dr. Hermann Schuh— macher, der neue Vertreter Deutjchlands in Peru und frühere Geneval-stonjul in New-York, vor der Abreife nach feinem neuen Beftimmungsorte einen Vortrag, dem er den Titel: „Der erſte Deutsche in Amerika” gegeben hat. Nach des Bortragenden Forſch— ungen war der erfte Deutjche, der den amerikanischen Boden betrat, Ambrofins Dafinger, welchen als Agenten einer Augsburger Firma gegen Ende des 16. Jahrhunderts eine Unternehmung nach den ſpaniſchen Kolonien in Süd-Amerika führte. Dafinger hatte won dem damals regierenden Könige von Spanien gewiffe Privilgien. Deutſche Faltoreien in Patagonien. Bor kurzem haben ſich mehrere angefehene Hamburger und Altonaer Großhändler vereinigt, um in Batagonien Faktoreien zu gründen umd die Erzeugniffe des Landes auf den deutſchen Markt zu bringen, Es find bereit die erften Pionniere abgegangen, um die nötigen

Beförderung

in

England,

|

noch veftierenden 442,000 ME. werden die Kleineren Linien bezahlt.

Anzeigen.

|



4

0

Die „ZÜllgemeine Zeitung“ (mit wiſenſchaftlicher Beilage und Handelszeitung)

Troglo-

dytes, Höhlenbewohner, gebrauchte, find wohl eben die Bölfer von der nubischen Küſte gemeint, welche heutzutage unter dem Namen

Seepoften-

Die Engländer beftehen ftreng auf den Lieferungsfriften der Poften, die rückſichtslos einbehaltenen Strafgelder bilden einen anfehnlichen Einmahmepoften diefes Poftbudgets. („Hanfa.“) BR

nicht

Unter ven letsteren find ſicher die heutigen

der

Sm englischen Budget fir 1883/84 find 14,125,700 Mark fiir die Beförderung der Poften überhaupt ausgeworfen worden, Man zahlt nämlih in England für die Beförderung der Poft verein barte Verträge bald in feften Säten, bald nad) dem Gemicht der Säde und Kollis. Den Löwenanteil bezieht die Peninfular nd Oriental (P. &. O) Compagnie für den Dienft nah DOftindien mit rund 7,200,000 ME. In die New-Horker Poft teilen fi) außer dem Anteil, welhen Hamburger und Bremer befommen, die vier Geſellſchaften der Cunard-, White-Star-, Inman- und Guion⸗ Linien, welche 8 Pfennige fir je 15-Gramm-Briefe und damit für beſagtes Fahr allein fiir die New-Yorker Poſt 1,940,000 ME, ftatt 1,600,000 im Borjahre erhalten. Die ganze amerifanifche Poſt foftet 4,314,000 ME, die Seepoften nah Irland und den übrigen Inſeln des vereinigten Königreiches 185,808 Mk., von Dover nad) Calais zirka 240,000 ME. Auf diefer Route ift die Poſt binnen gewiffer Minuten abzuliefern; jede Minute länger zieht Strafe, jede Minute weniger Prämien nad fih. Bon den

mit ihm Fam aus Aegypten, Libyen (Lubim),

Abeffinier zu verftehen, unter denen aus Suchim aber, für welche die von Juden etwa ein bis zwei Jahre v. Chr. veranftaltete

anzubahnen, ſowie geeignete Hafen- und Auferpläße s



früher in Augsburg erſchienen —

iſt, inDeutſchland, und Oeſterreich

durch

die Poſtanſtalten

jährlih (6 ME, für die 2 letzten Monate,

für 9 Mark viertel:

3 M. für den lezten Monat

des Quartals) zu beziehen. Preis bei directer Verjendung unter Streifband monatlid 4 Mark (M. 5. 60 für die anderen Länder des Weltpoftvereing).

|

Quartalpreis bei wärentl.Derfendung im Weltpofverein 24.12, Probenummern

Leitartikel,

nebit neneftem Ouartal-Regifter gratis,

wilfenihaftlige und bandelspolitiihe fäße 20. 2c. in Mir. 272 bis 278.

Auf:

Reformbeitrebungen in Indien, — Die neuen NReihstagswahlen. (1.—I1.) Zur Yage in Aegypten. — England und die deutjchen Golonien. (.—II.) — Bom Verein zur Wahrung der wirthichaftlihen Intereffen von Handel und Gewerbe. Eine apokryphe geſchichtliche Arbeit Schillers. Bon R. Weltrihd. — Die Dygiene-Ausftellung in London. Bon E. A. Ehemann. (1) — Wilhelm Müller. Bon Dr. Holzhaufen. — Rückblicke auf die Kaiſer-Mannöver in Defterreich-Ungarn. (I) — Orientaliſche Keramik.— Das Erbrecht und die Grundeigenthumsvertheilung im Deutſchen Reiche. — Zur italieniihen Nomanliteratur. — Der internationale literariſche Congreß in Bern. -- Herbfttage in Meran. Bon Fr. Pet. — Oscar Peſchels Doctor-Difjertation umd die erite Correſpondenz an die „Allgemeine Zeitung“. Von J. Loewenberg. — Die Memoiren der Herzogin

von Tourzel.

Ss

Zur Gröffnung der Deutichen Molkerei-Ausſtellung. — Die erſte große deutſche Gentrafftation für Glühlichtbeleuchtung. — Handels, Bank: und Börjenz zuftände in Frankreich. (Mißbräuche im Eiſenbahnweſen. Ganaljcifffahrt.)

Aufträge für Streifbandfendungen an die

Grpedition in Münden. (Slagellantismus) in einem ſüddeutſchen Zuchthanfe

vor 1548. zur Sittengejchichte 2 2*

von W. Reinhard. umgearb. Auflage. 1884. M. 6. —

S. Glogau, Leipzig.

Drud und Verlag der 3. ©. Cotta'ſchen Buchhandlung in München und Stuttgart.

f

Das Auslaud. Wochenſchrift für Länder: und Dölkerkunde, unter

Mitwirkung

bewährter

Fachmänner

herausgegeben

von

der

>. ©. Cotta'ſchen Buchhandlung in Stuttgart und München. Siebenundfünfzigiter Jahrgang.

1884.

Stuttgart, 20. Detober.

Ar. 42.

Jährlich 52 Nummern & 20 Seiten in Quart. Preis pro Quartal M. 7. — Zu beziehen durch alle Buchhandlungen des In- und Auslandes und die Poftämter. — Manuffripte und Rezenſions-Exemplare von Werfen der einſchlägigen Litteratur find direft an Heren Dr. Karl Miller in Stuttgart, Kurzeftrage Nr. 6/II, zu jenden. — Snjertionspreis 20 Pf. für die gejpaltene Zeile in Petit.

Inhalt: 1. Reifefkizzen aus Aegypten und dem Sudan. ©. 821. — 2, Sitten und Gebräuche auf den Halligen jonft und jett. Bon Chriftian Jenſen auf Sylt. (Schluß) S. 824. — 3, Der Mais. I. ©. 827. — 4. Allgemeine Statiftif des britiſchen Reiches. ©. 829. — 5. Die Inſel Afcenfion. ©. 832. — 6. Die Felfenwohnungen in Arizona. ©. 833. — 7. Die Inſel Fernando Poo. Bon Don Joſé Maria Gomez y Sau Juan. ©. 835. — 8. Die Gefhichte ver Expedition des Lieutenant Greely in kurzem Ueberblick.

S. 838.



9. Kleinere

Mitteilungen:

S. 840. Die größten

KRriſeſtigen ans Acgypten und Sudan.

Brücken

der Welt.

| nr die Göttin Pacht mit Ausgelaſſenheit gefeiert wurde. Die an der Station aufgehäuften Baumwollmaſſen

Von Franz Xaver Geyer, Apoſtol. Miſſionar in Kairo. J.

laſſen

ſchließen, daß die Stadt ein Hauptſitz dieſes Handels ſei;

Da eine Reife von München über Italien nach Alexkandrien und Kairo bei der gegenwärtigen Vervollfommnung

längs der Bahn ziehen ſich unabſehbare Baumwollpflanz— ungen hin. Nach dieſer Station macht die Bahn eine raſche Wendung gegen Oſt. Wir bemerken in einiger Ent— fernung rechts den Süßwaſſerkanal. Dieſes Werk der Pharaonen wurde erjt zur Zeit der Erbauung des Suez

der Verkehrsmittel nicht viel Neues bieten kann, fo nehme

fanals dem gänzlichen Verfalle entrifjen und am 29. De:

Bon Kairo nad) Suafin.

ih als Ausgangspunkt der Reife nad Chartum am Zus zember 1863 eröffnet. Als eines der vorteilhafteften Werke fammenfluß des Blauen und Weißen Flußes direft Kairo | des jebigen Aegyptens, dient er teils zur Lieferung von an. Unſere Reiſegeſellſchaft beſtand aus fieben Perſonen, Trinkwaſſer, teils auch zur Schifffahrt. Die Segel, die man darunter der apoſtoliſche Vikar von Zentral-Afrika, Mſgr. während der Bahnfahrt aus der Kanalgegend auftauchen Sogaro. Der Tag der Abreiſe von Kairo war der ſieht, bilden eine angenehme Abwechslung zwiſchen dem Grün 29. Januar 1883. Einer jener nebligen Morgen, wie fie | der Fluren. Unter-Aegypten iſt jedoch noch nicht £ultiviert,

zu jener Jahreszeit in Aegypten nicht jelten find, lag über der Hauptjtadt des Vharaonenlandes. Kurz nad acht Uhr verlieh der Zug Kairo. Bei der Station Kalyub wendet fih die Bahn aus ihrer bis dahin nördlichen Richtung nach Nordoft und durchfchneidet ſehr gut bebautes, veichbewäſſertes

Fruchtland.

Im

Dften der meist mit Korn,

| | | |

wie es fein follte. Die Paläſte von Europäern, die fich im bufchreichen Dajen erheben, lafjen den Reiſenden umſo— mehr die Dede der unabjehbaren unbebauten Streden fühlen. Hier wäre Arbeit für Kolonien. Bon Zagazik an durdläuft die Bahn einen Teil de3 aus der Bibel

| befannten Yandes ofen, das Pharao den Brüdern Joſephs

Baumwolle, Zuderrohr bebauten grünen Ebene glänzen anwies. Links rüden die Sanddünen der arabijchen Wüſte die gelben Sandflähen der arabiſchen Wüfte, die ſich bis nahe an die Geleiſe heran. Rechts tft durch die neueren zwiſchen Kairo und Suez ausdehnt. Nach der Station | Kriegsereignifje in Aegypten die Station Tellsel:febir bes Belbes, in deſſen Nähe fich die Nuinen des griechifchen Byblos befinden, nimmt die Bahn abermals nördlihe

merkenswert. Im Stationsgebäude find noch die Beichädig| ungen durch die Kugeln erkennbar; kurz nach der Station

Richtung bis Zagazif,

| beobachtet man

dem Anotenpunft

Suez-Damiette-Alerandrien.

Rechts

von

der Bahnlinien der Bahnlinie

bei Zagazik find die Trümmer des alten Bubaftis fichtbar, Ausland 1884, Nr. 42.

neben

der Bahnlinie

die halbzerjtörten

Erdwälle und Hütten, hinter denen ſich die Horden Arabi

Paſcha's zu verteidigen fuchten.

Kleine Erdhügel erheben 124

822

Reifeftizzen ans Aegypten und Sudan.

ſich über den Gräbern der Gefallenen, einige hölzerne Kreuze

ich diefe Zeilen Schreibe, verhandelt man in London, Paris

zeigen die Ruheſtätte engliſcher Soldaten an. Eine maſſive

und Kairo über einen ziveiten Kanal, Ehre diejem raftlofen

verbindet die Station

Streben der heutigen Nationen, wenn e3 den edlen Zweck

mit der Ortſchaft. Ein düſterer Ernſt liegt über dem wüſten Sand» und Schlachtgefilde. Hier war es, wo bie Engländer die Rebellen niederwarfen, und von hier aus zogen fie im Triumph nad) Kairo, wo die bebenden Euro— päer fie als Erretter begrüßten.

einer Verbindung von Völkern gilt — ohne habjüchtige Selbjtinterejjen. Endlich nachdem wir fünf Tage in Suez geweilt, war unfer Schiff veifefertig. Es war das ägyptische Kriegs: ſchiff „Dſchaffaria“, das eine fpezielle Miffion nad) Suakin hatte: e8 follte den General Hids mit 6 englilchen Dffizieren befördern, welche die Operationen der Sudan-Armee gegen die Nebellen zu leiten hatten. Wir werden auf

ſteinerne Brücke über den Kanal

Bei der Station Ramfes ift in füdlicher Richtung der Schutthügel

Telkel-mafchäta

fihtbar.

Nach der Anficht

der meiften Aegyptologen und Bibelforfcher ſoll hier die Stelle der biblifchen Stadt Namfes fein, bei deren Erbauung die Sfraeliten von den Pharaonen zu harten Frohndienften gezwungen wurden. Nach kurzer Fahrt bietet fih uns bei der Station Nefifche ein herrlicher Blick auf den ausgedehnten Timſah-See. Nach einem fleinen Abſtecher zur Stadt Ismailye fehrt die Bahn nad) Nefifche zurüd und fest die Fahrt in ſüdlicher Nichtung fort. Der Süßwaſſerkanal ift nun zu unferer Linken. Rechts ift der Dichebel Mariam fichtbar. Leider vergönnte ung die nun eintretende Nacht nicht mehr den Ausblid auf die Bitterfeen. Um 10 Uhr abends gelangten wir nad Suez. Suez, von den Nrabern des Mittelalters Kobzum ge: nannt, beſteht aus dem ſchmutzigen arabijchen Biertel mit einigen Moscheen und aus dem regelmäßig angelegten europäischen Stadtteile. Wir befichtigten das ausgedehnte engliiche Spital, vollitändig aus Holz und durch Stützen über die Erde erhoben. Suez iſt jett ein bedeutungslofes

Städtchen.

Eine große Wichtigkeit hatte es während des

Baues des weltberühmten Kanals. Im Süden der Stadt erjtreekt fih ein etwa 3 Km. langer Damm ins Meer hinaus. Am Ende des Dammes haben wir linfs einen Leuchtturm, fodann den Quai Waghorn mit den Wohnungen für die Beamten. Bon fchattigen Bäumen umgeben, jteht bier eine von Leſſeps errichtete Statue des englischen Dffiziers Waghorn, der zuerft an der dee eines Suez—

Kanals arbeitete, aber ohne Erfolg.

Weitlih vom Quai

befindet fich das umfangreiche Hafenbaffin, aus folofjalen Duadern erbaut. Der Damm gewährt einen Ueberblid über die einfahrenden Schiffe. Die Nichtung der Kanal: einfahrt beginnt 4 Km, ſüdlich vom Hafen an der Stelle, wo fih auf dem Wogenbrecher, der ſich vom öftlichen Uferlande ins Meer zieht, ein Leuchtturm erhebt. Das Schiff läßt den Quai Waghorn links und jteuert nad) Nord dem Kanale zu, zu dem drei große Majten die Straße bezeichnen. Die Einfahrt geht jehr langjam vor fich.

diefe Expedition fpäter noch zu Sprechen haben. Am 3. Februar um 2 Uhr nachmittags befanden mir

uns an Bord des Schiffes. Die „Dichaffaria” hatte 200 Soldaten für den Sudan an Bord, die teils gebunden im Schiffsraum, teils auf dem Verdeck herumlagen, auf dem auch mehrere Kanonen und Wafjerbehälter aufgerichtet waren. Auf dem Hauptmafte wehte die Kriegsfahne. Um

4 Uhr erschien Raſchid Paſcha, der neue Gouverneur DftSudan’3 mit feinem Harem und eine Stunde ſpäter Hide Paſcha mit dem Generalftabe; beide wurden mit militäri-

ihen Ehren empfangen. Noch eine halbe Stunde und das Schiff fette fih in langjame Bewegung: in dieſem Augenblid erfletterte die Mannſchaft mit Hurtigfeit die zwei Maften und verteilte fich auf die Naaen in der Weile, daß auf die obere Naae eines jeden Maſtes drei Mann, auf die untere fünf zu ftehen famen, Auf das Kommando

des Kapitäns erwiderte alsdann die Mannjchaft aus der Luft den Abfchiedsgruß, worauf die Trompeten den ägyp— tiſchen Marſch anftimmten. Diefe Zeremonie wiederholt jih auf den ägyptischen Schiffen, jo oft fie einen hohen Gaſt an Bord haben. Unter diefem intereffanten Schaue fpiel hatte ſich das Schiff eine ziemliche Strede vom Feſt— lande entfernt. Zum legten Male wurde der ägyptiſche Marſch geblafen und Suez durch dreimaliges Auf und Niederziehen der Fahne gegrüßt. Noch lange jchimmerten

ung die Lichter des Hafens durch die Naht nad. Der Morgen des 4. Februar war herrlich. Zu unferer Linfen jtiegen die Gebirge der SinaisHalbinjel mit dem Dichebel Tor aus dem Nebel auf und blieben uns mehrere Stunden

fihtbar, biS gegen Mittag fämtliches Feſtland der aſiati— ihen Küfte mit Nas Mohamed, dem füdlichiten Punkt der

Halbinfel Sinai, verſchwand. den Golf

von Suez

und

Um diefe Zeit verließen wir traten

Die afrikanische Küfte ift noch deutlich fichtbar.

ägpptiihe Schiffe zu grunde gingen. Ihmwindet auch die afrikanische Küftee

noch

lange aus der öden

Nadıe

Fir WER mittags gegen 4 Uhr gewahrte man die gefährlichen Felfen der fogenannten „Zwei Brüder”, an denen tieberholt

die Maſten

ragen

Bald darauf verDie Schiffe halten

Große Opfer an Geld und Menjchen hat

fi) etwas fern vom Feitland, da in deſſen Nähe das

diefes Merk gefojtet. Mit Recht fann unfer Jahrhundert auf dieſes Rieſenwerk jtolz jein. Doc faum find 20 Jahre über den vollendeten Kanal dahingeitrichen, jo trägt man

Meer mit gefährlichen Niffen befäet iſt, die gewöhnlich auch eine kleine Erregung der See verurfachen. Der 5. Februar brachte ung um 8 Uhr morgens den Leutz turm Daedalus auf hoher See in Sit. Eine Stunde

Wüfte empor.

fich bereit3 mit neuen großartigen Plänen, und während

2

in das freie Meer ein.

Allmählich verſchwindet der Körper des Schiffes und nur und Segel

t

823

Neijefkizzen aus Aegypten und Sudan,

J nachher hatten wir denſelben zu unſerer Rechten und die Turmwache hißte die türkiſche Fahne auf. Ein Malteſer und ein Grieche, die alle drei Monate abgelöft werden, halten die Wache. Hinter dem glänzenden Turme zeigte das Fernrohr die ſchimmernde Spitze eines zweiten Leucht—

turme3 in der Nähe der afrifanifchen Küfte. ganz

nahen felfigen Inſelgruppe

St.

Johns,

Außer der füdöftlich

vom afrilanifchen Kap Benäs, zeigt fich fein Land, -Erft gegen Abend werden vechts ferne Felfen fichtbar, die fogenannten 12 Apoſtel, die als 12 ifolierte, zadige Bergipiten in verſchiedener

Größenabftufung

ing Meer vorgefchoben

find. Mit dem Morgen des 6. Februar erfcheint das afrikaniſche Feftland, das nun bis Suakin fichtbar bleibt. Mehrere Vorjprünge der Küftengebirge nähern fich bedeutend, worunter befonders das Nas Nanai. Um 4 Uhr nachmittags verfündigte der Matrofe vom Vordermafte aus die Höhen Suakins an. Unter dem Kampfe mit den hoch— gehenden Wellen wurde das Schiff nach Südweſt gelenkt. Die Pafjagiere ftanden auf dem Verdeck, mit dem Fern: rohr den Hafen von Guafin erfpähend. Der Hafen von Suakin ift, tie die meijten Häfen des Noten Meeres, mit gefährlichen Niffen und Sandbänken befäct, fo daß die Schiffe bei Nacht nur unter großen Gefahren einlaufen könnten. Da nun bereits die Dämmerung eintrat und

gelben Sandflächen der nahen Küfte,

Gegenüber dem Gebäude

des Gouverneurs legte die

„Dſchaffaria“ an. Während der Anker fanf, wurde die ägyptiſche Hymne gefpielt, in ähnlicher Weife wie bei der

Abfahrt von Sue.

Es folgte der feierliche Empfang des

Öeneralgouverneurs

Raſchid

Paſcha

durch die Behörden

der Stadt und die Garniſon; die Bilcharin oder Eingebovenen drängten fich in dichten Neihen am Landungsplat, neugierig nach der Perſon des neuen Gouverneurs und den englifchen Offizieren fpähend. Wir nahmen Wohnung im Haufe des freundlichen Direktors der Boft und Quaran— täne. Zwar machten wir fofort Anjtrengungen, um die nötigen Kameele für die Wüftenreife nad) Berber zu er: halten, allein die Abreife verfchob fich mehrere Tage, da die Kameele zunächſt für den Transport der militärischen Expedition in Anfpruch genommen wurden.

Suakin

iſt einer der wichtigften Häfen des Noten

Meeres, Die Gummi und Elfenbein -Karamwanen, die über Berber und Kafjala aus dem Sudan fommen, ver: einigen fich hier. Das Klima Suakin's ift heiß, ich zählte

im Februar 280 und 30° R. im Schatten, bei der Rück— veife im Juni zeigte das Thermometer gewöhnlich 350 R, Eine befondere Erſcheinung der Temperatur im letzteren

und

folgenden Morgen

nad) Suakin

zu fteuern.

konnten. Man verjuhte nun, auf hoher See an einem Felfenriff einen Anferplat zu finden. Zur Rechten be:

fanden ſich denn auch in.der Nähe Riffe, deutlich erkennbar durch die ſchimmernden Schaumtellen, die geräufchvoll dort brandeten. Allein drei mit einer Schaluppe ausge: jandte Mann fanden feinen Anferplaß; zugleich erhob fich ſtarker Wind, der das Schiff gegen die Felfen zu jagen

drohte. Nun beſchloß man, die ganze Nacht über nad) Nord zurüdzufegeln, um den Gefahren der felfigen Meeres: umgebung von Suafin zu entgehen. Erſt gegen 3 Uhr früh am 7. Februar nahm man wieder füdliche Nichtung. Um 6 Uhr wurden die Höhenzüge hinter Suafın fichtbar.

Auf dem Schiffe begann nun das vegfte Leben, Paſchas und Offiziere warfen ſich in Wichs, um feierlich in Suakin einzuziehen. Die afrikanische Küfte ift niedrig und öde, mit mäßigen Höhenzügen im Sintergrunde. Allmählich taucht die Stadt Suakin auf; der hellweiße Schimmer der Gebäude und Minarete in Mitte einer öden Wüſte bietet einen kontraſt—

N

Seen, deren Farben zwifchen Tief: und Hellblau fpielen:

da3 Ganze bildet einen twirfungsvollen Gegenfat zu den

unjere Entfernung noch fünf Stunden betrug, fo befchlof ankern

u

hin und her, an den felsfreien Stellen

der Kapitän, Nachts im nahen Hafen Scheichzel-barüd zu Doch aud) dies war zu ſpät; die Sonne ſank und Finfter: nis verhüllte den Hafen Scheichzel-barüd, ehe wir anlangen

J

und Sandbänfen

und über den Untiefen bildet das Meer eine Art ruhiger

vollen Anblid. Gegen 10 Uhr liefen wir in den Hafen ein. Die Einfahrt iſt durch Heine fteinerne Säulen zu beiden Seiten gefennzeichnet. Einen herrlichen Anblid bilden die Gewäſſer rechts und links von der Einfahrt: ftraße. In den Farben des Negenbogens wälzen fich die fräufelnden Schaummellen über den verborgenen Felsriffen

;

Monat war deren niederdrüdende und einfchläfernde Wirkung in einem Örade, wie ich fie im Sudan nirgends bemerkt hatte, Der Grund mag einerjeitS die phosphorifche Ausdünftung des Meeres in der Nähe der Stadt fein, das im Hafen ein bedeutendes Quantum Phosſsphor enthält; man fann auf einer nächtlichen Barfenfahrt im Hafen beobachten, wie

die von den Rudern

bewegten

Tropfen

als leuchtende

Funken berumfpringen. Anderſeits mag auch die Nähe zahlveicher Sukkulenten-Gewächſe, bejonders Euphorbien, die in den füdweitlichen Bergen gedeihen und ihren Aus:

bauch mit dem Winde vermifchen, nicht ohne Einfluß auf obige Erfcheinung fein. Außerdem enthält das Trinkwaſſer, das Suakin vom nahen Gef holt, Stoffe von den metall:

haltigen Bergen der Umgebung. Die Stadt teilt fih in zwei Quartiere; das europäische bildet, vom Hafen umjchlofjen, eine Inſel von etwa einer italienischen Meile im Umfang. Die Gebäude, größten: teil3 von Griechen und Maltefern bewohnt, find aus Steinen

gebaut und mit Kalk übertündt; eine Eigentümlichkeit find die hölzernen Verzierungen des Feniterrandes und eine Art Balkone (Mucharabie) aus zierlicher Holzarbeit, ähn— lih denen in Dichedda.

find ohne Intereſſe.

Die Eleinen, fonifchen Minarets

Eine niedrige Brüde

aus Stein,

etwa 100 m. lang, verbindet diefe Inſel mit dem Quartiere der Nubier und Araber. Dieſer Teil beiteht aus elenden

Strohhütten mit Spisdach, Tokul genannt, oder aus vier: edigen Hütten

aus Flechtwerk,

das an Pfählen befeitigt

824

Sitten und Gebräuche auf den Halligen fonft und jetst.

ift. Zahlreiche nomadifierende Nubier begnügen fi) mit einer bloßen Umzäunung, Zeriba genannt, innerhalb deren Einen großartigen fie mit ihren Tieren zufammenleben. Bau im arabifchen Viertel bildet das hohe, ausgedehnte Warenhaus. Sowohl der europäiſche als arabifche Stadt: teil haben ihren Markt (Süg), die jedoch beide denen bon Suez, Dſchedda, Berber weit nachjtehen. Suakin zählt

etwa 6000 Eintvohner.

Die eigentlichen Suafinefen find

fupferfarbig, jedoch mit den Negern aus dem Sudan, die

bier als Sklaven legten

Sahre

dienen, ſtark vermifht.

bildete

nämlich Suakin

Bis in die

einen der Haupts

tranfithäfen für den Sklavenhandel aus dem Sudan.

Die

Eingeborenen find fämtlih Mufelmänner, und obwohl fie nicht den Fanatismus der Einwohner von Dſchedda be fiten, fo hängen fie doc mit großem Eifer am Islam, und die beftändige Berührung mit dem gegenüberliegenden

güter find Getreide (Mehl aus Trieft), Reis, Käfe, Spirituofen, Del, Seife, Petroleum, Metallwaren, Waffen, Thongefäße (aus Aegypten), Papier, Glasperlen, Schuh:

werk, Seide, Tuch; die nach England erportierte Baum: tolle Eehrt meistens als Gewebe wieder zurüd. Aus Indien

fommen indische Teppiche und Lurusartifel nad) dem Sudan. Sm Juni

vorigen Jahres

europäifchen

Kompagnie

wurde in Suakin

von

(aus drei Gliedern) eine groß—

artige Wollfabrik eröffnet, welche die Wolle in gereinigtem Zuftande nad) England abliefert. Suakins Wichtigkeit als Sandelshafen würde erhöht, wenn die für den Sudan projektierte Eifenbahn diefen Hafen als Ausgangspunft nähme. Für die Sudan-Bahn eriftieren drei Projekte, die

beit fonftituierten Bureaur

geprüft wurden:

die Linie

Suafin-Berber (wobei Berber mit Chartum durch geregelte

Schifffahrt verbunden werden müßte); die Linie von Allf

Erfolg geblieben zu fein. Die fleine Stadt zählt ſieben Mofcheen und man ijt im Begriffe, deren neue zu bauen,

Kaffala-Chartum.

während 3. B. Chartum mit 50,000 Einwohnern nur eine

der Nil-Bahn

bis Chartum.

die Eifenbahn

regelmäßig,

Die Bedeutung Suakin's

als Hafenſtadt datiert ſich

aus den letzten Dezennien. Zwar kann man behaupten, daß bereits die ägyptiſche Expedition der Franzoſen die Idee zur Hebung des Handels im Roten Meere gab. Jedoch erſt einige Dezennien ſpäter fand die Idee glück— liche Verwirklichung. Die Penninſular-Compagnie errichtete 1840 eine Linie durch das Rote Meer nach Oſtindien. Die Eröffnung des Suezkanals 1869 leitete die moderne große artige Handelsperiode auf dem Erpthräifchen Meere ein, allein bis in die lebten Jahre bildete das Noto Meer nur den Weg für den Tranfithandel, während deſſen Häfen,

außer Suez, Dſchedda, Aden, faft unberührt blieben. Seit

(oder

einem

anderen

Hafen

des Noten

Meeres)

nah

Das dritte Vrojeft ift die Verlängerung Bon Kairo

bis Stüt

geht‘

von Siüt bis Aſſuan bilden

Dampfer die Verbindung, von Affuan bis Skellal ift eine fleine Strecke Eiſenbahn zum Transport der Waren im

Betrieb.

In der Nähe von Wadi-Halfa (2. Katarakt) it

maſſenhaft Material (Schienen) aufgehäuft für den Weiter:

bau der Bahn nad Süden. ich dieſe Zeilen

jchreibe,

Eben in dem Augenblid, mo jendet die Negierung

von hier

heute eine Eifenbahn nach Chartum befäße, fo würde es ſich

berührt zunächſt Suakin und Dſchedda, deshalb ein Wort über deren moderne Handelsverbindungen. Der öfterreichifche

nicht dem verziveifelten Entſchluß in die Arme werfen, den ganzen Sudan einfach aufzugeben.

war

der erjte, der nebjt der türkischen

ER

Beamte ab, um jenes Material bieher zurüdzufchaffen, entweder weil man eine Ausdehnung der Rebellion be fürchtet und überhaupt die Idee einer Sudan-Bahn fallen (äßt, oder, weil man im Kalle der Herftellung der Ruhe im Oftfudan die Linie Suafin-Berber vorzieht. Welche Linie man nun auch wähle, gewiß tft, daß eine Eifenbahn

dem Jahre 1880 laufen die europäifchen und türkischen Schiffe teils regelmäßig, teils im Bebürfnisfalle auch Suakin, Maſſaua, Hodeida, Berbera u. |. w. an. Uns

ungarische Lloyd

|

im letzten Jahre in Kairo von eigens für diefe Angelegene

Dihedda, dem Herde des Fanatismus, ſcheint nicht ohne

Moſchee beſitzt.

|

einer

für die Zivilifation

des

Sudan

ein weit

fwichtigeres

Moment it, als Sämtliche Garnifonen, und wenn Aegypten

(Fortfeßung folgt.)

|

Azizieb Schon vor Eröffnung des Suezkanals Rundfahrten im Noten Meere unternahm. Nun wird Dſchedda vier: mal von

monatlich angelaufen von der Khedivieh, einmal der British-India-Steam-Navigation-Company und

dem italienischen Rubattino,

ferner vom

fterreichiichen

Lloyd. In Suakin laufen ein: monatlich viermal die Khedivieh, im Bedürfnisfalle der öfterreichifche Lloyd, Rubattino undBritish-India-Steam-Navigation-Company,. Hieraus können wir jchlieken, daß der Karawanen— verkehr zwiſchen Suakin und dem Sudan fchon in den legten Jahren eine große Ausdehnung erlangt hatte, Der

Hauptausfuhrartifel aus dem Sudan ift Gummi; Elfen: bein, Baumwolle, Henna, Senna, Straußfedern, Tierhäute find ebenfalls beveutend, während Salz, Honig, Wachs, Butter faum über Suafin hinausgelangen. Die Import:

Sitten und Gebrände auf den Halligen font und jehl.

u! 4 9

——

Bon Chriftian Jenſen auf Sylt.

Schluß.) Tod und Leichenbeſtattung bei den Halligfrieſen ſonſt und jest.

Der Tod erzeugt unter allen Ereigniſſen, die den Menſchen treffen können, am meiſten abergläubiſche Vor— ſtellungen. Die meiſten Vorbedeutungen gehen auf ihn hin; er ſpukt am meiſten vor. Man ſchreibt ſogar ſtellen—

J

nn mn un ——— nn SER ei

+

825

Sitten und Gebräuche auf den Halligen fonft und jett.

meife dem Kufuf die Gabe zu, den Zeitpunkt des TodeseintrittS vorherfagen zu fünnen. Mein Gewährsmann

beivohner bei Zeiten auf den Tod vorzubereiten.

Lorenzen erzählt folgendes: „Da erzählen denn unfere Inſulaner diefe ſeltſame Gejpenfterhiftorie: „Wenn einer von ihrer VBerwandtichaft außerhalb Landes ertrunfen ift, jo ſolle fich derjelbe gleich darnach, oder auch wohl vorher bei ihnen melden.” Sie nennen dieſes Gefpenft einen

auf dem Boden ſtehen; ja es wird von einem Manne erzählt, daß er ſich gewöhnt hatte, täglich fein Nachmittags:

„Gonger“ oder Wanderer, und werden bei deſſen Wahr-

damaliger Zeit auf dem friefifchen Feftlande ebenfalls noch befolgt wurden. Die Leichenbegleiter verfammelten fich im Trauerhaufe, wo die nächſten Verwandten des Toten um den Sarg

nehmung nicht jowohl erichroden als betrübt, weil fie ihn für die Seele des Verſtorbenen halten, der ibnen die

Poſt von der Art jeines Todes auf ſolche Weiſe überbringt. — Es meldet ſich aber ihrem Vorgeben nach diefer

Nament:

lich alte dortige Leute hatten oft ihre Särge jahrelang

Ihläfchen im Sarge zu machen.

Um die Mitte des vori—

gen Jahrhunderts beobachtete man bei einem Leichenbegängnifje dort die folgenden Sitten und Bräuche, die in

heißt es: „Die meilten Toten werden itzo auf dem neuen

verfammelt waren. Nach gehaltener Barentation wurde der Sarg hinausgetragen und die Dede! abgenommen. Der Sarg wurde darnach mit ftarken Kabeltauen an zivei langen Stöden fejtgebunden und, nachdem die Dede dann wieder darüber gelegt, auf denfelben fortgetragen. Im Sommer, wenn nicht jo viele Mannsperfonen auf dem Eilande daheim waren, trugen die Frauensleute, gefchürzt, auf blogen Füßen gehend, die Leiche nach dem Kirchhofe; dabei war es nicht, felten, daß fie den Sarg unterwegs niederjegten, ihre Füße wufchen und die zurüdgebliebenen Kirchenbedienten erivarteten, was namentlich auf größeren Halligen häufig zu gefchehen pflegte. Zur Zeit der Flut durfte man es oft nicht wagen, die Leiche über die Balfenbrüden, die die einzelnen Inſelbrocken verbanden, zu tragen, dann jebte man den Sarg in ein Boot und fchleppte das— jelbe, wenn thunlich, an den Kirchhof heran. Zur Ebbe: zeit dagegen mußte man häufig, durch den Schlid watend,

Kicchhofe beerdigt, wohin man die Leichen eine Zeit lang

die Leiche hinübertragen und dabei fanfen die Träger nicht

vorher, ehe die Menjchen

jelten bi an die Aniee in den Kleiboden. Mußte man mit der Leiche an einer Werfte vorbeigehen, jo wurde eine Geſangſtrophe geſungen, ähnlich wie es z.B. in den jeßt landfeſt gewordenen Kirchſpielen Dagebüll und Fahretoft, die früher zum Teil Hallig waren, noch heute Brauch iſt. Beim Kirchhofe angelangt, löfte man den Sarg von feinen Tragftäben ab, und brachte ihn auf die Totenfahre, auf welcher die Leiche um die Kirche getragen wurde, Starb ein in der Gemeinde angejehener Mann, jo verfahen in der Kegel drei verſchiedene Brediger an jeinem Begräbnis— tage Redyerdienſte; einer parentierte im Haufe, einer am Grabe und der dritte hielt in der Kirche eine Leichen—

Gonger nicht in der nächſten Blutsfreundfchaft, jondern im

dritten oder vierten Gliede hinaus.

Don feiner Erjchein-

ung

„Er

aber

erzählen

fie folgendes:

läßt fich in der

AUbenddämmerung oder zur Nachtszeit in eben der Kleidung ſehen, worin er ertrunfen iſt; des Abends fieht derſelbe zur Hausthüre hinein und lehnt ſich mit den Armen dar: auf, geht auch ſonſt am Haufe herum, verichwindet aber bald und

kömmt

folgenden

Abend

um

eben

dieje Zeit

wieder. Des Nachts öffnet diefer Gonger die Stuben: thüre, löfcht das Licht mit der Hand aus, und legt fich auf die Oberdede, da fie denn ein gemwaltiges Drüden am

Haupt und aufdem ganzen Leibe eine Schwere Laſt fühlen. Des Morgens findet jih in der Stube ein kleiner Strom

falzigen Wafjers, welches dem Ertrunfenen von feinen nafjen Kleidern abgetröpfelt iſt.“ — An anderer Stelle

dern ſieht.

jterben, geſpenſtweiſe

wan—

Es wird von vielen befräftiget, daß ſie zur

Nachtszeit die Leichenbegleiter ordentlich heranfommen ſehen;

in der Mitte erfcheint der Sarg in feuriger Geſtalt, und die Gejpenfter

wandern

mit der Leiche über Feld nad

der Kirche zu.” — Noch heute dürfte diefer Glaube nicht ganz ausgejtorben fein, denn der Aberglaube beruht durchweg auf Meberlieferung und hat ſich als fogenannter Beiglaube

Beiluwe, Bigloow ꝛc. neben dem chriftlichen Glauben erhalten.

Man

hielt es ehemals,

jo wird

mir mitgeteilt,

auf der Hallig für das Vorzeichen eines eintretenden Todesfalles, wenn das neugebadene Brot im Ofen einen Riß erhalten hatte. Fand fich beim Schweinejchlachten in ber Milz des Schweines ein Riß, jo bedeutete das ein bal-

diges Grab für ein Mitglied des Haufes. Wenn die Finger eines Toten beweglich waren, fo glaubte man früher, daß bald einer aus feiner Familie ihm in den Tod nachfolgen werde, und wenn die Augen desjelben, nachdem man ſie geſchloſſen hatte, noch ein wenig fich wieder öffneten, daß noch in demjelben Sabre, aus demjelben Haufe, ein Toter getragen werden würde.

Ebenſo glaubte man, daß wenn vom Grabe zulest ein Mann in die Kirche ginge, zunächit ein Mann, und wenn es eine Frau war, zunächſt eine Frau jterben würde.

Bertraut mit Sturm und Not, willen fich die Hallig: Ausland

1884, Nr. 42.

predigt.

Das

Trauern

über die Toten

gejchab in da=

maliger Zeit oftmals über die Gebühr mit lautem Weinen 1 Dr. 8. 5. Clement jagt in feiner „Lebens- und Xeidensgefhichte der riefen“, Seite 154 u. a, über diefe Dede: „Vor etwa 60 Fahren ftand auch noch die jogenannte Kap auf dem Sarg, wenn der Küfter die Leihe aus dem Haufe jang, melde von Tuch, dreiedig, ſchwarz und vielfaltig uud au 2 Fuß lang war, das breite Ende den Füßen des Toden zugefehrt. Der eine lieh ſich diefelbe von dem andern. Sie war mit zwei ſchwarzen Bändern, welche den Sarg umfaßten, befeftigt, der Sarg hatte jeine natürliche Farbe ohne Auſtrich, jpäter fam ein weißes Laken mit ihmarzen Bändern darauf, jett fteht der Sarg kahl und ohne Yafen da, mit melandoliicher Schwärze angeftrichen, ein einſam brennendes Licht ift nachgeblieben,“

125

8%

Sitten und Gebräuche auf den Halligen fonft und jetzt.

und Wehllagen, fo daß die Prediger in ihrer Barentation dadurch geitört werden Fonnten. „Es ift zumeilen bei Heraustragung des Sarges aus dem Haufe und Einfenfung desjelben im Grabe”, jo berichtet ein Nugenzeuge, „Jammerlich anzufehen, wie z. B.eine Frau, deren Mann geftorben, mit lautem Gefchrei auf den Sarg niederfällt, als wollte fie ihn halten, daß er nicht weggetragen oder verjentt würde, und dabei folgende Klageworte fo laut aus: ruft, daß es jedermann hören kann: „Ach, mein lieber Bruder, ich kann Dich nicht mifjen, ich will Dich nicht mijjen! ach, ich armes betrübtes Kind!” —“. War einer Frau der Mann gejtorben, jo hatte diefe die eigentümliche Gewohnheit, daß fie in der Kirche ein ganzes Jahr während des Singens mit dem Haupte vornübergebeugt lag und daß jte ſpäter Heit ihres Lebens in der Kirche nicht mitjang und nicht aufitand, wenn das Evangelium gelejen und der Gegen gejprochen wurde. Man konnte alſo fonntäglich in der Kirche daran die zahlreichen Wittiven der Hallig erfennen. Das Jahr 1744 brachte auf den Halligen z. DB. jebr große Trauer: 110 auf der Heimreise begriffene Grön— landsfahrer fanden ihren Tod in den Wellen. Von den: jelben hatten 11 auf Langneß, 7 auf Nordmarjch liebende

und trauernde Herzen zurüdgelafjen.

Einige der toten

Körper trieben blutend am heimatlichen Strande an, noch) dort um ein jtilles Grab bittend, das man ihnen gern gewährte, daß aber bei ſolchen Vorkommniſſen befonders gedachte Klagen gehört wurden, finden mir verſtändlich. Stirbt heute jemand auf der Hallig, fo wird von dem Todesfall zunächft dem Prediger. die Nachricht überbracht, worauf dann am Mittage der folgenden Tage eine halbe Stunde die Kicchenglode geläutet wird, bis Schließlich am DBeerdigungstage mit bdreimaligem vierteljtündigem Läuten die Glode ihre Totenklage bejchließt. Man hält das Sterben eines Gemeindegliedes für eine Erlöfung, auch dann, wenn man eine foldhe faum erhoffen darf. So lange man den Sarg über der Leiche noch nicht gefchlofjen, wachen bei derjelben zwei Perfonen, und man läßt zivei Lichter dabei brennen. Geſchmückt werden nur Kinder: leihen, eingefargt ausgeftellt dagegen feine. Die Trauer: kleider der Halligbetvohner find ſchwarz; alles hat, ſich jest, um mit Dr. Clement zu ſprechen, in Dunfelheit geftect. ALS Begräbnistage find Freitag und Dienftag gebräuchlich, Montag wird vermieden. In dem Sterbehaufe findet eine Feier ftatt, ehe fi) der Zug in Bewegung feßt, und zwar wird meiftens gefungen und gebetet, auf Wunſch auch von dem Geelforger parentiert. Hinter dem Sarge geht zu: nächſt der Prediger mit den Kindern, die fingen, und dann folgt das Leichengefolge, das aus den Werivandten des berjtorbenen Gliedes und den erwachſenen Einwohnern der Inſel bejteht. Samiliengrüfte gibt es nicht; das Grab erhält eine Tiefe von ſechs Fuß und wird faft immer von einer be jtimmten PBerfon gegraben, die aber nicht feft angeitellt

it. Während

des Einfenfens

ver Leiche in die Gruft,

wird ein Gefang gefungen, alsdann nimmt der Prediger den Spaten zur Hand, wirft dreimal ein wenig Erde auf den Sarg und begleitet jeine Thätigfeit mit den Morten: „Erde zur Erde, Aſche zur Afche, Staub zum Staube” 20, worauf er den Toten einjegnet. Orabesbeigaben fennt man auf der Hallig nicht, obwohl man an Orten des übrigen Srieslandes den Glauben verbreitet findet, daß man Frauen, die furz vor ihrer Niederfunft oder als Wöch— nerinnen jterben, einen Knäuel Zmwirn, eine Nadel, etwas Leinenzeug und eine Scheere mit in's Grab geben müſſe, „oamit ſie ſich ſelbſt helfen fünnen“, denn fonjt würden fie im Grabe feine Ruhe finden, als Gonger miederfehren, und das Erwähnte abfordern. Bringt man ihnen diefe

Gegenſtände im leßteren Falle auf's Grab, jo verſchwinden diefelben in der folgenden Nacht, die Toten erfcheinen dann nicht wieder. ! Abfchiednehmend vom Grabe, verfammelt ji) die Gemeinde in ihrem Gotteshaufe zu einem Trauer:

gottesdienjte, Männern

worauf

am

Nachmittage

das Grab

aus dem Gefolge zugejchüttet wird.

von

Auch auf

der Hallig ijt die jonft in Friesland übliche Weife heimisch, der Kirche beim Tode eines wohlhabenden Familiengliedes eine oder zivei Wachsferzen zu fchenfen, die dann, vor dem Altare stehend, bei feierlichen Gelegenheiten, namentlich aber an hohen Feittagen angezündet werden. Eine mit

ſchwarzen Florbändern an denjelben befeitigte Gedächtnis: tafel jagt uns den Namen

und den Todestag des Ver-

jtorbenen. Die Lichter des zulebt Verftorbenen finden vor der Mitte des Alters ihren Platz. Spuffichtige Leute, jo wid

auf dem

friefifhen Feſtlande erzählt, jehen an

diefen Tafeln, welches Menfchen Leihenbegängnis das von ihnen

gejehene

fein wird und fagen darnach, wenn fie nahe genug heran fommen, fogar Todestag und Todesjahr voraus.

Altfriefiicher Gebrauch bei der Beerdigung eines Er: mordeten war das Bannen oder VBerbannen des Mörders, Dei derjelben verpflichteten fich die Verwandten des Ge-

töteten, durch den Auf:

„Wrack!

Wrack!

Wrack!“

(Rache! 2c.) zur Blutrache und mwähnten damit, dem Toten

Ruhe verichaffen zu fünnen. Einer der nächſten Ver: wandten des Ermordeten ſchlug mit feinem Schwerte zum gehen der Bannung dreimal auf den Sarg und die andern Freunde griffen dabei auch an das Schwert. Am 18. Juli 1682 fam noch eine folde Bannung auf Splt vor, die übrigens von der Obrigfeit angeordnet wurde und jomit als ein „Von Rechts wegen” üblicher Braud) gelten fann. Zum Andenken an den Toten beivahrt man auf den Halligen gern Haarloden auf, bereitet für die Teilnehmer am Leichenzuge auf einigen derfelben ein Totenmahl und ! Man vergleiche betreffend Verbreitung ähnlichen Aberglaubens: Rochholz, Alemannisches Kinderlied und Kinderfpiel.

Leipzig.

Weber.

hen und Yieder 1845

v0. 9,

18.7.

©. 350 ff. Miüllenhoff, Sagen, Mär-

ans Schleswig-Holftein

und Lauenburg.

Kiel,

’ 3

| | |

Der Mais.

betrauert denfelben

ein Jahr lang, indem während des—

jelben an feiner Luftbarfeit teilgenommen wird.

Die bei

der Yeichenfeierlichfeit als Sänger thätigen Kinder erhalten Kuchen, nicht aber, wie andersivo, auch Geldſtücke. F

Der Halligbetvohner liebt feine Sitte wie feine Heimat. Und doc iſt diefe ein troftlofer Boden, ein gefahrvolles Sledchen deutjcher Erde, auf welches er zurücfehrt, um von jeinem erfparten Gut zu leben, um bier feine Tage zu beſchließen, nachdem er alle Meere dev Erde durchſchiffte, alle Vorzüge anderer Länder vor dem feinigen kennen lernte: Landesſprache und Landesfitte find ihm Xandesehre, er befindet fih im Kreife feiner Lieben wohl dabei, wenn er alte Weifen in Ehren halten fann.

| |

Der Minis. I,

Seine Heimatd,

Die abweichenden Namen

für den Mais, denen wir

in Europa und jonft in der Oſt-Hemiſphäre für Zea Mais begegnen,! bringt unfere Idee, der Mais müſſe feine Heimat in Amerifa haben, doc etwas ins Schwanfen, wiewohl eine Karte

der Verbreitung

und Verwendung

desjelben

ung auf den erſten Blick hin für diefe Idee ſtimmen muß. 1 Mais wahrſcheinlich urſprünglich aus der alteır Sprache bon Haiti Mahis, Zea Mays, türkiſcher Waizen, Wälfchlorn; frimtatarifch Afrata, türkiſch Mysir-bog däj, arabiſch dourah louny oder tourky (— durha ift aber bei den Negern Hirfe! —), ägyptifh durah chämy, perſiſch hil deh, bei den kaukaſiſchen Udinern Skargodali, ruffiih pschönka (pschönka — Hirfe!) und kukurüza, polniſch kukuryca, böhmiſch (czechiſch) kukuruz, kukurize; jerbijh kükurus, ungariſch kakarieza, in einigen Teilen Defterreihs „Türken“ genannt, griechiſch arabositi, italtenifc) formentone, grano turco, ſpaniſch trigo de Indias, portugieſiſch milho da India, franzöfifh Mais, bl& de Turgquie, eugliſch Maize, Turkey corn, amerifanijch-englifch Indian corn, peruaniſch zara, chileſiſch eua, mexikaniſch maize, indiſch djagoung oder makkee, japaniſch sjokusa ec. x. Das türkiſche Mysir bogdäj ift wörtlich — ägyptifher Weizen. „Aegyptifches Korn“, ift nach Adelung dasjelbe wie Dinkfelgerfte. Dinkel ift aber in Württemberg eine Art Spelt (Weizen), nah Linné Triticum

spelta. Zea griechiſch, havas Sanskrit, ift Gerfte; daraus wurde nr

Zea die Bedeutung für Mais und aus havas bildete fi) das ruſſiſche owes (obeez) und das franzöſiſche avoine — Hafer. Welhe Vermengung der Begriffe! „Weizen“ fommt nah Mar Miller von „weiß“. Wie Herbelot im XV. Fahrhundert ımter blE allein den Weizen verfteht, jo nannte man in Württemberg

den Roggen „Korn“,

was

man in Rußland als Synonym von

Zerealien gebraucht. Das Wort „Oetreide” leitet Jakob Grimm Iharffinnig vom altdeutſchen gitragidi, getregede ab. „Es ift gleihjam die „zahme” in des Menfchen Hände gefommene Frucht (fruges, frumentum), wie die zahmen Tiere den wilden ent-

gegenftehen“, jagt Humboldt in den „Anfichten der Natur“.

827

Auch wiſſen wir, daß der Mais in Peru und Chile unter ven alten Inkas Fultiviert wurde, was die alten Opfer: zeremonien derſelben zu HZarapconapa beweifen. Die mexikaniſche Demeter, Genteotl, Göttin des Wälſchkorns

und des Ackerbaues, wurde, wie die griechiſche, mit den Erſtlingsgaben der ihr geweihten Frucht verehrt. Ihr zu

Ehren wurde im Sommer ein Feſt gefeiert, wobei ſie nach der weichen Maisähre Kilotl den Beinamen Kilone führte. Am legten Tage des Feſtes tanzte ein Weib, das die Göttin daritellte, und diefes wurde nachher geopfert.! Nach Unger's Vermuthung ift der Mais in SentralAmerifa zu Haufe und durch die Toltefen in Mexiko ver: breitet. Die erften europäifchen Anftedler in Pennſylvanien, 1584, fanden da ſchon reiche Maisfelder, und die Spanier ſollen die erſten Körner derſelben nach Europa gebracht haben. Doch wiſſen wir auch von Angaben, daß das öſtliche Europa den Mais aus dem Morgenlande erhalten habe? und daß folder „ins tiefite Herz von Afrifa zu Negerftämmen gedrungen ift, die nie einen Europäer ges jehen baben”.3 Theophraftes’ Weizen von der Größe der Dlivenförner jedoch kann nicht der Mais feint, und auch der in den Mumien-Gräbern Thebens gefundene ſtammt von Samen ähnlich dem Sorghum bieolor (nad Birey) her. So wird denn wohl auch Ebers’ „Eunftlos zufammengeflochtener Jaun aus Robrftäben, Balmenziveigen, Dornen und Maisſsſtroh“ im IV. Jahrhundert v. Ch. G., ettvas dem Ähnliches, aber nicht der ächte Mais ges weſen fein. Vor der chriftlihen Beitrehnung wird diefer Frucht nicht erwähnt, und wo es angeblich gejchehen fein foll,

iſt Tritieum spelta oder Holcus indicus für Mais ge: nommen worden. Die ältejte Quelle, welche von dem Mais-Anbau berichtet, ift nach dem befannten Orientaliften Herbelot ein Buch im 15. Jahrhundert des perfischen Hiſtorikers Mirkhond in Herat. In diefem Werke werden die Gegenden der Wolga als Kultur-Gegend des Maifes angegeben. Sm Sahre 1552 erwähnt der chinefiihe Schriftiteller

Li-ché-Tchin in feiner Naturgefchichte „Phen-PhsaoKorgmou“ (sie) zunächſt diefes Gewächfes und gibt aud) eine Zeichnung des Maiſes, jo daß fein Irrtum hier ob: alten fann. Er fonjtatiert die Kultur desjelben in Afien (Asie orientale) aljo ein halbes Jahrhundert nach der Entdelung von Amerifa, und bemerkt, daß die Chinejen ebenfalls mit dem Maisbau ſeit undenklicher Zeit befannt waren.d Dies erjcheint zweifelhaft, weil einjt die 1 Miller, „Geſchichte der amerikanischen Urreligionen“. 2 Schleiden, „Die Pflanze und ihr Leben“. 3 Hehn, „Kulturpflanzen und Haustiere 2c.“, k Unger, „Botanische Streifzüge auf dem Gebiete der Kulturgeihichte”. I. Nahrungspflanzen. 5 Ebers,

„Uarda“.

6 An interesting paper of the introduction of Maize into China, written some years since by our valued cor-

898

Der Mais.

Portugiefen, melche 1496 nah Java famen und 1516 nad) China, nichts don diefem Gewächs erfuhren, aud) unter der Negierung des Kaiſers Chinsnong in China, alfo noch früher, nur der Weizenfultur (blE), aber keines— wegs des Maisbaues gedacht wird.! Auf den fremden und nicht chinefifchen Urfprung des Maifes meist auch fein Name bei den Ehinefen auf Formofa, nämlich Fan-meh, d. h. fremdes Getreide, hin. Im Sahre 1869 mies der Dolmetſch der engliihen Geſandtſchaft in China, Mayers,

in Nr. 6 der „Chinese Notes and Queries”

nach, daß

der Mais durch Bortugiefen und Spanier nad China fam, jo daß die japanischen Benennungen, welche auf China verweisen, feinen größeren Wert haben, als die Namen „Wälſchkorn“ und „türkischer Weizen” bei ung, Alle japanischen Benennungen des Mais nämlich weisen auf die neuere Einführung, ſei es aus China, ſei es durch Vortugiefen, hin. Die drei gebräudlichiten Namen des— jelben find nämlich Tö-morokoshi, Tö-kibi und Nanban-

(ſprich Namban) kibi,

welche

beziehungsmeife

„Chinas

Mohrenhirſe“ (Sorghum), „China-Hirſe“ und „Hirſe der füdlihen Barbaren” bedeutet. Unter Nanban oder ſüd— lihen Barbaren aber verjtanden die Sapaner in eriter Linie Bortugiejen, dann auch Spanier, nicht die Holländer und Engläuder, mit denen fie 50 Jahre fpäter zuerjt in Berührung kamen.? „Die Benennung „türkischer Weizen” und die Weite Verbreitung des Mais nicht blos in der Levante, fondern auch in Oſt-Aſien und Inner-Afrika“, jagt Hehn, „haben Ihon öfter die fegerifche Behauptung hervorgerufen, diefes Korn ſtamme gar nicht aus Amerika, fondern fei ein alter Befig der öftlihen Erdhälfte. Fraas in der „Synopsis florae classicae* führt allerlei unzureichende Gründe dafür an; die gleiche Anficht von Bonafous widerlegt

Alphonje de Candolle

in der „Geographie

respondent,

Dr. Hance,

assisted

printed

the „Pharmaceutical

in

botanique*

by Mr. Mayers, Journal“.

has

It has

been

hitherto

been considered almost certain that this cereal was introduced from America; with the object, therefore, of discovering whether it was cultivated in China previous to the discovery of that continent, Mr. Mayers thoroughly examined the older Chinese works on agriculture and botany. These agree in stating that the grain was brought from Sifan (or Lower Mongolia), a distriet west of China, at a period probably long anterior to the end of the fifteenth century, though the date of its importation is nowhere even hinted at. The paper is illustrated with reproductions of the characteristice figures

of Maize

in the „Pun-Ts’ao-kang-mu“

(sic), or „General Treatise on Natural History“ published in 1597. Though these researches cannot be said to settle the native country of Zea Mays, they seem to establish the conclusion that the old world is not originally indebted for

it to America“.

(„TheJournal

of Botany“,

Febr.

1871.

p. 62—63.) 13. Rein, „Zur Gefchichte der Verbreitung des Tabaks und Mais in Oft-Aften“. 2 ibidem.

©. 943 ff. ausführlih

mit

fiegreicher

Argumentation.

„Türkiſch“ bedeutete am Anfang des 16. Jahrhunderts nur überhaupt: frembländifch oder über Meer gekommen; die geographiichen Begriffe waren zu jener Zeit noch zu unbejtimmt, um Weft- und Dftindien und bon beiden das Land der Türken genau zu unterfcheivden. Noc jest heißt der doch gewiß aus Amerika jtammende Truthahn bei den

Engländern turkey-cock, wie der Mais turkey-corn, bet den Deutfchen falefutifher Hahn, als wäre er aus Kalefut zu ung gebracht worden. Auch die deutiche Bes nennung „türkisches Korn” oder „türfifcher Weizen‘ bes deutet wohl nur fremder. Und fchlieglich wenn der Mais

weit über die Welt gewandert ift und es haben fich dabei Abarten ergeben, iſt dies nicht mit dem Tabak auch der Sal, der doch unzweifelhaft ein eingeborner Amerikaner it, jo eigentümlich auch jest der türkiſche Tabak ſchmeckt?“ Sm neuen Kontinent fehen wir vom 52° n. Br. bis 460 ſ. Br. nur eine Grasart, den Mais, angebaut. In

dem alten Kontinente dagegen entdeden wir überall jeit den früheiten Zeiten, zu denen die Gefchichte hinaufreicht, die Früchte der Geres: des Spelzes und Hafers.

Stellen

gefammelt,

Kultur des Weizens, der Gerite, Sprengel hat mehrere interejjante

nach welchen es ihm wahrſcheinlich

wurde, daß der größere Teil unferer europätfchen Getreide: Arten in Nord-Perfien und Indien urfprünglih mild wachſe, nämlich Sommer-Weizen im Lande der Mufifaner, einer Provinz in Nord-Indien; Gerjte, antiquissimum frumentum, tie Plinius es nennt, auch die einzige den fanarifchen Guantchen befannte Berealie, nad Mofes von Chorene am Araxes oder Kur in Georgien, und nad Marco Polo in Balafham, in Nord-Indien; Opelt bei Hamadan,? Definitive Angaben der Heimath der Berealten erklärt Zimmermann? für unmöglich, fügt aber doch hinzu:

„In ganz Nord: und Mittel-Afien, in ganz Nord-Amerika, jo weit es nicht in die heiße Zone gehört, findet man mehr oder weniger die Kultur derfelben Pflanzen; überall hin find fie durch die Europäer gebracht, nur den Buchweizen haben wir im Austaufh von Mittel-Mfien erhalten, und den fälſchlich ſogenannten „türkischen Weizen oder Mais

avs Amerika.”

Und fo viel auch die Botaniker feit vielen

Jahren nach dem Baterlande der Getreive-Arten fuchen, fie finden fie nicht, denn die den gefitteten Menfchen

überall hin begleitenden Kultur-Pflanzen find nichts anderes als kurze kleinkörnige Gräfer, wie fie in naheverwandten Arten

auf unferen Wiefen

vorfommen,

aber

durch

die

taufendjährige Pflege hat fi) die Pflanze in der Art entividelt, daß fie der Stammpflanze nicht mehr gleicht.‘ Wie nun diefe Brodpflanzen fich verbreitet und das Klima 1 Hehn, „Kulturpflanzen und Haustiere“ 21. ©. 451 umd Anm. 78. ibidem ©, 375, 2 Humboldt, „Anfichten der Natur“, TeilI S. 206 Anm. 27. 3 „Wunder der Urwelt“ (13, Auflage) ©. 144. * „Anthropophaganismus der Bataer auf Sumatra’s Weftfüfte“ von Friedmann. „Ethnol. Journ.“ 1871, Heft V.

452.

829

Allgemeine Statiftif des britifchen Neiches.

ihnen die Gränzen gezeichnet, finden wir klar und an— ſchaulich inSchauw's „Geographiſchen Verhältniſſen der Brodpflanzen“ ©. 165 bis 171. Ihre Stufenleiter aus den nördlichſten Gegenden bis an den Aequator finden

wir in Schleiden,! Die

wie in anderen

Haupt-Getreivearten

botaniſchen Werten.

Süd-Europa's

jind

der

Weizen und der Mais. Während die Weizenäder bald wieder brach liegen und in vielen Gegenden eine Nach— frucht zulaffen, erheifcht der Mais eine längere wicklungszeit. Denn wiewohl diefe Pflanze in

Ent: ihrer

amerifanifchen Heimat durch leichte Akklimatiſations-Fähig— feit vor allen übrigen Zerealien hervorragt und Spiels arten erzeugt, welche die kurze Vegetationsperiode Kanada’s

ertragen, gedeiht fie in Europa nur innerhalb des Wein: Klima’s. Aehnlich feheint es fich mit dem Neis zu vers halten, von dem in China eine Spielart, der Berg-Reis,

in drei Monaten reif wird, deffen Anbau in Europa nicht gelungen ift. In Stalien und Spanien fordert die Reis—

———

fultur eine Entwicklungszeit von fieben Monaten und ift, da die Felder im Frühling überftaut werden müjjen, nur in folchen Ebenen möglich, wo die erforderlichen Bewäſſer— ungsanftalten Andalufien.?

bejtehen,

wie

in der

Lombardei

und

im

In Klein-Afien fehen wir neben dem Reis- den Mais— bau, ebenjo in Nepal, in Sumatra, in Japan. Im Haushalte der Japaner hat übrigens der Mais nie eine

große Rolle gejpielt und ift nicht, wie in China, für einen Teil der Bevölkerung ein wichtiges Nahrungsmittel ges worden. Dem entfprechend begegnen wir nirgends größeren Pflanzungen diejes Gewächjes, fondern finden feinen Anz bau wohl über das ganze Land verbreitet, aber meiſt auf die Ränder der Orundftüde oder einige Beete bejchränft. Man röftet die Kolben über offenem Feuer und ißt die Körner, wie auch in vielen anderen Ländern, vor völliger Reife. Statt der vielen Varietäten, welche ſich in Amerika berausgebildet haben, und auf deren Bedeutung Grieſebach

in feiner unübertroffenen Pflanzen-Geographie mit Necht binweift, baut man hier nur zivei.? Amerika iſt der Hauptboden für den Mais, und daß diefer in Süd-Amerika von Alters her gebaut wird, das beweiſt uns auch der Fund von einem Maiskolben in den Mujchelbänten der bolivianischen Wüſte Atafama, 85’ über dem Geejpiegel, wo ſich denn die Küfte dermaßen wird gehoben haben, feit Maisbau am Strande betrieben wird.‘ Sind wir nach all' diefen Angaben doch nicht ins Reine

gekommen,

wo denn die Urheimat des. Maiſes it,

und steht es uns frei aufzuftellen, ev ſtamme wie der Menſch nicht von einem Elternpaare ab — fo viel ift 1 „Die Pflanze und ihr Leben“. 2 Grieſebach, „Die Vegetation der Erde nad) ihren klimatiſchen Anordnungen‘, 3 5, Nein, „Zur Geſchichte der Verbreitung des Tabaks und Mais in Oft-Afien‘. 4 Beichel, „Neue Probleme‘ ꝛc. Ausland

—R

1884, Nr. 42,

gewiß und befannt, daß

er in Merifo Matze heißt (Das

wohl ein deutliches Fingerzeichen ift!) und daß 1493 KRolumbus den Mais nad Europa brachte, wovon er bei den Sinfulanern große Felder fand. Schon 1525 baute man den Mais in Spanten, 1560 in Rovigo, 1575 im Mailändifchen, 1590 fam er nad) Belluno, von da nad) Friaul, und far 1610 ſchon ein bebeutender Handels— artifel der Benezianer, welche ihn in der Levante einführten, von wo er unter dem Namen „türkischer Weizen” nad) Ungarn verpflanzt wurde. Von der Lombardei aus fam er über Verona und Noveredo 1647 nad Innsbruck und von Mailand nad) den Nhein-Gegenden, fvo man ibn deshalb „Wälfchkorn” nannte. In Nord-Italien hat er die Gerfte verdrängt, und findet in Tirol, Krain, Steiermark wachjende Verbreitung, wie er denn auch in einigen Gegenden Ungarns und Galizien® unter dem Namen „Kufuruz” die Sauptnahrung geworden ift.! Schon 1539 jagt Hieronymus Bod (Tragus)?: „Unfer Oermanta

wird bald felix

Arabia

fremden Gewächs

von Tag zu Tag aus fremden Landen

heißen,

dieweil

mir jo viel

in unfere Grund gewöhnen, unter welchen das groß Wälfchforn nit das geringft ift”.3 Elſaß-Lothringen, Baden, Württemberg, ja der Schraden (in Brandenburg, Sachſen und Schlefien eingreifend), zwischen dem 51. und 52.0 n. Br., bauen den Mais, wie folche VBerfuhe auch in Rußland bis ing Gouvernement Mobilew, 549 n. Br.,? ja bis nad) Sſyſrän im Gouvernement Sfimbirsf, auf 55° n. Br.S, hinauf gemacht find. Ja, noch mehr, der Mais wird gar in Riga, 570% n. Br., fultiviert. Der Quarantino und der Hühner-Mais geben jährlich reife Samen, der Pferdes Mais in den meisten Sahren.” Schübler in feiner Pflanzen: welt Norwegens” (S. 80, 1857) erzählt und gar von Maisbau in Norivegen! Wir merden fpäter nähere Anz

gaben darüber geben.

Dom Nordgeitade des Pontus.

Allgemeine Stakiſtik des britifhen Reichs. des

Bei Gelegenheit der diesjährigen Oeneralverfammlung der zur Förderung Vereins britifhen

Wiffenfhaft,

melde im Auguft d. J. in Montreal

Nach einer Monographie von Heuze. 2 „New Kreüterbuch‘ Straßburg 1539 Fol. 2, 21. 3 Hehn, „Kulturpflanzen und Haustiere” ꝛc. ©. 375. 4 ‚Nat‘ 1862. Nr. 45 „Der Schraden“ von Miller, 5 In ruſſiſcher Sprade „Verſuch von Herrn Wojnitſch, den Kukuruz im Gouvernement Mohiléw zu ziehen“. Journal der Reichsdomänen. Teil VIII, Abteilung IV. ©, 26, 6 „Verſuch des Maisbaues im Kreife Sſysrän, im Gouv, Nr. 42. ©, 666. 1884, Sfimbirst, von Tamsrow.“ 7 Korrefpondenzblatt des Naturforcher- Vereins zu Niga.

XVIN. Sahrgang 1870,

©. 21 bis 22. 126

830

in Kanada

Allgemeine Statiftif des britifchen Neiches.

ftattfand, hielt der Präſident

der ſtatiſtiſchen

Sektion dieſes Vereins, Sir Richard Temple, Mitglied der Königlichen Geographiſchen Geſellſchaft, einen Vortrag über die „Allgemeine Statiſtik des britiſchen Reichs“, welchem wir nachſtehenden Auszug entlehnen: Wir wollen unſere Statiſtik in folgende Abteilungen

gruppieren:

1. den Flächenraum,

welcher aus

weit

entlegenen Regionen befteht; 2. vie Bewohner diefer vielen Länder; und 3. die Arbeiten des Menſchen, wie ſie ſich auf dieſem ungeheuren Wirkungskreis ent— falten. Zunächſt darf der Flächenraum, welchen das britiſche Reich einnimmt, zu 8/, Mill. e. UML. angegeben werden. Von diefer Gefamtfumme fommen nur 121,000 D.-MI. auf das vereinigte Königreich, 11 Mill, D-ML kommen auf Indien, und der Neft mit nahezu 7 Mill. Q.Ml. auf die Kolonien und fonftigen zerftreuten Beſitzungen. Es gibt aber noch andere Regionen, welche mehr oder weniger noch unter die Kontrole der britiſchen Regierung “fallen oder gefallen find, mie Aegypten mit einem Teil

des ägyptiſchen Sudan, einige Bezirke im üblichen Arabien,

ein Teil don Borneo, von Yululand, dem Transvaal, Afghaniftan und Beludiciitan. Auf diefe Weife kann der geſamte Flächenraum, welcher direft oder indireft unter die Autorität des britifchen Reiches fällt, auf annähernd

10 MM. DM.

oder ungefähr 1/; der 50 Mill, D.-ML

angegeben werden, welche die betvohnbare Fläche unferes Erdballs bilden. Wie von einem Reiche zu erwarten it, deſſen wirkliche Machtgrundlage eine maritime iſt, ſo bildet die Küſten— linie eine Strecke von außerordentlicher Länge, dem Maße nach ungefähr 28,500 e. MI., mit 48 großen Häfen. Für diefe gefamte Länge haben Vermeffungen von feiten der Marine ftattgefunden. Allein Größe hängt nicht vom

Slähenraum allein ab, und es findet eine ungeheure Verfchiedenheit in der Skala des Mertes von Ländereien ſtatt. Bon den 10 Mil. D-ML. iſt nur ungefähr der

fünfte Teil angebaut oder befiedelt, in der weiteſte n Ber deutung des Mortes „Beſiedelung“. Sn Indien, welches

zwar gut bevölkert iſt, aber doch mit Unrecht für dicht bevölkert gilt, mag der anbaufähige, aber noch nicht an— gebaute Teil des Bodens nicht weniger als 1/, Mil. D.-ML,

betragen. Bezüglich der zweiten Abteilung, nämlid) der Bewoh ner, beträgt die Öejamtbevölferung ungefähr 305 Mill. Seelen in jenen Regionen, welche direkt in dem Reiche begriffen find. Diefe gewaltige Menfchenmaffe beſteht aus vielen

verſchiedenen Nationalitäten, zwiſchen welchen die Religi on einen

Hauptunterſchied

bildet.

Zum

Chriſtentum,

Religion der herrſchenden Raſſe, bekennt

ſich nur

der

ein

Siebenteil der geſamten Summe. Die Religion, welche die größte Zahl der Bekenner umfaßt, iſt der Hindu ismus;

man zählt 188 Mill. Hindus, und man kann füglic h ſagen, daß die ganze Hindu-Raſſe der britifchen Krone unter:

worfen iſt. Die Hindus bilden alſo mehr als die Hälfte der geſamten Bevölferung des Reichs. Die Zahl ver Buddhiſten

ift nicht bedeutend und beträgt nur ungefähr 7 Mill. Der Gefamtflächenraum des Reichs ift im ganzen nur dünn bevölfert, zählt im Durchſchnitt nur 33 Köpfe auf die Duadrat-Meile, troß der mächtigen Anhäufung

des Volks auf einzelnen Punkten, da die Bevölkerung | höchit ungleich verteilt ift. u Die dritte und lebte Abteilung bezieht fi auf die Arbeit des Menſchen, auf feinen Reid

tum und feine Macht,

- |

feine induftriellen und |

fommerziellen Operationen. Einer der eriten Prüffteine der nationalen Hülfs— quellen iſt das öffentliche Einkommen. Die Gefamtheit der jährlichen Einnahme der Negierung und der Orte: behörden, welche fih auf 264 Mill. Pf. St. beläuft, fteht ohne ihresgleichen da, beziffert ſich aber auf die mäßige Nate von 1'/, Pf. St. per Kopf auf die Gefamtheit der

britifchen Unterthanen. Es befteht eine große Einnahme, welche durch das ganze Neich für Iofale Zwede erhoben wird.

Diefes Einfommen

(mit Einfluß ver

Ichtedener Einnahmen, aber mit Ausfchlug von Anlehen) beträgt faum weniger als 61 Mil. Pf. St. jährlich, und wird zum größeren Teil mittelft direkter Befteuerung

2

erhoben.

A

Ein weiterer Prüfftein der Macht bezieht fich auf die Vorkehrung für Verteidigung nad) außen und Schub im Innern. Die waffenfähige und waffengeübte Mannſchaft

5

im Reiche mag auf ungefähr 850,000 Köpfe feftgefeßt erden, mit Einfchluß der vegelmäßigen britifchen Streit fräfte zu Haufe

und

auswärts,

willigen im vereinigten Königreiche

der Milizen

ö

und Frei-

4

und in den Kolonien

und der eingeborenen Streitkräfte in Indien und den anderen Ländern. Darunter find begriffen 10,000 Mann ägyptiſche Truppen unter einem englischen General, dagegen ausgeſchloſſen die Streitkräfte der eingeborenen Staaten von Indien und der anderen Länder, welche mit dem Reihe nur politifch verbunden find. Wenn übrigens die

Streitkräfte

der eingeborenen Staaten

a

von Indien nod)

dazu gerechnet werden follen (und fie find im allgemeinen für Neichszwede verwendbar), fo würde ſich die Geſamt— ſumme von 850,000 Mann auf nahezu 1 Mill. erhöhen. So beträgt die Zahl der unter den Waffen ftehenden oder

wirklich waffengeübten Mannfchaft mehr als 750,000 Mann und würde unter der letzteren Berechnung auf beinahe Mil. lich belaufen, Die defenfiven Rüſtungen des Reichs zu Waſſer und zu Lande foften jährlich 41 Mill. Pf. St. oder 20%: der gefamten Einnahmen und Einfünfte. Die Polizeimacht für das ganze Neich umfakt 560,000 Mann. Mir haben

alfo für das ganze Reich einen Poliziſten auf je 571 Köpfe und für je 16 D.-ML, Es darf niemals

| außer Acht gelafjen tverbden, daß

eine der Haupturſachen, warum das britifche Reich im Stande ift, feine Landſtreitkräfte auf einem vergleichsweiſe

Allgemeine Statifti des britifchen Reiches.

831

@

jo niedrigen Maßſtabe

zu halten, fein Uebergewicht zur

See iſt. Die Oberherrichaft, welche man in der britischen Flotte zu finden hofft, wird kaum durch die Aufzählung der Schiffe nachgetviefen werden können. Mit diejem Borbehalte jedoch kann angeführt merden, daß gegen: wärtig 246 britifche Kriegsschiffe in See oder im Dienite find, wovon 72 Segelfchiffe und 174 Dampfichiffe find.

Großbritannien bat nun 63 entiveder vollitändige oder der Vollendung nahe Banzerfchiffe. Die Zahl der Offiziere

Ein Prüfſtein des nationalen Fortſchritts iſt der Bau

der öffentlichen Arbeiten.

Diejenigen Werke, welche hier

zur Auswahl erwähnt werden mögen, ſind Eiſenbahnen, eleftrifche Telegraphen und Kanäle Man bat berechnet, daß 460, des gefamten Eifenbahnverfehrs der Welt von den Eiſenbahnen des britifchen Reichs beforgt erden, daß aber die gefahrenen Entfernungen geringer find als auf dem europäischen Feftland oder in den Bereinigten Staaten. Der eleftrifche Telegraph leiftet im alten Mutter-

und Mannschaften der Flotte beläuft fich auf 57,000 Mann.

land ſechsmal mehr als in der neuen Welt.

Panzerſchiffe beträgt nun 44, wovon 25 in See find. Die Handelsflotte hat beinahe die Hälfte des Tonnen:

die der Gemeinden

Die Zahl der in fürzefter Zeit zum Kriegspienfte bereiten

gehalts der Dampfichiffe, beträgt die Hälfte der Tragkraft der eingetragenen Laftfähigfeit und des FSrachtverdienftes

aller Nationen zufammen, und zwei Drittel des gefamten Schiffsbaues. Der gefamte Handels: und Schifffahrtsver— kehr des Britiſchen Reiches läßt ſich nicht leicht ſtatiſtiſch nachweiſen. Wenn man jedoch die aliquoten Teile des Handels-

und

Schifffahrtsverkehrs

der

hauptſächlichſten

Nationen ſchätzt, jo dürften 34%, oder ein Drittel des Welthandels auf das Britifche Neich gerechnet werden können. Die Manufakte des vereinigten Königreichs werden auf 818 Mill. Pf. St. jährlich geſchätzt, und man kann in allgemeinen Ausdrücken behaupten, daß die britiſchen Fabrikate ein Drittel von denen des geſamten Europa betragen. Der größte Konkurrent ſind natürlich die Vereinigten Staaten, wo der Geſamtwert denjenigen des vereinigten Königreichs noch zu überſteigen ſcheint. Die amerikaniſchen Fabrikate find in der That wundervoll,

nicht allein in ihrer gegentwärtigen Größe, fondern nament: lich in der Schnelligkeit ihres Fortfchritts und in der Ausfiht auf ihre Ausdehnung. Aus diefen Thatfachen ergibt fih, daß der Reichtum

des vereinigten Königreichs an Ländereien, Vieh, Eifenbahnen und öffentlichen Arbeiten, an Häufern und Möbeln, Waren,

gemünztem Gold,

den man zuſammen

Schiffen

und

anderem Beſitz,

auf 8720 Mill. Pf. St. ſchätzt, den—

jenigen jedes anderen europäiſchen Landes übertrifft und das doppelte von demjenigen Rußlands beträgt. Dieſer

Die gefamte öffentliche Schuld, die des Staates und

faum Armut vorhanden ift und die im vereinigten König:

reich erhobenen milden Beiträge ungeheuer find. Die Anzahl der Kranfen in den Spitälern ift zwar groß, aber im Verhältnis zu der Größe des Reiches nicht auffallend. Was die Erziehung anlangt, fo werden die Schulen im vereinigten Königreich von 5,250,000 Böglingen, die in Kanada von 860,000, die in Auftralien von 611,000, und die in Indien von 2,200,000 Zöglingen befucht, was für das ganze britifche Reich eine Gefamtfumme von 8,921,000 Schülern beträgt. Es iſt Thatfache, daß in Indien, obwohl die Erziehung in der jüngften Generation

einen merkwürdigen Fortfchritt gemacht bat, infolge der Jahrhunderte-langen

Vernachläſſigung, das Schulweſen ſchwierig Eingang findet und eine Menge der ſchulpflichtigen Kinder noch der Schule fernbleibt. Allein die Vergleichung erhält ein beſonderes Intereſſe, wenn man ſie mit den Vereinigten Staaten anſtellt, wo ſich ein wahrhaft edler

Fortſchritt kundgibt und wo die Zahl der Schüler zehn Millionen erreicht, mit einem jährlichen Aufwande von 17 Mill. Pf. St. Hiedurch wird die außerordentliche Thatſache feſtgeſtellt, daß in Betreff der Erziehungsſtatiſtik die Vereinigten Staaten ſogar dem britiſchen Reiche numeriſch überlegen ſind.

unterhaltenen

Verhältnis auf dem europäifchen Feftland weit, wird aber

ungefähr 900.

und Auftralien, betragen, weit

erreicht eine

Verbrehen und Armut ift im vereinigten Königreiche befriedigend, während in den übrigen Befisungen des Reichs

Reichtum aber wird noch übertroffen von der entſprechenden Ziffer für die Vereinigten Staaten, melde ſich auf 9495 Mill. Pf. St. beläuft. Die 8720 Mil. Pf. St. des britifchen Reichtums repräfentieren den fiebenfachen Betrag des jährlichen Einfommens von 1247 Mill. Pf. St., was als eine billige Schätzung erfcheint. Demzufolge verdient das britifche Volk 14%, von feinem Kapital, welcher Zinsertrag ungefähr mit demjenigen der Vereinigten Staaten übereinftimmt. Er überfteigt das entfprechende noch don den Maßſtäben in Kanada welche beziehungsmweife 18 und 22%), übertroffen.

im britifchen Reiche,

Summe von 1312 Mill. Pf. St. Sir Richard Temple befchloß diefe ftatiftifche Weberficht mit Bemerkungen über eine Gruppe von Gegenftänden, in welchen auch moralifche Erwägungen zur Geltung kommen, nämlih Sparfamfeit und Erziehung. Die Abnahme von

Die religiöſen Miſſionen zu nichtchriſtlichen Nationali— täten bilden einen glänzenden Zug im britiſchen Reiche. Die Statiſtik der römiſch-katholiſchen Miſſionen iſt nicht

genau bekannt,

aber ihre Wirkſamkeit

eine bedeutende.

Das Einkommen der verſchiedenen proteſtantiſchen Miſſions— geſellſchaften beläuft ſich kaum auf weniger als 750,000

Pfund Sterling

jährlich, und die Zahl der von ihnen

ordinierten europäiſchen Miſſionare beträgt

Die Inſel Aſcenſion.

852

Mountain

Die Juſel Aſtenſion. Eines der überraſchendſten Beiſpiele davon, was Fleiß und Ausdauer des Menſchen vermögen, um auch dem nackteſten Fels eine ergiebige Ackerkrume und einen mannig— faltigen Pflanzenwuchs abzugewinnen, liefert die Inſel Aſcenſion, welche im Verlauf der jüngſten 55 Jahre aus einem verhältnismäßig kahlen Felſeneiland, welches den furchtbarſten und verheerendſten Winden ausgeſetzt iſt, und kaum ſoviel vom allerniedrigſten Pflanzenwuchs beſaß, um einigen verwilderten Ziegen einen dürftigen Unterhalt zu gewähren, in eine angenehme und fruchtbare Inſel verwandelt worden iſt, welche nun einer ziemlich bedeuten— den Bevölkerung ein behagliches und genügendes Aus— kommen liefert. Dies zuſtande zu bringen, koſtete aller— dings einige Zeit und große Mühe; bevor wir aber ſchildern, auf welche Weiſe dies erreicht wurde, dürfte eine kurze Geſchichte und Beſchreibung der Inſel hier am Platze ſein. Die Inſel verdankt ihren Namen dem Umſtande, daß fie am Himmelfahrtstage 1501 durch den portugieſiſchen Seefahrer Juan de Nova Gallego entdedt ward. Zwei Sahre fpäter wurde fie von Alfonſo d'Albuquerque bes ſucht, und fpäter landeten auf ihr verfchiedene Seefahrer, worunter auch Kapitän James Cook. Ihr Anblid war jedod) ein ſolch öder und trauriger, daß niemand veranlaßt wurde, fich auf ihr nieverzulafjen. Allein die Findigkeit und der Scharffinn der britifchen Seeleute bewährte fih auch hier. Im nordweitlihen Teil der Inſel, welcher den beiten Anfergrund für Schiffe liefert, ift ein kleiner natürlicher Hafen, die fogenannte Sandy Bay. Einer der Feljen in der Nähe des Landungsplaßes enthält eine merfwürdige Selfenfpalte, welche bald „des Seemanns Boftamt” genannt wurde; es entjtand der Brauch, hier Briefe in einer wohl: verforkten Flaſche zurüdzulafjen, weldhe von dem erjten nach diefer Nichtung beſtimmten Schiff, das hier anlegte, an ihren Beftimmungsort befördert wurden. Dies jcheint der einzige Gebrauch geweſen zu jein, welchen man von dieſer Inſel bis zum Jahr 1815 machte, wo die Engländer von derjelben Bei ergriffen, hier ein Fort errichteten und eine Garnifon darein jeßten. Dies gejchah bald nach— dem Napoleon 1. nad St. Helena verbannt worden ar. Afcenfion Liegt weit draußen im Atlantifchen Ozean jeewärts von der Küfte von Afrika und ungefähr 800 e, MI. nordiwärts von St. Helena. Es iſt von dreiediger Geſtalt, se MI. lang, an feinem meitelten Teile 6 MI. breit, und bat einen Flächeninhalt von 88 Q.-Km. Die Inſel it eine der Spißen des unterfeeifchen Gebirgszuges, welcher

das nördliche Beden

des Atlantijchen Ozeans

bon dem

füdlihen trennt. Ihr vulfanifcher Ursprung zeigt fich deutlihb an den zahlreichen Spalten und Schluchten, in welche ihre Oberfläche geborjten ift und die mit Schladen, Bimsftein und anderen plutonifchen Erzeugniffen angefüllt find. Der höchſte Gipfel der Inſel, der jogenannte Green

(grüner Berg), erhebt

fich zu einer Höhe von

2870 e. Fuß. Bon ihm aus jenkt fi das Gelände nordwärts allmählich gegen die Küfte ab; auf der Güpfeite aber endigt die Inſel in fteilen Abjtürzen. Der Küftenverfehr wird häufig gefährlich gemacht dur) den Andrang gewaltiger Wogen, melde ſich plößlich wie eine Grund-

ihmwellung

in der vollftändigften Windftille erheben und

mit furchtbarer Wucht am Strande branden, und deren Urſache noch unbekannt ift. Urfprünglich fand man auf der Snfel nur ſolche Pflanzen, welche wenig Feuchtigkeit

erheifchen, tworunter die Tomate, den Nicinus, den Pfeffer ſtrauch und die kap'ſche Stachelbeere. Die Gemäffer der Inſel wimmeln von Niejenfchildfröten, auf deren Fang ji) die Betvohner bejonders verlegen und von denen durch-

Ihnittlich 2500 Stüd im Jahre gefangen werden.

Diefe

gefangenen Schildfröten erden in zwei großen Zeichen untergebracht, deren Wafjer gelegentlich erneuert wird, und fönnen nur durch Kauf erworben werden, denn der

Bang derjelben am Strande it bei Strafe verboten.

an Fiſchen, worunter

oder in der Nähe der Inſel

Ebenſo

reich find die Gewäſſer

der Conger oder Meeraal der ges

ſchätzteſte iſt. Ein anderer einheimifcher Lederbiffen find die Gier der tropifchen Seeſchwalbe, welche ein Haupt-

nabhrungsmittel bilden und im Gefchmad den Kibiteiern ähnlich fein follen. Man jammelt davon oft im Laufe einer Woche 10,000 Dußende. Dazu fommen nod die verivilderten Biegen und die wilden Perlhühner, welche in ziemlicher Menge auf der Inſel vorkommen, Napoleons Gefangenſchaft auf St. Helena beftimmte die britiiche Regierung, eine Sarnifon nad Afcenfion zu legen, was im Jahr 1815 geſchah, und mehrere Jahre.

hindurch mußte der Bedarf der Garniſon an Lebensmitteln und Waffer mit großen Koiten zu Schiffe dorthin gebracht

erden.

Der Tod

des berühmten Gefangenen im Jahr

1821 machte die Unterhaltung einer Garnifon auf Afcenfion

entbehrlich;

allein die britiſche Admiralität

mollte wo—

möglich die Inſel in ein Proviantdepot für das afrikanische

Geſchwader

verwandeln.

Um

die Ausführbarfeit

dieſes

Planes zu erproben, wurde Kapitän Brandretb im Jahr 1829 beauftragt, die ganze Inſel zu erforschen,, eine gute

Karte davon aufzunehmen und fich zu bemühen, Waffer zu finden.

Lange durchforſchte er jeden Teil des fahlen und

unwirtlichen Felfeneilands mit entmutigendem Mißerfolge. Mit unermüdlichem Eifer trieben er und feine treuen Ges hülfen Schacht um Schacht nieder in der Hoffnung, eine Duelle, wenn auch noch fo tief, zu entdeden, und Brandreths

unerfchütterliher

Glaube

an

das Vorhandenſein

einer

jolhen ward gerechtfertigt. Am Green Mountain, in beträchtliher Meereshöhe, fand er eine folche in einer

Tiefe von 25 Fuß und den

ganzen

Bedarf

von folher Mächtigfeit,

der Inſel liefern

daß fie

zu können fchien,

tvorauf fogleich große Teiche und Nöhrenleitungen angelegt wurden, um fie der Garnifon zuzuführen. Als man nun einen Ueberfluß an

Wafjer

hatte,

Die Felfenwohnungen in Arizona.

wurden die kräftigſten Anſtrengungen gemacht, um einen Teil des Bodens unter Kultur nehmen zu können. Die meiſtverſprechenden Teile des Green Mountain wurden zuerſt bepflanzt und dann in anderen Teilen der Inſel geſchützte Stellen aufgeſucht und der Boden umgebrochen

und bewäſſert. Man nahm ſogar ſeine Zuflucht zu Felſen— ſprengungen und zur Aushöhlung der Berghänge, um den gewünſchten Schutz zu erlangen. Die Regierung that ihr Möglichites, um dieſen Verſuchen einen Erfolg zu ſichern; fie Shidte einen tüchtigen Obergärtner, welcher im botaniIhen Garten zu Kew gebildet worden war und das größte Intereſſe an feinem Auftrag nahm, nad Afcenfion. Die Anpflanzung von jungen Bäumen und Sträuchern, von

Ginſter, Gras und Freiland-Gewächſen ward mit un: gemeinem Eifer betrieben und gelang, und vielleicht den größten Erfolg erzielte man mit auftralifchen Afazia-Arten

(A. mollissima und affinis), welche man in Stedlingen und Ablegern in Löcher von vier Fuß Breite und drei Fuß Tiefe pflanzte und welche innerhalb Jahresfriſt Triebe von ſechs bis fieben Fuß Höhe machten, fo groß ift die

und

Wetterhärte den

Unter

das

anfangs

raſche Wachstum verſuchsweiſe

diefer Bäume,

gefäeten Gräfern var

eine Art, das fogenannte „Para“, wovon Sir William Hoofer vom föniglichen botanischen Garten in Kew, welcher an dem Anbau von Afcenfion von jeher großen Anteil genommen, überfchidt hatte. Diefes Gras gedieh wunder:

833

welche die Wurzelgewächfe angreift und fich befonders von Bataten nährt. Auch Landfrabben find in fehr großer Menge vorhanden und richten großen Schaden an. Ein anderes Tier, die verwilderte Kate, erweist fich ebenfalls als Feind, indem fie nur von Kaninchen lebt und feine

Ratten verfolgt. Gegen alle diefe Plagegeifter mußte ein erbitterter Srieg geführt werden, indem man energisch mit So

Fallen nadjtellte.

Jahre 53 Kaben,

wurden

denn

in einem

einzigen

7400 Ratten und 58,150 Landfrabben

vernichtet. Dagegen hat man die gründliche Bodenkultur auch durch die Einfuhr von Krähen, Minhas und anderen

für die Landwirtſchaft nüglichen Vögeln zu fördern gefucht. Trotz aller diefer Hindernifje ift die Inſel ftufenmweife von

ihrer urfprünglichen

Dede

zu

einer

folch erfreulichen

Beichaffenheit gebracht worden, daß gegenmwärtig etwa 300 Acres unter wirklicher Kultur ftehen und unter anderem Bataten, Kartoffeln, Kohl, Möhren, Kürbiffe, weiße Rüben,

Ananafje,

Bananen,

Endivien,

Schotenbohnen,

Lauch,

Küchenkräuter, Zwiebeln, Kofospalmen-Sämlinge, Kaffee, Zuderrohr, Drangen, Guyaven, Pompelmufen, Feigen: büfche, Melonen, Maulbeeren und Stedlinge verſchiedener Sträucher hervorbringen. Die Inſel bat ungefähr 1000 Acres gutes Weideland für Rindvieh und 5000 Acres für Schafe, und ernährt leicht über 40 Stüd Nindvieh und

erbrückte

700 bis 800 Stüd Schafe. Einige Teile der Inſel find nun gut beivaldet, und etiva 40 Acres find als Obftgärten und Luſtgehölze angelegt, jo daß die waderen Männer,

Im Jahr 1861 wurde Kapitän Bernard zum Gouverneur

welche an der Kultur der Inſel arbeiteten, fich in deren blühendem Zuftande das lebendige Denkmal für ihren

bar, vermehrte fih in erftaunlicher Weife und alles Unkraut und alle kleineren Gräfer. der Inſel ernannt,

und bis dahin war zivar der undant:

Unternehmungsgeift und unermüdlichen Eifer geſetzt haben.

barjte Teil der Aufgabe, Ajcenfion in Kultur zu nehmen, bereit3

gelöft,

allein Bernard

bethätigte denfelben regen

Eifer wie jein Vorgänger und vollbrachte mit Hülfe des Obergärtners Bell in den nächiten Sahren wahre Wunder.

Die Felfenwohnungen in Arizona.

Da man den Mangel an Dünger als befonderen Nachteil empfand, jo juchte man diefen durch Benützung des Guano zu erjegen, welcher in großer Menge auf Boatswain Bird

Island — einem Felfeneiland, welches weſtlich von der Küfte von Aſcenſion liegt — gefunden wurde. Diefer ift nun verdrängt durch den Dünger, welchen das eingeführte Rindvieh Liefert; denn Afcenfion ift nun imftande, eine

große Anzahl von Hornvieh ohne eingeführtes Futter zu ernähren. Die Schafe werden mit befriedigender Schnellig: feit von dem nahrhaften PBaragrafe fo fett, daß fie drei

Monate

nad der Einfuhr beinahe das doppelte Gewicht

Die vierte und ſüdlichſte Eifenbahnlinie, welche das nordamerifanifche Feitland von einem Ozean zum anderen durchzieht, nähert fi) dem 35.0 n. B. entlang raſch ihrer Vollendung und hat in ihrem Verlaufe nad) dem Stillen Ozean bereit3 die San Francisco: Gebirge überjchritten, Diefe Bahn weicht der in höheren Breiten vorhandenen Möglichkeit oder Gefahr aus, im Winter durch gemaltige

Schneefälle blodiert zu werden, und hat daher einen Weg durch eine wenig erforfchte

Negion

in den unabjehbaren

zeigen. Die Inſel iſt allerdings frei von Schlangen, aber nicht von Ungeziefer. Pferde und Rindvieh leiden fehr

Hochebenen von Arizona und Neu Mexiko eingejchlagen. Die Ausdehnung jener Tafelländer iſt Schwer zu ermefjen, denn ihr Flächenraum

ift vielleicht größer als derjenige

von einer Fliege vom Ausfehen einer Stubenfliege, welche

des Deutschen Reiches,

und dennoch war auf demjelben

bi8 vor

furzem

einzelne bleibende menjchliche An:

fiedelung

und das Ganze eine ungeheure Wildnis.

aber

einen

giftigen Biß hat und heftiges Juden hervor:

ruft. Die „Schwarze Raupe”, wie fie zuweilen große Verheerungen unter den man hat bisher noch fein Mittel der gefunden. Der nädftihädliche Feind

dort heißt, richtet Pflanzen an und Abhülfe gegen fie iſt die Feldratte,

Sonne brennt

feine

Die

mit furchtbarer Gewalt auf dieje trodnen,

pellenförmigen Ebenen herab, woſelbſt das Auge meift nicht den mindeften Ruhepunkt findet, wenn es fie bis zum

834

Die Felfenwohnungen in Arizona.

verſchwindenden Horizont“ überblidt; denn hier fehlt aller

Baumwuchs und einige Cactus- over Salbei-Büfche bilden die einzige Vegetation. Allein zu Zeiten verivandeln ſchwere Negengüfje die trodenen Schluchten in tojende Gießbäche und die ausgedörrten Niederungen in breite

Teiche und Seeen und bededen den Boden mit einem feinen Graſe, auf welches Millionen Schafe, Pferde und Rinder von wandernden Navajo- und Moqui-Indianern geführt werden. In den periodiichen Regen, ſowie in geologijchen Erdumwälzungen find die Urfachen jener merfwürdigen

Schluchten und Abgründe nachzuweiſen, welche ftellenmweife die wellenförmige Prärie unterbrechen und fich meilenweit in felligen Engthälern hindehnen, welche man Ganong nennt und die eine charakteriftiiche Cigentümlichkeit der Plains oder höheren Prärien find. Eine der großartigiten und geognoftiich wie landſchaftlich intereffanteften dieſer Thalſchluchten ift der Gafton de Chelly — Shays Cañon

— im nördlichen Arizona. Diejer Cañon verdankt feinen Namen einem Franzofen (Chailly?), welcher als der erfte Weiße denfelben betreten baben ſoll; es exiftiert jedoch von demfelben feine andere Schilderung, als diejenige eines jüngjten Befuches, welchen die Kommiffion der Geologifchen Aufnahme der Bereinigten Staaten diefem Punkte abgeftattet hat. Die malerischen Zuge diefev prächtigen Schlucht ftehen ohne Rivalen da; was derjelben aber nod) ein befonderes Antereffe verleiht, ift die Thatfache, daß an ihren Felfenwänden noch eine Menge von Höhlenwwohnungen zu erkennen find, welche einft in

einer kaum mehr zu ermittelnden Periode der Gefchichte des Menfchengefchlechts eine zahlreiche Bevölkerung beher⸗ bergt haben müſſen. Im Oktober 1882 brach eine Abteilung gelehrter Forſcher unter dem Profeſſor Stevenſon vom Ethnologi— ſchen Bureau in Waſhington unter dem Geleite einer An— zahl von Soldaten und indianiſchen Führern nach jenem merkwürdigen Orte auf. Einer von der Geſellſchaft,

Lieutenant T. V. Keam,

hatte für die Erforſchung der:

ſelben folgende Einzelheiten geliefert; nachdem man von dem nächſten Militärpoſten Fort Defiance aus eine Reiſe von 120 e. MI. zurückgelegt und eine etwa 20 MI. breite Wüfte überquert hatte, war der Eingang zum Cañon de Chelly erreicht worden. Die Sohle der Schlucht beſteht aus lauter Sand, welcher von plöslihen Windſtößen fort: während mit erbarmungslofer Gewalt den Canon entlang

getrieben wird.

Die Wände

der Schludt beiteben aus

totem (buntem) Sandftein; anfangs nur etwa 50 Fuß hoch, ſteigen fie allmählich an, bis fie nac) einer Strede von ungefähr 18 MI. mit einer Höhe von 1200 Fuß den höchſten Punkt erreichen und fo ohne Abnahme der Höhe etiva 30 MI. weiter ftreichen. Profeſſor Stevenfon’s Ge:

jellfihaft lagerte für die erfte Naht 3Ml. von der Münd— ung des Cañon unter einem Hain von Baumwollpappeln

(Populus eanadensis) in der Nähe eines Flüßchens. Hier war die Landſchaft eine höchſt großartige und von tiefem

Eindrud: eine Seitenſchlucht von auffallend großartigem € Charakter duchfchnitt bier die Hauptfchluht und am Kreuzungspunfte erhob fih tie ein Wartturm oder eine Schildwache weitab von der übrigen Felswand ein einzeln itehender, feierlich ausjehender Felsfegel von braunem Öeftein wie ein Säulenfhaft von 800 Fuß Höhe. Als man am folgenden Morgen die Reife fortfeßte, entfaltete

ſich die ernite Großartigfeit und Erhabenheit der Schlucht immer mehr, denn die Wände nahmen noch an Höhe zu und einige mit einer glatten und fchön gefärbten Fläche erhoben fich) bis zu einer Höhe von 1000 Fuß, während andere durch die Eintvirfungen des Waffers, der Vermitter: ung, der Sandjtürme und der Atmofphärilien in groß: artige Bogen, Binnen und Spistürme von jeder denk—

baren Geſtalt zerbrochen und zerfcehnitten waren.

Zuweilen

kam eine ungeheure Deffnung in der Felswand zum Vor: ſchein, welche fi) ungefähr eine Viertelmeile rückwärts erjtredte und an den Seiten mit einer Vegetation von ber:

ſchiedenartigſten Grün bededt war, die bis zum Gipfel reichte, two hohe Föhren mit riefigen Aeſten bis zur Größe eines winzigen Stachelbeerenbufches verjüngt erfchienen und die majejtätifche Eiche ſich nur noch durch den faftiggrünen Ölanz ihres Laubes unterfcheiden ließ.

Am ziveiten Abend wurde das Lager am Fuße einer Felswand

aufgefchlagen,

von

100 Fuß über der Thalfohle

etwa

an

welcher man in einer Höbe

einige Felfen-

wohnungen entvedte. Diefe wurden am folgenden Morgen nad eimer gefährlichen Kletterpartie erreicht, und zwar indem man mitteljt eines über einen vorfpringenden Buſch

geworfenen Geiles an den beinahe fenfrechten Seiten dieſer merkivürdigen natürlichen Feſtung hinanfletterte.e Das Dorf der ehemaligen Höhlenbeivohner lag auf einer nad) Süden gefehrten, ſchmalen Felfenleifte und war von einem ungeheuren Bogen überfchattet, welcher fich in dem foliden feften, anftehenden Geftein der Felſenwand gebildet hatte, Der Fels fprang hier um mindeftens 50 Fuß und in einer Höhe von 60 Fuß über den Ruinen über diejelben vor und ftredte fein ſchützendes Dad) von Ende zu Ende 500 Fuß lang über diefelben hin. Ueber den Rand dieſes roten natürlichen Schildes drang niemals eine Spur von Feuchtig⸗ keit oder Regen herab und ſeinem Schutze, inVerbindung

mit der Trockenheit der Atmoſphäre und der erhaltenden Eigenfchaft des Sandes,

ift zumeift der merfwürbige Zus

ſtand der Erhaltung zuzuschreiben, in welchem die Häufer

der Felſenbewohner nad dieſer langen Zeit noch vorge funden wurden.

Einige derfelben ftanden noch drei Stod-

werte hoch, in kompakter Geſtalt erbaut, dicht bei einander

in dem äußert befchränften Naume, und das zur Stüße des

Daches verivendete Holzwerk war in einigen Fällen noch 4 vollkommen

gefund.

Der als Baumaterial vertvendete

Stein iſt Gyps, welcher mit fteinernen Werkzeugen bear beitet wurde und deſſen Außenflächen ganz glatt zugerichtet und ganz eben hingelegt waren. Die Steine waren alle von gleicher Größe und genau parallel mit einander gelegt,

Die Inſel Fernando Poo. jo daß ſie einen gleichförmigen und gefälligen Anblick darboten. Es wurden bier keinerlei wichtige Weberbleibfel ge: funden, als eine ſchön gewebte Sandale und einige neb=

artige Geflechte aus der Fafer der Nuccapflanze.

Allein

bei der Fortſetzung der Neife wurde 2 MI. weiterhin eine andere Gruppe von Ruinen entdedt, welche Ueberrefte von jehr interefjantem Charakter enthielt. Das Innere von einigen der größeren Häufer war mit einer Reihe von roten Streifen oder Biereden bemalt, deren Farbe noch ganz friſch war. Außerdem enthielt es Bruchftüde von Töpfergeſchirr mit ſchönen Zierraten und anfcheinend Stüde von Deden, welche aus Vogelfedern bergeftellt waren und vielleicht in längjtvergangenen Jahrhunderten die Schultern einer fupferroten Schönen bedeckt hatten, als diefe ernften

alten Wände das Echo der Kriegsgefänge oder des Schlacht: rufs

einer

längſt untergegangenen Völferfchaft im Echo zurücdtvarfen. Allein der glüdlichite Fund an diefem Orte und der erjte derartige, welcher in diefer ganzen Gegend

gemacht

wurde,

Sarges Wänden, beivohner Stellung

oder Sarfophages mit glatt vergypften inneren welcher die Ueberreſte von dreien der alten Felfenenthielt. Das eine Skelett hatte eine hodende und die Haut der Schenkel und Beine var noch

war

eine

Art

aus Holz gezimmerten

ganz gut erhalten. Auch diefe Ruinen waren wie in dem früheren Falle durch einen überhängenden Felfenbogen vor dem Wetter gefchüßt. Auf mehreren Punkten der Neife durch den Canon de Chelly fand man noch Hieroglyphen, welche in die Felfenwand gehauen waren. Die meijten derartigen Zeichnungen waren unverftändlich, allein Tiergeitalten, 3. B. von Bären

und Bergichafen, walteten in ihnen war. Weiterhin fand man ein anderes Felfendorf in einer Höhe von ungefähr 300 Fuß über der Sohle der Schlucht fo erbaut, daß es nicht zu erreichen war und vorausfichtlich noch viele Generationen hindurch von feinem menschlichen Fuß betreten werben kann. Diefelben Elemente und Urgemalten, welche in geologifcher Zeit die Höhlen, Niichen und Winkel in den Wänden des Canon bildeten, haben in fpäterer Zeit die Zugänge zu diefen Feljendörfern zerjtört, fo daß fte heutzutage jogar dem Bären und Coyote feinen Fußhalt mehr gewähren. Man wird wahrjcheinlich niemals zu er—

mitteln vermögen, in welcher fernen Vorzeit und für wie viele Generationen die Felſenbewohner in jenen feltfamen Veſten haujten. An der Sohle des Canon fand man da und dort noch Schwache Spuren von noch älteren Bauten; und man vermutet,

daß

dieſe Negion

einft den Waſſer—

läufen entlang dicht bevölfert gemwefen und daß, nachdem die bier haufenden Stämme

aus ihren Behaufungen durch

einen mächtigen Feind vertrieben worden feten, der Ueber: reſt der Vertriebenen

eine

Zuflucht

in den Höhlen der

Seitenwände des Cañon gefucht und gefunden haben. Das hohe Alter diefer Bauten Tann niemand be—

zweifeln.

Der heutige Indianer weiß nichts von ihrer

835

Geſchichte und hat nicht einmal Sagen mehr, welche ſich auf fie begehen. Der Navajo erbaut ſich aus einigen mit einer

ſchweren Erdfchichte belegten Stangen feinen Hogan oder Wigtvam und bleibt felten Sommer und Winter an demjelben Drt.

Er hat ebenfowenig die Idee, fih ein Haus mie

diejenigen zu erbauen, welche in den Felfenhöhlen noch fo vollfommen erhalten find, als er fich einfallen läßt, ſolch zterliche Thongefäfje zu brennen, wie diejenigen, deren Scherben und Bruchſtücke er noch zwiſchen jenen Mauerreiten findet. Diefe Töpferwaren der Vorzeit zeigen in der Ichönen Be— Ihaffenheit des Thons, in den zu den Henfeln und Griffen benüßten Tiergeftalten und in der allgemeinen Ornamen—

tation einen

hohen Grad

von

Vollkommenheit.

Ganz

befonders merkwürdig find einige Exemplare von joge= nannter plättchenartiger Ware, bei welchen bindfadenähn:

liche Schichten

von Thon mit bewundernswürdiger Ge-

Ihidlichleit und Geduld über einander gelegt find. In diefen Bruchitüden fann man noch immer etwas von der Geſchichte einer untergegangenen Raſſe lejen; fie illuftrieren und erhellen eine dunkle Ede in der Weltgefchichte und Iheinen auf ein Volk hinzudeuten, welches einft höhere ziviliſierende Einflüffe fühlte, als irgend etwas diefen un: gejhlachten heutigen Wilden Belanntes, deren Lagerfeuer num Nachts über die ſchweigende fternenerhellte Prärie ſchimmern.

Die Inſel Fernando Pos. Bon Don Joſé Maria

Gomez

y San Juan.“

Auf der Inſel Fernando Poo leben gegen 40,000 wilde, jedoch friedliebende Neger, welche in 41 Ortſchaften wohnen; außerdem gibt es noch die Hauptftadt der Inſel,

deren ſchwarze Beivohner aber bereits die englifhe Zivilijatton angenommen haben. Die Dörfer der Eingeborenen jegen fih aus Hütten zufammen, welche aus Baumftämmen und Erdflößen erbaut find. Das Dad wird von Palm— blättern gebildet. Die Eingeborenen felbft find indolente Leute, welche nur eine mehlreiche Anollenpflanze namens name, ein wenig Mais anbauen und überdies von dem Gewinn des Palmöls leben, das fie auf eine fehr primitive Weife dem Baum entziehen. Cinige von ihnen bejchäftigen fich auch mit dem Fiſchfang, aber nur für eigenen Bedarf. Das Palmöl und jene Frucht name, welche die Bataten an Größe übertrifft, ihnen aber ſonſt gleicht, verhandeln fie an die Europäer, um dafür Branntwein, Tabaf, Pulver

und Waffen einzutaufchen.

Die Sprache diefer Neger hat

Analogieen mit den Dialelten von Iſibu, Diwalla, Congo und Sechuana, ja mit allen Idiomen aufzuiveifen, welche

vom 5.0 ſ. Br. bis zu dem Kaffergebiet gefprochen werben. Es Fällt jehr jchwer, die Worte diefer Sprache dem Gehör nach wiederzugeben, da die Yaute der europäifchen 1 Aus den Spanischen Manuffript überſetzt von F. Blumentritt.

836

Die Inſel Fernando-Pon.

Alphabete nicht mit jenen dieſer beinahe im Urzuftande lebenden Wilden übereinjtimmen. Die Worte find nach einem Syſtem einfilbiger jehriller Laute gebildet, welche ih dem Bellen unjerer Hunde vergleichen möchte; ich betone das „unjerer”, teil, wie befannt, die Hunde in diefem Landitrih das Bellen verlernt haben und nur — freilich Fräftig — knurren; nebenbei gejagt, find die hiefigen Hunde jehr mutige Tiere. Sch habe demnach in den folgenden VBofabularien die Silben von einander getrennt

und bemerfe hier, daß die Betonung auf die lette Silbe fällt und daß die jpanifche Phonographie zur Tranffription angewendet wurde. Die Fernandiniſche Sprache erinangelt im allgemeinen eines Plurals, bei den wenigen Ausnahmen fehlt der Singular oder ift gänzlih vom Plural verjchieden, 5. B.: Sener (Sing.) )

Sene (Blur.) Der Dorn Die Dörner

\

a-be-chö Ai-put-i-k u-pü

Diia-le E-e-ho-ha,

Sink-i

Mosfito

Pi-ap-i-hä

Große Fliege (moscon) To-in-ki, Auch bei den Zeitwörtern begegnen Berhältniffen, 3. B. regnen

zu helfen. As man im Sahre 1846 eine Kolonie vorwiegend militärifchen Charakters hier anlegte, da brachten

die Spanier von den Kanarischen Inſeln her Tiere in' das Land, welche auf Fernando Poo ganz unbefannt toaren, nämlich Pferde, Maultiere und Efel. Die Eingeborenen, welche zuerſt vor diefen Tieren erſchreckt geflohen waren, mwieherten dann wie ein Vferd, wenn fie von einem

ſolchen jprechen mollten, oder taten, wenn fie des Eſels erwähnten; wollten fie aber den Begriff „Maultier” aus—

Ein kurzes Vokabular

diefer Sprache ! fei an diefer

Stelle mitgeteilt:

Auch die Ableitungen weiſen große Unterfchiede vom Stammwort auf, wie z. B.:

Die Fliege Die Fliegen \

Sprache noch ihre geringe Kenntnis des Englifchen eine Bezeichnung aufweiſt, da wiſſen fie fi auf andere Weiſe

der Größe diefer Tiere,

Der Stern ) f Die Sterne \ " cho-ch6

Die Sand

Bom Wege her Bo-ne-Way, Wo neue Begriffe ihnen aufſtoßen, für welche weder ihre

prüden, jo hoben fie beide Hände in die Höhe, wohl wegen

Jetch-e

Die Hände

jo find in die Sprache der Fernandiner feine fpanifchen oder portugiefiichen Worte gelommen, dagegen haben fie bon den britiihen Palmölhändlern viele Bezeichnungen entlehnt, 5. B.

tvir ähnlichen

Ra-ni-nä

Der Regen Lo-lä. Um zu jagen „ES regnet ſtark“ gebrauchen fie folgende Phraſe: o-bui-tebi-se-si. Ein Unterfchied in den geiten läßt fich bei ihren Verben nicht Fonftatieren, Bei dem geringen Wortfchage ihrer Sprache bedienen ſie ſich englifcher Ausdrücke, wo ihr eigenes Jdiom nicht hinveiht. Die Bekanntſchaft mit dem Englifchen rührt bon den Tagen der britischen Herrfchaft her. Die Bortugiefen entdedten zwar die Inſel bereits im Jahre 1470, gründeten aber auf ihr feine Niederlaffung. Im Jahre 1779 wurde fie an Spanien gegen die Inſel Santa Catalina und die Colonia del Sacramento in Süd-Amerifa eingetaufcht.

Da aber aud die Spanier fih um den neuen Befit nicht fümmerten, jo gründeten die Engländer an der Stelle der heutigen (einzigen) Stadt Santa Sjabel eine Niederlaffung, deren Blütezeit in die Jahre 1827 bis 1832 fällt. Die Briten jtellten diefes Eiland an Spanien wieder zurück, welches in den Jahren 1846 und 1859 bis 1862 Verſuche machte, das Land zu koloniſieren, dieſen Verſuch aber ſchließlich auf— gab, ſo daß heute nur noch eine unbedeutende Flotten⸗ ſtation hier die fpanifche Flagge repräfentiert. Da alfo ° der Verkehr mit den Engländern der nachhaltigite war,

Palmöl

Bi-tä

Stelle, Wohnſitz Geſträuch Baum Sehr großer Baum

In-pam-pä Lo-pä Bo-ta-bo-tä

Kleiner Baum Binden

Bo-ta-bo-eo-eo-ni-na

Alcka

Wafjer

Bop-pi

Vogel

Bo-ta-bo-ta-bo-tä

Sin-o-di

Thonerde

Bai-so-pä

Frohlich Seele Arm

In-yup-hü Bar-ai-bö Lo-bö Bai-so-pä Da-adbe

Kot, Lehm Trinfen Walfiſch

In-tsho-tsho

Weißer Menſch

Ai-pep-he

Weiß

Bo-tot-to

Buchwald Niederwald Betrunfen

Bu-sak-& f

Trunfenbold \

Na-ri-be-ba-hu

Gut

Bo-sat-it-ti

Schiff Canot

Ula-üla Bat-t6

ae

Lo-bä

Strafe Schlange

Ihrö No-h&

Unſchädliche Schlange

Arbehihe

Weiße Schlange

Ai-sap-ai-sap

Schwarze Giftihlange

1 In ſpaniſcher Tranffeiption,

Ai-bi-bil-la

Die Inſel Fernando Poo.

Rieſenſchlange

Korb Kürbis Eſſen Haus Gefährte Finger (an der Hand)

Zehen Daumen Zähne

Innerhalb Hernach

Tag Gott

Er-ru-ku-rik-hu Ai-tuk-a A-tu-bä Tu-ra-ha In-yo-bö E-huai-so-im Bin-n& Bon-es-sü Öne-i-l& Bet-lö Di Ua Bo-ho-ku \ Pot-tu-&

’ Ye-ho-vah

Teufel Der böſe Geiſt

Kou-ka-rou-ko

Geld Schulter, Rücken Matte, Decke Krank

Chi-bü Yu-na Mat-tä Do-pä

Gewehr

I-ta-tä

Eheweib Ausländer, Fremder Sendbote Feind

Huai-so-om Natch-il-o-bo-bi Bo-di-bä Bo-ta-kö Bu-ho-i

Damals, einſt

Na

Jener, Jene (Fem.)

Ne Si-sÖ Lu-lo-lu-tö Mpu-lü O-hi-tä Ta-i-a-la Si-da-sü Ja-hi-ta-& Smo-kö

Begräbnis

Feuer Blume Stirne

Außerhalb Sich ermüden

Frucht Fliehen, ſich flüchten

Kräftiger Mann Böfer Menſch Wunde Sprechen Bruder

Schweſter Kleines Kind Gehen

To-pi-har

Mpo-de& To-eo-rü Jop-ha Di-ä

Holz Lippen Waſchen

Ai-beb-o Thui-hi

Licht

La-a-it

Schüſſel

Ink-ai

Lo-om

U-ip-ä

Weinen Rufen Affe Mutter Weib Greiſin Junges Mädchen Knabe Ehemann Meer

Uvo-di Se-di-el-ha Bo-le-hüod-di Bo-ti-bu-ku-kou-na Bo-ba-ham O-bit-tä

Welt Böſe, ſchlecht

Bo-sal-ai-bi

Ko-lö Hin-ha Em-mi

Ö-but-yo

Vogelneſt

Du-bö

Ameiſenneſt

Do-la

Nein Naſe

Atech-hi Bom-pö Lo-bak-kö Ulai-ai-bi-h& Y-la

Hahn

Ink-hu

Namen

Henne

Nko-h& Bit-tä Co-c0-ro-CÖ Be-cho-ba-bu-ilö Bu-ilö Lu-ka-te Pi-po-lö Ho-ta-tä Ta-tä A-uteh-ai-am Vai-tä U-ha

Wir Nacht

Bu-bi-o-1& Bo-le-bub-a

Lo-tul-hu Uitsch-ai-im Ai-ho-tö Bo-lai Na-tshi-la Ua-tu-a-lä Mko-lä

Schwimmen

Bu-bi

Ki-pi

Dolmetſch Bereden, verleiten Verhindern Verwüſten, verheeren Narr Mond

Si.lo

Schlagen Schmecken, koſten Sohn Tochter Knochen Mann Greis Süngling

Bo-bo-bo-bö “ Bu-sal-a-bi

Ankündigen

Rauchen Kalt

Krieg Häuptling Krieger Krieg führen Prügel (garotte) Volk

837

Wolke

Name (Knollengewächs) Ohren Auge

Schaf Beleidigung Angebot Muſchel Vater

Tu-he

O-chi-ho Bi-i-16 Bat-tü

Nok-kö In-tsho-dü Vik-sa

Ga-ti-ba O-i-sa

Bo-y&

Feder

Bu-t&

Hund Strafe, Züchtigung

Mp-uva

Papagei Pflanze

ibrö In-k6 Di-üo

Die Geſchichte der Expedition des Lieutenant Greely in kurzem Ueberblick.

898

Herkunft

Ar-ti Bu-tä

Stein, Fels Holzitod, Stab Bruft

Uebertrag:

I-atch-4

Eingeborene

Füße Lieben, verlangen Knie

In-tshu-ha Di-kot-t6 U-au-di E-d6

Amerifaner Pon Sierrakeone Krumänner u. a.

Blitz

Bos-o-tshi

Aufenthaltsort Blut Speichel

To-hom

Fiſch

Afrikaner

es

Tuvo-hi Bo-ho To-1ö Kru-bä

Schlaf! Sich niederſetzen Unterthan Sonne Springen Fingernägel, Krallen Vereinigen

129 2 25

549 137 92

Bau-nä

Salz

m. 87

314,

Die Tierwelt der Inſel Fernando Poo ift nit arm; finden fich hier vor: Affen, Vampyre, Hunde (welche nicht bellen), die Hausfage, Eichhörnchen, Stachelſchweine,

Ratten

(welche wegen

und Mäufe

Hirſche,

Schaden verurfachen),

Antilopen,

Wild-

ihrer Unzahl vielen. und Hausſchweine,

Ziegen, Schafe, Nindvieh, Käuzchen, Krähen,

Ohreulen, Adler, aſchgraue Loriz, Wildtauben, wilde und zahme Hühner (europäiſche und Cochindinas), Faſane,

E-di-yü E-to-hi

Singvögel, Enten, Wachteln, Turteltauben, gelbe Sperlinge, Tropikvögel ꝛc. Unter den kaltblütigen Tieren find zu

Nützlich

E-kok-ko-bitä Bi-he-he& Bu-li-hän Vsi-fä

mander, fodann verſchiedene Arten von Schlangen, darunter

Kommen

Plu-hü

eine gefährliche Viper,

Kuh

Ngop-pö

Elle Wahrheit Unkraut

Sa-hä E-let-t&

Skorpione, unzählige Moskitos und Ameifen. Das Meer waſſer ift von Schwarzen Walfifchen, welche bis 50 Fuß lang werden, bevölfert, ſowie von Delphinen, Sarbellen,

nennen:

Nutzpflanzen

Ai-si-kes-ai-ki E-tu-lo

Ich

kö,.

Bon den gebräudlichiten Redensarten jeten erwähnt: Tu-ra-ra Iß irgend etwas Ab-ai-es-se Bielen Danf! O-i-po-de Guten Tag! Na-na-bu-ra-Ö6 Ich muß irgend etwas eſſen Ich benöthige Waſſer

zum Trinken Sagt mir euren Namen Morgen werde ich in eure Hütte kommen

Na-na-bop-pe-pl-hü Bou-li-li-lou otech-ho-u,

Bu bemerfen ift, daß die Eingeborenen der Inſel Fernando-Péoo auf dem Kopfe eine Art Tätowirung als

den dichten Wäldern, welche das gebivgige Terrain der— felben bedecken. Die bedeutendſten Berge find: 2900 m. üb. d. Meeresipiegel Pico de Santa Sjabel

Mejetas de Pellou

2600 m.

Greater de San Lorenzo Meſeta de la Ejperanza

2116 m. 2083 m,

Der Höhenzug von Amparo

1702 m.

Pico de Buenos Ayres

1544 m,

Pico de San Sultan

1496 m.

Cerros de la Virgen

1104 m.

händlern entlaufenen Sklaven, dann folde, die von den Vengas und ValengesNegern der gegenüber liegenden afrifanifchen Küfte abftammen.

Stammesabzeichen tragen, welcher eigentümliche Schmud

genannten Idiomen

in Narben beiteht, zu welchem Behufe ſchon den Kindern Wunden am Haupte beigebracht werden.

gieſiſch zuſammengeſetzt;

Diefe Neger Ieben in völliger Unabhängigfeit von

Raſſenangehörigk. m.

Weiße Mulatten

Neger

w.

89

4

30h

700 305 192 314.

und

Ihre Sprache ift aus den

einem fehr verdorbenen Portu—

dagegen find alle jene portu—

giefifchen Worte, welche den Wilden unbekannte Begriffe

ausdrüden, ziemlich rein erhalten.

in welcher 1106

Herkunft

Spanier

Spinnen,

Auf der Inſel Anobon befindet ſich Feine ſpaniſche Niederlaffung oder Behörde; die Eingebornen, welche 1000 Familien zählen, find Abkömmlinge der den Sklaven:

Ö-bad-ai-na-pl-hü-

der ſpaniſchen Kolonie Santa Iſabel, Menſchen wohnen und zwar

außerdem Honigbienen,

fliegenden Fifchen, Haien, Mufcheltieren, Schildkröten ꝛc. ꝛc. Der Mildreichtum dieſer Infel findet feine Erklärung in

Ek-kö

Inſel

Leguane, Eidechfen, Chamäleone, Fröfche, Sala=

m.

w.

Sr

Portugieſen

3 —

Engländer

Ba 87

Die Geſchichte der Expedition des Lientenants Greely in kurzem Ueberblick. Die Annalen der Erforfhung der Polarwelt find veih an furchtbaren Heimfuchungen, Leiden und Entbehr—

Die Geſchichte der Erpedition des Lieutenant Greely in furzem Weberblid,

ungen — wir erinnern nur an die Expeditionen von Sir Hugh Willoughby, Sir Kohn Franklin und Lieutenant

De Long —

allein faum ift jemals ein günftiger Anfang

zu einem traurigeren Ende gediehen, als es die Gefchichte aufweilt, welche die Ueberlebenden von der BeobachtungsExpedition der Vereinigten Staaten in Smith's-Sund zu erzählen hatten. Am 12. Auguft 1881 landeten 25 Mann

in Discovery Cove, jeewärts von Zady Franklin's-Bai unter 810 44° n. Br. Am 21. Juni 1884 fand man fieben von ihnen noch lebend auf einem Eiland feewärts von Kap Sabine,

wo die Geſellſchaft feit dem Dftober vorigen Jahres ihr

ihr fürchterliches Gefchid

839

ertrugen,

und

den Fleiß, mit

welchem fie die ihnen auferlegten Arbeiten verfolgten und die damit verbundenen Mühfale trugen; wir können dem Lieutenant Greely und feinen Gefährten nur Glück wünfchen zu dem

günftigen Zufall,

errettet wurden.

durch

welchen

fie vom Tode

Den Umfang ihrer Entvedungen haben

wir erſt noch zu erfahren. Diefelben werden größtenteils meteorologischer und magnetifcher Natur fein und ihr

Wert muß überiviegend von ihrem Wechfelbezug

zu den—

jenigen der anderen Circumpolar-Neifen abhängen. Shre geographiichen Ermittelungen jcheinen jedoch befonders in-

andern dem Hunger und der Krankheit erlegen war, meil

terefjant zu fein. Lieutenant Lockwood, welcher unglüdlicherweiſe unter den Toten ift, verfolgte Markham's Route und

fie nicht mehr nach den dänischen Poſten in Nordgrönland

war

zu gelangen vermocdhten.

etwa viertehalb Meilen jenfeit des meiteften nördlichen Punktes zu erreichen, bis zu welchem jene Offiziere ge-

Leben

zu friſten verjucht hatte, two aber einer nach dem

Von

diefen jieben ftarb dann

noch einer, bald nachdem die rettenden Schiffe Godhavn erreicht hatten. Angefichts diefer graufigen Thatſachen ift

jo glüdflih,

fommen

waren.

ein Eiland

Es wurde

unter 830 24° n. Br. oder

ermittelt, daß das berühmte

es Schwer, das Mißgeſchick von Lieutenant Greely's Expe— dition abzuſchwächen oder auch nur vorzufchügen, daß, wenn

ein „Meer von altem Eis” war, fondern eine Maffe dicht

die Greigniffe

zufammengepreßten „Packeiſes“, welches je nach den launen—

jich jo erwiefen hätten,

wie man

fie mit

allem Zug erwarten fonnte, das Unternehmen fich als ein unerhört erfolgreiches erprobt haben würde, anftatt eines der unglüdlichiten und furchtbarſten geworden zu fein, welche jemals gejchildert worden find. Gleichwohl muß man

ji

erinnern,

daß

alles überrafchend

glüdlich ab—

gelaufen war bis zum August 1883, wo die Gejellfchaft, den erhaltenen Weifungen gemäß, ihre Quartiere in Dis-

covery Gone verlajjen hatten. Die ganze Mannſchaft war noch am Leben undgefund: alle Aufzeichnungen über ihre zwei— jährige Thätigfeit waren ficher geborgen, und wenn ihre Hülfs—

„Paläokryſtiſche

Meer”,

mie zu erivarten geweſen, nicht

haften Schwankungen von Wind und Wogen

bleibt.

berftet oder

Grinnell-Land ward überquert und ergab fi) als

eine Inſel, melde im Süden von Arthur= Land durd) Arher-Fjord, die weſtliche Fortfegung von Lady-FranflinBai, getrennt wird. Grinnell-Land wird überdies von

hohen Bergen durchſchnitten, welche gleich den meiſten arktifchen Höhenzügen eisgefrönt find, und enthält (was im Norden

jelten ift) einen See, den „Hazen-See“, von

jenigen von Hall oder Nares, jo waren die von ihnen ge:

60 ©. MI. Länge und 10 e. MI. Breite. Die gegenüberliegende Küfte von Grönland ward nicht erreicht, dagegen erblidte man unter 830 35° n. Br. und 380 829° w. L. das Kap Nobert Lincoln, zwölf Grade jenfeit Kap Beau-

machten Entdedungen doch unendlich wichtiger geweſen. Wären fie in Fort Conger (wie fie ihr hölgernes Haus genannt hatten) geblieben, jo wären ſie höchſt wahrjcheinlich von Kommodore Schley’s Geſchwader gerrettet worden,

mont. Dies beweiſt jedoch feinerlei, noch macht e3 aud) nur wahrscheinlich, daß Grönland mit Franz-Joſefs-Land zufammenhängt, wie man jchlechthin vermutet, fondern einfach, daß, wie ſchon längft angegeben wurde, das öde

obwohl das Fehlichlagen der beiden früheren Expeditionen zu ihrer Auffuhung im „Neptun“, „Broteus”, und „Vans

Zand (Land of Desolation) ſich in einer Reihe zerriffener Inſeln und Vorgebirge oſtwärts zieht und nicht über den

tie” der Stellung zuzufchreiben war, melche fie jenfeit einer

83.0 oder 84.0 hinauf oder weiter oſtwärts reicht, als big

oft den ganzen Sommer

Kap Bismard. Zu diefem allgemeinen Schluſſe gelangte man (vergl. Arctie Papers of the R.G.S., pp. 70 bis

mittel auch unendlich bejchränfter geweſen waren als die

hindurch bleibenden Eisſchranke

eingenommen hatten. Sie waren noch reichlich mit Pro— viant verjehen und hatten feinen Grund anzunehmen, daß fie, nachdem fie auf ihrer Bootreife von Süden Baird’s Inlet erreicht hatten, nicht mehr imjtande jein würden, etwa Xittleton-Eiland, ihr Stelldichein, oder Upernivif, jenjeit der Eisfluten von Melville-Bai, zu erreichen. Selbſt nachdem fie bei Kap Sabine Halt gemacht hätten, dürfte

ihr Schidjal fich beſſer gejtaltet haben, wenn fie die reichlichen Lebensmittel-Vorräte gefunden hätten, welche in jener Nachbarichaft niedergelegt worden waren, in Vor— ausficht gerade des Creignijjes ſelbſt, welches hernach eingetreten war. Es iſt jedoch jegt nußlos, darüber nachzu— grübeln, was

hätte gejchehen mögen.

Wir

fünnen nur

den Heroismus beivundern, mit welchen die Verfchlagenen

73) dur ein Studium der merfwürdigen Verteilung des

Moſchusochſens, des Lemmings und des Hermelins an den beiden befannten Küften von Grönland, und jede feither befannt gewordene Thatfache hat nur zur Betätigung diefer Theorie beigetragen. Cine minder wichtige Beobachtung tft die, daß der Hayes’-Gund fich mindeitens 20 e. MI. weiter nach Weiten erſtreckt, als auf den Karten

verzeichnet ift.

Sm ganzen

nahmen Xieutenant Greely

und feine Öefährten geographiiche Forſchungen auf einem Flächenraum vor, welcher fich über etliche und 40 Längen: und drei Breitengrade bis zu einem Punkt erjtredte, welcher

nur noch 396 englifche oder 80 geographijche Meilen vom Pol entfernt und jedenfalls der nördlichite Punkt tft, den

840

Kleinere Mitteilungen.

der Menfch bisher erreicht hat.

Natürlich kann Ziveifel

darüber erhoben werden, ob die gemachten Entdedungen nicht imgrunde allzu teuer erfauft find dur das Leben von 19 Menfchen und durch die entfeglichen Leiden und Drangfale der ſechs Ueberlebenden. Allein dies ift ein Stück ſympathiſcher Kafuiftif, mit welcher der Gelehrte umfoweniger zu Schaffen hat, als es ja nachgewieſen ift, daß die GefellIhaft während der Forfehungsarbeit jelbft Fein Menfchen:

leben eingebüßt hat. In Wirklichkeit verdankt man zweifel— [08 nur der Förperlichen und geiftigen Nührigfeit, welche bon derartigen Reifen unzertrennlich ift, jene Immunität von Krankheit und Sterblichkeit, welche zwei Sabre hindurch Lieutenant Greely's verlorenen Poſten vor irgend einer der vor ihm in diefelbe Negion veranftalteten koſt— jpieligen Expeditionen auszeichnete,

Aleinere Mitteilungen. Die größten Brüden der Welt. Man hat vor furzem in Rußland bei der Stadt law

eine neue folofjale

Brücke

$efaterinos-

über den Dnjepr eröffnet, welche

durch ihre Länge von 1264 m. den jechften Pla unter den größten Drüden der Welt einnimmt, deren Ueberfiht wir weiter ten geben. Die längfte und ihrer Kühnheit wegen wohl aud) bedeutendfte dieſer wichtigen und gemeinmüßigen Beförderungsmittel des Berfehrs ift ohne Frage die Brücke, welche bei Montreal in Kanada iiber den St. Yorenz-Strom führt. Sie verbindet die Hauptftadt Kanadas mit dem ungeheuren Bahnnetz der GrandTrunk-Eiſenbahn und hauptfählih mit den nach den Vereinigten Staaten führenden Berzweigungen. Ihre Bauart ift einzig in ihrer Art; fie hat eine Fänge von 2637 m., 24 Bogen von je 78 m. Lichtweite und eine 25. und hauptfächlichfte, nämlich mittlere Oeffnung von 106 m, Sichtweite. Die Pfeiler und Landfeften aus Hanftein, in den Granit eingejenkt, welcher den Grund des Strombette3 bildet, tragen ungefähr 20 m. iiber dem höchften Wafjerftand eine ungeheure eiferne Nöhre, in deren Schlund fich die fangen Züge der kanadiſchen Grand-Trunf-Eifenbahn ftürzen. Der Eisgang und die Anhäufung der Schneemaffen haben die Erbamung diefes koloſſalen in der Luft ſchwebenden eifernen Tunnels, des größten, den es im dev Welt gibt, nötig gemadt. Die Brüde ift im Jahre 1857 nad) einer Arbeit von 5%, Zahren eröffnet worden; fie hat ungefähr 32 Millionen Mark gekoftet, und die Gefahren und die Schwierigkeit des Unternehmens find fo groß gemejen, daß dabei mehr als 200 Menjchenleben zugrunde gingen. Die zweite

in der Reihe ift die Brücke iiber

den

als

ein Strom

ift und den fie in einer einzigen

Spannweite von 486,50 m. iiberfchreitet. Die Brückenbahn, 26 m. breit, ift in fünf parallele Wegbahnen eingeteilt, nämlich zwei für die Eiſenbahn, zwei fir die Fuhrwerke und einen für die Fußgänger. Der Entwurf zu diefem großartigen Kunftbau rührt

welcher auch

den Bau geleitet hat. Die Ausführung der Bauarbeiten beanjpruchte nahezu einen Zeitraum von 13 Fahren und einen Aufwand von 64 Mil. ME. Die Rapperswyler Brücke, 1600 m. lang und nm 4 m. breit, führt über den öftlichen Teil des Züricher Sees und verbindet das Städthen Rapperswyl mit dem gegenüberliegenden Seeufer. Sie ift die dritte in der Reihe, macht aber nicht den großartigen Eindrud ihrer amerikanischen Nebenbuhlerinnen, ift nur von Holz und ruht auf Pfählen. Die Eifenbahnbrüde über die Wolga bei Orenburg (refp. bei Siysran) melde in Bezug auf Länge den vorhergehenden folgt, ift von neuerer Bauart (erft 1880 eröffnet worden), 1484 m. lang, hat 13 Bogen oder Oeffnungen, liegt 40 m. über dem Nivean desFluſſes und hat gegen 16 Mill. ME. gefofte. Die Brüde von Moerdyf über die Maas auf der Antwerpen-Notterdamer Eijenbahı hat nur 6 m. weniger als die ruſſiſche Brücke. Die Breite des Fluſſes, welche an diefer Stelle 2640 m, beträgt, ift mittelft Dämmen auf 1432 m. reduziert worden. Die Briice überjpannt den Fluß auf 14 Bogen von je 100 m.Lichtweite. Der im Fahr 1868 begonnene Bau ift im Sahre 1871 vollendet worden und hat ungefähr 10 Mill. ME. gefoftet, wobei höchft merfwürdigerweife die Unternehmer noch um 2 Mill. Franken unter ihren Voranſchlage geblieben find. Wir geben nachftehend eine Bufammey: ftellung der 28 größten und längften Brücken der Welt: Die Brüde von Montreal über den St. Korenz-Strom mit einer Länge von 2637 m, Die Brüde von Brooklyn iiber den Eaft-River 1826 m, Die Rapperswyler Brücde über den Züricher See 1600 m. Die Brücke iiber die Wolga bei Sſysran in Rußland 1484 m, Die Brücke von Moerdyk in Holland 1478 m. Die Brüde über den Diyjepr bei Zefaterinoslam 1264 m. Die Brüde von Kiew über den Dnjepr 1082 m,

Die Schleuſenbrücke über den Nil (Deltafpite) Die

Die Die Die

Die Die Der Die Die Der

Die Die

Eaft-River,

melche die Städte New-York und Brooklyn mit einander verbindet, deren gegenjeitiger Verkehr either durch Dampffähren bejorgt wurde, welche aber beim Eisgang nicht gehen konnten; fie wurde am 24. Mai 1883 dem Verfehre übergeben. Ihre gefamte Fänge mit Inbegriff der Landfeften ift 1826 m. Sie hat eine Höhe bon 41 m. über dem Hochwaſſerſpiegel des Eaft-Niver, welcher mehr ein Meeresarm

bon dem Ingenieur John Röbling her, dem Erbauer der Briice über den Niagara und iiber den Ohio bei Cincinnati,

Die Die Die Die Die Die Die Die

Kronprinz Rudolf-Brüde (im Prater in Wien) ungefähr Brüce bei Krementfchug über den Dnjepr (Rußland) Brüde von Bommel über die Maas (Holland) beiden Brüden von Rotterdam über die Maas ungefähr Miffiffippi-Brüde in Illinois Brüde zu St. Lonis über den Miffiffippi Pont-Saint-Ejprit über den Rhone (Franfreih) Brücke von Kılemborg iiber den Ahein (Holland) Brüde von Cincinnati über den Ohio (Amerifa) Viadukt von Chaumont über das Suize-Thal (Frankreich) Brüce über die Menai-Landenge (England) Brüde von Cubzac über die Dordogne (ohne die beiden Landfeften, welche ihr eine Länge von 1545 m. geben und fie in die vierte Reihe zwiſchen der Rapperswyler und der Sſysran-Brücke ftellen würde) Brüde zu Warſchau iiber die Weichjel Eifenbahnbrüce zu Bordeaur iiber die Garonne fteinerne Brüce zu Bordeaur über die Garonne Brücke von Beaucaire über den Rhone (Sranfreih) Brüde von Tours über die Loire Eiſenbahn-Gitterbrücke zu Mainz Merandersbrice in St. Petersburg Eifenbahnbrücde in Köln

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I

Drud und Verlag der J. ©. Cotta'ſchen Buchhandlung in München und Stuttgart.

1006 m. 980 m. 975 m. 918 m.

850 776 172 738 704 670

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J

Mas SAuslan. Wochenſchrift für Länder: und Völkerkunde, unter

Mitwirkung

bewährter

Fachmänner

herausgegeben

von

der

I. ©. Cotta'ſchen Buchhandlung in Stuttgart und Münden. Siebenundfünfzigiter Jahrgang.

Stuttgart,

Ar. 43.

', Detober.

1834.

Jährlich 52 Nummern & 20 Seiten in Quart. Preis pro Quartal M. 7. — Zu beziehen durd alle Buchhandlungen des In- und Auslandes und die Poſtämter. — Manujkripte und Rezenſions-Exemplare von Werfen der einſchlägigen Litteratur find direkt an Heren Dr. Karl Müller in Stuttgart, Kurzeftraße Nr. 6/11, zu jenden. — Inſertionspreis 20 Pf. für die gejpaltene Zeile in Petit. — —

EEE

Inhalt: 1. Die 2, Der heutige Stand der Aegypten und dem Sudan. S. 858. Der kommerzielle

deutſche Kolonie Kamerun. Nach eigener Anſchauung gejchildert von geographifchen Entdeckung. ©. 846. — 3. Der Mais. (Fortjetsung.) Bon Franz Xaver Geyer, Apoftol. Mijfionar in Kairo. (Fortfegung.) S. Aufſchwung Antwerpens. Das Gift der Klapperſchlange. — 6. Notizen.

Die deutſche Kolonie Kamerun. Nach eigener Anſchauung geſchildert von Dr. Anton

dem vom Reichenow.

Südoſten

fannten Quaqua.

Dr. Anton Reichenow. S. 841. — I. ©. 849. — 4. Reiſeſkizzen aus 854. — 5. Kleinere Mitteilungen: S. 859. — 7. Litteratur. S. 859.

herzufließenden,



noch fehr wenig be:

Durch die ungeheuren Schlammmaffen.

Kontinents einbuchtet, erhebt ſich hart am Meeresufer, bis

welche diefe drei Ströme, wie alle Flüffe Meftafrifa’s, mit ih führen und an ihrer Mündung ablagern, tft ein weites Delta gebildet, welches von zahlreichen breiteren und Ihmäleren Kanälen durchzogen wird, die bald größere

zu 13,000 F. anſtrebend,

Flußarme mit einander verbinden, bald enger und enger

An der Weſtküſte

Afrika's,

da wo

der Atlantik in

der Bucht von Biafra am tiefſten das Geſtade des ſchwarzen ein gewaltiger

Gebirgskegel,

welcher an ſeiner Südſeite ſchroff inden brandenden Ozean abfällt, in nördlicher Richtung aber in einem mit zahl:

werden laufen.

reichen fegelfürmigen Erhebungen bejegten Gebirgsfamm fih fortfeßt. Diefer mächtige, jest erloſchene Vulkan, „Mungo ma loba“, Berg des Donnerers, wie die Ein: geborenen in der Dualla: Sprache ihn bezeichnen, der

die Mangroven, Laubbäume, deren ftarfe Wurzeln aus dem

Kamerun, ie er von den Europäern nad) der ſich an— ſchließenden Küftenlandfchaft genannt wird, bildet mit feinem gleich gewaltigen Zwillingsbruder, dem in kurzer Entfernung von der Hüfte aus den blaugrünen Fluten des Dyeans als einfacher Kegel ſich erhebenden und ein berrlihes Eiland jchaffenden Pik von Fernando Poo, die ungeheuren Pfeiler eines meiten Thores, durch welches man, von Weſten fommend, in die Bucht von Biafra einfährt. Das vom Fuße des Kamerun-Öebirges in ſüd—

und als Sadgafjen Schließlih im Sumpfe ver: Den Baumbejtand diefes Schwemmlandes bilden

Sumpfe hervorragen und neßförmig den fahlen ſchlam— migen Boden überfpannen, auf welchem das jalzige oder doch bradige Waſſer, das ihn durchzieht, bei der Flut teiltveife überfpült, feinen Pflanzenwuchs auffommen läßt. Es zeigt diefe Waldung daher ein ſehr einförmiges, dürftiges Gepräge. Nur bin und wieder unterbrechen die itacheligen Bandanen, mit ihren jchilfartigen, mit jtarfen Dornen bejegten Blättern, die Eintönigfeit des Baum: wuchfes und bilden, ſich die Ufer entlang ziehend, die prächtigjten Bosfetts. Auch das Tierleben ift dürftig

vertreten; nur Strand» und Seevögel

beleben

die Land—

in ſüdlicher Nichtung längs der Ditfeite des

ſchaft. Schlangenhalsvögel ftreihen durch die Luft, Pele— fane und Flamingos trodnen ihr Gefieder auf den Sand: bänfen, weiße und graue Reiher ſtehen, auf Fiſche lauernd, im feichten Waſſer der Uferbucdhten, während der ſchnee— weiße Seeadler (Gypohierax angolensis) über den Wellen ſchwebt und auf umgeftürzten Baumjtämmen in den glühen:

Gebirges binfliegenden Djamur: oder Bimbiafluffe, dem gen Südweſten das Yand durchitrömenden Kamerun und

den Strahlen der Tropenfonne gewaltige Krofodile behag: lich den Panzerleib ſtrecken. Ueber den weichen Schlamm:

öftlicher Richtung fich ausdehnende, die Menonsbucht um: fäumende, flache Küjtenland, aus dichtbewaldeter, fumpfiger Niederung bejtehend, wird von drei Flüſſen durchbrochen, welche in fpigen Winkeln an ihrer Mündung zufammen: fließen, dem

Ausland

1884, Nr. 43.

127

849

Die deutſche Kolonie Kamerun,

grund aber hufchen zahllofe Feine, bunte Krabben, und diefe haben der Landichaft, haben dem mitteliten der

genannten drei Ströne, welcher gegenwärtig der wichtigite, weil der befanntejte, ijt, den Namen gegeben, denn, wie angenommen wird, hat man das Wort „Kamerun” von dem portugiefifhen Camera6 (Krabbe) herzuleiten, indem die erſten europäiſchen Bejucher des Flufjes, die portugiefiſchen Sklavenhändler, denſelben als Krabbenfluß, Rio dos cameraös, bezeichneten. Auch menſchliche Anſiedelungen

vermißt man im Delta.

Nur hin und wieder zeigt ſich

ein Filcherfahn und an einer höheren Stelle des Ufers ſteht wohl eine einfame Hütte, welche Fiſcher nad) ergiebigem

Fang aufſuchen,

um

zu vaften und ihre Beute an der

Sonne zu trodnen. Der untere Lauf des Kamerun,

in einer Ränge von

vier bis fünf deutſchen Meilen, gleicht eher einem tief in das Land fich hineinziehenden Meeresbufen, als einem Fluſſe, indem er die impofante Breite von 10 bis 15 Km. zeigt. Oberhalb des Mündungslandes verengt fich der Strom, wenngleich er auch bier noch eine Viertel- bis eine halbe deutjche Meile Breite hat und für große Seefchiffe befahrbar ift, die freilich, der vielen Untiefen tvegen, menigitens zur Zeit der Ebbe, von einem ort3fundigen Lotſen geführt werden müffen. Während das rechte Flukufer,

wie unterhalb im Delta, no

flach und

fumpfig bleibt,

zeigen ſich auf dem linken fanft anfteigende Höhen, auf welchen in ununterbrochener Folge und vecht malerifcher Gruppierung, umgeben von Bifangplantagen und durchſetzt mit einzelnen bufchförmigen Delpalmen oder fchlanfen

Kokos:

oder Weinpalmen,

eine Reihe Negerbörfer

oder Weinpalme,

welche

mit ihren langen Fiederblättern

die Strohdächer beſchattet, belebt von goldgelben Weber— vögeln, deren künſtliche Beutelneſter an den Blattſpitzen hängen. NYams- und Kaſſave- (Manioka-) Felder ſchließen an die Ortſchaften ſich an, ſoweit das Hügelland reicht; dann aber hemmt dichte, dunkle Oelpalmenwaldung die

Schritte.

In ihrer ganzen

Großartigkeit

entwickelt ſich

hier die formen- und farbenreiche Pflanzenwelt der Tropen. Zwiſchen den Oelpalmen, welche ſtrauchartig ſind, deren rauher, faſeriger Stamm nur 10 bis 15 F. Höhe erreicht, während die Blattitiele freilich eine Länge von 20 big

30 3. haben, erheben fi) einzeln, wie Rieſen aus dem Heere der Zweige, die folofjalen Bombax- oder Woll-Bäume, aus welchen die Neger ihre Kähne anfertigen, zu 80 $. Höhe und darüber anftrebend. Auch einzelne Weinpalmen heben hin und wieder ihr Haupt empor; verſteckt unter dem dichten Palmendache bleiben dagegen die Brotfruchtbäume mit ihren melonenförmigen, fopfgroßen Früchten, die Guaven, Limonen und Apfelfinen und viele andere Bäume,

welche die Palmenwaldung

durchſetzen.

Zahllos ferner

an Arten, über alle Vorftellung reich) an Geſtaltung und Ueppigfeit ijt das Unterholz, aus Büfchen, Stauden und

Pflanzen

gebildet:

faftige, breitblätterige

Canna-Arten,

Farne mit ihren zarten, mehrfach und mannigfach gefieverten

Blättern,

Orchideen,

welche die modernden

Reſte alter

Baumjtämme bededen, hohes Gras, welches den Unterwuchs durchſchießt, und endlich ein Heer von Lianen, von Schlingpflanzen, welche bald dünn mie Zwirnfäden, bald ftarfen Aeſten gleich in phantaftifchen Windungen die Stämme

ſich

umfchlingen, Bäume und Zweige verbinden, und alles tie

hinzieht. Hart am Ufer, am Fuße der Hügelfette, ftehen einige in europäifcher Bauart, aber leicht aus Holzwerk aufgeführte Häufer und vor denfelben, im Fluffe, liegen eine Anzahl abgetafelter Seefchiffe verankert, denn hier ift die Handelsftation „Kamerun“, über welcher jebt die ſchwarz⸗weiß-rote Flagge weht. Verfolgt man den Fluß nocd weiter aufwärts, fo teilt ſich derjelbe bald in mehrere fchmälere, nur für Boote pajlierbare Arme, welche unter einander durch Querfanäle in Verbindung ftehen und fomit zahlveiche Inſeln bilden, um fih erſt unterhalb der DWereinigung feiner beiden Duellflüffe, des Abu und Muri, in eine einzige breitere, aber ſtellenweiſe feichte und daher nur für flachgehende Boote befahrbare Waſſerſtraße zu vereinigen. Die ganze Länge des Kamerun beträgt faum acht deutihe Meilen; den Verlauf der erwähnten beiden Quellflüffe, von welchen der Wuri der bedeutendere ift, fennt man erit auf etwa 3 Km., da die Verſuche mehrerer Expeditionen, weiter ind Innere einzudringen, bisher erfolglos geblieben find. Die Ortſchaften der Kamerun-Neger getwähren einen recht freundlichen Anblid. Ueberall herrſcht die größte Reinlichkeit und Sauberkeit. Die niedrigen Hütten ſtehen zerſtreut, umgeben von üppigen Piſang- und Bananen— Plantagen. Hin und wieder erhebt ſich eine ſchlanke Kokos—

mit einem dichten Netzwerke umfpannen. Uebereinftimmend mit ber Großartigkeit der Vegetation entwickelt ſich auch die Tierwelt in höchſter Mannigfaltigkeit.

Auf Lichtungen im Walde, auf den fchmalen Pfaden, wo die Sonne das dichte Laubwerk durchdringt und die duf— tenden Blüten der Pflanzen und Sträucher öffnet, ſchwärmen farbenprächtige Schmetterlinge, Weſpen mit metallifch-

Ihimmernden

Flügeln und bunte Käfer in reicher Zahl.

Große Fledermäufe hängen in den Ziveigen; gewandt laufen Eichhörnchen die ſchwankenden Blattftiele der Del-

palmen entlang.

Die Eleinen Honigjauger, die Vertreter

der Kolibris in der alten Welt, ſchaukeln fich in den Schlingpflanzen. Auf Inſekten Iauernd fiten an ben

Baumftämmen votlöpfige Eidechjen, die Agamen, und das

bedächtige, die Augen unabhängig von einander gleichzeitig nach verjchiedenen Richtungen drehende Chamäleon, während große Nashornvögel auf den trodenen Aeſten der Woll— bäume ſich niederlafjen und Schaaren von Graupapageien, unjerer beliebten Stubengenofjen, die bier in der Kamerun: gegend das Zentrum ihrer Verbreitung haben, über die

Baummipfel ftreichen. Durch das Didicht der Waldung ſchleicht die Zibethkatze; grunzend fucht das Pinſelohrſchwein die öligen Palmkerne, und auf die zierliche, weißgefleckte Buſch-Antilope lauert im Geftrüpp das größte Naubtier

Die

deutſche Kolonie Kamerun.

der Kamerungegend, der geſchmeidige Leopard. Zu argen Plagen für die Eingeborenen ſowohl, wie für die Europäer werden oft die Moskitos, die alles zerſtörenden Termiten, die Sandfliegen, mikroſkopiſch kleine Inſekten, welche zu Tauſenden ihr Opfer überfallen, Geſicht und Hände plötzlich ſchwarz bedecken, und ein unerträgliches Jucken auf der Haut erzeugen, endlich die Wanderameiſen, welche in von Millionen Schaaren das Land durchziehen, auf Stellen,

welche ihnen Beute bieten, ſich ausbreiten und alles tieriſche Leben vernichten. Eiligſt müſſen die Neger aus den Hütten fliehen, wenn dieſe kleinen ſchwarzen Unholde auf ihren ruheloſen Wanderzügen die Ortſchaften berühren. An

freieren Stellen, in Plantagen,

trifft man

die giftigſte

Trotzdem find diefe braunen Schönen

nicht frei von Eitelfeit

und

verwenden

große Sorgfalt

auf die Haartouren, indem fie einen vom Wirbel fpiralig um den Kopf laufenden Scheitel oder eine Scheitelung von

drei Fonzentrifchen Kreifen abteilen und das Haar zwifchen den Scheiteln in zahlveiche, kurze, anliegende Flechtehen zufammenflechten, durch welche dann häufig ein recht künſtlich aus Elfenbein ausgeſchnitzter Pfeil geſteckt wird. Letzterer hat neben demjenigen der Zierde noch einen praktiſchen Zweck, indem er dazu dient, das reiche Tierleben, welches in dem dichten krauſen Haar ſich anſammelt und den dunkelfarbigen Schönen oft recht läſtig wird, in Raiſon zu halten. Die Stellung der Frauen iſt, wie bei allen Neger— ſtämmen, eine ſehr untergeordnete. Sie gelten kaum mehr

bärt, wird fehr hoch gehalten. Auch Mütter vieler Töchter

120 bis 150 Pfund haben.

erfreuen fich, weil die Mädchen an ihre zufünftigen Männer verkauft werden und fomit dem Vater Einkünfte verfchaffen, einer befonderen Achtung feitens ihres glüdlichen Ehe—

Die Eingeborenen, welche gegenwärtig die Kamerun— gegend bevölkern, die Dualla,

eingewandert, Abkömmlinge

ſind von dem Gebirge her

der noch jetzt die Berge be—

wohnenden Bakwiri, und haben die Urbewohner des Tief: landes, die Quaqua, weiter ins Innere zurückgedrängt. Die Dualla haben einen ſchönen, kräftigen Körperbau, aber häßliche Geſichtszuge, was beſonders beim weiblichen Geſchlecht auffällt. Auch ſind ſie geiſtig auffallend ſtumpf,

der Bildung

wenig zugänglich — daher die dort ſtatio—

nierten engliſchen Miſſionare nur ſehr unbedeutende Er— folge zu verzeichnen haben — dabei ungemein träge, ſpitz— bübiſch und hinterliftig. Tätowieren der Haut, welche eine hellbraune Farbe bat, iſt wenig gebräuchlich; nur auf der Bruft bemerkt man öfter fchwarze Hgeichnungen, Pfeile oder Kreife, welche eine beftimmte Bedeutung haben, als

Crfennungszeichen

für die Mitglieder

gewiſſer Geheim-

bünde dienend, welche ſowohl unter den freien Negern, vie unter den Sklaven und Weibern vorkommen. Die Kleidung befteht ſowohl bei Männern wie Frauen nur in einem ſchmalen, um die Hüften gefehlungenen Streifen

Baumtvollenzeuges, welcher von den Europäern eingeführt wird. In Ermangelung eines folchen wird ein Gürtel aus trodenen Bananen-Blättern angefertigt.

Kinder gehen

ganz nadt. Die Weiber durchbohren ihre Obhrlappen, bis: mweilen auch die Najenfcheidewand und ſtecken durd) die

als Haustiere und bilden neben den Sklaven das Beſitztum des Mannes. Nach ihrer Fruchtbarkeit find fie von letzterem

gefchäßt,

und

ein Weib,

welches Zivillinge ges

gatten.

Die Hütten dev Kamerun-Neger haben die Form läng— licher Nechtede mit ſchräg anfteigenden Firſtendächern nad) europätfcher Art und find auf einem zwei bis drei Fuß hohen Lehmſockel errichtet. Die Wände werden aus einem Sitterwerf von den Blattjtielen der Delpalme hergeftellt und mit den Schalen der Bananenftämme befleidet. In

der Mitte der einen Längswand

befindet fich die Thür:

Öffnung, welche dur ein Mattengefleht oder eine Thür aus Planken geichlofjen werden kann. Fenfterlöcher fehlen; nur das durch die Thüröffnung eindringende Licht erhellt den Raum, welchen der Neger eigentlich nur als Schlaf: jtelle benußt. Das Dad wird mit Balmblättern gededt. In der Negel find mehrere Hütten mit den Giebelfeiten aneinander gebaut, und eine ſolche Hüttenreihe bildet das Befistum eines Samilienhauptes. Von letzterem wird eine der Behaufungen bewohnt;

die übrigen find für die Weiber und Kinder beftimmt oder

dienen als Kochpläge. Vor jedem Haufe oder jeder Häufer: veihe befindet ſich ein freier Platz, der für verfchiedene Arbeiten, zur Einnahme der Mahlzeiten jeitens der Haus:

betvohner, als Tummelpla für die Kinder, zu Verſamm— lungen und dergleichen benußt wird. Bon Haustieren werden hauptfächlich Ziegen, Schafe

nad) und nad) mit größeren vertauscht werden, fo daß die Ohrlappen ſchließlich in einen weiten Ning ausgezogen

und Hühner gehalten. Eine Ffleine, ſpitzſchnauzige und glatthaarige Hundeart zieht man meiftens für die Küche; denn das Hundefleifch dient als Delikatefje. Mit Aus: nahme des leßteren und der Schmadhaften Fische, an welchen der Kamerunfluß außerordentlich reich ift, genießt der

ſind. Es herrſcht ferner die Unſitte, den Kindern, ins— beſondere den Mädchen, die Augenwimpern auszureißen, wodurch deren ohnehin wenig anmutige Gefichtszüge noch

Neger jelten Fleifh; die Nahrung ift vorzugsmweife eine vegetabilische, beitehend in Piſang und Bananen, Yams, Maniok und Erdnüſſen. Alle Speifen werden mit dem

entjtandenen Löcher, um diefelben zu erweitern, Holzſtifte Aa as Ja und Pfropfen von Gras oder Bananen-Blättern, melde



mehr entjtellt werden.

aller Schlangen, die Puffotter, ſowie die kaum weniger gefährliche, in Kamerun ſehr häufige, Brillenſchlange. Im Wuri leben außerordentlich zahlreich die Flußpferde, welche aus dem Kamerun durch die Schußwaffen bereits verdrängt wurden, und in den Vorbergen des Kamerun— gebirges, am Djamur, treten Elefanten in ungemeiner

Häufigkeit auf. Nicht gar ſelten werden von den Ein— geborenen Elefantenzähne gebracht, welche ein Gewicht von



843

Die deutſche Kolonie Kamerun.

844

aus den Früchten der Delpalme gewonnenen Del, welches aud den wichtigſten Handelsartifel bildet, zubereitet. Dasſelbe hat frifch einen jehr angenehmen Geſchmack und Fiſche in Palmöl gekocht oder Palmölfuppe mit „Dufu“ (Schaumflöße aus geſchlagenen Yams) dürften auch die verwöhnten Gaumen europätfcher Feinſchmecker angenehm

der Pfanne fürchtend, wendet der Schüße beim Losdrüden den Kopf weg; an ein Treffen ift da natürlich nicht zu denken. Auch fommt es niemals zum Handgemenge. Vielmehr nehmen beide Parteien Defenfivitellungen hinter Bäumen, Gräben und fünftlichen VBerfchanzungen ein und beſchießen einander wochenlang, ohne Fortſchritte zu machen,

am

wenn es nicht einer der Parteien durch Ueberrumpelung des Gegners gelingt, einen Vorteil zu erringen. Auch zu Wafjer

Feuer geröftet, die Stelle des Brotes, denn Mais wird

werden Gefechte geliefert in £olofjalen Kriegsfähnen, deren

von den Kamerun-Negern nicht gebaut. Ein fehr beliebtes Genußmittel ift der aus der Weinpalme gewonnene Palm— wein, Mimbo genannt, welcher einen jehr fügen, angenehmen Geſchmack, ähnlich dem unferes Birkenwaſſers, hat und ſehr beraufhend if. Man kocht auch den Palmwein einige Zeit, wodurd er zwar feine angenehme Süße ver— liert und ungefähr den Geſchmack unferes jogenannten MWarmbieres annimmt, dann aber bejjer fich aufbewahren läßt und auch für den Europäer zu einem gefünderen Getränfe wird. Staatlihe Einrichtungen fehlen bei den Dualla voll ftändig. Die einzelnen Dörfer haben ihre Häuptlinge, welche durchaus unabhängig einander gegenüberftehen, ſoweit nicht der mächtigere einen Einfluß auf die Nach: barn ausübt. Bejtändiger Hader und Streit ijt natürlich die Folge folcher Verhältniffe und die Kriege nehmen fein Ende. Da der Tod eines freien Mannes, auch menn leßterer im Kriege gefallen, Blutrache fordert, ſolche aber wieder eine neue feitens der Gegenpartei nach fich zieht, jo fönnen die Kämpfe niemals beigelegt werden. Die beiden mächtigſten Häuptlinge der Ramerungegend, Bell

Bug dann in der Negel mit einem eigenartigen Emblem einer aus Holz gefchnigten und bunt bemalten phantaftiichen

reizen.

Die Bifangfrüchte vertreten, noch unreif gepflüdt,

bevor der Mehlftoff fih in Zuder umgefeßt hat, und

und Aqua, jtreiten fih bejtändig

um

die Oberherrichaft

und liegen faft dauernd in Fehden miteinander, an welchen die fleinen Herrfcher, die in der Mehrzahl zu jenen in verwandtichaftlichen Beziehungen jtehen, Deido, Priſſo Bell, Macuri, Toby, Bob Mango und wie die hochklingenden Namen find, welche diefen fogenannten „Königen“ von den europäischen Kaufleuten beigelegt wurden, Bartei ergreifen. Die Einfuhr von Schußwaffen und Pulver ſeitens der Europäer hat die einheimischen Waffenarten, Lanzen, Speere und Pfeile, vollftändig verdrängt. Nur furze in Scheiden von Ziegenfell ftedende Schwerter werden von den Negern jelbjt gefertigt und dieſe, nebjt einer zur Aufbewahrung des Pulvers bejtimmten Kürbisflaiche und einem Lederbeutel für das Blei, an einem furzen Gehänge über die linke Schulter getragen, ſowie eine aus Flechtwerk hergeftellte und mit Ziegenfell überzogene, halb: fugelfürmige Kriegsfappe und die Musfete bilden die Aus— rüftung der Krieger. Meiftenteil3 find Feuerſchloßgewehre im Gebrauch, natürlich ganz elende Schießprügel, die faum begreiflih die ungeheure Pulverladung aushalten, welche

die Neger hineinſtecken.

Daneben findet man aber aud)

Hinterladerbücfen. Trotz folcher Bewaffnung bleiben die Kämpfe recht harmlos, da die Neger mit den Gewehren nicht umzugehen lernen. Das Aufbligen des Pulvers in

Tiergeftalt verziert ift. Diefe Kähne foffen 50 bis 60 Mann, von welchen die Mehrzahl die furzen, mit ſpitzovalen

Spateln verfehenen Ruder führt, während die übrigen mit Büchfen beivaffnet find. Zwei feindliche Kähne halten fich, einander befchiekend, in refpeftvoller Entfernung. Sobald aus dem einen ein Schuß fällt, liegt die Bemannung des

Gegners in der Negel auf dem Boden des Fahrzeuges oder ipringt auch wohl über Bord, wenn die Kugel ausnahms:

weiſe nahe über die Köpfe hinzifchte.

So werden denn in

den Gefechten nur wenige Menfchen vertvundet und zwar in der Negel Unbeteiligte, twelche eine fehlgegangene Kugel zufällig erreicht. Hin und wieder erhält die Erbitterung

dur

Abfangen

einzelner Leute, denen

natürlich jofort

der Kopf abgefchnitten wird, neue Nahrung; ſchließlich ermüben die Parteien oder werden durch die Verwundung hervorragender Perfonen entmutigt und es tritt eine längere Paufe ein, bis der ungefühnte Tod eines im Kriege Gefallenen wieder Vorwand zu einem Morde und

damit Anlaß zu neuen Kämpfen wird. Eines eigenartigen Telegraphenfyftems ijt noch Er— wähnung zu thun, welches in der Kamerungegend erijtiert, und welches durch Trommelfignale erzielt wird. Die Trommel, ndimbe

genannt, bejteht aus einem länglichen, eiförmigen

ausgehöhlten Holzitüd von etwa 3 F. Länge und 11 F. Höhe, welches an der oberen Längsſeite eine jchmale, jpaltförmige Deffnung hat, die durch einen Gteg in zwei uns gleiche Teile geteilt wird. Je nachdem man nun ver— mittelft eines Holzklöppels auf das eine oder andere Ende des Spaltes jchlägt, werden verſchiedene Töne hervor: gebracht. Durch diefe und verſchiedene Rhythmen des Trommelns erhält man eine Anzahl von Signalen, melde

ganz bejtimmte Bedeutung haben, und diejes Signaliyitem ift derartig ausgebildet, daß man jeden Gedanten durd) die Trommel zum Ausdrud bringen fann. Zwei Ort— ſchaften können fich fo in einer Entfernung, in welcher die

menfchliche Stimme nicht mehr vernommen mird, miteinander unterhalten. Jedes Ereignis in einem Dorfe wird ausgetrommelt. Das Signal wird fogleich im nächjten Orte weitergegeben und innerhalb furzer Zeit ift fofort die ganze Kamerungegend von dem Vorfall unterrichtet.

Die europäischen Kaufleute hatten bisher in Kamerun, wie an den meijten fogenannten „Delflüffen” an der weſt— afrikaniſchen Küſte, keine Faktoreien

am Lande, ſondern

Die deutsche Kolonie Kamerun.

wohnten mit Hab und Gut auf Schiffen, welche im Fluſſe verankert wurden. Es geſchah dies hauptſächlich der Sicherheit wegen, zum Schutze gegen Beläſtigungen ſeitens der Neger, gegen deren unvermeidliche Diebereien und

gegen

die Störungen,

welche der beſtändige Hader der

Schwarzen unter einander bereiteten. In neueſter Zeit hat man zwar angefangen auch am Lande Mohn: und Handelshäufer zu errichten; die Mehrzahl der Kaufleute aber wohnt noch jetzt auf Schiffen, und dieſe ſchwimmen—

den Wohnungen

oder Depots find ziveierlei Art.

Ent:

weder werden die mit Taufchwaren in den Fluß einlaufenden Seefchiffe im Strom verankert, abgetafelt, ihre Deds zum Schutze gegen die glühenden Sonnenftrahlen mit einem Dache aus Palmblättern verfehen und bleiben

jo lange liegen, bis alle Waren verfauft find und der Schiffsraum dafür mit den Landesproduften gefüllt ift, oder aber es werden eigens für diefen Zived eingerichtete Schiffsrumpfe, fogenannte „Hulks“, dauernd verankert.

Man benust als folche meijtens alte, unbrauchbar gewor— dene und deshalb an Privatleute verfteigerte Kriegsschiffe. Yu ihrer Bedienung und zur Arbeit auf den Schiffen

haben die Kaufleute, da die Eingeborenen von Kamerun zu träge und zu jeder Arbeit unbrauchbar find, Kru-Neger im Dienft. Es find dies die Eingeborenen von Kap Balmas, welche man Gabun, im Dienjte auf mehrere Jahre Ablauf diefer Zeit

in dem ganzen Ober-uinea, bis zum der Europäer findet und die fich ftets auf den Schiffen vermieten, um nad) von Landsleuten abgelöft zu werden.

AS Köche hingegen werden die Neger von Ankra, an der Goldfüfte, gern beichäftigt.

In ihren ſchmalen Kähnen bringen die Eingeborenen ihre Zandesprodufte — die wertvolliten find Palmöl und Elfenbein, daneben Balmferne, Rotholz und Ebenholz — an Bord der Hulls und taufchen dagegen Baumtvollenzeug, Rum, Tabak, Gewehre, Pulver, Salz, Seife, Perlen, Bandeifen, Beile, Meſſer und andere Erzeugniffe euro:

päiſcher Induſtrie ein. Die Kaurimufchel ift zur Vermittelung des Handels in Kamerun nicht gebräuchlich, eben: ſowenig gilt europäisches Geld. Man bejtimmt aber den Wert der Produkte nad einer gewiſſen Einheit, welche

das „Kru“ genannt wird. oder

ein gewiljes

Gewicht

Ein beftimmtes Maß Palmöl Elfenbein

wird als Kru ge:

rechnet und dem entjpricht wieder ein Kru in europätfchen Waren,

melde man

dafür zahlt und die den Wert von

ein Pfund Sterling baben, wobei freilich nicht der Einfaufg:, jondern der Verkaufspreis der Waren als Wert angenommen wird. Eine Fleinere Einheit, der zwanzigſte Teil vom Kru, ift das „Bar”, was in Waren den Wert eines engliſchen Shillings repräfentiert. So gilt ein Bund Tabaf, ein Meſſer, ein Bund Berlenfchnüre ein Bar.

845

einen möglichit hoben Preis zu erzielen. Hat man fich nad langem Feilfchen auf eine getviffe Anzahl Kru für die angebotenen Produkte geeinigt, jo geht es an das Auswählen der Waren. Da gefällt nun dem Neger bald diefes, bald jenes Muſter in den Baumwollenſtoffen nicht. Hat er zuerft Zeug genommen, jo till er nachher dafür Gewehre haben; dann fällt ihm ein, daß er doch eigentich ftets jehr großen Durft habe, und fo entjcheidet er ſich ſchließlich für Rum, Alles wird auf das forgfältigfte geprüft, nicht der geringjte Makel überfehen. Und wenn das Geſchäft dann endlich abgefchloffen ift, jo wird noch

ein „Daſh“, ein Gefchenf, verlangt. Bedeutenderen ſchwarzen Händlern machen die europäifchen Kaufleute, um deren Kundſchaft ſich zu fichern, nicht felten wertvolle Gefchenfe, und jo findet man oft in den armfeligen Mattenhütten große, mit Öoldrahmen verfehene Spiegel, prächtige Vaſen,

Yampen

und

andere. Lurusgegenitände,

deren Wert der

Neger gar nicht zu würdigen verjteht.

Was

die Bedeutung

von Kamerun

als Befitung

des Deutjchen Neiches betrifft, jo ift die Wichtigkeit diefer

Kolonie als Handelsplag nicht zu unterfchäßen.

Es werden

ganz bedeutende Duantitäten von Palmöl und Elfenbein exportiert, Die Ausfuhr hat in den legten Jahren ſich jtetig gejteigert und wird noch fteigerungsfähiger werden, jobald es gelingt, das jest noch ziemlich abgejchlofiene Hinterland dem Handel zu öffnen. Ein Zugang zum zen— tralen Afrika ift freilich mit dem Kamerun bei der Kürze des ſchiffbaren Laufes desfelben zur Zeit noch nicht gewonnen ; vorausfichtlih aber wird der jetzt noch wenig befannte Quaqua in Zulunft als eine geeignete in's Innere führende Handelsitraße ſich erweiſen. Seiner Lage im Zentrum der weſtafrikaniſchen Befigungen entſprechend, kann Kame— run auch als Flottenſtation für Deutſchland Wert er— langen. Es wird auch möglich werden, in den Bergen Kaffee— und Kakao-Plantagen anzulegen, obwohl derartige Ver— juche bei der Unbrauchbarfeit der Eingeborenen als Arbeiter auf nicht unbedeutende Schwierigkeiten jtoßen müſſen. Niemals aber wird dort eine Ackerbau-Kolonie im gebräuch— lihen Sinne des Wortes, eine Anfievelung für Auswan— derer, geichaffen werden können, denn in dem afrikanischen Tropenklima kann der Europäer fich nicht afflimatifieren und Kamerun ift von allen Punkten der mit Necht ver: rufenen Weſtküſte Afrika's einer der gefährlichiten. Malaria: fieber und Leberkrankheiten treten bier in höchſt bösartiger

Form auf.

In England hieß es früher von den weſt—

afrikanischen Kolonien, daß für diejelben jtets zwei Gouver— neure unteriwegs ſeien, der eine, welchen man tot zurück— bringe und der andere, welcher hinausgehe, um des Berftorbenen Stelle einzunehmen. Wenn fih nun aud in neuerer Zeit durch richtigere Behandlung der Krankheiten,

Der Taufchhandel mit den Eingeborenen iſt ein entſetzlich langwieriges und langweiliges Gefchäft, da der Neger die Bedeutung des Wertes der Zeit nicht kennt,

mancherlei Erfahrungen binfichtlih der Lebensweiſe und

lange überlegt, aber auch viel Schlauheit entiwicelt, um

günftiger gejtaltet haben, jo iſt doch die Sterblichkeit unter

Ausland

1884, Nr. 43.

eine gefündere, dem Europäer zujagendere Ernährung, wie fie die Konferven gejtatten, die Verhältniſſe etwas 125

846

den in Kamerun

Der heutige Stand der geographiſchen Entdedung.

eine erjchredende,

daß der Fuſiyama ſelbſt im dritten Jahrhundert vor un:

Man kann jagen, daß für den nach Kamerun fich begebenden Europäer die Wahrfcheinlichkeit, innerhalb weniger Sahre in fremder Erde gebettet zu liegen, größer ift, als die Ausficht auf eine glüdliche Heimfehr. Wenn ſich ſomit aber auch die fanguinifchen Hoffnungen derjenigen nicht erfüllen können, welche mit der Befigergreifung von Kamerun ein Land gewonnen glaubten, welches geeignet fein twürde, die Heberproduftion an Menschen

weilenden Kaufleuten

jerer Zeitrechnung emporgetrieben worden fet. General Lefroy berührte dann leicht den Fortfchritt,

in Deutjchland, den Strom der Ausivanderer aufzunehmen, jo hat doch die Entfaltung der ſchwarz-weiß-roten Flagge an der Weſtküſte Afrika's die größte Wichtigkeit für den deutſchen Handel, und e8 iſt mit dev Befitnahme Kamerun’s, Dank dem energifchen Eingreifen unferes großen Neichekanzlers, noch in leßter Stunde eines der Eingangsthore zum zentralen Afrika für Deutjchland gefichert worden, deſſen volle Bedeutung zu würdigen einer ferneren Zukunft vorbehalten bleibt.

Der heutige Stand der geogenphifthen Entverkung. In der jüngften Jahresperfammlung des Britischen Vereins für die Förderung der Wifjenfchaft zu Montreal hielt am 28, Auguft d8. Is. der General Sir 9. H. Lefroy, Vizepräſident der Königl. Geographiſchen Geſellſchaft und Präſident der geographiſchen Sektion der Berfammlung, einen längeren Vortrag. Nach einigen einleitenden Bemerlungen, welche ſich auf feinen früheren Beſuch in Canada bezogen, fpielte Herr Lefroy auf die Beziehungen der Öeographie zur Geologie an, tvie fie fich in den Veränder— ungen der Erdoberfläche innerhalb der geichichtlichen Zeiten durch die Thätigkeit geologifcher Urfachen mit Beispielen belegen lafjen. Er verwies auf Dr. Hahn, welcher 96 mehr oder weniger ausgedehnte Landftriche nachgewieſen, welche Niveau-Aenderungen erlitten haben, beziehungsweiſe

ſich gehoben oder geſenkt haben.

3.8: Mr. RA. Pea⸗

cock hat verſchiedene Zeugniſſe beigebracht, daß die Inſel Jerſey zu Ptolemäus' Zeiten noch nicht vorhanden war,

und Mr. A. Howarth hat ähnliche Beweiſe hinſichtlich der

arktiſchen Regionen geſammelt, welche durch jede neue Entdeckung, namentlich diejenigen des mutigen und leider unglücklichen De Long und von Nordenſkjold vermehrt wer— den. Profeffor Hull ift zu dem Schluſſe gekommen, daß das Land zwiſchen Suez und den Bitterſeeen erſt ſeit dem Auszug der Iſraeliten aus Aegypten ſich gehoben habe; und aus der Landesvermeſſung von Indien geht „beinahe mit Gewißheit“ hervor, daß das mittlere Meeresniveau zu Madras einen Fuß niedriger iſt als es vor 60 Jahren war. Aus den chineſiſchen Jahrbüchern erfahren wir, daß der ſogenannte Heiße See (Myk-kul) von Turkeſtan ſich erſt vor 160 Jahren bildete, und es ſcheint Fein genügender Grund vorzuliegen, um die japanefische Cage zu verwerfen,

welcher in unferer Kenntnis der Geographie des Domini: ums bon Canada gemacht worden ift, welches innerhalb

feiner Grenzen den Pol der vertifalen magnetischen Anziehung oder ſogenannten magnetischen Bol und den Focus

der größten magnetijchen Kraft, welchen man ebenfalls oft, aber unvichtig einen Pol nennt, enthalte. Der erxitere von diejen Punkten wurde 1835 von Roß entdeckt, im Mat 1847 von Offizieren der Franklin'ſchen Expedition wieder beſucht, deren Beobachtungen jedoch verloren ges gangen find, und wurde ganz oder doch nahezu von

MeClintod im Jahre 1859 und von Schwatfa im Jahre 1879 erreicht. Keiner von diefen Forſchern war aber leider für Beobachtungen ausgerüftet. Das größte Intereſſe

knüpft fih nun an die Frage, ob der magnetifche Bol feine Tage binnen 50 Jahren verändert hat, und ob er wahr: Iheinlih zu Lande und ohne die großen Koften einer arktiichen Expedition erreichbar ift. Der Focus der größten magnetischen Kraft, welcher in der Nähe des Katzenſee's liegt, tft noch niemals befucht worden, obwohl ihm Dr. R. Bell bis auf 200 e. Mi. nahe kam. Dieſe beiden Ziele und die Erforſchung eines beinahe unbefannten Landſtrichs von etwa 70,000 e. Q.⸗Ml., welche öftlih vom Athabasca— Strom liegt, find der Bemühungen des wiſſenſchaftlichen Chrgeizes und der Energie der Bewohner von Canada und feinen Zubehörben für würdig erklärt worden. Der

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General jpielte auch auf die Ausdehnung und die MWichtigfeit des Miſſaſſini-See's an, welcher neuerdings in einem nicht jehr entlegenen Teil der Domimien entdeckt worden, — eines See's, welcher an Größe dem Ontario, wo nicht gar dem Obern See nahe komme.

Er erwähnte ferner des Berichts des Lieutenants N. P. Nodgers von der Marine der Vereinigten Staaten

|

über den Stand

|

der Arbeiten

am Panamä-Kanal

vom

25. Januar 1884 und verlas die amtlichen Berichte über den Betrag der Ausgrabung

vom Oftober 1883 bis März 1884,

woraus hervorgeht, daß die Summe der monatlichen Aus— grabung während diefer Zeit bedeutend geftiegen ift, aber beweilt, daß die Grenze derfelben noch nicht erreicht worden iſt. Die beiden großen Aufgaben, welche noch ihrer Los— ung harren, ſind: was man mit dem Chagres-Fluſſe thun,

und wie man einen Einfchnitt von nabezu 400 Fuß Tiefe heritellen fol. Man hat vorgefchlagen, den Chagres, welcher großen Schwankungen feiner Waffermenge unterworfen ift, durch einen ungeheuren Damm aufzuhalten, welcher am Fuße 1050 Nards, am Gipfel 2110 Nards lang, an der Bafis 110 Yards breit und an feinem höchſten Punkte 147 e. F. hoch werden ſoll; der Ueberlauf des ſo hergeſtellten Reſervoirs ſoll dann mittelſt zweier künſtlicher

Kanäle abgeleitet werden, wozu man teilweiſe das alte Bett benützen kann. Der Einſchnitt, oben beinahe 500 F. breit, ol dem Plane nad) im Akkord durch Arbeitertruppen

| |

|

Der heutige Stand der geographifchen Entdedung.

in Angriff genommen iverden, welche an 12 verfchiedenen Niveaur zu gleicher Zeit auf jeder Seite des Gipfels ar: beiten, wobei die Breite auf jedem Niveau in fünf parallele

Abſchnitte geteilt werden fol. Auf diefe Weife würden 120 Arbeitertruppen zugleich an der Arbeit fein, und man

hegt die zuverfichtliche Hoffnung,

daß das Ganze wirklich

im Jahre 1888 vollendet werden joll. Der General wandte fi) dann einem anderen Melt:

teile zu und berichtet über die Miffton in Oſtafrika, welche dem Mr. Joſeph Thomſon! im vorigen Sabre von der

Königl. Geographifchen Geſellſchaft übertragen worden war. Nach einem erfolgloſen Aufbruch von Sanſibar im März vorigen Jahres (worauf er jedoch den Kilima—

udſcharo erreichte und big zu einer Höhe von 9000 F. bejtieg) fehrte er von Taveta nad) der Küfte zurüd und brach dann im Suli twieder auf, und zwar diesmal von

Mombafa aus. Wir werden mit diejer Route nicht genau befannt gemacht, aber wir wiffen, dag Mr. Thomfon tviederum

den großen Berg erreichte, welcher angeblid eine Höhe von mehr als 20,000 3. haben foll: daß er bon dort aus

die Ditfeite des Nyanza-See's erreichte, und daß er der

erjte ift, welcher an den Geſtaden des Mbaringo-See's ſtand; daß er von dieſem aus, immer unter Eingeborenen, welche angeblich noch nie einen weißen Mann geſehen

hatten, den Berg Kenia erreichte, der 18,000 Fuß hoch ſein ſoll, und ſeinen Rückweg bis zur Küſte wieder bewerk—

ſtelligen konnte, ohne irgendwelchen Kampf oder den Ver— luſt eines Menſchenlebens

durch gewaltſamen Tod; und

dies nach einer Reiſe von ungefähr 500 Ml., und zwar

auf der Hälfte davon durch ein Land, welches zuvor der Geographie ganz unbekannt war. Noch vor Mr. Thom— ſon's Rückkehr nach Sanſibar hatte Mr. H. H. Johnſton,

unter

|

der Leitung eines Ausſchuſſes des erwähnten Ver—

eines, dejjen Pläne in erjter Linie der Erforfhung der Sauna und Flora des Kilima⸗ndſcharo gewidmet find, Sanſibar in bejtem Wohlbefinden und mit aller Hoffnung auf einen endlichen Erfolg verlaffen.

Der Präſident kam dann auf die unglückliche franzöfifche Expedition des Oberften Flatters zu Iprechen, welcher mit einigen anderen Offizieren und Mannfchaft im Februar 1883 bon den Tuaregs erſchlagen wurde. Die franzöfifchen

Reiſenden haben die wahrfcheinlichen Folgen des raschen Fortſchrittes der mohammedanifchen

Religion

unter

den

afrikaniſchen Stämmen in der Zone nördlich vom Aequator betont, welche mit der Zeit das ſtark bevölkerte Becken des Kongo erreichen und für künftig einen großen Einfluß auf die Anſiedelungen der Weißen und auf die Unter— nehmungen der Miſſionare in Zentral-Afrika ausüben dürfte.

Der obere Kongo, von den Stanley-Fällen bis zum Stanley-Pfuhl, iſt nun ziemlich genau bekannt; allein 1 Ein Verzeichnis derjelben ward in einem Anhang zu dem Vor— trage gegeben, und die geographiiche Lage derſelben mit großer Sorgfalt feftgeftellt.

2 EEE —

841

über feine Zuflüffe ift noch viel zu lernen,

zivei neue Seen entdedt.

Stanley hat

Die Arbeiten des energifchen

Reiſenden de Brazza haben in einem bedeutenden Umfang die Geographie der Negion zwifchen dem Kongo und dem

Ogowe, vom Nequator ſüdwärts, aufgeklärt, und es jollen

jeßt in dieſem Teile des Landes ſchon 22 Handelsftationen

gegründet

worden

fein.

Wir

erfahren aber noch nicht,

was für Handel dort betrieben wird.

Höher herauf, aber

noch immer nad Norden, hat Mr, Stanley den Aruwimi ungefähr 100 MI. weit befahren, ohne eine Frage von nicht geringem Intereſſe gelöft zu haben, nämlich ob der: jelbe mit dem Welle identifch ift und in derjelben Waſſer— Iheide entfpringt, welche den Meißen Nil nährt, ob mir nicht, jenfeit der Quellen desfelben, ein Drainage⸗Syſtem

haben, das zwar bis jetzt noch unbetreten und unbekannt iſt, aber möglicherweiſe eine Anzahl Flüffe verbindet, deren Beziehungen zu einander und deren endliche Mündungen noch gleicheriveife unbefannt

find.

Lupton Bey berichtete

vor ungefähr zwei Jahren, einer feiner Untergebenen habe

einen ſehr großen See weſtlich vom Aruwimi befucht, in welchen, feiner Meinung nad, wahrſcheinlich der Welle ich ergieße. — Das ſüdliche Beden vom Kongo, von Loanda bis Nyangwe, ift durch den verftorbenen Dr, Pogge und

den Lieutenant Wißmann

durchquert worden, von denen

der letztere ſeine Reiſe uber Nabora

gejeßt hat.

nach Sanfibar fort:

Er bringt die Beftätigung des oft berichteten

Vorhandenfeins einer zwerghaften Menfchenrafje am Ober: lauf des Sanfuru mit. Südwärts nach der Negion der portugiefiichen Erz forſchung fortfchreitend, Tehrten die Herren Britto, Capello und Ivens, welche 1878 den oberen Quango erreichten, im jüngjtvergangenen Januar nad) Loando zurüd, an: geblich in der Abficht, einen feiner großen Zuflüffe hinab: zufahren. Sie find nun auf dem Kumene. Dr. Pogge vergleicht das Klima von Muffumba unter dem 8. Breitengrade im Monat Dezember mit demjenigen von Nord: deutfchland, und diefe Thatfache erläutert, was wir auch von jo vielen anderen Seiten her erfahren, daß ein großer Teil des Inneren von Afrika, vermöge feiner Meereshöhe, zu einer weit gemäßigteren Zone gehört und für euro: päiſche Konftitutionen befjer geeignet ift, als feine geo—

graphifche Lage verjpricht. bon

Fieber, welches

Das furchtbare Vorherrſchen

jo viele Menfchenleben

gefoftet hat,

wird wahrjcheinlich mit der Zeit gemildert und verbeffert. Die Gebirge find ohnedem vergleichsmweife frei davon. Der Fortſchritt in der Befignahme Zentral-Afrifa’s durch die Weißen wurde deutlich nachgetviefen durch eine Tabelle

der gegenwärtigen Handelszentren oder Miffionzitationen, welche nun den find.!

(etwa 120 an der Zahl) dort errichtet wor—

1 Mr. Joſeph Thomſon, der Leiter der Expedition der Königl. Geographiſchen Gefellihaft durch das Land Maſai in Oftafrifa, ift am 20. Juli 1884 nad) Europa zurüdgefehrt. Er leidet noch) jhwer an einer Krankheit, welche er ſich an den Geftaden des

848

Der heutige Stand der geographiſchen Entdeckung.

General Lefroy kam dann auf den ruſſiſchen Plan zu ſprechen, den Oxus oder Amur-Darja von dem Aral— ſee nach dem Kaſpiſchen Meere abzuleiten, deſſen Waſſer— ſpiegel nach Mr. George Kennon, einem neuern amerikaniſchen Reiſenden, ſtetig aber langſam fällt, trotz der ungeheuren Waſſermenge, welche die Wolga, der Ural und andere Ströme in dasſelbe ergießen. In der That trocknet, nach Oberſt Vinukof's Behauptung, das Kaſpiſche Meer raſch aus, und auch die Süßwaſſer-Robben, welche einen ſolch merkwürdigen Zug in feiner Fauna bilden, nehmen raſch an Zahl ab. Aufden eriten Blick erfcheint die oben bezeichnete Wafjerverbindung nicht Schwer herzuftellen, da der Punkt, wo der Fluß abgeleitet werden würde, nur ungefähr 216 3. über dem Kaſpiſchen Meere liegt; allein. genaue Höhen: meſſung bat bedeutende Deprefjionen auf dem dazwiſchen

liegenden

Landſtrich

nachgewieſen.

Allerdings

floß der

Drus oder wenigitens ein Arm desfelben füher in das Kafpiihe Meer. Profeſſor N. Leng, von der Kaiſerl. Ruſſiſchen Akademie der Wiſſenſchaften, faßt feine Unter: juchungen der alten Autoritäten in die Berficherung zu: jammen, es liege Fein pofitives Zeugnis dafür vor, daß er dies jemals vor dem Jahre 1320 gethan habe. Stellen, welche aus arabiichen Schriftitellern des 9. Jahrhunderts angeführt worden jind, beiveifen nach jeiner Anficht nur, daß dieje nicht genau zwischen dem Aralfee und dem Kaſpiſchen Meere unterjchieden haben. Es find Zeugnifje vorhanden, daß der Strom im 13. und 14. Jahrhundert fich in zwei Arme teilte, deren einer fich in das Kafpifche Meer mün— dete, aber mwahrjcheinlih im 16. Jahrhundert damit auf: hörte, was aucd mit turfmenischen Ueberlieferungen über: einjtimmt, Wir dürfen mit Gewißheit fchließen, daß der ruſſiſche Plan nicht ausgeführt werden wird; aud iſt es gar nicht wahrjcheinlich, daß die ruffischen Finanzen die Verwirklichung des anderen Planes, einen rein fünftlichen Naiwaſch-See's zugezogen hat. Er hat fi mur drei Tage in London aufgehalten und dann nah Dumfriesihive begeben, um zu verjuchen, ob nicht Ruhe und Heimatluft ihm feine Gejundheit wiedergeben könnten. Die Koutenfarten feiner Reife, welche ex mitbrachte und dem Ausſchuſſe der Königl. Geſellſchaft vorlegte, beweifen, daß feine Expedition eine der mwichtigften und an geographijchen Ergebniſſen veichften der ganzen Neuzeit war. Er hat eine doppelte Bergfette beftimmt, welche auf einer großen Strede durch diejen Teil des äquatorialen Afrika verläuft und ih zu Gipfeln von 14,000 5. Höhe erhebt, flankiert von ven noch) höheren ſchneegekrönten Häuptern der Berge Kenia und Kilima— ndjcharo, und gefunden, daß diefelben eine mittägliche Mulde einjhliegen, worin die Seeen Naiwaſch, Bahringo und wahrſcheinlich auch Tamburu (ein no größerer See weiter nad) Norden, von welhem

die Eingeborenen

fprechen)

liegen.

Der

Bahringo-See

liegt in einiger Entfernung von Kavirondo, einem ftarf bevölferten Lande am nordöftlichen Geftade des Viktoria-Nyanza. Mir. Thomſon hat den großen jehneebededten Pik des Berges Kenia und ebenſo auch einige der erlofchenen Vulkane der Zentralvegion photographiert, und gedenft bei der nächften öffentlichen Verfammfung der Königl. Geographiichen Gefellichaft zu London im bevorftehenden November zum erftenmal ſich worzuftellen und feinen vorläufigen Bericht zu erftatten.

Kanal auf der fürzeften Linie mit einem boranjchläglid) auf 15 bi3 20 Mill. Rubel beredineten Kapital zu erbauen, erlauben werden.

Eine der fühnften und erfolgreichiten Leiſtungen auf dem Gebiete der Gebirgserforſchung, melche feither jtattgefunden haben, ift die im vorigen Jahre ausgeführte Reife des Mr. W. W. Graham im Himalaya, welcher dafelbit eine

Höhe von 23,500 F., alfo noch 2900 F. über dem Gipfel des Chimborazo, erklommen, deſſen Erfteigung durch Herrn

Whymper im Jahre 1880 eine Epoche in derartigen Unter— nehmungen bezeichnete. Herr Graham war begleitet von einem ſchweizeriſchen Offizier und von einem gewerbs— mäßigen Schweizer Bergführer. Sie erſtiegen den Kabru, einen Berg, welcher von Darjiling aus ſichtbar und weſtlich

vom Kangchinjanga liegt, deſſen Gipfel noch allen An— ſtrengungen des Menfchen trogt.! Die erſte trigongmetrifche Vermeſſung von Indien, welche im Jahre 1800 begonnen ward, iſt praftiich in eriter Inſtanz vollendet, und es muß jet nur noch eine Anzahl fekundärer trigonometrifcher Aufnahmen vorgenom—

men werden; aber hauptſächlich außerhalb

der Grenzen

des eigentlichen

von Pisgah,

Indiens.

Die Ausfihten

durch welche einige von den höchiten Bergen in der Welt in ihrer Lage fejtgeftellt worden find, manchmal von Punkten in den nächſten Simälayas aus und auf eine Entfernung von 120 MI., tragen nun bei, ein noch leb— bafteres Verlangen nach ungejchmälertem Zugang zu

wecken. Der längjt ſchon gehegte Glaube, daß in Tibet noch ein höherer Berggipfel vorhanden fei als der Mount Evereſt, iſt noch keineswegs erloſchen; aber es iſt möglich), daß der vermeintliche ſchneegekrönte Pik ſich vielleicht als der Mount Evereft der urfprünglichen Vermefjung felbit ausweiſt. Der Oberlauf des Drus ift nun von feinen Quellen

im Panjah,

hauptſächlich

von

eingeborenen Erforjchern,

nachgemwiefen ivorden, und dieſen verdanfen mir eigentlic)

alles was wir von Nepäl wiſſen, von welchem Europäer ebenfo

eiferfüchtig

ausgefchlofjen werden,

wie

von

dem

wildeiten zentralafiatifichen Khanat, obwohl Nepäl von Galeutta nicht jo meit entfernt ift, als Kingfton von Quebec. Das auftralifche Feftland ift abermals von Oſt nad) Weit durchkreuzt worden von Mr, Mills, welcher mit

30 Kameelen

unter der Aufficht von

fünf afghanischen

Treibern aufbrach. Sechs diefer Tiere ftarben, wahrſcheinlich

weil fie giftige Gewächſe gefreffen hatten. Mr. Mills wid nicht viel von den Fährten des verftorbenen Mr. W. C. Goffe und des Pr. J. Forreft ab, und feine Reife hat daher unjer bisheriges geographifches Wiffen zwar nicht erheblich

erweitert, allein doch dazu geholfen, jene Route kennen zu lernen,

und bat von neuem

befjer

den Beweis ge:

1 Wir geben in den nächften Nummern Mi. Grahams eigene Schilderungen feiner Reifen und Bergbefteigungen. A. d. R.

| | |

Der Mais.

liefert, daß der Wert des Kameels in jenen furchtbaren auſtraliſchen Wüſten in feinem Grade geringer iſt, als in den Saharas, wo dasſelbe längſt als das Schiff ver

Wifte

bekannt

geweſen

ift. —

Ein anderer Neifender,

Herr 6. Winnede, brach von der Station Covarie am Warburton-Fluſſe unter dem 28.0 ſ. Br. auf, durchreiſte

ungefähr 400 Ml. neuen Landes in einer nördlichen Richt— ung und entwarf eine Kartenſkizze von ungefähr 40,000 engliſchen Quadratmeilen bis Goyders Pillars, einem merk—

würdigen natürlichen Zuge in der Tarleton-Gebirgskette; auch er verdankt ſeinen Erfolg der Mitnahme von Ka— meelen. Die internationalen Circumpolar-Expeditionen haben vielleicht unſer örtliches Wiſſen von jenen Gegenden, nament—

lich inbezug auf Klima und die Mittel des Lebensunter— haltes auf verſchiedenen Stationen, vermehrt,

nicht aber,

ſo weit die Aufzeichnungen reichen, das geographiſche Wiſſen im allgemeinen weſentlich bereichert. Von dieſer Bemerk— ung muß jedoch eine glänzende Ausnahme gemacht werden. Die Auszeichnung, unter allen Menſchen zuerſt dem Nord— pol am nächſten gekommen zu ſein, iſt von dem verſtorbenen

Lieutenant Lockwood

und dem Sergenten Brainard von

Lieutenant Greely's Expedition errungen worden; fie er— reichten am 13. Mai 1882 eine bisher unbefannte Inſel

unter 830 24° n. Br. und 440 5° mw. L., welche nun nad) ihrem Entdeder genannt worden ift. Sie liegt vier oder fünf Meilen jenfeit Kapitän Markham's entfernteftem Punkte (830 20° n.) und fcheint feinesivegs die einzige geographijche Leiltung zu fein, melde die fchmerzlichen Leiden und Verlujte jener Neifegefellfchaft einigermaßen belohnte. Lieutenant P. H. Ray, von der Armee der Ver: einigten Staaten, hat ebenfalls mancherlei Einzelnheiten

die Barrow-Spitze

der Karte um

herum berichtigt und

eine Hügelreihe entdedt, melche er die Meade-Berge ges nannt hat und die oſtwärts vom Kap Lisbourne ver: laufen und von welchen mindeſtens zwei noch unbezeichnete Flüſſe herabfommen und fi in das PVolarmeer ergießen. Aehnliche Dienjte dürfen wir von den italienischen Reife:

gejelliehaften in Patagonien und von den deutjchen in Süd-Georgien erwarten. — Seit der Neife des „Challenger“ jind feine Meeresforfchungen fruchtbarer an Ergebnifjen ge: weſen als diejenigen des „Talisman” und der „Dacia“. Der erite hatte im Jahre 1883 im Auftrag der franzöfi-

ihen Regierung die Atlantifchen Küften von Nochefort bis zum Senegal zu unterfuchen und die Hydrographie und Naturgefhichte der Capverdiſchen und Kanarifchen Inſeln und der Azoren zu erforfchen. Die „Dacia” und ihr Begleiter der „International“ dagegen waren ein Privat:

unternehmen

zu dem

Fommerziellen

Zwecke,

Linie für einen unterfeeifchen Telegraphen nad) den Kanarischen Inſeln zu ermitteln.

die befte

von Spanien Letztere beide

Schiffe machten über 550 Lothungen und entvedten drei Untiefen, worunter eine mit weniger als 50 Faden Wafjer über ihr, zwiſchen dem afrikanischen Feitlande und den Ausland

1884, Nr, 43.

849

Inſeln. Mogador,

Wenn man einen Kreis zieht, welcher durch Kap Funchal und

Teneriffa

geht, jo wird deifen

- Mittelpunkt ziemlich genau diefe unterſeeiſche Erhebung bezeichnen; die beiden anderen liegen nördlich davon. Der „Talisman“ fand mitten im Dean nur 1640 Faden Tiefe, unter Beilungen, welche früher als über 2000 Faden

ergebend notiert waren, General Lefroy ſprach fodann über die Ausdehnung der Eiſenbahnen in Mexiko, Südamerika, Afrika und Aſien, und über das Webereinfommen, die Iofale mittlere Zeit in

Amerifa auf eine Reihenfolge von Meridianen zu beziehen,

welche eine Stunde von einander entfernt jein follten. Der erjte Schritt in diefer Richtung wird nicht mehr lange auf ſich warten lafjen, nämlich eine Uebereinfunft der zivilifierten Welt, ſich eines einzigen gemeinfamen eriten Meridian

zu bedienen, wozu Paris, Ferro, Wafhington oder Rio de

Janeiro hoffentlich gern ihre Einwilligung geben werden,

diefen Vorrang

Greenwich

einzuräumen,

was durch die

Thatſache geboten wäre, daß eine überhviegende Mehrheit der Seekarten aller Nationen, fowie aller Karten und Atlanten, welche unter denfelben im Gebrauche find, ihre Zängengrade bereitS auf diefen Meridian beziehen, und

daß daher feine andere Abänderung fich fo leicht bewerk— ttelligen laffen oder jo wenig bemerflich machen würde.

Der Mais. (Fortfeßung.) I,

Seine Berbreitungs-Möglichfeit,

Wir treffen den Mais in Nordamerifa

nah Schaum

bis zum 45.9, nad) Unger bis zum 50.0, nad) Humboldt bis zum 52.0 n. Br. In den Vereinigten Staaten finden wir von Süden hinauf folgende Kulturftufen: in Louiſiana die Zuderplantagen, den Miffiffippi aufwärts bis Tenneſſee und in den Staaten unter gleihem Breitengrade den Baumwollenbau; von Ohio an nördlich von den Seeen it das Mais und Weizen-Land; weiter nördlich von den Seen iſt der Maisbau unficher und der Farmer hat dort

nur wenige Monate zur Saat und Ernte,! Verweilen wir hier einen Moment in den Ebenen an diefen Seen der Vereinigten Staaten; ihr Klima verfeßt uns zu lebhaft in die heimatliche Steppe; wir fühlen uns

angeweht von befanntem trodenen Winde und der Boden unter unferen Füßen erinnert uns lebhaft an die füdruffiiche Steppe. Gleich wie hier im ruffifchen „el serenissimo reyno de Murcia“? der Negenmangel uns ganz 1 Fleifhmann, „Der nordamerifanifche Landwirt“. S. 109. 2 Es fommt in Murcia vor, daß 26 Monate fein Tropfen die Shmachtende Natur erfriicht. Dr. Brehm „Die Vega von Murcia und ihr Seidenban.” Siehe dagegen W. Köppen „Regenund Windverhältniffe der Krim“, 129

50

Der Mais.

erftaunliche Data bietet, wo man ſich gar erzählt — NB.in C!!), wo Fein Naß vom Himmel

New-York, auf gleicher Breite mit Neapel, blühen die Bäume erft zur felben Zeit wie in Upfala.! Baltimore tft unter gleicher Breite mit Cagliari in Sardinien, feine mittlere

falle! und wo der Nordoft und Oſtwind ung vornehmlich

Sahrestemperatur aber ift 11,60 während die von Cagliari

im Sturm den Regen bringen und meift Platregen, die aber doc nur die Oberfläche des Bodens benegen, wonach die Dürre um fo Ärger und empfindlicher wird und diefe

16,30 ift.2

der Salziteppe der nördlichen Krim — mal ganze 20 Monate

es vergingen manch—

Strichregen dann beivirfen, daß an einem Orte gute und dicht daneben Migernten ftattfinden ;? gleich wie hier macht ſich dieſe Trodenheit in dem mittleren und nördlichen Teile des ganzen Längenthales fühlbar, welches fich vom Mexikaniſchen Meerbufen zwifchen den Alleghanies und dem Selfengebirge bis zur falten Zone erſtreckt. Der untere Lauf des Miſſiſſippi nur beteiligt ſich an derſelben nicht, da ihm der Mexikaniſche Meerbufen Wafferdampf Liefert, als einen Erſatz für das, was der Stille Ozean eben durch die Konfiguration der Gebirge zu geben verhindert it. Ja, am Salzſee der Mormonen im Utah fällt jährlich nur einige Zoll Regen? Diefe Dürre Nord-Amerifa’s ift der Umftand, daß Bilanzen, die aus dem Norden in füdlichere Landſchaften verfegt, daſelbſt eher gedeihen, als im umgefehrten Falle. Und doch — wir fehen Nord-Amerika's Pflanzen in unferen ruſſiſchen Steppen gedeihen und müſſen ſolches durch die Iſothermen erklären, weil die Sfothermen je mejtlicher deſto tiefer hinabfteigen, jüdlichere Grade berühren. Daher treffen wir Länderſtrecken Amerika’s, die, unter gleicher Breite mit dem Nanenfjord in Norivegen, falt den ganzen Sommer unter Schnee und Eis ftarren, während hier noch Noggen gebaut wird, an der Hudſons—

Bai

noch

Feine

menſchliche

Niederlaffung

möglich

ift,

während unter demfelben Barallelfreife in Drontheim noch Weizen wächſt; denn Drontheim hat etiva die Temperatur

von Kanada, welches doch noch füdlicher al3 Paris liegt. In

Was dann in folchen Breiten und ftrengerer Kälte in Amerika gedeihen fann, dürfen wir das nicht auch unferer Steppe anempfehlen? und würde fie, die Kraft und Stoff birgt, in ihrem Tichernofem (Humusboden) die

Mühe des Anbaues nicht vielfältig vergelten wollen? Ich maße mir bier fein Urteil an, weiſe aber doch darauf hin,

vie der Mais

Graden

Maisbau-Berfuche

halten fih in dem Keller um

deſto beffer.

Im

Winter

fehlen un—

geachtet der ftrengen Kälte die harakteriftiichen Eisblumen an den Fenſtern. Der parfetierte Fußboden verlangt eine viel ſorg⸗ fältigere Konſtruktion und der mitgebrachte Wiener Flügel ver— liert bald

den

vollen

melodiſchen

Klang, der an die Heimat

er—

innert. In keinem Lande der Welt wird ſoviel Pommade verbraucht, als in den Vereinigten Staaten, ſchlichtes trockenes Haar iſt daher das Bezeichnende der Yankees in den Karikaturen des „Punch“. Als in Boſton in einem friſch gegypſten Zimmer eine Sammlung von Vögeln und Säugetieren ohne austrocknende Mittel aufge— ſtellt wurde und Deſor ſich darüber verwunderte, ſagte der Auf— ſeher, „Sie vergeſſen, daß wir in der Neuen Welt ſind, nicht in Europa.“

gemacht

worden

find.

Der

Mais bedarf eine Sommerwärme von 18 bis 190 °C, (14,5 bis 15,20R.) und Anmerkung 3 foll uns darthun,

wie hoch hinauf in Rußland mir diefes Sommerwärme— Mittel treffen. Schauen wir uns darum noch mehr um, ob es doch am Mangel an Feuchtigkeit Liegen follte, oder jonftige Gründe vorhanden, daß der Mais noch jo wenig durchgedrungen ins ruſſiſche Volk, was eben jett demfelben eine jo große Wohlthat wäre, wo die Kornpreije den ärmeren Klaſſen faſt unerſchwinglich find. Ihrem Klima nad, ſagt Weſſeléwski,“ iſt die ruſſiſche Steppe die Gegend, die vornehmlich beſtimmt iſt zur Kultur der Cerealien. Sie kann ſich nur ſo lange Weideland nennen, bis eine größere Bevölkerung das Land nicht zum

Acker in Angriff nimmt.

Der Vorteil der Viehzucht als

ſpezieller von der Landwirtſchaft abgetrennter Zweig derſelben gründet ſich inder Steppe nur auf die ausgedehnten vom

Pfluge noch nicht eroberten Strecken Vermehrung

1 Tezmann, „Ueber die füdruffiichen Steppen und iiber die darin im Tauriſchen Gouvernement belegenen Befitungen des Herzogs von Anhalt-Köthen”. 1845. 2 MWefjelöwsti, „Das Klima Rußlands“. ©, 213. 3 Dove, „Ueber das Klima von Nord-Amerika“ (Illuſtrierte Zeitung, 1865, Nr. 1139), wo er weiter jagt: „Das fchnelle Trocknen der Wäſche fett "in Ohio, Michigan, Illinois alle eingewanderten Frauen in ein angenehmes Erftaunen, während fie in Verzweiflung darüber, daß das Brot jo raſch altbaden wird, fi endlich zu der Sitte der Native Americans bequemen, mindeitens alle zwei Tage zu baden; aber Früchte und Gemüſe er-

in den Vereinigten Staaten, wie auch im

Süden Europa’s, mit dem Weizen Hand in Hand geht. Warum follte folches nicht auch in der Steppe Süd-Ruß— landes ftattfinden? Wir haben oben gefeben, in wie hohen

der Bevölkerung

muß

Landes. der

leeren Strecken ſich jedenfalls verringern.

Bei der

Umfang

dieſer

Es iſt überhaupt

1Schleiden, „Die Pflanze und ihr Leben“. 2 Humboldt, „Anfichten der Natur“. Bd. I. ©.161. Dürfte ih mir Abjchweifungen vom Thema erlauben, jo ließen fich iiber jolhe Abweihungen ausnehmend interefjante Fakta aus Ule's „Weltall“, wie aus Müller-Pouillet's Phyſik entnehmen. 3 Grad nördl. Jahres: Winter- SommerBreite Temp. Temp. Temp. Sſimferopol 45 09 0,72 15,42 Ohrloff 46 1/, 6,68 3,14 16,20 Odeſſa 46 2 7,13 1,69 17,16 Nikolajew 47 1,12 2,15 17.51 Cherſſon 47 7,58 2,68 17,30 Kowo-Tichertafst 47 Va 6,42 5,28 17,40 Jekaterinoſslaw (Lugan) 48 1 6,30 5,38 17,56 Poltama 491% 4,65 5,94 1492 Kijew 50 Ya 5,41 4,26 14,60 Tſchernigow 51a — — 17,83 Sſaratow 5192 4,50 7,65 16,50 Kurst 51 Ya 3,98 6,83 14,47 Tambow 521, 3,94 7,12 14,69 » „Das Klima Rußlands“. Anhang.

E’i

R

——

Der Mais.

zu erwarten, daß je mehr dieſe Gegenden bevölkert werden, deſto mehr die Viehzucht abnehmen und dem Kornbau ihren Platz räumen wird, dem heiße Sommer und trockene Luft Hauptbedingungen find. So wie fo Schon find Süd-Rußland, Numänten und Ungarn einerfeits, die Prairie-Staaten von Amerifa anderfeit, wie befannt, die Kornfammer des

dichtbevölferten

und

induftriellen

Wet- Europa.

Wenn

auch verſchiedene Körnerfrüchte exportiert werden, fo ift doch

der harte glafige Sommer-Weizen befonders wichtig dabei. Er iſt unumgänglich notwendig zur Herftellung des beiten Mehles,

zufammen

mit

dem

weichen

Winter

Weizen, !

Diefer glafige Weizen (Tritieum durum), die Arnautka, übertrifft an Güte den nördlicher gebauten Weizen, wie den

Weizen

Frankreichs

und Algeriens;

er enthält

mehr Kleber als die anderen MWeizen-Arten und dieſe Eigenſchaft macht ihn denn befonders vorteilhaft zur Beveitung von Maccaroni und VBermicelli. Für die berühmten Maccaroni und Vermicelli Italiens liefern Cherffon und

Jekaterinoſslaw die Arnaütfa.? Es einen, nad) Wojejfow,3 befonders klimatiſche Verhältnifje nötig, um diefen harten Weizen zu produzieren, und zwar hauptfächlich ergiebiger Frühlings» und Sommer:

Negen (namentlich im Mai und Juni), und dabei eine trodene Luft, Die Steppen-Region Süd-Rußlands iſt, wie gejagt, nicht gerade regenreich, aber doch fällt der meifte Regen in den Monaten Mai, Juni und Suli, die Verteilung ift alfo dem Aderbau günftig.t In den Braivie-

Staaten von Nord-Amerifa finden wir bei größerer jähr: licher Regenmenge eine ähnliche Verteilung wie in Süd— Rußland Was die Trodenheit der Luft betrifft, fo ift fie bei anderen

gleichen Umftänden

größer in Steppen:

gegenden, weil der Schuß, welchen der Wald gegen rafche Verdunftung und Fortführung der Feuchtigfeit durch die Winde gewährt, ihnen fehlt. Es finden fich alfo die beiden klimatiſchen Bedingungen, welche nötig find, um einen harten, an Stidjtoff-Berbindungen befonders reichen Weizen zu erzeugen, d. h. Trodenheit der Luft und zeitgemäße Regen. Die Wichtigkeit des Studiums der Verbreitung der Kulturgewächſe iſt allgemein anerkannt, nur ſcheinen Natur— forſcher jetzt oft zu vergeſſen, betont Wojéjkow, wie ſehr dasſelbe von hiſtoriſchen und nationalöfonomifchen Ver:

hältnifjen abhängt, um klimatiſche Urfachen zu fehr in den Vordergrund zu ftellen und dabei oft falſch zu deuten. „Bei der Bodenkultur”, jet er fort, „handelt es ſich I RWojejlom, „Wald und Steppe in Süd-Rußland und ihre Beziehung zum Aderbau.” 2 Weffelöwsty, „Das 3 Wald und Steppe u EEE » Dove, WVefjelöwsty, Petermanns Mitteilungen, 3 9

—J

4 « an> 3

„Ausland“ 1878, Nr. 51. Klima Rußlands“. ©. 51. in Süd-Rußland“ ꝛc. Wojeifom („Atmoſphäriſche Zirkulation“ Ergänzungsheft 38).

5 ©. Schott, „Tables ot preeipitation“, Smithsonian Contributions, Nr, 222, aud) „Zeitſchr. f. Meteorologie” Bd. VIII, ©. 363.

851

um einen gewiſſen zu erzielenden Gewinn, nicht um bie Möglichkeit dev Kultur allein. Es kann alfo gefchehen, | und zwar ſehr oft, daß Gewächſe, welche dem Alima einer Gegend ganz entiprechen, doch nicht gebaut werben, fei es, weil überhaupt der Aderbau wenig entwickelt ift, fei es weil andere Gewächſe vorteilhafter find. Dichtigfeit der Bevölferung, Nähe der Märkte, Zölle und andere menſch⸗ liche Verhältniſſe ſind dabei maßgebend. Bis zu den

Vierziger Jahren wurde die Kultur des Weizens in Groß— britannien durch die Zölle begünſtigt; als die Korngeſetze abgeſchafft wurden, ward die Weizenproduktion beſchränkt, hingegen Futtergewächſe in größerer Menge kultiviert und die Viehzucht in größerem Maßſtabe betrieben — eine Richtung des Ackerbaues, welche den klimatiſchen wie den öfonomifchen Verhältniſſen entſpricht. Den fehlenden Weizen holten die Engländer aus Süd-Rußland und Nordamerika, und hier wurde die Kultur des Steppenbodens durch die wachſende Nachfrage für Weizen in England begünftigt. In Süd-Rußland fehen mir denn in diefer Zeit eine Abnahme der Viehzucht und Zunahme der Kultur der Gramineen, d. h. wiederum eine Aenderung, welche den Klimas und Bodenverhältniffen entſprach und früher durch menfchliche Einrichtungen nicht zur Geltung kam. „In derjelben Zeit, wie in Oft: und Süd-Rußland der Aderbau zunahm, finden wir die außerordentlich vafche Beftedelung der amerikanischen PBrairie-Staaten Illinois, Wisconfin, Minnefota, Jowa, Nebraska, Kanjas, Miffouri. Wie die Befiedelung und Entiwidelung des Aderbaues gerade von dem Steppencharafter abhing, erſieht man Schon daraus, daß die dichtbewaldeten nördlichen Teile von Winnefota noch jet Feine aderbautreibende Bevölkerung haben; ebenfo it auch der ſüdliche, mehr bewaldete Teil von Miſſouri, troß feines günftigen Klima’s, ſehr zurüdgeblieben gegen den nördlichen. Auch die ſehr raſche Be: fiedelung des nördlichen Teiles von Teras ift derfelben

Urfache zuzuschreiben:

eine bedeutende Emigration wendete

ji) dorthin, feitvem das Land durch eine Eifenbahn eröffnet wurde, denn fie fand dort einen fruchtbaren, leicht zu fultivierenden Steppenboden und ein Klima, welches der Baumwolle günftig iſt.“!

Hier ſehen wir denn, welch immenfen Einfluß die Eiſenbahnen auf die Entwickelung und den Fortjchritt des Ackerbaues haben, und mwollen denn hoffen, daß nun mit der raſchen Zunahme der Eijenbahn-Berbindungen bei uns bis in den ferniten Dften auch ein großer Teil des brachliegenden Bodens feine Jungfräulichkeit aufgeben

wird, wie ſolches eben in großem Maßjtabe

im fernen

Weiten Nord-Amerifa’3 vor ſich geht.” Wir machen

denn

aufmerffam

auf eben angeführte

Gründe Wojéjkows für den Anbau der Zerealien, wohin wir denn auch den Mais rechnen: nicht die Möglichkeit 1 Wojejtow, „Wald und Steppe in Süd-Rußland“ ꝛc. 2 Siehe Sheridan, „Eifenbahnbanten im fernen Weften NordAmerika's.

82

Der Mais,

der Kultur allein bedingt ihn, jondern der zu erzielende Gewinn desfelben, der bisher denn dem Ruſſen fern ges legen, da er fo verſchiedene Kornarten baut, die ihn bisher fatt gemacht haben. Die Neuerungen aber liegen einem fo fonfervativen Volke, wie die Nuffen es find, zu ferne; es muß erſt der Schub, die Anregung fommen, und diefe fehlen bis dato, der Sinn und die Hände, den Mais: bau in Rußland zu fördern, der, wie wir es ja gejehen, bier den richtigen Boden fände,

Kehren wir zurüd zu unferem Thema.

Der Mais

zeigt im Oſten Nord-Amerika's das größte Afklimatifationsvermögen. Diejes Gewächs, welches in Europa, um feine

Körner zu reifen, eine lange Entwickelungs-Periode bean\prucht, verkürzt diefelbe in Kanada auf den Zeitraum von iveniger als drei Monaten. Man hat in den atlantifchen Staaten die mannigfaltigiten Spielarten erzeugt, deren Lebensdauer ungleich ift, und die in Europa zurüdjchlagen.

Die Polar-Örenze

der Mais-Rultur findet fih am Red—

River (500% n. Br.), dem füdlichen Zufluß des WinipegSees, ſie ſoll fogar den Saskatſchewan (530) erreichen, aber jenjeit der Nody Mountains gedeiht dieſes Gewächs nur in Kalifornien, nicht aber in Dregon und Britisch: Columbien. Blodget fucht die Erflärung diefer Erſchein— ungen darin, daß der Mais eine fteile Temperatursfurve fordere, und findet, daß jene Polar-Grenze in Kanada und Hudſonien mit einer beftimmten Juli-Wärme (15,50) zus jammenfalle. Aber in Nord-Deutfhland gibt es Orte genug, jagt Grieſebach.! wo der Juli noch wärmer ift und der Mais doch nicht reif wird. Auch würde damit nicht erklärt iverben, worauf e3 beruhe, daß das Gewächs in Amerika feine VBegetations-Periode jo fehr verkürzen fann, wovon man doch aud) in den fontinentaleren Klimaten Europa's fein Beifpiel kennt. Wir haben hier einen flaren Beweis dafür, daß die Pflanzen niemals einem einzelnen klimatiſchen Werte angepaßt find, fondern, um den ganzen Umfang möglicher Lebensfreife zu entfalten, von den

verſchiedenſten

Einflüffen

zugleich

berührt werden.

Die

langjamere Temperatur-Abnahme des kanadiſchen Herbites mag der Neife der Körner vorteilhaft fein, aber was der Mais in den diefer Breite entfprechenden Klimaten Europa’3 nirgends findet, ift die Verbindung einer angemeffenen Sommerwärme mit den intenfiven Niederfchlägen Nord:

Amerika's.

Wie die Gramineen überhaupt, wird aud) diefe,

die mit jo mächtigen Vegetationg-Organen ausgeftattet ift, beſſer gebeihen und raſcher wachſen fünnen, wenn der Wafjerzufluß zunimmt und dadurd die Kiefel-Ernährung ihrer Blattfcheiden gefördert wird. Unter diefen Beding— ungen, die ihr das Klima Kanada’s noch getvährt, erhöht ſich ihr Akklimatiſations-Vermögen in ſolchem Grade, daß fie Spielarten erzeugt, von denen einige in fürzefter Zeit auswachſen, andere eine Größe erreichen, die fie in Europa’ nicht behaupten können.

Nach Reichenbach ! unterfcheidet man gewöhnlich a) den großen amerifanifhen Mais (Z. M. americana), der zumeilen 16 bis 18 Fuß? hoch und zumeilen 2 Zoll im Durchmefjer die wird, aber zu feiner Reife ſelbſt im wärmeren Amerifa 6 Monate bedarf, fich daher für nörd-

liche Gegenden nicht eignet, und b) den kleinen oder ge meinen Mais (Z. M. praecox s. minor), der als weißer Mais mit meißlichen Körnern, als roter mit toten jehr verjchieden, bald ins Raftanienbraun, bald mehr ind Karminrote oder Nofenrote übergehend, als blauer mit

blauen

die oft mit gelben vermifcht find,

was auch bei den roten vorkommt, ala buntfarbiger mit buntgezeichneten Körnern, und als äftiger mit äftigen Körnern befannt ift.

In Peru hat der Mais morocho

mit

mehrere Mbarten:

Mais

kleinem,

glasartigen, gelbem ober rotbraunem Korne; Mais amarillo mit einem größeren, faſt herzförmigen, feiten, undurchſichtigen Korne; Mais

amarillo de Chancay, der vorhergehenden Art ähnlich, mit einem

nur

halb durchichneidenden,

mehr

vieredigen

Korn im langen Kolben; Mais blanco mit einem runden, faſt undurchfichtigen, ſehr feſt einliegenden, blafjen, gelben Korne.3

Spiel-Arten,“

die fih innerhalb

der Vereinigten

Staaten finden, find folgende: 1. Golden Sioux oder Northern Yellow Flint Corn, gelbes Steinforn der nördlichen Gegenden. Aehrenkolben did und kurz.

2. King Philip oder Eight Rowed Yellow Corn, achtzeiliges Gelbkorn. Aehrenfolben mehr länglich und ſchmal. 3. Canada Corn oder Eight Rowed

Yellow Small

Corn, kanadiſches, Eleinförniges achtzeiliges Gelbforn. 4. Dutton Corn, Duttons-Korn. Langgeftredt. Wegen der frühen Neife wird das Dutton Corn in den nördlichen Staaten anderen vorgezogen.

5. Southern Big Yellow Corn, fübliches großes Gelbforn. Aehrenkolben did und lang, Körner weniger dicht. | As Schweinemaſt wird diefe Art beſonders geſchätzt. 4 4 6. Southern Small Yellow Corn, ſüdliches kleines Gelbkorn, dem vorigen ähnlich, in Hleinerem Maßſtabe. Die Körner feiter, Daher zur Aufbewahrung und Verſend— ung mehr geeignet.

7. Rhode Island White Flint Corn, weißes Stein: forn von Rhode-Island. Kolben ziemlich groß. Körner glänzend weiß, feit, rund. Der größere Delgehalt ſchützt dieſe Art vor ſaurer Gährung und ſie eignet ſich daher zu längerem Aufbewahren. „Botanik für Damen“ S. 339. Der Rieſen-Mais, Zea Caragua wird 10 bis 12 Fuß hoch. SEE SE Tſchudi, „Bern“, Siehe dazu Darwin „Ueber das Variieren der Tiere und Pflanzen im Zuftande der Domeftifation“ I. 399 bis 413 und an anderen Stellen, =

1 „Die Vegetation der Erde nach ihrer klimatiſchen Anord— nung”. Bd. II. ©, 249,

Körnern,

Der Mais,

8. weißes ziemlich 9.

Southern Big White Flint Corn, jüdliches großes Steinforn. Der großen Gelbkorn-Art des Südens ähnlich; enthält mehr Stärfemehl, aber weniger Del. Southern Small White Flint Corn, füdliches

Heines weißes Steinkorn. Der vorigen Art ähnlich, nur im kleineren Maßſtabe. Wegen geringer Ergiebigkeit weniger häufig gezogen. 10. Dutton White Flint Corn, weißes Dutton-Stein:

korn. Bon dem gelben Dutton-Korn nur durch die Farbe

verjchieden. 11. Early Canadian White Flint Corn, kanadiſches

weißes Fruüh-Korn. Wird nur zum friſchen Gebrauch als Zukoſt (Grunkorn) angebaut, ſonſt aber nicht weiter benutzt. 12. Tuscarora-Corn, Tuskarora-Korn, eine dem Nhode: Island Ähnliche Art im Staate New-York, deren Körner

weder Kleber noch Del enthalten. 13. Virginia White Gourdseed Corn, virginiſcher Kürbiskern-⸗Mais. Wegen ihrer gedrungenen Stellung fallen

die Körner fehr ins Gewicht. Sie eignen ſich nicht zur Ber: Ihidung. Ohne Austrodnung und Nöftung fann man diefe

Art Mais nicht aufbewahren und man muß fie forgfältig vor Feuchtigkeit ſchützen. 14. Baden Corn (Tree Corn), der Baden- und Burde— Dais find durch forgfältige Pflege erzielte Abarten des Kürbistern Mais. 15. Early Sweet Corn oder Early Sugar Corn, frühreifes Zuderforn, aud) wohl Papoon Corn (Melonen: Korn) genannt.

Man benußt fie mehr für die Küche, als

zu anderem Bedarf,

Friſch und

geborrt dienen fie zur

Bereitung mehrerer ſchmackhafter Speifen.

16. Rice Corn, Kteisforn, fehr abweichend übrigen Wälfchforn-Arten.

von den

Die Körner find von blutroter,

bisweilen ins Bläuliche und Grünliche fehillernder Farbe, ähneln ziemlich den Reiskörnern; enthalten weniger Stärke— mebl

und

weit

mehr Del

als andere Mais-Arten.

Zu

Hühnerfutter vorteilhaft zu benügen. 17. Pop Corn oder Parching Corn, Röftforn, Puff:

Korn (Zea Caragua),

Diefe Art, nach ihrem Vaterlande

Valparaiso Corn genannt, zeichnet fich durch Heine Aehren— folben und kleine Körnchen aus, die vom Blutroten ins

Violette ſchillern.

Es wird felten

in den PVereinigten

Staaten und nur ausnahmsweife gebaut; in Mittel-Amerifa

iſt dieſe Mais-Art

aber vorzüglich gefchägt und aus der:

jelben wurde das Mehl vormals bereitet, das vorzugsweise

für die Tafel der Incas von Peru beftimmt war. Hier könnten nod andere Mais Arten angeführt erden, wie die Mais-Arten des füdlichen Europa, der Nordfüfte von Afrika, die in der Levante beliebten Arten,

der fogenannte türkische Weizen, von violetter ing Bräunlich jchillernder

Amerifa dem

Farbe,

nicht gezogen

und

andere

werden.

amerikanischen Feſtlande

mehr, die aber in

Durch den überall auf

verbreiteten und feit Jahr:

hunderten mannigfach verbefjerten Anbau der Maispflanze

853

wird die große Menge von Arten und Spielarten der— ſelben erklärlich. Dieſe Getreide-Art bleibt fortwährend der Hauptgegenſtand landwirtſchaftlicher Beſtrebungen nicht bloß in den Vereinigten Staaten, ſondern auch in allen

nördlicher und ſüdlicher gelegenen Landſtrichen Amerika's.

Denn ſie iſt es vorzüglich, welche die gewagten Nieder— laſſungen in den amerikaniſchen Urwäldern ſo ſehr erleichtert, ja ohne fie würden ſolche oftmals ganz unausführbar bleiben.!

Der

erſte Anfiedler

in der Waldeinfamfeit

it ge:

wöhnlich ein folder, der in den öſtlichen Eultivierteren Öegenden Banferott gemacht oder dem es jonft in der Kulturwelt nicht hat glüden wollen. Meifteng treten dieſe Menſchen GBackwoodsmen, Pioniere des Weſtens) im April ihre Wanderung an, oft mit weiter nichts verſehen, als mit Art und Flinte. Zuerſt erbauen fie nun mit dem Beiſtande der nächſten Nachbarn, die freilich mitunter wohl 4 bis 5 g. MI. entfernt wohnen fünnen, eine Blod: hütte, ohne Fenjter und Fußboden, und es ift ein folcher Bau unter Umſtänden Schon in vier Tagen vollendet. Mit einem jchlechten Stalle für eine Kuh, ein paar Pferde ꝛc., die fich ihr Zutter im Walde ſelbſt fuchen müffen, gebt es noch vafcher. Nun werden ringsumber einige Aeres Land dur Abhauen, oft nur durch Abſchälen der Bäume Licht gemacht und mit Mais beſäet. Dies gefchieht gegen Ende Mai. Im September kann ſich der Anfiedler ſchon von den unreifen Körnern, wenn ſie geröſtet ſind, ernähren; im Oktober erfolgt die Ernte. Er braucht alſo von ſeinem mitgebrachten Mehl-Vorrate, von Wild und Fiſchen nur während des Sommers zu zehren. Den Indianern nahe wohnend, nimmt er von deren Sitten gar viele an, Die Jagd 1jt fein Hauptvergnügen ; fein Leben wechſelt ab zwischen harter Arbeit und träger Nuhe; mit Menfchen außerhalb jeiner Familie verkehrt er fajt gar nicht. So dauert es zwei, drei und vier Jahre, bis dem Einfiedler durch neue Kolonijten die Gegend zu voll wird. Jagd und Fiſchfang nehmen jetzt ab; die Nachbarn verlangen von ibm, daß er fein Vieh einhege 20. Hierüber mißver— gnügt, verkauft ex feine Beſitzung und dringt von neuem tiefer in die Wildnis. Man bat Beifpiele, daß ein Bauer viermal auf folche Art wechjelte, ehe er feinen lebensläng:

lichen Wohnſitz auffchlug.? In Europa iſt als nördlichſte Grenze des Maisbaues wohl der 520 anzunehmen, wenn auch in Rußland in den Gouvernements Mohilew (549) und Sſimbirsk (550) und I Fleifhmann, „Der nordamerifanijche Landwirt.” S. 113 bis 116, „Etliche diefer genannten Arten find auch in Rußland verfucht. Alle Mais-Sorten find jehr rei an Stärkemehl, wovon fie durch— ſchnittlich 66 bis SO0/, enthalten, vesgleichen reih an einem fettigen Stoff, welcher auch der Grund ift, daß das Maismehl leicht vanzig wird und daher für den Gebrauch immer friich bereitet werden muß.” Kaufmanng-Lerifon. 2 Kocher, „Kolonien, Kolonial-Bolitit und Auswanderung“. ©. 310.

854

Reiſeſtizzen aus Aegypten und Sudan.

auch in Riga (570) Verſuche zu demſelben gemacht worden ſind, wie denn auch gar in Norwegen, deren Ergebniſſe wir weiter unten geben wollen.

Was die Höhengrenze des Maisbaues betrifft, ſo verfüge ich leider über nur wenige Angaben. In den Gordilleren erreicht der Mais wohl fein höchftes Ziel. In dem ewigen Frühling von Peru erreicht der Maisbau Höhen von 13,000 Fuß. Roggen, Kartoffeln und Bohnen, jelbjt Weizen gedeihen in üppigiter Fülle an den Ufern des Titicaca, 3696 m. (über 10,000 Fuß) ü. M. und Mais mwuchert noch auf einer kleinen Inſel in feiner Mitte, !

Ber St. Mateo im Thale Vifo in Beru, 10,947 Fuß über dem Meere, gedeihen die Kartoffeln, Dcas (Oxalis tuberosa), und Ullucas (Tropaeolum tuberosum) noch ehr üppig, der Mais reift vollfommen, treibt aber nur ſehr kleine Kolben.” In Abeffinien geht der Mais, nach Heuglin,? bis 5000 bis 7000 Fuß Höhe; auf dem 13.0 fteigt er bis auf 7500 Fuß hinauf, der Weizen bis 9000 Fuß, die Gerite bis 12,500 Fuß. In der Höhe von Kabul am Hindukuſch, wo die Nachtfröfte ſpät in das Frühjahr reichen, find die Zeiten der Saat und Ernte denen von Europa ähnlich, die Sommerfrüchte können erſt im Mai beitellt werden

und reifen im August und September.

Um

fo merkwürdiger ift unter diefen Umftänden die Kultur von eis und Mais, wobei man entweder eine ungemeine Beichleunigung ‚der Entwidelungsphafen dem Klima zus Ichreiben oder annehmen muß, daß man dort Spielarten diejer Gerealien beſitzt, die fich durch eine furze Vegetations— zeit auszeichnen, wie man fie vom Reis in China, vom Mais in Nordamerifa erzeugt hat.“ In Abchaſien ging 1864, nach Nabde, der Maisbau bis 2420 bis 3500 Fuß ü. M.; 1871 aber berichtet Herr Dfchänin, daß feitdem derjelbe weit höher hinauf geitiegen fei, und daß in Laſch—

hetien, freilich nur geringe PBarcellen von

Maisfelvern,

die Höhe von 4000 Fuß erreichen? Die abchafischen Anftedelungen liegen verſteckt im Didicht, nur ein bellgrünes Maisfeld verrät fie; feine Pflanzen fchießen höher als das Dachkarnies auf. Auch bilden die Mais-Plantagen nirgends Felder von bedeutender Ausdehnung; fie liegen vie die Wohnungen der Menfchen einzeln verfprengt in den

Wäldern.® Es bleibt mir nur noch übrig, für an- und umschaulichere Angaben über polare wie Höhengrenzen des Mais mieder 1 Ule, „Weltall“.

2 Tſchudi, „Peru“. 3 Nah Steudner's nach Abeſſinien“. 1868,

Aufzeichnungen

+ Griefebah „Die Vegetation hen Anordnungen”.

im „v. Heuglin’s Reiſe

der Erde nad) ihren Himati-

> Ofchänin im ruſſiſchen Journal für Mitteilungen der Kaifert, Geſellſchaft für Naturwiſſenſchaft, Anthropologie und Ethnographie ’ RR N ALL AD, 6 Radde's „Reifen und Forſchungen im Kaukaſus im Fahre 1865“,

auf Schaut hinzumweifen, ! wie auf De Candolle's „Geographie botanique raisonnee“, worin wir über Urjprung und Verbreitung, IL, ©. 942 bis 952, Volargrenze des Anbaues, I., ©. 337 bis 338, 355 bis 357 und Höhen: - grenze des Mais ib. 393 finden.

#

(Fortſetzung folgt.)

Heifefkiggen aus Aegypten und Sudan. Bon Franz Xaver

Geyer, Apoftol. Miſſionar in Kairo. (Fortfesung.)

Eine der wichtigſten Karamanenftraßen des Sudan tft die von Suafın nach) Berber. Diefe Strede von zirka

400 Km. Länge legt man mit gewöhnlichem Kameelmarfc)

|

in etiva 100 Stunden zurüd. Die Wüſte ziwifchen Suakin und Berber heißt von ihren Bewohnern Wüſte der „BiIcharin”, obwohl die Gegend den Namen Wüſte im eigent-

]

lihen Sinne

nicht verdient.

Es jind hier nicht, wie in

der Nubifchen und Arabifchen Wüſte und befonders in der Wüſte von Korosko, fortgefette Sandflächen, fondern e3 ift

eine bergige, fteinreiche, großenteil® öde Strede, nur die . Gegend drei Tagreifen

von Berber (d. b. von O-Bak) an

trägt mehr den Charakter einer Wüfte an fih.

Die Bes

wohner der Gebirgsschluchten find die Bilcharin.

Die Vor:

fahren des neueren Bolfes, die Bedfcha, wohnten im niederen Zande; in der ganzen Gegend von Aegypten bis Abejfinten zogen fie unftät umber, betvaffnet mit fieben Ellenbogen langen Yanzen, oft raubend und plündernd. Allein das

Bedürfnis nach Lebensmitteln machte ihre Verbindung mit den nahen Yändern nötig und eben diefer Verfehr mäßigte den wilden Charakter des Volkes. Dazu fam, daß, wie jest durch die Wüſte der Bifcharin, jo einft durch die der Bedihas, die Handelsſtraße von Berber nach der Inſel

Suafın lief, von wo Sandel- und Aloeholz mit anderen indischen Waren nad) Inner-Afrika eindrangen. Die alten arabifchen Geographen, als: Idriſi (etiva 1135 n. Chr.),

Ebn Haufal

und Medufi

(beide im 10. Jahrhundert)

hinterließen uns phantaftische Befchreibungen jener Völker

und Handelsbewwegungen. Mit der Ausdehnung der Schiff: fahrt im Roten Meer wuchs auch der Verkehr auf der Kara— wanenftraße. Cailliaud („Voyage à Méroé“, II., ©, 177 ff.) ihreibt: „Barbar (Berber) ift immer von Karawanen bes ut... . Hier gehen die Wege nad) Aegypten und nad) Suakin ab, wohin die Meffa-Raramwanen aus dem Sudan

den nördlichen von den Biſcharins betvohnten Teil der MWüfte durchziehen.” Ein natürliches Ergebnis der fteten Verbindung der Biſcharins und ihrer Vorfahren mit den Mekka-Karawanen,

den arabifchen Kaufleuten u. f. iv. war,

daß fie teilweife den Islam annahmen. N „Seographiiche bis 171.

Berhältniffe

Sedoch ift der

der Brotpflanzen“.

S. 165

| | |

Neifeftizzen aus Aegypten und Sudan.

555

Islam mit ihrem alten Aberglauben vermischt und wegen

in lederner

des Mangels an veligiöfer Ausbildung werden fie von den unterrichteten Arabern verachtet, wie ich dies an unjerem Führer (Araber aus Suafin) und den Kameel— treibern (Bifcharin) auf der Reife wiederholt beobachten fonnte. Die Sprache der Bifcharin ift fein eigener Dialekt

Länge. Auf der Reiſe tragen ſie Sandalen aus Leder. Die Biſcharin bewohnen die verborgenen, ſchwer zu— gänglichen Thalſchluchten der Wüſte; nie ſiedeln ſie ſich

des Arabifchen, wie ich aus der fehr geringen Anzahl der ähnlichen Wortlaute und Sprachwurzeln ſchließe, die dem Arabiſchen und Bifcharinifchen gemeinfam find; fie ift eine Sprache für fich, ebenfo twie die Sprache der Barabin von

Aſſuan bis Dongola. Zudem ift der arabifchen Sprache nicht eigen, immer neue Idiome zu bilden, wie unſere europäiſchen Sprachen. Die Abneigung des Orients gegen Transformationen und Aenderungen zeigt ſich ſelbſt in der Sprache. Im allgemeinen bin ich kein Freund von Beſchreibungen der körperlichen Beſchaffenheit eines Stammes; denn unter 50 ſolcher Schilderungen von Körpergeſtalten, die ich gelejen, fonnte ic) mir bei 40 derfelben fein Bild von der Wirklichkeit

machen. Alleindie Erſcheinung des Bifcharin verdient eine furze allgemeine Bejchreibung.

Dieſer Wüftenfohn ift von hoher,

aufrechter Statur, ſchönen Körperformen, proportionierten Gliedmaſſen, deren Fleiſchloſigkeit jedoch vielfach die Har—

monie der Geſamtkonſtitution ſtört; die Hautfarbe variiert zwiſchen den Abſtufungen des Braun; aus den edlen Ge— ſichtszugen, die kaum ein Merkmal der Nigritier-Raſſe an

Scheide

oder eine Lanze von verſchiedener

an der Straße der Karawanen

an.

Nur ihre Heerden

ſuchen in der Nähe der Brunnen ihr Futter, und ihre Toten ruhen an der Handelsſtraße. Es kommt kein Handel⸗ treibender in ihre Dörfer; ſie ſelbſt gehen nach Suakin oder Berber, um ſich mit Durah und Erbſen zu verſehen. Der Haupterwerb dieſes Volkes iſt Viehzucht und die Vermitt— lung des Transports zwiſchen Suakin und Berber. Zwei Scheichs verteilen die Tränsportwaren an die Rameeltreiber; beide wohnen in der Nähe von Ariäb, dem Hoch⸗ brunnen der Wüſte und Weghälfte zwiſchen Suakin und Berber. Die Biſcharin allein kennen genau die Gegend und die Lage der Brunnen und, ſo lange Aegypten keine Eiſenbahn beſitzt, hängt der Transport nach und aus dem

Sudan vom guten Willen der Biſcharin ab.

Die letzten

Ereigniſſe injenen Gegenden haben dies zur Genüge be— wieſen. Seit Monaten ſind die Biſcharin Anhänger der Rebellion, der Verkehr iſt geſtört, die Brunnen ſind ver— ſtopft. Die einzige offene Straße nach Chartum iſt die Wüſte von Korosko, die jedoch länger und ſchwieriger ift. Ueber die Wüſte der Bifcharin exiftieren einige Spezial: farten. Die befte ift die des Dr, G. Schweinfurth, der die Wüſte viermal durchreifte, und zwar auf werfchiedenen

ſich tragen und faſt kaukaſiſch zu nennen ſind, ſpricht In—

Wegen

telligenz, vereint mit natürlicher Gutmuütigkeit. Die Haar: friſur zeichnet den Biſcharin vor anderen Stämmen aus: die Haare auf der Höhe des Scheitels richten ſich ſenkrecht

letzteren Jahre erſchien feine Karte mit den verfchiedenen Routen der früheren Jahre (S. „Betermann’s Mitteil-

ungen”, 1869, II).

zu einem

weicht

ſtruppigen

Büſchel

rückwärts und zu beiden Seiten in Heinen Zöpfen;

empor, während diejenigen

auf die Schultern fallen

um den Haaren ihre natürliche Fein-

(in den Jahren 1864, 1865, 1866, 1868).

von

Suafin

von den Routen

Die von uns bis O-Bak

Im

eingefchlagene Route

an verfchiedenen Stellen

der Karte Dr. Schweinfurth’s ab und

weißes, lumpiges Tuch (Futa) bevedt die Lenden und veicht höchſtens bis auf die Knie; dieſes Kleidungsſtück ift

fällt nur von O-Bak bis Berber genau mit ihr zufammen. Ih. Heuglin hatte ſchon 1864 eine Karte obiger Strede entivorfen; er war von Suakin direft nach Weft gezogen bis W. Harettereb, wo er die gewöhnliche Route der Karawanen einfchlug. Als Mafftab nahm Th. Heuglin

bei allen Stämmen des Sudan im Gebrauch, die nicht völlig nadt gehen. Die Kameeltreiber tragen ftatt der Futa aud ein Tierfell um die Yenden. Eine Art weißes

itab 1:800,000 im Sabre 1875 für den Generalftab ent= warf, iſt kaum brauchbar.

heit zu bewahren, werden fie ſtark mit widrig riechendem Fett gefalbt. Die Kleidung des Biſcharin ift einfach: ein

Yeintuch (schemma genannt) werfen fie fih mit einer gewiſſen Eleganz über die Schultern, während die wallen— den Falten bis auf den Fuß niederfinfen und Arm und Flanken bloß lafjen. In diefem Anzuge präfentiert die Geſtalt des Bilcharin den Anblid einer ftolzen römischen Statue in der Toga. Das Haupt tragen fie unbededt.

Am

vechten

Oberarm

mit einem Talisman

find lederne

Amulette

befeftigt

(hedschäb), d. h. einem Zettel mit

einem Zauberfpruche des Fakir oder Mufti; der Talisman gilt ihnen als übernatürliches Kraftmittel, das fie gegen Krankheit und Unglüdsfälle ſchützt. Befonders die Kameeltreiber find mit Talismanen am Arm und Halfe ſchwer beladen. Am linfen Oberarm ift eine Lederſcheide mit Itilettartigem Meſſer befeftigt, mehrere tragen ein Schwert

1:700,000.

Die Karte, welche H. ©. Brout-Bey im Map:

II.

Bon Suafin nad) Berber,

Wenige Tage nach Abreife des General Hicks und der Soldaten konnten wir Suakin verlaffen, am 17. Februar. Es war 7 Uhr Morgens, als unfere Gefellfchaft auf 17

Kameelen aus der Stadt auszog. Trübe Nebel lagerten über der Wülte, Das Thermometer zeigte 230 C, In friſchem Schritt gingen die Kameele eines an den Schtweif des andern

gebunden,

vorwärts.

it reich an verſchiedenen

Umgebung

Suakin's

Drachenblutbäumen,

Die

Balſam—

bäumen, Euphorbien ꝛc. Die Küftenfläche, die wir in nordiweitlicher Nichtung durchreiten, iſt mit zahlreichen wilden Akazien (in der Höhe von 2, 3, 4 m.) und Ge-

856

Reiſeſtizzen aus Aegypten und dem Sudan.

ſträuch dicht beſettt. An dem Gebüſch richten ſich ſchwarz und braun gefleckte Ziegen empor und zupfen ihr Futter ab; hier und dort ragt der Kopf eines Kameels oder Eſels über das kurze Buſchwerk und ſtreckt ſich neugierig der kommenden Karawane entgegen; Vögel (Finken, Sperlinge, Turteltauben) zwitſchern, die ſcheuen Gazellen fliehen vor uns, große Raben umſchweben die Aaſe, mit denen der Karawanenweg beſtreut iſt. Nach vierſtündigem Marſch auf der Küſtenebene langten wir bei den Vorhügeln der erſten Gebirgkette an, die ſich parallel mit dem Meere

hinzieht.

Obwohl die Küſtenfläche eine gleichmäßige Ebene

iſt, erſcheint ſie doch, hier

am Fuße der Hügelzüge gegen

und enthalten reines Waſſer. Nach einftündigem Nitt verengt fi) das Thal und man kann aus der Ferne feinen Ausgang erkennen. Gin Fleiner Engpaß vermittelt uns den Uebertritt in das nad Südweſt langgeftrecte Wady-Oſſot mit thonigefandiger Sohle. Diefes ausge:

Afazien, darunter

befonders

Selem-Akazien, bilden kleine

Buſchwälder, unter denen einige Flechten fich auszeichneten; an einer Stelle bemerkte ich eine kleine Durrahfultur. Das Wady ift Werdeplab für die zahlreichen Heerden der hinter den Bergen wohnenden Biſcharin. Wenn die Regen-

das Meer hin betrachtet, ſtark abfallend gegen die in ziem—

zeit ſchlecht ausfällt, Tann leicht große Not im ganzen Wady

licher Tiefe liegende Stadt und die Meeresküſte. Nach einer Stunde erreichten wir die Brunnen von Handuk. Nach Nord, rechts vom Wege, befinden ſich drei Gruben am Fuße eines langgeſtreckten Granithügels; das Waſſer iſt klar und enthält Metallſtoffe. Die ſchwärzlich-grünen Ketten der pyramidenförmigen Hügel bergen nebſt ver— ſchiedenen Metall-Arten beſonders Eiſenoxyd. Nach drei Stunden Ruhe in der Nähe der Brunnen nahmen wir den Marſch wieder auf.“ Die Wegrichtung iſt nordweſtlich. Zunächſt paſſierten wir eine langgeſtreckte, von ſchwarzen Granitfelſen eingeſchloſſene Thalſohle, aus der ein kurzer Höhenrücken in ein zweites Wady führt. Unter mehreren rieſigen Felsblöcken fiel beſonders ein iſolierter, turmhoher Granitfels rechts vom Wege auf. Der Führer erwiderte auf unfere Frage, wie diefer Turm fich gebildet, mit den einfachen Worten: „Rabbena ämal keda“ „Gott hat ihn jo gemadt”. Um 6 Uhr 20 Min. ſank die Sonne? Nubig Ihlichen die Kameele in dem Ninnfal eines Gießbaches dahin, nur das Birpen der Grillen ftörte die Ruhe des

die Folge fein. Im Thal begegneten uns drei Bifcharin mit Lanzen und hölgerner eier: wir ließen fie für Badjchifch ein

Dunfels,

Dev Mond trat langfam am Himmelszelt hervor

und beleuchtete melanchofifceh unfern Pfad und die uns ums gebenden Berge. Unfer Weg nimmt langfam eine weft:

liche Richtung.

Gegen

7 Uhr machten wir Halt bei den

Brunnen von D-Tau. Während die Kameele auf Weide gingen, fuchten wir Holz und machten Feuer; Tafje Kaffee war unfer Abendmahl; ermüdet warfen uns auf die Matragen, denn mehrere von uns hatten eriten Mal das Kameel bejtiegen und waren müde,

die eine wir zum

Am 18. Februar? erwachten wir um 41, Uhr Morgens; am Firmament fchimmerten die Sterne; am Feuer ſaß ein alter Biſcharin, der unaufhörlich feine Glaubensformel: „La Ilah illa Allah ua mohammed rasül Allah* brummte. Da die Kameele in der Nacht fich meit entfernt hatten, wurden wir erft um 5 Uhr 50 Min. marjchfertig. Es war ein herrlicher Morgen. Die Brunnen von O-Tau liegen ie die von Handuf am Fuße eines Felfenhügels 1 Thermometer 2h pm. 300 C. 2 Thermometer Gh pm. 210 C. 220

3 Thermometer 6h am. 120 C. 8h am. 180 0. 10h am. C. 2h pm, 280 C, (in der Sonne 420 C.) 6h pm, 200C,

x

dehnte Thaliyitem iſt von mehreren temporären Waffe zügen durchfurcht und befigt eine reiche Vegetation: Die

wenig jpielen und ihr Spiel Hang keineswegs unharmonifch. Um 10 Uhr 35 Win. führte uns ein Höhenrüden in ein

|

weiteres Langthal, an deſſen Eingang drei Torba (Grab:

|

jtätte) lagen.

older Torba finden ſich viele am Wege,

da es Sitte der Biſcharin it, ihre Toten ferne zu beer— digen; man fann daher aus dem Vorhandenſein eines Torba faum auf Richtung und Entfernung der Drtfchaften Ihließen. Auf dem Grabe eines Scheich oder eines im

Leben als heilig verehrten Alten weht an einem Stab ein weißer oder roter Zumpen oder mehrere, Die ihm von feinen

Verehrern gewidmet wurden.

|

4

Das eben betretene Thal ift ſchwarzgebrannter ſteini—

ger Boden, mit Geröllflächen abwechſelnd; vollitändig vegetationslos wie die umliegenden Hügelzüge. ine uns begegnende Gummi-Karawane berichtete, am vorigen Tage die Engländer angetroffen zu haben.

Um

12 Uhr machten

wir Halt in einem breiten Wady von nicht unbedeutender Vegetation. Hahlreihe Mimojen-Bäume und Asklepiaden (darunter die Asclepias

gigantea) bedeckten den teilmweije

geröllveihen und mit Schieferrüdten bededten Boden. einigen Suntbäumen rankten fih Schlinggewächſe

An und

Flechten epheuartig empor und bildeten eine erfreuliche Abwechslung. Ein Geſträuch aus der Gattung der Afazien mit olivenartigen Blättern, von den Cingeborenen Schaschorbes genannt, it zahlreich vertreten.

Um 2 Uhr 12 Win. festen wir die Route fort. Unfere Wegrichtung tft nun fortivährend im allgemeinen ſüdweſt— lich. Steinreiche, kurze Wadys, umfchloffen von ſchwarz— gebrannten Granit- und Sandſteinfelſen, ſind die immer

wiederkehrenden Erſcheinungen. Um 7 Uhr 28 Min. be— traten wir das breite Sandbett eines Chor und hielten nad einem kurzen Marfche in demfelben bei dem Brunnen -

Diſſibil.

Der Brunnen

hier am Fuße

enthält Regenwaſſer,

das fi

eines ausgedehnten Felshügels anfammelt

und im Laufe der Jahreszeit immer tiefer in den Sand verfiegt. Die Waſſer fämtliher Chors mwälzen fi im Charif (Regenzeit) mit Wucht nad) der Küfte des Noten Meeres, wie aus deren Laufrichtung zu ſchließen ift. Die zwiſchen den Bergſpalten ablaufenden. Wafjer führen

|

Reifeffizzen aus Aegypten und dem Sudan.

fonglomerationsfähige, mineralogifche Cubjtanzen mit, die

ſich im Lauf teils Töfen, teils an die Sandförner anſetzen, die fie auf dem Wege antreffen. Der Anſatz der Sub-

tanzen mehrt fi) jo lange, bis der neue Körper, der im Zaufe der fortwährenden Wälzungen eine fphäroidale Form annimmt, zu ſchwer wird, um weiter bewegt werden zu fönnen und zu Boden finft. Viele diefer Heinen ſphäroi⸗

Sträucher;

es iſt die grünfte Strede, die ich zwischen

Suakin und Berber gefehen habe. Das Ninnfal ift ftarf anfteigend, das Erdreich mit fruchtbaren Metallitoffen ge:

miſcht.

den

ich den Boden ftellentveife mit grünem Graswuchs, Kriechund Schlingpflanzen bededt. Wilde Afazien, befonders Tekker— und Selem-Afazien, twechjeln mit manchfaltigen fuffulenten Gewächſen: Aloön, Stapelien. Die Asflepiadee Bucerosia it zahlreich vertreten. Die Euphorbie, die bei uns in Deutfchland zu den Kräutern zählt, ift bier im tropischen Klima baumgroß; die Blüte ift ein» und zweihäufig, von der Form der Aehre mit einfachen und Doppelteld. Der Saft der Blätter und Stengel ift weiß wie Milch (feltener gelb), jedoch dichter als Milch, hat einen beißenden Ge— ſchmack und widrigen Geruch. Die Eingeborenen gebrauchen den giftigen Saft der Oſchra zur Vergiftung der Lanzen und Pfeile Eine baumartige Euphorbie, der italienijche bosso, eine immergrüne Pflanze, ift auch in italienifche Gärten verpflanzt; ihr hartes Holz wird zur Konftruftion von Blasinftrumenten und in der Xylographie verivendet. Etwa eine Stunde dauerte diefer Garten. Alsdann ver: ſchwand das Grün allmählich; der Boden wurde fteinig; rechts und links erhoben ſich Folofjale Granitfelfen; bier bemerkte ich auch eine ſchwarzgraue Divritmaffe mit ver: witterten Spalten; der Granit ift an der Oberfläche ge Ihwärzt von der Sonnenbite, während er innen feine natürliche Farbe bewahrt. Melancholiſch und düfter Liegen

Bergengen

und

an

den Vereinigungsſtellen

zweier

Der Geologe und Mineraloge findet polyedriſche

Formen von Agglutination ſowohl homogener als heterogener Materien. In der Nähe Suakin's und im Hafen der Stadt fand ich auch Agglomerationen organiſcher mit unorganiſchen Subſtanzen, ſowie herrliche Beiſpiele von Petrifikationen.

Am 19. Februar! ſetzten wir uns um 6 Uhr früh in Marſch. Dev Weg führte im Chor zwiſchen Granitmafjen nad Südweſt.

Einige von

uns

verfuchten

ſich an der

Jagd der Rebhühner, Turteltauben, Hafen, Gnzellen. Das breite

Rinnfal

von

Diffibil ift veich an Vegetation: ich

fand die eriten Machar&b-Weiden

(die botanischen Gym-

nanthelia), die fich tvie große, grüne Bouquets aus dem Sandbett erheben, während an den Ufern die faftusartige Asflepiadee Bucerosia die Sukkulenten-Gewächſe vepräjentiert. Gegen 10 Uhr langten wir auf der Geröllfläche,

genannt Mohall-el-Sibil, an.

Merkwürdig iſt eine rieſige

Felſenfigur rechts am Wege. Der Felsblock iſt 5 m. hoc) und 6 m. lang; er hat, nad) Nord gerichtet, die Form einer Sphing, deren Leib einem großen Elefanten gleicht, während der ovale Kopf an die Habe erinnert. In der Wüſte fieht man wiederholt diefe kurioſen Erfcheinungen.

Vielleicht haben dieje Naturprodukte den alten Wegyptern

EEE

unfer felfiger Pfad in das Ninnfal eines Chor vertvandelt. Zu beiden Seiten erheben fich hohe, fonnverbrannte Sand: ſtein- und Öranitfelfen. Das Ninnfal ift ein vegetations: reicher Garten dev verjchiedenften Schlinggewächfe und

dalen und unregelmäßigen Agglomerationen finden ſich in Chors.

——

857

Sowohl jett als bei der Nückehr im Juni fand

die Idee zur Bildung jener Figuren gegeben, die wir noch

die Rieſenleiber der Klötze neben und übereinander, da=

heute im Nilthale von Kairo bis Soba beivundern.

Worte, legten Steinchen vom Grabe in den Mund und Ipieen fie wieder auf das Grab. Auf dem Grabhügel

zwischen find vermwitterte Stüde haufen und bündeltveife aufgefchichtet. Um 11 Uhr waren wir auf der Höhe angelangt. Vor uns öffnete fih Wady O-Druß, eines der ausgedehn: tejten Wady der Strede Suafin-Berber. In ſüdweſtlicher Richtung ziehen fich die Gebirge Druß bin, mit dem Did. ! Amit als norböftlichitem Einzelfegel. Nach Nordoſt grenzen niedrige, ferngelegene SHügelzüge das Wady ab,

waren einige weiße Fähnchen aufgeftedt. Die Bifcharin be-

Das Wady ift flach, der Boden mit Mimofen und gelbem

baupten, hier ſei das Grab eines heiligen Greifes, Abu Taher, der auf einer Meffareife hier geftorben und be— graben fei. Die Führer pflegen fi) am Grabe eine Gnade zu erbitten. Unfer Führer bat um die Gnade, mit der

Wüſtengras bedeckt, das aber fajt bis zur Hälfte vom jagen: den Wüſtenſande begraben iſt. Stredenweife bemerkt man Sranitgefchtebe und Sandſteinadern über die Bopdenfläche emporragen. Da das Wady verhältnismäßig eine der

Ge:

wiß it, daß dieſe Naturprodufte von jeher die Aufmerk— ſamkeit der Eingeborenen auf fich zogen. Wir bemerften, daß unjere Kameeltreiber die Karawane verließen und an

einem Grabe (am Fuße. der Sphinx) gewiſſe Zeremonien verrichteten; fie neigten fich über das Grab, murmelten

Karawane glüdlih in Berber anzulangen, in melchem Falle er eine Fahne zu widmen verſprach. Wer im be: trunfenen Zuftande fich dem Grabe nähere, befomme Unter: leibſchmerzen und werde auf der Neife von Leiden gequält jein. Während wir noch über die dunfle Religion der Biiharin

mit

unferm Kebir (Führer)

vedeten, hatte fich

1 Thermometer 6h am, 130C, 2h pm, 270 C. (ver Saud 530 C.) 6h pm. 210 C.

PERS.

bödhiten Lagen dev Wüſte einnimmt (E. Marno-Bey be: vechnete die Meereshöhe des Wady auf 920 m.), weht hier itet3 friiher Wind und als wir pafjterten, jagten düjtere Sandjäulen dur die Luft. Man bemerkte auch einige Durrah-Anlagen, die nur nach der Negenzeit bebaut werden fönnen. Hätte diefes Wady hinreichend Wajfer, jo fünnte es ein anfehnliches Stück Fruchtland bilden. Um 12 Uhr 1 Did. = Dichebel (Berg).

Kleinere Mitteilungen.

858

30 Min. machten wir in Mitte des Wady Halt unter der

Kleinere Mitteilungen.

Schirmfrone einer Selem-Mfazie, deren mehrere mit anderen

Mimofen abwechfeln.

Um 3 Uhr wurde der, Marjch im

Kurz nach dem Aufbruche Wady wieder aufgenommen. begegneten mir einer Oummisstaramane von 130 Rameelen. Da wir bereit wußten, daß die Kameeltreiber in der Zeitrechnung nicht fehr bewandert find, fragten wir mehrere

Biſcharin der Karawane feherzend, wie viele Tage fie von Berber auf dem Marſche feren. Die Antivorten waren die verſchiedenſten: acht, zehn, neun, zwölf, vierzehn Tage. Es fei bier bemerkt, daß die Eingeborenen geringe Bes griffe von der Zeiteinteilung befigen. Ihre Anhaltspunkte biebei find die Sonne, der Schatten für Beltimmung der Tageszeit, irgend ein wichtiges Ereignis für Beltimmung der größeren Zeitabjchnitte, Um 5 Uhr 15 Min. verließen wir Wady D-Druf. In der Richtung Weſt-Süd-Weſt führte der Weg über ans fteigendes, jteiniges Terrain, welches mit einem jähen Ab— itieg endete, Es war bereits Nacht, als wir unter großer Mühe und fortwährend von den niederhängenden Dorn— äſten der Mfaziengefträuche beläftigt, einen jäben felfigen Hohlweg binabjtiegen, der in das Wady Harettereb führt, Um 7 Uhr 28 Min. machte man Halt bei dem eriten Brunnen des Wady. Hier befindet ſich noch eine jener Hütten für die Karawanen, deren Gordon Paſcha als General-Öpuverneur des ägyptiſchen Sudan mehrere er— richtet hatte. Die arge Kälte und Feuchtigkeit bereitete uns eine unruhige Nacht. Um 11 Uhr Nachts erwachte ich durch das Geheul mehrerer Schafale und Wölfe, die im Thale herumjagten. Um 6 Uhr früh zeigte das Thermometer 50 C,, die niedrigite Temperatur der ganzen Reife, Gebüſch und Pflanzen trofen von Thau. Der bei der Hütte befindliche Brunnen, 31, Fuß im Quadrat, enthält reines Süßwafjer, das um 6 Uhr Morgens die Wärme

von 240 0. hatte, verurfacht durch die Erdwärme

Der

Reichtum an Waſſer (das Wady befitt mehrere Brunnen) bewirkte eine nicht unbedeutende Flora. Häufig findet fich

eine Euphorbien-Art, bei den Eingeborenen sin genannt; faftusartig, zwei bis drei Fuß hoch, gleicht fie einem Kronleuchter. Der weiße Stengel bildet vier dornige Kanten, aus denen je ſechs Zeige hervorſproſſen, die ähnlih dem Gewächſe ſelbſt gebildet find; die Blüte ijt

gelb, ihr Saft gleichfalls gelb, während jener von Stengel und Zweigen weiß ift. Wüftengras, fotvie eine reiche Vegetation grüner Gräfer und die Blätter der Afazien bilden die Weide für die Heerden der in den Bergfchluchten

wohnenden

Biſcharin.

Schaf-, Ziegen: und Efelheerben

Der fommerzielle Aufſchwung Antwerpen, Der Handels: exit jeit 1863

(Schluß folgt.)

Antwerpens

haben

angenommen.

Vor

diefem Jahre hatte der Tonmengehalt von Antwerpen zwiſchen 128,000 und 607,000 Tonnen geſchwankt. Im genannten Jahre wurde die Schelde freigegeben und wichtige öfonomijche Ver— befferungen im Tonnengeld und Lotſenweſen eingeführt. Seither hat ſich der Fortſchritt in jehr jtarfen Proportionen geltend gemacht; Antwerpen hat Hamburg, den großen deutſchen Sceehafen, und Marfeille, den großen franzöfifchen Seehafen, überholt und ift heutzutage einer der größten Häfen des europäiſchen Feſtlandes. Bon 1874 bis 1883 ift dev Tonnengehalt der Segeljchiffe, welche im Antwerpener Hafen einliefen, won 614,433 auf 417,860 Tonnen gefunfen, während im felben Zeitraum der Tonnengehalt der Dampfichiffe von 1,519,729 auf 3,440,074 Tonnen geftiegen ift. Nach— ftehend die vergleichende Ueberſicht diefer jüngften 10 Fahre; Die Zahlen bezeichnen die Fortſchritte einer öfonomifchen Ummälzung, welche noch nicht zu Ende ift. Jahre 1874

Zahl 1929

Segelſchiffe Tonnengehalt 614,433

Zahl 2618

Dampfſchiffe Tonnengehalt 1,519,729

1575

1634

532,682

2717

1,652,734

1876 1877 1875 1879 1880 1881 1882 1883

1534 1532 1538 1356 1468 1147 1149 989

546,978 558,261 610,582 620,290 612,991 515,287 507,772 417,860

3016 2925 3045 2892 3158 2963 3292 3700

1,980,719 1,194,121 2,169, 374 2,287,721 2,504,763 2,423,194 2,945,522 3,440,074

Am 31. Dezember 1883 bejaß Antwerpen unter belgijcher Flagge 57 Fahrzeuge, worunter 10 Segeljhiffe und 47 Dampfer mit einem Gefamttonnengehalt von 85,407 Tonnen. Nachjtehend die Ueberſicht der Seefchiffe, welche im Berlauf des Jahres 1885 im Hafen von Antwerpen ankamen, nach ihren Flaggen eingeteilt. England allein ift darin mit 2,156,539 Tonnen vertreten, d. h. mit 455,144 Tonnen mehr als alle anderen Flaggen zufammenz Flaggen.

Segelſchiffe. Zahl Tonnen

369 England Belgien . 6 Deutihland 122 Frankreich 57

Dänemaf

55

Norwegen Schweden Holland Spanien Italien Amerifa Rußland

162 55 18 22 44 18 47

Sriehenland Deiterreihd

erfüllen das Thal.

und Schifffahrts-VBerkehr

eine ungewöhnliche Entwicklung

Portugal

Japan

Dampfſchiffe. Zahl Tonnen

Zuſammen. Zahl Tonuen

174,692 44388 44,509 9885

1981 463 298 150

1,981,847 525235 8339236 165,510

2267 469 420 207

10,799

181

2,156,539 529,673 383,745 175,895

1132 19,723

126

8 113

198,744

42,389 79,231

247 168

113,731 98,954

139,543

2,222 8,134 24,685 24,831 16,966

484 46 9 — 4

87,125 50,262 15,252 — 4150

502 68 53 18 51

89,347 58,396 39,937 24,831 21,116

2

1,022

6

9,241

8

10

4,241

2)

4,229

13

3,470

2

STIER

1A

5,618

16

5,989

1

2,005

1

er



10,263 .

2,005

Antwerpen ift nicht nur der Ausfuhrhafen für alle großen belgiſchen Produkte, fondern Deutichland verladet num in ihm fein Eifen und feinen Stahl; Italien ſchickt dorthin mit der GotthardEijenbahn feine Eier und jein Obft; die Vereinigten Staaten

andererjeitS

erpedieren

dahin im ungeheuren Mengen ihr Erdöl

— a —5

859

Notizen.

und ihr Getreide, Südamerika feine Wolle und fein Vieh. Antwerpen it aber auch ein Auswanderungshafen geworden, denn im Jahr 1882 haben ſich dort über 35,000 Auswanderer eingeſchifft. Das

Gift der Klapperſchlange.

Bisher wurde allgemein angenommen, der von gewiſſen Schlangen und ſonſtigen Reptilien ausgeſonderte Giftſtoff beſtehe nur in einem giftigen Speichel, welcher nach Art der Gährungs— ſtoffe wirke. Nun hat neuerdings Dr. Lacerdo in Rio de Janeiro einige Verſuche über die Wirkung des Gifts der Klapperſchlange angeſtellt, welche ein ganz neues Licht auf dieſen Gegenſtand werfen. Seine Forſchungen haben nämlich dargethan, daß der Inhalt der Gift- oder Speicheldrüfe der Klapperſchlange ſogenannte gemodelte Fermente, nämlich winzig kleine Körperchen enthält, welche

eine ganz merkwürdige Aehnlichkeit oder Analogie mit den ſogenannten „Bacterien“ haben. Er erhielt von einer jungen und kräftigen Klapperſchlange, welche er mit Chloroform betäubt hatte, einen Tropfen des Gifts auf einem chemiſch-reinen Glasſtückchen, welches er ſogleich unter ein Mikroſkop brachte, und bemerkte nun beinahe unmittelbar die Bildung eines fadenveihen Breies in baum— förmiger Anordnung. Der verdicdte Faden trieb Sporen, löste fih dann allmählich auf und verfhwand, und die befreiten Sporen quollen zufehends auf und vergrößerten ſich und jeder derfelben jandte ein winzige Röhrchen aus, welches fich raſch verlängerte. Nach einer jehr kurzen Periode trennte fi) das Röhrchen von der erften Spore und bildete eimen neuen Kern für die Erzeugung der tötlihen Befleckung. Bet der genauen mikroſkopiſchen Unterjuchung des Blutes von Tieren, welche durch) den Biß von Klapper— ſchlangen getötet worden waren, hat Dr. Lacerdo ferner wahrgenommen, daß mit den roten Blutkügelchen eine Veränderung vorzugehen begonnen hatte, indem fih auf ihrer Oberfläche einige Kleine glänzende Pünktchen zeigten, welche ſich mit großer Geſchwindig— feit ausbreiteten, worauf die Kügelchen zulett ineinander verIhmolzen und eine Art amorphen Teiges bildeten, welcher nicht

mehr in den Benen zirkulteren konnte.

den" Kraterfegel allmählig in einen Berg verwandeln. Allein der Eispulfan ftellt bald feine Thätigfeit ein, denn der Krater verſtopft fh nah und nad mit Eis, und es kann fein Ausbruch mehr ftattfindeır. Die Verbreitung der Spraden Indiens. Der neuefte Bericht tiber den Cenſus in Indien gibt eine intereffante Statiftif über die in Indien üblichen verjchiedenen Landesſprachen. Diejenige Sprache, welche den weiteften Verbreitungsbezirk hat, ift das Hinduftant oder Urdu, welches von 82 Mill. Menschen geſprochen und in ſämtlichen Provinzen und Staaten Indiens verjtanden wird; unter diefen 82 Mill. find aber auch diejenigen eingefchlofjen, welche das Hindi ſprechen. Nach dem Hinduftani fommt das Bengali, welches 39 Mill. in Bengalen und Aſſam jprehen. Das Telugu, welches nur etwas über 17 Mil. jprechen, hat aber räumlich eine meit größere Ausdehnung. Das Marathi, welches fich weithin durch die Provinzen Indiens verteilt, wird von 17 Mill., das Pendſchabi von 14 Mill., das Tamil oder Tamulifhe von 13 Mill., das Guzerati von I Mill., das Kanareſiſche von 8 Mill. geſprochen. Engliſch als Miutterfprache wird von 202,920 Perſonen gejprochen, von denen nicht mehr als 150,000 reine Briten find, (Athenäum.) Im Hafen von Dfihiddah zeigte fih in den letzten Jahren eine Tendenz zu andauerndem Rückgang feiner fommerzielen Bedeutung. Der Grund hievon liegt nad den Berichten des englifchen Konfulats einerfeits in den fchlechten fanitären Ver— hältniſſen und den dadurch hervorgerufenen, hemmend wirkenden Quarantäne-Maßregeln, andererfeitS im der Abnahme der Zahl der Dieffapilger. 1882 und 1883 kamen wenige oder gar feine Pilger aus Algier, Tunis, Aegypten, der Türkei und Rußland, und damit. fehlten der gefchätteften Käufer wertvoller Handelsartifel. Die Abnahme der Pilger ſeit 1879 zeigen folgende Zahlen:

1879 1880 1881 1882 1883

Andere Tiere, in melche

EEE

jenes Blut unmittelbar nad) dem Tode der erften eingejpritt worden war, verendeten binnen weniger Stunden und zeigten

ganz die gleichen Symptome, ihlangen FE Fer

gebifjen worden

wie wenn fe felber von Klapper—

wären,

und

an ihrem Blute

war

ganz

Dr, Yacerdo diefelbe Zerjegung und Umbildung wahrzunehmen. ihließt feine Abhandlung mit der Thatjache, daß nach zahlreichen angeftellten Erperimenten das richtige Gegengift gegen Schlangenbiß nur in der Einfprisung von Alkohol unter der Haut oder in der Darreihung einer beventenden Menge alfoholifcher Getränfe durch den Mund der Gebifjenen bejtehe.

Notizen. Eispulfane. PVergangenen Winter hat man in Sanada eine merfwiürdige Natur-Erfcheinung beobachtet. Bei Faltem und ſtürmiſchem Wetter, wie es der vergangene Winter häufig brachte, hat man an den Gejtaden des Ontario-Sees ſich jogenannte „Ei3vulkane“ bilden jehen. Auf einem unebenen Streifen Eijes, das fi) am Geftade anhäufte, erſchienen Hügel von 20 bis 30 Fuß Höhe, welche zum Zeil fegelfürmig waren und eine Eraterähnliche Oeffnung zeigten, die mit dem Waffer darımter in Verbindung ftand. Bei ſtürmiſchem Wetter jchleudert dann jede Woge Schaum und Gicht und Eistrimmer durch die Deffnung, und dieſes Wafjer und die Eisftiide frieren an den Seiten des Kegels an und jteigern feine Höhe ganz in derjelben Weife, wie die aus einem thätigen Vulkan ausgeworfenen Stüde Bimzsftein, Schlade u. ſ. w.

42,860 59,659 37,785 25,580 28,883

Das Klima auf Nomaja Semlja. Im Auguftheft von Ciel et Terre finden fi einige Ergebniffe der Beobachtungen, welche die ruſſiſche Polarftation auf Nowaja Semlja gewann, verzeichnet. Nach denfelben war der Januar der fältefte Monat mit

mit einer mittleren Temperatur

von —210 C.; au einem Tag

fiel diefelbe bei ftarfem Oftwind fogar auf fiel das Thermometer

nicht unter

— 39,20.

28,20 umd

Im Februar

die mittlere Tem-

peratur betrug nur — 9,70, Dagegen findet fih als Monats— mittel fiir den Dezember — 15,40 bei einem Marimum von — 310 verzeichnet. Indes war die größte Kälte weniger fühlbar als die Wucht der Polarftirme. Die magnetiihen Schwankungen waren ſtark und häufig. Die Sonne, welche am 31. Oftober 1882 unter dem Horizont verſchwunden war, zeigte ſich aufs Neue am 23. Februar 1883. Die erften Frühlingsboten aus der Vogelwelt famen im April; die Temperatur fiel in diefem Monat nicht mehr unter —150. Die wärmere Fahreszeit trat im Juni ein und zwar von Furzen, aber ſehr heftigen Fröſten unterbrochen.

Sitteratur. ALS erfte phyſikaliſche Geographie wird vielfach die in den Fahren 1770 bis 1775 von dem befonders um die Chemie verdienten ſchwediſchen Profeffor Torbern Dlaf Bergmann herausgegebene Schrift: „Phyſikaliſche Beſchreibung der Erdfugel” (2 Bde.)

360

Notizen.

angeführt; 2. B. Peſchels Gefchichte der Erdkunde, ©. 808. Wenig befannt zu jein jcheint das Werf vom Holländer Loluf, welches zirka 20 Jahre friiher erſchien und daher Anfpruch hat, vor jenem als erfte, jelbftändige Bearbeitung der phyfifaliichen Geographie bezeichnet zu werden. Herm. Wagner führt dasjelbe auh S. 684 im neneften Bande des Geographifhen Jahrbuchs auf. CS tft vielleicht von Intereſſe, den Inhalt des Werfes hier in Kürze an— zuführen. Der vollftändige Titel des mir vorliegenden Buches it: „Johann Lolufs (Profeffor der Mathematif, Aftvonomie und Philofophie 2c. zu Yeyden) Einleitung zu der mathematifhen und phyfifalifhen Kenntnis der Erdfugel. Aus dem Holländifchen überjeßt von Abraham Gotthelf Käftner.“ (Quartformat, 430 Göttingen und Yeipzig 1755. Der erite und 174 Seiten nebft Negifter und 15 Figurentafeln.) Teil handelt von 20 Hauptftüden, Srdfugel, von der Größe der Erde,

der Erde,

dem Monde,

Bewegung

Lande

und deſſen allgemeiner Abteilung,

von den bremmenden

Kolonien, Kolonialpolitik um Auswanderung. Von

W. Roſcher und N. Jannaſch. Dritte vermehrte und verbeſſerte Auflage. 8. geh. Ladenpreis 9 Mark. Die vorliegende neue Auflage des berühmten Werkes iſt gerade momentan, wo die Kolonialfrage eine ſo überaus wichtige Rolle in der Tagespolitik ſpielt, ſehr dazu angethan, zeitgemäß und epochemachend zu wirken, weshalb wir das Buch in ſeiner neuen

Geſtalt allen Intereſſenten aufs Angelegentlichſte empfehlen. Verlag von Ferdinand

fejten

dem

von

So eben

und Feuer-auswerfenden

Bergen,

welchen die Erde,

und

vornehmlich

ihre

der

Vorrömischen

handeln

von

der Breite

der Derter,

dem

von

Jahre

und

Rhein-Gebiete. Mit zahlreichen Abbildungen 4. gebunden.

Der Schwäbisch-Rheinische Städtehund im Jahre

bis zum Abschluss

Reifen in Cibet u. am gelben Fluſſe in den Jahren 1879 bis 1880. pe

1384

der Heidelberger

Stallung.

Von L. Quidde. 80.

327 Seiten.

M. 6. —

(mit wiſſenſchaftlicher Beilage und Handelszeitung)

Berlag von Hermann Gojtenoble in Jena.



und 6 Karten in Farbendruck. Preis M. 15. —

Neuer Verlag der J. G. Cotta’schen Buchhandlung in Stuttgart,



&

Tröltsch,

Die „Allgemeine Zeitung“

Anzeigen.

.

von

Kgl württemb. Major a. D.

den

Jahreszeiten, von den Abwechshungen des Tages und der Nacht, von der Dämmerung, von der Erwärmung der Erde durch die Sonne, von der Einteilung der Oberfläche der Erde in Himmels— ftriche, von der Yänge der Derter, von dem Abſtande der Derter auf der Oberfläche der Erdkugel. Dr. W. Wolfenhaner.

Metallzeit

Von E. Freiherr

Dberfläche

iſt unterworfen gewefen, von dem Dunftlreife der Erdfugel, von den Bewegungen und Wirkungen des Dunftfreifes. Der zweite Teil enthält 8 Hauptftücde. Das erfte gibt Erklärung einiger Wörter, die in der Geographie gebraucht werden; die anderen

in Stuttgart.

Fund-Statistik

von der See und ihren Eigenschaften, von der Ebbe und Flut, von den übrigen Bewegungen der See, von den Seen und Siümpfen, von den Brummen, von den Flüſſen, von den Ver— änderungen,

Enke

erschien:

von den Inſeln und Halb-

infeln, von den Bergen überhaupt, won der Yage und Bejchaffenheit dev Berge, von der Höhe der Berge, von den Bergen inwendig betrachtet,

So eben erſchien und iſt durch alleBuchhandlungen zu beziehen:

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lichen

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C. F. Winter'ſche Verlagshandlung in Leipzig.

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Qunrtalpreis bei wörentl.Derfendung im Weltpoftverein M.12. Probenunmmern

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Bon U. von Brfdemalski, In deutſcher Bearbeitung von Daron E. von Stein-Nordheim.

Mit zahlreichen Illuſtrationen und einer Karte in Farbendruck. Ein Band von 18 Bogen gr. 80. 8 M., eleg. geb. 10 M. sn der hier angekündigten Reife, welche einen höchſt werthvollen Beitrag zur geographifchen Literatur Dftafiens bildet, hat Prſchewalski jein Hauptaugenmerk auf die Erfor-

hung des Hochplateaus von Tibet und des oberen Yaufes des Gelben Fluſſes gerichtet. Der Autor beſuchte größtentheils völlig nee,

früher in Augsburg erſchienen —

iſt in Deutſchland und Oeſterreich durch die Poſtanſtalten für 9 Mark viertel: jährlih (6 ME, für die 2 letzten Monate, 3 M. für den letzten Monat des Quartals) zu beziehen. Preis bei directer Verjendung unter Streifband monatlic) 4 Mark (M. 5. 60 für die anderen Länder des Weltpoftvereing).

noch un—

erforſchte Gebiete und bringt jein Werk die erften, auf eigener Beobachtung beruhenden jpeciellen Nachrichten iiber das Tanla=Gebirge, deſſen hohe Bedeutung als eine der Hauptwaſſerſcheiden Inneraſiens gerade in geographiſcher Beziehung die beſondere Aufmerkſamkeit verdient.

Leitartikel,

wiſſenſchaftliche und handelspolitiihe ſätze 20. ꝛc. in Nr. 286 bis 292.

Auf⸗

Die politischen Beziehungen Rußlands nad den Tagen von Skierniewice, — Die deuütſche Geſandtſchaft inPerſten. — Das deutſche Reihsgericht. — Montenegro und Serbien. — Ungarn und Rußland. — Zur Goldenen Hochzeit in Sigmaringen. — Die Ungarn und Rußland. — Zur Lage in Aegypten. — Zur politiihen Lage der Philippinen. — Diplomatijcher Briefwechſel zur Congo-Frage. Meeresbrandung im Hochgebirge. Von I. Walther. — Zur Löſung des Problems der eleftriichen Uebertragung. — Eduard Meyers Geſchichte des Alter thums. — Wiener Briefe. (CLXXXL) — e Durch Sibirien. — Neues au & der 5 hun ! f \ Grzählungsliteratur. Bon M. Greif. — Kirkcaldy. Von Prof. Dr. U. Onden. — Orientaliſche Keramif. (11.) — Die jüngjten Verſuche mit einem Tentbaren Ballon in Meudon. — Aus dem poetijhen Nachlaß von Jakob M. R. Lenz.

Von

E. Schmidt, — Necognofeirungen

in Gentralajien.

Bon 9. Bämbery.

Die Erhöhung der Getreidezölle und die Communalaceijen. — Wirthichaftliches aus

der bayeriſchen

Brau-Induſtrie.

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FEST Hiezu cin Proſpektus der Verlagsbud)handlung Gebrüder Bornträger (Ed. Eggers) in Berlin.

Druck und Verlag der J. G. Cotta'ſchen Buchhandlung in München und Stuttgart.

Das Auslbaund. Wochenſchrift für Sander- und Dölkerkunde, unter

Mitwirkung

bewährter

Fachmänner

herausgegeben

von

der

I. 6. Cotta'ſchen Buchhandlung in Stuttgart und Münden. Siebenundfünfzigiter Jahrgang.

Ar. 44.

Stuttgart, 3. November.

1884.

Jährlich 52 Nummern A 20 Seiten in Quart. Preis pro Quartal M. 7. Hu beziehen durch alle Buchhandlungen des In- und Auslandes und die Poftämter. — Manujfripte und Rezenjions-Gremplare von Werfen der einjchlägigen Litteratur find direkt an Herin Dr. Karl Müller in Stuttgart, Kurzeſtraße Nr. 6/II, zu ſenden. — Snjertionäpreis 20 Pf. fiir die gejpaltene Zeile in Betit.

Inhalt: 1. Die iberische Frage. Von Dr, Rudolf Scala. S. 861. — 2. Die Nil-Kataraften. ©. 865. — 3. Reiſeſkizzen Von Franz Xaver Geyer, Apoftol. Mijfionar in Kairo. (Fortfegung.) S. 867. — 4. Die Lage im aus Aegypten und dem Sudan. Betichnanenlande. S. 870. — 5. Der Mais. (Fortfetung.) TI. S. 51. — 6. W. W. Graham’s Reifen und Bergbefteigungen im Himalaya. ©. 876. —

Die iberiſche Frage. Bon Dr. Rudolf

v Scala

in Fi.

Was die Löſung der ligurifchen und etrusfischen Frage für eine weit ausgedehnte Periode italifcher Yandesgefchichte

und europäischer Völfergeichichte

bedeutet, zeigt uns der

Eifer und das Intereſſe, mit dem man ſich der Behande lung diefer Frage bingegeben — ein Moment, das fid

vielleicht nicht immer als untrüglich erweilt.

Wenn wir

das geringe Intereſſe in’s Auge faſſen, das jeit Wilhelm v. Humboldt der iberifchen Frage geſchenkt wurde, jo müßten wir beinahe zu dem Ölauben verleitet werden, daß dieſe

nur ein Problem der intimften fpanifchen Yandesgejchichte jet, nicht aber ein Gebiet, deſſen Erforfhung

für Völker—

funde, Sprachwiſſenſchaft und Geſchichte gleich bedeutſam it. Seit Humboldt's hervorragendem und doc der Kor: reftur bedürftigem Werfe! haben fih in Deutjchland nur Hoffmann,? Mahn,’ Phillips und Pott? mit dem Sberifch-

Baskiſchen bejchäftigt, darunter

Phillipsd mit der aus-

4 Prüfung der Unterfuhungen iiber die Urbewohner Hifpaniens dermitteljt der basfifchen

Sprade.

Berlin.

1821.

2 Die Iberer im Weften und Often. Xeipzig. 1858. Das moderne Baskiſche wird in diefer übrigens jehr wertvollen Schrift nicht berückſichtigt. 3 Denkmäler der basfifshen Sprade. Berlin. 1857. — Etymologiſche Unterfuchungen auf dem Gebiete der romanischen Sprade. Berlin. 1863. + Die baskiſchen Familiennamen, Detmold. 1875. 5 Ueber das iberifche Alphabet. Einwanderung der Iberer in die Pyrenäiſche Halbinfel. Ueber das baskische Alphabet. Leber Ausland

1884, Nr. 4.

gejprochenen Abficht, nur Material für künftige Forſcher zu ſammeln. Ob der Appell Hehns! an die deutjchen Sprachforſcher, das Studium des Sherifchen den Händen franzöfischer und jpanifcher Dilettanten zu entreißen, von Erfolg begleitet jein wird, iſt jehr fraglich; diefe Worte iind aber außerdem doch nicht ganz gerecht: den ausgezeichneten Forſcher Delgado,? die mit den Errungenschaften deutſcher Wiſſenſchaft vertrauten Lobel de Langrouiz’ und Manuel Nodriguez de Berlanga,t den Geographen Guerrad dürfen wir nicht in eine Kategorie mit den franzöfifchen Dilettanten ftellen, die von Ibarie de Bidafjouet® das Tateinifche und romanifche Element in der baskiſchen Sprache. (Situngsberichte der fgl. Akademie der Wifjenschaften in Wien. 1870.) Iberiſcher Urfprung von Stammes- und Städtenamen im jüdlihen Gallien. Inſchrift von Caſtellon. Weber den iberiihen Ursprung der Indiketen (Sitzungsber. 1871). 1 Kulturpflanzen und Haustiere. Berlin. 1883. ©. 498. 2 Nuovo Método de Classificacion de las medallas autönomas de Espana (Sevilla. Circulo Numismatico). 3 Die Minzen von Sagunt in den Commentationes philologicae in honorem Th. Mommseni. Berlin 1877. ©. 805 big 824. — Estudio historico de la antigua moneda Espanola desde su origen hästa el imperio Romano. (3 Bde. Madrid 1879— 80.) % Les monnaies puniques et tartessienes de l’Espagne (Comment. philolog. 8. 274—281.) 5 Geografia antigua de Espana. Madrid. 1882. 6 Histoire des Cantabres ou des premiers colons de toute l’Europe avec celle des Basques, leurs descendants directs, qui existent encore, et leur langue assiatique-basque. Paris 1825. 130

362

Die iberifhe Frage.

bis auf Baudrimont ! herab ihre fehr zweifelhaften wiſſen—

Ichaftlichen Kräfte an dem Iberiſchen erprobten, und dabei die jonderbariten Hypotheſen zu Tage fürderten, jo trefflich

den Ausſpruch Peſchels? illuftrierend, daß es oft die höchften und

dunkelſten Aufgaben

feien,

„die Unvorbereitete

am

färkjten anziehen und dann zu verfrühten, alfo gänzlich wertlofen Entſcheidungen fortreigen.” Andererfeits find aber auch franzöſiſche Forfcher, wie Boudard? und Blaulé“ nicht als Dilettanten zu bezeichnen; ihre auf ernſter Arbeit ruhenden Hypotheſen haben freilich viel Luftiges an fich,

aber wenn Aufftellung unhaltbarer Hypotheſen, Ignorier— ung früherer Refultate einen Forſcher Schon um den Namen eines hervorragenden Gelehrten brächte, würde aud) der größte franzöfiiche Gelehrte auf dem Gebiete der Altertumsfunde, F. Zenormant, ohne diefen Ruhm in’s Grab geftiegen fein, während man in der That troß diefer Fehler feine höchft be— deutende Gelehrfamfeit nicht beftreitet. Endlich find die Refultate des Holländers Ihr. W. J. v. Ey86 auf dem Gebiete der modernen baskiſchen Sprache fehr bedeutend zu

nennen. Betrachten wir nun einmal näher die Art der Be: handlung des iberifchen Problems, fo fehen wir, bei Hum— boldt beginnend, daß diefer eine Neihe iberifcher Namen al3 verwandt, mitunter fogar als identisch mit baskiſchen Namen und Wörtern erivies, daneben aber ftark beeinflußt duch die Etymologifierungsart Aſtarloa's? alle iberifchen

Namen dur baskiſche Wörter erklären will. Es wäre eine durchaus lohnende Arbeit, auf Grund des iberiſchen Alphabets Delgado-Lobels zu erweifen, daß

eine Reihe von Namen in den Schriftitellern der Griechen und Nömer grägifiert und latinifiert, alfo entftellt find, fo daß die auf Münzen evfcheinende Urform die Unrichtigkeit der Humboldt'ſchen Ableitung genügend klarlegt. AndrerjeitS find in der Zufammenftellung der Sitten und Ge: bräuche der Iberer, die Humboldt gibt,8 gerade einige als gefichert anzufehende Nefultate des erſten Teiles feiner Unterfuhung nicht verwertet. Aus den meiſten Orts— namen läßt ſich allerdings fein Schluß auf den Kultur zujtand der Iberer ziehen, denn am ſtärkſten ift jene Klaſſe NHistoire des Basques ou Escualdunais primitiſs. Paris 1854 et 1868. 2 Bölferfunde. Leipzig. 1874. ©, 7. 3 Etudes sur l'alphabet Iberien et sur quelques monnajes autonomes d’Espagne (Paris et Beziers 1857. — Numismatique Iberienne. Paris 1857. 4 Etudes sur l’origine des Basques. Paris 1869. 5 Man vergleihe nur Holm's Nezenfion über Lenormant „Grand-Grece, paysages et histoire, in Burſian's Jahresbericht für Fortſchritte der klaſſiſchen Altertumswiſſenſchaft

1882,

6 Grammaire comparée des dialectes basques. Paris. 1579. — Outlines of basque grammar. London 1883. — Die Forſchungen nach iberifchen Neften hat fi van Eys allerdings ſehr vereinfacht, indem er in feinem (Outline: p. AI behauptet, es ſei fein einziges iberifches Wort erhalten, 7 Apologia de la lingua Bascongada, Madrid. 1808. N 0: D, SL 14B,

der Namen vertreten, die fich auf die topographifche Lage des Drtes beziehen, während die auf Produkte des Bodens bezüglichen Namen felten find,! Nichtsdeftoweniger find einige Namen für Beichäftigung und Kulturpflanzen äußert

lehrreich; fo Ilareuris, (Ptol. II. 6.) das von llarca.? Erbfen, herrührt, Calaguris Fibularensis und Nassica,

das

aud

in feinen

lateinifchen

Beinamen

interefjante

Daten“ gibt u. a. m. Man

Tann

fi feinen

größeren

Gegenſatz

=

denken,

als diefe bie und da unter dem Einfluß des baskiſchen Lokalpatriotismus leidende, überall in ihren Reſultaten

aber den genialen Geiſt ihres Verfaſſers zeigende Schrift und das in Frankreich vier Jahre ſpäter erſcheinende Werk von Abbé Karie de Bidaſſouet. Derſelbe kennt die Forſch⸗

ungen Humboldt's natürlich noch nicht? und augenjcheinlih ganz Autodidact. Nur um hiſtoriſche Merkivürdigfeit befannt zu machen, ergößliche Dinge aus diefem Buche mitgeteilt, Titel: „Histoire des Cantabres“ zeigt ung,

EE U ER Ta

iſt auch jonjt diefe fulturfeien einige Schon der daß der ge

lehrte Abbe den dv. Humboldt (©. 122) gerügten Fehler, die Gantabrer mit den Basken gleichzuftellen, begeht. Seine Geſchichte mill vornehmlich zeigen, daß die „Gantabrer“ immer unbefiegt blieben, und Phöniker,“ Griechen, Kar:

thager, Römer und Weftgothen diefelben nicht zu unter: werfen vermochten; dabei zeigt er eine eigentümlich ein-

Zee SE —

jeitige Belefenheit: jo gilt ihm als beiter, beffer gejagt als

einziger Gewährsmann für den zeiten punifchen Krieg — Silius Italicus! Ueber die Religion der Iberer, vulgo Cantabrer fpricht er in ausführlicher Weife, obwohl uns darüber feine Stelle der Alten erhalten ift.

Er nimmt

einfach den jetzigen baskiſchen Namen für Gott: Yaincoa, und leitet daraus das Hinneigen der Iberer zum Monotheismus ab.? Das Gelungenfte ift aber zweifelsohne der zweite Teil des erften Bandes der „la primordialite

l'antiquiorité l’universabilierite, et la perfectibiliorite VBgl. dazu Angermann, Geographifche Namen Aıtgriechenlands. Progranım der Fürften- und Landesſchule St. Afra, 1883, wo im Kapitel IV ein überall gültiges Schema der Städtenamen gegeben wird. ? Bei dem Wechſel von C und e im Fberifchen wohl zu⸗ ſammenſtellen mit 6g0%05=Fox-Fox (vgl. Hehn a. a. O. 178). 3 Preface, ©. XVII. wird „M.leBaron de Humboldt“ allerdings citiert, es bezieht ſich dieſes Citat aber nicht auf Humboldts Prüfung der Unterfuchungen. * Mebrigens wahrſcheinlich ſelbſt eine basfifche Kolonie, jo meint B.! (©. 41. A.1.) Umgefehrt hält Garat (Origines des Basques p. 92, die Cantabrer für eine phönikiſche Kolonie.

5 Seite

73.

Auf der Bibliotheque

imperiale

hätte er

unter den Papieren Ccaliger® (Fonds Dupuy 461 f. 61 v.) Inſchriften an Endovellicus finden können, wenn auch die Monographien iiber diefen (vgl. Hübner, a. a. O. 769 ff.) erft jpäter erjhienen; es ift die Unkenntnis diefes jowie anderer, wenn aud) vielleicht nicht rein iberifcher, fondern feltiberiiher — Götter (Eaecus, Vagodonnaegus, Bormannicus, Aernus) von Seite unferes Abbe nach obigen Proben nicht auffallend. Er fcheint

nur eine Inſchrift (vgl. ©. 9, A. 5) gefannt zu haben.

—⸗ el

Die iberiſche Frage. d’une langue queleonque (d. i. der jeßigen basfifc hen Sprache) sur toutes les autres langues* zeigt und daraus den Schluß zieht, daß dies offenbar die Sprache geweſen fein muß, in der — „Gott mit Adam geſprochen“.!

Nachdem er ſchon früher eine Reihe von Fluß- und Orts— namen der verjchiedenften Exrdteile aus dem „Sontabrifch en“ abgeleitet, 3.8. Selicon, Ob, Wolga, Bosnia, Tartaria u. ä. ſpielt er jeßt feinen beiten Trumpf aus, um zu beweiſen,

daß in der That diefe Sprache die ältefte und gottbegna-

dete iſt.

Nach ſolchen Proben

iſt zu begreifen, daß das

Werk ſich wie eine Perſifflage der Nationsliebe ausnimmt,

während es in Wahrheit nur der Ausdruck diefer bis zum Wahnfinne gefteigerten Liebe it, Damit wollen wir diefe

Schrift erklären und entjhuldigen, nicht aber aus dem „miedrigen Stande der damaligen Wiſſenſchaft.“

In ungemein eifriger Weife bot dann ©. F. W. Hoff: mann, der fih auch ſonſt um die Völferfunde verdient gemacht, die Stellen der Klaffifer über die Iberer im

Weiten und

Dften gefammelt

(denn auch im Kaufafus

ſaßen Sberer?) deren Verwandtſchaft mit den hiſpani ſchen Iberern Hoffmann, allerdings nicht mit überzeugende n Gründen, nachzuweiſen verſucht hat. Die ſeit Florez? und Seſtini“ ruhende Münzlegendon: Entzifferung haben dann — ir jeben von der Manie

Lorihs,d lateinische Worte in allen iberiſchen Inschriften zu finden, ab — Saulcy 6und Boudard verſucht, und, auf die

Reſultate des letzteren geftüßt, hat Phillips feine Abhandlung über das iberifche Alphabet geſchrieben, dabei Boudards Forfchungen fehr unweſentlich modifizierend, wohl

weniger aus Ueberzeugung, als um die „Selbſtändigkeit“

ſeiner eigenen Studien nachzuweiſen. Eine fleißige Samm— lung des Materials kann man Phillips in ſeinen Auf—

ſätzen nicht abſprechen;

ſyſte matiſche Kenntnis der ein—

ſchlägigen Litteratur jedoch iſt von ihm, als einem Manne, deſſen Spezialſtudium auf anderem Wiſſenſchaftsgebiete ge—

legen war, nicht zu verlangen.s Sein Verſuch, das Studium des Ibero-Baskiſchen in Deutfchland einzubürgern, ift nicht gelungen; abgejehen von dem obgenannten Werke Bott’s iſt in Deutſchland feither nichts produziert worden; auch die Refultate der von Hübner unternommenen Ipanifchen

Forſchungsreiſe, publiziert in den Sitzungsberichten

der

Berliner Afademie dev Wiffenfchaften, 1861, und in feinen ‚ Inseriptiones Hispaniae Latinae, find für das Sberifche 222118, 397 fi.

2 Bgl. Strabo I, 3.

©. 51.

v. Byz.

©. 142,

Metz. 1840.

7 Bol. Anmerkung 3, ©. 862, Sp. 1.

3 So kennt er weder Delgado od) Heiß (Description gencrale des monnaies

noch nicht genügend verivertet worden.!

antiques de l’Espagne, Paris, 1870.)

Mir können alſo

wohl behaupten, daß jetzt einzig ſpaniſche Gelehrte, die

bereits obengenannten trefflichen Forſcher, mit dieſem Studium beſchäftigt ſind. Was nun die eigentlichen Ergebniſſe der iberiſchen Studien betrifft, ſo liegt der Angelpunkt natürlich in der

Entzifferung

des Alphabets,

das uns in Münzlegenden

und Inſchriften erhalten iſt. Man muß hiebei, M. Rodriguez de Berlanga? folgend, das iberiſche Alphabet wohl unter— ſcheiden von den anderen auf iberiſchem Boden vorkommen—

den Alphabeten: dem griechiſchen Alphabet von Ampurias

und Roſas, dem puniſchen Alphabet, dem von Obulco, dem von Berlanga als tarteſſiſch bezeichneten und endlich dem römiſchen Alphabet, wobei ſich der Chronologie nach

das iberiſche zwiſchen dem puniſchen Alphabet und dem

von Obulco ſeine Stelle erhält. Ganz geſichert erſcheinen nun einem unbefangenen Be— obachter auch die neuen Reſultate der Münzlegenden⸗Entziff⸗ erung nicht; nehmen wir nur einmal, um uns die weit ausein—

ander gehenden Leſearten Elar zu machen, die augenfchein-

lich den iberifchen Namen von Narbo enthaltende Legende bei Boudard, Noumismatique Iberienne, pl. 28 und 29 und ©eite 339: LAHY Bon Saulcy in feinem Essai de classification des monnaies autonomes, p. 128 zuerft als Nerhn gelefen, dann von Boudard ©. 77 als Nedhn erklärt, muß ich nad Lobel den Namen „Neron“ lejen, jo daß der von Boudard willfürlich zu Nado emendierte Name Naro, der ſich bei Avienus Or. marit, 585 im Veneztanerdrud bon 1480 vorfindet, unverändert dazu paßt, da, nach der Auslaffung der Vokale zu ſchließen,

das Iberiſche wie das Semitifche den Lautivert von a und e nicht Scharf getrennt hat. Welchen Wert die von Boudard auf Grund feiner Lefung aufgeitellte Hypotheſe bejißt, daß in dem letzten Teil von Nedhn der Anslaifche Superlativ hena zu erfennen fei, ift damit bereits bemwiefen. Unter folchen Umftänden ift e3 wohl erflärlich, daß die

größeren Inſchriften

von Alvala

del Rio,’

Caslona,“

Caſtellond und Luzaga6 noch nicht enträtfelt find; denn auch mit genauer Kenntnis der iberifchen Münzlegenden und genügender Kenntnis der baskiſchen und feltifchen Sprache kann man fih an diefe nicht wagen, da faum anderswo eine größere Ungenauigfeit im Abjchreiben der Snichriften gefunden werben fann,? Das Abklatjchen fcheint 1 Ganz abgejehen

Steph.

Tac. ab ex. d. A. XII, 47. 3 Medallas de las Colonias, Municipios y Pueblos antiguos de Espana. Madrid 1757—1773, % Descrizione delle Medaglie Ispane, Firenze 1818, 5 Recherches Numismatiques, Paris 1852, 6 Essai de classification des monnaies autonomes d’Es-

pagne,

863

von

den Eigennamen

und

Cognomina

(Götter und Menſchen bezeichnend), fallen auch Streiflichter auf die Verfaſſung. (Gentilitäten vielleicht unter dem Einfluffe Eeltifcher Slanverfafjung find fehr häufig ; vgl. Hübner, a. a. O. 402.) 20.0D. ©. 274 ff. 3 Phillips a. a. D. 1870, 197. 4 Ebenda 196, 5 Phillips a. a. D. (1871) 573 ff. 6 Fita in Academy, 1852. Nr. 546. Philolog. Wochen— ichrift, II, 246. 7 Man ſehe bei Phillips die Abweichung der nebeneinandergeftellten Abjchriften an. (Phillips, Ueber das iberiſche Alphabet.

864

Die iberiſche Frage.

in Spanien noch immer nicht eingebürgert zu ſein.! Hoffentlich dürfen wir der Verſicherung Fidel Fitas? trauen, der eine forgfältige photographifche Wiedergabe aller In— fchriften durch Guerra in Ausjicht Stellt. Wenn fomit die Entzifferung noch nicht in vollfommen zufriedenftellender Weife gelungen ift — der durch Lobel und Delgado repräfentierte Fortſchritt foll dadurch keines— wegs in Abrede gejtellt werden — jo it dagegen Die Frage über die einftige Verbreitung der Sberer ihrer Löſung bedeutend näher gerüdt. Neben Spanien hatten die Iberer Aquitanien? und den Küftenftreif bis an den Nhonet inne; die von Thuky— dides behauptete, von Timaios geleugnete Befebung Siziliens durch die Fberer? iſt durch neuerliche Funde 6 vollfommen ſicher geſtellt; Sardinien it allerdings noch nicht ficher als iberifch eriwiefen,” wohl aber Korfifad Was bedeutet aber diejer Kleine Verbreitungsbezirk gegen die großartige Ausdehnung iberifcher Siedelungen, die durch Funde der lebten Sahrzebnte beiviefen wird? Norditalien fann mit Recht als „iberifcher Urboden” bezeichnet werden, auch wenn mir die Ligurer nicht als Iberer auffaflen, wie dies Brizto 10 mit beftechender Argumentation thut. Allein auch im Nordweſten unferes Kontinents, in Nordfrankreich!“

Situmgsberidhte

der

k. Afad. d. Wiff.

zu Wien.

1870. 65 8,

und im füdlichen Belgien,! ja in England,? Schottland’ und Irland“ ſaßen Iberer.

Wenn wir auch den Anthro:

pologen, fo vor allem Busk, in der Identifikation der Iberer mit den Berbern, die allerdings aud aus Iinguiftiichen Gründen höchft wahrscheinlich ift,? und mit den Guanden

der

Ganarifchen

Snjeln®

nicht

unbedingten

Glauben

ſchenken und aus linguiftifchen Gründen uns auf das ent: Ichiedenfte gegen die Hypoſtaſierung einer Familie ver: wahren, deren Glieder Iberer, „Etrusfer und Tyrrhener“, ja fogar Aegypter, die Melanochroi in Indien — alfo die Dravidas — und Auftralier® umfaſſen foll, jo kann

andererfeits die Identität der Dolichofephalen Frankreichs, Südbelgiens, den Iberern

Tacitus,

Englands, Schottlands und Irlands mit als durchaus gefichert erjcheinen. So tft

der die Silurer

mit den Sberern

gleichitellt,?

vollfommen gerechtfertigt und jo wird vielleicht einft auch

das übrige Europa neolithiiche Iberer feinen Gräbern und Höhlen entjteigen ſehen. In dieſen uralten Kulturträgern 19 haben wir jomit eine der erſten Bevölkerungsſchichten Europas zu erbliden. Ihren Kulturzuftand, den wir bisher nur aus den Zeugniffen der Slafjifer und aus Ausgrabungen fennen, aud) aus ihren eigenen Denfmälern zu erfunden, bleibt der Zukunft vorbehalten, Eine weite Periode europäifcher Gefchichte wird durch

191 ff.)

die Löſung des iberifchen Problems erhellt und die Frage

I Hübner, Neifeberihte aus Spanien. GSitzungsberichte der Berliner Afad. d. Wiff. Nr, 546. 1861. 31. ?% Academy, 1882. Auch Fita hat fi durch jein bedeuten: des Werf „El Gerundense y la Espana primitiva“, Madrid 1879, große Berdienfte um Spaniens Gefchichte erworben.

nad) dem europätfchen Ursprung der Indoeuropäer, die Poeſche,!! in neuefter Zeit Benfa 1? und Schrader 13 fo warm verteidigen, wird dann vielleicht in ein neues Stadium treten, wenn ſich die Einwirkungen der keltiſchen Sprache

3 Strabo

IV,

11;

Humboldt

a.a.D.

91 ff.;

Bidaffonet

101 ff.; Phillips (1870) 548 und neuerdings Desjardins (Revue arch£ologique, 1883, p. 213 ff.), der hier die Schon von Bidaffoner gebrachte Inſchrift von Hasparren wiederholt. 4 /Bnota wird das ganze Land bis zum Rhone (Strabo S. 165), ja ſogar bis iiber den Rhone, genannt (vgl. Aeſchylos bei Plinius, Hist. nat., XXXVI. 2). 5 Bol. zu Thukydides VI, 2. Schlegels Werke, 12. Bd., 471; Holm, Siziliſche Geſchichte, S. 58 ff. und 358 ff. und Claſen Hiſtoriſch-kritiſche Unterſuchungen über Timaios von Tauromenion. Kiel. 1883. > Adrian, Prähiftoriiche Studien aus Sizilien. IV. 7. Vgl. Nieffen, Ftalifhe Landeskunde. I. Land und Leute, Berlin 1883. Kap. XI. S 10. 3 Seneca, Epist. 8 ad Helv. Indirekt Polyb. XII. 1. (Kantuhenjagd und Mufflon) und Plin. VIII. 49, I

9 Hehn

a.a.D.

©. 54, 114 und befonders 375. Die

neuer-

hen Funde Haben dieſen Ausdruck gerechtfertigt; vgl. Pigorint: Sulle tombe e stazioni di famiglie Iberiche esistenti in Italia (Reale Academia dei Lincei VI. 3.) 10 In den : Atti della R. Deputazione di storia della Romagna, 1883. p. 233— 259. 1 Ueber die Grabhöhle von Orruy und das lange Hügelgrab von Chamont; vgl. Thuruam und Broca in den Bull. Soc. Anthr., IV. und Mem. Anthrop. Soc., I. 490; über die Caverne de ’Homme Mort. Prähiſt. Kongr. Brüfjel. 1872. S. 182. Zujammengefaßt in Dawkins: Die Höhlen und die Ureinwohner Envopas. Ueberſ. von Spengel. Leipzig-Heidelberg. 1876. 159 ff.

auf die iberifche als die früheiten Beziehungen des indo— germanischen Stammes zu der früheren Bevölkerung Europas nachweifen laſſen.“

1 Bol, Dawfins a. a. O. 172 über die Höhlen von Chauvaur bei Namur. 2 Thurnham über die Yongbarrows; Mem. Anthrop. Soc. I. 144. 3 Wilson, Prehistorie Annals of Scotland. ' Huxley and Laing, Prehistoric Remains of Caithness, > Vgl. Phillips, Die Einwanderung der Iberer. (Situngsbericht. 1870. ©. 545 ff. 6 Journal of the Ethnological Society. N.S. VII. p. 107.

7 Dawfins a. a. D. 180, 8 Huxley, Critiques and Addresses. p. 134. 9 Agricola, XI. w Wenn auch nicht alle auf gleich Hoher Stufe ftehen, wie die Turdetaner und Turduler (Strabo II, ©. 139), fo ift ihre Zivi- ° Nation doch immer ſehr bedeutend zu nennen, N Die Arier. Jena. 1878. 2 Origines Ariacae, Wien und Teſchen. 1883. B Spracvergleihung und Urgeſchichte. Jena. 1883. Tier— und Pflanzengeographie im Lichte der Sprachforſchung. Berlin. 1883. " Vgl. Diefenbach, Celtica. Stuttgart. 1839—1840. 1. Anhang. Andeutungen in den Origines Europeae. Frankfurt 1861. ©. 403. u.a. a. O. Eine Spradengrenze zwischen Iberern und Kelten in Spanien feftzuftellen, ift bis jetst noch nicht gelungen,

Die Nil-Ratarakten.

Die Nil-Katarakten. Seit es entſchieden ift, daß die von den Engländern bejchlofjene Expedition nach Chartum zur Befreiung Gordon's den Waſſerweg nilaufwärts einfchlagen foll, ift die Aufmerkſamkeit der gebildeten Welt auf die Schtwierigfeiten der Schifffahrt auf dem oberen Nil geleitet worden. Schon in der eriten Hälfte des Auguft ftrandete ein Dampfboot, welches den erſten Katarakt hinauffuhr, und lag viele Wochen lang unterhalb des Falles. Inzwischen foll der Transport nilaufwärts zu einem Gtillitand gekommen fein. Wer

Sigg

Handbewegung des Steuern— Der Katarakt, nachdem man

die große glatte Kurve unterhalb Philä, d. h. nordwärts

kann

Hand ſteht.

fich über diefe Nachricht

nicht wundern, denn daß

hat zwar

den

Oberjten

Butler,

einen befannten

erfahrenen Afrika-Reiſenden, zum Direktor de3 Transports ernannt; allein jelbjt er wird die Schellali-Araber nicht vermögen, ein vernünftiges Maß von Arbeit zu leiften, an einem für unglüdlich gehaltenen Tage zu arbeiten oder,

kurzum, ſich fo zu benehmen, als ob die Arbeit nicht eine ganz ungewöhnliche und ausnahmsiweife Sache fei, welche man nur ee

geringſte, allerunbemerkbarſte den kann ſolche herbeiführen.

aber jemals das Unbehagen einer Nilfahrt zwischen Aſſuan und Philä ſtromauf- oder jtromabwärts gehabt hat, der

Man

nn

eines Donners der Gewäſſer, welcher ſogar das Geſchrei von einigen Tauſend halbnackten Nubiern übertönt. Bei der Fahrt zu Thal ſind dagegen Unfälle ſehr häufig. Die

davon, paſſiert hat, geht gen Weſten. Der Strom hat gerade hier einen ſehr ſtarken Fall, aber es iſt eigentlich kein Katarakt vorhanden. Eine ſcharfe Wendung nach rechts dagegen bringt das Boot in eine vollſtändige Strom— ſchnelle zwiſchen zwei Inſeln. Der Steuermann richtet ſein Augenmerk auf einen gewiſſen erratiſchen Block von von rotem Ganit, welcher nahe am Ufer der Inſel linker

jelbjt bei hohem Waſſerſtand des Nils eine größere Anzahl von Booten mittelit der gegenwärtigen Methode den Kata: rakt hinaufgeſchafft werden kann, ift einfach unglaublich. SFr ur

865

bie und da aufnehme, damit der gewohnte Müffiggang, des Schellali's liebſter Zeitvertreib, nicht allzu eintönig werde, Das Leben it jo mohlfeil und die Gebühren, welche von den Dahabtjehs und anderen vorüberfahrenden

Schiffen bezahlt werden müfjen, haben diefen Stamm fo ſehr bereichert, daß dieſe Leute gegen andere fommerzielle Rückſichten vollitändig gleichgültig find. Man hat fie ſogar

wegen der Dienjte, welche fie bermeintlich dem gemeinen

Gerade wenn das Boot im Begriff iſt den

Felſen zu berühren, geht das Steuer auf die andere Seite, und ein anderer toſender Abhang öffnet ſich vor dem Boote. Wenn daher der Steuerer ſeine Hand einen Augenblick zu lang am Steuer läßt, wird der Bug eingeſtoßen und das Boot iſt verloren. Daraus iſt leicht zu erſehen, daß ein abſichtliches Scheitern leicht vorkommen kann ohne Gefahr der Entdeckung, und daß die Sicherheit des Schiffes in einem einzigen kritiſchen Augenblick ganz und gar von den Nerven und der Erfahrung des Steuernden abhängt. Es iſt daher zu verwundern, daß ſo viele Boote wohlbehalten hinunter kommen. Vor vielen Jahren ſcheiterte hier Lord Lindſay, der jetzige Graf Crawford, mit ſeinem Boote, und neuerdings, zumal in den jüngſten Jahren, ſind viele

Dahabijehs untergegangen, weil, dem landläufigen Ge— rüchte nach, die Schellali-Araber ſich verabredet haben, eine ſpezielle Firma von Bootsbeſitzern zu ſchädigen, von welcher erwieſenermaßen vor zwei Jahren einer Saiſon untergegangen ſind.

zwei Boote in

Den Katarakt hinaufzufahren, iſt ein unangenehmes,

Weſen leiften, von der Konffription befreit. Das Erſte was thun muß, wird daher das fein, daß er die Schellali-Araber

langweiliges und geräuſchvolles Geſchäft. Die bewegende Kraft dabei iſt die rohe phyſiſche Menſchenkraft. Es werden

%

von ihrem Dienft an den Katarakten entbindet und eine

vielleicht tauſend Mann dazu angeworben, das Boot von

7 7

Anzahl britifcher oder europäifcher Matrofen einübt, um die Dienfte der Araber an deren Stelle zu verfehen. Kann man der Stümperei und mangelhaften Arbeit der Araber entbehren, jo ift mit der Fahrt zu Berg wenig

Fels zu Fels hinauf zu bugſieren. Alle brüllen gleichzeitig, niemand gehorcht einem Befehl, es findet kein gleichzeitiges Anziehen ſtatt, und die nutzloſe Verſchwendung von Menſchen— kraft iſt geradezu thöricht. Und dann wird, vielleicht nach

Gefahr verbunden. Das Tau, welches im Auguft loder gelaffen wurde und beinahe den Dampfer fcheitern machte,

einem

ein Direktor des Transports

TR 2°

— —

> —

bei der Ankunft in Aſſuan

ward höchſt mwahrjcheinlih ganz mit Abſicht losgelafjen. Unfälle können mit ſehr geringen jcheinbaren Urfachen vorfommen und es ijt äußert ſchwierig, fich zu vergewifjern, ob ein Unfall abjichtlich herbeigeführt worden fer inmitten denn die von Dawkins a. a. O. 177 gegebene NRafjenfarte, die noch) zwiſchen Belgen und Selten unterſcheidet, macht wohl feinen An— fpruch auf Genauigkeit, wenn fie auch mit der von Broca (Mem. d’Anthropologie, I, 330) übereinftimmt, welche Größe und Farbe der Bewohner angibt. Daß auf geringe Größe iiberhaupt nicht zu viel gegeben werden darf, bemeift die im „Ausland“, 1550, Nr. 3 erſchienene Bejchreibung der heutigen Basfen, die als durchaus proportioniert gejchildert werden. Ausland

1884, Nr, 44.

halben Tagewerk,

die Arbeit plötzlich eingeſtellt,

weil es einem der Häuptlinge einfällt nach Hauſe zu gehen und Kaffee zu trinken, oder weil er meint, tauſend Mann ſeien nicht hinreichend, und er müſſe tauſend und einen haben. Kurzum, jeder Grund reicht hin, um die

Arbeit ſtehen zu laſſen, und das Boot bleibt aller Wahr— cheinlichkeit nad) mitten im Fahrwaſſer auf zwei, drei — oder, wie es in einem neuen Fall jtattfand, auf ſechs — Tage an einen Felſen gebunden, ohne daß man ibm meiterhelfen fann. Wenn daher die englijche Regierung wirklich)

ihre Truppen in offenen Booten den Nil hinauf nach dem Sudan fchiden will, jo muß offenbar

jeder Verſuch auf-

gegeben werden, die Schellali dabei zu verwenden. 400 Boote, welche angeblich

Die

zu diefem Zwecke verwendet 151

566

Die Nil-Katarakten.

fverden follten, würden bei den gegenwärtigen Anordnungen ein volles Jahr brauchen, bis fie die Katarakten hinan— gefahren wären; ja weit wahrscheinlicher würden fie dazu fünf oder fechs Jahre brauchen. Nur wenn man die Bes förderung auf eine Rate von etwas mehr als ein Boot per Tag rechnet und zugleich eine unbejtimmbare hohe Summe von Badihiih in Rechnung nimmt, Fönnte die Leiftung binnen Sahresfrift vollbracht werden, Wenn der Wind von Nor— den oder Nordiveiten weht und weder zu fchwach noch (was weit ernfter iſt) zu ſtark iſt, kann ſogar eine Dababijeh in einem Tage ganz hinaufgezogen werden; aber die leichteſte Bö, geſchweige denn ein Gewitter oder ein Regenſturm, bringt ſogleich jede Art Fahrzeug zu einem alsbaldigen und hoffnungsloſen Stillſtand. Offenbar bat die britiſche Regierung entweder die Schwierigkeiten ganz unterfhäßt, welche die Nilreiſe dar— bietet, oder fie hat, wenn fie diefelben fennt, Spezielle Ber: anjtaltungen zum Paſſieren der Katarakten getroffen. Die Ichreienden, ſchwatzenden, unzuverläffigen Scellali müfjen ganz aus dem Spiel bleiben und find offenbar unmöglich.

Ein Dugend engliiher Matroſen

könnte die Arbeit von

einigen Hundert derjelben leiſten. Vor Allem aber ift Ortsfenntnis erforderlid. Die Scheichs der Kataraften fennen genau die Kraft jedes Strudels zu jeder Beriode des jteigenden oder fallenden Nils, und der Mangel an diejer Ipeziellen Kenntnis wird die Engländer teuer zu ftehen fommen. Eine andere Frage wird die von der Möglichkeit oder Wünfchensiwürdigfeit der Freimachung eines der vielen Kanäle des Stromes feien. Man hat ſchon oft vorgefchlagen, an der Geite des Katarakts einen Kanal anzulegen, aber man findet feinen pafjenden Boden für eine derartige Anlage, weil die jämtlichen Umgebungen nur Hügel von hartem Oranit find. Einer der gegenwärtig benüßten Kanäle könnte zwar von Felfen gefäubert und mit einigen Schleuſen verjehen werden; allein ſelbſt das wird eine langivierige und keineswegs leichte Arbeit fein. Ohne Zweifel wird man fich jedoch früher oder fpäter zu diefem Ausfunftsmittel bequemen müffen. Der ganze Fall, der ſich auf eine Strede von einer deutſchen Meile verbreitet, joll ja nur 20 5. hoch fein. Gegenwärtig aber vertraut man gar feine jchiweren, koſtbaren oder zerbrechlichen und leicht werderbenden Gegenjtände dem Kataraft und feinen unzuverläffigen Lootſen an, fondern fchafft fie auf dem Landweg nad Aſſuan. Erft vor zwei Jahren wurde eine Eifenbahnlinie in Gebrauch genommen, welche fchon längft auf Befehl des Khedive Ismail gebaut worden var; die Linie hatte, infolge der Störrigfeit der Behörden, durch) welche fie geplant worden war, müffig gelegen, denn an: ſtatt ſie direkt nach Aſſuan hineinzuführen, war fie nach einem Dorfe einige Kilometer ſtromabwärts geführt worden,

wo dem Gerücht nach die vizekönigliche Familie eine Be— ſitzung hatte. Endlich war fie ganz aufgegeben worden; aber im Jahre 1882 fprengte ein fchottifcher Ingenieur

Namens Baird, welcher lang an einer ähnlichen Bahn in Wady Halfa bejchäftigt geweſen war, einen fürzeren Tunnel

durch einen niedrigen Felsrüden

und führte den

Weg dicht an das Nilufer heran und mitten nad Aſſuan hinein. Eine Fahrt auf diefer Bahn tft eine höchſt merk: wirdige: die Züge fahren genau oftwärts in die Wüſte hinein und umfreifen jo gemwiljermaßen die große Granit: maſſe, durch welche der Strom fich eine Bahn gebrochen bat; hierauf wenden fie ſich ſüdwärts und treten in ein langes

flaches Thal, durch welches angeblich der Nil früher feinen Lauf genommen habe, ehe er die Feljen des Katarakts durchbrach, und endlich fieht ſich der Neifende ziemlich plößlih an das jchattige Ufer unter die Palmen

verjegt,

wo ihm mitten in dem blauen Strom das prächtige Bhilä entgegenlacht. Dieſe merkwürdige kleine Bahnjtrede ift

BETE F u SE —

ohne Zweifel nun von ungemeinem Werte und wird, wenn nicht bald ein entjchiedener Schritt zur Verbefjerung

und Reform wird,

der Fahrſtraße

wahrſcheinlich

durch den Katarakt gethan

für den ganzen mwichtigeren Sandel

benützt werden. Außer dem eriten großen Katarakt zu Ajjuan müfjen aber auch noch die fünf Eleineren paffiert werden. Gie find nicht alle gleich lang oder ſchwierig, werden aber einer großen Menge Boote viel Mühfeligfeit verurfachen. Der

ziveite Katarakt

it in der Nähe von Wady Halfa und

zivar allerdings nicht von fol impofantem Anſehen mie der erjte, aber in Wirklichfeit noch weit mühfamer, wegen

der größeren Menge von kleinen Kanälen, in welche der Strom geteilt it. Der dritte iſt einige Meilen meiter ſtromaufwärts, bei Semneh, und nicht jo furchtbar. Bis er pafjiert werden muß, werden die britischen Truppen ſich

einige Erfahrung

eriworben

EE S

DUP

——

und namentlich die Offiziere

jih daran gewöhnt haben, die Gegend mit ficherem, fin— digem Auge zu unterfuchen, und imſtande jein zu beurteilen, wie fie den Kataraft am beiten paffieren fünnen,

Die Windungen des Stromes

find aber jo ſtark und fo

zahlreich) und auch der Kleinen

Hindernifje

jo viele, da

e8 dem Landesfundigen ganz unbegreiflich

erfcheint, tie

man für die ungeheure Strede von Stüt, dem Endpuntte

der ägyptiſchen

Eifenbahn,

wählen fonnte.

Es läßt fich zu jeinen Gunſten nur eines

nad

jagen: die britiſche Heeresmacht

Chartum

diefen Weg

wird das Yand

feiner

ganzen Länge nach durdiziehen und dasfelbe jo zu jagen ohne Schwertjtreich erobern, denn wenn die Eingeborenen

eine jolche Machtentfaltung

fehen, werden fie dem Auf:

ſtand entjagen, und wenn ſodann noch irgend etiwas ges Ihieht, um die Fahrt durch den erſten Kataraft zu er= leichtern, jo wird daraus eine Wohlthat für alle fünftig nad Nubien Neifenden erwachlen.

N u ee

Rerfeffizzen aus Aegypten und dem Sudan.

Eine Heine Erhöhung

Heifefkizgen aus Jegypten und Sudan. Von Franz Xaver

Geyer, Apoftol. Miffionar in Kairo. (Fortjegung.)

Da unfere Kameeltreiber ſich nachts in ihre umliegenden (20. Februar) ! in Marſch ſetzen. Das Thal fegt ſich nad) Südweſten fort. Noch mehrere Brunnen liegen an der Straße, die jedoch im Sommer vertrodinen, fo daß wir bei

der Rüdreife im Juni im ganzen Thal Harettereb nur einen Auf den ſchwarzen Felfen,

die das Thal einfchließen, find mehrere Steinhütten errichtet, bon denen aus die im Thale weidenden Heerden überwacht werden. Nah drei Stunden wendet fi der Meg aus Wady Harettereb direft nah Süden; wir reiten über drei wellenförmige, jteinige Höhen und betreten den Wady Aräb, in deffen Hintergrund ſich mäßig hohe Berggipfel erheben.

Von 12 Uhr bis 4 Uhr 15 Min, Iagerte man unter einigen Akazien und feste dann die Neife fort. Das Terrain des Wady Aräb, von mehreren temporären Ninnjalen durchzogen, gleicht in feiner Vegetation dem von Wady D-Druß, nur ift erfteres ſteiniger. Aus Wady Arab führte uns der Weg auf ein freies, mit Mimofen und Binjen beſetztes Plateau. Es wurde Nacht. Die Mondfcheibe wurde bei ihrem Erfcheinen von einem deut: lichen Dunftfreis umgeben, der etwa vier Stunden lang ficht:

bar blieb. Niemals früher hatte ich diefes Phänomen fo Klar beobachtet als hier in Afrika. Die helle Nacht verlodte ung, einige Zeit zu Fuß hinter den Kameelen zu gehen; nachdem mir jedod eine Schlange über den Weg fchleichen

jahen, bejtiegen wir eilig unfere Kameele 10 Uhr

abends

wurde

Halt

gemacht

wieder.

Um

auf dem Blateau

Dorüf, das dem Wady Arab gefolgt war.

Während die

Kameeltreiber noch lange am Feuer ſaßen und Koranverfe hermurmelten, juchten wir den Schlaf. Die Nacht über

wehte rauher Nordoſt. Am folgenden Morgen (21. Februar)? erſcholl der Weckruf um 4 Uhr. Während man die Kameele belud, beſtieg ich einen nahen Fels, von wo aus ſich eine herrliche

Rundſchau auf die amphitheatraliſchen Vorberge von Badab und die Gebirgsketten von Kokreb bot. Um 7 Uhr ſetzte ſich die Karawane in Bewegung. Auffallend iſt in Arab und Dorüf die Mafje von wilden Kürbiffen von der Größe

eines Apfels, die gleich den italienischen am Boden Friechen. Obwohl ihr Gefchmad ſehr bitter ift, werden fie doch von Eingeborenen, mit Fleiſch gekocht, gegefien. Die Garx (jo nennen fie die Araber) wird auch getrodnet und als Brennmaterial benußt. 1 Nachts Thau. 550 C.) Sonne 350 2 Nachts friiher pm. 290 C. (Sonne

führt uns aus Dordf in die

Ebene Oflei-Dada, eine fchauerliche, ſonnverbrannte Gegend mit büfteren ſchwarzen Steinmaffen, die wirr durcheinander ih endlos auszudehnen jcheinen. Die melancholiſchen

Steingefilde von Oklei-Dada

Dörfer zerjtreut hatten, Tonnten wir uns erft gegen 9 Uhr

Brunnen mit Waffer antrafen.

867

Thermometer 2b pm. 300 C, (Wüftenfand C, 6h pm. 220 C, Wind. Thermometer 6h am, 90 C. 2h 360 C. Sand 530 C.) Tb pm. 180 0.

erinnerten mich an Dante's

Beſchreibung der Hölle, und gewiß hätten dieſe öden Maſſen mehr die Phantafie des großen Dichters befriedigt, als die Steinmaffen von ©, Marcus bei Roveredo in Südtirol. Um 10 Uhr 48 Min. ftiegen wir durd) enge

Schluchten in das Thal Haiäba hinab.

Unsere Wegricht—

ung iſt jtetS eine ſüdweſtliche. Hatäba ift ein enger Thal: keſſel, umfehloffen von hohen "Granitfelfen. An der Stelle, wo der Keſſel fich erweitert, befindet fich rechts am Fuße Ihroffer Felswände ein Brunnen, Bir Salalaat. Das Waſſer ftand im Februar faft in der Höhe der Boden: oberfläche, während es im Juni 1 m, tief in den Sand gefunten war. Auf den Felſen flogen große, braune und weiße Adler (bei den Eingeborenen Abu Tok), Aasgeier und Falfen von verfchiedenen Größen und Farben umher, am Waffer wanderten Wildenten mit langgeftrectem Halfe und von der Größe eines Kleinen Huhns; Bachitelzen, Sperlinge, Turteltauben belebten die Gegend. In der Nähe des Dir befindet fih in Zelthütten eine aus zwei Soldaten Gaſchi-Bozuk) beitehende Wache der Regierung, ſowohl zur Aufrechthaltung der Ordnung unter den Ein:

geborenen,

als zum

Schube

der Karawanen,

die hier

wiederholt angegriffen worden. Diefe Stellvertreter der Regierung find ein Dorn in den Augen der Bevölkerung; ſtolz und hochmütig jpazterten die beiden Wachen mit Revolver und Säbel bewaffnet zwiſchen den gedemütigten Eingeborenen herum. Um 2 Uhr 50 Min. wanderten wir im Thale vor: wärts. Die Vegetation gejtaltete ſich mit jedem Schritt veiher und mannigfaltiger. Zahlreiche Tekker-Akazien, Suntfträucher, Weiden überfchatten die großenteils grünende

thonigefandige Thaljohle.

Kaktusartige

Asklepiaden und

zahlweiche Euphorbien wechſeln mit hohen Grasmweiden und Bufchwerf, befonders an den vielfach gewundenen Ufern der temporären Rinnſale. Im Vordergrunde ftehen die Hügelzüge von Kofreb, mit dichtem Anflug von gelbem Wüftengras beſetzt; die Gruppierung diefer VBorgebirge in amphitheatralifcher und mellenfürmiger Anordnung iſt malerifch und wunderbar; wären fie mit Baumwuchs ver: jehen, jo könnten Ste fi) mit den anmutigiten Hügelgruppen Staliens mefjen. Ein entgegengefeßtes, düſteres Bild

präfentieren die ſchwarzen, zadigen Gipfel des Gebirgs— jtodes Badab im Welten. Der Weg wendet fich vom Wady Haiaba nach Weit und jest ſich auf einer jteinigen Ebene

am

Fuße

der

PVorgebirge

des Badab fort.

Sn

weſtſüdweſtlicher Nichtung fteigen wir dann die Gebirgshöhe von Kofreb hinan und jegen den Marſch im Paß von Kokreb fort bis zum Brunnen, wo wir um 7 Uhr 27 Min. abends Halt machten. Der Gebirgspaß zwiſchen den Berg: fetten von Kokreb und Badab kann auf verjchiedenen

868

Reiſeſtizzen aus Aegypten und dem Sudan.

Wegen paſſiert werden; derſelbe beſitzt auch mehrere Brunnen, wie überhaupt die Gegend von Kokreb ſich durch großen Waſſerreichtum auszeichnet. Die Nacht über pfiff ſtarker Nordoſtwind durch den Engpaß. Am Morgen des 22. Februar! verbrachten wir mehrere Stunden mit Notieren von Wörtern der Biſcharin-Sprache, während man die Kameele in den Schluchten der Berge fuchte, Der Brunnen, an dem wir gelagert waren, befindet ih am Fuße eines etwa 40 m. hohen, halbverwitterten Granithügels; das Waſſer ftand 2 1/, Fuß unter der Erd— oberfläche, während es im Monat Juni gänzlich verfiegt war.

Die Gegend Kofreb ift eine der wafjerreichiten der Wüſte; mit wenig Mühe Fönnte man hier vielfache Frucht erzielen. Die Aufgabe müßte von europäifchen KRoloniften in die Hand genommen werben, da die Bifcharin, teil ſelbſt ohne große DBedürfniffe, hiezu Feine Luft haben. Zahlreiche Gießbäche jammeln zur Zeit des Regens die von den Bergen niederftürzenden Wafjermafjen und leiten fie nad) Süden oder Südweſt; da, wie man auf der Reife bemerken fann, diefe Rinnſale fich ſämtlich nach Südweſt hinziehen, fo fann man mit Grund annehmen, daß alle diefe Waffer ih in die Atbara werfen, die bei Berber in den Nil mündet. Dr. Schweinfurth läßt, geftüßt auf die Ausſagen der Eingebovenen, fämtliche Wafferzüge von Wady O⸗Mareg (36 1,0 ö. L. Gr.) bis Wady Derumgerat in die Atbara fallen. Um 7 1/, Uhr

begann

unfer March, und nad) 11/,

turgidum und die gelben diden Halme des „Teeräb* der Eingeborenen find von einer Unzahl Friechender Kürbifje durchwandert. Doch nur furze Zeit währt die fruchtbare

Strede

bald beginnt die düjtere Monotonie

Hügel und

verbrannter

Sanditeinfelfen;

fchivarzer

verdorrte

gelbe

Wüftengräfer in den Niederungen zwiſchen den Hügeln find die einzige Abwechslung. Bon 121/, Uhr bis 41/, Uhr rubten wir in einer diefer Niederungen und jegten dann

den Weg fort nad) Südweſten.

Die Ebene Tongül, die

wir in drei Stunden pajjterten, iſt weniger jteinig, aber mit tiefen Sand bededt, aus dem fi Mimofen-Sträucher und Binjen in Büſcheln erheben. Hier bemerkte ich zum

erſten Mal das Uaral, eine Eidechſen-Art von ungleich größerer Länge als unfere Eidechfen. Eines diefer Tiere maß 87 em. in der Yänge, die Yänge des Schiveifes 40 cm,,

die Länge der Füße 15 em.; der Kopf ift zugefpigt. Die Kameeltreiber verficherten uns, daß ihre Kollegen in Kor: dofan dieſes Tier mit Vorliebe äßen. ine fleine ſtein— veiche Anhöhe trennt Tongül von Wady Dorumgar (oder Derumgerat), two wir gegen 11 Uhr abends Halt machten, Diefes umfangreihe Wady beginnt am Dich. Makadieh in der Gegend von Ariäb, wo wir es auf der Rückkehr im Juni durchivanderten; in der Nichtung Süd-Weft-Süd

führt es feine Waffer der Atbara zu. Am Morgen des 23. Februar ! wehte frischer Nordoſt— wind. Um 6 Uhr 25 Min. begann der Weitermarfd). Wady Dorumgar ift teils vegetationsreiches Erdreich, teils

Stunden im engen Thale Kofreb nach Südweſt betraten wir

Steinboden,

eine ausgedehnte, fteinige Ebene, Yagag genannt. Hier teilt fi die Karamwanenftraße; der eine Zweig führt nad) Weſt-Süd-Weſt über Nauaih, der andere über Ariäb, beide vereinigen ji bei den Gandhügeln von OBak. Die bejuchtejte tft jene von Ariäb, da ſich jeden Tag Waſſer findet, kürzer ift jene von Rauaih, aber fie iſt waſſerarm. Wir wählten Rauaib. In weſtſüdweſtlicher Richtung durchwanderten wir alſo die Ebene Lagag, die, mit Mimoſen, Binſen und Wüftengräfern beſäet, teilweiſe einem reifen Kornfeld gleicht; breite Quarz- und Klingſteinadern durchziehen den Boden. In drei Stunden durchwanderten wir die Ebene, Zu unſerer Rechten erhebt ſich dann ein Hügel mit turm— hohen, ruinenartigen Felsblöcken, die von den Kameel— treibern als Weghälfte zwiſchen Suakin und Berber be— grüßt werden (d. h. bei der Route über Rauaih); daher der Name dieſer Felſen beled-el-nuss, d. h. Dorf der Hälfte. Die Oede der Wüſte verwandelt ſich in ein Durrahfeld, das noch mit Stengeln beſetzt iſt. In Mitte des bebauten Terrains ſteht das kleine Dorf Ellasjam

deren Oberfläche von der Sonnenhiße fchieferartig gefpalten iſt; jtellenweife dehnen ſich Geröllflächen aus, mit weißen und roten Kiefeln und rohen Quarzſtückchen befäet, eine jeltene Erfcheinung diefer Wüſte, während die Wuſten— gegenden am Nil reich an Schichten des veinften Quarzes

(d. h. Moia bary, friſches Wafjer), beitehend aus Hütten bon Dattelzweigen.

Zahlreiche Wüftengräfer wechfeln mit

den Durrah- und Balila-Stengeln ab: das hohe Panieum

"Nachts Wind. Thermometer 3b am, 140 C. Gh am. 110 C. 2b pm. 350 C. 6%gh pm. 290 C, 11h pm. 210 0,

durchfurcht

von

langgeftredten

Felsadern,

find. Unſere MWegrichtung ift eine weſtliche. Wenige Minuten nad 11 Uhr fteigen wir eine jähe Schlucht hinab; wir befinden uns im Thalfefjel von Rauaih. Nach

15 Minuten Marſch im Keſſel lenken wir nad) Süden und finden nad) furzem Gang zu Fuß eine enge Thalfchlucht mit vielem Gefträuc und Afazien; die Antvefenheit ſowohl von Pflanzen als die Konfiguration der Gegend läßt ung auf die Nähe eines Brunnens fohließen. Zehn Minuten nach Norden in einer faum 8 m. breiten Felfenfchlucht liegen die Brunnen von Nauaih.- Mehrere Bifcharinfamilien mit ihren Ziegen und Gfeln lagern am Brunnen; der: jelbe tft ausgemauert und 5 m, tief, Die Felfenmasferade bon Rauaih ift enorm und wunderbar; man glaubt fi)

in der Werfftätte des größten Bildhauers der Natur zu befinden; die Felsmafjen von koloſſalen Dimenfionen find

übereinandergehäuft; Adler und Weißgeier freien in der Luft, Zurteltauben fliegen von Fels zu Fels, Die Bifcharin hielten uns für Soldaten und vertveigerten uns als ſolchen ! Thermometer 6h am. 180 0. 2h pm. 350 0. Th pm. 230 C,

Neifeffizzen aus Wegypten und Sudan.

das Waſſer.

Erjt auf die Beteuerung des Führers hin,

daß wir feine Soldaten feien, gewährten fie ung vier Serben Waſſer. Wir bemerkten, daß die Soldaten, die

wenige Tagreifen vor

uns marfchierten und die Strafe

über Ariäb genommen hatten, überall Haß und Schreden verurfachten. Damals ſchon fonnte man ahnen, daß im Falle einer Ausdehnung der Rebellion auch die Bilcharin

fich gegen die Regierung erheben würden. Wer ift jedoch Schuld daran, daß der ganze Sudan das Joch Kairo's abzuſchütteln jucht? Einftweilen beantivorte fich jeder felbft dieſe Frage, Wir werden fie ſpäter furz beantivorten.

Um 2 Uhr nahmen wir die Neife in der Richtung nad) SW. wieder auf. Die Berge und Hügelzüge der Gegend Rauaih find größtenteils

aus ſchwarzem Thonfchiefer ge:

bildet und bieten einen äußerſt düfteren Anblid, re

k

Nach zivei

Stunden Ritt zwiſchen ſchwarzen Hügeln öffnete fich ein langes Wady; das mit gelbem Gras bedeckte Terrain, vom

Winde bewegt, bot den Anblid eines goldenen, wogenden Seees. Es war Wady Laemeeb, deſſen oberen Teil wir im Juni paſſierten. Dr. Schtweinfurth behauptet, die

des Rauaih gehören nicht mehr dem Flußgebiete |derWafjerzüge Atbara an, jondern vereinigen fich im Wady Laemeeb mit Wafjern diefes Wady, das fie am Ditabhang des F Bergesden O⸗-Fik vorbei

in den Nil führt.



ji

Auf das Wady

folgte eine erhöhte Geröllfläche, nördlich vom Wege zeichnen

rieſenhafte Granitblöde, einzeln und in Gruppen gelagert, die Gegend aus. Um 93/, Uhr wurde Halt gemacht. Am 24. Februar! wurde die Noute diveft in ſüdweſtlicher Richtung fortgejegt. Aufbruch um 6 Uhr 25 Min. früh. Der Weg führte anfangs über jandige und fteinreiche Ebenen, im Zaufe des Marjches wechſelt Graswuchs mit unfrucht:

baren Stellen. Einige der nahen Hügel find mit weißem Sand bededt, was auf die Nähe der Sanvberge von O-Bak deutet. Um 111/, Uhr hielten wir in einer zweiten

869

züge dieſes Gebirgsitodes. Nach etiva drei Stunden vom Did. O-Fik aus langten wir auf einer mäßigen Höhe an, Dſch. Takarireh genannt; hier breitet fich zu unferen Füßen die große Ebene Takarireh aus, an deren Eingang wir um 9 Uhr abends das Nachtlager aufichlugen. Die Ebene jowohl als der Dichebbel haben den Namen von einem Takrir GBewohner Kordofan's und Darfur’s), der auf einer

Reife von Berber nad) Suakin hier vor Durft ftarb, nad: dem er in den Brunnen von D-Baf vergebens nad Waffer gefucht

hatte.

Der Name Takrur

(Bl. Takarir)

ift in

Chartum und im ganzen Sudan die Bezeichnung für Einwanderer

und

Koloniften,

die

ohne

eroberungsfüchtige

Pläne fih im Lande angefiedelt haben, und nach diefer Erklärung wäre Takrur gleichbedeutend mit dem arabifchen Ausdruck mohadschärin, d.h. Flüchtige. Folgenden Morgen (25. Februar) ! zogen

5 1 Uhr früh nad) Südweſt weiter.

wir um

Die Ebene Tafarireh

it zuerſt kahl und nadt; fpäter mehren ſich Buſchwerk und Akazienwuchs, bis dann alles Gefträuc allmählich unter dem immer mehr fi) häufenden Sand verfchtwindet und das Terrain ſich in totale Sandwüſte vertvandelt. In

drei Stunden hatten wir die Ebene durchwandert und wir befanden uns in den Sanddünen. Die wellenförmigen Sandhügel, die. mit ihrem gelben Schimmer das Auge

blenden, erinnerten mich an unfere Hügel in Deutichland, wenn fie im Winter mit hohen Schneetvogen überdedt find, jo daß auch nicht ein Sträußchen fichtbar bleibt. Von Ferne erblidten wir einen Wald von weißen Zelten, Heerden von Kameelen und Pferden Ingen im Sande um die äußerſten Brunnen herum, Flintenſchüſſe ertönten: es war das Lager des Generalitabs der Sudan-Armee. Um 81, Uhr hielt man bei den eriten Brunnen. Die Sand:

hügel ziehen ji in der Nichtung Südoſt

hin.

von Nordweſt

nad

Am

zont im Süd-Südweſt ein langer, lichter Streifen fichtbar,

norböftlihen Fuße befinden fich die Brunnen, etwa zehn an der Zahl. Das Waffer ift gut und teiliveife ziemlich rein. Gewöhnlich ift von den Eingeborenen, die ihre Heerden bier tränfen und das Waſſer

es waren

zum SHausbedarfe

jteinigen

Ich beitieg einen

Ebene.

mäßig

hoben, nahe—

gelegenen Hügel; von dort aus war am äußerten Hori— die Sandberge.

Munter

wurde

um

3 Uhr

50 Min. weiter marſchiert. Hier zum erſten Male be merkten wir die Fata morgana. Es war 2 Uhr Nachmittags und das Thermometer zeigte 340 C, Man ſah am Horizont in ſüdweſtlicher Richtung einen Fluß mit Balmenhainen an deijen Ufern; hätte man nicht beobachtet, daß Waſſer und Datteln und Balmen in Fieberhaſt fich beivegten, man hätte es für Wirklichkeit halten mögen. Die Ein:

geborenen nennen diefe täufchende Lufterfcheinung Moia-elschitän, d. h. Waſſer des Teufels. In ſüdweſtlicher Richtung führt der Weg über eine lange Ebene, von grauen Schiefer— rücken durchfurcht, dann den Dich. O-Fik (der uns bereits feit Wady Laemeeb im Südweſten fihtbar var) rechts laſſend, überfchreiten

wir

die ſchwarzen, fich verlaufenden Hügel:

1 Thermometer

6h am, 130 C. 2h pm. 340 C, 6h pm.

290.C,

von hier abholen, aud Milch zu be

Schon um 10 Uhr wurde wieder aufgebrochen. fommen. Der Marſch ging durch das englifche Lager an den äußerſten Brunnen im Cüdoften, dann nad) Südweſt

die Sanddünen

aufwärts.

Der

Weg ift unerfennbar,

da die fliegenden Sandwolfen fofort jede Spur verivehen;

nur eimige Sameelgerippe zeigen die Nichtung der Kara— wanen an, E. Marno-Bey berechnete die Meereshöhe der Sanddünen, d.h. einer Anhöhe, auf 454 m. Don der höchſten Anhöhe aus bietet fich eine weite Ausficht in die vor ung liegende endlofe Ebene, die uns noch von Berber

trennt, fotwie auf den ifolierten Dich. Eremit im Süd— weiten, In 1 Stunde 45 Min. hatten wir die Sandberge überjchritten. Um 13/, Uhr wurde Halt gemacht I Thermometer

Gh am.

140 0. 2h pm. 350 C, Th pm.

2380 C. Ausland

1884, Nr. 44.

132

870

Die Lage im Betſchuauenlande.

in der baumlofen hinter den Soldaten,

Ebene

Um

5 Uhr marfchierten wir

die uns indes vorgeeilt, nach Süd—

weſt weiter. Die Ebene it fahl, baumlos-und öde. Um 8 Uhr Abends wanderten wir zwiſchen den beiden Dich. Eremit, die iſolierte Felskegel, wahre Einftedler in der langen öden Ebene bilden, und jeßten den Weg bis 111/, Uhr

Neife von etwas über 100 Stunden zogen wir in Berber ein, wo die fehtwarze Garniſon auszog, um Hide Paſcha und feinen Stab mit militärischen Ehren zu empfangen.

Es war 10 Uhr Morgens. Fortſetzung folgt.)

nachts fort.

Am 26. Februar ! wurde um 6 Uhr 10 Min. früh auf: gebrochen. Die Ebene ift eintönig, vegetationslos, ſtellen— weiſe von einer Felsader durchfurcht, deren Oberfläche von der Sonnenhiße gefpalten ift; einzelne Kiefelgruppen bilden die ganze Abwechslung. Die Sata morgana trieb ihr täuschen: des Spiel von Morgens 9 Uhr bis 5 Uhr Abends. Von Von 111 Uhr bis 3 Uhr hielten wir Siefta. Nach etiva 15 Stunden Marſch von D-Baf betritt man das Wady

Abu Kolod (Kolöda), das zur Negenzeit mit Durrah be:

Die Inge im Belfhunnenlande. Mußte es einem aufmerffamen Beobachter der Dinge in Südafrifa fchon ſeit längerer Zeit wahrscheinlich gewor— den fein, daß die beiden fich miderjtreitenden Strömungen — die der Afrifaander einerfeits, die ein rückſichtsloſes, auf immer weitere Unterdrüdung der Farbigen abzielen: des Borgehen für das einzig richtige halten und Zugleich im geheimen nach völliger Unabhängigfeit von Englands Herrichaft trachten — und der engliſchen Bartei, die eine

baut it; das Terrain hat hier eine große Depreffion, wofür die zahlreichen Pfützen fprechen. Die Regen des Sharif haben fette Erdmaſſen in die Niederungen ges ſchwemmt, die ſich gut bebauen laſſen und bie und da ziver Fuß tief von Negenbächen durchriffen find; die Erbe it grau und aus thonigem Sand gebildet. Um 3 Uhr

fordert und natürlich aud von jener Trennung vom Mutterlande nichts wiſſen till — in nicht allzu ferner Zeit ſich aud noch mit anderen als blos parlamentarifchen

wurde der Marſch nach Weſt-Süd-Weſt fortgefeßt.

Gegen

Waffen befämpfen würden, fo fcheint jet eine folche Even:

5 Uhr zeigten ſich am Horizont die Spiten der Berge von Berber am Weſtufer des Nil. Nah Wady Kolody folgte abermals eine baumlofe Strede. Um 61, Uhr Abends betraten wir die Niederungen des Wady Selen (oder Abu Saläm.) Diejes Thal iſt der fruchtbarfte Strich der troftlofen, drei Tage langen Steppe zwiſchen O-Bak und Berber. Bei der Nüdfehr im Juni lagerten wir längere Zeit im Wady. Der vegetationsreiche Boden ift mit ſonnver— brannten, zerflüfteten Schlamm bededt, den die Negenzeit zurüdläßt. Zahlreiche Selem-Akazien, Sunt: und SelemSträucher jtehen da; letztere beftehen aus langen, ſchwanken Gerten mit grünen Blättchen und langen grünen Stacheln. Nach dem Charif wird Selem reich mit Durrah bebaut,

tuahtät nicht nur bedeutend näher gerüdt zu fein, fondern man fann auch die Stelle aufzeigen, wo e8 zum Ausbruche fommen wird, Betichuanenland.

wovon wir noch zahllofe Stengel fahen. Die Kameeltreiber fagten uns bei der Nüdfehr, das Thal werde nicht von Biſcharin, fondern von Bewohnern des Nilthals

bebaut. Um 10

Nach 20 Minuten hatten wir das Wady paffiert. Uhr Abends wurde das Nachtlager errichtet in

der Nähe des Brunnens Moha Bei (oder Abu Tager). Um 6 Uhr 20 Min. am 27. Februar? ritten wir durch das Lager der Engländer, die eine Strede vor uns das Nachtquartier aufgefchlagen hatten. Diefe leßte Strecke

der Wüfte ift völlig kahl, das Terrain fanft anfteigend gegen Berber. Um 81/, Uhr vertvandelte ſich die bisher trügerifche

Fata morgana in Wirklichkeit; man konnte Dattelpalmen und Häufer von Berber deutlich unterfcheiden. Ein ſtarker

Weſtwind trug Staubwolken

durch die Luft.

Nach einer

Thermometer 6h am. 160C. 11h am.310C. 24h pm. 350 0. 6 ah pm. 300 C, ?* Thermometer 6h am. 170C. 2h pm. (in Berber) 370C, 7h pm. 260 C.

gerechtere und

billigere

Behandlung

der

Eingeborenen

Dies iſt jeßt der Punkt, auf dem fich das Intereſſe für die Entwickelung der füdafrifanifchen Verhältniffe fon-

zentriert.

Lange hat die öffentliche Meinung in England

jich diefem Yande und den jüngjten Vorgängen daſelbſt viel zu wenig Aufmerkſamkeit gefchentt, bis daß ein

Miſſionar der Londoner Miffionsgefellichaft, die ſelbſt lange dort gearbeitet hat, im vergangenen Herbſt mit großer Energie feine Stimme erhob, um den Engländern nicht nur ihre moralifche Verpflichtung, dort handelnd ein= zugreifen, Har vor Augen zu jtellen, fondern ihnen aud) deutlich zu machen, wie durch ein weiteres Vorbringen der Transvaal-Boers in weitlicher Richtung der ganze englifche Handel nach dem Innern von Südafrika völlig abgefchnitten

werden würde. Yafjen wir es unentfchteden, welcher von diefen. beiden Gründen der durchfchlagende geweſen, jo viel ift jedenfalls gewiß, daß es weſentlich Nev. Mackenzie's Ein: fluß war, der in der englifchen Politik in Südafrifa zu Anfang dieſes Jahres einen ganz weſentlichen Umſchwung herbeigeführt hat, von dem bequemen, aber verhängnis-

vollen laissez-faire zu einer Politik der Thatkraft. als

Nun ſah es ja freilich vor furzem ganz darnach aus, ob die im Betfchuanenlande ſchwebenden Schwierig:

fetten und Differenzen zivifchen England und Transvaal dennoch im Frieden ausgeglichen werden würden, denn es war ja zwiſchen den Abgefandten der Transvaal-Nepublif und dem englifchen auswärtigen Amt zu einer Verftändi: gung und einer Feitfegung der Südweſtgrenze von Trans:

vaal gelommen, von anderen Dingen hier nicht zu reden.

Der Mais,

Einen langen Beſtand diefer Abmachungen hat wohl niemand, der mit den Verhältnifjen einigermaßen vertraut tt, erwartet, aber freilich, daß die Verwickelung ſchon jofort

wieder aufs neue auftauchen würde, das konnte man noch weniger erwarten. Und doch iſt es ſo gekommen. Maſſouw, einer der Betſchuanenhäuptlinge, deſſen Gebiet die Transvaal-Geſandten in England für ihr Land

beanſpruchten und auch wenigſtens größtenteils bekommen

haben, hat ſich nach den jüngſten, bis Ende Februar reichenden Nachrichten mit einer Anzahl Freibeuter ver—

bunden und auf den Sohn des Häuptlings Mankoroane,

der unter engliſcher Protektion ſteht, einen neuen Angriff gemacht, ſo iſt alſo der Konflikt inoptima forma ſchon wieder da und dasſelbe Spiel, das zur Entſtehung der beiden kleinen Boerſtaaten Stellaland und Goſen geführt

hat, ſcheint wieder losgehen zu ſollen. Möglich, daß diejenigen Recht haben, welche meinen, es hätten jene holländiſchen Freibeuter bei der ſo mangelhaften und un—

ſichern Poſtverbindung in jenen Gegenden noch gar keine Ahnung gehabt von dem Umſchwunge in der engliſchen Politik ſowie von der bevorſtehenden Verſtändigung zwiſchen England und Transvaal, da man ſonſt ihre Handlungsweiſe doch kaum verſtehen könnte. Sehr wahrſcheinlich dürfte

es aber ſein, daß England nun doch wirklich Ernſt machen und kräftig im Betſchuanenlande eingreifen wird. Zu ſolchen Vermutungen wird man geführt durch die Er— nennung eben jenes Miſſionar Mackenzie zum Reſidenten, alſo Repräſentanten der engliſchen Regierung im Betſchuanen—

lande. Natürlich hat dieſe Maßregel in den Reihen der Afrifaander einen wahren Sturm der Entrüftung hervor: gerufen, denn über die Gefinnung diefes Mannes fann ebenfo wenig ein Zweifel beftehen, als wie darüber, daß er mie faum ein anderer mit den ganzen Verhältniffen des Yandes und mit denen der Häuptlinge unter einander

5

genommen

hat, das

beweiſt

befriedigende Verficherungen

Man darf nun aber in der That auf die weitere Entwickelung diefer Angelegenheit ſehr gefpannt fein, ob näm— lich die Afrifaander ihre oft ausgefprochene Drohung wahr machen und ſich der Sendung englifcher Truppen ins Betjhuanenland auf dem Wege, den diefelben ja durd) die Kapfolonie nehmen müffen, thätlich widerfegen werden. Unmöglich ſcheint es keineswegs, daß die hochgradige Spannung zwiſchen den beiden Parteien jetzt bei dieſem

Anlaß zu einem Konflikt führen wird. Auch noch von einer anderen Seite drohen dem Betſchuanenlande Verwickelungen, die ſogar vielleicht noch bedenklicherer Art ſind. Man ſagt, daß die Matebelen, deren Gebiet bekanntlich zwiſchen der Nordgrenze der Trans: vaal-Republik und dem Zambeſe liegt, nachdem ſie dort im Norden gegen die Botokas gekämpft, ſich nun gegen die weſtlich von ihnen wohnenden Betſchuanen, zunächſt gegen die Bamangwatos, zu wenden beabſichtigten. Scho— ſchong, die Hauptſtadt der Bamangwatos, wo ihr trefflicher König Khama wohnt und das ſchon ſeit Jahren ſich auf einen Angriff des Matebelen-Königs Lobergula gefaßt machte, ſoll das nächſte Ziel des jetzt unternommenen Kriegszuges ſein. Im Intereſſe der Ziviliſation und der Menſchlichkeit wäre es ſehr zu wünſchen, daß es den Bamangwatos gelänge, dieſen mörderiſchen Matebelenhorden einen feſten Damm entgegenzuſetzen, damit ſie ſich nicht über das ganze Betſchuanenland und, wer kann ſagen ob nicht noch weiter, ergießen.

Der Mais. Fortſetzung.)

Wert „Sieben Jahre in Südafrika” (1. ©. 460) eben diefen

III.

Herrn Madenzie

einen der edelften Männer, die er in Südafrika fennen gelernt, und weiterhin einen Ehrenmann

und gar nicht zu demfelben gedrängt,

im Gegenteil, er

hatte jemand anders, den Col. Sir Charles Warren, für den Poſten vorgejchlagen, ex ſelbſt aber trug große Bedenken, die

Stelle anzunehmen, einzig nur weil er, und gewiß nicht mit Unrecht, befürchtete, daß England fih doch zu feinem energiichen Eingreifen, wie er es für unvermeidlich hält,

entjchliegen würde,

Daß er num aber doch fchließlich an—

man ihm

greifen.

den Dr. Emil Holub anführen, der in feinem intereffanten

große Umficht als Vermittler zwifchen verfchtedenen Parteien und feine jeltene Klugheit ruhmt. Rev. Madenzie, der natürlich jeine Stellung als Mifftonar daran gegeben bat um diejes feines neuen Amtes willen, hat fi) ganz

daß

haben muß, oder mit anderen Worten, daß man in Eng: land wirklich entſchloſſen ift, im Betfchuanenlande einzus

ganz gründlich befannt iſt. Aber auch über die Ehren: haftigfeit und Uneigennüsigfeit des Mannes fann nicht der leiſeſte Zweifel beſtehen und möchte ich da als einen kompe— tenten und jehr unparteiischen Zeugen den befannten Reifen:

im vollſten Sinne des Wortes nennt und namentlich auch feine

ganz Far,

in diefer Beziehung gegeben

Seine Kultur.

Der Mais gehört wegen ſeiner Fruchtbarkeit und ſeines Gehaltes an Nährſtoffen! zu den nutzbarſten Pflanzen und wird deshalb auch in den meiſten ſüdlichen Staaten Europa's und vornehmlich in Nord- wie Süd-Amerika im großen angebaut und gar vielfältig verwendet. Die Nahr—

haftigkeit dieſer Getreideart die der Kartoffel

übertrifft nach Fleiſchmann

wohl um das Vierfache,

ſteht aber der

des Weizens und Roggens nach. Der Mais iſt aber ge— eignet, den Folgen des Mißratens anderer Getreide-Arten vorzubeugen, da bei dieſer Körnerfrucht weit ſeltener ſchlechte N Siehe Anhang,

872

Der Mais.

Ernten zu befürchten ſind, weil ſie in dem verſchieden— artigſten Boden gedeiht. ! Was den Anbau des Mais in Rußland betrifft, jo treffen twir ſolchen vorherrichend im Kaufafus an, wo er auch viel gegefjen wird. Der Grufinier hat an feiner ärmlichen säklja (Häuschen) meift eine Einhegung um fein

mintatures durch

Maisfeld,

und es zeichnet fich diefer Mais

feine Grobförnigfeit

aus.

Der

fruchtbare Boden

Mingreliens trägt im Kukurüs das 40, bis 80. Korn, im Gomi das 80. bis 120,, im Weizen das 20. bis 30, Korn. Es gilt nur, mit dem Pfluge den Boden aufgerist, fünf Kſew (/, Deßjätine?) zu befien — und ein Mensch ift fürs Jahr verforgt. In Gurien find zudem zwei Ernten: im April

und September.

Im Herbit jät man Weizen, und wenn

diefer im Frühjahr geerntet, befät man dasſelbe Feld mit

Gomi und Kukuruz.? — Ferner bildet der Mais in Bez ' arabien

wie

Felder.

Denn

im übrigen

Südweſten

von Kifchinew

Rußlands

enorme

an bis in die Bukowina

hinein zu den Karpathen ift der türkische Weizen das Hauptgewächs der Felder und die Hauptnahrung der Tiere. In der Walachei ift der Mais billig, daher Tommt

es nicht jelten vor, daß Kontrebandiften im Gebirge Seitenpfade einschlagen, um feinen Zoll für den Mais,

aus der Walachei herüberbringen,

am

den fie

öfterrreichifchen

Wachthaufe zahlen zu müffen. Des Walachen ganze Arbeit auf dem Felde aber befchränft ſich darauf, daß er einen Fleck Landes mit Mais bepflanzt, der ihm reichlich genug Mehl zur Bereitung feiner Mamalyga liefert; Bedürfnifje hat er fonft gar feine und er fann ſich ſelbſt des Brotes entſchlagen. Der Raum um ſein Haus iſt gewöhn⸗ lich mit einem Zaun umſchloſſen und in zahlreichen Ab— teilungen, wie in ebenſoviele Hurden geſchieden. In der einen ſind Schweine, in einer anderen eine Kuh, und eine dritte enthält einen von Maisſtroh errichteten Schober, Da und dort ift ein koniſch gebauter Schuppen, bedeckt mit Stengeln und den breiten Blättern der Maispflanze,

doch it das ganze Werk nicht fauber und ohne alles Ge

ſchick gemacht. Diefe Stengel umd Blätter hängen in wilder Unordnung umher, und das Ganze fieht aus, als müffe ein Windftoß den Iuftigen Bau fortblafen. In

jedem Hofraum befindet ſich ein großer, aus Weidenzweigen

gebildeter, auf vier Pfoſten errichteter Behälter, ein un— geheurer Korb gleichſam; in demſelben wird des Bauern Vorrat an „indiſchem Korn“ aufbewahrt: das iſt ſeine Kornkammer. Alles zuſammen, die koniſchen Dächer, die von Zweigen geflochtenen Einfriedigungen, die rohe Stroh— bedeckung, rufen ſtets die Gemälde, welche Bernaz von den 28

2 Fleiſchmann: „Der Nordamerikaniſche Landwirt.“ S. 111. Dieſer fleißige Gelehrte verargt es mir ſicher nicht, wenn ich, durch dieſes ſein Werk zu meiner kleinen Zuſammenſtellung an— geregt, mich immer wieder an dasſelbe anlehnen werde. 3 Eine Deßjätine = 2400 Duadrat-Faden. + Wöronow: „Das Rion-Thal”, in der „Inocha“. 1864, November.

F

Wohnungen in Abeffinien gegeben hat, in die Erinnerung, es herrſcht eine große Aehnlichkeit zwiſchen beiden,!

Beim Anbau des Mais find in Siebenbürgen bie Sigeuner

ſehr nüßlich,

vorzugsweiſe

denn

man

bedient ſich derſelben

zu den dabei vorkommenden Handarbeiten,

wobei ſie ſehr fleißig ſind, ſo gering auch der Lohn: ift, den fie dafür befommen. Teilweiſe geht die Arbeit auch als Frohn, die fie leiften müfjen. Bei den rauben Winden,

welche im Frühjahr von dem fchneebededten hohen Gebirge

herabmwehen, fommt es fehr oft vor, daß der Mais beim eriten Hervorſproſſen erfriert, fo daß er auf's Neue an:

gepflanzt werden muß, mas faft allemal feine veichliche Ernte giebt und zur Teurung des Getreides beiträgt. Der Boden hat von feiner Fruchtbarkeit auch viel verloren, und

der bejte trägt

heutzutage nicht mehr was ex einst

getragen, es giebt Drte, wo man feit Jahrhunderten nicht gedüngt und jedes Jahr Mais gepflanzt hat.

Italien.

Der Mais

bildet eine der wichtigſten

Nahrungspflanzen Italiens, zählt ſich zu den vornehm— lichen Produkten der Lombardei, und ein großer Teil des fruchtbaren Landes Piemonts wird in regelmäßigem Wechſel von Reis, Mais, Grünfutter und Weizen beſtellt. Der

toskaniſche Maisbau wird faft immer durch Spatenarbeit

getrieben.“ Hier werden gern fogleid nad) der Kornernte Zupinen gefäet und im Dftober, wenn fie 15 bis 18 Zoll

hoch ſind, untergepflugt.

Auf dieſe reiche vegetabiliſche

Düngung hin baut man im folgenden Jahre wieder Korn, dann im Herbſt Futterkräuter; im dritten Jahre Mais und Gemüfe, 5

Frankreich läßt fich in Elimatifcher Hinficht in vier Regionen teilen: a) in die der Oliven, die den ſüdöſtlichſten

Teil einnimmt und der Hauptſache nach auf die Ränder des Mittelmeeres beſchränkt iſt; b) die des Mais; e) die des Weinftodes, und d) die nördliche.® In gewiſſer Be:

ziehung kann man ſagen, daß im ſüdlichen Frankreich der Maisbau faſt allenthalben eine Art Wechſelwirtſchaft ein—

geführt hat, ſagt Roſcher.“

Dies bezieht ſich wohl auf die

in Südfrankreich verbreitete, ziemlich intenſive Zweifelder—

Wirtſchaft mit der Fruchtfolge: Mais und Weizen.

(Dies

jelbe Fruchtfolge, nach Blomeyer, auch in Kleinafien.) Deutfhland. Obwohl ſchon Hieronymus Bod im XVI Jahrhundert des Wälſchkorns in Germanien er: wähnt, jo findet folches doch erft in neuerer Zeit dafelbft 1 Charles Boner, „Siebenbürgen“. 1868. ? Elsner, „Das Großfürftentum Siebenbürgen”, 3 Kaufmanns-Lerifon. » Sismondi, „Tableau de l’agriculture en Toscane“, pag. 48, 5 Fulchiron, „Voyage dans l’Italie méridionale.“ IV. 1854. Roſcher, „Nationalöfonomit des Ackerbaues“. 6. Aufl. ©. 92 und 9. 6 Kaufmanns-Lerifon. 7.,„Ideen zur Politit und Statiftif der Ackerbauſyſteme.“ Rau und Hanſſen, „Archiv“, 1845. Neue Folgen. Bd. II. S. 181.

Der Mais.

mehr Eingang, und in der dritten Negion Württembergs (bon der Höhe des Gebirges —

2000 Fuß —

ab) unter

1000 Fuß Meeveshöhe, die fait ganz auf den Jagſt- und Nedarkreis beſchränkt ift, wird neben dem Weizen aud) der Mais in großer Fülle gewonnen. — In Baden wird das Wälſchkorn nur zur Mäftung der Gänfe gebaut. — Wir jehen Maisfelder auch in Eljaß-Lothringen ivie in der Pfalz, und in Süddeutfchland wird feit 1870 viel der

Pferdezahn-Mais

geſteckt. — Sn begünitigter Lage, jagt

Müller, habe ich im Schraden (in Brandenburg, Sachſen

und Schlefien eingreifend,

zwischen dem 51.0 und 52,0

n. Br.) den Mais von der Art des Pferdezahn-Mais, in wahrhaft überrafchender Größe und Kräftigfeit angetroffen: wahrhaft Fümmerlih und Mitleid erregend in freieren Lagen, wo er die volle Kraft des wetterwendiſchen Som— mers, der bald glühend heiß, bald eifig Falt ift, auszuiteben hat, ! *

*

Am wenigjten gekannt und benußt ift der Mais wohl in Afrika. ch twenigftens kann hierüber nur wenige

Von den Negern in Afrika wird neben

Hirſe, Sorghum, Reis, Bohnen, Maniok und Baumwolle, auch Mais gebaut. Unter ihren Utenſilien findet man Mörſer oder Steine zum Bereiten von Mehl aus Hirſe, Mais und Reis.? — Bei den Kaffern geht das Abbrennen des Buſchwerks und Bearbeiten des Bodens mit Hacke und

Spaten, dem Anbaue des Sorghum (Kaffernkorns), Mais, Tabaks, der Bohnen, Kürbiſſe und ſüßer Kartoffeln voran.’

verbreitet ſich der von den

— Unter den Betſchuanen

Europäern in jenen Gegenden eingeführte Mais erſt all— mählich.“ — Bei den Niam-Niam wird der Mais (Mbaija bet den Niam-Niam, Nendöh bei den Mombattu) nächit der Eleusine am häufigsten angebaut, doch nurin nächfter

Nähe der Hütten, und nie auf großen Flächen ausgedehnt. Ein Aushülfsmittel in der Koft, wird er meift bloß in friſchem Zuftande (geröftet) genoſſen. Vornehmere jedoch pflegen eine Grüße aus Maismehl zu genießen, eine Art Brei, zu deffen Zubereitung

finnreihe

Methode

befolgen.

die Niam-Niam

„Nirgends

eine fehr

gewahrte

ic)

größere Maisfelder, jagt Schweinfurth,d als am Lehſſi an

der Grenze des Niam-Niam: und Mittugebietes.” Nach ihm gehört unter die eilf Hauptkulturpflanzen bei den Bongos am Gafellenfluß, d. b. am vberften Nillaufe, auch

Mais galhen

von

mittelmäßiger

in Madagasfar

Tabaks- und Baumwollen-Bau ift fehr unvollfommen.! — Auf der vulfanischen Inſel Triftan da Cunha, 1320 See: meilen jüdlih von St. Helena (15.0 5. B.), ift der Mais

an die Stelle des aufgegebenen Weizens getreten. %*

*

Amerika. Es gibt feine Getreide-Art, welche mit gleich ficherem Erfolg die Anftvengungen des Anfiedlers in Amerika in unangebauten Gegenden unterftügt und fördert, als das Wälfchforn. Denn feine nährende Körner: Frucht gewährt, wie diefe, fichere und veichliche Ernten, ſowohl auf dem raubeiten, kaum aufgerifjenen Waldboden zwischen abgejtorbenen Bäumen und modernden Stümpfen, als auf den mit jedev Art Dünger verfehenen und forgfam be: jtellten Medern einer gut verwalteten Far; fie gedeiht auf dem nämlichen Boden, wenn reich an Humus, während einer Reihenfolge von 15 bis 30 Jahren ohne an Ergiebig:

teit zu verlieren oder auszuarten.

F *

Angaben geben.

51

Güte, — Der vorkommende

bei den Mal: Neis:,

Mais-,

1 Natur”, 1862. Nr. 45, „Der Schraden.“ 2 Baumftarf, „Die Bollswirtfhaft nah Menſchenraſſen, Bolksftämmen und Bölfern“. „Hildebrandt'S Jahrbuch“. V. Bv3 Baumftarf, „Die Bolfswirtihaft nah Menſchenraſſen, Volksſtämmen und Völkern“. „Hildebrandt's Jahrbuch. V. Br. % „Die Betfchianen“ (sic.). „Globus“ 1876. 4 und 5. 5 „Bericht über die botanischen Ergebniffe der erften Niam— Niam-Reiſe“. In der „Botanischen Zeitung”. 1871. Nr. 21. S. 363.

Sandigen Boden zieht

ſie ſchweren zähen Lehmböden vor; ganz vorzüglich gedeiht dev Mais aber auf aufgeſchwemmtem Uferlande, bottom lands, und gibt gute Ernten auf neuem Wald: und Prairie-Lande, welches durch eine Vorfrucht ſchon etwas

urbar

gemacht

wurde.

Der

Mais

liebt

ein mäßiges,

feuchtes, warmes Klima. Auf magerem Boden verlangt ev ſtarke Düngung.. .. .Ganz vorzüglich eignen ſich zum Maisbau die ungeheuren Strecken Prairie-Landes des Weſtens. Man nimmt dort gleich vom erſten Umbruch eine ſogenannte Raſenernte. Es wird nämlich in die dritte und vierte der gezogenen Furchen Wälſchkorn geſäet und

durch die nächſtfolgende Furche bedeckt. Im Durchſchnitt können von jedem Acker, der auf dieſe Art beſtellt worden, wenigſtens 20 Buſhel? aus— geſchälter Mais geerntet werden; manche haben auf vor— züglich gutem Grasboden das Doppelte erhalten. Man beſorge nicht durch dieſe Art von Nebennutzung die Ergiebig— keit des Bodens zu vermindern; im Gegenteil wird durch das Verwelken der Wälſchkornhalme im Herbſt das Locker— werden des Raſenbodens befördert, die Verweſung der Raſenwurzeln wird dadurch beſchleunigt und ein ſolcher durch natürlichen Dünger zur Fruchtbarkeit gekräftigter Boden wird mit deſto größerem Gewinn für das nächſte

Jahr mit Weizen beſtellt werden können.

Hat man näm—

lich frühzeitig genug die Raſenfurchen mit Wälſchkorn ein— geſäet, ſowird man auch im Herbſt mit dem Einſammeln der Aehrenkolben bald genug fertig werden, um noch Zeit zur Beſtellung mit Weizen übrig zu behalten. Ein Um— pflügen des Ackers hat man zugleich erſpart, das Eineggen geſchieht mit Leichtigkeit, und ſolche Weizenäcker geben nach allgemein beſtätigter Erfahrung die reichſten Ernten. Durch I Baumftart, 2 Ein Bushel Kolben wiegt ungefähr 14 Pfd. nach Fleiſch— mann. Ein Bufhel oder Scheffel ift etwa 2 xufftschen Tſchetwert gleich.

874

Der Mais.

diefes Verfahren kommen die meftlichen Anfiedler weit früher in den Befit der erforderlichen Mittel, fich ihren Bedarf an Frucht jelbjt zu erzielen und ihre Haushalt: ungen in entlegenen Gegenden vor Mangel und Not zu bewahren. Man iſt ſelbſt weiter gegangen, man hat mit Erfolg verfucht, Bohnen auf ſolchen friſch umgebrochenen Raſenäckern zu erzielen, man bat Bohnen: und Maisförner durcheinander in die Furchen ausgejtreut. Bohnen und Wälſchkorn wachjen mit einander üppig auf; die ſchwanken

Halme dienen den Bohnenranken jtatt der Stangen und auf diefe Weiſe fann man von einem Rafenader 20 Bufbel Korn und 15 Bufhel Bohnen zugleich ernten. Ebenſo hat man bisweilen Stangen-Erbjen und Kürbijje zugleich mit Wälſchkorn auf den frifch aufgebrochenen Raſenfurchen ohne Mühe gezogen und ohne dadurch der Fruchtbarkeit des Bodens für die demnächſt beabfichtigte Beitellung mit Weizen irgend Abbruch zu thun.! In den mittleren und nördlichen Staaten ijt Klee eine ausgezeichnete Vorfrucht für den Mais, nur muß das Umbrechen des Kleefeldes ‚mit vieler Sorgfalt geſchehen; wo der Boden fchon von feinen natürlichen Kräften erfchöpft ift, muß man vor dem Umbrechen düngen. In den jüdlichen Staaten ift der Klee als Vorfrucht für den Mais nicht fo zuträglich, da der Qut-worm in demfelben ſich in fo großer Menge ein: findet, daß es höchſt ſchwierig wird, eine fichere Ernte Mais zu erlangen. Man muß dort die Kleefelder Schon jehr frühzeitig vor dem Winter umbrechen, damit die Kälte Der Fruchtwechſel in den verſchiedenen Provinzen der Ver— einigten Staaten ift folgender: In New-York 1. Mais; 2. Gerfte und Grasjamen; 3. Heu; 4. Heu oder Weide; 5. Weide; 6. Weizen. „Mais, 35 Bufhel pro Ader, zwei Mal ins Kreuz gepflügt und einmal behadt.” „Fünf Fuhren Straßenkehricht für jeden Ader Mais; für Mais, Weizen und Kartoffeln wird der Dinger 4 bis 6 Zoll untergepflügt, fir Nhabarber aber 8 Zoll.” In Pennfylvanien (daS jogenannte Cropping-Syſtem). 1. Mais auf Grasland-Bruch; 2. Hafer und Gerfte; 3. Weizen, gedüngt; 4. Klee oder Klee Timothy; 5. Weizen mit Dinger, und wo fein Dinger gegeben wird, Roggen; 6., 7., 8. Gras. Diejes Syſtem bedarf fehr vieler Arbeit, wird nur von Deutſchen und auf dem beften Boden angewendet. Die gewöhnliche Bewirtſchaftungs-Methode ift folgende: 1. Mais ohne Dinger, 4 bis +1 Fuß Entfernung, 3 bis 4 Stengel per Häufchen, 30 bis 60 Buſhel per Ader. 2. Hafer oder Gerfte, 30 bis 50 Bufhel per Ader. 3. Weizen gedüngt mit Klee und Timothy. 20 Karren Dünger, 10 bis 20 Bufhel. 4. 5., 6. Klee und Zimothy von 1 bi8 2 Tonnen Heu per Ader. 7., 8., 9., 10. Weide, In Pennſylvanien iſt es gebräuchlich, Mais, Kartoffeln und Kürbiſſe abwechſelnd in Reihen zu bauen. Ju New-Jerſehy iſt der gewöhnliche Fruchtwechſel: 1. Mais, 2. Hafer oder Buchweizen. 3. Weizen mit Klee. 4. Klee. In Virginien: 1. Mais gibt noch ziemlich gute Ernten, wenn mm etwas Dünger in die Häufchen der Maisfelder gebracht wird. 2, Weizen. 3. Klee. Oder: 1. Weizen nad) zweijährigen Klee. 2, Mais, 4 Fuß ins Geviert 8 Saatenförner, wovon zwei Stengel ftehen bleiben. Das Behaden wird mit dem Pfluge verrichtet. Iſt der Mais hinlänglich reif, jo wird er gefchnitten,

gleih vom Felde gebracht und das letzte mit Weizen beftelt,

den Cut-worm zerjtört. Die Zeit der Saat des Mais ändert fich nach der mehr ſüdlichen oder nördlichen Lage und den Jahreszeiten.

Die

gewöhnliche Regel ift: den Mais

zu pflanzen, wenn die Blüte des Apfelbaumes fich ent: faltet. !

In Peru wird zum Düngen, bejonders felder, der Guano gebraudt. Wenige Wochen Emporfeimen wird neben jedem Wurzelitode Loch gegraben, eine Priſe Guano hineingethban

der Mais: nach dem ein kleines und dann

mit Erde zugededt. Höchſtens 12 bis 18 Stunden jpäter wird das ganze Feld unter Waſſer geſetzt und einige Stunden jo gelaffen. Von weißem Guano nimmt man weniger und bemwäffert darauf länger und fchneller. Die Wirkung ift unglaublid raſch; fchon nad) wenigen Tagen erreicht die Pflanze das Doppelte ihrer früheren Höhe,

Wird das Düngen fpäter mit einer geringen Quantität wiederholt, jo übertrifft die Ernte um das Dreifache die:

jenige, die auf einem nicht gedüngten Ader gewonnen mwird.? Anhang. Nach Greif enthalten die Maiskörner 76.0 Stärkemehl, 2.5 Kleber, 9.5 Extraftivftoff, 1.5 Eiweiß, 1.5 Schleim und 9.0 blieb Rückſtand. Reichenbach: „Botanik für

Damen”. — In Frefenius’ „Lehrbuch der Chemie für Landwirte, Forftmänner und Kameraliſten“ — neuere Unter: ſuchungen jtanden mir nicht zur Verfügung — finden wir 3. Weizen mit Klee. 4. Klee mit Gypsdüngung, Ya Buſhel per Ader. 5. Klee desgleihen. Oder: 1. Mais, die Pflanzen 2 1/2 Fuß ins Geviert von

einander, 2 Maisftengel

in einem Häufchen;

anfangs Dftober wird der Mais gejchnitten und vom Felde gebracht, dieſes tief gepflügt und mit Weizen bejäet, 1%, Bufhel per Ader, gehörig eingeeggt und nächſtes Frühjahr Klee eingefäet, ein Salon per Ader; der Mais wird in den Häufeln gedüngt. 2. Weizen. 3., 4. Klee. sn Siüd-Carolina „Man rechnet drei zweiipännige Fuhren Dünger auf den Acer fir den Mais, was eben hinveicht, um jeden Hügel mit fo viel, als man in zwei Händen halten fan, zu düngen. Der Mais wird ins Geviert von 4 Schuh oder 5 bis 3 Fuß gepflanzt.“ „Ich dinge zum Weizen und nad)dem der Weizen geerntet, wird Stoppel und Unkraut eingepflügt; da ich feine Baummolle baue, jo laſſe ih Mais, manchmal aud) Hafer drauf folgen. Wir pflegen nad dem zweiten Pflügen die Kuh-Erbje zwifchen den Mais zu pflanzen und ich halte dies für höchſt vorteilhaft.“ In Miffiffippi: 1. Baumwolle. 2. Mais. 3. Getreide, worauf man das Feld ruhig läßt und deshalb mit Kuh-Erbſe bejäet, welche mit Anfang Auguft das ganze Feld überzieht und wenn untergepflügt, eine herrliche grüne Düngung gibt. In Kentudy. „Iſt ein Feld fehr erihöpft, fo bleibt «8 4 bis 5 Jahre als Grasland liegen, für weniger erſchöpftes Land find ſchon 2 Fahre genug.” — „Nach dem Umbruch des Graslandes werden 2 Ernten Hanf gewonnen, dann Mais, Hafer, Mais, Weizen oder Roggen und 2 Jahre Gras, in allem mithin ein achtjähriger Turnus. Fleifhmann, „Der nordamerifanifche Landwirt“. ©. 340 bis 362, 1 Sleifhmann, ibidem. S. 116 bis 122. ‘ 2 Hartwig, „Das Leben des Meeres“,

Der Mais,

875

auf Seite 300 und 301 unter den „uneigentlichen Hülſen—

2. Beſtandteile in Hauptgruppen.

früchten“ obenan den Mais und lernen daraus ſeine Be— ſtandteile und das Quantum eines jeglichen kennen. 2—

—F



100 Teile Maiskörner enthalten ſonach: [ufttroden. waſſerfrei

*

J. Verhältnis des Strohs und der Hülle zu den

Stickſtoffhaltige Subſtanzen

AN

BR

HÖrnern,

Aehren ohne Körner

45,6 5.6

61.6

12 100.0

100.0,

ta

| Aſchenbeſtandteile

3. | |

ER

friſch geerntet.

10 Monat alt.

Stärfemehl

aa

61.95

71:2

7

u 100.0

5.13 1.04

5.9 1.2

aus Elſaß,

1.3

17.0 50.1

Kieſelſäure

0.8 100.0

| |

78

Fettes Del

13.00 1000.00

/ Safer

Waſſerfrei.

10.71

u

Magneſia Phosphorſäure

|

6

A:

Kalt

(von Boufjingault beftätigt), Waflergehalt nach Burger:

12.3

70.1

Beltandteile der Maisförner-Ajche! (Mais Katellier): Kalı und Natron 30,8

1. Sämtliche Beftandteile einzeln. 100 Teile Maiskorner enthalten nach Payen Klebergehalt

Kleber und Eiweiß)

3

| Waffer |

II. Körner.



10.71



Stickſtofffreie Subftanzen \ Sl

100 Zeile lufttrodene Maispflanzen liefern (Burger): Körner 38.4 oder 38.4

Stroh Hüllen von den Aehren

-

1 Nah

Adermann’s

„Chemiſcher

Unterfuhung

des fetten

Maisbls“ enthält ſolches gleich dem Olivenöl dieſelbe Delfänre, | Balmetin- und Stearinfäure. (Situngsbericht der Afademie der

9.0

Dertrin u. Trauben: zucker

0.34

0.4

Wiſſenſchaften zuWien. LVI Bd. 1. und 2. Heft ©. 185.) | ME. nennt Freſenius der Kürze wegen Zellen und Holz

Faſer?

5.18

5.9

|

J Aſchenbeſtandteile?

Waſſer

) 286

13.00

|



————— 100, 00.

3 Dr. Emil lichen —

Wolff's

„Achen-Analyjen

von

landwirtſchaft—

Produkten, Fabrikabfällen und wildwachſenden Pflanzen“ 1871. 40) ©. 36 bis 38 bringen lange Tabellen von

Körnern, Grünmais, Mais in Waſſerkultür ꝛc.

» Die Aſche der Maiskörner enthält Feine Kohlenſäure oder | mm Spwen,

100.0,

Stellen wir einen Vergleich mit den anderen Kornarten an, jo verhält fi der Mais in der Weife zu ihnen: Sämtliche Beſtandteile

luft⸗

der Körner

trocken

waſſer

luft-

frei

trocken

waſſer-

luft-

frei trocken

waſſer—

waſſer⸗

luft⸗

frei trocken frei

Pr.

z R

B

.



-

|

er. . Zraubenzuder. ER Gummi!

- » NS

1.821

3.04)

0.87

1.021

0,95 1, 1:09

190,8 —

176.11, 19

3.7417.430173.75| 3,87) 6.101 531 Hülſen

6.7|

0.39|

0.43

> 3

6.01 3.8||

0.18 0.38]

0.20 | umterjucht ? 0.40 J

14.49|| 10,29| 1.729 a7, — I 18.007

[100.00

100,00

1100.00

1100.00

100,0 | 100,0

nicht

RL

EN.

4.58 0.57 =

410 0.92 11940

170 3.8 —

14.s| 3 19.8

11.83 || 13.34 | 15.50 3.56 |. 4.15 200° — \ 12a —

® 28 Harz 0.363

3.069 2,803 —

26.949 Go 2.609)

100.000

|100.00

1 Der Mais enthält feinen Gummi. IR: 2 Lufttrockene Riſpenhirſe enthält 77 Prozente Stärkemehl, liefert 3.88 Prozente Aſche.

J



Beſtandteile

1

Weizen

$

inHauptgruppen. ii

Roggen

enthalten im Mittel: 100 Teile Körner 2 Gerſte

Hafer





e

\

ne

ne

Reis

T

jjerft- waſſer |mwajjer- I luftft- wajjer-= luft jer- | luft- - wafjerluft- wafjer100 is 1000| fuft- |big frei || frei | teocen |troden Een getrodfnet |troden | frei |teoden | frei

B

altige organtjche : I en

ö

Stidftofffreie

N

Subftanzen REN

—4

100,00

4.36 4,50

frei

En {

"|

79.60 | 81.89

Zucker

waſſer⸗

10.473

5.8

1100.00 [100.00

v

trocken

47.1)

0,34 | 0.40

Buchweizen | im Mittel luft⸗

frei

45.99 | 54.00 ||51.14 | 58.78 ||48.06 | 55.80 | 41.2|

12.334 . Faſer 236, Aichenbeftandteile un; 11483



Hirſe m Nittel

waſſer⸗

trocken

041)

03|

0.551

.0.301°

3,50)

08951

luft⸗

|

152) 543602

Üeben © 2 2 =.» 19.64| 23.05| 10.79| 12.40] 12.88 |14.96 | 1383| Stärfemehl.

Reis im Mittel

Hafer im Mittel

Gerſte im Mittel

Noggen im Mittel

Weizen im Mittel

organiſche

Drarer

iR,

)
, < ade „Botanik für Damen’. ©. 338. ‚Pflanze und ihr Leben‘. ©. 298. 6 Fleischmann, „Der nordamerifanische Landwirt“. S. 130 und 181. [4

1880.

6

/ er

die Einfuhr 1878 1,150,226 Biafter betrug. — Die Mais:

und Wert verhält ſich diefe in den Jahren 1875 Pfund Stert. 8120

E

115

2,646,207 Ardebs. (1 Ardeb Getreide = 183,476 Liter — 1,83 Hl.) Die Ausfuhr von Mais betrug in Aegypten 1877 1,499,373 Piaſter, 1878 141,180 Biafter, während

Unter der Getreideverforgung Großbritanniens genießt dev Mais nicht die Eleinfte Stelle, Nach Menge

engl. Zent. 20,438

1,4 Algier 1876

4,0

Ihlagt

Ausfuhr

Zoll Zentner 1,174,000 42,000 2,299,000 423,000

1874 1875

1,2

el 1877

1878

439,908

8,7

*

Griechenland

4,913.000 1

In der Schweiz betrug die Maiseinfuhr nad) Zoll-

1857

31,1 ar

Portugal

307,000

1,838000

26,7

nm

Spauien

Der Mais,

liefert eine Hektare:

Nach Frefenius

Mittel (aus 8 Anz gaben) Ertrag an Körnern (Ausſaat abgerechnet) in Hektolitern

höchſtens mindeſtens (Benezuela) (Deiterr. u. Mähren) Codazzi Bürger 21

129

BB)

liefert

dem Gewichte

nad) eine Seftare im

Mittel: Körner

3604

Stroh

5781

von

einer

385,99 184,88

Safer

Waſſer

Seftare 1. Stroh

Liefert zuſamm.

ee

Fe.

468,52

Aſchenbeſtandteile

Eine

37485 3604,00

mittlere Matisernte

von

254,36 5781,00

291,34 9385,00

einer Heftare entzieht

dem Boden Salze: 37,45 Kgr. 254,56

in Körnern

in Stroh

Weizen u. Weizen: mehl Mais Hafer

Zuſ. Mill. Bujhels

i. d.Körn. Stickſtoffhaltige Subſtanzen — ion

der Aus:

1876

Empfang

Verjendg.

95,8 49,0 25,8

85,6 44,0 19,3

2,8 6,2

0,9 2,8

179,1

etwa 26 bis 27 Zentner gutes Futter von einem die vauberen Teile des Halmes geben bisweilen noch darüber; gewöhnlich jeßt man den Futterivert der Teile der Maishalme von einem Acre einer Tonne

Heu gleich." Ein intereffantes Bölfchen, ein weißer, Indianerſtamm in fchönem gejegnetem Yande, im des öſtlichen Ceuadors, zum Amazonenftrom bin, ſich daſelbſt reicher Ernten aus unerfchöpflihem

blonder Gebirge erfreut Boden:

jedes Maisforn trägt 3 bis 4 Kolben, ein jeder Kolben bat zum mindeiten 600 Körner, folglich trägt der Mais 1900 bis 2400 fältige Frucht.? Nach den „Reports des Commissioner of Agrieulture*

1870—1871

1,094,255 1874—1875 850,148

der Vereinigten Staaten

1871—1872

991,898 1875—1876 1,283,827

1872—1873

1,092,7119 18761877 1,342,558

In Millionen Hektolitern Mais: im Sabre 1855 56 2479

im Durchſchnitt 1370 746 346,2

betrug

1877

Empfang Verjendg. Empfang (in Millionen Bufhels) 83,7 73,8 79,3 81,0 75,0 78,0 24,9 20,1 23,3 2,8 8,9

152,6

2,5 3,9

201,3

Berjendg. 71,3 67,6 18,0

5,0 9,3

175,3

2,4 5,8

194,9

165,1

Die von Jahr zu Jahr fteigende Ausfuhr von Mais aus: den Vereinigten Staaten erfehen wir aus der Tabelle der Ausfuhr von Getreide und Mehl in Neumann-Spallart’3

nad)

1868 -69

1869 - 70

1870— 71

1871— 72

7,094

1,32

9,826

34,492

1872—75

38,542

18573 — 74

1874— 75

1875 - 16

1876-77

1817778

34,435

28,858

49,494

70,861

35,461

Die Maisproduftion Kanada’s erreicht zirka 1,300,000

Hektoliter. Die Ausfuhr der Vereinigten Staaten an Brotſtoffen

wie folgt angegeben,

wobei wir uns mit der Angabe der

Millionen begnügen wollen.

932,274 1877-1878 1,372,000

die Menge

im Jahre 1876—77 475,0

Fleiſchmann, ©. 118, 151 und 134 Anmerkung. 2 Bolmar, „Gemälde der Tropenwelt“.

Quantum ae

Brotjtoffe: Weizen, Buſhel Weizenmehl, Faß Mais, Bufhel Maismehl, Faß Noggen, Bufhel Gerſte Hafer n Proviſionen: Rindfleiſch, friſch und geſalzen Speck und Schinken Schmalz Schweinefleiſch Talg Butter Käſe

Da die Boten:

Wert

re

1880

1881

143,64 6,76 113,66 0,39 2,35 1,29 0,55

146,4 815,9 413,7 98,1 Moral 37,5 136,4

—— N —

118,20 6,72 72,47 0,40 0,99 0,22 0,5 Total

1850 ME. 682,31 156,94 247,08 4,52 8,66 3,25 0,99 1103,75

1881 ME. 551,80, 158,57 175,39 4,97 4,18 0,59 0,97 896,47

139,3 607,9 310,2 94,4 69,1 21,3 140,4

47,40 242,05 134,08 27,47 32,98 29,36 62,20

50,00 219,82 13410 31,56 19,83 16,29 62,03

575,55

5383,32

Sped und Schinfen,

Schmalz

und

Schweinefleifch weſentlich — wie es auch die Amerikaner ſelbſt thun — als metamorphofierter Mais angejehen erden fönnen, weil diefer fajt die alleinige Ernährungs:

1873— 1874

grundlage für die ungeheure Schtweinezucht der Vereinigten des

im Jahre 1877 — 78 483,3

e e re

„Ueberfichten über Produktion, Verkehr und Handel in der Weltwirtfchaft” 1 (S. 31) in Bufhels (000 ausgelafjen):

Produkte in Ohio wurde ein Maisitengel mit 12 Aehren vorgezeigt. Die zarten Spiben und Blätter an den Halmen

betrugen die Maisernten Bufhels, 100 ausgelafjen,

an Zerealien

Einfuhr

und Proviſionen in den Jahren 1881 und 1882 findet ſich inder Hamburger „Börſenhalle“ vom 24. Februar 1882

291,84

Die gewöhnliche Zahl der Aehren an einem Stengel it 1, 2 und 3. Ber einer Ausitellung landwirtfchaftlicher

geben Ucre, etwas zarten

und

von Intereſſe fein.

Roggen Gerſte

9385 Eine mittlere Maisernte Kilogramm:

die Gejamtgruppe

1875

Ein Heftoliter Maistörner wiegt durchſchnittlich 68 Kgr. Demnach

Ehe ich hier den Umſatz an Mais der 7 größten See und Fluß-Hafenplätze des Innern der Vereinigten Staaten Nord-Amerifa’s hinſetze, dürfte der Parallele wegen gerade

Staaten bildet, fo erhält man das NRefultat, daß in Summa die Maisproduftion der Union 1880 direft mit 251 1/,

indireet mit 4031, Mill. Mark, 1881 direft mit 180 1/,, indireft mit 385 1/, Mil. Mark in deutscher Neihswährung ſich am Export derfelben beteiligte, alſo in beiden Jahren mit 39 bis 400%, des Gejamtmwertes der Ausfuhr von 1 Die letztvorhergegangenen Angaben

aus derjelben Duelle.

IN

Die allgemeine Sitzung der Kaiferlih Ruſſiſchen Geographiſchen Geſellſchaft.

Nährftoffen. Daß im geſamten Erport dem ungeheuren Aufſchwung von 1879 und 1880 im leßtverflofienen Jahre

Sn dem vorigen Kapitel habe ich angegeben mie die Walachen ihren kukuriz aufbewahren.

Vom Nordgeitade des Pontus.

ein jo bedeutender Nüdgang folgte, führt die „Börſenhalle“ teils auf eine Steigerung der Preife von Lebensmitteln in den Vereinigten Staaten, teils auf eine verfehlte Spekulation

amerikanischer Kapitaliſten zurüd, welche durch Aufipeichern die Preife für Europa in die Höhe treiben wollten, aber dadurch bemwirkten, dab 3. B. England feinen Bedarf in viel höherem Maße als jonft aus Indien und Rußland dedte. Die letztere Urfache iſt alfo eine nur vorüber: gehende.

415

(Fortfeßung folgt.)

Die allgemeine Sibung der Kaiſerlich Kuſſiſchen Geographiſchen Geſellſchaft (die erſte nach den Ferien,)

Am 3. März 188% wieder bringt die Hamburger „Börfenhalle” folgende fleine Notiz: Im Gebiete der Rereinigten Staaten find 1880 gezogen worden im Werte:

fand in St. Petersburg den 3. Oktober ſtatt. Der Sekretär derſelben that zunächſt der neueſten Nachrichten über die

(„Baumtvolle nicht mehr Königin.)

Expeditionen vielfach

Heu

679,714,499 Dollars. 474,201,850

371,811,084

Baumwolle

280,266,212

die Beobachtungen bereits eingejtellt worden; Herr Eigner, . der erite Gehilfe des Chefs der Station, iſt einem Telegramm vom 23. September aus Irkutsk zufolge dort bereit3 eingetroffen, woſelbſt auch der Chef, Herr Jürgens, binnen furzem anlangen jollte. Herr Dr. Bunge dagegen ift im Delta der Lena behufs der Ausgrabung eines Mammuth3 zurücgeblieben, über welches die Expedition unterrichtet worden tft, und kehrt

Mais Weizen

Auſtralien in in in in

erntete 187778

an Mais

3,551,506 Buſhel 22,050 920 1,.262,018 3,836,794 Buſhel —

Neu-Süd-Wäls Viktoria Weft-Auftralien Queensland Bufammen

1,4 Mill. HI,

Neu-Süd-MWales führte 1876-77 an Mais 594,303 Bufhel, 1877—78 an Mais 834,107 Buſhel aus. Nerfendung des Mais. Um das Wäljchlorn zur Verfendung geeignet zu machen, pflegt man in den Ver— einigten Staaten es zu dörren. Das Dörren des Wäljchfornmehls geſchieht aber im großen in eigens dazu eins gerichteten Dörröfen (Kilns). Die Farmer bedienen Sich

dazu der gewöhnlichen Badöfen.

Wenn das Wälſchkorn—

mehl vorfichtig gedörrt ift, hält es ſich weit längere Zeit

ohne dumpfig zu werden. Zwar verliert das Mehl durd) das Austrodinen im Ofen einen Teil feines Gewichtes; da es aber beim Anrühren

einfaugt, daraus

zum Teig weit mehr Waſſer

als das nicht gedörrte Mehl, jo wird in dem

gebadenen Brote der unſcheinbare

wieder ausgeglichen.” Aufbewahrung

des Mais.

Gemwichtverluft

Cine eigentümliche

Art, den Mais aufzubewahren, beobachtete Tſchudi am Oſt— abhange der Cordilleren, im La Plata-Staate, auf dem Wege von Cordova nad Cantamarfa, Station Los Poſos,

zum

erſten Male.

werden

nämlich

Die Kolben

mit ihren Dedblättern

auf einer Bafis zu einem hoben Kegel

aufgetürmt und oben mit einer Kuhhaut zugededt. Das Ganze umfchliegt eine rohe Umzäunung von Aeften und Zweigen des Algarobbobaumes.? Der Indianer Aufbewahrung des Mais in Gruben it ſeit Jahrhunderten befannt. 1 Keumann-Spallart. 2 Fleiſchmann. ©. 134. Br Tre ng ser he IE 3 ‚Reife durch die Andes nach Corbija im Jahre 1858.”

von Sid-Amerifa, von Cordova

früher

der Geſellſchaft Erwähnung, über die ſchon berichtet

worden

iſt.

Auf der meteoro—

logiſchen Station an der Lena-Mundung find am 1. Juli

wohl nicht vor Weihnachten

nad Irkutsk zurüd.

Von

Prſchewalsky find die legten Nachrichten telegraphiſch über Kiachta hieher gelangt und datieren vom 7. Mat. In Tſaidam eingetroffen, ließ er den größten Teil de3 Gepäcks unter Bewachung von ſechs Koſaken dort zurüd, um mit den übrigen Begleitern das Quellgebiet des Gelben Fluſſes erreichen zu fönnen, von wo aus er die noch wenig bereifte Landſchaft Amdo (fie findet fi) auf der Karte von China in Andrees Atlas), erforihen wird; gegen Ende des Sommers beabfichtigt er ins Depot zurüdzufehren, welches er dann zunächſt ins weſtliche Tſaidam, in die Landſchaft „Saft“ verlegen will, um ſodann von dort weitere Züge nach Tibet und an den Lop-noor zu unternehmen.

Von Potanin

ift ein Schreiben

vom 12. Mai aus

Peking eingetroffen, dem zufolge er mit der Ausrüftung feiner Karawane nad) KufusChoto (in der ſüdöſtlichen Mongolei) beiehäftigt war. Er beabfichtigt, den Meg über Otai einzufchlagen, wo ſich Gebirgszüge von 10,000 Fuß Höhe auftürmen, die paffiert werden müfjen. Die botanifche

Ausbeute joll dort vielverfprechend fein. Die Studienreife des Herin Wolter zu den Letten im Gouvernement

Witebsk

(eine Privatunternehmung)

dient noch erwähnt zu werden. Lieder,

Zauberfprüche u. dergl.

ver:

Er hat eine Menge alter gefammelt,

vergleichende

Studien über die gegentvärtige Sprache, die älteren Formen derfelben, mie fie ſich in den Gefängen erhalten, angeitellt. Ferner hat der Sefretär der ethnographiſchen Abteilung der Gefellfchaft, Herr Iſtomin, eine Reife über Sjumsli-

Rofiad, Onega, Kem und das Sſolowezkiſche Kloſter nad)

916

Der Aberglaube in Unteritalien.

Arhangel gemadt.

wurden

von

Viele Ungenauigkeiten in den Karten

ihm berichtigt, auf die bereits fchon früher

Beſteigung Ichaft.

des Elbrus, duch den Sekretär der Gefell-

bingewiefen worden it, da keinerlei reguläre topographilche Aufnahmen in dem Gebiete früher ftattgefunden haben. Zum ©egenjtand feines Studiums hat er die Beivohner desfelben gemacht, deren Abhängigkeit von phyſikaliſch— geographilchen Verhältniſſen berüdfichtigend. Die alten Sitten, Gebräuche, Volfsgefänge, für die diefe Gegenden als eine Fundgrube zu betrachten find, verſchwinden all: mählich durch den nivellierenden und mächtigen Einfluß der Städte. Ber Gelegenheit des 300jährigen Jubiläums der Stadt Archangel, an welcher Herr Sitomin als Ver: treter der Geſellſchaft teilgenommen hat, bielt er eine Nede, die ſehr angefprochen bat. Der Gejellfchaft find ein Paar rohe, trompetenartige Muſikinſtrumente, aus menschlichen Beinfnochen bergeftellt, vom Konful in Urga, Herrn Uspensfi, als Gefchenf dar: gebracht worden. Dieſe Knochen waren das Eigentum eines Lamas, der als Verbrecher hingerichtet worden ift, und find einem alten mongolischen Aberglauben gemäß dazu benußt worden, verlorene und gejtohlene Pferde aus: findig zu machen. Herr Wolter hatte alte Lettifche, harfenartige Inſtru— mente als Geſchenk dargebracht, dem ſich dasjenige eines Vhotographen in Kamenez-Podolsk, beitehend in ethnos grapbifchen Typen aus Podolien, anreihte. Der erſte Vortrag des Abends galt der Infel Hainan, den Herr Uspenski, ſich auf chinefifche Quellen ftügend, hielt. Die Inſel weilt im Süden Gebirge von 13,000 Fuß Höhe auf, während fie im Norden flach ift. Dichte Wald— ungen bededen diefelbe, auch ift fie reich an edlen Metallen, deren Ausbeutung jedoch von der chinefifchen Negierung nicht gejtattet wird. Lietfe heißen die Urbetwohner ver Inſel und find nur zum Teil unterivorfen. Die Erober: ungszüge der Chinefen begannen fchon 110 v. Chr., denen eine Einwanderung derfelben folgte. Der Sage nad) find die Listje von Weiten gekommen; ihren Stammbaum

Tages

leiten fie don einem Hunde ab und jollen, einigen chinefi-

der Schnee, der anfangs feſt lag, ungleich loderer.

hen Quellen zufolge, noch gegenwärtig Anſätze eines Schwanzes zeigen. Die Weiber bejchäftigen ſich mit dem Aderbau, die Männer mit der Jagd; fehr geſchickt werden ſelbſt Fiſche mit Bogen geichoffen. Bemerfensivert ift es, daß die Frauen in allen Dingen

den Kletterpartien

das entjcheidende Wort

Die englischen Alpenklubiſten Freſhfield, Moore und Tudet beftiegen im Jahre 1866 die höchfte Spietze dieſes

Berges. Sechs Jahre Später war Moore mit fünf anderen Engländern nochmals oben, Muſchketow unterfuchte das Sfletjchergebiet des Elbrus im Jahre 1881 bis zur Höhe von 12,000 Fuß. Der Ungar Detſchi führte im ver: flofjenen Sommer eine Befteigung aus, indem er, gleich den Engländern, von Schweizer Führern geleitet wurde, Auf dem Rückwege drohte ihm fait eine Kataftrophe, indem er mit jeinen Führern fi) in den Spalten eines Eis:

abfalles verirrte und nur Dank der Ortsfenntnis eines zum Glück mitgegangenen faufafifchen Bergbetvohners aus denjelben gerettet wurde. In Begleitung von vier Führern brachen die Herren Iwanow und Dr. Pawlow am 23. Auguſt Morgens auf, die ſich ſpäter als kenntnislos und uner— fahren erwieſen. Die Eisregion wurde in einer Höhe von

8000 Fuß am zweiten Tage von ihnen erreicht; ſie hatten anfänglich beim Erklettern von Trümmerfeldern bedeutende

Schwierigkeiten

zu überwinden, deren Steigung bis 500

betrug; in einer Höhe von 11,000 Fuß wurde die zweite

Nacht unter einem Felſen zugebracht, unter dem auch die Engländer und Detſchi ihr Nachtlager aufgeſchlagen hatten. Angeſichts der Eisſpalten, welche den Reiſenden in den Weg traten, verſagten die Führer ihren Dienſt, und Iwanow und Pawlow wurden gezwungen, mittelſt

eines Seiles miteinander verbunden, ihren Weg allein fort— zuſetzen; der Anſtieg wurde allmählich leichter, doch mittler— weile verfinſterte ſich der Himmel, ſo daß die Bergſteiger in einer Höhe von 15,000 Fuß zur Umkehr genötigt wurden. Die wenigen Führer, die unterdeſſen gewartet hatten, ver—

einigten ſich ſpäter mit ihnen unterwegs, und glüdlich vollzog ſich die Heimkehr aller, Um 11 Uhr Vormittags waren auf der größten er reichten Höhe —1'/,0C., während am Morgen desfelben — 7

beobachtet worden find.

der Pulsſchläge Tage

des

In der Höhe wurde

Bei

zweiten Tages erreichte die Zahl

120 in der Minute,

in der Höhe auf 92 fiel.

melde am dritten

Aller Wahrfcheinlichkeit

nach find die beiden Spitzen des Elbrus Ueberrefte eines alten Krater. C. Hiekiſch.

haben, dem ſich die Männer be:

dingungslos unterwerfen,

Bis dor Kurzem war die Bearbeitung des Bodens nod

ganz

primitiv;

im Frühling

ließ man die Felder

vom Vieh zertreten und füete dann den Neis, welcher dank der Jruchtbarteit des Bodens bedeutende Ernten ergab. Einen Notjtand gibt es auf der Inſel nicht; aus den jo

reichlichen Vorräten

der Neichen werden die Armen ftets

berforgt. Die Yandesprodufte werden nicht ausgeführt. Den Schluß der Sitzung bildete die Verleſung eines Berichts des Bergingenieurs Oberft Iwanow, über feine

Der Aberglaube in Anteritalien. Niemand ift jo mitteilfam und doch wieder fo zurüdhaltend

tie der Süditaliener.

Er äußert ſich frei gegen jedermann

über feine eigene Gefchichte, feine perfönlichen Verhältniffe, jeine Gemütsbewegungen, feine häuslichen Verlegenbheiten,

ja über alles, worüber der Nordländer Schtveigen beobachtet; allein er ift fchweigfam in allen Dingen, worüber

Der Aberglaube in Unteritalien.

der Nordländer zur Gefprächigfeit geneigt if. fein Vertrauen

getvonnen

haben,

bevor

Man muß

er einem

947

aber derjelbe iſt im Zerbrödeln begriffen.

Der Glaube an

feine

gewiſſe Vorbereitungen, geheime Kräfte und Erfcheinungen

über einen twichtigen Gegenftand ent-

mag lebendig genug fein, aber er bejchränft fich auf ein:

hüllen wird, und er ift niemals jo forglich auf feiner Hut, als wenn die Nede auf eine Frage fommt, welche

zelne Fälle, und übt nur geringen Einfluß auf den allgemeinen Yebensgang. Selbſt in den entlegeniten Dörfern

ih auf Religion oder geheime Einflüffe bezieht.

jener Provinzen, wo die Bauern noch feſt überzeugt find, daß Seine Sataniſche Majeftät noch in fichtbarer Geftalt auf Erden herummwandle und daß alle Freimaurer fic derjelben verjchrieben haben, gelten derartige Erfcheinungen für jelten außer bei den großen Ordensfeſten. Der Dorf: bewohner erwartet einen derartigen Befuch nicht als eines der mahrjcheinlichen Tagesereigniffe, auch trifft er feine Vorkehrungen gegen einen folchen, obwohl er einen etwaigen klumpfüßigen Bewohner mit mehr Neugier als Vertrauen zu betrachten pflegt. Ganz anders verhält es fich mit den füditalienischen Bauern und Fischen. Ihr Leben iſt allenthalben von Geheimnis umgeben. Uebernatürliche Einflüffe wirken auf dasjelbe nicht ſporadiſch, fondern unaufhörlich ein. Die Macht von Heiligen und böfen Geiſtern, von Gebeten und Verwünſchungen, von Zauber und Oegenzauber, ift ſohin ein Gegenjtand nicht allein von abjtraftem Glauben, ſondern von perfönlicher Erfahr: ung — eime Gewalt, mit welcher fie in allen ihren An— Ihlägen, Unternehmungen und Berufsgefchäften rechnen müffen. Und fo haben im ſüdlichen Stalten auch die allerprofaischeften Menfchen irgend ein Erlebnis zu erzählen, welches nad) ihrer Anficht nicht aus natürlichen Gründen erflärt werden kann, während die Bhantafiereicheren die wirkliche Welt nur als ein bloßes Feld für die Entfaltung gejpenftifcher oder übernatürlicher Einflüffe zu betrachten Iheinen. Sie begnügen fi nicht mit den augenfälligen Urfachen irgend eines glüdlichen oder unglüdlichen Bor: falles, jondern grübeln und fuchen mühſam die geheime Macht zu entdeden, welche jene Urfachen in Bewegung gefeßt und zur Einwirkung auf ihr eigenes individuelles Leben und deſſen Begebenheiten gebracht hat. Es iſt in

wirkliche Meinung

Dies

it befonders bei Leuten aus den unteren Volksklaſſen der

Sal, wenn

fie mit Ausländern

werden, und

in Berührung gebracht

hat zu großen Mißverftändniffen veranlaßt.

Ein Reifender kann nicht begreifen, dak der Bootsmann oder bäurifche Führer, welcher ſich ſoeben mit unglaublihem Freimut über die Leidenschaft, welche er vor der

Hochzeit für fein Weib fühlte, und über die getäufchte Erwartung ausgejprochen hat, welche er ſeitdem hierin erleben mußte, jtußig, zaudernd und verlegen wird oder fogar

lügt, wenn man ibn binfichtlich feines Glaubens an Zauberei, Borbedeutungen und dergleichen mehr befragt, und noch weniger fann er es glauben, daß ein jolcher die

religtöfen Ueberzeugungen, woran er jo zähe hängt, deutlich verleugnen wird. So kehrt denn der Forſcher nad) Haufe zurüd und berichtet, der arme Staltener fer ganz

phantafielos

und

nüchtern in bezug

auf fein geiftiges

Leben; er ſei nur dem Namen nad Katholif, und habe von einer Seele nicht einmal einen Begriff. Die Wahr: heit iſt aber, daß der erſte Impuls des Stalieners, wenn

er über derartige Gegenjtände befragt wird, der iſt, un: aufrichtig zu fein. Er ift diplomatifch genug, um eine Erörterung

oder

einen

Wortftreit

mit

einer Perſon zu

vermeiden, von welcher er ein Geſchenk oder eine Erkennt— lichkeit erwartet, und jtets bereit, für den Augenblid auf

diejenige Anficht einzugeben, welche nach feiner Vermut— ung der Andere hat. Er hegt aber eine entjchtedene Abneigung, über Gegenjtände zu ſprechen, die ihm heilig find, und

einen ausgefprochenen Widerwillen

lächerlich zu machen oder jo zu erfcheinen.

davor, ich

Er weiß, daß

die Mehrzahl feiner Landsleute aus dem Mittelſtande Rationaliſten zu fein behaupten, und daß nur wenige von

den fremden Befuchern feiner Kirche angehören. legenheit

an,

allein

feiner Heimat, denen er dient, Er erkennt deren geiftige Ueber:

dies veranlagt ihn nicht, wie z. B.

den Deutfchen, ſich ihrer Führerichaft zu unteriverfen, und ſo ftimmt er lieber in ein Gelächter ein, als daß er ſich auf einen Wortwechjel einläßt, worin er zwar ftcher unter:

ltegen, aber nicht überzeugt einem

längeren vertrauten

werden

würde.

Grit nad)

Umgang beginnt der Schleier

feiner Zurüdhaltung fich zu lüften, und jelbjt dann wird derfelbe bei dem geringften Ausdrude der Ungläubigfeit wieder fallen. Wer jedoch in derartigen Dingen neugierig tft, dem

der That faum

zu viel behauptet, wenn man jagt, daß

man in Neapel jich weit mehr überrafcht ſieht durch die Thatſache, daß foviele Krifen ohne das Dazwijchentreten irgend eines Wunders vorübergehen, als durch das Ein: treten eines unbeftreitbaren Wunders verurfacht werben würden.

Der Forscher hat auf diefe Weife hier eine Oelegen: heit, die geijtigen Bedingungen zu beobachten, unter welchen Zeichen und Wunder, Zauber und Mythen hervorgebracht werden. An anderen Orten find diejelben jo fie die getrodneten Pflanzen in der Sammlung eines Botanikers; aber hier feimen, knoſpen, wachſen, blühen und vergehen fie von Jahr zu Sahr, ja beinahe von Monat zu Monat.

Zeit, welche er darauf veriwendet,

Die Gefchichte, welche im Monat Juni in Aller Mund

fich das Vertrauen eines Lazzaroni zu fihern, reichlich be: lohnt erjcheinen. Es liegt noch ein guter Teil echten Aberglaubens unter dem anfcheinenden gefunden Menſchen—

war, wird im November beinahe vergefjen fein, nicht weil

veritand oder dem Sfepticismus des Norbländers verborgen,

(oren bat.

wird die Geduld

und

fie in Mißkredit gekommen wäre und nicht mehr geglaubt würde, ſondern einfach, weil fie den Reiz der Neuheit ver:

Mebernatürliche Ereigniffe kommen zu häufig

918

Der Aberglaube in Unteritalten.

vor, als daß fie im Gedächtnis des Volfes als eine Selten: heit aufbewahrt werden jollten, ſondern fie verfallen in Vergeſſenheit, wie die Kindstaufen des vorigen Jahres. Das ıft vermutlich aud) der Grund, warum Gefchichten diefer Art nicht jene Vollftändigfeit und jenen Reiz bejiten, welchen manche nordiſchen Gefchichten haben. Sie find nicht durch ganze Generationen von Gejhichtenerzählern

jorgfältig wiederholt und unbewußt vervollftändigt und modifiziert toorden. Manche von ihnen find einfach grotest und bejisen feinerlei dichterifchen Mert, wie etwa die nachitehende: Zwei nad Mergellina gehörende Boote fiſchten ge: meinfam, als ein Delphin fi in ihr Net verwickelte. Die Männer thaten ihr Möglichites, denfelben daraus los— zumachen und zu berjagen; aber vergebens — «8 ſchien ihm Vergnügen zu machen, ihr Eigentum zu zerftören. Endlich rief einer von ihnen: „Hol der Teufel die Netze!“ — „Deshalb bin ich ja gekommen, und hole Dich dazu!“ vief der Delphin mit einer Menfchenjtimme und redte den Kopf aus dem Waffer. Die Männer in den Booten ließen ihre Nege im Stich und fehrten in größter Eile nad) Haufe zurüd, allein der unglüdliche Fifcher, welchen der

Gottſeibeiuns angeredet, hatte faum noch Zeit zu beichten und die Saframente zu empfangen, als er ftarb. Bor zwölf Jahren gab es nod drei Fischer in Mergellina,

welche die Gejchichte aus dem Munde der im Boote An: wejenden gehört hatten. Wir überlaffen es den Mitgliedern der Pſychologiſchen Gefellfchaft, zu entjcheiden, ob dies fein genügendes Zeugnis ift, um eine weitere Nachforſch⸗ ung zu veranſtalten, und unſeren Leſern, um ſich zu äußern, ob fie die Gejchichte glauben könnten, ſelbſt wenn fie von 300 unanfechtbaren Zeugen behauptet würde, Das jeltjamjte an der Geſchichte ijt vielleicht das Odium, welches fie auf den Charakter der Delphine wirft, denn in der Negel find fie die Gegenjtände einer meit geringeren Abneigung, als der Schaden, den fie häufig den Negen zufügen, vechtfertigen würde. Man betrachtet fe im Volke mit einer Art halb mitleidigen Refpeftes, denn fie gelten im allgemeinen für Engel, welche aus dem Himmel ausgeftoßen und verdammt worden find, im Waſſer Buße zu thun bis zum jüngſten Tage für eine Sünde, welche niemand zu erklären imftande ijt, obwohl fie nichts geringeres fein mag, als ein Werk des Satans. Ein noch veriworfeneres, boshafteres und verderb: liheres Weſen ift das fagenhafte Coccodrillo, obwohl

e3 dem Volisglauben

nad aud

einmal

eine Lebendige

Seele bejeffen haben muß, weil es, wenn man e8 ohne die geeigneten Zeremonien umbringt, ein Gefpenft erzeugt, welches dann für alle Zeiten in irgend einer Ruine fpuft. Allen das Coccodrillo im Volksglauben ift nicht das Krokodil der Naturforscher, fondern ein weit furchtbareres und hoffentlich ganz fabelhaftes Tier, welches weſentlich an die Drachen und Lindwürmer der nordifchen Sage erinnert. Die Tyrannen der Vorzeit, deren Schlöffer und Burgen

dag Meer überragten, pflegten fih ein ſolches Tier als Liebling

in einem

tiefen Verlies

zu halten, zu welchem

die Mogen des Meeres Zugang hatten, und pflegten ihm ihre Feinde lebend vorzumwerfen.

Giovanna

Die fagenhafte Königin

hatte auch ein foldhes Coccodrillo.

Sie war

ſehr reich und ſchön und hatte Scharen von Anbetern, gegen welche fie erjt hold und gnädig fein fonnte, jo lange

ihre Laune währte. Wenn diefe aber vergangen war, jo legte fie ihre gewinnendfte Miene an, feste fih an ihren gewohnten Platz am Fenſter und hieß ihre Diener den Riegel an der Thüre zurüdzufchieben; dann warb ber Liebhaber eingelafjen, und wenn er dann vorwärts ſprang, um die Königin zu umarmen, jo gab die Fallthüre unter

jeinen Füßen nad und er ftürzte in das Meeresverlies drunten hinunter. An folchen Tagen hatte das Coccodrillo einen guten Fraß, und die Königin war luftig und guter

Dinge, und ihre Augen leuchteten und ihre Füße zudten, wenn fie mit ihrem neuen Liebhaber über die Fallthüre tanzte, welche fich, wie fie wohl wußte, bald auch unter ihm öffnen würde, um ihn aufzunehmen.

In den Gebirgen und an denjenigen Teilen der Küften, wo die Klippen von großen und unbeimlichen Höhlen ftarrten, pflegte das Coccodrillo ebenfalls jehr häufig vorzufommen, nahm hier aber einen ganz anderen Charakter an. Hier war es mit Flügeln und einem mächtigen langen Schiwanze verjehen und ſchnaubte und Ipie nach echter Drachenart aus Nüftern und Rachen Feuer, wenn es zornig war. Ein derartiges Ungeheuer wohnte in einer Höhle, die nun auf den Weg von Salernv nad) Amalfi mündet, in welcher noch heute die Ruinen einer Heinen Kapelle zu jehen find. Jedermann in jenem Bes

zirfe weiß, daß daß das Ungetüm von einem Nitter er= Ihlagen wurde; allein alle Einzelnheiten über den Kampf

und die ganze perfönliche Geschichte des Drachenbeziwingers find gänzlich vergeffen, und jo iſt wahrscheinlich eine volks—

tümliche Romanze verloren gegangen. Derartiger Nomanzen bewahrt der italienische Süden nod) viele, wie jeder Leer der „Steiltanischen Märchen” des Fräul. Gonzenbach wiſſen wird. Diefe Märchen oder Sagen werden als bloße Geſchichten erzählt und erheiſchen feinen unbedingten Slauben. Site find eigentlih Feenmärchen, in welchen Heilige die Pollen der Feen fpielen und namentlich der heilige Sofef wegen der Findigfeit in den Mitteln merk:

würdig tft, durch welche er die von ihm Begünftigten mit Ihönen Prinzeſſinnen und großen Königreichen bejchenft. Da diefe Romanzen und Märchen aber im allgemeinen mehr der Bolfspoefie angehören,

fallen

fie nicht in den

Bereich des vorliegenden Aufſatzes. Andererjeit3 werden viele Legenden von Heiligen, welche niemals die Sanftion ‚der Kirche empfangen haben, ohne Anjtand angenommen und geglaubt. Die meisten von ihnen erjcheinen dem nüchternen Nordländer, wie tweitreichend auch feine Sym— pathien und jeine Duldung fein mögen, einfach grotest;

aber in manchen ift auch eine Negung von menfchlichem

Kleinere Mitteilungen.

Pathos.

Die Fifcher von Mergellina 5. B. glauben felfenfeft

an folgende Sage: Zwei kleine Kinder aus Neapel wurden ganz allein in der Welt zurüdgelafjen; ihre Eltern waren tot und jie hatten feine anderen Verwandten; jo wander— ten jie denn die Straßen auf und ab, bis fie müde waren, und traten dann in eine Kirche, um auszuruben. Hier fanden fie ein Bild der heiligen Anna, und weil diefe fo freundli und mütterlich ausſah, beteten die Kinder zu ihr, ſie möge ſich ihrer erbarmen und fie annehmen; fie jeßten fich zu ihren Füßen nieder und warteten, bis die Kirche für die Nacht gejchloffen wurde. Darauf wanderten fie nochmals ganz trojtlos in der Stadt herum, bis fie eine einfame Ede fanden, wo fie fchlafen konnten. Sie hatten ſich aber faum niebergelegt, jo erſchien ihnen die heilige Anna, gab ihnen Brot zu eſſen, nahm ihren eigenen ihönen Mantel ab, wickelte jie in denfelben und fagte ihnen, fie jollten ſich nicht fürchten, denn fie werde fie

befhüsen.

919

Diefe Ueberzeugung durchdringt fein ganzes Denken und Fühlen und bejtimmt viele feiner Handlungen. So flug und verſchlagen er im Verkehr mit feinen Nebenmenfchen it, jo gibt e8 doc eine Region, wo ihm, vie er es fühlt, jeine Schlauheit nichts hilft. Er ift leichtfinnig genug,

einen Augenblid die entjeglichen unfichtbaren Mächte zu ver: geffen, von denen er umgeben ift, ex ift leidenschaftlich genug, denfelben auf Augenblide zu trogen; allein wenn er wieder rubig tft, weiß er, daß die Monacelli bejtändig auf der Hut find, daß ein böfer Zauber jeden Augenblid auf ibn fallen kann, aber ebenfo auch, daß die Kirchenthüren immer offen und daß die Heiligen immer bereit find ihn zu be— Ihügen, und dies treibt ihn dazu, die äußerlichen Gebote

der Kirche pünktlich zu vollziehen.

Jeden Morgen gingen die Kinder in die Kirche,

Kleinere Mitteilungen,

um fich bei der gütigen Frau zu bedanken, deren Namen

jte nicht fannten, und jeden Abend fam dieje wieder, um fie zu verforgen.

So ging dies viele Monate lang fort,

bis der Winter heranfam; dann nahm die. heilige Anna die beiden Kinder eines Abends an der Hand, führte fie zu einem Klojter, welches von einer gütigen Aebtiffin vegiert wurde, und empfahl fie der Fürforge derjelben. Bon den böſen Geiſtern, deren Streichen und Bladereien

der Neapolitaner ausgejegt ift, mögen die Monacelli die gewöhnlichiten

fein.

Zu

Zeiten

ſcheinen

diefe ſich im

Nedereien und gutmütigen Scherzen zu gefallen, allein fie fönnen auch furchtbare Geſtalten annehmen und abjcheuliche

Berbrechen begeben. it unter

den

Der Glaube

Lazzaroni

an ihr Vorhandenfein

allgemein

verbreitet,

und

der=

derjenige, welcher im Sonnenschein unter Fremden fic über diefelben luſtig macht, zittert vor ihnen, wenn er im Dunfel allein it. Es halt übrigens ſchwer, von den Leuten irgendwelche zuverläjfige Nachricht über die Mona:

celli zu erhalten, da der allgemeine Glaube herricht, diefe böſen Geiſter werfen

eine unverfühnliche

Feindichaft auf

alle diejenigen, welche die Wahrheit über fie fagen. Die Yampe, welche in jedem Schlafzimmer vor dem Heiligen: bild brennt, hat natürlich einen ganz andern Urfprung; fie wird aber heutzutage zumeist wegen der Thatfache ge:

ihäßt, weil die Monacelli nirgends eindringen oder bleiben fönnen, wohin ein Strahl heiligen Lichtes fallt.

Unfere Skizze iſt notgedrungen haben

feinen

Raum

mehr,

um

unvollitändig;

wir

bier von Träumen

und

Borbedeutungen, von Ahnungen und Zauberei, von böfem Blid und von den böſen Geiſtern zu ſprechen, melche über einen bergrabenen Schatz beitändig Wache halten, und

dergleichen mehr, objchon alle dieje einen großen Einfluf; auf die Einbildungsfraft des Volkes ausüben. Wir haben jedoch vielleicht genug gejagt, um zu zeigen, daß der Nea— politaner fein eigenes armfeliges Leben beftändig von der

Einwirkung

übernatürlicher

Agentien

beeinflußt glaubt.

Barolong-Namen. Im Verfolge meines letzten Briefes ſende ich Ihnen bei— liegend einige Namen der Barolong. Die Feindſchaft zwiſchen dem Häuptling Sepinare und deſſen Bruder Samuel, deren ich damals erwähnte, ſcheint neuerdings wieder in blutige Fehde aus— gebrochen zu fein, wenigſtens berichtet die „Times“ in einer Depeſche vom 10. Juli aus Durban:

„Es verlautet, daß Samuel Morofa, der

fürzlih England bejuchte, ohne daß es ihm gelang, die Faiferliche Negierung zu einem Einfchreiten zu feinen Gunften zu bewegen, die Stadt Thaba N’chu erobert und alle Hütten des Häuptlings Sepinare verbrannt habe. Bei diefer Gelegenheit follen mehrere Bürger des Dranje - Freiftaates getötet worden fein. Die (?) Artillerie wurde gegen ihn abgejandt.“ Sollte, was jehr mwahriheinlih, Sepinare bei diefer Gelegenheit erjchlagen worden jein, jo wird der Freiftaat ohne Zweifel das Territorium der Barolong anneftieren. England wird jich ſchwerlich zu einer Intervention zu Gunften Samuel’S herbeilaffen. Die folgenden Namen find in der von den Miffionaren eingeführten Orthographie gejchrieben. Noto, Hammer, ein früherer Häuptling. Ra-tlon, Bater Elephant, " " „ Ra-pula-na, Vater Feiner Regen, „ " Saleka,

eine Feine Schlange,

Setlhare, Baum, Tau, Löwe, Thutloe, Giraffe, Tsili, Bohne, Leincoe, Stimme, Letloyane,

fleine Schadhtel,

r

F

H

„ " „ " " „ Me n Mn Pr er „ gewöhnlicher Miorolong. Y

h

Litalama, Knöpfe, Matlare, Blätter, Mathe, Speidel, Makoloi, Wagen, Mogorosi, der heimfehrende Hirte Mosemeng, pfiffig, Mogotsi, Feuer-Anzünder, Mokgosi, die Warnung,

" 4 2 " " 5 r ’r

„ 7 R)

Moatloli,

F

7

5



Richter,

Mogakabe,

Krähe,

Nche, Strauß,

Ngakantsi, Doktoren viele,

Phiri, Wolf,

jr " er „



Mi

e

920

Notizen. Picho, Verſammlung, Purumo, Gnu, Samane,

Meerkat

Gewöhnlicher Moralong.

(eine Art Wieſel),

Sebata, ein Lappen,

,,

*





fängers „Borhead“, welches Tetstere Schiff vom Eife zerdrückt wurde. Der Kapitän berichtet, daß im den Four Mountains nahe bei Seven-two-Paß ein neuer Vulkan entdeckt worden jet. Der Kowak-Fluß ift feiner ganzen Yänge nach durchforſcht worden. Der

Seatlolo, der Zuerfannte,

7

"

Sebeho, Inſtrument

5

r

zum Züchtigen

Sealimo, der Geliehene, — Tlali, Blitz, * Tsaba lira, Furcht Feind Motla-Je-pula, kam mit dem Regen, Kind in einem regneri— ſchen Jahre geboren. Motla-ku-libe, kam mit Sünde, Mutter kam auf ſchlechte Wege. Khuruga, der Fortgeſchaffte, geboren, nachdem ſeine Eltern ſich getrennt. Marete, Geſchlechtsteile, ein bekannter Regendoktor inThaba

Bericht wird nah Wafhington

Herr 9. D. Forbes,

von

Weftjibirien, welcher dem Bernehmen nad fich gemacht hat, die Mithilfe dev bedeutendften Handels—

häuſer Sibiriens dafiir zu gewinnen, daß eine größere Expedition veranftaltet werde, um das ganze Mündungsgebiet des Obi-Fluffes zu unterſuchen und eine genaue Karte davon aufzunehnten. Nenn die Erpedition zuftande kommt, beabfichtigt die Ruſſiſche Regierung fi) mit 60,000 Rubeln am den Koften der Unternehmung zu beteiligen. Die beigijhen und italienischen Zeitungen veröffentlichen den vorläufigen Bericht über eine Reife quer durd Afrika, welche dev Marcheſe de Buonfanti und Dr. v. Flint, ein amerifaniher Naturforjcher, in den Jahren 1881 bis 1883 gemacht haben. Diefe Forſcher reiften am 1, April 1881 von Tripoli nach Bornu ab; da ihr Verſuch, in Adamana einzubringen, fehlſchlug, wandten jie fich oftwärts, erreichten den Niger bei Say und fuhren diejen Fluß hinan bis Kabra, dem Hafen von Timbuktu. Hier jehloffen fie fi) einer Karamane an, melde nad) dem Königreich Moffi. beftimmt

war,

von

mo

fie ihre Reife bis Yagos, am

Golf von

Suinea, fortzufesen beabfichtigten. Unglücklicherweiſe fielen fie bei Arte, der Hauptftadt von Tombo, in die Hände von Näubern; es gelang ihnen jedoch, ihren urjprünglichen Plan auszuführen, und

jo reiften

fie durch Moſſi, Bufanga

und Dahomey

und ge-

fangten im Juni 1883 nad) Yagos. Leider ſcheint diefe furchtbare Expedition nur wenig ergeben zu haben, was die wiſſenſchaftliche Welt intereſſieren kann. Herr de Buonfanti iſt gegenwärtig am Kongo, beim Stab der Internationalen Aſſociation.

A. Dan ſchreibt von San 6. Oktober:

Geftern

bier eingetroffen.

von

einer

So eben

in Leipzig.

erschien:

Der Kongo. von

seiner Mündung bis Bolobo. Nebst einer Schilderung

Eine Erpedition zur Erforfhung der Obi-Mündungen. Die faiferlihe ruſſiſche Admiralität und das Finanz: minifterimm jtehen gegenwärtig in Unterhandlung mit dem Generalverbindlich

nah Neu-Guinea,

im Auguft 1883

Verlag von F. A. Brockhaus

der klimatischen,

goupernem

erft

Anzeigen.

Reise Notizen.

welder

erfolgreichen Forſchungsreiſe nach Timor und Timor-laut zurück— fehrte, bereitet fich vor, no vor Ende des laufenden Jahres eine größere Expedition nach Neu-Guinea anzutreten, um die Kette der Omen-Stanley-Gebirge zu erforichen, und der Ausſchuß der britiihen Königlichen Geographiſchen Geſellſchaft hat verſprochen, fh an den Koften diefer Expedition mit einem Beitrag von 250 Pf. St. zu beteiligen.

Ye. Ma-mabele, Mutterkorn, eine berühmte Zauberin. e. Ma-batho-batho, Mutter Volk Volk, Witwe des alten Morofa. Lobotanyana, fleine Mauer, alter Krieger in Thaba N'chu. Sefunelo, die beiden Enden des Lendenſchnrzes der Männer, W. Joeſt.

geſchickt.

Eine bevorftehende Erpedition

Francisco

Nacht ift der Staatsfutter

(Kalifornien) unterm „Thomas

Cofim”

Er brachte die Mannfchaft des Dampf-Walfifch-

naturgeschichtlichen

Verhältnisse

des westlichen Von

und ethnographischen

Kongogebietes.

H. H. Johnston. Aus

dem Englischen

von W. von Freeden.

Mit 78 Abbildungen und 2 Karten. 8. Geh. 15M. Geb. 17M.

Die Kongofrage steht gegenwärtig für Politik und Volkswirthschaft im Vordergrunde des Interesses. Sehr zur Zeit kommt somit das Johnston’sche Reisewerk, da es, ein Führer am Kongo, von den charakteristischen Zügen des grossen Stromes wie von allen bei der europäischen Kolonisation in Betracht kommenden Verhältnissen eine überaus klare Vorstellung gibt. Wer irgend den Kolonialbestrebungen Deutschlands seine Theilnahme zuwendet. wird nicht umhin können, sich mit dem gehaltreichen Werke bekannt zu machen.

Verlag von F. C. W. Vogel in Leipzig. Zo

eben

erjchien:

Argeſchichte des Menfhen. Ein Handbuch für Studirende von

Prof. Dr. A. Rauber

in Leipzia.

Zweiter Band. Territorinler Ueberblick. Entwickelungsgeſchichte der Geſellſchaft. gr. 8. dl. Band:

Die

Die in meinem

*30

N

Polnisches

1884.

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1884.

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weisung franco, ist bereits in Breslau so populär, dass

die Melodie „auf der Strasse gepfifien wird“; lange hat keine Composition eine so glänzende Aufnahme gefunden. Die Ausstattung ist elegant.

HEINR. CRANZ, BRESLAU,

Druck und Verlag der J. ©. Cotta'ſchen Buchhandlung in München und Stuttgart.

Das Aulaud. Wochenſchrift für Länder: und Dölkerkunde, unter

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bewährter

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herausgegeben

von

der

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Siebenundfünfzigiter Jahrgang.

1884.

Stuttgart, 24. November.

Ar. 47.

Jährlich 52 Nummern A 20 Seiten in Quart. Preis pro Quartal M. 7. — Zu beziehen durch alle Buchhandlungen des In- und Auslandes und die Poftämter. — 6/1], zu jenden. — Manujfripte und Rezenſions-Exemplare von Werken der einſchlägigen Litteratur find diret an Herrn Dr. Karl Müller in Stuttgart, Kurzeftraße Nr. Anfertionspreis 20 Pf. für die geipaltene Zeile in Petit.

Inhalt: 1. Ein arhäologifher Streifzug in der Umgebung von Wezikon. Bon H. Meſſikommer, Sohn, Wezifon, Zürich). S. 921. — 2. Neifeffizzen aus Aegypten und dem Sudan. Von Franz Xaver Geyer, Apoftol. Miffionar in Kairo. (Fortjegung.) ©. 923. — 3, Forfhungen in Grönland. Bon Edward Whymper. (Fortſetzung.) II. ©. 927. — 4. Die Ereigniffe in Afrika während der letzten Monate,

Bon

Brir Förſter.

(Schluß)

III.

©. 933. —

Fin archäalogiſcher Streifzug in der Umgebung von | Wezikon.



REN

Bon Heinrih Meſſikommer, Sohn, Wezikon (Zirih). |

im Jahre

1857 bei Anlaß einer Ranalbaute ent

Vater

Nach einem halbftündigen Spaziergange erreichen wir jeltene Pflanzen

für feine

Herbarten zu ſuchen; dem Andern, feiner wiljenjchaftlichen Sammlung» jeltene Käfer und Inſekten zu eriverben, und dem Dritten, fih auf der im Wachſen begriffenen und beim Dieſe Betreten jchaufelnden Moosdede zu beluftigen.

waren,

wurde

am

füdlichen Ufer des Pfäffiker—

| jed'3 ein dritter Drt erbaut. 100 m,

langer,

Es iſt nämlich ein gegen

10 m. breiter Wall,

der aus Kies und

gröberen Steinen beſteht. Auf den erjten Blid erkennt man, daß er auf künſtlichem Wege erjtellt worden fein

zur Kenntnis diefer früheren Kulturperiode beigetragen. In Robenhaufen war, tvie jest noch in unferer Umgebung, Geflechte, Gewebe Faden, Schnüre,

©. 936.

den hart am Ufer des faum 300 Hektaren großen Bfäfftferſee's gelegenen Pfahlbau Srgenhaufen. Dem Einen bietet

bewohnt

deckt, und hat, wie die vielen Funde beweiſen, nicht wenig

die Induſtrie eine Hauptbeſchäftigung. mit gewöhnlichen und Quajtenfranfen,

(Fortſetzung.)

Niederlaſſung fiel leider diefes Frühjahr dem Zahne der Zeit zum Opfer, indem fie zum größten Teile in die Tiefe , des See's verſank, doch hat diefelbe durch ihre wunder: ihönen Stidereien den Beweis geletftet, daß die Induſtrie auch in diefer Niederlafjung auf hoher Blüte jtand. Faft gleichzeitig als Nobenhaufen und Irgenhauſen

Ausflug auf diefe Niederlaffungen, die den verſchiedenſten Perioden angehören, zu machen. Befuchen wir vorerft die Pfahlbaute Nobenhaufen. In einem zirka 100 Hektaren großen Dorfmoore mit der herrlichiten Aussicht auf die Glarner-, Schwyzer- und Berner: Alpen liegt, etwa 300 m. vom Ufer entfernt, der Pfahl: Derfelbe wurde befanntlich von meinem

Mais.

diefer Ausflug Gelegenheit,

Es gibt wohl nicht viele Ortfchaften, die eine jo große Zahl von prähiftorifch und hiftorifch interefjanten Punkten aufzumweifen haben, wie Wezikon und feine nächite Um— gebung. Ich erlaube mir, mit den Lejern einen Kleinen

bau Robenhaufen.

6. Der

|

muß und, da man jpigen 20. gefunden

nicht felten Feuerteinfplitter, Pfeil— hat, fo glaubte man ebenfall3 einen

Fifcherneße werden in bezug auf Ausführung und Mannig-

Pfahlbau vor fich zu haben. Durch nähere Unterfuchungen

faltigfeit von einer anderen Anfievelung bet weitem nicht

bin ich dann

erreicht. Jede Hütte hatte ihren eigenen Webeſtuhl. Doc) auch die Jagd und der Landbau wurden nicht vernachläffigt. Gehört doc Nobenhaufen das Verdienſt an, 800%), der bis jetzt befannten, damaligen Tierarten geliefert zu haben

und wir haben ja über 60 verjchiedene Sämereien und Früchte aus dem Schlamme hevausgelefen, Ausland

1884, Nr. 47.

aber

zur UWeberzeugung gelangt,

daß der

„Himmerich“ kein Pfahlbau, jondern nur ein Refugium, ein Zufluchtsort, geweien fein fann. Das Fehlen einer eigentlichen Fundfchichte, wie fie in Robenhaufen, überhaupt auf allen in Torfmooren liegenden Pfahlbauten, ſich

befindet, das Vorkommen von Ffeltiichen tie aber aud) von römischen Gegenftänden, machen diefe Deutung 139

099

Ein archäologiſcher Streifzug in der Umgebung von Wezikon.

unzweifelhaft. In Frankreich ze. werden Nefugien von be— deutender Ausdehnung nicht jelten angetroffen und waren

Ausgrabungen auf folchen Stellen oft von großem Erfolge begleitet, da die dortige Bevölferung ſich fehr lange mit den Eindringlingen in einem erbitterten Kampfe befand, aljo zu einem dauernden Aufenthalte auf den Nefugien gezwungen wurde. Ich verweiſe hierüber auf: „Antiqua, „Unterhaltungsblatt für Freunde der Altertumskunde.“

Herausgegeben

von Heinr. Meſſikommer in Wezifon und

R. Forrer in Zürich. Gehen wir vom Simmerich dem Ausfluffe des Pfäffiferſee's entlang, fo gelangen wir an Stidereien, Baumwoll—

jpinnereien,

mech. Etabliffements, Seidenzwirnereien

(im

ganzen 11 größeren Fabriken) vorbei in das Aathal. Links und rechts von der Straße haben wir teils fteile maldige Höhen, teil® große Kiesgruben, die für Jahr: hunderte den Straßen und der Eifenbahn das nötige Material liefern können. Erklettern wir in der Mitte des Ihales den größten Hügel, jo befinden wir uns auf einem zweiten, doc) dom. erfteren in der Anlage ganz verjchie= denen Nefugtum,! Die „Heidenburg”, wie man biefen Hügel nennt, war mit Wall und Graben befeitigt, ift jet aber nicht mehr vollftändig,da die Eifenbahnvermwaltung ihren Kies von hier bezieht. Schon vor einigen Jahren wurde bei diefen Arbeiten ein fchönes Bronzemefjer gefunden, und vor einigen Wochen hatte ich die Freude,

eine Menge Topfcherben,

darumter zivei verzierte Stüde,

aufzufinden. Nach ihrem rohen und mangelhaft gebrannten Ausfehen, nach den Verzierungen, die mit denen aus Pfahlbauten übereinftimmen, ift der Urfprung derjelben

gegen das Ende der Steinzeit oder den Beginn der Bronze:

zeit zu jeßen. ch werde nächjtens auf diefer Stelle Nachgrabungen vornehmen und feiner Zeit über den Erfolg der Arbeiten näheres mitteilen. Steigen wir die „Heidenburg” hinunter und erflimmen wir auf der anderen Geite des Thales die Höhe wieder, jo kommen wir durch Schöne Waldungen, in deren er: friſchendem Schatten man fich für die Mühen eines folchen Ausfluges entjchädigt, mitten im Gehölze in die fo: genannte „Bürglen“. Schon der Name zeigt, daß wir hier Mauern antreffen müffen. Könnten wir uns in die ſtolze Römerzeit zurücverfegen, fo würden wir an ber Stelle, two wir ftehen, ein ſchmuckes römiſches Landgut an— treffen. Dasſelbe beſtand nach Dr. Ferd. Keller aus ſieben verſchiedenen Gebäuden, die rings von einer Mauer um— geben waren. Legionsziegel, Heizröhren, Mühlen ꝛc. wurden auf diefer Stelle nicht felten angetroffen, Von Bürglen, in etwas ermüdendem Mariche, kommen

wir in die Sped (von römijch Speeula,d.i. Kleine Feſtung).

Gemäuer ſehen wir hier keines, ſondern dieſer Ort iſt nur inſofern intereſſant, als letztes Jahr mehrere Gräber zu

Tage kamen.

Dieſelben gehören, nach den Beigaben zu

Mitteilung der Antiquariſchen Geſellſchaft in Zürich.

ſchließen,

der Römerzeit

an.

Es

fanden ſich viele ſehr

ſchöne bronzene und eiſerne Fibeln und ein großes bron— zenes Armband vor, doch ging der größte Teil der Objekte aus Unkenntnis verloren. Weitere Nachgrabungen DER pielleicht noch mehreres zu Tage. Nah weiterem halbſtüundigem Marfche, mitten durd)

den Bezirkshauptort Pfäffikon, fehen wir bei der Ortſchaft Irgenhauſen, rechts von der Straße, einen Hügel auf fteigen, defjen vieredige Form uns ſchon von Ferne in die Augen fällt. Auch bier treffen wir die Spuren der mäch⸗

tigen Nömer.

In beinahe quadratförmiger Anlage war

bier ein ſtarkes Kaftell geftanden. Acht, aus 1 m, dicken Mauern gebaute Thürme erhoben fi) über die eigentliche Umfangsmauer, die aus NKugelfteinen und Mörtel jehr

jolid hergejtellt wurde.

Ich nahm diefen Frühling ſowohl

im Innenraum, der 32,000 Quadrat-Fuß mift, ala auch in einem Turme Ausgrabungen vor, ohne indeſſen mehr als Trummer und Ziegelſtücke zu finden. Es iſt auch kaum wahrſcheinlich, daß ſich, wie der Volksmund behauptet, ein großer Schatz noch vorfindet. Der Hügel, von deſſen Höhe

man einen herrlichen Ausblic auf die ganze Alpenkette, den Pfäffikerſee 2c. genießt, ift auf feiner jüdlichen Seite mit Neben bepflanzt und jollen beim Bearbeiten derjelben Ihon öfters einzelne römische Silbermünzen gefunden

worden fein.

Das Kaftell ſoll das größte der Oftfchtveiz

jein. Bis vor wenigen Jahren ſah man gegenüber von dem Kaftelle, am Ufer des Sees, ein römiſches Bad, dag rings don erratiichen Blöden umgeben war. Das naheliegende Kemten (von römiſch Campadanum, d. i. Lagerberg) war einft wohl ein kleines römiſches Dorf. Man bat fchon oft beim Graben von Fundamenten ꝛe.

eiferne, römische Ackergeräte 2c. gefunden. Es muß, als das

Dorf noch beitand, einſt eine Ueberſchwemmung ſtatt— gefunden haben, bei der ein Haus fortgeriſſen wurde. Ein—

zelne Trummer und Objekte werden dem Dorf gefunden.

oft im Lehme über

Eine ſchwache Stunde von hier fand man, genau 300 m. über dem Spiegel des Pfäffikerſee's, unter einem viefigen Jelsblode über 500 römische Kupfermünzen im Oejamtgewichte von über 12 Kilo,

Wir haben unfern Ausflug beendet; einzelne Gräber: ftätten, die twir hie und da hätten befuchen können, wür— den Fein Sntereffe geboten baben. Nur auf dem Rück—

wege könnten wir noch einen kurzen Befuch in einer Kiesgrube machen, in der ich vor drei Sahren die jtattliche Zahl

von

20—30 hielten

13 Gräbern

aufdedte,

Diejelben

lagen nur

em, unter der Oberfläche des Bodens und ent— leider

gar

feine Beigaben.

Die wenigen, erhal:

tenen Schädel fandte ich Seren Profeſſor Kollmann in Bajel, der fie als wahrſcheinliche Ueberrefte der Pfahlbauer bes ſtimmte.

Wie zu ſehen, ſind in Wezikon

bis auf die Bronze—

zeit alle Epochen vertreten, und ich zweifle nicht, auch von

jener werden

einſt noch Anhaltspunkte gefunden;

denn

Reijefkizzen aus Aegypten und dem Sudan.

einzelne Gräber, die unftreitig der Bronzezeit angehörten, fanden wir fchon zu wiederholtenmalen.

Wenn

ich hier nur in flüchtigen Zügen die älteften

Wohnftätten des Menfchen in meiner Heimat bezeichnet habe, jo liegt doc) darin der Beweis, daß der Menfch ſich

von

Anbeginn

denn

an

in unſerer Gegend

in wachſender

Progreſſion

finden

heimiſch fühlte, wir immer,

je

näher wir der geſchichtlichen Periode kommen, die Zeug— niſſe für ſein Daſein.

095

tums. — Die ägyptiſchen Feldherren fanden auf der Land: zunge zwischen den beiden Flüffen eine natürliche Feſtung gegen Landſtürme und ſchlugen dort ihr Lager auf. Noch heutzutage find am Ufer des Blauen Fluffes Spuren von den Lagern der einzelnen Truppenabteilungen erfennbar. Zur Sicherheit gegen Zanzen und Pfeile wurden Mauern

errichtet.

Die Garniſon bezog die Lebensmittel von den

umliegenden Dörfern. Zur bequemeren Ausübung des Han: dels ftedelten fich die Eingeborenen der Dörfer, befonders

von Halfay, auf der Landzunge an, indem fie fich neben dem Lager Hütten bauten.

Keiſeſtizzen aus Jegypten und dem Sudan. Von Franz Xaver

Geyer,

Apoſtol. Miſſionar in Kairo.

Fortſetzung.)

IV, Chartum,

die Hauptſtadt des ägyptiſchen Sudan.

Urjprung der Stadt. Chartums Ursprung datiert fih von Mohammed Ali. Die Motive diefes Friegerifchen Begründers der modernen ägyptiſchen Dynaſtie bei der

Eroberung des Sudan waren hödhjt jelbftfüchtig; nicht die Idee der Zivilifierung der Neger, nicht Eifer für die Er: weiterung der geographijchen Kenntnifje bewogen ihn hiezu; er unternahm einen Krieg gegen die Nubter und Sudan:

neger, einerjeits um die ihm läftigen, albanefischen Söld— ner zu bejchäftigen, andererfeits um in den gebofften Gold: Ihäßen des Sudan und in neu zu formierenden Negerarmeen

eine Stütze für die Aufrechterhaltung

und größtmögliche

Verherrlichung feines Thrones zu erhalten. So fandte er 1820 unter dem Oberbefehl feines Sohnes JIsmail eine Erpedition nad dem Sudan; die Herrjcher von Dongola

und Berber untervarfen fich ohne Schwertjtreich, und die Kanonen fiegten über die Yanzen der Könige von Schendy, Sennar und Korbofan.

Die übergroßen Kontributionen,

die den Eingeborenen mit Siegerübermut auferlegt wurden, machten

die Stämme

vom

Anfang

an

unwillig.

Von

feinem Siegeszug aus Sennar zurüdgefehrt, wurde Ismail im Sahre 1822 in Schendy vom König Nimr meuchlerisch lebendig verbrannt. Diefer Alt war das erjte Zeichen jener Unzufriedenheit der bedrückten Eingeborenen gegen

die Türken und Kairener-Herrſchaft, die bei verfchiedenen Gelegenheiten Später ſich in Nevolutionen äußerte und die eben, während ich diefe Zeilen jehreibe, die Stämme des Sudan in einmütigem Aufjtande gegen das ungerechte Joch vereint hält. Defterdar Bey rächte die Verbrennung Ssmails und unterwarf unter Blutvergießen die Stämme von Neuem, Eine Stadt

nad

der anderen erhielt ihre Garnifon, um

die unzufriedenen Eingeborenen in Furcht zu halten. Dieje Garnifonen waren meiltens aus Baſchi-Bozuks gebildet, dem

Abſchaum

der Taglöhner

in der Levante

und

am

Bosporus, gemifcht mit abeſſiniſchen und tjcherfeffischen Abenteurern. In jene Zeit Fällt auch die Entjtehung Char:

Die Niederlaffung des Paſcha auf der Landzunge bildete den Schlußftein zur Begründung einer großartigen Ortfchaft. Die weiteren Expeditionen Mohammed Alv’s zur Unterwerfung der Stämme im oberen Nilgebiet er: böhten raſch die Bedeutung der neuen Anfiedelung. In den Monaten Januar und Februar 1839 führte er felbit eine Expedition auf dem Blauen Fluß, dejien Golominen jeine Habjucht erregten. Gaillaud und Rußegger fuchten jedoch vergeblih in den Goldwäſchereien. Damals er: hielten Famaka, Benifchangol und Sennar Garnifonen. Drei andere Expeditionen (1839 bis 1841) ordnete

er auf den Weißen Fluß ab; diefelben drangen bis zu den Schilluf und Bari vor. Nachdem Ali den Weg geöffnet, begann jofort ein bedeutender Handel mit den Produkten der neueroberten Gebiete, der feinen Weg über Chartum nehmen mußte. Der Vizefünig Ismail Paſcha mit feinen modernen Ideen und Plänen trug nicht wenig zur Hebung

Chartums bei.

Wie er das eigentliche Aegypten mit Euro—

päern regierte, jo fuchte er auch in den ferniten Gebieten de3 Reiches mit Hülfe von Europäern zu regieren. In den Sahren 1871 bis 1873 führte Sir Samuel Baker eine denkwürdige Erpedition auf dem Weißen Fluſſe aus, unterwarf die Bari und eroberte Fatiko, die Hauptitation der Sklavenjäger. Faſt zu gleicher Zeit fiel Darfur an Aegypten. Der mächtige Unternehmer und Sklavenhändler Ziber hatte im Sabre 1871 den politischen Präfidenten Fourien im Dar-Fertit befiegt. Derfelbe Ziber zog am 16. Auguft 1874 mit Ismail-Ayoub Paſcha von El-Oberd gegen Darfur und vereinigte fih bei El-Faſcher, Darfurs Hauptitadt, mit der von Dongola gekommenen Armee unter Purdy Bey; der Sultan von Darfur! wurde getötet, das Land in Befit genommen. Fiber wurde nach Kairo bes rufen und zum Paſcha ernannt. Nachdem der Sudan von den Häuptern der Sklavenjäger befreit war, begann 8:

mail Pascha, der Vizefönig, unter europäischen Antrieb eine energijche Aktion gegen den Sflavenhandel im Sudan. Es folgten mehrere

Expeditionen auf dem Weißen Fluß:

im April 1874 die des C. Chaillé-Long-Bey; im Jahre 1875 Gordon; im Sabre 1876 Romolo Geſſi unter dem 1 Der Sohn des Sultans,

der lange Zeit in Kairo gelebt,

veifte mit Gordon nad dem Süden, um in feiner Provinz als Sultan veftitwiert zn werden und fo eine weitere Ausdehnung der

Nebellion zu verhindern,

924 A)

Reiſeſkizzen aus Aegypten und dem Sudan.

Dberbefehl

Gordon

Paſcha's.

Nachdem

Aegypten

feine

Herrſchaft über das ganze Nilbaffin ausgedehnt hatte, ernannte der Khedive einen General-Gouverneur des ägyp— tiſchen Sudan mit Chartum als Reſidenz. Der erſte General: Gouperneur war Samuel Baler, ihm folgte Gordon Paſcha. Chartum ward ſomit das Zentrum des Sudan; der Han— del hatte fi) nach dem Sturz des alten Handelszentrums

lichkeit und Vermeidung

der Peſtluft ift. Mas speziell

Chartum betrifft, jo wäre es Sache der Regierung geweſen, gefündere Lage zu fchaffen dur) Erhöhung der Stadt über das Flußniveau, was zwar teuer, aber nicht unmöglich iſt, durch Einführung der ftrengiten Reinlichfeit wie in Kairo, durch Anlage von Gärten und Straßen, durch Eindäm—

Schendy dortfelbit jtabiliert; jo wuchs die Stadt im Laufe der Dezennien aus der Fleinen Anftedelung zur jegigen Größe

mung der Ufer des Weißen Flujjes. Beffer gebaut find die Häufer der handeltreibenden Griechen, Zevantiner und Araber: fie bauen aus gebrann—

von 50,000 Einwohnern empor. Beihreibung der Stadt. Chartum liegt auf Sandboden, der teilweife mit fonnverbranntem Nilfchlamm

über die ein Geflecht von Dattelzweigen und Dornen jtöden gelegt, welche dann durch Flechtiverf mit Erde, Kalk

tief bedeckt iſt. Die erdſchwarzen, niedrigen Lebmbütten, aus deren Mitte fich ein koniſch zugefpistes Minaret er— hebt, bieten einen keineswegs anmutigen Anblid. Von Anfang an ohne regelmäßigen Plan gebaut, fondern nad)

Willkur geborenen,

und

Bequemlichkeit

der handeltreibenden

Ein:

ten Ziegeln; das Dad) beiteht aus mehreren Hauptbalfen,

und Ziegeln befejtigt wird, So erjpart man die Bretter, die enorm teuer find. Glasfenfter haben nur einige Häufer von Europäern, Das ſolideſte Gebäude ift das der fatholifchen Miffion. Dasfelbe wurde anfangs der fünfziger Jahre vom da=

die ſich nach Ali's Eroberungen auf der Land:

maligen Brovifar Dr. Anoblecher erbaut aus den Mitteln

zunge niederließen, tft die Stadt ein Wirrwarr: vieredige

des in Wien für die Miffion gegründeten Marienvereins. Die Miffion begann zuerft im Sudan den Bau mit ge brannten Ziegeln, die in drei Defen bei Soba am Blauen Fluß gebrannt wurden; bei Omdurman wurde der Sand: jtein gebrochen. Leider entriß der Tod den verdienftvollen

und runde Hütten aus Nilſchlamm und Häckhſel, teilweise mit hohen Vorhöfen und verjchiedenen Zubauten für Sklaven, Tiere und Waren, find ohne Drdnung neben: einandergebaut und laſſen faum Raum für die Gaffen, die ih in Kreuz: und Querivindungen ohne Hauptricht: ung (mit wenigen Ausnahmen) hinziehen. Meift nur 2 bis 3 m, breit, zwifchen den Mauern der Gebäude ein: geengt, find die Gaſſen mit hohem Staub bevedt, der dur) die fortwährende Paſſage der Menfchen und Tiere aufgewirbelt wird. Dazu fommt, daß das Material (un:

gebrannte Siegel) zum Bau der Gebäude

(die von Zeit

zu Zeit ausgebejjert werden müfjen) in den Gafjen ge arbeitet und getrodnet wird, jo daß die Paſſage zu jener

Zeit völlig gefperrt iſt. Die Vertiefungen und Gräben, die durch das Ausgraben des Materials entjtehen, werden

als Ablagerungsort

des Unflates

benüßt;

tote Hunde,

Gjelsfnochen u. f. iv. liegen umber und find (wie man es vor kurzem noch in Kairo jah) an manden Plätzen ge: vadezu aufgeichiehtet. Mehrmals trafen wir Morgens Aeſer von Hunden (die man, wie bis in die letzten Jahre in Kairo, jchaarenmweife ohne Herren findet) vor dem Mi: ſionsgebäude in einer der beften Gaſſen der Stadt. Zur

Regenzeit jammelt ſich in den Vertiefungen das Waſſer und verdunſtet dort. Sobald nad) der Regenzeit ſich die Waſſer zurüdziehen, entjtehen zahlreiche Sumpfpflanzen (deren ich noch viele bemerkte). Diefe Pfützen und Aefer, im Verein mit einer eingeengten beißen Luft der engen

Hütten und Gaſſen, bewirken befonders nad der Negenzeit jene verpeſtete Atmofphäre, die der Stadt das unheim⸗

liche Prädikat: „Grab der Europäer“ erworben hat. Daß

das Klima von Zentralafrika den Europäern und nament— lich den Deutſchen unerträglich und mörderiſch ſei, iſt nur

eine Phraſe; Thatſache iſt, daß viele Europäer lange Zeit

im Sudan lebten, auch in Chartum;

jedoch find gewiſſe

Vorſichtsmaßregeln unumgänglich nötig, deren erſte Rein—

Mann der Verwirklichung feiner großen Pläne.

Der Balait

de3 ägyptiſchen General-Gouverneurs folgte derjelben Baus art; im italienischen Stile des 16. Jahrhunderts fonftrutert,

imponiert er durch feine folojjalen Formen mit zwei breiten Terraſſen, die einen Ueberblid über die Stadt gewähren. Zwiſchen diefen ziwei Gebäuden befinden ſich am Flußufer mehrere Gebäude von Europäern. Die Mojchee, die kop— tifche Kirche find aus gebrannten Ziegeln. Im Zentrum der Stadt befindet fi der Bazar mit Handelshäuſern der

Griechen und Levantiner. Die Bevölkerung beſteht aus Europäern, Arabern, und Eingeborenen. Die Europäer gruppieren fi) um die Konfulate und die fathol. Miffion. Das älteſte Konjulat it das

öſterreichiſch-ungariſche,

deſſen langjähriger Ber:

alter Herr Konful M. Hanfal war. ſehr verdienftliches

Proteftorat

Oeſterreich übt ein

über die fathol. Miſſion

aus. Italien, Frankreich, Griechenland, Perſien, Vereinigte Staaten hatten in leßter Zeit ihre Konjularagenten in Chartum. Die katholifche Miſſion war 1847 gegründet wor— den unter öfterreichifchem Schuß und mit öſterreichiſchem Gelde. Leider erlagen die mutvollen Mifftonare den nicht erfannten fchlimmen Einflüffen des Klima, bevor fie ihrer

Milfion eine dauernde Bafis geben fonnten. Erſt der un— ermüdlihe Biſchof Mſgr. Danil Comboni fuchte diefelbe 1872 wieder aufzurichten. Nachdem auch er fein Leben zum Opfer gebracht, fteht jetzt Migr. Sogaro an der Spite der Milfion, Defterreich bat für den Sudan viel gethan und übt noch heute einen wohlthätigen Zwang auf die Sudaneſen aus.

Die bedeutendſte europätfche Kolonie bilden die Griechen; obwohl der Mut der Griechen, die für ihre Handelsinter:

Neifeffizzen aus Aegypten und dem Sudan.

eſſen alle Gefahren und Mühen erdulden, anerfennenswert it, muß man doch gejteben, daß fie für die Ziviliſation im Sudan nicht fehr vorteilhaft find. Ihre Sprachfenntnis it nachahmenswert, aber ihre Gewinnfucht und nicht tadellofe Aufführung find von böfem Einfluß auf die Neger. Die Griehen in Verbindung mit den Levantinern find es, die den Schwarzen jene verderblichen Spirituofen in Un: maſſe verlaufen und das Laſter der Trunfenheit im Sudan verbreiten. Ich will hiemit nicht behaupten, daß fich die

Neger nicht auch ohne Cognac betrinfen, 3. B. mit Merifja. Doch was die Spirituofen unter den ungivilifierten Stämmen anrichten, jehen wir am Branntivein bei den Indianern

Amerikas.

Zudem

verderben

die Levantiner durch ihr

feineswegs moraliiches Leben den guten Ruf der weißen Raſſe. Sch erinnere mich in diefer Beziehung an das Wort eines vortrefflihen Afrifafenners: „Die Syrier find, wenn nicht Türfen, doch Türklein!”

Die Hauptbevölferung ift arabiſch.

Die Araber Char-

tums ſtammen aus den verjchtedenjten Gegenden. Auf dem Süf der kleinſten Ortſchaften, wie in den Städten,

095

langen, wollte ich über diefen traurigen Gegenftand reden. Doch eines kann ich nicht unerwähnt laſſen. Jeder aufrichtige Chrijt und Europäer muß die Sklaverei und beſonders den Sflavenhandel vollftändig verwerfen, da er jedem Begriff von Recht und Gefühl zuiider ift. Zwar

haben ſelbſt Europäer und — entjeglih! — Vertreter von europäischen Staaten in Chartum

Handel mit Menfchen-

fleisch getrieben; allein die Mehrzahl derſelben arbeitet doch mit gerechter Entrüftung diefer Unfitte entgegen. Die Mächte, mit England und Belgien an der Spike, haben in den lebten Dezennien ihre Kräfte verwendet, den Sklavenhandel in Aegypten und im Sudan abzufchaffen. Am 17. August 1877 wurde die anglo-ägyptiſche Kon— vention unterzeichnet nach welcher der Sflavenverfauf ein Ende nehmen jollte, im eigentlichen Aegypten am 17. Auguft 1884, in den Sudanpropinzen am 17. Auguft 1889. Sch gebe zu, daß nach Ablauf diefes Termins der Sklavenhandel im Geheimen noch fortdauern fonnte, aber im

Yaufe der Jahrzehnte wäre es gelungen, dem Geſetze Achtung

find e3, die den Handel von Elfenbein, Gummi, Tama: rinden, Straußfedern aus Bentralafrifa mit dem Noten Meere vermitteln, wobei ſie die Preife erhöhen. Die Staliener und Franzofen verjtanden bereits den Vorteil, den arabiihen Faktor aus dem Handel mit Innerafrifa

zu verſchaffen. Wohl fann man obige Konvention eines der jegensreichiten Nefultate des 19. Jahrhunderts nennen. Doch eben in dem Augenblide da ich jchreibe, fcheint dieſe edle Frucht alljeitigen Streben wieder verloren zu geben. England ließ durch feinen Vertreter in Chartum öffentlich) den Stämmen erklären, daß dem Sflavenhandel feine Schranken gejegt werden follen. Auf diefe Weife fehreiten

teilweife zu ftreichen: beide hatten in den legten Jahren

wir

Agenten ihrer Handelsverbindungen

Chriftianifierung und Ziviliſierung Afrika's. Se nach der Klaſſe der Bevölferung find auch die Gebäude und Hauseinrichtungen verfchieden. Wie bereits

fauern Araber

vor ihren Bretiofen und Wollitoffen; fie

in Chartum jtabiliert

und diefe Agenten zugleich mit Konſular-Vollmacht aus: gerüftet, damit dem Unternehmen

ein jicherer, nationaler

Charakter aufgeprägt werde. Zwar kann man einem Handel, wie ihn Griechen, Levantiner und Araber teilweife betreiben,

nicht das

Anwesenheit

Wort

im Sudan

reden:

ihr Handel und ihre

iſt ein forrumpierendes

Motiv,

um

hundert Jahre zurüd im großen Werfe

oben mitgeteilt, find die Wohnungen Guropäer

beſſer gebaut

der

der Levantiner und

als die der Araber.

Die

im

Orient üblihe Gaitfreundichaft erfordert als notwendige Einrichtung für zwilifierte Männer den Divan, meift mit

Uber wenn eine europäifche Nation, vertreten durch ernite Männer, mit Zentralafrifa in Handelsverbindung treten

weißem Anftrich

würde, jo wäre dies gewiß ein doppelt fruchtbares Unter: nehmen, ſowohl für die Entwidelung der Handelsverbind: ungen, als die Verbreitung edler Zivilifatton.

arabifchen Häufer z. B. in Kairo gebaut; die Mauern aus ungebrannten Ziegeln oder aus Lehm mit Hädjeln ver mischt; das Dach beiteht entweder in Bogenwölbung aus Ziegeln oder in gefpaltenen Dattelftämmen, die als Träme gelegt und mit Nohrmatten, welche obenauf mit dünnem Eſtrich aus Lehm übertündht find, bededt werden, wodurch Eindringen des Negens und der Sonnenftrahlen abgehalten wird. Ein Eleiner Vorhof fchließt die eigentliche Wohnung gegen die Straße ab. Derartige Lehmbauten widerſtehen jedoch) dem gewaltigen Negen nicht und es muß fait alljährlich vor der Regenzeit der weggeſchwemmte Eſtrich erneuert werden.

Die Eingeborenen find zahlreicher als die anderen Klaſſen zufammen; fie find jener Teil der Bevölkerung,

der arbeitet und leidet; mit einem Worte, fie find die Sklaven. Sie gehören verfchiedenen Stämmen Sinner: afrifa’s an. Als Beispiel diene die Angabe der Nationalität der Anaben in der kathol. Miffion, die ſämtlich in Char: tum als Sklaven gefauft wurden: je einer aus dem Stamme der Schilluf, Dinka, Nuer; je zwei aus dem Lande der Berta, Nuba; je einer aus Darfur, Kordofan, Berber.

gewöhnlihen

und

breiten,

Wohnungen

gepoliterten

Sitzen.

Die

der Araber find nad) Art der

Andrerfeits ift das zahlreiche Ungeziefer höchſt verderblich

die Frage, wie fie nach Chartum gelangten, anttvorteten

für die Holzgerüfte und Dachbalken. Eidechſen, Sforpione, Ameisen, Motten, Termiten und Grillen durchwühlen

fie: Ich hütete die Ziegen, als ein Mann fam, mich auf

die Lehmmauern.

das Pferd hob und mit mir im Fluge fortritt, weit, weit;

von ard, Erde, weil fie ftetS unter Erde verbedt arbeiten) find die unangenebmften Zeritörer; es find Eleine, weiße Ameifen (jedoch mit kaum erfennbaren Füßen), die Das

Keiner diefer Sungen weiß von Vater oder Mutter.

Auf

in Chartum fam ich in das Haus eines Arabers oder eines Chanaga.” Es würde eine eigene Abhandlung ver Ausland

1884, Nr. 47.

Die Termiten

(im Arabijchen ardah

140

2%

Neifeffizzen aus Aegypten und dem Sudan.

Tageslicht ſcheuen und fi aus Lehm Gänge bauen, in denen fie ihr Zernagungswerk ausüben. Holz, Leder,

Papier, Leinen und Wollftoffe find ihre Hauptnahrung. . Namentlich gern jegen fie fih in den Zimmerbalfen an, indem fie Erde nad oben holen und unter derfelben die Balken zernagen. Ihr Lieblingsaufenthaltsort find feuchte Plätze. Die Hausgeräte ſind einfachſter Art: als Bank und

Bett benützen die Aermeren einfache Rohrmatrazen (auch aus Dom deleb), die Reichen einen Angareb, d. h. vier— füßiges Holzgeftell, mehr lang als breit, nach Art unferer Bettſtellen; das Geflecht des Geftelles ift aus Tierhautriemen, Ziegenfell oder Dattelblättern. Ein großer, ivdener

Zopf (Zir) dient als Wafferbehälter, der gewöhnlich vor dem Hütteneingang aufgeftellt ift, um das Waſſer friſch zu erhalten. Eine Gara, d. h. getrodinete Hälfte eines Kürbis, wird als Trinfgefäß gebraucht; vielfach iſt die äußere Wölbung der Gara mit feinen Sifelierungen von Arabesfen und Tierfiguren geſchmückt. Eine andere Schüſſel zum gemeinſamen Eſſen, eine irdene Platte zum Brot— backen, ein Lederſack oder großer, irdener Krug zum Auf— bewahren des Durrah und der Datteln, zwei Steine in

Quadratform zum Zerreiben des Durrah (Morhacea ge— nannt) bilden die gewöhnliche Hauseinrichtung. Eine beſondere Art von Waſſerbehältern ſind Körbe aus Blatt— rippen der Fächerpalmen, die ſo dicht geflochten ſind, daß fie Milch, Waſſer u. ſ. iv. halten. Einfach, wie die Hauseinrichtung, ift die Kleidung der Eingeborenen. Ich fpreche hier nicht von der Kleidung der Araber, melche diefelbe ift wie in Kairo, Die Kleidung der Nubier entjpricht ſowohl ihrer Armut als der Hitze des Landes: Ein leinener Ueberwurf (Ferda), bei ver Arbeit eine kurze blaue oder weiße Hofe it die Haupt: kleidung; jelten tragen fie Schuhe (die rotgejchnäbelten Marküb der Araber); obwohl fie mit Vergnügen unter den jenfrechten Sonnenftrahlen mit nacktem Haupte fißen. tragen fie namentlich beim Gange in die Stadt die Takil, ein weißes Häubchen. Breite, filberne Ninge am kleinen Finger der rechten Hand find eine gewöhnliche Zier. Am Halfe oder Ellenbogen tragen fie Schnüre mit Talisman in Lederpäckchen. Die Sflaven tragen nur ein weißes Zud um die Mitte, das hie und da auch weggeworfen wird, wenn fie im Fluß arbeiten. Die Meiber tragen

eine ſchmutziggraue, fchleierartige Ferda aus leichtem Baum: wollzeug, die fie in malerifche Falten zu werfen verſtehen; an

Lippen,

Naſe,

Ohren

hängen

in

Durchlöcherungen

Ringe und andere Zierraten, an Armen und Füßen Ge— ſchmeide und Ringe aus Elfenbein, Eiſen und Kupfer,

Perlketten; an Hals und Bruſt hängen Ketten aus Münzen, Glasperlen und Muſcheln. Ihr kurzes, feines Kopfhaar, das ſtets von Fett trieft, iſt auf dem Scheitel nach rechts und links gekämmt, in zahlloſe, nette Zoöpfchen geflochten , in die verſchiedener Tand (Perlen, Münzen, Bänder, ge⸗ trocknete Früchte) verwebt iſt. Die Mädchen und die

weiblichen Sflaven tragen nur den Rahad um die enden, ein in unzählige Riemen und Franſen gefchnittener Leder— gurt von der Breite der Hand. Sowohl Männer als Weiber färben fi) die Fingernägel, Hände und Lippen mit Henna. Die Henna (Lawsonia inermis) it ein Baum bon manchmal beträchtlicher Höhe, mit Kleinen, tpohlriechen: den Früchten; die Blätter werden gelammelt, an der Sonne gedörrt, dann zu einer Salbe gekocht, die als genannte gelbe Tätotwierungsfarbe gebraucht wird; auch als

Meditament gegen Kopffehmerzen wird es angewandt, Durch oftmaliges Schmieren der Haut mit einer Salbe aus Butter und Krofodilmofchus verbreiten die Meiber einen widerlichen Geruch. Dieſe Salbe erhält ihre von Natur zarte Haut in der urfprünglichen Feinheit. Aus demjelben Grunde falben ſich auch die Männer Geſicht und

Hände, mit Del und Hammelfett ſchützt man fi) gegen

Kälte und ſchützt auch die Haare gegen die große Hitze der

Sonnenjtrahlen.

Mit einer feinen eifernen Spitze zieht

man den Kindern Furchen an den Wangen, die je nad dem Stamme verfchiedene Form und Richtung anzunehmen

haben. Die Kinder beiderlei Gefchlechts geben bis ungefähr

zum jechiten Jahre nadt.

Die Hauptnahrung

im Sudan

ift Durrah,

die in

verjehiedenfter Weife bereitet wird. Das Kefira iſt eine Art vötlihen Brotfuchens von jäuerlichem Geſchmack, aus

dem Mehl der Durrabförner, Die Körner tverden zuerit im Wafjer erweicht, dann mit der Morhacca zerrieben und auf irdener Platte gebaden. In Vereinigung mit Mil bildet des Keſſra eine Delikateffe der Sudanneger. Der Mellah ijt eine Sauce, bejtehend aus Mich, Fleisch, Kräutern (als Bonnien, Melochien, Bohnen) und Schiteta, einer Art roten Pfeffers; der Mellah bildet die Eintauch—

ſauce zum Keſſra. Das Durrahmehl wird in verſchiedener Weiſe zur Speiſe bereitet: eine Art Polenta heißt Assidda; die Durrah wird von den weiblichen Sklaven mit der Morhacca zerrieben, in warmem

Waſſer gemischt und am

Feuer gekocht nach Art der italienifchen Polenta. In einem Gefäß läßt man dann den Brei fompaft werden. Eine Speife aus ungeriebenen Durrahförnern, die im Waſſer ähnlich wie Reis gekocht werden, heißt Balila; dieſe Speiſe wird auch aus Dokhon bereitet. Für die Reiſen zweckmäßig iſt das Abaré, eine Art Keſſrakuchen, aber ſehr dünn und

gedörrt,

ſodaß es im tropiſchen Klima mehrere Wochen

genießbar bleibt. Die beliebteſte Speiſe der Sudanneger iſt die Marara, beſtehend aus zerſchnittener roher Leber eines eben getöteten Tieres, Nieren, Lunge, Herz, Magen und Eingeweide, gemiſcht mit Schiteta (Gemüſeart von roter

Farbe und pikanterem Geſchmack als der ſtärkſte Pfeffer)

und manchmal mit Galle (d. h. dem Inhalt der Gallblaſe) gewürzt. Haben die Neger und Nomaden ein Tier ge: tötet, jo ijt das erfte, die Marara zu bereiten, die fie gierig verſchlingen. Faschfasch ift eine Art Fleifchfalat aus

dem Herz des Tieres. Mazarin ift der Name einer Speife, bejtehend aus geröfteten Gedärmen. Bei Felten gibt e8

J J 2

»

#

Forſchungen in Grönland.

auch Milch, meiftens fünftlich fauer gemacht, und Schaürma d. h. einen am Spieß gebratenen Hammel. Das Haupt: getränf des Sudanbetvohners ift die Merissa, Die ge:

wöhnlihe

Meriffa wird

aus

ihr Geſchmack ift nicht widrig.

gegährter Durrah

bereitet;

Die Meriffa wird befon-

ders bei Feftlichkeiten im Unmaß getrunfen. Bilbil iſt ein meriffa-ähnliches Getränk aus Dokhon bereitet und von

beraufchenderer Wirkung als die Meriffa. Aus dem an der Sonne gedörrten Tatarita (Art Durrah von roter oder ſchwarzer Farbe),

das dann zwei bis drei Tage im

Waffer gegährt wird, wird das Getränf Baganiah bereitet. Ein angenehmes, landesübliches Getränf ift eine Art friſchen

Honigwaſſers.

Der Sudanbewohner

| „vwir fönnten mit Schlitten täglich 35 bis 40 MI. weit darüber hinfahren.” So fehrten wir um, eilten zurüd, erreichten unfer Lager um 5 Uhr morgens, beitiegen nad) einem langen Schlaf wieder die Boote und fehrten in

beiter Stimmung nad) Jakobshavn zurück. Bei dem immer: währenden Tage, einem mwolfenlofen Himmel, vollfommener

Winditille und einer Temperatur von 360 F. (+ 2,2 C.) und einem Schnee, welcher fo feit tvar, daß man auf ihn

beinahe fo leicht gehen konnte, wie auf einer gebahnten

Straße, erſchien ung ein großer Erfolg gefichert, denn nichts

Ihien uns an einer Wanderung quer dur Grönland zu hindern.

ift und trinkt viel,

II.

wenn er es hat; wenn dieſe vorhanden, kann er unglaub:

liche Portionen

uDe ge, u

Seine elend. (jogar Händen

Fleifh

und

Burmen

Meriffa

vertilgen.

gewöhnliche Lebensweiſe iſt fehr mäßig, ja faft Wiederholt habe ich gejehen, daß Eingeborene die Kameeltreiber auf dem Marſche) mit einigen Durrahförner einen Tag reichten. Fortſetzung folgt.)

Forſchungen in Grönland. Ton Edward

Whymper.

(Fortfegung.)

Der Ehrenpojten fiel natürlich mir zu und ich ging voran und forfchte in der gewöhnlichen Weiſe nad Eisipalten;

und es zeigte ſich bald, wenn auch nur wenige eine Meile zurüdgelegt, Schneekruſte und ftampfte

daß diefe in Menge vorhanden, offen waren, Wir hatten kaum fo brach ich plötzlich durch die mit den Füffen in einer Spalte

voll Waffer; und etwas weiterhin entdedten wir, daß nod) viele Waffertümpfel im Eife unter dem Schnee vorhanden waren; troßdem kamen wir tüchtig vorwärts und waren in ivenigen Stunden beinahe 1400 Fuß hoch über dem

Meere geitiegen, Aber Schon lange ehe dies geſchah, begannen wir beim Zurückſchauen im Weſten die Berge der Disko-Inſel zu erbliden, welche fi) über den Hügel erhoben, den wir am Rande des Binneneifes erjtiegen hatten. Sie waren in Bienenfluglinie in befannter Entfernung von 60 bis TO EMI und die Piks, die wir nad) Norden und Süden jehen konnten, waren mindeſtens ebenfo weit entfernt. Dies

gab uns einigen Begriff von der Entfernung, in welche wir nad Dften hin fehen konnten. Je weiter mir gingen, deſto bejfer fanden wir den Schnee, was auch ganz natürlich war, denn je höher, defto fälter und deſto härter die Schneefrufte, Nach Verlauf von einigen Stunden fchien es nicht vorteilhaft, weiter

vorzudringen und ich machte Halt, um die Anficht der Eingeborenen darüber einzuholen, ob es beffer oder ſchlimmer fommen würde, „Es ift alles ganz gleich”, fagte jeder;

927

Die Entfernung zwischen dem Ende des Fjords, welches

wir befuchten, und dem Binnenlandeife drohte uns einige Mühe mit dem Transport unferes Gepädes zu machen, und da mir die Eingeborenen von einem füdlicheren Bunfte

erzählten, fvo das Eis ganz bis zum Meere herunterreiche, jo erſchien

es mir vatfam, diefen Punkt zuerſt zu befich-

tigen, ehe ich mich entfchloß, in der anderen Richtung auf: zubrechen. In diefer Abficht verließen tvir am Morgen de3 24. Juni 1867 die Kolonie wieder in dem alten Walfiihboote und fegelten nad) der Heinen Anftedelung

Claushavn; dabei paffierten wir einen ungeheuren Strom bon Eisbergen, welcher zu jener Zeit aus dem Jakobs— havner Eisfjord herunterfam. Die Reiſegeſellſchaft bejtand aus einem Dolmetſcher und einem anderen Europäer, aus fünf Grönländern von Jakobshavn und mir. Mir verließen das Walfischboot in Claushavn und nahmen, des Gewichts tvegen, ein fleines Umiaf, iweil

unfer Weg durch einen Paß zwischen etlichen von den benachbarten Bergen über Land führte, Fünf weitere Männer wurden hier als Gehülfen angenommen und trugen

da3 Umiak auf ihren Köpfen über den Landweg.

Auf

der Höhe unferes Paſſes wurde das Umiak über einen Heinen Süßwaſſerſee gerudert, welcher am 25. Suni nod) bei—

nahe ganz mit einem 10 Zoll dien Eis bededt war, Dann fam ein anderer Trageplat durch einen Kleinen fteilen Paß hinab und endlich ward unfer Fahrzeug wieder flott ge— macht auf einem Eleinen hinteren Nebenarm des großen Jakobshavner Fjords, welcher zu dem Binnenlandeife hinanführte. Das fpiegelglatte Meer wurde von förm—

lichen Abjtürzen von angenehm rofenroter Farbe begrenzt und die Ausfichten nad) allen Seiten hin durch blinfende Sinnen und Schroffen glänzenden Eifes gejchloffen. Als Szenerie war diefe Umgebung ungemein großartig und

verlodend, aber als Ausgangspunft für das Innere nußlos, Beim Erfteigen der Hügel auf dem Saume des Binnen: landeifes hatte ich wieder ausgedehnte Fernfichten nad) Djten, fand aber das Land vie zuvor abfolut von Gletſchern

bedeckt.

Bon den nächſten Punkten an bis zur weiteſten

Entfernung war das Eis in Firnblöde zerbrochen, dazu beinahe überall im höchſten Grad in Rite und Spalten zer—

Iprungen und unverkennbar für Schlitten ganz unbefahrbar,

928

Forſchungen in Grönland.

Wir beſchloſſen daher, unſere Fahrt landeinwärts in der Richtung unſeres erſten Ausflugs anzutreten, kehrten ſo raſch wie möglich wieder nach Jakobshavn zurück und trafen dort nach einer viertägigen Abweſenheit wieder ein. Bei dieſer Gelegenheit müſſen meine Ausſichtspunkte beinahe die genaue Linie beherrſcht haben, welche Profeſſor Norden— Hold im Jahre 1870 genommen hatte, denn nach ſeiner bei: gegebenen Karte beträgt ihre Entfernung nad) dem Süden meiner Stationen faum 30 e. MI. Mit unferer Rückkehr begannen unfere Widerwärtigfeiten. Einer von unferer Bemannung wurde frank und fonnte

weder Schnaps trinfen, noch Nobbenfleifh eſſen — ein überzeugender Beweis, daß er fich nicht verftellte — und mußte bei unferer Ankunft in Jakobshavn von anderen an's Land geführt werden; er jtarb zwei Tage jpäter. Beim Yanden fanden tvir, daß die Krankheit, deren ich bereits bei Egedesminde erwähnte, ſich nordwärts ver: breitet und aud in anderen Kolonien fejten Fuß gefaßt

hatte.

Zu Safobshaun waren von einer Gefamtbevölfer-

ung von 300 Köpfen beinahe 60 frank, und binnen kurzem hatte der Doktor über 100 Patienten auf dem Hals, welche alle nach ihm fchiekten, obwohl feiner feinen Nat befolgte. Die Krankheit war eine Art epidemiſcher Yungenentzündung und raffte sung und Alt ohne Unterfchted der Berfon hin. Auch zwei von unferer neuen Mannjchaft ftarben daran,

ſodann nod ein Knabe, welchen ich engagiert hatte, und

mit einem befcheideneren Artikel, dem jogenannten Hudſons— bay-Pemmican begnügen. Durd) die freundliche Vermitte—

(ung von Dr. Sohn Rae führte ih im Jahre 1866 une gefähr

800 Pfund

von diefem von der Hudſonsbay aus

ein, welcher in maffiven, mit Tierhaut überzogenen Blöden von je 80 bis 90 Pfund Gewicht

Meffer machten

anfam.

Gewöhnliche

nicht den mindeiten Eindrud

auf Diele

joliden Mafjen, welche man erjt zerfägen mußte, ehe man fie in Portionen teilen und eſſen konnte. Als Proviant hielt ſchon ein kleines Stück davon für lange vor, nicht

ſowohl wegen feiner nährenden Eigenfchaften, als wegen des unüberwindlichen Widerwillens meiner Zeute dagegen. Schon der bloße Anblic desjelben reichte hin, ihren Hunger zu ftillen.

Dem Ausfehen

nad) war e3 eine interefjante

Kombination von grobem Fett, gedörrtem Büffelfleifdy und einem großen Prozentſatz von Sehnen. Nac meiner eigenen Grfahrung kann ich es für eine fehr jättigende, aber für Berfonen mit fchlechten Zähnen ungenügende und uns

befriedigende Nahrung erklären. Da aber der größere Teil davon zum Füttern der Schlittenhunde beftimmt ivar und mir ung die bejjeren Biffen für uns ſelbſt auswählen konnten, fo erfchten es für unfern Zweck gut genug, bis es fich ergab, daß auch die grönländifchen Hunde diefen Pemmikan verſchmähten und nicht mehr frejfen wollten, wodurch die

Sache ernſt zu werden begann.

Sch zmweifelte zwar nicht,

den gerade unter unjeren Fenſtern verfertigt und die nach

daß fie ihn endlich doch freſſen würden, wenn nichts ans deres mehr zu haben war; allein ich wollte fie nicht von Anfang an hungern lafjen, und jo waren mir genötigt, einen Vorrat von getrodnetem Robbenfleiſch zu ſammeln,

Mumienart in Segeltuch eingenähten Xeichen mit hervor: jtehenden Füßen wurden in Booten und über die Felfen

das ihre gewöhnliche und liebſte Nahrung ift. Zufälliger: weiſe war dies aber damals leichter gejagt als gethan.

hiehergebracht. Die Kirchenglode läutete täglich gerade über unferen Köpfen, und wir hörten durd) die Fugen in den Bohlen deutlich die Stimme des Geiftlichen bei den

Die Grönländer find jederzeit darauf bedacht, fich im Vor—

die beiden Kinder des Zimmermanns der Kolonie. Es war für ung eine unheimliche Zeit, denn die Särge wur:

Begräbnisfetern, Unfer Fortlommen war für einige Zeit vollitändig gelähmt.

sh

habe jeither noch nicht erwähnt,

daß mir mit

Hundeichlitten über das Binnenlandeis zu reifen gedachten. Ich hatte ſchon vor meiner Abreife aus England mich zu dieſer Reiſeart entichloffen, weil es allgemein hieß, das Binnenland ſei mit Schnee bededt, und weil Hundefchlitten

das beſte und ausgiebigite Beförderungsmittel bei der Reife über guten Schnee find. Für Schlittenveifen bedient man lich als Proviant befanntlid am liebiten des fogenannten Pemmicans, von welchem es allerdings fehr viele Arten bon jehr verjchiedenem Charakter gibt. Der Pemmican 3 B., welchen die englifche Regierung für die Polarexpe— ditionen lieferte, war ein üppiges Lebensmittel und aus dem beiten Fleiſch, Nofinen und anderen Speifen zu:

ſammengeſetzt; er war in Staatsanftalten fpeziell und mit befonderer Sorgfalt hergeftellt worden und das Pfund fam, wenn ich nicht irre, auf eine halbe Krone (ME. 2,60)

zu jtehen.

Ich hatte weder Gelegenheit noch die Mittel,

diefen koſtbaren Artikel zu Taufen und mußte mich daher

aus feinen Borrat von Nahrungsmitteln einzuthun, und die Seuche hatte die meisten gejchiekten Robbenfänger er: griffen und arbeitsunfähig gemadt und dadurch beinahe eine Hungersnot hervorgerufen.

Endlich, nachdem mir Die

ganze Gegend abgeſucht hatten, wurde das Erforderliche für vier bis fünf Zentner davon beigetrieben und in uns jever Vorratsfammer, dem Speicherboden der Kirche, unter-

gebracht. Leider war die Witterung warm, das getrodnete Fleisch blieb zu lange dort und ward voll Maden; die Würmer fielen von oben dur die Riten in der Kirchen: dede auf die verjammelte Gemeinde, und e8 gab ein

großes Geſchrei.

Es erfolgte der gemefjene Befehl, das

Fleiſch von dort zu entfernen; wir hatten es aber faum beruntergetvorfen, fo fielen die Hunde des Ortes darüber

ber und

es gab eine Schladt,

geſchlagen wurden;

bungerten Kinder

allein

nun

worin die Hunde zwar ſtürzten ſich die halbver-

darauf wie Heufchreden und richteten

noch eine größere Verheerung an als die Hunde. Noch ein langjameres und verbrießlicheres Gefchäft

var das Zufammenbringen der Schlittengefpanne. Die Hundekrankheit, welche einige Sabre früher in den nörd— lichten

Niederlaffungen

ausgebrochen

far,

hatte

fich

nF

Forſchungen in Grönland. allmählich gen Süden verbreitet und ihr waren beinahe alle Schlittenhunde von Jakobshavn erlegen. Die noch herum: lungernden Hunde waren einzelne halbiwilde Tiere, die

Ueberbleibfel von Geſpannen, welche nicht zufammen arbeiten wollten. Die Hundefeuche war nicht weiter nad) Süden vorgedrungen, und zu Claushavn, Chriftianshaab und an anderen

Orten

gab es

noch zahlreiche

welche von ihren Befigern feiner Bedingung verlauft jehr wertvoll und nicht erlangte ih nad langem

Hundegeipanne,

jehr gewertet wurden und unter werden wollten, da fie im Winter leicht zu erjegen find. Endlich Feilfchen aus Claushavn miet-

weiſe drei Geſpanne (zufammen zwanzig Hunde) unter der Bedingung, daß fie nicht in den verjeuchten Orten, die en rn ne

Inſeln ausgenommen, gelandet, noch anderswohin als auf

das Ei3 genommen werben follten, oder aber, dab wenn die Umjtände uns zum Landen nötigen würden, Die Hunde auf meine Koſten erichlagen werden müßten. Nah den Hunden machten uns die Schlitten am meilten zu Schaffen. Auf den Nat meines Dolmetjchers, welcher mehrere Jahre in verjchtedenen Niederlaffungen gelebt, hatte ich aus Europa Holz mitgebracht, um daraus in Grönland Schlitten verfertigen zu lajjen. Allein nun ergab fih, daß die einzigen Perſonen im Lande, weiche Schlitten zu bauen imjtande waren, alle Hände voll zu thun hatten mit der Verfertigung von Särgen ; jo mußten

wir uns alfo der im Lande üblichen Schlitten bedienen, welche aus jehr ſchlechtem Holz erbaut und für den ftrengen

Gebrauch nicht. geeignet find, zu welchem fie jpäter verwendet wurden. Die landesüblichen Schlitten haben zwei lange Ceitenjtüde oder „Läufe“, welche aus zolldiden, tan— nenen oder fichtenen Bohlen ausgefchnitten und mit Reif:

eifen bejchlagen

find.

Die Uuerjtüde, welche die ‘Blatt:

form bilden, worauf die Waren dünneren Brettern gejehnitten

verjtaut werben, find aus und mittelft Niemen aus

roher Tierhaut, die durch gebohrte Löcher laufen, an die Schlittenläufe gebunden. Dieſe Niemen werden jo lange herumgewunden, bi fie vollfommen ftramın find, obwohl

nicht jo ftraff, um nicht einigen Spielraum nad) der Seite zu haben. Hinten an den Läufen find in ähnlicher Weife zivei Arme oder lange Hörner befejtigt, welche teilweise als Steuer, teilweise auch zum Schieben dienen, um dem

Schlitten über jchwierige Stellen hinwegzuhelfen.

Offen:

bar ift ein derartiger Schlitten nicht ungeeignet zum Reifen

über Schnee oder irgend eine denkbar glatte Fläche, wenn aber die Läufe über zablveiche Unebenheiten paffieren müfjen, jo laufen fie unverfennbar Gefahr, entiveder ein— wärts oder auswärts verdreht zu werben. Nach wieder—

holten Verdrehungen fplittern die Schlittenläufe jehr häufig der Länge nad, und der Schlitten wird natürlich dienſt— untauglich,

bis die Bruchitelle auf irgend eine Art aus:

gebeſſert werden kann. Mit diefen rohen Fahrzeugen, welche fo tief unter den von Sir Leopold MeClintod für die britischen Polarreifen erbauten Schlitten ſtehen, mußten wir ung vorerit begnügen. Ansland

1884, Wr. 47.

099

Am 21. Juli waren alle diefe verjchtedenen Angelegen-

beiten beforgt, und wir brachen in einigen Booten auf, wovon das eine hauptfächlich mit den Hunden, das andere mit dem Gepäd gefüllt war. Die Gefellichaft für die

Reife auf dem Eife bejtand aus drei Treibern und Schlitten und noch zwei anderen Paſſagieren außer mir.

bülfen hatten wir acht weitere Eingeborene.

Als Ge-

Diejenigen,

welche in dem Boot mit den Hunden fuhren, hatten eine jebr bewegte Zeit, denn unjere Gefpanne bejtanden meijt

aus Schönen Fräftigen Tieren von der Größe der Ketten: hunde, und diefe thaten alle ihr Möglichites, um fich ſelbſt untereinander und ihre Hüter zu plagen. Als wir das Ende des Fjords erreichten, hatten wir ein mühſames ©eIchäft, welches die ganze Geſellſchaft einige Tage lang beIhäftigte, damit, daß wir unfere Effekten auf den Rand des Eifes bradten. Sobald dies beendet war, gingen

unfere überfchüffigen Grönländer in einem der Boote nad) Haufe und liegen uns bier gelagert und auf einen günjtigen Umfchlag in der Witterung harrend, welche ſehr windig

ward, als alles fertig war. Unter überhängenden Felfen geborgen,

verbrachten

wir drei Tage mit ungeduldigem Warten. Die Schlitten fvaren fertig geladen und auf dem Rande des Eifes in einer Neihe aufgefahren und die Geſpanne rund um ſie herum angepflödt. Während diefer Zeit aber hatten wir feinen einzigen langweiligen Augenblid, denn wir waren immer von Tanz, Muſik und Lärm umgeben; unjere ftummen Freunde, die Hunde, bejorgten die Muſik und hielten uns bejtändig in Atem, daß wir ordentlich um fie herumtanzen mußten. Nach einigen Gefunden tiefen Schweigens konnten mehrere von ihnen ihre Stimme er: heben und heulen, und wenn dann die Echos von den benachbarten Klippen dies wiederholten, jo erſchien Die

ganze

Meute

von

einem

plöglihen

Wahnfinn

erfaßt,

iprang auf die Füße, zerrte an den Strängen bis auf die volle Länge derjelben, heulte, bellte, klagte, fletjchte die Zähne, und fuchte ſich loszureißen, um den vermeintlichen Feind anzugreifen, der fie verhöhnte. Fanden fie dann ihre Befreiungsverfuche vergeblich, fo brady die Mehrzahl (08 und raufte ſich untereinander, und ſetzte einander mit Tatzen und Zähnen fo erbarmungslos zu, daß man Die Peitſche zu Hülfe nehmen mußte, um Ruhe zu ftiften, wo— bei dann die Hunde durch und übereinander follerten und ihre Leinen zu beinahe unauflöslichen Knoten verwirrten und verdrehten, während die Minderzahl argliſtig die Ges (egenheit wahrnahm, ihre Feſſeln zu durchnagen und das Weite zu Juchen. Während diefer Tage erjtieg ich einen benachbarten Hügel und erwartete faum etwas Neues zu jehen. Gerade

ein voller Monat Schönen Wetters und beinahe bejtändigen Tages war vergangen, feit ich jenen Anblid zum eriten mal gehabt hatte. Man wird fich erinnern, daß bei der erften Gelegenheit nad) Dften hin alles mit einem Mantel vom reinften,

beinahe fledenlofen

Schnee,

ohne Spalten 141

930 ve

Forſchungen in Grönland,

außer im unmittelbaren Vordergrund, bedeckt var. Diefe gejamte Schneedede war nun hinweggefegt worden und hatte einen wahren Ozean von Eis bloßgelegt, welcher in Millionen von Spalten von allen nur denkbaren Formen und Dimenfionen geborften war. Außerdem war die Ausficht diefelbe, — eine grenzenlofe Wüfte, auf welchen

nirgends

ein Fels oder ein Lebenszeichen

fichtbar war.

Die größeren Depreffionen im Schnee waren nun große Seeen auf dem Eis geworden, und die Eleinen Hügel ragten aus denfelben hervor wie die Schaumfronen gefrorener

Wogen. Die Spalten waren meiftens ein und die Höcker zwiſchen denfelben nur wenige Fuß hoch, und im ganzen var der allgemeine Charakter des Eifes fo ziemlich derfelbe, den die mittleren Teile des Aletfch-Gletfchers oder des Mer de glace bei Chamounix zu Ende des Sommers Darbieten, d.h. es war für Neifen in Hundefchlitten beinahe un:

praltifabel, obwohl man zu Fuß etwa darauf fortlommen

konnte, und es zeigte ſich nun ziemlich deutlich, daß unfere Erivartungen unerfüllt bleiben dürften. Um meine Leute nicht vor der Zeit zu entmutigen, mußte ich meine Anfichten für mich behalten, und als die Witterung fich befferte, traten wir unfere Wanderung gen Oſten an. Binnen tveniger Stunden und Meilen aber wurden wir zu einem Halt gezwungen, denn der Läufer an einem der größten Schlitten war halb zerbrochen, der Läufer an einem der kleinen war der ganzen Länge nach zeriplittert, und die übrigen waren von der heftigen Erſchütterung, welche ſie erfahren hatten, hinfällig geworden und mußten ausgebeſſert werden. Zum Glüd hatten wir in der Ge— wißheit, daß die Schlittenläufe früher oder fpäter Iplittern würden, Kupferftreifen zum Zufammenbalten derſelben mitgenommen. Der Form wegen fchidte ich nun drei von der Gefellichaft einige Meilen voraus, um zu jeben, vb nach ihrem Dafürhalten das Eis beſſer werde, obgleich ich jehr gut wußte, daß es auf viele Meilen bin ganz gleich) war. ALS die Ausgeſchickten aber zurüdfehrten und berich: teten, daß es eher ſchlechter als befjer werde, fehrten wir um und traten unferen Rückweg an, da ein weiteres Vor:

dringen nur

unfere Rückkehr immer

fchwieriger gemacht

hätte, und da wir unter allen Umftänden böchftens einige Meilen weiter gegen Oſten vorzudringen imftande geweſen wären. Wir vermochten nur einen einzigen Hund in un— ſerm Boote zurückzubringen; acht weitere wurden ſpäter wieder gefunden, drei traf man tot an, einer kam gar nicht wieder zum Vorſchein, und die ſieben anderen trafen auf dem Landwege einer nach dem andern wieder in Jakobs⸗ havn ein und wurden auf Befehl des oberſten Beamten der nördlichen Bezirke totgeſchlagen. Aus den wiederholten Ausblicken nach dem Inneren, welche wir von den Küſtenbergen aus gehabt hatten, war deutlich hervorgegangen, daß dieſer ganze Teil von Grön— land mit Ausnahme des Landftreifens an der Seite der

Davisſtraße abfolut von Schnee und Eis bedeckt und dag Binnenland

unter

diefen Breiten

nicht durch Fjords ꝛc.

unterbrochen war, tie ich vermutet hatte. Dies befänftigte einigermaßen den Aerger über das Zufammenbrechen der Schlitten, denn eine Neife über eine nadte Schnee-

wüſte hätte mir ja doc) feinen Vorteil gebracht; es erfchien daher geraten, wenigſtens vorläufig, die Unterfuchung des Landes in der Weife fortzufegen, daß wir die Hügel am

Rande des großen Binnenland-Eifes.erftiegen. Diefe Idee vertvirklichte ich im Jahre 1872; bevor ich jedoch auf diefe Neife zu fprechen komme, möchte ich hier noch einige Beobachtungen über die allgemeinen Züge des Binnenland-Eifes borausjchiden. Diefer ungeheure

Gletscher

ift die größte bis jebt

befannte zufammenhängende Eismaffe.

Alle Gletfcher der

Alpen zufammengenommen find dagegen gar nichts, und die größten von denjenigen in den Himälayas nur winzige

Zwerge

im Vergleiche

damit.

Die Eisberge, welche an

Jakobshavn vorüber treiben, tvaren oft 700—800 Fuß did, und dies ift die einzige Auskunft, welche man der— malen über ihre Tiefe befist. Der Winkel, unter welchem ihre Oberfläche fich gegen Oſten erhebt, ijt ſehr unbedeutend, jelten etwa 80, fondern meift viel jveniger, während fid) an einigen Stellen bedeutende Depreffionen an ihnen finden und daher Seren fich auf ihnen bilden. Die Gletſcher— Ipalten gehen gewöhnlich nicht bis auf den Boden der Mafje und dringen häufig faum zur Hälfte durch. Des: halb kann das Waffer, welches auf der Oberfläche erzeugt wird, und in kleinen Bächen — oft fogar in Kleinen Wafjerftürzen — über diefelbe abfließt, feinen Weg nicht bis zu dem Öletjcherbette finden und unten ablaufen. Die Bewegung des Eifes wird daher nur wenig von Wajfer

unterjtüßt, welches feinen Weg zum Boden des Gletfchers findet, und hieraus folgt, daß die unter dem Rand des Binnenland-Eifes hervorfließenden Gießbäche merkwürdig Hein find im Vergleich zu der ungeheuren Ausdehnung

der Eismafje, dem beftändigen Tage zur Sommerszeit und der hohen mittleren Temperatur.

Obwohl

aber die Bewegung

des Binnenland-Eifes

weniger dur Waſſer befördert wird, welches feinen Weg

zum Öletjcherbett findet, als dies bei den meiften Glet— ſchern in niedrigeren Breiten der Fall ift, fo empfängt das— jelbe doc) in anderer Seite einen mächtigen Impuls. Das Waſſer nämlich, welches in den Gletfcherfpalten aufgehal⸗

ten worden

iſt, gefriert im Winter

und

erzeugt blaue

Streifen oder Adern von feſtem echtem Eiſe, welches einen auffallenden Kontraſt zu dem unvollkommenen, poröſen, weißen Eiſe des Gletſchers darbietet. Der Druck, welcher ausgeübt wird, ſowohl wenn die Spalten mit Waſſer ge— füllt ſind, wie wenn es im gefrierenden Zuſtand ſich be—

findet, muß ungeheuer ſein, und das umgebende Eis wird dadurch in der Richtung des geringſten Widerſtandes, nämlich abwärts, gedrängt werden. Diefe ſtark gezeichneten blauen Adern

weißen

Gletſchereis

Eisbergen

in dem ſonſt

ſind ein gewöhnlicher Zug in den

der arktiſchen

Regionen

und häufig von den

Forſchungen in Grönland. Reiſenden erwähnt tvorden, welche übrigens meines Wiffens jether ihre Bedeutung noch nicht hervorgehoben baben. Aus der Art ihrer Bildung läßt ſich Leicht begreifen, daß fie in einem eben vorüberſchwimmenden Gisberg gewöhn— lich mehr oder weniger perpendifulär find; allein fie find

häufig auch unter verfchiedenen Winkeln geneigt, und man

ſieht fie ſich häufig auch durchjchneiden und freuzen, fo:

wohl wenn man auf der Oberfläche des Binnenland-Eijes jteht, wie in den reinen vertikalen Durchſchnitten, welche

zu Tage treten, wenn Eisberge gerade vom Mutterſtock abgeriſſen werden. Zuweilen kann man mehrere Reihen derſelben ſehen, welche ſich wie eine Schraffierung durch— kreuzen und zeigen, daß der Gletſcher bei verſchiedenen Gelegenheiten in verſchiedenen Ebenen zerſprengt worden iſt und daß ſich friſche Reihen von Spalten unter Winkeln

gebildet haben, welche von den vorigen verſchieden waren.

Sie liefern den deutlichſten Beweis, daß das Waſſer, welches ſich (beſonders in der Periode des beinahe beſtändigen Sommertags) in den Spalten ſammelt, oft hernach zu feſtem

Eis gefriert; und es dürfte nach Beiſpielen, welche ich geſehen habe, wahrjcheinlich erſcheinen, daß das Gefrieren nicht immer vollftändig ift, und daß es bald von oben, bald von unten jtattfindet. Man ann diefe Erſcheinung in verſchiedenen Stadien fehen — die Spalten mit Waſſer gefüllt und bald nur halb, bald ganz gefroren. Es iſt bereits angegeben worden, daß das Binnen—

landeis in zahllofe Spalten zerriſſen war, und zwar in einer Ausdehnung, wie ich fie fonft nirgends gejehen habe. Es gab feine Strede von nur 50 Fuß in’s Gevierte ohne Spalten und Abgründe, und fie lieferten den anschaulichen

Beweis,

daß die Bewegungen

des Eifes außerordentlich

fompliziert waren. Man findet in den Gletſchern der Alpen und anderer Hochgebirge gewöhnlich, daß jih Reihen

oder Mafjen von Spalten mit einem gewiſſen Grad von Negelmäßigfeit folgen. Allein hievon war bei dem Bin: nenlandeis von Grönland beinahe feine Spur zu jehen. Gegen meine Erivartungen, hier nur Schründe oder große Spalten in mäßiger Anzahl zu finden, war hier das gerade Gegen: teil der Fall, Die Spalten waren vergleichsweije Klein, aber in ungeheurer Menge, Sie erftredten fich bis zu den äußerften Grenzen des Gefichtsfreifes, und jogar noch der mächtige Horizont, wenn man ihn durch eine ſcharfe Fernröhre betrachtete, blinkte von den gebrochenen Flächen

der Zinnen, obwohl die Entfernung zu groß war, um die einzelnen Klüfte zu unterſcheiden.

Alle diejenigen, welche

mit der Beſchaffenheit von Gletſchern vertraut ſind, werden zugeben, daß, weil das Eis bis zum äußerſten Punkt des Geſichtskreiſes voll Spalten war, man vernünftigerweiſe annehmen konnte, das Land ſei auch noch eine bedeutende Strecke über dieſen Horizont hinaus mit Eis oder Schnee

bedeckt, denn

ein derartiger

erheiſcht zu ſeiner Erzeugung

ungeheurer ein ganz

Gletſcherkörper rieſiges

Reſervoir. Daraus ergaben ſich die intereſſanten

Schnee—

Fragen:

Wie

931

| groß iſt die ſichtbare Ausdehnung? und: wie hoch tft die: jelbe? Die gewöhnlichen Methoden zur Meffung von Ent: fernungen und Höhen waren in dieſem allg nicht an— wendbar, da es feine feiten Punkte gab, welche von zwei verſchiedenen Standpunkten aus identifiziert werden konnten, und wann die Landſchaft mit Schnee bedeckt war, ſo vermochte man unmöglich zu ſagen, ob die äußerſte Ent— fernung zehn oder hundert Meilen entlegen war. Wann dann der Schnee hinweggefegt war und das von Spalten zerriſſene Eis ſichtbar wurde, war es möglich, ſich einen ungefähren, obwohl anerkanntermaßen nur ſehr unvollkommenen Begriff von der Entfernung zu machen, wenn

man ſich vom Unbekannten zum Bekannten wandte.

Im

Weſten, in einer bekannten Entfernung von 60—70 Meilen, fonnten mir die vergletfcherten Hochebenen auf dem Gipfel der großen Inſel Disco unterfcheiden, welche, wie das Binnenlandeis zu unferer Linken, von Spalten zerriſſen waren. Kehrten wir uns dann wieder nach Oſten, ſo ward es uns deutlich, daß der Horizont dorthin mindeſtens ebenſo entfernt, ja wahrſcheinlich noch weiter entlegen war. Dies läßt die Frage der Höhe noch immer unberührt, obwohl man hinfichtlich derjelben fi) eine ziemlich wahr: Iheinlihe Schätzung machen fonnte. Die Oberfläche des

Eifes ftieg gegen das Innere unter einem fleinen und ziemlich regelmäßigen Winkel an. Im Juni 1867 brachen wir am Rande des Eifes von einer Höhe von etiva 550 Fuß über dem Meere auf und ftiegen auf einer Strede von jchs Meilen um 900 Fuß oder ungefähr 150 Fuß auf die Meile. Angenommen alfo, daß ir auf eine Ent: fernung von 60 Meilen fehen fonnten und daß der Winkel fonftant blieb, jo würde die Höhe des Außerften fichtbaren Punktes ungefähr 9000 Fuß geweſen fein; allein in an: betracht der Wahricheinlichkeit, daß die Schräge fich gegen den Gipfel hin vermindern fünnte, dürfte es ficherer fein, die Höhe auf nicht weniger als 8000 Fuß zu ſchätzen. — Im Jahre 1872 trat ich wieder eine Reife nad) Grön— land an in einem der Schiffe der fünigl. Grönland-Handels— gejellfehaft, und diesmal reifte ich ohne Europäer und mit einem Boot von ziemlich neuer Art, nämlich einem Kahn, fvelcher durch eine Schraube beivegt wurde und mittelft einer Art Tretrads getrieben wurde. Im Sahre 1867 waren wir oft in Verlegenheit gejeßt worden durch das Wideritreben der Eingeborenen, dahin zu gehen, wohin und wann mir wollten, und wir hatten nur die Wahl gehabt, entiweder unfere Kayaks (Kähne von Fellen) felbit zu rudern auf die bedeutende Gefahr hin, zu ertrinken, oder ung in einem Walfifchboote herumrudern zu laffen

durch Eingeborene, bei denen wir immer warten mußten, bis e8 ihnen beliebte zu reifen. Ich nahm mir daher das Schraubenboot mit, um mich weniger von den Launen der Eingeborenen abhängig zu machen, und e3 erfüllte nicht nur feinen Zwed ziemlich gut, jondern übte fogar aud) einen Neiz auf die Eingeborenen, welche auf Neuigkeiten jo erpicht find wie Kinder, Sie fchaarten fih um dasſelbe

939

Forfhungen in Grönland.

e

wie ein Bienenſchwarm und Fritifterten e8 frei. „So ganz

doch zu diefem Zwecke

wie ein Kayak, und doc) feiner”, jagten fie und hätſchelten und ftreichelten eswie einen Hund; „nein, offenbar fein

endlich nordiwärt3 von Nurſoak in das Umenak-Fjord ein,

welches von den bedeutendſten bis jeßt befannten Bergen

Robbenfell; es ift von Holz verfertigt!

in Grönland

Wie fonderbar,

begrenzt

nicht body genug und wir liefen

iſt.

Ich kreuzte

die Waigatjch-

Straße in meinem Schraubenboot „Experiment“ in Begleitung eines Umiak (Weiberboots, größeren Fahrzeugs aus

ein Kayak aus Holz zu machen.” Sie deuteten auf die offene Lufe, welche im Vergleich mit den ihrigen jo groß war, und fehüttelten wie mißbilligend die Köpfe. „Auch ein Steuerruder? wann hat man dies je zubor gejehen? Und dann das feltfame Ding da, das ich dreht (Die Schraube) davor! wie höchft drollig!” und dabei brachen fie in lautes Gelächter aus, denn das unbedeutendite Ding

pafjes gejteuert werden konnte, was ſie außerordentlich über: raſchte. Ihre Schüchternheit ward überwunden, und mir

gab ich ihnen dann Be—

reiten gewöhnlich hernach in einem und demjelben Boot

erhöht ihre Luftigfeit.

Alsbald

mweife von feiner Gejchwindigfeit, und fie befiegten mic) mit ihren Kayafs, wie ich erivartete und in der That aud) wünfchte, denn fie würden mid) nicht begleitet haben, wenn fie nicht ficher geweſen wären, daß fie mir nad) Belieben entwifchen fonnten. Sie jind äußerſt Schüchtern und furchtſam und man kann ſie durch ein zufälliges Achlelzuden oder einen finftern Blid in Angjt verjegen und zum Ausfneifen veranlajjen. Meine hauptfächlichen eingeborenen Gehülfen und Begleiter in diefem Jahre hießen Frederid und Nils. Der erftere war mir als Dolmetjcher empfohlen und mußte ſich prüfen laſſen, ehe ich ihn anftellte. Dabei ergab fich, daß er kaum mehr Englisch verjtand als ich Grönländiſch; allein er war der einzige Dolmetjcher, welcher mitreifen wollte,

und wir machten uns einander ziemlich gut verjtändlich, was jedoch im Grunde hauptfächlich von der freundlichen Gemütsart der Eingeborenen herrührte, welche einen Frem— den wegen der Unfähigkeit, ihre Sprache zu ſprechen, nicht verjpotten oder lächerlich machen, jondern ſich im Gegen— teil große Mühe geben, jeine Wünfche zu verſtehen. Nah einer langweiligen Reife um die Inſel Disco

herum

landete ich mit meinen beiden Eingeborenen und

zwei Booten zu Nurfoaf, einer Kleinen Niederlaffung, welche ungefähr 130 Meilen nordweſtlich von Safobshaon Liegt,! und nachdem ich bier eine genügende Anzahl Leute engagiert hatte, machten wir verfchtedene Kleine Reifen in die Um: gebung und die Waigatſch-Straße hinab, und beitiegen mehrere Berge auf der Inſel Disco und auf dem Feſt— lande, um irgend einen hohen und alleinjtehenden Gipfel zu juchen, der ung eine beherrſchende Aussicht nach dem Binnenlande bieten konnte. Allein obwohl die Berge auf beiden Seiten der Straße bebeutend höher waren als die— jenigen in der Umgebung von Jakobshavn, fo waren fie 15h wandte mich Fieber Nordenjtjöld 1870 feine Reife mir bejuchten Bezirks gerichtet land gefunden hatte. Es ging vor, daß er irgend

nach Norden als nad) Süden, weil nah dem Süden des friiher von und nur ein eisbedectes Binnenaus feiner Schilderung nicht her-

einen Berg auf dem Saume

des Binnenland-

Eiſes erftiegen hatte; er jeheint vielmehr das Innere nur von dem Binnenland-Eife aus überſchaut zu haben, und konnte daher feine jehr ausgedehnte Ausfiht gehabt haben. So weit er jeden fonnte, war das Binnenland in feinen allgemeinen Zügen genau dasjelbe, wie ich es bejchrieben habe.

Nobbenfellen).

Bei

der Rückkehr

gerieten

wir in einen

Nebel und ich ergößte meine Begleiter nicht wenig, als ic) ihnen zeigte, wie genau das Feine Boot mittelit des Kom

und nahmen den „Erperiment”

in’s Schlepptau.

Das Binnenlandeis iſt von der Niederlaffung Umenaf aus nicht zu jehen, weil dieje auf einer kleinen Inſel ungefähr fünf engliihe Meilen vom Feſtland in einem der größten Fjords der Weſtküſte Grönlands liegt. Die Küſte hat hier zahlreiche Einbuchtungen und Verzweigungen, welche beinahe überall von Bergen von 5000—7000 Fuß Höhe

umgeben

find, welche

alle Gletjcher tragen, deren

einige von ihren Gipfeln bis zum Meere herunterreichen. Um einen Anblid des Binnenland-Eifes zu erhalten, muß man zu einer bedeutenden Höhe hinanjteigen, weil der

nächjte Punkt desjelben

unter diefen Breiten etliche und

vierzig Meilen entfernt it und die dazmwifchenliegende Strede von einer gebirgigen Gegend eingenommen wird. Es war daher von höchſter Wichtigfeit, einen Gipfel zu wählen, der jowohl die anderen überſchaute als auch eine

ungehemmte Ausficht nad) Dften bieten würde.

Inſtinkt—

mäßig wählte ich einen auf dem Feſtlande, Kelertinguit genannt, welcher ganz freiftehend und anfcheinend hoc) war und den ich meſſen und auf deijen Gipfel ich ein Theodolit aufitellen wollte, um den Horizont zu beftreichen, denn auf diefe Weife Fonnte ein befjerer Begriff von ver

Höhe des Binnenland-Eifes erlangt werden, als auf irgend eine andere Methode. Wir verließen Umenaf am 17. August

mit mehreren weiteren Eingeborenen in einem Walfiſchboot, welches

uns

ein jehr gefälliger junger Mann,

Namens

Elberg, ein Handelsgehülfe der Niederlaffung, geliehen, der uns auch freiwillig jeine Dienjte angeboten hatte. Eine Ruderfahrt von jehs Meilen brachte uns an den Fuß des Kelertinguit, wo wir ein Lager auffchlugen, Der Berg war vulfanifchen Urfprungs und ergab fich zus

legt bi8 zum Gipfel hinauf als aus vulfanifchen Felfen beſtehend. Die dem Meere zugekehrte Seite desſelben war für meine Geſellſchaft viel zu ſchwierig, und wir brachen am anderen Morgen um halb drei Uhr auf, und bogen immer anſteigend und in einer Kurve nach dem Binnenland auf,

bis wir die Südſeite des Berges erreichten.

An dieſem

Teile fanden wir ungeheure Abjtürze von bafaltifchen Trümmern, welche bis zum höchſten Winkel aufgetürmt

waren, auf welchem fie ruhen fonnten, und anjcheinend einen einfachen Weg darboten. Wir nahmen nun unferen

Die Ereigniffe in Afrifa während der letzten Monate.

Kurs über diefelben, fanden jedoch bald,

daß ftir leicht

035

verfolgte den Lauf des Rovuma und des Lujenda bis nahe der öſtlichen Abdachung der Ufergebirgskette und

wird jo lange währen, bis wiederholte europäifche Expe— ditionen eine größere Anzahl von Ortsnamen dauernd firtert oder neu geſchaffen haben. Das ganze Dftufer des Nyaffa tvird von einer Berge fette eingefchlofjen, welche als eine Fortfegung jenes Ge: birgsmaffivs angefehen werden muß, das einerfeits die Waſſerſcheide zwiſchen Nyaffa und Tanganifa bildet, anderer: jeits in faſt ununterbrochener Reihe die Oftfüfte vom Soc): plateau des Innern abfondert. Johnſon betrat das Nord: ufer des Sees an einer Einfattelung des fogenannten Konde-Öebirges: nah Weften erhoben ſich zu mächtigen Kuppen jene Berge, auf deren fteilen Abhängen Thomfon zum Nyafja herabfletterte, während ſich nad Dften Gebirge auf Gebirge türmten, die noch fein Fuß eines Weißen betreten. Die auf der Karte verzeichneten Livingſtone-Berge find eine vielfach zerflüftete, aber niedrige Hügelreibe; fie zieht fich, hart am Ufer fortlaufend, pfadlos, kaum bewohnt, bis Mbampa hin (etwa 110 12° |. Br.). Langſam fteigt fie dann in füdlicher Richtung empor, in größerer oder weiterer Entfernung vom See, reich mit tropischen Blumen und Früchten bevedit, big zum Quellgebiet des nach Norden abfliegenden Mfinje (120 30° |. Br.). Bon bier verwandelt ſich die Gegend in eine mächtige von Felsblöden und Wänden unterbrochene Waldgebirgslandichaft mit 4000 bis 5000 Fuß hohen Gipfeln, den Mtonia, Namfumba und Mangoche, in einer Ausdehnung von nahezu 200 Km. Vom Mangoche jenkt fich mählig das Gebirge nördlich des Tſchunguni in eine tiefe Mulde, in welcher in früheren Verioden die Waffer des Pamalombe-See's mit dem des Schirwa zufammengeflofjen fein mögen, um vom Berge

durchwanderte bei einer anderen Reiſe die mächtigen Berge,

Zomba aus die letzten Ausläufer nad) dem Süden und

welche das Nordoſtende umſchließen; Drummond erkannte

dem Meere zu entjenden. Das Gebirge it mit Ausnahme des nördlichen Drittteils nicht uniwegfam; regelmäßig durch— queren dasjelbe die Karawwanen vom See nad) der Külte und umgefehrt; allein in feinen höher gelegenen Partien bietet esSchlupfiwinfel genug, um den durd Krieg und

in den Fall fommen würden, eine Lawine in Bewegung zu jegen. Die ſcharfen Kanten der Steine, die fich be: ſtändig drehten, fchnitten in die Sohlen von roher Tier:

baut an den Gtiefeln der Eingeborenen ein, und bald blieb ein Fußmaroder nad) dem andern hinter ung zurüd und verichwand. Hierauf famen einige Wände von fäulenförmigem Bafalt, welche die Abhänge unterbrachen, und wiederum wurden einige weitere meiner Begleiter zum Haltmachen veranlaßt. Endlich war ich nur noch auf den Träger meines Theodolit-Gejtells beſchränkt, und als ich endlich auf dem Gipfel ankam, ſah ich mich ganz allein.

(Schluß folgt.)

Die Ereigniffe in Afrikn während der Iehten Monnte. Bon Brir Förfter. Schluß.) 1008

Oſtafrika.

W. P. Johnſon. Giffing. 9.9. Johnſton. Serpa Pinto. Becker.

Die Oſtufer des Nyaſſa-Seéee's

ſind noch wenig

beſucht und durchforſcht worden. Livingſtone und Roſcher entdeckten zwar, von Oſten kommend, den über fünf Breiten— grade hingeſtreckten innerafrikaniſchen See; auch Thomſon

in dem ſüdlich gelegenen Schirwa-See ein jetzt nahezu ausgetrodnetes Sumpfbeden, das in früheren Berioden

wohl im Zufammenhang mit dem Nyaſſa gejtanden haben mag; aber vor Johnſon hatte noch niemand die Ditfeite des Sees in feiner ganzen Yänge und die daranftoßenden Ländergebiete durchſtreift. Johnſon, der Miffionar von Maſſaſi vom unteren Novuma, ift der erfte, welcher nad) fiebenjähriger Reife ein zufammenhängendes Bild von der

Oro- und Hydrographie des Landes und von den dort mwohnenden Völferfchaften entworfen hat.! War er auch nicht mit ausreichenden Mitteln

zur geographifchen Orts—

Raub. aus den Flußthälern

verfcheuchten

Eingeborenen

zu Taufenden nit nur ficheren Schub, ſondern auch Nahrung mit den beiten tropischen Früchten zu gewähren, denn es befißt fruchtbares, anfcheinend meist vulkaniſches Erdreih und it reich bewäſſert. Hier entipringen der

Rovuma unter dem 11.0 ſ. Br. und der Lujenda unter dem 14.0 30° 5. B.; fie bilden ein ungleichjeitiges Dreied,

bejtimmung und zu Höhenmefjungen verjehen, fo gibt uns jeine Karte doch ein mefentlich verändertes und vor allem ausgeführteres Bild der Bodengeſtaltung, als es die bis— herigen fartographifchen Arbeiten zu bieten imjtande waren,

deſſen Bafis der Gebirgszug

Wenige Namen bleiben diefelben, da bekanntlich mit dem Wechjel des Häuptlings meiltens die Denennung der

nahezu im vechten Winkel in der Nichtung von Süden nad Norden die breiten und fruchtbaren Thäler des

Lofalität fich verändert; und felbjt derjenige, welcher mit der vortrefflihen Navenjtein’schen Karte ausgerüftet ift,

Mfinje und Luchulingo. Der Lujenda iſt nur zur Regen: zeit der Ausflug des Schirwa-See's; es wurde auch durch

fann nur mühfam die Routen Johnſon's verfolgen.

Sohnfon Fonftatiert, daß diefer See dicht mit Schilf bededt und am Nordende, bei Amaramba, zur Trodenzeit durch eine niedrige Barriere abgejchlofjen ift. Seinen eigent:

1 Proceed. of the R.G.S. 1884.

September.

Das

©. 512.

iſt und deſſen Spitze in der

Bereinigung beider bei Mafochero liegt. In die kürzere Seite, in den Rovuma, deſſen Urſprung Johnſon zuerſt bei Songen

(zirka 100 45° f, Br. und 350 25° 6. L.) entdeckte, münden

934

Die Ereigniffe in Afrifa während der letzten Monate,

lichen Urfprung hat der Lujenda

in den quellenreicdhen

Bergen von Unyango und in den Hängen des Mangoche und wird genährt von den nordöftlih und öjtlich ein—

jtrömenden Bächen und Flüſſen vom Mangoche bis zum Mtonia. Der Mtionia iſt die Wafjerfcheide der Zuflüffe des Novuma und des Yujenda. Keiner diefer Ströme eignet ſich zur Schifffahrt für größere Boote; alle Haupt: verfehrsivege laufen an den Höhen längs ihrer Ufer hun. Bergleichen wir die Karte Johnſons mit der neueften von Ravenſtein, jo erfennen wir, welchen wertvollen Beitrag

zur Geographie diefes Gebietes erfterer durch feine Reiſen geliefert hat. Die einheimische Bevölkerung beſteht aus dem friedfertigen, dem Handel ſehr ergebenen Volfe der Yaos. Sie betvohnen in zahlreichen Dörfern das Dftgeftade des See's von Mponda bis Mamba. Bon Mtenguli, dem vortrefflihen Hafen, und von Chiteji aus betreiben fie mit Leidenſchaft die Seeſchifffahrt. Die Niederungen der großen Flußthäler im Oſten haben fie vor den räuberifchen Gwangwara verlaſſen; entweder flüchteten fie in Kleinen Gruppen auf die unzähligen Inſeln des Rovuma und des Lujenda oder in großen Gemeinfchaften, wie nad) Unyango zu etiva 6000 Familien, auf die Höhen der Berge, Die Gwangwara find ein von Süden eingetvanderter Zulus Stamm, welder in verfchiedenen Gegenden verfchiedene Namen führt: Maviti, Angone oder Mangone, Wapoma. Wenn Thomfon meint,! fie wären feine echten Zulus, jondern hätten nur Kriegsweiſe und die Kennzeichen der Zulus zum Schreden der Nachbarftämme angenommen, fo Iheint das nad den Berichten Sohnfons nur auf die

Wanindes

bezogen werden zu Fünnen, und e3 wäre ein

Irrtum, die Wanindes mit den Gwangwara zu identi— fizieren. Dieſe Zulus beberrfchen den ganzen oberen Rovuma und durd) ihre mörderifchen Streifzüge alle von Süden einmündenden Geitenthäler; fie find die Urfache, dab gegentwärtig die von Nahrungsmitteln ftrogenden Ge— genden öftlih vom Nyafja eine Müftenei find. Die Gwangwara dehnten ihre räuberischen Wander: ungen auch nach Norden aus, begegneten aber hier einem Stamm, der fie zum Nüdzug zwang und vor deſſen Ein—

fällen fie ihrerſeits jest die größte Furcht bezeigten.

Sie

nennen diefen Stamm die Nyaka-Nyaka und wieſen Johnſon, der an eine Einſtellung der Feindſeligkeiten zwiſchen beiden dachte, nach den Gebirgen nordöſtlich vom

Nyaſſa.

Johnſon machte ſich auf den Weg; er ging von

Kalongo (am Weſtufer des See's) nördlich nach Merere und dann nach Oſten über den Ruaha. Er glaubt in den Wabena die Nyaka-Nyaka gefunden zu haben. Nun nennt aber Thomſon, der 1879 mehrere Wochen in jenen Gegenden verweilte, die Wabenas ein „Volk von knechti— ſchem Charakter, welches ſich ohne Murren jedem unter—

wirft, der gerade das Feld behauptet“. Siehe „Ausland“

1882, S. 216.

Die Beſchreibung

dagegen, welche Thomſon von den Wahehe, den Herren der Wabenas, entwirft, paßt faſt in allen Details (ſogar in Bezug auf den gänzlichen Mangel von Hühnern in ihrem Haushalt) auf die Nyaka-Nyaka Johnſons. Da

nun

dieſer den

Wabenas

auch den

Namen

Wahinga

beilegt und andererſeits Machinga als Haupt der Wahehes

von jenem angeführt wird, ſo wird die Wahrſcheinlichkeit beinahe Gewißheit, daß die gefürchteten Feinde der Gwang— wara die Wahehe find. Miffionar Johnſon hofft durch Belehrung und Bes fehrung die kriegs- und mordluftigen Abkömmlinge aus dem Zululande zu friedfertiger Lebensiveife zu bewegen

und dadurd die weiten Yändereien öftlih vom Nyaſſa in veichgejegnete, fruchttragende Gefilde wieder zu verwan— deln.

Mag

diefe Hoffnung

ihn in feinem

mühevollen

Werke jtärfen, das gewiß auch einzelne tröftliche Früchte tragen wird und vielleicht vorbereitend einer befjeren Zukunft

die Wege bahnt; durchgreifend aber und zu höherem Wohl: Itande führend, fann bier nur entiveder das energifche Auftreten irgend einer Regierung oder die langſam, aber

ftetig wirkſame Thätigkeit eines fteigenden Handelsverfehrs gedacht werden. Kapitän Giffing,

der

Konful

von

Mombafa,

machte im Mai und Juni 1884 einen Ausflug nach den Bergen von Teita, etiva 155 Km. in novdöftlicher Richt: ung landeinwärts von der Küfte. Sein interefjanter Bes vicht ! gibt viele Einzelheiten in geographifchen und ethno— graphifchen Verhältniſſen; eine ausführliche Wiedergabe desjelben wird daher gerechtfertigt erjcheinen. Giffing verließ am 27. Mat 1884 Mombafa mit 23 Trägern, welche das nötige Kleingeld in Geitalt von Zeugen und Berlen fchleppen mußten, fuhr mit Boot den Rabai-Creek hinauf und betrat bei Banderini das Felt: land. Ueber die 1200 Fuß hohen, gras und wildreichen

Rabai-Hügel bon Uduruma,

ftieg er hinab im die leicht geivellte Ebene Das Reifen ift in diefer Jahreszeit ohne

große Beſchwerde;

der Ende Mai

lebt die Landichaft

mit üppigem

beginnende Negen bes Grün, die Sonnenglut

wird durch eine gleichmäßige Bewölkung gemindert; die Temperatur fteigt nicht über 210 R,, und fällt felten unter

150 R. Der abjolute Mangel an Sümpfen und tropis hen Urwäldern hält die Luft von allen Fieberdünften frei. Die Waduruma führen wegen der fortwährenden Raub: züge der Maſai ein elendes Dafein; alles Vieh, das herr— lid) in dem Weideland gedeihen fönnte, wird ihnen geraubt;

was Widerjtand leiftet, wird getötet. Bleiben die periodiz ſchen Regen aus, jo verborren die Feldfrüchte und die Eingeborvenen

find

Habe, an der Waſſer findet dunfelbraunen, Negenpfügen.

Küfte für Nahrungsmittel zu verkaufen, fih nur in tief ausgehöhlten Felsblöden, von Pflanzen und Gewürm twimmelnden Die Wege find enge und korkzieherartig

1 Proceed.

gezwungen,

of the R.G.S.

ihre Kinder,

Oftober

1884.

die einzige

Die Ereigniffe in Afrifa während der fetten Monate,

gewundene Fußpfade; fie führen durch dichtes, ftacheliges Dorngeftrüpp; nur mit Mühe fünnen fich die Träger mit

ihrem Gepäd durchwinden. Deftlih von Gorah, etwa

Siegen u. dgl. Nachefriege entjtehen daraus nicht. Bei der Menge von Ehefrauen von ſolch tüchtiger Arbeitskraft

gibt es natürlich wenige männliche Sklaven. 55 Km.

von der Küfte,

eröffnete ſich eine freie Landſchaft; aber fie war eine voll: fommen ausgedörrte, welche die Küftenregen nicht erreicht

hatten; jelbit die vier großen Weiher von Gorab mit 15 Fuß Tiefe, in denen fi) das von dem einzigen Hügel abfließende Regenwaſſer gewöhnlich ſammelt, waren troden. Am 31. Mat fam Giffing über Mfufuni nah Taru, der

Grenze zwiſchen Uduruma

und Teita.

In den nahen

zügen etwa erjagten Burſchen

ſächlich

fait vernichteten

Stammes,

gleich wilden

Tieren, ohne Hütten, ohne Aderbau, nur genährt von den Erträgniffen der Jagd. Die Windungen des über 40 Km,

langen Weges von Taru nad Maungu waren zum Wer: zweifeln. Das Eleinjte Hindernis wird nicht überfchritten oder hinweggeräumt, fondern ſtets umgangen. Der ſchwer belajtete vorderſte Neger einer Karawane hält nicht gern an,

um

Dorngebüfh

niederzuhauen

u. ſ. w.,

er läuft

lieber darum herum, die anderen folgen ihm, der Pfad wird ausgetreten und bleibt dann für alle Zeiten der einzige und daher bequemſte Verkehrsweg. Giffing fam am 2. Juni nach dem Ndara-Berg in Teita, dem mweitlichiten Punkt feiner Reife. Der Ndara ift eine impo-

jante Granitmafje von 16 Km. Länge und 4800 Fuß Höhe, die fich jäh aus der Ebene emporhebt, und birgt in einem feiner Thäler eine wirkliche, klare, erfrifchende fühle Duelle. Ueber den ganzen Berg verftreut liegen die Hütten der Wateita, Die Männer diefes Volkes find die perfonifizierte

Faulheit; fie überlafien alle Arbeit den Weibern. Nähert ſich aber eine Karawane, die ihnen ſchwach bewaffnet er: Icheint, jo fallen

fie über fie her mit ihren Bogen und

Pfeilen, nur vor den Mafai haben fie einen gewaltigen Reſpekt; ſchon der Name derjelben erfchredt fie. Die Weiber

jind klüger und thätiger; jeden Tag fteigen fie den Berg hinab,

um

und Ernte

Anbau

von indischen Korn, von

Hirje, Bohnen und Tabak zu beforgen und Holz für die Feuerung zu holen. Es it faum begreiflich, wie fie die ſchweren Laſten täglich fait 4000 Fuß hoch hinaufzutragen im jtande find. Und doc ſcheinen fie zufrieden zu fein,

und laſſen fich nicht das Necht nehmen, den Männern die tahrung zu Schaffen. Das Weib des Wateita ijt nicht Sklavin im eigentlihen Sinne des Wortes, obwohl fie entweder als Braut von ihren Eltern oder als Gefangene von dem Händler an ihren Ehemann verfauft wird; fie fann fortlaufen, wenn fie Schlecht behandelt wird und findet

immer Zuflucht in einem andern Hausitand.

Dienen muß

Die in Raub—

und Kinder werden haupt:

an die Sklavenfarawanen der Swahili verfauft.

Rinder und Ziegen find in aber nie wird ein Stüd zum daß ein hungriger Priejter verlangt. Die Fruchtbarfeit

reichlicher Menge vorhanden; Eſſen gefchlachtet, es fei denn, (Medizinmann) diefes Opfer auf dem Berge und am Fuße

desfelben läßt Zuderrohr, Bananen, Korn, füße Bataten u. ſ. iv. gebeiben.

Afazienwäldern leben die Nefte der Walangulo, eines von

den Wakambi

055

5185

Giffing machte am 7. Juni einen Abjtecher nach dem Fuß hohen Berg Karigao, welcher etwas über

30 Km. jüdlih von Ndara liegt. Er ift, obwohl frifche Bäche durch die Schluchten viefeln, wenig bebaut und gering bevölfert; alles Kulturland am Fuße verdorrt in regenarmen Jahren. Die Menfchen bier find zu faul und indolent, um das vorhandene Bergwaſſer aufzuftauen und zu

geeigneter Zeit über die unten liegenden Felder zu leiten. Wild gibt es in der Ebene in Menge: Büffel, Zebra, AntiIopen, Nebhühner. Giſſing unternahm es, am 8. Juni den Gipfel zu bejteigen. Es war ein hartes Stüd Arbeit. Zuerſt ging es durch einen dichten Wald von mächtigen bis zu 60 Fuß hohen Bäumen, in welchen fein Sonnen: ſtrahl eindrang und wo es fröftelnd fühl wie in einem Keller war. Hier gab es einige Affen und fehr viele Wildſchweine und noch mehr freche Hyänen. Dann ftieg man pfadlos und beinahe fenfrecht die legte Höhe hinan über ſchlüpfrigen SKiefelfchotter und umgeftürzte Stämme, durch dorniges Gebüſch, überfäet von Ameifen, die den ganzen Körper überliefen und deren Biß äußerft Schmerz: haft war, Endlih mar man oben und genoß eine herr= he Rundſicht auf die zerjtreuten Bergfegel von Teita, Pare und Ujambara; den Often begrenzten die Hügel von Rabai und Giriama, den Weſten die ſchneebedeckten Häupter

des Kilima'ndſcharo.

Kälte

und Wind

trieben bald zur

Umkehr thalabwärts. Auf dem Rückweg nad) Ndara be: gegnete Giſſing einem mit Bogen, Pfeil und Speer be:

mwaffneten Haufen von etiva 15 Männern von den benach: barten Bergen von Kilima Kibomu (Bura). Sie hatten die Abficht gehabt, ihn zu überfallen; da aber fein Führer ein Freund des Häuptlings war, ließen fie ihn unbehelligt jeiner Wege ziehen. Am 13. Juni trat Giffing die Heim— reife von Ndara an. Der zweite Marfchtag von Manugo nad) Taru war der anjtrengendite; die Entfernung betrug über 50 Km. Die Träger hatten gefchtwollene und wunde

Füße;

fie, als Eingeborene

von

Rabai und ehemalige

fie; es fommt ihr nicht darauf an, wem fie und auf mie

Sflaven, können im Vergleich mit den Sanfibariten feine großen Strapazen vertragen; fie nähren fich Schlecht

Willfommen find fie überall; denn

und haben wenig Blut; die geringjte Verlegung gebt bei

lange ſie ihm dient. fie allein

verrichten

Kibomu überfallen

ja die Arbeit.

Die Bewohner von

die Leute von Kafigao, fchleppen die

Weiber fort nah Ndara, bieten fie dort ihren Verwandten

zum

Kaufe

an

und

dieje erjtehen fie jofort für einige

ihnen jofort

in Eiterung

über.

In fürzeren Märfchen

führte der Weg über Gorah und Mwache und endlich dureh die jebt doppelt reizenden grünen Gefilde der Rabai— Berge nah Mombaza zurüd, wo man am 20, Juni

956 eintraf.

Der Mais.

Im ganzen hatte die Neife 24 Tage

gedauert;

unter diefen waren mit Ausnahme der Bergbefteigungen 12 Marfchtage; und wurden im ganzen ungefähr 300 Km, zurücgelegt. Wahrlid eine tüchtige YLeiftung für eine afrifanifche Yandpartie! Zur felben Zeit ſaß einige hundert Kilometer weſtlich von Ndara auf den luftigen Höhen des Kilima'ndſcharo der Engländer 9. 9. Johnfton,! ausgefchiet zur natur: wiſſenſchaftlichen Erforihung des innerafrifanifchen Berg: folofjes, und fchrieb in inyllifcher Einfamfeit aus Uvura in Tichagga, 5000 Fuß über dem Meere, am 18. Juni

1884 folgenden Brief: „Seit einer Woche habe ich mich bier auf einem der veizenditen Punkte der Welt nievergelaffen. Ueber mir türmt fi) in das tiefe Blau des Himmels das fehneebedecte Haupt des Kibo, um mich herum lagern fich grünende Hügel; in waldige Schluchten ſtürzen fräftige Bäche hinab, üppiges Sarnkraut am Ufer befprigend; vor mir liegt aus: gebreitet die duftig blaue Ebene, „die ganze Welt”, wie mein Gaſtwirt, der Häuptling Mandara, jelbitgefällig jagt; nach Süden begrenzt nur der Horizont die ferne Ausficht. Geborgen auf der Schulter eines mächtigen Borfprungs des Gebirges jcheine ich in gleicher Höhe mit den Adlern zu fein, die in mächtigen Streifen über der grauenbaften Tiefe zu meinen Süßen jchweben. Das it die Lichtfeite meines Aufent: halts: herrliche Landſchaft, prächtiges Klima, treue Diener und erfreulihes Studium. Doch in der Zufunft lauert das dunkle Verhängnis: ih bin in der Gewalt eines launenbaften afrikaniſchen Tyrannen, deſſen Gunft ich jeßt

|

gehoben, welche beide von der Oftfüfte ausgehen und nad dem Kongo jtreben. Serpa Pinto gevenft von Mozam— bique über den Nyafja und Tanganifa nad) dem Innern

vorzudringen.

Geine Karawane foll aus 250 Trägern und

100 Inhambane-Zulus

Gebiet der Neifende auf diefem Wege fih aus erſehen, fehlen noch.

fonnte? Antivort: weil fein bewohnbares Fledchen Erde auf dem ganzen Kilima’ndfcharo ohne Herren iſt. Man mag es prächtig finden, in einem Urwald 10,000 Fuß über dem Meere zu haufen und von wilden Geflügel fich zu nähren; aber e8 wäre unpraftiih. Denn wie wollte

ich da meine Diener, 30 hungrige Burfchen, füttern? Ein

zur Exploration

Der belgifche Lieutenant Beder mit vier Offizieren it von der Internationalen afrikanischen Gefellichaft aus: gefandt worden, um von Sanfıbar aus über den Tanga: nifa:See und durch Manyema Nyangmwe zu erreichen, bier eine Station zu errichten und die Verbindung mit der Station an den Stanley-Fällen am Kongo herzuftellen, fo

daß die Kette der Niederlaffungen der Association africaine von Sanſibar im Oſten bis nad) Banana im Weiten, vom Indiſchen zum Atlantiſchen Ozean geſchloſſen mwerbe.

Hiebei wird

ein neues

Transportmittel erprobt werden,

ein zerlegbarer Karren mit 1040 Kgr. Tragfähigkeit, der gezogen von nur 10 Mann, 25 Träger pro 20 Zentner

Laſt entbehrlich machen ſoll. Beder hat fih am 22. Dftober 1884 von Marfeille nad) Sanfıbar eingefchifft.

|

Der Mais. Fortſetzung.) V.

noch genieße, der aber in einem beliebigen Augenblid all meine jchönen Träume zertrümmern fann. Aber warum begab ich mich in feine Gewalt? Warum fuchte ich nicht irgend einen unbetwohnten, traulichen Winkel auf, wo ic) mich ungeftört in wiljenfchaftlichen Forſchungen vergraben

(freilid) der wenigſt thatkräftige

Stamm unter den Zulus) als militärische Esforte bejtehen. Genauere Angaben, namentlich darüber, welches unerforſchte

In der europäiſchen und amerifanifchen Küche,

Wenn wir, Betvohner der Sübfüfte der Krim, unfere

einzelnen Maisfolben vom Baſchtan (Kufurbitaceen-Pflanzung) nehmen, wo wir fie, wie im ganzen Süden Rußlands, ſtets in Gefellfchaft von Melonen, Arbufen und Sonnen= blumen, auf Neuland ſtecken — bei uns in frifch rigoltem Weinberge — und wo fie prächtig gedeihen; wenn wir ung daraus, durch einfaches Kochen in Salzwaſſer, ein delifates

Frühſtück bereiten und die mit Butter und Salz beftrichenen

Dorf muß in der Nähe fein, um die Nahrung zu liefern.

Körner, twie der Landmann, durch herzhaftes Hineinbeißen vom Kolben ablöfen, jo behagt uns der Gedanke, daf mit

Auch könnten jene an das heiße Küftenflima Gewöhnten die Falten Nächte in ſolchen Luftballonsregionen nicht er—

Nationen als Hauptnahrung dient.

tragen. Sch mußte deshalb mein Lager in geringerer Höhe aufichlagen. Schließlich habe ich es doch beſſer bei einem einzigen Tyrannen, bei meinem edlen Mandara, als ganz unten bei den habgierigen und aufeinander eifer— füchtigen Häuptlingen in Taveta oder bei den Mafai. Ihm imponterte ich gewaltig mit meinem Schreiben vom Konful Kirk; er behandelt mich befjer al3 meine Vorgänger.” Zum Schluſſe meines Rückblicks feien noch zwei wich⸗ tige afrikaniſche Forſchungsexpeditionen hervor— 1 Siehe „Ausland“

1884, Nr. 8, S. 159.

uns Taufenden diefer ſelbe Mais

gut fchmedt, ja ganzen

Der krimſche Südfüften-Tatar mischt Maismehl zum Weizen und Roggen, daraus fein Brot zu machen, während die unter den Gebirgs:Tataren lebenden Griechen das Maismehl mit Gerfte gemischt zum Brot benüsen. Der Gebirgs-Tatar folben einfah

beliebtes

felbft aber kocht, gleich ung, die Maisin Salzwafjer ab und verzehrt dies fein

Lule mit Wohlgefallen

Kolben auf der Pfanne,

oder röftet die ganzen

daß der Same

knallend fpringt

— ein Gericht, das mit Nofinen, Bohnen und Erben die gleid) beliebte Churmä bildet. Der Tatar der Krim baut und verivendet viel auf den ſpitzen amerikanischen Mais, backt

Der

ihn zur Grüße und ißt diefe mit Milch, wie wir es mit dem Buchweizen thun, und der Gutsbeſitzer in feiner Mitte macht befondere Liebhaberei aus Maisgrütze in ausgehöhlten Kürbiffe, mit deſſen Innerem gekocht, und mengt den ganz Heinen Mais in Biccoli, die er den Stalienern abgeſehen,

und ißt die jungen Kolben in Eſſig eingemacht als Deli— kateſſe. Der deutſche Koloniſt, unſer Nachbar in der Krim, baut den Mais vorherrſchend als Futter für die Schweine. Hie und da jedoch, in den Kolonien zwiſchen Sſimferopol und Karaſſubaſar (Friedenthal, Roſenthal, Neuſatz ꝛc.) be—

nutzen die Bauern den Mais nicht nur als Schweinefutter. Die Wirtin weiß daraus verſchiedene Suppen zu machen,

Maismehl mit Milch zu bereiten oder mit Schweinefett; kocht Maisbrei und macht, wie dort die Tataren ihren Hirjermaläj machen, Mais-maläj, wozu fie Eier und Butter und ſonſtige Ingredienzien thut. In den Faufafifchen Provinzen Imeretien, Mingrelien und Öurien, wo weite Maisfelder ſich aneinander reihen, jpielt der Kufurus eine der Hauptrollen in der Nahrung dev Menfchen wie der Tiere. Pferde und Kühe werden

vornehmlich mit dem Stroh des Mais gefüttert. Das Volf ißt den Kufurus als Kolben in Salzwaſſer gekocht und badt aus dejjen Mehl bie und da Brot, während folches übrigens meist durch eine fteife Grüße aus Gomi (Sorgho) erſetzt

wird, das gleich der Mamalyga der Moldauer bereitet und genoſſen wird. Dieſe Mamalyga ladet uns nach Beſſarabien ein, wo der Moldauer dieſe aus Maismehl in Waſſer in einem Keſſel auf einem

über Kohlen

geſtellten Dreifuße

kocht.

Sie heiß darausnehmend, verzehrt er dieſelbe ſofort beim Mahle als Brot zum übrigen Eſſen, indem er ſie in den Händen feſter knetet. nahrung der Tiere.

Blätter und Stauden

Der Mais iſt in Beſſarabien Haupt— Ochſen und Pferde bekommen die

und

ſie freſſen ſolche wegen

des

vielen darin enthaltenen Zuckergehaltes außerordentlich gern. Die Ochſen werden fett darnach und die Kühe geben

die beſte Milh. Das Geflügel mäftet man mit den Körnern, und es wird außerordentlich ſchmackhaft nach diefem Futter,

Mais.

und Eier zugethan

von Mais.

der Moldauer feine Mamalyga in Belfarabien an und badt in der Buttertvoche feine Bliny (Fladen) aus Maismehl. Treten wir über die ruffifche Grenze hinaus, fo fehen

wir den Moldauer daheim den Mais auf die mannigfaltigfte Weife genießen. Er röftet ihn in Afche, er kocht im Waffer

Das Wolf badt

auch Brot

nennt den Mais Popefcho, !

Wir haben hier bezeichnet, daß auch des Walachen

Benutzung des Kukurus fi) auf die Mamalyga konzentriert. Beim Landmanne Bosniens befteht die Nahrung

vornehmlich aus Maisfuchen, der Bolenta der Italiener und der Mamalyga der Walachen.? In Albanien wird in der Ebene Getreide gebaut, in den Gebirgen erſetzt man es durch Mais, aus dem die

Albaneſen ein ausgezeichnetes Brot zu backen wiſſen. Der Montenegriner bereitet ſeine Polenta, eine der Mamalyga ähnliche ſteife Grüße, die oft fo hart iſt, daß fie, in Stücke gejchnitten, als Brot gegeſſen wird‚3 und der Italiener, ebenfo aus reinem Maismehl, Kleine runde Brote, die in den Städten verfauft, des Morgens von den Arbeitern zum Branntivein oder mit gebratenen Spedjchnitten genofjen tverden. In Waſſer gefocht, gibt das Maismehl den armen Volfsklaffen Italiens ihre Polenta,“ die fie als tägliches Brot genießen. (In Venedig wird das Pfund zu 21%, bis 3 Kreuzer verfauft.)

Der

Ungar

bereitet

feine Malé-Kuchen

und der

Siebenbürger feine einfache Landesfpeife, den Palufes, aus Maismehl. Diefer Balufes, ein Brei aus Waſſer und Wälſchkornmehl, wird auch von den dortigen Sachſen (Deutſchen) gegeſſen. Spanien. Der ärmere Bewohner genießt ſeine ſüßen Kaſtanien, ſeinen türkiſchen Weizen, ſeine Zwiebeln in rohem Zuſtande, denn zum Heizen hat er nur die geringe Menge Maisjtrob.?

Daß der Bauer Frankreichs

in der Mais-Negion

(fiehe Kapitel „Kultur”) feine Nahrung aber zu fehr auf dieſes Hauptproduft feiner Heimat beſchränkt und folches jomit jchlechte Folgen nad) fich zieht, beweifet ung das Schriftchen „Krankheiten unter dem Volke Frankreichs be dingt durch die ausfchließliche Ernährung vom Mais” in ruſſiſcher Sprache.

Wir wollen nur verzeichnen, daß der Mais auch in

Der Kleinruſſe fertigt feinen Maläj ganz ebenfo wie

ganzen Kolben

werden.

Der Moldauer

und dieſer bildet die gewwöhnlichite Getreideart der Moldau wie der Bukowina zwifchen der Pruth nnd Seret.

das ihm jelber fo wohl ſchmeckt.!

den

997

und bejtreicht

fie darauf

mit Butter, ja fagar roh lieben ihn viele, fo lange er noch jung und mildig ift. Das Hauptefien, welches die Mol: dauer aus dem Mehle des Korns bereiten, ift, fo weit die

rumänifche Zunge reicht, die berühmte und allgemein ge nofjene, hier ſchon befprochene Mamalyga, die ſchmackhaft zu nennen iſt, wenn ihr von der gejchiekten Wirtin Butter I Kohl, „Reifen in Süd-Rußland“.

Teil LI,

Irland

ein wichtiges Nahrungsmittel iſt. *

Amerika.

Der

*

Mais

*

iſt das

pflanzliche

Haupt—

nahrungsmittel der Indianer von Nordamerika. 1 Ebenda. 2. Johann Roskiewicz,

„Bosnien,

Herzegowina,

Raſchina.“

1868.

3 Trojanskij, „Bemerkungen eines Neifenden durd Dalmatien und Tſchernogorien Montenegro)”. % Polenda (sie), heißt's in einem italieniſchen Wörterbuche, jei ein Brei aus Kaftanienmehl. Die Polenta ift dem gebadenen Reife ähnlich, einer namentlich im katholiſchen Deutjchland häufig vorkommenden Faſtenſpeiſe. Häufig wird die Polenta auch aus bejonders dazu vorgerichteten Kartoffeln bereitet. (KonverfationsLerifon.) Kaftanienbrot heißt italienifch Castegnaceio. -

5 Zimmermann, „Urwelt“,

938

Der Mais.

Die nordamerifanischen Yandleute, erzählt uns Fleiſch— mann,!

genießen das Wälfchlorn

in mancherlei Zubereit-

Salz, Zuder

oder Syrup, auch etwas Muskatnuß

ungen, von denen einige als Xieblingsgerichte des Volkes

Surrogat zugefegt werden.

jelbjt auf die üppigften Tafeln kommen. Noch unreif, ſo— bald die Körner einen ſüßlich milchigen Saft enthalten, focht man fie in Aehrenkolben einfach bloß in Wafjer ab

und Ziviebad werden

und verzehrt jie warm mit ein wenig Salz und Butter. Diefes unter dem Namen Grün: oder Warmkorn (Green Corn, Hot Corn) beliebte Gericht wird in den Städten jogar auf den Straßen feilgeboten. Neifes Korn wird in heißem Sand verpufft, wobei die äußere dünne Schale beritet und das Innere gelind geröftet wird; man zer: ftampft es dann in Mörſern und hebt diefes gedörrte grobe Mehl zu fchmadhafter Zubereitung auf. Diejes

als

Gewürz und gereinigte Pottaſche (Sal aëratus) als Hefen-

Verſchiedene Arten von Brot

aus Wälfchfornmehl mit oder ohne,

Zuſatz von Weizen: oder Noggenmehl gebaden, wobei an manchen Orten, two feine Hefe zu haben ift, die geveinigte Pottaſche deren Stelle vertreten muß.

man

Aber jelbit da, wo

gute Hefe leicht befommen fann, benügen die Eins

twohner

die gereinigte

Pottaſche twenigitens

als Zuſatz,

weil dadurch das raſche Aufgeben des Teiges bewirkt wird, welches

bei den

weit mehr nahrhafte Teile enthaltenden

nordamerifanischen feineren Mehlſorten öfter nötig wird. Man rührt den Wälfchforn-Brotteig entweder bloß mit Waſſer und etwas Salz an, over auch mit jaurer oder

Röſt- oder Puffkorn (Parched Corn, Puffing Corn) ent: widelt bei der Behandlung mit heißem Sande durch Zer:

ſüßer Milch.

jtörung des öligen Beftandteil3 eine Menge gefohltes Waſſerſtoffgas, das in der Hite mit Knalleffekt verpufft. Dan fann auch in gewöhnlicher Pfanne Wälfchforn mit etwas Salz und Butter über tüchtigem Feier röften und verpuffen laſſen und warm verfpeifen. Durch das heftige Herplagen beim Nöften gehen viele Körner verloren; man bedient fich deshalb der Büchfen von Draht, in welchen man das Wälfchforn unter beftändigem Nütteln über dem Feuer röftet.

fneten Zuder oder Syrup hinzu und thut mehr oder weniger Eier daran. Xeute, die das eigentümliche des

Ein von den Indianern entlehntes Gericht „Succo— taſch“ iſt bei den Landleuten fehr beliebt; es befteht aus noch unreifen Körnern, die mit gefalzenem Schweinefleisch, bisweilen noch mit grünen Bohnen und Weißfohl, durch— einander tüchtig gefocht werden; Salz, Butter und Pfeffer fommt kurz vor dem Anrichten noch als Würze dazu. Im

Winter

wird diefes Gericht durch Einweichen des reifen

Korns im heißen Waſſer, bis die harten Hülfen berften, mit Zuſatz von getrodneten grünen Bohnen oder anderem Gemüſe bereitet. „Samp“ ift eine Zubereitung der durch Einweichen enthülften Körner, die in einem Mörfer zu Drei zerrieben und mit Milch, Butter und Zucker oder Syrup gekocht werden. Nimmt man ftatt der Körner

gröbere oder feinere Wälfchforn-Grüge und kocht diefe zu einem ziemlich fteifen Brei in Waffer mehrere Stunden lang, jo hat man das beliebte Frühmahl oder Abendgericht „Homminy“, welches mit Salz und Butter ange: richtet, auch wohl mit Milch nach Belieben verdünnt ver: Ipeift wird. Auch benust man die Wälſchkorngrütze zu Milch- oder Wafferfuppen, die durch Zuſatz von Zucker und Zwieback ſchmackhafter gemacht werden können. Aus dem Wälfchfornmehl werden ferner mehrere Arten Pudding zus bereitet, wie der „Schnell-Pudding“ (Hasty Pudding,

Stubborn, Stirabont,

Mush, Api),

ein der italienischen

Polenta ähnlicher Brei, welcher, mit Butter gebaden, den jogenannten Fried Pudding gibt; der indianifche Pudding, Suffolk Pudding und Prescott Pudding, iſt eine Nische ung don Maismehl und Milch, welcher Butter, Eier, | „Der amerifanifche Landwirt.“

Man

jest, wenn

feinere,

Fuchenähnliche

Sorten von Teig verlangt tverden, dem Teig beim Durch—

indianischen Korn-Gejchmades einigermaßen gewöhnt find, | ziehen Brot

aus Maismehl

dem

aus anderem Mehl ge

badenen vor. Daher hat die nordamerifanische Kochkunſt und Badfunft diefen Zweig mehr als andere ausgebildet, während die Transatlanten in den fonftigen Bereitungen ihrer Speisen hinter anderen Nationen zurüditehen. ! In Louifiana wird der Gombo, d. h. der zer: itoßene Mais, in Milch und Wafjer zu dider Brühe ges

kocht; der Petit-gru

in größeren Körnern wie geriebene

Gerfte zerrieben und mit wenig Waffer, mehr geröjtet als gekocht, und die Sagamite in noch größere Stüde ges

jtoßen und in Waffer gekocht.

Der Homony

(sie) ijt

auch in Louifiana der aus Wälſchkorngrütze gefochte Brei eine Lieblingsfpeife der Neger.?

In ganz

Merifo

werden Mais-Fladen (galeties)

auf einer Eifenplatte (Pfanne) gebaden, und „Tortillas‘

genannt, als Brot gegeſſen. In Peru find die Choclos unreife, aber nicht mehr milchige Kolben, die nur in heißem Waſſer gar ges focht werden; fie find ein ebenso angenehmes als gejundes Ejjen. Mote find reife Maiskörner, die im Wajjer ges

jotten und dann in heiße Ajche gelegt werden, wonach die Hülfe fich Leicht abjtreifen läßt. Wie der italienische Ar— beiter zu feinem Maisfuchen Spedjchnitte zubeißt, jo ver verbindet der Limeno in feiner „Dagua“ Maismehl mit Schweinefleifh, das gleich dem „Zango“, aus ähnlichen Sngredienzien bejtehend, zu den Gerichten „„Picante“?

ges

hört, worin denn viel Spanischen Pfeffers vorkommen muß, gleichtvie in feinem „Tamal“, auch einer Art Kuchen aus Fleiſchmann, „Dev amerikaniſche Yandwirt“. S. 135—187. 2 Gerftäder, „Bilder aus der weftlichen Hemiſphäre.“ 3 Gabriel Ferry, „Voyages et aventures au Mexique.“ 4 Alle PBicantes jehen rot aus, da der Aji (fpanifcher Pfeffer, Capsicum baccatum, Aji mirasol) ſchön rot färbt und überdies die Körner von Achota, die eine jehr intenfive Mennig-Farbe geben, dieſen Speifen beigejett werden,

Der Mais.

feingeftoßenem Mais, in den etwas Schweinefleifch gelegt

wird.

Das ganze iſt in Maisblätter gewidelt.

(Die Ber:

fäufer diefer Kuchen heißen Tamaleros.) Der „Puchero“ in jeiner vollkommenſten Form enthält: Rindfleiſch, Schweine: fleisch, Sped, Schinken, Wurft, Geflügel, Kohl, Yukkas, Komotes (eine Art Kartoffeln), Kartoffeln, Reis, Exbfen, Choclitos (unreife Maisfolben), Quitten und Bananen, Zuerft werden das Fleisch, die Bohnen und der Neis auf ‚das Feuer gefegt und nachher die Gemüſe, je nachdem fie mehr oder iveniger gahr werden, in den Topf geworfen,

Ber Tiſch wird das Fleisch in einer, das Gemüſe in einer anderen

Schüfjel

getragen.

Außerdem

ißt der Limeño

füge Maiskuchen mit Nofinen, was er „Omitas“ nennt und füßen Maisbrei, „Masamorra“, zu den Süßigfeiten, dulces, gehörend, und jtatt des Brotes wird por jeden Gaſt eine Portion geröfteten Mais, „Cancha“, in einer Kürbisjchale bingeftellt. Diefe Cancha bildet eines der Hauptnahrungsmittel der Puna-Indianer

in Beru,!

Die Chaymas-Indianer in Venezuela füllen einen großen Teil ihrer Zeit mit Zubereitung der Nahrungs: mittel aus, da fie die anjtrengende Arbeit des Mais-Stoßens

in Holzmörfern, ſowie das Zerreiben zu Brei zwischen Steinen und dann die Fertigbereitung des beliebten ArepaMaisbrot ſelbſt beforgen müfjen.? Auch in der Provinz Minas Geraes Sid-Brafiliens bildet der Mais die wichtigfte und ausgedehntefte Kultur.

Es iſt das unentbehrlichite Nahrungsmittel für alle Schichten ter Bevölkerung, das Michtigite Futter für Pferde und Maultiere. Sein grobgejtoßenes Wiehl (farinha de Mais)

vertritt die Stelle des Brotes, indem der Mais im Waffer gemweicht, dann in Stampfmühlen grob geftoßen und in einer

weiten eifernen Pfanne über Feuer gedörrt wird.’ Der Gaucho der Argentinifhen Republif, der

das Brot meijt nur dem Namen nad) fennt, benußt öfters jtatt deſſen als Zubiß beim Eſſen Grüße aus Maisförnern gefocht, „ma amorra“ genannt, * gleich den Tortillas des Merifaners und der Mamalyga des Moldauers,

Ebenso wiſſen wir von dem Nraufaner:Volfe, von

939

Vielfach jehen wir hüben und drüben den Mais zur

Bereitung von Branntivein vertvendet

oder aber zu einer

Art von Bier. Der befannte „Whisky“ (Uisge, das feltifche Wort für Wafjer, wie das ruffiiche wödka, Branntwein, von woda, Waſſer, fommt) der Nordamerifaner wird aus Weizen, Roggen oder Mais gemacht. ! Aus dem Zuderfaft oder Eyrup, der aus den Stengeln der Maispflanze gepreßt wird, bereitet der Merikaner ein beraufchendes Getränf, welches „Pulque de Tlaeilli* over „de Clais* auch „Maquewein“ genannt wird.? Gleich ihm zieht der Limeño (Beivohner Limas) eine Art Bier daraus, „Chicha” genannt, indem er die Körner befeuchtet, fie Feimen und an der Sonne dörren läßt, dann fie zerftampft, in Wafjer focht und der Gährung überläßt, wonach die Flüffigfeit gelb und trübe ausfieht und einen etwas bitteren, ſcharfen Gefchmad hat.? Der Croates-Indianer in Brafilien bereitet, gleich dem Anwohner des Orinoko- und Amazonen-Stromes,t aus unreifem Mais ein beraufchendes Getränk. Die Weiber kauen die Körner und werfen dies unappetitliche Mach: werk in ein großes ivdenes Gefäß, die Weingährung tritt bier bald ein und dann ift dasselbe fertig. Mit Schalen aus Kürbis oder Kokos ſchöpfen fie ſodann davon.> Aehnlich mag wohl der Gefchmad des afrifanifchen Betſchuanen-Bieres wie die Bereitung desfelben fein. Das aus dem Kaffernforne (Sorghum caflrum) von den Frauen bereitete Bier ift Schwach, trübe und rötlichegrau, aber bei den Eingeborenen, den Betichuanen, fehr beliebt. Sein Genuß gehört zu den ſchönſten Vergnügen der Betfchuanen, welche ſonſt darin fchlecht beitellt find. Der Türfe mie der Tatar macht jeine Bufa auch aus Hirfe. Aber auch in Europa wird PBranntwein aus Mais bereitet. Nicht nur Italien und Mingrelien haben ihre Maisbranntwein=-Brennereien (in Stalien wird folches Getränk als „Bier“ getrunfen), jondern auch die Oſtſee—

Provinzen Rußlands.

In Lıbau findet der Mais-Import

zum Zweck der Spiritusfabrifation jeit längerer Zeit ftatt.

den Tupi- und Guarani-Völkern in Brafilien,d von einigen

Man

Bampasvölfern (Lenguas, Mbayas, Tobas) in Südamerika,‘

fommt als anderes Getreide. Der Preis von gutem amertfanifchen Mais ftellte fich 1880 loco Libau auf 115 bis 116 Kopefen pro Bud, Noggen dagegen auf 158 bis 168 Kopefen pro Bud.” Sonſt wird in den Oſtſee-Pro— vinzen der Spiritus vorherrſchend aus Kartoffeln gebrannt (in Skandinavien aus Korn vie aus Kartoffeln). Bei

wie von den Karaiben

von Südamerifa,d

auf den Antillen und im Norden

daß fie den Mais neben anderen ſüd—

lihen Nahrungspflanzen

bauen. *

1 Tichudi,

„Veru”.

* Zeil I.

;

2 Dr. X. Göring, „Die Chaymas-Indianer in Venezuela”, („Ausland‘ 1880, Nr. 22.) 3 Tſchudi, „Die brafiltaniiche Provinz Minas Geraes“. » Sonſt bereitet er ſich eine Art Brot aus dem mehligen Bohnenfamen

der

Algaroba

(Prosopis

duleis).

Burmeiſter,

„Reife dur die Ya Plata-Staaten” ꝛc. 5 Baumftark, „Die Boltswirtichaft nach Menſchenraſſen, Volks— ſtämmen und Bölfern.‘ 6 ibidem. 7 ibidem,

8 ibidem,

bat berechnet, dag Mais hiebei billiger zu ftehen

1In England und Schottland wird er aus Gerjte, in Ir— land aus Gerfte und Hafer gemacht. Der fhottifhe Whisky ift der beſte. „Kaufmanns-Lexikon.“ 2 Schleiden, „Kaufmanns-Lexikon“. 3 Tſchudi. Man maht auch Chicha aus Weis, Erbſen, Gerſte, Yukkas, Ananas oder von Brot, 4 Schleiden, „Die Pflanze und ihr Leben“, 5 Bolmar, „Gemälde der Tropenwelt“. 6 „Die Betſchianen“ (sie), „Globus“ 1876. 4 und 5,

7 „Neue Dörptiche Zeitung”. November 1880,

940

Der Mais.

der vorjährigen (1883) Kartoffel-Mißernte in Eſtland ge rieten nämlich die Brennereibefiger, je weiter das Jahr borrücte, in eine immer prefärere Situation und mußten ſich ernſtlich nach Erfagmitteln für die in den Brennereien vorzugsweiſe verivertete Kartoffel umſehen. Da einerfeits auch der Noggen 1883 qualitativ nicht befonders gedichen, andererjeits die Maisernte im Süden des Neiches eine fehr gute geivefen, durfte fich der Mais als das beite Surrogat für die Kartoffel, dem wichtigſten baltischen Snduftriezweige, dem Brennereiweſen, empfehlen. Um diefem Bebürfniffe entgegenzufommen, hat die Verwaltung der Baltifchen Bahn

einen Spezialtarif

mit

vereinbart, wonach

für die Dauer

diejes „Jahres 1884 von Maistransporte

nad Neval

und

der

Roſtow-Wladikawkas-Bahn der eriten

8 Monate

einigen Stationen diefer Bahn

in vollen Waggonladungen

den übrigen Stationen

auf Brot in den Dftfee-Provinzen lebhaft in Schwung. Da der Roggen ſehr hoch im Preife ftand, Ließ man Mais kommen und machte Verfuche, ihm zu Brot zu verwenden. Während, wie wir oben gefehen, jenfeit des Ozeans viele Völter das Maisbrot genießen und e8 für gut befinden, erklärt das anfpruchsvollere Europa, das Maismehl jei für ſich allein zum Brotbaden nicht tauglich, da es zu wenig Stleber enthält, aber mit 1; Noggen= oder Weizenmehl vermengt, liefere es ein nabrhaftes und mohlIhmedendes Brot. Bei den unerſchwinglichen Kornpreiſen fam e3 dem Landvolke der baltifchen Provinzen hart an, ji) an das fremde Korn zu machen, doch erfuhren wir bald, daß als dritter Teil beim Roggen ihnen diefes quasi Maisbrot ganz liebfam wurde. Auch verabfolgten die Dorpater Bäder angeblich das Pfund Brot zu 33/, Kopefen, darin eine Beimifchung von zirka 50%, Mais beigegeben,

welches an Geſchmack und Ausfehen nichts zu wünfchen lief. Nah Herin ©. v. Sievers in Kerjell wird das Maisbrot mit kochendem Waffer eingefäuert, nach zirka 12 Stunden werde wiederum Fochendes Waffer zugegoffen, dann wieder der Teig gefmetet und nad etiva 12 Stunden gebaden, ganz nad demjelben Verfahren, wie e8 die Hausfrauen bei dem gewöhnlichen „gebrühten Brote“ anzuwenden

pflegen. Solches Maisbrot fei ein überaus ſchmackhaftes, geſundes und auch von denen gern genofjenes Brot, die

,Neue

Polnisches Lied 2.0: Buzow,Breis 1 Ak, weisung franco, ist bereits in Breslau so populär, dass

die Melodie ‚auf der Strasse gepfiffen wird“; lange hat keine Composition eine so glänzende Aufnahme gefunden. Die Ausstattung ist elegant.

HEINR.

wie das baltifche

CRANZ,

BRESLAU.

Veuer Derlag der 3.6. Cotta'ſchen Buchhandlung in Stuttgart,

Der Sudan und der Mahdi. Das Land, die Beiwohner und der Anfitand des falſchen Propheten. Bon

Richard

der Baltifchen

Ebenſo kam 1880 und 1881 die Maisfrage in Bezug

jo zähe hängen,

Die in meinem Verlage erschienene Clavierpiece ® . a von OC. Burow, Preis. 1 Mk.

zu 610 Bud

Bahn für rund 300 Rubel (mit Einfchluß der Zahlungen für das Ein- und Ausladen ꝛc.) befördert werden konnten; der Transport von Mais hierher hätte ſich nach dieſem Modus mithin auf nicht volle 50 Kopeken pro Pud geſtellt.!

am Althergebrachten Landvolk.

Anzeigen.

50,

86 Seiten.

Buchta.

Mit zwei Karten und drei Abbildungen.

U. 1.20 Of.

die „Allgemeine Zeitung“ (mit wiſſenſchaftlicher Beilage und Handelszeitung)

—û— ſfrüher in Augsburg erfchienen = it in Deutichland und Oeſterreich durch Die Poitanjtalten für 9 Mark vierteljährlic (6 ME. fiir die 2 legten Monate, 3 M. für den lebten Monat des Ouartals) zu beziehen. Preis bei directer Berjendung unter Streifband monatlic 4 Mark (M. 5. 60 für die anderen Länder des Weltpoftvereing).

Quartalpreis beiwörpentl. Derfendung im Weltpofverein M.12. Probenummern

Leitartifel,

nebjt neueſtem Onartal-Regifter

gratis,

wiſſenſchaftliche und handelspolitiihe ſätze 20. 20. in Nr. 314 bis 320,

Auf:

Die Erfolge der Socialdemofratie. — Die Thronfolge in Braunjchweig. — Aus den Vereinigten Staaten von Nordamerifa. — Der preußiſche Staatsrath. (1) — Die Errichtung einer Golonialarmee in Frankreich und von Specialtruppen für Afrika. — Das Bündniß zwijchen Defterreich-Ungarn und dem Deutjchen Reiche. — Gewerbepolitiihe Strömungen in Defterreih-Ungarn. Aus und über Welt-Afrita. — Geift und Form im Sonett. Yon W. Bormann. — Zur Svolutionslehre in Amerifa. Von E. P. Evans. — Das böhmiſche Muſeum. — Ueber die Schiller-Ausſtellung im großherzoglichen Muſeum zu Weimar. — Der Congo. (.—I.) — Eine neue deutiche Geſchichte. — Erinne— rungen an Theodor X. W. dv. Biſchoff. — Kiünftleriiches aus Defterreih. Von W. Lübke. — Epilog zur Feier des 25jährigen Beſtehens der deutſchen Schiller: Stiftung. Von J. Groſſe. — Zur franzöſiſchen Romanliteratur. — Schiller und die deutſche Schiller-Stiftung. Bon Prof. Dr. M. Yazarus. — Zur Entwidlung des gelehrten Unterrichts in Deutjchland. Handels, Bank- und Börjenzuftände in Frankreich. (Berforgung des Deficits. — Statiftiihes. — Geldftand und Silberwährung.) — Volkswirthſchaftliches aus Rußland. — Die öſterreichiſche Valuta-Anleihe und die Börſen. — Lyoner Seidenhandel und Seideninduſtrie im Jahre 1883. — Der Jahresabſchluß der Dortmunder Union,

Anfträge fir Streifbandfendungen an die Expedition in Münden,

| Neuer Verlag der J. 6. Gotta'schen Buchhandlung in Stuttgart.

Geschichte des Zinsfusses in Deutschland seit 1815 und die Ursachen seiner Veränderung. Von der staatswirtschaftlichen Fakultät der Universität München gekrönte Preisschrift.

Dörptſche Zeitung“ 1884, Nr. 7.

Von

Dr. 80.

VII

Julius und

Kahn.

247 Seiten.

Druck und Verlag der 3. ©. Cotta’fehen Buchhandlung in München und Stuttgart.

M.6. —

Mas Ausland. Wochenſchrift fir Sander: und Dölkerkunde, unter

Mitwirkung

bewährter

Fachmänner

herausgegeben

von

der

J. G. Cotta'ſchen Buchhandlung in Stuttgart und Münden. Siebenundfünfzigiter Jahrgang.

Ar. 48.

Be

|

Stuttgart, 1. Dezember.

1884.

Jährlich 52 Nummern A 20 Seiten in Quart. Preis pro Quartal M.7. — Zu beziehen durd alle Buchhandlungen des In- und Auslandes und die Poſtämter. — Sn er Exemplare von Ka ar einjchlägigen Litteratur find direkt an Herin Dr. Karl Mitller in Stuttgart, Kurzeſtraße Nr. 6/11, zu jenden. —

Suhalt: 1. Die Auswanderungsfrage in Rußland. Im Zufammenhang mit den allgemeinen wirtſchaftlichen VBerhältniffen. Bon Dr. Eduard Petri (Bern). ©. 941. — 2. Koloniale Zuftände in Surinam. ©. 944. — 3. Neifeffizzen aus Aegypten und dem Sudan. Bon Franz Xaver Geyer, Apoftol. Miſſionar in Kairo. (Fortfegung.) ©. 946. — 4. Forfhungen in Grönland, Bon Edward Whymper. (Schluß) III. ©. 951. — 5. Nod einmal Betjchuanenland. ©. 956. — 6. Der Mais, (Fortfetung.) VI. S. 97. — Durch Eis verurſachte Erofionen an den Ufern der Baie des Chaleure. — Drudfehler. ©. 960.

Regierung, die anderen appellieren an die —

Die Auswanderungsfrage in Rußland.

und Selbftthätigkeit der Maſſe. |

Im Zuſammenhang mit den allgemeinen wirtſchaftlichen Berhältniffen.

Derartige Widerſprüche lafjen fich leicht darauf zurüdführen, daß die jtreitenden Parteien,

ohne fich je auf bie

Die Auswanderungsfrage läßt fich nicht mehrignoriren. Sn der Natur diefer Frage aber, infofern fie als

tieferen Grundbedingungen diejer Frage einzulaffen, ihr Urteil unter dem Einfluß ihrer durchaus verfchiedenen und unvereinbaren jozialen Anjchauungen und Beftrebungen abgeben.

Symptom allgemeiner fozialer Verhältniſſe erjcheint, liegt e3, daß fie zu den verjchiedentlichiten und veriworreniten

Die Ausivanderung ift jedoch Feine Einzelericheinung | im fozialen Leben der Völker, Sie iſt ein Symptom all-

Anschauungen Anlaß gibt. Wenn einerjeitS mit Eifer darauf hingewieſen wird, daß der Staat durd) die Auswanderung unerjegliche Ber: luſte erleide, indem ihm, namentlich wenn der Auswander— ungsjtrom ſich fremden Ländern zumendet, die Arbeitsfräfte der Auswanderer, jowie das Kapital, das die Aus: anderer mit fich führen, entzogen werden und das den Auswanderern in ihrem unproduftiven und fchugbedürftigen Alter in der Schulbildung und den öffentlichen Einrihtungen vorgejtredte Kapital verloren gebt, jo expliziert man andererſeits mit Befriedigung, daß die Auswanderung eine

gemeiner ſozialer Verhältniſſe. Yebtere find die Grund: bedingungen, nach welchen fich im gegebenen Falle Urjachen und Wirkungen, Ziele und Erfolge der Ausivanderung geltalten.. Der Charakter der Auswanderung eines Volfes it Fennzeichnend für die joziale Entwidelungsftufe und die geiſtige ſowie auch ökonomische Spannfraft desfelben. Aus dem eben Sejagten ergiebt es fich, daß es feines: wegs unsere Abficht jein fünnte, die Auswanderungsfrage vereinzelt an dem allerdings nod nicht abgedrofchenen ruſſiſchen Beiſpiel durchzuſprechen. Wir beabfichtigen lediglich, den Leſer in das wenig bekannte Gebiet der

Bon Dr. Eduard

Petri (Bern).

|

|

ſegensreiche Erſcheinung ſei, ein Schuß gegen „Uebervölfere ung“ und nicht nur ein Auffhub in der Löfung der jozialen Frage, jondern ein wefentlicher Beitrag zur Löſung diefer größten und fchivierigften der Fragen felber. Die Einen wollen der Auswanderung Schranken jeßen; die Anderen fie begünftigen, die Dritten der Sache ihren Yauf gewähren, der ihr durd die Umftände zufommen fönnte, Die Einen fordern ein Einfchreiten der einfichtsvollen Ausland

1884, Nr. 48,

ruſſiſchen Auswanderungsfrage einzuführen, weil uns die— |

|

jelbe mancherlei Anhaltspunfte zu einem tieferen Vers jtändnis der öfonomischen und politischen Lage des großen Reiches bieten wird. Im Gegenſatze zu dem befannten Yande, das zwar jelber feine eigenen Kolonien, wohl aber eine außerordent— lich umfangreiche und jchöne Yitteratur über die Kolonijationsfrage befigt, liefert uns Rußland nur ungenügende 3

142

949

Die Auswanderungsfrage in Rußland.

Berichte über die Kolonifation feiner unermeßlichen Role:

nialgebiete in Ajien und über die Auswanderungsverhältnifje im europäifchen Rußland überhaupt. Das Zuftandefommen einer Litteratur über dieſe Stage war in Rußland bis auf die leßte Zeit hin ſchon durch den Umstand erfchiwert, daß man der Auswanderung in Rußland wenig Bedeutung beilegte. Die Auswanderung, die ſich mehr in Form einer Ueberfiedelung im Innern des Landes felber, in einer Bewegung von Meft nad Dft vollzog, hatte an ſich wenig Auffälliges und wurde zudem

von der Regierung offiziell nicht anerfannt ! und theoretifch

wenigſtens in erdenklichſter Meife gehemmt. Bei einer derartigen Auffaffung der Auswanderung konnte von einer Statiftit über dieſelbe keineswegs eine Rede fein. Mit Recht fagt der ruffifche Oekonomiſt Prof. Sanfjon:?

„Es gibt wohl faum eine andere Seite in unferem Volks— leben, die fo wenig erforfcht wäre, wie die Auswanderung.” Ein Ausſpruch, deſſen Vollwichtigfeit wir ermefjen fönnen, wenn mir uns erinnern wollen, wie wenig die übrigen Seiten des ruſſiſchen Volkslebens, mit denen ja die Aus— twanderungsfrage ſtets und untrennbar verfnüpft it, jtudiert worden jind. Ueber die Auswanderungsftatiftif äußert ſich ein zuverläffiger Kenner ver Auswanderungsverhält: nifje in Rußland, Rojew,? folgendermaßen: „Genau genommen haben mir gar feine Statiftif über Auswanderung”. Achnlich drückt ſich ein anderer Kenner diefer Frage, der durch jeine ſibiriſchen Studien rühmlichjt bekannte Jadrin— gem i aus: „ES ijt eigentlich geradezu unmöglich, den Strom der Volfsbewegung zu beftimmen.” Erſt in neuerer Zeit hat ſich das Intereſſe der Forſche r dieſer bedeutungsvollen Bewegung zugewendet; auch die Tagespreſſe bringt mancherlei Beobachtungen zur allge— meinen Kenntnis; die Regierung ſelber ſteht von dem Ignorieren der Auswanderung ab und hat in vielen Hin— ſichten das Studium der Auswanderungsfrage durch En— queten und Kommiſſionen gefördert. Wenn jomit gegenw ärtig noch immer nichts Umfaffendes in Diefer Frage, namentlic in jtatiftifcher Hinficht, geleiftet ift, jo darf man immerhin den Berfuch machen, ein allgemeines Bild diefer Bewegung zu entiverfen. Ein hervorragendes Merkmal der ruſſiſchen Aus: wanderung haben wir bereit8 in dem Umfta nd berührt, daß die ruffiiche Auswanderung fi ſ. 3. I. im Innern des Landes felber vollzieht. Die Strömung diefer Bewegung In der Neform von 1861, der Befreiung der Leibeigenen, it die Auswanderung völlig überſehen worden, 2 Janfjon, „Verſuch einer ftatiftifchen Unterſ uchung iiber Landparzellen und Zahlungen der Bauern, Mit Beilage iiber die Maßregeln der Regierung in Bezug der Auswanderung.” St. Petersburg. 2. Aufl. 1881. ©. 31 der Beilage. (Ruffiich.) 3 Rojew,

Vortrag

in der Petersburger Geſellſchaft der Land—

wirte am 16. März 1882. 1582.

1882.

(Ruſſiſch.) » Zadrintzew,

Beilage zum „Golos“

„Sibirien

©. 137. (Ruffifch.)

als

Kolonie“.

St.

vom 15. Mai Petersburg.

| anfänglich nah

Nord

und

Oft, jetzt bauptfächlich nach

Oſt und Oſtſüd, war ſtets der Tendenz der Regierung, die eine Machtſtellung unter den Staaten des Weſtens an-

ſtrebte, zuwider.! Die ruſſiſche Auswanderung war durch⸗ aus ſelbſtändig ſchon von uralten Zeiten her. So hat ſie

ſich in ihren hiſtoriſchen Geſchicken

entwickelt und in dem

Volksſinn befeſtigt. Seit Jahrhunderten waren die Motive dieſer Auswanderung nicht etwa nur ein mangel nder Sinn

für Seßhaftigkeit, nicht nur

Bedürfniſſe

ökonomiſcher

Art, wie der Wechſel von Weiden und Feldern , ſondern

vor allem ein charakteriſtiſches

„Ausweichen“

vor dem

Drucke der Regierung, ein Beſtreben, das alte überlieferte Gemeindeweſen, den „Mir“? mit feiner rechtlic hen, auf der

Arbeit begründeten Inftitution, vor den Eingriffen der oft

von den beiten, dem Volksſinne aber widerſtrebenden Motiven geleiteten Regierung zu bewahren. Die Pioniere der ruſſiſchen Auswanderung waren die „Ukſchuiniki“, die „Wolnitza“, die freien Banden, die Koſaken , entlaufene Leibeigene, „Raskolniki“, d. h. die Sektiere r, die Altgläu— bigen, die am ſtrengſten an dem Gemein deweſen hielten. Alle dieſe bunt zuſammengewürfelten Elemente ſuchten Unterkunft und Freiheit in den Peripherien des Reiches,

fern von der moskowitiſchen Adminiſtration.

Reiſenden,

„Vor dem

vor dem Krieger ging in früheren Zeiten und

geht noch heute der Bauer und entdeckt und erobert Länder.“ „Durch die Art und die ‚Sfocha‘ 3des Bauern bat Ruß—

land feine Eroberungen gemacht.” Neußer ungen diefer Art, die uns in ruffifchen Schriften beftänd ig entgegen treten, find allerdings fehr charakteriftiich für die Geſchichte der Koloniſation des ruſſiſchen Nordens und Oſtens, für das allmähliche Verdrängen der finniſchen durch die ſlawiſchen Stämme. Oft pflegten dann die Kolonien ſelber freiwill ig ſich der zentralen Adminiſtration zu unteror dnen, um in ihr ſicheren Schutz und eine Vergrößerung der eigenen

Macht zu finden, oder aber, und das var der bäufige re

Fall, die Aominiftration hielt ih feſt an ihren Ferfen, und wenn dann die Kolonisten im Kampf mit den feind-

lichen Stämmen und der wilden Natur den Sieg davongetragen hatten, wenn die Kolonien geordnet waren und

in einem gewiſſen Wohlſtand

die „Sflugi Zarsfije”,

aufblübten, dann erfchienen

die Diener

des Zaren, und for-

derten im Namen des Machthabers Tribut.

Sibirien zeigt

uns noch heutzutage Beifpiele einer derartigen Koloni-

jation.

Die

fibirifhe Adminiftration

macht

ab und zu

namentlich im Süden erfreuliche Entdedungen von blüben-

Fürſt Waſſiltſchikow, „Laudbeſitz und Landba u in Rußland und den anderen europäiſchen Staaten.“ St. Petersburg. 1876. —— ? Siehe unſeren Aufſatz: „Die Gemeindewirt ihaft und der Bauer in Rußland“, „Aug. Zeitung“, 1883, Nr. 319, 3208 Abgedruckt in Schönberger'g „Börſen-Handelsber icht“. In erweiterter Form in den „Mitteilungen der Oſtſchw eizeriſchen Geo— graphiſchen Geſellſchaft“ 1884. _

3 Sſocha = ruſſiſcher Hakenpflug.

Die Auswanderungsfrage in Rußland,

den "und zahlungsfähigen

Niederlaffungen,

die oft vor

langer Zeit von Koloniften begründet waren, die ſich hier dor der Adminiftration zu retten gefucht hatten,! Sehr geläufig dem Wefteuropäer und auch in gewiſſen Kreifen Rußlands maßgebend it die Anfhauung, daß

die ruffifche Austvanderung fich in der Mehrzahl der Fälle

wenigitens auf einen Wandertrieb, auf das alte Nomadenblut der Bevölkerung zurüdführen laſſe. Daß der Oſtſlawe noch lange nicht „jeßhaft” geworden, glaubte man daraus folgern zu fünnen, daß das europätiche Rußland jelber noch außerordentlich Schwach bevölkert ſei; die Nachfrage nad)

Arbeitern im Süden ift eine enorme, namentlich zur Ernte:

zeit, ungeheure

Streden

fruchtbaren

Landes liegen unbe:

baut, der ruſſiſche Bauer hat durchichnittlich jo viel Land, daß er bei richtigem intenfivem

Anbau ſich jedenfalls in

guter Weile durchs Leben ſchlagen könnte. Dieje Folgerungen beruhen jedoch auf einer Unkennt— nis des ökonomiſchen Lebens, wie es ſich unter den ruſſi— ſchen Verhältniſſen geitaltet.

Trefflich bemerkt Profeſſor Janſſon:? „Wo es in der Wirtſchaft an Kapital und Wiſſen nicht nur mangelt, ſondern nahezu durchweg fehlt, dort geht die Wirtſchaft in die Breite und nicht in die Tiefe. Sie wird nicht intenſiv, fie bleibt extenfiv. Sonderbar aber nehmen ſich

die Klagen aus, daß das Volk in die Weite ftrebe, nad)

fruchtbaren Ländern fuche, die alten Ortſchaften aber nicht forgfältig bebauen wolle. Derartige Klagen ſprechen gerade ſo gut für eine Unkenntnis der natürlichen Geſetze der ſozialen Entwickelung, wie man die Grundurſache der

Auswanderung in einem Wandertrieb, der dem Volks— charakter eigen wäre, ſuchen wollte.“ Gern geben wir zu, daß dem Bauer in Rußland eine

Trennung etwa

von ſeiner Scholle leichter fallen möchte, als

ſeinem weſteuropäiſchen

Genoſſen.

Der

letztere iſt

an ſeine heimatliche Ortſchaft durch Tradition, durch Ge— ſchichte und Kultur gefeſſelt, wenngleich wir auch für ihn die Macht des nachgerade traditionell gewordenen Zuges „nach Amerika” gelten laffen müffen. Der ruffifche Bauer fonnte noch dor kurzem, vor der Befreiung der Leibeigenen (1861), ſtets deſſen gewärtig fein, daß er von feinen Herren an einen oder den anderen Ort, oft jogar getrennt von

943

Wenn wir aber nun auch in dieſer Hinſicht eine ge: wiſſe Leichtbeweglichkeit des ruffifhen Bauern gelten Iaffen & jo müfjen wir den tieferen Urfachen nachzugehen fuchen, die die Auswanderung bedingen. Leichtbeiveglichkeit ift feine Erklärung für ein Phänomen von fo großer Bedeut: ung und jo fompliziertem Charakter, wie das der Aus:

wanderung tft. Selbſt der Nomade folgt in feinem Wan— dern nicht etiva nur einer Gewohnheit, fondern der öfonom: iſchen Notivendigfeit, den Elimatifchen Veränderungen, dem Wechſel der Weiden u. dgl. m. natürlichen und unver: meidlichen Greigniffen, die das Wandern erfordern und zur Notivendigfeit machen. ragen wir uns vor allem danach, welche Klaſſe der Bevölkerung das hauptſächlichſte Kontingent zur Auswan— derung liefert? ES find das die Bauern und unter ihnen in übertviegender Menge die Armen, die Bedürftigen. Allerdings gibt es unter ihnen aud) Reiche oder Bemittelte, ! die ſich durch die vielgepriefene Freiheit und die legen— darifchen Neichtümer Sibiriens zur Auswanderung haben verloden lafjen; ja, wie ein zuverläfftger Forfcher? mitteilt, it das Beilpiel des reichen Bauern, der ſich zur Auswanderung „aufhebt”, außerordentlich anſteckend. Immer— hin aber find die Neichen nur in Minderzahl. Wenn fi) das Hauptlontingent der Auswanderer aus den verarmten Schichten der Bauern rekrutiert, fo tft es far, daß es die armutserzeugenden Urfachen find, die auch die Auswanderung begünftigen. Eine nähere Begründung diefer Urfachen läßt fich hier aus Nüdfichten auf den Raum jelbjtverftändlich nicht geben. In einem furzem Nefume fönnten wir jie etwa in folgendem zufammenfafjen: Das gejamte ökonomiſche Leben Nußlands befindet fich infolge der mangelhaft durchgeführten Reformen von 1861, Befrei: ung der Leibeigenen, und 1864, Einführung der „Semſtwo“, der lofalen Selbjtverwaltung, in einer durchaus unnatürs lichen und widerfpruchsvollen Yage. Die Beziehungen der geſellſchaftlichen Klaffen find nicht abgeklärt. Die allge: meinen ökonomiſchen Verhältniſſe des Bauern fo gut vie des Großgrundbefisers haben fih äußerſt ungünftig ge: italtet. Der Bauer iſt durch das beichräntende Paßſyſtem, dur Schwere Abgaben und Iofale Verpflichtungen an die Scholle gefejjelt und in feinem freien Suchen nad) Erwerb gehemmt. Die ihm aufgebürbeten Zahlungen und Xetjt

jeiner Familie, dirigiert wurde.

Es beitand infolge deſſen

der Scholle

nicht ein fo nahes Band,

ungen überjteigen bei weitem feine Tragkraft und find im

tie das für den Wefteuropäer der Fall ift. Aber aud) gegenwärtig noch fann der „freie” Bauer durch Willkür jeiner Gemeinde nad) Eibirien ausgewiefen werden, indem den Gemeinden ein folches, unter dem Drude der korrum—

Vergleich zu dem Produkt unverhältnismäßig hoch. Die Pacht, namentlid aber die Landpreife find im enormen

zwischen ihm und

pierten niederen

Organe

der Aominiftration

vielfach ge-

mißbrauchtes Necht zum Zwecke der Kolonifierung Sibiriens in Bezug auf ihre gemeinſchädlichen Mitglieder ver: lieben iſt. N Fadrintzew, a.a.D. ©. 138 ff., liefert zahlreiche Beifpiele folder Entdedungen. 2 Janſſon, a. a. O. ©. 51.

I Bon dem Minifter des Innern wurde in einer Rede bei Gelegenheit der Eröffnung der Kommijftion der Sachverſtändigen des Jahres 1881 mit bejonderem Nachdruck auf dieſen Umſtand bingewiejen. Aber jelbft der Minifter gibt zu, daß unter den in Kamyſchin bei der Durchwanderung 1881 gezählten 3000 Damm aus den Gouvernements Poltawa und Charkow, die er als Beijpiel anführt, nur „einige Familien“ gut ausgeftattet waren. 2 W. Grigorjew, „Auswanderung der Bauern des Gouverne— ment Rjäſan.“ „Ruſſkaja Myſſl.“ Bd. I, II, 1884. B. II, ©. 76,

344

Koloniale Zuftände in Surinam.

Steigen begriffen, jo daß es dem Bauer unmöglich fällt, durh Pacht oder Anfauf von Ländereien feine bei den

Iofalen Berhältniffen

bedrängte Bauer greift fehr gern zur

momentanen Aushilfe und gibt der gefteigerten Nach— frage nad) jeinem Korn willig nad. Aber felbft dort, wo der Bauer ſich gegen die Ablieferung des ihm felber un: entbehrlichen Getreides ſträuben wollte, wird ex hiezu auf eine oder die andere Weife durch feine Abhängigkeit von dem DBermittler, dem fogenannten „Kulak“, dem Auffäufer und Ausbeuter, gezwungen. Bauer und Gutsbefiter ftehen in Abhängigfeit von dem „Kulaf” bei ihrem ewigen Gelbmangel und bei dem Fehlen von ordentlichen Verfehrsftraßen

und Organijationen,

Von einem Koloniften.

zumeift ungenügende Barzelle und

jomit auch feinen Arbeitsertrag zu vermehren. Der Neben: eriwerb des Bauern iſt gering; das induftrielle Leben ift nur in Schwachen Anfängen vertreten. Aber felbjt in feinem Haupteriverb, in der landwirtjchaftlichen Broduftion, it der Bauer durch die eigentümliche Lage des ruſſiſchen Getreidehandels! tief gefchädigt. Der Getreidehandel in Rußland, der Hauptfaktor des wirtfchaftlichen Lebens des gefamten Reiches, ift im Export überfpannt worden. Er entjpricht nicht der normalen Leiſtungskraft des Landes, jondern ausfchlieglih nur den Anfragen des europäiſchen Getreidemarktes. Das hilflofe Bedürfnis nad) Geld im Innern des Landes und die Möglichkeit des Gelderwerbs durch Getreide-Export haben dazu geführt, daß der Export bei günftigen Chancen für ruſſiſches Getreide auf dem Weltmarkt bei weitem den von dem Lande entbehrlichen und für den Export verfügbaren Ueberfhuß am Produkt überfteigt. infolge deſſen ergeben fich bittere Sungersnöten in den getreivereichiten Gegenden (5. B. Gouvernement Sfamara).

Der allevorts

Koloniale Zuſtünde in Surinam.

die einen

direkten

Uebergang

des

Produktes zum Exporteur ermöglichen würden, „Wir hatten nichts, womit uns zu nähren”, „wir werden ſtark bedrüdt”, „wenig eigenes Land”, „kein Land zu pachten”, „das Land ift zu teuer für ung geworden”, das find die üblichen Antworten, die die Auswanderer borbringen, wenn fie über die Gründe befragt werden, die fie zur Auswanderung getrieben haben. Aber in weld einem Lichte erfcheinen ung dieſe ſchlicht

vorgebrachten Gründe, wenn wir die Auswanderung ſelber mit allen ihren Entbehrungen, fahren kennen lernen?

Anſtrengungen und Ge—

(Schluß folgt.)

N Siehe unferen Aufjaß „Die Grundlagen des ruſſiſchen Ge— treide-Exports“, „Allg. Zeitung‘ (Augsburg) 1882. Nr. 293, 4,8, Handelsbeilage. Abgedrudt im V. Fahresbericht der „Berner Geographiſchen Geſellſchaft“ und im „St. Petersburger Herold“,

Wie oft lieſt man jeßt nicht von Kolonien, und wie jehr verlangen wir Deutfche nad dem Befite von Län-

dereien, wohin hir entiveder die Ueberzahl unferer Bevölferung, die als Landbauer oder Handwerker faum ein dürftiges Brot finden und als einzige Hoffnung dem Phantom des Sozialismus fih in die Arme werfen, hin: jenden fünnen, oder wo fih dem jungen Kaufmann, Archi— teften, Künftler oder dergleichen, welcher im Vaterlande feine Ausfiht für die Zukunft hat, die Gelegenheit zur Gründung einer Erxiftenz fi bieten fönnte! — Wir haben jeßt auf der früher fo verrufenen Weftfüfte von Afrika einige Niederlafjungen, die mit der Zeit als Handelgetablijjements bedeutend werden fünnen, aber für den Zus

wachs unferer Bevölkerung, den die deutſche Erde nicht mehr nähren kann, bleiben immer noch die Vereinigten Staaten beinahe der einzige Zufluchtsort. Sobald unfere ausgetvanderten Yandsleute ji dort eingebürgert haben,

jind ſie zwar dem Stamme nad) noch Deutsche, aber für das Vaterland

verloren.

So viele fruchtbare noch unbebaute Landſtriche auch) in der gemäßigten

Bone liegen, wo noch Platz für viele

Millionen Menfchen wäre, jo wird doch feine der Mächte, die diefe Länder beſitzen, einen Teil derjelben an Deutſch— land abtreten wollen, und jo bleibt eben für ung, wenn das

Deutjche Neich Feine zur Kolonifation geſchickte Länder er: werben fann, alles in statu quo, der Deutfche wandert in fremde Länder, und indem das Vaterland feine Söhne verliert, befördern diefe die Wohlfahrt der Fremden. Der Beſitz von Kolonien hat aber, ivie alles, feine Lichte und Schattenfeiten, und mir feben bei dem unge—

heuren Kolonialreich Englands, bei dem Beftreben Frank: reichs, überall feine Herrfchaft auszudehnen, wie viel Kriege bei jolchen Eroberungen nötig find, wie mafjenhaft Menfchen:

leben geopfert, Pflanzungen und Werfe des Friedens zer: jtört und Städte eingeäfchert werden, um dem rechtmäßigen Befiser fein Land zu rauben. Selbit unſer Nachbar, das kleine Holland, das feine foloniale Herrſchaft durchaus nicht weiter ausbreiten MAIL,

im Gegenteil feine afrifanifche Befigung Georg d’Elmina an der Goldküſte ſchon vor mehreren Jahren an England ab: trat, um mögliche Konflifte mit diefem mächtigen Nach— bar zu vermeiden, das ruhig zufah, wie man ihm einen Teil von Borneo abnahm, und das feine Anfprüche auf Neuguinea aufgab, hat mit dem, was ihm England von

feinen Kolonien noch übrig ließ, den Sunda-Änfeln und der Kolonie Surinam, Sorgen genug. Der ſchon jeit zehn Jahren dauernde Krieg mit Atichin, den es führen muß, um fein Preftige nicht zu verlieren und die Oberherrfchaft über diefen Teil Sumatra’s nicht in die Hände der Amerikaner fommen zu laffen, und der der Regierung ſchon bei 600 Millionen Gulden koſtet, das

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|

945

Koloniale Zuftände in Surinam.

Natur-Ereignis des vorigen Jahres in der Sundaſtraße, bei dem 32,000 Menfchen das Leben verloren und blühende Kulturen zerftört wurden, die niedrigen Zuderpreife und die Konkurrenz im Kaffee durch Brafilien, die fo nad): teilig auf den Handel wirken, werfen auf den Kolonial-

beſitz Hollands große Schatten. Weniger großartig, aber nicht viel beiterer find die Verhältnifje in der Kolonie Surinam, die fo wenig befannt üt, daß man ihrer früher nur ertvähnte, wenn von einem

guten Kaffee die Rede war, der aber fchon jeit vielen Jahren nicht mehr gepflanzt dieſes aus eigener Erfahrung

wird. Da der Schreiber ſprechen kann, jo will er

Erlaubnis der englifchen Regierung, um die Holland eben erjt feinen Teil der Goldfüfte, Georg d’Elmina, abgetreten hatte. Es wurde ein Kontrakt geſchloſſen, um die für die Planzung Surinam nötigen Arbeiter engagieren zu dürfen, obgleich die malayifche Raſſe an Körperkraft und Intelligenz dem Chineſen bedeutend nachſteht. Strenge Verordnungen wurden eingeführt, was Ueberfahrt, Behandlung und Be— zahlung betraf. Man kann nun leicht begreifen, daß die

Engländer, indem ſie ihre Unterthanen in eine fremde Kolonie verborgten, die durch Anbau derſelben Produkte

gewiſſermaßen mit ihnen konkurriert, nicht eben die Elite der arbeitenden Klaſſe Bengalens an Holland abtreten

über die jeßige Lage diefer Kolonie das mitteilen, was ihm

werden.

befannt iſt. Es find jegt einundzwanzig Jahre ber, daß Holland in jeinen weſtindiſchen Kolonien ein Inſtitut aufhob, das über

diefer Kulies

200 Jahre lang durch die Arbeit von Taufenden afrifanifcher Sklaven Schifffahrt

und Industrie des Mutterlandes be:

lebte und den Staat direft und indirekt bereicherte. — Schon längjt war die Sklaverei in den Augen gefitteter Nationen ein Oreuel, und die allgemeine Meinung beftimmte endlih England, nachdem fchon feit 1824 feine Sklaven mehr eingeführt werden durften, im Jahre 1838 jämtliche Sklaven

feiner Kolonien

für frei zu erklären.

Obwohl

diefe gewiß großherzige Handlung, die dem Staate zwanzig Millionen Pfund Sterling foftete, auch minder edle Zivede

gehabt haben möchte als die Freiheit und das Mohlfein der Negerrafje, jo folgte doch zehn Jahre ſpäter Frankreich

eben dieſem Beispiele, und Holland, das inztwischen ſchon zwanzig Jahre lang beobachtet hatte, wie die in den beiden Nachbarkolonien Freigegebenen ihre Freiheit nur benüsten, um einer Tompletten Indolenz zu fröhnen und dadurd

phyſiſch und moralisch zu verfommen,

hob dann endlich

den 1. Juni 1863 ebenfalls die Sklaverei auf. Was man vorausſah, geſchah: die Freigegebenen verließen, vie die engliſchen und franzöfiichen Neger, die Pflanzungen, und

es war die Pflicht der Regierung, den Eigentümern der Pflanzungen, denen durch die Emanzipation ihre Arbeiter genommen

waren, für andere Arbeitskräfte zu forgen, wenn

nicht das ganze Land, das allein durch die Kultur von Stapelproduften beitand, verloren fein follte. Da man mit Recht befürchtete, daß Europäer ſchwere Arbeiten in

TIropenländern

nicht verrichten fünnten,

menigftens um

einen Lohn, der dem Pflanzer noch einigen Gewinn übrig ließe, fo hatte man nur die Wahl zwischen den Eintvohnern des übervölferten chinefifchen Reiches, die als fleißige Arbeiter im weſtlichen Amerifa ſowie auf allen Inſeln und dem

Feſtlande von Indien befannt find, und der malapifchen

CS kamen denn auch bei den erſten Sendungen jo fchlechtes und

kränkliches Gefindel,

daß

viele Pflanzer ungeachtet des Mangels an Arbeitern Bedenken trugen, diefelben anzunehmen und die Ueberfahrtsoften zu bezahlen. Ueberall herrſchte Mutlofigfeit und Mangel an Energie, die Negierung allein follte helfen, die doch Schon jo große Opfer gebracht hatte — die meiften kleineren Plantagen wurden entweder abgebrochen oder verkauft und manche derjelben, die an Gebäuden, Mafchinen und dergleichen über 100,000 Gulden gefoftet hatte, wurde

für 2000 bis 3000 Gulden bei einem Grundbefit von 2000 bi3 3000 Heltaren verkauft. — Manche Neger, die als Sklaven ſich etwas erfpart hatten, Fauften im Verein mit anderen, die ebenfalls ihren Geburtsort nicht verlaffen wollten, foldy’ eine Pflanzung, nicht um die unterbrochene Arbeit fortzufegen, fondern um in den Häufern, worin früher ihre Herren gewohnt hatten, ihre Hängematten auf: zubängen, und um nur für ihren eigenen Bedarf Bananen,

Mais, Cafjava ꝛc. anzubauen, wozu eine Stunde täglid) genügte, und um in Faulheit fortzuvegetieren. Inzwiſchen war man mit jpäteren Sendungen von Kulies glüdlicher und Fonnte nun einen Teil der Planzungen regelmäßig bebauen; obgleich der niedrige Preis des Zuckers, beein-

flußt dur) den ungeheuren Aufſchwung

der Nübenzuder-

Fabrifation in Europa, dem Fabrifanten des Rohrzuckers immer weniger Gewinn abmwirft. Geit etwa zehn Jahren hat ſich in der Kolonie, die bis jetzt nur auf die Kultur einiger Stapelprodufte angewieſen war, eine neue Induſtrie geöffnet, nämlich das Waſchen von Gold, das wie im franzöfiichen Guyana auch jtellenweife in den Gebirgsbäcen von Surinam gefunden wird. Das MWafchen oder die Ausbeute diefes Metalls in den dichtbeivaldeten Gebirgsichluchten ijt eine fehr ungeſunde Arbeit und entzieht (wiewohl fie durch Abgaben und Miete von Ländereien der folonialen Kaffe beträchtliche Summen einbringt, dadurd den Zuſchuß verringert, den

Raſſe, die unter englifcher Herrfchaft die ungeheuren Flächen

Holland jährlich bezahlt, um die Verwaltung der Kolonie

Bengalens bewohnt, und aus denen bereits England feine freigegebenen Neger in Weltindien erjet hatte. Um nun dieſe Bengalefen oder Kulies, deren Transport nach Guyana

zu beftreiten, und einige Unternehmer bereichert, aber zehnmal mehr arm macht) dem Yandbau, auf dem allein

billiger war als der der Chinejen

abgelegenen Baterlande, Ausland

1884, Nr. 48,

von ihrem viel weiter

zu befommen,

bedurfte es der

das Fortbeſtehen der Kolonie ruht, mande Arbeitskraft. Sie gefährdet, wie jedes Unternehmen das jchnellen Reich: tum verfpricht, die Moralität, die auch bier, wie in allen

143

946

Neifeffizzen aus Aegypten und dem Sudan.

Kolonien, wo früher Sklaverei herrfchte, auf fehr niedriger Stufe jteht, noch mehr, und es war darüber in holländi— ſchen Zeitungen manches ntereffante zu lefen. Auch in neuejter Zeit wurden ganz zufällig in verfchiedenen Zweigen der Verwaltung Unterfchleife und Kaffenrefte mehrerer Beamten entdedt, die durch Verfälfhung von Dokumenten, abjichtlich Faljche Buchführung im Komplot mit einander ꝛc. anvertraute Gelder fich angeeignet hatten. Bei näherer Unterfuhung wurden aud in der Poftvervaltung und beim Steueramte bedeutende Defizite entdeckt, die meiften der Schuldigen

wußten

aus

der Kolonie

zu entfommen,

und man wurde nur einiger weniger habbaft. Obgleich ſchon feit vielen Jahren die Mähriſchen Brüder unter den Schwarzen und Farbigen der Kolonie jegensreich wirken, ebenfo eifrig die Fatholifchen Prieſter in ihrer Gemeinde arbeiten und die Negierung nichts unter: läßt, um den Schulunterricht zu befördern, fo herrſcht noch immer, und leider auch manchmal unter den gebildeten Ständen, eine Sittenverderbnis und ein Aberglaube, die man in unſerer Zeit nicht mehr erwarten ſollte. —So wurde im Juni vorigen Jahres in Paramaribo ein alter Neger begraben, der überall als Zauberer (Wissima) befannt war. Auf feinem Totenbette und von Gemiffensbifjen gequält, befannte er feine Miffethaten und Betrügereien, nannte die Namen der Herren und Frauen, die ſeine Dienfte zur Entfernung mißliebiger Perſonen beanſprucht oder denen er Liebestränfe verabreicht hatte. Die

Sache wurde

ungen zerjtörte. Ernftlicher aber in ihren Folgen als die Un: redlichkeit jubalterner Beamten, von der wir ja täglich auch

Beifptele in Europa haben, Sittenlofigfeit und Aberglaube,

find die häufigen Meutereien der Kulies gegen ihre Vor— gelegten. Auf verschiedenen Pflanzungen wurden einzelne Aufſeher geprügelt und aufs ärgfte mißhandelt. So iſt der Diſtriktsarzt, der die Kranken zu beſuchen hat, durch mehrere Kulies ſo geſchlagen worden, daß er nicht imſtande ſein wird, ſeinem Dienſt länger vorzuſtehen. Auf den

Pflanzungen Soelew und Zorg-en-hoop wurde der Diſtrikts—

der amtlich gekommen war um Ruhe zu ſtiften

und die Auslieferung der Rädelsführer verlangte, ge— ſchlagen und mißhandelt. Als man eine Kompagnie Sol-

daten ſandte, um die aufrühreriſchen Kulies zu arretieren, warfen dieſe mit Steinen nach dem Militär und verhöhnten es auf alle Weiſe, ſo daß dieſes endlich unter die Auf— rührer ſchoß, wobei ſechs auf dem Platze blieben und einer verwundet wurde. Die Schuldigen ergaben ſich und die Arbeit wurde

wieder fortgeſetzt.

Aber wie lange die Ruhe dauern wird,

nicht wiſſen, denn

wiewohl

in Demerara bei

ähnlichen Vorfällen die Schuldigen mit Schlägen beſtraft wurden,

wie in der Zeitung von Demerara

gar oft be—

kannt gemacht ward, ſo werden ſchwerlich die Engländer

dieſe Beſtrafung

ihrer Unterthanen

den Holländern

zu—

geſtehen. Außer dieſen Meutereien, welche die Wohlfahrt der Kolonie beeinträchtigen und ſie, wenn keine Arbeiter mehr eingeführt werden können, ganz vernichten, herrſcht auch unter den Einwohnern, die im ganzen ſich nicht viel über

50,000 belaufen,

worunter

kaum

10,000 Urteilsfähige,

d. h. Europäer und Farbige, ſich befinden mögen, niemals

Cinigfeit; ftets fteht die eine oder andere Partei in Oppo⸗ ſition gegen den Gouverneur, der unter den unmittelbaren Befehlen des Kolonialminiſters ſteht, und da deſſen Haupt— beſtreben, bei dem ſchlechten Stand der Finanzen in Hol— land, auf Sparſamkeit und Verminderung

von Ausgaben

hinzielt, was gar oft mit den Bedurfniſſen der Kolonie

nicht vereinbar ift, fo ift die Stellung jener beiden Ober: beamten eine mühfame, durchaus nicht beneidensmerte,

Heifefkigen aus Aegypten und dem Sudan. Bon Franz Xaver Geyer, Apoftol, Miffionar in Kairo. (Fortſetzung.)

ruchbar und beim Begräbnis des Negers

wurde der Sarg durch den wütenden Pöbel mit Steinen beworfen und kaum gelang es der Polizei, das Begräbnis vollziehen zu laſſen. Man rächte fih nun an den braunen und ſchwarzen Mädchen, die durch die Liebestränfe des Wissima fich wohlhabende Liebhaber und ein behagliches Leben zu verſchaffen gewußt hatten, indem man ihre Wohn:

beamte,

kann man

Es bleibt uns noch übrig, ein Wort über die Vege—

tation der Umgebung Chartums zu fagen. Die Begetation beſchränkt ſich auf die Flußufer und die Nähe der Brunnen. Das großartige Leben in kulturhiſtoriſcher, kommerzieller und religiöſer Hinſicht, von dem heute noch die zahlreichen Ruinen des Nilthales und ſpeziell imSudan die Trümmer von Mero& und Soba ehrwürdige Zeugen bilden, läßt uns auf eine frühere rege Agrikultur in dieſen Gegenden

ſchließen. begann

Mit dem Falle jener Reiche und Monumente

auch der Rückfall von

der weiſeſten

richtung in faules Nomadenleben,

Staatsein⸗

von der trefflichſten

Bodenkultur in die uranfänglichen Wildniſſe, vom bewun—

derungswürdigſten Aufſchwung der Künfte und Induſtrie

in ein gegenwärtiges Nichts. Das Erdreich iſt größten— teils Sandboden, an den Flußufern mit tiefem Staub der Nilablagerungen bedeckt. Die Bebauung des Landes hängt

vom Eintreten der Regenzeit und Nilanſchwellung ab. Im Jahre 1883 war in Chartum der geringſte Waſſerſtand

Ende April, und Anfangs Mai begann die Anſchwellung. An den Ufern des Weißen Fluſſes tritt das Waſſer weiter über die niederen Ufer aus. Etwa Mitte Septembers, ſo— bald das Waſſer zurücktritt, beginnt langſam die Ausſaat. Ende Oktobers, d. h.am Ende der Regenzeit, wird die Durrah geſäet, die im folgenden April reift. Man kennt verſchiedene Arten der Durrah; im Sudan baut man

meiſtens Mareg, Baganiah, mit weißen Körnern, Fatarita

i I A

Reifeffizzen ans Aegypten und dem Sudan.

mit ſchwarzen oder roten Körnern.

Die Ausfaat geſchieht,

indem man mittelſt eines meſſerähnlichen Eiſens am ge: bogenen Stiel oder mit fpisigem Holze den fchlammigen Boden öffnet und das Koın in die Deffnung legt. An den Ufern des Blauen Fluffes, die hoch find und daher vom Nil teiliweife nicht überfchtvemmt werden, gefchieht die Bewäſſerung dur Sakien. An den vom Fluſſe über: ſchwemmten Stellen gedeiht die Saat raſch. Der zurück— gebliebene Nilſchlamm enthält ſehr fruchtbare Stoffe; es iſt nämlich humusreiche, mit Eiſenoxyd und anderen Metallſtoffen vermiſchte Dammerde. Der aus dem trockenen Schlamme entſtehende Staub iſt äußerſt fein und dringt

in die verſchloſſenſten Räume ein, wie dies jeder, der auf der ägyptiſchen Eiſenbahn gefahren, weiß. Die graue Farbe dieſes Staubes ſticht kontraſtvoll von dem gelben, gröberen

Wüſtenſand aus Quarz und Granitbeſtand ab. Auf den durch Safien

bewäfferten Ländereien kann

dreimalige Ernte erzielt werden; jedoch braucht die Saat

längere Zeit zur Neife, da dem Exdreiche die fruchtbaren Stoffe des Nilfhlammes fehlen, wie ich bereits weiter oben erwähnt habe. Das Erdreich wird bei der Safien-

bewäfjerung mit einem höchſt unpraftifchen, aufgelockert

ſpitzen Eiſen

(der Pflug iſt unbekannt) und der Same in

die Erde gelegt.

Das

gelockerte Erdreich wird geebnet,

indem man einen Dattelſtamm darüber hinrollt. Das Abſchneiden des Getreides geſchieht mit einem halbgebogenen

Sichelmeſſer. Am Blauen Nil werden hauptſächlich ges pflanzt: verfchiedene Arten von Durrah (ähnlich unferer Sirje, Sorghum vulgare); Durrah Schami (Art Mais), Gerſte (Schair), Erbſen verfchiedener Arten (beſonders

Turmus und Homos),

türkiſcher Weizen, Dokhon,

eine

Hirſenart (Pennisetum spicatum — Panicum holcoides),

aus dem Bilbil bereitet wird; der Indigo gedeiht beſon— ders bei Halfaya; der Rieinus wird an wenigen feuchten Stellen im Süden Chartums fultiviert; ebenfo ift der Angol’ob (eine Art Durrah

mit zuderhaltigem Stengel)

nicht häufig in der Umgebung Chartums, Sefam, Bohnen und LZinfen finden in einigen Gegenden am Blauen und Weisen Fluß Pflege. Zuderrohr, Baumwolle und Kaffee werden in geringerem Maßſtabe als in Aegypten gepflanzt; an den Flußufern wird Tabak gebaut, der jedoch meiftens ſchlechter Qualität ift und nur von den Eingeborenen ge-

raucht wird. Klee (Bereim) und Schiteta, Art roter Pfeffer zur Würze des Mellah, finden allgemeine Pflege. Unter den Gemüfearten fommen vor: die Bamien, die getrodnet auch zur Nahrung auf Reifen dienen; Melochien (Corchorus

olitorius), Bedintſchanen, Zwiebeln, Golocafien, die den Kartoffeln ähnlich fchmeden, eine Art Gurken und Rettig; der Kürbis (Battich) ift eine Kriechpflanze mit weißen oder gelben, nelfen=

oder kelchförmigen

Blüten,

die fi)

Kürbisart.

947

Zwei Pflanzen find noch befonders erwähnens—

wert: die Senna

(arabiſch Sana-maka,

vata) hat bedeutende

Ausdehnung

die Cassia obo-

im Sudan;

aus den

länglichen Blättern werden Medikamente bereitet und bildet deshalb die Senna einen bedeutenden Ausfuhrartifel. Die Eingeborenen trinfen eine Art Thee aus Senna als Bur: gativ-Mittel. Die Henna (Lawsonia inermis), von ber ich weiter oben ſprach, erfreut fich ebenfalls ziemlicher Aus:

breitung. In den Gärten, deren größte in Chartum jener der Miſſion und jener der Negierung find, gedeihen manche europäiſche Produkte vorzüglich. Während der trodenen Jahreszeit erfordern jedoch die Gärten die größte Auf: merkjamfeit und forgfältige Bewäfferung. In den beiden genannten Gärten gefchieht die leßtere mit großem Vor: teil durch Dampffraft, worüber ich bereits oben berichtete, Außer den genannten inländiichen Gattungen pflegt man in den Gärten und Anlagen: Weizen (Gameh), Knoblaud) und Zwiebeln, ſüße Bataten, Nadieschen, Wafjermelonen, grüne Erbfen, Endivien, Kohl, Salat; die Tomaten find bom Neger verachtet, da ihre Farbe dem verbaßten, türfichen Fez gleicht. Bon den europäifchen Objtbäumen, auf denen zweimalige Ernte erzielt werden kann, find in Char— tums Gärten zu fehen: Mandeln, Quitten, Oliven, Limonen, Aprikoſen, Ananas, Pfirſiche; Togar die Weintraube gedeiht, it jedoch durch die zahllofen Schwärme von Vögeln jehr gefährdet. Bekanntlich fand der Botaniker Lecard zwilchen dem 13. und 12. Grad eine ſudaneſiſche Weintraube. Die Südfrüchte, wie indische oder Stachelfeigen von den riejenhaften Cactusbäumen, Drangen, die herrlichen Giſchten und fchmadhaften Bananen find viel teurer als in Kairo, Für die Zitronen, Granat- und Feigenbäume jcheint der 15. Grad nicht mehr die geeignete Heimat zu fein, denn

jie jehen fümmerlich aus und ftehen den italieniſchen Ge— noſſen an Größe und Pracht weit nad). Die Hauptfrucht Afrika's ift die Dattel, die ziveis mal des Jahres gedeiht. Die Befruchtung muß durd)

Uebertragung der männlichen Blüte in Büſcheln auf bie weiblichen Bäume gefchehen, die allein Früchte tragen. Die Blüte beginnt in Chartum im Februar, die Frucht reift im Suni. Die Dattelpalme ijt eines der nüßlichiten Ge— wächfe des Sudan. Die Dattelfrucht bildet eine Haupt: nabrung der Eingeborenen (die Ausfuhr aus dem Sudan tft unbedeutend, wichtiger von Dongola und Korosko). Das Holz dient al3 Baumaterial, die Zweige werben zu Flecht— werk und Angarebs gebraucht, aus der Frucht wird Syrup und Wein bereitet. Seltener als die Dattelpalme tjt die Fächerpalme (Dum) mit gabelförmigen Welten und fächer: artigen Blättern; das Stammholz der letzteren tt härter als das der Dattel. Ein meiterer Nubbaum des Sudan

über der jungen Frucht bilden, mit breiten, vauben Blät-

ift die Tamarinde (Tamr hindi, d. h. Frucht Indiens), die

Der Geruch der Frucht, von der Größe eines Apfels,

eine bedeutende Größe erreicht, ähnlich unjeren großen Birn- und Kirfchbäumen in Deutjchland. Die Frucht

tern.

ijt widerlid. Von den Eingeborenen, wird fie, mit Fleisch gekocht, gegeifen. Neben diejer gibt es aud) eine veredelte

bildet einen ergiebigen Ausfuhrartifel,

Die Sykomore oder

948

Neifeffizzen aus Aegypten und dem Sudan.

der wilde Feigenbaum (Fieus sycomorus), von den Ara:

Größe,

bern Dsehummez genannt, mit breitäftiger Echattenfrone,

Weiten Zluß findet fich der fogenannte Boradah, elektrische Fiſch. Vom Nilpferd befam ich leider nichts zu ſehen als

bildet eine angenehme Abwechslung in den Gärten und Anz lagen. Er erreicht eine anfehnliche Größe: ich maß am Ufer

des Blauen Nil einen Stamm von 7,50 m. Umfang; in 2 m. Höhe von der Erde breiteten fih vom Hauptftamm mehrere (3) dicke Hefte aus, deren jeder durchfchnittlich 11,—2 m. im Umfang maß. Die Früchte, die fogenannten Efels:

feigen, werden von den Eingeborenen gegeffen.

Der Gummi

Baum, der fich bereits bei Soba und Elefun am Blauen Fluſſe findet, liefert den Hauptausfuhrartifel des Sudan. Bon den übrigen Bäumen und Sträuchern haben wir gelegentlich der Nilfahrt einiges erwähnt, was auch für Shartum gilt, da ſich der Vegetationscharafter erſt am

Blauen und Weißen Fluffe ändert. Die Ausnugung des Tieres bildet einen Hauptnahr— - ungseriwerb des Sudan. Obwohl die höderigen Ninder anftatt von unferem fetten Klee und Wieſenheu fich von bolzigem Wüften- und Durrahſtroh nähren, find fie doc) nicht häßlich. Eine befonders ſchöne Nafje mit Fettſchwänzen und langen Obrenlappen find die Schafe, die nicht ges Ihoren werben; die Ziegen hingegen find niedlich und mager. Das eigentliche Schlachtvieh it der Hammel (Charüf). Pferde kommen in geringer Anzahl vor. Tauben und Hühner find zahlreich, Katzen felten. Ein eigentüm— licher Schlag it der Sudanefel; er ift ftark, flink und ausdauernd und trägt gewöhnlich 11/, Zentner; feltener it das Maultier. Der Hund, in vertwildertem Zuftand, von Wolfsgeftalt und häßlicher, gelber Farbe, findet fich, wie in Aegypten, mafjenhaft im Sudan, ift feig und faul und nährt fi von den Abfällen des Fleifches. Das nützlichſte Tier ift das Kameel. Die Eingeborenen eſſen das Fleiſch. Ein großer Vorzug diefes Tieres ift deffen

Genügſamkeit auf der Weide.

Während der ganzen Neife

von Suafın nad) Berber nährten fi) die Kameele von den dornigen Zweigen des Afaziene und Suntjtrauches. Die reißenden Tiere finden fich in der Umgebung Chartums nicht, dagegen gibt es viele Jagdtiere: Hafen,

jedoch Heiner als die in Europa, Gazellen, Hyänen, Tetel-

Antilopen, Füchſe (klein), Luchſe u. |. w. Der Wolf iſt ſelten. Am zahlreichſten iſt die Vogelwelt vertreten. Die Sandbänke und Inſeln beider Flüſſe wimmeln von Sumpf— und Waſſervögeln aller Farben und Größen. Wir finden wilde Gänſe, Enten, Reiher, indiſche Hühner, Schnepfen, Strandläufer, Löffelreiher, Wachteln, große Pelikane; am Ufer Kraniche, Adler, Trappen, Geier; der Storch findet ſich in der Nähe Chartums jedoch ſeltener; ebenſo der Strauß, von deſſen gebrochenen Eiern man ganze Strecken beſäet findet. Der Ibis (Ibis religiosa) iſt an den Fluß⸗ ufern häufig; er macht ſich als Vertilger von Schlangen nützlich. Von den Krokodilen, die im Weißen und Blauen Fluß ſehr häufig ſind, ſprachen wir oben. Die Fiſche beider Flüſſe ſind zwar mitunter von außerordentlicher

jedoch

von

nicht anziehendem

Gefhmad.

deffen Haut, aus welcher eine Peitſche (Korbatſch) 3—4 cm. Dide gefchnitten wird.

Am

von

Außerden Schlangen (Hornviper, Brillenfchlangeu.|. w.) jind die Sforpione gefährlih.

größten Hausfforpione

Diefe, viel größer al3 die

in Oberitalien,

die ich während

ziver Jahren dort gejehen, machen die Wohnungen unficher.

Ich maß ein folches Tier von 5'/, Zoll Länge. Während meiner Antvefenheit in Chartum wurde ein Knabe geitochen. ALS Gegenmittel werden Einreibungen mit Ammoniak er: folgreich angewandt.

Ebenſo und vielfach noch gefährlicher

ſind die zweibiſſigen Niefenjpinnen, Taranteln.

Wie die

Skorpione gefährlich, ſind die Termiten ſchädlich, wie wir oben gezeigt haben. Eine beſondere Eidechſenart mit breitem

Kopfe wird häufig als Inſektenvertilger

inWohnungen

gehalten. Für den Feldbau maus, ein ebenſo großer Feind ſie verzehrt. Nun noch ein kurzes Wort des Sudan. Die unbedeutende

ſchädlich iſt die Pharaons— der Krokodile, deren Eier

den Händen der Mittelklaſſe,

d. h.Araber aus Aegypten.

über Induſtrie und Handel Induſtrie iſt meiſtens in

Unter ihnen finden wir: Schuſter, Schneider, Weber, Töpfer, Fleiſcher, Bäder u. ſ. w. Sämtliche Handwerke find jedoch noch in primitivem Zuſtande, der nur durch die anweſen— den Europäer etwas vervollkommnet wird. Die Induſtrie— produkte der Eingeborenen überſchreiten nicht die engſten

Hausbedürfniſſe.

Dieſe Genügſamkeit der Eingeborenen

iſt der Grund des tiefen Standes der ſudaneſiſchen Induſtrie. Eine um ſo größere Bedeutung hat der ſudaneſiſche Handel, der von den faulen Eingeborenen unabhängig iſt.

Die

innerafrikaniſchen

Produkte

fließen in Chartum zu—

ſammen und werden von dort an die Küſte des Roten Meeres befördert. Chartum bildet den Schlüffel zu ſämt—

lichen Provinzen des ägyptifchen Sudan. Zwar ift der Export von Gold aus Faſſokl und Kordofan unbedeutend. Aber wilder Honig, Bienenwachs, Elfenbein, Gummi, Kautjchuf, Ebenholz, Tierbäute, Eifen für das Arfenal in Chartum, werden aus den Gebieten des Weißen Flußes; Ebenholz, Straußfedern, Tamarinde, Senna, Quaſſia aus

Kordofan und den Gebieten des Weißen Flufjes geliefert. Ueber die Einfuhrartifel berichteten wir bereits weiter oben.

Der Sudanhandel hätte eine großartige Perſpektive vor fih, wenn ihm die Wege gebahnt würden. Der erite Schritt zur Hebung des Handels ift der Bau einer Sudan bahn. Die Karawanenftraßen über Rafjala, Berber, Suafin und nocd mehr Korosko, find zu beſchwerlich. Der Handel it auf diefe Weiſe vom guten Willen der Eingeborenen und Sameelführer abhängig gemacht, die allein Wege und Wafjerpläge fennen. Hätte der Sudan beute feine Eifen-

bahn, jo wäre es leicht, Chartum zu halten. wiegte ich feit Jahren

Saharabahn, um

Frankreich

in dem viefenhaften Plane einer

feine Befisungen in Algier mit denen

349

Neifeffizzen ans Aegypten und dem Sudan.

am

Niger in Verbindung

zu ſetzen.

Ein weit weniger

koſtſpieliges und für die Zivilifation viel günftigeres Projekt it unftreitbar die Sudaneifenbahn. Ein zweites, höchit wichtiges Mittel zur Hebung der Zivilifation im Sudan

mit der Aufforderung, ihm auf feinem Triumphzuge nad) Mekka

zu

folgen.

Die

Regierung

fonzentrierte

etwa

1400 Mann bei Kaua, worauf fich der Mahdi einftiveilen in die Winkel zurüdzog,

jo daß die Soldaten nad) mehr-

it die Kolonijation durch geeignete europäifche Elemente,

monatlihem Lager Anfang Dftobers in ihre Stadtquar-

Ich fage europäische Elemente,

tiere zurücbeordert wurden, ohne die Nebellen verfolgt zu

denn

die noch Findliche

Kultur der Türken ift a priori total unfähig, im Sudan jegensreich zu wirken, und wird durch ihren Egoismus und Schmutz nur die Eingeborenen empören, wie wir es eben

vor Augen haben. Sch fage ferner: geeignete europäifche Elemente, da eine traurige Erfahrung lehrte, dat die moderne Bhilanthropie in Afrika fich meift ſehr felbitjüchtig zeigte. ES waren Europäer im Sudan, die den Namen Europa’s durch Gewinnſucht und unfchönes Leben

Ichändeten. Die Miſſionen find der erfolgreichite Faktor im Ziviliſationswerke Afrika's. Aber wenn diefelben nicht unterftüßt, vielmehr in ihrem Werke gehindert werben, fo bleibt auch ihre Mühe fruchtlos.

Im Sudan tft dies letztere

der Fall. Die Mißregierung des Landes hinderte natürlich) auch das Werk der Miffion. Hätte man, ftatt das Land auszufaugen, Agrikultur-Inſtrumente, Sakien und PBflanz-

ungen

angelegt

und

die

indolenten

Eingeborenen

zur

Agrikultur angeeifert, nicht um die Vorratsfammern der - Türken zu füllen, fondern zum Segen der Neger, jo müßte

bei der großartigen Produktionsfähigkeit der Nilufer der Sudan zu einem der reichiten und glüdlichiten Länder ges worden fein. Die Eingeborenen waren aber feinesivegs gleichgültig geblieben. Wir haben jchon oben gejagt, daß ihre Unzufriedenheit

ſich das erjtemal im Jahre 1822 in

Schendi Luft gemadt hat.

Nun noch einige Worte über

die Entwidelung der großen Nebellion im Sudan.

Diefe allgemeine Erhebung it nicht ein Werk weniger

Wochen.

Die Verbrennung Jsmails in Schendi 1822 war

das erſte Zeichen der Unzufriedenheit unter den Stämmen. In den folgenden Dezennien hatte die ägyptiſche Negierung

bald bier, bald dort zu kämpfen gegen Empörungen, Stadt

nad) der anderen

erhielt

Eine

ihre Garniſon, um die

unzufriedenen Eingeborenen im Zaume zu halten.

Dieje

Thatſache kann ſich jeder ſelbſt beweiſen durd Studium der Regierungsgeſchichte des Sudan von Ismail bis Rauf.

Die Maßregeln gegen die Sklaverei erhöhten die allgemeine Erbitterung. Die göttliche Sendung Mohammed Achmeds war der Funke, der die Unzufriedenheit zum allgemeinen Rebellionsbrand entfachte. Achmed trat im Auguſt 1881 ſeine Miſſion an. In Dongola geboren, hatte er zehn Jahre in einer Höhle auf der Inſel Abba, einige Meilen

ſüdlich von Kaua sam Weißen Fluß, gelebt. In dieſer Zeit will er von Allah den Auftrag erhalten haben, ein neues Gottesreich, mit Mekka als Herrſcherſitz, zu gründen.

Alsbald gewann er Proſelyten, und unter der Bevölker— ung von Kaua verurſachten ſeine Lehren eine Gährung. Die Regierung ſandte am

11. Auguſt 200 Wann

zur Her—

itellung der Nuhe nad) Kaua, die jedoch ſchmählich getötet wurden.

Der neue Mahdi jandte Boten an die Scheichs Ansland

1884, Nr, 48.

haben.

Ein entjchlofjener Angriff hätte damals den Funken

gelöfcht. Nur Raſchid Bey, Gouverneur von Fafchoda, zog auf eigene Fauſt mit 400 regulären und 100 Schilluk—

kriegern gegen

die Tefeleberge,

den Sitz Mahdi's.

Am

8. Dezember jchlug er fein Lager bei Dichebel Gedir im Angefiht der Nebellen auf. Der Ausgang der Schlacht var traurig: der Mudir, der König der Schilluf und fämtliche Truppen wurden von den Baggara niedergemadht. Einige Flüchtlinge brachten die Trauerbotichaft nach Faſchoda.

Zum zweitenmale hatten die Rebellen Nemington-Gewehre, Munition und Broviant erbeutet, Diefer zweite Sieg erhöhte den Mut der Rebellen, Von Chartum wurde eine neue Garnifon von 200 Mann nah Fasıhoda gefandt. Unter dem Kommando Juſef Bafcha’s, ehemals Unter: fommandant Geſſi's, ging am 15. März eine Expedition aus 4000 Mann nad Telele ab, doch bereits in Kaua defertierten mehrere Soldaten. Am 6. April wurde Sennar von 10,000 Rebellen bebroht, die Garniſon zurüdgemworfen,

die Stadt geplündert.

Von Kaua und Kadaref wurden

Sarnifonen nad) Sennar gefandt, fo daß die Operation Juſef Paſcha's durch die Dislozierung der Truppen ein: geichränkt wurde, Der größte Fehler der Negterung in Chartum mar, dab die Gefahr verdedt wurde. Endlich ging der Uekil der Hofomdarte jelbit nach Sennar ab und fonnte nach langer Zeit mit dem Scheich der Schufrieh, Aued⸗-el-Kerim Bey, vereint den Nebellenchef Achmed Taha von Mufelemieh befiegen. Indes fanden auch in Kordofan bereits Scharmüßel zwischen den Nebellen und Regierungs— joldaten ftatt. Die in Nuba gegen den Sflavenbandel ftattonierte Truppe follte nach El-Obeid zurückkehren. Die Eingeborenen verweigerten die Tulba und töteten die Steuereintreiber. Die Karawanenſtraße dur den Stamm der Haſſanieh von Turazel-Hadra nad El-Obeid war von den Rebellen beſetzt, Obeid von 60,000 Rebellen umlagert. Endlich am 12. Mat 1852 traf der neue General: gouverneur Abdrel-Kader Paſcha in Chartum ein. Er wurde von den Einivohnern als Erlöjer begrüßt. Abd—el— Kader erkannte fofort die Gefahr der politiſchen Lage.

Da die Streitkräfte Juſef Paſcha's teils durd Krankheit, teils in Scharmützeln aufgerieben worden, Jandte er Truppen— abteilungen nad Faſchoda, Kaua und Kordofan, wo die

Baggaras und Homr-Araber alles verwüfteten. Um Chartum gegen Ueberfälle zu ſchützen, errichtete er fünf Forts mit je einer Kanone und einem Piquet Infanterie, umgab die Stadt mit Kordons in Dijtanz von je 100 Schritt. Im Süden der Stadt ließ er durch einen 5100 m, langen, 7 m. breiten, 4 m, tiefen Kanalgraben den Blauen mit dem Weißen Nil verbinden, wodurch die Stadt völlig 144

950

Reiſeſkizzen aus Aegypten und dem Sudan.

iſoliert wurde.

Gegen einen Fehler war jedoch auch Abd—

el-Kader machtlos; die Regierung hatte ſtrengſte Befehle erteilt, die Gefahren des Aufſtandes möglichſt geheim zu halten. Während die Regierung ſtets ſchwieg und die Gemüter beruhigte, wurde, beſonders in Kordofan, die Lage von Tag zu Tag trüber. Obwohl am 19. Auguft die Nebellen bei Bara eine Niederlage erlitten und die Verbindung zwischen Obeid und Chartum momentan ber: gejtellt worden war, gewann die Nebellion doch Tag für Tag an Ausdehnung. Die Negierungstruppen erlitten große Verlufte bei Kaua, und der Verkehr mit El-Obeid

wurde abermals

unterbrochen.

Der Mahdi

beſetzte jene

Provinz und am 8. Dezember 1882 ruckten unabjehbare Heerſchaaren gegen El-Obeid. Nachdem fie jedoch mit großen Verluſten zurücdgefchlagen worden, begannen fie die Einſchließung der Stadt. Nur mit großer Mühe fonnte Abd-el-Kader ein Erpeditionsforps für Kordofan zuftande bringen, da3 nad) argen Leiden und Kämpfen am 25, OE tober bei Bara anlangte, wo die Rebellen befiegt wurden. Die großen Berlufte der ägyptiſchen Armee wurden nicht befannt. Der Mahdi var jedoch nicht unthätig. Er hatte den Stamm der Nuba durch Emiffäre unterivorfen und die dortigen kathol. Niffionäre gefangen nach El-Obeid führen laſſen. In Sennar wiegelten feine Gefandten die Stämme auf. Am 2. Januar 1883 begab ji) Abd=elKader jelbit nad) Sennar. Indes famen fortwährend Bataillone von Baſchi-Bozuks aus Kairo an, die in Omdur: man (am Imten Ufer des Meißen Fluſſes) unter Selten untergebracht wurden, von to fie direft nach Kordofan abgehen follten, ſobald Sennar pazifiziert fei. Der englische Oberſt Stewart (dev ſich mit Gordon in Chartum befand und

kürzlich erfchlagen ward) ftudierte feit Mitte Dezember 1882

die politiſche Lage. Er erflärte in Chartum, daß England gemeinfam mit Aegypten und der Türkei die Ruhe im Sudan herjtellen werde. Am 27. Sanuar langte aus Sennar ein Giegesbulletin Abd-el-Kaders an, der einen Zeil der Rebellen befiegt hatte; unter Kanonendonner wurde in Chartum die Siegesnachricht verkündet, Sn Kordofan war indes die Sache zum Aeußerſten gekommen. Am 17. Januar war El-Obeid durch Hunger gefallen. Die Einwohner mußten die Stadt verlaffen und fonnten nur die Kleider mit fich nehmen; die Schriften der Negierung wurden verbrannt, die Miffionäre mit den Gefangenen von Nuba vereinigt. Ueber eine Million Thaler an Geld

und Wertſachen fielen dem Mahdi zu, die Soldaten mußten auf ſeine ägyptiſche läſſigkeit Paſchas

Fahne ſchwören. Hiemit war Kordofan für die Regierung verloren. Die Unklugheit und Nach— war Schuld daran, daß ein einfacher Fakir die und Armeen niederwerfen und ſich auf den

Thron der Provinzen ſetzen konnte. Dieſe Siege und Erfolge bekräftigten den Prophetenruf des Mahdi bei den Stämmen.

Abd⸗el-Kader war glücklicher inSennar. Am 24. Februar gewann er eine bedeutende Schlacht gegen den

Nebellenchef

Ahmed

Woad

el Makaſchef.

Durch

dieſen

Sieg ward Sennar von den Rebellen befreit. Endlich

am

4. März

traf Hicks Paſcha mit ſeinem

Generalſtab in Chartum ein und wurde mit den militäri— ſchen Ehren empfangen. Den ganzen Monat März hin— durch wurden die Soldaten in ihrem Lager bei Omdurman mit allem Eifer von den engliſchen Offizieren unterrichtet. Der Plan war, zuerſt die Linie des Blauen und Weißen Fluſſes von den Rebellen zu ſäubern, dann gegen El— Obeid zu ziehen. So verließ General Hicks am 3. April

Chartum und folgte 5000 Mann nach Kaua. Während der Generalſtab in Kaua war, ging in Chartum ein Gou— verneurswechſel vor: Der ſiegreiche Abd-el-Kader Paſcha hatte in Sennar ſein Abſetzungsdekret erhalten, und bereits

am 26. März war Allah-el-Din Paſcha als neuer Gouver— neur in Chartum proflamiert worden. Abd-el-Kader,! von Sennar zurüdgefehrt, reiſte am 26. April nach Kairo ab. Es war ein großer Verluft für den Sudan. Mit Abdel-Kader hatten in Sennar zwei deutfche Offiziere gefochten: der Baron v. Korff und Freiherr dv. Seckendorff. Erſterer

fehrte am 21. April nad) Kairo zurüd, leßterer folgte der Expedition Hids Paſcha's nad Kaua und ſpäter Kordofan. Am 23. April erfocht Hicks einen beveutenden Sieg über

die Nebellen bei Marabia am Weißen Fluffe. Die Kugel: Iprigen, Nafeten und Kanonen richteten ein entjeßliches Blutbad an unter den Nebellen, vie ung die beteiligten Offiziere in Chartum ſelbſt erzählten. Eine zweite Schlacht verloren die Rebellen im Mat bei Dichebelen. Die Ufer

des Meißen gejäubert.

Flufjes galten nun

als von den Rebellen

Man brauchte nur noch das Ende der Regen:

zeit abzuivarten, um die große Expedition nad Korbofan zu unternehmen, Indes wurden die Omdurman zurüdgefehrt waren, fleißig Was den Mut diefer Soldaten man ihnen nicht das befte Zeugnis

Truppen, eingeübt.

die nad)

betrifft, jo Tann geben. Mehrmals

Hagten uns Baſchi-Bozuks ihre Lage und erzählten ung mit thränenden Augen von den Gefahren, denen fie in Kordofan

entgegengehen

dem Plane, zu entfliehen.

würden,

ja fprachen jogar von

Das Lager von Omdurman

umfaßte 6000 Mann Infanterie, 4000 Baſchi-Bozuks, 20 Kanonen (4 Krupp, 6 Mitrailleufen, 10 Gebirgs-

fanonen), 500 Pferde. Dazu famen für die Expedition nad Kordofan noch 5500 Kameele. Ueber das entjeßliche Ende diefer Armee in der dreitägigen Feldſchlacht vom 3. bis 5. November 1883 bei Melbas haben die öffentlichen Blätter berichtet. Dieſe tragische Niederlage war die Folge jener Nachläffigfeit, mit der die Regierung die revolutionären Ereigniſſe im Sudan behandelt hatte. Was feit jenem 5. November im Sudan und in den politifchen Kreifen

Kairo's und Londons vor ſich gegangen, was im Sudan und in jenen Kreifen jeßt vor fich geht, ijt einftiveilen dem Gebiete de3 Journalismus noch nicht entrücdt. Die Gegenwärtig Kriegsminifter in Aegypten.

Forſchungen in Grönland. Wahrheit der Thatfachen wird ſich erſt ſpäter zeigen. Doc) ſcheint es mir unglaublich, daß das Aufgeben des Sudan

eine Maßregel für lange Zeiten ſein ſoll; ich hoffe feſt, daß man in Kürze den Sudan wird wieder zu gewinne n ſuchen im Intereſſe der Ziviliſation und beſonders um der Beſeitigung des Sklavenhandels willen; denn es wäre eine Schmach des Jahrhunderts, jenes edle, lange angeſtrebte Reſultat nun gänzlich fallen zu laſſen. TE BE

Fortſetzung folgt.)

Forſchungen in Grönland. Von Edward

Whymper.

III.

Schluß.)

Die Erſteigung des Kelertinguit gelang vollkommen. Der Tag war wolkenlos, der Gipfel erwies ſich höher als

irgend etwas in ſeiner Umgebung und war von den be— nachbarten Bergſpitzen ganz iſoliert. Als ich den Ab— hang hinunterblickte, an welchem wir emporgeklettert waren, erſchienen ſchwarze Punkte,

betrachteten

mir die

meine Begleiter nur wie kleine darüber zerſtreut waren; einige

ihre armen Fuße, andere

ſtellten ſich an,

als intereſſierten ſie ſich für die Landſchaft, nach Art von Leuten, welche ſehr ermüdet ſind. Der Träger meines

Theodolitgeſtells war der vorderſte von allen und als er ankam, ſtellte ich das Inſtrument auf und ins Niveau, um den Horizont abzuſuchen. Ich fand bald, daß ich bedeutend höher ſtand als alles innerhalb einer großen Entfernung mit Ausnahme von zwei ſcharfen gletſcher—

bedeckten Bergſpitzen, welche auf der Nordſeite des Umenak— Sjords lagen, und dieſe beiden Berge, zwiſchen 6000 und

7000 Fuß hoch, find die höchſten, welche ich in Nordgrön—

land aufzufinden imftande geivejen bin.

Kelertinguit war 6800 Fuß hoch und die Ausficht bon jeinem Gipfel wirklich nach allen Richtungen hin eine großartige und höchit interefjante. Sie beherrfchte gen

Süden

die ganze Breite der Halbinjel Nurfoaf

ſtreckte fi) über

die Waigatſch-Straße

und

er:

nach der hoben

Inſel Disco; gen Welten umfaßte fie den weſtlichen Teil der Halbinfel Nurſoak mit der jenfeitigen Davisſtraße; nordwärts ging fie gerade über den Umenak-Fjord etwa 30 MI. weit bis zur Inſel Black-Hook; nordöftlich über: Ihaute fie den Fjord mit feinen vielen impofanten Inſeln und Cilanden und ihre Umgebung von unzähligen Eis—

bergen, welche fi) vom Binnenlandeis abgelöft hatten und davontrieben, und gen Diten, von Nordoft bis Südoft, erichten, über nahzu 90% des Horizonts fich hin erſtreckend, das Binnenlandeis jelbjt und bot alle die charakteriftifchen

Merkmale, deren wir aufden vorangegangenen Seiten ertvähnt haben.

Der jüdliche Teil der Anficht des Binnenlandeifes,

wie er vom Kelertinguit zu jehen war, ſchob fi) vor den

951

nördlichen Teil desfelben, wie ich es bei früheren Gelegen— heiten geſehen hatte, während er ſich nordwärts mindeſtens zum 71.0 15° n. Br. erſtreckte. Sp hatte ich num auch

den Abſchnitt des Binnenlandes

zwiſchen 680 30° und

‘10 eine Eiſe fein

15° im Umfang von 190 e. MI. gefehen und überall gerade ununterbrochene Krone von fchneebededtem gefunden, welche das Land fo abſolut berbarg, daß einziger Baden über ihrer Oberfläche erichten. Die Höhe diefer geraden ununterbrochenen Schnee: krone war nun das Ziel meiner Aufmerkſamkeit — der Hauptzweck, um deſſen willen ich die Befteigung gemacht hatte. Als ich den Theodolit darauf richtete, fand ich, daß die Hochebene unter meinem Standpunkt eine leichte Depreſſion zu haben ſchien; da fie aber mehr als 100 MI. ! entfernt war, erfchien fie nur niedriger als fie wirklich warAuf die Annahme hin, daß fie nicht mehr als 100 MU, entfernt ſei, ergab fich, wenn man auch die Lichtbrechung und die Nundung der Erde in Abzug bringt, daß ihre Höhe

tert über 10,000 Fuß ging. Der Lefer wird nun einfehen, warum ich fagen fonnte, ih jei gewiß geweſen, daß Baron Nordenſtjold ſich in jeinen Erwartungen täufchen werde, wenn er die in feinem Programm angezeigte Nichtung einfchlagen würde, und warum jeine Angaben bezüglich des Innern diefes Teils von Grönland ſowohl Ueberraſchung als Auffehen erregten. Eine Neife quer durch das überfrorene Binnenland würde allerdings für eine merkwürdige Leiftung gelten, allein e3 it aller Grund zur Annahme vorhanden, daß fie an Er: Denn obwohl das gebniffen unfruchtbar fein würde. Binnenland von außen ber noch nicht in feiner ganzen Länge

und Breite überſchaut worden ift, jo hat man menigitens ihon fo viel davon gejehen und mit hinreichender Genauigfett unterfucht, um es beinahe zu einer Sache von abjoluter Gewißheit zu machen, daß das ganze Binnenland von Nord nah Süd und von Oſt nach Weit vollfommen in Eis und Schnee gehüllt ift. Beinahe alles das, was durd) eine Neife über diefe Eiswüfte bin in Erfahrung ge:

bracht werden

kann, iſt mit größerer Leichtigkeit

und

unendlich weniger Opfern dadurch zu erlangen, daß man die Bejichtigung des Binnenlandes von den Bergen auf jeinem Saume aus fortfeßt, und dies ift der Kurs, welcher für fünftige Polarforjcher die größte Anziehungskraft hat. 1 Da manche Yefer wohl nicht gern an die Möglichkeit glauben werden, daß man auf eine folche bedeutende Entfernung hin jehen fönne, jo darf ich wohl die Thatfache erwähnen, daß ich, als ich einige Tage vor Erfteigung dieſes Berges um Mitternacht auf dem Gipfel der Hafeninfel ftand, etwa 60 MI. mweftlicher im Norden den Berg Samderfons Hope bei Uperniawik und im Südoſten die Berge am äußerften ſüdlichen Ende der Waigatſch-Straße erkannte, wovon die erjteren 150 und die letsteren über 110 MI. von mir entfernt waren. Das tft mit einer einzigen Ausnahme die größte Entfernung, auf welcher ich während meiner Gebirgs-Erpeditionen Gegenftände erkannt habe. Die einzige Ausnahme bildete der Stille Ozean, welchen ich auf dem Chimboraſſo aus einer Höhe von 18,000 Fuß ſah.

952 ee

Forſchungen in Grönland.

Nenn aber auch das eigentliche Binnenland von Grönland für den Forfcher ſehr wenig Interefje zu haben verſpricht, Jo tft dies mit dem Streifen Landes, welcher die Küfte umgibt, durchaus nicht der Fall. Die Ber: änderungen, welche ſowohl mit der Höhe des Landes wie mit jeinem Klima vor fi gegangen find, gehören zu den merfiwürbigiten, welche man von irgend einem Teil der Erde anführen kann, und die Bewohner diefer Breiten an jih bieten mandherlei Intereſſantes. Sch mill daher hier über dieſe drei Gefichtspunfte noch einiges anfügen und zunächſt von der verhältnismäßig neuen großen Erhebung des Landes reden. Erbbeben und thätige Vulkane find in Grönland unbefannt, und doch bietet das Land Zeugnifje genug dar, daß es der Schauplat furchtbarer Umwälzungen geweſen it. Neben dem Eleinen Flächenraum von eruptipem Ge: jtein, welches aus Niffen und Spalten emporgequollen jein mag, gibt es weit ausgedehnte Bezirke, welche aus vulfanifchem Gejtein mit der Mächtigfeit von Taufenden von Außen beitehen. Die Inſel Disco, welche nach allen

Richtungen hin über 60 MI. im Durchmeffer hat, befteht beinahe ganz aus vulfanifchem Geftein, das hier 3000 bis 4000 Fuß mächtig ift. Das Feftland jenfeit der Waigatſch— Straße beiteht ebenfalls vorzugsweife aus demjelben, das bier noch eine größere Höhe und Mächtigkeit erreicht und bis zu dem Gipfel des Berges Keterlinguit (6800 Fuß) emporfteigt, welche die größte Erhebung ift, in welcher es bisher in Grönland beobachtet wurde. In diefem Bezirk eritreden ſich die vulfanifchen Gefteine mehr als 100 MI. weit nad Dit und Weit und noch auf eine größere Entfernung nad Nord und Süd. Sie haben nicht das Ausjeben als ob fie aus einem Krater oder irgend einer un: geheuren Spalte in der Erdoberfläche ergoffen feien, fon: dern gemahnen eher daran, daß fie heftig emporgehoben oder heraufgetrieben worden feien, möglicheriveife durch eine einigermaßen ähnliche Konvulſion der Natur, wie fie 1883 in der Sundaſtraße vorkam, als die Inſel Krakatoa in Stüde zerriffen und große Flächen in ihrer Umgebung plöglich emporgehoben oder niedergedrüct wurden. Eine derartige Konvulſion aber, falls fie überhaupt vorkam, muß in einem ungemein bedeutenderen Grade ftattgefunden baben, als der Ausbrud von Krakatoa war. Die davon betroffene Aera ift unendlich vielmal größer und die Klippen find erftaunlid — auf der Inſel Disco erheben fie ſich in einzelnen, beinahe ſenkrechten Abftürzen mehr al3 1500 Fuß hoch und erreichen am Nordende der Waigatjch-

Strafe vielleicht ihre größte Entwidelung, wo am Berge Karkarſoak die dem Meere zugefehrte beinahe 4000 Fuß hohe Seite hauptfächlich aus einer einzigen großen Klippe bejteht, die beinahe fenkrecht zum Meere abjtürzt. Ob diefe große Entwidelung vulkaniſchen Stoffes mit

einem einzigen Nud auftrat oder in aufeinander folgenden

Perioden, oder ob fie abwechſelnden Emporhebungen und Depreffionen unterworfen war, das find Fragen, welche

den Scharffinn der Geologen nod lange auf die Probe itellen werden. An den unteren Abhängen des Keterlinguit, welche den Umenaf-Fjord berühren, gibt es noch Beweiſe genug, daß daſelbſt in einer ziemlich neuen Zeit eine

Bodenerhebung ſtattfand, denn dort befindet ſich an einem Ort namens Pattorfik ein bedeutſames Muſchellager,

welches von einigen Fuß bis zu mehr als hundert Fuß über dem Meeresſpiegel emporragt, wo Tauſende und aber Zaufende von Meeresmufcheln ! von ungefähr einem Dutzend Arten teils an der Oberfläche, teils in einem Konglomerat von Kiefeln und jandigem Geröll eingebettet liegen und einen Felfen von außerordentlicher Härte zu bilden beginnen. Diefer Niederſchlag ſcheint am Ende eines nun zu trodenem Lande geivordenen Fjords in der jelben Weife gebildet worden zu fein, wie ih Lagerungen ähnlicher Art auch jebt noch am Ende von Fjords in der Nachbarſchaft des Binnenlandeifes bilden, Diefe Stelle ift von verfchiedenen Reiſenden bejucht

worden, unter anderem

aud von Baron

Nordenftjöld,

welcher die Matrix dieſes Niederſchlages al3 „einen etwas erhärteten Bafaltfand auf dem Uebergangszuftand in Bafalttuff” bezeichnete. Da über diefen Gegenftand eine große Verſchiedenheit der Anfichten herrſchen mag, jandte ich eine Probe davon an den Seren Profeſſor J.©. Bonney in Zondon, welcher dieſelbe mikroſkopiſch unterfuchte und mich mit folgender Anttvort erfreute: „Diefes Geftein ift zuſammengeſetzt aus verfchiedenen mineralifchen und organifchen Bruchſtücken, welche in eine erdige Matrix eingefchloffen find. Die mineralifchen

Trümmer beftehen aus Quarz und Feldſpat, zuweilen mit einander verbunden, aus einem grünlichen Mineral, zum Teil

wenigitens aus Hornblende (nicht gewöhnlich), aus einem fein kryſtalliſierten Bafalt (felten) und aus einigen dunkel— braunen glasartigen Körnern, welche wahrſcheinlich mit

dem lestgenannten Geftein verwandt find, Die organijchen Trümmer find meines Erachtens in allen Fällen Stücchen von Mollusfenfchalen und Mufcheln. Die erdige Matrir iſt allzufehr zerfeßt, als daß ich ihren Ursprung beftimmen fünnte; fie mag entiveder vertvitterter Feldſpat oder Geröll von einem DBafalt fein. Das gräuliche oder grünliche Ausjehen des Felſens würde der leßteren Anficht nicht un:

günftig ſein. Aus gewiſſen kleinſten Eigentümlichkeiten ſchließe ich, daß der Quarz und der Feldſpat größtenteils von einem

Auch

Granit

oder

granitoiden

vulkaniſcher Staub

mag

Gneiß

herſtammen.

einen Teil der Matrix

bilden, allein das Geſtein iſt nicht in irgend einem eigent— lichen Sinne ein Tuff.“ Ungefähr 100 Ml. ſüdlich von Pattorfik erhielt ich

einen beſſeren Beweis für die Emporhebung, als ich in einer Entfernung

von

wenigen

Meilen

landeinwärts in

! Cardium islandicum, O. groenlandicum, Pecten islandieus und verfchiedene Arten von Astarte waren in übermiege nder Anzahl vorhanden.

Forihungen in Grönland. einer Höhe von 550 Fuß über dem Meere Muſcheln von

nachitehenden Arten fand: von Yoldia hyperboraea L., Y. glacialis Gray, Tellina tenera (), T. proxima Brown, Nucula nitida Sowerby, N. tenuis Gray. Saxicava rugosa L., Astarte Spez. Die beiden obigen Beifpiele

und befonders das letztere liefern ein ſtarkes Zeugnis und werden durch andere Beugniffe unterftüßt und bejtätigt.

Sämtliche von mir erftiegene höchfte Gipfel bejtehen

aus

Geftein von vulfanischem Urſprung und find überall, bei: nahe bis zu ihren höchften Spiten, mit einer großen

Mannigfaltigfeit von aufgefchtvemmtem Geftein durchiprengt. Für

den

einzelnen

größeren

Leferfreis würde

die Aufzählung der

Fälle und Beifpiele, welche am Ende gegeben

werden, langweilig fein und ich führe daher nur ein einziges Beifpiel, den Gipfel der Hafeninfel, an. Diefes Eiland liegt nördlich von der Inſel Disco, it ungefähr 7 e. MI. lang, mit kleinen Uferklippen, welche von einem leicht gewellten Gipfel, beinahe einem Moor, gekrönt find,

das, weil es wenig der Entblößung unterliegt, der Zurüd: haltung des Gerölls günftig ift. deren Gipfel 1800 Fuß über angeſchwemmtem Geftein in der an bis zu den Findlingsblöden Umfang bevedt, welche ſich bier,

Dieſe gefamte Hochfläche, dem Meere liegt, iſt mit Größe von Kleinen Kiefeln von mehreren Kubifmetern mit ihren größten Dur:

mefjern

liegend,

annähernd

horizontal

niedergefchlagen

haben und an vielen Stellen jo ineinandergepaft find, « daß fie beinahe ausfehen, als ob fie durch Menfchenhand bieher gelegt worden wären. Dies ift nur ein einzelnes Beifpiel von vielen, die hier angeführt werden Fönnten.

Die allgemeine Landes,

deutenden Mengen

Geftaltung

und

die Charafterzüge

das Vorhandenfein

von

Meeresmufcheln

Höhen

des

in be-

über dem Meere und die ungeheuren

von angeſchwemmtem

Stoff, welche an manchen

Stellen wie ein Meeresgrund! erfcheinen, führen ſämtlich zu dem Schlufje, daß bier große und tweitverbreitete Em: ftattgefunden haben, und zwar zu einer in

porhebungen

geologiſchem Sinne nicht allzu fernliegenden Zeit, da die Muſcheln

wenn

alle von arktiſchem

Typus

find und

zumeift,

nicht ganz, noch heutzutage in den grönländifchen

Gewäſſern leben.

95

Holz, Blätter, Blüten und Früchte gefunden und dieſe als verfchiedenen Perioden angehörend erkannt. Diejenigen, welche als aus der Tertiär-PBeriode ſtammend beftimmt worden find, belaufen ſich auf ungefähr 137 Arten, wovon der größte Teil von einem einzigen Orte namens Ataneferdluf ftammt, welcher auf den weſtlichen Abhängen eines

der Waigatſch-Straße zugefehrten Berges Tiegt. Meine Aufmerkſamkeit ward zuerjt auf diefen Segen: Itand gelenkt dur eine Notiz in MeGlintod’s Bud: „Die Reife des „For““, ©.26, wo eines foffilen Waldes erwähnt wird, von welchem anfcheinend der von mir fchon früher erwähnte Herr Olrik Eir Leopold MeClintod einige Cremplare übergeben hatte, „Sch ſchied, bereichert mit einigen Foſſilien aus dem foffilen Walde von Ataneferdluf”, fagt ev. Ms ih Herrn Olrik befragte, erfuhr ich die Yage dieſer Dertlichkeit, fowie daß er zu verfchiedenen Heiten dur Eingeborene eine ziemliche Menge Exemplare von DVerfteinerungen von dort erhalten und viele davon nach Kopenhagen geſchickt habe. Allein er ift, wenn ich vecht berichtet bin, nicht ſelbſt an Ort und Stelle geweſen, bon wo die Exemplare gefommen waren. Auf feinen Nat ging ich, bevor ich mich dahin begab, nach den Nieder: laffungen Ritenbenk und Sakkak, um mir örtliche Führung und Hülfe zu verichaffen, und war bei meiner Ankunft an Ort und Stelle von 14 Eingeborenen begleitet, welche außer meiner gewöhnlichen Reiſegeſellſchaft nur behufs des Sammelns engagiert worden waren. Von einer Eleinen Leifte an jenem Berghang, welche nur etwa 400 Fuß lang war und aus einer Schichte, welche kaum 3 Fuß mächtig jein mochte, erhielt ich nicht weniger als 73 Arten, ein: Ihlieglich Eichen, Bappeln, Kaftanien, Blatanen, Cequoien, Magnolien und vielen anderen. Durch gütige Bermittel:

ung

de3 Mr. R. 9. Eeott, F.R.S.1

wurde

die erite

Sammlung diefer Exemplare durch Abtretungen von Seiten der Britischen Aſſociation und der Königlichen Geſellſchaft dem Britifchen Muſeum gefichert und behufs der Unter: juhung und Beichreibung an den verjtorbenen Brofefior Dr. O. Heer in Zürich eingeſchickt, welcher auch die metiten früher an derfelben Dertlichfeit gefammelten Exemplare unterfucht hatte, und ich entnehme feinen Bemerkungen

Es ift merkwürdig, daß man im Herzen diefer Region von vulkaniſchem Geftein, in einem arftifhem Lande und in einer arktifchen Kälte, noch die foffilen Ueberreſte einer

darüber? folgende Auszüge:

Flora findet, welche von der heute noch dort lebenden ganz verjchieden iſt — von einer Flora, welche darauf bindeutet, daß in einer früheren Periode daſelbſt zum mindeiten ein jehr gemäßigtes Klima herrſchte. Man bat in verfchtedenen Teilen der vulfanifchen Negion von Nord:

Flora von Europa gefunden, nämlich: Poacites Mengeanus. Smilax grandifolia, Quercus Laharpii, Corylus insignis und Sassafras Ferretianum, Won diefen bieten die Smilax

grönland an mehr als einem Dutzend Orten verfteinertes 1 Baggerumgen, welche in der Nähe geftrandeter Eisberge an der grönländifchen Küſte veranftaltet wurden, um die von ihnen fi) niederfchlagenden Stoffe kennen zu lernen, brachten genau ein ſolches Affortiment von Geftein zu Tage, wie es auf dem Gipfel der Hafeninjel und an anderen Stellen gefammelt worden war,

„Die Sammlung enthält 73 Arten, von denen 25 neu find.

Von

den

letteren

werden

fünf

in der

miveänen

1 Welcher die Abfiht gehabt, eine Neife nad) Nordgrönland zu machen und dafiir 1866 eine Geldbewilliguug von der Britiihen Affociation behufs Erforſchung diefer Schichten foſſiler Pflanzen erhalten Hatte, aber am Antritt feiner Reife verhindert worden, worauf er, jobald er von meiner beabfihtigten Neife hörte, mir in der rühmlichften Weije feinen Nat, Beistand und Belehrung zu— fommen ließ, 2 Bortrag in der Königlichen Geſellſchaft am 11. März 1869,

954

Forſchungen in Grönland.

und die Sassafras Punkte von befonderem Intereſſe. Die

grandifolia

Smilax

vepräfentiert die Sm. Mauritanica

in der heutigen mittelländifchen Flora und war in der unteren miveänen Epoche über ganz Europa verbreitet.

Sie wird

in Stalien, der Schweiz und Deutjchland bis

hinauf zu den Küften der Dftfee gefunden und wir wiſſen nun, daß fie fogar in Grönland vorfam und wahrjcheinlich in Gewinden von den Bäumen hing. Die Sajjafras

ift feither nur an wenigen Dertlichfeiten gefunden worden, welche übrigens fo weit von einander entlegen find, daß diefe Pflanze höchſt wahrſcheinlich feinen großen Verbreit— ungsbezirk in Europa batte..... Als eine interejjante

neue Art haben wir ein Biburnum (Viburnum Whymperi) bervorzubeben, welche dem eupropäifchen Vib. Lantana

allein

die Sammlung,

wie fie in feine Hände gelangte,

gab feinen Begriff von der wundervollen Fülle, die man an Ort und Stelle ſah, weldhe den Eindrud eines außer:

ordentlih üppigen Wachstums von zahlreichen Arten in dichtem Nebeneinander und von einer ungeheuren Anhäuf: ung von machte,

abgefallenen

Blättern,

Zweigen

und

Mejten

In der Hauptfache gab es nur Abdrüde von Blättern. Die urfprünglichen Gewebe waren verſchwunden, obwohl in einzelnen Fällen die Gewebe vorhanden waren und jelbit Zapfen und Stämme mit ihrer nur leicht foſſiliſierten Struftur gefunden wurden. Die der Oberfläche zunächit liegenden wurden in einem verhärteten rötlichen Thon ges funden. Diefe Mafjen fplitterten nicht leicht und litten

und dem amerifanifchen Vib. dentatum gleicht; ferner eine

wenig vom Transport,

Aralia, mit lederartigen Blättern, einen Cornus, einen

welche unzerbrochen in Europa ankamen, waren von dieſer Art. Allein die unteren Schichten, welche aus graulichem Schieferthon beitanden, waren weitaus die ergiebigiten und boten, wenn man den darüber liegenden Schutt hinweg— geräumt hatte, einen äußerſt reizenden Anblid von Myriaden

llex mit jehr großen Blättern, zwei Rhus, einen Sorbus,

eine Nyssa und zwei Pterospermides..... Die Samın: lung verichafft uns auch eine reiche Belehrung über bereits befannte Arten. Sie enthält viele ſchöne Blätter von MeClintockia, ivelche unfere Kunde von diejer merkwürdigen Gattung erweitern... .. Die Eichen erſcheinen fehr zahl: veih in Ataneferdluf. Zu den acht Arten, die wir fchon früher Fannten, ift eine neue (Quercus Laharpii Gaud.) hinzugefommen, während wir unter den früher befannten vollfommenere Blätter von Q. Lyellii und Q. Platania

erhielten. Dasſelbe ift mit Juglans, Planera und zwei merfivürdigen Sarnen (Hermitelites Torelli und Woodwardites) der Fall, welche fich fehr weit von allen Arten ſowohl der falten als der gemäßigten Zone unterfcheiden.

... Die Entdeckung der Frucht und Blüten der Kaftanie beweilt

uns,

dab

die

Niederichläge

von

Atanekerdluk

zu verſchiedenen Sahreszeiten gebildet wurden

— ſowohl

im Frühling, wenn die Kaftanie in Blüte ift, wie im Herbit. Die Entdedung der Frucht von Menyanthes ijt

eine weitere Beftätigung einer Art, welche nur auf die Blätter gegründet ift.“ Die Entdedung einer derartigen Auswahl foifiler Pllanzen in einem arktiſchen Klima ift an fich merkwürdig genug, und iſt e8 um

jo mehr, wenn man fie auf einem

Flächenraum findet, tvelcher kaum 200 Fuß lang, 10 Fuß breit tft und nur eine Tiefe von 3%; Fuß hat. Auf diefem Raum wurden Taufende von Eremplaren von 73 Arten gehoben.! Profeſſor Heer fpricht in feinem Auffas mit

Bewunderung von den „dicht gepadten Blätter-Maffen“, 1 Das Ganze wurde entweder von meinen Gehülfen, welche unter meiner Aufficht arbeiteten, oder von mir eigenhändig herausgenommen, Ste wurden alle in situ geſammelt und feinerlei zweifelhafte Exemplare dazugethan, welche von den Eingeborenen abgeliefert wurden, ohne daß ich genau wußte, woher fie famen. Es ift in der Negel nicht ratſam, Eingeborene zum Sammeln bon Foſſilien zu verwenden, ohne ihre Arbeiten genau zu über— wachen, da fie jehr geneigt find, Exemplare, die aus verschiedenen Schichten fommen, hineinzumifchen und dadurch Verwirrungen zu veranlaffen, welche zu ganz irrigen Schlüffen führen.

von Blättern,

und der größere Teil derjenigen,

welche dicht übereinander

lagen, jo voll:

fommen in Nervatur und Umriffen als ob ſie eben erit zu Boden gefallen mwären.! Diefe Schieferthone waren

leider ausnehmend zart, ſpröde und zerbrechlich und Kitten ſehr auf dem Transport wie durch das häufige Baden und Umpaden, jo daß nur wenige Stüde davon unverjehrt nac) Europa gelangten.? F Das Lager von Atanekerdluk iſt bei weitem das an

Arten und Exemplaren reichite, welches in Grönland ent— det worden tft; allein ich habe jelbit (in den Sahren 1867 und 1872) foſſile Blätter, welche verjchiedenen Perioden

angehörten, an zehn anderen Dertlichfeiten, entweder auf dem Feſtlande oder auf der Hafeninfel und der Inſel Disco, gefunden und es iſt gar fein Zweifel, daß ſchließ— lich noch viele andere gefunden werden. Der größte Er: folg, welchen ich im Jahre 1867 machte, war die Entdeck— ung eines Magnolienzapfens auf der Inſel Disco, und dies gewährte Heren Profeſſor Heer eine große Öenugthuung, tvelcher zuvor fehon in Gremplaren, welche ihm überjandt

worden waren, einige Bruchſtücke von Blättern entdedt hatte, welche er auf Magnolien bezogen.? In derjelben ! Sequoia Langsdorfii, Brongn. war weitaus die am häufigsten vorfommende ſowohl zu Ataneferdluf wie an anderen Stellen und wurde an jenem Ort beinahe in jeder Platte von bedeutender Größe gefunden, 2 Diejelben mußten 1174 Fuß hoch am Berghang herab-

getragen, dann umgepackt und in einem Boot nad Nitenbenf ge— hafft, von hier an Bord einer Thranſchaluppe gebracht und nad) Godhavn verjhifft und auf einer Brigg nach Kopenhagen und bon da per Dampfihiff nad London geſchickt werden, wo fie wieder umgepadt und zu Dampfboot und Eifenbahn nad) Zürich gejchafft wurden, 3 Der spezifische Name, melden ihr Profeſſor Heer gab, bezog fi auf den Admiral SirE. U. Ingefield, welcher, ſoviel ic erfuhr, die erften Exemplare aus Ataneferdfuf nad) England brachte.

Forfhungen in Grönland.

055

Umgebung fand ich i. %. 1872 große Mengen von foffilifiertem Holz, deifen Stämme und Stümpfe alles weit über:

zu machen, und obwohl die kleinen Eingeborenen ebenfo gern fpielen als andere Kinder, fo findet man bei ihnen

treffen, was heutzutage in diefem Lande wählt.

Es gibt

doch eine größere Liebe zur Schule als in zivilifierteren

nämlicd in der That in Nordgrönland kaum etwas, was man einen Baum nennen fann, denn dasjenige Gewächs,

Regionen. Einige andere Ziveige der Ziviliſation, welche in Erönland eingeführt wurden, find vielleicht im allge-

welches einem folchen zunächſt fommt, ift die Zivergbirte,

meinen weniger mwohlthätig,

welche am Boden kriecht und felten mannshoch twird. Das

und Schnupfen, welche fo ſehr verbreitet find, daß man jogar die feinen Kinder ihre Skillings- (Zweipfennig-) Bigarre rauchen fieht, und ich habe auf Disco von einem allerdings für „Frühreif” geltenden zwetjährigen Mädchen gehört, das ſchon eine kurze Pfeife rauchte.

größte lebende Holz erlangt kaum jemals mehr ala zwei Boll Durchmefjer, während man vollftändig foffile Stämme von mehr als zwei Fuß im Durchmeffer gefunden hat

und häufig auf einzelne Bruchitüde trifft, welche anjcheinend noch weit größeren Stämmen angehört haben. Der größte fojiile Stamm, welchen ich jemals heimgebracht habe, gehörte einem zapfentragenden Baume an und war mindeftens

zehnmal jo did, als das ſtärkſte nun im Yande zu findende lebende Holz. Bezüglich der Periode, welcher Profeſſor Heer dieſe foffile Flora zufchreibt, find verschiedene Anfichten aufge: jtellt worden. Ginige haben, um die Anweſenheit der:

felben unter dem 70.0 n, Br., in einem fol arktiſchen Lande, auf die leichtejte Weiſe

zu erklären, die Annahme

aufgeitellt, fie jei aus milderen Klimaten nad) ihrer jeßigen Lagerftätte

hingefpült

worden,

eine Vermutung,

welche

niemand hegen würde, welcher fie an Ort und Stelle ge: ſehen hätte. Das Zeugnis ift bereits überwältigend, daß in vergangener Beit hier eine Vegetation von einem nun

im Lande unbefannten Charakter herrjchte, und daß damals bier ein dichter und üppiger Waldwuchs

ſich über einen Flächenraum

bejtand, welcher

von beinahe 100 Ml., von

Nord nad Süd gerechnet, ausdehnte, und aus Nachrichten,

welche ich erhalten habe, kann ich kaum mehr bezweifeln, daß jener Flächenraum ſich in nicht jehr ferner Zeit als noch beträchlicher herausitellen wird.

Die Landesbetvohner

würden eigentlich mehr Raum

verdienen, als ich ihrer Beiprechung im vorliegenden Falle

widmen fann. Sie haben allerdings ihre Eigentümlich— feiten, allein wenn man derjelben Herr geworden tft, jo gibt e3 wenige Völker, unter denen man leichter und an— genehmer reifen kann. Ein einzelner Mann kann ſich unbewaffnet ohne Furcht unter fie wagen.

3 tjt vielleicht

fein Land in der Welt freier von Gewaltthaten und Ber: brechen als Grönland. Mord ift hier praktiſch unbekannt und die Ordnung wird

hier aufrecht erhalten oder erhält

ſich vielmehr ſelbſt ohne die Hülfe eines einzigen Soldaten, Poliziſten

oder

Richters.

länder

hat den Dänen

reicht.

Die

Ihre

Behandlung

der Grön—

feit vielen Jahren zur Ehre ge:

eingeborene Bevölkerung,

welche

vor

einem

Sahrhundert fih nur auf etiva 5000 Seelen belief, zählt nun über 10,000. Es ift längjt befannt, daß die Mehrzahl der Eingeborenen lefen und fehreiben kann, und ich vermag nur zu Tonftatieven, daß die Zahl derjenigen, welche leſen können, entjchieden größer iſt als auf den Britiſchen Inſeln. Es ift den Dünen auf irgend eine

Meife gelungen,

den Schulbefucd angenehm

und beliebt

jo z. B. das Tabakrauchen

Manche der nun fichtbaren guten Wirkungen dürften ohne Zweifel dem guten Samen beigemefjen werben, welchen die Egede Schon vor einem Jahrhundert ausfäeten. Noch itebt in Claushavn das Haus, worin Hans Egede Saabye (der Enfel des erſten Egede) wohnte, ein jeltfames, Fleines

unbequemes

Gebäude,

von

dem man nicht begreift, mie

darın er mit Weib und Kind Unterfunft fand. Zu feiner Zeit wurden die Eingeborenen ſyſtematiſch betrogen, aber beutzutage dürfte man faum ein Land finden, wo e3 im Handel und Wandel ehrlicher und redlicher zugeht. Das Verzeichnis der Waren, welche man angeblich in den Läden erhalten kann, iſt ſehr umfangreich und ums faßt alles, was das Herz nur wünſchen Fann, zwischen Schießpulver und Kölniſchem Waſſer, und da die Verfaufspreife äußerft mäßig find, jo erfcheint es auf den eriten Blick, daß ein Neifender dieſes Yand als ein billiges finden würde. Es muß aber hervorgehoben werden, daß eine

große Menge

jener Artitel nur auf dem Papier vor

handen find und daß alle eßbaren Waren fehr gewöhnlich in den Sommermonaten unmittelbar vor der Ankunft der jährlichen Schiffe auf die Neige geben. Sch fam einmal nach einer Niederlaffung, two gar nichts Eßbares mehr zu

befommen

und faum

etwas

anderes mehr im Laden zu

haben war als Porzellan-Knöpfe, Fiih-Angeln und Zünd— hölger, und daß fi) mir, da meine Lebensmittel damals zu Ende waren, die Frage aufdrängte, welcher von dieſen drei Artikeln der nahrhafteſte ſei?

Die Ankunft der jährlichen Schiffe aus Kopenhagen ift gewöhnlich das wichtigſte Ereignis im ganzen Jahr, dem man mit Spannung entgegenfieht. In den nördlichen Nieverlaffungen ift Godhavn, die Hauptſtadt, metit der erfte Ort, welcher aus Europa Nachrichten erhält, nachdem er fieben Monate lang von der Zivilifation abgejchnitten war. Auf dem Ende des Vorgebirges, binnen deſſen der Hafen liegt, ift ein Signalbaus und eine Auslug-Station, ein feltfames kleines Gebäude, welches innen auf Eckpfoſten von großen Walfischfnochen ruht, und manche erwartungs—

vollen begierigen Blicke werden im Frühling von hier aus die Davisitraße hinabgefendet nach dem erjten Schiff, welches Neuigkeiten aus der Heimat und Nahrung für die Hung:

rigen bringt. halbe

Jens erwartet vielleicht mit Sehnfucht jenes

Faß Num,

welches

er vor 12 Monaten

beitellte;

Hans betrachtet feine beftellten jechzig Pfund Tabak für

956

Noch einmal Betſchnanenland.

die wichtigjten von allen Erdengütern; aber alle find voll

Spannung

auf die Neuigfeiten,

um

zu finden, ob die

Zieben zu Haufe wohl find und vor allem um zu erfahren, ob draußen in der Welt Frieden oder Krieg ift.

jene Freibeuter nun erſt recht ungejcheut auf der ein: geichlagenen Bahn weiter und vergriffen fich unter andern auch an einem friedlichen englifchen Händler, dem fie feine ganze Habe abnahmen. Mas aber no) viel ſchlimm er ift, jeßt warf auch die Negierung von Transvaal die Maske

ab. Bis dahin hatte man am Kap vielfach noch geglaubt,

daß dieſe Freibeuter

Uoch einmal Betſchuanenland. In Nr. 44 dieſer Zeitſchrift findet ſich ein Artikel über die Lage in Betſchuanenland, der dieſelbe allerdings ganz zutreffend jchildert, wie fie vor einigen Monaten war; aber inzwiichen haben ſich die Dinge dort doch ſchon jebr bedeutfam weiterentwickelt und es erfcheint darum eine kleine Fortſetzung zu dem dort Gefagten dringend geboten, um die Leſer über die gegenwärtige Situation aufzuklären. Die Amtsführung des Herrn Madenzie im Betſchuanen— lande ift nur von ſehr furzer Dauer geivefen. Obwohl derjelbe dort mit großer Weisheit und Zurüdhaltung auf: trat und offenbar die Weißen in Stellaland durchaus nicht in ihrem Beſitzſtande zu ftören beabfichtigte, fondern offen— bar ſeine Abſicht dahin ging, den für die Farbigen ſo ver— derblichen Strom der Freibeuter da aufzuhalten, bis wohin er ſchon gekommen war, und um dem ganz ungeſetzmäßigen Vorgehen der Leute in Goſen eine Grenze zu ſetzen, und obwohl er durch dieſe ſeine Mäßigung ſelbſt bei vielen Afrikaandern volle Anerkennung fand, ſo konnte das alles doch die Feindſchaft und den Haß der ganzen Afrikaander— Partei gegen ihn in keiner Weiſe umſtimmen. Im Gegen— teil, auf ſeine Perſon und deren Hinwegräumung richtete ſich nun das Abſehen dieſer Partei in erſter Linie. Der Gouverneur am Kap, Sir Hercules Robinſon, geriet in eine allerunglücklichſte Lage. Nicht nur, daß die Regierung Transvaals ſich mit Hand und Fuß gegen Mackenzie's Anweſenheit im Betſchuanenlande wehrte, nein, ſeine eigenen Miniſter, die gerade am Ruder befindliche Afrikaander-Partei repräſentierend, ſetzten allen ſeinen Vor—

ſchlägen ein einfaches „Nein“ entgegen, ſolange Mackenzie nicht ſeine Entlaſſung genommen habe. Wenn irgendwo, dann hat ſich hier das Prekäre der ganzen engliſchen Stel— lung am Kap deutlich gezeigt. Der Mann, der Englands Intereſſe ſo ſchneidig und doch ſo maßvoll vertrat; der Mann, der das volle Vertrauen der Regierung in London und des Gouverneurs am Kap beſaß, den mußte man, dem parlamentariſchen Brauche ſich fügend, opfern, d. h. mit andern Worten, Englands Feinde hatten zur Zeit nicht nur in Transvaal, fondern auch in Kapſtadt das Heft in Händen. Herr Madenzie mußte feine Entlaffung einreichen und fehrte nach Kapftadt zurüd. Kaum war er aber fort, von dem die Gegner in Transpaal fo gut wie in Kapſtadt mit frecher Stirn behauptet hatten, daß feine Gegenwart im

Betſchuanenlande das einzige Hindernis einer friedlichen Entwickelung und Ordnung der Dinge jet, da giengen

im Betſchuanenlande

doch nur eben

der Auswurf der Transpaal-Buren feien, und daß ihr Vorgehen auch von den anftändigen Leuten dort mißbill igt

werde; jetzt aber identifizierte fich die Regier ung von Transvaal mit jenen Abenteurern, brach den erit vor fo furzer Zeit mit England geſchloſſenen Vertrag (Konvention) wegen der Grenzbeftimmung nad) Betſchu anenland zu

und ſchickte ſich an, dieſe neuen kleinen Republiken zu

annektieren.

Daß England nun nicht länger ruhig zuſehen kann, wenn es anders nicht binnen kurzer Zeit allen Einfluß und

Anſehen am Kap verlieren und ſich auf eine „Kohlen— ſtation“ am Kap befchränfen will, wie die „Pal Mall Gazette“ es ausdrüdte, das iſt völlig Har. Auch in der Kapfolonie haben fich alle Elemente, die nicht mit dem Afrifaander-Bund eins find, aufgerafft und in mehrere n zahlreich befuchten Meetings in Kapftadt und an mehreren anderen Orten hat man auf das entſchiedenſte ein prompte s

energifches Eingreifen Englands und eine Zurückweiſun g

der Transvaal-Regierung verlangt. Anfänglich drohten die Blätter der Afrikaander-Partei (namentlich „De Zuid Afrikaan“), es würde das erſte Regiment Rotröcke, das von Kapſtadt nach Betſchuanenland zu ziehen verſucht e, ſofort einen allgemeinen Aufſtand in der Kapkolonie ſelbſt hervorrufen; allmählich ſind ſie aber, angeſichts der un— mißverſtändlichen und furchtloſen Sprache, die von der

doch auch noch ſehr bedeutenden

andern Partei geführt

wird, und angeſichts der Thatſache, daß nun endlich doch

ſogar Gladſtone zum energiſchen Eingreifen entſchloſſen zu ſein ſcheint — wie auch die meiſten bedeutenden Kredit— Forderungen für Südafrika

beweiſen, —

ſchon weſentlich

beſcheidener geworden. Daß Transvaal nachgeben ſollte, iſt kaum zu erwarten, und ſo erſcheint ein neuer Krieg Englands gegen Transvaal im Augenblick faſt unvermeidlich

zu ſein. Den deutſchen Kolonialunternehmungen dürfte dieſe ganze geſpannte Situation in Südafrika ſehr förderlich ſein, denn ohne Zweifel wird man unter dieſen Umſtänden nicht nur um ſo weniger Einſprache gegen Deutſchlands Vorgehen erheben, ſondern auch wohl um ſo eher bereit ſein, auch die Walfiſchbai an Deutſchland abzutreten, die ja doch infolge unſerer Beſitzergreifungen für England wertlos geblieben iſt, wie ſelbſt engliſche Stimmen mehrfac h anerkennen.

Der Mais,

zu body zu jtehen fommt, vo Yand billig und fruchtbar und

Der Mais.

Holz in Ueberfluß und wohlfeil ift. Um genug Syrup für den

Fortſetzung.) VI.

Seine Freunde und Feinde,

Nah allem bisher Gefagten fteht wohl der Menſch obenan als Freund oder Feind (2) dem Mais gegenüber. Er ift der dankbarſte Anerfenner, wie der veritändigite Ver: wender aller Teile desfelben. Zu all dem Gefagten fügen

wir noch einige Notizen hinzu. Der Shöngefichtige blonde Indianerftamm in Ecuadors Gebirgen verftedt, in deſſen Mitte ſich Vollmar! heimiſch und glüdlic gefühlt, polftert mit der zarten Hülfe der

Maisfrucht feine Kiffen, auf denen er gleich dem Morgen: länder

am

Maisfolben tragen,

Boden

fißet; denn

umgeben,

zum

die Blätter,

welche den

eignen fi zum Stopfen von Ma-

Polſtern

und

zur

PBapier-Bereitung.

In

Deiterreih find die Hülfen von Mais erfolgreich zur Bapier-Fabrifation verivendet worden. Jenes gelbe geripfte feine Papier, darin in unferem orientalifchen Süden die Herren und das Volk den Tabak zum Papyros drehen, it aus Mais gemacht. Diefe Hülfen denn, welche die Aehren einfchliegen (shucks), werden in den Vereinigten

Staaten

unter

benußt.

Bejonders

dem

Namen

von shucks, welche man Bündel zerteilte.? zum Deden von

shucks

gute Matraken

matrasses überall der Art macht man

auf Hecheln

in feine jchmale

Die getrodineten Stengel kann man ländlichen Wohnungen benußen. In

Amerika iverden aus den gejpaltenen und getrodneten Stengeln Körbe geflochten.? Der Kleinruffe in feinem Holzmangel in der baumlofen Steppe benußt Stiele und Ieere Hülfen des Kufurus als Heizmaterial. Die Dejterreicher

machen fogar Mehl aus den Stengeln und Kolben de3 Mais. Eine andere Gabe des Mais Fönnte vielleicht auch einmal ihr Necht geltend machen, ich meine der Zudergehalt. Laſſen wir unferen unerfchöpflichen Fleischmann reden, fo er:

fahren wir über diefes Thema folgendes: „Schon vor mehreren Jahren (jagte er etwa 1860) teilte ich dem Kongreß der Bereinigten Staaten mit, aus welchen Quellen fich diefe Staaten den nötigen Zuder verichaffen fünnen. Darin erwähnte ich unter anderem die Neichhaltigkeit des Mais:

ftengels an AJudergehalt legenen

Gegenden

und

auf Zuder

957

die Vorteile ihn -in ent zu verwenden.

Seitdem

find mehrere Verfuche gemacht worden, und man bereitete ſehr Schönen fryftallifierten Zuder, dem Nohrzuder ganz ähnlih. Da aber der Preis des Nohrzuders ſehr niedrig üt, fo Lohnt fi die Zuderbereitung aus Mais nur in

jolden Gegenden, welche weit von Flüſſen, Seeen oder Straßen entlegen find, wohin die Fracht des Nohrzuders I „Gemälde der Tropenwelt.“ 2 Fleifhmanı, „Der nordamerifaniiche Landwirt‘. 3 „Kaufmanns-Yeriton‘,

Hausbedarf zu gewinnen, braucht man nur von den Stengeln Heine 16182 Zoll lange Stüde zu Schneiden und in großen Gefäſſen mit heißem Waſſer wiederholt zu übergießen, bis das Waſſer einen ſehr ſußlichen Geſchmack bekommt, welches man alsdann bis auf Syrupdicke abdampft. Dieſer Syrup leiſtet ebenſo gute Dienſte als der Zuder.”! Ueber ſolche Gewinnung des Zuckers aus dem Mais leſen wir auch in den ruſſiſchen Aufſätzen „Zucker aus dem Kukurus oder Mais“,? „Zucker aus Kukurus“.s Auch ein Artikel der „Illuſtrierten Zeitung” 1865, Nr. 1126 (Sanuar), ſpricht uns über den Zucker aus Mais, wie ſo manches andere darüber ſeitdem Geſchriebene, das uns nicht zu Geſicht gekommen iſt. Während aus den oberen Stengelteilen des Mais dann Zucker und Syrup gewonnen wird, liefern die Halme Pottaſche.“ Ein Wiener Kinderarzt gibt zahnenden Kindern, deren Magen in Unordnung iſt, zum Erſatz von Muttermilch Maisthee, d. h.einen Waſſeraufguß auf Maismehl, und „Maizena“, amerikaniſches Maismehl, wurde dieſe letzten Jahre als Nahrungsmittel für Kinder beſonders empfohlen. Und — hören wir! — noch eine neue Verwendung des Mais. Die „Amerikaniſche Schweizer: Zeitung” bringt folgende

Notiz über die in Nordamerika immer mehr um id) greifende Fabrikation Fünjtliher Eier: „Die Herftellung der fünftlihen Eier wird bereits im Großen betrieben; eine Fabrik hat es fo weit gebracht, deren 1000 Stück in einer Stunde anfertigen zu fünnen. Der Dotter wird aus einem von Maismehl, Stärke und anderen Subjtanzen bejtehenden Teige, das Eiweiß aus Albumin hergejtellt. Die innere Haut der Schale wird aus Gelatine gebildet, während die Schale jelbit aus Gyps angefertigt wird. Nachdem der Dotter in Kugelform gerollt, bringt man letztere zum Sefrieren, worauf die Maffe mit Wlbumin umgeben wird, twelches man ebenfalls zum Gefrieren bringt, nachdem man e3 einer raſchen rotierenden Bewegung unterzogen bat, welche die Eiform hervorbringt. Nachdem dies gejchehen, wird das ſoweit fertige Ei in Gelatine und fodann in

Gyps getaucht, der raſch trodnet und jo die Geitalt des Eies fixiert. Die Eier find von den natürlichen ſchwer zu unterfcheiden und ſollen mindeitens ein Jahr lang halt: bar, ſowie leichter zu transportieren jein.® Wozu verwendet man nicht jonit nod den Mais! Um Mäufe zu fangen wird empfohlen, aus Maismebl, Butter und Anisöl gerollte Kügelchen in die Falle zu

legen.

Auch gegen die Neblaus,

den fchredlichen Feind

der Weinberge, verhilft uns der Mais als erprobter (2) Ver: 1 ‚Der nordamerifanifhe Landwirt“. ©. 137. 2 Journal des Minifteriums der Neihsdomänen. Serie I. ©. 187. 3 Ebenda. Band VII. Serie II. ©. 145.

+ Reichenbach, „Botanik für Damen‘.

S. 134. 5

©. 310.

‚Neue Dörptihe Zeitung‘. 1854. Januar.

Band

VI.

058

tilger derfelben.

Der Mais,

„Man jäet den roten Mais zwischen die

Reihen der angejtedten Nebjtöde. Die Rebläuſe verlafien dann den Nebitod und ftürzen fi in Waffe auf die Mais— wurzeln. Im Frühjahre waren bei dem Säen des Mais die Stöde vollfommen mit Nebläufen beſetzt (wo, kann ic) eben nicht angeben). Nach der forgfältigiten Nachfuchung fand man fpäter nicht eim einziges diefer Tiere auf den Rebjtöden, wogegen die Wurzeln des Mais über und über von der Phylloxera befallen waren !.” In Mittelafrifa find die Affen (die fogenannten Meer: tagen) die unverſchämteſten und unüberwwindlichiten Feinde

der Mais» und Hirfefelder.

Werden ihre ganzen Scharen

daraus verſcheucht, entfliehen fie in Angſt in den Wald, vefognoszieren aber dann bald wieder, und ift feine Ge: fahr zu fpüren, jo kommen fte tvieder in ganzen Zügen in die befagten Felder und treiben den gräßlichiten Unfug. Denn — efjen thun fie nicht den zehnten Teil von dem, was fte vom Stengel abreißen — fie bejchnüffeln die Kolben, nehmen ein paar Körmer daraus und werfen fie fort. Die Sudaner hängen auf ihren Feldern Amulette aus, diefe Feinde abzuwehren, klagen aber, daß die Affen ganz gottlos ferien, und ſich an diefelben nicht fehren.? In den Vereinigten Staaten find die Feinde der Wälfchlornfaat , welche fehr oft bedeutenden Schaden ans richten, die Eichhörnchen, Kaninchen und Feldmäufe. Yon den Eichhörnchen gibt es mandherlei Arten, braune, graue und ſchwarze. Sie beſuchen die Maisfelder mit ihren Jungen haufentverfe, fobald nur die erjten Keimblättchen über der Erde fich zeigen und zwar in der Regel bei Sonnenaufgang und Sonnenuntergang; bei Tage halten fie ſich in den Wäldern verborgen und find dort ſchwer aufzufinden; um fie mit Büchfen und Schüffen zu verfcheuchen, muß fich der Land: mann früh vor Tag und fpät abends aufmachen. Nadı 14 Zagen, wenn die Wälſchkornhalme ſchon mehr entwicelt find, hat man von ihnen nichts mehr zu beforgen. Später aber, wenn der Mais fi der völligen Neife nähert, ſtellen ſich dieſe Gäfte ſamt ihrer nunmehr erwachſenen Nachkommenſchaft aufs Neue ein. Beſonders dann werden ſie zu einer wahren Landplage, wenn irgend in den Wäldern die Nüſſe nicht geraten find, jo daß der Hunger fie ſcharen— weiſe auszuwandern nötigt, tvobei fie felbjt über ziemlich breite Bäche und Flüffe Schwimmen und die Saaten auf ihren Wegen verwüſten.? In Südrußland vernichten die Ziefel (Spermophilus guttatus Temm.) Maisfelder viele Morgen groß, wenn die Samenförner keimen.“

Ein häufiger Vogel der füdeuropäiichen Maisfelder tt der Fitis oder Flötenlaubvogel (Motaeilla Trochilus, I „Hamburger Korreſpondent“, 23, Dftober 1877. 2 Brehm, „Das Tierleben”. 3 Fleiſchmann. S. 122 und 123. s ©. E. Schauer, „Die Murmeltiere und Ziefelmäufe Polens und Galiziens“. Im Archiv für Naturgefhihte (von Trofchel). 1866, Bd. I. ©. 99,

Sylvia Fitis, Ficedula Fitis).! In der Krim beobachtete ih in den Maisjtoppeln Scharen von Haubenlerchen, die im Winter ſich über das darin ftehengebliebene machten. Unter den Vögeln, die den amerifanischen Maisfeldern ſchädlich find, zeichnen fi) vornehmlich eine Art Nußhäher,

der Nabe und der Bladbird aus. Im Orient findet das Wälfchkornfeld oft maſſenhaft teilnehmende Liebhaber in den Heufchreden, welche der Zuckergehalt des Mais wie derjenige der hier noch reicher an— bauten Hirfe fie dermaßen lodt und denen dieſelben fo jehr behagt, daß, wenn diefe unbefiegbaren feindlichen Scharen vorüber find, man in feinen Bafchtans die Stengel Fahl abgefreifen findet, als hätte Vieh darin und darum mit den Hörnern gewirtſchaftet. Unter die Kerbtiere und Gewürme Amerifa’s, die viel Schaden in den MWälfchfornfeldern anrichten, gehören

der braune Kornfäfer (Brown Grub) und der Keimwurm (Cut Worm). Motſchülsky wiederum fpricht in feinen Etudes entomologiques über zwei Inſekten, die namentlicd dem fchon eingebenniten Mais in den Magazinen Schädlich find: den

Butalis Zea Mais und die Gelechia Zea Mais, „Butalis Zea Mais“, jagt Motſchulsky, cause, tant en Europe (u’en Amerique, un immense degät au Mais conserv6 dans les hangards. Cet insecte offre plusieurs géné— rations par an, si le temps n’est pas trop froid. Les larves sont assez robustes, un peu applaties, blanches avec les parties de la bouche rembrunies et rappellent en general un peu celles des Bostrichus, mais les 6 pattes anterieures sont bien de&veloppees et les 12

posterieures €galement visibles. Dans un &pis de Mais qui comptait 900 grains, au bout d’un an, il n’en resta pas une centaine; tous les autres dtaient vides par cesinsectes, qui y avaient subis leurs mötamorphoses et qui me procurerent environ 200 papillons

complets. II n’y a pas de doute, qu’en face de pareils ennemis, il n’y ait deremede plus efficace que les hangards à po@les comme chez nos paysans oü le ble est séché au four, ce qui le preserve de l’attaque des insectes en general“.2 „Developpement de la Gelechia Zea Mais ou teigne du bl& de Turquie. Ce papillon se propage et se d@veloppe l’annde entiere, mais de preference au printemps.... Elle attaque non seulement les stalques frais du mais, mais aussi

ceux

qui avaient été seches et gardes plus de dix Pour favoriser le developpement de cette

ans...

Tineide devastrice, il lui faut de l'obscurité.

. . Nous

pensons done que les fermiers et les proprietaires de magasins de bl& devraient de preference avoir soin de bien Eclairer les endroits destines pour le placement du blé, ce qui garantirait considerablement ce N Brehm und Roßmäßler,

„Das Leben dev Tiere im Walde“.

? Motschülsky, „Etudes entomologiques“. 1857. p. 80—81,

959

Der Mais.

dernier des attaques des Gelechia aux quelles appar-

Schulz wieder!

tiennent aussi !’Alucite et la teigne Augamois.“! Ueber die dem Mais Tchädlichen Inſekten finden wir

ramosa (nicht, vie in Fl. 1. c. verdrudt ift coerulea) auf Zea Mays vorkommt, woran Cappary jedoch zweifelt? und betont, daß bis jegt noch an feiner monofotpledonen Pflanze eine Drobanche ſchmarotzend mit Sicherheit fonftatiert worden

ferner in Sagens Bibliotheca entomologiea: in den Schriften von Arduino, P.: „Lettera eirca le Tarme del Frumentone

Americano

in

erba,

detto

volgarmente

Frumentone giallo o Grano Turco“;? Dufour Xeon: „Description d’une nouvelle espece de Coceus“ (C. Zeae Maidis) fig*.;? Gazola,

Gtiambatt.:

„Memoria sopra il

Gorgoglione che divora il Maiz o Sorge Turco“, Venezia, Perlini. 1793. 40,4 Bajjerini, Carlo: „Össervazioni e Notizie relative alle Larve pregiudicievoli alla pianta del Gran Tureco“;5 Paſſerini, C.: „Sopra gli insecti, e particolarmente sopra alcuni noeivi alle piante di Grano Turco, di Grano, di Anacio e di Barbictola“., Firenze 1837. 8 p. 2. PBajlerini, ©.: „Rapporto sulla Memoria del Luciani Castelnuovo sulle Larve dannegiatrici del Grano Sieiliano.“ (Pyralis silacealis);s Bonafous: „Histoire naturelle, agrieole et &conomique du mais‘, Turin, Bocca, 1836. fol. p. 181, pl. 19 et 11 fig, inser. dans le texte. (Cap. V. Insectes qui lui nuisent en attaquant

ou les racines

ou

les feuilles

ou

le grain.)

Ferner wäre hier ein Unkraut der Maisfelder zu ver:

zeichnen, das ihnen Nachteil bringt. Hibiscus

ternatus,

Cav.

welche mit dem Anbau

„Es

Ich meine den

ift ficher

eine

Pflanze,

des Mais in die Bukowina ver-

pflanzt wurde, fommt daher bloß auf Maisfeldern vor, aljo im Kolomeer Kreife, nur bis nahe an Kolomea. In Stanislawow,“ jagt Herbich,‘ „wo zwar auch Mais, jedoch

nur

in Maisgärten

gebaut

wird, habe ich dieſe Pflanze

1833 und 1834 unermüdlich gefucht, aber nicht gefunden. Ausnahmsweiſe fommt diefer Hibiscus auch) an den Nändern der Noggen: und Meizenfelder im Kolomeer Kreife vor, allein das ift eine Folge der Wechſelwirtſchaft.“ Auf der Isle de France jchreibt man der Striga coceinea (einer scrophulariacea) eine ſchädliche Wirkung auf

den Mais zu und bezeichnet diefe Pflanze als herbe rouge.N 1 jbid. 1858. p. 168—169. Giorn,

d’Italia.“

T. V. 5.

3 Ann. h, nat.“ 1824. T. II. p. 203—204. „Nuov.

Giorn.

T. XVI. p. 425426.

d'Italia“. T, V.

Opuseoli scelti.

1793.

» Atti. Acad. Georgof. 1832. T. X. p. 9. 5 Atti. p. 370). .

Acad, Georgof.

1837.

T. XV,

(Isis 1842,

V.

6 Atti. Acad. Georgof. 1835. T. XII, p. 10. (Isis 1842.

V. p. 369) Sole Entomologen Fr. Th. 7 Dr. F. Herbich, den Verhandlungen der Bd. X. 1860.

entomologische Angaben danke ich dem Köppen in St. Betersburg. „Beiträge zur Flora von Galizien,‘ In Zoologiſch-botaniſchen Geſellſchaft in Wien.

©. 626.

8 Decaisne, „Sur le parasitisme des Rhinanthacees“, Ann. de Sec. nat. ser. 3. T. 8. 1847. ©. Hermann Graf zur Solms-Laubach, ‚Ueber den Ban ımd die Entwickelung der Ernährungsorgane parafitifcher Phanerogamen.“ Jahrbnuch für die mwifjenschaftliche Botanif. Bd. VI, ©. 574,

(Phelipaea)

it, Und Luzana („Saggio sopra il carbone del mais“. Turino 1828. 80) macht uns mit dem Maisbrand befannt. In Betreff fonftiger Krankheiten des Mais verweiſen wir auf das Buch von J. Kühn: „Die Krankheiten der Kultur: gewächſe 2c.”, darin „über Krankheiten des Mais” (über

Maisbrand, Ustilago Maydis Tul. p. 70—76). An eine Bibliographie des Mais dürfte ich gar nicht denfen, da diefer ganze Auffas nur das mangelhaft zujammengetragene Material eines Laien ift, möchte aber doch einige Schriften nennen, die ich mir notiert im Laufe diefev 20 Jahre, ſeit diefe Arbeit im Kleinen entjtanden ar, die mir nicht zu Gebote ftanden und die dann weit ausgedehntere Angaben über die Kultur mie die Benutzung des Mais geben werden, als ich es vermochte. Mebger: „Die Getreide-Arten 20.” 1841; von ihm auch „die euros päiſchen Gerealien in Botanischer und landwirtjchaftlicher Hinficht bearbeitet”. Mannheim 1824. — Nein: „Neis und Mais”. Eine pflanzengeographifche und kulturhiſtoriſche Skizze“ (Sahresbericht der Frankfurter Vereine für Geograpbie und Statiſtik. 1878). — Guido Krafft: „Ueber den Bau der Maisblüte” Verhandlungen der Zoologifch-botaniihen Gefellfchaft in Wien. T. 19. 1869. — Situngsberichte ©. 65—69). — Guido Krafft: „Die normale Metamor: phofe der Maispflanze“, Sena 1869. 80%. S. 32 und „Die normale und anormale Metamorphoſe der Maispflanze“, Wien 1870. — „Ueber den Bau der Maisblüte”. „Natur:

forjcher” 1871. Nr. 3. — Menner: „Der Mais”, Darmjtabt 1857. — Duchesne: „Ueber den Mais“, deutſch von Schmidt. Ilmenau 1833. — P. Kalm: „Beichreibung des Mais”, 3 — J. Burger: „Naturgeſchichte, Kultur und Benußung des Mais’, Wien. 1809. — Haberland: „Beiträge zur Ent: widelungsgefchichte der Maispflanze“.“ — Marabelli: „De

/ea 2 „Nuov.

gibt an, daß Orobanche

Mays planta

analyt. disquisitio.” —

Bonafous!

„Histoire naturelle, agricole et &conomique de Mais“, Paris et Turin 1836. — Kirchhof: „Der Maisbau”, Leipzig 1856. — Müller: „Praktiſche Anleitung zur Kultur und Bes

nugung des Mais”. — Schregel (Hofprediger zu Schwedt): „Anweiſung zum Anbau und zur Benußung des Mais, befonders im nördlichen Deutjchland und den preußifchen Staaten, nad eigenen Erfahrungen”, Berlin 1809.—

Lüdersdorff: „Der Maisbau mit Nüdficht auf die klimati— ſchen und

Bodenverhältniffe

der Marl”.

2 Hefte

mit

1 „Beiträge zum Kenntnis der dentichen Orobanchen“. ©, 10

und „Flora“, 1843, ©. 125 ff.

2 „Weber Samen, Keimung, Specien und Nährpflanzen der Orobanchen. In „Flora“ 1854. ©. 600, 3 Acta Holmiensia 1752, vol. IV. 4 Im „Bentralblatt fir die gefamte Yandesfnltur. 1867. ©. 1. Vergl. im Auszuge in Hoffmanns „Jahresbericht Der Agrikultin-Chemie, Jahrgang 1867. ©. 133—135,

60

Kleinere Mitteilungen.

2 Rupfertafeln. Leipzig. — „Die Maispflanze in ihrer Ver: wertung“. Wien. 1863. Leipzig. — J.Kühn: „Ueber die Krankheiten des Mais“, — Darwin: „Das Variieren der Tiere und Pflanzen im Zuftande der Domeftifation”. I. Verfchiedene Mafchinen zum Ausfäen, zur Gewinn: ung und zum Mahlen des Mais finden wir in Fleiſch— mann’3 „Der norbamerifanifche Landwirt“ abgebildet: eine Mais-Säemaſchine (Corn planters), drei Mais-Entkörnungsmaſchinen (Corn shellers), eine Vorrichtung zum Herquetichen der Maisfolben (Corn cobrusher) und zwei Maisschrotmühlen (Corn grinders).

1883, Vol. D) auf Exofion zurüd, die durch ſchwimmendes Eis verurſacht wurde. Im Winter fieht man bier an den Küſten eine 2—6 Fuß mächtige Eiszone, die bis mehrere Meilen feewärts fich erjtrecit; Der offene Teil der Bay ift mit Treibeis bededt. Im März und April löſen fih die Strandeismaffen in Scollen ab, werden hin und her getrieben, jchleifen über die Selfenbänfe und ftoßen mit großer Kraft an den Kiiften an. In der jpätpleiftocänen Zeit, als das Yand noch etwas tiefer lag und das Klima wahrjcheinlich etwas fälter war, mag hier auch die erodierende Wirkung des Treibeifeg noch größer gemwefen fein. Diefe Wirkung ift ähnlich derjenigen, welche Admiral Bagfield am St. Yorenzftrom und Dawſon an den Küſten von Neu-Schottfand beobachtet haben, U. Rzehak.

Vom Nordgejtade des Pontus. Drudfehler. Durch

Eis

verurſachte

Erofionen an des Chaleurs.

den

Ufern

der

Baie

Seite 861, 2. Spalte, muß

Die paläozoiſchen Uferfeljen der Baie des Chaleurs zeigen, befonders auf der Südſeite, eine eigentümlich flache und ebene Oberfläche, bis 50--75 Fuß ber den Meeresfpiegel und jogar auch unter denselben veichend. N. Chalmers fiihrt diefe Erjcheinung („Proceed, & Transact. of the R.S. ol Canada, Montreal“ —r

Seite 861, 2. Spalte, muß e3 ftatt Yobel de Langoruiz heißen Hobel de Zangroniz, ebenfo ift im weiteren Verlaufe immer ftatt Lobel Zobel zu lejen.







es heißen: Iharce

de Bidafjouet.

Seite 862,1. Spalte, oben, muß es ftatt Blaul& heißen Blade. Seite 862, Anmerkung, muß es ftatt: „Beim Wechjel von C und e im Iberiſchen wohl zufammenzuftellen mit do0ßos — FoxFox (vgl. Hehn a. a. O. 178)“ heißen: „Beim Wechfel von Lund vr“ u. ſ. w.; ftatt Fox-Fox ift das Wort 700 Tos (mit griechifchen Yettern) zu leſen.

Seite 863,

2. Spalte,



ſtatt anslaiſche ift baskiſche zu leſen.

———

——



Geographiſche Schriften ze. aus dem Verlag von Ferdinan d Hirt in Breslau nud Ferdinand Hirt & Sohn in Leipzig. Soeben wurde vollftändig: Fandſchaftskunde Verſuch einer Phyſiognomik der geſamten * Erdoberfläche in Skizzen, Charakteriſtiken und Schilderungen, zugleich als erläuternder Text zum landjchaftlichen Teile (IL) von Ferdinand Hirt!

Geographiſchen Bildertafeln, herausgegeben von Dr. Almin

Oppel. Früher

Broich. 12 D., geb. 14,50 MM.

erſchien

folgendes,

beachtenswerte

f * Erpedition

Darjtellung

eich

Beziehungen

zu Geſchichte

und

Leben

Im

Yanfe

des Sommers

publizierten

wir

folgende

Anſicht Stodholms.

Menſchen.

3. Bearbeitung v. Prof. Dr. Koner. Broſch. 8M., geb. 10,50N. Neuigkeiten:

le:

durch

Dr. F. M. Schröter,

jtrattonen vom Berfaffer u. Karte,

Mit

vielen Illu—

Broich. TOM.

Geb,

IM.

Anter der Kriegsflagge des Deutichen Keichs. Bilder

und Skizzen von

V. G. Heims,

von

(1851—1583)

pfarrer.

der Weltreife Sr. Naj. Sch. Elifabeth

Mit Karten der Neife.

Der goldene

Cherſoues

Kaiſerlichem Marine-

Broich.

6 M.

A. Helms.

Broich.

Früher

7,50 M.

erjchtenen

Mit

SM,

von IAſabella £. Bird Mrs. Bishop). et „Der

hawaiiſche Archipel“, „Erlebniſſe einer Dame Mountains“, „Unbetretene Pfade in Japan“.

von

Geb,

2 Karten

Geb. 8,50 M.

in den Rocky Frei überſetzt

und vielen Jluſtrationenü.

folgende, jehr beliebte u. reich illuftrierte Werke:

Keiſeſchilderungen der Weltumfeglerin Mrs. Annie Braey:

Eine Segelfahrt um die Welt. Pracht-Ausgabe. Gebunden 15 M. Broich. 12 M. Billige Ausgabe, (4. Auflage.) Geb. 8,50 M. Broſch. 6,60 M.

Sonnenſchein u. Sturm im Often,

Seefahrten und Wanderungen vom Hyde-Park zum Goldenen Horn, In Prachtband

8,50 M.

Broich. 6,60 M.

Geb.

14 Di.

24 M. Broſch. 2OM.

In 2 Prachtbänden

Xorvland-Sahrten.

2

übertragen

deutſch von H. v. Wobeſer.

12 M.

In 4 handlichen, überaus reich illuſtrierten Prachtbänden liegen nunmehr abgeſchloſſen vor:

Unter den Kannibalen von Nen-Britannien, „Sr zander—

jahre durch ein wildes Land von Wilfred Powell, fvei

Broſch.

Norwegen, Yappland und Nord yinnland. Nah Paul BD. du Chaillu frei überjest von A, Helms, Mit 48 Tonbildern, ca. 200. Holzichnitten im Text, Karte u. einer größeren

Werf:

der

von WM, Spry,

illuſtriert.

Im Fande der2 Mitternadtsfonne, reifen Sommerin u,Schweden, Winter-

6 ſ I in jeinen charakte— Kuben, Prof. 3.3 Dasfi deutſche gFand ue zt ſeinen

Eine wiſſenſchaftliche Reiſe des Challenger. um die Welt in populärer



Bn, d.







3: — 11:





——

— —





Schweden, Irland u, Schottland.

Wanderungen

durch England

d. II: England und die Banalinfeln. IV: Holland» und Dänemark.

und Winles,

ie Einbände find nach Zeichnungen namhafter Kinftler gefertigt.

Reich illuſtrierte Schriften für die reifere Iugend. (In PBrachtband je 6 M., brojch. je 4,50 M.)

(Herettet aus Sibirien. 1

%

7

Erlebnifje und Abentener einer verbannten deutſchen Familie. Auf Grund

einer

Erzählung

von

Améro

Jugend bearbeitet von &, Wörishöffer.

u. Tifjot

Illuſtriert.

für die

(Men!)

Das Buch vom braven Mann. Bilder aus dem Seeleben. Mit befonderer Berückſichtigung der deutſchen, Gejellfhaft zur Nettung Schiffbrüchiger

von &, Wöorishöffer,

Reich illujteiert von Joh. Gehrts,

Mali, der Schlangenbändiger. Szenen aus dem indifchen Leben von . Rouſſelet.

Kalulu, Prinz, König u. Sklave. Szenen aus dem Leben in Zentral-Afrika von H. M. Stanley,

Druck und Verlag der J. G. Cotta'ſchen Buchhandlung in München und Stuttgart.

Das Ausland. Wochenſchrift für Länder: und Völkerkunde, unter

Mitwirkung

bewährter

Fachmänner

herausgegeben

von

der

3. ©. Cotta'ſchen Buchhandlung in Htuttgart und Münden. Siebenundfünfzigiter Jahrgang.

Stuttgart, 8. Dezember.

Ar. 49. Jährlich 52 Nummern

à 20 Seiten in Quart.

Preis pro Quartal M. 7.

1884.

- Zu beziehen durch alle Buchhandlungen

des In- und Auslandes und die Poſtämter. —

Manujfripte und Rezenſions-Exemplare von Werken der einſchlägigen Litteratur find direft an Herrn Dr. Karl Müller in Stuttgart, Kurzeſtraße Nr. 6/11, zu jenden. — SAnjertionspreis 20 Pf. für die gejpaltene Zeile in Petit.

Inhalt: 1. Ueber die braſilianiſche Preffe. Bon Dr. Wilhelm Breitenbadh, Göttingen. ©. 961. — 2. Die Schlangennot Bon Franz Xaver Geyer, Apoftol. Miffionar in Kairo. in Indien. ©. 966. — 3. Neifeffizzen aus Aegypten und dem Sudan. V. Schluß.) ©. 970. — 4. Iſt Japan tropiih? ©. 972. — 5. Die Auswanderungsfrage in Rußland. Im Zufammenhaug mit S. 974 — 6. Nachtrag zum Mais. ©. IT. — den allgemeinen wirtſchaftlichen Verhältuiffen. Bon Dr, Eduard Petri, (Schluf.) Örnithorhynchus. Die Korallen-Fnduftrie. Schwimmende 7. Kleinere Mitteilungen: S. 978. Die Kolonifation in Guatemala. Eisberge, Die Handelsbewegung von Venezuela im Jahre 1882, Borfiht! — 8. Fitteratur. S. 980. — 9. Notizen. 980. m

ich glaube in keinem

Aeber die braſilianiſche Preſſe.

Lande

der Welt — Nordamerika

das Kaiſerreich Brafilien nennt, hat in den legten Jahren für ung Deutfche mehr und mehr Intereſſe getvonnen, und

vielleicht ausgenommen — gibt es im Verhältnis zu den des Leſens und Schreibens Ffundigen Einwohnern jo viele Zeitungen wie gerade in Brafilien. So befitt Porto Ulegre, die Hauptitadt am Rio Grande do ©ul, bei etiva 35,000 Einwohnern, von denen etwas mehr als die Hälfte

das mit Recht; haben doc namentlich in den Südpropinzen

des Leſens fundig fein mag, folgende Zeitungen in portu:

desjelben ſchon an 200,000 unferer Landsleute

giefiicher Sprache: Reforma, Conservador, Gazeta de Porto Alegre, Journal do Commereio, Mercantil, O Seeulo, ein Witblatt, deffen Name mir entfallen it, eine Anzahl Zeitfchriften litterarifchen Inhaltes, die von Zeit zu Zeit von reſp. Gejellfchaften herausgegeben werden, eine Mufikzeitung und noch mehrere andere Blätter, die ich nicht fenne. Sodann ericheinen fehr häufig Blätter, die zwar ziemlich geräufchvoll in's Leben treten, nach kurzem Beſtande, oft nach wenigen Nummern fchon, aber wieder verſchwinden, jo in der letten Zeit meines Aufenthaltes Tribuna und O Novo Mundo. Mit diefer großen Zahl ericheinender Zeitungen hängt es natürlich zufammen, daß die Lejerkreife jehr eng find; feines der Blätter Borto Alegre's hat 1000 Abonnenten. Die meift gelefenen find Journal do Commereio und Gazeta de Porto Alegre mit etiva 800, während andere nur 300—400 Leer aufzuweiſen haben. Die großen Zeit:

Von Dr.

Wilhelm Breitenbadh,

Göttingen.

Der gewaltige füdamerifanifche Yänderfoloß, den man

eine neue

Heimat gefunden, finden fich hier doch zahlreiche, blühende deutsche Kolonien, denen ganz gewiß noch viele neue hinzu—

gefügt werden.

Während meines mehrjährigen Aufenthaltes

in der Südprovinz Rio Grande do Sul habe ich meine Auf: merffamfeit nicht nur den dort wohnenden Deutfchen und ihren vielfachen Beitrebungen zugewandt, fondern ich habe mic) auch bemüht, in das Leben der Brafilianer einen möglichjt vielfeitigen Einblid zu gewinnen. Möge mir der Leſer gejtatten, ibn heute in eine interejjante Seite des brafilianischen Lebens einzuführen; ich möchte ihn einen,

wenn auch nur flüchtigen, Blick thun laffen in das Wefen und Getriebe der brafilianiichen Brefje; daran anfnüpfend

follen dann noch einige Bemerkungen über wiljenfchaftliche und Fitterarifche Beitrebungen und Erjcheinungen folgen. Sch halte mich bei Beiprehung der Preſſe mejentlich an die Provinz Rio Grande do Sul, bemerfe aber, daß diejelbe in anderen Provinzen eher jchlechter als beſſer iſt. Die brafilianifche Preſſe nimmt eine hervorragende und zum Teil eigentümliche Stelle ein, allerdings weit

mehr in fchlechtem als in gutem Sinne. Was dem Fremden zunächit auffällt, ijt die übergroße Anzahl von Zeitungen; Ausland

1884, Nr. 49.

ungen in Rio de Janeiro, wie Gazeta da Tarde und Folta Nova dürften auch kaum 20,000 Abonnenten haben. Die

fleinen Ortjchaften im Inneren der Provinz, 3. B. Bage, Santa Anna

do Livramento,

Piratinim,

Cacequi,

Säp

Jeronymo u. |. w. find ſämtlich im Beſitz von einer oder mehreren

Zeitungen.

Rio

Grande

und Pelotas 145

haben

362

Ueber die brafilianifche Preſſe.

deren natürlich eine ganze Anzahl, entiprechend Porto Ulegre. Der Verbreitungsbezuf aller Blätter ift ein fehr befehränfter, die meilten werden nur da gelefen, two fie er= icheinen. Ich habe in Porto Alegre nicht in einem ein-

zigen öffentlichen Yofal eine Zeitung aus Rio de Janeiro

Kinder und Maitreffen werden ‚in die Debatte hineingezogen, Schimpfmwörter und fonftige perfönliche Beleidigungen

fliegen

herum,

daß

es eine wahre Luft ift,

In

diefen Zeitungen — und das gilt von allen politifchen Blättern — wird ganz rüdfichtslos alles zu Boden ge treten, was den Beſtrebungen der Partei oder beſſer dem

gejehen, viel weniger noch natürlich eine folche aus kleineren Orten der Provinz. Damit it Schon ein Mefentlicher Charakter der meilten brafilianifchen Zeitungen gegeben: es find überiviegend Blätter, die fih nur lofalen Inter— effen widmen. Die brafilianifchen Zeitungen find, wie das ihrer geringen Leſerzahl entjpricht, fehr teuer. Gazeta

Ehrgeiz des Parteichefs entgegenarbeitet. Mittel und Wege, den Gegner zu vernichten oder ihm doch zu Schaden, gibt es ja genug, und in der Wahl derſelben ift man denkbarſt frei. Vor feinem Mittel, felbft dem unfauberjten

de Porto Alegre, die täglich) einmal

Buenos Ayres und Montevideo fommt e8 in folchen Fällen

erſcheint,

Sehen

koſtet 20 Milreis

vier Seiten ftarf

oder etwa 40 Mark jährlich.

wir uns nun die Zeitungen Porto Megre’s

etwas näher an! Die bedeutenditen der oben genannten find die vier erjten. Reforma ijt Organ der Liberalen, Conservador Organ der konſervativen Bartei der Provinz, oder eigentlich aud nur der Provinzial-Hauptitadt, da in anderen Orten die Partei wieder ihre befonderen Blätter

bat.

Gazeta de Porto

Alegre und Journal do Com-

mercio

jollen eigentlich ausschließlich den Intereſſen des Handels und der Induſtrie gewidmet fein, mifchen fich aber nichtsdejtoweniger doc jeden Augenblid in Politik hinein. Mercantil ift ein gemeines Schimpfblatt, das befonders gern gegen die Deutjchen arbeitet, O Seeulo ift

ein wöchentlich einmal erfcheinendes, illuftriertes Witz- und Schimpfblatt gefährlichiter Sorte, das man eigentlich nur mit Handſchuhen anfajjen darf. Die übrigen Zeitungen intereffieren uns vorläufig nicht. Reforma und Conservador find, wie gejagt, aus: ſchließlich Partei-Organe, die von den betreffenden politiichen Parteien gehalten und unterhalten werden. Der

Zon in diefen Blättern

ift in der Negel derart, daß fie

jelbjt die ſchlimmſten unferer Zeitungen, die bei uns ſchon das Erlaubte überichreiten, weit übertreffen an Rohheit der Ausdrüde. Da wird nad Herzensluft, ohne in den

Ausdrüden

trgendivie wähleriſch zu fein, gejchimpft: auf

den Kaiſer, die Kronprinzeffin, die Miniſter, den Präſi— denten. Dieſem letzteren wird, falls derfelbe nicht nad) der Pfeife des Parteichefs tanzen will, öffentlicher Kampf

angeboten,

und

von diefem Augenblick

an bleibt feine

Amtshandlung desfelben unkritiſiert. Und wie ift die Kritik! Nicht etwa fachlich, nein, in den gewöhnlichiten Redensarten wird dem Wann, der vielleicht jeit acht Tagen jein Amt angetreten hat, gejagt, er jei ein unfähiger Menfch, der feine Ahnung von der Verwaltung habe, er folle ſich wieder dahin ſcheeren woher er gekommen ſei, er ſollte lieber Kartoffeln pflanzen, als eine Provinz regieren wollen u. ſ. w. Sehr ſcharf gehen die beiden Blätter natürlich gegen einander vor oder, genauer geſagt, gegen hervorragende Mitglieder der entgegengeſetzten Partei. Bei der erſten paſſenden Gelegenheit ſpringt der Kampf auf das perſön⸗ liche Gebiet über, das Familienleben des Gegners wird nicht ſelten in der ſchamloſeſten Weiſe blosgeſtellt, Frau,

nicht, jcheut man

zurück.

Und

der Gegner?

Nun, in

nicht jelten vor, daß fich die Nedakteure mit den Waffen in der Hand gegenübertreten, oder noch häufiger läßt der

eine den anderen

duch Bravos,

die e8 ja in ſolchen

Städten genug gibt, umbringen. So gefährlich iſt es nun freilich in Braſilien nicht; kein braſilianiſcher Redak— teur läßt ſeinen Gegner totſchlagen, keiner fordert den andern, ſondern jeder ſchimpft immer noch ärger wie der

andere — und das liebe Publikum dieſem, bald jenem Recht, meiſtens

lacht und gibt bald

wohl dem, der am beſten

ſchimpft und das letzte Wort behält.

Das der allgemeine

Charakter der politiſchen Parteiorgane in Rio Grande do Sul. Anſtändiger ſind die beiden nun folgenden Blätter Gazeta de Porto Alegre und Journal do Commereio, von denen das erſte, von unferem intelligenten Landsmann

Karl dv. Koſeritz vedigierte, zugleich das befte iſt. Gazeta wurde vor jechs Jahren von brafilianifchen und deutjchen Kaufleuten gegründet, welche ein unabhängiges Blatt haben wollten, das ſich dem politifchen Barteigetriebe ferne hielt und ih ausjchlieglih den Intereſſen der Handelswelt widmen follte. Die erjten Jahrgänge waren denn auch, da Herr v. Koſeritz die Zeitung mit Liebe redigierte, ganz

vorzüglid.

Gazeta

brachte nicht allein die twichtigiten

Handels» und Schiffsnachrichten, fondern intereffierte fich auch jehr für Hebung der Snduftrie und des Aderbaues,

und feiner kann leugnen, daß der energifchen Snitiative des Herrn v. Koferiß auf diefen Gebieten viel zu verdanfen it, Der Staatsrat Silveira Martius, Brafilieng bedeutendfter

Politiker, erklärte auf der Nednerbühne des Parlaments, die Gazeta de Porto Alegre fei eines der erften Blätter des Kaiferreiches, und der Kaifer Don Pedro II. ſagte erſt im verfloſſenen Jahre zu Herrn v. Koſeritz, daß er ſeine Zeitung regelmäßig leſe, daß er in ihr die Beweg⸗

ungen und Vorgänge in der Provinz Rio Grande do Sul verfolge. Gewiß ein ehrenwertes Zeugnis aus dem Munde eines Mannes, der nicht nur Regent des Landes, ſondern

zugleich auch einer der klügſten und unterrichtetſten, alſo auch wohl urteilsfähigſten Männer dieſes Landes iſt!

Auch geiſtige Intereſſen ſucht Gazeta nad) Kräften wahrzunehmen, wie denn nicht ſelten lesbare Aufſätze aus den verſchiedenſten Wiſſensgebieten

in derſelben zu finden

ſind, ſo kritiſche, prähiſtoriſche, philoſophiſche, naturgeſchicht⸗ liche. Ein Verdienſt bat ſich die Gazeta dadurch erworben,

Ueber die brafilianifche Preſſe.

daß fie vielfach portugiefifche Ueberfegungen deutfcher Ge—

dichte— von Schiller, Goethe, Heine ꝛc. — aus der Feder

eines Herrn Julio Teireiva in Pelotas brachte. Seitdem nun aber in neuerer Zeit Herr v. Koſeritz viel in perfönfihen Wahlangelegenheiten zu thun hat, und dadurch ſeine Zeit etwas knapp geworden iſt, hat die Gazeta de Porto Alegre eine etwas abſchüſſige Bahn betreten und jeßt ift fie entſchieden im Rückgange begriffen, und bat ſchon viele Abonnenten verloren. Auch Journal do Commereio foll, vie es ja ſchon

der Name ſagt, eigentlich kein politiſches Blatt ſein; in— deſſen wird es doch von Zeit zu Zeit ſeinem Programm untreu und macht in Politik. In Braſilien kann man nun einmal ohne Politik nicht leben. Einen beſtimmten Parteiſtandpunkt nimmt Journal do Commeércio aller: dings nicht ein, bald neigt es mehr nad) diefer, bald mehr

nad jener Seite. In diefer Beziehung ift Gazeta de Porto Alegre etwas beſſer: diefe vertritt doch lediglich Einen Standpunkt, nämlich die perfönlichen Intereſſen ihres Nedakteurs Carl v. Koferis.

politifchen Die Bra:

ſilianer und auch die deutfchen Leſer der Gazeta halten dies nicht für einen Vorzug des Blattes. Mercantil habe ich ſchon als Schimpfblatt bezeichnet.

965

jendung von 100 Milreis gefchehen fönnen. Wollen Sie vielleicht vorher mit mir Rückſprache nehmen, fo bitte ich

Sie, mic) morgen früb um 11 Uhr in meinem Nedaftionsimmer zu befuchen.” Mancer mag dem Mulatten das Geld geſchickt haben, die meiften aber werden nicht reagiert haben, und fo famen denn Auffäße und Gedichte in die

Zeitung, in denen das innerfte Familienleben angejehener Leute aufs Schändlichite beſchmutzt wurde, in denen fich Ausdrüde vorfanden, die zu dem Gemeinften gehören, das wohl jemals gefchrieben und gedrudt wurde, Uber, wird der Leer erftaunt fragen, warum wurde denn ein folches Blatt von der Polizei nicht unterdrüdt? sa, in einem anderen Lande hätte das vielleicht wohl geſchehen können, nicht aber in Brafilien. Allerdings for:

derten viele Zeitungen, wie Reforma, Gazeta, Journal, Conservador, den Bräfidenten der Provinz auf, diefes Schand: blatt zu fonfiszieren. Der Herr Präſident kümmerte ſich nicht darum; ja Zeitungen wie Reforma und Gazeta gingen jchlieglich jo weit, dem Präfidenten vorzumwerfen, ex jelbjt jei mit dieſem Blatte liiert, um feine politischen Gegner zu ſchädigen, und thatjächlich ſoll das der Fall geweſen fein. Wenigſtens fuchte ſich der Präſident in feiner Weiſe zu rechtfertigen und Tribuna fonnte ruhig

Namentlich find es die Deutjchen, zumal einige derjenigen

weiterleben und weiterfchimpfen.

unſerer Yandsleute, welche in diefer oder jener Beziehung

anfangs nur gelacht hatte, wurde aber allmählich entvüftet über die Schändlichfeiten, mit denen der Redakteur der Tribuna feine Spalten füllte. Dev Redakteur felbjt durfte ſich Tchließlich nicht mehr auf der Straße fehen lajjen; in jeiner Wohnung hielt ex fich ſtets hinter verIchlofjenen Thüren und auf feinem Tifh ſollen bejtändig geladene Revolver gelegen haben. Der gute Wann fürch—

eine etwas hervorragendere Rolle fpielen, die in dieſem Blatte unaufhörli mit Schmutz ch beworfen werden. Den Höhe: punit erreichten dieſe Zeiftungen gleich nad) dem Brande der deutjch-brafilianifchen Ausftellung im Februar 1882, Leider muß ich bemerken, daß unter den Mitarbeitern des Blattes nad) der allgemeinen Weberzeugung Deutſche find und daß

gerade dieſe das Material zu den ſchmutzigen Artikeln liefern jollen. Wie wäre es fonft auch möglich, daß der Mercantil Dinge befprechen fünnte, welche in deutſchen GefellIhaften vorfommen? Die Ausdrüde, deren ſich das Blatt bedient, find mitunter derart, daß fie bei ung unmöglich wieder gegeben werden können. Aber diefe Gemeinheiten

Das Publikum, welches

tete wohl einen Meberfall, Diefer follte auch nicht aus: bleiben; denn in einer Nacht hörte ich Feuerlärm, und als ich aufitand und mich erfundigte, wo es brenne, fagte man mir, die Druderei der Tribuna fer angezündet wor—

den.

Porto Alegre war von diefem Erbärmlichen befreit.

des Mercantil, jo roh fie auch immer fein mögen, find noch nichts gegen die von Schmutz triefenden Artikel,

Aber nun noch das Ende vom Liede, eigentlich das Beſte und das, was brafilianische Verhältniſſe am jchärfiten harakterifiert: Nach einigen Tagen erklärte der Nedakteur

welche

der Tribuna mit pathetiihen Worten

ein anderes Blatt,

die Tribuna, im Sahre 1882

brachte, Die Tribuna, die jest glücklicherweiſe verſchwun— den iſt, war eine der bezeichnenditen Vertreterinnen einer in Brafilien fehr ausgedehnten Klaffe von Zeitungen, der Schmußblätter, wie man fie in diefer Weife bei uns denn doch nicht kennt. Der Redakteur der Tribuna, ein herunter: gefommener, nichtstwürdiger Mulatte, hatte es darauf abgeſehen, von befannten, wohlhabenden Berfünlichkeiten

der Stadt Geld zu erprefien.

Dies verfuchte er in folgen:

der Weife, leider nur zu oft mit Erfolg: Irgend jemand erhält eines Tages ettva folgendes Schreiben von dem jauberen Herrn Nedakteur: „Sch habe einen Artikel für mein Blatt erhalten, in dem Sie und Ihre werte Familie

aufs Heftigite angegriffen werden. Wollen Sie den Ar— tifel gern unterdrüdt haben, jo würde dies durch Weber:

in mehreren Zeit:

ungen, daß man ihm feine Druderei niedergebrannt habe, daß er feines Lebens nicht mehr ficher ſei und daher vor:

zöge, feinen Wohnort nach Rio de Janeiro zu verlegen, umſomehr, als er zu feinem Leidweſen

gejehen habe, daß

das Volk von Porto Alegre die Wahrheit nicht vertragen fünne! Solche Blätter wie die Tribuna find in Brafilien durchaus Feine Ausnahme; im Gegenteil wuchern fie in

ganz erichredendem Maße.

Wie Bilze jchießen fie aus der

Erde, um freilich eben jo jchnell wie diefe wieder zu ver:

ſchwinden — und neuen Platz zu machen.

Bejonders veich

gefegnet ift die Neichshauptitadt mit jolchen Zeitungen, Die Unverfhämtheit der elenden Skribenten gebt hier fo

weit,

daß ſelbſt das Familienleben

des alten, edlen,

964

Ueber die braſilianiſche Preffe.

brafilianifchen Kaifers Don Pedro IL., der Kronprinzeffin, der Minifter ꝛc. nicht gefhont wird. Und der Kaifer? Küme mert er fi nicht um den Schmutz, mit dem er beivorfen wird, oder hat er nicht die Macht, ſolchen Frechheiten Halt

marktes in portugieſiſchen Ueberſetzungen, und dieſe von Schmutz triefenden Bordellgeſchichten werden wohl noch von der Redaktion als ganz beſonders intereſſant und lefenstwert dem Publikum empfohlen. So jagte por einigen

zu gebieten?

Jahren die Nedaktion einer großen Zeitung in Pername

Was würde es ihm auch nüßen, eine foche

Zeitung 3. B. zu fonfiszieren?

fort auftauchen

Zehn

andere würden jo»

und ihn noch ärger befchimpfen.

Den

Redakteur einſtecken lafjen? Der läßt fich nicht einſtecken, dafür hat er feinen „„Testa de ferro*, wie man in Bra— filten den „Sitz-Redakteur“ nennt, feinen „Eifenkopf”, und das ift natürlich ein alter verfoffener Neger, der für einen Milreis und einige Flaſchen Caraca ſich ganz gemütlich einjperren läßt. Iſt's doch in den brafilianifchen Gefäng— nifjen ein viel bejjeres Leben für folchen Menfchen als

außerhalb derfelben! O Seeculo, das Jahrhundert, ift ein wöchentlich ein: mal erjcheinendes, illuftriertes Witzblatt gemeinfter Art, welches den größten Teil feines Inhaltes regelmäßig gegen politisch eine gewiſſe Rolle fpielende Herren richtet, mit

Vorliebe gegen drei deutfche Landsleute, welche Provinzial— Deputierte waren. Die Abbildungen find mitunter fo obizön, wie fie nur gedacht werden fünnen, die Ausdrücke im Text find derart, daß man fie nicht wiedergeben kann.

Und nun eine täglich zu wiederholende Beobachtung, welche am beiten zeigt, wie man in Brafilien über derartige Erzeugniffe der Preſſe denkt: Das Blatt hat in zahlreichen braftlianifchen Familien Eingang gefunden, etwa vie bei ung „Ueber Land und Meer”, „Sartenlaube”, „Daheim“ u. ſ. w. In der That feheint es als Familienblatt angejehen zu werden, und nicht felten fieht man Damen, felbft junge, der fogenannten „befjeren Geſellſchaft“ im Fenſter liegend und lächelnd dieſes Schmutzblatt leſen. Je knoti— ger die Ausdrücke ſind, in denen das Blatt ſchreibt, je zotiger die Abbildungen, um ſo lieber ſcheint es geſehen zu ſein. Wenn wir die braſilianiſche Tagespreſſe im allgemeinen betrachten, fo müſſen wir vor allen Dingen bekennen, daß fie eigentlich feine Ahnung und auch fein Verſtändnis be: fist don einer der heiligiten Aufgaben der Preſſe: an der Volksbildung arbeiten zu helfen, ſowohl in moralifcher als intelleftueller Hinficht. Nur einzelne Blätter, wie Gazeta

de Porto

Alegre,

maden

in etivas eine lobensiverte

Ausnahme, und die großen Blätter find in mehr als einer Hinficht noch Provinzialhauptftädte, denn in Rio Gegenfäge größer wie andersivo, die

dem

der Neichshauptftadt fchlechter als die der de Janeiro find die Geifter, die bier aus

ganzen Reiche zufammenfommen,

platzen nod ganz

anders aufeinander, mie in der Provinz, fo daß einer der beiten Kenner brafilianifcher Verhältniffe, Herr v. Koſeritz,

über die braſilianiſche Preſſe in Rio de Janeiro ein ſehr hartes Urteil fällen muß, wie wir das nachher ſehen werden. Im Norden des Kaiſerreichs finden wir in den Feuil— letons ſelbſt der großen Zeitungen der Hauptſtädte die

elendeſten, unſauberſten Erzeugniſſe des franzöfifchen Bücher:

buco, wenn ich mich recht entfinne, als fie eben einen neuen, fchlüpferigen, franzöfifchen Noman abzudruden ans fing, derfelbe müſſe von jedem gelefen werden, ja er ber:

diene das ABE jedes gebildeten Brafilianers genannt zu werden! Die franzöfifhe Litteratur fpielt in Brafilien überhaupt die Hauptrolle; fait alle Zeitungen bringen in ihren Feuilletons Ueberſetzungen aus dem Franzöfilchen,

nur bie und da erjcheint einmal auch eine Driginalarbeit eines brafilianifchen Schriftitellers, die aber meiltens ehr unbedeutend it. Belehrende Aufſätze findet man nur in ganz vereinzelnten Blättern, allen voran Gazeta de Porto

Alegre. Die große Mehrzahl der Blätter befchäftigt ſich eben nur mit Schimpfereien oder politischem Barteigezänf. Wenn

ſchon

aus diefem Grunde die Lektüre brafili:

aniſcher Zeitungen fehließlich widerlich wird, jo haben mic) auf der andern Seite geradezu angeefelt die unglaublichen Schmeicheleien, mit denen die Freunde der Partei oder ſolche Zeute, die man gern für die Partei gewinnen möchte, überjchüttet werden. Namentlich iſt mir aufgefallen, daß man jungen Studenten gern reichen Weihrauch jtreut. In der That, wenn ſolch' ein junger Mann aus Rio de

Janeiro oder San Paulo nad) Haufe zu Beſuch kommt, jo wird er von den Zeitungen der Partei, melcher jein Bater angehört, mit den überſchwänglichſten Lobeserheb— ungen

überfchüttet, und dem

Vater des hoffnungsvollen

Sünglings wird zu dem „distincto academieco“, der in wenigen Sahren eine Zierde der Bartei und ein Stolz des

Baterlandes fein werde, Glück gewünſcht. Und die Folgen jolcher Lobhudelei? In den jungen Leuten wird ein falfcher Ehrgeiz gemwedt, der ſie jelbjt glauben macht, fie jeten eigentlich doch jchon jeßt bedeutende Menfchen, und

da gründen fie denn auf der Akademie politische, meiſt vepublifanifche Klubs, geben auch wohl eigene Zeitungen heraus, halten lange politiſche Reden, in denen fie öffent:

lich die Auflöfung des Kaiferreiches fordern, um an feine Stelle eine mehr it.

Republif

zu fegen,

und

was

des Unfinns

Die politifchen Blätter fpielen in der Provinz Rio Grande wenigſtens eine ganz hervorragende Rolle, teil fie eben Organe der Parteien oder deren Chefs find, und

diefe leßteren haben in den meiften Beziehungen eine maßgebendere Stellung wie etwa bei uns die Führer der Par:

teien.

Kein Präfident der Provinz, ja ſelbſt Fein Minifter

fann ſich auf die Dauer in feiner Stellung halten, wenn

er fich nicht mit dem Chef der gerade herrfchenden Partei verjtändigt hat. Gerade in der Provinz Rio Grande do Sul iſt es mit den beiden legten Präfiventen, die ich ges fannt habe, jo geweſen; diefelben waren konſervativ und wollten Sich den Chefs der herrfchenden liberalen Partei

Ueber die braftliantiche Preſſe. nicht unterordnen, fondern ihre eigenen Wege gehen. Sofort wurde ihnen der Krieg erklärt, und nun wurde in den Zeitungen und in Rio de Janeiro an maßgebender

Stelle folange gehegt und gewühlt, auch wohl dem Minifter gedroht, bis die Präfidenten entfernt wurden. In der Neichshauptitadt jcheint die Preſſe in diefer Hinjicht weniger einflußreich zu fein. Herr v. Koſeritz, der diefe Berhältniffe jehr genau fennt, jagt darüber folgen:

des: „In Rio gibt es heute überhaupt fein Blatt, welches begründetermweife politischen Einfluß ausüben fönnte.

Die

365

den legten Jahren durch feine interefjanten Experimente an Giftihlangen auch in Europa einen Namen gemacht hat. Im allgemeinen ift das wiljenschaftliche Leben in Brafilien noch jehr gering; am entwideltften iſt vielleicht die Ethnographie. Dr. Ladislau Netto interefjiert fich ſehr für diefe Disziplin; er hat vielfache Neifen gemacht oder aud) machen lafjen und fchon eine ganz bedeutende Sammlung hierauf bezüglicher Gegenftände zufammengebracht, die aber noch der ſyſtematiſchen Verarbeitung harrt. Wiſſenſchaftliche Werke braſilianiſcher Autoren exi—

ganze hiefige Brefje iſt rein fpefulativer Natur; feine Zeit—

ſtieren kaum.

ung bat ein feſtes Programm, feine gehört einer Partei an, feine vertritt eigene Ideen: die Leute wollen nur dem

demien ſind zum größten Teil Ueberſetzungen aus dem Franzöſiſchen. Auch deutſche Bücher findet man, die freilich erſt aus dem Franzöſiſchen und dann nicht ſelten ohne Nennung des deutſchen Verfaſſers in's Portugieſiſche übertragen worden ſind. Außer den Ueberſetzungen gibt es dann noch Compilationen, die aber mitunter ganz er— bärmlich find, ohne Kritik. Das ſelbſtändige wiſſenſchaft— liche Denken iſt bei den Braſilianern eben noch nicht kräftig genug ausgebildet. Nur eine rühmliche Ausnahme iſt zu machen, einen Braſilianer gibt es doch, der ſelbſtändig und eigentümlich denkt und der feinen franzöſiſch gefinnten Landsleuten ſcharf auf den Leib rüdt: Das ift Tobias

Publikum gefallen, um recht viele Eremplare zu verfaufen, und da das hiefige Bublifum überhaupt nicht ernit fein fann, jondern immer lachen und blaquieren muß, fo wird ihm die pafjende Speiſe aufgetiiht, Vom Journal do Commereio abwärts bis zur Gallegada (ein Schimpfblatt

ichlimmfter Sorte) richtet fich alles Sinnen und Trachten der hiefigen Blätter ausjchließlih auf Geldverdienſt, und eine derartig konſtituierte Preſſe ift wahrlich nicht imftande,

politifche Lagen zu kräftigen, oder fie zu jtürzen. Ihr fehlt Doktrin, Charakter, feites Programm; fie ijt gemacht nad dem Zufchnitt des Pariſer „Sigaro”, und lebt nad) defien Beifpiel. Figaros fünnen aber fein Miniſterium

ftürzen; fie bringen Geld ein, üben aber feinen Einfluß aus.”

(Koferiß!

„Deutſche

Zeitung.”

Porto

Alegre.

1883, Nr. 59.) So viel über die brafilianische Tagesprefje. Im An: ihluß daran mollen wir nun noch einen Blid auf die wifjenjchaftliche und belletriftische Brefie des Landes werfen. Erſtere ift hauptfächlich durch einige medizinische und juriftifche Zeitſchriften vertreten, welche von den Afademien herausgegeben werden. Ihr Inhalt tft ziemlich un:

bedeutend; wenigſtens gilt das von den medizintjchen Zeitfehriften, von denen ich einige kenne. Die bejte wiſſen— ichaftliche Zeitfchrift des Kaiferreiches iſt ohne allen Zweifel die Archivos

do Museo

Nacional

de Rio de Janeiro,

eine naturwiffenschaftliche Zeitfchrift, die von dem Direktor des Nationalmufeums

herausgegeben

wird

in Rio, Herrn Dr. Ladislau Netto,

und auch ſchon in Deutjchland hie

Barreto

Die Lehr- und Handbücher

de Menezes,

ein Mulatte

an den Aka—

veiniten Wafjers aus

Pernambuco, ein jehr ſcharfer Denter und vorzüglicher Kritiker. Tobias, heute Profeſſor der Jurisprudenz an der Akademie in Bernambuco, wurde während des deutjchfranzöfilhen Krieges auf Deutſchland aufmerffam. Er lernte Schnell, ohne irgendwelchen fremden Unterricht, Deutſch und fonnte fi) in erjtaunlich furzer Zeit unjerer Sprache und Litteratur fo weit bemächtigen, daß er den Entſchluß faßte und auch ausführte, in Pernambuco eine deutjche Zeitung felbit zu fegen, zu druden, zu redigieren. Leider haben unfere Zandsleute in Brafilien dieſem originellen und verdienftvollen Unternehmen nicht das nötige Inter— effe entgegengebradt, jo daß es bald aufgegeben werden mußte. Bild und Biographie dieſes ſeltſamen Mannes hat, wenn ich nicht irre, vor mehreren Jahren die „Oarten-

laube” gebracht.

Cine ausführlichere Lebensſkizze

fich auch in Koſeritz'.

„Deutihem

Volkskalender

Provinz Rio Grande

do Sul”.

1883.

findet für Die

Porto Alegre.

und da befannt fein dürfte. Ihren Hauptivert erhalten die Archivos freilich durch die zoologifchen Beiträge, welche unfer Landsmann, der geiftvolle Zoologe und Botaniker

Verlag von Gundlad u. Comp. Die belletriftifche Litteratur wird zum überiviegenden Teil aus Frankreich bezogen; nur wenige brafilianijche

Dr. Fritz Müller, für diefelben liefert. Sch will bei dieſer Gelegenheit ertwähnen, dab Hugo Zöllner in feinem Bud): „Die Deutfhen im brafilianifchen Urwald”, von einem

Dichter und Schriftfteller gibt es, die etwas gutes leiften,

Dr.

A. Müller

in Blumenau

fpridt.

Ein Wann wie

Hugo Zöllner hätte wohl wiſſen können, mie Brafiltens, vielleicht ganz Südamerika's geiftreichiter Naturforjcher heißt, ‚ zumal wenn dieſer Mann ein Deutjcher ift. Charles Darwin nannte Fris Müller „the prince of observers!“ Von

brafilianifchen Mitarbeitern des Archivos iſt erwähnens— wert der junge Dr. Yacerda, ein Phyſiologe, der ſich in Ausland

1884, Nr. 49,

Illuſtrierte Zeitfchriften, wie unfer „Ueber Yand und Meer”, „Sartenlaube” u. ſ. w. gibt es in Brafilien meines Wifjens nicht. ES wid in Brafilien überhaupt wenig gelejen. Die Männer zerfplittern ihre beite Zeit in politijchen Zänkereien und die Damen find entweder zu bequem zum Leſen oder ihre Toilette läßt ihnen Feine Zeit dazu.

Intereſſant find die Differtationen der jungen Dok— toren durch eine Eigentümlichkeit, die mir immer viel Bergnügen gemacht hat und die ich daher nicht unerwähnt 146

966

|

Die Schlangennot in Indien.

laſſen will. Unfere jungen Doktoren brauchen ſie aber nicht nachzuahmen. Dieſe Eigentümlichfeit befteht in einer ganz erjtaunlich großen Menge von Widmungen, melde der Kleinen Arbeit vorgebrudt ſind. Sp erinnere ich mid,

ziehend wären, als ſie es ſind, ſo würde dieſe Behendigkeit und Gewandtheit

im höchſten Grade unbequem ſein; und

ohne dieſes Beſtreben, der Begegnung des Menſchen aus—

eine Difjertation gefehen zu haben, die 59 verschiedenen Ber:

zuweichen und ihm zu jeder Zeit zu entgehen, würde die von dem berühmten engliſchen Arzt und Schlangenkundigen

jonen, teils lebenden, teils toten, jungen und alten Männlein und Fräulein gewidmet war. Großvater, Großmutter, Vater, Mutter, Gejchwilter, VBerwandte, Freunde, Belannte, brafilianische Politiker oder- afademifche Größen, furz alle

durch Schlangenbiß, welche an ſich ſchon ungemein groß iſt, eine unendlich höhere Ziffer erreichen. Dem Selbſt—

nur denkbaren Menfchen waren mit einer twortreichen Wid—

iſt wie bei den meiſten

mung bedacht worden, deren jede felbitverjtändlich ein befonderes Blatt einnahm, fo daß dadurd die Kleine Arbeit zu einem jtattlichen Bande angewachlen war. Natür: lih werden derartige Arbeiten, obgleich an fich meijtens

es, daß die Zerſtörung von Menſchenleben durch ſie nicht

wertlos, in wer weiß wie vielen Zeitungen befprochen und als als des jein und

Meiſterwerke hingeftellt, der Verfaſſer ſelbſt aber wird junger Mann gepriefen, der in kurzer Zeit eine Zierde DBaterlandes und ein Stolz der (politischen) Partei werde. Sp werden diefe jungen Herren verwöhnt mit Gewalt in das politifche Parteiweſen binein-

getrieben, welches fie zu Stellenjägern erniedrigt und das Land

mit

abfoluter

Notwendigkeit

dem Abgrund immer

näher bringt.

Sir

Joſeph

Fayrer

erhaltungstrieb,

aufgeſtellten

Mortalitäts-Tabelle

welcher bei den Schlangen ebenſo groß höheren Trieben, verdanken wir

größer iſt. Die Zahl der Arten von Giftſchlangen in Indien iſt ſehr groß. Mir ſelbſt, deſſen Erfahrung nur eine be— ſchränkte iſt, ſind mindeſtens 12 verſchiedene Arten von

allen Größen vorgekommen und damit iſt die Schlangen: fauna Indiens

noch

nicht erſchöpft.

Das Gift der ein-

zelmen Arten ift allerdings von verschiedener Wirkung, allein unbedingt von heftigerer und rafcherer als 5. B. das unferer mitteleuropäiſchen Kreuzotter. Wenn Europäer und Weihe überhaupt jeltener ein Opfer des Schlangenbifjes werden, fo liegt der Grund davon in ihrer größeren Borficht und Umficht, in ihrer befjeren Kleidung und vielleicht in dem Umftande, daß fie nicht ſoviel imFreien find. Die Eingeborenen, Hindu

wie Muslimen und Buddhiiten, find unendlich forglofer und gleichgültiger als wir Europäer. Barfuß, mit nadten Beinen und mit jenem fataliftifchen Glauben an das Kismet

Die Schlangennot in Indien.

(Schidjal oder Vorherbeftimmung), welches der Hindu mit Aus amtlihen Quellen erfahren wir, daß jährlich 9000 bis 20,000 Eingeborene in Bengalen allein durch Schlangen getötet werden und daß in ganz Indien nad) einer rohen Berechnung, welche wahrfcheinlih unter der wirklichen Ziffer bleibt, alljährlich 25,000 Menschen durch

diefe Urfache ihr Leben verlieren. das möglichjte

thue,

Nicht als ob man nicht

um die giftigen Schlangen

tilgen, im Gegenteil, die Regierung

zu ver-

bat einen Preis auf

den Kopf jeder getöteten giftigen Schlange geſetzt und fo Elein

diefer auch ift, jo find die armen Bauern doch fehr eifrig, fich dies zu Nuge zu machen, und wenn eine ſolche Schlange ich zu zeigen wagt, jo fommt fie felten mit dem Leben davon

und der Huf „Samp!” (Schlange) übt eine magifche Wirtung auf den jtumpfiten und trägiten Eingeborenen; aber die Zahl der Giftfchlangen fcheint gar nicht ab-, fondern eher zuzunehmen,

Wer

die Schlangen nur

aus den Gremplaren

der

Dienagerien und zoologifchen Gärten fennen lernt, der vermag fi Taum einen Begriff von der Gefchtwindigfeit zu machen, mit welcher ſolch ein träg ausfehendes Neptil

fich bewegen kann, wenn e3 will, und wenn man es aus jeinem gläfernen Behälter frei ließe, würden feine Beweg— ungen ſicher an Behendigfeit denjenigen gleichen, mit welchen die Zufchauer Neigaus nehmen werden. Wenn die Gewohnheiten der Mitglieder der Schlangenfamilie mehr auf Angriff ausgehend und weniger Scheu und fich zurück— 7

dem Mohamedaner teilt und woran er, zumeilen zu feinem Vorteil, häufiger aber zu feinem Nachteil als Weltmann, unerſchütterlich fejthält, betritt der Sindu mit feinen dunfelbäutigen Beinen ohne Bedenken Orte, welche erwieſener— maßen von Schlangen ivimmeln, und es ift daher nur eine Frage, ob er mit einer foldhen in Berührung fommt oder nicht. Mit jener erhabenen Gleichgültigfeit gegen die Gefahr, welche er von Kindheit auf durch Gewohnheit und Vertrautheit mit derjelben erwirbt, Fauert er fich mit oder ohne jeine dürftige Kleidung von Baumwollſtoff auf dem nadten Erdboden feiner Lehmhütte oder unter den weit—

ſpreitenden Aeſten und Zweigen eines Baumes oder Bufches nieder und verfällt in einen tiefen Schlaf, aus welchem ihn weder die Stiche der Musfiten, noch das Geheul raubgieriger Schafale, noch das Gefchrei der Waldeulen in den

Zweigen über ihm zu wecken vermögen.

Manchmal hat

er vielleicht an derfelben Stelle ſchon eine Schlange er: Ihlagen ſehen. Aber was ficht dies unjeren Nancherun oder Bodſchu an? Gibt es nicht auch an anderen Orten

Schlangen?

In einer Minute

jchläft er wie ein Sad

und träumt vielleicht von feinen Reis- und Paddyfeldern, welche er gegen 90 Prozent Zins verpfändet hat und die es möglicherweife immer bleiben erden; er träumt 4 von jeinem Mahädſchan oder Bankier, deſſen Ubge

feimtheit und überlegene Nechenfunft diefen Schuft in den Stand jest, feine Nachbarn auszubeuten. Dann dreht er

Die Schlangennot in Fudien. ſich um und wälzt ſich ruhig auf eine tötliche Krätfchlange hinauf oder redt feine braune Hand aus und erfaßt damit den glatten Nüden einer vorbeikriechenden Kobra, die ihn

beißt oder vielmehr mit ihren Giftzähnen fchlägt, und er jtirbt! Aber die Götter wollten es fo; feine Zeit war ge fommen — Kismèt! Kismet! — Tulſi Kandu beijert das

Strohdach

feiner Hütte aus und wie er das verfaulte

Gras aufhebt,

drüdt

er dabei

eine Sankor

oder Dad):

Ihlange, welche in demfelben ruht und die Störung mit ihren ſcharfen Giftfängen vergilt, und Tulſi wird zu feinen Vätern verfammelt. Dann tft dort Sirikiſſon Belda damit beichäftigt, Bambus zu einem neuen Dad) oder die Dichengel-

gräjer zu Schneiden, mittels deren er neue Matten für fein Haus anfertigen will; dadurch beläftigt er den Feind, welcher fich durch feinen Biß fühlbar macht, ehe er fich in Sicherheit

bringt.

Gidari

Teli

ift in der Dämmerung

oder der dunkleren Nacht an den benachbarten Dorfbrunnen gegangen, um feinen Lota (Steinfrug) zu füllen und fehrt nur in feine Hütte zurüd, um fein junges Weib eilends

nad) dem Byd (eingeborenen Arzt) zu fchiden, welcher fein Geheimmittel anwenden wird, und nad) dem Braminen, welcher feine Beſchwörungen fingen und verfchtedene myſtiſche Gebräuche vornehmen wird, während der arme Gidari

vettungslos in das glüdliche Senfeits eingeht. Allein au unter den Europäern gibt es nur wenige, welche nach einem mehrjährigen Aufenthalte in den indi— Ihen Ebenen in die Heimat zurüdfehren, ohne eine lebhafte Erinnerung

an

eine

oder

mehrere

Nettungen

vor dem

Schlangenbiß mitzunehmen, für welche fie im gegebenen Augenblid der Vorfehung fehr dankbar waren. Selbſt in großen Städten wie Bombay

nicht unbefannt; Bangalos

dagegen

oder Kalkutta find Schlangen

fommen

oder LZandhäufern

ländlichen Stationen

fie in und bei den

auf allen oder den meiſten

ganz gewöhnlich

vor und machen

diefen Behaufungen in ungewöhnlich und unbequem Furzen Zwiſchenräumen ihren Beſuch. Es gibt wenige Bangalos,

deren Stroh: oder Schilfdac nicht der gelegentliche Aufenthalt einer befonders gefährlichen Schlangenart, des Sankor oder der Dachſchlange, ift, während rundumber in den Höhlungen alter Bäume, unter den Fußböden der Zimmer, in den Kellern oder in danebenliegenden Gärten von Zeit zu Zeit Exemplare von anderen Arten vorkommen, melde für das

menschliche Leben

nicht weniger gefährlich find.

Sch kann vielleicht die Natur der Gefahr aus dieſer Quelle nicht befjer klar machen, als wenn ich einige meiner per ſonlichen Erfahrungen während eines mehrjährigen Aufent:

haltes in Bengalen hier jchildere. Sch habe mehrere hundert Schlangen getötet, aber die lebhaftejte Erinnerung ift mir von der erſten geblieben, welche mir zu Geficht kam. ch wohnte damals in einem Eleinen

967

eine unglaubliche Menge Eleiner Kröten in alle Zimmer herein. Mein Hausfehrer vermochte oft in einer furzen Zeit eine Gylah (eine Art runden irdenen Topfes im Raumgehalt von mehr als einer Gallon) mehrmals bis an den Rand mit Kröten zu füllen. Wir nannten fie

Fröſche, aber es waren wirklich Kröten von einer hüpfenden Art und das einzige, was zu ihren Gunften zu jagen it, war ihre Beeiferung, Muskiten, Käfer, Schaben und alle anderen Arten von friechenden und fliegenden Inſekten zu verjchlingen. Dieſen Vorteil aber wog veichlich die Thatlache auf, daß Schlangen mit gleicher Begierde, Beeiferung und Appetit Kröten verfchlingen und diefen Lederbiffen immer gefliffentlih nachitellen. Die Natten aber verur: ſachten mir am meijten Unluft und Ungemachz; fie zernagten meine Schuhe, joffen das Del aus meiner Nachtlampe (dev Jogenannten Telsbatti, einer höchſt einfachen Vorrichtung, welhe noch an die Zeiten Mofis erinnert) und löfchten dabei jogar das Licht aus: fie richteten unter meinen mit Baumwolle gejtopften Kiffen große Verheerungen an, fo daß ich oft nach einer Abweſenheit von wenigen Tagen bei der Heimfehr den Inhalt derjelben auf dem Boden zer:

ſtreut und die Kifjenfchläuche ſchonungslos zerfreffen fand, und es fam häufig genug vor, daß ich eine fette Ratte, welche ſich durch die Musfito-Borhänge hindurd) gezwängt hatte, eine halbe Spanne von meiner Nafe, wenn ich im Bette lag, nagend fand. Die Natten machten einen furcht— baren Lärm in einem alten Schranf, welcher mit verjchie: denen Eßwaren angefüllt war und verurfachten namentlicd) unter dem Glas: und Porzellan-Geſchirr in demjelben oft ein ſolches Geräufh, daß ich aufiteben und die Räuber in die Flucht jagen mußte. In meiner Verzweiflung be— ſchloß ich in einer Nacht, den Verſuch zu machen, ob ich) mir nicht durch Ausräucherung Ruhe vor ihnen verichaffen könne. Sch legte daher ein Stüd glimmendes Pack-Papier in den Schrank und lauerte mit einem Stod in der Hand auf die erite Ratte, welche ic) an den Fußſtützen, worauf jenes Möbel ftand, herabfriechen jehen würde. Ich brauchte nicht lange zu warten, denn bald kam Ratte Nummer eins heraus und fand ihren Tod zur Stelle. Boll Bergnügen über meinen Erfolgen lauerte ich auf die zweite Natte, aber

an ihrer Stelle fam eine braune,

etiva 70 em. lange

Schlange herausgefrochen und bis dicht zu meinen nadten Füßen heran. Dies war mehr als ich erwartet hatte und ich führte im Nu einen wuchtigen Sieb nad) ihr, traf aber damit auch meine Nachtlampe, die ich in der anderen Hand hielt und die nun flirrend zu Boden fiel und er—

lofh und

mid)

und

die braune Schlange mit einander

in gänzlicher Finfternis lieh, was für ung beide eine höchſt unliebfame Situation war.

Sch wußte noch nichts von der Lebensweiſe dieſer oder

Ort beherbergte neben anderem Ungeziefer auch eine Menge

oder irgend einer anderen Art der Schlangenfamilie, jo daß mir natürlich ein Biß, dem nad) etwa 15 Minuten der Tod folgt, unvermeidlich erſchien. Ich that daher

Ratten, und da der Fußboden jo niebrig lag, jo fam aud)

unter dem Drang des Augenblids das Thörichtite, was

Bangalo von drei Zimmern, deren Zußboden beinahe auf gleichem Niveau mit dem Erdboden draußen var. Der

968

Die Schlangennot in Indien.

ich unter gegebenen Umftänden thun fonnte, nämlich ich taftete mich auf jede Gefahr hin nach der Thüre und rief nah Licht. ES dauerte aber fünf Minuten, bis ich ein jolches befommen konnte, denn ein fchlafender Hindu tft nicht leicht zu wecken und braucht felbft dann noch einige Zeit, bis er feine fünf Sinne aus der Betäubung des Schlafes befreit, und als das Licht kam, war die Schlange

fort.

Wir fanden

ein Loch in einer Ede des Zimmers,

durch melches fie entwiſcht war, wie das erfahrene Auge

meiner Diener bald entdedte.

trotzig, blies den Hals auf und ſtarrte mit wild funkeln— den Augen nach mir. *

Ich ergriff die Kiſte und ſchleuderte

ſie nach der Schlange und auf dieſelbe, während mein Diener nach dem anderen Ende der Veranda lief und einen Stock holte, mit welchem ſie bald und leicht erſchlagen wurde. Bei einer anderen Gelegenheit, als ich die Thür des

Badezimmers öffnete, fiel mir, wie ich mich noch deutlich erinnere, eine kleine, aber ſehr giftige Schlange, welche auf

Da aber jenes Loch in die

irgend eine Weiſe oben auf die Thür hinaufgekrochen war,

Scheideivand zwiſchen dem nächſten Zimmer führte, fo mußte ich zu meinem Unbehagen entdeden, daß die Schlange meine Wohnung im Bangalo teilte und ficher über furz oder lang wieder zum Vorfchein fommen würde. Und fo

gerade auf das Handgelenk und von da vor mich auf den

war es auch, denn drei Tage fpäter erfchien fie — eine ihres gleichen —

oder

am hellen Tage wieder und wurde

Fußboden. Und in ähnlicher Weiſe fiel mir eines Morgens, als ich zu Pferde einige Ausbeſſerungen an einem als

Stall benützten Nebengebäude beſichtigte, eine Schlange derſelben Art von dem Bambusſparren und dem Stroh

deren id) mich erinnere, war

des inneren Daches gerade auf meinen Kopf und von da auf meinen linken Arm und den Sattelbogen und hierauf auf den Boden, wo ſie unter einiges Stroh entwiſchte.

eine große Kobra oder Hutfchlange, deren Biß ficherer Tod

Einige Zeit Später las ich eine Handvoll frifch gefchnittenen

iſt. Da ih noch ein Neuling im Lande und entichloffen war, mic) nicht übervorteilen zu laffen, fo hatte ich mic) nod nicht daran gewöhnt, mein ganzes Hab und Gut in der Verwahrung eingeborener Diener zu lajjen, deren Sprache ich nicht verftand und über deren Ehrlich— feit, Zuverläffigfeit und Treue ich nur die ungünftigjten Berichte gehört hatte. Ich gab mir daher alle Mühe,

Graſes vom Boden auf, um dasjelbe meinem fabulfchen Lieblingspferde zu reichen, als ich etwas in meiner Hand

in den Thürangeln zu Tode gebrüdt. Die nächte Schlange,

über meine fämtlichen Vorräte und Befistümer und über meine fämtlichen Dienftboten eine genaue Aufficht zu führen und mid) durch perfönliche Beobachtung zu überzeugen, wie es um alle häuslichen Bedürfniffe und Vorräte ftand. Vor allem war ich aus finanziellen Gründen ſehr darauf bedacht, eiferfüchtig über meine Vorräte an Wein und Bier zu wachen, welche im Orient Zoftfpielige Waren und ſehr dem Verſchwinden ausgeſetzt ſind. Mit einem Wort, ich nahm die Schlüſſel zu Vorrats- und Speiſekammern in meine eigene Verwahrung und vertraute ſie nicht unbedingt (was ich ſpäter als ſehr weiſe erkannte) meinem Khaͤnſama (Haushofmeiſter, Tafeldecker) an. Namentlich pflegte ich damals nur immer eine gewiſſe Anzahl Flaſchen Wein oder Bier oder Blechbüchſen mit fonferviertem Fleiſch ꝛc.

aus dem Keller oder der Vorratskammer zu holen, wie es

die Gelegenheit erheiſchte. Das eine Ende des Bangalo hatte Backſteinwände und bildete einen ſicheren Verwahr— ungsort für derartige Waren; es war aber immer meine Gewohnheit geweſen, dieſen etwas dunklen Raum mit Vor— ficht zu betreten, da er zugleich ein Lieblingsaufenthalt von Sforpionen und Hundertfüßen war und da ich vor letzteren einen befonderen Efel hegte, fo ſah ih mich nad)

denfelben

ſtets mit großer Behutfamfeit um.

Bei einer

Gelegenheit übrigens war ich foeben im Begriff, eine Ieere Kiſte beifeite zu rüden, welche Branntiveinflafchen enthalten hatte, als ich zu meinem Entfegen eine große Schlange darin liegen ſah. Sie entwiſchte mit großer Behendigfeit, rollte fi) auf dem Fußboden zufammen, erhob den Kopf

fich bewegen fühlte; ich ließ das Gras fallen und aus demfelben kroch eine Krätſchlange (Bungarus ceoeruleus, Boa

lineata)

heraus,

welche

an Giftigfeit der Kobra zunächit ſteht. Ich habe von Schlangen gehört, obwohl gottlob es nicht jelbjt erlebt, welche unter Bettlafen und Kiffen ver: borgen lagen; allein zweimal habe ich morgens beim Er—

wachen felbft gefunden, daß mich die Nacht hindurch eine Giftotter mit ihrer Anmwefenheit in meinem Schlafzimmer beehrt hatte, und eines morgens als ich mich an meinen Schreibtiſch fegen wollte, entdedte ich eine ſehr große, 1,350 m. lange Kobra, die der ganzen Länge nad) zu meinen Füßen an der Wand lag. Sie eilte fogleich der offenen Thür zu und ich erlegte fie auf der Veranda mit

einer Neitpeitfche, während die Eingeborenen, vie es in derartigen dringenden Notfällen gewöhnlich iſt, bejtürzt umberliefen und an allen unmöglichen Orten nad) einer

wirfjameren Waffe fuchten. Sch hatte mir die gute Ge: wohnheit angeeignet, für welche ich noch heute dem Scharf: finn und der Spürfraft eines alten treuen Dieners zu danken habe, meine Reitſtiefeln immer auszufchütteln, ehe ih den Fuß hineinftedte, um eine möglicherweife darin

verborgene Kröte zu entfernen; zuweilen gefchah es aud), daß der alte Rancherun

Fühnlich feine braunen

Finger

in der gleichen Vorfichtsmaßregel hineinftedte und dann, wenn zufällig ein Frofch oder eine Kröte darin tvar, mid) zum Lachen brachte durch die Gefchtwindigfeit, mit welcher er jeine Hand zurüdzog und mit einem Gefiht voll Ent: jeßen ausrief: „Kuchh hai bhitar* (es ift etwas drinnen).

Bei um fiel eine

einer Öelegenheit drehte er glüdlicherweife den Stiefel und fchüttelte ihm aus, anftatt hineinzugreifen, und da eine Feine Schlange heraus, welche ich ſogleich für junge Sankor oder Dachſchlange erkannte. Bon da

Die Schlangennot in Indien. an nahmen wir uns beide in Acht, ich, wo ich meine Stiefel und Schuhe über Nacht aufbewahrte, und Nancherun,

Man behauptet, Schlangen vermeiden die Annäherung an ein offenes Licht oder eine Flamme irgend welcher Art.

wohin er Man fie allem Eine mir

Dies ift jedoch ein Irrtum, wie ich mehr als einmal ent: deckt habe, und zwar beinahe mit Lebensgefahr. Sch be-

jeine Finger jtedte, findet Schlangen häufig an Orten, wo man Anjchein nad am wenigſten vermuten follte, befreundete Dame z. B. berührte einmal beinahe

mit der Hand eine [lebendige Kobra, als fie irgend einen Nippgegenjtand von ihrem Kaminfims nehmen wollte; das Neptil lag ruhig hinter einer Stuguhr an der Wand und vie 8 dorthin Fam, ift big heute ein ungelöftes Nätfel. Ein Freund von mir hatte eine der im Lande verfertigten

hölzernen Fallen für Natten geftellt und eine Kobra darin gefangen, zum großen Entjegen feines Hausfehrers. Ein englifcher Offizier wollte einſt feinen Federhut zur OalaUniform aufjeßen und fand als er den Dedel der Hut:

ſchachtel öffnete, eine fat armslange Kobra darin.

Noch)

merfwürdiger aber ging es einer Dame meiner Befanntihaft, welche vor einigen Jahren in einem Bangalo auf

einer Station ihrem Salon

eine kleine Schlange liegen ſah.

Diefe war

auf dem von

Tiſch in

einer fleinen

giftigen Art und lag unter einem Sinderbilderbuche.

Als

die Dame das Buch hinwegnahm, wurde fie gebiffen, erfranfte unter heftigen Schmerzen, genas aber endlich wieder.

Unter den Eingeborenen Indiens herrfchen noch manche jeltfame Borftellungen

und

fichtlich der Schlangen. Dharmin genannt,

abergläubifche

Anfichten bin:

So joll es eine große Schlange,

eine angebliche Kreuzung zwijchen der

Kobra und irgend einer anderen

Art, geben, welche nicht

beißen, ſondern wenn jte verfolgt wird, mit dem Schwanze

ihlagen und nad) der Ausjage der Eingeborenen unjtande jein fol, damit ſchmerzhafte und ſogar gefährliche Wunden beizubringen, und man findet allgemein den Glauben vor: waltend, daß diefe Schlange an Sonntagen und Donners— tagen ganz unfchädlich fei.

Der Bi der Giftſchlangen joll

an falten Tagen weniger gefährlid fein, als an heißen. Es gilt für unglücklich, wenn man irgend eine Giftſchlange bei ihrem eigenen Namen nennt und man bedient fich ftatt deſſen allgemein eines Spitznamens oder einer Um—

ihreibung;

gerade jo wie man

das richtige Wort für

Cholera morbus vermeidet und glaubt, jeine Antvendung jei im höchiten Grade gefährlih und könne die Krankheit

jelbft bringen.

Viele Eingeborene Flopfen, wenn fie bei

Nacht ins Freie gehen müfjen, mit ihrem Bambusitod wiederholt vor fich auf dem Boden und gehen jehr lang-

merkte bei einer Gelegenheit rund um die auf dem Fuß» boden meines Ankleivezimmers ſtehende Dellampe herum einen dunflen Kreis, wie wenn jemand Del auf der hellen Matte

verichüttet habe.

Sch war Schon im Begriff mic)

zu büden und mit der Kerze binzuleuchten, die ich in der Hand trug, um den dunflen Fleck genau zu infpizieren, als derjelbe auf eine Viertelsfpanne Entfernung an meinen nadten Füßen vorüberkroch. Es war eine 90 em, lange

ſchwarze Schlange, die jogenannte bahr& sämp, wörtlich die taube Otter oder Schlange. Es gibt jeltfamerweife auch Leute, obwohl fehr wenige, die in Indien geweſen find und nie eine Schlange gefeben haben. Sp verficherte mir jüngft einer meiner Freunde,

welcher drei Jahre in Mofuffil gelebt und oft im Freien übernachtet hatte, er habe dort niemals eine lebende oder tote Schlange gefehen. In einem wunderhübſch gelegenen

und ziemlich über dem Boden

erhöhten

Bangalo,

worin

ich mehrere Sabre gewohnt hatte, erlegte ich oder ſah ich erlegen während der drei Monate eines Monſun-Regens 80 bis 90 giftige Schlangen in Garten und Haus, wovon mehr als ein Drittel entweder in den Zimmern oder in der Veranda. Mein Nachfolger, welcher das Bangalo ungefähr ein Jahr lang bewohnte, traf darin nicht mehr als vier Schlangen. Ihm folgte ein anderer Belannter, welcher in den Monaten Juni, Juli und Auguſt über hundert Schlangen erihlug. Das eine Bangalo auf einer Station fann von Schlangen wimmeln, während ein anderes, faum hundert Schritte davon entfernt, von denſelben ganz frei it. Drte, welche wegen der Nähe von benachbarter dichter Vegetation und Dichengel oft die geeignetiten Standorte für Schlangen zu fein fcheinen, find manchmal gerade ganz frei davon, wie e3 häufig auch mit der anderen Yandplage, den Musfitos, der Fall iſt. Ungeheure Mengen von Geflügel werden von Schlangen getötet und Küchen und Speifefammern ſcheinen eine befondere Anziehungskraft für fie zu haben, denn die größten Kobras, die ich jemals ſah, babe ich in dem bawardschikhäna oder dem Küchenhaufe teils erichlagen, teils erſchoſſen.

Sch habe bereits die Vorliebe

der Schlangen für

die Brieffelleifen hin und ber tragen, führen unmwandelbar

Fröſche und Kröten erwähnt. Dieje unglüdlichen Batrachier jtoßen, wenn fie von einer Schlange angegriffen werden, einen mwohlbefannten, ſehr Eläglichen und eigentümlichen Ton aus, den man befonders zur Negenzeit oft hört und der

an ihrem fchulterhohen

ihre Gefahr verkündet.

ſamen Schrittes, und die Däf-Läufer oder ländlichen Poſt— boten, welche auf Stationen von 5 bis Ge. MI. Länge Bambusjtod

eine Anzahl

Lofer

„Beng bolta hai, Kodärwand*

Eifenringe, um ein klirrendes Geräuſch zu machen, wenn fie daher traben; der Zwed davon iſt nach verichiedenen Lesarten teils in erjter Linie der, durch diefes Geflingel

(ein Froſch ſchreit) war der Auf, mit welchem mein Eleiner

die Schlangen

tauchte; er wußte, daß ich immer bereit war, die Schlange zu erjchlagen und den Froſch zu retten. Wir eilten dann beide ins Freie, Nebbi meine Kerofinlampe tragend, ich mit

und

andere

ſchädliche Tiere zu verjagen,

teil3 aber auch, um bei Nacht dem nächjten Poſtboten die Annäherung feines Kollegen zu verfündigen. Ansland N

Fr

969

1884, Nr. 49.

Diener Nebbi unter

der

mich oft allarmierte, wenn ich nad Tiſche

Punka

(dem Fächer) lag und

meine Zigarre

147

90

Rerfeffizzen aus Aegypten und dem Sudan.

einem tüchtigen Bambusjtod bewaffnet, und wir fanden dann meiſt unter den Büfchen dicht neben dem Bangalo den Gegenftand unferer Nachforſchung, einen Krät oder einen Ghoman (Brillenihhlange), der einen erfchredten Froſch angriff, welcher nicht vergebens gefchrieen hatte,

denn ein paar wuchtige Hiebe über die Schlange zer: Ichmetterten diefer den Nüdgrat und brachten noch recht: zeitig dem Froſch Rettung, welcher dann wieder in den Schoß feiner Familie zurüdfehren durfte,

Borhügeln des Dichebel O-Fik. Um 11 Uhr wurde Halt gemacht in einem fleinen Wady. In der Nähe unferes

Lagers

befand ſich ein fonderbar geformter Granitblod

von der Figur einer Sphinx, zahlreiche, riefenhafte Granit— Flöte lagen über das MWady zerjtreut.

Am 27. Mai wurde um 63/, Uhr aufgebrochen. Das Wady, in dem mir gelagert, beiteht teils aus Geröllflächen, teils aus mageren Grasftreifen mit wenigen Wildafazien, Ein mäßig hoher Schieferrüden führt in norböftlicher Richtung in das Wady Lämeeb.

Anfangs

fahl und un:

fruchtbar, bevdedt fih das Thal allmählih mit üppigen Graswuchs; das meterhohe Panieum turgidum bildet

Heifefkiggen aus Acaypten und dem Sudan. Bon Franz Xaver

Geyer,

Apoftol, Miffionar in Kairo.

breite Flächen; das Erdreich ift von großen Riſſen durch—

furcht, verurfacht Riſſe war

mitunter 35 em,,

fläche 14 em,

Schluß.)

von der Sonnenhige;

die Tiefe diefer

deren Preite an der Ober:

Die Kronen

zahlreicher Selem-Mfazien

bejchatten die Ufer der periodifchen Wafjerzüge.

V. Rückkehr von Chartum nad) Kairo,

Gewiſſe Umftände hatten unjere Abreife von Chartum länger hinausgeſchoben als wir gehofft hatten. Der Tag der Abreife nach Kairo war der 13. Mai. Gegen 6 Uhr Abends gab die europäiſche Kolonie mit mehreren Koſten

und Arabern dem apoftol. Bifar das Abfchiedsgeleite bis

Die Rinn:

jale der temporären Regenwaſſer ziehen ſich in der Richt:

ung des Wady nach Nordweit, und ihre weitere Richtung Icheint auf den Dſchebel Schafrib (nordweſtlich vom Dſchebel O-Fik) zu gehen. Dies ftimmt mit den Beobachtungen

des Dr. Schweinfurth,

der die vereinigten

Rinnſale ım

Wady Lämeeb am Dftabhbange des Dichebel D-Fif vor: über, in nordweftlicher Richtung um den Dichebel Scha: krib herum dem Nil zufließen läßt. Um 10 Uhr machten wir Halt in der Mitte des Wady Lämeeb unter dem Schatten einer Mfazie. Das

zum Ufer des blauen Flufjes, wo die Dahabie bereit jtand, welche die Regierung bereitwilligft zur Verfügung geftellt hatte. Damals verließen wir Chartum in der feſten Hoffnung, bald twiederzufehren. Doc das Ende des Sahres 1883 und der Beginn von 1884 brachten fo furchtbare

Ihmusiges Regenwaſſer enthalten, das mit dem Vorrüden

Unglüdsihläge

der Jahreszeit verfiegt.

über den Sudan,

daß aucd) die übrigen

Europäer Chartum verlaffen mußten.

Ber der Rückreiſe nach Kairo befchränfe ich mich auf Beihreibung des Weges von O-Bak über Ariäb in der Wüfte der Bifcharin und auf Angabe der Daten der Reife, um mich nicht durch Wiederholung aus der Neife im Februar läftig zu machen.

Ber teilweifem Gegenwind erreichten tvir am Morgen des 22. Mat Berber, nachdem wir in den legten drei Tagen von jenen Gewitterſtürmen überrafcht worden waren, die den Beginn der Negenzeit fignalifieren. Schon am fol: genden Tage fonnten wir die Reife nad) Suafin antreten,

da die Kameele bereit3 von einem freundlichen Sandelsmann in Bereitichaft gehalten wurden. Gegen 7%, Uhr Abends

am

23. Mai

fort nad Oſt-Nord-Oſt.

ritten

wir

aus der Stadt Berber

Am 26. Mai Morgens 7 Uhr

bejtiegen mir die Sandhöhen von D-Baf.

Nachmittags

Um 53/, Uhr

brachen mir von den füdlichiten Brunnen

auf und verließen nad) einer halben Stunde die Sand: In 3 Stunden 15 Minuten paffierten wir die

dünen.

Ebene Takarieh und betraten dann die fteinveiche Anhöhe gleichen Namens,

Der Mond beleuchtete mit fahlem Lichte

ausgedehnte Wady ift reih an Brunnen, Die Umgebung

die jedoch nur der Brunnen ift

ausgezeichnet Durch Dichteren Baummwuchs und gewöhnlid) durch die Anweſenheit von Heerden der Biſcharin. Die Eingeborenen brachten ung Mil und einen Hammel für bier Thaler. Um 5°%/, Uhr feßten wir den March nach Nordweſt fort. Wir überfchritten einen Chor, der noch ſehr feuchten Schlamm vom Regenwaſſer enthielt. Nach einem

Marſch von einer Stunde verwandelte ſich der bis dahin mit Wüftengras bededte Boden in eine anfteigende Geröllfläche. Ein kurzer Schieferrüden führte uns in ein neues

Hügelgebiet.

Von bier aus bietet ſich ein fchöner Weber:

bi über die hinter uns liegenden Berge: Faſt im Weiten der zweiſpitzige, iſolierte Schafrib, im Südweſt der finftere O⸗-Fik mit ſechs niedrigen Nebenſpitzen. Zwei iſolierte

Hügel zu unſerer Rechten endigen den Schieferrücken; unſer Weg führt in nordöſtlicher Richtung vier Stunden lang zwiſchen Hügeln, abwechſelnd über felſige Abſtiege und Schluchten bin. Um 11 Uhr Abends ſchlugen wir

das Nachtlager auf in Wady Eiakameeb. 28. Mat: Um 63/, Uhr Aufbruh durch das Wady nach den vorliegenden

Hügelfetten.

Das Wady ift reich

Auf der Höhe begegnete uns eine Anzahl

mit Büſcheln von Wüftengras bejest, teiltweife von geſpal— tenen Schieferrüden durchzogen. Um 8'/, Uhr hatten wir

Soldaten mit Pferden, die nad) Chartum gehen follten, In nordöftliher Richtung zogen wir zwiſchen den füdlichen

Blid auf die Berge bot: im Norden zu unjerer Linken die

unfern Weg.

die vorliegende Hügelgruppe

erreicht,

wo

fich ein weiter

2nl ZZ nn *

EWEBSIG —

Reiſeſkizzen aus Aegypten und dem Sudan. ſchwarzen Berge von Matſchéa mit dem einzeln daſtehenden

Bergkegel Kilei-Dada und dem hinter dieſem ſich erheben— den, zackigen Gebirgsſtock Gurät; im Oſten die Bergketten von Rauaih, von denen nur einige Spitzen am Horizont

ſichtbar find; vor uns im Nordoft die Berge von Baraud, bis an deren Fuß fi das große Wady Matichön ausdehnt. Das Wady ift mit wenig Gras und Geſträuch bevedt; Kiefel- und Quarzflächen mwechfelten mit Schieferlagern und kahlen Sandjtreden. Um 93/, Uhr erreichten wir einen ifolierten fegelfürmigen Sandhügel, der ſich etwa in

der Mitte des Wady erhebt, links vom Karawanenweg; am Südabhange des Hügels iſt aus großen Steinen im weißen Sande eine Torba errichtet, die weithin ſichtbar iſt, indem der Kranz der großen Steine ſich ſcharf vom

blendenden

Sande

abhebt.

Im

Südweſten

des Wady

dehnt ſich eine blendende Sandfläche aus, in der ſich zwei

Sandhügel erheben. Nach O-cBak iſt dies Wady die ſand— reichſte Gegend der Wüſte, ſoweit ich ſie beobachten konnte. Um 10 Uhr lagerten wir in der Nähe des erſtgenannten Sandhügels. In der Nähe befanden ſich zwei Brunnen

mit ſchmutzigem Regenwaſſer; weideten

Ziegen- und Schafheerden

in der Waſſerumgebung.

Um 5 Uhr

nabmen

wir den Marjch wieder auf gegen die Berge von Baraud. Nach einem Ritt von einer Stunde beftiegen wir einen fteinigen Rüden, indem wir zwei Hügel zur Rechten ließen. Es folgte ein kurzes, fteinveiches Wady, aus dem eine

enge Schlucht durch eine Hügelfette in ein zweites Wady führte. Ein fteiniger Paß geleitete uns dann in das Ge: biet von Baraud; unter Anrufen ihres Patrons, des Scheich Abd-el-Kader, führten die Kameeltreiber die Kara—

wane mit größter Vorficht die gefährliche Schlucht hinab in das Wady Baraüd. Es ift Sitte der Kameeltreiber, bei gefährlichen Paſſagen, ſowie beim Aufbruche unter eigentümlich melodiſchem Abfingen des Namens Abd:el-

Kader flehen.

den Schuß jenes Batrons Um

der Karawanen zu er:

10 Uhr Abends machte man Halt im Wady.

29. Mai: Aufbruch um 6 Uhr.

Na)

einftündigem

Marihe im Wady überſtiegen wir einen Hügelrüden und

betraten das Gebiet von Ariäb. nordöftlih.

Unfere Wegrichtung ift

Zuerſt folgte ein enges Wady mit üppigen

Akazienwuchs; die Hügelfetten im Süden des Wady tvaren maleriſch gruppiert und boten einen ähnlichen wohlthuen=

den Anblid, wie die Vorgebirge von Kofr&b vom Wady Hataba aus. Das Wady ſchmückt ſich allmählich mehr und mehr mit Baummwuchs; auf der Nordweſtſeite zweigen ſich mehrere grasreiche Seitenthäler vom Hauptwady ab.

Um 10 Uhr wandten wir uns mit dem Thal nach Nord: Oſt-Nord; in diefer Richtung chen t das Thal am Fuße

der hoben Gipfel von Ariäb zu enden. uns von fern große Schattenfronen

Bereits winken

am Fuße

der’ Berge

entgegen; Ziegen, Ejel, Schafe, werden zahlreicher. Um 10 Y, Uhr lagerten wir an den Brunnen von Ariäb. Ariäb bildet mit Kofreb eine der angenehmiten Dafen der

Wüfte.

Das Wafler des 6 m, tiefen Brunnen

iſt rein

971

tote unfer Quellwaſſer, ziemlich frifch, aber gänzlich geIhmadlos; obwohl ſchmutzig, ift das Waffer von O-Bak in Bezug auf Gefchmad dem von Ariäb weit vorzuziehen. Ariäb iſt ein Hauptlagerplab der Karawanen; an dem Tage, als wir pafjierten, lagerten acht Karawanen dajelbjt (darunter einige mit mehr als hundert Kameelen). „wet hohe Afazien erheben fih am Brunnen, die höchſten, die ich inder Wüſte geſehen; der Stamm der größeren maß 31/ m, im Umfang: ihr Schatten gewährte ein will— fommenes Zelt. In der Nähe befindet fich ein fleines Dorf aus Zelthütten, darunter die Wohnung für die zivei

Baſchi-Bozuks, die hier als Wache ftationiert find.

Die

Vegetation diefes Thalfefjels ift reich: Afazien und Sunt, zahlreihe

Asclepias

gigantea

befehatten

die

Ufer

ver

Rinnſale, in denen fich breite Bouquet von Weiden er: heben; Wüftengräfer und Binfen mwuchern dazwiſchen; grünende Orasitreifen bilden die Weide für die Heerden der Umgebung, die fih in Ariäb jammeln. Auf mid machte Ariäb den angenehmjten Eindrud auf der ganzen Wüftenreife. Um 61, Uhr verließen wir das angenehme

Plätzchen.

Der Weg geht anfangs in fast weitlicher Rich:

tung im Ninnjal eines Chor aufwärts, dejjen Ufer ſich durch reiche Vegetation auszeichnet; das Flußbett ift von Hier begegneten ung ſchwarzen Bergjpigen eingeengt. einige von Suafın fommende Griechen, die berichteten, daß nächſten Montag ein Schiff mit Mekkapilgern von Suakin über Dſcheddah nad) Sue; abgehe. Wir be: Ichleunigten alfo unferen Marſch, um nicht noch acht Tage in Suakin auf das nächſte Poſtſchiff warten zu müfjen. Nachdem der anjteigende Chor beendigt, traten wir in das

Wady Jumga ein, wo wir um 91, Uhr das Nachtquar: tier aufichlugen. 30. Mat: Aufbruh um 5% Uhr. Wady Jumga ift veih an Grasfluren; wir durchzogen dasjelbe in nord» öftliher Richtung. Sm DVordergrunde tauchten im Nordoſten die Berg: jpißen von Badab im Morgennebel auf. Nach einer halben Stunde wurde rechts im Vordergrunde eine doppelt: gelpaltene Felsſpitze jichtbar, an der wir bald den Grenz: fels Beled-el-nuß erfannten. Die Hügelzüge des Wady Sumga jind reich an Metallerzen. Beim Austritt aus dem Wady bietet fich ein ausgedehnter Ueberblid über die Sebirgszaden des Badab und die Bergfetten von Kokreb, auf den Dſchebel Bokmareb im Norden des Wady Jumga und die ausgedehnten Bergreiben im Süden des Wady. Wir lajjen den Felſen Beled-el-nuß rechts liegen und durch— veiten die große Ebene Yagag (oder Lagag Aueiy) in wejtliher Nichtung. Nach dreitündigen Marſch machten wir Halt in der ausgedehnten Ebene, da die Sonnen: itrahlen eine niederbrüdende Hitze in der freien Ebene verbreiteten. Kaum fonnten wir eine Feine Akazie finden,

die uns Schatten gewährte. Um 6 Uhr Abends brachen wir in der Richtung gegen Wady Kofreb auf und hielten um 10 Uhr am Dſchebel Badab. Am 31. Mai Aufbruch

Iſt Japan tropiſch?

72

um 6 Uhr 50 Minuten, um 9 Uhr Halt beim Brunnen im Wady Hatäba; Aufbrub um 5 Uhr 30 Minuten,

Nachtlager in der Ebene Dflei-Dada um 10 Uhr 40 Minuten. ; Am 1. Juni Aufbruh um 7 Uhr 40 Minuten, Halt

um 101%, Ubr in derjelben Nachtlager

um

81,

Uhr

Ebene.

im Wady

Aufbruch

6 Uhr,

Arab. —

2. uni

Aufbruh um 51, Uhr, Halt um 9 Uhr im Wady Harettereb. Aufbruch 4 Uhr 40 Minuten über Wady O-Druß. Um 11 Uhr 20 Minuten Halt am Ende des Wady. — 3. Juni

Aufbruh

Uhr bei B. Diffibel.

6 Uhr

20 Minuten,

Aufbruh um 4 Uhr.

Halt um

103),

Nachtlager in

O-Tan um 101, Uhr. — 4. Juni Aufbruh 4 Uhr. Um 2 Uhr Nachmittags Ankunft in Suakin. Allein wir hatten die Abfahrt des Dampfers bereits verfäumt. Wir mußten alſo acht Tage in Suafin warten. Am 11. Juni verließen mir auf dem ägpptifchen Dampfer „Schebin” Suafın mit

mehreren Mekfapilgern an Bord. Gegen 8 Uhr Morgens am 12. Juni legte man beim Elippenreichen Hafen Dichedda an. Der Markt diefer Hafenftadt Mekka's ift einer der veichjten der Erythräiſchen Hüfte. Die bunte Kleidertracht des gejamten Orients entfaltet fich dortfelbit. Die Schiffe anfern fait eine halbe Stunde außer der Stadt und zahl:

veiche Segelbarfen vermitteln den Transport zwischen Bord und Stadt. Gegen Mittag des 13. Juni verließ der „Schebin” Dſchedda in der Nichtung nach Suez. Die aſia— tische Hüfte verſchwindet bald aus dem Gefichtsfreis. Nach einer glüdlichen Fahrt von nahezu vier Tagen liefen mir am Morgen des 17. Juni in den Hafen von Suez ein. Um 8 Uhr Früh am 18. Juni fuhren wir aus dem Bahn— bof von Suez und befanden uns gegen 3 Uhr Nach—

mittags ım Bahnhof von Kairo.

SR Japan kropiſch? Die erſte Bekanntſchaft mit Japan ſeitens der Euro—

Was die. Fauna betrifft, jo ift es nicht nötig, ſich weiter einzulafjen, da die Materialien bei Nein genügen, Von den 50 Säugetieren find einige gen. und spec, eigen: tümlich (Nyetereutes, Urotrichus talpoides, Talpa wogura, Mustela itatsi, Meles arokuma etc.) — aber die Mehrzahl iſt palearktifch, jo find von den 10 Spezies Fledermäuſe

equinum,

die Hälfte

bei

Vespertilio

uns:

noctula,

Rhinolofus

Capacinii

ferrum

(Dobson),

schreibersi,

abramus); die Bären, Hiriche, Eichhörnchen, Hafen, Hunde ꝛc. find unfern ähnlich, ja der Affe gehört zu dem Genus (Inuus), das heute noch in Gibraltar lebt. Die Abmejenheit der großen Naben und aller übrigen

tropiichen

Formen (Pteropus

erreicht

nur

Kiufiu)

ift

bemerfenswert.

Von den 330 Vögeln find 90 in Böhmen! darunter 12 Naubvögel,

unfere Enten (17) 20.

Hier ift durch die

Wanderung im Sommer eine fleine Anzahl indischer Formen (Pitta, Haleyon, Zosterops) zu bemerken, auch unter den Meeresvögeln. Doch ift der Faſan noch ein Beweis des Zufammenhanges mit Zentralafien (in Moupin jind 16, hier nur 1). Jezo tjt auch bier merklich nordiſcher: Schwan, Seidenſchwanz, Pleetrofanes nivalis, Fringilla montifringilla, Loxia enucleator, Calliope camtschatcensis, Die Hauptmaffe find unfere Genera mit leicht

modifizierten Spezies (Wallace zählt 22 andere Spezies, 1 Genus). Die an Zahl geringen Reptilien find noch am tropiIhejten, jo Trionye (in China am häufigſten), unter den

Schlangen (9) Ofites jap. (Hilgendorff), Coryfodon blumenbachi, dann von den 3 Eidechfen Eumeces und Platydaetylus (jamori, der in Häuſern wohnend, vielleicht einjt eingeführt

mwurde).

Die Amphibien

(11) find

dagegen nordiſch. Es iſt ein Marimum der Salamandri: den (5), unfere Rana esculenta, temporaria, Bufo vulgaris, Hyla arborea, und die einzige Giftſchlange Trigonocephalus (blomhoffi, Liukiuensis) aus der amerifanifchen Familie

der Grotaliden

iſt noch in Nordaften

bis Irkuck

päer betraf die Südhälfte, das warme Meeresgeſtade. Erſt ſpäter drang man in die Gebirge und den Norden ein und Jeſſo iſt heute noch weniger bekannt als Kiuſiu. Dieſem Umſtande iſt es zuzuſchreiben, daß man Japan lange zu den tropiſchen Ländern zählte, obwohl es nicht mehr Anſpruch darauf hat als die Vereinigten Staaten von Nordamerika oder Neuſeeland. Nur ein ſchmaler Landſtreifen, ſowie die zwei ſüdlichſten Inſeln ſind ſub— tropiſch — alles andere gehört zum palearktiſchen Gebiete,

(Maak), ja die Differenz palustris iſt wohl gering.

wie dies ſchon Wallace (Island Life) mit Recht hervor—

Sräfer, 116 Roſaceen (diefe 5 Familien haben faft 1/5), 59 Xeguminofen, 34 Nanuneulaceen, 75 Orchideen, 66

gehoben hatte und allein (8. z. 2) durchführt. Sa es it bei den Dinpenfiaceen, die man lange Zeit als eine arktiiche Familie angefehen, fogar die Frage, vb man fre nicht von Japan abjtammen laffen muß, da fie hier das max, der spec. (4) und genera (3) — gewiſſermaßen Ihr Baradiesflima in den Bergen befißen (durch Schizo-

codon soldanelloides —

vide Rein).

zwiſchen Emys japoniea und

Die Fiſche find durch den tropischen Meeresitrom (Kureſiwo) teilmweife tropiſch; man denke aber an die

9 Salmonivden, Cypriniden, Clupeiden 2c. Was die Flora betrifft, fo geben wir zuerſt eine Tabelle der jämtlichen (136) Familien der Gefäßpflanzen nad Franchet und Savatier (2578 sp. eum cult.). 198 Farne, 197 Kompofiten, 169 Cyperaceen, 148

Yabiaten,

62 Ericeen,

56 Serofularineen, 55 Lilinceen,

53 Umbelliferen, 53 Bolygoneen, 52 Sarifrageen, 50 Ca— ryophyllaceen, 49 Cruciferen, 48 Urticeen, 41 Coniferen, (dieſe 18 Familien haben faſt %/;, aller Spezies),

36 Ru—

biaceen, 35 Caprifoliaceen, 34 Euphorbiaceen, 33 Gupuliferen, 31 Sapindaceen, hierin 24 Acer, Salicineen,

Iſt Japan tropiſch? Smilacineen (erſte rein tropifche Familie), 26 Brimulaceen,

24 Asclepiadeen, Kampanulazeen (3 Zobel.), 23 Biolarien, 21 PBapaveraceen, Geraniaceen, 20 Arvideen, 19 Borragi: neen, Gentianen, 18 Melanthaceen, Dleaceen, Ternftrömia: zeen, 17 Araliazeen, 16 Gelaftr., Iliz. 15 Chenopodiaz. Malvaz, Styraz., 14 Aulazeen, Berberideen, Junceen, 13 Graffularieen, 12 Onagrar. Kukurbit (exel.-eult.), Vacein.

Solaneen, Verben., 11 Thymeleen, Ariftolochieen, 10 Ma:

gnoliaceen, Menifpermaceen, Balerieen, 9 Vitis, Convolv. Irideen, 8 Rhamneen, Samamelideen, Yhthraceen, Korna— zeen, Myrſineen, Schizandrazeen, Tiliazeen, Amaranthaceen, Potamogeton, 6 Rhus, Halorag., Drobandeen, Eleagneen., Hydrocharideen, Aſparag., 5 Nelumb,, Cyrtandr., Acanthaz.

Plantag.,

Jugland., Amarhllid.,

Dioscor.

Commelyz.,

Najadeen, 4 Polygal., Meliaz., Sabiaz., Diapenſiaz., Apozyneen, Loganiaz., Santalaz., Chloranth., Roxburghiaz., Juncaz., 3 Piper., Palmen (eingeführt?), Monotrop. Lentibulaz., Ebenaz., Aspidiſtreen, Ophipogoneen, 2 Cap— parideen, Biraz., Portulaz., Elatier., Stereuliazeen, Linum, Drosera, Melafton., Ficvideen, Daphnäcen, Bignon., Typh., Seitam., Bonteder. zu 1 Pittofporum, Tribulus, Simarub,,

Dlaz., Conara, Begonia, Helwingia, PVolemonium,

Myo—

porum, Statize, Bhytolacca, Helizia (Proteazeen), Ceratofyl— lum, Empetrum, Myrica, Efedre., Cycas, Hypoxis, Haemo— dor. In dieſer Tabelle ſind die 26 tropiſchen Familien

arm an Spezies und dieſe meiſt aus China eingeführt, 10 davon

in Nordamerika,

6 im

Mittelmeere.

Nord—

amerikaniſch ſind 181 Sp. nach A. Gray. Nicht der fünfte Teil der Spezies iſt tropifch, wie

man nicht bloß aus diefer Tabelle, fondern aud aus den

ſtärkſten Gen. erfehen Tann:

Carex 97 spec,, 44 Poly-

80num, 43 Asplenium, 24 Cyperus, Acer, 29 Senecio,

Rubus, Quereus, 20 Rhus, Salix, Rhododendron, 19 Seirpus, 17 Artemisia, Clematis, Lilium, Potentilla, Das Verhältnif der gen. zu den spec. iſt jeßt 1 und 3, zu Miquels Zeiten (Brolufio) 1 und 2. Man kann 5 Elemente in der japaniſchen Flora unter: ſcheiden. 1. Das (geologiſch) alte Florenelement: Cycas, Gingko (don im Jura hier nad Geyler), Helicia, Myrica (im Tertiär bei Nagafafi nad Nordenſtiold), Cinnamomum, Liquidambar (dito), Ficus, Smilax, Magnolia, llex, Chloranthus (dito) 2c., nur hier die Samamelideen.

2. Dem

Mebditerranen ähnliche:

Castanea vesca,

Diospyros Lotus, Dieiamnus fraxinella, Aesculus, Styrax, Olea, Lycium, Buxus, Juglans regia, winter— grüne Eichen, meist dem frühern ähnlich. Tribulus terrestris

am

Meer,

Buche, Ulme, Epheu,

Poterium

offieinale,

ungerechnet

Berberis offieinalis u. . mw.

3. Das nordafiatiiche Element: Lespedeza, Fraxinus mandschurica, Photinia, Leonurus sibirieus, Mimulus nepalensis, Syringa amurensis, Molinia sibirica, Heracleum sibiricum, Lilia mandshurica, Sauffuteen,

973

Cleagneen, Pleurospermum Kamtschatticum, Rhododendron dauricum. 4. Das indische (tropische) Element: Bambufen (9), Dendrobien, Seitam., Buddleya, Caſſia, Indigofera,

Sabiaz., Begonia, Roxburgh., Cyrtandr., Euryale feror, Zingiber, Phyllanthus, Trapa bispinosa, Mazus, Phryma, Basella.

5. Das arftifche: Empetrum, Diapensia, Pedieularis, Myosotis, Veratrum (8), Primula, Gentiana frigida, 6 Pyrolen, Polemonium coeruleum, Betula bhojpaitra

(Fusiyama), Weißbirfe, Alnus viridis, Sedum rhodiola, Circaea alpina, Loiseleuria proeumbens, Ledum palustre. Hiezu gehört die große Reihe europäifcher Formen: Caltha palustris, Actea spicata, Thalietrum minus, Anemone hepatica, Aconitum Iycoctonum, Cardamine impatiens, Oxalis acetosella, Impatiens noli-me-tangere, Spiraea aruncus, Rubus chamaemorus, Parnassia palustris, Lythrum salicaria, Sambucus racemosa, Viburnum opulus, Solidago virgaurea, Adoxa moschatellina, Vaceinium vitis idaea, Trientalis europea, Eufrasia

offieinalis, Thymus serpyllum, Ajuga genevensis, Cspe, Convallaria majalis, Orchis latifolia, Paris quadrifolia, Pteris aquilina etc. Miquel hat ſchon die große Anzahl der Bäume und Sträucher bemerkt (Y/,), worin Neufeeland ähnelt. Die tropischen Bflanzenfamilien fcheinen Nefte der alten tertiären Vegetation, wie fie Nordenffiöld bei Nagaſaki fand, und

die bereits meift den heutigen Typus trägt, Alnus, Betula, Salix, Castanea, Zelkovia, Lindera, Litsea, Styrax, Deutzia, Prunus, Rhus, Acer, Tilia, Clematis, Magnolia, Cornus, Diospyros ete.

Ein großer Teil muß mit der Kultur eingewandert jein, jo die Aderunfräuter, die Zierpflanzen und die Schon von A. Gray bewieſene Aehnlichkeit, die mit Nordoftamerifa bejteht, beſchränkt fich eben auf eine Reihe von Formen, die wahrſcheinlich einſt durch das gemeinfame nordifche miozene Feſtland zufammenhingen. (Erftes Element oben.) Doch iſt e8 unverfennbar, daß aud eine gewiſſe Reihe von Formen beiden nördlichen Ufer des Stillen Meeres gemeinschaftlich iſt. Ueber die Aehnlichkeit mit China wird erſt nach voll: ftändiger Durchforſchung diefes Yandes abgejprochen werden fönnen. Mit Korea, Sachalin, der Mandichurei und dem

Amurland

bejteht eine gewiſſe Aehnlichkeit.

die Flora der Sandwichsinfeln

Dagegen ift

ganz verjchieden.

Als aus China eingeführt bezeichnet Savater unter andern: Chimonanthus fragrans, Horentonda hexaphylla, Illieium

anisatum,

Tamarix

chinensis

Lour.,

Thea

maliflora seemann., Astragalus reflexistipulus, Prunus Japonica Thunb., Aronia asiatica Liebd. (auch Amelanchier canadensis ex Savat.) Diervilla hortensis, Jas-

minum, Tecoma, Rehmannia, Gingko biloba, alle drei Palmen ıc.

Die Ausmwanderungsfrage in Rußland.

974

Uebrigens find fajt alle Unfräuter eingejchleppt worden, Urtiea dioica, Polygonum avieulare, Rumex acetosa und acetosella, Chenopodium album, Amaranthus caudatus, 6 Veronicae, Solanum nigrum, dulcamara, Physalis alkekengi (in eult.), Sonchus arvensis, Valerianella olitoria, Potentilla anserina, Stellaria media, Capsella bursa pastoris, Ranuneulus repens etc.

Die Auswandernngsfenge in Rußland. Im Zufammenhang

mit den allgemeinen wirtjchaftlichen Berhältniffen.

Bon Dr. Eduard

Petri (Ber).

felber nicht, es ift dies das Amt der Frau uud der Kinder,

der Mann fhaut nur

ernſt darein, wenn der „Namen

Shrifti” angerufen wird, aber auch er nimmt Almojen und Nahrungsmittel, denn leßteres ift die Hauptunterjtüsung, die den Auswanderern in den Dörfern gefpendet wird,

gern entgegen. Bemerkenswert ift es, daß ſelbſt die Reichen das Almofenbitten auf dem Wege nicht verfchmähen und ihre Wanderung genau in derjelben Weife wie die Armen | vollziehen. Indem die Auswanderer fi) auf ihrer Reife durd) Almofen den Unterhalt zu verichaffen fuchen, werden bon ihnen hauptfächlich nicht etwa die kürzeſten, fondern Dies

jenigen Wege gewählt, welche fie durch gutbevölferte Ges genden führen fünnten. Nicht nur Unkenntnis der Richt: ungen, welche am ehejten zum Ziele führen würden, ſon⸗

Schluß.)

dern rein bkonomiſche Gründe find es ſomit, die die Aus—

Mit dem Anbruch des Frühjahrs, ja oft noch bei ftehendem Schnee beginnt die Maffenwanderung der Bauern. Ste ziehen nad Sibirien, zum Amur, ohne zu wiſſen, wo der Amur ift, nah Transfaufafien; viele, die ihr Ziel weit geſteckt haben, bleiben allerdings aus Mangel an Mittel und aus Ermattung in den ditlichen und füdlichen Gouvernements von Rußland jteden, in Sſamara, Ufa,

wanderer oft in fonderbarfter Weife von ihrem urfprüng:

Drenburg, in den Steppen des Don.

Der Hauptzug der

Auswanderer geht bis Mitte Juli. Daraufbin ziehen nur ein— zelme Familien ihre Wege, was übrigens jo ziemlich das ganze Jahr durch zu beobachten tt. Don Mitte Auguft, ſpät in den Herbit, ja oft in die Winterszeit hinein, gebt der Nüdzug derjenigen unglüdlihen Auswanderer vor fich, denen es an Kräften gebrad), um zum Ziele zu gelangen, oder die, an Ort und Stelle angelangt, fi in ihren Hoffnungen enttäujcht ſahen.

Die Auswanderer

feßen fih in großen Mengen, in

einem Zuge, „Obos”, ın Bewegung zu hundert oder auch mehr Familien, oder auc vereinzelt, „po semjam“, in einzelnen Familien. Eifenbahn und Dampfjchiff werden nah Möglichkeit gemieden, teil die Reiſekoſten font weſentlich anfteigen würden. Auf der von einem elenden Gaul gezogenen „Zelega”, dem in Rußland üblichen vier: väderigen Bauernwagen, liegt unter einem zum Schuße

gegen das Untetter errichteten Dache aus Matten oder aus Stroh mit Leinwand überzogen, jämtliches Hab und Gut, das der Bauer mitführt. Seine Kinder und die rau fiten au hie und da auf. Der Bauer felber Ichreitet neben dem Gaul. Die ganze Neife über wird nad) Möglichkeit gejpart, denn wenn dem Bauer ohnehin bon dem Berfauf feiner Wirtſchaft nicht viel zurüdgeblieben it, da er rejtante Steuern zu bezahlen und von dem Dorf: jhreiber und den übrigen Dorfmagnaten einen EntlafjungsIhein nur für gutes Geld erlangen fonnte, jo ftehen ihm nod große Ausgaben in der neuen Heimat beim Einfauf in die neue Gemeinde u. f. w. bevor. Der Auswanderer ſucht fih darum mit feiner Familie „im Namen Chrifti“

durch Bettel durchzuſchlagen.

Zwar

bettelt der. Bauer

lichen Ziele ablenken. Aber nicht nur um die geographiichen Vorkenntniſſe der Menge fteht es ſchlimm, ‚es fehlen ihr oft die elemen— tariten, die notwwendigiten Begriffe von dem, mas fie in

der neuen Heimat erivartet, was füglid zu Haufe zu lafjen, was bei der Neife mitzunehmen wäre. Ein fomifches, im Grunde genommen aber vecht trauriges Beiſpiel hiefür liefert ung die Schilderung einer Auswanderer: „Telega”, unter welches ein Eimer mit Lehm gehängt war. Das Bäuerlein fchleppte den Lehm feine 5000 Werft in ber Vermutung, daß es in dem neuen Lande vielleicht an Lehm, der doch für die „Chata“, die Hütte, notwendig wäre, fehlen

fönnte, Allmählih und durchaus felbjtändig findet fic) übrigens die Maffe in der Auswanderung zurecht. Cs werden nicht nur

Boten, die „Chododt”, ausgefandt von

auswanderungsluftigen Gemeinden, um in einer oder der anderen

Gegend

in Sibirien

ein pafjendes Stüd

Land

ausfindig zu machen; immer üblicher wird es, daß Schreibfundige, und deren gibt es, namentlich unter den „Nas: kolniki“ eine größere Zahl, als man gewöhnlich im Weiten vermutet, in Briefen ihren Berwandten, die noch im euros

päiſchen Nufland geblieben, Nachricht erteilen über die neuen Verhältniffe und über die zurüdgelegte Reife. Pit der Bedachtſamkeit und dem Mißtrauen, das dem Bauern ja allerort3 eigen tft, werden dann die Briefe und und Mitteilungen in der Heimat geprüft. Die Maffe, wenn fie felber die Verantwortung zu tragen hat, läßt fich nicht Teicht zu einem fo entfcheidenden Schritte wie die

Auswanderung bewegen. Die Gewiſſenhaftigkeit und Aengftlichfeit der Bauern geht jogar mitunter jo weit, daß jelbit Vermutungen aufgeworfen werden, ob denn nicht vielleicht die Boten oder die Anvertwandten gejtorben und die Briefe von ihnen durch irgendwelchen gewinnfuchenden

Böfewicht etwa gefälfcht fein könnten.’ Die Befürchtungen der Auswanderer vor den Betrügern .. I. Origorjew, a. a. O. ©. 75 fi.

E EEE* ZEE WERE ZELDA CIE ET

Die Auswanderungsfrage in Rußland.

find allerdings nicht unbegründet. Ihre Unwiſſenheit, ihre Gutmütigfeit, ihre durch Jahrhundert-lange Knecht: ung erworbene Gewohnheit, jedem, der ſich ihnen zum

gingen,

975

mit außerordentlicher

Energie und Zähigkeit den

verfchiedentlichen Schickſalsſchlägen Troß boten, ihre 10,000 Werft oft zurüclegten,! ſchließlich aber doch Verhältnifie

Herrn auftwirft, willig Tribut zu zahlen, alle dieſe Eigen:

und

ichaften, die bei dem ruffifchen Bauern ſehr natürlich find,

Von Jahr zu Jahr wächſt dieſe merkwürdige Volfsbewegung.

werden von Betrügern und von den niederen Organen der Adminiftration in ſchonungsloſer Weiſe ausgebeutet. Nachdem die Auswanderer unter furchtbaren Ent: behrungen und Anftrengungen in dem von ihmen in Aus:

Sie ift hervorgerufen durch ein tiefes Bedürfnis des Volfes; fie wird getragen durch die Energie der Auswanderer jelber und durch die Opfertvilligfeit des Volkes, das feine Brüder unterftüßt, fie erlangt ihre Ziele troß aller Behinderung

ficht genommenen Gebiete eingetroffen find, oft mit Familien— zuwachs, oft auch mit bedeutend reduzierter Zahl der Familienmitglieder (denn eine Reife bis zum Amur, in der geſchilderten Weife durchgeführt, erfordert 2 bis 3 Sabre, bis ins Gebiet Semiretfchenst 2 1) Jahre), jo beginnt erit

die größte Schwierigkeit: die Auswahl und der Erwerb eines pafenden Landes. Der Bauer vermag jich eben nur in denjenigen Verhältniffen gut zurecht zu finden, die einigermaffen mit feinen heimatlichen übereinjtimmen. Es ift das ein Sat, gegen welchen, gelegentlich bemerkt, auch

bei manchen deutfchen Kolonifationsunternehmen ſtark ge-

fehlt worden ift. Der ruffiihe Bauer vermag es gerade fo wenig twie auch der deutſche, von Kartoffel, Weizen und

Noggen zum Anbau von Baumwolle überzugehen. Viel größere Schtwierigfeiten al3 in den Naturverhältnifjen findet

der Bauer

bei den Menfchen.

den

Unter

Händen

der

Aominiftration verivandeln ſich die von der Negierung den Kolonisten zugetviefenen fruchtbaren und zugänglichen Ge— biete in entlegene Sümpfe und die ausgefegten Preiſe wachſen mit der Zahlungsfähigfeit dev Auswanderer. Die ſibiriſchen Dorfgemeinden ftellen den ermatteten und ver— zweifelten Wanderern unverhältnismäßige Forderungen,

wenn

dieſe ſich einkaufen wollen.

Der Loskauf von der

Einkauf in die neue und die bei alten Gemeinde, diefen Unternehmungen erforderlichen Beitehungen der der

Dorfmagnaten porgefeßt werden

und der Schnaps,

der dem Dorfältejten

muß, alles das bringt den Auswanderer

zu einer Ausgabe von 50 mitunter aud 100 Rubel.! Nun

aber

ſtellen ſich verſchiedene

Abenteurer

und

Winkeladvokaten ein, an denen Sibirien, die große Ver— brecherkolonie Rußlands, ſo überreich gemacht worden iſt, und ſpiegeln dem Auswanderer vor, daß er billiger ab— kommen und beſſeres Land erhalten fünnte, wenn er ihrem

Nat folgen wollte, Selbſtverſtändlich gehen die Leicht— gläubigen in diefer Falle jehr raſch zu Grunde. Aber merkwürdig ift die Kraft dev Maſſe. Wenn auch unzählige

Auswanderer

gebrochen und entfräftet in

die Heimat zurüdziehen oder an Ort umd Stelle zu Grunde gehen oder fümmerlich,

ſei es auf den demoralifierenden

privaten Goldwäſchereien, jet es als Aderbauer, ſich durch— ſchlagen, jo fehlt es doch nicht an zahlreichen Beifpielen, dag Auswanderer,

namentlich

wenn

fie in Menge aus:

1 Zadrintzew, „Die Lage der Auswanderer „Weftnit Europji“ 1851. Nr. VII, ©, 607.

in Sibirien‘.

Gegenden

ausfindig

machten,

die ihnen

zujagten.

durch die Gefeggebung, troß zahlreicher Beſchwerden und Verlufte, die die Maffe durch eigene Unwiſſenheit und Armut und durch Betrügereien und Gewaltthaten der Ausbeuter zu erleiden hat; fie erzieht in denjenigen Kolo— niften, die diefe Schtwierigfeiten überwunden haben, eine that: fräftige und felbftändige Generation, wie fie des jchönen und zufunftsreihen Sibiriens würdig it. Eine annähernde PVorftellung von der Mächtigfeit diefer Bewegung gefvinnen mir, wenn wir erfahren, daß im Gouvernement Ufa, einer Zwiſchenſtation alfo auf dem Mege nach Sibirien,? woſelbſt die Auswanderer noch auf die Schwierigkeit ftoßen, daß die Ländereien durch Schentungen an verdiente Generäle und Staatsbeamte über gehen, immerhin ſich in einem Jahrzehnt 42 neue Nieder: laſſungen gebilvet haben und 6300 „Seelen“ angejchrieben worden find. In Weitfibirien wurden im Goubernement Tobolst von 1846 bis 1879 angefchrieben 43,753 Seelen,

im Gouvernement Tomsk von 1852 bis 1879 35,000 Seelen, In den legten 20 Jahren hat Sibirien zirfa 100,000 Geelen angefchriebener Auswanderer aufgenommen. Mit der Befrei: ung der Leibeigenen 1861 ließ die Auswwanderungsbeivegung auf furze Zeit nach, ſpäterhin wuchs ſie jedoch umſomehr an. Wenn vor 1861 hauptſächlich zehn Gouvernements an der Auswanderung beteiligt waren, acht aus dem Inneren, zwei aus dem öſtlichen Rußland, jo gilt das heutzutage für 37 Gouvernements, mworunter die öftlichen: Perm, Wjatka, Orenburg, eine hervorragende Rolle ſpielen. Die Zahl der Angeſchriebenen, der offiziell Angeſiedelten iſt im ſtetigen Wachſen begriffen, wie das uns ſibiriſche Zahlen lehren; aber die Angeſchriebenen ſind nur ein Bruchteil der ganzen großen Menge der Auswanderer, für welche wir feinen Maßſtab in der Gegenwart beſitzen.“ Manche der Auswanderer, deren Mittel nicht zu der koſtſpieliegen Anſchreibung hinreichen oder die als Sektierer frei von jeder öffentlichen Gewalt leben wollen, ſuchen ſich nach alter Art in wilden unzugänglichen Gegenden außer dem Bereich der Adminiſtration anzuſiedeln; andere wieder leben Jahrzehnte als Fremde auf ihren Paß hin in den ihnen zuſagenden Ortſchaften; die dritten warten auf ihre Anſchreibung, was unter Umſtänden ſich jahrelang hin—

ziehen

kann.

Im Süden

des Gouvernements

Tomst

1 Sadrintzew, a. a. O. ©. 600. 2 Zadrintzew: „Sibirien als Kolonie ꝛc. ©. 135 bis 137. 3 Wir enthalten uns abfichtlih jeder annähernden Schätzung, weil wir von der Wertloſigkeit derſelben völlig überzeugt find.

Die Auswanderungsfrage in Rußland.

976 wurden einſt 1345 Familien angeſchrieben worden waren.

aufgetrieben,

die nirgends

Dieſer ſelbſtändigen, vom Volke ausgehenden Beweg— ung gegenüber haben wir noch der von der Regierung geleiteten Koloniſation Erwähnung zu thun. Im Prinzip genießt bei der Regierung nur eine Art von Koloniſation Anerkennung, die Koloniſation durch Verbrecher, durch welche Sibirien jährlich mit 13—-18,000 Mann zumeiſt arbeitsuntauglicher Verbrecher, die die richtige Kolonifation des Landes in trauriger Weiſe hemmen, beſchenkt wird. Ab und zu aber führen politische Beweggründe oder individuelle Eintwirfungen eines Staatömannes die Negierung zur Koloni— jation einer oder der anderen Gegend ihrer großen Kolonial: gebiete. Allen diefen Unternehmungen, wie gut fie auch ge plant, mie reich die Mittel zu ihrer Unterftügung, wie verlockend ihre Wirkung auf die Volksmenge auch fein möchten, baften dennoch ſtets zwei Grundübel an: die jeweiligen Kolonijationspläne haben einen durdaus Iofalen und temporären Charakter, es find das individuelle Unternehm: ungen, denen die Einheitlichfeit eines feften und weit— ſichtigen Gefamtplanes völlig abgeht; im Ferneren aber geihieht auch mit diefen Unternehmungen in der Negel das, was bereit jo manche gute Abficht der ruſſiſchen Regierung zu nichte gemacht hat: die von edlen Geſichts⸗ punkten und auf das allgemeine Wohl ausgehende Idee verwandelt ſich in der Ausführung durch die unzuverläſſigen beſtechlichen und räuberiſchen Beamten in ihr extremſtes häßlichſtes und gemeinſchädliches Gegenteil. Ein Beiſpiel liefern uns die Kolonien am Amur.

Die Koloniſten mußten hier mehrfach die ihnen angewieſenen

Wohnorte wechſeln, indem die betreffenden Gebiete regel— mäßigen Ueberſchwemmungen ausgeſetzt waren. Daß die Koloniſten in ſolchen Fällen nur den geringſten Teil der ihnen von der Regierung vorbeſtimmten Geräte und Unter— ſtutzungen erhalten, daß ihnen ſchlimmer Boden zugewieſen wird, dort wo guter Boden in Fülle unbenützt liegen bleibt, das ſind leider nur allzu übliche Erſcheinungen. Die Aus— wanderer ſelber, ſtets bereitwilligſt den Verſprechungen folgend, zeigen lange nicht die Ausdauer und Arbeitsluſt, wie wenn ſie auf eigenes Riſiko die Auswanderung unter:

nehmen.

Sie verlaffen fich in allem auf die Unterſtützung

der Regierung und ſchreiben auch gar gern die Schuld an dem Mißlingen oder den Schwierigkeiten des Unter— nehmens ausſchließlich der Regierung zu. Die Lebensda uer von ſolchen gemachten und nicht aus wahrhaft wirtſchaf t⸗ lichen Bedürfniſſen entſprungenen Kolonien iſt zumeiſt eine geringe. Mit der Abſchwächung der politiſchen Notwend ig— keit, die die Kolonien hervorgerufen, verlieren dieſe das Intereſſe, das ihnen von der Regierung zugewendet wurde. Die Kolonien ſelber beſitzen nicht die genügende Lebens— kraft, um neue Koloniſten anzuziehen oder ſich ſelber in

ihrer iſolierten Lage zu erhalten. Die Koloniſten verlaſſen nach und nach die ihnen angewieſenen Kolonien. Be—

merkenswert

iſt es, daß die Amur⸗Koloniſten nicht etwa

in das nächſtliegende Uſſurigebiet zogen, woſelbſt von der Regierung ebenfalls Kolonien protegiert wurden, ſondern

nach Weſtſibirien, wo das Land bereits relativ teuer war und die Lebensverhältniſſe einen gewiſſen Kampf um das

Daſein erforderten. Im Uſſurigebiet übrigens gebrach es den daſelbſt angeſiedelten Koſaken trotz der Wichtigkeit der Poſition und der Unterſtützungen von Seiten der Regierung

bei der gegenwärtigen Unzugänglichkeit des Gebietes mit— unter nicht nur an Vorräten, ſondern auch an Pulver. Die Koſaken vermochten ſich nicht einmal der wilden Tiere zu erivehren. Wenn gegenwärtig viel von den gelungenen neuen Berfuchen zur Kolonifation des Uffurigebietes geredet wird, jo zweifeln wir keineswegs an dem guten Anfang; wohl aber dürfen wir auf Grund unferer Erfahrung über

ruſſiſche

Kolonifation

im

aſiatiſchen

und europäifchen

Rußland uns in diefer Beziehung eines endgültigen Urteils enthalten und die Nefultate diefes Kolonifationsunternehmens abwarten. Die Kolonifationsfähigkeit ipeziell des Uffurigebietes fteht außer Zweifel; die Wichtigkeit dieſes Gebietes und die Koloniſationsverhältniſſe in Sibirien hoffen wir nächſthin in einer ſpeziellen und größeren Arbeit „Sibirien als ruſſiſche Kolonie“ näher begründen zu können. Wir ſtehen am Schluſſe unſerer Ueberſicht. Wir haben, indem wir abſahen von dem inneren Austauſch der Bevölkerung im europäiſchen Rußland und den temporären Wanderungen der Bauern auf Arbeit, die reine Aus— wanderung nach Oſt und Oſtſüd in ihren Urſachen, ihren

Kämpfen, ihren Leiden und Erfolgen betrachtet. Der Volksbewegung haben wir die gemachte, von politiſchen

und individuellen Intereſſen geleitete Koloniſation gegen⸗ übergeftellt. Wahrlich eine treffende Illuſtration zu dem

geſunden Schlagwort von Hübbe-Schleiden: „Koloniſation läßt ſich nicht nach beliebigem Syſtem machen“, 1 Jeder Verſuch, die ſich mit wachſender Stärke

ent—

wickelnde Auswanderung, zu welcher in Rußland ja nicht einmal wie im Weſten eine Notwendigkeit in der ſchein⸗ baren „Uebervölkerung“ vorliegt, zu hemmen, ift, wie er: wähnt, fruchtlos geblieben. In Rußland felbft haben ſich die allgemeinen Verhältniffe durch die Auswanderung gerade jo menig beſſern können, wie fonft in einem be-

liebigen anderen Lande.

entjtanden konnte ſie wendigkeit wirken. Die

Eine unabtvendbare Erfcheinung,

aus den ſchlimmen allgemeinen Verhältniſſen, nur als Palliativ, als Aufſchub in der Not— der Regulierung der wirtſchaftlichen Verhältniſſe Auswanderungsfrage iſt blos eine Einzelerſchein—

ung in dem Chaos der Widerſprüche und Schwächen des

wirtſchaftlichen Lebens des Reiches. Wenn aber der entſcheidende Schritt zur Löſung der Lebensfrage der wirt— ſchaftlichen Zuſtände Rußlands noch immer nicht gewagt wird, ſo iſt es jedenfalls eine unverkennbare Notwendigkeit, Hübbe⸗Schleiden, Hamburg. S. 2.

„Ueberſeeiſche Politik.“

Bd. II.

1883.

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u

RE EEE NE

“ Nachtrag zum Mais. die Auswanderungsfrage

begünſtigt, aber werden. Die wohlberechtigte genau ſtudiert

ernſtlich vorzunehmen; nicht etwa

auch nicht gehemmt ſoll die Auswanderung Auswanderung iſt vorhanden als eine Notwendigkeit, und eben darum ſoll ſie und reguliert werden in dem Sinne, daß

der Staat und die Koloniſten den ſehr wohl möglichen Nutzen von dem Unvermeidlichen ziehen ſollen.

977

„obgleich nun die angeführten Reſultate der Kultur: Verſuche mit Mais günftig zu fein fcheinen, glaube ic) doch befennen zu müfjen, daß dieje Pflanze ihres Mehl: gehaltes wegen nicht mit Vorteil in Norivegen zu bauen it. Eine andere Frage iſt es dahingegen, ob nicht in unferen Küjtengegenden, wo die Nachtfröfte fich gewöhnlich erit Ende Dftobers einitellen, die größeren amertfanifchen

Varietäten, 3. B.White-tooth

Uachtrag zum Mais. Von großem Intereſſe iſt es, daß in den hohen Breiten Norwegens doch Verſuche gemacht ſind, auch den Mais zu

ziehen. Die nördlichſte Lokalität, wo man den gelben Hühnermais zur Reife gebracht hat, iſt Oerkedal am Drontheim-Fjord (630 17° n. Br.). „Die merkwürdigſte dieſer Formen — entnehmen wir Schübeler! — und die

vielleicht am wenigſten bekannte, iſt die von A. de St. Hilaire „Zea Mais tunicata“* genannte,? und der Bonafous den Namen „Zea eryptosperma* gegeben hat. Während bei allen fonit befannten Maisformen der Same nadt iſt, iſt jedes einzelne Korn auf der deswegen Tunicata genannten völlig verborgen unter befonders länglich zugeſpitzten Schup: pen. (Schübeler gibt eine Abbildung davon.) Man findet verfchiedene Anfchauungen über den eigentlichen Heimats— ort diefer Form und über die Möglichkeit einer bier bei der Kultur jtattgefundenen Veränderung.’ In dieſer Bes ziehung unterlaffe ich nicht, folgendes mitzuteilen: „Bor mehreren Sahren jandte mir ein Freund aus Deutjchland das Bruchſtück eines Kolbens, den er „aus Amerika” bes

fommen hatte. Beim Bauen und twieberholten Ausjäen des Samens erzielte ich immer diejelben Nefultate, ungefähr der dritte Teil wurde Zea tunicata, die übrige Menge — vulgär; nicht ein einziges Eremplar der leßteren erhielt jemals die prinzipale Form der Pflanze. Nur ein einziges— mal hatte ich Gelegenheit, eine gewiſſermaßen hermaphro—

dite Bildung zu beobachten; ungefähr drei Bierteile des Kolbens waren ſchuppig, die anderen Körner nadt. Der „aus Amerika” erhaltene Driginalfame war gelb gefärbt, und diefe Farbe erhielten auch die ſchuppigen Samen, während die meiſten nadten eine gelb: und blauſchwarze Farbenmifhung

angenommen

hatten.

Endlich tvar es mir

auffallend, daß die Shuppige Form 10—14 Tage fpäter veifte, als die freiliegende. „Sm Sahre 1870 empfing ich aus Parma 2 Körner der Zea Mais tnnicata. Dieſe Samen hatten eine dunfels braunrote Farbe. Keine der erzeugten Pflanzen trugen

weibliche Blüten. Aehnlihe Samen empfing id 1972 von Palermo; auch diefe bildeten nur männliche Blüten. 1 ‚Die Pflanzenwelt Norwegens,” 1875. Chriftiania. 2 „Annales des Sciences naturelles.“ T. XVI. p. 143. 3 Matthieu Paris & Turin.

Bonafous: 1886.

„Histoire

naturelle

du

Mais.“

Corn

oder Yellow-tooth

Corn, zum Bauen als Grünfutter in hohem Grade zu empfehlen find. Sch habe beide Varietäten mehrere Jahre hindurch in unferem botanischen Garten der genauejten Beobachtung unterworfen. Die White-tooth Corn er: reichte eine Höhe von 15 Fuß (4,7 m.). Im Jahre 1858 vurde der Samen am 19. Mai geſäet, die männlichen Blüten famen den 12., die weiblichen den 18. Auguft ber: vor, und am 9. Dftober waren einige Kolben reif. In fpäteren Sommern gelang die Neife nicht. — Noch fei folgende Beobachtung hier berührt: Wo es mir gelungen it andere Mais-Varietäten immer früher und früher zur Reife zu bringen, habe ich auch bemerkt, daß die Pflanzen jelbft auffallend an Höhe abnahmen. Eine große Varie— tät, 3.8. Golden Siouk von Nordamerifa, die im erjten Sahre eine Höhe von 10—12 Fuß erreicht hatte, zeigte

fich nach Verlauf von 2—3 Jahren nur 7—8 Fuß hod). Maisfamen, die ich 1863 nad Skibotten fandte, gaben Pflanzen von 4 Fuß Höhe, blühten aber nicht. „on Bezug auf die Fruchtentwidlung habe ich Folgen— des beobachtet. Piel anhaltender Negen während der Blütezeit, fo entwickelten ſich die Kolben nicht volljtändig,

ja oft enthielten diefelben dann nur die Hälfte der Körner. Trat dagegen permanentes Sommerwetter ein während der Blütezeit, jo hatte Später weder Negen noch niedrige Temperatur befonderen Einfluß auf die Entwicklung. Die größte Anzahl veifer Kolben pro Pflanze war 5, die ges

wöhnliche Menge 2—3.

Die geringfte Anzahl der Körner:

reihen war 8, die größte Anzahl 18. Niemals kann man ficher darauf rechnen, Kolben zu ernten, deren Körnerreihen denen des Mutterfolbens gleichfommen. Die legt angeführte Veränderung war ziemlich allgemein. Ich entfinne mic)

nicht, jemals eine geringere Anzahl Körnerreihen erhalten zu haben: entiveder war diefelbe ebenfo groß oder größer

als bei den Driginalfolben. Die größte Körnermenge eines Kolbens belief ſich auf 600. „Wenn der Mais bei Chriftiania

5 Mitte Mat gefäet

wird, fängt die Keimung leicht innerhalb 10 Tagen an. Während der Blütezeit wächſt die Pflanze am fchnelliten, und mehrere Varietäten, die ich in dieſer ‘Periode täglich gemefjen habe, wuchſen in jech3 Tagen, vom 18. bis zum 23. Suli, zwischen 22 und 32 Zoll (58—84 em.). Unter gewöhnlichen Verhältniffen hat es fi in mehreren Jahren ziemlich konſtant gezeigt, daß die Kolben, 6—7 Wochen nachdem die weiblichen Blüten ſich entwidelten, zur Reife gelangt find: Bon der Blütezeit an kann man die Reife

ungefähr berechnen.

Kleinere Mitteilungen.

178

„Die meisten Varietäten ändern gewöhnlich die Jarbe, wenn fie in Norivegen gebaut werden. SHellgelbe Körner erhalten fhon nad Verlauf von wenigen Sahren eine dunfelsorangengelbe, vötliche, ja blaugraue Farbe. Das umgefehrte Berbältnis habe ich hingegen nie beobachtet.“ *

Amerika, das in ſeiner Ausdehnung,

in ſeinen Ge—

birgen und Strömen in großem Maßſtabe auftritt, hat in all' ſeinen Verhältniſſen ähnliche Dimenſionen, im Wachſen

ſeiner Bevölkerung, ſeiner Kultur u. ſ. w. Die Beſiedelung, unterſtützt durch reichliche Zuwanderung, macht raſche Fort— ſchritte, und die Bevölkerungszahl hat ſich in den Vereinig— ten Staaten in noch nicht 30 Jahren verdoppelt. Weite Flächen eines jungfräulichen, außerordentlich fruchtbaren Bodens wurden unter Kultivation genommen, ſo daß man 1880 bereits 539,309,179 Acres (215,723,672 Ha.) Farm: ländereien zählte, im Werte von 10,197,096,776 Dollars.

Der Mais

wuchs von 592,071,104

Bufhels

im Sabre

1850 (215,513,880 Hl.) zu 1,754,591,676 Bufhels, im Sahre 1880 (668,671,342 Hl.), die Baumtvollen : Ernte ergab 1850 2,096,706 Ballen, 1880 5,757,397 Ballen (1883 6,959,000 Ballen), und ähnliche Fortfchritte zeigt

die Produktion von Kohlen und Metallen.

Kleinere Mitteilungen.

Der

Ornithorhynchus.

Bekanntlich gehören die zur Familie dev Monotremata zählenden Schnabeltiere Ornithorhynchus paradoxus und Echidna hystrix dem auftralifchen Kontinente au. Man war lange zweifelhaft, ob das Schnabeltier Eier lege oder lebendige Junge zur Welt bringe, bis man fih für das letztere entjcheiden zu müſſen glaubte. Zwar behaupteten auftralifche Bujchleute das Gegenteil, allein man hatte doch nie ein Ei desjelben auffinden können, und der Preis von 50 Pf. St., welden der im Jahre 1881 verftorbene Direktor des Zoologifhen Mufeums in Sydney, Mr. Gerard Krefit, auf ein geliefertes Ei fette, war nie eingeholt worden. Meberdies hatte man auch bei Tieren, welche in der Paarungszeit feziert wurden, feine Eier entdedt. Um nun diefe Frage zur endlichen Löſung zu bringen, unternahm vor ungefähr einem Fahr der namentlih als Embryolog ausgezeichnete Zoolog Mr. W. H. Caldwell im Auftrag der Univerfität Cambridge, welche ihm das Balfoın’iche Reifeftipendium verliehen hatte, eine wiſſen— ihaftlihe Reife nach Auftvalien, Seine dortigen Unterfuchungen haben nun pofitiv feftgeftellt, daß der Ornithorhynchus feine lebendigen Zungen zum Welt bringt, jondern Eier legt. Mir. Caldwell wird einige Fahre in Auftvalien verweilen und feine Forſchungen meist auf die Kolonien Neu-Sidwales und Queensland befchränfen. Seine nächfte Arbeit gilt dem merkwürdigen, aber wenig befannten Fiſch Ceratodus, welcher Lungen und Kiemen, Schuppen und ıudimentäre Beine befitt und oft von einem Teich oder Pfuhl über Land nach einem andern wandert. Mr. Caldwell ift in Beſitz der vorzüglichften Inſtrumente und Apparate, welche, im Werte von 1000 Pf. St., ihm die British Association geliefert hat. Um Mitte September diefes Jahres war er in Queensland anf der Station Dangangald, unmeit des Städtchens Camboon in 250 1° ſ. Br. und 1500 25° 8, L. v. Gr., mit feinen Arbeiten bejhäftigt, von denen man ſich wichtige Nefultate für die Zoologie Auftralteng verſpricht. Gr—th.

Die Kolonifation in Guatemala. Präfident Barrios in Guatemala hat ein Dekret exlaffeı in der Abficht, Einwanderung und Kolonifation dorthin zu lenken, Das Dokument hebt hervor, daß es vatjam ift, fich die günftigen Umjtände des großen Werkes der Erbauung der nördlichen Eijenbahn zu Nuge zu madhen, um die Einführung nütlicher und arbeitender Einwanderer zu ermutigen, welche an dem Bahnbau beihäftigt und, falls fie es wollen, jogleich in die Republik eingebürgert werden und ſich irgend einer landwirtichaftlichen oder gewerblichen Beichäftigung Hingeben können. Die aus Nord» amerifa oder Europa einwandernden Arbeiter follen von der Regierung befonders begünftigt werden durch die Verleihung mit vollem Eigentumsreht von einem Grundftüc von 11%, Hektaren — 1, Caballeria) für jedes Individuum, welches nachjtehende Qualifikationen aufweift: 1. Alter über 21 und unter 50 Fahren; 2. eine zmwölfmonatliche Dienftleiftung beim Eijenbahnbau; 3, die Geneigtheit, fih im Lande niederzulaffen. Das Grundſtück darf fi der Einwanderer unter den unfultivierten öffentlichen Ländereien in den Departement3 Beten, Dber- und Unter-Berapaz, Zacapa und Jzabal auswählen. Der Befittitel des Grundſtücks wird un— mittelbar nach Vorlegung des Beweiſes erteilt, daß der Einmanderer ein Jahr lang an der Eifenbahn gearbeitet habe, und der Titel wird noch erweitert, fobald der Einwanderer fein Loos zu bebauen begonnen hat. Sollte er jedoch den Anbau desjelben im erften Jahre aufgeben, jo wird dies den Verluſt feiner Rechte nach ſich ziehen. Das Land foll den Einwanderern ganz foftenfrei überliefert und er ſoll im den erften fünf Jahren nach der Befigergreifung des befagten Yandes für diefes jelbft und feine Erzeuguiffe, gleichviel ob dieſe verzehrt oder ausgefiihrt werden, von allen fisfalifchen oder munizipalen Abgaben befveit bleiben,

Die Korallen-Induſtrie. Die ergiebigſten Korallengründe, welche die ſchönſten, beſten und meiſten Korallen liefern, ſind noch immer die an der algieriſchen Küſte, welche ſchon ſeit der Mitte des 16. Jahrhunderts zu dieſem Zwecke abgefiſcht werden; die anderen ſind an den Küſten von Sizilien, Sardinien, Corſica, Spanien, den Balearen und der Provence. Ueber 500 italieniſche Boote, bemannt mit 4200 Köpfen, ſind mit der Korallenfiſcherei beſchäftigt, und 300 von dieſen Booten gehören allein nach Torre del Greco am Golf von Neapel. Die Korallenmenge, die von diefen 500 Booten gefammelt wird, beläuft fih im ganzen jährli auf 56,000 Kgr. im Wert von 4,200,000 Lire; die Summe des Fangs der übrigen ſpaniſchen, franzöftfchen 2c. Boote auf 22,000 Kgr. im Werte von 150,000 Yire, aljo zufanmen jährlich 78,000 Kgr. im Gejamtwerte von 5,750,000 Fire, Die Gebühren, welche der Negierung für die Erlaubnis zur Korallenfiſcherei an der afrikaniſchen Küſte bezahlt werden, find jehr hoch, denn jedes Boot bezahlt 1160 Francs für die Sommer- und halb jo viel fir die Winterfaifon, jo daß in Rück— fiht auf die zu betehenden Miühjale und Wagniffe der Gewinn aus dieſem Gewerbe nur ein ſehr bejcheidener if. Man kann nämlih den Bruttogewinn per Boot für die Saifon nur auf 8000

Lire

alfo nur

und

die Koften auf 6033

ein Nettogewinn

Lire veranfchlagen,

von 1967 übrig bleibt.

jo daß

In Italien

zählt man etwa 60 Werkftätten für Korallen-Berarbeitung (worunter

40 allein in Torre del Greco), welche beiläufig 9200 Hände, meift

Weiber ımd Kinder, befhäftigen.

Die Hauptmärkte fir Korallen

find Deutjhland, England, Rußland, Defterreih, Ungarn und Polen, und ein großer Teil davon geht auch nach Madras und Calcutta.

Zn 2 a

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979

Kleinere Mitteilungen. Schwimmende

Eisberge,

A. St. John Neufundland), 17. September 1584. Nach— dem einige Heine Eisberge im Laufe des Monats hier vorüber— gezogen waren, hatten wir geftern das großartigfte Naturſchau— jpiel, deſſen ſich die älteften Einwohner erinnern. Im Polarftrom ihwimmend, zogen 70 große Eisberge, einer hinter dem andern, an umferer Küſte jo mahe vorüber, daß ſolche vom Signalhügel genau beobachtet werden fonnten. Manche waren wie hohe Feltungen mit Tiirmen und Türmchen, andere wieder ganz gerade fteife Eismauern und wieder andere langgeſtreckte flache Inſeln von N/g bis 3 MI. Länge, Es ſcheint eine außerordentliche Bewegung im Eife des Polarmeeres ftattgefunden zu haben. Bon mehreren Schiffen aus wınde Anfang dieſes Monats ein Rieſeneisberg von etwa 20 MI. Länge an der Küfte von Labrador gefehen, welche Flue in der Sommerhitse ſich in jene Eisberge verteilte. Unſere Temperatur hat ſich durch die Nähe des Eiſes bedeutend abgekühlt. — Es wäre intereffant

die

ob

zu wiffen,

der Eisberge

Nähe

hervorgerufen.

Ausfuhr von Fa Guaira 1. Januar bis 31. Dezember 1882, Nach Europa: Kgr. Bolivares?

Kaffee

3,111,539

4,600,943

Cacao

125,360

156,110

3,048 97,046 451 100 15,472

9,512 68,045 395,010 300 2,895

12,340

2,150

170 461 10,241

230 400 608

9

Lederabfälle Safjaparille Chinarinde Farbholz Tabak

Holz Dividivi

Total:

11

6,500 31,026

12,306,272

15,494,892.

5,616,524

6,761,285

100,683

164,318

64,061 30,809 13,169

74,980 42,856 16,310

18,131,518

22,554,639.

Antillen

Canariſchen Inſeln Meriko Columbia Geſamtausfuhr:

Import

100

1,400 700

13,774

Gold und Silber Berjchiedene Produkte Die übrige Ausfuhr betrug: Nach den Vereinigten Staaten

121

13,000 7,236

im La Guaira 1. Januar

bis 30. Juni

1885

“* 1 Rad) dem zu Caräcas erfcheinenden „Almanaque annuario für 1884.

2 1 Bolivar = 1.25 Mt.

1,997

6,974

45,498 4,274 3,967 164 92 315 125 9,819

30,154 3,284 609 182 300 40 100,712 29,412.

Fur Ganzen erportierte Ya Guaira vom 1. Januar 1883 bis 30. Juni 1883 11,991,879 Kgr. im Werte von 13,462,644 B. In derfelben Periode 1882 12,223,746 Kgr. im Werte von 14.975,215 8, Kgr. Bolivares Sm Juli 1885 erportierte La Guaria 1,538,673 1,719,924 Im Auguſt 18853, — 428,992 580,545 Im September 1883 R N 636,585 185,844. Summa

Juli bis September

Im Oftober 1883 erportierte Ya Öuaria Sm November 1885 ,„ E Ai Summa

von Venezuela im Fahre 1882,

Häute (milder Ziegen) Cebadilla (Nießwurzpulver) Geld und Juwelen Schildpatt Horn

Hänte (Wild) Cebadilla Chinarinde Horn Tabak Baummolle Manyleharz Geld und Juwelen Diverjes

und die

dadurch entftandene Temperatur-Erniedrigung Lichterſcheinungen in Einſender erinnert fi, daß die der Atmofphäre hervorgerufen. Nähe eines Eisberges (40 Seemeilen vom Yande) unter 340 ſ. Br. im Oftober, aljo während des warmen Monats, die Tem— peratı jo herabftimmte, daß man einheizen mußte; und fo lange der Eisberg in der Nähe war, wurde eine Aurora australis, Südlicht, gleich) bei Sonnenuntergang gefehen. Vielleicht waren die Glüherſcheinungen bei Sonnenuntergang, welche im Frühjahr und jetst im Herbft wieder bemerit wurden, ebenfalls galvaniſche Gewitter, durch Bewegung im ſüdlichen und nördlichen Eismeer

Die Handelsbewegung

betrug 225,614 Colli mit annähernd 14,880,000 Bolivares Wert und wahrſcheinlich 4,392,500 B. Zolleinnahmen. Export von La Guaira 1. Januar bis 30 Juni 1883: Nach Europa: Ker. Bolivares Kaffee 7,450,830 7,604,979 Cacao 2,220,371 3,156,558 Hänte (Bieh) 59,254 54,318

Sum bis November

1885

2,595,050

3,086,313.

646,014 483,162

712,512 520,574

3,728,226

4,319,39%

Goldminen im Territorio Yuruary in Guayana. Die MinenCompagnie EI Callao erzielte Ausbeute: Bolivares 1871 278,633 1372 712,318.68 1875 1,063,838.32 1874 1,544,590.20 1875 3,048,640 1876 4.,169,255.52 1877 4,178,682.92 1878 4,892,518.76 1879 3,897,126.68 1880 5,200,723.35 1881 6,970,219.48 1882 _ 10,150,584.56 Dr. W. Sievers. Vorſicht!

In der anthropologiſchen Sektion der amerikaniſchen Association for the Advancement of Science legte Herr Dr. Roy Steinärte und ähnliche Geräte vor, welche ein Freund von ihm nur mit Hilfe anderer Steine angefertigt hatte und welche von alten

ächten

abſolut

micht

zu

umnterfcheiden

waren.

Bei

diefer

Gelegenheit bemerkte Herr Putnam, daß diefe Fabrikation von Steinwaffen in Amerita ſchon fabritmäßig betrieben werde und ev fiher wilfe, daß vor einiger Zeit eine Ladung von 2000 Stüd nad) England abgegangen jei. — In derjelben Sektion hielt auch ein Vollblut-Indianer, Mr. Ya Flöhe, einen Vortrag über die Ko. Friedenspfeifen der Omadas.

Litteratur.

980

Jitterntur. Neue

Don Manuel de Peralta, der Miniſter-Reſident von Coſta Rica zu Madrid und Paris, hat jüngſt ein Werk veröffentlicht unter

Landfarteı.

Die kürzlich erfchienene „Karte Weft-Aeguatorial: Afrifa’s zur Veranſchaulichung des deutſchen Kolonialbeſitzes“ von 2. Friedrichſen (Hamburg, L. Friedrichjen u. Co., Geographiſches und Nautiſches Inſtitut) bietet eine höchſt dankens— werte

und anſchauliche Ueberſicht

der weſtafrikaniſchen Küſte vom

Aequator bis zum 5.0 n. Br. und vom 8.0 bis 12.0 6. L. und eine kleinere Kartenjfizze der jogenannten „Sklavenküſte“. Die Karte ift unter Zugrumdelegung der franzöfiichen und englifchen Aodmiralitätsfarten und der Forichungs-Ergebniffe der neneften Reiſenden mie Greenfell, Comber, Nogozinsfi, Fradier-Bulfy und Hafjenftein u. a.m. hergeftellt und Yäßt an Weberfichtlichfeit umd Klarheit nichts zu wünſchen übrig, fo daß fie eine Längft ſchmerzlich gefühlte Lite umferer Karten von Afrifa ergänzend ausfiillt und den Umfang und die Bedeutung unferer jüngften folonialen Beftrebungen

in diefem Teile Afrika's

deutlich überſchauen

läßt.

Zu

diefem Behufe enthält die Karte auch noch ein namentliches Berzeichnis der verjchiedenen deutſchen Faktoreien an der weftafrifanihen Küſte nordwärts vom Aequator und dient den Zwecken des Fachmannes wie denjenigen des Zeitungsleſers. Eine andere zeitgemäße Erſcheinung auf diefem Gebiete ift die joeben bei 3. Wurfter und Comp. in Zürich erjchienene „R.Leuzinger'ſche Reliefkarte der Schweiz“ (Preis 3 Mt.), welche nah Anlage und Ausführung zu dem Beften und Schönften gehört, was moderne Kartographie und lithographiſcher Farben— druck geleijtet haben. Der Maßſtab ift 1: 530,000, die Terrainzeichnung ift äußerſt Har, gibt die vollftändige Plaftizität des Gebirgsmaſſivs im ſcharfen Konturen mit deutlichen Horizontalfurven

im Hundertmetern,

von demen

punftiert, die Tauſender Gletſcher, Seren u. ſ. w. dieje Weife

die jeweiligen Fünfhunderter

mit Zahlen eingezeichnet und Wälder, farbig erfenmbar gemadt find. Auf

ift dieje Nelieffarte

eines der anregendften und lehr—

reichjten Förderungsmittel für orographiſche Studien und liefert ein in feiner Art einziges vortreffliches Gefamtbild der meftlichen Alpen bis zum Mittellauf des Ahone mit den begrenzenden Ketten der Vogeſen, des Schwarzwaldes, Allgäus u. ſ. w., wodurch ſie ſich auch zur Wandkarte für das Schul- und Studierzimmer vorzüg— lich eignet und den Wunſch hervorruft, daß uns bald eine ähnliche ebenſo ſchöne, genaue und deutliche Reliefkarte der öſtlichen Alpen— kette beſchieden ſein möchte.

In Dr. Chavanne's „Karte des äquatorialen Afrika zwiſchen dem Kongo und dem Ogove“, welche durch das National-Inſtitut fiir Geographie in Brüſſel herausgegeben worden it, erhalten wir zum erftenmal einige ver Nejultate der geographifchen Arbeiten des internationalen Vereins am Kongo. Die Karte enthält viel Neues: fie veranfchaulicht ſehr deutlich die Stationen des Vereins von der Mündung des Kuilu bis zum Kongo und an diefem Fluß hinauf bis zum Aequator, ſowie die Routen der Reifen, welche die Herren Kapitän Grant Elliot, Lieutenant Harou, Orban und Amelot, Yientenant van de Velde, Lieutenant Mitte und Kapitän Hanfjens in den Jahren 1882 bis 1383 gemadt haben. Nun der Bann des Schweigens gebroden üt, hoffen wir auch einige Berichte diefer Forſcher veröffentlicht zu jehen,

denn

das Geheimnis,

in melches vdiefer Verein

fein Thun

und Treiben hüllt, führt naturgemäß nur- zu einer abgünſtigen Kritik ſeiner Ziele und Zwecke und iſt beſonders für diejenigen, welche ſich mit dem Studium der Geographie von Afrika befaſſen, ſehr ärgerlich.

dem Titel:

„Costa Rica,

Nicaragua

y Panamä

en

el

siglo*, enthaltend eine Anzahl unveröffentlichter Urkunden aus dem Ardivo de Indias in Sevilla und der großen Aften-Niederlage von Simancas. Die Grenzen zwiſchen der Nepublif Cofta Rica und Colombia und zwifchen Coſta Rica und Nicaragua find noch bejtritten, und der Streit hat zu den antiquarifchen Forſch— ungen Don Manuel's Beranlafiung gegeben. Er hat manche gejchichtlichen und geographifchen Notizen und Yiften der ſpaniſchen Gonverneure, Biſchöfe und anderen Beamten in Cofta Rica ge: liefert, und jein Buch, bei Murillo in Madrid erfchienen, wird für jeden wichtig fein, der ſich mit der Erforſchung der Geſchichte der ſpaniſchen Koloniſation in Zentral-Amerifa befchäftigt.

DE he Di e 5e u

Uotizen. A. Die Diamanten-Ausfuhr aus Südafrika betrug in den Monaten Juni, Inli und Auguſt d. J. 504,836 2 Karat, geſchätzt auf 603,293 Pf. St. oder durchſchnittlich 248 per Karat in den Diamantfeldern. Im Vorjahr gleicher Periode betrug die Ausfuhr 517,140 2 Karat 675,846 Pf. St., alſo durchſchnittlich auf 268 192d per Karat geſchätzt. — Die Goldfelder in Transvaal

entwickeln

bedeutend.

Nahrungsmittel

da die Boers

lieber

ſich aber langſam,

noch iſt die Ausfuhr un—

ſind in dieſen Regionen

der Kaffir- und Antilopenjagd

ſehr teuer, obliegen als

unter dem herrlichen Klima und den günſtigen Bodenverhältniſſen Weizen und andere Feldfrüchte ziehen. In dem neuentdeckten Moodies Reef koſten 100 Pfund Reis 508 alſo faſt 3/, Unzen Gold. Hafenarbeiten in Afrika. Das italieniſche Parlament hat 650,000 Franken votierte zur Anlage eines Hafens zu Buga an der Aſſab-Bucht und zur Errichtung eines Leuchtturms auf der Fatmah-Inſel. Frankreich hat 800,000 Franken ausgefett, um die Arbeiten de Brazza’s weiter zu führen, und 820,000 Franfen für Obof, welches man zu einer Proviant- und Kohlenftation für die franzöfishe Flotte machen will und von dem man erwartet, daß es eim höchſt wichtiger Ausfuhrhafen für die Produkte von : Shoa werden dürfte,

Die „Allgemeine Zeitung“ —

(mit wiſenſchaftlicher Deilage und Handelszeitung)

früher in Angsburg eridienen —

ift in Deutjchland und

Oeſtexreich durd die Poftanftalten für 9 Mark viertel-

jährlich (6 ME. für die 2 letzten Monate, 3 M. für den leßten Monat des Quartals) zu beziehen. Preis bei directer Verſendung unter Streifband monatlich 4 Mark (M. 5. 60 für die anderen Länder des Weltpoftvereins).

Aunrtalpreis beiwörjentl. Derfendung im Weltpofverein 31.12, Probenummern

Leitartitel,

nebjt neneftem Onartal-Regifter

wiſſenſchaftliche

und

ſätze 20. ꝛc. in Nr. 328

gratis.

handelspolitiihe Auf— bis 334.

Deutſcher Reichstag. — Zur inneren Lage Griechenlands. — Die Discujfion über die Reform des Oberhaufes in Ungarn. — Perjien nad feinen wirthſchafi— lichen und Productionsverhältnifjen. (1.) — Die Nil-Erpedition General Woljeley’s, — Zur braunſchweigiſchen Frage. Weihnahtsgaben deutiher Kunft. Von Fr. Pecht. — Hodjitetters Reiſe⸗ berichte von der Erdumſegelung der „Novara“ 1857—59. — Die gekrönten Brüder Napoleons 1. (I/II) — Zur neueften deutſchen Kyrit. Von Fr. Munder. (Il) — Religionsphiloſophie auf geihichtlicher Grundlage. Bon M. Carriere, — Der literariiche Nachlaß von Rodbertus. Von M. Schippel. — Generallieutenant v. Wittih. Bon Zernin. — Botanijches. Die „Männliche Figur“ von Adolf Hildebrand. — Schweizerijche Volkslieder. Bejeitigung des Frachtzuſchlages für jperrige Güter. — Zur Statiftik des Tabafbaues und der Tabafinduftrie in Rußland im Jahre 1883. n

Anfträge fir Streifbandfendungen an

die

Grpedition in München,

Drud und Verlag der J. ©. Cotta'ſchen Buchhandlung in Minden und Stuttgart.

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Da; Jusland. Wochenſchrift für Sünder: und Völkerkunde, bewährter

Mitwirkung

unter

Fachmänner

herausgegeben

von

der

3 G. Cotta'ſchen Buchhandlung in Stuttgart und Münden. Siebenundfünfzigiter Jahrgang.

Stuttgart, 15. Dezember.

Ar. 50. & 20 Seiten

Jährlich 52 Nummern

in Quart.

Preis pro Quartal M.7. —

Zu beziehen durch alle Buchhandlungen

1884. des In- und Auslandes und die Poftämter. —

Stuttgart, Kurzeſtraße Nr. 6/11, zu jenden. — Manuſtripte und Rezenjions-Gremplare von Werfen der einſchlägigen Litteratur find direkt an Herrn Dr. Karl Müller in Snfertionspreis 20 Pf. für die geipaltene Zeile in Betit.

Inhalt: 1. Pompeji, Herkulanım und Veſuv. ©. 981. — 2. Die Ausrottung des amerifanishen Biſon. ©. 987. — 3, Die Tobas-Zudianer des Gran Chaco. Bon Ehriftian Nufjer in Baſel. ©. 991. — 4. Kapitän Brandon Kirby's Reife in das Nach feinem Vortrage in der Adendverfammlung der Königlichen Geographiihen Gejellihaft in London, am Innere von Aſchanti. Bon Dr. Theodor ©. 995. — 6, Die Kohlenlager Borneo's. 3. Zuni 1884, ©. 992, — 5. Die Gewinnung des Mahagoniholzes.

Poſewitz.

S. 996. —

7. Kleinere Mitteilungen:

(ethnographiſche Abteilung).

S. 998.

— 8. Notizen.

Yon C. Hiekiſch.

Situngsberiht ©.

Pompeji, Herkulanum und Defuv. —

Dal deserto toro

dritto infra le file

de’ mozzi colonati il peregrino Cunge contempla il bipartito giogo E la cresta fumante

Ch’ alla sparsa ruina ancor minaceia. (Leopardi.)

Nachftehende Bemerkungen über die natürliche Ge— ichichte des Miederauflebens des Veſuv und die damit verfnüpfte Zerftörung der kampaniſchen Seeſtädte Herku— lanum und Pompeji dürften vielleicht einiges Intereſſe bieten, weil fie, eine Frucht längeren Aufenthalts in Kampanien, Ergebniffe der Anfehauung und biftorifche Daten

zu einem überfichtlichen Bilde vereinigen und die Kataſtrophe von Herkulanum und Pompeji aus neuen Geſichtspunkten beleuchten. Wenn man auf dem verödeten Forum Pompeji's nord: wärts über die Säulenftümpfe des Jupitertempels blidt, hat man die ſcheinbar ziweigipfliche Berggeſtalt des eigen:

tümlich ernten Nachbars Veſuv mit feiner vom Gipfel auffteigenden

Nauchwolfe

immer

dor Augen,

wie einen

drohenden Mahner und Erinnerer an Ereignifje, die, ver: bängnisvoll für blühende Städte, vor Zeiten bier jtattgefunden haben und früher oder jpäter fich wiederum zus

tragen können. Den einitmaligen Bewohnern von Pompeji gewährte aber der nahbarlihe Veſuv einen weſentlich anderen, einen keineswegs drohenden Anblick. Sie ſahen nicht den zu 1220 m. Meereshöhe anſteigenden Kegelberg, Ansland

1884, Nr. 50.

der K. K. Geographiſchen

Sejellichaft in St. Petersburg



—499.

mit feinem Krater, der heute den Namen Veſuv trägt; feine auffteigende Nauchwolfe verriet die geheimnisvolle vulfanifche Thätigfeit, und bei dem damaligen Stande des Naturwiſſens dachte man nicht an die geologische Thatjache, daß der Veſuv mit dem feuerjpeienden Epomeo auf Jschia, zum vulfanifchen Syſtem der phlegräifchen Gefilde gehörig, einen gemeinfamen pulfanifchen Heerd in der Tiefe hatte, twie e8 durch neueſte Relationen zwischen Veſuv und Epomeo befanntlich dargethban ift. Die 600jährige Gejchichte der Stadt überlieferte ihnen feine Kunde einer vulkaniſchen Regung im Innern ihres Berges Veſuv (altumbriſch: fisove), an deſſen Fuß die Stadt einjt gegründet worden. Der Berg, wie fie ihn vor Augen hatten, erhob fich, aus der fampanifchen Ebene ifoliert anfteigend, mit mäßiger Anſchwellung zur Höhe von etwa 1100 m., mit einem breiten Gipfel, der eine eigentümliche, ziemlich kreisrunde, zirfusartige Vertiefung von ettva 3,5 Km, Durchmefjer und ziemlich ebenen Boden barg, welche auf drei Fünftel ihres Umkreiſes, von Weft über Oft nad) Süd von einer durch— fchnittlich 400 m. hohen, auf ihrer Innenfeite zerflüfteten und unerfteigbar fteilen trachitifchen Selfenmauer umſchloſſen, auf der Südweſtſeite offen, vielleicht mit etwas Buſchwerk beftanden war. Die äußeren Gehänge bejchreibt Strabo

als ſchön Fultiviertes Land, „außer dem Gipfel”.

Den

„überwiegend ebenen” Gipfel, womit doc) nur der innere

Raum gemeint fein kann, bezeichnet ev als aſchenartig und ipricht die Vermutung

aus, diefe Dertlichkeit ſei ehemals

Krater eines Vulkans geweſen, der nad) Erſchöpfung des Brennftoffes erlofchen. Der berühmte Geograph lebte

148

982

Pompeji, Herknlanum und Veſuv.

unter Tiberius und ſtellt alſo den damaligen Befund dar. Dio Caſſius vergleicht die Gipfelform in jener Zeit aus— drücklich mit einem Amphitheater und ſpricht ebenfalls wie auch Vitruv in ſeinem (in den Jahren 14 bis 16 unſerer Aera geſchriebenen) Werke, wo er von der Puzzo— lane, einem natürlichen Zement, und deren Herkunft vom Veſuv handelt, die Vermutung aus, daß der Veſuv ein erloſchener urzeitlicher Krater ſei. Offenbar jchließt die hypo— thetifche Form diefer Neußerungen völlig aus, daß rezente Zeugen neuerer vulfanifcher Thätigkeit, z.B. ein neuerer Krater, vorhanden waren oder den Schriftitellern irgend eine überlieferte Kunde von folcher Thätigfeit aus gejchicht-

licher Zeit zugefommen fein fann. Die nachſtehende Contourffizze zeigt Die Berggeitalt,

bat, welcher als flach gemwölbter Rüden füdwärts am Berge abfällt und mit fteil abgebrochener Wand an der ehemaligen Meeresfüfte endet, da, wo die Arx von Pompeji mit dem (lange fälfchlich dem Herakles zugejchriebenen) Heiligtum der pompejanischen Stadtgöttin Venus fteht. Es fann ſomit al3 geologische Thatfache bezeichnet merden, daß der Sommaberg, der Vefup der Alten, ein urzeitlicher Vulkan— frater tft, der aus meitgeöffnetem Trichter eine energiſche

eruptive Wirkfamfeit

bethätigt und damals

Es ergibt ſich da3 aus der Thatjache, daß die fampanifche Landſchaft in weitem Umkreiſe zwifchen dem Apennin und der Küſte mit dem Auswurfsprodukt in fühligen Schichten bimsfteinhaltigen Tuffes überlagert ift, die ihren Urſprung

aus den Aſchen des Bulfans —

m

nn

mn

nn

ivie fie die Bewohner Pompeji's fahen.

nn

wohl aud

einen Aſchenkegel von mwechjelnder Mächtigkeit beſeſſen hat.

haben.

Diefe müjjen in

ungeheure Höhen emporgetrieben worden jein, um über jo weiten Umfreis niederzuregnen, und hiebei ift die Bild»

Sie hat neuer:

ung eines entjprechend hohen Afchenfegels durch das zunächft

dings eine Beftätigung gefunden durch Enthüllung eines Wandgemäldes in Bompeji, in welchen der Veſuv den landschaftlichen Hintergrund bildet. Hiſtoriſche Zeugniſſe beiweifen, daß während der Zeitepoche des Beſtehens von Pompeji der gleiche Zuftand vorlag. Wenn Spartacus im Sflavenfrieg im Sabre 72 v. Chr., nach dem direkten Zeugnis des Vellejus Baterculus, mit feinem 60— 70,000 Mann jtarken Sklaven- und Bauernbeere den Veſuv bejegen und in diefer natürlichen Feſtung von Craſſus bes lagert werden fonnte, jo jet das für die damalige Zeit den Beitand des umwallten Gipfels voraus, eines Ring: walles, der aber eine Deffnung hatte, ein natürliches Thor, andernfalls an diefe militärische Operation nicht zu denken mar.

der Auftriebsare ſenkrecht zurüdfallende ſchwerſte Material unausbleiblih. Der Auffchüttungsfegel muß dann endlich in den meiten, ausgehöhlten Trichter zufammengejtürzt jein, vielleicht zur felben Zeit und aus Veranlaffung der mächtigen Lava-Ergießung durch den gebrochenen Krater: vand an der Südſeite, welcher dem Innern auf einmal

Indem wir hier allerdings bei einigen ©elehrten der Anficht begegnen, daß der Berg Veſuv in vorgejchichtlicher Zeit ein Bulfan gewefen fein möge, jo befümmerte fich im Volke doch niemand um joldhe Theorien, jo wenig vie heute die Bewohner der Eifel oder des Bogelsgebirges an

die geologische Bedeutung der Formen ihrer heimatlichen Berge denfen. Auf dem Standpunkt unferer jegigen geologischen Kennt: nis der Erde bieten fich viele Analogien ſolcher Kraterform dar, 3. B. in größerem Maßſtabe der javaniiche Tengger: tod, wo ein im Durchſchnitt 6 Km. weiter vorgejchichtlicher Krater innerhalb eines Bergmwalles 2000 m, Meeres: höhe zirkusartig und fühlig, in etiva 1500 m, Mieereshöhe ih dur ein fandiges Lapilli-Material gefchloffen bat. Diefe freisfürmige Ebene führt den Namen „Sandfee” und e3 erheben fich aus ihr einige jüngere, fait ifolierte vulka— nische Berge, wahre Auffchüttungsfegel, davon einer noch beute aktiv ift. Auch bier hat die alte ringfürmige Krater: wand um den „Sandfee” eine Lücke oder Durchbruchitelle, die bis zum Niveau des Sandſee's herabgeht, ebenfo tie die Somma am Veſuv eine Lüde zeigt, durch deren Aus: bruch ſich augenscheinlich der trachitiſche Lavaſtrom ergofien

eine enorme Mafje von Material entzog und dadurch die Unterlage des Kegels wegnahm.

Es ift auch nicht aus-

gejchlojjen, daß der Sommafrater (famt den phlegrätfchen Gefilden)

noch ſubmarin

war,

wobei die Söhligfeit der

Grupttonsschichten, wie das Verſchwinden eines Auffchüttungsfegels, ebenfo natürlihe Erklärung finden.

Im einen oder dem andern Fall muß immerhin die Epoche

früherer

Thätigfeit

des Sommakraters

vor aller

Geichichte ihren Abſchluß gefunden haben. Dies ergibt ſich aus folgender Betrachtung: MS ums Jahr 600 v. Chr. die oskiſchen

Landſtädte

Kampaniens

Acerra, Nola und

Nuceria, beunruhigt durch die Konkurrenz phönikiſcher und hellenifcher Städtegründungen, an den Küſten des Golfs gemeinfam zur Gründung einer Pflanzitadt, eines Stapelplatzes an ihrer Küfte, ſchritten, wurde als geeignete Stelle

eben jener Lavarüden

ſüdwärts vom Berge ausgewählt,

ein Terrain, das, nad) zwei Seiten in fenfter Neigung, nach der dritten, der Meeresfeite, ſteiler abfallend, nur nord: wärts anjteigend, mit dem Veſuv zufammenbing. Hier wurde die neue Tochterjtadt abgejtedt, eingerichtet, helleniiher Sitte gemäß durch einen gemeinſamen feierlichen Auf:

zug aus den Mutterjtädten inauguriert und mit Anfiedlern aus ihrer Bevölferung bejeßt. Bon diefem Staatsaft, nounn —

Aufzug,

Begleitung,

trägt

Pompeji

feinen Namen.

Diefer Hergang läßt annehmen, daß die Gründer bei ihrer Wahl im guten Glauben waren und zu feinem Ber denken binfichtlich des benachbarten Berges Anlaß hatten, daß alſo deſſen vulfanifcher Charakter in diefen Tagen fo

gut tie unbefannt war und feine Ueberlieferung von vulkaniſcher Unruhe und Gefahr des gewählten Lofals

Pompeji, Herfulanum und Bejuv.

Kunde

gab.

Wohl

mögen

Erdbeben⸗Erſcheinungen hier

wie in ganz Kampanien häufig vorgekommen ſein, an welche die Landeseinwohner gewiſſermaßen gewöhnt waren; daß ſie aber nicht erheblich waren, läßt ſich daraus ſchließen, daß die pompejaniſche Geſchichte, die in den letzten Jahr—

.

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983

trichter lag. Diefes Material, Hunderte von Metern hoch in die Lüfte gefchleudert, vegnete dann, nach Erfchöpfung der

ſenkrechten Wurffraft, wieder zu den Seiten des auffteigenden Strahls nieder, einen Kraterfegel auffchüttend, oder twurde zum Teil mehr oder weniger weit vom Winde ab:

hunderten keineswegs dunkel iſt, keine Nachrichten von Erd—

gelenkt und über die Gegend

beben regiſtriert bis auf das Jahr 63 n. Chr. In dieſem

flüfftger Lava iſt esdamals nad aller Wahrfcheinlichkeit noch nicht gefommen. Mehrere Tage und Nächte dauerte das Spiel dieſer Entladung und als es allmählich (am dritten Tage) aufhörte und das vulfanifche Gewitter, welches alle großen Eruptionen in wolfenbruchartigen

Jahre ereignete ſich das befannte Erdbeben, welches die Stadt erheblich fchädigte, und mit demfelben beginnt die Aera der neuen vulfanifchen Thätigfeit des Veſuvs. Die Bewegungen tviederholten ſich durch mehrere Tage und ver: anlaßten viele Zerftörungen an öffentlichen und Privat:

gebäuden. Die unter Eingreifung der faiferlichen Regier— ung eingeleiteten Nejtaurationen, verbunden mit zweck— mäßigen Abänderungen und Berbefjerungen, zogen fich durch eine Reihe von Jahren hin und waren bis zum Jahre 79 noch nicht überall zum Abſchluß gekommen. In diefer 16jährigen Ruhepaufe lebte man zu Pompeji twieder in jorglofer Sicherheit auf dem nicht mehr beivegten Boden. Es ijt fein Zweifel, daß im Gefolge der Erderſchütter—

ungen ji im Innern der Erde alte, lange verftopfte und geichloffene Spalten

und Kanäle,

Krater in der Tiefe mit hatten, twieder geöffnet mählih die Wege, auf Meeres wieder an die

welche den urzeitlichen

dem Meer in Verbindung gefebt haben. Dadurch entjtanden allmelden das Waffer des nahen tieferen Negionen de3 Somma-

trichters gelangte und dort in Berührung mit glühenden Material überhist wurde, momit die phyſiſchen Beding— ungen einer Explofion in dem oben durch Aſchen und Lapilli verichloffenen Krater gegeben waren. Auf dem Standpunkt unferer Bulfanfunde hat man für foldhe un— ordentliche lange Ruhe und plößliches Wiederaufleben von Bulfanen zahlreiche Beifpiele. Die Erplofion am Veſuv erfolgte im Auguft oder

September 79. Das genaue Datum it noch nicht ficher feſt— gejtellt. Nicht der ganze Trichter des einftigen Kraters eröffnete fich den ausbrechenden Dämpfen; der Durchbruch erfolgte durch eine erzentrifche auf der Südweſtſeite, hart an der

alten Durchbruchslinie

des Ringwalles

liegende Spalte.

verbreitet.

Zum Austritt

Niederſchlägen befchließt, vorüber var, ftand der neue Krater: fegel des Veſuvs aufgerichtet in der heutigen Geftalt da. Diefe Thatfache kann als ficher angefehen werden, da die Geſchichte, indem fie vonnun an die Reihe der folgen: den Eruptionen regijtriert, eine Krater: oder Bergbildung als neue Erfcheinung und Ergebnis einer der folgenden Eruptionen nicht mehr erwähnt, fondern ftets nur wie don einem vorhandenen Krater berichtet. Auch Palmieri ges langte zu demfelben Schluß, daß nämlich feit dem Jahre 79 der Äußere Anblid des Veſuv nicht mehr ivejentlich verändert worden ſei. Die Frage: ob der Kraterkegel vom Jahr 79 bereits die jetzige Höhe oder eine nahezu gleiche erreicht habe, iſt für jetzt nicht zu entſcheiden. In dem Schlot desfelben iſt in der Folge flüſſige Lava bis zum Gipfel geſtiegen und von da abgefloſſen, wie ſolche auch oftmals die Seiten— wände durchbrochen hat und an tieferen Stellen zum Aus— tritt gelangt iſt. Der Name Veſuv ging auf den neuen

Berg über; für den alten Kraterrand führte ſich die Be— zeichnung Monte di Somma ein, von welchem ich es dahin geſtellt laſſen muß, ob er von dem nahe gelegenen Dorf Somma oder tie font hergeleitet werden fan. Somma und Veſuv find nur ein Vulkan, der legtere hat als Baſis den Monte di Somma. Sn den Gipfeln erjcheinen fie geteilt durch den fichelförmigen, nad) der Auffchüttung

des erzentrifchen Veſuvkegels

übrig gebliebenen Nejt des

alten Kraterzivkus, welcher den Namen Atriv di Cavallo führt und in der mittleren Gegend eine Breite von etwa

Man kann fich voritellen, daß auf diefer, dem Meere zuge:

700 m. befist.

wandten Geite des alten Trichters die Stelle des nächſten

der Durchmefjer des Veſuvkegels etiva 2800 m. haben, der Neigungswinkel feines Mantels beträgt im Durchſchnitt 32°.

Eintritts von Meerwaſſer und darum die energifchite Er-

ploſivwirkung

lag; vielleicht auch Lofalifierte fich diefelbe

unter dem Einfluß der nämlichen, mehr zufälligen Ver: hältnifje des unbefannten inneren Baues des Trichters,

welche ſchon vor Zeiten auf derfelben Seite den Bruch des Kraters und die Ergießung des pompejanischen Lavarüdens hier veranlaßten. Die Energie der Erplofion erfcheint im Berhältnis zur urzeitlichen als eine geringere, ſie ſchuf nur einen relativ engen Eruptionsfanal, mehrhundertmal

enger, als mie der Sommafrater

gemwejen.

Immerhin

trieben die ausftrömenden Waſſerdämpfe durch den Kanal

viele Billionen von Kubilmetern des Aſchen- und Lapilli— materials, welches ſeit Sahrtaufenden in dem Somma—

Im Niveau des Bodens des Atriv mag

Die folgenden Kontourffizzen mögen dazu dienen, das beſchriebene Formverhältnis noch klarer zu verfinnlichen.

984

Bompeji, Herkulanım und Veſuv.

Wir haben die natürliche Geſchichte des Veſuv, des populärjten der feuerfpeienden Berge, für den Moment de3 Beginnens feiner hiftorifchen Aktivität betrachtet. Hieran ſchließe ich jeßt einige Grörterungen hinſichtlich der Folgen, welche das Auftreten des neuen Bulfans für die damaligen menschlichen Anfiedelungen im Golf von Neapel gehabt hat. Gegenwärtig reihen fi) dort am Geſtade mittags wärts von Neapel die Städte Portici, Refina, Torre del Greco, Torre dell’ Anunziata und Gaftellamare aneinander.

Im Beginne unferer Zeitrechnung blühte an der Stelle von Portiei und Nefina die hellenifche Pflanzſtadt Herku— lanum, an oder vielmehr nahe der Stätte von Torre dell’

Anunziata, gleich Herfulanum am Meeresufer, die oskiſche Pilanzitadt Pompeji und im füdöftlichen Winkel des Golfs, zu Füßen des Monte St. Angelo, das Städtchen Stabiä, Die Küftenftrihe zwischen diefen Orten hat man fich zu denfen mit landfchaftlihen Baulichkeiten, Schönen Land— fitten vornehmer Römer und wohlhabender Landesbewohner,

in malerifcher Abwechslung und Berfettung bejegt und mit reicher Vegetation gefhmüdt. Die hellenifche Pflanzitadt Herkulanum war der Sit eines durch Bildung und Kunſt— finn veredelten Lebens, während Pompeji, vom Urſprung her minderbegabte Menfchen vereinigend, Handel und Ges werbe treibend, als Seeftapelpla& für das oskiſche Hinter: land, von hellenifcher Kultur mehr nur den äußeren Schein und den Hang zu heiterem Sinnengenuß angenommen hatte. Dieſe Anfiedelungen des Uferſtrichs von Neapel bis Stabiä wurden durch die Eruption in Mitleidenschaft gezogen und größtenteils vernichtet. Stabiä, das ſich nad) der Sullanifchen Eroberung und Zerftörung faum wieder zu voriger Blüte erholt hatte, ſcheint nicht in gleichem Maße von der Eruption bededt worden zu fein. Aber mit der Berfandung der Meeresbucht im ſüdöſtlichen Winkel des Golfs, zwischen Pompeji, Scafatt und Gaftellamare, woſelbſt im Mittel die Küftenlinie um 1,5 Km. feewärts verrüdt wurde, mag es zum Teil bededt worden fein: die

heutige Stadt Caſtellamare

enthält wohl einen Reſt des

alten Stabiä. Pompeji und Herfulanum mit dem ganzen Küjten: Ihmud von Landhäuſern verſchwanden unter ungleich hoher Dede von Auswurfsmaterial des Befund. Die Verhältnifje der Verfehüttung find für beide Orte jo merfwürdig uns gleich, ſowohl in Sinfiht auf die Mächtigfeit der dedenden Schicht, wie auch auf deren materielle Beichaffenheit, daß eine nähere Erörterung zu interefjanten und wertvollen Ergebniffen führt. In Pompeji zu unterft auf dem Gtraßenpflafter, welches (gleich dem Mauerwerk der älteſten oskiſchen Bauten der Stadt) aus Quadern der doleritifchen Lava des vor: geſchichtlichen Ausbruchs beiteht, finden wir eine Schicht feiner ſchwärzlicher Afche von etwa 0,25 m. Höhe, den eriten Niederſchlag aus der Rauchwolke, welche Plinius mit einer ungeheuren PBiniengeitalt vergleicht und welche

demnach der eigentlichen dynamischen Erplofion aus dem

alten

Krater

vorherging.

Auf

diefer Aſchenſchicht

nun

liegt die Haupt: und Kernmaſſe der Verfhüttung, eine über 2,5 m. mächtige Schicht in ziemlich gleichbleibender Miſchung aus vorwviegendem Lapilli-Material und weniger vulfanischer Aſche gebildet, nirgends zementiert, jondern loſe, mit der Schaufel wegzunehmen. Diefes Aufihütt: ungsmaterial konnte nur durd) die gewaltfamfte Erplofion überhitter Dämpfe in mehrtägiger Tontinuierlicher Aus: ftrömung durch den eröffneten Trichter aus dem den Somma— frater ausfüllenden Schutt emporgefchleudert und zu ſolchen Höhen in die Atmofphäre geführt worden fein, daß es in einem Abftand bis zu 6 und 7 Km. von der Auswurfs—

mündung bagelartig den Boden bevedte. ES iſt genau dasselbe, aus welchem fich auch der Aufſchüttungskegel des neuen Bulfans bildet hat, indem natürlich das gröbite, ſchwerſte Material ſenkrecht an allen Seiten der Kies— Fontaine niederfiel. Die Höhe diefer Lapilli-Schicht entfpricht ungefähr der

Höhe der einftödigen Häufer und ebenerbigen Stockwerke in der Stadt Pompeji und genügte fomit aller Straßen und offenen Näume auf Ueber der Lapilli- Schicht tritt in Mächtigfeit eine rein afchenartige Dede auf, woraus

zur Ausfüllung Stodwerfhöhe. von 2 bis 3 cm. hervorgeht, daß

jest die Hauptentladung der hochgejpannten Wafjerdämpfe im wvefentlichen beendigt war. Zwar folgen weiterhin nod) zweimal, wie Nachzügler, ſchwache Yapilli- Schichten von 2 bis 3 cm. Stärke, getrennt durch eine Aſchenlage von fait

einem halben Meter Höhe,

Es find ſolche anzufehen als

Produkte kurzer Exploſion noch zurüdgebliebener Dampf maffen, worauf dann endlich eine über meterhohe Ajchen:

lage, auf deren Oberfläche ſich durch den Verwitterungsprozeß die fpätere Bauerde gebildet, den ganzen Nieder: ihlag am dritten Tag beichlofien hat.

Die ganze Bedeckung erreicht fomit eine Geſamthöhe von 4 bis 5 m.; fie findet ſich troden, loſe, alle Straßen,

Höfe und Mauern einftödiger Häufer völlig überdedend und einhüllend. Aud vom Mauerwerk der oberen Stod: mwerfe ragt nur wenig hervor, denn, weil notwendig die Dedfen unter der Belaftung zufammenbredhen mußten, jo ftürzten dadurch aud die Mauern der oberen Stockwerke allermeift zufammen und e3 blieben nur wenige Ruinen, die Häupter der Stadtmauertürme und jehr majfive höhere Bauten fihtbar.

Diefe Analyje erzählt dem Befucher Pompeji's nad) 1800 Sahren mit durhfichtiger Klarheit die Gefchichte jener Schredenstage,

graben wurde.

in welchen die blühende Stadt be:

Sie illuftriert, was die Befchreibung des

Plinius dunfel läßt, den objektiven Verlauf in den ver:

ſchiedenen Phaſen der dreitägigen Eruption ziemlich genau. Die Bewohner flohen beim Beginn desfo gänzlich) ungewohnten

und angfterregenden

Ajchenregens,

der die

Stadt in nächtige Finfternis hüllte, aus den Käufern, aus der Stadt, begreiflih in einer dem Berg abgewandten | Richtung, alfo vorzugsweife ſüdlich, auf Stabiä zu, wo die

2 U nn

—WE

Pompeji, Herkulanum und Veſuv.

Luft, wie ich weiterhin

darthun

erde, in abnehmender

Dichtigkeit mit Afche erfüllt war, und der Afchenregen jueceffive Lichter wurde. Verhältnismäßig menige, tie durch annähernde Berechnung und Schäßung eruiert worden iſt, blieben zurüd, bargen ſich in Kellern und ficher ſcheinen— den Gemächern und diefe wurden zumeift Opfer ihres Ber: haltens. Während des nad) dem erften Afchenregen be— ginnenden und fo fatal andauernden LapillisHagels iſt Flucht wohl kaum möglich gewefen; mer fie von den Zurüd-

gebliebenen nach dem Aufhören des Hagels verfuchte, wurde auf dem jchivierigen Wege über die Lapillidede, die ein Fortkommen hinderte, erfchöpft, im Afchenregen erſtickt, wie es die befannten Fiorelli'ſchen Ausgußbilder von Hoblräumen mit ergreifender Genauigkeit anſchaulich machen. Die Bildung diefer Hohlräume beweist, daß immerhin eine

gewiſſe Zementation gefunden hat.

mangelung

der Aſche durch Regenwaſſer ftatt:

Der Grad

der Erhärtung aber iſt in Er—

von Druck nur

großer Vorſicht, um von figuren zu erhalten.

ein geringer und es bedarf

den Hohlräumen

gute Ausguß—

Wir beſchäftigen uns hier nicht weiter mit dieſen Einzelheiten, welche Gegenſtand anderer Forſchungen ſind, auch nicht mit der weiteren Geſchichte der heimatberaubten

Bewohner mit ihrem Neu-Pompeji bei Bosco tre Caſe und dem jpäteren völligen Ende des Gemeintvefens durch neue Eruption und Erdbeben ums Jahr 471.

Unser Zweck ift

nur die Aufklärung des Verfchüttungsherganges in Ver— bindung mit der Entftehung des neuen Veſuvs. Von Pompeji auf Herfulanum getvandt, begegnen wir nun. einer auffallenden Verſchiedenheit der Gefamtverhältniſſe, einer Verschiedenheit, welche jo groß ift, daß fie lange die Einficht verdunfeln und falfche Vorftellungen über eine vermeintliche Differenz erzeugen und erhalten konnte. Der Boden des alten Herkulanum findet ſich in einer Tiefe von über 20 m. unter dem Gtraßenniveau bon Bortiei,

aljo fünf bis ſechsmal tiefer als in Pompeji.

Sodann

it Herkulanum, ungleih wie Pompeji, nicht unter einer lojen Schuttdede, jondern unter einer dichten Felsart be-

graben, welche von oben nad) der Tiefe an Dichte (ſpez. Gewicht) und Härte zumehmend, lang für eine mwirfliche Lava angeiprochen wurde. Das Volf bat einen Ausdrud

„lava bovosa“

für dieſe geognoftische

Formation,

mit

welchem Namen bingedeutet ift.

nicht gerade ungefchidt auf das Wahre Die Formation ift nämlich nichts anderes als der nad) feiner befannten harakteriftifchen Struftur jogenannte Peperin, ein wahrer Tuff, aus vulfanifchem Auswurfsmaterial, aus Aſchenmaſſe (der echten Buzzolane)

und LapilliMaterial in wäfferiger Bermifchung entitanden, wobei die Aſche den chemifchen Prozeß der Zementierung

durchgemacht und die Wirkung enormen Drudes durch) lange Beiträume die Steinhärte erzeugt bat. Bei fo be— Ihaffener Bededung ergibt fi), daß während das begrabene

Pompeji mit der Schaufel bloßgelegt wird, man zur Grabjtätte Herkulanums mittelft Steinbruchs- und Bergmanns: Ausland

1884, Nr. 50,

385

arbeit niedergeht.

Aber dieſe Förderungsarbeiten

haben

— dies muß gegen die landläufige Behauptung fonjtatiert werden — nirgends in Herkulanum Lava, echte Lava, auch

nur in minimaler Quantität, nachgewieſen.

Zum großen

Vorteil der Altertumskunde, denn es liegt auf der Hand, daß, wenn Lavaſtröme von ſolcher Mächtigkeit über die Stadt hereingebrochen wären, für uns keine Fundſtätte

wertvoller

Altertümer

geblieben

wäre.

Alles

von

der

Ihaffenden Menfchenhand Gebilvete, alles organische Matertal wäre in den Gluten bingefchwunden, feine Wand

noch Turm oder Säule wäre aufrecht und in erfennbarer

Geſtalt geblieben. Wogegen die Ausfüllung aller Straßen, offenen Plätze und Wohnräume mit dünnflüffiger Schlamm: maſſe das velativ günftigjte Ereignis für die Erhaltung der allermeiften Gegenftände var, welche Herkulanum zu

einer jo koſtbaren Schatzkammer der Vorzeit machen.

Das anfcheinend Rätſelhafte diefer auffallenden Diffevenz wird ſich aufklären, wenn der Leer den nachfolgen-

den

Bemerkungen einige Aufmerffamfeit

ſchenken

mag.

Wir haben bis jegt nur den vulfanifchen Vorgang betrachtet, welcher die Veränderung der Landesgeftalt veranlaßte. Es erübrigt aber, noch einige andere Faktoren ing Auge zu faſſen, welche das Ergebnis der vulfanifchen Thätigfeit modifizieren mußten.

Ein wichtiger Faktor war

der Wind.

Indem uns

Div Caſſius und andere römiſche Schriftfteller die Thatjache überliefern, daß die Aſchen aus der Eruption bis nad) Nom getragen wurden, erfahren wir biedurch, daß der

herrſchende Wind

in den

Schidfalstagen

Kampaniens

Südoſt, der seiroeco Jtaliens, war. Dieſer Windſtrich mußte die leichteren und hochſchwebenden Aſchenwolken in der Richtung nad) Nom tragen, Er erleidet aber, wie idı durch eigene Beobachtungen gefunden, in erdnahen Regionen beeinflußt durch den Lauf der Gebirgszüge, gewiſſe Modifikationen. Aus dem Golf von Salerno dur) das Gebirgsthor zwischen dem Apennin und dem abgefonderten Gebirgsftode des Monte St. Angelo, dem alten M. Lactarius, der am Nordabhange die unvergleichlichen landſchaftlichen Sebilde des Sorrentiner Küftenftrichs trägt, eintretend, wendet er jich hinter der Schutzwand diejes don ONO nad)

WEM ftreichenden Vorgebirgszuges örtlich gegen Weſten und jpielt in der Küftengegend des Tampanifchen Golfs in der Erdnähe wie ein Iofaler Dftwind. Gin folder Wind muß aber in den Tagen der Eruption über den Veſuv bin geherrſcht haben, wofür der unumftößliche Beweis bejteht, daß die oſtwärts vom Veſuv liegende Zirkusjichel der Reit des alten Sommafraterbodens, das heutige Atrio di Cavallo, von feinem Austwurfsmaterial bededt wurde, Hier fieht man nod) heute im Atriv den Auffchüttungsfegel unmittelbar vom Boden rein emporfteigen, man fieht

fich zu dem Gedanfen

gedrängt,

meld andere Wirkung

die gewaltige vulfanifche Erplofion auf die Geftaltung der Umgebung gehabt hätte, menn fie bei weſtlichem Winde

erfolgt wäre. Dann wäre das ganze tiefe Atrio di Cavallo

149

Pompeji, Herfulanım und Veſuv.

986

bis zum Rande des Monte di Somma ausgefüllt und aus:

geglichen worden,

Nola oder Nocera hätte das Geſchick

ihrer Tochterftadt Pompeji betroffen, und die Bewohner der Seeſtädte wären erfchredte, aber unbefchädigte Zus ſchauer des feltenen Phänomens der Auffchüttung eines

Bergfegels

von

zirka 3 Billionen Kubikmeter

Maſſe ges

blieben. Wie anders follte e8 kommen durch den Oſtwind, welcher die Lapilli-Fontäne gegen die Küfte bog und den Niedergang der fallenden Mafjen dorthin drängte, direkt auf Herfulanum zu, wo demzufolge das meiste Material zu Boden fiel, während Pompeji, ſchon feitlich vom Haupt: trieb, geringeren Niederfchlag empfing und Neapel und Stabiä auf beiden Seiten nur nod) von leichteren und dünneren Afchenregen erreicht wurden. E3 fommt wieder in Betracht eine wichtige Verjchies

denheit der Lage von Bompeji und Herkulanum.

Erſteres

war, wie Schon oben dargethan, auf einem Hügel, einem

vom Berge niederfteigenden Rüden, auf fonverem Boden gelegen, Herfulanum aber am Meeresausgang einer vom Berg herabziehenden Thalmulde, welche ehemals noch aus—

geiprochenere Thalform

gehabt haben muß.

Man

fieht

ihon, daß überhaupt in ſolchem Thal eine jtärfere Aufſchüttung, namentlich von Aſche, als auf dem Hügel von Pompeji in bewegterer Luft, jtattfinden mochte, eminent aber wirkte diefe Bodenform zulegt, als das vulkaniſche Gewitter die trodene Eruption abſchloß. Die Negenmajjen fonnten auf dem nad allen Seiten abſchüſſigen Boden Pompeji's abziehen und felbjt die vom intenfioften Regen durchtränkte Yapilli-Dede konnte durch die gut entwäljerten Straßen raſch wieder austrodnen. Nah Herkulanum ſtrömten dagegen die Gemwäljer des Wolkenbruchs in der Mulde zufammen; fie mußten die vorhandenen Nieder: Ichlagsmaffen durchdringen, auch jelbit in ihrem Ablauf von den lofen, neu aufgejchütteten Berggehängen enorme Maffen von Aſchen und Geröll, jchlammartig flüffig, mit ſich niederbringen und über die am Thalausgang gelegene Stadt verbreiten, welche auf diefe Weife gleichſam in Tuff: Ichlamm erfäuft und eingebüllt wurde. Und nicht genug, das Schickſal wollte, daß dieſe an fih Schon fo ungünftige Situation noch durch ein anderes Naturereignis verfchlimmert wurde. Wir willen, daß der ältere Blinius, Befehlshaber der faiferlichen Marineftation Mifenum, eine Flottenabteilung von dort nad) dem be— drohten Herkulanum jandte, um die hülfefuchend, angjtvoll am Ufer Irrenden aufzunehmen. Verlangend jahen diefe aufs Meer, ſahen die Schiffe von fern heranfommen, uns erflärbar aber, noch in beträchlicher Entfernung vom Lande,

und die nämliche Seegegend wurde für die Schifffahrt fvieder fo praftifabel wie vorher. DWielmehr ift eine, die Eruption begleitende Erobebenerfcheinung anzunehmen. Das Whänomen folcher vorübergehenden Bodenerhebung bat nichts auffallendes; analoge Erjcheinungen find, be= ſonders im Mittelländifchen Meere, regiftriert und von den Geologen erörtert worden. Um nur ein Beilpiel anzu— führen, ſei daran erinnert, daß während des Erdbebens, das die erjte Eruption des Monte Nuovo bei Buzzuoli begleitete, am 27. September 1538, fih das Meer jo weit zurüdzog, reſp. der Seeboden fich ſoviel erhob, daß faft die ganze Bay von Bajä vorübergehend troden lag. Daß die Erhebung des Seebodens vor der Küfte von Herkulanum auch bei mäßiger Ausdehnung der Bodenwelle das küſtennahe Yand noch mitbetroffen habe, iſt faum zu bezweifeln. Hiemit mußte aber auch die Ausmündung und der Ablauf in der Mulde niederftrömender Schlammgewäſſer eine Stauung erleiden, melche natürlich die Ablagerung des GSinfmaterials jenes Stromes von „lava

bovosa“

(wenn

bier dieſer volfstümliche Ausdrud noch

einmal erlaubt ift) zu Ungunften der Stadt Herfulanum modifizierte und vermehrte. Dieſe gejchilderten Umftände, zufammentreffend, erfläven uns die enorme Höhe der Schlammablagerung, in welcher die Stadt ſpurlos verſchwand und aus welcher die Tuff- oder Peperin-Formation, welche die Städte Portici und Nefina unterlagert, im Zauf der Jahrhunderte erhärtet ift.

Es ergibt fich alfo aus diefen Erörterungen, daß aller: dings

Herkulanum

ganz gleichmäßig

wie Pompeji, durch

diefelbe vulfanifche Eruption des Veſuv verfchüttet, daß es nur mit den gleichen Eruptivmafjen überdedt worden it und daß die anfcheinend jo heterogene Geſtalt der Ver:

ſchüttungen auf den beiden Lofalitäten einfach durch ſekun— däre

Umftände,

dur

differente

Lage

und durch Wind

und Wetter ihre vollfommene Erklärung findet. Sch Schließe hiemit diefe Betrachtungen.

phyſiſchen Gefchichte der Erdrinde

Was in der

als ein wenig auf-

fälliger Vorgang erfcheint, die Eröffnung lange gefchlofjener

Kommunikationswege an einem urzeitlichen Bulfantrichter, wird durch ſeine Wirkungen auf die Schöpfungen der Menjchheit für unfer Gemüt zum jchiejalsvollen Ereignis. Hier hat Natur, des Menfchen achtlos, binnen kurzer Frift

die Arbeit vielhundertjähriger Menfchengejchlechter, Denk— mäler der frühejten Ausbreitung edler Bildung in Pflanz— jtädten hellenifcher Seefahrer, begraben und daneben einen

ihren Lauf hemmen, bald wieder rüdwärts gehen, ohne

Bau ihrer Art neu aufgeführt, in jenen eine unſchätzbare Quelle jpäterer Belehrung über Sitten und Künfte einer unvergleichlichen Vorzeit aufbewahrend, in dem lebteren

Zandung

für die auflebende Naturkunde der neuen Zeiten und bis

zu verfuchen

und

in der Ferne

verſchwinden.

Die Schiffe waren in der font tiefen See unerwartet auf

gegen

Grund gejtogen, eine rätjelhafte Veränderung hatte den Seeboden erhöht. Es ift hier nicht an die Auffüllung durch ins Waſſer gefunfene vulkaniſche Auswurfsmaſſen zu denken. Auch verſchwand die Untiefe ſpäter wieder,

weil europäischer Forſchung zugänglichite Modell und typiſche Bild feuerfpeiender Berge daritellend. Mainz. N,

Ende

des vorigen Jahrhunderts

das twichtigite,

a N u E

387

Die Ausrottung des amerifanifhen Biſon.

Die Ansrottung des amerikanischen Biſon.

Triebfand gezogen.

Diefes furchtbare Ningen dauerte, bis

das ganze hier etwa 1100 m. breite Flußbett buchſtäblich

Keine Beſchwerde, fernen Weftens

welche die wilden Indianer

gegen

die Weißen

des

erheben, iſt vielleicht

gerechter, als diejenige über die mutivillige und graufame Ausrottung des amerifanischen Büffels oder Bifon im großen. Hieraus entjpringt hauptſächlich der Groll und

mit toten und jterbenden Biſons bedeckt war; man jchäßte die Zahl derer, welche bei dem Flußübergang umgefommen waren, auf volle 2000. Zu

der Zeit, wo die Flut der weißen Einwanderer

die Weißen, denn der Bifon

ih in den Weiten zu ergießen begann, war der Bifon in zahllofen Myriaden über die ungeheuren Ebenen zwijchen

lieferte, bis der Angelfachfe auf der Szene erfchien, allen Indianerſtämmen eine unerjchöpfliche Zufuhr von

den Feljengebirgen und dem Miffiffippi und Miffourt verbreitet. Dieje Herden wanderten zu verjchiedenen Jahres:

Haß der NRothäute

gegen

Nahrungsmitteln, und der rote Mann betrachtete diefe Heerden wilden Nindviehs als vom Großen Geifte Speziell für feinen Unterhalt

gejchaffen

von diefem edlen Wilde, Stammes nötig far.

und

erlegte felten mehr

als abjolut zum Unterhalt des

zeiten von einem Bezirk zum anderen, manchmal nur in fleinen einzelnen Zügen, manchmal aber ſcharten fich auch jo viele Heerden zufammen, daß fie ein ungeheures Heer bildeten, welches das Yand auf viele Meilen bin bevedte.

Mr. Will. Bladmore und Oberjtleutnant Dodge in feinem

Wie man dazu fam, den amerikanischen Bifon, welcher eigentlich ein Auerochs it, Büffel zu nennen, ift mir un: erfindlich, denn er iſt vom eigentlichen Büffel jo verſchieden

wie ein Hirſch vom Nenntier. Der afiatifche Büffel mit jeiner jchieferfarbigen Haut, feiner niedrigen Stirn und feinen großen zurüdgebogenen Hörnern iſt eines der gelehrigjten Tiere und von anfpruchslofem bejcheidenem Ausjehen, während der amerikanische Bifon zwar eigentlich

trefflichen Werke über die „Sagdgründe des fernen Weſtens“! berichten hierüber aus eigener Anjchauung, und Wir. Black— more evzählt uns, wie im Herbit 1868 auf einer Reife

über die Plains (höheren Brairien) mit der Kanſas-Pacific—

harmlojes Tier ift, aber wegen des ge-

Eifenbahn der Zug auf einer Strede von ungefähr 120 e. MI. zwischen Elbsworth und Sheridan durch eine faſt ununter: brochene Herde von Bifons hinfuhr. — Die Plains waren ganz ſchwarz von denfelben und der Zug mußte anhalten, um ungewöhnlich große Heerden vorüberziehen zu laſſen.

twaltigen Umfangs feines Kopfes und Vorderteils, wegen feiner zottigen Mähne und feurigen Augen ein hödjt wildes Ausjehen hat. Er iſt ein ſchwerfälliges, ungefchlachtes

Als er aber einige Jahre fpäter wieder auf derjelben Eifenbahnlinie reifte, waren einzelne kleine Herden von 10 bis 20 Bifons Schon ein feltener Anblid.

ein ſcheues

und

Geihöpf und erjcheint dumm, denn er bleibt ftille ftehen und ahnt anjcheinend feine Gefahr, während ein Duzend jeiner Oefährten neben ihm niedergefchoffen werden; allein ein andermal kann er auf irgend einen Gegenstand, fer es

ein Menſch oder und mit ſchwerem, Iprengen und ihn wenig von jenem

ein Eifenbahnzug, in vollem Galop donnerndem, ungefchlachtem Schritt ein— angreifen. Der Bifon zeigt merkwürdig Inſtinkt, welchen andere Tiere in jo

reihen Maße befisen.

Wenn

eine Heerde Biſons ſich ein:

mal für eine Marfchlinie entfchieden hat, jo wird nichts fie von derſelben ablenfen. Sie rennen entjchlojjen auf den Jäger zu und trogen der Gefahr, in welcher Geftalt

ſich ihnen diejelbe aud) darbieten mag.

Ganz in derjelben

Weiſe jtürzen fie fih, wenn fie einen Fluß überjchreiten müffen, achtlos hinein, und wählen, ebenfogut als nicht,

gerade die trügerische Stelle, wo ſich ein gefährlicher Triebland gebildet hat. Ein merkwürdiges Beiſpiel diefer Art ereignete ſich im Jahre 1867, wo eine Heerde von ungefähr 4000 Biſons über den ſüdlichen Platte-Strom zu jegen verſuchte. Das Wafjer war kaum zwei Fuß tief, allein es hatten ſich tm

Flußbett Stellen von Triebjand gebildet und die vorderſten Reihen der Bifons blieben ſtecken und begannen zu ſinken. Die denfelben unmittelbar folgenden Tiere, gedrängt von den Hörnern und dem Drud der anderen, jehoben vorwärts, traten ihre Führer unter die Füße und teilten dann ihr

Schickſal, denn fie wurden unmittelbar in den jenfeitigen

Aehnliche Erfahrungen

machte

er in dem jüdlichen

Diftrift zwischen den Flüſſen Arkanſas

und Cimarron.

Er reifte 1872 über einen Landſtrich 100 MI. jüdlid) von Fort Dodge und hatte immer Bifons in Sicht, als er aber im darauffolgenden Herbſt denfelben Landſtrich bereiſte, fand er das ganze Land mit gebleichten und bleichenden Knochen bevedt und ſah feine Büffel, bis ev innerhalb des den Indianern vefervierten Gebiets war, und felbit dann nur in jeltenen Kleinen Nudeln, denn die erbarmungss lofen Häutejäger hatten die Gegend verheert und groß: artige Meteleien zur Jagdzeit und außerhalb derjelben an Alt und Jung veranftaltet. Auf einer Strede von 40 e. M. dem Nordufer des Arkanfas entlang lag eine fortlaufende Reihe von faulenden Kadavern, welche die Luft weithin mit ihrem furchtbaren Geſtank verpefteten und jo did ges ftreut lagen, daß Herr Bladmore auf einem Raum, welder faum einen Acre groß war, 67 Kadaver zählte. Die

Jäger hatten eine Reihe von Lagern den Ufern des Fluſſes entlang gebildet und die durftigen Bifons niedergeſchoſſen,

wenn fie morgens und abends zur Tränfe kamen. In gleicher Weife erzählt Oberft Dodge, wie er im Mai 1871 den Lauf des Arkanfas entlang reijte und ihn I Ein intereffanter Auszug daraus unter dem Titel: „Die heutigen Indianer des fernen Weſtens“ ꝛc. 2c., bearbeitet von Dr. Karl Müller-Mylius, erjehten kürzlich bei A. Hartleben in Wien,

IS8

Die Ausrottung des amerifanifchen Bifon.

fein Weg auf einer Strede von 25 MI. durch ein breites Thal binführte, welches buchſtäblich von Heinen Heerden zu 50 bis 200 Stüden Bifons twimmelte, die zufammen eine ungeheuere Heerde bildeten. Die ganze Gegend erſchien wie eine einzige bewegliche Maſſe von diefen zottigen ſchwarzen Gefhöpfen, welche langſam nordwärts zogen. Bei dem bloßen Anblid eines jo ungewöhnlichen Gegenjtandes mie ein Reiter wurden viele Heerden nad) einander fcheu und rannten in voller Eile gerade auf ihn zu und famen von den Hügeln herab, aber nicht mehr ın einzelnen Heerden, jondern in einer ungeheuren dichten Mafje fehnaubender und vor Furt toller Tiere, welche jo untiderftehlih waren mie eine Lawine. Es war ein entjeglicher Augenblid, aber der fchlaue Jäger martete, bis die Herde auf 50 Schritte zu ihm heranfam, und ſchoß dann, worauf die erfchredte Heerde fich teilte und in zwei Kolonnen rechts und links von ihm abſchwenkte. Dies wiederholte fih immer und immer wieder im Verlauf diefes Morgenrittes und obwohl der Jäger nur zu feiner Selbjtverteidigung ſchoß und fein Wildpret brauchte, hatte er doh 26 Bifonzungen in feinem Wagen, ehe er feinen

Beitimmungsort

erreichte.

Hätte er es auf eine Metzelei

abgefehen gehabt, fo hätte er buchjtäblich eine unbegrenzte Zahl diefer Tiere zu erlegen vermocht. In jeder von den vielen Fleineren Heerden werden bie

Kühe und Kälber immer in die Mitte genommen und die Bullen bilden einen fchügenden Kreis um fie. Wenn zwei Heerden zufammentreffen und fid) vermengen, jo wird diefelbe Unordnung beobadtet und die Bullen beider Parteien breiten fich einfach in einem weitern Kreife aus, um ge: wiſſermaßen eine ftarfe Schugmauer um die ganze Herde zu bilden. Geltfamerweife verläßt aber die Kuh in der Stunde der Gefahr unbedenklich ihr Kalb und hinterläßt

e3 ganz unter der Pflege und Aufficht der Bullen, welche ihre Pflicht als Wärter gewiſſenhaft erfüllen. Dberjtleutnant Dodge erzählt ein Beiſpiel bievon nad) der Schilderung eines Augenzeugen, deſſen Aufmerk— ſamkeit auf eine Fleine Gruppe von ſechs oder acht Bilonbullen gelenkt wurde, welche in einem dichten Kreis mit auswärts gewandten Köpfen ftanden, während etwa 15 Schritte von ihnen in einem Fonzentrifchen Kreiſe mindeſtens ein Duzend ftarfe graue Wölfe Fauerten. Nach einer

furzen Weile festen fich die Bullen, noch immer als eine geſchloſſene Maſſe, in Trab und rüdten nach der gefamten Herde dor, welche etwa 1000 Schritte entfernt war. Jetzt erit jah man, daß dieſe treuen Tiere ein armes, kleines, neugebornes Kalb bewachten, welches kaum gehen konnte. Nachdem die Bullen etiva 100 Schritte weit gegangen waren, legte das Kalb fich wieder nieder und die Bullen

bildeten von Neuem

einen Kreis wie zuvor;

die Wölfe,

welche neben ihnen hergetrabt waren, hockten fich wieder in einem äußeren reife nieder und erlauerten ängjtlich

ihre Gelegenheit. Es war ſchon zu ſpät am Abend und der Zuſchauer diejes feltfamen Auftritts zu weit von feinem

Lager, als daß er das Ende hätte abwarten fünnen; allein

derfelbe war überzeugt, daß das Kalb mohlbehalten zu feiner Mutter zurüdgebracht worden tft. . Es ift ein betrübender Gedante, daß die Ausrottung

diefer nüßlichen harmlofen Tiere ſchon jo nahe bevoritehe. Obwohl die Weißen auch ſchon früher die Bifons gedanfenlofer und mutwilliger niedermegelten, als die Indianer gethban haben würden, fo it doch erſt im jüngjten Jahr— zehnt diefe graufame und frevelhafte Niedermebelung im großen Softematisch ausgeführt worden. Im Jahr 1872 jcheinen Spefulanten zum erjtenmal den Marktwert der Häute vollflommen begriffen zu haben, und wie fih Naubvögel um ein Aas jammeln, jo jtrömten zahlloſe arme Abenteurer von allen Seiten herbei und legten fich gierig auf die Zerftörung diefer großen Herden wilder Bijons. Seit diefer Zeit hat der arme Biſon feinen Augenblid mehr Ruhe und Frieden. Die Kaufleute in jeder Stadt längs der verfchtedenen Eifenbahnlinien (der Union-Pacifie, der Kanfas-PBacific u. ſ. w.) lieferten zahllofen Aasjägern und Schlächtern Ausrüftung und Munition und errichteten einen großen Handel in Häuten. Diele von den auf die Bifonjagd ausgejandte Leuten waren fol ungeübte Schützen und Jäger, daß fie weit mehr Bifons verwundeten als erlegten, und ungeheure Mengen von Häuten gingen zu Grunde, weil diefe Leute fih durchaus nicht auf die Erhaltung derjelben verftanden. Obwohl daher Hunderttaufende von Bifonhäuten zu Markte geſchickt wurden, jo haben diefelben wahrjcheinlich faum den fünften Teil von der wirklichen Zahl der erlegten oder angefchojjenen Tiere gebildet, welche jämtlih nur um ihrer Häute willen er

Ihlagen wurden

und wobei eine unberechenbare Summe

von gutem Fleisch gänzlich vergeudet wurde.

Als dies ungefähr ein Jahr lang vor ſich gegangen war, machten die Kaufleute zwar eine Anftrengung, die Jagdzüge in noch größerem Maßſtabe zu veranftalten und Mapregeln zur beiten Erhaltung der Häute und zum Räuchern und Einpöfeln des Fleifches zu treffen; allein jelbit dann war die Vergeudung noch immer haarſträubend.

Die amtliche Statiftif, welche Oberjtlieutenant Dodge gibt, bietet ein furdhtbares Bild von der ruchlos frevlen, felbitfüchtigen Zerſtörung deſſen, was, eigentlich als Staats:

eigentum und zum billigen Gebrauche aller bejtimmt, hätte gejeglih gejhüst werden jollen. Er jagt: im Jahr 1872 gab es im Arkanſas-Thal nod) eine beinahe unzählige Menge von Bifons,

denn

fie Schienen in zahllofen Nudeln

und

Heerden vorhanden zu fein. Im Herbit 1873 bereiſte er wieder diefelbe Gegend und fand nun da, wo er das Jahr zubor

old) ungeheure Herden gejehen hatte, nur noch Myriaden von Kadavern; die ungeheure Ebene, welche noch Jahr und Tag zubor von Tierleben gejtrogt hatte, war in ein ungeheures Yeichenfeld, eine Wüſte voll Aas und faulenden

Tierleichen verwandelt, welche einen unerträglichen peſt— artigen Geſtank verbreiteten. Er reifte 90 e. MI. weit, ehe er eine Heerde fand, und felbjt dort war die Grenz-

389

Die Ausrottung des amerikanischen Biſon.

linie des Staats dicht mit weißen Jägern beſetzt, welche die Grenze des Indianergebiets hüteten, in welches fie ih nicht hineinwagen durften; mebr Jäger als Bifons,

der Häute angeftellt. Die Ausrüftung war fo ärmlich, als man ſich nur denken konnte: ein Paar Wolldeden für

es gab bier buchitäblich

jeden Mann, ein gemeinschaftliches Zelt, einen tragbaren

Den ganzen Ufern des füdlichen Platte-Stroms entlang waren die weißen Jäger gelagert, weil fie twußten,

Kochherd, ein Waſſerfaß von 10 Gallonen (ein unumgäng: liches Bedürfnis für Leute welche oft iveit vom Waffer lagern mußten), einen Kaffeetopf, eine Bratpfanne und

daß im jenem durftigen Lande die Bifonherden

an den

Strom fommen mußten, um fich zu tränfen. Jeder Verfuch der Tiere, jih dem Waffer zu nähern, ivar das Signal für ein Hedenfeuer von Büchjenfugeln, und ohne den

mitleidigen Schuß der Nacht hätte der unglücliche Bifon feine Chance gehabt, feinen Durft zu löfchen. Allein ſelbſt die vom Himmel gejendete Duntelheit half die armen Tiere nicht viel, denn die Schlächter zündeten den Ufern entlang Feuer an und Schoffen in Zwifchenräumen blind

mit Slinten, um die Heerden zurüdzutreiben, jo daß diefe, vor Durſt beinahe wütend, oft vier Tage und vier Nächte lang gehindert wurden, ih dem Waſſer zu nähern. So wurden die armen Gefchöpfe Tag und Nacht un:

für jeden Mann einen Teller und einen Trinfbecher von Blech — das bildete das ganze Gepäd, Die Schlächtermefjer zum Abziehen dienten zugleich als Tifchmeffer, und Gabeln oder Löffel waren überflüſſig. Auch beftanden die Vorräte welche die Kaufleute lieferten, durchaus nicht aus Lurusartifeln: einige Pfunde Kaffee, Zuder und Salz, etwas Bohnen und ein Sad Mehl bildeten den ganzen Proviant, da ja der Fleifchvorrat. ein unbe: Ihränfter war.

Selbit wo Vorkehrungen zur Aufbetvahrung des guten Sleifches

getroffen

die Hinterviertel

waren,

gerettet.

wurden

nur die Zungen und

Fetthöcker

und

Feiftrippen

aufhörlich gequält. „Jeden Schlud Wafjer, jedes Maul: voll Gras befamen fie nur mit Yebensgefahr. Kaum

wurden an Ort und Stelle verfpeift, „Lendenſtück, Rippen Nüden, Wammen — alle die beiten, faftigften und ſchmack— hafteiten Teile des Tieres — überließ man der Fäulnif

machten fie Halt, um zu meiden, jo warnte der fcharfe Knall der Büchfe fie, ihre Stellung zu wechſeln. Sie wurden bon dem einen Wafferloche vertrieben, um an

den ganzen Kadaver an Ort und Stelle, wo das Tier fiel, verfaulen.” Iſt es nicht zum Erbarmen, wenn man

einem anderen den Tod zu finden.”

oder den Wölfen; ja in den allermeiften Fällen lieg man

Der Schübe verftect

von einer fol frevlen Mebelei und von der fchändlichen

jih an irgend einer günftigen Stelle und fchießt auf das nächte Tier. Vom Blutgeruch angezogen, fchaaren ſich

Vergeudung und dem Berluft folcher Taufende von Gentnern des beiten Fleiſches hört, melches mitteljt verjtändiger, jorgfältiger Behandlung und Aufbewahrung zur Ernährung ganzer Volksmengen in anderen Diftriften hätte nu&bar gemacht werden fünnen? Die Statiſtik diefer Meseleien, wie fie Oberftleutnant Dodge gibt, würde unglaublich erfcheinen, wäre fie nicht jo jorgfältig von einem Manne zufammengejtellt, welcher mit feinem Gegenjtande vollfommen vertraut tft. Er findet, daß in den drei Jahren 1872 bis 1874 nicht weniger als 3,100,000 Biſons, nad) der niedrigſten Schäßung, durd) die Hand der Weißen erlegt worden fein müfjen, um die Menge von Häuten zu liefern, welche nur auf den haupt: ſächlichſten Eifenbahnen befördert worden find, während vollauf eine weitere Million auf diejenigen gerechnet werden muß, welche von der Hudſonsbay-Kompagnie, von den Jägern aus Meriko, Colorado und Teras und von gewiffen Indianerſtämmen erlegt oder in Gejtalt von Büffeldeden (gegerbten Büffelhäuten) nach den weſtlichen Staaten gejhidt worden jind. In demjelben Zeitraum

die anderen um ihren verwundeten Gefährten. Abermals thut die Büchfe ihre Schuldigfeit, und die arme dumme Heerde ſchaart fich nur noch verivunderter um die leidenden Gefährten und fieht in thörichtem Staunen zu, wie ein

Bifon um den anderen wankt und fällt. Das Wild fteht jo nahe, daß jeder Schuß hinreicht, um ein Stüd zu töten, und die Zahl der Erlegten hängt nur von der Anzahl der Tiere in der Heerde oder von der Ausficht ab, ob die Jagdgeſellſchaft im Stande ift, fie alle zu ftreifen. sm Beginn diefes Häutehandels mar das Gemegel ein ſolch unbedachtes und leichtfinniges, daß man eine Menge Biſons verfaulen ließ, ohne einen Verfuch, ihnen

die Haut abzuziehen, weil e8 an Leuten dazu fehlte, Oberitleutnant Dodge erzählt, er habe felbit in einem Halbfreife von 200 m. Radius

112 Bifonfadaver gezählt,

welche ſämtlich durch einen einzigen Schüßen von derjelben Stelle aus niedergefchoffen worden feien, und zwar inner= halb drei Viertelitunden. Als man die erfte Metzelei auf gut Glück zu Gunften

haben verſchiedene

andere

Indianerſtämme

(al3 fie die

eines vrganifierten Syſtems aufgab, fand man es zivedmäßig, daß jede Jagdgefellichaft aus vier Perſonen beitehen

ihnen vom Himmel verliehenen Heerden jo ſchonungslos niedergemebelt werden ſahen) ſich bemüht, ſich jo viele

jollte: aus einem Jäger, um die Bifons zu fchießen, aus ziver Männern, um den erlegten Tieren die Haut abzu= ziehen, und einem vierten, welcher die friichen Häute auszufpannen, die Hut über das Lager und die Beforgung der Küche zu verfehen hatte. In Gegenden, wo die Jagd

Häute wie möglich zur Verfertigung von buffalo robes, Büffeldeden, zu fichern, fo daß man die Zahl der von diefen erlegten Bifons auch wieder auf 1,200,000 Stüde berechnen fann. Dies ergibt eine Gefamtfumme von nicht weniger als fünf und eine halbe Million Bifons,

ergiebiger war,

welche in der kurzen Friſt von drei Jahren

Ausland

wurden 1884, Nr. 50,

noch mehr Leute zum Abziehen

150

vernichtet

990

Die Ausrottung des amerifanifchen Bifon.

3



.

8

Ber

*

worden find — eine Menge, welche der Zahl des ges jamten Nindviehftandes des Deutfchen Reiches nahekommt. Während diefe jelbitfüchtige Vernichtung eines natio— nalen DVorrat3 von Nahrungsjtoff. vor fih ging, ſchwatzte

In gleichem Sinne äußert ſich auch die Zeitſchrift „Die Natur” (von Dr. Karl Müller in Halle) folgender: maßen: „Noch vor 40 Jahren waren befanntlich die Büffel in den weiten Territorien zwiſchen dem Miſſiſſippi und den

man im Kongreß viel von der Notivendigfeit einer Eins

Felfengebirgen auf Millionen zu ſchätzen. In gewiſſer Bezieh— ung wurden fie damit gleichjam die Pioniere des Menſchen

miſchung, ging aber nicht handelnd vor. Es wurde vor— gefchlagen, daß mindeftens diefe Näuber im großen am öffentlichen Eigentum hoch bejteuert werden, jo daß man

für die leichteften Uebergänge über Flüſſe und Gebirge zur Anlegung von Straßen und Eifenbahnen. Nocd vor

eine Abgabe von 20 Mark auf jedes Bifonfell legen und

15 Sahren belachte man die Befürchtungen der Indianer,

daß jede Haut, welche nicht den Negierungsitempel trage, fonfisziert werden ſollte. Auf diefe Weife würde der Handel mit Bifonfellen wenigſtens eine ergiebige Ein— nahmequelle geworden fein. Man ließ jedoch den Gegen: ſtand wieder fallen, und jo wurde das GStaatseigentum zum Monopol einer Anzahl von Abenteurern, und nur die Eiſenbahn-Geſellſchaften bezogen große Vorteile von der Fracht der zahllofen Bäde von Häuten. Inzwischen find, wie Dodge fagt, „ſehr viele von den wilden Indianern der Plains, ihres gewöhnlichen Unterhalts beraubt, durch

daß die Büffel bei den mafjenhaften Niedermeselungen ausgerottet werden müßten, als grundlos, und heute iſt

Hungersnot zur Verzweiflung

fluffes getreten, das Dajein des Indianers dem Schidjale

getrieben worden, weil die

bereits ein Zuftand eingetreten, welcher das ſchöne Tier (Bos americanus), das einjt die Prärien Nordamerifa’s jo zu fagen ſchwarz färbte, nur noch auf wenige verhält: nismäßig Fleine Heerden am Pecos-Fluſſe in Teras und im äußerjten Nordweſten beſchränkt, während es früher zu Zehntaufenden als unzählbare Maffe fie belebte. Infolge davon ift für den Indianer das mwejentliche Eriftenzmittel verſchwunden, der Hungertyphus an die Stelle des Ueber: verfallen.

Das alles haben die Eifenbahnen und die mit

Nationen von der Negterung ausblieben, und haben fich auf den Kriegspfad begeben.” Biele von denjenigen Stämmen, welche bisher gegen die Weißen freundlich ges ſinnt waren, haben fich den feindlichen Sioux angeſchloſſen. Weiße Männer leiden unter dem allgemeinen Mißftand

Tiere erhoben

und Mangel. Mander Fühne Pionier und Anftedler, welchem die Bifons feither immer einen guten Winter:

Staaten hat den Ausrottungsfrieg begünftigt, indem jte Jagdzüge zur Abſchlachtung der Tiere durch Kavallerie:

vorrat

von

Hülfsquelle

Fleiſch

beraubt

ihnen gelommenen

Taufende von

Naubjägern,

richtiger

Schlächtern, in fürzefter Zeit vollführt.” „Während diejer langen Zeit hat fich feine Stimme zur Verteidigung der

und felbjt die Regierung der Vereinigten

dieſer natürlichen

Esforten gegen die Angriffe der Indianer beſchützen ließ.

und beklagt fi) mit vollfommenem

Dieje Sagdpartien bejtanden meiſtens aus vornehmen eng: lichen Sportsmen und ihrem Anhange, die, mit den beiten Waffen ausgerüftet, in zwei bis drei Wochen jo viele Tiere zufammenfchoffen, als genügt haben mwürden, um alle Indianer-Stämme jener Öebietsteile während eines ganzen

lieferten,

ift nun

Recht über die jelbjtfüchtige Habgier, welche die Nahrungs: vorräte des Landes mutwillig verheert hat. Schon 1873 machte fich die Beraubung fehr fühlbar, als die Ernte in Kanfas durd ungeheure Heuſchrecken—

Schwärme zerftört worden war und die Negierung Truppen

langen Winters

ausfenden mußte, um Wild für die hungernden Familien der Anfiedler zu erlegen; als die Soldaten aber die Jagd— gründe erreichten, fanden fie, daß die Häutejäger ihnen zuborgefommen waren und faum noch einen Bifon in dem Bezirke übrig gelaffen hatten. So find die ungeheuren Heerden von den Großen Plans verſchwunden — zufammengefchmolzen wie Schnee vor der Sommerjonne. Der amerikanische Bifon tft ſchon heute ein beinahe ausgerottetes Tier, Die Thatfache, daß er noch nicht ganz vertilgt worden ift, rührt nur von der Bodenbeichaffenheit und dem Umftande her, daß in den abgelegenen Thälern und Niederungen und in Diftriften, welche von den Indianern forgfältig betvacht werden, noch einige Heerden fern von ihren natürlichen Standorten ein

zu ſehen, wer die meiften diefer harmlofen Tiere in einer

zeitweiliges Obdach finden, wo fie ſich nod auf einige

Die Indianer erhoben von Zeit zu Zeit ſchwache Proteſte gegen diefe Engros= Vernichtung ihres Hauptnahrungs:

weitere Jahre ihr Leben leidlich friften mögen — eine ärmlihe Handvoll Flüchtlinge, welche nur noch am Leben

zu ernähren.

Der Sport bejtand darin,

gewiſſen Zeit erlegen würde;

denn

die Yeichen blieben

liegen, wo fie fielen, zur Nahrung für die zahllofen Präriewölfe, Füchfe und Naubvögel. Bürffelfleifch wurde jo billig, daß es ſich für veguläre Jäger gar nicht mehr der Mühe verlohnte, das Tier des Fleifches halber zu er— legen, und felbjt die Häute wurden faum beachtet. Ein Schlächter mit einer Magazinbüchje und ſchweren Nevolvern bewaffnet, tödtete 75 bis 100 Stüd pro Tag und gab

10 bi8 12 Männern,

die feinem blutigen Pfade folgten,

genügende Arbeit, um die Häute abzuziehen. Taufende jolcher Mordgefellen waren auf diefe Weife jahraus jahr:

ein bejchäftigt, und vor ihren Mordwaffen fchmolzen die BDüffelbeerden dahin, wie der Schnee vor der Maifonne.

bleibt, um den Indianern und Amerikanern einer fünftigen

mittels, diejelben wurden aber abfichtlich ignoriert und die Maffenschlächterei wurde fortgefegt; wußte doch der

Öeneratton zu beweifen, daß die Erzählungen ihrer Vorfahren

weiße Mann,

on dieſem Tiere feine ganze Fabel und Erfindung waren.

Mann vernichtete.

daß er im Büffel

indireft auch den roten

Nachdem die Schlächterei

vorbei ift,

991

Die Tobas-Fudianer des Gran Chaco.

find jeßt Horden bejchäftigt, die gebleichten Knochen, Hörner

und

Hufe zu fammeln,

die mit 6 Dollars

per Tonne

(20 Zentner) bezahlt werden, und die Eifenbahnen, welche früher mit Büffelfleifh und Häuten beladen waren,

bringen nun ganze Züge, beladen mit den Ueberbleibſeln der im Uebermute abgefchlachteten Millionen von Büffeln. Die Bahnlinien find auf Hunderte von Meilen mit bleichenden Gerippen bejäet; denn wenn der Zug von eimer Büffelheerde aufgehalten wurde, jo daß derfelbe nur lang: jam durch eine ſolche fuhr, fo fprangen die Baffagiere mit

ihren Schießprügeln

herab und

fchoffen wild hinein in

die Mafjen der durch die Pfeife der Lokomotive und den ungewohnten Anblid bejtürzten Tiere, und die getöteten

blieben natürlich liegen.” „Ein Kulturbild im Zeitalter der Tierſchutz- und Anti-Vivifeftiong-Bereine, wie es nicht drajtifcher fein Fünnte! Es wird um fo fürchterficher, wenn man bebenft, daß das gleiche Schidjal aud das übrige Wild bedroht, namentlich die Elche und Hirſche, welche an vielen Stellen ebenfo ausgerottet find oder aus: gerottet werden, wie die Büffel. Das Ganze ift, mild gejagt, eine furchtbare Satyre auf die „ſtrengen“ Jagd: Gefege, welche doch die meisten amerifanifchen Staaten lich gaben, um das Wild zu fhonen. In den Vereinigten Staaten tröftet man fich freilich mit der Perfpeftive, daß in Zufunft Millionen anderer Rinder die Stelle der Büffel

einnehmen tverden, fobald die Kultur über die fämtlichen Prärien fortgefchritten jei. Wann jedoch diefe Zukunft einmal erjcheinen dürfte, danach wird nicht gefragt. Hier liegt eben fein menfchliher Kampf um das Dafein vor, welcher die Notwendigkeit der Vertilgung vechtfertigte, jondern reiner Mutwille, und felbiger ift um fo ftrafbarer,

als es bigotte Anglifaner waren, welche im Wahnfinne ihres Sportes handelten, wie wir es im Vorftehenden er: fuhren. Es liegt ein feltfamer Widerſpruch in dem Ge: müte diefer anglifanifchen Raſſe, welche bei aller fonftigen

Begabung und Energie doch mit einem Leichtfinne gegen Wald und Wild wütet, als ob fie fich noch in den Kinder:

ſchuhen der Kultur befände,”

KM.

unzierliche, an der Spitze breit auslaufende Naſe und der große Mund ſtimmen mit dem Typus der ackerbautreiben— den bolivianiſchen Indianer überein. Die Beſchäftigung

der Tobas beſchränkt ſich auf die Jagd und den Fiſchfang. Sie tätowieren ſich das Geſicht, die Bruſt und die Arme mit ſchwarzer Farbe, die ſie dadurch herſtellen, daß ſie Maisſtroh verkohlen laſſen. Die Tätowierung iſt elegant. In den Ohren tragen ſie dicke Holzſcheiben. Sie ſind ſehr faul und treiben keinerlei Art von Ackerbau; ihre Hände ſind jo zart, daß die Beſchäftigung mit der Art, mit welcher fie nicht umzugehen wiſſen, auf der Handfläche fchnell Blafen erzeugt. Die Frauen find ftarf und haben fein unangenehmes Aeußere. Die Kleidung beider Gefchlechter beiteht aus Ponchos, einem wollenen Hüfttucd oder Schaf: pelz. Bielweiberei kommt bei ihnen nicht vor; fie haben einen ſtark entwidelten Sinn für die Familie und ehren das Alter. Wenn ein neuer Krieg beichloffen tft, verläßt die Indianerin, welche den Tanz und die Gefänge anzu: führen hat, fingend den „Rancho“, alle anderen Weiber des Stammes jchliefen ſich ihr an und alle feindlichen Trophäen, wie Schädel, Sfalpe u. S. tv. werden zur Schau getragen. Dann fommen die Gefänge, welche eher wüten— dem Geſchrei zu vergleichen find: die Weiber ſtoßen Droh— ungen aus, ſchleudern alle dieſe Gegenjtände in die Höhe und feiern die Männer an, tapfer zu fein. Die Männer legen ihre aus Jaguarfell angefertigten panzerartigen Koller an, bemalen fih das Geficht und den Körper mit Kohle, be: waffnen fi) mit Pfeil und Bogen, Yanzen, der Makana oder Keule und beginnen das Scheingefecht. Sie find be— hende wie die Affen und ausgezeichnete Reiter, Mit einem Meſſer machen fie fih lange Schnitte in die Waden und, in der Sonne ruhend, ziehen ſie ein ſpitziges Ziegenhorn durch die Schenfelhaut, ebenjofehr um zu zeigen, daß fte gegen den Schmerz unempfindlich find, al3 um einen Geiſt anzurufen, den fie „Paillak* nennen. Die Öefangenen werden den Weibern übergeben, welche fie oft vor den Mißhandlungen der betrunfenen Tobas beſchützen.

Das Getränke der Tobas iſt das Erzeugnis der Gähr— ung

der Körner

des Mistol,

des Chanar, oder des Al-

garrho (Algarrobo?),

Die Tobas-Indianer des Gran Chato. Bon Chriftian

Nuſſer

in Bafel.

Der Neifende Thouar, der nächſtens im „Tour du monde* feine Reiſe veröffentlichen wird, welche die Er: forſchung des Pilcomayo zum Ziel hatte, ſchildert Die Tobas, unter deren Händen der unerfchrodene Dr. Grevaur

Die Frauen trinken nie von diefen, Chicha genanne ten Getränfe, und in jedem Stamme gibt es immer einen Toba, der nie trinkt. und deſſen Amt es iſt, die Streitig-

feiten auszugleichen. Sie ftellen fi) vor, daß es zwei Geifter gibt: einen

den Geftalt; feine Haltung iſt würdevoll; lange, jchlichte ſchwarze Haare umwahmen das Geficht, die Farbe it rot:

Geiſt des Guten und einen Geiſt des Böſen. Neligiöfe Anſchauungen haben fie feine, und unter dem Namen des Paillak verjtehen fie den Geiſt der Toten. Die Tobas find dem Spiele fehr ergeben. Sie haben ein Spiel mit Kugeln, das dem Grodetjpiel ziemlich ähn— lich iſt. Man fpielt es vom Juni bis Ende Auguft, von

braun.

Sonnenaufgang

den Tod fand, folgendermaßen: Der Toba tft ſtark, mus— fulös, groß, von einer die Durchſchnittsgröße überragen:

Die niedrige Stirn, die etwas

fchiefe Stellung

der Augen, ſehr hervorjtehende Backenknochen, eine ſtarke,

bis Sonnenuntergang.

Der Einſatz be: jteht in einem Pferd oder in einem Schaf. Vom Januar

Kapitän Brandon Kirby's Neije in das Innere von Aſchanti.

992 bis März

fpielen

fie an

Stabfpiel, ehueariti.

den

Ufern des Pilcomayo ein

Sonft jagen oder fiſchen fie. Sie

find ausgezeichnete Fifcher. Ich ſah fie in den vom Padre Patino im Jahre 1721 beobachteten Stromfchnellen Fiſche verfolgen und fie ſchwimmend vermittelt eines kleinen Netes fangen. Die Weiber find unter fich jehr eiferfüchtig. Unter dem geringften Vorwand geraten fie aneinander. Sie vereinigen fich mit ihren Anhängerinnen in zwei ges trennten Saufen. Stumm und falt wohnen die Männer diefen oft mörderiſchen Kämpfen bei. Mittelft ihrer, mit ſehr ſpitzen Fiſchknochen bewehrten Handgelenfe, bearbeiten ſie ſich wütend die Bruſt. Nachdem ſie ſich oft während fünf Minuten durch Geſchrei und Beſchimpfungen heraus— gefordert haben, kämpfen ſie ſo alle Tage, bis ſie erliegen — beſonders wenn Eiferſucht dabei im Spiele iſt. Auf die Zuchtwahl wird bei ihnen ſehr geſehen; des— halb iſt die Raſſe ſehr ſtark und gut ausgebildet. Sie ſind Nomaden. Ihre Hütten verfertigen ſie in Kegelform aus Baumzweigen. Die Thüröffnungen ſind ſchmal und niedrig. Die Tobas ſind tapfer, rachſüchtig, ungeſtüm, heftig und ſehr empfindlich; wenn aber ihr Zorn verflogen iſt, ſind ſie ſehr ſanft und heiter. Sie flechten Netze und weben Koller. Ihre Stärke iſt herkuliſch und ſie ſchlagen ſich

Reiches Aſchanti gemacht habe. Obwohl fchon viele Weiße vor mir Kumaſſie und dejjen öftliche und mejtliche

Umgebung bejucht haben, bin ich Doc) meines Wiffens der erjte Weihe, welcher das Yand unmittelbar nördlich von Kumaffie durch Coranza hindurch pafliert und in diefem Bezirk die füdlichen Grenzen jener binnenländischen Völker: Ihaften erreicht hat, welche bisher von dem Verkehr mit der Meeresfüfte durch die früher unüberfchreitbare Schranfe der Aſchanti-Herrſchaft abgeiperrt waren. Ich muß hier anführen, daß meine erjte Befanntichaft mit Weitafrifa vom Jahre 1881 datiert, wo ich von dem

angedrohten Aſchantikrieg hörte und in fürzefter Zeit als Freiwilliger unter die Polizeimacht der Goldküſte ging und

mich nad) Elmina begab, um

zum Stab Sr. Exc. Sir

Samuel Rowe's zu jtoßen.

Wir landeten in Elmina

am 4. März 1881 und in

furzer Zeit war die ganze Schwierigkeit mit den Ajchanti

erledigt.

Die goldene Streitart, das Sinnbild des Krieges,

welche zubor mit einer höchſt Friegerifchen Botjchaft nad)

der Küſte gejchidt worden, war nun nebjt ungefähr 6000 Pf, St. in Gold, begleitet von einer Entſchuldigung von Seite des Königs von Aſchanti, nah Haufe gejchict worden, Sechs Wochen nad) meiner Yandung ſah ich mich als eines der wenigen zurüdbleibenden Glieder vom Stabe

mit der größten Todesverachtung.

Sr. Excellenz; die übrigen waren alle heimgefehrt, fobald

Wenn ein Sterbender in den letzten Zügen liegt, ſchaffen ſie ihn hinaus und tragen ihn bis zu der zur Beerdigung beſtimmten Stelle; dann begraben ſie ihn noch lebend oder ſchlagen ihn vorher noch mit ihren Keulen tot. Wenn eine Toba-Indianerin ſtirbt, welche Kinder hat, die noch nicht entwöhnt find, jo werden diefe vom Manne mit ihr begraben. Für den Toba bat fein Weib nur injoweit Wert, als er eine Sklavin in ihr erblidt, die er demgemäß behandelt, ohne fie jedoch zu mißhandeln, was er als eine Feigheit anſehen würde; es ift im Öegenteil oft die Frau, welche ihren Mann befchimpft, jelbit Schlägt; wenn es ihm zuviel wird, gibt er ihr, ungeduldig und wütend, einen

die Schwierigfeiten beigelegt worden waren. Hierauf be— Juchte ich beinahe das ganze Land innerhalb des Pro— teftorats und ging von Prahſue, welches die Grenze des Protektorats bezeichnet, über Aſſin und das öjtliche und weitlihe Akim nah Akkra, befuchte fpäter den Diftrikt Bolta und begab mich dann im Mai 1882 nad Haufe. Im Dezember desfelben Jahres Fehrte ich wieder nach der Weſtküſte Afrikas zurüd und begleitete im April 1883 den

Kapitän Barrow auf feiner Miffion nah Kumaſſie, wobei ih ungefähr fünf Wochen in diefer Stadt lebte. Während diefer Zeit befuchte ich den Exkönig Koffi Kalkali, welcher mir erzählte, er habe zwar Weiße zu Kriegsgefangenen gemacht und gegen weiße Soldaten gekämpft, aber ich jei

Streich mit der Keule oder der Lanze und tötet fie. Der

der erjte Weiße,

Toba vergießt bloß Thränen, wenn er beraufcht ift; dann erinnert er fich, daß er dieſen oder jenen Verwandten oder Freund verloren bat und beichließt ihn zu rächen. Diefer Augenblick iſt ſchrecklich.

Rowes' Befehl zu einer zweiten Neife nach dem Aſchanti— Reich auf und im Verlaufe diefer Sendung gelang es mir, bis zu deſſen äußerſter nördlichen Grenze vorzudringen.

Anfang

mit

welchem

er gejprochen habe.

Zu

des Jahres 1884 brach ih auf Sir Samuel

Während meines furzen Aufenthaltes in Weftafrifa waren

Kapitün Brandon Kirby's Keiſe in das Innere von Aſchanli. Nach ſeinem Vortrage

in der Abendverſammlung

Geographiſchen Geſellſchaft

der

Königlichen

inLondon, am 23. Juni 1884.1

Ich gebe nachſtehend die kurze Schilderung einer Reiſe, welche ich kürzlich nach den nördlichen Grenzen des früheren N Vergleiche den Aufſatz über den Stand der geographiſchen Forſchung in unferer Nr. 45, ©. 882,

mit dem Königreich Afchanti einige ſehr bedeutende Ver— änderungen vor fich gegangen und im Sabre 1883 war

von dort anjtatt einer goldenen Streitart eine Botſchaft an Se. Ercellenz abgegangen mit der Bitte, demfelben bei der Unterdrüdung

eines

Bürgerfrieges

in Aſchanti

be—

hülflich zu fein, und er erfuchte den Gouverneur, fein Urteil zu gunjten Kandidaten baten Sir und ihre

des einen oder des andern der rivalifierenden abzugeben, Die AjchantisHäuptlinge dagegen Samuel, einen Durbar in Prahfue abzuhalten rivalifierenden Anfprüche anzuhören, und es

Kapitän Brandon Kirby’s Reife in das Junere von Afchanti,

bildete einen Teil meiner Miffion, die Jämtlichen bedeuten: deren Städte von Afchanti zu befuhen und alle mögliche Auskunft zu jammeln, welche nur für den Gouverneur bon Nußen fein fonnten, Seit die Vermittlung Sr. Excellenz den Frieden wieder herſtellte, ſcheint Kumaſſie auf dem beſten Wege zu

ſein, teilweiſe wieder zu ſeinem früheren Wohlſtand zurück—

zukehren.

Die

Straßen

und

hauptſächlichſten

Paläſte,

welche während des jüngſten Bürgerkrieges gelitten hatten, werden raſch wieder aufgebaut, allein ich glaube nicht, daß Aſchanti als Macht wieder ſeinen früheren Einfluß auf die umgebenden Stämme erlangen dürfte, obwohl auf eine Entfernung von etwa 50 MI. um Kumaffie des Achantifönigs Wort Geſetz fein wird. Quaco Duah, der

neue König, erklärte mir, er habe nad) dem Rate des

britifhen Gouverneurs und ebenfo der Meißen gehandelt und alle Menfchenopfer abgefchafft. ftätigte auch die Abtvefenheit aller Aasvögel um und feine Vorftädte herum, während bei meiner

Anweſenheit

diefer Ort buchſtäblich

Königin Dies be: Kumaſſie früheren

von ſolchen Vögeln

wimmelte.

Man findet noch immer Gold in kleinen Mengen in den

Straßen

von

Kumaſſie,

da es

aber oberflächliches

Gold iſt, ſo wird es nur während der Regenzeit gewonnen. Alles in Kumaſſie gefundene Gold zahlt eine Abgabe von 50%. Das als Steuer erhobene Gold wird dem fünig: lichen Goldſchmied überwieſen, welcher es zu den Regalien

des Landes

verarbeitet.

Die

goldenen

Zierraten

und

Schmuckgegenſtände werden alle gegoſſen, indem man zuerſt ein Wachsmodell von ihnen macht und dann eine Thonform davon abnimmt. Der Bergbau auf Gold in Aſchanti be—

ſchränkt ſich eigentlich und

Inquanta,

nur

und der

auf die Provinzen Dadiaſſie goldführende Erzgang,

durch dieſelben ſtreift, ſcheint eine Fortſetzung

welcher

des Erz:

ganges zu ſein, welcher bei Kibbi, im öſtlichen Akim, be—

ginnt, in weſtlicher Richtung durch das weſtliche Akim ſtreicht und bei Amantia ins Aſchanti eintritt, wo der Bergbau auf Gold in Aſchanti erſt beginnt.

Dieſer Erz—

gang ſtreicht dann weiter durch Dadiaſſie, ſetzt ſich durch einen Teil des Aſchanti-Landes bei Fomenah, der Haupt— ſtadt, fort, ſtreicht dann

ſüdlich

und

von da durch In—

quanta und ſo bis in das Land Targuah, welches dann wieder unter dem britiſchen Protektorat ſteht. In Bowditch's Werk über Aſchanti wird angegeben, der König und die Häuptlinge tragen lederne Stiefel und Kleidung. Obwohl ich ſelbſt während meiner Beſuche in Kumaſſie hievon nie etwas geſehen habe, ſo ſtimmen Bowditch's Angaben doch ganz mit den Lederwaren über— ein, welche inQuantampoh (Kontampo) zum Verkauf aus— geboten werden. Da Kumaſſie in früherer Zeit imſtande war, alle Straßen nach dem Innern zu beherrſchen, ſo

war es immer in der Lage, ſich einen reichlichen Vorrat an derartigen Artikeln zu verſchaffen. Unter den neuen Handelszweigen, welche in Aſchanti

995

aufblühen. iſt der Handel mit Kautſchuk von beſonderer Bedeutung. Der Wald von Adanſi nach Kumaſſie und von da in nordweſtlicher Richtung weiter nach Mampong wimmelt von den Schlingpflanzen, welche den Kautſchuk liefern. Dieſer ganze Erwerbszweig iſt dermalen in den Händen von Eingeborenen aus dem Protektorat. Erſt 80 bis 100 e. Ml. nördlich von Kumaſſie betritt man das erſte offene Gelände, worunter ich verſtehe, daß

man

die dichte Dſchungel zurückgelegt hat, welche in der

Nähe der Küſte beginnt und weſtwärts hundert Meilen weit über Kumaſſie hinausreicht, und daß man nun eine Gegend mit ſehr langem Gras und wenigen verfrüppelten, in unregelmäßigen Zwifchenräumen auseinander ftehenden

Bäumen

betritt, welche auffallend einem Obftgarten im

Winter gleichen. Während meiner Neife nad Norden hatten diefe Bäume ein ganz verfümmertes Ausfehen; feiner derfelben war mehr belaubt und die Stämme er: ſchienen jehr ftarf verfohlt von dem fortwährenden Ab: brennen des Grafes um fie herum. Bei meiner Rückreiſe einige Wochen fpäter hatten fie aber alle frifch ausgefchlagen und ftanden im Schmud junger Blätter. Sobald man den dichten Buſchwald verläßt, wird der Boden fofort jandig und alle Lehmhütten hören auf und die Behaus jungen der Eingeborenen find die bienenforbförmigen kreis—

runden Orashütten, bei welchen ein Loch zum Hineinkriechen die Stelle von Thür und Fenftern vertritt. Duantampoh liegt ungefähr 80 e. MI. nordöſtlich von Kumaſſie, inmitten einer weiten fandigen Ebene, auf welcher im Umkreis von mehreren Meilen jede Spur von Wald ausgerodet ift. Die fehhafte Einwohnerfchaft von Duantampoh mag ungefähr 15,000 Seelen betragen, die Zahl der durchreifenden Händler ungefähr 25,000, was die Geſamtzahl der Bevölferung auf ungefähr 40,000 Seelen bringen wird. Duantampoh war in früheren Zeiten einer der hauptfächlichiten, two nicht der bedeu— tendfte Markt für Elfenbein in diefem Teil von Afrika, allein der Elfenbeinhandel it infolge der fortwährenden Kriege in Aſchanti und den Nachbarländern und ebenfo

infolge der Abjperrung der an die Meeresküfte führenden Straßen und der ſchweren Zölle, welche auf alle durd) Aſchanti paffierenden Waren gelegt waren, vertrieben worden und hat fi) andere Wege gefucht.

Während meines Aufenthalts in Quantampoh langten verſchiedene Karawanen an, z. B. ſolche aus Timbuktu durch das Land Moſchi und ebenſo ſolche von Mandingos aus dem Hinterlande von Sierra Leone; fie brachten Handels—

artifel europätfchen Fabrikats, nämlich Baumwollenzeuge, Mefjer, Zwirn u. ſ. w. Die Karawanen nehmen große Mengen von KolaNüfjen aus Quantampoh mit. Die einzigen Gebäude aus Lehm find die Moscheen und die Häufer der bedeutenderen Häuptlinge. Der Lehm

zur Erbauung derfelben wird aus größerer Entfernung her: beigeholt. Auf der Reife von Kumaffie nah Duantampoh find nur drei Heine

Flüffe zu paffieren,

welche ſämtlich

394

Kapitän Brandon Kirby's Reife in das Innere von Aſchanti.

in öftliher Nichtung verlaufen und von denen feiner über vier Fuß tief ift. Man betet in Duantampoh jeden Tag zweimal, Kurz nad dem Morgengebet findet das Schlachten jtatt, um den Tagesbevarf an Fleifch zu befommen. Das Rind: vieh in diefem Landesteile gleicht ganz demjenigen, welches man am Gambia und in Sierra Leone fiebt, hat ebenfalls einen Höcder auf dem Nüden, ift aber größer als das— jenige an den beiden genannten Orten und bejchräntt ſich auch nicht auf eine einzige Jarbe, wie das aus dem Susfu: Lande kommende. Goranza ift der legte Ort, two man noch imftande ift, irgend einen Gebrauch von engliſchem Gelde zu machen, und das Agio für die Umwechslung des— jelben ift bier jehr hoch, denn man erhält faum 12 1, Schillinge für das Pfund Sterling. Bon hier an find Kaurimufcheln die einzige gangbare Münze. Die haupt: jächlichiten bier auf dem Markte ausgebotenen Waren find franzöfifche, welche durch das Zaman-Land hieher fommen. Während meines Aufenthaltes in Quantampoh bes merkte ich auch die Thatfache, daß diefer Markt für den

Einfauf von Sklaven fehr günftig und befucht ift. Gleich: wohl ſah ich während meines Verweilens in der Stadt feine Sklaven offen zum Verkauf ausgeboten; wenn ic) jedoch bisweilen zufällig in die Höfe von einigen der ans gefebeneren Häuptlinge Fam, fand ich hier eine Anzahl männlicher und weiblicher Sklaven in Trupps von je un— gefähr zwölf zufammengefettet, welche Käufer erwarteten. Diefe Sklaven famen alle aus dem Diten von Quantampoh und aus anderen noch tiefer im Binnenlande liegenden Gegenden; fie werden vorzugsweife von den nad) Norden gehenden Karawanen aufgekauft und der durchfchnittliche Preis eines ftarfen und gefunden Sklaven ſchwankt zwischen 2 und 3 Pf. St,

Bei einer Gelegenheit, als ich Morgens bei Tages: anbruc durch die Stadt ging, begegnete ich einem Trupp jolher Sklaven, welche dDavongeführt wurden. Ste zogen nach afrikanischer Sitte im Gänfemarfch, einer hinter dem

Eingeborenen oder Europäer von der Küſte aus nordwärts durch Kumaſſie oder von Norden her durch Kumaſſie nach

der Hüfte vorzudringen.

Es lag daher klar am Tage, daß

wenn der Handel der Kolonie gedeihen und der Ariede gefichert werden follte, man notgedrungen einige Maßregeln

treffen mußte,

um

die Kolonie unabhängig von Aſchanti

zu machen. Ms Gouverneur der weftafrifanischen Nieder lafjungen habe er daher feine Bemühungen dahin gerichtet, die Leute aus den binnenländifchen Gebieten zu veran— laffen, daß fie ihre Karawanen bis nad) Freetown herabbringen, und dies fer ihm fo weit gelungen, dat Karawanen

von Dingarawa und Bolia und Segu und Bamaku nad) Freetown gekommen feien. Die britiihe Autorität zu Sierra Leone erjtredte ſich nur eine furze Strede land— einwärts, allein die franzöfischen Poſten am Senegal waren fo weit ing innere vorgetrieben worden, bis fie nun an den Schiffbaren Teil des nördlichen Nigerlaufs veichten, Nach der Expedition Lord Wolfeley’3 ſei Dr. Gouldsbury

im Sabre 1876 unter der Statthalterichaft von Sir George Strahan durch Kumaſſie nach Salagha gereift, und ſeit er (Sir ©. Rowe) zuerft das Goupernement der Kolonie im Sabre 1881 übernommen, babe er fonfequent Die Politik verfolgt, die Herftellung von Verbindungen mit den jenfeit Aſchanti liegenden Dijtrikten des Inneren zu versuchen, Kapitän Lonsdale fei 1881 und 1882 bis nach Yendi im Nordoſten und bis nad) Buntafu in Nord:

weſten vorgedrungen, und dem Stapitän Kirby fer geitattet worden, durch Kumaſſie bis an die fernfte nördliche Grenze

von Aſchanti vorzudringen, two er in Quantampobh, auf der äußerſten Grenze des Diftrikts Coranza, eine Abteilung der Karawane getroffen habe, welche einerjeitS aus Tim: buftu und amdererfeit3 von Sakatu (Sofotoo) herunter:

fommt. Man habe längjt gewußt, daß derartige Kara— wanen öftlih und weſtlich längs der nördlichen Grenzen von Aſchanti vorüberfommen. Von Safatu aus pajlieren die Karawanen über den Tſchad-See nad) Oſten und auf diefem Karawanenwege verfehre ſtets ein großer Strom

andern, und waren zufammengefeffelt; jeder trug eine Lait. Die Begegnung mit mir fchien ihre Hüter einigermaßen

von Reisenden, weil mohammedanifche Pilger in ziemlicher

zu verblüffen und fie wurden fo raſch wie möglich vor— über getrieben. — ,„ Nad) diefem Vortrag äußerte fih Sir Samuel Rowe erläuternd: ein wichtiger Teil feiner Pflichten an der Gold— füfte fer der Berfucdh, unter den Eingeborenen Frieden zu jtiften und den Handel zu befördern. Früher habe fich die Macht von Aſchanti noch über die britifchen Befißungen zu beiden Seiten erjtredt und jo weit ins Innere hinein ausgedehnt, daß Aſchanti noch Tribut von Drten bezogen habe, welche über 200 e. MI. jenfeit feiner Yandesgrenzen gelegen geweſen feien. Ajchanti habe den Zugang von der Goldfüfte aus nad) dem Innern vollitändig abgefperrt und den Handel von den umliegenden Ländern aus ges gezwungen, feinen Weg über Kumafjte zu nehmen. So lange die Aſchanti die Wacht hatten, gejtatteten fie feinem

von

Menge

fih nad

Mekka

zwei Karawanen,

Straße zwischen Marokko

Thatſache, daß Kapitän

begeben.

Er wiſſe mindeitens

welche jährlich auf der weſtlichen und Timbuftu verkehren.

Die

Kirby europäische Waren unter

den Vorräten der Karawane angetroffen habe, welche von Norden nad) Duantampoh komme, beweiſe, daß wenn man einen freien Zugang von der Küfte nach diefen Kara: wanen herſtellen fönnte, ein lebhafter Gefchäftsverfehr zu erzielen fein würde. Erglaube, daß man die Verbindung zwischen der Meeresküfte der Kolonie und jenen Handels: ftraßen im Binnenlande jehr ermutigen müffe, denn er jet

überzeugt, dab das Ergebnis

von

großem

Vorteil für

den britifhen Handel fein würde. (Ein jehr wichtiger Fingerzeig für unfere deutsche Handelspolitit und unfere: Niederlafjungen an der mweitafrifanischen Küjte!)

|

Die Gewinnung des Mahagoniholzes.

Die Gewinnung des Mahngoniholzes. Die Ausbeutung Amerika

und

zu bahnen, allein es muß in der Nähe des Schlags ein Fluß fein, denn über zivei Meilen hinaus ift eine Aus-

der reichen Urwälder von Zentral

namentlich die Gewinnung des Mahagoni-

bolzes, welche noch auf fo barbarifche Weife gefchieht, wird in einem Aufſatze in „Tour du monde“, in Defire Charnay’s Schilderung feiner Neife in Yucatan und im Lande der Lacandons in einer Weife gefchildert, welche auch mancher unferer Lefer zu erfahren begierig fein dürfte, und mir geben fie daber nachjtehend:

Die Geihichte eines Mahagoniblockes verlohnt der Schilderung und fann meines Bedenkens den Yejer inter eſſieren. Aber nicht der erſte beſte vermöchte eine folche Ausbeutung zu unternehmen, denn fie erfordert bedeutende

Mittel

und eine volljftändige Kenntnis

von Land

und

Leuten. Wie viele haben fich ſchon, verführt durch den Köder der vor ihnen erzielten Getwinne, aus Mangel an

Erfahrung

ruiniert!

Das Mahagoni

foftet nichts;

die

Bäume jind zahlreich vorhanden, aufrecht wie die Tannen, riefig und prächtig. Der Staat legt nur eine Abgabe von 5 Franken auf den Stamm; man braudt fie nur zu nehmen; aber darin eben bejteht die Aufgabe. Es handelt fihb vor allem darum, die neuen Orte zu ermitteln, mo

die Mahagonibäume in Menge vorhanden find. Zu diejem Zweck bat der Kaufmann feine Unteragenten, die ſo— genannten monteros,

Der Montero

iſt ein energifcher,

für das wilde Leben in den Wäldern gefchaffener Menſch, der an Strapazen

und Entbehrungen

aller Art gewöhnt

it; begleitet von zivei Indianern und einem mit Prodiant beladenen Maultiere, bricht er auf, bewaffnet mit feiner Alinte und jeinem Revolver, welche er nicht jo ſehr zu jeiner Verteidigung als zur Jagd führt, denn wenn feine Lebensmittel erichöpft find, wird er für den Unterhalt von dreien zu jorgen haben. Er verläßt die begangenen Pfade, um fich in das Herz des Waldes zu begeben, und bahnt fi) mit dem Faſchinenmeſſer einen engen Pfad, welcher ſich wieder hinter ihm ſchließt. Er bleibt zuweilen zwei bis drei Monate in jenen unerforichten Cinöden, baut fid) jeden Abend ein Obdach gegen die gewaltigen Sturzregen, verteidigt fein Leben gegen die wilden Tiere

und durchirrt den ganzen Tag die fieberfchwangeren, feuchten Niederungen auf der Suche nad) dem wertvollen Holz; er zählt die Bäume, bezeichnet fie und gibt deren Zahl bei feiner Nüdfehr dem Vormann

an,

Er hat die

Dertlichkeiten ftudiert, fich von allen Schwierigkeiten Nechenichaft gegeben und die Koften des Hintvegführens ungefähr berechnet,

denn

er kann nicht alle diefe Bäume nehmen.

Gr bat auf feinen langen Wanderungen allerdings eine Menge prachtvoller Bäume gefunden, jo daß er das goldene Vließ gefunden hätte, wenn er im Stande wäre, diejen Reichtum auszubeuten; aber es gibt feine Wege, ein un: ebenes Gelände,

einen

furdtbar

995

dichten Pilanzenwuchs,

taufenderlei Hinderniffe, welche er bejiegen muß, um den Schaß zu heben. Den Weg vermag er fich zwar mohl

beutung unmöglich, weil fie zu foftbar wäre.

Der Fluß

muß jein Verkehrsmittel, jein Kärrner fein, welcher von jeinem Oberlauf an durch alle Hinderniffe, Abftürze, StromIhnellen und Wafjerfälle allein die foftbaren Klötze bis

an die Meeresküſte ſchaffen kann. Iſt einmal das Terrain gefunden, fo begibt ſich ein verpflichteter Feldmefjer an Ort und Stelle, um die Grenzen zu bejtimmen, und nun erſt fünnen die Holzhauer an ihr Geſchäft gehen. Aber zuvor muß man diefe Holzfäller haben, die Arbeiter find felten, find alle engagiert, d. b. durd Schulden an ihren Brotherrn gebunden; denn ohne diefes don altem Brauch gebeiligte Syſtem fünnten die Unternehmer feinen Mann in ihrem Dienfte halten. Stedt aber der Indianer einmal in Schulden, fo wird er der Xeibeigene des Unternehmers, und da er fchwac iſt und gern trinkt, jo jtürzt er fih immer aufs Neue in Schulden und fieht fich auf ewig zur Zwangsarbeit verurteilt. Stirbt er, jo erbt der Sohn die Schuld des Vaters und übernimmt feine Stelle; dies war das alte Gefeß der Mayas. Ohne diefes Gefeß und troß der hohen Löhne gäbe es fein Mahagoni, und mir würden in tannenen Bettjtellen jchlafen, was für mich wenigitens fein Unglüd wäre. Da der Indianer feinen Heren nicht verlafjen fann, ohne jeine Schuld zu bezahlen, jo bezahlt fie der Unter: nehmer, und jeder Indianer fojtet auf diefe Weife zwei—, drei und fogar fünftaufend Franken, und da man zu einem folchen Unternehmen manchmal zwei= bi dreibundert Menjchen bedarf, jo kann man darnad) das nöthige Betriebsfapital berechnen. Sind die Arbeiter beifammen, jo werden fie von dem Montero an den erfundeten Ort geführt; bier, mitten im Walde, 30, 40 bis 60 e. Ml. von jeder menschlichen Wohnung, errichtet man Nanchos, und man muß Züge von Zufuhren einrichten, welche unaufhörlich einander folgen, um die neue Kolonie mit Werkzeugen und Lebensmitteln zu ver: jehen. Das iſt aber nicht alles: die Bäume werden gefällt, ihres Splints entfleidet, vierfantig zugehauen und in Klötze zerfägt; das Material häuft fih an, aber der Fluß ift weit und die Mahagoniklötze liegen weit auseinander. Man muß für jeden derjelben einen Weg bahnen, damit fie von Ochſen an das Flußufer geichafft werden. Die Ochſen find aber in der Provinz noch feltener als die Menſchen; man muß fie daher von der anderen Seite der Gordillere, von den Ebenen von Chiapas, aus einer Entfernung von 150 MI. holen. Sie find dort nicht teuer, und um 20 Biafter (100 Franken) befommt man ein jchönes Tier; allein die Entfernung, die Schwierigfeiten des Wegs, die dürftige Aefung unterwegs veduziert die Herde um

drei Vierteile; der Wald

wird mit Kadavern beſäet und

die Heine Zahl von Ochfen, welche den Ort des Holzjchlags erreichen, wird in einem kläglichen Zuſtande fein und

jeder auf mehr als 400 Franken zu jtehen fommen,

Auch

Die Kohlenlager Borneo's.

996

bier fterben noch viele Ochfen, von der Arbeit und der Ichlechten Nahrung bingerafft, denn man hat für fie Fein anderes Futter als Baumblätter, ramon. Häufig führen auch die nach friſchem Fleifche hungernden Indianer ab»

fichtlih

Unfälle herbei, um

die verwundeten

Tiere

zu

Ihlachten und zu verzehren. Man bedarf fortwährend neuer Tiere, und der Mahagoniblod beginnt fehr teuer zu werden. Endlich aber gelangt der Klotz an das Ufer des Fluſſes, wo man ihn auf allen Seiten mit einem ein— gehauenen Zeichen verſieht und von den hohen Uferlehnen

herab

ins Waſſer rollt.

Beim nächſten Anſchwellen des

Fluſſes wird ihn das Waſſer fortführen, und wenn er dann zufällig in einer Bucht oder auf einem Felſen ftrandet, jo wird er Schon im folgenden Sabre wieder flott werden. Um die Zeit der Hochgewäſſer begeben fich die Indianer von Tenofique auf ihren leichten Kähnen an die Ein: mündung des Ujumacinta in die Boca del Rio, um die Mahagoniblöde zu erwarten, welche der Fluß zu Hunderten ausſpeit. Sie bejorgen das Auffangen der Blöde, befommen

für jeden aufgefangenen Klotz 21/; Franken und entfalten nun den glühenditen Wetteifer, wer die meiften Blöde berge. Da jeder Kloß jein eingehauenes Zeichen trägt, fo Haffifizteven fie diefelben nad) den Eigentümern, vereinigen diefelben in Flöße oder jogenannte „Schollen“ und bringen fie nach dem Dorfe zurüd, Diefen Aufwand an Geld, Arbeit und Gefahren verurfadht die Gewinnung des Mahagoniholzes, nicht zu gedenken der Viehfeuchen, welche die Ochſen hinraffen, der verheerenden Fieber, welche die Arbeiter deeimieren, und des Montero, welcher oft das Betriebsfapital verfpielt oder auf eine thörichte oder mutwillige Art verſchwendet. Woraus für den Europäer die

Moral zu ziehen, ſich niemals auf diefes Glücsfpiel der Mahagoniholz-Gewinnung

einzulaffen. (Mouv,

geogr.)

Nord-Borneo

bloß eine einzige kleine Kohlengrube

in

Vengaron (Süd-Borneo), melde im Beſitze der indifchen Regierung fich befindet, jedoch bloß mit einem jährlichen Defizit arbeitet, weshalb auch in jüngiter Zeit befchlofien wurde, fie gänzlich aufzulafjen, eventuell an Private zu verpachten.

Was

über das Kohlenvorkommen bisher in Borneo

bekannt iſt, will ich einzeln der Reihe nach — den ver— ſchiedenen Landesteilen gemäß — betrachten, muß jedoch erſt einige allgemeine Bemerkungen vorausſchicken und das geologiſche Vorkommen für alle einzelnen Vorkommniſſe zuſammen betrachten, da es im ganzen und großen überall dasſelbe iſt und im weſentlichen ſtets miteinander über— einſtimmt. Schon in einem früheren Aufſatze wurde hervorgehoben,

daß der weitaus größte Teil der Borneo-Kohlen im tertiären wellenförmig geſtalteten Hügellande ſich vorfindet, welches Hügelland ſich einerſeits anlegt an die mehr oder weniger hohen Bergketten der Inſel, das „Gebirgsland“, und anderer:

ſeits ſich anliegt an das Diluvium, das „feite Flach: land“, und die weit ausgedehnten morajtigen Gegenden, das „Sumpfland”, Das Tertiär, vom indifchen Bergingenieur Verbeet

zum Cozän gerechnet, bejteht befanntlich aus SandfteinIhichten, Mergellagen und darauffolgenden Kalfen. Sn erjteren Schichten, alſo in der unterften Stufe dieſer Sormation, welche aus einer Wechjellagerung von ver: Ihieden gefärbten Sandſteinen und Schieferthonen beiteht,

welch letzteren oft Thoneifenfteinfonfretionen eingefchaltet find, kommen ausfhließlih die Kohlenlagen vor. Die Mächtigfeit diefer Lagen ſowohl als vie Anzahl und Mächtigkeit der Kohlenflöge ift wohl lokal manchen Schwank—⸗ ungen unterworfen, im weſentlichen jedoch iſt das Ver—

halten überall dasſelbe. Die das Alter der Formationen beſtimmenden Ver— ſteinerungen finden ſich in den Schieferthonen; es ſind meiſt den Charakter einer tropiſchen Fauna tragende

Gaſteropoden,

Die Kohlenlager Borneo’s, Bon Dr. Theodor

Poſewitz.

Bekanntlich ift Borneo eine der fohlenreichiten Inſeln im oſtindiſchen Archipel. Vielorts findet man in den Ein— ſchnitten der zahlreichen Flüffe im Innern des Landes Kohlenlager zwifchen Sandfteinfchichten eingebettet, und ebenfo trifft man fie an manchen Stelle an der Küfte an, wo fie ſich bis zur Gee erſtrecken. Durch zahlreiche Unter: ſuchungen im Laboratorium und praftifche Berfuche auf Dampfihiffen wurde der Wert diefer Kohlen bejtimmt,

aber trogdem,

daß fie von ziemlich guter Qualität be-

funden wurden, liegen die ungebeuren Kohlenſchätze mit wenigen Ausnahmen noch unbenüßt im Schoße der Erde.

Abgeſehen

von ihrer Gewinnung

in minimalen

Quanti-

täten durch Eingeborene, welche im Tagebau fie ausbeuten und an Dampfichiffe verlaufen, befteht mit Ausnahme von

darunter

mehrere

Natika-Formen;

dann

zahlreiche Pelezypoden, mit Ausnahme von Cyrena ſämt— lich Meeresbewohner, und andere mehr. In den Sand— ſteinſchichten ſelbſt findet man bloß wenig gut erhaltene

Pflanzenüberreſte. Bezeichnend für dieſe Formation iſt auch das Auftreten von Augit- und Hornblende-Andeſiten mit begleitenden Tuffmaſſen, in deren Nähe die Kohlenlagen vielfach geſtört und verworfen erſcheinen. Ihr Alter iſt jünger als das der Kohlenflöge, da erſtere Bruchſtücke von die Kohlen einſchließenden Sandſteinen enthalten. Ihr geotektoniſches

Verhalten iſt ein ähnliches wie des umgebenden Hügel⸗ landes. Dieſes

kurz geſchilderte

geologiſche Vorkommen

Kohlen findet man überall in Borneo. Kohlen

erſten Kohlen

in Süd-Borneo.

in Borneo

a) Pengaron.

und überhaupt

der

Die

im indiſchen

Die Kohlenlager Borneo's.

997

Archipel wurden vor 40 Jahren durch Dr. Schtvaner, einen

langſame Fortfchreiten der Arbeit iſt erklärlich, wenn man

Deutjhen von Geburt, am Ufereinfchnitte des Flufjes Riam

bedenkt, daß die Arbeiter erit eingeübt werden mußten, daß fih oft zahlreiche Erkranfungsfälle unter ihnen zeigten; ferner hatte man mit Wafjereinbrüchen zu Fämpfen oder es fehlte das nötige Holz zur Zimmerung, welches von Java bezogen wurde; außerdem wirkte auch ſehr verzögernd auf die Arbeiten, daß von Batavia aus alles dirigiert wurde und oft Monate vergingen, ehe man für biejes oder jenes eine Antwort oder Zuftimmung erhalten hatte, Das Grubenperfonal beiteht gegenwärtig aus einem Diveftor= Ingenieur, drei Steigen, zwei Mafchiniften, einigen einheimischen Auffehern und einigen adminiſtra— tiven Beamten. Die Arbeiter find ſämtlich Sträflinge, 300 bis 400 an Zahl; die gefchieteren unter ihnen werden als Zimmerleute, Steinmeße, Auffeher benüßt, die übrigen arbeiten in der Grube je acht Stunden und erhalten für befonders ſchwere Arbeit einen Kleinen Ertralohn. Den: jenigen, die fih durch gute Aufführung auszeichnen, tjt e3 geftattet, fi in der Nähe der Grube eine Wohnung zu bauen und dafelbjt zu wohnen. So ift mit der Heit ein hübſches Dorf entftanden, two jeder fein eigenes Haus und Garten beſitzt. Auf der Grube find drei Dampfmafchinen und ein Ventilator im Betrieb, Nacd Berechnung fönnen in zehn Stunden Zeit 120 Ton Kohlen gefördert und in zwölf Stunden Zeit 1000 Cm Waſſer gehoben werden. Für die Sicherheit des Ortes forgt ein kleines Detachement Truppen unter Befehl eines Lieutenants. Die Produktion erreichte nie eine erhebliche Höhe, am größten war fie 1856, in welchem Jahre 13,325 Tonnen Kohle gefördert wurden. Zu diefer Zeit war auch die Produktion per Kopf die höchſte; nämlich 38 Tonnen per Kopf. Die Blütezeit der Grube war in den Jahren 1853 bis

Kiwa

nächſt

Anregung öffnet,

dem

Meratus-Gebirge

entdedt.

Auf feine

wurde 1846 die erite Kohlengrube dafelbit er:

24 Km,

flußaufivärts

von Pengaron, am gleich:

namigen Fluſſe gelegen. Das Einftürzen des mangelhaft angelegten Schachtes und die ungünftige Lage des Dites, wobei die Abfuhr auf dem teils untiefen, teils Strom: ſchnellen enthaltenden Fluſſe Sehr oft nicht möglich war, hatten das Verlaſſen der Grube zur Urfache und eine neue Grube wurde mehr flußabwärts eröffnet an der Hügel: veihe Pengaron, die Grube DranjeNaffau, welche von

1848 bis auf den heutigen Tag beiteht. Die Kohlenlagen in Bengaron jtreichen nordöstlich) und fallen gegen SW. unter einem Winkel von 35 bis 500, Die Anzahl der Kohlenflöge beträgt 19 in einer Geſamt— mächtigfeit von 10,66 m. Die Wächtigfeit der Zwiſchen— mittel beträgt in dem jchon lange verlafjenen Stollen Wer. I. 149,04 m.,

davon entfallen 105,50 m. auf Thonfchiefer:

lagen, der Reit auf Sandjteine.

Gegen Dften zu nehmen

die Zwiſchenmittel ab, die Kohlenflötze nähern fid) einander; oft find die Schichten bis zu 80% aufgerichtet, wahrjchein:

lich infolge der in Pengaron an manchen Stellen auf: tretenden Andefite; beveutendere Verwerfungen fommen indefjen nicht vor.

Die Kohlen jelbit find dicht, Schwarz und pechglängend, da und dort noch Holzſtruktur zeigend und ftellenmweife gelbliches Harz einſchließend; der Gehalt an Eiſenkies beträgt im Mittel 1,0%. Im Beginne wurden von den

19 Kohlenlagen 6 abgebaut, die Schichten a, b, c, d, e, f, bald jedoch wegen zu geringer Mächtigfeit e und b aufgelajjen.

Gegenwärtig wird

nur die Yage c (2,0 m.

mächtig) abgebaut; die übrigen Schichten find zu wenig konſtant, a iſt in der Tiefe zu bröcklich.

Die Gefchichte des Kohlenbergbaues in Pengaron ums faßt zwei Perioden; die erſte bis 1872, wo Stollenbau getrieben wurde, die zweite von 1872 bis heute, wo mit

einem Tiefbau begonnen wurde. Sm Beginne wurden drei belgische

Bergleute

nad)

Borneo berufen, die, jeder felbjtändig, einen Teil der Hügel:

reihe abbauten.

1852 erhielt die Oberleitung der Grube

der Reſident, der höchſte Zivilbeamte in Süd-Borneo, während in Pengaron felbit ein Grubenaufjeber (Ober: fteiger) und ein Adminiftrator thätig waren. Vom Jahre 1872 ab erhielt die Betriebsleitung ein technifch gebildeter

1859 bei einer Produktion von über 10,000 Tonnen jährlich. 1859 bis 1863 erreichte diefe nicht einmal 2500 Tonnen per Jahr. Diefer Nüdfall rührt von den damals herr: fchenden inneren Unruhen her. Auch feit dieſer Zeit aber bis zum heutigen Tag ift die jährliche Produktion eine

geringe, zwiſchen 7000

bis 10,000 Tonnen ſchwankend.

Die Urfache davon ift bauptfächlich zu fuchen darin, daß die Abfuhr feinen gleichen Schritt mit der Produktion zu halten

vermag, wodurch eine Anhäufung von Kohlen bei der Grube

mit einander durch einen

Die Kohlen werden mitteljt eiferner Kähne bis nad) Bandjermaffin, dem Landungsorte für größere Schiffe, transportiert. Diefer Transport ift aber nur möglich zur Regenzeit, da der Fluß Riam Kiva zur trodenen Jahres: zeit ſtellenweiſe zu untief ift. Außerdem werden die eifernen Kähne auch noch zu anderen Zwecken benüßt, zum Salz— oder Süßtvaffertransport, welches für die Kohlenabfuhr nicht förderlich wirft. Von Bandjermaffin werden Die Kohlen nad einem Hafen von Java transportiert. Der Preis per Ton ift loco Bandjermaffin 11 31. und in Java

Berbindungsftollen vereinigt; doch dauerte es fieben Jahre bis diefe dem Betriebe übergeben werden fonnten. Diejes

gegen 18 Fl. Die Kohlen werden ausfchlieglic zum Verbraud für

Bergingenieur. Während des’ Stollenbetriebes wurde eine horizontale Strede von 3500 qm. abgebaut; und der Tiefbau wurde beichlofien, da die Kohlen voraussichtlich mittelft erſteren Betriebes bald abgebaut zu fein ſchienen. Zwei Schächte

für Förderung

und

Wafferhaltung wurden bis zu einer

Tiefe von 75,m. abgeteuft und

entfteht.

398

Die Kohlenlager Borneo's.

die Marine ausgebeutet. Die etwas hohen Regiekoſten und befonders der eine größere Produktion verhindernde unzweckmäßige Transport beivirken, daß die Grube mit einem jährlichen Defizit zu fämpfen hat, und außerdem find die Kohlen in der Tiefe von minderer Qualität. Daher wurde in legterer Zeit befchloffen, die Grube gänz— lich aufzulaffen, eventuell an Private zu berpachten, was auch binnen kurzer Zeit gejchehen wird nad) einem 35jährigen Beſtande. b) Aſſahan. Diefe Grube ift einige Kilometer

mehr flußabwärts als Vengaron, ebenfalls am Riam Kiwa gelegen.

Sie wurde

1869 eröffnet, als man

mit den Vorarbeiten

zum Tiefbau

in Pengaron

begonnen hatte und

man befürchtete, daß die noch abzubauenden Kohlen eher abgebaut fein werden (beim Stollenbetriebe), als man zum Abbau in der Tiefe fchreiten fünnte. Um aud während diefer Zeit Kohlen liefern zu können, wurde die Grube Aſſahan eröffnet und im Sahre 1880 wiederum aufge: Iaffen, als man in Pengaron den Tiefbau begann. Die Produktion während des neunjährigen Beitandes beivegte fih per Jahr zwiſchen 3000 bis 4000 Tonnen und er: reichte nie 5000 Tonnen. Auch bier war e3 wiederum der unzwedmäßige Transport, der eine Steigerung der Produktion verhinderte. ec) Andere Fundorte In SKalangan beitand in den fünfziger Jahren eine Kohlengrube, einer Privatgeſell— Ihaft gehörend und mit Mafchinenfraft arbeitend; jedoch) während des Aufjtandes 1859 wurde das ganze Perſonal ermordet und feitdem iſt die Grube verlaffen. Un vielen anderen Stellen fommen Kohlen vor, von

von Eingeborenen gelieferten Kohlen praktiſch auf Dampf— ſchiffen geprüft und als von guter Qualität erkannt. 1853 wurden die erſten Unterſuchungen durch den Bergingenieur Everwyn unternommen. Längs dem mittleren und oberen Lauf des Kapuas-Stromes, des mächtigſten Fluſſes Weit: Bornev’s, und einiger feiner Nebenflüffe entdedte er an mehreren Orten Kohlenflöge von verſchiedener Mächtigfeit.

Das Ergebnis feiner Unterfuhungen ift folgendes: Längs dem mittleren und oberen Laufe des Kapuas-Fluſſes eriftiert ein Kohlenbedfen von ungefähr 45 MI. Länge und 15 MI. größter Breite (bei Sintang). Gegen die See zu — gegen Weiten — ift diefes Beden offen und bier ſchließen fich jüngere Bildungen, befonders Alluvialmafjen an. Außer diefem Beden jcheinen feine Kohlenflöße in

Weſt-Borneo oberen Teiles dürften,

vorzufommen, vielleiht mit Ausnahme des von

Sambas,

die aber unbedeutend fein

Das Alter des KapunsKohlenbedens wurde als das nämliche erfannt, twie das von Pengaron in Süd-Borneo,

da diefelben werden.

charakteriſtiſchen Foffilien dafelbit gefunden

Auch hier bilden die Kohlenſchichten ein hügeliges

Terrain, ftellenweife durchbrochen

von jüngeren Eruptiv—

geiteinen, und die Kohlen felbft find von derjelben Qualität

wie die von Pengaron. Kohlen

in Dit-Borneo.

Die eriten Kohlen wurden

in Oſt-Borneo im Reiche Kutei am Mahakkam-Fluſſe 1846 entdeckt; fie wurden auf Dampfern praftifch geprüft und als von guter Qualität erklärt. Der erſte Zivilbeamte in Kutei

unterfuchtentin im Auftrage der Regierung die Kohlenfundorte und fand auch an mehreren Stellen Koblenflöße anjtehend.

denen ich jedoch nur wenige erwähnen will, welche ich teils

1855 nahm

jelbjt, teild nur die von dort jtammenden Kohlen befich: tigen konnte, So finden ſich Kohlen längs der Süd: von

terrain auf. Er fonftatierte das Webereinjtimmen des dortigen Kohlenvorfommens mit den Kohlenfhichten in

Oſt-Borneo

PVengaron, ſowohl was das geoteftonifche Vorkommen als die Zuſammenſetzung, Lagerungsverhältniffe, Alter und Quantität der Kohlen betraf. Anfangs wurde die Aus:

trennenden

Gebirgsfette

in der Nähe von

Barabai, am Fluffe Balangan, bei Tandjong, im Diftrikte Duffon Timor; ferner in Zentral-Borneo am Fluſſe Teweh, Ya bay, Lime. Die unruhigen Zeiten während meines Aufenthaltes im Innern Borneo's erlaubten mir leider nicht, dieſe letzteren intereſſanten Lokalitäten zu bejuchen, und ich mußte mich daher beſchränken, die Kohlen allein

zu beſichtigen, worden

waren.

welche Auch

von

Eingeborenen

herbeigebracht

im Bereiche der mehr weſtlicheren

Ströme, im Gebiete des Kapuas, Kahajan, Kottawaringin finden ſich allerorts Kohlenflötze, ſodaß man annehmen muß, es exiſtiere inSüd-Borneo ein ungeheuer ausge— dehntes Kohlenbecken, deſſen Ausende überall längs den Gebirgsrändern im Oſten und Weſten ſowohl als im

Norden zu Tage tritt. Kohlen in Weſt-Borneo. Das Vorkommen von Kohlen in Weſt-Borneo war den Eingeborenen gewiß ſchon ſeit langer Zeit bekannt, allein da ſie den Wert derſelben nicht ſogenau kannten, wie denjenigen des Goldes und des Diamanten, ſo blieb es viele Jahre hindurch den

Europäern unbekannt.

Im Jahre 1850 wurden die erſten

der Bergingenieur C. de Groot das Kohlen:

beutung Privaten überlaffen, dann baute die Negierung in eigener Negie die Kohlen ab, und ſeit 1872 find jie dem Gultan von Kutei überlaffen worden, der jie nun durch Eingeborene (im Stollenbetrieb) abbauen läßt und an Regierungsichiffe und Private verkauft. Die Produktion

war ſtets eine geringe; fie betrug 3. B. 1872 blos 950 Tonnen. : Genauer unterfuht find außer dieſer Lokalität Die Kohlen

der Inſel Laut (Pulu Laut)

gegenüber der ſüd—

öftlihen Spitze Bornev’s. An mehreren Stellen treten diefe an der Küſte zu Tage; ihre Lagerungsverhältniſſe jind jedoch vielfach gejtört und verworfen durch Andefit: durchbrüche. Das geotektoniſche Verhalten und die Qualität der Kohle find diefelben wie in Pengaron; dasfelbe ſcheint es mit dem Alter der Zall zu fein. Bon Süden nad Norden an der Oſtküſte wandernd, jind Stohlen noch befannt: bei Kap Batu, im Reiche Pa:

gattan am Fluſſe Batu litjin, in der Klupang-Bai und

De d U d a T nLSm

d

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Kleinere Mitteilungen.

nördlich von Kutei in der Nähe der Flüſſe Bulongan und

gefängen,

Berauw.

lichen

Am leßtgenannten Fluſſe beim Orte Sambiliung

wurde in der lebten Zeit durch Bergingenieur Hooze das Koblenvorfommen näher unterfudt. Die Kohlen follen

guter Qualität fein, zum Teil den Braunfohlen ähneln; und es hat auch eine Gefellfchaft um die Konzeffion nach: gefucht, die Kohlen abzubauen. Der